Der Treueid der Bischöfe gegenüber dem Staat: Geschichtliche Entwicklung und gegenwärtige staatskirchenrechtliche Bedeutung [1 ed.] 9783428477692, 9783428077694


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German Pages 232 Year 1994

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Der Treueid der Bischöfe gegenüber dem Staat: Geschichtliche Entwicklung und gegenwärtige staatskirchenrechtliche Bedeutung [1 ed.]
 9783428477692, 9783428077694

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ULRIKE MARGA DAHL-KELLER

Der Treueid der Bischöfe gegenüber dem Staat

Staatskirchenrechtliche Abhandlungen lIerausgegeben von Alexander lIollerbach . Josef Isensee . Joseph Listl Wolfgang Losehelder . lIans Maier' Paul Mikat . Wolfgang Rüfner

Band 23

Der Treueid der Bischöfe gegenüber dem Staat Geschichtliche Entwicklung und gegenwärtige staatskirchen rechtliche Bedeutung

Von

Ulrike Marga Dahl-Keller

DUßcker & Humblot . Berliß

Schriftleitung der Reihe "Staatskirchenrechtliche Abhandlungen": Prof. Dr. Joseph Listl, Lennestraße 15, D-53113 Bonn

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Dahl-Keller, Ulrike Marga: Der Treueid der Bischöfe gegenüber dem Staat: geschichtliche Entwicklung und gegenwärtige staatskirchenrechtliche Bedeutung / von Ulrike Marga Dahl-Keller. - Berlin : Duncker und Humblot, 1994 (Staatskirchenrechtliche Abhandlungen; Bd. 23) Zug!.: Bonn, Univ., Diss., 1992 ISBN 3-428-07769-5 NE:GT

Alle Rechte vorbehalten © 1994 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-7247 ISBN 3-428-07769-5

Vorwort Diese Arbeit wurde im Sommersemester 1992 von der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Bonn als Dissertation angenommen. Die Verfasserin dankt allen ihren Bonner Rechtslehrern. An erster Stelle gilt dieser Dank ihrem Lehrer, Herrn Professor Dr. Klaus Schlaich, der in seinen Seminarübungen das Interesse der Verfasserin auf das Gebiet des Kirchen- und Staatskirchenrechts gelenkt und diese Arbeit mit ermutigender Hilfsbereitschaft und Freundlichkeit betreut hat. In Dankbarkeit weiß sich die Verfasserin Herrn Professor Dr. Joseph Listl, dem Direktor des Instituts für Staatskirchenrecht der Diözesen Deutschlands, Bonn, verbunden. Er hat das Entstehen dieser Arbeit mit kritischem Rat und stetiger helfender Bereitschaft begleitet. Der Dank der Verfasserin gilt ferner Herrn Verleger Professor Norbert Simon für die bereitwillige Aufnahme der Arbeit in das Verlagsprogramm des Hauses Duncker & Humblot. Bonn, 30. Januar 1993

Dr. Ulrike Marga Dahl-Keller

Inhaltsverzeichnis Erster Teil Die gegenwärtige staatskirchenrechtliche Grundproblematik und die geschichtliche Entwicklung des bischöflichen Treueids

Das Eidesverständnis des religiös-neutralen Staates und die Sonderstellung des staatlichen Treueids der Bischöfe .........................

ERSTES KAPITEL:

I. Die doppelte Loyalitätspflicht des Diözesanbischofs gegenüber der Kirche

17

und dem Staat ......................................................................

17

1. Staatlicher Treueid und kirchlicher Amtseid ................................

17

2. Entstehung und Inhalte des kirchlichen Amts- oder Treueids der Bischöfe

19

3. Der staatliche Treueid der Bischöfe und das kirchliche Eidesverständnis

21

a) Das Eidesverständnis der katholischen Kirche ..........................

21

b) Das Eidesverständnis in der evangelischen Kirche .....................

24

11. Der Treueid der Bischöfe im religiös-neutralen Staat .........................

27

1. Religiöser und weltlicher Eid .................................................

27

2. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Eidesverständnis und zur Eidespflicht ...........................................................

28

3. Alternativen zur religiösen Eidesform und zum Eid überhaupt ...........

30

4. Sonderstellung des bischöflichen Treueids ..................................

31

Die geschichtliche Entwicklung des Treueids der Bischöfe gegenüber dem Staat von seinen Anfängen bis zum Ausgang des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation ...........................................

34

I. Der bischöfliche Treueid in der vorkarolingischen Zeit .......................

34

1. Gegenüber den Kaisern von Byzanz .........................................

34

2. Gegenüber dem König der Langobarden ....................................

35

11. Karl der Große und die Zeit der Karolinger ....................................

35

ZWEITES KAPITEL:

1. Die Zeit der Merowinger ......................................................

35

2. Karl der Große (768-814) . ... ..... ............... ............ ..... ... ........

36

3. Karl der Kahle (840-877) .. ... ..... ... .... ........ ......... ........ ..... ......

37

Inhaltsverzeichnis

8

III. Kluniazensische Reform, Investiturstreit, Wormser Konkordat...............

39

I. Die Besetzung der Bischofsstühle im karolingischen Reich sowie unter den sächsischen und salischen Kaisern ......................................

39

2. Die kluniazensische Reform ..................................................

40

3. Der Investiturstreit .............................................. .. .............

40

4. Das Wormser Konkordat......................................................

42

IV. Von der Zeit der Staufer bis zum Ausgang des alten Reichs.................

43

1. Der Treueid der Bischöfe im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation

43

2. Der bischöfliche Treueid außerhalb des Deutschen Reiches ..............

45

a) König Johann I. ohne Land von England ................................

45

b) König Karl I. von Sizilien .................................................

45

c) König Jakob I. von Aragon ........................ .......................

46

d) König Ferdinand I. von Neapel ...........................................

46

Zweiter Teil

Historische Erscheinungsformen des bischöflichen Treueides gegenüber dem Staat Der englische Suprematseid ......................................

47

I. Die Einführung des Suprematseides unter König Heinrich VIII. .............

47

11. Der Suprematseid unter Königin Elisabeth I. ...................................

49

III. Der langwierige Prozeß der Abschaffung des Suprematseides ... . . . . . . . . . . . .

50

Der bischöfliche Treueid in der Habsburger Monarchie ......

53

I. Der bischöfliche Treueid in der Zeit vor der Regierungsübernahme Kaiser Josephs 11. (1780) ..................................................................

53

11. Konflikte um die Eidesformel Kaiser Josephs 11. (1780-1790) ..............

54

1. Publikation der neuen Eidesformel (Hofdekret vom 1. September 1781)

54

2. Widerspruch zwischen dem staatlichen Treueid und dem kirchlichen Amtseid .........................................................................

55

3. Anwendung der gallikanischen Eidesformel in Österreich (Hofdekret vom 16. September 1782) ...........................................................

58

DRITTES KAPITEL:

VIERTES KAPITEL:

Inhaltsverzeichnis

9

III. Der bischöfliche Treueid im Österreichischen Konkordat vom 18. August 1855 .................................................................................

61

1. Entstehung und Bedeutung der Eidesformel des Österreichischen Konkordats ...........................................................................

61

2. Der bischöfliche Treueid nach der staatlichen Kündigung des Österreichischen Konkordats ..............................................................

63

Der bischöfliche Treueid in Frankreich ........ . ................

65

I. Die Zeit der absoluten Monarchie ...............................................

65

11. Die vier Eide der Französischen Revolution ....................................

67

1. Der Treueid nach der Zivilverfassung des Klerus vom 12. Juli 1790 ....

69

2. Der Eid der "Freiheit und Gleichheit" .......................................

71

3. Der Souveränitätseid ...........................................................

72

4. Der Eid des Hasses auf die Monarchie und die Anarchie .................

72

III. Der bischöfliche Treueid im Napoleonischen Konkordat .....................

73

1. Der Treueid bis zum Trennungsgesetz des Jahres 1905 ...................

73

2. Die Rechtslage in Elsaß-Lothringen .........................................

77

Der bischöfliche Treueid im Königreich Bayern ..............

78

I. Konkordatärer Treueid und bayerischer Konstitutionseid .....................

78

11. Der Streit um den Verfassungseid der Bischöfe in Bayern ...................

83

III. Die Beilegung des Konflikts durch die Tegernseer Erklärung ................

85

Der bischöfliche Treueid im Königreich Preußen ..............

87

I. Der bischöfliche Treueid von 1749 bis zur Zirkumskriptionsbulle "De salute animarum" vom 16. Juli 1821 ....................................................

87

1. Das Fürstbistum Breslau .................................. . ...................

87

2. Spätere Bistumserwerbungen Preußens ......................................

92

11. Der bischöfliche Treueid nach Inkrafttreten der Zirkumskriptionsbulle "De salute animarum" vom 16. Juli 1821 ......................................

93

III. Der bischöfliche Treueid in der Ära des Kulturkampfes ......................

99

1. Neufassung der Eidesformel ........................... ............ . ..........

99

2. Die Beilegung des Kulturkampfes ............................................

102

FÜNFTES KAPITEL:

SECHSTES KAPITEL:

SIEBTES KAPITEL:

10

Inhaltsverzeichnis

Der bischöfliche Treueid in den übrigen deutschen Staaten ...

105

I. Die Errichtung der Oberrheinischen Kirchenprovinz ..... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

105

11. Großherzogturn Baden ............................................................

107

1. Der bischöfliche Treueid nach der Frankfurter Kirchenpragmatik vom 14. Juni 1820 ...................................................................

107

2. Die Eidesformel des Badischen Konkordats vom 26. Juni 1859 .... ......

108

ill. Königreich Württemberg ..........................................................

109

1. Der bischöfliche Treueid nach der Frankfurter Kirchenpragmatik vom 14. Juni 1820 ...................................................................

109

2. Die Eidesformel des Württembergischen Konkordats vom 8. April 1857

109

N. Großherzogturn Hessen ...........................................................

111

V. Königreich Hannover..............................................................

111

VI. Königreich Sachsen ...............................................................

113

ACHTES KAPITEL:

Dritter Teil

Bestimmungen über den bischöflichen Treueid in den außerdeutschen älteren und gegenwärtigen Konkordaten

Der bischöfliche Treueid in den bis zum Ende des Pontifikats Papst Benedikts xv. (1914 -1922) abgeschlossenen Konkordaten... 115

NEUNTES KAPITEL:

I. Konkordatsabschlüsse vom Französischen Konkordat (1801) bis zum Österreichischen Konkordat (1855) ....................................................

115

1. Italienische Republik ..........................................................

115

2. Niederlande / Belgien ..........................................................

116

3. Schweizer Kantone Luzern, Bern, Solothurn, Zug, Aargau und Thurgau

116

4. Schweizer Kanton St. Gallen .................................................

117

5. Rußland .........................................................................

118

6. Spanien ..........................................................................

119

7. Costa Rica ......................................................................

119

8. Guatemala ...... ............. ......... ... ........ .... .......... ... ......... ......

120

11. Der bischöfliche Treueid in den nach dem Österreichischen Konkordat vom 18. August 1855 bis zum Ende des PontifIkats Papst Benedikts XV. (19141922) abgeschlossenen Konkordaten. ........... .... ....... ...... .... ..... ......

120

1. Österreich .......................................................................

120

2. Haiti .............................................................................

123

3. Honduras........................................................................

123

4. Nicaragua .......................................................................

124

Inhaltsverzeichnis

11

5. San Salvador ....................................................................

124

6. Venezuela.................................... ....... ............ .......... ......

124

7. Montenegro..................................................................... 8. Serbien .................................. .. ...................................... 9. Ecuador und Kolumbien.......................................................

124 125 125

ZEHNTES KAPITEL: Der bischöfliche Treueid in den außerdeutschen Konkordaten vom Beginn des Pontifikats Papst Pius XI. (1922 -1939) bis zur Gegenwart 126

I. Die Konkordatsära während des Pontiflkats Papst Pius' XI. (1922-1939) 1. Lettland ......................................................................... 2. Polen ............................................................................ 3. Rumänien....................................................................... 4. Litauen.......................................................................... 5. Tschechoslowakei .............................................................. 6. Italien............................................................................ 7. Jugoslawien..................................................................... 8. In der Konkordatsära Papst Pius' XI. abgeschlossene Konkordate ohne Erwähnung des bischöflichen Treueids ............ ............ ...... ........

126 127 128 132 133 133 135 139 140

11. Der bischöfliche Treueid während des Pontiflkats Papst Pius' XII. (19391958) ...............................................................................

141

1. Kolumbien........................................................... ...........

142

2. Konkordate mit Spanien und der Dominikanischen Republik .. ...........

143

III. Der bischöfliche Treueid während der PontifIkate der Päpste Johannes XXIII. (1958-1963), Paul VI. (1963-1978) und Johannes Paul H. (seit 1978) .....

144

1. Ungarn .......................................................................... 2. Schweiz. ........................................................................

144 144

3. Haiti .............................................................................

147

N. Zusammenfassung .................................................................

148

Vierter Teil Der bischöfliche Treueid im Reichskonkordat vom 20. Juli 1933 ELFrES KAPITEL: Die Entstehungsgeschichte der Eidesformel in Artikel 16 des Reichskonkordats .................................................................. 149

I. Der endgültige Wortlaut der Eidesformel in Artikel 16 des Reichskonkordats

149

H. Das Interesse Hitlers am Treueid der Bischöfe.. ....................... ........

150

III. Die Übernahme der Eidesformel des Italienischen Konkordats vom 11. Februar 1929 in das Reichskonkordat .................................. .. ..

153

Inhaltsverzeichnis

12

Die Fortgeltung des Reichskonkordats nach 1945 und die Verfassungsmäßigkeit des bischöflichen Treueids.............................. 157

ZWÖLFTES KAPITEL:

I. Die Fortgeltung des Reichskonkordats nach 1945 .............................

157

1. Das Konkordatsurteil des Bundesverfassungsgerichts vom 26. März 1957

157

2. Die Praxis der Ablegung des bischöflichen Treueids nach 1945 .........

158

3. Abweichende Rechtsauffassung des Landes Hessen .......................

160

4. Radikales Bestreiten der Fortgeltung des Reichskonkordats durch den Landesverband Nordrhein-Westfalen der Deutschen Jungdemokraten ...

164

5. Das FDP-Kirchenpapier von 1975 ...........................................

165

11. Die Frage der Verfassungsmäßigkeit des Treueids der Bischöfe gegenüber dem Staat...........................................................................

165

1. Die Ämterhoheit der Kirche ..................................................

165

2. Autoren, die den bischöflichen Treueid für verfassungswidrig halten....

167

3. Autoren, die den bischöflichen Treueid für verfassungsgemäß halten ...

170

4. Ergebnis ......................... . ...............................................

172

Einzelfragen der Ablegung des bischöflichen Treueids gegenüber den Repräsentanten des Staates ..................................... 173

DREIZEHNTES KAPITEL:

I. Zuständigkeit für die Entgegennahme des Treueids ...........................

173

1. Die Praxis während des Dritten Reichs ...... .. ..............................

173

2. Die Praxis nach 1945 ............................................ .. ............

175

11. Die Ablegung des Treueids bei länderubergreifenden Diözesen ..............

179

1. Klärung der grundsätzlichen Kompetenzfrage ..............................

179

2. Das Verfahren bei der Eidesleistung............................ .............

180

III. Variationen des Wortlauts der Eidesformel bei der Ablegung des Treueids .....

182

Politische Klausel und bischöflicher Treueid in WestBerlin und in der Deutschen Demokratischen Republik im Zeitraum von 1945 bis 1990 ...................................................................... 184

VIERZEHNTES KAPITEL:

I. Das Bistum Berlin .................................................................

184

1. Allgemeine historische Vorbemerkung .................... .. ................

184

2. Die Ernennung von Bischof Wilhelm Weskamm ........ .... .. .............

186

3. Die Ernennung von Bischof Julius Döpfner ........ ........................

189

4. Die Ernennung von Bischof Alfred Bengsch .......... ................ .. ...

191

5. Die Ernennung von Bischof Joachim Meisner .... ..........................

192

6. Die Ernennung von Bischof Georg Sterzinsky ................ .. ............

193

Inhaltsverzeichnis

13

11. Das Bistum Dresden-Meißen .....................................................

195

1. Allgemeine historische Vorbemerkung ......................................

195

2. Die Ernennung von Bischof Heinrich Wienken ............................

195

3. Die Ernennung von Bischof Otto Spülbeck ............................ .. ...

196

4. Die Ernennung von Bischof Gerhard Schaffran ......................... ;..

197

5. Die Ernennung von Bischof Joachim Reinelt ...............................

197

Die Gegenwartsbedeutung des Treueids der Bischöfe gegenüber dem Staat .............................................................. 198

FÜNFZEHNTES KAPITEL:

I. Der staatliche Treueid der Bischöfe -

ein absterbendes Rechtsinstitut .....

198

1. Statistischer Befund ............................................................

198

2. Funktionsverlust des bischöflichen Treueids im modemen demokratischen Staat .............................................................................

199

11. Die gegenwärtige staatskirchenrechtliche Bedeutung des bischöflichen Treueids ............................................................................

200

1. Die unbestreitbare Verfassungsmäßigkeit des Treueids der Bischöfe ....

200

2. Die Frage der staatskirchenrechtlichen Angemessenheit des Treueids der Bischöfe gegenüber dem Staat................................................

201

Literaturverzeichnis .......................................... . ........ . .................

206

Personenregister ........................................................................

220

Sachwortregister ........................................................................

225

Abkürzungsverzeichnis AAS abI. Abs. a. E. Anm. ArchKathKR Art. ASS BadK BayVBI. BayVerf. BBG Bd./Bde. BVerfGE can. CIC DÖV Dok. ebda. ed.

EKD

epd etc. EvStL FS GG HdbKathKR HdbStKirchR HerKorr HessVerf. HRG Hrsg. / hrsg. HStR IKZ i. V. m. Jhg. Iur. Diss.

= Acta Apostolicae Sedis

ablehnend Absatz am Ende Anmerkung Archiv für katholisches Kirchenrecht Artikel Acta Sanctae Sedis Badisches Konkordat = Bayerische Verwaltungsblätter = Bayerische Verfassung = Bundesbeamtengesetz = Band / Bände = Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts = canon = Codex luris Canonici = Die Öffentliche Verwaltung = Dokument = ebenda = edidit = Evangelische Kirche in Deutschland = Evangelischer Pressedienst = et cetera = Evangelisches Staatslexikon = Festschrift = Grundgesetz = Handbuch des katholischen Kirchenrechts = Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland = Herder-Korrespondenz = Hessische Verfassung = Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte = Herausgeber / herausgegeben = Handbuch des Staatsrechts = Internationale Katholische Zeitschrift "Communio" = in Verbindung mit = Jahrgang = Juristische Dissertation = = = = = = =

Abkürzungsverzeichnis JZ Kan. Abt. LThK Matth. MGH MThZ m. w. Nachw. NDB NRWVerf. p. PreußK RDC RGBI. RGG Rheinl.-PfalzVerf. RK Rn. Schlesw.-HolstVerf. Sp. ss. StdZ StL StPO TRE VELKD Vol. VVDStRL WeimRV ZEE ZPO

ZRG

= Juristenzeitung = Kanonistische Abteilung = Lexikon für Theologie und Kirche = Matthäusevangelium = Monumenta Germaniae Historica = Münchener Theologische Zeitschrift = mit weiteren Nachweisen = Neue Deutsche Biographie = Nordrhein-westflilische Verfassung = pagina = Preußisches Konkordat = Revue de Droit Canonique = Reichsgesetzblatt = Die Religion in Geschichte und Gegenwart = Rheinland-pflilzische Verfassung = Reichskonkordat = Randnummer = Schleswig-holsteinische Verfassung = Spalte I = sequentes = Stimmen der Zeit = Staatslexikon der Görres-Gesellschaft = Strafprozeßordnung = Theologische Realenzyklopädie = Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands = Volumen = Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer = Weimarer Reichsverfassung = Zeitschrift für evangelische Ethik = Zivilprozeßordnung = Zeitschrift für Rechtsgeschichte

15

ERSTER TEIL

Die gegenwärtige staatskirchen rechtliche Grundproblematik und die geschichtliche Entwicklung des bischöflichen Treueids Erstes Kapitel

Das Eidesverständnis des religiös-neutralen Staates und die Sonderstellung des staatlichen Treueids der Bischöfe I. Die doppelte Loyalitätsptlicht des Diözesanbischofs gegenüber der Kirche und dem Staat 1. Staatlicher Treueid und kirchlicher Amtseid Unter den verschiedenen Arten des politischen Eides, der vor Organen des Staates zu leisten ist, wie dem Eide des Staatsoberhauptes, des Ministerpräsidenten und der Minister, dem Eid der Beamten und Richter und dem Fahneneid, nimmt der von den Diözesanbischöfen vor ihrer Amtsübernahme aufgrund konkordatärer oder staatsgesetzlicher Bestimmungen zu leistende Treueid eine Sonderstellung ein 1. Die Inhaber staatlicher Ämter und Funktionen verpflichten sich bei der Ablegung ihres Diensteides ausschließlich dem Staate gegenüber zu Loyalität, Treue und gewissenhafter Erfüllung der ihnen aufgrund ihres Amtes oder Dienstes obliegenden Pflichten. Der Bischof dagegen ist in erster Linie der vom Papst ernannte oder bestätigte Inhaber eines herausgehobenen kirchlichen Dienst- und Leitungsamtes, das ihm in sakramentaler, die Person in unverlierbar prägender Weise in der Bischofsweihe durch Gebet und Handauflegung übertragen worden ist 2 • Er hat sein bischöfliches Amt als Mitglied des Bischofskolle1 Über die verschiedenen Arten des politischen Eides vgl. im einzelnen Ernst Friesenhahn, Der politische Eid, Bonn 1928 (Neudruck Darmstadt 1979; mit einem Vorwort zum Neudruck sowie einem Verzeichnis neuerer Literatur zur Eidesfrage als Anhang), S. 35 ff., 53 ff., 64 ff., 83 ff., 98 ff., bes. S. 88 f.; ders., Art. Eid, IV. Der promissorische, insbesondere der politische Eid, in: StL, 7. Aufl., Bd. 2, Freiburg / Basel/Wien 1986, Sp. 156 ff. 2 Vgl. hierzu im einzelnen Heribert Schmitz, Der Diözesanbischof, in: HdbKathKR, S. 336 m. w. Nachw.

2 Dahl-Keller

18

1. Teil: Gegenwärtige Grundproblematik des Treueids

gi ums unter der universalen Leitungsgewalt des Papstes auszuüben und schuldet dem Papst im Rahmen der Bestimmungen des kanonischen Rechts Loyalität, Treue und Gehorsam 3. Aus diesem Grunde ist jeder zum Amt eines Diözesanbischofs berufene Kleriker, bevor er in kanonischer Form von seinem Amt Besitz ergreift, verpflichtet, das Glaubensbekenntnis abzulegen und den Treueid gegenüber dem Apostolischen Stuhl nach der vom Apostolischen Stuhl gebilligten Formel zu leisten 4 • Der zur Leistung eines staatlichen Treueids verpflichtete Diözesanbischof unterliegt somit einer doppelten Loyalitätsverpflichtung, die im Falle der Unvereinbarkeit der kirchlichen Amtspflichten mit den staatlichen Loyalitätspflichten für die Bischöfe zu schweren und sogar unlösbaren Loyalitäts- und Gewissenskonflikten führen kann. Wie die Geschichte des Staatskirchenrechts ausweist, verfolgte "der" Staat mit dem den Bischöfen abgeforderten Treueid das Ziel, zu erreichen, daß die Bischöfe im Falle eines staatlich-kirchlichen Loyalitätskonflikts der Befolgung der staatlichen Gesetze den Vorrang vor den Bestimmungen der kirchlichen Gesetze und des kanonischen Rechts einräumten. Dies galt für König Heinrich VIII. von England, für König Friedrich II. von Preußen, für Kaiser Joseph 11. und für Napoleon ebenso wie für die Diktatoren Mussolini und Hitler. Am weitesten ging in dieser Hinsicht König Heinrich VIII. von England, der im "Act for the Submission of the Clergy to the King's Majesty" von 1533/ 1534 die endgültige und unbedingte Unterwerfung des englischen Klerus unter den Willen des Königs verlangte. Diesem Gesetz vorausgegangen war eine Ermahnung bzw. Aufforderung des Königs, in welcher er den Klerus auf die Unverträglichkeit des Untertaneneides mit dem dem Papst geleisteten Eid hinwies. Dieser dem Papst geleistete Obödienzeid befreie nämlich den englischen Klerus von seiner Untertanenpflicht gegenüber dem König und mache ihn unzulässigerweise zum Untertanen des Papstes 5 •

3 Dies kommt mit aller Deutlichkeit dadurch zum Ausdruck, daß jeder Diözesanbischof verpflichtet ist, über den Stand seiner Diözese dem Papst alle fünf Jahre nach näherer Anweisung des Apostolischen Stuhles Bericht zu erstatten (can. 399 eIC); sowie ferner in der Verpflichtung, im Jahr nach dieser Berichterstattung zum Besuch der Gräber der Apostel Petrus und Paulus nach Rom zu kommen (sog. Ad-limina-Besuch) zur persönlichen Begegnung mit dem Papst und den Behörden der Römischen Kurie (can. 400 eIC). Vgl. hierzu bei Schmitz, Der Diözesanbischof (Anm. 2), S. 345 f. 4 Diese Vorschriften finden sich heute in can. 380 eIe / 1983. Eine inhaltlich gleichlautende Bestimmung enthält can. 322 § 2 eIe / 1917. 5 Vgl. hierzu im einzelnen Michael Herr, Die Kirche in England und der königliche Supremat im Spiegel der zeitgenössischen kirchenpolitischen Publizistik. Jur. Diss., Freiburg i. Br. 1981, S. 206 f.

1. Kap.: Eidesverständnis des religiös-neutralen Staates

19

2. Entstehung und Inhalte des kirchlichen Amts- oder Treueids der Bischöfe a) Ein historisch nachweisbarer allgemeiner, dem Papst zu leistender Treueid findet sich erstmals in der Form des unter dem Pontifikat Papst Gregors I. des Großen (590-604) vorgeschriebenen Eides der päpstlichen Suffraganbischöfe, d. h. der dem Papst in seiner Eigenschaft als Erzbischof und Metropolit der römischen Kirchenprovinz in besonderer Weise unterstehenden Bischöfe 6• b) Im Hochmittelalter wurde diese bei der Ablegung des Treueids der Bischöfe gebräuchliche Eidesformel in die Dekretalensammlung Papst Gregors IX. (12271241) aufgenommen (= c. 4 X 2, 24) und zum Bestandteil des Corpus Iuris Canonici. Diese Eidesformel fand bis zum Jahre 1595 Anwendung. Nach dieser Eidesformel hatte der zum Bischofsamt Berufene im einzelnen zu beschwören: (1) Dem heiligen Petrus, der heiligen Römischen Kirche und dem Papst und seinen Nachfolgern treu zu sein. (2) Sich an keiner Beratung und keinem Vorhaben zu beteiligen, die darauf gerichtet wären, daß der Papst sein Leben oder ein Glied seines Körpers verlieren oder gefangengenommen werden sollte. (3) Kein ihm vom Papst mitgeteiltes Vorhaben irgendjemand zum Schaden des Papstes zur Kenntnis zu bringen. (4) Unbeschadet seiner Amtsstellung als Bischof das Papsttum der Römischen Kirche und die Rechte des heiligen Petrus gegen jedermann in Schutz zu nehmen und zu verteidigen. (5) An Konzilien und Synoden teilzunehmen. (6) Die Legaten des Papstes bei ihrer Ankunft und Abreise ehrenvoll zu behandeln und entsprechend ihren Bedürfnissen zu unterstützen. (7) Die Gräber der Apostel entweder persönlich oder durch einen Vertreter jährlich zu besuchen, sofern davon nicht Befreiung erteilt wurde. (8) Das Kirchengut auf keine Weise zu veräußern, zu schmälern oder zu beeinträchtigen. 7 6 Einzelheiten bei Theodor Gottlob , Der kirchliche Amtseid der Bischöfe (= Kanonistische Studien und Texte, Bd. 9), Bonn 1936 (Neudruck Arnsterdam 1963), S. 11 ff. Über die Stellung des Papstes als Erzbischof und Metropolit der römischen. Kirchenprovinz siehe Rene Metz, Der Papst, in: HdbKathKR, S. 256 f. Als erster nichtitalienischer Bischof, der diesen Eid geleistet hat, gilt Bonijatius. Diesbezüglicher Hinweis bei Hartmut Zapp, Art. Eid, 11. Kanonistische Eideslehre, in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 3, München und Zürich 1986, Sp. 1675. Die Formel des von Bonifatius geleisteten Eides ist abgedruckt bei Gottlob, ebda., S. 175 f. 7 Wortlaut der Eidesformel in: C. 4 X 2, 24 (de iureiurando), Corpus Iuris Canonici, ed. Aemilius Friedberg, Pars 11, Leipzig 1879 (Neudruck Graz 1955), Sp.360; ferner

2*

20

1. Teil: Gegenwärtige Grundproblematik des Treueids

c) Im Verlaufe der nachtridentinischen Rechts- und Liturgiereform wurde in das im Jahre 1595 veröffentlichte Pontificale Romanum, das alle Bestimmungen für den liturgischen Dienst der Bischöfe der katholischen Kirche enthält, eine revidierte und erweiterte Formel des bischöflichen Treueids aufgenommen. Zusätzlich zu den in der Eidesformel der Dekretalensammlung Papst Gregors IX. beschworenen Pflichten hatte nach der sog. tridentinischen Eidesformel der zum Bischofsamt Berufene noch folgende eidliche Verpflichtungen auf sich zu nehmen: (1) Nicht nur die Rechte des amtierenden Papstes, sondern auch diejenigen seiner Nachfolger zu schützen und zu verteidigen. (2) Sich an keinen Anschlägen zu beteiligen, die gegen die Person des Papstes und seine Rechte gerichtet wären; ferner diese zu verhindern und davon dem Papst unmittelbar oder durch andere Kenntnis zu geben. (3) Die kirchliche Rechtsordnung zu beobachten und durch andere beobachten zu lassen. (4) Häretiker, Schismatiker und Personen, die gegen den Papst und seine Nachfolger eine Rebellion unternehmen, nach Kräften zu verfolgen und zu bekämpfen. 8 Diese letztgenannte Bestimmung, Häretiker, Schismatiker und Aufständische nach Kräften zu verfolgen und zu bekämpfen, wurde entgegen späteren polemischen Behauptungen nicht erst nach dem Konzil von Trient (1546-1563) formuliert. Sie findet sich bereits in Eidesformeln des frühen 15. Jahrhunderts und richtete sich damals gegen die Wiclifiten, Hussiten und Schismatiker 9 • d) Im Jahre 1972 wurde die im Pontificale Romanum von 1595 enthaltene und seither gebrauchte Eidesformel durch eine Neufassung des bischöflichen Treueids abgelöst. In der Eidesformel von 1972 wurden die bisherigen Inhalte in einer den Beschlüssen des Zweiten Vatikanischen Konzils (1961-1965) Rechnung tragenden Weise neu formuliert IO.

in der hier vorgenommenen Aufgliederung bei Gottlob, Der kirchliche Amtseid (Anm. 6), S. 177 f., mit den zugehörigen Erläuterungen, ebda., S. 58 ff. Der erste Satz dieser Eidesfonnel hat folgenden Wortlaut: ,,(1) Ego N. episcopus ab hac hora in antea fidelis ero sancto Petro, sanctaeque Romanae ecclesiae dominoque meo papae C. eiusque successoribus canonice intrantibus." 8 Wortlaut der Eidesfonnel des Pontificale Romanum von 1595 bei Gottlob, Der kirchliche Amtseid (Anm. 6), S. 181 f. mit zugehörigen Anmerkungen, ebda., S. 77 ff.; Wortlaut dieser Eidesfonnel auch bei Heribert Schmitz, ,,Professio fidei" und "Iusiurandum fidelitatis". Glaubensbekenntnis und Treueid. Wiederbelebung des Antimodernisteneides?, in: ArchKathKR, Bd. 157 (1988), S. 357 f. Der erste Satz dieser Eidesfonnel hat folgenden Wortlaut: ,,(I) Ego N. electus ecclesiae N. ab hac hora in antea fidelis et obediens ero b. Petro apostolo sanctaeque Rom. ecclesiae, domino nostro N. papae N. suisque successoribus canonice intrantibus." 9 Siehe hierzu bei Gottlob, Der kirchliche Amtseid (Anm. 6), S. 78.

1. Kap.: Eidesverständnis des religiös-neutralen Staates

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e) Am 1. Juli 1987 wurde für den Treueid des Diözesanbischofs vom Apostolischen Stuhl eine revidierte Eidesfonnel vorgeschrieben 11. Die Fonnel des Bischofseides von 1987 berücksichtigt die Bestimmungen des Codex Iuris Canonici vom 25. Januar 1983 über die Amtspflichten und die Rechtsstellung des Diözesanbischofs. Sie wurde entsprechend dem Verständnis des Bischofsamtes des Zweiten Vatikanischen Konzils in verschiedener Hinsicht erweitert, im Vergleich zu der Eidesfonnel von 1972 in anderen Punkten aber auch gekürzt und modifiziert. In wörtlicher Übereinstimmung mit den Aussagen des Zweiten Vatikanischen Konzils und des Codex Iuris Canonici von 1983 über das Papstamt verspricht darin der zum Amt des Diözesanbischofs Berufene in der Einleitung der Eidesformel der katholischen Kirche und dem Papst, ihrem obersten Hirten, dem Stellvertreter Christi und dem Nachfolger des heiligen Petrus im Primat, dem Haupt des Kollegiums der Bischöfe, immer treu zu sein 12.

3. Der staatliche Treueid der Bischöfe und das kirchliche Eidesverständnis Voraussetzung für die staatskirchenrechtliche Möglichkeit und Durchsetzbarkeit der Forderung des Staates nach Ablegung eines Treueids der Diözesanbischöfe ist, daß die Leistung eines Eides nach dem theologischen Selbstverständnis und nach dem Eidesverständnis der katholischen Kirche legitim und zulässig ist. Es ist deshalb in diesem Zusammenhang das grundsätzliche Eidesverständnis der katholischen Kirche darzustellen, die hiervon in erster Linie betroffen ist. Im religiös neutralen und paritätischen Staat ist hierbei auch nach dem Eidesverständnis der evangelischen Kirche zu fragen. a) Das Eidesverständnis der katholischen Kirche Die katholische Kirche hält in Übereinstimmung mit dem Eidesverständnis der lateinischen Kirchenväter Ambrosius, Hieronymus und Augustinus, dessen 10 Erstveröffentlichung des Wortlauts der Eidesformel von 1972 in: Xaverius Ochoa, Leges Ecclesiae post Codicem iuris canonici editae, Vol. V (1973-1978), Roma 1980, Nr. 4161, Sp. 6440; abgedruckt auch bei Schmitz, "Professio fidei" (Anm. 8), S. 370 f. Der erste Absatz dieser Eidesformel hat folgenden Wortlaut: ,,Ego ... , nominatus ... Episcopus . . . sanctae apostolicae romanae Ecclesiae et Summo Pontifici, beati Petri Apostoli in Primatu Successori et Christi Vicario, eiusque legitimis Successoribus semper fidelis ero atque oboediens. Quos non tantum summa prosequar honore, sed faciam etiam, quantum in me erit, ut debitus iisdem tribuatur honor et omnis iniuria ab ipsis arceatur." 11 Die Eidesformel vom I. 7.1987 wurde bisher amtlich nicht publiziert; sie ist abgedruckt bei Schmitz, ,,Professio fidei" (Anm. 8), S. 378 f. 12 ,,Ego ... ad sedem ... promotus, catholicae Ecc1esiae atque romano Pontifici, eius supremo pas tori, Christi vicario, beati Petri apostoli in primatu successori et collegii Episcoporum capiti, semper fidelis ero." Vgl. hierzu den Wortlaut der Eidesformel bei Schmitz, "Professio fidei" (Anm. 8), S. 378, mit Anm. 93.

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1. Teil: Gegenwärtige Grundproblematik des Treueids

Eideslehre für das gesamte Mittelalter und auch für Thomas von Aquin bestimmend war, an der grundsätzlichen sittlichen und rechtlichen Zulässigkeit des Eides auch in der Gegenwart unvermindert fest. Die mit der patristischen Interpretation des Neuen Testaments verbundene Eidesproblematik mit zum Teil starken Tendenzen eines Eidesverbots, wie sie überwiegend in der Ostkirche, vor allem auch von Johannes Chrysostomus vertreten wurden, waren mit dem 5. Jahrhundert überwunden 13. Die Lehre der katholischen Kirche rechnet den Eid zu den außerordentlichen Akten der Religion. Sie versteht unter einem Eid die Anrufung Gottes als Zeugen für die Wahrheit einer Aussage oder für die Ehrlichkeit und Treue eines Versprechens. Die wichtigste Unterscheidung des Eides ist die des Aussageeides (iuramentum assertorium) und des Versprechenseides (iuramentum promissorium). Sowohl der dem Papst zu leistende Treu- und Obödienzeid als auch der staatliche Treueid der Bischöfe sind Formen des Versprechenseides. Für die Erlaubtheit des Eides nach der Lehre der katholischen Kirche muß der Eid unter folgenden sittlichen Voraussetzungen geleistet werden: (1) In Wahrheit (in veritate): Die Aussage muß übereinstimmen mit der Wirklichkeit, soweit man diese kennt, oder mit der inneren Überzeugung.

(2) Mit ernster Überlegung und im Bewußtsein der Heiligkeit des Eides (in iudicio). Dies bedeutet: Der Eid muß von der Obrigkeit verlangt oder er muß durch eine sonstige wichtige Veranlassung gefordert werden. Ein unnötiger, aber inhaltlich wahrer Schwur ist sittlich nicht zu verantworten und damit Sünde. (3) In Gerechtigkeit (in iustitia): Die Aussage selbst muß sittlich erlaubt sein. Es stünde deshalb im Widerspruch zur Sittenordnung, sündhafte, wenn auch wahre Mitteilungen, wie Ehrabschneidungen, Vertrauensbrüche, zu beschwören; noch weniger kann es zulässig sein, eidlich zu versprechen, etwas Böses zu tun. Letzteres wäre eine schwere sittliche Verfehlung. Wo die Leistung des Eides erlaubt ist,. ist es auch die Forderung durch einen anderen, besonders durch amtliche Stellen in Kirche und Staat 14. Die Häufung der Eide im bürgerlichen Rechtsverfahren wird für einen "Übelstand" gehalten, "der ebenso verderblich auf das religiöse Empfinden wie auf die sittlich-soziale Gewissenhaftigkeit einwirkt und daher dringend eine Einschränkung verlangt" 15.

I3 Zapp, Art. Kanonistische Eideslehre (Anm. 6), Sp. 1675; Johannes Gründel, Art. Eid, V. Die Eidesproblematik in theologisch-kirchlicher Perspektive, in: StL, 7. Aufl., Bd. 2, Freiburg / Basel/Wien 1986, Sp. 159 f. 14 Diese Lehre wird in allen Lehrbüchern der katholischen Moraltheologie vertreten. In diesem Sinne z. B. Joseph Mausbach I Gustav Ermecke, Katholische Moraltheologie, 11. Aufl., Bd. 2, Die spezielle Moral. 1. Teil, Der religiöse Pflichtenkreis, Münster 1960, S.217ff. 15 Mausbach I Ermecke, Katholische Moraltheologie (Anm. 14), ebda., S. 220.

1. Kap.: Eidesverständnis des religiös-neutralen Staates

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Diese Eideslehre der katholischen Moraltheologie beruht in ihren Grundlagen auf dem Eidesverständnis des kanonischen Rechts, wie es von der Kanonistik des Mittelalters entwickelt wurde und auch in can. 1199 bis 1204 des geltenden Codex Iuris Canonici vom 25. Januar 1983 Ausdruck gefunden hat l6 • Zu dem Verbot der Bergpredigt "Ihr habt gehört, daß zu den Alten gesagt worden ist: Du sollst nicht falsch schwören, sondern Du sollst dem Herrn Deine Schwüre halten. Ich aber sage Euch: Ihr sollt überhaupt nicht schwören: weder beim Himmel, denn er ist der Thron Gottes, noch bei der Erde, denn sie ist der Schemel seiner Füße ... Eure Rede sei Ja, Ja; Nein, Nein. Was aber darüber ist, das ist vom Bösen" (Matth. 5, 33-37) vertritt die katholische Theologie die Auffassung, daß diese Stelle der Heiligen Schrift nicht den Eid vor Gericht und bei ähnlichen öffentlichen Anlässen zum Gegenstand habe, sondern das leichtfertige, bei Juden und Heiden in der damaligen Zeit fast alltägliche Schwören. Diese Aussage der Bergpredigt bekämpfe eine Gesinnung, die nicht Gottesfurcht und Wahrheitsliebe gewesen sei, sondern heuchlerischer Mißbrauch der Religion durch zweideutige Schwurforrneln. Sie fordere als positive Norm die absolute Wahrhaftigkeit des Christen, die keines Eides bedürfe, sondern sich mit Ja und Nein begnüge 17. Der Bamberger Moraltheologe Georg Riegler hat im Jahre 1837 in einem bedeutsamen moral theologischen Traktat über den Eid das katholische Eidesverständnis in der folgenden, auch für die Gegenwart unverändert gültigen Weise zusammengefaßt: "Der Eid gründet sich auf den Glauben und das lebhafte Andenken an Gott und dessen Eigenschaften, vordersamst dessen Allgegenwart, Allwissenheit, Wahrhaftigkeit, Heiligkeit, Allmacht und Gerechtigkeit. Wer einen Eid schwört, der ruft Gott feierlich an, und zwar den Allwissenden, Wahrhaftigen, Heiligsten, Allmächtigen und Gerechtesten als Zeugen und Bürgen seiner Aussage, um sie zu bekräftigen, oder um sich zur Erfüllung eines gemachten Versprechens desto mehr zu verbinden. Der Schwörende betheuert die Aufrichtigkeit seiner Versicherung und Zusage bei allen Eigenschaften Gottes, und erklärt feierlich seine Überzeugung, daß Gott, eben weil er Gott ist, als Rächer alles Bösen, ihn, den Wortbrüchigen streng und unerbittlich nach Gerechtigkeit bestrafe, hingegen als gerechter Vergelter den Redlichen und Treuen nach dem Verdienste belohne." 18 16 Im eIe / 1917 sind die Bestimmungen über den Eid und die Eidesleistung in can. 1316 -1321 enthalten. Sie sind inhaltlich identisch mit den Bestimmungen der can. 11991204 eIe /1983. Zum Eidesverständnis des kanonischen Rechts siehe z. B. Klaus Mörsdorf, Lehrbuch des Kirchenrechts, 11. Aufl., Bd. 2, München / Paderborn / Wien 1967, S. 395 f. 17 In diesem Sinne Mausbach / Ermecke, Katholische Moraltheologie (Anm. 14), ebda., S. 222. 18 Georg Riegler, Der Eid in geschichtlich-exegetisch-moralisch-praktischer Beziehung, besonders zum Gebrauche bei amtlicher Belehrung vor der Eide-Ablegung, 3. Aufl., Augsburg 1837, S. 28.

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1. Teil: Gegenwärtige Grundproblematik des Treueids

Nach eingehender exegetischer Befassung mit dem Eidesverbot der Bergpredigt (Matth. 5, 33 - 37 mit den Parallel stellen) faßt Riegler das Ergebnis seiner Untersuchung folgendermaßen zusammen: "Christus scheint also Eide, welche von der Obrigkeit gefordert werden, nicht zu verbieten. Jene Eidesformeln, die er mit ausdrücklichem Verbote belegt, kommen auch beim Gerichte nicht vor. Ein solcher unfreiwilliger Eid ist nur ein Beweis, wie weit die Christen noch von dem Ideale der Wahrheit entfernt sind, in dem er ein Zeichen ist, daß man von der Wahrheit des Andern nicht versichert ist, und daher das zweckdienliche Mittel zur Hilfe zieht." 19 Nach dem Eidesverständnis der katholischen Kirche ist somit die Leistung eines Eides nur aus schwerwiegenden Gründen sittlich gerechtfertigt, und zwar insbesondere in denjenigen Fällen, in denen die Eidesleistung bei Gericht oder vor einer anderen staatlichen oder kirchlichen Instanz gefordert wird. Dies ist zweifellos bei der Leistung des kirchlichen Treu- und Obödienzeides und auch beim staatlichen Treueid der Bischöfe der Fall. b) Das Eidesverständnis in der evangelischen Kirche Weniger einheitlich, aber im Vergleich zum kanonischen Recht und zur Moraltheologie der katholischen Kirche erheblich zurückhaltender beurteilt die evangelische Theologie in der Gegenwart die ethische Zulässigkeit des Eides. Nicht alle evangelischen Theologen haben zu dieser Problematik Stellung bezogen. So fehlen, worauf Martin Honecker hinweist 20 , Ausführungen zum Eid bei Emil Brunner in seinem Werk "Das Gebot und die Ordnungen"21 und bei Karl Barth in dessen Kirchlicher Dogmatik 22. Die Eideslehre der Reformatoren Martin Luther, Philipp Melanchthon und Andreas Osiander beruht noch völlig auf den mittelalterlichen, insbesondere den augustinischen Grundlagen und brachte keine grundsätzliche Änderung der überkommenen Eidespraxis. Die Confessio Augustana erkennt in Artikel 16 ausdrücklich an, daß die in der Rechtsordnung vorgeschriebenen Eide zu leisten seien, "daß Christen mögen auferlegte Eide tun". In seinem Großen Katechismus weist Luther darauf hin, daß trotz des neutestamentlichen Eidesverbots Christus und Paulus geschworen hätten. Das Verbot des Eides in der Bergpredigt beziehe sich nur auf den lügenhaften und unnützen Eid. Dagegen könne der Eid zur Besserung 19 Riegler, Der Eid (Anm. 18), S. 26 f. 20 Martin Honecker, Der Eid heute angesichts seiner reformatorischen Beurteilung und der abendländischen Eidestradition, in: Gottfried Niemeier (Hrsg.), Ich schwöre. Theologische und juristische Studien zur Eidesfrage, Teil I: Theologische und juristische Studien zur Eidesfrage, München 1968, S. 69, m. w. Nachw. 21 Emil Brunner, Das Gebot und die Ordnungen. Entwurf einer protestantisch-theologischen Ethik, 1. Aufl., Tübingen 1932; 4. Aufl., Zürich 1939. 22 Karl Barth, Kirchliche Dogmatik, Dritter Band: Die Lehre von der Schöpfung, Vierter Teil, 1. Aufl., Zürich 1951; 3. Aufl., Zürich 1969.

1. Kap.: Eidesverständnis des religiös-neutralen Staates

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des Nächsten ein gutes Werk sein. Der recht gebrauchte Eid erscheint bei Luther als eine in Gott gegründete Einrichtung, durch die den Menschen die Möglichkeit gegeben werde, Recht und Unrecht zu scheiden. Die Reformatoren wandten sich nur gegen bestimmte Arten des Eides, nämlich den Gehorsamseid der Bischöfe gegenüber dem Papst und die Ordensgelübde, sowie auch gegen das zuviele Schwören, das besonders in den Reichsstädten üblich war. Ferner lehnten sie die herkömmliche Schwurform mit Anrufung der Heiligen ab, die allerdings Osiander erhalten wissen wollte, indem er die "Heiligen" als Christen verstehen wollte, ohne jedoch damit durchzudringen. Die Ablehnung der Bezugnahme auf die Heiligen wurde bei den Amtseiden auch im Reichsrecht berücksichtigt, indem der Augsburger Religionsfriede von 1555 den evangelischen Richtern am Reichskammergericht die Möglichkeit eröffnete, zu Gott auf das Heilige Evangelium zu schwören (§ 104)23. Im Gegensatz zur Lehre der Reformatoren Luther, Calvin und Zwingli haben als erste die Täufer eine kritische Haltung gegenüber dem Eid entwickelt. Mit der Begründung, daß der Eid die Gewissensentscheidung des einzelnen in einer künftigen nicht vorwegnehmbaren Situation ausschließe, lehnten sie zunächst den promissorischen Eid ab. Die Ablehnung des Eides wurde erstmals in dem im Jahre 1527 von Michael Sattler formulierten Täuferbekenntnis festgelegt. Durch ihn wurde die Eidesverweigerung zum integralen Bestandteil der täuferischen Ideologie und hat sich bei den Mennoniten bis zur Gegenwart erhalten. Die von ihnen praktizierte Eidesverweigerung wurde seitens des Staates zuerst in den Niederlanden anerkannt. Aus der Toleranz ihnen gegenüber entwickelte sich das im Laufe des 18. Jahrhunderts auch in Preußen anerkannte sog. Sektenprivi/eg, einen rechtlich gebotenen Eid zu verweigern. Diese Eidesverweigerung bei den Mennoniten hat bei den Katharern des hohen Mittelalters, den Waldensern und den Böhmischen Brüdern geistesgeschichtliche Vorläufer 24 • Unter den evangelischen Theologen des 20. Jahrhunderts sehen die Vertreter des Luthertums nach 1945 in Deutschland, wie Paul Althaus, Werner Eiert, Walter Künneth und Helmut Thielicke, den Eid im Zusammenhang der ,,Erwekkung der allgemeinen christlichen Tradition des Abendlandes". Dabei soll der assertorische Eid in einer Welt der Lüge der Wahrheitsfindung dienen, als "Ausdruck der metaphysisch bestimmten Verantwortung, die auch für das künftige Leben das Gewissen an Gottes Willen bindet" (Künneth). Ähnlich wie das kanonische Recht sieht Thielicke die Grenze des Treueids dann gegeben, wenn der Widerspruch des Eides gegen seine eigene Voraussetzung ihn nichtig macht. Den Eid innerhalb der christlichen Gemeinde hält Wolfgang Trillhaas für unzuläs23 Vgl. zum Ganzen Peter Landau, Art. Eid, V. Historisch, 4. Der Eid in der Refonnationszeit. Eidesverbote bei den Katharern bis zu den Mennoniten, in: TRE, Bd. 9, Berlin / New York 1982, S. 388. 24 Landau, Art. Eid (Anm. 23), ebda., S. 388 f., mit zahlr. weiteren Nachw.

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I. Teil: Gegenwärtige Grundproblematik des Treueids

sig, und zwar sowohl bei der Konfinnation, der Trauung und der Ordination als auch bei der Übertragung kirchlicher Ämter. Im Unterschied zur Eideslehre des Luthertums, die von der Zweireichelehre her bestimmt wird, betonen die von der christologischen Position her argumentierenden Theologen Hildburg Bethge, Walter Fürst und Helmut Gollwitzer die wörtliche Verbindlichkeit des Eidesverbots der Bergpredigt. Es sollte kein gesetzlich begründeter Eideszwang ausgeübt und der assertorische Eid durch eine feierliche Beteuerung ersetzt werden 25. Im selben Sinne vertritt Martin Honecker die Auffassung, die evangelische Kirche dürfe als Kirche vom Eid keinen Gebrauch machen. Im Unterschied zum kanonischen Recht müsse nach evangelischem Kirchenrecht der Eid kirchlich unzulässig sein. Dem Staat gegenüber wäre daher seitens der evangelischen Kirche anzuraten, den assertorischen Eid durch eine feierliche Beteuerung zu ersetzen. Ebenso sollte der promissorische Eid durch ein Gelöbnis oder eine feierliche Versicherung ersetzt werden 26. Demgegenüber bezweifelt Jochen Dietrich, ob die Kirche eine Änderung aller staatlichen Gesetze, in denen der Eid vorgeschrieben wird, "mit überzeugender Begründung" fordern könne. Daß einige ihrer Mitglieder durch das jetzige Recht in Gewissenskonflikte gerieten, genüge zur Begründung nicht, denn der Staat könne nicht auf jedes Gewissensbedenken Rücksicht nehmen. Er habe zwar in Art. 4 Abs. 3 GG bestimmt, daß niemand gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden dürfe. Die Kirche könne sich aber nicht auf das sog. Mennonitenprivileg berufen und etwa unter Hinweis auf das Gebot der Gleichbehandlung fordern, daß ihren Mitgliedern ebenfalls gestattet werde, anstelle des Eides eine andere Beteuerungsfonnel zu sprechen. Schließlich müsse sich die Kirche auch entgegenhalten lassen, daß sie in ihren eigenen Gesetzen die Leistung von Eiden vorschreibe oder vorsehe, z. B. in §§ 28 und 29 des Disziplinargesetzes der EKD, in § 69 Abs. 1 des Amtszuchtgesetzes der VELKD und in § 33 des Beamtengesetzes der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers 27. 25 Heinz-Horst Schrey, Art. Eid, VI. Ethisch, 2. Der Eid in der Diskussion der evangelischen Theologie im 20. Jahrhundert, in: TRE, Bd. 9, Berlin / New York 1982, S. 393 f. mit zahlr. w. Nachw. 26 Honecker, Der Eid heute (Anm. 20), S. 91; ders., Der Eid in einer säkularisierten Gesellschaft, in: Evangelische Kommentare, 2. Jhg. (1969), S. 573 f. 27 Jochen Dietrich, Die Ordnung des Eides in unserem staatlichen Ämterrecht. in: Gottfried Niemeier (Hrsg.), Ich schwöre (Anm. 20). S. 100 f. Zu diesen sich auf die Rechtslage des Jahres 1968 beziehenden Aussagen des Autors Jochen Dietrich ist anzumerken. daß sich im Hinblick auf das Disziplinargesetz der EKD und das diesbezügliche Kirchengesetz der VELKD in der Zwischenzeit die Rechtslage nicht geändert hat. Das frühere Disziplinargesetz der VELKD trägt seit seiner Novellierung im Jahre 1989 die Bezeichnung ,,Amtspflichtverletzungsgesetz - AVerG". Dagegen ist im Hinblick auf das Beamtengesetz der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers eine Änderung der Rechtslage eingetreten. Ein eigenes Kirchenbeamtengesetz der hannoverschen Landeskirche gibt es nicht mehr. In der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers

1. Kap.: Eidesverständnis des religiös-neutralen Staates

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In einem Thesenpapier zur Eidesfrage vom 15. Juni 1972, das von einem vom Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland und der Deutschen Bischofskonferenz eingesetzten Ausschuß erarbeitet wurde, wird die Auffassung vertreten, der Staat könne in der Verantwortung für die Rechtsgemeinschaft von seinen Bürgern fordern, daß sie die Wahrhaftigkeit einer Aussage oder die Zusage der gewissenhaften Erfüllung besonderer Verpflichtungen eidlich bekräftigen. Die Bedeutung der Rechtspflege für die Rechtsgemeinschaft rechtfertige insbesondere die mit strafrechtlichen Sanktionen versehene Bekräftigung der gewissenhaften Erfüllung besonderer Pflichten. Ferner wird in dieser Stellungnahme die Ersetzung der bisherigen religiösen Eidesfonne1 durch eine andere Fonnel vorgeschlagen. In ihr soll als rechtliches Äquivalent zur Eidesleistung im Bewußtsein der damit verbundenen besonderen Verantwortung die Versicherung abgegeben werden, daß der zur Abgabe dieser Erklärung Verpflichtete "nach bestem Wissen die reine Wahrheit gesagt und nichts verschwiegen" habe 28 •

11. Der Treueid der Bischöfe im religiös-neutralen Staat 1. Religiöser und weltlicher Eid

Bis zum Ende der Monarchie im Jahre 1918 leisteten die vom Papst ernannten Diözesanbischöfe vor Empfang der Bischofsweihe und vor der Besitzergreifung von ihrer Diözese den Treueid in die Hand des katholischen oder jedenfalls christlichen Monarchen in einem Staat, der seinem Selbstverständnis nach ein christlicher Staat war 29 • gilt nunmehr das Kirchenbeamtengesetz der VELKD, das von den Gliedkirchen der VELKD durch Ausführungsbestimmungen ergänzt werden kann. In § 41 des Kirchenbeamtengesetzes der VELKD ist geregelt, daß der Kirchenbeamte bei seiner Einstellung, soweit durch Kirchengesetz nichts anderes bestimmt ist, ein Gelöbnis ablegt. Das hannoversche Ergänzungsgesetz enthält hierzu keine einschlägigen Bestimmungen. Zum evangelischen Eidesverständnis siehe ferner Hans-Hartmann Frhr. von Schlotheim, Der assertorische Eid, in: Gottfried Niemeier (Hrsg.), Ich schwöre. Teil 11: Studien zum Zeugenund Soldateneid, München 1968, S. 9 ff. 28 Thesen zur Eidesfrage. Erarbeitet von einem evangelisch-katholischem Ausschuß, in: ZEE, 17. Jhg. (1973), S. 106 ff.; mit Anmerkung von Martin Honecker, Kommentar zu den Thesen zur Eidesfrage, ebda., S. 109 ff.; hierzu ferner Schrey, Art. Eid (Anm. 25), S. 393. 29 Im Hinblick auf den christlichen Charakter des preußischen Staates während der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bestimmte z. B. Artikel 14 der Verfassungs urkunde für den Preußischen Staat vom 31. Januar 1850: "Die christliche Religion wird bei denjenigen Einrichtungen des Staates, welche mit der Religionsübung im Zusammenhange stehen, unbeschadet der im Art. 12 gewährleisteten Religionsfreiheit, zum Grunde gelegt." Über das Verständnis der inhaltlichen Bedeutung dieser Verfassungsbestimmung vgl. z. B. die beiden Kommentierungen von E. Schwartz, Die Verfassungsurkunde für den Preußischen Staat vom 31. Januar 1850, Breslau 1896, S. 79 ff.; und Gerhard Anschütz, Die Verfassungsurkunde für den Preußischen Staat vom 31. Januar 1850. Ein Kommentar

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I. Teil: Gegenwärtige Grundproblematik des Treueids

Heute ist der Treueid der Bischöfe in der Bundesrepublik Deutschland vor den Ministerpräsidenten oder vor von diesen beauftragten Repräsentanten des religiös-neutralen Staates zu leisten, der sich seinem Selbstverständnis nach von Verfassungs wegen mit keiner Religion oder Weltanschauung identifiziert und sich mit einer solchen auch nicht identifizieren darf. Es liegt deshalb durchaus im Bereiche der Möglichkeit, daß der den Eid entgegennehmende Repräsentant des Staates keiner Religion angehört oder erklärter Atheist ist. Auf diesem religionssoziologischen Hintergrund erhebt sich die Frage, ob die Leistung eines bischöflichen Treueides in einer säkularisierten Gesellschaft und in einem religiös neutralen Staat noch rechtlich legitim und zeitgemäß sein kann. Auf dem Gebiete der Eidesleistung ist bereits seit dem 19. Jahrhundert eine Abwendung vom ausschließlich religiös geformten Eid zugunsten der Möglichkeit einer rein weltlichen feierlichen Bekräftigung einer Aussage oder eines Versprechens festzustellen. Durch den religiös-neutralen Staat, der die Glaubensund Gewissensfreiheit jedes einzelnen schützt, darf kein Zwang ausgeübt werden, den Eid als religiöse Handlung zu verstehen oder zu vollziehen. Dieser grundrechtlichen Verpflichtung versucht der Staat durch die Einführung einer nichtreligiösen Eidesformel, aber unter grundsätzlicher Beibehaltung des Eides als Institut der Rechtsordnung, gerecht zu werden 30. 2. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Eidesverständnis und zur Eidespflicht

Unter der Herrschaft des Grundgesetzes wird im Unterschied zur Weimarer Zeit der Eid in der Regel in religiöser Form normiert und die Weglassung der religiösen Beteuerung gestattet (z. B. Art. 56 GG, § 58 BBG). Nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 11. April 1972 verstößt auch der Zwang zum weltlichen Zeugeneid, obwohl ihm jeder religiöse oder transzendente Bezug fehle, gegen das Grundrecht der Glaubensfreiheit des Art. 4 Abs. 1 GG31. Daher räumen nunmehr § 66 d StPO und § 484 ZPO die Möglichkeit ein, ohne besondere Glaubhaftmachung der religiösen oder weltanschaulichen Motivation statt des Eides eine eidesgleiche Bekräftigung abzugeben. In einer weiteren Entscheidung vom 25. Oktober 1988 hat das Bundesverfassungsgericht seine frühere Rechtsprechung fortgeführt und entschieden, daß auch bei Übernahme eines Kommunalmandats der gesetzlich vorgeschriebene Eid durch eine eidesgleifür Wissenschaft und Praxis. 1. (einziger) Band. Einleitung. Vom Staatsgebiete und von den Rechten der Preußen, Berlin 1912 (Neudruck Aalen 1974), S. 260 ff. 30 Martin Honecker, Art. Eid, 1.4. Heutige Problematik, in: EvStL, 3. Aufl., Stuttgart 1987, Sp. 666 f.; vgl. zu dieser Problematik ebenfalls die Ausführungen bei Klaus Schlaich, Neutralität als verfassungsrechtliches Prinzip, Tübingen 1972, S. 57 f. mit Anm.52. 31 BVerfGE 33, S. 23 (27 f.).

1. Kap.: Eidesverständnis des religiös-neutralen Staates

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che feierliche Beteuerung ersetzt werden könne 32 • Die durch die Bestimmungen des § 66 d StPO und des § 484 ZPO gebotene Möglichkeit der Abgabe einer eides gleichen Bekräftigung anstelle des Eides wird man mit Rücksicht auf den Gleichheitssatz auf alle gesetzlich vorgesehenen Eidesfalle ausdehnen müssen, jedenfalls soweit der Eid eine allgemeine Bürgerpflicht darstellt 33 • Anders stellt sich nach der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts die Rechtslage beim Amtseid dar. Das Bundesverfassungsgericht unterscheidet zwischen dem Amtseid und dem Eid als Bürgerpflicht. Das Gericht verneint im Falle des in den Art. 56 und 64 Abs. 2 GG vorgeschriebenen Amtseides des Bundespräsidenten und der Mitglieder der Bundesregierung einen Verstoß gegen die Glaubensfreiheit des Art. 4 Abs. 1 GG deshalb, weil das freiwillig übernommene Amt eines Verfassungsorgans "grundsätzlich die vollkommene Identifizierung des Gewählten mit den in der Verfassung niedergelegten Wertungen voraussetzt"34. Diese Argumentation vermag jedoch nicht zu überzeugen. Die Worte "Ich schwöre" in dem ohne Anrufung Gottes geleisteten weltlichen Eid haben sowohl für den Gewissensbereich des Amtsträgers als auch in ihrer sozialen Funktion inhaltlich diegleiche Bedeutung wie die Worte "Ich gelobe". Gleiches muß auch für den Diensteid der Beamten gelten. Die Argumentation des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs, der die Verweigerung des in Art. 187 BayVerf. den Beamten auferlegten Verfassungseides unter Berufung auf die in Art. 107 derselben Landesverfassung gewährleisteten Gewissensfreiheit mit der Begründung für unzulässig erklärt hat, es handele sich beim Beamtenverhältnis um eine durch den Eintritt in den Öffentlichen Dienst übernommene "selbstgewählte Bindung", erscheint ebenfalls nicht überzeugend. Die beiden Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts führen mit einer zwangsläufigen inneren Logik dazu, generell anstelle des Diensteides für diejenigen, die aus Glaubens- und Gewissensgründen jeden Eid ablehnen, das Gelöbnis einzuführen 35 •

32 BVerfGE 79, S. 69 ff. = JZ 1989, S. 292 mit Anm. Hartmut Maurer = BayVBI. 1989, S. 207 mit abI. Anm. Walter Rzepka; Bedenken gegen diese Entscheidung erhebt auch Joseph Listl, Die Religions- und Kirchenfreiheit in der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, in: Verantwortung und Freiheit. FS für Willi Geiger zum 80. Geburtstag, Tübingen 1989, S. 576 ff. Die geschichtliche Entwicklung der Rechtsprechung zur Eidespflicht in der Bundesrepublik Deutschland ist dargestellt bei Joseph Listl, Das Grundrecht der Religionsfreiheit in der Rechtsprechung der Gerichte der Bundesrepublik Deutschland, Berlin 1971, S. 81 ff. 33 In diesem Sinne Friesenhahn, Der politische Eid (Anm. 1), S. IX; ferner mit überzeugender Begründung Axel Frhr. von Campenhausen, Religionsfreiheit, in: HStR, Bd. 6, Heidelberg 1989, § l36, Rn. 57. 34 BVerfGE 33, S. 23 (31). 35 In diesem Sinne nachdrücklich Friesenhahn, Der politische Eid (Anm. 1), S. IX; ebenso von Campenhausen, Religionsfreiheit (Anm. 33), Rn. 57. Lediglich für den Amtseid von Staatsorganen, der im Grundgesetz bzw. in den Landesverfassungen selbst zwingend vorgeschrieben ist, mag nach von Campenhausen etwas anderes gelten.

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I. Teil: Gegenwärtige Grundproblematik des Treueids

3. Alternativen zur religiösen Eidesfarm und zum Eid überhaupt Auch im heutigen religiös-neutralen Staat wird die Eidesabnahme durch ihre Notwendigkeit gerechtfertigt. Diese wird damit begründet, daß gewisse staatliche Funktionen in ihrer sittlichen Bedeutung herauszuheben sind oder daß es "der Erfüllung der Aufgabe der Rechtspflege dient, wenn die Pflicht zur Wahrhaftigkeit noch einmal eingeschärft wird". Auch Zweckmäßigkeitserwägungen spielen hierbei eine Rolle. Trotzdem drängen sich, wie Karl Peters zu Recht bemerkt, Zweifel auf, ob angesichts der heutigen gesellschaftlichen Einstellung der Eid wirklich noch die Wahrheitsfindung fördert oder der Gewissenhaftigkeit bei der Erfüllung von Pflichten ein zusätzliches bedeutsames Fundament gibt 36• Wenn trotzdem am "Eide" festgehalten werde, so offenbare sich darin, wie Friesenhahn bereits im Jahre 1928 festgestellt hat, das Bemühen, bei aller reinlichen Scheidung des Staates von der Religion, die bei vielen Staatsangehörigen vorhandenen religiösen Vorstellungen, die mit dem Eide verbunden seien, für die Zwecke des Staates dienstbar zu machen 3? Im übrigen zeigen die geschichtliche Erfahrung und die gegenwärtige allgemeine Staatspraxis, daß kein Staat der Welt das Institut des Eides abgeschafft hat oder ohne den Eid auskommt. Auch der religiöse Eid in Art. 177 W eimRV, dessen Formel im Unterschied zu Art. 56 und 64 Abs. 2 GG keine religiöse Beteuerung enthielt, dem aber der Zusatz "So wahr mir Gott helfe" angefügt werden konnte, war keineswegs ohne materiellen Gehalt. Die vom Staate festgesetzte höchste und feierliche Beteuerungsformel muß sich irgendwie von den einfachen Beteuerungsformeln des tagtäglichen Lebens unterscheiden. Der sog. bürgerliche Eid bedeutet seinem ethischen Gehalt nach einen Appell an das Gewissen und die höchsten Pflichten des Bürgers im Staate. Daß die Eidesleistung auch in der religionslosen Form psychologisch und in Anbetracht der im Falle eines Eidesdelikts damit verbundenen Rechtsfolgen auf den Schwörenden einen stärkeren Eindruck macht als das einfache Versprechen, ist unbestreitbar. Während sich der Schwörende im religiösen Eid die Verantwortung vor Gott vorstelle, vergegenwärtige er sich im bürgerlichen Eid seine Verantwortung als Staatsbürger und seine Verpflichtung für das Wohl des Ganzen. Bilde beim religiösen Eid die Ehrfurcht vor Gott und die Rücksicht auf das ewige Seelenheil den ausschlaggebenden Beweggrund für die Verpflichtung zur wahrheitsgemäßen Aussage, so erscheine im bürgerlichen Eid als ethische Grundlage für die wahrheitsgemäße Aussage die Pflicht zu Wahrheit und Treue als Grundvorstellung des sozialen Zusammenlebens im Staate 38 • 36 In diesem Sinne Karl Peters, Art. Eid, I. Begriff und Grundlinien der Entwicklung, 11. Heutige Problematik des Eides, III. Der assertorische Eid, in: StL, 7. Aufl., Bd. 2, Freiburg / Basel/Wien 1986, Sp. 155 f. 3? Friesenhahn, Der politische Eid (Anm. 1), S. 10. 38 In diesem Sinne Friesenhahn, Der politische Eid (Anm. 1), S. 11 f.

1. Kap.: Eidesverständnis des religiös-neutralen Staates

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Der religiös-neutrale Staat ist deshalb verpflichtet, denjenigen Bürgern, die entsprechend ihrem Eidesverständnis einen religiös verstandenen Eid leisten wollen, hierzu die Möglichkeit zu eröffnen; andererseits darf er diejenigen Bürger, die einen rein weltlich-bürgerlichen Eid ablegen wollen, nicht zur Verwendung einer religiösen Eidesformel nötigen. Und schließlich ist er auch gehalten, denjenigen Bürgern, die sich aus Gewissensgründen daran gehindert sehen, überhaupt einen Eid abzulegen, hierfür einen Ersatz anzubieten und als Alternative die Ablegung einer rechtlich eidesgleichen feierlichen Erklärung anstelle des assertorischen Eides oder eines feierlichen Versprechens anstelle des promissorischen Eides zur Verfügung zu stellen.

4. Sonderstellung des bischöflichen Treueids Innerhalb aller Erscheinungsformen des politischen Eides nimmt der bischöfliche Treueid, der gemäß Art. 16 Abs. 1 RK von den Bischöfen, bevor sie von ihrer Diözese Besitz ergreifen, zu leisten ist, wie bereits bemerkt, eine Sonderstellung ein. Er ist nach der folgenden, im Reichskonkordat vom 20. Juli 1933 zwischen den Konkordatspartnern vereinbarten Formel abzulegen: "Vor Gott und auf die heiligen Evangelien schwöre und verspreche ich, so wie es einem Bischof geziemt, dem Deutschen Reich und dem Lande ... Treue. Ich schwöre und verspreche, die verfassungsmäßig gebildete Regierung zu achten und von meinem Klerus achten zu lassen. In der pflichtmäßigen Sorge um das Wohl und das Interesse des deutschen Staatswesens werde ich in Ausübung des mir übertragenen geistlichen Amtes jeden Schaden zu verhüten trachten, der es bedrohen könnte." 39 Der Bischof verpflichtet sich durch diesen religiösen Eid gegenüber den Repräsentanten des religiös-neutralen Staates für seine eigene Person und auch für den ihm in seinem bischöflichen Amt untergebenen Klerus zu einem loyalen Verhalten gegenüber der jeweiligen verfassungsmäßig gebildeten Regierung und erklärt die Sorge um das Wohl und das Interesse des Bundeslandes bzw. der Bundesländer, in dem bzw. in denen seine Diözese liegt, und ferner der gesamten Bundesrepublik Deutschland und auch die Abwendung jedes Schadens von ihnen zugleich zu einer der Pflichten, die ihm bei der Ausübung seines geistlichen Amtes obliegen. Der Bischof wird durch_ ~\!inen_ Trel!e.i9 im l).!1J~fscQiy9 zu den staatlichen Amtsträgern jedoch nicht in -staatliche Pflicht genollunen; sondern er verspricht als Inhaber seines ihm übertragenen geistlichen Amtes in der vom Staat getrennten Institution "Kirche" eine umfassende loyale Kooperation mit dem Staat zum Wohle und im Interesse des deutschen Staatswesens aus der Erwägung, 39 Wortlaut der Eidesfonne1 des Reichskonkordats bei Joseph Listl, Die Konkordate und Kirchenverträge in der Bundesrepublik Deutschland. Textausgabe für Wissenschaft und Praxis, Bd. 1, Berlin 1987, S. 44.

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I. Teil: Gegenwärtige Grundproblematik des Treueids

daß die Gläubigen der Kirche zugleich Bürger dieses Staates sind. Der bischöfliche Treueid bedeutet somit nicht eine Indienstnahme der katholischen Kirche für die Zwecke des Staates; er ist vielmehr deutlicher rechtlicher Ausdruck der eigenständigen Verantwortung der Kirche für das Wohl nicht nur der in der staatlich verfaßten Gesellschaft lebenden katholischen Christen, sondern auch für das Wohl der gesamten Gesellschaft und des Staates. Zu dieser loyalen Kooperation konnte sich die katholische Kirche durch ihre Bischöfe nicht nur gegenüber dem seinem Selbstverständnis nach "christlichen" Staat des 19. Jahrhunderts verpflichten, sie kann dies ebenso auch gegenüber dem religiös-neutralen Staat des 20. Jahrhunderts. Der bischöfliche Treueid dokumentiert somit die bewußte und erklärte Mitverantwortung der vom Staat verfassungsrechtlich und organisatorisch unabhängigen Kirche für das Gemeinwohl des Staates in den Bundesländern und in der Bundesrepublik Deutschland 4O • Der so verstandene bischöfliche Treueid steht damit durchaus im Einklang mit den grundsätzlichen Aussagen des Zweiten Vatikanischen Konzils, das in einer möglichst engen Kooperation zwischen Kirche und Staat die im Rahmen des Möglichen anzustrebende beste Form des Verhältnisses von Kirche und Staat erblickt. Nach der Erklärung des Zweiten Vatikanischen Konzils sind die politische Gemeinschaft und die Kirche auf je ihrem Gebiet voneinander unabhängig und autonom. Beide dienen aber, wenn auch in verschiedener Begründung, derpersönlichen und gesellschaftlichen Berufung derselben Menschen. "Diesen Dienst können beide", erklärt das Konzil, "zum Wohle aller um so wirksamer leisten, je mehr und besser sie rechtes Zusammenwirken miteinander pflegen."41

40 Diese Gemeinwohlverantwortung der Kirche bildet auch eine der Komponenten des von der neueren evangelischen Theologie als Frucht des Kampfes der Kirchen gegen den Nationalsozialismus entwickelten Formel vom "Öffentlichkeitsauftrag" der Kirche. Darunter wird nicht nur verstanden, daß die Kirchen und die in ihnen versammelten Christen freimütig von der in Christus geoffenbarten Versöhnung Gottes mit der Welt predigen und mit dem ihnen von daher aufgetragenen Dienst am Nächsten "ein Stück Verantwortung für die Welt" wahrnehmen. Die Verwirklichung des Öffentlichkeitsauftrags hat auch in der Verantwortung für das Ganze, d. h. für das Gemeinwohl des Staates zu geschehen. Vgl. hierzu im einzelnen Klaus Schlaich, Der Öffentlichkeitsauftrag der Kirchen, in: HdbStKirchR, Bd. 2, S. 232 und 238; ferner Dietrich Pirson, Art. Öffentlichkeitsan~pruch der Kirche, in: EvStL, 3. Aufl., Sp. 2278 - 2284. Der Offentlichkeitsauftrag der Kirchen wurde kirchenvertragsrechtlieh erstmals nach dem Zweiten Weltkrieg in der Präambel des Niedersächsischen Kirchenvertrags vom 19.3.1955 (Loccumer Vertrag) anerkannt. Der Vertrag wurde geschlossen "in Übereinstimmung über den Öffentlichkeitsauftrag der Kirchen und ihre Eigenständigkeit". Wortlaut der Präambel des Niedersächsischen Kirchenvertrags bei Listl, Die Konkordate und Kirchenverträge (Anm. 39), Bd. 2, S. 109 f. 41 Zweites Vatikanisches Konzil. Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute "Gaudium et Spes", lateinischer Wortlaut in: AAS 58 (1966), S. 1099; deutscher Wortlaut u. a. in: LThK, 2. Aufl., Ergänzungsbände: Das Zweite Vatikanische Konzil - Dokumente und Kommentare, Bd. 3, Freiburg / Basel/Wien 1968, S. 531.

l. Kap.: Eidesverständnis des religiös-neutralen Staates

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Das Ausmaß der Loyalität, zu der sich der Bischof aufgrund des Treueides gegenüber dem Staat verpflichtet, ist jedoch nicht unbegrenzt. Der Treueid wird geleistet mit der Einschränkung "so wie es einem Bischof geziemt". Nur soweit die im Treueid versprochenen und beschworenen Verpflichtungen mit den sich aus dem Evangelium ergebenden Pflichten seines bischöflichen Amtes und den Gesetzen des kanonischen Rechts vereinbar sind, soll der Eid den Bischof verpflichten. Wie Friesenhahn hierzu ausführt, war der staatlicherseits von der Geistlichkeit, insbesondere von den katholischen Geistlichen, geforderte Eid im Laufe der Geschichte immer wieder von neuem Gegenstand eines scharfen Kampfes zwischen Staat und Kirche. Der Staat verlangte den Eid von den Geistlichen als Inhabern eines öffentlichen Amtes. Der Inhalt des Eides habe gewechselt: Bald sei er bloßer Treu- und Gehorsamseid, bald Treu- und Gehorsamseid in Verbindung mit dem Eid auf die Staatsverfassung und die Gesetze gewesen. Auch der Kreis der zur Eidesleistung Verpflichteten sei unterschiedlich: Bald seien es alle Geistlichen, bald nur die Pfarrer, bald nur die Bischöfe gewesen. Aus prinzipiellen Erwägungen lehne die Kirche den unbedingten Eid der Geistlichen auf staatliche Gesetze ab, die den Anschauungen der Kirche über das Verhältnis von Kirche und Staat widersprechen. Da diese Forderung in der Neuzeit von nahezu allen modernen Verfassungen und staatlichen Gesetzen gestellt worden sei, habe der Eid der katholischen Geistlichen eine ständige Reibungsfläche zwischen Staat und Kirche gebildet, angefangen von dem Eid, den die Constitution civile du clerge von 1790 als Voraussetzung der Amtsausübung gefordert habe. Während der Staat, wenigstens zunächst, auf der unbedingten Eidesleistung der Bischöfe beharrte, verstand es die Kirche, von der Mitte des 19. Jahrhunderts an in sämtlichen Konkordaten eine ihre Rechte wahrende Klausel "salvis Ecclesiae iuribus", "sicut decet episcopum", d. h. "so wie es einem Bischof geziemt", oder eine Erklärung der Regierung, daß die Leistung des Treueids den Geistlichen zu keiner seinem Gewissen widerstreitenden Handlung verpflichten solle, dun;hzusetzen 42 •

42 Vgl. zum Ganzen Friesenhahn, Der politische Eid (Anm. 1), S. 88, m. w. Nachw. Über die Entstehung und Bedeutung der Formel "sicut decet Episcopum" siehe im einzelnen in dieser Arbeit, unten, Viertes Kapitel: Der bischöfliche Treueid in der Habsburger Monarchie, III 1 und Neuntes Kapitel: Der bischöfliche Treueid in den bis zum Ende des Pontifikats Papst Benedikts XV. (1914-1922) abgeschlossenen Konkordaten, III 2.

3 Dahl-Keller

Zweites Kapitel

Die geschichtliche Entwicklung des Treueids der Bischöfe gegenüber dem Staat von seinen Anfängen bis zum Ausgang des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation I. Der bischöfliche Treueid in der vorkarolingischen Zeit 1. Gegenüber den Kaisern von Byzanz

Der Treueid der Bischöfe gegenüber dem Staat ist als Rechtsinstitut nicht erst in der Neuzeit entwickelt worden, er reicht vielmehr in seinen Anfangen bis in die Spätantike, möglicherweise bis auf Papst Gregor den Großen (590-604) zurück. Die Urform eines bischöflichen Treueids gegenüber dem Staat ist enthalten in dem ältesten päpstlichen Kanzlei- und Formularbuch, dem sog. Liber diurnus Romanorum Pontificum, dessen ältester Teil schon in der Zeit vor Gregor dem Großen entstanden ist und der bis zur Mitte des 11. Jahrhunderts in Gebrauch warl. Nach dem in diesem Kanzleibuch überlieferten Formular des bischöflichen Obödienzeides gegenüber dem Papst, der über den Reliquien des heiligen Apostels Petrus abgelegt wurde, verspricht der Bischof, er werde, sobald er erfahre, daß etwas "gegen den Staat oder unseren gottesfürchtigsten Herrscher"2 unternommen werden solle, soweit es ihm möglich sei, solchen Bestrebungen entgegentreten, davon dem Papst Anzeige erstatten und alles tun, was in seinen Kräften stehe. Dieses Formular enthält am Schluß für den Fall der Übertretung eine Selbstverwünschung. Der Bischof erklärt nämlich in dieser Eidesformel, er wolle im Falle des Eidbruches "vor dem ewigen Gericht schuldig befunden werden und sich die Strafe des Hananias und der Saphira zuziehen" 3. Diese Selbstverwünschung 1 Liber diurnus Romanorum Pontificum, ed. Theodorus E. ab Sickel, Vindobonae 1889, p. 79 ss. und 75 s. Voller Wortlaut der Eidesformel bei Theodor Gottlob, Der kirchliche Amtseid der Bischöfe (= Kanonistische Studien und Texte, Bd. 9), Bonn 1936 (Neudruck AmsterdaI'n 1963), S. 174; Hinweis auch beiPhilipp HC!fmeister, Der Bischofseid gegenüber dem Staate, in: MThZ, 6. Jhg. (1955), S. 195 f. Uber den Liber diumus vgl. Wilhelm Foerster, Art. Liber Diurnus, in: LThK, 2. Aufl., Bd. 6, Freiburg i. Br. 1961, Sp. 1014. 2 " ... contra rempublicam vel piissimum principem nostrum." Wortlaut bei Gottlob, Der kirchliche Amtseid (Anm. I), S. 174; die Stelle zitiert auch bei Hofmeister, Der Bischofseid (Anm. 1), S. 195.

2. Kap.: Geschichtliche Entwicklung des Treueids

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bezieht sich, wie Hofmeister anmerkt, nicht nur auf das Versprechen gegenüber dem Papst, sondern auch gegenüber dem Staat und dem Landesherm. Bei diesem handelte es sich für die italienischen Bischöfe der damaligen Zeit um den Kaiser von Byzanz, da als "Geburtsstunde des Kirchenstaates" erst das Jahr 756 aufgrund der damals erfolgten Pippinschen Schenkung gelten kann 4 •

2. Gegenüber dem König der Langobarden Ein zweites, ebenfalls im Liber diurnus überliefertes Formular eines päpstlichen Obödienzeides ist für die Bischöfe im langobardischen Königreich bestimmt. Auch in dieser Eidesformel findet sich, wenn auch in allgemeinerer Form, eine parallele Stelle über die Verpflichtung der Bischöfe zur Loyalität gegenüber dem Staat. Die Bischöfe schwören nämlich nach dieser Eidesformel, mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln für den Frieden, den Gott gibt, "zwischen dem Staat und uns, d. h. zwischen dem Volk der Langobarden", einzutreten 5 • Diese Eide wurden zwar nicht in die Hände des Kaisers von Byzanz oder des Königs der Langobarden abgelegt, aber es erscheint doch beachtenswert, daß in den dem Papst geschworenen Eiden auch ein Versprechen enthalten ist, in dem sich die Bischöfe zur Loyalität und zur Treue gegenüber dem Staat verpflichten.

11. Karl der Große und die Zeit der Karolinger 1. Die Zeit der Merowinger Die ersten Treueide von Bischöfen, die unmittelbar einem weltlichen Herrscher geleistet wurden, wurden im Reich der Merowinger und später der Karolinger geschworen. In Übereinstimmung mit dem römischen, langobardischen und westgotischen Rechtsbrauch hatte das Volk auch den Merowingern manche Eide zu schwören. Seit dem 6. Jahrhundert sind diese Untertaneneide, insbesondere beim Regierungsantritt eines Herrschers, festes Herkommen. Ein Formular der unter der Herrschaft der Merowinger geschworenen Eide ist nicht erhalten. Der Eidespflichtige hatte aber nach germanischem Brauch "fidelitatem et leudesamio", d. h. persönliche Treue und Mannschaft (hominium), d. h. die Bereitschaft zu 3 " ••• reus inveniar in aetemo iudicio et ultionem Annanie et Saphire incurram." Wortlaut bei Gottlob, Der kirchliche Amtseid (Anm. 1), S. 174; Hinweis auch bei Hofmeister, Der Bischofseid (Anm. 1), S. 196. 4 Hofmeister, Der Bischofseid (Anm. 1), S. 196. Über die Entstehung des Kirchenstaates siehe Hermann Tüchle, Art. Kirchenstaat, in: LThK, 2. Aufl., Bd. 6, Freiburg i. Br. 1961, Sp. 261. 5 " ••• inter rempublicam et nos, hoc est gentem Langobardorum." Voller Wortlaut der Eidesformel bei Gottlob, Der kirchliche Amtseid (Anm. 1), S. 174 f.; Hinweis auch bei Hofmeister, Der Bischofseid (Anm. 1), S. 196.

3*

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1. Teil: Gegenwärtige Grundproblematik des Treueids

Gehorsam und Dienstpflicht, insbesondere zur Heerfahrt und zur Hoffahrt, zu schwören 6. 2. Karl der Große (768-814) Karl der Große, unter dem die Untertaneneide im Frankenreich neu belebt wurden, erließ 789 ein Edikt, nach dem das ganze Volk, d. h. alle eideswürdigen Personen, einen Treueid zu leisten hatten des Inhalts, ihrem Herrn, dem König Karl und seinen Söhnen zeit ihres Lebens ohne Trug und Arglist treu zu sein?

Nach seiner Krönung zum Kaiser suchte Karl802 das Volk durch einen neuen Treueid an seine Person zu binden. Von der in diesem Jahre von Kar! nach Aachen einberufenen geistlichen Synode der Bischöfe, Priester, Diakone, Mönche und Kanoniker wird berichtet, daß ihm alle Teilnehmer mit Einschluß der Mönche und Kanoniker den Treueid geleistet habenS. Die Eidesformeln der Untertaneneide orientieren sich dabei nicht an römischen Vorbildern, sie sind vielmehr dem Diensteid nachgebildet, den bei den Franken die Gefolgsleute und Beamten und später die Vasallen zu schwören hatten 9 • Neben dieser für alle Untertanen geltenden Eidespflicht bestand in fränkischer Zeit noch eine Verpflichtung zur Leistung eines zusätzlichen Treueids für diejenigen, die sich des besonderen Königsschutzes erfreuten. Für dessen Erlangung sah das fränkische Volksrecht eine rechtsförmliche Handlung vor, die sog. Kommendation. Dieser Rechtsakt bestand im sog. Handgang, bei dem der Mann seine gefalteten Hände in die Hand des Herrn legte, der diese mit seinen eigenen Händen umschloß. Dieser Rechtsakt wurde mit dem Begriff "manibus" oder "in manibus se tradere" bezeichnet. Dieser besondere Königsschutz wurde auch der Kirche, den Diözesen und den Klöstern zuteil, die vielfach aus Königsgut gestiftet oder dem König übereignet waren, um dadurch für die Kirche die rechtliche Stellung des Königsgutes zu erreichen. Im Jahre 805 beseitigte Karl der Große alle Treueide mit Ausnahme des ihm und dem "Senior", dem jeweiligen Lehnsherrn, geleisteten 10. 6 Hierzu Heinrich Brunner, Deutsche Rechtsgeschichte, Bd. 2, 2. Aufl., bearbeitet von Claudius Frhr. von Schwerin, Leipzig 1928 (Nachdruck Berlin 1958), S. 74 f., 77, 79. Zum Verständnis der Begriffe Hominium und Homagium, zu der damit ursprünglich ganz allgemein verbundenen "absoluten Unterordnung unter die Herrengewalt" und zu der sieh später daraus ergebenden Pflicht zum bewaffneten Reiterdienst vgl. im einzelnen Bernhard Diestelkamp, Art. Homagium, in: HRG, Bd. 2, Berlin 1978, Sp. 225-228. ? "Sie promitto ego ille partibus domini mei Caroli regis et filiorum eius, quia fidelis sum et ero diebus vitae meae sine fraude et maIo ingenio." Wortlaut in: MGH, Capitularia, I, p. 63; abgedruckt auch bei Hofmeister, Der Bischofseid (Anm. 1), S. 196. S " ••• omnes generaliter fidelitatem jurarent, monachi, canonici ita et fecerunt." Wortlaut in: MGH, Capitularia, I, p. 101 s.; abgedruckt auch bei Hofmeister, Der Bischofseid (Anm. 1), S. 196. 9 Hofmeister, Der Bischofseid (Anm. 1), S. 196. 10 Vgl. zum Ganzen die Angaben bei Hofmeister, Der Bischofseid (Anm. 1), S. 197.

2. Kap.: Geschichtliche Entwicklung des Treueids

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3. Karl der Kahle (840-877)

Aus der Regierungszeit Karls des Kahlen sind für die Ableistung des Treueids drei Eidesformulare überliefert, ein bemerkenswert kurzes für die Laien, ein beträchtlich längeres für alle Gläubigen, das gleichermaßen für den Treueid der Priester und Laien bestimmt war, und schließlich das mit Abstand längste Formular für den Treueid der Bischöfe. Dieser nach dem westfränkischen Ort Gondreville benannte Bischofseid von 872 hat folgenden Wortlaut: "Nach meinem Wissen und nach meinen Kräften werde ich Euch mit dem Beistand Gottes durch Rat und bei der Ausübung meines Amtes ein treuer Helfer sein, damit Ihr das Reich, das Gott Euch gegeben hat oder geben wird, nach seinem Willen und dem Willen der heiligen Kirche und zu der Euch geschuldeten königlichen Ehre und zu Eurem und Eurer Gläubigen Heile besitzen, innehaben und bewahren könnt." 11 Im fränkischen Reich war auch die spezielle Form des Handgangs, durch die die Bischöfe zu Lehnsträgern der fränkischen Herrscher wurden, allgemein üblich geworden. Durch das von den Königen ausgeübte und von der Kirche hingenommene freie Ernennungsrecht der Bischöfe war die Kirche im Frankenreich in völlige Abhängigkeit vom König geraten. Innerkirchlich erhob sich gegen die Leistung der speziellen Eide der Bischöfe gegenüber König Kar! dem Kahlen Widerspruch. In einem von dem zu seiner Zeit im westfränkischen Reich kirchenpolitisch führenden Erzbischof Hinkmar von Reims verfaßten 12 und gemeinsam von diesem, dem Erzbischof von Rouen und ihren Suffraganbischöfen im Jahre 858 an den Bischof von Quiercy gerichteten Brief mach!en die Bischöfe geltend, daß sie als geweihte Bischöfe sich nicht wie die Weltleute gegenüber wem auch immer in ein Vasallenverhältnis begeben oder auf irgendeine Weise einen diesbezüglichen Eid leisten dürften 13. Sie verwiesen ferner darauf, daß ihnen durch das Evangelium, die apostolischen Traditionen und die kanonischen Vorschriften die Leistung eines Eides verboten sei und erklärten, ihre Hände seien mit heiligem Chrisam gesalbt. Sie bezeichneten es weiter als verabscheuungswürdig, wenn ein Bischof nach Empfang der Bischofsweihe auf irgendeine Weise einen weltlichen Eid ablege 14. 11 "Quantum sciero et potuero adiuvante Domino consilio et auxilio secundum meum ministerium fidelis vobis adiutor ero, ut regnum quod vobis Deus donavit vel donaverit ad ipsius voluntatem et sanctae ecclesiae ac debitum regium honorem vestrum et vestram fideliumque vestrorum salvationem habere et obtinere et continere possitis." Wortlaut in: MGH, Capitularia II, p. 296; MGH, Leges, I, p. 518. Abgedruckt auch bei Hofmeister, Der Bischofseid (Anm. 1), S. 197. 12 Hierzu Karl Weinzierl, Erzbischof Hinkmar von Reims als Verfechter des geltenden Rechts, in: Episcopus, Festschrift für Kardinal Michael von Faulhaber, Regensburg 1949, S.140. 13 "... sicut homines saeculares in vassialitico debeamus nos cuilibet commendare aut iurationis sacramentum debeamus quoquomodo debeamus." Wortlaut bei Hofmeister, Der Bischofseid (Anm. 1), S. 198.

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I. Teil: Gegenwärtige Grundproblematik des Treueids

Diesen Versuchen, den bischöflichen Lehnseid zu beseitigen, war jedoch kein Erfolg beschieden. Kar! der Kahle forderte vielmehr, nachdem er im Jahre 875 in Rom die Kaiserkrone erhalten hatte, von den fränkischen Bischöfen und Prälaten neuerdings einen Eid, dessen Wortlaut überliefert ist. Nach diesem sog. "Eid von Ponthion" hatten die Bischöfe dem Kaiser "Treue und Gehorsam" zu schwören und zu versprechen, soweit es ihnen möglich war, dem Kaiser gemäß ihren Amtspflichten in allen Dingen Hilfe zu leisten, und zwar ohne Trug und Böswilligkeit, ohne Arglist, Untreue oder Täuschung und ohne Ansehen irgendeiner Person, und weder selbst noch durch Mittelspersonen irgendetwas gegen die Ehre des Kaisers, die Ruhe der Kirche und des Reiches zu unternehmen, noch irgendein Ärgernis zu geben, das dem Wohle des Reiches Schaden zufügen könnte 15. Dieser Eid, nach dem die Bischöfe als lediglich herausgehobene Vasallen des Kaisers erscheinen, stieß auf die scharfe Kritik eines Teils des fränkischen Episkopats, und insbesondere auf den Widerstand Hinkmars von Reims. In diesem Zusammenhang ist jedoch von Bedeutung, daß damals auch der Kaiser den Bischöfen gegenüber einen Eid leistete, in dem er sich verpflichtete, sie gemäß ihrem Stand und ihrer persönlichen Stellung zu ehren und einem jeden ohne Arglist, Schädigung und Täuschung die ihm zukommenden gesetzmäßigen Rechte und Gerechtigkeit zuteil werden zu lassen. Als die Bischöfe nach dem Tod Karls des Kahlen wieder in die Lage versetzt wurden, ihrem Herrscher einen Eid leisten zu müssen, erklärten sie sich bei den Verhandlungen in Compiegne im November 877 gegenüber seinem Sohn und Nachfolger Ludwig dem Stammler hierzu nur unter der Bedingung bereit, daß dieser vorher die Erklärung seines Vaters bestätige, wonach die einzelnen Kirchen vor jeder königlichen Willkür und Verletzung ihres Kirchengutes gesichert sein sollten. Der König verpflichtete sich hierzu mit der seinem Eid als Einschränkung beigefügten Klausel "So wie der König in seinem Reich der Schuldner eines Bischofs und jeder ihm anvertrauten Kirche ist" 16. Die Bischöfe versprachen daraufhin ihrerseits dem König Treue und Hilfe, und zwar ebenfalls mit dem als Einschränkung zu verstehenden Zusatz: "So wie der Bischof in richtig verstandener Weise der Schuldner seines Lehnsherm ist. Bei meiner Treue und meinem priesterlichen Amte." 17 Hierbei verdient, wie Hofmeister anmerkt, "die Begrenzung der Treue durch das geistliche Amt" besondere Aufmerksamkeit. Auch fehlen in der Eidesformel Hofmeister, Der Bischofseid (Anm. 1), S. 198. MGH, Capitularia, 11, p. 100 und 348. Wortlaut auch bei Hofmeister, Der Bischofseid (Anm. 1), S. 198. 16 "Sicut rex in suo regno unicuique episcopo et ecciesiae sibi commissae debitor est." Wortlaut bei Hofmeister, Der Bischofseid (Anm. 1), S. 198. 17 "Sicut episcopus recte seniori suo debitor est, in mea tide et in meo sacerdotio." Wortlaut bei Hofmeister, Der Bischofseid (Anm. 1), S. 199. 14

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2. Kap.: Geschichtliche Entwicklung des Treueids

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Ludwig des Stammlers die in früheren Eidesformularen enthaltenen diffamierenden Stellen über Täuschung und illoyale Gesinnung der Bischöfe. Unbestritten ist, daß im fränkischen Reich während des 9. und 10. Jahrhunderts der persönliche Treueid des Bischofs gegenüber dem König oder Kaiser bestehen blieb und ebenso bei der Besetzung der Bistümer die Zeremonie des Handgangs, durch die der Bischof zum Lehnsträger und zum Vasallen des Herrschers wurde 18.

IH. Kluniazensische Reform, Investiturstreit, Wormser Konkordat 1. Die Besetzung der Bischofsstühle im karolingischen Reich sowie unter den sächsischen und salischen Kaisern Im Verlaufe des 9. Jahrhunderts setzte sich im karolingischen Reich die dem kirchlichen Recht widersprechende, von der Hofpartei propagierte königliche Auffassung durch, das bischöfliche Amt werde nicht mehr wie früher durch Wahl des Bischofs seitens der Kleriker und des Volkes und durch die darauf folgende Bestätigung seitens des Metropoliten und der Bischöfe der jeweiligen Kirchenprovinz verliehen, sondern kraft königlicher Hoheitsgewalt l9 • Wenn der König die Wahl des Bischofs durch Klerus und Volk erlaube, so beschränke er damit seine königlichen Rechte und erteile ein Privileg. Diese Auffassung wurde weithin auch von der fränkischen Kirche hingenommen. Nur einzelne Bischöfe, wie H inkmar von Reims, kämpften noch weiter gegen die Ernennung der Bischöfe durch die fränkischen Könige an 20 • Hinkmar von Reims suchte damit der Gefahr vorzubeugen, daß das Eigenkirchenrecht sich nunmehr von den niederen Kirchen auch auf die Diözesen ausdehnte. Wenn die Bistümer in königliche Benefizien und die Bistumsgüter in königliches Eigentum umgewandelt wurden, konnte der König das von ihm beanspruchte Recht zur Ernennung der Bischöfe auf den Rechtstitel des Eigentums stützen und damit dem Wahlrecht der kirchlichen Gremien den Boden entziehen und die Mitwirkung der Kirche bei der Bestellung der Bischöfe ausschließen. In dem Bemühen, diese für die Kirche ungünstige Entwicklung zu verhindern, betonte Hinkmar von Reims bei jeder Gelegenheit, die Güter der Bistümer stünden nicht in der Gewalt des Königs, sondern seien 18 Vgl. zum Ganzen Hofmeister, Der Bischofseid (Anm. 1), S. 199. Angaben über konkrete Fälle der Übertragung von Diözesen durch die Könige oder Kaiser während des 9. und 10. und während der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts bei Hofmeister, ebda. Ferner bei Weinzierl, Erzbischof Hinkmar von Reims (Anm. 12), S. 145 ff. 19 Weinzierl, Erzbischof Hinkmar von Reims (Anm. 12), S. 143, unter Bezugnahme auf Paul Hinschius, System des katholischen Kirchenrechts mit besonderer Rücksicht auf Deutschland, Bd. 2, Leipzig 1879 (Neudruck Graz 1959), S. 525 ff.; Klaus Mörsdoif, Das neue Besetzungsrecht der bischöflichen Stühle unter besonderer Berücksichtigung des Listenverfahrens, Bonn/Köln/Berlin 1933, S. 121 ff. 20 Godehard losef Ebers, Devolutionsrecht, vornehmlich nach katholischem Kirchenrecht (= Kirchenrechtliche Abhandlungen, 37. und 38. Heft), Stuttgart 1906 (Neudruck Amsterdam 1965), S. 86 ff.

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1. Teil: Gegenwärtige Grundproblematik des Treueids

ihm nur zur Verteidigung und zum Schutz der kirchlichen Rechte anvertraut. Hinkmar von Reims erkannte einerseits statt eines Ernennungsrechts nur ein Zustimmungsrecht der fränkischen Könige an, andererseits suchte er das frühere Mitwirkungsrecht des Metropoliten und seiner Suffragane, besonders das Prüfungsrecht, im Einklang mit der Tradition des kanonischen Rechts wieder geltend zu machen 21.

2. Die kluniazensische Reform

Im Zeichen der von dem burgundischen Kloster Cluny ausgehenden Kirchenreform erhob sich gegen die Verleihung des Bischofsamtes durch die weltliche Gewalt im 11. Jahrhundert zunehmend starker Widerstand. Die kirchliche Reformpartei erblickte in der Praxis der Ernennung der Bischöfe durch Laien und ebenso auch in der Leistung eines Eides gegenüber dem weltlichen Herrscher einen Mißbrauch, der beseitigt werden müßte. Der erste Vorkämpfer für die Verweigerung eines dem weltlichen Herrscher gegenüber abzulegenden Treuund Lehnseides war der rigorose Reformer Abt Halinard des Klosters St. Benignus in Dijon, der sich als erwählter Erzbischof von Lyon 1046 aus biblischkanonischen Gründen weigerte, Kaiser Heinrich III. (1039-1056) den Treueid zu leisten und damit in den Kreisen des Reichsepiskopats großes Aufsehen erregte. Der Kaiser verzichtete daraufhin im Interesse des Friedens auf die Leistung des Eides, obwohl er im übrigen von seinem Investiturrecht weiterhin unumschränkten Gebrauch machte 22 • 3. Der Investiturstreit Auf Veranlassung des Papstes Gregors VII. (1073-1085), der in der kompromißlosen Verwirklichung der Anliegen der kluniazensischen Reform das Hauptziel seines Pontifikats erblickte, erklärten zahlreiche französische und italienische Synoden die königliche Investitur für unerlaubt. Die für den späteren Investiturstreit zwischen Papst Gregor VII. und Kaiser Heinrich IV. (1056-1106) entscheidende Fastensynode von Rom 1075 bestimmte, daß ein Bischof oder Abt, der sein Amt aus der Hand der weltlichen Gewalt annehme, unter keinen Umständen zu den Bischöfen oder Äbten gezählt werden könne. 23 Den auf diese dem kanonischen Recht widersprechende Weise Bestellten wurde die Gnade des heiligen 21 Weinzierl, Erzbischof Hinkmar von Reims (Anm. 12), S. 143 f. Auf S. 144 ff. auch ein Überblick über die Praxis der Besetzung der Bischofsstühle im westfränkischen Reich während des 9. Jahrhunderts. 22 Anton Michel, Die Sentenzen des Kardinals Humbert, das erste Rechtsbuch der päpstlichen Reform, Leipzig 1943 (Neudruck Stuttgart o. J.), S. 74. 23 Über die Verhandlungen, den Verlauf und die kirchengeschichtliche Bedeutung der Fastensynode Rom 1075 siehe im einzelnen Rudolf Schiejfer, Die Entstehung des päpstlichen Investiturverbots für den deutschen König (= Schriften der MGH, Bd. 28), Stuttgart 1981, S. 114 ff.

2. Kap.: Geschichtliche Entwicklung des Treueids

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Petrus entzogen und der Zutritt zur Kirche verweigert. Dieselbe Strafe traf die weltlichen Herrscher, die eine solche Handlung vollzogen. Die Synode von Rom 1078 verschärfte diese Strafe, indem sie über die Bischöfe, Äbte und auch über die beteiligten weltlichen Herrscher im Falle der Übertretung den Kirchenbann aussprach. Dem Vorbild dieser römischen Synode folgten die Synoden von Poitiers 1078, Rom 1080, Benevent 1087, Melfi 1089, Piacenza 1095, Clermont 1095, Rouen 1096, Nlimes 1096, Bari 1097, Rom 1099, Poitiers 1100, Troyes 1101, Chalons 1107 sowie der Brief des Papstes Paschalis 11. (1099-1118) vom 12. Dezember 1102 an Anselm von Canterbury24. In den Beschlüssen dieser Synoden wurde die Laieninvestitur für Bischöfe und Äbte und damit auch der persönliche Treueid und ebenso der Handgang verboten. Von der unter dem Vorsitz von Papst Urban II. (1088-1099) im Jahre 1095 abgehaltenen Synode von Clermont wurde in Kanon 17 ausdrücklich bestimmt, daß kein Bischof oder Priester in die Hand des Königs oder irgend eines Laien den Lehnseid schwören dürfe. Im selben Sinne bestimmte das Provinzialkonzil von Rouen 1096 in Kanon 8, kein Priester dürfe ein Gefolgsmann eines Laien werden, weil es unwürdig sei, daß die gottgeweihten und durch die Salbung geheiligten Hände in nichtgeweihte Hände gelegt werden. Eine Ausnahme gestattete die Synode nur für den Fall, daß ein Priester ein Lehen empfing, das nicht im Eigentum der Kirche stand. In diesem Falle wurde der Lehnseid erlaubt. Die Leistung des Treueids samt dem Handgang wurde von der kirchlichen Reformpartei jedoch abgelehnt, soweit kirchliche Lehen in Frage standen 25 • Kurze Zeit später wurde auch für diese Fälle die Leistung des Lehnseides verboten. Die Fastensynode von Rom 1102 ordnete an, daß in keinem Falle ein Kleriker einen Lehnseid leisten dürfe. Ein Brief des Papstes Paschalis 11. an Anselm von Canterbury aus demselben Jahr sowie die Provinzialkonzilien von Poitiers 1100 und Toulouse 1119 sprachen dasselbe Verbot aus 26 • Die Durchführung dieser Bestimmungen stieß verständlicherweise auf den energischen Widerstand der weltlichen Gewalt, so daß sich die Kirche genötigt sah, teilweise einzulenken und von ihrem rigorosen Investiturverbot abzugehen. Dem Vorschlag des im Jahre 1105 zum König gewählten und feierlich zum König gekrönten Heinrich V. (1105 -1125), die Investitur auf die Temporalien zu beschränken und dieselbe erst nach der Weihe vorzunehmen, widersetzte sich der Papst, der die Investitur und damit auch die Zustimmung des Königs vor der Wahl und den Lehnseid völlig verwarf 27 • Durch die Macht der Verhältnisse sah sich jedoch der Papst, der vorher jede Laieninvestitur verurteilt hatte, gezwunVgl. zum Ganzen Hofmeister. Der Bischofseid (Anm. 1), S. 199 f. Hierzu im einzelnen Anton Scharnagi, Der Begriff der Investitur in den Quellen und der Literatur des Investiturstreites (= Kirchenrechtliche Abhandlungen, 56. Heft), Stuttgart 1908, S. 58 ff., 62. 26 Angaben bei Hofmeister, Der Bischofseid (Anm. 1), S. 200. 27 Scharnagi. Der Begriff der Investitur (Anm. 25), S. 67 ff. 24 25

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1. Teil: Gegenwärtige Grundproblematik des Treueids

gen, im April 1111 König Heinrich V. das Privileg zu verleihen, die rechtmäßig und ohne Simonie gewählten Bischöfe mit Ring und Stab zu investieren. Dieses Zugeständnis bestätigte er auch noch in einem feierlichen Vertrag vom 11. April 1111, dem Tag der Kaiserkrönung Heinrichs V., mit der Begründung, daß dies auch frühere Päpste den deutschen Königen gestattet hätten 28. Die Laterankonzilien von 1112 und 1116 lehnten jedoch dieses vom Papst den deutschen Königen gewährte Privileg als erzwungen ab.

4. Das Wormser Konkordat Eine Verständigung wurde erst erzielt in dem zwischen Papst Calixtus II. (1119-1124) mit Kaiser Heinrich V. am 23. September 1122 geschlossenen Wormser Konkordat. Nach dieser Vereinbarung verzichtete der Kaiser auf jede Investitur mit Ring und Stab und gestattete in allen Kathedralen die kanonische Wahl und die freie Konsekration der Bischöfe. Andererseits erlaubte der Papst, daß den zum Bischofsamt Erwählten im Deutschen Reich vor und in Burgund und in Italien nach der Bischofsweihe vom König durch Übergabe des Zepters die Regalien übertragen wurden und daß sie ihrerseits die reichsrechtlich vorgeschriebenen Handlungen vornahmen, d. h. den Treueid und den Handgang leisteten. 29 Vom Papst wurde dem Kaiser in Deutschland ferner die Anwesenheit bei der Wahl und die Befugnis zugestanden, bei Zwiespältigkeit die Wahl nach dem Rat des Metropoliten und der Bischöfe der Kirchenprovinz zu entscheiden. Nach der für Deutschland geltenden Regelung des Wormser Konkordats wurden für die Reichsbischöfe die herkömmlichen Lasten anerkannt, die zugunsten des Reiches auf dem weltlichen Besitz der Reichskirchen ruhten. Darin war auch die Leistung von Treueid und Mannschaft eingeschlossen, die seither durch die geistlichen Fürsten wieder regelmäßig, entweder persönlich oder durch Stellvertreter, erfolgte. Erst nach der Investitur in die Regalien wurde dem Gewählten die Bischofsweihe erteilt. Die hierbei vorgenommene Übergabe von Ring und Stab galt als geistliche Investitur, durch welche die "cura", d. h. die bischöfliche Jurisdiktion, übertragen wurde 30. 28 Wortlaut des Vertrages bei Angelo Mercati, Raccolta di Concordati su materie ecciesiastiche tra la Santa Sede e le autorita civili, Vol. I, Roma 1954, S. 14, 16. 29 Gerd Tellenbach, Die westliche Kirche vom 10. bis zum frühen 12. Jahrhundert (= Die Kirche in ihrer Geschichte. Ein Handbuch, begründet von Kurt Dietrich Schmidt und Ernst Wolf, hrsg. von Bemd Moeller, Bd. 2, Lieferung F 1), Göningen 1988, S. F 224; Scharnagi, Der Begriff der Investitur (Anm. 25), S. 122 ff.; Wortlaut des Wormser Konkordats bei Mercati, Raccolta (Anm. 28), S. 18 f. Zum Wormser Konkordat siehe ferner Ernst Bernheim, Das Wormser Konkordat und seine Vorurkunden - hinsichtlich Entstehung, Formulierung, Rechtsgültigkeit, Breslau 1906 (Neudruck Aalen 1970); Adolf Hofmeister, Das Wormser Konkordat. Zum Streit um seine Bedeutung. Mit einer textkritischen Beilage, in: Festschrift Dietrich Schäfer, Jena 1915, S. 64-148 (Sonderausgabe Darmstadt 1952, mit einem Vorwort zur Neuausgabe von Roderich Schmidt).

2. Kap.: Geschichtliche Entwicklung des Treueids

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Andere Bestimmungen galten nach dem Wormser Konkordat für die Reichsbischöfe in Burgund und Italien. Bei ihrer Wahl war dem Kaiser kein Präsenzrecht gestattet. Die Investitur in die Regalien sollte ihnen nicht vor, sondern innerhalb von sechs Monaten nach der Bischofsweihe erteilt werden. Der Einfluß des Kaisers auf die Besetzung der Bistümer wurde hier noch mehr eingeschränkt als in Deutschland und damit das Ziel der kirchlichen Reformpartei in noch höherem Maße verwirklicht. Die ursprüngliche Absicht der kirchlichen Partei war dahin gegangen, für sämtliche Bistumsbesetzungen im gesamten Reich die für Burgund und Italien vereinbarten Regelungen zu erreichen 31 .

IV. Von der Zeit der Staufer bis zum Ausgang des alten Reichs 1. Der Treueid der Bischöfe im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation Wenn auch die Bestimmungen des Wormser Konkordats vom 23. September 1122 während der auf den Konkordatsabschluß unmittelbar folgenden Jahrzehnte nicht überall sofort streng beobachtet wurden, bildete der damals gefundene historische Komprorniß dennoch bis zur großen Säkularisation des Jahres 1803 die dauerhafte und in der Praxis bewährte rechtliche Grundlage für die Besetzung der Reichsbistümer. Änderungen sind lediglich insofern eingetreten, als noch während des 12. Jahrhunderts die Beteiligung des Volkes bei der Bischofswahl beseitigt und das Wahlrecht auf die Domkapitel beschränkt und im Laufe der Zeit der Metropolit bei der Amtseinsetzung und Weihe durch die päpstliche Konfirmation zurückgedrängt wurde. In staufischer Zeit wurde aus der Zepterinvestitur bald eine echte Zepterbelehnung mit dem geistlichen Reichsfürstentum. Damit wurde die Reichskirehe in das staufische Lehnssystem einbezogen 32 . Es dauerte einige Zeit, bis die Bestimmungen des Wormser Konkordats allgemein bekannt und anerkannt wurden. So verweigerte Erzbischof Konrad I. von Salzburg den Kaisern Lothar II. (1125 -1137) und Konrad IIl. (1138-1152) den Lehnseid (Homagium) mit der Begründung, er würde es als ein Sakrileg ansehen, wenn er die durch den heiligen Chrisam geweihten Hände in die blutbefleckten des Kaisers legen müßte. Auf der anderen Seite ließ das Bedürfnis nach gefügigen Bischöfen Kaiser Friedrich I. Barbarossa (1152-1190) "schon früh leicht das Wormser Konkordat übersehen"33. Im ganzen jedoch sind, wie Feine ausführt, 30 Scharnagl, Der Begriff der Investitur (Anm. 25), S. 129 f.; siehe hierzu auch Teilenbach, Die westliche Kirche (Anm. 29), S. F 225. 31 Scharnagl, Der Begriff der Investitur (Anm. 25), S. 130 ff. 32 Hans Erich Feine, Kirchliche Rechtsgeschichte. Die katholische Kirche, 5. Aufl., Köln/Wien 1972, S. 269. 33 Hofmeister, Der Bischofseid (Anm. 1), S. 201. Über die Konflikte zwischen Kaiser Friedrich I. Barbarossa und den Päpsten Hadrian IV. (1154-1159) und Alexander l/l. (1159-1181) siehe im einzelnen Hans Wolter, Das Hochmittelalter. Bedrohte Kirchen-

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1. Teil: Gegenwärtige Grundproblematik des Treueids

die Bestimmungen des Wonnser Konkordats für Deutschland grundlegend geworden. Die Zepterinvestitur des gewählten Bischofs durch den König mit den Regalien, d. h. mit den vom König stammenden öffentlichen Ämtern, nutzbaren Hoheitsrechten und Gütern des Bistums, wurde praktisch dadurch vollzogen, daß der Gewählte Treut