Der Teilwert [1 ed.]
 9783428512751, 9783428112753

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Schriften zum Steuerrecht Herausgegeben von Prof. Dr. Joachim Lang und Prof. Dr. Jens Peter Meincke

Band 82

Der Teilwert Von

Fabian Rief-Drewes

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Fabian Rief-Drewes · Der Teilwert

Schriften zum Steuer recht Herausgegeben von Prof. Dr. Joachim Lang und Prof. Dr. Jens Peter Meincke

Band 82

Der Teilwert Von

Fabian Rief-Drewes

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Der Fachbereich Rechtswissenschaft der Freien Universität Berlin hat diese Arbeit im Jahre 2003 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

D 188 Alle Rechte vorbehalten # 2004 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Druck: AZ Druck und Datentechnik GmbH, Kempten (Allgäu) Printed in Germany ISSN 0582-0235 ISBN 3-428-11275-X Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Der Teilwert zählt seit seiner Kodifikation im Jahre 1934 zu den umstrittensten Begriffen des Steuerbilanzrechts, dessen Inhalt und Bedeutung trotz seiner erheblichen praktischen Relevanz und trotz vielfältiger Bemühungen in der Literatur und Rechtsprechung nicht geklärt werden konnte. Ein Teil der Literatur entnimmt der Legaldefinition des Teilwerts das Gebot, zur Ermittlung des Teilwerts den Gesamtkaufpreis des Unternehmens zu ermitteln und auf die hierzu gehörigen einzelnen Wirtschaftsgüter aufzuteilen. Allerdings halten auch zahlreiche Vertreter dieser Auffassung ein solches Bewertungsverfahren für praktisch undurchführbar. Der überwiegende Teil der Literatur lehnt eine derartige Auslegung daher ab. Es konnte jedoch nicht geklärt werden, worin der Sinn und Zweck des Gesetzeswortlauts statt dessen zu sehen ist und welche Bedeutung danach der Gesamtkaufpreis des Unternehmens für die Bewertung der einzelnen Wirtschaftsgüter hat. Die Rechtsprechung bestimmt den Teilwert aufgrund eines vom Reichsfinanzhof entwickelten Systems sogenannter Teilwertvermutungen, deren Bedeutung und Herleitung aus heutiger Sicht jedoch nicht nachvollziehbar sind. Diese Arbeit soll aufzeigen, daß die Legaldefinition des steuerlichen Teilwerts ihren Ursprung im Handelsbilanzrecht hat und eine zum Zeitpunkt ihrer Kodifikation gebräuchliche, nach heutigem Verständnis jedoch überholte Umschreibung des bilanzrechtlichen Fortführungsprinzips wiedergibt. Aufgrund der Betrachtung der Entstehungsgeschichte soll anschließend untersucht werden, ob die Legaldefinition des Teilwerts heute im Sinne des handelsrechtlichen beizulegenden Werts auszulegen ist und in welchen Fallgruppen dies zu einer Änderung der derzeitigen Auslegung des Teilwerts führen würde. Mein besonderer Dank gilt meinem Doktorvater Prof. Dr. Joachim SchulzeOsterloh, der die Anregung zu dieser Arbeit gegeben und ihre Durchführung in jeder Hinsicht wohlwollend unterstützt hat. Weiterer Dank gebührt Herrn Prof. Dr. Markus Heintzen für seine Unterstützung als Zweitgutachter. Schließlich danke ich den Herausgebern der „Schriften zum Steuerrecht“, Herrn Prof. Dr. Joachim Lang sowie Herrn Prof. Dr. Jens Peter Meincke, für die Aufnahme der Arbeit in diese Schriftenreihe. Berlin, im Februar 2004

Fabian Rief-Drewes

Inhaltsverzeichnis Teil 1 Problemstellung

13

A. Begriff und Bedeutung des Teilwerts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

13

B. Der Streit um den Sinn und Zweck der Legaldefinition des Teilwerts . . . . . . . . . . . . . . .

13

I. Berücksichtigung des ertragsabhängigen Gesamtwerts des Unternehmens . . . . .

14

II. Berücksichtigung der Fortführung des Unternehmens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

15

III. Verlustantizipation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

16

IV. Herrschende Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

17

C. Eigener Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

18

Teil 2 Die Identität von Teilwert und beizulegendem Wert

19

A. Der Teilwert im Handelsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19

I. Die Auslegung des beizulegenden Werts im Sinne des Verkaufswerts unter Berücksichtigung der Fortführung des Unternehmens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19

1. Der beizulegende Wert im Sinne des Art. 31 ADHGB (§ 40 HGB) . . . . . . . . .

19

2. Der Gegensatz dieser Auslegung zum heutigen Verständnis der Handelsbilanz als einer Erfolgsbilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

21

II. Die Auslegung des Verkaufswerts unter Berücksichtigung der Fortführung des Unternehmens im Sinne der Erwerberformel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

22

1. Die Erwerberformel im Handelsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

22

2. Der Widerspruch in der Erwerberformel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

24

B. Der Teilwert im Steuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

26

I. Die Einführung des Maßgeblichkeitsprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

26

8

Inhaltsverzeichnis II. Die Auslegung des handelsrechtlichen beizulegenden Werts im Sinne des steuerrechtlichen gemeinen Werts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

26

1. Die Gleichsetzung des beizulegenden Werts mit dem gemeinen Wert . . . . . . .

26

2. Der gemeine Wert im Sinne des § 9 PrErgStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

27

3. Die Auswirkungen der Auslegung des handelsrechtlichen beizulegenden Werts im Sinne des steuerrechtlichen gemeinen Werts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

30

4. Die Einführung der Bewertung mit dem gemeinen Wert im Reichseinkommensteuergesetz 1920 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

31

III. Die Entstehung des Teilwerts in der Lehre vom gemeinen Wert . . . . . . . . . . . . . . . .

31

1. Die Auslegung des gemeinen Werts im Sinne des Verkaufswerts unter Berücksichtigung der Fortführung des Unternehmens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

31

2. Die Auslegung des Verkaufswerts unter Berücksichtigung der Fortführung des Unternehmens im Sinne der Erwerberformel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

34

IV. Die Einführung des Teilwerts im Einkommensteuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

35

1. Der gemeine Wert unter Berücksichtigung der Fortführung des Unternehmens im Einkommensteuerrecht (§ 19 Abs. 1 S. 2 EStG 1925) . . . . . . . . . . . . .

35

a) Die Anlehnung der Einkommensteuerbilanz an die kaufmännische Bilanzierungspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

35

b) Die Einkommensteuerreform 1925 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

37

2. Die Auslegung des Verkaufswerts unter Berücksichtigung der Fortführung des Unternehmens (§ 19 Abs. 1 S. 2 EStG 1925) im Sinne der Erwerberformel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

38

a) Gesetzgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

38

b) Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

38

c) Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

40

3. Die Kodifikation des Teilwertbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

42

V. Die Neuinterpretation des Teilwerts während des „III. Reichs“ . . . . . . . . . . . . . . . . .

42

1. Die „Sabotagetheorie“ Reinhardts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

42

2. Der Einfluß der Lehre Reinhardts auf Rechtsprechung und Literatur . . . . . . . .

44

VI. Die Rückkehr zur früheren Auslegung des Teilwerts nach dem Ende des „III. Reichs“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

45

C. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

46

Inhaltsverzeichnis

9

Teil 3 Auswirkungen auf die Auslegung des Teilwerts

48

A. Die Auslegung des Teilwerts im Sinne des handelsrechtlichen beizulegenden Werts

48

B. Keine Änderung des Willens des Gesetzgebers zur Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

49

Teil 4 Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen Teilwert und beizulegendemWert

55

A. Begriff und Bedeutung des handelsrechtlichen beizulegenden Werts . . . . . . . . . . . . . . .

55

B. Beizulegender Wert und Teilwert des Anlagevermögens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

57

I. Beizulegender Wert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

57

1. Die Bewertung der zum weiteren Gebrauch im Unternehmen bestimmten Gegenstände des Anlagevermögens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

57

2. Die Bewertung der nicht zum weiteren Gebrauch im Unternehmen bestimmten Gegenstände des Anlagevermögens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

59

3. Die Bewertung überdimensionierter Gegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

60

II. Teilwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

61

1. Die Bewertung der zum weiteren Gebrauch im Unternehmen bestimmten Gegenstände des Anlagevermögens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

61

2. Die Bewertung der nicht zum weiteren Gebrauch im Unternehmen bestimmten Gegenstände des Anlagevermögens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

64

3. Die Bewertung überdimensionierter Gegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

65

III. Unterschiede und Gemeinsamkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

65

C. Beizulegender Wert und Teilwert des Umlaufvermögens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

67

I. Beizulegender Wert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

67

1. Die Bewertung der zur Veräußerung bestimmten Gegenstände des Umlaufvermögens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

67

2. Die Bewertung der nicht zur Veräußerung bestimmten Gegenstände des Umlaufvermögens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

68

3. Keine Maßgeblichkeit des Beschaffungsmarktpreises bei der Bewertung von Handelswaren und Erzeugnissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

69

10

Inhaltsverzeichnis II. Teilwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

71

1. Die Bewertung der zur Veräußerung bestimmten Gegenstände des Umlaufvermögens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

71

2. Die Bewertung der nicht zur Veräußerung bestimmten Gegenstände des Umlaufvermögens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

73

III. Unterschiede und Gemeinsamkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

73

D. Die Bedeutungslosigkeit der Ertragslage des Unternehmens für die Bewertung . . . . .

74

I. Beizulegender Wert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

74

II. Teilwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

75

III. Unterschiede und Gemeinsamkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

76

E. Die Bewertung bei Nichtfortführung des Unternehmens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

76

I. Handelsrechtliche Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

76

II. Steuerrechtliche Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

77

III. Unterschiede und Gemeinsamkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

78

F. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

78

Teil 5 Keine Beibehaltung der bisherigen Auslegung des Teilwerts als Durchbrechung des Maßgeblichkeitsgrundsatzes

79

Teil 6 Gesamtergebnis

82

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

84

Personen-und Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

90

Verzeichnis der Übersichten Übersicht 1: Beizulegender Wert und Teilwert des Anlagevermögens . . . . . . . . . . . . . . . . . .

66

Übersicht 2: Beizulegender Wert und Teilwert des Umlaufvermögens . . . . . . . . . . . . . . . . .

74

Abkürzungsverzeichnis ADHGB ADS BB BewG DB DStJG DStR DStZ EG EStG FR GG GmbHR HGB KStG PrErgStG PrEStG PrOVGE in St. RAO RFHE ROHGE StbJb StuW UmwStG WPg ZGR

Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch vom 24. 06. 1861, GesetzSammlung für die Königlichen Preußischen Staaten 1861, S. 480 Adler / Düring / Schmaltz Betriebs-Berater Bewertungsgesetz Der Betrieb Veröffentlichungen der Deutschen Steuerjuristischen Gesellschaft e.V. Deutsches Steuerrecht Deutsche Steuer-Zeitung Vertrag zur Gründung der Euroäischen Gemeinschaft Einkommensteuergesetz, zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 20. Dezember 2001 (BGBl. I 2001, S. 3858) Finanz-Rundschau Grundgesetz, zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 26. November 2001 (BGBl. I 2001, S. 3219) GmbH-Rundschau Handelsgesetzbuch, zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 10. Dezember 2001 (BGBl. I 2001, S. 3422) Körperschaftsteuergesetz, zuletzt geändert durch Art. 2 und Art. 7 des Gesetzes vom 20. Dezember 2001 (BGBl. I 2001, S. 3858) Preußisches Ergänzungssteuergesetz vom 14. 07. 1893, Gesetz-Sammlung für die Königlichen Preußischen Staaten 1893, S. 134 Preußisches Einkommensteuergesetz vom 24. 06. 1891, Gesetz-Sammlung für die Königlichen Preußischen Staaten 1891, S. 175. Entscheidungen des Preußischen Oberverwaltungsgerichts in Staatssteuersachen Reichsabgabenordnung vom 13. 12. 1919, RGBl. 1919, S. 1993 Entscheidungen des Reichsfinanzhofs Entscheidungen des Reichs-Oberhandelsgerichts Steuerberater-Jahrbuch Steuer und Wirtschaft Umwandlungssteuergesetz, zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes vom 20. Dezember 2001 (BGBl. I 2001, S. 3858) Die Wirtschaftsprüfung Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht

Teil 1

Problemstellung A. Begriff und Bedeutung des Teilwerts Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG ist der Teilwert der Betrag, den ein Erwerber des ganzen Betriebs im Rahmen des Gesamtkaufpreises für das einzelne Wirtschaftsgut ansetzen würde; dabei ist davon auszugehen, daß der Erwerber den Betrieb fortführt. Für den Bereich des Bewertungsrechts enthält § 10 BewG eine weitere Legaldefinition des Teilwerts, die allgemein als inhaltsgleich gilt1. Der Teilwert ist für die Bewertung der Wirtschaftsgüter in der Steuerbilanz insbesondere im Zusammenhang mit Abschreibungen (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 und Nr. 2 S. 2 EStG), Zuschreibungen (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 4 und Nr. 2 S. 4 EStG), Einlagen (§ 6 Abs. 1 Nr. 5 S. 1 EStG), Entnahmen (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 1 EStG) sowie bei Eröffnung (§ 6 Abs. 1 Nr. 6 EStG) oder entgeltlichem Erwerb (§ 6 Abs. 1 Nr. 7 EStG) eines Betriebs von Bedeutung. Weiterhin maßgebend ist der Teilwert bei der Umwandlung, Verschmelzung, Spaltung oder Einbringung von Unternehmen oder Teilbetrieben (§§ 3 S. 4, 11 Abs. 1 S. 3, 12 Abs. 1 S. 2, 15 Abs. 1 S. 1, 20 Abs. 2 S. 6 und Abs. 3, 24 Abs. 2 S. 3 UmwStG) sowie bei Beginn oder Erlöschen einer Körperschaftsteuerbefreiung (§ 13 KStG).

B. Der Streit um den Sinn und Zweck der Legaldefinition des Teilwerts Die Bedeutung der Legaldefinition des Teilwerts ist seit ihrer Kodifikation im Jahre 19342 umstritten. 1 Gürsching / Stenger, § 10 BewG, Rn. 7; Rössler / Troll, § 10 BewG, Rn. 1 ff.; BFH vom 04. 10. 1989 – II R 72 / 86 – BFHE 158, S. 450 (452) = BStBl. II 1989, S. 962 (963); vom 30. 11. 1988 – II R 237 / 83 – BFHE 155, S. 140 (144) = BStBl. II 1989, S. 183 (185); vom 08. 05. 1981 – III R 26 / 79 – BFHE 133, S. 567 (569) = BStBl. II 1981, S. 702 (704); vom 19. 05. 1972 – III R 21 / 71 – BFHE 106, S. 228 (230) = BStBl. II 1972, S. 748 (Verweis auf einkommensteuerrechtliche Rechtsprechung und Literatur); so bereits RFH vom 28. 02. 1930 – III A 84 / 28 – RFHE 26, S. 285 (291) = RStBl. 1930, S. 287 (289) = StuW 1930, Nr. 571 (Sp. 854 [857]); vom 28. 08. 1930 – III A 191 / 29 – RStBl. 1930, S. 219 (220); vom 08. 11. 1934 – III A 290 / 34 – StuW II 1934, Nr. 771 (Sp. 1628); dazu auch unten Teil 2.B.III. (S. 31 ff.). 2 Einkommensteuergesetz vom 16. 10. 1934, RGBl. 1934, S. 1005.

14

Teil 1: Problemstellung

I. Berücksichtigung des ertragsabhängigen Gesamtwerts des Unternehmens Vielfach wird dem Gesetzeswortlaut das Gebot entnommen, einen Gesamtkaufpreis des Unternehmens zu ermitteln und auf die einzelnen Wirtschaftsgüter aufzuteilen3. Dies sei die ursprüngliche4, klassische5 Konzeption des Teilwerts, die im Jahre 1913 von Mirre6 entwickelt worden sei7. Der Sinn und Zweck des Teilwerts besteht nach dieser Auffassung darin, die einzelnen Wirtschaftsgüter nach Maßgabe des ertragsabhängigen8 Gesamtwerts des Unternehmens zu bewerten9. Jedoch ist nicht ersichtlich, auf welche Art und Weise der Anteil, der einem einzelnen Wirtschaftsgut an dem ertragsabhängigen Gesamtwert eines Unternehmens zukommt, bestimmt werden sollte10, zumal hierfür auch weder gesetzliche Vorgaben noch praktische Erfahrungswerte existieren11. Die Vertreter dieser Auslegung 3 Albach, WPg 1963, S. 624 (627); Biergans, S. 421; Bundesministerium der Finanzen, Gutachten der Steuerreformkomission 1971, S. 463; Euler, DStJG Bd. 7 (1984), S. 155 (161); Glade, § 253 HGB, Rn. 64 f.; Klein / Tanski in Gnam / Federmann, Nr. 131, Rn. 5; Großfeld, Bilanzrecht, S. 86; Heigl, StuW 1969, Sp. 461 (463); Werndl in Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, § 6 EStG, Rn. B 326 ff.; Knobbe-Keuk, S. 176; Meussen, StuW 1998, S. 174 (178); MüllerDott, StbJb 1988 / 89, S. 163 (170); Piltz, StbJb 1991 / 92, S. 147 (153); Reinhardt, Buchführung, S. 141, Rössler / Troll, § 10 BewG, Rn. 3; Schult / Richter, DStR 1991, S. 1261 (1262); Siegel, DStR 1991, S. 1477 (1480); Wall, WPg 1957, S. 545 (546); wohl auch Mujkanovic, DB 1995, S. 837. 4 Schult / Richter, DStR 1991, S. 1261 (1262). 5 Albach, WPg 1963, S. 624 (626); Knobbe-Keuk, S. 176. 6 Mirre, Zeitschrift des deutschen Notarvereins 1913, S. 155 (169). 7 Albach, WPg 1963, S. 624; Brönner / Bareis, S. 511; Euler, DStJG Bd. 7 (1984), S. 155 (161); Großfeld, Bilanzrecht, S. 86; Werndl in Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, § 6 EStG, Rn. B 322; Knobbe-Keuk, S. 175 (dort Fn. 106); Müller-Dott, StbJb 1988 / 89, S. 163 (164); Siegel, DStR 1991, S. 1477 (1480); Schult / Richter, DStR 1991, S. 1261; ferner bezeichnen Mirre als einen Urheber des Teilwerts auch Doralt, DStJG Bd. 7 (1984), S. 141 (143); Gürsching / Stenger, § 10 BewG, Rn. 7; Winkeljohann in Herrmann / Heuer / Raupach, § 6 EStG, Rn. 572; Kaemmel / Schmiedeke, § 6 EStG, Rn. 10 a (S. 228); Mellwig, Festschrift für Adolf Moxter, S. 1069 (1077); Zitzlaff, StuW I 1941, Sp. 193 (Sp. 194); dazu auch unten Teil 2.B.IV.2.c) (S. 40 ff.). 8 Albach, WPg 1963, S. 624 (627 und 629); Biergans, S. 421; Bundesministerium der Finanzen, Gutachten der Steuerreformkomission 1971, S. 463; Euler, DStJG Bd. 7 (1984), S. 155 (162); Werndl in Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, § 6 EStG, Rn. B 327; Knobbe-Keuk, S. 175; Piltz, StbJb 1991 / 92, S. 147 (153); Schult / Richter, DStR 1991, S. 1261 (1262); Wall, WPg 1957, S. 545 (546). 9 Albach, WPg 1963, S. 624 (627); Euler, DStJG Bd. 7 (1984), S. 155 (161); KnobbeKeuk, S. 175; Schult / Richter, DStR 1991, S. 1261 (1262). 10 Biergans, S. 421; Bundesministerium der Finanzen, Gutachten der Steuerreformkomission 1971, S. 463; Glade, § 253 HGB, Rn. 66 („mit ungewöhnlich großem Arbeitsaufwand verbunden“); Klein / Tanski in Gnam / Federmann, Nr. 131, Rn. 5 f.; Heigl, StuW 1969, Sp. 461 (465); Fischer in Kirchhof, § 6 EStG, Rn. 83; Knobbe-Keuk, S. 175; Meussen, StuW 1998, S. 174 (179); Müller-Dott, StbJb 1988 / 89, S. 163 (167); Piltz, StbJb 1991 / 92, S. 147 (153); Wall, WPg 1957, S. 545 (546).

B. Streit um den Sinn und Zweck der Legaldefinition des Teilwerts

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der Legaldefinition des Teilwerts begreifen den Teilwert daher als eine Fehlleistung des Gesetzgebers12. Demgegenüber lehnen die Rechtsprechung sowie der überwiegende Teil der Literatur die Auslegung, der Teilwert sei durch eine Aufteilung eines Gesamtkaufpreises des Unternehmens auf die einzelnen Wirtschaftsgüter zu ermitteln, ab13.

II. Berücksichtigung der Fortführung des Unternehmens Nach Auffassung von Doralt ist der Teilwertbegriff eine Ausprägung des bilanzrechtlichen Fortführungsprinzips und entspricht inhaltlich dem handelsrechtlichen beizulegenden Wert14. Dieses Ergebnis leitet Doralt aus der Entstehungsgeschichte des Teilwerts her. Dabei weist er zwar zutreffend darauf hin, daß der Gedanke, die Fortführung des Unternehmens bei der Bewertung zu berücksichtigen, bereits vor der Entstehung des Teilwerts in der handels- und steuerrechtlichen Literatur und Rechtsprechung verbreitet war15. Eine Verbindung zwischen dem Fortführungsprinzip und dem Teilwertbegriff läßt sich anhand der Ausführungen Doralts jedoch nicht nachvollziehen. So bleibt bereits der Ausgangspunkt seiner These, weder der Gesetzgeber noch die Rechtsprechung und Literatur hätten mit dem Teilwert einen vom Handelsrecht abweichenden Bewertungsgrundsatz etablieren wollen16, unbelegt. Denn aus keiner der von Doralt genannten Quellen ergeben sich irgendwelche Hinweise auf einen handelsrechtlichen Ursprung des Teilwerts; der beizulegende Wert oder das Fortführungsprinzip werden im Zusammenhang mit dem Teilwert nirgends auch nur erwähnt. 11 Werndl in Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, § 6 EStG, Rn. B 329; Heigl, StuW 1969, Sp. 461 (463 f.). 12 Albach, WPg 1963, S. 624 (627); Biergans, S. 421; Bundesministerium der Finanzen, Gutachten der Steuerreformkomission, S. 463; Euler, DStJG Bd. 7 (1984), S. 155 (161 f.); Heigl, StuW 1969, Sp. 461 (464 ff.); Schult / Richter, DStR 1991, S. 1261 (1263); Wall, WPg 1957, S. 545 (546); ähnlich Knobbe-Keuk, S. 176. 13 BFH vom 12. 05. 1993 – II R 2 / 90 – BFHE 171, S. 334 (338) = BStBl. II 1993, 587 (588 f.); vom 30. 11. 1988 – II R 237 / 83 – BFHE 155, S. 140 (144) = BStBl. II 1989, S. 183 (185); Berger / Ring in Beck’scher Bilanz-Kommentar, § 253 HGB, Rn. 300; Doralt, DStJG Bd. 7 (1984), S. 141 ff.; Groh, StuW 1976, S 32 (35); Gürsching / Stenger, § 10 BewG, Rn. 51 ff.; Mayer-Wegelin in Bordewin / Brandt, § 6 EStG, Rn. 135; Winkeljohann in Herrmann / Heuer / Raupach, § 6 EStG, Rn. 582; Fischer in Kirchhof, § 6 EStG, Rn. 83; OrtmannBabel in Lademann / Söffing / Brockhoff, § 6 EStG, Rn. 381; Hoffmann in Littmann / Bitz / Pust, § 6 EStG, Rn. 412; Mellwig, Festschrift für Adolf Moxter, S. 1069 ff.; Moxter, Festschrift für Franz Klein, S. 827 ff.; Glanegger in L. Schmidt, § 6 EStG, Rn. 215. 14 Doralt, DStJG Bd. 7 (1984), S. 141, 143 („austauschbar“); ähnlich bereits Zitzlaff, StuW I 1941, Sp. 193 ff. 15 Doralt, a. a. O. (Fn. 14). 16 Doralt, a. a. O. (Fn. 14), S. 143 f.

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Teil 1: Problemstellung

Vielmehr sprechen die Ausführungen Mirres, auf die Doralt verweist, sogar gegen die Annahme eines handelsrechtlichen Ursprungs des Teilwerts. Sie betreffen die – dem Handelsbilanzrecht fremde – Frage, wie ein als „Teilwert“ bezeichneter Wert eines zu einem Unternehmen gehörigen Gegenstandes aus dem Gesamtkaufpreis für das ganze Unternehmen abgeleitet werden könnte17. Daher gelten die Ausführungen Mirres auch verbreitet als Beleg für die These, dem Teilwert liege die Idee einer Aufteilung des Gesamtkaufpreises des Unternehmens auf die hierzu gehörigen einzelnen Wirtschaftsgüter zugrunde18. Ferner wird bei Doralt auch die Bedeutung des Wortlauts der Erwerberfomel nicht deutlich, der einen Zusammenhang zu handelsrechtlichen Bewertungsgrundsätzen nicht erkennen läßt. Damit fehlt es bislang an einer überzeugenden Begründung der Auslegung Doralts, die sich nicht durchzusetzen vermochte. III. Verlustantizipation Nach einer neueren Auffassung ist der Sinn und Zweck des Teilwerts in der Verlustantizipation zu sehen und der Teilwert hiernach im Sinne des handelsrechtlichen beizulegenden Werts auszulegen19. Zwar deute der Wortlaut der Erwerberformel darauf hin, daß der Teilwert ursprünglich als Vermögenswertanteil des einzelnen Wirtschaftsguts am Gesamtkaufpreis des ganzen Unternehmens konzipiert gewesen sei20. Aus dem Sinnzusammenhang, in den diese Vorschrift gestellt ist, ergebe sich aber, daß der Teilwert seiner Funktion nach als Verlustantizipationsmaßstab dienen solle. Zur Zeit der Entstehung des Teilwerts sei man von einer Übereinstimmung beider Teilwertkonzeptionen ausgegangen, glaubte also eine Antizipation unrealisierter Verluste durch eine Abschreibung auf einen als Vermögenswertanteil konzipierten Teilwert zu erreichen21. Mittlerweile werde der Begriff des unrealisierten Verlustes jedoch anders – nämlich im Sinne einer drohenden Belastung künftiger Jahresabschlüsse – verstanden22 Der hieraus resultierende Gegensatz beider Teilwertkonzeptionen23 lasse sich durch eine dem heutigen Begriffsverständnis folgende „bilanzzweckadäquate“ Auslegung des Teilwerts im Sinne des handelsrechtlichen beizulegenden Werts auflösen24. 17 Mirre, Zeitschrift des deutschen Notarvereins 1913, S. 155 (169 f.); dazu unten Teil 2.B.IV.2.c) (S. 40 f.). 18 Nachweise Fn. 7. 19 Moxter, DStR 1998, S. 509 (511); Mellwig, Festschrift für Adolf Moxter, S. 1071 (1075 f.); ablehnend Winkeljohann in Herrmann / Heuer / Raupach, § 6 EStG, Rn. 621; Müller-Dott, Festschrift für Wolfgang Ritter, S. 215 ff. 20 Moxter, a. a. O. (Fn. 19); ders., Festschrift für Franz Klein, S. 827 (828 ff.); ähnlich Mellwig, a. a. O. (Fn. 19), S. 1085. 21 Moxter, Festschrift für Franz Klein, S. 827 (S. 835). 22 Moxter, a. a. O. (Fn. 21), S. 832. 23 Moxter, a. a. O. (Fn. 21), S. 828.

B. Streit um den Sinn und Zweck der Legaldefinition des Teilwerts

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Allerdings wird bei den genannten Autoren nicht deutlich, welche Bedeutung der Wortlaut der Legaldefinition des Teilwerts nach der Vorstellung des Gesetzgebers hatte und wie der Teilwert demzufolge ermittelt werden sollte. Solange das mit der Einführung dieser Vorschrift verfolgte Konzept nicht klar benannt werden kann, ist es aber problematisch, den Gesetzeswortlaut durch eine bilanzzweckadäquate Auslegung zu übergehen.

IV. Herrschende Praxis Die herrschende Praxis entnimmt dem Wortlaut der Erwerberformel zwar das Gebot, den Teilwert ausgehend von der Vorstellung einer Veräußerung des ganzen Unternehmens zu ermitteln. Daraus folgt nach Auffassung der Rechtsprechung sowie des überwiegenden Teils der Literatur aber nicht, daß zur Teilwertermittlung der Gesamtkaufpreis des Unternehmens festzustellen und auf die hierzu gehörigen Wirtschaftsgüter aufzuteilen wäre25. Statt dessen bestimmt die steuerrechtliche Praxis den Teilwert anhand eines Systems sogenannter Teilwertvermutungen, die noch auf die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs zurückgehen26. Auch wenn angesichts dieser seit Jahrzehnten herrschenden Praxis festzustehen scheint, wie der Teilwert zu ermitteln ist, ist nach wie vor ungeklärt, worin eigentlich das Ziel der Feststellung dieses Wertes bestehen soll. Die Stellungnahmen zum Sinn und Zweck der Legaldefinition des Teilwerts sind durchweg undeutlich. So heißt es vielfach, es solle der wertbestimmende Einfluß der Betriebszugehörigkeit eines Wirtschaftsguts bei der Bewertung berücksichtigt werden27. Der Wert der einzelnen Wirtschaftsgüter werde unter Berücksichtigung ihrer wirtschaftlichen Bedeutung für den lebenden Betrieb28 und mit Blick auf den Gesamtwert des Unternehmens ermittelt29, wobei die Kenntnis des Gesamtkaufpreises des Unternehmens aber keine unerläßliche Voraussetzung für die Ermittlung der Teilwerte sei30. Die Bewertung erfolge aus Sicht des gedachten Erwerbers, der an die Stelle Mellwig, a. a. O. (Fn. 19), S. 1083; Moxter, a. a. O. (Fn. 21), S. 832 ff. Nachweise Fußnote 13. 26 Überblick bei Winkeljohann in Herrmann / Heuer / Raupach, § 6 EStG, Rn. 586 ff.; zu den Teilwertvermutungen im einzelnen auch unten Teil 4.B.II.1. (S. 61 ff.). 27 Mayer-Wegelin in Bordewin / Brandt, § 6 EStG, Rn. 136; Winkeljohann in Herrmann / Heuer / Raupach, § 6 EStG, Rn. 573; Ortmann-Babel in Lademann / Söffing / Brockhoff, § 6 EStG, Rn. 379; Glanegger in L. Schmidt, § 6 EStG, Rn. 215. 28 BFH vom 31. 01. 1991 – IV R 31 / 90 – BFHE 164, S. 232 (234) = BStBl. II 1991, S. 627 (628). 29 Groh, StuW 1976, S. 32 (35); Berger / Ring in Beck’scher Bilanz-Kommentar, § 253 HGB, Rn. 300. 30 BFH vom 12. 05. 1993 – II R 2 / 90 – BFHE 171, S. 334 (337) = BStBl. II 1993, S. 587 (588 f.); vom 08. 05. 1981 – III R 26 / 79 – BFHE 133, S. 567 (569) = BStBl. II 1981, S. 702 (703); vom 20. 07. 1973 – III R 100 – 101 / 72 – BFHE 110, S. 203 (205) = BStBl. II 1973, S. 794; vom 12. 07. 1968 – III 181 / 64 – BFHE 93, S. 323 (327) = BStBl. II 1968, S. 794 (795). 24 25

2 Rief-Drewes

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Teil 1: Problemstellung

des jeweiligen Steuerpflichtigen gesetzt werde, weil der Teilwert dem objektiven Wert der im Betriebsvermögen befindlichen Wirtschaftsgüter entsprechen solle31. Diese Formulierungen beschreiben die Bedeutung der Legaldefinition des Teilwerts jedoch so allgemein, daß sich aus ihnen keine bestimmte Auslegung herleiten läßt. Ferner ist auch das Verhältnis der Teilwerte einzelner Wirtschaftsgüter zum Gesamtwert des Unternehmens ungeklärt32. Im Ergebnis ist daher zweifelhaft, ob die seit Jahrzehnten herrschende Praxis der Ermittlung des Teilwerts anhand der Teilwertvermutungen mit dem Sinn und Zweck des Gesetzes im Einklang steht.

C. Eigener Ansatz Vor diesem Hintergrund soll in dieser Arbeit untersucht werden, worin der Sinn und Zweck der Legaldefinition des Teilwerts zu sehen ist. Grundsätzlich stehen zur Ermittlung des Sinn und Zwecks einer Rechtsnorm verschiedene Auslegungsmethoden zur Verfügung, die klassischerweise in den Kanon der grammatikalischen, systematischen, teleologischen und historischen Interpretation des Gesetzestextes unterteilt werden33. Speziell beim Teilwert führen die grammatikalische, systematische sowie teleologische Auslegung zu keinem eindeutigen Ergebnis. So bleibt bei einer vom Wortsinn der Erwerberformel ausgehenden Auslegung unklar, ob die Ermittlung des Teilwerts eine Aufteilung des Gesamtkaufpreis des Unternehmens auf die hierzu gehörigen Wirtschaftsgüter erfordert. Weiterhin bietet auch eine Betrachtung des Bedeutungszusammenhangs, in den der Teilwert gestellt ist, keinen Aufschluß über den Sinn und Zweck des Gesetzeswortlauts, da die Erwerberformel keinen inhaltlichen Bezug zu anderen Vorschriften oder Bewertungsprinzipien des Bilanzrechts erkennen läßt. Schließlich führt auch eine teleologische Auslegung der Legaldefinition des Teilwerts nicht weiter, da nicht ersichtlich ist, welche Idee hinter der Ermittlung dieses Wertes sowie seiner Verwendung im Rahmen der steuerlichen Gewinnermittlung steht. Wenn die übrigen Auslegungsmethoden zu keinem zweifelsfreien Ergebnis führen, kann eine historische Auslegung des Gesetzeswortlauts zum Verständnis des Normzwecks beitragen. Daher soll nachfolgend anhand der Entstehungsgeschichte aufgezeigt werden, worin der Sinn und Zweck des Teilwerts zu sehen ist (Teil 2) und wie der Teilwert danach heute auszulegen ist (Teil 3 bis Teil 5).

31 BFH vom 06. 12. 1995 – I R 51 / 95 – BFHE 179, S. 326 (331) = BB 1996, S. 792 (793); Berger / Ring in Beck’scher Bilanz-Kommentar, § 253 HGB, Rn. 305; Ortmann-Babel in Lademann / Söffing / Brockhoff, § 6 EStG, Rn. 377; Glanegger in L. Schmidt, § 6 EStG, Rn. 215. 32 Berger / Ring in Beck’scher Bilanz-Kommentar, § 253 HGB, Rn. 300. 33 Larenz / Canaris, S. 141 ff., die als fünftes Auslegungskriterium das Gebot verfassungskonformer Auslegung anführen.

Teil 2

Die Identität von Teilwert und beizulegendem Wert A. Der Teilwert im Handelsrecht I. Die Auslegung des beizulegenden Werts im Sinne des Verkaufswerts unter Berücksichtigung der Fortführung des Unternehmens Die noch heute als Legaldefinition des steuerrechtlichen Teilwerts kodifzierte Erwerberformel ist ursprünglich im Handelsbilanzrecht entstanden. Bereits gegen Ende des 19. Jahrhunderts – und damit Jahrzehnte vor der ersten Erwähnung des Begriffs Teilwert im Einkommensteuerrecht34 – ermittelten die handelsrechtliche Rechtsprechung und Literatur den beizulegenden Wert ausgehend von der Vorstellung einer Veräußerung des Bewertungsgegenstandes an einen Erwerber des ganzen Unternehmens. Dem lag die aus heutiger Sicht überholte Vorstellung zugrunde, das bilanzrechtliche Prinzip der Berücksichtigung der Fortführung bei der Bewertung besage, den Wert der Vermögensgegenstände für den Fall ihrer Veräußerung an einen Erwerber zu ermitteln, der den ganzen Betrieb übernehmen und fortführen wolle. 1. Der beizulegende Wert im Sinne des Art. 31 ADHGB (§ 40 HGB) Ausgangspunkt dieser Rechtsentwicklung war Art. 31 Abs. 1 ADHGB35 (§ 40 Abs. 2 HGB36). Nach dieser Vorschrift waren die Vermögensgegenstände in der Handelsbilanz mit dem Wert anzusetzen, der ihnen „beizulegen“ ist. Zwar kennt auch das heutige Handelsbilanzrecht den Begriff beizulegender Wert (§ 253 Abs. 2 S. 3, Abs. 3 S. 2 HGB). Um die Entstehung der Erwerberformel in der Rechtsprechung und Literatur zu Art. 31 ADHGB (§ 40 HGB) gedanklich nachzuvollziehen, muß man sich jedoch vergegenwärtigen, daß dieser Wert nach damaliger Gesetzeslage eine andere Funktion hatte. RFH vom 14. 12. 1926 – VI A 575 / 26 – RFHE 20, S. 87 (88). ADHGB vom 24. 06. 1861, Gesetz-Sammlung für die Königlichen Preußischen Staaten 1861, S. 480; zur Entstehungsgeschichte Horn in Heymann, HGB, Einleitung VI, Rn. 22 ff. 36 Handelsgesetzbuch vom 10. 05. 1897, RGBl. 1897, S. 219; Inkrafttreten zeitgleich mit dem BGB zum 01. 01. 1900 (Art. 1 AbS. 1 EGHGB). 34 35

2*

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Teil 2: Die Identität von Teilwert und beizulegendem Wert

So ist der beizulegende Wert nach heutigem Handelsbilanzrecht nur dann maßgebend, wenn er niedriger ist als die ggf. um planmäßige Abschreibungen verminderten Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten (fortgeführte Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten37) des Bewertungsgegenstandes38. Ausgangspunkt und Höchstgrenze der Bewertung sind danach die Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten (§ 253 Abs. 1 S. 1 HGB, sog. Anschaffungswertprinzip39). Die hierdurch eröffnete Abschreibung auf den beizulegenden Wert ermöglicht eine bilanzielle Berücksichtigung unrealisierter Verluste und gilt als eine Ausprägung des Imparitätsprinzips (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB)40. Demgegenüber diente der beizulegende Wert zur Zeit der Entstehung der Erwerberformel nicht vorrangig als Maßstab für die Bemessung von Abschreibungen. Vielmehr war er für die Bilanzen der meisten Bilanzierenden der einzige maßgebliche Wertmaßstab. Denn eine Bewertung der Vermögensgegenstände mit den fortgeführten Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten war ausschließlich für die Bilanzen der Aktiengesellschaften sowie Kommanditgesellschaften auf Aktien vorgesehen (Art. 185 a Nrn. 1 – 3 ADHGB, § 261 Nrn. 1 – 3 HGB). Auch das Verbot, einen Vermögensgegenstand höher als mit den Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten zu bewerten, galt nach damaliger Gesetzeslage nur für diese Gesellschaften. Daraus zogen die Rechtsprechung und Literatur zu Art. 31 ADHGB (§ 40 HGB) die Schlußfolgerung, alle übrigen Bilanzierenden müßten die Vermögensgegenstände auch dann mit ihrem beizulegenden Wert ansetzen, wenn er die historischen Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten überstieg. So führte das Reichs-Oberhandelsgericht in der Leitentscheidung vom 3. Dezember 1873 aus, die Handelsbilanz diene der Feststellung des Vermögensbestandes41 und solle der objektiven Wahrheit der wirklichen Vermögenslage entsprechen42. Daher seien die Gegenstände in der Handelsbilanz mit ihrem Verkehrswert anzusetzen43. Der Bilanz liege die Idee einer fingierten augenblicklichen Realisierung sämtlicher Aktiva und Passiva zugrunde, wobei allerdings davon auszugehen sei, daß in Wirklichkeit nicht die Liquidation, sondern der Fortbestand des Geschäfts beabsichtigt werde. Bei der Ermittlung der einzelnen Werte sei daher derjenige Einfluß unberücksichtigt zu lassen, den eine Liquidation auf dieselben ausüben würde44. Zum Begriff Karrenbauer in Küting / Weber, § 253 HGB, Rn. 7. Zum heutigen Verständnis des handelsrechtlichen beizulegenden Werts auch unten Teil 4.A. (S. 55 f.). 39 ADS, § 253 HGB, Rn. 32; Karrenbauer in Küting / Weber, § 253 HGB, Rn. 7. 40 ADS, § 253 HGB, Rn. 32; dazu ausführlich auch unten Teil 4.A. (S. 55 ff.). 41 ROHG vom 03. 12. 1873 – II Rep 934 / 73 – Entscheidungen des Reichs-Oberhandelsgerichts, Band 12, S. 15 (17); zum heutigen Verständnis sogleich Teil 2.A.I.2. (S. 21 f.). 42 ROHG vom 03. 12. 1873, a. a. O. (Fn. 41), S. 18. 43 ROHG vom 03. 12. 1873, a. a. O. (Fn. 41), S. 18. 44 ROHG vom 03. 12. 1873, a. a. O. (Fn. 41), S. 19. Daher ist die Behauptung unzutreffend, daß die Bewertung nach Auffassung des ROHG unter der Annahme einer Zerschlagung des Unternehmens erfolgen sollte (so aber z. B. Baetge / Kirsch / Thiele, S. 13). 37 38

A. Der Teilwert im Handelsrecht

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Im Anschluß an diese Entscheidung des Reichs-Oberhandelsgerichts vertraten auch die nachfolgende Literatur und Rechtsprechung die Auffassung, daß unter dem beizulegenden Wert der Verkaufswert unter Berücksichtigung der Fortführung des Unternehmens zu verstehen sei45 und dieser „wirkliche Wert“ auch dann angesetzt werden müsse, wenn er die historischen Anschaffungs- oder Herstellungskosten übersteige46.

2. Der Gegensatz dieser Auslegung zum heutigen Verständnis der Handelsbilanz als einer Erfolgsbilanz Aus heutiger Sicht ist der Ausgangspunkt des Reichs-Oberhandelsgericht in der Leitentscheidung vom 3. Dezember 1873, die Handelsbilanz diene der Feststellung des Vermögensbestandes und solle der objektiven Wahrheit der wirklichen Vermögenslage entsprechen47, überholt. Denn die Bewertung der Vermögensgegenstände hängt davon ab, welcher Zweck mit der Aufstellung einer Bilanz verfolgt wird. Dieser Zweck kann insbesondere entweder in der Ermittlung des innerhalb einer bestimmten Rechnungsperiode realisierten Erfolges (Erfolgsbilanz) oder der Ermittlung des Vermögensstandes zu einem bestimmten Zeitpunkt (Vermögensbilanz) bestehen. Danach ist es zwar bei einer Vermögensbilanz, die zum Beispiel der Berechnung des Abfindungsguthabens eines ausscheidenden Gesellschafters dienen kann, geboten, auch unrealisierte Wertsteigerungen einzubeziehen 48. Bei einer Erfolgsbilanz, etwa der Jahresabschlußbilanz im Sinne der §§ 238 ff. HGB, darf die Bewertung der Vermögensgegenstände die historischen Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten jedoch nicht übersteigen (vgl. § 253 Abs. 1 S. 1 HGB), damit bestimmungsgemäß nur der am Stichtag verwirklichte Gewinn in der Bilanz ausgewiesen wird (§ 252 Abs. 1 45 Behrend, S. 880 („Verkehrswerth [. . .] als Bestandtheile des fortbestehenden Geschäfts“); so auch Goldmann, S. 194 f.; Rehm, S. 60; ähnlich Heymann, HGB, 1940, § 40 HGB, Rn. 6 („auf Fortführung des Unternehmens berechnet“); Staub, 6. + 7. Auflage, § 40 HGB, Rn. 3 („Wert [. . .] beim Fortbestehen des Geschäfts“); RG vom 16. 03. 1899 – Rep. VI. 428 / 98 – RGZ 43, S. 123, 126 f. (Bewertung „im Hinblick auf die unter der Voraussetzung des Fortbestandes des Geschäftes anzunehmende Realisierbarkeit“); so auch PrOVG vom 25. 11. 1899 – Rep. V a. 44.50 / 99 – PrOVGE in St. 8, 85 (87); vom 20. 10. 1909 – J.N.V.A. 85 – Rep. V. A. 64 / 09 – PrOVGE in St. 14, S. 233; vom 20. 12. 1911 – J.N.V.A. 154 – Rep. V.A. 129 / 10 – PrOVGE in St. 15, S. 261, 263 („Verkaufswert unter der Voraussetzung des Fortbestandes des Betriebs“); ablehnend Simon, der in einer solchen Bewertung einen „unlösliche[n] Widerspruch“ (S. 297) sah; gegen Simon dann Behrend, S. 880; Goldmann, S. 194; Lehmann / Ring, § 40 HGB, Rn. 4; Rehm, S. 60. 46 Düringer / Hachenburg, 2. Auflage 1908, § 40 HGB, Rn. 7 (anders 3. Auflage 1930, § 40 HGB, Rn. 7); Goldmann, S. 196; so auch PrOVG vom 13. 12. 1895 – Rep.V. 5 / 95 – PrOVGE in St. 4, S. 241, 247 (PrESt); Fuisting / Strutz, S. 610. 47 ROHG vom 03. 12. 1873, a. a. O. (Fn. 41), S. 17. 48 Schöning / Diederichs / Schnelle, S. 183.

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Teil 2: Die Identität von Teilwert und beizulegendem Wert

Nr. 4, Hs. 2 HGB). Diesem Realisationsprinzip liegt die Erwägung zugrunde, unrealisierte Wertsteigerungen in der Jahresabschlußbilanz aus Gründen der Vorsicht nicht als Teil des verteilungsfähigen Jahresgewinns auszuweisen49. Diese Unterscheidung zwischen Erfolgs- und Vermögensbilanzen hatte sich seinerzeit jedoch noch nicht durchgesetzt. So bediente sich zwar die kaufmännische Praxis der Handelsbilanz von alters her zur Ermittlung des realisierten Gewinns und sah dementsprechend die Anschaffungs- bzw.. Herstellungskosten als Ausgangspunkt und Höchstgrenze der Bewertung an50 Den Juristen waren Ziel und Wirkungsweise einer Erfolgsbilanz jedoch bis zum Ende des Ersten Weltkriegs weitgehend unbekannt. So wurde die Forderung nach einer generellen Bilanzierung „wirklicher Werte“ in der Handelsbilanz mit der – allein auf den Fall einer Vermögensbilanz bezogenen – Erwägung gerechtfertigt, eine niedrigere Bewertung hätte eine ungerechtfertigte Verkürzung privater Rechte Dritter, etwa der Abfindungsansprüche ausscheidender Gesellschafter, zur Folge51. Erst nach dem Ende des Ersten Weltkriegs wurde die Forderung nach einer Bilanzierung „wirklicher Werte“ in der Handelsbilanz allgemein aufgegeben. Den Anstoß hierzu gab die massive Geldentwertung nach dem Ende des ersten Weltkriegs, denn unter diesen Verhältnissen hätte ein Ansatz „wirklicher Werte“ in der Handelsbilanz zu dem absurden Ergebnis geführt, die inflationsbedingten Wertsteigerungen als Bilanzgewinn auszuweisen. Erst nachdem die Geldentwertung die Bedeutung des Realisationsprinzips für die Ertragsermittlung auf drastische Weise veranschaulicht hatte52, setzte sich die heute gängige Unterscheidung in Vermögens- und Erfolgsbilanzen durch53.

II. Die Auslegung des Verkaufswerts unter Berücksichtigung der Fortführung des Unternehmens im Sinne der Erwerberformel 1. Die Erwerberformel im Handelsrecht Die dargestellte Auslegung der Rechtsprechung und Literatur zum handelsrechtlichen beizulegenden Wert im Sinne des Art. 31 ADHGB (§ 40 HGB) führte zu 49 Ähnlich ADS, § 252 HGB, Rn. 63; ausführlich zum heutigen Verständnis des beizulegenden Werts auch unten Teil 4.A. (S. 55 ff.). 50 Hochstetter, StuW I 1922, Sp. 33 (48); Passow, S. 123 ff.; Simon, S. 291 f.; von Wilmowski, S. 70; RFH vom 08. 07. 1922 – I A 17 / 22 – RFHE 10, S. 114 (117). 51 Düringer / Hachenburg, 2 Auflage 1908, § 40 HGB, Rn. 12 (anders 3. Auflage, § 40 HGB, Rn. 12 ff.); ähnlich Staub, 6. + 7. Auflage, § 40 HGB, Rn. 2. 52 Wünschmann, StuW I 1923, Sp. 625, 627: Die Wirtschaftslage habe „das völlig Irrige [einer Bilanzierung wirklicher Werte, d. Verf.] eingehämmert“. 53 Grundlegend dann Lion, S. 66 ff.; Passow, S. 123 ff.

A. Der Teilwert im Handelsrecht

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der Frage, wie der maßgebliche „Verkaufswert unter Berücksichtigung der Fortführung des Unternehmens“ ermittelt werden sollte. Der wiederholten Betonung des Gebots, die Fortführung des Unternehmens bei der Bewertung zu berücksichtigen, lag die Beobachtung zugrunde, daß für viele Vermögensgegenstände des Betriebsvermögens nur noch ein sehr niedriger Veräußerungserlös (sogenannter Zerschlagungs- oder Liquidationswert) erzielbar ist, wenn man sie als ein vom Betrieb getrenntes Einzelstück veräußert. Dies läßt sich darauf zurückführen, daß der Verkaufswert eines Gegenstands in erster Linie davon bestimmt wird, welchen Nutzen er seinem Erwerber zu gewähren vermag. Viele Gegenstände des Betriebsvermögens sind jedoch bezüglich verschiedener Eigenschaften – etwa technischer Parameter, Qualität, Kapazität oder Design – gerade für eine Verwendung im Rahmen ihres Betriebs ausgelegt und für eine Nutzung außerhalb des Betriebs daher nicht oder nur suboptimal geeignet. Im Extremfall kann daher sogar für eine gerade erst in Betrieb genommene Maschine nur noch der Materialwert erzielbar sein, wenn man sie als Einzelstück veräußern würde. Nach Auffassung der handelsrechtliche Rechtsprechung und Literatur zum beizulegenden Wert im Sinne des Art. 31 ADHGB (§ 40 HGB) ließ sich eine solche gedankliche Zerschlagung des Betriebs bei der Bewertung vermeiden, indem man bei der Ermittlung des Verkaufswerts der Vermögensgegenstände von einer Veräußerung an einen Erwerber ausgeht, der zugleich den ganzen Betrieb übernehmen und fortführen will. Dem lag die Überlegung zugrunde, daß bei einer Veräußerung des Bewertungsgegenstandes als Teil des fortbestehenden Unternehmens ein höher Kaufpreis als der Zerschlagungswert erzielbar wäre, da der Erwerber den Gegenstand – also etwa die erwähnte Maschine – weiter in dem Unternehmen nutzen könnte54. So führte Rehm aus, der handelsrechtliche beizulegende Wert sei der Wert, den die Vermögensgegenstände als Bestandteile des fortbestehenden Geschäfts, also bei Veräußerung des Geschäftes unter Fortbestand desselben als solchen hätten55. Staub betonte, die Annahme einer Veräußerung der Vermögensgegenstände unter Fortbestand des Geschäfts stelle keinen Widerspruch dar. Vielmehr beschreibe die Verbindung beider Voraussetzungen den Wert, den die Gegenstände beim Fortbestehen des Geschäfts hätten, wenn man besondere, vom Regelmäßigen abweichende Verhältnisse des derzeitigen Besitzers außer acht lasse und nur solche Umstände berücksichtige, die den Wert erzeugten, auch wenn das Geschäft in andere Hände übergehe56. Die von Mrozek für den beizulegenden Wert geprägte Formel enthält schließlich bereits alle Tatbestandsmerkmale der heutigen Legaldefinition 54 Diese Vorstellung stimmt nicht mit der Bewertungspraxis bei Unternehmensveräußerungen überein, dazu sogleich Teil 2.A.II.2. (S. 24). 55 Rehm, S. 60; zustimmend Düringer / Hachenburg, 2. Auflage 1908, § 40 HGB, Rn. 6 (anders 3. Auflage 1930, § 40 HGB, Rn. 6); Lehmann / Ring, § 40 HGB, Rn. 4. 56 Staub, 6. + 7. Auflage, § 40 HGB, Rn. 3.

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Teil 2: Die Identität von Teilwert und beizulegendem Wert

des Teilwerts. Unter Verweis auf die Leitentscheidung des Reichs-Oberhandelsgerichts vom 3. Dezember 187357 sowie auf die Kommentierung Staubs führte er aus, der beizulegende Wert entspreche dem Betrag, zu welchem ein Käufer des ganzen Geschäfts zum Weiterbetriebe und der Verkäufer den einzelnen Gegenstand bei der Einigung über den Kaufpreis in Berechnung gezogen hätten, wenn der Geschäftsverkauf unter gemeingewöhnlichen Verhältnissen am Schlusse des Geschäftsjahrs zustande gekommen wäre58. Dieser Auslegung des beizulegenden Werts folgte auch das Reichsgericht, das 1879 an die Stelle des Reichs-Oberhandelsgerichts trat59, wobei es ausdrücklich auf die Ausführungen Staubs verwies und die dort geprägte60 Bezeichnung „Geschäftswert“ übernahm61. Dabei stellte das Reichsgericht klar, gemäß Art. 31 ADHGB seien zwar die einzelnen Gegenstände mit ihrem Geschäftswert anzusetzen, also dem Wert, den sie für das Geschäft hätten. Das bedeute aber nicht, daß der Wert des Geschäfts rückwirkend den Wert der einzelnen Gegenstände bestimme. Denn in der Bilanz habe nicht der nach den Ertragsergebnissen bemessene Wert des Geschäfts zur Darstellung zu gelangen, sondern nur die einzelnen Vermögensgegenstände nach ihren Werten. Überdies könnten die einzelnen Gegenstände auch gar nicht nach ihren Erträgen geschätzt werden, da sie als solche keinen Ertrag gäben62.

2. Der Widerspruch in der Erwerberformel Nach Auffassung der Rechtsprechung und Literatur zum handelsrechtlichen beizulegenden Wert (Art. 31 ADHGB, § 40 HGB) ließ sich der Verkaufswert eines Gegenstandes unter Berücksichtigung der Fortführung des Unternehmens also ermitteln, indem der Verkaufswert für den Fall einer Veräußerung an einen Erwerber festgestellt wird, der das Unternehmen übernehmen und fortführen will. Dieser Gedanke, der anschließend Eingang in das Steuerrecht fand und der noch heute kodifizierten Legaldefinition des Teilwerts zugrunde liegt, beruht auf überholten Vorstellungen über die Bewertungspraxis bei Unternehmensveräußerungen. Nach damaligem Verständnis ermittelten Veräußerer und Erwerber den Kaufpreis eines Unternehmens grundsätzlich in der Weise, daß sie zunächst alle Gegenstände des Betriebsvermögens bewerteten und diese Einzelwerte anschließend addierten; Fn. 41. Mrozek, § 174 RAO, Rn. 15. 59 Horn in Heymann, HGB, Einleitung VI Rn. 25. 60 Staub, 6. + 7. Auflage, § 40 HGB, Rn. 3. 61 RG vom 03. 11. 1899 – III 176 / 99 – Gruchot, Beiträge zur Erläuterung des Deutschen Rechts, Jg. 1900, S. 158 (159 f.). 62 RG vom 03. 11. 1899, a. a. O. (Fn. 61); zustimmend Staub, 10. Auflage, § 40 HGB, Rn. 3. 57 58

A. Der Teilwert im Handelsrecht

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im Prinzip entsprach der Gesamtkaufpreis eines Unternehmens danach der Summe der Einzelwerte aller zum Betrieb gehörigen Gegenstände63. Zwar bemerkte bereits die damalige Praxis, daß für den Kaufpreis eines Unternehmens nicht ausschließlich der Wert des Betriebsvermögens, sondern auch „mancherlei subjektive Rücksichten und ideelle Werthe [. . .] wie z. B. der von altersher begründete Ruf der Firma, ihre gute Kundschaft“64 oder die Rentabilität des Unternehmens von Bedeutung sein konnten. Gleichwohl ließ man sich von der Vorstellung leiten, es gebe so etwas wie einen „objektiven Wert“ des Betriebsvermögens, der vornehmlich anhand der Reproduktionskosten der einzelnen Gegenstände ermittelt werden konnte65. Wenn die Parteien bei der Bemessung des Unternehmenskaufpreises von diesem objektiven Wert abwichen und einen höheren oder niedrigeren Betrag vereinbarten, so sah man darin das Ergebnis „subjektiver“ Erwägungen der Parteien, die bei der Feststellung des objektiven Werts des Betriebsvermögens nicht berücksichtigt werden durften66. Erst nach dem Ende des Ersten Weltkriegs setzte sich die Erkenntnis durch, daß diese Vorstellung die Realität nicht erfaßt. Zwar sind Bestand und Wert des Betriebsvermögens für den Kaufpreis eines Unternehmens nicht bedeutungslos. In erster Linie wird der Kaufpreis eines Unternehmens jedoch von den Ertragserwartungen bestimmt67. Der Gesamtwert eines Unternehmens ist damit seinem Wesen nach etwas ganz anderes als die Summe der Werte seiner Teile68. Daher ist auch die Vorstellung irrig, bei der Veräußerung eines Unternehmens werde ein bestimmter „objektiver“ Verkaufswert der hierzu gehörigen Gegenstände des Betriebsvermögens ermittelt. Auch soweit die Parteien im Rahmen der Verhandlungen über den Unternehmenskaufpreis den Wert einzelner Gegenstände schätzen oder den Unternehmenskaufpreis in Einzelwerte aufschlüsseln, handelt es sich hierbei nicht um den „Verkaufswert“ der betreffenden Teile des Unternehmens. Denn wenn der Gegenstand der Veräußerung das Unternehmen als ganzes ist, schließt dies eine Einigung über den Kaufpreis eines einzelnen Bestandteils dieses Unternehmens logisch aus, da ein und derselbe Gegenstand nicht ein zweites Mal verkauft werden kann. Man kann sich daher allenfalls die Frage stellen, auf welche Art und Weise Erwerber und Veräußerer des Unterneh-

Schmalenbach, S. 6. PrOVG vom 17. 05. 1897 – Rep. E. IX. 84 / 96 – PrOVGE in St. 6, S. 30, 33 (PrErgSt). 65 Schmalenbach, S. 6. 66 Deutlich bei PrOVG vom 17. 05. 1897, a. a. O. (Fn. 64), S. 33 (PrErgSt); so auch PrOVG vom 11. 03. 1899 – J.N.E. III. 67 – Rep. E. III. 56 / 97 – PrOVGE in St. 8, S. 333, 336 (PrErgSt); vom 11. 03. 1899 – J.N.E. III. 45 – Rep. E. III. 43 / 97 – PrOVGE in St. 8, S. 328 (332 f.) m. w. N. (PrErgSt); ähnlich RG vom 03. 11. 1899, a. a. O. (Fn. 61), S. 158 (159 f.). 67 Großfeld, Unternehmens- und Anteilsbewertung, S. 22 f.; Moxter, Grundsätze ordnungsmäßiger Unternehmensbewertung, S. 75 ff.; Schmalenbach, S. 2. 68 Becker, Reichsabgabenordnung, § 137 RAO, Rn. 6 (S. 307); Großfeld, Unternehmensund Anteilsbewertung, S. 36 ff.; Schmalenbach, S. 5 ff. 63 64

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Teil 2: Die Identität von Teilwert und beizulegendem Wert

mens den Wert eines einzelnen Gegenstandes ermitteln könnten, wenn sie es denn tun würden. Damit beruht die Auslegung der Erwerberformel aber notwendigerweise auf Fiktionen. Die in der Rechtsprechung und Literatur zu Art. 31 ADHGB (§ 40 HGB) geprägte Auslegung des handelsrechtlichen beizulegenden Werts im Sinne eines Verkaufswerts unter Berücksichtigung der Fortführung des Unternehmens geht damit auf Vorstellungen zurück, die nach heutigem Verständnis unzutreffend sind. Die hieraus abgeleitete und noch heute als Legaldefinition des steuerrechtlichen Teilwerts kodifizierte Erwerberformel beschreibt einen Wert, den es nicht gibt.

B. Der Teilwert im Steuerrecht I. Die Einführung des Maßgeblichkeitsprinzips Gegen Ende des 19. Jahrhunderts ging die Einkommensteuergesetzgebung in den meisten deutschen Ländern dazu über, zur Ermittlung des gewerblichen Einkommens auf die Handelsbilanz zu verweisen69 So galt als Einkommen aus Handel und Gewerbebetrieb in Preußen – und vergleichbar in anderen deutschen Staaten70 – der Geschäftsgewinn, welcher nach den Grundsätzen zu berechnen ist, die für die Inventur und Bilanz durch das Allgemeine Deutsche Handelsgesetzbuch vorgeschrieben sind und sonst dem Gebrauche eines ordentlichen Kaufmannes entsprechen (§ 14 Abs. 1 S. 2 PrEStG vom 24. 06. 189171). Weitere Vorschriften zur Bewertung der Bilanzgegenstände enthielt das PrEStG 1891 nicht, so daß die handelsrechtlichen Bewertungsvorschriften für das Einkommensteuerrecht uneingeschränkt maßgebend waren72.

II. Die Auslegung des handelsrechtlichen beizulegenden Werts im Sinne des steuerrechtlichen gemeinen Werts 1. Die Gleichsetzung des beizulegenden Werts mit dem gemeinen Wert Aufgrund der Einführung der Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz war auch das PrOVG mit der Auslegung der handelsrechtlichen Bewer69 Zur Entwicklung der Einkommensteuergesetzgebung in den deutschen Staaten Matthiak in Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, § 5 EStG, Rn. A 110 ff.; Vogt, S. 77 ff. 70 Lion, Bilanzsteuerrecht, S. 90 ff. 71 Gesetz-Sammlung für die Königlichen Preußischen Staaten 1891, S. 175. 72 PrOVG vom 02. 07. 1902 – V. A. 136 / 01 – PrOVGE in St. 10, S. 294, 301 (PrESt); vom 20. 10. 1909 – J.N.V.A. 85 – Rep. V. A. 64 / 09 – PrOVGE in St. 14, S. 231, 232 (PrESt).

B. Der Teilwert im Steuerrecht

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tungsvorschriften befaßt. Dabei betonte das PrOVG zwar in ständiger Rechtsprechung, daß sich die einkommensteuerrechtliche Bewertung allein nach den handelsrechtlichen Vorschriften richte73 und nach diesen handelsrechtlichen Vorschriften der objektive Verkaufswert unter der Voraussetzung des Fortbestandes des Betriebs74 („wirklicher Wert“75) anzusetzen sei. Gleichwohl gelangte das PrOVG zu dem Ergebnis, daß der handelsrechtliche beizulegende Wert im Sinne des steuerrechtlichen gemeinen Werts auszulegen sei. Nach Auffassung des PrOVG war der handelsrechtliche beizulegende Wert nämlich mit dem gemeinen Wert im Sinne des Preußischen Ergänzungssteuergesetzes76 inhaltlich identisch77. Daher vertrat das PrOVG in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, der handelsrechtliche beizulegende Wert sei anhand der Grundsätze zu ermitteln, die die Rechtsprechung zum gemeinen Wert im Sinne des Ergänzungssteuerrechts entwickelt hatte78.

2. Der gemeine Wert im Sinne des § 9 PrErgStG Auch dieser Verweis des Einkommensteuersenats des PrOVG auf die Rechtsprechung zur Ergänzungssteuer ist nur vor dem Hintergrund nachvollziehbar, daß die Unterschiede zwischen Erfolgs- und Vermögensermittlung unter den Juristen seinerzeit noch weitgehend unbekannt waren79. Denn bei der Ergänzungssteuer handelte es sich um eine Vermögensteuer; das Ziel der Bewertung bestand hier also nicht in der Ermittlung des Gewinns, sondern in der Feststellung des Werts des Vermögens des Steuerpflichtigen. 73 PrOVG vom 02. 07. 1902, a. a. O. (Fn. 72), S. 301 (PrESt); vom 03. 03. 1909 – Rep. VI. A. 5 / 08 – PrOVGE in St. 14, S. 263, 273 (PrESt); vom 20. 10. 1909, a. a. O. (Fn. 72), S. 232 (PrESt). 74 PrOVG vom 05. 06. 1907 – J.N.V.A. 17 – Rep. V. A. 12 / 07 – PrOVGE in St. 13, S. 244, 245 (PrESt); vom 20. 10. 1909, a. a. O. (Fn. 72), S. 223, 231 ff. (PrESt); ähnlich PrOVG vom 02. 07. 1902, a. a. O. (Fn. 72), S. 303 (PrESt); vom 30. 12. 1905 – J.N.V.A. 19 – Rep. V. A. 18 / 05 – PrOVGE in St. 12, S. 310, 314 (PrESt). 75 PrOVG vom 02. 07. 1902, a. a. O. (Fn. 72), S. 305 (PrESt); vom 30. 12. 1905, a. a. O. (Fn. 74), S. 311 (PrESt); vom 05. 06. 1907, a. a. O. (Fn. 74), S. 245 (PrESt); vom 20. 10. 1909, a. a. O. (Fn. 72), S. 223, 231 ff. (PrESt). 76 Ergänzungssteuergesetz vom 14. 07. 1893, Gesetz-Sammlung für die Königlichen Preußischen Staaten 1893, S. 134. 77 PrOVG vom 25. 11. 1899 – J. N. V. a. 49 – Rep. V. a. 44.50 / 99 – PrOVGE in St. 8, S. 85, 88 (PrESt); vom 02. 07. 1902, a. a. O. (Fn. 72), S. 303 (PrESt); vom 30. 12. 1905, a. a. O. (Fn. 74), S. 314 (PrESt); vom 03. 03. 1909, a. a. O. (Fn. 73), S. 273 m. w. N. (PrESt). 78 PrOVG vom 25. 11. 1899, a. a. O. (Fn. 77), S. 88 (PrESt); vom 02. 07. 1902, a. a. O. (Fn. 72), S. 308 (PrESt); Buck, S. 115 ff.; Fuisting / Strutz, S. 604 f.; kritisch bereits von Wilmowski, S. 203 f.; grundlegend erst Lion, Bilanzsteuerrecht, S. 79 ff.; Becker, Verhandlungen des 33. Deutschen Juristentags 1924, S. 433 (437 f.); ders., StuW I 1925, Sp. 1799 (1811); Moos, S. 57 f. 79 Oben Teil 2.A.I.2. (S. 21 f.).

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Teil 2: Die Identität von Teilwert und beizulegendem Wert

Soweit das Vermögen aus einem Unternehmen bestand, war gemäß § 9 PrErgStG der gemeine Wert des Betriebsvermögens maßgebend. Unter dem gemeinen Wert wurde grundsätzlich der Kaufpreis verstanden, der für den Bewertungsgegenstand im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach seiner objektiven Beschaffenheit ohne Rücksicht auf ungewöhnliche oder lediglich persönliche Verhältnisse zu erzielen war80, kurz der objektive Verkaufswert81. Dabei waren bei der Ermittlung des gemeinen Werts des Betriebsvermögens nach Auffassung des Ergänzungssteuersenats des PrOVG sogenannte Bewertungseinheiten zu bilden, um eine Bewertung mit Liquidationswerten zu vermeiden. Danach sollten Gegenstände, bei denen eine einzeln erfolgende Veräußerung zu einer wesentlichen Entwertung führen würde, für die Bewertung als eine Einheit angesehen werden82. Für die Bewertung einer solchen Einheit, die etwa aus den Gebäuden, Maschinen und Gerätschaften einer Fabrik bestehen konnte83, waren dann nicht die Werte der einzelnen Teile, sondern der bei einer Veräußerung der ganzen Einheit erzielbare Wert maßgebend84 Soweit Einzelwerte im Rahmen der Ergänzungssteuer überhaupt ermittelt wurden, dienten sie also nur als Hilfsmittel im Rahmen der Feststellung des Gesamtwerts des Betriebsvermögens85. Falls das Unternehmen in letzter Zeit veräußert worden war, konnte der gemeine Wert des Betriebsvermögens im Prinzip auch aus dem vereinbarten Unternehmenskaufpreis abgeleitet werden86 Allerdings wies das PrOVG in ständiger Rechtsprechung darauf hin, daß der Gegenstand der Bewertung nicht das Unternehmen als solches, sondern allein das hierzu gehörige Betriebsvermögen sei. Auch wenn beim Verkauf eines ganzen Unternehmens insbesondere der Ruf der Firma87 sowie die Rentabilität 88 den Kaufpreis zu beeinflussen pflegten, dürften diese subjektiven Faktoren bei der Ermittlung des gemeinen Werts des Betriebsvermögens nicht be80 RG vom 19. 11. 1879 – V. Civilsenat – Gruchot, Beiträge zur Erläuterung des deutschen Rechts, Band 24 (1880), S. 409. 81 PrOVG vom 29. 05. 1896 – Rep. E. IX. 22 / 95 – PrOVGE in St. 5, S. 112, 117 (PrErgSt); vom 17. 05. 1897, a. a. O. (Fn. 64), S. 32 ff. (PrErgSt); vom 17. 05. 1897 – Rep. E. XII. a. 37 / 96 – PrOVGE in St. 6, S. 40, 42 (PrErgSt); Buck, S. 222 ff.; Passow, S. 90. 82 PrOVG vom 17. 05. 1897, a. a. O. (Fn. 64), S. 35 (PrErgSt). 83 PrOVG vom 17. 05. 1897, a. a. O. (Fn. 64), S. 35 (PrErgSt); für landwirtschaftliche Betriebe PrOVG vom 13. 04. 1899 – J.N.E. XII.b.13 – Rep. E. XII.b. 11 / 98 – PrOVGE in St. 8, S. 337 f. (PrErgSt). 84 Maatz, S. 315. 85 PrOVG vom 17. 05. 1897, a. a. O. (Fn. 64), S. 35 (PrErgSt); Buck, S. 232. 86 PrOVG vom 29. 05. 1896, a. a. O. (Fn. 81), S. 117 (PrErgSt); vom 17. 05. 1897, a. a. O. (Fn. 64), S. 37 (PrErgSt); vom 13. 04. 1899 – J.N.E. XII.b.13 – Rep. E. XII.b. 11 / 98 – PrOVGE in St. 8, S. 337 (PrErgSt); vom 26. 01. 1900 – J.N.E.V. b. 28. – Rep. E. V. b. 20 / 99 – PrOVGE in St. 8, S. 347, 348 (PrErgSt). 87 PrOVG vom 17. 05. 1897, a. a. O. (Fn. 64), S. 33 (PrErgSt). 88 PrOVG vom 11. 03. 1899 – J.N.E. III. 67 – Rep. E. III. 56 / 97 – PrOVGE in St. 8, S. 333, 336 (PrErgSt); vom 11. 03. 1899 – J.N.E. III. 45 – Rep. E. III. 43 / 97 – PrOVGE in St. 8, S. 328 (332 f.) m. w. N. (PrErgSt).

B. Der Teilwert im Steuerrecht

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rücksichtigt werden89, so daß ein hierfür etwa bezahlter Betrag aus dem Unternehmenskaufpreis wieder „ausgesondert“ werden mußte90. Alternativ dazu konnte bei der Ermittlung des gemeinen Werts des Betriebsvermögens (§ 9 PrErgStG) nach Auffassung des Ergänzungssteuersenats des PrOVG aber auch auf die Handelsbilanzwerte zurückgegriffen werden91. Dies ergebe sich daraus, daß der Kaufmann nicht nur gemäß § 9 PrErgStG, sondern auch nach den handelsrechtlichen Vorschriften bei jedem Vermögensstücke den gemeinen Wert zur Zeit der Aufnahme ansetzen müsse92 und beide Werte folglich identisch seien93. Diese Entscheidung war der Anlaß für die bereits erwähnte Rechtsprechung des Einkommensteuersenats, wonach nun – umgekehrt – der handelsrechtliche beizulegende Wert anhand der zum gemeinen Wert entwickelten Grundsätzen ermittelt werden sollte94. Auch diese Rechtsprechung beruhte auf dem Denkfehler, der Wert einer wirtschaftlichen Einheit entspreche im Prinzip der Summe der Werte seiner einzelnen Teile. Zwar bemerkte bereits die damalige Praxis, daß man zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangen konnte, wenn man etwa Aktien einzeln oder als Paket95 oder ein Grundstück als ganzes oder parzelliert96 veräußert. Dem versuchte man jedoch durch die Aufstellung von Regeln zur Bildung der Bewertungseinheiten zu begegnen, wonach etwa Grundstücke mit Gebäuden97 und Inventar98 grundsätzlich als eine Einheit gelten, während Aktien stets einzeln zu bewerten waren99. Damit verkannte man, daß bereits der Ausgangspunkt dieser Rechtsprechung unrichtig war, denn es ist eben nicht gleichbedeutend, ob man den Verkaufswert für 89 PrOVG vom 17. 05. 1897, a. a. O. (Fn. 64), S. 33 (PrErgSt); vom 11. 03. 1899 – J.N.E. III. 67 – Rep. E. III. 56 / 97 – PrOVGE in St. 8, S. 333, 336 (PrErgSt); vom 11. 03. 1899 – J.N.E. III. 45 – Rep. E. III. 43 / 97 – PrOVGE in St. 8, S. 328, 332 f. (PrErgSt). 90 PrOVG vom 17. 05. 1897, a. a. O. (Fn. 64), S. 38 (PrErgSt). Nach Auffassung des PrOVG erlaubte der Umstand, daß die Parteien in den Kaufvertrag über das betreffende Apothekengeschäft keinen Posten mit der Bezeichnung „Geschäftswert“ o.ä. aufgenommen hatten, die Schlußfolgerung, daß die Rentabilität des Unternehmens den Unternehmenskaufpreis nicht beeinflußt habe (S. 38). Näher zum damaligen Verständnis der Bewertungspraxis bei Unternehmensveräußerungen oben Teil 2.A.II.2. (S. 24 f.). 91 PrOVG vom 17. 05. 1897 – Rep. E. XII. a. 37 / 96 – PrOVGE in St. 6, S. 40, 45 f. (PrErgSt). 92 PrOVG vom 17. 05. 1897, a. a. O. (Fn. 91), S. 44 f. (PrErgSt). 93 PrOVG vom 17. 05. 1897, a. a. O. (Fn. 91), S. 42. (PrErgSt). 94 Nachweis Fn. 77; dazu oben Teil 2.A.II.1. (S. 22 f.). 95 PrOVG vom 19. 04. 1905 – Rep. XI. c. 172 / 04 – PrOVGE in St. 12, S. 94, 95 (PrErgSt). 96 PrOVG vom 18. 06. 1896 – Rep. E. III. 1 / 96 – PrOVGE in St. 5, S. 146, 153 (PrErgSt); Gauß, S. 21; Buck, S. 232. 97 PrOVG vom 02. 07. 1902, a. a. O. (Fn. 72), S. 308 (PrESt); vom 09. 12. 1911 – Rep. V.A. 25 / 11 – PrOVGE in St. 15, S. 265, 268 (PrESt); Buck, S. 232; Gauß, S. 22. 98 Maatz, S. 315. 99 PrOVG vom 19. 04. 1905, a. a. O. (Fn. 95), S. 95 (PrErgSt).

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Teil 2: Die Identität von Teilwert und beizulegendem Wert

jeden Vermögensgegenstand feststellt, wie dies – auch nach Ansicht des PrOVG100 – in der Handelsbilanz zu erfolgen hatte101, oder ob man mehrere Gegenstände oder den ganzen Betrieb als eine Einheit bewertet102.

3. Die Auswirkungen der Auslegung des handelsrechtlichen beizulegenden Werts im Sinne des steuerrechtlichen gemeinen Werts Die geschilderte Auslegung des handelsrechtlichen beizulegenden Werts im Sinne des steuerrechtlichen gemeinen Werts führte den Gedanken der Gesamtbewertung in das Einkommensteuerrecht ein, der dem Bilanzrecht fremd war. Denn die in der Rechtsprechung zum gemeinen Wert entwickelten Bewertungsgrundsätze, insbesondere die Bildung von Bewertungseinheiten, dienten allein der Feststellung des Gesamtwerts des Betriebsvermögens. Demgegenüber waren in der Handelsbilanz – auch nach Auffassung des PrOVG103 – stets die Werte der einzelnen Vermögensgegenstände anzusetzen. Um aufgrund der Dogmatik zum gemeinen Wert den Wert eines einzelnen Vermögensgegenstandes festzustellen, hätte danach ermittelt werden müssen, welcher Anteil an dem Verkaufswert des ganzen Betriebsvermögens auf diesen einzelnen Bewertungsgegenstand entfiel104. Ein solches Bewertungsverfahren wurde in der handelsrechtlichen Rechtsprechung oder Literatur105 nirgends auch nur diskutiert. Auch das PrOVG vermochte nicht anzugeben, wie dieser Anteil zu bestimmen sein sollte, und regte an, mit der Ermittlung dieses Werts einen Sachverständigen zu beauftragen106. Weiterhin wies es die Finanzbehörden ausdrücklich an, sie sollten bei der Prüfung der Bilanzwerte nicht in kleinlicher Art107 verfahren und die sich aus den Büchern ergebenden Werte regelmäßig als zutreffend ansehen108, was angesichts der geschilderten kaufmännischen Praxis109 nicht folgerichtig war110.

PrOVG vom 17. 05. 1897, a. a. O. (Fn. 91), S. 45 (PrErgSt). RG vom 03. 11. 1899, a. a. O. (Fn. 62), S. 159. 102 So aber PrOVG vom 17. 05. 1897, a. a. O. (Fn. 64), S. 35 ff. (PrErgSt). 103 PrOVG vom 17. 05. 1897, a. a. O. (Fn. 91), S. 45 (PrErgSt). 104 So tatsächlich PrOVG vom 25. 11. 1899, a. a. O. (Fn. 77), S. 87 (PrESt). 105 Dazu oben Teil 2.A.I.1. (S. 19 f.). 106 PrOVG vom 25. 11. 1899, a. a. O. (Fn. 77), S. 87 (PrESt). 107 PrOVG vom 18. 11. 1898 – Rep. V. A. 55 / 98 – PrOVGE in St. 7, S. 325, 339 (PrESt); vom 02. 07. 1902, a. a. O. (Fn. 72), S. 307 (PrESt). 108 PrOVG vom 17. 05. 1897, a. a. O. (Fn. 91), S. 45 (PrErgSt); vom 18. 11. 1898, a. a. O. (Fn. 107), S. 339 (PrESt); vom 27. 09. 1911 – Rep. V.A. 174 / 10 – PrOVGE in St. 15, S. 263, 265 (PrESt); Fuisting / Strutz, S. 607. 109 Oben Teil 2.A.I.2. (S. 21 f.). 110 Lion, Bilanzsteuerrecht, S. 83. 100 101

B. Der Teilwert im Steuerrecht

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4. Die Einführung der Bewertung mit dem gemeinen Wert im Reichseinkommensteuergesetz 1920 Dieser Stand der Rechtsentwicklung fand Eingang in das erste Reichseinkommensteuergesetz vom 29. 03. 1920111. So verwies § 33 Abs. 2 EStG 1920 zur Ermittlung des Geschäftsgewinns bei buchführenden Steuerpflichtigen weiterhin auf die durch das Handelsgesetzbuch vorgeschriebenen Grundsätze für die Inventur und Bilanz. Zusätzlich enthielt das Einkommensteuergesetz aber auch eigene Bewertungsvorschriften, die eine Bewertung der Gegenstände mit ihrem gemeinen Wert vorsahen (§§ 32 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 1 S. 4 EStG 1920). Unter dem gemeinen Wert war dabei der Preis zu verstehen, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit des Gegenstandes unter Berücksichtigung aller den Preis beeinflussenden Umstände bei einer Veräußerung zu erzielen ist, wobei ungewöhnliche oder lediglich persönliche Verhältnisse nicht zu berücksichtigen waren (§ 138 Abs. 1 RAO 1919); damit entsprach diese Legaldefinition dem bisherigen Begriffsverständnis112. Schließlich ging auch der beschriebene Widerspruch113 in die Vorschriften der Reichsabgabenordnung ein. Einerseits enthielt § 139 Abs. 2 RAO 1919 Vorschriften über die Bewertung der einzelnen Gegenstände des Betriebsvermögens. Andererseits sollte gemäß § 137 Abs. 2 S. 1 RAO 1919 der Wert wirtschaftlicher Einheiten im ganzen festgestellt werden, wobei die Begründung zu dieser Vorschrift eigens betonte, daß der gemeine Wert kaufmännischer Unternehmen im ganzen erfaßt werden solle und die Einzelwerte lediglich Rechnungsposten in der Gesamtrechnung bildeten114.

III. Die Entstehung des Teilwerts in der Lehre vom gemeinen Wert 1. Die Auslegung des gemeinen Werts im Sinne des Verkaufswerts unter Berücksichtigung der Fortführung des Unternehmens Anfang der 20er Jahre setzte sich die Erkenntnis durch, daß der Wert einer wirtschaftlichen Einheit etwas anderes ist als die Summe des Wertes ihrer Teile115 und RGBl. 1920, S. 359. Begründung zur Reichsabgabenordnung, Verhandlungen der verfassungsgebenden Deutschen Nationalversammlung, Anlagen zu den Stenographischen Berichten, Aktenstück Nr. 759, Band 338, S. 577 (589); Becker, Reichsabgabenordnung, § 138 RAO, Rn. 1; Lion, Bilanzsteuerrecht, S. 127; Strutz, Handausgabe der Vermögensteuergesetze, S. 190. 113 Oben Teil 2.A.II.2. (S. 24 ff.). 114 Begründung zur Reichsabgabenordnung, a. a. O. (Fn. 112), S. 577 (589). 115 Becker, Reichsabgabenordnung, § 137 RAO, Rn. 6 (S. 307); ähnlich Passow, S. 114 ff.; Schmalenbach, S. 5 ff.; Mrozek, § 137 RAO, Rn. 4 d; RFH vom 30. 06. 1921 – II A 270 / 21 – RFHE 6, S. 162 (Leitsatz); vom 13. 04. 1926 – I A 18 / 26 – RFHE 19, S. 51 (52). 111 112

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Teil 2: Die Identität von Teilwert und beizulegendem Wert

die Bewertungsvorschriften der Reichsabgabenordnung daher einen Widerspruch enthielten116. Auch hier dürfte die schlechte Wirtschaftslage nach dem Ende des Ersten Weltkriegs die Verbreitung der Erkenntnis gefördert haben, daß der Kaufpreis eines Unternehmens weniger vom Wert des Betriebsvermögens als vielmehr auch von der Ertragsfähigkeit des Unternehmens abhängen konnte. Zunächst neigte die Rechtsprechung in einzelnen Entscheidungen dazu, mit der Erfassung des Gesamtwertes des Unternehmens Ernst zu machen117. So vertrat der I. Senat des Reichsfinanzhofs die Auffassung, die Handelsbilanz diene der Ermittlung des Gesamtwerts eines gewerblichen Unternehmens. Übersteige die Summe der Buchwerte den Gesamtwert des Unternehmens, sei daher eine entsprechende Herabsetzung aller Buchwerte zulässig118. Jedoch stieß diese Gesamtbewertung auf erhebliche Bedenken. So bezweifelte Enno Becker, daß eine Berücksichtigung des Geschäftswerts bei der Bemessung der Steuerkraft gerechtfertigt sei, solange das Unternehmen nicht veräußert werde und eine Realisierung des inneren Werts daher nur eine unsichere Möglichkeit bedeute119. Ferner gerate man bei dem Versuch der Erfassung des Geschäftswerts mangels greifbarer Unterlagen in Willkür120. Schließlich sei eine Veranlagung in der Weise, daß Jahr für Jahr der innere Wert eines Unternehmens je nach der wechselnden Gestaltung der Dinge von neuem geprüft werde, auch praktisch kaum durchführbar121. Mitte der 20er Jahre gaben Gesetzgeber, Rechtsprechung und Literatur das Ziel einer Erfassung des Gesamtwertes des Unternehmens bei der Ermittlung des gemeinen Werts122 daher endgültig auf. So schrieb die II. Steuernotverordnung vom 19. 12. 1923123 für die Vermögensteuer 1924 vor, zur Ermittlung des gemeinen Werts des Betriebsvermögens seien die Einzelwerte der zum Betrieb gehörigen Gegenstände festzustellen und die Summe dieser Einzelwerte als Steuerwert des Betriebs anzusehen (Art. II, § 3 Abs. 1 Nr. 2, 3 der II. Steuernotverordnung). Eine Bewertung der wirtschaftlichen Einheit als solcher war nur noch ausnahmsweise auf Verlangen des Fiskus unter Hinzuziehung der Handelskammer möglich (Art. II, 116 Mrozek, § 137 RAO, Rn. 4 d (S. 500); Strutz, Kommentar zum EStG, § 19 EStG, Rn. 16 (S. 24); Wünschmann, StuW I 1923, Sp. 625 (635). 117 Becker, Reichsabgabenordnung, § 137 RAO, Rn. 10 (S. 311). 118 RFH vom 13. 01. 1920 – I A 232 / 19 – RFHE 2, S. 135 (139); vom 06. 07. 1920 – I A 93 / 20 – RFHE 3, S. 166 (170); einschränkend bereits RFH vom 24. 09. 1920 – I A 161 / 20 – RFHE 4, S. 86 (90); vom 03. 12. 1920 – I A 219 / 20 – RFHE 4, S. 201 (203); vom 11. 01. 1921 – I A 227 / 20 – RFHE 4, S. 167 (169) m. w. N. 119 Becker, Reichsabgabenordnung, § 137 RAO, Rn. 9 (S. 310). 120 Becker, StuW I 1926, Sp. 193 (218), ähnlich Mrozek, § 137 RAO, Rn. 4 d (S. 500 f.); Passow, S. 119 (in bezug auf die Handelsbilanz). 121 Becker, Reichsabgabenordnung, § 137 RAO, Rn. 10 (S. 311). 122 So noch die Begründung zu § 137 Abs. 2 RAO 1919 (Fn. 112), S. 589. 123 RGBl. 1923, S. 1205.

B. Der Teilwert im Steuerrecht

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§ 3 Abs. 1 Nr. 4 der II. Steuernotverordnung)124. Die Werte der einzelnen Gegenstände waren damit nicht mehr nur Rechnungsfaktoren für die Ermittlung des Gesamtwerts, sondern die Summe der Einzelwerte für die Vermögensteuer 1924 ergab den Gesamtwert des Betriebes125 Damit hatte der Gesetzgeber für die Vermögensteuer 1924 den Grundsatz der Einzelbewertung als Regelfall eingeführt126. Endgültig abgeschafft wurde die Gesamtbewertung dann durch das Reichsbewertungsgesetz vom 10. 08. 1925127, das die einheitliche Bewertung für die Vermögensteuer (§ 1 RBewG 1925), aber auch für die Grund- und Gebäudesteuer sowie die Gewerbesteuer (§ 4 RBewG 1925) verwirklichen sollte128. Hier schloß § 31 Abs. 2 RBewG 1925 eine Gesamtbewertung im Sinne der Feststellung eines vom Wert der Teile unabhängigen Werts des Unternehmens aus129. Vielmehr war nach dieser Vorschrift „dem Gesichtspunkte der Gesamtbewertung gemäß § 137 Abs. 2130, § 139 Abs. 1131 [RAO] bei der Ermittlung des gemeinen Werts der einzelnen Gegenstände in der Weise Rechnung zu tragen, daß diese mit dem Werte angesetzt werden, den sie unter der Voraussetzung der Fortführung des Betriebs für den Betrieb haben“ (§ 31 Abs. 2 RBewG 1925). Hiernach galt das Gebot zur Berücksichtigung der Fortführung des Unternehmens dogmatisch also als eine Ausprägung des Gedankens der Gesamtbewertung: Auch wenn nicht der Wert der wirtschaftlichen Einheit, sondern allein der Wert seiner einzelnen Teile festzustellen war, sollten die einzelnen Gegenstände wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer wirtschaftlichen Einheit nicht mit dem Liquidationswert, sondern mit ihrem regelmäßig höheren Fortführungswert bewertet werden. Dieser Herleitung entsprechend bezeichnete der Reichsfinanzhof diesen FortfühDazu Lion, Vierteljahresschrift für Steuer- und Finanzrecht 1927, S. 550 (551). RFH vom 19. 12. 1925 – VI A 172 / 25 – RFHE 18, S. 120 (126); vom 13. 04. 1926 – I A 18 / 26 – RFHE 19, S. 51 (52) m. w. N.; dazu Becker, StuW I 1926, Sp. 991 (1001 f.). 126 Becker, Reichsabgabenordnung, S. 296; Lion, Vierteljahresschrift für Steuer- und Finanzrecht 1927, S. 550 (551). 127 Reichsbewertungsgesetz vom 10. 08. 1925, RGBl. 1925, S. 214. 128 Strutz, Handbuch des Reichssteuerrechts, S. 652. 129 Fabisch / Krekeler, S. 219 f.; so auch Becker, StuW I 1926, Sp. 540; ders., Reichsabgabenordnung, S. 314; ders., StuW I 1926, Sp. 193 (218); ders., StuW I 1926, Sp. 991 (1001 f.); Lion, Vierteljahresschrift für Steuer- und Finanzrecht 1927, S. 550 (553, 563 m. w. N.); Schmalenbach (S. 8), der jedoch die Zerstörung des „wichtigen und gerechten Grundsatz[es]“ der Gesamtbewertung bedauert; Strutz, Handbuch des Reichssteuerrechts, S. 180; RFH vom 28. 02. 1930 – III A 84 / 28 – RFHE 26, S. 285 (Leitsatz) = RStBl. 1930, S. 287 = StuW II 1930, Nr. 571 (Sp. 857); vom 28. 08. 1930 – III A 191 / 29 – RStBl. 1930, S. 219 (220); a.A. Thomä, Vierteljahresschrift für Steuer- und Finanzrecht 1927, S. 307 ff., der aber einräumt, daß die von ihm geforderte Gesamtbewertung von der Literatur einhellig abgelehnt werde (S. 378); gegen Thomä dann Lion, a. a. O., S. 563 ff. 130 „Jede wirtschaftliche Einheit ist für sich zu bewerten und ihr Wert im ganzen festzustellen.“ 131 „Bei der Bewertung von Vermögen, das einem Unternehmen gewidmet ist, wird in der Regel von der Voraussetzung ausgegangen, daß das Unternehmen bei der Veräußerung nicht aufgelöst, sondern fortgeführt wird.“ 124 125

3 Rief-Drewes

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Teil 2: Die Identität von Teilwert und beizulegendem Wert

rungswert als den Wert, „den der Gegenstand als Teil der wirtschaftlichen Einheit hat, kurz gesagt Teilwert“132. Aus heutiger Sicht mag es nicht weiter begründungsbedürftig erscheinen, daß die Liquidationswerte für die Bewertung des Betriebsvermögens nicht maßgebend sind. Für den Bereich des Bewertungsrechts ließ sich dieses Ergebnis aber jedenfalls nicht aus dem bilanzrechtlichen Fortführungsprinzip herleiten, da der gemeine Wert dogmatisch außerhalb des Bilanzrechts steht. So gesehen lag es nicht fern, die besondere Art und Weise der Ermittlung des gemeinen Werts zu einem Betrieb gehöriger Gegenstände aus der Zugehörigkeit dieser Gegenstände zu einer wirtschaftlichen Einheit herzuleiten. Gleichwohl vertrat bereits ein Teil der zeitgenössischen Literatur die Auffassung, der Hinweis auf die Gesamtbewertung in § 31 Abs. 2 RBewG 1925 sei nicht notwendig gewesen und wäre zur Vermeidung von Irrtümern besser unterblieben133.

2. Die Auslegung des Verkaufswerts unter Berücksichtigung der Fortführung des Unternehmens im Sinne der Erwerberformel Infolge der Aufgabe der Gesamtbewertung stellte sich nun auch im Rahmen der Lehre vom gemeinen Wert die Frage, auf welche Art und Weise die Werte der einzelnen Gegenstände unter Berücksichtigung der Fortführung des Unternehmens ermittelt werden sollten. Auch die Rechtsprechung und Literatur zum Bewertungsrecht verstanden unter diesem Wert – wie zuvor schon die Rechtsprechung und Literatur zum handelsrechtlichen beizulegenden Wert134 – den Betrag, der bei einer Veräußerung des Gegenstandes an einen Erwerber erzielbar wäre, der den ganzen Betrieb übernehmen und fortführen will135. Im Anschluß an die Rechtsprechung zum Teilwert im Einkommensteuerrecht wurde auch der gemeine Wert im Sinne des § 31 Abs. 2 RBewG 1925 allgemein als Teilwert bezeichnet und im Jahre 1934

132 RFH vom 14. 12. 1926 – VI A 575 / 26 – RFHE 20, S. 87 (88). Diese Entscheidung erging zum einkommensteuerrechtlichen Teilwert (dazu sogleich Teil 2.B.IV., S. 35), der als inhaltsgleich mit dem bewertungsrechtlichen Teilwert gilt (Nachweise Fn. 1), so bereits RFH vom 28. 02. 1930 – III A 84 / 28 – RFHE 26, S. 285 (291) = RStBl. 1930, S. 287 (289) = StuW II 1930, Nr. 571 (Sp. 854, 857); vom 28. 08. 1930 – III A 191 / 29 – RStBl. 1930, S. 219 (220); vom 08. 11. 1934 – III A 290 / 34 – StuW II 1934, Nr. 771 (Sp. 1628); Fabisch / Krekeler, S. 221; Becker, StuW I 1927, Sp. 79 (83, 96). 133 Fabisch / Krekeler, S. 224. 134 Oben Teil 2.A.II.1. (S. 22 f.). 135 RFH vom 28. 02. 1930 – III A 84 / 28 – RFHE 26, S. 285 (291) = RStBl. 1930, S. 287 (290) = StuW II 1930, Nr. 571 (Sp. 854, 857); vom 28. 08. 1930 – III A 191 / 29 – RStBl. 1930, S. 219 (220); vom 08. 11. 1934 – III A 290 / 34 – StuW II 1934, Nr. 771 (Sp. 1628); Becker, StuW I 1927, Sp. 79 (83, 96); Fabisch / Krekeler, S. 221; ähnlich bereits Lion, Bilanzsteuerrecht, S. 133; Moos, S. 54 f.

B. Der Teilwert im Steuerrecht

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kodifiziert136. Der bewertungsrechtliche Teilwert gilt bis heute als inhaltsgleich mit dem Teilwert im Einkommensteuerrecht137.

IV. Die Einführung des Teilwerts im Einkommensteuerrecht 1. Der gemeine Wert unter Berücksichtigung der Fortführung des Unternehmens im Einkommensteuerrecht (§ 19 Abs. 1 S. 2 EStG 1925) a) Die Anlehnung der Einkommensteuerbilanz an die kaufmännische Bilanzierungspraxis Im Jahre 1925 führte der Gesetzgeber auch im Einkommensteuerrecht die Bewertung mit dem gemeinen Wert unter Berücksichtigung der Fortführung des Unternehmens ein (§ 19 Abs. 1 S. 2 EStG 1925); dieser Wert, der in der Rechtsprechung anschließend die Bezeichnung Teilwert fand und unter dieser Begriffsbestimmung schließlich kodifziert wurde, war nach dem Verständnis des Gesetzgebers, der Rechtsprechung und der Literatur inhaltlich identisch mit dem handelsrechtlichen beizulegenden Wert. Ausgangspunkt dieser Entwicklung war, daß sich Anfang der 20er Jahre die Auffassung durchsetzte, das Einkommensteuerrecht solle entsprechend der tatsächlichen kaufmännischen Übung einerseits den Abzug unrealisierter Verluste zulassen und andererseits unrealisierte Gewinne nicht der Besteuerung unterwerfen. Diese Abkehr von der bis dahin vielfach geforderten Bilanzierung wirklicher Werte138 ging auf die massive Geldentwertung nach dem Ende des Ersten Weltkriegs zurück, denn unter diesen Umständen wäre eine Durchführung des Einkommensteuergesetzes in seiner ursprünglichen Gestalt auf eine Einziehung aller gewerblichen Vermögen hinausgelaufen139. Daher führte zunächst die Novelle vom 24. 03. 1921140 rückwirkend141 das heute vertraute Prinzip ein, daß die Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten Ausgangspunkt und zugleich Höchstgrenze der Bewertung sind und auf einen niedrigeren Vergleichswert – gemäß § 33 a EStG 1921142 der gemeine Wert – abgeschrieben werden kann. § 12 RBewG 1934 (RGBl. I 1934, S. 1035); heute § 10 BewG. Nachweise Fn. 1. 138 Dazu Becker, Verhandlungen des 33. Deutschen Juristentags 1924, S. 433 (438 ff.); ders., StuW I 1925, Sp. 1799 (1811). 139 Becker, Beilage zu Nr. 15 der Mitteilungen der Industrie- und Handelskammer zu Berlin vom 10. 08. 1927, S. 1 (3); ähnlich RFH vom 27. 06. 1924 – I A 40 / 24 – RFHE 14, S. 160 (162). 140 Gesetz zur Änderung des Einkommensteuergesetzes vom 20. 03. 1920, RGBl. 1921, S. 313. 141 Begründung zum Entwurf eines EStG 1925, III. Wahlperiode 1924, Band 400, Drucksache 795, S. 19 (50). 136 137

3*

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Teil 2: Die Identität von Teilwert und beizulegendem Wert

Auf dem 33. Deutschen Juristentag 1924 in Heidelberg, der sich mit der bevorstehenden Reform der Reichssteuergesetze befaßte, sprach sich Enno Becker dann dafür aus, an diesem Grundsatz auch für die Zeit nach dem Ende der Inflationszeit festzuhalten. Die Forderung nach einer Bilanzierung wirklicher Werte in der Handelsbilanz sei lebensfremd. Die kaufmännische Praxis gehe bei der Bewertung von den Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten des Gegenstandes aus und setze den gemeinen Wert143 nur an, wenn er niedriger als der Buchwert sei. Diese Buchführungsweise, die nur den wirklich erzielten Erfolg des Geschäftsjahres ermitteln wolle, müsse sich die Einkommenbesteuerung zunutze machen144. Um dieses Ziel zu erreichen, gab es nach Auffassung Beckers zwei Möglichkeiten. An sich hätte man die einkommensteuerrechtlichen Bewertungsvorschriften einfach abschaffen und zur Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz zurückkehren können. Jedoch galten die handelsrechtlichen Bewertungsvorschriften seinerzeit nur als Höchstgrenze der Bewertung145. In der Handelsbilanz durfte also auch ein niedrigerer Wert als der beizulegende Wert angesetzt werden, was für den Bereich des Steuerrechts nicht akzeptabel gewesen wäre146. Um derartige Unterbewertung auszuschließen, so Becker weiter, könne das Einkommensteuergesetz auch ausdrücklich vorschreiben, daß die Gegenstände entweder mit den um Absetzungen für Abnutzung verminderten Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten oder mit dem niedrigeren gemeinen Wert zu bewerten sind147. 142 „Soweit für Gegenstände des Betriebsvermögens ein Anschaffungs- oder Herstellungspreis gegeben ist, gilt bei Berechnung des Betriebsgewinns [. . .] als Wert dieser Gegenstände der Anschaffungs- oder Herstellungspreis nach Abzug der zulässigen Absetzungen für Abnutzung. Übersteigt für einen Gegenstand der Anschaffungs- oder Herstellungspreis den gemeinen Wert, so ist der Steuerpflichtige berechtigt, diesen Wert an Stelle des Anschaffungs- oder Herstellungspreises anzusetzen.“ 143 Auch Becker verstand den handelsrechtlichen beizulegenden Wert im Sinne des gemeinen Werts, dazu sogleich (S. 36). 144 Becker, a. a. O. (Fn. 138), S. 438 f.; ders., StuW I 1925, Sp. 1799 (1811). 145 Becker, a. a. O. (Fn. 138), S. 440; ders., Beilage zu Nr. 15 der Mitteilungen der Industrie- und Handelskammer zu Berlin vom 10. 08. 1927, S. 1 (3); Goldschmit, § 40 HGB, Rn. 2; Heymann, HGB, 1940, § 40 HGB, Rn. 6; Moos, S. 57; Staub, 10. Auflage, § 40 HGB, Rn. 2; Warneyer / Koppe, § 40 HGB, Rn. 2 („Ein Dogma der Bilanzwahrheit gibt es nicht; es sind nur Überbewertungen verboten, aber Unterbewertungen grundsätzlich gestattet.“). Nach heutiger Auffassung ist eine willkürliche Unterbewertung in der Handelsbilanz unzulässig und auch mit dem Vorsichtsprinzip nicht zu rechtfertigen, da sie die Darstellung der Ertragslage des Unternehmens verzerrt, ADS, § 252 HGB, Rn. 71; Baetge / Kirsch / Thiele, S. 115, 171; Baumbach / Hopt, § 252 HGB, Rn. 12; Schulze-Osterloh in Baumbach / Hueck, § 42 GmbHG, Rn. 251; Berger / Ring in Beck’scher Bilanz-Kommentar, § 253 HGB, Rn. 287; Leffson, S. 84 ff.; so bereits Passow, S. 113. Die Abschreibung nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung (§ 253 AbS. 4 HGB; auf Kapitalgesellschaften unanwendbar, § 279 Abs. 1 S. 1 HGB) ist daher nicht unproblematisch, dazu ADS, § 252 HGB, Rn. 71; Baumbach / Hopt, § 253 HGB, Rn. 25 ff.; Selchert, DStR 1986, S. 283 ff. 146 Becker, a. a. O. (Fn. 138), S. 440. 147 Becker, a. a. O. (Fn. 138), S. 440.

B. Der Teilwert im Steuerrecht

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In diesem Fall komme es dann allerdings nicht auf den gemeinen Wert des einzelnen Gegenstandes, also den Liquidationswert, sondern auf seinen Geschäftswert in dem Sinne an, daß zu ermitteln sei, was ein Käufer des ganzen Betriebes, der das Unternehmen fortsetzen wolle, bei Berechnung des Kaufpreises für den ganzen Betrieb für diesen Gegenstand einsetzen würde148. Damit folgte auch Becker dem seinerzeit gängigen Verständnis des Fortführungsgedankens im Sinne der Erwerberformel149. Dabei hielt Becker den gemeinen Wert unter Berücksichtigung der Fortführung für inhaltsgleich mit dem handelsrechtlichen beizulegenden Wert150 und bezeichnete es ausdrücklich nur als eine gesetzestechnische Frage, ob das Einkommensteuergesetz auf das Handelsrecht verweise oder ausdrücklich eine Bewertung mit dem gemeinen Wert vorschreibe151 Auch der von ihm gewählte Begriff „Geschäftswert“ stammt aus dem Handelsbilanzrecht und war dort in der Rechtsprechung sowie der Literatur152 als Bezeichnung für den handelsrechtlichen beizulegenden Wert gebräuchlich153.

b) Die Einkommensteuerreform 1925 Der Gesetzgeber 1925 folgte den Vorschlägen des 33. Deutschen Juristentages und legte dem Einkommensbegriff des EStG 1925154 den kaufmännischen Gewinnbegriff zugrunde155. Die Begründung betonte, die Steuerbilanz solle sich an die Handelsbilanz anschließen. Es bestehe allerdings keine volle Übereinstimmung, da die kaufmännische Bilanz dem Ermessen des Bilanzierenden einen weiteren Spielraum eröffne und lediglich eine zu hohe Bewertung unzulässig sei156. Daher enthielt das EStG 1925 neben dem Verweis auf das Handelsbilanzrecht auch ausdrückliche Bewertungsvorschriften, nach denen die Gegenstände entweder mit Becker, a. a. O. (Fn. 138), S. 440 f. Oben Teil 2.A.II.1. (S. 22 f.). 150 So führt er zum Beispiel aus, die kaufmännische Praxis schreibe in der Handelsbilanz auf den niedrigeren gemeinen Wert ab (Becker, a. a. O. [Fn. 138], S. 439). 151 Becker, a. a. O. (Fn. 138), S. 440. 152 RG vom 03. 11. 1899, a. a. O. (Fn. 62), S. 159; Staub, 6. + 7. Auflage, § 40 HGB, Rn. 3; ähnlich RG vom 16. 03. 1899, a. a. O. (Fn. 45), S. 127; dazu oben Teil 2.A.II.1. (S. 22 f.). 153 Auf die Identität des Teilwerts im Sinne des § 19 AbS. 1 S. 2 EStG 1925 mit dem handelsrechtlichen beizulegenden Wert (Geschäftswert) verweisen auch Fuchs, § 13 KStG (§ 19 EStG), Rn. 28 c (S. 138); Lion, Vierteljahresschrift für Steuer- und Finanzrecht 1927, S. 550 (560); Thomä, Vierteljahresschrift für Steuer- und Finanzrecht 1927, S. 307 (378). 154 Einkommensteuergesetz vom 10. 08. 1925, RGBl. 1925, S. 189. 155 Begründung zum Entwurf eines EStG 1925, a. a. O. (Fn. 141), S. 19 (50); Becker, StuW I 1925, Sp. 1799 (1813); ders., Beilage zu Nr. 15 der Mitteilungen der Industrie- und Handelskammer zu Berlin vom 10. 08. 1927, S. 1 (3). 156 Begründung zum Entwurf eines EStG 1925, a. a. O. (Fn. 141), S. 19 (46); damals herrschende Auffassung (Nachweise Fn. 145). 148 149

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Teil 2: Die Identität von Teilwert und beizulegendem Wert

den fortgeführten Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten oder dem gemeinen Wert angesetzt werden konnten (§ 19 EStG 1925). Mit diesem Wahlrecht – so die Begründung – würden der Abzug unrealisierter Verluste sowie die Nichtbesteuerung unrealisierter Gewinne anerkannt157. Ferner sah § 19 Abs. 1 S. 2 EStG 1925 – die Rechtsgrundlage der späteren Rechtsprechung zum Teilwert – entsprechend der Anregung Beckers158 vor, daß bei der Ermittlung des gemeinen Werts nicht zur Veräußerung bestimmter Gegenstände davon auszugehen sei, daß der Gegenstand auch fernerhin der Fortführung des Betriebs diene, dem er zur Zeit der Bewertung angehöre. Dieser Hinweis – so die Begründung – diene der Klarstellung, daß die Gegenstände des Anlagevermögens nicht mit den sehr niedrigen Altverkaufspreisen zu bewerten seien159. Dabei ging auch der Gesetzgeber 1925 davon aus, daß der gemeine Wert im Sinne des § 19 EStG 1925 mit dem handelsrechtlichen beizulegenden Wert identisch sei160.

2. Die Auslegung des Verkaufswerts unter Berücksichtigung der Fortführung des Unternehmens (§ 19 Abs. 1 S. 2 EStG 1925) im Sinne der Erwerberformel a) Gesetzgeber Der Gesetzgeber des EStG 1925 war der Auffassung, unter dem gemeinen Wert unter Berücksichtigung der Fortführung des Unternehmens (§ 19 Abs. 1 S. 2 EStG 1925) sei der Betrag zu verstehen, den ein Käufer des ganzen Betriebs, der das Unternehmen fortsetzen will, bei der Berechnung des Kaufpreises für den ganzen Betrieb für diesen Gegenstand ansetzen würde161.

b) Rechtsprechung Diesem Verständnis folgte auch die Rechtsprechung. So ermittelte der Einkommensteuersenat des Reichsfinanzhofs den Verkaufswert unter Berücksichtigung der Fortführung des Unternehmens (§ 19 Abs. 1 S. 2 EStG 1925) ausgehend von der Annahme einer Veräußerung der einzelnen Gegenstände an einen Erwerber, der 157 Begründung zum Entwurf eines EStG 1925, a. a. O. (Fn. 141), S. 19 (50); Becker, StuW I 1925, Sp. 1799 (1823). 158 Becker, a. a. O. (Fn. 138), S. 440 f. 159 Begründung zum Entwurf eines EStG 1925, a. a. O. (Fn. 141), S. 19 (50). 160 Begründung zum Entwurf eines EStG 1925, a. a. O. (Fn. 141), S. 19, 50 („Entsprechend den Vorschriften des § 40 des Handelsgesetzbuches [. . .] soll grundsätzlich der gemeine Wert zugrundegelegt werden.“). 161 Begründung zum Entwurf eines EStG 1925, a. a. O. (Fn. 141), S. 19 (50); so bereits Becker, a. a. O. (Fn. 138), S. 440 f.

B. Der Teilwert im Steuerrecht

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den ganzen Betrieb übernehmen und fortführen will, und prägte für diesen Wert die Bezeichnung Teilwert162. Bereits in der Leitentscheidung vom 14. 12. 1926 führte der für die Einkommensteuer zuständige VI. Senat des Reichsfinanzhofs aus, unter dem gemeinen Wert im Sinne des § 19 Abs. 1 S. 2 EStG 1925 sei nicht der Liquidationswert zu verstehen. Anstelle des Einzelwertes, den der Gegenstand aus dem Zusammenhang gerissen für sich haben würde, sei vielmehr der Wert maßgebend, den der Gegenstand als Teil der wirtschaftlichen Einheit habe, kurz gesagt sein Teilwert. Maßgebend sei danach der Betrag, den ein Käufer des ganzen Unternehmens hierfür vermutlich weniger geben würde, wenn der Bewertungsgegenstand nicht mitübertragen würde („Differenzformel“)163. Später gebrauchte der Reichsfinanzhof auch die noch heute kodifzierte „Zurechnungsformel“ , wonach der Teilwert dem Betrag entspreche, den ein Erwerber des ganzen Unternehmens für den Gegenstand bezahlen würde164. Beide Varianten der Erwerberformel galten dabei als gleichbedeutend165. Ferner bewertete der Reichsfinanzhof über den Wortlaut des § 19 Abs. 1 S. 2 EStG 1925 hinaus auch die zur Veräußerung bestimmten Gegenstände mit dem Teilwert166. Dieser Auslegung des Teilwerts folgte auch der für die Körperschaftsteuer zuständige I. Senat des Reichsfinanzhofs. Anders als der Einkommensteuersenat, der den Teilwert stets nur aus dem Wortlaut der Erwerberformel und den Teilwertvermutungen heraus auslegte, stellte der Körperschaftsteuersenat zur Begründung dieser Auslegung auch auf den Sinn und Zweck des Gesetzes ab, daß nach dem Grundgedanken des Einkommensteuerrechts einerseits nur realisierte Gewinne, andererseits aber auch unrealisierte Verluste steuerlich berücksichtigt werden sollten167.

Zur Terminologie oben Teil 2.B.III.1. (S. 34). RFH vom 14. 12. 1926, a. a. O. (Fn. 132), RFHE 20, S. 87 (88 f.); daran anschließend RFH vom 14. 03. 1928 – VI A 54 / 28 – RStBl. 1928, S. 182; vom 19. 09. 1928 – VI A 1143 / 28 – StuW II 1929, Nr. 16 (Sp. 40); vom 03. 10. 1928 – VI A 1224 / 28 – StuW II 1929, Nr. 72 (Sp. 131); vom 18. 12. 1929 – VI A 1849 / 29 – RStBl. 1930, S. 90; vom 08. 08. 1930 – VI A 317 / 30 – RStBl. 1931, S. 117 (118); vom 27. 09. 1932 – I A 62 / 31 – RStBl. 1932, S. 1072 (1074); vom 06. 03. 1935 – VI A 890 / 34 – StuW II 1935, Nr. 288 (Sp. 685). 164 RFH vom 14. 12. 1927 – VI A 802 / 27 – RFHE 22, S. 309 (311). 165 Becker, StuW I 1927, Sp. 79 (96); ähnlich Lion, Vierteljahresschrift für Steuer- und Finanzrecht 1927, S. 550 (561); Zitzlaff, StuW I 1938, Sp. 549 (550). Ferner zitiert die Entscheidung des RFH vom 14. 12. 1927, a. a. O. (Fn. 164, „Zurechnungsformel“) das Urteil vom 14. 12. 1926, a. a. O. (Fn. 132, „Differenzformel“). Obwohl die heute kodifizierte Legaldefinition der Zurechnungsformel entspricht, verweist die Begründung zum Einkommensteuergesetz vom 16. 10. 1934 (RStBl. 1935, S. 33, 38) zum Beispiel auf die Entscheidung des RFH zum Teilwert vom 18. 12. 1929 (Fn. 163), die auf der Differenzformel beruht. 166 RFH vom 14. 12. 1927, a. a. O. (Fn. 164), RFHE 22, S. 309 (310 f.). 167 RFH vom 09. 05. 1928 – I A 190 / 28 – RFHE 23, S. 244 (245). 162 163

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Teil 2: Die Identität von Teilwert und beizulegendem Wert

c) Literatur Auch die Literatur verstand den gemeinen Wert unter Berücksichtigung der Fortführung des Unternehmens im Sinne der Erwerberformel. Noch vor der ersten Entscheidung des Reichsfinanzhofs zum Teilwert im Einkommensteuerrecht am 16. 12. 1926168 fand § 19 Abs. 1 S. 2 EStG 1925 in der Literatur die Auslegung, hierunter sei nicht der Verkaufspreis des einzelnen Gegenstandes selbst zu verstehen, sondern vielmehr der Verkaufspreis, der hierfür angesetzt werden würde, wenn er zusammen mit dem ganzen Betriebe veräußert würde169. Auch im Anschluß an die Entscheidungen des Reichsfinanzhofs zum Teilwert folgte die Literatur der Rechtsprechung darin, daß der gemeine Wert unter Berücksichtigung der Fortführung des Unternehmens (§ 19 Abs. 1 Satz 2 EStG 1925) ausgehend von einer Veräußerung der einzelnen Gegenstände an einen Erwerber zu ermitteln war, der den ganzen Betrieb übernehmen und fortführen will170. Einige Autoren wiesen auch ausdrücklich darauf hin, daß der steuerrechtliche Teilwert dem handelsrechtlichen „Geschäftswert“171 im Sinne des Art. 31 ADHGB, § 40 HGB entsprach172. Demgegenüber galt die heute verbreitete Auslegung, zur Ermittlung des Teilwerts solle ein Gesamtkaufpreis des Betriebs ermittelt und auf die einzelnen Gegenstände aufgeteilt werden173, in der zeitgenössischen Literatur als vollkommen verfehlt174 und wurde vor 1935 nicht einmal diskutiert175. Vielmehr betonte die Literatur, der Teilwertbegriff habe nichts mit einer Gesamtbewertung im Sinne der Feststellung eines vom Wert der Teile unabhängigen Gesamtwerts des Unternehmens zu tun176, sondern ergebe sich aus der Anwendung des Grundsatzes, daß bei der Bewertung von Betriebsgegenständen von der Voraussetzung auszugehen sei, daß das Unternehmen bei der Veräußerung fortgeführt werde177. RFH vom 14. 12. 1926, a. a. O. (Fn. 132), RFHE 20, S. 87 (88). Fuchs, § 13 KStG (§ 19 EStG), Rn. 28 c (S. 138); ähnlich Kennerknecht, § 19 EStG, Rn. 14 f. 170 Becker, EStG, S. 1061 ff., 1070 ff.; Fuchs, § 13 KStG (§ 19 EStG), Rn. 28 c (S. 138); Kennerknecht, § 19 EStG, Rn. 14 f.; Kuhn / Wieneke, S. 375 f.; Lion, Vierteljahresschrift für Steuer- und Finanzrecht 1927, S. 550 (560 f.); unklar Strutz, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 19 EStG, Rn. 33 (S. 82). 171 RG vom 03. 11. 1899, a. a. O. (Fn. 62), S. 159; Staub, 6. + 7. Auflage, § 40 HGB, Rn. 3; dazu oben Teil 2.A.II.1. (S. 22 f.). 172 Fuchs, § 13 KStG (§ 19 EStG), Rn. 28 c (S. 138); Lion, Vierteljahresschrift für Steuerund Finanzrecht 1927, S. 550, 560; Thomä, Vierteljahresschrift für Steuer- und Finanzrecht 1927, S. 307 (378). 173 Nachweise Fn. 3. 174 Lion, Vierteljahresschrift für Steuer- und Finanzrecht 1927, S. 550 (561); ähnlich Becker, EStG, S. 1071; Fuchs, § 13 KStG (§ 19 EStG), Rn. 28 c (S. 138); Fabisch / Krekeler, S. 224. 175 Zur Auslegung des Teilwerts während des „III. Reichs“ sogleich Teil 2.B.V. (S. 42 ff.). 176 Fabisch / Krekeler, S. 220. 177 Fabisch / Krekeler, S. 224; Fuchs, § 13 KStG (§ 19 EStG), Rn. 28 c (S. 138). 168 169

B. Der Teilwert im Steuerrecht

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Zwar findet sich in einem Aufsatz von Mirre178 aus dem Jahre 1913, der nach heute vielfach vertretener Auffassung das ursprüngliche Konzept des Teilwerts wiedergeben soll179, ein Wert mit der Bezeichnung Teilwert, der durch eine Aufteilung des Gesamtkaufpreises eines Betriebs oder Gutshofs auf die hierzu gehörigen einzelnen Gegenstände ermittelt werden sollte. Wie Mirre später selbst betonte, betrafen diese Ausführungen jedoch das seinerzeit im Rahmen der Stempelsteuer (Grunderwerbsteuer) aktuelle Problem, daß bei Verkäufen von Gutshöfen oder Betrieben möglichst hohe Werte für das – steuerfreie – Inventar vereinbart zu werden pflegten, um auf diese Weise den Grundstücksstempel zu reduzieren180. Im Rahmen der Stempelsteuer stellte sich daher in der Tat die Frage, welcher Teil des für den Gutshof oder den Betrieb bezahlten Kaufpreises auf den Grund und Boden entfiel181. Im Anschluß an die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs wies Mirre darauf hin, daß der Teilwert in der Einkommensteuerbilanz, in der doch nur die einzelnen Gegenstände zu bewerten seien und wo von einer Ermittlung des Gesamtwerts des Unternehmens keine Rede sei182, eine andere Funktion habe und vom Reichsfinanzhof in zutreffender Weise ermittelt werde. Entgegen einer verbreiteten Auffassung183 ist Mirre daher nicht als Erfinder des Teilwerts anzusehen. Mirre nahm zwar gleichwohl für sich in Anspruch, mit seinen Ausführungen zur Werttrennung nach dem Reichsstempelgesetz den Teilwert entwickelt zu haben184. Jedoch ist weder in der Rechtsprechung noch in der umfangreichen zeitgenössischen Literatur zum Teilwert auch nur eine einzige Stellungnahme ersichtlich, die Mirre im Zusammenhang mit der Entstehung des Teilwerts vor der Zeit des „III. Reichs“ auch nur erwähnt hätte. Erst nach seiner Ernennung zum Präsidenten des Reichsfinanzhofs im Jahre 1935185 fanden sich vereinzelte Stimmen in der Literatur, die Mirre mit der Entstehung des Teilwerts in Verbindung brachten186.

Mirre, Zeitschrift des deutschen Notarvereins 1913, S. 155 (169). Nachweise Fn. 7. 180 Mirre, DStZ 1927, Sp. 292. 181 Dazu auch Mirre, Zeitschrift für Zollwesen und Reichssteuern 1917, S. 181 f. 182 Mirre, DStZ 1927, Sp. 292 (293). 183 Nachweise Fn. 7. 184 Mirre, DStZ 1927, Sp. 292. 185 Offerhaus, S. 74. 186 Kaemmel / Schmiedeke, § 6 EStG, Rn. 10 a (S. 228 f.); im Anschluß daran auch Zitzlaff, StuW I 1941, Sp. 193 (Sp. 194: „anscheinend“); Mirre war zu dieser Zeit Präsident des Landesfinanzamts München (seit dem 01. 05. 1934) und Präsident des Reichsfinanzhofs (seit dem 01. 04. 1935), Offerhaus, S. 74. Näher zur Auslegung des Teilwerts während des „III. Reichs“ unten Teil 2.B.V. (S. 42 ff.). 178 179

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Teil 2: Die Identität von Teilwert und beizulegendem Wert

3. Die Kodifikation des Teilwertbegriffs Im Jahre 1934 wurde der Teilwert kodifziert und erhielt die bis heute im Wortlaut unveränderte Legaldefinition. Die Begründung zu § 6 EStG 1934187 wies dabei ausdrücklich auf die Entstehung des Teilwertbegriffs in der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs hin und führte mehrere Urteile beispielhaft an188. Entsprechend behielten Rechtsprechung und Literatur den Teilwertbegriff auch nach der Kodifikation zunächst unverändert bei189. Im Zuge der Kodifikation des Teilwerts wurde jedoch § 19 Abs. 1 S. 2 EStG 1925 aus dem Einkommensteuergesetz gestrichen. Damit geht aus dem Einkommensteuergesetz seit dem Jahre 1934 nicht mehr hervor, daß die Erwerberformel auf dem Gedanken beruht, den gemeinen Wert des Bewertungsgegenstandes unter der Berücksichtigung der Fortführung des Unternehmens zu ermitteln.

V. Die Neuinterpretation des Teilwerts während des „III. Reichs“ 1. Die „Sabotagetheorie“ Reinhardts Seit dem Jahre 1935 verbreitete der Staatssekretär im Reichsministerium der Finanzen Fritz Reinhardt190 in seinem Buch „Buchführung, Bilanz und Steuern“191 sowie in der von ihm herausgegebenen „Deutsche Steuer-Zeitung und Wirtschaftlicher Beobachter“192 eine neue Auslegung des Teilwerts, die später bildhaft als „Sabotagetheorie“ 193 bezeichnet wurde. Ohne die Rechtsprechung oder Literatur zum Teilwert auch nur zu erwähnen, begründete Reinhardt die Auslegung, zur Ermittlung des Teilwerts müsse der Gesamtkaufpreis des Unternehmens festgestellt werden, der neben dem Wert des Betriebsvermögens auch den Firmenwert beinhalte, der sich aus der Tatsache des Einkommensteuergesetz vom 16. 10. 1934, RGBl. 1934, S. 1005. Begründung zum Einkommensteuergesetz vom 16. 10. 1934, RStBl. 1935, S. 33 (38). 189 RFH vom 06. 03. 1935, a. a. O. (Fn. 163), StuW II 1935, Nr. 288 (Sp. 685); Zitzlaff, StuW I 1941, Sp. 193 (194); Zimmermann, StuW I 1938, Sp. 985 f. 190 Reinhardt, Fritz (1895 – 1969), seit 1930 Reichstagsabgeordneter (Listenplatz 2 hinter Adolf Hitler im Wahlkreis Oberbayern / Schwaben), SA-Obergruppenführer, von 1933 bis 1945 Staatssekretär im Reichsfinanzministerium; Autor (z. B. „Beurteilung von Tatbeständen nach nationalsozialistischer Weltanschauung“, in „Reinhardt-Vorträge auf der Salzburger Umschulungstagung“, 1939; „Der neue Finanzplan“, 1939) und Herausgeber (z. B. „Bücherei des Steuerrechts“ in 28 Bänden) zahlreicher steuerrechtlicher Publikationen; 1950 von einer Münchener Entnazifizierungs-Spruchkammer als Haupt-schuldiger eingestuft, vgl. Wistrich, S. 214; Pausch, StB 1987, S. 349 ff. 191 Reinhardt, Buchführung, S. 140 ff. 192 Reinhardt, Deutsche Steuer-Zeitung und Wirtschaftlicher Beobachter 1935, S. 1297 ff. 193 Wall, WPg 1957, S. 545 (548). 187 188

B. Der Teilwert im Steuerrecht

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Vorhandenseins des Betriebs ergebe194. Ein gedachter Erwerber werde im Gesamtkaufpreis des Unternehmens auch die Möglichkeit vergüten, den Betrieb unbehindert fortführen zu können195. Zur Ermittlung des Teilwerts sei daher zu fragen, welchen Betrag ein Erwerber aufwenden würde, um ein Wirtschaftsgut, das unerwartet aus dem Betrieb ausscheide, innerhalb so kurzer Frist ersetzt zu erhalten, daß jegliche Behinderung der Fortführung des Betriebs in dem bisherigen Umfang und mit den bisherigen Möglichkeiten vermieden werde196. Bei allen Wirtschaftsgütern, deren Ersatz mehr als einen Tag Zeit kosten würde, müßten daher „erhöhte Wiederbeschaffungskosten“ angesetzt werden. Der Teilwert solcher „betriebsarteigener“ Wirtschaftsgüter umfasse neben den gewöhnlichen Wiederbeschaffungskosten also noch den Betrag, der sich als wirtschaftlicher Nachteil für das Unternehmen ergäbe, wenn das Wirtschaftsgut verschwinden197 würde198. Diese Auslegung des Wortlauts der Erwerberformel ließ jeden Bezug zum Sinn und Zweck des Teilwertbegriffs sowie der Bedeutung dieses Begriffs im Rahmen der steuerlichen Gewinnermittlung nach dem Einkommensteuergesetz 1925 / 1934199 vermissen. Sowohl die Behauptung, zur Ermittlung des Teilwerts müsse ein Gesamtwert des Unternehmens einschließlich des Firmenwerts festgestellt werden, als auch die Berücksichtigung „erhöhter Wiederbeschaffungskosten“ bei betriebsarteigenen Wirtschaftsgütern standen im Widerspruch zum bisherigen Verständnis des Teilwerts und waren in der Rechtsprechung und Literatur bis dahin nicht einmal diskutiert worden200. Auf welche Art und Weise der Gesamtkaufpreis des Unternehmens festgestellt und auf die einzelnen Wirtschaftsgüter aufgeteilt werden sollte, blieb bei Reinhardt ebenso unklar wie die Ermittlung der „erhöhten Wiederbeschaffungskosten“. Gerade auch aufgrund ihrer Unbestimmtheit ermöglichte es die Lehre Reinhardts der Finanzverwaltung, die Anerkennung von Teilwertabschreibungen nahezu beliebig zu verweigern. Zu einer höheren Besteuerung führte diese Auslegung ferner bei der Vermögensteuer, wo die – von Reinhardt selbst unterzeichneten 201 – Vermögensteuerrichtlinien202 eine Berücksichtigung der „erhöhten Wiederbeschaffungskosten“ bei der Ermittlung des Teilwerts unter zahlreichen Verweisen auf seine Publikationen203 sogar ausdrücklich vorschrieben.

194 195 196 197 198 199 200 201 202 203

Reinhardt, Buchführung, S. 141. Reinhardt, Buchführung, S. 142. Reinhardt, Buchführung, S. 145. Daher „Sabotagetheorie“, vgl. Wall, WPg 1957, S. 545 (548). Reinhardt, Buchführung, S. 147. Dazu oben Teil 2.B.IV.1. (S. 35 ff.). Oben Teil 2.B.IV.2. (S. 38 ff.). Runderlaß des RdF vom 10. 02. 1940 – S 3300 – 140 III – RStBl. 1940, S. 201 (263). Runderlaß des RdF, a. a. O. (Fn. 201), S. 201 ff. Runderlaß des RdF, a. a. O. (Fn. 201), S. 201 (211 f.).

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Teil 2: Die Identität von Teilwert und beizulegendem Wert

2. Der Einfluß der Lehre Reinhardts auf Rechtsprechung und Literatur Die Ausführungen Reinhardts galten in der Literatur der späten 30er Jahre als besonders bedeutsame Weiterentwicklung des Teilwertbegriffs204. In dieser Zeit entstand auch die Auffassung, der Teilwertbegriff sei von Mirre entwickelt worden und stamme aus dem Stempelsteuerrecht205. Der Reichsfinanzhof hielt zwar noch in der Entscheidung vom 06. 03. 1935 daran fest, daß die Rentabilität des Unternehmens den Teilwert der hierzu gehörigen Wirtschaftsgüter nicht erhöhen könne206 In der Folgezeit näherte sich die Rechtsprechung der Auffassung Reinhardts jedoch allmählich an207. Zunächst versagte der Reichsfinanzhof in der Entscheidung vom 16. 12. 1936 erstmals Abschreibungen auf Gebäude und Maschinen unter Verweis auf die günstige wirtschaftliche Lage des Unternehmens208. Mit Urteil vom 19. 01. 1938 schloß sich der Reichsfinanzhof der – bis dahin als vollkommen verfehlt209 geltenden – Auffassung Reinhardts an, zur Ermittlung des Teilwerts müsse der Gesamtkaufpreis des Unternehmens festgestellt und auf die einzelnen Wirtschaftsgüter aufgeteilt werden210. Diese Aufteilung müsse insbesondere auch gerade in der Weise geschehen, wie ein Unternehmenserwerber den Gesamtkaufpreis verteilen würde211. Daraus ergebe sich, daß Grundstücke und Gebäude bei der Teilwertermittlung als ein Wirtschaftsgut anzusehen und Teilwertabschreibungen demzufolge nur zulässig seien, wenn der Gesamtwert der Grundstücke und Gebäude niedriger sei als die gesamten Buchansätze hierfür212. Gestüzt auf dieses Verständnis des Teilwerts versagte der Reichsfinanzhof schließlich Abschreibungen unter Verweis auf den „Monopolwert“ eines in einer Kleinstadt gelegenen Geschäfts213, den Ertragswert einer Schankwirtschaft214 oder „im Hinblick auf die seit 1934 von Jahr zu Jahr gesteigerten Erträge“215. 204 Kaemmel / Schmiedeke, § 6 EStG, Rn. 10 a (S. 229); zustimmend Kummer, Deutsche Steuer-Zeitung und Wirtschaftlicher Beobachter 1938, S. 832 (834 f.); Bülow in Kennerknecht / Bülow, § 6 EStG, Rn. 55. 205 Nachweise Fn. 186. 206 RFH vom 06. 03. 1935, a. a. O. (Fn. 163), StuW II 1935, Nr. 288 (Sp. 685). 207 Vgl. Kaemmel / Schmiedeke, § 6 EStG, Rn. 10 b (S. 230). 208 RFH vom 16. 12. 1936 – VI A 589 / 35 – RStBl. 1937, S. 503; dazu Carius, Deutsche Steuer-Zeitung und Wirtschaftlicher Beobachter 1937, S. 381. 209 Nachw. Fn. 174; dazu oben Teil 2.B.IV.2.c) (S. 40 f.). 210 RFH vom 19. 01. 1938 – VI 533 / 36 – RStBl. 1938, S. 179 ff. 211 RFH vom 19. 01. 1938, a. a. O. (Fn. 210), S. 181. 212 RFH vom 19. 01. 1938, a. a. O. (Fn. 210), S. 181; bestätigt durch RFH vom 16. 02. 1938 – VI 41 / 37 – StuW II 1938, Nr. 180 (Sp. 359); vom 27. 04. 1938 – I 99 / 38 – StuW II 1938, Nr. 350 (Sp. 659). 213 RFH vom 15. 02. 1939 – VI 26 / 39 – RStBl. 1939, S. 607 (608). 214 RFH vom 03. 02. 1938 – VI 546 / 37 – StuW II 1938, Nr. 133 (Sp. 279).

B. Der Teilwert im Steuerrecht

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In der Literatur fand diese Rechtsprechung neben vereinzelter Zustimmung von Zitzlaff216 und Bülow217 mehr oder weniger deutliche Kritik. So wies insbesondere Becker, der 1935 aus dem Reichsfinanzhof ausgeschieden war218, darauf hin, daß eine Saldierung der Wertminderungen mit stillen Reserven eine Besteuerung unrealisierter Gewinne bedeute219 Meilicke220 kritisierte, daß die „erhöhten Wiederbeschaffungskosten“ bezeichnenderweise nur zuungunsten der Steuerpflichtigen berücksichtigt und von der Reichsfinanzverwaltung außer acht gelassen würden, wenn diese – etwa bei den Reichsmarkeröffnungsbilanzen in den neu „eingegliederten“ Gebieten – zu einer Verringerung der Steuerlast geführt hätten221. Daher schlug Meilicke im Jahre 1941 offen vor, den alten Teilwertbegriff wiederherzustellen222.

VI. Die Rückkehr zur früheren Auslegung des Teilwerts nach dem Ende des „III. Reichs“ Nach dem Ende des „III. Reichs“ verwarfen Rechtsprechung und Literatur die Reinhardt’sche Auslegung des Teilwertbegriffs. Bereits im Jahre 1952 distanzierte sich der Bundesfinanzhof sowohl von der von Reinhardt geprägten Auffassung, zur Feststellung der Teilwerte sei ein Gesamtkaufpreis des Unternehmens zu ermitteln223, als auch von seiner Lehre von den betriebsarteigenen Wirtschaftsgüter224 („Irrlehre“225). Ferner ist heute unstreitig, daß die Rentabilität des Unternehmens 215 RFH vom 28. 06. 1939 – VI 402 / 39 – RStBl. 1939, 1046 (1047); offengelassen hingegen Abschreibung wegen „Überangebot [s] an Grundstücken und Geschäften aus jüdischer Hand“, RFH vom 09. 02. 1938 – VI 739 / 37 – StuW II 1938, Nr. 182 (Sp. 366). 216 Zitzlaff, StuW I 1938, Sp. 549 (554); ders., StuW I 1941, Sp. 677; Zitzlaff war seit dem 01. 05. 1934 Richter beim RFH (Offerhaus, S. 76). 217 Bülow in Kennerknecht / Bülow, § 6 EStG, Rn. 55. 218 Offerhaus, S. 73. 219 Becker, StuW I 1938, Sp. 235 (250 ff.); ebenso Kummer, Deutsche Steuer-Zeitung und Wirtschaftlicher Beobachter 1938, S. 832 (838); Herrmann, Industrie und Steuer 1938, S. 136 ff.; unklar Kaemmel / Schmiedeke, Rn. 10 b (S. 230 f.). 220 Meilicke, StuW I 1941, Sp. 481 ff. 221 Meilicke, StuW I 1941, Sp. 481 (483). 222 Meilicke, StuW I 1941, Sp. 481 (486); gegen Meilicke dann Zitzlaff, StuW I 1941, Sp. 677 ff. 223 BFH vom 15. 05. 1952 – IV 469 / 51 U – BFHE 56, S. 436 (437) = BStBl. III 1952, S. 169 (170) = StRK EStG (bis 1974), § 6 Abs. 1 Ziff. 1 R. 6; vom 11. 10. 1955 – I 117 / 54 U – BFHE 62, S. 27 (32) = BStBl. III 1956, S. 11 (12); vom 30. 11. 1988 – II R 237 / 83 – BFHE 155, S. 140 (144) = BStBl. II 1989, S. 183 (185). 224 BFH vom 15. 05. 1952, a. a. O. (Fn. 223); vom 26. 08. 1958 – I 80 / 57 U – BFHE 67, S. 382 (387) = BStBl. III 1958, S. 420 (422) m. w. N.; zum Begriff der betriebsarteigenen Wirtschaftsgüter oben Teil 2.B.V.1. (S. 42 f.). 225 Wall, WPg 1957, S. 545 (548).

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Teil 2: Die Identität von Teilwert und beizulegendem Wert

den Teilwert eines einzelnen Wirtschaftsgutes nicht erhöht und eine Teilwertabschreibung daher auch bei guter Ertragslage des Unternehmens zulässig ist226. Schließlich gab der Bundesfinanzhof auch die zusammenfassende Bewertung von Grundstücken und Gebäuden227 wieder auf228. Dennoch haben sich sowohl die von Reinhardt verbreitete Auslegung, für die Ermittlung des Teilwerts sei der Gesamtwert des Unternehmens von Bedeutung229, als auch die ebenfalls in dieser Zeit begründete Auffassung, der Teilwert sei von Mirre entwickelt worden230, bis heute gehalten.

C. Ergebnis Aus der Entstehungsgeschichte des Teilwerts ergibt sich, daß der Teilwert seinem Sinn und Zweck nach identisch mit dem handelsrechtlichen beizulegenden Wert sein sollte231. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers 1925 war der gemeine Wert unter Berücksichtigung der Fortführung des Unternehmens (§ 19 Abs. 1 S. 2 EStG 1925) identisch mit dem handelsrechtlichen beizulegenden Wert. Mit der Einführung dieses Wertes, der in der späteren Rechtsprechung die Bezeichnung Teilwert fand und unter dieser Begriffsbestimmung im Jahre 1934 kodifiziert wurde, sollte lediglich sichergestellt werden, daß der nach den handelsrechtlichen Bewertungsvorschriften maßgebende beizulegende Wert auch tatsächlich angesetzt wurde, da es seinerzeit verbreitet für zulässig gehalten wurde, in der Handelsbilanz willkürlich einen niedrigeren Wert als den beizulegenden Wert zu bilanzieren232. Diesem Ergebnis steht auch der Wortlaut der Legaldefinition des Teilwerts nicht entgegen. Zwar läßt die Erwerberformel für einen heutigen Betrachter keinen Be226 BFH vom 17. 09. 1987 – III R 201 – 202 / 84 – BFHE 152, S. 221 (224) = BStBl. II 1988, S. 488 (489) m. w. N.; Ehmcke in Blümich, § 6 EStG, Rn. 690 („Rentabilität des Betriebes“); Winkeljohann in Herrmann / Heuer / Raupach, § 6 EStG, Rn. 608; Ortmann-Babel in Lademann / Söffing / Brockhoff, § 6 EStG, Rn. 390, 392; so noch RFH vom 06. 03. 1935, a. a. O. (Fn. 163), StuW II 1935, Nr. 288 (Sp. 685); anders erst RFH vom 16. 12. 1936 – VI A 589 / 35 – RStBl. 1937, S. 503; vom 28. 06. 1939 – VI 402 / 39 – RStBl. 1939, 1046 (1047); dazu oben Teil 2.B.V.2. (S. ). 227 So noch RFH vom 19. 01. 1938, a. a. O. (Fn. 210), S. 181. 228 BFH GrS vom 16. 07. 1968 – GrS 7 / 67 – BFHE 94, S. 124 (129 ff.) = BStBl. II 1969, S. 108 (110 f.). 229 Oben Teil 2.B.V.1. (S. 42 f.). 230 Oben Teil 2.B.V.2. (S. 44); zu Mirre oben Teil 2.B.IV.2.c) (S. 40 f.). 231 Im Ergebnis auch Doralt, a. a. O. (Fn. 14), S. 143 (dazu oben Teil 1.B.II., S. 15); unzutreffend hingegen die Auffassung, seiner ursprünglichen Konzeption nach sei der Teilwert durch eine Aufteilung des Gesamtwerts des Unternehmens auf die hierzu gehörigen Wirtschaftsgüter zu ermitteln (Nachweise Fn. 7, oben Teil 1.B.I., S. 14); undeutlich die unter Fn. 16 zitierte Literatur (dazu oben Teil 1.B.III., S. 16) sowie die herrschende Praxis, die den Sinn und Zweck des Teilwerts nicht genau definiert (oben Teil 1.B.IV., S. 17). 232 Oben Teil 2.B.IV.1. (S. 35 ff., 37 f.).

C. Ergebnis

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zug zum handelsrechtlichen beizulegenden Wert erkennen. Zur Zeit ihrer Kodifikation gab die Erwerberformel jedoch das herrschende Verständnis des Inhalts des handelsrechtlichen beizulegenden Werts wieder. Dem lag die seinerzeit sowohl im Handelsrecht233 als auch im Steuerrecht234 verbreitete Ansicht zugrunde, das Gebot zur Berücksichtigung der Fortführung des Unternehmens bei der Bewertung besage, den Wert der hierzu gehörigen Gegenstände für den Fall einer Veräußerung an einen Erwerber des ganzen Unternehmens zu ermitteln. Diese Auffassung wiederum beruhte auf überholten Vorstellungen von der Bewertungspraxis bei Unternehmensveräußerungen235.

Oben Teil 2.A.II.1. (S. 22 f.). Oben Teil 2.B.III.2., S. 34 (Bewertungsrecht) und Teil 2.B.IV.2., S. 38 ff. (Einkommensteuerrecht). 235 Oben Teil 2.A.II.2. (S. 24). 233 234

Teil 3

Auswirkungen auf die Auslegung des Teilwerts A. Die Auslegung des Teilwerts im Sinne des handelsrechtlichen beizulegenden Werts Fraglich ist, welche Bedeutung die dargestellten Erkenntnisse aus der Entstehungsgeschichte des Teilwerts für das heutige Verständnis dieses Begriffs haben. Regelmäßig kommt der historischen Auslegung einer Norm im Verhältnis zu den übrigen Auslegungsmethoden keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Denn das Ziel der Auslegung eines Gesetzes besteht nicht vorrangig in der Erforschung des Willens des historischen Gesetzgebers. Angesichts der fortwährenden Änderung der Verhältnisse muß ein Gesetz auch Antworten auf Fragen geben, die sich der Gesetzgeber in dieser Form nicht gestellt oder bewußt der Rechtsprechung und Lehre überlassen hat. Mit zunehmender Zeit entfernt sich ein Gesetz daher von den Vorstellungen seiner Urheber und entfaltet eine eigene Wirksamkeit236. Dem würde eine Auslegung, die allein an den Vorstellungen des historischen Gesetzgebers festhielte, nicht gerecht werden237. Maßgeblich für die Auslegung einer Norm ist daher der vom Willen des historischen Gesetzgebers losgelöste objektivierte Wille des Gesetzgebers, so wie er sich aus dem Wortlaut und dem Sinnzusammenhang ergibt238. Danach sind zum Beispiel Stellungnahmen am Gesetzgebungsverfahren beteiligter Organe – also etwa die hier herangezogene Begründung zum Entwurf des EStG 1925239 – nicht unmittelbar maßgebend240. Der Entstehungsgeschichte einer Norm kommt jedoch jedenfalls insoweit Bedeutung zu, als sie Zweifel beseitigt, die mit den übrigen Auslegungsmethoden allein nicht ausgeräumt werden können241. Larenz / Canaris, S. 138. Larenz / Canaris, S. 138. 238 BVerfG vom 09. 11. 1988 – 1 BvR 243 / 86 – BVerfGE 79, 106 (121); vom 18. 10. 1966 – 2 BvR 386, 478 / 63 – BVerfGE 20, 283 (293); vom 15. 12. 1959 – 1 BvL 10 / 55 – BVerfGE 10, 234 (244); vom 21. 05. 1952 – 2 BvH 2 / 52 – BVerfGE 1, 299, 312; BFH vom 14. 05. 1991 – VIII R 31 / 88 – BFHE 164, S. 516 (525 f.) = BStBl. II 1992, S. 167 (172); BGH vom 30. 06. 1966 – KZR 5 / 65 – BGHZ 46, S. 74, 76 ff. 239 Oben Teil 2.B.IV.1.b) (S. 37 ff.). 240 BVerfG vom 21. 05. 1952, a. a. O. (Fn. 238); Larenz / Canaris, S. 150, 165. 241 BVerfG vom 21. 05. 1952, a. a. O. (Fn. 238); BFH vom 04. 11. 1992 – X R 33 / 90 – BFHE 169, S. 357 (361) = BStBl. II 1993, S. 292 (294); vom 14. 05. 1991 – VIII R 31 / 88 – 236 237

B. Keine Änderung der Handelsbilanz für die Steuerbilanz

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Diese Voraussetzungen liegen bezüglich der Legaldefinition des Teilwerts vor, da der Sinn und Zweck dieser Vorschrift durch eine grammatikalische, systematische sowie teleologische Auslegung des Gesetzeswortlauts nicht eindeutig bestimmbar ist242. Demgegenüber erschließt sich die Bedeutung des Teilwertbegriffs ohne weiteres, wenn man die Entstehungsgeschichte des Begriffs bei seiner Auslegung berücksichtigt. So wird die Bedeutung des Wortlauts seiner Legaldefinition vor dem Hintergrund verständlich, daß sie die zur Zeit ihrer Kodifikation übliche Definition des handelsrechtlichen beizulegenden Werts wiedergab und der Teilwert seinem Sinn und Zweck nach identisch mit dem handelsrechtlichen beizulegenden Wert sein sollte. Daraus ergibt sich zugleich die systematische Bedeutung des Teilwerts, der im Zusammenhang mit den übrigen Vorschriften des Steuerbilanzrechts der Verwirklichung des Grundsatzes der Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz dienen sollte. Die hier dargestellten Erkenntnisse aus der Entstehungsgeschichte der Norm legen es also nahe, den Teilwert im Sinne des handelsrechtlichen beizulegenden Werts auszulegen.

B. Keine Änderung des Willens des Gesetzgebers zur Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz Allerdings wären die dargestellten Vorstellungen des historischen Gesetzgebers für die heutige Auslegung des Teilwerts nur von begrenzter Bedeutung, wenn der Gesetzgeber das Konzept, das der Einführung des Teilwerts seinerzeit zugrunde lag, zwischenzeitlich aufgegeben hätte. Fraglich ist also, ob es noch heute dem objektivierten Willen des Gesetzgebers entspricht, den Teilwert – jedenfalls grundsätzlich243 – im Sinne des handelsrechtlichen beizulegenden Werts auszulegen. Dem steht nicht entgegen, daß die vom historischen Gesetzgeber zugrundegelegte Definition des handelsrechtlichen beizulegenden Werts inzwischen als überholt gilt244. Nach dem Erkenntnisstand des Gesetzgebers 1925 war der gemeine Wert unter Berücksichtigung der Fortführung des Unternehmens (Teilwert) identisch mit dem handelsrechtlichen beizulegenden Wert, wobei die Erwerberformel das seinerzeit gängige Verständnis des handelsrechtlichen beizulegenden Werts

BFHE 164, S. 516 (526) = BStBl. II 1992, S. 167 (172); vom 07. 05. 1987 – IV R 150 / 84 – BFHE 150, S. 130 (132 f.) = BStBl. II 1987, S. 670 (671); vom 21. 10. 1969 – II 210 / 65 – BFHE 97, S. 147 (149) = BStBl. II 1969, S. 736 (737). 242 Oben Teil 1.B.IV. (S. 18). 243 Zu der Frage, ob die bisherige Auslegung des Teilwerts als eine Durchbrechung des Maßgeblichkeitsprinzips beizubehalten ist, unten Teil 5. (S. 79). 244 Nach heutiger Auffassung gilt der handelsrechtliche beizulegende Wert als nicht abschließend definierbar, ADS, § 253 HGB, Rn. 454 f.; ausführlich zum beizulegenden Wert auch unten Teil 4.A. (S. 55 ff.). 4 Rief-Drewes

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Teil 3: Auswirkungen auf die Auslegung des Teilwerts

wiedergab. Auch wenn die Vorstellungen über den Begriff des beizulegenden Werts nicht bei dem Stand des Jahres 1925 stehengeblieben sind, erlaubt der Erkenntnisfortschritt der handelsrechtlichen Literatur und Rechtsprechung nicht die Schlußfolgerung, daß sich deswegen der Wille des Gesetzgebers in bezug auf den Sinn und Zweck des Teilwerts geändert hätte. Allerdings wird die Sinnhaftigkeit des Prinzips der Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz (§ 5 Abs. 1 S. 1 EStG) zunehmend in Zweifel gezogen und seine Abschaffung gefordert. Gegen die Anlehnung der Steuerbilanz an die Handelsbilanz wird in erster Linie eingewandt, die Ziele von Handels- und Steuerbilanz seien nicht identisch245. Während die Handelsbilanz ihre Grundlage im Vorsichtsprinzip finde und dem Anliegen des Gläubigerschutzes Rechnung tragen müsse, diene die Steuerbilanz der steuerlichen Gewinnermittlung und habe daher steuerrechtlichen Prinzipien zu entsprechen246. Allerdings hat der Gesetzgeber bislang ungeachtet dieser Kritik am Maßgeblichkeitsprinzip festgehalten. Hierbei hat der Gesetzgeber auch nicht den Entscheidungsspielraum überschritten, der ihm bei der Ausgestaltung von Belastungen zusteht247. Verfassungsrechtliche Anforderungen, denen die gesetzlichen Vorschriften zur Regelung der steuerlichen Gewinnermittlung genügen müssen, ergeben sich dabei insbesondere auch aus Art. 3 GG, da der Eingriff in die Rechts- und Vermögenssphäre des Steuerpflichtigen in Form der Auferlegung von Steuern seine Rechtfertigung auch und gerade aus der Gleichheit der Lastenzuteilung gewinnt248. Grundsätzlich ist der Gleichheitssatz verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie eine ungleiche Behandlung rechtfertigen249. Daraus folgt für den Bereich des Steuerrechts einerseits das Gebot einer möglichst gleichmäßigen Belastung der Steuerpflichtigen250. Andererseits hat die Höhe der Belastung

245 Weber-Grellet, BB 1999, S. 2659, 2661 („funktional inkompatibel“); ders., DStR 1998, S. 1343 (1344); zweifelnd auch Pezzer, DStJG Bd. 14 (1991), S. 3 (17), der allerdings keine Abschaffung, sondern lediglich eine einschränkende Auslegung des Maßgeblichkeitsgrundsatzes befürwortet. 246 Weber-Grellet, BB 1999, S. 2659 (2660). 247 Schön, StuW 1995, S. 366 (369 und 374 ff.); wohl auch Hennrichs, StuW 1999, S. 138 (145). 248 BVerfG vom 27. 06. 1991 – 2 BvR 1493 / 89 – BVerfGE 84, 239 (269) m. w. N.; Birk in Hübschmann / Hepp / Spitaler, § 4 AO, Rn. 411; Tipke / Lang, § 4, Rn. 70 ff. 249 BVerfG vom 07. 10. 1980 – 1 BvL 50, 89 / 79, 1 BvR 240 / 79 – BVerfGE 55, 72 (88). 250 BVerfG vom 27. 06. 1991 – 2 BvR 1493 / 89 – BVerfGE 84, 239 (268); vom 03. 07. 1973 – 1 BvR 368, 369 / 65 – BVerfGE 35, 324 (335) m. w. N.; dazu Pezzer, DStJG Bd. 14 (1991), S. 3 (6); Tipke / Lang, § 4, Rn. 70.

B. Keine Änderung der Handelsbilanz für die Steuerbilanz

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auch den unterschiedlichen wirtschaftlichen Voraussetzungen der Steuerpflichtigen Rechnung zu tragen. Daher muß die Besteuerung an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen als dem hier sachgerechtem Differenzierungskriterium ausgerichtet werden251. Dieses Gebot gilt insbesondere für das Einkommensteuerrecht, das seiner Art nach auf die Erfassung der individuellen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit gerichtet ist252. Allerdings ergeben sich weder aus dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung noch aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip nähere Anhaltspunkte dafür, wie die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit im einzelnen zu ermitteln ist253. Auch im Rahmen eines eigenständigen Steuerbilanzrechts müßte der betriebliche Gewinn als Maßstab der steuerlichen Leistungsfähigkeit daher weitgehend in Anlehnung an bekannte Grundsätze des Handelsbilanzrechts definiert werden254. Es läßt sich daher nicht sagen, daß die Ziele von Handels- und Steuerbilanz grundsätzlich in einem Widerspruch zueinander stünden255. Insbesondere dient auch nicht nur die Steuerbilanz, sondern auch die Handelsbilanz der Ermittlung eines objektiven Gewinns. So gilt eine willkürliche Unterbewertung der Bilanzgegenstände auch handelsbilanzrechtlich als unzulässig, da die Bildung und Auflösung stiller Reserven die Darstellung der Ertragslage des Unternehmens verzerrt und auf diese Weise eingetretene Verluste verschleiern kann256. Ferner können etwaige Gegensätze zwischen Handels- und Steuerbilanz durch eine Durchbrechung des Maßgeblichkeitsgrundsatzes aufgelöst werden. Der Verschiedenheit der Ziele beider Bilanzen kann dabei sowohl durch ergänzende steuerrechtliche Vorschriften (vgl. § 5 Abs. 2 ff., § 6 ff. EStG) als auch durch eine einschränkende Auslegung des Maßgeblichkeitsprinzips Rechnung getragen wer251 BVerfG vom 03. 11. 1982 – 1 BvR 620 / 67, 1335 / 78, 1104 / 79 und 363 / 80 – BVerfGE 61, 319 (343); vom 22. 02. 1982 – 1 BvL 10 / 80 – BVerfGE 66, 214 (223); Birk in Hübschmann / Hepp / Spitaler, § 4 AO, Rn. 451; Hennrichs, DStJG Bd. 24 (2001), 301 (308). 252 BVerfG vom 29. 05. 1990 – 1 BvL 20, 26, 284 und 4 / 86 – BVerfGE 82, 60 (86); vom 22. 02. 1984, a. a. O. (Fn. 251), BVerfGE 66, 216 (223); vom 03. 11. 1982, a. a. O. (Fn. 251), BVerfGE 61, 319 (343) m. w. N.; Birk in Hübschmann / Hepp / Spitaler, § 4 AO, Rn. 451; Pezzer, DStJG Bd. 14 (1991), S. 3 (7 f.); Schön, StuW 1995, S. 366 (369); Tipke / Lang, § 4, Rn. 81. 253 Döllerer, BB 1971, S. 1333 (1334); Hennrichs, DStJG Bd. 24 (2001), S. 301 (308 f.); Schulze-Osterloh, ZGR 2000, S. 594 (602); ähnlich Schön, StuW 1995, S. 366 (376). 254 Döllerer, BB 1971, S. 1333, 1334; Hennrichs, StuW 1999, S. 138 (146); ders., DStJG Bd. 24 (2001), S. 301 (315 ff.).; Hoffmann, DStR 1999, S. 1686 (1688); Schulze-Osterloh, ZGR 2000, S. 594 (602); im Ergebnis auch Weber-Grellet, DStR 1998, S. 1343 (1347). 255 Döllerer, BB 1971, S. 1333, 1334 („weitgehende Gemeinsamkeit des Zwecks“); Hennrichs, StuW 1999, S. 138 (146); Kessler, DStR 1994, 1289 (1294); Schön, StuW 1995, S. 366 (374 ff.). 256 Nachweise – auch zu der in diesem Zusammenhang nicht unproblematischen Abschreibung nach vernünftiger kaufmännnischer Beurteilung (§ 253 Abs. 4 HGB) – in Fn. 145; zur Unzulässigkeit willkürlicher Unterbewertung in der Handelsbilanz auch unten Teil 4.C.I.3. (S. 69 f.).

4*

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Teil 3: Auswirkungen auf die Auslegung des Teilwerts

den257. Danach erkennt die steuerliche Praxis beispielsweise handelsrechtliche Wahlrechte für den Bereich des Steuerrechts im Hinblick auf die Grundsätze der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit sowie der Gleichmäßigkeit der Besteuerung nicht an258. Zwar wäre die Zukunft des Maßgeblichkeitsprinzips unter anderem aus verfassungsrechtlichen Gründen259 in Frage gestellt, falls es eine Verpflichtung zur Vorlage steuerbilanzrechtlicher Fragen an den EuGH begründen sollte260. Eine Verpflichtung zur Vorlage gemäß Art. 234 EG könnte sich daraus ergeben, daß die maßgeblichen handelsrechtlichen Vorschriften zur Bilanzierung und Bewertung in der Bilanz auf der 4. EG-Richtlinie261 beruhen. Auf Vorlagebeschlüsse einzelner deutscher Finanzgerichte 262 hat der EuGH seine Zuständigkeit daher auch in Fällen bejaht, in denen die handelsrechtlichen Vorschriften aufgrund des Maßgeblichkeitsprinzips anzuwenden waren263. Jedoch betrifft die 4. EG-Richtlinie nur die Rechnungslegung von Kapitalgesellschaften264, während das Ertragsteuerrecht nicht europäisch harmonisiert ist. Das Steuerbilanzrecht gehört danach nicht zu dem Normbereich, dessen einheitliche Auslegung in den Mitgliedstaaten durch eine richtlinienkonforme Auslegung gesichert werden muß265. Der deutsche Steuergesetzgeber konnte daher über den Umfang der Verweisung auf die gemeinschaftsrechtlich harmonisierten Vorschriften selbst entscheiden. Eine Vorlagepflicht wäre hiernach zwar zu bejahen, falls der Gesetzgeber mit dem Maßgeblichkeitsprinzip eine zwingende Übereinstimmung mit dem gemeinschaftsrechtlich harmonisierten Handelsbilanzrecht herstellen wollte266. Dies ent257 BFH vom 03. 02. 1969 – GrS 2 / 68 – BFHE 95, S. 31 (36) = BStBl. II 1969, S. 291 (293); Hennrichs, StuW 1999, S. 138 (146); Pezzer, DStJG Bd. 14 (1991), S. 3 (17 ff.); Schreiber in Blümich, § 5 EStG, Rn. 164; Schulze-Osterloh, DStJG Bd. 23 (2000), S. 67 (73); Winnefeld, S. 354. 258 BFH GrS vom 03. 02. 1969, a. a. O. (Fn. 257); vom 21. 10. 1993 – IV R 87 / 92 – BFHE 172, S. 462 (465) = BStBl. II 1994, S. 176 (178) m. w. N.; Pezzer, DStJG Bd. 14 (1991), S. 3 (18 f.); kritisch Knobbe-Keuk, S. 27; Stobbe in Herrmann / Heuer / Raupach, § 5 EStG, Rn. 15. 259 Ahmann, Festschrift für Ludwig Schmidt, S. 269 (288). 260 Arndt / Wiesbrock, DStR 1999, S. 350 (353); Herzig, DB 1996, 1401, 1402; SchulzeOsterloh, ZGR 2000, S. 594 (601); ähnlich Kußmaul / Klein, DStR 2001, 546 (549). 261 Vierte Richtlinie des Rates vom 25. 07. 1978 aufgrund von Art. 54 Abs. 3 Buchstabe g) des Vertrags über den Jahresabschluß von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen – 78 / 660 / EWG – ABl. 1978 L 222, 11. 262 FG Köln vom 16. 07. 1997 – 13 K 812 / 97 – DB 1997, 2158; FG Hamburg vom 22. 04. 1999 – II 23 / 97 – BB 1999, S. 1866 ff. 263 EuGH vom 14. 09. 1999 – RS. C-275 / 97 – DE + ES Bauunternehmung GmbH – BB 1999, 2291 (auf Vorlage des FG Köln, Beschluß vom 16. 07. 1999, a. a. O. [Fn. 262]). 264 Art. 1 AbS. 1 Spiegelstrich 1 der 4. EG-Richtlinie, a. a. O. (Fn. 261). 265 Hennrichs, StuW 1999, S. 138 (149). 266 Hennrichs, StuW 1999, S. 138 (149).

B. Keine Änderung der Handelsbilanz für die Steuerbilanz

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sprach jedoch zunächst nicht dem Willen des historischen Gesetzgebers, der das Maßgeblichkeitsprinzip lange vor der Entstehung europäischen Rechts eingeführt hat267. Aber auch daß der Gesetzgeber das Maßgeblichkeitsprinzip im Zuge der Umsetzung der 4. EG-Richtlinie in deutsches Recht nicht abgeschafft hat, erlaubt nicht die Schlußfolgerung, er habe damit eine eigenständige Auslegung des Handelsbilanzrechts für den Bereich des Steuerrechts generell ausschließen wollen268. Die Entstehungsgeschichte des Bilanzrichtliniengesetzes deutet hier gerade in die gegenteilige Richtung. So gingen sowohl die Bundesregierung269 als der Rechtsausschuß des Bundestages270 davon aus, daß die Transformation der 4. EGRichtlinie durch das Bilanzrichtliniengesetz ungeachtet der Beibehaltung des Grundsatzes der Maßgeblichkeit für die steuerliche Gewinnermittlung steuerneutral erfolgen werde271. Daher wird eine Pflicht zur Vorlage bilanzsteuerrechtlicher Fragen beim EuGH zu Recht überwiegend abgelehnt272. Schließlich ist derzeit ohnehin noch nicht geklärt, wie ein eigenständiges Steuerbilanzrecht konkret beschaffen sein sollte273. Jedenfalls wenn man an einer Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich festhalten will274, ist die Handelsbilanz daher zur Zeit auch die relativ sicherste Grundlage für die Ermittlung des steuerbaren Gewinns275.

Oben Teil 2.B. (S. 26). Hennrichs, StuW 1999, S. 138 (149). 269 BT-DrS 10 / 317 (Anhang A, S. 2). 270 BT-DrS 10 / 4268 (S. 90). 271 So auch BFH vom 09. 09. 1998 – I R 6 / 96 – BFHE 187, S. 215 (222) = BStBl. II 1999, S. 129, 132; Hennrichs, StuW 1999, S. 138 (149 f.) m. w. N. 272 So der BFH im Beschluß zur Vorlage an den Großen Senat des BFH vom 09. 09. 1998, a. a. O. (Fn. 271), der am 08. 11. 2000 wieder zurückgenommen wurde (DStR 2001, S. 294); so im Ergebnis bereits BFH vom 15. 07. 1998 – I R 24 / 96 – BFHE 186, S. 388 = BStBl. II 1998, S. 728 (731); vom 25. 10. 1994 – VIII R 65 / 91 – BFHE 176, S. 359 (366 f.) = BStBl. II 1995, S. 312 (315); Bärenz, DStR 2001, S. 692 ff.; Beisse, DStZ 1998, S. 310 (316); Biener, StbJb 1995 / 96, S. 29 (43 f.); Hennrichs, StuW 1999, 138 (148 ff.); Weber-Grellet in L. Schmidt, § 5 EStG, Rn. 4; Schulze-Osterloh, DStZ 1997, 281 (285 f.); Weber-Grellet, StuW 1995, 336 (348 f.); für eine Vorlagepflicht Arndt / Wiesbrock, DStR 1999, 350 (353 f.); Dautzenberg, FR 1997, S. 690 f.; Groh, DStR 1996, 1206 (1209); Herkenroth / Körner / Rodewald, DStR 1999, 9 (14); Crezelius in Kirchhof, § 5 EStG, Rn. 17; Meilicke, BB 1999, S. 890 ff.; differenzierend Schreiber in Blümich, § 5 EStG, Rn. 100 f.; Stobbe in Herrmann / Heuer / Raupach, § 5 EStG, Rn. 20. 273 Schulze-Osterloh, ZGR 2000, S. 594 (602); Leitlinien zur Ausgestaltung bei WeberGrellet, DStR 1998, S. 1343 (1347 f.); Hennrichs, DStJG Bd. 24 (2001), S. 301 (312 ff.). 274 Eine Besteuerung auf der Grundlage einer Einnahmen- und Ausgabenrechnung als Alternative zum Maßgeblichkeitsgrundsatz ziehen in Betracht Weber-Grellet, BB 1999, S. 2659 (2666); ders., DStR 1998, S. 1343 (1348 f.); ders., StuW 1999, 311 (315); Hennrichs, StuW 1999, S. 138 (152 f.); Wagner, DB 1998, S. 2073, 2076 f.; zweifelnd Kußmaul / Klein, DStR 2001, 546, 550. 275 Hennrichs, StuW 1999, S. 138 (144 f.). 267 268

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Teil 3: Auswirkungen auf die Auslegung des Teilwerts

Im Ergebnis führt das Maßgeblichkeitsprinzip also nicht zu einer Bilanzierung oder Bewertung, die mit grundlegenden Prinzipien des Steuerrechts unvereinbar ist. Die Handelsbilanz ist daher eine geeignete Grundlage für die Steuerbilanz276. Ob eine Aufgabe des Maßgeblichkeitsprinzips de lege ferenda zu befürworten ist277, kann im Rahmen dieser Arbeit dahinstehen. Solange der Gesetzgeber das Maßgeblichkeitsprinzip nicht aufgibt, entspricht die Anlehnung der Steuerbilanz an die Handelsbilanz auch heute noch dem objektivierten Willen des Gesetzgebers278. Der Teilwert ist danach grundsätzlich im Sinne des handelsrechtlichen beizulegenden Werts auszulegen279.

276 Döllerer, BB 1971, S. 1333, 1334; Hennrichs, StuW 1999, S. 138 (144); Crezelius in Kirchhof, § 5 EStG, Rn. 10. 277 Dafür Hennrichs, StuW 1999, S. 138 (152); Schulze-Osterloh, ZGR 2000, S. 594 (600 ff.); Weber-Grellet, BB 1999, S. 2659 (2666); ders., DStR 1998, S. 1343 (1346 ff.); ders., StuW 1995, 336 (351); wohl auch Wassermeyer, DStJG Bd. 14 (1991), S. 29 (45 f.). 278 Zu der Frage, ob die in der herrschenden Praxis entwickelte Auslegung des Teilwerts gleichwohl als gebotene Einschränkung des Maßgeblichkeitsprinzips aufrechtzuerhalten ist, siehe unten Teil 5 (S. 79). 279 Für eine Auslegung des Teilwerts im Sinne des handelsrechtlichen beizulegenden Werts im Ergebnis auch Doralt, a. a. O. (Fn. 14), S. 143 (dazu oben Teil 1.B.II., S. 15) sowie die unter Fn. 19 zitierte Literatur (dazu oben Teil 1.B.III., S. 16).

Teil 4

Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen Teilwert und beizulegendem Wert A. Begriff und Bedeutung des handelsrechtlichen beizulegenden Werts Bereits Art. 31 ADHGB sowie § 40 HGB schrieben eine Bewertung der Vermögensgegenstände in der Handelsbilanz mit dem Wert vor, der ihnen beizulegen ist. Seit Inkrafttreten des Bilanzrichtliniengesetzes280 findet sich dieser Begriff in § 253 HGB geregelt. Danach sind die Vermögensgegenstände des Anlagevermögens im Falle einer dauerhaften Wertminderung mit dem beizulegenden Wert am Abschlußstichtag anzusetzen, wenn er niedriger ist als die fortgeführten historischen Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten (§ 253 Abs. 2 S. 3 HGB). Für Vermögensgegenstände des Umlaufvermögens, für die ein Börsen- oder Marktpreis nicht festzustellen ist, ist der beizulegende Wert am Abschlußstichtag maßgebend, wenn er die historischen Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten unterschreitet (§ 253 Abs. 3 S. 2 HGB). Eine Legaldefinition des Begriffs beizulegender Wert existiert nicht. Die früher herrschende Auslegung, der beizulegende Wert sei der Verkaufswert der zum Betrieb gehörigen Gegenstände unter Berücksichtigung der Fortführung des Unternehmens281, ist zwischenzeitlich zu Recht282 aufgegeben worden. Nach heutigem Verständnis läßt sich der beizulegende Wert nicht einheitlich bestimmen283. Vielmehr ergibt sich der Inhalt dieses Begriffs aus seiner Bedeutung im Rahmen des Handelsbilanzrechts. Die Abschreibung auf den beizulegenden Wert stellt eine Durchbrechung des Grundsatzes dar, die Vermögensgegenstände zum Zeitpunkt ihrer Beschaffung mit ihren Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten zu bewerten (§ 253 Abs. 1 S. 1 HGB) und diese bei Vermögensgegenständen des Anlagevermögens, deren NutBilanzrichtliniengesetz vom 19. 12. 1985, BGBl. I 1985, S. 2355. Oben Teil 2.A.II.1. (S. 22). 282 Oben Teil 2.A.II.2. (S. 24). 283 ADS, § 253 HGB, Rn. 454 f.; Schulze-Osterloh in Baumbach / Hueck, § 42 GmbHG, Rn. 309; Niedner in Heidelberger Kommentar zum Handelsgesetzbuch, § 253 HGB, Rn. 23; Selchert, DStR 1986, 283 (284); Thiel, S. 207; ähnlich Kropff in Geßler / Hefermehl / Eckardt / Kropff, § 154 AktG, Rn. 25 (zu § 154 AktG a.F.); Glade, § 253 HGB, Rn. 39. 280 281

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Teil 4: Teilwert und beizulegender Wert

zung zeitlich begrenzt ist, planmäßig auf die voraussichtliche Nutzungsdauer zu verteilen (§ 253 Abs. 2 S. 1 HGB)284. Eine niedrigere Bewertung kann hier nach dem Imparitätsprinzip geboten sein. Das Imparitätsprinzip läßt sich auf den Jahresabschlußzweck der Kapitalerhaltung285 zurückführen286 und dient damit auch dem Gläubigerschutz287. Es besagt, daß bei der Bewertung alle vorhersehbaren Risiken und Verluste zu berücksichtigen sind, die bis zum Abschlußstichtag entstanden sind (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB). Verluste sollen also im Unterschied zu Gewinnen288 bereits vor ihrer Realisation in der Gewinn- und Verlustrechnung als Aufwand berücksichtigt werden289. Indem auf diese Weise bereits das Jahresergebnis der abzuschließenden Rechnungsperiode um erwartete negative Erfolgsbeiträge290 vermindert wird, sollen die Gesellschafter bzw. Eigner des Unternehmens dazu veranlaßt werden, den zur Deckung des Verlustes erforderlichen Betrag nicht auszuschütten bzw. zu entnehmen291. Ziel ist also eine Bewertung, die künftige Jahresabschlüsse von Belastungen freistellt, die auf Dispositionen der abzuschließenden Rechnungsperiode beruhen292. Das Imparitätsprinzip gebietet danach unter anderem293, den Buchwert eines jeden Vermögensgegenstandes mit einem Stichtagswert zu vergleichen und ggf. auf diesen Wert herabzusetzen, wenn er niedriger ist. Als Vergleichswert kommen hier insbesondere der Veräußerungswert oder die Wiederbeschaffungskosten aus der Sicht des Stichtags in Betracht294, wobei nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung zu entscheiden ist, ob im Einzelfall der Absatz- oder Beschaffungsmarktpreis maßgebend ist295. Die Abschreibung auf den beizulegenden Wert er-

Dazu Glade, S. 212 f.; Winnefeld, S. 996 ff. Dazu Baetge / Kirsch / Thiele, S. 87 ff. 286 Baetge / Kirsch / Thiele, S. 220; ähnlich ADS, § 252 HGB, Rn. 75; Hense / Geißler in Beck’scher Bilanz-Kommentar, § 252 HGB, Rn. 35; Ellerich in Küting / Weber, S. 104 f. (Ausschüttungsregelung). 287 ADS, § 252 HGB, Rn. 75. 288 Daher Imparitätsprinzip; der Begriff geht zurück auf Lion (Bilanzsteuerrecht, S. 67). 289 ADS, § 252 HGB, Rn. 64; Baetge / Kirsch / Thiele, S. 170; Hense / Geißler in Beck’scher Bilanz-Kommentar, § 252 HGB, Rn. 34; Leffson, S. 339; Schulze-Osterloh in Baumbach / Hueck, § 42 GmbHG, Rn. 16; Selchert in Küting / Weber, § 252 HGB, Rn. 71. 290 Zum Begriff Leffson, S. 340 ff.; Baetge / Kirsch / Thiele, S. 170 f. 291 Baetge / Kirsch / Thiele, S. 171. 292 Ähnlich Leffson, S. 389; Baetge / Kirsch / Thiele, S. 170. 293 Eine zweite Ausprägung des Imparitätsprinzips besteht in der Vorwegnahme künftig entstehender Verluste durch Rückstellungen für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften (§ 249 AbS. 1 S. 1 HGB; dazu Schulze-Osterloh, DStJG Bd. 23 [2000], S. 67, 72 ff.). 294 ADS, § 253 HGB, Rn. 456 und 488; Berger / Ring in Beck’scher Bilanz-Kommentar, § 253 HGB, Rn. 288 ff.; Glade, § 253 HGB, Rn. 39; Walz in Heymann, § 253 HGB, Rn. 73 f.; Döring in Küting / Weber, § 253 HGB, Rn. 148. 295 Kropff in Geßler / Hefermehl / Eckardt / Kropff, § 155 AktG, Rn. 41 (zu § 155 AktG a.F.); Knobbe-Keuk, S. 197; Döring in Küting / Weber, § 253 HGB, Rn. 166; ähnlich ADS, 284 285

B. Beizulegender Wert und Teilwert des Anlagevermögens

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möglicht eine solche Berücksichtigung bis zum Abschlußstichtag entstandener Verluste und gilt daher als eine Ausprägung des Imparitätsprinzips296. Der beizulegende Wert ist hiernach ausgehend von den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung und insbesondere orientiert am Imparitätsprinzip zu ermitteln297.

B. Beizulegender Wert und Teilwert des Anlagevermögens I. Beizulegender Wert 1. Die Bewertung der zum weiteren Gebrauch im Unternehmen bestimmten Gegenstände des Anlagevermögens Zum Anlagevermögen zählen gemäß § 247 Abs. 2 HGB die Vermögensgegenstände, die dazu bestimmt sind, dauerhaft dem Geschäftsbetrieb zu dienen, die also dem Betrieb nachhaltig zur Nutzung zur Verfügung stehen sollen298. Diese Zweckbestimmung schließt es grundsätzlich aus, den beizulegenden Wert der Gegenstände des Anlagevermögens aus dem Absatzmarktpreis abzuleiten. Zwar würde ein Verkauf dieser Gegenstände in zahlreichen Fällen zur Realisation eines Verlustes führen, da der bei einer Veräußerung von Anlagegegenständen erzielbare Betrag („Liquidationswert“) den Buchwert oftmals nicht erreicht299. Gleichwohl droht eine Belastung künftiger Jahresabschlüsse mit einem derartigen Verlust nicht, solange eine Veräußerung des Bewertungsgegenstandes nicht beabsichtigt ist. Daher ist eine Berücksichtigung des Absatzmarktpreises bei einem Gegenstand des Anlagevermögens nach dem Imparitätsprinzip regelmäßig nicht geboten300. Allerdings liegt zumindest ein Indiz für eine drohende Belastung künftiger Jahresabschlüsse vor, wenn die Wiederbeschaffungskosten eines zum weiteren Gebrauch im Unternehmen bestimmten Anlagegegenstandes am Stichtag niedriger § 253 HGB, Rn. 455; dazu auch im einzelnen unter Teil 4.B., S. 57 ff. (Anlagevermögen) und 4.C., S. 67 ff. (Umlaufvermögen). 296 ADS, § 253 HGB, Rn. 32; Baetge / Kirsch / Thiele, S. 220; Hense / Geißler in Beck’scher Bilanz-Kommentar, § 252 HGB, Rn. 41; Walz in Heymann, § 253 HGB, Rn. 70; Selchert in Küting / Weber, § 252 HGB, Rn. 75. 297 Kropff in Geßler / Hefermehl / Eckardt / Kropff, § 154 AktG, Rn. 25 (zu § 154 AktG a.F.); Niedner in Heidelberger Kommentar zum Handelsgesetzbuch, § 253 HGB, Rn. 41; Döring in Küting / Weber, § 253 HGB, Rn. 163; Thiel, S. 207; Winnefeld, S. 1014; ähnlich Berger / Ring in Beck’scher Bilanz-Kommentar, § 253 HGB, Rn. 287. 298 Dazu ADS, § 247 HGB, Rn. 105 ff.; Schulze-Osterloh in Baumbach / Hueck, § 42 GmbHG, Rn. 103; Ellrott / Schmidt-Wendt in Beck’scher Bilanz-Kommentar, § 247 HGB, Rn. 354. 299 Oben Teil 2.A.II.1. (S. 22). 300 ADS, § 253 HGB, Rn. 460; Knobbe-Keuk, S. 199; Döring in Küting / Weber, § 253 HGB, Rn. 150; Glade, § 253 HGB, Rn. 39; Winnefeld, S. 1016; zu den Ausnahmen sogleich Teil 4.B.I.2. (S. 59).

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Teil 4: Teilwert und beizulegender Wert

sind als die fortgeführten historischen Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten. In einem solchen Fall können Konkurrenzunternehmen sich diesen Produktionsfaktor zu einem niedrigeren Preis als das bilanzierende Unternehmen beschaffen und ihre Erzeugnisse oder Leistungen entsprechend billiger anbieten301. Daher ist es möglich, daß auch das bilanzierende Unternehmen die betreffenden Erzeugnisse oder Leistungen nur zu einem niedrigeren Preis absetzen können wird. Ein Rückgang der Wiederbeschaffungskosten eines Gegenstandes des Anlagevermögens begründet daher Zweifel, ob die künftig erzielbaren Erträge die Beschaffungskosten des Gegenstandes entsprechend der ursprünglichen Kalkulation decken werden. Aus Gründen der Vorsicht sollte ein Rückgang der Wiederbeschaffungskosten in der Bilanz daher nicht unberücksichtigt bleiben. Theoretisch würde die Ermittlung des genauen Antizipationsbetrags hier eine Kalkulation erfordern, ob und inwieweit der Buchwert des Anlagegegenstandes während der verbleibenden Restnutzungsdauer nach einem Rückgang des Absatzmarktpreises der Erzeugnisse oder Leistungen des Unternehmens noch realisiert werden kann. Dies würde jedoch eine Aufteilung des Veräußerungserlöses des Endprodukts auf alle für seine Herstellung eingesetzten einzelnen Produktionsfaktoren voraussetzen. Eine solche Aufteilung ist in aller Regel nicht zweifelsfrei möglich, da erst das Zusammenwirken aller Produktionsfaktoren die Herstellung des Endprodukts ermöglicht und keine objektiven und eindeutigen Maßstäbe existieren, um die Bedeutung einzelner Produktionsfaktoren zueinander in ein Verhältnis zu setzen302. Im Interesse einer Objektivierung und Vereinfachung der Bewertung ist der Antizipationsbetrag daher ausgehend von den Wiederbeschaffungskosten zu bestimmen303. Die hierdurch bedingte Abweichung vom theoretisch zutreffenden Antzipationsbetrag ist dabei tolerabel, da auf diese Weise ein objektiver Wert angesetzt werden kann und die richtige Tendenz bei der Bewertung eingeschlagen ist304. Der beizulegende Wert eines Vermögensgegenstandes des Anlagevermögens richtet sich danach grundsätzlich nach dem Beschaffungsmarktpreis305. Maßgebend sind die Wiederbeschaffungskosten am Stichtag306, also die Anschaffungsbzw. Herstellungskosten, die bei der Wiederbeschaffung eines vergleichbaren Gegenstandes am Stichtag entstehen würden307. Die Wiederbeschaffungskosten abÄhnlich ADS, § 253 HGB, Rn. 457; Glade, § 253 HGB, Rn. 40; Winnefeld, S. 1016. Ähnlich Leffson, S. 373 ff. 303 ADS, § 253 HGB, Rn. 457. 304 Baetge / Kirsch / Thiele, S. 222. 305 ADS, § 253 HGB, Rn. 457; Baumbach / Hopt, § 253 HGB, Rn. 11; Schulze-Osterloh in Baumbach / Hueck, § 42 GmbHG, Rn. 309; Glade, § 253 HGB, Rn. 40; Großfeld, Bilanzrecht, S. 84; Niedner in Heidelberger Kommentar zum Handelsgesetzbuch, § 253 HGB, Rn. 24; Knobbe-Keuk, S. 199; Döring in Küting / Weber, § 253 HGB, Rn. 149; Winnefeld, S. 1016. 306 Großfeld, Bilanzrecht, S. 84; Knobbe-Keuk, S. 199; Kropff in Geßler / Hefermehl / Eckardt / Kropff, § 154 AktG, Rn. 28 (zu § 154 AktG a.F.). 301 302

B. Beizulegender Wert und Teilwert des Anlagevermögens

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nutzbarer Vermögensgegenstände können dabei im Interesse einer Objektivierung und Vereinfachung der Bewertung ausgehend von den Wiederbeschaffungskosten eines vergleichbaren neuen Gegenstandes unter Abzug altersentsprechender Abschreibungen ermittelt werden (sogenannter fortgeführter Wiederbeschaffungsneuwert)308. Haben sich die Preisverhältnisse seit der Beschaffung des Gegenstandes nicht verändert, dann entspricht der Wiederbeschaffungswert am Stichtag danach den fortgeführten historischen Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten. Soweit allerdings im Einzelfall aussagekräftige Marktwerte für gebrauchte Gegenstände vergleichbaren Alters und Zustandes vorliegen, sind diese für die Bewertung maßgebend (sogenannter Wiederbeschaffungszeitwert)309. Nur soweit eine Wiederbeschaffung – etwa bei Patenten, Lizenzen oder Beteiligungen – nicht möglich ist, ist der beizulegende Wert hilfsweise aus dem Ertragswert abzuleiten310.

2. Die Bewertung der nicht zum weiteren Gebrauch im Unternehmen bestimmten Gegenstände des Anlagevermögens Die Wiederbeschaffungskosten am Stichtag sind für den beizulegenden Wert eines Gegenstandes des Anlagevermögens ausnahmsweise dann nicht maßgeblich, wenn der Gegenstand im Einzelfall nicht mehr zum weiteren Gebrauch im Unternehmen bestimmt ist. Dies betrifft Vermögensgegenstände, die alsbald veräußert werden sollen311 oder im Betrieb dauerhaft nicht mehr genutzt werden können312.

307 Niedner in Heidelberger Kommentar zum Handelsgesetzbuch, § 253 HGB, Rn. 24; Döring in Küting / Weber, § 253 HGB, Rn. 168 (zum Umlaufvermögen). 308 ADS, § 253 HGB, Rn. 458; Berger / Ring in Beck’scher Bilanz-Kommentar, § 253 HGB, Rn. 288; Glade, § 253 HGB, Rn. 41; Niedner in Heidelberger Kommentar zum Handelsgesetzbuch, § 253 HGB, Rn. 24; Döring in Küting / Weber, § 253 HGB, Rn. 149; ähnlich Winnefeld, S. 1016. 309 Ähnlich ADS, § 253 HGB, Rn. 458; Niedner in Heidelberger Kommentar zum Handelsgesetzbuch, § 253 HGB, Rn. 24; Döring in Küting / Weber, § 253 HGB, Rn. 149; Glade, § 253 HGB, Rn. 41; Winnefeld, S. 1016. 310 ADS, § 253 HGB, Rn. 464 ff.; Baumbach / Hopt, § 253 HGB, Rn. 11; Schulze-Osterloh in Baumbach / Hueck, § 42 GmbHG, Rn. 309; Glade, § 253 HGB, Rn. 42; Niedner in Heidelberger Kommentar zum Handelsgesetzbuch, § 253 HGB, Rn. 25; Döring in Küting / Weber, § 253 HGB, Rn. 151; im Ergebnis auch Kropff in Geßler / Hefermehl / Eckardt / Kropff, § 154 AktG, Rn. 26 (zu § 154 AktG a.F.). 311 ADS, § 253 HGB, Rn. 461; Baumbach / Hopt, § 253 HGB, Rn. 11; Schulze-Osterloh in Baumbach / Hueck, § 42 GmbHG, Rn. 309; Glade, § 253 HGB, Rn. 39; Niedner in Heidelberger Kommentar zum Handelsgesetzbuch, § 253 HGB, Rn. 26; Walz in Heymann, § 253 HGB, Rn. 75; Döring in Küting / Weber, § 253 HGB, Rn. 150; Winnefeld, S. 1016. 312 ADS, § 253 HGB, Rn. 461; Schulze-Osterloh in Baumbach / Hueck, § 42 GmbHG, Rn. 309; Kropff in Geßler / Hefermehl / Eckardt / Kropff, § 154 AktG, Rn. 28 (zu § 154 AktG a.F.); Glade, § 253 HGB, Rn. 39 (da Indiz für Veräußerungsabsicht); Niedner in Heidelberger Kommentar zum Handelsgesetzbuch, § 253 HGB, Rn. 26; Walz in Heymann, § 253 HGB, Rn. 75; ähnlich Winnefeld, S. 1016.

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Teil 4: Teilwert und beizulegender Wert

Bei der Ermittlung des beizulegenden Werts eines derartigen Gegenstandes ist zu berücksichtigen, daß eine Veräußerung des Gegenstandes zur Realisierung eines Verlustes und damit zu einer Belastung künftiger Jahresabschlüsse führen kann. Das Imparitätsprinzip gebietet daher eine Bewertung, die sicherstellt, daß bei der Veräußerung des Gegenstandes voraussichtlich kein Verlust entsteht (sogenannte verlustfreie Bewertung). Der beizulegende Wert eines solchen Gegenstandes entspricht danach dem voraussichtlich erzielbaren Verkaufserlös unter Abzug der bis zum Ausscheiden des Gegenstandes aus dem Unternehmen noch anfallenden Aufwendungen313. Zu den berücksichtigungsfähigen Aufwendungen können beim Anlagevermögen zum Beispiel Ausbau-, Abbruch- und Demontagekosten, Kosten für Verpackung sowie Maklerkosten zählen314.

3. Die Bewertung überdimensionierter Gegenstände Ist das bilanzierende Unternehmen voraussichtlich dauerhaft außerstande, Gegenstände des Anlagevermögens in dem ursprünglich kalkulierten Maße auszulasten, so bereitet die Ermittlung des beizulegenden Werts nach den vorgenannten Grundsätzen keine besonderen Schwierigkeiten, wenn die Überkapazitäten auf dem Vorhandensein zu vieler funktionsgleicher Gegenstände beruhen. Hat also etwa eine Umstellung der Produktion zur Folge, daß die Hälfte der vorhandenen Anlagen zur Fortführung des Unternehmens auf Dauer nicht mehr benötigt werden, so ist der zum weiteren Gebrauch bestimmte Teil der Anlagen mit den Wiederbeschaffungskosten315 und der restliche Teil der Anlagen mit dem Einzelveräußerungswert316 zu bewerten. Hieraus ergibt sich die Frage nach der Ermittlung des beizulegenden Werts, wenn Überkapazitäten in einem Betrieb auf die Existenz eines einzigen überdimensionierten Gegenstandes zurückgehen. Dies wäre in dem Beispiel der Fall, wenn das bilanzierende Unternehmen über lediglich eine Anlage verfügen würde, die aufgrund der Produktionsumstellung nur noch zu weniger als 50 % ausgelastet werden kann. Nach dem Imparitätsprinzip ist bei der Bewertung auch der Umstand zu berücksichtigen, daß ein Bewertungsgegenstand nach den Verhältnissen des Betriebs erheblich und voraussichtlich dauerhaft überdimensioniert ist. In diesem Fall droht eine Belastung künftiger Jahresabschlüsse, weil konkurrierende Unternehmen, die bedarfsgerecht ausgelegte Anlagen einsetzen, nur geringere Abschreibungen zu erwirtschaften brauchen und ihre Produkte daher zu niedrigeren Preisen als das bi313 ADS, § 253 HGB, Rn. 462; Glade, § 253 HGB, Rn. 39; ähnlich Döring in Küting / Weber, § 253 HGB, Rn. 151; Winnefeld, S. 1016. 314 ADS, § 253 HGB, Rn. 462. 315 Oben Teil 4.B.I.1. (S. 57). 316 Oben Teil 4.B.I.2. (S. 59).

B. Beizulegender Wert und Teilwert des Anlagevermögens

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lanzierende Unternehmen anbieten können. Wie bereits dargestellt, wäre der zutreffende Antizipationsbetrag hier theoretisch danach zu berechnen, ob der voraussichtliche Veräußerungserlös des Endprodukts eine Realisation des Buchwerts entsprechend der ursprünglichen Kalkulation erlauben würde317. Im Hinblick auf die damit einhergehenden Berechnungsschwierigkeiten sowie im Interesse einer Objektivierung und Vereinfachung der Bewertung liegt es daher nahe, den beizulegenden Wert einer überdimensionierten Anlage aus den Wiederbeschaffungskosten einer bedarfsgerechten Anlage abzuleiten318.

II. Teilwert 1. Die Bewertung der zum weiteren Gebrauch im Unternehmen bestimmten Gegenstände des Anlagevermögens Die steuerrechtliche Praxis geht von einem wörtlichen Verständnis der Erwerberformel aus und ermittelt den Teilwert der einzelnen Wirtschaftsgüter ausgehend von der Vorstellung einer Veräußerung des ganzen Unternehmens. Dabei haben Rechtsprechung und Literatur eine Reihe von Vermutungen zu der Frage entwikkelt, auf welche Art und Weise der Veräußerer und der gedachte Erwerber des Unternehmens den Wert eines einzelnen Wirtschaftsgutes im Rahmen des Gesamtkaufpreises bestimmen würden. Vor der Darstellung dieser sogenannten Teilwertvermutungen sei vorweggenommen, daß sich in der herrschenden Praxis eine Systematisierung der Vermutungen durchgesetzt hat, die nicht ohne weiteres erkennen läßt, daß diese ursprünglich aus den folgenden beiden Grundsätzen abgeleitet wurden: Nach dem ersten Grundsatz entspricht der Teilwert regelmäßig den Wiederbeschaffungskosten am Stichtag. Darunter sind die Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten zu verstehen, die im Falle einer Wiederbeschaffung des Gegenstandes am Stichtag entstehen würden319. Nur soweit die Ermittlung dieses Wertes – etwa bei Beteiligungen – nicht möglich ist, ist der Teilwert etwa unter Berücksichtigung des Ertragswerts zu schätzen320. Diesem Grundsatz liegt die Erwägung zugrunde, ein gedachter Unternehmenserwerber werde den Bewertungsgegenstand im Regelfall Oben Teil 4.B.I.1. (S. 57). Schnicke / Schramm / Bail in Beck’scher Bilanz-Kommentar, 3. Auflage 1995, § 253 HGB, Rn. 292; unklar hingegen Berger / Ring in Beck’scher Bilanz-Kommentar, 5. Auflage 2003, § 253 HGB, Rn. 292 (Fallgruppe wird nicht mehr erwähnt); so auch die steuerrechtliche Praxis (unten Teil 4.B.II.3., S. 65). 319 Vgl. Ehmcke in Blümich, § 6 EStG, Rn. 646; Brezing in HdJ, Abt. I / 12, Rn. 5 f.; Fischer in Kirchhof, § 6 EStG, Rn. 94; BFH vom 29. 04. 1999 – IV R 63 / 97 – BB 1999, S. 1652, 1653 (Einbeziehung der Anschaffungsnebenkosten). 320 Werndl in Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, § 6 EStG, Rn. B 528 m. w. N.; Brezing in HdJ, Abt. I / 12, Rn. 14; Herrmann / Heuer / Raupach, § 6 EStG, Rn. 809. 317 318

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Teil 4: Teilwert und beizulegender Wert

zur Fortführung des Unternehmens benötigen und daher die Wiederbeschaffungskosten am Stichtag zu zahlen bereit sein321. Die Wiederbeschaffungkosten am Stichtag sind zugleich auch die Höchstgrenze des Teilwerts322, da ein Unternehmenserwerber für einen einzelnen Gegenstand vermutlich nicht mehr als den Betrag bezahlen würde, den er aufwenden müßte, um ihn, falls er fehlte, wiederzubeschaffen323. Der zweite Grundsatz besagt, daß die Wiederbeschaffungskosten am Stichtag im Regelfall mit den fortgeführten historischen Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten gleichzusetzen sind. Dies ergibt sich aus dem bereits dargestellten Gedankengang, daß eine Ermittlung der Wiederbeschaffungskosten der Gegenstände des Anlagevermögens anhand realer Marktwerte vielfach nicht praktikabel wäre und daher hilfsweise auf die Beschaffungskosten eines neuen Gegenstandes abzüglich eines Abschlags zur Berücksichtigung des Wertverzehrs zurückgegriffen werden kann324. Haben sich die Preisverhältnisse seit der Anschaffung bzw. Herstellung des Gegenstandes nicht verändert, entspricht der Teilwert danach den fortführten historischen Beschaffungskosten. Demgegenüber stellt die herrschende Praxis bei der Ermittlung des Teilwerts nicht unmittelbar auf diese beiden Grundsätze, sondern auf ein System hieraus ableitbarer Vermutungen ab, das bereits in der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs entstanden ist und bis heute unverändert fortgeführt wird. Im einzelnen unterscheidet die herrschende Praxis drei Teilwertvermutungen für das Anlagevermögen sowie eine weitere Teilwertvermutung für das Umlaufvermögen325. Nach der ersten Vermutung entspricht der Teilwert eines neu hergestellten oder angeschafften Wirtschaftsguts des Anlagevermögens zum Zeitpunkt seiner Beschaffung den Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten und deckt sich zu einem späteren Zeitpunkt mit den Wiederbeschaffungskosten326. Für abnutzbare Gegen321 Ähnlich Groh, StuW 1976, S. 32 (36); Herrmann / Heuer / Raupach, § 6 EStG, Rn. 1005; dazu auch oben Teil 2.A.II.2. (S. 24 f.). 322 BFH vom 19. 05. 1998 – I R 54 / 97 – BFHE 186, S. 230 (231) = BStBl. II 1999, S. 277; vom 12. 05. 1993 – II R 2 / 90 – BFHE 171, S. 334 (337) = BStBl. II 1993, S. 587 (588 f.); so bereits RFH vom 14. 12. 1927, a. a. O. (Fn. 164), RFHE 22, S. 309 (310 f.); vom 09. 05. 1928 – I A 190 / 28 – RFHE 23, S. 244 (245); vom 06. 03. 1935, a. a. O. (Fn. 163), StuW II 1935, Nr. 288 (Sp. 685); Mayer-Wegelin in Bordewin / Brandt, § 6 EStG, Rn. 140; Fischer in Kirchhof, § 6 EStG, Rn. 94; Ortmann-Babel in Lademann / Söffing / Brockhoff, § 6 EStG, Rn. 407; Winkeljohann in Herrmann / Heuer / Raupach, § 6 EStG, Rn. 615. 323 BFH vom 12. 05. 1993 – II R 2 / 90 – BFHE 171, S. 334 (337) = BStBl. II 1993, S. 587 (588 f.); vom 08. 05. 1981 – III R 26 / 79 – BFHE 133, S. 567 (569) = BStBl. II 1981, S. 702 (703 f.); so bereits RFH vom 14. 12. 1927, a. a. O. (Fn. 164), RFHE 22, S. 309 (310); Fischer in Kirchhof, § 6 EStG, Rn. 83. Zur Bedeutungslosigkeit der tatsächlichen Bewertungspraxis bei Unternehmensveräußerungen für die Teilwertermittlung oben Teil 2.A.II.2. (S. 24). 324 Oben Teil 4.B.I.1. (S. 57, 59). 325 Zum Umlaufvermögen unten Teil 4.C.II.1. (S. 71). 326 BFH vom 29. 04. 1999 – IV R 63 / 97 – BB 1999, S. 1652 (1653); vom 06. 07. 1995 – IV R 30 / 93 – BFHE 178, S. 176 (179) = BStBl. II 1995, S. 831 (832); vom 08. 09. 1994 –

B. Beizulegender Wert und Teilwert des Anlagevermögens

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stände des Anlagevermögens gilt eine weitere Vermutung, daß der Teilwert an folgenden Abschlußstichtagen den um Absetzungen für Abnutzung verminderten Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten gleich ist327. Schließlich besagt eine dritte Vermutung, daß der Teilwert eines nicht abnutzbaren Gegenstandes des Anlagevermögens auch an folgenden Abschlußstichtagen den Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten entspricht328. Nach diesen Teilwertvermutungen entspricht der Teilwert also gleichzeitig sowohl den fortgeführten historischen Beschaffungskosten als auch den Wiederbeschaffungskosten am Stichtag. Weichen beide Werte voneinander ab, sind die Wiederbeschaffungskosten am Stichtag maßgebend329. IV R 16 / 94 – BFHE 176, S. 340 (343) = BStBl. II 1995, S. 309 (310); vom 31. 01. 1991 – IV R 31 / 90 – BFHE 164, S. 232 (234) = BStBl. II 1991, S. 627; vom 20. 05. 1988 – III R 151 / 86 – BFHE 153, S. 566 (568) = BStBl. II 1989, S. 269 (270); vom 04. 10. 1989 – II R 72 / 86 – BFHE 158, S. 450 (451) = BStBl. II 1989, S. 962 (963); vom 17. 09. 1987 – III R 201 – 202 / 84 – BFHE 152, S. 221 (223) = BStBl. II 1988, S. 488 (489); vom 19. 10. 1972 – I R 244 / 70 – BFHE 107, S. 214 (215) = BStBl. II 1973, S. 54 (55); so bereits RFH vom 08. 08. 1930, a. a. O. (Fn. 163), RStBl. 1931, S. 117 (118); vom 27. 09. 1932, a. a. O. (Fn. 163), RStBl. 1932, S. 1072 (1074); Mayer-Wegelin in Bordewin / Brandt, § 6 EStG, Rn. 139; Winkeljohann in Herrmann / Heuer / Raupach, § 6 EStG, Rn. 595; ähnlich Fischer in Kirchhof, § 6 EStG, Rn. 102. 327 BFH vom 20. 09. 1989 – II R 96 / 86 – BFHE 159, S. 95 (97) = BStBl. II 1990, S. 206 (207); vom 01. 04. 1981 – I R 27 / 79 – BFHE 133, 386 (390) = BStBl. II 1981, S. 660 (662); vom 09. 10. 1969 – IV 166 / 64 – BFHE 97, S. 533 (535) = BStBl. II 1970, S. 205 (206); vom 26. 08. 1958 – I 80 / 57 U – BFHE 67, S. 382 (387) = BStBl. III 1958, S. 420 (422); so bereits RFH vom 18. 12. 1929 – VI A 1849 / 29 – RStBl. 1930, S. 90 (91); Berger / Ring in Beck’scher Bilanz-Kommentar, § 253 HGB, Rn. 311; Biergans, S. 423; Winkeljohann in Herrmann / Heuer / Raupach, § 6 EStG, Rn. 595; Fischer in Kirchhof, § 6 EStG, Rn. 102; Werndl in Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, § 6 EStG, Rn. B 373; Knobbe-Keuk, S. 176; Döring in Küting / Weber, § 253 HGB, Rn. 152; Ortmann-Babel in Lademann / Söffing / Brockhoff, § 6 EStG, Rn. 400; Glanegger in L. Schmidt, § 6 EStG, Rn. 232; Winnefeld, S. 1074 f. 328 BFH vom 04. 12. 1991 – I R 148 / 90 – BFHE 166, S. 472 (475) = BStBl. II 1992, S. 383 (385); vom 07. 11. 1990 – I R 116 / 86 – BFHE 162, S. 552 (554) = BStBl. II 1991, S. 341; vom 28. 10. 1976 – IV R 76 / 72 – BFHE 120, S. 245 (248) = BStBl. II 1977, S. 73 (74); so bereits RFH vom 19. 09. 1928 – VI A 1143 / 28 – StuW II 1928, Nr. 16 (Sp. 39, 41); Berger / Ring in Beck’scher Bilanz-Kommentar, § 253 HGB, Rn. 310; Mayer-Wegelin in Bordewin / Brandt, § 6 EStG, Rn. 139; Glade, § 253 HGB, Rn. 70; Winkeljohann in Herrmann / Heuer / Raupach, § 6 EStG, Rn. 594; Fischer in Kirchhof, § 6 EStG, Rn. 102; Werndl in Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, § 6 EStG, Rn. B 377; Knobbe-Keuk, S. 177; Döring in Küting / Weber, § 253 HGB, Rn. 152; Ortmann-Babel in Lademann / Söffing / Brockhoff, § 6 EStG, Rn. 400; Glanegger in L.Schmidt, § 6 EStG, Rn. 231; Winnefeld, S. 1074 f. 329 BFH vom 06. 07. 1995 – IV R 30 / 93 – BFHE 178, S. 176 (179) = BStBl. II 1995, S. 831 (832); vom 04. 12. 1991, a. a. O. (Fn. 328); vom 13. 04. 1988 – I R 104 / 86 – BFHE 153, S. 340 (346) = BStBl. II 1988, S. 892 (894); vom 25. 08. 1983 – IV R 218 / 80 – BFHE 139, S. 268 (272) = BStBl. II 1984, S. 33 (34); vom 30. 01. 1980 – I R 89 / 79 – BFHE 130, S. 28 (31) = BStBl. II 1980, S. 327 (328); vom 13. 10. 1976 – I R 79 / 74 – BFHE 122, S. 37 (39) = BStBl. II 1977, S. 540 (541); vom 02. 03. 1973 – III R 88 / 69 – BFHE 109, S. 63 (65 f.) = BStBl. II 1973, S. 475 (476); vom 19. 10. 1972 – I R 244 / 70 – BFHE 107, S. 214 (215) = BStBl. II 1973, S. 54 (55); vom 09. 10. 1969, a. a. O. (Fn. 327); so bereits RFH vom 09. 05. 1928 – I A 190 / 28 – RFHE 23, S. 244 (245); vom 19. 09. 1928 – VI A 1143 / 28 – StuW II 1929, Nr. 16 (Sp. 39, 41); vom 08. 08. 1930, a. a. O. (Fn. 163), RStBl. 1931, S. 117

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Teil 4: Teilwert und beizulegender Wert

Der Reichsfinanzhof hat die gedankliche Herleitung der Teilwertvermutungen nicht näher erläutert, wohl da der zugrundeliegende Gedankengang nach damaligem Verständnis auf der Hand lag. Jedenfalls zeigt ein Vergleich, daß sich diese Teilwertvermutungen unmittelbar aus den eingangs genannten beiden Grundsätzen ableiten lassen und keine inhaltlichen Unterschiede bestehen. Auffällig ist allerdings, daß die Herleitung der Teilwertvermutungen in der heutigen Rechtsprechung oder Literatur weder dargestellt noch diskutiert wird. Dies erweckt den Anschein, daß die herrschende Praxis hier an dem in der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs geprägten System der Teilwertvermutungen festhält, obwohl dessen Herleitung und Bedeutung heute gar nicht mehr nachvollzogen werden kann.

2. Die Bewertung der nicht zum weiteren Gebrauch im Unternehmen bestimmten Gegenstände des Anlagevermögens Nach herrschender Praxis sind die dargestellten Teilwertvermutungen widerlegt, wenn ein Gegenstand des Anlagevermögens veräußert werden soll oder seine Beschaffung aus der Sicht des Stichtags eine Fehlmaßnahme war, also sein wirtschaftlicher Nutzen bei objektiver Betrachtung deutlich hinter dem für den Erwerb oder die Herstellung getätigten Aufwand zurückbleibt und dieser Aufwand demgemäß so unwirtschaftlich war, daß er von einem gedachten Erwerber des gesamten Betriebs im Kaufpreis nicht honoriert würde330. Die Rechtsprechung hat eine Fehlmaßnahme angenommen, wenn eine technische Anlage nach einem Verbot des Vertriebs der damit herstellbaren Produkte überhaupt nicht mehr genutzt werden kann331, ein Tanker kurz vor der Ölkrise bestellt wurde332 oder soziale Einrichtungen in einem Betrieb geschaffen wurden, die die Arbeitnehmer nicht angenommen haben333. (118); Berger / Ring in Beck’scher Bilanz-Kommentar, § 253 HGB, Rn. 311; Biergans, S. 424, 426; Ehmcke in Blümich, § 6 EStG, Rn. 630; Mayer-Wegelin in Bordewin / Brandt, § 6 EStG, Rn. 142, 429; Gürsching / Stenger, § 10 BewG, Rn. 117; Fischer in Kirchhof, § 6 EStG, Rn. 102; Werndl in Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, § 6 EStG, Rn. B 401; Knobbe-Keuk, S. 177; Döring in Küting / Weber, § 253 HGB, Rn. 152; Ortmann / Babel in Lademann / Söffing / Brockhoff, § 6 EStG, Rn. 404; Glanegger in L. Schmidt, § 6 EStG, Rn. 232; Winnefeld, S. 1074 f. 330 BFH vom 20. 05. 1988 – III R 151 / 86 – BFHE 153, S. 566 (568) = BStBl. II 1989, S. 269 (270); vom 17. 11. 1987 – VIII R 348 / 82 – BFHE 152, S. 226 (228) = BStBl. II 1988, S. 430 (431); vom 17. 09. 1987 – III R 201 – 202 / 84 – BFHE 152, S. 221 (223) = BStBl. II 1988, S. 488 (489) m. w. N.; RFH vom 09. 07. 1931 – VI A 323 / 31 – RStBl. 1931, S. 819; Ehmcke in Blümich, § 6 EStG, Rn. 625; Mayer-Wegelin in Bordewin / Brandt, § 6 EStG, Rn. 143; Winkeljohann in Herrmann / Heuer / Raupach, § 6 EStG, Rn. 599; Werndl in Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, § 6 EStG, Rn. B 390; Ortmann-Babel in Lademann / Söffing / Brockhoff, § 6 EStG, Rn. 403; Glanegger in L. Schmidt, § 6 EStG, Rn. 237. 331 BFH vom 17. 09. 1987, a. a. O. (Fn. 330). 332 BFH vom 17. 11. 1987, a. a. O. (Fn. 330). 333 BFH vom 30. 11. 1988 – I R 114 / 84 – BFHE 155, S. 337 (340 f.) = BStBl. II 1990, S. 117 (119).

B. Beizulegender Wert und Teilwert des Anlagevermögens

65

In den genannten Fällen entspricht der Teilwert des Bewertungsgegenstandes dem Einzelveräußerungswert am Stichtag. Darunter ist der Betrag zu verstehen, der sich für den Gegenstand bei einer Veräußerung nach Abzug aller bis dahin noch anfallenden Kosten erzielen ließe334.

3. Die Bewertung überdimensionierter Gegenstände Schließlich nimmt die steuerrechtliche Praxis eine Widerlegung der Teilwertvermutungen an, wenn ein Wirtschaftsgut nach den Verhältnissen des Betriebs erheblich und voraussichtlich dauerhaft überdimensioniert ist. Dies beruht auf der Erwägung, ein gedachter Unternehmenserwerber werde für eine überdimensionierte Anlage nicht mehr als den Betrag bezahlen, den er für die Anschaffung oder Herstellung einer bedarfsgerechten Anlage aufwenden müßte. Maßgebend für den Teilwert einer überdimensionierten Anlage sind danach die Wiederbeschaffungskosten einer dem betrieblichen Bedarf entsprechenden Anlage335.

III. Unterschiede und Gemeinsamkeiten Im Ergebnis sind sowohl der beizulegende Wert als auch der Teilwert der Gegenstände des Anlagevermögens regelmäßig aus den Beschaffungsmarktpreisen abzuleiten. Maßgeblich sind danach die Wiederbeschaffungskosten, also die Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten, die bei einer Wiederbeschaffung eines vergleichbaren Gegenstandes am Stichtag entstehen würden. Die Wiederbeschaffungskosten am Stichtag sind regelmäßig mit den fortgeführten historischen Beschaffungskosten gleichzusetzen, sofern keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß sich die Preisverhältnisse seit der Anschaffung bzw. Herstellung des Gegenstandes verändert haben. Der Absatzmarktpreis ist für den beizulegenden Wert bzw. den Teilwert des Anlagevermögens nur maßgeblich, wenn der Bewertungsgegenstand ausnahmsweise nicht mehr zum weiteren Gebrauch im Unternehmen bestimmt ist. Dies betrifft zum einen Anlagegegenstände, die veräußert werden sollen. Zum anderen gilt dies für Anlagegegenstände, die in dem Betrieb nicht mehr genutzt werden können. 334 Ehmcke in Blümich, § 6 EStG, Rn. 674; Berger / Ring in Beck’scher Bilanz-Kommentar, § 253 HGB, Rn. 316 (dort „fünfte Teilwertvermutung“); Brezing in HdJ, Abt. I / 12, Rn. 10; Winkeljohann in Herrmann / Heuer / Raupach, § 6 EStG, Rn. 616; Werndl in Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, § 6 EStG, Rn. B 362; ähnlich Ortmann-Babel in Lademann / Söffing / Brockhoff, § 6 EStG, Rn. 411; Glanegger in L. Schmidt, § 6 EStG, Rn. 228; BFH vom 25. 08. 1983 – IV R 218 / 80 – BFHE 139, S. 268 (272) = BStBl. II 1984, S. 33 (34). 335 BFH vom 17. 09. 1987, a. a. O. (Fn. 330); Berger / Ring in Beck’scher Bilanz-Kommentar, § 253 HGB, Rn. 311; Groh, StuW 1976, S. 32 (37); Winkeljohann in Herrmann / Heuer / Raupach, § 6 EStG, Rn. 613 m. w. N.; Winnefeld, S. 1078.

5 Rief-Drewes

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Teil 4: Teilwert und beizulegender Wert

Zwar sind in der zuletzt genannten Fallgruppe die Voraussetzungen für eine Maßgeblichkeit des Absatzmarktpreises nicht identisch, da die steuerrechtliche Praxis hier darauf abstellt, ob die Beschaffung des Gegenstandes als „Fehlmaßnahme“ anzusehen ist. Jedoch legt die Rechtsprechung diesen Begriff eng aus und erkennt eine Fehlmaßnahme im Ergebnis nur an, wenn der Bewertungsgegenstand für den Betrieb nutzlos ist. Ungeachtet des unterschiedlichen dogmatischen Ausgangspunktes dürften sich die Ergebnisse daher in aller Regel nicht unterscheiden. Unter dem Absatzmarktpreis ist handels- wie steuerrechtlich der für den Gegenstand voraussichtlich erzielbare Veräußerungserlös unter Abzug der bis zur Veräußerung noch anfallenden Aufwendungen zu verstehen. Handelsrechtlich ergibt sich dies aus den Grundsätzen der verlustfreien Bewertung, mit der eine Belastung künftiger Jahresabschlüsse durch etwaige Verluste bei der Veräußerung des Gegenstandes ausgeschlossen werden soll. Nach der steuerrechtlichen Dogmatik folgt dieses Ergebnis aus der Erwägung, daß ein gedachter Unternehmenserwerber für einen Veräußerungsgegenstand nicht mehr als den Betrag bezahlen würde, den er bei der Weiterveräußerung nach Abzug der noch anfallenden Kosten dafür erzielen kann, um nicht sehenden Auges ein Verlustgeschäft einzugehen. Unterschiede in den Ergebnissen sind auch hier nicht erkennbar.

Übersicht 1 Beizulegender Wert und Teilwert des Anlagevermögens

Gegenstand der Bewertung

Beizulegender Wert

Teilwert

zum weiteren Gebrauch im Unternehmen bestimmte Gegenstände

Wiederbeschaffungskosten am Stichtag

dsgl.

nicht zum weiteren Gebrauch voraussichtlicher Veräußeim Unternehmen bestimmte rungserlös abzüglich bis zur Gegenstände Veräußerung noch anfallender Aufwendungen überdimensionierte Gegenstände

Wiederbeschaffungskosten eines bedarfsgerecht dimensionierten Gegenstandes am Stichtag

dsgl.

dsgl.

C. Beizulegender Wert und Teilwert des Umlaufvermögens

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C. Beizulegender Wert und Teilwert des Umlaufvermögens I. Beizulegender Wert 1. Die Bewertung der zur Veräußerung bestimmten Gegenstände des Umlaufvermögens Zum Umlaufvermögen gehören Vermögensgegenstände, die bestimmungsgemäß nicht dauernd dem Geschäftsbetrieb des Unternehmens dienen sollen (vgl. § 247 Abs. 2 HGB), sondern regelmäßig in einem einmaligen Akt veräußert oder verbraucht werden336. Von den Gegenständen des Umlaufvermögens sind Handelswaren sowie unfertige und fertige Erzeugnisse und unfertige Leistungen unmittelbar zur Veräußerung bestimmt. Dies unterscheidet sie von den Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen, die regelmäßig nicht veräußert werden sollen, sondern der Herstellung der zu veräußernden Erzeugnisse und Leistungen dienen337. Bei der Bewertung der zur Veräußerung bestimmten Gegenstände des Umlaufvermögens ist zu berücksichtigen, daß künftige Jahresabschlüsse durch einen hierbei etwa entstehenden Veräußerungsverlust belastet werden können. Das Imparitätsprinzip gebietet daher eine Bewertung, die gewährleistet, daß die Veräußerung des Gegenstandes verlustfrei erfolgen kann338. Daher ist der beizulegende Wert der zur Veräußerung bestimmten Gegenstände des Umlaufvermögens ausgehend vom Absatzmarkt zu bestimmen339. Maßgebend ist dabei der vorsichtig geschätzte Veräußerungserlös, der um die bis zur Veräußerung noch anfallenden Aufwendungen zu vermindern ist340. Bei Vermögensgegenständen des Umlaufvermögens kommen hier insbesondere Erlösschmälerungen (Skonti, Mengenrabatte), Verpackungskosten, Vertriebskosten (Provisionen, Aufstellungskosten, Garantierisiken) sowie noch anfallende Verwaltungskosten (z. B. Lagerhaltung, Lagerverwaltung) in Betracht341. Speziell bei un336 BFH vom 20. 09. 1995 – X R 225 / 93 – BFHE 178, S. 434 (438 f.) = BStBl. II 1997, S. 320 (322); vom 13. 01. 1972 – V R 47 / 71 – BFHE 106, S. 142 (143) = BStBl. II 1972, 744; Schulze-Osterloh in Baumbach / Hueck, § 42 GmbHG, Rn. 132; ähnlich ADS, § 247 HGB, Rn. 124; Reinhard in Küting / Weber, § 247 HGB, Rn. 81. 337 Zur Bewertung der Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe sogleich Teil 4.C.I.2. (S. 68). 338 Ellrott / Ring in Beck’scher Bilanz-Kommentar, § 253 HGB, Rn. 521; Döring in Küting / Weber, § 253 HGB, Rn. 169; Leffson, S. 380. 339 Baetge / Kirsch / Thiele, S. 222; Schulze-Osterloh in Baumbach / Hueck, § 42 GmbHG, Rn. 312; Großfeld, Bilanzrecht, S. 85; Walz in Heymann, § 253 HGB, Rn. 87; Koch, WPg 1957, S. 1 ff. (60 f.); Leffson, S. 398, 407 ff., 423; Schulte, WPg 1979, S. 505 ff. Überwiegend wird darüber hinaus auch der Beschaffungsmarktpreis für maßgebend gehalten, z. B. ADS, § 253 HGB, Rn. 488 ff. m. w. N.; dazu sogleich unten Teil 4.B.I.3. (S. 69 f.). 340 ADS, § 253 HGB, Rn. 524 ff.; Schulze-Osterloh in Baumbach / Hueck, § 42 GmbHG, Rn. 312; Baetge / Kirsch / Thiele, S. 221; Ellrott / Ring in Beck’scher Bilanz-Kommentar, § 253 HGB, Rn. 521 f.; Großfeld, Bilanzrecht, S. 85; Knobbe-Keuk, S. 198; Döring in Küting / Weber, § 253 HGB, Rn. 169.

5*

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Teil 4: Teilwert und beizulegender Wert

fertigen Erzeugnissen kann eine verlustfreie Bewertung erreicht werden, indem der Absatzmarktpreis des fertigen Erzeugnisses bzw. der fertigen Leistung um die Kosten der Fertigstellung vermindert wird342. Nicht zulässig wäre hingegen der Abzug eines kalkulatorischen Unternehmergewinns343, wie dies steuerrechtlich befürwortet wird344. Die Ermittlung des beizulegenden Werts nach den Grundsätzen der verlustfreien Bewertung stellt bereits sicher, daß künftige Jahresergebnisse durch die Veräußerung des Gegenstandes nicht belastet werden. Eine noch niedrigere Bewertung ist nach dem Imparitätsprinzip nicht geboten. 2. Die Bewertung der nicht zur Veräußerung bestimmten Gegenstände des Umlaufvermögens Speziell bei der Bewertung der Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe ist eine Ableitung des beizulegenden Werts aus dem Absatzmarktpreis nicht geboten, da sie bestimmungsgemäß nicht veräußert werden sollen und folglich auch kein Veräußerungsverlust droht345. Nach dem Imparitätsprinzip ist der Absatzmarktpreis für den beizulegenden Wert der Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe daher nur ausnahmsweise maßgebend, soweit Überbestände vorhanden sind, die voraussichtlich veräußert werden müssen346. Allerdings kann ein Indiz für eine drohende Belastung künftiger Jahresabschlüsse in einem Rückgang der Beschaffungsmarktpreise gesehen werden. Dies ergibt sich auch im Rahmen der Bewertung der Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe aus dem bereits dargestellten Gedanken347, daß ein Rückgang der Beschaffungskosten von Produktionsfaktoren konkurrierende Unternehmen in die Lage versetzt, ihre Kostenvorteile an den Markt weiterzugeben und daher ein Rückgang der Preise der Endprodukte möglich ist348. Eine Berechnung des theoretisch richtigen Antizi341 ADS, § 253 HGB, Rn. 525 f.; Ellrott / Ring in Beck’scher Bilanz-Kommentar, § 253 HGB, Rn. 522; Döring in Küting / Weber, § 253 HGB, Rn. 169; Winnefeld, S. 1030. 342 ADS, § 253 HGB, Rn. 527 f.; Ellrott / Ring in Beck’scher Bilanz-Kommentar, § 253 HGB, Rn. 524; Döring in Küting / Weber, § 253 HGB, Rn. 169. 343 ADS, § 253 HGB, Rn. 526; Ellrott / Ring in Beck’scher Bilanz-Kommentar, § 253 HGB, Rn. 523; Knobbe-Keuk, S. 198; Döring in Küting / Weber, § 253 HGB, Rn. 169; Walz in Heymann, § 253 HGB, Rn. 100; Winnefeld, S. 1030 f.; unklar Glade, § 253 HGB, Rn. 473. 344 Dazu sogleich Teil 4.C.II.1. (S. 71). 345 Ähnlich Baetge / Kirsch / Thiele, S. 222. 346 ADS, § 253 HGB, Rn. 499; Baetge / Kirsch / Thiele, S. 222; Baumbach / Hopt, § 253 HGB, Rn. 18; Ellrott / Ring in Beck’scher Bilanz-Kommentar, § 253 HGB, Rn. 517; Kropff in Geßler / Hefermehl / Eckardt / Kropff, § 155 AktG, Rn. 45 (zu § 155 AktG a.F.); Döring in Küting / Weber, § 253 HGB, Rn. 166 und 171; Winnefeld, S. 1028. 347 Oben Teil 4.B.I.1. (S. 57 f.) sowie Teil 4.B.I.3. (S. 60 f.). 348 Baetge / Kirsch / Thiele, S. 222; Kropff in Geßler / Hefermehl / Eckardt / Kropff, § 155 AktG, Rn. 44 (zu § 155 AktG a.F.).

C. Beizulegender Wert und Teilwert des Umlaufvermögens

69

pationsbetrags würde bei der Bewertung der Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe zu erheblichen Schwierigkeiten führen, da eine Aufteilung des Veräußerungserlöses des Endprodukts auf die zu seiner Herstellung eingesetzten Produktionsfaktoren kaum sachgerecht und willkürfrei möglich ist349. Der beizulegende Wert der Roh-, Hilfsund Betriebsstoffe ist daher hilfsweise aus dem Beschaffungsmarktpreis abzuleiten und entspricht danach den Wiederbeschaffungskosten am Stichtag350.

3. Keine Maßgeblichkeit des Beschaffungsmarktpreises bei der Bewertung von Handelswaren und Erzeugnissen Die handelsrechtliche Praxis ermittelt den beizulegenden Wert von Handelswaren und Erzeugnissen nicht allein anhand des Absatzmarktpreises, sondern berücksichtigt darüber hinaus auch die Preisverhältnisse des Beschaffungsmarktes. So ist der beizulegende Wert von unfertigen und fertigen Erzeugnissen nach wohl überwiegender Auffassung aus dem Beschaffungsmarktpreis abzuleiten, soweit ein Fremdbezug möglich ist351. Darüber hinaus sollen für Handelswaren sowie Überbestände an unfertigen und fertigen Erzeugnissen sowohl der Absatzmarktpreis als auch der Beschaffungsmarktpreis zu berücksichtigen und der jeweils niedrigere beider Werte maßgeblich sein (sogenannte doppelte Maßgeblichkeit)352. Die Berücksichtigung des Beschaffungsmarktpreises bei der Ermittlung des beizulegenden Werts von Handelswaren und Erzeugnissen wird vielfach mit dem Hinweis gerechtfertigt, daß dies einer langen Bilanzierungstradition entspreche353. Jedoch kann die tatsächliche Übung der Kaufleute für die Auslegung des Begriffs beizulegender Wert im Sinne des § 253 Abs. 3 S. 2 HGB nur maßgebend sein, soweit sie im Einklang mit den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung steht. Dies ist bei der Berücksichtigung des Beschaffungsmarktpreises im Rahmen der Bewertung von Handelswaren und Erzeugnissen nicht der Fall, da eine verlustfreie 349 Kropff in Geßler / Hefermehl / Eckardt / Kropff, § 155 AktG, Rn. 44 (zu § 155 AktG a.F.). 350 Im Ergebnis auch ADS, § 253 HGB, Rn. 492; Baetge / Kirsch / Thiele, S. 222; Baumbach / Hopt, § 253 HGB, Rn. 18; Schulze-Osterloh in Baumbach / Hueck, § 42 GmbHG, Rn. 312; Ellrott / Ring in Beck’scher Bilanz-Kommentar, § 253 HGB, Rn. 516; Großfeld, Bilanzrecht, S. 85; Walz in Heymann, § 253 HGB, Rn. 88; Knobbe-Keuk, S. 198; Kropff in Geßler / Hefermehl / Eckardt / Kropff, § 155 AktG, Rn. 44 (zu § 155 AktG a.F.); Winnefeld, S. 1028; ähnlich Döring in Küting / Weber, § 253 HGB, Rn. 166 und 171; unklar Glade, § 253 HGB, Rn. 530, der hier ferner auch den Verkaufspreis für maßgebend hält. 351 ADS, § 253 HGB, Rn. 488 ff.; Baumbach / Hopt, § 253 HGB, Rn. 19; Ellrott / Ring in Beck’scher Bilanz-Kommentar, § 253 HGB, Rn. 517; Döring in Küting / Weber, § 253 HGB, Rn. 166 und 172; Winnefeld, S. 1028. 352 ADS, § 253 HGB, Rn. 488 ff.; Baumbach / Hopt, § 253 HGB, Rn. 20; Ellrott / Ring in Beck’scher Bilanz-Kommentar, § 253 HGB, Rn. 519; Glade, § 253 HGB, Rn. 530 f.; Niedner in Heidelberger Kommentar zum Handelsgesetzbuch, § 253 HGB, Rn. 42; Knobbe-Keuk, S. 197; Thiel, S. 211; Winnefeld, S. 1028. 353 ADS, § 253 HGB, Rn. 488.

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Teil 4: Teilwert und beizulegender Wert

Bewertung dieser Gegenstände anhand des Absatzmarktpreises erforderlich und ausreichend ist, um eine Belastung künftiger Jahresabschlüsse auszuschließen; diese Bilanzierungspraxis ist daher nach dem Imparitätsprinzip nicht geboten354. Die geschilderte Bilanzierungspraxis kann aber auch nicht selbst als Grundsatz ordnungsmäßiger Buchführung angesehen werden. Selbst wenn man den Kanon der kodifizierten Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung nicht als abschließend ansieht, ist für die Annahme ungeschriebener Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung nur Raum, sofern die betreffende Bilanzierungsweise im Einklang mit den Zielen des Jahresabschlusses steht. Andernfalls hätten es die Kaufleute in der Hand, die Bewertungsgrundsätze nach ihren eigenen Interessen zu gestalten und so den vom Gesetzgeber gewollten Schutz der Belange der übrigen Adressaten des Jahresabschlusses zu unterlaufen355. Ein wesentlicher Zweck der Aufstellung einer Handelsbilanz besteht darin, daß der Kaufmann gegenüber sich selbst sowie seinen Gläubigern Rechenschaft ablegen soll356. Diese Rechenschaftsfunktion der Handelsbilanz wird durch stille Reserven in der Bewertung beeinträchtigt, weil deren Auflösung eine zu günstige Darstellung der Ertragslage des Unternehmens in künftigen Rechnungsperioden bewirkt und so mögliche Verluste verschleiern kann. Daher sind stille Reserven grundsätzlich nur hinzunehmen, soweit dies aus gewichtigen Gründen, insbesondere zur Wahrung des Realisationsprinzips, erforderlich ist357. Derartige Gründe liegen in bezug auf die Bilanzierungspraxis, Handelswaren und Erzeugnisse nicht nur verlustfrei anhand des Absatzmarktpreises zu bewerten, sondern darüber hinaus auch einen niedrigeren Beschaffungsmarktpreis zu berücksichtigen, nicht vor. Vielmehr läuft es der Rechenschaftsfunktion der Handelsbilanz gerade zuwider, auf diese Art und Weise den Ausweis eines Buchgewinns bei der Veräußerung der Gegenstände zu ermöglichen und damit den Anschein einer positiven Entwicklung der Ertragslage des Unternehmens zu erzeugen. Schließlich spricht auch der Verweis auf eine enge Verzahnung von Absatz- und Beschaffungsmarktpreisen nicht für die geschilderte Bilanzierungspraxis358. Aus dieser Beobachtung folgt nur, daß das Absinken der Beschaffungsmarktpreise einen entsprechenden Rückgang der Absatzmarktpreise indizieren kann und daher Anlaß bieten mag, den voraussichtlich erzielbaren Veräußerungserlös der Waren oder Erzeugnisse niedriger zu schätzen. 354 Schulze-Osterloh in Baumbach / Hueck, § 42 GmbHG, Rn. 312; Walz in Heymann, § 253 HGB, Rn. 89; so im Grundsatz auch Döring in Küting / Weber, § 253 HGB, Rn. 166 und 172 f. sowie Kropff in Geßler / Hefermehl / Eckardt / Kropff, § 155 AktG, Rn. 43 (zu § 155 AktG a.F.), die aber gleichwohl den Beschaffungsmarkt für die Bewertung fertiger und unfertiger Erzeugnisse, bei denen Fremdbezug möglich ist, für maßgeblich halten. 355 Baetge / Kirsch / Thiele, S. 94. 356 Baetge / Kirsch / Thiele, S. 83 ff.; Ellerich in Küting / Weber, S. 102 ff.; Leffson, S. 63 ff. 357 Ähnlich Baetge / Kirsch / Thiele, S. 171 f. 358 So aber ADS, § 253 HGB, Rn. 492.

C. Beizulegender Wert und Teilwert des Umlaufvermögens

71

Danach ist eine Berücksichtigung des Beschaffungsmarktpreises bei der Ermittlung des beizulegenden Werts von Handelswaren, fertigen und unfertigen Erzeugnissen, bei denen ein Fremdbezug möglich ist, sowie von Überbeständen an Erzeugnissen abzulehnen359.

II. Teilwert 1. Die Bewertung der zur Veräußerung bestimmten Gegenstände des Umlaufvermögens Nach Auffassung der steuerrechtlichen Praxis ist auch der Teilwert der Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens ausgehend von den Teilwertvermutungen zu ermitteln. Für die Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens gilt die Vermutung, daß ihr Teilwert zur Zeit der Anschaffung bzw. Herstellung den Anschaffungs- oder Herstellungskosten und an späteren Bewertungsstichtagen den Wiederbeschaffungskosten entspricht360. Diese Vermutung ist bei einem zur Veräußerung bestimmten Gegenstand des Umlaufvemögens widerlegt, wenn der hierfür voraussichtlich erzielbare Veräußerungserlös nach Abzug etwa noch anfallender Veräußerungskosten niedriger ist361, denn es kann nicht unterstellt werden, daß ein Unternehmenserwerber mit der Zahlung eines höheren Betrages sehenden Auges ein Verlustgeschäft eingehen würde. 359 Baetge / Kirsch / Thiele, S. 222; Schulze-Osterloh in Baumbach / Hueck, § 42 GmbHG, Rn. 312; Walz in Heymann, § 253 HGB, Rn. 89; Leffson, S. 358, 373, 398, 407 f.; ähnlich Mellwig in Festschrift für Adolf Moxter, S. 1071 (1082 f.); differenzierend Döring in Küting / Weber, § 253 HGB, Rn. 172 f. sowie Kropff in Geßler / Hefermehl / Eckardt / Kropff, § 155 AktG, Rn. 43 (zu § 155 AktG a.F.): Maßgeblichkeit des Beschaffungsmarktes nur bei fertigen und unfertigen Erzeugnissen, bei denen Fremdbezug möglich ist. 360 BFH vom 24. 02. 1994 – IV R 18 / 92 – BFHE 174, S. 149 (151) = BStBl. II 1994, S. 514 (515); vom 13. 04. 1988 – I R 104 / 86 – BFHE 153, S. 340 (346) = BStBl. II 1988, S. 892 (894); vom 30. 01. 1980 – I R 89 / 79 – BFHE 130, S. 28 (31) = BStBl. II 1980, S. 327 (328); vom 13. 10. 1976 – I R 79 / 74 – BFHE 122, S. 37 (39) = BStBl. II 1977, S. 540 (541); so bereits RFH vom 14. 12. 1927, a. a. O. (Fn. 164), RFHE 22, S. 309 (311); Winkeljohann in Herrmann / Heuer / Raupach, § 6 EStG, Rn. 596; Werndl in Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, § 6 EStG, Rn. B 541 f.; Ortmann-Babel in Lademann / Söffing / Brockhoff, § 6 EStG, Rn. 400; Glanegger in L. Schmidt, § 6 EStG, Rn. 230 und 233; Winnefeld, S. 1074 f.; zu den hinter den Teilwertvermutungen stehenden beiden Grundgedanken oben Teil 4.B.II.1. (S. 61 f.). 361 BFH vom 09. 11. 1994 – I R 68 / 92 – BFHE 176, S. 239 (240) = BStBl. II 1995, S. 336 (337); vom 27. 10. 1983 – IV R 143 / 80 – BFHE 139, S. 282 (283) = BStBl. II 1984, S. 35 (36); Werndl in Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, § 6 EStG, Rn. B 541 ff.; Ellrott / Ring in Beck’scher Bilanz-Kommentar, § 253 HGB, Rn. 547; Knobbe-Keuk, S. 176; Ehmcke in Blümich, § 6 EStG, Rn. 660 ff.; Ortmann-Babel in Lademann / Söffing / Brockhoff, § 6 EStG, Rn. 411; Herrmann / Heuer / Raupach, § 6 EStG, Rn. 1007 ff.; Glanegger in L. Schmidt, § 6 EStG, Rn. 228 und 233; Winnefeld, S. 1079; zur Berücksichtigung einer Unternehmergewinnspanne bei der Bewertung von Waren und Erzeugnissen unten Teil 4.C.II.1. (S. 71 f.).

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Teil 4: Teilwert und beizulegender Wert

Im Ergebnis gelangt die steuerrechtliche Praxis bei der Ermittlung des Teilwerts von Veräußerungsgegenständen des Umlaufvermögens also zu einer – für den handelsrechtlichen beizulegenden Wert abzulehnenden362 – „doppelten Maßgeblichkeit“ von Absatz- und Beschaffungsmarktpreis. Bei einer Ableitung aus dem Absatzmarktpreis entspricht der Teilwert grundsätzlich dem voraussichtlichen Veräußerungserlös unter Abzug aller bis zur Veräußerung noch anfallenden Aufwendungen363. Allerdings erlaubt die herrschende Praxis speziell bei der Bewertung von Handelswaren364 und Erzeugnissen365 darüber hinaus noch den Abzug eines durchschnittlichen Unternehmergewinns. Diese Besonderheit wird mit der Erwägung gerechtfertigt, ein Unternehmenserwerber werde diese Gegenstände nur zu einem Preis übernehmen, der ihm noch einen üblichen Unternehmergewinn zu erzielen gestatte366. Demgegenüber soll der Abzug einer Gewinnspanne bei anderen Veräußerungsgegenständen, etwa bei Grundstükken, die ein Kreditinstitut zur Rettung notleidender Kredite erworben hat, unzulässig sein367. Unter den Wiederbeschaffungskosten sind grundsätzlich die Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten zu verstehen, die bei einer Wiederbeschaffung des Bewertungsgegenstandes am Stichtag entstehen würden. Speziell bei der Ermittlung der Wiederherstellungskosten von Erzeugnissen weicht die steuerrechtliche Praxis von diesem Grundsatz jedoch teilweise ab. Danach sollen bei der Ermittlung der Wiederherstellungskosten von Erzeugnissen auch die bis zum Stichtag angefallenen Oben Teil 4.C.I.3. (S. 69). Nachweis Fn. 361. 364 BFH vom 24. 02. 1994 – IV R 18 / 92 – BFHE 174, S. 149 (151) = BStBl. II 1994, S. 514; vom 27. 10. 1983 – IV R 143 / 80 – BFHE 139, S. 282 (283) = BStBl. II 1984, S. 35 (36); vom 30. 01. 1980 – I R 89 / 79 – BFHE 130, S. 28 (31) = BStBl. II 1980, S. 327 (328); vom 06. 11. 1975 – IV R 205 / 71 – BFHE 121, S. 312 (316) = BStBl. II 1977, S. 377 (379); vom 05. 05. 1966 – IV 252 / 60 – BFHE 86, S. 28 (31) = BStBl. III 1966, S. 370 (371) = StRK EStG (bis 1974), § 6 AbS. 1 Ziff. 2 R. 198; anders noch BFH vom 13. 03. 1964 – IV 236 / 63 S – BFHE 79, S. 529 (534) = BStBl. III 1964, S. 426 (427); RFH vom 04. 06. 1940 – III 74 / 39 – RStBl. 1940, S. 1067 (1068); für den Abzug einer Gewinnspanne wiederum RFH vom 08. 11. 1934 – III A 290 / 34 – StuW 1934, Nr. 771 (Sp. 1628); Biergans, S. 427; Ehmcke in Blümich, § 6 EStG, Rn. 660, 669; Ellrott / Ring in Beck’scher Bilanz-Kommentar, § 253 HGB, Rn. 547; Christiansen, StbJb 1991 / 92, S. 125 (132); Groh, StuW 1976, S. 32 (36); Brezing in HdJ, Abt. I / 12, Rn. 9; Winkeljohann in Herrmann / Heuer / Raupach, § 6 EStG, Rn. 596 und Rn. 1012; Werndl in Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, § 6 EStG, Rn. B 378; Winnefeld, S. 1079; a.A. Kessler, DStR 1994, S. 1289 (1295); Maaßen, DB 1966, S. 1247 (1248). 365 BFH vom 13. 10. 1976 – I R 79 / 74 – BFHE 122, S. 37 (39) = BStBl. II 1977, S. 540 (541 f.); Christiansen, StbJb 1991 / 92, S. 125 (131); Ellrott / Ring in Beck’scher Bilanz-Kommentar, § 253 HGB, Rn. 547; Ehmcke in Blümich, § 6 EStG, Rn. 660; Brezing in HdJ, Abt. I / 12, Rn. 9; Herrmann / Heuer / Raupach, § 6 EStG, Rn. 1012. 366 BFH vom 05. 05. 1966, a. a. O. (Fn. 364). 367 BFH vom 09. 11. 1994, a. a. O. (Fn. 361), BFHE 176, S. 239 (243) = BStBl. II 1995, S. 336 (338); zustimmend Ehmcke in Blümich, § 6 EStG, Rn. 669; Mayer-Wegelin in Bordewin / Brandt, § 6 EStG, Rn. 434 c. 362 363

C. Beizulegender Wert und Teilwert des Umlaufvermögens

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Vertriebskosten zu berücksichtigen sein368, obwohl diese nicht zu den Herstellungskosten zählen (§ 255 Abs. 2 S. 6 HGB i.V.m. § 5 Abs. 1 S. 1 EStG). Zur Begründung heißt es, es widerspreche der Teilwertdefinition, wenn der Veräußerer des Unternehmens diese Kosten nicht berücksichtigen und dadurch dem Erwerber einen höheren Gewinnanteil überlassen würde, als er ihn selbst erzielen könne369. 2. Die Bewertung der nicht zur Veräußerung bestimmten Gegenstände des Umlaufvermögens Nach den Teilwertvermutungen entspricht der Teilwert der nicht zur Veräußerung bestimmten Gegenstände, zu denen im Bereich des Umlaufvermögens die Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe zählen, regelmäßig den Wiederbeschaffungskosten am Stichtag370. Diese Vermutung ist nach den dargestellten Grundsätzen widerlegt, wenn diese Gegenstände ausnahmsweise veräußert werden sollen oder ihre Beschaffung als Fehlmaßnahme anzusehen ist. In diesem Fall entspricht der Teilwert dem voraussichtlichen Veräußerungserlös unter Abzug der bis zur Veräußerung noch anfallenden Aufwendungen371. III. Unterschiede und Gemeinsamkeiten Im Ergebnis sind sowohl der beizulegende Wert als auch der Teilwert der zur Veräußerung bestimmten Gegenstände des Umlaufvermögens aus dem Absatzmarktpreis abzuleiten. Allerdings ist bei der Ermittlung des Teilwerts von Handelswaren und Erzeugnissen auch der niedrigere Beschaffungsmarktpreis zu berücksichtigen, während eine solche „doppelte Maßgeblichkeit“ von Absatz- und Beschaffungsmarktpreis handelsrechtlich abzulehnen ist. Nicht zur Veräußerung bestimmte Gegenstände des Umlaufvermögens – namentlich Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe – sind sowohl handels- als auch steuerrechtlich ausgehend von ihrem Beschaffungsmarktpreis zu bewerten, sofern es sich nicht um Überbestände handelt, die voraussichtlich veräußert werden müssen. Bei der Bewertung eines Gegenstandes des Umlaufvermögens anhand des Absatzmarktpreises entsprechen sowohl der beizulegende Wert als auch der Teilwert grundsätzlich dem voraussichtlichen Veräußerungserlös abzüglich der bis zur Ver368 BFH vom 20. 07. 1973 – III R 100 – 101 / 72 – BFHE 110, S. 203 (206) = BStBl. II 1973, S. 794 (795); vom 04. 10. 1989 – II R 72 / 86 – BFHE 158, S. 450 (451) = BStBl. II 1989, S. 962 (963); Ehmcke in Blümich, § 6 EStG, Rn. 647 f.; kritisch bereits Euler, FR 1979, S. 502 ff. 369 BFH vom 20. 07. 1973, a. a. O. (Fn. 368). 370 Oben Teil 4.B.II.1. (S. 61 f.). 371 Oben Teil 4.B.II.2. (S. 64 f.).

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Teil 4: Teilwert und beizulegender Wert

äußerung noch anfallenden Kosten. Speziell bei der Bewertung von Handelswaren und Erzeugnissen läßt die steuerrechtliche Praxis darüber hinaus noch den Abzug eines durchschnittlichen Unternehmergewinns zu. Unter den Wiederbeschaffungskosten sind handels- und steuerrechtlich die Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten zu verstehen, die im Falle einer Wiederbeschaffung des Gegenstandes am Stichtag entstehen würden. Abweichend davon berücksichtigt die steuerrechtliche Praxis bei der Ermittlung der Wiederherstellungskosten von Erzeugnissen auch die bis zum Stichtag angefallener Vertriebskosten, obwohl es sich dabei nicht um Herstellungskosten handelt (§ 255 Abs. 2 S. 6 HGB i.V.m. § 5 Abs. 1 S. 1 EStG). Übersicht 2 Beizulegender Wert und Teilwert des Umlaufvermögens

Gegenstand der Bewertung

Beizulegender Wert

Teilwert

zur Veräußerung bestimmte Gegenstände

voraussichtlicher Veräußerungserlös abzüglich bis zur Veräußerung noch anfallender Aufwendungen (Einzelveräußerungswert)

– grds. Wiederbeschaffungskosten am Stichtag, speziell bei Erzeugnissen zzgl. angefallener Vertriebskosten – ggf. niedrigerer Einzelveräußerungswert, speziell bei Waren und Erzeugnissen abzüglich einer Unternehmergewinnspanne

nicht zur Veräußerung bestimmte Gegenstände

– grds. Wiederbeschaffungskosten am Stichtag – Einzelveräußerungswert bei Überbeständen an Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen

dsgl.

D. Die Bedeutungslosigkeit der Ertragslage des Unternehmens für die Bewertung I. Beizulegender Wert Nach allgemeiner Auffassung ist es unzulässig, einzelne Vermögensgegenstände im Hinblick auf eine gute Ertragslage oder den Gesamtwert des bilanzierenden Unternehmens höher zu bewerten. Eine Berücksichtigung derartiger Umstände bei

D. Bedeutungslosigkeit der Ertragslage des Unternehmens

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der Bilanzierung wäre mit dem Grundsatz der Einzelbewertung und dem Anliegen einer objektiven und willkürfreien Bewertung nicht unvereinbar372. Allerdings hält ein Teil der handelsrechtlichen Literatur eine Abschreibung auf den beizulegenden Wert für zulässig, wenn das bilanzierende Unternehmen nachhaltig mit Verlust arbeitet und die Unrentabilität ihre Ursache unmittelbar oder mittelbar in den Gegenständen des Betriebsvermögens findet. Hiervon soll auszugehen sein, wenn die fehlende Rentabilität des ganzen Unternehmens darauf beruht, daß die vorhandenen Anlagen technisch veraltet sind oder zur Verwendung technisch oder wirtschaftlich überholter Produktionsverfahren zwingen373. Diese Auffassung überzeugt nicht. Zwar kommt in derartigen Fällen eine Abschreibung auf den beizulegenden Wert unter dem Gesichtspunkt in Betracht, daß die Wiederbeschaffungskosten einer technisch veralteten Anlage niedriger als die historischen Beschaffungskosten sein werden. Denn in aller Regel hat die Einführung technisch verbesserter Geräte zur Folge, daß der Wert der veralteten Gegenstände sinkt und daher ein Abschlag bei der Bewertung geboten ist374. Eine Berücksichtigung der Ertragslage des Unternehmens bei der Bewertung einzelner Gegenstände des Betriebsvermögens ist dem Bilanzrecht jedoch aus den eingangs genannten Gründen fremd. Ob das bilanzierende Unternehmen rentabel arbeitet oder nicht, ist für die Ermittlung des beizulegenden Werts technisch veralteter Anlagen daher ohne Bedeutung.

II. Teilwert Nach allgemeiner Auffassung erhöht eine gute Ertragslage des bilanzierenden Unternehmens den Teilwert der hierzu gehörigen einzelnen Wirtschaftsgüter nicht375. Allerdings kann die „nachhaltige Unrentabilität“ des Unternehmens nach Auffassung der Rechtsprechung den Teilwert mindern. Die Rechtsprechung schränkt diesen Grundsatz jedoch dahingehend ein, daß eine solche „nachhaltige“ Unrentabilität nur dann vorliege, wenn der Unternehmer bereits konkrete Maßnahmen zur alsbaldigen Liquidierung oder Stillegung des Betriebs getroffen habe376.

Statt aller ADS, § 252 HGB, Rn. 48. ADS, § 253 HGB, Rn. 467; Winnefeld, S. 1017. 374 ADS, § 253 HGB, Rn. 458. 375 Nachweise Fn. 226. 376 BFH vom 06. 07. 1995 – IV R 30 / 93 – BFHE 178, S. 176 (179 f.) = BStBl. II 1995, S. 831 (832); vom 20. 09. 1989 – II R 96 / 86 – BFHE 159, S. 95 (97) = BStBl. II 1990, S. 206 (207); vom 17. 11. 1987 – II B 29 / 87 – BFH / NV 1989, S. 435; vom 30. 11. 1988 – II R 237 / 83 – BFHE 155, S. 140 (144) = BStBl. II 1989, S. 183 (185); vom 17. 09. 1987 – III R 201 – 202 / 84 – BFHE 152, S. 221 (225) = BStBl. II 1988, S. 488 (490); vom 02. 03. 1973 – III R 88 / 69 – BFn. 109, S. 63 (Leitsatz) = BStBl. II 1973, S. 475; Ortmann-Babel in Lademann / Söffing / Brockhoff, § 6 EStG, Rn. 392; Glanegger in L. Schmidt, § 6 EStG, Rn. 238. 372 373

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Teil 4: Teilwert und beizulegender Wert

Diese Herleitung der Erforderlichkeit konkreter Stillegungsmaßnahmen aus dem Begriff der „nachhaltigen Unrentabilität“ ist nicht plausibel, da zwischen der Rentabilität eines Unternehmens und der Entscheidung über die Fortführung der Unternehmenstätigkeit kein notwendiger Zusammenhang besteht377. Auf diese Weise werden zwei unterschiedliche Fragen, nämlich zum einen die Bedeutung der Ertragslage und zum anderen die Bedeutung der Nichtfortführung des bilanzierenden Unternehmens für die Ermittlung des Teilwerts378, miteinander vermengt. Daher ist dieser Rechtsprechung nur im Ergebnis darin zuzustimmen, daß eine Teilwertabschreibung allein wegen der mangelnden Ertragsfähigkeit des bilanzierenden Unternehmens nicht zulässig ist; nach den bereits dargestellten Grundsätzen ist die Rentabilität des bilanzierenden Unternehmens für den Teilwert eines einzelnen Wirtschaftsgutes ohne jede Bedeutung379.

III. Unterschiede und Gemeinsamkeiten Die Ertragslage des bilanzierenden Unternehmens ist weder für den beizulegenden Wert noch für den Teilwert von Bedeutung.

E. Die Bewertung bei Nichtfortführung des Unternehmens I. Handelsrechtliche Bewertung Gemäß § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB ist bei der Bewertung von der Fortführung der Unternehmenstätigkeit auszugehen, wenn dem keine tatsächlichen oder rechtlichen Gegebenheiten entgegenstehen. Solange diese Voraussetzungen nicht vorliegen, ist ein Ansatz der Zerschlagungswerte in der Bilanz ausgeschlossen380. Zu den tatsächlichen Gegebenheiten, die eine Fortführung der Unternehmenstätigkeit ausschließen können, zählen insbesondere wirtschaftliche Schwierigkeiten, wenn sie voraussichtlich eine Einstellung des Geschäfts oder eine Veräußerung der zum Unternehmen gehörigen Gegenstände außerhalb der normalen Geschäftstätigkeit erzwingen381. Ausreichend ist aber bereits die ernsthafte Absicht des Unter377 Kritisch zur Rechtsprechung daher Ehmcke in Blümich, § 6 EStG, Rn. 690 („Rentabilität des Betriebes“); Döllerer, StbJb 1977 / 78, S. 129 (135 f.); Winkeljohann in Herrmann / Heuer / Raupach, § 6 EStG, Rn. 607 f.; Jonas, StbJb 1991 / 92, S. 113 (116 f.); Werndl in Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, § 6 EStG, Rn. B 395 ff.; Piltz, StbJb 1991 / 92, S. 147 (164 f.). 378 Dazu sogleich Teil 4.E.II. (S. 77 f.). 379 Dazu oben Teil 2.B.III.1. (S. 31) und 2.B.IV.1. (S. 35 ff.). 380 Baetge / Kirsch / Thiele, S. 160; Baumbach / Hopt, § 252 HGB, Rn. 7; Niedner in Heidelberger Kommentar zum HGB, § 252 HGB, Rn. 3. 381 ADS, § 252 HGB, Rn. 28.

E. Bewertung bei Nichtfortführung des Unternehmens

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nehmers zur Einstellung des Unternehmens382. Zu den rechtlichen Gegebenheiten, die einer Fortführung der Unternehmenstätigkeit entgegenstehen können, zählen insbesondere die Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder die Auflösung des Unternehmens aufgrund von gesetzlichen Vorschriften oder Satzungsbestimmungen383. Kann von einer Fortführung des Unternehmens danach nicht ausgegangen werden, sind die Vermögensgegenstände im Hinblick auf die bevorstehende Liquidation des Unternehmens grundsätzlich anhand des Absatzmarktpreis zu bewerten384. Die Höchstgrenze der Bewertung sind dabei die Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten, da auch die bevorstehende Einstellung des Unternehmens keinen Grund für einen Ausweis unrealisierter Gewinne in der Bilanz darstellt385.

II. Steuerrechtliche Bewertung Auch die steuerrechtliche Praxis geht davon aus, daß die Wirtschaftsgüter entgegen den Teilwertvermutungen ausgehend vom Absatzmarktpreis zu bewerten sind, wenn eine Fortführung des Unternehmens nicht beabsichtigt ist. Allerdings ist die Begründung der Rechtsprechung nicht nachvollziehbar, die dieses Ergebnis aus dem Obersatz herleitet, daß auch „nachhaltige Unrentabilität“ des bilanzierenden Unternehmens eine Teilwertabschreibung rechtfertige, die aber nur vorliege, wenn der Unternehmer bereits konkrete Maßnahmen zur Stillegung des Unternehmens ergriffen habe386. Aus Sicht dieser Arbeit ist der Teilwert seinem Sinn und Zweck nach nicht anwendbar, wenn das Unternehmen im Einzelfall nicht fortgeführt werden soll. Denn der Erwerberformel liegt der Gedanke zugrunde, den gemeinen Wert der zu einem Betrieb gehörigen Gegenstände unter Berücksichtigung der Fortführung des Unternehmens zu ermitteln387. Soll das Unternehmen nicht fortgeführt werden, ist der Fortführungswert (Teilwert) daher nicht maßgebend. Vielmehr sind die Wirtschaftsgüter angesichts der bevorstehenden Liquidation des Unternehmens mit ihrem Veräußerungswert anzusetzen. Dabei sind auch steuerrechtlich die historischen Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten als Höchstgrenze der Bewertung anzusehen (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 und 2, Nr. 2 S. 1 und 2 EStG), da ADS, § 252 HGB, Rn. 24. ADS, § 252 HGB, Rn. 29. 384 ADS, § 252 HGB, Rn. 33; Hense / Geißler in Beck’scher Bilanz-Kommentar, § 252 HGB, Rn. 20; Baumbach / Hopt, § 252 HGB, Rn. 7; Schulze-Osterloh in Baumbach / Hueck, § 42 GmbHG, Rn. 245; Walz in Heymann, § 253 HGB, Rn. 75; differenzierend Selchert in Küting / Weber, § 252 HGB, Rn. 40 f. 385 ADS, § 252 HGB, Rn. 33; Baetge / Kirsch / Thiele, S. 160; Schulze-Osterloh in Baumbach / Hueck, § 42 GmbHG, Rn. 245; Selchert in Küting / Weber, § 252 HGB, Rn. 42. 386 Oben Teil 4.D.II (S. 75). 387 Oben Teil 2.A.II.1., S. 22 (Handelsrecht), Teil 2.B.III.2., S. 34 (Bewertungsrecht) und Teil 2.B.IV.2., S. 38 (Einkommensteuerrecht). 382 383

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Teil 4: Teilwert und beizulegender Wert

eine Besteuerung unrealisierter Gewinne auch bei Nichtfortführung des Unternehmens nicht geboten ist.

III. Unterschiede und Gemeinsamkeiten Wenn das Unternehmen nicht fortgeführt werden soll, sind die Gegenstände des Betriebsvermögens im Ergebnis sowohl in der Handels- als auch in der Steuerbilanz ausgehend von ihrem Absatzmarktpreis zu bewerten, wobei die Bewertung die historischen Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten nicht überschreiten darf.

F. Ergebnis Ungeachtet der unterschiedlichen dogmatischen Ausgangspunkte stimmen der beizulegende Wert und der Teilwert in seiner derzeitigen Auslegung im Ergebnis bis auf wenige Ausnahmen überein. Unterschiede ergeben sich zunächst daraus, daß die steuerrechtliche Praxis den Teilwert zur Veräußerung bestimmter Gegenstände des Umlaufvermögens sowohl aus dem Absatz- als auch aus dem Beschaffungsmarktpreis ableitet und den niedrigeren beider Werte als maßgeblich erachtet, während eine Berücksichtigung des Beschaffungsmarktpreises handelsrechtlich nicht geboten ist. Speziell bei der Ermittlung der Wiederherstellungskosten von Erzeugnissen berücksichtigt die steuerrechtliche Praxis ferner auch die bis zum Stichtag angefallenen Vertriebskosten, obwohl diese nicht zu den Herstellungskosten zählen. Schließlich erlaubt die steuerrechtliche Praxis bei der Ableitung des Teilwerts von Handelswaren und Erzeugnissen aus dem Einzelveräußerungswert den Abzug einer fiktiven Gewinnspanne des gedachten Unternehmenserwerbers. Auch dies ist bei der Ermittlung des handelsrechtlichen beizulegenden Werts nach den Grundsätzen der verlustfreien Bewertung nicht zulässig.

Teil 5

Keine Beibehaltung der bisherigen Auslegung des Teilwerts als Durchbrechung des Maßgeblichkeitsgrundsatzes Auch wenn der Teilwert hiernach grundsätzlich im Sinne des handelsrechtlichen beizulegenden Werts auszulegen ist, folgt daraus noch nicht, daß die dargestellte Auslegung des Teilwerts notwendigerweise aufzugeben ist. Denn auch soweit das Steuerrecht auf nichtsteuerrechtliche Begriffe oder Institutionen Bezug nimmt, schließt das die Entwicklung einer eigenständigen Auslegung für den Bereich des Steuerrechts nicht aus388. Dies gilt im besonderen Maße auch für die Auslegung des Teilwerts, da das seiner Einführung zugrundeliegende Maßgeblichkeitsprinzip – wie die zahlreichen kodifizierten Durchbrechungen dieses Grundsatzes belegen (vgl. § 5 Abs. 2 ff., §§ 6 ff. EStG) – nach dem objektivierten Willen des Gesetzgebers ohnehin nicht ausnahmslos verwirklicht werden soll, sondern die Ziele der steuerlichen Gewinnermittlung ein Abweichen von diesem Grundsatz gerade erfordern können. Unter anderen Vorzeichen würde sich die Frage nach der Sinnhaftigkeit eines Festhaltens an dem bisherigen Verständnis des Teilwerts aber auch dann stellen, wenn der Gesetzgeber das Maßgeblichkeitsprinzip eines Tages aufgeben sollte. Zwar läßt sich nicht vorhersehen, wie der Gesetzgeber das an die Stelle der handelsrechtlichen Vorschriften tretende Steuerbilanzrecht ausgestalten könnte. Auch in diesem Fall wäre aber der Frage nachzugehen, ob der Teilwert in seiner derzeitigen Form beizubehalten oder durch einen anderen Begriff zu ersetzen wäre. Daher soll im folgenden untersucht werden, ob die Ziele der Steuerbilanz eine Beibehaltung der von der Rechtsprechung und Literatur entwickelten Auslegung des Teilwerts sowie der daraus folgenden Unterschiede zwischen Handels- und Steuerbilanz gebieten. Zunächst ist festzuhalten, daß die Dogmatik der herrschenden Praxis keinen Bezug zu den Zielen der steuerlichen Gewinnermittlung aufweist. Denn die derzeitige Auslegung der Erwerberformel geht nicht von den aus dem Grundgesetz herleitbaren Prinzipien der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, der Gleichmäßigkeit oder der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung aus389. Vielmehr folgt die steuerrechtliche Praxis hier einem Kanon von Teilwertvermutungen, die in den 388 389

Z. B. Tipke / Lang, § 5, Rn. 69 f. Zu den Zielen der Steuerbilanz oben Teil 3.B. (S. 50).

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Teil 5: Keine Beibehaltung der bisherigen Auslegung des Teilwerts

20er Jahren des vorigen Jahrhunderts in der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs auf der Grundlage einer zumindest fragwürdigen Auslegung des Wortlauts der Erwerberformel entstanden sind und deren Herleitung und Bedeutung heute offenbar nicht mehr erklärt werden kann. Weiterhin unterscheidet sich der Teilwert bereits nach derzeitigem Verständnis ohnehin nur in Ausnahmefällen von dem handelsrechtlichen beizulegenden Wert390. Die Ergebnisse stimmen derart weitgehend überein391, daß handelsrechtliche Autoren die Auffassung vertreten, Rechtsprechung und Schrifttum zum Teilwert böten wertvolle Anhaltspunkte zur Auslegung des beizulegenden Werts392. Soweit der Teilwert aber bereits nach derzeitigem Verständnis inhaltsgleich mit dem handelsrechtlichen beizulegenden Wert ist, spricht nichts dafür, diese Gesetzesauslegung weiterhin aus den Gedanken eines fiktiven Unternehmenserwerbers heraus zu begründen. Zudem lassen sich gerade die wenigen Unterschiede zwischen dem Teilwert und dem beizulegenden Wert, die sich auf der Grundlage der derzeitigen Dogmatik des Teilwerts herausgebildet haben, nicht als Ausprägung der unterschiedlichen Ziele von Handels- und Steuerbilanz ansehen. So gebieten es die Ziele der Steuerbilanz nicht, die zur Veräußerung bestimmten Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens nicht nur verlustfrei anhand des Absatzmarktpreises zu bewerten, sondern darüber hinaus auch einen etwa niedrigeren Beschaffungsmarktpreis zu berücksichtigen oder bei der Ableitung des Teilwerts von Handelswaren und Erzeugnissen aus dem Absatzmarktpreis eine Gewinnspanne in Abzug zu bringen. Nicht unbestritten ist in diesem Zusammenhang bereits die Frage, ob der hier maßgebliche Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit überhaupt eine verlustfreie Bewertung anhand des Absatzmarktpreises rechtfertigt. So sah der Entwurf eines Steuerentlastungsgesetzes 1999 / 2000 / 2002 zunächst eine Abschaffung der Teilwertabschreibung mit der Begründung vor, das Imparitätsprinzip sei mit dem steuerrechtlichen Leistungsfähigkeitsprinzip unvereinbar393. Danach läßt sich durchaus bezweifeln, ob das Leistungsfähigkeitsprinzip eine Vorwegnahme künftiger Verluste gebietet, die das Imparitätsprinzip in Form der Bildung von Rückstellungen für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften ermöglicht394; das Imparitätsprinzip als solches ist daher nicht verfassungsrechtlich gesichert395.

Oben Teil 4.F. (S. 78). Baetge / Kirsch / Thiele, S. 223 f.; Vogt, S. 182 f.; Döring in Küting / Weber, § 253 HGB, Rn. 152, 187 („im Prinzip [. . .] identisch“). 392 ADS, § 253 HGB, Rn. 471; Glade, § 253 HGB, Rn. 40; Niehus / Scholz in Meyer-Landrut u. a., §§ 238 – 335 HGB, Rn. 244. 393 BT-DrS 14 / 23, S. 171. 394 Schulze-Osterloh, DStJG Bd. 23 (2000), S. 67 (72 ff.). 395 Schulze-Osterloh, DStJG Bd. 23 (2000), S. 67 (75). 390 391

Teil 5: Keine Beibehaltung der bisherigen Auslegung des Teilwerts

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Nach zutreffender Auffassung gebietet das Leistungsfähigkeitsprinzip aber jedenfalls die Berücksichtigung bereits entstandener Verluste, weil wertlose oder im Wert geminderte Gegenstände die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Bilanzierenden am Stichtag, die auf der Grundlage des Betriebsvermögensvergleichs ermittelt werden soll, nicht erhöhen396. Weitergehende Abschreibungen, die über das Ziel einer verlustfreien Bewertung hinausgehen, lassen sich mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip aber nicht mehr begründen. Danach fehlt es zunächst an einer Rechtfertigung der nach Auffassung der steuerrechtlichen Praxis zulässigen Berücksichtigung der Wiederbeschaffungskosten bei der Ermittlung des Teilwerts von Veräußerungsgegenständen. Die Höhe der Wiederbeschaffungskosten eines zum Verkauf bestimmten Gegenstandes berührt weder die gegenwärtige noch die zukünftige wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen, da allein der erzielbare Veräußerungserlös Einfluß auf die Fähigkeit des Steuerpflichtigen haben kann, Zahlungen zu leisten. Gleiches gilt aber auch für den Abzug eines durchschnittlichen Unternehmergewinns bei der Ermittlung des Teilwerts von Handelswaren und Erzeugnissen. Denn hier stellt die gebotene Wertermittlung nach den Grundsätzen der verlustfreien Bewertung bereits sicher, daß der Gegenstand bei der Ermittlung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Bilanzierenden am Stichtag nicht zu hoch bewertet wird. Der Umstand, daß bei der späteren Veräußerung des Gegenstandes voraussichtlich kein Gewinn ausgewiesen werden kann, hat auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen am Stichtag keinen Einfluß; in der Zukunft nicht erzielbare Gewinne sind keine gegenwärtigen Verluste. Schließlich läßt auch die Berücksichtigung der Vertriebskosten bei der Ermittlung der Wiederherstellungskosten von Erzeugnissen keinen Bezug zu den Prinzipien der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit oder der Gleichmäßigkeit der Besteuerung erkennen. Auch diese Auslegung beruht allein auf einem fragwürdigen Verständnis des Wortlauts der Erwerberformel. Danach ist eine Aufrechterhaltung der derzeitigen Auslegung des Teilwerts nach den Zielen der steuerlichen Gewinnermittlung nicht geboten.

396 Pezzer, DStJG Bd. 14 (1991), S. 3 (24 f.); ähnlich Hennrichs, StuW 1999, S. 138 (142 f.); ders., DStJG Bd. 24 (2001), S. 301 (322 f.); Kessler, DStR 1994, S. 1289 (1294 f.); Küting / Kessler, DStR 1998, S. 1937 (1940).

6 Rief-Drewes

Teil 6

Gesamtergebnis Der Teilwert ist seinem Sinn und Zweck nach inhaltlich identisch mit dem handelsrechtlichen beizulegenden Wert. Nach der Vorstellung des historischen Gesetzgebers war der gemeine Wert unter Berücksichtigung der Fortführung des Unternehmens (§ 19 Abs. 1 S. 2 EStG 1925), der in der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs die Bezeichnung Teilwert fand und unter dieser Begriffsbestimmung im Jahre 1934 kodifziert wurde, identisch mit dem handelsrechtlichen beizulegenden Wert. Die Einführung dieses Wertes sollte eine willkürliche Unterbewertung für den Bereich des Steuerrechts ausschließen, da in der Handelsbilanz nach damaligem Verständnis auch ein beliebiger niedrigerer Wert als der beizulegende Wert angesetzt werden durfte. Auch der Wortlaut der Legaldefinition des Teilwerts steht dieser Auslegung nicht entgegen. Zwar ist ein Bezug der Erwerberformel zum handelsrechtlichen beizulegenden Wert für einen heutigen Betrachter nicht ohne weiteres erkennbar. Zur Zeit seiner Kodifkation gab die Erwerberformel jedoch das herrschende Verständnis des handelsrechtlichen beizulegenden Werts wieder. Dem lag die inzwischen aufgegebene Auffassung zugrunde, das bilanzrechtliche Gebot zur Berücksichtigung der Fortführung des Unternehmens besage, den Wert der Gegenstände für den Fall einer Veräußerung an den Erwerber zu ermitteln, der den ganzen Betrieb übernehmen und fortführen will. Diese Erkenntnisse aus der Entstehungsgeschichte des Teilwerts legen es nahe, ihn im Sinne des handelsrechtlichen beizulegenden Werts auszulegen. Dies entspricht noch heute dem objektivierten Willen des Gesetzgebers, jedenfalls solange dieser den Grundsatz der Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz nicht aufgibt, dessen Verwirklichung die Einführung des Teilwerts in das Einkommensteuerrecht ursprünglich dienen sollte. Derzeit wird die vom Gesetzgeber gewollte Identität des Teilwerts mit dem handelsrechtlichen beizulegenden Wert jedoch nahezu durchweg nicht oder nicht klar erkannt. So ermittelt die steuerrechtliche Praxis den Teilwert anhand eines Systems von Teilwertvermutungen, die noch auf die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs zurückgehen, ohne den Sinn und Zweck der Legaldefinition des Teilwerts genau zu benennen. Diese Auslegung des Teilwerts ist auch nicht als Einschränkung des Maßgeblichkeitsprinzips beizubehalten, da sie nach den Zielen der steuerlichen Gewinnermittlung nicht geboten ist. Zunächst weist das Teilwertverständnis der herrschen-

Teil 6: Gesamtergebnis

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den Praxis in dogmatischer Hinsicht keinen Bezug zum Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit oder anderen steuerrechtlichen Prinzipien auf. Auch soweit diese Auslegung zu gleichen Ergebnissen führt, spricht daher nichts dafür, zur Begründung weiterhin auf die Gedanken eines gedachten Erwerbers abzustellen. Aber auch die Unterschiede zwischen Teilwert und beizulegendem Wert, die sich in der herrschenden Praxis herausgebildet haben, lassen sich mit den Zielen der steuerlichen Gewinnermittlung nicht rechtfertigen. Eine Auslegung des Teilwerts im Sinne des handelsrechtlichen beizulegenden Werts würde es ermöglichen, die überkommene Dogmatik zu der Annahme eines gedachten Erwerbers aufzugeben und den Teilwert unmittelbar anhand der handelsrechtlichen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung auszulegen. Die Bewertungsergebnisse würden sich in aller Regel nicht ändern. Allerdings wären bei der Ermittlung des Teilwerts zur Veräußerung bestimmter Gegenstände des Umlaufvermögens, deren beizulegender Wert nach hier vertretener Auffassung ausschließlich aus dem Absatzmarktpreis abzuleiten ist, eine Berücksichtigung des niedrigeren Beschaffungsmarktpreises sowie der Abzug einer Gewinnspanne bei Handelswaren und Erzeugnissen nicht mehr zulässig. Hält man entgegen der hier vertretenen Ansicht auch die Wiederbeschaffungskosten für den beizulegenden Wert von Erzeugnissen für maßgeblich, so wäre darüber hinaus bei der Ermittlung des Teilwerts dieser Gegenstände zukünftig von einer Berücksichtigung etwa angefallener Vertriebskosten abzusehen. Weitere Unterschiede zwischen dem Teilwert und dem beizulegendem Wert sind nicht ersichtlich. Die nach dem Ergebnis dieser Arbeit gebotene Auslegung des Teilwerts im Sinne des handelsrechtlichen beizulegenden Werts liefe insoweit auf eine Rückkehr zum Grundsatz der Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz hinaus. Ob das Maßgeblichkeitsprinzip beibehalten werden sollte, wird derzeit kontrovers diskutiert. Unabhängig von der Frage, ob man die Einführung eines eigenständigen Steuerbilanzrechts befürwortet, wäre es angesichts des jahrzehntelangen Streits um den Teilwert jedoch schon ein Fortschritt, wenn diese Arbeit zur Verbreitung der Erkenntnis beitragen könnte, daß der Teilwert auf überholten Vorstellungen über die Bewertungspraxis bei Unternehmensveräußerungen beruht und in seiner heutigen Auslegung in jedem Fall aufgegeben werden sollte. Dies würde nicht nur eine Beendigung des unergiebigen Streits über die Gedanken gedachter Unternehmenserwerber ermöglichen. Vor allem würde auf diese Weise die eigentlich maßgebliche Frage – nämlich welche Bewertung der Bilanzgegenstände den Zielen der steuerlichen Gewinnermittlung gerecht wird – wieder zum Ausgangs- und Mittelpunkt der wissenschaftlichen Diskussion.

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Personen- und Sachverzeichnis Abschreibung – auf den beizulegenden Wert 20, 55, 56, 75 – auf den niedrigeren Teilwert 13, 43, 44, 46, 76, 77, 80 Anlagevermögen, Bewertung – beizulegender Wert 57, 59, 60, 65 – Teilwert 61, 64, 65 Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten 21, 22, 55; s. auch fortgeführte Anschaffungsbzw. Herstellungskosten Anschaffungswertprinzip 20 Aufteilung des Gesamtkaufpreises, Teilwertermittlung durch: s. Gesamtkaufpreis des Unternehmens Becker, Enno 32, 36, 37, 38, 45 beizulegender Wert 19, 23, 24, 26, 55 – Anlagevermögen 57, 59, 60, 65 – Erzeugnisse 69 – Handelswaren 69 – Nichtfortführung des Unternehmens 76, 78 – Rentabilität des Unternehmens 74, 76 – Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe 68 – Teilwert, Unterschiede und Gemeinsamkeiten 48, 55, 78, 79 – überdimensionierte Gegenstände 60, 66 – Umlaufvermögen 67, 68, 69, 73 – Unternehmergewinnspanne 68 betriebsarteigene Wirtschaftsgüter 43, 45 Bewertung: s. Anlagevermögen, Bewertung; Umlaufvermögen, Bewertung Bewertungseinheiten 28, 29, 30; s. auch wirtschaftliche Einheit bilanzzweckadäquate Teilwertauslegung 17 Differenzformel 39 doppelte Maßgeblichkeit

69, 73

Einlagen, Bewertung mit Teilwert 13 Einstellung der Unternehmenstätigkeit: s. Nichtfortführung des Unternehmens Entnahmen, Bedeutung des Teilwerts 13 Erfolgsbilanz 21, 22 erhöhte Wiederbeschaffungskosten 43, 45 Eröffnung eines Betriebs, Bedeutung des Teilwerts 13 Ertragslage: s. Rentabilität des Unternehmens Ertragswert 59 Erwerb eines Betriebs, Bedeutung des Teilwerts 13 Erzeugnisse – beizulegender Wert 67, 68, 69 – Teilwert 72, 73, 74, 81 Fehlmaßnahme 64, 73 Firmenwert 43 fortgeführte Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten 20 fortgeführter Wiederbeschaffungsneuwert 59 gemeiner Wert – im Sinne der Reichsabgabenordnung 1919 31, 32 – im Sinne des EStG 1925 35, 37, 38, 40, 46 – im Sinne des preußischen Ergänzungssteuergesetzes 29 – im Sinne des preußischen Ergänzungssteuerrechts 27, 28 – im Sinne des Reichsbewertungsgesetzes 1925 33, 34 Gesamtkaufpreis des Unternehmens, Bedeutung für Teilwertermittlung 14, 17, 24, 25, 28, 32, 33, 40, 41, 42, 45 Gleichmäßigkeit der Besteuerung 50

Personen- und Sachverzeichnis Handelswaren – beizulegender Wert 67, 68, 69 – Teilwert 72, 74, 81 Herstellungskosten: s. Anschaffungs- und Herstellungskosten Imparitätsprinzip 80

20, 35, 38, 56, 57, 60,

Kodifikation des Teilwerts

42

Leistungsfähigkeitsprinzip

51, 80

Maßgeblichkeitsprinzip 26, 36, 49, 50, 52, 79 Meilicke, Heinz 45 Mirre, Ludwig 14, 16, 41, 44 Nichtfortführung des Unternehmens – beizulegender Wert 76, 78 – Teilwert 77, 78 Realisationsprinzip 22 Rechenschaftsfunktion der Handelsbilanz 70 Reinhardt, Fritz 42, 44, 45, 46: s. auch Sabotagetheorie, betriebsarteigene Wirtschaftsgüter sowie erhöhte Wiederbeschaffungskosten Rentabilität des Unternehmens 28, 44, 45 – Bedeutung für Ermittlung des beizulegenden Werts 74, 76 – Bedeutung für Teilwertermittlung 75, 76, 77 Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe – beizulegender Wert 68 – Teilwert 73, 74 Sabotagetheorie 8, 42 Stillegungsmaßnahmen, Bedeutung für Teilwertermittlung 75 Teilwert s. auch beizulegender Wert und gemeiner Wert im Sinne des EStG – Anlagevermögen 61, 62, 64, 65 – beizulegender Wert, Unterschiede und Gemeinsamkeiten 48, 55, 78, 79 – Erzeugnisse 72, 73, 74 – Handelswaren 72, 74

91

– Nichtfortführung des Unternehmens 77, 78 – Rentabilität des Unternehmens 75, 76, 77; s. auch Gesamtkaufpreis des Unternehmens, Bedeutung für Teilwertermittlung – Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe 73, 74 – überdimensionierte Gegenstände 65, 66 – Umlaufvermögen 71, 73 – Unternehmergewinnspanne 72, 74, 81 – Vetriebskosten von Erzeugnissen 73, 74, 81 Teilwertvermutungen 17, 62, 64, 65, 71, 73 überdimensionierte Gegenstände – beizulegender Wert 60, 66 – Teilwert 65, 66 Umlaufvermögen, Bewertung – beizulegender Wert 67, 68, 69, 73 – Teilwert 71, 73 Umwandlung von Unternehmen, Bedeutung des Teilwerts 13 Unrentabilität: s. Rentabilität des Unternehmens Unternehmergewinnspanne, Berücksichtigung bei der Bewertung – beizulegender Wert 68 – Teilwert 72, 74, 81 verlustfreie Bewertung 60, 67, 68, 70 Vermögensbilanz 21, 22 Vertriebskosten, Berücksichtigung bei Teilwertermittlung 73, 74, 81 Widerlegung der Teilwertvermutungen 64, 65, 71, 73, 77 Wiederbeschaffungszeitwert 59 wirtschaftliche Einheit, Bewertung einer 29, 31, 32, 33, 39; s. auch Bewertungseinheit Zerschlagungswert 23, 28, 33, 39, 76, 77 Zurechnungsformel 39 Zuschreibungen 13