Der Weimarer Hof um 1800: Eine Sozialgeschichte jenseits des Mythos 9783486728965, 9783486725025

Around 1800, Weimar was seen as the ultimate ‘court of the muses.’ Yet Weimar was a politically insignificant, small, de

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German Pages 575 [579] Year 2013

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Table of contents :
Vorwort
Einleitung
1. Kulturelle Selbstverständlichkeiten
1.1 Die Freiheit des Fürsten
1.2 Zeremonielle Erwartungen an einen Fürstenhof des 18. Jahrhunderts
1.2.1 Größe und Struktur eines Hofes
1.2.2 Hofordnung(en)
1.2.3 Hoffinanzen
1.2.4 Hoforganisation: Die Führungsspitze des Hofes
1.2.5 Hofdienst - Der verpflichtete Adel als Zeichen von Stand und Rang
1.3 Zusammenfassung
2. Die ranggemäße Größe desWeimarer Hofes
2.1 Wer gehörte zumWeimarer Hof?
2.2 Der quantitativ vermessene Hof
2.3 Weimars Stellung in der deutschen Hoflandschaft
2.4 Der Napoleon-Effekt auf die Symbolkraft der deutschen Höfe nach 1806
2.5 Fazit: Ein großer Hof für einen hohen Rang
3. Ein Hof ohne (Hof-)Ordnung?
3.1 Die Zerstückelung der traditionellen Gesamtordnungen
3.2 Carl Augusts (Des-)Interesse am Hof
3.3 Sauber, ordentlich, respektvoll
3.4 Bekanntmachung und Durchsetzung der Hofordnungen
3.5 Entwicklungstendenz
3.6 Zusammenfassung
4. DerWeimarer Hof als vielfältige Einheit mit individuellen Hofprofilen
4.1 Der sich wandelnde Kernhof von Carl August
4.1.1 Die Ausgliederung der herzoglichen Jägerei
4.1.2 Das Mehr und das Weniger im Bereich des Hofmarschallamtes
4.1.3 Die vier Geistesgrößen und derWeimarer Hof
4.2 Der Durchschnittshof der Herzogin Louise
4.2.1 Louises unbeständiger Personalstamm
4.2.2 Geschlechtsspezifische Bedingungen für den lebenslangen Hofdienst
4.2.3 Der Ehevertrag als Garant personalpolitischer Freiheiten und Grenzen
4.2.4 Louises Hofgröße im Vergleich
4.2.5 Louises Hofpersonal im Vergleich
4.3 Anna Amalias eigenständigerWitwenhof mit musischem Profil
4.3.1 Die ,eigene‘ Personalpolitik derWeimarer Fürstenwitwe
4.3.2 Anna Amalias musisches Hofprofil in der (Witwen-)Hoflandschaft
4.3.3 Der tote Hof – Die Versorgung des „nachgelassenen“ Hofpersonals
4.4 Stufenweise Expansion: Carl Friedrichs Erbprinzenhof
4.4.1 Der bürgerliche Hofstaat des heranwachsenden Erbprinzen
4.4.2 Die standesgemäße Begleitung für den unvermählten Jüngling
4.4.3 Exkurs: Carl Augusts Heiratsprojekte für seinenronfolger
4.4.4 Der gemeinsame Hofstaat von Carl Friedrich und Maria Pawlowna
4.5 Von Gleichbehandlung hin zur Zurücksetzung?
4.5.1 Die Höfe der Nachgeborenen Caroline Louise und Carl Bernhard
4.5.2 Die Bevorzugung der hochrangigen Enkelkinder
4.5.3 Der bürgerliche Hof des Bruders - Constantins Hofstaat im Militär
4.6 Zusammenfassung
5. Repräsentationspolitik qua Personal. Der verpflichtete Adel des Hofes
5.1 Die Führungspersönlichkeiten desWeimarer Hofes
5.1.1 Das soziale Profil derWeimarer Führungspersönlichkeiten
5.1.2 Der Abgang vom Hof
5.1.3 Die Aufgabenfelder der höchsten Hofämter
5.1.4 Die Vakanzpolitik des Herzogs um 1800
5.2 DieWeimarer Hofdamen
5.2.1 Sanftes Regiment? Die Fluktuation unter den verpflichteten Adelsdamen
5.2.2 Die Auswahlkriterien für die Verpflichtung als Hofdame
5.2.3 Die Leistungen des Hofes für seine Hofdamen
5.2.4 Die Erwartungen an dieWeimarer Hofdamen
5.3 Die Kammerherren desWeimarer Hofes
5.3.1 Die Entwicklung der Kammerherren hin zur Verdopplung ihrer Zahl
5.3.2 Die Auswahlkriterien für die Titularkammerherren
5.3.3 Die Auswahlkriterien für die wirklichen Kammerherren
5.3.4 Der Dienst der Kammerherren amWeimarer Hof
5.3.5 Zusammenfassung
5.4 DieWeimarer Hof-, Jagd- und Kammerjunker
5.4.1 DerWeg zum wirklichen Junker unter Carl August
5.4.2 Das ständische Profil der wirklichen Junker
5.4.3 Aufstieg und Ausstieg der wirklichen Junker
5.4.4 Die charakterisierten Junker
5.4.5 Der Dienst der Junker amWeimarer Hof
5.4.6 Zusammenfassung
5.5 DieWeimarer Pagen
5.5.1 DerWeg zumWeimarer Pagen
5.5.2 Die Kosten desWeimarer Pageninstituts
5.5.3 Der Nutzen desWeimarer Pageninstituts
5.5.4 Zusammenfassung
Resümee: DerWeimarer Hof um 1800 als repräsentativer Personenverband
Abkürzungs- und Siglenverzeichnis
Abkürzungen der Archivsignaturen
Abkürzungen der Amtskalender
Die Ahnentafeln des verpflichtetenWeimarer Hofadels
Ungedruckte Quellen
Gedruckte Quellen
Ahnentafeln
Stammbaum Sachsen-Weimar-Eisenach
Quellen- und Literaturverzeichnis
Ungedruckte Quellen und Literatur
Gedruckte Briefeditionen
Nachschlagewerke
Gedruckte Quellen und Literatur
Abbildungsverzeichnis
Personenregister
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Der Weimarer Hof um 1800: Eine Sozialgeschichte jenseits des Mythos
 9783486728965, 9783486725025

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Stefanie Freyer Der Weimarer Hof um 1800

bibliothek altes Reich Herausgegeben von Anette Baumann, Stephan Wendehorst und Siegrid Westphal

Band 13

Stefanie Freyer

Der Weimarer Hof um 1800 Eine Sozialgeschichte jenseits des Mythos

Oldenbourg Verlag München 2013

Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung für Geisteswissenschaften in Ingelheim am Rhein und mit der Unterstützung des Forschungszentrums Laboratorium Aufklärung in Jena.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress.

© 2013 Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH Rosenheimer Straße 143, 81671 München, Deutschland www.degruyter.com/oldenbourg Ein Unternehmen von De Gruyter Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechts. Umschlaggestaltung: hauser lacour, www.hauserlacour.de. Umschlagbild: Weimarer Residenzschloß vor dem Brande mit der früheren Hauptwache, Künstler unbekannt, vor 1774, Aquarell, Papier, auf blaue Pappe gezogen. © Klassik Stiftung Weimar, Khz. 01932. Gedruckt in Deutschland Dieses Papier ist alterungsbeständig nach DIN/ISO 9706. ISBN 978-3-486-72502-5 E-ISBN 978-3-486-72896-5

Inhaltsverzeichnis Vorwort

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Einleitung

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1. Kulturelle Selbstverständlichkeiten

45

1.1 1.2 1.2.1 1.2.2 1.2.3 1.2.4 1.2.5 1.3

Die Freiheit des Fürsten . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zeremonielle Erwartungen an einen Fürstenhof des 18. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Größe und Struktur eines Hofes . . . . . . . . . . . . . . Hofordnung(en) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hoffinanzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hoforganisation: Die Führungsspitze des Hofes . . . . . Hofdienst − Der verpflichtete Adel als Zeichen von Stand und Rang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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2. Die ranggemäße Größe des Weimarer Hofes 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5

Wer gehörte zum Weimarer Hof? . . . . . . . . . . . . Der quantitativ vermessene Hof . . . . . . . . . . . . . Weimars Stellung in der deutschen Hoflandschaft . . . Der Napoleon-Effekt auf die Symbolkraft der deutschen Höfe nach 1806 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fazit: Ein großer Hof für einen hohen Rang . . . . . . .

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3. Ein Hof ohne (Hof-)Ordnung? 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 3.6

Die Zerstückelung der traditionellen Gesamtordnungen . Carl Augusts (Des-)Interesse am Hof . . . . . . . . . . . Sauber, ordentlich, respektvoll . . . . . . . . . . . . . . . Bekanntmachung und Durchsetzung der Hofordnungen Entwicklungstendenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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4. Der Weimarer Hof als vielfältige Einheit mit individuellen Hofprofilen 4.1 Der sich wandelnde Kernhof von Carl August . . . . . . . 4.1.1 Die Ausgliederung der herzoglichen Jägerei . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis

4.1.2 Das Mehr und das Weniger im Bereich des Hofmarschallamtes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.3 Die vier Geistesgrößen und der Weimarer Hof . . . . . . . 4.2 Der Durchschnittshof der Herzogin Louise . . . . . . . . . 4.2.1 Louises unbeständiger Personalstamm . . . . . . . . . . . 4.2.2 Geschlechtsspezifische Bedingungen für den lebenslangen Hofdienst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.3 Der Ehevertrag als Garant personalpolitischer Freiheiten und Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.4 Louises Hofgröße im Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.5 Louises Hofpersonal im Vergleich . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Anna Amalias eigenständiger Witwenhof mit musischem Profil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.1 Die ,eigene‘ Personalpolitik der Weimarer Fürstenwitwe . . 4.3.2 Anna Amalias musisches Hofprofil in der (Witwen-)Hoflandschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.3 Der tote Hof – Die Versorgung des „nachgelassenen“ Hofpersonals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4 Stufenweise Expansion: Carl Friedrichs Erbprinzenhof . . . 4.4.1 Der bürgerliche Hofstaat des heranwachsenden Erbprinzen 4.4.2 Die standesgemäße Begleitung für den unvermählten Jüngling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.3 Exkurs: Carl Augusts Heiratsprojekte für seinen Thronfolger 4.4.4 Der gemeinsame Hofstaat von Carl Friedrich und Maria Pawlowna . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5 Von Gleichbehandlung hin zur Zurücksetzung? . . . . . . 4.5.1 Die Höfe der Nachgeborenen Caroline Louise und Carl Bernhard . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5.2 Die Bevorzugung der hochrangigen Enkelkinder . . . . . . 4.5.3 Der bürgerliche Hof des Bruders − Constantins Hofstaat im Militär . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.6 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Repräsentationspolitik qua Personal. Der verpflichtete Adel des Hofes 5.1 5.1.1 5.1.2 5.1.3 5.1.4 5.2 5.2.1

Die Führungspersönlichkeiten des Weimarer Hofes . . . . Das soziale Profil der Weimarer Führungspersönlichkeiten Der Abgang vom Hof . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Aufgabenfelder der höchsten Hofämter . . . . . . . . . Die Vakanzpolitik des Herzogs um 1800 . . . . . . . . . . Die Weimarer Hofdamen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sanftes Regiment? Die Fluktuation unter den verpflichteten Adelsdamen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

165 169 173 177 184 190 195 200 206 206 219 229 235 236 245 251 258 266 267 285 291 300 307 309 309 332 346 348 361 362

5.2.2 5.2.3 5.2.4 5.3 5.3.1 5.3.2 5.3.3 5.3.4 5.3.5 5.4 5.4.1 5.4.2 5.4.3 5.4.4 5.4.5 5.4.6 5.5 5.5.1 5.5.2 5.5.3 5.5.4

Inhaltsverzeichnis

7

Die Auswahlkriterien für die Verpflichtung als Hofdame . . Die Leistungen des Hofes für seine Hofdamen . . . . . . . Die Erwartungen an die Weimarer Hofdamen . . . . . . . Die Kammerherren des Weimarer Hofes . . . . . . . . . . Die Entwicklung der Kammerherren hin zur Verdopplung ihrer Zahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Auswahlkriterien für die Titularkammerherren . . . . Die Auswahlkriterien für die wirklichen Kammerherren . . Der Dienst der Kammerherren am Weimarer Hof . . . . . Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Weimarer Hof-, Jagd- und Kammerjunker . . . . . . . Der Weg zum wirklichen Junker unter Carl August . . . . Das ständische Profil der wirklichen Junker . . . . . . . . . Aufstieg und Ausstieg der wirklichen Junker . . . . . . . . Die charakterisierten Junker . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Dienst der Junker am Weimarer Hof . . . . . . . . . . Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Weimarer Pagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Weg zum Weimarer Pagen . . . . . . . . . . . . . . . Die Kosten des Weimarer Pageninstituts . . . . . . . . . . Der Nutzen des Weimarer Pageninstituts . . . . . . . . . . Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

365 381 385 392 394 401 408 415 425 428 429 447 449 455 461 466 469 470 474 477 481

Resümee: Der Weimarer Hof um 1800 als repräsentativer Personenverband

483

Abkürzungs- und Siglenverzeichnis

491

Abkürzungen der Archivsignaturen . . . . . . . . . . . . . . . . . Abkürzungen der Amtskalender . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Ahnentafeln des verpflichteten Weimarer Hofadels

493 494 497

Ungedruckte Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gedruckte Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ahnentafeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

497 497 505

Stammbaum Sachsen-Weimar-Eisenach

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Quellen- und Literaturverzeichnis

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Ungedruckte Quellen und Literatur Gedruckte Briefeditionen . . . . . Nachschlagewerke . . . . . . . . . Gedruckte Quellen und Literatur .

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Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

563

Personenregister

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Vorwort Die vorliegende Studie wurde im Wintersemester 2011/2012 von der Philosophischen Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität Jena als Dissertationsschrift angenommen und für den Druck geringfügig überarbeitet. Sie ist im Rahmen des Sonderforschungsbereiches 482 „Ereignis Weimar-Jena. Kultur um 1800“ im Teilprojekt „Hof, Herrschaft und politische Kultur“ entstanden. An erster Stelle möchte ich mich herzlich bei meinem Betreuer Prof. Dr. Georg Schmidt bedanken. Sein ausgewogenes Konzept des Forderns und Förderns gewährte mir viel Freiraum zum eigenständigen Arbeiten, zog mich aber auch immer wieder ganz pragmatisch in die Bahnen des universitären Wissenschaftsbetriebs zurück. Mit Blick auf den zügigen Abschluss des Promotionsverfahrens seien Prof. Dr. Hans-Werner Hahn und Prof. Dr. Harriet Rudolph für das zweite bzw. dritte Gutachten, ihre Anregungen und ihr konsequentes Weiterdenken meiner Arbeit ebenfalls herzlich gedankt. Meinen zahlreichen Kollegen und Kolleginnen des Sonderforschungsbereiches 482 und des Jenaer Historischen Instituts verdanke ich wertvolle Hinweise, Gespräche und Vorarbeiten. Da der SFB bei meinem Beginn bereits in seine letzte Phase startete, konnte ich meine Forschungen auf ein breites Fundament, insbesondere auf die langjährig intensiv geführten interdisziplinären Diskussionen um das „Ereignis Weimar-Jena“ aufbauen. Namentlich möchte ich mich gern bedanken bei Dr. Astrid Ackermann für die kritische Lektüre des Rangkapitels und bei Dr. Andreas Klinger, der mich als SFB-Projektleiter sicher durch die technischen, organisatorischen und stellenweise auch zwischenmenschlichen Herausforderungen geleitet hat. Auch Prof. Dr. Siegrid Westphal möchte ich an dieser Stelle gern meine Hochschätzung ausdrücken, da sie mich während meines Studiums als studentische Hilfskraft gefördert und mit ihrem Feuer für die Wissenschaft immer wieder inspiriert hat. Aus diesem Grund freue ich mich außerordentlich über die Aufnahme in die Reihe „bibliothek altes Reich“, die sie zusammen mit Prof. Dr. Anette Baumann und Dr. Stephan Wendehorst herausgibt. Ihnen wie auch den Mitarbeitern des Oldenbourg Verlages, Dr. Julia Schreiner und Stefan Schäfler, gilt ebenso mein Dank, wie auch Frau Margit Pantke, die das externe Korrektorat übernommen hat. Die Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung für Geisteswissenschaften und das Forschungszentrum Laboratorium Aufklärung haben den Druck durch großzügige Druckkostenzuschüsse erst möglich gemacht. Meine Anerkennung gilt zudem den zahlreichen Archivaren und Bibliothekaren; insbesondere dem Weimarer Hauptstaatsarchiv und der Fernleihabteilung der Jenaer Universitätsbibliothek, die trotz mancher Stolpersteine in der Regel einen kreativen Weg gefunden haben, mir Archivalien und alte Drucke zur Verfügung zu stellen.

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Vorwort

Nicht zuletzt möchte ich zwei ganz besonderen Menschen danken: Peter Langen, dessen scharfer Geist und herzlicher Humor die vielen Tage im Archiv zum Genuss und so manche Anekdote aus den Quellen unvergesslich werden ließ. Sein stets fundiertes kritisches Feedback war immer ein wohltuender Ansporn. Das Gleiche gilt für Claudia Häfner, deren analytische Sorgfalt und „Aufkleberchen“ mich vor allem auf der Zielgeraden enorm motiviert haben. Abschließend sei meiner gesamten Familie gedankt, die mich voller Vertrauen entspannt meinen Weg gehen ließ und lässt. Am Ende ein Wort an die Leser meiner Studie, denen ich für ihr Verständnis für den schlanken Anhang danken möchte: In der Bibliographie sind bewusst nur die Titel gelistet, die im Anmerkungsapparat verzeichnet sind und damit entweder erforderliche Belege beinhalten oder in einem engen Bezug zum Textinhalt stehen. Jena, Sommer 2013

Stefanie Freyer

Einleitung Die Forschung zum Weimarer Hof um 1800 Obwohl die Quellen aus der Zeit um 1800 an keiner Stelle den Weimarer Hof als Musenhof bezeichnen, ist der Hof von Carl August von SachsenWeimar-Eisenach (1757–1828) ebenso wie der Hof seiner Mutter Anna Amalia (1739–1807) bis heute untrennbar mit diesem Begriff verbunden. Urheber dieser wirkmächtigen Charakterisierung ist der Historiker Wilhelm Wachsmuth (1784–1866),1 der sich nicht ganz zwei Jahrzehnte nach Carl Augusts Tod dem „Lieblingssitz der deutschen Musen“2 zuwandte und fragte, wie gerade Weimar zu jener „Musenstadt“ werden konnte, „wo dem denkenden Menschen Anschauung und Erinnerung auf allen Wegen im innigsten Bunde“ begegneten. Eine Antwort fand er in der Art und Weise, wie Carl August und Anna Amalia ihr geselliges Leben, vor allem aber ihre Höfe führten. Beide hätten dem Zeremoniell ablehnend gegenübergestanden, um stattdessen „jede[m] Fremde[n] von poetischem oder künstlerischem Talente gastfreundlich“ ihre Türen zu öffnen. Am Weimarer Hof habe die Einladung von Dichtern, Denkern und Künstlern „zur Tagesordnung“ gehört.3 Anna Amalia habe dazu zwar nur eine „von dem Rigorismus der Etikette entbundene, aber dem Gesetze zarten Anstands untergeordnete Ungezwungenheit“ gepflegt.4 Carl August seien dagegen ganz prinzipiell der „Zwang der geregelten Hofsitte und die Langweiligkeit des nur im ceremoniellen Gleise wandelnden Hofstaats (. . . ) lästig“ gewesen.5 Er habe das Hofleben geradezu verabscheut und deshalb ein Leben „ohne alle Normalformen der Convenienz“ vorgezogen.6 Dieses Gebaren sei freilich nicht nur auf Gegenliebe gestoßen. Insbesondere „die Verabsäumung des Ceremoniels“ und „die Nichtbeachtung der Standesmäßigkeit bei dem Zulaß am Hofe“7 habe Unmut erweckt. Der Erfolg rechtfertigte jedoch recht bald diese Regelbrüche. Denn „nicht Berlin, Dresden, Wien, München, Leipzig, Halle, Göttingen hatten einen so glanzvollen Verein hochragender Stimmführer der deutschen schönen Literatur und eine so zahlreiche Jüngerschaft um die Meister“,8 sondern 1

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Wilhelm Wachsmuth: Weimars Musenhof in den Jahren 1772–1807. Historische Skizze. Berlin 1844, Vorwort, unpag. Wachsmuth setzte seiner wissenschaftlichen Arbeit stets zum Ziel, „die Gegenwart und Vergangenheit aufeinander zu beziehen“. Ebd., S. 81. Ebd., S. 19, Zitat S. 60. Ebd., S. 23. Ebd., S. 36. Ebd., S. 95. Ebd., S. 57. Ebd., S. 169.

12

Einleitung

allein „Weimar ward als Lieblingssitz der deutschen Musen vom gesamten Vaterlande anerkannt und geehrt.“ 9 Wachsmuths Erzählung vom unkonventionellen Musenhof prägte die Vorstellung vom Weimarer Hof nachhaltig. Sie bot für etliche nachfolgende Generationen eine überzeugende Erklärung, weshalb sich Geistesgrößen wie Goethe, Schiller, Herder und Wieland in Weimar versammelten und eine kulturelle Schaffenskraft entfalteten, die nicht nur ihre Zeitgenossen beeindruckte, sondern der kleinen Residenzstadt10 und ihrem Hof anhaltend den Ruf als Zentrum der deutschen Klassik sicherte. Eduard Vehse (1802–1870) griff keine zehn Jahre später Wachsmuths Begrifflichkeit und Deutung des Weimarer Musenhofes auf und baute sie in seine Beschreibung der deutschen Höfe ein.11 Er gestand dem Weimarer Hof neben dem preußischen Hof die höchste Anerkennung zu, da ihm alles zu verdanken sei, „was heut zu Tage von Bildung im Großen und Ganzen unter uns lebt“.12 Im Unterschied zu Wachsmuth verteilte Vehse allerdings die Rollen neu: Nicht Carl August, sondern Anna Amalia wäre es gelungen, „den kleinen Hof zum Asyl für die damals auftauchenden deutschen Kraftgenies, zum Sammelplatz der Koryphäen der durch sie begründeten neuen deutschen Nationalliteratur zu erheben“.13 Carl August sei dagegen der ,junge Wilde‘ gewesen, der zunächst mit Goethe Geniestreiche getrieben hatte, sich später aber auf seine epochemachende Erziehung durch das „Kraftgenie“ Wieland besann und zum klugen Fürsten heranreifte. 14 Vehse vermied es, über des Herzogs Einstellung zu Hof und Zeremoniell zu urteilen, erklärte allerdings freimütig dessen Gattin Louise (1757–1830) zur formenstrengen Hüterin des Zeremoniells.15 Wachsmuths Betonung der unkonventionellen Hofführung geriet damit in den Hintergrund.16 Vehse bot stattdessen Weimars Kleinheit, Enge und Beschränktheit als Erklärung an: In dem kleinen Land, der kleinen Stadt und dem kleinen Hof konnten die Dichter und Denker gar nicht anders,

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Ebd., S. 81. Eine aktuelle Stadtgeschichte legte jüngst Sebastian Hunstock vor. Er verzichtet allerdings auf eine nähere Bestimmung des Hofes. Vgl. ders.: Die (groß-)herzogliche Residenzstadt Weimar um 1800. Städtische Entwicklungen im Übergang von der städtischen zur bürgerlichen Gesellschaft (1770–1830). Jena 2011. Vgl. Eduard Vehse: Geschichte der deutschen Höfe seit der Reformation. 5.Abth.: Sachsen. Geschichte der Höfe des Hauses Sachsen. Erster Theil. Hamburg 1854. Den Begriff des Musenhofes benutzte Vehse in seiner ganzen Darstellung insgesamt nur zwei Mal, vgl. ebd., S. 202, 229. Ebd., S. 1. Ebd., S. 59. Vgl. ebd., S. 60. Vgl. ebd., S. 108. Den Begriff des Musenhofes benutzte Vehse wahrscheinlich deshalb in seiner ganzen Darstellung insgesamt nur zwei Mal. Vgl. ebd., S. 202, 229.

Einleitung

13

als zwangsläufig aufeinanderzutreffen.17 Dies „bewirkte gerade, daß man sich innerlich um so näher kam“.18 Weimars Größe verdanke sich seiner Kleinheit. Vehse geriet mit dieser Interpretation allerdings an seine Grenzen, als er versuchte, den Hof zu beziffern, da er dabei nicht umhin kam, die Vielzahl der hohen und niederen Hofbediensteten zu bemerken.19 Um dennoch seine Idee des Kleinen, aus dem Großes hervorging, nicht aufgeben zu müssen, kategorisierte er Weimar kurzerhand als den „glänzendste[n] Hof unter den kleinen Höfen Deutschlands“.20 Wilhelm Bode (1862–1922) brachte zu Beginn des 20. Jahrhunderts schließlich die beiden Interpretationsmuster von Wachsmuth und Vehse zusammen und kombinierte das Kleine mit dem Unkonventionellen. Er baute in seiner Trilogie21 über das Leben der Herzogin Anna Amalia und in der nachfolgenden Monographie über den weimarischen Musenhof22 die Erzählstruktur von Vehse aus, fügte selbst jedoch keine neue Interpretation hinzu.23 Stattdessen ließ er die zahlreich zusammengetragenen Quellen für sich sprechen und präsentierte in chronologischer Reihenfolge eine Fülle an biographischen Details von geistreichen Bewohnern und Besuchern Weimars. In den folgenden Jahrzehnten änderte sich an diesen Interpretationsmustern wenig. Weder die historische noch die literaturwissenschaftliche Forschung zweifelten an der Idee des Musenhofes.24 Sie interessierten sich allerdings auch nicht für den Hof, der als Personenverband nach spezifischen zeremoniellen Regeln funktionieren sollte, sondern richteten ihre Aufmerk17 18 19 20 21 22 23

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Für das kleine Land siehe z. B. ebd, S. 83, 330; für die kleine Stadt, ebd. S. 67, 86f., 132; für den kleinen Hof ebd., S. 59, 61, 86, 226, 321. Ebd., S. 86. Vgl. ebd., S. 330. Ebd. Wilhelm Bode: Das vorgoethische Weimar. Berlin 1908; ders.: Der Musenhof der Herzogin Anna Amalie. Berlin 1908; ders.: Ein Lebensabend im Künstlerkreise. Berlin 1908. Wilhelm Bode: Der weimarische Musenhof 1756–1781. Berlin 1917. Allein mit der Datierung des Musenhofes unterschied sich Bode merklich von seinen Vorgängern. Wachsmuth setzte den Umzug Wielands nach Weimar 1772 an den Anfang und Anna Amalias Tod an das Ende. Bode verlagerte den Musenhof in die Zeitspanne zwischen 1756 bis 1783. Er setzte damit Anna Amalias Heirat an den Anfang und bestimmte 1783 zum Ende, da Goethe nun ein „klassischer, aber auch einsamer Dichter geworden“ sei und damit ein „ruhigere[r], gleichgültigere[r] Zustandes“ begonnen habe. Vgl. ebd., S. VI. Die Literatur zu Weimar ist mittlerweile unüberschaubar. Beispielhaft sei hier auf Dieter Borchmeyer verwiesen, der den Weimarer Hof nebenbei als klein und „hochgradig verbürgerlicht“ kategorisiert. Vgl. ders: Weimarer Klassik. Portrait einer Epoche. Weinheim 1998, S. 169; Friedrich Sengle: Das Genie und sein Fürst. Die Geschichte der Lebensgemeinschaft Goethes mit dem Herzog Carl August von Sachsen-Weimar-Eisenach. Ein Beitrag zum Spätfeudalismus und zu einem vernächlässigten Thema der Goetheforschung. Stuttgart/Weimar 1993; Norbert Oellers/Robert Steegers: Treffpunkt Weimar. Literatur und Leben zur Zeit Goethes. Stuttgart 1999.

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samkeit entweder auf die Dichter und Denker − insbesondere auf Goethe −, auf deren ästhetische Produkte oder aber auf die fürstlichen Personen des Weimarer Herrscherhauses.25 Der Hof fungierte dabei lediglich als vage bestimmte Chiffre im Hintergrund. Durch dieses Desinteresse war die Wirkkraft von Wachsmuth, Vehse und Bode noch in den 1990er Jahren ungebrochen. Es verwundert deshalb nicht, dass Volker Bauer 1993 seine Typologisierung der deutschen Höfe, die in der Forschung viel Beachtung fand, auf den Deutungen der Jahrhundertwende aufbaute.26 In seinem idealtypischen Konzept des Musenhofes radikalisierte er Bodes kombinierte Idee vom Kleinen und Unkonventionellen und reduzierte sie auf eine schlichte Kompensationstheorie. Das Weimarer Fürstenhaus soll demnach die Pflege, Ausübung und Förderung von Künsten und Wissenschaften gezielt als Surrogat für fehlende (macht-)politische Ressourcen genutzt haben. Da Carl August nur ein mindermächtiger Fürst gewesen sei, der ein politisch unbedeutendes, kleines Herzogtum regierte und dort mit erdrückenden ökonomischen Verhältnissen kämpfte, habe er keinen großen, glänzenden, zeremoniellen Hof unterhalten können.27 Um darüber hinwegzutäuschen und dennoch überregionales Renommee zu gewinnen, schuf er den Musenhof par excellence, d. h. einen protegierten Raum zur Entfaltung von Kultur und Wissenschaft ohne Standesschranken. Das Bild des Weimarer Hofes wurde durch diese Kompensationstheorie scharf umrissen: Er war klein, er war unbedeutend, und er konnte das für einen Herzogshof notwendige Zeremoniell nicht umsetzen. Um das auszugleichen, scharte Carl August Dichter und Denker um sich und instrumentalisierte deren Erfolge für das Prestige seines Fürstenhauses. Die neuere Forschung begann Ende der 1990er Jahre, diese Einschätzung zu hinterfragen und dem ,Mythos Weimar‘ durch intensive Quellenstudien auf den Grund zu gehen.28 Joachim Berger wählte dazu den biographi25

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Eine Ausnahme stellte Walter H. Bruford dar, der bei seiner Suche nach den gesellschaftlichen Grundlagen der Goethezeit auch Höfe und Hofleben in den Blick nahm, zwischen beidem aber nicht klar trennt und den Leser mit einer Vielzahl an Thesen, Zahlen und Daten konfrontiert, ohne dabei anzugeben, woher diese stammen. Er kommt dabei zu recht fragwürdigen Aussagen. Vgl. Walter H. Bruford: Die gesellschaftlichen Grundlagen der Goethezeit. Mit Literaturhinweisen von Reinhardt Habel. Ungekürzter Text nach der deutschen Ausgabe Weimar 1936. Frankfurt am Main/Berlin/Wien 1975, S. 76–106; ders.: Kultur und Gesellschaft im klassischen Weimar 1775–1806. Übersetzt von Karin McPherson. Göttingen 1966, bes. S. 57–76. Hans Eberhardt ist ebenfalls eine Ausnahme, da er die sozialen Gruppen der Residenzstadt Weimar zu eruieren sucht. Allerdings kann er für den Hof nur Angaben von 1699 und 1820 gegenüberstellen. Der Hof um 1800 bleibt bei ihm unbestimmt. Vgl. ders: Goethes Umwelt. Forschungen zur gesellschaftlichen Struktur Thüringens. Weimar 1951. Vgl. Volker Bauer: Die höfische Gesellschaft in Deutschland von der Mitte des 17. bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts. Versuch einer Typologie. Tübingen 1993, bes. S. 73–77. Vgl. Bauer: Höfische Gesellschaft, S. 75. Vor allem der Jenaer Sonderforschungsbereich 482 „Ereignis Weimar-Jena. Kultur um

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schen Zugang und fokussierte sich auf Anna Amalia von Sachsen-WeimarEisenach,29 die bis dahin sowohl von der Forschung als auch von der populärwissenschaftlichen Literatur als „Wegbereiterin der Weimarer Klassik“ gefeiert wurde.30 Berger dekonstruierte diese Zuschreibung als Glorifizierung und stellte fest, dass die als Mäzenin gerühmte Herzogin weder den Anspruch vertrat, Weimar gezielt zu einem intellektuellen Zentrum auszubauen, noch die höfischen Standesschranken zu diesem Zwecke zurücksetzte.31 Das rückblickende 19. Jahrhundert habe im Dienste des großherzoglichen Hauses eine vermeintlich kausale Kontinuitätslinie von der Berufung Christoph Martin Wielands (1733–1813) zum Prinzenerzieher im Jahre 1772 bis hin zur Kunstförderung Carl Alexanders von Sachsen-Weimar-Eisenach (1818–1901) gezeichnet. Für Berger ist diese Legende nicht haltbar,32 da Anna Amalia keine weitsichtige Kulturpolitikerin gewesen sei, die ihren Hof planmäßig für Dichter und Denker öffnete. Sie sei vielmehr eine gewöhnliche Fürstin gewesen, die – wie viele andere Fürstinnen ihrer Zeit – die Langeweile des Hoflebens durch Unterhaltung und Bildung zu überwinden suchte. Ihr Tod 1807 habe nach der militärischen Niederlage bei Jena und Auerstedt dann allerdings eine einmalige Gelegenheit zur kulturpolitischen Inszenierung Weimars geboten, die Goethe und Christian Gottlob (von) Voigt (1743−1819) nicht ungenutzt vorüberziehen ließen. Mit einem überschwänglichen Nekrolog für Anna Amalia ergriffen sie die politisch gewichtige Chance und legten erfolgreich den Grundstein für die Verklärung der Herzogin, die nicht nur bei Napoleon, sondern bis in die zweite Hälfte

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1800“ setzte sich damit zwischen 1998 und 2010 intensiv auseinander. Eine Skizze des Ereignis(begriffs) findet sich zum Beispiel bei Georg Schmidt: Das Ereignis Weimar-Jena und das Alte Reich, in: ders./Lothar Ehrlich/ (Hrsg.): Ereignis Weimar-Jena. Gesellschaft und Kultur um 1800 im internationalen Kontext. Köln/Weimar/Wien 2008, S. 11–32. Vgl. Joachim Berger: Anna Amalia von Sachsen-Weimar-Eisenach (1739–1807). Denk- und Handlungsräume einer ,aufgeklärten‘ Herzogin. Heidelberg 2003. Ursula Salentin benennt beispielsweise diese These bereits im Buchtitel und deutet später im Text Wielands Berufung explizit als ersten Schritt zum Weimarer Musenhof. Vgl. dies.: Anna Amalia. Wegbereiterin der Weimarer Klassik. Köln/ Weimar/Wien 1996, bes. S. 83. Populär, vielfach verkauft und aufgelegt ist das Werk von Peter Merseburger: Mythos Weimar. Zwischen Geist und Macht. 6. Auflage. München 2009, in dem Anna Amalia z. B. auf S. 49 zur Begründerin des Musenhofes wird. Pointierter als in der Dissertationsstudie formuliert Berger dies in seinen darauf folgenden Aufsätzen. Vgl. z. B. Joachim Berger: Anna Amalia und das Ereignis Weimar-Jena, in: Hellmuth Th. Seemann (Hrsg.): Anna Amalia, Carl August und das Ereignis Weimar. Göttingen 2007, S. 13–30, bes. S. 29. Die ausführliche Argumentation ist zu finden bei Joachim Berger: Die Erfindung der Weimarer ,Musenhofs‘ durch Editionen im 19. Jahrhundert, in: Dieter Degreif (Hrsg.): Archive und Kulturgeschichte. Referate des 70. Deutschen Archivtags. Siegburg 2001, S. 295–314; ders: Höfische Musenpflege als weiblicher Rückzugsraum? Herzogin Anna Amalia von Weimar zwischen Regentinnenpflichten und musischen Neigungen, in: Marcus Ventzke (Hrsg.): Hofkultur und aufklärerische Reformen in Thüringen. Die Bedeutung des Hofes im 18. Jahrhundert. Köln/Weimar/Wien 2002, S. 52–81.

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des 20. Jahrhunderts nachhaltig ihre Wirkung entfalten sollte. Mit seinen Studien relativierte Joachim Berger die Rolle der bis dahin überaus einprägsam stilisierten Weimarer Zentralmuse. Auch Volker Bauers zugespitzte Hoftypologisierung geriet durch diese quellenbasierten Ergebnisse erstmals ins Wanken: Wenn Anna Amalia keine planvolle Kulturpolitik betrieben hatte, dann schien auch die weitsichtige Kompensationsstrategie für ihren Hof nicht mehr plausibel. Ein essentielles Kriterium der Musenhoftypologisierung war damit gerade am Paradebeispiel Weimar widerlegt. Gleiches wurde auch für Carl Augusts Hof durch Marcus Ventzke, der die Reformen des Weimarer Herzogtums erforscht hat, in Frage gestellt.33 Denn auch Anna Amalias Sohn schien in seinem ersten Regierungsjahrzehnt finanziell keinen besonderen Wert auf die Förderung von Kunst und Wissenschaft gelegt und stattdessen Luxusausgaben für den Hof bevorzugt zu haben.34 Zwar finden sich bei ihm durchaus Aufwendungen für wissenschaftliche, künstlerische oder pädagogische Zwecke, allerdings bewegte sich dieses Mäzenatentum offenbar im Rahmen des Üblichen und beschränkte sich auf die „in jedem Staat des späten 18. Jahrhunderts ,selbstverständlichen‘ Ausgaben im Kultusbereich“.35 Die Bilanzen der Kammerkasse, Hofkasse und Schatulle säen also auch bei Carl August Zweifel an einer außergewöhnlichen Förderung von Künsten und Wissenschaften. Die These einer planvollen Kompensation lässt sich demnach weder für Anna Amalia noch für Carl August aufrechterhalten, da beide diese Bereiche offenbar nicht intensiver als andere Fürsten gefördert haben. Die Grundlage des Musenhofkonzeptes blieb davon allerdings weitgehend unberührt. Weimar galt weiterhin als unscheinbarer Hof, der mit anderen Höfen des Alten Reiches in Glanz und Pracht nicht konkurrieren konnte und deshalb um sein Prestige fürchten musste. Das Bild des unauffälligen Hofes scheint sogar intensiv weitergepflegt worden zu sein, um die Durchschnittlichkeit bzw. Normalität des Weimarer Fürstenhauses umso nachdrücklicher herausstellen zu können.36 Die idealtypische Kategorisierung des Weimarer Hofes als Musenhof blieb dadurch im Kern erhalten: Zwar galt es nun als widerlegt, dass Dichter und Denker zielstrebig nach Weimar gelockt wurden. 33 34 35

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Vgl. Marcus Ventzke: Das Herzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach 1775−1783. Ein Modellfall aufgeklärter Herrschaft? Köln/Weimar/Wien 2004. Vgl. ebd., bes. S. 93–110. Ebd., S. 100. Ventzke lässt dabei allerdings offen, auf welche Vergleichstudien oder Quellen sich seine Einschätzung des Üblichen bzw. der selbstverständlichen Ausgaben im Kultusbereich stützt. Christiane Coester gewinnt bei der Dissertationsstudie von Joachim Berger den Eindruck, er wolle die „Musenhof-Legende“ in einen „Anti-Mythos“ verkehren. Vgl. Christiane Coester: Rezension zu: Berger, Joachim: Anna Amalia von Sachsen-WeimarEisenach (1739–1807). Denk- und Handlungsräume einer ,aufgeklärten‘ Herzogin. Heidelberg 2003, in: H-Soz-u-Kult, 30. September 2004, .

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Allerdings sagte dies wenig über den Hof an sich aus und stellte das Postulat, dort Defizite überspielen zu müssen, nicht in Frage. Denn selbst wenn sich die zahlreichen Geistesgrößen rein zufällig in Weimar versammelt haben, stellt dies nicht in Abrede, dass Anna Amalia und Carl August diesen Zufall für sich zu nutzen wussten, indem sie das Kompensationspotential ,ihrer‘ Musen ab einem bestimmten Punkt erkannten und deren Ruhm geschickt für das Renommee ihres Herrscherhauses instrumentalisierten. Lediglich der Zeitpunkt der bewussten Kompensation musste neu bestimmt werden.37 Mit der Dekonstruktion der „Musenhoflegende“ fiel also nur ein einziger Aspekt weg: die weitsichtig ausgeklügelte Förderung von Künsten und Wissenschaften. Die These der dringend benötigten kompensierenden Inszenierung blieb aber ebenso erhalten wie das Bild des politisch unbedeutenden, kleinen, defizitären Weimarer Hofes. Die jüngste Forschung hat daran bisher wenig gerüttelt. Zwar beziehen sich viele ältere wie neuere Studien auf den Weimarer Hof, allerdings belassen sie es entweder bei der bloßen Benennung, um ihre Relevanz ,im Schatten‘ des vielgerühmten Musensitzes zu unterstreichen,38 oder aber sie schließen sich der Idee der bewussten Inszenierung des Hofes an, weil sie damit eine weitgehend akzeptierte Erklärung für das ,Ereignis Weimar-Jena‘, d. h. für die kulturelle Blüte um 1800, liefern konnten.39 Gleichwohl gab es daneben auch erste Ansätze, den Hof genauer zu bestimmen. So fragte zum Beispiel Marcus Ventzke explizit danach, was den Hof zum Hof macht. Seine ambivalente Antwort beschränkt sich zunächst auf einen kurz skizzierten Entwurf eines Negativbildes, das Carl August in seinen ersten Regierungsjahren „einen bewußten Bruch mit der überkommenen höfischen Welt“ attestiert, der, „gewollt oder ungewollt, einem quasibürgerlichen Leben entsprach“.40 Der Hof sei dem frisch gekürten Herzog wie ein fremder Organismus vorgekommen, weshalb er sich in der Kommission, die nach seinem Regierungsantritt die Einrichtung des Hof- und Stalletats beschließen sollte, sodann auch „nicht als Teil und Haupt des Hofes“, sondern wie ein Außenstehender verhielt.41 Da Weimar zudem bis in die 1780er Jahre unter akuten Finanzproblemen litt, sei der Hof moralisch verfallen.42 Carl August habe diesen Verfall akzeptiert und stellenweise sogar 37

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Ebendies macht z. B. Klaus Ries, indem er die bewusste Inszenierung von Kultur als Herrschafts- und Politikinstrument anerkennt und in Weimar als „einzigartig für einen solch kleinen Hof im ausgehenden Ancien Régime“ einstuft. Den Beginn der Inszenierung sieht er spätestens 1795. Vgl. ders.: Kultur als Politik. Das „Ereignis Weimar-Jena“ und die Möglichkeiten und Grenzen einer „Kulturgeschichte des Politischen“, in: HZ, Bd. 285 (2007), S. 303–354, hier 306f., 318. So jüngst z. B. Andreas Krause: Verwaltungsdienst im Schatten des Weimarer Musensitzes. Beamte in Sachsen-Weimar-Eisenach zwischen 1770 und 1830. Jena 2011. Vgl. z. B. Ries: Kultur als Politik. Vgl. Ventzke: Herzogtum, S. 81. Ebd. Zur moralischen Verfallsthese vgl. Ventzke: Herzogtum, S. 44–46; zu den Finanzproblemen siehe ebd., bes. S. 48–128.

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noch befördert, indem er „sein ,Hofleben‘ mit Personen inszenierte, die kein Hofrecht besaßen“.43 Er agierte damit offenbar konträr zu seiner Mutter Anna Amalia, für die der Hof immer Zentrum und natürlicher Handlungsraum geblieben sei.44 Wenngleich das Leben am Witwenhof durch ihre dilettierenden Geselligkeiten umgestaltet wurde, habe es doch nie eine Abwertung wie bei Carl August erfahren. Obwohl Ventzke selbst einräumt, dass sich schon die Zeitgenossen unsicher gewesen seien, inwieweit „es sich bei den Aktivitäten des jungen Herzogs um eine höfische oder außerhöfische Lebensweise handelte“,45 wurde das Bild des defizitären Weimarer Hofes mit seiner Studie um einen desinteressierten, quasibürgerlichen Herzog reicher. Im Zuge der Ausstellung zur Zarentochter Maria Pawlowna (1786–1859), die 1804 den Erbprinzen Carl Friedrich (1783–1853) heiratete und daraufhin in Weimar ihr neues Wirkungsfeld fand, wurde der Hof sodann umfassender als ein mehrteiliges System aus verschiedenen Hofhaltungen sowie Versorgungs- und Unterhaltungseinrichtungen betrachtet.46 Wenngleich sich die Ausführungen im Katalog nur auf wenige Seiten beschränken, vermitteln zwei graphische Darstellungen zu ,Hof und Hofstaat‘ einerseits und ,Hof und Staat‘ andererseits eine scharf umrissene Struktur. Demnach setzte sich der Weimarer Hof zwischen 1775 und 1859 gleichbleibend aus einem regierenden Hof, einem verwitweten Hof, einem erbgroßherzoglichen bzw. zuvor erbprinzlichen Hof und dem Hof des Prinzen Carl Bernhard (1792–1862) zusammen.47 Neben diesen Hofstaaten, die mit ihren adeligen und nicht adeligen Bediensteten als ein Personenverband begriffen werden, standen offenbar abgetrennt die Einrichtungen des Hofmarschallamtes, wie zum Beispiel die Hofküche, die Hofgärtnerei oder die Hofkapelle. Die Trennung zwischen Hofstaaten und Hofmarschallamt bleibt dabei allerdings ebenso ungeklärt wie die Art der Verbindung der einzelnen Höfe untereinander.48 Bei genauerem Hinsehen widersprechen sich die Graphiken sogar in ihrer Zuordnung. Während eine Darstellung die Hofküche getrennt von den Hofstaaten 43 44 45 46

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Ventzke: Herzogtum, S. 45. Vgl. Berger: Anna Amalia, S. 515. Ventzke: Herzogtum, S. 47. Dabei bleibt offen, was das standardisierte Hofleben dagegen ausmachte. „Ihre kaiserliche Hoheit“. Maria Pawlowna. Zarentochter am Weimarer Hof. Eine Ausstellung der Stiftung Weimarer Klassik und Kunstsammlungen im Schloßmuseum Weimar, 20. Juli bis 26. September 2004. Katalog und CD-R. Hrsg. von der Stiftung Weimarer Klassik und Kunstsammlungen unter der Projektleitung von Gert-Dieter Ulferts. München/Berlin 2004. Vgl. ebd., S. 66–67. Darin werden folgende Familienmitglieder des Hauses Sachsen-Weimar-Eisenach in ihren jeweiligen Lebensstationen eingeordnet: Louise, Anna Amalia, Maria Pawlowna, Ida (1794–1852), Sophie (1824–1897), Pauline (1852–1904) einerseits und Carl August, Carl Friedrich, Bernhard, Carl Alexander und Carl August (II.) (1844– 1894) andererseits. Vgl. die Graphik „Hof und Staat in Sachsen-Weimar-Eisenach um 1830“ und „Hof und Hofstaaten von 1804 bis 1859“, ebd., S. 65–66.

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verortet, suggeriert die andere, dass jeder einzelne Hofstaat eigene Lakaien, Küche und Stall besessen habe. Zudem sucht man die Höfe der Prinzessinnen Caroline Louise (1786–1816), Maria Louisa Alexandrina (1808–1877) und Maria Louise Augusta Catharina (1811–1890) sowie den Hof des jung verstorbenen ersten Sohnes der Erbprinzessin, Paul Alexander (1805–1806), vergeblich. Die wenigen, konkreteren Angaben werfen zudem mehr Fragen auf, als sie beantworten. So werden für jeden einzelnen Hofstaat die hohen Hofchargen beziffert, allerdings ohne einen Hinweis, wie zum Beispiel die Spanne zwischen 25 bis 50 Kammerherren für den regierenden Hof zu verstehen ist. Schwankte die Zahl der Kammerherren stets zwischen diesen beiden Polen, war sie mit den Jahren rückläufig oder ansteigend? Warum veränderte sich überhaupt die Zahl der adeligen Hofchargen? Wie viel Raum nahmen sie im gesamten Hof ein, wie viele nicht adelige Hofbedienstete standen ihnen gegenüber, und inwiefern war dies gewöhnlich oder besonders? Trotz der erklärenden Aufsätze im zweiten Teil des Ausstellungsbandes, die vereinzelt ebenfalls den Anschein einer personellen Entwicklung des Hofes erwecken, bleibt vieles im Unklaren. Umso ausdrücklicher wird dagegen betont, dass „die Standesschranken am Weimarer Hof im »bürgerlichen Jahrhundert« gewahrt“ wurden, da der innere Hofstaat Maria Pawlownas – bestehend aus Oberhofmeister/in, Kammerherren und Hofdamen – Adeligen vorbehalten war, auch wenn „bei kleineren Geselligkeiten und literarischen Abenden gelegentlich auch Bürgerliche teilnehmen konnten“.49 Die ständische Distinktion wäre unter Carl Friedrich und Maria Pawlowna dazu durch eine differenzierte Hofrangordnung und die Pflicht zum Tragen der Hofuniform „ausgeweitet“ worden.50 Es wird also ein Wandel diagnostiziert, der eine lockere, liberalere Handhabung unter den vorhergehenden Regentschaften Carl Augusts und Anna Amalias zwangsläufig voraussetzt. Das Bild des standesliberalen Weimarer Hofes um 1800 erfuhr damit eine Bestätigung, wenn nicht gar eine Bestärkung.51 49 50

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Joachim Berger/Ulrike Müller-Harang: Feste Strukturen. Hofstaat und Finanzen 1804– 1859, in: ebd., S. 63. Vgl. ebd. Marko Kreutzmann kommt in seiner Studie zu den beiden Adelsfamilien von Fritsch und von Ziegesar ebenfalls zu dem Ergebnis, dass unter Carl August am Hof „ein Verschmelzungsprozess zwischen Adel und Bürgertum in Gang gesetzt“ wurde, der später wegen der restaurativen Bestrebungen Carl Friedrichs Konfrontationen provozierte. Vgl. Marko Kreutzmann: Zwischen ständischer und bürgerlicher Lebenswelt. Adel in Sachsen-Weimar-Eisenach 1770 bis 1830. Köln/ Weimar/Wien 2008, S. 239–257, Zitat S. 257. Die sehr disparaten Aufsätze im zweiten Teil des Bandes perpetuieren zudem das Bild vom defizitären Weimarer Hof, indem sie zum Beispiel Carl Friedrich als Erbprinzen eines „politisch unbedeutenden, armen mitteldeutschen Fürstentums“ charakterisieren. Vgl. Ulrike Müller-Harang: Carl Friedrich von Sachsen-Weimar-Eisenach. Ein Freund des Schönen, in: Maria Pawlowna Ausstellungskatalog, Teil 2: CD-R, S. 52–72, Zitat S. 57. Andererseits unterstreichen sie die besondere Inszenierung des Hofes durch die nachfolgenden Generationen des 19. Jahrhunderts. Vgl. bes. die Aufsätze von Joachim Berger:

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Die drei Jahre später folgende zweite Ausstellung der Klassik Stiftung Weimar suchte sodann in Zusammenarbeit mit dem Jenaer Sonderforschungsbereich52 die neuesten Erkenntnisse über die regierenden Zentralpersonen Anna Amalia und Carl August sowie zum Entstehen der Weimarer Klassik zwischen 1757 und 1807 zu bündeln. Das Bild des freisinnigen Weimarer Hofes wurde im Zuge dessen einerseits bejaht, andererseits zugleich stark abgemildert. Allein Anna Amalias Witwenhof soll ein Ort der Kreativität „ohne Zwang der Etikette“ gewesen sein.53 Der gesamte übrige Hof – von „Carl August und seinem Dichter-Minister Goethe bis zu jenem Hoftischler Mieding (1725–1782), der die Kulissen für die Aufführungen des Liebhabertheaters improvisierte“ – habe dagegen zwar ebenfalls eine „unglaubliche intellektuelle und künstlerische Kreativität“ ausgelebt, dabei jedoch das Dekorum gewahrt. Dies sei für die Hofgesellschaft des 18. Jahrhunderts eine grundsätzlich neue Erfahrung gewesen, auch wenn zu der Zeit bereits etliche andere, ähnlich funktionierende Musenhöfe bekannt waren. Der Weimarer Hof war demnach etwas Besonderes. Dabei wird aber offengelassen, wie es gelang, die künstlerische Freiheit und das Zeremoniell miteinander zu vereinbaren, und in welcher Art und Weise sich diese scheinbare Neukombination von dem traditionellen, aber zugleich neuen Lebensstil anderer Höfe konkret unterschied. Lediglich das Fehlen des 1774 abgebrannten Schlosses wird als entscheidender Faktor benannt, der zu einer „fast familiären Nähe zwischen den fürstlichen Personen und ihrer Umgebung“ geführt habe,54 weil die Etikette und Hofbürokratie nur noch eingeschränkt habe praktiziert werden können.55 In welchen Bereichen die Etikette gewahrt werden konnte und wo sie wegen Raumnot aufgebrochen wurde, bleibt allerdings ungeklärt. Carl Augusts Hof erhielt mit dem zweiten Ausstellungsband also einen weiteren interpretativen Feinschliff, indem er nun per Definition als schicklich

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Die Medienfürstin. Höfische Repräsentation im »bürgerlichen Jahrhundert«, in: ebd., S. 125–143; Marcus Ventzke: Kunstsinnigkeit als Problemverdrängung? Die Weimarer Hoffinanzen vom Ende des Alten Reichs bis zur Revolution von 1848/49, in: ebd., S. 85– 96. Gemeint ist der an die Friedrich-Schiller-Universität Jena angeschlossene, aber mittlerweile beendete Sonderforschungsbereich 482 „Ereignis Weimar Jena. Kultur um 1800“. Vgl. http://www2.uni-jena.de /ereignis/ [Zugriff: 13. Juni 2011]. Vgl. Gerhard Müller/Jonas Maatsch: Zur Einführung, in: Ereignis Weimar. Anna Amalia, Carl August und das Entstehen der Klassik 1757–1807. Katalog zur Ausstellung im Schloßmuseum Weimar [1. April bis 4. November 2007]. Hrsg. von der Klassik Stiftung Weimar und dem Sonderforschungsbereich 482 „Ereignis Weimar-Jena. Kultur um 1800“ der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Leipzig 2007, S. 16–37, Zitat S. 31. Ebd., S. 29. Ebd. Hier zeigen sich Parallelen zu Wachsmuth, der aufgrund eines Briefes von Carl August an Merck aus dem Jahre 1780 schloss, dass „die herzogliche Familie nach dem Schloßbrande (. . . ) selbst in Wohnung und Hofhaltung äußerst beschränkt war“. Vgl. Wachsmuth: Weimarer Musenhof, S. 50–51.

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kategorisiert wurde. Eine präzisere inhaltliche Bestimmung erfuhr er jedoch nicht. Beide Ausstellungen waren für die Forschung äußerst wertvoll. Denn obwohl sie die Desiderate zum Weimarer Hof nicht explizit benannten, legten sie diese doch sehr deutlich offen. Der Weimarer Hof um 1800 war und ist eine Chiffre mit multipler Deutung ohne Inhalt. Fragt man nach der konkreten personellen Ausgestaltung des Hofes, nach seiner sozialen Praxis, nach inneren Strukturen oder nach Funktionen und Funktionieren, dann finden sich bisher erstaunlich wenige Antworten.56 Es scheint demnach an der Zeit, hinter das liebgewonnene, vieldiskutierte Konzept der Musenhofinszenierung zu schauen und zu fragen, wer der Weimarer Hof um 1800 eigentlich war und wie Carl August seinen Hof tatsächlich ausgestaltete.

Fragestellung und allgemeiner Forschungsstand zum Hof des 18. Jahrhunderts Der Fokus der vorliegenden Studie liegt auf der höfischen Personalpolitik zwischen 1790 und 1810, um aufzudecken, nach welchen Prinzipien Carl August seinen Hof um 1800 zusammenstellte und inwieweit diese mit den Prinzipien des Zeremoniells im Einklang standen. Das Konzept des Musenhofes geht davon aus, dass der Herzog seinen Hof zwar durchaus zur Repräsentation nutzen wollte,57 dies aber nicht auf traditionellem Weg realisieren konnte, da es ihm nicht möglich war, das Zeremoniell standesgemäß umzusetzen. Demzufolge gilt es anhand der Quellen zu prüfen, ob Carl August tatsächlich einen defizitären Hof unterhielt, der seinem Stand nicht gerecht werden konnte und einer Kompensation bedurfte. Um dies beurteilen zu können, muss einerseits bestimmt werden, welche Stellung Carl August in der Hierarchie des Alten Reiches bzw. Europas einnahm, und andererseits, welche Erwartungen an einen Hof im 18. Jahrhundert gestellt wurden und was dementsprechend als 56

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Diese Fragen werden allerdings bereits seit längerem immer wieder gestellt. So z. B. Hans-Werner Hahn: Gesellschaftlicher Wandel und kulturelle Blüte. Die gesellschaftlichen Voraussetzungen und Folgen des Ereignisses Weimar-Jena im Spiegel der neueren Forschungen, in: Lothar Ehrlich/Georg Schmidt (Hrsg.): Ereignis Weimar-Jena. Gesellschaft und Kultur um 1800 im internationalen Kontext. Köln/Weimar/Wien 2008, S. 47– 65, bes. S. 57; Georg Schmidt: Das Jahr 1783: Goethe, Herder und die Zukunft Weimars: in: Marcus Ventzke: Hofkultur und aufklärerische Reformen in Thüringen. Die Bedeutung des Hofes im späten 18. Jahrhundert. Köln/Weimar/Wien, S. 138–168, hier S. 139f. Es gilt mittlerweile als Gemeinplatz, dass ein frühneuzeitlicher Hof der Repräsentation diente. Vgl. Andreas Pečar: Gab es eine höfische Gesellschaft des Reiches? Rang- und Statuskonkurrenz innerhalb des Reichsadels in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts, in: Harm Klueting/Wolfgang Schmale (Hrsg.): Das Reich und seine Territorialstaaten im 17. und 18. Jahrhundert. Aspekte des Mit-, Neben- und Gegeneinanders. Münster 2004, S. 183–205, hier S. 183.

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standesgemäßes Defizit galt. Erst vor dieser Folie, die mit Hilfe der so genannten Zeremonialwissenschaft konstruiert werden kann, lässt sich der Weimarer Hof in seiner personell-sozialen Dimension bestimmen und dahingehend bewerten, ob und inwieweit die Kategorisierung als Musenhof zutreffend ist oder nicht. Gleichwohl zielt die Studie aber nicht allein auf eine Verifikation oder Falsifikation der Musenhofzuschreibung, sondern sucht darüber hinaus den Weimarer Hof als Personalverband mit seinen spezifischen Eigenheiten zu erfassen, in der Hoflandschaft um 1800 zu verorten und seine Reaktionen auf gesellschaftliche, politische und soziale Umbrüche offenzulegen. Besonderes Augenmerk gilt dabei dem Ende des Alten Reiches im Jahr 1806, in dem für die deutschen Höfe der politische Orientierungsrahmen verloren ging. Für dieses Fragespektrum reicht eine bloße Gegenüberstellung von (zeremonieller) Norm und Praxis des Weimarer Hofes freilich nicht aus − zumal das Zeremoniell selbst den frühneuzeitlichen Hof weder als isoliertes Einzelgebilde betrachtete, noch dessen personelle Einrichtung und Gestaltung starr außerhalb des jeweiligen Wertehorizontes seiner Zeit fixierte. Es charakterisierte und definierte die Höfe vielmehr in Relation zueinander und barg damit bereits inhärent Raum für zeittypische Veränderungen in der Umsetzung seiner grundlegenden Prinzipien.58 Wenn also der Weimarer Hof in seiner personellen Zusammensetzung sinnvoll im Kontext seiner Zeit bestimmt werden soll, dann gilt es die Untersuchungsbasis zu erweitern und neben der zeremoniellen Norm auch die Praxis anderer deutscher Fürstenhöfe − zumindest ansatzweise − vergleichend in den Blick zu nehmen und den Weimarer Zuständen gegenüberzustellen. Dieses Vorhaben trifft auf ein beachtliches Desiderat in der Hofforschung. Obwohl schon seit den 1990er Jahren von verschiedenen Seiten immer wieder prosopographische Grundlagenforschung und kompetente Lokalstudien eingefordert wurden,59 ist über die strukturelle und personelle Zusammensetzung der deutschen Höfe im 18. Jahrhundert bisher wenig bekannt. Zweifellos ist in den letzten 20 Jahren vor allem der Hof des späten Mittelalters und der beginnenden Frühen Neuzeit bis in das 17. Jahrhundert hinein als wertvoller 58 59

Vgl. dazu Kapitel B. Vgl. z. B. Joachim Bumke: Höfische Kultur. Versuch einer kritischen Bestandsaufnahme, in: Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur, Bd. 114 (1992), S. 414– 492; Barbara Stollberg-Rilinger: Hofzeremoniell als Zeichensystem. Zum Stand der Forschung, in: Juliane Riepe (Hrsg.): Musik der Macht – Macht der Musik. Die Musik an den sächsisch-albertinischen Herzogshöfen Weißenfels, Zeitz und Merseburg. Weißenfels 2003, S. 11–22, hier S. 17; Andreas Bihrer: Curia non sufficit. Vergangene, aktuelle und zukünftige Wege der Erforschung von Höfen im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit, in: HZ, Bd. 35 (2008), S. 235–272, bes. S. 252–256; Jeroen Duindam: Early Modern court studies. An overview and a proposal, in: Markus Völkel/Arno Strohmeyer (Hrsg.): Historiographie an europäischen Höfen (16.–18. Jahrhundert). Studien zum Hof als Produktionsort von Geschichtsschreibung und historischer Repräsentation. Berlin 2009, S. 37–60, hier S. 50–52.

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Untersuchungsgegenstand wahrgenommen und zumindest schlaglichtartig in seiner personellen Dimension erforscht worden.60 Der Hof in der zweiten Hälfte des Aufklärungsjahrhunderts bzw. in der ereignisreichen Umbruchszeit um 1800 fällt im Vergleich dazu jedoch beinahe als terra incognita ab. Nur sehr wenige Ausnahmen durchbrechen diese zeitliche Konzentration und geben ansatzweise Einblick in die höfische Personalstruktur des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts.61 Ähnlich selektiv richtete die Geschichtswissenschaft bisher ihr Interesse auf die ranghöchsten Höfe von Kaisern und Kurfürsten. Das große Feld der geistlichen und weltlichen Reichsfürstenhöfe blieb dagegen weitgehend unbeachtet. Die meisten altfürstlichen Territorien62 verharren deshalb in einer Art Schattendasein. Für sie stehen gewöhnlich weder Hofstudien noch wissenschaftlich fundierte Biographien der Herrscherpersönlichkeiten zur Verfügung. Das Herzogtum Mecklenburg-Schwerin ist für dieses DoppelManko ein typisches Beispiel. Weder der Schweriner Hof um 1800 noch Friedrich Franz I. (1756−1837) sind erforscht. Während Friedrich Franz II. (1823−1883) bereits mit einer eigenen Biographie gewürdigt und auch die

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Vgl. dazu z. B. die Einzelstudien der mittlerweile über 24 Bände der Schriftenreihe „Residenzenforschung“ sowie die übrigen Publikationen der Residenzen-Kommission der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, die ihre Forschungen auf den Übergang von Reiseherrschaft zur Residenzherrschaft, d. h. auf die Phase der Residenzbildung, vom Spätmittelalter bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts konzentriert. Vgl. deren Publikationsverzeichnis unter http://resikom.adw-goettingen. gwdg.de [letzter Zugriff: 10. Juni 2011] oder Jan Hirschbiegel: 25 Jahre Residenzen-Kommission, 1985–2010. Eine Bibliographie. Kiel 2010. Vgl. z. B. Christian Schreck: Hofstaat und Verwaltung der Fürsten von Löwenstein-Wertheim-Rochefort im 18. Jahrhundert. Rahden/Westf. 2006; Uta Löwenstein: Höfisches Leben und höfische Repräsentation in Hessen-Kassel im 18. Jahrhundert, in: Zeitschrift des Vereins für Hessische Geschichte und Landeskunde, Bd. 106 (2001), S. 37–50; Annette von Stieglitz: Hof und Hofgesellschaft der Residenz Kassel in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, in: Heide Wunder/Christina Vanja/Karl-Hermann Wegner (Hrsg.): Kassel im 18. Jahrhundert. Residenz und Stadt. Kassel 2000, S. 321–349; Gerda Zimmermann: Der Hofstaat der Fürstbischöfe von Würzburg von 1648 bis 1803. Verfassung und Entwicklungsgeschichte. Würzburg 1976; Emma Maria Weber: Bamberger Hofleben im 18. Jahrhundert. Bamberg 1939. Die Gruppe der weltlichen Fürsten auf dem Reichstag unterteilte sich in die Alt- und Neufürsten. Zu den Altfürstlichen zählten all jene Häuser, die „vor der Mitte des 16ten Jahrhundertes, mit der fürstlichen Würde bekleideten“ Häuser. Sie beanspruchten gegenüber den Neufürstlichen aufgrund des Alters ihrer Rechte die Präeminenz. Durch Personalunionen und Aussterben der Dynastien waren von ihnen in den 1790er Jahren nur noch wenige übrig: Pfalz-Zweibrücken, Sachsen-Weimar, Sachsen-Gotha, Braunschweig-Wolfenbüttel, Mecklenburg-Schwerin, Mecklenburg-Strelitz, Württemberg, Hessen-Kassel, Hessen-Darmstadt, Baden, Holstein-Oldenburg und die Anhaltiner. Vgl. Johann Christoph Adelung: Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, besonders aber der Oberdeuten. Bd. 1: A–E. 2. Auflage. Leipzig 1793, S. 240; Susanne Friedrich: Drehscheibe Regensburg. Das Informations- und Kommunikationssystem des Immerwährenden Reichstags um 1700. Berlin 2007, S. 263f.

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Mecklenburger Höfe und Residenzen des 16. und 17. Jahrhunderts als untersuchenswert erachtet wurden,63 präsentiert sich gerade jene Zeit als blinder Fleck der Forschung, die das Schweriner Herzogtum zu den königlichen Würden eines Großherzogtums führte. Angesichts der ganz eigenen Qualität der Herrschaft, die den ,kleineren‘ Reichsständen innerhalb des Reichsverbandes zukam, wäre es sowohl für die Reichs- als auch Hofforschung aufschlussreich, das Agieren eben jener ,einfachen‘ Fürsten in den Blick zu nehmen und zum Beispiel zu klären, inwieweit sie sich dem sozialen Druck bzw. Wettbewerb um Rang und Ehre unterwarfen oder aber entzogen.64 Die Studie zum Weimarer Hof um 1800 ist demnach nicht nur mit einem zeitlichen Desiderat, sondern auch mit einer bisherigen Fokussierung auf die Höfe von Kaisern, Königen und Kurfürsten konfrontiert. Die jüngste Forschung kritisiert diese Fehlstellen beständig. Vor knapp zehn Jahren beklagte zum Beispiel Ute Daniel, dass der Erkenntnisstand zum 17. und 18. Jahrhundert nach wie vor „sehr lückenhaft und unsystematisch“ sei.65 Oliver Auge sah letztes Jahr vor allem bei der epochalen Fokussierung noch keine wesentliche Veränderung und warnte, dass „die bisherigen zeitlichen Forschungsschwerpunkte zwangsläufig den Eindruck erwecken würden, als habe es Fürstenhöfe nur bis zur Französischen Revolution gegeben“.66 Diese Mahnung scheint berechtigt, da auch die Erforschung der Höfe des 19. Jahrhunderts noch relativ am Anfang steht.67 63

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Vgl. Steffen Stuth: Höfe und Residenzen. Untersuchungen zu den Höfen der Herzöge von Mecklenburg im 16. und 17. Jahrhundert. Bremen 2001; René Wiese: Orientierung in der Moderne. Großherzog Friedrich Franz II. von Mecklenburg in seiner Zeit. Bremen 2005. Vgl. z. B. Stollberg-Rilinger: Hofzeremoniell, S. 18. Ute Daniel: Höfe und Aufklärung in Deutschland – Plädoyer für eine Begegnung der dritten Art, in: Marcus Ventzke (Hrsg.): Hofkultur und aufklärerische Reformen in Thüringen. Die Bedeutung des Hofes im späten 18. Jahrhundert. Köln/ Weimar/Wien 2002, S. 11–31, Zitat S. 20. Dasselbe findet sich gekürzt in dies: Art. Hof, Hofleben, in: Helmut Reinalter (Hrsg.): Lexikon zum aufgeklärten Absolutismus in Europa. Herrscher – Denker – Sachbegriffe. Wien/Köln/Weimar 2005, S. 308–315. Oliver Auge: Unfaßliche Erscheinungen? Mittelalterliche und frühneuzeitliche Höfe als Forschungsthema, in: Joachim Kremer, Sönke Lorenz, Peter Rückert (Hrsg.): Hofkultur um 1600. Die Hofmusik Herzog Friedrichs I. von Württemberg und ihr kulturelles Umfeld. Ostfildern 2010, S. 25–57, Zitat S. 54. Das Interesse der Hofforschung liegt zudem vornehmlich auf der Zeit nach 1815. Vgl. z. B. Cornelia Roolfs: Der hannoversche Hof von 1814 bis 1866. Hofstaat und Hofgesellschaft. Hannover 2005; Karl Möckl (Hrsg.): Hof und Hofgesellschaft in den deutschen Staaten im 19. Jahrhundert. Boppard am Rhein 1990; Gisela Herdt: Der württenbergische Hof im 19. Jahrhundert. Studien über das Verhältnis zwischen Königtum und Adel in der absoluten und konstitutionellen Monarchie. Göttingen 1970. Eher thesenorientiert und weniger empirisch fundiert Johannes Paulmann: Pomp und Politik. Monarchenbegegnungen in Europa zwischen Ancien Régime und Erstem Weltkrieg. Paderborn u. a. 1999. Ähnlich Hubertus Büschel: Untertanenliebe. Der Kult um deutsche Monarchen 1770−1830. Göttingen 2006. Büschel nimmt zwar monarchische (Staats-)Zeremonien und entsprechende Reaktionen der Untertanen in den Blick, die Höfe an sich interessieren ihn jedoch nicht. Gleichermaßen weist Matthias Schwengelbeck dem Hof in seiner

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Diese spürbare Vernachlässigung der Hofgeschichte ab der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert erklärt sich mit den lange Zeit wirkmächtig verkoppelten Thesen vom Niedergang der Höfe einerseits und dem Erblühen des ,bürgerlichen Jahrhunderts‘ andererseits.68 Die Regenten hätten demnach selbst ihr Ende eingeleitet, indem sie sich etwa seit 1750 zugunsten eines Privatraumes zunehmend vom Zeremoniell distanziert und dadurch ihre Höfe von innen heraus entwertet hätten.69 Die Französische Revolution, die sich daran anschließenden Kriege und napoleonischen Feldzüge sowie die Reformära in Preußen und im Rheinbund taten danach ihr Übriges und degradierten die deutschen Höfe zu Institutionen ohne bestimmenden politischen und kulturellen Einfluss, so dass von ihnen „kaum mehr nennenswerte Impulse ausgingen“.70 Diese Interpretation passte hervorragend zu jenem Verständnis, das die Aufklärung vornehmlich als eine bürgerliche Bewegung begriff, die auf ihrem Siegeszug den adeligen Hof als Gegenpol zu Fall brachte. Die heutige Forschung stellt beides mittlerweile zunehmend in Frage und erwägt – wenn bisher auch nur diskursiv und noch nicht empirisch fundiert – einen grundsätzlichen Wandel der Höfe, bei dem sich zwar nicht deren Funktion als Zentralen dynastischer Macht, wohl aber deren Form verändert habe.71 Zunächst fiel die höfische Niedergangsthese jedoch auf fruchtbaren, weil brachliegenden Boden. Die deutsche Hofforschung musste einen tiefen Bruch zu Beginn des 20. Jahrhunderts überwinden. Nach dem „politischen Aus der Dynastien 1918“ war die Forschung schlagartig zum Erliegen gekommen und konnte in der Folgezeit nur schwer wiederbelebt werden.72 Mit der Abschaffung der „öffentlich-rechtliche[n] Vorrechte oder Nachteilen der Geburt oder des Standes“ im Paragraph 109 der Weimarer Verfassung73 fand die seit der Aufklärung selbst stilisierte Abgrenzung der natürlichen bürgerlichen Ordnung gegenüber der „hoch-formalisierten höfisch-adligen Kultur“74 unmittelbar ihren Höhepunkt. Lange Zeit konnten deshalb selbst jene, die sich „fachwissenschaftlich mit der Geschichte von Fürsten und Dynastien befaß-

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Studie nur eine Statistenrolle zu. Vgl. ders.: Die Politik des Zeremoniells. Huldigungsfeiern im langen 19. Jahrhundert. Frankfurt/New York 2007. Ausführlich zur Genese der These vgl. Paulmann: Pomp und Politik, S. 203. Vgl. Bauer: Höfische Gesellschaft, S. 107. Ebd., S. 106. Kritisiert z. B. durch Duindam: Early Modern court studies, S. 53f. Vgl. z. B. Daniel: Höfe und Aufklärung; Paulmann: Pomp und Politik. Auge: Unfaßliche Erscheinungen, S. 27. Vgl. auch Jürgen Luh/Michael Kaiser: Einleitung, in: Friedrich300 - Colloquien. Friedrich der Große und der Hof, S. 12. URL:http://www.perspectivia.net/content/publikationen/friedrich300colloquien/f riedrich-hof/Luh-Kaiser_Einleitung [Zugriff: 24.6.2011; zuletzt verändert am 14.6.2010]. Adelsbezeichnungen galten von nun an als Teil des Namens und durften nicht mehr verliehen werden. Vgl. Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte. Bd. 3: Dokumente der Novemberrevolution und der Weimarer Republik 1918–1933. Hrsg. von Ernst Rudolf Huber 2., erw. Auflage. Stuttgart u. a. 1966, S. 145. Stollberg-Rilinger: Hofzeremoniell, S. 12.

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ten, kaum auf spontanen Applaus hoffen“.75 Die deutsche Hofforschung blieb etliche Jahrzehnte auf dem Stand der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert stehen und hinterfragte nicht die damals gepflegte „moralische Abwertung der höfischen Gesellschaft“, die auf maßlose Verschwendungssucht und unsinnige Fixierung auf Äußerlichkeiten reduziert wurde.76 Der Hof galt weiterhin als ein Ort der Kuriositäten, wo sich irrationale Rangdispute abspielten und man sich über die Farbe eines Sessels oder aber die Zahl der herabzusteigenden Stufen stritt.77 Derartige Vorfälle konnte man sammeln und sich darüber amüsieren, ernsthaft erforschen wollte man sie aber nicht.78 Hof und Zeremoniell galten als Parasiten im Feld des politischen Handelns.79 Sie wurden deshalb von der Historikerzunft als belanglose Forschungsfelder stigmatisiert und ,großzügig‘ der Literatur-, Kunst- und Musikwissenschaft zugeschoben. Indes entwickelte sich die Auseinandersetzung mit dem so genannten ,absolutistischen Hof‘ zu einer zunehmend akzeptierten Ausnahme, da man sich von ihr neue Erkenntnisse über die frühneuzeitliche Staatlichkeit und eine Schärfung des Absolutismusbegriffes erhoffte.80 Aus eben dieser Ecke kam dann letztlich 1969 auch jene Studie von Norbert Elias,81 die für die Hofforschung die ,kulturalistische Wende‘ einläutete und den Historikern aus soziologischer Perspektive die spezifische Rationalität des Hofes aufzeigte.82 Elias eröffnete darin den Blick für den hohen Stellenwert von Prestige und Reputation am Hof und stellte die These auf, dass der französische König in der Lage war, den Adel als Machtkonkurrenz zu entschärfen bzw. zu domestizieren, indem er die ökonomischen und Prestige-Chancen am Hof monopolisierte. Der französische König wird zwar als ein Alleinherrscher beschrieben, allerdings maß Elias dem Adel durchaus noch immer so viel Macht bei, dass er den König in seiner Machtstellung bedrohen konnte.83 Zugleich habe der König 75 76

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Wolfgang E. J. Weber: Einleitung, in: ders. (Hrsg.): Der Fürst. Ideen und Wirklichkeiten in der europäischen Geschichte. Köln/Weimar/Wien 1998, S. 1–26, hier S. 1. Volker Bauer: Informalität als Problem der frühneuzeitlichen Geschichte. Überlegungen vornehmlich anhand der deutschsprachigen Hofforschung, in: Reinhardt Butz/Jan Hirschbiegel (Hrsg.): Informelle Strukturen. Dresdener Gespräche III zur Theorie des Hofes. Berlin 2009, S. 41–56, Zitat S. 46. Vgl. Stollberg-Rilinger: Hofzeremoniell, S. 12. Ebd. Vgl. Thomas Rahn: Herrschaft der Zeichen. Zum Zeremoniell als »Zeichensystem«, in: Hans Ottomeyer/Michaela Völkel (Hrsg.): Die öffentliche Tafel. Tafelzeremoniell in Europa 1300–1900. Berlin 2002, S. 22–31. Vgl. z. B. Auge: Unfaßliche Erscheinungen, S. 27. Vgl. Norbert Elias: Die höfische Gesellschaft. Untersuchungen zur Soziologie des Königtums und der höfischen Aristokratie. Mit einer Einleitung: Soziologie und Geschichtswissenschaft. Bearb. von Claudia Opitz und Reinhard Blomert. Neuauflage. Frankfurt am Main 2002; ders.: Prozess der Zivilisation, 2. Bände, Basel 1939. Vgl. z. B. Stollberg-Rilinger: Hofzeremoniell, S. 12f. Vgl. Elias: Die höfische Gesellschaft, bes. Kap. VII, S. 251–362.

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den Adel aber auch als Gegengewicht gegen das erstarkende Bürgertum benötigt. Der Adel wiederum sei mit einem fortschreitenden Funktionsverlust konfrontiert und daher auf die Inszenierung seiner exklusiven sozialen Existenz und Distinktion angewiesen gewesen. Er war somit gezwungen, sich an den Königshof zu begeben und dort im Rahmen des Zeremoniells die Gunst der Regenten zu erheischen, wenn er nicht „auf den Status eines besseren Bauern in der Provinz absinken wollte“.84 Diese Deutung schlug in der Forschung nachhaltig Wellen, da Norbert Elias der Abwertung des scheinbar irrationalen Gerangels um Rang und Ansehen am Hof den Boden entzog und aufzeigte, welche Bedeutung und Logik gerade dem symbolischen Kapital in der Frühen Neuzeit innewohnte.85 Es ist dementsprechend auch nicht verwunderlich, dass im Anschluss an Elias zu Beginn der 1970er Jahre einige Monographien entstanden, die die These von der Domestizierung des Adels auf die deutschen Höfe – im Speziellen auf den Wiener Kaiserhof zum einen und den Brandenburg-Ansbacher Hof zum anderen – zu übertragen suchten.86 Obwohl sich vor allem die beiden Studien von Christian Ehalt und Jürgen von Kruedener methodisch bedenklich durch Inkonsistenz und insbesondere durch unzulängliche bzw. keine Quellenarbeit erwiesen, wurden die Adaptionen der Eliasschen Thesen zunächst als gesichert87 angenommen und von Rudolf Vierhaus sogar noch dahingehend verschärft, dass der absolutistische Hof nicht nur ein Instrument zur Sicherung, sondern sogar ein Instrument zur Durchsetzung fürstlicher Alleinherrschaft gewesen sei.88 Aloys Winterling machte dagegen als Erster überzeugend das Vetorecht der Quellen89 geltend und monierte, dass die soziologischen Erkenntnisse 84

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Vgl. Aloys Winterling: Der Fürstenhof in der Frühen Neuzeit. Forschungsprobleme und theoretische Konzeptionen, in: Roswitha Jacobsen (Hrsg.): Residenzkultur in Thüringen vom 16. bis zum 19. Jahrhundert. Bucha 1999, S. 29–42, hier S. 31. Vgl. z. B. ebd., S. 30–32; Stollberg-Rilinger: Hofzeremoniell, S. 12-13. Vgl. Karin Plodeck: Hofstruktur und Hofzeremoniell in Brandenburg-Anspach vom 16. bis zum 18. Jahrhundert. Zur Rolle des Herrschaftskultes im absolutistischen Gesellschafts- und Herrschaftssystem, in: Jahrbuch des historischen Vereins für Mittelfranken 66 (1970/71), S. 1–240; Hubert Christian Ehalt: Ausdrucksformen absolutistischer Herrschaft. Der Wiener Hof im 17. und 18. Jahrhundert. München 1980. Jürgen Freiherr von Kruedener gibt vor, angeblich nur die Elias-Studie „Prozess der Zivilisation“ (1936) gekannt zu haben, vgl. ders: Die Rolle des Hofes im Absolutismus. Stuttgart 1973. Vereinzelte kritische Gegenstimmen von Grete Klingenstein, Peter Baumgart u. a. sind zusammengefasst in dem lesenswerten Forschungsüberblick von Aloys Winterling: Der Hof der Kurfürsten von Köln 1688–1794. Eine Fallstudie zur Bedeutung absolutistischer Hofhaltung. Bonn 1986, S. 3–32. Vgl. Rudolf Vierhaus: Höfe und höfische Gesellschaft in Deutschland im 17. und 18. Jahrhundert, in: Klaus Bohnen u. a. (Hrsg.): Kultur und Gesellschaft von der Reformation bis zur Gegenwart. Eine Vortragsreihe. Kopenhagen/München 1981, S. 36–56. Vgl. z. B. Reinhart Koselleck: Standortbindung und Zeitlichkeit. Ein Beitrag zur historiographischen Erschließung der geschichtlichen Welt, in: ders./Wolfgang J. Mommsen/ Jörn Rüsen (Hrsg.): Objektivität und Parteilichkeit. München 1977, S. 17–46.

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über den französischen Hof nicht einfach ungeprüft für deutsche Höfe als richtig vorausgesetzt und weiterentwickelt werden könnten.90 Mit seiner Untersuchung des Kölner Kurfürstenhofes zeigte er 1986 exemplarisch auf, dass entsprechende Annahmen tatsächlich an der historischen Wirklichkeit des Alten Reiches vorbeigingen. Der Kurkölner Hof konnte gar nicht als Überwachungsapparatur des einheimischen Adels dienen, da sich der landsässige Adel weder hatte entmachten lassen noch am Hof zu finden war. Die Hofgesellschaft bestand stattdessen zum Großteil aus landfremdem Adel.91 Die Kurfürsten nutzten ihren Hof also weder zur Sicherung noch zur Durchsetzung ihrer ,Alleinherrschaft‘.92 Die eigentümliche politische Formation des Alten Reiches, die fast jeden Fürsten in das komplementäre System von Land- und Reichsständen einband, machte dies unmöglich.93 Dennoch zog Winterling einen Gewinn aus den Erklärungsansätzen von Norbert Elias, indem er die Perspektive wechselte und die Herrschenden anstelle des Hofadels zu Hauptpersonen im Ringen um Ansehen deklarierte. Dadurch wurde sichtbar, dass die einzelnen Landesherren als Mitglieder einer hierarchisch gegliederten Fürstengesellschaft nicht nur Verteiler sozialer Chancen waren, sondern auch selbst als Ranginhaber untereinander um Macht und Prestige konkurrierten. Hof und Zeremoniell waren dementsprechend für die deutschen Fürsten selbst ein Mittel bzw. Medium, um ihren beanspruchten Rang und ihr Ansehen in der höfischen Gesellschaft des Alten Reiches zu manifestieren.94 Diese Erkenntnisse haben zwei große Stoßrichtungen der Hofforschung vorangetrieben: zum einen diejenige, die den Hof als Mittel der sozialen Kommunikation in den Mittelpunkt stellte, und zum anderen jene, die nach einer „vollwertigen, allgemeingültigen Definition“ des Hofes suchte.95 Letztere zielte auf ein möglichst umfassendes Modell, mit dem sich Strukturen, Ordnung und Funktionsweisen eines Hofes grundlegend erfassen und erklären ließen.96 Auf diese Weise wollte man sich nicht nur des eigenen Forschungsgegenstandes vergewissern, sondern auch eine gemeinsame Gesprächsgrundlage schaffen, auf der sich dann die empirischen

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Vgl. Winterling: Hof der Kurfürsten von Köln, S. 26. Vgl. ebd., S. 152. Vgl. ebd. Vgl. ebd., S. 154. Vgl. ebd., S. 156–163. Werner Paravicini: Zum Geleit, in: Reinhardt Butz/Jan Hirschbiegel/Dietmar Willoweit (Hrsg.): Hof und Theorie. Annäherungen an ein historisches Phänomen. Köln/Weimar/ Wien 2004, S. VI. Winterling befeuerte diese Bemühungen, indem er selbst immer wieder einen Idealtypus des Hofes zu skizzieren suchte und Perspektiven für die Forschung aufzeigte. Vgl. z. B. Aloys Winterling: „Hof “. Versuch einer idealtypischen Bestimmung anhand der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Geschichte, in: ders. (Hrsg.): Zwischen „Haus“ und „Staat“. Antike Höfe im Vergleich. München 1997, S. 11–25; ders.: Forschungsprobleme.

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Ausprägungen und Besonderheiten der einzelnen Höfe bestimmen ließen.97 Besonders die Spätmittelalterhistoriker bemühten sich sichtlich, auf dem Feld der Hoftheorie weiterzukommen, indem sie Strukturmerkmale sammelten, die zeitgenössische Wahrnehmung von Höfen hinterfragten, die Terminologie zu schärfen und unterschiedliche Modelle der Sozial- und Gesellschaftswissenschaften auf den Hof anzuwenden suchten.98 Die übrige Forschung nahm dieses Streben allerdings eher kritisch wahr und forderte, insbesondere bei der Anwendung sozialwissenschaftlicher Theorien, den Erkenntnisgewinn nicht nur zu postulieren, sondern auch nachzuweisen.99 Angesichts dieser fundamentalen Kritik erstaunt es nicht sonderlich, dass sich nach nunmehr zehn Jahren Modellforschung die Erkenntnis durchgesetzt hat, dass es schlicht unmöglich sei, eine Schablone zu finden, die das gesamte Phänomen Hof umreißt. Die anfänglich beinah euphorische „Suche nach einem allgemeingültigen und damit starren Hofmodell oder nach Idealtypen“ wurde somit als gescheitert erklärt.100 Zu vielfältig seien die Perspektiven, die man einnehmen könne.101 Der Hof biete Raum für rechtliche, wirtschaftliche, politische, geschlechterspezifische, soziale, kulturwissenschaftliche, kommunikations- und systemtheoretische Fragestellungen – und vieles mehr. Dementsprechend reichhaltig ist das Potpourri an Einzelerkenntnissen.102 Dies alles auf einen Nenner zu bringen, scheint offenbar nicht möglich. Lediglich der Herrscher und im Ausnahmefall die Herrscherin, ohne die der Hof kein Hof wäre, lässt sich als verbindendes Element

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Vgl. Auge: Unfaßliche Erscheinungen, S. 33; Bihrer: Curia non sufficit, S. 246. Exemplarisch steht dafür der Sammelband von Ulf Christian Ewert/Stephan Selzer (Hrsg.): Ordnungsformen des Hofes. Ergebnisse eines Forschungskolloquiums der Studienstiftung des deutschen Volkes. Kiel 1997. Eine ausführlichere Übersicht ist zu finden bei Bihrer: Curia non sufficit, S. 246–249. Andreas Pečar beurteilte die Suche nach einem Hofmodell frühzeitig als „aussichtsloses Unterfangen“ und empfahl stattdessen, ausgehend vom empirischen Befund eine allgemeine Begriffsbildung zu betreiben. Ähnlich stellte Jeroen Duindam fest, dass „more recent initiative[s] (. . . ) tended to underline the problems than the benefits of theoretical approaches“. Vgl. Duindam: Early Modern court studies, S. 39; Andreas Pečar: Rezension von: Reinhardt Butz/Jan Hirschbiegel/ Dietmar Willoweit (Hrsg.): Hof und Theorie. Annäherungen an ein historisches Phänomen. Köln/Weimar/Wien 2004, in: sehepunkte 5 (2005), Nr. 3 [15.03.2005] URL: http://www. sehepunkte.de/2005/03/6403.html. Bihrer: Curia non sufficit, S. 249. Im Gegensatz zu Andreas Bihrer, der sich darauf zurückzieht, dass man sich von der Suche „abgewandt“ hat, sieht sie Oliver Auge gescheitert und versucht dafür Gründe zu finden. Vgl. Auge: Unfaßliche Erscheinungen, S. 36–37. An einem entsprechenden Überblick versuchte sich jüngst Jan Hirschbiegel: Hof. Überzeitlichkeit eines zeitgebundenen Phänomens, in: Bruno Jacobs/Robert Rollinger (Hrsg.): Griechische Geschichtsschreibung und Altvorderasien. Der Achämenidenhof. Wiesbaden 2010, S. 13–37.

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herauskristallisieren.103 Die Konsequenz ist so einfach wie ernüchternd: „Die Theorie des Hofes bzw. für den Hof gibt es nicht.“104 Als wesentlich erfolgreicher scheint sich dagegen die zweite große Stoßrichtung der aktuellen Hofforschung zu erweisen, welche die soziale Kommunikation in den Mittelpunkt stellt. Für die Frühe Neuzeit haben dies zum einen Barbara Stollberg-Rilinger in Münster und zum anderen Rudolf Schlögl in Konstanz aktiv vorangetrieben, indem sie in ihren jeweiligen kulturwissenschaftlich ausgerichteten Sonderforschungsbereichen dem Symbolischen bzw. der nonverbalen Kommunikation durch Zeichen große Aufmerksamkeit schenkten.105 Dabei stützten sie sich auf die Überzeugung, dass sich die Welt über sinngebende Phänomene wie Symbole, Mythen, Bilder, Sprach- und Handlungsmuster erschließen lasse.106 Die menschliche Ordnung sei nicht auf physische Gegebenheiten reduzierbar, sondern beruhe auf Sinn, den „die Akteure stets aufs Neue stiften“ müssten.107 Besonders deutlich werde dies am Beispiel des frühneuzeitlichen Hofes, da dort mit dem Zeremoniell ein differenziertes Zeichensystem zur Kommunikation zur Verfügung stand, das schwer Vorstellbares wie Herrschaft, Rang und Ansehen sinnlich (be)greifbar und zum Beispiel durch ein beeindruckendes Residenzschloss, einen Rockkuss oder durch spezifische Handlungsweisen sichtbar und damit evident werden ließ.108 Zwei typische Produkte dieser kommunikationsgeschichtlichen Sichtweise sind die beiden Studien von Mark Hengerer und Andreas Pečar, die beide den Wiener Kaiserhof – der eine in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts und der andere in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts – untersuchen.109 Bei103

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Vgl. z. B. Gerhard Fouquet: Herr und Hof zwischen Informalität und Formalität. Zusammenfassung der Tagung, in: Reinhardt Butz/Jan Hirschbiegel (Hrsg.): Informelle Strukturen bei Hof. Dresdner Gespräche III zur Theorie des Hofes. Ergebnisse des gleichnamigen Kolloquiums auf der Moritzburg bei Dresden, 27. bis 29. September 2007 (. . . ). Berlin 2009, S. 227–235. Zu dieser Erkenntnis gelangten schon die Zeitgenossen des 18. Jahrhunderts. Vgl. Art. Hof, in: Johann Heinrich Zedler: Grosses vollständiges Universal Lexicon aller Wissenschafften und Künste (. . . ). Bd. 13: Hi–Hz. Halle und Leipzig 1739, Sp. 405–412. Auge: Unfaßliche Erscheinungen, S. 36; ebenso Hirschbiegel: Überzeitlichkeit, S. 24–25. Vgl. die jeweiligen Forschungsprogramme für den 2009 beendeten Konstanzer Sonderforschungsbereich 485 „Norm und Symbol“ unter http://www.uni-kon-stanz.de/FuF/ sfb485/[Stand: 8.6.2010] und für den noch laufenden Münsteraner Sonderforschungsbereich 496 „Symbolische Kommunikation und gesellschaftliche Wertesysteme“ unter http://www.uni-muenster.de/SFB496/ [Stand: 2.6.2011]. Vgl. Helga Schultz: Die kulturalistische Wende in den Geistes- und Sozialwissenschaften, S. 2. [URL: http://www.leibniz-institut.de/archiv/schultz_05_04_09.pdf]. Stollberg-Rilinger: Hofzeremoniell, S. 14. Vgl. dazu das Forschungsprogramm des SFB 496 (Anm. 105). Vgl. Andreas Pečar: Die Ökonomie der Ehre. Der höfische Adel am Kaiserhof Karls VI. (1711–1740). Darmstadt 2003; Mark Hengerer: Kaiserhof und Adel in der Mitte des 17. Jahrhunderts. Eine Kommunikationsgeschichte der Macht in der Vormoderne. Konstanz 2004.

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de nutzen die Systemtheorie von Niklas Luhmann: Während sich allerdings Hengerer speziell auf dessen Organisationssoziologie konzentrierte,110 wählte Pečar den Aspekt der Interaktion und ergänzte ihn um Pierre Bourdieus Überlegungen zum symbolischen Kapital.111 Die Ergebnisse fallen scheinbar konträr aus: Pečar sieht den Kaiserhof als ein Interaktionssystem, das auf „persönlicher Kommunikation unter Anwesenden“ beruhte.112 Die Interaktion in persona sei ausschlaggebend gewesen, um vom Hof profitieren zu können. In einer Art Zirkelschluss setzte Pečar dazu voraus, dass der Hof als einzigartiger Tauschplatz funktioniere, wo materielles Kapital in symbolisches Kapital, d. h. Geld in Prestige und Patronage, umgewandelt werden könne. Hengerer unterschied dagegen zwischen Wiener Hof und Hofstaat und charakterisierte Letzteren als eine Organisation, die zunehmend durch formale Mitgliedschaft ihrer Teilnehmer geregelt war. Folglich und im Gegensatz zu Pečar geht er davon aus, dass der Kaiserhof schon 100 Jahre zuvor einen Strukturwandel vollzogen und die Rolle als reiner „point of contact“ abgestreift hatte,113 um sich verstärkt als Organisation zu etablieren. Als Beweis führt er die steigende Zahl vergebener Ämter und deren rituelle Verleihung an, die als symbolträchtige Aufnahme in den Hof gedeutet werden kann. Dabei betont er allerdings, dass nicht alle Amtsträger im Anschluss daran automatisch tatsächlich dienend, besoldet oder präsent waren oder sein mussten, sondern das Amt als formale Bescheinigung ausreichend war, um als Mitglied des Hofes zu gelten. Der Wiener Hofstaat müsse dementsprechend auch weniger als eine moderne Behörde denn als virtueller Hof verstanden werden.114 Die Anwesenheit, die Pečar als Voraussetzung zur Interaktion und damit zur Teilhabe am Hof betonte, spielte somit eine untergeordnete Rolle. Beide Studien lassen sich aber letztlich nur schwer aufeinander beziehen, vor allem weil sie in ihrer Begriffsbildung aneinander vorbeigehen. Die vorliegende Studie über den Weimarer Hof um 1800 fühlt sich keinem systemtheoretischen Ansatz verpflichtet und kann dementsprechend die Ergebnisse zum Wiener Kaiserhof nur bedingt nutzen – gleichwohl kann sie doch methodisch darauf aufbauen. Denn die Gegenüberstellung beider Dissertationen zeigt, wie fundamental und erhellend die analytische Trennung zwischen Hofstaat und Hofgesellschaft für die Bestimmung eines Hofes ist. Einerseits wird die Forschung nicht müde, immer wieder die zahlreichen Perspektiven des Begriffes Hof (a) als Gebäude bzw. Ort, (b) als Personenverband, (c) als herausgehobene Lebensführung, (d) als politische Einheit

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Vgl. Hengerer: Kaiserhof und Adel, S. 22. Vgl. Pečar: Die Ökonomie der Ehre, S. 17–18. Ebd., S. 17. Hengerer: Kaiserhof und Adel, S. 22. Vgl. ebd., S. 23.

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oder (e) das Hof-Halten als besondere Verhaltensweisen herauszustellen.115 Andererseits werden dann jedoch innerhalb dieser Deutungsebenen oftmals die feinen, aber essentiellen Unterschiede schlichtweg übergangen.116 Dabei gilt es gerade bei der Erforschung eines Hofes als Personenverband, strukturell zwischen dem Haushalt des Regenten einerseits und dem gesellschaftsfähigen Kreis um den Regenten andererseits zu unterscheiden.117 Wenngleich beide Gruppen eine deutliche Schnittmenge bildeten, waren sie bei Weitem nicht deckungsgleich. Während ein Hofstaat nicht nur adelige Würdenträger, sondern auch die kleinste nicht adelige Scheuermagd in der Hofküche einschloss, setzte sich die Hofgesellschaft eines jeweiligen Hofes, d. h. der Kreis derer, die sich um einen Regenten und seine fürstliche Familie gesellten, vornehmlich aus Adeligen zusammen.118 Hofstaat und Hofgesellschaft wiesen also eine grundsätzlich unterschiedliche Sozialstruktur auf. Wenn ein frühneuzeitlicher Hof in seiner personellen Dimension analysiert werden soll, dann gilt es dementsprechend, beide Gruppen analytisch präzise voneinander zu trennen. Das scheint insbesondere dann nötig, wenn ein Untersuchungsgegenstand gewählt wird, der beide Bedeutungsebenen vereint – so wie dies zum Beispiel der Fall bei Andreas Pečar ist, dessen Studie standesspezifisch allein den höfischen Adel in den Blick nimmt und in eben dieser Hinsicht für Verwirrung sorgt. Denn mit dem Begriff des Hofadels lassen sich nicht nur Adelige bezeichnen, die qua Amt zum Haushalt eines Regenten gehörten, sondern auch jene Adeligen, die am Hof ohne Amt eingebunden waren. Nicht zuletzt können darunter ohne Unterschied auch komplett alle Adeligen begriffen werden, die sich in irgendeiner Form an einem Hof bewegten. Ihre Unterschiedlichkeit lag in ihrer verschiedentlich gearteten Beziehung zum Hof verborgen, die es immer dann zu reflektieren gilt, wenn Motive oder Intentionen hinterfragt werden, um an einen Hof zu 115 116

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Vgl. Winterling: Forschungsprobleme, S. 37f. Ursprünglich geht diese Interpretationsvielfalt auf zeremonialwissenschaftliche Definitionsversuche zurück. Pečar verzichtet auf eine begriffliche Klärung und lässt damit seine Leser im Unklaren, wer tatsächlich neben den erwähnten Oberchargen, Kammerherren und Geheimräten zum Hofadel gehörte. Sabine Heißler weist in ihrer zu Recht sehr kritischen Rezension auf dieses erkenntnisverstellende Manko hin. Desgleichen ist die Kritik von Katrin Keller berechtigt, die bei der kaiserlichen Hofgesellschaft den analytischen Einbezug der Frauen vermisst, wie z. B. der Hofdamen oder aber der Ehefrauen höfischer Amtsträger. Vgl. Sabine Heißler: Rezension zu ,Andreas Pečar: Die Ökonomie der Ehre. Der höfische Adel am Kaiserhof Karls VI. (1711–1740). Darmstadt 2003, in: MIÖG, Bd. 113, Heft 1–4 (2005), S. 437–439; Katrin Keller: Rezension von: Andreas Pečar: Die Ökonomie der Ehre. Höfischer Adel am Kaiserhof Karls VI. (1711–1740), Darmstadt 2003, in: sehepunkte 4 (2004), Nr. 4, URL: http://www.sehepunkte.de/2004/04/4733.html [Zugriff: 24.6.2011]. Vgl. analytisch klar z. B. Ivo Cermann: Habsburgischer Adel und Aufklärung. Bildungsverhalten des Wiener Hofadels im 18. Jahrhundert. Stuttgart 2010, bes. S. 94. Vgl. Stefanie Freyer: Der gewahrte Stand. Die Tafelgäste des Weimarer Hofes um 1800, in: Klaus Ries (Hrsg.): Zwischen Hof und Stadt. Aspekte der kultur- und sozialgeschichtlichen Entwicklung der Residenzstadt Weimar um 1800. Weimar 2007, S. 111–124.

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gehen. Immerhin pflegte eine Person, die durch eine Stelle, ein Amt oder einen Titel an einen Hof (ein)gebunden war, in der Regel andere Rechte, Pflichten und Chancen zu haben als Personen, die zum Beispiel nur als Gast an höfischen Veranstaltungen teilnahmen. Werden die beiden analytischen Ebenen – Hofstaat und Hofgesellschaft – übergangen, bleibt der Aussagewert begrenzt, oder aber die Fragen gehen am Untersuchungsgegenstand vorbei. So macht es beispielsweise nur wenig Sinn, nach der Öffnung eines Hofes für Bürgerliche zu fragen, wenn der Hof als ein Haushalt untersucht wird, der bereits genuin ständeübergreifend angelegt war. Dagegen scheint die gleiche Frage für eine Hofgesellschaft gerade in der Aufklärungszeit absolut legitim und aufschlussreich. Die Quellen für den Weimarer Hof skizzieren für die Jahre zwischen 1790 und 1810 eben jene beiden nicht kongruenten höfischen Personenkreise. Sie spiegeln einerseits den fürstlichen Haushalt wider, der – ebenso wie es Mark Hengerer für den Wiener Hof des 17. Jahrhunderts ermittelt hat – seine Angestellten rituell mit Eid und Handschlag eingliederte und sich mithin zu anderen herzoglichen Einrichtungen deutlich abgrenzte, und andererseits eine Hofgesellschaft, die zwar nicht formal in den Hofhaushalt eingebunden, aber dennoch bei höfischen Veranstaltungen und im Alltag um die Weimarer Fürstenfamilie präsent war. Die vorliegende Studie wird deshalb diese beiden sozial-personellen Dimensionen des frühneuzeitlichen Hofes analytisch ernst nehmen und konzeptionell zwischen verpflichtetem und präsentem Hof unterscheiden. Auf diese Weise lässt sich präzise aufzeigen, wen Carl August besonders eng an sich gebunden wissen wollte und dafür im Gegenzug Versorgung im Rahmen einer formalen, weil mit Eid beschworenen Herzog-Hofdiener-Bindung bot, und wen der Weimarer Herzog zwar in seine Gesellschaft lud, aber nicht in seinen Hof integrierte. Mit der Konzentration auf den verpflichteten Hof wird deutlich werden, welche Rolle der Hof für den Weimarer Herzog spielte, welche Funktion er seinem Hof in den beiden Jahrzehnten um 1800 zuwies und wo er ihn –eventuell entgegen der Tradition – öffnete. Wie die beiden Studien zum Wiener Hof bereits erahnen lassen, steht dieses Vorhaben nicht in einem luftleeren Raum, sondern trifft mittlerweile auf einen „nachhaltigen Boom“ in der Auseinandersetzung mit dem Thema Hof . Die einstige Ignoranz der Geschichtswissenschaft ist einer vielschichtigen, rasant anwachsenden Forschungslandschaft gewichen, der inzwischen wohl zu Recht eine „eigentümliche Unübersichtlichkeit“ attestiert werden kann.119 Diese Unübersichtlichkeit resultiert jedoch nicht aus einem Überdruss an Erkenntnissen, sondern eher aus dem Umstand, dass das zusammengetragene 119

Rudolf Schlögl: Der frühneuzeitliche Hof als Kommunikationsraum. Interaktionstheoretische Perspektiven der Forschung, in: Frank Becker (Hrsg.): Geschichte und Systemtheorie. Exemplarische Fallstudien. Frankfurt am Main/New York 2004, S. 185– 225, Zitat S. 185; Auge: Unfaßliche Erscheinungen, S. 53.

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Wissen über den frühneuzeitlichen Hof bislang unverbunden nebeneinander steht.120 Im Regelfall wurde ein Hof bisher nicht als Ganzes, sondern ausschnittweise untersucht. Aus personeller Perspektive lag dabei der Fokus im 18. Jahrhundert bevorzugt auf einem Teilhof (z. B. Witwenhöfe)121 , einer Teilgruppe der hohen Hofchargen (z. B. Hofdamen oder Kammerherren)122 oder aber auf einzelnen, zumeist der Unterhaltung dienenden Einrichtungen (z. B. Hoftheater)123 . Daneben weckte die adelige Gesellschaft am Hof vor allem das personenorientierte Forschungsinteresse, wobei die gegenwärtig ebenfalls in voller Blüte stehende Adelsforschung einen nicht unerheblichen Beitrag leistet. Auch für Weimar liegen bereits einige Studien vor, die entweder einzelne Familien oder herausragende Persönlichkeiten im Umkreis des Hofes näher in den Blick nahmen.124 Darunter kommt Wolfgang Huschke das besondere Verdienst zu, die „führende Gesellschaftsschicht“ Weimars zwischen 1775 und 1786 kurz und bündig biographisch kartographiert zu haben.125 Zwar ist seine Einteilung in Uradel und Briefadel an manchen Stellen wegen der einseitigen Konzentration auf die väterlichen Abstammungslinien durchaus streitbar und verlangt in den meisten Fällen eine generationenübergreifende genealogische Untersuchung gemäß der im 18. Jahrhundert üblichen Ahnenproben.126 Dennoch stellen seine quellenbasierten Informationen zur Elterngeneration der Weimarer Elite oft einen unschätzbaren, weil einzigen 120 121

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Zugleich wird allerdings vor den Gefahren verfrühter Synthesen gewarnt. Vgl. ebd. Vgl. z. B. Christina Hofmann-Randall (Hrsg.): Das Erlanger Schloß als Witwensitz: 1712–1817. Eine Ausstellung der Universitätsbibliothek vom 15. November bis 8. Dezember 2002. Katalog. Erlangen 2002. Eine Untersuchung zu Hofdamen im 18. Jahrhundert fehlt, dafür stehen Erkenntnisse für das 17. und 19. Jahrhundert als Rahmen zur Verfügung. Vgl. bspw. Katrin Keller: Hofdamen. Amtsträgerinnen im Wiener Hofstaat des 17. Jahrhunderts. Köln/Weimar/ Wien 2005; Christa Diemel: Adelige Frauen im bürgerlichen Jahrhundert. Hofdamen, Stiftsdamen und Salondamen 1800–1870. Frankfurt am Main 1998. Dazu grundlegend Ute Daniel: Hoftheater. Zur Geschichte des Theaters und der Höfe im 18. und 19. Jahrhundert. Stuttgart 1995. Vgl. z. B. Julia Di Bartolo: Selbstbestimmtes Leben um 1800. Sophie Mereau, Johanna Schopenhauer und Henriette von Egloffstein in Weimar-Jena. Heidelberg 2008; Stefanie Freyer/Katrin Horn/Nicole Grochowina: FrauenGestalten Weimar-Jena um 1800. Ein bio-bibliographisches Lexikon. 2. Auflage. Heidelberg 2009; Julia Schmidt-Funke: Auf dem Weg in die Bürgergesellschaft. Die politische Publizistik des Weimarer Verlegers Friedrich Justin Bertuch. Köln/Weimar/Wien 2005; Berger: Anna Amalia; Krause: Beamten in Sachsen-Weimar-Eisenach; Kreutzmann: Lebenswelt. Später erweiterte Huschke seinen Blick stellenweise bis zum Einzug Maria Pawlownas, um auch deren Gefolge punktuell beleuchten zu können. Vgl. Wolfgang Huschke: Forschungen zur Geschichte der führenden Gesellschaftsschicht im klassischen Weimar, in: Forschungen zur thüringischen Landesgeschichte. Festschrift für Friedrich Schneider. Weimar 1958, S. 55–114; ders.: Genealogische Streifzüge durch das klassische Weimar, in: Peter Berglar (Hrsg.): Staat und Gesellschaft im Zeitalter Goethes. Festschrift für Hans Tümmler zu seinem 70. Geburtstag. Köln/Weimar/Wien 1977, S. 61–93. Zum Wert und Wandel der Ahnenprobe vgl. Elizabeth Harding/Michael Hecht (Hrsg.): Die Ahnenprobe in der Vormoderne. Selektion – Initiation – Repräsentation. Müns-

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Ansatzpunkt für tiefergehende Familienrecherchen dar. Die Erforschung der personellen Dimension des Hofes unter Herzog Carl August muss also nicht bei Null anfangen, sondern kann auf solide Vorarbeiten aufbauen. Gleichwohl findet sich für Weimar das gleiche Phänomen wie für das übrige Alte Reich: Der Hof ist im Moment zwar en vogue, allerdings nicht als Ganzes. Es gibt etliche verstreute Einzelerkenntnisse, die noch nicht zusammengefügt wurden oder werden konnten, weil zu deren Vervollständigung noch Etliches fehlt. So mangelt es an Erkenntnissen über alltägliche Strukturen und Routinen der Höfe, über das nicht adelige Personal der Hofhaushalte und auch über den Kreis jener am Hof präsenten Personen, die sich außerhalb der Schnittmenge zwischen Haushalt und Hofgesellschaft bewegten. Es gilt also erst einmal Grundlagenforschung zu betreiben und ein Grundgerüst zu schaffen, das den Hof als Haushalt, d. h. als System mehrerer einzelner Hofhaltungen und verschiedener Hofeinrichtungen mit seinen Besonderheiten begreift. Jeroen Duindam betont, dass überhaupt erst auf dieser Grundlage Fragen nach der Rolle oder Funktion eines Hofes gestellt werden könnten.127 Ohne „a sound knowledge of household structures and practices“ verliere sich die Forschung ansonsten in dem endlosen Anhäufen deskriptiver Details über Genealogie, Patronage, Zeremoniell und Hofkultur.128 Die vorliegende Studie wird diese Grundlagenarbeit für den Weimarer Hof in Angriff nehmen und mit dem vergleichenden Blick auf andere Höfe und auf die zeitgenössische Norm ein prosopographisches Grundgerüst für Carl Augusts Hof in der Zeit zwischen 1790 und 1810 erstellen, um es dann mit den bereits bekannten Puzzleteilen und neuen Erkenntnissen zur höfischen Personalpolitik des Herzogs zu füllen.

Quellengrundlage Die Untersuchung des Weimarer Hofes zwischen 1790 und 1810 basiert in erster Linie auf fünf größeren Quellenbeständen: (1) den Konvoluten der Zeremonialwissenschaft,129 (2) den fürstlichen Hof-, Staats- und Adresska-

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ter 2011; Josef Matzerath: Adelsprobe an der Moderne. Sächsischer Adel 1763 bis 1866. Entkonkretisierung einer traditionalen Sozialformation. Stuttgart 2006. Duindam: Early Modern court studies, S. 40. Vgl. ebd., S. 52. Duindam betont darüber hinaus, dass diese Grundstrukturen nur im Rahmen vergleichender Untersuchungen optimal zu erforschen seien. Vec zählt insgesamt zehn Vertreter zur Zeremonialwissenschaft. Für die vorliegende Studie wurden jene vier ausgewählt, die sich in ihren Werken am intensivsten mit dem Hof als Personenverband auseinandersetzen. Dazu gehören Johann Christian Lünig (1662–1740), Julius Bernhard von Rohr (1688–1742), Friedrich Carl von Moser (1723– 1798) und Johann Philipp Carrach (1730–1769). Vgl. Johann Christian Lünig: Theatrum Ceremoniale Historico-Politicum, oder Historisch und Politischer Schau=Platz

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lendern des Herzogtums Sachsen-Weimar-Eisenach,130 (3) den Weimarer und Jenaer Kirchenbüchern,131 (4) den im Thüringischen Hauptstaatsarchiv Weimar aufbewahrten Archivalien des Weimarer Hofes, insbesondere den Überlieferungen des herzoglichen Hofmarschallamtes und des Stallamtes sowie (5) auf den zu diesem Bestand zählenden Weimarer Fourierbüchern. Ergänzend wurden die gedruckten Staatskalender anderer Territorien des Alten Reichs und handschriftliche Überlieferungen der Staatsarchive Gotha, Meiningen, Bamberg sowie des Weimarer Goethe- und Schiller-Archivs herangezogen. Gedruckte Selbstzeugnisse, wie Korrespondenzen, Memoiren oder Tagebücher der Weimarer Hofgesellschaft und Hofbediensteten, wurden zwar ebenfalls konsultiert, aber nur in Ergänzung zu den Hauptquellen ausgewertet. Da die serielle Auswertung der territorialen Staatskalender unter Abgleich mit den Fourierbüchern die Grundlage der Studie bildet, sollen

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Aller Ceremonien, welche So wohl an Europäischen Höfen, als auch sonsten bey vielen Illustren Fällen beobachtet worden. Nebst unterschiedlichen Hofordnungen, Rang=Reglementen und anderen curieusen Piecen, wie auch dem europäischen Canzley=Ceremoniel, Anderer Theil. Leipzig 1720; ders.: Theatrum Ceremoniale HistroricoPoliticum, oder Historisch und Politischer Schau=Platz Aller Ceremonien, welche bey Päbst= und Kayser= auch Königlichen Wahlen und Crönungen etc. Leipzig 1719; Julius Bernhard von Rohr: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschaft der großen Herren, (. . . ) Neue Auflage, Berlin 1733; ders.: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschaft der PrivatPersonen (. . . ) 2. vermehrte Edition, Berlin 1730; Friedrich Carl von Moser: Teutsches Hof=Recht. In zwölf Büchern. Erster Band. Franckfurt und Leipzig 1754; ders.: Teutsches Hof=Recht. In zwölf Büchern. Zweyter Band. Franckfurt und Leipzig 1755; Johann Philipp Carrach: Grundsätze und Anmerkungen zur Käntnis des Teutschen Hofrechts. Erstes Stück von dem Begriff des Teutschen Hofrechts, in: Wöchentliche Hallische Anzeigen, 8. Dezember 1755, S. 808–817; ders.: Beschlus des ersten Stüks derer Grundsätze und Anmerkungen zur Käntnis des Teutschen Hofrechts. von dem Begriff des Teutschen Hofrechts, in: Wöchentliche Hallische Anzeigen, 15. Dezember 1755, S. 824–832; Miloš Vec: Zeremonialwissenschaft im Fürstenstaat. Studien zur juristischen und politischen Theorie absolutistischer Herrschaftsrepräsentation. Frankfurt am Main 1998 sowie Kapitel B dieser Studie. Im Folgenden werden die Hof= und Adress=Calender des Herzogtums SachsenWeimar-Eisenach wie auch die aller übrigen Territorien im Text als Staatskalender abgekürzt. Die Kirchenbücher der Stadt- und der Garnisonskirche in Jena sowie der Stadt-, der Garnisons- und der Hofkirche in Weimar geben Auskunft über Geburten, Patenschaften, Heiraten und Sterbefälle. Innerhalb des Sonderforschungsbereiches 482 „Ereignis Jena-Weimar. Kultur in um 1800“ wurde dieses umfangreiche demographische Material für die Zeit von 1750 bis 1830 in einer Datenbank aufgenommen. Zu Entwicklung, Erscheinungsform und Aussagekraft dieser Quellen vgl. Katja Deinhardt: Kirchenbücher als Quelle für eine stadtgeschichtliche Studie um 1800, in: Klaus Ries (Hrsg.): Zwischen Universität und Stadt. Aspekte demographischer Entwicklung in Jena um 1800. Weimar/ Jena 2004, S. 155–178; Carsten Eichelberger: Zur Genese der Weimarer Kirchengemeinden, in: Klaus Ries (Hrsg.): Zwischen Hof und Stadt. Aspekte der kultur- und sozialgeschichtlichen Entwicklung der Residenzstadt Weimar um 1800. Weimar/Jena 2007, S. 13–26.

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sie hier kurz mit ihren Eigenheiten und spezifischem Quellenwert kritisch vorgestellt werden. Die fürstlichen Hof-, Staats- und Adresskalender Die erste Ausgabe des Weimarer Staatskalenders erschien im Jahre 1757, d. h. etwa anderthalb Jahre nach der Volljährigkeitserklärung und dem Regierungsantritt von Ernst August II. Constantin von Sachsen-Weimar-Eisenach (1737–1758). Der junge Weimarer Herzog entschied sich damit, den eigenen Herrschaftsbereich in einem Periodikum regelmäßig aktualisiert abzubilden. Zu dem Zeitpunkt gaben bereits eine Vielzahl der Regenten des Alten Reichs einen eigenen territorialen Staatskalender heraus, allerdings hatte sich dieses Format noch nicht flächendeckend durchgesetzt. Ernst August II. Constantin gehörte also weder zu den Vorreitern noch zu den Nachzüglern, sondern stimmte in einen Trend ein. Durch den baldigen Tod des Herzogs und die personellen Umstrukturierungen zu Beginn der Vormundschaftsregierung Anna Amalias wurde die Herausgabe des Weimarer Staatskalenders in den Jahren 1759 und 1761 zwar ausgesetzt, danach sollte er allerdings ohne weitere Unterbrechungen für nahezu fünf Jahrzehnte jedes Jahr aufs Neue erscheinen. Erst 1809 verzichtete das Weimarer Herrscherhaus wegen einer grundsätzlichen Behördenumstrukturierung erneut auf die Drucklegung. Ab 1813 sollten sich die Aussetzer häufen. Der Weimarer Staatskalender erschien bis 1830 nur noch fünf Mal in den Jahren 1816, 1819, 1823, 1827 und 1830. Da sich die folgende Studie über den Weimarer Hof auf den Zeitraum zwischen 1790 und 1810 konzentriert, spielen diese späten Lücken keine tragende Rolle. Für die Jahre um 1800 steht mit den Staatskalendern eine wertvolle serielle Quelle für die systematische Untersuchung des Weimarer Hofes zur Verfügung. Der besondere Quellenwert der Weimarer Staatskalender liegt − wie bei den meisten anderen territorialen Staatskalendern und Staatshandbüchern des 18. Jahrhunderts − in der detaillierten Katalogisierung des herzoglichen Hof-, Zivil- und Militärpersonals aller Landesteile. Zwar finden sich in ihnen auch ein umfangreicher kalendarisch-astronomischer Teil, eine kurze Genealogie des einheimischen Herrscherhauses sowie Bekanntmachungen über Messen, Märkte, Postkurse und Ähnliches. Das Kernstück bildete jedoch das ausführliche Behördenverzeichnis. Die Forschung sieht darin die Eigenheit, mit der sich diese territorialen Staatskalender von der übrigen frühneuzeitlichen Kalenderliteratur unterschieden.132 Da die Behördenverzeichnisse 132

Sie werden deshalb auch als eine eigene Quellengattung begriffen. Vgl. Volker Bauer: Einleitung, in: ders.: Repertorium territorialer Amtskalender und Amtshandbu¨cher im Alten Reich. Adreß-, Hof-, Staatskalender und Staatshandbu¨cher des 18. Jahrhunderts. Bd. 1: Nord- und Mitteldeutschland. Frankfurt am Main 1997, S. 1–88, hier S. 1f.

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in der Regel „unter öffentlicher Aufsicht“ 133 erstellt worden sind, werden die Staatskalender oft auch als Amtskalender bezeichnet, während ihre ursprünglichen Bezeichnungen zwischen Adreß-, Hof- und Staatshandbuch bzw. -kalender oder Schematismus variierten.134 Auch die Weimarer Staatskalender zeichneten sich durch Amtlichkeit aus. Die Druckereien, in denen die Staatskalender jährlich gefertigt wurden, bezogen die Personallisten der herzoglichen Einrichtungen direkt vom Weimarer Hof. Carl August selbst legte großen Wert auf eine ordentliche Verzeichnung seines Personals und erinnerte das Hofmarschallamt nach Neueinstellungen oder Beförderungen oft: „Fiat annotation im Adreßcalender“.135 Carl Augusts Appell, personelle Änderungen zu verschreiben, erschließt sich aus dem Sinn und Zweck der Staatskalender, die zum einen als informatives Nachschlagwerk und zum anderen als fürstliches Repräsentationsmedium genutzt wurden. Ein linearer Lesekonsum im Sinne einer konventionellen (Text-)Lektüre lässt sich zwar für die Weimarer Staatskalender grundsätzlich ausschließen, da sie in erster Linie mit Namenskolonnen in tabellarischer Form aufwarteten.136 Umso mehr eigneten sie sich allerdings für das Nachschlagen punktueller Informationen über die professionelle oder gesellschaftliche Position eines herzoglichen Bediensteten.137 Dazu galt es lediglich die Stelle zu ermitteln, an der die gesuchte Person im Kalender verzeichnet war. Denn trotz der alljährlichen Versicherung, „dass die hierinn gemachte unverfängliche Rangirung niemanden an seinem Range oder sonst zum Nachtheil gereicht“,138 wurden die Weimarer Staatskalender stets als Ranglisten gelesen. So erklären sich auch die Auseinandersetzungen, als der Kammerjunker Friedrich August Ludwig von Lasberg (1752−1815) im Staatskalender von 1785 aufgenommen, Friedrich Wilhelm Carl von Mandelsloh (1762−1818) aber versehentlich vergessen und erst ein Jahr später in der Reihenfolge weiter unten eingetragen wurde.139 Letzterer wurde dadurch im Rang degradiert. Um größere Verwirrungen durch erneute Umstellungen zu vermeiden, fragte das Hofmarschallamt 1786 an, ob die Reihenfolge so beibehalten werden dürfe. Von Mandelsloh stimmte zu, im „AddreßCalender dem Herrn von Laßberg nachgesetzt“ zu bleiben, allerdings nur, wenn er 133 134

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Joachim von Schwarzkopf: Ueber Staats- und Adreßkalender. Berlin 1792, S. 24. Da auch der Titel der Kalender von Sachsen-Weimar-Eisenach ab 1816 in Staatshandbuch geändert wurde – bezeichnenderweise erst nach der Erhebung zum Großherzogtum –, wird im Folgenden, der Einfachheit halber der Begrifflichkeit des Genres entsprechend, von den Staatskalendern die Rede sein. ThHStAW HMA 415, Bl. 25. Der traditionelle Kalendergebrauch, den Volker Bauer als Funktion erörtert, ist damit ausgeschlossen. Vgl. Bauer: Einleitung Repertorium, S. 51–55. Dass dies in allen territorialen Staatskalendern der Fall war, zeigt Volker Bauer. Vgl. ebd., S. 59. Vgl. z. B. Staatskalender 1790, S. 15. Vgl. den Weimarer Staatskalender von 1785, S. 76 und den Weimarer Staatskalender von 1786, S. 76.

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dadurch seinen übergeordneten Rang und die damit verbundenen Vorrechte nicht verlöre.140 Sowohl dem Hofmarschallamt als auch den Kammerjunkern war also klar, dass die Stelle, an der ein Hofbediensteter im Staatskalender verzeichnet war, als dessen Position im hierarchischen Gefüge gedeutet wurde. Da die Lasberg-Mandelsloh-Konstellation um 1800 eine protokollierte Ausnahme bleiben, können die Staatskalender prinzipiell als Spiegel der personellen Hierarchie des Weimarer Hofes gelesen werden. Diese Auseinandersetzung der Kammerjunker gibt Aufschluss über das Lesepublikum der Staatskalender, das sich grundsätzlich in drei Gruppen einteilen lässt: Zum Ersten bestand es aus jenen Personen, die in den Staatskalendern verzeichnet und damit einer bestimmten Position zugeordnet waren. Zum Leserkreis zählten − zum Zweiten − aber auch die Regenten, die sich mit Hilfe der Staatskalender über die Höfe ihrer Standesgenossen informierten. Carl August selbst nutzte die territorialen Amtskalender nachweislich als Nachschlagewerk. Als zum Beispiel die Heirat des Weimarer Erbprinzen Carl Friedrich mit der russischen Zarentochter Maria Pawlowna bevorstand, ließ er in den Mecklenburg-Schweriner Staatskalendern nachsehen, wie viele der Oberchargen der Schweriner Herzog Maria Pawlownas Schwester zur Verfügung stellte und wie deren Hof personell eingerichtet war.141 Eine dritte große Lesergruppe bildeten all jene, die mit Höfen, die ihnen bisher unbekannt waren, Kontakt suchten und dazu einen Ansprechpartner brauchten. Die territorialen Amtskalender hatten also einen pragmatischen, informativen Zweck. Im Zuge dessen fungierten die Kalender als fürstliche Selbstdarstellung. Durch die Behördenverzeichnisse, insbesondere aber durch den abgebildeten Hofstaat konnte einem überregionalen, standesübergreifenden Publikum die personelle Prächtigkeit eines Fürstentums vor Augen geführt werden. Der Leser konnte genau auszählen, wie viele Diener ein Regent besaß und wer genau ihm diente. Diese Präzision gewann durch ihre besondere Glaubwürdigkeit an Wert. Da die Kalender tatsächlich als Nachschlagewerke genutzt wurden, konnte es sich kein Regent erlauben, fiktionales Personal aufzulisten. Im Gegensatz zu Festbeschreibungen142 war hier das Risiko zu groß, dass sowohl das überregionale Publikum als auch die Leserschaft vor Ort diesen Schwindel hätten aufdecken können. Der Abgleich der Weimarer Staatskalender mit den Akten des Hofmarschallamtes und den Weimarer Kirchenbüchern kommt deshalb auch wenig überraschend zu dem Ergebnis, dass die darin verzeichneten Personen tatsächlich existierten. Die Weimarer Staatskalender bildeten reale Verhältnisse ab. Gleichwohl musste die Leserschaft der Staatskalender durchaus mit 140 141 142

ThHStAW HMA 414, Bl. 22. Vgl. ThHStAW A 179, Bl. 30v. Vgl. Elke Stein: Der Fürstentod als Fest? Erinnerung und Identitätsstiftung in Schwarzburg-Rudolstadt im 18. Jahrhundert. Examensarbeit. Jena 2001.

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Fehlern rechnen und die Eigenheiten dieses Mediums bei der Benutzung bedenken: Die Kalender wurden nur einmal im Jahr, entweder im Herbst oder im Frühjahr, gedruckt und konnten deshalb Änderungen immer nur um ein Jahr zeitversetzt bekannt machen. Zudem erschienen nicht alle territorialen Staatskalender jedes Jahr. Besonders in Zeiten gesellschaftlicher und politischer Umbrüche verzichteten Fürsten auf die Dokumentation ihres Personals. In Weimar war dies im Jahr 1809 der Fall. Alle Veränderungen des Jahres 1808 wurden dem Leser deshalb nur dann sichtbar, wenn sie bis ins Jahr 1810 fortbestanden. Für Personen, die zwischendurch verstarben, wie zum Beispiel Wilhelm von Schierbrandt oder Emil Carl August Heinrich von Hönning (1781−1809), gingen Informationen über ihren weiteren Karriereverlauf bis zum Tod verloren. Nicht zuletzt unterliefen sowohl den Druckereien als auch dem Hofmarschallamt gelegentlich kleinere Fehler, wie zum Beispiel die vertauschte Rangfolge der beiden Kammerjunker von Mandelsloh und von Lasberg.143 Druckfehler waren in der Regel sofort erkennbar, wenn ganze Bögen vertauscht und somit ganze Abteilungen für ein Jahr ausradiert worden waren.144 Der Vorwurf der Forschung, die Kalender seien „im allgemeinen voller Fehler“,145 lässt sich somit im Grundsatz nicht entkräften. Allerdings verliert der Staatskalender dadurch als historische Quelle für die Untersuchung der deutschen Höfe nur minimal an Wert. Denn zum einen lassen sich die Fehler durch den seriellen Charakter leicht aufdecken, und zum anderen können diese mit Hilfe der Akten des Hofmarschallamtes und der Kirchenbücher weitgehend korrigiert werden. Letztlich ist es also durchaus möglich, ein konsistentes Gesamtbild zu zeichnen. In der vorliegenden Studie werden neben den Weimarer Staatskalendern auch Verzeichnisse anderer Territorien herangezogen. Da heutzutage selten alle Jahrgänge eines Territoriums vollständig an einem Ort aufbewahrt werden und unter Umständen über ganz Deutschland verteilt in verschiedenen Archiven und Bibliotheken liegen,146 wurde pragmatisch immer dann auf die aufwendige Beschaffung eines einzelnen Kalenders verzichtet, wenn es möglich war, mit den bis dahin gesammelten Daten einen deutlichen Trend der jeweiligen Hofgröße nachzuzeichnen. Die statistische Erhebung der weltlichen Höfe weist deshalb Lücken auf.147 143

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Vereinzelt wurden Personen erst ein oder zwei Jahre nach ihrer Anstellung verzeichnet. So wurde zum Beispiel der Instruktor Johann Christian Schäfer schon im Juli 1789 angestellt, aber erst im Kalender von 1792 verzeichnet. Vgl. ThHStAW A 84a, Bl. 2; Weimarer Staatskalender von 1792, S. 96. Dies war bei der Jägerei 1791 der Fall. Vgl. den Weimarer Staatskalender von 1791, S. 96– 97. Bauer: Einleitung Repertorium, S. 28. Ein Verzeichnis bekannter Staatskalender – allerdings nur bis 1806 – lieferte Volker Bauer mit seinem vierbändigen Repertorium. In den Graphiken wird deshalb die Entwicklung des Hofpersonals der nicht ausgewerteten Jahre nur mit gestrichelten Linien angedeutet. Ist ein Staatskalender über mehrere

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Die Weimarer Fourierbücher Die Weimarer Fourierbücher sind nahezu vollständig für sechs Regentschaften des Weimarer Herzogtums überliefert. Das Thüringische Hauptstaatsarchiv in Weimar verwahrt diesen Bestand an Akten, der im Jahr 1748 beginnt und sich zunächst in unregelmäßigen zeitlichen Abständen fortsetzt, schließlich aber von der Mitte der 1760er Jahre bis 1918 mit wenigen Unterbrechungen aufgelegt wurde. Für den Untersuchungszeitraum von 1790 bis 1810 steht also eine serielle Quelle zur Verfügung.148 Die Fourierbücher enthalten eine handschriftliche Personenliste, in der die Familien- oder Geschlechternamen all derjenigen verzeichnet wurden, die an der fürstlichen Tafel, der Marschallstafel oder an der Tafel der fürstlichen Kinder, d. h. der Erbprinzentafel, Prinzentafel oder Prinzessinnentafel des Weimarer Hofes speisten. Eine Ausnahme bildet der Gästekreis der Herzoginmutter Anna Amalia, für deren separate Tafel keine Fourierbücher überliefert sind. Die Nachnamen der Speisenden sind nach den entsprechenden Tafeln sowie nach Mittag- und Abendessen getrennt gelistet und in der Regel mit abgekürzten Titulaturen versehen. In der Kopfzeile eines jeden Eintrages wurde neben dem präzisen Datum zudem des Öfteren der Ort oder Raum festgehalten, wo getafelt wurde. Eher selten wurden besondere Anlässe des Speisens, wie zum Beispiel Bälle, Assembleen oder Geburtstage, vermerkt. Die täglichen Einträge enden mit einem unregelmäßig geführten, zumeist auf wenige Sätze beschränkten Anmerkungsapparat in der Fußzeile. Jedes Fourierbuch enthält zudem ein Register mit dem Titel „von Begebenheiten derer durchl. Herrschafften!“. Darin sind die innerhalb des Jahres getätigten herrschaftlichen Reisen mit Verweisen auf die Seitenzahl und teilweise auf das Datum in einer Art Übersicht zusammengestellt worden. Die Weimarer Fourierbücher dienten vermutlich mehreren Zwecken. Einerseits weisen die deutliche Schrift, die verzierten Anfangsbuchstaben und die ausgeschmückten Kopfzeilen auf eine repräsentative Verwendung hin. Andererseits legt das regelmäßig vor allem an der Sonntagstafel auftretende Phänomen des Abhakens bzw. des nachträglichen Durchstreichens der Namen nahe, dass die Fourierbücher zum Zwecke einer genauen Buchhaltung geführt wurden. Vor dem Hintergrund der Kostgeldzahlungen für

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Jahre nicht erschienen, wie z. B. in Kassel während der Interimsregierung von Jerome Bonparte, setzt die Trendlinie dagegen komplett aus. Die Fourierbücher wurden im Rahmen des Sonderforschungsbereiches 482 „Ereignis Jena-Weimar. Kultur in um 1800“ für den Zeitraum von 1777 bis 1810 transkribiert und in Form einer elektronischen Datenbank aufbereitet. Aufgrund der Eigenheiten der Quelle konnten zwar keine komplexen, statistischen Suchabfragen kreiert werden. Eine Namensabfrage ist jedoch möglich. Die Originalbücher stellt das Thüringische Hauptstaatsarchiv Weimar in digitalisierter Form online zur Verfügung. Vgl. http:// archive.thulb.uni-jena.de/ThHStAW/content/main/ component.xml [Zugriff: 24. Juni 2011].

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die hohen Hofangestellten erscheint dies plausibel, weil damit auch die im Anmerkungsapparat verzeichneten An- und Abfahrten der Herrschaften eine Erklärung finden. Denn die Hofbediensteten wurden bei Abwesenheit der Herrschaften anders bezahlt. Der Vergleich mit den Gothaer, Meininger und Rudolstädter Fourierbüchern, in denen zum Teil Kosten explizit vermerkt wurden, unterstreicht, dass die Weimarer Variante ein rechtliches Dokument für die Ausgabe der Hofküche gewesen ist.149 Nicht zuletzt muss aber auch die Möglichkeit in Betracht gezogen werden, dass das Schreiben des Fourierbuchs der Dokumentation für den Hof selbst oder die Nachwelt diente.150 Verschiedene Vorzüge erheben die Fourierbücher zu einer überaus geeigneten Quelle für die Hofforschung: Zum einen liegt der besondere Wert dieser Bücher in der überdeutlichen Regelmäßigkeit, mit der die Vorgänge an der Weimarer Tafel verzeichnet wurden. In der Zeit zwischen 1790 und 1804151 fehlen nur ca. 200 Einträge, also lediglich knapp 1,8 % der täglichen Einträge über das Mittag- und Abendessen. Gleichwohl erschöpft sich die Attraktivität dieses Quellenbestandes nicht allein im seriellen Charakter. Die Bücher bieten darüber hinaus eine dichte Fülle an Informationen, die in vielfältiger Art umfassenden Einblick in das aktuelle Tagesgeschehen des Weimarer Hofes im 18. und 19. Jahrhundert gewähren. Das An- und Abgehen von Besuchern und Hofangehörigen, der Einsatz der fürstlichen Equipage, die Art und Weise, wie Gäste untergebracht wurden, die Art der Verpflegung und des Reisens oder das für den Hof hinterlassene Trinkgeld lassen sich damit ebenso nachvollziehen wie auch Auskünfte über Krankheit und Tod, An- und Ablegen der Hoftrauer, Dienstantritte der Dienerschaft, Festveranstaltungen, „Concerte, Cour und Comedien“ eingeholt werden können. Das Führen der Fourierbücher oblag dem Fourier − als eine Art höfischem Informationsknotenpunkt.152 Bei ihm liefen alle aktuellen Informationen 149

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Vgl. ThStA Meiningen, Hofmarschallamt Meiningen, Nr. 1356–1396; Roswitha Jacobsen: Die Tafel als Medium herrschaftlicher Repräsentation, in: Werner Greiling/ Andreas Klinger/Christoph Köhler (Hrsg.): Ernst II. von Sachsen-Gotha-Altenburg. Köln/Weimar/Wien 2005, S. 169–184; Vinzenz Czech: Fourierzettel und Fourierbücher als Quellen zum höfischen Besucherverkehr. Unveröffentlichtes Redemanuskript [Stand 2002]. Ich danke Herrn Vinzenz Czech herzlich für das Überlassen seines Redemanuskriptes. Laut Julius Bernhard von Rohr oblag es dem Hofmarschallamt Dokumentation „zum Andencken der Vorfahren, und den Nachkommen zum Besten“ zu betreiben. Vgl. Rohr: Grosse Herren, S. 739, § 12. Ab 1803 ändert der Fourier die Art und Weise, wie er die Gäste der fürstlichen Tafel verzeichnete. Statt der einzelnen Namen beschränkte er sich nun vermehrt auf den Hinweis „gewöhnliche Personen“. Bis 1804 lassen sich diese gewöhnlichen Personen aufschlüsseln. Mit der Ankunft Maria Pawlownas wird das zunehmend schwieriger. Bei ihrer Anstellung wurden die Fouriere verpflichtet, die „fourier bücher mit besonderer Richtigkeit und Reinlichkeit“ zu führen. ThHStAW HMA 636, Bl. 11, 29r. Vgl. auch ThHStAW HMA 635, Bl. 3.

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über die An- und Abwesenheit, den Dienst und das Betragen des an der höfischen Tafel dienenden Personals zusammen, da er die Aufsicht über die Tafel und die entsprechende Livreeaufwartung hatte. Darüber hinaus gehörte es zu seinen Aufgaben, „Invitationen zur Tafel“ zu übermitteln.153 Der Fourier vereinigte deshalb sowohl das Wissen über die bei Tafel dienenden als auch über die an der Tafel speisenden Personen. Die Angaben in den Fourierbüchern können demzufolge im hohen Maße als Spiegel der historischen Wirklichkeit angenommen werden. Darauf verweist auch der Abgleich mit anderen zeitgenössischen Quellen: Der Inhalt des Fourierbuchs bildet mit den Staats-, Hof- und Adresskalendern, den Weimarer Geburts-, Heirats- und Sterberegistern als auch mit Selbstzeugnissen, wie den Briefen der verzeichneten Tafelgäste, ein schlüssiges, kohärentes Gesamtbild.

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ThHStAW HMA 635, Bl. 3, 24.

1. Kulturelle Selbstverständlichkeiten An der Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert mehrten sich die Bestrebungen, das Hof- und Staatswesen mit seinen vielfältigen Facetten zu erfassen und zu beschreiben. Verschiedene Autoren, die alle selbst aus einem höfischen Umfeld stammten oder sich in einem solchen bewegten, rückten dazu das Zeremoniell in den Blickpunkt der Betrachtungen und suchten eine Anleitung zu erstellen, die gleich einem „Wegweiser“ die Grundregeln des Hofwesens aufzeigen sollte.1 Dabei grenzten sie sich klar von den bisherigen zeitgenössischen Komplimentierbüchern ab und sprachen dem Zeremoniell eine „andere, normative Qualität“ im Gegensatz zur Höflichkeit zu.2 Trotz oder gerade wegen dieses hohen Selbstanspruchs war die Gattung3 der Zeremonialwissenschaft vergleichsweise kurzlebig: Die ersten Werke erschienen um 1700, die letzten um 1755. Zu ihren bedeutsamsten Vertretern gehörten neben Johann Christian Lünig und Julius Bernhard von Rohr auch Friedrich Carl von Moser und Johann Philipp Carrach. Sie alle waren bestrebt, das Zeremoniell zu systematisieren.4 Die Umsetzung fiel jedoch sehr unterschiedlich aus. Lünig erschloss sich die höfische Wirklichkeit durch umfangreiche, detaillierte Beschreibungen historischer Begebenheiten. Julius Bernhard von Rohr schuf bereits eine erste Systematik im heutigen Sinne, verlor sich aber ebenfalls in vielen Beispielen. Carl Friedrich von Moser gelang es sodann, Regeln für höfische Mechanismen und Strukturen implizit wie explizit zu formulieren.5 Seine Werke vermitteln eine klare Vorstellung, wie ein Fürstenhof durch das Zeremoniell reguliert wurde, da er zwischen Beispielen bzw. Einzelfällen und allgemeingültigen, kulturellen Selbstverständlichkeiten unterschied.6 Carrach ging schließlich darüber hinaus, indem er auf abstrak1

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Alle Zeremonialwissenschaftler waren von der Lehrfunktion ihrer Werke überzeugt, wechselten aber zwischen den Begriffen „Modell“, „Anleitung“ und „Wegweiser“. Vgl. Lünig: Theatrum Ceremoniale, Bd. 1, „An den Leser“, o. pag.; Rohr: Grosse Herren, Vorrede, § 4, o. pag; Moser: Teutsches Hofrecht, Bd. 1, Vorbericht, o. pag. (Zitat). Vgl. Milos Vec: Zeremonialwissenschaft im Fürstenstaat. Studien zur juristischen und politischen Theorie absolutistischer Herrschaftsrepräsentation. Frankfurt am Main 1998, S. 4ff. Vec definiert in seiner Einleitung die Zeremonialwissenschaft als Gattung, die sich als eine von „Diskontinuitäten geprägte“ und „sich nach außen abgrenzende Zitiergemeinschaft“ auszeichnete. Dieses Verständnis wird hier zu Grunde gelegt. Vgl. Vec: Zeremonialwissenschaft, S. 1ff. Vgl. dazu die Vorreden an den Leser, die jeder Zeremonialwissenschaftler seinem Werk voranstellte. Moser selbst bezeichnet Lünigs "Theatrum Ceremoniale" als ein „unsystemische[s] Werck“ – zugleich aber auch als ein Handbuch, auf das man sich „ohne jenes grosse und ohnehin bey der Hand zu haben, zu beziehen im Stand seyn solle“. Vgl. Moser: Hofrecht, Bd. 1, S. 5. Wegen dieser Deutlichkeit wird Moser im Folgenden vornehmlich als Grundlage genutzt.

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1. Kulturelle Selbstverständlichkeiten

tem Niveau die Trennung von Hof- vom Staatsrecht zu begründen suchte. Mit jedem Vertreter entwickelte sich die Zeremonialwissenschaft weiter. Das Zeremoniell wurde immer differenzierter definiert und geriet dabei in den Sog des staatsrechtlichen Positivismus, was letztlich zum schnellen Niedergang der Gattung führte.7 Fragt man nach dem Speziellen, was einen Hof zum Hof machte, lohnt es sich, jene Werke der Zeremonialwissenschaft zu konsultieren. Denn aus diesen Konvoluten lassen sich im Zusammenspiel mit dem Wissen der zeitgenössischen Lexika8 verschiedene Merkmale und Kriterien herausfiltern, die einen fürstlichen Hof im 18. Jahrhundert als einen solchen auszeichneten. Zwar gab es für Regenten im Allgemeinen nur wenige präzise Vorgaben und Regeln, stattdessen eher reichlich individuellen Gestaltungsfreiraum. Doch galt es offensichtlich – trotz aller Unterschiede und Besonderheiten, die die Zeremonialwissenschaft für einen jeden einzelnen Hof zu nennen wusste – gewisse Standards in Fragen der personellen Ausstattung zu erfüllen. Diese Anforderungen werden im Folgenden zu einer Art Regelkatalog des Hofes im 18. Jahrhundert verdichtet. Erst auf dieser Grundlage scheinen eine realgeschichtliche Erforschung, Einordnung und Interpretation des Weimarer Hofes unter der Regentschaft Carl Augusts von Sachsen-Weimar-Eisenach sinnvoll möglich.

1.1 Die Freiheit des Fürsten Als erstes und oberstes Kriterium muss betont werden, dass ein Fürst die Freiheit besaß, seinen Hof nach seinen Wünschen und Bedürfnissen individuell zu gestalten. Kein Gesetz schränkte ihn dabei ein.9 Die Einrichtung und Unterhaltung eines Hofes unterlag grundsätzlich der „vollkommenen freyen Willkühr“10 eines Regenten. Er allein konnte in seinem Hofstaat schalten und walten, wie er wollte. Ein Hof musste damit letztlich keinen anderen Anforderungen genügen als denen, die der Regent an ihn stellte. Auf den ersten Blick führt diese Freiheit das Vorhaben, eine Art Regelkatalog höfischer Standards zu erstellen, scheinbar ad absurdum. Wie lässt sich ein 7 8

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Vgl. Vec: Zeremonialwissenschaft, bes. S. 106–137, 299–402. Vor allem die Enzyklopädien von Johann Georg Krünitz und Johann Heinrich Zedler bauen auf dem Wissen der Zeremonialwissenschaft auf und bieten z. T. bereits eine zeitgenössische Interpretation. Eine Ausnahme stellte die absolute Verschuldung dar. In diesem Fall durfte eine kaiserliche Debitkommission eingreifen. Ein zeitgenössisch passendes Beispiel wäre der Schuldenfall Sachsen-Coburg-Saalfelds. Vgl. z. B. Siegrid Westphal: Kaiserliche Rechtsprechung und herrschaftliche Stabilisierung. Reichsgerichtsbarkeit in den thüringischen Territorialstaaten 1648–1806. Köln/Weimar/Wien 2002, S. 263–265. Moser: Teutsches Hofrecht, Bd. 1, S. 74.

1.1 Die Freiheit des Fürsten

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solcher Regelkatalog aufstellen, wenn bereits die erste Regel alles außer Kraft zu setzen vermag? Die Lösung liegt im zeitgenössischen Verständnis der europäischen bzw. deutschen Hoflandschaft als einem historisch gewachsenen System, das auf der Grundlage tradierter Sitten, Gebräuche und Ordnungen funktionierte und dessen Gültigkeit sich auf eben dieses Herkommen gründete. Jeder Regent zeichnete sich zwar durch eine „besondere Haushaltung (. . . ) auf eine ganz ausnehmende Weise von der Lebens=Art seines Volcks“11 aus, dennoch war er nicht der Einzige, der sich auf eben diese Weise hervorhob. Im Alten Reich gab es eine Vielzahl an Regenten, die sich gegenüber ihren Untertanen sozial abgrenzen mussten. Eine „einzelne Hof=Republique“ stand somit keineswegs für sich allein, sondern war Teil eines übergreifenden höfischen Systems, dessen Verhältnisse und Gepflogenheiten als kulturelle Selbstverständlichkeiten tradiert und von jedem Teil des Systems erwartet wurden.12 Sobald ein Fürst diese missachtete und seinen Hof entgegen dem allgemeinen Herkommen gestaltete, musste er damit rechnen, dass Fremde seinen Hof mieden und ihn auf diese Weise innerhalb des Systems isolierten.13 In äußerst seltenen Fällen konnten Regelbrüche zwar zum nachahmenswerten Vorbild aufsteigen. Weit häufiger wurde jedoch „gleiches mit gleichen“ vergolten oder gar „offentliche Beschwerden“ eingereicht, wenn sich ein in etwa gleichrangiger Potentat durch einen unkonventionellen Hof zurückgesetzt fühlte.14 Ein Regent war also trotz seiner prinzipiellen Freiheit immer mit bestimmten Erwartungen konfrontiert, die seinen Handlungsspielraum bei der Einrichtung und Unterhaltung seines Hofes absteckten. Die Zeremonialwissenschaft suchte eben diese Erwartungen, Gepflogenheiten und tradierten Verhältnisse schriftlich festzuhalten. Das grundlegende Prinzip des unbeschränkten Handlungsspielraums eines Regenten war ihnen dabei wohl bekannt. Immer wieder relativieren sie ihre Ausführungen über die „Vaterländischen Hof-Gebräuche“15 mit dem Verweis darauf, dass ein Regent an seinem Hof prinzipiell alles nach seinem Belieben einrichten und verändern könne. Dass sie dennoch davon unbeirrt das Hof- und Staatswesen 11 12

13 14 15

Ebd., Bd. 1, S. 7. Vgl. Bauer: Repertorium, Einleitung, Bd. 1, 1997, S. 57. Die Forschung bezeichnet dieses System in der Regel als höfische Öffentlichkeit, die nicht in erster Linie die Untertanen, sondern andere Fürsten einbegriff. Vgl. z. B. Barbara Stollberg-Rilinger: Höfische Öffentlichkeit. Zur zeremoniellen Selbstdarstellung des brandenburgischen Hofes vor dem europäischen Publikum, in: Forschungen zur brandenburgischen und preußischen Geschichte 7 (1997), S. 145–176; oder Andreas Pečar: Gab es eine höfische Gesellschaft des Reiches? Rang- und Statuskonkurrenz innerhalb des Reichsadels in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts, in: Harm Klueting/Wolfgang Schmale (Hrsg.): Das Reich und seine Territorialstaaten im 17. und 18. Jahrhundert. Aspekte des Mit-, Neben- und Gegeneinander. Münster 2004, S. 183–205. Vgl. z. B. Stollberg-Rilinger: Hofzeremoniell, S. 21. Moser: Teutsches Hofrecht, Bd. 1, S. 70. Ebd., Bd. 1, Vorbericht, o. pag.

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1. Kulturelle Selbstverständlichkeiten

zu ergründen beanspruchten, unterstreicht die Verbindlichkeit allgemeingültiger Standards, die es zu erfüllen galt, wenn ein Regent mit seinem Hof von Seinesgleichen akzeptiert werden wollte.

1.2 Zeremonielle Erwartungen an einen Fürstenhof des 18. Jahrhunderts 1.2.1 Größe und Struktur eines Hofes Die Erwartungen, die im 18. Jahrhundert an einen Hof gestellt wurden, bestimmten sich maßgeblich nach dessen personeller Größe: Ein großer Hof hatte grundsätzlich anderen Ansprüchen zu genügen als ein mittlerer oder ein kleinerer Hof. Zur Gruppierung wurden generell drei Kategorien – groß, mittel oder klein – bemüht, jedoch von der Zeremonialwissenschaft in ihrer zahlenmäßigen Bestimmung und in den Grenzen zueinander unscharf belassen. Stattdessen wird immer wieder darauf verwiesen, dass „in neuern Zeiten (. . . ) die Menge der Hofbedienungen, der Titulaturen, und der Chargen (. . . ) vermehret worden“ sei.16 Das Hofpersonal unterläge ebenso wie das Staatspersonal der Mode bzw. dem Trend zur Personalentwicklung. Eine genaue Bezifferung der Hofgröße war auf Grund dieser Variabilität offensichtlicht nicht angebracht. Umso deutlicher wurde dagegen herausgestellt, an welchen beiden Kriterien sich die Hofgröße orientieren sollte: zum einen am Rang des Regenten und zum anderen an dessen Einkommen. Bemerkenswerterweise spielte indes die Größe des Territoriums bzw. Herrschaftsgebietes keine Rolle.17 Vielmehr galt: Je höher der Rang des Regenten im Reich, desto größer durfte und sollte dessen Hof gestaltet sein. Der Kaiserhof bildete somit unstreitbar die Spitze der Messlatte. Für alle anderen Höfe galt es, die eigene Ausgestaltung in einer angemessenen Relation dazu zu finden. Dabei durften sich die Regenten des Reiches aber weder „zu tief herunter setz[en]“ noch sollten sie es gleichermaßen mit dem ihrem „Stand gebührenden Glantz“ übertreiben.18 Beides wurde als „unwerth“19 wahrgenommen und drohte mit Prestigeverlust bestraft zu werden, da auf fremde Fürsten ein „allzuwenig bey Grossen (. . . ) verächtlich“ wirkte ebenso wie ein „allzuvil bey Kleinen (. . . ) lächerlich“.20 Den gleichen Effekt bewirkten zudem jene Höfe, die weit über oder unter ihren finanziellen Verhältnissen eingerichtet waren. Ein ordentlicher Hof sollte zwar eine „hin16 17 18 19 20

Rohr: Grosse Herren, S. 236–237. Moser: Teutsches Hofrecht, Bd. 1, S. 6. Ebd., S. 197. Ebd. Ebd., S. 144.

1.2 Zeremonielle Erwartungen an einen Fürstenhof des 18. Jahrhunderts

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reichende, doch nicht überflüßige, Anzahl der hohen und nideren Bedienten“ vorzeigen können.21 Mit der erwarteten Korrelation zum Rang stellte die Wahl der personellen Hofgröße folglich keine individuelle Entscheidung eines Regenten als Hausvater mehr dar, sondern präsentierte in erster Linie dessen politische Selbstwahrnehmung und Selbstverortung im Gefüge des Alten Reiches. Die Bestimmung der Hofgröße blieb durch die Zeremonialwissenschaft demzufolge auch zu Recht merklich vage und im Allgemeinen verhaftet. Das Rangsystem innerhalb des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation gestaltete sich nicht starr und statisch, sondern konnte auf dynastische bzw. politisch-soziale Entwicklungen reagieren.22 Während allein die Ränge der Kurfürsten vertraglich in der Goldenen Bulle festgeschrieben waren, beruhte die hierarchische Ordnung der anderen Fürsten des Reiches auf dem altüberbrachten Herkommen. Nicht selten führte dies zu Unsicherheiten und Rangstreitigkeiten. Karl VI. (1685–1740), der als Kaiser de jure das Recht hatte, über die Ränge im Reich zu bestimmen,23 sah sich deshalb im März 1728 genötigt, schriftlich erneut zu bestätigen, dass regierende Fürsten den nicht regierenden im Rang vorgingen und dass sich unter den regierenden Fürsten wiederum der Rang nach der „Ancienneté des Voti et Sessionis in Comitiis Imperii“, d. h. nach Sitz und Stimme auf dem Reichstag bemaß.24 Wenn die Höfe der einzelnen Fürsten deren jeweiligem Rang angemessen gestaltet sein sollten, konnten sie folglich kein starres, fest definiertes Gebilde sein. Vielmehr galt es auf maßgebliche Veränderungen und Umgestaltungen der Höfe jener Regenten zu achten und zu reagieren, die im Reichstag den jeweils vorderen und den nachfolgenden Platz in der Stimmabgabe einnahmen und damit den jeweils nächsthöheren und niedrigeren Rang beanspruchen konnten. Wesentlich beständiger gestalteten sich indes die allgemeinen Erwartungen an die Struktur eines fürstlichen Hofes: Grundsätzlich sollte ein Hof aus verschiedenen nach Geschlecht und innerfamiliärem Status getrennten Hof21 22

23 24

Ebd., S. 7. Vgl. dazu Barbara Stollberg-Rillinger: Ordnungsleistung und Konfliktträchtigkeit der höfischen Tafel, in: Peter-Michael Hahn/Ulrich Schütte (Hrsg.): Zeichen und Raum. Ausstattung und höfisches Zeremoniell in den deutschen Schlössern der Frühen Neuzeit, München/Berlin 2006, S. 103–122, hier S. 107. Vgl. ebd.. Vgl. Johann Jacob Moser: Teutsches Staats=Recht. 36. Teil. Darinnen von der RangOrdnung unter denen Reichs-Fürsten, des Fürstlichen Collegii Directorio, Bäncken, Vereinen, Conventen, anderen Collegial-Sachen, auch Ceremoniel und Stylo Curiae unter sich, dann von derer Reichs-Fürsten Gerechtsamen in Ansehung des Kaysers, des Röm. Reichs unt dessen Stande, der Reichs-Gerichte und der Fremden Staaten und endlich von den Reichs-Prälaten und Aebtißinnen Ursprung, verschiedenen Sorten Anzahl u. wie auch von jedem Reichs-Prälaten und Aebbtißin ins besondere gehandelt wird. Leipzig und Ebersdorff im Vogtland 1748, S. 259. Das Original findet sich im Österreichischen Staatsarchiv unter: HHStA, NZA, ZA Prot. 14, bes. f. 56v–58r.

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1. Kulturelle Selbstverständlichkeiten

haltungen bzw. Hofstaaten bestehen. In der Regel hatten an mittleren und großen Höfen sowohl der Regent als auch dessen Gemahlin, dessen verwitwete Mutter sowie dessen Kinder und Geschwister einen eigenen, größtenteils voneinander unabhängigen Personalbestand, über den sie verfügen konnten. Prinzipiell waren davon aber Gespielinnen oder Ehefrauen ausgenommen, die zur „linken Hand“ mit dem Fürsten verbunden waren.25 Der Hof einer rechtmäßigen Gemahlin sollte deren Rang repräsentieren, musste aber prinzipiell im angemessenen Verhältnis zum Rang und Einkommen des Regenten gestaltet sein. Er zeichnete sich dadurch aus, dass dort auch der weibliche Adel aufwarten durfte und deshalb gewöhnlich beiderlei Geschlecht zu finden war, d. h. sowohl ein (Ober-)Hofmeister oder anderer Kavalier als auch eine (Ober-)Hofmeisterin sowie einige Hofdamen bzw. Hoffräulein.26 Die Regentengattin verfügte dennoch in der Regel über wesentlich weniger eigene Hofbedienstete als ihr Mann, da sie dessen niedere Leibbedienung mit in Anspruch nehmen durfte. Zwar sollte sie auf eigene „Weibs=Personen“, wie Kammerfrauen und -jungfern sowie Garderobenmädchen zurückgreifen können. Männliche Diener mussten ihr jedoch nicht zwangsläufig zugebilligt werden, da sie, „was die Wohnung, Tafel, Marstall etc. und andere zur Pracht und Gemächlichkeit dienende Anstalten betrifft“27 , allzeit den gleichen Anteil wie ihr Gatte genießen dürfe. Eine Ausnahme bildete der Sekretär, der ihr als Finanzverwalter zustand, wenn sie über beachtliche Hand-, Spiel- oder Schatullgelder verfügte.28 Da alle Bediensteten des Gemahlinnenhofes zudem der Gerichtsbarkeit der Hofämter des Regenten unterstanden,29 erscheint dieser Hofstaat kaum mehr als eigenständiger Hof, als vielmehr eine Abteilung, die der Gattin innerhalb des regentschaftlichen Hofhaushaltes zugeteilt wurde. Sobald der regierende Ehegatte allerdings verstarb, gelangte die Fürstin zu vergleichsweise weitgehender Selbständigkeit als Witwe. Denn üblicherweise wurden schon vor der Vermählung in detailreichen Eheverträgen die Gestaltung des Witwenhofes und die Höhe des Wittums festgelegt.30 Dies war nötig, da mit dem Tod des Ehegatten sogleich alle Verfügungsrechte über dessen Personal erloschen und „das sonstige Befehlen sich in ein blosses Bitten und die Schuldigkeit in eine ehrerbietige Höflichkeit“ verwandelte.31 Außerdem hatte die Witwe in der Regel die Zimmer, die sie als Gemahlin bewohnte, umge25 26 27

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Vgl. dazu Moser: Teutsches Hofrecht, Bd. 1, S. 599, 615; Bd. 2, S. 6–7, 85. Zum Ausschluss der Gemahlin linker Hand vgl. ebd., Bd. 1, S. 593. Vgl. ebd., Bd. 1, S. 601f. Ebd., Bd. 1, S. 598. Zu diesen Anstalten gehörte zum Beispiel auch die Kanzlei des Regenten, der zwar nicht die Privatkorrespondenz der Regentengattin, wohl aber deren Staatskorrespondenz, wie z. B. Neujahrsnotifikationen, übernahm. Vgl. ebd., Bd. 1, S. 602. Vgl. ebd., Bd. 1, S. 602. Ebd., Bd. 1, S. 600–601. Vgl. für Prinzen ebd., S. 610f., und für Prinzessinnen ebd., Bd. 2, S. 74f. Ebd., Bd. 1, S. 615.

1.2 Zeremonielle Erwartungen an einen Fürstenhof des 18. Jahrhunderts

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hend für die neue Regentengattin freizugeben. Als ehemalige Gemahlin war sie nun also mehr oder weniger genötigt, einen eigenständigen Hof für sich einzurichten. Dabei musste sie sich aber nicht mehr am Hof des regierenden Nachfolgers orientieren, sondern war ausschließlich an die Einkünfte ihres Wittums gebunden. Dennoch formulierte Carl Friedrich von Moser auch für eine Witwe eine personelle Leitlinie dahingehend, dass ihr Hof aus mindestens einem adeligen Hofmeister, einem Haushofmeister, drei Hofdamen oder fräulein, ein oder zwei Pagen, zwei Kammerjungfrauen und drei Garderobenmägden zusammensetzen sollte. Zudem galt es „die nöthige Livrée bey Hof und im Stall, nebst andern Küchen-Keller-Garten u.d.g. Bedienten“ zu unterhalten.32 Im Gegensatz zu den übrigen Damen des Herrscherhauses genoss sie allerdings „den wichtigen Vortheil dabey, daß sie ihr[em gesamten Personal], was den Hof=Dienst betrifft, alleine zu befehlen hat“. Die Eigenständigkeit einer fürstlichen Witwe bestand also in der Freiheit, ihr Hofpersonal nach ihren Finanzen aussuchen und ohne Einwand des Regenten befehlen zu dürfen. Für die Höfe der Prinzen und Prinzessinnen stellte die Zeremonialwissenschaft klar, dass hierbei wiederum „alles auf das Verhältniß der Würde und des Vermögens“ des Regenten ankomme.33 In den ersten Lebensjahren sollte sowohl der weibliche als auch der männliche Nachwuchs gleich behandelt und zunächst von einer Kinds- oder Kammerfrau, einer Amme, Wartfrau und etlichen Kindsmägden umsorgt werden.34 Nach einiger Zeit sollte dann die Ablösung durch eine adelige Hofmeisterin erfolgen, an größeren Höfen konnte diese aber auch schon bei der Geburt berufen werden. Die Gleichbehandlung der Geschlechter fand mit dem Eintritt in die standesgemäße Erziehungs- bzw. Unterrichtsphase ein Ende, da Prinzen dann der weiblichen Fürsorge entzogen und einer männlichen unterstellt werden sollten. Für die Wahl des entsprechenden Zeitpunktes gab es allerdings “kein übereintreffendes Herkommen”.35 Carl Friedrich von Moser wusste von Fällen zu berichten, in denen die fürstlichen Eltern ihre Söhne “vor zurückgelegtem vierten Jahr” aus der Kinderstube nahmen, “vilfältig währt es aber auch biß in das sechste, siebende Jahr, ja noch später”.36 Gleich, welches Alter die Prinzen erreicht hatten, galt es für sie, zwei Bereiche personell abzusichern: die Aufsicht bzw. Gesellschaft und den Unterricht. Für Ersteres sollte in der Regel ein Hofmeister “von guten adelichen Geschlecht” sorgen. Der gute alte Adel sollte garantieren, dass der Hofmeister “den Prinzen überall begleiten [und] mithin Krafft seiner Geburt ausser allen Vorwurf seyn (. . . )

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Ebd. Ebd., Bd. 2, S. 77. Ebd. Die Aya oder Hofmeisterin der Kinder des Regenten, eine „Dame von Adel und guten Einsichten”, gehöre aber während der ersten Lebensjahre strukturell zum Hofstaat der Gemahlinnen. Vgl. ebd., S. 6, 155. Ebd., Bd. 2, S. 6. Ebd., Bd. 2, S. 7.

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1. Kulturelle Selbstverständlichkeiten

[würde, um] in den größten Gesellschafften erscheinen zu können“.37 Der Unterricht oblag dagegen einer unbestimmten Zahl an Informatoren bzw. Instruktoren und “besondere[n] Meister[n] zu den Leibes=Übungen und andern den grossen diser Welt anständigen oder doch anständig erachteten Künsten”.38 Für die Bequemlichkeit und den Komfort der Prinzen konnte bereits in dieser Phase eine besondere Bedienung zur Verfügung gestellt werden, obgleich ein eigener Hof frühestens ab dem 12. Lebensjahr, spätestens zur Vermählung formiert werden sollte.39 Während die Höfe der Erbprinzen wieder in Relation zum Rang und Einkommen des Regenten ausgestattet werden sollten, waren die auf Dauer einzurichtenden Höfe der nachgeborenen Prinzen auf Bestimmungen des väterlichen Testaments, auf die Tradition des Hauses oder auf das Wohlwollen des regierenden Verwandten angewiesen.40 Für die Prinzessinnen gab es dagegen offensichtlich kein einheitliches Vorgehen zur Einrichtung ihrer Höfe. Der regierende Vater sollte und konnte darüber allein entscheiden.41 Grundsätzlich lag es aber in der Schuldigkeit des Regenten, den Töchtern des Hauses – sei es nun die Schwester, Tante oder Cousine – bis zu ihrer Heirat oder ihrem Tod ein anständiges und vor allem standesgemäßes Leben zu ermöglichen.42 Dem Regenten stand es frei, für (fast) alle Haushalte seines Hofes die Bediensteten – insbesondere die hohen Hofbeamten – nach seinem Belieben auszuwählen und auf sich bzw. auf seine Hofämter zu verpflichten. Die fürstlichen Gattinnen sollten dabei zwar in ihren Wünschen nicht derart übergangen werden, dass ihnen unangenehme Personen gegen ihren Willen aufgezwungen wurden.43 Jedoch besaß der Regent prinzipiell das Recht, sich darüber hinwegsetzen zu dürfen. Gleichermaßen verhielt es sich mit dem legitimen Nachwuchs: Der Regent sollte auch hier über die Annahme der höheren Dienerschaft befinden – zumindest solange wie die fürstlichen Kinder beiderlei Geschlechts unter seiner väterlichen Gewalt standen.44 Für die Prinzen galt dies auch noch im Fall ihrer Eheschließung. Obwohl sie damit selbst zu Hausvätern aufstiegen, mussten sie die Besetzung der hohen Hofämter dem regierenden Herrn – sei es nun der Vater, ein Bruder oder Vetter – überlassen. In der Regel genossen sie aber ein Vorschlagsrecht. 37

38 39 40 41 42 43 44

Ebd., Bd. 2, S. 20. An königlichen und kurfürstlichen Höfen war es zudem üblich, in dieses Amt nur Männer zu berufen, die bereits einen großen Erfahrungsschatz in hohen Staats-, Hof- oder Kriegsämtern gesammelt hatten. Demnach spielte auch der Bildungshintergrund eine Rolle. Ebd., Bd. 2, S. 11–12. Ebd., Bd. 2, S. 44. Vgl. ebd., Bd. 2, S. 56. Vgl. ebd., Bd. 2, S. 80. Vgl. ebd., Bd. 2, S. 85. Vgl. ebd., Bd. 1, S. 599, 615. Oft wurden die Bediensteten schon im Ehevertrag zu beider Seiten Einverständnis ausgehandelt. Vgl. ebd., Bd. 2, S. 50f., 80.

1.2 Zeremonielle Erwartungen an einen Fürstenhof des 18. Jahrhunderts

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Außerdem wurden den Prinzen umso mehr Freiheiten in der Wahl ihrer Bediensteten eingeräumt, je kleiner sich der Hof und ihre eigene Hofhaltung ausnahmen, oder wenn sie bereits auf eigenen, ihnen zugewiesenen Schlössern lebten.45 Allein den älteren Blutsverwandten, d. h. den in die Jahre gekommenen unverheirateten Schwestern oder Witwen, war es gestattet, ihren Hof nach ihrem eigenen Gutbefinden einzurichten.46 Die Witwen gewannen mit ihrem Statuswechsel sogar ein besonderes Vorrecht, weil sie mit dem Tod ihres ehemals regierenden Gemahls das „freye Annahms= und Abdanckungs= Recht“47 erhielten und ihre Bediensteten von nun an allein auf sich verpflichten durften. Sie hatten dadurch gleichartige Rechte wie ein regierender Herr, d. h. zum Beispiel die niedere Zivilgerichtsbarkeit, inne.48 Bei der Auswahl der niederen Hofbediensteten genoss ein Regent weitestgehende Freiheiten, die allein durch individuelle Verträge mit den Landständen, durch Familienpakte, Eheverträge, Testamente oder ähnliche Abkommen rechtlich beschnitten werden konnten.49 In Ausnahmefällen mussten Hofstellen dadurch erblich in der jeweiligen Familie weitergegeben werden.50 Ansonsten konnte der Regent im 18. Jahrhundert aber unumschränkt Personen nach seinem Belieben für niedere Bedienstetenstellen verpflichten und musste auch auf die jeweiligen Religionszugehörigkeiten keine Rücksicht mehr nehmen.51 Er sollte dabei allerdings wiederum auf seine finanziellen Verhältnisse achten, da die Anstellung der Livréedienerschaft und niederen Bediensteten „jahrweis“ erfolgen sollte und vor Ablauf eines Jahres unter Umständen nur mit einer Abfindung gelöst werden könnte.52 Dennoch blieb dem Regenten vergleichsweise viel Spielraum, da er bei der Entlassung der niederen Hofdienerschaft im Gegensatz zu den Staatsbediensteten zum Beispiel nicht darum fürchten musste, dass „die Geheimnisse und innere Verfassung des Hauses“ verraten und gegen ihn verwendet werden würden.53 Derweil erwies sich die Besetzung der oberen bzw. hohen Hofämter durch konkrete Erwartungen als eng reglementiert. Es galt streng auf die ständische Herkunft der zukünftigen Hofbeamten zu achten. Denn die hohen Hofämter, d. h. „die Cammer=Herrn, die Cammer=Juncker, die Hof= und Jagd=Juncker, die Edelknaben und so ferner“ sollten ohne Ausnahme alle

45 46 47 48 49 50 51 52 53

Zu den Prinzen vgl. ebd., Bd. 2, S. 51f. Vgl. ebd., Bd. 2, S. 82. Ebd., Bd. 1, S. 626. Ebd., Bd. 1, S. 615, Zitat S. 626. Vgl. Rohr: Grosse Herren, S. 236. Ebenso Moser: Teutsches Hofrecht, Bd. 1, S. 79f., 108. Vgl. Rohr: Grosse Herren, S. 238. Auf den Familienstand der niederen Hofbediensteten geht die Zeremonialwissenschaft nicht ein. Vgl. Moser: Teutsches Hofrecht, Bd. 1, S. 76, 78–81. Vgl. ebd., S. 104, § 12; 106; Rohr: Grosse Herren, S. 229f. Moser: Teutsches Hofrecht, Bd. 1, S. 108.

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1. Kulturelle Selbstverständlichkeiten

„von gutem Adel seyn“ und aus hoch angesehenen Adelsfamilien stammen.54 Wenn überhaupt, dann empfahl es sich, nur vereinzelt auf neu geadelte Edelleute zurückzugreifen.55 Bürgerlichen mussten aber die Chargen unter allen Umständen verwehrt bleiben. Über die Handhabung der territorialen Herkunft schienen die Zeremonialwissenschaftler dagegen auf den ersten Blick uneins gewesen zu sein. Moser gestand dem Regenten zu, „seine Hofämter mit selbst beliebigen Personen zu besetzen, sie seyen von einer Nation, von welcher sie wollen“.56 Rohr meinte dagegen am Beispiel des Kaiserhofes von Karl VI. zu bemerken, dass „gewisse Bedienungen, zumal von wichtigen Hof= und Reichs=Chargen (. . . ) bloß mit Einheimischen besetzt“ werden durften.57 Als einheimisch galten in dem Falle „angebohrne(n) Teutsche(n)“ oder jene, „die im Reich mit Lehns=Pflichten verwandt sind“.58 Da Moser jedoch den Hof Karls VI. als Sonderfall deklarierte,59 kann davon ausgegangen werden, dass die territoriale Herkunft bei der Besetzung der Hofämter keine Rolle spielen musste. Die Zeremonialwissenschaftler zeigten sich zudem davon überzeugt, dass auf eine „kluge Wahl“ der Angestellten umso mehr geachtet werden müsse, je höher die Charge am Hof sei, da darauf der „innere Wohl- und Ruhestand eines Hofs mehrentheils beruhet“.60 Die Ämter und Bedienungen sollten mit begabten und tüchtigen Leuten besetzt werden, die das Gemüt und „die Fähigkeit besitzen, ihnen nach Würden vorzustehen“.61 Sowohl Julius Bernhard von Rohr als auch Carl Friedrich von Moser wussten um die Praxis des Verkaufs von Chargen und empfahlen dem Regenten, darauf nur im unvermeidlichen Notfall zurückzugreifen nur verdiente Personen dafür in Betracht zu ziehen, und möglichst nur Titularränge ohne wirklichen Dienst zu veräußern.62 Wenngleich dies eher eine auf Klugheit abzielende Empfehlung als eine feste Vorgabe oder Gepflogenheit war, wird doch deutlich, dass die Eignung und Tauglichkeit bei der Besetzung der wirklichen Hofämter bereits eine Rolle spielte. Letztlich bleibt die erste Grundregel bzw. Anforderung festzuhalten, die für die Zeitgenossen des 18. Jahrhunderts offensichtlich eine Selbstverständlichkeit darstellte: Die Höfe der Regenten spiegelten deren politische Selbstverortung wider. Größe und Struktur eines fürstlichen Hofes hatten sich im 18. Jahrhundert nach dem Rang des Regenten im Alten Reich zu richten. Der 54 55 56 57 58 59 60 61 62

Ebd., Bd. 1, S. 90–91. Vgl. die Erklärung des guten (alten) Adels im Abschnitt zur Hoforganisation. Vgl. Moser: Teutsches Hofrecht, Bd. 1, S. 92. Ebd., Bd. 1, S. 79. Rohr: Grosse Herren, S. 230, § 3. Ebd. Vgl. Moser: Teutsches Hofrecht, Bd. 1, S. 80. Moser: Teutsches Hofrecht, Bd. 1, S. 76. Rohr: Grosse Herren, S. 229. Vgl. Rohr: Grosse Herren, S. 230; Moser: Teutsches Hofrecht, Bd. 2, S. 183.

1.2 Zeremonielle Erwartungen an einen Fürstenhof des 18. Jahrhunderts

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Regent sollte deshalb allein über die Zahl und Art der Hofdienerschaft entscheiden, denn auf diese Weise machte er deutlich, inwieweit er sich seinem Stand würdig zu erweisen und in der Hierarchie der Höfe und damit in der Hierarchie des Reichs einzuordnen wusste. Allein finanzielle Beschränkungen waren als Grund akzeptiert, um von dem geforderten Verhältnis von Rang und Hofgröße abweichen zu dürfen. 1.2.2 Hofordnung(en) „Ein Hof ohne Ordnung ist ein Gebäude ohne Dach, es zerfällt in sich selbst.“63 Mit dieser Metapher brachte Carl Friedrich von Moser pointiert zum Ausdruck, wie ein Hof notwendigerweise gestaltet sein sollte: Jeder wohl eingerichtete Hof sollte eine Hofordnung besitzen. Sie sei für die Erhaltung der „Hof-Policey als [auch der] ganzen übrigen innern Verfassung der Hof-République“ grundlegend, wenn nicht gar unentbehrlich für Ruhe und Ordnung.64 Ebenso wie das Dach ein Gebäude schützt und zusammenhält, sollte offensichtlich auch die Hofordnung dem Hof einen schützenden Zusammenhalt bieten. Mit dieser Einschätzung stand Moser nicht allein. Alle Autoren, die sich im 18. Jahrhundert mit dem zeitgenössischen Hofzeremoniell, Hofwesen oder Hofrecht beschäftigten, sahen in der Hofordnung eine Notwendigkeit für jeden Hof.65 Johann Christian Lünig setzte deshalb die Hofordnung in ihrer Bedeutsamkeit der höfischen Aufwartung gleich: „Wie ein grosser Herr nicht ohne Bedienten“ sein könne, könnten „diese nicht ohne Ordnung“ sein.66 Die Hofordnung war also ein Muss für einen fürstlichen Hof im 18. Jahrhundert. Dieser theoretische Konsens scheint allerdings nur bedingt praktiziert worden zu sein. Moser beklagt sich im bereits in der Einleitung seines Hofrechts über den „Schlendrian“, der hierin durchaus verbreitet sowohl an großen als auch an kleinen Höfen zu finden sei. Im Zuge seiner Recherchearbeit hatte er hohe Hofangestellte um „dienliche Nachrichten“ zur Hofverfassung gebeten und daraufhin zum Großteil ablehnende Antworten erhalten. Das Fixieren einer schriftlichen Hofordnung sei an den Höfen entweder schlichtweg unmöglich oder grundsätzlich abgelehnt worden. In den Ablehnungsschreiben wurden im Wesentlichen drei Begründungen angeführt: Zum einen sei der „veränderliche(n) Geschmack der Etiquette“, der eine beständige, nicht selten halbjährliche Abwandlung nötig mache, der Grund, weshalb auf eine schriftliche Fixierung der Ordnung verzichtet werde. Zum anderen seien aber auch „unaufgeschriebene Observanzien“, die üblicherweise innerhalb der Hofdie63 64 65 66

Moser: Teutsches Hofrecht, Bd. 1, S. 129. Ebd., Bd. 1, S. 71. Lünig: Theatrum Ceremoniale, Bd. 2, S. 1473f; Moser: Teutsches Hofrecht, Bd. 1, S. 129; Rohr: Grosse Herren, S. 231–234. Lünig: Theatrum Ceremoniale, Bd. 2, S. 1473.

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1. Kulturelle Selbstverständlichkeiten

nerschaft von Generation zu Generation weitergegeben würden, weit verbreitet und als äquivalent, wenn nicht gar als vorteilhafter akzeptiert. Das scheint auch der Grund zu sein, weshalb drittens die dennoch aufgezeichneten Hofordnungen immer wieder das „Schicksaal [ereile], nicht gehalten zu werden“ oder durch fehlende Aktualisierungen über die Zeit hinweg „mercklich von dem ab[zu]weichen, was ehemahlen festgesetzt worden“ sei.67 Damit wird deutlich, dass es zwei Arten deutscher Höfe gab: zum einen Höfe mit einer schriftlich fixierten Hofordnung, die mehr oder weniger befolgt wurde, und zum anderen Höfe bzw. Regenten, die es vorzogen, ihren Hofstaat ohne ein (aktualisiertes) schriftliches Regelkompendium zu führen. Letztere galten als nicht wohl eingerichtet. Trotz, vielleicht aber gerade wegen dieser divergierenden Ordnungslage traten die zeitgenössischen Hof- und Zeremoniellforscher nachdrücklich für Hofordnungen ein. Inwieweit sich darin tatsächlich der übliche Hofgebrauch der Zeit spiegelt oder damit eher den persönlichen Ambitionen und Überzeugungen der Zeremonialwissenschaftler Ausdruck verliehen wurde, lässt sich nur schwer entscheiden. Es ist durchaus denkbar, dass sich hinter dem Eintreten für eine Hofordnung zum Beispiel der Wunsch nach mehr Rechtssicherheit verbarg. Ein Regent sicherte sich durch das Ablehnen einer schriftlich fixierten Hofordnung unbeschränkten Handlungsspielraum. Zwar besaß er als Hausvater des Hofes bereits das unantastbare Recht, „nach eigenem Belieben und Gutbefinden (. . . ) die Verfassung nach der ihm gefälligen Weise“ verändern zu können. Die Freiheit, individuell von Fall zu Fall ohne Änderung einer schriftlichen Fixierung entscheiden zu können, erleichterte jedoch die Umsetzung dieses Handlungsrechtes ungemein. Immerhin verpflichtete eine Hofordnung nicht nur die Hofangestellten, sondern beschränkte in gewisser Weise auch den Regenten. Gab es keine normierende Hofordnung, die den Hofdienst umriss oder gar konkreter klärte, was genau geleistet werden sollte, waren die Hofangestellten voll und ganz auf die Gunst und Gnade ihres Herrn angewiesen. Die Betonung der Wichtigkeit einer Hofordnung könnte also auf das Bestreben zurückgeführt werden, den Hof zu verrechtlichen und das Hofwesen zum Gegenstand der Wissenschaft erheben zu wollen.68 Was ist aber nun unter einer Hofordnung zu verstehen? Die Zeremonialwissenschaft blieb in dieser Hinsicht auffällig unbestimmt, auch wenn zweifellos klar wird, dass eine Hofordnung nicht mit der tatsächlichen Ordnung bei Hofe gleichzusetzen ist. So war sich Johann Christian Lünig bewusst, dass eine „Ordnung (. . . ) nicht ohne Gesetze seyn kann“ – diese Gesetze aber nicht zwangsläufig die Ordnung am Hof herstellten.69 Gleichwohl waren sie die Grundlage einer jeden Ordnung. Die Hofordnung sollte sich aus Normen zusammensetzen. 67 68 69

Moser: Teutsches Hofrecht, Bd. 1, Einleitung. Vgl. Vec: Zeremonialwissenschaft, S. 131. Lünig: Theatrum Ceremoniale, Bd. 2, S. 1473.

1.2 Zeremonielle Erwartungen an einen Fürstenhof des 18. Jahrhunderts

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Wie und was normiert wurde, konnte allerdings wieder variieren. Während es Hofordnungen gab, die nur allgemeine Regeln aufstellten, gingen andere schon näher auf die verschiedenen „Gattung[en] des Dienstes“ und deren entsprechende Pflichten ein. Manche waren sogar derart detailliert gestaltet, dass alle einzelnen Hofämter mit ihren jeweiligen Rechten und Pflichten – wenn auch auf die Hauptpunkte beschränkt – aufgeführt wurden.70 Auch in der Art und Weise, wie diese Normen gebündelt wurden, gab es Unterschiede. Eine Hofordnung musste nicht zwangsläufig aus einem einzigen Schriftstück, sondern konnte ebenso aus vielen Einzelordnungen bestehen. Je größer ein Hof war und je mehr Departments ein Hof besaß, desto mehr Einzelordnungen waren notwendig; „daher findet man Hof-, Küchen-, Keller-, Stall-, Cammer-, Pagen- u.d.g. Ordnungen.“71 Grundsätzlich oblagen Inhalt und Form jedoch, wie alles andere auch, der Freiheit des Regenten. Da er hier zudem als „Hausvater“ und nicht als „landeshoheitliche Macht“ fungiere,72 sei es nicht verwunderlich, dass ein „Landesnachfolger an solche Ordnungen keineswegs gebunden sey, sondern solche nach eigener Wahl ganz oder zum Theil aufhebe[n], oder wieder erneuern könne“.73 Grundsätzlich kann damit die normative Ordnung eines Hofes als eine Anforderung für einen Hof angenommen werden, allerdings bleibt diese Erwartung inhaltlich wie formell unbestimmt. 1.2.3 Hoffinanzen Stand und Rang eines Regenten wurden von der Zeremonialwissenschaft deutlich als das entscheidende Maß für Größe und Struktur eines Hofes benannt. Zugleich wurde aber auch gefordert, dass die Regenten auf eine vernünftige Ökonomie achten und die Grenzen und Möglichkeiten ihrer Finanzen kennen und respektieren sollten. Die Ausgaben für einen Hof sollten grundsätzlich die „Einkünffte des Souverains (. . . ) nicht übersteige[n]“.74 Die Wirtschaftlichkeit war also ebenfalls ein entscheidendes Kriterium, an dem sich ein Hof orientieren sollte. Dem stand nicht ganz spannungsfrei die Einsicht gegenüber, dass von der Gesellschaft eine gewisse Prachtentfaltung in Relation zu Stand und Rang notwendigerweise erwartet wurde. Julius Bernhard von Rohr ermahnte bereits den jungen Kavalier, sein „Absehen nicht allein auf [die] Einkünffte, sondern auch auf [den] Stand, Bedienung und Character“ zu richten.75 Die Anzahl 70 71 72 73 74 75

Moser: Teutsches Hofrecht, Bd. 1, S. 71f. Ebd., Bd. 1, S. 72. Die Punktuation wurde in diesem Zitat zur besseren Lesbarkeit den heutigen Standards angepasst. Vgl. ebenso Rohr: Grosse Herren, S. 231–234. Vgl. Moser: Teutsches Hofrecht, Bd. 1, S. 74. Ebd. Moser: Teutsches Hofrecht, Bd. 1, S. 6. Rohr: Private Herren, S. 576.

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1. Kulturelle Selbstverständlichkeiten

der Bediensteten, die Equipage und die persönliche Ausstattung sollte zwar grundsätzlich nach der Beschaffenheit der Einkünfte gestaltet werden, denn wenn „iemand einen grossen Staat macht“, den er nicht bezahlen kann, verspiele er sich seine standesgemäße Anerkennung und Ehre.76 Allerdings sei es ebenso verderblich, wenn jemand, der es sich leisten könnte, „in diesem Stück eine gar armselige Figur“ mache.77 Nicht nur ein Übermaß, sondern auch ein Mangel sei ein „grosser Ubelstand“, der mit der Zeit „entweder Armuth oder Verachtung, oder beydes zugleich“ nach sich ziehen würde.78 Dergleichen Grundsätze formulierte Carl Friedrich von Moser ebenso deutlich für den Regentenstand. Ein fürstlicher Hof müsse nicht nur eine gewisse Größe durch zahlreiche Bedienstete, sondern auch eine dem Stand und Rang des Regenten angemessene „kostbare Aufführung“ vorweisen können. Neben den herrschaftlichen Bequemlichkeiten, Vergnügen und Aufwartung galt es darum auch für Splendeur, wie z. B. fürstliche Kleidung, Schmuck und Kostbarkeiten, zu sorgen. Gleichwohl sollte dies ohne Schulden bewerkstelligt werden, ansonsten würde ein Fürst zweifellos „den Spott der gegenwärtigen und den Fluch der Nachwelt“ auf sich ziehen, wenn er einen – so genannten glänzenden – Hof mit viel Pracht unterhalte, das nötige Geld dazu aber erborgen müsse.79 Um nicht an Prestige einzubüßen und damit dem eigentlichen Ziel entgegenzuwirken, sollte ein Regent stattdessen seine Einkünfte mäßigend vor Augen behalten und anstelle eines glänzenden einen prächtigen Hof von angemessener Größe und Schönheit betreiben. Diese geforderte Verhältnismäßigkeit der finanziellen Gestaltung eines Hofes wurde sogar noch weiter präzisiert: So sollten nicht allein die „Mittel im Gegenwärtigen“80 , sondern auch die der Zukunft bedacht werden. Dazu empfahl es sich, den Etat derart zu regeln, dass „nicht alles an Küch, Keller, Kleider, Pferde, Jäger und Hunde verwendet wird, sondern auf unvorgesehene Nothfälle eine Reßource übrig bleibt“.81 Der Hofhaushalt sollte also langfristig, wenn nicht gar nachhaltig geplant werden und auch nicht absehbare Eventualitäten mit einkalkulieren. 1.2.4 Hoforganisation: Die Führungsspitze des Hofes Nachdem ein Regent über die Größe und Pracht seines Hofes bestimmt hatte, delegierte er Umsetzung und Organisation an seine höchsten Hofämter

76 77 78 79 80 81

Vgl. Rohr: Privat Personen, S. 574; Rohr: Grosse Herren, S. 733. Rohr: Privat Personen, S. 574. Ebd., S. 575. Moser: Teutsches Hofrecht, Bd. 1, S. 145. Ebd. Moser: Teutsches Hofrecht, S. 7.

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und Oberchargen.82 Wie viele dieser höchsten Chargen ein Fürst haben sollte, richtete sich erneut nach der Größe des Hofes und damit letztendlich nach dem Rang des Regenten. Die Erwartung an die Höfe lässt sich damit klar formulieren: Je höher der Rang des Regenten im Alten Reich, desto mehr Oberchargen sollten mit der Organisation des Hofes betraut werden. Welche Oberchargen zu einem ,wohl eingerichteten‘ Hof gehörten, ließ die Zeremonialwissenschaft unbestimmt. Sie beschränkte sich stattdessen auf die Aufzählungen verschiedener Beispiele, da sich in dieser Materie selbst die größten, hochrangigen Höfen unterschieden.83 Eben aus dieser Aufzählung wird jedoch deutlich, dass es trotz aller Differenzen einen festen Kern an Oberchargen gab: Denn neben einem Vertreter des Regenten in Form eines Oberhofmeisters oder Ober(hof)marschalls besaßen alle hochrangigen Höfe zudem einen Oberkammerherrn, Oberstallmeister und Oberjägermeister.84 Die mediävale Einteilung des Hofes in die quattuor officia principalia85 − bestehend aus Marschall, Kämmerer, Truchsess und Mundschenk − war im 18. Jahrhundert offensichtlich überlebt. Zur Standardausstattung eines Hofes gehörte in jedem Falle – ganz gleich wie groß der Hof war – ein Vertreter des Regenten, der „nach dem Herrn als Haupt des Hofes“ fungierte und deshalb als die vornehmste Charge des Hofes galt.86 Wie dieser Vertreter bezeichnet wurde, konnte variieren. Einige Regenten wählten einen Oberhofmeister, andere einen Ober(hof)marschall. Wiederum andere bevorzugten es, sowohl das Amt des Oberhofmeisters als auch das des Oberhofmarschalls jeweils separat zu vergeben.87 Zudem gab es Höfe, die keine dieser Oberchargen vergaben und stattdessen auf einen einfachen Hofmarschall vertrauten.88 Alle Spielarten waren akzeptiert, was wohl darauf zurückzuführen ist, dass Oberhofmeister, Oberhofmarschall und Hofmarschall „in gleichgeltendem Verstand“ genommen wurden.89 Die Bezeichnung an sich war unwesentlich. Maßgeblich war nur, dass es 82 83 84

85 86 87 88 89

Zedler orientiert sich für seinen Lexikonartikel zu „Oberchargen“ an Rohr: Grosse Herren, S. 239. Vgl. Art. Ober=Chargen, in: Zedler, Bd. 25, S. 40. Vgl. Moser: Teutsches Hofrecht, Bd. 2, S. 95–102. Vgl. ebd. Die Zeremonialwissenschaft wusste darüber hinaus mindestens neun weitere variable Oberchargen zu benennen, allerdings inhaltlich nicht immer scharf voneinander zu trennen. Dazu gehörten beispielsweise der Oberschenk, Oberküchenmeister, Hofmarschall, Oberzeremonienmeister, Oberfalkenmeister, Obersilberkämmerer, Generalpostmeister, Ober(garde)Hauptmann und der Directeur des Plaisirs. Julius Bernhard von Rohr orientierte sich im Gegensatz zu Moser in erster Linie am kaiserlichen Hof und gab an, dass der Hof in vier Ämter eingeteilt wurde, nämlich in Oberhofmeister, Oberkämmerer, Oberhofmarschall und Oberstallmeister. Vgl. Rohr: Grosse Herren, S. 239. Vgl. Müller: Fürstenhof, S. 18. Moser: Teutsches Hofrecht, Bd. 2, S. 102; ebenso Rohr: Grosse Herren, S. 271. Diese Ausgestaltung wählten laut Moser vor allem jene Regenten, die sich eher am kaiserlichen Hof bzw. spanischen Zeremoniell orientierten. Vgl. Moser: Teutsches Hofrecht, Bd. 2, S. 118. Ebd., Bd. 2, S. 102.

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1. Kulturelle Selbstverständlichkeiten

einen Vertreter des Regenten gab, der das (Ober-)Hofmarschallamt und den damit verbundenen Stab führte. Denn prinzipiell gab es zwei Arten von Hofämtern: zum einen die bloßen Hofämter und zum anderen die Hofämter mit Stab, d. h. mit einer Jurisdiktionsfunktion.90 Der Marschallsstab galt als der höchste.91 Wer ihn führte, hatte die Oberaufsicht über den ganzen Hof. Dementsprechend war es gleich, ob ein Regent sowohl einen Oberhofmeister als auch einen Oberhofmarschall oder aber zusätzlich noch eine Vielzahl an ,Unter-Marschällen‘ unterhielt. Den Marschallstab führte immer nur einer – und zwar der Vertreter des Regenten.92 Ihm oblag es, in dessen Namen den Hofbetrieb zu regulieren. Im Konkreten gehörte es zu seinen Aufgaben, die Hofordnung aufrechtzuerhalten, auf das Zeremoniell zu achten, die Aufwartung und Reisen des Hofes zu organisieren, niedere Hofbedienstete zu verpflichten und zu entlassen, den kompletten höfischen Gästebetrieb zu besorgen, die Tafel zu bestellen, die herrschaftlichen Gebäude, deren Inventar sowie die Pagen zu beaufsichtigen und selbstverständlich die Hofjustiz auszuüben.93 Letztendlich musste er sich also um alles sorgen, was nicht zur Jagd und nicht zum Stall gehörte. Wie viel Unterstützung er dabei von anderen Hofämtern ohne Stab, d. h. ohne Jurisdiktion, bekam und ob sein umfangreiches Aufgabenfeld aufgeteilt wurde, hing von der Größe des Hofes und damit wiederum vom Rang des Regenten ab. Vor allem an den großen Höfen war es offenbar üblich, den Oberhofmarschall durch einen Oberkammerherrn zu entlasten. Er übernahm einen Teil der Aufgaben des Hofmarschallamtes und beaufsichtigte – wie der Name schon nahelegte – all das, was es in der Kammer bzw. im Gemach des Regenten zu erledigen galt. Er bekam dafür das freie und permanente Zutrittsrecht zu den Gemächern des Regenten zugestanden und war dadurch mit einer besonderen Nähe zum Herrscher ausgezeichnet.94 Im Idealfall sollte der Oberkammerherr der Erste beim Aufstehen und der Letzte beim Schlafengehen des Regenten sein. Mit diesem exklusiven Zutrittsrecht verband sich jedoch auch die Pflicht, den Zugang zu den Gemächern zu regeln. Der Oberkammerherr sollte sowohl die Audienzen als auch das hohe und niedere Personal organisieren, das den Regenten in seinen Gemächern bediente. Welchen Personenkreis dies genau betraf, war von Hof zu Hof verschieden. Zum Teil gehörten dazu hohe Hofämter, wie die Kammerherren und Kammerjunker, zum Teil umfasste dies aber auch die Kammerdiener, 90 91 92

93 94

Vgl. ebd., Bd. 2, S. 93. Vgl. ebd.; Rohr: Grosse Herren, S. 239. Rohr machte in seinen Empfehlungen für die privaten Herren deutlich, dass der Marschallsstab nicht zwangsläufig in der Hand des Oberhofmarschalls liegen musste. Wenn ein Kavalier einen fremden Hof besuchen wollte, musste er sich anmelden – und zwar „bey dem Hof=Marschall, Hauß-Marschall, Hofmeister, Stallmeister, oder wer sonst den Stab führet“. Rohr: Private Herren, S. 206–207. Vgl. Moser: Teutsches Hofrecht, Bd. 2, S. 113. Vgl. ebd., Bd. 2, S. 106–111.

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Leibärzte, Garderobenangestellte und viele andere niedere Hofbedienstete. An einigen großen Höfen erhielt der Oberkammerherr für das Personal, das er beaufsichtigte, sogar die Gerichtsbarkeit. Ob in diesem Falle sein Stab dem Stab des Marschalls untergeordnet war oder als gleichberechtigt galt, lässt die Zeremonialwissenschaft jedoch unbestimmt. Umso deutlicher wird dagegen die Unabhängigkeit des Oberstallmeisters herausgestellt, der − wie der Oberhofmarschall − in jedem Falle einen eigenständigen Stab führen sollte.95 Dem Oberstallmeister oblagen die Justiz und die Aufsicht über den gesamten Marstall. Er hatte sich sowohl um die dort beschäftigten Personen als auch um die dort untergebrachten Tiere zu kümmern. Das Stallpersonal hatte deshalb − trotz seiner Zugehörigkeit zum Hof − allein dem Oberstallmeister und nicht dem Oberhofmarschall Folge zu leisten. Diese klare, aber dennoch gleichwertige Trennung zwischen Marschallsstab und Marstallstab wurde auch in den aufgeteilten Sphären um den Fürsten deutlich. Während der Oberhofmarschall stets in der Nähe des Regenten sein durfte, wenn sich dieser innerhalb des Hofes bewegte, genoss der Oberstallmeister das gleiche Recht, sobald sich der Regent aus dem Hof bzw. aus der Stadt hinaus begab. Der erste Rang und die damit verbundene Nähe zum Regenten war demnach an den Ort gebunden und nicht an die Charge an sich. Im Hof gebührte er dem Obermarschall, außerhalb allerdings dem Oberstallmeister. Dies hatte zur Konsequenz, dass sich „in der Stadt und auf dem Lande (. . . ) der Oberhofmeister, der Oberkämmerer, der Oberhofmarschall sich unter ihn [d. h. unter den Oberstallmeister, S. F.] setzen“ mussten.96 Außerhalb des Schlosses übernahm er also die Funktion des Regentenvertreters. Diese Position erklärt sodann auch die ständische Anforderung, die Moser explizit an diese Obercharge stellte: Nur Personen „von ächtem alten Adel“ sollten zum Oberstallmeister ernannt werden. Um zu zeigen, was unter echtem Altadel verstanden wurde, legte Moser seinen Anlagen eine Verordnung des kursächsischen Hofes aus dem Jahre 1742 bei. Darin wurde von den zukünftigen kursächsischen Pagen verlangt, dass sie dem altem Adel entstammen und dies „mit gewöhnlichem Stammbaum behörig legitimire[n]“ müssten.97 In zwölf Paragraphen wurde präzise festgelegt, wie dieser Stammbaum gestaltet, von wem er bezeugt und welche Detailinformationen über Wappen, Haus, Zahl der Vornamen, Datum und Ort der Geburt, Ämter und Chargen angegeben werden sollten. Dabei ist die konkrete Zahl der verlangten Ahnen bemerkenswert, denn es sollten „nicht mehr und nicht weniger als Sechzehn Schilde (. . . ), nehmlich Acht von Väterlicher, und Acht von Mütterlicher Seite“ nachgewiesen werden.98 Dem alten Adel zu entstam95 96 97 98

Vgl. ebd., Bd. 2, S. 119, 320. Rohr: Grosse Herren, S. 271. Moser: Teutsches Hofrecht, Bd. 1, Anlagen, S. 324. Ebd. Diese Anforderungen waren durchaus üblich. Eine kurze Zusammenfassung über den alten Adel sowie Überblick über die Autoren des 18. Jahrhunderts, die sich mit

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1. Kulturelle Selbstverständlichkeiten

men, bedeutete also, mindestens vier adelige Ahnengenerationen vorweisen zu können und damit selbst in fünfter Generation adelig geboren worden zu sein. Laut Moser musste ein Oberstallmeister diese Bedingung zweifelsfrei erfüllen können. Bei der Charge des Oberjägermeisters verzichtete die Zeremonialwissenschaft auf entsprechende Anforderungen an die soziale Herkunft, was wahrscheinlich darin begründet lag, dass dem Oberjägermeister keine Vertreterfunktion zukam. Er trug zwar ebenfalls die Personalverantwortung für einen ganzen Teilbereich des Hofes, da ihm alle Bediensteten der Jägerei und unter Umständen auch alle Bediensteten des Forstwesens unterstanden. Allerdings führte er keinen eigenen Stab, sondern war in der Regel der Gerichtsbarkeit des Oberstallmeisters unterstellt.99 Seine Charge galt deshalb als „nicht so ansehnlich in Hof-Verrichtungen als andere“.100 Wie der Regent sollten auch alle fürstlichen Familienmitglieder nie in die Verlegenheit kommen, ihren Hof selbst organisieren und verwalten zu müssen. Sowohl die Gemahlin als auch die Geschwister, Kinder, Onkel, Tanten und die eventuell noch lebende, verwitwete Mutter des Regenten sollten mit Oberchargen ausgestattet werden. Die Zahl und Art dieser höchsten Bediensteten orientierte sich wiederum am Rang des Regenten. Allerdings gab es auch Ausnahmen.101 Denn sobald eine eingeheiratete Dame einen höheren Rang als das übrige Fürstenhaus führte, hatte sich deren personelle Ausstattung nicht nach dem Regenten, sondern nach ihrer eigenen, höheren Würde zu richten. Zwar übernahmen Ehefrauen im 18. Jahrhundert in der Regel den Rang ihres Gatten. Allerdings durfte eine Dame aus regierendem Hause ihre angeborene, höhere Würde gewöhnlich beibehalten, wenn sie einen rangniedrigeren Fürsten ehelichte. Nur in wenigen Fällen wirkte sich eine Heirat unter ihrem Rang degradierend aus: So mussten zum Beispiel kaiserliche Prinzessinnen, die einen Kurfürsten, König oder königlichen Prinzen ehelichten, ihren Geburtsrang gegen die Würde ihres Gemahls eintauschen. Heiratete eine Kaisertochter allerdings einen nicht königsgleichen Fürsten, durfte sie ihre Würde behalten. Je nach Rangkonstellation des Ehegatten bestand oder veränderte sich also der Rang einer fürstlichen Ehefrau und damit auch die Repräsentationsfunktion ihres Hofpersonals. Die Zeremonialwissenschaft widmete sich mit unterschiedlicher Intensität den Oberchargen der fürstlichen Familienmitglieder: Das Profil der Oberchargen für die Regentenkinder fiel detailliert aus, da diese nicht nur mit der Hofführung, sondern Adelsproben auseinandersetzten, bietet Lupold von Lehsten: Die hessischen Reichstagsgesandten im 17. und 18. Jahrhundert. Bd. 1: Prosopographische Untersuchung. Darmstadt/Marburg 2003, S. 62–65. 99 Vgl. Rohr: Grosse Herren, S. 240. 100 Moser: Teutsches Hofrecht, Bd. 2, S. 122. 101 Vgl. dazu Moser: Teutsches Hofrecht, Bd. 1, S. 593–595.

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auch mit der Erziehung beauftragt waren. Die Führungspersönlichkeiten der erwachsenen Anverwandten, die nicht ersten Grades mit dem Regenten verbunden waren, wurden hingegen knapp mit dem Hinweis abgehandelt, dass sich ihre Verpflichtung und Auswahl nach den finanziellen Einkünften orientieren müsse.102 Allein das Profil der Oberhofmeisterin, die in den Diensten der Gemahlin stand, wurde präzise skizziert: Sie sollte von vornehmer Geburt und bereits von gesetztem Alter sein. Witwen wurden bevorzugt. An kleinen Höfen genügte aber auch die Gemahlin des Hofmarschalls. Die Oberhofmeisterin hatte sich im umfassenden Sinne um die Gesundheit, das Vergnügen und die Gemächlichkeit der Regentengattin zu kümmern. Im Gemahlinnenhof oblagen ihr deshalb sowohl die Verwaltung der gegenständlichen und finanziellen Dinge als auch die Aufsicht über die subalternen Bediensteten sowie die Organisation des Tagesablaufs der Herrin. Da die Oberhofmeisterin zudem als Gesellschafterin und Begleiterin103 fungierte und damit insgesamt „den vertrautesten und meisten Umgang mit der Gemahlin eines Herrn“ genoss, sollte sie mit hinreichender Autorität ausgestattet und ihr der erste Rang unter den Damen des Hofes nach der Gemahlin und der Familie des Regenten zugesprochen werden.104 Allerdings hatte sie − im Gegensatz zu den Oberchargen mit Stab − keine Justizfunktion. Wie in allen anderen Nebenhöfen blieben die Subalternen der höchsten Obercharge des Regenten verpflichtet.105 1.2.5 Hofdienst − Der verpflichtete Adel als Zeichen von Stand und Rang Der Hofdienst bestand im Kern in der Aufwartung am Hof, worunter im Allgemeinen die bereitwillige Bedienung und der Gehorsam gegen die von einem Fürsten erteilten Befehle verstanden wurden.106 Im Konkreten konnte das Aufwarten von Fall zu Fall etwas anderes bedeuten, je nachdem, von welchen Personen, zu welchem Anlass und in welchem Rahmen dieser Dienst geleistet wurde. Prinzipiell oblag die Aufwartung den adeligen Hofämtern, also den Pagen, Junkern, Hofdamen oder Kammerherren,107 allerdings konnte sie auch von Adeligen ohne Amt, im Alltag sogar von der einfachen Livreedienerschaft übernommen werden. Wer aufwarten durfte, entschied sich generell mit dem Anlass. Denn die Hofangestellten konnten ihrem Fürsten in zweierlei Hin102 103 104 105 106 107

Vgl. ebd., Bd. 1, S. 315, S. 82; ebd., Bd. 2, S. 56. Ebd., Bd. 1, S. 601. Ebd., Bd. 2, S. 155f. Vgl. ebd., Bd. 1, S. 600f. Moser: Teutsches Hofrecht, Bd. 1, S. 205. Die höchsten Hofämter, d. h. der Oberhofmeister oder Oberhofmarschall, der Oberkammerherr und der Oberstallmeister, die den Stab führten, verrichteten in der Regel keine Aufwartung am Hof. Vgl. dazu den Abschnitt zur Hoforganisation; ebd.

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1. Kulturelle Selbstverständlichkeiten

sicht zu Diensten stehen: entweder in seiner Funktion als Landesoberhaupt oder für „sein eigenes privat-Leben und dessen Gemächlichkeiten“.108 Carl Friedrich von Moser unterschied deshalb zwischen der „Staats- oder ParadeBedienung“ zum einen und der „Leib-Bedienung“ zum anderen.109 Während Letztere im Wesentlichen den höfischen Alltag bestimmte, wurde Erstere nur zu besonderen Anlässen eingesetzt, wie zum Beispiel zu Huldigungen, Lehenserteilungen, Vermählungen, „bey Anwesenheit hoher fremder Gäste“ oder zu besonderen Hoffesten an Geburts-, Namens- und andern Freudentagen.110 Diese analytische Trennung ist in besonderer Weise erhellend, da mit ihr die Abgrenzung des Hofzeremoniells vom Staatszeremoniell sichtbar wird. Die Unterscheidung der Zeremoniellarten wurde seit der Mitte des 18. Jahrhunderts massiv für die Reflexion über das Zeremoniell eingefordert.111 Moser betonte geradezu mit Nachdruck die Differenz zwischen Hof- und Staatszeremoniell. An beidem würden zwar dieselben „an Hof befindlichen Personen“ teilnehmen, jedoch berühre das Staatszeremoniell nicht „den Hof als Hof, in seiner innern und eigenen Verfassung“.112 Bei der Betrachtung der oberen Amtsträger gilt es demnach zwischen der Leibbedienung und der Staatsbedienung deutlich zu differenzieren. Auf diese Weise lässt sich zeigen, welche Aufgaben der Hofdienst mit sich brachte, welcher Sinn und Zweck im Hofdienst überhaupt lag und welche Erwartungen das Zeremoniell deshalb an die verschiedenen Hofämter stellte. Die Kammerherren

Die Charge des Kammerherrn stellte eine der vornehmsten Würden in der Hierarchie der Hofchargen dar.113 Über ihm standen allein die Oberchargen. Mit dem Titel ,Kammerherr‘ verband sich aber nicht nur am Hof ein hohes 108 109 110

111 112 113

Moser: Teutsches Hofrecht, Bd. 1, S. 203 (Zitat); Carrach: Hofrecht, S. 812; Rohr: Grosse Herren, S. 2. Moser: Teutsches Hofrecht, Bd. 1, S. 203f. Vgl. Moser: Teutsches Hofrecht, Bd. 1, S. 203ff. Claudia Curtius Seutter von Lötzen untersuchte die Werke der Zeremonialwissenschaft auf die Trennung von Hof- und Staatszeremoniell mit dem Ergebnis, dass die Zeremonialwissenschaft die Doppelfunktion des regierenden Fürsten als Landesvater und als Hausvater „ignoriert“ hätte. Bis auf Johann Philipp Carrach wäre keiner der Autoren auf die „nahe liegende Idee“ gekommen, „explizit das Hofzeremoniell dem Hof als fürstlichen Haushalt zuzuordnen und das Staatszeremoniell dem Hof als Sitz des fürstlichen Staatsoberhauptes“. Diese Missinterpretation übergeht nicht nur die aktuelle Forschung, sondern auch die – von der Zeremonialwissenschaft sehr wohl bedachte – Intention des Staatszeremoniells, das Auftreten von Regenten nicht nur an einem Hof, sondern ebenso an anderen Orten, wie zum Beispiel dem Regensburger Reichstag, zu regeln. Vgl. dies.: Das Tafelzeremoniell an deutschen Höfen im 17. und 18. Jahrhundert. Quellen und Rechtsgrundlagen. Dissertation. Jena 2008, bes. S. 81–92, 153. Vgl. Vec: Zeremonialwissenschaft, bes. S. 177f., 388–390. Moser: Teutsches Hofrecht, Bd. 1, S. 10. Vgl. Moser: Teutsches Hofrecht, Bd. 2, S. 176; Art. Kammerherr, in: Krünitz, Bd. 33, S. 383–387.

1.2 Zeremonielle Erwartungen an einen Fürstenhof des 18. Jahrhunderts

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Ansehen, sondern auch außerhalb genoss der Kammerherr in der Regel ein hohes Prestige. Der Titel wurde deshalb sogar dann beibehalten bzw. in der Titulatur weitergeführt, wenn Ämter erklommen wurden, die eigentlich eine unstreitig höhere Würde mit sich brachten, wie zum Beispiel Regierungs- oder Staatsämter.114 Auf Grund des hohen Prestiges sollten nicht alle Höfe dieses Amt einführen, sondern allein diejenigen, die eine Größe vorweisen konnten, die der Würde dieser Charge angemessen war. Von „abgetheilte[n] und abgefundene[n], appanagirte[n] und paragirte[n] (. . . ), kurzum nicht-regierende[n] Fürstliche[n] Häuser[n]“115 wurde erwartet, dass sie auf Kammerherren verzichteten und stattdessen auf Kammer-, Hof- oder Jagdjunker, in weiblichen Hofstaaten gegebenenfalls allein auf Hofdamen, zurückgriffen. Da sich dennoch einige kleine Fürsten anmaßten, den Charakter des Kammerherrn zu vergeben, obwohl sie weder ein großes Land besaßen noch einen weitläufigen Hof unterhielten, gab Julius Bernhard von Rohr zu bedenken, dass zuweilen nicht alle Kammerherren gleich geschätzt werden würden. Kamen derartige Titelträger an prächtigere Höfe zu Besuch, wurden sie entsprechend der Anmaßung gelegentlich zurückgesetzt. Das Ansehen eines Kammerherrn war also offensichtlich nicht allein an den Titel geknüpft, sondern vielmehr an das Prestige des Hofes, der ihn verlieh. Es ist anzunehmen, dass diese hierarchischen Abstufungen unter den Kammerherrn allgemein bekannt und akzeptiert waren. Rang und Würden einer Person bildeten die Grundlage für jene Ordnungsmuster, die vorgaben, wie sich ein jeder gemäß seines Titels oder seiner Funktion zu platzieren und zu benehmen hatte. Diese so genannten Rangordnungen galt es sowohl „bey publiquen und solennen [als auch bei] (. . . ) Privat-Zusammenkünften“116 zu beachten, und sobald sie publiziert waren, verpflichteten sie wie jedes andere Gesetz alle Untertanen und Bediensteten zum Gehorsam. Bei Missachtung drohte entweder „eine Strafe von etliche hundert auch wohl von tausend Thalern (. . . ) [oder] der Zutritt bey Hofe [wurde] nicht mehr gestattet, und bey fernern und neuen Ungehorsam“ wurden Missetäter „mit härtern willkürlichen Strafen belegt, zuweilen auch wohl gar mit Verlust ihrer Chargen bestrafft“.117 Das Wissen um Rang und Würden war also essentiell. Eine willkommene Hilfestellung boten da – augenscheinlich – die zahlreichen sichtbaren Zeichen, die das Amt, manchmal sogar auch die Funktion einer Person nonverbal nach außen kommunizierten. Neben diversen Gegenständen, Orden, Cordons und Tressen konnten auch Uniformen oder bestimmte Farben der Kleidungsstücke diese symbolisierende Funktion 114 115 116 117

Einzig davon ausgenommen war der Bereich des Militärs, da unter Offizieren im Feld nur militärische Ränge zur Geltung kamen. Moser: Teutsches Hofrecht, Bd. 2, S. 184. Rohr: Grosse Herren, S. 260. Ebd., S. 263.

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1. Kulturelle Selbstverständlichkeiten

übernehmen. Beim Amt des Kammerherrn diente prinzipiell ein besonderer Schlüssel als dessen Erkennungszeichen. Mit diesem so genannten Kammerherrenschlüssel konnten ursprünglich tatsächlich die fürstlichen Gemächer geöffnet und verschlossen werden. Unter Umständen gab er auch den Weg zu Rüstungskammern oder Schatz- und Kleidertruhen frei.118 Es ist denkbar, dass diese Aufgabe einst allein in der Verantwortung der Kammerherren gelegen hatte und daher auch dessen „ältester und eigentlicher Nahme (. . . ) Cammerer, oder Cämmerer“ herrühre.119 Sicher konnten die Zeremonialwissenschaftler das Alter bzw. die genaue Herkunft der Kammerherrenwürde allerdings nicht bestimmen. Zwar wussten zum Beispiel Carl Friedrich von Moser bereits von Kammerherren am kaiserlichen Hof des 16. Jahrhunderts zu berichten,120 „den legalen Ursprung der Cammerherrn Würde an den alt=Fürstlichen Höfen“ konnte er aber mit Bestimmtheit erst auf einen „[Be]Schluß des Fürstentags zu Nürnberg An. 1700“ zurückführen.121 Darin wurde festgestellt, dass zwischen den Kurfürsten und den Fürsten des Reichs allein die „Chur“ stehe und deshalb mit Blick auf die Bedienung kein Unterschied gemacht werden dürfe. Da die Kurfürsten aber vor etwa drei Jahrzehnten die Charge des Kammerherrn eingeführt hätten, müsse dies nun auch an den Höfen der Reichsfürsten geschehen. Nur so könne die damit entstandene Distinktion wieder ausgeglichen werden. Dass dieser Beschluss des Fürstentages durchaus seine Wirksamkeit entfaltete, belegt unter anderem Georg Duwes Studie über deutsche Kammerherrenschlüssel. Er kommt darin zu der Erkenntnis, dass die ältesten überlieferten Schlüssel von etwa 1690 stammen, die „Masse aber erst in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts verliehen“ wurde.122 Davon ausgehend, dass der Schlüssel ein notwendiges Accessoire des Amtes darstellte, wurde die Charge des Kammerherrn offensichtlich erst nach 1700 allgemein eingeführt, mithin erst in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts an den deutschen Höfen durchgesetzt.123 Bleibt zu fragen, welche Aufgaben das Hofzeremoniell den Kammerherren zuwies? In Anbetracht der analytischen Trennung zwischen Leib- und Staatsbedienung wird schnell deutlich, dass der alltägliche Hofdienst vor118 119 120 121

122 123

Georg Duwe: Erzkämmerer, Kammerherren und ihre Schlüssel. Historische Entwicklung eines der ältesten Hofämter vom Mittelalter bis 1918. Osnabrück 1990, S. 441. Moser: Teutsches Hofrecht, Bd. 2, S. 177. Ebd., Bd. 1, S. 176. Moser: Teutsches Hofrecht, Bd. 1, S. 183. Daran halten auch die späteren Lexika und Studien fest. Vgl. z. B. Art. Kammerherr, in: Krünitz, Bd. 33, S. 383–387; Duwe: Kammerherren, S. 1f. Duwe: Kammerherren, S. 442. Moser: Teutsches Hofrecht, Bd. 2, S. 107: „Dises hohe Amt ist sonst nur an Kayserlich= und Königlichen, und weit später erst an den Chur=Fürstlichen Höfen bekannt und üblich gewesen. In den neuesten Zeiten fiengen die Mächstigsten oder doch prächtigsten alten Fürsten allmählich auch an, solches an ihrem Hof einzuführen.“

1.2 Zeremonielle Erwartungen an einen Fürstenhof des 18. Jahrhunderts

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nehmlich in „der blossen Erscheinung bey Hof und um die Person des Herrn“ bestand.124 Von Kammherren wurde im Alltag also in erster Linie erwartet, dass sie anwesend sind und „mit daseyn helfen“. Da ihnen die „Begleitung des Regenten inn= und ausserhalb des Schlosses“, d. h. beim Spiel, auf Spazierfahrten, Ausritten, Reisen u.s.w. oblag,125 hatten sie sich am Hof aufzuhalten und auf den Fall zu warten, dass der Regent eine Begleitung oder schlicht Gesellschaft wünschte. Unter Umständen erhielten sie besondere Aufträge und wurden befehligt, die Damen der fürstlichen Familie zu begleiten, Gäste zu empfangen, anzumelden und zu Audienzen126 zu führen, mündliche Nachrichten zu überbringen oder Bittschriften aufzubewahren, gegebenenfalls weiterzuleiten. In Ausnahmefällen konnten Kammerherren dazu auch an andere Höfe gesandt werden. In der Regel versahen sie ihren Dienst aber an dem Hof, an dem sie angestellt waren, und fungierten dort hauptsächlich als Begleiter und Gesellschafter. Dieses von der Zeremonialwissenschaft skizzierte Aufgabenspektrum eines Kammerherrn blieb für den höfischen Alltag damit vergleichsweise unspezifisch. Die Tätigkeitsfelder der meisten anderen Hofangestellten, die ebenfalls zur Leibbedienung des Regenten zählten, waren wesentlich genauer umrissen: So oblag zum Beispiel der Leibgarde die Sicherheit des Herrn, die Leibärzte sorgten für die Gesundheit des Regenten, und die Kammerdiener und Garderobeangestellten übernahmen gewöhnlich die einfachen Verrichtungen des Alltags und zeigten sich damit für die Bequemlichkeit und den Komfort des Regenten verantwortlich.127 Die Arbeit der Kammerherren dagegen erschöpfte sich nicht in Handlanger- oder Versorgungsdiensten, sondern hatte „die dem Regenten=Stand gebührende Anständigkeit“ zum Ziel.128 Dazu sollten die Vertreter dieser Charge – ebenso wie auch die Pagen und Junker – bei den so genannten „täglichen Vorfallenheiten“ zur Hand gehen.129 Was sich genau hinter diesen „Vorfallenheiten“ verbarg, lässt die Zeremonialwissenschaft im Unklaren – und das nicht ohne Grund. Denn die genaue Ausgestaltung des Hofalltags richtete sich vornehmlich nach den jeweiligen Interessen und Vorlieben des Regenten. Vom ausgiebigen Exerzieren der Soldaten bis hin zu schöngeistigen Vergnügungen war dabei alles denkbar und akzeptiert. Es war für die Autoren der Zeremonialwissenschaft folglich recht schwierig, das Tätigkeitsfeld der Kammerherren exakt festzuschreiben. Scheinbar gab es keine festen Regeln, was und wie viel ein Kammerherr prinzipiell zu leisten hatte. Noch 1785 hielt Johann Georg Krünitz in seinem Lexikon fest, dass „an einigen Höfen 124 125 126 127 128 129

Ebd., Bd. 1, S. 209. Ebd., Bd. 2, S. 180. Vgl. Lünig: Theatrum Ceremoniale, Bd. 2, S. 1321. Moser: Teutsches Hofrecht, Bd. 1, S. 204; Lünig: Theatrum Ceremoniale, Bd. 2, S. 1477. Moser: Teutsches Hofrecht, Bd. 1, S. 204. Ebd., Bd. 2, S. 210.

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1. Kulturelle Selbstverständlichkeiten

(. . . ) mehr, an andern weniger, von einem Kammerherrn gefordert“ werden würde.130 Dagegen stellten sowohl die Zeremonialwissenschaft als auch das KrünitzLexikon umso deutlicher heraus, auf welchem Prinzip die zum Ziel gesetzte „gebührende Anständigkeit“ des Regentenstandes fußte: Ein Fürst hatte die Möglichkeit, mit seinen Hofangestellten seine eigene Stellung im Reich deutlich zu machen, indem er darauf vertraute, dass vom Rang seiner Bediensteten auf seinen eigenen, stets höheren Rang geschlossen wurde. Es entsprach den Konventionen der Zeit, dass eine ranghohe Person nie einer Person minderen Ranges dienen würde. Deshalb galt: Je höher der Rang der Bediensteten, desto höher der Rang des Bedienten. Die adeligen Hofämter konnten folglich dazu instrumentalisiert werden, den Rang des Regenten zu repräsentieren. Vor diesem Hintergrund lässt sich dann auch das relativ unspezifische Tätigkeitsspektrum der Kammerherren erklären: Der Sinn und Zweck dieser Charge erschöpfte sich offensichtlich weniger in der Bewältigung konkreter Aufgaben, als vielmehr in der Zurschaustellung der Rangverhältnisse. Prinzipiell zeichnete sich ein Kammerherr deshalb auch nicht durch eine besondere Fähigkeit oder Tätigkeit, sondern durch seine notwendig adelige Geburt aus. Darüber hinaus musste er bereits Meriten vorweisen können, die ihm im Laufe seines Lebens zu hohem Ansehen verholfen hatten. Denn ein Kammerherr sollte im Gegensatz zu den ebenfalls adeligen Junkern und Pagen „schon in einem hohen Rang und Character“131 stehen und erst auf Grund dessen den besonders ehrenvollen Titel des Kammerherrn verliehen bekommen. Diese Bedingung wurde im Beschluss von Nürnberg 1700 ausdrücklich gefordert, damit sie „bey den Chur=Fürstlichen Höfen und in locis tertiis keine Dificultät haben mögen“.132 Um also die ursprünglich intendierte Anpassung des Prestiges der fürstlichen zu den kurfürstlichen Höfen tatsächlich gewährleisten zu können, sollten die Kammerherren nicht nur adeliger Herkunft sein, sondern sich auch bereits einen besonderen Rang bzw. beachtliches Ansehen erarbeitet haben. Mit dieser Erkenntnis kann nun auch die Aufgabe eines Kammerherrn im Hofalltag noch ein wenig genauer bestimmt werden: Der Kammerherr fungierte offensichtlich nicht nur als Begleiter und Gesellschafter schlechthin, sondern als ranggemäßer Begleiter und Gesellschafter, der durch seine Anwesenheit und Bereitschaft, zu dienen, zugleich den besonderen Status seines Fürsten symbolisierte. Er hatte zur Verfügung zu stehen, wenn es Aufgaben zu

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Art. Kammerherr, in: Krünitz, Bd. 33, S. 383–387, bes. S. 384. So sollten sie zum Beispiel bereits Räte, Wachtmeister oder Obristen sein. Moser: Teutsches Hofrecht, Bd. 1, S. 38. Das Weimarer Fürstenhaus war über diese Verhandlungen und Beschlüsse informiert. Vgl. ThHStAW C 775 (Akten betreffend was wegen einer Fürstenvereinigung sowohl vor als auf den Fürstentagen zu Goslar und Nürnberg vorgegangen, 1698–1700).

1.2 Zeremonielle Erwartungen an einen Fürstenhof des 18. Jahrhunderts

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erledigen galt, die dem niedrigen Personal nicht übertragen werden konnten – sei es aus Gründen des Vertrauens oder des Prestiges. Dergleichen kam das Prinzip der „gebührenden Anständigkeit“ aber auch den Dienenden zu Gute. Denn die adelige Herkunft und das bereits erworbene hohe Ansehen bildeten zwar die Grundvoraussetzungen, um zum Kammerherrn ernannt werden zu können, allerdings verband sich damit keinerlei Anspruch. Einem Regenten stand es „frey, seine Hof-Ämter mit (. . . ) beliebigen Personen zu besetzen“.133 Die Ernennung zum Kammerherrn bedeutete somit zunächst immer eine ehrenvolle Auszeichnung, weil der Fürst durch seine Wahl direkt seine Gunst bewies. Das Ansehen eines Kammerherrn beruhte also zum wesentlichen Teil darauf, dass ihn der Fürst aus vielen auserwählte. Ebenso wie der Regent vom Rang und Ansehen seiner Bediensteten profitierte, nutzte das Dienerverhältnis also umgekehrt auch dem Kammerherrn. Bemerkenswerterweise konnte der Fürst seine Gunst in verschiedenen Abstufungen erweisen, indem er entweder nur den Charakter, d. h. nur den Titel eines Kammerherrn ohne jegliche Pflicht zum Hofdienst verlieh, oder jemanden zum wirklichen Kammerherrn ernannte und ihn tatsächlich zum Dienst heranzog. Nicht alle Kammerherren waren gleichgestellt. Während die Titelträger eher in einer losen Verbindung zum Hof standen und mitunter nie dort präsent sein mussten, hatten die wirklichen Kammerherren ihrer Anwesenheitspflicht regelmäßig nachzukommen. Die Dienstzeiten konnten von Hof zu Hof variieren, zumeist galt es aber – ähnlich wie bei Hofdamen, Junkern und Pagen134 –, ganztägig am Hof präsent zu sein. Damit dies „einem oder etlichen wenigen“ nicht „zu schwer falle“,135 wurde vom Hofmarschall136 in der Regel ein alternierender Dienstplan organisiert. In Anbetracht der offensichtlich nicht sonderlich anspruchsvollen Betätigung als Begleiter und Gesellschafter mag diese Begründung auf den ersten Blick ein wenig überraschen.137 Carl Friedrich von Moser erinnert wohl deshalb daran, dass die Last des Wartens und der Langeweile nicht zu unterschätzen ist. Immerhin gestaltete sich alles nach dem Willen des Regenten. Davon abgesehen, bezweckte das Abwechseln im Dienst aber nicht nur eine Arbeitserleichterung, sondern zielte auch auf den entscheidenden Vorteil, der die wirklich Dienstleistenden von den lediglich charakterisierten Kammerherren trennte: den unmittelbaren, regelmäßigen Zugang zum Fürsten. Jeder wirkliche Kammerherr sollte idealerweise in

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Vgl. Moser: Teutsches Hofrecht, Bd. 1, S. 79f. Ebd., Bd. 1, S. 214. Ebd. Der Hofmarschall musste unverzüglich kontaktiert werden, wenn jemand durch Krankheit oder andere Vorfälle unpässlich geworden war und nicht am Hof erscheinen konnte. So gehörte es zu ihren Aufgaben, den Herrn „mit Gesprächen und lustigen Possen zu unterhalten und dadurch zu verhüten, daß er nicht durch verdrießliche und unangenehme Nachrichten aufgebracht und dadurch seiner Gesundheit Schaden zugefügt würde“. Vgl. Moser: Teutsches Hofrecht, Bd. 2, S. 107.

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1. Kulturelle Selbstverständlichkeiten

Abständen zu dieser „Ehre des Dienstes“ gelangen.138 Das Zeremoniell beinhaltete strenge Regeln, die es nur wenigen ausgesuchten Personen erlaubten, regelmäßigen Kontakt mit dem Fürsten zu pflegen. Damit war dieser Kontakt in mehrerlei Hinsicht ausgesprochen begehrt, da er zum Beispiel das Ersuchen um Gefälligkeiten oder das Ringen um die Zuneigung und das Vertrauen des Fürsten erleichterte. Den bloß Titulierten blieb diese wertvolle soziale Ressource dagegen verwehrt. Aber auch die wirklichen Kammerherren errangen sich mit ihrer Anstellung nicht nur Vorteile, sondern begaben sich unter Umständen in eine unsichere, eventuell sogar desolate finanzielle Lage. Die Zeremonialwissenschaft weiß davon zu berichten, dass auch ein Kammerherr „vor Hunger und Schulden nicht gesichert“139 war. Denn nicht selten bestand die Besoldung dieser Charge allein in sozialen Ressourcen, also „in der blossen Ehre“140 . Es wurde von Kammerherren erwartet, dass sie andere einträgliche Einkünfte oder so vermögend waren, dass ihnen die Ehre ausreichte. Zwar gehöre zur Kammerherrenwürde eigentlich auch ein Gehalt, allerdings sei dies noch von niemandem tatsächlich „zu erheben verlangt worden“.141 Auf dieses Zurückstecken zählten wohl auch die Fürsten zu Nürnberg, als sie die Einführung dieser Charge damit begründeten, dass „es keine weiteren Spesen oder Unkosten verursachet, sondern statt des Cammer=Junckers der Titul Cammer=Herr kan gegeben werden“.142 Ein Hof konnte also seinen Kammerherren ein Gehalt zahlen, musste sie aber nicht zwangsläufig besolden, da eine Selbstversorgung erwartet wurde. Dennoch profitierten die wirklichen Kammerherren maßgeblich von ihrer engen Bindung an den Regenten. Denn im Gegensatz zu den Titularkammerherren wurde ihnen auch bei der Staatsbedienung der Vorzug eingeräumt.143 Wie dem alltäglichen Dienst für den „privaten Regenten“ lagen auch der Bedienung des Fürsten als Landesoberhaupt diverse Prinzipien zugrunde, aus denen sich Anforderungen an die Kammerherren ableiteten. So kam hier ebenfalls die „gebührende Anständigkeit“ zum Tragen, allerdings mit der Erweiterung, dass sich nun die Würde des fürstlichen Standes „durch [die] in der Menge und Vorzügen seiner Diener sich äussernden Pracht erhalten und erhöhen“ sollte.144 Bei der Staatsbedienung zählte also nicht nur das Ansehen und Herkommen der Bediensteten, sondern nun spielte auch 138 139 140 141 142 143 144

Ebd., Bd. 1, S. 214. Ebd., Bd. 2, S. 175. Ebd. Ebd., Bd. 2, S. 179. Ebd., Bd. 1, S. 38. Laut Rohr wurden im Allgemeinen „die würcklichen Officanten, (. . . ) mit gutem Grunde, allenthalben den Titularien vorgezogen“. Vgl. Rohr: Grosse Herren, S. 268, § 17. Moser: Teutsches Hofrecht, Bd. 1, S. 203. Die Bedeutung der Personenanzahl finden sich bei allen Zeremonialwissenschaftlern. Vgl. z. B. die Beschreibung der Schlittenfahrten bei Rohr: Grosse Herren, S. 837.

1.2 Zeremonielle Erwartungen an einen Fürstenhof des 18. Jahrhunderts

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die Anzahl der Dienenden eine entscheidende Rolle. Je mehr hochrangige Personen den Regenten bedienten, umso größer war dessen Prachtentfaltung. Die Zeremonialwissenschaft forderte deshalb zu Gelegenheiten, bei denen der Fürst als Landesoberhaupt auftrat, dass sowohl die vornehmsten „Diener des Staats“ als auch „die hohen Hof=Ämter ihre Dienste versehen“ und all jene, „welche sonst nicht beständig an Hof seynd, allda zu erscheinen befehligt werden“ sollen.145 Damit oblagen offensichtlich alle wirklichen Kammerherren der Präsenzpflicht. Die üblichen Dienstzeiten und -pläne wurden mit der Staatsbedienung anlässlich Huldigungen, Lehenserteilungen, zu Feierlichkeiten des Hofs an „Geburts-, Namens- und andern Gala- und Freudentagen“, aber auch bei der Anwesenheit hoher fremder Gäste außer Kraft gesetzt. Da zudem „der Adel zahlreicher und geputzter und die Unterbediente[n] vollständig“ erscheinen sollten, hatten die Titularkammerherren zwar ebenfalls die Möglichkeit, an solchen Veranstaltungen teilzunehmen, allerdings waren sie offensichtlich nicht zur Präsenz verpflichtet und durften nur in Ausnahmefällen Dienst leisten.146 Mit der Staatsbedienung änderte sich sodann auch der Aufgabenbereich der wirklichen Kammerherren vom ursprünglichen Gesellschafter und Begleiter hin zu konkreter Bedienungsarbeit, wie sie sonst nur von niedrigeren Hofämtern oder von der Livreedienerschaft erledigt wurde. Es galt nun, in streng-zeremoniellem Rahmen bestimmte Handgriffe, Wartepositionen und Bewegungen innerhalb präzise festgelegter Sequenzen auszuführen. Diese Abläufe unterschieden sich jeweils nach dem Stand und Rang des Regenten im Reich – ein Kaiser wurde anders bedient als ein Herzog –, nach den Örtlichkeiten147 und nach den individuellen Einrichtungen und Möglichkeiten des feiernden Hofstaats. Obwohl die Zermonialwissenschaft deshalb keine einheitlichen Regeln vorgeben konnte und eher musterhaft auf historische Feste verwies, lassen sich auch hier grundlegende Prinzipien erkennen, wie zum Beispiel die nonverbale Inszenierung der Rangfolge als Reihe. Alle Handlungen waren dabei auf den Regenten als ranghöchste Person ausgerichtet und wurden in ihrer Wertigkeit nach dem Abstand zum Regenten bemessen: Je näher eine Person zum Regenten positioniert war, desto höher galt ihr Rang. Da zur Staatsbedienung so viel Bedienstete wie möglich gefordert waren und dadurch unzählige Personen − seien es nun Gäste oder Hofangestellte − in ihrem Verhältnis zum Fürsten versinnbildlicht werden mussten, war es üblich, Dienstabläufe, die im Alltag zumeist nur einer einzigen Person oblagen, in wohl überlegte einzelne Sequenzen aufzuspalten und mehreren Personen zu übertragen. Ein Gegenstand wurde folglich nicht mehr von einem Pagen allein überreicht, sondern er übergab diesen zunächst einem Kammerjunker, der denselben wiederum einem Kammerherrn prä145 146 147

Moser: Teutsches Hofrecht, Bd. 1, S. 203, 210. Ebd., Bd. 1, S. 203. Rohr: Grosse Herren, S. 94.

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1. Kulturelle Selbstverständlichkeiten

sentierte, der ihn erneut einem höheren Amtsinhaber weiterreichte oder selbst den Herrschaften präsentieren durfte. Auf die gleiche Weise wurden Gegenstände auch wieder zurückgegeben. Auf Grund ihres hohen Ranges durften Kammerherren innerhalb dieser streng gegliederten Arbeitsabläufe in der nächsten Nähe des Regenten agieren. Beim Speisen148 bedeutete dies zum Beispiel, dass sie statt der Pagen oder einfachen Livreedienerschaft, die sonst die Aufwartung beim Speisen innehatten, hinter den ranghohen Speisenden aufwarten durften – und zwar nicht nur hinter ihrer eigenen Herrschaft, sondern insbesondere auch hinter fremden Herrschaften.149 Dort verblieben sie dann entweder die ganze Zeit des Tafelns oder boten ihre Dienste zumindest so lange an, „biß sie ein Zeichen“ bekamen,150 dass sie nun selbst speisen gehen konnten. Die Hof-, Jagd- und Kammerjunker

Bevor die Kammerherren zu Nürnberg anno 1700 als Charge an den fürstlichen Höfen eingeführt wurden, nahmen die Junker diesen hohen Platz in der Hofhierarchie ein. Wenig überraschend stellt Carl Friedrich von Moser demzufolge auch fest, dass sich die Tätigkeitsbereiche mit der Einführung der neuen Charge verschoben hatten und nun die Kammerherren „eigentlich das verrichten mußten, was die Obligenheit der Cammer=Juncker“ vorher ausgemacht hatte.151 Gleichwohl gab es dabei noch reguläre Ausnahmen: Nicht alle Höfe des Reiches erfüllten die Voraussetzungen, um das Amt des Kammerherrn einführen zu können. An derartigen Höfen galten deshalb weiterhin die Junker als die hohen Hofchargen und wurden mit den entsprechenden Aufgaben betraut.152 An jenen Fürstenhöfen, die bereits Kammerherren führten, erweiterte sich dagegen das Tätigkeitsfeld der Junker geringfügig. Sie verrichteten weiterhin − nun jedoch in einer assistierenden Funktion zu den höherstehenden Kammerherren − die alltägliche Aufwartung und dienten damit jenem Bereich des Hofdienstes, der im Rahmen der Leibbedienung auf die Anständigkeit des Regentenstandes zielte.153 Die Junker fungierten also als Begleiter und Gesellschafter und damit wie die Kammerherren als Symbolfiguren, die mit ihrer eigenen Herkunft und ihrer Bereitschaft, zu dienen, den besonderen Status des Fürsten veranschaulichten. Notwendigerweise sollten deshalb alle Junker 148

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Insbesondere die Vorbereitung zum Tafeln, also das Abholen der Herrschaften von ihren Zimmern, das Abnehmen von Hut und Handschuhen, das Zurechtrücken des Stuhles oder das Servieren eigneten sich, um die Rangverhältnisse zu versinnbildlichen. „Wann ein Herr an fremden Orten ist, versieht die Staatsbedienung der Adel desjenigen Hofs, an dem er sich befindet“. Vgl. Moser: Teutsches Hofrecht, Bd. 1, S. 222. Rohr: Grosse Herren, S. 111. Moser: Teutsches Hofrecht, Bd. 2, S. 185. Ebd., Bd. 2, S. 185. Art. Cammerherr, in: Zedler, Bd. 5, Sp. 435.

1.2 Zeremonielle Erwartungen an einen Fürstenhof des 18. Jahrhunderts

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dem Adel entstammen, allerdings konnte der Regent bei ihrer Auswahl das Kriterium des bereits erworbenen hohen Ranges noch außer Acht lassen. Indes erschöpfte sich der Dienst der Junker nicht mehr allein in dem Agieren als ranggemäße Bedienung. Im Unterschied zu den Kammerherren oblag ihnen darüber hinaus nun außerdem die Aufgabe, dem Regenten „zur blossen Gemächlichkeit“ zu Diensten zu stehen.154 Welche Arbeiten sich mit der Bedienung zur „Gemächlichkeit“ verbanden, entschied sich zumeist mit dem Bereich, für den ein Junker angestellt wurde. In der Regel wurde zwischen Kammer-, Jagd- und Hofjunkern derart differenziert, dass sich jede spezielle Gattung für den in ihrem Namen bestimmten Bereich des Hoflebens verantwortlich zeigte: Die Jagdjunker sollten den Regenten auf der Jagd begleiten und sein Gefolge bilden. Darüber hinaus hatten sie dort als eine Art Kommunikationsmedium zu fungieren und zwischen dem Regenten und dem Oberjägermeister oder Forstmeister Nachrichten sowie die Jagd betreffende Befehle zu vermitteln. So gehörte es zum Beispiel zu den Aufgaben eines Jagdjunkers, „den gehörigen Rapport [abzuliefern], ob das Jagen fertig oder nicht, und was darin zu vermuthen“.155 Prinzipiell sollte aus den Jagdjunkern der Nachwuchs für die Jäger- und Forstmeister herangezogen werden.156 Die Kammerjunker hatten dagegen vornehmlich all jene Gemächlichkeiten zu besorgen, nach denen der Regent in den fürstlichen Gemächern bzw. innerhalb des Schlosses verlangte. Zwar bleibt die Zeremonialwissenschaft bei der Bestimmung dieser Wünsche erneut unpräzise, doch gewinnt dieses Tätigkeitsspektrum vage Konturen durch die Arbeiten, die nicht zum Dienst der Kammerjunker gehörten. So fiel zum Beispiel die einfache „Bedienung, so sich mit der Person des Regenten selbst beschäfftigt[e]“,157 in die Zuständigkeit der Kammerdiener, Kammerlakaien und Angestellten der Garderobe, so dass sich Kammerjunker zum Beispiel nicht darum kümmern mussten, dass die Kleidung des Regenten gereinigt wurde, genügend Kerzen zur Beleuchtung vorhanden oder die Spieltische sauber waren.158 Und auch geringere Dienste, wie beispielsweise das Auskleiden des Herrn am Abend, oblagen nicht ihnen, sondern sollte ordentlicherweise von den Pagen oder nicht adeligen Kammerbediensteten übernommen werden.159 Kammerjunker hatten zwar abwechselnd den ganzen Tag, aber in der Regel nur bis zum Abend dem Regenten aufzuwarten und pflegten deshalb „zu der Zeit, da sich der Herr in sein Schlaf=Zimmer begeben will, von Hof wegzugehen“.160

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Moser: Teutsches Hofrecht, Bd. 1, S. 210. Art. Jagdbediente, in: Krünitz, Bd. 28, S. 329–334, bes. S. 331. Vgl. Moser: Teutsches Hofrecht, Bd. 2, S. 187; Art. Jagdjunker, in: Zedler, Bd. 14, Sp. 163. Moser: Teutsches Hofrecht, Bd. 1, S. 210. Moser: Teutsches Hofrecht, Bd. 1, S. 340–342, Anlage Nr. 55. Ebd., Bd. 1, S. 222. Ebd., Bd. 1, S. 214, 222; Lünig: Theatrum Ceremoniale, Bd. 2, S. 1477.

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1. Kulturelle Selbstverständlichkeiten

Allein eine Aufgabe weist die Zeremonialwissenschaft klar als Arbeitsgebiet der Kammerjunker aus: die Begleitung und das Führen der Damen des Hofes.161 Den Weg von der und zur Tafel, zur Kirche oder aber das Spazierenfahren oder -gehen sollten Damen grundsätzlich nicht allein, sondern in männlicher Begleitung unternehmen. Am Hof galt dabei allerdings die Regel, dass der vornehmste Herr die vornehmste Dame führen sollte.162 Nur eine „beständige Ordnung im Führen“ oder ein Übertragen dieser Ehre aus Höflichkeit, zum Beispiel an fremde hohe Gäste, setzte diese Regel außer Kraft.163 Die Kammerjunker waren also nicht die Einzigen am Hof, die das Führen übernehmen, durften und mussten sich unter Umständen einem höheren Hofamt unterordnen. Obwohl sich mit der Einführung der Kammerherren der Dienstbereich der Kammerjunker etwas erweiterte, änderte sich nichts an deren Besoldung. Wie die Kammerherren hatten auch die Kammerjunker nur „selten eine würckliche Besoldung wegen dises Diensts“ zu erwarten und wurden in der Regel nur an kleinen Höfen entlohnt, weil sie dort „ein halb Duzend andere Departments mit zu besorgen“ hatten.164 Allein an den Tagen, an denen sie tatsächlich am Hof ihre Aufwartung verrichteten, sollten sie die freie Tafel genießen dürfen und unter Umständen Pferde sowie Kost für ihre eigenen Bediensteten gestellt bekommen.165 Offenbar konnte ein Regent auch bei Kammerjunkern drauf vertrauen, dass die Ehre des wirklichen Dienstes als nichtmaterieller Ausgleich genügte. Dabei lag bei den Junkern die Betonung zu Recht auf dem wirklichen Dienst. Denn auch hier bot sich dem Regenten die Möglichkeit, den Titel des Kammerjunkers ohne Verrichtung des Hofdienstes zu verleihen. Laut Carl Friedrich von Moser wurde sogar „den meisten (. . . ) ein leerer Titul“ gegeben, um ihnen eine weitere Karriere zu ermöglichen.166 Allerdings musste man für den Kammerjunkertitel nicht nur einen gewissen Stand, sondern auch ein gewisses Vermögen vorweisen können. Ansonsten sollte der Titel eines Hofjunkers verliehen werden. Die Hofjunker galten nämlich allemal an den meisten Höfen als der müßige Adel, weshalb dieser Titel auch eher einem Leutnant und Fähnrich bei der Garde oder den adeligen Assessoren der Kollegien als Dekoration beigelegt werden sollte.167 Im Rahmen der Staatsbedienung verwandelten sich die individuellen alltäglichen Aufgaben der Junker ebenfalls in präzise choreographierte Bedienungs- und Bewegungsabläufe. Sie fungierten im Zeichensystem des

161 162 163 164 165 166 167

Moser: Teutsches Hofrecht, Bd. 1, S. 601. Vgl. ebd., Bd. 2, S. 522. Ebd., Bd. 2, S. 523. Ebd., Bd. 2, S. 185. Vgl. ebd., Bd. 2, S. 186. Moser: Teutsches Hofrecht, Bd. 2, S. 186. Vgl. Moser: Teutsches Hofrecht, Bd. 2, S. 187.

1.2 Zeremonielle Erwartungen an einen Fürstenhof des 18. Jahrhunderts

75

Staatszeremoniells als Mittelstück in der Kette der adeligen Bedienung und hatten sich in der Regel hinter den Kammerherren und damit ihrem Rang gemäß in etwas größerem Abstand zur Herrschaft zu positionieren oder zu bewegen. In einigen Fällen wurde ihr Dienst zur Distinktion dahingehend genutzt, dass allein sie die Damen bedienten. In der Regel oblag es ihnen aber, Gegenstände, Kleidungsstücke oder Speisen und Getränke entgegenzunehmen, weiterzureichen oder unter Umständen aufzubewahren. Beim Speisen konnte einigen von ihnen zum Beispiel die Ehre zukommen, während der gesamten Tafelzeit den Hut und die Handschuhe der hohen Herrschaften zu halten, denen sie zugeteilt wurden. Gewöhnlich fungierten sie aber als Bindeglied zwischen Kammerherren und Pagen und nahmen Gegenstände von den einen entgegen, um sie an die anderen weiterzureichen.168 Die Hofdamen

Das weibliche Gegenstück zu den Kammerherren und Hof-, Jagd- und Kammerjunkern stellte das Amt der Hofdame bzw. des Hoffräuleins dar, deren Tätigkeit sich vornehmlich auf die Bedienung der weiblichen Familienmitglieder des Regenten, im Besonderen aber auf die der Gattin des Fürsten konzentrierte.169 Obwohl die Zeremonialwissenschaft zwischen verschiedenen Hofdamentypen zu unterscheiden wusste, wird deutlich, dass für kleine und mittlere Höfe offensichtlich „nur Hof-Dames, ohne weitere Claßification“ erforderlich waren. Wie der Rest des Hofes sollte auch die Anzahl der Bediensteten für die weiblichen Familienmitglieder des Fürsten prinzipiell im adäquaten Verhältnis zur „Grösse und Lustre“ des Hofes stehen.170 Das bedeutete allerdings nicht, dass generell auf Hofdamen verzichtet werden durfte. Zwar musste nicht zwangsläufig zwischen Hofdamen, Dames d’honneur, Dames d’Atour, Gesellschafts-, Kammer- oder Hoffräulein differenziert werden, allerdings galt es mindestens eine Hofdame anzustellen, die alle entsprechenden Aufgabenbereiche besorgen konnte. Die Hauptaufgabe der Hofdamen erschöpfte sich vornehmlich in der Rolle der ranggemäßen Begleiter- und Gesellschafterin. Es oblag ihnen, ihre Herrschaft zu jeder Zeit zu unterhalten und ihr zum Beispiel beim „Essen, Trincken, Spielen, Reisen, Plaudern, Lachen, Tanzen, und andern Eitelkeiten“ Gesellschaft zu leisten.171 Dabei lässt die Zeremonialwissenschaft die konkreten Pflichten − wie auch bei den Kammerherren − unbestimmt, da sie ebenfalls nach den jeweiligen Interessen und Vorlieben der Fürstin bzw. deren Töchter variieren konnten. Das Spektrum war offensichtlich auch hier

168 169 170 171

Vgl. Moser: Teutsches Hofrecht, S. 525; Rohr: Grosse Herren, S. 107. Vgl. Moser: Teutsches Hofrecht, Bd. 2, S. 162. Ebd., Bd. 2, S. 155. Ebd., Bd. 2, S. 164f.

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1. Kulturelle Selbstverständlichkeiten

weit gefächert und konnte vom Anfertigen kostbarer Näh- und Stickarbeiten bis hin zur Lesung „wiziger und wizloser Schrifften“ reichen.172 Da das Hofdamenamt dementsprechend auch nicht auf genau festgelegte Aufgaben, sondern wie bei der Leibbedienung des Regenten in erster Linie auf die Repräsentation des fürstlichen Ranges abzielte, mussten die Hofdamen keine besonderen Fähigkeiten, wohl aber eine vornehme, d. h. adelige Herkunft vorweisen können. Dabei hatte sich die Art des Adels nach dem Rang bzw. der Größe des Hofes zu richten. Während an großen Höfen ein glaubwürdiger Stammbaum erwartet wurde, der die „gut=adeliche Geburt und Stifftsmäßige Ahnen“ auswies, konnten kleinere Höfe auf niederrangige Damen zurückgreifen, in deren Familie erst der „Vater oder Groß=Vater geadelt worden“ waren.173 Wie bei dem Regenten und seinen Kammerherren kam also auch bei den Bediensteten der weiblichen Mitglieder der fürstlichen Familie das Prinzip der gebührenden Anständigkeit zur Geltung. In einem wesentlichen Punkt unterschied sich allerdings der Dienst der Hofdamen von dem der Kammerherren und Kammerjunker. Während die männlichen Hofämter sich in ihrer alltäglichen Aufwartung abwechselten und zu festen Dienstzeiten am Hof erscheinen mussten, um danach ihren Arbeitsort in der Regel wieder zu verlassen, hatten die Hofdamen einer ganztägigen, alltäglichen Präsenzpflicht Folge zu leisten. Sie sollten jederzeit ihrer Herrin zur Verfügung stehen und gehörten deshalb zu den wenigen Hofbediensteten, die beständig mit in der Residenz bzw. auf dem Schloss wohnen sollten.174 Mit dem Amt der Hofdame verband sich also nicht nur der Dienst, sondern immer zugleich auch das Leben am Hof. Im Gegenzug hatte die Herrschaft für dieses Hofleben alles Nötige zur Verfügung zu stellen. Hofdamen sollten neben einer Wohnung und der regelmäßigen Speisung an der Hoftafel175 auch die Bedienung „und andern Gemächlichkeiten“ frei gestellt bekommen. Ihre Besoldung schien dagegen nicht in der Pflicht ihrer Herrschaft gelegen zu haben. Vielmehr war es offensichtlich üblich, den Lohn so einzurichten, dass er „mit den unvermeidlichen Ausgaben gleich aufgeht“. Im Ausgleich dazu durften die Hofdamen allerdings auf gewöhnliche und außergewöhnliche Geschenke und Trinkgelder hoffen, mit denen sie ihre geringe oder fehlende Besoldung nivellieren konnten.176 In Anbetracht der Pflicht des Hofes, seine Hofdamen allumfassend zu 172 173 174 175

176

Ebd.. Moser: Teutsches Hofrecht, Bd. 2, S. 160. Rohr: Grosse Herren, S. 71, § 19. Die Hofdamen waren neben der Oberhofmeisterin, den verschiedenen weiblichen Familienmitgliedern des Fürsten und eventuellen fremden weiblichen hohen Gästen die einzigen Frauen, die an der höfischen Mittagstafel Platz nehmen durften. Dagegen durften „die Dames aus der Stadt nur des Abends nach Hof kommen“. Vgl. Moser: Teutsches Hofrecht, Bd. 2, S. 170. Moser: Teutsches Hofrecht, Bd. 2, S. 164.

1.2 Zeremonielle Erwartungen an einen Fürstenhof des 18. Jahrhunderts

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versorgen, einerseits und dem Recht andererseits, jederzeit auf deren Dienst zugreifen zu dürfen, lässt sich eine weitere grundlegende Voraussetzung ausmachen, die es für dieses Hofamt offensichtlich zu erfüllen galt: Hofdamen sollten unvermählt sein. Der Hof sicherte sich damit die Möglichkeit, in eine vormundsähnliche Position einrücken und über die Damen verfügen zu können − ohne dabei mit den Ansprüchen Dritter zu kollidieren. Zumindest lassen das die Pflichten vermuten, die der Hof im Falle einer Vermählung zu leisten hatte. Sobald eine Hofdame den Bund fürs Leben einging, sollte sie an „ihrem Ehren=Tag von ihrer Herrschafft zur Trauung geführt und auf [deren] Kosten tractirt, über diß aber nach dem Grad des Vermögens und der Affection beschenckt“ werden.177 Der Hof nahm damit die Rolle des verantwortlichen Brautvaters ein − und gab diese aber zugleich auch ab. Denn wie ein Vater im 18. Jahrhundert seine Vormundschaft für seine Töchter mit der Eheschließung weiterreichte, so hielt es auch der Hof. Mit der Vermählung erfüllte die Hofdame nicht mehr die Voraussetzungen für ihr Amt, weshalb ihr die Anstellung in der Regel mit ihrer Heirat aufgekündigt wurde. Wohl auf Grund dieser Versorgungsaspekte bemühten sich viele adelige Eltern um eine Stelle für ihre ledigen Töchter. Im Erfolgsfalle entlasteten sie sich damit selbst und sicherten ihrem weiblichen Nachwuchs hohe Ehre und − sicherlich weit bedeutsamer − einen standesgemäßen Unterhalt. Diese Absicherung galt ein Leben lang und konnte nur mit dem Tod oder „durch eine glückliche Heurath“ ein Ende finden. Darüber hinaus verband sich mit Blick auf eine Heirat die Hoffnung, leichter eine „gute Parthie“ machen zu können, weil eine Herrin „durch ihren Credit und Vorwort dem Bräutigam der Fräulein eine Hof= oder andere Charge verschaffen“ und auf diese Weise die Grundlage für eine wohl gestaltete Zukunft legen konnte.178 Gleich welches Ziel die Eltern tatsächlich verfolgten, mit einer Hofdamenstellung konnten sie sich der Versorgung ihrer Töchter gewiss sein. Hofdamen erwarben durch ihr Amt einen derart hohen Rang, dass ihnen in der Hofhierarchie sogleich der Platz nach der Oberhofmeisterin eingeräumt wurde. Dieses hohe Ansehen speiste sich, gleich der Würde der Kammerherren, aus „der Ehre des nähern, täglichen und familiären Umgangs“ mit der Fürstenfamilie.179 Sie standen deshalb deutlich über den Damen des „unvermählten Stadt-Adel[s]“, ganz gleich, „von welcher noch so hohen Würde der Vater der Dame übrigens seye“.180 Um dem Ausdruck zu verleihen, durften sie den Titel ,Euer Gnaden‘ führen, der im Grunde nur den vermählten und dadurch eigentlich höher geachteten Damen des Reiches zustand. Angesichts des hohen Ranges durften die Hofdamen auch bei der Staatsbedienung nicht fehlen. Mit ihrer Anwesenheit sollten sie bei jeglichen Feierlich177 178 179 180

Ebd., S. 166. Ebd. Ebd., Bd. 2, S. 162. Ebd..

78

1. Kulturelle Selbstverständlichkeiten

keiten den Hof „vergroessern und verherrlichen“.181 Wie alle hochrangigen Hofbediensteten fungierten sie bereits durch ihr Erscheinen als Multiplikator für die Pracht des als Landesvater auftretenden Regenten. Darüber hinaus bildeten sie mit ihrer Aufwartung die bestehenden Rangverhältnisse ab. Ebenso wie der Rest der Hofbediensteten mussten sich die Hofdamen in einem konkreten Abstand zum Fürsten und zu ihrer Herrin positionieren. In einigen Fällen oblag ihnen das Auftragen der Speisen auf die fürstliche Tafel.182 Generell finden sich jedoch in der Zeremonialwissenschaft sehr wenige Hinweise auf mögliche Tätigkeiten innerhalb der Staatsbedienung. Die Aufgaben der Hofdamen scheinen sich folglich nicht maßgeblich von denen unterschieden zu haben, die sie im Rahmen der Leibbedienung zu leisten hatten. Ihr Zweck bestand auch hierbei wohl vornehmlich in der repräsentativen Anwesenheit. Bemerkenswertweise konnte die Würde der Hofdame nicht als Titularamt verliehen werden. Im Gegensatz zu den Kammerherren und Junkern, deren Dienstbezeichnungen sowohl als wirklicher Dienstgrad als auch als bloßer Ehrentitel ohne Dienst vergeben werden konnten, schloss sich an die Bezeichnung der Hofdame immer der Dienst am Hof an. Die einzige mögliche Ausnahme bildete die Pensionierung. Die Pagen

Die Edelknaben bzw. Pagen bildeten in der Hierarchie der adeligen Hofchargen das unterste Glied, da sie sowohl die rangniedrigsten als auch jüngsten dienenden Adeligen am Hof waren. Dennoch verbanden sich bereits mit dieser Stellung besondere Anforderungen und Erwartungen – und zwar seitens des Hofes ebenso wie von den adeligen Eltern, die ihre meist noch minderjährigen Söhne in die Obhut des Regenten gaben. Um eine Pagenstelle an einem Hof antreten zu können, mussten sich die Eltern oder Verwandten für ihre Söhne oder Schützlinge am Hof bewerben. Gewöhnlich waren sie dabei von der Hoffnung motiviert, ihrem Mündel mit dieser Stellung zu einer „ehrbare[n] Erziehung und gründliche[m] Unterricht“ zu verhelfen. Diese Erwartung war wohl durchaus berechtigt, auch wenn Carl Friedrich von Moser den Umgang einiger Höfe mit ihren Pagen als systematische Erziehung zu unrühmlichen Taugenichtsen kritisierte. Die Höfe sorgten in der Regel für die standesgemäße Ausbildung und Erziehung, indem sie einen Hofmeister zur Aufsicht der „jungen, muntern, wilden und täglichen Verführungen ausgesetzten Gemüther“ bestellten und verschiedene „Informatores“ und „Exercitien-Meister“ beauftragten, Unterricht im Reiten, Fechten und Tanzen zu erteilen.183 Außerdem erlernten die Pagen verschiedene Sprachen – zumindest aber das Französische – und erhielten 181 182 183

Ebd., Bd. 2, S. 165. Rohr: Grosse Herren, S. 96. Moser: Teutsches Hofrecht, Bd. 2, S. 196.

1.2 Zeremonielle Erwartungen an einen Fürstenhof des 18. Jahrhunderts

79

„Anweisung zu andern practischen mathematischen Wissenschafften“.184 Einen festgeschriebenen Bildungskanon gab es zwar nicht, die Pagenausbildung war aber dennoch derart umfassend, dass sich damit die erste Stufe zu einer Karriere als „grosse Ministres, Generals und hohe Hofbeamten“ erklimmen ließ. Darüber hinaus konnte im Regelfall sogar mit einer direkten Weiterbeförderung gerechnet werden, denn die Erwartungen seitens der Regenten richteten sich nicht selten auf die Zukunft ihrer jüngsten Angestellten. Pageninstitute galten als eine Art „Pflanzschule“, aus der das künftige Personal des Hofes „gezogen und gebildet werden“ sollte.185 Je nachdem, welche Leistungen und Benehmen die Pagen im Verlauf ihres Dienstes am Hof zeigten, rekrutierten die Regenten den eigenen Nachwuchs für ihre höheren Hofchargen aus diesen Reihen. Gab es keine Hofstellen zu besetzen, versorgte der Regent seine Pagen nach beendeter Ausbildung üblicherweise mit einer Leutnantsstelle in seinem Regiment oder empfahl sie mit einem entsprechenden Schreiben an andere Höfe weiter.186 Zuvor wurden sie von ihm im Beisein seiner Gattin, des Hofmarschalls und anderen Hofangestellten wehrhaft gemacht, indem sie nach einer kleinen ermahnenden Ansprache zum Kavalier deklariert und ihnen ein Degen „zu Beschützung der Ehre Gottes, des Vaterlandes und seines eigenen Lebens“ überreicht wurde.187 Zur Legitimation seines neu erlangten Standes wurde der nun wehrhafte Kavalier an die fürstliche Tafel geladen und musste zu seinem Ehrentag ein großes Glas Wein austrinken.188 Mit Blick auf die Karriere und den Bildungsweg junger Adeliger verbanden sich mit einer Pagenstelle also wertvolle soziale Ressourcen. Die Pagen wurden von den Regenten aber nicht in erster Linie als potentieller Nachwuchs oder gar zu ihrer eigenen Ausbildung an die Höfe gezogen. Im Rahmen der alltäglichen Leibbedienung kam ihnen vielmehr die wichtige Aufgabe zu, all jene „Mittel-Dienste [zu leisten], wozu ein Cavalier zu vil und ein Livrée-Bedienter zu wenig ist“.189 An der Tafel, beim Ausgehen, Fahren, Reiten oder auf Reisen der fürstlichen Familie gab es viele einfache Handlangerdienste zu verrichten, die einerseits derart elementarer Natur waren, dass sie selbst von einem Kavalier oder einer Dame im Alltag an Bedienstete delegiert wurden, die andererseits für den Regenten aber notwendigerweise von einer adeligen Charge übernommen werden mussten, damit seine herausragende Stellung gegenüber dem niederen Adel gewahrt blieb. Adelige Knaben waren bestens geeignet, dieses vermeintliche Dilemma aufzulösen. Sie waren 184 185 186 187 188 189

Ebd., S. 196. Ebd., S. 194. Ebd., S. 198. Ebd. Vgl. ebd.. Dergleichen Rohr: Grosse Herren, S. 257. Moser: Teutsches Hofrecht, Bd. 1, S. 194.

80

1. Kulturelle Selbstverständlichkeiten

aufgrund ihrer vornehmen Geburt zwar höherrangig als nicht adelige Bedienstete, galten zugleich aber noch nicht als Kavaliere, sodass die Verrichtung elementarer Handlangerdienste sie nicht unter ihre Würde stellte, indes allerdings die ihres Herrn sicherte. Dieses Prinzip kam im Rahmen der täglichen Aufwartung an der Tafel – dem zentralsten Tätigkeitsbereich der Pagen – in besonderem Maße zum Ausdruck: Pagen hatten dabei die Aufgabe, Türen zu öffnen, Hut und Handschuhe der Herrschaft abzunehmen, den Stuhl der Herrschaft zu rücken, das Wasser und die Serviette zum Händewaschen zu reichen, den Wein bzw. die Getränke zu präsentieren und die Speisen auf- und abzutragen.190 Dergleichen Arbeiten wurden zwar auch von der einfachen, nicht adeligen Livreedienerschaft verrichtet – allerdings mit dem maßgeblichen Unterschied, dass die adeligen Pagen als Leibbedienung ausschließlich die fürstliche Herrschaft bedienten, während die übrige Livreedienerschaft den anderen, rangniedrigeren Gästen an der höfischen Tafel zu Diensten stand.191 Um diese entscheidende Differenz auch tatsächlich sichtbar bzw. augenfällig zu machen, sollten die Pagen eine Livree tragen, die sich in ihrer Kostbarkeit und je nach Anlass in ihrer Farbmischung von der allgemeinen Livree merklich abhob.192 Im direkten Vergleich konnte und musste auf diese Weise die exklusive Stellung des Regenten und seiner Familie beim alltäglichen Speisen symbolisch evident gemacht werden. Sobald ein Herrscher auf die Bedienung der adeligen Pagen verzichtete, begab er sich sichtbar auf das Niveau einfacher Kavaliere, die sich ebenfalls von nicht adeligen Dienern aufwarten lassen konnten. Die adelige Pagenbedienung stellte also offensichtlich ein Mindestmaß dar, das ein standesgemäßer Fürstenhof im Rahmen der alltäglichen Leibbedienung nicht unterschreiten sollte. In Anbetracht dieser Funktion erklären sich auch die beiden maßgeblichen Anforderungen, die es für eine Pagenstelle zu erfüllen galt: die Kindheit bzw. Jugend und die adelige Herkunft.193 Zwar legte sich kein Autor der Zeremonialwissenschaft auf ein exaktes Alter oder Altersmaximum fest, doch machten sie durch ihre gewählten Synonyme für die Pagen, wie zum Beispiel „Jungen von Adel“ oder „Edel-Knaben“,194 eine entsprechende Begrenzung des Alters und somit auch zugleich eine klare Abgrenzung zum Kavalier, d. h. Edelmann,195 hinreichend deutlich. Vermutlich sollten die Pagen auch aufgrund ihrer Minderjährigkeit in jedem Fall mit auf dem Schloss – und damit 190

191 192 193 194 195

Vgl. Moser: Teutsches Hofrecht, Bd. 1, S. 522–525, 533, 602. Das sprechen eines Gebetes vor dem Speisen oblag eigentlich auch den Pagen, war aber an den protestantischen Höfen offensichtlich nicht mehr Usus. Vgl. Ebd., S. 526. Zum Auftragen der Speisen vgl. Rohr: Grosse Herren, S. 94. Vgl. Moser: Teutsches Hofrecht, Bd. 2, S. 523, 533, 537; Rohr: Grosse Herren, S. 112. Vgl. Moser: Teutsches Hofrecht, Bd. 2, S. 193f. Vgl. ebd., Bd. 1, S. 90f., 173f., 190. Vgl. z. B. Rohr: Grosse Herren, S. 236; Moser: Teutsches Hofrecht, Bd. 2, S. 190. Laut Johann Georg Krünitz ist ein „Cavallier (. . . ) eigentlich ein Ritter, im Deutschen

1.3 Zusammenfassung

81

in der direkten Obhut der Herrschaft – wohnen. Das zweite Kriterium, die notwendig adelige Herkunft, wurde dagegen explizit in eine Norm gegossen: Pagen gehörten zweifellos zu jenen Hofchargen, die „zu aller oder doch von unverdencklicher Zeit her als adelich gehalten und auch noch also geachtet werden“ würden.196 Im Rahmen der Staatsbedienung kamen die Pagen ebenfalls zum Einsatz. Allerdings fungierten sie hier weniger als Demarkationslinie wie im Alltag, sondern eher als Bindeglied in der versinnbildlichten Rangordnung des Hofes. Im Gegensatz zur Leibbedienung kam ihnen nun die Aufgabe zu, Gegenstände, Utensilien, Kleidungsstücke oder Speisen und Getränke an ranghöhere Bedienstete weiterzureichen. So nahmen sie zum Beispiel bei solennen Tafeln den rangniedrigeren nicht adeligen Livreebediensteten an einem bestimmten Ort im Schloss alle Speisen ab, die diese aus der Küche abholen mussten, und trugen sie dann bis zur Tafel. Dort setzten sie die Gerichte aber nicht selbst auf die Tafel, sondern übergaben sie einem Kavalier oder höheren Hofbeamten zum weiteren Verfahren.197 Während die Pagen im Alltag die fürstlichen Speisen selbst auf- und abtrugen und dadurch in der direkten fürstlichen Nähe des Regenten agierten, oblag ihnen bei der Staatsbedienung nun allein die Überbringerfunktion, die merklich eine räumliche Distanz zum Regenten schuf. Auch bei den Pagen kam also jenes zeremonielle Prinzip des Abstandes zur Anwendung, das einer Person einen umso höheren Rang zuwies, je näher sie im Rahmen der Staatsbedienung an den Regenten herantreten und dienen durfte. Damit für alle Anwesenden augenfällig wurde, welche hierarchische Position die Pagen zwischen den aufwartenden Kavalieren und der nicht adeligen Livreebedienung einnahmen, sollten sie ihren Dienst in großem Abstand zum Regenten, aber doch noch im Tafelgemach selbst verrichten.

1.3 Zusammenfassung Das Zeremoniell bezeichnete im 18. Jahrhundert keinen festgeschriebenen Regelkatalog, der als starre Ordnung das höfische Leben bestimmte. Stattdessen fungierte das Hofzeremoniell als Oberbegriff für die tradierte nonverbale Selbstdarstellung des Regentenstandes. Sein besonderer Wert lag in der Zeichenhaftigkeit, die eine schnelle und effektive Kommunikation erlaubte. Grundlage dieser Effektivität war das Wissen um die Bedeutung der Zeichen. Es musste bekannt sein, was ein Zeichen ausdrücken sollte, damit es ohne Erklärung und damit ohne Sprache verstanden wurde. Ebenso musste bekannt

196 197

aber in weiterer Bedeutung ein jeder Edelmann“. Vgl. Art. Cavallier, in: Krünitz, Bd. 7, S. 730. Moser: Teutsches Hofrecht, Bd. 1, S. 173. Vgl. Rohr: Grosse Herren, S. 94, 96f., insbes. S. 512.

82

1. Kulturelle Selbstverständlichkeiten

sein, was als Zeichen zu lesen war, denn prinzipiell konnte alles zu einem Zeichen werden.198 Eine Geste oder eine Handlung ließ sich ebenso wie ein Gebäude, ein Kleidungsstück oder die bestimmte soziale Herkunft einer Person mit einer Bedeutung aufladen. Zudem konnten Anlass und Ort den Sinn eines Zeichens beeinflussen. Was genau in der höfischen Gesellschaft des 18. Jahrhunderts als Zeichen galt und welche Bedeutung es hatte, entschied der jeweilige zeitgenössische Konsens. Das Zeremoniell war deshalb nicht in Form eines ewig gültigen, detaillierten Gesetzbuches greifbar, weshalb die kurzlebige Gattung der Zeremonialwissenschaft beim Versuch, das umfangreiche Zeichenrepertoire der Höfe vollständig festzuschreiben, scheitern musste. Gleichwohl gab es einen festen Kern an Zeichen und Prinzipien, die sich über die Zeit erhielten und zu kulturellen Selbstverständlichkeiten wurden. Das Zeremoniell für den Fürstenhof baute auf diesen Selbstverständlichkeiten auf und eröffnete den Regenten die Möglichkeit, sich selbst als Herrscher von anderen sozialen Gruppen abzugrenzen, aber auch innerhalb der Gruppe der Herrschenden präzise zu verorten. Die Personen, die am fürstlichen Hof dienten, fungierten als Zeichen und repräsentierten permanent den Status ihres Regenten in der sozialen Ordnung des Alten Reiches. Dabei vermittelten Anzahl, soziale Herkunft, Geschlecht und Reputation ebenso wie die Ämterstruktur eines Hofes essentielle Aussagen: So ließ sich zum Beispiel an der Zahl der Hofbediensteten der konkrete Rang ablesen, da man umso mehr Macht und Einfluss in den Händen eines Regenten vermutete, je mehr Personal ihm diente. Deshalb galt: Je höher der Rang im Reich, desto größer sollte der Hof sein. Dieser Grundsatz verstand sich aber nicht nur als Aufforderung, sondern zugleich auch als Beschränkung. Sowohl ein zu großer Hof als auch ein zu kleiner Hof irritierte. Dasselbe galt für Höfe, die weit über oder unter ihren finanziellen Verhältnissen eingerichtet waren. Wie der Rang waren auch die Einkünfte des Regenten maßgebend. Damit verband sich allerdings keineswegs ein Appell zum Sparen, sondern allein zum vernünftigen Wirtschaften. Pracht fungierte im höfischen Zeremoniell als wichtiges Distinktionskriterium, mit dem sich ein Regent von niederrangigeren Herrschern und allen anderen sozial niedriger stehenden Personen abgrenzte. Rang und Einkommen standen sich deshalb nicht ganz spannungsfrei gegenüber. Gleiches traf für die Einrichtung der jeweiligen Einzelhöfe innerhalb des Gesamthofes zu. Sie sollten ebenfalls im Verhältnis zu Rang und Einkommen des Regenten gestaltet sein, mussten darüber hinaus aber auch den innerfamiliären Status der fürstlichen Familienmitglieder spiegeln. Dem Regenten kam deshalb grundsätzlich das Recht zu, über die Bediensteten aller Hofhaltungen nach seinem Belieben zu bestimmen. Einzig der Witwe wurde ein Sonderstatus zugebilligt. Da es alle Personen − sowohl die fürstlichen Fami198

Grundlegend zur Zeichentheorie vgl. z. B. Lambert Wiesing: Artifizielle Präsenz. Studien zur Philosophie des Bildes. Frankfurt am Main 2005.

1.3 Zusammenfassung

83

lienmitglieder als auch deren Diener − einander rang- und standesgemäß zu zuordnen galt, wurde der Fürstenhof des 18. Jahrhunderts zu einem überaus komplexen Zeichensystem. Zwei Kernprinzipien des Zeremoniells halfen bei dieser Ordnung: zum einen die Überzeugung, dass eine ranghohe Person nie einer Person minderen Ranges dienen würde. (Hof)Diener wurden dadurch zu unmittelbaren Repräsentanten, da von ihrer Stellung auf die ihres Herrn geschlossen wurde. Stand und Rang der Bediensteten musste deshalb Stand und Rang des Bedienten entsprechen. Zum anderen wurde die Ordnung mit dem Nähe-Distanz-Prinzip dargestellt. Nähe und Abstand zum Regenten konnten dadurch jeweils als Indikatoren für den Rang gelesen werden. Das Zeremoniell verband beides in seiner Forderung nach der gebührenden Anständigkeit. Ein Regent sollte nicht nur auf die Quantität, sondern auch auf die Qualität seines Hofpersonals achten. Die ständische Herkunft war dabei die entscheidende Kategorie. In Verbindung mit dem Nähe-Abstand-Prinzip mündete dies in der einfachen Regel: Je näher jemand im Umfeld des Regenten diente, desto höher sollte dessen Stand sein. Das Personal in der unmittelbaren Nähe des Regenten sollte deshalb ausschließlich dem Adelsstand angehören, wobei es allerdings bei manchen Ämtern die Art des Adels zu bedenken galt. Alter Adel war wertvoller als neuer Adel. Eine besondere Eignung wurde von der Zeremonialwissenschaft zwar empfohlen, spielte letztlich aber nur eine untergeordnete Rolle, da mit der Forderung nach gebührender Anständigkeit die konkrete Tätigkeit der hohen Hofämter in den Hintergrund rückte. Wesentlich wichtiger war die außenwirksame Bereitschaft der Adeligen, sich ihrem Regenten unterzuordnen und ihm zu dienen. Im Gegenzug erhielten die Adeligen dafür ein besonderes Ansehen von der Gesellschaft. Dieses Prestige konnte der Regent steuern, indem er seine Nähe in bestimmten Abstufungen verteilte und seine Bedienung mit Hilfe einer Ämterhierarchie, beginnend bei den Pagen über die Hof-, Kammer- und Jagdjunker, Hofdamen, Kammerherrn bis hin zu den Oberchargen, organisierte. Dabei standen ihm die beiden Spielarten der wirklichen und der bloß titulären Einbindung in den Hof zur Verfügung. Wer welches Amt erklimmen durfte, entschied sich nach dem Alter, Geschlecht und bereits erworbenen Verdiensten. Diese vielschichtige Bedeutsamkeit des Personal eines Regenten erklärt schließlich die Aufmerksamkeit, die dem Hofzeremoniell im 18. Jahrhundert geschenkt wurde: „Zeremoniellfreie Räume gab es [am Hof] nicht“.199

199

Miloš Vec: Das Preussische Zeremonialrecht. Eine Zerfallsgeschichte, in: Patrick Bahners/Gerd Roellecke (Hrsg.): Preussische Stile. Ein Staat als Kunststück. Stuttgart 2001, S. 101–113.

2. Die ranggemäße Größe des Weimarer Hofes „Klein ist unter den Fürsten Germaniens freilich der meine, Kurz und schmal ist sein Land, mäßig nur, was er vermag (...)“1

Mit diesen Worten eröffnet Goethe 1790 eines seiner berühmten Venezianischen Epigramme. Der darin angesprochene „kleine“ Fürst war kein anderer als Carl August, Herzog von Sachsen-Weimar-Eisenach. Goethe gibt sich im Fortgang des Epigramms seiner Vorliebe für Antagonismen hin und setzt dem Innen ein Außen wie auch dem Kleinen ein Großes gegenüber. Als Pendant zum kleinen Fürsten wählte er Kaiser und Könige. Obwohl die ersten Zeilen reichlich abwertend einstimmen, bringt das Epigramm in seiner Gesamtheit unmissverständlich Goethes Anerkennung und Dankbarkeit für Carl Augusts Freundschaft und Mäzenatentum2 zum Ausdruck. Es ist eine Hommage an den Weimarer Herzog. Die Forschung stimmte bisher mit Goethes vermeintlich nüchterner Einordnung des Weimarer Herzogs überein: Carl August zählte um 1800 zu den mindermächtigen Fürsten des Reiches. Dabei interessierte nicht, welchen Rang der Weimarer Herzog im Gefüge des Alten Reiches einnahm, da Wirtschaftskraft und Militär als entscheidende Faktoren für Macht galten.3 Carl August besaß beides nachweislich nicht im Überfluss. Er regierte ein kleines Territorium, das wirtschaftlich wie politisch als unbedeutend galt. Es schien deshalb legitim, ihn als mindermächtig zu charakterisieren. In welchem Maße dieses Urteil mit den Bewertungsmaßstäben der Zeit übereinging und inwieweit es vor allem mit der Selbsteinschätzung bzw. Selbstverortung des Weimarer Herzogs korrespondierte, spielte keine Rolle.4 Der kleine Fürst, der 1 2

3 4

Johann Wolfgang von Goethe: Römische Elegien und Venezianische Epigramme. Hrsg. von Regine Otto. Frankfurt am Main 1989, S. 41 (Nr. 34b). Die These vom finanziellen Mäzenatentum ist bereits widerlegt worden. Goethe verfügte selbst über ein erhebliches Vermögen. Vgl. z. B. Gerhard Müller: Goethe und Carl August. Freundschaft und Politik, in: Hellmut Seemann (Hrsg.): Anna Amalia, Carl August und das Ereignis Weimar. Göttingen 2007, S. 132−164, S. 135; oder: Goethe und das Geld. Der Dichter und die moderne Wirtschaft. Ausstellung in Frankfurter Goethe-Haus, Freies Deutsches Hochstift, 14. September bis 30. Dezember 2012. Hrsg. von Vera Hierholzer und Sandra Richter im Auftrag des Freien Deutschen Hochstifts. Frankfurt am Main 2012. Vgl. Vec: Zeremonialrecht, S. 108; Michael Hundt: Die mindermächtigen deutschen Staaten auf dem Wiener Kongress. Hamburg 1996, S. 6. Eine allgemeingültige Definition von „Mindermächtigkeit“ existiert nicht. Bereits im Alten Reich gab es eine Unterteilung in „Mächtige“ und „Mindermächtige“, wobei zu Letzteren Grafen, Ritter, Herren, Prälaten und Äbte, zu Ersteren aber Herzöge und (Kur-)Fürsten gehörten. Spätestens zu den Verhandlungen des Wiener Kongresses hatte sich dies geändert, da sich die Lager nun in die Königlichen des Deutschen Komitees

86

2. Die ranggemäße Größe des Weimarer Hofes

Großes vollbrachte, indem er Weimar zum Zentrum der deutschen Klassik ausbauen ließ, galt der Forschung bislang als plausibles Erklärungsmuster.5 Dementsprechend wurde auch nie die These hinterfragt, Carl August habe einen kleinen Hof unterhalten.6 Sowohl wissenschaftliche als auch populäre Untersuchungen ordneten dem kleinen Fürsten automatisch einen kleinen Hof zu und gingen davon aus, dass Weimar schlicht „nicht aus der Hoflandschaft der deutschen Kleinstaaten am Ende des Alten Reiches heraus[ge]ragt“ habe.7 Sporadisch für einzelne Jahre zusammengetragene Zahlen sollten den kleinen Hof evident machen.8 Eine umfassende Empirie oder Statistik fehlen jedoch bislang ebenso wie der Rückbezug auf das Zeremoniell, das der Hofgröße eine wichtige symbolische Funktion in der fürstlichen Rangrepräsentation zusprach. Es scheint demnach an der Zeit, das höfische Personal des Weimarer Fürstenhauses konkret zu beziffern und die wissenschaftliche Analyse des Weimarer Hofes auf eine greifbare Zahlengrundlage zu stellen. Erst dies ermöglicht es, Carl Augusts Hof in die Hoflandschaft des Alten Reiches einzuordnen und zu entscheiden, ob und inwieweit der Hof als Zeichen des politischen Selbstverständnisses instrumentalisiert wurde. Vorab gilt es dazu allerdings zwei grundlegende Fragen zu klären: Zum einen muss bestimmt werden, wer oder was der Weimarer Hof um 1800 eigentlich war. Welche Personen bzw. welche Ämter, Behörden oder Institutionen gehörten zum Hof? Nur auf dieser Grundlage lässt sich der Begriff des Hofes füllen und konkret in Zahlen fassen. Zum anderen gilt es einen Maß-

5

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und die Übrigen, minder Mächtigen teilte. Vgl. Hundt: Mindermächtige deutsche Staaten, S. 5−7; bes. 99−102. Das Urteil des „politisch unbedeutenden“ Herzogtums wird ebenso wie die Charakterisierung Weimars als Provinznest von populär- wie wissenschaftlichen Studien oft bemüht, um die kulturelle Blüte um 1800 zu betonen. Vgl. z. B. Ventzke: Herzogtum; Berger: Anna Amalia; Ries: Kultur als Politik; Volker Ebersbach: Carl August von Sachsen-WeimarEisenach. Goethes Herzog und Freund. Köln/ Weimar/Wien 1998, S. 7; Ulrike MüllerHarang: Carl Friedrich Großherzog von Sachsen-Weimar-Eisenach. Ein Freund des Schönen, in: Ausstellungskatalog Maria Pawlowna, Teil 2, S. 57−72, bes. S. 57. Vgl. dazu die Ausführungen zur Entwicklung des Weimarbildes in der Einleitung. Joachim Berger: Geselligkeit, Mäzenatentum und Kunstliebhaberei am ,Musenhof ‘ Anna Amalias − neue Ergebnisse, neue Fragen, in: ders. (Hrsg.): Der Musenhof Anna Amalias. Geselligkeit, Mäzenatentum und Kunstliebhaberei im klassischen Weimar, S. 1−17, Zitat S. 3. Dieses Erklärungsmuster nutzt Berger selbst immer wieder, z. B. in ders.: Eine „europäische Residenz“? Besucherverkehr und Außenwahrnehmung des Weimarer Hofes um 1800, in: Gerhard R. Kaiser/Olaf Müller (Hrsg.): Germaine de Staël und ihr erstes deutsches Publikum. Literaturkritik und Kulturtransfers. Heidelberg 2008, S. 75−97. Die aktuelle Forschung beruft sich deshalb vorwiegend auf ihn, vgl. z. B. Ries: Kultur als Politik, S. 307. Vgl. z. B. Konrad Kratzsch: Klatschnest Weimar. Ernstes und Heiteres. Menschliches – Allzumenschliches aus dem Alltag der Klassiker. Aus den Quellen dargestellt. Würzburg 2002, S. 18. Kratzsch zählte beispielsweise für das Jahr 1806 insgesamt 149 Bedienstete unterschiedlichen Ranges. Eine plausible Erklärung für seine Auswahl der Hofämter fehlt allerdings ebenso, wie eine nachvollziehbare Begründung, warum er die Hofschauspieler und Hofkapelle explizit ausschloss.

2. Die ranggemäße Größe des Weimarer Hofes

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stab für die Einordnung zu finden. Wie viele Personen gehörten am Ende des 18. Jahrhunderts zu einem großen und wie viele zu einem kleinen Hof? Mit einer angemessenen, zeitgenössischen Einordnung bzw. Kategorisierung9 ließen sich nicht nur die bisherigen Forschungsurteile sinnvoll prüfen, sondern auch, inwieweit am Weimarer Hof das Zeremoniell umgesetzt wurde. Immerhin hatte ein großer Hof, gemäß der Zeremonialwissenschaft, prinzipiell anderen Ansprüchen zu genügen als ein mittlerer oder ein kleinerer Hof.10 Für beide Grundsatzfragen erweisen sich die fürstlichen Hof- und Adresskalender von Sachsen-Weimar-Eisenach als ungemein aufschlussreiche Quelle. Bis auf wenige Unterbrechungen verzeichneten sie jährlich alle Bediensteten unter Carl August und differenzierten dabei zwischen Zivil-, Militär- und Hofetat des Herzogtums. Sie zogen damit eine klare Grenze zwischen jenem Personenkreis, der als Hof galt, und jenen Personen, die zivilen oder militärischen Institutionen zugerechnet wurden. Der Weimarer Hof war damit jedes Jahr konkret definiert. Da die Kalender nachweislich nicht nur als repräsentatives Instrument des Hofes genutzt, sondern auch ganz pragmatisch als Nachschlagewerke von einem weiten Adressatenkreis verwendet wurden,11 sind sie als zeitgenössische Quelle ernst zu nehmen und der Hof auf dieser Grundlage zu eruieren. Auf dieser Empirie aufbauend, lässt sich sodann auch eine Kategorisierung und Einordnung des Weimarer Hofes in die deutsche Hoflandschaft realisieren. Das Genre der so genannten Staatskalender bzw. Staatshandbücher erfreute sich seit dem Ende des 17. Jahrhunderts einer stetig wachsenden Beliebtheit, so dass auch etliche weltliche Fürsten, die Carl August im Rang nahestanden, diesem Trend folgten. So gaben um 1800 zum Beispiel auch Sachsen-Gotha-Altenburg, Sachsen-Coburg-Meiningen, MecklenburgSchwerin, Hessen-Darmstadt, Hessen-Kassel und Schwarzburg-Rudolstadt derartige Kalender mehr oder weniger regelmäßig in Auftrag.12 Da sich in beinahe all diesen Druckreihen ein Personalverzeichnis mit einem extra

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Rainer A. Müller bot zwar bereits eine arithmetische Grundlage für die Höfe des Alten Reiches an, in der er für das 18. Jahrhundert einen Grafenhof auf etwa 200 bis 300 Personen, einen mittleren Fürstenhof auf 300 bis 500 Personen, einen Fürsten-/Kurfürstenhof auf 1000 bis 1500 und den Kaiserhof auf 1500 bis 2000 Personen beziffert hatte. Stichproben legen jedoch nahe, dieser Skala eine konkrete zahlenmäßige Erhebung der deutschen Höfe auf Grundlage der verfügbaren Staatskalender vorzuziehen. Vgl. Rainer A. Müller: Der Fürstenhof in der Frühen Neuzeit. 2. Auflage. München 2004, S. 30. Vgl. dazu das Kapitel I. Näheres zum Genre der Staatskalender findet sich in der Einleitung sowie in Bauer: Einleitung Repertorium, S. 1f. Dagegen ließen zum Beispiel Sachsen-Hildburghausen, Schwarzburg-Sondershausen, Reuß-Greiz, Reuß-Schleiz zu dieser Zeit offenbar keine Staatskalender drucken. SachsenCoburg-Saalfeld schmückte sich zwar Anfang der 1790er Jahre mit einem Hofkalender, allerdings befand sich darin kein Personalverzeichnis. Vgl. Bauer: Einleitung Repertorium, S. 17.

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2. Die ranggemäße Größe des Weimarer Hofes

gelisteten Hofetat findet,13 versprechen die Auswertung und der Vergleich dieser Periodika profunde Ergebnisse für die Verortung und Kategorisierung der Größe des Weimarer Hofes.

2.1 Wer gehörte zum Weimarer Hof? Die Staatskalender für das Herzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach präsentierten den Weimarer Hof um 1800 als einen umfangreichen Personenverband, der sich aus einzelnen Höfen bzw. Hofetats zusammensetzte. Das Kernstück bildete der herzogliche Hofetat. Er schloss nicht nur die direkte Bedienung Carl Augusts,14 sondern auch etliche weitere grundlegende Einrichtungen und Behörden des Hofes ein: Es finden sich darin neben dem Hofmarschallamt und seinen Offizien15 auch der fürstliche Stall und die fürstliche Jägerei. Desgleichen waren hier zudem das Personal der Hofkapelle, des Freien Zeicheninstituts, der Bibliothek-, Münz- und Medaillenkabinette und der Hofgärtnerei, aber auch die Hofagenten, Hoffaktoren und Hofhandwerker angebunden. An diesen Kernhof von Carl August fügten sich die wesentlich kleineren Hofhaltungen der herzoglichen Familienmitglieder an. Je nachdem, wie sich die Struktur der fürstlichen Familie um den regierenden Herzog im Laufe der Zeit durch Geburt, Heirat oder Tod wandelte, veränderte sich auch diese angegliederte Hofstruktur. Zwischen 1790 und 1810 existierten mit jeweils zeitlich unterschiedlicher Beständigkeit insgesamt acht Hofstaaten zusätzlich zum Kernhof: der Hof der regierenden Herzogin Louise, der Witwenhof von Anna Amalia, der Erbprinzenhof von Carl Friedrich und seiner späteren Gattin Maria Pawlowna, die Prinzessinnenhöfe von Caroline Louise und Maria Louise Alexandrina16 sowie die Prinzenhöfe von Friedrich Ferdinand Constantin (1758−1793), Carl Bernhard und Paul Alexander. Jeder dieser Einzelhöfe verfügte grundsätzlich über einen eigenen Personalstamm, auch wenn einige Hofangestellten simultan ihren Dienst in

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Die entsprechenden Kalender sind zwar teilweise nur lückenhaft überliefert, zu früh eingestellt oder vergleichsweise erst zu spät erschienen, allerdings ist es mit einer geringen Erweiterung des Untersuchungszeitraums dennoch möglich, tendenzielle Aussagen zu treffen. Die direkte höfische Bedienung Carl Augusts setzte sich aus Kammerherren, Kammer-, Hof- und Jagdjunkern sowie Geheimen Sekretären, Militär-, Bibliotheks- und Landkarten-Sammlern (erst ab 1805), Leib- und Hofmedizinern, Hofchirurgen und den Bediensteten der Garderobe zusammen. Dazu zählten zum Beispiel die Hofküche, Hofkellerei, Hofkonditorei, Silberkammer, Bettmeisterei und die Hausvogtei. Nach der Geburt ihrer Schwester Augusta 1811 teilten sich beide Enkelinnen Carl Augusts einen Hof. Vgl. dazu Kapitel IV.

2.1 Wer gehörte zum Weimarer Hof?

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mehreren Hofhaushalten parallel versahen.17 Die Einzelhöfe waren zudem strukturell vom Kernhof abhängig. Sie versammelten zwar das Personal zur direkten Bedienung der jeweiligen fürstlichen Familienmitglieder, konnten aber zumeist keine erschöpfende Zahl eigenständiger Versorgungseinrichtungen – wie Küche, Stall oder Bettmeisterei – ihr eigen nennen. Dies galt auch für den weitgehend autark anmutenden Witwenhof Anna Amalias. Die Herzoginmutter verfügte freilich über eine eigene Küche, allerdings ließ sie zum Beispiel ihre Wäsche in der herzoglichen Bettmeisterei waschen und bezog ihre Beleuchtung sowie ihr Brennmaterial vom herzoglichen Hofmarschallamt ihres Sohnes.18 Im Gegensatz zum Kernhof Carl Augusts konnten die Einzelhöfe nicht für sich allein bestehen. Der Begriff ,Weimarer Hof‘ bezeichnete folglich einen Personenverband, der um 1800 trotz seiner strukturellen Zergliederung in einzelne Hofetats nur als ein Ganzes, als ein Gesamthof funktionstüchtig war.19 Bemerkenswerterweise zeigen die Staatskalender klare Grenzen für diesen Gesamthof auf und machen deutlich, wer dazu gehörte und wer nicht. So wurde beispielsweise eindeutig zwischen Hof und Regierung unterschieden. Die Staatsdiener der Landesregierung Sachsen-Weimar-Eisenach waren nicht im Hofetat verzeichnet, sondern dem Ziviletat untergeordnet bzw. vorangestellt. Diese strukturell-institutionelle Grenzziehung wurde sogar im Falle der bisweilen auftretenden Personalunionen gewahrt. Die Personen, die am Hof wie auch in der Regierung mehrere Positionen innehatten, wurden sowohl im Hofetat als auch im Ziviletat verzeichnet und damit in ihrer funktionell getrennten Zugehörigkeit explizit doppelt benannt. Ein Hofangehöriger konnte also durchaus zur Regierung gehören. Ein Staatsdiener des Herzogtums gehörte aber nicht zwangsläufig zum Weimarer Hof.20 Mit dieser Unterscheidung zeigte sich der Weimarer Staatskalender im Einklang mit den Erkenntnissen des Hofrechts bzw. der Zeremonialwissenschaft. Insbesondere Johann Philipp Carrach betonte 1755 mit Nachdruck die Dif17 18 19

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Vgl. dazu den Abschnitt zu geschlechtsspezifischen Bedingungen für den lebenslangen Hofdienst im Kapitel IV. Vgl. z. B. ThHStAW A 9038, Bl. 174−176. Caroline Jagemann (1777−1848), die ab 1802 offiziell den Status als Carl Augusts Gemahlin zur linken Hand besaß, wird im Staatskalender lediglich als Sängerin erwähnt. Ihr Haushalt, in dem seit 1806 auch der mit Carl August gemeinsame Sohn Carl (1806−1895) lebte, wird nicht als höfisch eingestuft. Ihm wird im Staatskalender dementsprechend keine Bedeutung beigemessen. Die Weimarer Staatskalender machten damit bereits auf struktureller Ebene eine Differenzierung deutlich, die wenig später in den Zugangsvoraussetzungen zu den jeweiligen Institutionen unauflöslich festgeschrieben wurde. Christian Wilhelm Schweitzer lobte in seinen Memoiren, dass der Großherzog Carl August bei „dem Richtigen“ festhielt, als er nach 1815 weiterhin die grundsätzliche Unterscheidung zwischen der Befähigung zum Hofdienst und der Befähigung zum Staatsdienst befürwortete. Vgl. das biographische Manuskript Christian Wilhelm Schweitzers, abgedruckt in: Freundesgesellschaft des Goethe-und-Schiller-Archivs e.V.: Manuskripte 2. Weimar 2007, S. 33−47, bes. S. 41.

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2. Die ranggemäße Größe des Weimarer Hofes

ferenz zwischen Hof- und Staatsbeamten auf Grund ihrer unterschiedlichen Aufgaben: Standen die einen dem Fürsten um seiner persönlichen Würde willen zur Verfügung, dienten die anderen dem regierenden Landesherrn.21 Alle Personen, „deren Verrichtungen den Staat angehen“ und damit „der Republik oder dem Lande“ dienen, gehörten nicht zum Hofstaat, auch wenn Vermengungen, insbesondere bei kleinen, niederrangigen Hofstaaten, nicht auszuschließen seien.22 In den Weimarer Staatskalendern findet sich eben diese zeitgenössische Forderung nach strikter struktureller Trennung augenfällig umgesetzt. Der Hof präsentierte sich darin als ein vielgliedriges, gleichwohl zusammengehörendes Gebilde, das sich von anderen Institutionen des Herzogtums abgrenzte. Der Weimarer Herzog machte damit nach außen unmissverständlich deutlich, dass er seinen Hof allein zu Repräsentationszwecken unterhielt. Indes skizzieren die Staatskalender kein starres Bild des Weimarer Hofes. Sie zeigen vielmehr, dass und wie sich der Personenverband über die Jahre hinweg wandelte und neue Formationen entwickelte. Zwischen 1790 und 1810 finden sich sowohl kleinere, temporäre Modifikationen in Form von Ämterzusammenlegungen, Vakanzen oder Streichungen vereinzelter Stellen23 als auch massive Eingriffe, die den Hof grundlegend in seiner strukturellen Zusammensetzung veränderten. Dazu zählt zum Beispiel die Ausgliederung der kompletten Jägerei aus dem Hofetat in den Ziviletat im Jahre 1802/03. Da alle Personen, die mehrere Funktionen innehatten, nach wie vor mehrfach verzeichnet wurden, behielt der Hof aber auch in dieser neuen Formierung seine trennscharfen Grenzen nach außen bei. Allein ein Abschnitt stellt die konsequente Differenzierung des Staatskalenders in Frage: die Rubrik der „Verschiedene[n] in Pension stehende[n] und andere charakterisierte[n] Personen“. Ähnlich einem Sammelsurium wurden hier männliche Bedienstete verschiedener Einrichtungen des Herzogtums unsystematisch erfasst.24 Vom Kammerherrn über den Salineninspektor bis hin zum Amtschreiber wurden hier Personen aus Zivil- und Hofdienst zusammengewürfelt und lediglich geordnet nach ihrem Rang aufgelistet. Ungeachtet dieser Vermengung ordneten die Staatskalender diese Personengruppe eindeutig dem Ziviletat zu und platzierten sie an dessen Ende.25 Das änderte sich allerdings im Jahr 1807: Seitdem befindet sich diese Rubrik im Hofetat. Wie 21 22 23 24

25

Vgl. dazu Kapitel I. Carrach: Teutsches Hofrecht 1, S. 812. Vgl. dazu ausführlich das Kapitel IV. und V. Neben den zahlreichen Kammerherren, Junkern und einzelnen Oberforstmeistern finden sich darin in erster Linie Amts-, Berg-, Hof-, Justiz-, (Land)Kammer-, Kommissions-, Kriegs-, Kommerzien- und Legationsräte verschrieben. Darüber hinaus gab es Kommissare, Verwalter und wenige Sekretäre. Der Amtschreiber Ernst Gottfried Schnepper führte den niedrigsten Titel und beschloss zwischen 1790 und 1810 diese Rubrik. Vgl. bspw. den Weimarer Staatskalender von 1806, S. 145−149.

2.1 Wer gehörte zum Weimarer Hof?

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die herzogliche Jägerei wurde sie ohne inhaltliche Modifikationen in ihrer Zugehörigkeit schlicht verschoben. Bis 1807 war es also möglich, dass Personen, die ihr Leben lang im Hofdienst standen und damit zum Hof gehörten, mit ihrem Eintreten in den Ruhestand in den Ziviletat wechselten. Desgleichen war es ab 1807 ebenso umgekehrt möglich, dass plötzlich Zivildiener oder Staatsdiener in den Hof wechselten, obwohl sie gemäß ihrer Funktion bzw. ihres Titels vorher jahrelang dem Ziviletat zugehörten. Die so klaren strukturellen Grenzen zwischen den herzoglichen Institutionen, speziell zwischen Hof- und Ziviletat, wurden durch die wechselnde Zuordnung der Pensionäre und ,Charakterisierten‘ − d. h. Personen, die lediglich mit einem Charakter bzw. Titel ausgezeichnet waren − im Staatskalender scheinbar aufgeweicht. Diese Vermengung irritiert insbesondere in Anbetracht der funktionalen Zweifachnennungen, derer sich die Staatskalender sonst stets bedienten, um die zeitgleiche Zugehörigkeit zu mehreren Institutionen deutlich herauszustellen. Wie bei den Personalunionen wäre es wohl möglich gewesen, die Pensionäre und ,charakterisierten‘ Personen für jeden Etat gesondert auszuweisen – zumindest wurde dies innerhalb des Militäretats so gehandhabt. Dort finden sich Pensionierte und Charakterisierte etatintern in eine eigene Rubrik einsortiert. Die strukturellen Grenzen hätten also offensichtlich auch für die anderen beiden Bereiche auf diese Weise gewahrt werden können. Da von dieser Möglichkeit aber kein Gebrauch gemacht wurde, eröffnet sich zwangsläufig ein gewisser Interpretationsspielraum: Es ließe sich zum Beispiel eine Erklärung im Bereich der Vergütung vermuten. Immerhin schließt der Begriff des Etats häufig einen finanziellen Aspekt mit ein. Dies würde allerdings voraussetzen, dass der Staatskalender in gewisser Weise als ein Instrument der Finanzordnung genutzt worden wäre, was der Quelle aber nicht gerecht werden würde. Konkrete Informationen über Gehälter oder Besoldungen werden nicht ausgewiesen. In Anbetracht des relativ weiten Adressatenkreises wäre es zudem kaum vorstellbar, dass ein Hof jedem in dieser Form Einblick in seine Finanzen geboten hätte. Wesentlich plausibler erscheint es dagegen, die Kombination dieser beiden Personengruppen mit der spezifischen Besonderheit zu erklären, die Pensionäre und ,charakterisierte‘ Personen miteinander verband: Weder die einen noch die anderen mussten wirklichen Dienstpflichten nachgehen. Als Pensionäre galten Personen, die wegen ihres Alters, körperlicher Beeinträchtigungen oder auf Grund diverser Klauseln in ihrem Dienstvertrag von ihren Amtspflichten entbunden wurden, aber dennoch eine Pension, d. h. ein Kostgeld oder ein so genanntes Gnadengehalt empfingen.26 Sie hatten zwar zu einem früheren Zeitpunkt tatsächlich in den Diensten des Herzogtums gestanden, waren davon aber mittlerweile befreit. So erhielt zum Beispiel Franz August von Hintzenstern als einstiger Gouverneur des jüngsten Prinzen Bern26

Vgl. Art. Pension, Pensionnaire, in: Krünitz, Bd. 108, S. 413−414; Art. Gnadengehalt, in: Krünitz, Bd. 19, S. 240.

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2. Die ranggemäße Größe des Weimarer Hofes

hard nach seinem Abgang vom Weimarer Hofe im Mai 1807 eine hoch dotierte Pension, die ihm bereits Jahre zuvor bei seiner Anstellung schriftlich zugesichert worden war.27 Ab 1808 wurde er im Staatskalender folgerichtig nicht mehr im Hof des Prinzen Bernhard, sondern in der Rubrik der Pensionäre ausgewiesen.28 Es gab aber auch Personen, die aus Alters- oder Krankheitsgründen in den Ruhestand versetzt wurden. Am 29. Oktober 1807 gab der Herzog zum Beispiel der Bitte des Oberforstmeisters und Kammerherrn Julius Wilhelm Ernst von Stein zu Nord- und Ostheim (1770−1816) um „Dienstentlassung (. . . ) seiner kräncklichen Umstände halber“ statt.29 Obwohl der Hofdienst letztlich weit öfter mit dem Tod sein Ende fand, gestattete Carl August seinen höheren Angestellten in einigen wenigen Fällen also durchaus, sich vom Dienst loszusagen. Die Verbindung zu den ,charakterisierten‘ Personen bestand nun in eben diesem Dispens von der Dienstpflicht, allerdings mit dem Unterschied, dass die ,Charakterisierten‘ im Gegensatz zu den Pensionären nie einer solchen oblagen. Aus der Zeremonialwissenschaft wird deutlich, dass der Fürst seine Gunst bei der Ämtervergabe in verschiedenen Abstufungen erweisen konnte, indem er entweder Hofchargen mit Dienst oder nur Titel ohne Hofdienst verlieh.30 Letztere galten als ehrenvoll charakterisiert, d. h. als bloße Titelinhaber, „die nicht würcklich zum Aufwarten gebraucht“ wurden.31 So bekam zum Beispiel Robert Gottlieb Freiherr von Rosen aus Estland, der im Sommer 1786 einige Wochen in Weimar weilte,32 am 5. September 1786 von Carl August den Charakter eines Weimarer Kammerherrn verliehen.33 Er trug diesen Titel die folgenden drei Jahrzehnte, ohne allerdings jemals den entsprechenden Dienst versehen und ohne ein weiteres Mal den Weimarer Hof besucht zu haben. Pensionäre und ,charakterisierte‘ Personen waren beide passive Mitglieder, deren Mitwirkung sich gleichsam auf die formale Ein- bzw. Angliederung beschränkte. Es bot sich daher geradezu an, diese Personengruppe wegen dieser Gemeinsamkeit – Passivität durch Dienstbefreiung – effizient in einer Rubrik zusammenzufassen. Die passive Mitgliedschaft kam damit umso deut27 28 29 30 31

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Zum Gouverneur von Hintzenstern vgl. Kapitel V. Vgl. den Weimarer Staatskalender von 1808, S. 169. ThHStAW HMA 432, Bl. 37. Ausführlich zum Oberforstmeister von Stein vgl. den Abschnitt zu den Führungspersönlichkeiten im Kapitel V. Vgl. Kapitel I. Moser: Teutsches Hofrecht, Bd. 2, S. 179. Eine ähnliche Definition schlägt Krünitz vor: „Ein characterisierter Mann[ist jemand], der eine ansehnliche Würde bekleidet, oder auch nur einen Ehrentitel hat.“ Vgl. Art. Characterisieren, in: Krünitz, Bd. 8, S. 32. Zuvor hatte er in Leipzig studiert. Vgl. Claus Freiherr von Rosen: Zweig Huljell aus dem Hause Hochrosen (1715−1929), in: Archiv für Sippenforschung und alle verwandten Gebiete, Bd. 57, Ausgabe 121 (1992), S. 1−41, hier S. 5. Vgl. ThHStAW HMA 414, Bl. 19. Das Dekret ist auf den 5. September ausgestellt, die offizielle Verleihung fand laut dem Eintrag im Fourierbuch aber offensichtlich erst am 17. September 1786 statt. Vgl. ThHStAW HMA 4535, Bl. 123.

2.1 Wer gehörte zum Weimarer Hof?

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licher zum Ausdruck. Denn im Gegensatz zu allen anderen Rubriken waren die Personen hier nicht mehr eindeutig den Hof- oder Zivileinrichtungen zuzuordnen. Die Rubrik war als einzige etatübergreifend und unterschied sich dadurch erkennbar vom Rest. Diese Abseitsstellung bekräftigte die indirekte, lose Anbindung der Pensionierten und ,Charakterisierten‘ ebenso wie sie die direkte Mitgliedschaft der aktiv Dienst leistenden Personen hervorhob, die innerhalb ihrer jeweiligen Einrichtung verzeichnet waren.34 Der Weimarer Hof bestätigte damit auf seine Art die Behauptung der Zeremonialwissenschaft, dass „die würcklichen Officanten (...) mit gutem Grunde, allenthalben den Titularien vorgezogen“ werden würden.35 Allein wenige Ausnahmen stehen diesem Interpretationsansatz entgegen: Einige Personen blieben weiterhin im Hofetat verortet, obwohl sie bereits in den Ruhestand getreten waren. So durfte sich zum Beispiel die Hofdame Adelaide Waldner von Freundstein (1746−1830) von ihrem Hofdienst im April 1800 mit einer Pension zurückziehen.36 Ab 1801 rückte sie dennoch nicht in die Rubrik der Pensionäre ein, sondern erschien weiterhin im Etat ihrer einstigen Herrin, Herzogin Louise, verzeichnet – allerdings deutlich gekennzeichnet mit dem Zusatz „pensioniert“.37 Der Vergleich mit den fürstlichen Nachbarn macht deutlich, dass dies offensichtlich die gebräuchlichere Art und Weise war, um pensionierte Personen auszuweisen. In den Staatskalendern von Sachsen-Gotha-Altenburg, Sachsen-Coburg-Meiningen und Schwarzburg-Rudolstadt sind ebenfalls vereinzelt Personen gelistet, hinter deren Namen der Zusatz „emer.“ oder „pens.“ erscheint. Eine gesonderte Kategorie wie in Weimar wurde nicht angelegt. Stattdessen blieben die Pensionierten, deren Zahl allerdings stets auffällig gering war, direkt innerhalb ihrer einstigen Hofabteilung erfasst. Da sich in den Etats der anderen Höfe zudem keinerlei Verweise auf charakterisierte Hofangestellte finden, scheint die Rubrik der Charakterisierten und Pensionäre unter den Thüringern ein spezifisches Weimarer Phänomen gewesen zu sein. Grundsätzlich war die Konzeption des Weimarer Staatskalenders jedoch keine Ausnahmeerscheinung. Der Blick über Thüringen hinaus zeigt, dass andere Höfe durchaus ähnliche Kategorien in ihren Kalendern führten. So wies zum Beispiel auch der Kasseler Hof ab 1797 seine charakterisierten Personen nicht mehr innerhalb der jeweiligen Hofbehörden, sondern gesondert in seinem Hofetat aus und machte damit den unterschiedlichen Status der Mit-

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35 36 37

Die Eingliederung der Rubrik in einen bestimmten Etat war damit letztlich unerheblich. Der Wechsel vom Zivil- zum Hofetat im Jahr 1807 änderte daher auch nichts am Sinn und Zweck der Rubrik. Die individuellen Titulaturen führten den Leser problemlos zu den passiven bzw. ehemaligen Zugehörigkeiten. Rohr: Grosse Herren, S. 269. Vgl. ThHStAW B 25820, Bl. 80−82. Vgl. z. B. den Weimarer Staatskalender von 1801, S. 98.

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2. Die ranggemäße Größe des Weimarer Hofes

glieder augenfällig sichtbar. Es scheint also bemerkenswert, dass die anderen Thüringer Höfe auf diese Nuancierung verzichteten. Da noch keine detaillierten Studien zu den anderen Höfen vorliegen, kann an dieser Stelle nicht geklärt werden, weshalb der Weimarer Hof als Einziger erkennbar seine Titelträger auswies. Möglicherweise vermerkten die anderen Höfe ihre charakterisierten Herren in den Staatskalendern schlicht ohne spezielle Kennzeichnung, um die Grenze zwischen passiven und aktiven Hofmitgliedern verschwimmen und den beständig dienenden Hof größer erscheinen zu lassen. Oder sie machten von der Verleihung eines Titels ohne Amt tatsächlich keinen bzw. nur geringfügigen Gebrauch. Ungeachtet der gegebenenfalls verschiedenen Darstellungsweisen oder Hofkonzepte scheint es mit Blick auf die Definition des Weimarer Hofes prinzipiell angebracht, die besondere Rubrik der Pensionäre und Charakterisierten nicht außer Acht zu lassen. Das legen sowohl die Zeremonialwissenschaft als auch beispielhaft der Kasseler Staatskalender nahe. Beide zählten die Titularherren eindeutig zum Hofverband. Um ein möglichst vollständiges Bild des Weimarer Hofes skizzieren zu können, gilt es demnach einerseits den vom Staatskalender präsentierten Hofetat um jene Personen zu erweitern, die anhand ihres Titels vor 1807 offensichtlich zum Hof gehörten. Andererseits muss dieser aber auch um diejenigen dezimiert werden, die nach 1807 im Hofetat verzeichnet wurden, obwohl sie gemäß ihres Titels zu zivilen Einrichtungen zählten.

2.2 Der quantitativ vermessene Hof Mit dieser leicht erweiterten Definition lässt sich der Weimarer Hof auf Grundlage der fürstlichen Staatskalender genau beziffern: In den Jahren 1790 bis 1810 umfasste der Hof zwischen 448 und 570 Personen, also durchschnittlich 531 Hofangestellte pro Jahr.38 Dabei versammelte der engere Kernhof um Carl August mit durchschnittlich 65 % erwartungsgemäß den größten Teil des Hofpersonals. Dazu trat die herzogliche Jägerei auffallend umfangreich bis zu ihrer Ausgliederung 1802/03 mit etwa 18 % des gesamten Personals in Erscheinung, während der herzogliche Marstall nur etwa die Hälfte, also im Schnitt 9 % des Hofpersonals, beschäftigte. Das Personal aller Nebenhöfe der Familienmitglieder nahm sich im Vergleich zum engeren Kernhof, zum Stall und zur Jägerei relativ gering aus, da es nur etwa 15 % des Gesamthofes ausmachte.

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Vgl. Abb. 4. Dieser Durchschnitt basiert auf den Jahren 1790 bis 1810 − allerdings ohne die Jahre 1791 und 1809, weil in Letzterem kein Hofkalender gedruckt und in Ersterem die Jägerei von der Druckerei fehlerhaft gesetzt wurde.

2.3 Weimars Stellung in der deutschen Hoflandschaft

95

Mit Blick auf die graphische Darstellung der Hofgröße für die Jahre 1790 bis 1810 verlangen zunächst zwei scharfe Einschnitte in den Jahren 1791 und 1803 nach einer Erklärung, da jeweils eine drastische Reduktion des Weimarer Hofes etwa um 100 Personen deutlich wird (Abb. 4 und 5). Beide Einkerbungen sind auf Veränderung der fürstlichen Jägerei zurückzuführen, wobei allerdings nur Letztere eine reale Entwicklung des Hofes widerspiegelt, da der erste Einschnitt aus einem Druckfehler resultiert. 1791 wurden die Angestellten der Jägerei nicht vollständig abgedruckt. Die meisten Jägerei-Departments fehlen im Staatskalender.39 Das wieder vollständig abgedruckte Folgejahr klärt jedoch, dass dieselben Angestellten wie 1790 beschäftigt blieben und sich die fürstliche Jägerei weder personell noch strukturell entscheidend veränderte.40 Es kann also angenommen werden, dass auch 1791 etwa 97 Personen in der Jägerei beschäftigt waren. Der Weimarer Hof veränderte demnach zu Beginn der 1790er Jahre noch nichts an seiner Konzeption. Erst rund zehn Jahre später erfolgte 1802/03 tatsächlich die Verschiebung der gesamten fürstlichen Jägerei in den Ziviletat. Mit dieser Ausgliederung reduzierte Carl August seinen Hof schlagartig um etwa 110 Personen. Die Reduktion war allerdings nur von kurzer Dauer. Der Hof gelangte zwar nicht mehr innerhalb des Untersuchungszeitraumes bis 1810 zu seiner ursprünglichen Größe zurück, allerdings überrascht er in den folgenden Jahren mit einem schnellen Wachstum, das spätestens 1815 alles Bisherige übertreffen sollte.41 Es bleibt nun zu klären, wie diese Zahlen als Ganzes, d. h. als Gesamthof, zu bewerten und zu interpretieren sind: In welche Größenkategorie gehörte der Weimarer Hof? Welche Stellung nahm er damit unter den Höfen seiner direkten Thüringer Nachbarn und innerhalb des Reichsgefüges ein? Orientierte Carl August die Hofgröße an seinem Rang im Alten Reich, ebenso wie es die Zeremonialwissenschaft als angemessen vorgab, oder brüskierte er unter Umständen seine Standesgenossen?

2.3 Weimars Stellung in der deutschen Hoflandschaft Im 18. Jahrhundert war es im Alten Reich nicht möglich, einen Hof ranggemäß einzurichten, ohne die personelle Ausstattung anderer Höfe zu kennen. Das Zeremoniell verlangte die Gestaltung der Hofgröße nach dem Rang des 39 40 41

Vgl. den Weimarer Staatskalender von 1791, S. 96−97. Vgl. den Weimarer Staatskalender von 1790, S. 93−100 und den Staatskalender von 1792, S. 100−104. Ausführlich zur personellen Entwicklung des Hofes vgl. Kapitel IV. und V. sowie Abb. 4 und 5.

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2. Die ranggemäße Größe des Weimarer Hofes

Regenten, eine feste Personenzahl gab es dafür jedoch nicht vor.42 Es gab nur einen einzigen festen Orientierungspunkt, an dem sich alle Regenten orientieren konnten: den Kaiser. Er bildete unverrückbar die Spitze des Reichs, er führte den höchsten Rang, und deshalb musste sein Hof der größte sein. Allerdings war auch der Kaiserhof kein starres Gebilde, sondern unterlag Veränderungen und Entwicklungen. Der einzige vermeintlich fixe Punkt war damit ebenfalls flexibel. Für die Regenten bedeutete dies, dass sie die Höfe aller Reichsstände stets im Blick behalten mussten. Insbesondere galt dies aber für die Höfe der unmittelbaren Rangkonkurrenten, die jeweils den nächsthöheren oder den niedrigeren Rang einnahmen. Von ihnen musste man sich abgrenzen. Um herauszufinden, ob ein Regent seinen Hof ranggemäß gestaltete, genügt es folglich nicht, einen einzigen Hof zu betrachten. Es bedarf vielmehr eines vergleichenden Blickes auf andere Höfe des Alten Reiches. Setzt man dies für die Untersuchung des Weimarer Hofes um und blickt zunächst auf die Höfe im direkten Umkreis, d. h. auf die der ernestinischen und anderer thüringischen Nachbarn, wird deutlich, dass Carl Augusts Hof mit Sicherheit nicht zu den kleinen oder gar kleinsten Höfen des Reiches gehörte. Der Gesamtgrößenvergleich43 mit dem Gothaer, Meininger und Rudolstädter Hof weist den Weimarer Hof vielmehr klar als den personell stärksten Thüringer Hof um 1800 aus: Der Fürst von Rudolstadt versammelte Anfang der 1790er Jahre maximal 226 Personen um sich, Meiningen erlebte mit 235 Personen um 1801 wahrscheinlich seinen Hochpunkt, und Gotha stattete seinen Hof zwischen 1790 und 1806 relativ schwankungsfrei mit durchschnittlich 431 Personen pro Jahr aus (Abb. 1). Die Tendenzen scheinen eindeutig. Weder die offensichtlich kategorisch kleiner konzipierten Höfe in Rudolstadt und in Meiningen noch der im Vergleich dazu etwa doppelt so große Gothaer Hof konnten mit dem − im Schnitt 531 Personen umfassenden − Weimarer Hof konkurrieren.44 Weimar unterhielt mit Abstand den personell größten Hofverband unter den Thüringern.

42 43

44

Vgl. Kapitel I. Die Zahlengrundlage liefern die Staatskalender der jeweiligen Höfe, die nicht immer vollständig für den Untersuchungszeitraum zur Verfügung standen. Vgl. dazu die Ausführungen zur Quellengrundlage in der Einleitung. Alle Zahlen umfassen Kern- und Einzelhöfe. Wie in Weimar spielten auch in Rudolstadt, Gotha und Meiningen die Einzelhöfe zahlenmäßig nur eine untergeordnete Rolle. Die Unterschiede zwischen den Hofgrößen lassen sich deshalb nicht mit der unterschiedlichen Familienstruktur erklären.

2.3 Weimars Stellung in der deutschen Hoflandschaft

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Diese Vorrangstellung relativiert sich allerdings, sobald die Perspektive auf das Alte Reich ausgedehnt und um die Kurfürstenhöfe und den Kaiserhof erweitert wird (Abb. 2). Die Gegenüberstellung mit dem Hof der albertinischen Verwandtschaft in Dresden stellt klar, dass Weimar – auf das gesamte Reich bemessen – nicht zu den größten Höfen gehörte. Kurfürst Friedrich August III. (1750−1827) stand um 1800 einem Gesamthof von ca. 1700 Personen vor und versammelte damit in etwa das Dreifache der Hofangestellten von Carl August um sich.45 Der Kaiserhof überragte erwartungsgemäß den kursächsischen – wenn auch nur mit vergleichsweise kleinem Abstand. Franz II. (1768−1835) zählte um 1800 in etwa 1930 Personen zu seinem Hof.46 Aus der Perspektive von Kaiser und Kurfürsten nahm sich Weimar also wesentlich bescheidener aus. Das Ergebnis ändert sich wiederum, sobald allein die Fürsten des Reiches in den Blick genommen werden. Denn dann wird klar, dass sich Weimar mit seiner Hofgröße gegenüber fast allen übrigen Fürsten durchaus behaupten konnte − auch gegenüber Fürsten, die ein wesentlich größeres Territorium beherrschten. Während Sachsen-Weimar-Eisenachs Größe auf etwa 28 bis 35 Quadratmeilen geschätzt wird, regierte zum Beispiel der Landgraf von Hessen-Darmstadt über 94 Quadratmeilen – also über das dreifache Gebiet; der Herzog von Mecklenburg-Schwerin beherrschte sogar ein Gebiet, das in etwa die fünffache Fläche einnahm.47 Trotzdem besaßen beide Fürsten 1797 einen kleineren Hof.48 Gleichermaßen scheinen die Landeseinkünfte nur eine untergeordnete Rolle gespielt zu haben. Selbst der als enorm wohlhabend geltende Landgraf von Hessen-Kassel verzichtete auf einen umfangreichen Hofstaat und unterhielt einen wesentlich kleiner dimensionierten Hof.49 Auch geistliche Fürsten, wie die Bischöfe von Würzburg und von Bamberg, boten mit dem Umfang ihrer Höfe keine maßgebliche Konkurrenz. Der Einzige, der die Weimarer 1797 nachweislich um das Doppelte überragte, war der Württemberger Hof. Der Hof Carl Augusts gehörte ansonsten zu den größten Fürstenhöfen des Reiches.50 45 46 47

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49

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Vgl. den Dresdner Staatskalender von 1797, S. 35−88. Vgl. den Wiener Staatskalender von 1797, S. 329−390. Die zeitgenössischen Größenangaben der Territorien weichen zum Teil erheblich von den Angaben der aktuellen Forschung ab. Vgl. Genealogisches Reichs- und Staatshandbuch auf das Jahr 1798. Zweiter Theil. Frankfurt am Main 1798, S. 269, 280, 310; Gerhard Köbler: Historisches Lexikon der deutschen Länder. Die deutschen Territorien vom Mittelalter bis zur Gegenwart. 7. vollständig überarbeitete Auflage. München 2007, S. 276−278, 420, 600f.. Für Mecklenburg-Schwerin gilt dies in den Jahrzehnten bis zum Vergleichsjahr 1797. Danach überflügelte Friedrich Franz I. den Weimarer Herzog, aber nur für einige Jahre. Vgl. dazu die Ausführungen am Ende dieses Abschnittes. Zur Finanzlage Hessen-Kassels, vor allem nach dem Abschluss des enorm erfolgreichen Subsidienvertrages von 1776 vgl. z. B. Ludolf Pelizaeus: Der Aufstieg Württembergs und Hessens zur Kurwürde 1692−1803. Frankfurt am Main u. a. 2000, S. 94−97. Es bleibt zu untersuchen, in welchem Umfang der ranghöhere Pfalz-Zweibrücke-

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2. Die ranggemäße Größe des Weimarer Hofes

Abbildung 1: Thüringische Höfe im Vergleich 1790 bis 1810 (ohne 1809).

2.3 Weimars Stellung in der deutschen Hoflandschaft

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Abbildung 2: Statistische Gegenüberstellung der Höfe des Alten Reiches im Jahr 1797. Alle Daten stammen aus den jeweiligen Staatskalendern des Jahres 1797. Nur die Größe des Meininger Hofes stammt aus dem Jahr 1801, da es keine früheren Personalverzeichnisse gibt.

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2. Die ranggemäße Größe des Weimarer Hofes

Wie lässt sich dieser empirische Befund erklären? Einen Ansatzpunkt bietet die Grundannahme der Zeremonialwissenschaft, die Größe eines Hofes müsse sich nach dem Rang eines Herrschers im Alten Reich richten. Im Gegensatz zum Rang sollten die Größe und Beschaffenheit des Territoriums bzw. des beherrschten Gebietes keine, die Finanzen nur mit Blick auf die zu vermeidende Verschuldung eine Rolle spielen.51 Die auffällige Größe des Weimarer Hofes war demnach die bewusste Symbolisierung eines hohen Ranges. Die anderen Fürsten mit wesentlich kleineren Höfen, wie zum Beispiel die Landgrafen von Hessen-Darmstadt und Hessen-Kassel oder aber auch der Herzog von Mecklenburg-Schwerin, müssten demnach einen entsprechend niedrigeren Rang im Alten Reich eingenommen haben. Die Stimm- bzw. Platzierungslisten des Regensburger Reichstages untermauern diesen Interpretationsansatz. Sie legen nämlich nahe, dass Carl August tatsächlich einen hohen Rang im Reich besaß. Die jüngste Forschung zeigt, dass die Abgabe der Voten dem Rang folgte und die Sessionsordnung des Reichstages zugleich die Rangordnung im Reich darstellte.52 Platz und Votum im Regensburger Reichstag waren demnach entscheidende Indikatoren für den Reichsrang eines Fürsten. Nimmt man die von der Zeremonialwissenschaft immer wieder postulierte Relation von Rang und Hof ernst, dann bildeten Platz und Votum die Grundlage für die Ausgestaltung der jeweili-

51 52

ner Hof, dessen Herzöge ab 1793 im Exil lebten, und der Weimar unmittelbar im Rang folgende Braunschweig-Wolfenbütteler Hof personell ausgestattet waren. Die Amtskalender dieser Territorien fehlen um 1800. Ein empirischer Vergleich ist ohne intensive Archivstudien deshalb nicht möglich − wenn überhaupt eine Aufstellung gelingen würde, da nur lückenhaft Material aus dieser Zeit überliefert wurde. Der Braunschweiger Herzog hatte mit enormen Schulden zu kämpfen, die er mit Einschnitten bei Hof zu tilgen suchte. Bereits im Herbst 1768 erfuhr der als besonders glanzvoll geltende Braunschweiger Hofstaat deshalb eine erste große personelle Reduktion. Möglicherweise wurde deshalb kein Amtskalender mehr gedruckt. Der Braunschweiger Herzog verzichtete sogar − trotz Anfrage der Verleger − auf seine Selbstdarstellung im Genealogischen Reichs- und Staatshandbuch. Vgl. Genealogisches Reichs- und Staatshandbuch auf das Jahr 1798. Zweiter Theil. Frankfurt am Main 1798, S. 254. Zur Braunschweiger Personalreduktion vgl. Ingeborg Kittel: Mohren als Hofbediente und Soldaten im Herzogtum Braunschweig-Wolfenbüttel, in: Braunschweiger Jahrbuch, Bd. 46 (1965), S. 78−103, S. 89; Thomas Biskup: Höfisches Retablissement. Der Hof Friedrichs des Großen nach dem Siebenjährigen Krieg, in: Friedrich300 − Colloquien, Friedrich der Große − eine perspektivische Bestandsaufnahme (2008). [http://www.perspectivia.net/content/publikationen/friedrich300-colloquien/friedrich-bestandsaufnahme/biskup_retablissement]; ders.: German court and French Revolution. Émigrés and the Brunswick court around 1800, in: Francia, 34/2 (2007), S. 61−87, bes. S. 63−64, Anm. 13. Vgl. Kapitel I. Vgl. grundlegend dazu Barbara Stollberg-Rilinger: Zeremoniell als politisches Verfahren. Rangordnung und Rangstreit als Strukturmerkmale des frühneuzeitlichen Reichstags, in: Johannes Kunisch (Hrsg.): Neue Studien zur frühneuzeitlichen Reichsgeschichte (ZHF, Beiheft 19). Berlin 1997, S. 91−132, bes. 102, 117. Darauf aufbauend z. B. Pečar: Höfische Gesellschaft des Reiches, bes. 203.

2.3 Weimars Stellung in der deutschen Hoflandschaft

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gen Fürstenhöfe. Im Umkehrschluss lässt sich an der Größe der Höfe die im Reichstag versinnbildlichte Ordnung der Fürsten ablesen. Die Rangordnung der Reichsfürsten war im 18. Jahrhundert zwar nie durchgehend konkret zu beziffern, da viele Fürsten untereinander um den nach ihrem Erachten angemessenen Rang im Streit standen und deshalb in Platz und Votum im Reichstag oftmals alternierten. Die Reichs- und Staatshandbücher präsentierten mit ihrer abgedruckten Sessionsordnung jedoch jedes Jahr aufs Neue eine klare Vorstellung von der Über- und Unterordnung der Fürstenhäuser, die auf der weltlichen Bank ihren Platz fanden.53 Werden darauf aufbauend alle Stimmverschiebungen durch Erbteilungen, Aussterben von Dynastien oder politische Veränderungen veranschlagt,54 ergibt sich für den Herzog von Sachsen-Weimar-Eisenach ein klares Bild: Im letzten Jahrzehnt des Alten Reiches besetzte Carl August nach Pfalz-Zweibrücken den zweiten Platz auf der weltlichen Bank des Fürstenrats.55 Da sich geistliche und weltliche Bank bei der Abstimmung abwechselten, konnte Carl August somit den vierten Rang der insgesamt 38 möglichen Ränge unter den Fürsten für sich beanspruchen (vgl. Abb. 3). In der gesamten Hierarchie des Reiches inklusive des Kaisers und der acht Kurfürsten rangierte er somit auf dem 13. von insgesamt 46 Rängen.56 Der Herzog von Sachsen-Weimar-Eisenach gehörte somit zum ersten Drittel der Reichsränge. Ihm kam damit traditionell eine außergewöhnliche Stellung zu, deren Wert nicht unterschätzt werden darf. Gleichwohl besetzte Carl August diesen Rang streng genommen nicht allein. Er musste ihn alternierend mit den anderen stimmberechtigten sächsischen Herzögen der ernestinischen Linie teilen.57 Nach einem zähen 53 54

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Vgl. z. B. Das Neue Genealogische Reichs- und Staatshandbuch auf das Jahr 1775. Erster Theil. Frankfurt am Main 1775, S. 336−337. Vgl. z. B. Karl Härter: Reichstag und Revolution 1789−1806. Die Auseinandersetzung des Immerwährenden Reichstags zu Regensburg mit den Auswirkungen der Französischen Revolution auf das Alte Reich. Göttingen 1991, S. 655−657. Durch die wechselreiche Geschichte von Pfalz-Zweibrücken nach der Französischen Revolution konnte Sachsen-Weimar kurz vor dem Ende des Alten Reiches zeitweilig sogar den ersten Rang unter den weltlichen Fürsten beanspruchen. Vor Weimar rangierten bis 1803 die acht Kurfürsten, die geistlichen Fürsten von Salzburg, von Würzburg und Bamberg (bis 1795 in Personalunion) und das weltliche PfalzZweibrücken. Vgl. Härter: Reichstag, S. 655−657. Für eine entsprechend umfangreichere Liste für den Zeitraum von 1683 bis 1713 siehe Susanne Friedrich: Drehscheibe Regensburg. Das Informations- und Kommunikationssystem des Immerwährenden Reichstags um 1700. Berlin 2007, S. 544−546. Am Ende des 18. Jahrhunderts vereinten der Herzog von Sachsen-Gotha-Altenburg und der Herzog von Sachsen-Weimar-Eisenach jeweils zwei Stimmen auf sich, die fünfte Stimme vertraten gemeinschaftlich die Herzöge von Sachsen-Coburg-Saalfeld und Sachsen-(Coburg)-Meiningen. Zur Entwicklung der Verteilung der Reichsvoten unter den Ernestinern vgl. Gregor Richter: Die Vertretung der thüringischen Staaten beim Regensburger Reichstag 1663−1806, in: Blätter für deutsche Landesgeschichte 98 (1962), S. 121−158.

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2. Die ranggemäße Größe des Weimarer Hofes

Präzedenzstreit hatten sich die Ernestiner 1704 im Rahmen eines unbefristeten Hausvertrages darauf verständigt, dass das bis dahin geltende Seniorratsrecht – dessen Regelung die Zwistigkeiten erst ausgelöst hatten58 – nur noch bei internen Hausangelegenheiten zum Tragen kommen solle und bei der Stimmabgabe im Reichstag von nun an alterniert werden müsse.59 Die Reihenfolge der insgesamt fünf ernestinischen Voten wurde dazu in jeweils zwei Szenarien festgelegt. Sie wechselten einander tageweise ab und galten auf allen „Reichs=und Crays= Tagen, auch Deputationen oder andern (...) Reichs= und Crays wegen vorfallenden allgemeinen und solennen Conventen“.60 Weimar und Coburg durften jeweils abwechselnd als Erste die Stimme abgeben, die restlichen drei Voten von Eisenach, Gotha und Altenburg wurden auf die folgenden Stimmplätze verwiesen.61 Obwohl mit dieser – durchaus gebräuchlichen und anerkannten – Lösung der Alternation eigentlich keinem der Fürsten eindeutig der Vorrang zugesprochen wurde,62 dauerte der Interessenkampf vor allem zwischen den Herzögen von Sachsen-Gotha-Altenburg und von Sachsen-Weimar(-Eisenach) in den ersten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts weiter an. Insbesondere der Weimarer Herzog Ernst August (1737−1758) war bestrebt, den Ranganspruch für Weimar als älteste Linie allumfassend zu bekräftigen.63 Auf lange Sicht war ihm ein nachhaltiger Erfolg beschieden. Denn zum Ende des 18. Jahrhunderts ordnete sich Gotha mit seiner Hofgröße deutlich dem Weimarer Hof unter. Im Schnitt versammelten sowohl Ernst II. (1745−1804) als auch sein 1804 nachfolgender Sohn August von Sachsen-Gotha-Altenburg (1772−1822) etwa 112 Personen weniger als Carl August um sich. Lediglich durch die Ausgliederung der Weimarer Jägerei näherten sich beide Höfe an − allerdings nur für kurze Zeit (Abb. 1 und 5). Obwohl beiden Gothaer Herzögen die Ausstattung des Weimarer Hofes durch ihre regelmäßigen Besuche bekannt gewesen 58 59 60

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Vgl. Lünig: Theatrum Ceremoniale, Teil 1, S. 17−23. Vgl. Friedrich: Drehscheibe Regensburg, S. 115; Westphal: Kaiserliche Rechtsprechung und herrschaftliche Stabilisierung, S. 201−204. Vgl. Johann Jacob Moser: Teutsches Staats=Recht. 23. Teil. Darinnen von dem Herkommen in denen Häusern derer weltlichen Reichs=Stände in Ansehung derer Familien= und Haus=Verträgen, derer Familien Streitigkeiten und Austräge, des Rangs unter denen Glidern der Familie, so dann noch mancherley anderer Familien=Sachen, weiter in Ansehung eines Regierung=Nachfolgers Verbindung an seiner Vorfahren Handlungen und endlich ihrer Schulden, besonders deren, so nicht auf dem Lande hafften, gehandelt wird. Leipzig und Ebersdorf 1746, S. 350−364, Zitat S. 363. In der ersten Variante stimmten Weimar, Eisenach, Coburg, Gotha, Altenburg nacheinander ab, in der zweiten Variante wurde die Reihenfolge in Coburg, Gotha, Altenburg, Weimar, Eisenach vertauscht. Vgl. ebd., S. 636. Vgl. Stollberg-Rilinger: Zeremoniell als politisches Verfahren, S. 125. Zu diesem Konflikt und den dahinter stehenden Interessen vgl. Peter Langen: Reichspatriot und Verschwender. Herzog Ernst August von Sachsen-Weimar-Eisenach (1728−1748). Dissertationsmanuskript. Stand: 2011. Ich danke Peter Langen für diesen Hinweis und die Einsicht in das Dissertationsmanuskript.

2.3 Weimars Stellung in der deutschen Hoflandschaft

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Abbildung 3: Stimm- und Sitzverteilung im Fürstenrat des Regensburger Reichstags 1789. Dies ist ein Auszug aus der Tabelle über die Verteilung der Stimmen im Reichstag von Karl Härter. Vgl. Härter: Reichstag, S. 655–657.

sein muss, gibt die über die Jahre 1790 bis 1806 ausgeglichene Gestaltung des Gothaer Hofes keinerlei Anlass zu der Vermutung, dass der eine oder der andere an dieser symbolträchtigen personellen Unterlegenheit etwas zu ändern wünschte oder die Möglichkeit dazu sah. Sachsen-Gotha-Altenburg verzichtete also darauf, mittels der Hofgröße seine seit 1704 ausgehandelte Gleichrangigkeit für all jene zur Schau zu stellen, die nicht auf dem Reichstag anwesend waren. Dabei war die permanente und präzise Repräsentation des Ranges im Reich allein durch zwei Symbole möglich: durch die Abstimmung und Platzierung im Reichstag einerseits und den Hof anderseits.64 Da die Fürsten des Alten Reiches im 18. Jahrhundert in der Regel nicht mehr selbst auf dem Immerwährenden Reichstag präsent waren, sondern darauf vertrauten, dass ihre Gesandten ihren Rang dort wahrten und für alle Anwesenden angemessen zum Ausdruck brachten,65 64

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Es gab keine anderen Medien, die derart genau den Rang permanent zur Schau stellten. Zwar konnten zur Repräsentation auch Schlossbauten, Porträts, (Huldigungs-)Literatur u. v. m. genutzt werden, allerdings reflektierten sie bei Weitem nicht so präzise den Rang wie das Hofpersonal, das man − ebenso wie eine Platzordnung − schlicht auszählen und abgleichen konnte. Architektur und Kunst vermochten den Stand zu repräsentieren, aber selten den genauen Rang. Zudem hatten sie den Nachteil, nur zeitversetzt auf Veränderungen reagieren zu können. Vgl. Härter: Reichstag, S. 39f.

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2. Die ranggemäße Größe des Weimarer Hofes

gewann der Hof umso mehr als zweites − anlassunabhängiges − Symbol an Bedeutung. Im Gegensatz zu den vergleichsweise eher selten stattfindenden Zusammentreffen der Reichsfürsten, bei denen der Rang in Abgrenzung zu den jeweils anderen Anwesenden durch das Zeremoniell dargestellt werden konnte, bot der Hof die Möglichkeit, den Rang im Reich beständig deutlich zu machen. Mit den gedruckten, öffentlich zugänglichen Staatskalendern stand zudem ein Medium zur Verfügung, mit dem sich die Ortsgebundenheit der Höfe überwinden ließ, und das es auch einem fernen Publikum gestattete, die Fürstenhaushalte des Alten Reiches direkt miteinander zu vergleichen. Ernst II. von Sachsen-Gotha-Altenburg nutzte dieses Medium und stellte mit seiner Hofpräsentation klar, dass er zum oberen Drittel der Reichsränge gehörte. Zugleich gab er aber auch preis, im Vergleich zu Weimar personell unterlegen zu sein. Für den zeitgenössischen Staatsrechtler Johann Jacob Moser war die Unterordnung Gothas trotz des Hausvertrages aus dem Jahre 1704 angemessen. Der Herzog von Sachsen-Weimar(-Eisenach) führte die älteste Linie und durfte deswegen die Vorrangstellung unter den Ernestinern beanspruchen.66 Tatsächlich konnte sich Carl August im Gegensatz zu Sachsen-Gotha-Altenburg auf seine Abstammung von Herzog Wilhelm IV. (1598−1662) berufen und damit auf den ältesten jener drei Söhne, unter denen 1640/41 das Erbe von Johann III. von Sachsen-Weimar (1570−1605) aufgeteilt worden war. Die Linie Sachsen-Gotha-Altenburg ging indes auf den drei Jahre jüngeren Sohn Ernst I. den Frommen (1601−1675) zurück. Moser zeigte sich deshalb davon überzeugt, dass im Falle eines Aussterbens der albertinischen Linie die Kurwürde in jedem Falle an Weimar übergehen würde − eine Konstellation, die 1794 Carl Augusts eigene Heiratspolitik lenken und um 1800 erneut in den Heiratsverhandlungen mit dem russischen Zarenhaus eine gewisse Überzeugungskraft entfalten sollte.67 Möglicherweise gelang es im Zuge der immer stärker fortschreitenden Verschriftlichung der Rechtsgrundsätze im Zusammenspiel mit der zunehmenden Verankerung des Erstgeburtsrechts unter den Thüringern, das Argument der ältesten Linie derart aufzuwerten, dass Sachsen-GothaAltenburg den Vorrang Weimars letztlich anerkannte und dies durch seinen personell kleiner konzipierten Hof zum Ausdruck brachte. Inwieweit die Herzöge von Sachsen-Gotha-Altenburg allerdings auch auf anderen Feldern der 66

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Vgl. Johann Jacob Moser: Teutsches Staats=Recht. 15. Teil. Darinnen der Rest der Materie von denen Theilungen vorgetragen und dann ferner von dem Herkommen in denen Häuser derer weltlichen Reichs=Stände in Ansehung der gemeinschafftlichen Regierung, wie auch derer in Gemeinschafft behaltenden einzelnen Stücke, nicht weniger der Collateral=Succession und endlich des Verzichtes derer Töchter gehandelt wird, Leipzig und Ebersdorf 1744, Drittes Buch, 76. Kapitel, S. 284−286. Vgl. Kapitel IV sowie Franziska Schwedewie: Altesse Imperialissime! Die privaten politischen Briefe Carl Augusts an Maria Pavlovna, 1805−1815, in: Lothar Ehrlich/Georg Schmidt (Hrsg.): Ereignis Weimar-Jena. Gesellschaft und Kultur um 1800 im internationalen Kontext. Köln/Weimar/Wien 2008, S. 247−262, bes. 249−252.

2.3 Weimars Stellung in der deutschen Hoflandschaft

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Repräsentation des eigenen Standes und Ranges ebenfalls zurücktraten anstatt auf Gleichrangigkeit zu bestehen, gilt es noch für die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts zu erforschen.68 Dergleichen bleibt der geringe personelle Umfang des Hofes von Sachsen(Coburg)-Meiningen erklärungsbedürftig. Zwar lässt sich die rigorose Verkleinerung auf 140 bis 150 Personen ab 1803 mit dem Tod von Georg I. (1761−1803) erklären. Seine daraufhin vormundschaftlich regierende Witwe Louise Eleonore (1763−1837) galt dem Zeremoniell nach als nicht ,wirklich regierend‘ und durfte deshalb auch nicht die Pracht und Größe eines wirklich regierenden Fürsten entfalten. Dennoch zeigen bereits die wenigen vorangehenden Jahre, die statistisch erhoben werden konnten, dass der Meininger Herzog seinen Hof um die Hälfte kleiner als der Gothaer Herzog konzipierte und sich damit in etwa auf die Stufe des Fürsten von Rudolstadt degradierte. Dies erstaunt in Anbetracht dessen, dass der Meininger Herzog ebenfalls weit vorn auf der weltlichen Fürstenbank im Reichstag platziert war – wenn auch nur als Stimmteilhaber. Sachsen-Meiningen gehörte zu den jüngsten ernestinischen Fürstentümern, die erst 1680 im Zuge der Erbteilung unter den Söhnen von Ernst I. dem Frommen von Sachsen-Gotha(-Altenburg) begründet wurden. Alle sieben Söhne des Gothaer Herzogs bekamen einen jeweils eigenen Landesteil als Erbteil zugesprochen, jedoch erhielt nicht jeder die volle Landeshoheit69 und auch nicht jeder ein Votum auf dem Reichstag. Das direkte politische Mitbestimmungsrecht als Reichsstandschaft wurde sehr ungleich verteilt: Während das Fürstentum Sachsen-Gotha zwei Voten auf dem Reichstag erbte, erhielt Sachsen-Meiningen keine eigene Stimme, sondern musste sich eine gemeinsame Stimme mit der neuen Linie SachsenCoburg teilen. Als wenig später, 1699, die Coburger ausstarben, fiel deren Stimmanteil an Sachsen-Saalfeld. Es folgte eine unnachgiebige Auseinandersetzung innerhalb der Gothaer Linie, durch die das Votum letztlich bis 1771 ruhte.70 Erst mit einem Interimsvertrag zwischen Sachsen-CoburgMeiningen und Sachsen-Coburg-Saalfeld konnte das Votum 1773 nach der 68

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Die Forschung thematisiert den Rangkonflikt zwischen Gotha und Weimar erst wieder nach 1806, als sich beide Herzogtümer um die Erhöhung zum Großherzogtum bemühten. Gotha behauptet im Zuge dessen erneut, unter den Ernestinern eine Vorrangstellung gegenüber Weimar zu besitzen. Zu den entsprechenden Auseinandersetzungen vgl. z. B. Alexander Schmidt: Prestige, Kultur und Außendarstellung. Überlegungen zur Politik Sachsen-Weimar-Eisenachs im Rheinbund (1806−1813), in: Zeitschrift des Vereins für Thüringische Geschichte Bd. 59/60 (2005/06), S. 153−192. Die drei ältesten Brüder in Gotha, Coburg und Meiningen bekamen die volle Landeshoheit, die vier jüngeren Brüder in Römhild, Eisenberg, Saalfeld und Hildburghausen erhielten hingegen nur die beschränkte fürstliche Hoheit. Friedrich I. (1646−1699). behielt sich allein die hohen Gerechtsame in allen Territorien vor. Vgl. Siegrid Westphal: Ernst II. und die Erbfolgestreitigkeiten im Hause Sachsen-Gotha, in: Werner Greiling/ Andreas Klinger/Christoph Köhler (Hrsg.): Ernst II. von Sachsen-Gotha-Altenburg. Köln/Weimar/ Wien 2005, S. 85−100, hier S. 90. Vgl. Richter: Vertretung der thüringischen Staaten, S. 121−158, insbes. S. 127.

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2. Die ranggemäße Größe des Weimarer Hofes

Bestätigung durch Kaiser Joseph II. (1741−1790) wieder aktiviert werden: Die Einigung sah einen vierjährigen Turnus vor, in dem das Votum 30 Monate lang von Meiningen und 18 Monate lang von Coburg-Saalfeld geführt werden durfte.71 Der Herzog von Sachsen-Coburg-Meiningen war also zweifellos durch seinen Stimmanteil am Coburger Votum bei der politischen Mitbestimmung im Reichstag vertreten und in das entsprechende Sessionszeremoniell eingebunden. Dennoch drückte sich der damit verbundene hohe Rang nicht in der Gestaltung des Meininger Hofes aus. Dieses Missverhältnis zwischen der Reichstagsplatzierung und der Hofgröße ließe sich möglicherweise mit der Teilung des Votums erklären. Es ist denkbar, dass die Art des Votums direkt die Art des Ranges innerhalb des Reichsgefüges beeinflusste und der bloße Stimmanteil nicht als volle Berechtigung zum Rang akzeptiert wurde. Die Herzöge von Sachsen-CoburgMeiningen und von Sachsen-Coburg-Saalfeld72 wären folglich dem Weimarer Herzog ausschließlich in der Ausübung ihres Stimmrechts durch die im ernestinischen Hausvertrag festgelegte Alternation gleichgestellt gewesen. Die mit dem Votum verknüpfte Würde hätte dagegen als unteilbar erachtetet werden können, womit der Rang des Meininger Herzogs mit Sicherheit niedriger ausgefallen wäre. Indes scheint aber in der finanziellen Lage des Herzogtums eine ebenso plausible Erklärung zu liegen: Sachsen-Coburg-Meiningen verfügte um 1800 über nur etwa 18 Quadratmeilen mit 50 000 Einwohnern und besaß mit ca. 200 000 Reichstalern pro Jahr vergleichsweise geringe Einkünfte,73 dafür aber seit den 1770er Jahren ein Vielfaches an Schulden.74 Ähnlich war auch der Stimmteilhaber Sachsen-Coburg-Saalfeld begütert.75 Im Unterschied zu Meiningen befand sich dessen Herzog, Ernst Friedrich (1724−1800), in einer desolaten Finanzsituation, die zwischen 1773 und 1802 sogar das Eingreifen einer kaiserlichen Debitkommission nötig machte. Obwohl nachweislich erst der Prozess wegen der Sondershäuser Erbschaft zum Zusammenbruch der Coburger Finanzen führte,76 scheint auch eine aufwendige Hofhaltung

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Vgl. dazu ausführlich Westphal: Kaiserliche Rechtsprechung und herrschaftliche Stabilisierung, S. 380−385, ebenso Christian Dressel: Die Entwicklung von Verfassung und Verwaltung in Sachsen-Coburg 1800−1826 im Vergleich. Berlin 2007, S. 49. Über die Größe des Hofes der Herzöge von Sachsen-Coburg-Saalfeld um 1800 ist wenig bekannt. Zwischen 1790 und 1810 finden sich keine gedruckten Hofkalender mit Personalverzeichnis. Möglicherweise wurden auf Betreiben der kaiserlichen Debitkommission die Amtskalender zeitweilig eingestellt. Vgl. Genealogisches Reichs- und Staatshandbuch auf das Jahr 1798. Zweiter Theil. Frankfurt am Main 1798, S. 315. Vgl. Steffen Kublik: Die Universität Jena und die Wissenschaftspolitik der ernestinischen Höfe um 1800. Dissertationsmanuskript. Jena 2008, S. 273f. Ebd., S. 316−317. Vgl. Westphal: Kaiserliche Rechtsprechung und herrschaftliche Stabilisierung, S. 263−265.

2.3 Weimars Stellung in der deutschen Hoflandschaft

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für die Überschuldung ausschlaggebend gewesen zu sein.77 Möglicherweise stand dem Meininger Herzog die daraus resultierende Entmachtung durch eine Zwangsschuldenverwaltung warnend vor Augen, so dass er den kameralistischen Ideen und Geboten der Zeremonialwissenschaft folgte und seinen Hofstaat gemäß seiner monetären Möglichkeiten gestaltete bzw. begrenzte. Der geringe Umfang des Meininger Hofes wäre in diesem Falle nicht als unverhältnismäßige oder gar degradierende Repräsentation des Ranges, sondern vielmehr als Ausdruck einer angemessenen Gestaltung des Hofes nach dem Einkommen zu interpretieren. Letztendlich wählten also alle Ernestiner trotz der 1704 vereinbarten Gleichrangigkeit einen jeweils anderen Umfang für ihren Hof. Während Carl August mit seinem vergleichsweise großen Hof völlig legitim seinen hohen Rang im Rahmen des Zeremoniells gegenüber den anderen Fürsten des Reiches demonstrierte, entschieden sich die Herzöge von Gotha und Meiningen für eine reduzierte Symbolisierung. Die Ernestiner spiegelten damit zwei Seiten der Zeremoniellpraxis um 1800 wider: Zum einen gab es Fürsten, die ihren Hof nach ihrem tradierten Rang im Alten Reich bemaßen und in Konkurrenz mit den anderen Fürsten Schritt zu halten suchten. Zum anderen gab es aber auch Fürsten, die die geforderte Korrelation von Rang und Hof aufsagten bzw. aufsagen mussten oder aber diese Regel nicht (mehr) als Beschränkung akzeptierten. Sowohl der Weimarer als auch der Kasseler und Darmstädter Hof scheinen beispielsweise ihrem Rang angemessen proportioniert gewesen zu sein. Auch das Rudolstädter Herrscherhaus, das erst 1697 zum Fürstentum erhoben und 1754 Sitz und Stimme auf dem Reichstag erhalten hatte, fügte sich seinem niedrigen Rang.78 Auffallend unmäßig erscheint dagegen der Württemberger Hof. Württemberg rangierte etliche Ränge unter dem Weimarer Herzog,79 bemühte sich aber seit Jahrzehnten um die Kurwürde und die damit verbundene Rangerhöhung.80 Die Württemberger Herzöge nutzten ihren Hof demnach, um dem Anspruch auf die Kurwürde in zeremonieller Weise Nach- bzw. Ausdruck zu verleihen. 77 78

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Vgl. z. B. Dressel: Entwicklung von Sachsen-Coburg, S. 47. Die Ernestiner und andere Altfürsten sperrten sich gegen die Erhebung der Rudolstädter, weshalb diese zunächst nur die fürstliche Dignität und erst sechs Jahrzehnte später die Introduktion auf dem Reichstag erhielten. Vgl. Vinzenz Czech: Legitimation und Repräsentation. Zum Selbstverständnis thüringisch-sächsischer Reichsgrafen in der Frühen Neuzeit. Berlin 2003, S. 67, 146, 254. Der Rang des Württemberger Herzogs lässt sich zwar als niedriger, aber nur schwerlich konkreter bestimmen, da er zu den alternierenden Häusern zählte, die sich eigentlich nach den zehn Strophen der Sessionsordnung von Regensburg aus dem Jahre 1740 in Platz und Votum abwechseln sollten. Das Württemberger Fürstenhaus stritt sich dennoch beständig mit Pommern, Mecklenburg, Hessen und Baden um den Rang bzw. Platz. Vgl. z. B. Neues Genealogisches Reichs- und Staatshandbuch auf das Jahr 1790. Erster Theil (...). Frankfurt am Main, S. 309−310; Barbara Stollberg-Rilinger: Des Kaisers alte Kleider. Verfassungsgeschichte und Symbolsprache des Alten Reiches. München 2008, S. 195. Vgl. dazu beispielsweise Pelizaeus: Aufstieg Württembergs und Hessens.

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2. Die ranggemäße Größe des Weimarer Hofes

Umgekehrt entzogen sich aber offenbar auch − vor allem geistliche − Fürsten, wie die Bischöfe von Bamberg und Würzburg, dem stetigen Wachstum der Höfe und ließen sich am Ende des 18. Jahrhunderts durch die personelle Größe von weltlichen Höfen in ihrem Rang zeremoniell übertrumpfen.

2.4 Der Napoleon-Effekt auf die Symbolkraft der deutschen Höfe nach 1806 In Anbetracht der tiefgreifenden Umstrukturierung des politischen Systems in Europa um 1800 läge es nun nahe, den Bedeutungszusammenhang von Rang und Hof mit dem Alten Reich untergehen zu sehen und in die Verfallsgeschichte des Zeremoniells einzustimmen.81 Doch würde damit ein wichtiger Punkt übergangen werden: Nicht die Korrelation von Rang und Hof verlor an Wert, sondern ihre Grundlage geriet mit den Eroberungserfolgen von Napoleon erheblich ins Wanken. Im Reichsdeputationshauptschluss von 1803 versuchten die Reichsstände noch ein letztes Mal, die über Jahrhunderte gewachsene Rangordnung zu erhalten. Durch die umfangreiche Säkularisierung und Mediatisierung musste die Stimmverteilung in den Reichstagskollegien neu koordiniert werden. Das betraf insbesondere die Stimmen der abgetretenen Gebiete und der nicht mehr bestehenden geistlichen Reichsstände.82 Mit der Stimmordnung stand nun zwangsläufig auch die Rangordnung des Reiches zur Disposition – allerdings waren die Reichsstände nicht bereit, die altehrwürdige Ordnung des Reiches aufzugeben. Lieber gaben sie die lang bewährte Relation des Ranges zu Sitz und Stimme im Reichstag preis und legten fest, dass der Aufruf der Stimmen „dem höhern oder gleichen Range der Fürsten unter sich gar nicht präjudicirt, und die Rechte eines jeden (...) vorbehalten“ bleiben sollten.83 Das bedeutete, dass all jene Fürsten, die nun ehemals geistliche Stimmen auf sich vereinten, durch ihr neues Votum „kein Recht zu einem höheren Range [erlangten], als sie vorher hatten“.84 Und eben81

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Eine prägnante Zusammenfassung dieser Forschungsthese(n) findet sich bei Paulmann: Pomp und Politik, S. 198−204. Trotz vermehrter Diskussion wird der Niedergang des Zeremoniells bzw. der Höfe zum Ende des 18. Jahrhunderts weiterhin als Erklärungsmuster genutzt. Vgl. z. B. Michael Stürmer: Abgesang auf das Ancien Régime oder: die Suche nach der Glückseligkeit. Wie Privatheit und Klassizismus den alten Staat veränderten, in: Hans Ottomeyer/Michaela Völkel (Hrsg.): Die öffentliche Tafel. Tafelzeremoniell in Europa 1300−1900. Berlin 2002, S. 112−117. Zur Stimmverteilung, allerdings aus der Perspektive der formalen Rechtmäßigkeit vgl. Härter: Reichstag, S. 593ff. Hauptschluß der außerordentlichen Reichsdeputation vom 25. Februar 1803 (Ausfertigung der kurfürstlich Mainzischen Kanzlei), in: Karl Zeumer (Bearb.): Quellensammlung zur Geschichte der Deutschen Reichsverfassung in Mittelalter und Neuzeit. Tübingen 1913, S. 521, § 32, Abs. III. Ebd., S. 521, § 32, Abs. V.

2.4 Der Napoleon-Effekt auf die Symbolkraft der deutschen Höfe nach 1806

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so behielten jene Fürsten, „welche für ihre verlornen Stimmen neue erhalten [hatten,] (...) den Rang ihrer vorigen Stimmen“.85 Obwohl oder gerade weil das Reich eine fundamentale territoriale und politische Umgestaltung erfuhr, beharrten die Reichsfürsten auf ihrer tradierten Rangordnung und lehnten eine Neustrukturierung ab: Die Stimmverteilung wurde zwar grundlegend verändert.86 Der Rang sollte davon aber unberührt bleiben.87 Mit der Niederlegung der Kaiserkrone durch Franz II. fand dieses Beharren dennoch ein Ende. Mit dem Reich wurde auch der Immerwährende Reichstag im August 1806 aufgelöst. Die Bemessungsgrundlage für den Rang im Reich existierte damit nicht mehr. Ohne das Alte Reich gab es nur noch eine europäische Perspektive; die Trennung zwischen Regenten innerhalb und souveränen Herrschern außerhalb des Reiches wurde obsolet. Alle verbliebenen regierenden Fürsten agierten nun souverän auf einer – der europäischen – Ebene. Die ehemals zum Alten Reich gehörenden Fürsten standen damit vor der nicht zu unterschätzenden Aufgabe, sich in das neue europäische Gefüge einzuordnen und darin den aus ihrer Sicht angemessenen Rang für sich zu beanspruchen und zu etablieren.88 Bemerkenswerterweise sah gerade derjenige, der den Untergang des Reichs(tags) maßgeblich herbeigeführt hatte, dieses – zweifellos zunächst Ungewissheit stiftende – Rangregelungsvakuum weitsichtig voraus, wenn er diesen Zustand nicht sogar mit voller Absicht anvisiert hatte. Napoleon gestand in der Rheinbundakte allen Mitgliedern seines neu gegründeten Rheinbundes ausdrücklich ihre Souveränität zu,89 verband damit aber keinesfalls eine Gleichrangigkeit. Vielmehr beschloss er, den Rang der Mitglieder des Fürstenkollegiums im zu erstellenden „Fundamental-Statut bestimmt festsetzen“ zu lassen.90 Der Kaiser der Franzosen maßte sich damit als Protektor der Rheinbundstaaten in etwa dieselbe Rolle an wie sie vorher der Kaiser des

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Ebd., S. 521, § 32, Abs. VI. Der Reichsdeputationshauptschluss kam allerdings noch ohne jegliche Modifikation beim Aufruf der Voten zustande, da entsprechende Vorschläge zur Suspendierung der Stimmen abgelehnt wurden. Vgl. Härter: Reichstag, S. 593−596. Die präzisen Festlegungen des Reichsdeputationshauptschlusses bestätigten noch einmal die Relation von Reichsrang zu Sitz und Stimme im Reichstag, die die Zeremonialwissenschaft betont hatte. An dieser Stelle darf der Hinweis nicht fehlen, dass die ersten Rheinbundmitglieder bereits vor Niederlegung der Kaiserkrone mit Artikel 2 und 3 der Rheinbundakte explizit dem Reich und damit auch dem Ranggefüge des Reichs entsagten. Vgl. Conföderationsacte des Rheinbundes vom 12. July 1806, in: Karl Heinrich Ludwig Pölitz (Hrsg.): Die Constitutionen der europäischen Staaten seit den letzten 25 Jahren. Bd. 2, Leipzig/ Altenburg 1817, S. 78−91, bes. 80−81. Diese Souveränität umfasste die Gesetzgebung, obere Gerichtsbarkeit, Oberpolizei, militärische Konskription bzw. den Rekrutenzug und das Recht der Auflagen. Vgl. Art. 26 der Conföderationsacte, ebd., S. 87. Art. 11 der Conföderationsacte, in: ebd., S. 81−82.

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Alten Reiches de jure innehatte – allerdings mit dem nicht zu verkennenden Unterschied, dass es sich nun um die Rangordnung souveräner Regenten und damit im Grunde gleichberechtigter Völkerrechtssubjekte handelte.91 Der Rang eines souveränen Potentaten ließ sich nicht einfach ,festsetzen‘, sondern konnte nur durch die wechselseitige diplomatische Anerkennung und Behandlung von den jeweils anderen europäischen Potentaten bestätigt und anerkannt, unter Umständen aber auch versagt werden.92 Napoleon plante dennoch, die Fürsten Europas nach seinen Wünschen zu ordnen und all seine protegierten Staaten kompromisslos zur Anerkennung des Ranges der jeweils anderen Mitglieder des Rheinbundes zu nötigen. Der vom Fürstprimas Carl Theodor von Dalberg (1744−1817) einzuberufende Bundestag, der auf der Grundlage des Fundamentalstatuts funktionieren und das königliche und fürstliche Kollegium zusammenbringen sollte, hätte für die rheinbündisch vereinten Fürsten mit Blick auf den Rang folglich eine ähnliche Funktion einnehmen können wie der Reichstag im Alten Reich. Der Bundestag trat jedoch bekanntlich nie zusammen, und die angekündigte Rangordnung des Fürstenkollegiums wurde – trotz mehrerer Entwürfe für das Fundamentalstatut – nie festgeschrieben.93 Dementsprechend profitierten auch nur die neun Mitglieder des königlichen Kollegiums von den Rangordnungsplänen Napoleons: Neben dem Primatischen Staat konnten sich die Königreiche Bayern, Württemberg, Sachsen (mit dem Herzogtum Warschau) sowie Westphalen und danach abgestuft die mit königlicher Würde einschließlich aller entsprechenden Vorzüge und Rechte ausgestatteten Großherzogtümer Baden, Berg, Hessen und Würzburg der Anerkennung ihres Ranges − zumindest bei den anderen Rheinbundmitgliedern − gewiss sein.94 Bemerkenswert ist, dass Napoleon für seine Rangerhöhungen wei91

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Vgl. z. B. Heinhardt Steiger: Das Völkerrecht und der Wandel der Internationalen Beziehungen um 1800, in: Andreas Klinger/Hans-Werner Hahn/Georg Schmidt (Hrsg.): Das Jahr 1806 im europäischen Kontext. Balance, Hegemonie und politische Kulturen. Köln/ Weimar/Wien 2008, S. 23−52. Diese Nichtanerkennung der europäischen Souveränität konnte u. a. dadurch zum Ausdruck gebracht werden, dass man keinen Gesandten an den Hof des anderen abschickte. Der Kaiser verwehrte zum Beispiel den Herrschern von Brandenburg-Preußen lange Zeit die Anerkennung der Königswürde und traktierte sie weiterhin als Kurfürsten. Vgl. z. B. Vec: Das Zeremonialrecht; grundlegend Barbara Stollberg-Rilinger: Höfische Öffentlichkeit. Zur zeremoniellen Selbstdarstellung des brandenburgischen Hofes vor dem europäischen Publikum, in: Forschungen zur brandenburgischen und preußischen Geschichte 7 (1997), S. 145−176; dies.: Honores Regii. Die Königswürde im zeremoniellen Zeichensystem der Frühen Neuzeit, in: Johannes Kunisch (Hrsg.): Dreihundert Jahre Preußische Königskrönung. Eine Tagungsdokumentation. Berlin 2002, S. 1−26, bes. S. 23. Vgl. zum Bundestag beispielsweise Helmut Bock: Napoleon Bonaparte. Realhistorische Beschreibung des Hegemonialpolitikers, in: Marion Georg/Andrea Rudolph (Hrsg): Napoleons langer Schatten über Europa. Dettelbach 2008, S. 17−46, bes. S. 32. Die Rangordnung folgte der hier genannten Reihenfolge. Vgl. dazu die Festlegungen des Artikels 5 der Conföderationsacte, in: Karl Heinrich Ludwig Pölitz (Hrsg): Consti-

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terhin die fein abgestuften Titulaturen der alten Ordnung bemühte und sich damit die etablierten und akzeptierten politischen Kommunikations- und Ordnungsformen des alten Europas zu Nutze machte.95 Zugleich brach er aber mit ihnen nachhaltig, indem er ihnen ihre althergebrachte Grundlage entzog. Bestimmte sich der Rang der Fürsten bisher auf Grundlage der über Jahrhunderte gewachsenen Traditionen und Verdienste ihrer Dynastien für das Reich, galt nun allein Napoleons individuelle Willkür. Für den selbst gekrönten Kaiser der Franzosen war dieser Wertewandel essentiell, denn durch die Genese seiner Machtergreifung konnte er sich nur auf diese Weise legitimieren. Als ,Kind der Revolution‘ konnte er selbst keine Tradition aufbieten. Es war daher unerlässlich, die anderen Fürsten ihres bisherigen Wertehorizontes zu berauben. Nur so konnte er ,sein Europa‘ nach seinen Wünschen neu ordnen und sich selbst an die Spitze setzen. Die deutschen Fürsten, deren altes, ordnendes Gefüge entwertet war, mussten infolgedessen zwangsweise Neuland betreten und den eigenen Rang auf dem europäischen Parkett erst postulieren und aushandeln, wenn nicht gar als Mitglied des Rheinbundes bei oder gegen Napoleon erkämpfen. Die Höfe erfuhren durch diese Entwicklung einen enormen Bedeutungszuwachs. Ohne den Reichstag waren sie nach 1806 das einzige verbliebene Symbol, mit dem sich der eigene politische Anspruch und Rang auf zeremonieller Ebene permanent und vor allem situationsunabhängig demonstrieren ließen. Es gab keinen zentralen außerhöfischen Ort mehr, der eine entsprechende Funktion hätte beständig übernehmen können. Die grundlegende zeremonielle Regel, wonach die Größe eines Fürstenhofes den jeweiligen Rang des Regenten zur Schau stellte, verlor deshalb mit dem Ende des Alten Reiches nicht ihre Gültigkeit. Sie erfuhr vielmehr eine enorme Aufwertung. Jeder Fürst wusste um die Bedeutung der Höfe als Versinnbildlichung des Ranges, so dass es nahe lag, über den Hof die eigene Selbstverortung im politischen System permanent symbolisch auszudrücken. Besonders deutlich lässt sich diese hochgeschätzte Symbolkraft an der Entwicklung jener Fürstenhöfe ablesen, die durch Napoleon im Rang emporgestiegen oder aber von ihm auf hohem Niveau neu kreiert worden waren, wie zum Beispiel derjenigen von Friedrich in Württemberg (1754−1816) oder von Jérôme Bonaparte (1784−1860) in Westphalen. Beide Fürsten bauten innerhalb kürzester Zeit ihre Höfe zu „glänzenden Repräsentationszentren ihrer

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tutionen, S. 81. Ein späterer Stand der Rangordnung findet sich zum Beispiel in dem Almanach imperial pour l’annee 1809, dessen Ordnung in den gängigen Amtskalendern in der Regel übernommen wurde, wie z. B. in der Aufstellung der „Rheinischen Bundes=Staaten“ in Wilhelm Leske (Hrsg.): Rheinisches Jahrbuch für das Jahr 1810. Darmstadt 1810, S. 180. Zu den Kommunikations- und Ordnungsformen des alten Europas vgl. Barbara Stollberg-Rilinger: Die Wissenschaft der feinen Unterschiede. Das Präzedenzrecht und die europäischen Monarchien vom 16. bis zum 18. Jahrhundert, in: Majestas 10 (2002), S. 125−150.

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Macht“ aus und versuchten auf diese Weise gezielt ihrem (neuen) königlichen Rang symbolisch Ausdruck zu verleihen.96 Vor allem für den Württemberger gab es nach seinem jahrzehntelang erkämpften Aufstieg kein Halten mehr.97 Schon als Herzog hatte Friedrich einen unproportional großen Hof unterhalten, mit dem er seinen vergleichsweise niedrigen Rang im Reich augenfällig kontrastiert und seinen umfassenden Machtanspruch postuliert hatte. Nach der Ernennung zum Kurfürsten 1803 fiel es ihm deshalb auch nicht schwer, seinen Hof innerhalb kürzester Zeit auf das personelle Niveau der anderen Kurfürsten anzuheben. Zudem hatten auch seine Vorgänger den höfischen Personenverband schon kontinuierlich vergrößert: Zählte der Hof im Jahre 1790 noch 732 Personen, waren es 1803 schon 1057 Hofzugehörige.98 Nach dem Ende des Alten Reiches explodierte der Württemberger Hof dann geradezu: Der Vergleich der beiden Staatskalender von 1807/08 und von 1809/10 macht deutlich, dass es der nunmehrige König innerhalb von vier Jahren schaffte, seinen Hof um ganze 300 neue Personen aufzustocken.99 Dieser Zuwachs setzte sich in erster Linie aus Adligen des Militärs zusammen, die zu Kammerherren oder Kammerjunkern ernannt worden waren.100 Allerdings schienen dem frisch gekürten König nicht nur die Adligen, sondern jeder einzelne neu verpflichtete Hofangestellte wichtig gewesen zu sein, da er in seinen Staatskalendern alle hohen und niederen Hofbediensteten vollständig abdrucken ließ. Andere Fürsten, die seit etlichen Jahren den Rang einer königlichen Hoheit führten, verzichteten in der Regel auf diese komplette Abbildung ihres höfischen Personals und wiesen lediglich mittlere und hohe Hofangestellte aus.101 Friedrich von Württemberg präsentierte dagegen detailliert seinen stetig wachsenden Hofverband und lieferte damit ein ein96

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Vgl. den Forschungsstand zusammengefasst bei Horst Carl: Erinnerungsbruch als Bedingung der Moderne? Tradition und bewusste Neuorientierung bei Hof und Zeremoniell nach 1800, in: Andreas Klinger/Hans-Werner Hahn/Georg Schmidt (Hrsg.): Das Jahr 1806 im europäischen Kontext. Balance, Hegemonie und politische Kulturen. Köln/Weimar/Wien 2008, S. 169−184, Zitat S. 178. Vgl. Pelizaeus: Aufstieg Württembergs und Hessens zur Kurwürde. Vgl. den Württemberger Staatskalender von 1803, S. 10−40; Herdt: Der württembergische Hof im 19. Jahrhundert, S. 73. 1806 zählte der Württemberger Hof bereits 1200 Personen, 1809/1810 waren es insgesamt bereits 1587. Vgl. den Württemberger Staatskalender von 1806, S. 13−44 und Württemberger Staatskalender von 1809/10, S. 39−84. Die Württemberger Staatskalender weisen für die Jahre 1807/08 insgesamt 153 Kammerherren und 64 Kammerjunker und für die Jahre 1809/10 bereits 186 Kammerherren und 115 Kammerjunker aus. Gisela Herdt wusste diese Zahlen − wahrscheinlich auf Grundlage zusätzlicher Quellen − leicht zu modifizieren und kommt im Jahre 1809/10 z. B. auf 175 Kammerherren. Sie zeigt zudem auf, wie viele dieser hohen Hofchargen noch andere Ämter im Militär, in der Staatsverwaltung, am Hof oder im Ausland innehatten. Vgl. Herdt: Der württembergische Hof im 19. Jahrhundert, S. 89−91. Vgl. z. B. das Handbuch über den königlich preußischen Hof und Staat für das Jahr 1805. Berlin 1805. Besonders deutlich wird dies an den Personallisten der Nebenhöfe fürstlicher Anverwandter.

2.4 Der Napoleon-Effekt auf die Symbolkraft der deutschen Höfe nach 1806

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drucksvolles Zeugnis, welch hoher Stellenwert der Hofgröße als Symbol von Stand und Rang zugebilligt wurde. Ein entsprechendes Vorgehen – obgleich noch zwischen den Rangsystemen des Alten Reiches und Europas eingezwängt – lässt sich schon einhundert Jahre zuvor bei dem Kurfürsten von Brandenburg und dem Kurfürsten von Sachsen beobachten: Beide Regenten erhielten kurz nacheinander die Königswürde und erlangten damit einen europäischen Rang. August der Starke (1670−1733) ließ sich 1697 zum König von Polen wählen, 1701 folgte Friedrich III. von Brandenburg (1657−1713), indem er sich selbst als Friedrich I. zum König in Preußen krönte. Beide Regenten durften und mussten sich infolgedessen über das Reichsrangsystem und dessen Symbole − insbesondere über die ranglimitierte Hofgestaltung − hinwegsetzen. Ihr Hof hatte nun nicht mehr nur innerhalb des Reichs, sondern innerhalb des Hofsystems der europäischen Monarchen zu bestehen. Dazu gehörte es, den neu erworbenen Rang gegenüber der höfischen Öffentlichkeit, d. h. auch gegenüber den anderen souveränen Fürsten und Regenten Europas nachhaltig und unmissverständlich zu demonstrieren. Es galt deshalb mit den anderen Königshöfen gleichzuziehen und den eigenen Hof sowohl personell als auch strukturell auszubauen.102 Bereits an der Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert kam also das Prinzip zur Anwendung, eine Rangerhöhung mit dem Hof symbolisch ausdrücken zu wollen. Mit Napoleon änderte sich 100 Jahre später lediglich die Zahl derer, die einen rechtmäßigen Grund dazu bekamen. Indes stimmten nach 1806 nicht nur die frisch Gekrönten in den Wettstreit des Hofausbaus mit ein, sondern auch all jene, die mit ihrer Einordnung durch Napoleon unzufrieden waren. Sie nutzten ihren Hof als Kommunikationsplattform, um der Fürstengemeinschaft zu demonstrieren, welcher Rang ihrem Haus ihrer Selbsteinschätzung zufolge eigentlich gebührte. Carl August gehörte zu eben diesen Fürsten: Seit seinem Beitritt in den Rheinbund fürchtete er um die Zurücksetzung seiner „bei der vormaligen Konstitution 102

Neuere Forschungen zeigen sich mittlerweile zunehmend einig, dass diese Aktivitäten keine prunksüchtige Verschwendung, sondern Notwendigkeiten waren, um den neuen königlichen Rang in der höfischen Öffentlichkeit gegenüber gleichberechtigten Souveränen zu behaupten. Vgl. dazu insbes. Stollberg-Rilinger: Höfische Öffentlichkeit, S. 145−176; Wolfgang Neugebauer: Vom höfischen Absolutismus zum fallweisen Prunk. Kontinuitäten und Quantitäten in der Geschichte des preußischen Hofes im 18. Jahrhundert, in: Klaus Malettke/Chantal Grell (Hrsg.): Hofgesellschaft und Höflinge an europäischen Fürstenhöfen in der Frühen Neuzeit (15.-18.Jh.)/ Société de cour et courtisans dans l’Europe de l’époque moderne (XVe-XVIIIe siècle). Münster 2001, S. 89−111; Matthias Müller: Warum die Könige von ihren Architekten vom Schloßbau soviel Rücksicht auf die Geschichte forderten, in: Bernhard Jussen (Hrsg.): Die Macht des Königs. Herrschaft in Europa vom Frühmittelalter bis in die Neuzeit. München 2005, S. 326−350; Andreas Pecar: Symbolische Politik. Handlungsspielräume im politischen Umgang mit zeremoniellen Normen. Brandenburg-Preußen und der Kaiserhof im Vergleich (1700−1740), in: Jürgen Luh (Hrsg.): Preußen, Deutschland und Europa 1701−2001). Groningen 2003, S. 280−295.

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2. Die ranggemäße Größe des Weimarer Hofes

des Deutschen Reichs genossene[n] Würde“,103 da Napoleon ihn lediglich in das Fürstenkollegium des Rheinbundes eingegliedert hatte, während etliche andere deutsche Fürsten, die zuvor im Gefüge des Alten Reiches im Rang deutlich unter dem Weimarer Herzog aufgestellt waren, wie z. B. Hessen oder Baden,104 nun als Großherzöge im königlichen Kollegium über ihm Platz nehmen durften. Dem nicht genug, flammten auch alte Interessenkämpfe innerhalb des ernestinischen Hauses wieder auf. Der Gothaer Herzog ließ im Zuge der Bekanntmachung des Rheinbundbeitrittes in der „Allgemeinen Zeitung“ provokativ behaupten, seinem Haus sei dabei „der wohlhergebrachte Vorrang vor den übrigen ernestinischen Häusern (...) zugesichert“ worden.105 Mit der Umstrukturierung durch Napoleon sah Gotha offensichtlich seine Chance gekommen, den bereits in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts erfolglos geführten Streit um den Primat im sächsischen Herzogshaus nicht nur erneut aufleben, sondern auch von Napoleon zu seinen Gunsten entscheiden zu lassen. Diese Konkurrenzsituation verschärfte sich rasch durch die öffentlichkeitswirksamen Bemühungen des frankophilen Gothaer Herzogs um die Rangerhöhung zum Großherzogtum.106 Carl August war sich seines Vorrangrechts jedoch sicher und offensichtlich nicht gewillt, sich Rang und Platz durch irgendjemanden streitig machen zu lassen. Mit seinen Ministern bot er deshalb in den folgenden Jahren ein erstaunlich umfangreiches Repertoire an Gegenmaßnahmen auf medialer, diplomatisch-politischer und symbolisch-zeremonieller Ebene auf, um seinen einstigen Status als einer der „ersten in Deutschland“107 zu postulieren und wieder zurückzugewinnen:108 So wurden zum Beispiel in der internationalen Presse Gegendarstellungen und bewusst inszenierte, positive Selbstdarstellungen über den kulturellen Wert Weimars platziert. In der Politik riskierte man eine Doppelstrategie und richtete ausgeklügelte diplomatische Appelle sowohl an das verwandtschaftlich verbundene Zarenhaus in Russland als auch an Napoleon selbst. Auf symbolischer Ebene versuchte man neben den üblichen wertvollen Geschenken an leitende Minister vor allem durch aufwendige zeremonielle Huldigungen die schnell wechselnde Gunst Napoleons zu erringen und zu sichern − so zum Beispiel während des großen Empfangs im Rahmen des 103 104

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Instruktion Carl Augusts für Wilhelm von Wolzogen, 21. Oktober 1807, in: PB 2, S. 587. Dagegen geht Alexander Schmidt davon aus, dass diese Fürsten bisher gleichrangig waren. Vgl. Schmidt: Prestige, Kultur und Außendarstellung, S. 173. Zur Platzierung im Reichstag und der daraus abzuleitenden Rangfolge siehe Abb. 3. Kaiserl. östreichische und Königl. bairische privilegirte Allgemeine Zeitung (1807), Nr. 13 (13. Januar 1807), S. 51. Ähnliches berichtete die Fränkische Chronik (1807), Nr. 3 (17. Januar 1807), Sp. 30. Vgl. auch PB 2, S. 436, Anm. 1. Vgl. Schmidt: Prestige, Kultur und Außendarstellung, S. 173−177. Letztlich stimmte Weimar sogar einer gemeinsamen − allerdings erfolglosen − Initiative mit Gotha um eine Rangerhöhung zu. C. A. v. S-W-E an W. v. Wolzogen, 14. Oktober 1807, in: PB 2, S. 578. Neben Rangerhöhung zielte Weimar auch auf Gebietserweiterungen (Blankenhain, Erfurt) ab.

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Erfurter Fürstenkongresses im Herbst 1808.109 Der Weimarer Herzog ließ nichts unversucht, um die Degradierung durch Napoleon aufzuheben und den verloren gegangenen Rang zurückzuerlangen. Vor diesem Hintergrund erklärt sich sodann auch der plötzlich intensiv vorangetriebene Ausbau des Weimarer Hofes. Ab 1807/08 vergrößerte Carl August kontinuierlich sein Hofpersonal (Abb. 4 und 5). Die Dezimierung des Hofes durch die Ausgliederung der Jägerei konnte zwar schon zur Hälfte mit dem zahlreichen Personal des Erbprinzenpaares kompensiert werden, der Hof verringerte sich allerdings erneut merklich durch den Tod der Herzoginmutter Anna Amalia im Jahre 1807. Carl August hätte es bei dieser ,natürlichen‘ Reduktion belassen können, entschied sich aber für eine personelle Aufstockung innerhalb kürzester Zeit und erweiterte − wie beispielsweise auch der Württemberger König − vor allem seinen adeligen Hofstaat.110 1810 hatte er den Personalverlust durch den Tod seiner Mutter bereits wieder ausgeglichen. Schon zwei Jahre später bewirkte er sprunghaft eine weitere enorme Vergrößerung, so dass der Weimarer Hof mit einem Umfang von beinahe 600 Hofangestellten abermals sichtlich aus der fürstlichen Hoflandschaft herausragte. Da Carl August damit in einen Trend einstimmte, der eigentlich in erster Linie den im Rang aufgestiegenen Fürsten gebührte, erscheint dieses Vorgehen auf den ersten Blick unangemessen. In Anbetracht des fehlenden Fundamentalstatuts erweist sich der Hofausbau jedoch als konsequente Reaktion auf die erlittene Zurücksetzung durch Napoleon. Solang die Rangordnung im Fürstenkollegium des Rheinbundes noch nicht endgültig fixiert war, gab es für Carl August noch Spielraum, seinen Platz im hierarchischen Gefüge Europas berechtigterweise zu postulieren. Er schloss sich deshalb der Strategie der (neu)königlichen Fürsten an und nutzte den personellen Ausbau seines Hofes, um unmissverständlich seinen Anspruch auf einen ebenfalls königlichen Rang zu postulieren. Im Kampf gegen die Degradierung begriff Carl August die zeremonielle Instrumentalisierung des Hofes demnach als eine weitere probate Strategie, um Napoleon – wie auch den anderen Fürsten – den eigenen hohen Stellenwert zu demonstrieren. Wie stark Carl August seine höfische Personalpolitik nach 1806 auf Napoleon ausrichtete, zeigt eine der letzten prestigeträchtigen Vergröße109

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Zu diesen drei Strategien ausführlich Schmidt: Prestige, Kultur und Außendarstellung. Zum Empfang während des Erfurter Fürstenkongresses vgl. z. B. Gerhard Müller: „... eine wunderbare Aussicht zur Vereinigung deutscher und französischer Vorstellungsarten“. Goethe und Weimar im Rheinbund, in: Hellmut Th. Seemann (Hrsg.): Europa in Weimar. Visionen eines Kontinents. Göttingen 2008, S. 256−278; Reiner Prass: Goethe scheinen unsere Schauspieler zu gefallen − Der Erfurter Fürstenkongreß als gesellschaftliches Ereignis, in: Marina Moritz (Hrsg.): Feine Leute. Mode und Luxus zur Zeit des Empire. Erfurt 2008, S. 70−79 sowie die Aufsätze in dem Band von Rudolf Benl (Hrsg.): Der Erfurter Fürstenkongreß 1808. Hintergründe, Ablauf, Wirkung. Hrsg. im Auftrag des Stadtarchivs Erfurt. Erfurt 2008. Vgl. dazu den Abschnitt über die Weimarer Kammerherren.

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2. Die ranggemäße Größe des Weimarer Hofes

rungsmaßnahmen: die feste Eingliederung des Hoftheaters in den Hof.111 Diese strukturelle Neuerung zielte auf die Propaganda des napoleonischen Kaiserreichs, die dem Theater als Ort der Kulturpflege einen hohen Stellenwert zubilligte,112 und war offensichtlich Teil der systematischen ,Selbstvermarktung‘, mit der sich das Herzogtum gegenüber Napoleon selbst intensiv als etwas Hervorragendes und Schützenswertes bewarb.113 Zuvor war das Weimarer Theaterpersonal nicht direkt in den Hof integriert, sondern lediglich vertraglich an ihn angebunden gewesen.114 Carl August hatte fast vier Jahrzehnte davor zurückgescheut, Schauspieler und Schauspielerinnen direkt am Hof zu verpflichten. Im Unterschied zu seinem Vater Ernst August II. Constantin, der in seiner kurzen Regierungszeit 1758 ein Hoftheater innerhalb seines Hofetats unterhalten hatte,115 begnügte sich Carl August in den Anfangsjahren seiner Regierung mit einem Liebhabertheater, das seine Mutter Anna Amalia initiiert hatte. Er wandte sich damit zunächst sowohl gegen die Strategie seines Vaters als auch gegen die seiner Mutter. Anna Amalia hatte sich während ihrer vormundschaftlichen Regierung zwar ebenfalls gegen ein fest integriertes Hoftheater, aber für die vertragliche Verpflichtung von Schauspieltruppen entschieden.116 Sie hatte sich auf diese Weise die Bespielung ihrer Bühne gesichert, dafür aber keinerlei Verantwortung übernommen, sondern lediglich ein Entgelt gezahlt. Der jeweilige Leiter der Schauspielgesellschaft war als selbstständiger Unternehmer tätig geblieben, der sich um alle organisatorischen Belange kümmerte, Schauspieler engagierte und entließ, Dekorationen und Kostüme sowie die Stücke aussuchte. Carl August hatten in seinen ersten Regierungsjahren jedoch auch von dieser Lösung zunächst Abstand genommen. Erst 1783 entschied er sich für das vertragliche Engagement einer Schauspieltruppe und beauftragte die

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Vgl. den Weimarer Staatskalender des Jahres 1812, S. 179−180. Vgl. dazu Rüdiger Hillmer: Die napoleonische Theaterpolitik. Geschäftstheater in Paris 1799−1815. Köln/Weimar/Wien 1999, S. 302ff. Vgl. Schmidt: Prestige, Kultur und Außendarstellung, bes. S. 190f; Ries: Kultur als Politik, bes. S. 317−337. Vgl. die Weimarer Staatskalender von 1776 bis 1811, in denen lediglich die Hofkapelle, aber an keiner Stelle das „Hoftheater“ verzeichnet wurde. Nachdem 1756 zunächst eine Schauspielgesellschaft unter der Leitung von Karl Theophil Döbbelin (1727−1793) beschäftigt worden war, entschied sich Ernst August II. Constantin nach Döbbelins Weggang das Schauspielerensemble im Rahmen eines Hoftheaters unter der Direktion von Franz Christian Eckbrecht Freiherr von Dürkheim (Türkheim) direkt am Hof zu verpflichten. Das Hoftheater fand jedoch mit dem Tod des Herzogs 1758 sein Ende. Vgl. den Weimarer Staatskalender von 1758, S. 118; sowie Birgit Himmelseher: Vom Liebhaber- zum Hoftheater. Höfische Theaterkultur in Sachsen-WeimarEisenach, in: Ausstellungskatalog Ereignis Weimar, S. 242−243. Vgl. zur Strategie von Anna Amalia den Aufsatz von Andrea Heinz: Liebhabertheater, Wandertruppe oder Hoftheater? Theater in den Residenzstädten Weimar und Gotha um 1800, in: Werner Greiling/Andreas Klinger/Christoph Köhler (Hrsg.): Ernst II. von Sachsen-Gotha-Altenburg. Köln/Weimar/Wien 2005, S. 239−250.

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von Joseph Bellomo (1754−1833) geleitete Gesellschaft mit dem Theaterspiel in Weimar und in Lauchstädt.117 Nachdem sich im Laufe der Jahre die Qualität der Aufführungen zunehmend verschlechterte, sah sich Carl August 1790/91 „nach reiflicher Überlegung“ schließlich zu einer Umstrukturierung gezwungen.118 In Ermangelung einer anderen guten Schauspieltruppe, die hätte verpflichtet werden können, fasste er den Plan, selbst die Position des Unternehmers einzunehmen und Schauspieler zu engagieren. Diese sollten allerdings nicht in den Hof integriert, sondern unter die „Firma“ eines „folgsamen, stillen Menschen“ gestellt werden, der „mit dem Hof Amte (...) zu thun“ habe, aber weiterhin ausdrücklich „den Gerichten im Civili untergeben“ bleiben sollte.119 Aus Furcht vor dem „Ungemach einer Hoftruppe“120 bevorzugte Carl August diese unverbindliche Lösung außerhalb seines Hofes. Möglicherweise stand ihm der schnelle Untergang des benachbarten Gothaer Hoftheaters warnend vor Augen. Ernst II. von Sachsen-Gotha-Altenburg hatte sich im Juli 1775 für die Integration eines Theaters in seinen Hof entschieden, musste es aber schon knapp vier Jahre später wegen mangelnden Geldes und Publikumszuspruches wieder auflösen.121 Wie dieser Fehlschlag von der höfischen Öffentlichkeit aufgenommen wurde, ist zwar noch nicht untersucht. Allerdings kann die schlagartige Reduktion des Gothaer Hofes um 37 Personen sowie das Eingeständnis, nicht genügend Geld für ein Hoftheater aufbringen zu können, nicht förderlich auf das Prestige des Gothaer Herzogs gewirkt haben.122 Carl August wollte sein Prestige qua Hof offenbar nicht aufs Spiel setzen und etablierte eine ,Theater-Firma‘, die er aus seiner eigenen Schatulle zu finanzieren plante und auf die er Einfluss nehmen konnte.123 Als Leiter 117 118

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Zu den Gebräuchen der Zeit vgl. Ute Daniel: Hoftheater. Zur Geschichte des Theaters und der Höfe im 18. und 19. Jahrhundert. Stuttgart 1995, S. 115−355. Das Zitat entstammt aus einer abgedruckten Handschrift Carl Augusts, dessen Entstehungszeit auf „die ersten Tage des Jahres 1791, wenn nicht gar noch in den Dezember 1790“ datiert wird. Vgl. Julius Wahle: Das Weimarer Hoftheater unter Goethes Leitung. Aus neuen Quellen. Weimar 1892, S. 22−24, Zitat S. 22. Wahle: Weimarer Hoftheater, S. 23. Ebd. Zu den Ursachen der Auflösung vgl. Heinz: Theater in den Residenzstädten Weimar und Gotha, S. 244−246. Vgl. den Gothaer Staatskalender von 1779, S. 51−52. Eigentlich wollte Carl August das Theater aus seiner Schatulle bezahlen und ansonsten wirtschaftlich einträglich führen lassen. Letztendlich musste aber die Hofkasse die Ausgaben des Theaters mittragen und kam u. a. dadurch manches Jahr in finanzielle Schieflage. So mussten z. B. schon 1791 bei der Errichtung des Theaters insgesamt 2004 Taler ausgelegt werden. Danach wurden fast jedes Jahr Zuschüsse bewilligt, die nicht im Etat vorgesehen waren, aber verbucht werden mussten. Das Hofmarschallamt beklagte sich darüber regelmäßig. Erst mit der Finanzneuordnung 1804/05 wurde das Theater regulär im Etat bedacht − jedoch ohne in den Hof eingegliedert zu werden. Vgl. ThHStAW A 9038, z. B. Bl. 98−99, 169−170; ThHStAW A 9039−9040, ThHStAW HMA 27.

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2. Die ranggemäße Größe des Weimarer Hofes

konnte und wollte Carl August jedoch nicht selbst auftreten. Stattdessen vertraute er diesen Posten Goethe an. In Franz Kirms fand er dazu den geeigneten Verwalter, der als Assessor des Weimarer Hofmarschallamts jene enge Verbindung zum Hofamt verkörperte, die er sich gewünscht hatte. Goethe und Kirms sollten diesem Projekt in den kommenden zwei Jahrzehnten seinen Erfolg bescheren. Da Carl August bekanntermaßen an der Spitze dieser Unternehmung stand, hat sich wohl die Bezeichnung des Hoftheaters durchgesetzt. Gleichwohl gehörte das Theater strukturell nicht zum Hof und blieb dementsprechend auch mit allen Vor- und Nachteilen behaftet, die ein zivilrechtlich verpflichtetes Ensemble mit sich brachte.124 Zum Jahreswechsel 1811/12 schien Carl August jedoch plötzlich seine ursprünglich gehegten Zweifel an einem in den Hof eingebundenen Theater überwunden zu haben. Da es innerhalb des Weimarer Theaters selbst keine Veränderungen gab,125 speiste sich die Motivation zu diesem beachtlichen Schritt wohl aus dem Bestreben, dem Hof wieder zu ansehnlicher personeller Größe und Beachtung zu verhelfen.126 Das Weimarer Hoftheater bot sich dazu in besonderem Maße an, weil es alte und neue Formen des Prestigegewinns ideal miteinander verzahnte: Zum einen versinnbildlichte es die kulturpolitischen Leistungen des Herzogtums und wies Carl August unmissverständlich als Förderer von Kultur und Künsten aus. Das nun tatsächlich höfische Theaterpersonal bediente unmittelbar den ,neuen‘ französischen Wertekanon, der nicht mehr Anciennität und Verdienste einer Dynastie, sondern (Theater-)Kultur als herrschaftslegitimierenden Faktor anerkannte. Zum anderen verband sich mit der Eingliederung des Theaterpersonals von insgesamt 45 Personen eine sofortige Vergrößerung des Hofes um 8,5 Prozent.127 Carl August sicherte sich damit also zugleich nach den alten, weiterhin gültigen zeremoniellen Grundsätzen eine enorme Prestigeerhöhung. Die feste Einbindung des Theaters in den Hof versprach einen doppelten

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Andrea Heinz interpretiert das Weimarer Theater als Hoftheater im Gothaer Sinne, übersieht dabei aber, dass das Weimarer Theaterpersonal weiterhin zivilen Gerichten unterstellt war und deshalb auch nie im Hofetat der Staatskalender verzeichnet wurde. In Gotha wurde das Hoftheaterpersonal hingegen von 1776 bis 1779 im Hofetat regulär vermerkt. Vgl. die Gothaer Staatskalender 1776 bis 1779; Heinz: Theater in den Residenzstädten Weimar und Gotha, S. 247. Nach einer Krise zwischen Goethe und Carl August 1808, die als so genannte „Mohrhardt-Affäre“ bezeichnet wird, hatte sich die Lage wieder entspannt. Vgl. Birgit Himmelseher: Das Weimarer Hoftheater unter Goethes Leitung. Kunstanspruch und Kulturpolitik im Konflikt. Berlin 2010 S. 215ff. In der Forschung wurde diese Änderung bisher kaum thematisiert. Auch Birgit Himmelseher übergeht diesen Wechsel, obwohl sie 1812 als Zäsur wahrnimmt. Dass Carl August gerade jetzt diese Eingliederung vornahm, lag eventuell an dem Besuch des französischen Gesandten Baron de Saint-Aignan, der Anfang 1812 in Weimar eintraf, um die politische Stimmung zu beobachten Vgl. ebd., S. 289. Vgl. den Weimarer Staatskalender des Jahres 1812, S. 179−180.

2.4 Der Napoleon-Effekt auf die Symbolkraft der deutschen Höfe nach 1806

119

repräsentativen Gewinn, den der Weimarer Herzog sichtlich zu nutzen gedachte. Angesichts dieser nach 1806 fortgeführten zeremoniellen Instrumentalisierung der Höfe als Symbol für den – bewilligten oder lediglich postulierten – Rang kann der aktuellen Forschung durchaus zugestimmt werden, wenn sie die These einer Verfallsgeschichte des Zeremoniells um 1800 im Allgemeinen ablehnt.128 Gleichwohl ist zu hinterfragen, inwieweit das Phänomen des Hofausbaus in der Rheinbundzeit als ein „Rückgriff auf Zeremoniell und Repräsentation“ im Sinne einer „Renaissance“ interpretiert werden kann.129 Schließlich würde dies einen zwischenzeitlichen Niedergang oder zumindest einen Bedeutungsverlust der zeremoniellen Bestimmungen voraussetzen. Horst Carl meint dies in Berufung auf bisherige Forschungsergebnisse für die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts an der Verbreitung des geselligen Hoftyps130 festmachen zu können. Sowohl der preußische Hof unter Friedrich II. (1712−1786) als auch der Wiener Hof unter Joseph II. sowie zahlreiche kleinere reichsfürstliche Residenzen, wie zum Beispiel Weimar, hätten sich von dem älteren Typus des zeremoniellen Hofes deutlich distanziert und stattdessen einen geselligen, „wenig auf Außenwirkung angelegten“ Hof vorgezogen, um in erster Linie für sich einen „Ort einer intimeren Atmosphäre um den Monarchen“ schaffen zu können.131 Jüngste Forschungen widersprechen dieser These von der Verbreitung des geselligen Hoftyps jedoch grundlegend. So zeigt Thomas Biskup auf, dass auch für einen herausragenden Herrscher wie Friedrich II. ein ranggemäß gestalteter Hof unentbehrlich war, um „im höfisch strukturierten Europa des 18. Jahrhunderts Politik machen zu können“.132 Entgegen der geläufigen Meinung scheint die Besonderheit des Berliner Hofes nach dem Siebenjährigen Krieg keinesfalls in „einer besonderen Frugalität als vielmehr gerade darin bestanden zu haben (...), dass er nicht den Sparmaßnahmen unterworfen wurde“.133 Friedrich II. baute stattdessen seine Hoflandschaft unter enormem finanziellem Aufwand wieder auf. Zwar fehlte dem Berliner Hof seit 1750 der Mittelpunkt, da Friedrich II. selbst seine Residenz nach Potsdam verlegte, dennoch verblieb sowohl ein Teil des Hofpersonals als auch ein Teil der 128

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Vgl. z. B. Horst Carl: Erinnerungsbruch als Bedingung der Moderne? Tradition und bewusste Neuorientierung bei Hof und Zeremoniell nach 1800, in: Andreas Klinger/HansWerner Hahn/Georg Schmidt (Hrsg.): Das Jahr 1806 im europäischen Kontext. Balance, Hegemonie und politische Kulturen. Köln/Weimar/Wien 2008, S. 169−184. Ebd., S. 183. Carl knüpft hier an das Deutungsmodell von Johannes Paulmann an, der für die höfische Kultur Europas eine Renaissance zu Beginn des 19. Jahrhunderts konstatierte. Vgl. Paulmann: Pomp und Politik, S. 205−214. Er bezieht sich damit auf einen der fünf verschiedenen von Volker Bauer klassifizierten Hoftypen. Vgl. Bauer: Höfische Gesellschaft, S. 70−73. Carl: Erinnerungsbruch, S. 177. Für nachfolgenden Absatz vgl. Biskup: Höfisches Retablissement. Ebd., S. 35.

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2. Die ranggemäße Größe des Weimarer Hofes

Regierungsbehörden im Berliner Schloss und folgte einem durch das Zeremoniell strukturierten höfischen Alltag. Gleichermaßen wurde der Verkehr mit auswärtigen Fürstlichkeiten gehandhabt, für die bei Bedarf offensichtlich ein erheblicher Prachtaufwand betrieben werden konnte. Darüber hinaus lassen eine intensivierte Personalpolitik, eine Vielzahl von Investitionen in Bauprojekte, aber auch die künstlerische Neuordnung des Hofes und die zeremonielle Ausstattung der königlichen Schlösser den Schluss zu, dass der Rang der preußischen Monarchie immer wieder der höfischen Öffentlichkeit durch den Hof symbolisiert und bestätigt wurde und werden musste. Das Paradebeispiel für den geselligen Hoftyp, der auf eine gezielte zeremonielle Außenwirkung und damit auf Rang- und Prestigestreben verzichtete, wurde somit durch Biskup dekonstruiert. Im Zusammenspiel mit den Erkenntnissen über den Weimarer Hof mögen demzufolge Zweifel an der These der Renaissance und Wiederentdeckung der Instrumentalisierung des Hofes durchaus berechtigt sein. Auch in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts scheinen zumindest die weltlichen Fürsten des Reiches die zeremonielle Symbolkraft ihrer Höfe keinesfalls unterschätzt oder gar bereitwillig zugunsten eines eigenen „Privatraumes“134 aufgegeben zu haben. Etliche Fürsten versuchten vielmehr, dieses Instrument ungeachtet der politisch turbulenten 1790er Jahre weiterhin gezielt für ihre nach außen gerichtete Selbstdarstellung einzusetzen.135 Besonders deutlich lässt sich dies auch an der quantitativen Entwicklung des Mecklenburg-Schweriner Hofes ablesen. Friedrich Franz I. (1756−1837) war seit seinem Regierungsantritt 1785 ständig bestrebt, seinen Hof sowohl um hohes als auch um niederes Personal schrittweise zu erweitern. Dieser Ausbau entsprach seinem beharrlich verfolgten Bestreben, die Kurwürde für sein Haus zu erringen.136 Schon als Erbprinz versuchte Friedrich Franz I. deshalb stets, einflussreiche Partner zu gewinnen, die ihm helfen konnten, dieses Ziel zu erreichen.137 Vor diesem Hintergrund erklärt sich auch die 1799 geschlossene Heiratsverbindung zwischen seinem Erbprinzen Fried134 135

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Vgl. Bauer: Höfische Gesellschaft, S. 72. Die Wirrungen der Französischen Revolution vermochten daran nichts ändern. Manche sahen dies stattdessen sogar als Chance, Titel- und Rangerhöhungen im Reich durchzusetzen. August Christian Friedrich von Anhalt-Köthen (1769−1812) versuchte noch zu Beginn des Jahres 1805, in Wien seine Standeserhöhung vom Fürsten zum Herzog zu erlangen, die letztlich im April 1806 tatsächlich noch für Anhalt-Bernburg vollzogen wurde. Auch der Graf von der Lippe ist ein Beispiel für dergleichen Bestrebungen. Vgl. Johannes Arndt: Monarch oder der „bloße“ Edelmann? Der deutsche Kleinpotentat im 18. Jahrhundert, in: Ronald Asch/Johannes Arndt/Matthias Schnettger (Hrsg.): Die Frühneuzeitliche Monarchie und ihr Erbe. Festschrift für Heinz Duchhardt. Münster u. a. 2003, S. 59−90. Vgl. Carl Schröder: Mecklenburg und die Kurwürde, in: Jahrbücher des Vereins für meklenburgische Geschichte und Alterthumskunde, Jg. 80 (1915), S. 1−87, bes. S. 7f. Weiterführende aktuelle Studien zu diesen Ambitionen fehlen bislang. Vgl. ebd.

2.4 Der Napoleon-Effekt auf die Symbolkraft der deutschen Höfe nach 1806

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rich Ludwig (1778−1819) und der zweiten Tochter des Zaren von Russland, Elena Pawlowna (1784−1803). Friedrich Franz I. erhoffte sich vom Zarenhaus Unterstützung beim Aufstieg.138 Die Konzeption des Schweriner Hofes spiegelte dies unmittelbar wider. Zwischen 1799 und 1803 erreichte er einen deutlichen Höhepunkt und wuchs zeitweilig auf insgesamt 603 Personen an. Er überflügelte damit kurzzeitig etliche höherrangige Fürsten, unter anderem auch den Weimarer Herzog Carl August (Abb. 5). Friedrich Franz I. brachte damit unmissverständlich sein gesteigertes Selbstbewusstsein zum Ausdruck, das er zu einem entscheidenden Maße aus der Verbindung zum russischen Zarenhaus bezog. Nachdem sich 1803/04 die greifbare Hoffnung auf die Kurwürde zerschlagen139 hatte und die russische Großfürstin kurz nach der Geburt ihres zweiten Kindes 1803 verstarb, wurde der Hofstaat wieder merklich reduziert. Als Carl Augusts Tochter, Caroline Louise von SachsenWeimar-Eisenach, schließlich sieben Jahre später als zweite Ehefrau des Mecklenburger Erbprinzen 1810 die Nachfolge der russischen Großfürstin antrat, war der Hof bereits wieder auf insgesamt 493 Personen geschrumpft. Im Gegensatz zum Weimarer Hof, der zu dieser Zeit beständig wuchs, sollte sich dieser abfallende Trend des Schweriner Hofes sogar weiter fortsetzen und 1814 einen Tiefpunkt von etwa 460 Personen erreichen. Das Vorgehen des Herzogs von Mecklenburg-Schwerin liefert also ein weiteres Beispiel, dass die deutschen Höfe in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zur symbolisch-politischen Kommunikation genutzt wurden und nicht an Bedeutung verloren hatten. Der vermeintlich plötzliche Ausbau der Höfe nach 1806 kann folglich nicht als eine strategische Finesse interpretiert werden, die erst mit den neu gewonnenen Souveränitäten der Rheinbundzeit reaktiviert wurde.140 Napoleon war wohl der Einzige, der mit seinem Hof in den Tuilerien einen Bruch in der französischen Tradition überwinden musste, um an die zeremoniellen Kommunikationsmöglichkeiten der europäischen Herrscher – wenn auch in sozial veränderter Form141 – anknüpfen zu können. Der Hof der deutschen Reichsfürsten galt dagegen ungebrochen als Ausdruck des politischen Selbstbewusstseins und gewann mit Napoleon nicht erneut, sondern aufgrund der 138

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Dass auch am Zarenhof tatsächlich darüber nachgedacht wurde, zeigen die Korrespondenzen zwischen Carl August und Wilhelm von Wolzogen (1762−1809). 1801 meldete letzterer aus St. Petersburg: „der Schritt Mecklenburgs zur Churwürde ist für nicht angesehen“. Vgl. W. v. Wolzogen an C. A. v. S-W-E, Peterhof, 20. August 1801, in: ThHStAW A 177, Bl. 87−91, Zitat Bl. 90r. Vgl. Schröder: Mecklenburg und die Kurwürde, S. 59f. Carl: Erinnerungsbruch, S. 183. Im Gegensatz zu anderen europäischen Monarchen fanden sich bei Napoleon zum Beispiel auch nichtadelige Herren in hohen Ämtern des Hofes, allerdings nahm deren Anteil über die Jahre rapide ab. Waren 1804 in den höchsten Hofämtern noch 35 % nichtadlige Hofangestellte, reduzierte sich deren Zahl bis 1814 beinah um die Hälfte auf 18,5 %. Vgl. Philip Mansel: The Eagle in Splendor. Napoleon I. and his Court. London 1987, bes. S. 89.

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2. Die ranggemäße Größe des Weimarer Hofes

zahlreichen Rangerhöhungen und fehlender anderweitiger Ausdrucksmöglichkeiten umso stärker an Bedeutung.

2.5 Fazit: Ein großer Hof für einen hohen Rang Zusammenfassend lässt sich aus der Untersuchung der Größe des Weimarer Hofes in den beiden Jahrzehnten vor und nach 1800 schließlich dreierlei festhalten: Erstens gehörte der Hof unter der Führung Carl Augusts keineswegs zu den kleinen Fürstenhöfen des Alten Reiches. Dieses (Forschungs-)Urteil bzw. diese These ist grundsätzlich zu revidieren. Im Vergleich zu dem Hofpersonal anderer deutscher Fürsten erweist sich der Weimarer Hof als ein besonders zahlreicher Personenverband, der mit seinem Umfang deutlich aus der fürstlichen Hoflandschaft herausragte. Wenngleich er sich mit den wesentlich größeren Höfen der Kurfürsten nicht messen konnte, gehörte er aus fürstlicher Perspektive jedoch unübersehbar zu den größten. Zweitens war die Gestaltung des Weimarer Hofes der zeremoniellen Forderung, einen Hof grundsätzlich nach dem Stand und Rang des Regenten einzurichten, zweifellos angemessen. Der Weimarer Herzog besetzte zum Ende des 18. Jahrhunderts den zweiten Platz auf der weltlichen Fürstenbank im Reichstag, womit ihm ein hoher Rang im Reich, ab 1799 sogar der erste unter den weltlichen Fürsten gebührte. Wenn also Goethe in den ersten Zeilen seines Venezianischen Epigramms den Weimarer Herzog als ,klein‘ unter den Fürsten Germaniens charakterisierte, dann machte er sehr wahrscheinlich mit voller Absicht von einer − für die Zeitgenossen leicht zu enthüllenden − Hyperbel Gebrauch, um die Leistungen Carl Augusts mit Hilfe des Antagonismus des kleinen Fürsten versus Könige und Kaiser umso grandioser skizzieren zu können. Weder der Weimarer Hof noch der Rang des Weimarer Herzogs ließen sich jedoch realiter mit dem Attribut ,klein‘ verbinden. Drittens kann schließlich aufgrund der auffälligen Korrelation von Reichsrang und Hofgröße davon ausgegangen werden, dass Carl August seinen hohen Rang durch die Größe seines Hofes bewusst zeremoniellkonform demonstrierte und diese Repräsentationsstrategie auch nach dem Ende des Alten Reiches nicht aufsagte. Er reagierte allerdings auf den folgenreichen Wechsel vom alten, auf Verdiensten und Traditionen beruhenden Rangsystem des Alten Reiches hin zu dem neuen, auf napoleonischer Willkür basierenden Rangsystem innerhalb des Rheinbundes mit einem Strategiewechsel von normkonform zu postulierend: Trotz der Degradierung durch Napoleon stimmte er in den Trend der neuen königlichen Würdenträger ein und erhöhte sein Hofpersonal innerhalb kürzester Zeit merklich. Der Weimarer Hof reichte dadurch zwar an die königlichen Höfe letztlich nicht heran, jedoch stellte er mit seiner Größe den politischen Anspruch Carl Augusts auf Rangerhöhung qua zeremoniellem Zeichensystem deutlich und

2.5 Fazit: Ein großer Hof für einen hohen Rang

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nachhaltig zur Schau. Die Größe des Weimarer Hofes fungierte somit vor 1806 als ranggemäßes und nach 1806 als rangpostulierendes Symbol. Aus quantitativer Perspektive erfuhr der Hof um 1800 also in keiner Weise eine zeremonielle Defunktionalisierung zu einem Rückzugsraum für den Herzog, sondern wurde stets als permanentes und situationsunabhängiges Symbol der fürstlichen Selbstverortung im politischen Gefüge und somit für eine prestigeträchtige Außenwirkung instrumentalisiert.

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2. Die ranggemäße Größe des Weimarer Hofes

Abbildung 4: Der Weimarer Hof in Zahlen − Statistische Erhebung des Hofes in den Jahren 1789 bis 1810 auf der Grundlage der Weimarer Staatskalender. Das Jahr 1809 wurde wegen des fehlenden Staatskalenders ausgelassen.

2.5 Fazit: Ein großer Hof für einen hohen Rang

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Abbildung 5: Vergleich weltlicher Fürstenhöfe zwischen 1790 und 1815. Alle Angaben basieren auf den Staatskalendern der entsprechenden Fürstentümer. Gestrichelte Linien markieren fehlende Daten. In den Jahren, in denen eine Linie komplett aussetzt, sind keine Staatskalender erschienen. Wenn ein Staatskalender nur in einem Jahr aussetzte, überdeckten die gestrichelten Linien das Fehlen der Staatskalender, so beispielsweise bei Weimar im Jahr 1809.

3. Ein Hof ohne (Hof-)Ordnung? Mit Blick auf die Hofordnung weiß die Zeremonialwissenschaft zwei Arten an Höfen zu unterscheiden: zum einen Höfe, die eine schriftlich fixierte Hofordnung besaßen und diese mehr oder weniger befolgten, und zum anderen Höfe, die ohne ein schriftliches Regelkompendium geführt wurden. Letztere galten als nicht wohl eingerichtet, da sich ein Hof grundsätzlich durch eine Hofordnung auszeichnen sollte.1 Bleibt zu fragen, für welche Art der Hofregulierung sich Carl August nach seiner Regentschaftsübernahme 1775 entschied und wie er diese Entscheidung im Laufe seiner Regierungszeit umsetzte. Die Forschung ging bisher davon aus, dass in Weimar bis weit ins 19. Jahrhundert die „seit dem 17. Jahrhundert nicht mehr veränderte Hofordnung beibehalten“ wurde.2 Auch unter Carl August sei der Hof nicht neu geordnet worden. Nach der Definition der Zeremonialwissenschaften wäre Weimar dadurch kein wohl eingerichteter Hof gewesen. Wie also wurde der Hof reguliert? Gehörte Weimar um 1800 zu den eher improvisiert gestalteten Höfen, oder sollte und konnte sich der Hof an einer schriftlich fixierten Hofordnung orientieren?

3.1 Die Zerstückelung der traditionellen Gesamtordnungen Das letzte als Hofordnung für den Weimarer Hof betitelte Schriftstück stammt in der Tat aus dem 17. Jahrhundert. Wilhelm IV. von Sachsen-Weimar verabschiedete 1628 als scheinbar letzter Regent eine Ordnung, die den kompletten Hof regelte.3 Auf sechzehn Blatt ließ er in zwölf Punkten den Hofdienst, die Küche, den Keller, den Stall, die Schlosswache und das Hofmarschallamt ordnen. Neben den Regeln für die Aufwartung und Anstellung neuen Hofgesindes finden sich unter anderem Anordnungen, regelmäßig die Predigten zu besuchen, und Bestimmungen, wie man sich in besonderen Situationen, z. B. bei Feuergefahren, zu verhalten habe. Dieses Schriftstück ist nicht das einzige erhaltene Regelwerk. Hätte Carl August eine ältere Ordnung beibehalten wollen, hätte er sich ebenso für eine der wesentlich später konzipierten und damit aktuelleren Ordnungen entscheiden können, die aus den im 18. Jahrhundert angefallenen Landesteilen 1 2 3

Vgl. Moser: Teutsches Hofrecht, Bd. 1, S. 70; sowie die Ausführungen im Abschnitt über die Hofordnungen im Kapitel I. Ventzke: Herzogtum, S. 45, insbes. Anm. 103. Ventzke macht allerdings deutlich, dass der Forschungsstand unzureichend sei. Vgl. ThHStAW A 9176d, Bl. 1–32.

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3. Ein Hof ohne (Hof-)Ordnung?

stammten. Neben der erwähnten Weimarer Ordnung von Wilhelm IV. konnte er nämlich ebenso auf die um 1680 verfügte Hofordnung von Johann Georg von Sachsen-Eisenach (1634–1686) und auf die etwa zehn Jahre vorher entstandene Ordnung von Bernhard von Sachsen-Jena (1638–1678) zugreifen.4 Zudem verfügte das Hofmarschallamt in Weimar seit der Vormundschaftsregierung für Ernst August II. Constantin über zahlreiche Kopien der umfassenden Hofordnung Sachsen-Gothas, die Ernst der Fromme um 1650 erlassen hatte.5 Es standen also durchaus mehrere Hofordnungen zur Auswahl. Carl August übernahm dennoch keines dieser Regelwerke. Als er die Regentschaft nach seiner Mutter Anna Amalia antrat, entschied er sich für eine Neuregulierung seines Hofes. Im Zuge der Etatplanungen wies er sein Hofmarschallamt im Dezember 1776 an, eine „vollständige Hofordnung“ zu entwerfen, die sowohl für das Hofmarschallamt selbst als auch für die einzelnen Subalternen und Bediensteten des Hofes festlegen sollte, „was ein jeder zu beobachten und zu vermeiden habe, und wie alles in Ordnung einzurichten sey“.6 Somit galt es, die „Beförderung [des] Dienstes, [die] Erhaltung guter Ordnung und Disciplin, [aber auch die] Vermeidung aller Liederlichkeit, Porthiererey und Unterschleif “ sicherzustellen.7 Der Entwurf dieser Ordnung sollte zunächst beim Geheimen Konsilium und sodann zur „gnädigsten Genehmigung und Abänderung“ beim Herzog selbst eingereicht werden.8 Carl August sprach sich damit zu Beginn seiner Regentschaft – zumindest auf dem Papier – klar gegen eine mündlich tradierte und für eine schriftlich fixierte Führung und Ordnung seines Hofwesens aus. Der junge Herzog folgte mit dieser Entscheidung dem Weg seines früh verstorbenen Vaters. Bereits 20 Jahre zuvor hatte Ernst August II. Constantin zu seinem Regierungsantritt im Juli 1756 sein Hofmarschallamt in beinah identischem Wortlaut mit dem „Projecte einer vollständigen Hofordnung“ beauftragt.9 Auch er hatte erklärt, der Inhalt einer solchen Instruktion solle zunächst „unter der Hand (. . . ) im vorraus“ zusammengetragen, danach dem

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6 7 8 9

Vgl. ThHStAW 9177a und ThHStAW 9177b. Vgl. z. B. ThHStAW A 9191, Bl. 12–34. Nach dem Tod von Carl Augusts Großvater, Herzog Ernst August I., schlug der Hofmarschall Johann Christian Wilhelm von Schardt (1711– 1790) vor, die alte Hofordnung des Gothaer Hofes in Weimar einzuführen. Der damals mit der Vormundschaft betraute Gothaer Herzog Friedrich III. (1699–1772) lehnte diesen Vorschlag zwar nicht ab, wandte jedoch ein, dass diese Hofordnung „nach Beschaffenheit der jetzigen Umstände, Sitten und Gebräuche in vielen Stücken einer andern verbeßerte[n] und adäquatere[n] Einrichtung auch fleißige Revision“ bedürfe und dies „iemanden, der dem Wercke gewachsen“ sei, übertragen werden müsse. Entsprechende Bemühungen um eine Gesamthofordnung verliefen sich daraufhin. Vgl. ebd., Bl. 10v. ThHStAW A 9035, Bl. 50. Ebd. Ebd. ThHStAW HMA 26, Bl. 7r.

3.1 Die Zerstückelung der traditionellen Gesamtordnungen

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Premierminister gegeben und schließlich ihm, dem Herzog, vorgetragen werden, so dass die „nöthige Expeditiones gefertiget“ werden können.10 Vor diesem Hintergrund mag es verwundern, dass sich trotz der expliziten Forderungen kein entsprechend tituliertes aktuelleres Schriftstück in den Archiven findet. Es scheinen Zweifel berechtigt, inwieweit Carl August die normative Ordnung seines Hofes tatsächlich umgesetzt wissen wollte. Möglicherweise bemühte der Herzog lediglich eine standardisierte Phrase, die in jeder Regierungserklärung erwartet wurde und die in ihrer Aussagekraft nicht überbewertet werden darf. Darauf deuten zumindest gleichlautende Formulierungen in der Antrittserklärung seines Vaters hin. Mit den Erkenntnissen der Zeremonialwissenschaft lassen sich diese Zweifel und auch die Thesen der bisherigen Forschung jedoch entkräften: Es ist richtig, dass es keine aktuellere Hofordnung in der Form gab, wie sie im 17. Jahrhundert an den meisten Höfen des Alten Reiches üblich war.11 Dennoch ist es nicht richtig, dass Carl August am Weimarer Hof keine neuere Hofordnung etablierte. Gemäß der Zeremonialwissenschaft hatte sich der Begriff Hofordnung zu einem Oberbegriff für ein Konglomerat verschiedener spezieller Reglements entwickelt: „So vile besondere Ämter und HauptBedienungen an einem Hofe seyn, so vile besondere Ordnungen seynd auch ordentlicher Weise anzutreffen.“ Je größer ein Hof war und je mehr Departments ein Hof besaß, desto mehr Einzelordnungen waren notwendig; „daher findet man Hof-, Küchen-, Keller-, Stall-, Cammer-, Pagen- u.d.g. Ordnungen.“12 Eine Hofordnung umfasste im 18. Jahrhundert also nur noch äußerst selten ein einziges Schriftstück. Die überlieferten Weimarer Akten, besonders die des Hofmarschallamtes, erscheinen damit in einem neuen Licht: Für die Regierungszeit von Carl August finden sich zahlreiche, über die Jahre hinweg immer wieder aktualisierte Ordnungen, mit denen jeweils einzelne Bereiche des Hofes reglementiert wurden.13 Während sich beispielsweise sämtliche Hof-, Jagd- und Livreebediensteten nach einem eigenen Reglement für den Hofdienst zu richten hatten, wurde der Stall mit einer Extraordnung für die Stallmeister, Bereiter, Rossärzte und Stallbediensteten bedacht, und das Personal der Küche und der Kellerei konnte und sollte sich ebenfalls an speziell für ihre Bereiche angefertigten Ordnungen orientieren. Carl August beließ es also nicht allein bei 10 11

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Ebd., Bl. 7r−v. Vgl. z. B. Arthur Kern (Hrsg.): Deutsche Hofordnung des 16. und 17. Jahrhunderts. Bd. 2: Braunschweig, Anhalt, Sachsen, Hessen, Hanau, Baden, Württemberg, Pfalz, Bayern, Brandenburg-Ansbach. Berlin 1907. Moser: Teutsches Hofrecht, Bd. 1, S. 72. Die Punktuation wurde in diesem Zitat zur besseren Lesbarkeit den heutigen Standards angepasst. Ebenso Rohr: Grosse Herren, S. 231f. (1. Teil, Kapitel XIV.) Diese Reglements sind der neueren Forschung bekannt, wurden aber bisher nicht im Sinne der zeremonialwissenschaftlichen Definition als normative Hofordnungen gelesen. Vgl. z. B. Ventzke: Herzogtum, S. 38–47.

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3. Ein Hof ohne (Hof-)Ordnung?

seiner Forderung zum Regierungsantritt, sondern veranlasste deren Umsetzung. Seine Hofangestellten sollten sich – wie es die Zeremonialwissenschaft für einen ordentlichen Hof forderte – nach schriftlich fixierten (Einzel-)Ordnungen richten. Es stellt sich nun die Frage, mit welchem Nachdruck der Herzog das schriftlich geäußerte Bekenntnis zu einem normativ geregelten Hofstaat nach seinem Regierungsantritt umsetzen ließ.

3.2 Carl Augusts (Des-)Interesse am Hof Anhand der überlieferten Akten lässt sich nicht eindeutig bestimmen, zu welchem Zeitpunkt die ersten Ordnungen unter Carl Augusts Herrschaft erlassen wurden. Einzig für den größten Bereich des Hofdienstes ist sicher, dass er bereits kurze Zeit nach der Regierungserklärung neu normiert wurde: Ende des Jahres 1777 erhielten alle Hof- und Livreebediensteten eine aktualisierte Ordnung. Für die fürstliche Küche findet sich dagegen erst 1798 eine neue Reglementierung. Inwiefern bereits eine vorherige Küchenordnung existierte, ist aus der Überlieferung nicht eindeutig ersichtlich. Für den fürstlichen Stall wurde dagegen zweifellos erst etliche Jahre später ein Reglement verabschiedet: Im April 1795 erreichten den Herzog mehrere Entwürfe einer Stallordnung „zur höchsten Einsicht und Approbation“.14 In dem beigelegten Anschreiben baten der Stallmeister Friedrich von Seebach (1768−1847)15 und der Stallkassenkassierer Franz Kirms darum, dem Marstall „einige Gesetze“ geben zu dürfen. Auch der Stall brauche ein Reglement, „da kein Geschäft ohne eine gewisse Ordnung verrichtet werden kann [und] ohne eine bestimmte Vorschrift und Richtschnur niemand Tadel verdient und niemand Richter seyn kann“. Wäre eine ältere Stallordnung noch in Kraft gewesen, hätten Seebach und Kirms sicherlich nicht derart detailliert die Notwendigkeit einer Stallordnung an sich begründet, sondern erklärt, weshalb es eine neue Ordnung geben müsse. Stattdessen baten sie aber prinzipiell um eine Vorschrift. Es gab demnach für den Stall noch keine Instruktion. Mit dieser Quellenlage lässt sich scheinbar mühelos an die von Ventzke vertretene These anschließen, der „offizielle Hofbetrieb [sei] in den ersten Herrschaftsjahren Carl Augusts insgesamt nur mäßig organisiert und überwacht“ gewesen, „mithin offenbar ohne Interesse des Fürsten betrieben worden, was eine Demoralisierung des Personals nach sich zog.“16 Sowohl die Korrespondenzen von Carl Siegmund Freiherr von Seckendorff als auch die hofinternen Akten zur Weimarer Livreedienerschaft würden „tiefgreifende Veränderun-

14 15 16

Für alle folgenden Zitate dieses Absatzes siehe ThHStAW Hofstallamt 377, Bl. 1. Siehe Ahnentafel im Anhang. Ventzke: Herzogtum, S. 43.

3.2 Carl Augusts (Des-)Interesse am Hof

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gen des gesellschaftlichen Lebens“17 belegen und nicht nur das Desinteresse des Herzogs an einem normierten Hofleben, sondern auch den moralischen Verfall des Hofes nach dem Herrschaftswechsel spiegeln. Der junge Herzog hätte demnach seine eigene Forderung zur normativen Regelung seines Hofes nur halbherzig in Angriff genommen und erst nach seiner ,Sturm-und-DrangPhase‘ ernsthaft verfolgen lassen. Diese Lesart ließe sich mit den Datierungen der überlieferten Reglements stützen. Immerhin wurden Küche oder Stall offensichtlich erst in den späten 1790er Jahren neu reglementiert. Bei näherer Betrachtung erweist sich diese Interpretation jedoch als problematisch. Es sei hier unbestritten, dass Carl Augusts Personalpolitik im Zuge des Regierungswechsels zu einem offenen „Kampf zwischen alten und neuen Weimarer Eliten“ führte. Die Briefe des neu nach Weimar zum Kammerherrn berufenen Freiherrn von Seckendorff spiegeln dies zweifellos wider. Mit Blick auf die Hofführung ist diese Quelle jedoch äußerst kritisch zu lesen. Von Seckendorffs „hochfliegende Ambitionen waren im Ringen um die personelle Neugestaltung unerfüllt geblieben.“18 Statt seiner Person wählte der Herzog den bürgerlichen Goethe zum engsten Vertrauten und Favoriten. Der desillusionierte und in seinem Stand gekränkte Freiherr skizzierte daraufhin in seinen Briefen wenig überraschend den Weimarer Hof als einen Ort „grober Umgangsformen und Sitten“.19 Zwar soll hier nicht dem anfänglichen Unbehagen des Herzogs bei repräsentativen Verpflichtungen, wohl aber der vermeintlichen Weimarer Besonderheit widersprochen werden, das Hofpersonal sei durch das angebliche Desinteresse Carl Augusts demoralisiert worden. Es ist fragwürdig, inwieweit aufgrund der subjektiven Schilderungen eines enttäuschten Kammerherrn tatsächlich von einer mäßigen Organisation des Weimarer Hofes und dessen moralischem Verfall ausgegangen werden kann. Ähnlich kritisch gilt es die Aussagekraft der Ordnung(en) für die Hof-, Jagd- und Livreebediensteten zu erwägen. Die Hofdienerschaft wurde darin mit detaillierten Verhaltensregeln ermahnt, zum Beispiel bei der Aufwartung hinter den Stühlen gerade zu stehen und sich nicht daraufzulehnen. Während des Essens sollten die Teller ordentlich auf- und abgetragen und danach allein in der Küche und an keinem „ungewöhnlichen Ort“20 abgestellt werden. Es wurde zudem ausdrücklich verboten, Essen – insbesondere Konfekt – zu naschen und nach dem Gang in die Küche unnötig lang der Aufwartung fernzubleiben.21 Während Ventzke die Auseinandersetzungen zwischen alter und neuer

17 18 19 20 21

Ebd., S. 40. Ebd., S. 39. Ebd., S. 42. ThHStAW HMA 635, Bl. 5. Vgl. ebd., Bl. 1v−2r, 4v−6r.

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3. Ein Hof ohne (Hof-)Ordnung?

Elite relativiert und als ein „keineswegs untypisches Hofphänomen“22 einordnet, bleiben die normativen Ermahnungen für die Livreebediensteten erstaunlicherweise unhinterfragt.23 Dabei macht der Vergleich mit anderen zeitgenössischen, aber auch mit älteren Hofordnungen schnell deutlich, dass beispielsweise „Porthiererey und Unterschleif “24 sowie das nachlässige Aufwarten an der fürstlichen Tafel kein temporäres, sondern ein altgediegenes und weit verbreitetes höfisches Problem war, dem bereits in den vorhergehenden Jahrhunderten vielfach mit fast identisch formulierten Normativen begegnet wurde.25 Nicht ohne Grund mahnte deshalb auch die Zeremonialwissenschaft vor den Problemen der „Abschleppe“ in Küche, Keller und bei Tafel und empfahl entsprechende Verbote.26 In Weimar gehörte dies ebenfalls zum festen Bestandteil der Hoftradition. Mit zeremonialwissenschaftlichem Blick finden sich in den Archiven zahlreiche (Einzel-)Hofordnungen von früheren Herrschern, die sich trotz der großen Verluste durch den Schlossbrand im Jahre 1774 erhalten haben. Erfreulicherweise sind darunter vor allem die Ordnungen, nach denen „sämtl. Livree-Bediente sich gehorsam zu achten und darüber bey fürstl. Marschallamte die Pflicht abzulegen“27 hatten – also jene Reglements, die als Vorläufer für die unter Carl August erlassene Ordnung für den Hofdienst gelten können. So wurde schon 1695 in der Tafelordnung Johann Ernsts III. von Sachsen-Weimar (1664–1707) „bey ernster Straffe verboten“, Speisen zu verschleppen oder unerlaubt weiterzureichen.28 Und auch die Ordnung, die im Januar 1749 für den Hof des noch nicht volljährigen, aber bereits verwaisten Ernst August II. Constantin von Sachsen-Weimar-Eisenach entworfen wurde, zeigt eindeutig Parallelen zu der späteren Ordnung Carl Augusts: Die Livreebediensteten wurden ermahnt, sauber gekleidet zu erscheinen, keine Speisen oder Getränke zu stehlen und das Essen ordentlich aufzutragen, so dass „die Schüßeln reinlich bleiben und nicht halb verschüttet“ auf die Tafel gesetzt werden.29 Zudem 22 23

24 25 26 27 28

29

Ventzke: Herzogtum, S. 43. Das Reglement wird als Instruktion für die Fouriere statt als Ordnung für die Hofdienerschaft ausgelegt. Vgl. Ventzke: Herzogtum, S. 42. Die Ordnung ist zwar an die Reise- und Kammerfouriere adressiert, jedoch vom Hofmarschallamt „in Ansehung derer fürstl. Hof und Livree Bedienten und deren Dienstleitung“ erstellt worden. Dass dies nicht als Anweisung für die Fouriere, sondern für die Hofbediensteten intendiert war, streicht zudem der vierte Paragraph der tatsächlich für die Fouriere erlassenen Instruktionen 1783/84 deutlich heraus. Vgl. ThHStAW HMA 635, Bl. 1, 4v. ThHStAW A 9035, Bl. 43r. Vgl. Kern: Hofordnung; Plodeck: Hofstruktur, S. 127–128. Vgl. z. B. Moser: Teutsches Hofrecht, Bd. 1, S. 133 § 15, S. 141 § 23, S. 203 § 6 (Zitat), S. 537 § 34, S. 130 § 12. ThHStAW A 9191, Bl. 2r. ThHStAW HMA 406, Bl. 3, siehe aber auch Bl. 5 und 6. Die Ordnung wurde von Johann Christian Wilhelm von Schardt – Hofmarschall von Carl Augusts Vater – und mit dem als Vormund eingesetzten Herzog von Sachsen-Gotha-Altenburg erarbeitet. ThHStAW A 9191, Bl. 4v.

3.2 Carl Augusts (Des-)Interesse am Hof

133

sollten sich die Diener nicht erlauben, „von der Tafel Aufwartung wegzugehen, oder ins Vorgemach zu laufen, [und] daselbst sich auf die Stühle nieder zu setzen“, sondern stattdessen „beständig bey der Tafel Aufwartung (. . . ) bleiben“.30 Es verwundert daher nicht, dass auch Carl August mangelhaftes Benehmen und Diebereien im Hofdienst thematisieren, ausdrücklich tabuisieren und unter Strafe stellen ließ. Die Forschung geht davon aus, dass das postulierte Beseitigen von Unordnung, Missständen oder Misswirtschaft ein grundlegendes inhaltliches Merkmal einer Hofordnung gewesen ist.31 Entsprechende Appelle hätten deshalb seit dem Mittelalter zu deren Selbstverständnis und Selbstbeschreibung gehört. Dennoch war es kein realitätsfern gepflegter Topos. In Anbetracht der verschiedenen Lebenswelten, die im Hofdienst, besonders aber beim Tafeldienst aufeinandertrafen, erscheinen Mundraub und eine gewisse Nachlässigkeit nur allzu menschlich und zeitlos. Die Livreebediensteten tischten täglich Speisen und Getränken auf, die für sie größtenteils unerschwinglich waren. Die Versuchung, davon zu kosten, ist nicht zu unterschätzen. Und auch der Umstand, dass gewöhnlich zuerst die fürstliche Familie speiste und erst danach deren Dienerschaft, mag sein Übriges dazu beigetragen haben. Oftmals war das Naschen wohl nicht nur der Versuchung, sondern schlicht dem Hungergefühl geschuldet. Ebenso lassen die Bedingungen, unter denen die Dienerschaft die Aufwartung zu versehen hatte, erahnen, weshalb die Höfe stetig mit unschicklichem Benehmen ihrer Angestellten zu rechnen und zu kämpfen hatten: Das lange, unbewegliche Stehen hinter den Stühlen, das sich bei festlichen Anlässen zum Teil ohne Pause über Stunden hinziehen konnte, die individuellen Tücken des Servierens, wie beispielsweise das Herausheben großer und damit besonders schwerer Schüssel oder das linksseitige Servieren stellte für viele Bedienstete eine Herausforderung dar. All dies konnte nicht immer mit Leichtigkeit gemeistert werden und bereitete vor allem den servierenden Pagen, die üblicherweise noch in einem kindlichen bzw. jugendlichen Alter waren, oft Schwierigkeiten.32 Die Abläufe und Regeln des Hofalltags boten viele Anlässe für Fehltritte und Vergehen. Die Verbote der Hofordnungen waren deshalb keine überkommenen Standardphrasen, 30 31

32

Ebd., Bl. 4v−5r. Vgl. Miloš Vec: Hofordnungen. Versuch einer rechtshistorischen Funktionsanalyse. Zu einem Beispiel spätmittelalterlicher Normsetzung, in: Holger Kruse/Werner Paravicini (Hrsg.): Höfe und Hofordnungen 1200–1600. 5. Symposium der Residenzen-Kommission der Akademie der Wissenschaften in Göttingen. Sigmaringen 1999, S. 43–73, hierzu insb. S. 47. Für Weimar vgl. Carl Wilhelm Freiherr von Lyncker: Ich diente am Weimarer Hof. Aufzeichnungen aus der Goethezeit. Hrsg. von Jürgen Lauchner. Köln/Weimar/Wien 1997, insb. S. 59f. Dergleichen findet sich aber auch für andere Höfe. Für den BrandenburgPreußischen Hof als vergleichbares Beispiel vgl. Louis von Scharfenort: Die Pagen am Brandenburg-Preußischen Hofe 1415–1895. Beiträge zur Kulturgeschichte des Hofes auf Grund archivalischer Quellen. Berlin 1895.

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3. Ein Hof ohne (Hof-)Ordnung?

sondern die Antwort auf immer wiederkehrende, typische Erscheinungen des Hoflebens. Dementsprechend waren Carl Augusts Probleme mit dem Betragen der Livreedienerschaft weder ein typisch Weimarer noch ein an einen besonderen Moralverfall gebundenes Phänomen. Das unerlaubte Naschen, Ausruhen auf den Stühlen oder Verschütten der Speisen waren der Funktionsweise eines Hofes geschuldet und seit jeher ein Problem. Die Regeln der Weimarer Ordnungen für die Hofdienerschaft können demzufolge auch nicht als Zeitdiagnose für besondere, „untragbare Sittenveränderungen“33 in der ,Sturm-undDrang-Phase‘ des jungen Carl August interpretiert werden. Ganz im Gegenteil zeugen diese Regeln vielmehr davon, dass er bzw. sein Hofmarschallamt um die Schwächen eines ständisch gegliederten (Hof-)Haushaltes wussten und diesen Schwächen traditionsgemäß mit detaillierten normativen Anweisungen entgegenwirken wollten. Allein für die von Ventzke angeführten Visitationsprotokolle über das ordnungswidrige Verhalten und die unschickliche Bekleidung der Livreebediensteten erscheint die Interpretation eines moralischen Verfalls durchaus adäquat.34 Im Gegensatz zu den Ordnungen spiegeln sich darin nicht nur übliche Normen, sondern tatsächlich die spezielle Praxis des Weimarer Hofdienstes wider. Allerdings greift auch hier die bisherige Lesart zu kurz. Die zwölf Jahre nach dem Erlassen der Reglements für den Hofdienst angelegten Visitationsprotokolle des Hofmarschallamts verzeichnen, dass die vermehrten Beschwerden über Pflichtverletzungen der Dienerschaft erst seit 1789 in größerem Umfang einsetzten. Sie fallen damit mit dem Tod des Weimarer Obermarschalls im Oktober 1788 und der kurz darauf erfolgten Entlassung des Weimarer Hofmarschalls zusammen35 und beschreiben demzufolge jenen Zeitraum, in dem der Weimarer Hof ohne regulären Marschall auskommen musste. Statt das (Nicht-)Benehmen der Dienerschaft als Folge einer Demoralisierung in den ersten Herrschaftsjahren zu lesen und auf eine entsprechende Desorganisation des Hofes zu schließen, scheint es daher wesentlich plausibler, das unschickliche Verhalten der Subalternen auf das fehlende Oberhaupt der Hoforganisation und die veränderte Personalsituation im Hofmarschallamt zurückzuführen. Die These von einem außergewöhnlichen moralischen Verfall am Weimarer Hof36 ist damit – speziell nach dem Vergleich mit anderen Höfen und deren Hofordnungen – nicht haltbar. Die unbeständige Arbeitsmoral der Livreebediensteten, aber auch der übrigen Dienerschaft war ein Problem, mit 33 34 35 36

Ventzke: Herzogtum, S. 42. Vgl. Ventzke: Herzogtum, S. 43–47. Für weitere Details zur Entlassung des Freiherrn von Klinckowström vgl. das Kapitel zu den Führungspersönlichkeiten. Ventzke geht sogar davon aus, dass der Herzog diesen moralischen Verfall „akzeptierte“. Vgl. ders.: Herzogtum, S. 44.

3.2 Carl Augusts (Des-)Interesse am Hof

135

dem sich die meisten Höfe von jeher konfrontiert sahen. Jene Fürsten, die eine schriftlich normierte Ordnung ihres Hofes bevorzugten, suchten dies gewöhnlich durch strenge und präzise Hofordnungen zu regulieren. Carl August stellt hier keine Ausnahme dar. Allerdings ist diese Konformität wohl weniger den höfischen Ambitionen des Herzogs als vielmehr denjenigen seines höchsten Hofamtes zu verdanken. Carl August konnte sich nach seinem Regierungsantritt auf sein erfahrenes Personal im Hofmarschallamt verlassen, darunter insbesondere auf Friedrich Hartmann von Witzleben (1722–1788). Er diente dem Weimarer Hof bereits seit 1753 und konnte auf eine lange, erfolgreiche Karriere zurückblicken. Unter Anna Amalia war er zum „Chef von allen Hofämtern“37 ernannt worden und hatte als Oberhofmeister, Oberstallmeister und Direktor der herzoglichen Kunstkammern bereits 17 Jahre lang die höchste Verantwortung für den Hofstaat der vormundschaftlich regierenden Herzogin getragen.38 Nach dem Herrschaftswechsel von 1775 blieb von Witzleben auf Gutdünken des neuen Herzogs im Amt, avancierte zum Obermarschall39 und stellte damit eine Kontinuität her, deren Wirkung wohl nicht zu unterschätzen ist: Während die Spitze des Hofes wechselte und von nun an der jugendliche Carl August regierte, ergab sich für die Dienerschaft zunächst keine größere Veränderung in ihrer strukturellen Subordination zum Hofmarschallamt und damit zur Person des Obermarschalls. Mit Leonhard Freiherr von Klinckowström (1741–1821) bekam der schon in die Jahre gekommene von Witzleben sogleich personelle Verstärkung in Gestalt eines Reisemarschalls. Der ebenfalls Anfang September 1775 beförderte Klinckowström40 war bereits seit Anfang 1766 als Kammerjunker am Weimarer Hof tätig und bestens mit den Abläufen des Hofdienstes vertraut. Dass er sich im Hofmarschallamt gut bewährte, beweist seine baldige Beförderung. Bereits sechs Jahre später erhob ihn Carl August im September 1781 vom Reisemarschall zum wirklichen Hofmarschall und ließ ihn als solchen durch seinen Oberhofmarschall von Witzleben der Dienerschaft vorstellen und mit Handschlag vereidigen.41 Carl August genoss somit bereits in seinen ersten Herrschaftsjahren den 37 38 39 40 41

Weimarer Staatskalender von 1760, S. 74. In den folgenden Jahren findet er sich in den Staatskalendern immer wieder als Chef aller Hofämter bestätigt. Vgl. dazu Berger: Anna Amalia, S. 242f. Zu den Quellen der Ernennung vgl. ebd. bes. Anm. 70. Vgl. ThHStAW HMA 413, Bl. 1. Vgl. ebd., Bl. 3. Vgl. ebd., Bl. 23–25. Carl August hatte sich nach sechs Jahren Regierung entschlossen, den alten Hofmarschall von Schardt endgültig zu pensionieren. Der Hofmarschall war unter Carl August nie aktiv im Hofmarschallamt eingebunden gewesen und kam nur im Ausnahmefall bei festlichen Anlässen zum Einsatz. Vgl. Berger: Anna Amalia, S. 242, 464. Erst 1781 wurde dessen ,Scheinbesetzung‘ durch die Beförderung des Freiherrn von Klinckowström aufgelöst, so dass der Weimarer Hof wieder einen aktiven Hofmarschall erhielt.

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3. Ein Hof ohne (Hof-)Ordnung?

für Fürsten üblichen Freiraum: Er musste sich nicht sonderlich mit der konkreten Organisation und Führung seines Hofstaates beschäftigen, weil er auf die langjährige Erfahrung und das Ansehen des altgedienten von Witzleben und auf den Tatendrang des frisch beförderten von Klinckowström vertrauen konnte.42 Die vergleichsweise wenigen Klagen bzw. protokollierten Auseinandersetzungen mit und unter den Subalternen deuten darauf hin, dass das Weimarer Hofmarschallamt den Hof in den akzeptierten Bahnen lenkte. Dem herzoglichen Interesse oder Desinteresse an der Hoforganisation kam dabei an sich keine ausschlaggebende Rolle zu. Schließlich gehörte es zu den essentiellen Aufgaben des Hofmarschallamtes, den Herzog diesbezüglich zu entlasten und in dessen Namen den Hofbetrieb zu regulieren. Erst mit dem unerwarteten personellen Notstand im Hofmarschallamt war Carl August 1789 tatsächlich gezwungen, sich mit seinem Hofstaat selbst auseinanderzusetzen. Laut Hofdienstordnung mussten jegliche Informationen über An- und Abwesenheit der Hofangestellten – sei es aus Krankheits-, Urlaubs- oder anderen Gründen – wie auch alle Dienstpläne dem Hofmarschall vorgelegt und von diesem genehmigt werden. Ohne dessen Erlaubnis und Wissen durfte keiner am Hof Dienst tun oder dem Hof längere Zeit fernbleiben.43 Die Vakanz des Hofmarschalls führte dieses Reglement nun ad absurdum. Die Hofdienerschaft reagierte umgehend und zeigte zunehmend Fehlverhalten. Carl August erkannte und missbilligte diesen Zustand: Obgleich nicht in Weimar,44 versuchte er im September des gleichen Jahres, den Verlust seines Hofmarschalls mit einem veränderten und wesentlich erweiterten Reglement zu kompensieren. Als Lösung ersann er die Posten des „marschallierenden Kavaliers“ und des „funktionierenden Kavaliers“, die im Prinzip die Aufgaben eines Hofmarschalls übernehmen sollten, ohne allerdings den dazugehörigen Titel und Rang tragen zu dürfen.45 Alle Punkte des Reglements, die bisher auf den Hofmarschall ausgerichtet waren, wurden entsprechend umgeschrieben.46 Der Herzog sorgte somit durch eine Aufgabenumverteilung für eine rasche Aktualisierung der Ordnung. Dieses Vorgehen wurde zum System. Ebenso pragmatisch wurde zehn Jahre später die Küchenordnung einer veränderten Personalsituationen angepasst: Im Dezember 1799 entschied Carl August, seinen Küchenmeister 42

43 44 45 46

Beide schienen sich zudem charakterlich hervorragend zu ergänzen. Carl Wilhelm Freiherr von Lyncker erinnert sich, von Witzleben „viel lieber als den von Klingofström“ gehabt zu haben, weil der Obermarschall „sanft“, der Freiherr von Klinckowström „dagegen oft unfreundlich“ mit den Pagen verfuhr. Vgl. Lyncker: Ich diente am Weimarer Hof, S. 59. Vgl. ThHStAW HMA 635, Bl. 2r, 5v. Carl August hielt sich zu der Zeit in Aschersleben bei seinem Regiment auf. Vgl. dazu ausführlich unten den Abschnitt zu den Führungspersönlichkeiten. Das ergibt sich aus dem Vergleich der Reglements für die Fouriere und die sämtliche Livree-Dienerschaft aus den Jahren 1777, 1783 und 1789. Vgl. ThHStAW HMA 635, bes. Bl. 1−14.

3.2 Carl Augusts (Des-)Interesse am Hof

137

Wilhelm Heinrich Wagner nach Eisenach zu versetzen und die vakante Küchenmeisterstelle „vor der Hand unbesetzt, und selbige durch die Mundköche eine Zeit lang wechselweise versehen zu laßen“.47 Die Küchenordnung wurde dementsprechend verändert. Alle Kompetenzen und Aufgaben, die eigentlich dem Küchenmeister oblagen, wurden dem jeweils diensthabenden Mundkoch zugeschrieben.48 Einen monetären Ausgleich erhielten die Mundköche für diese Mehrbelastung jedoch nicht. Der Hof zahlte lediglich eine gesonderte Vergütung in Höhe von jeweils 30 Talern jährlich, um die regelmäßige Anschaffung der „Kleidungsstücke, in welchen sie bey fl. Tafel erscheinen müssten“,49 zu gewährleisten. Carl August war offensichtlich mit Nachdruck daran interessiert, den Hofalltag auf einer schriftlich fixierten Gesetzesgrundlage organisieren zu lassen. Insbesondere sobald es zu personellen Veränderungen kam und hohe Hofämter mit leitenden Funktionen durch Entlassungen, Versetzungen oder Todesfälle für einen längeren Zeitraum unbesetzt blieben, wurde auf eine zeitnahe Anpassung der Ordnungen für die jeweils von der Vakanz betroffenen Bereiche geachtet. Die Weimarer Hofangestellten sollten sich an tatsächlich umsetzbaren statt an realitätsfremden, weil veralteten Ordnungen orientieren können. Wie aber passen die späten Datierungen der übrigen (Einzel-)Hofordnungen zu diesem grundsätzlichen Bestreben nach Normierung? Zunächst gilt es die unvollständige Überlieferung zu bedenken. Die wenigen erhaltenen Ordnungen der ersten Jahre sind möglicherweise nur ein Bruchteil der tatsächlich erlassenen Reglements und lassen unter Umständen nur ansatzweise erahnen, in welchem Ausmaß der Weimarer Hof unter Carl August normiert war. Dafür spräche zum Beispiel die Regelung der fürstlichen Hofküche. In dem Anschreiben zur Küchenordnung von 1798 wird nicht begründet, weshalb diese Ordnung erlassen wurde, während sich dagegen in der neu verfassten Stallordnung eine Rechtfertigung findet. Es ist also denkbar, dass es sich um eine Modifikation handelte, die keiner Erklärung bedurfte, weil unter Carl August schon vorher eine oder mehrere Küchenordnungen erlassen worden waren, die jedoch nicht erhalten geblieben sind. Dieser Erklärungsansatz unterstellt dem Oberstallmeister Gottlob Ernst Josias Friedrich von Stein (1735–1793) allerdings ein gewisses Versagen. In Anbetracht der Unabhängigkeit, die der fürstliche Marstall mit einer eigenen Stallkasse genoss,50 ist es eher unwahrscheinlich, dass die Normierung des Stalls zum Kompetenzbereich des Hofmarschallamtes gehörte. Es oblag vielmehr dem Oberstallmeister, eine neue Ordnung für die Stallangestellten zu 47 48 49 50

ThHStAW HMA 788, Bl. 8r. Vgl. ebd., Bl. 8–15. Ebd., Bl. 8. Zur Verselbstständigung des Stalls und der Einrichtung einer eigenen Stallkasse nach dem Regierungsantritt 1775 vgl. Vgl. z. B. ThHStAW A 9035, Bl. 45v–46r.

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3. Ein Hof ohne (Hof-)Ordnung?

erstellen. Das geschah aber erst 1795 durch Friedrich von Seebach, der nach dem Tod des Oberstallmeisters von Stein im Dezember 1793 die Führung des Stalls als Stallmeister übernahm. Der Oberstallmeister von Stein hatte es zuvor offensichtlich versäumt, seine Untergebenen im Namen von Carl August neu zu reglementieren. Für diesen Missstand bieten sich verschiedene Erklärungen an. Neben Ungehorsam und Kommunikationsschwierigkeiten kommen ebenso Kompetenzgerangel oder mangelhafte Zusammenarbeit der Hofämter in Betracht. Wegen der lückenhaften Überlieferung können und müssen alle Deutungen nebeneinander stehen: I.) Möglicherweise entschied sich von Stein bewusst gegen eine Neureglementierung. Immerhin diente er bereits seit 1760 als Stallmeister unter Anna Amalia und blickte damit auf 15 Jahre Amtserfahrung zurück. Er stellte – wie der Hofmarschall von Witzleben – nach dem Regierungswechsel die Kontinuität für die Subalternen her. Vielleicht konnte oder wollte er deshalb den Stall weiterhin auf der Grundlage älterer Ordnungen führen und auf diese Weise gewohnheitsrechtliche Freiheiten für sich oder seine Untergebenen erhalten. II.) Kommunikationsschwierigkeiten lassen sich ebenfalls nicht ausschließen. In der Regierungserklärung von 1777 waren die Zuständigkeiten der Ämter nicht eindeutig geregelt. Carl August beauftragte allein das Hofmarschallamt mit dem Entwurf einer neuen vollständigen Hofordnung. Das Stallamt wurde nicht explizit angesprochen. Die Forderung lässt somit einen Deutungsspielraum offen, welches Amt letztlich für die Reglementierung des Hofes Sorge zu tragen hatte. Es ist denkbar, dass der klärende Dialog unter den Hofämtern unterblieb, um nicht unbegründet in den Kompetenzbereich des anderen Departments einzugreifen. III.) Mit dem Gebrauch des Begriffs Hofordnung ist die Forderung in der Regierungserklärung zugleich aber auch in anderer Weise missverständlich. Es war den Weimarer Hofangestellten zwar sicherlich bekannt, dass eine Hofordnung nicht mehr, wie im 17. Jahrhundert üblich, in einem einzigen, allumfassenden Schriftstück bestand. Dennoch bleibt fraglich, inwieweit die Regierungserklärung als Aufforderung gelesen wurde, Einzelordnungen für alle Bereiche zu erstellen. Es ist nicht abwegig, dass der Oberstallmeister den Begriff der Hofordnung mit der Ordnung für den Hofdienst bzw. für alle dem Hofmarschallamt untergeordneten Departments gleichsetzte und sich selbst damit nicht zu einer Aktualisierung aufgefordert sah. IV.) In dem Fall, dass tatsächlich die komplette Regulierung aller Hofbereiche intendiert war und diese Aufgabe allein dem Hofmarschallamt zukam, ist es aber ebenso denkbar, dass das Hofstallamt die Kooperation verweigerte oder entsprechenden Erinnerungen schlicht nicht nachkam. Wenn es selbst keine Entwürfe vorlegte, erachtete das Hofmarschallamt möglicherweise andere Angelegenheiten für dringlicher. Mit dem neuen Reglement für die Livreedienerschaft wurde schließlich bereits Ende 1777 der zentrale und personell größte Bereich des Hofes an eine detaillierte Ordnung gebunden.

3.2 Carl Augusts (Des-)Interesse am Hof

139

Damit konnten all jene Hofangestellten, die sich im direkten Umfeld des Herzogs und seiner Familie bewegten, jederzeit zur Rechenschaft gezogen werden. Und auch das offizielle Auftreten des Weimarer Hofes war damit reguliert. Gewöhnlich traf allein die Livreedienerschaft auf die Gäste des Hofes, während die niederen Angestellten der Küche, der Konditorei oder des Kellers im Hintergrund blieben. Für die Außenwirkung bzw. das überregionale Hofprestige51 war also gesorgt. Möglicherweise konzentrierte sich das Hofmarschallamt deshalb zunächst auf andere wichtige Aufgaben, wie zum Beispiel die Etablierung des neu ausgehandelten, wesentlich reduzierten Hofetats. Daraus ergibt sich ein weiterer Erklärungsansatz, der Carl Augusts Interesse an Hof und Normierung einerseits und die späte Datierung einiger (Einzel-)Hofordnungen andererseits zusammenbringen könnte: Angenommen die Küchenordnung hätte keine Aktualisierung bzw. Neukonzeption nach dem Regierungsantritt von Carl August erfahren, sondern wäre wie die Stallordnung erst Ende der 1790er Jahre erstellt worden, dann könnte dem jungen Herzog durchaus eine gewisse Gleichgültigkeit gegenüber seinem Hof unterstellt werden. Diese Gleichgültigkeit hätte dann allerdings nur einem ganz bestimmten Teil des Hofpersonals gegolten − nämlich demjenigen, der ,unsichtbare‘ und damit nur mittelbar repräsentative Dienste leisten musste. Obwohl Carl August in seiner Regierungserklärung eine vollständige Normierung seines Hofes verlangte, hätte seine Hauptsorge dann nur seinem direkten Umfeld gegolten. Für seine Livreedienerschaft wurde immerhin schon 1777 die erste Ordnung erlassen, der etliche weitere folgen sollten. Die dazu vergleichsweise späten Normierungen für Küche und Stall ließen sich also durchaus mit einer Nachlässigkeit oder Gleichgültigkeit Carl Augusts gegenüber den unauffälligen, eher im Hintergrund operierenden Departments seines Hofes erklären. Diese Gleichgültigkeitsthese relativiert jedoch ebenfalls Ventzkes Interpretation, Carl August habe lange Zeit ein grundsätzliches Desinteresse am Hof gehegt. Anhand der von ihm herangezogenen Hofordnung(en) lässt sich diese gängige Auffassung nicht belegen: Es gehörte nicht zu den Aufgaben eines Herzogs, sich um die Organisation und Verwaltung seines Hofes zu kümmern. Dafür hatte er mehrere Marschälle als leitendes Direktorium des Hofbetriebs eingesetzt. Nur in dem Falle, dass diese in irgendeiner Weise gescheitert wären, hätte der Herzog aktiv werden müssen. Carl August konnte sich in seinen ersten Herrscherjahren jedoch auf sein erfahrenes Personal verlassen. Erst als Ende der 1780er Jahre die Marschallstellen nicht mehr besetzt waren, wurde sein Eingreifen tatsächlich erforderlich. Die Hofordnungen allein belegen 51

Ventzke geht vom Gegenteil aus. Carl August habe dies ebenso wie die Zweckmäßigkeit eines standardisierten Zeremoniells erst im Laufe der Jahre erkannt. Ventzke: Herzogtum, S. 42. Zum Wert des Hofprestiges vgl. z. B. Winterling: Der Hof des Kurfürsten, S. 151–170.

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3. Ein Hof ohne (Hof-)Ordnung?

mithin kein fürstliches Desinteresse, das ohnehin allenfalls gegenüber den unauffällig im Hintergrund operierenden, möglicherweise erst später regulierten Hofbereiche geltend zu machen wäre.

3.3 Sauber, ordentlich, respektvoll Inhaltlich regelten alle Einzelordnungen des Weimarer Hofes ähnliche Belange: Neben Zuständigkeiten und Aufgabenbereichen wurden in der Regel die alltäglichen Tagesabläufe, deren Änderungen beim Besuch fremder Herrschaften oder zu Festivitäten, Dienstbekleidung, Dienstzeiten und -pläne, Meldepflichten und Urlaubszeiten festgelegt. Auffallend oft wird in allen Reglements zudem mit besonderem Nachdruck zu Ordnung und Sauberkeit ermahnt. In der Stallordnung weisen verschiedene Paragraphen die Stallbediensteten an, sorgsam auf die Reinlichkeit im Stall zu achten, jeden Morgen zu kehren, die Pferde mehrmals täglich zu putzen und nach dem Reiten die „Zäume oder Trensen (. . . ) hinter die Pferde“ zu hängen.52 Falls einige Pferde krank seien, solle ganz besonders penibel auf Sauberkeit geachtet werden, „da es bekannt sei“, dass dies „sehr viel beyträgt und die Cur [kranker Pferde] sehr befördert“.53 Entsprechendes findet sich für die Livreebediensteten. Hier werden vor allem die Pagen, Silberdiener, Tafeldecker und Mundschenke daran erinnert, in weißer Wäsche und reinlicher Kleidung, d. h. zumeist in ihrer Livree, „wohl ajoustiret“ zu erscheinen.54 Und auch in jeder Küchenordnung wird Sauberkeit in einem eigenen Paragraphen „ganz besonders empfohlen“.55 Die Mundköche werden darüber hinaus noch einmal gesondert beauftragt, wachsam „auf gute Ordnung und Reinlichkeit in der Küche“ zu achten. Ein aktenkundig gewordener Streitfall56 zwischen einem Küchenburschen und zwei Küchenmägden macht deutlich, dass diese wiederholte, nachdrückliche Betonung der Reinlichkeit nicht allein bloßer Topos, sondern tatsächlich notwendig war: Nachdem ein Küchenbursche wegen eines rostigen Löffels mit seinen Vorgesetzten in Streit geraten war, sollte das Hofmarschallamt die Sachlage klären. Der Küchenbursche verteidigte sich, indem er die Küchenmägde beschuldigte, den schmutzigen Löffel auf dem Küchentisch liegen gelassen und außerdem die Asche – anstatt sie ordnungsgemäß zu entsorgen – in den Küchenkessel gefüllt zu haben. Als die Mägde mit diesem Vorwurf konfrontiert wurden, stritten sie dies wider Erwarten nicht ab, sondern ga52 53 54 55 56

ThHStAW Hofstallamt 377, Bl. 26. Ebd., Bl. 25. Vgl. ThHStAW HMA 635, Bl. 1r, 4v. ThHStAW HMA 788, Bl. 6r. Vgl. ebd., Bl. 51ff. Dieser Streit kam beim Hofmarschallamt zwar erst 1822 zur Anzeige, steht hier aber beispielhaft für etliche weitere im Hofmarschallamt registrierte Fälle.

3.3 Sauber, ordentlich, respektvoll

141

ben stattdessen zu Protokoll, dass der Küchenbursche wohl nicht besser sei, immerhin hätte er „über 4 Wochen ein Casserol als Nachtgeschirr benutzt“.57 Der Küchenbursche fand diese Beschuldigung unerhört und verlangte wegen dieser Beleidigung eine Bestrafung der Mägde, allerdings nicht ohne darauf zu verweisen, dass die Küchenmägde ebenfalls die Kasserollen zweckentfremdet als Waschzuber benutzt hätten. Auch wenn dies die kurz zuvor geäußerten Beschwerden der fürstlichen Familie „wegen schlecht zubereiteter Speisen“58 in einem bestimmten Licht erscheinen lässt, kann der Wahrheitsgehalt solcher Vorwürfe hier nur dahingestellt bleiben. Die gegenseitigen Beschuldigungen des Küchenpersonals, die Anrufung des Hofmarschallamtes sowie das schriftliche Protokoll und Verfahren sind allerdings ein Indiz dafür, dass das wiederholte Erinnern und stetige Dringen auf Ordnung und Sauberkeit in den diversen Hofordnungen angebracht und notwendig war. Der Hof beließ es aber nicht bei organisatorischen Vorschriften, sondern erteilte auch klare Anweisungen, wie sich die Angestellten während des Dienstes benehmen und miteinander umgehen sollten. So wurde beispielsweise von den fürstlichen Rossärzten erwartet, dass sie sich gegenüber den rangniedrigeren Stallbediensteten höflich verhielten und bei der Behandlung kranker Pferde zum Beispiel nicht „pfeiffen (. . . ), wenn sie jemanden brauchen“.59 Im Gegenzug wurde aber auch von den Stallbediensteten verlangt, dass sie sich um „Höflichkeit gegen jedermann (. . . ) befleißigen“, denn wer sich „vor andern auszeichnet, wird bey Gelegenheit auch vor andern ausgezeichnet werden“.60 Gleichermaßen wurden die Fouriere instruiert, von „jedermann, es sey Vorgesezter, oder gleichen Standes oder von Untergebenen jederzeit mit schuldiger Bescheidenheit und Enthaltung zu sprechen“ und sich „gegen alle und jede[n] fürstlich und bescheiden (. . . ) auf zu führen, um dadurch bey denen Obern ein wahres Zutrauen und bey andern Achtung und Liebe zu erwerben“.61 Vergleichbare Regeln finden sich ebenfalls für die Küche, den Keller und den Livreedienst. Das Personal wurde also in fast jedem Bereich des Hofes immer wieder zum respektvollen Umgang miteinander angehalten. Dem Weimarer Hof war es offensichtlich ein ernstzunehmendes Anliegen, sich mit Angestellten zu umgeben, die sich in ihrem Benehmen „freundschafftlich u. auf eine sittliche Art“ auszeichneten.62 Bemerkenswerterweise wurde beim Erstellen der Hofordnungen zudem darauf geachtet, dass die Regeln nicht an der jeweiligen Lebens- und Arbeits-

57 58 59 60 61 62

Ebd., Bl. 51v. Die nächtliche Aktivität in der Küche erklärt sich damit, dass das Küchenpersonal in der Küchenwohnung bzw. ab 1803 im Residenzschloss wohnte und schlief. ThHStAW HMA 788, Bl. 31r. ThHStAW Hofstallamt 377, Bl. 25. Ebd., Bl. 33. ThHStAW HMA 635, Bl. 4r. ThHStAW HMA 788, Bl. 10v.

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3. Ein Hof ohne (Hof-)Ordnung?

welt der Hofangestellten vorbeigingen. Die wiederholt modifizierte Küchenordnung veranschaulicht beispielhaft den am Weimarer Hof gebräuchlichen Aushandlungsmechanismus, der die Sicht der Subalternen einbezog und ihnen sogar eine Art Mitspracherecht zubilligte: Am 10. August 1798 lud das fürstliche Hofmarschallamt den Küchenmeister, die Küchenschreiber und die Mundköche vor, um ihnen den Entwurf eines neuen Reglements für die fürstliche Hofküche vorzustellen.63 Nach dem Verlesen der elf Punkte wurden alle Anwesenden gefragt, ob und was sie „zu erinnern“ hätten. Während der Küchenmeister und die Küchenschreiber nichts anmerkten, bezogen die beiden Mundköche zu einigen Punkten Stellung. Sie kritisierten, dass der festgelegte Turnus, demzufolge sie ihren Dienst jeweils abwechselnd eine Woche lang versehen sollten, nicht mehr den Gegebenheiten entspräche, da „sie beyde fast immer da seyn müßten“. Außerdem baten sie darum, „nach Beendigung ihrer Mittagsarbeit sich entfernen und [erst] um 5 Uhr wieder in der Küche erscheinen zu dürfen“. Ihrer Ansicht nach sei die starke körperliche Belastung, die mit der ganztätigen Anwesenheit in der Hitze der Küche einherginge, auf Dauer nicht zu ertragen. Das Hofmarschallamt zeigte dafür Verständnis, wandte aber ein, „man halte es zur Erhaltung der guten Ordnung für notwendig, dass wenigstens ein Mundkoch da bleibe, um Aufsicht über die Küchenburschen zu führen“ – allerdings verlange man nicht, dass die Mundköche den ganzen Tag in der Küche blieben. Als Kompromiss wurde vorgeschlagen, den Mundköchen das Verlassen der Hofküche nach dem Zubereiten des Mittagessens zu gestatten, allerdings nur unter der Bedingung, dass sie den Küchenburschen „keine zu verfertigenden Arbeiten während ihrer Abwesenheit auftragen“ und streng die Vorschrift beachteten, dass diese nur in „Gegenwart und unter der Aufsicht der Mundköche“ arbeiten dürften. Wenige Tage später, am 17. August 1798, verabschiedete das Hofmarschallamt das neue, offizielle Reglement für die Hofküche. 64 Im Gegensatz zum Entwurf finden sich darin keine Anweisungen zum Dienstturnus der Mundköche, wohl aber die Erlaubnis, die Küche verlassen zu dürfen, solange einer der beiden um fünf Uhr wieder erscheine, um „den Küchenburschen eine Arbeit zu geben“.65 Die Diskussion des Entwurfs war also offensichtlich kein rein formaler Akt, sondern ganz im Gegenteil eine reelle Chance für die Hofangestellten, ihre Anliegen zu Gehör zu bringen und mündliche Vereinbarungen zu treffen, die dann auch tatsächlich in den offiziellen Reglements ihren Niederschlag fanden. Am Hof wurde folglich eben jenes Prinzip gelebt, das Goethe idealerweise für die Regierung eines Landes vorschwebte: nicht an den Menschen vorbei, sondern unter Einbezug und Einsicht derjenigen, denen das Reglement letztendlich galt. Goethe war davon überzeugt, dass nur auf diese Weise Veränderungen ohne Zwang nachhaltig bewirkt werden könnten. Zwar sei 63 64 65

Vgl. dazu bis auf Weiteres das entsprechende Protokoll ebd., Bl. 3r–4r. Vgl. ebd., Bl. 5–7. Ebd., Bl. 5v.

3.3 Sauber, ordentlich, respektvoll

143

dies „freilich beschwerlicher als befehlen, indessen die einzige Art (. . . ) zum Zwecke zu gelangen, und nicht verändern wollen, sondern verändern“.66 Carl August und sein Hofmarschallamt teilten diese Ansicht nicht nur, sondern setzten sie in der Praxis um. Unter Carl August lässt sich für fast alle Bereiche des Weimarer Hofes ein Verhandlungsspielraum beobachten. Zwar führten Einwände oder Kritik seitens der Hofangestellten nicht in jedem Fall direkt zu einer Modifikation der jeweiligen Ordnung, allerdings erlaubte der Herzog statt einer Reglementsänderung bisweilen einige Ausnahmeregelungen: Nachdem 1789 der Hofdienst neu geordnet worden war, wandten sich zum Beispiel die beiden Hoflakaien Johann Heinrich Reichenbecher und Johann Georg Buhler an das interimsweise besetzte Hofmarschallamt und baten um eine Änderung ihres Dienstes.67 Da bisher beide gemeinschaftlich für das Kleiderputzen zuständig waren und zudem an der Tafel aufwarten mussten, schrieb die neue Ordnung eine alternierende Regelung vor: Während der eine die Kleider putzte, sollte der andere die Aufwartung an der Tafel übernehmen. Buhler zeigte sich mit dieser Regelung nicht einverstanden und ließ vernehmen, dass er ohnehin alle Tage putzen müsse, da er die Beinkleider und Reichenbecher die anderen Kleidungsstücke zu reinigen habe. Außerdem müsse er sich zusätzlich mit zwei anderen Hofbediensteten den Garderobendienst teilen. Er bat deshalb, vom Putzen befreit zu werden, allerdings nicht ohne das Kompromissangebot zu unterbreiten, das Putzen könne doch „bis nach Tafel verschoben werden“.68 In diesem Falle wäre er gern bereit, sonntags und bei großen Tafeln die Aufwartung zu übernehmen, falls er dann nicht zum Garderobendienst eingeteilt sei. Reichenbecher schloss sich dem ohne weitere Ergänzungen „geziemend“ an.69 Der Herzog erkannte die Einwände der Hoflakaien als berechtigt an und ging – wenn auch in einer überarbeiteten Form – auf deren Bitten ein. Er ordnete an, Buhler solle seinen Garderobendienst, den er alle drei Tage verrichten musste, beibehalten und täglich putzen, aber grundsätzlich vom Tafeldienst befreit werden. Reichenbecher solle dagegen den „kleine[n] Tafeldienst“ versehen und jeweils dafür vom Putzen befreit werden. Beide müssten aber im Falle einer großen, d. h. zahlreich besetzten, Tafel mit aufwarten und erst des Nachmittags putzen. Da die Hofdienstordnung diesbezüglich relativ allgemein formuliert war, veranlasste Carl August keine Modifikation derselben, sondern ließ seine Resolution als Erläuterung des kurz zuvor verabschiedeten

66

67 68 69

J. W. v. Goethe an C. A. v. S-W-E, 26. November 1784, in: WA, IV. Abt., Bd. 6, S. 395–399, Zitat S. 397. Zur Interpretation dessen vgl. z. B. Georg Schmidt: Wandel durch Vernunft. Deutschland 1715–1806. München 2009, S. 209f.; oder Gerhard Müller: Vom Gestalten zum Regieren. Goethe und die Universität Jena. Heidelberg 2006, S. 31. Vgl. ThHStAW HMA 635, Bl. 14, 17r. ThHStAW HMA 635, Bl. 17r. Ebd.

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3. Ein Hof ohne (Hof-)Ordnung?

Reglements bekannt machen.70 Den Weimarer Hofangestellten, deren Dienst durch Hofordnungen geregelt war, wurde also nicht nur ein gewisses Mitspracherecht eingeräumt, sondern sie konnten im Regelfall auch darauf hoffen, dass ihr Dienstherr ergänzende bzw. abweichende Regelungen erlaubte.

3.4 Bekanntmachung und Durchsetzung der Hofordnungen Gleich welcher Bereich neu geregelt wurde, der Weimarer Hof stellte stets sicher, dass alle Betroffenen über die Regeländerungen informiert wurden. Die niederen Angestellten wurden dazu üblicherweise ins Hofmarschallamt vorgeladen, wo ihnen der Hofmarschall die neue Ordnung laut vorlas. Selbst Leseunkundigen wurde auf diese Weise das Reglement bekannt. Wurde eine Ordnung nur geringfügig verändert, musste der jeweils Aufsichtshabende eines Bereiches den Subalternen die Modifikationen bekannt machen. Konnte ein Hofangestellter, bedingt durch Krankheit oder Urlaub, der Eröffnung nicht beiwohnen, wurde dafür gesorgt, dass er die Neuerungen später erfuhr.71 Ebenso wurden auch diejenigen nicht vergessen, die nur in größeren Zeitabständen persönlich am Hof anwesend waren: So mussten zum Beispiel Leibjäger und Büchsenspanner laut Ordnung nur „des Sonntags und bey großen Tafeln hinter“ dem Herzog und der Herzogin „den Stuhle aufwarten“, ansonsten waren sie jedoch vom gewöhnlichen Hofdienst befreit.72 Als das Reglement modifiziert wurde, bestellte das Hofmarschallamt sie extra ein, um ihnen die Änderungen bekannt zu machen. Die übrigen, täglich anwesenden Hofbediensteten wurden durch den Fourier instruiert.73 Unter den höheren Hofangestellten, die zum Teil ebenfalls nicht täglich am Hof zugegen waren, ließ das Hofmarschallamt die modifizierte Ordnung schriftlich zirkulieren, wobei Erhalt und Kenntnisnahme mit Unterschrift und Datum zu bestätigen waren.74 Auch das fürstliche Stallamt sorgte für die Bekanntgabe seiner Ordnungen – allerdings wählte es im Gegensatz zum Hofmarschallamt einen nachhaltigeren Weg: den Druck. Nachdem die neue Stallordnung im April 1795 vom Herzog approbiert worden war, ließ das Stallamt die verschiedenen Teile der Ordnung jeweils separat in Form von kleinen Heftchen drucken, um Anfang 70 71

72 73 74

Vgl. ebd., Bl. 18–20. So vergaß man bei der Neuordnung der Küchenverhältnisse um 1800 zum Beispiel keineswegs den durch Krankheit abwesenden Mundkoch und veranlasste, ihm den Entwurf des neuen Reglements für die Hofküche 1798 mitzuteilen. Vgl. ThHStAW HMA 788, Bl. 8r−9r. ThHStAW HMA 635, Bl. 8r. Vgl. ebd., Bl. 14, 17v. Vgl. dafür z. B. ebd., Bl. 10r.

3.4 Bekanntmachung und Durchsetzung der Hofordnungen

145

Februar 1796 ein Exemplar der „Ordnung für die Fürstlichen Stallmeister und Bereiter“, zwei Exemplare der „Ordnung für die Fürstlichen. Rossärzte“ und 28 Exemplare der „Ordnung für die Fürstlichen Stallbedienten“ verteilen zu lassen.75 Der Aufsicht führende Stallmeister Friedrich Gottlieb Müller76 erhielt von jeder Ordnung jeweils ein Exemplar und der Rossarzt Christian Ludwig77 sowohl die Rossarztordnung als auch die Ordnung für die Stallbedienten. Die Stallbedienten selbst bekamen dagegen vom Stallamtsdiener Christian Benjamin Wende78 nur die für sie bestimmte Ordnung zugeteilt. Da die Drucke lediglich an das Stallpersonal ausgegeben werden sollten, waren sie offenbar allein für den internen Hofgebrauch bestimmt und nicht an ein öffentliches, außerhöfisches Publikum gerichtet. Die gedruckte Form wurde wahrscheinlich deshalb gewählt, weil zum Stall verschiedene Abteilungen außerhalb Weimars gehörten. Es ließ sich auf diese Weise sicherstellen, dass jeder Angestellte des Marstalls jederzeit und ortsungebunden in der Lage war, anhand seines persönlichen Exemplars alle Grundsätze, Bestimmungen gegenüber Vorgesetzten und Untergebenen befolgen sowie die eigenen Rechte und Pflichten wahrnehmen zu können. Damit diese Regeln beachtet wurden, schrieben die Hofordnungen immer zugleich Strafen für den Fall eines Verstoßes vor. Der Weimarer Hof folgte auch hier althergebrachten Traditionen.79 Entsprechend der Rangordnung kam es gewöhnlich den höchsten Angestellten eines Bereichs zu, die ordnungsgemäße Aufsicht zu führen und gegebenenfalls erste Sanktionen zu verhängen. In der fürstlichen Küche gehörte daher die Exekutive zu den Aufgaben des Küchenmeisters, im fürstlichen Keller zu denen des Kellereiverwalters und im fürstlichen Stall zu denen des (Ober-)Stallmeisters und der Bereiter. Im Bereich des Livreedienstes oblag es seit Dezember 1777 offiziell den beiden fürstlichen Fourieren, Johann Christoph Waitz und August Christian Friedrich Martini, die Ordnung und deren eventuelle Änderungen sämtlichen Hof-, Jagd- und Livreebediensteten bekannt zu machen und deren Befolgen durchzusetzen.80 Beim fürstlichen Tafeln stellte sich für die Fouriere damit beispielsweise die Aufgabe, die Angestellten zu einer solchen Dienstbeflissenheit anzuhalten, dass sie eine „anbefohlene Verrichtung sogleich ohne Nachtheil der Ehre des Hofs“ erledigten. Die Hofordnung berechtigte sie, ihre Untergebenen bei Verstößen mit dem Stock zu maßregeln. Es galt dabei 75 76 77 78 79 80

ThHStAW Hofstallamt 377, Bl. 19. Friedrich Gottlieb Müller war am Hof seit 1796 als Bereiter, Stallmeister und Inspektionsadjutant unter Carl August, später unter Carl Friedrich tätig. Christian Ludwig war von 1779 bis 1790 als Kurschmied, seit 1789 für etwa die nächsten zehn Jahre als Rossarzt für den Weimarer Marstall tätig. Christian Benjamin Wende war von 1779 bis 1797 als Diener im herzoglichen Stallamt beschäftigt. Vgl. Kern: Hofordnung. Vgl. ThHStAW HMA 635, Bl. 2v.

146

3. Ein Hof ohne (Hof-)Ordnung?

allerdings, auf „eine mäßige Züchtigung (. . . ) mit Vorsicht und am schicklichen Orte“81 zu achten. Zeigte diese körperliche Bestrafung keine Wirkung, versprach die Ordnung eine nachdrücklichere Strafe, im schlimmsten Falle drohte den Livreebediensteten sogar die Kassation, d. h. die Entlassung. Diese Bestimmung wurde in den aktualisierten Ordnungen stets beibehalten und bekräftigt. Nach etwa 40 Regierungsjahren erwog Carl August die Wirksamkeit dieser exekutiven Regelungen. In einer Resolution an sein Hofmarschallamt stellte er im Juni 1812 klar, dass er mit dem Betragen seiner niederen Hofangestellten nicht zufrieden sei. Dessen Ursache machte er aber überraschenderweise nicht bei den Livreebediensteten selbst, sondern in der dürftigen, unsteten Exekutive aus: Die mit der Aufsicht betrauten Fouriere ließen „denen Bedienten alle Ungezogenheiten zu, so lange es ihnen nicht beliebt sich zu rühren, u. auf einmahl erwacht der Eifer zur Unzeit, u. dann benehmen sich die Fouriere grob u. unfreundlich“.82 Statt nur von Zeit zu Zeit mit Härte gegen Fehltritte vorzugehen, sollten die Fouriere lieber auf eine „anhaltende Strenge, u. Aufsicht auf den Dienst, u. auf das Benehmen der Bedienten“ achten. Nur wenn beständig Ordnung verlangt werde, könnten die Diener wissen, „wie sie sich jeden Tag u. bei jeder Gelegenheit gegen die Fouriere zu betragen haben.“ Der Herzog sah in dem sprunghaften Bestrafen ein grundsätzliches Problem. Sobald die Bediensteten lange Zeit nicht auf ihr Fehlverhalten und ihre eigentliche Pflicht aufmerksam gemacht werden würden, könne leicht der Eindruck entstehen, die Fouriere würden mutwillig „die erste beste Gelegenheit vom Zaune reisen, um die Bedienten grob zu behandeln“. Dies führe dazu, dass sich die Dienerschaft ungerecht behandelt fühle und sich wiederum „ungehorsam u. respectswidrig“ gegenüber den Fourieren verhalte. Um diesen Kreis zu durchbrechen, votierte Carl August für ein härteres körperliches Durchgreifen. Die bisherigen Stockschläge sollten gegen zwei Hiebe mit dem Degen eingetauscht werden und immer dann zum Einsatz kommen, wenn „der Dienst durch die augenblickliche nicht Bestrafung (. . . ) leiden könnte“. Freilich solle dies aber nur „im höchsten Nothfalle bey thätlichen Widersetzlichkeit der Bedienten“ erfolgen. Der gesamten Dienerschaft müsse zudem vom Hofmarschallamt erneut eingeschärft werden, über welche Macht die Fouriere auf Grund ihrer übergeordneten Stellung als direkte Vorgesetzte der Livreedienerschaft verfügten. Es dürfe dabei auf die strengsten Strafen verwiesen und auch mit der Entlassung aus dem Hofdienst gedroht werden. Schließlich erinnerte Carl August auch das Hofmarschallamt selbst an dessen Pflicht, die „Fouriere gehörig zu instruieren, und auf ihr Betragen zu achten“. Diese Direktiven aus der Feder des mittlerweile vier Jahrzehnte regierenden Herzogs bestätigen die Interpretation, dass das (Nicht-)Benehmen der 81 82

Ebd., Bl. 6r (beide Zitate). Vgl. ThHStAW HMA 361. Bis auf Weiteres sind alle folgenden Zitate diesem von Carl August handschriftlich verfassten Schreiben entnommen.

3.5 Entwicklungstendenz

147

Dienerschaft kein spezifisches Phänomen der Sturm-und-Drang-Zeit war. Zugleich machen sie aber auch deutlich, welche Bedeutung der Bestrafung beigemessen wurde. Wie in den Jahrhunderten zuvor garantierten Normierungen – obgleich mittlerweile wesentlich ausführlicher – noch nicht deren ordnungsgemäße Umsetzung. Carl August war sich dessen nur allzu bewusst. Er rechnete mit Verfehlungen. Um ihnen vorzubeugen und deren Folgen möglichst abzumildern, verfügte er permanente Kontrolle und umgehende Bestrafungen. Das Votum für härtere Sanktionen kann als Ausdruck für Carl Augusts Vertrauen in die Wirkmächtigkeit körperlicher Züchtigungen gelesen werden. Der Herzog war offensichtlich überzeugt, damit Norm und Praxis in Übereinstimmung bringen zu können.

3.5 Entwicklungstendenz In der Regierungszeit Carl Augusts lässt sich eine Tendenz zu einer immer umfassenderen schriftlichen bzw. gedruckten Regulierung des Weimarer Hofes feststellen. Unter Vorbehalt einer möglicherweise unvollständigen Überlieferung scheinen zunächst vornehmlich die niederen Hofangestellten – angefangen bei den Livreebediensteten, über das Küchenpersonal bis hin zu den Stallbediensteten – schrittweise an Ordnungen gebunden worden zu sein.83 Nach 1800 folgten formalisierte Dienstordnungen für das höhere Hofpersonal und die Hofämter: 1809 erhielt der Eisenacher Schlosshauptmann ein Reglement,84 1813 folgten präzise Anweisungen für den Hofmarschall, für den Chef des Marstalls, und auch das Hofmarschallamt und das Stallamt selbst erhielten ausführliche Vorschriften.85 Zwei Jahre später wurden die Kompetenzen des Oberkammerherrn schriftlich geregelt.86 Diese Regulierungswelle wurde sehr wahrscheinlich vom Hofmarschall Wolfgang Gottlob Christoph Freiherr von und zu Egloffstein (1766–1815) angestoßen, der schon 1803 um eine detaillierte Regelung seines Amtsbereichs gebeten hatte.87 Er zielte dabei in erster Linie auf die Jurisdiktionsbefugnisse 83

84 85 86 87

Für den Hof- bzw. Livreedienst wurden Ordnungen in den Jahren 1777 und 1789 erlassen. Vgl. ThHStAW HMA 635. Anlässlich des Umzugs ins neue Schloss wurden für die gesamte Dienerschaft 1803/04 neue bzw. ergänzende Ordnungen erlassen. Vgl. ThHStAW HMA 1951. Die Küchenordnung wurde 1798 erstellt, um bereits 1800 und 1803 modifiziert zu werden. Vgl. ThHStAW HMA 788. Der Marstall sah seine Ordnung von 1795 erst wieder anlässlich des neuen Stalls 1808 durch und erließ ein Jahr später eine modifizierte Version. Vier Jahre darauf folgte eine erneute Revision der Ordnungen für die Stallmeister und Bereiter, Rossärzte und Stallbedienten, und man erließ eine spezielle Instruktion für alle Stallangestellten. Vgl. ThHStAW Hofstallamt 377 und 378. Vgl. ThHStAW HMA 439a, Bl. 3. Vgl. ebd., Bl. 6–7; ThHStAW A 9011, Bl. 85–88; ThHStAW Hofstallamt 378, Bl. 3–35. Vgl. ThHStAW HMA 442, Bl. 7–8; ThHStAW HMA 446, Bl. 7–8. Vgl. ThHStAW HMA 408, Bl. 1–7.

148

3. Ein Hof ohne (Hof-)Ordnung?

seines Amtes, das für alle Hofangestellten als erste Instanz in Zivilangelegenheiten fungierte.88 Durch die Kriege und politischen Umwälzungen geriet diese Bitte jedoch zunächst aus dem Blick. 1809 wiederholte der Hofmarschall deshalb sein Anliegen vor dem Herzog.89 Er machte deutlich, dass es ihm darum ginge, die „gute Ordnung bey dem Hofpersonal u. Hofdienst zu erhalten“,90 er dazu aber einen nach außen klar abgegrenzten Kompetenzbereich benötige. Der Hof selbst war – seiner Meinung nach – ausreichend geregelt. Das Problem lag stattdessen in den Verfügungsrechten des Hofmarschallamtes über das Hofpersonal. Denn obwohl hinlänglich bekannt war, dass der Hofmarschall für Hofdiener die erste Instanz darstellte, zitierten immer wieder andere „Collegia u. Judicia“91 – wie beispielsweise die Regierung oder Untergerichte – Hofangestellte wegen ziviler Rechtsstreitigkeiten zu sich und setzten sie im schlimmsten Falle sogar unter Arrest, ohne dies zuvor mit dem Hofmarschall abgesprochen zu haben. Sie griffen damit nach Egloffsteins Auffassung unberechtigt in die Ordnung des Hofes ein. Abhilfe erhoffte er sich mit einer schriftlichen Instruktion. Seine Bitte um eine Ordnung für das Hofmarschallamt zielte daher vornehmlich auf die Abgrenzung des Hofes von anderen herzoglichen Einrichtungen und weniger auf die interne Organisation des Hofes, die in etlichen Bereichen auch ohne Reglements reibungslos zu funktionieren schien. So fällt auf, dass Weimar um 1800 offenbar keine Kammerherrenordnung besaß. Carl Augusts Hof erscheint dadurch im Vergleich zu anderen Höfen ein wenig rückständig. Der Gothaer Hof verabschiedete zum Beispiel bereits 1749/50, als die Charge der Kammerherren dort fest etabliert wurde, eine entsprechende Ordnung, um deren Dienstgeschäft zu regeln.92 Zuvor hatte man sich erkundigt, wie es mit diesem Amt an anderen Höfen gehalten wurde.93 So fragten die Gothaer beim Stuttgarter Hof nach, „worinnen eigentlich der Cammerh[erren]dienst bestehet“, ob diese dem Herzog fremde Besucher melden „oder nur praesentiren, oder auch weder melden noch praesentieren“, welchen Rang ein Kammerherr habe und wie sich dessen Dienst von dem der Kammerjunker unterscheide.94 Diese Nachforschungen fanden bemerkenswerter Weise unter Geheimhaltung statt. Es wurde ausdrücklich gebeten,

88

89 90 91 92 93 94

Kriminalfälle gehörten nicht zum Ressort des Hofmarschalls, da das Hofpersonal bei einer strafrechtlichen Verurteilung automatisch aus dem Dienst entlassen und seinen Status als hofzugehörig verlor. Vgl. ebd., Bl. 7r. Vgl. ebd., Bl. 23–26. Ebd., Bl. 26v. Ebd. Die Instruktionen für die Kammerherren wurden schließlich am 6. April 1750 verabschiedetet. Vgl. ThStA Gotha Geheimes Archiv, KK V/80. Vgl. dazu ThStA Gotha Geheimes Archiv, YYX 5a und ThStA Gotha Geheimes Archiv, E XIII, 13. Vgl. ThStA Gotha Geheimes Archiv, E XIII, 13, Bl. 166.

3.5 Entwicklungstendenz

149

davon „niemanden (. . . ) Nachricht zu geben“.95 Nachdem alle Informationen zusammengesammelt waren, erließ der Gothaer Herzog Friedrich III. umgehend eine spezielle (Einzel-)Ordnung für die Kammerherren und band damit seine höchste standesgemäße Aufwartung an ein schriftliches Reglement.96 Es überrascht, dass Carl August diesem Beispiel nicht folgte und die Einführung97 der Kammerherrencharge nach seinem Regierungsantritt nicht ebenfalls zum Anlass nahm, entsprechende Ordnungen zu erlassen. Erst 1805 findet sich eine knappe schriftliche Verordnung für die Ausnahmesituation, dass der Hofmarschall vom Hof abwesend war.98 Zwar scheint es durchaus möglich, dass eine frühe Kammerherrenordnung nicht überliefert ist, doch legen verschiedene Quellen nahe, dass Carl August erst nach seiner Erhebung zum Großherzog 1815 ernsthaft den Gedanken erwog, entsprechende Regelungen zu erstellen. Aus der Korrespondenz99 von Heinrich Ludwig Verlohren, der als Gesandter am königlichen Hof in Dresden tätig war, ist ein Auszug vom April 1817 erhalten, in dem er den Dienst der Kammerherren und Kammerjunker am Dresdner Hof ausführlich und detailliert beschreibt. Offensichtlich hatte Carl August diese Informationen von Verlohren erbeten – ebenso wie dies der Gothaer Hof bereits über ein halbes Jahrhundert zuvor in Stuttgart getan hatte. Diese Nachforschungen blieben jedoch offenbar ohne Auswirkungen. Die jüngste Ordnung, die den Dienst der Weimarer Kammerherren und Kammerjunker regelte, stammt aus dem ersten Regentschaftsjahr von Carl Friedrich.100 Zu seinen Lebzeiten verzichtete Carl August demnach auf eine allgemeine Regelung seiner hohen Aufwartung und vertraute stattdessen auf die Kompetenz des führenden Hofmarschallamtes. Völlig ohne Anleitung blieben die Kammerherren in Weimar jedoch nicht. Jeder Einzelne erhielt im Zuge seiner Verpflichtung eine mündliche Einweisung sowie einen Dienstvertrag mit einer Stellenbeschreibung, die allerdings von Fall zu Fall unterschiedlich detailliert ausfiel.101 Carl August zog es demnach vor, seine höheren Hofangestellten zunächst nur individuell zu verpflichten und sich damit einen gewissen Handlungsspielraum zu erhalten. In dem Vertrauen auf sein Hofmarschallamt und auf die Dienstverträge verzichtete Carl August scheinbar auch auf die normative (Neu-)Ordnung et95 96 97 98 99 100

101

Ebd. Dies mag erklären, warum sich in den Gothaer Akten zwar einige weitere Ordnungen anderer deutscher Höfe finden, aber nicht die dazugehörige Korrespondenz. Vgl. ThStA Gotha, Geheimes Archiv, KK V/80, Bl. 1–4. Vgl. dazu unten ausführlich den Abschnitt zu den Weimarer Kammerherren. Vgl. ThHStAW HMA 436, Bl. 1–3. Vgl. ThHStAW HMA 446, Bl. 11–14. Vgl. ThHStAW HMA 448, Bl. 21f.; ThHStAW HMA 446, Bl. 1–4. Der Inhalt erlaubt die Datierung auf 1828/29, weil darin (Johann) Philipp Wilhelm von Motz als Oberhofmeister „Ihrer königlichen Hoheit der Frau Großherzogin Mutter“ bezeichnet wird. Carl August ist demnach schon tot und Louise eben jene „Großherzogin Mutter“. Vgl. ThHStAW HMA 3333, Bl. 1–3; ThHStAW Kammer Weimar 91 (PflichtsnotulBuch), darin z. B. Bl. 49–50.

150

3. Ein Hof ohne (Hof-)Ordnung?

licher weiterer Bereiche des Hofes: Für die Silberkammer, die Konditorei, die Bettmeisterei und die Lichtkammer finden sich ebenso wenig spezielle eigene Ordnungen oder Instruktionen wie für die zum Hof gehörige Gärtnerei, Bibliothek, Hofkapelle, für die Hofhandwerker und Hofagenten. Zwar bestand der Hof grundsätzlich zu keiner Zeit ohne Hofordnung, da alte Reglements nie offiziell außer Kraft gesetzt, sondern lediglich durch neue oder aktualisierte Versionen ersetzt wurden. Dennoch ist kaum vorstellbar, dass sich diese Hofdepartments tatsächlich an den älteren schriftlichen Ordnungen orientierten. Es ist wohl vielmehr auch hier, wie bei den höheren Hofangestellten, von einer individuellen oder mündlichen Einweisung im Zuge der Anstellung auszugehen. Möglicherweise war immer erst ein konkreter Anlass oder Impuls nötig, um einen Bereich schriftlich neu zu regulieren. Denn der fertig gestellte Schlossneubau macht deutlich, dass der Weimarer Hof in einigen Bereichen durchaus erhöhten Regelungsbedarf sah. Im August 1803 zog die fürstliche Familie von dem so genannten Fürstenhaus, das nach dem Schlossbrand seit 1774 als Residenz gedient hatte, in das gegenüberliegende, neu gebaute Schloss um. Das Hofmarschallamt stand damit vor der Herausforderung, altes und notwendigerweise neu angenommenes Personal gemäß den nun wesentlich erweiterten räumlichen Gegebenheiten neu an- und einzuweisen.102 Bereits fünf Jahre zuvor begannen deshalb die entsprechenden Vorbereitungen.103 Nachdem Zimmeraufteilung, Einrichtung und Möbelbeschaffung grundsätzlich geklärt waren, wurden 1803 schließlich zahlreiche Ordnungen entworfen, die das Leben und die Abläufe in der neuen Residenz regulieren sollten. So wurde für „die militärl. Posten“ der Schlosswache zum Beispiel eine Hausordnung konzipiert, die unter anderem die Benutzung der verschiedenen Treppenaufgänge bzw. einzelnen Zugänge zum Schloss je nach Anlass und Rang regelte.104 Eine ähnliche Ordnung erhielt die Hausvogtei,105 allerdings mit weiteren Verfügungen darüber, wie zum Beispiel der hausinterne Transport von Brennholz, Kohlen und Wasser geschehen sollte. Hinzu kamen Kleiderordnungen und Regeln zum „Feuer-Luft-Benehmen“, d. h. Brandschutzmaßnahmen.106 Nicht zuletzt erhielt auch die Hofdienerschaft einige zusätzliche Instruktionen, in denen beispielsweise das Tragen von „Schuhe[n] mit Nägeln oder eisernen Absätzen“ oder das „Betasten der Meubles und der Gedecke“ zum Schutz des neuen Gebäudes bzw. der Einrichtung strikt untersagt wurden.107 Der Umzug in die neue Residenz setzte zweifellos eine markante Zäsur in der Regulierung des Hofes. 102 103 104 105 106 107

Vgl. z. B. ThHStAW HMA 4552, S. 133. Vgl. z. B. ThHStAW HMA 1955, Bl. 1–53. Vgl. ThHStAW HMA 1951, Bl. 1–10, 32–36, 48, Zitat Bl. 32r. Vgl. ebd., Bl. 11–14, 37–42, 66–67. Vgl. ebd., Bl. 49–52, 66–67. Vgl. ebd., Bl. 10v–11r.

3.6 Zusammenfassung

151

Prinzipiell lässt sich damit zwar keine geradlinige Entwicklung, wohl aber eine Tendenz hin zu einem immer umfassender normierten Hof feststellen. Nicht nur die Anzahl, sondern auch der Inhalt der Ordnungen gestaltete sich mit der Zeit immer detailreicher und spezialisierter. Während im 17. Jahrhundert noch ein einziges Schriftstück genügte, um den Weimarer Hof vollständig zu ordnen, setzte Carl August auf eine steigende Anzahl von Einzelanweisungen, um mehr und mehr Bereiche bzw. Hofämter mit eigenen, auf die jeweiligen Dienste zugeschnittenen Reglements separat zu regeln. Die Detailliertheit ging gar so weit, dass selbst scheinbar Selbstverständliches schriftlich fixiert wurde. So findet sich in der Stallordnung etwa die Vorschrift, dass das Abreiten der Pferde „nur in den frühen Stunden nicht aber in der Hitze geschehen [darf und] spätestens eine gute Stunde vor dem Futter beendigt seyn“ sollte.108 Der Hofdienst löste sich damit schrittweise sowohl von der Person als auch vom mündlich tradierten Vorwissen. Die Ämter wurden zunehmend formalisiert und dadurch personenunabhängig definiert. Die zeitgemäß fortschreitende Bürokratisierung erfasste folglich auch den Weimarer Hof.

3.6 Zusammenfassung Carl August war ein Regent, der auf die Ordnung seines Hofes Wert legte – auch wenn es in Anbetracht der Quellenlage letztlich offenbleiben muss, weshalb einige Bereiche bzw. Ämter später als andere neu normiert wurden. Der Herzog knüpfte an die bestehende Weimarer Tradition an und band seine gesamte Livreedienerschaft umgehend nach seinem Regierungsantritt an eine schriftlich fixierte, später immer wieder aktualisierte und damit umsetzbare Ordnung. Das Kriterium der Zeremonialwissenschaft, dass sich ein wohl eingerichteter Hof durch eine Hofordnung auszeichne, wurde also weitgehend erfüllt. Da es offensichtlich keine genauen Erwartungen gab, wie eine Hofordnung ausgestaltet oder welche Bereiche in welchem Ausmaß reguliert sein sollten, kann davon ausgegangen werden, dass Carl Augusts Hof von Anfang an den Mindeststandard nicht unterbot. Er unterschied sich damit von jenen Herrschern, die ihre Höfe auf der Grundlage von realitätsfremden, weil veralteten Ordnungen führten. Jedoch ist nicht zu verkennen, dass dies zunächst nicht für alle Bereiche galt. Der Weimarer Hof orientierte sich an den üblichen Erwartungen, sah sich dadurch aber offensichtlich nicht zu einer detaillierten Gesamtregulierung veranlasst. Erst im Verlauf von Carl Augusts Herrschaft ist eine immer präzisere, allumfassendere Regelungsinitiative gemäß dem allgemeinen Trend zur Bürokratisierung zu verzeichnen. Durch den Blick in ältere Weimarer Hofordnungen und den Vergleich 108

ThHStAW Hofstallamt 377, Bl. 37r.

152

3. Ein Hof ohne (Hof-)Ordnung?

mit den Ordnungen anderer Höfe ließ sich darüber hinaus die These von einem außergewöhnlichen moralischen Verfall am Weimarer Hof entkräften. Die unbeständige Arbeitsmoral der Livreebediensteten war Ende der 1780er Jahre mit Sicherheit ein Problem, allerdings keines, das durch das Desinteresse des Herzogs verursacht wurde. Stattdessen scheint vielmehr die Vakanz des Hofmarschallpostens einige Unregelmäßigkeiten provoziert zu haben, denen der Weimarer Herzog aber zeitnah mit einer geänderten Ordnung und einer Aufgabenumverteilung abzuhelfen wusste. Carl August zeigte damit, dass er auf einen reibungslos funktionierenden Hof Wert legte und keine Verfehlungen oder gar Verfall zugunsten persönlicher Freiheiten hinnahm. Vor diesem Hintergrund erklärt sich auch das wiederholte und sorgfältige Bekanntmachen der Hofordnungen. Die Chefs der jeweiligen Hofdepartments wählten dazu – je nach der Beschaffenheit ihres Arbeitsbereiches – entweder Wort oder Schrift bzw. den Druck und vergaßen nicht, auch jene zu informieren, die wegen Krankheit vorübergehend abwesend waren. Sie konnten sich dadurch jederzeit auf feste Regeln berufen und im Falle eines Verstoßes die harten Strafmaßnahmen und körperlichen Züchtigungen rechtfertigen, die Carl August zur Durchsetzung der Ordnungen empfahl. Um dem jedoch bestmöglich vorzubeugen, setzte der Herzog schon bei der Erstellung der Ordnungen auf einen Aushandlungsprozess, der den Hofangestellten eine reelle Chance einräumte, ihre Lebenswelt mit den Reglements soweit wie möglich in Einklang zu bringen. Carl Augusts Ordnungswillen zielte demnach nicht auf die Normierung als Selbstzweck. Der Weimarer Herzog war vielmehr an einer tatsächlichen Umsetzung der Hofordnung(en) interessiert und wollte seinen Hofalltag in geregelten Bahnen wissen.

4. Der Weimarer Hof als vielfältige Einheit mit individuellen Hofprofilen Um 1800 stach der Weimarer Hof aufgrund seiner personellen Größe merklich aus der Landschaft der weltlichen Fürstenhöfe heraus. Carl August hatte sich entschieden, seinen hohen Stand und Rang als Herzog von SachsenWeimar-Eisenach mit dem Umfang seines Hofes angemessen und deutlich zur Schau zu stellen. Da die bloße Zahl der Hofbediensteten aber nicht ausreichte, um den Rang eines Fürsten zu repräsentieren, ist nun zu fragen, wie der Weimarer Hof strukturiert war und welche Personen ihn konstituierten. Die Quantität spielte zwar in jeder Hinsicht eine bedeutende Rolle, darüber hinaus galt es jedoch auch, qualitative Erwartungen zu erfüllen. Ein Regent hätte sich ansonsten wahllos mit einer Unmenge an Menschen ohne Rücksicht auf Herkunft, Geschlecht oder Reputation umgeben können. Das folgende Kapitel wird daher hinter die Zahlen schauen und die Strukturen und Personen des Weimarer Hofes um 1800 konkret in den Blick nehmen. Das Augenmerk liegt dabei auf den Besonderheiten der Einzelhöfe, da diese einerseits den (innerfamiliären) Rang und Status der jeweiligen fürstlichen Familienmitglieder spiegeln und damit jeweils eigenen zeremoniellen Ansprüchen genügen mussten. Andererseits sollten sie aber auch in ihrer Gesamtheit dem Rang des Regenten gerecht werden. Ein weltlicher Fürstenhof war also bereits genuin eine vielfältige Einheit. Carl August besaß deshalb prinzipiell das Recht, über alle personellen Fragen seines Hofes zu befinden. Inwieweit er dieses Privileg tatsächlich in Anspruch nahm und in welcher Art und Weise er es umsetzte, soll die individuelle Analyse der Weimarer Einzelhöfe zeigen. Nur so ist es möglich, Carl Augusts höfische Personalpolitik in all ihren Facetten zu konturieren und davon abgegrenzt die personalpolitischen Entscheidungsmöglichkeiten und Handlungsmuster der anderen Weimarer Fürstlichen aufzudecken. Grundsätzlich gilt es, die Prinzipien herauszuschälen, von denen sich der Herzog bei seiner Personalwahl leiten ließ, und zu ergründen, ob diese Prinzipien gegebenenfalls von Hof zu Hof variierten. Dafür muss eruiert werden, welche personalpolitischen Eigenheiten einen jeden Hof auszeichneten und wie sich das Personal der Einzelhöfe unterschied. Wo gab es Fluktuationen, und wo diente ein beständiger Personalstamm? Wie unterschied sich die Zahl der adeligen und der nicht adeligen Diener? Spielte das Geschlecht eine Rolle? Welches Familienmitglied nahm aufgrund seines Personals eine sichtbar herausragende Stellung ein, und wer wurde gegebenenfalls degradiert? Bei wem wich der Herzog vom Zeremoniell ab, und was bezweckte er damit? Und: Welche Faktoren kamen gegebenenfalls neben dem Zeremoniell zur Geltung? Um schließlich bestimmen zu können, ob und was den Weimarer Ge-

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4. Der Weimarer Hof als vielfältige Einheit mit individuellen Hofprofilen

samthof als Personenverband auszeichnete, ist eine Einordnung in die Hoflandschaft unabdingbar. Die Einzelhöfe werden deshalb als eigene, in sich hierarchisch organisierte Einheiten begriffen und den entsprechenden Einzelhöfen anderer Fürstenfamilien gegenübergestellt. Die Höfe des Gothaer, Schweriner, Kasseler, Darmstädter und Rudolstädter Fürsten bieten sich für diese Gegenüberstellung an, da sie sich alle − wie die meisten weltlichen Höfe − in ihrem Aufbau ähnelten. Allein der Meininger Hof nahm sich seit dem Tod von Georg I. als etwas Besonderes aus. Mit Beginn der vormundschaftlichen Regierung von Louise Eleonore wurde deren kleiner Personalstamm aufgelöst und in den stark reduzierten Kernhof eingegliedert, da sie nun als Vertreterin ihres unmündigen Sohnes dem gesamten Hof vorstand. Da sich mit dem folgenden Kapitel eine eingehende Analyse des hohen Hofpersonals adeliger Herkunft anschließt, wird auf den verpflichteten Adel hier nur dann näher eingegangen, wenn sich damit eine Eigenheit des jeweiligen Hofes erklärt. Die Aufmerksamkeit richtet sich jedoch grundsätzlich auf den gesamten Einzelhof. Es wird deshalb sowohl das adelige als auch das nichtadelige Hofpersonal betrachtet.

4.1 Der sich wandelnde Kernhof von Carl August Die Weimarer Staatskalender geben schnell zu erkennen, dass Carl August seinen Hof in den beiden Jahrzehnten vor und nach 1800 nicht mehr auf Grundlage der vier im Mittelalter etablierten Ämter des Hofes, der quattuor officia principalia,1 strukturierte, sondern stattdessen das im 18. Jahrhundert übliche Oberchargensystem bevorzugte. Zu Beginn seiner Regierung legte er die Leitung seines Hof in die Hände eines Ober(hof)marschalls, eines Oberstallmeisters und eines Oberjägermeisters. Die Besetzung dieser Hofspitzen handhabte er im Laufe der Zeit variabel und passte sie seinen jeweils vorhandenen Personalressourcen an. So beließ er zum Beispiel die Hofmarschallstelle über mehrere Jahre unbesetzt und unterstellte stattdessen den Großteil seines Hofpersonals einem marschallierenden Kammerherrn und einem Oberkammerherrn.2 An der prinzipiellen Einteilung des Kernhofes änderte sich dadurch aber nichts. Er blieb weiterhin in drei große Bereiche untergliedert: Hof(-marschallamt), Stall und Jägerei. In allen drei Bereichen dienten in dem Jahrzehnt vor 1800 insgesamt zwischen 477 und 506 Personen. Carl August versammelte damit durchschnittlich 88 % des gesamten Hofes um sich und unterhielt den weitaus umfangreichsten Personalstamm. Die übrigen Hofstaaten seiner Gattin, Mutter, Kinder und Kindeskinder nahmen sich dagegen selbst in ihrer Gesamtheit 1 2

Vgl. Müller: Fürstenhof, S. 18. Zu den Vakanzen vgl. Kapitel V, Abschnitt 1.4.

4.1 Der sich wandelnde Kernhof von Carl August

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Abbildung 6: Groß, männlich, nichtadelig – die statistische Charakteristik des Kernhofes. Diese Daten basieren auf den Weimarer Staatskalendern der jeweiligen Stichjahre.

nur relativ bescheiden aus. Ihr Anteil stieg erst 1802, nachdem Carl August die Zusammensetzung seines Hofes durch die Ausgliederung der Jägerei modifiziert und sein Hofpersonal auf 380 Bedienstete reduziert hatte. Der Kernhof blieb allerdings auch nach dieser Strukturänderung mit mehr als drei Vierteln des gesamten Hofpersonals der umfangreichste Hof Weimars. Neben der dominierenden Größe sind das Verhältnis der Geschlechter wie auch das Verhältnis der Stände bemerkenswert. Der Kernhof war zu 95 % männlich besetzt. Einer Hofdienerin standen somit rein statistisch etwa 20 Hofdiener gegenüber. In der Praxis dürfte dieses Ungleichverhältnis allerdings nur bedingt aufgefallen sein, da Frauen nur in wenigen Bereichen mit Männern zusammenarbeiteten. Der Stall und die Jägerei blieben ohne Ausnahme reine Männerdomänen. Ähnlich wurden auch in der Livreedienerschaft, Gärtnerei, Bibliothek, Gewehrkammer und im Zeicheninstitut nur Männer geduldet. Fest in Frauenhand war dagegen die Bettmeisterei, während die Silberkammer gewöhnlich paritätisch mit beiden Geschlechtern besetzt war. Allein in der Garderobe von Carl August sowie in der Hofküche, der Hofkonditorei und der Hausvogtei standen jeweils ein bis drei Frauen einer Vielzahl an Männern gegenüber. Sie rangierten dort gewöhnlich in der Rangfolge ganz unten und übten niedere Tätigkeiten aus. Nur in der Hofkapelle und im Handwerk war dies anders. Dort kamen den Sängerinnen und Handwerkerwitwen vergleichsweise hohe Stellungen zu.3 Eine dritte markante, aber übliche Eigenheit lag in der kegelförmigen, ständischen Anordnung des Personals, an dessen Spitze der verpflichtete Adel stand und dessen breite Basis der Nichtadel bildete. Der Hof spiegelte damit die Ständegesellschaft en miniature. Über die Jahre veränderte sich im Kernhof das Verhältnis zwischen den Ständen zugunsten des Adels.4 Konnten 1790 nur etwa 16 % eine vornehme Geburt vorweisen, bestand der Hof zwei Jahrzehnte 3 4

Zu den Weimarer Hofhandwerkern vgl. Katrin Pöhnert: Zwischen Hof und Stadt. Hofhandwerker in Weimar und Jena (1770–1830). Diss. Jena 2011. Vgl. dazu ausführlich Kapitel V.

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4. Der Weimarer Hof als vielfältige Einheit mit individuellen Hofprofilen

später bereits zu einem Viertel aus Edelmännern. Adelige Frauen waren im Kernhof zeremoniellgerecht nicht zu finden. Die Anstellung von Hofdamen überließ der Herzog den Damen seines Fürstenhauses. Der Blick hinter die Zahlen auf die einzelnen Hofbediensteten zeigt, wie unbeständig Carl Augusts Kernhof war. Zwischen 1790 und 1810 dienten dort insgesamt 925 Personen. Da pro Jahr nur etwa 500 Personen zeitgleich beschäftigt waren, scheint der Herzog sein Personal in den beiden Jahrzehnten um 1800 beinahe vollständig ausgetauscht zu haben. Ob alle Bereiche von diesem Austausch gleichermaßen oder nur bestimmte Bereiche besonders stark betroffen waren, lässt sich nicht verlässlich feststellen. Denn gerade in jenen Abteilungen, in denen der Nichtadel diente, konnte aufgrund der üblichen Gleichbenennung von Vätern und Söhnen nicht jede Person eindeutig identifiziert werden. Dementsprechend ist es möglich, dass die Fluktuation im Kernhof sogar noch höher war als angenommen. Trotz dieses Quellenproblems lässt sich das Profil des Kernhofes jedoch klar umreißen: Er war groß, unbeständig und bestand in erster Linie aus nichtadeligen Männern. 4.1.1 Die Ausgliederung der herzoglichen Jägerei Mit der Einbindung der gesamten herzoglichen Jägerei in den Hof unterschied sich Carl August von vielen anderen fürstlichen Kernhöfen. Allein der Meininger Hof schloss, wie der Weimarer Hof, die herzogliche Jägerei mit allen Oberforsten in sich ein.5 Die Höfe in Darmstadt, Gotha, Kassel, Schwerin und Rudolstadt waren dagegen anders strukturiert, jedoch auch nicht alle nach demselben Muster organisiert: Herzog Ernst II. bevorzugte zum Beispiel eine Zweiteilung und wies in den Staatskalendern die Gothaer Jägerei im Hofetat, die Altenburger Jägerei im Ziviletat aus.6 Obwohl er wie Carl August zwei Landesteile in seiner Hand vereinte, beließ er seine Jägerei also zweigeteilt mit jeweils unterschiedlichem Status. Andere Fürsten schufen eindeutigere Verhältnisse und ordneten ihr komplettes Jagd- und Forstwesen dem Ziviletat unter. Diese Variante bevorzugten sowohl die beiden hessischen Landgrafen als auch der Schweriner Herzog. Alle drei beherrschten im Gegensatz zu Carl August ein großes Territorium und besaßen dementsprechend auch ein Vielfaches an Jagd- und Forstpersonal. Das Kasseler Land-, Forst- und Jägereiwesen zählte zum Beispiel um 1800 zwischen 730 und 790 Personen und damit etwas mehr als das Doppelte von dem, was der Kasseler Hof an Personal besaß. Hätte der Landgraf all seine Jagd- und Forstleute als Hofzugehörige deklariert, hätte sein Hof eine Größendimension erreicht, die schon fast dem Rang eines Kurfürsten entsprochen hätte. Das war aber offensichtlich nicht sein Ziel. Der Kasseler Landgraf gestaltete seinen Hof seinem Rang gemäß und kategori5 6

Vgl. z. B. den Meininger Staatskalender von 1801, S. 258–265. Vgl. z. B. den Gothaer Staatskalender von 1801, S. 67–68.

4.1 Der sich wandelnde Kernhof von Carl August

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Abbildung 7: Zuordnung der Jagd- und Forstbediensteten der jeweiligen Höfe Die Angaben stammen aus den Darmstädter, Gothaer, Kasseler, Weimarer und Meininger Staatskalendern. Wenn ein Kalender zum jeweiligen Stichjahr nicht verfügbar war, wurde das jeweils vorher- oder nachfolgende Jahr als Zahlengrundlage genommen und mit einem Annäherungssymbol gekennzeichnet.

sierte seine gesamte Jägerei als zivile Institution. Ähnlich verhielt es sich beim Darmstädter Landgrafen. Zwar beschäftigte er weit weniger Personal als der Kasseler Landgraf, allerdings überstieg die Zahl seiner Forstleute ebenfalls die seiner eigentlichen Hofleute. Wie der Kasseler Fürst gliederte er deshalb seinen Jagd- und Forstbetrieb dem Ziviletat unter − allerdings wies er in seinem Hof zugleich eine Hofjägerei aus und ließ darin seine Jagdjunker, Oberförster, Hofjäger und Fasanenjäger zusätzlich als Zugehörige des Hofes verschreiben. Er wählte damit einen Mittelweg und billigte einem kleinen Teil seiner Jägerei eine institutionelle Doppelrolle zu. Um 1800 schien jeder Fürst demnach eine etwas andere Variante gewählt zu haben, das Personal des Jagd- und Forstwesens in seinem Fürstentum zu verorten. Offenbar gab es keine einheitliche Handhabung in der institutionellen Zuordnung der Jägereien. Das Weimarer Hofmodell war dementsprechend auch nichts Besonderes. Es unterschied sich zwar mit seiner kompletten Integration der Jägerei von vielen anderen Fürstenhöfen. Da es aber keine feste Norm gab, war Weimar auch keine Ausnahme. Angesichts dieser Diversität unter den Fürstenhöfen scheint die Einheitlichkeit der ranghöchsten Höfe des Alten Reiches bemerkenswert: Sowohl der Kaiser als auch die weltlichen Kurfürsten bevorzugten im Gegensatz zu den Reichsfürsten alle eine eigene Jagdabteilung im Hofetat.7 In der Regel unter7

Vgl. bspw. den Hof- und Staatsschematismus der römisch. kaiserlichen auch kaiserlich-königlichen und erzherzoglichen Haupt- und Residenzstadt Wien (. . . ). Wien 1797, S. 348– 354; Königlich-Sächsischer Hof- und Staatscalender auf das Jahr 1797. Leipzig 1797, S. 69– 75; Seiner kurfürstlichen Durchleucht zu Pfalz Hof- und Staatskalender für das Schaltjahr 1780, S. 87–88; Berliner Staatskalender von 1798, S. 13–14. Die Struktur geistlicher Höfe wich ein wenig von der Struktur weltlicher Höfe ab. Anhand der Staatskalender lässt sich deshalb nicht abschätzen, ob und inwieweit die Jägerei der Fürst(erz)bischöfe ebenfalls zum Hof gehörte.

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4. Der Weimarer Hof als vielfältige Einheit mit individuellen Hofprofilen

stellten sie diese einem Oberhof- oder Landjägermeister und führten darin nicht nur ihre höchsten adeligen Jagd- und Forstleute, sondern auch niedere Bedienstete bis hin zum Jagdknecht auf.8 Daneben gab es zwar stets noch einige Angestellte auf dem Lande, die jeweils zum zivilen Personal der verschiedenen Landesteile gezählt wurden,9 der Großteil der Jägerei war aber fester Bestandteil des Hofes. Das Weimarer Hofkonzept ähnelte daher eher den höherrangigen Höfen des Alten Reiches als den Höfen der rangähnlichen bzw. -niedrigeren Fürsten. Vielleicht orientierte sich Carl August ganz bewusst nach oben und hielt deshalb in seinen ersten Regierungsjahrzehnten an der schon etablierten Struktur des Weimarer Hofes fest. Möglicherweise war er nach seinem Regierungsantritt aber auch schlicht nicht gewillt, diese über Jahrzehnte tradierte Organisation des Weimarer Hofes tiefgreifend zu verändern. Bereits Carl Augusts Vater Ernst August II. Constantin und später auch seine Mutter Anna Amalia unterhielten die Jägerei als Teil des Hofes. Die Tradition des eigenen Hauses und das Vorbild der gekrönten Höfe mussten im Herbst 1802 jedoch schließlich anderen Prioritäten weichen. Nach knapp drei Regierungsjahrzehnten entschied sich Carl August, seinen Hof umzustrukturieren und die herzogliche Jägerei komplett aus dem Hof auszugliedern. Er griff damit zum ersten Mal maßgeblich in die Struktur des Weimarer Hofes ein und verkleinerte ihn auf einen Schlag um fast 110 Personen. Der Gesamtumfang des Hofes reduzierte sich dadurch um fast 20 %. Angesichts der zeremoniellen Korrelation von Rang und Hofgröße nahm der Herzog damit einen enormen Prestigeverlust in Kauf. Weimar fiel im Vergleich zu anderen Fürstenhöfen plötzlich auf ein durchschnittliches Niveau ab und überragte zum Beispiel den Gothaer Konkurrenten nur noch um knapp 30 Hofbedienstete (vgl. Abb. 5).10 Der um 1800 permanent wachsende Schweriner Hof übertraf Weimar nun sogar mit mehr als 150 Personen.11 Die Ausgliederung der Jägerei hinterließ also einen tiefen Einschnitt im Hof und raubte ein Stück Prestige. Diese Deklassierung blieb jedoch nur eine kurze Episode. Schon zwei Jahre später hatte der Hof seinen Verlust um die Hälfte ausgeglichen und glänzte erneut mit einem Umfang von 508 Personen. Dieser Zuwachs war bereits zu dem Zeitpunkt absehbar, als der Weimarer Herzog die Jägerei ausgliederte. Langfristig geplante familiäre und bauliche Ereignisse sollten den Hof verän8

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10 11

Das preußische Handbuch war eine Ausnahme, weil es generell darauf verzichtete, niedere Angestellte zu verzeichnen. Bei der Küche verwies der Adresskalender seinen Leser zum Beispiel darauf, dass die „Mundköche, Bratenmeister, Mundbäcker und übrige Kuchenbediente (. . . ) in der Königl. Küche zu erfragen“ seien. Vgl. z. B. den Berliner Staatskalender von 1797, S. 15. Der Pfälzer Staatskalender weist deshalb darauf hin, dass die Landjägerei jeweils in den Abteien und Propsteien Bayerns bzw. bei den kurpfälzischen Landesbeamten ausgewiesen sei. Derartige Verweise waren üblich. Vgl. den Gothaer Staatskalender von 1803, S. 55–70. Vgl. den Schweriner Staatskalender von 1803, S. 9–23.

4.1 Der sich wandelnde Kernhof von Carl August

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dern: So stand seit über einem Jahr fest, dass eine Prinzessin von kaiserlichem Geblüt in naher Zukunft die Familie erweitern würde. Der Heiratsvertrag zwischen Carl Friedrich und Maria Pawlowna war im Sommer 1801 sowohl von Weimarer als auch von russischer Seite endgültig ratifiziert worden. Welche signifikanten personellen Veränderungen daraufhin zu erwarten waren, führte der Schweriner Hof vor Augen, an den einige Jahre zuvor ebenfalls eine Zarentochter verheiratet worden war.12 Der Hofstaat des dortigen Erbprinzen Friedrich Ludwig wuchs nach der Eheschließung auf über 50 Personen an.13 Einen ähnlichen Umfang erlangte sodann tatsächlich auch der Weimarer Erbprinzenhof. Der Einzug von Carl Friedrich und Maria Pawlowna im Herbst 1804 bereicherte den Weimarer Hof um ebenfalls etwa 50 neue Hofangestellte und nivellierte zeitnah den Verlust der Jägerei.14 Jedoch veränderte nicht nur der Familienzuwachs die Personalstruktur, sondern auch die Fertigstellung des neu erbauten Schlosses. Mit den erweiterten räumlichen Verhältnissen − es wurde nicht nur das neue Schloss, sondern weiterhin auch das Fürstenhaus bewirtschaftet − erhöhte sich der Personalbedarf merklich. Carl August verstärkte deshalb die Garderobe, die Hoflivreedienerschaft und vor allem die Hausvogtei. Zählte die Hausvogtei 1790 noch 14 Bedienstete,15 waren es seit dem Umzug ins Schloss im Sommer 1803 etwa 27 Angestellte pro Jahr.16 Das Personal hatte sich also verdoppelt. Zwar waren schon im Verlauf der 1790er Jahre vier weitere Knechte eingestellt worden, um dem steigenden Arbeitsaufwand durch das Älterwerden der fürstlichen Kinder gerecht werden zu können. Die größte Aufstockung wurde jedoch erst mit dem Umzug in das neue Schloss nötig. Prinzipiell hätten sogar wesentlich mehr Arbeitskräfte, insbesondere für die Reinigungsdienste, eingestellt werden müssen. Dazu fehlte jedoch offenbar das Geld. Die anstehenden Arbeiten versuchte man deshalb in der Hausvogtei anderweitig zu verteilen, indem man den Haus- und Schlossknechten das Angebot machte, mietfrei im Schloss wohnen zu dürfen, wenn sie im Gegenzug zusicherten, dass „ihre Weiber (. . . ) im Nothfall (. . . ) aßistiren“ würden.17 Im Konkreten sollten die Ehefrauen und Töchter die Reinigung des großen Saals und der Haupttreppe übernehmen. Daraufhin entbrannten Debatten. Einerseits reizte viele Knechte das freie Quartier, andererseits konnten wegen diverser „Kräncklichkeiten“ nicht alle die Arbeitskraft ihrer Frauen zur Verfügung stellen. Das Hofmarschallamt verzichtete daher auf eine einheitliche Regelung und löste seine Personalnot, indem es für beinah jeden Knecht und

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Die Schweriner Staatskalender wurden am Weimarer Hof nachweislich gelesen. Vgl. ThHStAW A 179, Bl. 30v. Vgl. z. B. den Schweriner Staatskalender von 1801 und 1803, jeweils S. 19–21. Vgl. dazu den Abschnitt zum Hof von Carl Friedrich und Maria Pawlowna. Vgl. den Weimarer Staatskalender von 1790, S. 82–83. Vgl. den Weimarer Staatskalender von 1804, S. 131–132. ThHStAW HMA 651, Bl. 42v.

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4. Der Weimarer Hof als vielfältige Einheit mit individuellen Hofprofilen

dessen Familie eine individuelle Entlohnung und Aufgabenstellung vereinbarte.18 Die umfangreiche personelle Aufstockung der Hausvogtei, Hoflivreedienerschaft und Garderobe sollte allerdings ein Stück weit durch den Personalabbau in anderen Bereichen kompensiert werden. Denn die Fertigstellung des Schlosses machte nicht nur etliche neue Hofangestellte nötig, sondern auch etliche alte überflüssig. So sank zum Beispiel der Bedarf an Hofhandwerkern, Hoffaktoren sowie Hof- und Kammeragenten. Während 1790 noch 44 Hofhandwerker und 31 Agenten und Faktoren im Hof integriert waren,19 verringerte sich deren Zahl schon 1802 auf jeweils 28 und 26 Angestellte.20 Bis 1810 setzte sich dieser Abbau stetig fort.21 Auf den gesamten Untersuchungsraum berechnet, reduzierte sich die Zahl der Handwerker um etwa die Hälfte und die seiner Agenten und Faktoren um ein Drittel. Letztendlich gestaltete sich der Zuwachs an Personal aber doch stärker als der Abbau, so dass der Hof den Verlust der Jägerei bereits nach vier Jahren schon wieder zu etwa 80 % ausgeglichen hatte. Diese personellen Veränderungen durch Heirat und Fertigstellung des Schlossneubaus waren zu jenem Zeitpunkt bereits relativ präzise kalkulierbar gewesen, als sich Carl August entschloss, seine Jägerei aus dem Hof auszugliedern. Er nahm demnach eine minimierte höfische Repräsentation in der sicheren Voraussicht in Kauf, dass sich sein Hof in naher Zukunft wieder deutlich vergrößern und somit sein Prestige wieder erhöhen würde. Da die erneute, größere Reduktion des Hofes fünf Jahre später anlässlich des Todes der Herzogsmutter noch nicht absehbar war, erachtete Carl August diese Aussichten wohl als überaus günstige Gelegenheit, um seinen Hof ohne langfristigen Prestigeverlust neu zu strukturieren. Der Grund für diesen einschneidenden Umbau lag allerdings nicht im Hof selbst begründet, sondern in der Struktur der herzoglichen Finanzverwaltung, die Carl August im Herbst 1802 vollständig neu organisieren ließ. Der Tod des Eisenacher Kammerpräsidenten Carl Christian von Herda zu Brandenburg (1728–1802) machte dafür im Juni 1802 den Weg frei. Noch im Oktober wurden die Weimarer Kammer und die Eisenacher Kammer zu einer Gesamtkammer zusammengelegt und unter ein gemeinsames Präsidium gestellt.22 18

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Vgl. ThHStAW HMA 651, Bl. 8–70. Die Frauen wurden für ihre Arbeit in der Regel nicht eigenständig entlohnt. Stattdessen bekamen die Knechte im Ausgleich eine minimale Gehaltserhöhung und das freie Quartier für sich und ihre Familien zugestanden. Vgl. den Weimarer Staatskalender von 1790, S. 86–88. Vgl. den Weimarer Staatskalender von 1803, S. 126f. 1810 finden sich nur noch 18 Hofhandwerker und 19 Agenten und Faktoren verzeichnet. Vgl. den Weimarer Staatskalender von 1810, S. 181–183. Alle Hofämter wurden davon schriftlich in Kenntnis gesetzt, mit dem Hinweis, dass diese neue Gesamtkammer von nun an in allen Kommunikaten und Korrespondenzen als „fürst. S. Weimar und Eisenachische Renth-Cammer“ betitelt werden solle. Vgl. ThHStAW Hofstallamt 5, Bl. 5. Zur Entwicklung der Behörden siehe Ulrich Heß: Ge-

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Beide Kammern blieben zwar zunächst als jeweils einzelne Abteilungen bestehen, wurden aber schon wenige Jahre später auf Kosten der Eisenacher Abteilung gänzlich miteinander verschmolzen. In Eisenach verblieben danach nur noch einige wenige deputierte Kammerräte, die aber keine eigene Behörde mehr bildeten.23 Carl August veranlasste zudem schon 1802 etliche weitere Umorganisierungsmaßnahmen und ließ zum Beispiel mehrere Immediatkommissionen auflösen, um deren Zuständigkeiten in die Hände der Kammer zu legen. In der Forschung gilt diese weitgreifende Reform der Finanzverwaltung als Auftakt für die behördliche Verschmelzung beider Landesteile mit dem Ziel, die doppelte Verwaltung zugunsten einer einheitlichen Zentralverwaltung für das gesamte Herzogtum abzubauen.24 Ähnliche Bestrebungen zur Verschmelzung der beiden Landesteile hatte seinerzeit bereits Carl Augusts Großvater, Herzog Ernst August, sofort nach dem Anfall des Eisenacher Erbes 1741 unternommen. Die von ihm geschaffenen zentralisierenden Behörden wurden jedoch nach seinem Tod 1748 auf Betreiben der Stände und der alten Landeskollegien wieder aufgelöst.25 Zu diesen aufgelösten Behörden gehörte unter anderem auch ein (Ober-)Forstamt. Es ist folglich nahe liegend, dass die ebenfalls auf Zentralisierung abzielende Finanzverwaltungsreform von 1802 erneut die Jägerei mit einbezog und dazu führte, dass sie aus dem Hof ausgegliedert und pragmatischer Weise komplett der Kammer übergeben wurde.26 Aus finanzieller Perspektive scheint dies ein sinnvoller Schritt gewesen sein, da die Kammer ohnehin seit Jahren die Fixkosten des Jagd- und Forstwesens, der Hoffischerei und der Fasanerie bestritt und die Hofkasse nur die zusätzlich individuell anfallenden Kosten von Carl Augusts „Lust- und Jagdpartien“ zu tragen hatte.27 Gleichwohl begründete sich der Pragmatismus weniger mit den Ausgaben, als vielmehr mit den enorm steigenden Einnahmen. Allein die Erlöse aus der Forst- und Waldnutzung verdoppelten sich innerhalb eines Jahrzehnts von 28 309 Reichstaler im Bilanzjahr 1790/91 auf 56 568 Reichstalern im Bilanzjahr 1800/01 (vgl. Abb. 8). Nach den Einkünften aus den Frucht- und Pachtgeldern der herzoglichen Ämter

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schichte der Behördenorganisation der thüringischen Staaten und des Landes Thüringen von der Mitte des 16. Jahrhunderts bis zum Jahr 1952. Jena 1993. Vgl. Ulrich Heß: Geheimer Rat und Kabinett in den ernestinischen Staaten Thüringens. Organisation, Geschäftsgang und Personalgeschichte der obersten Regierungssphäre im Zeitalter des Absolutismus. Weimar 1962, S. 194. Vgl. Heß: Geheimer Rat, S. 192. Vgl. Heß: Geschichte der Behördenorganisation, S. 30–31. Wie das neu begründete Baudepartment ist die Jägerei deshalb im Staatskalender ab 1803 unter der Weimarer Gesamtkammer verzeichnet. Vgl. den Weimarer Staatskalender von 1803, S. 51–57. Konkrete Informationen zu diesem Wechsel sind nur noch spärlich vorhanden, da ein Großteil der Kammerakten bei einem Brand im Außenlager des Thüringer Hauptstaatsarchivs in Bad Sulza 1945 vernichtet wurden. Ich danke der Oberarchivrätin Dr. Katja Deinhardt für diese Information. Für die Kammerbilanz vgl. Abb. 8. Für die Hofkasse vgl. ThHStAW HMA 27; ThHStAW A 9038–9040.

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4. Der Weimarer Hof als vielfältige Einheit mit individuellen Hofprofilen

Abbildung 8: Ausschnitt aus den Kammerbilanzen der Jahre 1785 bis 1816 Vgl. ThHStAW Rechnungen 287–317. Alle Angaben sind aufgerundet und in Reichstalern angegeben.

spülte das Forst- und Jagdwesen damit den höchsten Beitrag in die Kassen der Kammer.28 Die Aussicht auf den Ausbau des Hofpersonals scheint demnach lediglich den passenden Rahmen geboten zu haben, um die Jägerei in die Neuordnung der Finanzstrukturen mit einbeziehen und die offenbar gleichberechtigten Wünsche nach zentralisierter Verwaltung und höfischer Repräsentation in Einklang bringen zu können. Intern blieb die Jägerei allerdings von jeglichen Umgestaltungen verschont. Carl August veränderte zwar die institutionelle Zuordnung, nicht aber die Jägerei selbst. Die strukturelle Zweiteilung in den Weimarer und den Eisenacher Teil blieb ebenso bestehen wie die Gliederung in die fünf Unterbehörden, d. h. in das Weimarer, Ilmenauer, Allstedter, Eisenacher und Zillbacher Department.29 Auch der Personalstamm blieb exakt gleich. Jedes Department wurde weiterhin von einem Oberforstmeister geführt,30 der in der Verwaltung von einem Forstschreiber, Forstsekretär oder Forstmeister unterstützt wurde.31 Ihm unterstanden − je nach Größe des Jagd- und Forstgebietes − eine kleine Zahl an Förstern, Wildmeistern, Hegreitern, Forstlaufern, Pirschknechten, Holzknechten und etlichen anderen Forstbedienten, die wiederum 28

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Die Einnahmen aus den Frucht- und Pachtgeldern der herzoglichen Ämter belief sich im Bilanzjahr 1785/86 auf 74 244 Taler und steigerte sich bis 1810 auf 94 321 Taler. Mit diesen Summen hätte Carl August problemlos die Ausgaben der Hofkasse abdecken können. Vgl. ThHStAW Rechnungen 287–317. Vgl. zum Beispiel den Weimarer Staatskalender von 1808, S. 57–62. Zu den Oberforstmeistern vgl. unten Kapitel V. Vgl. bis auf Weiteres die Weimarer Staatskalender von 1790 bis 1810.

4.1 Der sich wandelnde Kernhof von Carl August

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einem eigenen Revier zugeteilt waren. Das Ilmenauer und Allstedter Department hatten mit jeweils durchschnittlich 11 und 14 Bediensteten den kleinsten Personalstamm pro Jahr, während das Eisenacher Department mit durchschnittlich 25 Bediensteten pro Jahr das meiste Personal versammelte. Nach der Ausgliederung aus dem Hof änderte sich daran nichts. Der einzige Unterschied bestand nach 1802 darin, dass nun alle niederen und höheren Bediensteten nicht mehr im Hof-, sondern im Ziviletat verzeichnet waren.32 Da alle Adeligen neben dem Jäger- oder Forsthandwerk am Hofe auch Funktionen als Junker und Kammerherren innehatten, bekamen sie eine institutionelle Doppelrolle und fungierten seitdem als Hof- und als Zivilbedienstete. Mit 7 bis 10 % war ihr Anteil jedoch stets sehr gering. Der größere, nicht adelige Teil der Jägereibediensteten verlor dagegen seinen Status als Hofmitglied. Selbst die fünf Hofjäger Carl Balzer, Anton Georg Hauptmann (1735–1803), Carl Christian Förster und Christian Ludwig (Wilhelm) Schnell und Johann Wilhelm Seidel wurden zu Zivilbediensteten. Wie sich die Ausgliederung der Jägerei konkret auf das Hofleben auswirkte, lässt sich nur vermuten, da die Jagdakten des Hofes verlorengegangenen sind.33 Das Fourierbuch legt nahe, dass Carl August seine Jagdleidenschaft nur noch vermindert auslebte. Zuvor war er regelmäßig jedes Jahr mehrmals im Herbst und Winter mit einer kleinen Gesellschaft zur Jagd gezogen.34 Laut Fourierbuch reduzierten sich diese Ausflüge jedoch ab 1802 drastisch. Zwischen September 1801 und November 1807 findet sich keine einzige Jagd verzeichnet.35 Die erste große eingestellte Prunkjagd fand erst wieder im Rahmen der Feierlichkeiten anlässlich des Erfurter Fürstenkongress 1808 zu Ehren des französischen Kaisers Napoleon und des russischen Zaren Alexander statt. Einer Hirschjagd auf dem Ettersberg folgte am nächsten Tag eine Hasenjagd nahe Apolda.36 Jagden dieser Größenordnung sollten in den darauffolgenden Jahren zwar zunächst nicht mehr abgehalten werden. Der Herzog frönte ab 1810 aber wieder regelmäßiger seinem Vergnügen und veranstaltete – mit kurzer Unterbrechung durch die Freiheitskriege – jährlich seine Jagden in kleinerer Gesellschaft.37 Bei der Suche nach einer Erklärung für diese zwischenzeitliche Jagdabsti32 33 34

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Vgl. den Weimarer Staatskalender von 1803, S. 51–57. Vgl. Ilse-Sibylle Stapff: Jagd im weimarischen Land. Vom Mittelalter bis ins neunzehnte Jahrhundert. Weimar 1992, S. 79. Allein zu den Jahreswechseln 1792/93 und 1793/94 fiel die Jagd aus, da Carl August im Krieg bzw. im Dezember 1793 gerade erst aus dem Krieg zurückgekehrt war. Vgl. die Fourierbücher von 1790 bis 1801 unter ThHStAW HMA 4539–4550. Am 11. Dezember 1807 ging Carl August mit seinem Erbprinzen und mehreren Kavalieren nach Hummelsheim auf die Saujagd. Vgl. ThHStAW HMA 4556, S. 243. Vgl. Stapff: Jagd im weimarischen Land, S. 88f.; Gerhard Müller: „. . . eine wunderbare Aussicht zur Vereinigung deutscher und französischer Vorstellungsarten“. Goethe und Weimar im Rheinbund, in: Hellmut Th. Seemann (Hrsg.): Europa in Weimar. Visionen eines Kontinents. Göttingen 2008, S. 256-278, bes. S. 260. Jagden fanden am 4.1., 13.9., 1.11., 14.11., 26.12.1810, 10.1., 9.9., 10.9.1811, 3.11., 28.11.,

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4. Der Weimarer Hof als vielfältige Einheit mit individuellen Hofprofilen

nenz offenbart sich eine deutliche Diskrepanz zwischen den Quellen. Auf den ersten Blick könnte die Subordination der Jägerei unter die Kammer eine Rolle gespielt haben, da sie zeitlich mit dem Beginn der jahrelangen Jagdpause zusammenfiel. Die Kammer hätte dem Herzog das Jagen aber nicht verbieten, sondern höchstens aus Kostengründen eine Reduzierung empfehlen können. Angesichts der steigenden Einnahmen in eben diesem Sektor gab es jedoch keine Veranlassung zu Sparmaßnahmen. Ebenso wenig hätte ein neues Aufgabenreglement für die Forst- und Jagdbediensteten einen kompletten Jagdstopp veranlassen können. Carl August stand in seinem Hof weiterhin genügend für die Jagd qualifiziertes hohes und niederes Personal zur Verfügung, um zumindest die Parforcejagd problemlos bestreiten zu können. Passende Anlässe gab es zudem genügend. Zwischen 1802 und 1807 besuchten zahlreiche Prinzen und Fürsten Weimar.38 In den Jahren zuvor hatte Carl August dies gewöhnlich zum Anlass für einen Jagdausflug genommen. Laut Fourierbuch verzichtete er nun jedoch darauf. Das verwundert insbesondere in Anbetracht seiner höfischen Personalpolitik: Carl August beschäftigte ohne Unterbrechung einen Leibjäger, der bei Anwesenheit seines Herrn täglich aufwarten musste, sowie drei bis vier Jagdlakaien pro Jahr. Letztere waren dazu bestimmt, ihren Herzog auf der Jagd zu bedienen. Zwar fungierten sie darüber hinaus auch als Livreediener und mussten im höfischen Alltag „im Garderobe-, Tafel- und Hof-Dienst mit (. . . ) rouliren“.39 Ihre stetige Neubesetzung erscheint jedoch irrational, wenn kein Bedarf mehr an einer Jagdbedienung bestand. Carl August hätte stattdessen einen gewöhnlichen Hoflivreediener anstellen können. Als jedoch beispielsweise Christian Gottlieb Sesemann im April 1804 aus dem Hof befördert und nach Gerstungen versetzt wurde,40 ließ Carl August seine Stelle nicht einfach auslaufen, sondern berief mit Wilhelm Ciliax kurze Zeit später wieder einen neuen Jagdlakaien.41 Da die Quellen damit ein äußerst widersprüchliches Bild präsentieren, gilt es jene Quelle zu hinterfragen, die die Jagdpause nahelegt. Möglicherweise führt das Fourierbuch in die Irre, da es nicht alle Jagden akkurat verzeichnete. Seit 1801 war ein neuer Reisefourier namens Carl Ehlinger angestellt, der die Ausflüge unter Umständen nicht immer mitgeteilt bekam oder aber als nicht erwähnenswert erachtete. Es gab keine festen Regeln, was die Fouriere zu vermerken hatten und was nicht. Es fällt auf, dass unter Ehlingers Schriftführung die Dokumenta-

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30.11., 10.12.1812 und 17.11.1815 statt. Vgl. die Weimarer Fourierbücher von 1810 bis 1815 unter ThHStAW HMA 4559–4567. So kamen zum Beispiel das Königspaar von Schweden, Friedrich von Sachsen-GothaAltenburg, der Prinz von Württemberg, die Prinzen Christian und Georg von HessenDarmstadt, der Prinz Wilhelm von Preußen, der Prinz von Wittgenstein nach Weimar zu Besuch. Vgl. ThHStAW HMA 4551–4556. Entsprechende Anweisung wurde im Reglement für die Livreedienerschaft schriftlich festgehalten. Vgl. ThHStAW HMA 635, Bl. 8–10 (Zitat Bl. 8r). Vgl. ThHStAW HMA 4555, S. 71. Vgl. ebd., S. 128.

4.1 Der sich wandelnde Kernhof von Carl August

165

tion der Fourierbücher in den folgenden Jahren insgesamt immer spärlicher wurde. Da Ehlinger zudem im Januar 1810 „wegen unschicklichen Benehmens von Sermo vom Hof verabschiedet“42 wurde und sich dadurch seine Dienstzeit fast vollständig mit der vermeintlichen Jagdpause deckte, scheint ein Versäumnis seinerseits nicht ausgeschlossen. Gegen diese Interpretation spricht allerdings die 20-jährige Erfahrung des zweiten Fouriers August Christian Friedrich Martini. Obgleich Ehlinger hauptsächlich das Schreiben des Fourierbuches übernahm, findet sich darin von Zeit zu Zeit auch Martinis Handschrift.43 Wenn also die Jagdpause tatsächlich aus einem Versäumnis resultierte, dann hätte auch er vergessen, die Jagden im Fourierbuch korrekt zu notieren. Diese gemeinschaftliche Pflichtvergessenheit scheint jedoch relativ unwahrscheinlich − zumal es keine konkreten Hinweise gibt, dass Carl August weiterhin regelmäßig Jagden veranstaltete. Solang sich nicht eindeutig klären lässt, inwieweit der Herzog tatsächlich eine Jagdpause einlegte oder dies von der Überlieferung aufgrund der verloren gegangenen Jagdakten nur suggeriert wird,44 lässt sich nicht eindeutig bestimmten, welche Auswirkungen die Ausgliederung der Jägerei auf das Hofleben entfaltete. 4.1.2 Das Mehr und das Weniger im Bereich des Hofmarschallamtes Der Bereich des Hofmarschallamtes war an den meisten deutschen Höfen des 18. Jahrhunderts sehr ähnlich strukturiert. Das Amt selbst war das Herz des Hofes und koordinierte gleich einer Zentrale vier große Aufgaben: die standesgemäße Aufwartung, die Leibesversorgung, die Bequemlichkeit und die Unterhaltung bzw. Zerstreuung der fürstlichen Familie. Da die Zeremonialwissenschaft die standesgemäße Bedienung durch das hohe adelige Personal zu einem der wichtigsten Zeichen für den Rang des Regenten deklarierte, überrascht es wenig, dass die grundsätzliche Ämterhierarchie der Aufwartung, beginnend beim Pagen über die verschiedenen Junker bis hin zu den Oberchargen, überall identisch war.45 Die weltlichen Fürstenhöfe unterschieden sich allein in Quantität und Qualität ihres Personals.46 In den übrigen Bereichen des Hofmarschallamtes gab es dagegen keine festen 42

43

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ThHStAW HMA 4559, S. 19. Sein Vergehen kann allerdings nicht sehr schwerwiegend gewesen sein, da ihn Carl August anderthalb Jahre später wieder einstellte und als Kastellan nach Jena sandte. ThHStAW HMA 4560, Bl. 58v. Auf den Bucheinbänden sind zwar jedes Jahr beide Fouriere als Schriftführer verzeichnet, allerdings lässt sich die Handschrift relativ eindeutig unterscheiden und jeweils den beiden Fourieren zuordnen. Vgl. ThHStAW HMA 4550– 4559. Vgl. Stapff: Jagd im weimarischen Land, S. 79. Das Kammerherrenamt stand nicht allen Fürsten zu und wurde deshalb auch nicht von allen Höfen geführt. Vgl. den Abschnitt zu den Kammerherrn in Kapitel V. Ausführlich zur hohen adeligen Aufwartung vgl. Kapitel V.

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4. Der Weimarer Hof als vielfältige Einheit mit individuellen Hofprofilen

Ämterhierarchien und auch keine genormten Dienstbezeichnungen. Allerdings gab es einen Grundstock an Einrichtungen, auf die kein Regent bzw. keine vormundschaftlich herrschende Regentin verzichtete, gleich welchen Rang sie innehatten. So kümmerten sich an jedem Hof eine Küche, Kellerei, Konditorei sowie Leib- und Hofärzte um das leibliche Wohl der fürstlichen Familie. Ähnlich standen überall für die Bequemlichkeit Hoflivreebedienstete, Hoftrompeter und Pauker, Fouriere, Reinigungskräfte, Waschpersonal, Gärtner, Handwerker, Agenten und Faktoren zur Verfügung (vgl. Abb. 9). Und für prestigeträchtige Zerstreuung und Unterhaltung sorgten in der Regel eine Hofkapelle, eine Hofbibliothek sowie verschiedene Sammlungen von Münzen, Raritäten oder Gemälden.47 Es gab also einen höfischen Standard für alle vier Aufgabenbereiche, die dem Hofmarschallamt oblagen. Darüber hinaus besaß allerdings fast jeder Hof mindestens eine Besonderheit, d. h. eine Einrichtung oder Posten, die ganz offensichtlich nicht zur Grundausstattung eines Fürstenhofes gehörten und dem Hof ein individuelles Profil verliehen. Der Rudolstädter und der Gothaer Hof unterhielten zum Beispiel ein adeliges Stift,48 der Kasseler Hof verfügte bereits über ein Museum − das sogenannte Fridericianum −, das gegen ein Eintrittsgeld dem einfachen Bürger offenstand, in erster Linie aber der fürstlichen Repräsentation diente,49 und der Meininger Hof betrieb die Forstakademie zu Dreißigacker. Zum Weimarer Hof gehörte eine Besonderheit, die kein anderer Hof besaß: das „hochfürstlich freye Zeichen-Institut“. Die Idee dieser Zeichenschule stammte von Friedrich Justin Bertuch, der bereits 1774 Anna Amalia sein erstes Konzept vorlegte.50 Die Gründung der Schule gilt in der Forschung schon 1781 als abgeschlossen,51 dennoch erscheint das Zeicheninstitut mit seinen drei Abteilungen in Weimar, Eisenach und Jena und insgesamt 14 Angestellten erst im Jahre 1789 zum ersten Mal in den Weimarer Staatskalendern.52 Es 47

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Allein der Meininger Hof verzichtete auf eine Hofbibliothek bzw. einen Hofbibliothekar. Möglicherweise wurde diese Aufgabe nicht als Hauptberuf, sondern als Nebenbeschäftigung vergeben. Überraschend ist allerdings der Verzicht des Kasselers Hof auf eine Hofkapelle, die nicht ohne Weiteres substituiert werden konnte. Vgl. die Meininger Staatskalender von 1801 bis 1808 sowie die Kasseler Staatskalender von 1790 bis 1806. Zum Entstehen des Rudolstädter Bernhardinenstifts vgl. Lutz Unbehaun: Johann Friedrich, in: Die Fürsten von Schwarzburg-Rudolstadt 1710–1918. Hrsg. von dem Thüringer Landesmuseum Heidecksburg Rudolstadt. 3. Auflage. Rudolstadt 2001, S. 48–65, bes. S. 62f. Das Museum wurde im Mai 1779 eröffnet und gehörte zu den ersten seiner Art. Zu Kunstmuseen seit der Aufklärung vgl. Tobias Wall: Das unmögliche Museum. Zum Verhältnis von Kunst und Kunstmuseen der Gegenwart. Bielefeld 2006, S. 31f. Zum Konzept ausführlich vgl. Kerrin Klinger: Der Entwurf zur Fürstlichen Freyen Zeichenschule des Friedrich Justin Bertuch. Vorbilder, Motive, Zielsetzungen, in: dies. (Hrsg.): Kunst und Handwerk in Weimar. Von der Fürstlichen Freyen Zeichenschule zum Bauhaus. Köln/Weimar/Wien 2009, S. 7–21. Vgl. ebd., S. 19. Vgl. den Weimarer Staatskalender von 1789, S. 88f.

4.1 Der sich wandelnde Kernhof von Carl August

Abbildung 9: Die Struktur des Weimarer Kernhofes um 1800.

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4. Der Weimarer Hof als vielfältige Einheit mit individuellen Hofprofilen

stellt sich daher die Frage, warum die Zeichenschule erst so viele Jahre nach ihrer Gründung als Teil des Hofes ausgewiesen wurde. Carl August finanzierte das Institut zum Großteil aus seiner fürstlichen Schatulle,53 wodurch es − wie später ab 1791 das (Hof-)Theater − als Privatunternehmung hätte gelten können.54 Warum beließ er es nicht bei diesem Status und integrierte es gerade 1788 in den Hof? Den Anlass für diesen Statuswechsel bot sehr wahrscheinlich das rege Interesse, das Auswärtige, insbesondere aber die „Königliche Preußische Akademie der Künste und mechanischen Wissenschaften“, auf Bertuchs Zeichenschulkonzept richteten. Die Akademie sah in Weimar ein Vorbild für die eigenen Bestrebungen und wollte Bertuch als Sachverständigen gewinnen. Sie ernannte ihn deshalb 1788 zum Ehrenmitglied.55 Spätestens in diesem Moment muss Carl August klar geworden sein, welches Repräsentationspotential in der Zeichenschule steckte. Sie hatte sich innerhalb von sieben Jahren zu einem nachahmenswerten Pilotprojekt entwickelt, das überregionale Aufmerksamkeit auf sich zog. Es war folglich nur konsequent, dieses Potential in soziales Kapital umzuwandeln und die entsprechende Anerkennung nicht allein Bertuch, sondern dem Fürsten und seinem Hof zukommen zu lassen, der die Zeichenschule finanzierte und förderte. Die Eingliederung der Zeichenschule in den Hof scheint demnach ein wohlüberlegtes Manöver Carl Augusts zugunsten einer prestigeträchtigen Selbstdarstellung gewesen zu sein. Dabei ist es bemerkenswert, welches Profil der Weimarer Herzog seinem Hof dadurch verschaffte. Die Zeichenschule zielte nicht nur auf die Förderung der Künste, sondern auch auf die Beförderung des Handwerks.56 Sie versuchte deshalb bewusst, ein „ständeübergreifen[des] Bildungsideal [umzusetzen], das für bürgerliche und höfische Eliten wie für Handwerksburschen gleichermaßen gültig“57 sein sollte. Carl August integrierte mit der Zeichenschule also ein Element in seinen Hof, das dem Sinn und Zweck des Hofes als Instrument der sozialen Abgrenzung zumindest für den Bereich der (Kunst)Bildung deutlich widersprach. Zum Zeichnen kamen alle Stände zusammen. Zwar wurde ausschließlich das verpflichtete Lehrerkollegium in den höfischen Personenverband integriert. Das ständisch übergreifende Schülerpublikum der Zeichenschule suggerierte jedoch unter Umständen eben jene Öffnung des Hofes, die Wachsmuth später zur Interpretation des Musenhofes (ver)führte. Neben der Zeichenschule fällt im Bereich des Hofmarschallamtes eine wei-

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Vgl. Ventzke: Herzogtum, S. 399. Da Bertuch als Schatullier die ,privaten‘ Gelder Carl Augusts verwaltete, führte er bei seinem Projekt selbst die Buchführung. Zum Hoftheater vgl. Kapitel II. Vgl. Kerrin Klinger: Zwischen Geselligkeit und Industrieförderung. Die Zeichenschule als Modellinstitution, in: dies.: Kunst und Handwerk, S. 107–120, hier S. 112. Vgl. Klinger: Der Entwurf zur Fürstlichen Freyen Zeichenschule, S. 20. Vgl. Ventzke: Herzogtum, S. 398.

4.1 Der sich wandelnde Kernhof von Carl August

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tere Besonderheit auf: In Weimar war das Kirchenpersonal strukturell nicht mehr im Hof verankert. Stattdessen waren alle kirchlichen Einrichtungen im Ziviletat dem Oberkonsistorium untergeordnet. Im Vergleich zu anderen Höfen war dies kein Alleinstellungsmerkmal, da auch der Kasseler und der Rudolstädter Hof auf eine hofinterne Geistlichkeit verzichteten. Allerdings gehörten sie zur Minderheit. Denn die Fürsten von Gotha, Darmstadt, Schwerin und Meiningen gestalteten ihre Höfe in dieser Hinsicht weiterhin traditionell und gewährten zwischen fünf und zehn Geistlichen den Status eines Hofmitglieds.58 Carl August hatte diese Zuordnung der ,Hofgeistlichkeit‘ zwar nach seinem Regierungsantritt von seiner Mutter übernommen, trieb aber im Laufe seiner Regentschaft selbst die Trennung von Hof und Kirche bzw. von Hof und Religion voran. So erließ er 1785 für all seine Hofbehörden eine Anordnung, dass die bei den „Verpflichtungen neuer Diener zeithero üblich gewesene Eydesformul abgeändert und sothaner Eyd blos auf die Obligenheiten im Dienst und Berufsgeschäffte eingeschränkt“ werden sollte. All jene Stellen, die auf „die eine oder die andere Religions-Parthey einen Bezug hat“, sollten „weggelaßen werden“.59 Wer um 1800 am Weimarer Hof diente, musste folglich nicht mehr schwören, „bey der reinen evangelischen Lehre, und Bekenntniß dieser Lande“ Schimpf und Schande vom Herzog abzuwenden, sondern nur noch, dass er ihm „getreu, hold, gehorsam und gewärtig seyn“ würde.60 4.1.3 Die vier Geistesgrößen und der Weimarer Hof Der Ruf des Weimarer Musenhofes speist sich maßgeblich aus der Annahme, dass sich Geistesgrößen wie Goethe, Schiller, Herder und Wieland um Carl August und Anna Amalia versammelten und durch deren Protektion eine beeindruckende kulturelle Schaffenskraft entfalteten. Wenn also danach gefragt wird, inwieweit der Weimarer Hof als Musenhof kategorisiert werden kann, dann scheint es nahe liegend, auch nach dem Platz zu fragen, den die vier nichtadelig geborenen Geistesgrößen am Hof einnahmen. Gehörten die berühmten vier Dichter und Denker überhaupt zum Hof? Angesichts der engen Verbindung zu Carl August, die allen vier Männern nachgesagt wurde, überrascht es zunächst, dass keiner von ihnen in den ersten Jahren nach dem Regierungsantritt mit einem aktiven Amt im Weimarer Hof betraut war und auch in den darauf folgenden Jahren nur einer von ihnen − Johann Wolfgang von Goethe − 1788 ein wirkliches Amt erhielt. Zuvor 58

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Vgl. den Gothaer Staatskalender von 1790 bis 1806; den Darmstädter Staatskalender von 1790 bis 1806; den Schweriner Staatskalender von 1790 bis 1810 und den Meininger Staatskalender von 1801. Vgl. ThHStAW Hofstallamt 5, Bl. 1. Vgl. ThHStAW Kammer Weimar 91, Bl. 49 (alter Eid für den Oberforstmeister), ThHStAW HMA 3333, Bl. 1 (neuer Eid ohne Religionsformel für den Kammerherrn).

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4. Der Weimarer Hof als vielfältige Einheit mit individuellen Hofprofilen

war allerdings auch er nicht im Hof verpflichtet. Goethe wurde zwar bald nach seiner Ankunft in Weimar zum Mitglied des Geheimen Konzils erhoben und zunächst zum Legationsrat, später zum Geheimen Rat ernannt,61 diese Ämter und Funktionen gehörten jedoch nicht zum Hof, sondern zur Regierung. Goethe war deshalb bis 1788 zwar Staats-, aber kein Hofdiener. Carl August schloss den Dichter aus Prestigegründen bewusst von seinen hohen Hofchargen aus, da er mit seiner bürgerlichen Herkunft nicht in das Profil des Hofes passte.62 Goethe konnte den hohen Rang des Weimarer Herzogs mit seiner nichtadeligen Geburt − und auch später mit seinem Neuadel − schlicht nicht angemessen repräsentieren. Das Amt eines Junkers oder Kammerherrn blieb ihm deshalb zeitlebens verwehrt. Erst als sich Carl August entschied, das Zeicheninstitut in den Hof zu integrieren, bot sich die Chance, auch den nichtadeligen Goethe in den Hof zu ziehen. Neben Melchior Kraus erhob ihn Carl August zum zweiten Direktor der Zeichenschule und verlieh ihm damit den Doppelstatus als Hof- und Staatsdiener. Wenn die (Goethe-)Forschung den bürgerlichen Dichter dennoch in seinen ersten Weimarer Jahren unmittelbar dem Hof zuordnet,63 dann kann sie sich nur auf seine Präsenz am Hof,64 nicht aber auf eine dortige Verpflichtung stützen.65 Goethe war bis zu seiner Ernennung zum Zeichenschuldirektor lediglich Teil der Weimarer Hofgesellschaft, für die das Zeremoniell andere Regeln aufstellte als für den verpflichteten Hofverband. Zum Hof als solchem gehörte der Dichter jedoch noch nicht. Christoph Martin Wieland besaß dagegen von Anfang den Status eines regulären Mitgliedes des verpflichteten Hofverbandes. Er war von 1772 bis 1775 als Carl Augusts Prinzenerzieher tätig gewesen, hatte mit dem Regierungsantritt seines Schützlings seine Aufgabe erfüllt und wurde pensioniert. Er verlor damit seinen aktiven Status als Hofangehöriger. Seine Zugehörigkeit zum Hofe endete zwar nicht, allerdings wurde sie auf eine passive Mitgliedschaft reduziert: Wieland trug seitdem nur noch den Titel eines Hofrates und bezog ein Ruhegehalt ohne weitere Verpflichtungen.66 61 62 63

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Vgl. die Weimarer Staatskalender von 1777 bis 1779. Zur Besetzung der hohen Hofämter vgl. Kapitel V. Vgl. z. B. Jochen Klauß: Genie und Geld. Goethes Finanzen. Düsseldorf 2009, S. 32f. Klauß geht davon aus, dass sich der bürgerliche Goethe 1775 dem Hofstaat Carl Augusts anschloss. Ähnlich erhebt Birgit Himmelseher Goethe zum „adligen Hofbeamten“. Vgl. dies.: Hoftheater, S. 5. Die häufige Präsenz Goethes am Hof lässt sich in den Fourierbüchern nachvollziehen. Vgl. ThHStAW HMA 4525–4537. Ohne eine Verpflichtung gab es auch keinen Grund Goethe, im Hofetat des Staatskalenders zu verzeichnen. Er findet sich dort deshalb erst ab 1788/89 gelistet. Vgl. den Weimarer Staatskalender 1776–1789. Wieland erscheint 1776 und 1777 nicht im Weimarer Staatskalender. Erst ab 1778 wird er als pensionierter Hofrat verzeichnet. Sein Fehlen war möglicherweise den Turbulenzen der ersten Jahre geschuldet. Der einmalig im Jahr abgedruckte Hofetat konnte kurz nach dem Regierungswechsel nur bedingt den Umstrukturierungen innerhalb des Hof- wie

4.1 Der sich wandelnde Kernhof von Carl August

171

Johann Gottfried (von) Herder war wie Goethe erst unter Carl Augusts Regentschaft zu seinem Weimarer Posten gekommen. Trotz seiner scheinbar eindeutigen Funktionsbezeichnung als Oberhofprediger gehörte jedoch auch er nicht zu den Hofmitgliedern, da Carl August auf kirchliches Personal im Hof verzichtete und das geistliche Hofministerium dem Ziviletat unterordnete. Wenngleich Herder zweifellos die Seelsorge und christliche Wegführung aller protestantischen Mitglieder der Weimarer Fürstenfamilie übernahm,67 war er strukturell kein Mitglied des Hofes, sondern ein Zivildiener. Den gleichen Status genoss Friedrich Schiller ab 1788 als außerordentlicher, später als ordentlicher Professor der Jenaer Universität.68 Wie Herder zählte er durch diese Beschäftigung zu den Zivildienern des Herzogtums. Alle vier Geistesgrößen Weimars standen also im Dienste herzoglicher Einrichtungen, jedoch gehörten nur zwei zum Hof: Wieland durch seine passive Anbindung als Pensionär und Goethe seit 1788 als Direktor der Zeichenschule. Der Ausschluss aus dem verpflichteten Personenverband des Hofes war nicht gleichbedeutend mit dem Ausschluss aus der Hofgesellschaft. Wie Wieland bewegten sich auch Goethe und Herder am Hof und waren seit ihrer Ankunft regelmäßig bei höfischen Veranstaltungen präsent, obwohl sie lange Zeit oder nie ein Hofamt innehatten.69 Möglich wurde dies durch die Bestimmungen des Zeremoniells, die nicht allein dem Adel, sondern auch all jenen den Zutritt zum Hof zubilligten, die „in einem hohen Character“ standen.70 Als Ausdruck eines ,hohen Charakters‘ galt mindestens der Ratstitel.71 Zwar blieb die adelige Herkunft unstrittig die Grundvoraussetzung, um am Hofe Zugang zu erhalten, allerdings konnte sie durch ein entsprechendes Äquivalent substituiert werden. Das Zeremoniell trug also auch hohen Professionen Rechnung. Aus normativer Sicht war es deshalb zulässig, auch Bürgerliche in die Hofgesellschaft zu ziehen, wenn sie ihre niedere ständische Geburt mit einem Ratstitel aufwiegen konnten. Alle vier Geistesgrößen Weimars trugen einen Ratstitel und erfüllten damit die zeremonielle Forderung nach dem standesgemäßen Äquivalent: Goethe

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auch des Regierungspersonals folgen. Eventuell verlief Wielands Freisprechung aber auch nicht derart umgehend, wie angenommen. Als Wieland im Winter 1772/73 seinen Dienst antrat, legten die Herzogin und das Konsilium nicht genau fest, wie viele Jahre er lehren sollte. Sie hielten sich damit die Option offen, Wieland als Prinzenerzieher auch für den erst im Alter von 21 Jahren volljährig werdenden Prinzen Constantin zu verpflichten. Ein Streit darüber hätte den Eintrag verzögern können. Vgl. die Weimarer Staatskalender von 1775 bis 1778; Berger: Anna Amalia, S. 126ff. Zu Herder vgl. Martin Keßler: Johann Gottfried Herder − der Theologe unter den Klassikern. Das Amt des Generalsuperintendenten von Sachsen-Weimar. Berlin 2007. Vgl. z. B. den Weimarer Staatskalender von 1789, S. 54. Das Fourierbuch benennt zwischen 1790 und 1810 Goethe insgesamt 1092 Mal, Herder 254 Mal und Wieland 144 Mal als Tafelgast. Vgl. ThHStAW HMA 4539–4559. Vgl. Moser: Teutsches Hofrecht, Bd. 2, S. 516. Zur ausführlichen Erklärung vgl. Stefanie Freyer: Das Weimarer Fourierbuch 1790 bis 1804. Examensarbeit. Jena 2005.

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4. Der Weimarer Hof als vielfältige Einheit mit individuellen Hofprofilen

wurde von Carl August − wahrscheinlich aus eben diesen Zeremoniellgründen − gleich nach seiner Ankunft in Weimar zum Legationsrat ernannt, Herder wurde Oberkonsistorial- und Kirchenrat, Wieland trug den Titel eines Hofrates, und ebenso durfte sich Schiller titulieren, da ihn der Meininger Herzog 1791 dazu ernannt hatte.72 Dass dieser Titel allein jedoch nicht ausreichte, um in der höfischen Gesellschaft willkommen geheißen zu werden, sondern stets die Gunst des Regenten darüber bestimmte, wer ihm repräsentativ Gesellschaft leistete und wer nicht, zeigt der Fall Schillers. Im Gegensatz zu seinen drei Dichter- und Denkerkollegen war er kein gern gesehener Gast am Hof Carl Augusts. Bis zu seinem Umzug nach Weimar im Jahr 1800 speiste er nur zweimal an der höfischen Tafel in der Residenz: zunächst im Januar 1791 zu einer gewöhnlichen Tafel und noch ein zweites Mal im Januar 1800 zusammen mit dem Herzog und der Herzogin im Rahmen des geheimen Speisens.73 Mit den unterschiedlichen Zeremonielltypen des höfischen Tafelns wird der Grad der sozialen Anerkennung deutlich, den Schiller durch den Weimarer Hof erfuhr. Fürstliche konnten grundsätzlich zwischen dem „öffentliche[n], gewöhnliche[n] und geheime[n] Speisen“ und dem Zeremoniell der ,solennen Tafeln‘ wählen und damit zwischen dem sozialen Profil variieren, dem ihre Gäste entsprechen mussten.74 Besonders deutlich kam dies im Zeremoniell des geheimen Speisens zum Ausdruck. Diese Form wurde entsprechend dem Raum, in dem die Mahlzeit stattfand, auch als Tafeln en Retirade75 oder en Serviette bezeichnet. Im Rahmen dessen war es gestattet, dass die Herrschaft, „wann sie unpäßlich, von Reisen, Jagen etc. ermüdet ist, oder sonst lieber allein seyn will,“ ihre Mahlzeit „allein oder sonst nur mit ein= oder anderer vertrauten Person und unter Aufwartung nur der allernotwendigsten Bedienten“ einnahm.76 Die höfische Tafel musste demnach nicht zwangsläufig Gäste bewirten, sondern bot den Herrschenden die Möglichkeit, in privater Sphäre77 allein zu speisen oder die Mahlzeit mit 72 73 74

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Vgl. z. B. Peter-André Alt: Schiller. Eine Biographie. Bd. 1: 1759–1791. München 2009, S. 646f. Vgl. Eintrag vom 10.01.1791 und vom 15.01.1800, ThHStAW HMA 4540, S. 10; ThHStAW HMA 4549, S. 9. Zum geheimen Speisen vgl. Freyer: Gewahrter Stand, S. 116. Moser: Teutsches Hofrecht, Bd. 2, S. 498. Moser wird hier beispielhaft herangezogen. Seine Ordnung lässt sich bei jedem Vertreter der Zeremonialwissenschaft wiederfinden. Vgl. z. B. Rohr: Grosse Herren, S. 108–109; Lünig: Theatrum Ceremoniale, I. Teil, S. 292– 296. Zedlers Lexikon erklärt die Retirade als ein „Cabinett oder Ort“ in vornehmen Häusern, „da man allein seyn kann, ohn von jemand gehindert zu werden“. Vgl. Art. Retirade, in: Zedler, Bd. 31, Sp. 846. Moser: Teutsches Hofrecht, Bd. 2, S. 508. Die private Sphäre wurde gesichert, indem das Zeremoniell bereits den Zutritt in die Retirade bzw. die fürstlichen Zimmer entsprechend des Ranges und Amtes und nicht zuletzt abhängig von der Gunst des Herrschenden auf wenige Personen beschränkte: „Wollen Frembde in die Tafel= oder andere Zimmer ohne Erlaubniß eindringen, so werden sie

4.2 Der Durchschnittshof der Herzogin Louise

173

wenigen ausgesuchten Gästen zu teilen. Besucher mussten dazu lediglich der Klassifizierung „vertraut“ genügen, während ihre soziale Herkunft keine Rolle spielte. Das geheime Tafeln war dadurch unzweifelhaft eine besondere Spielart des Tafelzeremoniells,78 die dem Fürsten die Möglichkeit eröffnete, sich mit Personen zu umgeben, mit denen er sich nicht repräsentieren konnte oder wollte. Schiller konnte die fein nuancierten symbolischen Botschaften dieser Tafelzeremonielle sehr wohl entschlüsseln und war sich über die Form der Zurückweisung vom Hof im Klaren. Im Februar 1802 beklagt er in einem Brief an Charlotte von Stein: „Da ich nun zwei Jahre hier [in Weimar] wohne, ohne nach Hof eingeladen worden zu sein (denn auch am Hof der Herzogin Mutter war ich nie in größerer Gesellschaft) so wünschte ich auch fürs Künftige wegen meiner Kränklichkeit davon ausgeschlossen zu bleiben! Für mich selbst bin ich, wie Sie mich kennen, nach keiner Auszeichnung begierig, die nicht persönlich ist (. . . )“ 79

Er bat deshalb die Frau von Stein, seinen Wunsch „Ihrer Durchlaucht der Frau Herzogin“ kundzutun.80 Interessanterweise wird Schiller noch am Tag des Briefwechsels erneut – zum dritten und letzten Mal – an die Hoftafel in der Residenz geladen. Am 2. Februar 1802 verzeichnet ihn der Fourier bei einer gewöhnlichen, repräsentativen Mittagstafel.81 Friedrich Schiller nahm unter den vier Geistesgrößen Weimars folglich eine besondere Rolle ein, denn er wurde nicht nur vom verpflichteten höfischen Personenverband, sondern auch von der Weimarer Hofgesellschaft ausgeschlossen. Er war somit weder repräsentativer Diener noch repräsentativer Gast des Weimarer Hofes.

4.2 Der Durchschnittshof der Herzogin Louise Kurz nach der Eheschließung ließ Carl August seine Gattin mit Hofpersonal zeremoniellgerecht ausstatten.82 Die Etatkommission, die er 1775/76 mit der Planung seines neuen Hofes beauftragt hatte, kalkulierte für Louise

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anfänglich, wenn die Wache höflich ist, mit guter Manier vermahnt zurück zu bleiben, und wo sie dem ungeachtet weiter avanciren wollen, mit Gewalt, und durch ein paar Ribbenstöse zurück getrieben.“ Rohr, Grosse Herren, S. 74. Das zeigt das Beispiel der ausführlich beschriebenen „Confidenz-Tafel“. Zudem wird hier deutlich, welche Personen eingeladen wurden. Vgl. Moser: Teutsches Hofrecht, Bd. 2, S. 509 sowie Rohr: Grosse Herren, S. 74. F. Schiller an C. v. Stein, Weimar, 2. Februar 1802, in: NA, Bd. 31, S. 96 (Nr. 110). Ebd. Vgl. ThHStAW HMA 4551, S. 21. Die Zahl der niederen Hofbediensteten war im Zeremoniell nicht fixiert, allerdings wurden für die Gattin mittlerer und großer Höfe aber einen besonders formierten Hofstaat und diverse Hofämter verlangt. Vgl. Moser: Teutsches Hofrecht, Bd. 1, S. 599; sowie das Kapitel I..

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4. Der Weimarer Hof als vielfältige Einheit mit individuellen Hofprofilen

insgesamt 24 Stellen. Neben Oberhofmeister und Oberhofmeisterin sollten der neuen Weimarer Herzogin auch zwei Hofdamen, vier Kammerfrauen, ein Kammerdiener, ein Garderobenmädchen, ein Beimädchen83 , drei Lakaien, zwei Heyduken84 und ein Läufer zu Diensten stehen.85 Gleichermaßen wurde auch für die standesgemäße Bedienung der Oberhofmeisterin und der Hofdamen gesorgt. Ihnen sollten insgesamt drei Kammerjungfern, zwei Garderobenmädchen und zwei Lakaien zur Verfügung stehen. Eigene Köche, Stallbedienstete oder ähnliches waren im Hofstaat Louises zwar nicht vorgesehen, dafür sollte die Herzogin aber über alle Versorgungseinrichtungen des Kernhofes mit verfügen dürfen. Aus dem selben Grund wurde auf einen Sekretär bzw. Finanzverwalter verzichtet. Einer Regentengattin sollte ein solcher allerdings auch nur dann zugestanden werden, wenn es „beträchtliche“ Hand-, Spiel- oder Schatullgelder zu verwalten gab.86 Mit einem jährlichen Einkommen in Höhe von 6500 Talern war dies bei Louise offenbar nicht der Fall.87 Mit dieser Ausstattung gestand der Weimarer Herzog seiner Gattin wesentlich mehr Personal zu, als im Ehevertrag vom 30. September 1775 zwischen ihm, Louise und deren Vater Ludwig IX. von Hessen-Darmstadt (1719−1790) vereinbart worden war. Demnach hätten Louise 16 Personen − davon maximal fünf Adelige als hohe Bedienstete und elf nichtadelige, niedere Bedienstete − zur Verfügung gestellt werden sollen.88 Die Weimarer Etatkommission verfügte jedoch einen Stellenplan, der nicht nur ein Drittel mehr Personal für die 83

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Dies waren Mägde, die „bei oder neben einer anderen zu ihrer Hülfe und im Nothfall zu ihrer Stellvertretung gehalten wird“. Wörterbuch der deutschen Sprache. Veranstaltet und hrsg. von Joachim Heinrich Campe. 1. Theil: A bis E. Braunschweig 1807, S. 434. Die zeitgenössischen Lexika erklären den Hofheyduken entweder zum Leibwächter oder aber zu einem „Diener von ansehnlicher Länge, den man in die Tracht eines ungarischen Heiducken kleidet, und dessen vornehmstes Amt gemeiniglich darin besteht, die Kutsche oder Sänfte seiner Herrschaft zu begleiten“. Vgl. Art. Heiduck, in: Krünitz, Bd. 22, S. 758; Art. Hofheiduckenschneider, in: Deutsches Rechtswörterbuch. Wörterbuch der älteren deutschen Rechtssprache. Hrsg. von der Heidelberger Akademie der Wissenschaften in Verbindung mit der vormaligen Akademie der Wissenschaften der DDR. Bearb. von Otto Gönnenwein und Wilhelm Weizsäcker. Bd. 5: Handanlegen bis Hufenweizen. Weimar 1953–1960, Sp. 1240. Vgl. auch für folgende Angaben ThHStAW A 9035, hier insbes. Bl. 66r–70v. Vgl. Moser: Teutsches Hofrecht, Bd. 1, S. 602; sowie das Kapitel I. Louise waren 1775 in ihrer Eheverabredung „alljährlich Sechstausend Rthal. Spiel- und Hand-Gelder, des gleichen (..) eine(r) fürstl. Morgengabe [von] fünftausend Rthal. Hauptguth, welche alljährlich mit 500 rf. (..) verzinß[t] werden sollte, ausgesetzet und zugesichert worden“. Die Zahlung erfolgte regelmäßig. Vgl. ThHStAW A 157, f. 195; ThHStAW Rechnungen 287–317. Im Paragraph acht des Ehevertrages wurde folgendes Personal festgelegt: „Ein Oberhofmeister, eine Oberhofmeisterin, drey oder wenigsten zwey Hofdamen, zwo Kammerjungfern (. . . ) ein oder zwey Garderobenmädgens, zwo Cammer Jungfern für die Fräuleins drei bis vier Laquais, ein Laquais für die Hofdamen“. Vgl. ThHStAW Urkunden, 1775 Sept. 30, Bl. 3v–4r.

4.2 Der Durchschnittshof der Herzogin Louise

175

Herzogin vorsah, sondern letztendlich auch realisierte. Carl August war demnach darauf bedacht, dass der hohe Rang des Weimarer Fürstenhauses auch mit der Zahl des Personals seiner Herzogin repräsentativ sichtbar wurde. Angesichts dieser Planungen zu Beginn der Ehe fällt auf, dass Louises Hofpersonal Anfang der 1790er Jahre unterbesetzt war. Statt der geplanten 24 Bediensteten stagnierte deren Zahl erstaunlich konstant bei insgesamt 20 Personen.89 Erst um 1800 sind einige minimale Schwankungen zu verzeichnen, die letztlich 1810 in einer dauerhaft verbleibenden Aufstockung um etwa 20 % mündeten und das zum Regierungsantritt geplante Personalvolumen wieder voll ausschöpften. Die Ursache dieser zeitweiligen Unterbesetzung legt der Staatskalender deutlich offen, indem er beständig auf anhaltende Vakanzen hinweist. Louise verzichtete viele Jahre darauf, vier Planstellen zu besetzen: die des Oberhofmeisters, der Oberhofmeisterin, des Kammerdieners und die der vierten Kammerfrau.90 Diese Leerstellen entstanden erst im Laufe der Zeit. So füllte zum Beispiel der einstige Prinzenerzieher Johann Eustachius Graf von Schlitz genannt Görtz (1737−1821) anfänglich die Stelle des Oberhofmeisters aus und Wilhelmine Elisabeth Eleonore Gräfin von Giannini (1719−1784) übernahm 1775 die Position der Oberhofmeisterin.91 Während die Gräfin die folgenden neun Jahre bis zu ihrem Tod für die Herzogin am Weimarer Hof tätig blieb, quittierte Graf von Görtz bereits 1776 seinen Dienst und wechselte als Diplomat zum preußischen König.92 Die Herzogin verzichtete daraufhin in den folgenden drei Jahrzehnten auf einen neuen Oberhofmeister und ließ sich stattdessen ausschließlich von weiblichen Adeligen bedienen.93 Erst 1807 akzeptierte Louise mit dem einstigen Oberhofmeister Anna Amalias, Friedrich Hildebrandt von Einsiedel, wieder eine hohe männliche Charge in ihrem Hofstaat.94 Die vom Zeremoniell geforderte standesgemäße männliche Begleitung war allerdings trotz dieser Vakanz jederzeit gesichert, da die Kammerherren Carl Augusts abwechselnd der Herzogin aufwarteten. 89 90

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Vgl. Tabelle in Abb. 4. Allerdings wurden nur die Vakanzen der beiden adeligen Stellen ausgewiesen, die anderen beiden Stellen des Kammerdieners und der vierten Kammerfrau werden erst aus dem Abgleich mit den Planstellen des Etats von 1775/76 deutlich. Vgl. ThHStAW B 25811 (Ernennung Görtz). Der Graf hatte zuvor im Juli 1775 frühzeitig seinen Abschied genommen. Carl August ernannte ihn dennoch aus Dankbarkeit am 30. Oktober 1775 zum Oberhofmeister seiner Frau. Zu den Intrigen im Vorfeld der Regierungsübernahme vgl. Berger: Anna Amalia, S. 272–275; Ventzke: Herzogtum, S. 31– 47. Zur Gräfin Giannini vgl. die Weimarer Staatskalender 1775–1785. Zur Biographie vgl. z. B. Huschke: Gesellschaftsschicht, S. 76f.; Paul Bailleu: Art. Goertz, Johann Eustach, Graf von Schlitz, genannt G., in: ADB, Bd. 9 (1879), S. 393–395. Von 1777 bis 1802 führten die Staatskalender die Vakanz des Oberhofmeisters, ab 1803 erscheint sie nicht mehr. Das ist wahrscheinlich auf die Verwaltungs- bzw. Finanzreform von 1802 zurückzuführen, mit der das Erscheinungsbild des Staatskalenders überarbeitet wurde. Vgl. den Weimarer Staatkalender von 1803, S. 127. Zu den näheren Umständen vgl. den Abschnitt zu den Führungspersönlichkeiten.

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4. Der Weimarer Hof als vielfältige Einheit mit individuellen Hofprofilen

Zwei Jahrzehnte lang blieb auch die Stelle der Oberhofmeisterin unbesetzt. Allerdings wurde diese Vakanz durch eine nicht geplante Überzahl der Hofdamen ausgeglichen. Louise hatte sich nach der Geburt ihrer ersten Tochter Louise Amalie Auguste im Februar 1779 entschieden, ihre zweite Hofdame Adelaide Waldner von Freundstein der kleinen Prinzessin als Erzieherin an die Seite zu stellen. Sie wechselte im August 1781 formal zur Prinzessin und übernahm nach dem Abgang der (Kinder-)Kammerfrau Jacobi am 3. November de facto die Kleinkindbetreuung.95 Um selbst nicht auf die Bedienung einer zweiten Hofdame verzichten zu müssen, ließ die Herzogin Friederike von Riedesel (1751−1820) engagieren. Die neue Hofdame trat am 27. Oktober ihren Dienst an.96 Diese Konstellation galt letztlich aber nur knapp zweieinhalb Jahre. Mit dem plötzlichen Tod der fünfjährigen Prinzessin im März 1784 wurde das Personal erneut umstrukturiert. Der kleine Prinzessinnenhofstaat wurde aufgelöst und Adelaide Waldner von Freundstein kehrte als Hofdame in die Dienste der Herzogin zurück.97 Infolgedessen trat ein gewisser Personalüberhang ein: Statt der etatmäßig vorgesehenen zwei Hofdamen waren nun insgesamt drei Hofdamen bei Louise beschäftigt.98 Allerdings starb wenige Wochen später die Oberhofmeisterin Gräfin von Giannini nach schwerer Krankheit am 22. Mai 1784 im Alter von 64 Jahren.99 Aufgrund der drei Hofdamen konnte es sich die regierende Herzogin erlauben, ihrer geachteten Oberhofmeisterin lange nachzutrauern und deren Stelle bis 1804 unbesetzt zu lassen.100 Die entsprechenden Aufgabenbereiche übernahm in diesen beiden Jahrzehnten stellvertretend ihre erste Hofdame Marianne Henriette von Wedel, geb. von Wöllwarth-Essingen (1752−1815), die dafür schließlich auch mit der Beförderung zur Oberhofmeisterin belohnt wurde.101 In dem Zeitraum zwischen 1790 und 1810 unterhielt die regierende Herzogin also streckenweise einen Hofstaat ohne die üblichen Führungspersönlichkeiten. Auf die standesgemäße adelige Bedienung verzichtet Louise allerdings nicht. Mit drei Hofdamen blieb sie zwar unter den vier adeligen Planstellen, allerdings unter95

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Vgl. ThHStAW HMA 112, Bl. 11f.; ThHStAW B 25820, Bl. 82v; ThHStAW HMA 4530, f. 106v. Ausführlich zum Personalwechsel im Kleinkindalter vgl. unten den Abschnitt Von Gleichbehandlung hin zur Zurücksetzung?. Vgl. ThHStAW HMA 4530, f. 104v. Vgl. ThHStAW HMA 112, Bl. 27. Zur Auflösung und Abwicklung des Prinzessinnenhofstaats vgl. ebd., Bl. 28–39. Louise überschritt zwar damit den Weimarer Etatplan von 1776, allerdings blieb sie im Rahmen ihres Ehevertrages, der ihr zwei bis drei Hofdamen zugestand. Vgl. ThHStAW Urkunden, 1775 Sept. 30, Bl. 3v–4r. Vgl. KA WE SR SK 1784, f. 176v. Die Gräfin wurde zwei Tage später im Landschaftskassengewölbe beigesetzt. Als Todesursache wurde Brand und Wassersucht verzeichnet. Für die These des Nachtrauerns vgl. Marcus Ventzke: Art. Wilhelmine Elisabeth Eleonore Gräfin von Giannini (Gianini), in: Freyer/Horn/Grochowina: FrauenGestalten, S. 147–150, hier 149. Zum außergewöhnlichen Status der Hofdame und späteren Oberhofmeisterin Marianne Henriette von Wedel vgl. Kapitel V.

4.2 Der Durchschnittshof der Herzogin Louise

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schritt sie nie ihr − im Ehevertrag festgelegtes − Minimum von drei weiblichen Adeligen. 4.2.1 Louises unbeständiger Personalstamm Die personelle Zusammensetzung des Einzelhofes der Herzogin vermittelt aufgrund der lange gleich bleibenden Anzahl von 20 Hofbediensteten in den 1790er Jahren den Eindruck einer starken Kontinuität. Doch Louises Hofpersonal war überaus unbeständig und wechselte häufig. Innerhalb der untersuchten 20 Jahre dienten ihr insgesamt 75 Angestellte. Die hohen adeligen Bediensteten, die nur knapp ein Fünftel des Hofpersonals ausmachten, gingen im Durchschnitt ein längeres Anstellungsverhältnis ein.102 Die niederen, nichtadeligen Bediensteten, die wie im Kernhof den Großteil des Hofpersonals ausmachten, wurden dagegen oft ausgewechselt.103 Die Stellen der Kammerjungfern und Laufmädchen waren besonders betroffen. Abgesehen von wenigen Ausnahmen blieben die Laufmädchen im Schnitt nur drei Jahre im Dienst und dies gilt auch für die Hälfte der Kammerjungfern. Es stellt sich also die Frage, weshalb sich Louise von diesen Dienerinnen in regelmäßigen, kurzen Abständen trennte. Was bewegte die Herzogin dazu, einen Teil ihres Hofpersonals ständig auszutauschen? Obwohl die Gründe des Ausscheidens aufgrund der Quellenlage nicht für alle Beschäftigten der niederen Dienerschaft bekannt sind, scheint bei diesen vornehmlich weiblich besetzten Stellen das „Ehe-Risiko“ ausschlaggebend gewesen zu sein. Zwar findet sich in der Zeremonialwissenschaft keine Regel, die eine Anstellung verheirateter Frauen in niederen Positionen am Hof verbot. Dennoch verband sich in Weimar mit der Vermählung üblicherweise der Abschied vom Hof. So durfte beispielsweise die Kammerfrau Johannette Sophie Heerd (Heert) 1795 bereits nach zwei Jahren ihren Dienst quittieren, weil sie den verwitweten Regierungsdirektor Johann Jacob Zella (Cella) ehelichen und mit ihm nach Weilburg ziehen wollte.104 Zella hatte etwa ein Jahr zuvor den Weimarer Hof besucht, wobei sich beide möglicherweise kennen gelernt hatten.105 Johannette Sophie Heerd war kein Einzelfall. Für sechzehn Frauen lässt sich anhand der Weimarer und Jenaer Kirchenbücher eindeutig nachweisen, dass sie den Hof der Herzogin schon nach wenigen Jahren verlie102 103

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Zu den Wechseln bei den Hofdamen in der Dekade zwischen 1800 und 1810 vgl. den Abschnitt zu den Weimarer Hofdamen. Dazu gehörten die in der Garderobe beschäftigten Kammerfrauen, Beimädchen, Läufer und Lakaien, insbesondere aber jene Bediensteten, die den Hofdamen der Herzogin zur Hand gingen. Vgl. ThHStAW HMA 4544, Bl. 68. Die Trauung erfolgte am 22. Juni 1795 „gnädigst erhaltene Dispensation“. Siehe KA WE HR HK 1795, f. 505. Vgl. ThHStAW HMA 4543, S. 192. Der Regierungsdirektor Zella speiste am 22. August 1794 an der fürstlichen Tafel.

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4. Der Weimarer Hof als vielfältige Einheit mit individuellen Hofprofilen

ßen, um zu heiraten.106 Louise erlaubte also mindestens einem Viertel ihrer zwischen 1790 und 1810 angestellten niederen Dienerinnen, sich zu vermählen. Der überwiegende Teil der Ehemänner stammte aus dem Umkreis des Hofes und war entweder selbst dort tätig oder aber durch die berufliche Tätigkeit, zum Beispiel in der Regierung, am Hof präsent bzw. häufig zu Besuch. Für die nichtadeligen Dienerinnen fungierte der Hof als besonders attraktiver Heiratsmarkt, der die Möglichkeit bot, Männer kennenzulernen, die eine wohlbegründete Aussicht auf einen finanziell abgesicherten Ehestand unter dem Schutz eines fürstlichen Versorgungssystems bieten konnten. Mit der Anstellung am Hof verbanden sich für ledige Frauen also zwei Chancen der Lebensversorgung: Entweder fanden sie am Hof einen Gatten, oder aber sie blieben unvermählt und konnten am Hof selbst für ihr Auskommen sorgen. Für Louise bedeutete die Heiratsoption allerdings ein hohes Fluktuationsrisiko. Sie musste damit rechnen, ihre ledigen Hofdienerinnen vergleichsweise rasch wieder zu verlieren und dementsprechend stetig nach neuen, geeigneten Angestellten suchen zu müssen.107 Die Herzogin hätte diese Fluktuation unterbinden und die Heiraten verbieten können. Bevor Hofbedienstete eine Ehe schließen konnten, mussten sie bei ihrer Herrschaft um Erlaubnis bitten. Im Sommer 1800 verschärfte Carl August diese Regelung und verlangte nun nicht mehr nur eine mündliche, sondern „schriftliche Approbation“ zur Heirat, damit „keiner Höchstdero fürstl. Diener (. . . ) ohne höchstes Vorwissen und Erlaubniß proclamieret und copuliert werden“ würde.108 Diese Entscheidungsgewalt eröffnete Louise die Möglichkeit, ihren Hofstaat personell beständig zu gestalten, doch sie nutzte diesen Handlungsspielraum nicht. Ein stetiges Hofpersonal war ihr offenbar weniger wichtig, als das Lebensglück ihrer Dienerinnen. Louise stand einer 106

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Folgende Frauen verließen den Hof der Herzogin, um eine Ehe einzugehen: Catharina Christiana Apel, verh. Böttger (1791), Johanne Caroline Sophia Buhler, verh. Scheidemantel (1797), Johanne Christine Philippine Dietrich, verh. Wellhausen (1792), Marie Philippine Margarethe Edler (Edel), verh. Lorentz (1806), Dorothea Erbe, verh. Lübeck (1803), Wilhelmine Eyfert (Eifert), verh. Schall (1804), Dorothea Friederike Louise Gengelbach, verh. Schoppe (1802), Ernestine Geist, verh. Müller (1796), Dorothea Maria Wilhelmina Groß, verh. Körner (1804), Johannette Sophia Heerd, verh. Zella (1795), Wilhelmine Rosine Kirst, verh. Springer (1797), Amalia Kotzebue, verh. Ludecus (1793), Friederike Wilhelmine Eleonore März (Mertz), verh. Kalbe (1797), Caroline Schanzenbach, verh. Ebenau (1810), Caroline Schmidt, verh. Krause (1802), Francisca Wintrath, verh. Kühn (1798). Vgl. KA WE HR SK 1791, f. 77v; KA WE TR SK 1790, f. 124r; KA WE HR SK 1806, f. 229v; KA WE HR SK 1803, f. 185v; KA WE HR HK 1804, f. 24; KA WE HR SK 1796, f. 11v; KA WE HR SK 1804, f. 201r; KA WE HR SK 1797, f. 128r; KA WE HR HK 1793, f. 479; KA WE HR SK 1810, f. 281r; KA WE HR HK 1804, f. 31; KA WE HR HK 1798, f. 589; KA WE HR HK 1792, f. 449; KA WE HR HK 1797, f. 560; KA J HR SK 1802, f. 240. Ähnliches weiß die Zeremonialwissenschaft von den Hofdamen zu berichten. Vgl. Moser: Teutsches Hofrecht, Bd. 2, S. 166. Vgl. auch den Abschnitt zu den Weimarer Hofdamen. ThHStAW HMA 346, Bl. 1–2.

4.2 Der Durchschnittshof der Herzogin Louise

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Heirat in der Regel nicht im Wege. Mit dieser Personalpolitik initiierte sie zwar nicht aktiv den Austausch ihres niederen weiblichen Hofpersonals, allerdings stemmte sie sich auch nicht gegen diese Wechsel. Neben dem Ehe-Risiko gab es noch weitere Faktoren, die zu einer Entlassung führen konnten. So musste der Hof beispielsweise bei jeder Neuanstellung in Betracht ziehen, dass einige der ausgewählten Bediensteten unter Umständen nicht die erwartete Arbeitsqualität zeigten oder sich aus anderen Gründen für den Hofdienst als ungeeignet erwiesen. An anderen fürstlichen Höfen war es deshalb üblich, neu eintretende Angestellte zunächst „provisorisch“ für ein halbes Jahr anzustellen, wobei das Dienstverhältnis innerhalb dieser Probezeit jederzeit gekündigt werden konnte.109 Für den Weimarer Hof finden sich solche Regeln zwar nicht schriftlich überliefert, allerdings scheint es auch hier eine ähnlich Praxis gegeben zu haben,110 da im Hofstaat der Herzogin insgesamt vier Dienerinnen schon nach weniger als einem Jahr wieder verabschiedet worden sind. Die Kirchenbücher zeigen, dass der ungewöhnlich kurze Hofdienst der beiden Kammerjungfern Annette Castus und Johanne Luitgard Schönemann (1774−1813)111 sowie des Laufmädchens Luise Hartmann112 und des Beimädchens Johanna Dorothea Christiana Schoppe113 nicht durch eine Heirat beendet wurde.114 Die Kammerjungfer Schönemann schloss beispielsweise erst drei Jahre nach ihrem Dienst am Weimarer Hof mit Christian Gottlob Weis ihre erste Ehe.115 Der rasche Abschied der vier Frauen musste also durch etwas anderes veranlasst worden sein. Neben geistigen oder körperlichen Unzulänglichkeiten, wären als Ursachen beispielsweise auch charakterliche Schwächen denkbar. Die Zeremonialwissenschaft benennt explizit einen „beharrlichen Ungehorsam“ 109

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Eberhard Fritz: Knecht, Kutscher, Koch, Kammerdiener, König. Zur Sozialgeschichte des königlichen Hofes in Württemberg (1806–1918), in: Zeitschrift für Württembergische Landesgeschichte, Jg. 66 (2007), S. 249–292, hier S. 259. Das legt vor allem auch die Personalpolitik der Erbprinzessin nahe. Vgl. dazu den Abschnitt zum gemeinsamen Hof von Carl Friedrich und Maria Pawlowna. Johanne Luitgard Schönemann wurde als Tochter des fürstlichen Musketier und späterem Schneidermeister Philipp Schönemann am 19. Dezember 1774 geboren und befand sich zum Zeitpunkt ihrer Einstellung am Hof im 22. Lebensjahr. Sie starb an Scharlachfriesel am 15. Juli 1813. Vgl. KA WE TR GK 1774, f. 174; KA WE SR SK 1813, f. 238r. Sehr wahrscheinlich handelte es dabei um Louise Sophia Magdalena Hartmann, Tochter des fürstlichen Stabsfourier beim Infanterieregiment, Christian Hartmann. Sie wurde am 17. April 1780 geboren und war beim Dienstantritt am Hofe 21 Jahre alt. Vgl. KA WE TR GK 1780, f. 331. Johanna Dorothea Christiana Schopp(e) (Schopff) wurden als Tochter des fürstlichen Läufers Johann Joachim Caspar Adam Schoppe am 4. Februar 1781 in Weimar geboren. Vgl. KA WE TR HK 1781, f. 200. Für Anette Castus finden sich weder in Akten des Hofmarschallamtes noch in den Weimarer und Jenaer Kirchenbüchern Einträge, die ihr eindeutig hätten zugeordnet werden können. Sie ist lediglich einmal in dem Weimarer Staatskalender von 1795, S. 79 verzeichnet. Vgl. KA WE HR SK 1799, f. 145r.

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wie auch eine „irrcorigible Lebens-Art“ als legitime Gründe, die zwangsläufig eine Entlassung vom Hofe nach sich zogen.116 Für Dorothea Schoppe lässt sich aus ihrem weiteren Lebensweg und ihrer Familiengeschichte ein Motiv konstruieren, das zu ihrer frühen Entlassung geführt haben könnte: Sie wurde im Herbst 1797 in der Garderobe der Herzogin mit großer Wahrscheinlichkeit aufgrund der guten Reputation ihres Vaters Joachim Adam Schoppe (1757−1807) angestellt,117 der sich im Witwenhof Anna Amalias vom Läufer zum Kammerlakai empor gedient hatte.118 Zum Zeitpunkt ihrer Anstellung als Beimädchen war die Weimarerin 16 Jahre alt. Knapp fünf Jahre später entband sie ihre erste uneheliche Tochter, die jedoch im Alter von zwei Monaten verstarb.119 Anderthalb Jahre später folgte die zweite uneheliche Schwangerschaft, aus der die gesunden Zwillingsschwestern Johanna und Albina Schoppe hervorgingen.120 Alle drei Kinder wurden in der benachbarten Universitätsstadt Jena getauft und vaterlos registriert, obwohl Dorothea Schoppe selbst eigentlich in Weimar wohnte.121 Bei der Taufe der Zwillinge wurde im Kirchenbuch explizit vermerkt, dass die nun zweifache Mutter „zum 2. Mal in Unehren schwanger“ gewesen sei.122 Dorothea Schoppe pflegte also spätestens seit 1801 zweifellos keinen gesellschaftskonformen Lebenswandel mehr. Sollte sich diese „irrcorigible“ Lebensweise bereits in den Jahren zuvor gezeigt haben, ist es denkbar, dass sich der Weimarer Hof aus diesem Grund gegen ihre dauerhafte Anstellung entschied. In Anbetracht der Lebenswege ihrer drei jüngeren Schwestern, die ausnahmslos uneheliche Kinder von verschiedenen Vätern zur Welt brachten,123 scheint sogar eine damalige illegitime Schwangerschaft, die in einer nicht registrierten Geburt oder Totgeburt endete, als Kündigungsgrund nicht ausgeschlossen. Kirchenbücher können nicht jeden Fall einer folgenreichen, außerehelichen Sexualität wider-

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Moser: Teutsches Hofrecht, 2. Bd., S. 831. Vgl. ThHStAW HMA 642, Bl. 13. Zu den Lebensdaten vgl. KA WE SR SK 1807, f. 80r; zu seiner Karriere vgl. die Staatskalender 1779 bis 1807. Vgl. KA J TR SK 1802, f. 202. Vgl. KA J TR SK 1804, f. 337. Das geht aus dem Sterbeeintrag ihrer Tochter Luise Amalie Schoppe hervor, die in Weimar beerdigt wurde. Vgl. KA WE SR SK 1802, f. 204v. KA J TR SK 1804, f. 337. Selbst ihre Mutter, Friederika Louisa Schoppe, geb. Müller, gebar ihre erste, bald verstorbene Tochter namens Maria Friederika Louisa Müller unehelich, bekannte aber auf Joachim Adam Schoppe als Vater. Erst ein Jahr später legalisierten Dorothea Schoppes Eltern ihre Beziehung. Sie hatte einen Bruder namens Heinrich August Theodor (geb. 1783), der später am Weimarer Hof bis zum Kammerdiener aufsteigen sollte, und drei Schwestern namens Carolina Friederika Louisa (geb. 1785), Johanna Christiana (geb. 1787) und Johanna Wilhelmine Friederika (geb. 1790). KA WE HR HK 1780, f. 235; KA WE TR SK 1779, f. 76v; KA WE SR SK 1779, f. 141r. Zu den unehelichen Kindern der Schwestern vgl. KA WE SR SK 1812, f. 205v; KA WE TR SK 1814, f. 50r; KA WE SR SK 1814, f. 299r.; KA WE TR SK 1807, f. 120v; KA WE SR SK 1808, f. 94r.

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spiegeln, da es der Mutter oblag, ihr Kind zur Taufe anzumelden.124 Zudem mussten Schwangere nicht in ihrem Wohnort gebären, so dass eine Taufe auch in anderen Gemeinden erfolgen konnte. Unter Umständen wurde Dorothea Schoppe also aus moralischen Bedenken wegen eines unschicklichen, oder gar rechtskonträren Lebenswandels rasch wieder verabschiedet. Dass eine uneheliche Schwangerschaft am Weimarer Hof nicht toleriert wurde und zwangsläufig zu einer Entlassung führte, zeigt der außergewöhnliche Fall der Johanna Sophia Magdalena Hoyer.125 Die Tochter eines Weimarer Strumpfwirkermeisters begann ihre Hofkarriere 1783 als Garderobenmädchen im Kinderhofstaat des Erbprinzen Carl Friedrich.126 In den folgenden Jahren wurde sie zum festen Bestandteil des Hofpersonals der fürstlichen Kinder und fungierte als Garderobenmädchen sowohl für Caroline Louise als auch für Carl Bernhard. Nachdem der fürstliche Nachwuchs der Kinderbetreuung entwachsen war,127 holte sie Carl August im August 1796 zu sich in den Kernhof und stellte sie in seiner Garderobe an.128 Zwischen 1800 und 1802 folgte dann jedoch ein merkwürdiger Einschnitt in ihrer bis dahin geradlinigen Karriere: 1801 erschien ihr Name nicht im Staatskalender, taucht jedoch 1802 in der Bettmeisterei als Beiwäscherin wieder auf. Die Erklärung für diesen Bruch liefert das Weimarer Kirchenbuch: Am 19. März 1801 gebar Johanna Sophia Magdalena Hoyer eine uneheliche Tochter namens Maria Ernestina.129 Bezeichnenderweise wurden die Geburt und Taufe nicht im Kirchenbuch der Hofgemeinde, sondern in der Stadtgemeinde ohne jeglichen 124 125

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Vgl. Christian Pfister: Bevölkerungsgeschichte und historische Demographie: 1500– 1800. München 1994, S. 86. Magdalena Hoyer war die dritte Tochter von Joachim Friedrich Hoyer (1723–1795) und dessen Ehefrau Johanna Agnesa Dorothea, geb. Loren(t)z (1728–1790). Sie hatte zwei ältere Schwestern, wovon die älteste zwar exakt denselben Namen trug: Johanna Sophia Magdalena Hoyer (1756–1824), allerdings am 3. Oktober 1791 den Zimmermann Johann Wilhelm Caspar Hoffmann ehelichte und mit ihm zwei Söhne großzog. Ihre andere Schwester, Maria Sabina Hoyer (1760–1825), heiratete bereits ein Jahr zuvor am 18. Januar 1790 den Mauer Johann Wilhelm Ernst Bauch. Für deren Sohn übernahm Magdalena Hoyer die Patenschaft. Aus dem entsprechenden Taufeintrag geht hervor, dass Magdalena Hoyer ledig war und am Hof arbeitete. Sie war damit das einzige Familienmitglied, das nicht im Handwerkermilieu blieb, sondern in den Hofdienst trat. Vgl. KA WE HR SK 1791, f. 79v; KA WE SR SK 1824, f. 61; KA WE TR SK 1799, f. 59r; KA WE SR SK 1825, f. 105; KA WE TR SK 1794, f. 246r. Magdalena Hoyer war bereits im September 1781 kurz vor der Niederkunft der Herzogin als Garderobenmädchen für das erwartete Kind vorgesehen. Da die am 10. September 1781 geborene Prinzessin allerdings sofort verstarb, kam die Anstellung zunächst nicht zustande. Vgl. ThHStAW HMA 609, Bl. 32v; ThHStAW HMA 112, Bl. 13. Zu den Lebensdaten der Eltern vgl. KA WE SR SK 1790, f. 254v und KA WE SR SK 1795, f. 54r. Vgl. den Abschnitt „Von Gleichbehandlung hin zur Zurücksetzung?“. Vgl. ThHStAW HMA 638, Bl. 11. Sophia Magdalena Hoyer verrichtete bereits seit dem 30. August 1796 die Dienste der verstorbenen Christiane Umlauf in der Garderobe des Herzogs, allerdings konnte sie erst am 8. Mai 1798 fest dort einrücken. Vgl. KA WE TR SK 1801, f. 107v.

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Hinweis auf ihre einstige Tätigkeit registriert. Magdalena Hoyer gehörte zum Zeitpunkt ihrer Niederkunft schon einige Monate nicht mehr zum Hof. Am 20. November 1800 war ihr vom Hofmarschallamt mitgeteilt worden, dass sie „nicht länger in ihren Dienste[n] bleiben könnte“.130 Ihr Fehlen im Staatskalender des Jahres 1801 war folglich kein Versehen oder Druckfehler, sondern die korrekte Verzeichnung ihrer Entlassung. Aus rechtlicher Perspektive setzte eine Schwangerschaft der ledigen weiblichen Hofbediensteten, ganz gleich in welchem Einzelhof sie dienten, Carl August automatisch unter Zugzwang. Als Regierungsoberhaupt und damit oberster Norm- und Gesetzgeber, der die Heirats- und Strafregeln maßgeblich bestimmte und in seinem Namen verabschiedete, konnte der Herzog etwaige Verstöße in seinem fürstlichen Haushalt nicht billigen.131 Wenngleich die Weimarer Regierung 1786 die Strafen für ledige Mütter abmilderte, indem sie die Kirchenbuße abschaffte,132 erfüllte eine außereheliche Geburt im Herzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach um 1800 weiterhin sowohl einen moralischsittlichen Normbruch als auch einen weltlich-juristischen Straftatbestand.133 Unehelich Schwangere, die am Hof dienten, machten sich zudem eines hofrechtlichen Vergehens faktisch schuldig, da sie − wie auch die männlichen Hofbediensteten134 − vor Dienstantritt per Eid und Handschlag beschwören mussten, Carl August und seiner fürstlichen Familie treulich zu dienen und einen christlichen Lebenswandel zu pflegen. Der Großteil des weiblichen Hofpersonals hatte − wie auch das Garderobenmädchen Hoyer − bei seiner Verpflichtung zudem explizit versichern müssen, „jederzeit Gottesfürchtig, keusch [und] ehrbar“ zu leben.135 Eine illegitime Schwangerschaft war folglich ein eindeutiger Verstoß gegen den Dienstvertrag und zog zwangsläufig die Entlassung nach sich. Am Weimarer Hof wurden keine unverheirateten, schwangeren Hofdienerinnen geduldet. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, wie außergewöhnlich sich der 130 131

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ThHStAW HMA 638, Bl. 13. Dabei wurden keine Ausnahmen gemacht. Umso interessanter ist der Fall von Anna Amalias Kammersängerin Luise Rudorf, die Carl August selbst unehelich schwängerte. Auch sie musste aus dem Hofdienst ausscheiden, allerdings ließ sich Anna Amalia für sie etwas Besonderes einfallen. Vgl. den Abschnitt zum Hof der fürstlichen Witwe Anna Amlia. Vgl. Aeltere und neuere Gesetze, Ordnungen und Circular-Befehle für das Fürstenthum Weimar und für die Jenaische Landes-Portion bis zum Ende des Jahres 1799. Hrsg. von Johannes Schmidt. Bd. 2. Jena 1801, S 166–184, bes. S. 174f. Dazu ausführlich Ventzke: Herzogtum, S. 312–331. Die männlichen Hofbediensteten musste allerdings weder die Kirche noch die Regierung fürchten, da sie als Hofbedienstete seit August 1798 in delictis carnis, d. h. bei Verbrechen gegen die Sittlichkeit, „den Unter-Obrigkeiten nicht unterworfen“ waren, sondern der Gerichtsbarkeit des Hofmarschallamtes unterstanden. Vgl. Aeltere und neuere Gesetze, S. 184. ThHStAWW HMA 609, Bl. 39r. Der Aktenvermerk zum Eid des Garderobenmädchens Sophia Magdalena Hoyer aus dem Jahr 1781 findet sich ebd. Bl. 39r–40v.

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Fall der Magdalena Hoyer gestaltete. Davon abgesehen, dass sie zu der bemerkenswert kleinen Gruppe jener weiblichen Hofbediensteten gehörte, die nicht wegen einer Heirat aus dem Hofdienst schieden, war sie wahrscheinlich die Einzige, die nach ihrer Entlassung auch wieder angestellt wurde. Zwar gelangte sie nicht wieder in ihre einstige Stellung in der Garderobe zurück, sondern wurde in der Bettmeisterei als Beiwäscherin beordert, was innerhalb der Hofhierarchie eine deutliche Degradierung bedeutete. Allerdings fand sie Ende 1801 scheinbar mühelos, weil zeitnah den Weg zurück an den Hof. Dabei war sicherlich ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren entscheidend: Zum einen war ihre Tochter Maria Ernestina am 22. Mai 1801 im Alter von knapp zwei Monaten verstorben.136 Magdalena Hoyer war dadurch nicht nur von ihrem gesellschaftlichen Makel eines unehelichen Kindes, sondern auch von ihren Mutterpflichten befreit. Zum zweiten scheint das einstige Garderobenmädchen überaus mittellos gewesen zu sein. Das Begräbnis der Tochter musste aus der Kollekte bestritten werden.137 Neben diesen Faktoren − kinderlos, ledig und arm − scheinen zum dritten vor allem ihre Verdienste um den fürstlichen Nachwuchs geschätzt worden zu sein. Neuere Studien haben gezeigt, dass dem Hofpersonal, das die fürstliche Kinderbetreuung übernommen hatte, in der Regel eine besondere, privilegierte Behandlung zuteil wurde.138 Magdalena Hoyer erhielt also womöglich nur deshalb eine zweite Chance am Weimarer Hof, weil sie 15 Jahre lang nacheinander für Carl Friedrich, Caroline Louise und Carl Bernhard tadellos gesorgt hatte. Möglicherweise war aber auch der Vater des Kindes – ein „ihr namentlich nicht bekannte[r] Engländer“ – kein Fremder für den Weimarer Hof und konnte dort seinen Einfluss geltend machen.139 In jedem Fall hatte sich Magdalena Hoyer die bisher erworbene Gunst verspielt und musste von vorn anfangen. In den folgenden zehn Jahren diente sie auf der untersten Position der Bettmeisterei als Beiwäscherin, erst 1816 stieg sie zur zweiten Leibwäscherin und 1827, d. h. erst nach mehr als vier Jahrzehnten Dienst am Weimarer Hof, letztlich zur ersten Leibwäscherin unter Carl August bzw. danach unter Carl Friedrich auf.140 Während uneheliche Schwangerschaften zur hohen Fluktuation unter den niederen Hofdienerinnen entscheidend beigetragen haben könnten, weil sie entweder zur Ehe oder aber zur Entlassung wegen unmoralischen Lebenswandels führten, entpuppt sich der junge Tod als eher marginaler Faktor. Nur in sehr seltenen Fällen wurde ein schnelles Ausscheiden aus dem Weimarer

136 137

138 139 140

Vgl. KA WE SR SK 1801, f. 178r. Als Vater des Kindes hatte sie einen Engländer angegeben, „dessen Namen sie nicht zu benennen wusste“. Sie konnte also keine Alimente oder sonstige Versorgungsansprüche einklagen. Vgl. ebd. Vgl. Kollbach: Aufwachsen bei Hofe, S. 155. KA WE SR SK 1801, f. 178r Vgl. die Weimarer Staatskalender von 1802 bis 1827.

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4. Der Weimarer Hof als vielfältige Einheit mit individuellen Hofprofilen

Hofverband durch einen frühen Tod bedingt. In Louises Hofstaat traten in den untersuchten 20 Jahren insgesamt lediglich drei Fälle auf: Maria Magdalena Friederike Kühn (1775−1797) verstarb im Alter von 22 Jahren nachdem sie knapp zwei Jahre als Kammerjungfer gedient hatte.141 Ebenso unerwartet erlag Emilie Christiane Charlotte Zinserling (1775−1804) im Alter von 29 Jahren einem Nervenfieber.142 Auch sie war erst ein Jahr als Kammerjungfer bei der Hofdame von Riedesel beschäftigt gewesen.143 Besonders tragisch beendete Dorothea Elisabeth Engelmann (1778−1799) ihren anderthalbjährigen Dienst als fürstliches Laufmädchen. Nachdem sie offenbar „seit einiger Zeit an Melancholie“ gelitten hatte, wählte sie den Freitod in der Ilm, wo sie „am Morgen des 11. Februar tot zwischen dem Hölzchen und dem Webicht“ gefunden wurde.144 4.2.2 Geschlechtsspezifische Bedingungen für den lebenslangen Hofdienst Im markanten Gegensatz zu den „Kurzzeitangestellten“ finden sich etliche Hofbedienstete, die mehrere Jahrzehnte bei Louise blieben und erst durch den Tod in einem ansehnlich hohen Alter ausschieden. Insgesamt verblieben 18 Frauen − davon vier Adelige und vierzehn Bürgerliche − länger als 20 Jahre im Hofstaat von Louise. Die Dienstälteste war mit 40 Dienstjahren die Hofdame und spätere Oberhofmeisterin Marianne Henriette von Wedel, ihr folgten mit jeweils 32 Dienstjahren die Kammerfrau Charlotte Musculus (1748−1817) und die Magd Dorothea Böttger. An deren Beförderungen, Gehaltserhöhungen und anderen etwaigen Bevorzugungen lässt sich ablesen, dass die Herzogin die Arbeit dieser drei Frauen besonders schätzte und belohnte: Die ledige Charlotte Musculus war der Herzogin 1775 im Alter von 38 Jahren nach Weimar gefolgt und stammte ursprünglich aus Zweibrücken, der Heimatstadt von Louises Mutter, Caroline von Pfalz-Zweibrücken-Birkenfeld, verh. Landgräfin von Hessen-Darmstadt (1721−1774).145 Obwohl sie anfangs nur als zweite Kammerfrau nach Polyxena Caroline Schad einge141 142 143 144

145

Vgl. KA WE SR SK 1797, f. 90r; ThHStAW HMA 642, Bl. 3. Maria Magdalena Friederike Kühn hatte ihren Dienst im Frühjahr 1795 angetreten und verstarb am 12. April 1797. Vgl. KA WE SR SK 1804, f. 243r. Emilie Christiane Charlotte Zinserling hatte ihren Dienst am 17. März 1803 erst angetreten. Sie verstarb am 14. März 1804. Vgl. ThHStAW HMA 642, Bl. 16–19. Vgl. KA WE SR SK 1799, f. 128r; ThHStAW HMA 642, Bl. 13. Sie hatte ihren Dienst erst Ende Oktober 1797 angetreten. Interessanterweise wurde die unehelich geborene Tochter von Maria Elisabeth Engelmann und dem Musketier Michael Gollum in ihrem Sterbeeintrag im Kirchenbuch unter dem Nachnamen ihres Vaters geführt. Im Staatskalender wurde sie allerdings stets mit dem Nachnamen ihrer nicht verheirateten Mutter verzeichnet. Zu den Eltern vgl. KA WE TR SK 1778, f. 49r. Vgl. Etatplanungen des neu einzurichtenden Hofes nach dem Regierungsantritt 1775 in ThHStAW A 9035 sowie Huschke: Genealogische Streifzüge, S. 80.

4.2 Der Durchschnittshof der Herzogin Louise

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setzt worden war,146 übernahm sie nach deren schnellem Ausscheiden bereits 1776 den Posten der ersten Kammerfrau und vertrat diesen die folgenden drei Jahrzehnte bis zu ihrem Tod am 29. Oktober 1817.147 Während ihres Dienstes wurde sie von der Herzogin nach und nach mit besonderen Vergünstigungen bedacht, indem sie zum Beispiel nach dem Tod der Kammerfrau und Leibschneiderin Margarethe Langclois (1735−1796)148 deren umfangreiches Lichtdeputat erhielt, das ursprünglich extra für Schneiderarbeiten am Abend eingerichtet worden war.149 Zudem bekam sie – als dienstälteste Kammerfrau – im September 1796 ein eigenes Zimmer eingeräumt, während sich die anderen beiden Kammerfrauen der Herzogin ein Zimmer teilen mussten.150 Ihrem Bei- und Laufmädchen, Dorothea Böttger, sollte ähnlich viel Zuspruch wie auch die gleiche enorme Beständigkeit beschieden sein. Die Tochter des Schleusinger Stadt- und Landchirurgen Johann Christian Böttger151 begann im Jahr 1798 ihre Laufbahn am Hof und stieg in den folgenden Jahren zum ersten Garderobenmädchen der (Groß-)Herzogin Louise auf.152 Wie ihre einstige Direktrice Musculus stellte auch sie ihr Leben über drei Jahrzehnte in den Dienst der Herzogin und blieb lebenslang unverheiratet.153 Einen bemerkenswerten Kontrast zur weiblichen Hofdienerschaft bildeten die Rahmenbedingungen der 21 Männer, die zwischen 1790 und 1810 als Lakaien oder Läufer im Hof der regierenden Herzogin angestellt waren. Denn während die Frauen der niederen Dienerschaft in der Regel lediglich die Wahl hatten, entweder unvermählt zu bleiben oder mit ihrer Verehelichung den Hof zu verlassen, waren fast alle männlichen Hofbediensteten verheiratet 146 147 148 149 150 151

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Vgl. den Weimarer Staatskalender von 1776, S. 84. Charlotte Musculus verstarb unverheiratet im Alter von 69 Jahren an Wassersucht. Vgl. KA WE SR SK 1807, f. 115r. Zu den Lebensdaten vgl. KA WE SR SK 1796, f. 73r. Vgl. ThHStAW HMA 642, Bl. 7–10. Vgl. Ebd., Bl. 7r. Vgl. KA J HR SK 1799, f. 186. Ihr Bruder, Friedrich Christian Böttger, arbeitete zunächst als Buchdrucker in Jena, heiratete dort im Juli 1799 Eva Rosina Maria Krumbholz, folgte dann aber seiner Schwester nach Weimar, um sich dort als Schriftsetzer beim fürstlichen privilegierten Landes-Industrie-Comptoir zu verdingen. Vgl. ebd. und KA WE TR SK 1806, f. 79v. Sie diente von 1798 bis 1810 als Beimädchen. 1810 gelang ihr dann der Aufstieg zum Garderobenmädchen und 1816 der Sprung zum ersten Garderobenmädchen. Nach dem Tod der Großherzogin(mutter) Louise wird sie in deren nachgelassenem Hof weitergeführt. Vgl. die Weimarer Staatskalendern von 1799 bis 1830; sowie ThHStAW HMA 642, Bl. 32. Dennoch verfügte sie offenbar über ein weites soziales Netzwerk innerhalb und außerhalb des Hofes: Sie stand 1799 für Johann Heinrich Wilhelm Magdlung, 1802 für Andreas Friedrich Theodor Scheidemantel, 1806 für ihre Nichte Johanne Dorothee Caroline Böttger, 1808 für Johann Gabriel Theodor Benjamin D’Pont und 1818 für Dorothea Ernestina Aurelia Pfeffer Patin. Im Weimarer Kirchenbuch wurde sie stets als unverheiratet vermerkt. Vgl. KA WE TR HK 1799, f. 87r; KA WE TR SK 1802, f. 165r; KA WE TR SK 1806, f. 79v; KA WE TR SK 1808, f. 170v und KA WE TR SK 1818, f. 390r.

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4. Der Weimarer Hof als vielfältige Einheit mit individuellen Hofprofilen

und erfreuten sich größtenteils auch an eigenem Nachwuchs. Die Ansprüche, die eine weibliche Hofdienerstelle mit sich brachte, waren also offensichtlich nicht mit den Pflichten einer Ehefrau und Mutter, die einer männlichen Hofdienerstelle dagegen sehr wohl mit denjenigen eines Ehemannes und Vaters vereinbar. Diese ungleiche Behandlung resultierte möglicherweise aus der Akzeptanz der traditionellen geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung. Seit der Reformation wurde der Wirkungsbereich der Frau immer mehr auf das Innere des Hauses eingeengt, wo sie die Kindererziehung und Leitung des Hausstandes übernehmen sollte.154 Mit der Herausbildung des „Familienbegriffs und den daran gebundenen Wertevorstellungen“155 gipfelte diese Beschränkung in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in dem Weiblichkeitsideal der Gattin, Hausfrau und Mutter. Produktion und Reproduktion wurden voneinander abgetrennt, indem dem Ehemann die Erwerbssphäre, der Ehefrau die Familiensphäre zugewiesen wurde. Hofdienerinnen, die sich vermählen wollten, hatten demnach den Hof als ihre bisherige Erwerbssphäre zu verlassen, um stattdessen komplett in den familiären Wirkungskreis überzutreten. Männer brauchten dagegen die höfische Erwerbsarbeit, um ihre Familie absichern zu können. Der Weimarer Hof gab seinem Personal mit seiner geschlechtsspezifischen Entlassungspolitik einen klaren Impuls, diesen geschlechterpolarisierenden Lebensentwurf umzusetzen. Mit Sicherheit lagen die geschlechtsspezifischen Rahmenbedingungen für Hofbedienstete aber auch zu einem nicht unerheblichem Maße in der zeitgenössischen Überzeugung begründet, der Ehestand basiere auf einer Hierarchie, in der dem Mann eindeutig der Vorrang zukam.156 Während sich daraus für die verheirateten Hofdiener keinerlei Auswirkungen auf ihr Dienstverhältnis am Hof ergaben, stellte dieser Grundsatz die weiblichen Hofbediensteten vor das Dilemma einerseits dem Ehemann, andererseits dem Herzog bzw. der Herzogin zum Gehorsam verpflichtet zu sein. Um eine Kollision der Herrschaftsgewalten zu umgehen, zog es der Weimarer Hof prinzipiell vor, an den Einzelhöfen der erwachsenen Familienmitglieder nur ledige oder verwitwete Hofdienerinnen unbefristet zu beschäftigen. Jene, 154

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Vgl. z. B. Gisela Bock/Margarete Zimmermann: Einleitung, in: dies. (Hrsg): Die europäische Querelle des Femmes. Geschlechterdebatten seit dem 15. Jahrhundert. Stuttgart 1997, S. 9–38. Vgl. Dagmar Freist: Neue Impulse innerhalb des Faches. Geschlechtergeschichte: Normen und soziale Praxis, in: Anette Völker-Rasor (Hrsg.): Frühe Neuzeit. 3. Auflage. München 2010, S. 183–202, Zitat S. 198. Alexandra Lutz konnte in ihrer Studie über Ehepaare vor Gericht jüngst plausibel aufzeigen, dass die Vorherrschaft des Mannes in der Ehe auch noch in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhundert normativ unbestritten anerkannt wurde. Vgl. dies.: Ehepaare vor Gericht. Konflikte und Lebenswelten in der Frühen Neuzeit. Frankfurt am Main/New York 2006, S. 155–158 und 377f.; siehe auch Sylvia Möhle: Ehekonflikte und sozialer Wandel. Göttingen 1740–1840. Frankfurt/New York 1997, z. B. S. 62.

4.2 Der Durchschnittshof der Herzogin Louise

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die in den Ehestand traten, wurden vom Hofdienst entbunden und in die rechtliche Verfügungsgewalt und Versorgungspflicht ihrer Ehemänner entlassen. Die geschlechtsspezifische Personalpolitik könnte demnach auch ganz pragmatisch das Ziel verfolgt haben, Kollisionen mit den zeitgenössischen (Rechts-)Vorstellungen von vornherein aus dem Weg zu gehen. Dieses Prinzip wurde allein für zwei der insgesamt 53 Frauen ausgesetzt, die zwischen 1790 und 1810 im Hofstaat der Herzogin Louise dienten: zum einen für die adelige Hofdame Henriette von Wedel, geb. Wöllwarth, und zum anderen für deren Laufmädchen Anna Amalia Krauthausen, geb. Hörschelmann.157 Besonders der Fall Krauthausen scheint einzigartig, da das Laufmädchen nicht − wie die Hofdame von Wedel − während ihres Dienstes die Heiratserlaubnis vom Hof erhalten hatte, sondern bei ihrem Dienstantritt im Jahre 1800 bereits 12 Jahre verheiratet und Mutter einer elfjährigen Tochter war. Da die Umstände ihrer Verpflichtung nicht überliefert sind, lässt sich aus den verbliebenen Quellen zwar nicht eindeutig erkennen, was Carl August und Louise − entgegen der üblichen Prinzipien − zu ihrer Anstellung bewog. Allerdings scheint das soziale Netzwerk des verheirateten Laufmädchens, und darin insbesondere ihre künftige Direktrice Marianne von Wedel, eine maßgebliche Rolle gespielt zu haben. Der Hofdame von Wedel war die Familie Krauthausen bereits seit etlichen Jahren bekannt, da der Ehemann des Laufmädchens, Johann Heinrich Wilhelm Krauthausen (1758−1817), einige Zeit für ihren Gatten, den Kammerherrn und Oberforstmeister Otto Joachim Moritz von Wedel (1752−1794), als Kutscher gearbeitet hatte.158 Vielleicht bat Anna Amalia Krauthausen aus finanzieller Not die Hofdame direkt um Hilfe, woraufhin sich diese für sie einsetzte. Als erste Hofdame konnte Marianne von Wedel in einem gewissen Maße auf die Personalauswahl der niederen Hofdienerstellen im Hofstaat der Herzogin einwirken. Dabei mochte ihr sicherlich der Umstand behilflich gewesen sein, dass Anna Amalia Krauthausen die dritte Tochter des fürstlichen Kellerknechts Johann Christoph Hörschelmann (1721−1792) war, der bereits unter Ernst August II. Constantin, später unter Anna Amalia und anschließend unter Carl August mehrere Jahrzehnte treu in der Hofkellerei seinen Dienst verrichtet hatte.159 Neben dem Vater hatte auch die Schwester am Hof gedient; Elisabetha Hörschelmann war unter Anna Amalia als Konditormagd mehrere Jahre tätig gewesen, bis sie 1776 den späteren Oberförster Friedrich Wilhelm Hüttenrauch ehelichte.160 Eben dieser musste wiederum dem Gatten der Hofdame

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Die Hochzeit fand am 22. Juli 1788 statt. Vgl. KA WE HR HK 1788, f. 350. Vgl. seine Berufsbezeichnung in dem Geburtseintrag seiner Tochter KA WE TR HK 1789, f. 96. Zu seinen Lebensdaten vgl. KA WE SR SK 1817, f. 109. Zu seinen Lebensdaten vgl. KA WE SR SK 1792, f. 18r. Zu seiner Anstellung am Hof vgl. die Weimarer Staatskalender von 1757 bis 1792. Vgl. KA WE HR HK 1776, f. 169. Zu ihrer Anstellung am Hof vgl. die Weimarer Staatskalender von 1769 bis 1773.

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von Wedel gut bekannt gewesen sein, da der Oberforstmeister von Wedel als Chef des Weimarer Forstdepartments Hüttenrauchs Forstkarriere jahrelang begleitet hatte. Das familiäre Netzwerk von Anna Amalia Krauthausen führte also auf mehreren Linien zum Hof und dort speziell zum Ehepaar von Wedel. Es scheint deshalb naheliegend, dass es aufgrund eben dieser Verbindungen gelang, beim Herzog eine Ausnahmeregelung zu erwirken − zumal Anna Amalia Krauthausen nicht irgendeine, sondern die Stelle eines Laufmädchens direkt bei der Hofdame von Wedel erhielt. Die darauf bald erfolgende Verpflichtung der übrigen Familienmitglieder der Krauthausens spricht zudem für einen gewissen Arbeits- und Finanznotstand. Nachdem Anna Amalia Krauthausen etwa anderthalb Jahre als Laufmädchen gedient hatte, schaffte auch ihr Ehemann im Juli 1802 den Sprung an den Hof und wurde als Hoflakai in der Livreedienerschaft von Carl August und zugleich als Lakai im Hofstaat der Herzogin angestellt.161 Im Gegensatz zu seiner Gattin sollte er die kommenden 15 Jahre bis zu seinem Tod am Weimarer Hof dienen. Anna Amalia Krauthausen schied dagegen bereits 1804 wieder aus ihrer Stellung. Im gleichen Jahr wurde im Gegenzug ihre mittlerweile knapp 16-jährige ledige Tochter, Justina Christiane Wilhelmine Krauthausen (1789−1841),162 als Garderoben- und Laufmädchen für die Erbprinzessin Maria Pawlowna verpflichtet. Das finanzielle Auskommen der Familie war damit zunächst gesichert und die regelkonträre Erwerbstätigkeit der verheirateten Mutter konnte beendet werden. Vor dem Hintergrund der Heiratsregelung für weibliche Dienerinnen erklärt sich die wesentlich längere Anstellungsdauer der männlichen, niederen Hofbediensteten. In Louises Hofstaat dienten nur sechs Männer zwischen einem und acht Jahren. Alle anderen blieben im Schnitt etwa 17 Jahre bei ihr beschäftigt. In etlichen Fällen waren die Diener bereits davor oder darüber hinaus schon oder noch viele Jahre im Kernhof oder in den anderen Nebenhöfen tätig gewesen. So diente zum Beispiel Johann Ludwig Luther schon unter Ernst August II. Constantin als Aufwärter und unter Anna Amalia als Jagdlakai, später als Hoflakai, bevor er für die Hofdamen Louises ebenfalls als Lakai tätig wurde. Auch Johann Christian Lieber (1757−1836) wechselte nach dem Tod Anna Amalias 1807 und übernahm die bereits seit etlichen Jahren vakante Stelle des Kammerdieners in der Garderobe von Louise.163 Dieser Vorgang macht eine weitere geschlechtsspezifische Eigenheit des 161 162 163

Vgl. ThHStAW HMA 4551, S. 105. Zu den Lebensdaten vgl. KA WE TR HK 1789, f. 96. Johann Christian Lieber begann seine Karriere am Weimarer Hof 1786 als Hoflakai und Friseur im Witwenhof Anna Amalias und stieg dort später (1804) zum Kammerdiener auf. Nach dem Tod der fürstlichen Witwe wechselte er für die nächsten zwei Jahrzehnte zur regierenden Herzogin, um schließlich als Kammerdiener auch bei Carl August tätig und als solcher pensioniert zu werden. Lieber war seit dem 2. Mai 1787 mit Charlotta Augusta Louise Thiel verheiratet und hatte eine einzige Tochter namens Maria Franziska Christiana Lieber. Vgl. KA WE HR HK 1787, f. 325; KA WE HR HK 1809, f. 89.

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Weimarer Hofes deutlich: das doppelte Anstellungsverhältnis der männlichen Diener des regierenden Hofes. Lieber gehörte zu den beiden männlichen, niederen Bediensteten Louises, die das Privileg genossen, ebenso wie die weiblichen Angestellten, allein der Herzogin, nicht aber dem Herzog zu dienen. Mit seiner Ausnahmestellung folgte er dem vorherigen Kammerdiener Christoph Andreas Wiedemann, der von 1776 bis zu seinem Tod am 10. Dezember 1792 ebenfalls ausschließlich für Louise tätig war.164 Ansonsten waren die Männer immer zugleich auch für Carl August angestellt.165 Zumeist erfüllten sie dabei die gleiche Aufgabe für den Herzog wie für die Herzogin, indem sie beispielweise als Lakai in Louises Garderobe einerseits und als Hoflakai in der Livreedienerschaft von Carl August andererseits ihren Dienst leisteten. Alle Karrierestufen durchliefen die männlichen Hofbediensteten dementsprechend auch jeweils parallel. Sobald jemand in ein höheres Amt aufstieg, vollzog sich dieser Karrieresprung simultan im Kernhof und im Hof von Louise. Als zum Beispiel Christian Friedrich Ernst Wellhausen166 1804/05 vom einfachen Lakaien zum Kammerlakaien befördert wurde, erlangte er diesen Status sowohl bei Louise als auch bei Carl August. Die Stelle des Kammerdieners in der Garderobe der Herzogin war allerdings von dieser Regelung des doppelten Anstellungsverhältnisses stets ausgenommen. Die Sonderstellung von Wiedemann und Lieber lag mit Sicherheit in der Art und Weise ihres Dienstes begründet. Ein Kammerdiener nahm unter den niederen Hofbediensteten den ersten Rang ein und hatte das Recht, den Herrn bzw. die Herrin in deren Wohn- und Schlafzimmer zu bedienen.167 Die anderen niederen Hofdiener durften dies nur im Ausnahmefall, in der Regel betraten sie diese Räume nur, wenn sie unbenutzt waren, d. h. in Abwesenheit ihrer Herrschaft. Ein Kammerdiener besaß also ein exklusives Zutrittsrecht, mit dem sich allerdings auch die besondere Pflicht verband, „meistens von früh biß in die Nacht zum Dienst bereit“ zu stehen.168 Es war daher unmöglich, zwei Personen gleichzeitig angemessen zur Verfügung zu stehen. Das Weimarer Herzogspaar hatte wohl deshalb jeweils eigene Kammerdiener ausschließlich für ihre eigene Person angestellt. Auf diese Weise lässt sich die anhaltende Vakanz der Kammerdienerstelle erklären. Der ganztägige Kontakt zwischen Diener und Herzogin erforder-

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Sein Tod wurde sogar von dem Fourier vermerkt. Vgl. ThHStAW HMA 4541, S. 217. Dahingehend inkonsequent erweisen sich die Jahre 1775 bis 1778, was wohl an der Übergangsphase gelegen haben mag, in der sich der neu einzurichtende und zu planende Hofstaat der Herzogin befand. Christian Friedrich Ernst Wellhausen war seit 1788/89 am Weimarer Hof angestellt und seit dem 12. Juli 1792 mit dem ehemaligen Garderobenmädchen von Louise, Johanna Christiana Philippina Dietrich, verheiratet. Vgl. KA WE HR HK 1792, f. 449. Vgl. Art. Kammerdiener, in: Krünitz, Bd. 33, S. 275; Moser: Teutsches Hofrecht, Bd. 2, S. 211–213. Moser: Teutsches Hofrecht, Bd. 1, S. 212.

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te ein besonderes Maß an Wertschätzung und Vertrauen,169 das Christoph Andreas Wiedemann von der Herzogin entgegen gebracht wurde. Louise verzichtete nach seinem Tod über 15 Jahre lang darauf, seine Stelle neu zu besetzen. Erst im Zuge der nötigen Personalumsetzungen nach dem Tod der Herzogsmutter konnte der erprobte Kammerdiener Anna Amalias 1807/08 die Nachfolge als Louises erster Diener antreten.170 4.2.3 Der Ehevertrag als Garant personalpolitischer Freiheiten und Grenzen Im Vorfeld der Eheschließung von Carl August und Louise, die am 3. Oktober 1775 im Karlsruher Schloss vollzogen wurde, führten beide Seiten zähe Verhandlungen um die Rahmenbedingungen derselben. Vor allem die finanziellen Aspekte der Ehe, d. h. die Dotalgelder, das Paraphernalgut,171 die Landgelder, die Morgengabe wie auch das auszusetzende Wittum gaben Anlass zu monatelangen Debatten.172 Durch die eigenwillig konstruierte hessische Fräulein-Steuer, die beide Landesteile Darmstadt und Kassel bei der Heirat einer hessischen Fürstin gemeinsam aufzubringen hatten, aber auch durch eine scheinbar längst vergessene Begehrlichkeit aus der zweiten Ehe des Herzogs Johann Ernst III. von Sachsen-Weimar mit Charlotte Dorothea Sophia von Hessen-Homburg (1672−1738),173 dauerten die Auseinandersetzungen noch ganze zwei Jahre nach der Eheschließung an. Letztlich konnten 169

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Moser betonte insbesondere die Verschwiegenheit, die ein Kammerdiener an den Tag legen sollte. Manche Fürsten hätten wohl bewusst einen Illiteraten als Kammerdiener erwählt, um zumindest alles Schriftliche vor ihm geheim halten zu können. Vgl. Moser: Teutsches Hofrecht, Bd. 2, S. 211. Vgl. den Weimarer Staatskalender von 1808, S. 164. Damit wurde jenes Vermögen bezeichnet, das die Ehefrau zusätzlich zum Heiratsgut in die Ehe mit einbrachte. Es blieb ihr Eigentum und wurde von ihrem Mann nur verwaltet. Vgl. Art. Nebengüter, Paraphernalgüter, in: Zedler, Bd. 23, Sp. 1468. Vgl. z. B. die umfangreichen Korrespondenzen in ThHStAW A 155–157 und A 162. Der endgültige Vertrag findet sich unter ThHStAW Urkunden, 1775 Sept. 30. Louise sollte demgemäß letztlich 32 400 Rheinische Gulden oder 18 000 Taler (die Pistole zu 5 Talern gerechnet) erhalten. Dazu sollten noch 28 000 Gulden für fürstliche Kleider, Schmuck, Kleinodien, Silbergeschirr etc. in bar ausgezahlt werden. Vgl. Ebd., Bl. 1v–2v. Vgl. ThHStAW A 162, Bl. 8–38. Gegenstand dieser Auseinandersetzung war die 1703 aufgesetzte Ehe-Versicherung, dass die Heiratsgelder der Herzogin Charlotte Dorothea Sophie wieder an Hessen zurückfallen sollten, wenn sie ohne Kinder, d. h. ohne Erben, verstürbe. Tatsächlich überlebte sie ihre vier Kinder, die alle noch im Kindes- bzw. Jugendalter verstarben. Hessen-Darmstadt forderte deshalb Gelder in Höhe von 20 000 Gulden mit dem Ziel zurück, damit die Ehegelder der Prinzessin Louise begleichen zu können. Weimar lehnte diese Forderung nach eingehender juristischer Prüfung allerdings mit der Begründung ab, Charlotte Dorothea Sophie habe ihr Wittum genossen und damit alle Ansprüche verloren. Hessen-Darmstadt stimmte dieser Sichtweise nach eigener Prüfung des Sachverhalts letztlich zu und entsagte jeglicher weiterer Forderungen aus diesem vermeintlichen Dotal-Rückfall.

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erst auf der Frankfurter Messe im Herbst 1777 die ausstehenden Ehegelder an die Weimarer Kammer überreicht und die gegenseitigen Ansprüche und Rechte gütlich beigelegt werden.174 Fast schon beiläufig wurde im Zuge dieser Einigung die personelle Ausstattung der zukünftigen Weimarer Herzogin geregelt. Besonders interessant scheint, dass es Louise – wie damals auch ihrer Schwiegermutter Anna Amalia – ausdrücklich erlaubt wurde, auf Personal aus ihrer hessischen Heimat zurückzugreifen, solange sie solches gleichermaßen auch aus ihrer neue Heimat Sachsen-Weimar-Eisenach rekrutiere. Speziell die Kammerfrauen sollte die zukünftige Weimarer Herzogin paritätisch sowohl in Hessen, als auch in Sachsen wählen dürfen.175 Louise bekam als Grundlage dazu das Recht zugesprochen, ihre weiblichen Bediensteten mit Carl Augusts „Bestimmung und Zufriedenheit“ selbst auszusuchen, ihre männlichen Diener musste sie aber vom Herzog – wenngleich auch hier wiederum mit ihrer Zustimmung – „erwählen, annehmen und abschaffen“ lassen.176 Die Verabschiedung durfte Louise in keinem Falle allein vollziehen; auch hierzu benötigte sie immer das Einverständnis des Herzogs. Darüber hinaus behielt sich ihr Gatte das Recht vor, ihr Hofpersonal in jeglicher Hinsicht, sei es bei Streitigkeiten in „civil- oder Criminal-Sachen“, mit seinen Hofbediensteten gleichzusetzen und über sie zu entscheiden.177 Am Beispiel der Beschwerden anlässlich der Beförderung des einstigen Beimädchens der Herzogin wird deutlich, wie sich diese Verfügungsgewalt des Herzogs und die Gleichstellung aller Hofdiener auswirken konnte. Nachdem Dorothea Böttger im Frühjahr 1810 zum zweiten Garderobenmädchen befördert worden war, wandte sie sich ein halbes Jahr später im Juli 1810 mit der Bitte an Carl August,178 auch das entsprechende Gehalt eines Garderobenmädchens bereits mit dem Dienstantritt der neuen Stelle beziehen zu dürfen. Sie wusste, dass dies am Weimarer Hof nicht üblich war. Normalerweise würde sie zunächst nur ihre alte Besoldung weiter erhalten, bis das Gnadenquartal ihrer Vorgängerin, Christiane Beyer (1765−1810),179 ausgelaufen war. Sie begründete ihr Gesuch deshalb explizit mit der Befürchtung, erst zu Weihnachten die angemessene Entlohnung für ihre Dienste zu bekommen. Eine Randnotiz auf ihrem Brief zeigt, dass ihr Antrag abgewiesen wurde. Wenige Wochen später erschien die Kammerfrau Charlotte Musculus vor dem Hofmarschallamt und beschwerte180 sich im Namen 174 175 176 177 178 179 180

Vgl. z. B. ThHStAW A 162, Bl. 39. Für Folgendes vgl. ThHStAW A 157, f. 169–189 (Konzepte); ThHStAW Urkunden, 1775 Sept. 30 (Ehevertrag). Ebd., Bl. 4. Ebd. Vgl. ThHStAW HMA 642, Bl. 32. Zu den Lebensdaten vgl. KA WE SR SK 1810, f. 154r. Der Fall wurde nachträglich vom Hofmarschallamt detailliert protokolliert. Vgl. ThHStAW HMA 642, Bl. 33r–34r.

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ihrer Herrin: Die Herzogin habe von der ablehnenden Entscheidung im Falle Böttger erfahren und fände sie sehr „unbillig“. Diener, die eine Stelle übertragen bekommen hätten, sollten den damit verbundenen Lohn erhalten und nicht bis auf den Ablauf des Sterbe- und Gnadenquartals warten müssen. Das Hofmarschallamt rechtfertigte daraufhin seine Entscheidung mit dem Verweis auf den ausdrücklichen Befehl des Herzogs, den Erben verstorbener Hofdiener nicht nur das Quartal, „in welchem selbige verstorben, sondern auch das darauf folgende sogenannte Gnadenquartal auszahlen zu laßen“.181 Die nachrückenden Bediensteten könnten deshalb nicht sofort den vollen Lohn erhalten. Gleichermaßen wäre erst kürzlich mit dem Kammerdiener des Herzogs, Johann(es) Probst, verfahren worden. Da alle Hofbediensteten gleich zu behandeln seien, müsse dies nun auch bei dem Garderobenmädchen der Herzogin geschehen. Die Kammerfrau Musculus ließ sich davon wenig beeindrucken und bestand darauf, dass Dorothea Böttger ihr volles Gehalt seit dem entsprechenden Dienstantritt ausgezahlt werden solle. Es blieb jedoch bei der Ablehnung. Trotz des Einspruchs der Herzogin befolgte das Hofmarschallamt den – sozial ambitionierten und bilanzpragmatischen – Willen ihres Gatten. Damit wird erkennbar, dass die Herzogin über einen begrenzten Handlungsspielraum innerhalb der personalpolitischen Abläufe verfügte. Zwar konnte sie über die Besetzung ihrer Stellen (mit-)entscheiden und damit in gewisser Weise die Entlohnung ihrer Bediensteten steuern. Es oblag jedoch ihrem Gatten, über die strukturellen und finanziellen Rahmenbedingungen aller Hofangestellten und damit auch über jene Bedienstete, die speziell ihr unterstanden, zu entscheiden. Diese Handhabung entsprach – sowohl in seiner normativen Fixierung im Ehevertrag, als in seiner sozialpraktischen Umsetzung – den zeremoniellen Gepflogenheiten der Zeit.182 Dagegen durfte Louise ihre Verbundenheit zur hessischen Heimat fast ungehindert, wenn auch nicht dominierend in ihre Personalwahl einbringen. Mit Blick auf die Herkunft des nichtadeligen Hofpersonals fällt auf, dass besonders jene Stellen, die im höfischen Alltag einen engeren Kontakt mit der Herzogin erforderten, in erster Linie mit Personen aus hessischen Familien besetzt wurden. Der Kammerdiener Christoph Andreas Wiedemann und die Kammerfrau Charlotte Musculus hatten Louise 1775 nach Weimar begleitet. Sie stammten aus Familien, die bereits seit einigen Jahrzehnten im Umkreis des Darmstädter Hofes tätig waren.183 Desgleichen kamen mindestens sechs 181

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Ebd., Bl. 33v. Im Zuge der Regierungsübernahme wurde schon 1777 festgelegt, dass während des Gnaden- bzw. Sterbequartals keine neuen Bediensteten eingestellt werden dürften. Falls dies doch nötig sei, sollten diese unentgeltlich arbeiten und falls dies nicht möglich wäre, sollten diese Gehälter als Extraordinarii verbucht werden. Vgl. ThHStAW HMA 26, Bl. 16v. Vgl. Kapitel I. zu den zeremoniellen Erwartungen an einen Fürstenhof. Sein Vater war der fürstlich hessen-hanau-lichtenbergische Rat Christoph Wiedemann. Der Kammerdiener pflegte auch nach seinem Umzug in die Residenzstadt weiterhin Kontakt mit seinen in Hessen und Straßburg weilenden Verwandten. Er selbst grün-

4.2 Der Durchschnittshof der Herzogin Louise

193

der zehn Kammerfrauen, die zwischen 1790 und 1810 der Herzogin dienten, aus Hessen und zwar aus Familien, die Louise bekannt oder vertraut waren.184 So war zum Beispiel die 1807 verpflichtete Kammerfrau Caroline Sophie Luise Friederike Weyland (Weiland) (1791−1855)185 eine Enkelin jenes hessendarmstädtischen Leibarztes Georg Leopold Weyland (1715−1766), der die Herzogin in ihrer Jugendzeit begleitet hatte und dem sie noch viele Jahre später „mit großer Achtung gedachte“.186 Zuvor hatte sie mit Friederike und Henriette Rehfeld für sich,187 und mit Caroline Lorch für ihre Tochter,188 bereits drei nahe Verwandte dieser Familie als Kammerfrauen an den Weimarer Hof holen lassen. Louise bot damit dem Familienclan der Weylands, der schon seit mehreren Jahrzehnten einflussreiche Positionen in Buchsweiler und Darmstadt besetzte, die Chance auch im Umkreis der Weimarer Dynastie Fuß zu fassen. Sie selbst erhielt sich durch die Rekrutierung hessischstämmiger Hofbediensteter ihr heimatliches, soziales Netzwerk nicht nur

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dete in Weimar ebenfalls eine Familie: Am 9. Juli 1780 heiratete er Johanna Dorothea Wilhelmina Hillard, mit der er fünf Söhne namens Friedrich Gottlieb Wilhelm, Christian Wilhelm Gottlieb Theodor, Friedrich Wilhelm Ehrenfried, August Friedrich Martin und den posthum geborenen Friedrich Christoph Theodor Wiedemann hatte. Auch sein Bruder, der Uhrmacher Jacob Friedrich Wiedemann, ließ sich in Weimar nieder und gründete dort mit Augusta Hämpel eine Familie. Vgl. KA WE HR HK 1780, f. 229; KA WE TR HK 1781, f. 201r; KA WE TR HK 1782, f. 246r; KA WE TR HK 1786, f. 416r; KA WE TR HK 1790; KA WE TR HK 1793, f. 288r. Neben Charlotte Musculus stammten Johannette Sophia Heerd, Francisca Wintrath, Caroline Weiland (Weyland) sowie die Kammerfrauen Henriette und Friederike Rehfeld aus Hessen. Sehr wahrscheinlich stammte auch die seit 1775 verpflichtete Dorothea Margaretha Langclois aus dem Elsaß. Die Kammerfrau Amalia Kotzebue kam dagegen aus Wolfenbüttel und war ihrem Vater nach Weimar gefolgt. Caroline Schmid (geb. 1780) war die zweite Tochter des ordentlichen Professors der Theologie, Dr. Johann Wilhelm Schmid, aus Jena. Die Herkunft der Kammerfrau Louise Schmid(t) ließ sich dagegen nicht eindeutig ermitteln. Vgl. KA WE HR HK 1795, f. 505 (Heerd); KA J HR SK 1802, f. 240 (Schmidt); Huschke: Genealogische Streifzüge, S. 73, 80f. (Musculus, Weyland, Wintrath); Hendrikje Carius/Katrin Horn: Art. Johanna Caroline Amalie Ludecus, geb. Kotzebue, in: Freyer/Horn/Grochowina: FrauenGestalten, S. 231–234. Caroline Weyland war die Tochter von Johann Philipp Ludwig Weyland (1763–1821) – der zweitjüngste Sohn des einstigen Leibarztes – und Friederike Katharina Louise Lorch (1763–1803). Vgl. Wilhelm Best: Die Weyland’s und ihre Zeit. Familiengeschichtliche Blätter. Darmstadt 1935, Anlage. Huschke: Genealogische Streifzüge, S. 81. Friederike Rehfeld war von September 1796 bis Dezember 1807 und Henriette Rehfeld von Herbst 1802 bis Oktober 1804 als Kammerfrau bei der Herzogin beschäftigt. Vgl. ThHStAW HMA 642, f. 6, 15, 27, 28v. Caroline Lorch löste Prinzessin Caroline Louises Kammerfrau, Amalia Carolina Christiana Wetken, am 1. Dezember 1800 ab und blieb bis zur Verheiratung der Prinzessin 1810 am Weimarer Hof tätig. Amalia Wetken ging vom Hof ab, um den Professor Carl August Hoffmann zu ehelichen. Vgl. die Weimarer Staatskalender von 1800 und 1810; KA WE HR HK 1800, f. 635; ThHStAW HMA 4549, S. 221. Zur Verwandtschaft mit der Familie Weyland vgl. Wilhelm Best: Weyland’s, S. 50.

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4. Der Weimarer Hof als vielfältige Einheit mit individuellen Hofprofilen

– wie es seinerzeit üblich war – über die eigene hochadelige Verwandtschaft, sondern auch auf niederrangigeren Ebenen.189 Carl August unterstützte und nutzte in gewisser Weise diese Netzwerke seiner Gattin: Bereits 1788/89 hatte er den jüngsten Sohn von Louises Leibarzt, Philipp Christian Weyland (1765−1843), als Geheimen Sekretär bei sich angestellt.190 Weyland erwies sich als kompetent und stieg in den folgenden Jahren bis zum Kriegsrat und Präsidenten des Landschaftskollegiums auf. Während des Rastatter Kongresses sollten sich dessen enge Beziehungen zu seinem Schwager Heinrich Karl Rosenstiel (1751−1825/26), der dort als Generalsekretär der französischen Delegation fungierte, als überaus nützlich erweisen.191 Eventuell ließ Carl August deshalb seine Gattin aus Dankbarkeit zeitweise über ihr vertraglich fixiertes, paritätisches Limit gewähren, denn in den Jahren 1797 bis 1799 und 1803 bis 1804 wurde Louise ausschließlich von hessischen Kammerfrauen – darunter enge Verwandte Weylands – bedient.192 Erst in den jeweils folgenden Jahren wurden wieder Frauen aus dem eigenen Herzogtum, zumeist aus den Städten Weimar oder Jena, ausgewählt und angestellt. Louise wusste die Freiheiten auszureizen, die ihr der Ehevertrag und ihr Gatte in personalpolitischer Hinsicht boten.

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Die Herzogin pflegte vor allem mit ihrem Bruder Christian von Hessen-Darmstadt (1763–1830) intensiven brieflichen und persönlichen Kontakt. Prinz Christian besuchte auch des Öfteren den Weimarer Hof. Vgl. z. B. ThHStA HMA 4539, 4540, 4544, 4552, 4554 (Weimarer Fourierbücher von 1790, 1791, 1795, 1803, 1805). Carl August selbst gibt an, Weyland auf Empfehlung des Berliner Ministers Friedrich Anton Freiherr von Heynitz eingestellt zu haben. Ihm werden aber Weylands verwandtschaftlichen Netzwerke und sozialen Kontakte mit Sicherheit nicht verborgen geblieben sein. Philipp Christian Weyland heiratete 1795 Caroline Louise Rehfeld (1771–1839), die Tochter des hessischen Regierungs- und Konsistorialrates Johann Heinrich Rehfeld und Caroline Louise Coulmann (1750–1811). Vgl. Promemoria 1, in: PB 2, S. 181. KA WE HR HK 1795, f. 506; Huschke: Genealogische Streifzüge, S. 81; Friedrich W. Euler: Die Erben der Emmy Merck, geb. Eigenbrodt, in: Mercksche Familien-Zeitschrift, Nr. 22 (1966), S. 8–272. Vgl. Huschke: Genealogische Streifzüge, S. 81; Andreas/Tümmler: Einleitung, in: PB 2, S. 7f. Von 1796/97 bis 1798/99 dienten Louise die drei hessischen Kammerfrauen Charlotte Musculus, Francisca Wintrath und Friederike Rehfeld. Erst nachdem Francisca Wintrath im Oktober 1798 den schwarzburg-sondershausischen Rat, Assessor und Amtmann Christian Günther Friedrich Kühn ehelichte, kam mit Caroline Schmidt im Januar 1799 eine Jenenserin. Nachdem diese Mitte September 1802 vom Hof abging, um wenig später in Jena Carl Gottlob Krause zu ehelichen, folgte ihr mit Louise Rehfeld erneut eine Hessin, womit die Herzogin in den nächsten zwei Jahren wiederum ausschließlich von Kammerfrauen aus ihrer Heimat bedient wurde. Vgl. KA WE HR HK 1798, f. 589; KA J HR SK 1802, f. 240; ThHStAW HMA 642, f. 14r, 15. ThHStAW HMA 4551, S. 117.

4.2 Der Durchschnittshof der Herzogin Louise

195

4.2.4 Louises Hofgröße im Vergleich Zu einem – zunächst – erstaunlichen Ergebnis führt der Vergleich von Louises Hofstaat mit dem Personal der anderen erwachsenen, weiblichen Mitglieder der Weimarer Fürstenfamilie: Innerhalb des Weimarer Hofes verfügte Louise, die im Zeremoniell als Gemahlin des regierenden Herrn den ersten Rang vor allen anderen Frauen und zwar auch vor „allen Wittwen und Prinzeßinnen des Hauses“ genoss,193 in der Gesamtanzahl über die wenigsten, speziell an sie gebundene Hofbediensteten. Sowohl ihre verwitwete Schwiegermutter Anna Amalia als auch ihre spätere Schwiegertochter Maria Pawlowna besaßen mindestens ein Drittel mehr Hofpersonal. Lediglich Louises Töchter, später auch die Enkeltöchter, wurden von deutlich weniger Bediensteten umsorgt.194 Angesichts der Regelungen des Zeremoniells erweist sich eine solche quantitative, hofinterne Gegenüberstellung jedoch als wenig aussagekräftig, da „alle hohe[n] und nidere[n] Hof-Bedienten [der regierenden Herzogin] in billigen Dingen zu Gebot stehen und gleiche Ehrerbietung als gegen den Herrn bezeugen“ mussten.195 Louise bedurfte im Grunde also gar keiner eigenen Bediensteten oder zumindest nur solcher, die für die spezifische weibliche Bedienung nötig waren.196 Sie war neben ihrem Gatten die einzige fürstliche Person, die über alle Bediensteten des Kernhofes und damit auch über alle Grundversorgungseinrichtungen der anderen Einzelhofhaltungen bestimmen durfte. Die quantitative Unterlegenheit gegenüber dem Personal der anderen weiblichen Familienmitglieder entbehrt demzufolge bei näherer Betrachtung jeglicher Bedeutung, da die Herzogin in der Gesamtschau zweifellos über die meisten Bediensteten verfügen konnte. Umso mehr lohnt sich allerdings der Vergleich mit den Hofstaaten anderer Regentengattinnen,197 weil damit deutlich wird, dass Louises höfische Perso193 194 195

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Vgl. Moser: Teutsches Hofrecht, Bd. 1, S. 599. Vgl. Tabelle in Abb. 4. Vgl. Moser: Teutsches Hofrecht, Bd. 1, S. 598. Diese zeremonielle Forderung entspricht der Hierarchievorstellung der zeitgenössischen Hausväterliteratur, in der die Herrschaft der Frau als Ableitung von der Herrschaft des Mannes verstanden wurde. Der Frau kam demnach nicht per se die Herrschaft über die Personen im eigenen Haushalt zu, sondern der Ehemann hatte Sorge zu tragen, dass das Gesinde und die Kinder seiner Ehefrau mit Respekt und Gehorsam begegneten. Vgl. z. B. Lutz: Ehepaare vor Gericht, S. 281. Vgl. das Kapitel zu den zeremoniellen Erwartungen an einen Fürstenhof. Zum Vergleich werden die Höfe der Herzogin Charlotte von Sachsen-Gotha-Altenburg, geb. von Sachsen-Meiningen (1751–1827) und ihrer ab 1804 nachfolgende Schwiegertochter, Herzogin Caroline Amalie, geb. von Hessen-Kassel (1771–1848) sowie der Hof von Eleonore von Sachsen-Meiningen, geb. zu Hohenlohe-Langenburg (1763–1837) – allerdings nur in ihrer Zeit als Gemahlin, nicht als vormundschaftlich regierende Herzogin –, der Herzogin Louise von Mecklenburg-Schwerin, geb. Prinzessin von SachsenGotha-Altenburg (1756–1808), sowie der Hof der Landgräfin Wilhelmine Caroline, geb. Prinzessin von Dänemark (1747–1820) und der Hof der Landgräfin Luise Henriette Karoline von Hessen-Darmstadt, geb. Hessen-Darmstadt (1761–1829) herangezogen.

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4. Der Weimarer Hof als vielfältige Einheit mit individuellen Hofprofilen

nalpolitik grundsätzlich nicht ungewöhnlich war. Auch in Darmstadt, Kassel, Gotha und Schwerin bzw. Ludwigslust fluktuierte das niedere Hofpersonal stark und desgleichen war die Vakanzpolitik der Weimarer Herzogin keine Besonderheit oder Einzelfall. Fast alle Fürstinnen der Vergleichshöfe ließen um 1800 entweder die Stelle ihres Oberhofmeisters oder die ihrer Oberhofmeisterin über mehrere Jahre unbesetzt.198 Die Gegenüberstellung der Hofgrößen überrascht jedoch. Louises Hofumfang scheint nicht ranggemäß gestaltet gewesen zu sein. Entsprechend des hohen Ranges ihres Gatten hätte sie eigentlich das zahlreichste Personal um sich versammeln müssen. Ihr Hof war zwar nicht klein, aber auch nicht der Größte (vgl. Abb. 10). Durch die personelle Unterbesetzung in den 1790er Jahren entsprach er lange Zeit nur dem Mittelmaß. Erst nach der Jahrhundertwende wuchs Louises Hof wieder an und stellte die meisten anderen Gemahlinnenhöfe in den Schatten. Stets weit übertroffen wurde Louise jedoch von ihrer Namensvetterin im hohen Norden des Alten Reichs: Louise von Mecklenburg-Schwerin, geb. Prinzessin von Sachsen-Gotha-Altenburg (1756−1808), verfügte über etwa 30, zeitweise sogar über 33 Hofbedienstete. Sie stach damit deutlich aus den Verhältnissen ihrer Standesgenossinnen heraus. In Anbetracht der zeremoniellen Regel, dass sich der Hof einer Gemahlin nach dem Stand und Rang des fürstlichen Gatten zu richten hatte, wirkt dieser Umfang reichlich übertrieben. Friedrich Franz I. nahm auf der weltlichen Bank des Fürstenrates im Reichstag in der Mitte Platz und rangierte sowohl hinter den sächsischen Herzögen als auch hinter dem Herzog von Braunschweig-Wolfenbüttel.199 Das genügte ihm jedoch nicht. Der Schweriner Herzog Friedrich Franz I. strebte unmissverständlich nach der Kurwürde.200 Diese anvisierte Rangerhöhung stellte er nicht nur mit der Konzeption seines wachsenden Gesamthofes,201 sondern konsequenterweise auch mit dem Hofstaat seiner Gattin deutlich zur Schau. Daneben scheint jedoch auch die eigenwillige Wohnsituation des Herzogspaars ein so zahlreiches Hofpersonal für die Herzogin nötig gemacht zu haben: Denn während sich Louise von Mecklenburg-Schwerin mit ihren Kindern hauptsächlich in der großzügig umgebauten, ehemaligen Jagdschlossanlage Ludwigslust aufhielt, residierte ihr Gatte Friedrich Franz I. sowohl in Ludwigslust als auch in Schwerin, wo auch seine verwitwete Mutter Charlotte Sophie, geb. Sachsen-Coburg-Saalfeld, und seine unverheiratete, betagte Tante Ulrike Sophie (1723−1813) vorrangig lebten.202 Der Mecklen198 199 200 201 202

Vgl. dazu ausführlich den Abschnitt zu den Weimarer Führungspersönlichkeiten. Vgl. Abb. 3. Vgl. Schröder: Mecklenburg und die Kurwürde, bes. S. 7f. Vgl. das Kapitel II zur ranggemäßen Größe des Weimarer Hofes. In der Literatur findet sich immer wieder die Behauptung, dass die Residenz unter Herzog Friedrich in den 1760er Jahren nach Ludwigslust verlegt worden und erst 1837 unter Großherzog Friedrich Franz II. wieder nach Schwerin zurückkehrt sei. Dem widersprechen nicht nur die Schweriner Staatskalender, sondern auch viele andere zeit-

4.2 Der Durchschnittshof der Herzogin Louise

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Abbildung 10: Vergleich der Höfe (nicht selbst) regierender Fürstinnen zwischen 1790 und 1810.

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4. Der Weimarer Hof als vielfältige Einheit mit individuellen Hofprofilen

burger Hof war dadurch räumlich gespalten und musste sich aufteilen.203 Das herzogliche Hofmarschallamt und die Pagerie saßen in Schwerin, der herzogliche Marstall dagegen in Ludwigslust. Die Küche, die Ärzteschaft, die Geistlichkeit, die Hausvogtei, das Waschhaus, die Kellerei, aber auch die Konditorei – im Grunde fast alle höfischen Versorgungseinrichtungen – wurden an beiden Orten benötigt. Eine gemeinschaftliche Nutzung, wie dies in Weimar in erster Linie bei den männlichen, niederen Hofbediensteten gehandhabt wurde, war nur bedingt möglich. Indes lag genau darin der maßgebliche Unterschied zwischen Mecklenburg und Weimar. Beide Herzoginnen besaßen in etwa die gleiche Zahl an weiblichen Bediensteten,204 die Mecklenburger Louise durfte allerdings pro Jahr über durchschnittlich 14 männliche Bedienstete und damit in etwa über das Doppelte verfügen, was die Weimarer Louise zugestanden bekam. Die Mecklenburger Herzogin musste zudem keinen der niederen Hofdiener mit ihrem Gatten teilen,205 konnte im Gegenzug aber wegen der verschiedenen Aufenthaltsorte auch nicht über alle Diener des Herzogs verfügen. Sie erfuhr also aufgrund der räumlichen Trennung des Gesamthofes und damit aus ganz pragmatischen Gründen eine personelle Besserstellung gegenüber der Weimarer Herzogin. Dies wirft jedoch die Frage auf, warum der Schweriner Herzog seinen Hof überhaupt räumlich aufteilte. In der Regel residierten Fürsten mit ihren Gattinnen gemeinsam an einem Ort. Eine räumliche separierte Hofhaltung war nur bei unüberbrückbaren Differenzen eines Paares oder zur Verbannung der Fürstin üblich.206 Dies war bei Friedrich Franz I. und Louise jedoch nicht

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genössischen Quellen. So wurde zum Beispiel die Weimarer Prinzessin Caroline Louise nach ihrer Trauung mit dem Schweriner Erbprinzen zunächst ohne viel Aufhebens nach Ludwigslust gebracht, um sich dort auf den „feierliche[n] Einzug in die Residenz Schwerin in dem entgegengeschickten Staatswagen unter dreimaliger Abfeuerung des groben Geschützes und Läutung aller Glocken“ vorzubereiten. Schwerin wurde als Residenz also nie aufgegeben, weshalb auch der Sitz der herzoglichen Regierung und des Geheimen Ministeriums unter Herzog Friedrich Franz I. auch nie verlegt wurde. Vgl. ThHStAW HMA 2600, f 51f. (Zitat). Dies wird aus den ortbezogenen Anmerkungen in den Staatskalender deutlich. Vgl. z. B. den Schweriner Staatskalender von 1797, S. 5–21. Louise von Sachsen-Weimar-Eisenach verfügte für sich und ihre drei Hofdamen über durchschnittlich 10 niedere Dienerinnen. Louise von Mecklenburg-Schwerin standen für sich und ihre ebenfalls drei Hofdamen durchschnittlich 11 Hofdienerinnen zur Verfügung. Vgl. die Schweriner Staatskalender von 1791 bis 1808; sowie die Weimarer Staatskalender von 1790 bis 1810. Lediglich der Sekretär Johann Michael Földner war zugleich auch für Franz Friedrich I. in dessen Ludwigsluster Kabinett tätig. Vgl. dafür z. B. den Schweriner Staatskalender von 1797, S. 7, 17. Möglicherweise war der bei Louise angestellte Lakai namens Johann Ernst Thoms zugleich als Reisefourier für den Herzog tätig. Unter Umständen handelte es sich hierbei aber nur um zwei – eventuell miteinander verwandte – Personen mit Namensgleichheit. Vgl. ebd., S. 13 und 17. Ein bekanntes Beispiel ist die zerrüttete Ehe von Karl Alexander von BrandenburgAnsbach-Bayreuth und seiner Gattin Friederike Caroline von Sachsen-Coburg-Saalfeld

4.2 Der Durchschnittshof der Herzogin Louise

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der Fall. Raumnot kann ebenfalls als Motiv ausgeschlossen werden, da das mehrstöckige Schweriner Residenzschloss viel Platz bot.207 Es wäre möglich gewesen, alle Familienmitglieder dort standesgemäß unterzubringen. Der Schweriner Herzog scheint den räumlich geteilten Hof folglich nicht aus Knappheit oder Zerwürfnissen unterhalten zu haben. Die doppelte Residenz scheint stattdessen Teil der höfischen Repräsentation gewesen zu sein, mit der sich Friedrich Franz I. größer darstellen wollte, als es ihm sein Rang vorgab. Das Begehren eines höheren Ranges und die eigenwillige Wohnsituation lassen sich demnach nicht voneinander trennen. Damit kippt die Interpretation der pragmatischen Besserstellung der Schweriner Herzogin in eine gezielte, weil rang-postulierende Besserstellung um. Ihr Hof sollte mit Absicht unverkennbar größer als die Höfe anderer Fürstinnen sein. An dem Befund, dass der Hof der Weimarer Herzogin einige Jahre nicht ranggemäß gestaltet gewesen sei, ändert dies allerdings wenig. Zwar ließe sich einwenden, dass Carl August mit der − zumindest bis 1806 − rangkonformen Gestaltung seines Hofes andere Ziele als der Schweriner Herzog verfolgte und Louise deshalb mit der Schwerinerin gar nicht mithalten musste. Allerdings erklärt dies nicht deren mittelmäßige Hofgröße. Denn auch gegenüber den anderen Gemahlinnenhöfen hob sich Louises Hof nur marginal ab. In den 1790er Jahren war er zeitweise sogar kleiner als die Höfe der Darmstädter und Gothaer Konkurrentinnen (vgl. Abb. 10). Erst mit dem Anwachsen nach 1800 setzte sie sich zunehmend deutlicher von den anderen Fürstinnen ab. Dies kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass Louises Hof lange Zeit nicht die Symbolkraft besaß, um ihren hohen Rang als Weimarer Regentengattin in Konkurrenz zu anderen Höfen klar zur Schau zu stellen. Das verwundert insofern, als Louises Hof zu Beginn ihrer Ehe eigentlich wesentlich größer konzipiert worden war und erst durch die anhaltenden Vakanzen und zum Teil schleppenden Neubesetzungen bis zu ein Fünftel seiner Größe einbüßte. Warum die Weimarer Herzogin zeitweise auf ihre angemessene personelle Selbstdarstellung verzichtete und Carl August dies billigte, muss an dieser Stelle offen bleiben. Aus den Akten wird nicht ersichtlich, ob die stets beklagten Geldprobleme zur degradierenden Personalreduktion führten,208 oder ob Louise Probleme hatte, geeignete Nachfolger zu finden.

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(1735–1791). Das Paar trennte sich örtlich. Karl Alexander blieb in der Residenzstadt Ansbach bzw. nutzte seine Jagdschlösser. Friederike Caroline musste auf das Schloss Schwaningen in Unterschwaningen ziehen und bis an ihr Lebensende dort verbleiben. Vgl. z. B. August von Witzleben: Prinz Friedrich Josias von Coburg-Saalfeld, Herzog zu Sachsen, K. K. und des Heil. Röm. Reiches Feldmarschall. Teil 1: 1737–1790. Berlin 1859, S. 70f. Zur Gestalt des Schlosses, wie es Friedrich Franz I. übernommen hatte, vgl. Ralf Weingart: Vom Wendewall zur Barockresidenz, in: Kornelia Berswordt-Wallrabe (Hrsg.): Schloss Schwerin. Inszenierte Geschichte in Mecklenburg. München u. a. 2009, S. 6– 56. Die Finanzen des Weimarer Hofes in den 1790er Jahren ist ein Desiderat, das in dieser

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4. Der Weimarer Hof als vielfältige Einheit mit individuellen Hofprofilen

Da jedoch nur jene Stellen längere Zeit vakant blieben, die sich mit einer besonderen Nähe zur Herzogin verbanden, scheint Louise Vertrautheit höher als ranggemäßes Prestige geschätzt zu haben. 4.2.5 Louises Hofpersonal im Vergleich Mit Blick auf die Zusammensetzung der jeweiligen Gemahlinnenhöfe fällt zunächst eine bemerkenswerte Eigenheit auf, die von der Zeremonialwissenschaft so nicht explizit benannt wurde. Der Oberhofmeister war der einzige Kavalier, der exklusiv der Fürstin diente. Alle übrigen Kavaliere, die den Fürstinnen aufwarteten, waren an ein männliches Mitglied der Fürstenfamilie, in der Regel an den Regenten selbst verpflichtet. Eine Ausnahme stellten Fürstinnen dar, die vormundschaftlich regierten.209 Gemahlinnen − aber auch Prinzessinnen und Witwen − war es dagegen offenbar nicht gestattet, niederrangige Hofkavaliere, wie beispielsweise Kammerjunker oder Kammerherren, allein an ihrem Hof anzustellen. Die vom Zeremoniell geforderte Kavaliersaufwartung wurde deshalb stets von den fürstlichen Kernhöfen bereitgestellt. Bei der Schweriner und der Gothaer Herzogin wurde in den Staatskalendern unspezifisch darauf verwiesen, dass ein Kammerherr und meist ein Kammerjunker „von Sr. Durchl. Herzogs Hofstatt zur Aufwartung“ herangezogen werde.210 Für die Landgräfin von Hessen-Kassel wurde ab 1798 sogar ein Kammerherr namentlich gelistet,211 obgleich dieser ebenfalls zum Hof ihres Gatten gehörte. Für die Darmstädter Landgräfin und die Weimarer Herzogin wurde auf einen entsprechenden Hinweis verzichtet. Den Akten lässt sich allerdings entnehmen, dass auch hier die Kavaliersaufwartung nicht fehlte, sondern ebenfalls vom Kernhof über-

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Arbeit thematisiert, aber nicht umfassend geklärt werden kann. Die bisherige Forschung eruierte die Finanzen der Jahren 1775 bis 1783 und überblicksartig von 1806 bis 1848/49 mit dem Ergebnis, dass Weimar hoch verschuldet gewesen wäre. Ob und welche Auswirkungen dies auf die höfische Besetzungspolitik hatte, bleibt zu untersuchen. Vgl. Marcus Ventzke: Hofökonomie und Mäzenatentum. Der Hof im Geflecht der weimarischen Staatsfinanzen zur Zeit der Regierungsübernahme Herzog Carl Augusts, in: Joachim Berger (Hrsg.): Der Musenhof Anna Amalias. Geselligkeit, Mäzenatentum und Kunstliebhaberei im klassischen Weimar, Köln/Weimar/ Wien 2001, S. 19–52; ders.: Kunstsinnigkeit als Problemverdrängung? Die Weimarer Hoffinanzen vom Ende des Alten Reichs bis zur Revolution von 1848/49, in: Ausstellungskatalog Maria Pawlowna, Teil 2, S. 85–96. So zum Beispiel die Meininger Fürstin. Aber auch im Witwenhof Anna Amalias gab es keine Hofkavaliere, die ausschließlich ihr verpflichtet waren. Selbst der Kammerherr von Einsiedel diente bis zu seiner Ernennung zum Oberhofmeister offiziell auch dem Herzog. Vgl. den Abschnitt zur eigenen Personalpolitik der fürstlichen Witwe. Vgl. z. B. Gothaer Staatskalender von 1799, S. 69 und Schweriner Staatskalender von 1797, S. 17. In den Jahren zwischen 1798 und 1806 wurde stets Georg Viktor Ernst von Buttlar verzeichnet. Vgl. z. B. den Kasseler Staatskalender von 1800, S. 12.

4.2 Der Durchschnittshof der Herzogin Louise

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nommen wurde.212 Alle Gemahlinnenhöfe waren demnach für die Kavaliersaufwartung auf das hohe Personal ihres Gatten angewiesen und mussten sich dessen Wünschen unterordnen. Etwas anders verhielt es sich mit der Aufwartung der Pagen, die wegen ihres Alters noch nicht als vollwertige Kavaliere galten. Es war zwar äußerst selten, dass Edelknaben ausschließlich am Hof einer Regentengattin und nicht doppelt in zwei Hofstaaten beschäftigt wurden, allerdings war dieser Fall zu finden. So durfte zum Beispiel die Landgräfin Wilhelmine Caroline von Hessen-Kassel (1747−1820) über zwei Pagen allein verfügen. Ihre Edelknaben waren zuvor in der Pagerie ihres Mannes ausgebildet worden und scheinen lediglich die letzten Jahre vor ihrer Wehrhaftmachung im Dienste der Landgräfin verbracht zu haben.213 An den meisten anderen Höfen waren die Pagen jedoch wie die Kavaliere dem Regenten verpflichtet und nur zum Dienst bei der Fürstin abgestellt.214 Diese Spielart bevorzugte auch der Weimarer Hof, wo den Pagen die Aufgabe oblag, Louise die Speisen an der Tafel zu servieren.215 Im Gegensatz zur Kasseler Landgräfin hatte die Weimarer Herzogin allerdings keinen eigenen Pagen. Wie die Kasseler Fürstin besaß letztlich jeder Gemahlinnenhof eine personelle Besonderheit: Caroline Amalie von Sachsen-Gotha-Altenburg und Louise von Hessen-Darmstadt (1761−1829) unterhielten zum Beispiel eigene Hofmusiker. Ersterer gelang es, den in Kassel verpflichteten Pianisten und Komponisten Friedrich Joseph Kirmair (um 1770−1814) für sich zu gewinnen und ihn nach ihrer Heirat als Konzert- bzw. Musikmeister mit an den Gothaer Hof zu nehmen.216 Die Genialität des gefeierten Musikers schlug allerdings schon wenige Jahre später ins Negative um, so dass er im Januar 1809 „wahnsinnig auf die Leuchtenburg“ geschickt werden musste.217 Für die Darmstädter Landgräfin waren sogar zwei Kammermusiker engagiert, Ernst Brötler und Georg Wilhelm Michel, die allerdings beide nicht zu 212 213

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Vgl. z. B. ThHStAW HMA 436, Bl. 3. Da diese Edelknaben, wie ihre Pagen im Kasseler Kernhof, nicht langfristig tätig blieben, sondern nach wenigen Jahren den Hof verließen oder zu Junkern aufstiegen, unterlagen diese Stellen häufigen Wechseln. Für die Gothaer Herzogin Charlotte (1751–1827) wurden zum Beispiel ein bis zwei Pagen namentlich im Staatskalender ausgewiesen. Allerdings waren sie auf den Gothaer Herzog verpflichtet und dienten auch ihm. Vgl. z. B. den Gothaer Staatskalender von 1793, S. 53, 63. Im Dezember 1803 erließ Carl August sogar den Befehl, dass seine Gattin häufiger ausschließlich von Pagen ohne zusätzlich niedere Bedienstete serviert bekommen solle. Vgl. ThHStAW HMA 4552, S. 216. Vgl. N. N.: Art. Kirmair, in: Ernst Ludwig Gerber (Hrsg.): Neues historisch-biographisches Lexikon der Tonkünstler. Teil 3: K–R. Leipzig 1813, Sp. 52–53. Das Zitat entstammt der Feder eines Herrn Waitz, dessen Staatskalender mit etlichen handschriftlichen – nachweislich korrekten – Anmerkungen über Tod oder Abgang des Hofpersonals überliefert worden ist. Vgl. den Gothaer Staatskalender von 1806 im Bestand der ThULB Jena, MAG 8Z7527, unpag. Blankoseite nach S. 70.

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4. Der Weimarer Hof als vielfältige Einheit mit individuellen Hofprofilen

sonderlichem Ruhm gelangten. Ob und wie diese Musiker in die jeweiligen Kapellen des Hofes integriert waren, bleibt zu untersuchen.218 In jedem Fall stellte deren spezielle Verpflichtung eine Eigenheit dar, da keine der anderen Regentengattinnen persönliche Musiker unterhielten. Dazu gehörte auch Louise, die sich offenbar mit den Musikern des Kernhofes begnügte. Allerdings leistete sich auch die Weimarer Herzogin eine Besonderheit, indem sie sich etliche Jahre lang von den beiden „Hofmohren“ ihres Gatten, Domain la Fortune und Francois Leveillé (1769−1811),219 bedienen ließ. Dunkelhäutige Angestellte waren im 18. Jahrhundert unter den Fürsten des Alten Reiches ein beliebtes repräsentatives Prestigesymbol, weil sich mit diesen auffälligen Hofdienern die „fürstlich-dynastische Herrschaft [in] idealer Weise sinnlich erfahrbar“ darstellen ließ. Die äußerlich unübersehbare Andersartigkeit verkörperte „in Kombination mit [der dazu] imaginierten oder tatsächlichen Herkunft aus Afrika“ augenscheinlich mächtige Beziehungen zur außereuropäischen Welt.220 Ein „Hofmohr“ war also eine Art prestigebringendes Zeichen für Weltläufigkeit und unterstrich den außergewöhnlichen Status der Herrschenden. Zusätzlich begründete sich die große „Wertschätzung von schwarzen Dienern“ auf dem „Element des Staunens und Curiositas“, das in besonderem Maße aus der Andersartigkeit resultierte.221 Eine Beschwerde der Weimarer Hoflivreedienerschaft zeigt, dass auch Carl August und Louise zu Recht auf die Wirkung des Fremden setzen konnten: Kurz nachdem der aus „Mozambique“ stammende Francois Leveillé im Januar 1794 seinen Dienst als Hoflakai angetreten hatte,222 nutzten seine Hofkollegen Rudloff und Metzler sowie der Laufer Götze bei der anstehenden Neuordnung des Dienstplanes die Gelegenheit, vor dem Hofmarschallamt gegen die Einteilung Leveillés für den Nachtdienst zu votieren. Sie wollten nicht, „daß der Mohr, wenn ihn der Dienst treffe, mit in dem Garderoben Bett schlafe, 218

219

220

221 222

Am Gothaer Hof blieb zum Beispiel die Stelle des Kapellmeisters jahrelang unbesetzt, erst ab 1806 findet sich im Staatskalender der Hinweis, dass die Intendanz der Hofkapelle der Kammerjunker und Reisemarschall Ludwig von Reibnitz übernommen hätte. Währenddessen war jedoch jederzeit mindestens ein Konzertmeister verpflichtet. Friedrich Joseph Kirmair stand also stets ein – möglicherweise konkurrierendes – Pendant im herzoglichen Hofstaat gegenüber. Vgl. z. B. den Gothaer Staatskalender von 1806, S. 63. Domain la Fortune wurde im Weimarer Staatskalender als „Hofmohr“ von 1804 bis 1806 verzeichnet. Francois Leveillé diente wesentlich länger. Er blieb insgesamt knapp 16 Jahre bis 1810 am Weimarer Hof. Die Schreibweise seines Namens variiert in den Quellen stetig zwischen l’Eveillé, L’eveillé, L’villé und Leveillé. Vgl. die Weimarer Staatskalender von 1795 bis 1810; sowie ThHStAW B 26065, Bl. 1–2. Anne Kuhlmann-Smirnov: Globalität als Prestigemerkmal? Die Hofmohren der Cirksena und ihr soziales Umfeld, in: Heike Düselder/Olga Weckenbrock/Siegrid Westphal (Hrsg.): Adel und Umwelt. Horizonte adeliger Existenz in der Frühen Neuzeit. Köln/ Weimar/Wien 2008, S. 287–309, beide Zitate S. 299. In diesem Aufsatz findet sich auch ein Überblick über den entsprechenden, aktuellen Forschungsstand. Ebd., S. 309. Vgl. ThHStAW B 26065, Bl. 1–2.

4.2 Der Durchschnittshof der Herzogin Louise

203

da man nicht an ihm sehen könne, ob er reinlich sey“.223 Die Bedenken der Hoflakaien basierten also auf der ihnen unbekannten dunklen Hautfarbe und spiegeln deutlich wider, dass und wie der 25-jährige Leveillé in Weimar als andersartig wahrgenommen wurde. Carl August wollte diesen Effekt noch unterstrichen wissen und erließ deshalb den Befehl, Leveillé nicht in der üblichen Hofuniform, sondern „in Mohrischer Tracht“ anzustellen.224 Das Hofmarschallamt unterstützte diese Abgrenzung ebenfalls auf seine Art, indem es auf die naiven Sorgen der anderen, einheimischen Hoflakaien einging und Leveillé vom Spät- bzw. Nachtdienst in der Garderobe befreite.225 Der dunkelhäutige Hoflakai war am Weimarer Hof also zweifellos eine Besonderheit. Dementsprechend bemerkenswert ist es, dass Carl August seiner Gattin nicht irgendeinen seiner zahlreichen Lakaien zum regulären Dienst zur Verfügung stellte, sondern eben diesen auffallenden Diener. Dergleichen wurde später auch der zweite dunkelhäutige Hofdiener, Domain la Fortune, von Anfang an sowohl bei dem Herzog als auch bei der Herzogin zum Dienst verpflichtet. Der Herzog achtete darauf, dass seine Gattin von seinem prestigeträchtigen niederen Personal gleichermaßen profitierte. Den anderen Mitgliedern der Fürstenfamilie blieb dies bezeichnenderweise versagt, womit der zeremonielle Status der Herzogin als erste Frau des Hofes deutlich herausgestellt wurde. Indes übertrumpfte die Schweriner Herzogin auch in dieser Hinsicht die Weimarer Herzogin. Sie hatte nicht nur einen „Hofmohr“ namens Ludwig Franz Ulrich Georg, über den sie allein verfügen konnte, sondern schmückte sich darüber hinaus auch noch mit mehreren Kleinwüchsigen.226 Auch ihr Gatte Friedrich Franz I. besaß einen eigenen „Mohr“, eine „Mohrin“ und Kleinwüchsige in seiner Dienerschaft.227 Menschliche Kuriosa und Exoten waren an diesem Hof offensichtlich sehr beliebt, was umso mehr die These bestärkt, dass die Mecklenburger Hofkonzeption stark auf Außenwirkung abzielte. Dementsprechend verwundert es nicht, dass sich der prestigebedachte Württemberger Herzog ebenfalls von mehreren „Hofmohren“ bedienen ließ.228 In der näheren Nachbarschaft des Weimarer Hofes befanden sich ansonsten keine Prestigebedienstete dieser Art. Weder für den Darmstädter noch für den Kasseler Hof verzeichneten die Staatskalender um 1800 einen „Hofmohren“. Auch die Höfe in Würzburg, Gotha, Rudolstadt und Meiningen verzichteten offenbar auf dunkelhäutige Lakaien, obwohl sie dort durchaus bekannt 223 224 225 226

227 228

ThHStAW HMA 635, Bl. 37. ThHStAW B 26065, Bl. 1. Vgl. ebd. Der Herzogin dienten der „Mohr“ Ludwig Franz Ulrich Georg, der „Zwerg“ Hartwig Kremer und die „Zwergin“ Ilse Catharine Schacht. Vgl. z. B. den Schweriner Staatskalender von 1797, S. 17. Vgl. z. B. den Schweriner Staatskalender von 1797, S. 12, 13. Vgl. z. B. den Württemberger Staatskalender von 1799, S. 16; oder den Württemberger Staatskalender von 1807, S. 47.

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4. Der Weimarer Hof als vielfältige Einheit mit individuellen Hofprofilen

waren.229 Unter der vormundschaftlichen Regierung der Meininger Herzogin Charlotte Amalie war zum Beispiel 20 Jahre zuvor noch der „Hofmohr“ Carl Jahn tätig gewesen.230 Unter Georg I. bzw. seiner später ab 1803 ebenfalls vormundschaftlich regierenden Gattin Eleonore findet sich jedoch kein dunkelhäutiger Lakai mehr verzeichnet. Möglicherweise fehlten diesen Höfen die nötigen Kontakte, um einen dunkelhäutigen Diener anstellen zu können. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts wurde ein „Hofmohr“ in der Regel gekauft oder verschenkt.231 Ein Fürst musste folglich über entsprechende Handelsbeziehungen oder einen Vermittler verfügen. Gegen Ende des Jahrhunderts hatte sich diese Praxis offenbar dahingehend verändert, dass „Mohren“ ihren Lebens- und Arbeitsweg nun selbst bestimmen konnten. Welchen rechtlichen Status ein „Mohr“ an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert im Alten Reich besaß, ist in der Forschung umstritten. Peter Martin zeigt sich überzeugt, dass sie sich „im Niemandsland zwischen Freien und Unfreien“232 bewegten, während Uta Sadji „Mohren“ de jure als frei einstuft, sie aber in ihrer Lebensführung de facto als unfrei kategorisiert.233 Mark Häberlein hält dagegen, dass Dunkelhäutige als Erwachsene durchaus persönliche Freiheit, Vermögen und Vertrauensstellungen erwarben und Familien gründen konnten. Sklavenhandel und Leibeigenschaft waren zwar die Voraussetzung, dass „Mohren“ überhaupt ins Alte Reich kamen, allerdings bedeutete dies nicht, dass sie dort ihr Leben lang als Sklaven bzw. Unfreie behandelt wurden.234 Dunkelhäutige konnten demnach freiwillig in den Dienst eines Regenten treten. Dazu mussten jedoch sowohl der „Mohr“ als auch der Regent über entsprechende Kontakte verfügen. Francois Leveillé war am Hof Carl Augusts der erste farbige Diener. Zwar hatten schon sein Großvater Ernst August235 und auch sein Vater Ernst Au229

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Zur Verbreitung der „Hofmohren“ im Alten Reich vgl. Weygo Comte Rudt de Collenberg: Haus- und Hofmohren des 18. Jahrhunderts in Europa, in: Gotthardt Frühsorge/ Rainer Günther/Beatrix Freifrau Wolff Metternich (Hrsg.): Gesinde im 18. Jahrhundert. Hamburg 1995, S. 265–280. Vgl. das „Personenregulativ“ zur Speisung des Hofpersonals aus dem Jahr 1771, in: ThStA Meiningen, HMA Meiningen Nr. 8, 37v. Carl Jan verstarb aber schon 1773. Vgl. ThStA Meiningen, HMA Meiningen Nr. 2152. Vgl. Ingeborg Kittel: Mohren als Hofbediente und Soldaten im Herzogtum Braunschweig-Wolfenbüttel, in: Braunschweiger Jahrbuch, Bd. 46 (1965), S. 78–103, bes. 102. Vgl. Peter Martin: Schwarze Teufel, edle Mohren. Afrikaner im Bewußtsein und Geschichte der Deutschen. Mit einem Nachwort von Hans Werner Debrunner. Hamburg 1993, S. 129. Vgl. Uta Sadji: Der Negermythos am Ende des 18. Jahrhunderts in Deutschland. Eine Analyse der Rezeption von Reiseliteratur über Schwarzafrika. Frankfurt am Main 1979. Vgl. Mark Häberlein: „Mohren“, ständische Gesellschaft und atlantische Welt. Minderheiten und Kulturkontakte in der Frühen Neuzeit, in: Claudia Schnurmann/Hartmut Lehmann (Hrsg.): Atlantic understandings. Essays on European an America history in honor of Hermann Wellreuther. Hamburg 2006, S. 77–102, bes. S. 89. Herzog Ernst August erhielt seinen „Hofmohren“ Ernst Albrecht Carl Christiani als

4.2 Der Durchschnittshof der Herzogin Louise

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gust II. Constantin236 einen solchen Prestigebediensteten besessen. Danach hatte sich aber offenbar keine entsprechende Gelegenheit mehr geboten. Erst mit dem Feldzug gegen Frankreich änderte sich dies.237 Als Carl August mit seinem preußischen Kürassier-Regiment nach Koblenz marschierte, trat unterwegs Francois Leveillé − wahrscheinlich im Juni 1792 − als Reitknecht in das Gefolge des Herzogs ein und begleitete ihn während des gesamten Feldzuges.238 Nach dem Ende der Gefechte bot Carl August Leveillé eine Stelle als Lakai am Weimarer Hof an. Da der Herzog dem einstigen Reitknecht sogar die Übersiedlung von Frankfurt am Main, wo die Truppe ihr Winterquartier aufgeschlagen hatte, nach Weimar finanzierte,239 scheint ihm viel an der Anstellung des „Mohren“ gelegen zu haben. Weitere Bevorzugungen erhielt Leveillé jedoch nicht. Er bekam das übliche Lakaiengehalt,240 musste regelmäßig den Dienst beim Fürstenpaar versehen und durfte − wie alle männlichen Hofbediensteten − eine Familie gründen.241 Lediglich die eigenwillige Dienstkleidung und die Befreiung vom Nachtdienst unterschieden ihn von anderen Lakaien. Unter den auf Sittlichkeit und Menschlichkeit bedachten Dichtern und Denkern Weimars löste diese Verpflichtung keine Empörung aus. Obwohl auch Goethe und Schiller den Sklavenhandel in ihren Schriften und auf der Bühne thematisierten,242 wurde dies nicht zum „Hofmohren“ des Herzogs in Verbindung gesetzt. Schillers Gattin erfreute sich vielmehr 1803 in einem Brief an ihren Schwager Wilhelm von Wolzogen ganz ungeniert an Leveillés

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Geschenk von dem sächsischen Kurfürsten während des Zeithainer Lagers. In der Hofdienerliste von 1739/1740 wird er allerdings lediglich als „Coffetier“ geführt. Vgl. ThHStAW B 24623, Bl. 21r. Ich danke Peter Langen für diesen Hinweis. Vgl. Alexander Niemann: Ein Mohr am Weimarer Hof zur Goethezeit. Nachkommen, Herkunft der Ehefrauen und soziales Umfeld, in: Genealogisches Jahrbuch 33/34 (1993/94), S. 57–90, hier S. 58f. Carl August verabschiedete sich im Sommer 1792 in den ersten Koalitionskrieg und kam erst Mitte Dezember 1793 in seine Residenz zurück. Vgl. ThHStAW HMA 4542, S. 253. Vgl. ThHStAW B 26065, Bl. 1; Niemann: Mohr, S. 60. Vgl. ebd. Vgl. ThHStAW B 26065, Bl. 1–2. Der katholisch getaufte Francois Leveillé heiratete am 7. Juli 1795 in Denstedt die ledige Schneidermeistertochter Johanna Sophia Magdalena Schmidt. Das Paar bekam einen Sohn, der jedoch im Alter von zwei Jahren bereits wieder verstarb. Etliche Jahre später ging Leveillé eine zweite Ehe mit der „Mulattin“ Marie Göckel ein, mit der er eine Tochter namens Wilhelmina Eleonora Friederika (geb. 1806), und einen Sohn namens Ludwig Carl August (geb. 1809), bekam. Leveillé selbst starb am 20. Mai 1811 im Alter von 42 Jahren. Vgl. KA WE HR HK 1795, f. 507; KA WE TR HK 1796, f. 483; KA WE TR HK 1806, f. 436; KA WE TR HK 1809, f. 43; KA WE SR SK 1798, f. 112v; KA WE SR SK 1811, f. 184r; ThHStAW HMA 346, Bl. 22r; Niemann: Mohr, S. 69. Vgl. dazu Barbara Riesche: Schöne Mohrinnen, edle Sklaven, schwarze Rächer. Schwarzendarstellung und Sklavereithematik im deutschen Unterhaltungstheater (1770–1814). Hannover 2010.

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4. Der Weimarer Hof als vielfältige Einheit mit individuellen Hofprofilen

Hautfarbe: „Im Orange-Zimmer [im neuerbauten Schloss, S. F.] stellen wir uns gar nicht geputzt vor, weil die Farben zu schön sind. Da ist Niemand schön, als der Mohr, der sieht wirklich superb aus und sticht so schön ab.“243 Die dunkle Hautfarbe Leveillés wurde demnach nicht nur als befremdlich, sondern auch ganz naiv als kontrastierend schön empfunden.

4.3 Anna Amalias eigenständiger Witwenhof mit musischem Profil Mit der Übergabe der Regierungsgeschäfte an Carl August musste Anna Amalia ihrem für mündig erklärten Sohn 1775 auch den Großteil ihres einstigen Hofpersonals anvertrauen, um als nunmehrige Herzogsmutter ihren eigenen, wesentlich kleineren Witwenhof zu bilden, mit dem sie in dem ursprünglich für Jakob Friedrich von Fritsch (1731–1814) errichteten Palais am Rande der Stadt zu residieren gedachte. In ihrem Ehevertrag war Anna Amalia eigentlich ,Schloss, Stadt und Amt Allstedt‘ als Wittum zugesprochen worden,244 allerdings fürchtete sie um ihren Einfluss ebenso wie um ihre Unterhaltung und Geselligkeit, wenn sie in das abgelegene Schloss umgezogen wäre.245 Da Carl August seine Mutter bereits ein halbes Jahr vor seiner Regierungsübernahme gebeten hatte, in Weimar zu bleiben, entschied sie sich letztlich für die Residenzstadt. In den folgenden drei Jahrzehnten sollte sich daran nichts ändern. Allstedt war und blieb eine ferne Option. 4.3.1 Die ,eigene‘ Personalpolitik der Weimarer Fürstenwitwe Als fürstlicher Witwe stand es Anna Amalia dem Zeremoniell gemäß zu, allein über ihr Personal – ohne Eingriffe ihres regierenden Sohnes – zu entscheiden.246 Carl August respektierte dieses zeremonielle Prinzip und 243

244 245

246

C. v. Schiller an W. v. Wolzogen, Weimar, 4. September 1803, in: Literarischer Nachlaß der Frau Caroline von Wolzogen. Hrsg. von Karl August Hase. Bd. 2. Leipzig 1849, S. 198–202, Zitat S. 198. Vgl. ThHStAW Urkunden, 1756 März 16; ThHStAW A 157, Bl. 179–189. Zur Entscheidungsfindung vgl. Berger: Anna Amalia, S. 107f. Zur Abschiebung von hochadeligen Witwen auf Landgüter als Strategie, um z. B. eine Einmischung in die Regierungsgeschäfte zu verhindern oder aber um die Versorgung ohne größere Beeinträchtigung des Haupthofes leisten zu können vgl. Uta Löwenstein: „Daß uf iren Withumbssitz begeben und sich sonsten anderer der Herrschafft Sachen und Handlungen nicht undernemen. . . “. Hofhaltungen fürstlicher Frauen und Witwen in der frühen Neuzeit, in: Jörg Jochen Berns/Detlef Ignasiak (Hrsg.): Frühneuzeitliche Hofkultur in Hessen und Thüringen. Erlangen/Jena 1993, S. 115–141. Vgl. Moser: Teutsches Hofrecht, Bd. 2, S. 615, 626. Siehe auch erstes Kapitel I.

4.3 Anna Amalias Witwenhof mit musischem Profil

207

beanspruchte für den Witwenhof nicht jene umfassende Bestimmungsgewalt, die ihm als regierendem Fürsten und Hausherr über alle Bediensteten seines Hofes generell zustand. Im Gegenzug erwartete er allerdings von seiner Mutter, dass sie ihren kompletten Hofhaushalt selbst finanzierte und mit den 18 136 Reichstalern auskam, die jährlich von der Kammer in ihre Schatulle eingezahlt wurden.247 Zwar war es laut Ehevertrag die Aufgabe des regierenden Herzogs, den Witumsitz zu möblieren und das Gebäude während der Witwenzeit instand zu halten, doch war dies der geringste Teil des Aufwandes.248 Die Unterhaltung des Hofstaates inklusive materieller und leiblicher Versorgung, Besoldungen und Garderobe musste Anna Amalia selbst tragen. Mit dieser Regelung verband sich Freiheit und Last gleichermaßen. Die einzige Begrenzung, die Anna Amalia nach der Regierungsübernahme noch in die Schranken wies, waren neben den standesgemäßen Anforderungen des Zeremoniells ihre eigenen, unabhängigen Finanzen. Im Gegensatz zu manch anderer Fürstin, die sich nach jahrelanger Abhängigkeit von dem regierenden Gatten dadurch nun in einer grundlegend neuen Situation befand, dürfte dieser Wechsel für Anna Amalia weniger eine Errungenschaft oder gar neu gewonnene Freiheit als vielmehr ein deutlicher Machtverlust bedeutet haben. Anna Amalia lebte nur zwei Jahre unter der Herrschaft ihres Mannes. Danach hatte sie als vormundschaftlich regierende Herzogin für fast zwei Jahrzehnte lang selbst die umfassende Bestimmungsgewalt inne gehabt und nicht nur alle personalpolitischen Fragen entschieden, sondern auch über den gesamten Kammeretat des Herzogtums bestimmt. Während sich für andere Fürstinnen mit dem Rückzug auf ihr Witwenteil neue Handlungsspielräume eröffneten, schränkten sich diejenigen von Anna Amalia personalpolitisch und finanziell deutlich ein. Carl August kam seiner Mutter in finanzieller Hinsicht bei der elementaren Versorgung jedoch entgegen und stellte ihr die Einrichtungen seines Kernhofes zur Verfügung. Die räumliche Nähe zum regierenden Hof machte es möglich, dass Anna Amalia zu keinem Zeitpunkt Stallbedienstete, Kellereiverwalter, Waschfrauen oder Handwerker fest zu verpflichten brauchte.249 Für diese Art der Grundversorgung durfte sie stets auf Carl Augusts Personal zurückgreifen, wenn auch nicht unentgeltlich: Regelmäßig beanspruchte Dienste von Einrichtungen wie zum Beispiel der Bettmeisterei und des 247

248 249

Zwischen 1790 und 1807 änderte sich nichts an dieser Summe, die sich aus dem jährlichen Wittumsgeld in Höhe von 12 000 Reichstalern, einem außerordentlichen Gehalt aus der Kammer von jährlich 5000 Reichstalern, das Anna Amalia als Dank für die vormundschaftliche Regentschaft von Carl August gewährt bekam, sowie aus der Vergütung jener Naturalien bestand, die der Witwe aus dem Amt Allstedt um Umfang von 1136 Reichstalern jährlich gebührten. Vgl. ThHStAW A 978–1040; ThHStAW Rechnungen 287–310; Berger: Anna Amalia, S. 394. Vgl. ThHStAW Urkunden, 1756 März 16. Davon ausgenommen sei hier der Leibschneider und Kammerdiener Christian (Nicolaus) Börner, der Anna Amalia seit 1775 bis zu seinem Tode Ende Januar 1790 diente.

208

4. Der Weimarer Hof als vielfältige Einheit mit individuellen Hofprofilen

Marstalls beglich Anna Amalia mit einem fixen, jährlichen Quantum; den Rückgriff auf ganz bestimmte, einzelne Hofbedienstete entlohnte sie dagegen gewöhnlicher Weise mit einem Besoldungszuschuss. So erhielt zum Beispiel der Hofkaminfeger Immanuel Gottfried Hauff jedes Jahr 24 Taler für seine eher seltene, aber dennoch unerlässliche Reinigung und Reparatur der Öfen im Witwenhof.250 Ähnlich wurden gelegentliche Großanschaffungen gehandhabt. Als Anna Amalia 1797 zum Beispiel einen neuen viersitzigen Stadtwagen benötigte, konnte sie dafür problemlos das Personal der fürstlichen Sattlerei und Wagenerei ihres Sohnes engagieren.251 Carl August ersparte seiner Mutter auf diese Weise dauerhaft zehrende Fixkosten. Selbst bei der Leitung des Witwenhofs unterstützte der regierende Herzog seine Mutter, allerdings nicht in finanzieller Hinsicht. Anna Amalia hatte sich ein Jahr vor der Regentschaftsübergabe entschieden, Moritz Ulrich von Puttbus (1729–1776) als Oberhofmeister nach Weimar zu holen und ihm die Führung ihres Hofes anzuvertrauen.252 Er verstarb jedoch schon im September 1776 nach knapp einem Dienstjahr. Als Nachfolger einigten sich Mutter und Sohn auf die Verpflichtung des Hof- und Regierungsrates Hildebrandt von Einsiedel (1750–1828), der zu dem Zeitpunkt allerdings nicht am Hof, sondern in der Weimarer Regierung und am Jenaer Hofgericht tätig war.253 Der Herzog genehmigte den Abschied aus den Zivilbehörden, ernannte ihn zu seinem Kammerherrn und übertrug ihm kommissarisch die Leitung des Witwenhofes.254 Diese Zwischenlösung war notwendig, da der knapp 26-jährige von Einsiedel (noch) nicht die Anforderungen erfüllte, die das Zeremoniell 250 251 252

253

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Vgl. ThHStAW A 978–1025 (Schatullrechnungen 1790 bis 1802). Vgl. ThHStAW Hofstallamt 52, Bl. 17–18. Joachim Berger geht davon aus, dass von Puttbus Anna Amalia dazu drängte, ihm ein Dekret als Geheimrat und Exzellenz von ihrem regierenden Sohn ausstellen zu lassen. Er habe damit „den ersten Rang am künftigen Gesamt-Hof “ beansprucht und klar gestellt, dass Anna Amalia im Zentrum der Hofgesellschaft bleiben sollte. Die Argumentation ist schief, da von Puttbus selbst mit dem Exzellenztitel nicht den ersten Rang innehatte, sondern dieses Privileg zweifellos dem höfischen Vertreter Carl Augusts, namentlich dem Obermarschall von Witzleben zukam, da dieser bereits seit 1759 Geheimrat und Exzellenz war. Vgl. den Weimarer Staatskalender von 1760, S. 74; Berger: Anna Amalia, S. 404. Vgl. den Weimarer Staatskalender von 1776, S. 21, 46; sowie Huschke: Gesellschaftsschicht, S. 68f. Es bleibt zu untersuchen, warum die Wahl gerade auf Einsiedel fiel. Da er als Dienstjüngster neu in die Ranghierarchie der Kammerherren einrückte, war seine ,externe Ernennung‘ unter Umständen die einzige Möglichkeit, keinen anderen Hofadeligen in seinen Ansprüchen zu übergehen. Das wäre zum Beispiel der Fall gewesen, wenn Siegmund von Seckendorff – der sich entsprechende Hoffnungen machte – vor allen anderen lang gedienten Hofadeligen befördert worden wäre. Die Forschung benennt bisher nur die Ernennung von Einsiedels, aber nicht die Gründe, so z. B. Berger: Anna Amalia, S. 404. Vgl. den Weimarer Staatskalender von 1777, S. 85. Die Oberhofmeisterstelle wird darin als unbesetzt verzeichnet mit dem Hinweis, dass „diese Stelle vermahlen von dem Herrn Cammerherrn von Einsiedel versehen wird.“

4.3 Anna Amalias Witwenhof mit musischem Profil

209

an einen Oberhofmeister stellte.255 Als nicht regierende Fürstin konnte Anna Amalia zudem selbst keine Kammerherren auf sich verpflichten. Sie ließ sich deshalb auf die ungewöhnliche Regelung ein, dass Hildebrandt von Einsiedel offiziell weiterhin dem Herzog als Kammerherr unterstand,256 sie aber reell die alleinige Verfügungsgewalt über ihn besaß. Im Ausgleich dazu zahlte sie dessen Gehalt aus ihrer Schatulle.257 Anna Amalia begab sich mit dieser Zwischenlösung in die Abhängigkeit ihres Sohnes, der seinen Kammerherrn jederzeit aus dem Witwenhof hätte abziehen können. Dies sollte jedoch nie zum Problem werden. 1802 verabschiedete Carl August den Kammerherrn komplett aus seinem Kernhof, indem er ihn zum regulären Oberhofmeister Anna Amalias beförderte. Anna Amalia wollte jedoch nicht in jedem Bereich auf das Personal des regierenden Hofes ihres Sohnes zurückgreifen, sondern nahm enorme Kosten – d. h. in der Regel mindestens ein Drittel ihrer jährlichen Wittumseinkünfte – auf sich,258 um ihre alltägliche Eigenständigkeit zu bewahren: Ausgestattet mit einem Mundkoch, Konditor, Tafeldecker, Küchengehilfen und später sogar mit Küchenlehrburschen konnte die Herzogsmutter sich und ihre Hofbediensteten nicht nur angemessen selbst versorgen, sondern auch unabhängig von Carl August eine eigene höfische Tafel und damit einen eigenen Besucherkreis unterhalten. Ihrem regierenden Sohn blieb infolgedessen hier die Einmischung in personelle Dinge versagt. In Weimar war Anna Amalia um 1800 die Einzige in der fürstlichen Familie, die eine höfische Tafelrunde alternativ zum regierenden Hof anbieten konnte und durfte. Carl August gestand weder seiner Gattin, noch seinen Kindern eine eigene Küche zu. Allein sein Bruder, Prinz Constantin, genoss ebenfalls das Privileg einer individuellen Leibesversorgung, weil er räumlich getrennt vom Kernhof beim Regiment in Querfurt stationiert war.259 Dagegen bekam der erbprinzliche Hof nach seiner Vermählung zunächst keine separierte Küche, obwohl dies eigentlich von Seiten des Zarenhauses vor der Eheschließung eingefordert worden war.260 Maria Pawlowna engagierte nur für kurze Zeit den Mundkoch Nikifor Alexejew, trennte sich von ihm aber bereits wieder 1806. Aufgrund der räumlichen

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Vgl. dazu den Abschnitt zu den Weimarer Führungspersönlichkeiten. Aus diesem Grund ist Hildebrandt von Einsiedel in den Staatskalendern bis 1802 stets doppelt – zum einen bei Carl August und zum anderen bei Anna Amalia – verzeichnet. Vgl. die Weimarer Staatskalender 1777 bis 1802. Vgl. ThHStAW A 928–1040 (Schatullrechungen 1777–1807). Gemäß der Schatullrechnungen von 1791 bis 1806 beliefen sich die Kosten für Küche, Konditorei und Kellerei zwischen 6000 und 8500 Taler jährlich, im Kriegsjahr 1806 gab Anna Amalia sogar 9498 Taler dafür aus. Die Witwe war also bereit, bis zur Hälfte ihrer Wittumseinkünfte für ihre unabhängige Tafel auszugeben. Die Kosten verminderten sich anteilig je nachdem, wie oft Anna Amalia verreiste. Vgl. ThHStAW A 978–1037. Vgl. den Abschnitt über den Hof des fürstlichen Bruders Constantin. Vgl. ThHStAW A 179, Bl. 28v, 64r.

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4. Der Weimarer Hof als vielfältige Einheit mit individuellen Hofprofilen

und politischen Umstände durfte und konnte das Erbprinzenpaar erst ab 1813 eine eigene höfische Tafel führen. Die eigenständige Personalpolitik Anna Amalias stellt die Forschung vor ein grundlegendes Quellenproblem: Mit der Formierung des Witwenhofes erlosch die Zuständigkeit des Weimarer Hofmarschallamtes. In den entsprechenden Aktenbeständen sind folglich weder Verpflichtungs- oder Entlassungsdekrete für die Hofbediensteten der Herzogsmutter, noch sonstige Personalsachen, wie zum Beispiel ein Fourierbuch für die Witwenhoftafel, zu finden. Ein gesonderter, mit dem Hofmarschallamt vergleichbarer Bestand ist für den Witwenhof nicht erhalten geblieben.261 Nur vereinzelte Kriminal- und Konsistorial-Fälle, die über die Regelungskompetenz der Witwe hinausgingen und ein Einschreiten der Regierung oder des Oberkonsistoriums nötig machten,262 wurden – zumeist als Abschrift – archiviert. Erst nach dem Tod Anna Amalias setzt die Überlieferung wieder umfassend ein, da das Witwenpersonal im Zuge des Erbprozesses komplett dem Hofmarschallamt von Carl August unterstellt wurde. Für die vorherigen Jahre zwischen 1775 und 1807 lassen sich Anna Amalias personelle Entscheidungsprozesse ebenso wie ihr gesellschaftlicher Umgang bzw. ihre Tafelgäste also nur begrenzt (institutionell) nachvollziehen. Gleichwohl stehen mit den jährlichen Schatullrechnungen und Staatskalendern zwei serielle Quellenkonvolute zur Verfügung, die zumindest die Grundzüge der Personalstruktur offen legen. Anhand der Staatskalender wird zum Beispiel deutlich, dass Anna Amalia in den Jahren um 1800 zwischen 25 und 32 Personen beschäftigte (vgl. Abb. 4). Da die Gesamtzahl des Witwenhofes im Vergleich zu Louises Hofstaat stets schwankte, entsteht auf den ersten Blick der Eindruck, als ob die Hofbediensteten immerfort wechselten. Bei genauerer Untersuchung erweist sich Anna Amalias Personalbestand jedoch als wesentlich beständiger als derjenige ihrer Schwiegertochter. Obwohl sie insgesamt in etwa zehn Stellen mehr zu besetzen hatte als Louise, stellte sie zwischen 1790 und 1807 insgesamt nur 53 Personen ein, während ihre Schwiegertochter im gleichen Zeitraum 69 Angestellte in ihre Dienste nahm. Die Herzogsmutter benötigte also trotz höherem Bedarf ein Viertel weniger an Einstellungen. Den Grundstein dafür legte Anna Amalia schon 1775/76 mit Bedacht, als sie zur Formierung ihres Witwenhofes zu zwei Dritteln auf bereits bekannte Hofbedienstete zurückgriff und nur ein Drittel neu verpflichtete. Diese neun 261 262

Ich danke der Oberarchivrätin des Thüringer Hauptsstaatsarchiv Weimar Dr. Katja Deinhardt für eine entsprechende Bestätigung. Während sich der Kompetenzbereich im Ehevertrag von Anna Amalia nur verklausuliert findet, wurde im Ehevertrag von Louise klar und deutlich bekannt, dass „der fürstlichen Frau Wittib (. . . ) die Gerichtsbarkeit über Ihre Bediente beyderley Geschlechts, nur allein Criminal- und Consistorial-Fällen ausgenommen, vollkommen vorbehalten“ bleibt. Vgl. ThHStAW Urkunden, 1775 Sept. 30, Bl. 6r; ThHStAW A 157, Bl. 184.

4.3 Anna Amalias Witwenhof mit musischem Profil

211

neuen Personen wurden zum festen Grundstock ihres Hofpersonals. Acht von ihnen blieben die folgenden Jahrzehnte bis zu ihrem eigenen bzw. bis zu Anna Amalias Tod.263 Im Durchschnitt waren die nichtadeligen 49 Personen, die Anna Amalia zwischen 1790 und 1807 bedienten, etwa 17 Jahre angestellt. Diese durchschnittliche Anstellungsdauer erhöht sich sogar auf etwa 20 Jahre, sobald jene Personen vernachlässigt werden, die erst nach 1801 verpflichtet wurden und durch das baldige Ableben der Herzogsmutter keine Möglichkeit hatten, ihr länger zu dienen. In Anbetracht der Erkenntnis, dass sich mit der weiblichen Dienerschaft ein hohes Fluktuationsrisiko verband, wäre es nun naheliegend, diese auffallende Beständigkeit des Personals mit der geschlechterspezifischen Zusammensetzung des Witwenhofes zu erklären. Immerhin versammelte Anna Amalia wesentlich mehr männliche Hofbedienstete um sich als die regierende Herzogin Louise. Der konkrete Stellenvergleich nimmt diesem Ansatz jedoch sofort jede Grundlage: Zwar gab es tatsächlich ein leichtes Ungleichgewicht zugunsten der männlichen Angestellten innerhalb der niederen Dienerschaft,264 allerdings bescherte dies der Witwe im direkten Vergleich zu ihrer Schwiegertochter kein geringeres Heirats-Risiko, da letztlich beide Fürstinnen zwischen 10 und 13 weibliche Hofstellen zu besetzen hatten. Die Ausgangslage für die Frauen war im Grunde ähnlich, womit der entscheidende Unterschied offenbar nicht in dem Risiko selbst, sondern in der Art und Weise lag, wie damit umgegangen wurde. Beide Fürstinnen hatten das Recht und die Pflicht über Heiraten ihrer Hofbediensteten zu entscheiden.265 Während Louise ihren Dienerinnen diese Erlaubnis im Einvernehmen mit ihrem Gatten in der Regel erteilte, scheint Anna Amalia dies nur äußerst ungern gestattet zu haben. Von den insgesamt 22 Frauen, die ihr zwischen 1790 und 1807 dienten, erhielten nur fünf Dienerinnen eine Heiratsgenehmigung und durften sich vom Witwenhof verabschieden.266 Drei von ihnen hatten der fürstlichen Witwe zu diesem 263

264

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Zu diesen neun neuen Angestellten gehörten der Kammerdiener und Leibschneider Christian (Nicolaus) Börner, die Küchenmagd Maria Eleonora Hecker, der Bibliothekar Christian Joseph Jagemann, der Geheimsekretär und Schatullier Johann August Ludecus, die Hoflakaien Johann Friedrich Marcus und (Georg) Balthasar Jost, die Fegefrau und spätere Silberscheuerin Johanna Maria Musch sowie der Hausknecht Johann Christian Nitzsche. Die Scheuermagd Johanna Dorothea Höne (Höhn) war die einzige, die sich zugunsten einer Heirat verabschiedete. Vgl. KA WE HR SK 1790, f. 65r; sowie die Weimarer Staatskalender von 1776 bis 1807. Das Verhältnis gestaltete sich in der Regel 17:13, variierte aber mit der Gesamtzahl. Zu den 17 männlichen Posten zählten ein Bibliothekar, Sekretär bzw. Schatullier, Hofgärtner, Konditor, Mundkoch, Silberdiener, Tafeldecker und mehreren Hoflakaien, Hausknechte, Kammerdiener und Kammerlakaien. Zu den 10 bis 13 weiblichen Stellen zählten die Kammerfrauen, Kammerjungfern, Hausmägde, Laufmädchen, Küchenmägde und Fegefrauen. Vgl. ThHStAW HMA 346, Bl. 1f.. Das Laufmädchen Catharina Margarethe Schäler durfte nach 13 Jahren Dienst bei Anna

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4. Der Weimarer Hof als vielfältige Einheit mit individuellen Hofprofilen

Zeitpunkt bereits zwischen 13 und 20 Jahren gedient. Dagegen blieben alle übrigen 17 Frauen, d. h. die deutliche Mehrheit, nachweislich unverheiratet, stellten ihr Leben komplett in den Dienst der fürstlichen Witwe und verzichteten – in etlichen Fällen bis zum Tod267 – auf eine gesellschaftlich sanktionierte Partnerschaft und legitime Kinder.268 Inwieweit dies den Wünschen der Hofdienerinnen entsprach und von allen dauerhaft akzeptiert werden konnte oder doch in einigen Fällen zu Lebenskonflikten führte, muss an dieser Stelle offen bleiben, weil keine offiziellen Heiratsgesuche wie beim Kernhof überliefert sind. Letztlich scheint es aber unerheblich, ob Anna Amalia durch eine strikte Erwartungshaltung, durch eine besonders überlegte Auswahl ihrer Hofdienerinnen oder durch tatsächliche Heiratsverbote einen unbedingten, lebenslangen Gehorsam von ihren Hofdienerinnen einforderte. Die Herzogsmutter vertrat in jedem Fall eine grundlegend andere Personalstrategie als ihr Sohn und dessen Gattin. Während der regierende Hof eine liberale Heiratspolitik pflegte und seine weiblichen Bediensteten ziehen ließ, sobald sie in den Ehestand treten wollten, legte Anna Amalia erkennbar großen Wert auf einen konstanten Personalstamm, den sie in der Regel erst bei Todesfällen, nicht aber für Heiraten zu modifizieren wünschte. Vor diesem Hintergrund ist das Beispiel der Luise Rudorf (1777–1852) besonders bezeichnend: Kurz nachdem Anna Amalia die Sängerin 1792

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268

Amalia am 23. Februar 1801 den Gärtner des Tiefurter Amthauptmanns, Johann Georg Nicolaus Stumpf, ehelichen, ebenso wie die Scheuermagd Johanna Dorothea Höhne (Hön) (1746–1808) nach 16 Jahren Dienst am 22. April 1790 den zehn Jahre jüngeren Fleischhauer Johann Ferdinand Wilhelm Beinitz (1755–1809) heiraten durfte. Die Kammerfrau Amalie Kotzebue war ebenfalls bereits zwei Jahrzehnte am Witwenhof als Kammerfrau tätig, bevor sie am 29. September 1793 den verwitweten Schatullier Anna Amalias, Johann August Ludecus, ehelichen durfte. Die einzigen beiden Hofbediensteten, die erst relativ kurzfristig unter Anna Amalia dienten, waren die Kammersängerin Luise Rudorf, auf deren speziellen Fall im Folgenden noch näher eingegangen wird, und die Hausmagd Dorothea Maria Hein (Henn), die bereits nach einem Jahr Dienst den ebenfalls im Witwenhof beschäftigten Hausknecht Johann Samuel Schwarz ehelichte, aber wenig später verstarb. Vgl. KA WE HR HK 1801, f. 2; KA WE HR SK 1790, f. 65r; KA WE SR SK 1808, f. 86r; KA WE SR SK 1809, f. 133v; KA WE HR HK 1793, f. 479; KA WE HR HK 1803, f. 13r. Amalie Dorothea Kotzebue diente Anna Amalia seit 1759, durfte 1801 in Pension gehen und verstarb unverheiratet am 2. Februar 1806 an Entkräftung im Alter von 78 Jahren. Maria Christiane Metze (1753–1797) verstarb unverheiratet am 14. August 1797, nachdem sie der fürstlichen Witwe neun Jahre als Silberscheuerin gedient hatte, und auch Maria Eleonora Hecker (1733–1797) starb unvermählt am 29. Oktober 1797 nach fast 20 Jahren Küchendienst bei Anna Amalia. Vgl. KA WE SR SK 1797, f. 96v; KA WE SR SK 1797, f. 104r; KA WE SR SK 1806, f. 29v. Einige nutzten nach dem Tod von Anna Amalia die Gelegenheit, eine Ehe zu schließen. So ehelichte zum Beispiel die Hausmagd Johanna Dorothea Elisabetha Grobe am 27. Oktober 1808 Johann Andreas Lesche und die Kammerfrau Caroline Krackow am 27. Dezember 1823 den geheimen Hofrat Franz Kirms. Vgl. KA WE HR HK 1808, f. 85; KA WE HR HK 1823, f. 69.

4.3 Anna Amalias Witwenhof mit musischem Profil

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unter Vertrag genommen hatte,269 machte Carl August der damals noch nicht 16-jährigen Rudorf beharrlich und schließlich erfolgreich Avancen.270 Anna Amalia tolerierte diese Liaison zunächst – allerdings ohne langfristige Folgen einzukalkulieren.271 Anfang 1795 wandelte sie sogar die vertragliche Anstellung der Rudorf in eine feste Verpflichtung als Kammersängerin um und erhob jene damit zu einer Hofbediensteten mit allen Rechten und Pflichten.272 Doch Luise Rudorf musste schon im Sommer 1795 der Herzogsmutter ihre Schwangerschaft gestehen. Anna Amalia stand damit unter Zugzwang. Wenngleich das uneheliche Kind von keinem geringeren als von ihrem Sohn, dem regierenden Herzog, gezeugt worden war, – und damit auf die eine oder andere Weise versorgt werden musste – konnte Luise Rudorf nicht weiter als Kammersängerin am Witwenhof verbleiben. Unter normalen Umständen hätte eine umgehende Verabschiedung erfolgen müssen. Die Tätigkeit der Rudorf gab der Herzogsmutter jedoch den Spielraum, einen wesentlich unauffälligeren Weg zu wählen, indem sie die Sängerin zwar aus dem Hofdienst entließ, aber auf Vertragsbasis unmittelbar erneut bzw. weiterhin verpflichtete. Im Gegensatz zu einer festen Anstellung am Hof unterlag diese Form der Beschäftigung nicht der erforderlichen Ehe- und Kinderlosigkeit. Das legt zumindest der Status der Sängerin Regina Schlick nahe, die mit dem Gothaer Kapellmeister Konrad Schlick verheiratetet war, aber dennoch von Anna Amalia zwischen 1788 und 1796 als Saisonkraft unter Vertrag genommen worden war.273 In den Schatullrechnungen von 1795 und 1796 stellte der Schatullier Ludecus sodann auch den Wechsel der Rudorf ohne merkliche Unterbrechungen dar. Bis auf die Verschiebung der Sängerin von der Rubrik, in der die regulär besoldeten Hofdiener verzeichnet waren, hinüber in die Rubrik, in der die Ausgaben für Musik bilanziert wurden, deutet nichts daraufhin, dass Luise Rudorf am 18. Januar 1796 einen unehelichen Sohn zur Welt gebracht hat. Auf Wunsch des Herzogs war die Geburt außerhalb des

269 270 271 272

273

Vgl. ThHStAW A 986 (Schatullrechnungen 1792); Berger: Anna Amalia, S. 206, 447 (dort allerdings mit Druckfehler bei der Jahresangabe). Vgl. Hendrikje Carius: Art. Luise Dorothea Ulrike Emilie von Knebel, geb. Rudorf(f) (1777–1852), in: Freyer/Horn/Grochowina: FrauenGestalten, S. 216–218. Zur Sichtweise Anna Amalias auf Carl Augusts Mätressenwirtschaft vgl. Berger: Anna Amalia, S. 205f. Das wird aus den Schatullrechnungen deutlich, in denen Luise Rudorf ab Januar 1795 als Kammersängerin unter der Rubrik Besoldungen verzeichnet wurde. Ein Dienstvertrag ist nicht überliefert. Vgl. ThHStAW A 998, Bl. 33v. Im Staatskalender erschien die Rudorf allerdings erst 1798, d. h. nachdem sie bereits ihren Sohn geboren hatte und nur noch vertraglich engagiert werden konnte. Eine mangelnde Kommunikation der Institutionen scheint hier nicht ausgeschlossen. Vgl. den Weimarer Staatskalender von 1798, S. 98. Vgl. ThHStAW A 970–1003 (Schatullrechnungen von 1788 bis 1796); Berger: Anna Amalia, S. 447.

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4. Der Weimarer Hof als vielfältige Einheit mit individuellen Hofprofilen

Herzogtums erfolgt,274 so dass sie nicht in den Weimarer Kirchenbüchern dokumentiert werden konnte. Da die Sängerin zudem bereit war, ihren Sohn Carl Wilhelm (1796–1861) bei Verwandten in Templin zurückzulassen,275 konnte beinah nahtlos an die vorherige Tätigkeit angeschlossen werden. Anna Amalia tat also in Zusammenarbeit mit ihrem Sohn alles, um sich von ihrer Sängerin nicht trennen zu müssen. Die Hofgesellschaft wusste zwar trotzdem um das uneheliche Kind und missbilligte dies deutlich. Die Herzogsmutter sah darin jedoch keinen Grund, die Rudorf aus ihren Diensten zu verweisen, sondern nahm „den embarras“ während der Konzerte in Kauf.276 Dass Luise Rudorf letztlich dennoch den Witwenhof mit dem Jahreswechsel 1797/98 verließ, resultierte aus dem Heiratsantrag, den der einstige Prinzenerzieher und Schriftsteller Carl Ludwig von Knebel der 33 Jahre jüngeren Sängerin machte, um ihr einen Ausweg aus ihrer gesellschaftlich prekären Lage zu bieten. Nachdem Anna Amalia zunächst „aus Sorge, eine Gesellschafterin zu verlieren“,277 unwillig zögerte, ihre Sängerin gehen zu lassen, stimmte sie letztlich doch der Eheschließung zu. Es ist zu bezweifeln, dass am Witwenhof alle Hofdienerinnen im Falle einer unehelichen Schwangerschaft eine ähnliche Behandlung erfahren hätten. Luise Rudorf stillte mit ihrem Können als Sängerin das besondere Verlangen der Herzogsmutter nach unabhängiger, musikalischer Unterhaltung. Obgleich Anna Amalia eigentlich das Personal der Hofkapelle mitnutzen und zum Beispiel die Sängerin Corona Schröter (1751–1802) zu ihrer Hausmusik heranziehen durfte,278 entschied sie sich 1786 nach einem „Winter der Langeweile“279 mit Heinrich Grave (1758–1789) einen eigenen Kammersänger anzustellen. Offenbar war sie nicht länger gewillt, für ihre musikalische Unterhaltung auf das Gutdünken ihres Sohnes und dessen Freistellung seiner Musiker angewiesen zu sein. Grave nahm sich allerdings im November 1789 auf einer Bildungsreise in Neapel unerwartet das Leben, woraufhin es zu einer Auseinandersetzung zwischen Carl August und seiner Mutter kam. Der Herzog befand die Grave-Episode aufgrund der daraus resultierenden Pensionsansprüche der hinterbliebenen Familie als Geldverschwendung 274 275

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Vgl. Wolfgang Huschke: Unebenbürtige Sprossen Carl Augusts von Weimar, in: Familie und Volk, Bd. 6 (1957), S. 257–266, bes. S. 260f. Nach der Eheschließung am 9. Februar 1798 in Ilmenau holte die Kammersängerin auch ihren Sohn zu sich zurück. Knebel adoptierte ihn im Zuge der Vermählung. Die Familie zog sich für die folgenden sechs Jahre nach Ilmenau zurück, allerdings ohne den Kontakt in die Residenzstadt abzubrechen. 1804 erfolgte der Umzug nach Jena, wo Luise Rudorf ein geselliges Haus führte. Vgl. ebd.; Carius: Luise Rudorf(f), S. 216f. H. v. Einsiedel an C. L. v. Knebel, 31. Dezember 1797, in: Karl Ludwig von Knebels literarischer Nachlaß und Briefwechsel. Bd. 1. Hrsg. von K. A. Varnhagen von Ense und Th. Mundt. 2. unveränderte Ausgabe. Leipzig 1840, S. 241–242, Zitat S. 242. H. v. Einsiedel an C. L. v. Knebel, 12. September 1797, in: ebd., S. 239–241, Zitat S. 240. Vgl. Hendrikje Carius: Art. Corona Elisabeth Wilhelmine Schröter (1751–1802), in: Freyer/Horn/ Grochowina: FrauenGestalten, S. 326–330. Berger: Anna Amalia, S. 446.

4.3 Anna Amalias Witwenhof mit musischem Profil

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und dergleichen Festanstellungen für überflüssig. Er schlug deshalb seiner Mutter vor, auf eigene Kammermusiker zu verzichten und stattdessen auswärtige Sänger saisonweise zu verpflichten.280 Anna Amalia stimmte diesem Vorschlag zunächst zu, gab aber mit der Ernennung von Luise Rudorf zur Kammersängerin erneut ihrem ausgeprägten Drang nach steter und unabhängiger Unterhaltung und Geselligkeit nach. Erst nach der Verabschiedung der Rudorf nahm Anna Amalia von der Verpflichtung eigener Kammermusiker nachhaltig Abstand. Sie sicherte sich stattdessen ihre musikalische Unterhaltung durch einen anhaltenden Kompromiss mit ihrem Sohn: Ab 1797/98 bezuschusste sie drei Hofmusiker der fürstlichen Hofkapelle aus ihrer Schatulle, um sich im Ausgleich dazu regelmäßiger Auftritte in ihrem Palais gewiss sein zu dürfen.281 Die besondere Behandlung der unehelich schwangeren Sängerin lässt sich also in erster Linie mit dem Unwillen Anna Amalias erklären, erneut auf die Kapelle des Kernhofes angewiesen zu sein und im Zuge dessen auf den Veranstaltungskalender des Sohnes Rücksicht nehmen zu müssen.282 Bei Anna Amalias übrigen weiblichen Personal gab es diese Motivation jedoch nicht, weil die fürstliche Witwe in den meisten anderen Lebensbereichen weitgehend unabhängig vom Kernhof agierte. Die Kammerfrauen, Kammerjungfern, Hausmägde, Laufmädchen, Küchenmägde und Fegefrauen konnten daher wohl auch nicht auf einen Schutz ihrer Herrin wie im Falle der Rudorf hoffen, sondern standen unter dem Druck, ihr Leben ohne Alternative in den Dienst der Herzogsmutter stellen und sich den geschlechtsspezifischen Anforderungen an Hofdienerinnen fügen zu müssen. Im Gegensatz dazu gestand es Anna Amalia den meisten ihrer niederen männlichen Hofdiener zu, Ehen zu schließen und Kinder zu zeugen. Von den insgesamt 28 Männern waren 21 entweder schon bei Dienstantritt verheiratet oder bekamen eine Erlaubnis. Von den sieben ledigen Hofdienern entschieden sich zwei erst nach dem Tod der fürstlichen Witwe für eine Ehe,283 für die beiden – mit Sicherheit noch jugendlichen – Küchenlehrburschen Wilhelm Gottschalk und Johann Friedrich Steinert verliert sich nach ihrer beendeten Lehre am Witwenhof die Spur. Letztlich stellten also nur drei Diener – der Konditor Victor Justianus Debus (1746–1819), der Hoflakai Johann Friedrich Marcus (1741–1799) und der Kammerlakai Johann Friedrich Syptroth (1715– 280 281 282

283

Zum Fall Grave vgl. Berger: Anna Amalia, S. 446f. Vgl. ThHStAW A 1007–1040 (Schatullrechnungen 1797–1807). Das Wissen um den fürstlichen Vater und die daraus entspringende Versorgungspflicht scheinen nur bedingt eine Rolle gespielt zu haben. Uneheliche Kinder des Fürsten konnten auch auf andere Art und Weise versorgt werden. Vgl. dazu z. B. Huschke: Unebenbürtige Sprossen. Der Schatullier Johann Christian Ludwig heiratete 1812 Auguste Johanne Mieding und der Küchenlaufbursche Carl Friedrich Hertel ehelichte 1810 in der Kreuzkirche in Dresden Juliana Heinrich, die einzige Tochter des Besitzers des Dresdener Gasthofes Zum Weißen Hirsch, wo Hertel zu dem Zeitpunkt auch arbeitete. Vgl. KA WE HR HK 1812, f. 121; KA WE HR HK 1810, f. 102.

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4. Der Weimarer Hof als vielfältige Einheit mit individuellen Hofprofilen

1790) – ihr Leben wie die weiblichen Hofbediensteten komplett in den Dienst der Herzogsmutter und blieben bis zum Tod ledig.284 Bei den niederen männlichen Hofdienern verfolgte Anna Amalia also in etwa dieselbe Strategie wie ihr Sohn Carl August. Freilich musste keiner ihrer fest am Hof verpflichteten Männer in einem der anderen Hofstaaten Dienst verrichten und auch keiner zwischen den Höfen hin und her wechseln. Wie das weibliche Personal arbeiteten auch Anna Amalias männliche Hofbedienstete ausschließlich im Witwenhof und wurden erst nach dessen Ende in andere Hofstaaten versetzt.285 Daran zeigt sich erneut die personelle Unabhängigkeit des Witwenhofes, mit der sich jedoch in Anbetracht des Familienstandes keine grundsätzlich anderen Arbeitsbedingungen als am Hof von Carl August verbanden. Wie im Kernhof und im Hof von Louise unterlagen auch die Hofdiener von Anna Amalia nur wenigen Einschränkungen hinsichtlich ihrer Familienplanungen. In gewisser Weise schuf sich Anna Amalia mit dieser Handhabung die Grundlage für ihre auf familiäre Loyalität bedachte Personalpolitik. Schon als vormundschaftliche Regentin bevorzugte sie bei der Besetzung von nichtadeligen Stellen eine Ämterpolitik, die nicht auf Einzelpersonen, sondern auf ganze Familien zielte.286 Im Witwenhof führte sie dieses Prinzip fort und verpflichtete zumeist die folgende Generation ihrer bisherigen Hofbediensteten. Auf diese Art gewann sie nach 1790 etliche neue Angestellte: So nahm sie zum Beispiel den mittleren Sohn ihres Hausknechts Johann Nicolaus Schwarz in ihre Dienste, nachdem sie ihn zunächst als Tagelöhner getestet hatte.287 Johann Samuel Schwarz sollte sich bewähren und die kommenden drei Jahrzehnte unter Anna Amalia und später unter Carl August am Weimarer Hof dienen.288 Einen ähnlichen Lebensweg beschritt Georg Victor Justinian Krumbholz (1777–1811),289 der 1802 als Hoflakai seinem Onkel, dem Kammerlakaien Johann Georg Michael Krumbholz (1750–1819),290 an den Witwenhof folgen durfte. Und auch die Stelle von Johann August Ludecus (1741–1801) blieb in der Familie: Johann Christian Ludwig Ludecus (1770–1827) löste seinen Onkel nach dessen Tod als Schatullier ab. Anna Amalia interessierte sich aber nicht nur für den männlichen Nachwuchs ihrer Hofbediensteten, sondern besetzte gleichermaßen auch weibliche Stellen mit deren Verwandten: So bekam Carolina Louisa Schoppe wohl 284 285

286 287 288 289 290

Vgl. KA WE SR SK 1790, f. 254v; KA WE SR SK 1819, f. 172; KA WE SR SK 1799, f. 134v. Hildebrandt von Einsiedel war zwar als Kammerherr bis 1802 noch dem Herzog verpflichtet, versah seinen Dienst aber nur bei Anna Amalia. Dorothea Grobe war die einzig wirkliche Ausnahme. Sie übernahm interimsweise für die fürstlichen Enkel den Wart- und Wachdienst in der Nacht. Vgl. dazu den Abschnitt zur Bevorzugung der hochrangigen Enkelkinder. Vgl. Berger: Anna Amalia, S. 438f. Vgl. ThHStAW A 998–1003 (Schatullrechnungen 1795 bis 1796). Vgl. die Weimarer Staatskalender von 1797 bis 1830. Zu den Lebensdaten vgl. KA WE SR SK 1811, f. 10v. Zu den Lebensdaten vgl. KA WE SR SK 1819, f. 207.

4.3 Anna Amalias Witwenhof mit musischem Profil

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auf Betreiben ihres Vater Joachim Adam Schoppe Mitte 1801 die vakante Laufmagdstelle zugeteilt.291 Diese Entscheidung überrascht angesichts der Dienstepisode ihrer Schwester Dorothea Schoppe, die es wenige Jahre zuvor als Beimädchen bei der Herzogin Louise versucht hatte, aber schon nach nicht ganz einem Jahr wieder gehen musste. Auch Carolina Louisa Schoppe war kein langer Dienst beschieden. Ihre Verpflichtung endete nach drei Jahren abrupt im März 1804.292 Aufgrund der fehlenden Akten sind die Gründe zwar nicht genau nachzuvollziehen. Ein Heiratsplan kann allerdings ausgeschlossen werden, da Carolina Louisa Schoppe wenige Jahre später – wie alle ihre Schwestern und auch schon ihre Mutter293 – eine uneheliche Tochter zur Welt brachte.294 Möglicherweise war auch bei ihr eine „irrcorigible Lebensart“, d. h. eine uneheliche, aber nicht erfolgreiche oder nicht dokumentierte Schwangerschaft der Anlass für ihre Verabschiedung. Das Laufmädchen wäre in diesem Falle nicht in den Genuss desselben Schutzes gekommen, den die Herzogsmutter seinerzeit der Sängerin Luise Rudorf gewährt hatte. Ihre Dienste waren offenbar leicht ersetzbar. Die meisten Hofbediensteten, die Anna Amalia über verwandtschaftliche Verbindungen engagiert hatte, erwiesen sich jedoch als treue Dienerinnen: 1802 gelang es zum Beispiel der Kammerfrau Charlotte Pi(e)per (1740–1817), ihre Nichte an den Witwenhof zu vermitteln.295 Die Weimarer Kammerfrau hatte sich nach dem frühen Tod ihrer Stiefschwester zusammen mit ihrer zweiten Schwester Marie Catherine um ihre Nichte Charlotte Friederike Krackow d. Ä. (1778–1841) gekümmert und für deren Ausbildung für den Hofdienst in Braunschweig gesorgt. Anna Amalia war durch sie über die Fortschritte der jungen Frau stets gut informiert,296 so dass sie sich Ende 1801 nach der Pensionierung ihrer jahrzehntelang treuen Kammerfrau Amalie Dorothea Kotzebue (1728–1806) entschied, die Stelle mit der Pieperschen 291 292

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Zuvor war Catharina Margarethe Schäler wegen Heirat abgegangen. Vgl. KA WE HR HK 1801, f. 2. Anna Amalia bewilligte ihr sogar ein nicht vorgesehenes Gnadengeschenk in Höhe von knapp 5 Talern. Dieses Geld war eigentlich das Kostgeld für April, das dem Laufmädchen aus Versehen ausgezahlt wurde. Statt es zurückzufordern, ließ es Anna Amalia als Gnadengeschenk abschreiben, was mit Sicherheit nicht passiert wäre, wenn Carolina Louise Schoppe wegen Ungehorsam oder wegen eines Verbrechens entlassen worden wäre. Vgl. ThHStAW A 1031, Bl. 50r. Vgl. dazu den Abschnitt zum Hof der Herzogin Louise. Vgl. KA WE SR SK 1808, f. 94r. Das wirft die Frage auf, warum sie überhaupt angestellt wurde. Sie musste offensichtlich ganz besondere Qualitäten und/oder einflussreiche Fürsprecher gehabt haben. Zu den Familienbeziehungen vgl. Anne Fuchs: Art. Charlotte Friederike Krackow d. Ä. (1778–1841), in: Freyer/Horn/Grochowina: FrauenGestalten, S. 219–221; Ulrike Müller-Harang: Die wichtigsten Bewohner des Hauses, in: dies. (Hrsg.): Das KirmsKrackow-Haus in Weimar. Die Baugeschichte, die Geschichte des Gartens, die Hausbewohner, Freunde und Gäste. München/Wien 1999, S. 12–13. Vgl. Müller-Harang: Bewohner des Hauses, S. 13.

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4. Der Weimarer Hof als vielfältige Einheit mit individuellen Hofprofilen

Nichte neu zu besetzen. Deren familiäre Verbindung nach Braunschweig mag neben den vielfältigen Talenten dabei sicherlich ebenso eine Rolle gespielt haben, wie die loyale Kontrolle durch die Tante, die bei Anna Amalia schon seit 1756, d. h. seit beinah 50 Jahren, ihren Dienst versah. Diese Wahl sollte sich letzten Endes als vorteilhaft erweisen. Charlotte Krackow passte sich gut in das Personal des Witwenhofes ein, war bereit, sich weiterhin z. B. in Italienisch, im Klavierspiel und in den Zeichenkünsten fortzubilden, und leistete Anna Amalia als Vorleserin und Gesellschafterin bis zu deren Tode treue Dienste.297 Anna Amalia betrieb zudem eine hofstaatübergreifende Loyalitätspolitik, indem sie zwar keinen einzigen ihrer Hofbediensteten in andere Hofstaaten wechseln ließ, aber ihr Personal in Einzelfällen von anderen Höfen bezog oder versuchte, Verwandte ihrer Hofdiener dort zu platzieren. Mitte der 1780er entschied sie sich zum Beispiel, das Laufmädchen von Louises Hofdamen, Dorothea Leopoldine Musculus (1744–1822),298 zu sich in den Witwenhof zu holen und als Kammerfrau zu verpflichten. Sie verschaffte Dorothea Leopoldine Musculus damit eine Beförderung, die innerhalb des Hofes von Louise aufgrund der (ehe-)vertraglichen Herkunftsbestimmungen für die Kammerfrauen nicht möglich gewesen wäre, da dort mit der jüngeren Musculus-Schwester und Dorothea Margaretha Langclois bereits zwei Hessinnen angestellt waren.299 Möglicherweise revanchierte sich Anna Amalia auf diese Weise bei ihrer Schwiegertochter für die Verpflichtung von Amalia Kotzebue (1757–1827), die seit 1775 bei Louise als Kammerfrau diente und zu jenem „Kotzebue-Clan“ aus Braunschweig gehörte, den Anna Amalia seit ihrer Heirat und Übersiedlung nach Weimar mit Stellen am Hof zu versorgen wusste.300 Als nicht mehr regierende Witwe konnte Anna Amalia ihre gewohnte unabhängige Personalpolitik ohne Einmischungen von Seiten ihres Sohnes fortsetzen, auch wenn sie nun auf den vergleichweise kleinen Kreis ihres Witwenhofes beschränkt war. Da sie bei ihrem niederen Personal eine gewisse Kontinuität vorzog, bemühte sie eine zweigleisige Personalstrategie: Zum einen setzte Anna Amalia wie gewohnt auf familiäre Loyalität und füllte Vakanzen bevorzugt mit Verwandten ihrer bereits verpflichteten Hofbediensteten auf, griff in einigen Fällen aber auch auf die Angehörigen von Hofdienern anderer Weimarer Hofstaaten zurück. Zum anderen brachte sie – im Gegensatz zu ihrem Sohn – eine wesentlich striktere geschlechtsspe297 298 299 300

Vgl. ebd., S. 13–14. Ähnlich verhielt es sich bei den beiden Laufmädchen Dorothea Sophia Voigt und Justina Maria Voigt (1754–1818). Vgl. KA WE SR SK 1818, f. 156. Zu den Lebensdaten vgl. KA WE SR SK 1822, f. 24. Zu den Verwandtschaftsverhältnissen vgl. Huschke: Genealogische Streifzüge, S. 80. Vgl. den Abschnitt zu Louises Ehevertrag. Vgl. Huschke: Genealogische Streifzüge, S. 71–74; Berger: Anna Amalia, S. 438f.; Hendrikje Carius/ Katrin Horn: Art. Johanna Caroline Amalie Ludecus (1757–mind. 1827), geb. Kotzebue, in: Freyer/Horn/Grochowina: FrauenGestalten, S. 231–234.

4.3 Anna Amalias Witwenhof mit musischem Profil

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zifische Erwartungshaltung zum Ausdruck, um die potentielle Fluktuation durch Eheschließungen ihrer niederen, weiblichen Hofdienerschaft so gering wie möglich zu halten. Obwohl Anna Amalia in einigen Bereichen der Grundversorgung durchaus auf die Einrichtungen und das Personal des Kernhofes zurückgriff und sich damit eine gewisse finanzielle Entlastung sicherte, beharrte sie bei ihrer Geselligkeit und Unterhaltung auf Unabhängigkeit und war dafür bereit, hohe Kosten für ihre höfische Tafel und für die Verpflichtung eigener Musiker auf sich zu nehmen. Diese Priorität rangierte bei der Herzogsmutter im Falle der Luise Rudorf sogar über den höfischen Anstandsregeln. 4.3.2 Anna Amalias musisches Hofprofil in der (Witwen-)Hoflandschaft Um 1800 hatte nicht jeder Fürstenhof des Alten Reiches einen Witwenhof zu bieten. Etwa die Hälfte der 1790 (noch) auf dem Reichstag vertretenen, d. h. ranghohen weltlichen Fürstenhäuser wie zum Beispiel Sachsen-GothaAltenburg, Mecklenburg-Strelitz, Hessen-Darmstadt, Baden(-Durlach), Anhalt-Dessau, Anhalt-Bernburg, Thurn und Taxis, Schwarzburg-Rudolstadt und Schwarzburg-Sondershausen verfügten über etliche Jahrzehnte über keinen Witwenhof.301 Die jeweiligen Fürstinnen waren vor ihren regierenden Ehemännern verstorben oder geschieden worden.302 Nachfolgend morganatisch geschlossene Ehen, wie etwa die zwischen Ludwig von HessenDarmstadt und Maria Adelaide Gräfin von Lemberg,303 brachten aufgrund der Unebenbürtigkeit keine legitimen Einzelhöfe hervor. Dem stand in etwa die gleiche Zahl an Höfen gegenüber, die nach einem Regierungswechsel noch die Witwe des einstigen Regenten mit einem eigenen Haushalt zu ver301

302

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Dies wird aus den Stammtafeln der jeweiligen Herrscherhäuser ersichtlich. Vgl. Detlev Schwennicke: Europäische Stammtafeln. Neue Folge. Bd. I, 1, 2. verbesserte Auflage. Frankfurt a. M. 2005, Tafel 158; ebd., Bd. I, 2, Tafel 189, 191f.,249f., 271; ebd., Bd. I, 3, Tafel 310, 317–320 sowie Europäische Stammtafeln. Stammtafeln zur Geschichte der europäischen Staaten. Begründet von Karl Prinz zu Isenburg, fortgeführt von Frank Baron Freytag von Loringshoven. Neue Folge. Hrsg. von Detlev Schwennicke. Bd. V. Marburg 1988, Tafel 129f. So ließ sich zum Beispiel Friedrich Christian von Brandenburg-Bayreuth 1764 von seiner Ehefrau Viktoria Charlotte, geb. von Anhalt-Bernburg-Schaumburg-Hoym (1715– 1792), scheiden. Als Geschiedene führte diese keinen rechtmäßigen Witwenhof, weshalb ihr Haushalt nach der Scheidung nicht mehr in Amtskalendern erschien. Vgl. z. B. den Kulmbacher Staatskalender von 1777, S. 65–91. Darin sind lediglich die legitimen Witwenhöfe von Friederike Luise von Brandenburg-Ansbach (1714–1784) und Sophie Caroline von Brandenburg-Bayreuth (1737–1817) verzeichnet. Louises Mutter, die regierende Herzogin Henriette Caroline von Hessen-Darmstadt, verstarb bereits 15 Jahre vor ihrem Gatten am 30. März 1774, so dass es nach dem Regierungswechsel 1790 keine Witwe zu versorgen galt.

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4. Der Weimarer Hof als vielfältige Einheit mit individuellen Hofprofilen

sorgen hatten.304 So überlebte zum Beispiel Anna Amalias Mutter, Philippine Charlotte (1716–1801) ihren in etwa gleichaltrigen Gatten Herzog Carl von Braunschweig-Wolfenbüttel (1713–1780) und erfreute sich fast zwei Jahrzehnte lang an ihrem unabhängigen, sehr vermögenden Witwenstand.305 In einen ähnlichen Genuss kam etwa auch Charlotte Amalie, geb. von HessenPhilippsthal (1730–1801), die ihren wesentlich älteren Gatten, Anton Ulrich von Sachsen-Coburg-Meiningen (1687–1763), zunächst als Vormünderin der Söhne in dessen Regierung beerbte, sich ab 1782 dann aber auf ihr Witwenteil zurückzog.306 In den Fürstenhäusern von Pfalz-Zweibrücken, Sachsen-Coburg-Saalfeld, Brandenburg-Bayreuth, Mecklenburg-Schwerin, Württemberg, Baden, Hessen-Kassel, Anhalt-Köthen oder Arenberg lassen sich ähnliche Beispiele finden. Vielen Fürstinnen waren wie Anna Amalia noch etliche Jahre Lebenszeit beschieden, so dass deren Höfe entsprechend lang den jeweiligen Gesamthof bereicherten.307 Die Witwen kosteten ihre Regenten durch ihren Versorgungsanspruch zwar Geld, allerdings boten sie mit ihrem Personal die Möglichkeit, das Prestige zu steigern. Was für niedrigrangige Fürsten unter Umständen zur Last werden konnte, war für hochrangige Fürsten eine Chance. Viele Familienmitglieder bedeuteten viele Hofangestellte. Und ein großer Hof bedeutete wiederum hohes Ansehen. 304

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Karl-Heinz Spiess ermittelte für den gesamten Reichsfürstenstand zwischen 1200 und 1600 eine Witwenquote von 75 % und erklärt dies mit dem spätmittelalterlichen bis frühneuzeitlichen Heiratsverhalten des Hochadels, „das generell ein höheres Alter des Mannes bei der Eheschließung erkennen läßt“. Möglicherweise hat sich diese Quote im 18. Jahrhundert durch immer mehr Ehen zwischen Gleichaltrigen verringert. Eine entsprechende Statistik steht für das 17. bis zum 19. Jahrhundert noch aus. Vgl. Karl-Heinz Spiess: Witwenversorgung im Hochadel. Rechtlicher Rahmen und praktische Gestaltung im Spätmittelalter und zu Beginn der Frühen Neuzeit, in: Martina Schattowsky (Hrsg.): Witwenschaft in der Frühen Neuzeit. Fürstliche und adlige Witwen zwischen Fremd- und Selbstbestimmung. Leipzig 2003, S. 87–114, bes. S. 87f. Im Gegensatz zu ihrem hoch verschuldeten Gatten war Philippine Charlotte von Braunschweig überaus begütert. Als sie starb hinterließ sie ein Vermögen von insgesamt 730 000 Reichstalern, d. h. fast das Doppelte an dem, was dem Herzogtum SachsenWeimar-Eisenach zu der Zeit als jährlichen Gesamtetat in der herzoglichen Kammer zur Verfügung stand. Vgl. Ingrid Münch: Testament und Begräbnis der Herzogin Philippine Charlotte v. Braunschweig-Lüneburg-Wolfenbüttel (1716–1801). Ein Beitrag anläßlich des 200. Todestages ihres Bruders Friedrich des Großen, in: Braunschweigisches Jahrbuch, Bd. 68 (1987), S. 51–82, hier S. 55. Vgl. Alfred Erck/Hannelore Schneider: Herzog Georg I. von Sachsen-Meiningen – Biographisches, in: Herzog Georg I. von Sachsen-Meiningen. Ein Präzedenzfall für den aufgeklärten Absolutismus? Hrsg. von den Meininger Museen. Meiningen 2004, S. 13– 43. Allerdings finden sich auch Ausnahmen, bei denen die zum Teil schon betagten Fürstinnen ihren Gatten in den Tod umgehend nachfolgten. So starb zum Beispiel Friederike Dorothea Sophia, geb. von Brandenburg-Schwedt (1736–1798), nur wenige Monate nach ihrem Ehemann Herzog Friedrich II. Eugen von Württemberg (1732–1797). Und auch Sophie Antonia, geb. von Braunschweig (1724–1802), überlebte ihren Gatten Ernst Friedrich von Sachsen-Coburg-Saalfeld (1724–1800) nur um knapp zwei Jahre.

4.3 Anna Amalias Witwenhof mit musischem Profil

221

Womöglich mussten auch deshalb immer weniger verwitwete Fürstinnen um 1800 einen Lebensstil abseits des Hoflebens, z. B. im Kloster, wählen oder sich für eine erneute Heirat entscheiden.308 Obwohl ein Witwenhof am Ende des 18. Jahrhunderts weder eine reguläre Erscheinung noch eine Ausnahme darstellte, gestaltet sich die Einordnung des Weimarer Witwenhofes in die Hoflandschaft des Alten Reiches vergleichsweise schwierig. Für die meisten Fürstenhöfe, an denen eine Witwe lebte, fehlen die entsprechenden Hof- und Staatskalender für die beiden Jahrzehnte um 1800. So hätte sich etwa ein Vergleich mit Anna Amalias Schwester, Sophie Caroline, geb. von Braunschweig-Wolfenbüttel (1737– 1817), sicherlich angeboten, da diese wie Anna Amalia relativ jung ihren Gatten verlor, danach nicht wieder neu heiratete, sondern bis zu ihrem Tod mehrere Jahrzehnte als Witwe lebte.309 Im Unterschied zu Anna Amalia blieb diese Ehe allerdings kinderlos, so dass Sophie Caroline nach dem Tod ihres Mannes am 26. Februar 1763 nicht an die (vormundschaftliche) Regierung gelangte, sondern unmittelbar ihren Witwenstand antrat. Zuvor verhandelte sie mit dem Nachfolger ihres Gatten, Friedrich Christian (1708–1769), erneut über ihre jährlichen Witweneinkünfte und bewirkte eine beachtliche Erhöhung ihrer ursprünglich vertraglich festgelegten 14 000 Taler auf 24 000 Taler. Im Zuge dessen wurde auch die anfänglich als Witwensitz vorgesehene Plassenburg in Kulmbach gegen das Erlanger Schloss vertauscht. Da ihre Weimarer Schwester Anna Amalia nur etwa 18 000 Taler und damit erheblich weniger jährliches Einkommen besaß, dafür aber in der Residenzstadt ihres regierenden Sohnes lebte, wäre eine Analyse der jeweiligen personellen Zusammensetzung und vor allem aber der Personalentwicklung der beiden Witwenhöfe um 1800 sicherlich aufschlussreich gewesen. Da Karl Alexander von Brandenburg-Ansbach (1736–1806), der das Bayreuther Markgrafentum aufgrund fehlender männlichen Nachkommen 1769 ererbt hatte, sich 1791 entschied, seiner landesherrlichen Gewalt zu entsagen und seine Fürstentümer an Preußen zu übereignen,310 wurden die entsprechenden Amtskalender 308

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Vgl. Martina Schattkowsky: Einführung, in: dies. (Hrsg): Witwenschaft, S. 11-34; oder Helmut Neuhaus: Die Fürstin als Witwe in der europäischen Geschichte der Frühen Neuzeit, in: Christina Hofmann-Randall (Hrsg.): Das Erlanger Schloß als Witwensitz 1712–1817. Eine Ausstellung der Universitätsbibliothek, 15. November bis 8. Dezember 2002. Erlangen 2002, S. 9–40. Sie war seit dem 20. September 1759 mit Friedrich III. von Brandenburg-Bayreuth (1711–1763) verheiratet. Vgl. bis auf Weiteres dazu den grundlegenden Aufsatz von Hans-Otto Keunecke: Markgräfin Sophie Caroline von Brandenburg-Bayreuth (1737– 1817), in: Christina Hofmann-Randall (Hrsg.): Das Erlanger Schloß, S. 101–138. Auch Carl August interessierte sich für die Vorgänge in Ansbach und spekulierte, „wenn der Markgraf so klug wäre, wieder eine legitime Gemahlin zu nehmen (. . . ) die Markgrafthümer nicht expatriirt [werden] würden“. Vgl. C. A. v. S-W-E an C. L. v. Knebel, Weimar, 28. März 1791, in: Briefe des Herzogs Karl August von Sachsen-Weimar-Eisenach an Knebel und Herder. Hrsg. von Heinrich Düntzer. Leipzig 1883, S. 97–99, Zitat S. 98; zur Übereignung vgl. z. B. Siegfried Hänle: Art. Karl Alexander (Christian Fried-

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4. Der Weimarer Hof als vielfältige Einheit mit individuellen Hofprofilen

der fränkischen Brandenburger eingestellt. Obwohl Sophie Carolines Witwenhof nach der Übertragung der Territorien eigentlich zum preußischen Hofsystem gehörte,311 findet ihr Hof in den königlich preußischen Handbüchern keine Erwähnung. Ein struktureller Personalvergleich mit dem Weimarer Witwenhof ist somit – wie auch in etlichen anderen Fällen – nicht möglich. Allein für zwei fürstliche Witwenhöfe lässt sich die personelle Entwicklung für die beiden Jahrzehnte um 1800 mittels der Staatskalender seriell verfolgen: zum einen für den Schweriner Witwenhof312 Charlotte Sophies, geb. von Sachsen-Coburg-Saalfeld (1731–1810), und zum anderen der Witwenhof der Kasseler Landgräfin Philippine, geb. von Brandenburg-Schwedt (1745–1800) (vgl. Abb. 11). Die Gegenüberstellung mit dem Schweriner Witwenhof von Charlotte Sophie, die wie die Weimarer Witwe in der Residenzstadt des Sohnes lebte, macht zunächst deutlich, dass Anna Amalia mit ihren 25 bis 30 Personen über viele Jahre in etwa die gleiche Anzahl an Hofbediensteten wie die Mutter des Schweriner Herzogs beschäftigte. Der Witwenhof der Kasseler Landgräfin scheint dagegen konstant um ein Vielfaches kleiner gewesen zu sein. Die entsprechenden Staatskalender weisen seit 1790 elf Personen, nach dem Tod der ersten Hofdame Juliane von Wintzingerode (1762–1794) zehn Personen aus.313 Diese Auflistung scheint zwar nicht komplett zu sein,314 da jene grundlegenden Versorgungsbediensteten für die Küche, Stall, Waschhaus u.s.w. fehlen,315 die für ein Leben abseits der Residenzstadt Kassel auf dem

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rich Karl Alexander) Markgraf von Brandenburg zu Ansbach-Bayreuth, in: ADB, Bd. 15 (1882), S. 264–266. Ein erneuter Wechsel erfolgte 1810, nachdem Erlangen an die Krone Bayerns überging. In ihrem Testament – und auch schon in direkten Verhandlungen mit dem König vor ihrem Tod – versuchte Sophie Caroline deshalb die Pensionszahlungen für ihre Hofbediensteten im Falle ihres Hinscheiden bei Maximilian I. Joseph zu sichern. Vgl. Keunecke: Markgräfin Sophie Caroline von Brandenburg-Bayreuth, S. 126. Neben der Mutter des regierenden Herzogs Friedrich Franz I. gehörte zum Mecklenburg-Schweriner Hof zwischen 1785 und 1791 auch der Witwenhof der Louise Friederike, geb. von Württemberg (1722–1791) in Rostock. Sie war die Gattin des Oberhofmeisters Georg Ernst Levin von Wintzingerode (1752– 1834). Seit 1795 wird sie im Witwenhof nicht mehr ausgewiesen. Vgl. den Kasseler Staatskalender von 1795, S. 13. Möglicherweise war diese verkürzte Personalliste dem äußerst angespannten Verhältnis zwischen der verwitweten Landgräfin und ihrem regierenden Stiefsohn Wilhelm geschuldet, das wohl maßgeblich in der engen Beziehung Wilhelms zur eigenen Mutter, Maria von Hannover (1723–1772), begründet lag. Vgl. Pelizaeus: Aufstieg Württembergs und Hessens, S. 98–100. Annette von Stieglitz untersuchte jüngst den Kasseler Hof um 1800 und stellte fest, dass die verwitwete Landgräfin Philippine 1788 drastische Personalkürzungen im Zuge der Einsparungen nach dem Tod ihres Gatten 1785 hinnehmen musste. In Anbetracht des zeremoniellen Prinzips, das einer Witwe grundsätzlich alle Verfügungsgewalt über ihr Personal einräumte, überrascht diese Interpretation. Zudem übergeht von Stieglitz bei ihrer Auswertung der Staatskalender die eigenwillige Struktur des Kasseler Staatskalenders, der z. B. die Lakaien selten direkt in den Einzelhöfen, sondern alle zentral

4.3 Anna Amalias Witwenhof mit musischem Profil

223

Witwensitz in Hanau wie auch später in Berlin mit Sicherheit nötig gewesen wären.316 Allerdings handelte es sich bei den fehlenden Personen sehr wahrscheinlich nur um wenige niedere Bedienstete. Denn die vereinzelten Nachweise anderer Witwenhöfe zeigen, dass es durchaus wesentlich kleiner konzipierte Witwenhöfe als jene der Weimarer und Mecklenburger Herzogin gab. So verfügte zum Beispiel die Gothaer Herzogin Charlotte in den Jahren 1805 und 1806 ebenfalls lediglich über 14 bzw. 16 Hofbedienstete inklusive aller Garderoben-, Küchen-, Stallangestellten und Lakaien.317 Ähnlich waren ihrer Mutter, der Meininger Witwe Charlotte Amalie, kurz vor deren Tod 1801 auch nur 13 Hofbedienstete unterstellt.318 Da alle drei Fürstinnen, die einen kleinen Hofstaat unterhielten, ihren Wohnsitz außerhalb der jeweiligen Residenzstadt unterhielten – die Meininger Herzogin in Römhild,319 die Gothaer Herzogin in Eisenberg und

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im Kernhof des Fürsten mit einem Verweis auf die entsprechenden Zugehörigkeiten verzeichnete. Ihre Ergebnisse gilt es folglich zu hinterfragen. Vgl. dies: Hof und Hofgesellschaft der Residenz Kassel in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, in: Heide Wunder/Christina Vanja/Karl-Hermann Wegner (Hrsg.): Kassel im 18. Jahrhundert. Residenz und Stadt. Kassel 2000, S. 321–349, bes. S. 325. 1792 verließ die Landgräfin das Land und zog zu ihrer älteren Schwester Louise, verh. von Preußen (1738–1820) nach Berlin. Wenig später legalisierte sie ihre langjährige Liaison mit ihrem Oberhofmeister von Wintzingerode durch eine zweite, morganatische Eheschließung und richtete sich mit ihm gemeinsam in Berlin ein großzügiges Palais ein, das sie von ihrem Cousin, dem preußischen König Friedrich Wilhelm II., verehrt bekommen hatte. Diese besonderen Lebensumstände spiegelt der Kasseler Staatskalender allerdings in keiner Weise wider. Vgl. ebd., S. 609f.; Gert-Dieter Ulferts: Möbel für Europa. Roentgen und Weimar, in: Hellmut Seemann (Hrsg.): Europa in Weimar. Visionen eines Kontinents. Jahrbuch der Klassik Stiftung Weimar 2008. Göttingen 2008, S. 298– 317, hier S. 311f.; Heinrich Jobst Graf von Wintzingerode: Die Grafen und Freiherren von Wintzingerode und ihr Stammort, in: 800 Jahre Wintzingerode. 1204–2004. Hrsg. von der Ortschaft Wintzingerode, Stadt Leinefelde-Worbis. Duderstadt 2004, S. 35–37. Vgl. den Gothaer Staatskalender von 1805, S. 71 und den Gothaer Staatskalender von 1806, S. 71f. Charlotte von Sachsen-Gotha-Altenburg verzichtete allerdings komplett auf weibliches Adelspersonal und ließ sowohl die Hofdamenstelle als auch die Stelle der Oberhofmeisterin unbesetzt. Möglicherweise verzichtete die Gothaer Witwe zugunsten ihrer Liaison mit ihrem Oberhofmeister von Zach auf diese Adelsbedienung. Hierbei sind zwar Garderobenangestellte und Lakaien verzeichnet worden, Küchen- und Stallangestellte fehlen jedoch. Vgl. den Meiniger Staatskalender von 1801, S. 256f. Zwar ist das Wirken der Meininger Herzogin Charlotte Amalie in der Zeit ihrer vormundschaftlichen Regierung ansatzweise erforscht, ihr Verbleib als Witwe ist aber – wie bei vielen Fürstinnen – noch ein Desiderat. Bärbel Raschke vermutet, dass sich Charlotte Amalie ab 1782 „vorwiegend auf dem Witwensitz Römhild“ aufhielt. Zuvor scheint die Römhilder Glücksburg schon vom Herzogtum Sachsen-Coburg-Saalfeld als Witwensitz beansprucht worden zu sein, da dort bis 1780 die verwitwete Anna Sophie von SachsenCoburg-Saalfeld (1700–1780) – die Mutter der Schweriner Witwe Charlotte Sophie – residierte. Ein Verweis auf Anna Sophie und die Glücksburg findet sich in den Quellen von Carl Schröder: Beiträge zur Erziehungs- und Jugendgeschichte des Großherzogs Friedrich Franz I., in: Jahrbücher des Vereins für mecklenburgische Geschichte und Alterthumskunde, Bd. 77 (1912), S. 1–82, hier S. 50. Zur Meininger Herzogin vgl. Bärbel

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4. Der Weimarer Hof als vielfältige Einheit mit individuellen Hofprofilen

Abbildung 11: Vergleich deutscher Witwenhöfe zwischen 1789 und 1810.

4.3 Anna Amalias Witwenhof mit musischem Profil

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die Kasseler Landgräfin in Hanau –, liegt es nahe, dass der Ort und seine Möglichkeiten eine besondere Rolle gespielt haben könnten: Fürstliche Witwen, die in der Residenzstadt des regierenden Landesherrn lebten und auf diese Weise unter Umständen von dessen Hof direkt profitierten, konnten offensichtlich einen umfangreicheres Personal unterhalten, als jene, die auf abgelegenen Wohnsitzen ihr Wittum verzehrten. Der sechs Jahre lang bestehende, zweite Schweriner Witwenhof der Herzogin Louise Friederike im ebenfalls abgelegenen Rostock widerspricht dieser Generalisierung mit seinen knapp 50 Bediensteten jedoch deutlich.320 Und auch der Erlanger Witwenhof von Anna Amalias Schwester Sophie Caroline, der zu seinen Hochzeiten 48 Hofbedienstete im Jahre 1770 umfasste und bis 1791 nie unter 33 Personen fiel,321 entkräftet die Überlegung, dass der Ort entscheidend für die Größe des Witwenhofes war. Es gab um 1800 sowohl abgelegene Witwenhöfe, die personell vergleichsweise klein waren, als auch solche, deren Personenzahl selbst die Witwenhöfe in den Residenzstädten in den Schatten stellte. Da die Größe nicht räumlich bedingt war, muss beim Vergleich der Witwenhöfe in dieser Hinsicht nicht differenziert werden. Anna Amalias Hof lag demnach zahlenmäßig im Mittelfeld des hier stichprobenhaft skizzierten Größenspektrums (vgl. Abb. 11). In der personellen Zusammensetzung von Anna Amalias Hof fallen jedoch zwei Eigenheiten auf: die Stelle des Bibliothekars und die der Kammermusiker. So weisen die Staatskalender um 1800 weder für die beiden Schweriner Witwen, noch für die Bayreuther, Gothaer, Kasseler oder Meininger Witwe einen eigenen Bibliothekar aus. Die Weimarer Herzogsmutter bestand dagegen nach ihrem Rückzug von der Regierung auf einer gesonderten Betreuung ihrer Büchersammlung und verpflichtete dafür den hoch gebildeten Gelehrten Christian Joseph Jagemann (1735–1804).322 Tatsächlich benötigte Anna Amalia nur in den ersten Jahren ihres Witwendaseins einen Bibliothekar, da-

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Raschke: Charlotte Amalie Herzogin von Sachsen-Meiningen (1730–1801). Leben und Wirken im Kontext westeuropäischer und deutscher Aufklärung, in: Francia, Bd. 25, 2 (1999), S. 69–103, Zitat S. 69; Erck/ Schneider: Herzog Georg I. von Sachsen-Meiningen, S. 13–43. Der Hof der Witwe umfasste 1786, d. h. in dem ersten Jahr nach dem Tod ihres Gatten Friedrich der Fromme von Mecklenburg (1717–1785), 31 Hofbedienstete, 1788 waren es bereits 55, im Folgejahr 53 und im Todesjahr 1791 insgesamt 49 Personen. Vgl. die Schweriner Staatskalender von 1786, 1788, 1789 und 1791, jeweils S. 21–22. Vgl. Keunecke: Markgräfin Sophie Caroline von Brandenburg-Bayreuth, S. 107. Zum Lebenslauf und Wirken als Bibliothekar vgl. z. B. Margrit Glaser: Die „Quelle der italienischen Literatur“ in Weimar. Italienische Sprachlehre und Sprachwissenschaft bei Christian Joseph Jagemann und Carl Ludwig Fernow. München 2008, bes. S. 23–29; Bärbel Raschke: Das Wirken von Christian Joseph Jagemann als Bibliothekar der Herzogin Anna Amalia von Sachsen-Weimar, in: Jörn Albrecht (Hrsg.): Die Italianistik in der Weimarer Klassik. Das Leben und Werk von Christian Joseph Jagemann (1735–1804). Akten der Tagung im Deutsch-Italienischen Zentrum Villa Vigoni vom 3. bis 7. Oktober 2004. Tübingen 2006, S. 120–126.

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4. Der Weimarer Hof als vielfältige Einheit mit individuellen Hofprofilen

nach ähnelte die Anstellung des ehemaligen Erfurter Gymnasialdirektors eher einer Sinekure.323 Jagemann nutzte diese Freiheiten für linguistische, übersetzerische und verlegerische Tätigkeiten, wie zum Beispiel zur Herausgabe der zwischen 1787 und 1789 erschienenen, italienischsprachigen Wochenzeitschrift Gazetta di Weimar.324 Nachdem er am 25. Februar 1804 im Alter von 68 Jahren verstorben war,325 suchte Anna Amalia umgehend nach einem Nachfolger, den sie in dem ebenfalls schriftstellerisch tätigen Carl Ludwig Fernow (1763–1808) fand. Dabei dachte sie allerdings weniger an ihre Büchersammlung als an ihre eigene Unterhaltung. Während Jagemann sich nicht an den Geselligkeiten des Witwenhofes beteiligte, wurde Fernow wohl in erster Linie als Gesellschafter angestellt.326 Selbstverständlich besaßen auch andere Fürstenwitwen kleine Bibliotheken, doch Anna Amalia scheint ein besonders ausgeprägtes Bildungs- und Unterhaltungsbedürfnis besessen zu haben. Während zum Beispiel ihre ebenso bildungsbewusste Schwester Sophie Caroline, die letztlich zehn Jahre länger als Anna Amalia lebte, der Erlanger Universität nach ihrem Tode eine Sammlung von insgesamt 1653 Bänden hinterließ,327 zählte die Hinterlassenschaft der Weimarer Witwe rund 3000 Buchtitel, also mindestens das Doppelte an Bänden.328 Anna Amalia besaß damit „eine der umfangreichsten Privatbibliotheken deutscher Fürstinnen im 18. Jahrhundert“.329 Der eigene Hofbibliothekar kann dementsprechend als Wunsch gedeutet werden, die eigene, umfängliche Bibliothek zu organisieren.330 Zugleich lässt sich daran aber auch das besondere Selbstdarstellungsbedürfnis Anna Amalias ablesen. Das legen nicht nur die „sorgfältige, einheitliche, den zeremoniellen Normen entsprechende Buchbindung“ und die wirkungsvolle Aufstellung der Bücher in einem beeindruckend gestalteten Bibliotheksraum nahe,331 sondern auch der im Hof fest angestellte und entsprechend außerhalb wahrgenommene Bibliothekar. Anna Amalia wusste um das eingeschränkte Betätigungsfeld in ihrer Büchersammlung und hätte nach dem Tod Jagemanns ihr Verlangen nach einem weiteren Gesellschafter problemlos 323 324 325 326 327 328

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Vgl. Berger: Anna Amalia, S. 447f. Vgl. ebd. Vgl. KA WE SR SK 1804, f. 239v. Vgl. Berger: Anna Amalia, S. 447. Vgl. Keunecke: Markgräfin Sophie Caroline von Brandenburg-Bayreuth, S. 127. Vgl. Berger: Anna Amalia, S. 415. Raschke zählt dagegen etwa nur 2000 Titel, womit sie den Gesamtbestand auf etwa 5000 Bände beziffert. Vgl. Bärbel Raschke: Anna Amalia von Sachsen-Weimar-Eisenach. Buchbesitz, Lektüre und Geselligkeit, in: Joachim Berger (Hrsg): Der Musenhof Anna Amalias. Geselligkeit, Mäzenatentum und Kunstliebhaberei im klassischen Weimar. Köln/ Weimar/Wien 2001, S. 81–105, bes. S. 83f. Bärbel Raschke: Die Bibliothek der Herzogin Anna Amalia, in: Michael Knoche/Ingrid Arnhold (Hrsg.): Herzogin Anna Amalia Bibliothek. Kulturgeschichte einer Sammlung. München 1999, S. 83–86, Zitat S. 83. Vgl. Berger: Anna Amalia, S. 423. Raschke: Buchbesitz, Lektüre und Geselligkeit, S. 84.

4.3 Anna Amalias Witwenhof mit musischem Profil

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mit einer anderen höfischen Stelle stillen können. Dennoch entschied sie sich erneut für einen prestigeträchtigen Bibliothekar und bediente so in geschickter Weise das traditionelle Repertoire fürstlicher Repräsentationssymbole. Sie stellte sich damit als belesene „Freundin der Musen“332 und kultivierte, ausgewiesene Sammlerin dar. Fürstliche Privatsammlungen und Handbibliotheken waren – im Gegensatz zu den sich vermehrt der Öffentlichkeit öffnenden Hofbibliotheken – auch noch um 1800 in der Regel nur einem ausgesuchten, eingeschränkten Besucherkreis zugänglich.333 Mit einem Bibliothekar als unmittelbaren Repräsentanten erweiterte sich der Wirkungskreis jedoch beträchtlich. Jeder, der den Weimarer Staatskalender zur Hand nahm oder sich auf anderen Wegen über die personellen Verhältnisse am Weimarer Witwenhof informierte, wusste sofort um das bibliophile Interesse und die Büchersammlung der Herzogsmutter, die offenbar derart umfangreich und exquisit sein musste, dass es sich lohnte, dafür extra einen Kurator anzustellen. Ohne eigens ausgewiesene Hofbibliothekare konnten Büchersammlungen nur durch eine aktive zur Schaustellung in persona oder durch Beschreibungen oder Berichte334 tatsächlich zu Repräsentationssymbolen werden. Anna Amalia durfte indessen darauf vertrauen, dass sich die Kunde von ihrer ausnehmenden Privatbibliothek auch ohne aktives Zutun regelmäßig über jene jährlich erscheinenden Medien verbreitete, die das Personal des Weimarer Hofes repräsentativ abbildeten. Die Weimarer Herzogsmutter nutzte ihr Hofpersonal also zur bibliophilen Selbstdarstellung. Ähnlich repräsentative Absichten scheinen auch bei der Verpflichtung der Kammermusiker eine Rolle gespielt zu haben. Musiker gehörten nicht zum Standard eines Witwenhofes. Lediglich Sophie Caroline von BrandenburgBayreuth stellte 1796 nachweislich ebenfalls einen Kammermusikus an und besetzte die Stelle erneut nach dessen Tod.335 Dieser Befund erklärt zum einen Carl Augusts Verärgerung über die Entscheidung seiner Mutter, im Jahre 1786 Heinrich Grave und später Luise Rudorf fest zu verpflichten. Es war schlicht nicht üblich. Zum anderen zeigt er aber auch auf, weshalb Anna Amalia ihre unabhängige Unterhaltung unbedingt in Form eines fest angestellten Hofdieners bzw. Hofdienerin gesichert wissen wollte. Nur auf diese Weise konnte sie ihre Vorlieben überregional repräsentieren und sich von anderen Einzelhöfen abheben. Die überregionale Repräsentation in den Staatskalendern war wohl 332

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334 335

Diese Wahrnehmung stammt von einem aufgeklärten Zeitgenossen des Jahres 1786. Vgl. Friedrich Karl Gottlob Hirsching: Versuch einer Beschreibung sehenswürdiger Bibliotheken Teutschlands nach alphabetischer Ordnung der Städte. Bd. 1. Erlangen 1786, S. 224. Auch die Privatbibliothek Anna Amalias, die im Mansardengeschoss ihres Palais’ aufgestellt wurde, war nur beschränkt ihrer Hofgesellschaft und Günstlingen zugänglich. Vgl. dazu ausführlich Berger: Anna Amalia, S. 418–420, 423. Ein Beispiel dafür wäre der bereits angeführte Versuch Hirschings einer Beschreibung sehenswürdiger Bibliotheken Teutschlands. Vgl. Keunecke: Markgräfin Sophie Caroline von Brandenburg-Bayreuth, S. 121.

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4. Der Weimarer Hof als vielfältige Einheit mit individuellen Hofprofilen

der ausschlaggebende Unterschied zwischen festangestellten Musikern und saisonal-vertraglich verpflichteten Musikern, die das tatsächliche Bedürfnis der Musikliebhaberin auch gestillt hätten. Im hofinternen Vergleich zu ihrer Schwiegertochter gelang ihr es nur bedingt, sich abzuheben, da Louise zwar auf individuelle Musiker verzichtete, jedoch als Regentengattin jederzeit über die Kapelle des Kernhofes bestimmen konnte. Im Vergleich zu anderen Witwenhöfen stach Anna Amalia mit ihrer Hofbesetzung aber zweifellos heraus. Damit verbinden sich grundsätzliche Fragen über die personelle Konzeption fürstlicher Witwenhöfe, die in der Forschung bisher noch keine Beachtung fanden: Verzichteten all jene, die über keine eigenen (Kammer-)Musiker verfügten, auf die entsprechende musikalische Unterhaltung oder durften sie die Kapelle der jeweiligen Regenten mitnutzen? Die gleiche Frage drängt sich auch für die grundlegendsten höfischen Versorgungsbereiche wie Küche oder Stall insbesondere bei den scheinbar sehr klein konzipierten Witwenhöfen auf. Sowohl bei der verwitweten Kasseler Landgräfin als auch bei der Meininger Herzogswitwe bleibt beispielsweise unklar, woher sie ihre Speisen bekamen, wer ihre Wäsche säuberte und ihre Mobilität garantierte, da kein entsprechendes Personal in den Staatskalendern verzeichnet ist. Ließen die fürstlichen Witwen bestimmte Versorgungsleistungen durch Tagelöhner bzw. vertraglich angestellte Bedienstete verrichten, wie es Carl August seiner Mutter mit Blick auf die Kammermusiker empfohlen hatte? Oder durften Witwen prinzipiell Personal der Kernhöfe in Anspruch nehmen, so dass es nicht extra ausgewiesen werden musste? Welche Verbindlichkeiten brachte dies für den jeweiligen Regenten mit sich, der sich um einen Witwenhof dann nicht nur deshalb sorgen musste, weil dieser ein Teil seines Gesamthofes und damit ein Teil seiner Repräsentation darstellte? Vielleicht konnte Sophie Caroline von Brandenburg-Bayreuth eine Aufstockung ihrer Witweneinkünfte gerade deshalb bewirken, weil sie dem nachfolgenden Regenten, Friedrich Christian von Brandenburg-Bayreuth, im Gegenzug eine völlige Eigenständigkeit ihres Hofhaushaltes versprach. Immerhin gelang es ihr, mit ihren aufgestockten Witweneinkünften 1790 alle Bereiche des Hoflebens mit fest verpflichteten Hofbediensteten abzudecken, während dies ihre Weimarer Schwester Anna Amalia mit etwa 6000 Talern weniger pro Jahr offenbar nicht schaffte. Für Anna Amalia lässt sich festhalten, dass ihr Witwenhof hinsichtlich seiner personellen Größe keine Ausnahme in der (Witwen-)Hoflandschaft des Alten Reiches um 1800 darstellte. Die Zahl des Hofpersonals entsprach dem Durchschnitt. Die aparte Zusammensetzung allerdings nicht. Insbesondere der Bibliothekar und die (wechselnden) Kammermusiker trugen das Unterhaltungs- und Bildungsbedürfnis der Witwe repräsentativ nach außen.336 Anna Amalia inszenierte sich damit selbst vor der höfischen Öf336

Bärbel Raschke übersieht diese repräsentative Außenwirkung des Personals, wenn sie die bibliophile Sammelleidenschaft Anna Amalias und deren „Streben nach geselliger Lektüre und Konversation“ als eine Gewöhnlichkeit einstuft, die „generell dem weib-

4.3 Anna Amalias Witwenhof mit musischem Profil

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fentlichkeit unverkennbar als Musenliebhaberin. Im Gegensatz zu anderen Witwen nutzte sie ihren Hof also nicht allein zur standesgemäßen Versorgung, sondern instrumentalisierte ihn geschickt für die eigene musische Profilierung. Die posthum einsetzende Stilisierung337 der Herzogsmutter als Weimars Zentralmuse konnte demnach auf deren eigenen, schon Lebzeiten gepflegten höfischen Selbstdarstellung aufbauen. Der Grundgedanke der Musenhof-Typologisierung von Volker Bauer ließe sich deshalb durchaus auf den Einzelhof Anna Amalias applizieren. Die Witwe sicherte sich ihr überregionales Renommee nicht mit machtpolitischen Ressourcen, sondern mit einem Musenimage. Allerdings gilt es einzuwenden, dass sich Anna Amalias Prestigekonkurrenz allein auf andere Witwenhöfe beschränkte. Mit Gemahlinnenhöfen oder gar mit Gesamthöfen, die ganze Kapellen und Theater unterhielten, konnte der Weimarer Witwenhof nicht konkurrieren. 4.3.3 Der tote Hof – Die Versorgung des „nachgelassenen“ Hofpersonals Als Anna Amalia am 10. April 1807 im Alter von 67 Jahren verstarb, hinterließ sie ein Testament, in dem auch ihre Dienerschaft bedacht wurde.338 Sie empfahl ihrem Universalerben Carl August, ihren Bediensteten möglichst all die Leistungen weiter zu gewähren, die sie bisher erhalten hätten. Im Gegenzug sollten sich diese „zu ähnlichen wirklichen hiesigen Hofdienst-Leistungen (. . . ) gebrauchen lassen“.339 Der fürstlichen Witwe war dabei bewusst, dass sich ihr gesamtes Personal nicht ohne weiteres in den Hof ihres Sohnes einfügen ließ. Damit dennoch alle versorgt seien, sollte Carl August ihnen für den Fall, dass sie „nicht schicklich placiert werden“ könnten, zumindest ihre Geldbesoldung weiterhin „als Wartegelder oder Pension“ zahlen. Die Herzogsmutter wollte ihr Hofpersonal nach ihrem Tod weiterhin beschäftigt oder aber mit dem Mindesten versorgt wissen.340 Dieser nicht ungewöhnliche341 letzte Wille Anna Amalias stellte Carl

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339 340

341

lichen Kulturbereich des neuzeitlichen protestantischen Hofes“ zu eigen war. Sie Vgl. Raschke: Buchbesitz, Lektüre und Geselligkeit, S. 101f. Vgl. Berger: Die Erfindung des Weimarer ,Musenhofs‘; ders: Höfische Musenpflege; ders.: Anna Amalia, S. 11–18, 35–38. Anna Amalia hatte ihr Testament schon einmal 1788 abgefasst, es aber anlässlich des Todes ihres zweiten Sohnes Constantin geändert und erneut aufgesetzt. Es ist in Abschrift mehrfach in den Akten des Hofmarschallamtes erhalten – z. B. ThHStAW HMA 657, Bl. 3r–4v. Das Original findet sich unter ThHStAW Urkunden 1803, Dec. 22. ThHStAW HMA 657, Bl. 4r. Der unteren Dienerschaft hinterließ Anna Amalia zusätzlich eine Art Sterbeprämie: Das Geld, das zum Zeitpunkt ihres Todes in ihrer „kleinen separat Scatoulle“ vorzufinden wäre, sollte unter der „Dienerschaft, von den Cammerfrauen, und Scatoullier, abwärts gerecht zu gleichen Portionen“ verteilt werden. Vgl. ebd, § 5. In den Testamenten etlicher fürstlicher Witwen findet sich die Bestimmung, dem Hof-

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4. Der Weimarer Hof als vielfältige Einheit mit individuellen Hofprofilen

August bzw. sein Hofmarschallamt zwar vor koordinatorische Herausforderungen, kam dem Hof aber an sich nicht ungelegen. Zwei Monate vor dem Hinscheiden Anna Amalias hatte Carl August seine Hofführung auffordern müssen, den erst ein Jahr zuvor neu konzipierten Hofkassenetat zu revidieren und Einsparungen vorzunehmen.342 Ein Personalzuwachs vom Witwenhof, der für die Hofkasse keine neuen Kosten verursachte, weil die Gehälter von der Kammer(ober)kasse bestritten wurden, dürfte in dieser Situation durchaus willkommen gewesen sein.343 Von den insgesamt 31 Personen, die beim Tod der Herzogsmutter im Witwenhof angestellt waren, konnten nur acht sofort in andere Hofstaaten oder Institutionen versetzt und wieder fest eingegliedert werden. Dazu gehörten vier Bedienstete344 des niederen Personals. Der ehemalige Hoflakai Johann David Benjamin Bohne wechselte als Kanzleidiener zur Regierung nach Eisenach.345 Dagegen wurde der einstige Schatullier Johann Christian Ludwig Ludecus einfach nur von seiner bisherigen Doppelbelastung befreit und konnte sich nun auf seine Aufgaben als Kalkulator und Kammersekretär in die Renterei der Kammer konzentrieren, die er bereits seit 1806 ausführte.346 Die

342

343

344

345 346

personal seinen bisherigen Lohn als Pension auszusetzen – so zum Beispiel auch in den Testamenten von Anna Amalias Schwester, Sophie Caroline von Brandenburg-Bayreuth, und Mutter, Philippine Charlotte von Braunschweig. Vgl. Hofmann-Randall: Das Erlanger Schloß als Witwensitz, S. 126, 282; Münch: Testament und Begräbnis der Herzogin Philippine Charlotte, S. 64. Vgl. ThHStAW HMA 27, Bl. 134. Diese Revision wurde u. a. mit den „Zeitumständen“, insbesondere mit dem Kriegszustand begründet. So hatte zum Beispiel die fürstliche Bettmeisterei durch die Anwesenheit der französischen Armeen einen überdimensional hohen Aufwand gehabt. Die Ersparnisse aus der Hofkassenrechnung des Jahres 1806 sollten deshalb zu dessen Tilgung eingesetzt werden. Aber auch die Flucht des Erbprinzenpaares spielte eine Rolle. Ab dem 1. April 1807 sollte deren Etat in Höhe von 12 000 Talern nicht mehr in die Hofkasse fließen, so dass es alle Ausgaben grundsätzlich umzustrukturieren galt. Vgl. ThHStAW HMA 27, Bl. 135. Carl August erließ im April 1807 sofort den Befehl, alle Pensionen aus der Schatulle von Anna Amalia – in Höhe von 2344 Reichstalern – unter die Direktion der Hofkasse zu stellen und ordnungsgemäß auszuzahlen. Die Kammeroberkasse sollte der Hofkasse diese Ausgaben ersetzen – allerdings abzüglich jener Gehälter, die sich durch eine Versetzung erledigen würden. Die Eingliederung einiger Bediensteter verringerte also unmittelbar die Pensionslast, kam aber aus finanzieller Sicht nicht der Hofkasse, sondern der Kammerkasse zu Gute. Die übrigen „kostenlosen“ Arbeitskräfte boten jedoch zweifellos der Hofverwaltung einen geldwerten Vorteil. Vgl. ThHStAW HMA 657, Bl. 1. Johann Caspar Straßburg (1756–1810) und Jonas Gottfried Premßler, der auch weiterhin Hildebrandt von Einsiedel zugeteilt blieb, wechselten als Hoflakaien in die Hoflivreedienerschaft zu Carl August; der Hoflakai Johann Christian Wilhelm Werner wurde zur Prinzessin Caroline Louise versetzt und der Küchenlehrbursche Wilhelm Gottschalk konnte seine Lehre in der Küche des Kernhofes beenden. Vgl. den Weimarer Staatskalender von 1808, S. 156, 157, 167. Vgl. ThHStAW HMA 657, Bl. 6. Vgl. den Weimarer Staatskalender von 1807, S. 45, 169; sowie den Weimarer Staatskalender von 1808, S. 46.

4.3 Anna Amalias Witwenhof mit musischem Profil

231

beiden höchsten männlichen Hofbediensteten Anna Amalias – der Oberhofmeister Hildebrandt von Einsiedel und der Kammerdiener Johann Christian Lieber – profitierten von der anhaltenden Vakanzpolitik der Herzogin Louise und konnten in deren Hofstaat wechseln.347 Das übrige Personal wurde zum sogenannten „nachgelassenen Hofstaat“ zusammengefasst und erhielt die von Anna Amalia testamentarisch gewünschte Pension. Carl August entschied sich aber nur für das nötigste Mindestmaß und ließ den meisten Bediensteten all jene Vergünstigungen ersatzlos entziehen, die sie neben ihrer Geldbesoldung genossen hatten. Während zum Beispiel der Oberhofmeister von Einsiedel und der Kammerdiener Lieber durch ihre Versetzung in andere Hofstaaten sofort eine Wohnstätte im Schloss zugewiesen bekamen, mussten die beiden Hofdamen und die drei Kammerfrauen binnen eines halben Jahres ihr Quartier im Wittumspalais räumen: Louise von Göchhausen (1752–1807), Louise von Stein (1781–1855), Charlotte Pieper, Dorothea Leopoldine Musculus und Charlotte Friederike Krackow wurden zwar mit einer reichlichen Pension bedacht, mussten sich aber „woanders einmiethen“.348 Dergleichen wurde all jenen Bediensteten, die nicht aushilfsweise wirklichen Hofdienst leisten wollten oder konnten, die zusätzlichen Naturalvergütungen, wie zum Beispiel das tägliche Bier und Brot, gestrichen. Bei den flexibel einsetzbaren, niederen Bediensteten band das Hofmarschallamt die Geldbesoldung an individuell verschiedene Arbeitsbedingungen: So sollten der Kammerlakai Joachim Adam Schoppe und der Hausknecht Johann Samuel Schwarz zunächst im Palais wohnen bleiben, um das zum Teil leer geräumte Haus zu bewachen. Schoppe sollte dort zudem auf gute Ordnungen achten und Schwarz diese herstellen. Der alte Kammerlakai Georg Michael Krumbholz sollte ihnen dabei zur Hand gehen, allerdings mit der Auflage, auch im Kernhof Dienst zu leisten, sobald dies verlangt werde. Ähnliches bekam ein Großteil des Personals als vorläufigen Beschluss vom Hofmarschallamt im Mai 1807 mitgeteilt: Sie sollten sich bereithalten, um „im Nothfall am Hofe mithelfen“ zu können.349 Obzwar das Personal der verstorbenen Herzogsmutter nicht sofort in einen regulären Dienst eingegliedert werden konnte, wollte der Weimarer Hof doch nicht auf die zusätzliche Arbeitskraft derer verzichten, die ohnehin bezahlt werden mussten. Gleichwohl wurde es einzelnen Hofbediensteten gestattetet, sich komplett 347

348 349

Diese Wechselmöglichkeit war Zufall. Es ist eher unwahrscheinlich, dass Louise ihre Oberhofmeister- und Kammerdienerstelle vakant ließ, um im Todesfall das Personal ihrer Schwiegermutter aufnehmen zu können. Louises Oberhofmeisterstelle blieb seit 1776 und die Kammerdienerstelle seit 1792 unbesetzt. Anna Amalia war zu dem Zeitpunkt gerade 37 bzw. 53 Jahre alt und erfreute sich bester Kondition. Ein naher Tod war weder absehbar, noch trat er ein. Zu den Vakanzen vgl. den Abschnitt über den Hof der Herzogin Louise. Vgl. ThHStAW HMA 657, Bl. 2,7. Vgl. ebd., Bl. 11–13.

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4. Der Weimarer Hof als vielfältige Einheit mit individuellen Hofprofilen

vom Weimarer Hof zurückzuziehen und eigene Wege zu gehen. So erlaubte Carl August zum Beispiel der Kammerjungfer Juliane Christiana Wilhelmine Kirms (1756–1821) ihre Pension außerhalb des Herzogtums, in Nürnberg „verzehren“ zu dürfen.350 Solche Zugeständnisse wurden jedoch nur jenen Hofbediensteten zuteil, die entweder über besondere Kontakte und Verwandte verfügten oder jenen, für die es auf absehbare Zeit keine adäquate Weiterverwendung zu geben schien. Keiner der nachgelassenen Bediensteten Anna Amalias wurde degradiert oder in einem komplett anderen Tätigkeitsbereich eingesetzt. Aufgrund der kegelförmigen Hofhierarchie, in der es wenige hohe, aber viele niedere Stellen zu besetzten gab, gestaltete sich die Versetzung bzw. Eingliederung in andere Einzelhöfe folglich umso schwieriger, je höher der bisherige Rang und je spezifischer die Tätigkeit, z. B. auf die Bedürfnisse der weiblichen Familienmitglieder der Fürstenfamilie, ausgerichtet war. Die drei Kammerfrauen Anna Amalias blieben lange Zeit von jeglichem Dienst befreit, weil die entsprechenden Stellen bei Louise, Maria Pawlowna und Caroline Louise besetzt waren. Zwei von ihnen konnten die ausgesetzte Pension sogar bis zu ihrem Tode genießen.351 Dies weckte Begehrlichkeiten: In den ersten Monaten und Jahren nach dem Tod Anna Amalias musste sich das Hofmarschallamt mit etlichen Gesuchen des einstigen Hofpersonals auseinandersetzen. Ausnahmslos alle Eingaben erbaten Sonderregelungen, um entweder vom auferlegten Dienst befreit zu werden, oder aber die entzogene, materielle Unterstützung wieder oder weiterhin zu erhalten.352 Besonders nachdrücklich bat die Silberscheuerin Johanna Maria Musch um Erleichterungen, nachdem sie im Oktober 1807 – wohl zu ihrem Schrecken – erfahren hatte, dass sie ab sofort „tägl. des Mittags ingl. wenn große Tafeln wären, in der Herzogl. Scheuerbude mit arbeiten solle“.353 Sie gab an, stark unter Gicht zu leiden, und bat deshalb, „in Rücksicht auf ihre Kränklichkeit“ von der täglichen Arbeit verschont zu bleiben. Zur Bekräftigung legte sie ein Attest des Leibarztes Carl Augusts, Dr. Wilhelm Ernst Christian Huschke, vor, der genau dies bestätigte.354 Das Hofmarschallamt beschloss daraufhin die Silberscheuerin von nasser Arbeit zu befreien. Wenn sie einen vollständigen Dispens haben wolle, müsse sie jedoch den Herzog direkt darum bitten. Als ihr diese Resolution mündlich mitgeteilt wurde, versuchte sich Johanna Maria Musch noch einmal zu entziehen und gab an, nicht aus Faulheit, sondern wegen ihrer Gicht generell nicht arbeiten zu können. Eine entsprechende 350 351

352 353 354

Vgl. ebd., Bl. 22, 26. Nachdem bei der Herzogin schließlich die Kammerfrau Louise Schmidt 1813/15 abging, holte Louise die Schwester ihrer bisherigen ersten Kammerfrau zu sich zurück in ihren Hof. Dorothea Musculus diente daraufhin der Herzogin bis zu deren Tode 1830. Charlotte Pieper und Charlotte Friederike Krackow genossen unbehelligt ihre Pension. Vgl. den Weimarer Staatskalender von 1816, S. 34. Vgl. ThHStAW HMA 657, Bl. 13–22. ThHStAW HMA 656, Bl. 1. Vgl. ebd., Bl. 2.

4.3 Anna Amalias Witwenhof mit musischem Profil

233

Petition an den Herzog blieb allerdings aus. Das Hofmarschallamt zeigte sich demzufolge unnachgiebig: Die Silberscheuerin wurde angewiesen sonntags bei Tafel „und sonst auch in der Woche, wenn Feten am Hofe es verlangten“, mitzuarbeiten.355 Der Fall der Johanna Christiane Wagenknecht zeigt jedoch, dass etwaige Petitionen auch Erfolg haben konnten: Im Mai 1808 erreichte das Hofmarschallamt eine sehr ähnliche Bitte der einstigen Küchenmagd Anna Amalias, die – wie die Silberscheuerin Musch – zwar keine feste Stelle zugewiesen bekommen hatte, aber zeitweise in der Küche des Kernhofes aushelfen sollte. Auch sie verwies auf ihre Kränklichkeit. Die Gicht setze ihr schwer zu, der Gichthusten ließe ihr Tag und Nacht keine Ruhe und dazu verstärke sich zunehmend „eine Blödigkeit der Augen“, so dass sie eine völlige Blindheit befürchte.356 Im Gegensatz zur Silberscheuerin benannte sie allerdings ihre nasse Tätigkeit und ihren ungesunden Arbeitsplatz – d. h. die beständig nassen und kalten Steine am Brunnen, wo die Mägde stets spülten – explizit als Ursache ihrer Gicht und stellte das Hofmarschallamt vor die Wahl, ihr entweder einen neuen Arbeitsplatz zu zuweisen oder ihr zu erlauben, die „ausgesetzte Pension, gleich andern jüngern Personen, die wenige Jahre, die (. . . ) [sie] noch zu leben habe, in Ruhe zu genießen“.357 Johanna Christiane Wagenknecht bemühte damit eine geschickte Argumentation: Zum einen bot sie weiterhin ihre Arbeit an und entkräftete somit gleich den Vorwurf der Faulheit, zum anderen erklärte sie ihren Arbeitsplatz für unzumutbar gesundheitsschädlich – was später durch den Küchenverwalter Heinemann bestätigt wurde358 – und zum dritten erinnerte sie an ihr Alter und an die Ausnahmeregelungen, die bereits für jüngere Dienerinnen getroffen worden seien. Das Hofmarschallamt fand dies offenbar einleuchtend, wies das Gesuch nicht einfach ab, sondern ließ die Sachlage prüfen, um letztlich zu dem Ergebnis zu gelangen, dass eine andere Stelle nicht angeboten werden könne.359 Alle in Frage kommenden Tätigkeiten seien „der Nässe und Erkältung ausgesetzt“. Es würde lediglich das Ausbessern der Wäsche verbleiben, wofür aber das Augenlicht der Küchenmagd nicht hinreiche. Der Fall wurde deshalb Carl August vorgelegt, damit dieser entscheide, ob er „die Gnade der Pension“ gewähren wolle. Der Herzog erließ Johanna Christiane Wagenknecht ihren Hofdienst und veranlasste rückwirkend die Auszahlung der Pension von 48 Talern ab dem 1. Juli 1808.360 Das Bier- und Brotdeputat, das an den wirklichen Hofdienst gebunden war, wurde allerdings gestrichen.361

355 356 357 358 359 360 361

Ebd., Bl. 3r. Vgl. ebd., Bl. 4–5, Zitat Bl. 4v. Ebd. Ebd., Bl. 6. Vgl. bis auf Weiteres ThHStAW HMA 656, Bl. 7r–v und 15r–v (falsch geheftet). Vgl. ebd., Bl. 8–10. Vgl. ebd., Bl. 13.

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4. Der Weimarer Hof als vielfältige Einheit mit individuellen Hofprofilen

Die durchaus vergleichbaren Fälle der Küchenmagd Wagenknecht und der Silberscheuerin Musch verdeutlichen dreierlei: Erstens spielte weder das Alter noch die Dienstdauer für den Einsatz am Weimarer Hof eine Rolle. Es gab keinen festgesetzten Zeitpunkt, ab dem nichtadelige Bedienstete einen Anspruch oder eine erhöhte Chance besaßen, in den bezahlten Ruhestand treten zu können. Selbst der Todesfall der bisherigen Dienstherrin eröffnete keinen derartigen Spielraum. Stattdessen war vielmehr die körperliche Konstitution und die Art der Arbeit, die jeweils verrichtet wurde, ausschlaggebend für die Entscheidung, wer wann vom Dienst befreit wurde. Dementsprechend verfolgte das Weimarer Hofmarschallamt – zweitens – auch keine einheitlichen Richtlinien für den Einsatz der niederen Bediensteten Anna Amalias, sondern entschied von Fall zu Fall anhand des alltäglichen Arbeitskräftebedarfs am Hof und nach den Umständen der Person. Dabei scheinen – drittens – als glaubhaft empfundene, körperliche Beeinträchtigungen, insbesondere solche, die durch einen gesundheitsschädigenden Arbeitsplatz am Hof selbst verursacht wurden, als Grund für einen Dispens akzeptiert worden zu sein. Letztlich lag diese Entscheidung jedoch immer beim Herzog, der wiederum nur jene Fälle befreien konnte, die ihm angetragen bzw. bei denen er um Gnade gebeten wurde. Ein einklagbarer Rechtsraum existierte auch hier nicht. Gleichwohl werden soziale Mechanismen sichtbar: Die von Anna Amalia gewünschten Pensionen wurden nicht um jeden Preis an tatsächliche Arbeit gebunden. Der Weimarer Hof bewegte sich also einerseits zwischen dem Willen, den Fundus an hinterlassener, zwangsläufig zu bezahlender Arbeitskraft nicht brachliegen zu lassen, und andererseits dem Versuch, dem letzten Wunsch der verstorbenen Herzogin, das Personal „schicklich“ zu platzieren, in jeglicher Hinsicht gerecht zu werden. Der Staatskalender verzeichnete bereits 1808 einen deutlich reduzierten, nachgelassenen Hofstaat von 17 Personen. In den folgenden Jahren sollte sich dieser Personalbestand von Jahr zu Jahr verringern: Einige Bedienste konnten in reguläre Stellen übertreten. Etliche verstarben relativ bald nach Anna Amalias Tod.362 Der Großteil der Hinterbliebenen verharrte die folgenden Jahrzehnte aber entweder dauerhaft in einer Art Warteposition auf eine Planstelle oder genoss – nachhaltig befreit von jeglichem Dienst – bis zum Tode die ausgesetzte Pension. Der nachgelassene Hofstaat der Herzogin Anna Amalia blieb deshalb bis 1855 ein jährlicher Posten in den Weimarer Staatskalendern.363 362

363

Louise von Göchhausen verstarb im September 1807, im November der Kammerlakai Joachim Adam Schoppe. Es folgten 1808 Ludwig Fernow, 1810 Johann Caspar Straßburg, Georg Victor Justinian Krumbholz und 1813 Johann Christian Wilhelm Werner. Vgl. KA WE SR SK 1807, f. 74v; KA WE SR SK 1807, f. 80r; KA WE SR SK 1808, f. 109r; KA WE SR SK 1810, f. 156r; KA WE SR SK 1811, f. 191v; KA WE SR SK 1813, f. 261v. Vgl. das Weimarer Staatshandbuch von 1855, S. 54. Darin sind die einstige Hofdame Louise von Stein – zudem Zeitpunkt mittlerweile verwitwete von Ziegesar – und das einstige Laufmädchen Johanna Elisabeth Brückner, geb. Heim aufgeführt.

4.4 Carl Friedrichs Erbprinzenhof

235

4.4 Stufenweise Expansion: Carl Friedrichs Erbprinzenhof Das Herzogtum musste vergleichsweise lange Zeit auf die Geburt eines Erbprinzen hoffen und warten. Die regierende Herzogin Louise trug insgesamt sieben Schwangerschaften aus, von denen jedoch nur vier Kinder ihre Geburt überlebten.364 Nachdem am 3. Februar 1779 morgens um sechs Uhr als erstes ein gesundes Mädchen namens Louise Amalia Auguste geboren wurde,365 dauerte es weitere vier Jahre bis ein männlicher Nachkomme gesund das Licht der Welt erblickte: Erst am 2. Februar 1783 wurde früh um drei Uhr der Erbprinz Carl Friedrich geboren. Das Haus Sachsen-Weimar-Eisenach musste sich also beinah acht Jahre nach der Hochzeit von Louise und Carl August gedulden, bis es sich seines Fortbestandes durch einen legitimen Nachkommen versichert sein konnte. Dementsprechend überschwänglich wurde die Geburt des Erbprinzen gefeiert und mit zahlreichen gedruckten Gedichten, Liedern, Reden wie auch Berichten über die Feiern anlässlich der Geburt und der Taufe bejubelt.366 Personell ließen sich die fürstlichen Eltern allerdings nicht von der Freude über den ersehnten Nachfolger hinreißen, sondern stellten wie bei der ersten Tochter nur einen kleinen Hofstaat von insgesamt drei Personen für die Versorgung des Erbprinzen zusammen. Der männliche Nachwuchs bekam, wie die weiblichen Kinder, traditionsgemäß zunächst nur Frauen zugeteilt, so dass Carl Friedrich in seinen ersten drei Lebensjahren vornehmlich von der verwitweten Kammerfrau Auguste Regine Sophie Jacobi, geb. Kirms (1733–1806)367 sowie von der Garderobenfrau Christiane Umlauf und dem Garderobenmädchen Sophia Magdalena Hoyer umsorgt und bedient wurde. Erstere beiden hatten sich bei der Betreuung der Prinzessin Louise Amalia bereits bewährt und wurden deshalb nach der Geburt des Erbprinzen auch in dessen Hofstaat übernommen. Da zwischen den beiden fürstlichen Kindern ein relativ großer zeitlicher Abstand lag und die Prinzessin Louise Amalia bereits kurz nach ihrem zweiten Geburtstag der standesgemäßen Erziehung zugeführt wurde, kam dieser Wechsel zeitlich überaus passgenau. Die erprobte Kleinkindbe364

365 366 367

Die Totgeburten bzw. die wenige Stunden nach ihrer Geburt verstorbenen Kinder kamen am 10. September 1781 (Mädchen), am 26. Februar 1785 (Junge) und am 13. April 1789 (Junge) zur Welt. Vgl. KA WE TR HK 1781, f. 224; KA WE TR HK 1785, f. 353; KA WE TR HK 1789, f. 72. Laut Joachim Berger war Louise 1784 zweimal schwanger, allerdings findet sich in den Kirchenbüchern kein entsprechender Sterbeeintrag verzeichnet. Vgl. Berger: Anna Amalia, S. 205. Vgl. z. B. in ThHStAW A 30 (Berichte, Fürbitten, Danksagungen etc.). Vgl. eine Zusammenschau dessen z. B. in ThHStAW A 32 und A 33. Auguste Regine Sophie Jacobi, geb. Kirms, starb am 19. November 1806 im Alter von 73 Jahren an Auszehrung. Sie war mit dem Garnisionsmedikus Johann Christian Jacobi verheiratet, der bereits am 30. September 1771 im Alter von 88 Jahren verstorben war. vgl. KA WE SR SK 1771, f. 193v; KA WE SR SK 1806, f. 52r.

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4. Der Weimarer Hof als vielfältige Einheit mit individuellen Hofprofilen

treuung war nicht mehr an das erste Kind gebunden und konnte wieder verpflichtet werden, so dass das Weimarer Fürstenhaus kein neues Personal für die Kinderstube einstellen musste. Als Carl Friedrich schließlich sein viertes Lebensjahr erreicht hatte, wurde sein weiblicher Hofstaat innerhalb kurzer Zeit vollständig durch männliche Angestellte ersetzt. Als erstes wechselte der Lakai Johann Andreas Schröter (Schröder) nach dem überraschenden Tod der Prinzessin Louise Amalia in die Garderobe des Erbprinzen. Im Herbst bzw. Ende 1786 folgten ihm dann der Kammerdiener Tobias Friedrich Hähling (1741–1829) und der Instruktor Cornelius Johann Rudolph Ri(e)del (1759–1821).368 Die weiblichen Angestellten wechselten im Zuge dessen in andere Hofstaaten, zumeist in die der nachfolgenden fürstlichen Kinder.369 Mit diesem raschen Wechsel überging der Weimarer Hof die Berufung einer Aya, d. i. „eine Dame von Adel und guten Einsichten“,370 die gemäß der Zeremonialwissenschaft für einen Prinzen in der Phase zwischen Säuglingszeit und männlicher Erziehung sorgen sollte. Carl Friedrich kam stattdessen frühzeitig unter männliche Obhut und dies sollte auch so bleiben. Bis zu seiner Vermählung stellte ihm sein Vater – genauso wie es das Zeremoniell vorgab – nur noch männliches Personal für seinen Hofstaat ab. 4.4.1 Der bürgerliche Hofstaat des heranwachsenden Erbprinzen Die Auswahl des Instruktors, d. h. des Aufsehers und Erziehers, des Erbprinzen erfolgte maßgeblich auf Goethes Betreiben. Im April 1786 kam der bürgerliche Cornelius Johann Riedel – wahrscheinlich auf Empfehlung von Johann Christian Kestner (1741–1800), dem Ehegatten der einst von Goethe verehrten Charlotte Buff (1753–1828)371 – nach Weimar. Zusammen mit seinem Zögling, dem mecklenburgischen Grafen von Taube, wurde der promovierte Jurist zur Audienz am Hofe vorgelassen und für die Zeit seines Aufenthaltes an die fürstliche Tafel gebeten.372 Dort hinterließ er offenbar einen derart positiven Eindruck, dass Goethe bei dem freundschaftlich verbundenen Kestner im Juni 1786 vertrauliche Erkundigungen über Riedels „Familie, seinen 368

369 370 371

372

Die Übergabe des Erbprinzen unter männliche Aufsicht zog auch weitreichende finanzielle Planungen nach sich. Vgl. dazu z. B. den Kostenplan in ThHStAW HMA 113, Bl. 11– 15. Vgl. den Abschnitt zu den nachgeborenen Fürstenkindern. Moser: Teutsches Hofrecht, Bd. 2, S. 5. An großen Höfen trat die Aya ihren Dienst schon mit der Geburt an. Vgl. Heinrich Düntzer: Goethe und Karl August. Studien zu Goethes Leben. Teil 1: Goethe und Karl August während der ersten fünfzehn Jahre ihrer Verbindung. Leipzig 1861, S. 240. Cornelius Johann Rudolph Riedel war Johann Christian Kestners Schwager. Vgl. die Einträge im Fourierbuch vom 22. bis 25. April 1786. ThHStAW HMA 4535, Bl. 53–55.

4.4 Carl Friedrichs Erbprinzenhof

237

Charakter, seine Schicksale und Aussichten“ mit der Hoffnung einholte, eine Stelle für Riedel „in unserer Gegend“ beschaffen zu können.373 Diese Hoffnung erfüllte sich umgehend: Schon im darauffolgenden Juli ging der Antrag an Riedel, „ob er sich unserem Erbprinzen widmen möchte“.374 Am 5. Oktober 1786 ernannte Carl August den gebürtigen Hamburger schließlich zum Weimarer Landkammerrat und erbprinzlichen Instruktor mit freier Kost und Logis am Hof.375 Am 13. Januar 1787 zog der „für durchl. Erbprinz bestimmte Aufseher und Lehrer Hr. Kammerrat Riedel in das Fürstenhaus ein“.376 Bei dieser Berufung mag Riedels bisherige Tätigkeit als Hofmeister für den Grafen von Taube sicherlich ebenso eine Rolle gespielt haben, wie seine umfassende philosophische und juristische Bildung.377 Wesentlich bedeutender scheint aber Goethes Fürsprache gewesen zu sein. Zumindest fühlte sich der Dichter verpflichtet, Riedel „in seinem schweren Beruf “ unter die Arme zu greifen, als dieser gleich zu Beginn zu scheitern drohte.378 Bei seinen Freunden warb er um entsprechende Unterstützung und bat zum Bespiel schon in den ersten Tagen Charlotte von Stein von Italien aus, Riedel „bey seinem Eintritte in die neue Welt, die ihm wunderbar vorkommen“ werde, behilflich zu sein.379 Wenig später erging die gleiche Bitte um Unterstützung an Christian Gottlob Voigt.380 Riedel hatte aber trotz dieses Beistands offensichtlich Probleme sich zu akklimatisieren, was gegebenenfalls an der ihm nachgesagten „pedantische[n] Steifheit und Härte“ und an dem „gänzlichen Mangel der erforderlichen Geistes- und Gemüthseigenschaften“ lag, die ihn für die Prinzenerziehung untauglich erscheinen ließen.381 Noch ein Jahr später, im November 1788, berichtete Goethe in seinen Briefen an Kestner, dass der frisch gekürte Instruktor zwar „ein sehr guter Mann“ sei und „sich immer besser“ in

373 374 375 376 377

378 379 380 381

Zit. nach Düntzer: Goethe und Karl August. Teil 1, S. 241. J. W. v. Goethe an C. J. R. Riedel, 12. Juli 1786, in: WA, IV. Abt.: Goethes Briefe, Bd. 30, S. 38–39. Vgl. ThHStAW HMA 414, Bl. 20; ThHStAW HMA 113, Bl. 10. Vgl. ThHStAW HMA 4536, Bl. 7r. Riedel studierte von 1779 bis 1783 Rechtswissenschaften und Philosophie in Göttingen. Unter Umständen fiel auch das gutbürgerliche Elternhaus ins Gewicht. Er war der Sohn des Hamburger Senators Rudolph Riedel und Margaretha Riedels, geb. Klesecker. Vgl. Friedrich Gottlieb Klopstock. Werke und Briefe. Historisch-kritische Ausgabe. Hrsg. von Horst Gronemeyer, Elisabeth Höpke-Herberg, Klaus und Rose-Maria Hurlebusch. Abt. Briefe VIII: 1783–1794. Bd. 2: Apparat, Kommentar, Anhang. Berlin 1999, S. 482. Vgl. KA WE TR HK 1794, f. 351r, Nr. 1; KA WE TR HK 1795, f. 441r. Düntzer: Goethe und Karl August. Teil 1, S. 314. J. W. v. Goethe an C. v. Stein, 25.–27. Januar 1787, in: WA, IV. Abt.: Goethes Briefe, Bd. 8, S. 147–151. Vgl. J. W. v. Goethe an C. G. Voigt, 3. Februar 1787, in: ebd., S. 165–167. Bernhard Suphan: Goethe und Herder von 1789–1795. III. Ein Kapitel aus Erinnerungen, in: Preußische Jahrbücher, Bd. 43 (1879), S. 411–436, Zitate S. 427.

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4. Der Weimarer Hof als vielfältige Einheit mit individuellen Hofprofilen

seine Erziehungsaufgabe einfinde, er aber „in mehr als einem Betracht einen schweren Stand“ gehabt habe.382 Der langjährige Kammerdiener des Erbprinzen wurde dagegen umso sorgfältiger ausgesucht. Tobias Friedrich Hähling, der in Jena als Sohn eines Schneidermeisters zur Welt kam, beherrschte vielerlei Fähigkeiten, wie zum Beispiel das Handwerk eines Barbiers, das er als Jüngling bis 1760 erlernt hatte.383 Der entscheidende Beweggrund für seine Verpflichtung am Hof scheint aber sein Studium der Chirurgie an der Straßburger Universität gewesen zu sein. Hähling hatte sich dabei auf praktische Arzneikunde, Accouchement und Frauen- und Kinderkrankheiten spezialisiert und erfolgreich qualifiziert. Nachdem er 1780 nach Jena zurückgekehrt war, nutzte er das dortige Accouchierhaus, um als Gehilfe von Justus Christian Loder (1753–1832) praktische Erfahrungen zu sammeln. Es ist anzunehmen, dass gerade das Expertenwissen um Geburtshilfe und Kinderkrankheiten das Interesse des Herzogs auf sich zog. Bereits 1783, d. h. im Jahr der Geburt Carl Friedrichs, berief Carl August Hähling zum Hofchirurgen. Drei Jahre später wurde er zum Kammerdiener des Erbprinzen ernannt und zog am 4. Dezember 1786 in das Fürstenhaus in die Räume ein, die dem erbprinzlichen Wohnzimmer direkt gegenüber lagen.384 Carl Friedrich war von Beginn an ein eher schwächliches Kind, dessen Gesundheit dem Hof regelmäßig Sorgen bereitete.385 Es war demzufolge überaus weitsichtig, ihm einen gut ausgebildeten Kinderarzt als Kammerdiener an die Seite zu stellen, der sich aufgrund seines Amtes stets in der Nähe des Thronfolgers aufhalten musste.386 Hähling begleitete den Erbprinz bis dieser sein 16. Lebensjahr erreicht und damit die Pubertät weitestgehend überstanden hatte.387 Ab 1789/90 folgte eine weitere personelle, wiederum bürgerliche Verstär382 383 384 385 386

387

J. W. v. Goethe an J. C. Kestner, 10. November 1788, in: WA, IV. Abt.: Goethes Briefe, Bd. 9, S. 53–54. Für alle folgenden Informationen zur Ausbildung Hählings vgl. Karl Gräbner: Tobias Friedrich Hähling, in: Neuer Nekrolog der Deutschen, Jg. 7, Teil 2 (1829), S. 524. Vgl. den Eintrag des Fourierbuches vom 4. Dezember 1786 in ThHStAW HMA 4535, Bl. 160v. Vgl. z. B. Düntzer: Goethe und Karl August, Teil 1, S. 59. Die Verpflichtung eines Chirurgen als Kammerdiener war an sich nichts Ungewöhnliches. Das Besondere an der Berufung Hählings lag aber in dessen Spezialisierung auf die Kinderheilkunde, die sich erst am Ende des 18. Jahrhunderts zunehmend herausbildete. Carl August bewies mit dieser Personalwahl sein medizinisch-aufgeklärtes Wissen bzw. Überzeugung. Vgl. Moser: Teutsches Hofrecht, Bd. 2, S. 212; Wolf Becher: Geschichte der Kinderheilkunde, in: Handbuch der Geschichte der Medizin. begründet von Theodor Puschmann. Hrsg. von Max Neuburger, Julius Pagel. Bd. 3. Jena 1905, S. 982–999 sowie S. 1076. 1799 entschied Carl August, die heilenden Künste seines Hofchirurgen und Kammerdieners anderweitig zum Einsatz zu bringen und ernannte den mittlerweile 58-jährigen Hähling zum Regimentschirurgen – zunächst für die Infanterie, zwei Jahre später für das Scharfschützencorps. Hähling blieb letztlich bis zu seinem Tod 1829 in den Diensten der Weimarer Fürsten. Auf seine Stelle beim Erbprinzen folgte ihm Friedrich Christoph

4.4 Carl Friedrichs Erbprinzenhof

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kung: Auf Vermittlung von Johann Gottfried Herder wurde der Stiftsprediger Johann Christian Schäfer (1765–1801) als zweiter Instruktor an Riedels Seite gestellt.388 Schäfer übernahm in erster Linie den Lateinunterricht des Erbprinzen, während sich Herder selbst der christlichen Erziehung aller fürstlichen Kinder widmete.389 Für Herder gehörte dies zu seiner Funktion als Oberhofprediger, so dass er dafür nicht extra verpflichtet werden musste, Schäfer hingegen wurde mit einer Besoldungszulage in den Hof strukturell fest integriert. Vor dem Hintergrund des etwas bedenklichen Starts des ersten Prinzenerziehers ließe sich der zusätzliche Instruktor als Kontrollinstanz interpretieren. Die familiäre Situation Riedels legt jedoch etwas anderes nahe: Am 11. Januar 1791 durfte der mittlerweile zum Hofmeister aufgestiegene Riedel auf gnädigste Konzession seine langjährige Verlobte Amalia Charlotte Angelika Buff (1765–1848) in Wetzlar heiraten.390 Noch im selben Jahr wurde der erste Sohn, Carl Heinrich Hermann Emil (1791–1837), geboren.391 Später sollten sich zwei weitere Kinder anschließen, eine Tochter namens Carolina Amalia und ein Sohn namens Friedrich Rudolph, für den auch Goethe Pate stand.392 Riedel befand sich also in einer durchaus zwiespältigen Situation: Einerseits war er als Hofmeister verpflichtet, seinen Schützling den ganzen Tag zu betreuen und zu begleiten, andererseits musste er aber auch den Ansprüchen eines jungen Familienvaters und Ehemannes mit eigenem Hausstand gerecht werden. Obwohl diese Konstellation zu erwarten war, erlaubte ihm der Herzog die Eheschließung. Es scheint folglich nicht abwegig, dass Carl August mit Schäfers Neueinstellung Riedel entlasten und zugleich – und das war wohl wesentlich bedeutender – die umfassende Erziehung seines ältesten Sohnes sicherstellen wollte. Diese Zusammensetzung des erbprinzlichen Hofes blieb in den darauffolgenden acht Jahren unverändert und erfuhr erst 1799 eine grundlegende Umstrukturierung. 393 Die beiden Bürgerlichen, der Hofmeister Riedel und der Instruktor Schäfer, quittierten innerhalb dieses Jahres ihren Dienst bei

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389 390 391 392 393

Beinitz, der ehemalige Kammerdiener des Prinzen Carl Bernhard. Vgl. die Weimarer Staatskalender von 1799 bis 1830. Herder schätzte Schäfer sehr und setzte sich nachdrücklich für eine Beförderung zum ersten Hofprediger ein. Vgl. Martin Keßler: Der Theologe unter den Klassikern. Johann Gottfried Herder als Generalsuperintendent von Sachsen-Weimar. Diss. Jena 2006, S. 154. Im Juli 1789 erging bereits eine Order über eine Gehaltszulage in Höhe von 50 Reichstalern für Johann Christian Schäfer wegen seines Beschäftigungszuwachses beim Erbprinzen. Vgl. ThHStAW A 84a, Bl. 2. Vgl. Suphan: Goethe und Herder, S. 427. Riedel war schon seit 1786 mit Amalia Angelika Buff verlobt gewesen. Zur Heirat vgl. KA WE HR HK 1791, f. 417. Die Geburt erfolgte am 27. November 1791. Vgl. KA WE TR HK 1791, f. 236r. Carolina Amalia wurde am 10. März 1794 und Friedrich Rudolph am 28. November 1795 geboren. Vgl. KA WE TR HK 1794, f. 351r; KA WE TR HK 1795, f. 441r. Die beiden niederen Lakaien in der Garderobe, Wilhelm Gottlieb Reichenbecher und Johann Friedrich Hertel, blieben unverändert auf ihren Positionen.

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4. Der Weimarer Hof als vielfältige Einheit mit individuellen Hofprofilen

dem Erbprinzen und machten damit Platz für einen adeligen Oberhofmeister. Carl August beließ seinen Thronfolger also bis zu seinem 16. Lebensjahr dauerhaft unter rein bürgerlicher Obhut, womit er unübersehbar mit der Tradition des adeligen Hofmeisters brach. Die Zeremonialwissenschaft gestand den Regenten bei der Einrichtung der Prinzenhöfe zwar relativ viel Spielraum zu, da es zum Beispiel „kein übereintreffenden Herkommen“ gab, wann genau die weibliche Kleinkindbetreuung durch ausschließlich männliches Erziehungspersonal ausgetauscht werden sollte.394 Allerdings forderte sie nach dem geschlechtsspezifischen Personalwechsel unmissverständlich einen adeligen (Ober-)Hofmeister als standesgemäße Aufsicht und Führung.395 Carl August selbst war nach eben diesen Prinzipien erzogen worden. Seine Mutter Anna Amalia hatte ihm ab dem sechsten Lebensjahr den adeligen Oberaufseher Johann Eustachius Graf von Schlitz gen. Görtz an die Seite gestellt, wobei der Adelsstand bei dieser Wahl seinerzeit ein besonders wichtiges Entscheidungskriterium gewesen war.396 Innerhalb seiner eigenen Generation stand Carl August indes mit seinem Verzicht auf einen adeligen Hofmeister nicht allein. Auch sein Schwager verpflichtete für seinen Thronfolger zunächst kein adeliges Personal. Ludwig von Hessen-Darmstadt (1777–1848) teilte sich jahrelang mit seinem jüngeren Prinzenbruder Georg (1780–1856) einen bürgerlichen Hofmeister, Lehrer, Lakaien und eine Stubenmagd.397 Erst als er 1795 im Alter von knapp 18 Jahren ein Studium398 an der Universität Leipzig begann, bekam er einen eigenen Hofstaat mit dem adeligen Gouverneur Obristleutnant Ernst Freiherr von Baumbach (1759– 1837) zur Verfügung gestellt. Während diese Personalentscheidung im Hause Hessen-Darmstadt allerdings sehr wahrscheinlich zugunsten finanzieller Einsparungen getroffen wurde,399 scheinen bei dem Weimarer Herzog monetäre Beweggründe eher nachrangig gewesen zu sein. Cornelius Riedel bezog nach zwei Besoldungszulagen im Jahr 1795 ein Gehalt in Höhe von 900 Talern aus der herzoglichen Kammerkasse.400 Er erhielt damit exakt die gleiche Besoldung wie der spätere adelige Oberhofmeister des Erbprinzen, Wilhelm von Wolzogen.401 Carl August ließ sich den unstandesgemäßen, bürgerlichen 394 395 396 397 398 399

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401

Moser: Teutsches Hofrecht, Bd. 2, S. 5. Vgl. ebd., S. 11 u. 20. Vgl. Berger: Anna Amalia, S. 114. Vgl. z. B. den Darmstädter Staatskalender von 1793, S. 38. Vgl. z. B. Philipp Walther: Art. Ludwig II., Großherzog von Hessen und bei Rhein (1830– 1848), in: ADB, Bd. 19 (1884), S. 557–559. Vgl. Kollbach: Aufwachsen bei Hof, S. 162f. Grundlegend zur Schuldenlast vgl. Karl Witzel: Friedrich Carl von Moser. Ein Beitrag zur hessen-darmtsädtischen Finanz- und Wirtschaftsgeschichte am Ausgang des 18. Jahrhunderts. Darmstadt 1929. Das Grundgehalt betrug 600 Reichstaler zuzüglich freier Logis am Hof. Am 5. Februar 1794 bekam Riedel eine Gehaltszulage von 100 Talern und am 20. Juni 1795 folgte eine weitere Zulage von 200 Talern. Vgl. ThHStAW A 84a, Bl. 3, 7; ThHStAW Rechnungen 287–317. Vgl. ThHStAW B 25812, Bl. 23 u. 34. Vgl. Kapitel V.

4.4 Carl Friedrichs Erbprinzenhof

241

Hofmeister also genauso viel kosten, wie den späteren standesgemäßen Oberhofmeister, womit sich die Frage nach den Beweggründen umso dringender stellt. Wenngleich Carl August um 1800 zwar nicht der einzige Fürst war, der seinem Sohn lediglich einen Bürgerlichen an die Seite stellte, gehört er doch zu den Ausnahmen. Ein Großteil jener Regenten, die im Reichstag hinter dem Weimarer Herzog auf der weltlichen Fürstenbank saßen, verpflichteten für ihre ersten Söhne wesentlich früher – nicht selten bereits mit dem Abzug der Kleinkindbetreuung – einen adeligen Hofmeister: So konnte zum Beispiel der Erbprinz Wilhelm von Hessen-Kassel (1777–1847) als Zwölfjähriger einen Hofstaat von sechs Personen, darunter ein adeliger Hofmeister und ein Hofkavalier, sein eigen nennen.402 August von Sachsen-Gotha-Altenburg (1772–1822) erhielt seinen Hofmeister Joachim Friedrich Ernst von der Lühe bereits im Alter von sieben Jahren,403 d. h. genau in dem Jahr, als er durch den Tod seines älteren Bruders Ernst (1770–1779) als Thronerbe nachrückte. Der Mecklenburger Erbprinz unterbot diese beiden Häuser sogar, indem er die Erziehung seines ältesten Sohnes, Friedrich Ludwig (1778–1819), bereits ab dessen sechstem Lebensjahr in die Hände des Hofmeisters Hans Friedrich Wilhelm von Lützow legte.404 Gerade Carl Augusts unmittelbare Prestigekonkurrenz wählte also den traditionellen Weg und stattete ihre Nachfolger zeremoniellkonform mit Adeligen aus. Der langjährig bloß bürgerliche Hofstaat des Weimarer Erbprinzen stand folglich bemerkenswert konträr zu Carl Augusts Strategie, seinen Hof als Repräsentationssymbol seines hohen Ranges zu instrumentalisieren. Der Weimarer Herzog begründete bzw. thematisierte an keiner Stelle offensiv diesen Entschluss. Aus seinen Briefen an Herder und Goethe wird allerdings deutlich, dass für ihn die umfassende Ausbildung seines Sohnes eine enorm wichtige Rolle spielte. Die Wahl der Lehrer für seinen Erbprinzen traf Carl August mit Bedacht und Sorgfalt. Jean-Joseph Mounier (1758–1806) nahm er für den Französischunterricht zum Beispiel nicht nur wegen dessen genuinen Fähigkeiten als Muttersprachler in den Blick, sondern weil dieser der Einzige sei, der seine Sprache „wissenschaftlich besitzt“, d. h. lehren könne, wobei er „einen sehr klaren, energischen Vortrag“ pflegen würde.405 Es ist kaum anzunehmen, dass Riedels Verpflichtung seinerzeit nicht ähnlich intensiv überdacht und abgewogen wurde. Die Entscheidung für den 402

403 404 405

Carl Ludwig Freiherr von Dörnberg war als Hofmeister, Ferdinand Freiherr Schwenck zu Schweinsberg (1765–1842) als Hofkavalier für den Erbprinzen angestellt. Letzterer hatte eine höfische Doppelfunktion und wurde zugleich als Hofjunker des Landgrafen Wilhelm IX. geführt. Vgl. z. B. Kasseler Staatskalender von 1789, S. 1–13. Vgl. z. B. W. Daniel Wilson (Hrsg.): Goethes Weimar und die Französische Revolution. Dokumente der Krisenjahre. Köln/Weimar/Wien 2008, S. 728. Vgl. Neues genealogisches Reichs- und Staats-Handbuch auf das Jahr 1784. Zweiter Teil. Frankfurt am Main 1784, S. 140. C. A. v. S-W-E an J. G. Herder, Weimar, 17. Dezember 1797, in: Carl August von Weimar. Ein Leben in Briefen. Hrsg. von Hans Wahl. Weimar 1928, S. 86–88, hier S. 87.

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4. Der Weimarer Hof als vielfältige Einheit mit individuellen Hofprofilen

wissenschaftlich gebildeten, aber bürgerlichen Hofmeister ließe sich dementsprechend als klare Prioritätensetzung erklären: Carl August legte bei seinem Erbprinzen zunächst offenbar mehr Wert auf eine solide Grundausbildung durch Gelehrte, als auf eine standesgemäße Führung durch einen Adeligen. Die traditionelle Repräsentation trat damit in seiner Bedeutsamkeit hinter dem aufgeklärten Bildungsideal zurück. Ohne Zweifel hätte der idealste Hofmeister in einem gelehrten Adeligen bestanden. Goethes Fürsprache für Riedel hatte jedoch unter Umständen eine intensive Suche nach einem geeigneten Kandidaten unnötig erscheinen lassen. Gleichwohl plante Carl August nie einen dauerhaften Bruch mit dem Zeremoniell. Als er zum Jahreswechsel 1797/98 die Zeit gekommen sah, seinen Thronfolger „der beständigen Kinderstubenluft nach und nach zu entziehen“ und „mehr, zumal des Abends, in die Gesellschaft erwachsener Männer zu bringen“,406 verkehrte er seine Personalstrategie ins Gegenteil und begab sich auf die Suche nach einem adeligen Oberhofmeister, den er nur Monate später in der Person Duco van Harens (1747–1801) fand. Der bürgerliche Riedel war also nur für den kindlichen Erbprinzen angedacht. Die Welt der Erwachsenen sollte Carl Friedrich dagegen unter der Führung eines standesgemäßen adeligen Oberhofmeisters betreten. Dass der Weimarer Herzog diesen Plan bereits von Anfang an im Sinn hatte, zeigt die weitsichtige Doppelanstellung Riedels, der zwar vornehmlich „zur Aufsicht über die Erziehung“ des Erbprinzen, aber zugleich auch als Landkammerrat berufen worden war.407 Carl August eröffnete ihm mit dieser simultanen Anstellung und der folgenden Beförderung zum Kammerrat eine Zukunftsperspektive für die Zeit nach dem Dienst als Hofmeister. Riedel nahm dies an und widmete sich ab Sommer 1799 nur noch den Geschäften in der Kammer und in den zahlreichen Kommissionen, in die ihn der Herzog umgehend berief. In den kommenden Jahrzehnten sollte er schließlich erfolgreich bis zum Kammerdirektor aufsteigen.408 Da aber zuvor die Verhandlungen über die Abgangsmodalitäten laut Carl August „sich platterdings nicht in der Güte“ gestalten wollten,409 erwog die Forschung bisher verschiedene Konfliktszenarien, um Riedels Abschied zu begründen. Der Goethe-Biograph Nicholas Boyle zeigte sich zum Beispiel überzeugt, dass Riedels „moralistic and ascetic regime, learnt from Basedow“ zwangsläufig ausgewechselt werden musste, „once the Russian union came into prospect“.410 Die beginnenden Verhandlungen mit dem russischen Zarenhaus hätten also die Verabschiedung des Hofmeisters veranlasst. Die

406 407 408 409 410

Ebd., S. 88. ThHStAW HMA 414, Bl. 20; ThHStAW HMA 113, Bl. 10. Vgl. z. B. die Weimarer Staatskalender von 1799 bis 1817. C. A. v. S-W-E an J. W. v. Goethe, 22. Januar 1799, in: BW Wahl 1, S. 248. Die Höhe der Abfindung für die Thronprinzenerziehung war der Grund für die Differenzen. Nicholas Boyle: Goethe. The Poet and the Age. Volume II: Revolution and Renunciation, 1790–1803. Oxford 2000, S. 651.

4.4 Carl Friedrichs Erbprinzenhof

243

zeitliche Abfolge der Ereignisse spricht jedoch gegen einen maßgeblichen Einfluss der russischen Heiratspläne: Carl August warb erst im März 1799 um eine Eheverbindung zwischen seinem Sohn und Maria Pawlowna.411 Um einen adeligen Oberhofmeister bemühte er sich dagegen schon ein Jahr zuvor. Spätestens seit Herbstanfang 1798 bestand ein entsprechender Kontakt zu Duco van Haren und im November hatte Carl August dessen Zusage.412 Neuste Forschungen zeigen zwar, dass die Eheanbahnung – entgegen der lang bestehenden Forschungsmeinung – nicht von Weimar, sondern von Russland ausging und die Zarin Maria Fjodorowna (1759–1828) bereits im August 1798 den Grafen Wilhelm von Nesselrode (1724–1810) nach Weimar entsandte, um dort „unter einem Vorwand die Qualitäten des Erbprinzen“ prüfen zu lassen.413 Allerdings war dies eine äußerst delikate Mission, deren wirkliche Zielstellung lange Zeit erfolgreich geheim blieb.414 Es ist also nicht anzunehmen, dass Carl August in diesem frühen Stadium der Heiratskandidatenschau vom russischen Zarenhaus eingeweiht worden war. Erst im Dezember 1798 gab es in Weimar tatsächlich Überlegungen über eine entsprechende Allianz.415 Die Gewinnung van Harens konnte folglich ebenso wenig wie die Verabschiedung Riedels durch die russischen Heiratsaussichten motiviert gewesen sein, da jene zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht in Sicht waren. Dagegen scheint es wesentlich plausibler, die Motivation zum Personalwechsel in der standesadäquaten Gestaltung des Hofes zu suchen. Immerhin führte Carl August seinen Sohn schon seit dessen 13. Lebensjahr an das Leben eines erwachsenen Fürsten heran und band ihn schrittweise in die zeremoniellen Repräsentationsmechanismen seines Hofes mit ein: Ende September 1796 erlaubte er Carl Friedrich zum Beispiel zum ersten Mal, mit an der fürstlichen Tafel zu speisen.416 Für den Erbprinzen war dies der Auftakt, um künftig immer mehr regelmäßige, repräsentative Pflichten wahrzunehmen. Während der Woche durfte Carl Friedrich zwar weiterhin an seiner eigenen, kleinen Kindertafel speisen, des Sonntags musste er aber von nun an präsent sein, wenn die fürstliche Familie Cour hielt, von dem anwesenden Adel ihre Aufwartung entgegen nahm und im Zuge dessen ausgewählte Gäste zu Tafel und Konzert lud. Da der Weimarer Herzog dergleichen Veranstaltungen grundsätzlich zeremoniellkonform und zugangsbeschränkt gestaltete, konnte 411 412 413

414 415 416

Vgl. Joachim von Puttkamer: Kulturkontakte und Großmachtinteressen. Russische Heiratspolitik um 1800, in: Ausstellungskatalog Maria Pawlowna, Teil 2, S. 13–18. Vgl. C. A. v. S-W-E an J. W. v. Goethe, 29. November 1798, in: BW Wahl 1, S. 239. Franziska Schedewie: Altesse Imperialissime! Die privaten politischen Briefe Carl Augusts an Maria Pavlovna, 1805–1815, in: Lothar Ehrlich/Georg Schmidt (Hrsg.): Ereignis Weimar-Jena. Gesellschaft und Kultur um 1800 im internationalen Kontext. Köln/ Weimar/Wien 2008, S. 247–262, Zitat S. 251. Vgl. ebd. Vgl. ThHStAW A 164, Bl. 1–8. Vgl. ThHStAW HMA 4545, Bl. 112v.

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4. Der Weimarer Hof als vielfältige Einheit mit individuellen Hofprofilen

der bürgerliche Riedel seinen Schützling nur aufgrund seines Ratsranges, nicht aber als bürgerlicher Hofmeister begleiten.417 Der Fourier vermerkte Cornelius Riedel im Fourierbuch deshalb auch nie als Hofmeister des Erbprinzen, sondern immer ,nur‘ als Kammerrat.418 Daran wird deutlich, dass Carl Augusts Bereitschaft, mit dem Zeremoniell zu brechen, klar begrenzt war. Für die höfische Kinderwelt machte er zwar zugunsten der Bildung eine Ausnahme, in den übrigen Bereichen seines Hoflebens bestand er jedoch auf sozialer Distinktion und war nicht bereit, die vom Zeremoniell geforderte, gebührende Anständigkeit preiszugeben. Mit der steigenden Einbindung Carl Friedrichs wurde es daher auch immer dringlicher, den Thronfolger mit einem standesgemäßen Begleiter auszustatten, der „mithin Krafft seiner Geburt ausser allen Vorwurf seyn (. . . ) [würde,] in den größten Gesellschafften erscheinen zu können“.419 Für diese Dringlichkeit sprechen auch eine ganze Reihe weiterer Maßnahmen, die Carl Friedrich nach und nach aus seinem Kindstatus herauslösten und zu einem vollwertigen, weil zeremoniellkonformen Repräsentanten des Weimarer Fürstenhauses erhoben. So wurde zum Beispiel der Etat seiner Schatulle ab April 1799 schlagartig in etwa verfünffacht und auf 12 000 Reichstaler pro Jahr angehoben.420 Wenige Wochen später hielt der Fourier zudem fest, dass Carl Friedrich nun einen „Pagen einvorallemahl zum Servieren erhalten“ habe.421 Der Erbprinz bekam also auch einen ihm eigens zugeteilten adeligen Bediensteten für die fürstliche Tafel – und zwar genau an jenem Tag, an dem der neue adelige Oberhofmeister seinen Dienst am Weimarer Hof antrat.422 Der lang geplante Personalwechsel stellte dementsprechend nur ein Bruchstück in einer Vielzahl an Maßnahmen zugunsten der sozialen Distinktion des Erbprinzen dar. Cornelius Riedel wurde folglich nicht wegen etwaigen Kontroversen423 oder anderen äußeren Einflüssen, sondern aus zeremoniellen Gründen verabschiedet und durch den adeligen Holländer Duco van Haren ersetzt.424 Letztlich realisierte der Weimarer Herzog bei seinem Erbprinzen also ein zweistufiges Personalmanagement, das auf ganz eigenwillige Weise bürgerli417 418 419 420

421 422 423

424

Zu den Prinzipien und Umsetzung vgl. Freyer: Gewahrter Stand, S. 111–124. Vgl. die Weimarer Fourierbücher von 1796–1799: ThHStAW HMA 4545–4548. Moser: Teutsches Hofrecht, Bd. 2, S. 20. Dies ist letztendlich der Grund, weshalb die Zeremonialwissenschaft den Adelsstand für den (Ober-)Hofmeister forderte. An der Höhe dieses Etats sollte in den nächsten Jahren – auch nach der Verheiratung – nichts geändert werden. Vgl. die jährlichen Zuweisungen der Kammerkasse in ThHStAW Rechnungen 287–317. Vgl. den Eintrag im Fourierbuch vom 24. Juni 1799 in ThHStAW HMA 4548, Bl. 78r. Vgl. ebd. Der Erbprinz pflegte schon seit längerem ein gespanntes Verhältnis zu Riedel, das schließlich in einem Zerwürfnis zwischen dem Erbprinzen und seinem bürgerlichen Hofmeister führte. Vgl. die Anmerkung Nr. 3969 zu dem kurzen Billett von J. W. v. Goethe an J. C. R. Riedel in: WA, IV. Abt.: Goethes Briefe, Bd. 14, S. 244. Auch Schäfer wechselte nach vollbrachter Bildungsarbeit komplett in den Hofstaat des jüngeren Prinzen Carl Bernhard. Vgl. den Weimarer Staatskalender von 1799, S. 97.

4.4 Carl Friedrichs Erbprinzenhof

245

che und hochadelige Werte seiner Zeit miteinander kombinierte. Carl August schnitt seinen Thronfolger als Kind zunächst von der Tradition seiner Familie ab und ließ ihn mit einem ausschließlich bürgerlichen Hofstaat – zumindest theoretisch – aus den Bindungen der traditional-ständischen Gesellschaft heraustreten.425 Er gestand ihm damit den Freiraum zu, sich als Individuum abseits seiner geburtsständischen Pflichten zu entfalten und gegebenenfalls über die eigene (Bildungs-)Leistung zu definieren. Mit Carl Friedrichs Eintritt in das Erwachsenenleben wechselte der Herzog seine Strategie jedoch grundlegend und zog seinen Sohn wieder Stück für Stück in die Bahnen seiner ständischen Zugehörigkeit zurück. Der Wechsel vom bürgerlichen zum adeligen Erzieher bzw. Gesellschafter war zugleich Mittel und Ausdruck dessen. Statt der Bildung zum gelehrten Individuum stand nun die Erziehung zum Haupt der ständisch organisierten Gesellschaft des Herzogtums im Vordergrund. Das Zeremoniell wurde als Garant sozialer Distinktion infolgedessen wieder entscheidungsrelevant und der adelige Stand für das hohe Personal zum obligatorischen Kriterium. Carl August kehrte den Normen und Werten seines hochadeligen Standes also nicht prinzipiell den Rücken, sondern praktizierte mit der Personalpolitik für seinen Thronfolger lediglich einen befristeten Zeremoniellbruch, der letztendlich aber doch eine bemerkenswerte Werteverschiebung hin zu den Idealen der Aufklärung aufzeigt. 4.4.2 Die standesgemäße Begleitung für den unvermählten Jüngling Der Einfluss des ersten adeligen Oberhofmeisters auf den Erbprinzen blieb letztlich äußerst begrenzt und sollte nur etwas über zwei Jahre währen.426 Am Vormittag des 27. Mai 1801 verstarb der 54-jährige Duco van Haren im Fürstenhaus an „Brustwassersucht“.427 Am 29. Mai wurde er in aller Stille beerdigt und am folgenden Morgen mit einer Leichenrede in der Garnisonskirche verabschiedet.428 Seine beiden Töchter, Sara Adel und Anna Johanna Maria, verließen daraufhin Ende August die Residenzstadt und gingen nach Holland

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Vgl. Hans-Werner Hahn/Dieter Hein: Bürgerliche Werte um 1800. Zur Einführung, in: dies. (Hrsg.): Bürgerliche Werte um 1800. Entwurf, Vermittlung, Rezeption. Köln/ Weimar/Wien 2005, S. 9–27, bes. S. 22. Zu den Gründen, weshalb Carl August gerade Duco van Haren für Carl Friedrich ausgesucht hatte, vgl. den Abschnitt zu den Führungspersönlichkeiten. Vgl. KA WE SR SK 1801, f. 179r; ThHStAW HMA 4550, S. 94. Vgl. ThHStAW HMA 4550, S. 95. Kurz zuvor war bereits van Harens Sohn, Jan Poppo André, Oberstleutnant der Kavallerie und Hauptmann „einer Kompanie Gardedragoner im Dienste von Ihro Hochmögendo in Holland“, im Alter von 25 Jahren am 28. Januar 1801 an Auszehrung in Weimar verstorben. Vgl. KA WE SR SK 1801, f. 168r.

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4. Der Weimarer Hof als vielfältige Einheit mit individuellen Hofprofilen

zurück.429 Ihr Bruder, Leutnant Pieter Willem van Haren (1774–1850), tat ihnen gleich und verabschiedete sich im September 1801 nach England.430 Im Juli 1801 wurde der Kammerherr Wilhelm Ernst Friedrich Freiherr von Wolzogen (1762–1809) umgehend zum Nachfolger van Harens bestimmt, jedoch wurde ihm nur der Titel eines Oberhofmeisters verliehen.431 Der Erbprinz hatte dadurch streng genommen keinen wirklichen Oberhofmeister. Dieser Schritt verwundert ein wenig, da der Freiherr den Erbprinzen auf dessen Kavalierstour 1802/03 begleitete und nach der Heirat Carl Friedrichs tatsächlich für einige Jahre die Direktion des Erbprinzenhofes übernehmen sollte, obgleich er auch diese Geschäfte aus formaler Perspektive nicht wirklich, sondern nur kommissarisch im Auftrag versah.432 In Anbetracht der Hochschätzung, die der Weimarer Herzog dem diplomatischen Geschick Wilhelm von Wolzogens entgegenbrachte, scheint diese eigenartige Zwischenposition jedoch mit strategisch weitsichtigem Kalkül gewählt worden zu sein: Carl August ernannte seinen Kammerherrn 1801 nicht nur zum Titular-Oberhofmeister, sondern auch zum wirklichen Mitglied seines Geheimen Konsiliums.433 Von Wolzogen hatte zuvor sein diplomatisches Können bereits unter Beweis gestellt, als er mit dem russischen Zarenhaus erfolgreich die Verheiratung des Erbprinzen verhandelt hatte. Mit der Ermordung von Zar Paul I. am 12. März 1801 waren entsprechende Abmachungen allerdings schlagartig wieder unsicher geworden. Carl August schickte deshalb von Wolzogen Anfang April erneut nach Russland: offiziell, um seine Anteilnahme am Tode des Zaren bekunden und den neuen Zaren Alexander zur Thronbesteigung beglückwünschen zu lassen; inoffiziell aber, um eine Bestätigung bzw. definitive Absicherung des Eheversprechens zu erlangen.434 Inmitten dieser Reise entschied der Weimarer Herzog, Wilhelm von Wolzogen zum Titular-Oberhofmeister seines Sohnes zu ernennen435 – vermutlich mit der Absicht, seinem am Zarenhof weilenden Unterhändler mit dieser Auszeichnung ein hohes Ansehen zu verschaffen, das zugleich eine deutliche Verbindlichkeit und Verantwortung gegenüber dem Erbprinzen 429 430 431 432 433

434 435

Vgl. ThHStAW HMA 4550, S. 148. Vgl. ebd., S. 175. Vgl. ThHStAW B 25812, Bl. 34. Dies wird bereits mit der jeweiligen Betitelung deutlich. Vgl. z. B. den Weimarer Staatskalender von 1805, S. 166. Wilhelm von Wolzogen war zunächst nur Mitglied im Konzil, die Ernennung zum Geheimen Rat mit Sitz und Stimme erfolgte erst im März 1803. Vgl. ThHStAW HMA 416, Bl. 30. Seit Dezember 1801 saß er allerdings bereits „unter dem Pradicat als Oberhofm. [mit] Sitz u. Stimme im Conseil, und gab den Chrn. Schlüssel ab“. Er genoss im Zuge dessen bereits die Privilegien der Geheimräte und wurde z. B. in deren Reihenfolge an die fürstliche Tafel eingeladen. Vgl. ThHStAW HMA 4550, S. 230. Vgl. dazu ausführlich z. B. Detlef Jena: Maria Pawlowna. Großherzogin an Weimars Musenhof. Graz/Wien/Köln 1999, S. 57–98. Wilhelm von Wolzogen kehrte erst am Abend des 23. Novembers 1801 wieder nach Weimar zurück. Vgl. ThHStAW HMA 4550, S. 222.

4.4 Carl Friedrichs Erbprinzenhof

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suggerierte. Dabei ließ sich Carl August allerdings einen bemerkenswerten Spielraum offen: Ein Oberhofmeister hatte die Pflicht stets und ständig den Hof bzw. den Hofstaat zu versorgen. Er konnte also nicht ohne Weiteres, wie z. B. ein Kammerherr, auf diplomatische Missionen verschickt oder für politische Belange des Fürstenhauses eingesetzt werden, da seine ganztägige Anwesenheit am Hof bzw. bei dem jeweilig zu betreuenden Mitglied der Fürstenfamilie erwartet wurde.436 Die Titularvariante war indes von diesen (Anwesenheits-)Pflichten losgelöst, weil nur der Titel, nicht aber der Dienst vergeben wurde. Aus Carl Augusts Entscheidung für eben jene letztere Variante lässt sich also schließen, dass ihm nicht an einer stetigen Einbindung des Freiherrn von Wolzogen in den Hofdienst gelegen war, sondern er eine andere Verwendung für ihn im Blick hatte. Die Tätigkeiten von Wolzogens in den folgenden Jahren zeigen, dass er als Geheimrat immer wieder mit auswärtigen Angelegenheiten des Herzogtums betraut wurde und sich auch in heiklen Situationen im Ausland stets als hervorragender Politiker erwies.437 Die Entscheidung, Wilhelm von Wolzogen bloß den Titel eines Oberhofmeisters zu verleihen, beruhte demzufolge maßgeblich auf Carl Augusts Anerkennung der individuellen Qualitäten des Freiherrn, die ihm sowohl für den auswärtigen Diplomatendienst als auch für den Hofdienst brauchbar erschienen. Da er offensichtlich weder in dem einen, noch in dem anderen Bereich auf die Dienste von Wolzogens verzichten wollte, wählte Carl August eine ungewöhnliche Zwischenstellung, die beide Einsatzmöglichkeiten gestattete. Er verband damit in der Person von Wolzogens die Rolle des Oberhofmeisters mit der des Außenministers und versuchte auf diese Weise dem einzigartigen außenpolitischen Potential des Erbprinzenhofes gerecht zu werden. Angesichts der weiteren turbulenten politischen Entwicklungen438 sollte sich diese Kombination als überaus gelungen erweisen. Der Weimarer Herzog stellte mit der eigentümlichen Verpflichtung des Freiherrn von Wolzogen also unter Beweis, dass er seinen Hof geschickt als Instrument für seine Politik zu nutzen und das mit den jeweiligen Hofämtern verbundene Prestige in all seinen Spielarten gezielt als Kapital einzusetzen wusste. Die tatsächliche Nachfolge des verstorbenen van Harens in der Rolle des standesgemäßen Gesellschafters übernahm sodann auch nicht in erster Linie Wilhelm von Wolzogen, sondern der ehemalige Kasseler Offizier Wilhelm Maximilian Rabe von Pappenheim (1764–1815). Carl August ernannte ihn zum wirklichen Kammerherrn und Major mit freier Kost und Logis und ließ ihn im Januar 1802 seinen Dienst am Hof antreten.439 Von Pappenheim hatte damit nur etwa knapp einen Monat Zeit, um sich am Weimarer Hof einzugewöhnen,

436 437 438 439

Vgl. Moser: Teutsches Hofrecht. Bd. 2, S. 20–21. Vgl. Willy Andreas/Hans Tümmler: Einleitung, in: PB 2, S. 1–24, bes. S. 13–15. Vgl. ebd. Vgl. ThHStAW HMA 123, Bl. 1–6.

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4. Der Weimarer Hof als vielfältige Einheit mit individuellen Hofprofilen

bevor er am 24. Februar mit dem Erbprinzen auf dessen einjährige Bildungsreise bzw. Kavalierstour Richtung Paris aufbrach.440 Vermutlich veranlasste eben diese Reise die Verpflichtung des Freiherrn von Pappenheim, da es auf solchen Touren eine standesgemäße Suite mitzuführen galt, deren Größe sich nach Stand, Rang und Vermögen des Reisenden zu richten hatte.441 Carl Friedrich wurde letztlich von insgesamt elf Personen, inklusive zwei Adeliger, auf seiner großen Reise begleitet: von seinem (Titular-)Oberhofmeister Wilhelm von Wolzogen – der den Erbprinzen allerdings nicht die ganze Zeit begleitete, sondern ihn ab Ende September 1802 aus gesundheitlichen Gründen mit herzoglicher Erlaubnis für eine Kur verließ und etwa zwei Monate vor ihm wieder nach Weimar zurückkehrte442 -, seinem Kammerherrn Wilhelm von Pappenheim, dem Kanzleisekretär Julius Adolph Völkel (1780–1846), den beiden Kammerdienern Friedrich Christoph Beinitz (1759–1819)443 und Johann Gottfried Kämpfer (1764– 1823), dem Jagdlakai Christian Gottlieb Sesemann, den drei Lakaien Wilhelm Gottlieb Reichenbecher (*1774), Heinrich Hecker, Johann Christian Friedrich Kürschner und den beiden Bediensteten für die Kavaliere, Johann Nicolaus Hahn (1761–1818)444 und Friedrich Engelhardt.445 Carl Friedrich nahm also nicht nur seinen kompletten Hofstaat mit auf Reisen, sondern bekam von seinem Vater zusätzlich sieben weitere niedere Bedienstete zur Verfügung gestellt. Der Weimarer Erbprinz konnte auf diese Weise an anderen Höfen mit doppelten Hofpersonal glänzen. Da er im alltäglichen Leben am Weimarer Hofe allerdings mit Sicherheit auch von dem Dienersystem seines Vaters profitierte, ist anzunehmen, dass diese personelle Aufstockung seines Reisehofstaates nicht einer übertriebenen Repräsentation, sondern vielmehr den heimischen Verhältnissen „en miniature“ entsprach.446 Nach seiner Rückkehr Ende März 1803 musste Carl Friedrich diese zu440 441

442

443 444 445 446

Der Fourier bezeichnet von Pappenheim am 22. Januar 1802 sogar explizit als „Gesellschafts-Cavalier“. Vgl. ThHStAW HMA 4551, S. 14. Vgl. Moser: Teutsches Hofrecht, Bd. 2, S. 30–31. Ebenso Mathis Leibetseder: Die Kavalierstour. Adlige Erziehungsreisen im 17. und 18. Jahrhundert. Köln/Weimar/Wien 2004, S. 83–103, bes. S. 102. Der Oberhofmeister von Wolzogen kam am Abend des 30. Januars, der Erbprinz dagegen erst am 20. März 1803 wieder nach Weimar zurück. Vgl. ThHStAW HMA 4552, S. 17 und 50. Von der schlechten gesundheitlichen Verfassung von Wolzogens und den deshalb gefassten Plänen berichten die Briefe seiner Frau, Caroline von Wolzogen (1763– 1847), die ihrem Ehemann auf dessen Wunsch – allerdings zum Verdruss von Carl August und Louise – nach Paris nachgereist war und dort ab Juni 1802 ebenfalls verweilte. Vgl. Charlotte von Schiller und ihre Freunde. Zweiter Band. Hrsg. von Ludwig Urlich. Stuttgart 1962, S. 70–86. Zu den Lebensdaten vgl. KA WE SR SK 1819, f. 208. Zu den Lebensdaten vgl. KA WE SR SK 1818, f. 124. Vgl. ThHStAW HMA 4551, S. 34. Leibetseder geht davon aus, dass die Suiten der auf Reise gehenden Adeligen und Prinzen keine Gegenmodelle zum väterlichen Hof, sondern ein entsprechender Hofstaat en miniatur darstellten. Eine einheitliche feste Richtlinie, wie viele und welche Personen zu

4.4 Carl Friedrichs Erbprinzenhof

249

sätzlichen, nichtadeligen Bediensteten allerdings wieder an seinen Vater abgegeben und abermals die Verhältnismäßigkeiten vor seiner Tour annehmen. Der umfangreiche Reisehofstaat blieb also ein personelles Intermezzo, das zunächst nichts an der prinzipiellen Struktur des heimischen Hofstaats änderte. Wie auch in den Jahren zuvor blieben weiterhin nur vier bis fünf Personen für ihn verpflichtet (vgl. Abb. 4). Diese Zurückstufung entsprach voll und ganz den Vorstellungen der Zeremonialwissenschaft, wonach alle Personen, die extra für Reisen verpflichtet wurden, mit deren Ende auch wieder entlassen werden sollten.447 Letztlich muss jedoch offen bleiben, inwieweit diese Entscheidung tatsächlich zeremoniellen oder vielmehr pragmatischen Überlegungen geschuldet war. Angesichts der bevorstehenden Abreise nach St. Petersburg, wo sich Carl Friedrich laut Ehevertrag mindestens ein Jahr vor der Eheschließung aufhalten sollte, um ein Kennenlernen mit seiner zukünftigen Gattin Maria Pawlowna zu ermöglichen, wäre eine neuerliche Umstrukturierung wenig sinnvoll gewesen.448 Bereits im Spätsommer 1803 begab sich der Erbprinz erneut auf eine lange Reise, von der er erst im November des folgenden Jahres als verheirateter Mann heimkehren sollte. Im Vergleich mit den Hofstaaten anderer unverheirateter Erbprinzen verfügte Carl Friedrich mit seinen vier bis fünf eigenen Bediensteten zwar über keine herausragende, aber doch besondere personelle Ausstattung. Viele deutsche Erbprinzen besaßen bis zu ihrem Erwachsenenalter kein eigenes Personal, sondern mussten sich ihre Hofbediensteten mit ihren jüngeren Brüdern teilen. Dieses Schicksal traf nicht nur Carl Friedrichs Cousin, Ludwig von Hessen-Darmstadt, sondern zum Beispiel auch den Erbprinzen August von Sachsen-Gotha-Altenburg, der bis zu seinem 22. Lebensjahr mit einem gemeinschaftlichen Hofstaat mit seinem Bruder Friedrich IV. (1774–1825) auskommen musste. Nachdem der Erbprinz August seinen 20. Geburtstag gefeiert hatte, wurde zwar bereits die Anzahl der Bediensteten erhöht, aber erst als auch Friedrich IV. das 20. Lebensjahr 1794 erreicht hatte, durften die Gothaer Prinzenbrüder einen getrennten, jeweils eigenen Hofstaat unterhalten.449 Der Weimarer Erbprinz besaß dagegen von Geburt an sein eigenes Personal, wenngleich auch einige seiner späteren männlichen Bediensteten parallel im Kernhof oder zivilen Institutionen seines Vaters dienten.450 Der

447 448 449 450

einer Suite gehören sollten, gab es dementsprechend nicht. Vgl. Leibetseder: Kavalierstour, S. 102. Vgl. Moser: Teutsches Hofrecht, Bd. 2, S. 35. Zum Ehevertrag ausführlich Jena: Maria Pawlowna, S. 27–57. Vgl. die Gothaer Staatskalender von 1774 bis 1795. Es befanden sich acht der insgesamt 15 Hofbediensteten des ledigen Carl Friedrichs in parallelen Anstellungsverhältnissen: Die Garderobenfrau Christiane Umlauf war zugleich als Garderobenfrau bei Carl August angestellt, die beiden Garderobenlakaien Johann Friedrich Härtel (Hertel) und Johann Andreas Schröter (Schröder) gehörten jeweils zu Carl Augusts Hoflivreedienerschaft und der Kammerdiener Tobias Friedrich Hähling war parallel Carl Augusts Hofchirurg. Der Instruktor und spätere Hofmeister

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4. Der Weimarer Hof als vielfältige Einheit mit individuellen Hofprofilen

Grund, weshalb Carl August seinem ältesten Sohn einen eigenen Hofstaat zugestand, erhellt sich aus dem Vergleich mit dem Kasseler Hof, wo der Erbprinz Wilhelm ebenfalls über einen eigenen Hofstaat verfügte: Nachdem dessen fünf Jahre älterer Bruder und eigentliche Erbprinz Friedrich von Hessen-Kassel (1772–1784) verstorben war, besaß Wilhelm nur noch Schwestern; eine Fusion mit deren Hofstaat war aufgrund der Geschlechterdifferenz nicht möglich, so dass er einen alleinigen Hofstaat haben durfte bzw. musste.451 Eine ähnliche Situation findet sich in Weimar. Carl Friedrich hatte zwar zwei fürstliche Geschwister, allerdings waren diese in Alter und Geschlecht für einen gemeinsamen Hofstaat ungeeignet. Prinzessin Caroline Louise war zwar nur drei jünger, benötigte aber aufgrund ihres Geschlechts eine andere Bedienung. Als dann etliche Jahre später der jüngste Weimarer Prinz, Carl Bernhard, geboren wurde, war der Erbprinz bereits neun Jahre alt. Während die Söhne am Darmstädter und Gothaer Hof im Abstand von drei bzw. zwei Jahren auf die Welt kamen und sich dadurch eine gemeinsame Betreuung, Erziehung und Bedienung anbot, war dies in Weimar aufgrund des großen Altersunterschiedes und den damit einhergehenden völlig unterschiedlichen Bedürfnissen nicht mehr möglich. Die Entscheidung, ob ein Erbprinz oder Prinz einen eigenen Hofstaat zugestanden bekam oder nicht, richtete sich also offensichtlich weniger nach der Willkür des Fürsten, als vielmehr nach der Geburtenreihenfolge und dem Geschlecht der fürstlichen Kinder. Der eigene Hofstaat des Weimarer Erbprinzen war demnach zwar an sich etwas Besonderes. Er lässt sich jedoch nicht als intendierte Besonderheit oder Distinguiertheit interpretieren, da er eher der Naturgewalt als einer gezielten Repräsentation bzw. Funktionalisierung geschuldet war. Die Ankunft der Zarentochter Maria Pawlowna sollte dies grundlegend ändern. Mit der Vermählung von Carl Friedrich und der russischen Großfürstin 1804 erfuhr der erbprinzliche Hof in Weimar eine erneute, umfassende personelle und strukturelle Umgestaltung, die nun in erster Linie der kaiserlichen Herkunft der Erbprinzessin gerecht werden musste. Eine derart enorme Erweiterung des Hofpersonals passte voll und ganz in Carl Augusts Konzept der repräsentativen Funktionalisierung seines Hofes und wurde von ihm bereits anvisiert, als die Verbindung mit dem russischen Zarenhaus noch gar nicht in Aussicht stand. Carl August fasste nämlich schon etliche Jahre zuvor andere Heiratsallianzen für seinen ältesten Sohn ins Auge, die ein eindrucksvolles Zeugnis von dem Selbstbewusstsein und der Selbstverortung des Weimarer Herzogs im politischen Gefüge des Alten Reiches liefern und die Entwick-

451

Cornelius Johann Rudolph Riedel war noch in der Kammer tätig und der Instruktor Johann Christian Schäfer weiterhin als Stiftsprediger in der Stadt- und Pfarrkirche St. Peter und Paul. Von den höheren Bediensteten gehörte der Kammerherr Wilhelm Freiherr von Pappenheim nicht nur zum Erbprinzen, sondern auch zum Herzog. Wilhelm von Wolzogen war Mitglied des Geheimen Konzils. Vgl. die Kasseler Staatskalender von 1784 bis 1786.

4.4 Carl Friedrichs Erbprinzenhof

251

lung des Weimarer Erbprinzenhofes bzw. des gesamten Fürstenhauses in eine andere Richtung hätte lenken können. 4.4.3 Exkurs: Carl Augusts Heiratsprojekte für seinen Thronfolger Als Carl Friedrich kurz vor der Vollendung seines elften Lebensjahres stand, ließ sein Vater die Chancen einer Verbindung seines Sohnes mit der etwa gleichaltrigen, kursächsischen Prinzessin Maria Augusta (1782–1863) über seinen Kammerpräsidenten Johann Christoph Schmidt (1727–1807) ausloten.452 Schmidt pflegte freundschaftliche Beziehungen zu dem Geheimen Kriegsrat Carl Wilhelm Müller (1728–1801) in Leipzig, der seinerseits mit dem Dresdner Minister und engen Vertrauten des sächsischen Kurfürsten, Christian Gotthelf Freiherr von Gutschmidt (1721–1798), verschwägert war.453 Carl August wusste um diese Verbindungen und gedachte sie zu nutzen, indem er seinen Geheimrat Schmidt bat, „in der Stille vernehmen [zu] lassen“, inwieweit eine Heiratsverbindung am Dresdner Hof für „ausführbar“ gehalten werde.454 In Anbetracht der familiären Situation des kursächsischen Hauses scheint die eindeutige Absicht von Carl August beinahe makaber formuliert, wenn er Schmidt erinnert, „wie sehr immerfort [seine] (. . . ) Wünsche auf eine nähere Verbindung mit dem Sächsischen Churhauße gerichtet gewesen“ seien.455 Immerhin konnte Kurfürst Friedrich August von Sachsen keine legitimen männlichen Nachkommen vorweisen. Mit seiner Gattin hatte er zwar mehrere Kinder gezeugt, allerdings überlebte allein die von Carl August anvisierte Prinzessin Maria Augusta. Die anderen drei Kinder verstarben während oder kurz nach der Geburt. Ein ähnliches Schicksal war den Brüdern des Kurfürsten beschieden. Anton von Sachsen (1755–1836), der dann tatsächlich 1827 die Königskrone übernahm, blieb in erster Ehe kinderlos. In seiner zweiten Ehe mit Maria Theresia von Österreich starben ausnahmslos alle Kinder ebenfalls kurz nach der Geburt. Allein die Ehe von Maximilian von Sachsen (1759–1838) erwies sich fruchtbarer, wenngleich auch hier lange Zeit dynastisch erfolglos, weil zunächst nur Töchter geboren wurden. Erst 1797 konnte das kursächsische Haus seine Hoffnungen auf dessen Sohn, den späteren König Friedrich August II. (1797–1854), richten. Zum Zeitpunkt der Heiratsanfrage aus Weimar 1794 standen dem kursächsischen Haus jedoch noch keine männlichen Nachfolger zur Verfügung. Die albertinische Linie 452 453 454 455

Vgl. dazu die erhaltene Korrespondenz in ThHStAW HA Carl August, A XIX 166. Vgl. Horst Schlechte: Art. Gutschmid, Christian Gotthelf Freiherr von, in: NDB, Bd. 7 (1966), S. 349–350. C. A. v. S-W-E an J. C. Schmidt, Konzept, in: ThHStAW HA Carl August, A XIX 166, Bl. 4r. Ebd.

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4. Der Weimarer Hof als vielfältige Einheit mit individuellen Hofprofilen

war damit direkt vom Aussterben bedroht und Carl August durfte sich als Herzog der ältesten ernestinischen Linie berechtigte Hoffnungen auf ein spektakuläres Erbe machen: zum einen lag die (Rück-)Gewinnung der Kurwürde, zum anderen die Vereinigung der albertinischen und ernestinischen Gebiete zum Greifen nahe. Carl August zeigte sich also mit gutem Grund gegenüber seinem Geheimrat Schmidt von der Aussicht auf „das Glück einer solchen Familienvereinigung“ stark beeindruckt.456 Indes war die Erbfolge innerhalb des sächsischen Hauses aber nicht derart eindeutig geregelt, dass Carl August tatenlos auf die Unfruchtbarkeit seiner kurfürstlichen Verwandten spekulieren und deren Aussterben hätte abwarten können. Denn während die Kurwürde und die eigentlichen Kurlande457 mit großer Sicherheit an die Weimarer Linie übertragen worden wären, gestalteten sich die Ansprüche auf den Großteil des albertinischen Territoriums durch verschiedene Verträge durchaus zwiespältig.458 Im ungünstigsten Falle drohten nicht nur die gesamte Lausitz an Österreich zurückzufallen, da sie ursprünglich als Lehen vom König von Böhmen an den sächsischen Kurfürsten verliehen wurde, sondern auch der Hauptteil der albertinischen Lande an die Gothaer Linie, genauer an die Meininger Herzöge überzugehen, da diese dem Grade nach am nächsten mit den Albertinern verwandt waren.459 Ältere Forschungen haben bereits aufgezeigt, dass diese unsichere Rechtslage den Weimarer Gremien wie auch dem Fürsten bekannt und Gegenstand diverser diplomatischer Unterhandlungen war. Schon 1790 versuchte Carl August die Spannungen zwischen Österreich und Preußen für seine dynastischen Pläne zu nutzen. Im April 1790 schickte er seinen Geheimen Regierungsrat Christian Gottlob Voigt unter dem Vorwand einer Privatreise nach Berlin und ließ ihn bei dem dortigen Kabinettsminister Ewald Friedrich Graf von Hertzberg (1725–1795) im Geheimen um die ungeteilte Sukzession des sächsischen Kurfürstentums im Erbfalle bitten.460 Preußen sollte sich also der Weimarer Wünsche annehmen und Österreich in den Verhandlungen das Lausitzer Lehen abgewinnen. Dieser geradezu tollkühn anmutende Plan scheiterte aber relativ bald, da Preußen signalisierte, in erster Linie seine eigenen Interessen vertreten zu wollen.461 456 457 458

459 460 461

Ebd., Bl. 3v. Die Kurlande umfassten hauptsächlich den Kurkreis Wittenberg. Die entscheidenden Regelungen waren in dem Leipziger Teilungsvertrag von 1485, dem Naumburger Beirezess von 1554, dem Prager Vertrag von 1635, dem Altenburger Vertrag von 1672 und schließlich im Römhilder Rezess von 1791 festgesetzt. Das grundsätzliche Problem ergab sich aus der 1652 für das gesamte sächsische Kurfürstentum erlassenen Primogeniturordnung, der die ernestinischen Agnaten einst nicht zugestimmt hatten. Vgl. Fritz Tröbs: Die weimarische Erbfolgepolitik in der Zeit Karl Augusts. Jena 1931, S. 1–7. Tröbs: Erbfolgepolitik, S. 6. Vgl. ebd., S. 7–13. Die Kollision der Großmächte endete letztlich mit der Reichenbacher Konvention vom 27. Juli 1790.

4.4 Carl Friedrichs Erbprinzenhof

253

Trotz dieses Rückschlages wich Carl August nicht von seinen Bemühungen um das unverkürzte Erbe ab. Zwar meint die ältere Forschung, für die Zeit zwischen 1790 und 1823 keine Erbfolgebestrebungen ausmachen zu können.462 Und auch die jüngste Forschung zu den Heiratsallianzen der Wettiner übersieht die weitreichenden Ambitionen des Weimarer Herzogs im Januar 1794.463 Dennoch lassen sich die Bemühungen um die Hand der kursächsischen Prinzessin schwerlich anders deuten, als das erneute Ringen um eine ungeteilte Übernahme der albertinischen Lande. Eine eheliche Verbindung des Weimarer Erbprinzen mit der einzigen Tochter des sächsischen Kurfürsten bzw. die Nachkommen einer solchen Verbindung hätte ein geteiltes Erbszenario zweifellos verhindert und den umfassenden Erbanspruch der Weimarer fest begründet. Carl August war es dementsprechend auch bewusst, welche diplomatische Sprengkraft sich mit einem Vorstoß von Weimarer Seite verband. Er versäumte es daher 1794 nicht, seinen Geheimrat auf die „Güte der Absicht“ zu verweisen und von beiden Seiten diskrete, vertrauliche Erkundigungen im mündlichen Gespräch anzumahnen, wenngleich er eigentlich ausdrücklich auf Schmidts „Klugheit und Einsicht ohne weitere besondere Instruction“ vertrauen wollte.464 Im Nachhinein scheinen etwaige Erinnerungen unnötig, da auch die kursächsischen Vertreter, Kriegsrat Müller und Minister von Gutschmidt, überaus vorsichtig reagierten, ihre Briefe jeweils wieder zurückforderten465 und darauf drangen, dass „die Sache und das Vertrauen auf so wenig Personen, als möglich ist, eingeschränckt bleiben“ müsse.466 Die Brisanz, die sich mit der Sondierung im Jahre 1794 verband, stand demnach allen Beteiligten deutlich vor Augen. Letztlich verblieb es allerdings bei einem ersten Vortasten der Weimarer, das der Dresdner Minister von Gutschmidt wohlwollend, aber doch hinhaltend beantwortete: Aus aktueller Perspektive gäbe es die berechtigte Hoffnung, dass der Weimarer Erbprinz Carl Friedrich sowohl die Hand als auch das Herz der kursächsischen Prinzessin „verdienen und beydes erhalten“ und durch deren „Besitz auf das Land, das ein solcher Prinz künftig zu regieren haben möchte, den wohlthätigsten Einfluß haben“ werde.467 In An462 463

464 465 466 467

Dies behauptet explizit Fritz Tröbs. Vgl. ebd., S. 14–16. Die neusten Forschungen zur Dynastiepolitik der Ernestiner bietet die grundsätzlich gut recherchierte Dissertation von Anne-Simone Knöfel. Sie übersieht jedoch bei ihrer Weimarer Archivrecherche den Briefwechsel aus dem Jahr 1794 und geht davon aus, dass eine entsprechende Eheanbahnung lediglich ein Gerücht gewesen sei, wie es spätere Briefwechsel von 1804 nahelegen. Vgl. Anne-Simone Knöfel: Dynastie und Prestige. Die Heiratspolitik der Wettiner. Köln/Weimar/Wien 2009, S. 381, 513. C. A. v. S-W-E an J. C. Schmidt, Konzept, in: ThHStAW HA Carl August, A XIX 166, Bl. 4r. Vgl. J. C. Müller an C. G. Gutschmidt, Leipzig, 24. Januar 1794, in: ebd., Bl. 12r. Vgl. C. G. Gutschmidt an J. C. Müller, Leipzig, 21. Januar 1794, in: ebd., Bl. 12v. Ebd., Bl. 12v. Unterstreichungen wurden aus dem Original übernommen.

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4. Der Weimarer Hof als vielfältige Einheit mit individuellen Hofprofilen

betracht der noch jungen Jahre der Prinzessin sei es jedoch besser, noch einige Zeit zu warten. Im Moment seien Unterhandlungen nicht nur unangemessen, sondern mit großer Wahrscheinlichkeit auch wirkungslos. Der Kurfürst wäre wohl bereits des Öfteren mit Heiratsprojekten für seine Tochter konfrontiert worden, habe aber bisher stets ablehnend mit der Begründung reagiert, dass er der Prinzessin bei ihrer Vermählung ein Mitspracherecht einräumen und niemals eine Heirat „mit Widerspruch ihres Herzens bewilligen“ wolle.468 Eine solche Entscheidung sei ihr im jetzigen Alter aber noch nicht möglich. Carl August beherzigte den Rat von Gutschmidts und verzichtete zunächst auf weitere Schritte, weil er selbst einsah, dass „die Zeit noch entfernt ist, wo die wirkliche Ausführung der Verbindung anstünde“.469 Dennoch gab Carl August das Projekt wohl nie ganz auf, sondern hielt sich die Option der endogamen Heirat mit den Albertinern als Alternative offen. Das legen zumindest die Gerüchte nahe, die im Reich kursierten, als die Unterhandlungen mit dem russischen Herrscherhaus bereits weit gediehen waren. So meldete der preußische Diplomat Carl Christian von Brockenhausen (1766–1829) im Juni 1804 an sein Kabinettministerium in Berlin, dass der Weimarer Herzog in Dresden über die Verheiratung seines Erbprinzen mit der einzigen Tochter des Kurfürsten im Geheimen verhandle, da die russische Heirat fraglich geworden sei.470 Das Kabinettministerium zog diese Meldung in Anbetracht der bereits in die Wege geleiteten Zusammenstellung des Hofstaates für Maria Pawlowna jedoch stark in Zweifel.471 Gleichwohl scheint das von Brockenhausen weiter getragene Gerücht nicht jeglicher Grundlage entbehrt zu haben. Immerhin hatte sich Carl August etliche Jahre zuvor tatsächlich schon einmal über die Chancen einer etwaigen Heirat informiert. Bemerkenswerte Details sprechen zudem dafür, dass der Weimarer Herzog parallel zu den Verhandlungen mit der Zarenfamilie sein Interesse auch in Dresden erneut bekundet hatte. So glaubte der preußische Diplomat zu wissen, Carl August wäre bereit gewesen, die jüngeren Kinder der Ehe im katholischen Glauben erziehen zu lassen. Zudem ließ sich von Brockenhausen selbst nach der skeptischen Antwort seitens des Berliner Ministeriums nicht davon abbringen, dass es zumindest zeitweilig ernsthafte Unterhandlungen gegeben haben müsse, da sich die kursächsische Prinzessin Maria Augusta von dem Weimarer Erbprinzen bei dessen letzten Besuch sehr beeindruckt gezeigt

468 469 470 471

Ebd., Bl. 13r. C. A. v. S-W-E an J. C. Schmidt, Konzept, in: ThHStAW HA Carl August, A XIX 166, Bl. 3r–3v. Vgl. C. C. von Brockenhausen an das Geheimministerium in Berlin, 22. Juni 1804, in: PB 2, S. 272. Vgl. ebd., S. 273. In Berlin war bekannt, dass die Gräfin Ottilie Henckel von Donnersmarck – die Witwe des verstorbenen preußischen Generalmajors Viktor Amadeus Henckel von Donnersmarck – bereits als Oberhofmeisterin für Maria Pawlowna verpflichtet worden war.

4.4 Carl Friedrichs Erbprinzenhof

255

habe.472 Letzteres wiegt umso schwerer vor dem Hintergrund des geheimen Briefwechsels von 1794, in dem der Minister von Gutschmidt eben dieses Interesse der Prinzessin zur prinzipiellen Bedingung einer Heirat erhoben hatte. Es ist nicht auszuschließen, dass der sächsische Kurfürst tatsächlich die Ansicht vertrat, eine Ehe für seine Tochter nicht ohne deren Willen und Neigung schließen zu wollen. Carl August hätte folglich gute Chancen gehabt, über sein einst gewünschtes Heiratsprojekt erfolgreich zu verhandeln. Möglicherweise wurde dieses Mal eine Anbahnung der Ehe sogar von Dresdner Seite initiiert. Die Meldungen des Diplomaten scheinen im Grunde also durchaus glaubhaft, auch wenn deren zeitliche Einordnung mit Sicherheit widersinnig war. Entsprechende Unterhandlungen müssten sich bereits etliche Monate, wenn nicht gar Jahre vor der russischen Verlobung zu Beginn des Jahres 1804 bzw. vor dem erneuten Vertragsabschluss mit dem neuen Zaren Alexander I. im Sommer 1801 abgespielt haben. In Anbetracht der bereits 1794 angemahnten strengen Geheimhaltungspolitik beider Seiten scheint ein solches Unterfangen jedoch nicht unwahrscheinlich. Bekanntermaßen kam die Heirat des Weimarer Erbprinzen mit der russischen Zarentochter Maria Pawlowna trotz gegensätzlicher Gerüchte zustande, wogegen die kursächsische Prinzessin Maria Augusta ihr Leben lang unverheiratet blieb. Beide Eheprojekte – sowohl das angestrebte mit Kursachsen, als auch das realisierte mit Russland – machen dennoch deutlich, in welcher günstigen Position sich Carl August selbst wähnte. Als Weimarer Herzog sah er sich offensichtlich in der Lage, für seinen männlichen Nachfolger eine Heiratsallianz über seinem Stand, d. h. mit den Töchtern kurfürstlicher bzw. königlicher und kaiserlicher Familien, anvisieren zu können. Damit erwartete er von den überfürstlichen473 Häuptern, dass sie sich auf eine Messaillance zu ungunsten der Braut einließen und eine ständische Degradierung ihrer Töchter billigend in Kauf nahmen. Unter den Ernestinern gelang dies vor Carl August allein Ernst Friedrich III. Carl von Sachsen-Hildburghausen (1727–1780), der am 1. Oktober 1749 Louise von Dänemark (1726–1756) heiratete, die einzige Tochter des dänischen Königs Christian VI. und dessen Gemahlin Sophie Magdalene von Brandenburg-Kulmbach. Alle übrigen ernestinischen Ehefrauen stammten ausschließlich aus (reichs-)fürstlichen oder gar unterfürstlichen Familien.474 Zwar war es nicht ungewöhnlich, dass überfürstliche Töchter als strategisches Kapital in (reichs-)fürstliche Häuser herab verheiratet wurden. Allerdings zeigten sich zum Beispiel die Albertiner bei der Wahl der Ehemänner für ihre Töchter seit ihrem Aufstieg in den Reigen der gekrönten Häupter Europas am Ende des 17. Jahrhunderts überaus standesbewusst. Die 472 473 474

Vgl. ebd., insbes. Anm. 1. Der Begriff stammt von Anne-Simone Knöfel und bezeichnet die Gruppe der Kurfürsten, Könige und Kaiser bzw. Zaren. Vgl. dies: Heiratspolitik, z. B. S. 45, 66, 431, 498. Eine entsprechende Übersicht findet sich ebd., S. 499f.

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4. Der Weimarer Hof als vielfältige Einheit mit individuellen Hofprofilen

albertinischen Prinzessinnen wurden entweder in überfürstliche Häuser, d. h. zum Beispiel an den König von Spanien, den Kurfürsten von Bayern und den Dauphin von Frankreich vermittelt, oder aber blieben unverheiratet.475 Allein die kurfürstliche Prinzessin Maria Amalie (1757–1831) bildete eine Ausnahme, da sie unter ihrem Stand, wenngleich doch an den ranghöchsten weltlichen Fürsten, Karl III. August Christian Herzog von Pfalz-ZweibrückenBirkenfeld (1746–1795), vermählt wurde.476 Carl August ließ sich von dieser unübersehbar elitären Heiratsstrategie nicht abschrecken, da er seine Position offenbar nicht viel geringer als die des Pfälzers erachtete, was – zumindest aus zeremonieller Perspektive – von einer durchaus realen Einschätzung seines Ranges zeugt. Auf der weltlichen Fürstenbank des Reichstages saß zum Ende des 18. Jahrhunderts nur noch ein Fürst vor Sachsen-Weimar-Eisenach: der Herzog von Pfalz-Zweibrücken. Mit dem Tod des bayrischen Kurfürsten Carl Theodor im Februar 1799 ging dieses Geschlecht der Pfälzer im bayrischen Kurfürstenhaus auf und Carl August rückte infolgedessen als Herzog von Sachsen-Weimar-Eisenach zum ranghöchsten weltlichen Fürsten auf. Vielleicht war es kein Zufall, dass er seinen Kammerherrn von Wolzogen exakt einen Monat nach dem Tod des Pfälzer Herzogs nach St. Petersburg schickte, um bei dem Zaren um die Hand Maria Pawlownas für Carl Friedrich bitten zu lassen. Auf jeden Fall kann und muss der immer noch weit verbreiteten Ansicht widersprochen werden, dass das Weimarer Fürstenhaus um 1800 „nahezu im Stadium der Bedeutungslosigkeit“ versunken und deshalb zum Beispiel die gesuchte Verbindung mit dem sächsischen Kurfürsten oder aber der „Gedanke, eine so enge verwandtschaftliche Beziehung zur Zarenfamilie zu suchen, (. . . ) vermessen, fast tolldreist“ gewesen wäre.477 Aus zeremonieller Perspektive stand Carl August in der Tradition eines hoch angesehenen, altehrwürdigen 475

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Maria Amalia (1724–1760) ehelichte Karl, Herzog von Parma und Piacenza, König von Spanien, Neapel und Sizilien; Maria Anna (1728–1797) wurde mit Maximilian III. Joseph, Kurfürst von Bayern verheiratet und Maria Josepha (1731–1767) ging die Ehe mit Ludwig Ferdinand, Dauphin von Frankreich ein. Unverheiratet blieben dagegen: Maria Margareta (1727–1734), Maria Christina (1735–1782), Maria Elisabeth (1736–1818) und Maria Kunigunde (1740–1826). Maria Kunigunde wurde Kanonisse zu Münsterbilsen und Fürstäbtissin von Thorn und Essen und Maria Christina Fürstäbtissin in Remiremont. Vgl. Detlev Schwennicke: Europäische Stammtafeln. Neue Folge. Bd. I, 1, 2. verbesserte Auflage. Frankfurt a. M. 2005, Tafel 168. Mit dieser Heirat wurde die bereits bestehende Familienallianz zwischen dem sächsischen Kurfürstenhaus und den Pfalzgrafen weiter gefestigt: Karl III. August Christian Herzog von Pfalz-Zweibrücken-Birkenfeld war der Bruder der Kurfürstin Maria Amalie Auguste (1752–1828). Prinzessin Maria Amalie ehelichte 1774 also den Bruder ihrer Schwägerin. Klaus Günzel: Das Weimarer Fürstenhaus. Eine Dynastie schreibt Kulturgeschichte. Köln/Weimar/ Wien 2001, S. 109. Dergleichen geht Ulrike Müller-Harang davon aus, dass Carl Friedrich der „Erbprinz eines politisch unbedeutenden, armen mitteldeutschen Fürstentums“ gewesen sei und deshalb außer der in Blüte stehenden Klassik nichts zu bieten gehabt hätte. Vgl. dies.: Carl Friedrich Großherzog von Sachsen-Weimar-Ei-

4.4 Carl Friedrichs Erbprinzenhof

257

Hauses, dessen Position im Ranggefüge des Alten Reiches durch politische und dynastische Veränderungen im Verlauf des 18. Jahrhunderts bis auf den Spitzenplatz unter den weltlichen Fürsten aufgewertet wurde. Alle Pläne für die Verheiratung seines Sohnes gestalteten sich entsprechend dieser Selbstverortung. Das unterstreichen auch die diversen anderen Überlegungen, die der Herzog mit seiner Gattin im Jahr 1799 zwischenzeitlich in Betracht zog. Carl August hatte nämlich nicht nur den Dresdner und St. Petersburger Hof im Blick, sondern erwog offenbar auch – wenngleich auch nur kurzfristig – die Verheiratung seines Sohnes mit einer mecklenburgischen oder pfälzischen Fürstentochter.478 Beides wären ebenfalls aussichtsreiche Heiraten gewesen, da zum einen für das pfälzische Haus – wie erwähnt – unmittelbar die Übernahme des bayrischen Kurfürstenthrones aufgrund der fehlenden Nachkommen Carl Theodors bevorstand und zum anderen der Herzog von Mecklenburg-Schwerin schon seit langem mit der Kurwürde liebäugelte und entsprechende Bestrebungen um eine Rangerhöhung nachdrücklich vorantrieb.479 Das führte die zu dem Zeitpunkt bevorstehende Heirat mit der Zarentochter Elena Pawlowna eindrücklich vor Augen.480 Die Mecklenburger Ziele waren dem Weimarer Herzogspaar wohl bekannt, da Herzogin Louise 1774 nicht nur von Carl August, sondern auch von dem damaligen Schweriner Erbprinzen Friedrich Franz I. intensiv umworben wurde.481 Letzterer versuchte seinerzeit den Weimarer Konkurrenten – allerdings erfolglos – mit dem Argument auszustechen, dass mit der hohen königlichen Verwandtschaft Louises – zwei ihrer Schwestern waren zuvor nach Berlin und Russland verheiratet worden – die Kurwürde problemlos zu erreichen und die Standeserhöhung in greifbarer Nähe sei. Angesichts dieser weitreichenden Gedankenspiele Carl Augusts zeugt die Vermählung des Weimarer Thronfolgers mit der russischen Zarentochter letztlich wohl auch weniger von maßloser Selbstüberschätzung oder gar notgedrungener Kühnheit, als vielmehr von einem traditionell gut begründeten Selbstbewusstsein und dem strategisch-pragmatischen Bedürfnis des Weimarer Herzogs, das Rang- und

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senach. Ein Freund des Schönen, in: Ausstellungskatalog Maria Pawlowna, Teil 2, S. 57– 72, Zitat S. 57. Vgl. ThHStAW A 166, Bl. 31. Vgl. Schröder: Mecklenburg und die Kurwürde, bes. S. 7f. Carl August hatte dieses Bestreben des Schweriner Herzogs die ganze Zeit fest im Blick. Als die letzten Heiratsverhandlungen für seinen Erbprinzen mit Russland liefen, fragte er deshalb 1801 bei Wolzogen an, ob das russische Zarenhaus Friedrich Franz I. zur Kurwürde verhelfen werde. Die Antwort war eindeutig: „Der Schritt Mecklenburgs zur Churwürde ist für nicht angesehen“. Vgl. W. v. Wolzogen an C. A. v. S-W-E, Peterhof, 20. August 1801, in: ThHStAW A 177, Bl. 87–91, Zitat Bl. 90r. Vgl. z. B. die Korrespondenzen von 1774 bezüglich der Verlobung in: ThHStAW A XX 1, Bl. 9–10.

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4. Der Weimarer Hof als vielfältige Einheit mit individuellen Hofprofilen

Prestigeniveau seines Hauses zu erhalten, abzusichern und im besten Falle zu erhöhen.482 4.4.4 Der gemeinsame Hofstaat von Carl Friedrich und Maria Pawlowna Obgleich Carl August als Weimarer Herzog einen hohen Rang im Reich innehatte, war sein Sohn der frisch angetrauten großfürstlichen Gattin im Rang nicht annähernd ebenbürtig. Diesen bedeutenden Unterschied gedachte das russische Herrscherhaus nach der Heirat nicht einzuebnen. Die hochrangige Geburt Maria Pawlownas und das damit verbundene Prestige sollten auch weiterhin auf mehreren Ebenen repräsentativ sichtbar werden. Maria Pawlowna führte deshalb, wie es üblich war,483 als Weimarer Erbprinzessin nicht die niedrigere Titulatur ihres Gatten, sondern die Würde ihrer Geburt, d. h. ihre Anrede als „Ihre Kaiserliche Hoheit“ bzw. „Großfürstin“ weiter. Gleichermaßen sollte auch ihre Hofhaltung die hohe Geburt widerspiegeln: Zwar ging Wilhelm von Wolzogen in den ersten Verhandlungen 1799 noch davon aus, dass das russische Zarenhaus „keinen andern Hofstaat als den einer Erbprinzessin des Sächs. Herzogl. Hauses“ verlange.484 Der letztlich verwirklichte Weimarer Erbprinzenhof spricht jedoch eine andere Sprache. Der Vergleich mit dem Hofstaat des Gothaer Erbprinzen, der zu dieser Zeit als einziger Thronfolger innerhalb des sächsischen Hauses bereits verheiratet war und damit den Maßstab des Üblichen repräsentierte, offenbart eine deutliche Differenz. Nachdem August von Sachsen-Gotha-Altenburg 1797 die Ehe mit der herzoglichen Prinzessin Luise Charlotte von MecklenburgSchwerin (1779–1801) eingegangen war, erhöhte sich sein Personal um etwa das Doppelte. Statt der vorherigen sieben bis neun Hofbediensteten konnte er nun gemeinsam mit seiner Gattin über ungefähr 17 Personen pro Jahr verfügen.485 Im Gegensatz dazu erlangte die personelle Veränderung in Carl Friedrichs Leben weit andere Dimensionen: Denn ihm stand in etwa das Zehnfache seines vorherigen Personals zu Diensten, nachdem er seine Zarentochter im November 1804 heimgeführt hatte. Während der Gothaer Erbprinz nur 17 Hofbedienstete zu seinem Hofstaat zählte, waren es in 482

483 484

485

Zweifellos spielten bei den russischen Heiratsaussichten etliche weitere Motive, wie zum Beispiel monetäre oder machtpolitische Interessen, eine Rolle. Vgl. dazu z. B. Joachim von Puttkamer: Kulturkontakte und Großmachtinteressen. Weimar im Blickfeld russischer Heiratsinteressen, in: ders. / Joachim Berger (Hrsg.): Von Petersburg nach Weimar. Kulturelle Transfers von 1800 bis 1860. Frankfurt am Main u. a. 2006, S. 17–34. Vgl. Moser: Teutsches Hofrecht, Bd. 2, S. 593f. Zitiert nach Jena: Maria Pawlowna, S. 54. Die Originalquelle findet sich in ThHStAW A 186, Bl. 11f. Ausführliche Korrespondenzen bzw. Protokolle mit dergleichen Überlegungen finden sich in ThHStAW A 179, bes. Bl. 26r–29v, 30v–31r. Dieser Umfang wurde auch mit der zweiten Ehefrau Caroline Amalie, geb. von HessenKassel (1771–1848), beibehalten. Vgl. die Gothaer Staatskalender von 1798 bis 1803.

4.4 Carl Friedrichs Erbprinzenhof

259

Weimar in den ersten Ehejahren durchschnittlich 51 Hofbedienstete. Der Weimarer Hof unterhielt folglich einen erbprinzlichen Hof, der das übliche Maß des herzoglich sächsischen Hauses um das Dreifache überstieg. Diese umfängliche Aufstockung kann dabei nur bedingt auf den religiösen Unterschied zwischen der russisch-orthodoxen Maria Pawlowna und dem lutherisch-protestantischem Carl Friedrich zurückgeführt werden.486 Laut Ehevertrag sollte der Erbprinzessin in der Ehe die Möglichkeit geboten werden, ihren Glauben praktizieren zu können, auch wenn sie damit in der fürstlichen Familie die Einzige bleiben sollte, da ihre Kinder in der Religion des Landes erzogen werden mussten. Die Errichtung einer Griechischen Kapelle wurde damit nötig und im kleinen Maßstab im Haus an der Ackerwand umgesetzt. Die notwendige liturgische Ausstattung brachte die Großfürstin im Rahmen ihrer Aussteuer mit nach Weimar, ebenso wie auch das geistliche für den orthodoxen Ritus benötigte Personal aus der Heimat mitgeschickt wurde. Am 18./19. Dezember 1804 wurde die Kapelle bereits geweiht,487 so dass sich folgerichtig ab 1805 im Staatskalender drei Personen für die Griechische Kapelle verzeichnet finden: der Oberpriester Nikita Jasnowski (1775–1837) und die beiden Kapellsänger Alexei Jegorow (1784– ca. 1841) und Nikolai Trubzewsky (Trubtschewski) (1783/87–1844). Mehr Personal war zunächst nicht von Nöten. Die Größe des Hofstaates lässt sich also nicht mit der Religionsausübung erklären. Dagegen nahm das Personal in anderen Bereichen deutlich zu. Standen dem ledigen Carl Friedrich neben dem Oberhofmeister und adeligen Gesellschafter nur noch Garderobenpersonal zur Verfügungen, durfte er als verheirateter Mann nun auch Bedienstete für den Stall, die Jagd, die Livreebedienung, die Hausvogtei sowie ein Sekretariat bzw. eine Kanzlei sein eigen nennen. Der neue Hofstaat mit Maria Pawlowna wurde also um etliche niedere Dienstbereiche erweitert. Die Zahl der hohen, standesgemäßen Bedienung veränderte sich indes nicht wesentlich. Für Carl Friedrich waren weiterhin ein kommissarisch tätiger Oberhofmeister und ein Kammerherr, ab 1810 ein Hofmarschall und ein Kammerherr angestellt; Maria Pawlowna bekam von Beginn an eine Oberhofmeisterin und pro Jahr in der Regel zwei Hofdamen. Der Anteil des Adels im erbprinzlichen Hofstaat sank folglich auf durchschnittlich 8 %. Trotz dieser grundlegenden und tiefgreifenden Umstrukturierung wurde das Erbprinzenpaar jedoch keineswegs unabhängig vom Kernhof, da es viele höfische Versorgungseinrichtungen vom regierenden Hof weiterhin mitnutzen musste.488 Gleichwohl gewann vor allem Carl 486

487 488

Vgl. dazu z. B. Bernd Mende: Marias Kapellen. 200 Jahre russisch-orthodoxe Kirchen in Weimar, in: Ausstellungskatalog Maria Pawlowna, Teil 2, S. 373–380, S. 373; Jena: Maria Pawlowna, S. 77. Vgl. Mende: Marias Kapellen, S. 374. Der Plan der Zarenmutter war ursprünglich wohl ein anderer: Maria Pawlowna sollte möglichst unabhängig sein und sogar eine eigene Küche bekommen, was aber offensichtlich – wegen der häufigen Abwesenheit und wegen der Umbauten – erst 1812/13

260

4. Der Weimarer Hof als vielfältige Einheit mit individuellen Hofprofilen

Friedrich im Zuge seiner Heirat zweifellos in einem entscheidenden Maße an Freiheit, in etlichen Bereichen des fürstlichen Alltags unabhängig von dem Personal seines Vaters nach eigenem Ermessen agieren zu können. Diese enorme Dienstbereichs- und Umfangerweiterung des erbprinzlichen Hofes scheint zweifellos Ausdruck des überfürstlichen Rangs Maria Pawlownas gewesen zu sein. Der Blick auf andere Fürstenhäuser mit entsprechenden ranghohen Eheschließungen offenbart das gleiche Phänomen: So wurde zum Beispiel die Schwester Maria Pawlownas in ähnlichem Umfang nach ihrer Heirat mit dem Mecklenburger Erbprinzen ausgestattet. Im ersten Jahr ihrer Ehe umfasste der gemeinsame Hofstaat insgesamt 49 Bedienstete, zwei Jahre später waren es bereits 58 an der Zahl. Ähnliches lässt sich aber auch unabhängig vom russischen Zarenhaus beobachten. Nachdem etwa Wilhelm von Hessen-Kassel am 13. Februar 1797 die königliche Prinzessin Auguste von Preußen (1780–1841) geheiratet hatte, stieg auch sein Personal um ein vielfaches auf 46 Personen an.489 Mit der Erhebung von HessenKassel zum Kurfürstentum 1803 verband sich dagegen nur noch eine geringfügige Aufstockung auf etwa insgesamt 50 Hofbedienstete.490 Alle fürstlichen Erbprinzen, die mit der Tochter eines gekrönten Hauptes vermählt waren, erfuhren gewöhnlich eine beträchtliche Personalerhöhung. Die Einzelhöfe wurden demnach ebenfalls dem zeremoniellen Prinzip der Relation von Rang und Größe unterworfen und konsequent umso größer gestaltet, je höher die Geburt der angetrauten Gattin war.491 Da sich auf diese Weise auch der Gesamthof zwangsläufig vergrößern musste, versprach die Heirat mit einer überfürstlichen Tochter einem Fürstenhof also in jedem Falle einen messbaren repräsentativen Prestigegewinn. Letztlich akzentuierten aber nicht nur die Größe des erbprinzlichen Hofes den Rangunterschied zwischen den beiden Ehepartnern, sondern auch etliche weitere, nach außen nicht sichtbare Details des Ehevertrages, auf die sich der Weimarer Herzog sicherlich in erster Linie in Anbetracht der hohen Geburt der zukünftigen Schwiegertochter eingelassen hat. So wurde Maria Pawlowna zum Beispiel bei der Ausgestaltung des Hofstaates ausdrücklich das Recht eingeräumt, „diejenigen, die in ihren Dienst stehen, abzuweisen, zu entlassen und wieder zurückzurufen, wie es ihr beliebt“.492 Der Zeremonialwissenschaft zufolge kam diese Aufgabe bzw. dieses Recht eigentlich ausschließlich ihrem Schwiegervater Carl August zu. Als regierender Fürst und Hausherr besaß er allein die Bestimmungsgewalt über alle Bedienstete seines Hofes inklusive der

489 490 491 492

gelang. Vgl. die Briefwechsel zwischen dem Unterhändler von Wolzogen und Carl August im Vorfeld des Ehevertrages in ThHStAW A 179, Bl. 28v, 64r. Vgl. den Kasseler Staatskalender von 1798, S. 13f. Vgl. den Kasseler Staatskalender von 1804, S. 15f. Zu den Rangveränderungen nach der Heirat vgl. Kapitel I.. Diese Klausel findet sich im Artikel III des Ehevertrages. Zitiert nach Jena: Maria Pawlowna, S. 77.

4.4 Carl Friedrichs Erbprinzenhof

261

Angestellten aller einzelnen Hofstaaten der jeweiligen fürstlichen Familienmitglieder und damit auch über die des erbprinzlichen Hofstaates.493 Dieses Verfügungsrecht musste er nun an seine Schwiegertochter – zumindest für die Hofbediensteten, die ihr direkt verpflichtet waren – abgeben. Die Regelung führte zunächst zu einigen organisatorischen Problemen, da beispielsweise nicht klar war, inwieweit diese Hofbediensteten sich trotzdem auch dem Hofmarschallamt per Eid zu verpflichten hatten.494 Davon abgesehen zog sie aber eine viel wesentlichere Zurücksetzung Carl Friedrichs nach sich, der als Erbprinz weiterhin dem Vater untergeordnet blieb und sein Personal von diesem absegnen, wenn nicht gar vorschreiben lassen musste. Für die Verpflichtung der oberen adeligen Hofangestellten nahm Carl August dieses Recht auch lange Zeit nachweislich in Anspruch: Sowohl Duco van Haren als auch Wilhelm von Wolzogen und Wilhelm von Pappenheim wurden von ihm ausgewählt und von ihm für den Hof Carl Friedrichs eingestellt. Desgleichen griff er auch nach der Vermählung in die personellen Angelegenheiten seines Sohnes ein und bestimmte zum Beispiel Ludwig Ernst Wilhelm von Schardt zu dessen Kammerherrn.495 Es ist anzunehmen, dass Carl August etwaige Entscheidungen ab einem bestimmten Alter im Einvernehmen mit seinem Sohn traf, da er diesem nach 1800 in Zeiten seiner Abwesenheit auch bereits die Umsetzung diverser Personalentscheidungen anvertraute. So wurde beispielsweise der Kammerherr und Major Christoph Friedrich Siegmund von Rothmaler im November 1805 nicht unmittelbar von Carl August, sondern von Carl Friedrich im Auftrag des Vaters mit dem Charakter eines Obristen ausgezeichnet.496 Und ebenso empfing auch der Kammerherr und Oberforstmeister Wilhelm Freiherr von Stein seine selbst erbetene Dienstentlassung 1807 nicht aus den Händen seines Fürsten, sondern aus denen des dazu beauftragten Erbprinzen.497 Der Weimarer Herzog nutzte seinen ältesten Sohn in einigen Fällen als Stellvertreter und band ihn auf diese Weise nach außen sichtbar in die Personalpolitik seines Hofes mit ein. Nichtsdestotrotz war der Erbprinz seiner Frau hinsichtlich der Verfügungsgewalt über das eigene Personal unbestreitbar unterlegen. Vor diesem Hintergrund scheint es folgerichtig, dass sich im erbprinzlichen Hofstaat die Art der Anstellungsverhältnisse des Personals grundlegend veränderte. Waren bei dem unverheirateten Carl Friedrich ein Teil der Angestellten zusätzlich noch in anderen Bereichen des Hofes oder des Herzogtums tätig,498 findet sich bei dem (neuen) gemeinsamen Personal in der Regel kein 493

494 495 496 497 498

Moser weist noch einmal explizit daraufhin, dass dies auch für den „Hof-Staat der Gemahlin des künftftigen Landesnachfolgers“ gilt. Vgl. ders.: Teutsches Hofrecht, Bd. 2, S. 80. Vgl. ThHStAW HA AXXV/Akten 55, Bl. 1–2. Vgl. den Abschnitt über die Weimarer Kammerherren. Vgl. ThHStAW HMA 432, Bl. 9. Vgl. ebd., Bl. 37. Acht der insgesamt 15 Hofbediensteten des unverheirateten Carl Friedrichs waren zu-

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4. Der Weimarer Hof als vielfältige Einheit mit individuellen Hofprofilen

paralleles Beschäftigungsverhältnis. Von den insgesamt 75 Hofbediensteten, die bei dem Erbprinzenpaar in den Jahren zwischen 1804 und 1810 angestellt waren, versahen nur zwei Personen ihren Dienst kurzfristig parallel in zwei Hofstaaten: Amalie Batsch und Wilhelm Gottlieb Reichenbecher. Erstere war Femme de Charge bei Maria Pawlowna und übernahm ab 1805 neben ihrer Beschäftigung für ihre Herrin auch die Betreuung des neugeborenen Prinzen Alexander (1805–1806). Da dieser aber bereits im Alter von knapp einem Jahr wieder verstarb, blieb diese Doppelbeschäftigung nur eine Episode, die aufgrund der Personalentscheidungen, die für die folgenden fürstlichen Kinder getroffen wurden, offensichtlich auch nur eine Interimslösung darstellte. Denn nachdem die Prinzessinnen Maria Louisa Alexandria (1808–1877) und Augusta Marie Louise Catharina (1811–1890) geboren waren, wechselte Amalie Batsch komplett als Femme de Charge in den Hofstaat der fürstlichen Kinder und verblieb damit in einem einzigen Hofstaat. Die eigentümliche Doppelbeschäftigung des Hoflakaien Wilhelm Gottlieb Reichenbecher resultierte dagegen aus der Genese seiner vorherigen Karriere am Weimarer Hof. Reichenbecher war einer der beiden Hofbediensteten, die Carl Friedrich aus seinem ledigen Hofstaat nach der Heirat weiterhin zugeteilt blieben. Im Gegensatz zu dem − mit seinen 45 Jahren bereits etwas ältlichen − Christoph Beinitz, der ebenfalls übernommen wurde, aber bis dahin ausschließlich dem Erbprinzen als Kammerdiener gedient hatte, gehörte der erst 30 Lebensjahre zählende Reichenbecher seit 1802/03 auch zur Hoflivreedienerschaft des Herzogs. Dort machte er sich offensichtlich in dem Maße verdient, dass ihn Carl August 1807 zum Schlossvogt von Belvedere beförderte und ihn auf diese Weise aus dem erbprinzlichen Hofstaat herauslöste. Freilich blieb Reichenbecher durch dieses Amt trotzdem dem Erbprinzenpaar, das neben dem Fürstenhaus auch das Schloss Belvedere nutzte, in gewisser Weise verbunden. Strukturell war er aber allein Carl August verpflichtet und in dessen Kernhof eingliedert. Abgesehen von diesen beiden Ausnahmen standen alle anderen Hofangestellten des erbprinzlichen Hofstaates ausschließlich Carl Friedrich und Maria Pawlowna zu Diensten. Das Personal des Erbprinzenpaares genoss damit denselben Status wie die weiblichen Bediensteten der regierenden Herzogin Louise bzw. wie die Hofbediensteten der Herzogsmutter Anna Amalia, die ebenfalls nur in einem Hofstaat angestellt waren. Inwieweit diese ausschließliche Verpflichtung eine Besonderheit infolge der im Ehevertrag festgelegten Verfügungsgewalt Maria Pawlownas war oder aber zum Standard eines neuzeitlichen Hofes gehörte, lässt die Zeremonialwissenschaft offen und

sätzlich in anderen Hofstaaten oder militärischen bzw. zivilen Einrichtungen angestellt. Dazu gehörten Tobias Friedrich Hähling, Johann Friedrich Härtel (Hertel), Wilhelm Freiherr von Pappenheim, Wilhelm Gottlieb Reichenbecher, Cornelius Johann Rudolph Riedel, Johann Christian Schäfer, Johann Andreas Schröter (Schröder) und Wilhelm von Wolzogen. Vgl. die Weimarer Staatskalender von 1787 bis 1804.

4.4 Carl Friedrichs Erbprinzenhof

263

kann erst durch einen detaillierten Vergleich mit anderen Höfen beantwortet werden. Dabei lässt sich allerdings − vor allem bei den niederen Hofbediensteten − nur schwer erschließen, wer von den Dienern direkt Maria Pawlowna und wer direkt Carl Friedrich unterstellt war. In den Akten wird nie zwischen dem Personal des Erbprinzen und der Erbprinzessin unterschieden, sondern stets auf den erbprinzlichen Hofstaat als Ganzes rekurriert.499 Zwar kann den jährlichen Staatskalendern eine hierarchische Ordnung und eine nach Geschlecht getrennte Listung entnommen werden, allerdings besagt dies nichts über die tatsächliche Zuordnung. Aufgrund ihres Arbeitsfeldes waren das ausschließlich männliche Personal der griechisch-orthodoxen Kapelle ebenso wie die Oberhofmeisterin, die beiden Hofdamen, die Femme de Charge, die Kammerfrauen, die Garderoben- und Laufmädchen und die Kammerjungfern mit Sicherheit direkt der Erbprinzessin unterstellt, wogegen der Oberhofmeister, später Hofmarschall, der Jagdlakai und der langjährige Kammerdiener Beinitz zweifellos zu Carl Friedrich gehörten. Das übrige niedere Personal bestehend aus mehreren Schlossmägden, Schlossknechten, einer Silberscheuerin, einem Silberdiener, etlichen Hoflakaien, Garderobenburschen und Stallbediensteten scheint dagegen nicht allein einem, sondern beiden fürstlichen Personen gemeinsam zu Diensten gestanden haben. Bei den Sekretären und Schatullverwaltern scheint die Arbeit dagegen wiederum abgegrenzt worden zu sein: Während sich der Jurist Julius Adolph Völkel – der als Regierungssekretär von Carl August den Erbprinzen schon auf dessen Kavalierstour und auf dessen Reise nach St. Petersburg begleitet hatte – zunächst eher um die Belange von Carl Friedrich kümmerte, widmete sich Michail Lewandowsky überwiegend den Angelegenheiten Maria Pawlownas. Das Erbprinzenpaar beschäftigte also einerseits jeweils eigenes Personal für individuelle – geschlechtsspezifische – Bedürfnisse und Lebenssituationen, andererseits aber auch gemeinsames Personal für niedere, allgemeine Tätigkeiten. Die zeremonielle Aufteilung eines regierenden Hofes kam damit auch im erbprinzlichen Hof, wenn auch nur in beschränkter Form im Kleinen zur Anwendung. Bei der näheren Betrachtung der Entwicklung des Hofstaates während der ersten Ehejahre fällt auf, dass die Zahl der weiblichen Hofbediensteten im Jahr 1806 einen bemerkenswerten Hochpunkt von 18 Dienerinnen erreichte, danach aber schlagartig wieder auf die anfänglichen 12 Personen abfiel und sich bis 1816 in diesem Zahlenbereich einpegelte. Nach der Ankunft der Erbprinzessin in Weimar wurde also zum Ende des Jahres 1804 und im Verlauf des Jahres 1805 eine große Zahl an Bediensteten eingestellt, die schon im darauffolgenden Jahr wieder ihren Abschied nehmen mussten. Auf diese Art und Weise wechselte in den ersten zwei Jahren beinah der gesamte weibliche Teil des erbprinzlichen Hofes: Insgesamt betraf dies zwei Hofdamen, vier Gar499

Vgl. dazu z. B. ThHStAW A 9124.

264

4. Der Weimarer Hof als vielfältige Einheit mit individuellen Hofprofilen

derobenmädchen, drei Kammerjungfern und zwei Schlossmägde.500 Diesen grundlegenden Austauschprozess überstanden letztlich nur drei Frauen: die Oberhofmeisterin Ottilie Henckel von Donnersmarck und die beiden russischen Kammerfrauen Marwa Sokolow (1786–1856) und Anastasia Kakschuk. Da sich nicht für alle verabschiedeten Frauen die genauen Umstände ihres schnellen Abgangs rekonstruieren lassen, erscheinen zwei Erklärungsansätze für dieses Phänomen denkbar: Zum einen könnte hier – wie schon bei der regierenden Herzogin Louise – die Bedingung der Ehe- und Kinderlosigkeit für weibliche Angestellte zum Kündigungsgrund geworden sein, so dass die zahlreichen Verabschiedungen unumgänglich waren. In den Weimarer Kirchenbüchern der Hof- und der Stadtgemeinde,501 in denen in der Regel alle Geburten und Heiraten der Hofangestellten verzeichnet wurden, selbst wenn eine Heirat im Heimatort der Braut stattfand, lassen sich jedoch nur drei entsprechende Fälle definitiv nachweisen. Während die Hofdamen Maria von Berg und Diana Waldner von Freundstein die Ehe eingingen,502 musste die Schlossmagd Louise Cramer sehr wahrscheinlich ihren Platz wegen ihrer unehelichen Schwangerschaft räumen.503 Für die anderen ledigen Hofdienerinnen findet sich indes kein entsprechendes Szenario verzeichnet. Es scheint daher zum andern ebenso plausibel, dass die 18-jährige Maria Pawlowna in den ersten Jahren von ihrem freien Verfügungsrecht intensiv Gebrauch machte und bewusst einen Austausch des weiblichen Hofpersonals herbeiführte. Im Gegensatz zu der Oberhofmeisterin, den beiden Hofdamen und Kammerfrauen hatte die Erbprinzessin das niedere weibliche Personal nicht selbst ausgesucht, sondern vom Weimarer Hof gestellt bekommen. Der Großteil dieser Frauen war vorher auch noch nie am Hof beschäftigt gewesen und sehr wahrscheinlich wegen verwandtschaftlicher Beziehungen an die 500

501

502 503

Zu ihnen gehörten die Hofdamen Maria von Berg und Diana Waldner von Freundstein, die Garderoben- und Laufmädchen Auguste Christiane Wilhelmine Krauthausen, Rosine Seidel, Louise Poreh und Caroline Rauch, die Kammerjungfern Henriette Stelding, Christiane Rödiger und Christiana Maria Rauch sowie die Schlossmägde Louise und Anne Sophie Cramer. Die aktuelle Forschung geht davon aus, dass illegitime Geburten der Hofangestellten aus Prestigegründen von der Hofgemeinde in die Stadtgemeinde abgeschoben wurden. Diese Vermutung kann präzisiert werden: Mit der Schwangerschaft verloren die Frauen ihre Anstellung und damit zwangsläufig ihre Zugehörigkeit zum Hof. Ihre Verzeichnung in der Stadtgemeinde war also nur folgerichtig. Vgl. Carsten Eichelberger: Zur Genese der Weimarer Kirchengemeinden, in: Ries: Zwischen Hof und Stadt, S. 13–26, bes. S. 24. Vgl. dazu den Abschnitt zu den Hofdamen des Weimarer Hofes. Zu den Heiraten vgl. KA WE HR HK 1806, f. 65 und KA WE HR HK 1806, f. 63. Die Schlossmagd Louise Ernestine Friederike Cramer (Krahmer) wurde kurz nach ihrer Anstellung zum zweiten Mal unehelich vom Scharfschützen Johann Wilhelm Zacharias Bergmann schwanger. Das Kind namens Christiana Charlotta verstarb allerdings zwei Tage nach der Geburt am 29. August 1805. Vgl. KA WE TR SK 1805, f. 39v; KA WE SR SK 1805, f. 19r. Der Fall der Kammerjungfer Christiana Maria Rauch bleibt dagegen unklar, da sie bereits Ende des Jahre 1806 ihren Abschied nahm, aber erst am 10. Juni 1807 die Ehe mit Wilhelm Gottfried Claussen einging. Vgl. KA WE HR HK 1807, f. 72.

4.4 Carl Friedrichs Erbprinzenhof

265

Stellen im erbprinzlichen Hof gelangt. So wurde zum Beispiel Christiane Wilhelmine Krauthausen sicherlich aufgrund der guten Leistungen ihres Vaters, dem Hoflakai Johann Heinrich Wilhelm Krauthausen (1758–1817), angestellt.504 Im Gegensatz zu ihm, der bis zu seinem Tod am regierenden Hof beschäftigt blieb, verlor sie aber schon nach nicht einmal ganz zwei Jahren ihre Stelle als Garderoben- und Laufmädchen. Da sie erst elf Jahre später mit Engelbert Aue im Dezember 1815 den Bund fürs Leben schloss und auch erst nach dieser Eheschließung ihre ersten Kinder gebar,505 resultierte ihre Entlassung wohl nicht aus entsprechenden gesellschaftlichen Anstandsregeln. Maria Pawlowna bzw. deren Oberhofmeisterin scheinen aus anderen Gründen mit ihr nicht zufrieden gewesen zu sein. Vielleicht basierte die relativ baldige Verabschiedung auf unzureichend geleisteter Arbeit, vielleicht aber auch einfach nur auf dem Umstand, dass Christiane Wilhelmine Krauthausen nicht von der Erbprinzessin selbst ausgewählt, sondern zugeteilt worden war. Wegen der dünnen Quellenlage lässt sich letztlich nicht entscheiden, was in diesem speziellen Fall tatsächlich der Grund gewesen sein mag. In der Gesamtperspektive erscheint es jedoch eher unwahrscheinlich, dass der Weimarer Hof derart unprofessionell gearbeitet und insgesamt sieben inkompetente Dienerinnen für das Erbprinzenpaar auserkoren hatte. Der personelle Austauschprozess der weiblichen Hofbediensteten in den ersten Ehejahren scheint stattdessen vielmehr durch ein Zusammenspiel bedingt worden zu sein, in dem zweierlei zusammentraf: einerseits unvorhersehbare Schwangerschaften und Verheiratungen und anderseits eine wählerische, selbstbestimmte Erbprinzessin, die die Freiheit genoss, ihre Hofbediensteten annehmen und ablehnen zu dürfen, wie es ihr beliebte. Bei den am erbprinzlichen Hof beschäftigten Männern gestaltete sich die Lage dagegen wesentlich ausgeglichener. Nach anfänglichen 35 männlichen Bediensteten im Jahr 1805 pegelte sich deren jährliche Anzahl zwischen 38 und 40 Personen bis 1810 ein. Im Gegensatz zu den weiblichen Bediensteten, die es bei durchschnittlichen 13 zu besetzenden Stellen auf insgesamt 25 Frauen schafften, waren es bei den Männern insgesamt nur 50 Personen bei durchschnittlich 38 zu besetzenden Stellen. Der Verschleiß bzw. Austausch der männlichen Hofbediensteten war damit in den ersten Jahren um ein Vielfaches geringer als bei den weiblichen Hofbediensteten. Allerdings fallen auch hier sechs vergleichsweise schnelle Entlassungen auf.506 Wenngleich 504 505 506

Zu den Lebensdaten und Verwandtschaftsverhältnis vgl. KA WE TR HK 1789, f. 96; KA WE SR SK 1817, f. 109. Vgl. KA WE HR HK 1815, f. 154. Vgl. die Weimarer Staatskalender von 1804 bis 1807. Der Kammerdiener Francois Beviller (Beuiller) diente seit 1803/04 dem Erbprinzen, verließ den Hof aber wie der ein Jahr nach ihm eingestellte Hoflakai Christian Friedrich Ruprecht bereits 1805. Der Mundkoch Nikifor Alexejew und der Schlossknecht Johann Georg Ewald folgten 1806, ein Jahr später wurden die Garderobenburschen Christ. Samuel Gernhard und Carl Fransicus Lindner entlassen.

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4. Der Weimarer Hof als vielfältige Einheit mit individuellen Hofprofilen

die Gründe dieser Verabschiedungen nirgends dokumentiert sind, lässt sich auch hier die Intervention der Erbprinzessin vermuten. Denn: Vier der sechs Männer bezogen ihr Gehalt direkt über die Oberhofmeisterin Ottilie Henckel von Donnersmarck,507 was eine unmittelbare Verbindlichkeit gegenüber Maria Pawlowna nahelegt. Möglicherweise erfasste der personelle Austausch der Erbprinzessin nicht nur ausschließlich Frauen, sondern auch diese männlichen Bediensteten. Dafür sprächen zumindest die lückenlos nachvollziehbaren Abgänge der folgenden Jahre, die alle entweder durch Tod oder Versetzung in einen anderen Bereich des Hofes bedingt wurden und damit der sonst üblichen Weimarer Personalstrategie entsprachen.508 Abgesehen von den sechs anfänglichen, unklaren Verabschiedungen erwies sich die Personalpolitik gegenüber den männlichen Bediensteten in den ersten Ehejahren also wesentlich nachhaltiger als gegenüber den weiblichen Angestellten. Der überwiegende Teil der Männer, die Carl Friedrich und Maria Pawlowna seit dem Einzug in Weimar verpflichtet waren, verblieben bis zu ihrem Tod in den Diensten des Erbprinzenpaares und bildeten den Personalgrundstock der kommenden zwei Jahrzehnte.

4.5 Von Gleichbehandlung hin zur Zurücksetzung? Zwischen 1790 und 1810 lebten am Weimarer Hof insgesamt drei Generationen von Prinzen und Prinzessinnen mit insgesamt fünf eigenen Hofhaltungen: Die erste Generation vertrat der Bruder des regierenden Herzogs, Prinz Friedrich Ferdinand Constantin, zweiter Sohn Anna Amalias. Die zweite Generation bildeten die beiden dem Erbprinzen nachgeborenen Kinder von Carl August, Prinzessin Caroline Louise und Prinz Carl Bernhard, und die dritte Generation bestand bis 1810 aus den beiden Kindern des Erbprinzen, d. h. den Enkeln von Carl August, Prinz Alexander und Prinzessin Maria Louise Alexandrina. Diese polymorphe Verwandtschaftsstruktur erlaubt es, das Personal der Prinzen- und Prinzessinnenhöfe nach geschlechtsspezifischen und 507 508

Vgl. ThHStAW HA AXXV/Akten 55. Konkret wurden die Hoflakaien Wilhelm Gottlieb Reichenbecher und Carl Friedrich Ruprecht sowie der Jagdlakai Friedrich August Ludwig Büchner versetzt, der Kammerherr Ludwig Ernst Wilhelm Schardt ging in Pension. In den Jahren zwischen 1809 und 1812 verstarben insgesamt sieben männliche Bedienstete des erbprinzlichen Hofes: der Oberhofmeister Wilhelm von Wolzogen, der Silberdiener Johann Friedrich Witzel, die drei Hoflakaien Carl Ernst Hochtanz (Hohdanz), Friedrich Piquardt und Joh. Nikol. Witschel und die beiden Schlossknechte Johann Heinrich Schmidt und Johann Benjamin Weber. Vgl. KA WE SR SK 1810, f. 152r; KA WE HR SK 1810, f. 144v; KA WE SR SK 1809, f. 135r; KA WE SR SK 1810, f. 148v; ThHStAW HMA 4558, Bl. 114r; KA WE SR SK 1812, f. 199v; KA WE SR SK 1812, f. 199r.

4.5 Von Gleichbehandlung hin zur Zurücksetzung?

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generationsübergreifenden Aspekten zu untersuchen und zu prüfen, inwieweit sich Carl August auch hier in seiner Personalpolitik vom Zeremoniell leiten ließ oder ob die Kinder unterschiedlich behandelt wurden. 4.5.1 Die Höfe der Nachgeborenen Caroline Louise und Carl Bernhard Der Vergleich der Hofhaltungen der drei – das Erwachsenenalter erreichenden – Kinder des regierenden Herzogspaares fördert eine erstaunliche personelle Kontinuität zu Tage. Sowohl der Erbprinz als auch seine beiden nachfolgenden Geschwister wurden in ihren ersten Lebensjahren von denselben weiblichen Hofbediensteten betreut. Die Kammerfrau Auguste Regine Sophie Jacobi umsorgte und bediente ebenso wie die Garderobenfrau Christiane Umlauf und das Garderobenmädchen Sophia Magdalena Hoyer ab 1783 die Prinzessin Caroline Louise und ab 1792 den jüngsten Prinzen Carl Bernhard. Carl August sah sich folglich weder durch das Geschlecht, noch durch den unterschiedlichen Status seiner Kinder dazu veranlasst, eine personale Differenzierung vorzunehmen. Auch das mittlerweile schon fortgeschrittene Alter509 der beiden verwitweten Kammer- und Garderobenfrauen schien ihn nicht zu einem Wechsel zu bewegen. Das Vertrauen in deren Fähigkeiten war offenbar derart gefestigt, dass er stattdessen einige seiner Hoflakaien510 wechselweise zu einem „Extradienst“ verpflichtete, um den Frauen eine Entlastung zu verschaffen. Die Hoflakaien übernahmen zumeist körperliche Aufgaben und waren zum Beispiel dafür zuständig, die fürstlichen Kleinkinder in einem „Kütschchen zu fahren oder zu tragen“.511 Carl August setzte also auf einfache Weise den zeremoniellen Grundsatz um, 509

510

511

Die Kammerfrau Auguste Regine Sophie Jacobi zählte bei der Geburt der Prinzessin 53 und bei der des Prinzen bereits 60 Lebensjahre. Vgl. KA WE SR SK 1806, f. 52r. Auch die Garderobenfrau Christiane Umlauf dürfte nicht viel jünger gewesen sein, da deren älteste Tochter 1772 bereits im heiratsfähigen Alter war und den Hoftrompeter Johann Georg Wiener ehelichte. Vgl. KA WE HR HK 1772, f. 104. Nach der Geburt von Carl Bernhard beauftragte Carl August die sechs Hoflakaien Johannes Metzler, Johannes Kühn, Johann Christian Engelhardt, Johann Andreas Schröter, Johann Heinrich Franz Schünzel und Johann Heinrich (Nikolaus) Reichenbecher(1741–1813) mit dem Extradienst. Dies führte zu einer grundlegenden Auseinandersetzung unter den Lakaien, die vom Hofmarschallamt sogar per Resolution geschlichtet werden musste. Deren Hauptursache war die Dienstverweigerung des 51-jährigen Lakaien Reichenbecher, der aufgrund „seiner Leibesschwäche besonders in den Füßen“ vom Extradienst verschont werden wollte. Er hatte Angst „leicht unglücklich [zu] seyn und [mit dem fürstlichen Kind auf dem Arm] fallen [zu] können“. Das Hofmarschallamt befreite ihn daraufhin vom Tragen, aber nicht vom Extradienst. Vgl. ThHStAW HMA 635, Bl. 34–35. Zu den Lebensdaten Reichenbechers vgl. KA WE SR SK 1813, f. 257v. Ebd., Bl. 34.

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4. Der Weimarer Hof als vielfältige Einheit mit individuellen Hofprofilen

legitime weibliche und männliche Nachkommen während ihres „KinderStandes“ gleich zu behandeln.512 Eine ähnliche Strategie scheint auch bei der Wart- bzw. Wachfrau513 verfolgt worden zu sein; allerdings lässt sich hier nicht lückenlos nachvollziehen, inwieweit tatsächlich alle Kinder von ein- und derselben Wart- bzw. Wachfrau betreut wurden. Für die beiden fürstlichen Töchter, Louise Amalie und Caroline Louise, sowie den jüngsten Prinzen, Carl Bernhard, wurde zweifellos immer Catharina Elisabeth Schultz, geb. Hornstein (1743–1824), engagiert.514 Für den Erbprinzen Carl Friedrich zeichnen die Quellen indes kein schlüssiges Bild. Zwar wurde im Personal- und Versorgungsplan, der im Rahmen der Geburtsvorbereitungen auch hier wie üblich ein bis zwei Monate vor der erwarteten Ankunft des Kindes erstellt wurde,515 ebenfalls die Anstellung von Catharina Elisabeth Schultz als Wachfrau vorgesehen, zugleich wurde darin aber auch die Garderobenfrau Christiane Umlauf mit einem zusätzlichen Dienst als Wartfrau und einer entsprechenden monetären Vergütung bedacht. Die Doppelbesetzung dieser Stelle scheint an sich nicht weiter merkwürdig, fehlte in den Staatskalendern der folgenden Jahren beim Hofpersonal des Erbprinzen nicht der Verweis auf Catharina Elisabeth Schultz. Während sie bei den anderen Kindern stets ab dem jeweiligen Folgejahr der Geburt ordnungsgemäß ausgewiesen war, wurden beim Erbprinzen nur dessen Kammerfrau, Garderobenfrau und -mädchen aufgeführt. Es muss also offen bleiben, inwieweit Carl Friedrich dieselbe Wart- bzw. Wachfrau wie seine Geschwister zugeteilt bekam, oder ob dieser Dienst von seinem Garderobenmädchen zusätzlich mit versehen wurde. Sicher ist aber, dass der Weimarer Hof für alle fürstlichen Kinder den entsprechenden Dienst für nötig erachtete und bereitstellte. In Anbetracht des ledigen oder verwitweten Status der übrigen weiblichen, niederen Hofbediensteten ist der Ehestand von Catharina Elisabeth Schultz bemerkenswert. Seit 1774 war sie mit dem fürstlichen Reitknecht Carl Ernst Schultz(e) (1743–1791) verheiratet und erfreute sich mit ihm seit 1776 an einem Sohn namens Hector Wilhelm Carl.516 Als sie zum ersten Mal zur fürstlichen Wach- bzw. Wartfrau verpflichtet wurde, war ihr Sohn bereits drei Jahre 512 513

514

515

516

Vgl. Moser: Teutsches Hofrecht. Bd. 2, S. 77. Die Bezeichnung von Catharina Elisabeth Schultz wechselt in den Quellen. Im Staatskalender wird sie ausschließlich als Wachfrau betitelt, in den Akten des Hofmarschamtes abwechselnd als Wachfrau und als Wartfrau. Es wird deshalb der zusammenfassende Doppelbegriff gewählt. Catharina Elisabeth Schultz war als Tochter des fürstlichen Kutschers Johann Christian Hornstein bereits im Umfeld des Weimarer Hofes groß geworden. Zu ihren Lebensdaten vgl. KA WE SR SK 1824, f. 60. Für den Erbprinzen begannen diese Vorbereitungen zum Beispiel im Dezember 1782, Carl Friedrich kam im Februar 1783 auf die Welt. Dergleichen wurden für seine Schwester Caroline Louise die Personal- und Kostenpläne bereits im Mai 1786 erstellt, obwohl sie erst im Juli 1786 geboren wurde. Vgl. z. B. ThHStAW HMA 113, Bl. 1–6, 9. Zur Hochzeit vgl. KA WE TR HK 1776, f. 349. Zu den Lebensdaten von Carl Ernst

4.5 Von Gleichbehandlung hin zur Zurücksetzung?

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alt. Der Weimarer Hof setzte also seine sonst durchweg verwirklichte Regel, nur verwitwete Frauen oder ledige Frauen ohne Kinder zu beschäftigen, auch für sie außer Kraft − und das mit gutem Grund. Zwar lässt sich das Aufgabenspektrum einer Wart- bzw. Wachfrau am Weimarer Hof nicht mehr im Detail eruieren. Zeitgenössische Lexika legen jedoch nahe, dass es sich dabei im Allgemeinen um die Aufsicht, im Speziellen aber um das Wickeln und Reinhalten der Kinder wie auch das Angewöhnen fester Speisen nach dem Stillen gehandelt habe.517 In der Regel „pflegt[e] man [deshalb] keine andere Personen zu Kinder=Wärterinnen zu nehmen, als die selbst schon Kinder gehabt haben“, weil diese bekanntlich auf eigene und damit „mehr Erfahrung, als Mädchen“ zurückgreifen konnten.518 Catharina Elisabeth Schultz wurde also nicht angestellt, obwohl sie schon Ehefrau und Mutter war, sondern gerade aus diesem Grund. Letztlich kollidierte diese Verpflichtung am Hof auch nur bedingt mit den zeitgenössischen Geschlechterrollen. Da eine Wart- bzw. Wachfrau in erster Linie für die Säuglinge bzw. Kleinkinder zu sorgen hatte, war das Dienstende mit dem Heranwachsen der Kinder absehbar. Im Gegensatz zu seinen meisten anderen Arbeitsplätzen stellte der Hof hier also kein langfristiges, sondern vielmehr ein von vornherein zeitlich klar begrenztes Arbeitsverhältnis in Aussicht. Der Hof entzog Catharina Elisabeth Schultz demzufolge nicht dauerhaft ihrer gesellschaftlich zugeschriebenen Rolle als Hausfrau, Gattin und Mutter. Der Blick auf das Personal der ersten Kinderjahre rückt allerdings auch eine grundlegende Versorgungstätigkeit in den Mittelpunkt, die sich im Staatskalender etwas undurchsichtig darstellt: die der (Säug-)Ammen. Allein für die Prinzessin Caroline Louise wurde im Kalender des Jahres 1788 eine Amme verzeichnet.519 Für alle anderen Kinder finden sich keine Nährmütter vermerkt. Aus den Akten des Hofmarschallamtes wird jedoch deutlich, dass ausnahmslos alle überlebenden Kinder in ihren ersten Lebensmonaten – wie schon in der vorherigen Generation520 – von einer Amme ernährt worden sind. Johanna Sophie Christiane Spindler, geb. Fritsche (1753–1806),521 wurde als Amme für die erste, jung verstorbene Tochter Louise Amalie

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Schultze vgl. KA WE SR SK 1791, f. 1v. Der Sohn wurde am 1. Februar 1776 geboren. Vgl. KA WE TR HK 1776, f. 349. Vgl. Art. Kindes-Wärterin, in: Zedler, Bd. 15, Sp. 663–664; Art. Kinder=Wärterinn, in: Krünitz, Bd. 37, S. 870–888. Art. Kinder=Wärterinn, in: Krünitz, Bd. 37, S. 887. Vgl. den Weimarer Staatskalender von 1787, S. 87. Carl August wurde beispielweise von zwei Ammen ernährt, weil die erste krank geworden war. Die Leibärzte hatten jenen Fall bereits mit einkalkuliert und mehrere Ammen „zur praecaution in reserve“ angeworben. Vgl. ThHStAW B 26109; Berger: Anna Amalia, S. 110. Johanna Sophie Christiane Spindler, geb. Fritsche, war mit dem Flaschnermeister Johann Spindler verheiratet und gebar Anfang Juli 1779 eine Tochter, die bei der Geburt verstarb. Vgl. KA WE SR SK 1779, f. 139r. Zu den Lebensdaten der Amme und Ehepartner vgl. KA WE SR SK 1806, f. 36 v.

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4. Der Weimarer Hof als vielfältige Einheit mit individuellen Hofprofilen

verpflichtet, der Erbprinz Carl Friedrich wurde von Cordula Sophie Hertel, geb. Kleinschmidt,522 genährt, die zweite Tochter Caroline Louise wurde von Christiane Marie Weis, geb. Ciliax,523 versorgt und für den jüngsten Sohn Bernhard konnte erneut Sophie Hertel gewonnen werden.524 Die Herzogin Louise agierte damit im Grunde gemäß den zeitgenössischen Vorstellungen. Zwar waren auch in Weimar schon jene aufklärerischen Konzepte bekannt, die zu einem neuen Bewusstsein gegenüber der Mutterrolle aufforderten und zum Selbststillen appellierten.525 Einige niederadelige Damen, wie zum Beispiele Caroline von Görtz oder Charlotte von Stein, folgten diesen Forderungen sogar bereits Anfang der 1770er Jahre.526 Die fürstliche Mutter zog jedoch statt der Avantgarde das traditionelle Versorgungsmodell vor und entschied sich – wie die meisten Fürstinnen in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts -,527 ihre Kinder nicht selbst zu stillen, sondern diese Aufgabe an geeignete Frauen aus dem Umkreis des Hofes zu übertragen. Das Anstellungsverhältnis einer Amme war von kurzer Dauer. Ihre Bestimmung lag vornehmlich im Stillen des Neugeborenen und galt spätestens mit der Ablaktation als erfüllt. Da mit dem Zahnen der Kinder üblicherweise auch die Entwöhnung des Säuglings eingeleitet wurde,528 erstreckte sich die Tätigkeit einer Amme selten auf länger als ein Jahr. Am Weimarer Hof scheint es sogar eine festgesetzte, vergleichsweise kurze Frist von 10 Monaten gegeben zu haben,529 denn alle Ammen wurden nachweislich etliche Zeit vor dem ersten 522

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Cordula Sophie Hertel, geb. Kleinschmidt, war mit dem Hoflakaien Johann Friedrich Hertel verheiratet und schenkte am 13. November 1782 einem Sohn namens Johann Friedrich August († 1860) und am 13. Januar 1792 – erneut passend zur Schwangerschaft der Herzogin – einem weiteren Sohn namens Ernst Friedrich Theodordas Leben. Vgl. KA WE TR HK1782, f. 269 und KA WE TR HK 1792, f. 243. Christiane Marie Weis, geb. Ciliax, war mit Carl Christian Gottlob Weis verheiratet, seinerseits Koch beim Obermarschall von Witzleben, und gebar am 23. Februar 1786 einen Sohn. Vgl. KA WE TR HK 1786, f. 390. Vgl. ThHStAW HMA 609, f. 37r; ThHStAW HMA 635, Bl. 35. Richard Starklof: Das Leben des Herzogs Bernhard von Sachsen-Weimar-Eisenach, königlich niederländische General der Infanterie. Bd. 1. Gotha 1865, S. 13. Entsprechende Forderungen finden sich bereits bei Rousseau, erlebten aber in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts einen Höhepunkt und wurden zum Beispiel von Johann Christoph Unzer oder Konrad Friedrich Uden wie auch in den von Johann Heinrich Campe herausgegeben Schriften nachdrücklich vertreten. Vgl. Jean Jacques Rousseau: Émile, ou De l’éducation. Paris 1762; Johann Heinrich Campe (Hrsg.): Allgemeine Revision des gesammten Schul- und Erziehungswesens von einer Gesellschaft praktischer Erzieher. Wien/Braunschweig 1785–1792; Johann Christoph Unzer/Konrad Friedrich Uden: Diätetik der Schwangern und Säugenden. Braunschweig 1796. Zur sozialen Praxis am Hof vgl. Kollbach: Aufwachsen bei Hofe, S. 83f. Vgl. Berger: Anna Amalia, S. 110. Vgl. Kollbach: Aufwachsen bei Hofe, S. 84. Vgl. ebd., S. 87, Anm. 155. Im Vergleich dazu wurden die Ammen am badischen Hof wesentlich später, bei Prinz Ludwig zum Beispiel erst nach 14 Monaten, entlassen. Vgl. Kollbach: Aufwachsen bei Hofe, S. 88.

4.5 Von Gleichbehandlung hin zur Zurücksetzung?

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Geburtstag ihres Ziehkindes von ihrem Dienst entbunden.530 Die Kürze der Anstellungsdauer erklärt auch, warum die meisten Ammen nicht im Staatskalender verzeichnet wurden. Die Staatskalender erschienen nur einmal im Jahr. Sie konnten deshalb all jene Personen nicht verzeichnen, die erst nach dem Erscheinen des Staatskalenders Anfang des Jahres eingestellt und schon vor dem Erscheinen des nächsten Kalenders wieder entlassen wurden.531 Wie bei der Wach- und Wartfrau fällt bei den Ammen auf, dass auch sie alle verheiratet gewesen sind. Der Grund hierfür lag allerdings weniger in dem bereits erworbenen Erfahrungshorizont, als vielmehr in der Moral der Zeit. Naturgemäß konnten nur jene Frauen zur Amme bestellt werden, die selbst im gleichen Zeitraum ein Kind geboren hatten und deshalb Muttermilch zur Verfügung stellen konnten. Eine Amme musste aber nicht nur säugen können, sondern sollte aufgrund ihrer staatstragenden Aufgabe für den fürstlichen Nachwuchs auch in einem besonderen Maße zuverlässig, vertrauenswürdig und integer sein.532 Unehelich geborene – oder gezeugte533 – Kinder waren deshalb für den Hof in moralischer Hinsicht nicht tragbar. Um derartigen Problemen aus dem Weg zu gehen, wurden fast alle fürstlichen Nährmütter aus dem Umkreis der niederen höfischen Angestellten rekrutiert.534 Der Weimarer Hof griff damit auf jene städtische Bevölkerungsgruppe zurück, die zwar einerseits mit etwa 12 % den geringsten Anteil der Neugeborenen der Residenzstadt stellte, andererseits dagegen aber auch mit äußerst wenigen illegitimen Geburten aufwartete.535 Wie in jeder Stadt, in der es einen ho530

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Die Amme von Louise Amalie wurde zum Ende des Jahres 1779 entlassen, die Amme von Carl Friedrich zum Ende des Jahres 1783 und die von Caroline Louise im Mai 1787 gekündigt. Die Entlassung der Amme von Prinz Bernhard geschah sogar noch früher: Sie ging am 25. Januar 1793 vom Hof ab. Vgl. ThHStAW HMA 112, Bl. 9r; ThHStAW HMA 113, Bl. 7 und 18; ThHStAW HMA 4542, S. 15. Die Amme Marie Weis war die Einzige, die zu dem Zeitpunkt, als der Staatskalender zum Jahreswechsel in den Druck ging, noch angestellt war. Sie ist deshalb im Kalender des Jahres 1787 korrekt registriert worden. Zum Entlassungsdekret der Amme Vgl. ThHStAW HMA 113, Bl. 18. Diese gesellschaftliche Norm basierte vor allem auf der allgemein verbreiteten Vorstellung, dass mit der Muttermilch auch Charaktereigenschaften übertragen werden würden. Vgl. Kollbach: Aufwachsen bei Hofe, S. 154. Am badischen Hof wurde zum Beispiel die erste Säugamme des Prinzen Ludwig kurze Zeit nach ihrer Einstellung wegen unschicklicher Qualitäten wieder entlassen. Dabei spielte es wohl eine nicht unerhebliche Rolle, dass sie bereits vier Wochen nach der Eheschließung ins Kindbett gekommen und ihr Kind demzufolge unehelich gezeugt worden war. Vgl. Kollbach: Aufwachsen bei Hofe, S. 154. Vgl. die jeweiligen Angaben zu den Ammen. Die Bevölkerungsgruppe der Hofangehörigen wurde anhand der Berufe der in den Kirchenbüchern vermerkten Väter erhoben. Zu den Zahlen vgl. Denis König: Zum Problem der Illegitimität in Weimar, in: Klaus Ries (Hrsg.): Zwischen Hof und Stadt. Aspekte der kultur- und sozialgeschichtlichen Entwicklung der Residenzstadt Weimar 1800. Weimar/Jena 2007, S. 59–78, bes. 72–74. Weibliche Hofbedienstete verloren mit einer unehelichen Schwangerschaft ihren Status als Hofangehörige und lassen sich folglich

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hen Anteil an Personen gab, die sich als Bedienstete in einem fremden Haus verdingten, wies auch die Residenzstadt Weimar um 1800 einen hohen Teil an illegitimen Geburten auf: Jedes 11. Kind wurde dort unehelich geboren, weil sich viele den Ehestand aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen nicht leisten konnten.536 Dem Hof stand also nur eine begrenzte Auswahl zur Verfügung, so dass er sich offensichtlich auf jene Mütter konzentrierte, die ihm aus seinem eigenen Umkreis bekannt waren und denen er gegebenenfalls sogar selbst durch die höfische Anstellung der Ehemänner eine Heiratserlaubnis ausgesprochen hatte. Mit dieser Fokussierung konnte er sich der Integrität seiner Ammen versichert sein und den moralischen Ansprüchen seiner Zeit Genüge tun. Nach Beendigung der Tätigkeit zeigte sich der Weimarer Hof gegenüber seinen Ammen durchaus dankbar. Zwar wurde das vierteljährlich ausgezahlte Gehalt in Höhe von etwa 12 Reichstalern und die Versorgung des eigenen Kindes eingestellt, die der Hof für die Dienstzeit übernahm, insofern es währenddessen nicht verstarb.537 Allerdings beschenkte er jede Amme nach der Entlassung mit einem Abfertigungsgeld in Höhe von 50 Reichstalern und bewilligte jeder auf Lebenszeit das bis dahin zusätzlich verabreichte Bier- und Brotdeputat.538 Zudem bot der Hof seinen Ammen mit einer fürstlichen Patenschaft eine lebenslange soziale Kontaktmöglichkeit und Bindung an die fürstliche Familie.539 In der Regel übernahm jeweils das gesäugte fürstliche Kind die Patenschaft bei dem nächstgeborenen Kind der Ammen.540 Da Sophie Hertel sowohl Carl Friedrich als auch Carl Bernhard genährt hatte, wurden gleich drei ihrer Kinder mit einer hochadeligen Patenschaft ausgezeichnet. Dem Sohn Carl Friedrich Hertel (*1784) wurde der Erbprinz und ihren Zwillingen Bernhardine (1794–1888) und Caroline Hertel (1794–1802) jeweils der Prinz Bernhard und die Prinzessin Caroline Louise an die Seite gestellt.541 Die Namensgebung aller drei Kinder scheint nicht zufällig den Namen ihrer jeweiligen Paten entsprochen zu haben und sollte wohl die Verbindung bestärken. Dergleichen wurde auch der 1788 geborene Sohn

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nicht statistisch im Hofkirchenbuch erfassen. Vgl. dazu die Ausführungen zu Louises Hofstaat. Vgl. König: Illegitimität in Weimar, S. 63, 78. Vgl. ThHStAW HMA 113, Bl. 4–6. Vgl. ebd., Bl. 8, 19–20; ThHStAW HMA 112, Bl. 21. Hertels Sohn Carl Friedrich erhielt sehr wahrscheinlich aufgrund seiner hohen Paten 1802 zunächst eine Laufburschenstelle bei Anna Amalia in der Küche, nach seiner Ausbildung in Dresden, kam er nach Weimar zurück und wurde 1819 Mundkoch bei Carl August. Vgl. den Weimarer Staatskalender von 1802, S. 107; sowie den Weimarer Staatskalender von 1819, S. 21. Bei der nächstgeborenen Tochter der ersten Amme Christiane Spindler, Louisa Amalia Friederika (1781–1854), standen neben der Prinzessin Augusta Amalia Louisa auch noch Anna Amalia und Constantin von Sachsen-Weimar-Eisenach Pate. Vgl. KA WE TR SK 1781, f. 94r. Vgl. KA WE TR HK 1784, f. 338; KA WE TR HK 1794, f. 353.

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von Christiane Marie Weis mit der fürstlichen Patenschaft von Prinzessin Caroline Louise belohnt.542 Mit dieser deutlich bezeigten Dankbarkeit stand das Weimarer Fürstenhaus nicht nur im Einklang mit der Zeremonialwissenschaft,543 sondern reihte sich in die Traditionen etlicher familiär verbundener Höfe ein. So setzten sich zum Beispiel Prinz Ludwig von Baden (1763–1830) wie auch die Mutter der regierenden Weimarer Herzogin Louise, die Landgräfin Caroline Henriette von Hessen-Darmstadt, nachweislich im besonderen Maße für ihre höfischen Ammen ein und ließen ihnen aus Dankbarkeit auch noch Jahre später materielle und finanzielle Unterstützung zukommen.544 Der Weimarer Hof wusste also normkonform die essentiellen Dienste der Ammen, die einen bedeutenden Beitrag zum Fortbestehen der Dynastie leisteten, zu schätzen und zu belohnen. Die finanzielle Abwicklung der Wart- bzw. Wachfrau Schultz macht deutlich, dass den Ammen damit eine besondere Behandlung widerfuhr. Denn das Hofmarschallamt lehnte ein gleichgerichtetes Gesuch545 der Wachfrau Schultz nach der ersten kurzzeitigen Anstellung bei der Prinzessin Louise Amalie ab und beschloss sowohl die Besoldung als auch das bis dahin genehmigte Bier- und Brotdeputat ab August 1780 nicht weiter zu verabreichen.546 Die Tätigkeit der Wart- bzw. Wachfrau wurde also nicht derart hoch geschätzt wie die der Ammen. Erst als Catharina Elisabeth Schultz durch die immer wieder erneute Verpflichtung jahrelang Dienst für die fürstlichen Kinder geleistet hatte, belohnte sie der Hof ab 1796 mit einer Pension in Höhe von knapp 48 Reichstalern inklusive Bier- und Brotdeputat pro Jahr.547 Dabei mag aber wohl auch eine Rolle gespielt haben, dass ihr Ehemann 1791 verstorben war und sie sich seitdem als Witwe selbst versorgen musste.548 Der in der Zeremonialwissenschaft angemahnte Wechsel des Personals, dem die Säuglings- und Kleinkinderbetreuung oblag, hin zu jenem Personal, das für die standesgemäße Erziehung verantwortlich sein sollte, fand am Weimarer Hof bei allen fürstlichen Nachkommen frühzeitig im Kleinkindalter statt. Die Prinzen kamen unter männliche, die Prinzessinnen wieder unter weibliche, diesmal jedoch adelige Obhut. Dabei fällt auf, dass bei den beiden Söhnen in etwa dasselbe Alter von vier Jahren gewählt wurde. Möglicherweise orientierte sich Carl August dabei an dem Testament seines Vaters, Ernst August II. Constantin, der ihn seinerzeit ebenfalls im Alter von vier Jahren der „Aufsicht des Frauen Zimmers entnommen“ wissen wollte.549 Einen 542 543 544 545 546 547 548 549

Vgl. KA WE TR HK 1788, f. 23. Vgl. z. B. Rohr: Privat-Personen, S. 583. Vgl. Kollbach: Aufwachsen bei Hofe, S. 154f. Vgl. ThHStAW HMA 112, Bl. 10. Vgl. ThHStAW HMA 112, Bl. 9. Vgl. ThHStAW HMA 119, Bl. 7. Ihr Ehemann, der fürstliche Reitknecht Carl Ernst Schultz, verstarb bereits im Alter von 48 Jahren am 21. Oktober 1791 an Gallenfieber. Vgl. KA WE SR SK 1791, f. 1v. Anna Amalia hielt diese Altersgrenze jedoch nur formal ein. Carl August kam erst am

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einheitlichen festen Zeitpunkt gab es für den Personaltausch aber offenbar nicht, denn im Unterschied zu ihren Brüdern wurde die Prinzessin Caroline Louise erst mit knapp sechs Jahren ihrer Kleinkindbetreuung entzogen. Diese lange personelle Kontinuität bei Caroline Louise lässt sich eventuell auf den frühen Tod ihrer älteren Schwester, Prinzessin Louise Amalie, zurückführen. Louise Amalie verstarb unerwartet im Alter von fünf Jahren.550 Zuvor war sie bereits im Alter von zweieinhalb Jahren unter die Aufsicht und Erziehung der Hofdame Adelaide Waldner von Freundstein gestellt worden.551 Diese frühe Entwöhnung ging mit großer Wahrscheinlichkeit auf das Betreiben der regierenden Herzogin Louise zurück, da diese einen frühzeitigen Personalwechsel vom Darmstädter Elternhaus her kannte.552 Unter Umständen regte der Verlust der ersten Tochter die fürstlichen Eltern zum Umdenken an, so dass sie ihre zweite Tochter so lang in der Obhut der auf Kleinkinder spezialisierten Hofbediensteten beließen, bis diese über das Sterbealter der Schwester hinweg war. Gleichwohl lässt sich nicht ausschließen, dass auch andere, äußere Umstände den Wechsel verzögert haben. So spräche zum Beispiel der vertagte Einsatz der designierten Hofmeisterin Henriette von Knebel (1755–1813) zwar eher für ein beschützendes Abwarten. Die kulturell gebildete Ansbacherin befand sich seit Frühling des Jahres 1791 in Jena und war auf Empfehlung ihres Bruders, Carl Ludwig von Knebel, bereits im Sommer zur Erzieherin für die Prinzessin Caroline Louise bestimmt worden. Allerdings sollte sie ihren Dienst erst nach Ostern des kommenden Jahres, d. h. im April 1792, antreten.553 Obwohl das Personal für den anstehenden Wechsel zur Verfügung stand, zögerte ihn der Hof also mit Absicht hinaus. Der Grund für dieses Hinhalten könnte aber auch die erneute Schwangerschaft der regierenden Herzogin gewesen sein. Da die Niederkunft im Frühjahr 1792 erwartet wurde, bot sich ein passgenaues Verschieben der auf Kinder spezialisierten Dienerschaft aus dem Hofstaat der Prinzessin hin zum Hofstaat des neugeborenen Säuglings geradezu an. Dem verlustmotivierten Beschützerinstinkt der fürstlichen Eltern könnte also ebenso ein pragmatisches Personalmanagement entgegen gesetzt werden. Aufgrund der lückenhaften Überlieferung wäre die gleiche Argumentation

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7. Mai 1762 unter die Obhut des Grafen von Görtz. Sein Bruder Constantin blieb sogar noch ein Jahr länger in weiblicher Obhut. Vgl. Berger: Anna Amalia, S. 113–115. Die Prinzessin Louise Auguste Amalie verstarb am 24. März 1784. Vgl. KA WE SR SK 1784, f. 173r. Vgl. ThHStAW HMA 4530, f. 106v. Dort wurde zum Beispiel Friederike von Hessen-Darmstadt (1752–1782) nachweislich im Alter von zweieinhalb Jahren ihrer Gouvernante überantwortet. Vgl. Kollbach: Aufwachsen bei Hofe, S. 158, bes. Anm. 474. Vgl. ThHStAW HMA 117a, Bl. 1f; C. A. v. S-W-E an C. L. v. Knebel, Wilhelmsthal, 6. Juli 1791, in: Briefe des Herzogs Karl August von Sachsen-Weimar-Eisenach an Knebel und Herder. Herausgegeben von Heinrich Düntzer. Leipzig 1883, S. 100–101. Siehe auch ebd., S. 101, Anm. 2.

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jedoch auch anders herum dahingehend plausibel, dass erst die erneute − spätestens seit Juli 1791 bekannte − Schwangerschaft das Herzogspaar zur Anstellung einer Hofmeisterin bewegte, weil nun die Säuglingsbetreuung für das neugeborene Kind gebraucht wurde und deshalb nicht mehr länger der Prinzessin Caroline Louise dienen konnte. Es lässt sich folglich nicht mehr präzise nachvollziehen, aus welchen Gründen die zweite Prinzessin ihre Erstbetreuung vergleichsweise lang behalten durfte. Letztlich mag wohl ein Zusammenspiel aus beiden Aspekten den späten Personalwechsel bedingt haben. Wie bei ihrem älteren Bruder, dem Erbprinzen Carl Friedrich, wurden auch bei Caroline Louise und Carl Bernhard das komplette Personal ausgetauscht. Bei ersterer lösten neben der adeligen Hofmeisterin Henriette von Knebel ab 1792 auch eine neue Kammerfrau namens Amalia Wetken, der Lakai Johann Samuel Vollrat(h) (1753–1826)554 und etwas später das Garderobenmädchen Johanna Christiane Dorothea Gelitsch (Gölitsch) sowie die Kammerjungfer Friederike Harres (Harras) die bisherige Belegschaft ab. Im Gegensatz zu ihren Brüdern bekam die Prinzessin allerdings keinen zusätzlichen Instruktor bzw. Lehrmeister zugeteilt. Ihre Erziehung und Ausbildung lagen in den Händen der Hofmeisterin von Knebel. Diese Besetzung bildete für die kommenden Jahre den personellen Grundstock der Prinzessin. Erst nach 1800 sollten sich die Strukturen bei den niederen Hofbediensteten durch Heirat, Tod und Versetzungen erneut ändern.555 Nacheinander fanden deshalb Caroline Lorch als Kammerfrau, Louise Wilhelmine Reichenbecher als Garderobenmädchen und Christiane Knabe als Laufmädchen sowie Johann Philipp Kröhn (1770– 1807), Johann Jacobi (1764–1817), Johann Christian Wilhelm Werner (1765– 1813) und Friedrich Engelhardt als Lakaien eine Anstellung bei der Prinzessin.556 Der Hof von Caroline Louise war also im Gegensatz zu dem Hofstaat ihres älteren Bruders nach dem Personalwechsel mit beiden Geschlechtern besetzt. Nach 1806 bekam die Prinzessin im Zuge der allgemeinen Hofvergrößerung zudem einen, ab 1807/08 zwei Bedienstete zusätzlich zugestanden. Statt bisher einem standen ihr deshalb von nun an jährlich zwei männliche Diener als Lakaien zur Verfügung. Ihr Personalzuwachs hielt sich jedoch sehr 554 555

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Zu den Lebensdaten vgl. KA WE SR SK 1826, f. 122. Johann Samuel Vollrat(h) wurde zum Beispiel 1806/07 als Diener in die Kanzlei des Oberkonsistoriums versetzt. Möglicherweise geschah dies aus Altersgründen auf seine eigene Bitte. Vollrat(h) zählte zu diesem Zeitpunkt bereits 53 Lebensjahre. Vgl. den Weimarer Staatskalender von 1807, S. 68. Zwei Frauen schieden nachweislich aufgrund von Heiraten aus dem Hof aus: Die ledige Amalia Wetken, ihrerseits älteste Tochter des Kammerrates Laurenz Heinrich Wetken, heiratete am 1. Dezember 1800 den verwitweten Professor Carl August Hoffmann. Das ebenfalls ledige Garderobenmädchen Johanna Christiane Dorothea Gelitsch (Gölitsch) durfte mit fürstlicher Erlaubnis die Ehe mit dem Hofbediensteten Emilius Wilhelm Gottlieb Reichenbecher am 27. Dezember 1804 eingehen. Vgl. KA WE HR HK 1800, f. 635; KA WE HR HK 1804, f. 36r. Vgl. die Weimarer Staatskalender von 1800 bis 1810. Zu den Lebensdaten der Lakaien siehe KA WE SR SK 1807, f. 71v; KA WE SR SK 1817, f. 103; KA WE SR SK 1813, f. 261v.

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in Grenzen und überschritt nie die Zahl von insgesamt sieben Personen pro Jahr.557 Dabei stimmte der Status der Dienenden stets mit den Prinzipien des restlichen Hofes überein: Die vier Männer waren ausnahmslos verheiratet und zumeist zusätzlich innerhalb der Hoflivreedienerschaft von Carl August tätig.558 Die Frauen waren hingegen alle ledig und ausschließlich bei der Prinzessin angestellt. Sobald sie eine Ehe eingingen, verließen sie den Hof. Die einzige personelle Konstante stellte die Hofmeisterin Henriette von Knebel dar. Sie begleitete Caroline Louise ununterbrochen bis zu deren Heirat mit dem Erbprinzen von Mecklenburg-Schwerin am 1. Juli 1810 und folgte ihr im August desselben Jahres sogar an den Mecklenburger Hof nach Ludwigslust.559 Bei dem jüngeren Prinzen Carl Bernhard wurde die weibliche Kleinkindbetreuung nach dessen viertem Geburtstag zunächst nicht ausschließlich mit männlichen Hofbediensteten ersetzt: Wie sein Bruder erhielt der jüngste Prinz zwar einen eigenen Kammerdiener, einen Instruktor und einen Lakaien. Im Gegensatz zum Erbprinzen bekam er jedoch keinen Instruktor für sich allein, sondern musste sich den Stiftsprediger Johann Christian Schäfer mit seinem älteren Bruder teilen. Bis 1799 war Schäfer auch, wenn nicht gar in erster Linie für Carl Friedrichs Erziehung und Ausbildung zuständig. Der jüngste Prinz durfte wohl deshalb seine Garderobenfrau Sophia Magdalena Hoyer noch zusätzlich für zwei weitere Jahre behalten,560 bis für ihn endlich im Juni 1798 ein eigener Erzieher bzw. Gouverneur in der Person des Kasseler Gardekapitäns Franz August von Hin(t)zenstern verpflichtet wurde.561 Der neue adelige Hofmeister zog aber erst am 29. September 1798 in die hinteren Zimmer des Erdgeschosses im Fürstenhaus ein und trat mit dem beginnenden Oktober seinen Dienst an.562 Zuvor hatte hauptsächlich der Kammerdiener Friedrich Christoph Beinitz für den Prinzen Sorge getragen. In Ermangelung eines eigenen Hofmeisters war er knapp zwei Jahre lang der Einzige, der den kindlichen Prinzen ständig begleitete und umsorgte.563 Zwar war er wie auch der Lakai des Prin557 558

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Vgl. Tabelle in Abb. 4. Eine Ausnahme stellte Hoflakai Johann Christian Wilhelm Werner dar, der nach dem Tod der Herzogsmutter Anna Amalia 1807 aus deren Hofstaat zu der Prinzessin Caroline Louise wechselte, nach kurzer Zeit aber bereits zum Weimarer Stadtkirchner berufen wurde. Vgl. den Weimarer Staatskalender von 1808, S. 167; sowie den Weimarer Staatskalender 1810, S. 66. Vgl. ThHStA HMA 4559, S. 151; Hendrikje Carius: Art. Magdalena Henriette von Knebel (1755–1813), in: Freyer/Horn/Grochowina: FrauenGestalten, S. 213–215, hier S. 214. Diese Fortführung kam offensichtlich nur unter der Bedingung zustande, dass Garderobenfrau zugleich auch in der Garderobe von Carl August Dienst tat. Sophia Magdalena Hoyer gehörte damit zu den wenigen Hofdienerinnen, die eine Zeit lang simultan in zwei Höfen beschäftigt waren. Vgl. den Weimarer Staatskalender von 1797, S. 86, 97. Vgl. ThHStAW HMA 121, Bl. 1. Vgl. ThHStAW HMA 4547, Bl. 85r. Vgl. ThHStAW HMA 119, Bl. 9–10r.

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zen, Johann Nikolaus Hahn, in rechtlicher Hinsicht dem Hofmarschallamt im Allgemeinen und Cornelius Johann Rudolf Riedel, dem Hofmeister des Erbprinzen, im Speziellen unterstellt.564 Faktisch war Beinitz jedoch in der Praxis größtenteils auf sich allein gestellt, da Riedel mit dem mittlerweile fast 13-jährigen Erbprinzen und seiner Tätigkeit in der Kammer vollauf beschäftigt war. Die provisorisch übertragene Erzieherrolle für den jüngeren Prinzen konnte der eigentliche Hofmeister deshalb nur äußerst bedingt wahrnehmen bzw. sich „nur eine kurze Zeit des Tages bey des Prinzens Bernhard aufhalten“. Der Kammerdiener Beinitz füllte diese Lücke und akzeptierte es als seine „Pflicht weder bey Tag noch bey Nacht den durchl. Prinzen von der Seite zu weichen“ und sich lediglich während der Unterrichtsstunden und während der Besuche bei den fürstlichen Eltern für kurze Zeit von seinem Schützling entfernen zu dürfen.565 Der Zeremonialwissenschaft war eine derartige personelle Übergangszeit, in der „ein junger Herr noch ohne einen besonderen Hofmeister“ lebte, durchaus bekannt. Allerdings wurde in diesem Falle dem Informator bzw. Instruktor die Pflicht der „immerwährende[n] Aufsicht“ zugesprochen.566 Dies konnte der bestellte Instruktor durch seine Doppelbesetzung jedoch nicht leisten. Johann Christian Schäfer hatte nicht nur die Aufgabe, zwei Prinzen unterschiedlichen Alters zugleich zu unterrichten, sondern fungierte auch weiterhin als Stiftsprediger in der Stadt- und Pfarrkirche St. Peter und Paul und musste zudem seiner Rolle als Ehemann und Vater mehrerer Kinder gerecht werden.567 Im prinzlichen Hofstaat herrschte also ein Ausnahmezustand, der allerdings auch am Weimarer Hof eher unüblich zu sein schien. Zwar stand der Erbprinz Carl Friedrich seinerzeit ebenfalls knapp zwei Monate allein unter der Aufsicht seines Kammerdieners, allerdings war zu diesem Zeitpunkt die Anstellung seines Instruktors Riedel bereits gesichert und dessen Dienstantritt absehbar. Bei Prinz Bernhard war dies indes beinahe zwei Jahre lang nicht der Fall. Damit stellt sich die Frage, weshalb die fürstlichen Eltern ihren jüngsten Prinzen der weiblichen Kinderbetreuung entzogen haben, obwohl sie offensichtlich noch nicht über das nötige Personal verfügten, um ihn unter standesgemäße männliche Aufsicht zu stellen. Die Kammerfrau Jacobi und die Wach- bzw. Wartfrau Schultz hatten keine anderweitigen Verpflichtungen 564

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Riedel hatte die Vollmacht über die An- und Abwesenheit des Kammerdieners zu entscheiden. Beinitz war wiederum der unmittelbare Vorgesetzte des Lakaien Hahn. Vgl. ebd., Bl. 9–11. Ebd., Bl. 13–14. Moser: Teutsches Hofrecht, Bd. 2, S. 14. Schäfer war seit dem 30. Mai 1791 mit Charlotta Hippolyta Carolina Zinserling (1766– 1809) verheiratet. 1794 wurde die erste Tochter namens Maria Augusta Elisabetha geboren, zwei Jahre später folgte Carl Christian Wilhelm August (1796–1859), und 1799 eine weitere Tochter. Vgl. KA WE HR SK 1791, f. 76r, KA WE SR SK 1809, f. 139v; KA WE TR SK 1796, f. 304v; KA WE TR SK 1794, f. 252v; KA WE TR SK 1799, f. 43r.

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und hätten beide weiterhin zur Verfügung gestanden, wurden aber stattdessen im August 1796 mit einer Pension aus dem Hofdienst verabschiedet.568 Die Motivation zu diesem Schritt resultierte sehr wahrscheinlich aus der weit verbreiteten, zeitgenössischen Überzeugung, dass Jungen unter der Aufsicht von weiblichem Personal der Gefahr ausgesetzt seien, zu sehr verwöhnt und verzärtelt zu werden. Der traditionellen Hofmeistertheorie zufolge sollten Söhne deshalb etwa ab dem fünften bis spätestens siebten Lebensjahr den Kontakt mit der Mutter auf ein Mindestmaß reduzieren und einem ausschließlich männlichen Erziehungspersonal überantwortet werden.569 In Anbetracht des Dienerwechsels ohne bereitstehendes Folgepersonal scheint das Weimarer Herzogspaar diese Ansicht geteilt und eine – aus zeremonieller Sicht – inadäquate Betreuung der Gefahr des Verweichlichens vorgezogen zu haben. Eine bewusste Entscheidung seitens der fürstlichen Eltern, die Hofmeisterstelle beim Prinzen zunächst unbesetzt zu lassen, bis sich ein geeigneter Kandidat gefunden hatte, würde auch die detaillierte Instruktion570 für den Kammerdiener Friedrich Christoph Beinitz erklären. Zunächst überrascht diese Anleitung, da die Überlieferungen des Weimarer Hofes ansonsten nur sehr spärlich mit Informationen zu den alltäglichen Verrichtungen des Hofpersonals aufwarten können. Der Wert dieser Arbeitsanleitung bemisst sich zudem in der besonderen Akribie, mit der sie dem Kammerdiener – der wie der Kammerdiener des Erbprinzen, Tobias Friedrich Hähling, ebenfalls eine chirurgische Ausbildung besaß571 – seine täglichen Pflichten ausführlich darlegte. So wurde zum Beispiel die Anweisung, den Körper des Prinzen gesund und reinlich zu halten, dahingehend präzisiert, dass Bernhard jeden Morgen von Kopf bis Fuß kalt abgewaschen werden, die Zähne fleißig und ordentlich geputzt, das Haar – wegen Läusegefahr – gründlich gekämmt und die Nägel an Händen und Füßen bei Bedarf geschnitten bekommen sollte. Den Tag über hatte der Kammerdiener das Gesicht und die Hände seines vierjährigen fürstlichen Schützlings rein zu halten und durfte „keine Mühe verdrüßen lassen, den durchl. Prinzen jedesmahl, wenn er schmutzig gewor568 569

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Vgl. ThHStAW HMA 119, Bl. 6–8. Vgl. Kollbach: Aufwachsen bei Hofe, S. 156, 162f. Carl Friedrich von Moser zeigte sich dagegen in diesem Punkt eher unentschieden und machte die Dauer der weiblichen Aufsicht von dem Gesundheitszustand des Kindes, der Zärtlichkeit der Eltern und den Interessen der höheren Hof- und Staatsbediensteten abhängig. Vgl. Moser: Hofrecht, Bd. 2, S. 6–8. Für Folgendes vgl. ThHStAW HMA 119, Bl. 13r–14v. In den Akten des Hofmarschallamtes wird er stets als Chirurg bezeichnet. Vgl. z. B. ThHStAW HMA 119, Bl. 6r. An der Universität zu Jena immatrikulierte sich am 22. Oktober 1783 ein Student namens „Jo. Chr. Beinitz“ aus Weimar. Da der spätere Kammerdiener Friedrich Christoph Beinitz zu dem Zeitpunkt bereits 24 Jahre alt gewesen ist, könnte dies möglicherweise sein Studiennachweis sein. Vgl. ThULB Jena, Abteilung Handschriften und Sondersammlungen, Matrikel der Universität Jena 1764–1801, Ms. Prov. f. 116, Bl. 76v.

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den [war], sey es, so oft es wolle, wieder zu waschen“.572 Dabei galt es zugleich erzieherisch auf den Prinzen einzuwirken und ihn bei jeder Gelegenheit dazu anzuhalten, selbst keine Unreinlichkeit an seinem Körper zu dulden und auch seine Kleidung, sobald sie schmutzig oder befleckt war, wenn nötig mehrmals am Tag zu wechseln. Unverkennbar stand hinter diesen Anforderungen ein repräsentatives Ziel: Der Prinz sollte „immer reinlich und ordentlich bey Hofe und bey andern Leuten erscheinen könne[n].“573 Daneben richtete sich die Fürsorge aber vornehmlich auf die Gesundheit des Prinzen, für die der Weimarer Hof auffallend rationale Vorsorgemaßnahmen zu ergreifen verlangte. Im Wesentlichen sollte der Kammerdiener auf drei Aspekte Wert legen: Luft, Bewegung und gute Ernährung. Das Wohnzimmer des Prinzen galt es regelmäßig ordentlich zu lüften, Spaziergänge auch bei schlechtem Wetter zu absolvieren und die Speisung in Absprache mit der Küche genau zu kontrollieren. Die Überzeugungen der Aufklärungspädagogen, dass ausreichend Bewegung und eine spezielle Diätetik einem Kinde im besonderen Maße wohltäten, schienen auch am Weimarer Hof in die Erziehung des fürstlichen Nachwuchses Eingang gefunden zu haben.574 Aus personeller Sicht wesentlich interessanter scheint jedoch die Position desjenigen, dem diese Anleitung an die Hand gegeben wurde, denn an anderen Höfen waren dergleichen Instruktionen in der Regel für einen Instruktor und nicht für einen Kammerdiener bestimmt.575 Beinitz wurde schließlich 1798, kurz nach dem Dienstantritt von Franz August von Hintzenstern, vom Dienst beim Prinzen Bernhard entbunden und in den Hofstaat des Erbprinzen Carl Friedrich versetzt. Da Beinitz dort in der Garderobe bis zu seinem Tode am 17. November 1819 beschäftigt blieb, wurde diese vergleichsweise baldige Versetzung wohl nicht durch eine ungenügende Leistung veranlasst. Stattdessen scheinen vielmehr ganz pragmatische Überlegungen ausschlaggebend gewesen zu sein: Franz August von Hintzenstern bekam als Gouverneur die Aufgabe übertragen, den Prinzen ganztägig als standesgemäßer Betreuer zu begleiten und zu versorgen. Er übernahm damit im Grunde – wenn auch zweifellos mit einem anderen ständischen Impetus – jene Funktion, die der Kammerdiener bisher allein ausgeführt hatte. Beinitz und von Hintzenstern standen folglich als direkte Bezugspersonen für den Prinzen in gewisser Weise in Konkurrenz zueinander. Es scheint deshalb 572 573

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ThHStAW HMA 119, Bl. 13v. Ebd. Mit diesem Anspruch sollte Beinitz auch die unter ihm stehenden Bediensteten streng kontrollieren und gegebenenfalls zur Sorgfalt anhalten. Ihm oblag es sämtliche Kleidungsstücke des Prinzen in Ordnung zu halten und deshalb zu prüfen, ob alles sauber gewaschen, repariert und ausgebessert wurde. Dabei musste er unter anderem auch entscheiden, wann ein repariertes Kleidungsstück ausgetauscht werden sollte, weil es nicht mehr schicklich war. Dazu ausführlich Kollbach: Aufwachsen bei Hofe, S. 79–103. Vgl. die Erziehungsinstruktionen für den Instruktor des badischen Hofes in: ebd., S. 79– 80.

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nur konsequent, Beinitz aus der direkten Einflusssphäre von Bernhard zu entfernen, um dem bis dahin völlig fremden von Hintzenstern die reelle Chance einzuräumen, problemlos das Vertrauen des sechsjährigen Prinzen gewinnen zu können. Zwar ließe sich gewiss auch aus der Perspektive von Carl Friedrich eine größere personelle Umstrukturierungsmaßnahme vermuten, die auf eine Verjüngung576 des erbprinzlichen Hofpersonals abzielte und damit den Erbprinzen personalpolitisch klar bevorzugt hätte. Allerdings wäre dies sicherlich eine zu einseitige Sichtweise, die den fürstlichen Eltern wohl zu Unrecht eine blinde Ignoranz gegenüber dem kindlichen Bedürfnis ihres jüngsten Sohnes nach einer konstanten Vertrauensperson unterstellen würde. Wahrscheinlicher scheint dagegen doch eher die Motivation, dem neuen Gouverneur den Einstieg in seine Erziehungsarbeit zu erleichtern, um diese Personalfrage aufgrund eines guten Verhältnisses mit dem Schützling auf lange Sicht erledigt zu wissen. Dass der Herzog tatsächlich bereit war, den ledigen von Hintzenstern für seinen Sohn Bernhard langfristig an den Weimarer Hof zu binden, belegen rückblickend dessen rasche und stetige Beförderungen und Charakterverleihungen bis hin zum Titularoberst und Oberhofmeister des Prinzens. Die Versetzung des Kammerdieners sollte sich als symptomatisch für die Personalpolitik der folgenden Jahre im Hofstaat des Prinzen erweisen. Obwohl seit 1798 keine Frau mehr für Bernhard tätig war und damit praktisch auch kein Verlustrisiko wegen Eheschließung mehr bestand, musste der Prinz häufige Personalwechsel innerhalb kurzer Zeit, vor allem bei seiner niederen Hofdienerschaft hinnehmen. Johann Nikolaus Hahn, der zusammen mit Beinitz seinen Dienst angetreten hatte, wurde am 27. Oktober 1800 von Johann August Heinrich Kantner abgelöst und dieser wiederum am 1. Januar 1803 vom bisherigen Stallbedienten Carl Reichenbecher.577 Auch der 1801 zusätzlich angestellte Bedienstete Lorenz Rudolph verließ den Prinzen bereits nach knapp vier Jahren. Weshalb die fürstlichen Eltern diesen steten Austausch der Lakaien befürworteten, lässt sich aus den Akten des Hofmarschallamtes nicht erschließen. Bemerkenswert ist an dieser Stelle jedoch, dass alle Lakaien am Weimarer Hof weiterhin beschäftigt blieben und zumeist im väterlichen Kernhof bisweilen für besondere Aufgaben, wie zum Beispiel zur Aufwartung bei fremden Gästen, herangezogen wurden. Möglicherweise bewiesen jene Lakaien, die von Anfang an auch bei Carl August simultan angestellt waren, im Laufe ihrer Tätigkeit wertvolle Fähigkeiten, die der Herzog ab einem bestimmten Zeitpunkt für sich selbst zu nutzen gedachte – oder aber die Lakaien gerieten zwischen die beiden recht ausgeprägten Persönlichkeiten des Prinzens und seines Gouverneurs: Carl August selbst beschrieb seinen Sohn 576

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Friedrich Christoph Beinitz trat seinen Dienst beim Erbprinzen im gleichen Jahr wie der neue Oberhofmeister Duco van Haren an. Er war zu diesem Zeitpunkt erst 40 Jahre alt, während der vorherige Kammerdiener Hähling, der nicht entlassen, sondern ins Regiment versetzt wurde, schon beinah sein sechstes Lebensjahrzehnt vollendet hatte. Vgl. ThHStAW HMA 4549, S. 199; ThHStAW HMA 4552, S. 1.

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Bernhard als ein „sehr lebhaftes Kind, voller Ambition, [und] Fähigkeit zum Lernen“, das sich zugleich aber auch schnell missverstanden fühlte und leicht glaubte, „daß man ihm Unrecht thut, und hat er einmal diesen Glauben gefaßt, so ist er gewaltig stetisch und halsstarig“.578 Dem gegenüber stand ein Hofmeister, der eine „übertriebene Ehrliebe“ besaß und „äußerst leicht beleidigt“ war, von Carl August aber auch als ein rationaler und „sehr ehrlicher, rechtlicher Mann“ geschätzt wurde, der „sich durch kaltblütige Überlegungsgründe überreden und überzeugen“ ließ.579 Da diese Kombination „oft Streit“ und Zerwürfnisse provozierte,580 scheint es nicht unwahrscheinlich, dass einige der Personalversetzungen nicht durch Leistungs(un)vermögen, sondern eher durch das menschliche Miteinander herbeigeführt wurden. Nicht zuletzt ist aber auch denkbar, dass mit den steten Wechseln die Stellung des adeligen Gouverneurs als einzige konstante Vertrauenspersonen gestärkt und eine emotionale Bindung des Prinzen an seine niederen Diener verhindert werden sollte. In diesen personell eher unbeständigen Zeiten wechselte durch einen Schicksalsschlag auch Bernhards Instruktor. Im Januar 1801 erlag Johann Christian Schäfer überraschend im Alter von 35 Jahren einem rheumatischen Nervenfieber581 und wurde durch Carl Friedrich Horn (1772–1852) ersetzt. Da die Doppelbesetzung Schäfers erhalten bleiben sollte, wurde Horn nicht nur als Stiftsprediger in der Weimarer Stadtkirche, sondern auch als Erzieher beim jüngsten Prinzen verpflichtet. Letzteres schien dem erst 29-jährigen Geistlichen leicht zu fallen, da er offenbar mit dem eigenwilligen Gemüt des mittlerweile neunjährigen Bernhards umzugehen und ihn nachhaltig zu beeindrucken wusste.582 Horn hatte den Auftrag, den Prinzen bis zur Konfirmation zu führen, und folgte ihm dazu – trotz eigener Familie in Weimar583 – im Januar 1806 sogar nach Dresden.584 578

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Carl August hielt diese Einschätzung im Januar 1806 in einem Brief an seinen Agenten in Dresden fest, um ihn auf die bevorstehende Ankunft Bernhards vorzubereiten und dafür um Hilfe zu bitten. Abgedruckt in: Starklof: Leben des Herzogs Bernhard, S. 22. Ebd., S. 23. Ebd. Im Sterbeeintrag wurde als Todesursache zusätzlich Friesel und Polypen angegeben. Vgl. KA WE SR SK 1801, f. 168r. Prinz Bernhard stand mit seinem Instruktor Horn bis zu dessen Tod im „innigsten, herzlichsten Verkehr“. Vgl. Starklof: Leben des Herzogs Bernhard, S. 18. Carl Friedrich Horn hatte am 24. August 1801 Sidonia Dorothea Jacobina Marschall geheiratet. Am 18. September 1802 wurde die erste Tochter Clara Augusta Sidonia († 1821) geboren. Es folgten die Söhne Albert August (1804–1845), Carl Adolph (1805– 1806), Adolph Moritz (1807–1828), Carl Gustav (1808–1809), Otto Ludwig (*† 1810), Adolph Robert Ferdinand (*1816), die Tochter Louise Caroline Amalie (*1812). Vgl. KA WE HR SK 1801, f. 162v; KA WE TR SK 1802, f. 167r; KA WE TR SK 1804, f. 226r; KA WE TR SK 1805, f. 41r; KA WE TR SK 1807, f. 94r; KA WE TR SK 1808, f. 168r; KA WE TR SK 1810, f. 238v; KA WE TR SK 1812, f. 284r; KA WE TR SK 1816, f. 233. Vgl. ThHStAW HMA 4555, S. 9. Horn kehrte allerdings schon Mitte April, unmittelbar nach Bernhards Konfirmation, wieder nach Weimar zurück.

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Eben dorthin ließ Carl August seinen jüngsten Sohn mit dem Plan übersiedeln, dass sich dieser für einige Zeit am glänzenden, streng zeremoniös geregelten Hofe des Kurfürsten von Sachsen bewege, dabei seine Studien intensiv fortführe und dadurch die nötige Reife erlange, um eine Militärlaufbahn einschlagen zu können.585 Nach etwa vier Jahren sollte Bernhard für militärische Studien nach Berlin wechseln. Diese Entscheidung scheint nicht zufällig kurz nach der Geburt des Prinzen Paul Alexander gefällt worden zu sein.586 Die Erbprinzessin Maria Pawlowna hatte im September 1805 einem Jungen das Leben geschenkt, wodurch die dynastische Zukunft des Weimarer Herzoghauses zunächst befestigt schien.587 Bernhard gewann infolgedessen enorm an Handlungsfreiheit, da er als zweiter männlicher Nachkomme die Last des Ersatznachfolgers für den Erbprinzen nun nicht mehr allein auf seinen Schultern tragen musste. Dementsprechend gab es offensichtlich auch keine Einwände gegen einen Aufenthalt und Studium außerhalb der Landesgrenzen. Am 10. Januar 1806 reiste der dreizehnjährige Prinz in Begleitung seines Gouverneurs von Hintzenstern, des Stiftspredigers Horn und zweier Lakaien nach Dresden ab. Sein Kammerdiener Christian Marcus Tauber blieb in Weimar und wurde zum Geheimen Registrator in der Geheimen Kanzlei befördert.588 Prinz Bernhard war damit der Einzige der drei Kinder von Carl August und Louise, der einen großen Teil seiner Ausbildung abseits des Weimarer Hofes erhielt. Dabei spielten die kriegerischen Auseinandersetzungen und politischen Umwälzungen in Europa eine nicht unerhebliche Rolle, denn Bernhard sollte dadurch seine von ihm selbst dringlich erwünschte Karriere im Militär schneller beginnen als normalerweise üblich. Im September 1806, d. h. ein dreiviertel Jahr nach dem Umzug nach Dresden, gaben Carl August und seine Gattin dem Drängen ihres erst vierzehnjährigen Sohnes nach und gestatteten ihm an der Seite von Friedrich Ludwig Fürst zu Hohenlohe (1746–1818) in dessen Korps589 an dem bevorstehenden Feldzug gegen die napoleonische Armee teilzunehmen.590 Mit elterlichem Segen und zahlreichen Ermahnun585 586

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Vgl. Starklof: Leben des Herzogs Bernhard, S. 21–24. Zuvor konsultierte der Herzog auch hier − wie schon in einigen anderen Erziehungsfragen − seinen Dichter und besprach mit Goethe im Beisein von Bernhard im Oktober 1805 die anstehenden tiefgehenden Veränderungen. Vgl. C. A. v. S-W-E an J. W. v. Goethe, 6. Oktober 1805, in: BW Wahl 1, S. 308. Vgl. KA WE TR HK 1805, f. 407. Vgl. den Eintrag im Fourierbuch ThHStAW HMA 4555, S. 9. Der Prinz wurde am Dresdner Hof wohlwollend aufgenommen, wohnte aber nicht dort, sondern bezog nach einem kurzen Aufenthalt im Hotel de Pologne eine Wohnung in der Klostergasse in der Neustadt mit Aussicht auf die Elbe und die Brühlsche Terrasse. Vgl. Starklof: Leben des Herzogs Bernhard, S. 24. Das Korps Hohenlohe bestand aus preußischen und sächsischen Divisionen und zwar konkret aus etwa 19 000 Preußen (Divisionen Tauentzien und Grawert) und etwa 20 000 Sachsen der Division Zezschwitz. Vgl. Starklof: Leben des Herzogs Bernhard, S. 32. Der Herzog betonte gegenüber seinem Sohn explizit, dass er diese Entscheidung im

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gen nahm Bernhard dann tatsächlich − wenn auch weiterhin unter der steten und beschützenden Aufsicht seines Gouverneurs von Hintzenstern − an der Schlacht von Jena teil. Allerdings muss offen bleiben, ob und inwieweit er effektiv in das für die überraschten Preußen desaströse Kriegsgeschehen eingriff. Als die Schlacht verloren schien, flüchtete er am selben Abend nach Hause zu seiner Mutter in das Weimarer Schloss,591 um am nächsten Tag via Braunschweig nach Mecklenburg zu Verwandten seines Gouverneurs zu reisen und sich, wie seine Geschwister, wochenlang zurückzuziehen.592 Nachdem er am 10. Dezember 1806 − einen Tag vor seinem ebenfalls geflohenen Vater − wieder nach Weimar zurückgekehrt war, wurde in den Ministerberatungen noch vor Ende des Jahres über seine Rückkehr nach Dresden und seinen Eintritt in die sächsische Armee entschieden.593 Zwar verzögerte sich seine Abreise um etwa ein halbes Jahr, letztlich reiste der Prinz aber doch am 12. August 1807 nach Dresden und trat im Alter von 15 Jahren als Kapitän der königlichen Garde in den Dienst des nunmehrigen sächsischen Königs.594 Zuvor wechselte noch einmal die Besetzung seines Hofpersonals: Der langjährige Gouverneur von Hintzenstern verabschiedete sich Ende Mai 1807 vom Weimarer Hof und ging nach Kassel.595 Auf Empfehlung des späteren Vizepräsidenten des Weimarer Landschaftskollegiums,596 Carl Freiherr von Müffling genannt Weiß (1775–1851), in den Carl August großes Vertrauen setzte, wurde daraufhin der preußische Generalquartiersmeisterleutnant Otto August (Ludwig) Rühle von Lilienstern (1780–1847) zum Nachfolger bestimmt.597 Prinz Bernhard erhielt damit keinen Unbekann-

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Einvernehmen mit dessen Mutter getroffen hat. Vgl. C. A. v. S-W-E an C. B. v. S-WE, Niederroßla, 20. September 1806, in: Leben in Briefen, S. 101–102. Vgl. ThHStAW HMA 4555, S. 211. Vgl. F. A. von Hintzenstern an A. A. v. S-W-E, Braunschweig, 18. Oktober 1806, in: Starklof: Leben des Herzogs Bernhard, S. 42. Vgl. Friedrich von Müller: Erinnerungen aus Kriegszeiten 1806–1813. Braunschweig 1851, S. 107. Vgl. ThHStAW HMA 4556, S. 169. Vgl. ThHStAW HMA 4556, S. 107. Zu den heiklen Gründen dieser Verabschiedung vgl. Kapitel V zu den Führungspersönlichkeiten. Vgl. dazu Starklof: Leben des Herzogs Bernhard, S. 46. Bernhard von Poten meint dagegen, dass eine der ersten Veröffentlichungen von Rühles, insbesondere der „Bericht eines Augenzeugen von dem Feldzuge der während den Monaten September und October 1806 unter dem Commando des Fürsten von Hohenlohe-Ingelfingen gestandenen Königl. preußischen und kurfürstl. sächsischen Truppen“, den Herzog zur Berufung bewegten. Vgl. Bernhard von Poten: Art. August Rühle von Lilienstern, in: ADB, Bd. 29 (1889), S. 611–615, bes. S. 612. Die Angaben zum Vornamen des Leutnants widersprechen sich in der Literatur und den Quellen. In den Akten des Hofmarschallamtes in Weimar wird der Gouverneur zu Beginn stets als Ludwig von Rühle bezeichnet, später wechselt aber selbst der Staatskalender den Namen in Johann Jacob Otto August Rühle von Lilienstern um. Bei allen Variationen handelte es sich stets – zumindest im Weimarer Kontext – um ein- und

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ten zum Gouverneur: Rühle von Lilienstern hatte als Adjutant im Stab des Fürsten zu Hohenlohe gedient und in dessen Hauptquartier am Feldzug im Oktober 1806 mitgewirkt.598 Beide waren sich mit Sicherheit aber auch schon vorher im November 1805 begegnet, als Rühle von Lilienstern zum ersten Mal den Weimarer Hof besuchte und währenddessen zur fürstlichen Tafel gebeten wurde.599 Da der Leutnant scheinbar nicht nur all jene Qualitäten mitbrachte, die sich Carl August von einem Gouverneur für seinen militärisch ambitionierten Sohn wünschte,600 sondern überdies seit Anfang 1807 in Dresden sesshaft war, schien er der geeignete Kandidat zu sein. Anfang August desselben Jahres kam Rühle von Lilienstern nach Weimar, um seinen Schützling abzuholen und in einen neuen Lebensabschnitt zu geleiten.601 Der Prinz kam in den folgenden Jahren nur noch vereinzelt für kurze Aufenthalte in seine Heimatstadt zurück. Sein neuer Lebensmittelpunkt war von nun an das sächsische Regiment der Leibgrenadiere. Dementsprechend tangierte die schrittweise Vergrößerung des Weimarer Hofes nach 1806 auch nur bedingt den Hofstaat des Prinzen Bernhard. Im Gegensatz zu seinen Geschwistern profitierte er in keiner Weise von der Personalaufstockung, sondern bekam gleichbleibend drei bis vier Bedienstete, d. h. seinen Gouverneur und zwei bis drei Lakaien, vom Vater zugestanden. Durch seinen fernen Standort hatte der Prinz jedoch den Vorteil, auch seine niederen Bediensteten komplett für sich allein in Anspruch nehmen zu können, da sie nicht, wie sonst üblich, simultan im Kernhof von Carl August beschäftigt waren bzw. werden konnten. Zudem musste er die Aufmerksamkeit seiner Bediensteten selten mit deren Familien teilen. Von den insgesamt 15 Männern, die zwischen 1796 bis 1810 für Bernhard tätig waren, gingen nur vier nachweislich eine Ehe ein.602 Die übrigen blieben entweder ledig oder verheirateten sich erst, nachdem sie in andere Hofstaaten gewechselt oder ganz aus dem Hofdienst ausgeschieden waren. Carl August setzte demnach bei seinem jüngsten Sohn Bernhard – im Gegensatz zu seinen übrigen Kindern –

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denselben Mann. Diese Namensvariationen wurden in der wenigen bisherigen Literatur zumeist benannt, jedoch ohne Klärung, woraus die anhaltend falsche Benennung resultierte. Vgl. Poten: Rühle von Lilienstern, S. 611; Starklof: Leben des Herzogs Bernhard, S. 47. Vgl. Poten: Rühle von Lilienstern, S. 612. Wenige Tage später machte das Korps von Hohenlohe in Weimar Station, woraufhin dessen gesamtes Offizierkorps am Hofe gespeist wurde. Vgl. ThHStAW HMA 4554, S. 260f. Weitere Einzelheiten dazu finden sich im Kapitel V. Vgl. ThHStAW HMA 4556, S. 163, 169. Die beiden Instruktoren Schäfer und Horn waren – wie oben bereits erwähnt – verheiratet. Und auch der Lakai Johann Nikolaus Hahn war vermählt und hatte mit seiner Gattin Dorothea Magdalena Seusing seit April 1797 den Sohn Johann Gottlob Wilhelm Leonhard Hahn, der jedoch bereits als Wochenkind verstarb. Vgl. KA WE TR HK 1797, f. 516. Der Gouverneur von Rühle war ebenfalls seit 1808 verheiratet. Vgl. dazu das Kapitel V.

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bevorzugt Hofbedienstete ein, denen ein ganztägiger Dienst beim Prinzen problemlos abzuverlangen war. 4.5.2 Die Bevorzugung der hochrangigen Enkelkinder Aus der Ehe des Erbprinzen Carl Friedrich und der Großfürstin Maria Pawlowna ging bereits ein Jahr nach der Vermählung ein männlicher Thronerbe hervor: Am Abend des 25. September 1805 kam die Erbprinzessin „mit einem wohlgestalteten Prinzen“ nieder,603 der knapp zwei Wochen später am Sonntag, den 6. Oktober 1805, im großen Saal des neuerbauten fürstlichen Schlosses auf den Namen Paul Alexander Carl Constantin Friedrich August getauft wurde.604 Die erfolgreiche Geburt löste, wie bei den fürstlichen Kindern zuvor, eine anhaltende Jubel- und Freudenstimmung im Herzogtum aus, die sich in vielen Festen, Huldigungsgedichten und -liedern zur Ehren des Weimarer Herzogshauses niederschlug.605 Am Hof selbst wurde das freudige Ereignis nur kurze Zeit später durch das Hinscheiden des Prinzen von Braunschweig-Wolfenbüttel-Oels (1740–1805), der anlässlich der Taufe in Weimar zu Besuch war, negativ überschattet. Der Bruder der Herzogsmutter Anna Amalia erlag im Alter von 65 Jahren seinen „bösartigen Homorrhoidal-Umständen“606 und verstarb in Weimar am frühen Abend des 8. Oktobers.607 Die folgenden Geburtsfeierlichkeiten waren deshalb mit der Hoftrauer abzustimmen, die zur Ehrung des Braunschweigers ein Tag nach dessen Tod ihren Anfang nahm und erst nach etlichen Wochen am 27. November endete.608 Vor der Geburt hatte der Weimarer Hof – wie üblich – frühzeitig das nötige Personal zur Betreuung des erbprinzlichen Kindes organisiert, so dass bereits bei der Niederkunft der weibliche Teil des künftigen Hofstaats voll-

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ThHStAW HMA 2596, Bl. 1. Vgl. KA WE TR HK 1805, f. 407. Wie bei seinem Vater standen auch bei diesem potentiellen Thronfolger die Landschaft des Fürstentums Weimar, die Landschaft des Fürstentums Eisenach und die der Jenaer Landesportion neben anderen fürstlichen Personen Pate. Eine ausführliche Beschreibung der Taufzeremonie findet sich im Weimarer Wochenblatt Nr. 81 vom 9. Oktober 1805. Vgl. z. B. ThHStAW HMA 2596, Bl. 1–3, 11–27. ThHStAW HMA 4554, S. 221. Die Angaben im Fourierbuch, Hämorriden und Stickfluss, widersprechen den Kirchenbüchern, die Podagra, d. h. Gichtbeschwerden im Fußbereich, als Todesursache angeben. Vgl. KA WE SR SK 1805, f. 22r. Prinz Friedrich August wurde im Kirchbuch als bei der Taufe anwesend registriert. Der Fourier erinnerte sich jedoch an ein 8-tägiges Krankenlager. Der Prinz wurde letztlich – nach einer Totenparade im Salon des neuerbauten Schlosses – am 17. Oktober 1805 in Weimar standesgemäß beigesetzt. Vgl. Ebd; ThHStAW HMA 4554, S. 228; KA WE TR HK 1805, f. 407. Vgl. ThHStAW HMA 4554, S. 267. Für die Ehrung von Onkeln mütterlicherseits war eine sechswöchige Hoftrauerzeit üblich. Vgl. ThHStAW HMA 2823, Bl. 6–7.

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ständig im Nebenzimmer bereitstand.609 Insgesamt waren vier fest am Hof verpflichtete Frauen, eine Amme und zwei nicht namentlich benannte Hoflakaien aus der Garderobe vorgesehen. Carl August gestand damit seinem Enkel bereits im Säuglingsalter nicht nur weibliches, sondern auch männliches Personal zu. Zwar hatte er bei seinem jüngsten Sohn die alte Kammerfrau Jacobi ebenfalls durch seine Hoflakaien unterstützen lassen, allerdings war dies noch ausdrücklich ein Extradienst ohne institutionelle Verankerung. Das hatte sich nun sichtlich geändert. Im Staatskalender von 1806 wurden zwei Hoflakaien als reguläres Personal im Hofstaat des Neugeborenen ausgewiesen. Insgesamt dienten dem Prinzen Paul Alexander also sechs Hofbedienstete zuzüglich einer Amme. Dem ersten Kind von Maria Pawlowna stand damit weit mehr Personal zur Verfügung als dies in Weimar zuvor üblich gewesen war. Dies war mit Sicherheit der kaiserlichen Herkunft seiner Mutter geschuldet, denn Umfang und gemischtgeschlechtliche Zusammensetzung dieses Kinderhofes entsprachen eher den zeremoniellen Anforderung an große, d. h. ranghöchste Höfe, als jenen Erwartungen, die an kleinere oder mittlere Höfe gestellt wurden.610 Allein die „Dame von Adel und guten Einsichten“ fehlte,611 die es bei großen Höfen nach der Geburt als standesgemäße Betreuung einzusetzen galt. Es wurde demnach ein – aus zeremonieller Sicht – geschickter Mittelweg gewählt, der einerseits dem Enkel des russischen Zarenhauses eine sichtbare Besserstellung gegenüber den Traditionen des Weimarer Hofes garantierte, andererseits aber doch dessen Status als zukünftiger Thronerbe eines herzoglichen Fürstenhauses Rechnung trug und sich deshalb keine noch opulentere Umsetzung eines höherrangigen Hofzeremoniells anmaßte. Diese zeremonielle Kompromisslösung spiegelt sich auch in der Wahl der Femme de Charge wider, die „zur Aufsichts-Führung über das fürstl. Kind bestimmt“ war.612 Auf Betreiben der Oberhofmeisterin Ottilie Henckel von Donnersmarck konnte für diese verantwortungsvolle Stelle die bis dahin in Jena lebende Amalie Batsch, geb. Pfündel (1765–1852), gewonnen werden.613 Die Professorenwitwe besaß reichlich Erfahrung aufgrund ihrer eigenen fünf Kinder, von denen drei das Kleinkindalter erreicht hatten. Sie benötigten eine dauerhafte Versorgung, weil August Batsch (1761–1802) unerwartet im Alter von 41 Jahren gestorben war.614 Ihre Notlage bewog die alleinerziehende 609 610

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Vgl. ThHStAW HMA 2596, Bl. 2r. Ebenso sah es die Zeremonialwissenschaft vor. Vgl. Moser: Teutsches Hofrecht, Bd. 2, S. 5. Moser führt als Beispiel das Personal des Sohnes des Kurprinzen von Sachsen an, das gemischtgeschlechtlich aus fünf Frauen und drei Männern sowie einem „Cammer=Mensch“ bestanden haben soll. Vgl. Moser: Teutsches Hofrecht, Bd. 2, S. 5–6. Ebd., S. 5. ThHStAW HMA 2596, Bl. 2r. Vgl. Nicolas Robin: Art. Amalie Sophie Caroline Batsch, geb. Pfündel (1765–1852), in: Freyer/Horn/ Grochowina: FrauenGestalten, S. 53–55, bes. S. 54. Vgl. KA J SR SK 1802, f. 62. Beim Tod des Vaters war der Sohn Friedrich 13 Jahre, Georg Friedrich Karl 10 Jahre und Karoline 7 Jahre alt.

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Mutter,615 die Stelle am Hof anzunehmen, obwohl sie im Gegenzug ihre Rolle als Mutter mit der Rolle der Femme de Charge der fürstlichen Kinder vertauschte. Ihre eigenen Kinder musste sie dazu in fremde Obhut geben, da sich deren Versorgung mit den Tätigkeiten am Hof nicht vereinbaren ließ.616 Aus der Sicht des Hofes ist es bemerkenswert, dass er eine verwitwete Mutter dreier minderjähriger Kinder anstellte.617 Noch ungewöhnlicher ist jedoch deren Bildungshintergrund: Amalie Batsch war eine hoch gebildete Frau, die ihren Gatten, der zunächst als außerordentlicher Professor für Medizin, später als ordentlicher Professor für Naturgeschichte an der Universität in Jena gewirkt hatte, in seiner wissenschaftlichen Arbeit nicht nur unterstützt, sondern in seiner Abwesenheit sogar vertreten hatte. Als August Batsch sich zum Beispiel im Sommer 1784 längere Zeit in Köstritz aufhielt, war sie diejenige, die nicht nur die Wartung und Pflege seines Herbariums, Naturalienkabinetts sowie der zoologischen und mineralogischen Sammlungen, sondern auch seine wissenschaftliche Korrespondenz übernahm.618 Amalie Batsch besaß also nicht nur jene praktischen Erfahrungen im Umgang mit Kindern, die von einer Kammer- bzw. Kinderfrau erwartet wurden, sondern verfügte zudem über einen Bildungshorizont, der den einer einfachen Kinderkammerfrau weit überstieg und es ihr erlaubte, (später) die Stelle der Erzieherin adäquat auszufüllen.619 Dies war wohl auch der Grund, weshalb sie als Femme de Charge angestellt wurde. Sie fand damit ihren Platz direkt unter der adeligen Oberhofmeisterin und den adeligen Hofdamen, aber über den drei Kammerfrauen der Erbprinzessin.620 Im Gegensatz zur vorherigen Generation Weimarer Prinzen bekam der Sohn Maria Pawlownas also eine Hofdienerin zugeteilt, die den „guten Einsichten“ gerecht wurde, die das Zeremoniell erwartete, und die deshalb in der Hierarchie des Hofes ein 615

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Amalie Batsch bezog eine kleine Rente ihres Gatten und geringe eigenen Einkünfte aus ihrer Tätigkeit als Illustratorin im Verlag des Landes-Industrie-Comptoirs. Bevor sie die Stelle am Hof annahm, hatte sie zwar versucht, den Unterhalt und die Erziehung ihrer Kinder durch den Verkauf des wissenschaftlichen Nachlasses ihres Gatten abzusichern. Allerdings schien sie trotz dessen auf die finanzielle Unterstützung von Goethe und Carl Ludwig von Knebel angewiesen gewesen zu sein. Vgl. Robin: Amalie Batsch, S. 53. Beim Dienstantritt der Mutter am Hofe war der Sohn Friedrich 16 Jahre, Georg Friedrich Karl 13 Jahre und Karoline 10 Jahre alt. Vgl. ebd. Das Phänomen der Mutter mit minderjährigen Kindern ist ausschließlich in Maria Pawlownas Hof zu finden. Ein weiteres Beispiel dafür ist die Hofdame Caroline von Beust. Vgl. den Abschnitt über die Weimarer Hofdamen. Vgl. Robin: Amalie Batsch, S. 53. Sie blieb Erzieherin neben der adeligen Hofmeisterin Caroline von Hopfgarten und wechselte offiziell 1817 von der Bezeichnung einer Kammerfrau zur Erzieherin. Vgl. die Weimarer Staatskalender von 1806, 1816 und 1819. Die Beschäftigung einer Femme de Charge war am Weimarer Hof nicht üblich und wurde erst mit Maria Pawlowna eingeführt. Die Stelle war seit der Heirat für die Erbprinzessin vorgesehen, blieb aber zunächst unbesetzt. Ab Herbst 1805 wurde Amalie Batsch sowohl für die Erbprinzessin als auch für deren Sohn verpflichtet. Vgl. den Weimarer Staatskalender von 1805, S. 166.

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4. Der Weimarer Hof als vielfältige Einheit mit individuellen Hofprofilen

Stück höher gestellt war, als die Kammerfrau Jacobi, mit der die Kinder von Carl August und Louise als Kleinkinder hatten vorlieb nehmen müssen. Mit der gebildeten Professorenwitwe überschritt der Weimarer Hof sein bisher übliches Maß. Da Amalie Batsch aber nicht dem adeligen Stand angehörte, war dieser Schritt letztlich so dezent, dass er unter den Anforderungen blieb, die das Zeremoniell an große Fürstenhöfe stellte. Der Weimarer Hof überzog folglich mit seiner Personalentscheidung für den Prinzen Paul Alexander auch hier nicht die zeremoniellen Grenzen eines herzoglichen Fürstenhauses. Neben Amalie Batsch wurden die Wartfrau Christiane Färber, geb. Scheidemantel, die Wachfrau Johanna Dorothea Elisabetha Grobe und das Garderobenmädchen Johanna Maria Magdalena Heydenhauß sowie eine Amme namens Eva Charlotta Rathel, geb. König (1778–1836),621 im Hofstaat des kleinen Prinzen angestellt. An den Lebensumstände der Frauen lässt sich ablesen, dass hier an den bewährten Traditionen des Weimarer Hofes festgehalten wurde. Mit Christiane Färber wurde eine verheiratete, erfahrene Mutter zweier Töchter zum Wartfrauendienst bestellt,622 ebenso wie auch die Amme verheiratet und Mutter einer ehelich geborenen Tochter war.623 Das Garderobenmädchen und die Wachfrau genügten indes den allgemeinen Grundsätzen für Frauen am Hofe und waren beide ledig und kinderlos. Als Neuerung fällt dagegen zunächst die Trennung zwischen der Wart- und der Wachfrau auf. Was sich bei dem neugeborenen Erbprinzen Carl Friedrich in den Quellen andeutete, aber nicht konkret fassen ließ,624 scheint hier eindeutig: Der designierte Thronfolger Prinz Paul Alexander bekam nicht nur eine Dienerin gestellt, die ihn wickeln, pflegen und nach dem Abstillen umsorgen sollte, sondern zusätzlich auch eine weitere Dienerin, die nachts seinen Schlaf bewachen und bei Problemen sofort Hilfe leisten oder zumindest herbeiholen sollte. Da Letzteres offensichtlich keine ausreichende Beschäftigung für eine Hofstelle darstellte, wurde Dorothea Grobe tagsüber im Witwenhof Anna Amalias als Hausmagd beschäftigt und gehörte damit zu den wenigen weiblichen Hofbediensteten die interimsweise in zwei 621

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Eva Charlotta wurde am 14. März 1778 als Tochter des Fleischhauermeisters Johann Georg König und seiner Ehefrau Elisabetha Barbara Gengelbach in Weimar geboren und verstarb am 19. Mai 1836 eben dort. Am 3. Dezember 1804 ging sie die Ehe mit dem Schlossermeister Johann Georg Rathel ein. Vgl. KA WE TR SK 1778, f. 37r; KA WE HR SK 1804, f. 207r. Christiane Färber war die Tochter des Baukämmerers des Weimarer Stadtrats Joachim Nikolaus Scheidemantel. Sie heiratete am 22. Juli 1799 den Jenaer Beutlermeister Johann Gottlieb Sebastian Färber und bekam mit ihm zwei Töchter: Friederika Rosina Christiana (1800–1801) und Johanna Friederika Ernestina (geb. 1803). Vgl. KA J HR SK 1799, f. 186; KA J TR SK 1800, f. 93; KA J TR SK 1803, f. 268. Die Geburt ihrer Tochter namens Franziska Christiana Wilhelmina Rathel (1805–1865) fand schon am 12. Mai 1805 statt, womit das Kind – wenn es denn keine Frühgeburt war – unehelich gezeugt wurde. Für den Weimarer Hof spielte das in diesem Falle aber offenbar keine Rolle. Vgl. KA WE TR SK 1805, f. 28v. Vgl. den Abschnitt über die Höfe der Nachgeborenen.

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Hofstaaten zugleich eingesetzt war.625 Mit der Doppelbeschäftigung wurde ohne großen Aufwand ausreichend Personal zur Verfügung gestellt, das allen frühkindlichen Bedürfnissen gerecht werden sollte. Eine weitere Differenz fällt zudem bei der Ablaktation auf, die bei Paul Alexander – selbst für Weimarer Verhältnisse – sehr frühzeitig vollzogen wurde. Nach kaum sechs Monaten verließ die Amme Eva Charlotta Rathel am 28. März 1806 den Hof.626 Der Prinz wurde also insgesamt vier Monate kürzer von einer Amme genährt und gehegt, als dies bei seinem fürstlichen Vater und dessen Geschwistern der Fall war. Da Paul Alexander knapp zwei Wochen später, am 10. April 1806, im Alter von sieben Monaten offiziell seinen „tödlichen Zahnkrämpfen“ erlag,627 war das beginnende Zahnen des Prinzen offensichtlich der Grund für das frühe Entwöhnen. Zu diesem Zeitpunkt scheint das fürstliche Kind aber auch schon anderweitig erkrankt gewesen zu sein.628 In Weimar kursierte das Gerücht, dass der Kopf des prinzlichen Säuglings „ganz unerklärlich weiche Stellen gehabt“ habe und der ganze Rücken „voll Wasser gewesen“ sei.629 In der am Tag nach dem Tod durchgeführten, üblichen Sektion630 des kleinen Prinzenkörpers wurden dann tatsächlich „die Kopfmuskeln und die Knochenhaut an vielen Stellen mit Blut unterlaufen“ vorgefunden.631 Zudem waren „beide Scheitellinien, vorzüglich nach den Schlaf- und nach den Hinterkopfbeinen zu (. . . ) so weich und dünn, daß sie dem Druck des Fingers wie ein Cartenblatt nachgaben, (. . . ) eben so waren auch, wenigstens 2/3 vom Hinterkopfknochen beschaffen“. Da eine größere „Ansammlung und Ergießung von Waßer oder Serum nicht allein in der Gehirnhöhle, sondern vorzüglich auch in der Höhle der Rückenwirbelsäule“ gefunden wurden, und der Prinz offenbar unter krampfartigen Anfällen gelitten hatte, kam das pathologische Gutachten zu dem Schluss, dass der junge Paul Alexander an einem

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Insgesamt gab es in den beiden Jahrzehnten um 1800 nur vier Frauen, die simultan in zwei Hofstaaten beschäftigt waren. Dazu gehörten neben Dorothea Grobe, Sophia Magdalena Hoyer, Christiane Umlauf und Amalie Batsch. Alle vier dienten den fürstlichen Kindern und waren zugleich bei einem Elternteil − oder wie im Falle der Dorothea Grobe bei der Urgroßmutter − verpflichtet. Vgl. ThHStAW HMA 455, S. 64. Vgl. KA WE SR SK 1806, f. 34r. Dafür sprechen die bei der Sektion am Körper dokumentierten ,Spanischen Fliegen‘, womit wohl Gewebsflüssigkeit fördernde Cantharidenpflaster gemeint waren, die das fürstliche Kind von Schlacken und Wassern befreien sollte. Ingrid Dietsch: Da fühlst Du einmal meine Last. Vom Alltag der Caroline Falk in Weimar 1797–1841. Weimar 2003, S. 71. Die Sektion fürstlich Verstorbener war üblich. Auch Prinz Constantin wurde zum Beispiel nach seinem Tod 1793 seziert. Vgl. Alfred Bergmann: Krankheit und Tod des Prinzen Constantin von Sachsen-Weimar, in: ZfThG, Bd. 31, N.F. (1935), S. 160–170, S. 168. Alle folgenden Zitate finden sich in dem detaillierten Sektionsbericht vom 11. April 1806. Vgl. ThHStAW HA A XXII 457, Bl. 4r–8v.

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schweren Fall von Epilepsie verstorben sei. Das Zahnen wäre mithin lediglich Anlass, nicht die Ursache gewesen. Nach dem Tod des Prinzen wurde sein kleiner Hofstaat umgehend aufgelöst. Die Wartfrau Christiane Färber kehrte zu ihrer Familie nach Jena zurück. Die ledige Wachfrau Dorothea Grobe diente das folgende Jahr nur der Herzogsmutter Anna Amalia als Hausmagd. Ähnlich dienten auch die Femme de Charge Amalie Batsch und die beiden Lakaien nur noch im erbprinzlichen Hofstaat. Das Garderobenmädchen Maria Heydenhauß, das bis dahin ausschließlich für den Prinzen angestellt war, wurde von der Erbprinzessin übernommen und in den folgenden Jahren ganz in deren Hofstaat integriert. Als Maria Pawlowna am 16. Februar 1808 zum zweiten Mal niederkam und einer Tochter namens Maria Louisa Alexandrina das Leben schenkte,632 wurde für den Hofstaat in etwa die gleiche personelle Zusammensetzung wie bei Prinz Paul Alexander gewählt. Die Femme de Charge, die Wartfrau und die Wachfrau blieben dieselben, und auch zwei namentlich nicht benannte Hoflakaien aus der Garderobe kümmerten sich um das Neugeborene der Erbprinzessin.633 Der frühe Tod des ersten Prinzen gab demnach keinen Anlass, anderes Personal für das nächste Kind zu wählen. Statt Maria Heydenhauß, die weiterhin direkt Maria Pawlowna diente, wurde nun allerdings Dorothea Christiane Bernhardine Mautz (1783–1860)634 als Garderobenmädchen angestellt. Zudem verzichtete man bei den Hofdienerinnen auf Doppelanstellungen. Alle Frauen wechselten diesmal ganz und gar in den Hofstaat der Prinzessin und erlangten damit denselben Status wie die übrigen weiblichen Bediensteten des Weimarer Hofes. Diese einzigartige Umsorgung sollte die Prinzessin Maria Louisa Alexandrina allerdings nur knapp drei Jahre lang allein genießen dürfen. Als am 30. September 1811 ihre jüngere Schwester Augusta auf die Welt kam, musste sie von nun an das Hofpersonal mit ihr teilen. Das gleiche Geschlecht und der geringe Altersabstand der beiden Prinzessinnen bot jene Zusammenlegung geradezu an, die bei ihrem Vater und seinen Geschwistern seinerzeit nicht möglich gewesen war.635 Der gemeinsame Hofstaat der Enkelinnen von Carl August zeugte also nicht von besonderen Sparmaßnahmen, sondern entsprach vielmehr den gewöhnlichen zeremoniellen Gepflogenheiten eines Fürstenhofes.

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Das Kind wurde geboren als sich Maria Pawlowna dem Zugriff Napoleons entzog und zunächst nach Berlin, später über Stettin und Kiel nach Schleswig flüchtete. Der Erbprinz war ihr am 4. Februar 1807 nach Schleswig gefolgt. Vgl. KA WE TR HK 1808, f. 550; ThHStAW HMA 4546, S. 28. Zu den Fluchtstationen vgl. die Übersicht: Maria Pawlowna – Reisetätigkeit, in: Ausstellungskatalog Maria Pawlowna, Teil 1, S. 245. Nach 1808 erschien der Staatskalender nur noch unregelmäßig, so dass die Veränderungen mit diesem Medium nicht mehr Jahr für Jahr nachvollziehbar sind. Zu den Lebensdaten vgl. KA WE TR SK 1783, f. 123v. Vgl. z. B. den Weimarer Staatskalender von 1812, S. 187.

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4.5.3 Der bürgerliche Hof des Bruders − Constantins Hofstaat im Militär636 Der Hofstaat des Prinzen Friedrich Ferdinand Constantin stellte in seiner Zusammensetzung einen Sonderfall unter den Einzelhofhaltungen Weimars dar, da kein Einziger der 19 Personen, die zwischen 1790 und 1793 dort tätig waren, dem Adel angehörte. Es wäre nun sicherlich naheliegend, dieses Phänomen mit den ausgeprägten Neigungen des Prinzen zum bürgerlichen Stand zu erklären. Bekanntlich haderte Constantin mit dem reichsfürstlichen Lebensstil und höfisch-hochadeligen Werten so sehr, dass er während seiner zweiten Bildungsreise – ohne vorherige Absprache mit seinem regierenden Bruder Carl August – etliche seiner Bediensteten eigenmächtig entließ und sich zeitweise den Traum eines bürgerlichen Lebensentwurfs mit der Französin Nanette Darsaincourt in London bzw. Hampstedt erfüllte.637 Gegen eine Interpretation des ausschließlich bürgerlichen Hofstaats als Ausdruck seiner bürgerlichen Einstellung spricht jedoch die zielstrebige Wandlung, die Constantin innerhalb von fünf Jahren nach seiner eskapadenvollen Reise638 zum angesehenen kursächsischen Generalmajor vollzog. Den entscheidenden Grundstein für diesen Wandel des Weimarer Prinzen legte Carl August im Sommer 1783, als er einer Militärkarriere seines jüngeren Bruders zustimmte und ihm damit die Möglichkeit eröffnete, endlich einer standesgemäßen, eigenverantwortlichen Aufgabe nachgehen zu dürfen.639 Anna Amalia hatte bei ihrem zweitgeborenen Sohn relativ frühzeitig die Hoffnung geweckt, in das Militär eintreten zu können. Bereits im September 1774 hatte sie für ihn eine holländische Kompanie erworben. Diese Chance ließ sie – sicherlich in Übereinkunft mit ihrem ältesten Sohn, der seit seinem Regierungsantritt als gesetzlicher Vormund seines jüngeren Bruders fungierte,640 – jedoch ungenutzt verstreichen.641 Constantin durfte seinen 636

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Die Forschung zu Prinz Constantin ist zur Zeit noch sehr überschaubar. Einen grundlegenden Überblick über die Quellen und die knappe Literatur bot Volker Sigismund. Vgl. ders.: Ein unbehauster Prinz – Constantin von Sachsen-Weimar (1758–1793), der Bruder des Herzogs Carl August. Ein biographischer Essay, in: Goethe-Jahrbuch, Bd. 106 (1989), S. 250–277, bes. 276–277. Danach befasste sich vornehmlich Joachim Berger mit dem Prinzen. Vgl. ders.: Anna Amalia, bes. S. 162–18; ders.: »Eine neue Menschwerdung«. Die Italienreise Prinz Constantins von Sachsen-Weimar-Eisenach (1781/1782) zwischen Winckelmann und Goethe, in: Peter Kofler/Thomas Kroll/Siegfried Seifert (Hrsg.): Herzogin Anna Amalia von Sachsen-Weimar-Eisenach und die Italien-Beziehungen im klassischen Weimar. Innsbruck/Wien/Bozen 2010, S. 101–116. Vgl. Sigismund: Ein unbehauster Prinz, bes. S. 262–265; Berger: Anna Amalia, S. 171– 177. Er kam im Juni 1783 nach Weimar zurück. Vgl. ThHStAW HMA 4532, Bl. 83r. Zu dem Wunsch vgl. C. v. S-W-E an C. L. v. Knebel, Paris, 12. Juli 1782, in: Sigismund: Ein unbehauster Prinz, S. 274–275, sowie die Zitate bei Berger: Anna Amalia, S. 171. Vgl. ebd., S. 101, 170, Anm. 309. Vgl. ebd., S. 168f.

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Dienst nicht antreten. Er musste deshalb im Frühjahr 1778 auf Druck seines Großonkels Ludwig Ernst von Braunschweig-Wolfenbüttel, der seinerzeit die Kompanie vermittelt hatte, nach knapp vier Jahren seine Entlassung als Kapitän hinnehmen. Der Abbruch dieser ,ersten Militärkarriere‘ stürzte den Prinzen in einen schweren Konflikt. Wie in allen protestantischen Fürstenfamilien, in denen das Primogeniturrecht eingeführt worden war, teilte auch Constantin das Schicksal der nachgeborenen Söhne, im Prinzip nur innerhalb einer Militärlaufbahn ein gesellschaftlich akzeptiertes, standesgemäßes Leben führen zu können. Diese Möglichkeit entzog ihm jedoch seine Familie. Die Forschung geht deshalb davon aus, dass Constantin ohne „Rolle und Funktion“642 dem Müßiggang unter der Führung seines Gesellschafters und Aufsehers Carl Ludwig von Knebel überlassen wurde.643 Knebel habe sodann die Lebenskrise verstärkt, indem er anstelle der anvisierten Vorbereitung auf den Militärdienst „die Grundfesten der standeskonformen Erziehung“ seines Schützlings erschüttert und den Prinzen dazu verleitet habe, „die Herrschaftsgrundlagen des Reichsfürstenstandes infrage“ zu stellen.644 Constantin war offenbar eingeklemmt zwischen der standeskritischen Beeinflussung durch Knebel einerseits und dem Verbot seiner Familie andererseits, eine standesgemäße Laufbahn als Soldat einschlagen zu dürfen. Die Forschung vermutete den Grund für dieses Verbot in Anna Amalias Bedürfnis, Constantin noch ein wenig „unter ihren Augen“ haben zu wollen.645 Immerhin suchte sie mit eben diesem Argument ihrem Onkel den verzögerten Dienstantritt ihres zweiten Sohnes zu erklären. Zu diesem Zeitpunkt scheint die mütterliche Fürsorge jedoch nicht das einzige Motiv zur Ablehnung des Militärdienstes gewesen zu sein. Vielmehr spielte auch die Angst um das Fortbestehen des Weimarer Fürstenhauses eine, wenn nicht gar die zentrale Rolle. Louise war nach knapp drei Ehejahren immer noch nicht schwanger. Die Sorge, dass die Ehe auch in Zukunft ohne Nachkommen bleiben könnte, war berechtigt. Constantins Bedeutung als dynastische Rückversicherung wuchs folglich mit jedem Jahr, das ohne einen ersehnten Thronfolger verstrich. Er musste für den Fall bereitstehen, dass dem regierenden Bruder etwas zustieß. Diese Pflicht der Ersatzthronfolge kollidierte jedoch vehement mit dem nicht unerheblichen Todesrisiko während des Militärdienstes. Es scheint deshalb nur konsequent, dass Anna Amalia und Carl August dem Prinzen erst in dem Moment den Eintritt ins Militär erlaubten, als Louise einem gesunden Erbprinzen das Leben und der Weimarer Dynastie die zukünftige Generation geschenkt hatte. Constantin hatte demnach eine 642 643 644 645

Vgl. Berger: Italienreise Prinz Constantins, S. 111. Von den Staats- und Regierungsgeschäften blieb er ordentlicher Weise ausgeschlossen. Vgl. Moser: Teutsches Hofrecht, Bd. 2, S. 45. Berger: Anna Amalia, S. 169 und 170. Ebd., S. 168.

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eindeutige, wenn auch passive Rolle bzw. Funktion als Ersatzthronfolger. In Anbetracht der zeitlichen Koinzidenz von Carl Friedrichs Geburt und Constantins Militärdienst erscheint die mütterliche Fürsorge eher als schützender Topos, den Anna Amalia seinerzeit bemühte, um die Sorge um den Fortbestand ihrer Dynastie nicht verbalisieren zu müssen.646 Im Sommer 1782 stand eine pünktliche Rückkehr des Prinzen nach Weimar noch in weiter Ferne: In Turin eröffnete Constantin seinem einstigen Gesellschafter von Knebel seinen neu ersonnenen Reiseplan, der ihn im Anschluss an den bevorstehenden Aufenthalt in Paris „nach London, dann nach Genf, nochmal Italien und nach zwei Jahren nach Hause, aber nicht nach Weimar, sondern nach Eisenach in ein kleines, aber geräumiges Haus“ führen sollte.647 Der Prinz hatte also ganz und gar nicht die Absicht, wie verabredet nach zwei Jahren heimzukehren.648 Vielmehr spekulierte er sogar darauf, dass sein Fernbleiben „viel rumor“ in Weimar hervorrufen und „die Eifrig gutdenkende Dienerschaft (. . . ) mit Thränenden Augen Ihren Hertzog bitten“ würde, ihn dazu „zu bewegen nach Hausse zu kommen“.649 Letztlich verwarf Constantin jedoch diese Pläne und kehrte früher zurück als er selbst gedacht hatte und offensichtlich aus eigenem Antrieb: das erste Mal im Januar 1783, um seine schwangere Lebensgefährtin Nanette Darsaincourt auf ihrem Weg zum Weimarer Hof bis nach Eisenach zu begleiten, von dort aber selbst wieder umgehend Richtung London abzureisen;650 das zweite Mal im Mai 1783 erneut in Begleitung einer schwangeren Geliebten – nun jedoch mit dem Plan dauerhaft heimzukehren.651 Den Anlass für die endgültige Rückkehr sah die Forschung bisher in den 12 000 Talern Schulden, die der Prinz in England angehäuft hatte.652 Bei einer jährlichen Apanage von 8 000 Talern war dieser finanzielle Engpass sicherlich eine drückende Last. 646

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Ludwig Ernst von Braunschweig-Wolfenbüttel thematisierte im Gegensatz zu Anna Amalia unverhüllt die offenbar weiterhin notwendige dynastische Nachfolgesicherung durch den zweiten Prinzen. Vgl. Berger: Anna Amalia, S. 168f. C. v. S-W-E an C. L. v. Knebel, Paris, 12. Juli 1782, in: Sigismund: Ein unbehauster Prinz, S. 274–275, Zitat S. 275. Vgl. Berger: Anna Amalia, S. 171f., bes. Anm. 317. C. v. S-W-E an C. L. v. Knebel, Turin, 14. Juni 1782, in: Sigismund: Ein unbehauster Prinz, S. 273–274, Zitat S. 274. Zu diesem Zeitpunkt war Louise mit Carl Friedrich noch nicht niedergekommen. Constantin konnte also nicht wissen, welches Geschlecht das Kind hatte und ob es überleben würde. Seine Hoffnungen auf einen Neffen waren zuvor bereits durch zwei Nichten (1779 und 1781) enttäuscht worden. Vgl. Sigismund: Ein unbehauster Prinz, S. 262–265; Berger: Anna Amalia, S. 172. – Da der Prinz seine schwangeren Lebensgefährtinnen stets an den Weimarer Hof brachte, ist anzunehmen, dass er von seiner Familie bzw. im Speziellen von seinem Bruder als Chef des Hauses (und damit auch der Kammer) eine finanzielle Versorgung der Kinder erhoffte. Ob Constantin tatsächlich ernsthaft versuchte, sich mit den schwangeren „nichtadligen Lebenspartnerin[nen] im Herzogtum Weimar-Eisenach niederzulassen“, lässt sich mit den Qullen nicht eindeutig belegen. Vgl. Sigismund: Ein unbehauster Prinz, S. 264.

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Allerdings scheinen auch die veränderten Bedingungen im Fürstenhaus einen nicht zu unterschätzenden Anreiz für eine Rückkehr geboten zu haben. Mit der Geburt des Neffen war Constantin endlich – nach siebeneinhalb Jahren Wartezeit – von der Last der (Ersatz-)Thronfolge befreit,653 so dass es für Carl August und Anna Amalia keinen Grund mehr gab, sich seiner Militärkarriere zu widersetzen. Der Prinz konnte nun trotz oder gerade wegen seiner als unstandesgemäß wahrgenommenen Eskapaden auf die Unterstützung seiner Familie hoffen, ihn auf einen standesgemäßen, d. h. militärischen Lebensweg (zurück) zu führen. Eben dies traf auch ein: Nach der Ankunft in Weimar im Juni 1783 begannen umgehend die Verhandlungen über den Eintritt ins Militär. Zwar musste sich Constantin zunächst erneut dem Willen seines Bruders beugen und auf dessen Vermittlung im März 1784 als Oberstleutnant in das „xaverischen Infanterieregiment zu Merseburg“ eintreten,654 obwohl er sich eigentlich eine Rittmeisterstelle bei der leichten Kavallerie in der preußischen Armee gewünscht hatte.655 Wenig später setzte er allerdings seine eigenen Pläne 653

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Die Forschung hat den plötzlichen Meinungsumschwung der fürstlichen Familie bezüglich des Militäreintritts bisher nicht hinterfragt und nur bedingt in Zusammenhang mit der Geburt des Thronfolgers Carl Friedrich gebracht. Das Problem des dynastischen Drucks wurde bisher nur mit Blick auf eine mögliche Heirat und Nachkommen des Prinzen Constantin aufgegriffen. Volker Sigismund wundert sich zwar über den frühen Eintritt von Constantins jüngsten Neffen Bernhard – der in einer ähnlichen Situation wie Constantin war – ins Militär, sieht aber nicht, dass mit der kurz zuvor erfolgten Geburt des nächsten Thronfolgers Paul Alexander keine Einwände mehr gegen diesen Lebensweg erhoben werden konnten. Joachim Berger suggeriert, dass die Bemühungen des Herzogs um die ,zweite Militärkarriere‘ des Bruders auf Nachsicht basierten. Einen expliziten Grund benennt bzw. hinterfragt er allerdings auch nicht. Die Geburt Carl Friedrichs hätte zwar „die unsichere dynastische Lage etwas entspannt, (. . . ) aber erst mit der Geburt des zweiten Prinzen im Mai 1792“ sei die Nachfolge des Hauses „endgültig gesichert“ gewesen. Vgl. Sigismund: Ein unbehauster Prinz, S. 253, 266f; Berger: Anna Amalia; S. 101 (Zitat), 178f. (Militärkarriere); 210–214 (Heiratsprojekte); zu Bernhard vgl. den Abschnitt zu den Höfen der Nachgeborenen. ThHStAW HMA 4533, S. 77, S. 95. Als Constantin am 17. März 1784 von Dresden nach Weimar zurückkehrte, meldete der Fourier zudem, dass der sächsische Kurfürst den Prinzen zugleich zum Kommandanten der Stadt Merseburg ernannt hatte. Am 2. April 1784 ging Constantin dann endgültig vom Weimarer Hof zu seinem Regiment ab. Seine Abreise hatte sich zuvor verzögert wegen der Trauerfeier für seine Nichte Amalia Louise Auguste, die am 24. März verstorben war. Sowohl Volker Sigismund als auch Joachim Berger bezeichnen den Eintritt in die Infanterie als unstandesgemäß im Gegensatz zu Kavallerie. Es bleibt zu untersuchen, inwieweit tatsächlich eine derartige feste allgemeine Prestige-Abstufung der Truppenteile existierte. Zwar fühlte sich die (kursächsische) Kavallerie dem Selbstverständnis nach als Eliteeinheit und zog deshalb viele Adelige an. Allerdings ließ sich zum Beispiel auch Friedrich IV. von Sachsen-Gotha-Altenburg als Hauptmann bei dem in Magdeburg stehenden Infanterieregiment des Grafen von Kalkstein ausbilden, bevor er in den Niederlanden 1793 sein Regiment übernahm. Vgl. Berger: Anna Amalia, S. 178; Sigismund: Ein unbehauster Prinz, S. 266. Zur Kavallerie vgl. Stefan Kroll: Soldaten im 18. Jahrhundert zwischen Friedensalltag und Kriegserfahrung. Lebenswelten und Kul-

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ohne Rücksicht auf die Empfehlungen seines Bruders um und wechselte im Sommer 1785 unabgesprochen zur kursächsischen Kavallerie nach Querfurt.656 Dort gelang es ihm, sich in den darauffolgenden drei Jahren in dem Maße zu profilieren, dass er bereits im Winter 1788 zum Generalmajor ernannt und ihm das Regiment übertragen wurde.657 Wenngleich die Karrieren hochadeliger Offiziere in der Regel privilegierter als die der niederadeligen Militärs verliefen, da sie nicht von der Pike auf dienen mussten und bevorzugt befördert wurden, absolvierte der Prinz mit dieser baldigen Ernennung einen vergleichsweise raschen Aufstieg.658 Die Generalmajore der preußischen Armee erreichten dagegen in der Mitte des 18. Jahrhunderts ihren Rang erst nach durchschnittlich fünf bis zwölf Jahren.659 Aus Constantins Briefen lässt sich herauslesen, dass ihm viel an seiner prestigeträchtigen Karriere lag und er bereit war, dafür Opfer zu bringen. So entschied sich der reisefreudige Prinz zum Beispiel im Mai 1787 – obwohl er sich nach „einige[n] vergnügte[n] Wochen in gantz fremden Gegenden“ sehnte – nur eine „kleine lust reise [zu] machen, die von kurtzer dauer seyn“ sollte, um sich „nicht lange vom Regiment zu entfernen“.660 Aus dem standeskritischen Prinzen, der 1782/83 noch von einem häuslichen Glück in bürgerlichem Stil geträumt hatte,661 war ein zielstrebiger Soldat geworden, der es innerhalb kurzer Zeit zum Regimentschef der Kavallerie gebracht hatte.662 In dieser Entwicklung scheint sodann auch die Erklärung für den Umfang und die Art und Weise der Zusammensetzung von Constantins Hofstaat Ende der 1780er bzw. Anfang der 1790er Jahre zu liegen. Nachdem der Prinz

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tur in der kursächsischen Armee 1728–1796. Paderborn u. a. 2006, S. 74; August Beck: Art. Friedrich IV., Herzog von Sachsen-Gotha und Altenburg, in: ADB, Bd. 8 (1878), S. 6–7. Vgl. Alfred Bergmann (Hrsg.): Briefe des Herzogs Carl August von Sachsen-Weimar an seine Mutter die Herzogin Anna Amalia. Oktober 1774 bis Januar 1807. Jena 1938, S. 60. Vgl. Ebd., S. 83. Constantin erreichte dies allerdings ohne besondere Begünstigungen, da er am kursächsischen Hof offenbar nicht sonderlich protegiert worden zu sein scheint. Vgl. Berger: Anna Amalia, S. 179. Vgl. Carmen Winkel: Im Dienste seiner Majestät. Netzwerke im Offizierkorps als Mittel der Außenpolitik (1713–1786), in: Militär und Gesellschaft in der Frühen Neuzeit, Nr. 14, Heft 1 (2010), S. 59–84. C. v. S-W-E an J. F. v. Fritsch, Querfurt, 26. Mai 1787, in: ThHStAW A 163, Bl. 10. Es bleibt zu untersuchen, inwieweit dieser ,Traum‘ lediglich eine Trotzreaktion gegen das Verbot der Militärkarriere darstellte. Immerhin empfand sich der Prinz schon wegen seines Inkognitos während seiner Italienreise sozial ausgegrenzt, was mit einer standeskontroversen Grundeinstellung wohl nur bedingt übereinging. Zum Inkognito der Reise vgl. Berger: Italienreise Prinz Constantins, S. 111. Nachdem Carl August die Karriere seines Bruders zunächst skeptisch verfolgte und seinen Wechsel zur Kavallerie mit Gleichgültigkeit strafte, registrierte er später dessen Erfolg anerkennend. Seine Mutter nahm dagegen offenbar nicht wirklich Notiz von der Ernennung ihres zweiten Sohnes. Vgl. Berger: Anna Amalia, S. 179, Sigismund: Ein unbehauster Prinz, S. 266.

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als Oberstleutnant in die kursächsische Armee eingetreten war, stellte ihm der Hof seit 1784/85 insgesamt neun bzw. zehn Bedienstete zur Verfügung. Der Vergleich mit anderen, ebenfalls erwachsenen, aber noch unverheirateten nachgeborenen Prinzen des herzoglich sächsischen Hauses zeigt, dass dies in etwa dem entsprach, was für einen Hauptmannsrang nötig war, „um standesgemäß auftreten zu können“.663 Als zum Beispiel Prinz Friedrich Josias von Sachsen-Coburg-Saalfeld (1737–1815) seine Rittmeisterstelle im österreichischen Regiment antrat, sorgte sein Hofmeister Caspar von Berbisdorf für beinah die gleiche Anzahl und Art der Bediensteten, wie sie später auch Constantin gestellt bekam.664 Dabei ist besonders bemerkenswert, dass sich auch im Gefolge von Friedrich Josias keine adelige Charge befand. Caspar von Berbisdorf begleitete seinen Schützling zwar zunächst selbst zu dessen Regiment, verblieb aber nicht dort, sondern verließ den 18-jährigen Prinzen nachdem er dessen Haushalt eingerichtet und die Hofbediensteten einem speziellen Reglement unterstellt hatte.665 Offensichtlich war es nicht nötig, dass hochadeligen Nachgeborenen im Militärdienst hohe Hofchargen zur Verfügung standen.666 Die zeremoniellen Anforderungen, die an die soziale Herkunft der Bediensteten eines am Hofe lebenden Prinzen gestellt 663 664

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August von Witzleben: Prinz Friedrich Josias von Coburg-Saalfeld, Herzog zu Sachsen, K. K. und des Heil. Röm. Reiches Feldmarschall. Teil 1: 1737–1790. Berlin 1859, S. 9. Friedrich Josias von Sachsen-Coburg-Saalfeld bekam „1 Kammerdiener, 1 Lakai, 1 Büchsenspanner, 1 Koch, 1 Kutscher und 1 Reitknecht, zu denen noch eine Küchenmagd gemiethet werden musste“. Constantin von Sachsen-Weimar-Eisenach erhielt ebenfalls einen Kammdiener (Johann Heinrich Skeel), Koch (Georg Christoph Steinert), Reitknecht (Johann Sebastian Arnhold), Kutscher und Jagdpostillion (Joh. Jacob Christoph Sommer) und eine Magd (Elisabeth Gross). Im Unterschied zu Prinz Friedrich Josias bekam er zwar keinen Büchsenspanner, dafür aber insgesamt drei Lakaien und extra einen Stallburschen (Johann Friedrich Straube). Darüber hinaus versah Johann August Ludecus bei ihm die Stelle des Scatolliers, zugleich allerdings auch bei Anna Amalia. Bei Friedrich Josias übernahm der Kammerdiener die Aufgabe, die Rechnungen des Prinzen zu führen. Dieses mehr an Personal bei Constantin war möglicherweise wiederum Ausdruck des höheren Ranges des Weimarer Hauses. Vgl. Ebd.; den Weimarer Staatskalender von 1785, S. 87. Vgl. Witzleben: Prinz Friedrich Josias, S. 9. Allerdings galt dies offenbar erst ab einem bestimmten Alter. Das legt zumindest die spätere Versorgung von Constantins Neffen nahe. Prinz Bernhard, der bei seinem Eintritt ins Militär erst vierzehn Jahre alt war, wurde während der ersten Jahre stets von seinem Gouverneur von Hintzenstern, später von Rühle von Lilienstern begleitet. Nachdem Letzterer 1811 jedoch aus Weimarer Diensten entlassen wurde, um in die preußische Armee zurückzukehren, blieb die Stelle des Hofmeisters bzw. Gouverneurs unbesetzt. Bernhard stand zu diesem Zeitpunkt wie Prinz Josias Friedrich bereits in seinem 19. Lebensjahr. Da die Hofmeisterstelle, wie bei den meisten herzoglichen Prinzen, die einzige hohe Hofcharge war, blieb auch er ab 1812 ohne adelige Hofbedienung. Erst im Zuge seiner Heirat mit Ida von Sachsen-Coburg-Meiningen erhielt er mit dem Kammerherrn August Friedrich von Beulwitz wieder einen eigenen Adeligen als Hofbediensteten. Vgl. den Weimarer Staatskalender von 1812, S. 187; den Weimarer Staatskalender von 1813, S. 188 sowie den Weimarer Staatskalender von 1816, S. 39.

4.5 Von Gleichbehandlung hin zur Zurücksetzung?

297

wurden, deckten sich also nicht mit den Anforderungen für ein standesgemäßes Prinzenleben beim Militär.667 Constantins ausschließlich bürgerliches Hofpersonal war aufgrund seines Dienstantritts als Oberstleutnant keine Besonderheit. Es stellte lediglich unter den Hofhaltungen des Weimarer Hofes eine Ausnahme dar, weil es im Untersuchungszeitraum keine weiteren Familienmitglieder gab, die eine Militärkarriere einschlugen. Der Prinz hatte sich von seinem Standesdenken nicht nachhaltig entfernt, sondern wusste genau, welche Rechte und Pflichten das Leben als hochadeliger Militär mit sich brachten. Dass er auch gewillt war, eben dieses Wissen umzusetzen und einzufordern, lässt sich an den Ansprüchen ablesen, die Constantin an seinen regierenden Bruder stellte, nachdem sein weiterer Lebensweg geregelt war. Laut Primogeniturordnung aus dem Jahre 1724 stand einem Weimarer Prinzen im Falle einer standesgemäßen Heirat oder beim Eintritt in Kriegsdienste eine einmalige Zahlung von 8000 Talern zum „besern Fortkommen“ zu.668 Constantin versuchte dieses Geld mit dem Argument einzufordern, dass seine Apanage für ein standesgemäßes Leben in einer Garnisonstadt nicht ausreiche. Er scheiterte jedoch am Widerstand seines regierenden Bruders und auch seine Mutter versagte ihm hierbei ihre Unterstützung.669 Diese Ablehnung war rechtskonform. Die Primogeniturordnung band die Auszahlung ausdrücklich an eine ,Oder-Regelung‘, die dem regierenden Herzog einen gewissen Entscheidungsspielraum eröffnete. Möglicherweise hielt Carl August die 8000 Taler zunächst zurück, um Constantin – in Anbetracht seiner bisherigen Affären – später einen Anreiz zu einer standesgemäßen Heirat bieten zu können.670 Erfolgreicher konnte der Prinz dagegen sein Standesbewusstsein nach der Ernennung zum Generalmajor geltend machen. Ab 1789 erhöhte sich die Zahl seiner Bediensteten schlagartig: Statt der bisherigen neun bis zehn Personen, gestand ihm Carl August – der als Regent das Recht hatte, auch über das Hofpersonal seines Bruders zu entscheiden – als Regimentschef nun insgesamt 17 Personen zu. Constantin richtete sich daraufhin einen eigenen Marstall mit insgesamt sechs Angestellten ein, verstärkte seine Küche um eine Küchen- und eine Silbermagd und erhöhte seinen täglichen Komfort durch je einen zusätzlichen Hausknecht, Lakaien und Büchsenspanner.671 In den verbleiben667 668

669 670

671

Die Zeremonialwissenschaft trifft keine Aussagen über einen Hofstaat für hochadelige Militärs. Vgl. Primogeniturordnung von Ernst August aus dem Jahre 1724, abgedruckt in: Die Hausgesetze der regierenden deutschen Fürstenhäuser. Hrsg. und eingeleitet von Hermann Schulze. Bd. 3. Jena 1883, S. 220–225, S. 223. Vgl. Berger: Anna Amalia, S. 178. Berger überlegt dagegen, dass Carl August seinem Bruder möglicherweise den Kauf der niederländischen Kompanie in Rechnung stellte. Constantin richtete eine dahingehende Anfrage bei dem Geheimrat von Fritsch ein, erhielt darauf allerdings keine Antwort. Vgl. Ebd. Vgl. den Weimarer Staatskalender von 1789, S. 95. Im Staatskalender von 1790 findet sich

298

4. Der Weimarer Hof als vielfältige Einheit mit individuellen Hofprofilen

den vier Jahren bis zu seinem Tode blieb dieser Hofstaat unverändert.672 Das später in seinem Nachlass detailliert verzeichnete Inventarium über „Pferde, Schiff und Geschirre“ zeigt,673 dass er sich in der Zeit aber nicht nur personell, sondern auch materiell ansehnlich eingerichtet hatte: Constantin verfügte in Querfurt zum Beispiel über einen gut ausgestatteten Kutschstall mit mindestens vier Wagen. 674 Eine reichhaltige Bibliothek und wissenschaftliches Gerät, wie zum Beispiel ein Prisma, trugen sicherlich ebenso zu seiner angenehmen Zeitgestaltung bei, wie auch die reichhaltige Küche und der großzügige Weinkeller mit 430 Flaschen Wein, 84 Flaschen Champagner und etwa 1600 Liter Fässchenwein, die dem Prinzen ohne Zweifel fürstliche Behaglichkeit garantierten.675 Volker Sigismund kommt aufgrund dessen wohl zu Recht zum dem Schluss, Constantin sei ein „großzügige[r] Gastgeber“ gewesen.676 Die aus Birnbaumholz gefertigte Tafel, „bestehend aus 5 Tischen, woran 16 bis 18 Personen speisen“ konnten, und das zahlreiche Meißner, Rudolstädter, Fürstenberger, Gothaer und Englische Porzellan, aber auch das mit exquisitem, zum Teil vergoldetem Mobiliar ausgestattete Haus scheinen mit gezielt ständisch-repräsentativen Ambitionen angeschafft worden zu sein. Constantin ließ mit dieser personellen und materiellen Ausstattung den bürgerlichen Traum weit hinter sich.

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673 674

675

676

ein Setz- bzw. Druckfehler. Das Hofpersonal des Jahres 1788 wurde irrtümlich erneut abgedruckt. Der Blick über den Untersuchungszeitraum hinaus macht deutlich, dass die Zahl von Constantins Bediensteten seit 1775 vergleichsweise stark schwankte. Von den anfänglich fünf Personen verdoppelte sich sein Hofstaat innerhalb weniger Jahre auf zehn Personen. Dieser Stand konnte aber nur knapp zwei Jahre beibehalten werden, bevor er bis Mitte der 1780er wieder auf einen Tiefpunkt von sechs Personen fiel. Die Erklärung für das Schwanken ist in den Lebensumständen des Prinzen, vor allem aber in seiner Wohnsituation zu suchen, da er je nachdem, wo er wohnte, unterschiedliches Personal benötigte. 1775 zog der gerade Siebzehnjährige bei der Mutter in deren Witwenpalais ein und brauchte relativ wenig Personal. Als er im Sommer nach Tiefurt ziehen durfte, wo er wenig später die meiste Zeit des Jahres verbrachte, stieg sein Bedarf. 1778 bekam der mittlerweile beinah Volljährige endlich ein eigenes Stadtquartier im Jägerhaus. Mit dem Abgang des Gesellschafters von Knebel und dem Reisesart 1781 sank das Hofpersonal wiederum. Vgl. die Weimarer Staatskalender von 1775 bis 1782. ThHStAW HMA 785a, Bl. 1v (Zitat); ThHStAW HMA 3649 (Nachlass). Dazu gehörte nicht nur ein großer zweisitziger, mit rotem Plüsch ausgeschlagener Kutschwagen und ein ähnlicher Kutschwagen mit weißen Tuch ausgeschlagen, sondern auch eine viersitzige Chaise, die mit weißem Tuch und grüngestreifter Leinwand überzogen war, sowie eine polnische, mit blaugestreiftem Zwillich ausgeschlagene Chaise. Vgl. ThHStAW Hofstallamt 373, Bl. 2r–3r. Die Literzahl des Fassweines setzte sich konkret zusammen aus „zwei und eine halbe Ohmen Rheinwein aus Frankfurt, zwei Ohmen Anschützen, fünf Ohmen Frankenwein von Anschützen, eine Ohmen Rheinwein No1“. Da das Flüssigkeitsmaß Ohm etwa 150 Liter bezeichnete, ergibt sich eine Weinmenge von 1575 Litern. Vgl. ThHStAW HMA 3649, Bl. 17–51; Helmut Kahnt/Bernd Knorr: Alte Masse, Münzen und Gewichte. Leipzig 1986, S. 14f. Sigismund: Ein unbehauster Prinz, S. 268.

4.5 Von Gleichbehandlung hin zur Zurücksetzung?

299

Wie bei Anna Amalia stellt sich letztlich auch bei ihrem Sohn die Frage, wie mit seinem Hofpersonal nach dem Tode verfahren wurde. Als der Prinz am 6. September 1793 in Wiebelskirchen an der Saar im Alter von 35 Jahren einer Typhus-Ruhr-Infektion erlag,677 weilte sein Bruder gerade auf Urlaub vom Regiment beim Herzog zu Braunschweig.678 Carl August wurde von der Nachricht über Constantins Krankenlager am 5. September nicht minder überrascht wie von dessen Tod am nächsten Tag. Zuvor hatte er zwar noch in aller Eile seinen Kammerdiener und Leibchirurgen Johann Gottfried Kämpfer zur Unterstützung nach Wiebelskirchen geschickt, allerdings konnte dieser dem Sterbenden nicht mehr helfen. Carl August machte sich deshalb umgehend selbst auf den Weg, erreichte seinen Bruder aber nicht mehr lebend. Obwohl seine am Folgetag verfassten Briefe von einer tiefen Trauer zeugen, widmete sich der Weimarer Herzog ohne Verzögerung den zu organisierenden Trauerfeierlichkeiten, der Beisetzung und der anstehenden Nachlassverwaltung.679 In den Anweisungen an seinen Geheimrat Jacob Friedrich Freiherr von Fritsch bedachte er dabei auch bereits Constantins Personal. Das Hofpersonal des Prinzen, das am 10. September komplett mit Pferd und Equipage zunächst in Carl Augusts Kampagnelager einzog,680 sollten in jedem Falle ein Gnadenquartal erhalten. Der Freiherr von Fritsch bekam deshalb den Auftrag, dafür zu sorgen, dass das Geheime Konsilium die Kammer „anweise, die appanagen Gelder (. . . ) in der Maaße an den Steuerrath Ludecus fortzuzahlen, daß er 3 Monathe lang die Dienerschaft des Entseelten besolden könne“.681 Für kurze Zeit war das Personal also finanziell abgesichert. Dabei beließ es der Herzog aber nicht. Dem Gros der insgesamt verbliebenen 17 Hofbediensteten verschaffte er durch Versetzung wieder eine langfristige Beschäftigung am Weimarer Hof.682 Fünf Personen finden sich 677 678 679

680 681 682

Vgl. Bergmann: Krankheit und Tod, S. 160–170. Vgl. ebd., S. 166. Der Herzog wählte seine Frau als erste Ansprechpartnerin aus und teilte ihr alle Maßnahmen im Detail mit. Louise sollte dann alles Weitere vor Ort klären. Alle kontaktierten Minister wurden dementsprechend an die regierende Herzogin verwiesen. Vgl. ThHStAW A 785, Bl. 1r. Zu den Arrangements der Trauerfeierlichkeiten vgl. ebd., ThHStAW A 785a und ThHStAW HMA 2815. Vgl. die Tagebuchaufzeichnungen des Kammerdieners Johann Konrad Wagner vom 10. und 11. September 1793, abgedruckt in: Bergmann: Krankheit und Tod, S. 169–170. C. A. v. S-W-E an J. F. v. Fritsch, Pirmasens, 7. September 1793, in: ThHStAW A 785, Bl. 1v. Constantins Schatullverwalter Johann August Ludecus blieb Sekretär und Scatullier bei Anna Amalia und Mitglied der Landschaftskasse, der Bereiter Johann Jacob Christoph Sommer (1757–1828) wurde als Floßverwalter in der Weimarer Ilmflösserei angestellt, der Geheime Kämmerer Johann Heinrich Skehl (Skell) (1758–1826) übernahm die Stelle des Oberförsters im Allstedter Forstdepartement, der Mundkoch Georg Christoph Steinert wurde in die Küche von Carl August übernommen, die Lakaien Johann Probst und Johann David Benjamin Bohne wurde ebenso wie Johann Gottlieb Zerbst in die Hoflivreedienerschaft des Kernhofes versetzt, der Bursche Johann Carl Reichenbecher

300

4. Der Weimarer Hof als vielfältige Einheit mit individuellen Hofprofilen

nicht mehr in den Staatskalendern verzeichnet und scheinen aus Weimarer Diensten entlassen worden zu sein: Der langjährige Kammerlakai und Friseur Johann Constantin Schimmelpfennig (1731–1812)683 , die beiden Reitknechte Carl Rochlietzer und Johann Kohl sowie die Küchenmagd Sophia Loß und die Silbermagd Johanna Friedericke Wiel(c)k. Bis auf Schimmelpfennig eint diese Bediensteten ihre kurze Beschäftigungsdauer, denn alle fanden erst eine Anstellung beim Prinzen nachdem dieser 1788/89 zum Generalmajor befördert worden war. Warum gerade diese fünf Personen nicht in einen neuen Dienst versetzt wurden, muss an dieser Stelle offen bleiben. Im Gegensatz zu Anna Amalia wurde der Hofstaat des Prinzen Constantin komplett aufgelöst, so dass es keinen nachgelassenen Personalstamm gab. Seit 1794 wurde die einstige Hofhaltung Constantins im Staatskalender nicht mehr erwähnt.

4.6 Zusammenfassung Carl August hatte als regierender Herzog und Familienoberhaupt des Hauses Sachsen-Weimar-Eisenach grundsätzlich die höchste Bestimmungsgewalt über den Hof. In Fragen der personellen Zusammensetzung bestand er jedoch nicht in jedem Fall auf diesem Vorrecht, sondern war bereit, an seine Mutter, seine Gemahlin und seine Schwiegertochter weitreichende Kompetenzen abzugeben. Jeder Fürstin gestand er allerdings einen unterschiedlichen Grad an Selbstständigkeit zu: Louise sollte laut Ehevertrag ihr weibliches Hofpersonal aussuchen dürfen, die Wahl des männlichen Personals jedoch Carl August überlassen. Diese Vereinbarungen wurden in der Ehe realisiert. Das Hofmarschallamt übernahm formal zwar immer die Anstellung im Namen des Herzogs, die Auswahl der weiblichen Hofbediensteten traf Louise jedoch selbst. Carl August bestimmte lediglich, welche Lakaien doppelt verpflichtet wurden und sowohl im Kernhof als auch im Gemahlinnenhof zu dienen hatten. Als nach dem Tod Anna Amalias deren Oberhofmeister und Kammerdiener zu Louise versetzt wurden, geschah dies in beiderseitigem Einvernehmen des Herzogspaares. Maria Pawlownas Spielraum war dagegen wesentlich größer: Sie durfte ohne geschlechtsspezifische Einschränkung alle Hofbediensteten selbst aussuchen, annehmen und entlassen, wovon sie in den ersten Jahren nach ihrer Ankunft in Weimar reichlich Gebrauch machte. Diese Freiheit war ihr ebenfalls im Ehevertrag zugesichert und von Carl August respektiert worden. Trotz weitreichender Befugnisse war die Erbprinzessin aber bei Weitem

683

wechselte als Reitknecht in den herzoglichen Marstall, wo auch der Jagdpostillion Johann Andreas Hesselbarth (Hesselbart) als Kutscher und der Reitknecht Friedrich Peters (Peter, Petters) ihren Platz fanden, nicht zuletzt wurde auch der Hausknecht Johannes Lehmann als Hoftagelöhner übernommen. Vgl. die Weimarer Staatskalender von 1794 und 1795; ThHStAW Hofstallamt 373, Bl. 1, 4–6. Zu den Lebensdaten vgl. KA WE SR SK 1812, f. 217v.

4.6 Zusammenfassung

301

nicht so unabhängig wie Anna Amalia. Carl August ließ seiner Mutter freie Hand und griff nicht in ihre Personalpolitik ein. Allerdings verzichtetet er deshalb nicht auf Ratschläge, Kritik und Ermahnungen, wenn sich seine Mutter in personelle bzw. finanzielle Not manövriert hatte. Gewöhnlich kam er ihr jedoch − wie im Falle des Kammerherrn von Einsiedel − unterstützend entgegen. Im Gegensatz zu den anderen beiden Fürstinnen hatte Anna Amalia in ihrem Hof absolute Gestaltungsfreiheit. Louise und Maria Pawlowna mussten sich an den von Carl August bewilligten Stellenplan halten. Keine durfte eine Überzahl an Bediensteten einstellen − auch wenn Maria Pawlowna dies problemlos hätte finanzieren können. Die Größe dieser beiden Einzelhöfe war im Ehevertrag vorbestimmt und konnte darüber hinaus nur von Carl August modifiziert werden, da sie lediglich Teile des Gesamthofes waren und deshalb nicht in erster Linie im Verhältnis zum Vermögen, sondern zum Rang des Regenten gestaltet sein mussten. Anna Amalias Hof war hingegen von ihren Finanzen abhängig. Nur sie bestimmte, wofür sie dieses Geld ausgab und wie viel Personal sie sich mit ihrem Wittum leisten wollte. Carl August entschied letztlich also nicht allein, aus welchen Personen sich der Weimarer Hof um 1800 zusammensetzte, sondern räumte den eingeheirateten Fürstinnen seines Herrscherhauses ein − jeweils graduell abgestuftes − Mitspracherecht ein. Trotzdem dominierte Carl August die Personalpolitik des Weimarer Hofes, da ihm im Kernhof der größte Teil des Hofpersonals unterstand. Er bestimmte sowohl über die Besetzung der Offizien des Hofmarschallamtes, des Stalls und der Jägerei sowie der Kinderhöfe. Die Nebenhöfe der Fürstinnen nahmen sich dagegen gering aus. Louise und Anna Amalia stellten bis zum Einzug der Erbprinzessin zusammen lediglich 9 % des Hofpersonals.684 Mit dem Hof Maria Pawlwonas erhöhte sich ihr Anteil seit Ende 1804 auf 20 %.685 Da Anna Amalia schon wenig später verstarb und Carl August zudem begann, seinen Kernhof auszubauen, reduzierte sich der Anteil allerdings innerhalb weniger Jahre. 1816 stellten die Fürstinnenhöfe nur noch 12 % des gesamten Hofpersonals. Obwohl Carl August seine Bestimmungsgewalt über das Hofpersonal teilte, arrangierte und kontrollierte er die Gestalt und Außenwirkung seines Hofes. Diese Kontrolle behielt er sich auch hinsichtlich der Gerichtsbarkeit vor. Das gesamte Personal des Weimarer Hofes sollte denselben rechtlichen Regeln unterworfen sein. Alle Bediensteten des Kernhofes, des Gemahlinnenhofes und der Kinderhöfe − auch die von Maria Pawlowna − wurden deshalb dem Hofmarschallamt verpflichtet, das stellvertretend für Carl August alle zivilen Angelegenheiten regelte. Allein Anna Amalia blieb auch in dieser Hinsicht 684 685

Vgl. für die Berechnungsgrundlage Tabelle Abb. 4. Da sich nicht eindeutig auseinander halten lässt, wer von den männlichen Hofbediensteten ausschließlich Carl Friedrich und wer Maria Pawlowna diente, wird hier die Gesamtzahl des erbprinzlichen Hofes veranschlagt. Das Gesamtergebnis wird dadurch nur um maximal drei Prozent ungenau.

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4. Der Weimarer Hof als vielfältige Einheit mit individuellen Hofprofilen

unabhängig und konnte über zivile Angelegenheiten ihres Personals selbst richten. Alles was darüber hinaus ging, d. h. Kriminal- und Konsistorialfälle, musste allerdings auch sie an ihren Sohn bzw. an die Regierung und das Konsistorium abgeben. Angesichts dieser umfassenden Verpflichtung auf das Hofmarschallamt und damit auf den Herzog überrascht es wenig, dass in allen Einzelhöfen grundsätzlich dieselben geschlechtsspezifischen Arbeitsbedingungen umgesetzt wurden: Während männliche Hofbedienstete prinzipiell heiraten und Familien gründen durften, hatten die Frauen der niederen Dienerschaft in der Regel die Wahl, entweder unvermählt zu bleiben oder mit ihrer Verehelichung den Hof zu verlassen. Nur wenige Funktionen, wie die der Amme oder der Kinderfrau, erlaubten bzw. erforderten die Verpflichtung verheirateter Frauen. Ähnlich rigoros wurde Mutterschaft abgelehnt. Naturgemäß bildeten auch hier die Ammen wieder eine Ausnahme. Von den Witwen, die aufgrund ihrer Ehelosigkeit den gleichen Status wie Unverheiratete genossen und deshalb am Hof angestellt werden konnten, wurde dagegen erwartet, dass sie ihre minderjährigen Kinder in andere Obhut abgaben. Hofdienst und Mutterschaft passten in Weimar nicht zusammen. Noch konsequenter wurde mit weiblichen Hofbediensteten verfahren, die unehelich schwanger wurden, und damit nicht nur gegen den Wertekanon des Hofes verstießen, sondern sich auch eines strafrechtlichen Vergehens schuldig machten. Sie verloren umgehend ihren Status als Hofmitglied. Selbst die Sängerin Luise Rudorf, die von Carl August unehelich geschwängert worden war, blieb von dieser Regelung nicht verschont. Das Geschlecht bestimmte zudem über die Art und Weise der Anstellung. Frauen dienten prinzipiell in einem Hofstaat, Männer konnten dagegen in mehreren Hofstaaten gleichzeitig eingesetzt werden. So verpflichtete Carl August ausgesuchte Hoflivreediener bei seiner Gattin und bei seinen Kindern, solang diese noch nicht verheiratet waren. Ähnlich stellten später auch Carl Friedrich und Maria Pawlowna ihre Lakaien parallel in ihrem Hof und dem ihrer Töchter an. Weibliche Hofbedienstete wurden dagegen nur im Sonderfall, nämlich nach der Geburt eines fürstlichen Kindes, doppelt verpflichtet. In den beiden Jahrzehnten um 1800 wurden lediglich vier Frauen in zwei Hofstaaten simultan beschäftigt. Sie alle übernahmen temporär die Säuglings- bzw. Kleinkindbetreuung, kehrten danach aber in ihre ursprünglichen Funktionen in die anderen Einzelhöfe zurück. Der Faktor Geschlecht spielte in der Personalpolitik des Weimarer Hofes also eine entscheidende Rolle. Bemerkenswert ist allerdings, dass diese allgemein anerkannten geschlechtsspezifischen Prinzipien in unterschiedlichen Personalstrategien mündeten. Während Carl August und Louise eine liberale Heiratspolitik pflegten und ihre weiblichen Bediensteten ziehen ließen, sobald sie in den Ehestand treten wollten, legte Anna Amalia erkennbar großen Wert auf einen konstanten Personalstamm. Da keine offiziellen Heiratsgesuche wie beim Kernhof überliefert sind, lässt sich nicht entscheiden, ob Anna Amalia durch eine

4.6 Zusammenfassung

303

strikte Erwartungshaltung, durch eine besonders überlegte Auswahl ihrer Hofdienerinnen oder durch tatsächliche Heiratsverbote den lebenslangen Gehorsam einforderte. Aus der Zusammensetzung des Witwenhofes wird dennoch klar, dass Anna Amalia ihren Personalstamm in der Regel erst bei Todesfällen, nicht aber für Heiraten zu modifizieren wünschte. Die Beständigkeit ihres Personals war aber nicht die einzige Eigenheit, die Anna Amalias Witwenhof auszeichnete. Angesichts der weitreichenden Kompetenzen, die ihr Carl August ehevertrags- und zeremoniellgerecht zugestand, ist es bemerkenswert, dass sie in einigen Bereichen der Grundversorgung bedenkenlos auf die Einrichtungen und das Personal des Kernhofes zurückgriff, bei ihrer Geselligkeit und Unterhaltung aber vehement auf der festen Verpflichtung eigener Musiker bestand. Zweifellos besaß Anna Amalia ein stark ausgeprägtes Unterhaltungs- und Bildungsbedürfnis und strebte deshalb in diesem Bereich nach größtmöglicher Unabhängigkeit. Da sie sich dies jedoch auch mit vertraglich engagierten Saisonpersonal hätte sichern können, war die Loslösung vom Kernhof gewiss nicht ihr einziger Beweggrund. Mindestens ebenso bedeutsam scheint die überregionale Selbstdarstellung als Musenliebhaberin gewesen zu sein. Mit ihren begrenzten Einkünften konnte Anna Amalia nur eine durchschnittliche Zahl an Hofbediensteten unterhalten. Es bedurfte deshalb einer aparten Zusammensetzung, um aus der (Witwen-)Hoflandschaft des Alten Reiches hervorzustechen. Die Integration von Kammermusikern in den Hof bot diese Chance, da dies an fürstlichen Witwenhöfen um 1800 schlicht nicht üblich war. Ähnlich verhielt es sich mit Hofbibliothekaren. Anna Amalia nutzte beides, um sich von anderen Witwenhöfen abzugrenzen und deutlich zu machen, dass sie ihren Hof nicht bloß als standesgemäßen Haushalt unterhielt. Mit dieser repräsentativ nach außen getragenen Musenliebe sicherte sich die Weimarer Herzogsmutter die Aufmerksamkeit und damit das Ansehen der überregionalen höfischen Öffentlichkeit. Beinahe konträr stand dem Louises Personalpolitik gegenüber, die in den 1790er Jahren in einer selbst verschuldeten höfischen Unterrepräsentation gipfelte. Die regierende Herzogin verzichtete durch ihre Vakanzpolitik darauf, sich mit ihrer Hofgröße vor anderen fürstlichen Gemahlinnen auszuzeichnen. Obwohl ihr Carl August nach der Eheschließung einen vergleichsweise großen, ranggemäßen Hof konzipieren ließ, verschleppte Louise die Neubesetzung frei gewordener Stellen, bis ihr Hof 1799 schließlich um ein Fünftel seiner Größe geschrumpft war. Mit diesem Umfang ging sie im Mittelfeld der Gemahlinnenhöfe unter und wurde dem hohen Rang des Weimarer Fürstenhauses zeitweise nicht gerecht. Zwar hatte sie mit ihren beiden dunkelhäutigen Lakaien ebenfalls besonderes, prestigeträchtiges Personal, allerdings konnten sie sich damit nur im engeren regionalen Umkreis hervortun. Das bisherige Bild von Louise, die in der Forschung als strenge Hüterin des Zeremoniells stilisiert wurde, gilt es folglich zu relativieren. Während sie ihre niederen Stellen mit hoher Fluktuationsrate stets neu besetzte, ließ sie die Stellen, die

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4. Der Weimarer Hof als vielfältige Einheit mit individuellen Hofprofilen

sich mit einer besonderen Nähe zu ihr verbanden, längere Zeit offen. Louise scheint Vertrautheit folglich wichtiger gewesen zu sein als die präzise Umsetzung des Zeremoniells. Gleichwohl unterschritt sie nie das Mindestmaß. Ihr durchschnittlicher Hof repräsentierte stets ihren fürstlichen Stand, aber nicht immer ihren hohen Rang als Gattin des Weimarer Herzogs. Ab 1800 änderte Louise sodann ihre Strategie und schöpfte ihr Personalkontingent wieder voll aus. Bemerkenswerterweise fiel dieser Umschwung genau in die Zeit, als die Heiratsverhandlungen mit dem Zarenhaus geführt wurden. Louise wurde dadurch als erste Frau des Weimarer Fürstenhauses hofintern mit ranghoher Konkurrenz konfrontiert und musste zugleich damit rechnen, dass ihr ab sofort erhöhte Aufmerksamkeit von der höfischen Öffentlichkeit geschenkt wurde. Der gemeinsame Hof von Carl Friedrich und Maria Pawlowna zeichnete sich sodann erwartungsgemäß durch seine stattliche Größe aus und überragte alle übrigen Weimarer Einzelhöfe. Dieser Umfang war berechtigt, da Maria Pawlowna weit unter ihrem Rang geheiratet hatte und deshalb ihren Status als Zarentochter behalten durfte. Als Erbprinzessin stand ihr jedoch noch keine eigene Hofhaltung zu. Der gemeinsame Hof des Erbprinzenpaares musste deshalb in erster Linie ihren großfürstlichen Rang spiegeln und konnte nicht den ,bloß‘ fürstlichen Rang von Carl Friedrich entsprechen. Der Erbprinz profitierte davon in besonderer Weise. Im Vergleich zu anderen verheirateten Erbprinzen konnte er etwa das Doppelte an Bediensteten für den Stall, die Jagd, die Livreebedienung, die Hausvogtei sowie ein Sekretariat bzw. eine Kanzlei sein eigen nennen. Da sich nicht alle Bediensteten eindeutig zu Maria Pawlowna oder Carl Friedrich zuordnen lassen, scheinen beide über einen Teil des niederen Personals gemeinsam verfügt zu haben. Trotz der üppigen Ausstattung war das Erbprinzenpaar allerdings weit entfernt von der Unabhängigkeit, die Anna Amalia mit ihrem wesentlich kleineren Witwenhof genoss, da es auf viele höfische Versorgungseinrichtungen − wie zum Beispiel die Tafel des Kernhofes − angewiesen war. Gleichwohl gewann vor allem Carl Friedrich durch die ranggemäße Hofpolitik seiner Gattin an Freiheit, im fürstlichen Alltag unabhängig von dem Personal seines Vaters nach eigenem Ermessen agieren zu können. Als unverheirateter Erbprinz war ihm das zuvor nicht vergönnt gewesen. Carl August gestand seinem Thronfolger nur einen Hofstaat mit vier bis fünf Bediensteten zu. Alle übrigen Leistungen mussten vom Kernhof erbeten werden. Im überregionalen Vergleich war dies dennoch an sich etwas Besonderes, da sich die meisten Erbprinzen einen Hof mit ihren jüngeren Brüdern teilen mussten. Carl Friedrich hatte das Glück, dass die Geburtenreihenfolge und das Geschlecht seiner Geschwister eine solche Hofzusammenlegung nicht erlaubte. Bei seinen eigenen Töchtern sollte dies später anders sein. Sie mussten sich einen gemeinsamen Hofstaat teilen. Das Markante an dem erbprinzlichen Hof war jedoch das zweistufiges Personalmanagement, das Carl August hier im Gegensatz zu den anderen

4.6 Zusammenfassung

305

Kinderhöfen umsetzte. Als Säuglinge und Kleinkinder wurden alle drei686 überlebenden Kinder des Weimarer Herzogpaares zeremoniellgerecht gleich behandelt und von denselben weiblichen Betreuerinnen umsorgt. Lediglich die Ammen wechselten naturgemäß. Als die Kinder in das Alter kamen, in dem sie eine Erziehung genießen sollten, änderte sich dies. Caroline Louise und Carl Bernhard bekamen jeweils einen geschlechtsspezifischen, adeligen Erzieher zur Führung ihrer kleinen Hofstaaten, während Carl Friedrich dagegen nur einen bürgerlichen Gelehrten als Hofmeister erhielt. Erst im Alter von 16 Jahren stellte ihm Carl August einen Adeligen zur Verfügung. Die beiden nachgeborenen Fürstenkinder erhielten somit wesentlich früher als der Erbprinz standesgemäßes Personal. Im Gegensatz zu dem ebenfalls ausschließlich bürgerlichen Hofstaat seines Onkels Prinz Constantin, der durch seinen Militärstand keine adelige Aufwartung benötigte, wurde Carl Friedrich durch den langen Verzicht auf einen adeligen Oberhofmeister deutlich und zwar mit voller Absicht zurückgesetzt. Carl August löste seinen kindlichen Thronfolger auf diese Weise aus der repräsentativen Tradition und eröffnete ihm den Freiraum, sich als Individuum abseits seiner geburtsständischen Pflichten entfalten zu können. Dem Herzog war es wichtig, dass sich sein Erbprinz zunächst eine solide Bildung erwarb und sich gegebenenfalls über die eigene (Bildungs-)Leistung definierte, bevor er seine Rolle als zukünftiges Haupt der ständisch organisierten Gesellschaft des Herzogtums einübte. Er praktizierte deshalb für seinen Thronfolger einen befristeten Zeremoniellbruch und verband auf diese eigenwillige Weise bürgerliche und hochadelige Werte seiner Zeit. Carl Friedrichs nachgeborene Geschwister wurden ihm dadurch zwar einerseits zeremoniell eine zeitlang übergeordnet, andererseits aber in ihren Freiheiten zurückgesetzt.+

686

Die erstgeborene, früh verstorbene Prinzessin Louise Amalia Augustewird hier nicht mit einbezogen.

5. Repräsentationspolitik qua Personal. Der verpflichtete Adel des Hofes Die Zeremonialwissenschaft sah in dem verpflichteten adeligen Personal eines Hofes die Versinnbildlichung von Rang und Stand eines Regenten und seiner Familie. Dieses Symbolisierungsprinzip basierte auf der simplen Annahme, dass in einer hierarchisch gestuften Gesellschaft niemand einer Person dienen würde, die niedriger gestellt war. Im Umkehrschluss bedeutete dies für den Regenten, dass er als umso erhabener angesehen wurde, je höher das Ansehen seiner Hofbediensteten war. Stand und Rang bildeten dabei die entscheidenden Kriterien. Beides war entscheidend, da der Adel im Alten Reich keine große homogene Gruppe darstellte. Neben der groben Einteilung in Hoch- und Niederadel unterschied das Zeremoniell grundlegend zwischen Frauen und Männern wie auch zwischen Alt- und Neuadel und wusste darüber hinaus die Anciennität der Familie und des Dienstes, das individuelle Alter, den Familienstand sowie bereits erworbene Meriten zu schätzen. Bei der Vergabe eines hohen Hofamtes genügte es folglich nicht, allein darauf zu achten, ob die Aspiranten dem adeligen Stand angehörten oder nicht. Adel war nicht gleich Adel. Ein Regent musste daher bei der Auswahl seiner hohen Hofdiener einen breiten Kriterienkatalog bedenken, um sich qua Hof ein Ansehen zu generieren, das seinem Stand und Rang gerecht wurde. Eine Studie, die herausfinden will, ob und inwieweit Carl August das adelige Personal seines Hofes tatsächlich zur Repräsentation seines hohen Reichsranges instrumentalisierte, muss demzufolge nach den Kriterien fragen, an denen der Weimarer Herzog seine Personalpolitik orientierte. Mit welchen Adeligen schmückte sich das Weimarer Fürstenhaus, und nach welchen Prinzipien wurden sie ausgewählt? Inwieweit spielten das soziale Profil, also zum Beispiel die ständische und örtliche Herkunft oder gar individuelle Fähigkeiten, eine Rolle – und welchen Stellenwert räumte der Herzog dabei dem Zeremoniell ein? In der Forschung zum Weimarer Hof fehlen entsprechende Personalstudien, da der Hof bislang vornehmlich aus der Perspektive des verpflichteten Adels betrachtet wurde.1 Im Folgenden wird der Fokus genau umgekehrt auf dem Interesse des Fürsten an seinem Hof, und zwar speziell auf seinem Interesse am Hofadel liegen. Die Sicht vom Adel auf den Hof wird daher nur dann mit einbezogen, wenn es die Beweggründe bzw. den Nutzen erklärt, den sich das Weimarer Fürstenhaus von seinem standesgemäßen Personal versprach. Wenn die verpflichteten Adeligen dennoch im Mittelpunkt der Analyse stehen, dann ist dies dem Zeremoniell geschuldet, das die Herkunft und Meriten der hohen Diener zu einem nuancenreichen Instrument der 1

Vgl. z. B. Kreutzmann: Lebenswelt.

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5. Repräsentationspolitik qua Personal. Der verpflichtete Adel des Hofes

Repräsentation erhob. Die Forschung zum Weimarer Hof, insbesondere Wolfgang Huschke, hat dies im Grundsatz erkannt. Seine genealogischen Studien bieten wertvolle familiengeschichtliche Ansatzpunkte, allerdings führt seine Kategorisierung nicht selten in die Irre.2 Insbesondere mit der Differenzierung der führenden Gesellschaftsschicht Weimars in Uradel und Briefadel ist kritisch umzugehen,3 da er sich dabei vornehmlich auf die Erforschung der männlichen Ahnen väterlicherseits konzentrierte, hingegen die weiblichen Ahnen und damit die jeweiligen mütterlichen Linien vernachlässigte. Huschke ging damit an den zeitgenössischen Maßstäben vorbei. Im 18. Jahrhundert war die bloß väterliche, männliche Adelsherkunft selten ein Argument. Selbst wenn ein Kavalier väterlicherseits eine jahrhundertelange adelige Abstammung vorweisen konnte, galt er nur dann als alt- oder gutadelig, wenn sich seine Ahnen seit mindestens vier Generationen ausschließlich mit adeligen Frauen verheiratet hatten.4 Wenn dies nicht der Fall war, sollten ihm laut Zeremoniell bestimmte Hofämter verschlossen bleiben. Es gilt deshalb, auch stets die weiblichen Ahnen in den Blick zu nehmen. Ansonsten bleibt verdeckt, dass zum Beispiel Weimarer Kammerherren wie Ernst Wilhelm von Schardt (1748–1826), Christian Friedrich August von Staff (1755–1823) und Friedrich Carl von Witzleben (1738–1792) – die Huschke alle drei als uradelig einstuft – keineswegs eine altadelige Herkunft nachweisen konnten, da ihre (Ur-)Großeltern in den weiblichen Linien aus dem Bürgertum stammten.5 Dementsprechend beschränkt ist die Aussagekraft von Huschkes Resümee, die Repräsentation des Weimarer Hofes habe „in den Händen des Adels und zwar ganz überwiegend des Uradels“ gelegen.6 Dies sagt nichts darüber aus, inwieweit sich Carl August an den zeitgenössischen Regeln des Zeremoniells orientierte und welche Rolle er der ständischen Herkunft in seiner höfischen Personalpolitik tatsächlich zumaß. Das folgende Kapitel wird deshalb der Ahnenschaft der verpflichteten Weimarer Hofadeligen besondere Aufmerksamkeit schenken und dieses Forschungslücke füllen.

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Vgl. Huschke: Gesellschaftsschicht; ders.: Genealogische Streifzüge. Er kategorisierte darüber hinaus in Bürger und Bauern. Vgl. dazu Kapitel I; Moser: Teutsches Hofrecht, Bd. 1, Anlagen, S. 324–327; Lehsten: Reichstagsgesandte, Bd. 1, S. 65. Grundlegend dazu Elizabeth Harding/Michael Hecht: Ahnenproben als soziale Phänomene des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit. Eine Einführung, in: dies. (Hrsg.): Die Ahnenprobe in der Vormoderne. Selektion – Initiation – Repräsentation. Münster 2011, S. 9–83. Vgl. die entsprechenden Ahnentafeln im Anhang. Huschke: Gesellschaftsschicht, S. 106–107.

5.1 Führungspersönlichkeiten des Weimarer Hofes

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5.1 Die Führungspersönlichkeiten des Weimarer Hofes Wie an den deutschen Höfen um 1800 üblich, musste auch am Weimarer Hof kein Mitglied der Fürstenfamilie seinen Einzelhof selbst verwalten. Jeder hatte eigene Führungspersönlichkeiten in Form von Oberhofmeistern, (Ober-)Hofmeisterinnen, Gouverneuren oder entsprechenden adeligen Vertretern, die für einen geregelten Tagesablauf mit allen Notwendigkeiten und Annehmlichkeiten sorgten. Im Kernhof von Carl August gab es unabhängig von den fürstlichen Familienmitgliedern weitere Führungskräfte, die − entsprechend der organisatorischen Dreiteilung des Hofes − dem Hofmarschallamt, Stall oder der Jägerei vorstanden. Insgesamt verpflichtete Carl August zeitversetzt 20 Adelige, darunter drei Damen und 17 Herren, um den Hof zwischen 1790 und 1810 organisieren und verwalten zu lassen. 5.1.1 Das soziale Profil der Weimarer Führungspersönlichkeiten Die neuadelige Hofführung der Nachgeborenen

Der Blick auf die ständische Herkunft offenbart zunächst aufschlussreiche Differenzen. Denn nicht alle Führungspersönlichkeiten, die in den beiden Jahrzehnten um 1800 am Weimarer Hof tätig waren, besaßen einen makellosen, altehrwürdigen Stammbaum. So entstammte zum Beispiel Henriette von Knebel, die im April 1792 als Hofmeisterin für Prinzessin Caroline Louise berufen worden war, einer Familie, die erst seit einer Generation dem Adelsstand angehörte. Ihr Vater, Johann Georg Friedrich (von) Knebel (1697–1787), war erst 1759, d. h. einige Jahre nach ihrer Geburt, nobilitiert worden.7 Sie war damit zwar rechtmäßig eine Dame von Adel. Die damit erworbene Würde war allerdings relativ bescheiden im Vergleich zu der Herkunft der beiden Oberhofmeisterinnen der regierenden Herzogin und der Erbprinzessin: Sowohl Marianne von Wedel als auch Ottilie Gräfin Henckel von Donnersmarck konnten sich mit einem gutadeligen, viele adelige Generationen umfassenden Familienstammbaum schmücken.8 Ähnlich werfen auch die Berufungen von Franz August von Hintzenstern und Otto August von Rühle als Gouverneure des jüngsten Prinzen Carl Bernhard Fragen auf. Wie im Falle der Henriette von Knebel war auch erst Hintzensterns Vater, 7

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Vgl. Karl Friedrich von Frank: Standeserhebungen und Gnadenakte für das Deutsche Reich und die Österreichischen Erblande bis 1806, sowie kaiserlich österreichische bis 1823. Mit einigen Nachträgen zum Alt-Österreichischen Adels-Lexikon. Bd. 3: K–N. Schloss Senftenegg 1972, S. 44. Vgl. die jeweiligen Ahnentafeln im Anhang.

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5. Repräsentationspolitik qua Personal. Der verpflichtete Adel des Hofes

Emanuel Leonhard Hintzen (1728–1804), zusammen mit seinen drei Brüdern per Diplom mit Namensänderung 1753 geadelt worden. Otto August von Rühles Adel war zwar schon eine Generation älter und wertvoller, da bereits sein Großvater, der Frankfurter Apotheker Caspar Conrad Rühle 1768 als dritter und letzter von drei Brüdern in den Reichsadelsstand erhoben worden war.9 Beide Gouverneure Bernhards konnten damit jedoch ebenfalls keinen ansehnlichen adeligen Stammbaum vorweisen. Da die Zeremonialwissenschaft aber großen Wert darauf legte, dass die (Ober-)Hofmeisterstellen – vor allem die der Prinzen – „mit keinem andern als von gutem adelichen Geschlecht besetzt“10 werden sollten, stellt sich die Frage, weshalb sich Carl August über diese zeremoniellen Gepflogenheiten hinwegsetzte und für seine beiden nachgeborenen fürstlichen Kinder jeweils Neuadelige anstellte? Bei der Gegenüberstellung der fürstlichen Erzieher fällt zunächst eine prägnante Gemeinsamkeit auf: Alle drei verband nicht nur ihr neuadeliger Stand, sondern auch ihre auswärtige Herkunft. Henriette von Knebel war in Regensburg zur Welt gekommen und in Nürnberg und Ansbach aufgewachsen, von wo aus sie später nach Jena bzw. Weimar übersiedelte.11 Franz August von Hintzenstern befand sich vor seinem Wechsel an den Weimarer Hof in hessischen Diensten in Kassel und stammte ursprünglich aus Mecklenburg.12 Und auch Otto August von Rühle war kein Landeskind, sondern hatte seine Kindheit und Jugend auf dem elterlichen Gut in Königsberg in der Neumark verlebt, um dann zunächst der preußischen Armee beizutreten, bevor er in Weimarer Dienste wechselte.13 Da auch die drei höchsten Führungspersönlichkeiten des Erbprinzen – Duco van Haren, Wilhelm von Wolzogen und Friedrich von Ende – keine Landeskinder waren,14 vermied es Carl August offenbar absichtlich, einheimische Adelige zu Erziehern seiner Kinder bzw. in die Führungspositionen seiner Kinderhöfe zu erheben. Die Vorzüge dieser Personalstrategie lagen auf der Hand: Zunächst sicherte sich Carl August einen gewissen repräsentativen Gewinn, da er mit der Verpflichtung eines Auswärtigen augenscheinlich unter Beweis stellte, dass sein Hof nicht allein für den einheimischen Adel attraktiv war, der ohnehin in einem Untergebenenverhältnis zu ihm als Landesherrn stand. Sondern der Hof wirkte darüber hinaus auch auf den überregionalen Adel anziehend. Daneben stellte die Wahl auswärtiger Erzieher eine ganz pragmatische Handha9

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Vgl. Frank: Standeserhebungen. Bd. 2: F–J, S. 206; ebd. Bd. 4: O–Sh, S. 203; Art. Hintzen von Hintzenstern, in: Gothaisches genealogisches Taschenbuch der briefadeligen Häuser, Jg. 12. Gotha 1918, S. 378; Günther Rühle: Otto August Rühle von Lilienstern. Ein Freund Heinrichs von Kleist, in: Kleist-Jahrbuch (1987), S. 76–97, hier S. 78. Moser: Teutsches Hofrecht, Bd. 2, S. 20. Vgl. Carius: Knebel, S. 213. Vgl. ThHStAW A XXII, HA Carl Friedrich 547, Bl. 44r. Rühle: Otto August Rühle von Lilienstern, S. 78. Duco van Haren stammte aus Holland, Friedrich von Ende aus Hannover und Wilhelm von Wolzogen aus Bauerbach. Vgl. die Ahnentafeln im Anhang.

5.1 Führungspersönlichkeiten des Weimarer Hofes

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be dar, um traditionellen Seilschaften am Hof, starren Gunstsystemen und misslicher Machtakkumulation einzelner, einheimischer Geschlechter vorzubeugen.15 Weder die Familien der Gouverneure von Hintzenstern und von Rühle noch die der Oberhofmeisterin von Knebel besaßen weitreichende verwandtschaftliche Beziehungen zum ansässigen Adel des Herzogtums. Allein Henriette von Knebel scheint eine gewisse Ausnahme gewesen zu sein, da bereits ihr Bruder Carl Ludwig von Knebel bis 1780 als Prinzenerzieher für den Herzogsbruder Constantin in Weimar gewirkt hatte.16 Die übrige Familie der beiden Geschwister von Knebel blieb allerdings vornehmlich im Ansbacher Gebiet verwurzelt.17 Sie pflegten daher zwar freundschaftliche, aber doch keine unmittelbar familiären Verbindungen im Herzogtum. Selbst Carl Ludwig von Knebel nutzte mit seiner späteren Heirat nicht die Chance, sich in den einheimischen Adel zu integrieren, sondern wählte stattdessen mit Luise Rudorf eine Bürgerliche zur Frau. Die neuadeligen Knebels blieben also wie alle anderen Erzieher der fürstlichen Kinder letztlich nur übergesiedelte Ausländer ohne unmittelbare Anbindung an den ansässigen Adel. Carl August hatte somit zweifellos gute Aussichten, dass sich die Führungspersönlichkeiten seiner Kinder in erster Linie seinem Fürstenhaus verpflichtet und nicht zwischen ihrer Loyalität zum Hof und den territorial gebundenen Interessen ihrer Familien hin- und hergerissen fühlten. Letztlich mag dieses Problem für die beiden Gouverneure und die Hofmeisterin aber nur begrenzt relevant gewesen zu sein, da sie ohnehin erst seit wenigen Jahrzehnten dem Adelsstand angehörten und mit traditionellen Verbindlichkeiten oder Ansprüchen wohl weniger konfrontiert waren. Der Schutz vor etwaigen Interessenkonflikten oder Hofintrigen auf Kosten des fürstlichen Nachwuchses schien folglich ebenso wie die Demonstration der überregionalen Attraktivität zwar ein wünschenswerter, vielleicht sogar bewusst kalkulierter Nebeneffekt, aber doch nicht der entscheidenden Beweggrund gewesen zu sein, um das Zeremoniell zugunsten der Neuadeligen zurückzusetzen. Bei näherer Betrachtung der jeweiligen Personen wird stattdessen klar, dass sich Carl August in der Hoffnung auf eine gelungene Förderung seiner Kinder mit der vereinfachten Form des Adels zufriedengab: Sowohl die beiden Gouverneure als auch die Hofmeisterin von Knebel waren nicht nur hoch 15

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Das Darmstädter Fürstenhaus wählte dazu eine andere Strategie und ließ seine Kinder aus Angst vor ungewollter Beeinflussung stets außerhalb des heimatlichen Schlosses erziehen. Vgl. Kollbach: Aufwachsen bei Hofe, S. 165–167. Vgl. Berger: Anna Amalia, bes. S. 163–167. Henriette von Knebel war die Jüngste von insgesamt acht Geschwistern. Neben Carl Ludwig gehörten dazu die Brüder Christoph Friedrich Wilhelm (1735–1799), Christoph Johann Wilhelm (1743–1802), Lebrecht Johann (1747–1794) und Wilhelm Karl Maximilian (1753–1790) sowie die früh verstorbene Schwester Marie Luise (1736–1737). Vgl. Wolfgang Huschke: Das klassische Weimar im Lichte neuer genealogischer Forschung. Karl Ludwig von Knebel, Familie und Vorfahren, in: Genealogie. Deutsche Zeitschrift für Familienkunde, Jg. 24, Bd. 12, Heft 11 (1975), S. 721–737, bes. S. 730.

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5. Repräsentationspolitik qua Personal. Der verpflichtete Adel des Hofes

gebildet, sondern besaßen Fähigkeiten und Interessen, die Carl August bei seinen Kindern ausgebildet wissen wollte. Am markantesten lässt sich dies an den Gouverneuren des Prinzen Bernhard nachvollziehen. Der Herzog war stark daran interessiert, seinen lebhaften jüngsten Sohn recht bald auf einen standesgemäßen Lebensweg zu führen und ihn zu einem tüchtigen Militär zu erziehen. Ab dem sechsten Lebensjahr stellte er ihm deshalb Franz August von Hintzenstern an die Seite, der dafür unmittelbar aus dem zweiten Bataillon des Kasseler Garde-Regiments nach Weimar wechselte.18 Carl August suchte mit dieser frühzeitigen Wahl eines militärisch ausgebildeten Erziehers womöglich die Fehler seiner Mutter zu vermeiden und seinem nachgeborenen Sohn das Schicksal seines Bruders zu ersparen.19 In den folgenden Jahren registrierte der Herzog bei Bernhard mit Wohlgefallen jenes Talent und Interesse für Mathematik und Geometrie, das dem Prinzen später seinen Platz in Kunzes „Lehrbuch der Geometrie“ mit seiner Näherungskonstruktion des regelmäßigen Siebenecks sichern sollte,20 und ermunterte ihn zu entsprechenden Studien. Als der Prinz zum Beispiel im Alter von nicht ganz 15 Jahren die elterliche Erlaubnis erhielt, 1806 in die Schlacht gegen die Franzosen zu ziehen, bat ihn Carl August, „ein ordentliches Journal über alles [zu führen], was vorgeht“, verbunden mit der nachdrücklichen Aufforderung: „zeichne die Stellungen der Armeen dazu, überhaupt mußt du Dich fleißig im militärischen Zeichnen üben“.21 Vor diesem Hintergrund wird deutlich, warum gerade der preußische Generalquartiersmeisterleutnant Otto August Rühle von Lilienstern im Sommer 1807 zum Nachfolger des Gouverneurs von Hintzenstern berufen wurde. In der Jenaischen Literaturzeitung war kurz zuvor eine ausführliche anerkennende Rezension zu Rühle von Liliensterns „Bericht eines Augenzeugen von dem Feldzuge (. . . ) 1806“22 erschienen.23 Darin wurden sowohl dessen genaue militärische Kenntnisse und Wahrheitsliebe als auch die „einsichtsvoll nach Lehmannscher Manier“ entworfenen militärischen Karten gelobt.24 Rühle von Lilienstern war also spätestens seit dem Erscheinen sei18 19 20 21

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Vgl. z. B. den Kasseler Staatskalender von 1790, S. XXIV. Prinz Constantins Lebensweg stand lange Zeit zwischen Militär und Müßiggang. Vgl. den Abschnitt zu Constantins Hof, sowie Berger: Anna Amalia, S. 167ff. Vgl. Carl Ludwig Albrecht Kunze: Lehrbuch der Geometrie. Bd. 1: Planimetrie. 2. verbesserte und vermehrte Auflage. Jena 1851, S. VIII, 244–248. C. A. v. S-W-E an Bernhard v. S-W-E, Niederroßla, 20. September 1806, in: Carl August von Weimar. Ein Leben in Briefen. Hrsg. von Hans Wahl. Weimar 1928, S. 101–102, Zitat S. 102. Bericht eines Augenzeugen von dem Feldzuge der während den Monaten September und Oktober 1806 unter dem Kommando des Fürsten zu Hohenlohe-Ingelfingen gestandenen Königl. Preußischen und Kurfürstl. Sächsischen Truppen. Von R. v. L. Nebst 4 Planen und Beilagen. Erste Ausgabe. Tübingen 1807. (Zweite Auflage 1809) Vgl. Kriegswissenschaften, in: Jenaische Allgemeine Literaturzeitung, 4. Jg., Bd. 2, Nr. 113 (15. Mai 1807), Sp. 289–296 sowie Jenaische Allgemeine Literaturzeitung, 4. Jg., Bd. 2, Nr. 114 (16. Mai 1807), Sp. 297–304. Ebd., Sp. 304.

5.1 Führungspersönlichkeiten des Weimarer Hofes

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nes ersten Werkes – das den Anfang einer erfolgreichen schriftstellerischen und kartographischen Karriere sein sollte – auch im Weimarer Herzogtum für seine Begabung im militärischen Zeichnen bekannt.25 Carl August wählte demnach Erzieher, von denen er erwarten konnte, dass sie die Begabungen seines Sohnes angemessen förderten. Die Fähigkeiten und Talente der Gouverneure spielten für den Weimarer Herzog offenbar eine wichtigere Rolle als die vom Zeremoniell geforderte altadelige Standesherkunft. Seine Tochter wollte Carl August dagegen vielseitig gebildet und künstlerisch interessiert wissen, weshalb er für sie eine Hofmeisterin mit einem beeindruckend mannigfaltigen Talentprofil verpflichtete: Henriette von Knebel war musikalisch begabt, komponierte und spielte Klavier derart ausnehmend, dass sie damit bereits in Ansbach Liebhaberkonzerte bestreiten konnte.26 Sie beherrschte zudem nicht nur das obligatorische Französisch, sondern auch die englische Sprache – im Unterschied zu vielen Weimarer Adeligen.27 Selbst ihr Bruder tat sich damit sehr schwer und las deshalb nur ungern englischsprachige Dichtung, was Henriette von Knebel allerdings nicht davon abhielt, ihm immer wieder entsprechende Werke zur Lektüre zu empfehlen.28 Neben ihren musikalischen und sprachlichen Talenten fiel die Hofmeisterin aber vor allem durch ihr ausgeprägtes Interesse und Verständnis für Literatur, Philosophie und die schönen Künste auf. Über ihren Bruder hatte sie bereits vor ihrer Berufung rege an den kulturellen Errungenschaften der Weimarer Gesellschaft Anteil genommen und die Werke der dort ansässigen Dichter und Denker gelesen.29 In Weimar selbst führte sie diese Ambitionen intensiv fort und nutzte unter anderem ihre Befugnisse als Hofmeisterin, um mit gelehrten und künst25

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Carl August selbst war die Begabung von Rühles sicherlich schon wesentlich früher bekannt. Beide waren im preußischen Militär, wo von Rühle seit 1795 in der königlichen Plankammer in Potsdam unter dem General von Geussau mit der Fertigung militärischer Pläne beauftragt war. Zudem gehörten beide der Militärischen Gesellschaft zu Berlin an. Bis zu seinem Tod fertigte Rühle von Lilienstern mehr als 20 Landkarten und verfasste 23 militärische, politische, philosophische, geographisch-mythologische, graphisch-historische und physikalische Schriften. Vgl. die Publikationsliste in: [Major Gerwien]: GeneralLieutnant Rühle von Lilienstern. Ein biographisches Denkmal, in: Beiheft zum MilitärWochenblatt für die Monate Oktober bis Dezember. Berlin 1847, S. 125–194, Beilage X, S. XXIVf. N.N.: Art. Johann Jakob Otto August Rühle von Lilienstern, in: Friedrich August Schmidt/Bernhard Friedrich Voigt (Hrsg.): Neuer Nekrolog der Deutschen. 25. Jg., Teil 2, (1847), Weimar 1849, S. 456–491. Vgl. Carius: Knebel, S. 213. Das Interesse an der englischen Sprache lebte um 1800 – wohl auch wegen der zahlreich zu Besuch kommenden Engländer – in Weimar richtig auf und bescherte Probleme, da viele zwar Englisch lesen, aber nicht sonderlich gut sprechen konnten. Vgl. z. B. Heinrich Düntzer: Zwei Bekehrte. Zacharias Werner und Sophie von Schardt. Leipzig 1873, bes. S. 389; Sylke Kaufmann: Henriette von Powisch und ihre Französische Lesegesellschaft. Ein Beitrag zur Weimarer Kultur in der ersten Hälte des 19. Jahrhunderts. Mit einem Exkurs zum Wirken Goethes in der Lesegesellschaft. Marburg 1994, bes. S. 70–77. Vgl. z. B. Knebels Briefwechsel, S. 137–138. Vgl. Carius: Knebel, S. 213.

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5. Repräsentationspolitik qua Personal. Der verpflichtete Adel des Hofes

lerisch tätigen Besuchern der Residenzstadt persönlich in Kontakt zu treten und sie als Gäste der Prinzessin zu Leseabenden und kleineren Gesellschaften an den Hof zu laden. Die Prinzessin Caroline Louise profitierte von den Interessen und Talenten ihrer Hofmeisterin und entwickelte sich unter deren Obhut zu einer aufgeschlossenen Persönlichkeit, die von verschiedenen Weimarer Intellektuellen ob ihres Wissenstandes und ihrer Fähigkeiten viel Lob erhielt. Nach ihrer Verheiratung mit dem Schweriner Erbprinzen übertrug Caroline Louise – unterstützt von ihrer einstigen Hofmeisterin – das Weimarer Geselligkeitsmodell auf den Mecklenburger Hof und etablierte dort einen Literaturzirkel.30 Wenngleich sich Carl August nicht grundlegend gegen das Zeremoniell wandte und seinen nachgeborenen legitimen Kindern im Gegensatz zum Erbprinzen keine Gouverneure bzw. Hofmeisterin bürgerlichen, sondern lediglich neuadeligen Standes an die Seite stellte, lässt sich doch auch hier eine Werteverschiebung erkennen: Der altadelige Stand wich der individuellen Eignung. Das zeremonielle Prinzip der gebührenden Anständigkeit, das eine fürstliche Person nach dem Rang und Stand seiner Bediensteten klassifizierte, war nicht das einzige Kriterium, an dem Carl August seine Personalwahl orientierte. Zwar verblieb die Erziehung der nachgeborenen Fürstenkinder am Weimarer Hof weiterhin exklusiv in den Händen des Adels. Allerdings war der Herzog sichtlich davon überzeugt, dass das Wohl seines Fürstenhauses nicht mehr nur durch die traditionellen Prinzipien des Zeremoniells, sondern auch durch die zielgerichtete Förderung der Talente und Bildung seiner Kinder gesichert und gesteigert werden konnte. Die Fähigkeiten und das Können der Gouverneure bzw. der Hofmeisterin erlangten infolgedessen einen höheren Stellenwert als die altadelige Geburt. Womöglich zeigten sich hier die Früchte der aufgeklärten Erziehung Wielands, obgleich auch der Einfluss von Goethe und Herder, mit denen Carl August immer wieder die Ausbildung und die anstehenden Personalentscheidungen für seine Kinder thematisierte und diskutierte,31 nicht gering geschätzt werden darf. Mit seiner Werteverschiebung entkräftete Carl August für sein Haus nachhaltig die zeitgenössische Hofkritik, die den Fürsten ein „unzureichendes oder banausisches Interesse an Kunst und Literatur“32 unterstellte. Letztendlich brach er dafür aber nicht komplett mit dem Distinktion schaffenden Zeremoniell.

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Vgl. Hendrikje Carius: Art. Caroline Louise Erbgroßherzogin von Mecklenburg-Schwerin, geb. von Sachsen-Weimar-Eisenach (1786–1816), in: Freyer/Horn/Grochowina: FrauenGestalten, S. 239–242. Er tat dies in erster Linie mit Goethe und Herder. Vgl. z. B. C.A. v. S-W-E an J. W. v. Goethe, 29. November 1798, in: BW Vogel 1, S. 239; oder C.A. v. S-W-E an J. G. Herder, Weimar, 17. Dezember 1797, in: Leben in Briefen, S. 86–88. Müller: Fürstenhof, S. 87.

5.1 Führungspersönlichkeiten des Weimarer Hofes

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Die altadelige (Hof-)Führung des Erbprinzen

Im Februar 1799 resümierte Carl August gegenüber Goethe stolz die erfolgreiche Gewinnung des ersten adeligen Oberhofmeisters für seinen 16jährigen Thronfolger: „Des Barons van Haren Acquisition“ sei nichts weniger als einer „der blinden Glücksfälle“, die dem Weimarer Fürstenhaus zuweilen vergönnt seien.33 Der Baron scheine überall zu gefallen und besonders die Herzogin – die das Personal für ihre Kinder stets mit auswählte – sei sehr zufrieden.34 Diese fast überschwängliche Begeisterung beruhte wohl in erster Linie auf dem besonderen sozialen Profil Duco van Harens, das sowohl zeremoniellen als auch intellektuellen Ansprüchen gerecht zu werden schien: Der in Den Haag geborene Adelige war mit seinen niederländischen Wurzeln unverkennbar der Exot unter den höfischen Erziehern und musste in seiner Außenwirkung wohl zwangsläufig beeindrucken.35 Da er eine physisch äußerst imposante Erscheinung besaß, fließend französisch sprach und „sehr distinguiert“ auftrat,36 wurde ihm die Ausstrahlung eines Diplomaten attestiert. Zu dieser Einschätzung trugen aber nicht nur sein Äußeres, sondern gleichermaßen auch sein Scharfsinn und Erfahrungsschatz bei.37 Der 51-jährige konnte auf eine facettenreiche Karriere in Politik und Handel zurückblicken und hatte umfangreiche Erfahrungen am Rechnungshof der Staaten von Friesland, in der Westindischen Kompanie und als Grietmann der friesischen Gemeinde Weststellingwerf sammeln können.38 Der Regierungsrat Christian Gottlob Voigt kam wohl nicht ohne Grund zu dem Schluss, van Haren sei ein „sehr unterrichteter Mann in Welt- und Statssachen“39

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C. A. v. S-W-E an J. W. v. Goethe, 22. Januar 1799, in: BW Vogel 1, S. 273. Im Februar 1799 war soweit erfolgreich verhandelt, dass der neue Oberhofmeister im folgenden Juni den bisherigen Erzieher Riedel ablösen und sein neues Amt bei Carl Friedrich antreten konnte. Vgl. den Eintrag im Fourierbuch vom 24. Juni 1799 in ThHStAW HMA 4548, Bl. 78r. Vgl. Ebd. Vgl. Pieter van der Vliet: Onno Zwier van Haren (1713–1779). Staatsman en dichter. Hilversum 1996, S. 116. C. A. v. S-W-E an J. W. v. Goethe, Weimar, 22. Januar 1799, in: BW Vogel 1, S. 273. Auch Sophie von Schardt war von Duco van Haren angetan. Sie beschrieb ihn an Carl von Stein als einen überaus höflichen Mann, „der in allen Fächern zu Haue ist, doch so gern einer conversation folgt, als er sie angenehm zu leiten versteht, der angenehm erzählt und sich doch bestimmt ausdrückt, so ist der grand ton würklich sein Fach. Er ist ein Mann von Verstand und Charakter (. . . ), ein Glück für den Prinzen und seine Eltern.“ Vgl. S. v. Schardt an C. v. Stein, Weimar 18. März 1799, in: Briefe an Fritz von Stein. Hrsg. und eingeleitet von Ludwig Rohmann. Leipzig 1907, S. 69–70, Zitat S. 70. Seine politische Karriere begann Duco van Haren bereits im Alter von 20 Jahren. Am 23. Juni 1772 heiratete er Sara van den Heuvel und zog sich kurz danach aus dem politischen Geschäft zugunsten einer Anstellung im Handel unter seinem Schwiegervater in Amsterdam zurück. Vgl. Vliet: Onno Zwier van Haren, S. 342f, 402. C. G. Voigt an J. W. v. Goethe, Weimar, 24. Februar 1799, in: BW Voigt Goethe 2, S. 13– 136 (= Nr. 116), Zitat S. 136.

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und besäße „große politische Intelligenz“.40 Dieses Verständnis rundete der Holländer als Sohn einer bekannten Dichterfamilie zudem mit einem ausgeprägten Interesse und erkennbarer Begabung für die Literatur ab.41 Er verfügte also über einen breit gefächerten Wissenshorizont, der es ihm nach seiner Flucht42 aus seiner französisch besetzten Heimat problemlos erlaubt hätte, in den höheren Staatsdienst der großen europäischen Höfe zu treten. Carl August schätzte seinen Wert deshalb hoch ein, so dass er anfangs selbst nicht glaubte, ihn tatsächlich für die Erziehung seines Sohnes gewinnen zu können. Umso größer war letztlich seine Freude, als er an Goethe berichten konnte, van Haren habe „wider mein Vermuthen und gegen mancherlei Wahrscheinlichkeiten angebissen“.43 Die entsprechende Empfehlung hatte Carl August zuvor aus dem Braunschweiger Herzogshaus erhalten,44 dem die Familie van Haren seit Generationen gut bekannt war. Duco van Harens Vater, Onno Zwier van Haren, war ein Jugendfreund Wilhelms IV. von Oranien (1711–1751) und genoss sowohl das Vertrauen des Erbstatthalters der Niederlande als auch das von dessen Gattin Anna (1709–1759). Er war als niederländischer Staatsmann in die höchsten Ämter aufgestiegen und im Zuge dessen zwangsläufig auf die Braunschweiger Herzöge getroffen, die eine Zeit lang die niederländischen Staatsgeschäfte leiteten und die Nassauer Ländereien verwalteten.45 Duco van Haren profi40 41

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C. G. Voigt an J. W. v. Goethe, Weimar, 20. Februar 1799, in: BW Voigt Goethe 2, S. 132– 134 (= Nr. 113), Zitat S. 134. Sein Vater und dessen Bruder, Onno Zwier (1713–1779) und Willem van Haren (1710– 1768), waren zwei bekannte niederländische Poeten. Duco van Haren muss davon profitiert haben, denn während seiner Zeit als Oberhofmeister nahm er an den literarischen Geselligkeiten Weimars teil und ließ sich gern als „Literaturbotschafter“ einspannen, der Goethes Werke in Übersetzung in seiner Heimat bekanntmachen sollte. Vgl. D. v. Haren an J. W. v. Goethe, Weimar, Dezember/Januar 1800, in: GSA 28/385, o. pag; D. v. Haren an J. W. v. Goethe, Weimar, 11.–13. Januar 1800, in: Briefe an Goethe. Gesamtausgabe in Regestform. Hrsg. von Karl-Heinz Hahn, unter Mitarbeit von Irmtraut Schmid. Bd. 3: 1799–1801. Weimar 1983, S. 160. Zu den Dichterbrüdern van Haren vgl. z. B. Vliet: Onno Zwier van Haren, bes. S. 279–426. Der Holländer war vor der Revolution in seiner Heimat geflüchtet und befand sich seit Ende 1797 bzw. Anfang 1798 in Weimar. Vgl. Patrick Bridgwater: De Quincey’s Gothic masquerade. Amsterdam 2004, S. 33. C. A. v. S-W-E an J. W. v. G, o. O., 29. November 1798, in: BW Vogel 1, S. 239. Vgl. C. Herder an J. W. L. Gleim, Weimar, 29. August 1800, in: Von und an Herder. Ungedruckte Briefe aus Herders Nachlaß. Hrsg. von Heinrich Düntzer und Ferdinand Gottfried von Herder. Erster Band. Leipzig 1861, S. 279–280; Aus Goethes Briefwechsel mit Carl August (Schluß), in: Morgenblatt für gebildete Leser, Bd. 57 (1863), S. 876–880, hier S. 878. Carl Augusts Großvater Karl (1713–1780) und dessen Bruder Ludwig Ernst von Braunschweig-Wolfenbüttel (1718–1788) hatten im Zeitraum von 1759 bis 1766 die Verwaltung und Wahrung des oranischen Hauses übernommen, bis Wilhelm V. die Statthalterschaft antrat. Ludwig Ernst blieb danach dem Statthalter als Ratgeber eng verbunden. Vgl. z. B. Paul Zimmermann: Art. Ludwig Ernst Herzog zu Braunschweig und Lüneburg, in ADB, Bd. 19 (1884), S. 543–546.

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tierte schon als Kind von der Günstlingsposition seines Vaters, indem er zum Beispiel im Alter von acht Jahren zum Leutnant ernannt wurde.46 Auch seine baldige politische Karriere verdankte er größtenteils dem Wohlwollen des oranischen Herrscherhauses.47 Wegen dieser bewährten, generationenübergreifenden Bevorzugung erfolgte dann wohl auch die 1798 ausgesprochene Empfehlung durch die Braunschweiger. Duco van Haren verfügte also über ein ansehnliches soziales Kontaktnetz im europäischen Hochadel, was ihn aus der Perspektive des Weimarer Herzogs ohne Zweifel als Erzieher umso attraktiver erscheinen lassen musste. Denn wenn ein derart gut vernetzter Mann den Weimarer Hof anderen, höherrangigen Höfen als Wirkungsstätte vorzog, zeugte dies von der Attraktivität Weimars und dem Prestige Carl Augusts. In Anbetracht des zweistufigen Personalmanagements für seinen Thronfolger48 verwundert es allerdings, dass Carl August bei dem holländischen Oberhofmeister hinsichtlich der vom Zeremoniell geforderten altadeligen Geburt Abstriche machte. Während für den kindlichen Erbprinzen die Traditionen zugunsten der Bildung zurückgestellt und nur ein Hofmeister aus dem bürgerlich gelehrten Milieu gewählt wurde, wäre nun zu erwarten gewesen, dass Carl August für die Einführung seines Sohnes in die zeremoniell bestimmte Welt der Fürsten einen Oberhofmeister mit einer unangreifbaren Herkunft verpflichtet hätte. Duco van Haren konnte sich jedoch nur bedingt einer solchen altadeligen Abstammung rühmen. Zwar hatten sich seine Ahnen väterlicherseits über etliche Generationen stets standesgemäß mit ebenfalls adeligen Damen vermählt, sein Vater hatte allerdings diese Familientradition für eine Ehe mit Sara Adelaide van Huls (1718–1793) durchbrochen.49 Duco van Harens Mutter entstammte den nichtadeligen, wenngleich doch hoch angesehenen patrizischen Geschlechtern van Huls und Rover of Röver.50 Dabei bleibt allerdings fraglich, inwieweit Carl August um die genaue Familienstruktur Duco van Harens bei dessen Verpflichtung tatsächlich wusste. Gegenüber Goethe deutete er an, bloß wenige Informationen über den neuen Oberhofmeister zu besitzen und ihn „nur nach seinem äuserlichen“ beurteilen zu können.51 Möglicherweise schloss der Herzog aus der Empfehlung der Braunschweiger, dass Duco van Harens Standesherkunft keinerlei Anlass zur Beanstandung bot und verzichtete deshalb auf die gewöhnlich sehr diskret eingeholten Erkundigungen über den familiären Hintergrund.52 Angesichts 46 47 48 49 50

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Vgl. Vliet: Onno Zwier van Haren, S. 172. Vgl. ebd. Vgl. oben den Abschnitt zum unverheirateten Erbprinzen im Kapitel IV. Vgl. die Ahnentafel von Duco van Haren im Anhang. Vgl. Vliet: Onno Zwier van Haren, S. 57; A. de Roever: Het Geslacht Roever of Rover, in: Algemeen Nederlandsch Familieblad, Jg. II, 1885, S. 123–128. Für die Ahnentafel siehe Anhang. C.A. v. S-W-E an J. W. v. Goethe, Weimar 22. Februar 1799, in: BW 1, S. 273. Bei dem vorhergehenden Hofmeister seines Erbprinzen hatte er zum Beispiel Goethe ge-

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5. Repräsentationspolitik qua Personal. Der verpflichtete Adel des Hofes

der revolutionären Umbrüche in den Niederlanden waren solche Nachforschungen unter Umständen aber auch nur schwer oder gar nicht möglich. Gleichermaßen lässt sich nicht ausschließen, dass die patrizische Herkunft der Mutter gar nicht beanstandet, sondern als gleichwertig wahrgenommen wurde. Immerhin besaß der Adel in der niederländischen Gesellschaft eine andere soziale Stellung als im Alten Reich.53 Das dortige, vor allem in der Provinz regierende Patriziat hatte seit Ende des 17. Jahrhunderts einen Prozess der Aristokratisierung durchlaufen und sich als eine autarke soziale Gruppe an der Spitze der Gesellschaft etabliert. Parallel zum alten Adel gab es also eine einflussreiche Schicht bürgerlicher Aristokraten, die möglicherweise im Alten Reich als standesgleich erachtet wurde.54 Für eine solche Einschätzung spräche zumindest auch die hochrangige Verbindung der Schwester Magdalene Adriane van Haren (1746–1822), die sich schon 1773 mit Prinz Friedrich Ernst von Hohenlohe-Langenburg (1750–1794) vermählt hatte.55 Nicht zuletzt kann aber auch nicht ausgeschlossen werden, dass der Weimarer Herzog bewusst die nur bedingt adelige Abstammung in Kauf nahm und die bisher erworbenen Meriten Duco van Harens als Ausgleich für das ständische Manko gelten ließ, um seinen Sohn in den Genuss eines weltgewandten Oberhofmeisters kommen zu lassen. Am wahrscheinlichsten scheint letztlich jedoch tatsächlich eine Fehleinschätzung bzw. Unwissen. Denn als am Weimarer Hof ein Jahr nach dem plötzlichen Tod des Oberhofmeisters 1801 überlegt wurde, ob Wilhelm von Pappenheim als Gesellschafter für den Erbprinzen engagiert werden solle, warnte Christian Gottlob Voigt vor einem voreiligen Entschluss und erinnerte daran, dass man sich schon einmal bei Duco van Haren geirrt habe.56 Da keine Klagen über die Arbeit des Holländers in seiner kurzen, nur zwei Jahre währenden Wirkzeit am Weimarer Hof überliefert worden waren, verbarg sich hinter diesem Irrtum womöglich eben jener zeremonielle ,Schönheitsfehler‘ einer halb-bürgerlichen Herkunft. Der nachfolgende Oberhofmeister des Thronfolgers wurde dagegen von unzweifelhaft altadeliger Geburt gewählt: Wilhelm von Wolzogen, der bereits zwei Monate nach van Harens Tod im Juli 1801 tituliert und kommissarisch

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beten, entsprechende Informationen einzuholen. Vgl. Düntzer: Goethe und Karl August. Teil 1, S. 241. Vgl. z. B. Maarten Prak/Joop de Jong/Luuc Kooijmans: State and Status in the eighteenth century. Three cities in Holland: Hoorn, Gouda and Leiden, in: Heinz Schilling/Herman Diederiks (Hrsg.): Bürgerliche Eliten in den Niederlanden und in Nordwestdeutschland. Studien zur Sozialgeschichte des europäischen Bürgertums im Mittelalter und in der Neuzeit. Köln/Wien 1985, S. 183–194. Zur eigenwilligen Stellung und zum Miteinander des Adels und des Patriziats in den Niederlanden vgl. die verschiedenen Aufsätze in Johan Aalbers/Maarten Prak, (Hrsg.): De bloem der natie. Adel en patriciaat in de Noordelijke Nederlanden. Amsterdam 1987. Vgl. Georg Hassel: Genealogisch-historisch-statistischer Almanach. Dritter Jahrgang für das Jahr 1826. Weimar 1826, S. 200f. Vgl. C. G. Voigt an J. W. v. Goethe, Weimar, 24. Januar 1802, in: BW Voigt Goethe 2, S. 278–279.

5.1 Führungspersönlichkeiten des Weimarer Hofes

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mit der Leitung des erbprinzlichen Hofes betraut wurde,57 konnte sowohl väterlicher- als auch mütterlicherseits adelige Ahnen über etliche Generationen bis ins 16. Jahrhundert vorweisen.58 Seine Familie setzte sich aus alteingesessenen Adelsgeschlechtern der Thüringer Herzogtümer zusammen und hatte zu Beginn des 18. Jahrhunderts die (Ritter-)Güter Mühlfeld und Bauerbach an der fränkisch-thüringischen Grenze erworben.59 Wilhelm von Wolzogen war dort geboren worden und in der Meininger Gegend aufgewachsen, bevor er im Alter von 13 Jahren zur Ausbildung auf die Karlsakademie nach Stuttgart gesandt wurde, die zur selben Zeit auch sein späterer Schwippschwager Friedrich Schiller besuchte. Seinen fast gleichaltrigen Landesherrn, Georg von Sachsen-Meiningen, kannte er „von Kindesbeinen auf “ und pflegte zu ihm eine freundschaftliche Beziehung.60 Als er 1796 aus Württemberger in Weimarer Dienste übertreten wollte, konnte von Wolzogen eben diese Verbindung nutzen, um mit Carl August in Kontakt zu treten.61 Da der Weimarer und der Meininger Herzog untereinander ebenfalls ein sehr gutes Verhältnis pflegten und stetig miteinander kommunizierten, ist anzunehmen, dass die vornehme Herkunft Wilhelm von Wolzogens in Weimar bereits vor der Einstellung im Detail bekannt war. Dafür sprächen zumindest die großen Hoffnungen, die Carl August mit Blick auf seine vakante Hofmarschallsstelle auf ihn setzte.62 Dass der Freiherr sodann aber nicht – wie ursprünglich geplant – die Führung des Kernhofes, sondern die des erbprinzlichen Hofes übernahm, resultierte letztlich aus dem zeitlichen Aufeinandertreffen von Duco van Harens Tod und den anstehenden Neuverhandlungen des russischen Heiratsabkommens. Carl August machte sich diese Koinzidenz mit politischem Weitblick erfolgreich zu Nutze: Zum einen konnte er Wilhelm von Wolzogen durch die prestigeträchtige Ernennung zum Oberhofmeister in seiner heiklen diplomatischen Mission enorm bestärken.63 Zum anderen ergriff er die wohl äußerst willkommene Gelegenheit, die bisher unstandesgemäße Fehlbesetzung des halbbürgerlichen van Harens mit der Ernennung des altadeligen Freiherrn von Wolzogen zu korrigieren. Für Carl Friedrich bedeutete die nun zeremoniellkonforme Hofführung angesichts der bevorstehenden Verbindung mit einer Zarentochter eine wichtige Aufwertung seines 57 58

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Zu den Umständen vgl. oben den Abschnitt zum Erbprinzen. Wilhelm war der Sohn des Hildburghäuser Geheimen Legationsrates Ernst Ludwig Freiherr von Wolzogen (1723–1774) und Wilhelmine Christiane Henriette Johanna Marschalk von Ostheim (1745–1788). Vgl. die Ahnentafel Wolzogens im Anhang. Vgl. bis auf weiteres Karl August Alfred von Wolzogen und Neuhaus: Geschichte des Reichsfreiherrlich von Wolzogen’schen Geschlechts. Teil 1 und 2. Leipzig 1859, S. 58f., 129 f. C. A. v. S-W-E an J. W. v. Goethe, Allstedt, 8. Dezember 1796, in: BW 1, S. 208–210, Zitat S. 208. Vgl. Ebd. Ebd., S. 240. Ausführlich dazu vgl. oben den Abschnitt zum Erbprinzen.

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5. Repräsentationspolitik qua Personal. Der verpflichtete Adel des Hofes

repräsentativen Hofstaats. Der Unfalltod64 des Holländers war dementsprechend auch weniger ein Schicksalsschlag als vielmehr eine Chance für das Weimarer Fürstenhaus. Im Jahr 1809 fand sich Carl Friedrich zwischenzeitlich mit zwei Führungspersönlichkeiten ausgestattet, da sein Vater noch zu Lebzeiten von Wilhelm von Wolzogen einen weiteren Adeligen an die Spitze des erbprinzlichen Hofes berufen hatte: Bereits im Juni – d. h. ein halbes Jahr vor von Wolzogens Tod – beförderte Carl August den bisherigen Kammerherrn, Friedrich Albrecht Gotthelf von Ende (1765–1829), zum Hofmarschall und beauftragte ihn mit der Leitung des Thronfolgerhofes.65 Der Freiherr war seit einem Jahr in Weimarer Diensten tätig und eigentlich berufen worden, um den schwächelnden 60-jährigen Ludwig Ernst Wilhelm von Schardt als Kammerherrn zu ersetzen. Nach 45 Dienstjahren durfte dieser im März 1808 wegen Altersschwäche vom Hofe ab- und als ,charakterisierter‘ Schlosshauptmann in Pension gehen.66 Als sich Wilhelm von Wolzogens gesundheitlicher Zustand im Frühjahr 1809 jedoch ebenfalls derart verschlechterte, dass ihm die Ärzte nur noch wenig Hoffnung auf vollständige Genesung machten und dringend eine Ruhepause empfahlen, dispensierte Carl August auch seinen hochverdienten Vertrauten von seinen Geschäften beim Erbprinzen und verabschiedete ihn mit den besten Wünschen auf eine Badereise.67 Der Freiherr von Ende rückte nach und bekam faktisch alle Aufgaben des Oberhofmeisters übertragen. Da Wilhelm von Wolzogen allerdings nicht tot, sondern nur vom Dienst befreit war, konnte Carl August den Freiherrn von Ende nicht zum Oberhofmeister ernennen. Ein Einzelhof konnte keine zwei Oberhofmeister haben. Carl August räumte dieses Dilemma allerdings geschickt aus dem Weg, indem er einfach die Positionsbezeichnung zeremoniellkonform variierte und den Freiherrn von Ende zum Hofmarschall des erbprinzlichen Hofes ernannte. Der Thronfolger erhielt dadurch eine Art Doppelspitze, bestehend aus dem passiven Titular-Oberhofmeister von Wolzogen und dem wirklichen, aktiven Hofmarschall von Ende. Diese doppelte Besetzung sollte letztlich allerdings nur ein halbes Jahr währen. Wilhelm von Wolzogen kehrte von seiner Badreise nicht zurück, sondern verstarb am 17. Dezember 1809 in Wiesbaden. Obwohl Friedrich von Ende zunächst lediglich als nachfolgender Kammerherr vorgesehen war, muss Carl August bereits bei der Verpflichtung im 64

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Duco van Haren soll durch einen wuchtigen Koffer, der von einem Postwagen auf seine Brust fiel, schwer verletzt worden und schließlich daran verstorben sein. Vgl. z. B. Art. Haren, (Duco van), in: Abraham Jacob van der Aa. Biographisch woordenboek der Nederlanden, bevattende levensbeschrijvingen van zoodanige personen, die zich op eenigerlei wijze in ons vaderland hebben vermaard gemaakt. Voortgezet door K.J.R. van Harderwijk en G.D.J. Schotel. Deel 8,1. Haarlem 1869, S. 199. Vgl. ThHStAW HMA 3333, Bl. 3–6. Vgl. ThHStAW HMA 433, Bl. 8–10. Vgl. C. A. v. S-W-E an W. v. Wolzogen, Weimar, 24. Juli 1809, in: Literarischer Nachlaß der Frau Caroline von Wolzogen. Hrsg. von Karl August Hase. Bd. 1. Leipzig 1848, S. 460.

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April 1808 dessen Beförderung in die Führungsriege im Blick gehabt haben: Wilhelm von Wolzogen hatte den Herzog nämlich zuvor schon zwei Mal – im Oktober 1806 und im Februar 1807 – um seine Entlassung gebeten. Unmittelbar nach der verlustreichen Schlacht von Jena und Auerstedt wollte der Oberhofmeister von seinen politischen Geschäften dispensiert werden, da er nicht „zwischen Euer Durchlaucht als General und Souverain“ stehen mochte und sich in seiner Pflicht hin- und hergerissen sah, als sich Carl August nach den verlorenen Gefechten zunächst weigerte, die von Napoleon begehrten Punkte zu unterschreiben.68 Der Herzog lehnte das Entlassungsgesuch jedoch ab. Ein halbes Jahr später probierte es Wilhelm von Wolzogen wiederholt – dieses Mal allerdings nicht nur aus politisch-moralischen Bedenken, sondern nun gestand er freimütig, dass ihm „die zu tragende Last zu schwer“ werde und er sich gesundheitlich nicht mehr in der Lage sähe, zu Diensten zu stehen.69 Er bat deshalb um die völlige Entlassung. Da dies auch die kommissarische Tätigkeit als Oberhofmeister des Thronfolgers mit einschloss, stellte sein Wunsch den Herzog vor ein ernsthaftes Personalproblem. Zu diesem Zeitpunkt gab es nämlich noch keinen geeigneten Nachfolger. Carl August hatte erst kurz zuvor etliche jüngere Kammerherren von ihrem Hofdienst zugunsten anderweitiger Verpflichtungen im Militär oder in der Regierung freigestellt.70 Die übrigen hohen Hofadeligen kamen wegen ihres hohen Alters oder ihrer mangelhaften ständischen Herkunft nicht in Frage. So schied zum Beispiel auch der erbprinzliche Kammerherr von Schardt aus, weil er zu alt war und, ähnlich wie Duco van Haren, mütterlicherseits keine adeligen Ahnen über mehrere Generationen vorweisen konnte.71 Der Freiherr von Wolzogen hätte in der Regierung wie auch im Hof eine nicht zu füllende Lücke hinterlassen. Der Herzog lehnte deshalb auch das zweite Entlassungsgesuch ab. Er konnte und wollte auf Wilhelm von Wolzogen nicht verzichten. Im September 1807 musste ihm dann aber doch zwangsläufig bewusst geworden sein, wie fatal es um die Gesundheit des Freiherrn stand. Friedrich (von) Müller meldete „recht bange“ aus Paris, dass der als Unterstützung dorthin gesandte von Wolzogen krank angekommen sei und es ihm

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W. v. Wolzogen an C. A. v. S-W-E, Weimar, 20. Oktober 1806, in: Literarischer Nachlaß der Frau Caroline von Wolzogen. Hrsg. von Karl August Hase. Bd. 2. Leipzig 1849, S. 462. Wolzogen war ein politisch weitsichtiger Stratege. Er konnte dementsprechend wenig mit dem verletzten Ehrgefühl des Herzogs anfangen, der als Militär eine große Niederlage verarbeiten musste und sich deshalb nach der Schlacht geradezu trotzig, statt diplomatisch gegen Napoleon stellte. W. v. Wolzogen an C. A. v. S-W-E, Weimar, 4. Februar 1807, in: Literarischer Nachlaß der Frau Caroline von Wolzogen. Hrsg. von Karl August Hase. Bd. 1. Leipzig 1848, S. 454. Im März 1807 hatte er zum Beispiel den Kammerherrn von Wolfskeel zum Kanzler ernannt und schon im Januar 1806 August Carl von und zu Egloffstein von seinem Hofdienst zugunsten der Militäraufgaben befreit. Vgl. ThHStAW HMA 432, Bl. 28; ThHStAW HMA 431, Bl. 10; ThHStAW HMA 4555, S. 21. Vgl. die Ahnentafel von Ludwig Ernst Wilhelm von Schardt im Anhang.

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5. Repräsentationspolitik qua Personal. Der verpflichtete Adel des Hofes

sehr schlecht ginge.72 Die aus der Reise nach Paris resultierende Schwäche sollte die Arbeitskraft des Freiherrn in den kommenden Monaten weiterhin merklich schmälern.73 Die Verabschiedung des alten Kammerherrn von Schardt und Neuverpflichtung des Freiherrn von Ende im darauf folgenden Frühjahr standen dementsprechend unter dem eingeschränkten Leistungsvermögen des amtierenden Oberhofmeisters. Es ist folglich anzunehmen, dass Friedrich von Ende bereits mit der Intention am Hof des Erbprinzen angestellt wurde, von Wolzogen irgendwann in seiner Führungsposition zu beerben. Das soziale Profil von Friedrich von Ende erfüllte die zeremoniellen und intellektuellen Ansprüche, die Carl August an alle Führungspersönlichkeiten seiner Kinder stellte. Wie Wilhelm von Wolzogen konnte wohl auch der Freiherr von Ende eine altadelige Abstammung über mehrere Generationen vorzeigen.74 Im Unterschied zu seinem Vorgänger lagen seine Stärken und Verdienste allerdings weniger in der Politik als vielmehr beim Militär. Unter dem Oberbefehl von Jan Andries van der Meersch (1734–1792) hatte er 1790 zunächst ein Regiment im Kampf gegen Österreich geführt. 1792 war er nach Hause zurückgekehrt,75 hatte dann unter hannoverscher Flagge an den Feldzügen gegen Frankreich teilgenommen und einen Verdienstorden infolge einer Verwundung während des Sturms auf Frankfurt am Main erhalten.76 1803 wechselte er schließlich mit Hilfe seines engen Freundes Gerhard Johann David (von) Scharnhorst (1755–1813) in preußische Dienste77 und engagierte sich in der „Militärischen Gesellschaft zu Berlin“, zu deren Mitgliedern nicht nur sein späterer Hofkollege Rühle von Lilienstern, sondern auch der Weimarer Herzog gehörten.78 Friedrich von Ende dürfte also schon in diesen Jahren kein Unbekannter in Weimar gewesen sein. 1806 traf er mit Carl August schließlich im Zuge der kriegerischen Unruhen persönlich aufeinander: Im Januar speiste der damalige Major mehrmals mit anderen preußischen 72 73 74

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F. v. Müller an C. A. v. S-W-E, Paris, September 1807, in: PW 2, S. 568–570, Zitat S. 569. Vgl. Tümmler: Einleitung, in: PW 2, S. 1–24, bes. S. 14. Vgl. Johann Christian von Stramberg: Art. Ende (von), in: Johann Samuel Ersch/Johann Gottfried Gruber (Hrsg.): Allgemeine Encyclopädie der Wissenschaften und Künste in alphabetischer Folge von genannten Schriftstellern bearbeitet. Erste Section: A–G. Teil 34. Leipzig 1840, S. 210–213. Er war in Celle als Sohn des kurfürstlichen und königlichen Geheimrates Gotthelf Dietrich Freiherr von Ende (1725–1798) geboren worden. Vgl. ebd. S. 211. Vgl. ebd. Auch Gerhard von Scharnhorst überliefert einen kurzen Abriss der militärischen Laufbahn des Freiherrn von Ende. Vgl. G. Scharnhorst an K. L. J. von Lecoq, Hannover, 20. Januar 1799, in: Gerhard von Scharnhorst: Private und dienstliche Schriften. Bd. 2: Stabschef und Reformer. Kurhannover 1795–1801. Hrsg. von Johannes Kunisch, bearb. von Michael Sikora. Köln/Weimar/Wien 2003, S. 406–407. Scharnhorst versuchte ihn schon seit 1798/99 in der preußischen Armee zu platzieren. Vgl. ebd., S. 406, 466f. Vgl. Charles Edward White: The enlightened soldier. Scharnhorst and the ‘Militärische Gesellschaft’ in Berlin (1801–1805). New York 1989, bes. S. 157f., 204, 208.

5.1 Führungspersönlichkeiten des Weimarer Hofes

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Offizieren an der Weimarer Hoftafel;79 im Oktober kämpfte er dann in der Schlacht bei Jena und Auerstedt an der Seite des Weimarer Herzogs.80 Als Carl August ein Jahr später mit dem Gedanken spielte, ihn an seinen Hof zu ziehen, musste demzufolge auch kein Dritter bemüht werden, um Auskünfte über Leben und Person einzuholen. Friedrich von Ende war sowohl dem Herzog als auch etlichen anderen hochgestellten Personen der Weimarer Hofgesellschaft bekannt. Goethe hatte ihn zum Beispiel im Juli 1806 in Karlsbad kennen und seine naturwissenschaftlichen Ambitionen zu schätzen gelernt.81 Friedrich von Ende war vielfältig interessiert und teilte nicht nur die mineralogischgeologischen Vorlieben des Dichters, sondern auch die Neigung des Herzogs für Mathematik und Kartographie.82 Intellektuell schien er also hervorragend in das gesellige Bildungsstreben der Residenz zu passen und die Aufgaben eines Gesellschafters, d. h. als Kammerherr, füllen zu können. Friedrich Carl Ferdinand von Müffling deutete in seinen Memoiren zudem an, dass bei der Berufung von Endes auch Carl Augusts konspirativer Plan eine Rolle gespielt habe, „seine Residenz [, die] bisher der Central-Punkt Deutschlands für Kunst und Wissenschaft war, (. . . ) nun zum Central-Punkt der deutschen Freiheit zu machen“.83 Demnach hätte neben der altadeligen Geburt, den militärischen Verdiensten, der Vertrautheit und dem ansprechenden Geist des Freiherrn auch dessen antifranzösische Einstellung den Herzog zur Verpflichtung bewogen, was zumindest die spezielle Platzierung im Hofstaat des Erbprinzen und der russischen Schwiegertochter erklären würde. Letztlich mag Carl August aber wohl das in seiner Gesamtheit stimmige Profil des Freiherrn zur Verpflichtung bewogen haben. Bei der Gegenüberstellung der drei adeligen Oberhofmeister des Thronfolgers fällt auf, dass Carl August seinem Prinzip, für seine Kinder ausschließlich Ausländer zu berufen, auch bei Carl Friedrich treu blieb. Nach der zeremoniellen Fehlbesetzung Duco van Harens wechselte er allerdings seine Rekrutierungsstrategie und verzichtete darauf, erneut unbekannte, externe Kandidaten auf bloße Empfehlung hin unmittelbar in höchste Ämter zu berufen. Stattdessen entschied er sich für hofinterne Beförderungen und machte sich damit den unschätzbaren Vorteil zu Nutze, nur Adelige in Schlüsselpositionen zu erheben, die ihm bereits persönlich gut bekannt waren. Auf diese Weise ließen sich Irrtümer jeglicher Art vermeiden.

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Vgl. ThHStAW HMA 4555, S. 10, 24. Vgl. z. B. Friedrich von Coelln: Der Feldzug der alliirten und nordischen Völker im Jahre 1806 und 1807. Theil 1. Leipzig 1809, S. 286. Vgl. die Einträge Goethes in seinem Tagebuch vom 23.–26. Juli 1806, in: WA, III. Abt., Bd. 3, S. 144–146. Georg Schwedt: Goethe – der Manager. Weinheim 2009, S. 140f. Zu den Vorlieben des Herzogs vgl. Lyncker: Ich diente am Weimarer Hof, S. 107. Hans-Joachim Behr (Hrsg.): Karl Freiherr von Müffling: Offizier-Kartograph-Politiker (1775–1851). Lebenserinnerungen und kleinere Schriften. Köln/Weimar/Wien 2003, S. 72–73.

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5. Repräsentationspolitik qua Personal. Der verpflichtete Adel des Hofes

Die normkonforme Hofführung der Weimarer Fürstinnen

Bei allen drei Weimarer Fürstinnen orientierte sich die Besetzung der höchsten Hofämter hinsichtlich des sozialen Profils voll und ganz an den Vorgaben des Zeremoniells: Sowohl Friedrich Hildebrandt von Einsiedel, der von Anna Amalia 1802 zum Oberhofmeister erhoben wurde, als auch die beiden Oberhofmeisterinnen Marianne von Wedel und Ottilie Gräfin Henckel von Donnersmarck (1756–1843), die beide 1804 ihre Ernennung von Louise bzw. Maria Pawlowna erhielten, waren altadeliger Herkunft und konnten mütterlicher- wie auch väterlicherseits eine einwandfreie adelige Herkunft über etliche Generationen vorweisen.84 Die Fürstinnen grenzten sich damit deutlich von der neuadeligen Hofführung der nachgeborenen Kinder ab und symbolisierten durch die höherwertige Abstammung ihres Personals ihren jeweils höheren Rang innerhalb des Fürstenhauses. Die Wahl der Oberhofmeisterin für Maria Pawlowna scheint dementsprechend auch nicht zufällig auf die Gräfin Henckel von Donnersmarck gefallen zu sein. Maria Pawlowna rangierte als Erbprinzessin in der Weimarer Familienhierarchie eigentlich hinter der regierenden Herzogin Louise und hinter der Herzogswitwe Anna Amalia. Durch den Grafenstand ihrer Oberhofmeisterin, der jedes Mal verbalisiert werden musste, sobald sie angeredet oder vorgestellt wurde, erhob sie sich jedoch deutlich über die anderen und unterstrich ihren kaiserlichen Geburtsstand. Das russische Zarenhaus, das die Gräfin seinerzeit ausgesucht hatte, wusste sich also das Zeremoniell für eine fein nuancierte Abgrenzung seines Sprösslings gegenüber den Herzoginnen der eingeheirateten Familie gezielt zu Nutze zu machen. So wie es die Zeremonialwissenschaft empfahl, befanden sich auch alle drei Oberhofmeister(innen) zum Zeitpunkt ihrer Berufung bereits in einem gesetzten Alter und hatten entweder ihr 50. Lebensjahr überschritten oder standen kurz davor.85 Da sie damit jeweils die Ältesten in ihrem Hofstaat waren, dürfte es ihnen wohl nicht schwergefallen sein, ihren ersten Rang nach der jeweiligen Fürstin zu behaupten. Zudem konnten sie sich ungestört auf ihre Arbeit und ihre Herrinnen konzentrieren, da sie alle drei keine Ehepartner hatten. Beide Oberhofmeisterinnen waren zwar einmal verheiratet gewesen, nun aber seit etlichen Jahren verwitwet und augenscheinlich an keiner neuen Ehe interessiert.86 Friedrich Hildebrandt von Einsiedel dagegen 84 85 86

Vgl. deren Ahnentafeln im Anhang. Bei ihrer Ernennung in Weimar waren Marianne von Wedel 54, Ottilie Henckel von Donnersmarck 48 und Friedrich Hildebrandt von Einsiedel 52 Jahre alt. Ottilie Henckel von Donnersmarck, geb. von Lepel, hatte am 1. November 1774 ihren Onkel Viktor Amadeus Henckel von Donnersmarck (1727–1793) geheiratet. Aus der Ehe gingen zwei Söhne, Wilhelm (1775–1849) und Leo Felix Victor (1785–1861), sowie die Tochter Henriette (1776–1851) hervor. Ihr Gatte starb am 30. Januar 1793. Marianne von Wedel, geb. von Wöllwarth, hatte am 30. September 1782 den Kammerherrn Moritz von Wedel heiraten dürfen; ihr Mann verstarb allerdings bereits am 2. April 1794. Die Ehe blieb kinderlos. Vgl. KA WE HR HK 1782, f. 259. Stefanie Freyer: Art. Ottilie Henckel von

5.1 Führungspersönlichkeiten des Weimarer Hofes

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war sein Leben lang ledig geblieben, wenn auch nicht freiwillig. Dem beliebten Kammerherrn, der in der Weimarer Gesellschaft unter dem Spitznamen „mon ami“ bekannt war, wurden zahlreiche Liebschaften nachgesagt. An möglichen Kandidatinnen zur Ehe hatte es also offensichtlich nie gemangelt. Als er jedoch mit der Hofdame Adelaide Waldner von Freundstein ernsthaft die Absicht hegte, in den Ehestand zu treten, stellte sich Anna Amalia ihm in den Weg und verbot die Heirat.87 In der Literatur sollte später vermutet werden, dass das Vermögen der beiden nicht ausreichte, um einen Hausstand zu gründen, und die Ehe deswegen nicht zustande gekommen wäre.88 Tatsächlich war es aber Anna Amalia, die ihren Kammerherrn nicht frei geben und allein an ihren Witwenhof gebunden wissen wollte. Friedrich Hildebrandt von Einsiedel stellte damit zwar eine Ausnahme unter den männlichen Führungspersönlichkeiten des Weimarer Hofes dar, da alle im Kernhof Dienenden keine entsprechenden Verbote auferlegt bekamen und in der Regel verheiratet waren. Dafür passte sein soziales Profil durch das Heiratsverbot aber umso mehr in das Bild der Führungsriege der Weimarer Fürstinnen. Letztlich gab es nur einen wesentlichen Unterschied zwischen den Führungsämtern Anna Amalias, Louises und Maria Pawlownas: Während Friedrich Hildebrandt von Einsiedel und Marianne von Wedel seit Jahrzehnten in Weimar tätig waren, kam die Gräfin Henckel von Donnersmarck von außen als Seiteneinsteigerin an den Hof. Wie die Großfürstin selbst war sie eine Fremde für das Weimarer Fürstenhaus. Dem Zarenhaus war sie dagegen wohl bekannt, da sie kurze Zeit zuvor schon einmal für eine russische Prinzessin als Oberhofmeisterin tätig gewesen war. 1799 war sie für Maria Pawlownas ältere Schwester, Elena Pawlowna, die mit dem Schweriner Erbprinzen vermählt worden war, nach Mecklenburg gezogen, um dort den Hof der Erbprinzessin bis zu deren frühen Tod im September 1803 zu führen.89 Aus der Perspektive des einzustellenden Regenten war der einzige Unterschied zwischen den drei Führungspersönlichkeiten der Fürstinnen also eher eine Gemeinsamkeit: Sowohl der Weimarer Herzog als auch das russische Zarenhaus bevorzugten es, für die verheirateten Damen ihres Hauses ausschließlich bewährtes und bekanntes Personal in die höchsten Ämter zu berufen. Die Führungspersönlichkeiten des Kernhofes

In den beiden Jahrzehnten um 1800 beschäftigte Carl August in seinem Kernhof zeitversetzt insgesamt zwölf Führungspersonen: für den Hofdienst

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Donnersmarck, in: Freyer/Horn/Grochowina: FrauenGestalten, S. 182–186; Hendrikje Carius: Marianne von Wedel, in: ebd., S. 376–377. Vgl. Berger: Anna Amalia, S. 439. Vgl. z. B. Effi Biedrzynski: Goethes Weimar. das Lexikon der Personen und Schauplätze. Zürich 1992, S. 76–78. Vgl. z. B. den Schweriner Staatskalender von 1801, S. 20.

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5. Repräsentationspolitik qua Personal. Der verpflichtete Adel des Hofes

einen Hofmarschall, einen Oberkammerherrn, einen marschallierenden Kammerherrn, im Stall einen Oberstallmeister und in der Jägerei einen (Ober-)Landjägermeister und sieben Oberforstmeister.90 Alle Männer konnten auf eine lange Karriere am Weimarer Hof zurückblicken und standen seit etlichen Jahren, meist sogar Jahrzehnten in den Diensten des Weimarer Herzogshauses. Jeder von ihnen hatte sich Schritt für Schritt in die höchsten Positionen gedient und die übliche Weimarer Hofkarriere durchlaufen, die in der Regel mit dem Dienst als Hofjunker begann und über die Positionen des Kammer- und/oder Jagdjunkers, später des Kammerherrn in die Führungsämter bzw. zu den Oberchargen des Hofes führte. Drei der späteren Oberforstmeister – Friedrich Carl von Witzleben, Otto Joachim Moritz von Wedel und Christian Friedrich August von Staff – und der marschallierende Kammerherr Lebrecht von Luck (1751−1814) hatten ihre Karrieren sogar schon als (Jagd)Pagen begonnen und waren noch unter Carl Augusts Vater, Herzog Ernst August II. Constantin, verpflichtet worden. Carl August berief also ausschließlich Männer, die er selbst bereits seit vielen Jahren aus dem persönlichen Umgang kannte und deren Leistungen, Loyalität und Benehmen er einzuschätzen wusste. Die Besetzung der höchsten Positionen des Kernhofes orientierte sich damit an anderen Kriterien als die der Kinderhöfe. Während Letztere fast ausschließlich per Empfehlungssystem mit Ausländern bestückt wurden, bei denen sich der Herzog auf deren Leumund und eingeholte Erkundigungen verlassen musste,91 wurde für den Kernhof nur aus dem eigenen, vertrauten Personalbestand geschöpft. Die Vertrautheit war eines des maßgeblichen Rekrutierungsprinzipen in Carl Augusts höfischer Personalpolitik um 1800. Diesen Grundsatz der hofinternen Berufung wollte Carl August selbst in Zeiten personeller Engpässe unter keinen Umständen aufsagen: Als der marschallierende Kammerherr Lebrecht von Luck 1796 immer häufiger erkrankte und sich langsam abzeichnete, dass er in den kommenden Jahren dienstunfähig werden würde, dachte der Herzog über einen Ersatz nach und stellte fest, dass er „niemanden habe, dem [er] den Hof anvertrauen könnte“.92 Obwohl das Fürstenhaus zu diesem Zeitpunkt über elf wirkliche Kammerherren verfügte,93 befand sich darunter offenbar kein geeigneter Nachfolger für das 90

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Dazu zählten der Landjägermeister Christoph Friedrich von Arnswald sowie die sieben Oberforstmeister Ludwig von Arnswald (1754/56−1829), Friedrich August von Fritsch, Christian Friedrich August von Staff, Wilhelm von Stein, Friedrich Carl von Witzleben und Otto Joachim Moritz von Wedel. Erst nach der Ausgliederung der Jägerei aus dem Hof kamen Carl Albert von Lincker und Ludwig Ernst Rudolph von Seebach hinzu. Dazu zählten Henriette von Knebel, Franz August von Hintzenstern, Otto August Rühle von Lilienstern, Duco van Haren. Ausnahmen waren die Freiherren von Wolzogen und von Ende, die zwar auch auf Empfehlung hin an den Weimarer Hof gekommen waren, aber schon einige Jahre als Kammerherren gedient hatten, bevor sie in Führungspositionen einrückten. C. A. v. S-W-E an J. W. v. Goethe, Allstedt, 8. Dezember 1796, in: BW 1, S. 209. Im Weimarer Staatskalender sind für 1796 zwar 13 Kammerherren vermerkt worden,

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Hofmarschallamt. Bereits die Hälfte von ihnen schied in Anbetracht ihres Alters aus. Lebrecht von Luck markierte mit seinen 45 Jahren beinah exakt die Mitte zwischen den fünf jüngeren und den sechs älteren Kammerherren.94 Es hätte wohl wenig Sinn gehabt, einen der älteren Kavaliere als Nachfolger zu berufen, da mit dem Alter auch zwangsläufig das Risiko der Dienstunfähigkeit stieg. Von den übrigen vier jüngeren Kammerherren war der Dienstälteste, Christian Friedrich August von Staff, als Oberforstmeister des Eisenacher Departments unabkömmlich, da die fürstliche Jägerei selbst unterbesetzt war, nachdem 1794 gleich drei Departmentchefs verstorben waren. Damit blieben Carl August letztlich nur noch drei Kammerherren zur Auswahl übrig: Wolfgang Gottlob Christoph Freiherr von und zu Egloffstein, Christian Friedrich Carl Wolfskeel von Reichenberg (1763–1844) und Friedrich August Ludwig von Lasberg. Alle drei waren jedoch erst im Januar 1794, d. h. etwa zwei Jahre zuvor,95 gemeinsam zu Kammerherren befördert worden und jeder von ihnen in irgendeiner Weise ungeeignet. Der Kammerherr von Lasberg war mit seinen 44 Jahren nicht viel jünger als Lebrecht von Luck. Wolfskeel von Reichenberg hatte einen „fatalen Charakter (. . . ), der sich neuerlich besonders manifestiert hat“, so dass Carl August mit ihm „so wenig als möglich zu thun haben“ wünschte.96 Und der Freiherr von und zu Egloffstein schien mit seinen knapp 30 Lebensjahren offenbar zu jung, um an der Hofspitze positioniert zu werden.97 Der Herzog vermisste bei allen drei zudem jene Eigenschaften, die er sich von einem Hofmarschall wünschte. Gegenüber seinem steten Personalberater Goethe gab er zu erkennen, dass der perfekte Aspirant ein geschliffenes Benehmen bzw. allseits gelobte ,Conduite‘ an den Tag legen, die Welt gesehen haben und im gesellschaftlichen Umgang angenehm sein müsse.98 Seine Gattin Louise sehne sich außerdem nach „jemanden bei Hofe (. . . ), der nicht ganz stumm ist, wie unsere übrigen Hofleute“. Die Annahme eines Ausländers – wie zum Beispiel des Freiherrn von Wolzogen, der all diese Ansprüche erfüllte – schien also unausweichlich und für den Herzog

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zum Ende des Jahres war allerdings Wilhelm Heinrich von Germar am 8. November 1796 verstorben und Franz Ludwig von Hendrich (1754–1828) im Herbst pensioniert worden. Er hatte seinen Kammerherrenschlüssel bereits am 4. November 1796 abgegeben. Vgl. ThHStAW HMA 428, Bl. 1v. Zu den älteren Kammerherren zählten Christoph Friedrich Siegmund von Rothmaler (59 J.), Gottlob Christian Wilhelm von Milkau (56 J.), Friedrich Ludwig von Germar (~54 J.), Chr. Ehrenfried von Hönning (53 J.), Ludwig Ernst Wilhelm von Schardt (48 J.) und Friedrich Hildebrand von Einsiedel (46 J.), der allerdings ausschließlich für Anna Amalia zuständig war. Vgl. den Weimarer Staatskalender von 1796, S. 83–84. Vgl. ThHStAW HMA 415, Bl. 25. C. A. v. S-W-E an J. W. v. Goethe, Allstedt, 8. Dezember 1796, in: BW Wahl 1, S. 209. Er besaß allerdings Erfahrungen in der Hofführung, da er 1793 den Kammerherrn von Einsiedel in Anna Amalias Witwenhof vertrat. Vgl. L. v. Göchhausen an F. H. v. Einsiedel, Weimar, 11. September 1793, in: BW Göchhausen, S. 120–122. Vgl. bis auf Weiteres C. A. v. S-W-E an J. W. v. Goethe, Allstedt, 1798, in: BW Wahl 1, S. 208–209. Daraus stammen auch alle folgenden Zitate dieses Absatzes.

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5. Repräsentationspolitik qua Personal. Der verpflichtete Adel des Hofes

an sich auch kein Problem, wenn der Auserwählte zuvor einige Zeit „angewöhnt“ und getestet werden könne. Das war eine feste Grundvoraussetzung. Ohne Eingewöhnungszeit befürchtete Carl August mit einem völlig Fremden in Schwierigkeiten zu geraten, die ihn „dann theuer zu stehen“ kommen und in Verlegenheit setzen würden. Die örtliche Herkunft spielte für ihn also letztlich nur eine untergeordnete Rolle, gesellschaftliche Qualitäten und Vertrautheit waren hingegen wichtig. Die Führungsämter des Kernhofes blieben um 1800 deshalb auch ausschließlich jenen vorbehalten, die sich in den Diensten des Herzogs bereits etliche Zeit bewährt hatten. Als Lebrecht von Luck im Herbst 1802 schließlich tatsächlich wegen seines schlechten Gesundheitszustandes um die Freistellung bat,99 berief Carl August keinen gezielt angenommenen Fremden, sondern eben jenen Freiherrn von und zu Egloffstein, den er sechs Jahre zuvor noch als ungenügend qualifiziert ausgeschlossen hatte. Wilhelm von Wolzogen war in der Zwischenzeit der einzige Fremde geblieben, den Carl August in seinem Kernhof geradewegs als Kammerherr engagiert hatte.100 Der Personalbestand hatte sich demzufolge nicht grundlegend verändert, sondern war bis auf zwei Abgänge und zwei interne Beförderungen gleich geblieben.101 Da Wilhelm von Wolzogen 1801 als Geheimrat und Oberhofmeister für den Erbprinzen anderweitig fest eingespannt war, musste Carl August zwangsläufig unter seinen übrigen Kammerherren einen Nachfolger küren. Die Wahl fiel auf den aus Franken stammenden Wolfgang von und zu Egloffstein, der dem Weimarer Herzog bereits seit 16 Jahren diente.102 Für das Umfeld kam die Ernennung des mittlerweile 36-jährigen Kammerherrn und Regierungsrates gewiss nicht überraschend, da er in den vergangenen Jahren Stück für Stück das Vertrauen Carl Augusts gewonnen hatte. Etwa seit Herbst 1797 wählte ihn der Herzog bevorzugt als seinen standesgemäßen Begleiter und nahm ihn immer häufiger auf jegliche Art von Reisen mit. Die beiden begaben sich zusammen sowohl auf politische Missionen, z. B. nach Berlin, als auch auf Tagesausflüge, Besuche an anderen Höfen und Badereisen.103 Möglicherweise gehörte das zur Strategie des Herzogs und war von 99 100

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Vgl. ThHStAW HMA 427, Bl. 8–14. Der Kasseler Offizier Wilhelm Freiherr von Pappenheim war nicht im Kernhof, sondern am 8. Januar 1802 direkt beim Erbprinzen Carl Friedrich als Kammerherr angestellt worden. Vgl. ThHStAW HMA 123, Bl. 1–2. Der Major und Kammerherr Christian Wilhelm Gottlob von Milkau war am 13. Januar 1802 verstorbenen und der Kammerherr und Hauptmann Friedrich August Ludwig von Lasberg hatte im Herbst 1802 um seine Entlassung gebeten. Ludwig von Arnswald und Friedrich von Seebach waren zuvor schon am 8. Oktober 1800 als Kammerherren nachgerückt. Vgl. ThHStAW HMA 416, Bl. 5, 23; ThHStAW HMA 4551, S. 20. Vgl. ThHStAW HMA 427, Bl. 8–14. Zur Karriere vgl. die Weimarer Staatskalender 1787– 1802. Vgl. z. B. die Einträge in den Weimarer Fourierbüchern vom 27.11.1797, 24.2.1798, 7.7.1798, 12.9.1798, 12.10.1800, 23.12.1800, 24.1.1801, 19.4.1801, 6.7.1801 in: ThHStAW HMA 4546–4550.

5.1 Führungspersönlichkeiten des Weimarer Hofes

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der Intention geleitet, dem Freiherrn auf diese Weise die nötige Weltgewandtheit zu verschaffen, die er von seinem Hofmarschall erwartete. In jedem Falle hatte er sich Egloffstein bald derart angenähert, dass die Verpflichtung eines Fremden überflüssig geworden war und er mühelos auf sein favorisiertes Prinzip zurückgreifen konnte, nur hofinterne Karrieristen in die Führungsämter seines Kernhofes zu erheben. Auch innerhalb der Jägerei und des Stalls setzte der Herzog auf seine selbst ausgebildeten Aufsteiger. Allerdings legte er in diesen beiden Bereichen weniger Wert auf Weltgewandtheit als vielmehr auf profunde Kenntnis des Forst- bzw. Reithandwerks. Alle dort angestellten Adeligen waren zweifellos nicht nur wegen ihres adeligen Standes, sondern auch wegen ihres Könnens in die entsprechenden Stellen gelangt. Carl August selbst war ein passionierter Reiter und Jäger und wollte seinen Stall und Forst bestens geordnet und gehegt wissen. Er sortierte deshalb unter seinen Pagen stets sehr frühzeitig diejenigen aus, die er für geeignet erachtete. Als sich zum Beispiel der 15-jährige Carl Albert von Lincker (1773–1844) während seines ersten Jahres als Page am Hof als äußerst gewitzt und talentiert erwiesen hatte, schickte ihn Carl August bereits wenige Monate später bei seinem Oberförster Johann Ernst Hofmann im Münchner Forst in die Lehre.104 Anschließend versetzte er ihn als Leutnant in sein Jägerkorps bzw. später in das Scharfschützenkorps und behielt ihn als Hof- und Jagdjunker in seinem direkten höfischen Umfeld.105 Nach etlichen Beförderungen vertraute er dem Freiherrn von Lincker 1807 schließlich die Führung des Allstedter Forstdepartments als Oberforstmeister an.106 Carl August zog sich seine kommenden Führungspersönlichkeiten also systematisch selbst heran und legte hier ein besonders langfristiges Personalmanagement an den Tag. Seine Aspiranten setzte der Herzog dabei recht frühzeitig von seinen Beförderungsplänen in Kenntnis und machte ihnen klar, was er von ihnen erwartete. Den Jagdpagen Ludwig von Stein-Liebenstein107 ließ er beispielsweise 1790 durch seinen Landjägermeister Christoph Friedrich von Arnswald (1723−1794) ermahnen, dass in seiner Jägerei ein „Junker platterdings mehr wißen muß als Hasen fangen, u. den Mäuschen nachlaufen: Er solle doch seinem Namen die Ehre erzeigen u. ihn durch Vorzüge des Geistes so achtbar erhalten als es sein alter Adel schon mit sich“ bringe.108 Die hohe Geburt allein genügte Carl August nicht. Sie verpflichtete aus seiner Sicht stattdessen umso 104

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Der Freiherr von Lyncker war am 18. April 1788 als Page am Weimarer Hof angetreten; am 19. Mai 1789 begann er seine Lehre im Forst. Im Juni 1793 erfolgte seine Ernennung zum Leutnant und Hof- und Jagdjunker. Vgl. ThHStAW B 25951, Bl. 204f; ThHStAW B 25930, Bl. 105; ThHStAW HMA 415, Bl. 18. Zu den weiteren Beförderungsstufen vgl. die Weimarer Staatskalender 1794–1807. Vgl. ThHStAW HMA 432, Bl. 37. Ludwig von Stein aus Barchfeld hatte am 29. Juni 1790 seinen Dienst als Page am Weimarer Hof angetreten. Vgl. ThHStAW B 25951, Bl. 204f. ThHStAW HA XIX, Nr. 3a, Bl. 1.

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5. Repräsentationspolitik qua Personal. Der verpflichtete Adel des Hofes

mehr zu Wissen und Können.109 ,Verdienstadel‘ und Geschlechtsadel waren in seiner Vorstellung kongruent.110 Dementsprechend streng hielt er es bei der Auswahl seiner Jagdjunker und später seiner Führungspersönlichkeiten. Als Ludwig von Stein-Liebenstein seine Ansprüche nicht erfüllte, lehnte der Herzog dessen Weiterbeschäftigung ab und verabschiedete ihn in hessische Kriegsdienste.111 Wer am Weimarer Hof um 1800 in die Führungsriege der Jägerei aufstieg, hatte also einen leistungsorientierten Aussonderungsprozess überstanden. Können ersetzte dabei jedoch keineswegs die adelige Geburt: Zwar waren nicht alle Oberforstmeister von altadeliger Herkunft.112 Allerdings ernannte der Herzog keine Bürgerlichen zu Oberforstmeistern, auch wenn sie, wie zum Beispiel der studierte Heinrich Cotta, über exzellentes Wissen und Können im Forst- und Jagdgeschäft verfügten.113 Der angeborene Adel war für eine Führungsposition ebenso Grundvoraussetzung wie das damit verbundene standesgemäße Auftreten. Selbst Christoph Friedrich von Arnswald war nicht vor der Kritik des Herzogs gefeit, sondern musste sich 1790 noch oder gerade als Landjägermeister wegen seines „rohen Betragens“ rügen lassen.114 Carl August lobte zwar seine vielen guten Eigenschaften und schätzte seinen Fleiß, seine Treue und Rechtschaffenheit, allerdings ermahnte er ihn, dass „ein Mann Ihres Standes u. der einen so ausgezeichneten richtigen Posten vorsteht wie der Ihrige ist, (. . . ) sich u. seinen Dienste durch seine Aufführung Ehre machen“ müsse.115 Der Herzog erwartete also von den Chefs seiner Jägerei bzw. der Forstdepartments, dass sie sich ihrer repräsentativen Funktion bewusst waren und sich dementsprechend durch ein distinguiertes, ehrenhaftes Verhalten auszeichneten. In der fürstlichen Jägerei galt es somit, sowohl fachliche als auch ständisch-repräsentative Anforderungen gleichermaßen zu erfüllen. Zugunsten dieser Kombination machte Carl August – wie bei den Erziehern 109

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Diese Ansicht vertrat im zeitgenössischen ständischen Adelsdiskurs zum Beispiel auch August Wilhelm Rehberg. Der Adel müsse sich durch höhere Bildung und wohltätiges Wirken vor anderen Ständen auszeichnen. Vgl. August Wilhelm Rehberg: Über den deutschen Adel. Göttingen 1803. Verdienstadel sei hier nicht als Gegensatz zum Geburtsadel, sondern im Sinne jener Tradition zu verstehen, die dem Adel besondere Eigenschaften und Tugenden zuschrieb. Vgl. z. B. ebd. oder Kreutzmann: Lebenswelt, S. 241f. Vgl. ThHStAW B 25951, Bl. 204f. So stammte zum Beispiel der Oberforstmeister Christian Friedrich August von Staff mütterlicherseits von Neuadligen ab, da erst sein Großvater Johann Christian von Kraft in den Reichsadel erhoben worden war. Vgl. dazu die Ahnentafel von Staffs Tocher im Anhang. Heinrich Cotta verdeutlicht dieses Prinzip in besonderer Weise, da seine frühen Ahnen im 15. Jahrhundert dem Adelsstand angehört hatten und er nun wieder diese Stellung zu erringen drängte. Carl August verwehrte ihm aber dieses Privileg. Vgl. Albert Richter: Heinrich Cotta. Leben und Werk eines deutschen Forstmannes. Radebeul und Berlin 1950, S. 13f. ThHStAW HA XIX, Nr. 3a, Bl. 2. Ebd.

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seiner nachgeborenen Kinder – zwar Abstriche bei der altadeligen Herkunft. Im Gegensatz zum Personal seiner Kinder ging der Tausch von hoher Geburt gegen exzellente Fähigkeiten aber nicht so weit, dass sich Neuadelige hätten Hoffnung auf eine Führungsstellung machen können. In der Jägerei war zwar keine gutadelige Ahnenschaft über mehrere Generationen erforderlich, jedoch musste man zumindest nachweislich adelig geboren worden sein. Erst zu Lebzeiten Geadelte blieben von den Führungsämtern der Jägerei ausgeschlossen. Für den fürstlichen Stall machte Carl August dagegen keine Kompromisse, sondern wählte ausschließlich Kavaliere, die den hohen zeremoniellen Ansprüchen bezüglich der ständischen Herkunft eines Oberstallmeisters gerecht wurden.116 Nachdem der Herzog Friedrich Hartmann von Witzleben 1775 aus dem Stall abberufen und zum Obermarschall seines Hofes ernannt hatte, vertraute er die Führung seiner Reiterei dem 40-jährigen Gottlob Ernst Josias Friedrich Freiherrn von Stein an und beförderte diesen langjährigen Getreuen zum Oberstallmeister.117 Der Freiherr war nicht nur von makellos altadeliger Geburt,118 sondern auch ein begnadeter Reiter mit einem außergewöhnlichen Gespür für Pferde.119 Der Page von Lyncker erinnerte sich, dass sich der Oberstallmeister der Kunstreiterei widmete und deshalb manches Frühstück der Hofgesellschaft in der geschlossenen Reitbahn veranstaltet wurde, wo man dem Freiherrn von Stein für seine „Kunstsprünge und geschickten Wendungen auf den Pferden großen Beifall zollte“.120 Aufgrund seines derben Humors und steter Spielleidenschaft soll der Oberstallmeister zwar einer der sonderbarsten Männer, aber doch „schön und ansehnlich von Gestalt“ und ein „vollkommener Kavalier“ gewesen sein.121 Neben der vornehmen Geburt und seinem Können bot Josias von Stein also vielerlei Eigenschaften, die das Hofleben bereicherten und ihn zu einem besonderen Bediensteten machten. Der nachfolgende Stallmeister Friedrich von Seebach aus Stedten sollte seinem Vorgänger in nichts nachstehen. Er war der Spross einer altehrwürdigen, alteingesessenen Thüringer Adelsfamilie und zählte zu den ersten Pagen, die Carl August in seinen ersten Regierungsjahren selbst angenommen hatte. Als er im März 1779 an den Hof kam, war er gerade elf Jahre alt.122 Carl 116 117

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Vgl. dazu die Ausführungen zu den Oberchargen in Kapitel I. Gottlob Ernst Josias Friedrich von Stein stand seit zwei Jahrzehnten in den Diensten des Weimarer Fürstenhauses und hatte schon Carl Augusts Vater als Kammerjunker gedient. Vgl. z. B. den Weimarer Staatskalender von 1757, Bl. 53r. Für die 16-fache Ahnenprobe des Gottlob Ernst Josias Friedrich von Stein vgl. ThStA Rudolstadt, Archiv Großkochberg, F 680. Er war schon unter Anna Amalia auf seinen eigenen Wunsch in den Marstall versetzt worden. Vgl. Huschke: Gesellschaftsschicht, S. 64f. Lyncker: Ich diente am Weimarer Hof, S. 34. Ebd., S. 75, 98. Vgl. für die jeweiligen Karrierestufen ThHStAW B 25951, Bl. 204; ThHStAW HMA 544, Bl. 10; ThHStAW HMA 4539, S. 117, ThHStAW HMA 414, Bl. 34.

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5. Repräsentationspolitik qua Personal. Der verpflichtete Adel des Hofes

August fand offenbar schnell Gefallen an dem Jungen und ernannte ihn zu seinem persönlichen Leibpagen. Er sorgte danach für dessen weitere Erziehung, schickte ihn auf die Akademie nach Jena, verschaffte ihm eine solide militärische Grundausbildung und versetzte ihn im Mai 1790 in sein fürstliches Stallamt. Ein Jahr später durfte der nunmehrige Stallmeister von Seebach zudem seinen Dienst als Kammerjunker antreten. Der Herzog zog ihn also immer enger in sein persönliches Umfeld. Diese Investition sollte sich langfristig lohnen. Friedrich von Seebach avancierte zu einem Experten für Pferde und Equipagen und entwickelte dabei ein ausgeprägtes ökonomisches Gespür. Unter seiner Leitung verwandelte sich sowohl die herzogliche Pferdezucht als auch das später übernommene Postwesen in ein überaus einträgliches Geschäft.123 Rückblickend scheint Friedrich von Seebachs Karriere, die erst im 80. Lebensjahr als vielfach ausgezeichneter Generalmajor und Oberstallmeister endete,124 Carl Augusts Ideal eines treuen und fähigen Hofadeligen sehr nahe gekommen zu sein. Der Herzog hatte dazu selbst seinen Teil durch die frühzeitige und kontinuierliche Förderung beigetragen. 5.1.2 Der Abgang vom Hof Dienst bis zum Lebensende

Die Verpflichtung auf eine Spitzenposition am Weimarer Hof verband sich in der Regel mit dem Auftrag, lebenslang einem bestimmten Bereich des Hofes vorzustehen.125 Wenn Carl August jemandem ein Führungsamt an seinem Hof anvertraute, dann war er bereit, ihn an sich bis zu dessen Tode zu binden, oder doch zumindest bis der oder die Auserwählte „ihrer Dienste fortzusetzen außer Stande seyn sollte[n]“.126 . An diese Aussichten knüpften er allerdings konkrete Bedingungen, die nahezu formelhaft in jedem Verpflichtungsdekret niedergelegt wurden: Die Inhaber der höchsten Hofämter sollten – ebenso wie alle anderen hohen und niederen Weimarer Hofbediensteten auch – „treu, gehorsam und unterthänig seyn“ und des jeweils zugeteilten fürstlichen Familienmitglieds wie prinzipiell des ganzen „Herzogl. Hauses Ehre, Nutzen und 123 124

125

126

Vgl. ThHStAW Hofstallamt 50–62 (Bilanzen). Die Gestütskasse erwirtschaftete fast immer einen Überschuss. Für die Erhebung zum Kammerherrn (8.10.1800), zum Oberstallmeister (23.3.1814) und Generalmajor (6.12.1815) vgl. ThHStAW HMA 416, Bl. 5; ThHStAW HMA 439b, Bl. 46, 74. Bis 1790 lässt sich das deutlich an den Lebensläufen etlicher Oberchargen ablesen: So beendeten sowohl der Schlosshauptmann von Göchhausen (1784) als auch die Oberhofmeisterin von Giannini (1784), der Obermarschall von Witzleben (1788), der Oberforstmeister von Staff (1788) und der Hofmarschall von Schardt (1790) erst mit dem Tod ihre Dienstverhältnisse am Weimarer Hof. Vgl. die Weimarer Staatskalender von 1775–1790. ThHStAW B 25827.

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Wohlfahrt suchen, [vor] Schaden und Nachtheil (. . . ) warnen u. abwenden“.127 Den meisten adeligen Führungspersonen, die zwischen 1790 und 1810 ein Führungsamt ausübten, schienen diese Modalitäten keinerlei Probleme bereitet zu haben. Sieben von ihnen verstarben vor 1810 und erfüllten die Bedingung der lebenslangen Loyalität.128 Es gab allerdings auch Ausnahmen, die Carl August – meist plötzlich und unerwartet – kündigen musste. Kündigungen

Den wohl spektakulärsten und für die herzogliche Personalpolitik folgenreichsten Abschied provozierte im Sommer 1789 der Hofmarschall Leonhard von Klinckowström: Seit Mitte der 1780-er Jahre häuften sich bei der Weimarer Kammer, die das Einkommen der hohen Hofämter auszahlte und deshalb direkt als Schuldeninstanz bemüht werden konnte, etliche monetäre Forderungen gegen den Hofmarschall. Da die Kammer lediglich einen Teil der 1300 Taler, die der Hofmarschall als festes Gehalt exklusive aller materiellen Vergütungen pro Jahr bezog,129 einbehalten und zur Schuldentilgung verwenden durfte, konnte sie 1788 den Ansturm der Gläubiger nicht mehr befriedigen und musste etliche Darlehensgeber auf die kommenden Quartale vertrösten. Mietzinsen und Gehälter für Klinckowströms Domestiken, aber auch die Begleichung diverser direkt an den Hofmarschall gezahlter Vorschüsse genossen stets Vorrang, was die übrigen Gläubiger Anfang 1789 dazu bewog, ihren Herzog als oberste Instanz um Unterstützung und Hilfe anzurufen.130 Carl August – dem zwar die Verschuldung seines Hofmarschalls, aber offensichtlich nicht deren Ausmaß bekannt war – nahm sich der Sache an und setzte an seinem Hof ein bis dahin bespielloses mehrjähriges Konkursverfahren in Gang. Währenddessen verlor der Hofmarschall sein Amt und Ansehen, und die fürstliche Kammer und die Hofkasse wurden für mehr als drei Jahren mit aufwendigen finanziellen Transaktionen belastet, weil sie einen Schuldenberg in Höhe von etwa 4000 Talern abzutragen hatten.131 Leonhard von Klinckowström selbst verließ die Residenzstadt bereits am 12. Juli 1788 „vor Tagesanbruch ohne Jemandes Vorwissen mit Sack und Pack“132 und floh nach Schweden zu seinem Vater, der am Stockholmer Hof

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ThHStA HMA 3333, Bl. 1. Bis 1810 starben sowohl der Oberforstmeister Friedrich Carl von Witzleben (1738– 1792) als auch der Oberstallmeister Gottlob Ernst Josias Friedrich von Stein (1735– 1793), Oberforstmeister Otto Joachim Moritz von Wedel (1751–1794), Oberforstmeister Ludwig Christian von Stubenvoll, Oberkammerherr Christian Ferdinand Georg von Werthern (1738–1800), Oberhofmeister Duco van Haren (1747–1801) und der Oberhofmeister Wilhelm Freiherr von Wolzogen. Vgl. ThHStAW B 25785, Bl. 13. Vgl. ebd., Bl. 1–3. Zur Regelung der Schulden vgl. ebd., Bl. 10–16; ThHStAW A 3439a. Lyncker: Ich diente am Weimarer Hof, S. 99.

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5. Repräsentationspolitik qua Personal. Der verpflichtete Adel des Hofes

seit 1774 ebenfalls als Hofmarschall diente.133 Klinckowström suchte nach seiner Flucht allerdings noch einmal schriftlich Kontakt mit dem Weimarer Herzog.134 Aus personalpolitischer Perspektive gestaltet sich der Fall des verschuldeten Hofmarschalls aufgrund der einzigartigen Überlieferung eines an Klinckowström adressierten Briefkonzeptes135 von Carl August besonders aufschlussreich. Der Herzog sprach seinem Hofmarschall darin klar und unmissverständlich die Kündigung aus und begründete seinen Entschluss weniger mit dem Umstand der nach und nach bekannt gewordenen beträchtlichen Schuldensumme als vielmehr mit der Herkunft der Gläubiger. Obwohl Carl August ernsthaft anzweifelte, dass selbst im Falle einer großzügigen Gehaltszulage zwischen von Klinckowström und seinen „Gläubigern ein güthiges Arrangement“ zeitnah getroffen werden könnte, zeigte er sich doch am meisten von dem „so geringen Stand und Umständen“ der Leute brüskiert, von denen sich sein Hofmarschall Geld geliehen hatte. Unter ihnen befanden sich offenbar sogar etliche niedere Hofbedienstete, die direkt unter der Direktion von Klinckowströms gestanden hatten. Jegliche Rückkehrmöglichkeiten waren damit verstellt. Denn wenn der Hofmarschall nach Weimar zurückkommen und seine Dienste fortsetzen wollte, ohne alle seine Gläubiger zuvor zufrieden gestellt zu haben, würde dies „zur empfindlichen Beschämung“ führen. Dieser Prestigeverlust war für einen Hofmarschall, der als Stellvertreter des Herzogs gerade für dessen hohes Ansehen sorgen sollte, zweifellos nicht tragbar. Carl August fasste deshalb „den Entschluß, dem Verhältniß (. . . ) ein Ende zu machen“ und Leonhard von Klinckowström aus seinem „bißherigen Dienste zuentlaßen“. Um der Ehre willen verabschiedete sich Carl August also von seinem ranghöchsten Hofbeamten, allerdings nicht ohne diesen darauf hinzuweisen, dass ihn „dieser abgenöthigte Schritt viele Überwindung gekostet“ habe und er sich ein dauerhaftes Dienstverhältnis „aufrichtig gewünscht hätte“. Diese Freundschaftsversicherung vermag letztlich jedoch nicht darüber hinwegzutäuschen, dass eine ursprünglich auf Lebzeit konzipierte Verpflichtung für ein hohes Hofamt am Weimarer Hof unmittelbar dann sein Ende fand, wenn die Ehre des herzoglichen Hause beschädigt zu werden drohte. Wäre dieser herzogliche Briefentwurf nicht erhalten geblieben, hätte die Nachwelt wohl nie bei Carl August, sondern stets bei Leonhard von Klinc133

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Vgl. Heinrich Karl Wilhelm Berghaus: Landbuch des Herzogthums Pommern und des Fürstenthums Rügen. Teil 4: Landbuch von Neu-Vorpommern und der Insel Rügen. Bd. 2: Der Greifswalder Kreis. Historische Beschreibung der einzelnen Ortschaften, mit Ausschluß der Stadt Greifswald und der Hochschule daselbst. Anklam 1868, S. 1223. Vgl. ThHStAW B 25785, Bl. 5r–6v. Der Fourier vermerkte unter dem 12. Juli 1788 offensichtlich nachträglich, weil mit andersfarbiger Tinte geschrieben: „Anheute verreisete der H. Hofm. v. Klinckowstroem auf einige Zeit, und kam nicht wieder, Schulden wegen!“. Vgl. ThHStAW HMA 4537, Bl. 95v. Vgl. bis auf Weiteres die Korrespondenz in ThHStAW B 25785, Bl. 7–8.

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kowström die Motive für diesen Abgang vermutet. Denn das im Juni 1789 ausgestellte Abschiedsdekret gibt vor, dass es der Hofmarschall war, der „um seine Entlaßung aus (..) Fürstlichen Diensten bittlich unterthänigst angegangen“ sei, und der Herzog dieser Bitte lediglich gnädig stattgegeben habe.136 Tatsächlich ließ Carl August seinen Hofmarschall wissen, dass er aus Freundschaft für ihn das Dekret „dergestalt habe faßen laßen, als ob (..) [er] selbst darum nachgefragt hätte(n)“.137 Dem nicht genug, bestätigte er darin, dass Leonhard von Klinckowström während seiner Dienstzeit „die ihm übertragenen Verrichtungen jederzeit mit behörigen Fleiß und Eyfer“ verrichtet habe und er damit völlig zufrieden gewesen sei. Auch dies entsprach nur bedingt der Wahrheit. Der Hofmarschall hatte sich nämlich freimütig aus der ihm anvertrauten Hofkasse bedient und zum Beispiel Gelder, die eigentlich für ein teuer in Berlin erkauftes Porzellan-Service bestimmt waren, als Anlehen für sich selbst behalten, anstatt damit das Porzellan für die Hoftafel zu bezahlen.138 Die ,Zufriedenheit‘darüber dürfte sich bei Carl August in Grenzen gehalten haben. Dennoch vertuschte er im Entlassungsdekret sorgfältig diese äußerst brisanten Vorfälle, was einmal mehr auf die Strategie der Schadensbegrenzung zugunsten des Prestiges des herzoglichen Hauses deutet. Eine offizielle Kündigung hätte die Misswirtschaft und die moralischen Verfehlungen des Hofmarschalls öffentlich gemacht und den Weimarer Hof in ein schlechtes Licht gerückt. Gerade dies sollte mit der Entlassung des Hofmarschalls aber vermieden werden. Es scheint deshalb nur folgerichtig, dass Leonhard von Klinckowström in den offiziellen Dekreten voll des Lobes verabschiedet wurde. Der Hofmarschall sollte nicht der Einzige bleiben, den Carl August noch zu Lebzeiten seines hohen Hofamtes zwangsweise enthob. Während sich der nachfolgende Hofmarschall Wolfgang Gottlob Christoph von und zu Egloffstein trotz seiner ebenfalls enormen Schulden als dauerhafte und loyale Führungsperson erwies,139 werfen die Verabschiedungen der beiden Gou136 137 138 139

ThHStAW B 25785, Bl. 9. Ebd., Bl. 8r. Vgl. ebd., Bl. 13f.; Lyncker: Ich diente am Weimarer Hof, S. 99. Auch Wolfgang von und zu Egloffstein musste ab 1808 ein Konkursverfahren eröffnen. Carl August stellte sich dabei aber schützend vor ihn und seine komplette Familie, indem er zum Beispiel das Jenaer Hofgericht im Sommer 1808 dazu anwies, alle eventuelle Schuldenklagen gegen die Familie von und zu Egloffstein zunächst – vor jeglicher Entscheidung – ihm vorzulegen. Der Herzog war der Überzeugung, dass die Schulden der Familie nicht aus egozentrischer Misswirtschaft entsprungen waren, sondern deren „Güter in Francken, besonders viel gelitten [hatten und sie unter einer], (. . . ) starcken Mitleidenschaft an den Drangsalen des Kriegs und den sie sonst betroffenen Unglücksfällen“ zu leiden hatten. Vgl. „Inhibitorium“ des Herzogs Carl August an das Hofgericht in Jena wegen der Egloffsteinischen Güter in Franken, spätere Abschrift im GSA, Bestand Egloffstein, Henriette v. Beaulieu-Marconnay, Eingegangen Briefe, Egloffstein, Karoline v., geb. v. Aufsess, GSA 13/34; ThHStAW B 25791. Grundsätzlich zum Clan der von und zu Egloffsteins vgl. Di Bartolo: Selbstbestimmtes Leben um 1800.

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5. Repräsentationspolitik qua Personal. Der verpflichtete Adel des Hofes

verneure des jüngsten Prinzen Bernhard einige Fragen auf. Insbesondere die Dispensierung von Franz August von Hintzenstern im Mai 1807 stellt sich in den Quellen ein wenig nebulös dar: Zunächst scheint der Abgang des Gouverneurs vor dem Hintergrund der speziellen Bedingungen, unter denen er seinerzeit verpflichtet worden war, nicht sonderlich fragwürdig. Carl August hatte vor dem Dienstantritt 1798 festschreiben lassen, dass sich Franz August von Hintzenstern „auf 10. bis 12. Jahr“ der Erziehung des Prinzen Bernhard widmen sollte.140 Eine solche Zeitregel war am Weimarer Hof eher ungewöhnlich und zuvor in keinem anderen Dienstvertrag eines hohen Hofamtes fixiert worden.141 Über die Motive, die den Herzog zu diesem Zeitvertrag bewogen hatten, schweigen sich die Akten des Hofmarschallamtes jedoch aus. Möglicherweise wollte Carl August seinem jüngsten Sohn die Chance offenhalten, als Erwachsener selbst den Gouverneur seines Hofstaates mitbestimmen zu können. Prinz Bernhard wäre nach Ablauf der Frist zwischen 16 und 18 Jahren alt und mit Sicherheit zu einem entsprechenden Urteil fähig gewesen. Gleichermaßen ist aber auch ein umgekehrtes Szenario dahingehend denkbar, dass der Herzog bei den Verhandlungen zum Dienstantritt auf ein Begehren von Franz August von Hintzenstern eingangen war und ihm mit diesem Zeitlimit entgegengekommen war. Ungeachtet der unklaren Beweggründe, hätte die beinahe erreichte Frist von zehn Dienstjahren auf den ersten Blick eine plausible Erklärung für den Abschied 1807 geboten – zumal das offizielle Abschiedsdekret für den Prinzenerzieher keinerlei Unregelmäßigkeiten erwähnte, sondern angab, dass der „Obristen von Hintzenstern, allhier, um seine Dienstentlaßung unterthänigst angelangt“ und der Herzog „diesem Suchen in Gnaden statt gegeben“ hatte.142 Bei näherer Betrachtung mutet jedoch die erst im Januar 1807 erfolgte Erhebung von Hintzensterns zum (Titular-)Oberst und im Februar sogar zum wirklichen Oberhofmeister für den Prinzen Bernhard überaus eigenartig an.143 Nahm von Hintzenstern diese ehrenvollen Auszeichnungen unverhohlen an, obwohl er seinen Abgang knapp zwei Monate später schon geplant hatte? Der Herzog scheint zu Beginn des Jahres 1807 zumindest kein Interesse an einer baldigen Verabschiedung seines Prinzenerziehers gehabt zu haben, denn beide Beförderungen deuten auf eine Verfestigung und Bestätigung des Dienstverhältnisses hin. Was also war passiert? Aus den Briefwechseln der Hofgesellschaft wird deutlich, dass sich Franz August von Hintzenstern im April 1807 mit dem schwerwiegenden Vorwurf des Staatsverrates konfrontiert sah.144 Er war offensichtlich indiskret gewesen 140 141 142 143 144

Vgl. ThHStAW A 84a, Bl. 6; Starklof: Leben des Herzogs Bernhard, S. 14. Vgl. z. B. ThHStAW HMA 431, Bl. 19. ThHStAW HMA 426, Bl. 9. Vgl. ThHStAW HMA 432, Bl. 18. Am 1. April speiste der Oberst von Hintzenstern vorerst zum letzten Mal an der fürstlichen Tafel. Vgl. ThHStAW HMA 4556, S. 70. Zum Vorwurf des Staatsverrates vgl. C. L. v. Knebel an H. v. Knebel, Jena, 16. Mai 1807, in: Knebels Briefwechsel, S. 285–286. Auf den

5.1 Führungspersönlichkeiten des Weimarer Hofes

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und hatte Briefe geöffnet, die ihm anvertraut worden waren.145 Wer die Briefe geschrieben hatte und an wen sie gerichtet gewesen waren, bleibt in den Quellen unklar. Deutlich wird allerdings, dass der Herzog darüber maßlos verärgert war und das Vertrauensverhältnis nachhaltig als zerstört sah, so dass er umgehend den Abschied des frisch beförderten Oberhofmeisters veranlasste. Es war also nicht Franz August von Hintzenstern, sondern Carl August, der das Dienstverhältnis rigoros beendete. Wenngleich das Abschiedsdekret und die offiziellen Dokumente wie gewöhnlich die moralischen Verfehlungen zugunsten der Ehre des herzoglichen Hauses zu verdecken suchten, drang die „vorgefallene Unannehmlichkeit des Abschiedes des Herrn v. Hintzenstern“ doch an die Weimarer Öffentlichkeit und löste allgemeines Erstaunen und Mitleid aus.146 Carl Ludwig von Knebel konnte sich den „Vorfall mit Hinzenstern (. . . ) kaum als möglich denken, und hoff[t]e, die Sache soll sich doch wieder herstellen lassen.“ Zwar befand er das Brieföffnen einerseits zweifellos als „Infamie“, allerdings glaubte er andererseits nicht daran, dass der Oberhofmeister den „weimarischen Staat verrathen“ wollte.147 Ähnlich kam auch Anna Amalias Hofdame, Louise von Göchhausen (1752–1807), in ihren Briefen an die Fürstin Louise Christine von ReußSchleiz-Köstritz (1759–1840) zu dem Schluss, dass „das ganze Uebel nicht in der Sache, sondern in der Manier [läge], wie man gegen ihn verfahren“ hätte.148 Der Oberhofmeister konnte also voll und ganz auf den Rückhalt der Weimarer Hofgesellschaft vertrauen, den seines Fürsten hatte er sich jedoch verspielt. Indes führte sein Fehlverhalten nicht zu einem dauerhaften und schmählichen Bruch mit dem Weimarer Hof, wie dies bei dem einstigen Hofmarschall der Fall gewesen war. Im Gegensatz zur Kündigung von Leonhard von Klinckowström, der den Weimarer Hof nie wieder besuchte und sein Gehalt für mehrere Jahre pfänden lassen musste, zeigte sich der Herzog für die bis dahin geleistete Erziehung seines Prinzensohnes dankbar und ließ Franz August von Hintzenstern auf Lebenszeit eine ansehnliche Pension in Höhe von 900 Talern auszahlen. Er kam damit einer entsprechenden Abmachung nach, die bereits beim Dienstantritt vereinbart worden war.149 Der Oberst suchte nach dem Vorfall zunächst sein Glück in Kassel, kehrte aber nach etwa einem

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Briefwechsel der Geschwister von Knebel bezieht sich auch die etliche Jahrzehnte später angefertigte biographische Skizze der Prinzessin Caroline Louise von Sachsen-WeimarEisenach: vgl. Lily von Gizycki [= Amalia von Kretschmann, verh. Braun]: Deutsche Fürstinnen. Berlin 1893, S. 57. Vgl. C. L. v. Knebel an H. v. Knebel, Jena, 16. Mai 1807, in: Knebels Briefwechsel, S. 285f. L. v. Göchhausen an L. C. v. Reuß-Schleiz-Köstritz, Weimar, 13. Juli 1807, in: BW Göchhausen, S. 169–174, hier S. 172. C. L. v. Knebel an H. v. Knebel, Jena, 16. Mai 1807, in: Knebels Briefwechsel, S. 285. L. v. Göchhausen an L- C. v. Reuß-Schleiz-Köstritz, Weimar, 13. Juli 1807, in: BW Göchhausen, S. 172. Vgl. ThHStAW B 25800, Bl. 68.

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5. Repräsentationspolitik qua Personal. Der verpflichtete Adel des Hofes

halben Jahr schon das erste Mal wieder nach Weimar zurück.150 Der Grund, weshalb er sich auch in den folgenden Jahren nicht recht von Weimar lösen konnte, verbarg sich wahrscheinlich in der unstandesgemäßen Liaison mit Louise Wilhelmine Reichenbecher (geb. 1784), die als Garderobenmädchen am Weimarer Hof diente.151 Um 1809/10 sagte sie sich für ihn vom Hof los. Sie heirateten und zogen danach in den Norden, wo sie sich auf den heimatlichen Gütern der Familie von Hintzenstern in Neuhof bei Rostock niederließen.152 Bei dem folgenden Gouverneur des Prinzen Bernhard, Otto August von Rühle, der schon nach nur fünf Jahren wieder verabschiedet wurde, scheint es dem herzoglichen Hause nachhaltig gelungen zu sein, die genauen Umstände zu kaschieren. Wie der spätere Hofmarschall des Erbprinzen, Friedrich von Ende, war er ein erfahrener und verdienter Militär, der nach seinem Abgang vom Weimarer Hof erneut in die preußische Armee eintrat. Während allerdings der Hofmarschall von Ende 1813 vom erbprinzlichen Hof geradewegs in Blüchers Hauptquartier abberufen wurde und seine Dispensation unmittelbar aus den kriegspolitischen Umständen der Zeit resultierte,153 ging Otto August von Rühle im Herbst 1811 ohne eine direkt anschließende anderweitige Dienstverpflichtung vom Hof ab.154 Zwar hatten in den Jahren zuvor mehrere namhafte französische und russische Militärs wie Antoine-Henri Jomini (1779–1869) und Michail Bogdanowitsch Barclay de Tolly (1761–1818) versucht, den Prinzengouverneur aus den Diensten Carl Augusts abzuwerben,155 Rühle von Lilienstern hatte jedoch stets abgelehnt. Er schied erst im Oktober 1811 aus dem Hofdienst, kurz bevor der 19-jährige Prinz Bernhard seine große Reise durch Italien, Frankreich, England und Russland antreten sollte.156 Über die Gründe des Abschieds sind sich die Biographen uneins: Während die Einen anführen, dass es „unerwartet eingetretene Familien-Ver150

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Im September 1807 kam von Hintzenstern schon wieder nach Weimar zurück, besuchte aber nicht den Hof, sondern reiste kurze Zeit später erneut nach Kassel. Im März 1808 besuchte er die Residenzstadt erneut und wurde währenddessen mehrmals an die fürstliche Tafel geladen. Als in Kassel im April 1809 der Dörnberger Aufstand ausbrach, floh der Oberst vor den Unruhen nach Weimar, wo er sich problemlos in die Hofgesellschaft integrierte und an etlichen Veranstaltungen und Festen des Hofes teilnehmen durfte. Vgl. ThHStAW HMA 4557, S. 49–61; ThHStAW HMA 4558, Bl. 11r–41r; ThHStAW HMA 4559, S. 1, 59, 112 sowie diverse Briefe zwischen Henriette und Carl Ludwig von Knebel, in: Knebels Briefwechsel, S. 301, 329, 366f., 467, 622. Vgl. KA WE TR HK 1784, f. 342, Weimarer Staatskalender 1805–1810. Vgl. ThHStAW A XXII, HA Carl Friedrich 547, Bl. 44r. Vgl. ThHStAW HA A XXV, Korrespondenzen, E 453, Bl. 5. Otto August von Rühle trat erst am 3. Februar 1813 als Freiwilliger wieder in die preußische Armee ein. Am 24. Februar 1813 hatte er Dienstbeginn. Vgl. [Major Gerwien]: General-Lieutnant Rühle von Lilienstern. Ein biographisches Denkmal, in: Beiheft zum Militär-Wochenblatt für die Monate Oktober bis Dezember. Berlin 1847, S. 125–194, hier S. 143 und XXVII, Beilage XI. Ebd., S. 142. Bernhard trat die Reise stattdessen in Begleitung des Grafen von Edling und des Kammerherrn von Gersdorff am 8. Oktober 1811 an. Vgl. ThHStAW HMA 4560, S. 178.

5.1 Führungspersönlichkeiten des Weimarer Hofes

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hältnisse“ dem Gouverneur unmöglich gemacht hätten, seinen Zögling auf dessen Europatour zu begleiten,157 gehen die Anderen von einem tiefen Zerwürfnis zwischen dem Gouverneur und dem Prinzen aus, das Carl August nach langem Zögern schließlich zu einer Entlassung bewogen hätte.158 Die Entscheidung musste relativ plötzlich getroffen worden sein, da der Herzog noch im Juli desselben Jahres gegenüber Goethe die Hoffnung geäußert hatte, dass sein jüngster Sohn auf der Reise „Geschmack an Dingen gewinnen könne, die außerhalb des Paradeplatzes liegen“,159 allerdings solle ihn Rühle begleiten, damit die militärische Ausbildung dennoch weiter verfeinert werden könne.160 Angesichts dieser wohlwollenden Pläne scheint ein freiwilliger Abschied seitens des Gouverneurs zugunsten einer familiären Angelegenheit zunächst plausibel. Es bleibt jedoch ernsthaft zu bezweifeln, ob Carl August einem privaten Bedürfnis den Vorrang vor seinen fürstlichen Plänen gegeben und einem Abschied aus diesem Grunde zugestimmt hätte. In der Regel erhielten die hohen Hofangestellten bei familiären Schicksalsschlägen stets auf längere Zeit Urlaub, durften und mussten aber pflichtschuldig in ihre Dienste am Hof zurückkehren.161 Bei Otto August von Rühle war dies jedoch nicht der Fall. Er schied gänzlich aus dem Dienst und wurde als Titularkammerherr und Titularoberst aus dem Weimarer Hof befördert.162 Der Vernachlässigungsvorwurf scheint deshalb eher den Abgang zu erklären, da er mit den Prinzipien des Herzogs im Einklang stand: Der Biograph Richard Starklof meinte aus dem Briefverkehr Carl Augusts herauslesen zu können, dass Rühle ein schlechter Gouverneur gewesen sei, der nur sehr wenig Zeit mit seinem Schützlinge verbracht hätte, um sich stattdessen seinen literarischen Arbeiten widmen zu können. Tatsächlich befand sich Rühle von Lilienstern während seiner Erziehertätigkeit in Dresden, wo er eigentlich die Militärausbildung des Prinzen Bernhard betreuen sollte, in einer sehr produktiven Phase: Er überarbeitete seinen „Augenzeugenbericht“ für die zweite Auflage, gab mehrere Bände der von ihm begründeten Zeitschrift für Staats- und Kriegskunst namens „Pallas“ heraus, verfasste und überar157

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Gerwien: Biographisches Denkmal, S. 143. Selbiges findet sich fast wortgleich in seinem Nekrolog wieder. Vgl. N. N.: Art. Rühle von Lilienstern, S. 474. Rühle von Lilienstern hatte seit 1808 eine eigene Familie, bestehend aus Henriette von Frankenberg-Ludwigsdorf, verw. von Schwedhof (1782–1847), und seiner Tochter Jenny. Vgl. Starklof: Leben des Herzogs Bernhard, S. 97. C. A. v. S-W-E an J. W. v. Goethe, Teplitz, Juli 1811, in: BW Vogel 2, S. 34–35. Vgl. Starklof: Leben des Herzogs Bernhard, S. 96. So durfte zum Beispiel Wolfgang von und zu Egloffstein im Oktober 1798 einen 14tägigen Urlaub nehmen, um „in Familien-Angelegenheiten nothwendige Geschäfte“ in Leipzig und in Franken zu besorgen. Vgl. ThHStAW B 25735, Bl. 7r. Vgl. den Weimarer Staatskalender von 1812, S. 190, und ebd. von 1813, S. 191. Da Otto August von Rühle im Dezember 1813 zum preußischen Oberstleutnant ernannt wurde, verlor er automatisch den Weimarer Obersttitel. Vgl. Gerwien: Biographisches Denkmal, S. XXVII, Beilage XI.

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5. Repräsentationspolitik qua Personal. Der verpflichtete Adel des Hofes

beite seine „Hieroglyphen“,163 entwarf dazu die berühmte Weltkarte sowie ein Jahr später die „Oro-Hydrographische Generalkarte vom Königreiche Sachsen“164 . Der Gouverneur nahm sich also viel Zeit für seine Projekte und kümmerte sich daher wahrscheinlich nur wenig um den Prinzen. Das führte so weit, dass der König von Sachsen über den wohl noch etwas blauäugigen 18-jährigen Bernhard eine mehrwöchige (Zimmer-)Arreststrafe verhängen musste.165 Der Prinz hatte leichtgläubig für einen Wechsel gebürgt, der später nicht bezahlt wurde, so dass sich die Gläubiger im Herbst 1810 an den Bürgenden, d. h. an den Prinzen, wandten. Der Vorfall erledigte sich bald unter Vermittlung von Heinrich Ludwig von Verlohren, der am Dresdner Hofe als Weimarer Gesandter tätig war. Als allerdings ein halbes Jahr später ein zweiter, wiederum von Bernhard verbürgter Wechsel eingeklagt wurde, waren sowohl Carl August als auch der König von Sachsen, der zu dem Zeitpunkt des Prinzen oberster Vorgesetzter war, im Zugzwang. Rühle von Lilienstern – der sich offensichtlich nicht um den gesellschaftlichen Umgang des Prinzen gekümmert hatte – zeichnete ein katastrophales Charakterbild von Bernhard, stellte sich selbst als machtlos gegenüber diesem fatalen Charakter dar, plädierte für die härtesten Strafen und forderte sogar eine Verhandlung vor dem Militärgericht als Erziehungsmaßnahme. Carl August reagierte skeptisch und schickte Bernhards einstigen Instruktor und Vertrauten, Carl Friedrich Horn, nach Dresden, um die Sache untersuchen zu lassen. Horn widersprach der Einschätzung Rühles von Lilienstern und attestierte dem Prinzen kein schlechtes, sondern ein zu gutmütiges Wesen. Letztendlich blieb es bei der Arreststrafe, die Geldsachen wurden erledigt und das Verhältnis zum sächsischen König entspannte sich. Horns Versuche, das offenkundig zerbrochene Einvernehmen zwischen dem Prinzen und seinem Gouverneur wiederherzustellen, schienen jedoch nur bedingt von Erfolg gekrönt gewesen zu sein. Die Beziehung zwischen den beiden spitzte sich immer mehr zu. Erst der Abgang Rühles löste diese Spannungen auf. Wie im Falle des Oberhofmeisters von Hintzenstern könnte also auch hier das gestörte Vertrauen – nun allerdings unmittelbar zwischen dem Prinzen und seinem Gouverneur – Anlass für eine Kündigung gewesen sein. Zwar geben die Quellen nicht mehr eindeutig preis, ob Rühle von Lilienstern tatsächlich eine Kündigung hinnehmen musste oder aus eigenen Stücken den Weimarer Hofdienst quittierte. Die Umstände sprechen jedoch für eine Entlassung seitens des Fürstenhauses. 163

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[Johann Jakob Otto August] Rühle von Lilienstern: Hieroglyphen oder Blicke aus dem Gebiete der Wissenschaft in die Geschichte des Tages. Dresden 1809. (zweite vermehrte Ausgabe folgte 1811) Oro-Hydro-Graphische General Charte vom Königreiche Sachsen und den angrenzenden Ländern. Zum Gebrauch als Post und Reisecharte sowohl, als für Civilbeamte und insbesondere für das Studium der Kriegsgeschichte. Nach den besten Hülfsmitteln entworfen von [Johann Jakob Otto August] R[ühle] v[on] L[ilienstern]. Dresden 1810. Zu den Details der Arreststrafe vgl. bis auf Weiteres Starklof: Leben des Herzogs Bernhard, S. 91ff.

5.1 Führungspersönlichkeiten des Weimarer Hofes

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Pensionierungen

Neben unehrenhaften Abgängen gab es am Weimarer Hof auch Verabschiedungen, die mit voller Hochachtung vollzogen wurde: Nachdem die Prinzessin Caroline Louise mit Friedrich Ludwig von Mecklenburg-Schwerin am 1. Juli 1810 im großen Saal des herzoglichen Residenzschlosses in Weimar vermählt worden war,166 wurde Henriette von Knebel freigesprochen, da ihre Pflichten als erfüllt galten. Als Hofmeisterin der einzigen überlebenden Tochter Carl Augusts war sie unter den höfischen Führungspersonen eine Ausnahme, weil ihr Amt regulär nur zeitlich begrenzt vergeben wurde. Die Stelle einer Hofmeisterin, Gouvernante oder Aya war auf ,unbestimmt‘ befristet und schloss in der Regel mit der Verheiratung des Schützlings, seltener mit dem Gang der Prinzessin in ein Kloster oder Stift ab. In einigen Fällen blieben die Fürstentöchter allerdings unvermählt und die Hofmeisterinnen so lange im Amt, bis sie sich dazu nicht mehr im Stande sahen oder verstarben. Der Lebensweg der Weimarer Prinzessin blieb lange Zeit unentschieden, da Carl August und Louise offenbar keinen Druck auf ihre Tochter bezüglich einer Vermählung ausübten. Als der Schweriner Erbprinz schließlich 1809 um die Hand der Prinzessin warb, befand sich Caroline Louise bereits in ihrem 24. Lebensjahr.167 Henriette von Knebel stand also insgesamt knapp zwei Jahrzehnte ohne jegliche Verfehlungen im Dienst des Weimarer Hofes. Trotzdem sah sie ihrer Verabschiedung selbst voller Sorge entgegen, da sie während ihrer Dienstzeit im Gegensatz zu anderen hohen Hofbeamten offensichtlich nie um die Zusicherung einer finanziellen Versorgung nach dem erwartbaren Abschied gebeten hatte. Die Oberhofmeisterin von Giannini hatte Entsprechendes zum Beispiel bereits knapp ein Jahr nach ihrem Antritt angefragt und von Carl August ein Dekret mit der Versicherung erhalten, dass sie bei Arbeitsunfähigkeit lebenslang eine Pension von 500 Talern erhalten würde.168 Henriette von Knebel hatte darauf verzichtet und bereute dies nun bitterlich, da sie von der Herzogin ein Zeichen der Zufriedenheit über ihre Arbeit vermisste und deshalb überzeugt war, dass sie am Hof keine Fürsprecher hatte. Ihrem Bruder gegenüber erinnerte sie sich,169 dass sie „gleich im ersten Jahr“ mit Belobigungen überschüttet worden sei, nun aber, „da es Zeit gewesen wäre, sie in Erinnerung zu bringen“, keiner für sie das Wort erhebe. Zwar werde ihre Verabschiedung oft thematisiert, allerdings „nicht zu rechter Zeit, noch am rechten Ort“. Da sie es als unschicklich empfand, ihre „eigenen Verdienste 166 167

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Vgl. KA WE HR HK 1810, f. 103. In ihrer Familie waren die Frauen wesentlich früher in den Ehestand getreten: Ihre Großmutter Anna Amalia heiratete im Alter von 16 Jahren, ihre Mutter Louise war bei der Eheschließung 18 Jahre alt, und ihre gleichaltrige Schwägerin Maria Pawlowna zählte bei ihrer Vermählung ebenfalls erst 18 Jahre. Vgl. ThHStAW B 25827. Alle folgenden Zitate stammen bis auf Weiteres aus dem Brief von H. v. Knebel. an C. L. v. Knebel, (Weimar), 14. Juli 1810, in: Knebels Briefwechsel, S. 466.

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5. Repräsentationspolitik qua Personal. Der verpflichtete Adel des Hofes

anzupreisen“, beschloss sie am 14. Juli 1810, sich voll und ganz auf ihre „gute Prinzeß“ zu verlassen. Die Sorgen und Bedenken von Henriette von Knebel waren völlig unbegründet.170 Carl August hatte seine Kammer schon zwei Wochen zuvor angewiesen, der scheidenden Hofmeisterin ab dem 1. Juli eine Pension auf Lebenszeit in Höhe von 500 Talern pro Jahr auszuzahlen.171 Die Kommunikation dessen ging aber offensichtlich in den turbulenten Feierlichkeiten anlässlich der Hochzeit und des Abschiedes der Prinzessin unter.172 Das Fürstenhaus zweifelte dennoch in keiner Weise an den Leistungen der Prinzessinnenhofmeisterin und zeigte sich für deren Dienste dankbar. Aus dem Vergleich mit anderen Pensionen wird deutlich, dass der Weimarer Hof seine höchsten Damen bei einer ehrenvollen Dispensation in finanzieller Hinsicht gleichbehandelte: Henriette von Knebel bekam exakt dieselbe Summe zugesprochen wie die Oberhofmeisterin von Giannini, die allerdings schon vor deren Einlösung verstarb, und wie die Hofdame Adelaide von Waldner, die für ihre Dienste als Hofmeisterin der verstorbenen Prinzessin Louise Amalie ebenfalls eine zusätzliche Pension ausgesetzt bekam und geltend machen durfte.173 Carl Ludwig von Knebel bemängelte das Ruhegehalt dennoch als zu gering und meldete seiner Schwester, dass er sich „an einigen Orten in Weimar stark über die Niedrigkeit (. . . ) [ihrer] Pension aufgehalten“ habe.174 Offensichtlich waren Carl Ludwig von Knebel, trotz seiner eigenen Tätigkeit am Hof, die Weimarer geschlechterspezifischen Gepflo-

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Da sie während ihres Dienstes eine enge mütterlich-fürsorgliche Bindung zur Prinzessin aufgebaut hatte, blickte sie eine Zeit lang auch emotional der Trennung besorgt entgegen. Wie die finanziellen Bedenken sollten sich auch diese Verlustängste als nichtig erweisen. Die Prinzessin wählte sich zwar das junge Fräulein Johanne von der Tann als Hofdame und ihre langjährige Kammerfrau Caroline Lorch als Personal aus, das sie aus der Heimat an den Mecklenburger Hof begleiten und in dortige Dienste übernommen werden sollte. Auf ihre Knebel wollte sie jedoch ebenfalls nicht verzichten und bat sie, mit umzuziehen. Bereits im März versicherte der Schweriner Erbprinz, für Henriette von Knebel und deren enge Freundin Karoline von Bose ein Haus in Ludwigslust einzurichten. Am 30. August 1810 folgten die beiden Frauen den Eheleuten in den Norden, wo sie die Jahre bis zu ihrem Tod verleben sollten. Vgl. H. v. Knebel. an C. L. v. Knebel, (Weimar), 17. März 1810, in: Knebels Briefwechsel, S. 424f; ThHStAW HMA 4559, S. 124; 151. Vgl. ThHStAW B 25820, Bl. 88. Vgl. z. B. die ausführlichen Anmerkungen der Fouriere anlässlich der Hochzeit ThHStAW HMA 4559, S. 108–124. Vgl. Abschnitt zu den Weimarer Hofdamen. C. L. v. Knebel an H. v. Knebel, Jena, 26. Dezember 1810, in: Knebels Briefwechsel, S. 510f. Das in dem Briefwechsel erwähnte (Gesamt-)Einkommen von 800 Talern setzte sich aus der Weimarer und einer Ansbacher Pension zusammen. Der Markgraf von Bayreuth-Ansbach hatte Henriette von Knebel 1787 in Würdigung der Leistungen ihres Vaters, der ihm als Geheimrat gedient hatte, eine Pension in Höhe von 300 Talern zugesprochen. Der preußische und später der bayrische Hof übernahmen die Verbindlichkeiten des Markgrafen und zahlten die Pension weiterhin aus. Vgl. ebd., S. 57, 260, 287–291.

5.1 Führungspersönlichkeiten des Weimarer Hofes

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genheiten nicht bekannt.175 Die Damen in den hohen Führungspositionen bekamen zwar alle dieselbe Pension, in der Regel fiel diese jedoch wesentlich geringer aus als die der männlich besetzten Führungsämter. Franz August von Hintzenstern begann zum Beispiel seinen Dienst am Weimarer Hof bereits mit einem Gehalt von 500 Talern und bezog später als Oberhofmeister 900 Taler,176 d. h. beinah das Doppelte dessen, was den Damen als Dank für die Hofführung zugestanden wurde. Die einzige Oberhofmeisterin, die ihre männlichen Kollegen mit einem Gehalt von knapp 1200 Talern pro Jahr übertrumpfte, war Ottilie Henckel von Donnersmarck, die auf Vermittlung des Zarenhauses ab 1804 dem Hofhaushalt von Maria Pawlowna vorstand. Ihre Dienstmodalitäten eignen sich jedoch nicht zum Vergleich, da sie ihre Besoldung nicht aus der Weimarer Kammer, sondern direkt von der vermögenden Erbprinzessin bezog.177 Die Damen der höchsten Führungsämtern, die aus Weimarer Kassen besoldet wurden, mussten bei der Pensionsbewilligung dagegen eine grundsätzlich geschlechterspezifische Benachteiligung hinnehmen. Eine ebenfalls ehrenvolle, allerdings zeitlich befristete Pensionierung wurde im Oktober 1807 dem Kammerherrn und Oberforstmeister Wilhelm von Stein zu Nord- und Ostheim zugestanden. Der Wortlaut seines Abschiedsdekrets hob sich merklich von dem der Kündigungsfälle ab, da notiert wurde, dass der „Freyherr von Stein, seiner kräncklichen Umstände halber, um seine Dienstentlassung gebeten und (. . . ) ihm selbige in Gnaden bewilliget“ worden wäre.178 Es wurde also explizit der Grund für die Dispensation benannt, was in diesem Fall durchaus brisant war, weil die angeschlagene Gesundheit aus einem Dienstunfall resultierte. Am 30. August 1797 war Carl August mit seinem gern gesehenen fürstlichen Gast, Georg von Sachsen-Coburg-Meiningen, in Begleitung des Grafen du Manoir (1743–1805), des Meininger Hofmarschalls und Hofjägermeisters Franz Carl von Ziegesar und des Weimarer Oberforstmeisters von Stein auf den Ettersberg gezogen, um dort mehrere Tage gemeinsam der Jagdleidenschaft zu frönen.179 Christian Gottlob Voigt berichtete am nächsten Tag an Goethe über einen folgenreichen Zwischenfall, der sich dabei ereignet hatte: 175

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Ironischerweise hatte er seiner Schwester allerdings kurz zuvor noch selbst empfohlen, sich bei einigen Damen zu erkundigen, „was in dergleichen Fällen bei anderen Höfen gebräuchlich“ wäre. Vgl. C. L. v. Knebel an H. v. Knebel, Jena, 13. Juli 1810, in: Knebels Briefwechsel, S. 465f. Exakt das gleiche Gehalt bezog auch Wilhelm von Wolzogen seit seiner Ernennung zum Oberhofmeister des Erbprinzen Carl Friedrich. Vgl. ThHStAW B 25812, Bl. 23, 34 (Wolzogen); ThHStAW HMA 121, Bl. 1; ThHStAW B 25800 (Hintzenstern). Vgl. Ulrike Müller-Harrang: Der „märchenhafte“ Reichtum der Maria Pawlowna und die Folgen. Zu den Finanzverhältnissen der Großfürstin, in: Ausstellungskatalog Maria Pawlowna, Teil 2, S. 97–110, bes. S. 102. ThHStAW HMA 432, Bl. 37. Vgl. ThHStAW HMA 4546, Bl. 94v.

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5. Repräsentationspolitik qua Personal. Der verpflichtete Adel des Hofes

„Auf dem Wurstwagen stehend, ging des Herzogs von Meiningen Büchse los und fuhr dem Forstmeister [von] Stein an der Stirn hinauf durch den Hut. Die Stirn ist verletzt und die Augen von Pulver beschädigt. Ein Federkiel breit näher wäre die Hirnschale oder der Stirnknochen gesprengt worden.“180

Georg von Sachsen-Coburg-Meiningen hatte also dem Chef des Weimarer Forstdepartments181 in einem Moment der Unachtsamkeit in den Kopf geschossen und ihn damit schwer verwundet.182 Wenngleich der damals erst 27jährige Wilhelm von Stein dieser Schussverletzung nicht unmittelbar erlag, erholte er sich davon nie mehr gänzlich. Als er zehn Jahre später im Herbst 1807 schließlich wegen seiner immer schlechter werdenden körperlichen Konstitution eine Befreiung vom Dienst erbat, wurde ihm der Dispens nicht nur ohne Zögern gewährt, sondern darüber hinaus auch mit einer ansehnlichen Dotierung erleichtert.183 Carl August wies seine Kammer an, Wilhelm von Steins Gehalt in Höhe von 800 Talern in eine jährliche Pension umzuwandeln und auf acht Jahre – insofern er diese erlebe – auszubezahlen;184 seine bisherigen Funktionen als wirklicher Oberforstmeister und Kammerherr wurden im Zuge dessen aufgehoben und auf bloße Titulaturen reduziert.185 Diese Abschiedsmodalitäten waren ungewöhnlich: Eine vergütete Pensionierung an sich war bereits sehr selten, stellte jedoch keinen Ausnahmefall dar. Die Befristung der Pension auf acht Jahre war indes eine Klausel, die bis dahin keinem der besoldeten Hofpensionäre von Carl August auferlegt worden war. Alle, die letztlich wirklich eine Pension zugestanden bekamen, hatten ihre Ruhegehälter aus Dankbarkeit für geleistete Dienste auf Lebenszeit erhalten.186 Der Grund für diese eigenwillig eingeschränkte Begünstigung scheint ökonomischen Erwägungen geschuldet gewesen zu sein, kurzfristige wie langfristige Kosten zu vermeiden. Zwar wurde das nahe Hinscheiden des Oberforstmeisters erwartet und die Kammer extra angewiesen, dass die 180 181

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C. G. Voigt an J. W. v. Goethe, Weimar, 1. September 1797, in: BW Voigt Goethe 1, S. 387–388, Zitat S. 388. Wilhelm von Stein war zwar seit 1795 bereits Chef des Weimarer Departments, er erhielt aber erst im Frühjahr 1797 – d. h. vor seinem Unfall – seine Ernennung zum Oberforstmeister. Voigt degradiert ihn wohl versehentlich in seinem Schreiben. Zur Titeländerung siehe ThHStAW HMA 4546, Bl. 8v, 41v. Dieser Vorfall erregte in der Weimarer Hofgesellschaft viel Aufsehen und machte dementsprechend schnell die Runde. So meldete zum Beispiel Sophie von Schardt (1755– 1819) ihrer Freundin Amalie von Seebach (1773–1860) schon wenige Tage danach, dass der Oberforstmeister Stein durch den Herzog von Meiningen „halberschossen“ worden sei. Vgl. z. B. Düntzer: Zwei Bekehrte, S. 388. Vgl. ThHStAW HMA 432, Bl. 37. Nach dem Quittieren seiner Dienste zog sich Wilhelm von Stein schließlich am 1. Dezember 1807 auf seine Güter zurück. Vgl. ThHStAW HMA 4556, S. 237. Vgl. ThHStAW B 25741, Bl. 8; zum bisherigen Gehalt vgl. ThHStAW Rechnungen 287– 317. Vgl. den Weimarer Staatskalender von 1808, S. 169. Vgl. z. B. ThHStAW B 25820, Bl. 82v; 86v (Waldner, Riedesel); ThHStAW B 25827 (Giannini); ThHStAW B 25800 (Hin(t)zenstern).

5.1 Führungspersönlichkeiten des Weimarer Hofes

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Pension „sofort wiederum zurückfällt“, sobald der Tod eingetreten sei,187 allerdings ließ sich ein Fortleben über mehrere Jahrzehnte angesichts des jungen Alters nicht zur Gänze ausschließen. Immerhin war Wilhelm von Stein erst 37 Jahre alt.188 Erwies er sich trotz seiner Krankheit doch als langlebig, dann drohte der Kammerkasse eine dauerhafte Doppelbelastung, da Ludwig Ernst Rudolph Gustav von Seebach (1770–1841) als nachfolgender Oberforstmeister des Weimarer Departments ebenfalls bezahlt werden musste. Die Befristung der Pension auf acht Jahre schützte also vor einem unkalkulierbaren Kostenrisiko. Zugleich bot sie außerdem die Möglichkeit, die Pensionierung des Oberforstmeisters als eine besondere Ausnahme zu deklarieren: Wilhelm von Stein war der Erste aus der Jägerei, der vom Dienst befreit wurde. Zuvor hatte noch kein einziger Oberforstmeister unter Carl August von dieser Gnade profitiert, da alle während ihres andauernden Dienstverhältnisses verstorben waren.189 Unter den Führungskräften der Weimarer Jägerei war eine vergütete Pensionierung also nicht üblich. Womöglich wollte Carl August daran im Grunde nichts ändern, konnte aber über das Gesuch seines Oberforstmeisters nicht hinweggehen, da kein Geringer als der Meininger Herzog den körperlichen Schaden verursacht hatte. Durch die Befristung konnte den besonderen Umständen Rechnung getragen werden, ohne einen Präzedenzfall zu schaffen. Diese Akzentuierung als Sonderfall war auch in Anbetracht der institutionellen Doppelfunktion von Wilhelm von Stein geboten. Seit der Ausgliederung der Jägerei 1802/03 zählte er als Oberforstmeister streng genommen nicht mehr zu den höfischen, sondern nunmehr zu den zivilen Führungspersönlichkeiten. Als Kammerherr gehörte Wilhelm von Stein zwar noch zum Hofverband, allerdings qualifizierte ihn dies ebenfalls nicht für eine lebenslange Pension. Die wenigen Kammerherren, die vor ihm mit einem Ruhegehalt aus dem aktiven Dienst geschieden waren, hatten sich durch zusätzliche Tätigkeiten verdient gemacht, wie zum Beispiel Leberecht von Luck, der als Kammerherr jahrlang die Funktion des Hofmarschalls übernommen hatte. Ohne die klare Befristung hätte die Pensionierung von Wilhelm von Stein also sowohl in der Jägerei als auch im Hof einen Präzedenzfall geschaffen, der möglicherweise bei anderen schwer abzulehnende Begehrlichkeiten geweckt hätte. Um 1800 schieden die Führungspersönlichkeiten letztlich also auf drei verschiedenen Wegen aus dem Weimarer Hofdienst aus: entweder durch Tod,

187 188 189

ThHStAW B 25741, Bl. 8. Die acht Jahre waren im Rückblick bedacht kalkuliert. Wilhelm von Stein verstarb kurze Zeit, nachdem seine Pension ausgelaufen war, im Alter von 46 Jahren. Der Oberforstmeister und Chef des Eisenacher Departments, Friedrich Carl von Witzleben, verstarb 1792. Im Jahr 1794 folgten ihm die drei anderen Departmentchefs Ludwig Christian von Stubenvoll, Otto Joachim Moritz von Wedel und der Landjägermeister Christoph Friedrich von Arnswald in den Tod.

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5. Repräsentationspolitik qua Personal. Der verpflichtete Adel des Hofes

durch Kündigung oder durch ehrenhaften Dispens, der im besten Falle auch noch mit einer lebenslangen Pension dotiert war. Letzteres war genuin nur im Amt der Hofmeisterin vorgesehen, deren Tätigkeit mit der Verheiratung der Prinzessin zwangsläufig beendet war. Alle anderen höchsten Hofämter vergab Carl August in der Zuversicht, dass sich die Adeligen dessen bis zu ihrem Lebensende würdig erweisen würden. Er selbst bekundete bereits mit der Ernennung sein Vertrauen und Wohlwollen. Die Aufgabe der Führungspersönlichkeiten war es nun lediglich, sich diese Gunst zu erhalten, indem sie zum Prestige des Hauses beitrugen. War das nicht mehr der Fall, beendete Carl August kurzerhand das Dienstverhältnis wie im Falle des Hofmarschalls von Klinckowström und der beiden Gouverneure von Hintzenstern und von Rühle. Er stellte damit klar, dass der Grundsatz der Ehre und der des Vertrauens nicht nur ein formaler Eid, sondern ernstzunehmende Begehren der Fürstenfamilie waren. 5.1.3 Die Aufgabenfelder der höchsten Hofämter Die Weimarer Führungspersönlichkeiten hatten im Grunde alle ähnliche Aufgaben: Sie mussten Personal organisieren und kontrollieren,190 Gelder verwalten, Abläufe des Alltags koordinieren, Veranstaltungen vorbereiten, Inventare führen, im Zuge dessen die Ausstattung bzw. das Gerät beaufsichtigen und im Bedarfsfall neu anschaffen lassen. Darüber hinaus leisteten die meisten noch Gesellschaftsdienste für die fürstliche Familie, die Oberchargen waren allerdings von der Aufwartung im Sinne der alltäglichen Leibbedienung prinzipiell befreit. Bei Festlichkeiten, bei denen Carl August als Landesherr auftrat, waren sie allerdings stets zeremoniell eingebunden. 191

Während die Chefs der Jägerei und des Stalls im Wesentlichen in klar abgegrenzten Arbeitsfeldern außerhalb des fürstlichen Wohnhauses operierten, kam es bei den anderen Führungspersönlichkeiten zu zahlreichen Überschneidungen. Ab und zu führte dies zu Unsicherheiten über den Kompetenzbereich eines jeden Einzelnen – so zum Beispiel 1809, als Carl August den Freiherrn von Ende als Hofmarschall neben dem Oberhofmeister Wilhelm von Wolzogen mit der Hofführung des Erbprinzen beauftragte. Die Titulierung des Freiherrn von Ende als Hofmarschall war für einen Nebenhof in Weimar unüblich und stiftete Verwirrung über die damit verbundenen Befugnisse. Bisher mussten alle männlichen und weiblichen Hofdiener von Carl Friedrich und Maria Pawlowna beim herzoglichen Hofmarschallamt, 190 191

Einige von ihnen fungierten zudem als Strafinstanz, so zum Beispiel der Hofmarschall und der Oberstallmeister. Vgl. z. B. ThHStA 9426, f. 21. Als der russische Zar Alexander im November 1805 den Weimarer Hof besuchte, wurde ihm zum Beispiel der Oberhofmeister von Wolzogen als Aufwartung offeriert. Vgl. ThHStAW HMA 4554, S. 246–249.

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d. h. im Kernhof, verpflichtet werden und standen unter der Gerichtsbarkeit des bis dahin einzigen Hofmarschalls Wolfgang von und zu Egloffstein. Der Kavalier des erbprinzlichen Hofes konnte bisher bei diesen Angelegenheiten anwesend sein, übernahm dabei aber keine tragende Rolle.192 Durch die Ernennung des Freiherrn von Ende zum ,zweiten‘ Hofmarschall kamen nun allerdings Zweifel an der Arbeitsaufteilung auf, da Maria Pawlowna eine Sonderstellung am Hof genoss und ihre Bediensteten unabhängig vom Herzog selbst einstellen und entlassen durfte.193 Der ,erste‘ Hofmarschall von und zu Egloffstein bat deshalb um konkrete Instruktionen. Carl August bestätigte daraufhin das bisherige System und legte fest, die Geschäfte des erbprinzlichen Hofes seien fortzuführen „wie dieses zeither gebräuchlich war, blos in der Person ändert sich die Lage der Sachen“.194 Hinter der Beförderung verbarg sich also keine strukturelle Veränderung der Hoforganisation. Das Hofmarschallamt war für ausnahmslos alle Hofdiener des Weimarer Hofes in allen zivilrechtlichen Sachen die oberste Instanz. Der Freiherr von Ende vereinigte als Hofmarschall in seiner Hand nun lediglich all jene Aufgaben, die der Kammerherr von Schardt und der Oberhofmeister von Wolzogen zuvor gemeinsam im Hofstaat des Erbprinzen erledigt hatten. Trotz der Aufteilung in die Einzelhöfe blieb der Weimarer Hof also ein hierarchisch geordnetes Gesamtsystem, bei dem der Kernhof und die dort angesiedelten höchsten Ämter über allen anderen standen. Diese Hierarchie der Einzelhöfe, die sich nach dem Rang des jeweiligen Familienmitgliedes bestimmte, brachte es mit sich, dass der Arbeitsaufwand der einzelnen Führungspersönlichkeiten trotz aller Ähnlichkeiten erheblich variierte. Die Hofmeisterin Henriette von Knebel hatte sich zum Beispiel um wesentlich weniger Subordinierte in dem ihr anvertrauten kleinen Prinzessinnenhof von Caroline Louise zu sorgen als die Oberhofmeisterin der Erbprinzessin Maria Pawlowna.195 Gleichwohl trugen beide Personalverantwortung, mussten die Bediensteten ihrer Fürstin zum Dienst einteilen und kontrollieren. Ähnlich verhielt es sich mit der Kassenführung. Beide Adelsdamen waren mit Geldangelegenheiten betraut. Während allerdings Henriette von Knebel zwischen 1000 und maximal 2800 Talern pro Jahr als Schatullgelder der Prinzessin verwaltete,196 musste sich die Gräfin Henckel von Donnersmarck jedes Vierteljahr um die fristgerechte und ordnungsgemäße Besoldungsauszahlung für die ihr unterstellten niederen Dienerschaft in Höhe von etwa 1100 Talern kümmern.197 Obwohl Maria Pawlowna zusätzlich Sekretäre bzw. Schatulliers zur Verfügung standen, oblag der Gräfin 192 193 194 195 196 197

Vgl. ThHStAW HMA 3333, Bl. 5. Vgl. den Abschnitt zum Hof von Carl Friedrich und Maria Pawlowna. ThHStAW HMA 3333, Bl. 6. Vgl. die Ausführungen zu den entsprechenden Einzelhöfen. Vgl. z. B. ThHStAW Rechnungen 287–300. Vgl. ThHStAW HA AXXV/Akten 55.

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demnach schon allein mit der Gehälterdisposition die Verantwortung für ca. 4400 Taler pro Jahr. Die Oberhofmeisterin der Erbprinzessin musste also ganz andere Dimensionen als die Hofmeisterin der Prinzessin handhaben können, womit sich wohl auch ein weiteres Argument für die Wahl dieser altadeligen Dame erklärt, die es im Gegensatz zu Henriette von Knebel von klein auf gewohnt war, in großen Verhältnissen zu leben und entsprechend sozial-distinktive Ansprüche ganz selbstverständlich umzusetzen. Neben der Quantität unterschieden sich die Arbeitsfelder der Führungspersönlichkeiten zudem durch die jeweiligen Eigenheiten, die ein jedes Mitglied der fürstlichen Familie auszeichneten. Der unverheiratete kind- und jugendliche Nachwuchs bedurfte zum Beispiel nicht nur einer Hofleitung, sondern zudem einer erzieherischen Aufsicht, wogegen die Gattin des Herzogs, die Erbprinzessin und die Herzogsmutter lediglich Koordinatoren benötigten, die ihren gesellschaftlichen Alltag standesgerecht ausgestalteten und organisierten. Die Führungspersönlichkeiten des Kernhofes mussten dagegen nicht nur das Wohl einer Person, sondern das der kompletten fürstlichen Familie im Blick behalten. Sie hatten dementsprechend stets zwischen den Bedürfnissen der einzelnen Familienmitglieder abzuwägen und mussten oft allen zugleich gerecht werden. Letztendlich vereinte alle Führungspersönlichkeiten also lediglich die strukturelle Ähnlichkeit ihrer Aufgaben, in Quantität und Qualität variierten ihre Kompetenzbereiche dagegen deutlich. 5.1.4 Die Vakanzpolitik des Herzogs um 1800 Die unregelmäßige Besetzung der Oberchargenstellen scheint die Ergebnisse der personenorientierten Analyse geradewegs zu konterkarieren: Die individuellen sozialen Profile wie auch die Annahme- und Abgangsmodalitäten legen nahe, dass Carl August die Führungspersönlichkeiten seines Hofes für die zeremonielle Repräsentation seines Standes und Ranges instrumentalisierte. Er orientierte sich dazu zwar nicht stur an den tradierten Vorgaben der Zeremonialwissenschaft, sondern akzeptierte bei seinen nachgeborenen Kindern sowie in der Jägerei eine geringerwertige adelige Herkunft zugunsten besonderer Fähigkeiten. Allerdings gab er auch in diesen beiden Bereichen seines Hofes die Repräsentationsfunktion durch die ständische Distinktion nicht komplett auf. Einzig der befristet beschäftigte bürgerliche Erzieher des kindlichen Erbprinzen, Cornelius Riedel, durchbrach die ansonsten adelige Führungsriege des Weimarer Hofes. Dem Herzog waren die zeremoniellen Gepflogenheiten demnach nicht gleichgültig. Dennoch verzichtete er darauf, alle Oberchargen seines Hofes regelmäßig neu zu besetzen und entschied sich im Verlauf seiner Regierung nach und nach immer häufiger, seine höchsten Hofämter jahrelang vakant zu belassen, nachdem sie frei geworden waren. Im Zuge seines Regierungsantritts stattete Carl August seinen Hof zunächst

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noch recht umfangreich mit etlichen Oberchargen198 aus: Neben einem Obermarschall, einem Hofmarschall und einem Reisemarschall gab es 1775 einen Oberstallmeister und einen Oberjägermeister.199 Aus der Regierungszeit seiner Mutter übernahm Carl August zudem den Schlosshauptmann für Eisenach.200 Auf einen Oberkammerherrn oder extra Oberhofmeister für den Kernhof verzichtete er zwar in der Anfangszeit, dafür stattete er den Hof seiner Gemahlin mit einem doppelten Führungsgespann aus Oberhofmeister und Oberhofmeisterin aus;201 und auch der Witwenhof seiner Mutter stand zu der Zeit noch unter der Leitung eines Oberhofmeisters. Zu Beginn seiner Regierungszeit entschied sich Carl Augusts also, seinen Hof zeremoniellgerecht mit den üblichen höchsten Chargen zu bestücken. In den folgenden Jahren sollte sich diese Anzahl sukzessive bis auf null reduzieren. Schon 1776 starben Anna Amalias Oberhofmeister Moritz Ulrich von Puttbus (1729–1776) und der Oberjägermeister Johann Ernst Wilhelm von Staff (1703–1776);202 Louises Oberhofmeister von Görtz wurde noch im gleichen Jahr für den preußischen Diplomatendienst freigesprochen. Der junge Herzog beließ diese Stellen ebenso ohne Nachfolger wie auch die vier weiteren Chargen, die bis 1789 durch Tod oder Kündigung frei wurden.203 Bereits nach den ersten 15 Jahren seiner Regierung konnte der Staatskalender deshalb für das Jahr 1790 keine reguläre Hofspitze mehr verzeichnen: Alle Marschallsstellen waren vakant. Das Hofmarschallamt hatte kein einziges fest institutionalisiertes adeliges Mitglied mehr. Dergleichen fehlten sowohl im Hof von Louise als auch von Anna Amalia die regulären Oberhofmeister bzw. 198

199

200

201 202 203

Angelehnt die Zeremonialwissenschaft, wurden die Oberchargen in den zeitgenössischen Lexika als die obersten Ämter definiert, nach denen der Gesamthof strukturiert und denen alle übrigen Ämter des Hofes untergeordnet waren. In der Regel gäbe es vier „Hauptstäbe“, d. i. Oberhofmeister, Oberkämmerer, Obermarschall und Oberstallmeister, die jeweils auch als Maitre-Chargen bezeichnet wurden. Vgl. Krünitz: Lexicon, Bd. 164, S. 39; Zedler: Lexicon, Bd. 25, Sp. 54, Rohr: Grosse Herren, Teil 1, 14. Kapitel, § 15 und 17, Moser: Teutsches Hofrecht, Bd. 2, S. 91f. Im Kernhof erhob er Friedrich Hartmann von Witzleben zum Obermarschall, Johann Christian Wilhelm Schardt blieb – zumindest nominell bis 1781 – Hofmarschall und Leonhard von Klinckowström wurde zum Reisemarschall ernannt. Im Stall übernahm Gottlob Ernst Josias Friedrich als Oberstallmeister die Leitung, und bei der Jägerei durfte der amtierende Oberjägermeister Johann Ernst Wilhelm von Staff weiterhin den Oberforstmeistern vorstehen. Vgl. z. B. ThHStAW HMA 413, Bl. 1, 4, 21. Am Weimarer Hof wurde die Charge des Schlosshauptmannes – die nach dem Regierungswechsel weiterhin von Johann Anton (Friedrich) von Göchhausen (1711–1784) bekleidet wurde – zu den Maitre-Chargen gezählt. Vgl. ThHStAW B 25771, Bl. 67. Der Graf von Schlitz, genannt Görtz, versah die Stelle des Oberhofmeisters und die Gräfin von Giannini die der Oberhofmeisterin. Vgl. KA WE SR SK 1776, f. 126r. Es verstarben nacheinander der Schlosshauptmann Johann Anton von Göchhausen (1784), die Oberhofmeisterin von Giannini (1784) und der Obermarschall von Witzleben (1788). Der Hofmarschall Leonhard von Klinckowström wurde 1789 entlassen. Vgl. KA WE SR SK 1784, f. 176v; KA WE SR SK 1788, f. 238v.

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5. Repräsentationspolitik qua Personal. Der verpflichtete Adel des Hofes

Oberhofmeisterinnen. In der Jägerei war Christoph Friedrich von Arnswald bis dahin nur als Landjägermeister, aber noch nicht als Oberjägermeister eingesetzt. Allein dem fürstlichen Stall stand mit dem Oberstallmeister von Stein noch eine Obercharge als Führungsperson vor. In allen anderen Bereichen des Hofes ließ der Herzog die höchsten Ämter unbesetzt. Er schöpfte also bei Weitem nicht die personellen Möglichkeiten aus, die ihm das Zeremoniell für seine Repräsentation zugebilligt hätte. Diese Vakanzpolitik erreichte knapp drei Jahre später schließlich ihren ersten Höhepunkt, als dem Herzog mit dem Tod des Oberstallmeisters von Stein am 28. Dezember 1793 auch die letzte verbliebene Obercharge verloren ging.204 Der Weimarer Hof wurde dadurch zu einem Hof ohne jegliche Oberchargen. Das war für Carl August unübersehbar ein Weckruf, denn er reagierte sofort und ließ dem Tod seines Oberstallmeisters eine Ernennungswelle folgen, mit der er seinen Hof umstrukturierte. Im Stall selbst verzichtete er zwar zunächst auf Änderungen, da dem kompetenten Stallmeister von Seebach die entsprechenden Geschäfte einfach übergeben werden konnten. In der Jägerei beförderte er dafür aber am 24. Januar 1794 sowohl den 70jährigen Christoph Friedrich von Arnswald zum Oberjägermeister als auch den 51-jährigen Oberforstmeister und Kammerherrn Ludwig Christian von Stubenvoll (1743–1794) zum Landjägermeister.205 Er verschaffte der Jägerei damit nicht nur eine Obercharge, sondern zugleich auch einen Nachfolger in petto. Der Herzog strukturierte am gleichen Tag zudem seinen Hofdienst neu: Zum einen versetzte er den Kammerherrn Lebrecht von Luck in das Hofmarschallamt und übertrug ihm dauerhaft „das Commando eines Marschalls am Hofe“, ohne ihn allerdings zum Hofmarschall zu ernennen; zum anderen ernannte er den bisherigen Kammerherrn Christian Ferdinand Georg Freiherr von Werthern (1738–1800) zum Oberkammerherrn.206 In die dadurch frei gewordenen drei Kammerherrenstellen ließ er drei Kammerjunker – von Lasberg, von Egloffstein und von Wolfskeel – nachrücken, um sodann auch deren Stellen wiederum mit Hofjunkern aufzufüllen. Insgesamt stiegen somit neun Hofadelige auf der Karriereleiter jeweils eine Stufe nach oben. Dem Herzog war es also plötzlich möglich, seinen Hof innerhalb kürzester Zeit um gleich zwei Oberchargen – einen Oberjägermeister und einen Oberkammerherrn – aufzuwerten. Dieser beinah übereilt wirkenden Umstrukturierung folgten in den nächsten Jahren allerdings keine weiteren Maßnahmen. Das Doppelbesetzungssystem in der Jägerei sollte nicht lange währen, da beide Männer noch im gleichen Jahr nacheinander verstarben.207 Carl August ließ beide Stellen – ebenso wie 204 205 206 207

Vgl. KA WE SR SK 1793, f. 40r. Vgl. ThHStAW HMA 415, Bl. 25. ThHStAW HMA 427, Bl. 1 (Zitat), ThHStAW B 25745, Bl. 1. Vgl. Art. Arnswald (Arnswaldt), in: Gothaisches genealogisches Taschenbuch der adeligen Häuser. Bd. 33. Gotha 1941, S. 42.

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die übrigen höchsten Ämter – daraufhin weiter unbesetzt. Das Hofmarschallamt, der Stall, die Jägerei, der Hof seiner Gattin und der Hof seiner Mutter blieben alle ohne Oberchargen. Lediglich der Thronfolger bekam 1799 einen Oberhofmeister. Mit dem Tod des Oberkammerherrn von Werthern am 7. August 1800208 kulminierte die Vakanzpolitik deshalb zum wiederholten Male, allerdings nun mit dem Unterschied, dass Carl August nicht sofort reagierte. Erst im Dezember 1802 rang er sich dazu durch, einen Hofmarschall für den Kernhof und einen Oberhofmeister für Anna Amalia zu bestimmen. Carl Augusts Hof – das Symbol seines hohen Standes und Reichsranges – blieb also zur Jahrhundertwende zwei Jahre lang ein Hof der Vakanzen. Glaubt man dem einstigen Weimarer Kammerherrn Siegmund Carl Friedrich von Seckendorff, dann hatte Carl August mit dieser Personalpolitik die standesgemäßen Strukturen eines reichsfürstlichen Hofes aufgegeben.209 In dem Falle hätten sich allerdings die meisten Fürsten des Alten Reichs nicht standesgemäß ausgestattet. Denn der Vergleich mit anderen Fürstenhöfen macht deutlich, dass der Weimarer Herzog nicht der Einzige war, der seine höchsten Hofämter eine Zeit lang unbesetzt ließ. Auch die Gothaer, Meininger, Darmstädter, Kasseler und Schweriner Fürsten ließen zwischenzeitlich ihre Oberchargen vakant. Selbst wesentlich größere Höfe, wie die kurfürstlich-königlichen in Dresden210 und in Berlin211 , vergaben um 1800 nicht immer alle Oberchargen.212 Die wenigsten Regenten hatten über Jahrzehnte konstant die gleiche Hofspitze, weil die Besetzung zwangsläufig durch Todesfälle ab und zu gewechselt werden musste und sich dabei in der Regel eine 208 209 210

211

212

Vgl. ThHStAW HMA 4549, Bl. 145r. Vgl. Berger: Anna Amalia, S. 404. Am Dresdner Hof blieben z. B. jahrelang die Stellen des Oberstallmeisters (1795 bis 1799) und des Oberküchenmeisters (vor 1778 bis 1803) unbesetzt. Im Gegensatz zum Weimarer Hof zählte Letzterer am kursächsischen Hof mit zu den Oberchargen. Seit der Beförderung des Oberküchenmeisters Melchior Heinrich von Breitenbauch († 1802) zum ersten Hofmarschall blieb diese Stelle bis 1803 allerdings vakant. Auch auf die Stelle des Oberstallmeisters ließ der sächsische Kurfürst erst 1799 seinen bisherigen Oberkammerherrn Camillo Graf Maccolini nachrücken. Der bisherige Hofmarschall Friedrich Wilhelm Carl August Graf von Bose durfte daraufhin dessen Stelle als Oberkammerherr übernehmen. Da kein weiterer passender Nachfolger für die Hofmarschallsstelle des Grafen von Bose zur Verfügung stand, blieb diese zunächst wiederum vakant. Vgl. die Dresdener Staatskalender von 1777–1803, jeweils S. 35–36. Am Berliner Hof blieben um 1800 jahrelang die Charge des Oberkammerherrn, des Oberschenks und ab 1800 die des Oberjägermeisters unbesetzt. Nachdem 1804 die beiden letzteren Stellen wieder besetzt worden waren, sah sich der Hof schon ein Jahr später mit dem Verlust des Obermarschalls und Schlosshauptmanns konfrontiert. Die zwei Chargen wurden zunächst erneut unbesetzt belassen. Vgl. die Berliner Staatskalender 1797–1805. So auch der Badener Hof, vgl. Veronika Bunk: Karlsruhe – Friedenstein. Family, cosmopolitanism and political culture at the courts of Baden and Sachsen-Gotha-Altenburg (1750–1790). Stuttgart 2011, S. 82–88.

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5. Repräsentationspolitik qua Personal. Der verpflichtete Adel des Hofes

günstige Gelegenheit bot, Art und Anzahl der höchsten Chargen zu modifizieren. Dem Kammerherrn von Seckendorff muss dies bekannt gewesen sein. Seine dramatische Verurteilung der höfischen Vakanzpolitik in den ersten Regierungsjahren Carl Augusts scheint dementsprechend auch weniger eine reale Einschätzung als vielmehr Ausdruck seiner Verbitterung gewesen zu sein. Er selbst wollte gern in eine Obercharge am Weimarer Hof einrücken, wurde aber von Carl August nie ernsthaft in Betracht gezogen. Gleichwohl gab es um 1800 Unterschiede, wie mit Vakanzen von Oberchargen umgegangen wurde. Der Vergleich mit den anderen Fürstenhöfen lässt grundsätzlich zwei Strategien erkennen: Auf der einen Seite gab es Fürsten, die das Zeremoniell soweit wie möglich ausreizten, jegliche Art der höchsten Ämter vergaben und stets auf sofortige Neubesetzungen achteten. Der Schweriner Herzog Friedrich Franz I. umgab sich zum Beispiel mit insgesamt sechs Oberchargen, lediglich die Oberstallmeisterstelle beließ er fast immer vakant. Seine zahlreichen Nebenhöfe stattete er ebenfalls umfangreich mit (Ober-)Hofmeistern und -meisterinnen aus.213 Eine ähnliche Hofgestaltung präferierte auch der Kasseler Landgraf,214 der zugunsten seiner höchsten Hofämter allerdings im Gegensatz zu Friedrich Franz I. von Mecklenburg-Schwerin auf eine große Zahl an Kammerherren verzichtete. Auf der anderen Seite gab es jene Fürsten, die ihren Hof zwar ebenfalls mit drei bis vier Oberchargen ausstatteten, Neubesetzungen aber aufschoben und wie der Weimarer Herzog längere Vakanzen trotz Personals in petto vorzogen. Der Gothaer Hof besaß nach dem Tod des Oberhofmarschalls Eberhard Sylvius von Frankenberg (1731–1797) und später nach dem Tod des Oberschenks Carl Rudolph von Crone zum Beispiel knapp drei Jahre lang statt den üblichen fünf nur noch zwei Oberchargen: einen Hausmarschall und den Schlosshauptmann zu Altenburg. Und auch der Darmstädter Landgraf begnügte sich mit drei bis vier Oberchargen und wartete nach dem Abgang des Hofmarschalls Franz Graf von Jenison zu Wallworth ebenfalls ganze drei Jahre, bevor er seinen langjährigen Oberschenk Wolf Siegmund Georg Uttenrodt zum Scharffenberg zum Nachfolger ernannte, um wiederum dessen

213 214

Vgl. den Schweriner Staatskalender 1790 bis 1810. Als Oberkammerherr war Julius Jürgen von Wittdorf (1714–1802) eingesetzt, nach seinem Tod folgte ihm Carl August von Moltke, der zugleich auch Oberhofmeister der regierenden Landgräfin war. Als Oberhofmarschall war bis 1792 Carl von Boyneburg gen. Hohenstein (1729–1792) tätig, ab 1793 stieg der einstige Hofmarschall Friedrich Wilhelm von Veltheim (1743–1803) zum Oberhofmarschall auf, seine Stelle als Hofmarschall wurde von Ludwig Hellmuth Heinrich von Jasmund (1748–1825) beerbt und 1798/99 an Friedrich Ludwig Graf von Bohlen (1760–1828) übergeben. Als Oberschenk fungierte jahrelang Hans Friedrich von Stockhausen (1754–1808), und im Stall stieg Carl Ludwig von Gilsä (1753–1823) vom Reisestallmeister schließlich 1803 zum Oberstallmeister auf. Vgl. die Kasseler Staatskalender von 1790 bis 1806.

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Stelle zunächst unbesetzt zu lassen.215 Carl Augusts Vakanzpolitik stellte um 1800 also durchaus keine Besonderheit im Alten Reich dar. Dennoch fällt der Weimarer Hof aus dem Rahmen des Üblichen, da keiner der anderen Fürsten seine Vakanzpolitik derart auf die Spitze trieb wie der Weimarer Herzog. Während die Positionen des Ober(hof)marschalls, des Oberstallmeisters und des Oberjägermeisters allerorts in den seltensten Fällen sofort wieder besetzt wurden, blieb das Hofmarschallamt doch an keinem anderen Hof jemals unbesetzt. Meist waren mehrere Marschälle, mindestens jedoch ein Hofmarschall oder ein Oberschenk in Diensten. Selbst der kleine Meininger Hof beschäftigte mit Franz Christian Eckbrecht Freiherr von Dürckheim (1729–1807) zumindest nominell beständig einen Oberhofmeister.216 Eine Unterbesetzung wie am Weimarer Hof, dessen Hofmarschallamt zwischen dem Sommer 1789 und Dezember 1802, d. h. mehr als zwölf Jahre lang, ohne jegliche Obercharge und allein mit einem adeligen Stellvertreter funktionieren musste, scheint einzigartig gewesen zu sein. Auslöser dieser ungewöhnlichen Personalpolitik Carl Augusts war zweifellos der Sturz des untreuen Hofmarschalls von Klinckowström, der den personellen Zukunftsplänen des Weimarer Herzogs den Boden entzog: Leonhard von Klinckowströms enormer Schuldenberg galt es nach seiner Flucht abzutragen. Dem entlassenen Hofmarschall wurde dazu von der Kammerkasse das Gehalt bis zum Frühjahr 1793 virtuell weiterhin ausgezahlt, realiter aber als Konkursmasse für seine Gläubiger einbehalten und verwaltet. Dem Weimarer Herzog standen in dieser Zeit deshalb scheinbar nur begrenzte Mittel für einen neuen Hofmarschall zur Verfügung. Da kurz zuvor die Besoldungen des Obermarschalls Friedrich Hartmann von Witzleben (1722–1788) und wenig später die des pensionierten Hofmarschalls Johann Christian Wilhelm von Schardt durch deren Tode frei geworden waren, wäre eine zeitnahe Neubesetzung aus finanzieller Sicht dennoch problemlos möglich gewesen. Der Herzog hatte jedoch keinen Nachwuchs parat. Der Freiherr von Klinckowström selbst war eigentlich als Nachfolger für den Obermarschall von Witzleben vorgesehen gewesen. Sein plötzlicher Abgang brachte die Zukunftspläne des Weimarer Herzogs völlig durcheinander. Carl August entschied sich deshalb, den Posten erst einmal vakant und den Marschallsstab jeweils unter den ausgesuchten Kammerherrn von Hendrich, von Schardt, von Wedel und von Werthern mit dem jeweiligen Dienstplan rotieren zu lassen.217 Auf diese Weise konnte er testen, wer sich am besten für die Nach215 216

217

Vgl. die Darmstädter Staatskalender von 1797 bis 1800. Da für den Meininger Hof nur begrenzt eigene Staatskalender überliefert sind, vgl. z. B. Neues genealogisches Reichs-Staats-Hand-Buch auf das Jahr 1791, S. 222; oder Neues genealogisches Reichs-Staats-Hand-Buch auf das Jahr 1804, S. 464. Bis 1798 wurde Franz Carl Freiherr von Ziegesar immer als Hofmarschall und Hofjägermeister betitelt. Möglicherweise versah er nach seiner Ernennung zum Landjägermeister aber weiterhin die Geschäfte des Hofes. Vgl. ThHStAW HMA 635, Bl. 8–10.

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folge eignen würde. Ein dreiviertel Jahr später stockte er dann wohl auch aus diesem Grunde die Zahl seiner Kammerherren auf und beförderte Christoph Ehrenfried von Hönning und Lebrecht von Luck zu Kammerherren.218 Letzterer erwies sich in der Hofökonomie bald als überaus geschickt. Der Krieg durchkreuzte dann aber jegliche weiteren Pläne. Carl August verabschiedete sich im Juni 1792 für anderthalb Jahre in den ersten Koalitionskrieg gegen die Franzosen und kam erst Mitte Dezember 1793 in seine Residenz zurück.219 Die ersten vier Jahre der Vakanz lassen sich also zum einen mit unkalkulierten internen Nachwuchsproblemen und zum anderen mit den kriegerischen Umbrüchen der Zeit erklären. Kurz nachdem Carl August wieder an seinem Hof zurückgekehrt war, widmete er sich jedoch umgehend den Personalproblemen und vertraute dem fähigsten Kammerherrn – Lebrecht von Luck – im Januar 1794 dauerhaft seine Hofführung an.220 Der Herzog entschied sich damit für den Dienstjüngsten, der in der Hierarchie der Kammerherren eigentlich ganz unten rangierte. Seine Wahl konnte folglich nicht auf internen Beförderungsmechanismen, sondern nur auf Eignung und Leistung basieren. Das allerdings schuf Probleme. Denn auch in Weimar war der Hofdienst zeremoniellkonform nach den Regeln der Anciennität gestaltet, so dass unter den Kammerherren nicht einfach der Jüngste einem Älteren befehlen konnte.221 Carl August ersann deshalb die geschickte Aufteilung der Geschäfte des Hofmarschalls: Der marschallierende Kammerherr von Luck sollte ,lediglich‘ alle täglichen Ökonomieentscheidungen, zeremoniellen Angelegenheiten und Disziplinsachen besorgen, während der Hofdienst der Kammerherren, Kammer- und Hofjunker von nun an von einem Oberkammerherrn organisiert werden sollte.222 Für Letzteres erwählte der Herzog sodann auch nicht ohne Grund den Dienstältesten. Christian Ferdinand Georg Freiherr von Werthern rangierte an der Spitze der Kammerherren und konnte damit den anderen problemlos befehlen. Der Freiherr erhielt damit den höchsten Rang unter den Hofangestellten und von Carl August zweifellos einen unstreitbar hohen Gunstbeweis. Zugleich verband sich mit dieser Entscheidung aber auch eine deutliche Zurücksetzung: Der Herzog erachtete den Freiherrn von Werthern zwar als geeignet, um die standesgemäße Aufwartung zu organisieren, die Arbeit eines Hofmarschalls traute er ihm jedoch nicht zu. Stattdessen nahm er eine Trennung der Geschäfte des Hof218 219 220 221

222

Vgl. ThHStAW HMA 415, Bl. 9. Vgl. ThHStAW HMA 4542, S. 253. Dies war zwangsläufig nötig geworden, weil im Dezember 1793 mit dem Tod des Oberstallmeisters von Stein die letzte Obercharge verloren gegangen war. Das gleiche Problem stellte sich erneut, als der jüngere Kammerherr Wilhelm von Pappenheim zum Stellvertreter des Hofmarschalls von und zu Egloffstein ernannt wurde. Das Hofmarschallamt gab deshalb eine detaillierte Anweisung heraus, wie der Dienst unter den älteren Kammerherren zu verteilen sei, wenn der Hofmarschall einmal vom Hofe abwesend sei. Vgl. ThHStAW HMA 436, Bl. 2. ThHStAW HMA 427, Bl. 1 (Zitat), ThHStAW B 25745, Bl. 1.

5.1 Führungspersönlichkeiten des Weimarer Hofes

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marschalls in Kauf, woran sich einmal mehr die Leistungsorientierung des Herzogs bei der Wahl seiner Führungspersönlichkeiten zeigt. Vor diesem Hintergrund bleibt umso fraglicher, weshalb sich Carl August in den folgenden neun Jahren nicht dazu durchringen konnte, Lebrecht von Luck zum Hofmarschall zu befördern. Spätestens nach dem Tod des Oberkammerherrn von Werthern im Sommer 1800 hätte er die Geschäfte des Hofmarschalls wieder in einer Hand vereinen können. Der Herzog ließ diese Chance jedoch ungenutzt an Lebrecht von Luck vorüberziehen. Der Kammerherr musste also irgendein Manko gehabt haben, das prinzipiell zwar nicht gravierend gewesen sein konnte, aber seinen Aufstieg verhinderte. Vielleicht verbarg sich im Luck’schen Stammbaum ein nicht zu tolerierender Fehltritt der Ahnen,223 oder aber der Herzog wollte sich schlicht nicht an einen kränklichen Menschen binden: Lebrecht von Luck zeigte schon zwei Jahre nach seiner Einsetzung in das Hofmarschallamt körperliche Schwächen.224 Seine Ernennung barg folglich das Risiko, dem Hof eine unkontrollierbare ökonomische Last aufzuladen, da ein Hofmarschall nicht mehr ohne großen Aufwand in Pension geschickt werden konnte. Womöglich hatte Carl August aus dem Beispiel des Johann Christian Wilhelm von Schardt gelernt, der unter seinem Vater als Hofmarschall tätig gewesen, von seiner Mutter Anna Amalia aber bereits 1758 pensioniert und nur noch für zeremonielle Funktionen herangezogen worden war.225 Der alte Hofmarschall von Schardt blieb zwar bis 1781 nur nominell im Amt, genoss aber bis zu seinem Tod im hohen Alter von knapp 80 Jahren – insgesamt ganze 32 Jahre lang – etliche kostspielige Vorzüge, wie zum Beispiel das tägliche Essen der fürstlichen Tafel, das er sogar bei Abwesenheit der fürstlichen Herrschaften zugestanden bekam und sich nach Hause liefern lassen durfte.226 Die frühe Pensionierung des Hofmarschalls von Schardt war – trotz der eventuell einsichtigen Gründe – für die herzogli223

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225 226

Lebrecht von Luck wurde am 27. September 1751 als Sohn der Christina Catharina von Ütterodt (Utterodt) a. d. H. Scharffenberg (bei Thal zu Friedrichsroda) (†1751) und des Eisenacher Kammerjunkers Joachim Friedrich von Luck von Buselwitz (Boguslawitz) auf Kottwitz bei Sagan (1703–1751) geboren. Die Forschung nimmt an, dass das Geschlecht der Luck von Boguslawitz von einer bürgerlichen Familie aus Oels abstammte. Vgl. Johann Ludwig Klarmann. Geschichte der Familie von Kalb auf Kalbsrieth. Mit besonderer Rücksicht auf Charlotte von Kalb und ihre nächsten Angehörigen. Erlangen 1902, S. 86f; Art. Die von Luck, in: Johann Sinapius: Des schlesischen Adels anderer Theil, oder Fortsetzung Schlesischer Curiositäten. Darinnen die Gräflichen, Freyherrlichen und Adelichen Geschlechter [. . . ]. Leipzig und Breslau 1728, S. 793–795; Art. Die von Luck, in: Johann Sinapius: Schlesischer Curiositäten erste Vorstellung, darinnen die ansehnlichen Geschlechter des schlesischen Adels (. . . ). Leipzig 1720, S. 619–623. Vgl. C. A. v. S-W-E an J. W. v. Goethe, Allstedt, 8. Dezember 1796, in: BW Wahl 1, S. 209. Seit 1798 durfte Lebrecht von Luck deshalb jedes Jahr im Sommer für mehrere Wochen eine Badreise unternehmen. Vgl. die Einträge vom 20.6.1798, 16.7.1799, 20.5.1800, 19.7.1801, 19.6.1802 in den Weimarer Fourierbüchern unter ThHStAW HMA 4547– 4551. Vgl. Berger: Anna Amalia, S. 242, 464. Vgl. z. B. ThHStAW HMA 4530, Bl. 125v.

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5. Repräsentationspolitik qua Personal. Der verpflichtete Adel des Hofes

chen Kassen also ein folgenschweres, weil kostenintensives Desaster, das dem Hof nur Kosten, aber keinen hinreichenden Nutzen bescherte. Möglicherweise hielten diese also ganz pragmatisch-finanzorientierten Überlegungen Carl August von der Ernennung ab. 227 Gleichermaßen scheint aber auch das nachhaltig geschädigte Vertrauensvermögen seitens des Herzogs eine Rolle gespielt zu haben. Leonhardt von Klinckowström hatte Carl August nicht nur mit Blick auf das Prestige des Herzogshauses in große Verlegenheit gebracht, sondern auch reichlich Grund zu berechtigtem Argwohn gegenüber der Loyalität seines höchsten Personals gegeben. Mit der Position des marschallierenden Kammerherrn besaß der Herzog dafür nun aber ein geradezu ideales Kontrollinstrument: Einerseits konnte er mit der Aussicht auf die Ernennung zum Hofmarschall immer wieder neuen Anreiz zu guter Arbeit schaffen, andererseits beließ er von Luck in der vergleichsweise fragilen Kammerherrenstellung, die durch die direkte Konkurrenz zu den anderen dienstälteren Kammerherren in einem besonderen Maße auf die Gunst des Herzogs angewiesen war. Bei Verfehlungen oder Unredlichkeiten drohte der Austausch, dem jederzeit auch die Entlassung folgen konnte. Vor diesem Hintergrund wäre es sicherlich aufschlussreich, wie sich das Verhältnis zwischen Lebrecht von Luck und dem landesfremden Wilhelm von Wolzogen gestaltete, der 1796 explizit mit der Intention angenommen wurde, den marschallierenden Kammerherrn zu ersetzen. Und auch die Beziehung zu Wolfgang von und zu Egloffstein wäre gewiss erhellend, da dieser ab 1797 offensichtlich als neuer Vertrauter von Carl August sukzessive zum neuen Hofmarschall aufgebaut wurde. Die Quellen liefern dazu jedoch kein schlüssiges Bild. Letztendlich scheinen jedoch die Kränklichkeit von Lucks und das grundsätzliche Misstrauen, das der Hofmarschall von Klinckowström nachhaltig beim Herzog verankert hatte, derart zusammengewirkt zu haben, dass dem marschallierenden Kammerherrn trotz zufriedenstellender Führung des Hofes der dazugehörige Titel versagt blieb. Dergleichen Vorbehalte pflegte der Herzog offenbar nicht mehr gegenüber dem Freiherrn von und zu Egloffstein und ernannte ihn im Dezember 1802 ohne Umschweife sofort zum Hofmarschall. Womöglich war er der Übergangslösung in seinem Hofmarschallamt mit der Zeit überdrüssig geworden. Seinen marschallierenden Kammerherrn von Luck scheint er aber zunächst nicht bedrängt zu haben, seinen Posten frei zu räumen und in Pension zu

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Die Entscheidung gegen einen regulären Nachfolger für den entlassenen Hofmarschall von Klinckowström folgte zeitlich eng auf die Entscheidung für den Neuaufbau des Schlosses. Es stellt sich deshalb die Frage, inwieweit beides einander bedingte. Immerhin bedeutete der Neuaufbau des Schlosses einen enormen Kostenaufwand, während die Vakanz der Hofmarschallstelle Kosten sparte. Da der entsprechende Aktenbestand der Finanzbehörden derzeit wegen Bakterien- und Schimmelbefall gesperrt ist, kann dieser Frage jedoch nicht nachgegangen werden

5.1 Führungspersönlichkeiten des Weimarer Hofes

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gehen. Dennoch mag es kein Zufall gewesen sein, dass ein ,richtiger Hofmarschall‘ mit allen Vollmachten in einer Hand genau dann berufen wurde, als der Neubau des einst abgebrannten Schlosses schon so weit gediegen war, dass die Türen eingehängt, die Räume aufgeteilt und die Farbgestaltung der Wände besprochen werden konnten.228 Für das Hofmarschallamt kündigten sich mit diesem fortgeschrittenen Baustand vielerlei Aufgaben für die nächsten Monate an: Es galt, den bevorstehenden Umzug in das neue Schloss zu planen, neue Instruktionen für das Personal zu entwerfen, neues Personal zu verpflichten, Gutachten über die zeremoniellgerechte Einteilung, Bestimmung und Ausstattung der Räume zu erstellen und vieles andere mehr.229 Der Herzog brauchte also dringend einen Mann, der dem kommenden Arbeitsaufwand körperlich wie geistig gewachsen war und auf den er sich in jeglicher Hinsicht verlassen konnte. Der Freiherr von und zu Egloffstein schien dafür der geeignete Kandidat. Da der Oberkammerherr von Werthern verstorben war, gab es keinen Grund mehr, die bisherige Aufgabenteilung aufrechtzuerhalten. Der Herzog machte deshalb der Zwischenlösung des marschallierenden Kammerherrn ein Ende, überwand sein Misstrauen und kehrte zum Zustand vor 1790 zurück. Möglicherweise war es aber auch der marschallierende Kammerherr von Luck, der selbst den Weg dafür frei gab und sich in Anbetracht der bevorstehenden Aufgaben zugunsten seiner Gesundheit aus dem Amt zurückzog. Diese Entscheidung hatte auch unmittelbar Auswirkung auf den Hof der Herzogsmutter. Denn der dort kommissarisch als Oberhofmeister fungierende Friedrich Hildebrandt von Einsiedel rangierte als Dienstältester in der Hierarchie der Kammerherren ganz oben und hätte als Nächster zum Oberkammerherrn ernannt werden müssen, wenn die Aufgabenteilung weiterhin beibehalten werden würde. Da es aber nun wieder einen regelgerechten Hofmarschall gab, konnte er problemlos ,aus dem Kernhof ‘ (weg)befördert werden. Zeitgleich mit der Ernennung von Wolfgang von und zu Egloffstein erhielt deshalb auch Friedrich Hildebrandt von Einsiedel seine Erhöhung zum Oberhofmeister und wechselte damit vollständig vom Kernhof in den Witwenhof Anna Amalias. Der Herzog verschaffte damit in einem Zuge sowohl dem Gesamthof als auch dem Witwenhof wieder eine normkonforme Hofführung. Die positiven Signale aus Russland spielten bei der Besetzung der Oberchargen zwar ebenfalls eine Rolle, allerdings veranlassten sie den Herzog im Falle des Hofmarschalls zunächst nicht unmittelbar zum Handeln: Wilhelm von Wolzogen schaffte es schon im Sommer 1801, die erneuten Verhandlungen über die Heirat des Thronfolgers zu einem erfolgreichen Ende zu bringen. Im Herbst 1801 ratifizierte Carl August den Ehepakt, wenig später folgte die 228 229

Der Fortgang der Bauarbeiten ist z. B. aus der Korrespondenz des Herzogs mit Goethe zu ersehen, vgl. den Briefwechsel der Jahre 1801 bis 1803, in: BW 1, S. 290 bis 323. Vgl. z. B. ThHStAW HMA 651, 1950, 1951, 1955.

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5. Repräsentationspolitik qua Personal. Der verpflichtete Adel des Hofes

Ratifikation seitens des russischen Zarenhauses.230 Die Ernennung des Hofmarschalls von und zu Egloffstein fand indes erst über ein Jahr später statt, womit ein direkter kausaler Zusammenhang ausgeschlossen werden kann. Carl August scheint vielmehr auf die baulichen Fortschritte und daraus resultierenden Erfordernisse vor Ort reagiert zu haben. Auf lange Sicht beeinflusste die bevorstehende Verbindung mit dem europäischen Herrscherhaus allerdings doch die Personalpolitik des Weimarer Herzogs. Nachdem sich Carl Friedrich und Maria Pawlowna im September 1803 endlich verlobt hatten,231 begannen die Verhandlungen über die konkreten Lebensverhältnisse der Erbprinzessin in der Weimarer Residenzstadt. Als Orientierungsvorlage dienten dabei die Schweriner „Staats-Calender“ der Vorjahre, aus denen der Umfang und die Art des Personals für die dorthin vermählte Zarentochter Elena Pawlowna entnommen wurden.232 Den Herzog brachte die zahlreiche personelle Ausstattung der Mecklenburger Erbprinzessin arg ins Zweifeln, so dass er im März 1804 bei Wilhelm von Wolzogen besorgt nachfragen ließ, ob das Zarenhaus „auf die Errichtung von Ober-Chargen, als Hofmarschall, Oberhofmeister pp bestehen“ wolle. Er war sich darüber im Klaren, dass sein regierender Hof bisher „nur eine MaitreCharge“ besaß und befürchtete nun eine unmäßige Aufstockung seines eigenen Personals. Immerhin durfte ein regierender Hof seinem erbprinzlichen Hof „nicht nachstehen, sondern [musste] ihn, wie es auch eigentlich schicklich seyn möchte, übertreffen“.233 Wenn das Zarenhaus also auf mehreren Oberchargen für Maria Pawlowna bestanden hätte, dann wäre Carl August im Zugzwang gewesen, die Zahl seiner höchsten Ämter zu erhöhen, um den gemeinsamen Hof seines Sohnes und seiner Schwiegertochter personell überflügeln zu können. Letztendlich musste der Herzog in seinem Kernhof keine weitere Obercharge neben seinem Hofmarschall von und zu Egloffstein engagieren, wenngleich er doch die Ernennung der ersten Hofdame seiner Gattin zur Oberhofmeisterin forcierte.234 Mit der beförderten Marianne von Wedel konnte der regierende Hof sodann auch mit der Ausstattung des erbprinzlichen Hofes mithalten: Carl August und Louise boten zusammen einen Hofmarschall und eine Oberhofmeisterin auf, Carl Friedrich und Maria Pawlowna hatten einen Oberhofmeister und eine Oberhofmeisterin. Angesichts des bloßen Titular-Status des erbprinzlichen Oberhofmeisters von Wolzogen konnte der regierende Hof das Thronfolgerpaar – ebenso wie es die

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Vgl. ThHStAW A 164, Vol. IV, f. 1–156. Der Herzog instruierte seinen Unterhändler von Wolzogen für den Fall, dass das Zarenhaus einen Rückzieher machen wollte, weil es ernstlich „zweifelhaft zu werden anfinge, ob man zu Erfüllung des geschlossenen EhePactes gewiß sey“. ThHStAW A 177, Bl. 3–5. Vgl. ThHStAW A 179, Bl. 30v. Ebd., Bl. 30v–31r. Vgl. ThHStAW HMA 431, Bl. 19.

5.1 Führungspersönlichkeiten des Weimarer Hofes

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Schicklichkeit forderte – letztlich sogar minimal überbieten. Dem Weimarer Herzog war das Zeremoniell also keineswegs gleichgültig und das Prinzip der dem Stand gebührende Anständigkeit wohl bekannt. Die Vakanzen der Hofspitze in den 1790er Jahren legen die Ansprüche offen, die Carl August an seinen Hof stellte. Zwar präsentieren die Quellen viele Gründen für die unbesetzten Oberchargen: Sowohl innere Faktoren, wie die notwendige Entlassung des untreuen Hofmarschalls und die Krankheit des marschallierenden Nachfolgers, als auch äußere Faktoren, wie der Koalitionskrieg, der Schlossneubau und die anstehende russische Hochzeit, spielten eine Rolle und beeinflussten die Personalpolitik. Sie alle hätten allerdings nur eine minimale Wirkung entfalten können, wenn sich der Herzog stur am Zeremoniell orientiert hätte und ausschließlich auf die äußere Wirkung seines Hofes bedacht gewesen wäre. Carl August wollte aber ganz offensichtlich keinen Hof, der nach außen mit vielen Oberchargen glänzte und blendete, im Inneren aber an Unehrenhaftigkeit und Inkompetenz krankte. Der Störfall des untreuen Hofmarschalls von Klinckowström zeigt überdeutlich, dass Carl August stattdessen einen Hof wollte, der als solcher auch reibungslos funktionierte. Zweifellos sollte der Weimarer Hof als Symbol des Ranges die Würde des Fürstenhauses repräsentieren – allerdings nicht nur zum Schein. Neben den zeremoniellen Anforderungen an die soziale Herkunft waren für den Herzog deshalb auch die Qualifikation, Leistungsfähigkeit, Ehrbarkeit und Loyalität entscheidende Kriterien, die seine Oberchargen erfüllen sollten. Eben diese Ansprüche stellten ihn aber vor Nachwuchsprobleme. Wäre ihm lediglich die altadelige Geburt wichtig gewesen, hätte er unter seinen Kammerherren sofort einen neuen Hofmarschall erwählen können. Das war aber offensichtlich nicht der Fall. Zwar fand sich mit Lebrecht von Luck bald ein neuer Leistungsträger, allerdings scheute Carl August zunächst aus Misstrauen vor der regulären Neubesetzung der machtvollen Hofmarschallsstelle zurück.235 Gute Leistung genügte nicht, um dafür alle anderen Prinzipen aufzugeben. Dennoch blieb das Leistungsprinzip essentiell. Als sich Lebrecht von Lucks Gesundheitszustand verschlechterte und dessen Arbeitskraft verminderte, kam er für Carl August als möglicher Anwärter für die Hofspitze nicht mehr in Frage. Kavaliere, die vergleichsweise hoch bezahlt wurden, sollten auch eine Dienstleistung erbringen können. Der Hof hatte bereits genügend unproduktive Pensionäre. Eine Bestrafung für körperliche Schwächen wäre aber aus moralischer Sicht unangemessen gewesen. Carl August wartete deshalb auf eine günstige Gelegenheit zum Personalwechsel, die sich mit dem anstehenden Umzug in das neue Schloss dann auch bot. Die längere Vakanzpolitik bei der Hofspitze resultierte also letztlich aus dem Wertekanon, nach dem Carl August seine Oberchargen auswählte. Der Herzog orientierte sich damit auf

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Ähnlich hatte er einige Jahre zuvor auf die Entlassung des Weimarer Kammerpräsidenten Johann August Alexander von Kalb reagiert. Vgl. Ventzke: Herzogtum, S. 476f.

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5. Repräsentationspolitik qua Personal. Der verpflichtete Adel des Hofes

seine ganz eigene Weise sowohl am Zeremoniell als auch am pragmatischen Kosten-Nutzen-Denken. In den anderen Bereichen des Hofes spielte dieser Wertekanon bei den Oberchargen zwar ebenfalls eine Rolle, die dortigen Vakanzen scheinen aber eher den zeremoniellen Gepflogenheiten, insbesondere dem Dienstalter und der daraus entsprungenen Ranghierarchie, geschuldet gewesen zu sein. Denn als im Stall, in der Jägerei und in den beiden Höfen der Herzoginnen Anna Amalia und Louise die Spitzenpositionen durch Todesfälle vakant wurden, befanden sich die jeweils in der Hierarchie nachfolgenden Adeligen beinah alle in einem vergleichsweise jungen Alter.236 In der Zeremonialwissenschaft lässt sich zwar kein Mindestalter für Oberchargen finden, der Vergleich mit anderen Höfen zeigt aber, dass die meisten fürstlichen Oberchargen bei ihrer Ernennung das 45. Lebensjahr schon überschritten hatten.237 Der Weimarer Hof konnte dies aufgrund seiner jungen Altersstruktur jedoch (noch) nicht leisten. An dieser Stelle machte sich unübersehbar die lange vormundschaftliche Regierung Anna Amalias bemerkbar. Im Gegensatz zu anderen Fürsten, die von ihren Vätern in der Regel einen reichhaltigen, weil ranggemäßen Personalstamm übernehmen konnten, hatte Carl August von seiner Mutter nur begrenzte personelle Ressourcen zur Verfügung gestellt bekommen. Anna Amalia hatte sich als Vormünderin zeremoniellkonform nicht vollwertig ausgestattet238 und ihrem Sohn deshalb neben ihren drei Oberchargen lediglich elf Kammer- und Hofjunker überlassen. Um trotz des geringen Eigenbestandes einen standesgemäßen Hof zum Regierungsantritt vorzeigen zu können, wurden zwar umgehend einige Fremde angeworben und sofort die Zahl der Pagen verdoppelt, um sich den eigenen Nachwuchs heranziehen zu können.239 Diese Maßnahmen reichten jedoch nicht aus, um den späteren Personalschwund auf höchster Ebene abfedern zu können. Wenn Carl August für seinen Stall, seine Jägerei sowie für den Hof seiner Mutter und den seiner Gemahlin hätte umgehend standesgemäße Führungspersönlichkeiten einsetzen wollen, dann hätte er entweder mit seinen eigenen Prinzipien oder aber mit dem Recht der Anciennität brechen müssen. Carl August entschied sich gegen beides und bevorzugte stattdessen für kurze 236 237

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Hildebrandt von Einsiedel zählte 26 Jahre, die erste Hofdame Marianne von Wedel 32 Jahre und der Stallmeister Friedrich von Seebach 25 Jahre. Der Mecklenburger Herzog konnte zum Beispiel aus dem Vollen schöpfen und von seinem Vorgänger etliche lang gediente und langlebige Hofchargen übernehmen, wie zum Beispiel Ludwig von Dorne (1743–1806) als Oberkammerherr oder Konrad Ignaz von Lützow (1738–1823) zunächst als Obermarschall, später als Oberkammerherr, Bernhard Joachim von Bülow (1747–1826) als Hofmarschall, Ludwig Hartwig von Both (1748– 1821) als Schlosshauptmann und Wilhelm Joachim Jaspar von Forstner (1751–1813) als Oberschenk. Bei ihrer Ernennung waren sie zwischen 42 und 52 Jahre alt. Vgl. den Schweriner Staatskalender von 1790 und 1810. Vgl. unten den Abschnitt zu den Kammerherren. Vgl. den Weimarer Staatskalender von 1776, S. 74–77.

5.2 Die Weimarer Hofdamen

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Zeit einen Hof der Vakanzen. Er setzte damit also letztlich das Zeremoniell zurück, um das Zeremoniell wahren zu können.

5.2 Die Weimarer Hofdamen Die Charge der Hofdamen war – wie auch das Amt der Oberhofmeisterin – ausschließlich an weltlichen Höfen zu finden, da sie nicht nur genuin weiblich zu besetzen, sondern auch nur den weiblichen Mitgliedern einer Fürstenfamilie zugestanden wurde. Sobald ein weltliches Fürstenhaus keine weiblichen Anverwandten – seien es Witwen, Ehefrauen, erwachsene Töchter oder Enkelinnen – mehr besaß, beschränkte sich dessen hohe, standesgemäße Aufwartung und Bedienung wie an einem geistlichen Hof ausschließlich auf adelige Männer. Am Weimarer Hof gab es im 18. Jahrhundert keinen Mangel an weiblichen Mitgliedern der Fürstenfamilie und damit stets auch Hofdamen: Anna Amalia war zwei Jahrzehnte lang die einzige fürstliche Frau des Hauses. Nach 1775 stieg die Zahl der Weimarer Fürstinnen zunächst mit Louise als Gattin des regierenden Herzogs und später mit Maria Pawlowna als Gattin des Erbprinzen an, so dass mit ihrem Eintritt in das Weimarer Fürstenhaus auch die Zahl der Hofdamen proportional anstieg.240 Ab 1790 waren zunächst vier Hofdamen pro Jahr – drei bei Louise,241 eine bei Anna Amalia – am Hof tätig. 1793 entschied sich dann Anna Amalia wieder für eine zweite Hofdame,242 so dass sich deren jährliche Gesamtzahl auf fünf erhöhte. Für das folgende Jahrzehnt sollte sich daran nichts ändern. Erst mit der Ankunft von Maria Pawlowna kamen erneut drei Hofdamen hinzu, die aber schon ab 1806 auf zwei reduziert wurden. Insgesamt gab es also mindestens vier und später höchstens sieben Hofdamenstellen. Im Schnitt standen somit jeder Fürstin des Weimarer Hofes zwei Hofdamen als hohe weibliche Bedienung bzw. standesgemäße Aufwartung zur Verfügung. Im Vergleich zu anderen Fürstenhöfen des Alten Reiches entsprach diese Anzahl durchaus dem Mittelmaß. So gehörten zum Beispiel zur Schweriner Herzogsfamilie ebenfalls drei fürstliche Damen, die sich von jeweils ein bis drei Hofdamen aufwarten ließen. Ähnlich ließen sich die Fürstinnen in Gotha, 240 241

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Die Prinzessin Caroline Louise bekam mit Henriette von Knebel eine adlige Hofmeisterin, aber keine extra Hofdame zur Verfügung gestellt. Laut Ehevertrag sollten Louise zwei bis drei Hofdamen zur Verfügung stehen. Die Verpflichtung einer dritten Hofdame resultierte jedoch aus einem eher zufälligen personellen Ausgleich zur Oberhofmeisterin. Vgl. dazu den Abschnitt zum Hof der Herzogin Louise. Auch Anna Amalia hatte seit 1775 prinzipiell zwei Hofdamen. Sie ließ einer ausgeschiedenen Hofdame aber nicht immer sofort eine neue folgen. Vgl. die Weimarer Staatskalender von 1775 bis 1807.

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5. Repräsentationspolitik qua Personal. Der verpflichtete Adel des Hofes

Darmstadt oder Kassel durchschnittlich von jeweils zwei Hofdamen bedienen.243 5.2.1 Sanftes Regiment? Die Fluktuation unter den verpflichteten Adelsdamen Obgleich es nur eine Handvoll Stellen zu besetzen gab, sah der Weimarer Hof zwischen 1790 und 1810 insgesamt fünfzehn Hofdamen kommen und gehen. Im Gegensatz zu den männlichen Hofchargen herrschte bei diesem hohen Amt also eine deutliche Fluktuation, die wie bei den niederen Dienerinnen des Hofes maßgeblich auf die Personalpolitik der regierenden Herzogin Louise zurückgeführt werden kann. Während Anna Amalia auf personelle Kontinuität setzte, nach 1790 nur einem einzigen Wechsel zustimmte und somit lediglich drei Hofdamen beschäftige,244 nahm Louise zwischen 1790 und 1810 nacheinander insgesamt acht adelige Damen in ihre Dienste. Dabei fällt allerdings auf, dass die personellen Veränderungen alle erst nach 1800 stattfanden. Zuvor gab es offenbar auch für Louise keinen Grund, ihre Hofdamen auszutauschen oder vom Dienst zu befreien. Seit 1775 genoss sie die Gesellschaft der beiden Damen Marianne Henriette von Wedel und Adelaide Waldner von Freundstein, ab 1781 erweiterte sie diesen Kreis um eine dritte Dame, Friederike von Riedesel. Diese konstante Konstellation zerbrach erst nach knapp zwei Jahrzehnten, als die Hofdame von Waldner 1800 um ihren Ruhestand bat. Louise stimmte diesem Gesuch zu und sprach ihre Hofdame nach 25 Jahren vom Hofdienst frei.245 Diese Pensionierung sollte zu einer unvorhersehbaren Zäsur werden, da die Verpflichtung der nächsten Damen, die auf die Waldnerische Stelle folgten, drei kurzfristige Intermezzi blieben. Im regelmäßigen Abstand von etwa drei Jahren – die möglicherweise die Zeitspanne bildeten, die es nach der Verpflichtung aus Anstand zu dienen galt – forderten an Louise herangetragene Heiratsgesuche eine Neubesetzung heraus: Die direkte Nachfolgerin der pensionierten Hofdame von Waldner, Amalie von Imhoff (1776–1831), wurde schon 1803 anlässlich ihrer Heirat mit dem Generaladjutanten des schwedischen Königs und Gothaer Oberstleutnant Carl Gottfried von Helvig (1765– 1845) freigestellt.246 Die beiden nachfolgenden Hofdamen, Emilie von Rot243 244

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Vgl. den Schweriner und Gothaer Staatskalender jeweils von 1790 bis 1810 sowie die Darmstädter und Kasseler Staatskalender jeweils von 1790 bis 1806. Zwischen 1790 und 1807 dienten als Hofdamen bei Anna Amalia: Louise von Göchhausen, Henriette von Wolfskeel, verh. von Fritsch (1776–1859) und Louise Sophie Amalie von Stein (1781–1855). Nur zwei Damen, Johanna Luitgarde von Nostitz und Charlotta von Stein († 1784), waren ihnen im Witwenhof vorausgegangen. Vgl. die Weimarer Staatskalender 1776 bis 1807. Vgl. den Abschnitt zu den Leistungen des Hofes für seine Hofdamen. Die Heirat erfolgte am 31. Juli 1803 auf fürstlichen Dispens. Vgl. KA WE HR HK 1803, f. 17v; ThHStAW B 25820, Bl. 83v.

5.2 Die Weimarer Hofdamen

363

berg (1787–1870) und Isabelle Waldner von Freundstein (1785–1869), taten ihr gleich und erhielten ebenfalls nach jeweils wenigen Jahren die Erlaubnis, vom Hof abdanken und in den Ehestand treten zu dürfen.247 Erst Sophie von Baumbach (1785–1869) sollte wieder eine Konstante werden und der regierenden Herzogin ab Ostern 1808 für die kommenden 15 Jahre als Hofdame dienen.248 Bereits wenige Monate nach deren Einstellung akzeptierte Louise allerdings das Pensionierungsgesuch der altgedienten Hofdame von Riedesel,249 weshalb es nun die zweite Hofdamenstelle neu zu besetzen galt. Auch hier erwies sich zunächst die Nachfolgerin Louise Eugenie von Staff (1790– 1847) als kurzfristig, da auch sie schon nach zwei Jahren einen Dispens erbat, um den bayrischen Kammerherrn Moritz August von Görtz-Wrisberg (1779– 1853) ehelichen zu dürfen.250 Erst Henriette von Pogwisch (1776–1851), die im August 1811 ihren Dienst antrat, beendete schließlich diese regen Wechsel.251 Nach fast zehn Jahren unbeständiger Besetzung fand Louise mit den beiden Hofdamen von Baumbach und von Pogwisch endlich wieder eine Konstellation,252 die über ein Dezennium Bestand haben sollte. An dieser personellen Entwicklung zwischen 1800 und 1810 lässt sich die soziale Komponente in Louises Personalpolitik deutlich ablesen. Keiner der Wechsel war durch das Ableben einer Hofdame zwangsläufig nötig geworden. Stattdessen resultierten alle aus erbetenen Freistellungen vom Hofdienst. Die Herzogin ging also auf die an sie herangetragenen Wünsche – sei es eine Pensionierung oder eine Heirat – ein und kam ihren Hofdamen stets entgegen. Sie stellte damit bis 1810 ihre eigene kontinuierliche Adelsbedienung zugunsten des Lebensglücks ihrer hohen Angestellten zurück. Dass sie durchaus die Freiheit gehabt hätte, sich dem entgegenzustellen, zeigt die Personalpolitik ihrer Schwiegermutter, die zum Beispiel ihrem marschallierenden Kammerherrn

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Emilie von Rotberg ehelichte 1805 den Weimarer Kammerjunker Carl Emil Spiegel von und zu Pickelsheim und Isabelle Waldner von Freundstein 1808 den Weimarer Kammerherrn und Oberst August Carl von Egloffstein. Vgl. ThHStAW B 25820, Bl. 83v– 85v; ThHStAW B 25825, Bl. 14v; KA WE HR HK 1805, f. 38. Vgl. ThHStAW B 25820, Bl. 85v. Allerdings ging auch sie später für eine Ehe vom Hof ab und heiratete am 18. März 1823 den königlich-portugiesischen Oberst Wilhelm Ludwig Karl von Eschwege. Vgl. KA WE HR HK 1823, f. 44. Wie zuvor schon die Hofdame von Waldner durfte auch Friederike von Riedesel nach 26 Jahren Hofdienst im Mai 1809 in den Ruhestand treten. Vgl. ThHStAW B 25820, Bl. 86v. Louise Eugenie von Staff trat ihren Dienst zu Ostern 1809 an und ging im Sommer 1811 ab, um am 1. August desselben Jahres in ihrem Geburtsort Eisenach in den Ehestand zu treten. Vgl. ThHStAW B 25820, Bl. 87v; KA WE HR HK 1811, f. 110; ThHStAW B 25825, Bl. 15. Vgl. ThHStAW HMA 440, Bl. 2v; ThHStAW HMA 347, Bl. 8r; ThHStAW HMA 4560, Bl. 66v. Diese Beständigkeit scheint die Herzogin selbst bewirkt zu haben. Vgl. die Ausführungen zu Alter und Familienstand als Auswahlkriterien der Hofdamen.

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5. Repräsentationspolitik qua Personal. Der verpflichtete Adel des Hofes

von Einsiedel eine Heirat klar untersagt hatte.253 Sicherlich bleibt dabei zu bedenken, dass Louise auf den Konsens mit ihrem Gatten angewiesen war.254 Allerdings scheint dieser die Dispensstrategie seiner Frau voll unterstützt zu haben, wobei wohl nicht unerheblich gewesen sein mag, dass in zwei Fällen die zukünftigen Ehemänner der Hofdamen aus seinen eigenen Reihen stammten und zu den Kammerherren bzw. Kammerjunkern des Weimarer Hofes zählten. Eine ähnliche Strategie verfolgte ab 1804 auch Maria Pawlowna. Der Erbprinzessin stand in den ersten Monaten nach ihrer Ankunft zwar zunächst nur eine Hofdame in Person der Livländerin Anna Maria Eleonora von Berg (1786–1821) zur Verfügung. Anfang Februar 1805 traten dann aber gleichzeitig Diana Waldner von Freundstein (1788–1844) und Friederike Caroline von Beust (1785–1845) ihren Dienst am erbprinzlichen Hof an.255 Maria Pawlowna hatte infolgedessen kurzzeitig mit drei Hofdamen die umfangreichste Standesbedienung unter den fürstlichen Frauen des Weimarer Hofes. Diese Besetzung sollte allerdings nicht länger als anderthalb Jahre Bestand haben, da sich zwei der Hofdamen bereits im September 1806 verheirateten und mit dem Ehestand vom Hof zurückziehen durften: Diana Waldner von Freundstein ehelichte am 6. September den Weimarer Kammerherrn Maximilian Rabe von Pappenheim; zwei Wochen später heiratete Maria von Berg den Gothaer Kammerherrn und Oberforstmeister Friedrich von Ziegesar (1779–1832).256 Wie Louise ließ also auch die Erbprinzessin, die unabhängig von Carl August ihre Personalentscheidungen treffen durfte, ihre Hofdamen in die Ehe ziehen. Im Unterschied zur Personalpolitik der regierenden Herzogin ist bei ihren beiden Freistellungen allerdings die Kürze des bis dahin geleisteten Hofdienstes bemerkenswert. Maria Pawlowna knüpfte offensichtlich keine zeitlichen Bedingungen an den Dispens anlässlich einer Heirat. Möglicherweise passte ihr der Abgang der beiden Damen zu der Zeit aber auch gut in ihr Personaltauschkonzept, im Zuge dessen sie in den ersten Jahren beinah das komplette weibliche Personal ihres Hofstaates erneuerte.257 Die Nachfolge der beiden Hofdamen war zumindest umgehend gesichert. Bereits am 28. September 1806 trat Constanze von Fritsch (1781–1858) ihren Dienst am Weimarer Hof an und verhinderte damit eine langfristige Vakanz.258 Maria Pawlowna verzichtete seit 1806 allerdings auf eine dritte Hofdame, glich sich somit zahlenmäßig den Verhältnissen der anderen beiden Weimarer Fürstinnen an und ließ sich nach diesen anfänglichen Wechseln während des folgenden Jahr-

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Vgl. Berger: Anna Amalia, S. 439. Laut Ehevertrag durfte sich Louise ihre weiblichen Bediensteten selbst auszusuchen, brauchte dazu aber formell die Zustimmung vom Herzog. Vgl. dazu Kapitel IV. Vgl. ThHStAW HMA 4554, Bl. 31. Vgl. KA WE HR HK 1806, f. 63, 65; ThHStAW HMA 4555, S. 178, 187. Vgl. dazu Kapitel IV, 4. Abschnitt. Vgl. ThHStAW HMA 4555, S. 196.

5.2 Die Weimarer Hofdamen

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zehnts beständig von den beiden Hofdamen von Beust und von Fritsch unter dem Vorsitz der Oberhofmeisterin Henckel von Donnersmarck standesgemäß aufwarten. 5.2.2 Die Auswahlkriterien für die Verpflichtung als Hofdame Die ständische Herkunft

Das Zeremoniell gestand Fürstinnen bei der Auswahl ihrer Hofdamen prinzipiell einen großen Entscheidungsspielraum zu und stellte keine konkreten Anforderungen bezüglich deren Fähigkeiten, wohl aber an deren soziale Herkunft. Große, ranghohe Höfe hatten auf eine gut- bzw. altadelige Geburt zu achten, während mittlere und kleinere Höfe Abstriche machen konnten, indem deren Hofdamen nur adelig geboren sein mussten.259 Da der Weimarer Hof zwar ein großer Fürstenhof, letztlich aber doch kein Kaiser-, Königs- oder Kurfürstenhof war, hätten sich seine Fürstinnen sogar der Freiheit bedienen können, ein neuadeliges Fräulein als Hofdame zu verpflichten. Alle drei Weimarer Fürstinnen machten von diesem Spielraum keinen Gebrauch. Keine einzige ihrer Hofdamen war erst zu Lebzeiten geadelt worden. Stattdessen war eher das Gegenteil der Fall: Mindestens260 sechs der fünfzehn Damen, die zwischen 1790 und 1810 in Weimar dienten, stammten aus angesehenen, altehrwürdigen Adelsgeschlechtern und hätten problemlos eine 16-fache Adelsprobe vorlegen können, um ihre exklusive Geburt bis in die Generation ihrer Ururgroßeltern lückenlos nachzuweisen.261 Gemäß der Zeremonialwissenschaft hätten sie damit durchaus in das Profil eines kurfürstlichen Hofes gepasst, wie zum Beispiel in den Dresdner Hof,262 – zumal sie allesamt entweder von gräflicher oder (reichs-)freiherrlicher Geburt waren. Diese Besetzungspolitik bei den Hofdamen, deren erste und vornehmliche Aufgabe es war, den hochadeligen Stand der bedienten Fürstin durch den eigenen hochwertigen Adelsstand augenfällig zur Schau zu stellen,263 spiegelte 259 260

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Vgl. Moser: Teutsches Hofrecht, Bd. 2, S. 160; sowie Kapitel I. Zwei Hofdamen, Caroline von Beust und Emilie von Rotberg, müssen bei der Betrachtung ausgeklammert bleiben, denn obwohl die Familienkonstellation bei beiden eine lange adlige Tradition nahelegt, war ihre Herkunft nicht eindeutig zu ermitteln. Vgl. dazu ihre Ahnentafeln im Anhang. Vgl. dazu die detaillierten Ahnentafeln der acht Hofdamen im Anhang. Die meisten dieser altadeligen Damen wurden für die regierende Herzogin verpflichtet, was sich zum einen mit der hohen Fluktuation unter ihren Hofdamen nach 1800 erklären lässt, zum anderen aber auch ihre eigene Selbstwahrnehmung preisgibt. In Dresden wurde im 18. Jahrhundert die 16-fache Ahnenprobe für die Verpflichtung am Hofe vorausgesetzt. Das galt vom Pagen bis zum Kammerherrn. Vgl. Teutsches Hofrecht, Bd. 1, Anlage, S. 324–326; ThHStAW HMA 446, Bl. 13–14. Vgl. dazu ausführlich Kapitel I.

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5. Repräsentationspolitik qua Personal. Der verpflichtete Adel des Hofes

somit unmissverständlich das ranghohe Selbstverständnis der Weimarer Fürstinnen wider. Indes waren nicht alle Hofdamen von derart ausgezeichneter Herkunft. Sieben Damen konnten keinen jahrhundertealten rein adeligen Stammbaum vorzeigen. Bei vier von ihnen finden sich Bürgerliche in der Generation der Urgroßeltern, so dass sie erst seit drei Generationen dem Adelsstand angehörten.264 Die altadeligen Hofdamen konnten dagegen mindestens vier Adelsgenerationen vorweisen. Die Herkunft der übrigen drei nicht altadeligen Damen war hingegen sehr individuell: So hatte zum Beispiel Louise Eugenie von Staff eine besondere Verbindung zum Weimarer Fürstenhaus, da ihre Großmutter Ernestine Auguste Wilhelmine von Brenn (1730–1772) eine uneheliche, aber anerkannte Tochter des Weimarer Herzogs Ernst August I. war.265 Das Fräulein von Brenn erhielt vom Weimarer Fürstenhaus eine regelmäßige finanzielle Versorgung, die selbst nach ihrer Heirat mit dem Leutnant Christian Heinrich Wilhelm von Voß (1730–1771) nicht abbrach.266 Anna Amalia hatte als vormundschaftlich regierende Schwiegertochter von Ernst August nachweislich die Unterstützung der Familie von Voß während ihrer Regierungszeit weitergeführt. Es liegt folglich nahe, dass Louise Eugenie von Staff als Enkelin der illegitimen Herzogstochter die Hofdamenstelle bei Louise auf Betreiben von Anna Amalia zugesprochen bekam. Die Abstammung scheint hier also in ganz eigener Art und Weise zum Tragen gekommen zu sein. Die Herkunft der Constanze von Fritsch scheint ebenfalls bemerkenswert, da sie unzweifelhaft den kürzesten Adelsstammbaum besaß und ihre Familie erst seit zwei Generationen dem Adelsstand angehörte, in den 1730 ihr Großvater Thomas (von) Fritsch (1700−1775) erhoben worden war.267 Dessen ungeachtet konnte der Weimarer Hof mit ihr dennoch seinen hohen Fürstenrang symbolisieren. Die sächsischstämmige Familie Fritsch hatte es innerhalb zweier Generationen geschafft, zunächst in den untitulierten Adelsstand, dann in den Freiherrenstand und schließlich in den Grafenstand aufzusteigen. Anstelle einer generationsreichen Tradition konnte sich die Hofdame von Fritsch dadurch mit einem gräflichen Titel schmücken, der für jedermann ohne großen Aufwand bereits bei ihrer Benennung ersichtlich wurde und die hohe Geburt ihrer Herrin Maria Pawlowna repräsentierte. Sehr wahrscheinlich wurde Constanze von Fritsch gerade deswegen zur Hofdame der Erbprinzessin erwählt. Sie passte damit in das Auswahlmuster von 264 265 266

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Vgl. die Ahnentafeln von Maria von Berg, Amalie von Imhoff und Louise von Göchhausen im Anhang. Vgl. die Ahnentafel von Louise Eugenie von Staff im Anhang. Zur Versorgung der unehelichen Kinder Ernst Augusts vgl. Stefanie Walther: Die (Un-)Ordnung der Ehe. Normen und Praxis ernestinischer Fürstenehen in der Frühen Neuzeit. München 2011, S. 241–250, hier bes. 249; Wolfgang Huschke: Herkunft und Schicksale des Geschlechts der Freiherren von Brenn, in: Familie und Volk. Zeitschrift für Genealogie und Bevölkerungskunde, Jg. 1962, S. 105–114. Vgl. dazu Kreutzmann: Lebenswelt, S. 482.

5.2 Die Weimarer Hofdamen

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Maria Pawlowna, die nach der untitulierten Maria von Berg, die sie aus der Heimat mitgebracht hatte, ausschließlich Gräfinnen in ihr Gefolge aufnahm. Hinsichtlich der ständischen Anforderungen zählte in Weimar also offenbar nicht nur die generationsreiche Herkunft, sondern alternativ auch der Rang innerhalb des Adelsstandes. Vor diesem Hintergrund wird die Ausrichtung der Personalpolitik des Weimarer Hofes noch einmal deutlich. Von den insgesamt 15 Hofdamen gehörten nur vier dem untitulierten Adel an. Die übrigen elf Damen trugen den Titel einer Gräfin oder (Reichs-)Freiin. Sie waren damit ein ganzes Stück von dem entfernt, was die Zeremonialwissenschaft für mittlere, d. h. fürstliche Höfe einforderte. Die Weimarer Fürstinnen schienen sich an den Ansprüchen für große Höfe orientiert zu haben. Mit diesen Präferenzen fügten sie sich nahtlos in die personelle Repräsentationsstrategie Carl Augusts ein, der mit seinem Hof bewusst und nachdrücklich seinen hohen Rang unter den weltlichen Fürsten des Reiches zu präsentieren und abzugrenzen suchte. Das elementarste Kriterium, dem eine Hofdame am Weimarer Hof genügen musste, speiste sich demnach aus dem hochadeligen, zeremoniellen Selbstverständnis der Weimarer Fürstinnen und kam in dem Bestehen auf einer adeligen Herkunft, die mehrere Generationen alt war, oder alternativ dem Adelstitel der Aspirantinnen zum Ausdruck. Heimat, Familie und soziales Netzwerk

Anna Amalia und Louise wählten ihre Hofdamen nicht allein nach dem Stand. Sie ließen sich darüber hinaus auch von ihrer eigenen heimatlichen Verbundenheit und dem Glauben an familiäre Loyalität leiten. Beide Fürstinnen brachten deshalb – wie es üblich war268 – mit ihrem Umzug nach Weimar eine Hofdame aus ihrer Heimat mit und schöpften danach bei der Suche nach Nachfolgerinnen aus deren jeweiligem familiären Umkreis. Nachdem zum Beispiel Anna Amalia ihre langjährige Hofdame Johanna Luitgarde von Nostitz (1721–1790), von der sie 1756 nach Weimar begleitet worden war, nach über 20 Jahren Hofdienst in den Ruhestand entlassen hatte,269 besetzte sie deren Stelle nach längerer Vakanz mit deren Nichte

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Bevor Maria Pawlowna nach Weimar kam, ließ Carl August anfragen, „ob schon eine Hof-Dame für die Grosfürstin erwählt worden, oder wenn auch die Person noch nicht bestimmt, ob man doch geneigt sey von dort eine solche mitzunehmen“. In Weimar wurde das Mitbringen einer Hofdame also erwartet. Letztendlich entschied sich die Erbprinzessin, Maria von Berg mitzunehmen. Vgl. ThHStAW A 179, Bl. 65v. Desgleichen wurde der Abgang der Tochter des Hauses, Prinzessin Caroline Louise, gehandhabt. Sie erwählte das Fräulein Johanne von der Tann als Begleitung an den Mecklenburger Hof nach ihrer Vermählung im Juli 1810. Vgl. ThHStAW HMA 4559, S. 124; Mecklenburger Staatskalender von 1811, S. 52. Vgl. Berger: Anna Amalia, S. 401, 405.

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5. Repräsentationspolitik qua Personal. Der verpflichtete Adel des Hofes

Louise von Göchhausen.270 Und auch die regierende Herzogin Louise griff auf die familiären Ressourcen ihrer einst mitgebrachten Hofdame Adelaide Waldner von Freundstein immer wieder zurück und verschaffte drei Mitgliedern des weit verzweigten Familienclans derer von Rotberg-Waldner271 eine Anstellung als Hofdame am Weimarer Hof: Emilie von Rotberg sowie den beiden Schwestern Isabelle und Diana Waldner von Freundstein.272 Im Gegensatz zu Anna Amalia, die ihre späteren Hofdamen aus dem eigenen Herzogtum und aus Württemberg bezog,273 ließ sich Louise bei der Wahl ihrer hohen Bedienung zudem vornehmlich von ihrer Heimatverbundenheit leiten. Sowohl Friederike von Riedesel als auch Sophie von Baumbach kamen aus alten hessischen Adelsfamilien,274 womit inklusive der drei Damen aus dem Rotberg-Waldner-Clan insgesamt fünf von acht Louises Hofdamen aus deren Heimat Hessen bzw. aus dem Elsass stammten. 275 Anna Amalia und 270

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Louise von Göchhausens Mutter, Charlotta Christiana geb. von Nostitz (1719–1793), war die Schwester der Hofdame Johanna Luitgarde von Nostitz. Vgl. Sandra Czaja: Art. Luise Ernestine Christiane Juliane von Göchhausen (1752–1807), in: Freyer/Horn/ Grochowina: FrauenGestalten, S. 151–156. Die Mitglieder der beiden altadeligen Geschlechter Waldner von Freundstein und von Rotberg wurden über mehrere Generationen immer wieder miteinander verheiratet. So war bereits die Mutter der Hofdame Adelaide Waldner von Freundstein eine geborene von Rotberg. Die Tochter ihres Bruders, Christian Waldner von Freundstein (1740– 1793), ehelichte dann erneut in die Rheinweiler Linie des Geschlechts ihrer Großmutter ein und verband sich mit Friedrich August von Rotberg (1758–1813), dem Vater der späteren Hofdame Emilie von Rotberg. Vgl. Edmund von der Becke-Klüchtzner: Stammtafeln des Adels des Großherzogtums Baden. Baden-Baden 1886, S. 379–380, 382, 522; Stefanie Freyer: Art. Adelaide Waldner von Freundstein, in: Freyer/Horn/ Grochowina: FrauenGestalten, S. 373–375. Isabelle und Diana Waldner von Freundstein waren sowohl müttlicher- als auch väterlicherseits mit etlichen Weimarer Hofadligen verwandt. Im gleichen Jahr, in dem sie jeweils bei Louise und Maria Pawlowna in den Dienst traten, wurde auch ihre junge Tante, Louise von Stein, bei Anna Amalia eingestellt. Der Oberforstmeister Wilhelm von Stein war ebenfalls ein Bruder ihrer Mutter Friederike Elisabeth von Stein zu Nord- und Ostheim (1765–1797). Ihr Vater Gottfried Waldner von Freundstein war zudem ein Vetter der einstigen Hofdame Adelaide Waldner von Freundstein. Vgl. die entsprechenden Ahnentafeln im Anhang. Louise von Stein stammte aus Nordheim im Grabfeld, und Henriette von Wolfskeel wurde in Stuttgart geboren. Vgl. Marko Kreutzmann: Art. Henriette Antonia Albertine Freiin Wolfskeel von Reichenberg, verh. von Fritsch (1776–1856), in: Freyer/Horn/ Grochowina: FrauenGestalten, S. 397–399; ders.: Luise Auguste Friederike Amalie von Ziegesar, geb. Freiin von Stein zu Nord- und Ostheim (1781–1855), in: ebd., S. 405–407. Auch diese beiden Familien hatten sich in früherer Generation miteinander verbunden: Friederike von Riedesels Urgroßvater, Adolf Friedrich von Baumbach-Tannenberg auf Binsförth (1647–1725), war der Bruder von Adam Wilhelm von Baumbach-Tannenberg (1640–1684), der wiederum der Ururgroßvater der Hofdame Sophie von Baumbach war. Vgl. die beiden Ahnentafeln im Anhang. Bei den übrigen drei nicht aus Hessen stammenden Hofdamen von Louise kam dagegen ebenfalls das Kriterium der verwandtschaftlichen Loyalität zum Tragen: Marianne von Wedel war die Nichte des einstigen Weimarer Prinzenerziehers Johann Eustachius Graf von Schlitz, genannt von Görtz. Amalie von Imhoff war die Nichte der berühmten Hof-

5.2 Die Weimarer Hofdamen

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Louise besetzten ihre Hofdamenstellen zum Großteil also nicht mit adeligen Landestöchtern, sondern überwiegend mit untereinander verwandten Damen aus dem Ausland. Für Maria Pawlowna waren dagegen Kriterien wie Heimatverbundenheit oder Familienloyalität bei der Wahl ihrer Hofdamen nur bedingt entscheidungsrelevant. Zwar brachte auch sie eine Hofdame aus der Heimat mit nach Weimar, allerdings verpflichtete sie dort dann zusätzlich zwei deutsche Damen in Person der ursprünglich aus dem fränkischen Konradsreuth stammenden Gräfin von Beust und des hessischen Fräuleins Waldner von Freundstein. Letzterer stimmte die Erbprinzessin sicherlich auf Empfehlung ihrer Schwiegermutter Louise zu, die zur gleichen Zeit deren Schwester ebenfalls als Hofdame bei sich annahm. Von Ersterer ist dagegen ein aufschlussreicher Briefwechsel überliefert, der einen bemerkenswerten Einblick in den Auswahlprozess einer Hofdame gewährt, die keine direkte Verwandtschaft am Weimarer Hof hatte: Am 21. November 1804 sandte Caroline von Beust eine Art Bewerbungsschreiben ins Schloss, in dem sie berichtete, von der aktuellen Suche nach einer Hofdame für Maria Pawlowna gehört zu haben und an einer entsprechenden Position am Hofe interessiert zu sein.276 Seit sie „Ihro kaiserliche Hoheit unsere Erbprinzeß“ persönlich kennengelernt habe, sei „der Wunsch ihr näher zu seyen, erst recht lebendig“ geworden.277 Sie bat deshalb charmant um die Unterstützung des Adressaten.278 Inwieweit Caroline von Beust tatsächlich einen Herzenswunsch äußerte oder die einzigartige Chance auf eine Hofstelle umgehend zu nutzen gedachte, muss hier dahingestellt bleiben. Zweifellos hatte sie die gleichaltrige Erbprinzessin schon persönlich getroffen, ihr mit Sicherheit ihre Aufwartung gemacht und dabei möglicherweise bereits die Gelegenheit gehabt, einige Worte mit ihr zu wechseln. Maria Pawlowna verweilte zu diesem Zeitpunkt zwar seit gerade erst zehn Tagen in der Residenzstadt. Allerdings waren im Zuge der vielfältigen höfischen Festlichkeiten zu Ehren des heimgekehrten Brautpaares unzählige adelige Gäste ohne Hofamt an den Hof geladen worden, unter denen sich auch Caroline von Beust befand. Ihre Einladung war nichts Ungewöhnliches, da sie bereits als Jugendliche am Weimarer Hof verkehrt hatte. Sie befand sich dabei meist in Begleitung ihrer Mutter Eleonore Louise von Reitzenstein, geb. von Plotho (1748–1810), oder ihrer Schwester Christiane Henriette (Tinette)

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dame Anna Amalias, Charlotte von Schardt, später verh. von Stein (1742–1827), und Eugenie von Staff war die Tochter des Weimarer Kammerherrn und Oberforstmeisters Christian Friedrich August von Staff. Vgl. C. v. Beust an Unbekannt, Weimar, 21. November 1804, in: ThHStAW HA A XXV, B 134, Bl. 1f. Ebd., Bl. 1r. Die Identität des Adressaten ließ sich nicht eindeutig ermitteln. Aus der Korrespondenz wird deutlich, dass er männlich ist, am Weimarer Hof für Maria Pawlowna Dienst tat und jenen höheren Adelskreisen angehörte, die mit „Euer Hochwohlgeboren“ adressiert wurden.

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5. Repräsentationspolitik qua Personal. Der verpflichtete Adel des Hofes

von Reitzenstein (1784–1837), die zu den engsten Jugendfreundinnen der Prinzessin Caroline Louise zählte.279 Auch nach ihrer Heirat 1801 blieb die nunmehrige Gräfin von Beust im Umkreis des Hofes und wurde gelegentlich gemeinsam mit ihrem Gatten, Friedrich August Leopold Graf von Beust (1776–1802), zur fürstlichen Tafel geladen. An den ersten beiden feierlichen Cour-Sonntagen anlässlich der Hochzeit des Erbprinzenpaares 1804 erschien sie deshalb auch am Hofe und speiste nachweislich direkt an der Tafel der Erbprinzessin.280 Ein erster Kontakt war also durchaus möglich gewesen, womit das Schreiben auf einen Tatsachenbestand rekurrierte. Wesentlich interessanter scheint jedoch die darin zum Tragen kommende Erwartungshaltung, dass der Adressat die Wahl der Hofdame maßgeblich beeinflussen könne. Caroline von Beust richtete ihr Schreiben nicht direkt an Maria Pawlowna oder an ein anderes Mitglied der fürstlichen Familie, sondern wählte eine Person aus, von der sie überzeugt war, „daß Ihr Wort vieles vermag“ und sie deshalb berechtigt hoffen ließ, „das Glück [zu] haben (. . . ) Ihro kaiserliche Hoheit nicht zu mißfallen“.281 Dieses Vertrauen lässt auf ein etabliertes Empfehlungssystem schließen, das der Wahl der Hofdamen zugrunde lag. Offenbar suchte Maria Pawlowna nicht selbst aktiv nach neuen Hofdamen, sondern ließ ihre entsprechende Absicht am Hof bekannt machen, um sich dann von ihrem engeren Umkreis geeignete Damen empfehlen zu lassen. Es war also möglich, sich auch ohne verwandtschaftliche Beziehungen zu Hofangestellten von außen in Erinnerung zu rufen bzw. sich als Aspirantin ins Gespräch zu bringen. Voraussetzung dafür war aber zum einen die Information über die anstehende Personalsuche und zum anderen eine geeignete Mittelsperson am Hof, die eine Empfehlung hätten aussprechen können. Ohne jedwede soziale Kontakte zum bestehenden hohen Hofpersonal war es schwierig, wenn nicht gar unmöglich, in dem Auswahlprozess bedacht zu werden. Caroline von Beust besaß aber ganz offensichtlich diese Kontakte zum Hof und stand in deren Gunst: Im Februar 1805 trat sie ihren Dienst bei der Erbprinzessin an. Die Empfehlung jener Personen, die den Weimarer Fürstinnen nahe standen und deren Urteil geschätzt wurde,282 waren demnach bei der Wahl 279

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Vgl. z. B. ThHStAW HMA 4550, S. 216; ThHStAW HMA 4552, S. 62. Zur Freundschaft zwischen der Prinzessin Caroline Louise und Henriette von Reitzenstein vgl. Lily von Gizycki [= Amalia von Kretschmann, verh. Braun]: Deutsche Fürstinnen. Berlin 1893, S. 4; Stefanie Freyer: Art. Christiane Henriette (Tinette) von Reitzenstein (1784–1837), in: Freyer/Horn/Grochowina: FrauenGestalten, S. 263–266. Vgl. ThHStAW HMA 4553, Bl. 122r. C. v. Beust an Unbekannt, Weimar, 21. November 1804, in: ThHStAW HA A XXV, B 134, Bl. 1v. Wenngleich die vorausgegangene Korrespondenz der Gräfin einen Ausnahmefall der Überlieferung darstellt, lässt sich auch für andere Weimarer Hofdamen eine ähnlich erfolgreiche Einflussnahme von – allerdings zumeist verwandten – Fürsprechern nachweisen. So erhielt zum Beispiel auch Marianne von Wedel ihre Hofdamenstelle auf Betreiben ihres Onkels, des einstigen Prinzenziehers Johann Eustachius Graf von Schlitz gen. Görtz. Vgl. Carius: Wedel, S. 376.

5.2 Die Weimarer Hofdamen

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der Hofdamen ausschlaggebend. Die verwandtschaftliche Anbindung konnte somit durch die soziale Vernetzung mit dem hohen Personal des Weimarer Hofes substituiert werden. Gleichwohl scheint dabei wiederum das meist über mehrere Generationen und Linien kooperierende adelige Familiennetzwerk der Aspirantinnen eine nicht unerhebliche Rolle gespielt zu haben. Denn gerade jene drei Hofdamen, die keinen direkten Verwandten unter den hohen Weimarer Hofbediensteten aufweisen konnten, besaßen doch ein oder mehrere Familienmitglieder, die mit dem Weimarer Fürstenhaus persönlich bekannt und bisweilen am Weimarer Hof präsent gewesen waren. So besuchte zum Beispiel ein Onkel Sophie von Baumbauchs bereits lange Zeit vor ihrer Anstellung den Weimarer Hof.283 Seit 1796 kam der Obristleutnant Ernst Freiherr von Baumbach im Zuge seiner Tätigkeit als Gouverneur für den Neffen der Herzogin Louise, Ludwig von Hessen-Darmstadt, sogar regelmäßig nach Weimar, da der hessische Erbprinz während seiner Studienzeit284 in Leipzig mindestens einmal im Jahr die Gelegenheit nutzte, seiner Tante am Weimarer Hof aufzuwarten.285 Der Freiherr von Baumbach fand bei diesen Visiten offenbar nachhaltig Anklang, denn im Juli 1800 revanchierte sich Carl August mit einem Kurzbesuch bei dem Obristleutnant in dessen heimischem Reichensachsen unweit von Eschwege.286 Als Sophie von Baumbach schließlich am 5. Mai 1808 in Weimar eintraf, um ihren Dienst als Hofdame bei der regierenden Herzogin anzutreten, wurde sie nicht wie die meisten anderen Damen von einem Elternteil, sondern von ihrem Onkel Ernst begleitet, weil ihr Vater, der Landrat Ludwig von Baumbach (1755–1811), zu diesem Zeitpunkt bereits schwer erkrankt war.287 Der lebenslang unverheiratete Ernst von Baumbach sollte die Vaterrolle nach dem Tod seines Bruders später auch für dessen andere Kinder übernehmen.288 Bei der Entscheidung für die Verpflichtung Sophie von Baumbachs als Hofdame scheint also die lang zurückreichende Bekanntschaft ihres Onkels mit dem Weimarer Hof kaum unbedeutend gewesen zu sein. Eine ähnliche Kon283

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Der ritterschaftliche Obereinnehmer Friedrich (Fritz) von Baumbach war der Älteste der drei Brüder von Sophie von Baumbachs Vater. Er besuchte den Weimarer Hof am 20. April 1801 zusammen mit seinem Bruder Ernst von Baumbach. Vgl. ThHStAW HMA 4550, S. 72. Zu den verwandtschaftlichen Beziehungen siehe: Ludwig Carl Wilhelm von Baumbach-Kirchheim, geb. 22.04.1799 – gest. 26.01. 1883, Erinnerungen aus dem Leben eines hochbetagten Mannes. Zusammengestellt von Wilhelm Steifensand, o. O. o. J, S. 3. Die landgräfliche Familie von Louises Bruder war 1795 vor der französischen Armee nach Eisenach geflüchtet. Um auch den Sohn und Thronfolger vor den drohenden Gefahren der Revolutionsarmee zu schützen, wurde er zum Studium nach Leipzig geschickt. Vgl. Kollbach: Aufwachsen bei Hof, S. 165f. Ernst von Baumbach war am 3.4.1796, 14.4.–24.4. und 4.11.1797, 22.6. und 15.12.1798, 2.7.1799 gemeinsam mit dem Darmstädter Erbprinzen am Weimarer Hof. Danach kam er mindestens alle zwei Jahre allein zu Besuch. Vgl. ThHStAW HMA 4545–4567. Vgl. ThHStAW HMA 4549, S. 128. Vgl. Erinnerungen aus dem Leben eines hochbetagten Mannes, S. 3. Vgl. ebd., S. 3–4.

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5. Repräsentationspolitik qua Personal. Der verpflichtete Adel des Hofes

stellation lässt sich auch für Friederike von Riedesel zu Beginn der 1780er nachweisen.289 Die soziale, nichtverwandtschaftliche Vernetzung zu den hohen Weimarer Hofadeligen kann als Kriterium bei der Auswahl der Hofdamen also dahingehend präzisiert werden, dass sie offenbar nur in Verbindung mit der eigenen Präsenz wirksam wurde – wie im Falle der Gräfin von Beust – oder aber durch ein mit dem Hof bekanntes und geschätztes Familienmitglied substituiert werden musste – wie im Falle der Fräulein von Riedesel und von Baumbach. Persönliche Vertrautheit?

Der Blick auf die persönlichen Bekanntschaftsgrade zwischen den zukünftigen Hofdamen und ihren Herrinnen stellt einen weiteren Unterschied zwischen den Personalstrategien der drei Weimarer Fürstinnen heraus: Louise und ihre Schwiegertochter Maria Pawlowna versuchten stets, langfristige Vakanzen ihrer Hofdamenstellen zu vermeiden und ließen, sobald eine Hofdame den Hof für eine Heirat oder Pensionierung verlassen hatte, umgehend eine Nachfolgerin ihren Dienst antreten. Von den meist aus dem Ausland stammenden Damen hatten die wenigsten den Weimarer Hof bereits zuvor besucht, so dass der Arbeitsbeginn fast immer zum unmittelbar ersten persönlichen Kontakt wurde.290 In den seltensten Fällen ging einer Verpflichtung bei Louise oder Maria Pawlowna ein Kennenlernen in persona voraus. Ausnahmen bildeten die Gräfin von Beust, das in Weimar lebende Fräulein von Imhoff und das aus Eisenach stammende Fräulein von Staff. Allerdings scheinen auch die beiden letzteren Damen vor ihrer Anstellung nur sporadisch mit dem Hof und der Fürstenfamilie vertraut gewesen zu sein. Aufgrund dieser Fremdheit lassen sich folglich all jene Motive als maßgebliche Kriterien ausklammern, die auf die individuelle Persönlichkeit der Hofdamen zielten, wie zum Beispiel Zuneigung oder ansprechende äußere Merkmale. Sympathie oder Schönheit spielten für Louise und Maria Pawlowna bei der Wahl ihrer Hofdamen offensichtlich keine Rolle. Bei Anna Amalia scheint dagegen der persönliche Kontakt zumindest im Falle der Louise von Göchhausen ausschlaggebend gewesen zu sein. Im Gegensatz zu den beiden anderen Weimarer Fürstinnen zeigte Anna Amalia keinerlei Zwang oder Bestreben, einer anhaltenden Vakanz aus dem Weg zu gehen. Zwar hatte sie laut Ehevertrag als regierende Herzogin ebenfalls ein Anrecht auf zwei bis drei Hofdamen, allerdings gab es keine entsprechende Regel für den Witwenstand,291 so dass sie letztendlich selbst entscheiden konnte, mit wie vielen und mit welchen Hofdamen sie sich umgab.292 Von dieser Freiheit machte sie ausgiebig Gebrauch und ließ sich nach der 1778 289 290 291 292

Vgl. ThHStAW HMA 4528, Bl. 95v. Vgl. ThHStAW HMA 4539–4559. Vgl. ThHStAW A 157, Bl. 179–189. Vgl. dazu die Ausführungen zu Anna Amalias Hof im Kapitel IV.

5.2 Die Weimarer Hofdamen

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vollzogenen Pensionierung ihrer Hofdame von Nostitz ganze vier Jahre Zeit, bevor sie sich erneut zur Verpflichtung einer zweiten Hofdame neben ihrer nunmehr ersten Hofdame Charlotta von Stein entschied. Während dieser Zeit verzichtete sie allerdings nicht auf die entsprechende Aufwartung und Gesellschaft, sondern nahm bereits die Dienste der Louise von Göchhausen in Anspruch – ohne diese allerdings mit dem entsprechenden Titel und Amt abzusichern.293 Erst Ende 1782 erhob sie das Fräulein von Göchhausen offiziell zu ihrer zweiten Hofdame und gestand ihr damit alle Rechte und Pflichten einer adeligen Hofangestellten zu.294 Scheinbar noch zögerlicher verhielt sich Anna Amalia, als Charlotta von Stein im Oktober 1784 im Alter von 50 Jahren verstarb. Die Herzogsmutter ließ daraufhin ihre zweite Hofdamenstelle über neun Jahre lang unbesetzt.295 Erst im Juli 1793 verpflichtete sie mit der erst knapp 17-jährigen Henriette von Wolfskeel eine zweite Hofdame. Da sie dieses Mal allerdings auf eine längere Probezeit verzichtete und bereits nach einem Vierteljahr die reguläre Besoldung bezahlte,296 fällt es schwer, der Herzogsmutter bei der Auswahl ihrer Hofdamen grundsätzlich eine Fokussierung auf bestimmte Fähigkeiten oder Sympathien zu unterstellen, obwohl dies bei Louise von Göchhausen durchaus der Fall gewesen sein mag. Die beinah übereilt wirkende Verpflichtung der Henriette von Wolfskeel scheint dementsprechend erklärungsbedürftig – insbesondere nachdem Anna Amalia fast ein ganzes Jahrzehnt nur mit Louise von Göchhausen vorlieb genommen hatte. Warum entschied sich die Herzogsmutter 1793 so spät oder vielmehr so plötzlich erneut für eine zweite, zudem sehr junge Hofdame aus Württemberg? Die Forschung interpretierte die jahrelangen Pausen bzw. Vakanzen der zweiten Hofdamenstelle bisher als bewusste und vernünftige Sparmaßnahme, mit der Anna Amalia entsprechenden Aufforderungen ihres Sohnes gefolgt sei.297 Wenngleich Carl August seine Mutter später während ihrer Italienreise 1788/89, insbesondere aber nach 1801 tatsächlich und angesichts ihrer

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Louise von Göchhausen war zwar in Eisenach geboren, aber in Weimar aufgewachsen und 1768 im Alter von 16 Jahren als Hofdame in den Dienst der badischen Markgräfin Caroline Louise getreten. 1775 kehrte sie aus Karlsruhe nach Weimar zurück und wurde Anna Amalias Gesellschafterin ohne Amt. Ihr erster Besuch an der Tafel des regierenden Hofes nach ihrer Rückkehr nach Weimar lässt sich auf den 29. Juni 1779 datieren. Vgl. ThHStAW HMA 4528, Bl. 67r; Czaja: Göchhausen, S. 151; Berger: Anna Amalia, S. 405. Vgl. ThHStAW HMA 4531, Bl. 142r. Vgl. KA WE SR SK 1784, f. 181v; Weimarer Staatskalender von 1784 bis 1794. Im Juli 1793 gratulierte Carl August seiner Mutter zur neuen Hofdame, am 11. August speiste diese zum ersten Mal am regierenden Hof. Ab Michaelis 1793 erhielt sie für den Rest des Jahres anteilig ihre Besoldung in Höhe von 165 Reichstalern. Vgl. ThHStAW A 990 (SchatullRechnung von 1793); ThHStAW HMA 4542, S. 149; C. A. v. S-W-E an A. A. v. S-W-E, vor Mainz, 18. Juli 1793, in: Bergmann BW, S. 128–128; C. A. v. S-W-E an A. A. v. S-W-E, Frensheim, 10. August 1793, in: ebd, S. 129–130. Vgl. Berger: Anna Amalia, S. 405.

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5. Repräsentationspolitik qua Personal. Der verpflichtete Adel des Hofes

überzogenen Schatullbilanzen auch berechtigt zum Sparen aufrief,298 scheint diese Erklärung für das Jahr 1784 verfrüht. Als Mutter und Sohn in jenem Jahr den Tod der Charlotta von Stein in ihrer Korrespondenz mit zwei Zeilen thematisierten, wünschte sich Carl August lediglich – aber doch ganz unverblümt –, dass zu den beiden Verstorbenen299 „nur noch etliche Pensionärs dazu ab[gingen]“.300 Darin einen Sparappell zu lesen und auf dieser Grundlage die Vakanzen zu erklären, scheint ein wenig überspannt,301 zumal Anna Amalia selbst in Zeiten deutlich knapperer Kassen nach 1800 ihrem Verlangen nach Geselligkeit und Tafelrunden stets Vorrang über ihre finanziellen Möglichkeiten einräumte und sich nur bedingt einem Sparzwang unterwerfen ließ.302 Warum sollte sie sich dann also in Zeiten, in denen tatsächlich noch keine finanzielle Bedrängnis vorlag, von einer eventuell zukünftigen Kassenschieflage dazu motivieren lassen, auf eine zweite Hofdame zu verzichten? Angesichts der Umstände, unter denen Henriette von Wolfskeel 1793 verpflichtet wurde, scheint Anna Amalia vielmehr die Besetzung der zweiten Hofdamenstelle lange Zeit nie ernsthaft in Betracht gezogen zu haben.303 Erst als Louise von Göchhausen deutliche Anzeichen von Gicht304 aufwies und dadurch in der Ausübung ihrer Tätigkeit als Gesellschafterin wohl zeitweise eingeschränkt war, traf die Herzogsmutter die Entscheidung, wieder eine zweite Hofdame an sich zu binden. Diese zeitliche Koinzidenz von Berufung und Krankheit bietet eine – wenngleich auch wesentlich unspektakulärere – Alternative zur etwas fragwürdigen Erklärung der Vakanzen als vernünftige Sparmaßnahme. Möglicherweise war Anna Amalia zuvor mit nur einer Hofdame vollauf zufrieden gewesen und hatte zehn Jahre lang schlicht und einfach keinen Bedarf, sich auf eine weitere Person in ihrem Hofhaushalt einzulassen. Im Vergleich zu anderen Witwenhöfen wäre sie damit keine Ausnahme gewesen: Anna Amalias Schwester, Sophie Caroline von Brandenburg-Bayreuth, 298 299 300 301 302 303

304

Vgl. ebd., S. 395, 398, Anm. 49. Kurze Zeit zuvor war auch Louises Oberhofmeisterin von Giannini (24. Mai 1784) gestorben. Vgl. KA WE SR SK 1784, f. 176v. Carl August v. S-W-E an A. A. v. S-W-E, Karlsruhe, 24. Oktober 1784, in: Bergmann BW, S. 50–51, Zitat 51. Eine andere, aussagekräftigere Quelle als diese zwei Zeilen wird für die Interpretation nicht angegeben. Vgl. Berger: Anna Amalia, S. 405, Anm. 78. Vgl. ebd., S. 398. Als sich die Herzogsmutter auf der Italienreise mit Louise von Göchhausen überwarf, dachte sie zwar kurzzeitig darüber nach, Henriette von Knebel – Carl Ludwig von Knebels Schwester – zu verpflichten, verwarf diese Pläne jedoch wieder, als sie sich mit ihrer Hofdame aussöhnte. Vgl. Düntzers Anmerkung an die Briefe zwischen Carl August und Knebel, in: Briefe des Herzogs Karl August von Sachsen-Weimar-Eisenach an Knebel und Herder. Hrsg. von Heinrich Düntzer. Leipzig 1883, S. 96, Anm. 1; BW Göchhausen, S. 8. Vgl. C. A. v. S-W-E an A. A. v. S-W-E, vor Mainz, 18. Juli 1793, in: Bergmann BW, S. 127– 128.

5.2 Die Weimarer Hofdamen

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pflegte sich fast während ihres kompletten Witwendaseins ausschließlich mit nur einer Hofdame zu umgeben, obwohl sie über ein wesentlich höheres Einkommen verfügte.305 Ähnlich verzichtete auch die Kasseler Landgrafenwitwe, nachdem ihre erste Hofdame Juliane von Wintzingerode 1794 verschieden war, in den darauffolgenden sechs Jahren bis zu ihrem Tod auf eine Neubesetzung ihrer zweiten Hofdamenstelle.306 Charlotte von Sachsen-GothaAltenburg war noch konsequenter und vermied es nach ihrer Verwitwung 1804 voll und ganz, eine adelige Dame in ihrem Gefolge fest zu verpflichten, und ließ sich stattdessen allein von ihrem Oberhofmeister Freiherr von Zach aufwarten.307 In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts war es also nicht ungewöhnlich, einen Witwenhof mit bloß einer Hofdame zu führen. Anna Amalias Vakanzen ließen sich demnach mit einer Zufriedenheit oder Anspruchslosigkeit erklären, die erst mit den körperlichen Unpässlichkeiten ihrer ersten Dame verloren gingen. Dies würde zumindest auch den Verzicht auf eine längere Probezeit bei Henriette von Wolfskeel wie auch bei deren Nachfolgerin Louise von Stein plausibel machen. Ohne funktionierende erste Hofdame blieb keine Zeit für ein Austesten von Sympathien und Talenten, ansonsten hätte Anna Amalia unter Umständen Abstriche bei ihrer Gesellschaft und Unterhaltung machen müssen – aber eben dies sollte ja vermieden werden. Für die Weimarer Herzogswitwe waren folglich Kriterien wie Fähigkeiten und Zuneigung nur dann bei der Auswahl ihrer Hofdamen entscheidungsrelevant, wenn die Umstände ihr den Freiraum dafür boten. Sobald Anna Amalia ihre stete Gesellschaft und Unterhaltung gefährdet sah, griff sie hingegen auf die üblichen Strategien der familiär orientierten, aber doch persönlich unbekannten Personalrekrutierung zurück, wie sie auch von Louise und Maria Pawlowna praktiziert wurden. Jung und ledig

Allen drei Weimarer Fürstinnen war um 1800 die Präferenz junger Damen gemein. Die Hofdamen, die zwischen 1790 und 1810 in Weimar dienten, waren bei ihrer Anstellung nicht älter als 30 Jahre. Eine Ausnahme bildete das Fräulein von Göchhausen, das bei seiner Verpflichtung bereits 32 Lenze zählte. In dieser Hinsicht war sie wohl aber ein spezieller ,Fall‘, da ihr Anna Amalia über Jahre die institutionelle Legitimierung als verpflichtete Dame des Hofes vorenthalten hatte. Als sie in den gesellschaftlichen Umkreis von Anna Amalia trat, hatte sie das dreißigstes Lebensjahr auch noch nicht vollendet. Die meis305

306 307

Sophie Caroline von Brandenburg-Bayreuth hatte zunächst Antoinette von Metsch, später Friederika Gräfin von Wittgenstein als Hofdame verpflichtet. Vgl. z. B. den Kulmbacher Staatskalender vom Jahr 1777, S. 84; vom Jahr 1788, S. 98; vom Jahr 1790, S. 99. Zum Einkommen vgl. den Abschnitt zu Anna Amalias musischem Hofprofil in der (Witwen-)Hoflandschaft. Vgl. z. B. den Kassler Staatskalender vom Jahr 1795, S. 13; vom Jahr 1800, S. 12. Vgl. z. B. den Gothaer Staatskalender vom Jahr 1805, S. 71; und 1815, S. 84.

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ten Hofdamen waren bei Dienstbeginn jedoch wesentlich jünger. Die Hälfte der insgesamt fünfzehn Hofdamen hatte ihren 21. Geburtstag noch nicht gefeiert. Dennoch gab es offenbar eine feste Altersuntergrenze, da keine von ihnen jünger als 16 Jahre alt war. Die Fürstinnen des Weimarer Hofes zogen es um 1800 also vor, zwar keine Mädchen, aber doch relativ junge Damen zu verpflichten. Hinter dieser Vorliebe für Jugendlichkeit stand wohl die Hoffnung auf die gesunde, unverbrauchte Lebenskraft der Hofdamen und die damit verbundene Möglichkeit, langjährig bedient zu werden. Mit der Fokussierung auf junge Damen war zumeist ein weiteres von der Zeremonialwissenschaft vorausgesetztes Kriterium automatisch erfüllt: die Ehelosigkeit.308 Je jünger die Damen waren, desto unwahrscheinlicher waren sie bereits einem Mann zur Ehe versprochen. Diese Verquickung der beiden Kriterien ,jung und ledig‘ barg allerdings – wie bei den niederen Hofdienerinnen – auch bei den Hofdamen das Risiko, dass die Frauen ihren Hofdienst für eine Ehe aufzukündigen wünschten. Mit dem daraus resultierenden Problem der Fluktuation war vor allem die regierende Herzogin nach 1800 konfrontiert. Während Louise die Wechsel bei der niederen Hofdienerschaft stets tolerierte, änderte sie beim Adelspersonal nach 1810 ihre Strategie und machte deutlich, dass sie nicht mehr bereit war, ihre Hofdamenstellen als eine Art Durchgangsstation zur Ehe herzugeben.309 Doch anstatt ihre soziale Grundeinstellung aufzugeben und ihren adeligen Damen die Heiratserlaubnis zu verweigern, versuchte Louise das Problem mit neuen Auswahlkriterien zu lösen: Zu Beginn ihrer Ehe mit Carl August hatte sich die regierende Herzogin für vergleichsweise alte Hofdamen entschieden – Marianne von Wöllwarth, später verh. von Wedel, zählte bei ihre Verpflichtung 25, Adelaide von Waldner 29 und später Friederike von Riedesel bereits 30 Lebensjahre. Diese Auswahl erwies sich als erfolgreich, weil beständig. Alle drei Hofdamen blieben mehrere Jahrzehnte an Louises Seite. Bei Amalie von Imhoff, die im Alter von 25 Jahren als Nachfolgerin für die Hofdame von Waldner verpflichtet wurde, sollte sich dieses System allerdings nicht mehr bewähren; die Hofdame fand einen Partner und zog in die Ehe. Louise probierte es daraufhin mit einer erst 16 Jahre alten Hofdame, steigerte sich danach auf eine 20-jährige, um schließlich mit der 23-jährigen von Baumbach eine vage Hoffnung auf Dauerhaftigkeit hegen zu können. Nachdem sich 1811 mit Eugenie von Staff mittlerweile die vierte jung verpflichtete Hofdame innerhalb von 308 309

Vgl. Kapitel I. Am Wiener Hof des 17. Jahrhunderts war der Dienst als Hofdame genau aus diesem Grund hoch begehrt. Er endete dort fast immer mit einer Eheschließung. Er bot für zudem äquivalent zur höfischen Ausbildung der männlichen Standesgenossen einen institutionalisierten Übergang zwischen Jugend und Erwachsenenleben, in dem die Damen einen gesellschaftlich-höfischen „Schliff “ erwerben konnten. Vgl. Katrin Keller: Hofdamen. Amtsträgerinnen im Wiener Hofstaat des 17. Jahrhunderts. Wien/Köln/ Weimar 2005, S. 200.

5.2 Die Weimarer Hofdamen

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zehn Jahren in die Ehe verabschiedete, war die regierende Herzogin des Personalwechsels offenbar derart überdrüssig, dass sie die üblichen Ansprüche an Alter und Familienstand der Hofdamen ignorierte, um sich mit Henriette von Pogwisch endlich eine dauerhafte Bedienung sichern zu können. Die neue Hofdame war zu diesem Zeitpunkt bereits 35 Jahre alt, Mutter zweier pubertierender Töchter und noch verheiratet, von ihrem Ehegatten aber seit neun Jahren getrennt lebend.310 Mit diesen Lebensumständen musste sie für Louise als die perfekte Aspirantin erscheinen, da bei ihr eine erneute, schnelle Verabschiedung aus verschiedenen Gründen unwahrscheinlich war: Zunächst gehörte Henriette von Pogwisch bereits zum engeren Bekanntenkreis der Herzogin. Beide Frauen kannten sich seit Mai 1806 und hatten in den schicksalhaften Tagen der Schlacht bei Jena-Auerstedt freundschaftliche Bande geknüpft, die sich nach einigen Unterbrechungen seit 1808 offenbar zunehmend enger gestalteten, da Henriette von Pogwisch von der Herzogin immer öfter zu ihren kleinen Abendzirkeln eingeladen wurde.311 Louise konnte also in etwa abschätzen, wer und was sie erwartete. Das traf auch auf Henriette von Pogwisch zu, die ebenfalls wusste, worauf sie sich beim Hofdienst einließ. Vor ihrer Eheschließung hatte sie etwa drei Jahre am Berliner Hof als Hofdame gedient, und nach der Trennung von ihrem Gatten war sie zwischen 1802 und 1805 als Gouvernante der Prinzessin Friederike von Preußen (1796–1850) tätig gewesen. Zu den beidseitig klar abgesteckten Erwartungsbildern gesellte sich eine monetäre Englage der Aspirantin. Um ihre Kinder standesgemäß versorgen zu können, war Henriette von Pogwisch auf ein stetiges Einkommen angewiesen. Ihr Gatte war wegen verlustreicher Güterspekulationen finanziell ruiniert und konnte keine Unterstützung bieten.312 An ihrer Anstellung am Hof hing also nicht nur – wie dies bei den anderen unvermählten jungen Damen der Fall war – ihr eigenes Schicksal, sondern auch das ihrer Kinder. Louise konnte hierbei also auf eine gewisse Abhängigkeit vertrauen. Der wohl aussichtsreichste, aber zugleich auch heikelste Aspekt war jedoch der Familienstand: Henriette von Pogwisch war noch verheiratet. Sie konnte 310

311

312

Im Februar 1796 hatte sie den 16 Jahre älteren Wilhelm Julius von Pogwisch (1760– 1836) geheiratet. Aus dieser Ehe entstammten die beiden Töchter Ottilie (1796–1872) und Ulrike von Powgisch (1798–1875). 1802 trennte sich Henriette von Pogwisch von ihrem Gatten wegen dessen Bankrott. Vgl. Claudia Häfner: Art. Henriette Ottilie Ulrike von Pogwisch, geb. Henckel von Donnersmarck, in: Freyer/Horn/Grochowina: FrauenGestalten, S. 257–260. Henriette von Pogwisch speiste zwischen 1806 und 1811 insgesamt etwa 60 Mal an der fürstlichen Tafel des Weimarer Hofes. Ab 1808 häuften sich ihre Besuche. Vgl. ThHStAW HMA 4555–4560. Zur vertraulichen Beziehung zwischen ihr und der regierenden Herzogin Louise vgl. Sylke Kaufmann: Henriette von Pogwisch und ihre Französische Lesegesellschaft. Ein Beitrag zur Weimarer Kultur in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Mit einem Exkurs zum Wirken Goethes in der Lesegesellschaft. Marburg 1994, S. 30–32. Vgl. Kaufmann: Henriette von Pogwisch, S. 32–39.

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den Hof also nicht für eine Ehe verlassen, womit sich die Chancen auf personelle Stabilität für Louise hervorragend gestalteten. Das einzige Problem dabei stellte die Tradition des Weimarer Hofes dar: Seit mehreren Generationen waren ausschließlich unverheiratete Adelige als Hofdamen angenommen worden. Zwar kannte der Hof mit Marianne von Wedel auch schon seit Längerem eine verheiratete Hofdame. Allerdings war dieser Fall anders gelagert, da Marianne von Wedel seinerzeit unverheiratet als Fräulein von Wöllwarth an den Hof gekommen war und dort zunächst sieben Jahre lang unvermählt ihren Dienst erfüllt hatte, bevor sie 1782 die Erlaubnis ihrer Herzogin erhielt, Moritz von Wedel ehelichen zu dürfen.313 Dass sie daraufhin weiterhin im Hofdienst blieb, mag zum einen an der Verfügungsgewalt des Herzogspaares über ihren Ehemann, der als Kammerherr und Oberforstmeister am Hof angestellt war, zum anderen an ihrer Kinderlosigkeit gelegen haben. Marianne von Wedel musste sich nie zwischen ihrer Pflicht als Hofdame und der Mutterrolle entscheiden, wie dies zum Beispiel der Fall bei Henriette von Wolfskeel war. Diese hatte nach ihrer Heirat mit Carl Wilhelm von Fritsch (1769–1851) zunächst ihren Dienst als Hofdame bei Anna Amalia ebenfalls weiter versehen, mit der anstehenden Geburt ihres ersten Sohnes Carl von Fritsch (1804–1892) jedoch ihren Abschied genommen.314 Diese Bedingungen einer Hofdamenanstellung waren bekannt. Denn als sich Caroline von Beust um eine Stelle bei Maria Pawlowna bewarb, gestand sie ganz offen, dass sie bereits einmal verheiratet gewesen, nun aber verwitwet sei.315 Auch ihre zweijährige Tochter verschwieg sie nicht. Zugleich stellte sie aber klar, dass sie „das Glück“ habe, das Kind „hier [= in Weimar] in den Händen meiner Mutter lassen zu können ohne dem es mir schwehr würd, mich von ihr zu trennen“.316 Trotz Betonung ihrer Mutterliebe gegenüber der Tochter gab sie die entsprechenden Pflichten eindeutig ab und offerierte damit ihre komplette Verfügbarkeit für den Hofdienst. Sie sorgte also schon von vornherein dafür, dass ihre Verantwortung als Mutter nicht mit den Ansprüchen ihrer Herrin kollidierte. Henriette von Pogwisch war zwar auch Mutter, allerdings waren ihre Töchter bereits 13 und 15 Jahre alt und damit beinahe im heiratsfähigen Alter. Eine Kollision der Betreuungspflichten war daher nicht zu erwarten und das Muttersein wohl eher das kleinere Problem. Wesentlich delikater war dagegen ihre noch bestehende 313 314

315

316

Vgl. KA WE HR HK 1782, f. 259 sowie die Weimarer Staatskalender von 1775–1783. In den Schatullrechnungen Anna Amalias wurde die seit Mai 1803 verheiratete Frau von Fritsch bis zum Sommer 1804 weiter als Hofdame geführt und anteilig mit 165 Talern entlohnt. Es ist anzunehmen, dass ihr das übliche Abschieds- bzw. Gnadenquartal gewährt wurde und sie folglich schon Anfang des Jahres 1804 aus dem Dienst schied, um am 7. Mai 1804 mit ihrem Sohn niederzukommen. Vgl. KA WE HR HK 1803, f. 15r; KA WE TR HK 1804, f. 321; ThHStAW A 1028 und A1031. Ihr Gatte wurde 1802 nach nur zwei Ehejahren erstochen. Vgl. Stefanie Freyer: Art. Friederike Caroline Gräfin von Beust, geb. von Reitzenstein (1785–1845), in: Freyer/Horn/ Grochowina: FrauenGestalten, S. 83–86. ThHStAW HA A XXV, Korrespondenzen B 134, Bl. 1r.

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Ehe: Henriette von Pogwisch war weder verwitwet, noch stand ihr Mann in der Verfügungsgewalt des Herzogspaares. Sie war lediglich getrennt lebend. Ihre Anstellung stellte also nichts weniger als einen Tabubruch am Weimarer Hof dar. Der regierenden Herzogin mag dies bekannt, in dem Falle aber wohl weniger wichtig gewesen sein.317 Henriette von Pogwisch entstammte einem alten, hoch angesehenen Adelsgeschlecht und hatte mit ihrer Mutter Ottilie Henckel von Donnersmarck, die als Oberhofmeisterin der Erbprinzessin zu einigem Einfluss am Hof gelangt war, nicht nur eine starke Fürsprecherin, sondern auch eine direkte familiäre Loyalitätskontrolle vor Ort. Louise konnte sich damit auf mindestens zwei handfeste Kriterien berufen, um ihren eigenen Wunsch nach personeller Kontinuität über die zeremoniell orientierten Gewohnheiten des Weimarer Hofes zu stellen. Wie die Hofgesellschaft auf diesen Tabubruch reagierte, lässt sich schwer nachvollziehen. In der Rezeptionsgeschichte Weimars, die immer wieder auch Henriette von Pogwisch als Mutter der späteren Schwiegertochter von Goethes in den Blick nahm, wurde kein Aufsehen registriert, obwohl die erst 1820 erfolgte Scheidung von Wilhelm Julius von Pogwisch stets benannt wurde.318 Die seriellen Zertifikate des Hofmarschallamtes werfen jedoch grundsätzlich die Frage auf, ob und inwieweit Außenstehende über die Details des Ehestandes von Henriette von Pogwisch, d. h. über deren bloße Trennung ohne Scheidung, informiert waren. Zwischen 1807 und 1830 quittierte das Weimarer Hofmarschallamt in regelmäßigen Abständen, dass Henriette von Pogwisch und ihre beiden Töchter noch am Leben waren und sich in Weimar befanden.319 Diese Quittungen waren wahrscheinlich dafür bestimmt, etwaige Pensionen beziehen zu können. Was daran verwundert, ist die Veränderung des Wortlautes über die Jahre: Während 1807 noch eindeutig von der „Gemahlin des K. Preuß. Majors der Armee, H. Wilhelm Julius von Pogwisch“, die Rede war, wurde die Frau Majorin von Pogwisch 1815 als „unverheyrathet“ bezeichnet und ihr 1826 schließlich sogar explizit bestätigt, dass sie „seit dem Ableben ihres Herrn Gemahls nicht wieder verheyrathet 317

318

319

Henriette von Pogwisch war mit Sicherheit nicht die einzige Dame, die 1811 zur Auswahl stand. Etliche Adelsfamilien versuchten immer wieder, zum Teil sogar bereits Jahre bevor ihre Kinder zu Damen erwachsen waren, ihre Töchter als Hofdamen an den Weimarer Hof zu vermitteln. Im Mai 1811 wurde zum Beispiel Goethe von Erdmute von Trebra (1764–1844), der zweiten Gattin des sächsischen Oberberghauptmanns Heinrich von Trebra (1740–1819), gebeten, zwei Bittgesuche an die regierende Herzogin und den Herzog zu überbringen. Darin empfahl sie ihre mittlere Tochter aus erster Ehe, Bianka Franziska Geusau, genannt von Trebra (1800–1876), als Hofdame. Ihr Gatte Heinrich von Trebra hatte im Jahr zuvor an der fürstlichen Tafel gespeist und war mit der Fürstenfamilie bekannt. Vgl. ThHStAW HMA 4559, S. 150; WA, IV. Abt., Bd. 22, S. 93–94, Anm. S. 431. Vgl. z. B. August von Goethe und Ottilie von Pogwisch. Briefe aus der Verlobungszeit. Hrsg. von Heinz Bluhm. Mit einem Kommentar von Dorothea Lohmeyer-Hölscher. Weimar 1962, S. 208; oder Kaufmann: Henriette von Pogwisch, S. 35. Vgl. ThHStAW HMA 347, Bl. 4–11.

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gewesen“ sei.320 Angesichts dieser offiziell durch den Hof beglaubigten Atteste scheinen Zweifel berechtigt, inwieweit bekannt war, dass Henriette von Pogwisch lediglich von ihrem Gatten getrennt lebte. Es scheint gar so, als ob sie ihren Gatten zwischen 1807 und 1815 für die Öffentlichkeit hatte sterben lassen, obwohl er sich noch über zwei Jahrzehnte seines Lebens erfreuen und erst 1836 dahinscheiden sollte.321 Der Zeitpunkt wäre überaus passend gewesen, um ein Aufsehen wegen ihres Familienstandes im Zuge der Verpflichtung am Hof zu vermeiden. Als offizielle Witwe hätte sie den zeremoniellen Anforderungen an eine Hofdame voll und ganz genügt. Fraglich bliebe allerdings, wer letztlich Kenntnis von dem offenbar noch quicklebendigen Ehegatten besaß. Wilhelm Julius von Pogwisch hatte sich 1808 zu einer selbst gewählten Isolation im nunmehr zaristischen Kurland entschlossen und schrieb seiner Noch-Gattin, dass er von Preußen nichts mehr wissen wolle und „mit keinem einzigen Menschen Briefwechsel“ führe.322 Zuvor hatte er sich bemüht, wieder eine Stellung im Militär zu erringen, um freiwillig am Krieg teilnehmen zu können.323 Ein plötzlicher Tod des Majors scheint vor diesem Hintergrund leicht, weil glaubhaft inszenierbar. Allerdings wussten gewiss etliche in Weimar lebende, am Hof verkehrende Personen, mit Sicherheit die komplette Familie Pogwisch-Henckel-von-Donnersmarck und zweifellos die Töchter um ihren Vater. Ottilie von Pogwisch, verh. von Goethe, benannte ihn sehr wahrscheinlich zu einem der insgesamt dreizehn Taufpaten ihres ersten Sohnes Wolfgang Walther (1818–1885), beließ seinen Namen im Kirchenbuch jedoch weitgehend unbestimmt und gab weder den Vornamen noch seinen verwandtschaftlichen Grad zu Protokoll.324 Inwieweit die Herzogin Louise oder auch Carl August, die im beidseitigen Einvernehmen über die Verpflichtung von Henriette von Pogwisch zu entscheiden hatten, von deren tatsächlichem Familienstand Kenntnis hatten, kann an dieser Stelle nicht beantwortet werden. Ungeachtet dessen war es bei der Verpflichtung 1811 320 321

322 323 324

Ebd., Bl. 4, 10, 11. Ein vorgetäuschter Tod wäre am Weimarer Hof nichts Neues. Vgl. Hendrikje Carius: Amalia (Emilie) Christiane Philippine von Einsiedel, geb. von Münchhausen, gesch. Werthern-Frohndorf, in: Freyer/Horn/Grochowina: FrauenGestalten,, S. 119–121. Zu den Lebensdaten vgl. Bernhard Gajek: Goethe, Ottilie Wilhelmine Ernestine Henriette von, geborene von Pogwisch, in: NDB 6 (1964), S. 575–576. W. J. v. Pogwisch an H. v. Pogwisch, undatiertes Fragment, in: GSA 40/XXXVI, 2,(4). Zitiert nach: Kaufmann: Henriette von Pogwisch, S. 32. Vgl. Ebd., S. 33f. Wie schon bei der Hochzeit von Ottilie und August von Goethe 1817 war der Vater auch ein Jahr später bei der Taufe seines Enkelsohnes nicht anwesend. Bei den beiden weiteren Enkeln fehlte der Vater unter den Paten. Der Eintrag zur Hochzeit von Ottilie von Pogwisch bleibt im Kirchbuch offensichtlich unvollständig und lässt keine fundierten Schlüsse zu. Während zum Beispiel Julius Wilhelm von Pogwisch als Vater der Braut genannt wurde, fand Johann Wolfgang von Goethe als Vater des Bräutigams keine Erwähnung. Vgl. KA WE HR HK 1817, f. 174; KA WE TR HK 1818, f. 541; KA WE TR HK 1820, f. 64; KA WE TR HK 1827, f. 418.

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jedoch in jedem Falle zu einem Tabubruch gekommen – zu entscheiden wäre nur noch, wer ihn begangen hatte: entweder Henriette von Pogwisch, die ihre Herrin über ihren wirklichen Familienstand absichtlich angelogen hätte, oder aber die regierende Herzogin, die sich zugunsten einer kontinuierlichen Standesbedienung über die Etikette des Weimarer Hofes hinweggesetzt hätte. Letztlich lässt sich mit Blick auf den Auswahlprozess festhalten, dass die beiden miteinander verquickten Kriterien ,jung und ledig‘ grundsätzlich zu den Anforderungen gehörten, die der Weimarer Hof an seine zukünftigen Hofdamen stellte. Allerdings verschoben sich diese nach wiederholten heiratsbedingten Abgängen. Nicht nur Louise, sondern alle drei Weimarer Fürstinnen entschieden sich stets für eine ältere Hofdame, sobald sich die Vorhergehende zu einer Ehe entschlossen hatte. Anna Amalia und Maria Pawlowna zogen diese Konsequenz in zwei Fällen sofort, Louise probierte erst mehrere junge, heiratsfähige Damen aus, bevor auch sie sich wieder etwas reifere – und sogar verheiratete – Aspirantinnen aussuchte. Letztendlich lässt sich aufgrund der Quellenlage zwar nicht mehr exakt bestimmen, was im Einzelfall der ausschlaggebende Grund oder Anlass bei der Entscheidung für eine bestimmte Dame gewesen war. Allerdings sind die Eckpunkte im Auswahlprozess der Weimarer Hofdamen klar erkennbar: die repräsentative (alt-)adelige Herkunft, das relativ junge Alter sowie die familiären und nichtfamiliären Netzwerke der Aspirantinnen spielten ebenso eine Rolle, wie die Heimatverbundenheit der Fürstinnen und deren Vertrauen auf familiäre Loyalität. Dagegen kamen Sympathien und bestimmte Fähigkeiten nur im Ausnahmefall zum Tragen. 5.2.3 Die Leistungen des Hofes für seine Hofdamen Die Vorzüge einer Anstellung als Hofdame lagen klar in der umfassenden materiellen und finanziellen Versorgung begründet, die der Weimarer Hof – dem Zeremoniell folgend – in vollem Umfang bot: Zunächst bekamen alle Weimarer Hofdamen kostenfrei eine höfische Unterkunft gestellt und wohnten entweder im Fürstenhaus, im Witwenpalais oder später im neuerbauten Schloss. Das freie Logis war allerdings direkt an den Dienst bei Hofe gebunden. Sobald dieser durch Heirat, Pensionierung oder Tod der jeweiligen Fürstin endete, erlosch auch das Anrecht auf die Unterbringung in den fürstlichen Gebäuden. Die beiden Pensionärinnen Adelaide von Waldner und Friederike von Riedesel hatten deshalb mit ihrem Eintritt in den Ruhestand ihre Zimmer im Fürstenhaus bzw. im Schloss für ihre Nachfolgerinnen zu räumen. Während sich die Hofdame von Waldner entschied, „für sich in die Stadt“ zu ziehen, d. h. in Weimar wohnhaft und damit in der Nähe des Hofes zu bleiben,325 325

Adelaide von Waldner ging am 19. April 1800 vom Hof ab. Vgl. ThHStAW HMA 4549, S. 69.

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verließ die Hofdame von Riedesel die Residenzstadt, um „sich nach Hause“ zu begeben.326 Auch die beiden Hofdamen Anna Amalias mussten sich nach dem Hinscheiden der Fürstenwitwe um eine neue Bleibe kümmern.327 Carl August sicherte ihnen als Universalerbe zwar eine reichliche Pension zu, stellte ihnen aber zugleich auch das Ultimatum, innerhalb eines halben Jahres ihren Auszug aus dem Witwenpalais zu organisieren. Für Louise von Göchhausen sollte dies nicht mehr relevant werden, da sie ihrer einstigen Dienstherrin am 7. September 1807 – und damit vor dem endgültigen Auszugstermin zu Michaelis – in den Tod folgte.328 Eine unkomplizierte Lösung fand Louise von Stein, die sich im Oktober 1807 in die Ehe mit Anton von Ziegesar begab.329 Einhergehend mit dieser wohnlichen Versorgung, gewährte der Weimarer Hof seinen Hofdamen zudem eine ganztägige Beköstigung. Während die Kammerherren und Junker nur dann das Anrecht auf Speisung an der höfischen Mittags- oder Abendtafel hatten, wenn sie am Hof Dienst taten,330 durften die Weimarer Hofdamen beständig an der fürstlichen Tafel Platz nehmen und bekamen sogar das Frühstück, d. h. die dafür nötigen Semmeln und Butter aus der Hofküche, regulär gestellt. Erst ab 1805 wurde auch ihnen im Zuge der Reform des Hofetats das Frühstück gestrichen und in eine monetäre Vergütung umgewandelt.331 Neben einigen Führungspersönlichkeiten des Hofes gehörten die Hofdamen damit zu jenem kleinen Kreis an Hofangestellten, die auch noch nach den grundlegenden hofökonomischen Umstellungen im Jahre 1777 einen Anspruch auf eine Vollverpflegung bewilligt bekamen.332 Selbst im Falle von Krankheit oder Unpässlichkeit wurden sie mit den Speisen der Hoftafel – zumeist allein auf ihren Zimmern – beköstigt.333 Ihre Verpflegung durch die Hofküche war zudem gesichert, wenn das Herzogspaar am Hof nicht anwesend war und eigentlich keine fürstliche Tafel stattfand. 334 Eine dritter Versorgungsaspekt trug den zeremoniellen Vorrechten des 326 327 328

329 330 331 332 333 334

Friederike von Riedesel ging am 4. April 1809 vom Hof ab. Vgl. ThHStAW HMA 4558, Bl. 33r. Vgl. ThHStAW HMA 657, Bl. 2 und 7. Vgl. KA WE SR SK 1807, f. 74v. Allerdings hatte sich Louise von Göchhausen zuvor bereits in eine andere Wohnung am Schweinsmarkt in der Nähe vom Alexanderhof in Weimar für 120 Taler eingemietet. Vgl. L. v. Göchhausen an L. C. v. Reuß-Köstritz, Weimar, 13. Juli 1807, in: BW Göchhausen, S. 169–174, bes. S. 170. Zu dem Zustandekommen dieser Ehe vgl. Kreutzmann: Lebenswelt, S. 108. Vgl. ThHStAW HMA 114, Bl. 18–20. Vgl. ThHStAW HMA 27, Bl. 11v, 120. Vgl. ThHStAW HMA 26, Bl. 12v. Vgl. ThHStAW HMA 4539–4559. Am 31. März 1784 speisten beispielsweise Carl August und Louise, die sich von Friederike von Riedesel begleiten ließ, bei der Herzogsmutter Anna Amalia in deren Palais. Der Fourier vermerkte deshalb explizit, dass „anheute keine Tafel gehalten“ und deshalb fünf Personen allein und zu Hause speisten. Darunter befanden sich neben dem Hofmarschall von Klinckowström, dem Geheimrat von Schardt, dem Kammerherrn von Wedel und der Oberhofmeisterin von Giannini auch die beiden Hofdamen von Wedel und von Waldner. Vgl. ThHStAW HMA 4533, S. 93.

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Adelsstandes Rechnung: Die Hofdamen mussten und sollten als Adelspersonen keine Handlangerdienste erledigen. Sie bekamen dafür stattdessen eine nichtadelige Hofbedienung für niedere Arbeiten im Alltag zugestanden. Die drei Hofdamen, später die zwei Hofdamen und eine Oberhofmeisterin, verfügten in der Regel insgesamt über drei Kammerjungfern, zwei bis drei Garderobenmädchen und ein bis zwei Lakaien. Aufgrund der wenigen männlichen Diener waren alle Lakaien für alle Damen zuständig. Die Arbeitsgebiete bzw. Zugriffsmöglichkeiten auf die weiblichen Bediensteten waren dagegen klar an Personen gebunden. Während die erste Hofdame und spätere Oberhofmeisterin von Wedel sowohl eine Kammerjungfer als auch ein Garderoben- bzw. Laufmädchen für sich allein nutzen durfte, hatten die beiden anderen Hofdamen von Waldner und von Riedesel zwar jeweils eine eigene Kammerjungfer, mussten sich aber ein Garderobenmädchen teilen. Bis zur Pensionierung von Adelaide von Waldner zu Ostern 1800 schien dieses Bedienungssystem ohne Beanstandungen funktioniert zu haben. Ihre Nachfolgerin Amalie von Imhoff mochte aber offensichtlich nur ungern ihre Dienerin teilen. Sie setzte deshalb durch, dass „jede Dame sich ihr eigene[s] Mädchen“ halten dürfe und bewirkte beim Hofmarschallamt die Verpflichtung eines weiteren Laufmädchens, mit dem Kompromiss, „daß jede der beyden Hofdamen Fräul. von Riedesel und Fräul. von Imhoff den [sic!] Gehalt des dritten Mädchens zur Hälfte trug“.335 Auf diese Arbeitsbedingungen ließ sich die nächste, ab Sommer 1803 bei Louise angestellte Hofdame von Rotberg allerdings nicht mehr ein. Sie wurde beim Hofmarschallamt vorstellig und bat darum, dass der Hof diese Kosten übernehme, da es mit dem Umzug in das fertig gestellte Schloss „bey der veränderten Lage der Wohnungen der Hofdamen (. . . ) eine Unmöglichkeit ist, daß ein Mädchen zwey Damen bedienen könne“. Das Hofmarschallamt legte dieses Gesuch dem Herzog vor und erklärte präzise die Problemlage: Das „Frl. von Riedesel [sei] bey der Gallerie des Saals die Frl. von Rothberg aber auf dem entgegengesetzten Flügel an der Wendeltreppe logiert; [da] auch der Frau Cammerherrin von Wedel, als der ältesten Hofdame nicht wohl zu zumuthen ist, daß sie die Frl. von Rothberg durch ihr Mädchen mit bedienen laße“, empfehle sich ein weiteres Laufmädchen.336 Carl August stimmte zu, und so sollten seit Ende Oktober 1803 alle Hofdamen von Louise über ein eigenes, vom Hof bezahltes Laufmädchen für sich ganz allein verfügen können.337 Neben der Unterbringung am Hofe stellte die Verpflichtung als Hofdame in Weimar also auch eine abgesicherte standesgemäße Aufwartung in Aussicht. Bemerkenswert scheint zudem die Besoldung der Weimarer Hofdamen. Die Zeremonialwissenschaft fordete von den Höfen eigentlich keine Bezah335 336 337

ThHStAW HMA 642, Bl. 20–21, Zitat Bl. 20v–21r. Ebd. Zur Aufteilung der Zimmer im neuerbauten Schloss und den verschiedenartigen Treppenzugängen vgl. auch ThHStAW HMA 1951, Bl. 4–14. Vgl. ebd., Bl. 22–24.

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5. Repräsentationspolitik qua Personal. Der verpflichtete Adel des Hofes

lung.338 Dennoch erhielten alle Hofdamen des regierenden und des erbprinzlichen Hofes zusätzlich zu ihrer Vollversorgung eine Vergütung in Höhe von 300 Reichstalern jährlich; die Hofdamen des Witwenhofes besoldete Anna Amalia sogar mit 10 % mehr, d. h. 330 Reichstalern pro Jahr.339 Dieses Gehalt verschaffte den Hofdamen eine gewisse finanzielle Unabhängigkeit und machte zum Beispiel das Ausrichten kleinerer Frühstücke auf eigene Kosten oder Ankäufe von Büchern ebenso möglich wie das Spenden für diverse wohltätige Zwecke, so z. B. an das „Falksche Institut“ oder aber den „Frauen Verein“.340 Diese Entlohnung brach selbst mit der Pensionierung nicht ab. Nach dem Ausscheiden bezeigte die Fürstenfamilie ihren Dank für geleistete Dienste in monetärer Form: Die beiden pensionierten Hofdamen Anna Amalias bekamen nach dem Tod der Fürstenwitwe eine Pension in Höhe von 500 Talern pro Jahr341 zugesichert, und dergleichen durfte sich auch Louises Hofdame Adelaide von Waldner mit einer Pension von insgesamt 500 Talern zurückziehen.342 Friederike von Riedesel musste sich dagegen mit 400 Talern im Jahr begnügen, da sie sich im Gegensatz zur Hofdame von Waldner keinen Extrazuschuss für den Dienst bei den fürstlichen Kindern erworben hatte. Alle Hofdamen, die den Weimarer Hof für eine Heirat verließen, wurden ebenfalls mit einem pekuniären, jedoch nur einmaligen Dank in Form des so genannten Ausstattungsgeldes in Höhe von 200 Talern verabschiedet.343 Angesichts der Komplettversorgung mit Wohnung, Verpflegung und Bedienung, die alle Weimarer Hofdamen zuzüglich zum Gehalt in Anspruch nehmen durften, scheint diese Besoldung durchaus reichhaltig.344 Allerdings lässt sich erst im Vergleich mit anderen Höfen beurteilen, ob sich der Weimarer Hof gegenüber seinen Hofdamen ungewöhnlich großzügig erwies oder ob es um 1800 mittlerweile üblich war, die Hofdamen derart zu besolden. Mit ihrem Ausscheiden aus dem Hofdienst verloren alle Damen ihre Titulatur als Weimarer Hofdamen: Die verehelichten Frauen führten ab dem Tag ihrer Heirat den Titel ihres Gatten, während die pensionierten Hofdamen auf die Namensnennung reduziert wurden, mit der sie vor ihrem Hofdienst beti338 339 340 341

342

343 344

Vgl. Moser: Teutsches Hofrecht, Bd. 2, S. 164; sowie das Kapitel I. Vgl. Schatullrechnungen 1790–1807: ThHStAW B 25820; ThHStAW B 25825; ThHStAW HA AXXV, Akten Nr. 55. Vgl. z. B. GSA 15/X, S. 4, 8, 13. Dagegen gestand Anna Amalia ihrer bereits 1778 pensionierten Hofdame Luitgarde von Nostitz nur 200 Taler pro Jahr zu. Die beiden Hofdamen von Göchhausen und von Stein profitierten also von dem Tod der Herzogsmutter. Vgl. z. B. ThHStAW A 938, Bl. 18. Die Pension bestand aus dem üblichen Gehalt der Hofdame und einer Zulage, die aus der „Aufsicht über die Erziehung der verstorbenen Prinzessin Louise“ resultierte. Vgl. ThHStAW B 25820, Bl. 82. Vgl. z. B. ThHStAW B 25825, Bl. 13; sowie Kapitel I. Für die Hofdamen Maria Pawlownas wurden von der Oberhofmeisterin Henckel von Donnersmark alle Leistungen exakt beziffert: Neben den 300 Talern Grundgehalt gestand ihnen der Hof im Jahr 1805 zum Beispiel weitere 452 Taler für Frühstück etc. zu. Vgl. ThHStAW HA AXXV, Akten Nr. 55, Bl. 15r.

5.2 Die Weimarer Hofdamen

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telt wurden. Der Weimarer Fourier wählte bei Adelaide von Waldner, als sie im Oktober 1806 einige Tage nach der Schlacht von Jena und Auerstedt noch einmal an der fürstlichen Tafel speiste, einen ungewöhnlichen Zwischenweg und bezeichnete sie als „Frl. Ex-Hofdame von Waldner“.345 Friederike von Riedesel wurde dagegen, als sie im Sommer 1811 als Ruheständlerin an den Hof kam, bloß als Fräulein von Riedesel vermerkt und in den Anmerkungen als die „ehemalige Hofdame“ identifiziert.346 Viele einstige Hofdamen kamen auch als Ehefrauen an den Weimarer Hof zurück, speisten dort an der fürstlichen Tafel und wurden im Fourierbuch zeremoniellgerecht unter dem Namen und dem Titel ihres Gatten verzeichnet. 5.2.4 Die Erwartungen an die Weimarer Hofdamen Die Gegenleistung, die der Hof von seinen Hofdamen verlangte, war keine geringere als die stetige Anwesenheit und der damit verbundene ununterbrochene Dienst bei der jeweiligen Fürstin. Im Unterschied zu den Kammerherren und -junkern, die sich zu festgesetzten Zeiten im Dienst abwechselten und deshalb nicht ständig um die fürstliche Familie präsent sein mussten, waren die Weimarer Hofdamen fest in den höfischen Haushalt integriert und konnten jederzeit von ihrer Herrin angefordert werden. Bestimmte Anrechte, wie zum Beispiel der Platz an der fürstlichen Tafel, waren dementsprechend auch nicht nur ein Recht, sondern zugleich auch eine Pflicht. Sobald Louise, Anna Amalia oder Maria Pawlowna außerhalb ihres Zimmers zu speisen wünschten, mussten die Hofdamen ihnen Gesellschaft leisten und dem Hof – oder unter Umständen auch den anwesenden Gästen – den Stand der Herrin durch den eigenen Stand deutlich vor Augen führen. Im Grunde galt diese Anwesenheitspflicht für alle Aktivitäten, bei denen sich die Fürstin außerhalb ihrer Räumlichkeiten bewegte. Dazu gehörten zum Beispiel Spazierfahrten und -gänge, Audienzen, Couren, Bälle, Theater- bzw. Konzertbesuche und Reisen. Eine Weimarer Fürstin trat um 1800 nie allein, sondern immer mit ihrem Gefolge auf. Die Hofdamen der sportlichen Louise mussten deshalb täglich die „schnelle Morgenpromenade“ ihrer Herrin mitmachen und beklagten wegen der körperlichen Anstrengung oft ihre Müdigkeit an der Mittagstafel.347 Louises Leidenschaft für die Kartenspiele Tarock und L’Hombre, mit denen sie sich bevorzugt die Zeit vertrieb, rief dagegen keine Klagen hervor.348 Ähnlich scheint das Laienschauspiel auf Zustimmung getroffen zu sein. Beinahe alle Hofdamen beteiligten sich an den Aufführungen des Liebhabertheaters oder übernahmen Rollen in den 345 346 347 348

Vgl. ThHStAW HMA 4555, S. 220. Vgl. ThHStAW HMA 4560, Bl. 48r. Vgl. Lyncker: Ich diente am Weimarer Hof, S. 73. Vgl. ebd., S. 74.

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5. Repräsentationspolitik qua Personal. Der verpflichtete Adel des Hofes

von Goethe inszenierten Maskenaufzügen.349 Die Fürstinnen erwarteten von ihren Hofdamen demnach nicht nur deren repräsentative Anwesenheit, sondern eine aktive Mitgestaltung ihrer Unterhaltung. Für die Hofdamen eröffnete sich damit die Möglichkeit, verschiedene Talente ausleben und professionalisieren zu können. Amalie von Imhoff verfeinerte während ihrer Zeit am Hof zum Beispiel ihre Geschicke im Kupferstechen und Portraitmalen, wobei ihr die Mitglieder der Weimarer Hofgesellschaft oft als Modelle dienten.350 Wenngleich derartige künstlerische Tätigkeiten zum Alltag des Weimarer Hofes gehörten, erschöpfte sich das Aufgabengebiet der Hofdamen nicht allein im Dilettieren. Ihre Hauptsorge war stattdessen darauf gerichtet, die Gesellschaft ihrer Fürstin zu organisieren. Nur in äußerst seltenen Fällen traten Anna Amalia, Louise oder Maria Pawlowna persönlich an niederrangige Personen heran. In der Regel nutzten sie ihre Hofdamen als Vermittlerinnen und überließen ihnen das Knüpfen von Kontakten und das Einladen von Besuchern oder Bittstellern. Es war zum Beispiel allgemein bekannt, dass Louise von Göchhausen alle Termine für die Besuche bei Anna Amalia verabredete351 und damit als erste Anlaufstelle fungierte. Personen, die bei der Herzogsmutter vorgestellt werden wollten, ließen sich deshalb zunächst bei Louise von Göchhausen empfehlen, statteten ihr danach einen Besuch ab und bekamen dann unter Umständen ein Treffen mit Anna Amalia in Aussicht gestellt.352 Die Hofdamen gelangten durch diese Tätigkeit zu einem nicht unerheblichen Einfluss und Ansehen in der Weimarer Hofgesellschaft. Trotz ihrer ganztägigen Präsenz und ihrer zeitlich aufwendigen Koordinierungsaufgabe konnten die Hofdamen auch Freiräume genießen, die vornehmlich aus den jeweiligen Eigenheiten der Fürstinnen353 resultierten: Die regierende Herzogin Louise mochte zum Beispiel abends nur ungern Hof halten und zog sich stattdessen bevorzugt allein in ihre Zimmer zurück, wo sie auch zu speisen pflegte. Ob Carl August seine Abende in der Regel am Hof oder auswärts verbrachte, ist aus den Quellen nur schwer herauszulesen. Die Speisung durch die höfische Tafel nahm er im Gegensatz zu seiner Gemahlin am Ende des Tages jedenfalls nur äußerst selten in Anspruch.354 Sowohl 349

350 351 352 353 354

Vgl. ebd., S. 50f, 51; Marko Kreutzmann: Art. Constanze (Constantia) Gräfin von Fritsch, in: Freyer/ Horn/Grochowina: FrauenGestalten, S.133–135; Czaja: Göchhausen, S. 152; Freyer: Waldner, S. 373f.; Carius: Wedel, S. 376f; Kreutzmann: Wolfskeel, S. 397f. Vgl. z. B. Christian Hain: Art. Freyer/Horn/Grochowina: FrauenGestalten, S. 196–201, hier S. 197. Vgl. z. B. Di Bartolo: Selbstbestimmtes Leben um 1800, S. 155. Vgl. ebd., S. 177. Die Art und Weise, wie Maria Pawlowna ihren Alltag als Erbprinzessin in ihren ersten Jahren in Weimar gestaltete, gilt es noch zu erforschen. Zwar wurde auch für den Herzog regelmäßig das Abendessen im Hofetat mit berechnet, allerdings verzeichnete ihn der Fourier zwischen 1790 und 1810 nur 221 Mal an der Abendtafel, während Louise in den zwei Jahrzehnten an 5974 Tagen als Gast der Abendtafel verzeichnet wurde. Seit dem Beginn seiner Liaison mit Caroline Jagemann speiste

5.2 Die Weimarer Hofdamen

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Louise als auch Carl August umgingen es also beide seit Beginn ihrer Ehe, der höfischen Abendtafel alltäglich vorzusitzen. Obwohl dies durchaus mit dem Zeremoniell zu vereinbaren war,355 führte es doch zu einem grundsätzlichen Versorgungs- bzw. Organisationsproblem, da die „Fräulein Hof Dames mit denen Cavaliers allein zu speisen für unschicklich“ erachteten und die meisten Hofkavaliere wegen ihrer Geschäfte die Tafel immer öfter verpassten.356 Um dem aus dem Weg zu gehen, wurden die Hofdamen 1779 von der Tafelanwesenheit am Abend befreit und erhielten von der Herzogin die Erlaubnis, ihr Souper ebenfalls auf ihren Zimmern zu sich nehmen zu dürfen.357 Louise gestand ihren Hofdamen also schon vier Jahre nach ihrer Ankunft in Weimar eine Art Auszeit am Abend zu. Im Fourierbuch, das alle Gäste der höfischen Tafel täglich verzeichnete, lässt sich dieser Zimmerservice mit Speisen, die eigentlich für die Hoftafel bestimmt waren und mit entsprechendem Aufwand gefertigt wurden, auch noch in den 1790er Jahren für drei Hofdamen seriell nachvollziehen.358 Der Präsenzdispens für das Abendessen galt folglich nicht nur für die beiden seit 1775 am Hof verpflichteten Hofdamen Marianne von Wedel und Adelaide von Waldner, sondern auch für die später hinzugekommene Friederike von Riedesel. Um 1800 veränderten sich allerdings die Einträge des Fouriers dahingehend, dass am Abend immer öfter nur noch die allein speisende Louise als Gast der fürstlichen Tafel notiert wurde, während die Hofdamen sehr selten als Speisende Erwähnung fanden. Inwieweit dies einem neuen Pragmatismus bei der Führung des Fourierbuches anlässlich des Personalwechsels bei den Fourieren geschuldet war359 oder aber auf eine tatsächliche abendliche Abwesenheit der Hofdamen vom Hof zurückging, bleibt in den Quellen des Hofmarschallamtes unklar. Letzteres wäre allerdings eine Erklärung, weshalb 1805 mit der Überarbeitung des Hofetats festgelegt wurde, dass, „wenn am Hofe kein Souper seyn würde, den Dames ferner kein Essen auf ihre Zimmer geschickt werden, sondern (. . . ) selbige ihren Abend Tisch sich selbst (..)

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der Herzog kaum noch abends am Hof. Ähnlich wurde es am Gothaer Hof gehandhabt. Dort speiste der Herzog nur, wenn hohe Besucher zu Gast waren, abends mit an der Hoftafel. Vgl. ThHStAW HMA 4539–4559; Jacobsen: Höfische Kultur, S. 10. Diesen Freiraum schuf das Zeremoniell des geheimen Speisens bzw. Speisen en Serviette. Vgl. Freyer: Gewahrter Stand, S. 116f. ThHStAW HMA 111, Bl. 1. Vgl. ebd., Bl. 2r. Im August 1785 wurde dies noch einmal bestätigt, da sich Carl August und Louise darauf verständigt hatten, fortan das gewöhnliche Speisen auf ihre Zimmer zu verlegen und die Kavaliere nur auf Einladung mitspeisen zu lassen. Dies änderte sich allerdings nach kurzer Zeit, sodass die Regelung 1790 wieder aufgehoben und stattdessen ein fester Plan der Mittagsgäste entworfen wurde. Vgl. ThHStAW HMA 4534, Bl. 76v; ThHStAW HMA 4539, S. 217. Vgl. ThHStAW HMA 4539–4559. Johann Christoph Waitz war am 25. August 1800 verstorben, weshalb Carl Ehlinger als Reisefourier zur Unterstützung des verbliebenen August Friedrich Christian Martini neu verpflichtet wurde. Vgl. ThHStAW HMA 4549, S. 155.

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5. Repräsentationspolitik qua Personal. Der verpflichtete Adel des Hofes

bestellen“ müssten.360 Der Personal- und Naturalienaufwand der Hofküche sollte sich infolgedessen merklich vermindern. Der Hof entzog sich damit jedoch nicht seiner Versorgungsverantwortung, sondern setzte als Ausgleich jeder Hofdame wöchentlich zwei Reichstaler zur Selbstverpflegung aus.361 Mit dieser monetären Entschädigung erweiterte sich prinzipiell auch der abendliche Dispens: Die Hofdamen durften nicht mehr nur der Abendtafel fernbleiben, sondern sich nun auch vom Hof wegbegeben, um sich ihr Abendessen zu beschaffen bzw. auswärts zu speisen. Dies bedeutete einen enormen Freiraum für Louises Hofdamen in Anbetracht dessen, dass die regierende Herzogin seit dem Inkrafttreten des neuen Hofetats am 1. April 1805 beinah täglich abends allein aß.362 Lediglich am Sonntagabend pflegte Louise in der Regel ab sechs Uhr zur Cour und danach zum Tee und Spiel zu laden, wobei die Hofdamen präsent sein mussten. Allerdings scheinen diese Geselligkeiten nicht endlos gewährt zu haben, da die Herzogin im Anschluss stets noch ihr Abendessen zu sich nahm. Der 1779 gewährte Dispens für den Rückzug zum Speisen auf die Zimmer hatte sich also spätestens seit 1805 zu einer Auszeit im Sinne einer bewilligten allabendlichen Abwesenheit vom Hof entwickelt, in dessen Genuss aber erst die späteren Hofdamen, d. h. Friederike von Riedesel, Isabella von Waldner, Sophie von Baumbauch und Eugenie von Staff kamen. Einen weiteren Freiraum bot Louise vor allem ihren beiden hessischen Hofdamen, indem sie ihnen seit Anfang der 1780er Jahre fast jedes Jahr im Sommer Urlaub genehmigte, um zu verreisen. Adelaide von Waldner und Friederike von Riedesel nutzten diese Gelegenheiten gewöhnlich für mehrwöchige Badreisen.363 Während sich Erstere bevorzugt zur Erholung nach Karlsbad begab,364 favorisierte Letztere dagegen das heimatliche Schlangenbad und Bad Pyrmont. Die erste Hofdame Marianne von Wedel durfte sich ebenfalls regelmäßig für einige Tage, zuweilen auch für Wochen vom Hofdienst zurückziehen, allerdings notierte der Fourier bei ihr nur in seltenen 360

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ThHStAW HMA 27, Bl. 9–13, Zitat 11r. In den Akten des Hofmarschallamtes ist die präzise sprachliche Unterscheidung zwischen Tafel, der eine fürstliche Person oder dessen Stellvertreter (Marschall) vorsitzen musste, und dem Tisch, der alles Übrige umfasste, stets bemerkenswert. Vgl. ebd, Bl. 11r. Zwischen dem 1. April 1805 und dem 30. Dezember 1810 speiste Louise abends insgesamt 1823 Mal allein bzw. zurückgezogen in ihren Zimmern. Da der Fourier in diesen Jahren für insgesamt 2064 Abende die Gäste verzeichnete, lässt sich mit Sicherheit sagen, dass Louise mindestens zu 86 % in diesen Jahren allein speiste. Vgl. die Fourierbücher unter ThHStAW HMA 4554–4559. Dabei durften die Hofdamen sogar ihre Bedienung mitnehmen. Vgl. z. B. ThHStAW HMA 4546, Bl. 82r. Die Hofdame von Waldner reiste zum Beispiel am 21.9.1792, 13.7.1798 und am 13.7.1799 nach Karlsbad. Die Hofdame von Riedesel ging dagegen am 24.06.1790 sowie 22.8.1799 nach Schlangenbad und am 29.7.1797 nach Pyrmont. Vgl. ThHStAW HMA 4539–4548.

5.2 Die Weimarer Hofdamen

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Fällen den Grund oder das Ziel der Reise.365 Louise blieb in der Zwischenzeit indes nie ohne standesgemäße Adelsbedienung. Wenn sich eine der Hofdamen in den Urlaub verabschiedete, dann standen ihr mindestens eine, in den meisten Fällen aber zwei Damen zur Aufwartung und Gesellschaft zur Verfügung. 366 Louise billigte jedoch nicht allen Hofdamen gleichermaßen Urlaub zu. Für die kurzzeitig verpflichteten Hofdamen finden sich im Fourierbuch keine Hinweise auf ausgiebige Erholungsreisen. Zwar unternahm Amalie von Imhoff im September 1802 ebenfalls eine längere Reise, allerdings zog sie sich damit den Groll der Herzogin zu. Diese war zuvor im Juni für etliche Wochen mit der Prinzessin Caroline Louise in Begleitung weniger Hofbediensteter ohne Amalie von Imhoff nach Karlsruhe zu ihrer Schwester Amalie von Baden (1754–1832) gereist.367 Die Hofdame entschied sich daraufhin zu einem eigenen Ausflug nach Dresden, kehrte allerdings erst ganze elf Tage nach der Herzogin an den Weimarer Hof zurück.368 Louise nahm ihr diese Verspätung sehr übel, besonders weil alle anderen hohen Hofchargen pünktlich zurückgekehrt waren und die Herzogin wie üblich am Hof empfangen hatten.369 Allerdings war die Hofdame von Imhoff nicht die Einzige, der die Gunst individueller Erholung versagt blieb, denn auch ihre temporären Nachfolgerinnen Emilie von Rotberg, Isabelle von Waldner und Eugenie von Staff unterlagen diesen Arbeitsbedingungen. Offenbar musste man sich bei der regierenden Herzogin den Urlaub erst durch Treue verdienen. Nur jene Hofdamen, die schon etliche Jahre am Weimarer Hof gelebt und gedient hatten, bekamen von Louise eine längere individuelle Erholung vom Hofdienst zugestanden. Wenn Louise selbst verreiste, um andere Höfe, Familienmitglieder oder aber befreundete adelige Damen zu besuchen, pflegte sie gewöhnlich – wohl auch aus Kostengründen370 – nur eine Hofdame mitzunehmen und die

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Vgl. z. B. die Anmerkungen des Fouriers am 21.9.1792, 9.9.1795, 30.3.1796 oder am 1.3.1804. Vgl. ThHStAW HMA 4541–4553. Als Adelaide von Waldner zum Beispiel vom 30. Juli bis zum 12. September 1790 allein eine Badreise unternehmen durfte, standen die beiden Hofdamen von Wedel und von Riedesel der regierenden Herzogin in Weimar (wieder) zur Verfügung. Friederike von Riedesel hatte sich zuvor einen Monat lang in Schlangenbad erholen dürfen. Bei Anwesenheit der Herzogin in Weimar wurden die Urlaube stets aufeinander abgestimmt, d. h. zeitversetzt genommen. Vgl. ThHStAW HMA 4539, S. 168–193. Vgl. ThHStAW HMA 4551, S. 105. Louise kehrte am 9. September zurück, Amalie von Imhoff erst am 22. September 1802. Vgl. ebd., S. 114, 121. Vgl. Henriette v. Knebel an C. L. v. Knebel, Weimar, 16. September 1802, in: Heinrich Düntzer (Hrsg.): Karl Ludwig von Knebels Briefwechsel mit seiner Schwester Henriette (1774–1813). Ein Beitrag zur deutschen Hof- und Literaturgeschichte. Jena 1858, S. 153– 154. Vgl. Henriette v. Knebel an C. L. v. Knebel, Weimar, 2. Juni 1802, in: Düntzer: Knebels Briefwechsel, S. 151.

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5. Repräsentationspolitik qua Personal. Der verpflichtete Adel des Hofes

anderen in Weimar zurückzulassen.371 Wen sie als Begleitung auserwählte, wechselte und folgte offenbar keinem festen System. Zwischen 1790 und 1810 vermerkten die Fouriere insgesamt etwa 50 Reisen der Herzogin, wobei sie am häufigsten von Marianne von Wedel begleitet wurde.372 Da es sich dabei vor allem um repräsentative Besuche an anderen Höfen, zum Beispiel in Meiningen, Barchfeld, Rudolstadt oder Gotha handelte, resultierte diese Präferenz wohl aus deren Stellung als erste Hofdame, später ab 1804 als Oberhofmeisterin.373 In etlichen Fällen scheint aber auch das jeweilige Befinden der Hofdamen entscheidend gewesen zu sein. Als sich Louise mit ihrem ältesten Sohn Carl Friedrich zum Beispiel im Sommer 1794 für eine Woche nach Dessau begab, erwählte sie sich Friederike von Riedesel als Begleitung.374 Marianne von Wedel und Adelaide von Waldner waren für diese Zeit freigestellt, was vor allem Ersterer sicherlich gelegen kam, da sie erst drei Monate zuvor ihren Gatten im Alter von 42 Jahren hatte begraben müssen.375 Louise nahm also auch hierbei auf die persönlichen Umstände ihrer verpflichteten Adelsdamen Rücksicht und eröffnete den jeweils zurückbleibenden Hofdamen mit ihrer Personalstrategie auf Reisen, die sie mindestens zwei Mal pro Jahr unternahm, erneut ein – wenn auch begrenztes – Zeitfenster zur eigenen Verfügung. Die Hofdamen von Anna Amalia scheinen dagegen wesentlich seltener in den Genuss hofunabhängiger Erholung oder Freizeit gekommen zu sein. Zwar lässt sich am Witwenhof die Präsenz der Angestellten ungleich schwieriger nachvollziehen, da für Anna Amalias Hofhaltung kein Fourierbuch überliefert wurde. Allerdings geben etliche Selbstzeugnisse weitreichende Einblicke 371

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Als Carl August und Louise – dieses Mal in Begleitung der Hofdame von Waldner – am 11. September 1785 einen Tagesauflug an den Gothaer Hof unternahmen, verzeichnete der Fourier explizit, dass „die zwei zurückgebliebenen Hofdamen (. . . ) mittags und abends alleine“ speisten, d. h. in Weimar verblieben waren. Vgl. ThHStAW HMA 4534, Bl. 88r. Die Reiseziele waren sehr unterschiedlich. Zumeist verreiste Louise innerhalb ihres Herzogtums oder in dessen unmittelbare Nähe, wie z. B. nach Altenstein, Barchfeld, Beichlingen, Buttelstedt, Dessau, Dietendorf, Dornburg, Durlach, Eisenach, Erfurt, Fulda, Gotha, Gutmannshausen, Ichtershausen, Jena, Kassel, Kochberg, Leipzig, Liebenstein, Meiningen, Naumburg, Ruhla, Rudolstadt, Schwansee, Tiefurt, Tümplingen oder Wilhelmsthal. Zuweilen unternahm sie auch selbst eine Erholungsreise in ein Kurbad. Die weiteste Reise, die Louise als Weimarer Herzogin zwischen 1790 und 1810 unternahm, führte nach Schleswig, wohin sie am 8. August 1807 mit ihrem Gefolge aufgebrochen war und von wo sie am 7. September 1807 zurückkehrte. Vgl. ThHStAW HMA 4556, S. 165, 171. So z. B. am 4.10.1794, 3.3.1795, 3.9.1796, 28.7.1800 und 23.12.1800. Vgl. die Einträge in den Fourierbüchern ThHStAW HMA 4543–4559. Sie wurden zudem begleitet von dem Kammerjunker Friedrich von Seebach, dem Hofmeister Cornelius Johann Rudolph Riedel, der Kammerfrau Caroline Herdt, dem Kammerdiener Tobias Friedrich Hähling, drei Lakaien sowie einem Kavalierdiener. Vgl. ThHStAW HMA 4543, S. 176. Vgl. KA WE SR SK 1794, f. 44r.

5.2 Die Weimarer Hofdamen

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in das Tätigkeitsfeld und in die Zeitgestaltung der Hofdamen der Herzogsmutter. So schaute zum Beispiel Louise von Göchhausen 1804 wehmütig auf Carl Ludwig von Knebels Leben in Jena, der sich dort als „ein freyer Mann“ mit seiner Gattin nicht nur „dem Guten und Schönen“ zuwenden könne, sondern auch „nur so viel Theil an den Bürgerlichen Verhältnißen [nähme], als der Vortheil in ihnen zu leben, allen nothwendig macht“.376 Im Vergleich dazu empfand sie ihr eigenes Leben als Hofdame zwar nicht grundsätzlich als Unglück, allerdings bedauerte sie gegenüber Knebel doch sehr deutlich, ihre Zeit nicht hin und wieder nach ihrem Belieben individuell gestalten zu können. „Nur Schnupfen, Zahn oder Ohrweh“ könnten ihr „einen ruhigen, mir eignen Tag“ verschaffen, weshalb sich diese körperlichen Unpässlichkeiten „dann freylich auch zuweilen ein[stellten].“377 Anna Amalia nahm den Dienst ihrer Hofdamen also offenbar im Gegensatz zu ihrer Schwiegertochter Louise wesentlich intensiver in Anspruch. Gleichwohl scheint die von Louise von Göchhausen beklagte ständige Okkupation durch ihre Fürstin jene Spielräume zu übergehen, die es ihr ermöglichten, sich in den Herbst- und Wintermonaten des Öfteren am Sonnabend einige Gäste zu einem Frühstück in ihre beiden Mansardenzimmer im Palais zu laden.378 Während dieser als „Freundschaftstage“ tradierten Geselligkeiten wurden „ein kleines Gedicht, eine neue Komposition, ein neues Buch, bald eine scherzhafte Erzählung oder auch nur eine interessante Anekdote“ vorgestellt.379 Die Herzogsmutter nahm an diesen Runden nur selten teil und überließ dieses Refugium meist allein ihrer ersten Hofdame.380 Obwohl diese Zusammentreffen offenbar erst nach der Einstellung der zweiten Hofdame von Wolfskeel möglich geworden waren und nur einmal pro Woche für ein ausgedehntes geselliges Frühstück wenige Stunden andauerten, sind sie doch ein Beleg dafür, dass auch die Herzogsmutter ihren Hofdamen gewisse Freiräume zugestand. Anna Amalia ließ ihre Damen zuweilen auch verreisen. Regulären Urlaub bekamen die beiden Hofdamen jedoch nicht gewährt. So hatte Louise von Göchhausen 1795 für mehrere Wochen den Karlsbader Brunnen genießen dürfen und zwar nicht als Begleitung ihrer Fürstin, sondern eigenständig.381 Angesichts ihrer Gichtsymptome liegt es nahe, dass ihr Anna Amalia diese Erholungsreise um der Kurierung willen zugestanden hatte. Desgleichen 376 377 378 379

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L. v. Göchhausen an C. L. v. Knebel, Weimar, 26. Februar 1804, in: BW Göchhausen, S. 130–132, Zitat S. 131. Ebd. Zu den Freundschaftstagen vgl. z. B. BW Göchhausen, S. 9–11. Amalie von Voigt: Die Freundschaftstage des Fräulein Göchhausen. Eine Skizze von Cäcilie, in: Weimars Album zur vierten Säcularfeier der Buchdruckerkunst. Am 24. Juni 1840. Weimar 1840, S. 119–134, hier. S. 125. Vgl. Berger: Anna Amalia, S. 501. Vgl. L. v. Göchhausen an J. W. v. Goethe, Tiefurt, 17. Juli 1795, in: BW Göchhausen, S. 125f. Anna Amalias einzige Kurreise nach der Abgabe der Regierungsgeschäfte führte sie 1797 sechs Wochen nach Bad Kissingen. Vgl. Berger: Anna Amalia, S. 540.

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5. Repräsentationspolitik qua Personal. Der verpflichtete Adel des Hofes

durfte auch die zweite Hofdame Henriette von Wolfskeel hin und wieder kleinere Reisen unternehmen.382 Grundsätzlich nahm die Herzogsmutter also Rücksicht auf die (körperlichen) Befindlichkeiten ihrer Hofdamen und gestand ihnen kleinere Freiräume zur eigenen Geselligkeit und Erholung zu. Im Vergleich zu Louises Hofdamen, die durch den allabendlichen Rückzug der regierenden Herzogin beinah täglich mit einer absehbaren und damit planbaren Freizeit rechnen konnten, waren die Hofdamen Anna Amalias in ihrer Zeitgestaltung jedoch wesentlich stärker an das Wohlwollen der Herzogsmutter gebunden.

5.3 Die Kammerherren des Weimarer Hofes Bis zum Regierungsantritt von Carl August im Jahre 1775 gab es in Weimar keine Kammerherren. Zwar fehlten unter der Herrschaft der vormundschaftlich regierenden Anna Amalia weder die tägliche Aufwartung noch die repräsentativen Dienste im Rahmen der Staatsbedienung, doch übernahmen diese hier vornehmlich Kammer- und Jagdjunker. Dergleichen wurde es unter den vorhergehenden Regentschaften gehandhabt. Sowohl Wilhelm Ernst (reg. 1683–1728), Ernst August I. (reg. 1707–1748) als auch Anna Amalias früh verstorbener Gatte Ernst August II. Constantin (reg. 1748–1758) ernannten keine Kammerherren. Erst Carl August änderte dies, indem er nach seiner Regentschaftsübernahme die Struktur seines Hofes neu ordnete und als eine seiner ersten Amtshandlungen die Charge des Kammerherrn einführte.383 In Anbetracht der Erkenntnis,384 dass die Einführung dieses Amtes bereits im Jahr 1700 von den altfürstlichen Häusern beschlossen worden war und seine Durchsetzung in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts verortet wurde, könnte die Weimarer Hofkonstellation als rückständig oder gar verspätet interpretiert werden. Immerhin brauchte der Weimarer Hof ein dreiviertel Jahrhundert, um sich dem vereinbarten Standard der deutschen Fürstenhöfe anzupassen. Als direkter Gegensatz dazu ließe sich der nahe gelegene konkurrierende Gothaer Hof anführen, der eventuell schon 1730, mit Sicherheit jedoch 1750 – also mindestens 25 Jahre zuvor – dem Beschluss nachkam und Kammerherren ernannte. 385 382 383 384 385

Vgl. BW Göchhausen, S. 180. Vgl. z. B. Huschke: Gesellschaftsschicht, S. 65; Lyncker: Ich diente am Weimarer Hof, S. 47; Kreutzmann: Lebenswelt, S. 249. Vgl. dazu die Ausführungen im Kapitel I. Vgl. das Schreiben von Ernst Friedrich von Seckendorff an Friedrich Heinrich von Seckendorff, Altenburg 21. Juli 1730, ThStA Altenburg, Familienarchiv von Seckendorff 1232, Bl. 28–30. Seckendorff berichtet darin von den Ernennungen des Grafen von Hohenlohe, des Stallmeisters von Wurm(b) und des Herrn von Bibra zu Kammerherren. Möglicherweise ging damit die Einführung der Charge des Kammerherrn am Gotha-

5.3 Die Kammerherren des Weimarer Hofes

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Dennoch greift eine Interpretation im Sinne der Rückständigkeit zu kurz, denn sie übergeht die spezifischen Entwicklungen, die den Weimarer Hof offensichtlich lange Zeit davon abhielten, dieses hoch angesehene Amt einzuführen. Seit dem Tod Ernst Augusts I. im Januar 1748 wurde das Herzogtum fast durchgehend von vormundschaftlichen Vertretern regiert.386 Der Grundregel des Zeremoniells zufolge konnte bzw. durfte der Hof dementsprechend nicht die Pracht und Größe eines wirklich regierenden Fürsten entfalten. Friedrich Carl von Moser nimmt den Fall der vormundschaftlich regierenden Landgräfin von Hessen-Homburg387 sogar als Beispiel, um zu illustrieren, dass die Kammerherrencharge für einen solchen Hof übertrieben gewesen wäre.388 Weimar besaß aufgrund seiner Vormundschaften also schlicht nie den „Maas=Stab, wornach die Cammerherrn ausgemessen“ wurden.389 Carl Augusts Vorgängern war dies offensichtlich bewusst. Das Kammerherrenamt hätte ein zu hohes Würdenzeichen bedeutet und wäre entsprechend den Konventionen sehr wahrscheinlich als Anmaßung wahrgenommen worden. Die späte Etablierung der Charge belegt dementsprechend wohl auch weniger eine Rückständigkeit des Weimarer Hofes als vielmehr dessen regelkonformes Agieren im Rahmen des Zeremoniells. Erst Carl August erfüllte als wirklich regierender Fürst die Voraussetzung für die Einführung der Charge des Kammerherrn. Mehr noch – für ihn wurde dies gar zu einer Art Notwendigkeit, sollte sein Hofstaat mit rangnahen Höfen konkurrenzfähig bleiben. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts hatte sich diese Charge bei den meisten altfürstlichen Häusern tatsächlich durchgesetzt. Sowohl die größeren geistlichen als auch weltlichen Höfe waren dem Beschluss des Nürnberger Fürstentags aus dem Jahr 1700 mittlerweile nachgekommen und hatten zusätzlich zu den verschiedenartigen Junkern das Amt des Kammerherrn eingeführt. Sie grenzten sich damit deutlich von kleineren und rangniedrigeren Höfen ab, die auf diese hohe Charge in der

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er Hof einher. Allerdings erlässt Friedrich III. von Sachsen-Gotha-Altenburg erst 1750 eine entsprechende Kammerherrenordnung. Die dazu überlieferte Korrespondenz legt nahe, dass zu diesem Zeitpunkt die Charge am Gothaer Hof fest etabliert wurde. Vgl. dazu ThHStA Gotha Geheimes ArchivYYX 5a; ThHStA Gotha, Geheimes Archiv, KK V/80; aber auch Moser: Teutsches Hofrecht, Bd. II, S. 184. Ernst August II. Constantin war erst elf Jahre alt, als sein Vater Ernst August I. starb. Für ihn übernahmen der Gothaer Herzog und später Franz Josias von Sachsen-CoburgSaalfeld die Vormundschaft. Erst 1755 trat er mündig die Regierung an, verstarb aber schon nach drei Jahren, so dass das Herzogtum weitere 17 Jahre vormundschaftlich von Anna Amalia regiert werden musste. Moser meinte damit Ulrike Luise von Hessen-Homburg, geb. Prinzessin zu SolmsBraunfels (1731–1792), die – ähnlich wie Anna Amalia in Weimar – nach dem Tod ihres Gatten Friedrich IV. Ludwig (1724–1751) für ihren minderjährigen Sohn Friedrich V. Ludwig (1748–1820) gemeinschaftlich mit Ludwig IX. von Hessen-Darmstadt die vormundschaftliche Regierung übernommen hatte. Vgl. Moser: Teutsches Hofrecht, Bd. 2, S. 184, § 9. Ebd.

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5. Repräsentationspolitik qua Personal. Der verpflichtete Adel des Hofes

Regel bis zum Ende des Alten Reiches oder gar darüber hinaus verzichteten. So führten um 1800 zum Beispiel weder der kleine Meininger Hof noch der rangniedrige Rudolstädter Hof einen Kammerherrn.390 Auch der Hof von Sachsen-Coburg-Saalfeld scheint dem lange Zeit entsagt zu haben. Dort wurden offenbar erst im Juli 1817 die ersten Kammerherren ernannt.391 Carl August hätte sich in seiner Außenwirkung also deutlich degradiert und auf die Rangebene der Rudolstädter gestellt, hätte er das Chargen-System seiner Mutter fortgeführt und nicht auf der Etablierung der Kammerherren am Weimarer Hof bestanden. 5.3.1 Die Entwicklung der Kammerherren hin zur Verdopplung ihrer Zahl Im Verlauf seiner vier Jahrzehnte dauernden Regierungszeit machte Carl August sodann regen Gebrauch von seinem neuen Hofamt: Zwischen 1790 und 1810 versammelte der Weimarer Hof insgesamt 78 Kammerherren. Dazu nutzte Carl August sowohl die Variante der bloßen Titelvergabe als auch die Ernennung zum wirklichen Kammerherrn.392 Die Statistik zeigt, dass die Gesamtanzahl der Kammerherren nach 1800 stark zunahm und sich letztlich verdoppelte. Standen im Jahre 1790 noch elf wirkliche Kammerherren zwölf charakterisierten gegenüber, waren es zwei Jahrzehnte später bereits 20 wirkliche gegenüber 21 charakterisierten Kammerherren. Bemerkenswert ist jedoch insbesondere die Entwicklung des Verhältnisses dieser beiden zeremoniellen Spielarten: Während sich die wirklichen und charakterisierten Kammerherren in der ersten Hälfte des Untersuchungszeitraums in etwa die Waage hielten, stieg ab 1796 die Zahl der Titularkammerherren stetig an, bis sie 1808 schließlich in einer Verdoppelung zu 21 Herren gipfelte. Danach kippte das Verhältnis im Jahr 1810 wieder zurück, da Carl August die Zahl seiner wirklichen Kammerherren sprunghaft durch neue Ernennungen an die der Titulierten anglich. In den folgenden fünf Jahren explodierte dann

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Heinrich von Gleichen, genannt von Rußwurm, der z. B. im Oktober 1790 mit seiner Gattin den Weimarer Hof besuchte, wird in der Sekundärliteratur zwar stets als Rudolstädter Kammerherr bezeichnet, ist aber in den entsprechenden Hofkalendern nicht verzeichnet. Es ist denkbar, dass er zwar in Rudolstadt lebte, aber den Titel eines anderen Hofes trug. Vgl. Rudolstädter Staatskalender von 1790, S. 118–136. Vgl. Herzoglich-Sachsen-Coburg-Saalfeldischer Staats-Calender. Auf das Jahr 1819. Coburg 1819. Im Konkreten gehörten zwischen 1790 und 1810 nacheinander insgesamt 30 Titularkammerherren – inklusive der Pensionäre – und 48 wirkliche Kammerherren zum Weimarer Hof. Bis 1816 kamen noch einmal zwölf Titelträger und sechs wirkliche hinzu. Vgl. die Weimarer Staatskalender von 1790–1816.

5.3 Die Kammerherren des Weimarer Hofes

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Abbildung 12: Entwicklung der Kammerherrenanzahl von 1790 bis 1816 (ohne 1809, 1814/15)

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5. Repräsentationspolitik qua Personal. Der verpflichtete Adel des Hofes

wiederum die Zahl der Titularkammerherren geradezu, ebenso wie auch die Zahl der wirklich Dienenden erneut ruckartig zu steigen schien.393 In Anbetracht dieser doch recht deutlichen Aufwärtsentwicklung stellt sich die Frage, weshalb die Zahl der Weimarer Kammerherren – und zwar zunächst in erster Linie die der Titularkammerherren – bis 1810 schrittweise verdoppelt wurde, sich später beinah sogar verdreifachte. Wie lässt sich dieses Phänomen erklären? Ex negativo lässt sich zunächst jener marginale Anteil an Titularkammerherren als unbedeutend ausschließen, die ehemals als wirkliche Kammerherren am Weimarer Hof tätig gewesen waren. Da es erst seit Carl August Kammerherren in Weimar gab, waren Lebrecht von Luck und Friedrich August Ludwig Freiherr von Lasberg die ersten Pensionierten, die sich unter die Titularkammerherren einreihten. Nachdem Carl August ihrer Bitte um Entlassung zum Jahreswechsel 1802/03 stattgegeben hatte,394 wechselten die beiden Kammerherren vom aktiven zum passiven Status und wurden auf Titelträger ohne Dienst reduziert – allerdings mit dem beachtlichen Unterschied, dass sie den genuin dienstbefreiten Titularkammerherren im Rang übergeordnet blieben. Ein ehemals wirklicher Kammerherr wurde in Weimar also stets höher geschätzt als ein bloß charakterisierter. Ab 1807/08 kamen dann schrittweise weitere Pensionäre hinzu.395 Ihre Zahl blieb jedoch insgesamt stets gering, da zwischenzeitlich einige verstarben oder aber an einen anderen Hof wechselten. Mit dem Übertritt an einen auswärtigen Hof wurde die Pensionierung sofort hinfällig. Dies war zum Beispiel der Fall bei Wilhelm Rabe von Pappenheim, der offiziell am 14. September 1807 wegen „seiner privaten Verhältniße“ von Carl August in Gnaden pensioniert worden war. 1810 schied er dann vollständig aus dem Weimarer Hof aus, um als Kammerherr für Jérôme Bonaparte tätig zu werden.396 Er verlor mit diesem Wechsel automatisch den Weimarer Kammerherrentitel, bekam im Gegenzug allerdings den höherwertigen, weil königlichen Kammerherrentitel des westphälischen Hofes. Carl August duldete keine direkte Verbindung mit seinem Hof, sobald ein Weimarer Pensionär „in auswärtige Dienste mit oder ohne Besoldung tritt oder Titel oder Charakter eines andern Hofes als des Unserigen annimmt“.397 Bis 1815 gab es in Weimar deshalb pro Jahr nie mehr als fünf Pensionäre, die den Kammerherrentitel trugen. Die eher seltene Gewährung von Pensionen spielte bei der stetigen Vermehrung der Kammerherren um 1800 folglich keine tragende Rolle. 393 394 395 396 397

Im Jahre 1816 standen schließlich 26 wirkliche Kammerherren gegenüber 29 charakterisierten. Vgl. den Weimarer Staatskalender von 1816, S. 170–171, 190–191. Vgl. ThHStAW B 25735, Bl. 9–10. So zum Beispiel Wilhelm von Stein zu Nord- und Ostheim, Ludwig Ernst Wilhelm von Schardt und Wilhelm Rabe von Pappenheim. Vgl. ThHStAW HMA 427, Bl. 20 sowie ThHStAW HMA 432, Bl. 37. Vgl. z. B. ThHStAW HMA 426, Bl. 18. Ebenso hielt es der Württemberger Hof. Vgl. Herdt: Der württembergische Hof im 19. Jahrhundert, S. 91f.

5.3 Die Kammerherren des Weimarer Hofes

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Mehr Erklärungskraft scheint dagegen in der entscheidenden Differenz zwischen wirklichen Kammerherren und bloßen Titelträgern zu stecken: Während Erstere zum überwiegenden Teil Landeskinder des Herzogtums Sachsen-Weimar-Eisenach waren, stammte bzw. lebte der Großteil Letzterer im Ausland. Neben Herren aus Livland, Estland, England und Italien wählte Carl August auch Herren aus der näheren, aber doch ,fremdländischen‘ Umgebung, so zum Beispiel aus Altenburg, Ansbach, Coburg oder Rudolstadt. Ein spezielles Ländermuster verfolgte er offenbar nicht. Indes machte er sich einen besonderen Spielraum des Zeremoniells zu Nutze. Die bloße Titelverleihung barg nämlich mit der einhergehenden Dienstbefreiung die Möglichkeit, die fürstliche Gunst über das eigene Fürstentum hinaus verteilen und den Hof als überregional attraktiv darstellen zu können – ohne dabei den Ernannten eine Residenzpflicht aufzuerlegen. Sobald die charakterisierten Weimarer Kammerherren im Ausland, zum Beispiel an anderen Höfen, in Erscheinung traten, fungierten sie aufgrund ihrer Titulierung als Repräsentanten des Weimarer Hofes und sorgten damit für die Bekanntheit der Weimarer Dynastie. Für die derart titulierten Adeligen hielten sich die damit verbundenen Vor- und Nachteile die Waage: Einerseits konnten sie ihrem Fürsten nicht wirklich dienen und damit nicht von seiner Nähe profitieren. Andererseits kamen sie jedoch in den Genuss, einen prestigeträchtigen Titel zu führen, der ihnen Zutritt zu hochrangigen Veranstaltung verschaffte, während sie zugleich die wertvolle Freiheit genossen, nicht regelmäßig vor Ort bzw. am Weimarer Hof sein zu müssen, weil es eben keine Pflichten bzw. Anwesenheitsgebote zu erfüllen galt. Gerade diese Freiheit lieferte Carl August wiederum einen stichhaltigen Grund, den bloß Titulierten kein Gehalt zu zahlen. Mit dem Kammerherrentitel vergab er zwar eine exklusive Teilhabe am Prestige seines Fürstenhauses, in der Regel aber keine Bezahlung.398 Eine Besoldung blieb üblicherweise den wirklich Dienstleistenden vorbehalten. Die zeremonielle Zurückstellung der bloß titulierten Kammerherren bot für Carl August also die Möglichkeit, fremde Herren kostengünstig in den Weimarer Hof formal einzubinden und auf diese Weise sein überregionales Renommee bzw. den Bekanntheitsgrad des Hofes zu steigern.399 Wenn er diesen speziellen zeremoniellen Spielraum allerdings beständig nutzen wollte, dann musste er zwangsläufig eine kontinuierliche Vermehrung der Titularkammerherren in Kauf nehmen. Denn die Ernennung zum Kammerherrn war in der Regel nicht zeitlich begrenzt, sondern galt ein Leben lang 398 399

Am Württemberger Hof verband sich die Kammerherrenwürde ebenfalls nicht mit einer Bezahlung. Vgl. ebd., S. 92. Dem stand scheinbar konträr die Empfehlung der Zeremonialwissenschaft gegenüber, „gewisse Bedienungen, zumal von wichtigen Hof= und Reichs=Chargen (. . . ) bloß mit Einheimischen“ zu besetzen. Ob die bloßen Titularkammerherren dazugehörten, lässt die Zeremonialwissenschaft jedoch offen. Es lässt sich deshalb nicht bestimmen, inwiefern die Weimarer Personalpolitik in dieser Hinsicht zeremoniellkonform war. Rohr: Grosse Herren, S. 230, § 3.

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5. Repräsentationspolitik qua Personal. Der verpflichtete Adel des Hofes

und verband den Kammerherrn mit „seinem“ Hof bis zum Tode. Julius Bernhard von Rohr gab zu bedenken, dass man eines „einmahl erlangten Ranges nicht verlustig“ werden konnte – außer wenn das „Abdancken cum infamia“ geschehen müsse.400 Die Verbindung zwischen Kammerherr und Hof konnte demnach nur in Ausnahmefällen und dann nur schändlich gelöst werden, ansonsten galt sie auf Lebenszeit. Wenn Carl August einen Kavalier zum Weimarer Kammerherrn ernannte, dann ging er also eine dauerhafte Bindung ein. Da die Titularkammerherren in Weimar im Regelfall nicht bezahlt wurden, war ihrer Zahl kein festes Limit gesetzt. Im Gegensatz zu den fest kalkulierten Etatsstellen der wirklichen Kammerherren musste Carl August folglich auch nicht warten, bis eine Stelle durch Tod vakant wurde. Das bedeutete aber, dass die Anzahl mit der fortschreitenden Regierungszeit automatisch sukzessive stieg, je nachdem, wie lang die Kammerherren lebten. Auf dieser Grundlage ließe sich sodann auch die allgemein moderat steigende Tendenz der Kammerherrenzahl in anderen weltlichen deutschen Höfen in den 1790er Jahren erklären. Alle Fürsten scheinen stetig, aber gemäßigt die Zahl ihrer Kammerherren erhöht zu haben (vgl. Abb. 12). Eine Ausnahme bildeten lediglich die Herzöge von Württemberg401 und von Mecklenburg-Schwerin, die jedes Jahr eine Fülle neuer Kammerherren ernannten. Der Schweriner Hof verfügte im Jahr 1800 bereits über die anderthalbfache, 1810 sogar über beinah die doppelte Zahl im Vergleich zum Weimarer Herzog. Der Württemberger Hof übertrumpfte den Weimarer wie auch den Mecklenburger noch einmal um ein Vielfaches.402 Während bei den anderen Vergleichshöfen in Gotha, Darmstadt und Kassel zumindest bis 1806 die Zahl der Kammerherren durchaus proportional zur Hofgröße gewählt wurde, übergingen Friedrich von Württemberg403 und Friedrich Franz I. von Mecklenburg-Schwerin diese Grundregel des Zeremoniells. Sie putzten ihre Höfe mit einer überdimensional großen Anzahl an hohen männlichen Würdenträgern heraus. Selbst als Friedrich Franz I. den durchaus beträchtlichen personellen Gesamtumfang seines Hof nach dem Tod seiner prestigeträchti-

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Rohr: Grosse Herren, S. 270, § 3. Zwischen 1790 und 1810 waren in Württemberg nacheinander vier Herzöge an der Macht: Karl Eugen (1728–1793) regierte von 1737 bzw. 1744 bis 1793, Ludwig Eugen (1731–1795) regierte von 1793 bis 1795, Friedrich Eugen (1732–1797) regierte ab 1795 bis 1797, danach folgte Friedrich (1754–1816), der 1806 schließlich zum König aufstieg. Für den Schweriner Hof vgl. unten Abb. 13. Für Württemberg wurden die Kammerherren nur stichprobenhaft ausgezählt. 1795 gehörten zum Württemberger Hof insgesamt 109 Kammerherren, 1799 waren es 93, 1803 sank deren Zahl auf 83, um dann 1806 auf 126, 1807/08 auf 126 und 1809/10 auf insgesamt 186 Kammerherren anzusteigen. 1810 hatte Württemberg also das Vierfache der Kammerherren von Weimar. Vgl. dazu die Württemberger Staatskalender der entsprechenden Jahre. Da für Friedrichs Hof – im Gegensatz zu den Höfen seiner Vorgänger – auf die Studie von Gisela Herdt zurückgegriffen werden kann, soll sich im Folgenden beispielhaft auf ihn konzentriert werden.

5.3 Die Kammerherren des Weimarer Hofes

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gen russisch-großfürstlichen Erbprinzessin 1803 wieder reduzierte,404 hielt er an seiner Kammerherren-Strategie fest und band weiterhin jedes Jahr neue Adelige als Kammerherren in seinen Hof ein. Bei den anderen deutschen Fürsten dürfte dieses Gebaren durchaus auf Unverständnis gestoßen sein. Zwar war es absolut legitim, nach dem Regierungsantritt neue eigene Würdenträger zu ernennen und damit die Zahl der Kammerherren zu erhöhen – ebenso wie dies zum Beispiel 1804 August von Sachsen-Gotha-Altenburg nach dem Tod seines Vaters handhabte.405 Allerdings galt es auch hierbei, den eigenen Rang und damit die Größe des Hofes als Maßstab im Blick zu behalten. Der Mecklenburger und die Württemberger Herzöge ignorierten jedoch diese zeremonielle Beschränkung zugunsten einer offenkundigen Provokation, die bei beiden Fürstenhäusern auf die Kurwürde, d. h. auf eine deutliche Rangerhöhung, zielte. Darüber hinaus mag im Detail zudem die eigenwillige Art und Weise, wie diese enorme Zahl der Kammerherren realisiert und präsentiert wurde, Kopfschütteln hervorgerufen haben. Friedrich von Württemberg ließ in seinen Staatskalendern alle hohen Adeligen ausdrücklich als wirkliche Kammerherren deklarieren, obwohl er diese Würde offensichtlich in erster Linie als Belohnung für Verdienste im Militär- oder Staatsdienst in Form eines bloßen Titels vergab.406 Alle Kammerherren waren nur theoretisch zu einem temporären vierwöchigen Hofdienst pro Jahr verpflichtet, denn faktisch hob Friedrich diese Pflicht für beinah alle im Ausland bzw. nicht in der Nähe der Residenz wohnenden Adeligen sowie für die meisten Staatsbeamten und Offiziere auf.407 Der Großteil der Württemberger Kammerherren war dadurch vom Hofdienst dispensiert. Die Bezeichnung als wirkliche Kammerherren in den Württemberger Staatskalendern führte also klar – und dazu noch bewusst – in die Irre. Denn während der Mecklenburger Herzog auf eine explizite Kategorisierung verzichtete und damit offenließ, ob seine zahlreichen Kammerherren nur titular-passiv oder wirklich-aktiv in seinen Hof eingebunden waren, suggerierte der Württemberger Herzog ausdrücklich einen aktiven Status. Er wusste demnach um die damit verbundenen verschiedenen Wertigkeiten und entschied sich in seinen Staatskalendern für ein Blendwerk. Tatsächlich gab es an seinem Hof nur drei ständig Dienstleistende: zwei Kammerherren bei ihm selbst und einen bei seiner Gattin.408 Dennoch verzichtete er auf die reguläre, zeremonielle Variante des bloß charakterisier404 405 406

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Vgl. dazu oben den Abschnitt über den Bedeutungszuwachs der Höfe nach 1806. Vgl. den Gothaer Staatskalender von 1803, S. 55–70 und den Gothaer Staatskalender von 1806, S. 56–72. Vgl. Herdt: Der württembergische Hof im 19. Jahrhundert, S. 91. Diese Verschränkung zwischen Militär- und Staatsdienst war in manchen Fällen so eng, dass der Württemberger Herzog in den entsprechenden Ernennungsdekreten sogar bestimmte, dass die Kammerherrenwürde beim Verlassen dieser Dienste wieder zu entziehen sei. Ebd., S. 92f. Ebd.

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5. Repräsentationspolitik qua Personal. Der verpflichtete Adel des Hofes

ten Kammerherrn, um stattdessen all seine erwählten Adeligen zunächst zu wirklichen Kammerherren zu ernennen und sodann in einem weiteren Gnadenakt vom Dienst zu dispensieren. Friedrich von Württemberg ließ damit geschickt die gängigen Grenzen der zeremoniellen Bedeutungszuschreibung verschwimmen. Wer keinen näheren Umgang mit seinem Hof oder seinen Kammerherren pflegte, wurde mittels dieser Praxis Glauben gemacht, dass um 1800 zwischen 100 und 200 – zum Großteil aus dem Ausland stammende – Kammerherren regelmäßig jedes Jahr zur Württemberger Fürstenfamilie pilgerten, um dieser ihren Dienst zu erweisen und aufzuwarten. Bezeichnenderweise erwies sich gerade dieses Beispiel unmäßiger Personalsstrategie als wegweisend, wenn nicht gar seiner Zeit voraus: Nach dem Untergang des Alten Reiches entbrannte besonders unter den machtambitionierten Fürsten eine Art höfisches Wettrüsten, mit dem sie den eigenen zeremoniellen Wert und ihren Machtanspruch symbolisch zu steigern suchten. Das Amt der Kammerherren spielte dabei eine höchst bedeutsame Rolle, da es durch seine hohe Stellung in der höfischen Hierarchie ein außerordentlich wertvolles Prestigekapital barg. Bei fast jedem repräsentativen Ausbau eines Hofes nach 1806 wurden deshalb in der Regel vornehmlich diese adeligen Würdenträger innerhalb kürzester Zeit um ein Vielfaches vermehrt. Auch Carl August erachtete nach der Degradierung409 durch Napoleon diese Personaltaktik für opportun und modifizierte dementsprechend seine bisherige Berufungsstrategie. Das zeigt sich sowohl am vergleichsweise sprunghaften Anstieg der wirklichen Kammerherren in den Jahren zwischen 1808 und 1810 als auch am rasanten Anstieg der Titularkammerherren seit 1807. Der Weimarer Herzog kehrte seiner bisher gepflegten Rangkonformität den Rücken und zog von nun an scheinbar unaufhaltsam Adelige als Kammerherren an seinen Hof. Deren Auswahl mag ihm nicht schwergefallen sein, da das Angebot größer war als je zuvor: Nach nunmehr 30 Regierungsjahren konnte Carl August aus einer Vielzahl ihm vertrauter Adeliger wählen, die er selbst als Pagen und Kammerjunker an seinem Hof oder in seinem Militär herangebildet hatte.410 Daneben boten die anhaltenden Kriegszeiten reichlich Gelegenheit zum Kontakt mit fremden Adeligen, da die politischen Turbulenzen vor allem den staatsmännisch und militärisch involvierten Adel in eine hohe Mobilität versetzten. Dem Weimarer Hof bescherte dies einen wechselnden und stets wachsenden adeligen Besucherkreis. Allein in den Monaten vor der Schlacht bei Jena und Auerstedt wurde am Hof eine Schar an durchziehenden Militärs vorstellig und zur fürstlichen Tafel gebeten.411 Die Gefechte selbst verschafften vielerlei gut begründete Anlässe zur Verleihung 409 410

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Vgl. dazu das Kapitel über die ranggemäße Größe des Weimarer Hofes. Damit dieser Nachwuchs nicht versiegte, änderte Carl August nach 1806 seine Ernennungsstrategie für seine Hof- und Kammerjunker. Vgl. dazu ausführlich den Abschnitt zu den Weimarer Junkern. Vgl. dazu die Fourierbücher der Jahre 1805 und 1806 in: ThHStAW HMA 4554–4555.

5.3 Die Kammerherren des Weimarer Hofes

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höfischer Ehren – insbesondere in Form einer bloßen Titelverleihung – als Auszeichnung für besondere militärische Verdienste oder Tapferkeit. Es mangelte also nicht an personellen Ressourcen und an Gelegenheiten. Carl August ernannte seine Kammerherren deshalb zwar nicht wahllos, mit Fokus auf die Jahre zwischen 1806 und 1815 wird dennoch deutlich, dass er seine lang gepflegte Zurückhaltung aufgab und die Zahl seiner Kammerherren beinah verdoppelte, wobei er insbesondere von der kostengünstigen Titularvariante Gebrauch machte. Carl August erkannte demnach klar den veränderten Bedeutungswert der Höfe nach dem Ende des Alten Reiches und versuchte seinen Hof mit zum Teil sprunghafter Vermehrung der Kammerherren als Symbol seines politischen Selbstbewusstseins aufzuwerten. Die große Zahl seiner hohen Würdenträger sollte unmissverständlich demonstrieren, dass dem Weimarer Fürstenhaus – ebenso wie zum Beispiel den vormals rangniedrigeren, nun aber von Napoleon zu Großherzögen erhobenen badischen oder hessischen Fürsten – der königliche Rang gebührte. 5.3.2 Die Auswahlkriterien für die Titularkammerherren Die konkreten Motive, die Carl August jeweils zur Auswahl eines Titularkammerherrn bewogen, lassen sich im Einzelnen relativ schwer nachvollziehen.412 Grundsätzlich einte die Titularkammerherren der Umstand, dass sie sich alle vor ihrer Ernennung einige Zeit in Weimar oder in Jena aufgehalten und sich in dieser Zeit mit dem Weimarer Hof bekannt gemacht hatten. Außerdem gehörten alle ausnahmslos dem Adel an – 75 % nachweislich sogar dem titulierten Adel413 – und hatten sich durch ihre Leistung beim Militär oder im Staats- bzw. Regierungsdienst bereits verdient gemacht. Carl August bewegte sich bei diesen Ernennungen also im vorgegebenen Rahmen: Die vom Zeremoniell geforderten Voraussetzungen an Herkunft und Meriten waren stets erfüllt. Bei näherer Betrachtung der einzelnen Biographien erweisen sich die Titularkammerherren jedoch als eine durchaus heterogene Gruppe. Vor dem Hintergrund der Musenhof-Zuschreibung scheint dabei zunächst interessant, dass sich etliche der charakterisierten Herren als Schriftsteller, Dichter oder 412

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Dies hat mehrere Ursachen: Zum einen sind nicht alle Titularkammerherren eindeutig identifizierbar, da in den Dekreten oft nicht alle Vornamen angeben wurden und damit Brüder, Onkel und andere Anverwandte desselben Namens nicht zu unterscheiden sind. Daher bleibt der Kontext, d. h. die Lebensdaten, genaue Abstammung, Orte, Tätigkeiten bzw. Berufe etc. unklar. Zum anderen begründete Carl August seine Entscheidung in den Ernennungsdekreten nie explizit. Unter den Titularkammerherren befanden sich zwischen 1790 und 1810 insgesamt vier Grafen, 14 (Reichs-)Freiherren und ein untitulierter Adliger. Bei fünf Titularkammerherren ist der genaue Adelstitel bzw. -rang unklar. Aus der Zählung sind die sechs Herren ausgenommen, die zuvor im aktiven Dienst gestanden hatten und im Zuge ihrer Pensionierung auf den Kammerherrentitel reduziert wurden.

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5. Repräsentationspolitik qua Personal. Der verpflichtete Adel des Hofes

Abbildung 13: Weimarer Kammerherren im Vergleich zwischen 1790 und 1815

5.3 Die Kammerherren des Weimarer Hofes

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Künstler betätigt hatten. So trug zum Beispiel der Porträt- und Historienmaler Anton Graf von Maron(i) (1731–1818) den Weimarer Kammerherrntitel.414 Sein berühmtes, 1768 gefertigtes Porträt von Johann Joachim Winckelmann wird noch heute in Weimar aufbewahrt. Desgleichen durfte sich auch der Lyriker und Trauerspieldichter Carl Ernst von Reitzenstein, der eines der bekanntesten Werther-Lieder verfasst hatte,415 mit dem Weimarer Kammerherrntitel schmücken,416 ebenso wie der Schriftsteller Carl Lebrecht Hartmann von Erffa (1761–1825), der sich mit vielen „unterhaltsamen“ Artikeln und Gedichten hervorgetan hatte.417 Möglicherweise weckte dieses künstlerische Engagement das Interesse Carl Augusts und veranlasste ihn, jene Herren auszuzeichnen. Vielleicht verdankten sie ihre Ernennung aber auch dem Einfluss der künstlerisch interessierten Minister und hohen Hofangestellten, die auf diese Weise befreundeten oder zugeneigten Herren zu prestigeträchtigen Ehrungen verhelfen wollten. Ein prominentes Beispiel dafür stellt der Fall des Freiherrn von Knigge dar.418 Adolph Franz Friedrich Ludwig von Knigge (1752–1796) sah im Weimarer Regierungswechsel offensichtlich eine willkommene Chance, um nach seinem Abschied als Hofjunker und Assessor der Kriegs- und Domänenkammer aus den Diensten des Landgrafen Friedrich II. von Hessen-Kassel (1720–1785) erneut an einem anderen Hof Anstellung finden zu können.419 Er bot dem jungen Carl August in einem schriftlichen Gesuch seine Dienste an 414

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Der Ende 1772 geadelte Maler Anton Graf von Maron verbrachte nach 1772 die meiste Zeit in Rom. Im November und Dezember 1780 besuchte Maron, der vom Fourier als Graf in päpstlichen Diensten angekündigt wurde, für einige Wochen Weimar, erhielt währenddessen am Hof eine Audienz und speiste mehrere Male mit an der fürstlichen Tafel im Beisein des Weimarer Herzogpaars wie auch des derzeit zu Besuch weilende Herzogs von Meiningen. Vgl. ThHStAW HMA 4528, Bl. 122–134. Ab 1783 wurde er als Titularkammerherr in den Staatskalendern geführt. Zur Kurzbiographie vgl. z. B. Friedrich Noack: Deutsches Leben in Rom 1700 bis 1900. Stuttgart 1907, S. 413f. oder Elisabeth Hermann-Fichtenau: Maron, Anton von, in: NDB, Bd. 16 (1990), S. 233–234. Carl Ernst von Reitzenstein: Lotte an Werthers Grab. Wahlheim 1775. Der als Regierungsrat in Ansbach tätige von Reitzenstein wurde von 1788 bis 1827 als Titularkammerherr in den Staatskalendern geführt. Seine Lebensdaten sind unbekannt. Vgl. Wolfgang Schimpf: Reitzenstein, Carl Ernst Frhr. von, in: Walther Killy (Hrsg.): Literatur-Lexikon. Autoren und Werke deutscher Sprache. Bd. 9. Gütersloh 1991, S. 388. Der sächsisch-coburgische Kammerjunker Carl Lebrecht Hartmann von Erffa wurde von Carl August am 22. Oktober 1793 per Dekret zum Titularkammerherren ernannt, allerdings wurde ihm der Charakter – laut Fourierbuch – offenbar erst am 6. Februar 1794 offiziell verliehen. Vgl. ThHStAW HMA 415, Bl. 23 und ThHStAW HMA 4543, S. 37. Zur Biographie vgl. z. B. [D. S.]: Art. Karl Lebrecht Hartmann Freiherr von Erffa auf Wernburg, Niederlind u. Laskau, in: Neuer Nekrolog der Deutschen, Jg. 3, 1825 (1827), S. 1521–1525. Für folgende Angaben zu Adolph von Knigge vgl. Ingo Hermann: Knigge. Die Biographie. Berlin 2007, S. 63–69. Später hielt sich Knigge am Hof des Erbprinzen Wilhelm von Hessen-Kassel in Hanau auf und engagierte sich dort aus freien Stücken als eine Art Maître de Plaisir. Vgl. ebd., S. 70–77. Es ist wohl eher unwahrscheinlich, dass er dort erneut bzw. einen weiteren

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und reiste danach selbst nach Weimar. Dort gelang es ihm, sowohl die Unterstützung des Kammerherrn Johann August Alexander von Kalb (1747−1814) als auch die des Geheimrats Jakob Friedrich von Fritsch (1731–1814) für sich zu gewinnen. Mit Hilfe des Kammerherrn von Kalb konnte er sich sogar dem ihm bis dahin nicht persönlich bekannten Goethe empfehlen. Anders als am Gothaer und Berliner Hof, an denen sich von Knigge zuvor ebenfalls beworben hatte,420 waren diese Bemühungen – wenn auch nur bedingt – von Erfolg gekrönt. Carl August lehnte den 24-jährigen Freiherrn nicht wie seine Standesgenossen rundweg ab, gab ihm aber auch keine wirkliche Hofstelle, sondern verlieh ihm 1777, etwa ein Jahr nach dessen Weimarbesuch, den Status eines charakterisierten Kammerherrn.421 Welche Gründe den Weimarer Herzog zu diesem Schritt bewogen, bleibt undurchsichtig. Knigge war zu diesem Zeitpunkt als Schriftsteller noch relativ unbekannt, hatte jedoch schon sein erstes Theaterstück geschrieben und befasste sich mit Kompositionen und Übersetzungen. Möglicherweise konnte er den jungen Herzog im persönlichen Kontakt422 derart nachhaltig beeindrucken, dass dieser daraufhin die Charakterverleihung veranlasste. Aufgrund der zeitversetzten Ernennung erscheint eine solch spontane Entscheidung jedoch eher unwahrscheinlich. Dagegen mag der Einfluss der zahlreichen – zum Teil miteinander konkurrierenden – höfischen Fürsprecher wohl wesentlich ausschlaggebender gewesen sein. Die Auszeichnung künstlerisch tätiger Adeliger mit dem Kammerherrentitel kann also nicht zwangsläufig als Ausdruck eines zielgerichteten Mäzenatentums verstanden werden. Vielmehr zeigt der Fall von Knigge, dass das Patronagesystem eines Hofes neben den Interessen und Neigungen eines Fürsten, in einem nicht unerheblichen Maße auch die Ambitionen der Personen widerspiegelte, die dem Fürsten nahestanden und beeinflussten. Gleichwohl finden sich Ernennungen, die relativ eindeutig auf Carl Augusts individuelle Interessen zurückgeführt werden können, wenngleich hier sicherlich erst das Zusammenspiel verschiedener Faktoren die Verleihung eines Kammerherrentitels bewirkte. Das Beispiel des britischen Diplomaten Joseph Charles Mellish of Blyth (1769–1823) zeigt, wie facettenreich die Motivation einer Titelvergabe gedeutet werden kann: Mellish bekam am 30.

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Kammerherrentitel verliehen bekam wie Oda Hay behauptet. Vgl. Oda Hay: Knigge, Adolph Freiherr, in: NDB 12 (1979), S. 184–186. Adolph von Knigge hatte zuvor bei Friedrich II. in Berlin und bei Ernst II. in Gotha um eine Stelle gebeten. Vgl. Hermann: Knigge, S. 63–69. Knigge wurde seit 1778 offiziell als Titularkammerherr ausgewiesen. Vgl. Weimarer Staatskalender von 1778, S. 73. In den Weimarer Fourierbüchern wird Adolph von Knigge nicht als Gast der Tafel des regierenden Hofes aufgeführt. Da die Biographen allerdings von einem persönlichen Kontakt zwischen Freiherr und Herzog ausgehen, muss das Treffen entweder „en serviette“, d. h. im vertrauten Kreise, oder am Witwenhof von Anna Amalia oder an einem außerhöfischen Ort zustande gekommen sein.

5.3 Die Kammerherren des Weimarer Hofes

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März 1798 von Carl August den Status eines charakterisierten Weimarer Kammerherrn verliehen und wurde als solcher etwa eine Woche später am Hof bei Tafel vorgestellt.423 Zu diesem Zeitpunkt war der hochgebildete Mellish in Weimar bereits kein Unbekannter mehr.424 Er verkehrte schon seit etwa zwei Jahren, d. h. seit dem Sommer 1796,425 in der kleinen Residenzstadt und knüpfte im Verlauf dessen enge Kontakte. Es ist zu vermuten, dass ihm dabei seine Tätigkeit als Schriftsteller und Übersetzer den Weg ebnete. Zumindest kam er – wie es ihm schon kurz zuvor in Hamburg mit Friedrich Gottlieb Klopstock (1724–1803) gelungen war – schnell in den direkten Umkreis von Goethe und Schiller, deren Werke er wenige Jahre später ins Englische übertragen sollte.426 Wie im Fall des Freiherrn von Knigge, muss offen bleiben, inwieweit Mellish mit seinen schöngeistigen Qualitäten auch Carl August imponieren konnte – erwiesen ist allerdings ein besonderes Interesse des Herzogs für dessen Herkunftsland. Denn schon nach wenigen Monaten seines Weimaraufenthaltes begleitete Mellish den Weimarer Stallmeister Friedrich von Seebach 1797 mehrmals nach England, der dort auf Wunsch des Herzogs Kutschgeschirre und Pferde für den herzoglichen Stall einkaufte.427 Die Ernennung von Mellish zum Titularkammerherrn könnte also Ausdruck des Dankes für die Dienste in England gewesen sein. Ebenso plausibel scheint jedoch, dass der Herzog eine prestigeträchtige Heirat ermöglichen wollte, von der er selbst profitieren sollte. Keine vier Monate nach seiner Ernennung ehelichte Mellish Karoline Freiin von Stein zu Nord- und Ostheim (1777–1824)428 und trat damit in den weit verzweigten Clan der Familie von Stein ein,429 der einflussreiche Adelsfamilien Sachsen-Weimar423

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Zur Ernennung vgl. ThHStAW HMA 415, Bl. 63. Das Fourierbuch vermerkt am 8. April 1798: „Hr. Baron v. Mellisch aus England wurde heute als hiesiger Cammerherr vorgestellt“. Vgl. Vgl. ThHStAW HMA 4547, Bl. 32v. Mellish hatte die Lateinschule in Eton besucht und am Trinity College in Cambridge Jurisprudenz studiert. Vgl. Klopstock Briefe 1795–1798. Hrsg. von Rainer Schmidt. Bd. 2: Apparat/Kommentar, Anhang. Berlin/New York 1996, S. 518. Am 3. Juli 1796 wurde Mellish zum ersten Mal an die fürstliche Tafel gebeten. Vgl. ThHStAW HMA 4545, Bl. 78r. Mellish war des Deutschen ausgezeichnet mächtig. Das wird außerhalb des Künstlerischen im besonderen Maße in seinen politischen Essays deutlich. Vgl. z. B. Joseph Charles Mellish von Blyth: Eine Brille für kurzsichtige Politiker. O. O. 1804. Vor und insbesondere nach diesen Reisen vermerkt das Fourierbuch den Engländer als vergleichsweise häufigen Gast der fürstlichen Tafel, was ein Indiz dafür ist, dass sich Joseph Charles Mellish als Ausländer innerhalb kürzester Zeit in die höfische Gesellschaft Weimars integrieren konnte. Am 31. März 1797 vermerkte der Fourier beispielsweise: „H. Baron v. Melisch, welcher gestern mit dem H. Stallmstr. v. Seebach aus England zurückgekommen, wurde heute an Hof gebeten“. Vgl. ThHStAW HMA 4546, Bl. 38r. Zu den Pferdeeinkäufen vgl. auch Bilanzen des Stalls unter: ThHStAW Hofstallamt 51–53. Karoline war die Tochter von Dietrich Philipp August Reichsfreiherr von Stein zu Nord- und Ostheim (1741–1803) und Susanne Wilhelmine Elisabeth Freiin von und zu der Tann (1737–1797). Vgl. die Ahnentafel ihrer Schwester Louise von Stein im Anhang. Die Hochzeit fand am 5. August 1798 im väterlichen Hause der Braut statt. Zu den Gäs-

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5. Repräsentationspolitik qua Personal. Der verpflichtete Adel des Hofes

Eisenachs einband, wie z. B. die von Seebachs, von Ziegesars und von der Tanns. Carl August sicherte sich mit der Ernennung den Beifall der Familie von Stein, die ihre Tochter nun einem Weimarer Kammerherrn zur Frau geben konnten. Die Auszeichnung des Briten könnte also nicht nur als Beweis persönlicher Dankbarkeit und Zuneigung, sondern zugleich auch als innenpolitisch kalkulierter Gunsterweis interpretiert werden. Darüber hinaus scheinen aufgrund der überaus disparaten Biographien der Weimarer Titularkammerherren noch etliche weitere Motive denkbar. So ist es zum Beispiel möglich, dass sich Carl August durch ein besonderes freimaurerisches Engagement zu einer Auszeichnung hat bewegen lassen. Dies könnte zumindest bei dem aus dem Mecklenburger Uradel stammenden Adam Otto von Vieregge (1749–1820) der Fall gewesen sein. Am 1. November 1785430 wurde dem Bruder der Loge zu den drei Sternen in Rostock und wahrscheinlich späterem Logenmeister der Loge zur Vaterlandsliebe in Wismar der Charakter eines Weimarer Kammerherrn verliehen.431 Bei Christian Ferdinand von Könitz (1756–1832)432 und Johann Friedrich Graf und Herr von Beust (1761–1821)433 hätte dagegen das Engagement als Historiker ausschlaggebend gewesen sein können. Während Letzterer beispielsweise die „Sächsischen Provinzialblätter“ herausgab, tat sich Ersterer mit Untersuchungen zur Erbfolge innerhalb des Ernestinischen Hauses und zur „Desorganisation der S. Koburg-Saalfeldischen Lande“ hervor.434 Da Carl August jedoch in keinem der Dekrete oder entsprechenden Akten

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ten gehörte unter anderem der Weimarer Erbprinz Carl Friedrich. Vgl. ThHStAW HMA 4547, Bl. 65v. Vgl. ThHStAW HMA 414, Bl. 1. Adam Otto von Vieregge war später Landrat und erster Fideikommissherr auf Steinhausen. Am 9. März 1783 heiratete er die verwitwete Frau Hauptmann Catharina Dorothea verh. von Plessen, geb. von Plessen († 1805) auf dem Hof zu Raden. Sein jüngerer Bruder, der großherzoglich-mecklenburgische Kammerherr Friedrich Leopold von Vieregge (1762–1840), war ebenfalls in mehreren Logen aktiv. Vgl. Claus Heinrich Bill: Personalmatrikel maurerischer Edelleute in Mecklenburg, in: Nobilitas Jg. 5, Folge 22 (2002), S. 1118–1119; Kuno von Rodde: Gelegenheitsfindlinge aus meinen genealogischen Sammlungen, in: Jahrbücher des Vereins für mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde Bd. 90 (1926), S. 321–328, hier S. 323. Von Könitz studierte 1773 in Jena und war später als Staatsminister und Geheimratspräsident in Meiningen tätig. Er arbeitete an der Zeitschrift von und für Deutschland (hrsg. vom Freiherrn von Bibra) und z. B. in der Gartengesellschaft zu Berlin mit. Vgl. Johann Caspar Ihling: Christian Ferdinand von Könitz, in: Neuer Nekrolog der Deutschen, Jg. 10 (1832), Teil 1. Ilmenau 1834, S. 39–46. Johann Friedrich von Beust war Gothaer Rittmeister und lebte in Altenburg, später in Cottbus und Dresden. Er betätigte sich als Historiker und Schriftsteller und gab z. B. von 1797 bis 1801 die „Sächsischen Provinzialblätter“ heraus. Des Weiteren schrieb er unter dem Pseudonym Friedrich Stube diverse Aufsätze in verschiedenen Zeitschriften. Die anonym erschienenen Heftchen „Kinder der Liebe deutscher Fürsten“ (1811) und „Altenburgs Kanzler“ (1821) werden ihm zugeschrieben. Vgl. Beck: Beust, Johann Friedrich, in: ADB, Bd. 2 (1875), S. 587. Vgl. Christian Ferdinand von Könitz: Beyträge zur Geschichte der Desorganisation der

5.3 Die Kammerherren des Weimarer Hofes

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seine Auswahl begründete, kann letztlich nie mit Sicherheit die Motivation der einzelnen Ernennungen eruiert werden. Die Unterschiedlichkeiten der Titulierten machen gleichwohl deutlich, dass Carl August bei der Vergabe der Weimarer Kammerherrentitel keinem festen Muster folgte. Die Titulierten scheint allein der Umstand zu einen, nicht dem einheimischen Adel angehört zu haben. Inwieweit diese Strategie von Carl August, nur Fremde und Ausländer mit bloßen Titeln zu beehren, unter den Fürsten um 1800 durchaus üblich oder eine Besonderheit des Weimarer Herzogs war, muss an dieser Stelle offenbleiben. Im Gegensatz zu Weimar differenzierten andere Höfe nur äußerst selten zwischen dem passiven und aktiven Status der jeweiligen hohen Würdenträger, obgleich der Unterschied zwischen wirklichem Dienst und bloßem Titel bekannt war. So wies zum Beispiel der Mecklenburger Herzog all seine adeligen Bediensteten ohne nähere Beschreibung aus, während er bei seinen bürgerlichen Leib- und Hofmedici dagegen extra vermerken ließ, wer lediglich den entsprechenden Titel trug und wer dem Hof wirklich seine medizinischen Kenntnisse zur Verfügung stellte. Ähnlich gestalteten sich die Angaben in den Staatskalendern von Bamberg, Hessen-Darmstadt, Hessen-Kassel435 , Kursachsen, Preußen436 , Sachsen-Gotha-Altenburg, Württemberg437 sowie von Würzburg438 . Im Vergleich fällt zwar auf, dass vor allem die personell wesentlich umfangreicher ausgestatteten königlichen (Kur-)Fürsten eine Großzahl an auswärtigem, landesfremdem Adel mit dem Dekret eines Kammerherrn bedachten.439 Jedoch bleibt darüber hinaus meist unklar, in welcher Art und Weise diese Herren an dem jeweiligen Hof ein- bzw. angebunden wurden. Es wäre folglich erst durch eine eingehende archivalische Erforschung der anderen deutschen Höfe möglich, das Verhältnis von wirklichen Kammerherrenstellen zu bloßen Titelverleihungen zu eruieren und damit eine optimale Vergleichsgrundlage zur Personalpolitik Carl Augusts zu schaffen.

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S. Koburg-Saalfeldischen Lande. Zu seiner Vertheidigung aus den Landschaftlichen Akten gezogen. Meiningen 1804. Seit 1793/94 wurden in den Kalendern von Hessen-Kassel zwei Adelige, Carl Gustav von Berg und der Domherr zu Lübeck Hans Casper von Bülow, mit Sternchen optisch getrennt verzeichnet. Sehr wahrscheinlich waren diese allein mit dem Titel eines Kammerherrn ausgezeichnet worden, eine Erklärung dieses Zeichens findet sich jedoch nicht. Die königlich-preußischen Kammerherren wurden nur nach dem Datum ihrer Ernennung geordnet. Damit wurde deutlich, welcher König die Erhebung veranlasst hatte. In den Württemberger Kalendern werden die gelisteten Kammerherren explizit mit der Überschrift „wirkliche Kammerherren“ überschrieben, ohne allerdings an einer anderen Stelle auf Titularkammerherren einzugehen. Der Würzburger Staatskalender bedient sich – ähnlichen dem Kasseler – des SternchenSymbols, das allerdings nicht erklärt wird. Die Königshöfe in Berlin und Dresden vermerkten in ihren Staatskalendern zumeist die Herkunft ihrer hohen Hofangestellten.

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5. Repräsentationspolitik qua Personal. Der verpflichtete Adel des Hofes

Mit den Ergebnissen einer solchen Untersuchung ließe sich zudem klären, ob und inwieweit sich die beinah inflationär anmutenden Kammerherrenernennungen nach dem Ende des Alten Reiches auf den Dienstalltag der Höfe auswirkten. Möglicherweise vergrößerten die meisten Fürsten – wie Carl August – ihre Höfe in erster Linie passiv durch bloße Titelträger und steigerten auf diese Weise zwar ihr zeremonielles Ansehen gegenüber den Standesgenossen, erweiterten ihren höfischen Alltag aber nur ganz allmählich durch neues, wirklich dienendes Personal. Vielleicht wählten die meisten Fürsten aber auch eine sofortige Vergrößerung des aktiven adeligen Personalstamms und modifizierten damit grundlegend ihren bisherigen Hofalltag. 5.3.3 Die Auswahlkriterien für die wirklichen Kammerherren Bei der Auswahl seiner wirklichen Kammerherren folgte Carl August der zeremoniellen bzw. traditionellen Überzeugung, dass ein hohes Amt erarbeitet bzw. verdient sein müsse. Er ernannte deshalb nur Kavaliere zu Kammerherren, die sich in einem zweiten Bereich neben dem Hofdienst bereits profiliert und entweder im Militär (25), Jagd- und Forstwesen (11), Stall (2) oder im Staatsdienst (10) hohe Positionen errungen hatten. Ausnahmslos jeder der 48 Kammerherren, die dem Herzog und seiner Familie zwischen 1790 und 1810 wirklich zu Diensten standen, konnte zum Zeitpunkt seiner Ernennung bereits eine verdienstvolle Karriere vorweisen. Die vom Zeremoniell gestellte Forderungen nach Meriten nahm der Weimarer Herzog also auch bei seinen wirklich dienenden Kammerherren ernst. Die geographische Herkunft spielte für ihn dagegen keine entscheidende Rolle. Während er seinen Kammerherrentitel konsequent nur an Ausländer vergab, hielt er den wirklichen Kammerherrendienst für alle offen. Er berief sowohl Einheimische, als auch Ausländer, die zumeist aus angrenzenden Gebieten stammten, wie zum Beispiel aus Franken oder Kursachsen, aber auch aus Württemberg.440 Landeskinder erhielten keine Bevorzugung.441 Carl August war es demnach gleichgültig, wo seine wirklichen Kammerherren geboren worden waren, über welche sozialen Netzwerke sie dadurch gegebe440

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So stammten zum Beispiel die beiden Brüder Wolfgang Gottlob Christoph und August Carl Wilhelm Freiherr von und zu Egloffstein wie auch Christian Friedrich Carl Wolfskeel von Reichenberg aus Adelsfamilien der fränkischen Reichsritterschaft, Carl Emil Spiegel von und zu Pickelsheim stammte aus Preußen, Wilhelm Ernst Friedrich Freiherr von Wolzogen aus Bauerbach bei Meiningen, und Ernst Christian August von Gersdorff wurde in der Gemeinde Herrnhut bei Zittau geboren. Die Thesen von Norbert Elias über die Instrumentalisierung des Hofes zur Domestizierung des Adels sind damit auch für Weimar zurückzuweisen. Der Weimarer Herzog vergab seine hohen Hofchargen nicht, um seinen landsässigen Adel zu zähmen. Vgl. oben die Ausführungen zu Norbert Elias in der Einleitung.

5.3 Die Kammerherren des Weimarer Hofes

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nenfalls (nicht) verfügten und ob er sie nur als Dienstherr oder zugleich auch als Landesherr in Anspruch nehmen konnte. Wesentlich wichtiger schien ihm stattdessen die Vertrautheit bzw. die erwiesene Loyalität gewesen zu sein. Mehr als zwei Drittel der wirklichen Kammerherren standen seit vielen Jahren in Weimarer Diensten. Etliche von ihnen waren noch unter Anna Amalias Herrschaft an den Hof gezogen worden, und für einige lässt sich sogar eine jahrzehntelange, lückenlose Karriere in Weimarer Diensten nachzeichnen. Carl August setzte also nicht erst bei seinen Führungspersönlichkeiten, sondern auch schon bei den Kammerhherren auf eine nachhaltige Personalpolitik. Er favorisierte den eigenen Nachwuchs und wählte seine wirklichen Kammerherren prinzipiell aus den Reihen der eigenen, wirklichen Kammerjunker aus. Dabei nutzte er das traditionelle Prinzip der Anciennität, das die Dauer des Dienstes belohnte, und beförderte der Reihe nach den jeweils dienstältesten Kammerjunker.442 Die entscheidende Voraussetzung, um am Weimarer Hof zum wirklichen Kammerherrn ernannt zu werden,443 war demnach der Dienst als wirklicher Kammerjunker. Diese konsequente Nachwuchspolitik veränderte das soziale Profil der wirklichen Kammerherren – die ausnahmslos dem Adel entstammten – langfristig. Um 1800 gehörten knapp 45 % der Herren nicht einfach nur dem untitulierten Niederadel, sondern vielmehr dem Freiherrenstand an.444 Diese Quote war gezielt erarbeitet. Carl August war bestrebt, den Anteil der Hofkavaliere mit Adelstitel im Laufe seiner Regentschaft bewusst zu steigern. Als er nach seinem Regierungsantritt die Kammerherrencharge neu einführte, hatte er zunächst noch auf den größtenteils untitulierten Adel seiner vormundschaftlich regierenden Mutter zurückgreifen müssen. Da es die Charge zunächst zu etablieren galt, machte es wenig Sinn, besonders wählerisch zu 442 443

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Gleichwohl hatte ein wirklicher Kammerjunker kein verbrieftes Anrecht auf eine wirkliche Kammerherrenstelle. Vgl. dazu den Abschnitt zu den Junkern. Davon ausgenommen waren die vier Kammerherren der beiden (Erb-)Prinzen Carl Friedrich und Bernhard, d. h. die Kammerherren von Pappenheim, von Schardt, von Bielke, Rühle von Lilienstern und von Hintzenstern. Vgl. dazu oben die Abschnitte zu den Führungspersönlichkeiten und den jeweiligen Einzelhöfen. Dazu gehörten zwischen 1790 und 1810 neben Carl Wilhelm und Friedrich August von Fritsch auch die Freiherrenbrüder August und Gottlob Freiherren von und zu Egloffstein, die drei Herren Friedrich August, Carl Friedrich und Carl Wilhelm Heinrich aus dem freiherrlichen Geschlecht der von Boyneburgs, Friedrich Albrecht Gotthelf Freiherr von Ende, Ernst Christian August Freiherr von Gersdorff, Albrecht (Albert) David Gabriel Freiherr von Groß, Friedrich August Ludwig Freiherr von Lasberg, Johann August Ludwig Freiherr von Lincker, Carl Albert Freiherr von Lincker, Wilhelm Freiherr Rabe von Pappenheim, Gustav Freiherr von Mauchenheim gen. Bechtolsheim, Carl Emil Freiherr Spiegel von und zu Pickelsheim, Julius Wilhelm Ernst von Reichsfreiherr von Stein zu Nord- und Ostheim, Christian Friedrich Carl Freiherr Wolfskeel von Reichenberg, Wilhelm Ernst Friedrich Freiherr von Wolzogen, Anton Freiherr von Ziegesar und Christian Ferdinand Georg Freiherr von Werthern-Beichlingen auf Frohndorf. Vgl. die Weimarer Staatskalender von 1790 bis 1810.

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5. Repräsentationspolitik qua Personal. Der verpflichtete Adel des Hofes

sein.445 Immerhin sollte der Fürstenwelt demonstriert werden, dass in Weimar endlich wieder ein vollwertiger altfürstlicher Regent auf dem Thron saß. Erst als es später daran ging, die personelle Erstausstattung zu ergänzen bzw. nach und nach zu ersetzen, genoss Carl August mehr Freiraum. Denn nun konnte er auf seine eigenen, selbst rekrutierten Kammerjunker zurückgreifen, bei denen er titulierte Adelige eindeutig bevorzugte.446 Das soziale Profil der Weimarer Kammerherren veränderte sich sukzessive durch diese titulierten Nachrücker. Die Riege der ersten Gesellschafter am Weimarer Hof wurde zwar langsam, aber stetig immer exklusiver. Diese nachhaltige Personalpolitik ließ sich nach zwei Regierungsjahrzehnten allerdings nicht mehr ausnahmslos aufrechterhalten. Bereits Mitte der 1790er Jahre musste Carl August die Bevorzugung der eigenen Junker aufgrund qualitativer Nachwuchsprobleme zum ersten Mal aufsagen und mit Wilhelm von Wolzogen einen Unbekannten an seinen Hof holen.447 Er ernannte deshalb den Freiherrn unmittelbar zum wirklichen Kammerherrn und rangierte ihn als Quereinsteiger an unterster Stelle in die Hierarchie seiner Kammerherren ein. Mit dieser Entscheidung erhob er einen Fremden, der zuvor keinen einzigen Tag in Weimarer Diensten gestanden hatte, unmittelbar in eine hohe Position am Hof und überging somit all jene, die ihm bereits seit einigen Jahren als Junker gedient hatten und dadurch eine Aussicht auf eben diese Stelle genossen. Zwar war die Beförderung nach der Anciennität nie ein einklagbares Anrecht oder fixes Gesetz, sondern immer eine besondere Gnade des Weimarer Herzogs. Allerdings war das Anciennitätsprinzip unter den Hofadeligen wohl bekannt, so dass durchaus mit verprellten Eitelkeiten gerechnet werden musste. Tatsächlich löste die Ernennung Wilhelm von Wolzogens schweren Unmut aus. Der Regierungsrat und Kammerjunker Carl Wilhelm von Fritsch fühlte sich maßgeblich zurückgesetzt und so stark in seiner Ehre gekränkt, dass er sogar um einen Dispens vom Hofdienst ersuchte.448 Da vor Carl Wilhelm von Fritsch noch drei andere, dienstältere Kammerjunker rangierten, scheint diese Reaktion auf den ersten Blick völlig unangemessen gewesen zu sein. Die empfundene Demütigung erklärt sich jedoch, sobald die Konkurrenzsituation nicht nur auf den Hofrang beschränkt wird. Wilhelm von Wolzogen wurde als Kammerherr und zugleich als Kammerrat und damit wie der Regierungsrat von Fritsch als Staatsdiener angestellt. In der Hierarchie der Weimarer Kam445

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Allerdings holte er sich mit Siegmund Carl Friedrich Freiherr von Seckendorff gleich zu Beginn bereits den ersten Freiherrn aus dem Ausland nach Weimar. Vgl. den Weimarer Staatskalender von 1776, S. 75. Vgl. dazu den Abschnitt zu den Junkern. Zwar mangelte es in Weimar nicht grundsätzlich an Kammerherren oder Kammerjunkern, allerdings befand sich darunter (noch) kein fähiger bzw. geeigneter Kandidat, mit dem sich die vakanten Führungsämter des Hofes wieder hätten adäquat besetzen lassen. Vgl. dazu den Abschnitt zu den Führungspersönlichkeiten. Vgl. ThHStAW HMA 416, Bl. 20; Kreutzmann: Lebenswelt, S. 220.

5.3 Die Kammerherren des Weimarer Hofes

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merjunker standen über Carl Wilhelm von Fritsch zu dem Zeitpunkt nur noch zwei Oberforstmeister und ein Stallmeister.449 Er selbst war also der ranghöchste Staatsdiener unter den Kammerjunkern, der als Nächster die Aussicht auf Beförderung im Hofdienst genoss. Durch diese Gleichartigkeit der Anstellung in Hof und Staat ließen sich für ihn im Gegensatz zu den anderen folglich nur schwer rationale Argumente finden, weshalb er sich nicht von der Bevorzugung des Fremden übergangen gefühlt haben sollte. Noch knapp fünf Jahre später zeigte sich von Fritsch düpiert und beklagte sich bei Carl August, dass er den Hofdienst einst „als eine vorzügliche Distinction“ betrachtet habe, er nun darin aber „keinen Wert mehr“ sehe, weil „manchen Fremdling“ sofort ein hohes Amt verliehen werde und der Hofdienst folglich selbst „in den eigenen Augen des Fürsten unbedeutend scheint“.450 Diese Einstellung änderte sich erst mit der so dringlich gewünschten Beförderung. Am 7. Dezember 1802 ernannte Carl August den bisherigen Kammerjunker von Fritsch zum Kammerherrn, der daraufhin seinen Hofdienst wieder aufnahm.451 Sehr wahrscheinlich waren derartige Beschwerden der Grund, weshalb Carl August in seinen Kernhof nur äußerst selten hohe Quereinsteiger integrierte. Insgesamt katapultierte er zwischen 1796 und 1810 zwar acht fremde Adelige unmittelbar in wirkliche Kammerherrenstellen des Weimarer Hofes, davon waren aber nur drei für ihn selbst bestimmt, während fünf der Auswärtigen nacheinander ausschließlich seinen beiden Söhnen als Gesellschafter bzw. Gouverneure dienten.452 Da für die Prinzen stets Fremde an den Hof gezogen wurden,453 konnten sich die Kammerjunker des Kernhofes davon nicht übergangen fühlen. Carl August riskierte letztlich also nur in drei Fällen den Unwillen seiner Hofadeligen: Neben Wilhelm von Wolzogen, den er als zukünftigen Hofmarschall an die Spitze seines Hofes zu stellen gedachte, entschied er sich im Januar 1803, den königlich britischen Obristleutnant Albrecht David Gabriel Freiherr von Groß (1757–1809) als wirklichen Kammerherrn in seinen engeren Kreis einzubinden und ihm die Leitung der Militärakademie in Belvedere anzutragen.454 Sowohl für den Freiherrn von 449

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Über ihm rangierten der Kammerjunker und Oberforstmeister Ludwig von Arnswald, der Kammerjunker und Stallmeister Friedrich von Seebach und sein Bruder, der Kammerjunker und Oberforstmeister Friedrich August von Fritsch. Vgl. z. B. den Weimarer Staatskalender von 1797, S. 84. C. W. v. Fritsch an C. A. v. S-W-E, Weimar, 24. Januar 1802. Zitiert nach Kreutzmann: Lebenswelt, S. 220. Vgl. ThHStAW HMA 416, Bl. 23; ThHStAW HMA 436, Bl. 1–3. Dabei handelte es sich bei Carl Friedrich nacheinander um Wilhelm von Pappenheim, Friedrich von Ende und Friedrich Wilhelm von Bielke. Bei Carl Bernhard wurden jeweils die Gouverneure, Franz August von Hintzenstern und Otto August Rühle von Lilienstern, zu Kammerherren ernannt. Vgl. ThHStAW HMA 123, Bl. 1–7; ThHStAW HMA 416, Bl. 11; ThHStAW HMA 432, Bl. 36; ThHStAW HMA 433, Bl. 9–10; ThHStAW HMA 434, Bl. 10. Vgl. Abschnitt zu den Führungspersönlichkeiten. Vgl. ThHStAW HMA 1266; ThHStAW HMA 416, Bl. 28–29.

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5. Repräsentationspolitik qua Personal. Der verpflichtete Adel des Hofes

Wolzogen als auch für den Freiherrn von Groß hatte Carl August also einen konkreten Zukunftsplan im Sinn, den er mit seinem selbst herangezogenen Personalstamm offensichtlich nicht realisieren konnte. Allein die letzte Ernennung entgegen der Anciennität bleibt undurchsichtig. Im November 1807 erhob der Herzog Gustav Freiherr von Mauchenheim genannt Bechtolsheim (1776–1813), der als Eisenacher Landeskind kein wirklicher Fremder war.455 Allerdings stand er im Gegensatz zu seinem Vater und Bruder nicht in den Diensten des Herzogtums,456 sondern als Stabskapitän in denen der königlich-preußischen Armee. Gustav von Bechtolsheim wollte dort aber offensichtlich nicht bleiben, sondern nach dem Tode von Vater und Bruder nach Hause zurückkehren, wo er sich im Eisenacher Landesteil als Landrat im Landschaftskollegium engagieren konnte.457 Es ist denkbar, dass Carl August ihm diesen Weg zurück in die Heimat erleichtern, wenn nicht gar einen entsprechenden Anreiz schaffen wollte, ihn aber aufgrund seines hohen militärischen Ranges nicht mehr als Kammerjunker, sondern nur als Kammerherr unmittelbar an seinen Hof ziehen konnte. Gustav von Bechtolsheim war – wie Wilhelm von Wolzogen und Albrecht David Gabriel von Groß – von freiherrlicher Geburt und passte damit vollkommen in das Profil, das Carl August für seine Hofkavaliere bevorzugte. Seine Ernennung war also auch für den Herzog von Nutzen. Möglicherweise war dies sogar der eigentliche Beweggrund und die Ernennung Teil jener geschickten Strategie, den Anteil der titulierten Hofkavalieren zu erhöhen.458 Carl August hätte in diesem Falle den Beförderungsmechanismus der Anciennität zugunsten des zeremoniellen Prinzips übergangen, das das Prestige eines Herrn nach dem Stand und Rang seiner Bediensteten bemaß. Paradoxerweise wäre damit der Verstoß gegen das Zeremoniell also wiederum mit dem Zeremoniell selbst zu rechtfertigen gewesen. Gustav von Bechtolsheim sollte jedoch vorerst der letzte hohe Quereinsteiger im Kernhof bleiben. Carl August besann sich danach wieder voll und ganz auf das Prinzip der Anciennität und wählte seine wirklich dienenden hohen Hofchargen ausschließlich aus seinem eigenen Bestand an Kammerjunkern aus. Da er nach 1806 eine schnelle Vermehrung seiner hohen Würdenträger 455 456

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Vgl. ThHStAW HMA 432, Bl. 41. Sein Bruder Ludwig von Bechtolsheim (1778–1806) war als Scharfschütze im Weimarer Militär, und sein Vater Ludwig von Bechtolsheim (1739–1806) führte als Kanzler hochverdient die Eisenacher Regierung. Vgl. z. B. den Weimarer Staatskalender von 1806, S. 126, 136, 142, 172. Vgl. z. B. den Weimarer Staatskalender von 1810, S. 109. Für diese gezielte Strategie sprechen auch die Regelbrüche bei den Junkern. Dort setzte Carl August in fünf Fällen die Anciennität zugunsten der Anstellung eines Freiherrn zurück. Im Konkreten betraf das Carl Emil Freiherr von Spiegel, Christian Friedrich Carl Freiherr von Wolfskeel, Christian Freiherr von und zu der Tann und Ernst Christian August Freiherr von Gersdorff. Vgl. ThHStAW HMA 414, Bl. 27; ThHStAW HMA 431, Bl. 18, ThHStAW HMA 433, Bl. 43–44.

5.3 Die Kammerherren des Weimarer Hofes

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anstrebte, nahm diese Strategie jedoch zum Teil absurde Züge an: Innerhalb von zwei Jahren beförderte er alle seine wirklichen Kammerjunker zu wirklichen Kammerherren.459 Dabei spielte es keine Rolle, wie lang jemand zuvor gedient hatte. Selbst Herren, die gerade erst seit zwei oder drei Jahren am Hofe beschäftigt waren, erhielten eine Erhebung. Während sich also jemand wie Carl Albert von Lincker über zwölf Jahre lang als Junker hatte beweisen müssen,460 kamen andere – wie zum Beispiel die beiden Kammerjunker und Regierungsassessoren Anton Freiherr von Ziegesar und Carl Emil Freiherr Spiegel von und zu Pickelsheim – schon nach einer kurzen Probezeit von kaum zwei Jahren zu hohen Ehren.461 Anhand der unterschiedlichen Karrierewege der beiden Cousins, Friedrich Ernst von Germar (1773–1837) und Friedrich Ludwig August von Germar (1787–1842), lässt sich besonders deutlich ablesen, wie einschneidend das Ende des Alten Reiches Carl August zum Wandel seiner Personalstrategie zwang: Beide Cousins knüpften an die lange militärische Tradition ihrer Familie an und durchliefen die Offiziersausbildung. Schon ihr Großvater, der Hauptmann Georg Adam von Germar,462 hatte dem Weimarer Herrscherhaus als Kapitän der Infanterie gedient. Während allerdings der jüngere Friedrich Ludwig August von Germar 1802 zunächst ausschließlich eine Militärlaufbahn anstrebte,463 erarbeitete sich der ältere Friedrich Ernst von Germar zweigleisig sowohl die militärische als auch die höfische Karriere. Als einziger in seiner Familie begann er bereits im Alter von 13 Jahren als Page am Weimarer Hof.464 Im Alter von knapp 16 Jahren schickte ihn Carl August in die Nähe von Berka, damit er dort das Jagd- und Forsthandwerk auf Kosten der fürstlichen Kammer innerhalb zweier Jahre erlernen konnte.465 1790 beendete Friedrich Ernst von Germar seine Lehre als Jagdpage und 459

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Im März 1807 ernannte er bereits mit einem Mal seine vier dienstältesten Kammerjunker zu Kammerherren: Friedrich Ernst von Germar, Carl Albert von Lincker, Carl August von Arnswald (1776–1831) und Ludwig Ernst Rudolf Gustav von Seebach (1770–1841). Vgl. ThHStAW HMA 432, Bl. 29. Carl Albert Lincker von Lützenwick auf Denstedt diente dem herzoglichen Hause bereits als Page. Er wurde am 23. Juni 1793 zum Hof- und Jagdjunker ernannt, am 15. Januar 1802 folgte die Beförderung zum Kammerjunker und erst am 31. März 1807 die zum Kammerherrn. Vgl. ThHStAW HMA 415, Bl. 18–19; ThHStAW HMA 416, Bl. 19; ThHStAW HMA 432, Bl. 29. Vgl. ThHStAW HMA 432, Bl. 28; ThHStAW HMA 433, Bl. 16. Georg Adam von Germar auf Gorsleben bei Heldrungen stammte aus einem alten thüringischen Adelsgeschlecht. Er war mit Henriette Charlotte von Rüxleben verheiratet, die ihm die beiden Söhne Wilhelm Heinrich und Friedrich Ludwig von Germar gebar. Vgl. Huschke: Gesellschaftsschicht, S. 100. Friedrich Ludwig August von Germar wurde am 26. März 1808 zum Kammerjunker und am 21. September 1809 zum Kammerherrn und Hauptmann des Füsilierbataillons ernannt. Vgl. ThHStAW HMA 433, Bl. 16; ThHStAW HMA 434, Bl. 14–15. Friedrich Ernst von Germar hatte seinen Pagendienst am 28. März 1785 angetreten. Vgl. ThHStAW B 25951, Bl. 204ff. Die fürstliche Kammer übernahm das gesamte Lehrgeld in Höhe von 100 Reichstalern

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5. Repräsentationspolitik qua Personal. Der verpflichtete Adel des Hofes

durfte weiterhin zweigleisig sowohl als Fähnrich in Eisenach als auch als Hof- und Jagdjunker in Weimar tätig werden. Nach zehn Jahren erfolgte die Ernennung zum Kammerjunker, allerdings sollten noch weitere acht Jahre vergehen, bevor er seine Beförderung zum Kammerherrn erhielt.466 Der Aufstieg seines etwa 15 Jahre jüngeren Cousins karikierte geradezu dieses langsame verdienstvolle Hochdienen am Hof. Friedrich Ludwig August von Germar zeigte zunächst kein Interesse an einer Hofkarriere und konzentrierte sich voll und ganz auf das Militär, wo er als Leutnant im Weimarer Scharfschützen- bzw. Füsiliercorps diente. Im März 1808 zog ihn Carl August jedoch nach sechs Jahren reinem Militärdienst als Kammerjunker komplett neu in den Hof und beförderte ihn bereits ein Jahr später im September 1809 zum Kammerherrn.467 Friedrich Ludwig August von Germar gelangte also innerhalb von zwei Jahren am Hof zu höchsten Ehren und profitierte unmittelbar von dem strategischen Personalausbau des Hofes nach dem Ende des Alten Reiches, während sich sein Cousin Friedrich Ernst von Germar dafür 18 Jahre lang hatte gedulden müssen. Im Frühjahr 1808 trieb Carl August diese Personalpolitik dann völlig ad absurdum, als er die beiden Kapitäne seines Füsilier-Battailons, Johann Carl von Könneritz und Franz Anton Müller d’Euchacq, am 15. Februar 1808 zunächst zu Kammerjunkern ernannte, um sie dann bereits am 26. März 1808 sofort zu Kammerherren zu befördern.468 Statt die beiden Militärs unmittelbar zu Kammerherren zu ernennen, entschied sich Carl August für einen Umweg und ließ sie zunächst knapp anderthalb Monate als Kammerjunker dienen. Er wahrte damit zwar sowohl den typischen Dienstweg469 als auch die Rangfolge seiner Kammerherren, indem er die Dienstjüngsten weiterhin stets unten anstellte. Allerdings entwertete er mit dieser enorm verkürzten ,Wartezeit‘ auf der Kammerjunker-Stufe den Grad der Exklusivität, die sich ursprünglich mit der Beförderung zum wirklichen Kammerherrn am Weimarer Hof verband. Um sich selbst auf europäischem Parkett durch die Quantität seiner hohen Hofbediensteten aufwerten zu können, musste Carl August also paradoxerweise den Wert eben dieser Hofchargen durch einen beschleunigten Karriereweg schmälern. Diese umfangreiche Ernennungswelle blieb allerdings nur eine relativ kur-

466 467

468 469

sowie Lichtgeld, Kostgeld und Holzgeld in Höhe von etwa 70 Reichstalern pro Jahr. Vgl. ThHStAW B 25930, Bl. 105. Friedrich Ernst von Germar wurde am 31. März 1807 zum Kammerherrn ernannt. Vgl. ThHStAW HMA 432, Bl. 29. Friedrich Ludwig August von Germar wurde am 16. März 1808 zum Kammerjunker und am 21. September 1809 zum Kammerherrn ernannt. Vgl. ThHStAW HMA 433, Bl. 16; ThHStAW HMA 434, Bl. 14. Vgl. ThHStAW HMA 433, Bl. 2, und 16. Auch am Dresdner Hof des sächsischen Kurfürsten gab es die Regel, dass „kein Cavalier zum Cammerhern ernannt wurde, bevor er nicht Cammerjunker gewesen“. Vgl. ThHStAW HMA 446, Bl. 13v.

5.3 Die Kammerherren des Weimarer Hofes

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ze Phase. Im Gegensatz zu den stetig weiter steigenden Titularkammerherren ließ Carl August nach 1810 die Zahl seiner wirklichen Kammerherren zunächst stagnieren und stellte damit sicher, dass die Beförderungen weiterhin als besondere fürstliche Gnade und nicht als Automatismus wahrgenommen wurden. Wie in den Jahren vor 1800 behielt zwar jeder Kammerjunker die Aussicht darauf, eines Tages Kammerherr zu werden, allerdings wurde letztendlich nicht jeder Kammerjunker automatisch irgendwann Kammerherr. Zwischen 1790 und 1810 schafften von den 58 Kandidaten nur 38 Herren den Sprung in die obere Liga des wirklichen Hofdienstes. Den übrigen 20 adeligen Junkern blieb eine entsprechende Beförderung aus den verschiedensten Gründen versagt.470 5.3.4 Der Dienst der Kammerherren am Weimarer Hof Am Weimarer Hof wurde um 1800 zeremoniellkonform zwischen der Leib- und Staatsbedienung, d. h. der täglichen Aufwartung und der Bedienung zu besonderen Anlässen, klar unterschieden. Die alltägliche Bedienung für den Herzog versahen pro Tag gewöhnlich zwei bis drei Kammerherren, wobei mindestens einer dieser Herren auch der Herzogin Louise zu Diensten stand.471 Die wirklichen Kammerherren wechselten sich im Dienst nacheinander ab. Anfang der 1790er Jahre einigte man sich darauf, im VierWochen-Rhythmus den Dienst nach der Reihe durchzutauschen.472 Carl August und Louise stand dadurch jeden Monat eine andere Konstellation an Gesellschaftern zur Verfügung. Damit diese Wechsel reibungslos funktionierten, organisierte in der Regel der Oberkammerherr – und wenn kein solcher angestellt war – das Hofmarschallamt, wer wann die Aufwartung übernehmen sollte. Die Kammerherren wurden dazu rechtzeitig per Fourier zum gewöhnlichen Dienst bei Hofe eingeladen und waren dazu angehalten, frühzeitig bekannt zu geben, falls einer von ihnen verhindert war.473 Konnte jemand den Dienst nicht leisten, wurde ein Stellvertreter, d. h. zumeist der nächste Kammerherr in der Reihe, als Ersatz besorgt. Die Zusammensetzung der alltäglichen Aufwartung bestand demzufolge nicht jeden Monat aus denselben zwei bis drei Herren, sondern variierte je nach Verfügbarkeit der wirklichen Kammerherren. Die Gründe, einen Dienst nicht anzutreten, waren äußerst vielfältig: Sowohl der vielfach auftretende Krankheitsfall als auch dringliche außerhöfische Dienstgeschäfte – zum Beispiel im Forstamt, Militär, Regierung oder bei der Landschaft – wurden immer wieder als Hinderungsgrund angegeben. Zwar 470 471 472 473

Vgl. dazu den Abschnitt zu Aufstieg und Ausstieg der wirklichen Junker. Vgl. ThHStAW HMA 436, Bl. 1–3. Vgl. ThHStAW HMA 114, Bl. 16. Dieser Rhythmus war offenbar üblich und wurde z. B. 1816 auch am Dresdner Hof so gehandhabt. Vgl. ThHStAW HMA 446, Bl. 13v. Vgl. z. B. ThHStAW HMA 448, Bl. 1.

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5. Repräsentationspolitik qua Personal. Der verpflichtete Adel des Hofes

ließ sich die Leibbedienung beim Herzog oder der Herzogin in der Regel problemlos mit anderen Tätigkeiten verbinden, da sie durch den alternierenden Rhythmus nie eine beständige Anwesenheit am Hof erforderte, dennoch gab es immer wieder Kollisionen mit weiteren Verpflichtungen. Häuften sich vor allem die termingebundenen Absagen, wagten es einige Kammerherren, einen dauerhaften Dispens zu erbitten.474 Carl August gab diesen Gesuchen in der Regel statt. So wurde zum Beispiel August Carl Wilhelm Freiherr von und zu Egloffstein (1771–1834), der erst im September 1804 zum Kammerherr ernannt worden war, bereits nach nur zwei Jahren im Januar 1806 von Carl August anlässlich der politischen Unruhen „wegen seinem Militair-Geschäfften von Hofdiensten für die Zukunft befreit“.475 Aber auch ganz triviale Umstände hielten die Adeligen gelegentlich von ihrem Kammerherrendienst ab: So ist zum Beispiel eine Entschuldigung überliefert, in der Carl Albrecht von Lincker seinen Dienst mit der Begründung absagte, derzeit keine Schuhe tragen zu können.476 Und auch die Kammerherren von Germar und von Boyneburgk plagte nicht etwa die Zeitnot durch anderweitige Verpflichtungen, sondern vielmehr die fehlende Ausstattung, da sie offensichtlich ihre neuen Hofuniformen noch nicht zugestellt bekommen hatten und deswegen nicht ordnungsgemäß gekleidet zum Dienst erscheinen konnten.477 Es waren also nicht immer schwerwiegende Pflichtkollisionen, sondern auch unvorhersehbare Bagatellen, die einen Kammerherrn mitunter von der Leibbedienung am Weimarer Hof abhielten. In einigen Fällen entschied sich der Herzog sogleich im Zuge der Ernennung für einen dauerhaften Dispens vom Hofdienst, wie zum Beispiel bei Wilhelm Heinrich von Germar (1735–1796).478 Carl August wählte damit einen besonderen Mittelweg: Einerseits verschaffte er seinem langen Getreuen den Status eines wirklichen Kammerherrn, ohne ihm weitere zusätzliche Verpflichtungen aufzuerlegen. Wilhelm Heinrich von Germar war bereits stark in das Weimarer Militär479 und in etliche Ausschüsse, wie zum Beispiel in die (General-)Polizeikommission und die Almosendeputation, eingebunden. Andererseits hielt er ihm zugleich den Weg in seine alltägliche Gesellschaft 474 475 476 477 478 479

Vgl. z. B. ThHStAW B 25756, Bl. 1–2. Vgl. ThHStAW HMA 431, Bl. 10; ThHStAW HMA 4555, S. 21 (Zitat). Vgl. ThHStAW HMA 448, Bl. 1. Vgl. ebd. Wilhelm Heinrich von Germar stieg bereits am 23. Dezember 1783 zum wirklichen Kammerherrn auf. Vgl. ThHStAW HMA 413, Bl. 34. Wilhelm Heinrich von Germar übernahm als Nachfolger von Maximilian von Lasberg das Kommando über die Weimarer Infanterie, 1784 wurde er Kommandeur des Scharfschützenbataillons, wenig später leitete er das Artilleriewesen und nach Carl Friedrich von Lichtenbergs Tod 1790 auch das Husarencorps. Als Oberstleutnant zog er 1796 in den Krieg und nahm an den Kämpfen um Wetzlar teil. Wolfgang Huschke zufolge verstarb von Germar infolge der dabei erlittenen Strapazen. Im Kirchenbucheintrag ist als Todesursache Auszehrung angegeben. Vgl. KA WE SR GK 1796, Eintrag Nr. 850. Huschke: Gesellschaftsschicht, S. 100.

5.3 Die Kammerherren des Weimarer Hofes

417

offen. Denn mit dem Dispens verband sich keineswegs ein prinzipieller Ausschluss vom Hofdienst wie bei den Titularkammerherren, sondern vielmehr eine Freistellung, die jederzeit aufgehoben werden konnte. Das zeigt der Fall des Friedrich August Ludwig von Lasberg, der am gleichen Tag wie der Major von Germar 1783 zum Kammerjunker ernannt und ebenfalls vom Dienst befreit wurde. Lasberg bat einige Jahre später darum, am Hof tatsächlich Dienst leisten zu dürfen, und bekam diesen Wunsch von Carl August gewährt.480 Ein vergleichbares Nachsuchen ist für Wilhelm Heinrich von Germar allerdings nicht überliefert. Der Militär war offensichtlich mit seinem Status als dispensierter, wirklicher Kammerherr zufrieden. Überhaupt scheinen im Gegensatz zu den Regierungsräten, Stall- und Oberforstmeistern vorwiegend jene Kammerherren, die um 1800 militärisch aktiv waren, vom tatsächlichen Hofdienst befreit gewesen zu sein. Neben dem Major von Germar waren zum Beispiel auch dessen jüngerer Bruder Friedrich Ludwig von Germar (vor 1742–1805), der eine ähnlich erfolgreiche Karriere im Militär absolvierte und acht Jahre später als zweiter Mann des adeligen Germar-Clans in das Weimarer Kammerherrenamt folgte, sowie Christoph Friedrich Siegmund von Rothmaler (1737–1806) und Christoph (Christian) Ehrenfried von Hönning (1743–1806) dispensiert.481 Alle drei führten Kompanien des herzoglichen Infanterieregiments, die in den verschiedenen Landesteilen des Herzogtums stationiert waren.482 Trotzdem schafften es alle – ebenso wie Wilhelm Heinrich von Germar – während der nicht kriegerischen Zeiten etliche Sonntage zur Cour am Hof zu sein und mit an der fürstlichen Tafel zu speisen.483 An anderen Wochentagen finden sie sich jedoch nur äußerst selten an der Hoftafel verzeichnet. Den täglichen Kammerherrendienst versahen sie also mit Sicherheit nicht. Dennoch un480 481

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483

Vgl. z. B. ThHStAW HMA 414, Bl. 22. Christoph Friedrich Siegmund von Rothmaler, Friedrich Ludwig von Germar und Christoph (Christian) Ehrenfried von Hönning wurden alle drei gleichzeitig am 22. August 1791 zu Kammerherren ernannt. Es verwundert dabei ein wenig, dass der Fourier zwei Wochen später im Fourierbuch vermerkte, dass die „Herren Hauptleute von Germar, u. von Rothmaler (. . . ) zum 1stenmal als charackterisirte Cammerherrn am Hof “ erschienen. In dem Beförderungsdekret, das „ad mandatum Serenissimi speciale“ von Christian Friedrich Schnauß (1722–1797) ausgestellt wurde, finden sich keinerlei Hinweise, dass die beiden Militärs allein mit dem Titel ausgezeichnet werden sollten. Auch der Staatskalender indiziert eher das Gegenteil. Sowohl Friedrich Ludwig von Germar als auch Christoph Friedrich Siegmund von Rothmaler wurden darin beständig bis zu ihrem Tod innerhalb des Kernhofes von Carl August und nicht in der Rubrik der Charakterisierten und Pensionierten verzeichnet. Es ist also zu bezweifeln, dass von Germar und von Rothmaler – wie der Fourier meinte – nur charakterisierte Kammerherren waren. Vgl. ThHStAW HMA 415, Bl. 9–10; Huschke: Gesellschaftsschicht, S. 101f.; ThHStAW HMA 4540, S. 185. Vgl. Eduard von Heyne: Geschichte des 5. Thüringischen Infanterie-Regiments (Großherzog von Sachsen), vormaligen Großherzoglich Sächsischen Bundes-Contingentes und seiner Stämme. Mit einem Titelbild. Weimar 1869, S. 20f. Vgl. die Fourierbücher von 1790 bis 1806 unter ThHStAW HMA 4539–4555.

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5. Repräsentationspolitik qua Personal. Der verpflichtete Adel des Hofes

terschieden sie sich deutlich von den bloß titulierten Kammerherren. Denn während das Gros der Titularkammerherren in den seltensten Fällen den Weimarer Hof nach ihrer Ernennung ein zweites Mal oder gar regelmäßig besuchte, waren die Dispensierten an den Sonntagen, an denen die fürstliche Familie feierlich die Aufwartung des ansässigen Adels entgegennahm, häufig anwesend. Eine Befreiung vom regulären Dienst beim Herzog war in Weimar also nicht gleichzusetzen mit einer stetigen Abwesenheit. Auch wenn die dispensierten, wirklichen Kammerherren nicht als Leibbedienung fungierten, waren sie doch im Rahmen der solennen Aufwartung regelmäßig am Hofe präsent. Die Dispenspolitik Carl Augusts entwickelte sich mit der Zeit jedoch zu einem nachhaltigen Ballast und führte dazu, dass sich die vierwöchig wechselnde Leibbedienung immer mehr auf den Schultern einiger weniger verteilte. Im Jahre 1805 standen Carl August und Louise von den insgesamt zwölf Kammerherren, die ihnen speziell zugeordnet waren, letztendlich nur noch sechs Herren wirklich zur Verfügung: August von und zu Egloffstein, Carl Wilhelm von Fritsch, Friedrich August von Fritsch (1768−1845), Friedrich von Seebach, Wilhelm von Stein und Christian Friedrich Carl von Wolfskeel.484 Daneben war Wilhelm von Pappenheim als Mitglied des Hofmarschallamtes zwar ebenfalls fast täglich am Hofe anwesend, allerdings fungierte er nicht als Leibbedienung, sondern kam vornehmlich seinen Verwaltungsaufgaben nach. Nur wenn der Hofmarschall Wolfgang von Egloffstein abwesend war, übernahm der Kammerherr von Pappenheim stellvertretend dessen Aufgaben im höfischen Alltag.485 Der Kreis derer, die in der unmittelbaren Nähe des Herzogpaares täglich aufwarten durften, beschränkte sich bis 1806 also nach und nach auf eine Handvoll Adeliger. Dies sollte sich in den darauffolgenden Jahren mit dem Hofausbau allmählich wieder ändern: 1812 wechselten sich bereits zehn Herren in der täglichen Leibbedienung ab, 1821 warteten sodann schon insgesamt 23 Herren dem mittlerweile mit königlichen Würden geschmückten Weimarer Fürstenhaus auf.486 Möglich wurde diese erhöhte Quote vor allem durch den Verzicht auf die Dispense für die ernannten Militärs. So übten beispielsweise die beiden kurz nacheinander 1807 und 1809 beförderten Cousins, Friedrich Ernst von Germar und Friedrich Ludwig August von Germar,487 ihre Ämter als Kammerherren im Gegensatz zu ihren Vätern tatsächlich aus.488 Desgleichen zog Carl August auch die anderen Offiziere, die synchron mit den beiden Cou484 485 486 487

488

Vgl. ThHStAW HMA 436, Bl. 1. Vgl. ebd., Bl. 2. Vgl. ThHStAW HMA 440, Bl. 12–13. Friedrich Ernst von Germar wurde am 31. März 1807 und Friedrich Ludwig August von Germar zwei Jahre später am 21. September 1809 zum Kammerherrn ernannt. Letzterer erhielt im Zuge dessen auch die Beförderung zum Hauptmann des Füsilierbataillons. Vgl. ThHStAW HMA 432, Bl. 29; ThHStAW HMA 435, Bl. 14–15. Vgl. z. B. ThHStAW HMA 440, Bl. 1, 7, 8, 11.

5.3 Die Kammerherren des Weimarer Hofes

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sins ernannt worden waren, nicht bloß zum Schein an seinen Hof, sondern verlieh ihnen auch die Ehre, aufwarten zu dürfen. Von den insgesamt neun Militärs, die zwischen 1807 und 1810 komplett neu in den Hof integriert und nach kurzer Zeit unmittelbar zu Kammerherren ernannt worden waren, durften bzw. mussten ausnahmslos alle wirklichen Dienst verrichten. Der aktive Militärdienst war für Carl August nun also kein Grund mehr, um unbefristete Dispensationen auszusprechen.489 Zwar gingen die Militärs weiterhin ihren Aufgaben in ihren Kompanien nach und zogen auch ab 1809 wieder in den Krieg.490 Allerdings wurden sie dafür zwischenzeitlich nur beurlaubt. All jene, die zurückkehrten,491 reihten sich in der Regel wieder in die wechselnde Leibbedienung des Weimarer Herzogpaares ein. Carl August nahm den politischen Umbruch also zum Anlass, um seinen höfischen Alltag nach und nach durch eine modifizierte, weil dispensreduzierte Personalpolitik mit mehr aktivem Adel auszugestalten. Zusätzlich zu den alternierenden Kammerherren des Herzogspaares gab es am Weimarer Hof um 1800 auch ständig präsente Kammerherren, die nicht nur alle vier Wochen, sondern das ganze Jahr jeden Tag zu Diensten standen. Zu ihnen gehörten der Kammerherr der Herzogsmutter Anna Amalia, der Kammerherr des Hofmarschallamtes sowie die jeweiligen Kammerherren der beiden Prinzen Carl Friedrich und Bernhard. Jeder dieser Herren hatte neben dem herkömmlichen Gesellschafterdienst eine spezifische weitere Aufgabe, die ihre konstante Anwesenheit nötig machte. Friedrich Hildebrand von Einsiedel war zum Beispiel die Leitung des Witwenhofstaates kommissarisch auferlegt, und die beiden Kammerherren von Hintzenstern und Rühle von Lilienstern sollten als Gouverneure des Prinzen Bernhard eine erzieherische Funktion wahrnehmen. Selbst der erste Kammerherr des erwachsenen Erbprinzen, Ludwig Ernst Wilhelm von Schardt, war nicht allein auf die bloße Gesellschafterfunktion reduziert, sondern während der häufigen Abwesenheiten des Oberhofmeisters von Wolzogen mit etlichen leitenden Hofgeschäften sowie der Aufsicht über die niederen Angestellten betraut.492 Carl August entließ ihn dafür extra aus dem Militärdienst.493 Der Kammerherr sollte ausschließlich dem Thronfolger verpflichtet sein. Einzig der aus königlich-dänischen Diensten am 4. April 1809 offiziell nach Wei489

490

491 492 493

Das wird aus dem Vergleich des Fourierbuchs mit dem Weimarer Staatskalender und der „Liste der wirklich Dienstthuenden Herrn Cammerherrn und Cammerjuncker“ des Hofmarschallamts deutlich. Vgl. die Weimarer Staatskalender von 1808–1816; ThHStAW HMA 440, Bl. 1–13; ThHStAW HMA 4556–4567. Der Major Ernst von Germar kommandierte das leichte Bataillon der Herzöge zu Sachsen, das sich am 2. April 1809 in Würzburg formierte. Vgl. z. B. Heyne: Geschichte des 5. Thüringischen Infanterie-Regiments, S. 234–235. Das Weimarer Militär verlor 1809 insgesamt vier Offiziere, darunter den Kammerherrn Wilhelm von Schierbrandt. Vgl. ebd, S. 74. Vgl. ThHStAW HMA 3333, Bl. 5–6. Vgl. ThHStAW B 25750.

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5. Repräsentationspolitik qua Personal. Der verpflichtete Adel des Hofes

mar wechselnde Friedrich Wilhelm von Bielke (1780–1856) versah lediglich Gesellschafterdienste im erbprinzlichen Hofstaat.494 Was genau die Weimarer Kammerherren im Rahmen der Leibbedienung für die jeweiligen fürstlichen Familienmitglieder innerhalb des Schlosses zu leisten hatten, lässt sich aus den Akten nur bruchstückhaft entnehmen. Allerdings scheint zum Beispiel das Führen der Herzogin zur Mittags- und Abendtafel ein fester Bestandteil des Dienstes gewesen zu sein.495 Einer der Kammerherren wurde u. a. deshalb speziell für Louise eingeteilt. Wenn der Hofmarschall abwesend war, fiel zudem jeweils einem der drei ältesten Kammerherren das Annoncieren der Tafeln und die Präsentation bzw. die Vorstellung der fremden Herrschaften und Privatpersonen beim Herzog zu. Wenn die drei ältesten Kammerherren gerade keinen Dienst hatten, dann übernahm diese Tätigkeit der stets im Hofmarschallamt präsente Kammerherr Wilhelm von Pappenheim.496 Regulär gehörten diese Tätigkeiten also nicht in das Arbeitsgebiet der Kammerherren. Dagegen waren Verschickungen durchaus üblich. Alle Mitglieder der fürstlichen Familie nutzten ihre Kammerherren für das normgerechte Begrüßungs- und Verabschiedungszeremoniell hoher Besucher. So kam es des Öfteren vor, dass Carl August und seine Gattin einen ihrer hohen Hofadeligen zu einem Gasthof schickten, um dort Besucher des Hofes abholen und ins Schloss geleiten zu lassen. Dergleichen wurden Kammerherren zu besonderen Gelegenheiten heimreisenden Fürsten nachgeschickt, um ihnen an der Landesgrenze oder an der letzten Poststation die zeremoniellen Abschiedskomplimente überbringen zu lassen. Dem Kurfürsten von Mainz schickte das Weimarer Fürstenhaus nach dessen kurzem Besuch im April 1793 den Kammerherrn von Hendrich sogar bis nach Erfurt mit einem vierspännigen Wagen und einem eigenen Bediensteten hinterher, um ihn ehrerbietig auf seine Heimreise zu verabschieden.497 Ähnlich wurden Kammerherren als adelige Kuriere – in manchen Fällen sogar als Gesandte – mit den verschiedensten Botschaften von Kondolenzbekundungen in Todesfällen bis hin zu Tauf- und Patenschaftseinladungen eingesetzt und im Reich verschickt. Neben diesen exquisiten Kurierdiensten zählte in Weimar die Begleitung der fürstlichen Familie zu den wichtigsten Aufgaben außerhalb des Schlosses. Weder der Herzog noch die Herzogin oder die fürstlichen Kinder verließen üblicherweise die Residenz ohne männliche Kavaliersbegleitung. Carl August wechselte sein Geleit häufig entsprechend der Reiseziele. Je nach dem, ob er auf die Jagd, auf politische Missionen, zu seinem Militär nach Aschersleben oder zum (Pferde-)Einkauf, z. B. nach Leipzig, ging, suchte er sich das ent494 495 496 497

Vgl. ThHStAW HMA 434, Bl. 10. Vgl. ThHStAW HMA 4552, S. 29. Vgl. ThHStAW HMA 436, Bl. 1–3. Vgl. ThHStAW HMA 4542, S. 61.

5.3 Die Kammerherren des Weimarer Hofes

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sprechende Gefolge aus. Dabei bevorzugte er ab und an ausschließlich die Begleitung eines nahestehenden Adeligen, der nicht an seinem Hof institutionell verpflichtet war, wie zum Beispiel die des französischen Grafen du Manoir.498 In den meisten Fällen ließ er sich aber doch von mindestens einem seiner Kammerherren eskortieren. Ähnlich ließ sich auch seine Gattin auf ihren Reisen vom diensthabenden Kammerherrn begleiten.499 Darüber hinaus hatte sie in der Regel aber noch zusätzlich eine ihrer Hofdamen an ihrer Seite.500 Allein für die Besuche bei der Gräfin von Werthern in Beichlingen scheint sie eine besondere Ausnahme gemacht und auf die männliche Kavaliersbegleitung verzichtet zu haben. Zwar reiste sie auch auf diesen kurzen Tagesausflügen nicht allein, jedoch entschied sie sich lediglich für ein weibliches Geleit in Person ihrer ersten Hofdame Marianne von Wedel.501 Die Herzogin setzte damit die übliche personale Darstellung ihrer Würde zugunsten einer vertrauten Atmosphäre zurück, was auf ein besonderes Verhältnis zur Gräfin von Werthern schließen lässt. Der Dienst der Kammerherren änderte sich, sobald fremde fürstliche Herrschaften in Weimar zu Besuch kamen. Carl August wechselte dann in der Regel in den Modus des Landesherrn und ließ seine Staatsbedienung an den Hof bitten. Allein bei eng befreundeten und nahestehenden, verwandten Fürsten und Fürstinnen, wie zum Beispiel beim Erbprinzen von Sachsen-GothaAltenburg oder bei der preußischen Königin Friederike Louise – ihrerseits Schwester der Weimarer Herzogin Louise – , wurde das Staatszeremoniell im gegenseitigen Einvernehmen zurückgesetzt und auf ein Minimum reduziert, um einerseits Kosten zu sparen, andererseits aber sicherlich auch, um mehr Freiraum genießen zu können.502 Ansonsten richtete sich Umfang und Aufwand, der für fürstliche Besucher betrieben wurde, nach deren Rang, aber auch nach dem Anlass des Besuches und insbesondere nach dem Zeitpunkt, wann sich der Gast am Hofe angekündigt hatte. Je weniger Zeit bis zur Ankunft blieb, desto reduzierter fielen der Empfang und die Aufwartung aus. Allerdings konnte Carl August stets darauf vertrauen, dass das Gros seiner wirklichen Kammerherren – ganz gleich, ob sie regulär mit der Leibbedienung an der Reihe gewesen wären oder nicht – innerhalb kürzester Zeit zusammenkam und seine Würde durch ihre repräsentative Anwesenheit vergegenwärtigten. Indes war die Präsenz nicht die einzige Aufgabe, die den wirklichen Weimarer Kammerherren im Rahmen der Staatsbedienung zukam. Denn Carl August bot höherrangigen fürstlichen Gästen, d. h. Kurfürsten, Königen oder 498 499 500 501 502

Vgl. z. B. ThHStAW HMA 4546, Bl. 24v, 101v, 136v. Vgl. z. B. ThHStAW HMA 114, Bl. 20. Vgl. z. B. ThHStAW HMA 4549, S. 164. Vgl. ThHStAW HMA 4541, S. 192. Vgl. z. B. ThHStAW HMA 4553, Bl. 64r; ThHStAW HMA 2586, Bl. 16; ThStA Gotha, Geheimes Archiv YYX 49, Bl. 1.

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5. Repräsentationspolitik qua Personal. Der verpflichtete Adel des Hofes

Kaisern,503 gewöhnlich nicht nur einfache Lakaien, Pagen oder Junker, sondern stets zeremoniellkonform seine eigene hohe Adelsbedienung als Aufwartung für die gesamte Dauer des Aufenthaltes an. Während des Empfangs, des Abschiedes sowie der verschiedenen Veranstaltungen, z. B. auf Bällen, auf der Jagd oder bei der Tafel, übernahm deshalb in der Regel einer der Kammerherren direkt beim Gast jene vom Staatszeremoniell erwarteten repräsentativen Handlangerdienste, die im Alltag von niedrigeren Hofbediensteten übernommen wurden. Als die schwedische Königsfamilie, d. h. Gustav IV. Adolf (1778– 1837) mit seiner zweijährigen Tochter und seiner Gattin Friederike Dorothea, geb. von Baden (1781–1826) – ihrerseits die Nichte der Weimarer Herzogin Louise – im August 1803 den Hof besuchte, durfte zum Beispiel der wirkliche Kammerherr Christian Friedrich Carl von Wolfskeel dem König beim Tafeln die Bestecke präsentieren.504 Diese personengebundene Aufwartung war eine besonders gewinnbringende Ehre, die unter den wirklichen Kammerherren äußerst begehrt, zum Teil sogar hart umstritten war. Durch die unmittelbare Nähe zu ranghohen Herrschenden standen zum einen wertvolle soziale Kontakte in Aussicht, zum anderen wartete am Ende in der Regel eine beachtenswerte materielle Be- bzw. Entlohnung. Goldene, reich mit Juwelen oder Portraits verzierte Tabakdosen, Brilliantringe und wertvolle Repetier-Uhren, d. h. Taschenuhren, gehörten zu den üblichen Geschenken, die dem jeweils persönlichen Kammerherrn sowie einigen anderen ausgesuchten Hofangestellten von Königen und Kaiser(n) als Dank für geleistete Dienste zum Abschied verehrt wurden.505 Damit jeder der Kammerherren in den Genuss dieser Dankesbezeigungen kommen konnte, gab es am Weimarer Hof neben der Reihenfolge für die alltägliche Leibbedienung eine gesonderte Reihenfolge für die Aufwartung bei Fremden, die erst dann zum Nächsten wechselte, wenn der diensthabende Kammerherr ein Geschenk erhalten hatte.506 Prinzipiell behielt es sich Carl August allerdings vor, in die Reihenfolge willkürlich einzugreifen und selbst einen speziell auf den fürstlichen Gast abgestimmten Kammerherrn für die Aufwartung auszusuchen.507 Diese differenzierte Organisation macht deutlich, dass Carl August

503

504 505 506 507

Der Weimarer Hof wurde von einer Vielzahl an höherrangigen Fürsten besucht. Vor 1806 kamen zum Beispiel der Mainzer Kurfürst, das schwedische Königspaar, das preußische Königspaar, die verwitwete Königin von Preußen und der Zar von Russland. Nach dem Ende des Alten Reiches erlebte der Hof insbesondere durch den Fürstenkongress 1808 in Erfurt einen regelrechten Besucherboom an Königen und Kaisern bzw. Zaren. So kehrten etwa der Zar von Russland, der Kaiser von Frankreich, die Könige von Sachsen, Bayern, Württemberg und von Westphalen am Hof ein. Vgl. dazu z. B. die Fourierbücher von 1790 bis 1810 unter ThHStAW HMA 4539–4559. Vgl. ThHStAW HMA 4552, S. 156. Vgl. z. B. ThHStAW HMA 4552, S. 156; ThHStAW HMA 4554, S. 253; ThHStAW HMA 4558, Bl. 64r, 72r; ThHStAW HMA 4559, S. 47. Vgl. z. B. ThHStAW HMA 449, Bl. 9. Vgl. z. B. ThHStAW HMA 446, Bl. 1.

5.3 Die Kammerherren des Weimarer Hofes

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klar zwischen der alltäglichen Leibbedienung und der Staatsbedienung zu unterscheiden wusste. Bemerkenswerterweise scheint der Weimarer Herzog das „mit Daseyn helfen“ im Rahmen des Staatszeremoniells aber nicht ausschließlich auf die tatsächlich aktiven Kammerherren beschränkt zu haben, denn bei etlichen dieser Gelegenheiten durften sich auch einige jener Herren präsent zeigen, die vom alltäglichen Dienst dispensiert oder aber bloße Titelträger waren. Zur Hochzeit der Prinzessin Caroline mit dem Schweriner Erbprinzen befanden sich zum Beispiel mehrere „charakterisierte“ Kammerherren unter dem Gefolge des Weimarer Fürstenhauses, so etwa Gottfried Friedrich Ernst von und zu Egloffstein und Lebrecht von Meerheim(b).508 Ähnliche Beispiele finden sich für dispensierte Kammerherren: So wartete im Juli 1791 neben den drei diensttuenden Kammerherren von Witzleben, von Werthern und von Wedel auch der dispensierte Gottlob Christian Wilhelm von Milkau (1740–1802)509 anlässlich des Besuches der Herrschaften von Schwarzburg-Rudolstadt und der Landgräfin von Hessen-Philippstal-Barchfeld auf.510 Ähnlich folgte der dispensierte Christoph Friedrich Siegmund von Rothmaler dem kurzfristigen Ruf seines Landes- und Dienstherrn anlässlich der Stippvisite des Kurfürsten von Mainz, die erst einen Tag zuvor angekündigt worden war. Der Hauptmann reihte sich unter die Hofkavaliere ein, empfing Friedrich Carl Joseph von Erthal (1717–1802) beim Aussteigen aus der Kutsche und speiste später mit an der fürstlichen Tafel.511 Dabei ist es bemerkenswert, dass beide dispensierte Herren vom Fourier an der Tafel nicht wie gewöhnlich mit ihren militärischen Titeln, sondern explizit als Kammerherren verzeichnet wurden.512 Milkau und Rothmaler schlüpften also bei dieser Gelegenheit in die Rolle der höfischen Adelsbedienung und fungierten im Rahmen des Staats508

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Gottfried Friedrich Ernst von Egloffstein wurde am 1. Februar 1794 der Charakter des Kammerherrn verliehen, während Lebrecht von Meerheim(b) seit 1789 im Weimarer Staatskalender als Titularkammerherr ausgewiesen wurde. Vgl. den Weimarer Staatskalender von 1789, S. 77; ThHStAW HMA 415, Bl. 31. Zur Gästeliste der Hochzeit im Juli 1810 vgl. ThHStAW HMA 4559, S. 110–114. Der Hauptmann von Milkau war wie der Major von Germar im Zuge seiner Ernennung zum wirklichen Kammerherrn am 23. Dezember 1783 sofort vom Dienst befreit worden. Vgl. ThHStAW HMA 413, Bl. 34. Vgl. ThHStAW HMA 4540, S. 146, S. 153. Etwa zur gleichen Zeit tagte die Eisenacher Landschaft vom 16. Juni bis zum 15. Juli 1791. Von Milkau erschien zu den Tafeln mit den hohen fürstlichen Gästen als Kammerherr, zur Tafel, zu denen die Landstände gebeten wurden, jedoch als Deputierter der Ritterschaft. Der Fourier variierte dazu die Titel. Vgl. ThHStAW HMA 4542, S. 56. Gottlob Christian Wilhelm von Milkau speiste als Major seit 1790 bis zu seinem Tod 1802 an der fürstlichen Tafel, während er als Kammerherr laut Fourier nur neun Mal in Erscheinung trat. Ähnlich verhielt es sich bei Christoph Friedrich Siegmund von Rothmaler, der vom Fourier insgesamt 131 Mal als Hauptmann und Major an der fürstlichen Tafel verzeichnet wurde, aber seit seiner Ernennung 1791 bis zu seinem Tod 1806 nur sechs Mal als Kammerherr. Jedes Speisen unter der Titulierung als Kammerherr fand

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5. Repräsentationspolitik qua Personal. Der verpflichtete Adel des Hofes

zeremoniells als Teil der Repräsentation des Herzogs als Landesherr. Zwar lässt sich nicht nachvollziehen, ob die beiden dispensierten Kammerherren jeweils selbst um diese Ehre gebeten hatten oder ob sie vom Herzog explizit eingeladen worden waren. Allerdings zeigt ihre Anwesenheit doch deutlich, dass Carl August auch sein im Alltag passives Hofpersonal zu besonderen Anlässen mobilisieren und damit sein Ansehen als Landesherr durch die aufgebotene personelle Pracht vor anderen Fürstlichen darstellen konnte. Das scheint insbesondere vor dem finanziellen Hintergrund bemerkenswert. Denn ein Weimarer Titularkammerherr bekam gewöhnlich keine Besoldung. Wenn er also mit aufwarten half, dann tat er dies nicht um des Talers willen, sondern erwartete nichtgeldliche Vorteile wie Ehre, Kontakte oder Gunst für erbrachte Pflichtschuldigkeit. Ein wirklicher Weimarer Kammerherr erhielt dagegen prinzipiell ein Grundgehalt von 600 Reichstalern pro Jahr. Bei den Planungen nach dem Regierungsantritt wurde allerdings angedacht, dass nicht jeder der Kammerherren dieses Gehalt beziehen, sondern die beiden dienstjüngsten stets mit Adeligen besetzt werden sollten, die bereits anderweitig besoldet waren.513 In welchem Umfang dieser Plan später umgesetzt wurde, lässt sich in den Akten nicht nachvollziehen.514 Allerdings scheinen jene Kammerherren, die von außen in die Hierarchie ganz unten einrangiert wurden, tatsächlich eine Zeit lang zumindest auf die Geldbesoldung verzichtet zu haben. Denn als Wilhelm von Wolzogen als Kammerrat und Kammerherr nach Weimar wechselte, erhielt er zunächst nur das übliche Gehalt von 400 Reichstalern für die Kammerratsstelle, aber noch keinen Lohn für den Kammerherrendienst.515 Wie viel jeder Einzelne letztendlich exakt ausgezahlt bekam, lässt sich kaum beziffern, da sich das Gehalt aus vielen einzelnen Bausteinen zusammensetzte und zumeist aus verschiedenen Kassen ausbezahlt wurde. Ein Großteil der Weimarer Kammerherren übte eine zweite Funktion im herzoglichen Dienst aus und bezog dafür gewöhnlich eine Besoldung oder zumindest ein Aufgeld. Zusätzlich bekamen einige Herren Kostgelder oder Naturaliendeputate wie Korn, Gerste, Wildbret, Holz und Licht zugestanden. Andere mussten Abzüge hinnehmen und individuell berechnete Abgaben, wie den Beitrag zur Almosenkasse, die Gehaltssteuer oder diverse Kanzleigebühren für Reskripte, entrichten.516 Das Endgehalt, das zum Beispiel allein aus der Kammerkasse ausgezahlt wurde, schwankte deshalb zum Teil erheblich von Person zu Person. So bekam zum Beispiel der Kammerherr und Oberforstmeister Otto Joachim Moritz von Wedel im Jahr 1793 ein Gehalt in Höhe von 1000 Talern,

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zu einem besonderen Anlass, meist beim Besuch fremder Herrschaften statt. Vgl. ThHStAW HMA 4539–4555. Vgl. ThHStAW HMA A 9035, Bl. 66r. Vgl. hierzu die Ausführungen im Abschnitt zu den Weimarer Junkern. Vgl. ThHStAW HMA 25812, Bl. 24. Vgl. ebd.

5.3 Die Kammerherren des Weimarer Hofes

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Korn und Gerste im Wert von knapp 92 Talern plus Wildbret im Wert von etwa 16 Talern allein von der Kammer ausgezahlt.517 Hinzu kamen sicherlich noch Gelder aus der Hofkasse für die Tafel sowie die üblichen Geschenke zu Geburtstagen und zum Jahreswechsel. Dagegen nahmen sich die 142 Reichstaler, die von der Kammer an Ludwig Ernst Wilhelm von Schardt jedes Jahr für seinen Kammerherrendienste erstattet wurden, fast verschwindend gering aus.518 Der Kapitän erhielt aber mit Sicherheit für seine Militärdienste weitere Bezüge aus anderen Kassen. Denn als er 1805 aus dem Militär ausschied, um als Kammerherr des Erbprinzen komplett in den Hof zu wechseln, erhielt er von da an ein jährliches Gehalt von 1200 Reichstalern.519 Darin waren alle Naturalienbezüge, Wohn- und Bedienstetenkosten bereits mit einberechnet. Da die Kammerherren von Wedel und von Schardt damit in etwa gleichviel verdienten, liegt es nahe, dass es trotz aller Unterschiede doch eine gewisse Gleichberechtigung bei der Besoldung gab. Möglicherweise achtete Carl August darauf, keinen Kammerherren zu bevorzugen, um Missgunst unter seinen Hofadeligen zu vermeiden. Dazu hätte er allerdings bei jeder Beförderungen stets alle Gehälter und genehmigten Bezüge in Blick behalten müssen. Ob er diesen Aufwand tatsächlich betrieb, scheint zweifelhaft, ließe sich letztlich aber erst mit einer umfassenden Finanzanalyse aller herzoglichen Einrichtungen, in denen Kammerherren angestellt und entlohnt wurden, eindeutig be- oder widerlegen. 5.3.5 Zusammenfassung In der Besetzungspolitik der Kammerherrenstellen spiegeln sich das Selbstverständnis des Weimarer Herzogs wie auch dessen Sicht auf den Hof am deutlichsten wider. Bereits mit der Entscheidung, die Charge der Kammerherren in Weimar mit dem Regierungsantritt 1775 neu einzuführen, stellte Carl August klar, dass er sein hohes Hofpersonal als Symbol seines Reichsranges verstand und trotz der vergleichsweise beschränkten Finanzkraft seines Herzogtums weder gewillt noch gezwungen war, auf eine ranggemäße Repräsentation zu verzichten. Aus diesem Verständnis heraus instrumentalisierte er nach dem Ende des Reiches die repräsentative Wirkung seiner Kammerherren, um sich gegen die degradierende Rheinbundpolitik Napoleons zu stellen. Carl August war der festen Überzeugung, zu den Ersten des Reiches gehört zu haben, und sah keinen Grund, weshalb er diese Stellung nach 1806 plötzlich aufgeben oder in Frage stellen lassen sollte. Er besann sich deshalb auf die nonverbale Ausdruckskraft des Zeremoniells und instrumentalisierte die 517 518 519

Die Gehälter aller hohen Bediensteten des Weimarer Hofes lassen sich den Bilanzen der Kammerkasse entnehmen. Vgl. dazu ThHStAW Rechnungen 287–317. Vgl. ebd. Vgl. ThHStAW B 25750, Bl. 1.

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5. Repräsentationspolitik qua Personal. Der verpflichtete Adel des Hofes

Riege seiner Kammerherren, um nachdrücklich Anspruch auf die königliche Würde zu erheben. Dazu wusste er die Prinzipien und Spielräume des Zeremoniells überaus geschickt zu nutzen: Grundsätzlich galt eine große Zahl hoher Hofchargen als Ausweis eines hohen Ranges. Da sich Carl August vor 1806 zwar als hochrangiger Reichsfürst, nicht aber als Kurfürst oder König verstand, diente ihm stets eine moderate Zahl an Kammerherren am Hof. Durch das veränderte Ranggefüge des Rheinbunds genügte dies nun nicht mehr. Um königsgleich auftreten zu können, musste die Zahl der Weimarer Kammerherren umgehend erhöht werden – genauso, wie es die von Napoleon aufgewertete Rheinbundfürsten taten. Im Gegensatz zum Württemberger Hof, der schon immer über eine übermäßig hohe Zahl an Kammerherren verfügte, stellte dies allerdings in einem Land, das wie Weimar weder über unbeschränkte Adelsressourcen verfügte noch unermesslichen Reichtum angehäuft hatte,520 durchaus eine große Herausforderung dar. Carl August bewerkstelligte dennoch einen geradezu sprunghaften Ausbau seiner Kammerherren, indem er sich zum Beispiel jene Vorteile zu Nutze machte, die sich mit der zeremoniellen Variante der Titelvergabe verbanden. Der bloße Hofamtstitel bot einem Fürsten die Möglichkeit, ausländische Adelige dauerhaft in den Hof einzubinden, obwohl diese nicht regelmäßig präsent sein und deshalb keinen wirklichen Hofdienst leisten konnten. Carl August nutzte diesen Spielraum von Anfang an und machte es sich seit seiner Regentschaftsübernahme zum Prinzip, den Weimarer Kammerherrentitel ausschließlich an Ausländer zu vergeben. Seine einheimischen Adeligen schloss er dagegen von dieser „Charakterisierung“ grundsätzlich aus. An sie vergab er stattdessen entweder das wirkliche oder gar kein Hofamt. Die Titularvariante blieb – persönlich bekannten – Ausländern vorbehalten. Die Begrenztheit der einheimischen Adelsressourcen waren damit überwunden. Und ebenso löste sich auf diese Weise die Frage der Finanzierung. Ohne Hofdienst sah Carl August keinen Grund für eine Besoldung. Es war nach 1806 also nur naheliegend, in erster Linie eben diesen Teil der Weimarer Kammerherrenriege zu verstärken. Wenngleich Carl August dringlich eine große Zahl an Kammerherren brauchte, verwarf er dafür aber nicht seine bisher gepflegten Ernennungsprinzipien. Der Kammerherrentitel wurde nie unüberlegt an irgendeinen Kavalier vergeben. Carl August nahm stattdessen stets den zeremoniellen Grundsatz ernst, dass ein hoher Rang am Hof nur dann gerechtfertigt sei, wenn bereits Meriten erworben worden waren. Bei der Interpretation, was darunter zu verstehen sei, zeigte sich der Weimarer Herzog allerdings äußerst aufgeschlossen. So akzeptierte er die Betätigung als Schriftsteller, Dichter 520

Ab November 1807 stand fest, dass Weimar Kontributionszahlungen in Höhe von 2,2 Millionen Francs zu leisten hatte, was Carl August tatsächlich vor ein Finanzierungsproblem stellte.

5.3 Die Kammerherren des Weimarer Hofes

427

oder Künstler ebenso wie beispielsweise das Engagement als Historiker oder als Freimaurer. Auf ein festes Muster ließ er sich dabei nicht festlegen. Gleichwohl stand hinter dieser Heterogenität ein festes Prinzip: Nur wer bereits etwas Besonderes geleistet hatte, hatte es verdient, den Weimarer Kammerherrentitel zu tragen. Ähnlich bevorzugte der Herzog auch bei der sozialen Herkunft das Besondere. Kavaliere, die den Weimarer Kammerherrentitel trugen, sollten nicht nur mit ihren Taten, sondern auch mit ihrer exklusiven Geburt den hohen Rang des Weimarer Fürstenhauses symbolisieren können. Der einfache Adelsstand genügte dazu offenbar nicht. Drei Viertel der Titel vergab Carl August deshalb nachweislich an (Reichs-)Freiherren oder Grafen. Der Kreis der potentiellen Kandidaten grenzte sich damit durch die Bevorzugung des titulierten Adelsstandes weiter ein. Carl August vergab den Kammerherrentitel also nur an Adelige mit einem ganz bestimmten Profil. Die Besetzungspolitik der wirklichen Kammerherrenstellen unterschied sich davon deutlich, wenngleich auch hier der Adelsrang und die Meriten – allerdings in konventionell anerkannten Bereichen, wie zum Beispiel im Militär-, Forst-, Stall- oder Staatsdienst – zum Tragen kamen. Im Gegensatz zur bloßen Titelvergabe verfolgte der Herzog bei seinen wirklichen Kammerherren aber eine konsequente Nachwuchspolitik und bevorzugte bei den Ernennungen klar die eigenen wirklichen Kammerjunker. Die Kriterien, die er der Auswahl seiner Junker zu Grunde legte, galten somit auch für die Kammerherren. Die geographische Herkunft spielte deshalb auch keine Rolle. Wesentlich wichtiger waren stattdessen die Vertrautheit und die bereits erwiesene Loyalität und Treue. Carl August machte deshalb das traditionelle Prinzip der Anciennität, das die Dauer des Dienstes belohnte, zum handlungsleitenden Grundsatz seiner Besetzungspolitik. Davon waren allerdings die Kammerherren, die den beiden Prinzen dienten, in der Regel ausgenommen. Diese personalpolitischen Prinzipien handhabte Carl August jedoch überaus flexibel und sagte sie auf, sobald sie nicht mehr seinen höheren Zielen genügten: Dies war zum Beispiel der Fall, als sich unter den wirklichen Kammerherren Mitte der 1790er Jahre kein geeignetes Personal mehr für die Führungsämter fand. Wie die Junker den Nachwuchs für die Kammerherren stellten, so fungierten diese wiederum als Nachwuchs für die Führungsämter. Konnte die Riege der wirklichen Kammerherren das nicht mehr gewährleisten, zog sich Carl August von außen fähige Adelige als Kammerherren an den Hof und überging zu diesem Zweck die sonst gepflegte Anciennität. Gleichermaßen war er bereit, seine Prinzipien nach 1806 zugunsten seiner anvisierten Prestigesteigerung auszuhöhlen. Zwar gab er mit der Integration des eigenen Offizierskorps nicht sein Prinzip der Vertrautheit auf. Allerdings entkräftete er mit der unmittelbar aufeinanderfolgenden Ernennung der Kapitäne zu Kammerjunkern und wenig später zu Kammerherren den Sinn des Anciennitätsprinzips, das nun nur noch formal funktionierte. Letztendlich

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5. Repräsentationspolitik qua Personal. Der verpflichtete Adel des Hofes

verfolgte Carl August bei der Besetzung seiner Kammerherrenstellen also feste Prinzipien, allerdings ließ er sich davon nie einengen.

5.4 Die Weimarer Hof-, Jagd- und Kammerjunker Entgegen den Vermutungen des einstigen Pagen Carl Wilhelm von Lyncker, der in seinen Memoiren neben der Charge der Kammerherren auch die der Hofjunker als eine Neuerung unter Carl August wähnte,521 gab es am Weimarer Hof seit etlichen Herrschergenerationen alle Arten an Junkern, d. h. Hof-, Jagd- und Kammerjunker.522 Der übliche Karriereweg verlief in Weimar zweistufig und begann in der Regel zeremoniellkonform mit dem Amt des Hofjunkers, um dann nach einigen Jahren in eine Beförderung zum wirklichen Kammerjunker zu münden.523 Carl August berief für seine herzogliche Jägerei zudem Jagdjunker, so dass diese Tätigkeit für einige Adelige eine extra Zwischenstufe in der Junkerkarriere darstellte oder aber in Kombination mit dem Dienst als Hof- oder Kammerjunker ausgeübt wurde. Wie bei seinen Kammerherren nutzte der Herzog sowohl die aktive als auch die passive Verpflichtungsvariante und schmückte sich zwischen 1790 und 1810 nacheinander mit insgesamt 58 wirklichen und 28 bloß titulierten Junkern.524 Wenngleich im Untersuchungszeitraum insgesamt wesentlich weniger Titularjunker passiv an den Weimarer Hof gebunden waren, so überstieg ihre Zahl pro Jahr doch stets die Zahl der wirklichen Junker. Der Grund dafür ist − ebenso wie bei den Titularkammerherren − in der Art und Weise ihrer Anbindung zu finden. Jeder charakterisierte Kavalier behielt seinen Titel bis zum Tode, solang er nicht in andere Dienste wechselte oder ihn wegen Schändlichkeit abgesprochen bekam.525 Da sich die meisten Titularjunker als äußerst langlebig erwiesen und Carl August immer wieder neue Junkertitel vergab, erhöhte sich ihre jährliche Gesamtzahl stetig. Im Verlauf der 1790er Jahre hielt sich der Herzog jedoch einige Jahre mit dergleichen Berufungen zurück. Erst zwischen 1797 und 1801 erfolgte eine kleine, aber beachtliche Ernennungswelle von 16 auf 20 Titularjunker, der aber wiederum eine ab521 522

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Vgl. Lyncker: Ich diente am Weimarer Hof, S. 39. Vgl. für die Regentschaft von Ernst August ThHStAW B 24623, Bl. 7r–10r. Für die Regentschaft von Ernst August II. Constantin z. B. den Weimarer Staatskalender von 1757 und alle folgenden Weimarer Staatskalender bis 1775 für die Herrschaft Anna Amalias. Vgl. Moser: Teutsches Hofrecht, Bd. 2, 187, § 13. August Ernst von Lichtenberg aus Niederfüllbach bei Coburg wurde am 3. Dezember 1793 zum Hofjunker ernannt. Die Art der Ernennung ist in den Akten nicht ganz eindeutig. Im Dekret wurde ihm ausdrücklich bloß der Charakter verliehen. Da ihn die Staatskalender aber in den folgenden sechs Jahren stets als wirklichen Junker verzeichneten, wird er hier als solcher gezählt. Vgl. ThHStAW HMA 415, Bl. 24 sowie die Weimarer Staatskalender von 1794 bis 1800. Vgl. Abschnitt zu den Titularkammerherren.

5.4 Die Weimarer Hof-, Jagd- und Kammerjunker

429

klingende, fünfjährige Ruhephase folgen sollte (vgl. Abb. 14). Im deutlichen Gegensatz zu den wirklichen Junkern lässt sich nach dem Epochenjahr 1806 keine markante Veränderung feststellen. Erst nach 1810 entschied sich Carl August erneut für weitere Ernennungen, die letztlich aber nur kurzfristig eine Erhöhung bewirken sollten. Die zahlenmäßige Entwicklung der Titularjunker unterschied sich damit deutlich von der Entwicklung der Titularkammerherren, die nach 1806 zugunsten der Rangpräsentation des Weimarer Fürstenhauses verdoppelt wurden.526 Der Bestand der Titularjunker wurde lediglich – ausgehend von 15 Kavalieren im Jahr 1790 – um ein Drittel erweitert. Carl August scheint folglich bei seinen charakterisierten Junkern eine grundsätzlich andere Personalpolitik als bei seinen charakterisierten Kammerherren betrieben zu haben, denn es genügte ihm offenbar, die Zahl seiner Titularjunker in Abständen moderat zu erhöhen. Die Entwicklung der wirklichen Junker zeigt dagegen viel Bewegung (vgl. Abb. 14). Zwei Tiefphasen fallen besonders auf: In der ersten, längeren Tiefphase verringerte Carl August ab 1799, d. h. zur gleichen Zeit, als er mehrere Junkertitel verlieh, die Zahl seiner wirklichen Junker stückweise. In der zweiten, sehr kurzen Tiefphase im Jahre 1808 ließ er dann die Zahl der Junker, die sich gerade erst im Vorjahr wieder erholt hatte, schlagartig auf ein Minimum von nur fünf Kavalieren fallen. Bemerkenswerterweise löste diese geringe Anzahl umgehend eine beachtliche Ernennungswelle aus: Schon im Folgejahr versahen am Weimarer Hof wieder 18 Kavaliere das Amt der Kammer- und Hofjunker. Die Zahl blieb in den folgenden Jahren unbeständig. Sowohl die zahlenmäßige Entwicklung der wirklichen Junker als auch die der bloß titulierten wich also deutlich von der Entwicklung der Kammerherren ab. Es gilt folglich zu klären, an welchen Prinzipien Carl August seine Junkerpolitik orientierte und welche Rolle das Junkeramt grundsätzlich in der höfischen Personalpolitik des Herzogs einnahm. Inwiefern unterschieden sich die wirklichen Junker in ihrer Bedeutung von den Titularjunkern, und wie lassen sich damit gegebenenfalls die großen Schwankungen in der Zahl der wirklichen Junker erklären? Und wie passte diese Junkerpolitik in die gesamte – auf Repräsentation ausgerichtete – Personalstrategie des Herzogs? Warum vervielfachte Carl August zum Beispiel die jährliche Gesamtzahl seiner Junker insgesamt nur mäßig, statt sie um das Doppelte wie die der Kammerherren zu vergrößern? 5.4.1 Der Weg zum wirklichen Junker unter Carl August Gemäß der Zeremonialwissenschaft war die Hof- bzw. Kammerjunkerschaft im Regelfall nicht die einzige Tätigkeit, die ein Kavalier im 18. Jahrhundert für 526

Vgl. Abschnitt zu den Kammerherren.

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5. Repräsentationspolitik qua Personal. Der verpflichtete Adel des Hofes

Abbildung 14: Entwicklung der Weimarer Kammer-, Hof- und Jagdjunker von 1790 bis 1816 (ohne 1809, 1815)

5.4 Die Weimarer Hof-, Jagd- und Kammerjunker

431

seinen Dienstherrn ausübte. Da insbesondere die Hofjunker „an den meisten Höfen den müssigen Adel“ darstellten, sei dieses Amt vornehmlich entweder an Offiziere der Garde oder an adelige Assessoren der Kollegien als eine Art ehrenvolle Warteposition in Aussicht auf die Ernennung zum wirklichen Kammerjunker vergeben worden.527 Es war also durchaus üblich, verschiedene Funktionen bzw. Institutionen, d. h. Hof, Militär und Regierung, in der Person eines (Hof-)Junkers zu verschränken. Carl August setzte diese zeremonielle Konvention an seinem Hof um und machte bei der Berufung seiner Junker rege von der Möglichkeit Gebrauch, institutionelle Doppelrollen zu vergeben. Nur drei der insgesamt 58 wirklichen Junker wurden ausschließlich am Hof verpflichtet und durften unmittelbar als Kammerjunker in den Weimarer Dienst treten.528 Die übrigen 95 % der Junker wurden dagegen mit institutionellen Doppelrollen betraut. Im Konkreten waren sechs Kavaliere zugleich in der herzoglichen Jägerei, vier Kavaliere als Assessoren in der Kammer, 14 Kavaliere als Assessoren oder Räte in der Regierung und 31 Kavaliere im Weimarer Militär beschäftigt. Da fast alle Junker eine Doppelfunktion ausübten, stellt sich die Frage, inwieweit hinter der Ernennung zum Junker tatsächlich noch ein spezieller Auswahlprozess stand oder ob ein Adeliger unter Carl August automatisch mit der Anstellung in Jägerei, Regierung, Kammer oder Militär auch am Hof aufgenommen wurde. Warum entschied sich Carl August überhaupt für eine derartige Verschränkung von Hof-, Zivil- und Militärdienst? Anders als die Zeremonialwissenschaft suggerierte, waren die wirklichen Hofjunker in Weimar nicht dem Müßiggang überlassen, sondern mussten wie alle anderen wirklichen adeligen Hofbediensteten Dienst leisten.529 Dieses Amt war also keine inhaltsleere Warteposition, sondern eine aktive Funktionsbezeichnung. Um Carl Augusts Bevorzugung institutioneller Doppelrollen zu klären, müssen demnach die Perspektive erweitert und nicht allein die wirklichen Junker, sondern auch das Personal der anderen, in persona verknüpften herzoglichen Einrichtungen mit in den Blick genommen werden. Die Verschränkung von Hof- und Staatsdienst

Bei den Junkern, die im Staatsdienst tätig waren, lässt sich tatsächlich ein besonderer Automatismus erkennen: Carl August machte es sich während seiner Regentschaft zum Prinzip, seine adeligen Assessoren nicht nur in Regierung 527

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Moser: Teutsches Hofrecht, Bd. 2, 187, § 13. Nur an kleineren Höfen, wo es keine Kammerjunker gebe, müssten die Hofjunker ihren „Theil an Arbeit und Dienst“ tatsächlich besorgen. Ausschließlich als Kammerjunker traten Carl Friedrich August von Oldershausen (1784–1839) im Februar 1807, Carl Friedrich von Boyneburg (1779–1854) im November 1805 und Alexander Christian Ludwig von Bastineller (1783−1850) im April 1808 in den Weimarer Hof ein. Vgl. ThHStAW HMA 4556, S. 32; ThHStAW HMA 432, Bl. 10; ThHStAW B 25910; ThHStAW HMA 433, Bl. 11. Vgl. unten den Abschnitt zum Dienst der Weimarer Junker.

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5. Repräsentationspolitik qua Personal. Der verpflichtete Adel des Hofes

Abbildung 15: Ausschnitt aus dem Hauptplan für den Hof-Etat, erstellt im Jahre 1776

und Kammer,530 sondern simultan auch als Junker am Hof zu verpflichten. Für den Weimarer Hof war dies eine Neuerung. Zwar gab es auch schon unter der vormundschaftlich regierenden Anna Amalia Personalunionen zwischen Hof- und Staatsdienst, allerdings waren diese eher sporadisch und noch nicht wie bei Carl August methodisch etabliert. In den Memoiren des Pagen von Lyncker findet sich ein Erklärungsansatz, weshalb sich der Herzog für diese Neuerung entschied. Lyncker meinte sich zu erinnern, Carl August habe einige der Hofjunker, die zugleich im Staatsdienst standen, nur unter der Bedingung angestellt, „nie Anspruch auf Besoldung“ erheben zu dürfen.531 Tatsächlich wurde in den Etatplanungen kurz nach dem Regierungsantritt angedacht, die beiden rangniedrigsten von vier Kammerjunkerstellen und die rangniedrigere von zwei Hofjunkerstellen mit einer „ohnehin soldcireten Person“ zu besetzen (Abb. 15).532 Die Junker sollten offenbar erst eine Zeit lang dienen, bevor sie eine Zulage für ihre Hofdienste erhielten. Da die Kammerjunker mit 400 Reichstalern und die Hofjunker mit 200 Reichstalern pro Jahr besoldet wurden,533 hätte dies eine jährliche Gesamtersparnis in Höhe von 1000 Reichstalern bedeutet. Spartaktische Erwägungen könnten bei der Entscheidung für die verschränkende Personalpolitik also durchaus eine Rolle gespielt haben. Der Abgleich des Etatplans mit anderen Quellen weckt jedoch Zweifel an der gezielten Verwirklichung des Sparsystems. Zu viele Fragen zur konkre530 531 532 533

In seiner gesamten Regierungszeit machte Carl August nur wenige Ausnahmen, auf die unten näher eingegangen wird. Vgl. Lyncker: Ich diente am Weimarer Hof, S. 47. Vgl. ThHStAW A 9035, Bl. 66r–70v, Zitat Bl. 66v. Vgl. ebd.

5.4 Die Weimarer Hof-, Jagd- und Kammerjunker

433

ten Umsetzung stoßen auf Ungereimtheiten. So bleibt zum Beispiel die Art und Weise unklar, wie Beförderungen realisiert wurden. Verlor der bezahlte Hofjunker im Falle einer Beförderung zum Kammerjunker seine Bezahlung, weil er dann gemäß dem Prinzip der Anciennität in eine der rangniedrigsten Kammerjunkerstellen einrücken würde, die laut Plan unbezahlt war? Wenn dem so war, dann hätten die Beförderungen zwar eine Steigerung des Ansehens, aber gleichzeitig den Verlust der Besoldung bedeutet. Die Bilanzen der Weimarer Kammerkasse wecken Zweifel. Sie zeigen, dass alle Bediensteten des Herzogtums nur durch einen Abschied einen Besoldungsbestandteil verlieren konnten. Hatte man erst einmal ein bestimmtes Besoldungsniveau erreicht, dann wurde dies nie wieder reduziert, sondern entweder beibehalten oder aber im besten Falle erhöht.534 Die Sparpläne des Hofetats kollidierten also mit dem üblichen Beförderungssystem nach dem Prinzip der Anciennität. Als Alternative wäre eine Regel denkbar, die dem unbesoldeten Hofjunker die unbesoldete Kammerjunkerstelle vorbehielt. In dem Falle hätte der Freiherr von Lyncker sich richtig erinnert, dass einige Junker niemals eine Besoldung bekamen. Der unbesoldete, rangniedere Hofjunker hätte dann allerdings − um in eine nächsthöhere unbesoldete Stelle einrücken zu können − den besoldeten Hofjunker im Rang überspringen müssen. Diese Hypothese entkräften jedoch die Weimarer Staatskalender. Alle Hof- und Kammerjunker blieben darin grundsätzlich in der Reihen- und Rangfolge verzeichnet, wie sie ihren Dienst am Hof angetreten hatten. Keiner wurde nach einer Beförderung mit einem Mal zwei oder mehr Plätze vor jemand anderen gesetzt.535 Die Gegenüberstellung von Hofetatplan, Kammerbilanzen und Staatskalender liefern somit kein kohärentes Bild. Es muss deswegen letztlich offenbleiben, ob und wie das System der Einsparung umgesetzt wurde. Das Sparmotiv verliert dadurch an Erklärungskraft: Wenn es keinen eindeutigen Beleg dafür gibt, dass überhaupt systematisch gespart wurde und wie genau dies vonstatten ging, dann kann auch nicht behauptet werden, dass dies der Grund für die verschränkende Personalpolitik Carl Augusts war. Bemerkenswerterweise würde es aber, selbst wenn es nachweisbar wäre, auch nicht erklären, weshalb Carl August gerade die Staatsdiener mit ihrer Anstellung simultan in den Hof integrierte. Er hätte auch andere Bedienstete wählen können. Adelige Militärs oder hohe, adelige Angestellte des Justizapparates erhielten in der Regel ebenfalls eine Besoldung und wären damit ebenso für die rangniedrigen Junkerstellen prädestiniert gewesen. Carl August erhob jedoch nur die Assessoren der Kammer und der Regierung automatisch zu Junkern. Es muss also in jedem Falle noch andere (Beweg-)Gründe als das bloße Geld gegeben haben. 534 535

Vgl. ThHStAW Rechnungen 287–317 (Kammerbilanzen 1790 bis 1815). Allein die Quereinsteiger, für die Carl August die Anciennität ausnahmsweise zurücksetzte, wurden in die Reihenfolge eingeschoben. Aber auch sie veränderten nicht grundsätzlich die Abfolge. Zum Zurücksetzen der Anciennität ausführlicher unten.

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5. Repräsentationspolitik qua Personal. Der verpflichtete Adel des Hofes

Erweitert man die Perspektive und betrachtet neben dem Hof auch das Bedingungsgefüge des Weimarer Staatsdienstes, dann erscheint die simultane Erhebung zum Junker als überaus geschickter Schachzug, der einen weitreichenden, personalstrategischen Handlungsspielraum eröffnete. Denn die doppelte institutionelle Bindung versprach gleich mehrere Vorteile: Kurz nach der Verpflichtung bot die Integration in den Hof zunächst den Vorzug, die Persönlichkeit der neuen Angestellten näher kennenzulernen. Carl August engagierte überwiegend landesfremde bzw. unbekannte Adelige als Assessoren, mit denen er bis dahin gar keinen oder nur sporadischen Kontakt gepflegt hatte.536 Die Eingliederung in das durchorganisierte gesellschaftliche Alltagsleben am Hofe bot dem Herzog die Möglichkeit, mit den Kavalieren außerhalb der Kollegienarbeit, aber doch innerhalb eines klar strukturierten Dienstverhältnisses Zeit zu verbringen. Er konnte währenddessen zu einem Urteil gelangen, ob ihm die Gemüts- und Geisteshaltung des jeweiligen Kavaliers zusagte und er ihn langfristig in seinen engeren Diensten zu beschäftigen wünschte. Die simultane Ernennung der Staatsdiener zum Junker war also eine pragmatische Lösung, um die charakterlichen Eigenheiten des Regierungsadels kennen- und einschätzen zu lernen und gegebenenfalls bei schwerwiegenden Disharmonien auszusortieren.537 Hatte sich ein Kavalier im Hof- und Staatsdienst bewährt, barg die dop536

537

Von den 18 Junkern, die simultan in der Regierung und Kammer beschäftigt waren, stammten 13 aus dem Ausland: Carl Friedrich Wilhelm Gottlieb von Bibra aus Meiningen, Carl Heinrich Freiherr von Bühler (1748–1811) aus Stuttgart, Adolph Albert Friedrich Wilhelm von Dankelmann (1779–1829) aus Lodersleben, Wolfgang von und zu Egloffstein aus Franken, Ernst Christian August von Gersdorff aus Herrnhut, Carl Leopold von Lehsten aus Mecklenburg, Hans Georg Friedrich von Oldershausen aus Kursachsen, Franz Carl Leopold von Seckendorff-Aberdar aus Ansbach, Carl Emil von Spiegel aus Preußen, Christian Freiherr von und zu der Tann aus Tann, Christian Friedrich Carl von Wolfskeel aus Württemberg, Anton von Ziegesar aus Gotha und Wilhelm von Stein aus Barchfeld. Zu den Landeskindern gehörten dagegen nur die beiden Eisenacher Friedrich Wilhelm Carl von Mandelsloh und Ludwig Herda zu Brandenburg (1775–1857) sowie die drei Weimarer Friedrich von Stein und die Brüder Friedrich August und Carl Wilhelm von Fritsch. Vgl. die Weimarer Staatskalender 1790 bis 1810; KA WE TR HK 1772, f. 246 (Stein); GHdA, Bd. 13 (1956), S. 42 (Bibra); GHdA, Bd. 44 (1969), S. 467 (Tann); GHdA, Bd. 27 (1962), S. 228 (Oldershausen); GHdA, Bd. 102 (1992), S. 93 (Herda); Kreutzmann: Lebenswelt (Fritsch, Ziegesar); Karl Heinrich von Lang: Memoiren des Karl Heinrich von Lang. Skizzen aus meinem Leben und Wirken, meinen Reisen und meiner Zeit. Bd. 1. Braunschweig 1841, S. 140 (Bühler); Krause: Beamte in Sachsen-Weimar-Eisenach, S. 135 (Spiegel); Theodor Schön: Art. Seckendorff, Franz Karl Leopold (Leo), in: ADB, Bd. 33 (1891), S. 519; Hugo Schramm-MacDonald: Art. Gersdorff, Ernst Christian August Frhr. v., in: ADB, Bd. 9 (1879), S. 52–53; Rudolf von Buttlar-Elberberg: Stammbuch der Althessischen Ritterschaft. Kassel 1888, Tafel II. von Stein-Liebenstein zu Barchfeld; ThULB Jena, Abteilung Handschriften und Sondersammlungen, Matrikel der Universität Jena 1764–1801, Ms. Prov. fol. 116, Bl. 62v (Mandelsloh), 100v (Lehsten); Art. Adolph Albert Friedrich Wilhelm von Dankelmann, in: DBI, Bd. 2 (1998), S. 620. Vgl. unten z. B. die Verabschiedung von Friedrich von Stein wegen Egoismus.

5.4 Die Weimarer Hof-, Jagd- und Kammerjunker

435

pelte Anstellung zudem auch auf lange Sicht unschätzbare Vorteile. Denn der höfische Gesellschafterdienst bot Carl August die Möglichkeit, Staatsangelegenheiten wie auch Zwischenmenschliches außerhalb der Kollegien informell zu klären, heikle Sachverhalte oder Argumentationen in kleinem Kreise zu besprechen, eventuell verfahrene Streitparteien einzeln anzuhören, aber auch Einfluss und Kontrolle individuell auszuüben. Carl August konnte jederzeit in den Dienstplan seiner adeligen Gesellschafter eingreifen und sich eine bestimmte Person an den Hof bestellen. Unter dem Deckmantel des Hofdienstes ließ sich auf diesem Wege ohne jedes Aufheben zu einem Gespräch bitten. Durch die Ernennung der Staatsdiener zu Junkern konnte dementsprechend nicht nur für die Kennenlernphase, sondern auch auf lange Sicht der informelle Informationsfluss stets am Laufen erhalten werden. Darüber hinaus setzte Carl August sein höfisches Junkeramt ganz gezielt zur ständischen Distinktion seiner Staatsdiener ein. Innerhalb der Kollegien galt das Anncienitätsprinzip, sodass Bürgerliche oftmals einen höheren Rang als die später verpflichteten Adeligen genossen. In der Kammer mussten sich die Adeligen sogar einem bürgerlichen Präsidenten − zuerst Johann Christoph Schmidt und später Christian Gottlob (von) Voigt − unterordnen.538 Diese kollegieninterne Subordination ließ sich auf gesellschaftlicher Ebene mit der Einbindung in den Hof ein Stück weit nivellieren, da die adeligen Assessoren als Junker eine soziale Auszeichnung erhielten, die ihre Kollegen nie erlangen konnten. Bürgerliche und Neuadelige waren vom Ehrendienst am Weimarer Hof prinzipiell ausgeschlossen. Der wohl berühmteste Staatsdiener, der wegen seines Standes sein Leben lang nie mit dem Hofdienst beehrt wurde, war der herzogliche Favorit Johann Wolfgang von Goethe.539 Carl August nutzte den Hof also als eine zusätzliche Ebene, um seine Staatsdiener nach Geburtsstand zu klassifizieren. Nicht zuletzt gebrauchte Carl August seine Hofstellen als Auffangnetz für unfähige Staatsdiener und sicherte damit in gewisser Weise das Leistungsniveau seiner Regierung, ohne dabei mit den betroffenen Kavalieren unehrenhaft brechen zu müssen. Besonders deutlich wird dies am Beispiel des Carl Emil Freiherrn Spiegel von und zu Pickelsheim (1783–1849), der sich Ende 1804 für eine Stelle im Weimarer Regierungskollegium bewarb. 538

539

Johann Christoph Schmidt war seit April 1788 der Präsident der Weimarer Kammer. 1802 wurde er zum Oberpräsidenten und Christian Gottlob (von) Voigt zum Präsidenten der neu geschaffenen Gesamtkammer berufen. Voigt wurde 1807 geadelt, d. h. im gleichen Jahr, als er Schmidt in seinem Posten als Oberkammerpräsidenten beerbte. Vgl. den Weimarer Staatskalender von 1803, S. 42; ThHStAW HMA 414, Bl. 37; Gustav Lämmerhirt: Art. Voigt, Christian Gottlob von, in: ADB, Bd. 54 (1908), S. 752–755. Unter den Regierungsassessoren betraf dies zum Beispiel Dr. Bernhard Gottlieb Huldreich (von) Hellfeld (1759–1788), der kurz vor seiner Einstellung erst geadelt worden war und deshalb nicht mit dem Junkeramt beehrt wurde. Vgl. Johann Georg Meusel: Lexikon der vom Jahr 1750 bis 1800 verstorbenen teutschen Schriftsteller. Bd. 5: Haag– Hizler. Leipzig 1805, S. 341.

436

5. Repräsentationspolitik qua Personal. Der verpflichtete Adel des Hofes

Trotz Studiums hegten Carl August bzw. seine Berater Zweifel an dessen tatsächlichen Fähigkeiten zur Regierungsarbeit, weil keine konkreten „Specimina von des Herrn Baron von Spiegel theoretischen oder praktischen Rechts Kenntnissen“ vorlagen.540 Dies war ein ernsthaftes Hindernis. Zwar gab es in Weimar für adelige Assessoren noch kein Prüfverfahren zur Eignung.541 Allerdings konnte der Kanzler Johann Friedrich Kobe von Koppenfels den Herzog nach und nach davon überzeugen, nur noch Männer ins Kollegium aufzunehmen, die bei den anfallenden Regierungsgeschäften auch wirklich mitarbeiten konnten.542 Da Carl Emil von Spiegel dahingehend keinen überzeugenden Eindruck erweckte, bekam er eine Position „vor der Hand“ und unter der Bedingung offeriert, dass er sich selbst aus dem Regierungskollegium wieder zurückziehen möge, „ohne sich deswegen besonders gekränckt zu fühlen, wenn es sich in der Sache finden sollte, daß er nicht zu diesen Geschäfte geboren [sei]“.543 Insofern dieser Fall eintrete, solle er dann aber keineswegs vor dem Nichts stehen. Carl August sicherte vielmehr zu, „ihn mit Vergnügen am Hofe an[zustellen], ohne weiter etwas von ihm zu verlangen, wenn er bloß mit dieser Dienstannahme zu frieden seyn wollte“.544 Dass dieses Angebot ernst gemeint war, lässt sich nicht nur rückblickend an der später erfolgreichen Hofkarriere des zum Regierungsdienst tatsächlich ungeeigneten Freiherrn von Spiegel ablesen, sondern wurde bereits mit der umgehenden Ernennung zum Kammerjunker deutlich.545 In der Regel bekamen die Regierungsassessoren zunächst nur eine Hofjunkerstelle, um dann erst nach ihrem Aufstieg zum Regierungsrat auch zum Kammerjunker befördert zu werden. Eine sofortige Eingliederung als Kammerjunker stellte folglich etwas Besonderes dar − umso mehr, weil der Herzog dafür die interne Hierarchie der Junker überging und die Beförderungsaussichten des ranghöchsten, weil dienstältesten Hofjunkers zugunsten eines Neulings zurücksetzte. Im Untersuchungszeitraum durchbrach der Herzog dieses Anciennitätsprinzip seiner Junker nur für vier der insgesamt 14 Regierungsassessoren.546 Der Freiherr von Spiegel war sich dieser rangmäßigen 540 541 542 543

544 545 546

ThHStAW HA A XIX, Nr. 113m, Bl. 4. Vgl. Krause: Beamte in Sachsen-Weimar-Eisenach, S. 131. Vgl. ebd., S. 83f. C. A. v. S-W-E an C. G. Voigt, Weimar, 22. Januar 1805, in: ThHStAW HA A XIX, Nr. 113m, Bl. 1. Zudem solle in der Rangfolge zwischen dem Freiherrn von Spiegel und dem Assessor Christian von und zu der Tann noch ein Platz frei gelassen werden, falls sich in nächster Zeit ein besser geeigneter adliger Kandidat für das Regierungskollegium finden würde. Ebd. Vgl. ThHStAW HMA 432, Bl. 1. Neben dem Freiherrn von Spiegel ernannte Carl August auch Christian Friedrich Carl von Wolfskeel am 6. März 1787, Christian von und zu der Tann am 13. Oktober 1804 und Ernst Christian August von Gersdorff am 30. Dezember 1807 im Zuge ihrer Neuanstellung unmittelbar zu Kammerjunkern. Vgl. ThHStAW HMA 414, Bl. 27; ThHStAW HMA 431, Bl. 18, ThHStAW HMA 433, Bl. 43–44.

5.4 Die Weimarer Hof-, Jagd- und Kammerjunker

437

Bevorzugung mit Sicherheit bewusst. Wesentlich interessanter als diese Privilegierung scheint jedoch die damit deutlich werdende Wertigkeit der Hofkarriere. Der ehrenvolle Gesellschaftsdienst am Hof brachte ganz offensichtlich geringere oder zumindest andere Leistungsanforderungen als die Regierungsarbeit mit sich und konnte daher als Auffangnetz für minder- oder unfähige Staatsdiener genutzt werden. Mit der doppelten institutionellen Bindung verschaffte Carl August seinen neuangestellten Regierungsassessoren also nicht nur eine gesellschaftliche Privilegierung, sondern hielt sich auch selbst die Möglichkeit offen, ungeeignetes Regierungspersonal problemlos entfernen zu können. Mit der Offerte, stattdessen im Hof Karriere zu machen, wurde eine Verabschiedung sowohl für den jeweiligen Adeligen als auch für den Herzog unkomplizierter. Wenngleich für die anderen Regierungsmitglieder klar gewesen sein musste, dass dem Verabschiedeten die staatsmännische Eignung fehlte, konnte durch eine Versetzung bzw. mit der Reduzierung der Doppelrolle auf den bloßen Hofdienst doch zumindest nach außen der Schein der Ehrenhaftigkeit gewahrt werden. Carl August gestand jedoch nicht allen adeligen Assessoren gleichermaßen diesen zweiten, parallelen Karriereweg zu, sondern machte zum Beispiel bei Friedrich Christian Ludwig von Oertel (1770–1818) eine Ausnahme. Der Sohn des Privatiers Benedikt von Oertel war dem Herzog gut bekannt, da er ihn im Alter von 15 Jahren am Hof aufgenommen und knapp fünf Jahre lang als Pagen ausgebildet hatte.547 Nach einem Studium in Jena, das mit einem herzoglichen Stipendium finanziert worden war,548 wandte sich der einstige Page im Januar 1793 erneut an seinen Landesherrn und bat um eine Anstellung in der Weimarer Regierung.549 Die Reaktion auf diese Anfrage zeigt, dass Carl August − wie bei dem Freiherrn von Spiegel − klare Zweifel an dessen Fähigkeiten hegte. Er entschied deshalb, den jungen Absolventen zunächst nur als Auditor in der Regierung, d. h. in der Rangfolge hinter den Assessoren und vor den Sekretären, anzustellen.550 Nach knapp einem halben Jahr erfolgte dann zwar schon die Beförderung zum Assessor, allerdings sine voto und ohne die simultane Integration in den Hofstaat.551 Möglicherweise verweigerte Carl August in diesem Falle die sonst übliche gleichzeitige Ernennung zum Junker, um damit der unterschiedlichen Qualität seiner Assessoren mit und 547

548

549 550 551

Er hatte seinen Pagendienst am 23. März 1785 angetreten, um am 22. April 1790 wehrhaft vom Hof abzugehen und die Universität in Jena zu beziehen. Vgl. ThHStAW B 25951, Bl. 204ff; ThHStAW HMA 544, Bl. 13. Vgl. J. W. v. Goethe an C. A. v. S-W-E, 28. Februar 1790, in: Willy Flach (Hrsg.): Goethes amtliche Schriften. Veröffentlichung des Staatsarchivs Weimar. Bd. 2: Goethes Tätigkeit im Geheimen Consilium. Die Schriften der Jahre 1788–1819. 1. Halbband: 1788–1797. Weimar 1968, S. 170. Vgl. ThHStAW B 25189, Bl. 96–97. Zum Prozess der Supplikationen in Weimar ausführlich vgl. Krause: Beamte in Sachsen-Weimar-Eisenach. Vgl. ThHStAW B 25189, Bl. 102–103, 110. Die Ernennung erfolgte am 3. Dezember 1793. Vgl. ThHStAW HMA 415, Bl. 24.

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5. Repräsentationspolitik qua Personal. Der verpflichtete Adel des Hofes

ohne Votum gerecht zu werden. Im Gegensatz zu Christian Ludwig von Oertel waren ausnahmslos alle 14 Junker, die um 1800 simultan in Regierung und Hof beschäftigt wurden, zu Assessoren cum voto ernannt worden. Oertels Beschäftigung sine voto könnte also als Ausschlusskriterium gewirkt haben. Gleichermaßen könnte Carl Augusts Zurückhaltung aber auch auf schlechten Erfahrungen aus der Pagenzeit basiert haben. Neben dem jungen von Oertel gab es um 1800 nur noch einen weiteren Adeligen, Christoph Gottfried Carl Freiherr Wolff von und zu Todenwarth (1762–1816), dem der Herzog den simultanen Eintritt in den Hof versagte. Todenwarth war im Gegensatz zu Oertel 1786 zwar als Assessor cum voto in der Eisenacher Kammer verpflichtet worden. Allerdings teilten beide einen ähnlichen Lebenslauf, da auch Todenwarth bereits fünf Jahre als Page am Weimarer Hof gedient und danach die Universität zu Jena bezogen hatte.552 Carl August kannte also auch seine Qualitäten als Hofbediensteter. Möglicherweise hielt ihn eben dieses Wissen von der Ernennung zum Junker ab. Immerhin wäre es nur konsequent, sowohl Oertel als auch Todenwarth vom Hofdienst fernzuhalten, wenn sie sich schon als Edelknaben nicht sonderlich hervorgetan hatten. Im Rückblick scheint diese Vorsichtsmaßnahme zumindest für Christian Ludwig von Oertel durchaus berechtigt gewesen zu sein. Der Staatsdiener wurde schon nach drei Jahren aufgefordert, selbst um seine Entlassung zu bitten und „anderwärts sein Glück und Unterkommen zu finden“.553 Carl Wolff von Todenwarth erwies sich dagegen als nützlich und stieg in den folgenden Jahren bis zum Kammerrat und Vorsitzenden der Eisenacher Baukommission auf, blieb vom Hofdienst allerdings weiterhin konsequent ausgeschlossen.554 Der Staatsdienst berechtigte in Weimar also nicht automatisch zum Hofdienst. Carl August zog nicht alle Assessoren aus Regierung und Kammer gleichermaßen in seinen Hofdienst, sondern beschränkte sich auf ein ganz konkretes soziales Profil: Die Herren mussten von vornehmer Geburt sein. Neuadelige Staatsdiener wurden ebenso wie bürgerliche ausgeschlossen. Der adelige Geburtsstand allein bedeutete allerdings auch keine Garantie. Carl August war durchaus bereit, seinen Staat und Hof verschränkenden Mechanismus für Kavaliere, die ihm bereits bekannt waren und ungeeignet 552

553 554

Carl war der Sohn des Weimarer Rittmeisters Karl Volprecht Freiherr Wolff von und zu Todenwarth (1732–1806) und Friederike Wilhelmine Auguste von Rothmaler (1728– vor 1806). Er gehörte zu den ersten Pagen unter Carl August und diente ihm von 1775 bis 1780. Am 29. März 1780 wurde er wehrhaft gemacht, am 15. April 1780 erfolgte die Immatrikulation an der Universität Jena. Vgl. ThHStAW B 25951, Bl. 204ff; ThHStAW HMA 544, Bl. 1; ThULB Jena, Abteilung Handschriften und Sondersammlungen, Matrikel der Universität Jena 1764–1801, Ms. Prov. f. 116, Bl. 63v; Eckhart G. Franz: Bestand O 4. Familienarchiv Wolff von Todenwarth. Repertorien des Hessischen Staatsarchivs Darmstadt. [URL:http://www.hadis.hessen.de/hadis-elink/HSTAD/ O%204/Findbuch.pdf, Stand: 2004]. ThHStAW B 25189, Bl. 130. Vgl. ThHStAW HMA 416, Bl. 23.

5.4 Die Weimarer Hof-, Jagd- und Kammerjunker

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schienen, zurückzusetzen und sie ausschließlich zu Staatsdienern zu ernennen. Das Gros der adeligen Assessoren, die unter seiner Regentschaft in Kammer und Regierung eine Anstellung fanden, konnte aber wohl zu Recht auf eine simultane Einbindung in den Hof hoffen. Diese Strategie wirft die Frage auf, inwieweit das Personal von Hof und Staat in Sachsen-Weimar-Eisenach unter Carl August nach und nach miteinander verschmolz. Immerhin scheint der Herzog mit seiner verschränkenden Personalpolitik die Trennung von Staat und Hof, die von den Theoretikern des 18. Jahrhunderts so stark betont wurde,555 für seine adeligen Staatsdiener völlig ignoriert zu haben. Dieser Eindruck relativiert sich jedoch, sobald nicht mehr nur die Junker, sondern das gesamte hohe Landesregierungs- und Kammerpersonal betrachtet wird. Denn dann wird deutlich, dass die Zahl der Hof und Staat verknüpfenden Personalunionen wesentlich geringer war als die Zahl derer, die bloß in den Staatsdienst eingebunden waren (Abb. 14). Im Konkreten war um 1800 sogar immer etwa die Hälfte der adeligen Staatsdiener ausschließlich in der Regierung oder Kammer tätig. Nicht alle Adeligen bekleideten ein Hofamt. Hof- und Staatspersonal zeigen demnach Überschneidungen, aber verschmolzen nicht gänzlich miteinander. Stattdessen separierte sich der Staat personell immer stärker vom Hof. Das überrascht zunächst, da es bis 1800 stets mehr adelige als bürgerliche Staatsdiener gab und sich dieses Verhältnis erst in den folgenden Jahren ins Gegenteil verkehrte. Die Erklärung findet sich aber wiederum in der speziellen Besetzungspolitik Carl Augusts, der seine Junkerstellen nur an Assessoren vergab. Wer mit einem höheren Amt in den Staatsdienst einstieg und, wie zum Beispiel Josef Johann Jacob Freiherr von Lincker, unmittelbar als Kammerrat berufen wurde, erhielt parallel kein Hofamt. Zum anderen kam hier noch die Personalpolitik Anna Amalias zum Tragen. Unter ihrer vormundschaftlichen Regierung war es nicht üblich, Assessoren zugleich als Junker zu verpflichten. Die sechs ,alten‘ Adeligen, die seinerzeit von ihr angestellt wurden, waren deshalb nicht in den Hof eingebunden. Als sie nach und nach verstarben, ersetzte sie Carl August zudem in der Regel nicht mehr mit Adeligen, sondern legte deren hohe Staatsämter − vor allem die der Finanzverwaltung − in die Hand von Bürgerlichen. Das Verhältnis von Adel zu Bürgern kippte deshalb ebenso, wie sich das Verhältnis von den kombinierten Staats- und Hofdienern zu den bloßen Staatsdienern immer mehr auseinanderentwickelte. 1810 waren nur noch ein Fünftel sowohl in den Hof als auch in den Staat eingebunden. Trotz der Verschränkung von Assessoren- und Junkeramt separierte sich zwischen 1790 und 1810 also das Staats- und Hofpersonal immer weiter voneinander.

555

Vgl. z. B. Carrach: Teutsches Hofrecht 1, S. 812.

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5. Repräsentationspolitik qua Personal. Der verpflichtete Adel des Hofes

Abbildung 16: Statistik der hohen Staatsdiener, geordnet nach ständischer Herkunft

Die ,Verhöflichung‘ der adeligen Militärs

Im Gegensatz zu den Junkern im Staatsdienst wandte Carl August bei seinen militärisch tätigen Junkern zunächst kein einheitliches Ernennungsprinzip an. Die Adeligen, die in den ersten Regierungsjahrzehnten ins Weimarer Militär eintraten, konnten also nicht damit rechnen, dass sie automatisch auch als Junker im Hof angestellt wurden. Carl August bevorzugte stattdessen eine individuelle Auswahl, die dennoch festen Prinzipien folgte: So orientierte er seine Ernennungen zum Beispiel klar am Bedarf des Hofes und nicht an eventuellen Gegebenheiten beim Militär. Die Leutnants wurden immer nur dann als potentielle Junker interessant, wenn Hofkavaliere der jeweils nächsthöheren Hierarchieebene − d. h. entweder Kammerjunker oder

5.4 Die Weimarer Hof-, Jagd- und Kammerjunker

441

Kammerherren − aufgestiegen oder ausgeschieden waren.556 Durch dieses bedarfsorientierte Nachrücksystem variierten die Zeitspannen zwischen den jeweiligen Ernennungen sehr stark. In den personalknappen Zeiten Anfang der 1790er Jahre zog Carl August fast jedes Jahr ein bis zwei Leutnants als Hofjunker in seinen Hof. Die Zeit davor und danach war dagegen von langen Pausen geprägt, die zwischen drei und sieben Jahren andauern konnten und deutlich erkennen lassen, dass sich Carl August für seinen Hof − zumindest bis zum Ende des Alten Reiches − ein konkretes Größenmaß auferlegt hatte. Im Gegensatz zu den Junkern im Staatsdienst, die immer dann angestellt wurden, sobald es die Arbeit in den verschiedenen Kollegien erforderlich machte, richtete sich die Ernennung der militärischen Junker also in erster Linie nach der Personalstruktur des Hofes. Daneben machte es sich Carl August zum Prinzip, nur Militärs in den Hofdienst zu ziehen, die bereits einen Offiziersrang erreicht hatten. Fähnriche schloss er dagegen von seinem höfischen Ehrendienst aus.557 Zudem fasste er nur Kandidaten in den Blick, die seit einigen Jahren im Militär dienten. Hans Georg Lebrecht von Luck stand zum Beispiel schon seit mehr als zehn Jahren in den Diensten der Weimarer Infanterie, bevor er von Carl August am 30. Januar 1782 in den Hof gezogen und zum wirklichen Hofjunker berufen wurde.558 Die militärischen Junker unterschieden sich also von den Junkern im Staatsdienst durch ihre spätere bzw. zeitversetzte Berufung in den Hof. Allein bei vier Junkern machte Carl August Ausnahmen: Bei den beiden Brüdern von Seebach, Carl Albert von Lincker und August von und zu Egloffstein. Alle vier wurden unmittelbar mit ihrer Anstellung im Militär auch zu Hof- oder Kammerjunkern ernannt. Während Carl August die beiden Leut556

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Am 22. August 1791 wurden Christoph (Christian) Ehrenfried von Hönning, Christoph Friedrich Siegmund von Rothmaler und Friedrich Ludwig von Germar zu Kammerherren erhoben, woraufhin Friedrich Ernst von Germar und Heinrich Friedrich Ferdinand von Breitenbauch als Hofjunker in den Hof gezogen wurden. Eine zweite Ernennungswelle folgte am 24. Januar 1794, als Friedrich August Ludwig Freiherr von Lasberg zusammen mit Wolfgang Gottlob Christoph Freiherr von und zu Egloffstein und Christian Friedrich Carl Freiherr Wolfskeel von Reichenberg zu Kammerherren erhoben wurde. Carl August verstärkte daraufhin die Riege der Junker mit August Ernst von Lichtenberg und Carl Albert von Lincker. 1801/02 wiederholte sich diese Prozedur erneut: Den beiden Gebrüdern von Fritsch, die jeweils im Dezember 1801 und im Dezember 1802 zu Kammerherren aufgestiegen waren, folgten Emil Carl August Heinrich von Hönning und Wilhelm von Schierbrandt am 22. Januar 1802. Vgl. ThHStAW HMA 415, Bl. 9–10, 24–25; ThHStAW HMA 416, Bl. 16, 21, 23. In äußerst seltenen Fällen durften Pagen als Fähnriche ins Militär eintreten. Fähnriche leisteten nur in dieser speziellen Konstellation Ehrendienst am Hof. Um 1800 erlaubte dies der Herzog Friedrich Ernst von Germar, der deshalb schon vor seiner Berufung zum Hof- und Jagdjunker seit zwei Jahren im Weimarer Militär gedient hatte. Vgl. die Weimarer Staatskalender von 1789 bis 1792; ThHStAW B 25951, Bl. 204ff. Ein Jahr später erfolgte am 23. Dezember 1783 bereits die Beförderung zum Kammerjunker. Lebrecht von Luck war schon seit dem 6. Juli 1770 im Militär. Vgl. ThHStAW HMA 413, Bl. 27; ThHStAW B 25783, Bl. 14.

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5. Repräsentationspolitik qua Personal. Der verpflichtete Adel des Hofes

nants Friedrich von Seebach und Carl Albert von Lincker wahrscheinlich im festen Vertrauen auf deren spezielle Fähigkeiten − beide erreichten später Führungspositionen in Stall und Jägerei559 − sofort in seinen Hof aufnahm, scheint er den gesellschaftlich anerkannten Hofdienst bei Ludwig Ernst Rudolph Gustav von Seebach als gesellschaftliche Rehabilitation eingesetzt zu haben.560 Der Leutnant von Seebach war als Page am Meininger Hof ausgebildet worden und hatte das Forsthandwerk in Altenbreitungen gelernt. Danach gelang es ihm, in dänische Kriegsdienste zu wechseln. Doch musste er von dort wegen eines tödlichen Duells fliehen und kehrte nach Meiningen zurück. Der Meininger Hofmarschall von Ziegesar nahm sich seiner an und empfahl ihn dem Weimarer Herzog, der ihn letztlich im August 1794 als Leutnant in der Weimarer Infanterie und zugleich als Hof- und Jagdjunker anstellte. Diese Verpflichtung befreite den Leutnant von Seebach aus seiner unehrenhaften Lebenslage und eröffnete ihm die Chance auf eine schickliche Laufbahn. Bei dem vierten Militär − August von und zu Egloffstein − nutzte Carl August den Hofdienst dagegen als eine Art Lockmittel. Der Leutnant von und zu Egloffstein trat im Februar 1795 aus einem bestehenden Dienstverhältnis bei der preußischen Armee nach Weimar über.561 Im Gegensatz zu den anderen drei Leutnants wurde er direkt zum Kammerjunker ernannt. Er zählte damit zu den wenigen Adeligen, für die Carl August die Ranghierarchie seiner Hofjunker zurücksetzte. Für die Leutnants der Infanterie war das Erreichen des Kammerjunkerranges mit signifikanten Vorteilen verbunden, da ihre Kapitäne im Rang mit den Kammerjunkern des Weimarer Hofes gleichgestellt waren.562 August von und zu Egloffstein genoss durch seine simultane Ernennung zum Kammerjunker also sofort den gleichen gesellschaftlichen Rang wie sein Kapitän, obwohl er ihm in der militärischen Hierarchie als (Premier-)Leutnant eindeutig untergeordnet war. Carl August nutzte demnach auch bei seinen Militärs die Integration in den Hof als Möglichkeit, um den Rang einzelner Adeliger − außerhalb des üblichen internen Beförderungsmechanismus’ nach Dienstalter − auf einer anderen Ebene zu erhöhen und damit deutlich von ihresgleichen abzugrenzen. Im Gegensatz zu den Regierungsmitgliedern zielte dies bei den ausländischen Militärs aber wohl weniger auf Absicherung einer zweiten Laufbahn im Falle der Untauglichkeit, sondern war als nennenswerter Anreiz für den Wechsel in die Dienste des Weimarer Fürstenhauses gedacht. Es gehörte offenbar zur speziellen Strategie 559 560

561 562

Friedrich von Seebach wurde Oberstallmeister, und Carl Albert von Lincker wurde Oberforstmeister. Für Informationen zu Ludwig Ernst Rudolph Gustav von Seebach vgl. ThHStAW HMA 415, Bl. 40; Conrad Beyer: Zillbach. Culturgeschichtliche Schilderung der Grafschaft Henneberg und des Ortes Zillbach und dessen Bedeutung als Forstlehranstalt. Wien 1878, S. 377f. Vgl. ebd., Bl. 45. Vgl. ThHStAW HMA 414, Bl. 2.

5.4 Die Weimarer Hof-, Jagd- und Kammerjunker

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des Herzogs, auswärts verpflichtete Adelige in seine Dienste zu ziehen, indem er ihnen nicht nur einen Platz im Militär oder in seiner Regierung, sondern auch einen vergleichsweise hohen Einstieg in die Hofkarriere bot.563 Grundsätzlich erfuhren aber nicht nur jene Militärs eine Bevorzugung, die aus dem Ausland nach Weimar wechselten. Um 1800 ernannte Carl August zudem auch all jene Offiziere nach und nach zu Junkern, die ihm Jahre zuvor schon als Edelknaben am Hof gedient hatten. Die einstigen Pagen genossen also ebenfalls einen Ausnahmestatus, da sie mit ihrem Eintritt ins Weimarer Militär die berechtigte Hoffnung hegen durften, dass Carl August sie für eine weitere Hofkarriere in Betracht zog. Allerdings galten für sie die gleichen Bedingungen wie für jene Militärs, die nicht aus einem anderen Dienstverhältnis übergewechselt waren: Nur wer bereits einige Jahre in Weimar gedient hatte und den Offiziersrang besaß, wurde im Bedarfsfall ernannt. Carl August bevorzugte den eigenen Nachwuchs also immer nur dann, wenn es zwischen ihnen und neu verpflichteten Militärs zu wählen galt. Da allerdings nicht immer genügend Pagen zur rechten Zeit ins Militär nachrückten, nahm Carl August auch Kavaliere auf, die sich zunächst ausschließlich für eine Militärkarriere entschieden hatten. So wurde zum Beispiel auch der Leutnant Heinrich Friedrich Ferdinand von Breitenbauch (1766– 1836) im Jahre 1791 zum wirklichen Hofjunker berufen.564 Seine Ernennung war Teil einer typischen Nachrückermaßnahme, da Carl August im August desselben Jahres insgesamt vier Kammerjunker zu Kammerherren befördert hatte.565 Mit Breitenbauch wurde gleichzeitig noch ein weiterer Leutnant als Junker in den Hof gezogen, der allerdings − im Gegensatz zu ihm − vorher als Page am Hof tätig gewesen ist.566 Weshalb Carl August gerade den 35-jährigen von Breitenbauch aussuchte, geht aus den Akten nicht eindeutig hervor. Zwar standen zu dem Zeitpunkt keine weiteren ehemaligen Pagen, aber doch mehrere andere Leutnants zur Auswahl: Neben Breitenbauch gab es zum Beispiel auch noch die Leutnants Carl Wilhelm Friedrich von Reibold(t), Georg Christian Ernst von Trützschler und Bernhard Gottlob von Könneritz (1745−1806).

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Wie für den Militär von und zu Egloffstein überging Carl August auch für einige, ebenfalls aus dem Ausland kommende Regierungsassessoren die Ansprüche seiner Hofjunker. So ernannte er neben dem oben erwähnten Freiherrn von Spiegel zum Beispiel am 6. März 1787 auch Christian Friedrich Carl von Wolfskeel sowie Christian Freiherr von und zu der Tann am 13. Oktober 1804 im Zuge ihrer Neuanstellung unmittelbar zu Kammerjunkern. Vgl. ThHStAW HMA 414, Bl. 27; ThHStAW HMA 431, Bl. 18. Er war bereits seit drei Jahren in der Weimarer Infanterie. Vgl. den Weimarer Staatskalender von 1789, S. 103 und den Weimarer Staatskalender von 1792, S. 106. Am 22. August 1791 waren insgesamt vier Kammerjunker, nämlich Leberecht von Luck, Friedrich Ludwig von Germar, Christoph (Christian) Ehrenfried von Hönning und Christoph Friedrich Siegmund von Rothmaler zu wirklichen Kammerherren ernannt worden. Vgl. ThHStAW HMA 415, Bl. 9–10. Der andere Junker war Ernst von Germar. Vgl. oben.

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5. Repräsentationspolitik qua Personal. Der verpflichtete Adel des Hofes

Sie alle standen schon länger im Militärdienst.567 Dennoch entschied sich Carl August, den dienstjüngsten Leutnant zu seinem wirklichen Junker zu berufen. Eine Anwartschaft gemäß der Anciennität kommt als Motiv folglich nicht in Frage. Stattdessen scheinen das künstlerische Talent sowie das familiäre Netzwerk der von Breitenbauchs, das seit Generationen eng mit dem Weimarer Hof verbunden war,568 eher eine Rolle gespielt zu haben. Der Leutnant konnte außergewöhnlich gut zeichnen, was am Hofe großen Anklang gefunden haben dürfte. Etliche überlieferte Portraits der Weimarer Hofgesellschaft stammen aus seiner Hand.569 Mit seiner Begabung konnte er das gesellschaftliche Leben bereichern. Zudem hatte er einflussreiche Fürsprecher, da seine drei Großcousins − Hildebrandt von Einsiedel, Ludwig Wilhelm Ernst von Schardt und Wolfgang von und zu Egloffstein − alle bereits das Vertrauen des Herzogs und dementsprechend ansehnliche Positionen am Hofe gewonnen hatten.570 Möglicherweise bewegte eben diese Kombination aus Talent und Familienanbindung Carl August dazu, ihn als Gesellschafter in seine engeren Kreise zu ziehen. Ungeachtet der Gründe, die den Herzog letztlich zu dieser Wahl bewegt hatten, stellte diese Berufung in jedem Falle eine besondere Auszeichnung dar. Die Breitenbauchsche Verpflichtung macht am konkreten Beispiel deutlich, dass nicht jeder Militär auf eine simultane Hofkarriere hoffen durfte. Zwar vergab Carl August an einige seiner Offiziere auch eine passive Anbindung an den Hof, indem er zum Beispiel den beiden Leutnants von Reibold(t) und von Trützschler im selben Jahr den Kammerjunkerjunker verlieh, als er den 567 568

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570

Von Könneritz war seit 1769, von Reibold(t) und von Trützschler waren seit 1784 als Leutnants im Militär. Vgl. die Weimarer Staatskalender von 1770 bis 1791. Carl August hatte 1775 bereits dessen Bruder – Georg Ludwig von Breitenbauch – für fünf Jahre als Pagen am Weimarer Hof beschäftigt. 1782 verlieh er dem Vater, Georg August von Breitenbauch (1731–1817), ehrenhalber den Titel eines Kammerrates. Der Vater war als Gelehrter ein äußerst produktiver Schriftsteller mit vielfältigen Kontakten zu Weimarer Geistesgrößen, wie z. B. Goethe und Herder. Auch die Großväter hatten schon Hofdienst geleistet. Breitenbauchs Großvater mütterlicherseits, August Heinrich von Thüna zu Schlettwein, war z. B. Eisenacher Kammerjunker. Vgl. den Weimarer Staatskalender 1783, S. 73; Carl August Hugo Burkhardt: Art. Breitenbauch, Georg August v. B., in: ABD, Bd. 3 (1876), S. 290. Er zeichnete um 1800 zum Beispiel die Hofdame Caroline von Beust, geb. von Reitzenstein, deren Schwester Henriette (Tinette) von Reitzenstein sowie die Hofdame Amalie von Imhoff, verh. von Helvig. Vgl. Klassik Stiftung Weimar, Museen, Inventar-Nr. KHz/03424 (Pinsel in Grau); Inventar-Nr. KHz (Tuschzeichnung); Inventar-Nr. KHz/03425 (Tuschzeichnung). Hildebrandt von Einsiedel war der geschäftsführende Kammerherr der Herzogsmutter, Wilhelm Ernst von Schardt war Kammerherr im Kernhof, und der spätere Hofmarschall Wolfgang von und zu Egloffstein war zu dem Zeitpunkt Kammerjunker und Regierungsrat. Alle vier Großcousins besaßen jeweils ein Großelternteil aus der kinderreichen Ehe von Hanß Rudolph von Thüna zu Schlettwein (1642–1701) und Maria Elisabeth, geb. von Bünau a. d. H. Cannewitz (1663–1737). Vgl. die entsprechenden Ahnentafeln im Anhang.

5.4 Die Weimarer Hof-, Jagd- und Kammerjunker

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Leutnant von Breitenbauch zum wirklichen Hofjunker ernannte.571 Etlichen anderen behielt er jedoch die ehrenvolle institutionelle Doppelrolle komplett vor. Bernhard Gottlob von Könneritz und Hartmann (Hartung) August Ludwig von Witzleben dienten zum Beispiel ihr Leben lang ausschließlich im Militär.572 Carl August bevorzugte also keine prinzipielle Verschränkung von Militär und Hof, sondern trennte zwischen den beiden Personalstämmen. Der eigene Nachwuchs aus dem Pageninstitut sowie der Automatismus bei den Assessoren der Regierung reichten in den ersten Jahrzehnten der Regentschaft prinzipiell aus, um den Bestand an Junkern zu sichern. Adelige des Militärs, die wie der Leutnant von Breitenbauch zuvor noch nicht als Pagen am Hof gedient hatten, wurden deshalb zunächst nur als besonderer Gunstbeweis im Rahmen eines Auswahlverfahrens zu wirklichen Junkern erhoben. Diese Strategie änderte sich schlagartig nach dem Ende des Alten Reiches und der folgenreichen Schlacht bei Jena und Auerstedt im Oktober 1806. Carl August modifizierte mit seiner höfischen Personalpolitik auch die Rolle des Militärs. Die bisher nur sporadisch durchbrochene Trennung zwischen dem Personal der beiden Institutionen wurde aufgehoben. Im Februar 1808 erließ Carl August den Befehl, dass „sämtliche bey dem Füsilier-Battailon stehende Capitains zu Cammerjunckern, die Premier- und Seconde Lieutnants bey selbigen aber zu Hofjunckern ernennt seyn sollen“.573 Er installierte damit einen ähnlichen Mechanismus wie bei den Assessoren der Regierung, wobei er die beiden Institutionen hier noch ein Stück enger aneinanderschloss, indem er all seinen Offizieren nicht nur eine Doppelrolle, sondern ausdrücklich eine verschränkte Karriere in Hof und Militär zubilligte. Allen Hofjunkern wurde eine sichere Beförderung versprochen. Sobald sie zu Kapitänen aufstiegen, sollten „sie alsdann sofort in die Stelle eines Cammerjunckers einrücken“.574 Auf diesen Befehl hin wurden drei neue Kammerjunker und insgesamt 16 neue Hofjunker ernannt und der Hof mit einem Male um ganze 19 adelige Hofbedienstete reicher.575 571 572

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Zur Erklärung vgl. unten den Abschnitt zu den Titularjunkern. Bernhard Gottlob von Könneritz trat 1765 als Fähnrich in die Infanterie ein und stieg bis zum Leutnant des Weimarer Landregiments auf. 1779 wurde er pensioniert, um dann aber etwa ein Jahrzehnt später für die Jenaer Garnison wieder reaktiviert zu werden. In den darauf folgenden Jahren stieg er bis zum Kapitän des Jenaer Infanteriecorps auf. Er verstarb im Juni 1806 und hinterließ neben seiner Witwe Johanna Carolina, geb. von Thümen (1751–1813), acht Söhne und 2 Töchter. Vgl. KA J SR GK 1806, f. 133. ThHStAW HMA 433, Bl. 2. Ebd. Am 15. Februar 1808 wurden die Kapitäne Johann Carl von Könneritz, Franz Anton Müller d’ Euchacq und Johann August Ludwig Freiherr von Lincker zu Kammerjunkern und die Leutnants Carl Adolph Friedrich von Altrock, Heinrich Emil Friedrich August von Beulwitz, Wilhelm Heinrich von Boyneburg, Friedrich August von Boyneburg, Wilhelm (Carl) Traugott von Boyneburg, Carl Wilhelm von Buchwald, Carl Max Anton von Crayen, Alexander Friedrich Haubold von Einsiedel, Friedrich Ludwig August von Germar, Maximilian von Goldacker, Friedrich Carl von Schauroth, Friedrich Wilhelm

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5. Repräsentationspolitik qua Personal. Der verpflichtete Adel des Hofes

Diese Maßnahme als Dank oder Belohnung für die Verdienste in der Schlacht gegen Napoleon zu deuten, greift sicherlich zu kurz − zumal die personelle Situation im Hof eine andere Erklärung nahelegt: Carl August hatte sich 1807 nach der rangmäßigen Degradierung durch Napoleon entschieden, sein hohes Hofpersonal − insbesondere die Zahl seiner Kammerherren576 − signifikant zu erhöhen.577 Auf diese Weise wollte er der Fürstenwelt mit zeremoniellen Mitteln vor Augen führen, welcher Rang ihm als Weimarer Herzog rechtmäßig eigentlich gebührte. Im März 1807 verfügte er zu diesem Zwecke eine Beförderungswelle, die ihn jedoch vor ein essentielles Nachwuchsproblem stellte: Fünf der bisherigen Kammerjunker durften zu Kammerherren aufsteigen;578 zwei Kammerjunker nahmen im November unerwartet ihren Abschied.579 Zum Jahreswechsel 1807/08 gab es damit nur noch fünf statt der sonst üblichen elf bis fünfzehn Junker. Wenn der Hof wachsen sollte, um den beanspruchten königlichen Rang des Weimarer Fürstenhauses zu demonstrieren, dann brauchte er dringend neue Junker. Mit den herkömmlichen Strategien ließ sich dieser Bedarf jedoch nicht innerhalb kürzester Zeit decken. In der Regierung waren die Kapazitäten beschränkt, so dass keine Unmengen neuer Assessoren verpflichtet werden konnten.580 Ähnlich standen im Pageninstitut nicht genügend Jugendliche zum Nachrücken zur Verfügung. Um die Lücke dennoch schnellstmöglich füllen zu können, gab Carl August seine prinzipielle Trennung von Hof und Militär auf und erhob alle seine Offiziere zu Junkern. Dabei scheint die Entscheidung, ausnahmslos alle Offiziere und damit eine große Zahl an Neueinsteigern in den Hof zu integrieren, in ihrer Totalität vollends beabsichtigt und durchdacht gewesen zu sein, da schon wenige Wochen nach diesem Befehl erneut fünf Kammerjunker zu Kammerherren befördert wurden und dies der Auftakt für stetige Kammerherr-Beförderungen in den kommenden zwei Jahren sein sollte.581

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von Schlegel, Carl von Schütz, Ludwig Friedrich Hans Quirinus von Seebach, Herrmann von Staff und Georg Wilhelm Carl Liborius von Steube zu Hofjunkern ernannt. Die Premierleutnants von Germar, von Beulwitz, Wilhelm Heinrich und Friedrich August von Boyneburg wurden bereits einen Monat später, am 26. März 1808, zu Kammerjunkern befördert. Vgl. ThHStAW HMA 432, Bl. 2, 3, 16. Vgl. Abschnitt zu den Kammerherren. Zur rangmäßigen Degradierung durch die Einordnung des Herzogtums Sachsen-Weimar-Eisenach in das fürstliche Kollegium des Rheinbundes vgl. Kapitel II. Im März 1807 wurden die fünf Kammerjunker Friedrich Ernst von Germar, Carl Albert von Lincker, Carl August von Arnswald, Ludwig Ernst Rudolf Gustav von Seebach und Carl Emil von Spiegel zu Kammerherren ernannt. Vgl. ThHStAW HMA 432, Bl. 28–29. Am 18. November 1807 erhielt der Kammerjunker Carl Friedrich von Oldershausen seine Abschiedspapiere, nachdem zuvor schon der Kammerjunker Ludwig Herda zu Brandenburg am 12. November 1807 entlassen worden war. Die Gründe für diese Abschiede wurden in den Dekreten nicht benannt. Vgl. ThHStAW HMA 426, Bl. 11–12. Genau zum Jahreswechsel 1807 wurde Ernst Christian August Freiherr von Gersdorff zum Kammerjunker und Assessor ernannt. Vgl. ThHStAW HMA 433, Bl. 43–44. Vgl. oben den Abschnitt zu den Kammerherren.

5.4 Die Weimarer Hof-, Jagd- und Kammerjunker

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Der Befehl vom Februar 1808 war somit kein selbstloser Akt der Großzügigkeit. Zwar stellten die Ernennungen zweifellos ehrenvolle Auszeichnungen dar, die für die Militärs viele Vorteile durch die Nähe zur Regentenfamilie mit sich brachten, allerdings war dies wohl nur das akzeptierte Randphänomen oder gar nur ein Vorwand für eine weitsichtig durchgeplante Kehrtwende in der höfischen Personalpolitik. Das Augenmerk des Herzogs galt in erster Linie dem personellen Ausbau seines Hofes − und zwar insbesondere dem Ausbau seiner standesgemäßen Adelsbedienung. Um dies innerhalb kürzester Zeit realisieren zu können, schöpfte er im großen Stil aus dem Ressourcenpool seines Militärs. Gewiss hätte Carl August auch alternative Wege gehen und zum Beispiel seinen Bestand an Junkern mit Adeligen aufstocken können, die noch nicht in seinem Staats- oder Militärdienst standen bzw. noch anderen Dienstherren verpflichtet waren. Mit seinem weitreichenden Kontaktkreis wäre es sicherlich möglich gewesen, entsprechende Interessenten in ausreichender Zahl ausfindig zu machen. Die Integration der eigenen Offiziersschicht bot demgegenüber jedoch wesentlich mehr Vorteile: Carl August sparte nicht nur viel Zeit und Aufwand, die eine Verpflichtung neuer, unbekannter Kavaliere mit sich gebracht hätte, sondern brauchte sich darüber hinaus auch keine Sorgen um Loyalität und Ehrhaftigkeit seiner neuen Junker zu machen. Alle Offiziere hatten an seiner Seite in der Schlacht gegen Napoleon gekämpft und damit ihre Treue und Ergebenheit zum Weimarer Fürstenhaus bereits unter Beweis gestellt. Sein Offizierskorps bot sich somit als ideale Ressource an. Mit ihnen ließ sich die Zahl der hohen Hofbediensteten schnell, effektiv und vor allem dauerhaft vervielfachen. Immerhin wollte Carl August nicht nur Junker, sondern in absehbarer Zeit auch Kammerherren gewinnen. Inwieweit im Zuge dessen die bereits bestehende Besoldung des Militärs eine Rolle spielte, lässt sich in den Quellen zum Hof nicht nachvollziehen. Es ist deshalb nicht auszuschließen, dass sich Carl August aus der ,Verhöflichung seines Militärs‘582 auch eine finanzielle Ersparnis versprach und darin ein weiterer Beweggrund lag. 5.4.2 Das ständische Profil der wirklichen Junker Alle Junker, die Carl August zum wirklichen Hofdienst heranzog, stammten ausnahmslos dem Adel ab. Die Güte der ständischen Herkunft spielte dabei zwar ein tragende, prinzipiell aber keine ausschließende Rolle. Lediglich Herren, die erst zu ihren Lebzeiten geadelt worden waren, schloss der Herzog konsequent von seinen Junkern aus. Alle wirklichen Junker, die aus nicht altadligen ,Aufsteiger‘-Familien stammten, konnten doch mindestens 582

Dieses treffende Wortspiel ist dem Gutachten von Frau Prof. Dr. Harriet Rudolph entlehnt, der ich für ihre weiterführenden Vorschläge herzlich danke.

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5. Repräsentationspolitik qua Personal. Der verpflichtete Adel des Hofes

zwei − meist sogar mehr − adelig geborene Generationen vorweisen. Nicht selten kamen in diesen Fällen zwei Extreme zusammen und verbanden uradelige mit bürgerlicher Tradition. So konnte sich zum Beispiel Christian Friedrich August von Staff väterlicherseits zwar uradeliger Abstammung rühmen.583 Mütterlicherseits stand er jedoch in einer bürgerlichen Tradition, die erst Staffs Großvater, Johann Christian von Kraft auf Kelbra am Kyffhäuser (1670–1733), mit der Erhebung in den Reichsadelsstand im Mai 1723 durchbrochen hatte.584 Dessen Gattin Agnesa Margarethe Kauffmann von Kauffberg aus dem Hause Berga (1690–1774), d. h. Staffs Großmutter mütterlicherseits, entstammte ebenfalls dem Bürgertum.585 Damit stellten Staffs Eltern die erste Generation dar, die ausnahmslos adelig geboren worden war. Wenngleich der Stammbaum dadurch weit von dem entfernt war, was im 18. Jahrhundert als gutadelig galt, genügte er offenbar den Ansprüchen Carl Augusts. Der Weimarer Herzog bestand bei seinen Junkern demnach nicht auf der gutadeligen, generationsreichen Abstammung, sondern akzeptierte Unregelmäßigkeiten. Gleichwohl setzte der Herzog in Bezug auf die ständische Herkunft auch deutliche Prioritäten. Verschiebt man den Blick weg von den Ahnen hin auf den Adelsrang der Weimarer Junker, dann fällt auf, dass Carl August im Laufe seiner Regentschaft den Anteil der Hofkavaliere mit Adelstitel konsequent erhöhte. Von den 35 Junkern, die er zwischen 1790 und 1808 in seinen Dienst zog, gehörten insgesamt 19 Kavaliere und damit über die Hälfte dem (Reichs-)Freiherrenstand an. Bevor Carl August das komplette Offizierskorps 1808 in den Hof integrierte,586 bevorzugte er also offensichtlich den Adelsrang vor einer einfachen Nobilitierung. Die 16 Junker untitulierter Adelsabstammung beweisen zwar, dass diese Präferenz nicht rigoros als Ausschlusskriterium eingesetzt wurde. Dennoch wird deutlich, dass sich Carl August bei seinen Junkern sukzessive für immer mehr titulierte Adelige entschied. Es war demnach weniger wichtig, wie viele Vorfahren ein potentieller Hofkavalier als adelig geboren nachweisen konnte, als welchen Adelsrang er besaß und ob er mit einem Freiherren- oder gar Grafentitel aufwarten konnte. Mit dieser Präferenz wählte Carl August eine besondere Art und Weise, um 583 584 585

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Für seine Herkunft vgl. die Ahnentafel seiner Tochter im Anhang. Art. Krafft, Christian, in: Frank: Standeserhebungen, Bd. 3, S. 70. Ihr Vater Johann Kaspar Kauffmann von Kauffberg (1680–1724) wurde allerdings im März 1707 in den Reichsadelsstand erhoben. Staffs Großmutter wurde dadurch neuadelig. Als sie ein Jahr später am 24. Juni 1708 den – zu der Zeit noch bürgerlichen – Johann Christian (von) Kraft ehelichte, verlor sie ihren Adelstitel allerdings wieder, um 15 Jahre später durch die Adlung ihres Gatten erneut aufzusteigen. Vgl. GHdA, Bd. 26 (1961), S. 396f; Art. Kauffmann von Kauffberg, in: Frank: Standeserhebungen, Bd. 3, S. 12. Bei der Rekrutierung des Militärs hatte der Adelsrang offensichtlich keine entscheidende Rolle gespielt, da nur vier der 19 Offiziere, die 1808 zu Junkern ernannt wurden, dem (Reichs-)Freiherrenstand angehörten.

5.4 Die Weimarer Hof-, Jagd- und Kammerjunker

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„die dem Regenten=Stand gebührende Anständigkeit“587 nach außen erkennbar zur Schau zu stellen. Während ein reiner Adelsstammbaum im Alltag und Schriftverkehr oft unsichtbar blieb und einer Urkunde als Nachweis bedurfte, vermittelte der Adelstitel in vielen Situation − von der mündlichen Anrede bis hin zur Namensunterschrift − geradewegs die exklusive Herkunft. Möglicherweise setzte Carl August genau aus diesem Grund auf die Freiherren und bestand nicht auf einer gutadeligen Geburt. Er bevorzugte damit das offensichtlichere Zeichen der Exklusivität. 5.4.3 Aufstieg und Ausstieg der wirklichen Junker Ein wirklicher Junker des Weimarer Hofes hatte in der Regel nur zwei Karriereoptionen: entweder Aufstieg oder Ausstieg. Sobald ein Kavalier in Weimar die höchste Stufe innerhalb der Junkerkarriere, d. h. die des Kammerjunkers, erreicht hatte, dann verband sich mit dieser Position die klare Aussicht auf eine Beförderung zum wirklichen Kammerherrn. Dennoch kamen nicht alle in diesen Genuss. Von den 58 Adeligen, die zwischen 1790 und 1810 den Junkerdienst am Weimarer Hof wirklich ausübten, ernannte Carl August letztendlich nur 36 zu seinen wirklichen Kammerherren.588 Zwei Kavalieren verlieh er den bloßen Kammerherrentitel.589 Insgesamt 20 Adelige verließen aber noch als Junker den Weimarer Hof. Carl August musste also einen durchschnittlichen Verlust von etwa einem Drittel hinnehmen und bei der langfristigen Planung seines Hofstaats damit rechnen, dass etwa jeder dritte Junker den Weimarer Hof verließ bzw. verlassen musste. Die Gründe eines Abschiedes variierten zwar von Fall zu Fall. Die weiteren Lebensläufe und Karrieren der einstigen Weimarer Junker legen jedoch nahe, dass die Mehrheit der Kavaliere Weimar zugunsten einer anderen Dienstanstellung verließen. So bat zum Beispiel der Hofjunker und Assessor Franz Carl Leopold von Seckendorff-Aberdar (1775–1809) nach nur knapp zwei Jahren erfolgreich darum, Weimar verlassen und unmittelbar als Legationsrat in Württemberger Dienste treten zu dürfen.590 Wie der Freiherr von Seckendorff-Aberdar fanden mindestens 14 der 20 einstigen Weimarer Junker nachweislich zu einem neuen Dienstherrn.591 587 588 589

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Moser: Teutsches Hofrecht, Bd. 2, S. 204. Vgl. ausführliche Erklärung Kapitel I. Von diesen Ernennungen erfolgten 21 bis 1810 und 14 in den Jahren danach. Vgl. die Weimarer Staatskalender von 1790 bis 1823. Alexander Christian Ludwig von Bastineller war am 24. April 1808 zum Kammerjunker ernannt worden und wurde am 3. Juni 1810 mit einem Kammerherrentitel wieder entlassen. Ludwig Herda zu Brandenburg schied zunächst 1806/07 als Junker aus, um dann am 28. Septmeber 1810 mit dem Kammerherrntitel beehrt zu werden. Vgl. ThHStAW HMA 433, Bl. 11; ThHStAW HMA 439b, Bl. 1; ThHStAW HMA 439b, Bl. 4. Vgl. ThHStAW HMA 4550, S. 65. Neben dem Freiherrn von Seckendorff fanden 14 weitere Aussteiger in neue Dienste:

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5. Repräsentationspolitik qua Personal. Der verpflichtete Adel des Hofes

Inwieweit diese Wechsel allerdings stets durch persönliche Ambitionen motiviert waren oder ob sich hinter manch einem Abschied eine Loslösung wegen Untauglichkeit verbarg, lässt sich selten genau nachvollziehen. Gewöhnlich sprach Carl August eine Amtsenthebung nicht selbst aus, sondern ließ sich offiziell darum bitten. Anhand der überlieferten Entlassungspapiere lässt sich also nicht immer eindeutig entscheiden, welche Seite das Dienstverhältnis zu lösen gewünscht hatte, da immer die Bediensteten offiziell um die Verabschiedung baten. In der Regel gehörte es zu den Aufgaben der jeweiligen Vorgesetzten, die Betroffenen von den Trennungsplänen des Herzogs in Kenntnis zu setzen und ihnen einen anderen Lebensweg nahezulegen.592 So erfuhr zum Beispiel der im Januar 1792 als Assessor und Hofjunker verpflichtete Carl Leopold (Henning) von Lehsten (1768–1839) nach zwei Jahren von seinem höfischen Vorgesetzten Otto Joachim Moritz von Wedel, dass ihn der Herzog „nur auf einige Zeit“ und ohne „Hofnung auf weitere Beförderung“ in seine Dienste genommen hatte.593 Der 25-Jährige bat daraufhin Goethe um Hilfe, damit er seine Anstellung in Weimar behalten und weiter Karriere machen könne.594 Der Herzog ließ sich nicht umstimmen, stand einer Weiterempfehlung aber nicht im Wege. Im September des darauffolgenden Jahres ging Carl Leopold von Lehsten vom Weimarer Hof ab und trat als Kammerjunker und Regierungsrat in die Dienste des Meininger Herzogs.595 Doch sollte er auch dort nicht Fuß fassen können. Schon 1797 findet sich sein Name unter den Kammer-

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Der Hofjunker Carl Adolph Friedrich von Altrock wechselte als Militär nach Preußen, der Hofjunker Carl Friedrich Wilhelm Gottlieb von Bibra in die Regierung nach Meiningen, der Hofjunker Carl von Bühler in russische Diplomatendienste, Adolph von Dankelmann in Coburger Diplomatendienste, Wilhelm Maximilian von Gose nach Meiningen, Carl Leopold (Henning) von Lehsten zunächst nach Meiningen, später nach Mecklenburg, August Ernst von Lichtenberg nach Coburg, Kammerjunker und Assessor Friedrich Wilhelm Carl von Mandelsloh nach Zeitz, später Preußen, Kammerjunker Carl Friedrich August von Oldershausen nach Bayern, Kammerjunker Herrmann von Staff gen. Reitzenstein nach Preußen, der Kammerjunker Friedrich von Stein in preußische Dienste, Wilhelm von Stein(-Liebenstein) zurück nach Kassel, Kammerjunker Christian (Ludwig Friedrich) von und zu der Tann (1778–1855) nach Bayern. Vgl. die Weimarer Staatskalender von 1790 bis 1816; Huschke: Gesellschaftsschicht, S. 73–74; GHdA, Bd. 20 (1959), S. 181; GHdA, Bd. 26 (1961), S. 399; GHdA, Bd. 27 (1962), S. 228; GHdA, Bd. 44 (1969), S. 467; GHdA, Bd. 46 (1970), S. 1; KA WE HR HK 1814, f. 134; ThHStAW HMA 4543, S. 202; ThHStAW HMA 4542, S. 19; ThHStAW HMA 4549, S. 96. Dies funktionierte in allen herzoglichen Einrichtungen auf diese Art und Weise. Auch der Assessor Christian Ludwig von Oertel, der nicht im Hof integriert war, wurde von seinem Chef, dem Kanzler Johann Friedrich von Koppenfels aufgefordert, offiziell selbst um seinen Abschied beim Herzog zu bitten. Vgl. ThHStAW B 25189, Bl. 130. C. L. H. v. Lehsten an J. W. v. Goethe, 8. Juni 1793, Weimar, in: Briefe an Goethe. Gesamtausgabe in Regestform. Hrsg. von Karl-Heinz Hahn, unter Mitarbeit von Irmtraut Schmid. Bd. 1: 1764–1795. Weimar 198, S. 216. Vgl. ebd. Vgl. ThHStAW HMA 4543, S. 202.

5.4 Die Weimarer Hof-, Jagd- und Kammerjunker

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junkern des Schweriner Herzogs, der ihn schließlich zum Kammerherrn und Landdrost ernennen und bis zum Tode an seinem Hof behalten sollte.596 Warum Carl August den jungen Carl Leopold von Lehsten zunächst überhaupt eingestellt hatte, obwohl er für ihn angeblich von Anfang an keine Zukunft in Weimar sah, bleibt fraglich. Möglicherweise erschien der Absolvent der Jenaer Universität zunächst doch recht vielversprechend,597 und erwies sich erst später als ungeeignet. Der Assessor sah dies selbst offenkundig anders und strebte weiter nach einer Regierungskarriere.598 Erst nachdem er auch in Meininger Diensten scheiterte, kehrte er der Ratstätigkeit gänzlich den Rücken und gab sich mit einer Hofkarriere in Mecklenburg zufrieden. Diese Einsicht fehlte ihm allerdings seinerzeit in Weimar, sodass für ihn eine bloße Anstellung am Weimarer Hof − wie im Falle des Freiherrn von Spiegel − nicht in Frage kam. Gleichermaßen sind aber auch andere Szenarien denkbar: Wenn der Kammerherr von Wedel nichts beschönigt und Carl August tatsächlich von Beginn an kein Interesse an einer langfristigen Beschäftigung des Herrn von Lehsten hatte, dann war seine Anstellung womöglich Ausdruck einer versteckten Klientelpolitik. Da Carl Leopold von Lehsten jedoch keine direkten Familienverbindungen zum Weimarer Hof besaß, scheint dies eher unwahrscheinlich. Indes lässt sich nicht ausschließen, dass der Herzog aufgrund eines andersgearteten Versprechens zu einer Aufnahme gezwungen war. Bei den ausgeschiedenen Junkern, die zugleich auch in der Regierung oder Kammer tätig waren, fällt auf, dass beinah alle ihr Studium an der Jenaer Universität absolviert hatten.599 Möglicherweise musste Sachsen-Weimar-Eisenach als einer der Erhalterstaaten der Salana dahingehend eine Obliegenheit erfüllen. Carl August wäre in diesem Falle bereit gewesen, seine Regierungsposten temporär als eine Art Karrieresprungbrett für die Jenaer Universitätsabsolventen zur Verfügung zu stellen. Das würde zumindest erklären, weshalb bis 1806 von den Junkern in erster Linie die Staatsdiener den Hof nach vergleichsweise kur596

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Vgl. den Schweriner Staatskalender von 1797, S. 7; Friedrich Brüssow: Art. Heinrich Ludolph Friedrich v. Lehsten, in: Neuer Nekrolog der Deutschen, Jg. 8, Teil 2 (1830/32), S. 812–816, bes. S. 813. Carl Leopold (Henning) von Lehsten hatte sich 1789 an der Jenaer Universität immatrikuliert. Vgl. ThULB Jena, Abteilung Handschriften und Sondersammlungen, Matrikel der Universität Jena 1764–1801, Ms. Prov. f. 116, Bl. 100v. Goethe gegenüber beteuerte er seine Tauglichkeit, die – seiner Meinung nach – der Kanzler von Koppenfels bestätigen könne. Vgl. C. L. H. v. Lehsten an J. W. v. Goethe, 8. Juni 1793, Weimar, in: Briefe an Goethe. Bd. 1, S. 216. Zu den Jenaer Studenten zählten Friedrich Wilhelm Carl von Mandelsloh (1779), Carl Friedrich Wilhelm Gottlieb von Bibra (1788), Carl Leopold (Henning) von Lehsten (1789), Friedrich von Stein (1789), Franz Carl Leopold von Seckendorff-Aberdar, Ludwig Herda zu Brandenburg (1794) und Christian Ludwig Friedrich von und zu der Tann (1799). Vgl. Theodor Schön: Art. Seckendorff-Aberdar, Leopold Freiherr v., in: ADB, Bd. 33 (1891), S. 519; ThULB Jena, Abteilung Handschriften und Sondersammlungen, Matrikel der Universität Jena 1764–1801, Ms. Prov. f. 116, Bl. 62v, 95r, 99v, 100v, 128v, 152v.

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5. Repräsentationspolitik qua Personal. Der verpflichtete Adel des Hofes

zer Zeit wieder verließen.600 Gleichwie die Umstände bei der Einstellung von Carl Leopold von Lehsten letztlich gelegen haben mögen, zeigt sein Fall deutlich, dass nicht alle Junker gleichermaßen als Nachwuchs für den Hof verplant waren. Carl August sah sie zwar durchaus als potentielle Kandidaten für den Kreis seiner Kammerherren, allerdings sortierte er aus. Mit einer Anstellung als Junker am Weimarer Hof verband sich nicht selbstverständlich eine Hofkarriere. Ebenso wie es das Zeremoniell wollte, stand zwischen den beiden Amtsstufen des Junkers und des Kammerherrn − zumindest bis 1806 − noch einmal ein Auswahlprozess. Allerdings gab es auch Kandidaten, für die der Herzog zweifellos eine langfristige Verwendung im Sinn hatte, deren Lebenswege aber dennoch in andere Dienste führten. Das wohl am besten dokumentierte Beispiel ist der Abgang des Gottlob Friedrich Constantin von Stein (1772–1844), der seine Zukunft in Weimar − im Gegensatz zum Herzog601 − eher skeptisch sah. Nach knapp sechs Jahren als Hof- bzw. Kammerjunker und Kammerassessor cum voto wünschte er sich, endlich „ein Departement zu bekommen“.602 Ihm war jedoch klar, dass eine Führungsposition angesichts der gesättigten Personalsituation in der Weimarer und Eisenacher Kammer nur „bey einer vorseyenden Revolution im Collegio“ in absehbarer Zeit frei werden würde.603 Aufgrund dieser trüben Aussicht liebäugelte er seit 1795 mit einem Wechsel ins schlesische Breslau, bangte jedoch um das Wohlwollen seines Herzogs.604 Der reagierte auf die Austrittsüberlegungen zunächst ganz pragmatisch, indem er über Goethe ausrichten ließ, dass er es „nicht gewohnt wäre, jemanden mit Leib und Seele zu kaufen, oder von ihm zu verlangen, daß er sich auf immer und ewig verschreibe“.605 Er schickte zugleich aber auch die elegant verpackte Warnung mit, der junge von Stein solle sich nicht aus Leichtsinn zum Abschied hinreißen lassen. Knapp ein Jahr später hatte sich Friedrich von Stein immer noch nicht entschieden. Sowohl sein Protektor Goethe als auch seine Mutter, Charlotte von Stein, versuchten ihn in seiner 600

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Von den 20 Aussteigern verließen insgesamt 13 den Hof vor 1806: Neun dieser Junker waren zugleich in der Regierung tätig. Ein Junker – Wilhelm Maximilian von Gose (1786–1857) – war in der Jägerei beschäftigt und nur drei der verabschiedeten Junker waren im Militärdienst: August Ernst von Lichtenberg, Friedrich Ferdinand Heinrich von Breitenbauch und Georg Carl von Dankwarth. Vgl. die Weimarer Staatskalender von 1790 bis 1807. Carl August hatte Friedrich von Stein als Gesellschafter für seinen Erbprinzen im Sinn und wollte ihn offenbar zu geeigneter Zeit im Hof anstellen, um „den Charakter meines Sohnes bilden zu helfen.“ Vgl. C. A. v. S-W-E an J. W. v. Goethe, 23. August 1797, in: BW Vogel 1, S. 218–221, Zitat S. 220. G. F. C. v. Stein an J. W. v. Goethe, 24. August 1796, Breslau, in: Briefe an Goethe. Gesamtausgabe in Regestform. Hrsg. von Karl-Heinz Hahn, unter Mitarbeit von Irmtraut Schmid. Bd. 2: 1796–1798. Weimar 1981, S. 112. Ebd. Vgl. C. A. v. S-W-E an J. W. v. Goethe, 25. April 1795, Weimar, in: BW Vogel 1, S. 194. Vgl. ebd.

5.4 Die Weimarer Hof-, Jagd- und Kammerjunker

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Entscheidungsfindung zu unterstützen und dachten sogar darüber nach, für ihn beim Herzog um eine Reservierung der Kammerpräsidentenstelle in Eisenach zu bitten.606 Friedrich von Stein zeigte sich dennoch weiterhin wankelmütig: Einerseits lockte ihn der preußische Dienst. Andererseits wagte er es nicht, sich ohne Rückkehrmöglichkeit vom Weimarer Herzog zu lösen. Im August 1797 bat er schließlich Carl August, ihn „mit der Hoffnung“ gehen zu lassen, „ihn in etlichen Jahren wieder zu nehmen“.607 Der Herzog zeigte sich davon brüskiert: Wer gehen will, der solle gehen, allerdings mit vollem Risiko.608 Eine Rückversicherung durch geheime Abreden werde es nicht geben − und zwar erst recht nicht, wenn jemand die Weimarer Dienste „ohne Noth“ verlassen hätte. Carl August war von dem reichlich kühnen, eigennützigen Vorschlag seines Kammerjunkers überaus düpiert. Eine etwaige Versprechung implizierte, dass er seinen Kammerjunker nur zum Schein in preußische Dienste schicken und damit den preußischen König täuschen würde. Sie verband sich zudem mit der Erwartung, dass der Herzog bei einer späteren Wiedereingliederung all jene, die in seinen Diensten getreulich die Zeit bis zu einer Beförderungschance abwarten konnten, zugunsten eines Kavaliers zurücksetzte, der scheinbar ohne rationale Bedrängnis ausgetreten war. Carl August war daraufhin mit seiner Geduld am Ende. Bis dahin hatte er bereits viel Verständnis für den Schützling seines Favoriten aufgebracht: Als Friedrich von Stein im September 1793 das erste Mal um eine Auszeit bat, um nach Hamburg zu gehen und später von dort eine Englandreise zu unternehmen, schickte ihn Carl August mit der Hoffnung in die Beurlaubung, dass er sich weiterbilde. Goethe sollte den erhofften Fortschritt prüfen und ihm berichten, ob sich der junge von Stein „an deutliche Begriffe gewöhne und man sehe, welche Richtung sein Geist nimmt“. Währenddessen wurden ihm „sein Stuhl in der Kammer und seine Anciennetät (. . . ) aufgehoben“.609 Carl August war also ernsthaft an einer Weiterbeschäftigung interessiert und gewillt gewesen, den Weltendrang seines Junkers zugunsten einer weltmännischen Weiterbildung zu tolerieren. Dieses Verständnis kippte aber in dem Moment, als er für sich und sein Fürstenhaus keinen Vorteil mehr sah. Wenn sich Friedrich von Stein zwischen ihm und dem preußischen König nicht vollends entscheiden konnte, dann gebührte ihm kein Platz mehr in Weimar. Auch wenn sich die herzoglichen Bediensteten nicht mit Leib und Seele verschreiben sollten, so durften sie vor Carl August doch keine rücksichtslose 606

607 608 609

C. v. Stein an J. W. v. Goethe, 4. September 1796, Weimar, in: Briefe an Goethe. Bd. 2, S. 112. Der amtierende Eisenacher Kammerpräsident Carl Christian Freiherr Herda zu Brandenburg zählte zu der Zeit bereits 68 Lebensjahre, so dass mit einem Wechsel in absehbarer Zeit durchaus gerechnet werden durfte. Vgl. GHdA, Bd. 102 (1951), S. 93; KA WE HR HK 1795, f. 515. C. A. v. S-W-E an J. W. v. Goethe, 23. August 1797, Weimar, in: BW Vogel 1, S. 218–221, Zitat S. 220. Vgl. bis auf Weiteres ebd., S. 219–220. C.A. v. S-W-E an J. W. v. Goethe, 13. September 1793, Pirmasens, in: BW Vogel 1, S. 184.

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5. Repräsentationspolitik qua Personal. Der verpflichtete Adel des Hofes

Ichbezogenheit zeigen und mussten bereit sein, „pure im hiesigen Dienste zu bleiben“. Sie sollten sich klar und eindeutig zum Weimarer Fürstenhaus bekennen und vor allem von Nutzen sein. War dies nicht der Fall, modifizierte der Weimarer Herzog umgehend seine Pläne. Friedrich von Stein erhielt noch im August − wenige Tage nach seiner Bittstellung − seinen Abschied.610 Der zu Tage tretende Egoismus des Kammerjunkers − „diese üble Eigenschaft“ − machte ihn für alle weiteren Zukunftspläne nutzlos.611 Carl August war also bereit, sich kurzerhand auch von lang protegierten Adeligen zu trennen, wenn sich diese nicht seinen Wünschen gemäß entwickelten. Indes gab es aber tatsächlich auch Fälle, in denen sich Weimarer Junker freiwillig für einen Abgang entschieden. Zumeist war dabei der Karrierewille der bestimmende Antrieb. Die beiden Leutnants Carl Adolph Friedrich von Altrock (1791–1832) und Herrmann von Staff (1790–1867) verließen zum Beispiel das Weimarer Offizierskorps, um in der königlich preußischen Armee jeweils zum Rittmeister und Major aufzusteigen.612 Das damit verbundene Prestige hätte ihnen Carl August nicht bieten können. Ebenfalls um der Karriere willen, allerdings in einem etwas anders gearteten Tätigkeitsfeld, verließ Friedrich Wilhelm Carl von Mandelsloh den Weimarer Dienst, nachdem er zum zweiten Stiftsrat in Zeitz gewählt worden war.613 Der Kammerjunker und Regierungsrat stand zu diesem Zeitpunkt bereits seit acht Jahren unter Carl August.614 Er genoss dessen Vertrauen, war in vielerlei Kommissionen eingebunden und hatte gute Aussichten auf eine erfolgreiche Karriere. Er entschied sich jedoch dagegen und wählte die Stiftstätigkeit.615 Carl August akzeptierte diese Wahl und ließ ihn ziehen. Grundsätzlich stand der Weimarer Herzog alternativen Lebensentwürfen also nicht im Wege. Seine Junker sollten sich voll und ganz für ihn entscheiden. Angesichts dieses Prinzips erklärt sich auch die Dienstepisode des Barchfelders Wilhelm Freiherr von Stein-Liebenstein (1785–1853). Der Freiherr war 1809 aus kurfürstlich hessischen Diensten nach Weimar gewechselt und wurde von Carl August als Oberamtsassessor dem Eisenacher Justizamt zugewiesen. Im Zuge dessen erhielt er die Ernennung zum Hofjunker.616 Knapp 610 611 612

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Vgl. ThHStAW HMA 426, Bl. 7. C. A. v. S-W-E an J. W. v. Goethe, 23. August 1797, Weimar, in: BW Vogel 1, S. 220. Carl Adolph Friedrich von Altrock wurde königlich-preußischer Rittmeister und Herrmann von Staff war 1814 bereits königlich-preußischer Kapitän des zweiten Infanterieregiments der Deutschen Legion und stieg danach zum preußischen Generalleutnant auf. Vgl. GHdA, Bd. 46 (1970), S. 1; GHdA, Bd. 26 (1961), S. 399; KA WE HR HK 1814, f. 134. Vgl. Huschke: Gesellschaftsschicht, S. 73–74. Am 14. November 1782 war er zum Hofjunker und Regierungsassessor, am 26. Januar 1785 zum Kammerjunker und Regierungsrat ernannt worden. Vgl. ThHStAW HMA 413, Bl. 33, 42–43. Er wird später noch zum königlich-preußischen Justizrat erhoben. Vgl. KA WE HR HK 1819, f. 203. Vgl. ThHStAW HMA 434, Bl. 12, 19.

5.4 Die Weimarer Hof-, Jagd- und Kammerjunker

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vier Jahre später verließ er das Herzogtum schon wieder und kehrte an den Kasseler Hof zurück.617 Seine Dienstzeit scheint nicht zufällig mit der Interimsherrschaft von Jérôme Bonaparte übereinzustimmen. Nachdem dieser als König von Westphalen im Dezember 1807 seine neue Residenz in Kassel in Besitz genommen hatte, gestaltete er sein neugeschaffenes Reich komplett um. Wilhelm von Stein konnte sich darin offensichtlich nicht verorten und fand bei Carl August sein Exil. Nach der Vertreibung des Königs 1813 und der Wiedereinsetzung des Kasseler Landgrafen zog es ihn aber wieder zu seinem einstigen Dienstherrn zurück, woraufhin Carl August ihm seinen Abschied gewährte. Neben dem Karrierewillen führten folglich auch politische Konstellationen zu personellen Abgängen vom Weimarer Hof. Dagegen scheint die oft als zu gering bemängelte Besoldung nur eine untergeordnete Rolle bei den Junkern gespielt zu haben.618 Ebenso beendete der Tod im Krieg nur in seltenen Fällen die Verpflichtung. Zwischen 1790 und 1810 verlor Carl August mit dem Leutnant Emil Carl August Heinrich von Hönning (1781–1809) nur einen Kammerjunker im Feldzug in Tirol.619 5.4.4 Die charakterisierten Junker Der Weimarer Junkertitel war eine höfisch-zeremonielle Auszeichnung, die einen Kavalier von anderen, nicht ,charakterisierten‘ Adeligen deutlich distinguierte, da sie eine gewisse Nähe zum Weimarer Hof suggerierte. Innerhalb des Hofchargensystems war sie jedoch die rangniedrigste Stufe der Einbindung, die der Weimarer Herzog an einen erwachsenen Adeligen vergeben konnte. Obwohl sich die Quellenlage zu den insgesamt 28 Titularjunkern, die zwischen 1790 und 1810 in den Weimarer Staatskalendern verzeichnet sind, stellenweise dürftig ausnimmt,620 lässt sich erkennen, dass Carl August diese einfachste Art der Auszeichnung als eine Kompromisslösung nutzte. Denn er vergab sie an all jene Adeligen, die er einerseits weder aktiv in seinem Hof tätig noch passiv als besonders privilegiert wissen, andererseits aber auch nicht 617 618

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Vgl. den Kasseler Staatskalender von 1814, S. 67. Siegmund Carl Friedrich von Seckendorff beschwerte sich regelmäßig über seinen zu geringen Lohn. Vgl. dessen Korrespondenzen in: Curt Graf von Seckendorff: Karl Siegmund Freihherr von Seckendorff am Weimar’schen Hofe in den Jahren 1776–1785. Nach zum Theil ungedrucken Briefen. Leipzig 1885. Vgl. Heyne: Geschichte des 5. Thüringischen Infanterie-Regiments, S. 74. In den überlieferten Akten zum Weimarer Hof finden sich nur für insgesamt 11 Kavaliere Ernennungsdekrete, d. h. für 17 Kavaliere sind die Weimarer Staatskalender wahrscheinlich der einzig erhaltene Nachweis ihrer Titularerhebung. Vgl. die Weimarer Staatskalender 1790 bis 1810 sowie ThHStAW B 25783, Bl. 9, 15 (Tann); ThHStAW B 25783, Bl. 10 (Göchhausen); ThHStAW B 25902 (Zehmen);); ThHStAW HMA 415, Bl. 60 (Tümpling), Bl. 46 (Boyneburg), Bl. 61 (Hausen), Bl. 64 (Fürtenbach); ThHStAW HMA 416, Bl. 4 (Capellen); Bl. 1 (Schilden); ThHStAW HMA 433, Bl. 25 (Rotberg); ThHStAW HMA 413, Bl. 44 (Treusch von Buttlar).

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5. Repräsentationspolitik qua Personal. Der verpflichtete Adel des Hofes

ganz aus seinem Hof ausschließen bzw. ohne jegliche höfische Ehrung lassen wollte. Einen derart niedrigen Status vergab er zum Beispiel an einige seiner ehemaligen Pagen, die ihm zwar mehrere Jahre gedient, sich nach ihrer Ausbildung aber zunächst von Weimar gelöst hatten, um einer anderen Beschäftigung nachzugehen oder in ein anderes Dienstverhältnis einzutreten. So verlieh er zum Beispiel Adolph Maximilian Freiherr von Rotberg (1789– 1845) drei Jahre nach dessen Weggang die Titularkammerjunkerschaft.621 Der Freiherr war im Alter von 13 Jahren von seinen Eltern zur Ausbildung an den Weimarer Hof geschickt worden und hatte im Mai 1805 seine Pagenzeit beendet.622 Danach war er nach Karlsruhe gewechselt, um dort das Forst- und Jagdwesen zu erlernen.623 In badischen Diensten sollte er später zum großherzoglichen Forstmeister im Bruchsaler Department aufsteigen, ohne jedoch in den dortigen Hof integriert worden zu sein.624 Weimar blieb er dagegen weiterhin verbunden. Seine ältere Schwester, Emilie Freiin von Rotberg, war ihm 1803 in die Residenzstadt gefolgt und bei der regierenden Herzogin Louise als Hofdame tätig geworden.625 Kurze Zeit vor dem Wechsel ihres Bruders nach Karlsruhe vermählte sie sich mit dem späteren Hofmarschall Carl Emil von Spiegel und entschied sich für ein Leben in Weimar. Möglicherweise waren es diese hochrangigen, familiären Verbindungen, die den Herzog dazu bewogen, Adolph Maximilian von Rotberg weiterhin − wenn auch nur passiv − an seinen Hof zu binden. So mag es kein Zufall gewesen sein, dass der einstige Page unmittelbar, nachdem sein Schwager Carl Emil von Spiegel zum Hofmarschall befördert wurde, ebenfalls eine Erhöhung erhielt und vom Titularkammerjunker zum Titularkammerherrn aufstieg.626 Es bleibt letztlich also fraglich, ob Carl August den Freiherrn von Rotberg um dessen selbst willen titulär auszeichnete oder ob er mit dieser Ernennung eine weitsichtige Klientelpolitik trieb und eigentlich seinem Hofmarschall zugunsten eines Dritten − in diesem Fall des Freiherrn von Rotberg − diese Ehre zuteil werden ließ. Das Protegieren Dritter als Gunsterweis scheint Carl August in mehreren Fälle zur Titelverleihung motiviert zu haben, denn es fällt auf, dass etliche Titularjunker zum Zeitpunkt ihrer Ernennung selbst noch keine nennenswerten Verdienste erlangt hatten und auch danach nur in den seltensten Fällen wel621 622 623 624 625 626

Adolph Maximilian Freiherr von Rotberg wurde am 16. November 1808 der Titel eines Kammerjunkers verliehen. Vgl. ThHStAW HMA 433, Bl. 25. Vgl. ThHStAW HMA 4551, S. 92; ThHStAW B 25951, Bl. 200 ff; ThHStAW HMA 544, Bl. 37. Vgl. ThHStAW HMA 4554, S. 115. Vgl. Becke-Klüchtzner: Stammtafeln, S. 382. Vgl. dazu den Abschnitt zu den Hofdamen. Die Beförderung erfolgte am 6. März 1816. Carl Emil von Spiegel war zuvor im Dezember 1815 zum Hofmarschall ernannt worden. Vgl. ThHStAW HMA 439b, Bl. 83; ThHStAW HMA 440, Bl. 8; ThHStAW HMA 427, Bl. 41–49.

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che erringen sollten.627 Dieses Manko ließ sich jedoch offensichtlich mit den Erfolgen von Verwandten und engen Freunden substituieren. Die Fürsprache und Empfehlung von nahen Familienmitgliedern, die sich als besonders nützliche und treue Diener erwiesen hatten, scheint bei Carl August Wirkung entfaltet zu haben. Mindestens zwölf der 28 Titularjunker hatten Verwandte − zumeist gleichen Namens −, die hochrangige Stellungen bekleideten oder einst bekleidet hatten. So spielte es zum Beispiel bei der Ernennung des bereits 40-jährigen Gotthilf Christian von Boyneburg (1759–1797) sicherlich eine förderliche Rolle, dass er der Neffe des verstorbenen Weimarer Kammerpräsidenten Johann Adolf von Boyneburg (1708–1763) und damit Cousin des noch aktiven Weimarer Kammerrats und Oberforstmeisters Georg Friedrich von Boyneburg (1742–1805) war.628 Gotthilf Christian von Boyneburg hatte zuvor nur den Titel eines markgräflich Badener Kammerjunkers getragen und verbesserte sich mit seiner Charakterisierung zum Weimarer Kammerjunker und Kammerrat,629 da er nun den Titel des höherrangigen Weimarer Hofes trug. Der nunmehrige Weimarer Kammerjunker konnte sich mit seinem neuen Titel zwar nur kurzfristig schmücken, da er bereits ein Jahr nach seiner Ernennung verstarb.630 Seine beiden Söhne sollten allerdings von der Bindung an den Hof profitieren und durch das Engagement ihrer Mutter ihren Lebensunterhalt bei Carl August finden.631 Wenngleich nicht alle Titularjunker durch Verwandtschaft mit dem Adel des Weimarer Hofes verbunden waren, scheinen die meisten doch zumindest über einflussreiche Fürsprecher verfügt zu haben. Bei der Ernennung von Friedrich Ludwig August von Schilden (um 1780–1851) begründete Carl August seinen Entschluss zum Beispiel mit der ihm „angerühmten guten Begabniß und Eigenschaften“ des bis dahin königlich-preußischen Jagdjunkers und mit der Hoffnung, dass dieser sich seinem Fürstenhause „nützlich und wohlgefällig“ erweisen werde.632 Die Aufnahme in die Reihen der Titularjunker war also eindeutig durch eine Empfehlung von außen initiiert worden. Da August von Schilden zu dieser Zeit gerade seine Ausbildung in der Forst-

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Zu den seltenen Ausnahmen zählten z. B. Wilhelm Freiherr von Stein, Carl Friedrich Wilhelm Gottlieb Freiherr von Bibra, Gotard von der Capellen und Schilden. Johann Adolf von Boyneburg war seit 1748 pensioniert. Er war seit 1737 mit Juliane Deboria Eleonore von Goldacker vermählt und Vater von insgesamt acht Kindern, u. a. Georg Friedrich von Boyneburg. Die Boyneburgs gehörten dem Freiherrenstand an. Um der Lesbarkeit willen wird der Titel hier allerdings weggelassen. Vgl. Buttlar-Elberberg: Stammbaum der Althessischen Ritterschaft, Tafel III, „von Boyneburg zu Stedtfeld, Hartmuthhausen und Wichmannshausen“. Die Ernennung erfolgte am 8. April 1796. Vgl. ThHStAW HMA 415, Bl. 46. Er verstarb am 11. Juni 1797. Vgl. Buttlar-Elberberg: Stammbaum der Althessischen Ritterschaft, Tafel III, „von Boyneburg zu Stedtfeld, Hartmuthhausen und Wichmannshausen“. Vgl. den Abschnitt zu den Pagen. Die Ernennung erfolgte am 24. August 1800. Vgl. ThHStAW HMA 416, Bl. 1.

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5. Repräsentationspolitik qua Personal. Der verpflichtete Adel des Hofes

akademie zu Dreißigacker vervollständigte,633 ist anzunehmen, dass der Fürsprecher aus dem Kreise des Meininger Hofes stammte. Möglicherweise war es sogar der Meininger Herzog selbst, der seinen Forsteleven bei Carl August angepriesen hatte. Beide Herzöge waren knapp einen Monat vor der Ernennung in Weimar zusammengekommen.634 Der Junkertitel bot demnach Carl August eine Option, um auf hochrangige Supplikationen für Dritte angemessen reagieren zu können. In seltenen Fällen setzte er diese Spielart der Charakterisierung aber auch in seiner eigenen höfischen Personalpolitik ein und vergab den Junkertitel zum Beispiel als ausgleichende Belohnung. Die beiden Leutnants von Trützschler und von Reibold(t) erhielten mit Sicherheit nur deshalb den Kammerjunkertitel, weil Carl August den dienstjüngsten Leutnant von Breitenbauch in seinen aktiven Hofdienst zog.635 Der Herzog schätzte die beiden anderen Leutnants als Militärs, wollte sie aber nicht als höfische Gesellschafter. Der bloße Titel als Kammerjunker bot sich demnach geradezu an, um der höheren militärischen Anciennität der beiden Leutnants ihren Tribut zu zollen und die Bevorzugung des dienstjüngsten Leutnants ohne großen Aufwand zu kompensieren.636 Darüber hinaus ließ sich die Entscheidungsebene diskret verschieben. Carl August zeichnete seine Militärs mit einer passiven Mitgliedschaft im Hof aus. Wenn die Titulierten darüber hinaus mehr Ehre durch den aktiven Hofdienst zu erlangen wünschten, dann mussten sie ihren Herzog darum bitten. Carl August hatte dann die Möglichkeit, erneut darüber zu befinden und eventuell einen weiteren großzügigen Gunsterweis zu erteilen.637 Der Aufstieg vom bloß titulierten zum wirklichen Junker gelang im Untersuchungszeitraum von 1790 bis 1810 letztlich aber nur zwei Kavalieren: Wilhelm Freiherr von Stein zu Nord- und Ostheim und Carl Friedrich Wilhelm Gottlieb Freiherr von Bibra (1770–1842). Beide Verpflichtungen fielen genau 633 634 635 636

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Vgl. Ludwig Bechstein: Dr. Johann Matthäus Bechstein und die Forstacademie Dreißigacker. Ein Doppeldenkmal. Meiningen 1855, S. 45, 50. Vgl. ThHStAW HMA 4549, S. 130. Vgl. oben die Ausführungen zu den Militärjunkern. Einen ähnlich beschwichtigenden Charakter scheint auch die Ernennung von Friedrich Carl Eckbrecht Freiherr von Dürckheim gehabt zu haben. Der Freiherr war – womöglich aufgrund der einstigen Stellung seines Bruders Franz Christian Eckbrecht von Dürckheim als Prinzenerzieher – kurz nach dem Regierungswechsel 1776 zum Regierungsassessor cum voto und wenig später zum wirklichen Kammerjunker ernannt worden. Er erwies sich jedoch als ungeeignet und wurde bereits 1778 wieder entlassen. Anfang der 1780er Jahre erhielt er dann die Ernennung zum Weimarer Titularjunker. Vgl. die Weimarer Staatskalender 1776 bis 1785; Huschke: Gesellschaftsschicht, S. 71. Ebenso geschehen im Falle des Friedrich August Ludwig von Lasberg, dem im Oktober 1786 auf sein Ersuchen hin gestattet wurde, „die Dienste eines wirklichen Cammerjunckers bey Hofe künftighin leisten“ zu dürfen. Er war knapp drei Jahre zuvor am 23. Dezember 1783 zum Titularkammerjunker ernannt worden. Vgl. ThHStAW HMA 413, Bl. 34; ThHStAW HMA 414, Bl. 22 (Zitat).

5.4 Die Weimarer Hof-, Jagd- und Kammerjunker

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in die Zeit, als Carl August seinen Hofmarschall von Klinckowström entlassen musste, und sorgten für einige Verwirrung, da die Ernennungen dem Hofmarschallamt nicht korrekt übermittelt worden waren.638 Dieses Manko fiel bei dem Freiherrn von Bibra allerdings erst auf, als sich ein anderer Junker beim marschallierenden Kammerherrn zum Dienst meldete und um Anweisungen bat.639 Der Herzog ließ daraufhin im April 1791 neue, zurückdatierte Dekrete für das Hofmarschallamt anfertigen und bescheinigte im Zuge dessen dem Freiherrn von Bibra, dass er im August 1789 zum Hofjunker und Regierungsassessor bestellt worden sei.640 Bezeichnenderweise findet sich sein Name schon im Jahr 1789 im Weimarer Staatskalender unter den charakterisierten Personen verzeichnet.641 Da die Kalender gewöhnlich zum Jahresende des Vorjahres in Druck gegeben wurden, musste der Freiherr von Bibra also bereits 1788 mit dem Titel eines Hofjunkers beehrt worden sein. Offensichtlich hatte sich der Herzog aber wenig später für eine aktive Anstellung in Hof und Regierung entschieden, so dass ein Dekret für die Titularjunkerschaft zweifellos hinfällig geworden war und es nur noch den aktuellen Status zu bestätigen galt. Ähnlich verlief der Karrierestart des gleichaltrigen Freiherrn von Stein: Auch er wurde 1789 im Weimarer Staatskalender unter den charakterisierten Personen verzeichnet und wechselte 1792 in den Status eines wirklichen Junkers.642 Im Unterschied zum Freiherrn von Bibra wurde er zwar als Hof- und Jagdjunker verpflichtet, seine Ernennungsdekrete sind jedoch ebenfalls nicht überliefert oder nie abgelegt worden. Da sich für ihn allerdings entsprechende Dienstanweisungen finden, scheint auch diese Dokumentationslücke den vergleichsweise ungeordneten Zeiten ohne Hofmarschall geschuldet zu sein.643 Sein Fall sorgte jedoch nicht für Wirbel, da er der Letzte in der Reihe der Junker war und erst dann mit dem Hofdienst dran war, als die Geschäfte des Hofmarschallamtes schon wieder in geordneten Bahnen liefen.644 Indes bleibt fraglich, warum Carl August beide Freiherren zuerst zu Titularjunkern und nicht sofort zu wirklichen Junkern ernannt hatte. Immerhin fallen sie beide aus dem Muster des erfolglosen Kavaliers, der den Weimarer Junkertitel nur durch die Empfehlung eines angesehenen Verwandten oder 638 639

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Vgl. ThHStAW HMA 415, Bl. 2–8. Vgl. ThHStAW HMA 415, Bl. 2–3. Der Kammerjunker und Stallmeister Friedrich von Seebach hatte sich ordnungsgemäß zum Hofdienst bei dem derzeit den Marschallsstab führenden Kammerherrn von Hendrich gemeldet. Vgl. ebd., Bl. 6. Vgl. den Weimarer Staatkalender von 1789, S. 78. Vgl. ebd. sowie den Weimarer Staatkalender von 1792, S. 84. Wilhelm von Stein sollte die Aufsicht über die Baumpflanzung übernehmen. Vgl. z. B. ThHStAW B 25880, Bl. 206. Seine Ernennung zum Kammerjunker am 20. Februar 1794 ist dagegen wieder dokumentiert. Vgl. ThHStAW HMA 415, Bl. 25. Zwischen Wilhelm von Stein und Friedrich von Seebach, der mit seiner Anfrage 1791 die Überprüfung des Hofdienstplanes angestoßen hatte, standen insgesamt noch sechs Junker. Vgl. z. B. den Weimarer Staatskalender von 1792, S. 84.

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5. Repräsentationspolitik qua Personal. Der verpflichtete Adel des Hofes

Fürsprechers erringen konnte. Ihre späteren Karrierewege zeigen stattdessen großes Potential: Carl Friedrich Wilhelm Gottlieb von Bibra blieb nur knapp zwei Jahre in Weimarer Diensten aktiv und wechselte schon im Februar 1793 mit einer Beförderung zum Kammerjunker und Kammerrat in die Dienste des Meininger Herzogs. Dort stieg er letztlich bis zum Präsidenten der Kammer bzw. später zum Präsidenten des Finanzsenates auf.645 Ähnlich rasant arbeitete sich Wilhelm von Stein in der Weimarer Jägerei nach oben: 1795 wurde er als Forstmeister bereits mit der Leitung des Weimarer Forstdepartments betraut, zwei Jahre später erfolgte die Beförderung zum Oberforstmeister. Möglicherweise hatte Carl August eben dieses Potential der beiden Herren früh erkannt und wollte sie gern für sich gewinnen. Zudem passten sie mit ihrem jeweiligen Freiherrenstand perfekt in die graduelle Profilerhöhung, die Carl August seit seinem Regierungsantritt bei seinem adeligen Personal anstrebte.646 Eine sofortige Eingliederung war jedoch nicht möglich, da der Freiherr von Bibra zu dem Zeitpunkt noch an der Jenaer Universität studierte.647 Carl August hätte nun sicherlich das Ende des Studiums abwarten können − ebenso wie er es gewöhnlich tat −, hätte dann aber das Risiko in Kauf nehmen müssen, dass ihm ein anderer Fürst zuvorkommt. Sowohl der Freiherr von Bibra als auch der Freiherr von Stein waren keine Landeskinder und hatten dadurch keinerlei Verpflichtung gegenüber dem Weimarer Herzog. Erst der Junkertitel schuf eine Bindung. Die bloße Charakterisierung könnte demnach eine Absicherungstaktik gewesen sein, damit sich die Freiherren aus dem bereits geschaffenen Zugehörigkeitsgefühl heraus entschieden, in Weimarer Dienste zu treten. Möglicherweise hatte der Herzog sogar schon entsprechende Angebote unterbreitetet und besiegelte sie nur noch mit der Titelvergabe. Da die beiden Freiherren von Bibra und von Stein in den beiden Jahrzehnten um 1800 jedoch die Einzigen blieben, die den Aufstieg in den aktiven Dienst schafften, scheint Carl August seinen Titularjunkern im Grunde keinen besonderen personalstrategischen Wert zugemessen zu haben. Nur in seltenen Fällen setzte er diese Spielart der Charakterisierung in seiner eigenen höfischen Personalpolitik ein, um Regelbrüche gegen die üblichen Beförderungsnormen abzufedern oder um aktives Personal zu gewinnen. Zum Großteil nutzte er stattdessen die Vergabe eines Junkertitels als angemessene Reaktion auf Supplikationen von hochrangigen Bittstellern. Diese Instrumentalisierung im Rahmen der Klientelpolitik erklärt letztlich auch die fehlende zahlenmäßige Veränderung nach 1806 und die allgemeine Tendenz, die Zahl der Titularjunker nur in Abständen moderat zu erhöhen. Sie sind ein 645 646 647

Vgl. ThHStAW HMA 426, Bl. 1; ThHStAW HMA 4542, S. 19; Hess: Geheimer Rat, S. 386. Vgl. oben den Abschnitt zu den Kammerherren. Carl Friedrich Wilhelm Gottlieb Freiherr von Bibra aus Meiningen immatrikulierte sich am 22. April 1788 an der Jenaer Universität. Vgl. ThULB Jena, Abteilung Handschriften und Sondersammlungen, Matrikel der Universität Jena 1764–1801, Ms. Prov. f. 116, Bl. 95r.

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Ausdruck dafür, wann und wie häufig entsprechende Bitten an Carl August herangetragen und akzeptiert wurden. Letztlich bleibt darauf zu verweisen, dass von den 28 bloß titulierten Junkern, die zwischen 1790 und 1810 zum Weimarer Hof gehörten, sechs Kavaliere noch aus den Hinterlassenschaften der vormundschaftlichen Regentschaft stammten. Carl Gotthelf von Zehmen, Adalbert Christian Wilhelm Freiherr von und zu der Tann (1745–1796),648 Ernst August Anton von Göchhausen (1740–1824), Adam Martin Günther von Kaufberg († nach 1800), August Carl Christian von Raschau und Georg Ernst Willibald von Harstall schmückten sich selbst und den Weimarer Hof mit dem Titel eines Kammerjunkers, glänzten aber nur sehr selten bzw. nie mit ihrer Anwesenheit.649 Da sie nicht von Carl August, sondern bereits von Anna Amalia ernannt worden waren, spielen sie in der Personalpolitik des Weimarer Herzogs nur insofern eine Rolle, als dass er ihren Status nach seinem Regierungsantritt unverändert beließ und nicht weiter (be-)förderte. 5.4.5 Der Dienst der Junker am Weimarer Hof Carl August legte sowohl im höfischen Alltag als auch bei festlichen, staatstragenden Ereignissen Wert auf eine fein abgestufte, zeremoniellkonforme Repräsentation der anwesenden Personen. Zu diesem Zweck nutzte er gewöhnlich die ganze Bandbreite seiner Hofchargen und machte den jeweiligen Rang und Status einer Person durch den höfischen Rang des zugeordneten Bediensteten deutlich. Den Hof- und Kammerjunkern kam dabei eine bedeutende Rolle zu, da sie in der Hierarchie der adeligen Hofbedienung eine ideale Zwischenposition einnahmen. Sie standen zwar einerseits über den Pagen, die noch nicht als vollwertige Kavaliere galten, andererseits aber unter den Kammerherren, deren Dienste die höchste Stufe der Bedienung darstellte, da Oberchargen nur im Ausnahmefall für Könige und Kaiser aufwarteten.650 Wer von Hof- oder Kammerjunkern bedient wurde, hatte demzufolge keinen 648

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Laut dem Genealogischen Handbuch des Adels starb der Freiherr von und zu der Tann schon 1796. Aus dem Staatskalender wurde er jedoch erst 1813 gestrichen. Welcher Quelle letztlich ein Fehler unterlaufen ist, lässt sich nicht eindeutig bestimmen. Es scheint allerdings unwahrscheinlich, dass die Staatskalender über siebzehn Jahre einen bereits Verstorbenen benennen. Denn zum einen gab es 1809 anlässlich der Verfassungsreform eine grundlegende Überarbeitung der Kalender. Zum anderen diente des Freiherrn Sohn bis 1806 als Junker am Hofe. Er hätte sicherlich auf den Tod seines Vaters aufmerksam gemacht. Vgl. den Weimarer Staatskalender von 1812, S. 190; GHdA, Bd. 44 (1969), S. 467. Vgl. ThHStAW HMA 4539–4559 (Fourierbücher der Jahre 1790 bis 1810). Der Zar von Russland bekam bei seinem Besuch im November 1805 zum Beispiel neben dem Oberhofmeister von Wolzogen auch zwei Kammerherren und zwei Kammerjunker als Aufwartung für sich allein zur Verfügung gestellt. Vgl. ThHStAW HMA 4554, S. 246– 249.

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5. Repräsentationspolitik qua Personal. Der verpflichtete Adel des Hofes

sehr hohen, aber auch keinen niedrigen Rang. Carl August bot die Dienste seiner Junker deshalb bei festlichen Anlässen gewöhnlich den fürstlichen, aber nicht regierenden Gästen an. Während regierende Fürsten bei ihrem Besuch am Weimarer Hof einen oder mehrere Kammerherren als Aufwartung für die Dauer ihres Aufenthaltes vom Hofmarschall offeriert bekamen,651 wurden Prinzen und Prinzessinnen vornehmlich mit Junkern bedacht. Dabei wurde allerdings noch einmal präzise zwischen dem Status der nachgeborenen Fürstenkinder und dem Erbprinzen als Regent in spe unterschieden. Als im September 1791 zum Beispiel die beiden Sprösslinge des Herzogs von Sachsen-Gotha-Altenburg zu Besuch kamen, wurden dem Erbprinzen August ein Kammerjunker und dazu sogar noch ein Kammerherr, dem Prinzen Friedrich jedoch „bloß“ ein Kammerjunker zur Aufwartung offeriert.652 Letztlich lehnten beide zwar dieses Angebot ab und nahmen stattdessen − wie üblich − mit zwei Pagen Vorlieb.653 Allerdings zeigt die Offerte, dass und wie in der Aufwartung zwischen Thronfolger und nachgeborenem Prinzen unterschieden wurde. August stand als Erbprinz in der Rangfolge höher als sein Bruder und bekam deshalb auch höherrangiges Hofpersonal angeboten. Carl Augusts angebotene Adelsbedienung spiegelte die innerfamiliäre Rangdifferenz bei jeder an seinem Hof zu Besuch weilenden fürstlichen Familie äquivalent wider. So bekam zum Beispiel auch der fürstliche Nachwuchs aus dem Hause Schwarzburg-Rudolstadt während seines Aufenthaltes im März 1793 jeweils Hofkavaliere verschiedener Rangstufen. Im Vergleich zu den Gothaern ist jedoch bemerkenswert, dass dem Thronfolger Ludwig Friedrich II. (1767–1807) und seiner Gattin Karoline Louise, geb. von Hessen-Homburg (1771–1854), jeweils nur ein Kammerjunker zugestanden wurde,654 während der Gothaer Erbprinz August sowohl einen Kammerjunker als auch einen Kammerherren offeriert bekommen hatte. Und auch bei den nachgeborenen Rudolstädter Fürstenkindern fällt der verminderte Rang der Adelsbedienung auf: Im Gegensatz zum nachgeborenen Gothaer Prinzen Friedrich erhielten die beiden jüngeren Schwestern von Ludwig Friedrich II. keine Kammerjunker, sondern lediglich jeweils Hofjunker.655 Carl August zollte den Kindern des Schwarzburg-Rudolstädter Fürsten also 651 652 653

654 655

Vgl. oben den Abschnitt zum Dienst der Kammerherren. Vgl. ThHStAW HMA 4540, S. 186. In der Regel verzichteten die verwandten fürstlichen Familien auf die Kavalieraufwartung, so zum Beispiel die Landgräfliche Familie von Hessen-Darmstadt bei ihrem Besuch im Januar 1796, das Erbprinzenpaar von Baden im August 1797, die Meininger Herzogsfamilie bei ihrem Besuch im August 1798, die landgräfliche Familie von HessenKassel im Oktober 1801 und viele mehr. Nichtsdestotrotz wurde die Aufwartung vom Weimarer Hof immer wieder aufs Neue bei jedem Besuch angeboten. Vgl. ThHStAW HMA 4545, Bl. 12v–13v; ThHStAW HMA 4546, Bl. 88v; ThHStAW HMA 4547, Bl. 73v; ThHStAW HMA 4548, Bl. 46v. Ihnen wurden die beiden Kammerjunker von Lasberg und von Egloffstein angeboten. Vgl. ThHStAW HMA 4542, S. 32–33. Vgl. ebd.

5.4 Die Weimarer Hof-, Jagd- und Kammerjunker

463

weit weniger Respekt als den Kindern des Gothaer Herzogs. Er brachte damit sein Verständnis der reichsfürstlichen Rangordnung unmissverständlich zum Ausdruck. Den Schwarzburg-Rudolstädtern, die auf der Bank der weltlichen Fürsten im Reichstag den letzten Platz und damit den letzten Rang einnahmen, gestand er weniger Würde zu als dem im Vergleich dazu weitaus höherstehenden Gothaer Fürstenhaus. Prinzen und Prinzessinnen, die den Weimarer Hof besuchten, wurden also nicht alle mit der gleichen Aufwartung ausgestattet, sondern ebenso wie die zu Besuch kommenden regierenden Fürsten, Kurfürsten, Könige und Kaiser mit einer fein differenzierten, adeligen Hofbedienung gemäß dem Rang ihres Elternhauses umsorgt. Vor diesem Hintergrund wird noch einmal deutlich, wie dringlich sich die Situation für Carl August zum Jahreswechsel 1807/08 gestaltete, als ihm zwar plötzlich eine große Zahl an Kammerherren, aber nur noch fünf Kammerjunker und gar keine Hofjunker zur Verfügung standen. Wäre eine niederrangige fürstliche Familie mit mehreren erwachsenen Kindern nach Weimar zu Besuch gekommen, hätte ihnen Carl August ohne Hofjunker keine angemessen abgestufte Adelsbedienung offerieren können. Er hätte dem Besuch entweder eine zu niedrige Hofbedienung in Form von Pagen anbieten und sie durch diese Degradierung düpieren müssen, oder aber er hätte jedem Einzelnen einen Kammerjunker zur Verfügung stellen und sich durch diese hochwertige Aufwartung seiner Gäste selbst nicht deutlich genug abheben können. Eine letzte Möglichkeit wäre sicherlich gewesen, sich den Besuch zu verbitten. Allerdings riskierte der Weimarer Hof auch damit einen folgenreichen Affront. Mit der Ernennung des kompletten Offizierskorps ging Carl August diesem Dilemma kurzerhand aus dem Weg. Diese Entscheidung rentierte sich sofort im weiteren Verlauf des Jahres 1808. Allein im Mai 1808 besuchten innerhalb kürzester Zeit fünf verschiedene herzogliche bzw. fürstliche Familien den Weimarer Hof.656 Von September bis Oktober folgte sodann der Erfurter Fürstenkongress, dessen Feierlichkeiten den idealen Anlass boten, um Napoleon, Alexander und all den 53 anderen anwesenden fürstlichen Personen Weimars Größe und Würde zu demonstrieren.657 Die Junker spielten dabei eine entscheidende Rolle, da 656

657

Vom 29.4. bis zum 3.5.1808 hielt sich der Herzog von Oldenburg in Weimar auf, am 6.5. kam die Meininger Herzogin Louise Eleonore mit ihrer Tochter, am 10.5. der Coburger Herzog Ernst I. (1784–1844) in Begleitung seines Bruders Prinz Leopold (1790– 1865), am 17.5. der Württemberger Herzog Eugen (1758–1822) mit seiner Gattin Louise (1764–1834) nebst Tochter Louise (1789–1851), am 28.5. der Gothaer Herzog August und seine Gattin Caroline Amalie und am 29.5. das russische Fürstenpaar Wolkonsky. Vgl. ThHStAW HMA 4557, S. 83–104. Neben dem Kaiser Napoleon und dem russischen Zaren Alexander I. befanden sich vier Könige, eine Königin, 18 regierende Fürsten und Fürstinnen, sechs Erbprinzen und 24 andere Prinzen nebst ihrem Gefolge sowie höchste französische und russische Staatsdiener in der Stadt. Zum genauen Ablauf, wer wann angekommen ist, vgl. z. B. Prass:

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5. Repräsentationspolitik qua Personal. Der verpflichtete Adel des Hofes

allen Fürstlichen eine Aufwartung zugeteilt werden sollte, die ihrem Rang angemessen war. Im Zuge der Vorbereitungen wurde jedoch deutlich, wie problematisch sich die personelle Verschränkung von Militär und Hof bei Festlichkeiten dieser Größenordnung gestalten konnten. Nicht nur der Hof, sondern auch das Militär hatte etliche Aufgaben zu erfüllen und musste genügend Personal für die Ehrenwachen, den Geleitschutz und insbesondere für die Sicherheit bei den Einzügen abstellen.658 Der Oberst von Egloffstein, der das Militär während der Feierlichkeiten koordinierte, beklagte deshalb mehrmals seinen Personalmangel und ließ nachfragen, ob die Offiziere, die zum „Hof-Dienst befehliget [wurden]; (. . . ) nicht auch in das Bataillon eintreten“ könnten.659 Der Hofdienst blieb jedoch erste Priorität.660 Carl August war es offensichtlich wichtiger, all seinen hochrangigen Gästen eine standesgemäße Aufwartung offerieren und auch sich selbst ranggemäß mit zahlreichem Hofpersonal ausstatten zu können. Die verschiedenartigen Junker waren für diese präzise Repräsentation der sozialen Ordnung unersetzlich. Seine Repräsentation als Landesherr, bei der die verschiedenartigen Junker eine essentielle Rolle spielten, nahm Carl August schon in den Jahren zuvor sehr erst. So ließ er zum Beispiel den Empfang von Gesandten, die sich mit einem Creditiv ausweisen konnten und vorher anmelden ließen,661 in der Regel streng reglementieren und die adelige Aufwartung zur Repräsentation der sozialen Ordnung aller Anwesenden akkurat abstufen. Für die Junker galt diese Abstufung sinngemäß, da sie die Gesandten gewöhnlich auf den Stufen der Haupttreppe empfingen, während die Kammerherren den hohen Gast erst am Eingang des Saals erwarteten. Durch den Saal führte dann schließlich der marschallierende Kammerherr oder aber der Oberkammerherr − je nach Rang des Gesandten und verfügbarem Personal − zur Audienz beim Herzog oder bei der Herzogin.662 Carl August verzichtete während seiner Regentschaft zu

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Erfurter Fürstenkongreß, S. 70; Rudolf Benl: Die Fürstenversammlung zu Erfurt im Jahr 1808. Teilnehmer und Verlauf, in: ders. (Hrsg.): Der Erfurter Fürstenkongreß 1808. Hintergründe, Ablauf, Wirkung. Erfurt 2008, S. 65–139. Als Carl August mit den beiden Kaisern zur Jagd ging, wurden sie von den Husaren und Jägern nach Ettersberg eskortiert. Der Obrist von Egloffstein sollte sie auf dem Ettersberg erwarten und mit 100 Mann das Jagdgebiet „außer Schußweite“ bereits abgeschirmt haben. Seine vornehmliche Aufgabe war es dabei, „die Menschen ab[zuhalten], heran zu springen“. ThHStAW A 9125, Bl. 5–8. Ebd., Bl. 12r. Diese Anfrage betraf sowohl die Offiziere, die als Kammerherren aufwarten sollten, als auch Offiziere, die als Kammerjunker dienten. Zu Letzteren zählte zum Beispiel der namentlich benannte Leutnant und Kammerjunker Heinrich Emil Friedrich August von Beulwitz. Vgl. ThHStAW HMA 4557, S. 208–211. Wer kein rechtmäßiges Creditiv vorweisen konnte oder sich nicht beim Hofmarschall anmeldete, wurde vom Weimarer Herzog auch nicht als Gesandter behandelt. Dies musste 1790 ein Darmstädter Gesandter erfahren. Vgl. ThHStAW HMA 4539, S. 103. Vgl. z. B. die Empfänge des Geheimenrats von Lincker als Gesandten von Sondershausen (1795) und des Vizekanzlers von Beulwitz als Gesandter von Rudolstadt (1793) in: ThHStAW HMA 4542, S. 57; ThHStAW HMA 4544, S. 108.

5.4 Die Weimarer Hof-, Jagd- und Kammerjunker

465

keinem Zeitpunkt auf dieses Empfangsritual. Allein wenn sich ein Gesandter jegliches Zeremoniell ausdrücklich verbat, reduzierte der Weimarer Herzog die offerierte Aufwartung auf ein Minimum und stellte dem Gast lediglich einfache Livreediener zur Verfügung.663 Obwohl die Staatsbedienung einen nicht unerheblichen Teil des Weimarer Junkerdienstes ausmachte, lag deren vornehmliches Betätigungsfeld doch in der Leibbedienung am Hofe, d. h. in der alltäglichen Aufwartung. Wie die Kammerherren wechselten sie sich dazu in einem festen Rhythmus nacheinander ab.664 Inwieweit allerdings jeden Tag sowohl Hof- als auch Kammerjunker Hofdienst leisten mussten oder Carl August stattdessen ein Alternieren zwischen beiden Hofämtern bevorzugte, bleibt in den Quellen unscharf. Das Fourierbuch legt nahe, dass die Hofjunker nur am Wochenende, die Kammerjunker dagegen auch unter der Woche Dienst taten.665 Da jedoch nicht alle Junker während ihres Dienstes gleichermaßen die freie Tafel als Teil ihrer Besoldung genießen durften, lässt sich aus den Notizen des Fouriers nicht eindeutig auf Präsenz oder Absenz schließen. Möglicherweise bekamen die Hofjunker grundsätzlich nur Tafelgeld, jedoch keine Speisung an der fürstlichen Tafel zugestanden.666 Das würde erklären, weshalb alle Hofjunker vom Fourier zwar regelmäßig zur obligatorischen Cour an den Sonntagen, nicht aber an anderen Wochentagen als Gäste der fürstlichen Tafel verzeichnet wurden. Ähnlich undurchsichtig bleibt das konkrete Aufgabenfeld der Junker. Nur stellenweise wird deutlich, dass sie offenbar die gleichen repräsentativen Gesellschafterdienste wie die Kammerherren leisteten und zum Beispiel die fürstlichen Familienmitglieder auf deren Reisen begleiteten. So unternahm zum Beispiel der Kammerjunker Christian Friedrich Carl von Wolfskeel mit dem Herzog mehrere längere Reisen, u. a. nach Berlin.667 Und ähnlich gehörte der Kammerjunker Friedrich August von Fritsch des Öfteren zur Suite des Herzogspaars, wenn dieses andere Fürstenhöfe besuchte.668 663

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Vgl. zum Beispiel den Empfang des Hauptmanns von Brockenburg, der als Gesandter von Rudolstadt von Maria Pawlowna zur Geburt ihres ersten Sohnes Glückwünsche überbrachte, in: ThHStAW HMA 4554, S. 212. Im März 1809 wurde dieser Wechselrhythmus – möglicherweise wegen einer Einberufung der Militärs – offensichtlich eine Zeit lang ausgesetzt, denn der Fourier vermerkte, dass die beiden diensthabenden Hofjunker zunächst „bis auf Weiteres“ ihren Dienst fortsetzen und weitere Befehle abwarten sollten. Vgl. ThHStAW HMA 4558, Bl. 26v. Vgl. ThHStAW HMA 4539–4559. Inwieweit die Tafelgelder als bloßer Zusatz zur eigentlichen Besoldung galten und wem sie zustanden, wurde bereits in den 1780er Jahren zwischen dem Hofmarschallamt und dem Herzog eingehend debattiert. Dennoch waren sie immer wieder Stein des Anstoßes und lösten neue Diskussionen aus. Es ist deshalb nur schwer nachvollziehbar, wer die freie Tafel zugestanden bekam und wer nicht. Vgl. z. B. ThHStAW HMA 110; ThHStAW HMA 114, Bl. 1–16. Vgl. z. B. ThHStAW HMA 4545, Bl. 104r. Vgl. z. B. ThHStAW HMA 4539, S. 17.

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5. Repräsentationspolitik qua Personal. Der verpflichtete Adel des Hofes

Dagegen lässt sich deutlich erkennen, wem die Organisation des Hofdienstes oblag: In den ersten Regierungsjahrzehnten erhielten die Weimarer Junker ihren Dienstplan vom Hofmarschallamt.669 Nachdem 1794 Lebrecht von Luck als Interimslösung mit dem Kommando über den Hof betraut worden war, verlegte Carl August „das Ansagen des Dienstes an die Cammerherren, Cammer- und Hofjunker“ in die Hände des zugleich neu ernannten Oberkammernherrn Freiherr von Werthern.670 Als dieser schon sechs Jahre später verstarb, fielen die Oberaufsicht und Organisation der Junker wiederum an das Hofmarschallamt und später an den Hofmarschall zurück. Die Junker hatten also, solange es einen Oberkammernherrn gab, dessen Anweisungen zu folgen, unterstanden aber prinzipiell dem Hofmarschall(amt). 5.4.6 Zusammenfassung Um 1800 verfolgte Carl August bei seinen Junkerstellen eine klare, am Zeremoniell orientierte Personalpolitik. Er griff auf das anerkannte zweistufige Karrieresystem von Hof- und Kammerjunker zurück und nutzte sowohl die aktive als auch die passive Verpflichtungsvariante, um seine rangniedrigsten Hofkavaliere671 in den Hof einzubinden. Beide zeremoniellen Spielarten setzte er in ganz eigener Weise für seine Belange ein: Die bloße Titelverleihung nutzte Carl August in erster Linie, um Klientelpolitik zu betreiben, weniger um seinen Hof aktiv zu gestalten. Ein Großteil der Verleihungen scheint auf Empfehlung Dritter zustande gekommen und eher ein Gunstbeweis für eben diese Fürsprecher als für den Ausgezeichneten selbst gewesen zu sein. Da der Junkertitel im Hofchargensystem die einfachste Art der Auszeichnung darstellte, konnte ihn Carl August problemlos an Adelige vergeben, die selbst keine nennenswerten Verdienste vorzuweisen hatten, dafür aber über Verbindungen zur geschätzten Klientel des Weimarer Herzogshauses verfügten. In der Regel sicherte sich Carl August mit der Vergabe eines Junkertitels die Loyalität eines Familienclans, der einst in seinen Diensten stand. Darüber hinaus maß der Herzog seinen Titularjunkern jedoch keinen besonderen personalstrategischen Wert zu. In seiner konkreten höfischen Personalpolitik setzte er sie deshalb auch nur als Stütze ein, um etwas anderes − wie zum Beispiel eine Beförderung gegen die Anciennität wie im Falle Breitenbauchs oder aber die Rekrutierung von zukünftigem Personal wie im Falle des Freiherrn von Bibra − lancieren zu können. Der Weimarer Herzog schätzte die repräsentative Geltungskraft der Titularjunker demnach 669

670 671

Ab 1780 koordinierte Leonhard von Klinckowström den Dienstplan. Inwieweit er diese Aufgabe schon Jahre zuvor übernommen hatte oder diese noch vom Obermarschall von Witzleben ausgeführt wurde, muss an dieser Stelle offenbleiben. ThHStAW HMA 427, Bl. 1v–2r. Pagen waren noch keine Kavaliere. Die Junker galten deshalb als die rangniedrigsten Hofkavaliere.

5.4 Die Weimarer Hof-, Jagd- und Kammerjunker

467

relativ gering, womit sich auch erklärt, weshalb er darauf verzichtete, deren Zahl nach 1806 maßgeblich zu erhöhen. Im Gegensatz zu den wesentlich höher angesehenen Titularkammerherren waren sie schlicht nicht geeignet, den Anspruch auf einen königlichen Rang zu symbolisieren. Die wirklichen Junker waren dagegen mit Blick auf die repräsentative Funktion des Hofes von größerer Bedeutung. Carl August benötigte sie dringend im Rahmen der Staatsbedienung, um die Aufwartung − zum Beispiel bei fürstlichem Besuch − ranggemäß abstufen zu können. In der Leibbedienung scheinen sie in Weimar dagegen als Gesellschafter eher eine ergänzende Rolle gespielt zu haben. In den wenigen Zeugnissen über den Hofalltag bleibt ihr konkretes Betätigungsfeld weitgehend unsichtbar. Dennoch waren sie aus personalstrategischer Sicht unentbehrlich, da sie den Nachwuchs für alle nächsthöheren Hofämter bildeten. Kein wirklicher Junker blieb ewig ein Junker, sondern stieg entweder irgendwann zum Kammerherrn auf oder aber verließ den Hof. Im Gegensatz zu den Titularjunkern, die in der Regel ihr Leben lang auf dieser Stufe verblieben und nur in außergewöhnlichen Fällen aufstiegen, hatte das Hof- und Kammerjunkeramt in Weimar die Funktion einer Durchgangsstation. Das kam besonders nach 1806 zum Ausdruck, als Carl August eine große Zahl an Adeligen innerhalb kürzester Zeit durch die Stufen des Hof- und Kammerjunkers hin zu Kammerherren (durch)beförderte. Da die Kammerherrencharge das prestigeträchtigere Amt in der Hofhierarchie darstellte, hatte es keinen Sinn, eine große Zahl an Junkern zu unterhalten. Carl August behielt einen umfangreichen Junkerstamm deshalb nie über längere Zeit, sondern erhöhte nur phasenweise die Zahl seiner Junker, um sie dann durch zeitnahe Beförderungen zu Kammerherren wieder zu reduzieren. Dementsprechend erklären sich auch die extremen Schwankungen in der Anzahl der Weimarer Hof- und Kammerjunker nach 1800. Einen Niedrigbestand resultierte in der Regel aus bereits geschehenen zahlreichen Erhebungen der ranghöchsten Junker zu Kammerherren, wogegen ein hoher Bestand zumeist bevorstehende, d. h. geplante, Erhebungen ankündigte. Die Abgänge vom Hof spielten dabei nur eine marginale Rolle, da durchschnittlich nur drei von zehn Junkern den Hof verließen. Nur in seltenen Fällen trafen − wie zum Jahreswechsel 1807/08 − Erhebungen und Abgänge aufeinander und minimierten die Zahl der Junker so stark, dass akuter Personalmangel herrschte. Das wirkliche Junkeramt fungierte auch schon vor 1806 entweder als Durchgangs- bzw. Warteposition oder als Sprungbrett in ein anderes Dienstverhältnis. Unter dem Schutze des festen Ranggefüges des Alten Reiches zeichnete sich Carl Augusts höfische Personalpolitik allerdings noch wesentlich stärker durch einen Selektionscharakter aus. Der Herzog zeigte sich auf zwei Ebenen wählerisch: Zum einen selektierte er bereits vor der Einstellung und ließ nur Kavaliere mit einem ganz bestimmten Profil in das Weimarer Junkeramt eintreten. Zum anderen sortierte er zudem noch einmal unter seinen bereits verpflichteten Junkern aus und behielt nur jene Kavaliere, die sich

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5. Repräsentationspolitik qua Personal. Der verpflichtete Adel des Hofes

auf allen Ebenen bewährten bzw. bewähren wollten. Wer in andere Dienste wechseln wollte, den ließ er ziehen. Und wer sich − wie Carl Leopold von Lehsten oder Friedrich von Stein − nicht seinem Ansinnen entsprechend entwickelte, wurde kurzerhand entlassen. Im Gegensatz zu den (militärischen) Junkern, denen Carl August nach 1808 mit ihrer Anstellung automatisch eine Ernennung zum Kammerherrn versprach, konnten die Junker zwar eine gewisse Aussicht auf eine Beförderung hegen, sich derer aber nicht sicher sein. Das Profil, das in Weimar die Tür zum Junkerdienst öffnete, war klar umrissen: Alle wirklichen Junker mussten von vornehmer Geburt sein. Neuadelige wurde ebenso wie Bürgerliche ausgeschlossen. Ein Adelsrang war zudem von Vorteil, da Carl August den Anteil der (Reichs-)Freiherren und Grafen unter seinen Hofkavalieren zu steigern suchte. Die geographische Herkunft spielte dagegen oder gerade deswegen keine Rolle. Darüber hinaus mussten die Junker gewöhnlich im Militär-, Forst- oder Staatsdienst des Herzogtums tätig sein. Denn Carl August vergab seine wirklichen Junkerstellen in der Regel als zusätzlichen Ehrendienst, selten als alleinige Hauptbeschäftigung. Aufbauend auf diesem Profil, variierte Carl August seine Besetzungsstrategie, je nachdem in welchem Bereich die wirklichen Junker hauptsächlich tätig waren: So griff er zum Beispiel vor 1806 nur im Bedarfsfalle auf seine Militärs zurück. Im Konkreten wurden sie immer nur dann als potentielle Junker interessant, wenn Hofkavaliere der jeweils nächsthöheren Hierarchieebene − d. h. entweder Kammerjunker oder Kammerherren − vermehrt aufgestiegen oder ausgeschieden waren. Carl August wählte sich dann unter seinen Offizieren einen aus, den er bereits lang genug kannte, um dessen Qualitäten als Gesellschafter einschätzen zu können. Eben das schien Carl August von seinen militärischen Junkern in erster Linie zu erwarten. Einen anderen Zweck erfüllte das Junkeramt für die Militärs nicht. Der Herzog handhabte deren Ernennungen deshalb in den ersten Regierungsjahrzehnten äußerst flexibel, weil bedarfsorientiert. Erst nach dem Ende des Alten Reiches änderte sich diese Strategie. Da der Bedarf an Junkern enorm gestiegen war, entschied sich Carl August nun, die Flexibilität zugunsten eines Automatismus aufzugeben. Im Gegensatz dazu verfolgte der Herzog bei seinen Junkern, die im Staatsdienst tätig waren, von Anfang an eine starre Besetzungspolitik. Nach seinem Regierungsantritt hatte er es sich zum Prinzip gemacht, adelige Assessoren unmittelbar mit ihrer Anstellung in Regierung oder Kammer auch zu Junkern zu ernennen. Zwar machen Ausnahmefälle deutlich, dass der Staatsdienst nicht automatisch zum Hofdienst berechtigte. Allerdings zeigt die sonstige Prinzipientreue, dass Assessoren nicht allein um der standesgemäßen Gesellschaft und Aufwartung willen in den Hof gezogen wurden, sondern Carl August den wirklichen Junkerdienst gezielt zur Kontaktpflege, Selektion, ständischen Distinktion und in einem Ausnahmefall sogar als ehrenhaftes Auffangnetz nutzte. Im Gegensatz zu den militärischen Junkern verknüpfte

5.5 Die Weimarer Pagen

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Carl August den Hof- und Staatsdienst starr miteinander, um in den jeweils anderen Bereich hineinwirken zu können.

5.5 Die Weimarer Pagen Obwohl Pagen in der adeligen Bedienungskette eines Fürsten die unterste Stufe darstellten, waren sie ein wichtiger Bestandteil der höfischen Aufwartung, auf den kein Fürst verzichten konnte. Denn jugendliche Adelige nahmen in der gesellschaftlichen Hierarchie eine ideale Zwitterposition ein, die es erlaubte, sie als Bindeglieder zwischen dem verpflichteten Hofadel und der nichtadeligen Bedienung einzusetzen: Aufgrund ihrer vornehmen Geburt genossen die Pagen einerseits einen höheren Rang als nichtadelige Hofbedienstete. Andererseits waren sie aber noch zu jung, um als vollwertige Kavaliere zu gelten, sodass es nicht unter ihrer Würde war, elementare Handlangerdienste zu verrichten. Fürsten nutzten diese Zwischenstellung, um sich mit dem exklusiven sozialen Profil ihrer Handlanger deutlich vom niederen Adel abgrenzen zu können. Denn auch der Niederadel verrichtete einfache Handlangerdienste gewöhnlich nicht selbst, sondern übertrug sie nichtadeligen Bediensteten.672 Carl August legte im Alltag viel Wert673 auf diese soziale Abgrenzung durch die Pagenbedienung und sorgte deshalb dafür, dass pro Jahr zwischen sechs und acht Edelknaben am Weimarer Hof ihren Dienst verrichteten. Lediglich in den Jahren 1808 und 1809 sank deren Zahl kurzeitig auf ein Minimum von zwei Pagen. Dieses Tief resultierte aus den kriegerischen Zeitumständen, die beinahe alle jugendlichen Adeligen dazu bewogen, bei Carl August frühzeitig ihren Abschied zu erbitten, um ins Militär eintreten zu können. Zwischen Juni 1806 und März 1807 verließen in kurzen Abständen insgesamt fünf Pagen den Hofdienst.674 Da der Herzog zur selben Zeit die Zahl seiner Junker und Kammerherren massiv zu erhöhen suchte,675 trat die Verpflichtung neuer Pagen zunächst in den Hintergrund. Ab 1809/10 taten allerdings wieder fünf Pagen regulär ihren Dienst. Insgesamt beschäftigte der Weimarer Hof – trotz der geringen jährlichen Gesamtzahl – 36 Pagen in den beiden Jahrzehnten um 1800.676 Diese hohe Anzahl lag in der Natur des Pagendienstes begründet, die den Verbleib der Jungen bis zum Erreichen des Erwachsenenalters beschränkte. 672 673 674

675 676

Vgl. dazu ausführlich Kapitel I. Vgl. ThHStAW HMA 4552, S. 216. Adolph Comte de Lambertye (1789–1845/46) verließ den Hof am 3. Juni 1806, Carl Adolph Friedrich von Altrock am 9. Oktober 1806, Hermann von Staff am 27. Februar 1807, ihm folgten am 2. März Friedrich Carl von Schauroth und am 28. Mai Ludwig Friedrich Wilhelm von Lützow. Vgl. ThHStAW B 25951, Bl. 204ff. Vgl. die Abschnitte zu den Weimarer Kammerherren und Junkern. Vgl. die Weimarer Staatskalender von 1790 bis 1810.

470

5. Repräsentationspolitik qua Personal. Der verpflichtete Adel des Hofes

5.5.1 Der Weg zum Weimarer Pagen Carl August musste sich nie um Bewerber für seine Pagenstellen bemühen. In der Überlieferung des Weimarer Hofes sind zahlreiche Bittschreiben bewahrt worden, die zeigen, dass der Herzog – in seltenen Fällen auch das Hofmarschallamt – regelmäßig von Müttern, Vätern oder Vormündern um die Aufnahme der Söhne oder Mündel ins Weimarer Pageninstitut gebeten wurde.677 Der Herzog konnte dadurch in der Regel unter einer Vielzahl an Kandidaten auswählen. Nach welchen Kriterien er diese Wahl jeweils traf, wird aus den Argumentationen der Bitt- und Antwortschreiben deutlich. Im Juli 1797 bat zum Beispiel Charlotte von Boyneburg, geb. von Hanstein, den Herzog, ihren zweiten Sohn Carl Wilhelm Traugott von Boyneburg (1789–1839) als Junker am Hof anzustellen.678 In ihrem Schreiben wies sich Charlotte von Boyneburg als Witwe von Gotthilf Christian von Boyneburg aus, den Carl August erst ein Jahr zuvor mit der Verleihung eines Kammerjunkertitels passiv in seinen Hof gezogen hatte.679 Nachdem sie die „unbegränzte Liebe“ ihres verstorbenen Mannes „für seinen Fürsten“ versichert hatte,680 beklagte sie ihre desaströse finanzielle Situation, versank aber nicht in Selbstmitleid, sondern richtete den Fokus auf ihre Kinder. Durch das Schuldenwesen681 ihres verstorbenen Ehegatten könne sie ihren fünf Söhnen keine angemessene Bildung ermöglichen, und dies stürze sie in ein Dilemma. Denn sie verstehe es als ihre Pflicht, ihren Kindern zu der „Erlernung derer Kentniße [zu verhelfen,] (. . . ) durch die der junge Edelsmann sich der Welt und seinem Fürsten nüzlich machen“ könne.682 In ihr sei „der Drang sehr lebhaft“, ihre Söhne „so zu erziehen, daß sie würdig sind, einen so vortrefflichen Fürsten zu dienen und durch ihren Dienst (. . . ) einen kleinen Theil des Dankes abzutragen, den ihr zu früh verwichener Vater nicht abtragen konnte.“ Charlotte von Boyneburg bemühte damit erfolgreich ein wirkmächtiges wie typisches Argument: das Dilemma zwischen Geldmangel und Erziehungspflicht zum guten Fürstendiener. In beinahe jedem positiv beschiedenen Aufnahmegesuch wurde die Überzeugung geäußert, die Söhne bräuchten eine solide Ausbildung, damit sie dem Herzog und seinem Herzog677 678 679

680 681

682

Vgl. dazu z. B. ThHStAW B 25930; ThHStAW B 25951; ThHStAW B 26842; ThHStAW HMA 559. Vgl. ThHStAW B 25930, Bl. 115r–116v. Die Ernennung erfolgte am 8. April 1796. Er verstarb schon am 11. Juni 1797. ThHStAW HMA 415, Bl. 46; Buttlar-Elberberg: Stammbaum der Althessischen Ritterschaft, Tafel III, „von Boyneburg zu Stedtfeld, Hartmuthhausen und Wichmannshausen“. Vgl. den Abschnitt zu den Weimarer Titularjunkern. ThHStAW B 25930, Bl. 115r. Die Boyneburg(k)s besaßen das Gut Deubachshof bei Eisenach. Gotthilf Christian von Boyneburg ließ das Gut für seine Familie aus- bzw. umbauen und hatte dafür etliche Kredite aufnehmen müssen. Vgl. ebd. Ebd., Bl. 115v.

5.5 Die Weimarer Pagen

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tum gute Dienste leisten könnten.683 Geldmangel stand jedoch diesem Ziel in der Regel im Weg. Die Gründe für die Finanzprobleme waren verschieden. Neben dem Tod des Ehegatten, Krieg oder anderen widrigen Umständen wurde oftmals angegeben, dass es viele Geschwisterkinder zu versorgen galt und das Geld deshalb äußerst knapp sei. Für Carl August schien eine solche Dilemmasituation durchaus ein Kriterium zur Vergabe der Pagenstellen gewesen zu sein. Er ging auf die Bitte der Charlotte von Boyneburg ein und stellte ihren Sohn zwar nicht wie gewünscht als Junker, aber doch – seinem Alter entsprechend – als Pagen an. Mit seinen knapp neun Jahren wurde Carl Wilhelm Traugott von Boyneburg einer der jüngsten Pagen des Weimarer Hofes.684 Bemerkenswert ist die Überprüfung, die Carl August gewöhnlich einem solchen Bittbrief folgen ließ. Das zeigt der Fall des Hauptmanns Karl Christan Freiherr von Beust aus Leubsdorf, der im September 1816 sowohl den Herzog als auch den Hofmarschall bat, seinen zwölfjährigen Sohn Gustav unter die Pagen aufzunehmen.685 Wie Charlotte von Boyneburg bemühte er das Dilemma zwischen Geldmangel und Erziehungspflicht. In dem überlieferten Kurzgutachten, das Carl August bei seinem zuständigen Landrat Freiherr von Erffa angefordert hatte, wurde bestätigt, dass die „Familie (. . . ) äußerst dürftig“ sei und eine Gewährung des Gesuchs sehr wohltätig wäre.686 Carl August entschied sich daraufhin für die Annahme des jungen von Beust und ließ dessen Vater umgehend mitteilen, dass sein Sohn in das so genannte Pagenbuch eingetragen wurde.687 Der Junge wurde damit in eine Art Warteliste eingeschrieben, in der alle Anwärter auf eine Pagenstelle notiert wurden. Der Herzog behielt sich diese Möglichkeit vor, wenn es keine freien Stellen gab, er sich aber trotzdem einer Adelsfamilie gnädig erweisen wollte. Der Vater Karl Christan Freiherr von Beust wurde sodann aber gleich aufgeklärt, „daß die Zahl der Expectanten auf dergleichen Stellen nicht ganz unansehlich [sei] und [es] daher der Fall seyn dürfte, daß der Eintritt Ihres Hrn. Sohnes in das Pageninstitut, vielleicht nach einigen Jahren erst statt finden könnte“.688 Ein Blick in die Pagenliste bestätigt dies. Gustav von Beust konnte erst drei Jahre später, im September 1819, seinen Dienst als Page am Weimarer Hof antreten.689 Aufschlussreich ist jedoch vor allem, dass Carl August den Bittstellern 683

684 685

686 687 688 689

Nach 1816 wurde diese Argumentation noch weiter zugespitzt und der modernen, aufgeklärten Terminologie angepasst, indem die Söhne nun zu „guten und brauchbaren Staatsbürgern“ erzogen werden sollten. Vgl. ThHStAW HMA 559, Bl. 9r. Vgl. ThHStAW B 25951, Bl. 204f. Vgl. ThHStAW HMA 559, Bl. 7–12. Der Fall liegt außerhalb des Untersuchungsraumes, ist aber aufgrund der Antwortschreiben, die sonst nur sehr selten erhalten geblieben sind, besonders aufschlussreich. ThHStAW HMA 559, Bl. 8r. Vgl. ThHStAW HMA 559, Bl. 12. ThHStAW HMA 559, Bl. 12r–v. Vgl. ThHStAW B 25951, Bl. 204f.

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5. Repräsentationspolitik qua Personal. Der verpflichtete Adel des Hofes

nicht einfach Glauben schenkte, sondern deren finanzielle Situation vor Ort begutachten ließ. Indes führten nicht alle Gesuche von erziehungswilligen, aber armen Eltern zu einer Verpflichtung der Söhne am Weimar Hof. Carl August erteilte zahlreiche Absagen. So wurde beispielsweise das Gesuch des pensionierten Rittmeisters August Friedrich von Schauroth 1807 abgelehnt.690 Der Rittmeister hatte um Stellen für seine beiden jüngeren Söhne gebeten und dabei auf seine Geldnot als Vater von fünf Söhnen und drei Töchtern verwiesen. Zudem führte er an, dass es in seinem Wohnort am Kalten Hof bei Schweinfurt keine Kirche und keine Schule gäbe. Er hatte dennoch keinen Erfolg. Der Vergleich zwischen den von Boyneburgs und den von Schauroths zeigt die Gründe auf. Beide Familien hatten bereits jeweils einen Sohn erfolgreich in Weimarer Diensten platzieren können. Sowohl Charlotte von Boyneburg als auch August Friedrich von Schauroth verbanden ihre Anfragen deshalb mit entsprechendem Dank und der Hoffnung, erneut Anstellungen für ihre anderen Söhne zu finden. Während allerdings der älteste Sohn von Charlotte von Boyneburg, Carl Wilhelm Heinrich von Boyneburg (1784–1813), als Scharfschütze im Jägerkorps beschäftigt war, diente Friedrich Carl von Schauroth (1790–1861) als Page am Hof.691 Da ein zweiter Boyneburg angenommen, ein zweiter Schauroth aber abgelehnt wurde, ist zu vermuten, dass Carl August es bewusst ablehnte, ein Brüderpaar gleichzeitig als Pagen anzustellen. Zwischen 1790 und 1810 befanden sich zwar Verwandte, aber nie Geschwister unter den Pagen.692 Der Herzog nahm grundsätzlich gern mehrere Mitglieder einer besonders geschätzten Familie in seine Dienste. Allerdings vermied er die parallele Anstellung von Brüdern im jugendlichen Alter und achtete darauf, sie entweder in verschiedenen Einrichtungen zu platzieren, oder aber im großen zeitlichen Abstand nacheinander als Pagen anzunehmen. Der hannoverische Rittmeister von Schauroth hatte demnach seinen Spielraum mit einem Sohn bereits ausgereizt. Daneben ließ sich Carl August bei der Wahl seiner Pagen zudem von ganz pragmatischen Kriterien, wie dem Alter und der Vorbildung der Jungen, leiten. Das geht aus dem detaillierten Antwortschreiben an den württembergischen Oberforstmeister Freiherr Marschalck von Ostheim hervor.693 Der Freiherr hatte 1798 als Vormund um eine Stelle – sei es als Jagdjunker oder als Jagdpage – für seinen zwanzigjährigen Schützling von Pless gebeten. Mit viel Ehrerbietung und Höflichkeit wies Carl August das Gesuch ab. Die Anzahl der engagierten jungen Leute in der Jägerei sei bereits so hoch, dass „jetzt eine Vermehrung derselben nicht thunlich“ sein würde.694 Zudem stehe eine 690 691 692 693 694

Vgl. ebd., Bl. 70r–71v (Gesuch), Bl. 72 (Ablehnung). Vgl. ThHStAW B 25930, Bl. 115v; ThHStAW B 25951, Bl. 204f. Vgl. die Weimarer Staatskalender von 1790 bis 1810. ThHStAW B 26842, Bl. 2. Ebd., Bl. 3r.

5.5 Die Weimarer Pagen

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vakante Stelle nicht so bald in Aussicht, „da selbst (. . . )[die] Oberforstmeister alles Leute in ihren besten Jahren“ seien.695 Offiziell resultierte die Ablehnung aus der gesättigten Personalsituation in der Jägerei. Ein Blick in den Staatskalender bestätigt dies. Ab 1799 finden sich vier Oberforstmeister und die üblichen zwei Jagdjunker verzeichnet. Interessant ist allerdings, dass zu diesem Zeitpunkt am Hof keine Jagdpagen angestellt waren. In der Pagenanstalt waren zudem sechs Pagen eingeschrieben, die alle einem nahen Ende ihrer Anstellung entgegensahen. Zwei Pagen gingen nur ein halbes Jahr später vom Hof ab.696 Es stellt sich deshalb die Frage, warum der Herzog der Bitte des Freiherrn von Marschalck nicht wie im Falle des Freiherrn von Beust entsprach und den jungen von Pless einfach in das Pagenanwärterbuch schreiben ließ. Das Gesuch erfüllte das Kriterium der Notsituation. Es unterschied sich allerdings von den vorhergehenden darin, dass der zu akquirierende Page von Pless zum einen eine Ausbildung als Jagdpage bereits erfolgreich abgeschlossen hatte und eigentlich um eine Stelle als Jagdjunker bat. Zum anderen überschritt von Pless deutlich das Alter, in dem Pagen ihren Hofdienst antraten. In der Regel achtete Carl August darauf, dass die Jungen das 9. Lebensjahr bereits erreicht und das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten.697 Er war also offensichtlich nicht gewillt, jemanden als Pagen einzustellen, der bereits eine solche Ausbildung abgeschlossen hatte und dementsprechend auch schon eher als ein junger Adelsmann denn als ein Edelknabe gelten konnte. Ein Dilemma zwischen Geldnot und Erziehungspflicht lässt sich letztlich aber nur bei einem kleinen Teil der Pagen als entscheidungsrelevant nachweisen. Bei einem Großteil der Pagen scheint dagegen der Verwandtschaftsstatus eine ausschlaggebende Rolle gespielt zu haben. Insgesamt 25 der 36 Pagen, die zwischen 1790 und 1810 dienten, besaßen einen gleichnamigen Verwandten in herzoglichen Diensten. Hochgestellten Persönlichkeiten, wie zum Beispiel dem amtierenden Eisenacher Kammerpräsidenten Carl Christian Herda zu Brandenburg (1728–1802),698 dem Oberforstmeister Christian Friedrich August von Staff699 und dem Kammerherrn und Major Christoph Ehrenfried von Hönning,700 gelang es offenbar auch ohne Dilemmasituation problemlos, 695 696

697 698

699 700

Ebd. Am 26. Februar 1799 wurde Heinrich von Bocksberg (Boxberg) und am 25. Juni 1799 Charles Francois Brissart de Laconcy verabschiedet. Vgl. ThHStAW HMA 544, Bl. 28, 29. Vgl. ThHStAW HMA 549, Bl. 1. Sein Sohn Ludwig Herda zu Brandenburg begann am 27. Oktober 1791 als Page am Weimarer Hof und wechselte zu Ostern 1794 an die Universität Jena. Vgl. ThHStAW B 25951, Bl. 202f. Sein Sohn Hermann von Staff trat am 9. März 1803 seinen Dienst als Page an und diente bis 1807. Vgl. ebd. Sein Sohn Emil Carl August Heinrich von Hönning trat am 6. März 1793 seinen Dienst als Page an und diente bis 1796. Vgl. ebd.

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5. Repräsentationspolitik qua Personal. Der verpflichtete Adel des Hofes

einen ihrer Söhne als Pagen zu platzieren. Carl August vergab seine Pagenstellen folglich nicht nur an verarmte, in Not geratene Adelige, sondern in erster Linie an Adelssöhne, deren enge Verwandtschaft in seinem engeren Umkreis diente und denen er seine Gunst erweisen wollte. Für diese Fälle sind keine schriftlichen Gesuche überliefert, da entsprechende Bitten sehr wahrscheinlich im geeigneten Rahmen mündlich vorgebracht wurden. Es lässt sich deshalb nicht mehr nachvollziehen, nach welchen Kriterien Carl August unter den vielen Söhnen seines hochrangigen Personals auswählte. Letztlich führte der Weg zum Weimarer Pagen jedoch immer über seine Gunst. Da nicht alle hohen Chargen jeweils einen ihrer Söhne dem Pageninstitut überantworteten, scheint es keinen Automatismus gegeben zu haben. Weder Carl August noch die Hofchargen konnten eine Anstellung einfordern. Der Herzog besetzte die Stellen folglich ausschließlich nach seinem Gutdünken. 5.5.2 Die Kosten des Weimarer Pageninstituts Pagen zu unterhalten, bedeutete für jeden Fürsten einen gewissen Aufwand. Die jungen Adeligen waren in einem schulpflichtigen701 Alter und sollten deshalb traditionell nicht einfach nur zum Hofdienst herangezogen, sondern im Gegenzug auch ausgebildet werden. Der Weimarer Hof wurde dieser gesellschaftlichen Erwartung mit seinem hofinternen Pageninstitut gerecht. Alle Pagen erhielten dort Unterricht in der deutschen Sprache, im Schönschreiben, Stilübungen, Rechnen, Französisch, später auch Italienisch, Musik, Zeichnen, Tanzen, Fechten und Reiten.702 Der Hof beschäftigte dafür pro Jahr neun bis zehn Lehrer,703 die zum Teil auch andere Funktionen übernahmen oder schon innehatten. Der ledige Pagenhofmeister Ludwig Bernhard Zacharias König (1752–1820)704 übernahm den größten Teil des Unterrichts sowie die Aufsicht über die Pagen. Neben ihm waren ein Sprachmeister, Hoftanzmeister, Hoffechtmeister und „Maître de Mathématique“ angestellt. Den Reitunterricht übernahm jedoch der jeweilige Stallmeister des Hofes, für den Schreibunterricht wurde der Geheime Registrator Jacob Bernhard Burkhardt zusätzlich verpflichtet, und den Zeichenunterricht besorgten die Lehrer der Freien Zeichenschule des Hofes. Die meisten Fächer konnten somit mit bereits anderweitig angestellten und bezahlten Dienern abgedeckt werden. Ab 1810 änderte sich das, als der Unterricht in Religion, Geschichte, Geographie und in den alten Sprachen regulär dem Gymnasium übertragen wurde. Dies führte allerdings zu recht intensiven Diskussionen zum Bespiel 701

702 703 704

In Weimar wurde die Schulpflicht schon 1619 eingeführt. Vgl. Andreas Lindner/Andrea Schulte: Das evangelische Schulwesen in Mitteldeutschland. Stationen und Streifzüge. Münster 2007, S. 46f. Zu den Unterrichtsfächern vgl. ThHStAW B 25951, Bl. 252f; ThHStAW HMA 548, Bl. 8. Vgl. ThHStAW B 25951, Bl. 249. Zu den Lebensdaten vgl. KA WE SR SK 1820, f. 223.

5.5 Die Weimarer Pagen

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darüber, inwieweit wirklich „kein Gymnasiast (. . . ) von dem Erlernen des Griechischen entbunden“ werden könne. Das Griechische, die „lateinische Sprache und [die] damit zusammenhängende[n] Kenntnisse des Alterthums“ gehörten nur bedingt zum Wissenskanon einer Pagenausbildung und sollten nicht von allen erlernt werden.705 Diese Debatten blieben letztlich ohne Konsequenzen − zumindest unter Carl August. Zwar wurde in den 1820er Jahren darüber nachgedacht, das Pageninstitut zu schließen oder in eine Stiftung umzuwandeln, doch zeigen die Weimarer Staatskalender bis 1830 keinen Wandel.706 Carl August löste bis zu seinem Tod weder das Pageninstitut auf noch veränderte er maßgeblich dessen Struktur. Der Grund für das Festhalten an dieser Tradition lag in der Einzigartigkeit der Ausbildung begründet. Am Pageninstitut wurde etwas gelehrt, das an keiner anderen Institution hätte besser vermittelt werden können: die Systematik der höfischen Adelsgesellschaft. Durch den täglichen Hofdienst lernten die Pagen „die Verhältnisse am Hofe und (. . . ) den Umgang mit Menschen“ kennen. Zusätzlich erhielten sie Unterricht in den Umgangsformen, der hoch geschätzt wurde, weil „die Bewegung in der sogenannten vornehmen Welt (. . . ) [am besten durch] Anschauung und Gewöhnung in der Jugend“ zu erlernen sei. Der Pagendienst wäre dafür das geeignete „Mittel“, das nur „schwer zu ersetzen“ sei.707 In der Anstalt konnten die Jungen zudem all das lernen, „was zur Erweckung eines richtigen und sittlichen Ehrgefühls beitragen konnte“. Und dies unter strenger Aufsicht. Bei geringen Vergehen mussten die Pagen die „Entbehrung erlaubter Vergnügungen“ hinnehmen, bei größeren Fehltritten mit Fasten, Hausarrest oder gar mit der Entfernung vom Hofdienst rechnen.708 Ließ sich ein Page indes keine Vergehen zu Schulden kommen, hatte er gute Chancen, sowohl eine solide Allgemeinbildung als auch jene sozialen Kompetenzen zu erlangen, die ihn jederzeit für den Hofdienst und für den Staats- oder Militärdienst qualifizierten. Die Unterhaltung des Pageninstitutes ließ sich der Hof pro Jahr etwa 4500 Taler kosten.709 Damit wurden knapp 10 % des gesamten Hofetats nur für die Pagen ausgegeben. Dieser hohe Aufwand erklärt sich nicht allein mit den Gehältern der Lehrer, sondern in erster Linie mit der Vollversorgung der Pagen. Der Hof übernahm für die noch minderjährigen Adeligen eine Art Vormundsposition. Wie bei den weiblichen Hofbediensteten gedachte der Hof offensichtlich auch hier etwaigen Kollisionen der Gehorsamspflichten aus dem Weg zu gehen und erwartete von den Eltern, dass sie ihre Söhne

705 706 707 708 709

Vgl. ThHStAW B 25951, Bl. 216–217. Zu der ausführlichen Pro-Contra-Argumentation vgl. ThHStAW B 25951, Bl. 216r– 227v. ThHStAW B 25951, Bl. 222r–v (beide Zitate). Vgl. ThHStAW B 25951, Bl. 252f. Vgl. grundsätzlich ThHStAW A 9483. Detailliert ausgerechnet für das Jahr 1808 vgl. z. B. ThHStAW HMA 549.

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5. Repräsentationspolitik qua Personal. Der verpflichtete Adel des Hofes

vollkommen in die Obhut und Entscheidungsgewalt des Herzogs übergaben. Die Pagen mussten deshalb von zu Hause aus- und ins Residenzschloss einziehen. Da die Wilhelmsburg als das eigentliche Weimarer Residenzschloss 1774 abgebrannt war und im Fürstenhaus, das Carl August mit seiner Familie interimsweise bewohnte, nicht genügend Platz zur Verfügung stand, wohnten die Pagen mit ihrem Meister seit 1776 im gegenüberliegenden gelben Schloss. Dort verfügten sie in der obersten Galerie über vier Stuben und zwei Kammern.710 Das Haus teilten sie sich mit der obersten Weimarer Finanzbehörde, die darüber nicht besonders glücklich war. Aus Angst vor dem Verlust der wichtigen Kammerakten beklagte sie sich, durch die Pagen „mehrer FeuersGefahr ausgesetzet worden [zu sein], welche auch bey aller Aufsicht von so jungen und sorglosen Personen leichtlich veranlaßet werden kann“.711 Das Pageninstitut war jedoch für den Hof essentiell und musste in dessen Nähe sein. Es genoss deshalb höhere Priorität als die Bedenken der Kammer und wurde nicht verlegt. Mit ihrem Einzug in das Pageninstitut stellten sich die Edelknaben dem Herzog ganztägig zur Verfügung. Im Gegenzug gewährte er ihnen Unterhalt. Sie bekamen Kleidung, Wäsche, Möbel, Verpflegung, Lehrmaterial, Kerzen, Öl für die Lampen, Kohlen und Holz.712 Darüber hinaus wurden die Pagen besoldet und bekamen ein „Taschengeld“ in Höhe von 30 Talern pro Jahr.713 Diese Umsorgung brach auch im Falle von Krankheiten nicht ab. Die Hofkasse übernahm die Kosten für Kuren und Medikamente und versagte selbst bei langwierigen Krankheiten oder gar im Falle des Todes nicht ihre Unterstützung.714 Beendete ein Page seine Ausbildung am Weimarer Hof, so wurde er in der Regel wehrhaft gemacht,715 d. h. mit einem feierlichen Akt aus der Lehre entlassen. Gewöhnlich wurde dabei eine Waffe als Zeichen überreicht, dass der Page nun „fähig [sei], sich zu vertheidigen“.716 Von diesem Moment an galten sie als Kavaliere. Carl August verzichtete auf das Überreichen der Waffe und ließ stattdessen 20 Taler für die Anschaffung eines silbernen Degens plus ein so genanntes Abfertigungsgeld in Höhe von 50 Talern, insgesamt in der Regel also 70 Taler auszahlen.717 Diese Summe wurde aus der Kammer an die Hofkasse und schließlich von deren Rechnungsführer an die Pagen ausgezahlt. Für die Jahre zwischen 1790 und 1810 lässt sich lückenlos nachweisen,

710 711 712 713 714 715 716 717

Vgl. ThHStAW HMA 543, ThHStAW B 25953. Vgl. ThHStAW HMA 543, Bl. 10v. Vgl. ThHStAW HMA 549, Bl. 5–7. Vgl. ebd. Vgl. ThHStAW B 25955; ThHStAW HMA 25, Bl. 22r. Vgl. ThHStAW HMA 544, Bl. 1–51. Vgl. Art. Wehrhaft, in: Krünitz, Bd. 235, S. 544. Vgl. ThHStAW HMA 544, Bl. 1–51; ThHStAW B 25951, Bl. 249v.

5.5 Die Weimarer Pagen

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dass alle Pagen ihre 70 Taler Abfertigungsgeld erhielten.718 Mit dem Abfertigungsgeld verließen die Pagen das Institut. Nur in Ausnahmefällen dauerte das Dienstverhältnis danach noch einige Zeit an. Durchschnittlich dienten die Pagen zwischen vier und sechs Jahren am Hof.719 Da es um 1800 aber noch keine Aufenthaltsbegrenzung gab, kam es vor, dass einige Pagen zum Teil bis zu ihrem 24. Lebensjahr im Institut verbleiben durften. Erst 1816 erließ Carl August den Befehl, die Dienstdauer eines Pagen auf das vollendete 17. Lebensjahr zu begrenzen. Hinter dieser Entscheidung verbargen sich zwei äußerst pragmatische Beweggründe: Zum einen sollte damit jenen Reibereien ein Ende gesetzt werden, die sich gelegentlich zwischen den älteren Pagenschülern und deren zum Teil fast gleichaltrigen Lehrern bzw. Aufsichtspersonen ereigneten.720 Und zum anderen sollte mit der Altershöchstgrenze auch anderen adeligen Familien die Chance eingeräumt werden, ihre Söhne im Pageninstitut unterbringen zu können.721 Es war das Ziel, mehr Platz für Nachwuchs zu schaffen. 5.5.3 Der Nutzen des Weimarer Pageninstituts Der offenkundigste Nutzen der Pagen für Carl August bestand im Hofdienst. Beim Tafeln, bei Jagden oder bei großen Festveranstaltungen hatte der Herzog – ebenso wie der Rest der fürstlichen Familie – die Möglichkeit, sich von den jungen Adeligen bedienen zu lassen. Diese eigentlich recht einfachen Dienste gewannen durch die adelige Herkunft der Pagen einen höheren repräsentativen Charakter, als wenn diese von einem nichtadeligen Diener ausgeführt wurden. Carl August sicherte sich mit den Pagen nicht schlechthin seine Bedienung, sondern seine standesgemäße Bedienung entsprechend dem zeremoniellen Grundsatz der gebührenden Anständigkeit.722 Zudem setzte er seine Pagen ein, um seinen fürstlichen Gästen im Rahmen der Staatsbedienung eine reduzierte, aber dennoch sozial distinguierte 718 719

720 721 722

In den Akten fehlt der Hinweis auf die Wehrhaftmachung von: Charles Francois Brissart (Page von 1797–1798), Friedrich Christian Ludwig von Oertel (Page von 1806 –1811). Diese Angabe basiert auf der jeweiligen Aufenthaltsdauer aller Pagen, die zwischen 1790 und 1810 am Weimarer Hof dienten. Die jeweilige Anstellungsdauer wurde mit Hilfe der Staatskalender und den Pagenlisten aus den Akten des Thüringer Hauptstaatsarchivs ermittelt. Vgl. die Weimarer Staatskalender von 1790 bis 1810; ThHStAW B 25951, Bl. 200ff., ThHStAW HMA 544. Vgl. ThHStAW B 25951, Bl. 249r. Vgl. ebd., Bl. 251r. Der Freiherr von Fritsch kommt 1826 zu dem Ergebnis, dass „es bis jetzt möglich gewesen, in Weimar ein wiewohl nicht prunkvolles, doch höchst anständiges und wenn es galt, glänzendes Hofwesen zu unterhalten nach dem Typen alter fürstlicher Sitte und altem fürstlichen Brauchs. Dazu gehörten auch Pagen.“ Unterstreichung und Punktuation sind originalgetreu. ThHStA W B 25951, Bl. 224f.

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5. Repräsentationspolitik qua Personal. Der verpflichtete Adel des Hofes

Aufwartung zukommen zu lassen. Dies war immer dann der Fall, wenn hohe Besucher auf eine Kavaliersaufwartung verzichteten. Als zum Beispiel die ältere Schwester der Weimarer Herzogin, Amalie von Baden, mit ihrem Gatten und ihren beiden Töchtern im August 1797 am Hof weilte, lehnte sie für sich und ihre Familie die Aufwartung durch Hofkavaliere ab.723 Diese Ablehnung beinhaltete jedoch nicht den gnerellen Verzicht auf die Adelsbedienung, sondern befreite den Gastgeber lediglich von der Verpflichtung, allen anwesenden Herrschaften eine konkrete Zahl an Kammerherren oder Junkern zur Verfügung zu stellen, die deren Rang widerspiegelten. Die Gäste wurden stattdessen ohne Unterschied von Pagen bedient. Sowohl der Durlacher Erbprinz als auch die Erbprinzessin und die beiden Prinzessinnentöchter bekamen jeweils einen Pagen. Sie verzichteten dadurch zwar auf die Darstellung ihres Ranges in Abgrenzung zueinander, aber nicht auf die Abgrenzung zu Nichtfürstlichen. Ihre standesgemäße Repräsentation blieb durch den Adelsstand der dienenden Pagen gewahrt. Carl August wusste um diesen Spielraum im Rahmen der Staatsbedienung und hielt seine Pagenbedienung bei hohen Besuchen stets verfügbar. Der Herzog profitierte aber nicht nur von dem Hofdienst, sondern auch von der Ausbildung, die er den Pagen zukommen ließ. Der Geheimrat von Fritsch strich dies in den späteren Debatten über den Fortbestand des Pageninstitutes pointiert heraus, als er die Bildungsfunktion als Argument gegen eine Auflösung benannte. Das Institut sei zwar gewiss „keine Gelehrtenanstalt“, da nur Grundkenntnisse vermittelt, aber keine Spezialisierungen angeboten würden. Indes biete es mit seinem auf das Hofleben abgestimmten Wissenskanon eine einzigartige Ausbildung, deren Abschaffung „eine Lücke (. . . ) in der Reihe der Bildungsanstalten“ reißen würde.724 Carl August bediente mit seiner Pagenanstalt eine Bildungsnische, die keine andere Institution als der Hof besetzen konnte. Freilich gab es nur einen Ort, wo diese einmaligen Fähigkeiten wirklich gebraucht wurden: am Hof. Ohne Pagen konnte Carl August keine nachhaltige Personalpolitik betreiben. Der Hof brauchte für den Hofdienst immer wieder Nachwuchs an jungen Adeligen. Wollte Carl August nicht vollends auf andere Bildungseinrichtungen angewiesen sein, brauchte er das Pageninstitut, um sich die zukünftigen Angestellten für seinen Hof nach seinen Ansprüchen selbst ausbilden und sichern zu können. Eine in den 1820er Jahren vom Hofmarschallamt selbst erstellte geschichtliche Überblicksdarstellung rühmt, dass die Pagen des Weimarer Hofes nach ihrer Ausbildung „entweder sogleich Anstellungen im Militär [erhielten] oder (. . . ) nach ihrem Austritt höchste Geldunterstützungen bewilligt [bekamen], um die Jägerei zu erlernen, [oder] die Universität zu beziehen.“725 Tatsächlich konnte der Hof auf eine erfolgreiche Statistik blicken: Nachweislich fanden 28 723 724 725

Vgl. ThHStAW HMA 4546, Bl. 88v. ThHStAW B 25951, Bl. 222v. ThHStAW B 25951, Bl. 249v.

5.5 Die Weimarer Pagen

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der 36 Pagen sofort nach ihrer Pagenzeit am Weimarer Hof eine Anstellung.726 Insgesamt 15 zog der Herzog davon in seine eigenen Dienste,727 zwölf wechselten zu einem anderen Fürsten.728 Carl August selbst genoss eine Art Vorrecht auf die Jungen. Da er die Ausbildungskosten der Pagen getragen hatte, erwartete er grundsätzlich, dass die Pagen ihm auch als Kavaliere aus Dankbarkeit weiterhin dienten.729 Allerdings konnte und wollte er nicht alle in seine Dienste übernehmen. Die hausinterne Ausbildung verschaffte ihm dabei den Vorzug, die Pagen von den Pagenhofmeistern und Lehrern nach ihrem Können, ihren Fähigkeiten und Fortschritten beurteilen zu lassen. Es war somit möglich, den Nachwuchs je nach den personellen Bedürfnissen des Hofes als ,förderungswürdig‘ oder ,nicht förderungswürdig‘ zu sortieren. Erwies sich ein Page als vielversprechend, bewilligte und bezahlte Carl August selbst die weitere universitäre oder militärische Ausbildung.730 Ausnahmslos alle Pagen, die er weiterhin beschäftigte und zu Junkern ernannte, ließ er eine zweigleisige Laufbahn einschlagen. Neben dem Hofdienst übernahmen sie Funktionen im Militär, in der Jägerei und in der Kammer.731

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Vgl. ebd., Bl. 202ff. Das entsprach der Erwartung des Krünitz-Lexikons, das davon ausgeht, dass Pagen „als Officiere bey der Armee angestellt (. . . ), oder auch [in] Hofdienste“ treten würden Vgl. Art. Page, in: Krünitz, Bd. 106, S. 152–153. Dazu gehörten Carl Adolph Friedrich von Altrock, Carl August von Arnswald, Friedrich August von Boyneburg, Wilhelm Carl Traugott Boyneburg, Friedrich Ernst von Germar, Ludwig von Herda zu Brandenburg, Friedrich Constantin von Hönning, Emil Carl August Heinrich von Hönning, Carl Albert von Lincker, Friedrich Christian Ludwig von Oertel, Friedrich Carl von Schauroth, Wilhelm von Schierbrandt, Herrmann von Staff (gen. von Reitzenstein) und Gustav von Tympling. Adolph Maximilian von Rotberg bekam einen Titel. Vgl. die Weimarer Staatskalender von 1790 bis 1815; ThHStAW B 25951, Bl. 202ff. Wilhelm Gottfried von Beust ging in hessische Kriegsdienste, Friedrich von Boyneburg war ab 1803 in englischen Kriegsdiensten verpflichtet, Charles Francois Brissart de Laconcy ging 1795 in hannoverische Kriegsdienste, Johann Friedrich von Dalwiz (Dalwig), Carl Ernst von Imhoff und Heinrich Friedrich Carl von Bocksberg (Boxberg) wechselten in kaiserliche Dienste, Rinaldo von Staff, Ludwig von Stein, Carl Joseph Valentin von Sulkowsky (Sulikowski), Friedrich Wilhelm von Schlegel sowie Adolph Christian Wilhelm von Tümpling bevorzugten den preußischen Kriegsdienst und Carl Friedrich Ferdinand von Witzleben die sächsische Artillerie. Carl Friedrich Wilhelm von Volkamer sollte sich gemäß seiner Familie in der „Zivilbedienung“ qualifizieren. Vgl. ebd. Das Anrecht wird aus der Argumentation des Herzogs deutlich, als er sich für den Abschied des Kammerjunkers von Stein aussprach. Dieser könne ruhig weggehen, weil er dem Weimarer Hof keine Ausbildungskosten verursacht habe. Vgl. C. A. v. S-W-E an J. W. v. Goethe, 23. August 1797, in: BW Vogel 1, S. 218–221. Dies war der Fall bei Christian Ludwig von Oertel, Wilhelm Carl Traugott von Boyneburg und Ludwig Herda zu Brandenburg. Alle drei kehrten danach in Weimarer Dienste zurück. Dazu ausführlich vgl. den Abschnitt zu den Weimarer Junkern. Von den 15 Pagen wechselten neun ins Militär, zwei ins Militär und in die Jägerei, einer nur in die Jägerei, und drei gingen zunächst zum Studieren nach Jena, um danach in herzogliche Dienste zu treten.

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5. Repräsentationspolitik qua Personal. Der verpflichtete Adel des Hofes

Carl August erhoffte sich vom Pageninstitut aber sicherlich nicht nur geeigneten Nachwuchs, sondern verband damit auch eine gezielte Klientelpolitik. Das Argument aus den Bittschreiben der Eltern, treue Fürstendiener formen zu können, entsprach durchaus auch seiner Erwartung. Zwar sei es nur ein „Nebenzweck, aus den adelichen Familien des Großherzogthums dem Fürstenhauße besonders und von Jugend auf verpflichtet und somit recht treu ergebene Diener (. . . ) zu gewinnen“.732 Allerdings stufte der Geheimrat von Fritsch diesen vermeintlich bloßen Nebenzweck im Rückblick sehr hoch ein. Der Adel wisse um den finanziellen Aufwand, den eine standesgemäße Ausbildung mit sich bringe, und werde sich deshalb ebenso dankbar wie des Dankes schuldig zeigen.733 Carl August konnte somit als Wohltäter auftreten, der den Adelssöhnen großzügig eine besondere Ausbildung ermöglichte. Mit diesem Wohltätigkeitsstatus gelang es dem Herzog ganze Familien an sich und seinen Hof zu binden und sich damit jenes Kapital zu sichern, das in sozialen Kontakten bzw. Netzwerken steckte. Zudem passte das Bild des wohltätigen Herzogs, der verarmten Söhnen die Ausbildung ermöglichte, perfekt in die repräsentative Selbstdarstellung des sorgenden Landesvaters. Die Pagenanstalt barg für den Herzog aber auch gewisse Risiken und Nachteile. So beklagte das Hofmarschallamt oftmals „die wenige Ausbildung, mit der die Pagen-Expectanten in das Institut gelangten.“734 Manchen Pagen fehlten jegliche Vorbildung und „Elementar-Kenntnisse.“ Zudem zeigten sich einige Schüler in ihrem Können, ihren Fähigkeiten und ihrer Intelligenz durchaus beschränkt. Schließlich ging mit der adeligen Herkunft nicht zwangsläufig überdurchschnittliche Begabung einher. Offensichtlich war es aber nicht üblich, jene Pagen deshalb aus dem Hofdienst zu entlassen. Die Tradition stand hier noch deutlich über dem modernen Leistungsgedanken und verhinderte ein radikal-rigoroses Kosten-Nutzen-Denken. Es mussten folglich auch den leistungsschwachen Pagen der Unterhalt, der Unterricht, das Lehrgeld, die Abfertigungskosten und Ähnliches mehr bezahlt werden. Das Hofmarschallamt, dem das Pageninstitut unterstellt war, bat Carl August deshalb immer dringlicher um die Erlaubnis, „gewisse(r) Wortkenntnisse, als Bedingung der Aufnahme, durch öffentliche Prüfung in der Anstalt“ einfordern zu dürfen.735 Inwieweit der Herzog dem zustimmte, ist 732 733

734 735

ThHStAW B 25951, Bl. 221v–222. Fritsch führt dies als Argument gegen die Umwandlung der Pagenanstalt in einen bloßen Stipendienverein an: “Und dann – zwar keine Regel ohne Ausnahme, aber ein bedeutender Unterschied ist es doch wohl, ob der junge Mann in der Entfernung eine Wohlthat bloß in Gelde bezieht, kaum bekannt mit der Quelle, oder ob er Jahre lang unter den Augen seiner Wohlthäter lebt und auf diese, auf manchen von ihnen empfangenen freundlichen Blick, auf ihre Person, als den Gegenstand der Aufmerksamkeit, der Treue, der Verehrung, bey jeder Erinnerung an eine schöne Jugendzeit zurückgeführt wird?“. Vgl. ebd., Bl. 223–224. ThHStAW B 25951, Bl. 252r. Ebd., Bl. 223r.

5.5 Die Weimarer Pagen

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nicht überliefert. Mit Blick auf die Vorteile, die der Herzog aus der Unterhaltung des Pageninstitutes zog, wäre eine festgesetzte Prüfung jedoch nicht sonderlich nützlich gewesen, musste und wollte sich der Herzog doch auch hin und wieder des Wohlwollens adeliger Untertanen versichern, die nicht unbedingt der Bildungsspitze angehörten. 5.5.4 Zusammenfassung Die Pagen am Weimarer Hof sind ein weiteres Beispiel für Carl Augusts Wertschätzung des Zeremoniells. Er wusste um die ideale Zwitterposition der Pagen als adelige, aber noch nicht vollwertige Kavaliere und sicherte sich mit ihren Diensten seine standesgemäße Abgrenzung im Alltag. Trotz des hohen finanziellen Aufwands, den das Pageninstitut erforderte, wurde es daher nicht abgeschafft, als 1826 über seine Auflösung diskutiert wurde. Carl August schätzte die vielen Vorzüge, die der Einsatz und die Ausbildung von jungen Adelssöhnen mit sich brachten. Neben der Absicherung der standesgemäßen Leib- und Staatsbedienung konnte er sich selbst den Nachwuchs für seinen Hofstaat ausbilden, akquirieren und aussortieren, sich den Adel im Zuge dessen gewogen halten und seinem Persönlichkeitsbild als wohltätiger Landesvater gerecht werden. Im Gegenzug nahm er in Kauf, dass er den Pagen eine Vollversorgung zukommen lassen musste und ihnen nicht nur ein Lehrerkollegium zur Ausbildung, sondern alle zum Leben notwendigen Dinge zur Verfügung zu stellen hatte. Die Art und Weise, wie Pagen in den Hof eingebunden waren, ähnelte deshalb auch weniger der anderer männlicher Adelschargen als vielmehr der der Hofdamen. Wie die verpflichteten Damen des Hofes, wohnten die Pagen unter der Obhut des Herzogs, waren ganztägig verfügbar und wurden vom Hof ausgehalten. Die Kammerherren und Junker hatten in der Regel dagegen ein festes Gehalt, ihr eigenes Domizil und mussten nicht ständig am Hof präsent sein. Möglicherweise gab es aufgrund dieser Unterschiede sowohl bei den Pagen als auch bei den Hofdamen keine Titularvariante. Eine Dame wurde nur dann als Hofdame bezeichnet, wenn sie wirklich am Hof verpflichtet war. Ähnlich verhielt es sich mit den Pagen: Ein junger Adeliger galt nur dann als Page, wenn er wirklich als ein solcher am Weimarer Hofe diente.

Resümee: Der Weimarer Hof um 1800 als repräsentativer Personenverband „Der Herzog hatte keinen Widerwillen gegen jede Art von Hof u. er hat nie daran gedacht die Hofleute abzuschaffen. Das Aussehen des weimarischen Hofes hat sich in den ersten Jahren von Goethes Aufenthalt in Weimar, welche man als Genieperiode des Herzogs u. des Hofes bezeichnet, gar nicht verändert. Später im Laufe der Jahre hat der weimarische Hof manche Veränderungen erfahren, aber Veränderungen, welche dem Herzog Karl August zum größten Ruhm gereichen.“1

Diese Einschätzung aus unbekannter Hand stammt aus einer handschriftlichen Abhandlung über den Weimarer Hof zu Goethes und Carl Augusts Zeiten und ist bereits in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstanden. Sie wendet sich gegen die vielzitierten Schmähungen des Weimarer Kammerherrn Carl Siegmund Friedrich Freiherr von Seckendorff, der seinerzeit dem Weimarer Herzog in harten Worten unterstellte, er halte Hofleute für „ebenso unbequeme, als unnütze und kostspielige Wesen“2 und behandle sie aus einem starken „Widerwille[n] gegen jede Art von Hof “ wie eine „Art Möbels (. . . ), die man am besten aus dem Wege schafft“.3 Der unbekannte Autor widerspricht dieser Charakterisierung klar und deutlich und bescheinigt Carl August stattdessen eine zunächst konventionelle Einrichtung des Hofes, die später derart erfolgreich umgestaltet wurde, dass sie dem Herzog höchste Anerkennung − hier ist möglicherweise die Erhebung zum Großherzogtum gemeint − einbrachte. Dieses Urteil wird im Fortgang des Textes detailliert begründet. Bemerkenswert sind dabei die zahlreich angeführten Zitate, die zeigen, dass die knapp 100 Blatt umfassende Abhandlung auf intensiven Quellenstudien basiert.4 Dennoch wurden weder das Manuskript gedruckt, noch dessen Urteil über Hof und Herzog von der Forschung ernst genommen. Zu kontradiktorisch war offensichtlich die darin vertretene Überzeugung, dass der als rebellisch geltende junge Weimarer Herzog seinen Hof konventionell nach den Sitten und Gebräuchen seiner Vorfahren gestaltet haben soll. Das passte weder zur Idee der Genieperiode, in der sich alle Protagonisten − selbst der Herzog − gegen Traditionen und Autoritäten wandten, noch in das bis dahin von Wachsmuth und Vehse entworfene Bild des Musenhofes. Beides war 1 2

3 4

ThHStAW F 393, Bl. 50v. C. S. F. v. Seckendorff an C. A. v. Seckendorff, Weimar, 1. Juni 1776, in: Curt Graf von Seckendorff: Karl Siegmund Freihherr von Seckendorff am Weimar’schen Hofe in den Jahren 1776−1785. Nach zum Theil ungedrucken Briefen. Leipzig 1885, S. 17−20, Zitat S. 19. ThHStAW F 393, Bl. 49v−50r. Es wurden die Akten des Hofmarschallamtes, die Weimarer Fourierbücher sowie etliche Briefwechsel von Carl Augusts Zeitgenossen konsultiert. Zu dieser Einschätzung gelangt auch Kreutzmann: Zwischen ständischer und bürgerlicher Lebenswelt, S. 246, Anm. 241.

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Resümee: Der Weimarer Hof um 1800 als repräsentativer Personenverband

grundlegend, um das Phänomen der Weimarer bzw. der Deutschen Klassik erklären zu können. Carl August und seine Mutter mussten sich hinsichtlich ihrer Hofgestaltung von anderen deutschen Regenten in bedeutender Weise unterschieden haben. Ansonsten ließ sich nicht begreiflich machen, warum gerade „der weimarische Hof Lieblingstätte der deutschen Musen“5 wurde und weshalb Geistesgrößen wie Goethe, Wieland, Schiller und Herder ihre Schaffenskraft gerade in Weimar so wirkmächtig entfalten konnten. Diese Fragen müssen nun jedoch erneut gestellt werden. Denn das lang gepflegte Bild des kleinen Weimarer Musenhofes, der aufgrund der Abneigung des Herzogs gegen alles Höfische ohne Rücksicht auf Stand, Rang und Zeremoniell gestaltet gewesen sein soll, stimmt nicht mit dem Bild überein, das die amtlichen Quellen vom Weimarer Hof um 1800 weitgehend kohärent zeichnen. Carl August schaffte weder den Hof ab noch defunktionalisierte er ihn. Er nutzte ihn stattdessen überaus weitsichtig als Zeichen seines hohen Ranges und stellte mit ihm sein politisches Selbstbewusstsein deutlich zur Schau. Um seinem Hof diese Wirkmacht verleihen zu können, orientierte er seine höfische Personalpolitik am Zeremoniell. Etliche Forschungsurteile gilt es daher grundlegend zu revidieren. Bereits die beachtliche Größe widerspricht der bisherigen Vorstellung, Carl Augusts Hof sei klein und unscheinbar gewesen. Die Staatskalender zeigen, dass der Weimarer Hof um 1800 ein besonders umfangreicher Personenverband war, der damit deutlich aus der fürstlichen Hoflandschaft des Alten Reiches herausragte. Zwar konnte er sich mit den wesentlich größeren Höfen der Kurfürsten nicht messen. Aus fürstlicher Perspektive gehörte er jedoch unübersehbar zu den größten. Die Kategorisierung des Weimarer Hofes als kleinen Fürstenhof kann deshalb jenen Hyperbeln zugerechnet werden, mit denen schon Goethe und seine Zeitgenossen versuchten, Weimar antagonistisch zu stilisieren. Immerhin wirkt eine große Schaffenskraft umso größer, wenn sie aus etwas Kleinem hervorgeht. Die Prinzipien des Zeremoniells machen deutlich, weshalb der Weimarer Herzog es sich nicht nehmen ließ, einen umfangreichen Hof zu unterhalten. Im 18. Jahrhundert wurde von der Hofgröße auf den Stand und Rang des Regenten geschlossen. Ein großer Hof symbolisierte einen hohen Rang − und den besaß das Weimarer Fürstenhaus. Carl August nahm auf der weltlichen Fürstenbank des Reichstags einen der obersten Plätze, ab 1799 sogar den ersten Platz unter den weltlichen Fürsten ein. Da die Sitz- und Stimmordnung des Reichstages traditionell als versinnbildlichte Hierarchie des Heiligen Römischen Reichs deutscher Nation galt, stand Carl August um 1800 in der sozialen Ordnung an der Spitze der weltlichen Fürsten und genoss aufgrund dessen ein hohes Ansehen. Die beachtliche Größe des Weimarer Hofes spiegelte dies wider. Wären Carl August Stand, Rang und Zeremoniell gleichgültig gewesen, 5

Wachsmuth: Weimars Musenhof, S. 15.

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hätte er einen wesentlich kleineren Hof unterhalten können. Er verzichtete jedoch nicht auf diese Art der Selbstdarstellung, sondern richtete sich einen großen Hof ein, um damit zeremoniellkonform seinen hohen Rang zu symbolisieren. Mit dem Ende des Alten Reiches und dem Eintritt in den Rheinbund musste Carl August seine Strategie allerdings ändern. Napoleon etablierte eine neue, auf seiner Willkür basierende Rangordnung und degradierte im Zuge dessen Carl August. Durch die Verleihung königlicher Würden ordnete er ihm andere deutsche Fürsten über, die zuvor im Ranggefüge des Alten Reiches hinter Weimar platziert gewesen waren. Carl August war nicht gewillt, diese Herabsetzung hinzunehmen, und brachte dies mit Hilfe des zeremoniellen Zeichensystems zum Ausdruck. Hatte er seinen Hof im Alten Reich noch ranggemäß gestaltet, instrumentalisierte er ihn nun, um seinen Anspruch auf die Erhebung zum Großherzogtum zu postulieren. Innerhalb kürzester Zeit erhöhte er merklich sein Hofpersonal und zielte damit auf eine prestigeträchtige Außenwirkung, die einem königlichen Würdenträger gleichkam. Obwohl der Weimarer Hof mit dieser Strategie quantitativ nicht an die größten Höfe Europas heranreichte, stellte er mit seinem schnellen Wachstum doch deutlich die politischen Ambitionen des Weimarer Fürsten zur Schau. Carl August hatte demnach erkannt, dass der Hof ohne das Alte Reich und dessen Reichstag das einzige, permanente und situationsunabhängige Symbol war, mit dem er seinen Selbstwert nachhaltig demonstrieren konnte. Nach dem 1806 erfolgten Bruch im politischen Gefüge Europas veränderte er deshalb das Ziel seiner zeremoniellen Repräsentation qua Hof. Mit der Korrelation von Rang und Hofgröße ließe sich nun behaupten, Carl August habe eine zeremonielle Hofführung bevorzugt. Der Blick hinter die Zahlen macht jedoch deutlich, dass sich Carl August zwar des Zeremoniells bediente und seine höfische Personalpolitik an dessen Vorgaben orientierte, sich davon jedoch nicht dominieren ließ. Er setzte nicht einfach stur die Sitten und Gebräuche seiner Vorfahren um, sondern fand seinen eigenen Weg zwischen Aufklärung und Tradition. Besonders deutlich wird dies zum einen an dem zweistufigen Personalmanagement für den Thronfolger und zum anderen an dem Entschluss, jahrelang einen Hof ohne Hofmarschall zu unterhalten. In beidem spiegelt sich jener Wertehorizont wider, der die herzogliche Personalpolitik und somit den Weimarer Hof um 1800 prägte. Carl August praktizierte für seinen Thronfolger einen befristeten Zeremoniellbruch, der sowohl hofintern als auch im zwischenhöfischen Vergleich hervorstach. Als es an der Zeit war, den Erbprinzen seiner frühkindlichen weiblichen Obhut zu entziehen und einer männlichen Erziehung zuzuführen, entschied sich der Herzog gegen einen adeligen Oberhofmeister, um Carl Friedrichs Ausbildung stattdessen einem bürgerlichen Gelehrten − Cornelius Johann Riedel − anzuvertrauen. Er schnitt seinen Sohn mit dieser Wahl von der Tradition seiner Familie ab und ließ ihn aus den Bindungen der traditional-ständischen Gesellschaft heraustreten. Ein nicht adeliger Hofmeister

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erfüllte nicht die Anforderungen des Zeremoniells, da er mit seiner bürgerlichen Geburt den Stand und Rang seines Schützlings nicht angemessen repräsentieren konnte. Carl Friedrich verlor dadurch in seiner Außenwirkung den Status als Thronfolger und erhielt den Freiraum, sich als Individuum abseits seiner geburtsständischen Pflichten entfalten und zunächst über die eigene (Bildungs-)Leistung definieren zu können. Carl August ordnete damit die zeremoniellen Traditionen unmissverständlich dem aufgeklärten Bildungsideal unter, allerdings hielt er diese Konstellation nur zeitlich begrenzt aufrecht. Denn als Carl Friedrich dem Erwachsenenleben entgegenschritt, wechselte der Herzog seine Strategie grundlegend und zog seinen Sohn wieder Stück für Stück in die Bahnen seiner ständischen Zugehörigkeit zurück: Der Erbprinz brauchte sonntags nicht mehr an seiner kleinen Kindertafel zu speisen, sondern durfte an der fürstlichen Tafel präsent sein und zuvor bei der Cour die Aufwartung des Adels entgegennehmen. Im Alltag bekam er eine eigene Pagenbedienung zugewiesen, und der bürgerliche Erzieher wurde gegen einen adligen Oberhofmeister ausgetauscht. Statt der individuellen Bildung genoss nun seine Repräsentation als zukünftiges Haupt der ständisch organisierten Gesellschaft des Herzogtums oberste Priorität. Das Zeremoniell wurde als Garant sozialer Distinktion dadurch wieder entscheidungsrelevant und der adelige Stand für das hohe Personal zum obligatorischen Kriterium. Bemerkenswerterweise wandte Carl August diese zweistufige Personalpolitik jedoch nur bei seinem Thronfolger an. Seine beiden nachgeborenen Kinder, Caroline Louise und Carl Bernhard, versorgte er zeremoniellgerecht mit adligen Führungspersonen, obwohl er auch diese bildungsorientiert auswählte und dafür Abstriche bei der Adelsqualität machte. Carl August kehrte den Normen und Werten seines hochadeligen Standes also nicht prinzipiell den Rücken, sondern öffnete das klassische Hofzeremoniell zugunsten der Aufklärung zeitweise für den künftigen Weimarer Regenten. Im markanten Gegensatz dazu wählte ein Großteil jener Regenten, die im Rang hinter Weimar platziert waren, um 1800 noch den traditionellen Weg. Carl August hob sich daher mit seinem befristeten Zeremoniellbruch vom Gros der deutschen Fürsten ab und demonstrierte eine bemerkenswerte Kombination aufgeklärter und traditioneller Werte. Ähnlich eigenwillig ging der Weimarer Herzog bei der Besetzung seiner höchsten höfischen Führungsämter, insbesondere bei der des Hofmarschalls vor. Einerseits orientierte er seine Auswahl an zeremoniellen Kriterien, machte den Adel für alle Oberchargen zur Voraussetzung, achtete bei den Stallmeistern sogar auf die altadlige Geburt und schloss Neuadlige grundsätzlich von seinen hohen Hofämtern aus. Andererseits verzichtete er aber mehr als zwölf Jahre lang auf eine normkonforme Hofspitze. Statt die Charge des Hofmarschalls nach dem schmählichen Abgang des Freiherrn von Klinckowström zeitnah neu zu besetzen, arrangierte sich Carl August mit der Behelfskonstruktion des marschallierenden Kammerherrn und wartete ein ganzes Jahrzehnt, bis er einen Nachfolger etablierte. Zwar war es an gro-

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ßen wie kleinen deutschen Höfen durchaus üblich, Oberchargen über Jahre unbesetzt zu belassen, so dass die Vakanz per se nicht als Verzicht auf standesgemäße höfische Strukturen gewertet werden kann. Allerdings unterschritten die anderen Höfe nie das Minimum von mindestens einer Obercharge. Carl August sah sich dagegen selbst durch den Tod seines Oberkammerherrn von Werthern im Jahre 1800 nicht dazu veranlasst, seinem dadurch nun erstmals gänzlich auf Stellvertreter angewiesenen Hof eine reguläre Führungsspitze zu verschaffen. Stattdessen wartete er ganze zwei weitere Jahre, bevor er den Freiherrn von Egloffstein 1802 zum Hofmarschall ernannte. Die zwischenzeitliche Weimarer Stellvertreterkonstellation scheint einzigartig gewesen zu sein. Grundsätzlich zeigte sich Carl August bestrebt, seine Hofspitze zeremoniellgerecht zu besetzen. Allerdings war er nicht bereit, dafür seinen eigenen Wertekanon aufzugeben. In seinen Führungsämtern bevorzugte er ausschließlich Adlige, die ihm bereits etliche Jahre gedient und dabei ihre individuelle Leistungsfähigkeit, Ehrbarkeit und Loyalität bewiesen hatten. Als der Hofmarschallposten Anfang der 1790er Jahre frei wurde, stellte ihn dies vor ein unlösbares Nachwuchsproblem. Keiner seiner verpflichteten Hofadligen erfüllte vollends seine Ansprüche. Carl August erwog deshalb sogar, einen weltgewandten, leistungsstarken Fremden nach Weimar zu ziehen und einzugewöhnen, was letztlich zur Verpflichtung von Wilhelm von Wolzogen führte. Wolzogens Qualitäten sollten sich jedoch nach kurzer Zeit auf etlichen anderen Ebenen als unersetzlich erweisen, so dass er nicht in erster Linie im Hofdienst, sondern im Staatsdienst und in der Außenpolitik eingesetzt wurde. Carl August verließ sich deshalb im Hof weiterhin auf Hofmarschallsstellvertreter Lebrecht von Luck, ernannte ihn aber zunächst aus Misstrauen und später wegen dessen angegriffener Gesundheit nicht zum Hofmarschall. Da eine Entlassung oder das Übergehen von Lucks einer unangemessenen Bestrafung gleichgekommen wäre, wartete Carl August geduldig auf eine günstige Gelegenheit, die eine Pensionierung rechtfertigen und damit die Rückkehr zur normkonformen Hofführung eröffnen würde. 1802 bot sich diese Chance mit dem anstehenden Umzug in das neue Schloss. Hinter der ungewöhnlichen Besetzungspolitik der Hofspitze stand also das Dilemma des Herzogs, nach einer nicht selbst verschuldeten Personalkrise zwischen den eigenen Norm- und Wertvorstellungen einerseits und dem Zeremoniell andererseits abwägen zu müssen. Carl August entschied sich letztlich erneut zeitlich begrenzt gegen das Zeremoniell, um es später wieder uneingeschränkt zur Anwendung zu bringen und die Hofspitze mit seiner idealen Kombination aus prestigeträchtigen altem Adel, Leistung und langjähriger Vertrautheit in Gestalt von Wolfgang von Egloffstein zu besetzen. In den übrigen Bereichen der höfischen Personalpolitik besticht Carl August dagegen mit seinem Wissen um die Spielräume des Zeremoniells und seiner zielgerichteten Instrumentalisierung des zeremoniellen Zeichensystems für seine politischen Ambitionen. Die These, der Weimarer Herzog habe kein

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Interesse an seinem Hof gehabt, kann deshalb revidiert werden. Bereits zu Beginn seiner Regentschaft stellte Carl August mit verschiedenen Maßnahmen klar, dass er um die Bedeutung seines Hofes wusste und nicht willens war, auf eine ranggemäße höfische Selbstdarstellung zu verzichten. Ein Beispiel dafür ist die Einführung der Kammerherrencharge. Kammerherren waren ein notwendiges Zeichen, um sich von niederrangigeren Fürsten abzugrenzen und ein Stück näher an die großen Höfe der Kurfürsten heranzurücken. Hätte Carl August diese hohe Charge, deren Fehlen in Weimar auf die vormundschaftlichen Regierungen vor seinem Regentschaftsantritt zurückzuführen war, an seinem Hof nicht etabliert, wäre sein Ansehen auf das Niveau seiner thüringischen Nachbarn in Rudolstadt oder Meiningen gesunken. Eine ähnliche Signalwirkung − allerdings weniger nach außen als vielmehr nach innen − verband sich mit der Ordnung des Hofdienstes. Der Herzog knüpfte an die bestehende Weimarer Tradition an und ließ seine gesamte Livreedienerschaft umgehend nach seinem Regierungsantritt an eine schriftlich fixierte Ordnung binden. Allerdings verzichtete er darauf, durchweg alle Bereiche des Hofes gleichförmig mit Einzelordnungen zu normieren und behielt sich vor allem bei seinem hohen Adelspersonal Handlungsspielräume durch individuelle Verpflichtungen und Arbeitsanweisungen vor. Das Zeremoniell selbst bot diese Freiheit, da es zwar nach einer Ordnung des Hofes verlangte, aber offen ließ, was genau darunter zu verstehen sei. Carl August sorgte deshalb für die Normierung seines Hofes nur insoweit es seinen eigenen Erwartungen entsprach: Der Hof sollte als hierarchisches System reibungslos funktionieren. Um Verfehlungen seiner niederen Hofbediensteten entgegenwirken oder − besser − vorbeugen zu können, involvierte er sie beim Erstellen der Ordnungen und räumte ihnen damit eine reelle Chance ein, ihre Lebenswelt mit den Reglements soweit wie möglich in Einklang zu bringen. Zudem ließ er die Ordnungen regelmäßig überarbeiten und aktualisieren. Kam es dennoch zu Verstößen, befürwortete der Herzog harte Strafmaßnahmen und körperliche Züchtigungen, um die Ordnung wieder herzustellen. Trotz des Verzichts auf eine detaillierte Gesamtregulierung kann der Weimarer Hof deshalb als ein wohleingerichteter Hof gelten. Carl Augusts Interesse am Hof und seine Akzeptanz des Zeremoniells spiegelt sich zudem in dem Bestreben wider, die repräsentative Qualität der standesgemäßen Aufwartung langfristig zu erhöhen. Nach dem Regierungswechsel hatte er noch auf den größtenteils untitulierten Adel seiner vormundschaftlich regierenden Mutter zurückgreifen müssen, da er zunächst der Fürstenwelt demonstrieren wollte, dass in Weimar wieder ein vollwertiger, altfürstlicher Regent auf dem Thron saß. Es machte deshalb anfangs wenig Sinn, bei der Besetzung der Kammerherren und Junkerstellen besonders wählerisch zu sein. Erst nachdem ein Grundstock an Hofkavalieren etabliert war, konnte Carl August seine Aufmerksamkeit auf die Adelsqualität richten und beginnen, seine Hof-, Jagd- und Kammerjunker und Kammerherrn gezielt zu selektieren. Der Adelstitel spielte dabei eine tragende Rolle. Carl

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August schaffte es durch geschickte Nachwuchsförderung, die Hälfte seiner wirklichen Kammerherren und drei Viertel seiner titulären Kammerherren mit Grafen und (Reichs-)Freiherren zu besetzen. Kavaliere, die erst zu ihren Lebzeiten geadelt worden waren, schloss er dagegen konsequent von seinem standesgemäßen Hofdienst aus. Selbst für seinen neuadligen Favoriten Johann Wolfgang von Goethe machte er dabei keine Ausnahme. Mit dieser Fokussierung setzte der Herzog unzweifelhaft auf das zeremonielle Prinzip der gebührenden Anständigkeit und vertraute darauf, dass vom Rang seiner Diener auf seinen eigenen hohen Rang geschlossen wurde. In diese Repräsentationsstrategie fügten sich die Weimarer Fürstinnen, denen Carl August die Auswahl der zu verpflichtenden Adelsdamen überließ, nahtlos ein. Zwar stellten Anna Amalia, Louise und Maria Pawlowna jeweils andere Ansprüche an ihr Personal, was zu recht unterschiedlichen Rahmenbedingungen im Hofdienst führte. Beim ständischen Profil zeigten sie sich jedoch einig: Die verpflichteten Damen des Hofes sollten und konnten mit ihrer vornehmen Herkunft oder mit ihrem Adelstitel den hohen Rang des Weimarer Fürstenhauses repräsentieren. Die Adelsqualität blieb in Weimar jedoch bei Weitem nicht das einzige Kriterium. Aus Carl Augusts Nachwuchsförderung erschließt sich ein ganzer Katalog an Prinzipien für die Auswahl der Pagen und Junker, aus denen später Kammerherren und in vereinzelten Fällen sogar Führungspersönlichkeiten hervorgingen. Prinzipiell wurde der eigene Nachwuchs vor hohen Quereinsteigern bevorzugt. Bei Stellenbesetzungen oder Beförderungen griff Carl August fast immer zuerst auf seine eigenen Ressourcen zurück, bevor er darüber nachdachte, Fremde anzustellen. Daneben spielten aber auch das traditionelle Prinzip der Anciennität, das die Dauer des Dienstes belohnte, familiäre Beziehungen, unterhaltsame Talente und Leistungen oder besondere Begabungen, zum Beispiel für die Jägerei oder den Stall, in der Weimarer Beförderungspolitik eine Rolle. Der Umschwung in der Personalpolitik nach 1806 stellte jedoch klar, dass dies alles selbst auferlegte Leitlinien waren. Denn als es darum ging, der höfischen Öffentlichkeit so schnell wie möglich den Anspruch auf die Erhebung zum Großherzog zu demonstrieren, waren nur noch drei Kriterien wichtig: Adel, Meriten und Vertrautheit. Alle übrigen Prinzipien verwarf Carl August kurzerhand zugunsten eines großen Hofes, der mit einer Fülle verpflichteter Adliger glänzen sollte. In der Konfliktsituation mit Napoleon besann er sich also auf die beiden einfachsten zeremoniellen Grundsätze der gebührenden Anständigkeit und der rangsymbolisierenden Hofgröße. Die Forschung war bisher der Überzeugung, Carl August habe nicht die Möglichkeit besessen, die Ansprüche des Zeremoniells zu erfüllen. Diese These kann und muss zurückgewiesen werden. Das Weimarer Fürstenhaus unterhielt um 1800 keinen defizitären Hof, sondern wurde seinem Stand und Rang mit der herausragenden Größe und Zusammensetzung seines höfischen Personenverbandes gerecht. Es bedurfte demnach keiner Kompensation, und

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es bedurfte de facto auch keiner Musen, um Weimar höfisches Prestige zu verschaffen. Die Orientierung am allgemein anerkannten Zeremoniell sicherte der Fürstenfamilie Anerkennung und überregionales Ansehen unabhängig von den Erfolgen seiner Dichter und Denker. Bildung und Kultur wurden deshalb jedoch nicht aus dem Hof verbannt. Carl August zeigte sich vielmehr gegenüber dem musischen Zeitgeist aufgeschlossen und wusste in seiner höfischen Personalpolitik das Alte mit dem Neuen effektiv und wirksam zu verbinden. Er genoss dabei die Freiheit, nicht notwendigerweise das Eine durch das Andere ersetzen zu müssen, sondern je nach Bedarf bevorzugen oder miteinander kombinieren zu können. Strukturell wird dies an der Eingliederung der Zeichenschule und des Theaters in den Hofverband deutlich. Personell spiegeln das zum Beispiel die künstlerisch ambitionierten Titularkammerherren oder aber die von Anna Amalia fest verpflichteten Hofmusiker und Hofbibliothekare wider. Der Hof war also nicht auf das Prestige der Kultur- und Geistesgrößen angewiesen, gleichwohl verschloss er sich aber auch nicht dagegen. Unter napoleonischem Protektorat konnte Carl August deshalb seinen Anspruch auf einen Platz unter den ersten Fürstenhäusern Deutschlands zweigleisig, d. h. mit einer eigenartigen Kombination aus Kultur und Zeremoniell, Ausdruck verleihen. Ob und inwieweit sich Weimar gerade dadurch vor anderen Fürstenhöfen als etwas Besonderes auszeichnete, ließe sich erst bestimmen, wenn Carl Augusts höfische Personalpolitik den − noch zu erforschenden − Hofstrategien anderer deutscher Fürsten gegenübergestellt werden würde. Zuvor ist dafür jedoch das idealtypische Konzept des Musenhofes zu verabschieden: Der Musenhof wurde nicht aus der Not geboren. Diese These geht an der sozialen Praxis des Weimarer Hofes vorbei. Carl Augusts Hofpolitik veranschaulicht eindrucksvoll, dass zeremonielles Traditionsbewusstsein und aufgeklärte Offenheit einander nicht ausschlossen. Aufbauend auf dieser Erkenntnis, gilt es das Phänomen des fürstlichen Hofes an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert neu zu denken.

Abkürzungs- und Siglenverzeichnis ADB Ausstellungskatalog Ereignis Weimar

Ausstellungskatalog Maria Pawlowna, Teil 1

Ausstellungskatalog Maria Pawlowna, Teil 2

Bergmann BW

BW Wahl 1

BW Wahl 2

BW Göchhausen BW Vogel 1 BW Vogel 2 BW Voigt Goethe 1

Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften (Hrsg.): Allgemeine Deutsche Biographie. 55 Bde. München 1875−1912. Ereignis Weimar. Anna Amalia, Carl August und das Entstehen der Klassik 1757−1807. Katalog zur Ausstellung im Schlossmuseum Weimar. Hrsg. von der Klassik Stiftung Weimar und dem Sonderforschungsbereich 482 „Ereignis Weimar-Jena. Kultur um 1800“. der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Leipzig 2007. Gert-Dieter Ulferts (Projektleiter): „Ihre Kaiserliche Hoheit“ Maria Pawlowna − Zarentocher am Weimarer Hof. Katalog Ausstellung im Weimarer Schlossmuseum. Hrsg. von der Stiftung Weimarer Klassik und Kunstsammlungen und dem Schlossmuseum Weimar. München 2004. Gert-Dieter Ulferts (Projektleiter): „Ihre Kaiserliche Hoheit“ Maria Pawlowna − Zarentocher am Weimarer Hof. CD-R zur Ausstellung im Weimarer Schlossmuseum. Hrsg. von der Stiftung Weimarer Klassik und Kunstsammlungen und dem Schlossmuseum Weimar. München 2004. Alfred Bergmann (Hrsg.): Briefe des Herzogs Carl August von Sachsen-Weimar an seine Mutter die Herzogin Anna Amalia. Oktober 1774 bis Januar 1807. Jena 1938. Briefwechsel des Herzogs-Großherzogs Carl August mit Goethe. I. Band: 1775−1806. Mit einem Bilde des Herzogs. Hrsg. von Hans Wahl. Bern 1971 (ND Berlin 1915). Briefwechsel des Herzogs-Großherzogs Carl August mit Goethe. II. Band: 1807−1820. Mit einem Bilde des Herzogs. Hrsg. von Hans Wahl. Bern 1971 (ND Berlin 1916). Die Göchhausen. Briefe einer Hofdame aus dem klassischen Weimar. Zum ersten Male gesammelt und herausgegeben von Werner Deetjen. Berlin 1923. Briefwechsel des Großherzogs Carl August von SachsenWeimar-Eisenach mit Goethe. In den Jahren von 1775 bis 1828. Hrsg. von Carl Vogel. Bd. 1. Weimar 1863. Briefwechsel des Großherzogs Carl August von SachsenWeimar-Eisenach mit Goethe. In den Jahren von 1775 bis 1828. Hrsg. von Carl Vogel. Bd. 2. Weimar 1863. Goethes Briefwechsel mit Christian Gottlob Voigt. Bearb. und hrsg. von Hans Tümmler. Bd. 1. Weimar 1949.

492

Abkürzungs- und Siglenverzeichnis

BW Voigt Goethe 2 Freyer/Horn/Grochowina: FrauenGestalten GHdA, (Bd., Jahr)

Knebels Briefwechsel

Krünitz

Leben in Briefen NA

NDB PB 1

PB 2

PB 3

Goethes Briefwechsel mit Christian Gottlob Voigt. Bearb. und hrsg. von Hans Tümmler. Bd. 2. Weimar 1951. Stefanie Freyer/Katrin Horn/Nicole Grochowina (Hrsg.): FrauenGestalten Weimar-Jena um 1800. Ein bio-bibliographisches Lexikon. 2. Auflage. Heidelberg 2009. Genealogisches Handbuch des Adels. Hrsg. vom Deutschen Adelsarchiv e. V.. Bearbeitet unter Aufsicht des Ausschusses für adelsrechtliche Fragen der deutschen Adelsverbände. 150 Bde. Limburg an der Lahn 1951−2011. Die Bandzählung der Abkürzung folgt der Gesamtreihe, da sich daraus die Unterreihen der adligen, freiherrlichen, gräflichen und fürstlichen Häuser von selbst ergeben. Aus Karl Ludwig von Knebels Briefwechsel mit seiner Schwester Henriette (1774−1813). Ein Beitrag zur deutschen Hof- und Literaturgeschichte. Hrsg. von Heinrich Düntzer. Jena 1858. Oekonomische Encyklopädie oder allgemeines System der Staats- Stadt- Haus- und Landwirthschaft. Begründet von Johann Georg Krünitz. Fortgeführt von Friedrich Jakob Floerken, Heinrich Gustav Flörke, Johann Wilhelm David Korth, Carl Otto Hoffmann, Ludwig Kossarski. 242 Bde. Berlin 1773−1858. Carl August von Weimar. Ein Leben in Briefen. Hrsg. von Hans Wahl. Weimar 1928. Schillers Werke. Nationalausgabe. Hrsg. im Auftrag der Stiftung Weimarer Klassik und des SchillerNationalmuseums in Marbach von Norbert Oellers. 43 Bde. Weimar 1943ff. Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften (Hrsg.): Neue deutsche Biographie. 23 Bde. München 1953−2007. Politischer Briefwechsel des Herzogs und Großherzogs Carl August von Weimar. Bd. 1: Von den Anfängen der Regierung bis zum Ende des Fürstenbundes 1778−1790. Hrsg. von Willy Andreas und bearb. von Hans Tümmler. Stuttgart 1954. Politischer Briefwechsel des Herzogs und Großherzogs Carl August von Weimar. Bd. 2: Vom Beginn der Revolutionskriege bis in die Rheinbundzeit 1791−1807. Hrsg. von Willy Andreas und bearb. von Hans Tümmler. Stuttgart 1958. Politischer Briefwechsel des Herzogs und Großherzogs Carl August von Weimar. Bd. 3: Von der Rheinbundzeit bis zum Ende der Regierung 1808−1828. Hrsg. von Willy Andreas und bearb. von Hans Tümmler. Stuttgart 1973.

Abkürzungen der Archivsignaturen WA

493

Goethes Werke. Hrsg. im Auftrag der Großherzogin Sophie von Sachsen. 143 Bde. Weimar 1887−1919. Nachdruck München 1987. [Nebst] Bd. 144−146: Nachträge und Register zur IV. Abt.: Briefe. Hrsg. von Paul Raabe. Bde. 1−3. München 1990. [Weimarer Ausgabe]. Johann Heinrich Zedler:Grosses vollständiges Universal Lexicon aller Wissenschafften und Künste, welche bißhero durch menschlichen Verstand und Witz erfunden und verbessert worden. Darinnen so wohl die Geographisch-Politische Beschreibung des Erd-Creyses, nach allen Monarchien, Kaiserthümern (...) etc. Leipzig 1732−1754.

Zedler

Abkürzungen der Archivsignaturen HMA GSA KA J HR KA J SR KA J TR KA WE HR GK KA WE HR HK KA WE HR SK KA WE SR GK KA WE SR SK KA WE TR GK KA WE TR HK KA WE TR SK ThStA Altenburg ThHStA Weimar ThStA Gotha ThStA Meiningen ThSTARud ThULB/HSA

Hofmarschallamt Goethe- und Schiller-Archiv Weimar Evangelisches Kirchenarchiv Jena, Trauregister Evangelisches Kirchenarchiv Jena, Sterberegister Evangelisches Kirchenarchiv Jena, Taufregister Evangelisches Kirchenarchiv Weimar, Trauregister, Garnisionskirche Evangelisches Kirchenarchiv Weimar, Trauregister, Hofkirche Evangelisches Kirchenarchiv Weimar, Trauregister, Stadtkirche Evangelisches Kirchenarchiv Weimar, Sterberegister, Garnisionskirche Evangelisches Kirchenarchiv Weimar, Sterberegister, Stadtkirche Evangelisches Kirchenarchiv Weimar, Taufregister, Garnisionskirche Evangelisches Kirchenarchiv Weimar, Taufregister, Hofkirche Evangelisches Kirchenarchiv Weimar, Taufregister, Stadtkirche Thüringisches Staatsarchiv Altenburg Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar Thüringisches Staatsarchiv Gotha Thüringisches Staatsarchiv Meiningen Thüringisches Staatsarchiv Rudolstadt Thüringische Universitäts- und Landesbibliothek Jena, Abt. Handschriften

494

Abkürzungs- und Siglenverzeichnis

Abkürzungen der Amtskalender Darmstädter Staatskalender von [Jahr]

Dresdner Staatskalender von [Jahr]

Gothaer Staatskalender von [Jahr]

Kasseler Staatskalender von [Jahr]

Meininger Staatskalender von [Jahr]

Hochfürstlich Hessen-Darmstädtischer Staats- und AddreßKalender. Darmstadt 1790−1791. Hochfürstlich Hessen-Darmstädtischer Staats- und AddreßKalender auf das Jahr (...). Darmstadt 1792. Hochfürstlich Hessen-Darmstädtischer Staats- und AdreßKalender. Darmstadt 1793−1797, 1799, 1801−1802. Landgräflich Hessischer Staats- und Adreß-Kalender. Darmstadt 1804, 1806. Churfürstlicher Sächsischer Hof- und Staats-Calender. Leipzig 1790−1803. Churfürstlich-Sächsischer Hof- und Staats-Calender. Leipzig 1804−1806. Königlich-Sächsischer Hof-und Staats-Calender. Leipzig 1807−1809. Herzoglich Sachsen-Gotha- und Altenburgischer Hof- und Adreß-Calender auf das Jahr (...), worinnen der verbesserte Gregorianische Calender nebst den darzu gehörigen diensamen Nachrichten enthalten, auch am Ende ein Verzeichniß von dem dermahligen Herzogl. SachsenGotha- und Altenburgischen Civil- Hof- und Militar-Etat angefüget worden. Gotha 1790−1791, 1793−1795, 1797−1799. Herzoglich Sachsen-Gotha- und Altenburgischer Hof- und Adreß-Calender auf das Schaltjahr (...), worinnen der verbesserte Gregorianische Calender nebst den darzu gehörigen diensamen Nachrichten enthalten, auch am Ende ein Verzeichniß von dem dermahligen Herzogl. SachsenGotha- und Altenburgischen Civil- Hof- und Militar-Etat angefüget worden. Gotha 1792, 1796, 1800. Herzoglich Sachsen-Gotha- und Altenburgischer Hof- und Adreß-Calender auf das Jahr (...). Gotha 1801−1803, 1805, 1806, 1811−1814, 1815, 1816. Landgräfl. Hessen-Casselischer Staats- und Adreß-Kalender, Kassel 1790−1795. Landgräfl. Hessen-Casselischer Staats- und Adress-Kalender, Kassel 1796−1802. Kur-Hessischer Staats- und Adress-Kalender, Kassel 1803−1804. Kurhessischer Staats- und Adress-Kalender, Kassel 1805−1806. Herzoglich S. Coburg-Meiningisches jährliches gemeinnütziges Taschebuch. Mit Kupfern. Meiningen 1801−1802. ThHStA Meiningen, Geheimes Archiv, XV. FF 19, S. 55-62. (Tagebücher der Herzogin Louise Eleonore 1804) ThHStA Meiningen, Geheimes Archiv, XV. FF 19, S. 54-64. (Tagebücher der Herzogin Louise Eleonore 1805) ThHStA Meiningen, Geheimes Archiv, XV. FF 19, S. 54-63. (Tagebücher der Herzogin Louise Eleonore 1807)

Abkürzungen der Amtskalender

Rudolstädter Staatskalender von [Jahr] Schweriner Staatskalender von [Jahr] Weimarer Staatskalender von [Jahr]

Württemberger Staatskalender von [Jahr]

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ThHStA Meiningen, Geheimes Archiv, XV. FF 20, S. 52-60. (Tagebücher der Herzogin Louise Eleonore 1808) ThHStA Meiningen, Geheimes Archiv, XV. FF 20, S. 55-64. (Tagebücher der Herzogin Louise Eleonore 1811) ThHStA Meiningen, Geheimes Archiv, XV. FF 20, S. 54-64. (Tagebücher der Herzogin Louise Eleonore 1812) ThHStA Meiningen, Geheimes Archiv, XV. FF 20, S. 60-67. (Tagebücher der Herzogin Louise Eleonore 1814) ThHStA Meiningen, Geheimes Archiv, XV. FF 20, S. 62-69. (Tagebücher der Herzogin Louise Eleonore 1815) Fürstlich-Schwarzburg-Rudolstädtischer Hof- und AddreßCalender. Frankenhausen 1791−1793. Herzoglich-Mecklenburg-Schwerinischer Staatscalender auf das Jahr (...). Rostock 1789, 1791−1795, 1797−1802, 1803, 1805, 1806, 1808−1815. Hochfürstl. S. Weimar- und Eisenachischer Hof- und Addreß-Calender auf das Jahr (...). Mit hochfürstl. gnädigster Erlaubniß. Jena 1790−1791, 1793−1795, 1797-1808, 1810, 1811, 1813. Hochfürstl. S. Weimar- und Eisenachischer Hof- und Addreß-Calender auf das Schalt-Jahr (...). Mit hochfürstl. gnädigster Erlaubniß. Jena 1792, 1796, 1804, 1812. Großherzogliches Sachsen-Weimar-Eisenachisches Hof- und Staats-Handbuch auf das Jahr 1816. Weimar 1816. Herzoglich Wirtembergisches Adreß-Buch, Stuttgart 1790, 1796. Herzoglich Wirtembergisches Addreß-Buch, Stuttgart 1791−1795, 1798−1799. Herzoglich Wirtembergisches Adreß-Buch, auf das Jahr 1797. Nebst einem Anhang der Etate einer freien Reichsritterschaft in Schwaben und der unter Herzogl. Wirtemb. Schutz stehenden Reichsstädte Eßlingen und Reuttlingen. Stuttgart 1797. Herzoglich-Wirtembergisches Adreßbuch, Stuttgart 1800. Herzogl. Wirtembergisches Adreß-Buch, Stuttgart 1801-1802. Churfürstlich-Württembergisches Adreß-Buch auf das Jahr 1803. Nebst einem Anhange der Etate einer freien ReichsRitterschaft in Schwaben. Stuttgart 1803. Churfürstlich-Würtembergisches Adreß-Buch. Stuttgart 1803−1805. Königlich Württembergisches Adreß-Buch. Stuttgart 1806.

Die Ahnentafeln des verpflichteten Weimarer Hofadels N.B.: (1) Aufgrund der schwierigen Quellenlage war es nicht immer möglich, alle Vorfahren präzise zu ermitteln. Oftmals sind zwar die Familien bekannt, die gesuchten Väter oder Mütter unter einer Vielzahl an Geschwistern aber nicht eindeutig zu bestimmen. Die entsprechenden Stellen wurden in den Stammbäumen deshalb unbenannt belassen. (2) Die Stammbäume sind alphabetisch geordnet. (3) Um die Übersichtlichkeit der Stammbäume zu wahren, werden vorweg die verwendeten Quellen und Literatur komplett gelistet.

Ungedruckte Quellen Evangelisches Kirchenarchiv Jena Sterberegister der Stadtkirche (1770–1830) Evangelisches Kirchenarchiv Weimar Tauf-, Trau- und Sterberegister der Garnisionskirche (1770–1830) Tauf- und Trauregister der Hofkirche (1770–1830) Tauf-, Trau- und Sterberegister Stadtkirche (1770–1830) Goethe- und Schiller-Archiv Weimar GSA 83/1432 (Stammbaum Schiller) Staatsarchiv Bamberg Staatsarchiv Bamberg M 10 /27, 137 Thüringisches Staatsarchiv Rudolstadt Archiv Großkochberg, F 680

Gedruckte Quellen Alvensleben, Ludwig von (Hrsg.): Ahnen-Tafeln. Erstes Heft. Frankfurt am Main 1846. Archiv für die Geschichte Liv-, Esth- und Kurlands. Mit Unterstützung der estländischen litterarischen Gesellschaft herausgegeben von Dr. F. G. von Bunge. Band V, Heft 1 (1846). Archiv für Sippenforschung und Alle Verwandten Gebiete. Bände 34−36 (1968). Arentin, Karl Otmar Frhr. von: Art. Erich Christoph Frhr. von Plotho, in: NDB, Bd. 20 (2001), S. 550−551. Art. Baumbach, in: GHdA, Bd. 55 (1973), S. 3−25. Art. Göchhausen, in: GHdA, Bd. 67 (1978), S. 159−160. Art. Imhof, in: Gerhard Friedrich Albrecht: Genealogisches Handbuch welches die

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Die Ahnentafeln des verpflichteten Weimarer Hofadels

Geschlechtstafeln derer in- und außer dem Heil. Röm. Reich dermahlen blühender Freyherr- und Adelicher Familien und andere angenehme dahin einschlagende bey vielen wichtigen Vorfällen nützlich auch dem gesamten Publico dienliche Nachrichten enthält, Frankfurt am Mayn 1776. Art. Johann Dornfeld, Superintendent zu Leipzig, in: Michael Ranfft: Leben und Schrifften aller Chur-Sächsischen Gottesgelehrten, die mit der Doctor-Würde gepranget und in diesem ietztlauffenden Jahrhundert das Zeitliche gesegnet [...]. Leipzig 1742, S. 207−277. Art. Kauffberg, in: GHdA, Bd. 91 (1987), S. 143−144. Art. Krafft (1723), in: GHdA, Bd. 91 (1987), S. 457. Art. Neugarten von Gartenberg, auch Freiherren, in: Ernst Heinrich Kneschke: Neues allgemeines Deutsches Adels-Lexicon im Vereine mit mehreren Historikern herausgegeben. Sechster Band: Loewenthal – Osorowski. Leipzig 1865, S. 484. Art. Plotho, in: GHdA, Bd. 69 (1979), S. 288−308. Art. Reitzenstein, in: GHdA, Bd. 21 (1959), S. 355−386. Art. Rotberg. Freiherren, in: Ernst Heinrich Kneschke: Neues allgemeines Deutsches AdelsLexicon im Vereine mit mehreren Historikern herausgegeben. Siebenter Band: Osaa – Ryssel, Leipzig 1867, S. 593−594. Art. Sandersleben, in: GHdA, Bd. 125 (2001), S. 236−237. Art. Sivers, in GHdA, Bd. 20 (1959), S. 461−500. Art. Staff (Staff gen. v. Reitzenstein), in: GHdA, Bd. 26 (1961), S. 396−402. Art. Tann, v. und zu der Tann, v. und zu der Thann, auch Freiherren, in: Ernst Heinrich Kneschke, Neues allgemeines Deutsches Adels-Lexicon im Vereine mit mehreren Historikern herausgegeben. Neunter Band: Steinhaus – Zwierlein, Leipzig 1870, S. 129−132. Art. von Staff, in: Heinrich August Verlohren: Stammregister und Chronik der Kur- und Königlich Sächsischen Armee von 1670 bis zum Beginn des Zwanzigsten Jahrhunderts. Leipzig 1910, S. 494. Art. von Waldner, in: Hans Jakob Holzhalb: Supplement zu dem allgemeinen helvetischeidsgenößischen oder schweizerischen Lexicon, so von Weiland Herrn Hans Jakob Leu, Bürgermeister löbl. Freystaats Zürich in alphabetischer Ordnung behandelt worden. Sechster und letzter Theil, T – Z. Zürich 1795, S. 277−279. Art. Winckler von Dölitz, in: Gothaisches Genealogisches Taschenbuch der briefadeligen Häuser Bd. 8 (1914), S. 1029−1033. Art. Wolff von Gudenberg, in: Jahrbuch des Deutschen Adels, herausgegeben von der Deutschen Adelsgenossenschaft. Dritter Band. Berlin 1899, S. 807−813. Art. Wolfskeel von Reichenberg, in: Genealogisches Handbuch des in Bayern immatrikulierten Adels. Band 1. Stegaurach 1950, Sp. 719−720. Bader, Josef: Archivalien des Grundherrl. von Rotberg’schen Archivs in Rheinweiler, in: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins Bd. 58 = Neue Folge XIX. Heft 4 (1904), m37−m175. Baumbach, August von: Geschichte der zur althessischen Ritterschaft gehörenden Familie von Baumbach. Marburg 1886. Beck, August: Einsiedel, Heinrich Hildebrand von, in: Allgemeine Deutsche Biographie 5 (1877), S. 762 [Onlinefassung]; URL: http://www.deutsche-biographie.de/pnd 120449137.html. Beck, Hanno: Art. Wilhelm Ludwig von Eschwege, in: NDB, Bd. 4 (1959), S. 652.

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Die Ahnentafeln des verpflichteten Weimarer Hofadels

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Die Ahnentafeln des verpflichteten Weimarer Hofadels

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Gedruckte Quellen

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Die Ahnentafeln des verpflichteten Weimarer Hofadels

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Stammbaum Sachsen-WeimarEisenach

Quellen- und Literaturverzeichnis Ungedruckte Quellen und Literatur Evangelisches Kirchenarchiv Jena Tauf-, Trau- und Sterberegister der Stadtkirche (1770–1830) Tauf-, Trau- und Sterberegister der Garnisionskirche (1770–1830) Evangelisches Kirchenarchiv Weimar Tauf- und Trauregister der Hofkirche (1770–1830) Tauf-, Trau- und Sterberegister Stadtkirche (1770–1830) Tauf-, Trau- und Sterberegister der Garnisionskirche (1770–1830) Goethe- und Schiller-Archiv Weimar Bestände: GSA 6; GSA 15; GSA 28; GSA 40; GSA 68, GSA 96; GSA 83 Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar Dienersachen (B): 25783–25786, 25953–25955, 26063–26064, 2512, 24599, 24645, 25176, 25189, 25735, 25741, 25745, 25750, 25751, 25752, 25756, 25771, 25781, 25788, 25800, 25810, 25811–25813, 25902, 25820, 25825, 25827, 25880, 25904, 25905, 25910, 25911, 25930, 25950, 25951, 25976, 26020, 26065, 26842, 24623 Fürstliches Haus (A): 32, 33, 84a, 145, 149, 155–157, 166, 177–179, 186, 785a, 835, 978– 1040 Hausarchive (HA): Carl August (XIX): 3a, 113m, 166; Louise (XX): 1; Carl Friedrich (XXII): 17, 226, 45; Maria Pawlowna (XXV): Akten 55, B 134, E 453, M 127 Hofmarschallamt (HMA):17a, 22, 25–27, 110–114, 119, 121, 123–124, 337, 346–347, 361, 406–408, 413–416, 426–428, 431–436, 439a, 406–408, 413–416, 426–428, 431–436, 439a, 406–408, 413–416, 426–428, 431–436, 439a, 439b, 440, 442, 444, 446, 448–449, 542–544, 549, 559, 609, 635–636. 639, 642, 647, 651, 656–657, 788, 1951, 1955, 785a, 2610, 3333, 3441 3649, 2587–2589, 2576, 2590, 2602, 2815, 4519–4568 Hofstallamt: 3, 5, 41, 49–62, 373, 377, 378 Kammer: 62, 91 Rechnungen: 287–317 Rechtspflege (B): 2750a Sammlungen (F): 373 Urkunden und Regesten: Urkunden, 1756 März 16; Urkunden, 1775 Sept. 30; Urkunden, 1801; Urkunden, 1803 Dec. 22 Kunst und Wissenschaft – Hofwesen (A): 9011, 9033, 9035–9040, 9121–9122, 9124– 9128, 9533, 9130, 9176d, 9176e, 9177–9177b, 9190, 9191, 9192, 9199, 9201–9208, 9391, 9426, 9483 Thüringisches Staatsarchiv Altenburg Familienarchiv von Seckendorff 1232 Thüringisches Staatsarchiv Gotha Geheimes Archiv E XIII, Nr. 32 G3 Geheimes Archiv E XIII, 13 Geheimes Archiv YYX, 5a Geheimes Archiv YYX, 49

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Quellen- und Literaturverzeichnis

Geheimes Archiv KK V/80 Thüringisches Staatsarchiv Meiningen Geheimes Archiv, XV. FF 18, 19, 20 Geheimes Archiv Hildburghausen VIII A1 Hofmarschallamt Meiningen Nr. 8, Nr. 414, Nr. 2583, Nr. 1356–1396 (Fourierbücher) Thüringisches Staatsarchiv Rudolstadt Archiv Großkochberg, F 680 (16–fache Ahnenprobe des Gottlob Ernst Josias Friedrich von Stein) Thüringische Universitäts- und Landesbibliothek Jena, Abteilung Handschriften und Sondersammlungen Ms. Prov. fol. 116: WS 1764/1765–SS 1801 (Matrikel der Universität Jena 1764–1801) Ms. Prov. fol. 117a: WS 1801/1802–WS 1853/1854 (Matrikel der Universität Jena 1801– 1854) Staatsarchiv Bamberg Rep. Q 4.15 Findbuch des Schlossarchivs Konradsreuth M 10/27 Repertorium des Familienarchivs von Wilhelm Freiherr von Reitzenstein M 10/27, Nr. 4, Nr. 137; Nr. 138 Genealogische Notizen und Personenbeschreibungen

Gedruckte Briefeditionen Alt-Weimars Abend. Briefe und Aufzeichnungen aus dem Nachlasse der Gräfinnen Egloffstein. Hrsg. von Hermann Freiherr von Egloffstein. München 1923. August von Goethe und Ottilie von Pogwisch. Briefe aus der Verlobungszeit. Hrsg. von Heinz Bluhm. Mit einem Kommentar von Dorothea Lohmeyer-Hölscher. Weimar 1962. Aus Karl Ludwig von Knebels Briefwechsel mit seiner Schwester Henriette (1774–1813). Ein Beitrag zur deutschen Hof- und Literaturgeschichte. Hrsg. von Heinrich Düntzer. Jena 1858. Briefe an Fritz von Stein. Hrsg. und eingeleitet von Ludwig Rohmann. Leipzig 1907. Briefe an Goethe. Gesamtausgabe in Regestform. Hrsg. von Karl-Heinz Hahn, unter Mitarbeit von Irmtraut Schmid. Bd. 1: 1764–1795. Weimar 1980. Briefe an Goethe. Gesamtausgabe in Regestform. Hrsg. von Karl-Heinz Hahn, unter Mitarbeit von Irmtraut Schmid. Bd. 2: 1796–1798. Weimar 1981. Briefe an Goethe. Gesamtausgabe in Regestform. Hrsg. von Karl-Heinz Hahn, unter Mitarbeit von Irmtraut Schmid. Bd. 3: 1799–1801. Weimar 1983. Briefe des Herzogs Carl August von Sachsen-Weimar an seine Mutter die Herzogin Anna Amalia. Oktober 1774 bis Januar 1807. Hrsg. von Alfred Bergmann. Jena 1938. Briefe des Herzogs Karl August von Sachsen-Weimar-Eisenach an Knebel und Herder. Hrsg. von Heinrich Düntzer. Leipzig 1883. Carl August von Weimar. Ein Leben in Briefen. Hrsg. von Hans Wahl. Weimar 1928. Charlotte von Schiller und ihre Freunde. Zweiter Band. Hrsg. von Ludwig Urlich. Stuttgart 1962, S. 70–86. Die Göchhausen. Briefe einer Hofdame aus dem klassischen Weimar. Zum ersten Male gesammelt und herausgegeben von Werner Deetjen. Berlin 1923.

Nachschlagewerke

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Friedrich Gottlieb Klopstock. Werke und Briefe. Historisch-kritische Ausgabe. Hrsg. von Horst Gronemeyer, Elisabeth Höpke–Herberg, Klaus und Rose–Maria Hurlebusch. Abt. Briefe VIII: 1783–1794. Bd. 2: Apparat, Kommentar, Anhang. Berlin 1999. Klopstock Briefe 1795–1798. Hrsg. von Rainer Schmidt. Bd. 2: Apparat/Kommentar, Anhang. Berlin/New York 1996. Goethe in vertraulichen Briefen seiner Zeitgenossen. Bd. I: 1749–1793. Zusammengestellt von Wilhelm Bode. Berlin/Weimar 1979. Goethes Briefwechsel mit Christian Gottlob Voigt. Bearb. und hrsg. von Hans Tümmler. Bd. 1. Weimar 1949. Goethes Briefwechsel mit Christian Gottlob Voigt. Bearb. und hrsg. von Hans Tümmler. Bd. 2. Weimar 1951. Karl Ludwig von Knebels literarischer Nachlaß und Briefwechsel. Bd. 1. Hrsg. von K. A. Varnhagen von Ense und Th. Mundt. 2. unveränderte Ausgabe. Leipzig 1840. Karl Siegmund Freihherr von Seckendorff am Weimar’schen Hofe in den Jahren 1776–1785. Nach zum Theil ungedrucken Briefe. Hrsg. von Curt Graf von Seckendorff. Leipzig 1885. Literarischer Nachlaß der Frau Caroline von Wolzogen. Hrsg. von Karl August Hase. Bd. 1. Leipzig 1848. Literarischer Nachlaß der Frau Caroline von Wolzogen. Hrsg. von Karl August Hase. Bd. 2. Leipzig 1849. Politischer Briefwechsel des Herzogs und Großherzogs Carl August von Weimar. Bd. 1: Von den Anfängen der Regierung bis zum Ende des Fürstenbundes 1778–1790. Hrsg. von Willy Andreas und bearb. von Hans Tümmler. Stuttgart 1954. Politischer Briefwechsel des Herzogs und Großherzogs Carl August von Weimar. Bd. 2: Vom Beginn der Revolutionskriege bis in die Rheinbundzeit 1791–1807. Hrsg. von Willy Andreas und bearb. von Hans Tümmler. Stuttgart 1958. Politischer Briefwechsel des Herzogs und Großherzogs Carl August von Weimar. Bd. 3: Von der Rheinbundzeit bis zum Ende der Regierung 1808–1828. Hrsg. von Willy Andreas und bearb. von Hans Tümmler. Stuttgart 1973. Von und an Herder. Ungedruckte Briefe aus Herders Nachlaß. Hrsg. von Heinrich Düntzer und Ferdinand Gottfried von Herder. Erster Band. Leipzig 1861.

Nachschlagewerke Die Einzelnennung der Artikel folgender Nachschlagewerke erfolgt nur im Anmerkungsapparat im Text: Deutsches Rechtswörterbuch. Wörterbuch der älteren deutschen Rechtssprache. Hrsg. von der Heidelberger Akademie der Wissenschaften in Verbindung mit der vormaligen Akademie der Wissenschaften der DDR. Bearb. von Otto Gönnenwein und Wilhelm Weizsäcker. Weimar 1953–1960. Genealogisches Handbuch des Adels. Hrsg. vom Deutschen Adelsarchiv e. V.. Bearbeitet unter Aufsicht des Ausschusses für adelsrechtliche Fragen der deutschen Adelsverbände. 150 Bde. Limburg an der Lahn 1951–2011. Köbler, Gerhard: Historisches Lexikon der deutschen Länder. Die deutschen Territorien vom Mittelalter bis zur Gegenwart. 7. vollständig überarbeitete Auflage. München 2007.

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Gedruckte Quellen und Literatur Aalbers, Johan/Prak, Maarten (Hrsg.): De bloem der natie. Adel en patriciaat in de Noordelijke Nederlanden. Amsterdam 1987. Alt, Peter-André: Schiller. Eine Biographie. Bd. 1: 1759–1791. München 2009. Alte Masse, Münzen und Gewichte. Ein Lexikon von Helmut Kahnt und Bernd Knorr. Bibliographisches Institut Mannheim/Wien/Zürich 1987. Andreas, Willy: Carl August von Weimar. Ein Leben mit Goethe 1757–1783. Stuttgart 1953. Arndt, Johannes: Monarch oder der „bloße“ Edelmann? Der deutsche Kleinpotentat im 18. Jahrhundert, in: Ronald Asch/Johannes Arndt/Matthias Schnettger (Hrsg.): Die Frühneuzeitliche Monarchie und ihr Erbe. Festschrift für Heinz Duchhardt. Münster u. a. 2003, S. 59–90. Auge, Oliver: Unfaßliche Erscheinungen? Mittelalterliche und frühneuzeitliche Höfe als Forschungsthema, in: Joachim Kremer, Sönke Lorenz/Peter Rückert (Hrsg.): Hofkultur um 1600. Die Hofmusik Herzog Friedrichs I. von Württemberg und ihr kulturelles Umfeld. Ostfildern 2010, S. 25–57, Bailleu, Paul: Art. Goertz, Johann Eustach, Graf von Schlitz, genannt G., in: ADB, Bd. 9 (1879), S. 393–395. Bauer, Volker: Die höfische Gesellschaft in Deutschland von der Mitte des 17. bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts. Versuch einer Typologie. Tübingen 1993. Bauer, Volker: Hofökonomie. Der Diskurs über den Fürstenhof in Zeremonialwissenschaft, Hausväterliteratur und Kameralismus. Köln/Weimar/Wien 1997. Bauer, Volker: „Prachtliebe“ und „Publicität“. Thüringische Hof- und Staatskalender des 8. Jahrhunderts, in: Konrad Scheuermann/Jördis Frank (Hrsg.): Neu entdeckt. Thüringen – Land der Residenzen (1484–1918). 2. Thüringer Landesausstellung Schloss Sondershausen, 15. Mai bis 3. Oktober 2004. Teil 3. Mainz 2004, S. 134–145. Bauer, Volker: Repertorium territorialer Amtskalender und Amtshandbücher im Alten Reich. Adreß-, Hof-, Staatskalender und Staatshandbücher des 18. Jahrhunderts. 4 Bde. Frankfurt am Main 1997–2005. Bauer, Volker: Informalität als Problem der frühneuzeitlichen Geschichte. Überlegungen vornehmlich anhand der deutschsprachigen Hofforschung, in: Reinhardt Butz/Jan Hirschbiegel (Hrsg.): Informelle Strukturen. Dresdener Gespräche III zur Theorie des Hofes. Berlin 2009, S. 41–56.

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Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Thüringische Höfe im Vergleich 1790 bis 1810 (ohne 1809) Abb. 2: Statistische Gegenüberstellung der Höfe des Alten Reiches im Jahr 1797 Abb. 3: Stimm- und Sitzverteilung im Fürstenrat des Regensburger Reichstags im Jahre 1789 Abb. 4: Der Weimarer Hof in Zahlen − Statistische Erhebung des Hofes in den Jahren 1789 bis 1810 auf der Grundlage der Weimarer Staatskalender Abb. 5: Vergleich weltlicher Fürstenhöfe zwischen 1790 und 1815 Abb. 6: Groß, männlich, nichtadelig – die statistische Charakteristik des Kernhofes Abb. 7: Zuordnung des Jagd- und Forstbediensteten der jeweiligen Höfe Abb. 8: Ausschnitt aus den Kammerbilanzen der Jahre 1785 bis 1816 Abb. 9: Die Struktur des Weimarer Kernhofes um 1800 Abb. 10: Vergleich der Höfe (nicht selbst) regierender Fürstinnen zwischen 1790 und 1810 Abb. 11: Vergleich deutscher Witwenhöfe zwischen 1789 und 1810 Abb. 12: Entwicklung der Kammerherrenanzahl von 1790 bis 1816 (ohne 1809, 1814/15) Abb. 13: Weimarer Kammerherren im Vergleich zwischen 1790 und 1815 Abb. 14: Entwicklung der Weimarer Kammer-, Hof- und Jagdjunker von 1790 bis 1816 (ohne 1809, 1815) Abb. 15: Ausschnitt aus dem Hauptplan für den Hof-Etat, erstellt im Jahre 1776 Abb. 16: Statistik der hohen Staatsdiener geordnet nach ständischer Herkunft

Personenregister Alexejew, Nikifor 209, 265 Altrock, Carl Adolph Friedrich von 445, 449, 454, 469, 479 Anhalt-Köthen, August Christian Friedrich von 120 Apel, Catharina Christiana, verh. Böttger 178 Arnswald, Carl August von 413, 446, 479 Arnswald, Christoph Friedrich von 326, 329f., 345, 350 Arnswald, Ludwig von 326, 328, 411 Aue, Engelbert 265 Baden, Amalie von, geb. von HessenDarmstadt 389, 478 Baden, Ludwig von 273 Balzer, Carl 163 Barclay de Tolly, Michail Bogdanowitsch 338 Bastineller, Alexander Christian Ludwig von 431, 449 Batsch, Amalie, geb. Pfündel 262, 286– 290 Batsch, August 286f. Bauch, Johann Wilhelm Ernst 181 Baumbach, Ernst von 240, 371 Baumbach, Ludwig von 371 Baumbach, Sophie von, verh. von Eschwege 363, 368, 371f., 376, 388 Beinitz, Friedrich Christoph 238, 248, 262f., 276–280 Bellomo, Joseph 117 Berbisdorf, Caspar von 296 Berg, Anna Maria Eleonora von, verh. von Ziegesar 264, 364, 366f. Berg, Carl Gustav von 407 Bertuch, Friedrich Johann Justin 166, 168 Beulwitz, Heinrich Emil Friedrich August von 445, 464 Beust, Friederike Caroline von, geb. von Reitzenstein 364f., 369f., 372, 378, 444 Beust, Friedrich August Leopold von 370 Beust, Gustav von 471 Beust, Johann Friedrich von 406 Beust, Karl Christan von 471, 473 Beust, Wilhelm Gottfried von 479 Beviller (Beuiller), Francois 265 Beyer, Christiane 191

Bibra, Carl Friedrich Wilhelm Gottlieb von 434, 449, 451, 457–460, 466 Bielke, Friedrich Wilhelm von 409, 411, 420 Blücher, Gebhard Leberecht von 338 Bocksberg (Boxberg), Heinrich Friedrich Carl von 473, 479 Bode, Wilhelm 13f. Böttger, Dorothea Carolina 184f., 191f. Böttger, Friedrich Christian 185 Böttger, Johann Christian 185 Böttger, Johanna Dorothea Carolina 185 Bohlen, Friedrich Ludwig von 352 Bohne, Johann David Benjamin 230, 299 Bonaparte, Jérôme 111, 396, 455 Bonaparte, Napoleon 15, 108–111, 113– 116, 121f., 321, 400f., 425f., 446f., 463, 485, 489 Both, Ludwig Hartwig von 360 Boyneburg gen. Hohenstein, Carl von 352 Boyneburg, Carl Friedrich von 431 Boyneburg, Carl Wilhelm Heinrich von 472 Boyneburg, Carl Wilhelm Traugott von 470f. Boyneburg, Charlotte von, geb. von Hanstein 470–472 Boyneburg, Friedrich August von 445 Boyneburg, Friedrich von 479 Boyneburg, Georg Friedrich von 457 Boyneburg, Gotthilf Christian von 457, 470 Boyneburg, Johann Adolf von 457 Boyneburg, Juliane Deboria Eleonore, geb. von Goldacker 457 Brandenburg-Ansbach-Bayreuth, Friederike Caroline von, geb. von SachsenCoburg-Saalfeld 198 Brandenburg-Ansbach-Bayreuth, Karl Alexander von 198, 221 Brandenburg-Bayreuth, Friedrich Christian von 219, 221, 228 Brandenburg-Bayreuth, Sophie Caroline von, geb. von Braunschweig-Wolfenbüttel 219, 221f., 225–229, 374f. Brandenburg-Bayreuth, Viktoria Char-

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Personenregister

lotte von, geb. von Anhalt-BernburgSchaumburg-Hoym 219 Brandenburg-Kulmbach, Sophie Magdalene von 255 Brandenburg-Preußen, Friederike Louise von, geb. von Hessen-Darmstadt 421 Brandenburg-Preußen, Friedrich II. von 119, 404 Brandenburg-Preußen, Friedrich III./I. von/in 113 Braunschweig-Wolfenbüttel, Carl von 220, 316 Braunschweig-Wolfenbüttel, Ludwig Ernst von 292f., 316 Braunschweig-Wolfenbüttel, Philippine Charlotte von, geb. von Preußen 220, 229 Braunschweig-Wolfenbüttel-Oels, Friedrich August von 285 Breitenbauch, Georg August von 444 Breitenbauch, Georg Ludwig von 444 Breitenbauch, Heinrich Friedrich Ferdinand von 441, 443–445, 452, 458, 466 Brenn, Ernestine Auguste Wilhelmine von 366 Brissart de Laconcy, Charles Francois 473, 477, 479 Brockenhausen, Carl Christian von 254 Brötler, Ernst 201 Buchwald, Carl Wilhelm von 445 Bühler, Carl Heinrich von 434, 449 Bülow, Bernhard Joachim von 360 Bülow, Hans Casper von 407 Buff, Charlotte, verh. Kestner 236 Buhler, Johann Georg 143 Buhler, Johanne Caroline Sophia, verh. Scheidemantel 178 Burkhardt, Jacob Bernhard 474 Buttlar, Georg Viktor Ernst von 200 Capellen und Schilden, Gotard von der 457 Castus, Annette 179 Christiani, Ernst Albrecht Carl 204 Ciliax, Wilhelm 164 Cotta, Heinrich 330 Coulmann, Caroline Louise 194 Cramer, Louise 264 Crayen, Carl Max Anton von 445 Crone, Carl Rudolph von 352 Dänemark, Christian VI. von

255

Dalberg, Carl Theodor von 110 Dalwiz (Dalwig), Johann Friedrich von 479 Dankelmann, Adolph Albert Friedrich Wilhelm von 434, 449 Dankwarth, Georg Carl von 452 Darsaincourt, Nanette 291, 293 Debus, Victor Justianus 215 Dietrich, Johanne Christine Philippine, verh. Wellhausen 178, 189 Döbbelin, Karl Theophil 116 Dorne, Ludwig von 360 D’Pont, Johann Gabriel Theodor Benjamin 185 Du Manoir, Jean-Louis le Chanoine 343, 421 Dürckheim, Franz Christian Eckbrecht von 116, 353, 458 Dürckheim, Friedrich Carl Eckbrecht von 458 Edler (Edel), Marie Philippine Margarethe, verh. Lorentz 178 Egloffstein, August Carl Wilhelm von und zu 321, 363, 408, 416, 418, 441–443, 464 Egloffstein, Gottfried Friedrich Ernst von und zu 423 Egloffstein, Wolfgang Gottlob Christoph von und zu 147f., 327–329, 335, 339, 347, 350, 354, 356–358, 409, 418, 434, 444, 487 Ehlinger, Carl 164f. Einsiedel, Alexander Friedrich Haubold von 445 Einsiedel, Friedrich Hildebrandt von 175, 200, 208f., 216, 230f., 301, 324f., 327, 357, 360, 364, 419, 444 Ende, Friedrich Albrecht Gotthelf von 310, 320, 322f., 326, 338, 346f., 409, 411 Engelhardt, Friedrich 248, 275 Engelmann, Dorothea Elisabeth 184 Engelmann, Maria Elisabeth 184 Erbe, Dorothea, verh. Lübeck 178 Erffa, Carl Lebrecht Hartmann von 403 Erthal, Friedrich Carl Joseph von 420, 423 Ewald, Johann Georg 265 Eyfert (Eifert), Wilhelmine, verh. Schall 178 Färber, Christiane, geb. Scheidemantel 288, 290

Personenregister

567

Fernow, Carl Ludwig 226, 234 Földner, Johann Michael 198 Förster, Carl Christian 163 Forstner, Wilhelm Joachim Jaspar von 360 Fortune, Domain la 202f. Frankenberg, Eberhard Sylvius von 352 Fritsch, Carl von 378 Fritsch, Carl Wilhelm von 378, 409–411, 418, 434 Fritsch, Constanze von 364–366 Fritsch, Friedrich August von 326, 409, 411, 418, 434, 465 Fritsch, Jakob Friedrich von 206, 297, 299, 404 Fritsch, Thomas von 366

236f., 239, 241f., 282, 287, 314–317, 323, 327, 339, 343, 379f., 386, 404f., 435, 444, 450–453, 483f., 489 Goethe, Wolfgang Walther von 380 Goldacker, Maximilian von 445 Gollum, Michael 184 Gose, Wilhelm Maximilian von 449, 452 Gottschalk, Wilhelm 215 Grave, Heinrich 214, 227 Grobe, Johanna Dorothea Elisabetha 212, 216, 288–290 Groß, Albrecht David Gabriel von 411f. Groß, Dorothea Maria Wilhelmina, verh. Körner 178 Gutschmidt, Christian Gotthelf von 251, 253–255

Geist, Ernestine, verh. Müller 178 Gelitsch (Gölitsch), Johanna Christiane Dorothea 275 Gengelbach, Dorothea Friederike Louise, verh. Schoppe 178 Georg, Ludwig Franz Ulrich 203 Germar, Friedrich Ernst von 413f., 418, 441, 443, 446, 479 Germar, Friedrich Ludwig August von 413f., 418, 445 Germar, Friedrich Ludwig von 327, 413, 417, 441, 443 Germar, Georg Adam von 413 Germar, Henriette Charlotte von, geb. von Rüxleben 413 Germar, Wilhelm Heinrich von 326, 413, 416f. Gersdorff, Ernst Christian August von 338, 408f., 412, 434, 436, 446 Giannini, Wilhelmine Elisabeth Eleonore von 175f., 332, 341f., 349, 382 Gilsä, Carl Ludwig von 352 Gleichen gen. von Rußwurm, Heinrich von 394 Göchhausen, Charlotta Christiana von, geb. von Nostitz 368 Göchhausen, Ernst August Anton von 461 Göchhausen, Johann Anton (Friedrich) von 349 Göchhausen, Louise von 231, 234, 337, 362, 366, 368, 372–375, 382, 384, 386, 391 Göckel, Marie 205 Goethe, Johann Wolfgang von 12–15, 20, 85, 118, 122, 131, 142, 169–171, 205,

Habsburg-Lothringen, Franz II./I. von 97, 109 Habsburg-Lothringen, Joseph II. von 106, 119 Hähling, Tobias Friedrich 236, 238, 249, 261, 278, 280, 390 Hahn, Dorothea Magdalena, geb. Seusing 284 Hahn, Johann Gottlob Wilhelm Leonhard 284 Hahn, Johann Nicolaus 248, 277, 284 Haren, Duco van 242–247, 261, 280, 310, 315–321, 323, 326, 333 Haren, Magdalene Adriane van 318 Haren, Onno Zwier van 316 Haren, Pieter Willem van 246 Haren, Sara Adel van 245 Haren, Willem van 316 Harres (Harras), Friederike 275 Harstall, Georg Ernst Willibald von 461 Hartmann, Christian 179 Hartmann, Louise Sophia Magdalena 179 Hauptmann, Anton Georg 163 Hecker, Heinrich 248 Hecker, Maria Eleonora 211f. Heerd (Heert), Johannette Sophia, verh. Zella 177f., 193 Heinemann, Carl 233 Hellfeld, Bernhard Gottlieb Huldreich (von) 435 Helvig, Carl Gottfried von 362 Henckel von Donnersmarck, Ottilie 254, 264, 266, 286, 309, 324f., 343, 347, 365, 379, 384

568

Personenregister

Hendrich, Franz Ludwig Albrecht von 326, 353, 420, 440, 459 Herda zu Brandenburg, Carl Christian 160, 453, 473 Herda zu Brandenburg, Ludwig Ernst Constantin 434, 446, 449, 451, 473, 479 Herder, Johann Gottfried von 12, 169, 171f., 239, 241, 314, 444, 484 Hertel, Bernhardine 272 Hertel, Carl Friedrich 215, 272 Hertel, Caroline 272 Hertel, Cordula Sophie, geb. Kleinschmidt 270, 272 Hertel, Ernst Friedrich Theodor 270 Hertel, Johann Friedrich 239, 249, 261, 270 Hertel, Johann Friedrich August 270 Hertzberg, Ewald Friedrich von 252 Hessen-Darmstadt, Caroline von, geb. von Pfalz-Zweibrücken-Birkenfeld 184, 273 Hessen-Darmstadt, Christian von 194 Hessen-Darmstadt, Georg von 240 Hessen-Darmstadt, Louise Henriette Karoline von, geb. von Hessen-Darmstadt 195, 200f. Hessen-Darmstadt, Ludwig II. von 240, 249, 371 Hessen-Darmstadt, Ludwig IX. von 174, 219, 393 Hessen-Homburg, Charlotte Dorothea Sophia von, verh. von Sachsen-Weimar 190 Hessen-Homburg, Friedrich IV. von 393 Hessen-Homburg, Friedrich V. von 393 Hessen-Homburg, Ulrike Luise von, geb. zu Solms-Braunfels 393 Hessen-Kassel, Friedrich II. von 403 Hessen-Kassel, Friedrich von 250 Hessen-Kassel, Philippine von, geb. von Brandenburg-Schwedt 222f., 225, 228 Hessen-Kassel, Wilhelm II. von 241, 250, 260 Hessen-Kassel, Wilhelm IX./I. von 403 Hessen-Kassel, Wilhelmine Caroline von, geb. von Dänemark (1747–1820) 195, 201 Heydenhauß, Johanna Maria Magdalena 288, 290 Heynitz, Friedrich Anton von 194 Hintzen(stern), Emanuel Leonhard (von) 310

Hintzenstern, Franz August von 91, 279f., 282f., 296, 309–312, 326, 336– 338, 340, 343, 346, 409, 411, 419 Hönning, Christoph (Christian) Ehrenfried von 327, 354, 417, 441, 443, 473 Hönning, Emil Carl August Heinrich von 40, 441, 455, 473, 479 Hönning, Friedrich Constantin von 479 Hörschelmann, Elisabetha, verh. Hüttenrauch 187 Hörschelmann, Johann Christoph 187 Hoffmann, Carl August 193 Hoffmann, Johann Wilhelm Caspar 181 Hofmann, Johann Ernst 329 Hohenlohe, Friedrich Ludwig zu 282, 284 Hohenlohe-Langenburg, Friedrich Ernst von 318 Horn, Adolph Moritz 281 Horn, Adolph Robert Ferdinand 281 Horn, Albert August 281 Horn, Carl Adolph 281 Horn, Carl Friedrich 281f., 284, 340 Horn, Carl Gustav 281 Horn, Clara Augusta Sidonia 281 Horn, Louise Caroline Amalie 281 Horn, Otto Ludwig 281 Horn, Sidonia Dorothea Jacobina, geb. Marschall 281 Hoyer, Joachim Friedrich 181 Hoyer, Johanna Agnesa Dorothea, geb. Loren(t)z 181 Hoyer, Johanna Sophia Magdalena 181– 183, 235, 267, 276, 289 Hoyer, Johanna Sophia Magdalena, verh. Hoffmann 181 Hoyer, Maria Ernestina 181 Hoyer, Maria Sabina, verh. Bauch 181 Hüttenrauch, Friedrich Wilhelm 187 Huls, Sara Adelaide van 317 Huschke, Wilhelm Ernst Christian 232 Imhoff, Amalie von, verh. von Helvig 362, 366, 368, 372, 376, 383, 386, 389, 444 Imhoff, Carl Ernst von 479 Jacobi, Auguste Regine Sophie, geb. Kirms 176, 235, 267, 277, 286, 288 Jacobi, Johann 275 Jacobi, Johann Christian 235 Jagemann, Carl 89

Personenregister Jagemann, Caroline 89, 386 Jagemann, Christian Joseph 211, 225f. Jahn, Carl 204 Jasmund, Ludwig Hellmuth Heinrich von 352 Jasnowski, Nikita 259 Jegorow, Alexei 259 Jenison zu Wallworth, Franz von 352 Jomini, Antoine-Henri 338 Kämpfer, Johann Gottfried 248, 299 Kakschuk, Anastasia 264 Kalb, Johann August Alexander von 359, 404 Kantner, Johann August Heinrich 280 Kaufberg, Adam Martin Günther von 461 Kauffmann von Kauffberg a.d.H. Berga, Agnesa Margarethe 448 Kauffmann von Kauffberg, Johann Kaspar 448 Kestner, Johann Christian 236f. Kirmair, Friedrich Joseph 201 Kirms, Franz 118, 130, 212 Kirms, Juliane Christiana Wilhelmine 232 Kirst, Wilhelmine Rosine, verh. Springer 178 Klinckowström, Leonhard von 135f., 333–335, 337, 346, 349, 353, 356, 359, 382, 459, 466, 486 Klopstock, Friedrich Gottlieb 405 Knebel, Carl Ludwig von 214, 274, 287, 292f., 298, 311, 337, 342, 374, 391 Knebel, Christoph Friedrich Wilhelm von 311 Knebel, Christoph Johann Wilhelm von 311 Knebel, Henriette von 274–276, 309–311, 313, 326, 341f., 347f., 361, 374 Knebel, Johann Georg Friedrich (von) 309 Knebel, Lebrecht Johann von 311 Knebel, Marie Luise von 311 Knebel, Wilhelm Karl Maximilian von 311 Knigge, Adolph Franz Friedrich Ludwig von 403–405 Kobe von Koppenfels, Johann Friedrich 436 König, Ludwig Bernhard Zacharias 474 Könitz, Christian Ferdinand von 406

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Könneritz, Bernhard Gottlob von 443– 445 Könneritz, Johann Carl von 414, 445 Könneritz, Johanna Carolina, geb. von Thümen 445 Kohl, Johann 300 Kotzebue, Amalia, verh. Ludecus 178, 193, 211, 218 Kotzebue, Amalie Dorothea 212, 217 Krackow, Charlotte Friederike 217f., 231f. Kraft auf Kelbra am Kyffhäuser, Johann Christian von 330, 448 Kraus, Melchior 170 Krause, Carl Gottlob 194 Krauthausen, Anna Amalia, geb. Hörschelmann 187f. Krauthausen, Johann Heinrich Wilhelm 265 Krauthausen, Justina Christiane Wilhelmine 188, 264f. Kremer, Hartwig 203 Kröhn, Johann Philipp 275 Krumbholz, Eva Rosina Maria, verh. Böttger 185 Krumbholz, Georg Victor Justinian 216, 234 Krumbholz, Johann Georg Michael 216, 231 Kühn, Christian Günther Friedrich 194 Kühn, Maria Magdalena Friederike 184 Kürschner, Johann Christian Friedrich 248 Lambertye, Adolph de 469 Langclois, Dorothea Margaretha 185, 193, 218 Lasberg, Friedrich August Ludwig von 38, 40, 327f., 350, 396, 409, 417, 441, 458, 462 Lasberg, Maximilian von 416 Lehsten, Carl Leopold (Henning) von 434, 449–452, 468 Lemberg, Maria Adelaide von 219 Leveillé, Francois 202–206 Leveillé, Johanna Sophia Magdalena, geb. Schmidt 205 Leveillé, Ludwig Carl August 205 Leveillé, Wilhelmina Eleonora Friederika 205 Lewandowsky, Michail 263 Lichtenberg, August Ernst von 428, 441, 449, 452

570

Personenregister

Lichtenberg, Carl Friedrich von 416 Lieber, Charlotta Augusta Louise, geb. Thiel 188 Lieber, Johann Christian 188f., 231 Lieber, Maria Franziska Christiana 188 Lincker, Johann August Ludwig von 409, 445 Lincker, Johann Friedrich Carl Albert von 326, 329, 409, 413, 416, 441f., 446, 479 Lindner, Carl Fransicus 265 Linker, Josef Johann Jacob von 439 Loder, Justus Christian 238 Lorch, Caroline 193, 275 Lorch, Friederike Katharina Louise, verh. Weyland 193 Loß, Sophia 300 Luck (von Boguslawitz), Joachim Friedrich von 355 Luck, Christina Catharina, geb. von Ütterodt a.d.H. Scharffenberg 355 Luck, Johann Georg Lebrecht von 326– 328, 345, 350, 354–357, 359, 396, 441, 443, 466, 487 Ludecus, Johann August 211, 213, 216, 296, 299 Ludecus, Johann Christian Ludwig 216, 230 Ludwig, Christian 145 Lühe, Joachim Friedrich Ernst von der 241 Lützow, Hans Friedrich Wilhelm von 241 Lützow, Konrad Ignaz von 360 Lützow, Ludwig Friedrich Wilhelm von 469 Luther, Johann Ludwig 188 Lyncker, Carl Wilhelm von 428 März (Mertz), Friederike Wilhelmine Eleonore, verh. Kalbe 178 Magdlung, Johann Heinrich Wilhelm 185 Mandelsloh, Friedrich Wilhelm Carl von 38, 40, 434, 449, 451, 454 Marcus, Johann Friedrich 215 Maron(i), Anton von 403 Martini, August Christian Friedrich 145, 165 Mauchenheim gen. Bechtolsheim, Gustav von 409, 412 Mauchenheim gen. Bechtolsheim, Ludwig d. Ä. von 412 Mauchenheim gen. Bechtolsheim, Ludwig von 412

Mautz, Dorothea Christiane Bernhardine 290 Mecklenburg-Schwerin, Charlotte Sophie von, geb. von Sachsen-Coburg-Saalfeld 196, 222f. Mecklenburg-Schwerin, Elena Pawlowna von, geb. von Russland 121, 257, 325, 358 Mecklenburg-Schwerin, Friedrich Franz I. von 23, 39, 97, 120f., 196, 198f., 203, 222, 257, 352, 398 Mecklenburg-Schwerin, Friedrich Franz II. von 23 Mecklenburg-Schwerin, Friedrich Ludwig von 121, 159, 241, 276, 314, 325, 341, 423 Mecklenburg-Schwerin, Louise Friederike von, geb. von Württemberg 222, 225 Mecklenburg-Schwerin, Louise von, geb. von Sachsen-Gotha-Altenburg 196, 198, 203 Mecklenburg-Schwerin, Luise Charlotte von, verh. von Sachsen-Gotha-Altenburg 258 Mecklenburg-Schwerin, Ulrike Sophie von 196 Meerheim(b), Lebrecht von 423 Meersch, Jan Andries van der 322 Mellish of Blyth, Joseph Charles 404f. Michel, Georg Wilhelm 201 Mieding, Johann Martin 20 Milkau, Gottlob Christian Wilhelm von 327f., 423 Moltke, Carl August von 352 Motz, (Johann) Philipp Wilhelm von 149 Mounier, Jean-Joseph 241 Müffling gen. Weiß, Friedrich Carl Ferdinand von 283, 323 Müller d’ Euchacq, Franz Anton 414, 445 Müller, Carl Wilhelm 251, 253 Müller, Friedrich (von) 321 Müller, Friedrich Gottlieb 145 Müller, Maria Friederika Louisa 180 Musch, Johanna Maria 211, 232–234 Musculus, Charlotte 184f., 191–194, 232 Musculus, Dorothea Leopoldine 218, 231 Nesselrode, Wilhelm von 243 Nostitz, Johanna Luitgarde von 362, 367f., 373, 384 Oertel, Benedikt von

437

Personenregister Oertel, Friedrich Christian Ludwig von 437f., 450, 477, 479 Oldershausen, Carl Friedrich August von 431, 446, 449 Oldershausen, Hans Georg Friedrich von 434 Oranien-Nassau, Anna von, geb. von England 316 Oranien-Nassau, Wilhelm IV. von 316 Pfalz und Bayern, Carl Theodor von 256f. Pfalz-Zweibrücken-Birkenfeld, Karl III. August Christian von 256 Pfeffer, Dorothea Ernestina Aurelia 185 Pi(e)per, Charlotte 217, 231f. Plessen, Catharina Dorothea von, geb. von Plessen 406 Pogwisch, Henriette von 363, 377–381 Pogwisch, Ottilie von, verh. von Goethe 380 Pogwisch, Wilhelm Julius von 377, 379f. Preußen, Auguste von 260 Preußen, Friederike von, verh. von AnhaltDessau 377 Probst, Johann(es) 192, 299 Puttbus, Moritz Ulrich von 208, 349 Rabe von Pappenheim, Wilhelm Maximilian 247f., 261, 318, 328, 354, 364, 396, 409, 411, 418, 420 Raschau, August Carl Christian von 461 Rathel, Eva Charlotta, geb. König 288f. Rathel, Franziska Christiana Wilhelmina 288 Rehfeld, Caroline Louise 194 Rehfeld, Friederike 193 Rehfeld, Henriette 193 Rehfeld, Johann Heinrich 194 Rehfeld, Louise 194 Reibnitz, Ludwig von 202 Reibold(t), Carl Wilhelm Friedrich von 443f., 458 Reichenbecher, Carl 280, 299 Reichenbecher, Johann Heinrich 143 Reichenbecher, Johann Heinrich (Nikolaus) 267 Reichenbecher, Louise Wilhelmine 275, 338 Reichenbecher, Wilhelm Gottlieb 239, 248, 261f., 266, 275 Reitzenstein, Carl Ernst von 403

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Reitzenstein, Christiane Henriette (Tinette) von 370, 444 Reitzenstein, Eleonore Louise von, geb. von Plotho 369 Reuß-Schleiz-Köstritz, Louise Christine von 337 Riedel, Amalia Charlotte Angelika, geb. Buff 239 Riedel, Carl Heinrich Hermann Emil 239 Riedel, Carolina Amalia 239 Riedel, Cornelius Johann Rudolph 236f., 239–244, 249, 261, 277, 315, 390, 485 Riedel, Friedrich Rudolph 239 Riedel, Margaretha, geb. Klesecker 237 Riedel, Rudolph 237 Riedesel, Friederike von 176, 184, 362f., 368, 372, 376, 381–385, 387–390 Rochlietzer, Carl 300 Rosen, Robert Gottlieb von 92 Rosenstiel, Heinrich Karl 194 Rotberg, Adolph Maximilian von 456, 479 Rotberg, Emilie von 363, 365f., 368, 383, 389, 456 Rotberg, Friedrich August von 368 Rothmaler, Christoph Friedrich Siegmund von 261, 327, 417, 423, 441, 443 Rudolph, Lorenz 280 Rudorf, Carl Wilhelm 214 Rudorf, Luise, verh. von Knebel 182, 211–215, 217, 219, 227, 302, 311 Rühle von Lilienstern, (Ludwig) Otto August 283f., 296, 309–313, 322, 326, 338–340, 346, 409, 411, 419 Rühle, Caspar Conrad (von) 310 Ruprecht, Christian Friedrich 265f. Russland, Alexander von 346, 463 Russland, Maria Fjodorowna von 243 Russland, Paul I. von 246 Sachsen, Anton von 251 Sachsen, Friedrich August I. von 113 Sachsen, Friedrich August II. von 251 Sachsen, Friedrich August III. von 97, 251, 254, 340 Sachsen, Maria Amalie von, verh. von Pfalz-Zweibrücken-Birkenfeld 256 Sachsen, Maria Augusta von 251, 254f. Sachsen, Maria Theresia von, geb. von Österreich 251 Sachsen, Maximilian von 251 Sachsen-Coburg-Meiningen, Anton Ulrich von 220

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Personenregister

Sachsen-Coburg-Meiningen, Charlotte Amalie von, geb. von Hessen-Philippsthal 204, 220, 223 Sachsen-Coburg-Meiningen, Georg I. von 105, 154, 204, 319, 343–345 Sachsen-Coburg-Meiningen, Louise Eleonore von, geb. zu Hohenlohe-Langenburg 105, 154, 195, 204, 463 Sachsen-Coburg-Saalfeld, Anna Sophie von, geb. von Schwarzburg-Rudolstadt 223 Sachsen-Coburg-Saalfeld, Ernst Friedrich 106 Sachsen-Coburg-Saalfeld, Ernst I. von 463 Sachsen-Coburg-Saalfeld, Franz Josias von 393 Sachsen-Coburg-Saalfeld, Friedrich Josias von 296 Sachsen-Coburg-Saalfeld, Leopold von 463 Sachsen-Eisenach, Johann Georg von 128 Sachsen-Gotha-Altenburg, August von 102, 114, 241, 249, 258, 399, 421, 462f. Sachsen-Gotha-Altenburg, Caroline Amalie von, geb. von Hessen-Kassel 195, 201, 258, 463 Sachsen-Gotha-Altenburg, Charlotte von, geb. von Sachsen-Meiningen 195, 223, 375 Sachsen-Gotha-Altenburg, Ernst I. von 104f., 128 Sachsen-Gotha-Altenburg, Ernst II. von 102, 104f., 117, 404 Sachsen-Gotha-Altenburg, Ernst von 241 Sachsen-Gotha-Altenburg, Friedrich I. von 105 Sachsen-Gotha-Altenburg, Friedrich III. von 128, 149, 392 Sachsen-Gotha-Altenburg, Friedrich IV. von 249, 462 Sachsen-Hildburghausen, Ernst Friedrich III. Carl von 255 Sachsen-Hildburghausen, Louise von, geb. von Dänemark 255 Sachsen-Jena, Bernhard von 128 Sachsen-Weimar, Johann Ernst III. von 132, 190 Sachsen-Weimar, Johann III. von 104 Sachsen-Weimar, Wilhelm Ernst von 392 Sachsen-Weimar, Wilhelm IV. von 104, 127f. Sachsen-Weimar-Eisenach, Anna Amalia

von 11–13, 15–20, 37, 41, 88f., 115f., 128, 135, 138, 158, 166, 169, 175, 180, 187f., 190f., 195, 206–222, 225–234, 240, 262, 266, 285, 288, 290–294, 299– 304, 324f., 331, 337, 341, 349, 351, 355, 357, 360–362, 366–368, 372–375, 378, 381f., 384–386, 390–393, 404, 409, 419, 432, 439, 461, 489 Sachsen-Weimar-Eisenach, Carl Alexander von 15, 18 Sachsen-Weimar-Eisenach, Carl Bernhard von 18, 88, 92, 181, 183, 238, 244, 250, 266–268, 272, 275–284, 305, 309f., 312, 336, 338–340, 409, 411, 419, 486 Sachsen-Weimar-Eisenach, Carl Friedrich von 18f., 39, 88, 145, 149, 159, 181, 183, 235f., 238, 242–246, 248–251, 253, 256, 258–263, 266, 268, 270, 272, 275– 277, 279f., 285, 288, 293, 302, 304f., 315, 319f., 323, 328, 343, 346, 358, 390, 405, 409, 411, 419, 485f. Sachsen-Weimar-Eisenach, Caroline Louise von, verh. von MecklenburgSchwerin 19, 88, 121, 181, 183, 232, 250, 266–270, 272–276, 305, 309, 314, 336, 341, 347, 361, 367, 370, 389, 486 Sachsen-Weimar-Eisenach, Ernst August I. von 102, 128, 161, 204, 366, 392f. Sachsen-Weimar-Eisenach, Ernst August II. Constantin von 37, 116, 128, 132, 158, 187f., 205, 273, 326, 392f. Sachsen-Weimar-Eisenach, Friedrich Ferdinand Constantin von 88, 209, 229, 266, 272f., 289, 291–300, 305, 311f. Sachsen-Weimar-Eisenach, Louise Amalie Auguste von 176, 235f., 268f., 271– 274, 294, 305 Sachsen-Weimar-Eisenach, Louise von 12, 18, 88, 93, 149, 173–178, 184f., 187– 196, 198f., 201f., 210f., 216–218, 228, 231f., 235, 257, 262, 264, 270, 273f., 282, 288, 292, 300–304, 324f., 327, 341, 349, 358, 360–364, 366–369, 371f., 375–383, 385–392, 415, 418, 420–422, 456, 489 Sachsen-Weimar-Eisenach, Maria Louisa Alexandrina von, verh. von Preußen 19, 88, 262, 266, 290 Sachsen-Weimar-Eisenach, Maria Pawlowna von, geb. von Russland 18f., 34, 39, 42, 88, 159, 188, 195, 209, 232, 243, 249f., 254–256, 258–260, 262–266, 282, 285–287, 290, 300–302, 304, 324f., 341,

Personenregister 343, 346f., 358, 361, 364, 366–370, 372, 375, 378, 381, 384–386, 465, 489 Sachsen-Weimar-Eisenach, Paul Alexander von 19, 88, 282, 285f., 288–290, 294 Sachsen-Weimar-Eisenach, Maria Louise Augusta Catharina von, verh. von Preußen 19, 88, 262, 290 Schacht, Ilse Catharine 203 Schad, Polyxena Caroline 184 Schäfer, Charlotta Hippolyta Carolina, geb. Zinserling 277 Schäfer, Johann Christian 239, 244, 249, 261, 276f., 281, 284 Schanzenbach, Caroline, verh. Ebenau 178 Schardt, Ernst Wilhelm von 261, 266, 308, 320–322, 327, 347, 353, 396, 409, 419, 425, 444 Schardt, Johann Christian Wilhelm von 128, 132, 135, 332, 349, 353, 355, 382 Schardt, Sophie von, geb. von Bernstorff 315, 344 Scharnhorst, Gerhard Johann David (von) 322 Schauroth, August Friedrich von 472 Schauroth, Friedrich Carl von 445, 469, 472, 479 Scheidemantel, Andreas Friedrich Theodor 185 Schierbrandt, Wilhelm von 40, 419, 441, 479 Schilden, Friedrich Ludwig August von 457 Schiller, Charlotte (von) 205 Schiller, Johann Christoph Friedrich (von) 12, 169, 171–173, 205 Schiller, Johann Christoph Friedrich von 319, 405, 484 Schimmelpfennig, Johann Constantin 300 Schlegel, Friedrich Wilhelm von 445, 479 Schlick, Konrad 213 Schlick, Regina 213 Schlitz gen. Görtz, Caroline von, geb. von Üchtritz 270 Schlitz gen. Görtz, Johann Eustachius von 175, 240, 273, 349, 368, 370 Schlitz gen. Görtz-Wrisberg, Moritz August von 363 Schmid(t), Louise 193 Schmid, Caroline 193 Schmid, Johann Wilhelm 193 Schmidt, Caroline, verh. Krause 178

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Schmidt, Johann Christoph 251–253, 435 Schnauß, Christian Friedrich 417 Schnell, Christian Ludwig (Wilhelm) 163 Schnepper, Ernst Gottfried 90 Schönemann, Johanne Luitgard 179 Schoppe, Albina 180 Schoppe, Carolina Friederika Louisa 180, 216f. Schoppe, Friederika Louisa, geb. Müller 180 Schoppe, Heinrich August Theodor 180 Schoppe, Joachim Adam 180, 217, 231, 234 Schoppe, Johanna 180 Schoppe, Johanna Christiana 180 Schoppe, Johanna Dorothea Christiana 179–181, 217 Schoppe, Johanna Wilhelmine Friederika 180 Schoppe, Luise Amalie 180 Schröter (Schröder), Johann Andreas 236, 249, 261, 267 Schröter, Corona 214 Schütz, Carl von 445 Schultz(e), Carl Ernst 268 Schultz, Catharina Elisabeth geb. Hornstein 268f., 273, 277 Schultz, Hector Wilhelm Carl 268 Schwarz, Johann Nicolaus 216 Schwarz, Johann Samuel 211, 216, 231 Schwarzburg-Rudolstadt, Karoline Louise von, geb. von Hessen-Homburg 462 Schwarzburg-Rudolstadt, Ludwig Friedrich II. von 462 Schweden, Friederike Dorothea von, geb. von Baden 422 Schweden, Gustav IV. Adolf von 422 Schweitzer, Christian Wilhelm 89 Seckendorff, Siegmund Carl Friedrich von 130f., 208, 351f., 410, 455, 483 Seckendorff-Aberdar, Franz Carl Leopold von 434, 449, 451 Seebach, Friedrich Johann Christoph Heinrich von 130, 138, 328, 331f., 350, 360, 390, 405, 411, 418, 442, 459 Seebach, Ludwig Ernst Rudolph Gustav von 326, 345, 442 Seebach, Ludwig Friedrich Hans Quirinus von 445 Seidel, Johann Wilhelm 163 Sesemann, Christian Gottlieb 164, 248 Sokolow, Marwa 264

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Personenregister

Spiegel von und zu Pickelsheim, Carl Emil 363, 408f., 412f., 434–437, 443, 446, 451, 456 Spindler, Johann 269 Spindler, Johanna Sophie Christiane, geb. Fritsche 269, 272 Spindler, Louisa Amalia Friederika 272 Staff (gen. von Reitzenstein), Carl August Wilhelm Heinrich Herrmann von 445, 449, 454, 469, 473, 479 Staff, Christian Friedrich August von 308, 326f., 330, 368, 448, 473 Staff, Johann Ernst Wilhelm von 332, 349 Staff, Louise Eugenie Emma von, verh. von Schlitz gen. Görtz und Wrisberg 363, 366, 368, 372, 376, 388f. Staff, Rinaldo von 479 Stein zu Nord- und Ostheim , Susanne Wilhelmine Elisabeth, geb. von und zu der Tann 405 Stein zu Nord- und Ostheim, Dietrich Philipp August von 405 Stein zu Nord- und Ostheim, Julius Wilhelm Ernst von 92, 261, 326, 343–345, 368, 396, 418, 457–460 Stein zu Nord- und Ostheim, Karoline Ernestina Friederika Sophia, verh. Mellish 405 Stein, Amalie von, geb. von Seebach 344 Stein, Charlotta von 362, 373f. Stein, Charlotte von, geb. von Schardt 173, 237, 270, 368, 452 Stein, Gottlob Ernst Josias Friedrich von 137f., 331, 333, 350, 354 Stein, Gottlob Friedrich Constantin von 434, 449, 451–454, 468 Stein, Louise von, verh. von Ziegesar 231, 362, 368, 375, 382, 384 Steinert, Johann Friedrich 215 Stein-Liebenstein, Ludwig von 329f., 479 Stein-Liebenstein, Wilhelm von 434, 449, 454f. Steube, Georg Wilhelm Carl Liborius von 445 Stockhausen, Hans Friedrich von 352 Stubenvoll, Ludwig Christian von 333, 345, 350 Sulkowsky (Sulikowski), Carl Joseph Valentin von 479 Syptroth, Johann Friedrich 216 Tann, Adalbert Christian Wilhelm von und zu der 461

Tann, Christian (Ludwig Friedrich) von und zu der 412, 434, 436, 443, 449 Tauber, Christian Marcus 282 Thoms, Johann Ernst 198 Thüna zu Schlettwein, August Heinrich von 444 Thüna zu Schlettwein, Hanß Rudolph von 444 Thüna zu Schlettwein, Maria Elisabeth von, geb. von Bünau a.d.H. Cannewitz 444 Trubzewsky (Trubtschewski), Nikolai 259 Trützschler, Georg Christian Ernst von 443f., 458 Tümpling, Adolph Christian Wilhelm von 479 Tympling, Gustav von 479 Umlauf, Christiane 181, 235, 249, 267f., 289 Uttenrodt zum Scharffenberg, Wolf Siegmund Georg 352 Vehse, Eduard 12–14 Veltheim, Friedrich Wilhelm von 352 Verlohren, Heinrich Ludwig 149, 340 Vieregge, Adam Otto von 406 Vieregge, Friedrich Leopold von 406 Völkel, Julius Adolph 248, 263 Voigt, Christian Gottlob von 15, 237, 252, 315, 318, 343f., 435 Volkamer, Carl Friedrich Wilhelm von 479 Vollrat(h), Lakai Johann Samuel 275 Voß, Christian Heinrich Wilhelm von 366 Wachsmuth, Wilhelm 11–14 Wagenknecht, Johanna Christiane 233f. Wagner, Wilhelm Heinrich 137 Waitz, Johann Christoph 145 Waldner von Freundstein, Adelaide 93, 176, 274, 325, 342, 362f., 368, 376, 381– 385, 387–390 Waldner von Freundstein, Christian 368 Waldner von Freundstein, Diana, verw. Rabe von Pappenheim, verh. von Gersdorff 264, 364, 368f. Waldner von Freundstein, Friederike Elisabeth, geb. von Stein zu Nord- und Ostheim 368 Waldner von Freundstein, Gottfried 368

Personenregister Waldner von Freundstein, Isabelle, verh. von und zu Egloffstein 363, 368, 388f. Wedel, Marianne Henriette von 176, 184, 187f., 309, 324f., 358, 360, 362, 368, 370, 376, 378, 383, 387–390, 421 Wedel, Otto Joachim Moritz von 187f., 324, 326, 333, 345, 353, 378, 382, 423– 425, 450f. Weis, Christian Gottlob 179, 270 Weis, Christiane Marie, geb. Ciliax 270f., 273 Wellhausen, Christian Friedrich Ernst 189 Wende, Christian Benjamin 145 Werner, Johann Christian Wilhelm 230, 234, 275f. Werthern, Christian Ferdinand Georg von 333, 350f., 353–355, 357, 409, 423, 466 Wetken, Amalia Carolina Christiana 193, 275 Wetken, Laurenz Heinrich 275 Weyland (Weiland), Caroline Sophie Luise Friederike 193 Weyland, Georg Leopold 193 Weyland, Johann Philipp Ludwig 193 Weyland, Philipp Christian 194 Wiedemann, August Friedrich Martin 192 Wiedemann, Augusta, geb. Hämpel 192 Wiedemann, Christian Wilhelm Gottlieb Theodor 192 Wiedemann, Christoph 192 Wiedemann, Christoph Andreas 189f., 192 Wiedemann, Friedrich Christoph Theodor 192 Wiedemann, Friedrich Gottlieb Wilhelm 192 Wiedemann, Friedrich Wilhelm Ehrenfried 192 Wiedemann, Jacob Friedrich 192 Wiedemann, Johanna Dorothea Wilhelmina, geb. Hillard 192 Wiel(c)k, Johanna Friedericke 300 Wieland, Christoph Martin 12f., 15, 169– 172, 484 Winckelmann, Johann Joachim 403 Wintrath, Francisca, verh. Kühn 178, 193f. Wintzingerode, Georg Ernst Levin von 222f.

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Wintzingerode, Juliane von 222, 375 Wittdorf, Julius Jürgen von 352 Witzleben, Carl Friedrich Ferdinand von 479 Witzleben, Friedrich Carl von 308, 326, 333, 345, 423 Witzleben, Friedrich Hartmann von 135f., 138, 331f., 349, 353, 466 Witzleben, Hartmann (Hartung) August Ludwig von 445 Wolff von und zu Todenwarth, Christoph Gottfried Carl 438 Wolff von und zu Todenwarth, Friederike Wilhelmine Auguste, geb. von Rothmaler 438 Wolff von und zu Todenwarth, Karl Volprecht 438 Wolfskeel von Reichenberg, Christian Friedrich Carl 321, 327, 350, 408f., 412, 418, 422, 434, 436, 441, 443, 465 Wolfskeel von Reichenberg, Henriette 362, 368, 373–375, 378, 391f. Wolzogen, Ernst Ludwig von 319 Wolzogen, Wilhelm Friedrich Ernst Franz August von 121, 205, 240, 246–249, 256–259, 261, 266, 310, 318–322, 326– 328, 343, 346f., 356–358, 408–412, 419, 424, 461, 487 Wolzogen, Wilhelmine Christiane Henriette Johanna von, geb. Marschalk von Ostheim 319 Württemberg, Eugen von 463 Württemberg, Friedrich Eugen von 398 Württemberg, Friedrich II./I. von 111, 398 Württemberg, Karl Eugen von 398 Württemberg, Louise von, geb. zu Stollberg-Gedern, verw. von SachsenMeiningen 463 Württemberg, Louise von, verh. zu Hohenlohe-Öhringen 463 Württemberg, Ludwig Eugen von 398 Zach, Franz Xaver von 375 Zehmen, Carl Gotthelf von 461 Zella (Cella), Johann Jacob 177 Ziegesar, Anton von 382, 409, 413, 434 Ziegesar, Franz Carl von 343, 353, 442 Ziegesar, Friedrich von 364 Zinserling, Emilie Christiane Charlotte 184

bibliothek altes Reich baR herausgegeben von Anette Baumann, Stephan Wendehorst und Siegrid Westphal

Als ein innovatives, langfristig angelegtes Forum für Veröffentlichungen zur Geschichte des Alten Reichs setzt sich die „bibliothek altes Reich – baR“ folgende Ziele: – Anregung zur inhaltlichen und methodischen Neuausrichtung der Erforschung des Alten Reichs – Bündelung der Forschungsdiskussion – Popularisierung von Fachwissen – Institutionelle Unabhängigkeit Inhaltliche und methodische Neuausrichtung An erster Stelle ist die Gründung der Reihe „bibliothek altes Reich – baR“ als Impuls für die interdisziplinäre Behandlung der Reichsgeschichte und deren Verknüpfung mit neuen methodischen Ansätzen konzipiert. Innovative methodische Ansätze, etwa aus der Anthropologie, der Geschlechtergeschichte, den Kulturwissenschaften oder der Kommunikationsforschung, wurden in den letzten Jahren zwar mit Gewinn für die Untersuchung verschiedenster Teilaspekte der Geschichte des Alten Reichs genutzt, aber vergleichsweise selten auf das Alte Reich als einen einheitlichen Herrschafts-, Rechts-, Sozial- und Kulturraum bezogen. Die Reihe „bibliothek altes Reich – baR“ ist daher als Forum für Veröffentlichungen gedacht, deren Gegenstand bei unterschiedlichsten methodischen Zugängen und thematischen Schwerpunktsetzungen das Alte Reich als Gesamtzusammenhang ist bzw. auf dieses bezogen bleibt. Bündelung der Forschung Durch die ausschließlich auf die Geschichte des Alten Reichs ausgerichtete Reihe soll das Gewicht des Alten Reichs in der historischen Forschung gestärkt werden. Ein zentrales Anliegen ist die Zusammenführung von Forschungsergebnissen aus unterschiedlichen historischen Sub- und Nachbardisziplinen wie zum Beispiel der Kunstgeschichte, der Kirchengeschichte, der Wirtschaftsgeschichte, der Geschichte der Juden, der Landes- und der Rechtsgeschichte sowie den Politik-, Literatur- und Kulturwissenschaften. Popularisierung von Fachwissen Die „bibliothek altes Reich – baR“ sieht es auch als ihre Aufgabe an, einen Beitrag zur Wissenspopularisierung zu leisten. Ziel ist es, kurze Wege zwischen wissenschaftlicher Innovation und deren Vermittlung herzustellen. Neben primär an das engere Fachpublikum adressierten Monographien, Sammelbänden und Quelleneditionen publiziert die Reihe „bibliothek altes Reich – baR“ als zweites Standbein auch Bände, die in Anlehnung an das angelsächsische textbook der Systematisierung und Popularisierung vorhandener Wissensbestände dienen. Den Studierenden soll ein möglichst rascher und unmittelbarer Zugang zu Forschungsstand und Forschungskontroversen ermöglicht werden. Institutionelle Unabhängigkeit Zur wissenschaftsorganisatorischen Positionierung der Reihe: Die „bibliothek altes Reich – baR“ versteht sich als ein grundsätzlich institutionsunabhängiges Unternehmen. Unabhängigkeit strebt die „bibliothek altes Reich – baR“ auch in personeller Hinsicht an. Über die Annahme von Manuskripten entscheiden die Herausgeber nicht alleine, sondern auf der Grundlage eines transparenten, nachvollziehbaren peer-review Verfahrens, das in der deutschen Wissenschaft vielfach eingefordert wird.

Band 1 Lesebuch Altes Reich Herausgegeben von Stephan Wendehorst und Siegrid Westphal 2006. VIII, 283 S. 19 Abb. mit einem ausführlichen Glossar. ISBN 978-3-486-57909-3 Band 2 Wolfgang Burgdorf Ein Weltbild verliert seine Welt Der Untergang des Alten Reiches und die Generation 1806 2. Aufl. 2008. VIII, 390 S. ISBN 978-3-486-58747-0 Band 3 Die Reichsstadt Frankfurt als Rechts- und Gerichtslandschaft im Römisch-Deutschen Reich Herausgegeben von Anja Amend, Anette Baumann, Stephan Wendehorst und Steffen Wunderlich 2007. 303 S. ISBN 978-3-486-57910-9 Band 4 Ralf-Peter Fuchs Ein ,Medium zum Frieden‘ Die Normaljahrsregel und die Beendigung des Dreißigjährigen Krieges 2010. X. 427 S. ISBN 978-3-486-58789-0 Band 5 Die Anatomie frühneuzeitlicher Imperien Herrschaftsmanagement jenseits von St3at und Nation Herausgegeben von Stephan Wendehorst 2013. ISBN 978-3-486-57911-6 Band 6 Siegrid Westphal, Inken Schmidt-Voges, Anette Baumann Venus und Vulcanus Ehen und ihre Konflikte in der Frühen Neuzeit 2011. 276 S. ISBN 978-3-486-57912-3 Band 7 Kaiser und Reich in der jüdischen Lokalgeschichte Herausgegeben von Stefan Ehrenpreis, Andreas Gotzmann und Stephan Wendehorst 2013. ISBN 978-3-486-70251-4 Band 8 Pax perpetua Neuere Forschungen zum Frieden in der Frühen Neuzeit Herausgegeben von Inken Schmidt-Voges, Siegrid Westphal, Volker Arnke und Tobias Bartke 2010. 392 S. 2 Abb., ISBN 978-3-486-59820-9 Band 9 Alexander Jendorff Der Tod des Tyrannen Geschichte und Rezeption der Causa Barthold von Wintzingerode 2012. VIII. 287 S. ISBN 978-3-486-70709-0 Band 10 Thomas Lau Unruhige Städte Die Stadt, das Reich und die Reichsstadt (1648–1806) 2012. 156 S. ISBN 978-3-486-70757-1 Band 11 Die höchsten Reichsgerichte als mediales Ereignis Herausgegeben von Anja Amend-Traut, Anette Baumann, Stephan Wendehorst und Steffen Wunderlich 2012. 231 S. ISBN 978-3-486-71025-0

Band 12 Hendrikje Carius Recht durch Eigentum Frauen vor dem Jenaer Hofgericht (1648–1806) 2012. 353 S. 2 Abb., ISBN 978-3-486-71618-4 Band 13 Stefanie Freyer Der Weimarer Hof um 1800 Eine Sozialgeschichte jenseits des Mythos 2013. 575 Seiten, 10 Abb., ISBN 978-3-486-72502-5 Band 14 Dagmar Freist Glaube – Liebe – Zwietracht Konfessionell gemischte Ehen in Deutschland in der Frühen Neuzeit 2014. ISBN 978-3-486-74969-4