75 Jahre Teilwert: Gegenwart und Zukunft des Teilwertbegriffs vor dem Hintergrund seiner Geschichte [1 ed.] 9783428534616, 9783428134618

Der Teilwert - gesetzlich definiert und wie selbstverständlich täglich angewandt, offenbart dieser Bewertungsmaßstab bei

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German Pages 288 Year 2011

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75 Jahre Teilwert: Gegenwart und Zukunft des Teilwertbegriffs vor dem Hintergrund seiner Geschichte [1 ed.]
 9783428534616, 9783428134618

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Schriften zum Steuerrecht Band 107

75 Jahre Teilwert Gegenwart und Zukunft des Teilwertbegriffs vor dem Hintergrund seiner Geschichte

Von Christian Lange

Duncker & Humblot · Berlin

CHRISTIAN LANGE

75 Jahre Teilwert

S c h r i f t e n z u m St e u e r r e c ht Band 107

75 Jahre Teilwert Gegenwart und Zukunft des Teilwertbegriffs vor dem Hintergrund seiner Geschichte

Von Christian Lange

Duncker & Humblot · Berlin

Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität zu Münster hat diese Arbeit im Sommersemester 2010 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

D6 Alle Rechte vorbehalten

© 2011 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: TextFormA(r)t, Daniela Weiland, Göttingen Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0235 ISBN 978-3-428-13461-8 (Print) ISBN 978-3-428-53461-6 (E-Book) ISBN 978-3-428-83461-7 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit lag der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der West­ fälischen Wilhelms-Universität Münster im Sommersemester 2010 als Disserta­ tion vor. Rechtsprechung und Literatur konnten bis Februar 2010 berücksichtigt werden. 75 Jahre Teilwert  – hinter diesem festlichen Titel verbirgt sich die in jeder Hinsicht einzigartige Geschichte eines steuerrechtlichen Bewertungsmaßstabes, dessen einzige Konstante seine gesetzliche Definition ist. 75 Jahre Teilwert be­ deuten auch 75 Jahre Kritik an dieser Definition, die nicht nur kompliziert, son­ dern sogar widersprüchlich zu sein scheint. Und dennoch ist der Teilwert im Be­ wertungskonzept des Bilanzsteuerrechts eine feste Größe. Seine Existenz wurde vom Gesetzgeber nie in Frage gestellt. Seine Ermittlung erfolgt seit jeher mit­ tels eines von der Rechtsprechung der Finanzgerichte entwickelten Systems aus Vermutungen und deren Widerlegung, das die Teilwertdefinition und ihre Pro­ bleme weitgehend igno­riert  – und mit dem Auseinanderfallen von gesetzlicher Definition und prak­tischer Wertermittlung ein anderes, dogmatisches Problem erschafft. Für die Möglichkeit, den Problemen des Teilwerts nachgehen zu können, gilt mein besonderer Dank meinem Doktorvater, Herrn Professor Dr. Heinrich ­Weber-Grellet, Vorsitzender Richter am Bundesfinanzhof, der die Bearbeitung die­ ses spannenden Themas angeregt und meine Arbeit mit großem Interesse und ste­ tiger Diskussions- und Hilfsbereitschaft begleitet hat. Danken möchte ich auch dem Direktor des Instituts für Steuerrecht an der Uni­ versität in Münster, Herrn Professor Dr. Dieter Birk, der nicht nur in kurzer Zeit das Zweitgutachten erstellt hat, sondern mir auch seit März 2009 die Gelegen­ heit bietet, als Wissenschaftliche Hilfskraft in seinem Institut zu arbeiten und da­ bei stets viel zu lernen. Auch Herrn Professor Dr. Ralf Peter Schenke danke ich für die reichhaltigen Erfahrungen, die ich während meiner Tätigkeit als Wissenschaftliche Hilfskraft an seinen Lehrstühlen in Münster und Würzburg sammeln durfte. Bei Herrn Dr. ­Florian R. Simon (LL.M.) bedanke ich mich für die Aufnahme der Arbeit in die vorliegende Schriftenreihe. Meinen Studien- und Arbeitskollegen Dana Theil und Dr. Gerd Kathstede gilt mein freundschaftlicher Dank für ihre unverzichtbare Hilfe während der Kor­ rekturphase.

6

Vorwort

Meiner Freundin Julia Rademacher, LL. M. (Virginia), danke ich für die Ge­ duld, mit der sie die Fertigstellung der Arbeit begleitet und in zahlreichen Stunden des Lesens und Diskutierens unterstützt hat. Nicht zuletzt danke ich meinen Eltern Edgar und Renate Lange sowie mei­ nem Bruder Dr. rer. nat. Heiko Lange für ihre liebevolle Unterstützung und Anteil­ nahme. Ohne sie wäre die Anfertigung dieser Arbeit unmöglich gewesen. Münster, im August 2010

Christian Lange

Inhaltsübersicht Erstes Kapitel

Einleitung

17

Zweites Kapitel

Zur Orientierung: Der Teilwert im System des Ertragssteuerrechts

21

A. Ertragsbesteuerung und Bilanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 B. Der Teilwert im Bilanzsteuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32

Drittes Kapitel

Die Geschichte des Teilwerts

54

A. Die Entwicklung einer Idee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 B. Die Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106

Viertes Kapitel

Die Teilwertproblematik de lege lata

116

A. Der Normtext in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 B. Der Teilwert in der Rechtsprechung der Finanzgerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 C. Das Festhalten des Gesetzgebers am Teilwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 D. Verfassungsrechtliche und andere Vorgaben für ein geordnetes Bilanzsteuerrecht . . . 175 E. Schlussfolgerungen: Erforderlichkeit gesetzgeberischer Maßnahmen zur Sicherung der geltenden Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190

Fünftes Kapitel

Die Teilwertproblematik de lege ferenda

193

A. Eigene Überlegungen zur Kombination von Einzelbewertung und Betriebsbezogen­ heit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 B. Alternative Bewertungskonzepte und -maßstäbe im Vergleich zum Teilwert . . . . . . . 198

8

Inhaltsübersicht Sechstes Kapitel



Resümee

259

A. Zusammenfassung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 B. Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 C. Kontrollüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 Personen- und Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285

Inhaltsverzeichnis Erstes Kapitel

Einleitung

17

Zweites Kapitel

Zur Orientierung: Der Teilwert im System des Ertragssteuerrechts

21

A. Ertragsbesteuerung und Bilanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 I. II.

Die Grundlagen der Ertragsbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Das Bilanzsteuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 1. Kosten oder Werte – Zur Abgrenzung von Bilanz, GuV und Kostenrechnung 23 a) Die Bilanz im Rechtssinne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 aa) Die Handelsbilanz und die GuV  – Zum Jahresabschluss nach § 242 Abs. 3 HGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 bb) Die Steuerbilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 b) Die Kostenrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 c) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 2. Die gesetzlichen Grundlagen des Bilanzsteuerrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 3. Der persönliche Anwendungsbereich des Bilanzsteuerrechts . . . . . . . . . . . . 31

B. Der Teilwert im Bilanzsteuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 I.

Ansatz und Bewertung in der Bilanz – Der Anwendungsbereich des Teilwerts 32 1. Der Ansatz in der Bilanz – Bilanzierung dem Grunde nach . . . . . . . . . . . . . 32 2. Die Bewertung in der Bilanz – Bilanzierung der Höhe nach . . . . . . . . . . . . 33 a) Das Bewertungskonzept des § 6 Abs. 1 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 b) Anschaffungs- oder Herstellungskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 c) Teilwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 aa) Der niedrigere Teilwert bei der Bewertung aktiver Wirtschaftsgüter, § 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 2, Nr. 2 S. 2 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 bb) Der höhere Teilwert bei der Bewertung von Verbindlichkeiten, § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 cc) Die Bewertung von Entnahmen und Einlagen, § 6 Abs.  1 Nr.  4, 5 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 dd) Die Bewertung von Einlagen bei Betriebseröffnung, § 6 Abs. 1 Nr. 6 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41

10

Inhaltsverzeichnis ee) Die Bewertung im Falle des entgeltlichen Betriebserwerbs, § 6 Abs. 1 Nr. 7 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 ff) Weitere Anwendungsfälle des Teilwerts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 d) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 II.

Die Funktionen des Teilwerts im Vergleich zu anderen Instituten der Wertberich­ tigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 1. Die verfahrensrechtlichen Funktionen des Teilwerts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 2. Die materiellrechtlichen Funktionen des Teilwerts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 a) Erfassung von Reinvermögensveränderungen in der Steuerbilanz . . . . . . 44 b) Weitere materiellrechtliche Funktionen des Teilwerts . . . . . . . . . . . . . . . 45 3. Zur Abgrenzung der Teilwertbewertung von der Absetzung für Abnutzung oder Substanzverringerung, § 7 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 a) Unterschiedliche Zwecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 b) Gemeinsamkeiten und Unterschiede am Beispiel der Absetzung für außer­ gewöhnliche technische oder wirtschaftliche Abnutzung (AfaA) . . . . . . 48 c) Zum „Vorrang“ der Absetzung für Abnutzung vor der Teilwertbewertung 50 4. Zur Abgrenzung der Teilwertbewertung von den Rückstellungen für dro­ hende Verluste aus schwebenden Geschäften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 a) Das Verhältnis von aktivischer und passivischer Verlustberücksichtigung in Handels- und Steuerbilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 b) Zur Reichweite der Verlustberücksichtigung bei unfertigen Erzeugnissen 52

Drittes Kapitel

Die Geschichte des Teilwerts

54

A. Die Entwicklung einer Idee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 I.

Handelsrechtliche Vorschriften zur Bilanzierung im Überblick . . . . . . . . . . . . . 54 1. Das Preußische Allgemeine Landrecht von 1794 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 2. Das Allgemeine Deutsche Handelsgesetzbuch vom 31.5.1861 . . . . . . . . . . . 55 3. Die Aktienrechtsnovelle vom 18.7.1884 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 4. Das Handelsgesetzbuch vom 10.5.1897 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57

II.

Das Urteil des Reichsoberhandelsgerichts vom 3.12.1873 . . . . . . . . . . . . . . . . 58 1. Der Sachverhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 2. Die Entscheidungsgründe und ihre Erläuterung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 a) Bewertung der Gold-Depositen mit dem Stichtagswert zum 1.1.1872 . . . 60 b) Die Bilanz als stichtagsbezogene Vermögensrechnung . . . . . . . . . . . . . . 61 c) Die Bilanz als Abbildung aller Aktiva und Passiva . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 d) Bewertung zum Bilanzstichtag statt zum Tag der Aufstellung . . . . . . . . . 62 e) Bewertung in Geldeinheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62

Inhaltsverzeichnis

11

f) Bewertung nach dem Grundsatz der Vorsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 g) Der „beizulegende Wert“ des Art. 31 Abs. 1 ADHGB . . . . . . . . . . . . . . . 63 III. Die vom ROHG geschaffene Ausgangslage aus heutiger Sicht . . . . . . . . . . . . . 66 1. Die Abgrenzung von Fortbestandswert und Liquidationswert . . . . . . . . . . . 66 2. Die Abgrenzung objektiv richtiger und objektivierter Werte . . . . . . . . . . . . . 66 3. Fortbestand und Fortführung – Vorläufige Unterscheidung . . . . . . . . . . . . . 67 IV. Zeitgenössische Erklärungsversuche zum Urteil des ROHG . . . . . . . . . . . . . . . 68 1. Herman Veit Simon: Bilanzansatz auf Grundlage des „individuellen Werths“ 68 2. Hermann Staub: Ein „Geschäftswerth“ mit den Merkmalen des Teilwerts . 73 V.

Die konsequente Fortentwicklung der Idee bis zur gesetzlichen Definition . . . 75 1. Die Rechtsprechung des Reichsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 2. Die frühe Steuergesetzgebung der deutschen Einzelstaaten . . . . . . . . . . . . . 79 a) Erste steuerrechtliche Regelungen zur Bilanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . 79 b) Das Preußische Einkommensteuergesetz vom 24.6.1891 . . . . . . . . . . . . . 81 3. Die Rechtsprechung des Preußischen Oberverwaltungsgerichts und die dar­ auf folgenden Gesetzesänderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 4. Bernhard Fuisting: Der Nutzen für den Betrieb bestimmt den „Gebrauchs­ wert“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 5. Gesetzliche Vorläufer des Teilwerts in der Weimarer Republik . . . . . . . . . . 87 a) § 139 der Reichsabgabenordnung vom 13.12.1919 . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 b) § 33 des Reichseinkommensteuergesetzes vom 29.3.1920 . . . . . . . . . . . . 90 c) § 31 des Reichsbewertungsgesetzes vom 10.8.1925 . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 d) § 19 des Reichseinkommensteuergesetzes vom 10.8.1925 . . . . . . . . . . . . 92 e) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 6. Die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 a) Die Verwendung des Begriffs „Teilwert“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 b) Differenz- und Repartitionsmethode als Erklärung der Teilwertkonzep­ tion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 7. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98

VI. Die Herkunft des Teilwerts als Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 VII. Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 1. Die theoretische Konzeption des Fortbestandswerts aus den Jahren 1873 bis 1934 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 2. Fortbestand und Fortführung – Endgültige Unterscheidung . . . . . . . . . . . . . 103 3. Die Rechtfertigung des Teilwerts als Bestandteil des geltenden Bilanzsteuer­ rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 B. Die Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 I.

Die Definition im Rahmen des Einkommensteuergesetzes vom 16.10.1934 . . 107

12

Inhaltsverzeichnis II.

Der Tatbestand der Teilwertdefinition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 1. Der „Erwerber des ganzen Betriebs“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 2. Die Bewertung „im Rahmen des Gesamtkaufpreises“ . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 3. Der Betrag „für das einzelne Wirtschaftsgut“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 4. Der Fortbestand des Betriebs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 5. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113

III. Zum politischen Hintergrund des EStG 1934: Der Reinhardt’sche SteuerreformPlan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113

Viertes Kapitel

Die Teilwertproblematik de lege lata

116

A. Der Normtext in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 I.

Die sogenannten „Teilwertfiktionen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 1. Die Fiktion des Gesamtbetriebserwerbs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 2. Die Fiktion der Bildung und Aufteilung des Gesamtkaufpreises . . . . . . . . . 118 3. Die Fiktion der Fortführung des Betriebs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121

II.

Die Diskussion um Substanzwert und Ertragswert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 1. Der Teilwert als Substanzwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 2. Zur Bedeutung der Rentabilität – Eine Differenzierung vor dem Hintergrund der Teilwertdiskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130

III. Die Kritik am ertragsabhängigen Teilwertund die Kritik an der „Teilwertkritik“ 131 IV. Die Orientierung am Wiederbeschaffungswert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 1. Fritz Wall: Die Frage nach der Wiederbeschaffung oder Wiederherstellung als einleuchtender Gedanke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 2. Adolf Moxter: Mögliche Begründungen für den Ansatz des Wiederbeschaf­ fungs- oder Wiederherstellungswerts als Teilwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 3. Heinrich Weber-Grellet: Der Teilwert als betriebsbezogener Wiederbeschaf­ fungs- oder Wiederherstellungswert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 V.

Das Verhältnis von Teilwert und niedrigerem beizulegenden Wert des HGB . . 136

VI. Das funktionale oder bilanzzweckadäquate Teilwertverständnis . . . . . . . . . . . . 137 VII. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 B. Der Teilwert in der Rechtsprechung der Finanzgerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 I.

Die Teilwertgrenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142

II.

Die Teilwertvermutungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143

Inhaltsverzeichnis

13

1. Vermutungen für betriebsnotwendige Wirtschaftsgüter zum Zeitpunkt der Anschaffung oder Herstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 2. Vermutungen für betriebsnotwendige Wirtschaftsgüter zu späteren Zeitpunk­ ten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 a) Nicht abnutzbare Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, § 6 Abs. 1 Nr. 2 S. 2, 3 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 b) Abnutzbare Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens einschließlich des Fir­ menwertes, § 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 2–4 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 c) Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens, § 6 Abs. 1 Nr. 2 S. 2, 3 EStG . . 149 d) Forderungen, § 6 Abs. 1 Nr. 2 S. 2, 3 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 e) Verbindlichkeiten, § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 f) Vermutungen in den übrigen Anwendungsfällen, § 6 Abs. 1 Nr. 4, 5, 6, 7 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 3. Vermutungen für entbehrliche Wirtschaftsgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 4. Die Erschütterung der Teilwertvermutungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 a) Die Fehlmaßnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 b) Weitere Gründe für die Widerlegung von Teilwertvermutungen . . . . . . . 156 c) Die Bewertung im Falle einer erfolgreichen Widerlegung . . . . . . . . . . . . 156 III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 IV. Eigene Bewertung der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 C. Das Festhalten des Gesetzgebers am Teilwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 I.

Das Gutachten der Steuerreformkommission 1971 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163

II.

Das Bilanzrichtlinien-Gesetz vom 19.12.1985 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165

III. Das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 vom 24.3.1999 . . . . . . . . . . . . . 167 IV. Das Erbschaftsteuerreformgesetz vom 24.12.2008 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 V.

Das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz vom 25.5.2009 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172

VI. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 D. Verfassungsrechtliche und andere Vorgaben für ein geordnetes Bilanzsteuerrecht . . . 175 I. II.

Zur Bedeutung eines äußeren und inneren Systems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 Zu den verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Besteuerung . . . . . . . . . . . . . . 176 1. Der Bestimmtheitsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 2. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 3. Die Grundsätze der Leistungsfähigkeit und der Gleichmäßigkeit der Besteu­ erung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 4. Weitere verfassungsrechtliche Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183

III. Zu den Vorgaben des Bilanzsteuerrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184

14

Inhaltsverzeichnis IV. Zu den wirtschafts- und finanzwissenschaftlichen Prinzipien für die Besteuerung 186 V.

Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189

E. Schlussfolgerungen: Erforderlichkeit gesetzgeberischer Maßnahmen zur Sicherung der geltenden Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190

Fünftes Kapitel

Die Teilwertproblematik de lege ferenda

193

A. Eigene Überlegungen zur Kombination von Einzelbewertung und Betriebsbezogenheit 193 I.

Erste Überlegung: Eine betriebsbezogene Bewertung ohne Berücksichtigung von Ertragserwartungen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194

II.

Zweite Überlegung: Eine ertragsabhängige Bewertung ohne Berücksichtigung des Gesamtbetriebs? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196

III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 B. Alternative Bewertungskonzepte und -maßstäbe im Vergleich zum Teilwert . . . . . . . 198 I.

Verlustausgleich und Verlustabzug als Alternative zur Teilwertabschreibung . . 198

II.

Zur Zuständigkeit der Betriebswirtschaftslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199

III. Der Einfluss des Europäischen Rechts auf den Teilwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 1. Die 4. EG-Bilanzrichtlinie vom 25.7.1978 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 2. Zu den Überlegungen der Arbeitsgruppe „Gemeinsame konsolidierte Körper­ schaftsteuer-Bemessungsgrundlage“ der Europäischen Kommission . . . . . . 201 IV. Zu den Entsprechungen zum Teilwert in den International Financial Reporting Standards (IFRS) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 1. Die Voraussetzungen für einen Vergleich mit dem Einkommensteuergesetz 205 2. Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens – IAS 3, 16, 36 . . . . . . . . . . . . . . . . 206 a) Vergleich mit dem Teilwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 b) Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 3. Vorräte und selbst hergestellte Erzeugnisse – IAS 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 a) Vergleich mit dem Teilwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 b) Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 4. Forderungen aus Lieferungen und Leistungen – IAS 32, 39 . . . . . . . . . . . . . 213 a) Vergleich mit dem Teilwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 b) Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 5. Finanzielle Verbindlichkeiten – IAS 32, 39 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 a) Vergleich mit dem Teilwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 b) Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 6. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220

Inhaltsverzeichnis V.

15

Zu den Entsprechungen zum Teilwert in ausländischen Rechtsordnungen . . . . 221 1. Die Niederlande und Österreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 2. Spanien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 3. Italien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 4. Ungarn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 5. Polen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 6. Die Vereinigten Staaten von Amerika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 7. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233

VI. Der gemeine Wert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 VII. Der niedrigere beizulegende Wert des Handelsgesetzbuchs . . . . . . . . . . . . . . . 237 1. Die Funktionen des niedrigeren beizulegenden Werts im Vergleich zum Teil­ wert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 a) Die verfahrensrechtlichen Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 b) Die materiellrechtlichen Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 2. Die Bestimmbarkeit des niedrigeren beizulegenden Werts . . . . . . . . . . . . . . 239 a) Vermögensgegenstände des Anlagevermögens, deren Nutzung zeitlich be­ grenzt ist, § 253 Abs. 3 S. 3 HGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 b) Vermögensgegenstände des Anlagevermögens, deren Nutzung nicht zeit­ lich begrenzt ist, § 253 Abs. 3 S. 3 HGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 c) Vermögensgegenstände des Umlaufvermögens, § 253 Abs. 4 S. 2 HGB . . 242 3. Die Entwicklung des niedrigeren beizulegenden Werts im Vergleich zum Teilwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 a) Zu den Gründen für die Entwicklung des Teilwerts allein im Steuerrecht 244 b) Zu den Auswirkungen der Entwicklung des Teilwerts allein im Steuer­ recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 VIII. Der Wiederbeschaffungswert und der Wiederherstellungswert . . . . . . . . . . . . . 248 1. Die Bedeutung für die praktische Teilwertbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . 248 2. Definition des Wiederbeschaffungs- oder Wiederherstellungswertes . . . . . . 250 3. Die theoretische Konzeption im Vergleich zur Konzeption des Teilwerts . . . 250 4. Kontrollüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 5. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 IX. Ein „Betriebswert“ zwischen gemeinem Wert und Wiederbeschaffungs- bzw. Wiederherstellungswert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 1. Der Vorschlag des Wissenschaftlichen Beirats des Fachbereichs Steuer von Ernst & Young . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 2. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 X.

Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257

16

Inhaltsverzeichnis Sechstes Kapitel



Resümee

259

A. Zusammenfassung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 B. Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 I.

Zur Erforderlichkeit einer gesetzlichen Neuregelung des Teilwerts . . . . . . . . . 261

II.

Die Parameter und Voraussetzungen für eine gesetzliche Neuregelung . . . . . . 262 1. Keine Veränderung des Steuerrechts im Übrigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 2. Keine Veränderung der bisherigen Rechtspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 3. Keine Abschaffung des Teilwerts oder seiner Definition . . . . . . . . . . . . . . . 263 4. Bewertung im Regelfall mit dem Wiederbeschaffungs- oder Wiederherstel­ lungswert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 5. Bewertung im Ausnahmefall mit dem gemeinen Wert . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 6. Bewertung des derivativen Firmenwerts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266

III. Ein Vorschlag für eine neue gesetzliche Regelung des Teilwerts . . . . . . . . . . . . 267 C. Kontrollüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 I.

Übereinstimmung mit der Teilwertidee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268

II.

Übereinstimmung mit der bisherigen Rechtspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269

III. Übereinstimmung mit den materiell- und verfahrensrechtlichen Anforderungen an die Wertermittlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 IV. Übereinstimmung mit der handelsrechtlichen Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 V.

Übereinstimmungen mit ausländischen und internationalen Bewertungsvor­ schriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272

VI. Fortführung der Entwicklungsgeschichte des Teilwerts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 Personen- und Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285

*  *  * Auf die Erstellung eines Abkürzungsverzeichnisses wurde verzichtet. Die verwendeten Ab­ kürzungen sind allgemein verständlich oder entsprechen den im Handels- und Steuerrecht üb­ lichen Abkürzungen. Im Übrigen wird verwiesen auf: Kirchner, Hildebert (Begr.)/Pannier, Dietrich, Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 6. Aufl., Berlin 2008.

Erstes Kapitel

Einleitung 1. Kap.: Einleitung Der Teilwert ist seit mittlerweile mehr als 75 Jahren Bestandteil des Einkom­ mensteuergesetzes (EStG). Sowohl die Definition als auch der Anwendungsbe­ reich sind seit 1934 in § 6 EStG geregelt; § 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG definiert den Teilwert seitdem unverändert wie folgt: „Teilwert ist der Betrag, den ein Erwerber des ganzen Betriebs im Rahmen des Gesamtkauf­ preises für das einzelne Wirtschaftsgut ansetzen würde; dabei ist davon auszugehen, dass der Erwerber den Betrieb fortführt.“

Mit fast identischem Wortlaut findet sich die Definition seit 1934 auch in § 10 S.  2, 3 BewG.1 Die Definition soll die Eigenschaft des Teilwerts beschreiben, die Gewinnermittlung vom wertbestimmenden Einfluss der Betriebszugehörigkeit eines Wirtschaftsguts abhängig zu machen.2 Die Bewertung unter Berücksichti­ gung der individuellen Verhältnisse im Betrieb des Steuerpflichtigen kennzeichnet den Wert gerade im Vergleich zum gemeinen Wert (§ 9 Abs. 2 BewG). Angesichts der gerade für das Einkommensteuerrecht langen Tradition als Be­ standteil des bilanziellen Bewertungskonzepts erstaunt es zunächst, dass der Teil­ wert zu den am meisten diskutierten und kritisierten3 Begriffen des deutschen Steuerrechts gehört. Die Kritik entzündet sich vor allem an einem Zirkelschluss, der sich bei wörtlicher Auslegung der Definition daraus ergeben soll, dass die Er­ mittlung des Teilwerts von dem Gesamtkaufpreis des Betriebs abhängig gemacht werde, obwohl dessen Bestimmung die Kenntnis sämtlicher Einzelwerte, also auch des Teilwerts des zu bewertenden Wirtschaftsguts, bereits voraussetze.4 Aufgrund der Schwierigkeiten, den Gesamtwert des Betriebs zu ermitteln und sodann auf die Wirtschaftsgüter aufzuteilen, sei die Definition darüber hinaus für die praktische Teilwertbestimmung ungeeignet.5 Kosiol attestierte dem Teilwert 1949 mit Blick auf diese Erkenntnisse eine gestaltlose „Nebelhaftigkeit, die theoretische Kons­



1

Die Definition des Teilwerts in § 10 S. 2, 3 BewG lautet: „Teilwert ist der Betrag, den ein Erwerber des ganzen Unternehmens im Rahmen des Gesamtkaufpreises für das einzelne Wirt­ schaftsgut ansetzen würde. Dabei ist davon auszugehen, dass der Erwerber das Unternehmen fortführt.“ 2 Vgl. Schmidt/Glanegger, 28. Aufl. 2009, § 6, Rn. 215; Winkeljohann, in: Herrmann/Heuer/ Raupach, § 6, Rn. 572, 573. 3 Mellwig, FS Moxter, S. 1071: „der meistkritisierte Begriff des Bilanzsteuerrechts.“ 4 Kosiol, StuW 1949, Sp. 153; Wall, Wpg 1957, 546; Diller/Grottke, SteuStud 2007, S. 70. 5 Vgl. etwa Albach, Wpg 1963, 626 ff.; Heigl, StuW 1969, Sp. 464 ff.

18

1. Kap.: Einleitung

truktionsmängel mit praktischer Unbestimmbarkeit“ verbinde.6 Heigl zog 1969 nach Begutachtung des Teilwerts die Schlussfolgerung, „dass uns der Verzicht auf den theoretisch unhaltbaren Teilwert eine größere Besteuerungsgerechtigkeit“ ver­ schaffe.7 Die große Steuerreformkommission von 1971 schloss ihre Überlegungen zur Beibehaltung des Teilwerts mit dem Fazit, „dass die derzeitige Teilwertdefini­ tion trotz ihrer erheblichen Mängel nicht durch bessere Wertmaßstäbe ersetzt wer­ den“ könne.8 Moxter schließlich stellt mittlerweile weitgehend wertungsfrei fest: „Der Gesetzgeber hat es der Rechtsprechung überlassen, diese sehr abstrakte Teil­ wertkonzeption zu konkretisieren“.9 In der Tat wird der Teilwert seit seiner Kodifizierung im Ergebnis vollkommen unabhängig vom Wortlaut der Definition ermittelt. Die Rechtsprechung der Fi­ nanzgerichte, insbesondere des Reichsfinanzhofs und des Bundesfinanzhofs, er­ mittelt den Teilwert im Wege einer Schätzung. Diese orientiert sich – um willkür­ liche Ergebnisse zu vermeiden – an den Grenzen, die sich aus den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung und aus kaufmännischen Überlegungen ergeben (sog. Teilwertgrenzen) sowie an den Ergebnissen vorangegangener Schätzungen, die sich in langjähriger Erfahrung als richtig erwiesen haben und daher zu wi­ derlegbaren Vermutungen ausgebaut wurden (sog. Teilwertvermutungen). Wenn auch die Kritik am Teilwert in den letzten 20 Jahren stark zurückgegangen ist,10 so steckt der Teilwert doch in einem „Dilemma methodischer Insuffizienz“11, solange die Teilwertermittlung nicht auf Grundlage eines Gesetzes erfolgt, sondern auf der Rechtsprechung des BFH basiert.12 Diese methodische Insuffizienz, das Auseinanderfallen von Teilwertdefinition und Teilwertermittlung, ist Anlass der vorliegenden Arbeit. Mit dem Ziel, eine Re­ gelung zu finden, die einerseits dem praktischen Erfordernis nach einem einfach zu bestimmenden Wertmaßstab mit den materiellrechtlichen und verfahrensrecht­ lichen Funktionen des Teilwerts nachkommt und andererseits die Bewertungs­ konzeption des Ertragssteuerrechts sowie die verfassungsrechtlichen und bilanz­ rechtlichen Anforderungen berücksichtigt, soll der Teilwert Gegenstand einer eingehenden Untersuchung sein. Dabei soll der Schwerpunkt weniger auf der Ana­ lyse der Rechtsprechungspraxis als vielmehr auf einer Überprüfung der theoreti­ schen Anknüpfung des Wertbegriffs an seine systematischen Rahmenbedingungen liegen. Besondere Bedeutung kommt dabei der Untersuchung der Entwicklungs­ geschichte des Teilwerts zu, die bis zu ihren Anfängen zurückverfolgt werden soll,



6



7

Kosiol, StuW 1949, Sp. 155. Heigl, StuW 1969, Sp. 490. 8 Steuerreformkommission 1971, Abschn. V., Tz. 151, S. 465. 9 Moxter, Bilanzrechtsprechung, 6. Aufl., S. 267 mit Verweis auf BFH, U.v. 4.12.1956 – I 99/56 U, BStBl III 1957, 16. 10 Vgl. Mellwig, FS Moxter, S. 1071. 11 Müller-Dott, StbJb 1988/1989, 166. 12 So auch Kußmaul/Meyering, StB 2007, 467.

1. Kap.: Einleitung

19

um die Grenzen der wörtlichen Auslegung zu überwinden und die wahre Konzep­ tion des Teilwerts offen zu legen. Als Ausgangspunkt für die Suche nach einer angemessenen gesetzlichen Rege­ lung des Teilwerts wird dessen Anwendungsbereich und Funktion im System des Bilanzsteuerrechts dargestellt (2. Kapitel). Im Anschluss daran wird der Teilwert auf seine historischen Wurzeln zurück geführt, die im Handelsrecht des 19. Jahr­ hunderts liegen. Von entscheidender Bedeutung für die Entwicklung des Bewer­ tungsmaßstabs war ein Urteil des Reichsoberhandelsgerichts aus dem Jahr 1873 zum gemeinen Wert des Art. 31 des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuchs (ADHGB) von 1861. Die Argumentation des Gerichts sowie die Auswirkungen des Urteils auf die Auslegung des gemeinen Wertes in den folgenden Jahrzehnten und die darauf aufbauende gesetzliche Definition des Teilwerts in § 6 Nr. 1 S. 3 EStG 1934 werden umfassend gewürdigt (3. Kapitel). Sodann wird die aktuelle Rechtslage begutachtet. Dabei wird unter Berücksich­ tigung der vielfältigen Ansichten, die ab 1947 von Seiten der Literatur zum Teil­ wert vertreten wurden, zunächst dessen theoretische Konzeption erklärt (4. Kapi­ tel, A.). Im direkten Vergleich dazu werden die Teilwertgrenzen und widerlegbaren Teilwertvermutungen der Rechtsprechung vorgestellt und bewertet (4. Kapitel, B.). Es folgt eine Untersuchung wichtiger Reformgesetze aus dem Bereich des Bilanz­ rechts (u. a. des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes – BilMoG vom 25.5.200913) im Hinblick auf die Frage, warum der Gesetzgeber den Teilwert trotz der anhalten­ den Kritik aus dem wissenschaftlichen Schrifttum nicht geändert oder durch einen anderen Wertmaßstab ersetzt hat (4. Kapitel, C.). Schließlich wird der Teilwert an­ hand des Verfassungsrechts und anderer Vorgaben auf seine Kompatibilität mit dem Bilanzsteuerrecht hin überprüft (4. Kapitel, D.), und es werden Schlussfolge­ rungen aus der gegenwärtigen Rechtslage gezogen (4. Kapitel, E.). Im Hinblick auf das Ziel, eine gesetzliche Regelung vorzuschlagen, die das Aus­ einanderfallen von Definition und praktischer Wertbestimmung überwindet, folgen darauf aufbauend die eigenen Überlegungen zu den Möglichkeiten, einen Bewer­ tungsmaßstab zu konzeptionieren, der betriebsindividuelle Bewertung und Ein­ zelbewertungsgrundsatz entsprechend der wörtlich ausgelegten Teilwertdefinition kombiniert (5. Kapitel, A.). Um dem Erfordernis eines praktikablen und zeitge­ mäßen Bewertungsrechts gerecht zu werden, werden sodann andere Rechnungsle­ gungsstandards auf ihre Methoden zur Bewertung von unplanmäßigen Wertverän­ derungen, Entnahmen und Einlagen hin untersucht. Neben anderen Überlegungen werden in diesem Zusammenhang die Vorschriften der International Financial Re­ porting Standards (IFRS) sowie einiger beispielhaft ausgewählter ausländischer Rechtsordnungen vorgestellt und hinsichtlich der Parallelen zum Teilwert und zum deutschen Bilanzsteuerrecht begutachtet (5.  Kapitel, B. I.–V.). Es folgt ein Ver­



13

BGBl I 2009, 1102; BStBl I 2009, 650 (Auszug).

20

1. Kap.: Einleitung

gleich des Teilwerts mit anderen Bewertungsmaßstäben des Handels- und Steuer­ rechts (5. Kapitel, B. VI.–IX.). Aus der Gesamtschau auf die Entwicklungsgeschichte des Teilwerts, der sich daraus ergebenden theoretischen Konzeption, aus den Erfordernissen der prakti­ schen Anwendung sowie aus der Bewertungssituation in anderen handels- oder steuerrechtlichen Bilanzierungsordnungen werden im Schlussteil der Arbeit die Anforderungen an eine gesetzliche Neuregelung des Teilwerts zusammengestellt (6.  Kapitel, A., B. I., II.). Die Ergebnisse und Schlussfolgerungen fließen ein in einen Vorschlag zur Änderung des § 6 EStG bzw. § 10 BewG (6. Kapitel, B. III.), der zum Abschluss der Arbeit anhand einiger Kontrollüberlegungen überprüft wird (6. Kapitel, C.).

Zweites Kapitel

Zur Orientierung: Der Teilwert im System des Ertragssteuerrechts 2. Kap.: Der Teilwert im System des Ertragssteuerrechts

A. Ertragsbesteuerung und Bilanzierung Der Teilwert wird im deutschen Rechtssystem an zwei Stellen, nämlich in § 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG und § 10 S. 2, 3 BewG, auf fast identische Weise legal de­ finiert. Obwohl EStG und BewG hinsichtlich der Bewertung grundsätzlich völlig unterschiedlichen Konzeptionen folgen,1 sind für den Teilwert nicht nur der we­ sentliche Wortlaut, sondern auch die Auslegung in beiden Gesetzen identisch.2 Für die Bewertung im Einkommensteuerrecht hat das BewG nur ergänzende Be­ deutung; § 6 EStG geht insoweit vor.3 Die nachfolgenden Ausführungen beziehen sich nur auf den Begriff im Ertrags­ steuerrecht, sind aber auf das BewG übertragbar.

I. Die Grundlagen der Ertragsbesteuerung Gem. § 38 AO setzt das Entstehen der Ansprüche aus dem Steuerschuldverhält­ nis die Verwirklichung des Tatbestands voraus, an den das Gesetz die Leistungs­ pflicht knüpft. Der sog. Steuertatbestand muss für alle Steuerarten zwingend Re­ gelungen zumindest über das Steuersubjekt, das Steuerobjekt und den Steuersatz enthalten,4 wobei die vollständigen Tatbestände fast aller Steuerarten so kompli­ ziert sind, dass für die umfassende Regelung eines Steuertatbestandes stets ein ganzes Gesetz erforderlich ist.5 Für die Ertragsbesteuerung aller dafür in Betracht kommenden Rechtssubjekte – natürliche Personen, Personen- und Kapitalgesellschaften sowie weitere Personen­ 1 Vgl. dazu: Weber-Grellet, FS Schmidt, S. 173: nur im BewG wird der Zeitfaktor berück­ sichtigt; nur im EStG gilt das Prinzip der Bewertungskontinuität und der Zweischneidigkeit der Wertansätze. 2 RFH, U.v. 4.6.1940 – III 74/39, RStBl 1940, 1067, 1068; Winkeljohann, in: Herrmann/ Heuer/Raupach, § 6, Rn. 574. 3 Werndl, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 6, Rn. A 197; Ehmcke, in: Blümich, § 6, Rn. 29; Schmidt/Glanegger, 28. Aufl. 2009, § 6, Rn.  18; Stobbe, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 6, Rn. 43. 4 Birk, Steuerrecht, 12. Aufl., Rn. 100. 5 Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 20. Aufl., § 7, Rz. 18.

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2. Kap.: Der Teilwert im System des Ertragssteuerrechts

vereinigungen6  – ist der wesentliche Steuertatbestand sogar auf drei Gesetze  – EStG, KStG und GewStG – verteilt. Obwohl der Teilwert nur im EStG zu finden ist, hat er nicht nur für die Besteuerung der einkommensteuerpflichtigen natürli­ chen Personen, die aufgrund des Transparenzprinzips7 auch die Gewinne der Per­ sonengesellschaft als Einkommen nach dem EStG versteuern, sondern auch für die Gewinnbesteuerung der körperschaftsteuerpflichtigen inländischen Kapitalgesell­ schaften, Genossenschaften und Versicherungs- und Pensionsfondsvereine auf Ge­ genseitigkeit8 sowie für die Gewerbeertragsbesteuerung wesentliche Bedeutung. Denn sowohl § 8 Abs. 1 S. 1 KStG als auch § 7 Abs. 1 S. 1 GewStG verweisen auf die Vorschriften des Einkommensteuergesetzes über die Gewinnermittlung. Gem. § 8 Abs. 1 S. 1 KStG wird das Einkommen der Körperschaftsteuersubjekte nach den allgemeinen Vorschriften des EStG und etwaiger Spezialvorschriften des KStG ermittelt, sodass zumindest der Gewinn der oben genannten Körperschaften mit­ tels Betriebsvermögensvergleichs gem. § 8 Abs. 2 KStG i. V. m. § 5 EStG ermittelt wird.9 Gem. § 7 Abs. 1 S. 1 GewStG ist der nach den Vorschriften des EStG oder des KStG zu ermittelnde Gewinn aus dem Gewerbebetrieb die Ausgangsgröße für die Ermittlung des Gewerbeertrags. Folglich richtet sich auch die Bemessungsgrund­ lage für die Gewerbesteuer nach dem mittels Steuerbilanz ermittelten Gewinn. Das Steuerobjekt ist sowohl bei der Einkommensteuer als auch bei der Kör­ perschaftsteuer das zu versteuernde Einkommen (§ 2 Abs. 5 S. 1 EStG, § 7 Abs. 1 KStG). Ob der Teilwert für dessen Ermittlung relevant ist, richtet sich im Rahmen des Einkommensteuerrechts nach der Art der Einkünfte. § 2 Abs. 2 EStG definiert die Einkünfte als Gewinn (§ 2 Abs. 2 Nr. 1) oder als Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten (§ 2 Abs. 2 Nr. 2) – sog. Dualismus der Einkunftsarten.10 Nur bei den Gewinneinkünften aus Land- und Forstwirtschaft (§ 2 Abs.  1 S.  1 Nr. 1 EStG), Gewerbebetrieb (§ 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG) und selbstständiger Ar­ beit (§ 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 EStG) werden Einkünfte entsprechend des zugrunde lie­ genden rechtstheoretischen Ansatzes der Reinvermögenszugangstheorie als Ver­ mögensmehrungen innerhalb einer gegebenen Periode ermittelt.11 Dazu ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem Betriebsreinvermögen12 am Schluss des Wirt­

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Vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG: z. B. nichtrechtsfähige Vereine. Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 20. Aufl., § 18, Rz. 9 ff; Birk, Steuerrecht, 12. Aufl., Rn. 1103. 8 Vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 1–3 KStG. Die Einkünfte dieser Körperschaften sind gem. § 8 Abs. 2 KStG stets als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu behandeln. 9 Schmidt/Weber-Grellet, 28.  Aufl. 2009, § 5, Rn.  9; Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 20. Aufl., § 17, Rz. 240. 10 Birk, Steuerrecht, 12. Aufl., Rn. 609. 11 Die Reinvermögenszugangstheorie geht zurück auf Georg v. Schanz, Der Einkommensbe­ griff und die Einkommensteuergesetze, FinArch. 13. Jg. (1986), 1; ders., Der privatwirtschaft­ liche Einkommensbegriff, FinArch. 39. Jg. (1922), 505. Vgl. auch Birk, Steuerrecht, 12. Aufl., Rn. 610. 12 Zum Begriff des Betriebsvermögens als Betriebsreinvermögen vgl. Weber-Grellet, Bilanz­ steuerrecht, 10. Aufl., Rn. 30.

A. Ertragsbesteuerung und Bilanzierung

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schaftsjahres und dem Betriebsreinvermögen am Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres zu ermitteln und um den Wert der nicht betrieblich veranlassten Zu- und Abgänge zu korrigieren.13 Nichts anderes besagt die Legaldefinition des ertragssteuerrechtlichen Gewinns aus § 4 Abs. 1 S. 1 EStG. Die Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich erfordert eine steuer­ rechtliche Bilanzierung, d. h. den Ansatz und die Bewertung des Betriebsvermö­ gens, wobei entsprechend dem sich aus § 6 Abs. 1 HS. 1 EStG ergebenden sog. Grundsatz der Einzelbewertung jedes Wirtschaftsgut, jede Verbindlichkeit und alle weiteren Posten, die zum Betriebsvermögen gehören, einzeln zu betrachten sind.14 Darüber hinaus müssen auch Entnahmen und Einlagen bewertet werden, um ihre Auswirkungen auf den Vermögensbestand ermitteln zu können. Für die Bewertung von Bilanzposten, Entnahmen und Einlagen hält das Steuerrecht in den §§ 4 bis 7k EStG eine Reihe von Ansatz- und Bewertungsvorschriften bereit. Der Teilwert fin­ det sich in dem recht unübersichtlichen Geflecht der Bewertungsvorschriften an mehreren Stellen des § 6 EStG.

II. Das Bilanzsteuerrecht Dass der Teilwert nur im Rahmen der Vorschriften zur Bilanzierung im Ertrags­ steuerrecht zu finden ist, weist ihn zugleich als Bestandteil einer eigenen „juristi­ schen Disziplin“15 aus: Des Bilanzsteuerrechts. Der Begriff des Bilanzsteuerrechts wird allgemein definiert als der Teil des Steuerrechts, der sich mit der ertragssteu­ erlichen Gewinnermittlung durch Bilanzierung befasst.16 1. Kosten oder Werte – Zur Abgrenzung von Bilanz, GuV und Kostenrechnung Das Bilanzsteuerrecht arbeitet in § 6 EStG mit drei Größen: Den Anschaffungs­ kosten, den Herstellungskosten und dem Teilwert. Um stichhaltige Aussagen über Funktion und Wesen des Teilwerts treffen zu können, erscheint eine grundsätz­ liche Erklärung der Begriffe „Kosten“ und „Werte“ und der Instrumente, denen sie zugeordnet sind, erforderlich. Ausgangspunkt dafür soll die Einordnung der handels- und steuerrechtlichen Rechnungslegung in das betriebliche Rechnungs­ wesen sein.17 Die handelsrechtliche Rechnungslegung umfasst neben der Auf­

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Birk, Steuerrecht, 12. Aufl., Rn. 913. Wöhe, Handels- und Steuerbilanz, S. 160. 15 Weber-Grellet, Bilanzsteuerrecht, 10. Aufl., Rn. 1. 16 Mathiak, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 5, A 19; Weber-Grellet, Bilanzsteuerrecht, 10. Aufl., Rn. 1. 17 Dazu Baetge u. a., Bilanzen, 10.  Aufl., S.  1 ff. Historisch bedingt folgt das Steuerbi­ lanzrecht in seiner Beziehung zum betrieblichen Rechnungswesen dem Handelsbilanzrecht,

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2. Kap.: Der Teilwert im System des Ertragssteuerrechts

stellung eines Jahresabschlusses (§ 242 Abs. 3 HGB) auch die Führung von Han­ delsbüchern (§ 238 Abs. 1 HGB), die Zurückbehaltung von Handelsbriefen (§§ 238 Abs. 2, 257 Abs. 2 HGB), die Aufstellung des Inventars (§ 240 HGB) und – nur bei Kapitalgesellschaften – die Erstellung eines Anhangs und eines Lageberichts (§§ 264, 264a, 284 ff. HGB).18 Das betriebliche Rechnungswesen ist ein System aus Rechnungsinstrumenten, mit dem die Arbeitsweise eines Betriebes vergangenheits- und zukunftsbezogen unter Wirtschaftlichkeitsgesichtpunkten geplant, dokumentiert und kontrolliert werden kann.19 Dazu werden mit Schwerpunkt auf unterschiedlichen leistungs­ wirtschaftlichen Zielen vier Teilbereiche des betrieblichen Rechnungswesens un­ terschieden: Die Investitionsrechnung, die Finanzrechnung, das externe Rech­ nungswesen und die Kostenrechnung.20 Zur Abgrenzung der hier interessierenden Größen wird im Folgenden nur auf das externe Rechnungswesen und die Kosten­ rechnung eingegangen. a) Die Bilanz im Rechtssinne Während die anderen drei Teilbereiche des betrieblichen Rechnungswesens in­ nerbetriebliche und damit betriebswirtschaftliche Bedeutung haben, erfüllt das externe Rechnungswesen auch Informationsaufgaben gegenüber unternehmens­ externen Adressaten (z. B. Gläubigern), die ein berechtigtes Interesse an der mo­ netären Entwicklung in der letzten Abrechnungsperiode haben.21 Aufgrund des größeren, externen Adressatenkreises bedarf die externe Rechnungslegung einer gesetzlichen Regelung. Dies gilt insbesondere für die Steuerbilanz, die von den Fi­ nanzbehörden als externe Adressaten zur Festsetzung der Steuer und damit grund­ rechtsrelevant eingesetzt wird. Allein die sog. Bilanz im Rechtssinne ist für das Handels- und Steuerbilanzrecht von Bedeutung.22 Die betriebswirtschaftlich-theo­ retischen Auffassungen von der Bilanzierung, die in den sog. Bilanztheorien zum

in dem die Anschaffungs- und Herstellungskosten ebenfalls vorkommen (vgl. §§ 253, 255 HGB). Während das (Handels-)Bilanzrecht auf eine lange kaufmännische Tradition zurück­ blicken kann, in der sich über Jahrhunderte Gewohnheiten und Bräuche entwickelt und ver­ festigt haben, ist die Steuerrechtswissenschaft erst zu Beginn des 20.  Jahrhunderts zu einer stofflich und methodisch selbstständigen Wissenschaft gereift (Lion, Bilanzsteuerrecht, 1922, S.  9; Pezzer, DStJG 14 (1991), S.  4; Hensel, Steuerrecht, 1933, S.  1). Die Handelsbilanz wurde deshalb als Ausgangspunkt für die steuerliche Gewinnermittlung durch Bilanzierung herangezogen. 18 Jung, Handelsrecht, 7. Aufl., § 29, Rn. 1. 19 Baetge u. a., Bilanzen, 10. Aufl., S. 1. 20 Zu den inhaltlichen Unterschieden der Teilbereiche: vgl. Baetge u. a., Bilanzen, 10. Aufl., S. 1 f. 21 Baetge u. a., Bilanzen, 10. Aufl., S. 5 f. 22 Weber-Grellet, Steuerbilanzrecht, § 1, Rn. 17; ders., Bilanzsteuerrecht, 10. Aufl., Rn. 42.

A. Ertragsbesteuerung und Bilanzierung

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Ausdruck kommen, verfolgen andere Ziele und sind für die Bilanz im Rechtssinne letztlich bedeutungslos.23 Der Inhalt der Bilanz im Rechtssinne richtet sich nach den gesetzlichen oder gesellschaftsvertraglichen Regelungen und deren Zweck.24 Während die Han­ delsbilanz  – je nach Betrachtungsweise  – in erster Linie Gläubigerschutz durch Selbstkontrolle des Unternehmers25, Sicherung des Unternehmensbestandes (sog. Kapitalerhaltung) und Dokumentation der Geschäftsvorfälle26 oder Rechenschaft und Information gegenüber Dritten (insbesondere Kapitalgebern)27 bezweckt, geht es bei der Steuerbilanz um die Ermittlung des wirklichen Gewinns als Indikator der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und der steuerlichen Belastbarkeit eines Steuerpflichtigen mit dem Ziel einer gesetzmäßigen, insbesondere gleichmäßi­ gen Besteuerung.28 Das Bilanzsteuerrecht wird also beherrscht von dem spezifi­ schen Zweck der steuerrechtlichen Gewinnermittlung und ist dementsprechend vom Handelsbilanzrecht zu unterscheiden.29 aa) Die Handelsbilanz und die GuV – Zum Jahresabschluss nach § 242 Abs. 3 HGB Die handelsrechtliche Finanzbuchführung, auf der die externe Rechnungs­ legung beruht, rechnet mit zwei Größenkategorien, nämlich dem Vermögen bzw. den Schulden als Bestandsgrößen und den Aufwendungen bzw. Erträgen als Strö­ mungsgrößen.30 Ihren Niederschlag findet diese Differenzierung in § 242 Abs. 3 HGB, der für den handelsrechtlichen Jahresabschluss eine Bilanz und eine Ge­ winn- und Verlustrechnung (GuV) verlangt – sog. doppelte Buchführung31. Beide weisen mit Hilfe unterschiedlicher Parameter das Ergebnis aus, das der Kaufmann 23 Auf eine Darstellung der Bilanztheorien, von denen vor allem die „klassischen“ teilweise Eingang in das HGB und das EStG gefunden haben, wird hier verzichtet. Zur Bedeutung für die Bilanz im Rechtssinne vgl. Federmann, S. 113 f.; Weber-Grellet, Steuerbilanzrecht, § 1, Rn. 17; ders., Bilanzsteuerrecht, 10. Aufl., Rn. 37 ff., 42. Zu den klassischen Bilanztheorien ausführ­ lich: Baetge u. a., Bilanzen, 10. Aufl., S. 12 ff. 24 Knobbe-Keuk, Bilanz- u. UnternehmenStR, 9. Aufl., S. 15; Weber-Grellet, Steuerbilanz­ recht, § 1, Rn. 17; ders., Bilanzsteuerrecht, 10. Aufl., Rn. 42. 25 So Hüffer, in: Staub, Großkomm. HGB, 4. Aufl., § 238, Rn. 2; ähnlich: MüKoHGB/Ballwieser, § 238, Rn. 1. 26 So Baetge u. a., Bilanzen, 10. Aufl., S. 92 f., 101 ff. Ähnlich Weber-Grellet, Steuerbilanz­ recht, § 1, Rn. 16. 27 MüKoHGB/Ballwieser, § 238, Rn. 1; Wöhe, Handels- und Steuerbilanz, S. 1; Federmann, S. 49; Baetge u. a., Bilanzen, 10. Aufl., S. 93 ff. 28 BFH, B.v. 3.2.1969 – Gr. S. 2/68, BStBl II 1969, 291, 293; Weber-Grellet, FS Schmidt, 161, 170; ders., Bilanzsteuerrecht, 10. Aufl., Rn. 46. 29 Beisse, StuW 1984, S.  8; Weber-Grellet, FS Schmidt, S.  170; ders., Steuerbilanzrecht, § 17, Rn. 1. 30 Baetge u. a., Bilanzen, 10. Aufl., S. 2 f. 31 Birk, Steuerrecht, 12. Aufl., Rn. 818; Wöhe, Handels- und Steuerbilanz, S. 30.

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2. Kap.: Der Teilwert im System des Ertragssteuerrechts

in einem Geschäftsjahr erzielt hat. Das Ergebnis des Bestandsvergleichs (Bilanz) gleicht – infolge der Buchungstechnik – zwingend dem Ergebnis des Strömungs­ vergleichs (GuV). Die GuV enthält gem. § 242 Abs. 2 HGB eine Gegenüberstellung von Aufwen­ dungen und Erträgen des Geschäftsjahres. Der Gewinn wird in diesem Zusammen­ hang also ermittelt als Unterschiedsbetrag zwischen den periodisierten Einnahmen aus einer Güter-, Leistungs- oder Werteveräußerung (Erträge) und den periodisier­ ten Ausgaben aus Güterverbrauch, Leistungs- oder Werteverzehr (Aufwendun­ gen/Aufwand) eines Geschäftsjahres.32 Damit stellt die GuV die Geschäftsvorfälle zeitraumbezogen dar.33 Im Gegensatz zur Bilanz enthält die GuV auch Informa­ tionen über das Zustandekommen des Gewinns oder Verlusts, indem sie die Quel­ len des Erfolgs, d. h. die einzelnen Ertrags- und Aufwandsarten anzeigt.34 Sie in­ formiert also über die Ertragslage des Unternehmens.35 Die Bilanz enthält gem. § 242 Abs. 1 S. 1 eine Gegenüberstellung des Vermö­ gens (Aktiva; Mittelverwendung) und der Schulden (Passiva; Mittelherkunft) zum Bilanzstichtag.36 Die (einzelne) Bilanz ist also nicht zeitraum-, sondern stichtags­ bezogen.37 Die für die Bilanzierung maßgeblichen Bestandsgrößen Vermögen und Schulden ergeben sich, wenn bestimmte Zahlungsgrößen (z. B. Preise)  nicht als Aufwand oder Ertrag in der GuV verrechnet werden, sondern als Vermögensge­ genstand oder Schuld in der Bilanz aktiviert oder passiviert werden.38 Die Strö­ mungsgrößen innerhalb einer Periode werden also als Veränderung von Bestands­ größen zum Abschlussstichtag abgebildet.39 Zur Abbildung des Bestandes ist eine Bewertung jedes einzelnen Vermögensge­ genstandes bzw. jedes einzelnen Schuldpostens erforderlich. Dazu muss einem Bi­ lanzposten eine in Mengen von Geldeinheiten ausgedrückte Wertgröße zugeord­ net werden,40 wobei die Menge der Geldeinheiten, d. h. die Höhe des Wertes, von den Vorgaben des anzuwendenden Wertmaßstabes abhängt und sich über einen de­ finierten Zeitraum um den Saldo der für sie relevanten Strömungsgrößen ändert. Der in der Bilanz gewählte Ansatz bezeichnet also den Gegenwert des Bilanzpos­ tens in Geldeinheiten, wie er den Vorgaben des Bewertungsmaßstabes entspricht. Die Definition eines Bewertungsmaßstabes – sei er handelsrechtlicher oder steu­

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Baetge u. a., Bilanzen, 10. Aufl., S. 3. Baetge u. a., Bilanzen, 10. Aufl., S. 568; Wöhe/Kußmaul, Buchführung und Bilanztechnik, 6. Aufl., S. 6. 34 Jung, Handelsrecht, 7. Aufl., § 30, Rn. 16. 35 Jung, Handelsrecht, 7. Aufl., § 30, Rn. 16; Wöhe/Kußmaul, Buchführung und Bilanztech­ nik, 6. Aufl., S. 6. 36 Wöhe/Kußmaul, Buchführung und Bilanztechnik, 6. Aufl., S. 4 f. 37 Baetge u. a., Bilanzen, 10. Aufl., S. 119, 568; Wöhe/Kußmaul, Buchführung und Bilanz­ technik, 6. Aufl., S. 6. 38 Baetge u. a., Bilanzen, 10. Aufl., S. 5. 39 Wöhe/Kußmaul, Buchführung und Bilanztechnik, 6. Aufl., S. 15 f. 40 Federmann, S. 305 f.

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errechtlicher Natur – erfordert also im Umkehrschluss die Festsetzung von Vorga­ ben, anhand derer die Menge der dem Bilanzposten zuzuordnenden Geldeinhei­ ten im Hinblick auf das Bewertungsziel möglichst exakt bestimmt werden kann. Die Vorgaben, denen ein Wertmaßstab entsprechen soll, hängen von seinem Bilan­ zierungssystem ab und werden maßgeblich beeinflusst vom Zweck der Bilanz so­ wie den Aufgaben des Bewertungsmaßstabes in der Bilanz, den Möglichkeiten der Wertermittlung und nicht zuletzt den systemimmanenten41 und höherrangigen42 rechtlichen Regelungen für die Bewertung. bb) Die Steuerbilanz Die Steuerbilanz unterscheidet sich von der Handelsbilanz im Wesentlichen durch ihren unterschiedlichen Zweck und die damit verbundene Zielsetzung der Bewertung, die in der Ermittlung des wirklichen Gewinns und der steuerlichen Belastbarkeit besteht.43 Während der Kaufmann sich handelsrechtlich aus Gläubi­ gerschutzgründen nicht reicher rechnen darf als er ist, darf er sich steuerrechtlich zur Gewährleistung der Besteuerung des gesamten Periodeneinkommens nicht är­ mer rechnen als er ist. Darüber hinaus manifestiert sich der Unterschied zwischen Handels- und Steuer­ bilanz in einer unterschiedlichen Bedeutung des Saldos von Vermögen und Schul­ den: Der im Handelsrecht als „Eigenkapital“ bezeichnete Teil der Passivseite ent­ spricht dem steuerrechtlichen „Betriebsvermögen“ (§ 4 Abs. 1 S. 1 EStG), das im Sinne eines Betriebsreinvermögens zu verstehen ist.44 Mithilfe des Betriebsvermö­ gens wird sodann der steuerlich relevante „Gewinn“ i. S. d. Legaldefinition des § 4 Abs. 1 S. 1 EStG ermittelt, indem es mit dem Betriebsvermögen des vorangegan­ genen Jahres saldiert und um Hinzurechnung der Entnahmen sowie Verminderung der Einlagen korrigiert wird. In dieser Legaldefinition des Gewinns ist das Ergebnis des einzelnen Geschäfts­ jahres nur als Zwischengröße von Bedeutung. Entsprechend der geänderten Inter­ essenlage, die sich am deutlichsten im Fehlen eines handelsrechtlichen Pendants zur Gewinndefinition zeigt, verlieren die zusätzlichen sich aus der GuV ergeben­ 41 Für die handelsrechtliche Bilanzierung kommen als solche etwa die Prinzipien des § 252 Abs. 1 HGB in Betracht; für die steuerrechtliche Bilanzierung etwa die gem. § 5 Abs. 6 EStG vorrangigen steuerrechtlichen Regeln. 42 Für die handels- und steuerrechtliche Bilanzierung sind als solche etwa die Vorschrif­ ten des Grundgesetzes, z. B. die Grundrechte, zu beachten, dazu ausführlich unten: 4. Kapitel, D. II., V. 43 Vgl. dazu schon oben: 2. Kapitel, A. II. 1. a). 44 Weber-Grellet, Bilanzsteuerrecht, 10. Aufl., Rn. 30. Für die Handelsbilanz: Baetge u. a., Bilanzen, 10. Aufl., S. 3. Das Betriebsvermögen in diesem Sinne ist vom Betriebsvermögen im Sinne der aktiven und passiven Wirtschaftsgüter zu differenzieren; der Begriff hat im Steuer­ recht eine doppelte Bedeutung.

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2. Kap.: Der Teilwert im System des Ertragssteuerrechts

den Informationen über die Quellen des Erfolgs völlig an Bedeutung. Folgerichtig wird die GuV für die steuerrechtliche Gewinnermittlung nicht benötigt. Dass den­ noch nach § 60 Abs. 1 S. 2 EStDV eine GuV abzugeben ist, wenn die Bücher nach den Grundsätzen der doppelten Buchführung geführt werden, steht dem nicht ent­ gegen. Für die Bewertung in der Steuerbilanz gilt das zuvor Gesagte: Mit den relevan­ ten Bewertungsmaßstäben  – Anschaffungskosten, Herstellungskosten und Teil­ wert – werden anhand des Zwecks der Bilanz und der Funktion der Werte in der Bilanz Bestandsgrößen festgelegt, die sich für die einzelnen Wirtschaftsgüter ent­ sprechend den für sie relevanten Strömungsgrößen von Periode zu Periode än­ dern.45 b) Die Kostenrechnung Die Aufgabe der Kostenrechnung, zu der die Betriebsbuchführung (Betriebs­ abrechnung) und die Selbstkostenrechnung (Kalkulation) gehören, besteht in der Erfassung, Verteilung und Zurechnung der Kosten, die bei der betrieblichen Leis­ tungserstellung und -verwertung entstehen.46 Zu den damit verfolgten ausschließ­ lich betriebsinternen Zwecken gehört neben der Kontrolle der Wirtschaftlichkeit des Betriebsprozesses, die als Grundlage für betriebliche Dispositionen dient, auch die Kalkulation der Angebotspreise als Preisuntergrenze auf Grundlage der Selbst­ kosten für die Erzeugung und den Absatz der betrieblichen Leistungen und Güter.47 Maßgebliche Strömungsgrößen für die Kostenrechnung sind die Betriebsleistung, d. h. das Ergebnis der betrieblichen Tätigkeit, die sich in Form von Sachgütern und Dienstleistungen zeigt und die Kosten, also der leistungsbedingte bewertete Ver­ zehr von Gütern und Diensten.48 Da der Begriff der Kosten in Form der Anschaffungs- und Herstellungskosten (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 1, Nr. 1a S. 1, Nr. 2 S. 1, Nr. 5 S. 1 HS. 2, Nr. 7 EStG) auch für die Steuerbilanz relevant ist, stellt sich die Frage nach dem Verhältnis zwischen Bi­ lanz und Kostenrechnung. Die Wechselbeziehungen lassen sich am Beispiel von Halb- und Fertigerzeugnissen veranschaulichen:49 Aufgabe der Kostenrechnung ist es, die Kosten für die betriebliche Leistungserstellung zu erfassen und auf die verschiedenen Kostenträger (Leistungen) zu verteilen.50 Dementsprechend werden mittels der Kostenrechnung die Kosten für die Erstellung der Halb- und Fertig­ erzeugnisse ermittelt. Da keine weitere Wertschöpfung mit den Halb- und Fertiger­

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Vgl. dazu oben: 2. Kapitel, A. II. 1. a) aa). Wöhe/Kußmaul, Buchführung und Bilanztechnik, 6. Aufl., S. 7. 47 Wöhe/Kußmaul, Buchführung und Bilanztechnik, 6. Aufl., S. 7 f. 48 Baetge u. a., Bilanzen, 10. Aufl., S. 2; Wöhe/Kußmaul, Buchführung und Bilanztechnik, 6. Aufl., S. 8, 17 ff. 49 Vgl. für diesen Vergleich: Wöhe/Kußmaul, Buchführung und Bilanztechnik, 6. Aufl., S. 8. 50 Wöhe/Kußmaul, Buchführung und Bilanztechnik, 6. Aufl., S. 7.

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zeugnissen verbunden ist, entsprechen die Kosten für ihre Herstellung ihrem Wert. In der Bilanz sind folglich die Herstellungskosten anzusetzen (§ 253 Abs. 1 S. 1 HGB; § 6 Abs. 1 Nr. 2 S. 1 EStG). Die Anschaffungs- oder Herstellungskosten sind somit die in Bestandsgrößen „umgemünzten“ Strömungsgrößen der Kostenrechnung. Der für den Betrieb ent­ standene Aufwand für die Anschaffung oder Herstellung einer Leistung macht hier den Wert der Sache aus. Es handelt sich somit trotz der irreführenden Bezeichnung um Bewertungsmaßstäbe für die Bilanzierung. c) Zusammenfassung Das Verhältnis zwischen der Steuer- bzw. Handelsbilanz und der Kostenrech­ nung wurde bereits 1974 vom BFH treffend mit der Erkenntnis beschrieben: „Die Bilanz im Rechtssinne ist keine Kostenrechnung.“51 Entscheidungsrelevanter Hintergrund dieser Aussage war das Bestreben einer Teilzahlungsbank, die Kosten, die durch die besondere Form der Kredittilgung bei einem Ratenkredit entstehen, neben den nach der Zinsstaffelmethode berechneten passiven Rechnungsabgrenzungsposten (RAP) durch eine Rückstellung für Ver­ waltungskosten oder durch einen weiteren Korrekturposten zu ergänzen, um zu einer leistungsbezogenen Gewinnabgrenzung zu gelangen. Nach Ansicht des Ge­ richts haben die passiven RAP nur insofern leistungsbezogene Bedeutung, als es um die Verlagerung der noch ausstehenden Gegenleistung für die nach dem Ver­ trag geschuldeten Leistungen geht, während die durch das Erbringen der Leistung verursachten Kosten keine bilanzielle Berücksichtigung finden dürften.52 Die Ver­ waltungsarbeit stelle zwar betriebswirtschaftlich eine Leistung i. S. d. Kostenrech­ nung dar, sei aber nicht Gegenstand der schuldrechtlichen Verpflichtung gegen­ über dem Kreditnehmer und dürfe dementsprechend in der Bilanz im Rechtssinne nicht berücksichtigt werden.53 Döllerer hat mit direktem Bezug zu dem Urteil des BFH zu Recht darauf hin­ gewiesen, dass die Bilanz im Rechtssinne, also die Steuerbilanz ebenso wie die Handelsbilanz, vom Gesetz „in den Dienst der Rechnungslegung und nicht in den Dienst der Finanzierung“ gestellt worden sei.54 Allgemeiner formuliert machen die unterschiedlichen Zwecke der externen Rechnungslegung einerseits und der Kos­ tenrechnung andererseits eine strikte Trennung beider Instrumente erforderlich.55 51 BFH, U.v. 17.7.1974 – I R 195/72, BStBl II 1974, 684, 686; Dem Urteil folgend: WeberGrellet, Steuerbilanzrecht, § 1, Rn. 17; ders., Bilanzsteuerrecht, 10. Aufl., Rn. 42; Federmann, S. 121. Ausführlich zu diesem Zitat: Döllerer, JbFAStR 1979/1980, 195 ff. 52 So wörtlich: BFH, U.v. 17.7.1974 – I R 195/72, BStBl II 1974, 684, 685 f. 53 BFH, U.v. 17.7.1974 – I R 195/72, BStBl II 1974, 684, 686. 54 Zitat: Döllerer, JbFAStR 1979/1980, 196. Ähnlich bereits ders., BB 1962, 189. 55 Vgl. dazu ausführlich: Döllerer, BB 1962, 189.

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2. Kap.: Der Teilwert im System des Ertragssteuerrechts

Dementsprechend ist auch bei der Ermittlung der maßgeblichen Größen – Ver­ mögen und Schulden als Bestandsgrößen einerseits, Leistung und Kosten als Strömungsgrößen andererseits – zu differenzieren. Anschaffungskosten, Herstel­ lungskosten und Teilwert sind als stichtagsbezogene Werte zu ermitteln, für die al­ lerdings die durch die Kostenrechnung ermittelten Zahlungsströme im Einzelfall von entscheidender Bedeutung sein können. Die Bedeutung der Unterscheidung von Kosten und Werten für den hier inte­ ressierenden Teilwert kommt sehr anschaulich in dem für die Entwicklung des Wertes in mehrfacher Hinsicht entscheidenden Urteil des Reichsfinanzhofs vom 14.12.192656 zum Ausdruck: „Ist ein Unternehmen gut gehend und steht der Ge­ genstand in einer solchen Beziehung zu ihm, daß es nützlich wäre, ihn im Falle des Verlustes wieder zu beschaffen, so fällt der Teilwert mit dem sogenannten Wieder­ beschaffungswerte (Reproduktionswert), d. h. mit dem Betrag der Wiederbeschaf­ fungskosten, zusammen.“57 2. Die gesetzlichen Grundlagen des Bilanzsteuerrechts Eine einheitliche Kodifizierung des Bilanzsteuerrechts existiert nicht.58 Die ent­ scheidenden Vorschriften verteilen sich über mehrere Gesetze des Steuerrechts und des Handelsrechts. Im Zentrum des Bilanzsteuerrechts stehen die Vorschrif­ ten der §§ 4 bis 7k EStG,59 die mit den Ansatz- und Bewertungsvorschriften für die Steuerbilanz den materiellen Teil  der Gewinnermittlung durch Bilanzierung im Steuerrecht ausmachen. Von besonderer Bedeutung für den persönlichen Anwen­ dungsbereich des Bilanzsteuerrechts sind darüber hinaus die verfahrensrechtlichen Regelungen der §§ 140–148 AO.60 § 141 Abs.  1 S.  2 AO erklärt zudem die Vor­ schriften über die Führung von Handelsbüchern aus dem HGB, §§ 238, 240–242 Abs. 1, 243–256, für sinngemäß anwendbar. Im Wesentlichen inhaltsgleich ver­ weist § 5 Abs. 1 EStG für buchführende Gewerbetreibende auf die handelsrecht­ lichen Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung und Bilanzierung (GoB), sog. Maßgeblichkeitsgrundsatz61. Angesichts der unterschiedlichen Zwecke von han­ dels- und steuerrechtlicher Gewinnermittlung sowie des auf zunehmender Interna­ tionalisierung und Europäisierung beruhenden Reformdrucks erfährt die mit dem

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RFH, U.v. 14.12.1926 – VI A 575/26, RFHE 20, 87 ff. Ausführlich zu diesem Urteil unten: 3. Kapitel, A. V. 6. b). 57 RFH, U.v. 14.12.1926 – IV A 575/26, RFHE 20, 87, 89. 58 Weber-Grellet, Bilanzsteuerrecht, 10. Aufl., Rn. 5. 59 Nach Weber-Grellet, Bilanzsteuerrecht, 10. Aufl., Rn.  5: Kernbereich des Bilanzsteuer­ rechts. 60 Dazu sogleich: 2. Kapitel, A. II. 3. 61 Vgl. z. B. Schmidt/Weber-Grellet, 28. Aufl. 2009, § 5, Rn. 26 ff. Ausführlich dazu unten: 4. Kapitel, D. III.

A. Ertragsbesteuerung und Bilanzierung

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Maßgeblichkeitsgrundsatz einhergehende Zergliederung der bilanzsteuerrechtli­ chen Gesetzesgrundlagen immer mehr Kritik.62 Durch Art.  3 Nr.  1 des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes (BilMoG) vom 25.5.200963 hat der Gesetzgeber jüngst auch den Grundsatz der Maßgeblichkeit geändert, jedoch wurde nur die sog. umgekehrte Maßgeblichkeit der Steuerbilanz für die Handelsbilanz (§ 5 Abs. 1 S. 2 HGB a. F.) aufgegeben, während die mate­ rielle Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz bestätigt wurde, vgl. § 5 Abs. 1 HGB n. F. 3. Der persönliche Anwendungsbereich des Bilanzsteuerrechts In den persönlichen Anwendungsbereich des Bilanzsteuerrechts fallen nur sol­ che Steuerpflichtigen, die regelmäßig Bücher führen und Abschlüsse machen und ihren Gewinn daher mittels Betriebsvermögensvergleichs ermitteln können. Dabei ist hinsichtlich der anzuwendenden Vorschriften zwischen den Gewinn­ einkunftsarten des § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1–3 EStG zu unterscheiden: Für Land- und Forstwirte sowie für selbstständig Tätige (§ 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 3 EStG) richtet sich die Gewinnermittlung nach § 4 Abs.  1 EStG.64 Für alle Gewerbetreibenden einschließlich der nach dem Körperschaftsteuergesetz steuerpflichtigen Körper­ schaften gilt hingegen die Regelung des § 5 Abs. 1 EStG, die die handelsrechtli­ chen GoB für die Bestimmung des Betriebsvermögens i. S. d. § 4 Abs. 1 EStG für maßgeblich erklärt.65 Der augenscheinliche Unterschied in der Gewinnermittlung nach § 5 Abs.  1 und § 4 Abs. 1 EStG relativiert sich größtenteils dadurch, dass die §§ 238, 240– 242 Abs. 1, 243–256 HGB über § 141 Abs. 1 S. 2 AO auch für die pflichtgemäß nach § 4 Abs. 1 EStG buchführenden Steuerpflichtigen (insbes. Land- und Forst­ wirte) sinngemäß gelten und die Rechtsprechung zudem dazu neigt, die Abs. 2–5 des § 5 EStG bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs.  1 EStG entsprechend an­ zuwenden.66

62 Ausführlich Schmidt/Weber-Grellet, 28. Aufl. 2009, § 5, Rn. 27 mit Verweis auf Schmidt/ dens., 23. Aufl. 2004, § 5, Rn. 27; ders., DB 2008, S. 2451 ff.; Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 20. Aufl., § 17, Rz. 47 ff. 63 BGBl I 2009, 1102, 1120. 64 Birk, Steuerrecht, 12. Aufl., Rn. 805; Schmidt/Heinicke, 28. Aufl. 2009, § 4, Rn. 3. 65 Birk, Steuerrecht, 12. Aufl., Rn. 805. Dies gilt nur, soweit nicht einkommensteuerrecht­ liche Regelungen oder der spezifische Zweck der Steuerbilanz der Anwendung des Handels­ rechts Grenzen setzen, vgl. Schmidt/Weber-Grellet, 28. Aufl. 2009, § 5, Rn. 21. 66 Birk, Steuerrecht, 12.  Aufl., Rn.  805 mit Verweis auf BFH, U.v. 8.11.1979  – IV R 145/77, BStBl II 1980, 146, 147; U.v. 22.1.1980 – VIII R 74/77, BStBl II 1980, 244, 246; U.v. 20.11.1980 – IV R 126/78, BStBl II 1981, 398, 399; U.v. 24.3.1982 – IV R 96/78, BStBl II 1982, 643, 645.

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2. Kap.: Der Teilwert im System des Ertragssteuerrechts

B. Der Teilwert im Bilanzsteuerrecht Nachdem somit die Grundlagen der Einkommensbesteuerung und der Bilanzie­ rung im Steuerrecht feststehen, soll der Teilwert nun hinsichtlich Anwendungs­ bereich und Funktion in das System der einkommensteuerrechtlichen Bewertung eingeordnet werden.

I. Ansatz und Bewertung in der Bilanz – Der Anwendungsbereich des Teilwerts Die Verwendung des Betriebsvermögensvergleichs als Methode zur Gewinn­ ermittlung macht eine Bilanzierung der einzelnen Wirtschaftsgüter erforderlich. Dafür muss zunächst festgelegt werden, welche Bewertungsgegenstände über­ haupt in der Bilanz anzusetzen sind,67 sog. Bilanzierung dem Grunde nach.68 Ste­ hen die anzusetzenden Bewertungsgegenstände fest, muss noch entschieden wer­ den, wie diese in der Bilanz zu bewerten sind, sog. Bilanzierung der Höhe nach.69 Hier findet neben den Anschaffungs- oder Herstellungskosten der Teilwert seinen Anwendungsbereich. 1. Der Ansatz in der Bilanz – Bilanzierung dem Grunde nach Welche Positionen in der Steuerbilanz anzusetzen sind, kann vorbehaltlich steu­ errechtlicher Sonderregelungen den handelsrechtlichen Vorschriften der §§ 246, 247, 266 HGB entnommen werden, wenn auch eine unmittelbare Geltung als Grundsatz ordnungsgemäßer Bilanzierung allenfalls den §§ 246, 247 HGB im An­ wendungsbereich des § 5 Abs.  1 EStG zukommen kann.70 Gemäß § 247 Abs.  1 HGB sind in der Bilanz das Anlage- und Umlaufvermögen, das Eigenkapital (steu­ errechtlich: Betriebsvermögen), die Schulden (steuerrechtlich: Verbindlichkeiten und Rückstellungen) sowie die aktiven71 und passiven72 Rechnungsabgrenzungs­ posten gesondert auszuweisen und hinreichend aufzugliedern.



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Stobbe, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 6, Rn. 69. Birk, Steuerrecht, 12. Aufl., Rn. 836. 69 Birk, Steuerrecht, 12. Aufl., Rn. 870; Stobbe, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 6, Rn. 40, 69. 70 Vgl. Birk, Steuerrecht, 12.  Aufl., Rn.  836; Stobbe, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 6, Rn. 40, 69, Weber-Grellet, Steuerbilanzrecht, § 1, Rn. 12; ders., Bilanzsteuerrecht, 10. Aufl., Rn. 113. 71 Vgl. §§ 247, 250 Abs. 1 HGB. Gleichlautend § 5 Abs. 5 S. 1 Nr. 1 EStG. 72 Vgl. §§ 247, 250 Abs. 2 HGB. Gleichlautend § 5 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 EStG.

B. Der Teilwert im Bilanzsteuerrecht

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Das Eigenkapital bzw. Betriebsvermögen73, genauer das Betriebsreinvermö­ gen74, bildet den Ausgleichsposten der Bilanz, der als Saldo eine Aussage über das Geschäftsergebnis trifft. Eine Bewertung nach § 6 Abs. 1 EStG findet hier nicht statt. Die Bilanz wird komplettiert durch die in § 249 HGB und § 5 Abs. 4–4b, § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG geregelten Rückstellungen. 2. Die Bewertung in der Bilanz – Bilanzierung der Höhe nach Die Bewertung der einzelnen Bilanzposten richtet sich nach § 6 und § 7 EStG, wobei § 7 den § 6 Abs. 1 um die Vorschriften zu den Absetzungen für Abnutzung und Substanzverringerung und § 6 Abs. 2 den § 7 für den Fall der Anschaffung oder Herstellung geringwertiger Wirtschaftsgüter ergänzt.75 Für den Teilwert sind aller­ dings nur die allgemeinen Bewertungsregeln des § 6 Abs. 1 EStG von Bedeutung. a) Das Bewertungskonzept des § 6 Abs. 1 EStG Im Vergleich zum Handelsrecht, das eine Vielzahl von Bewertungsmaßstäben kennt, werden im Einkommensteuerrecht nur drei Wertmaßstäbe gebraucht: An­ schaffungskosten, Herstellungskosten und der Teilwert.76 Dieses Bewertungskonzept ist in zweierlei Hinsicht bewusst einfach gehalten: Einerseits verzichtet das Einkommensteuerrecht auf die Wertevielfalt des Han­ delsrechts und der Betriebswirtschaftslehre, um dem steuerrechtlichen Erforder­ nis nach einer einfachen, willkürfreien und nachvollziehbaren Wertbestimmung77 gerecht zu werden.78 Andererseits lässt das Einkommensteuerrecht – anders als die Konzeption des Bewertungsgesetzes – den Zeitfaktor unberücksichtigt, indem es nicht zwischen Gegenwarts- und Zukunftswerten differenziert,79 sondern nur auf Werte „von

73 Der Begriff des Betriebsvermögens übernimmt im Steuerrecht insofern eine Doppelrolle, als er sowohl die Gesamtheit der Wirtschaftsgüter beschreibt, die zu dem Betrieb in einem För­ derungszusammenhang stehen, als auch den Saldo beschreibt, der in der Bilanz nach Gegen­ überstellung von Aktiva und Passiva eine Aussage über den Geschäftserfolg trifft, vgl. WeberGrellet, Bilanzsteuerrecht, 10. Aufl., Rn. 30. sowie oben: 2. Kapitel, A. II. 1. a) bb). 74 Weber-Grellet, Bilanzsteuerrecht, 10. Aufl., Rn. 30. 75 Stobbe, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 6, Rn. 40. 76 Weber-Grellet, FS Schmidt, S. 172 f.; ders. Bilanzsteuerrecht, 10. Aufl., Rn. 224. 77 Weber-Grellet, Bilanzsteuerrecht, 10. Aufl., Rn. 46 f. 78 Weber-Grellet, FS Schmidt, S. 173. Vgl. auch Hensel, Steuerrecht, 1933, S. 82 f. 79 Weber-Grellet, FS Schmidt, S. 173.

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2. Kap.: Der Teilwert im System des Ertragssteuerrechts

Dauer“80 abstellt. Dies ermöglicht eine präzisere, weil vom jeweiligen Wert am Bi­ lanzstichtag unabhängige Bewertung. b) Anschaffungs- oder Herstellungskosten Regelmaßstab und damit Ausgangspunkt für den Wertansatz eines Wirtschafts­ guts in der Steuerbilanz sind die Anschaffungs- oder Herstellungskosten (AK/ HK).81 Die Begriffe sind im Einkommensteuerrecht nicht definiert, jedoch ent­ hält § 255 Abs.  1–2a HGB für die handelsrechtliche Bilanzierung gesetzliche Definitionen sowohl der Anschaffungs- als auch der Herstellungskosten. Einer un­mittelbaren Geltung dieser Definitionen, denen zufolge beide Begriffe aus meh­ reren Teilelementen bestehen, steht der steuerrechtliche Bewertungsvorbehalt (§ 5 Abs. 6 EStG) entgegen. Auch eine Übernahme zumindest in die Gewinner­ mittlung nach § 5 Abs. 1 EStG aufgrund des Maßgeblichkeitsgrundsatzes kommt nicht in Betracht, weil es sich bei den Definitionen nicht um GoB handelt, deren Maßgeblichkeit § 5 Abs. 1 EStG allein anordnet. Möglich ist daher allenfalls eine analoge Anwendung der handelsrechtlichen Regelungen im Bilanzsteuerrecht. Dafür ist jedoch Voraussetzung, dass die Anschaffungs- und Herstellungskosten im steuerrechtlichen Sinne dieselben Bestandteile umfassen wie die handelsrecht­ lichen Legaldefinitionen. Der Begriff der Anschaffungskosten wird vom BFH seit dem Beschluss des Großen Senats vom 22.8.1966 final verstanden;82 er soll alle Aufwendungen er­ fassen, die zum Erwerb des Wirtschaftsguts getätigt werden. Auch die Definition des § 255 Abs. 1 HGB geht vom finalen Anschaffungskostenbegriff aus; folgerich­ tig wird § 255 Abs. 1 HGB schon seit geraumer Zeit analog im Steuerrecht ange­ wendet.83 Der Begriff der Herstellungskosten (§ 255 Abs. 2, 2a HGB) wurde durch das BilMoG vom 25.5.200984 an den steuerrechtlichen Herstellungskostenbe­ griff angeglichen, indem das Aktivierungswahlrecht für Material- und Fertigungs­ gemeinkosten sowie für andere Bestandteile (§ 255 Abs. 2 S. 3 HGB a. F.) durch eine Aktivierungspflicht ersetzt wurde, vgl. § 255 Abs. 2 S. 2 HGB.85 Einer analo­ gen Anwendung des § 255 Abs. 2 HGB steht damit nichts mehr im Wege. Sowohl



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Weber-Grellet, FS Schmidt, S. 173. Birk, Steuerrecht, 12.  Aufl., Rn.  874; Weber-Grellet, Bilanzsteuerrecht, 10.  Aufl., Rn. 225. 82 BFH, B.v. 22.8.1966 – Gr. S. 2/66, BStBl III 1966, 672, 674: „Anschaffungskosten sind die Kosten, die aufgewendet werden, um das Wirtschaftsgut von einem anderen zu erwer­ ben[…].“ 83 BFH, U.v. 14.1.1992 – IX R 226/87, BStBl II 1992, 464, 465; Weber-Grellet, Steuerbi­ lanzrecht, § 17, Rn. 1 f. 84 BGBl I 2009, 1102; ausführlich dazu unten: 4. Kapitel, C. V. 85 Vgl. dazu auch Gesetzentwurf der Bundesregierung v. 30.7.2008, BT-DrS. 16/10067, Be­ gründung S. 59 sowie Meurer, FR 2009, 120.

B. Der Teilwert im Bilanzsteuerrecht

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für die Anschaffungs- als auch für die Herstellungskosten kann nunmehr auf die Legaldefinitionen des § 255 Abs. 1, 2 HGB zurück gegriffen werden.86 Die AK/HK sind sowohl für abnutzbare Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 EStG), als auch für nicht abnutzbare Wirtschaftsgüter des An­ lagevermögens und Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 S. 1 EStG) anzusetzen.87 Auch für Verbindlichkeiten sind die Anschaffungskosten von Bedeutung.88 Nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 S. 1 EStG sind sie unter sinngemäßer Anwendung der Vor­ schriften der Nummer 2 des § 6 Abs.  1 EStG anzusetzen und mit einem Zins­ satz von 5,5 vom Hundert abzuzinsen. Da es für Verbindlichkeiten keine eigentli­ chen Anschaffungskosten gibt,89 führt die sinngemäße Anwendung der Nummer 2 dazu, dass statt dessen grundsätzlich der Erfüllungsbetrag (§ 253 Abs.  1 S.  2 HGB)90 anzusetzen ist, der i. d. R. dem Nennwert91 entspricht.92 Weiterhin sieht § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG eine Abzinsung dieses Wertes mit einem Zinssatz von 5,5 % vor, sofern es sich nicht um eine Verbindlichkeit mit einer Restlaufzeit von weni­ ger als 12 Monaten, eine verzinsliche Verbindlichkeit oder eine Verbindlichkeit auf Grundlage einer Anzahlung oder Vorausleistung handelt (§ 6 Abs. 1 Nr. 3 S. 2 EStG). Spiegelbildlich zu den aktiven Wirtschaftsgütern kommt darüber hinaus bei einer voraussichtlich dauernden Wertsteigerung der Ansatz des höheren Teil­ werts in Betracht.93 Weitere Anwendungsfälle der AK/HK finden sich in § 6 Abs.  1 Nr.  5, 6 und 7 EStG, die die Bewertung von Einlagen bei bestehendem Betrieb (Nr. 5), die To­ 86 BFH, U.v. 26.7.2007 – IV R 71/04, BFH/NV 2008, 347, 348; Birk, Steuerrecht, 12. Aufl., Rn. 875; Weber-Grellet, Steuerbilanzrecht, § 17, Rn. 1. Zur Definition der Anschaffungskosten: Weber-Grellet, Steuerbilanzrecht, § 17, Rn. 2; Wöhe, betriebsw. Steuerlehre I/2, S. 142. 87 Zu beachten ist, dass das EStG – anders als das HGB – nicht zwischen Umlauf- und Anla­ gevermögen unterscheidet. Daher fallen sowohl nicht abnutzbare Wirtschaftsgüter des Anlage­ vermögens als auch Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens einheitlich unter § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG, während abnutzbare Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens unter § 6 Abs. 1 Nr. 1 EStG fallen; irreführend insofern: Birk, Steuerrecht, 12. Aufl., Rn. 841. 88 Dazu: Kiesel, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 6, Rn. 1130 ff.; Ehmcke, in: Blümich, § 6, Rn. 940. Zum Begriff der Verbindlichkeiten: Birk, Steuerrecht, 12. Aufl., Rn. 853. 89 Schmidt/Glanegger, 28. Aufl. 2009, § 6, Rn. 387; Birk, Steuerrecht, 12. Aufl., Rn. 910. 90 Der „Erfüllungsbetrag“ ersetzt seit Inkrafttreten des BilMoG vom 25.5.2009 den „Rück­ zahlungsbetrag“, Der Erfüllungsbetrag ist der Betrag, der vom Bilanzierenden zur Erfüllung der Verbindlichkeit aufzuwenden ist. Dies ist bei Geldleistungspflichten der Rückzahlungs­ betrag, bei Sachleistungs- und Sachwertverpflichtungen der im Erfüllungszeitpunkt voraus­ sichtlich aufzuwendende Geldbetrag, vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung v. 30.7.2008, BT-DrS. 16/10067, Begründung S. 52; Federmann, S. 337. 91 Der Nennwert beschreibt hier den Wert, der den Anschaffungskosten entspricht. Als sol­ cher ist er kein originärer Wertmaßstab, sondern lediglich der Währungsbetrag, auf den die For­ derung oder Verbindlichkeit lautet (Federmann, S. 337). 92 BFH, U.v. 31.1.1980 – IV R 126/76, BStBl II 1980, 491, 493; Kiesel, in: Herrmann/Heuer/ Raupach, § 6, Rn. 1131; Schmidt/Glanegger, 28. Aufl. 2009, § 6, Rn. 387. 93 Im Einzelnen unten: 2. Kapitel, B. I. 2. c) bb).

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2. Kap.: Der Teilwert im System des Ertragssteuerrechts

taleinlage bei Betriebseröffnung (Nr.  6) sowie die Bewertung bei entgeltlichem Betriebserwerb (Nr. 7) regeln. In diesen Fällen ist grundsätzlich der Teilwert anzu­ setzen; die AK/HK bilden hier (teilweise nur unter bestimmten Voraussetzungen) die Wertobergrenze.94 c) Teilwert Der Teilwert ist in § 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG legal definiert als der Betrag, den ein Erwerber des ganzen Betriebes im Rahmen des Gesamtkaufpreises für das ein­ zelne Wirtschaftsgut ansetzen würde, wobei davon auszugehen ist, dass der Erwer­ ber den Betrieb fortführt. Zur Anwendung kommt der Wertmaßstab i.R.d. § 6 Abs. 1 EStG einerseits als „Korrekturwert“95 im Vergleich zu den AK/HK (§ 6 Abs. 1 Nr. 1, 2, 3 EStG), ande­ rerseits als Realisationswert für Entnahmen, Einlagen und bei der Bewertung von Wirtschaftsgütern im Falle der Betriebseröffnung und des entgeltlichen Betriebs­ erwerbs (§ 6 Abs. 1 Nr. 4, 5, 6, 7 EStG). aa) Der niedrigere Teilwert bei der Bewertung aktiver Wirtschaftsgüter, § 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 2, Nr. 2 S. 2 EStG Für die Bewertung des Anlage- und Umlaufvermögens kommt der Teilwert gem. § 6 Abs.  1 Nr.  1 S.  2, Nr.  2 S.  2 EStG nur dann zur Anwendung, wenn er aufgrund einer voraussichtlich dauernden Wertminderung niedriger ist als die (fortgeführten) AK/HK.96 Sowohl für den Zeitpunkt der Anschaffung oder Her­ stellung als auch für jeden späteren Zeitpunkt sind für eine korrekte Gewinnermitt­ lung Wertveränderungen zu berücksichtigen, die sich aufgrund des Gebrauchs, der technischen Überholung, der Marktlage oder aus sonstigen Gründen ergeben. Da­ bei kann der Wert sowohl steigen als auch sinken. Wertsteigerungen wirken sich in der Bilanz grundsätzlich nicht aus, sofern sie nicht auf weiteren Aufwendungen des Steuerpflichtigen beruhen.97

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Birk, Steuerrecht, 12. Aufl., Rn. 877. Weber-Grellet, Steuerbilanzrecht, § 19, Rn. 2. 96 Ehmcke, in: Blümich, § 6, Rn. 542 bemerkt zutreffend, dass der vielfach verwendete Aus­ druck „Teilwertabschreibung“ unscharf sei, weil in § 6 Abs. 1 EStG lediglich eine bestimmte Bewertungsvorschrift, nicht aber eine Aufwandverteilung wie etwa in § 7 EStG (AfA) nieder­ gelegt sei. 97 Birk, Steuerrecht, 12. Aufl., Rn. 902. Wie sich aus § 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 und Nr. 2 S. 1 EStG ergibt, bilden die AK/HK die Wertobergrenze für die Bewertung. Das gilt auch dann, wenn aufgrund einer Wertsteigerung, die nach einer vorangegangenen Bewertung mit dem Teilwert eingetreten ist, eine Wertaufholung nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 4 oder Nr. 2 S. 3 EStG vorzuneh­ men ist (sog. strenges Wertaufholungsgebot), Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 20. Aufl., § 17, Rz. 171; Birk, Steuerrecht, 12. Aufl., Rn. 907.

B. Der Teilwert im Bilanzsteuerrecht

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Anders verhält es sich dagegen bei Wertminderungen. Diese werden – soweit nicht bei abnutzbarem Anlagevermögen der Anwendungsbereich des § 7 EStG zur AfA berührt wird98 – in der Bilanz gem. § 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 bzw. Nr. 2 S. 2 EStG durch die Bewertung mit dem Teilwert, der folgerichtig bei der Bewertung des An­ lage- und Umlaufvermögens nur als niedrigerer Teilwert vorkommt, berücksich­ tigt. Der Teilwert wird damit in diesem Zusammenhang zu einem Korrekturwert, der die wertbestimmenden Faktoren berücksichtigt, die nicht durch planmäßige oder außerplanmäßige Abschreibungen und auch nicht in den Anschaffungs- oder Herstellungskosten erfasst werden.99 Dabei spielt der Zusammenhang zu den handelsrechtlichen Bewertungsvor­ schriften eine erhebliche Rolle. Da § 253 Abs. 3 S. 3, Abs. 4 S. 2 HGB für den Fall einer voraussichtlich dauernder Wertminderung bei Wirtschaftsgütern des Anla­ gevermögens und des Umlaufvermögens verpflichtend eine außerplanmäßige Ab­ schreibung vorsieht, stellt sich die Frage, ob aufgrund der materiellen Maßgeb­ lichkeit der handelsrechtlichen GoB gem. § 5 Abs. 1 S. 1 EStG bzw. aufgrund der Anordnung des § 141 Abs. 1 S. 2 AO100 auch im Rahmen der einkommensteuer­ rechtlichen Bewertung eine Pflicht zur Bewertung mit dem niedrigeren Teilwert besteht.101 Bis zum Inkrafttreten des BilMoG vom 25.5.2009102 wurde davon aus­ gegangen, dass das steuerliche Abschreibungswahlrecht zumindest im Geltungs­ bereich des § 5 Abs. 1 EStG a. F. einer Abschreibungspflicht weichen müsse; im Geltungsbereich des § 141 Abs. 1 S. 2 AO war dies umstritten.103 Mit dem BilMoG wurde § 5 Abs. 1 S. 1 EStG jedoch dahin gehend geändert, dass von einer Maß­ geblichkeit der handelsrechtlichen GoB nur auszugehen ist, sofern nicht „im Rah­ men der Ausübung eines steuerlichen Wahlrechts […] ein anderer Ansatz gewählt“ wird oder wurde. Dieser zweite Halbsatz des ansonsten unveränderten § 5 Abs. 1 S.  1 EStG erlaubt seinem eindeutigen Wortlaut nach die Ausübung steuerlicher Wahlrechte unabhängig von der ansonsten bestehenden Maßgeblichkeit handels­ rechtlicher GoB. Mit einer grammatikalischen Interpretation würde zumindest im Anwendungsbereich des § 5 Abs. 1 EStG die Grundlage für einen verpflichtenden Ansatz des Teilwerts im Falle einer Wertminderung entfallen.104

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Zum Verhältnis von Teilwertabschreibung und AfA unten: 2. Kapitel, B. II. 3. Weber-Grellet, Steuerbilanzrecht, § 19, Rn. 2. 100 Gem. § 141 Abs.  1 S.  2 AO gilt u. a. § 253 HGB für die Bilanzierung auch derjenigen Steuerpflichtigen, deren Buchführungspflicht sich aus § 141 Abs.  1 S.  1 AO ergibt. Vgl. zu den gesetzlichen Grundlagen des Bilanzsteuerrechts oben: 2. Kapitel, A. II. 2. und zu den An­ wendungsbereichen der Bilanzierung nach § 4 Abs. 1 und § 5 Abs. 1 EStG oben: 2. Kapitel, A. II. 3. 101 Ausführlich zu „Recht oder Pflicht zur Teilwertabschreibung“ Winkeljohann, in: Herrmann/ Heuer/Raupach, § 6, Rn. 561 ff.; Werndl, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 6, Rn. B 419 ff. 102 BGBl I 2009, 1102 ff. 103 BFH, U.v. 31.1.1991 – IV R 31/90, BStBl II 1991, 627; U.v. 29.4.1999 – IV R 40/97, BStBl II 1999, 828, 832 (jeweils zu § 5 Abs. 1 EStG). Ausführlich Winkeljohann, in: Herrmann/ Heuer/Raupach, § 6, Rn. 562 (§ 5 EStG), 563 (§ 4 EStG); Werndl, in: Kirchhof/Söhn/Melling­ hoff, § 6, Rn. B 575; B 419 (§ 5 EStG), B 422 ff. (§ 4 EStG). 104 Ausführlich: Herzig/Briesemeister, DB 2009, 929.

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2. Kap.: Der Teilwert im System des Ertragssteuerrechts

Jedoch steht eine solche grammatikalische Auslegung dem Willen des Gesetz­ gebers entgegen. Dieser verfolgte mit der Ergänzung des § 5 Abs. 1 S. 1 EStG um den zweiten Halbsatz sowie mit der Abschaffung des § 5 Abs. 1 S. 2 EStG a. F. (for­ melle Maßgeblichkeit der Steuerbilanz für die Handelsbilanz105) das Ziel, die Infor­ mationsfunktion des handelsrechtlichen Jahresabschlusses dadurch zu verbessern, „dass die Ausübung von steuerlichen Wahlrechten, die von den handelsrechtli­ chen Bilanzierungsvorschriften abweichen, im handelsrechtlichen Jahresabschluss nicht mehr nachzuvollziehen ist.“106 Die steuerlich autonome Wahlrechtsausübung sollte also durch § 5 Abs. 1 EStG n. F. auf GoB-inkonforme Wahlrechte beschränkt werden.107 Eine solche Beschränkung kommt freilich im Wortlaut des neu gefass­ ten § 5 Abs. 1 EStG nicht zum Ausdruck. Ob sie dennoch als offensichtlicher Wille des Gesetzgebers zu berücksichtigen ist, ist umstritten. Teilweise wird darauf hingewiesen, dass der Wortlaut der Norm eindeutig sei und für eine einschränkende Auslegung im Sinne des gesetzgeberischen Willens keinen Raum lasse.108 Teilweise wird dem gesetzgeberischen Willen der Vorrang vor dem Wortlaut eingeräumt, weil entweder der objektivierte Wille des Gesetz­ gebers eine vollständige Entkoppelung steuerlicher Wahlrechte von der Handels­ bilanz nicht zulasse oder von einem Redaktionsversehen des Gesetzgebers ausge­ gangen werden müsse oder der Wortlaut des § 5 Abs. 1 S. 1 HS. 2 EStG teleologisch zu reduzieren sei.109 Überzeugend ist vor allem die letztgenannte Begründung. Der Wortlaut einer Norm ist teleologisch zu reduzieren, wenn er dem Sinn und Zweck eines Geset­ zes widerspricht. Sinn und Zweck des § 5 Abs. 1 EStG n. F. lassen sich hier der Begründung des Regierungsentwurfs zum BilMoG110 entnehmen. Danach zielt die Änderung des § 5 Abs. 1 EStG allein auf die Befreiung der HGB-Bilanz von ­GoB-inkonformen steuerlichen Wahlrechten. Zu dem gleichen Ergebnis kommt Weber-Grellet mit einer anderen Argumen­ tation:111 Das „kann“ in § 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 2, Nr. 2 S. 2 EStG weise darauf hin, dass in diesen Fällen eine Abweichung von den allgemeinen Bewertungsgrundsät­ zen in Betracht komme, es sei aber nicht im Sinne eines Wahlrechts zu verstehen. Der Steuerpflichtige dürfe seine Steuerschuld nicht nach Belieben steuern kön­ nen. Selbst wenn das „kann“ als Ausdruck eines Wahlrechts zu verstehen sei, sei 105

Vgl. dazu z. B. Kempermann, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 5, Rn. B 131 ff. Gesetzentwurf der Bundesregierung v. 30.7.2008, BT-DrS. 16/10067, S. 1, 34, wörtlich: S. 99. Vgl. auch Herzig/Briesemeister, DB 2009, 929; Werth, DStZ 2009, 509 f.; Schenke/Risse, DB 2009, 1957 ff. 107 So Herzig/Briesemeister, DB 2009, 929. 108 Herzig/Briesemeister, DB 2009, 929, 931; Werth, DStZ 2009, 509 f.; BMF, Schreiben v. 12.10.2009 – IV C 6-S 2133/09/10001, Rn. 9, S. 3, abrufbar im Internet, z. B. „www.derbetrieb.de/pdf/BMF_Entwurf_massgeblichkeit.pdf“. 109 Schenke/Risse, DB 2009, 1958 f. 110 Vgl. insbes. Gesetzentwurf der Bundesregierung v. 30.7.2008, BT-DrS. 16/10067, S. 99. 111 Weber-Grellet, DB 2009, 2402 ff. 106

B. Der Teilwert im Bilanzsteuerrecht

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es daher im Wege einer teleologischen Interpretation nach Maßgabe der steuer­ lichen Grundsätze und im Wege verfassungskonformer Auslegung mittlerweile im Sinne eines „muss“ zu interpretieren. Denn bei der Teilwertabschreibung bestehe ähnlich wie bei Verbindlichkeiten und Rückstellungen ein Ausweisungszwang.112 Ähnlich wie die zuvor genannte Auffassung begegnet Weber-Grellet dem unange­ messen weiten Bewertungsspielraum des § 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 2, Nr. 2 S. 2 EStG mit einer teleologischen Reduktion des Gesetzeswortlauts. Dabei setzt er jedoch nicht an der Vorschrift des § 5 Abs. 1 S. 1 EStG zur Maßgeblichkeit, sondern unmittel­ bar an den Vorschriften des § 6 Abs. 1 EStG zur Teilwertabschreibung an. Dies hat den Vorteil, dass es für den Abschreibungszwang nicht darauf ankommt, ob die Bi­ lanzierung zu steuerlichen Zwecken freiwillig oder verpflichtend nach § 5 Abs. 1 EStG oder § 141 Abs. 1 AO geschieht. Unverändert stellt sich die Frage des „Teil­ wertzwanges“ nämlich auch nach Inkrafttreten des BilMoG für alle Gewinnermitt­ ler, die nicht als Gewerbetreibende nach § 5 Abs. 1 EStG eine Bilanz aufstellen. Da es aber für die rein steuerrechtliche Frage, ob eine Wertminderung verpflich­ tend in Form einer Teilwertabschreibung zu berücksichtigen ist, nicht auf die der Bilanzierung zugrunde liegende Buchführungspflicht ankommen kann, ist eine te­ leologische Reduktion des § 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 2, Nr. 2 S. 2 EStG die sinnvollere Lösung. Neben der Verwirklichung des Vorsichtsprinzips erfüllt der Teilwert bei der Be­ wertung des Anlage- und Umlaufvermögens noch einen weiteren Zweck: Während er einerseits eine zu hohe Bewertung verhindert, bildet er andererseits die Unter­ grenze für die Bewertung von Wirtschaftsgütern und verhindert so die willkürliche Bildung stiller Reserven.113 bb) Der höhere Teilwert bei der Bewertung von Verbindlichkeiten, § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG Für die Bewertung von Verbindlichkeiten wird der Teilwert in abgewandelter Form verwendet: Der Teilwert einer Verbindlichkeit ist der Betrag, mit dem ein Erwerber des Betriebes sie im Rahmen des Gesamtkaufpreises für den Betrieb be­ rücksichtigen würde, d. h. der Betrag, mit dem ein Erwerber die Verbindlichkeit in der Übernahmebilanz ansetzen würde.114 Damit entspricht der Teilwert dem Bar­ wert oder dem Zeitwert der Verbindlichkeit zum Bilanzstichtag, weil es der fiktive Erwerber in der Hand hat, den Kaufpreis in bar zu entrichten oder die Verbindlich­

112

Für die gesamte Argumentation: Weber-Grellet, DB 2009, 2403. Wöhe, betriebsw. Steuerlehre I/2, S. 175 f.; Weber-Grellet, Steuerbilanzrecht, § 19, Rn. 2. Vgl. auch RFH, U.v. 19.1.1938 – VI 533/36, RStBl 1938, 179; Winkeljohann, in: Herrmann/ Heuer/Raupach, § 6, Rn. 573; Ehmcke, in: Blümich, § 6, Rn. 546; Werndl, in: Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, § 6, Rn. B 321. 114 Ehmcke, in: Blümich, § 6, Rn. 949; Kiesel, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 6, Rn. 1139. 113

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2. Kap.: Der Teilwert im System des Ertragssteuerrechts

keit unter Anrechnung auf den Kaufpreis und Inanspruchnahme ihrer späteren Fäl­ ligkeit zu übernehmen.115 Bei den Verbindlichkeiten führt eine sinngemäße Anwendung dazu, dass aus dem niedrigeren Teilwert der Nummer 2 ein höherer Teilwert wird.116 Aus dem für posi­ tive Wirtschaftsgüter geltenden Niederstwertprinzip wird für Verbindlichkeiten ein Höchstwertprinzip.117 Dies ergibt sich einerseits aus Sinn und Zweck der gesetz­ lichen Regelung, die verhindern soll, dass der Steuerpflichtige sein Vermögen zu niedrig ausweist, andererseits aus den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungs­ gemäßer Buchführung, insbesondere dem Imparitätsprinzip.118 Wie bei § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG ist auch in Nummer 3 eine dauerhafte Wertveränderung – hier in Form einer Werterhöhung – erforderlich.119 Weiterhin gilt auch das in § 6 Abs. 1 Nr. 2 S. 3 i. V. m. Nr. 1 S. 4 EStG aufgestellte Gebot der Wertaufholung entsprechend, so­ dass für Verbindlichkeiten ein strenges Wertminderungsgebot im Falle einer in den vorangegangenen Jahren durchgeführten Überbewertung zu beachten ist.120 Auf­ grund der spiegelbildlichen Struktur aktiver Wirtschaftsgüter einerseits und Ver­ bindlichkeiten und Rückstellungen andererseits bilden die Anschaffungskosten konsequenterweise die Wertuntergrenze bei der Bewertung der Verbindlichkeiten.121 cc) Die Bewertung von Entnahmen und Einlagen, § 6 Abs. 1 Nr. 4, 5 EStG Bei den Gewinneinkünften wird ausschließlich das Ergebnis des Betriebs­ vermögensvergleichs als Indikator der Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen herangezogen. Deshalb ist es erforderlich, nicht betrieblich veranlasste Zu- und Abgänge, die über das Eigenkapitalkonto (Unterkonto GuV) in der Bilanz be­ rücksichtigt wurden, nach Durchführung des Betriebsvermögensvergleichs wie­ der zu neutralisieren.122 Dies geschieht bei der Gewinnermittlung durch Betriebs­ vermögensvergleich nach §§ 4 Abs.  1 S.  1, 5 Abs.  1 EStG (ebenso wie bei der Ein­nahmeüberschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG123) durch Addition der ­privat 115

BFH, U.v. 12.3.1964 – IV 456/61 U, BStBl III 1964, 525, 526; U.v. 2.5.2001 – VIII R 64/93, BFH/NV 2002, 10, 13; Kiesel, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 6, Rn. 1138; Ehmcke, in: Blümich, § 6, Rn. 949; Werndl, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 6, Rn. D 65; Weber-Grellet, Bilanzsteuerrecht, 10. Aufl., Rn. 267. 116 BFH, U.v. 22.11.1988 – VIII R 62/85, BStBl II 1989, 359, 361; Ehmcke, in: Blümich, § 6, Rn. 948; Kiesel, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 6, Rn. 1130, 1138. 117 Ehmcke, in: Blümich, § 6, Rn. 948; Kiesel, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 6, Rn. 1138; Werndl, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 6, Rn. D 15. 118 Kiesel, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 6, Rn. 1132. 119 Kiesel, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 6, Rn. 1130, 1138. 120 Ehmcke, in: Blümich, § 6, Rn. 950; Kiesel, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 6, Rn. 1139. 121 Kiesel, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 6, Rn. 1140. 122 Weber-Grellet, Steuerbilanzrecht, § 22, Rn. 1; Wöhe, betriebsw. Steuerlehre I/2, S. 353. 123 Birk, Steuerrecht, 12. Aufl., Rn. 942.

B. Der Teilwert im Bilanzsteuerrecht

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veranlassten Entnahmen und Subtraktion der privat veranlassten Einlagen. Die Addition bzw. Subtraktion von Entnahmen und Einlagen gleicht damit die Über­ führung von Wirtschaftsgütern aus dem Betriebsvermögen in das Privatvermögen und umgekehrt aus.124 Gem. § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 1 EStG ist für Entnahmen125 grundsätzlich der Teilwert anzusetzen, der in diesem Zusammenhang als Realisationswert der Entnahmen fungiert. Dadurch werden die stillen Reserven, die dem Wirtschaftsgut über seinen Buchwert hinaus z. B. aufgrund investierter eigener Arbeitskraft des Unternehmers innewohnen, gewinnerhöhend aufgelöst und versteuert.126 Dies ist deshalb gerecht­ fertigt, weil die Entnahme als nicht betrieblich veranlasste Wertabgabe nicht zu Erlösschmälerungen in der betrieblichen Sphäre führen darf.127 Der Ansatz von AK/HK ist für Entnahmen nicht vorgesehen. Auch Einlagen128 sind gem. § 6 Abs. 1 Nr. 5 S. 1 HS. 1 EStG grundsätzlich mit dem Teilwert anzusetzen. Da Werterhöhungen oder Wertminderungen, die zu Zei­ ten der privaten Nutzung des Wirtschaftsguts eingetreten sind, auf diese Weise den steuerlich relevanten Gewinn nicht mehr beeinflussen, bleiben sie steuerlich un­ berücksichtigt; das Wirtschaftsgut wird dem Betrieb mit den aufgedeckten stillen Reserven zugeführt.129 Der Teilwert bildet den Realisationswert der Einlagen. Un­ ter den Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nr. 5 S. 1 HS. 2 lit. a), b) EStG130 bilden die AK/HK hier die Wertobergrenze. Maßgebend ist der niedrigere der beiden Werte.131 dd) Die Bewertung von Einlagen bei Betriebseröffnung, § 6 Abs. 1 Nr. 6 EStG Nach § 6 Abs. 1 Nr. 6 EStG ist bei der Zuführung von Wirtschaftsgütern (Ein­ lagen) anlässlich der Betriebseröffnung132 die Vorschrift des § 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG über die Bewertung von Einlagen in bereits bestehende Betriebe entsprechend an­ zuwenden und folglich im Regelfall der Teilwert anzusetzen. Die Sonderrege­ 124 Weber-Grellet, Steuerbilanzrecht, § 22, Rn. 1. Ausführlich zu Begriff, Funktion und Be­ wertung von Entnahmen und Einlagen Wendt, Das Verhältnis von Entnahme/Einlage zur An­ schaffung/Veräußerung im Einkommensteuerrecht, vgl. dazu auch Weber-Grellet, NZG 2003, 766 f. 125 Eine Legaldefinition der „Entnahmen“ findet sich in § 4 Abs. 1 S. 2 EStG. 126 Entnahme als Gewinnrealisationstatbestand; Birk, Steuerrecht, 12. Aufl., Rn. 914; WeberGrellet, Steuerbilanzrecht, § 22, Rn. 1; ders., Bilanzsteuerrecht, 10. Aufl., Rn. 375. 127 Birk, Steuerrecht, 12. Aufl., Rn. 914. 128 Eine Legaldefinition der „Einnahmen“ findet sich in § 4 Abs. 1 S. 7 EStG. 129 Weber-Grellet, Steuerbilanzrecht, § 22, Rn.  1, 9; ders., Bilanzsteuerrecht, 10.  Aufl., Rn. 377. 130 Dazu im Einzelnen: Schmidt/Glanegger, 28. Aufl. 2009, § 6, Rn. 433 ff., 436 ff.; WeberGrellet, Steuerbilanzrecht, § 22, Rn. 10, 11. 131 Weber-Grellet, Steuerbilanzrecht, § 22, Rn. 10, 11. 132 Zu diesem Begriff ausführlich: Eckstein, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 6, Rn. 1236.

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2. Kap.: Der Teilwert im System des Ertragssteuerrechts

lung ist erforderlich, weil die allgemeine Regel für die Bewertung von Einlagen (§ 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG) einen bereits bestehenden Betrieb voraussetzt, der wäh­ rend des Vorgangs der Betriebseröffnung noch nicht besteht.133 Da auch der Teil­ wertbegriff des § 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG von einem bestehenden Betrieb ausgeht, muss der Begriff modifiziert werden: Der Teilwert ist im Fall der Betriebseröff­ nung derjenige Preis, den ein fremder Dritter für die Beschaffung des Wirtschafts­ guts aufgewandt hätte, wenn er an der Stelle des Steuerpflichtigen den Betrieb eröffnet und fortgeführt haben würde.134 Sowohl für Anlage- als auch für Umlauf­ güter ist dies i. d. R. der gemeine Wert.135 Die AK/HK bilden für die Einlagen im Fall der Betriebseröffnung nur unter bestimmten Voraussetzungen die Wertober­ grenze.136 ee) Die Bewertung im Falle des entgeltlichen Betriebserwerbs, § 6 Abs. 1 Nr. 7 EStG Gem. § 6 Abs. 1 Nr. 7 EStG ist der Teilwert auch im Fall des entgeltlichen Be­ triebserwerbs als Regelmaßstab anzusetzen.137 Die Anschaffungs- oder Herstel­ lungskosten bilden ohne weitere Voraussetzungen die Wertobergrenze.138 § 6 Abs. 1 Nr. 7 EStG stellt für den Fall des Betriebserwerbs für alle Wirtschaftsgüter eine Sonderregelung zu § 6 Abs. 1 Nr. 1–3 EStG dar, die deshalb erforderlich ist, weil „der Eröffnungsbilanz […] die sog. Zweischneidigkeit, die Wirkung der Bewer­ tung gleichzeitig für ein abgelaufenes und ein beginnendes Wirtschaftsjahr“139 fehlt.

133 Eckstein, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 6, Rn.  1235; Kirchhof/Fischer, 8. Aufl., § 6, Rn. 173. 134 Schmidt/Glanegger, 28. Aufl. 2009, § 6, Rn. 442. 135 BFH, U.v. 10.7.1991 – VIII R 126/86, BStBl II 1991, 840; U.v. 29.4.1999 – IV R 63/97, BStBl II 2004, 639, 640; Schmidt/Glanegger, 28.  Aufl. 2009, § 6, Rn.  442. Der gemeine Wert wird gem. § 9 Abs. 2 S. 1–3 BewG durch den Preis bestimmt, der im gewöhnlichen Ge­ schäftsverkehr nach der Beschaffenheit des Wirtschaftsgutes bei einer Veräußerung zu erzie­ len wäre. Dabei sind alle Umstände, die den Preis beeinflussen, nicht aber ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse zu berücksichtigen. I.d.R ist der gemeine Wert gleich dem Ein­ zelveräußerungspreis, vgl. etwa BFH, U.v. 25.6.1970 – IV 166/65, BStBl II 1970, 721, 722 (Grundstück); U.v. 25.8.1983 – IV R 218/80, BStBl II 1984, 33, 34 (Grundstück); Winkeljohann, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 6, Rn. 616; Weber-Grellet, Bilanzsteuerrecht, 10. Aufl., Rn. 272. 136 Birk, Steuerrecht, 12. Aufl., Rn. 877. Näher Eckstein, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 6, Rn. 1236. 137 Ausführlich: Ehmcke, in: Blümich, § 6, Rn. 1075 ff.; Eckstein, in: Herrmann/Heuer/Rau­ pach, § 6, Rn. 1240. 138 Schmidt/Glanegger, 28. Aufl. 2009, § 6, Rn.  446; Ehmcke, in: Blümich, § 6, Rn.  1075; Birk, Steuerrecht, 12. Aufl., Rn. 877. 139 Stobbe, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 6, Rn. 1235.

B. Der Teilwert im Bilanzsteuerrecht

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ff) Weitere Anwendungsfälle des Teilwerts Neben den genannten Fällen bestehen nach den Vorschriften des EStG noch weitere Anwendungsbereiche für den Teilwert:140 Bei Veräußerung eines nach § 6 Abs. 5 S. 3 EStG auf einen anderen Rechts­träger derselben Mitunternehmerschaft unentgeltlich übertragenen Wirtschaftsguts wäh­ rend einer Sperrfrist141 schreibt § 6 Abs. 5 S. 4 EStG den rückwirkenden Ansatz des Teilwerts vor. Nach § 6 Abs. 6 S. 2 EStG wird der Teilwert bei Übertragung eines Wirtschafts­ guts im Wege der verdeckten Einlage angesetzt. Bei der Bewertung von vor dem 1.7.1970 angeschafftem Grund und Boden ist der Ansatz des Teilwerts unter den Voraussetzungen des § 55 Abs. 5 EStG mög­ lich. d) Zusammenfassung Die Bedeutung des Teilwerts in dem 1934 geschaffenen Bewertungskonzept des Einkommensteuergesetzes steht nicht hinter der der Anschaffungs- und Her­ stellungskosten zurück: Für die Bewertung von Anlage- und Umlaufvermögen so­ wie Verbindlichkeiten besitzt der Teilwert zwar lediglich eine „Korrektur- und Hilfsfunktion“142, jedoch ist er damit zugleich der „alternative Wertmaßstab“143 für die Fälle, in denen der Ansatz der AK/HK zu einer Missachtung des handelsrecht­ lichen Vorsichtsprinzips (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB) und des steuerrechtlichen Leis­ tungsfähigkeitsprinzips führen würde144. In einigen für die steuerliche Gewinner­ mittlung nicht minder wichtigen Fällen (insbes. § 6 Abs. 1 Nr. 4, 5 EStG) ersetzt er die AK/HK sogar als Regelmaßstab.145

140

WissB. Ernst&Young, Abschaffung des Teilwerts, BB 2004, Beil. 3, S. 5 f. § 6 Abs. 5 S. 4 HS. 2 EStG schreibt eine Behaltefrist (Sperrfrist) von drei Jahren vor, ge­ rechnet von der Abgabe der Steuererklärung des Übertragenden für den Veranlagungszeitraum, in dem die Übertragung nach § 6 Abs. 5 S. 3 EStG erfolgt ist. 142 Weber-Grellet, Bilanzsteuerrecht, 10. Aufl., Rn. 226. 143 Heigl, StuW 1969, Sp. 463. 144 So in den Fällen des § 6 Abs. 1 Nr. 1, 2, 3 EStG; vgl. zur Bedeutung des Teilwerts für das Leistungsfähigkeitsprinzip unten: 3. Kapitel, A. VII. 3. 145 So in den Fällen des § 6 Abs. 1 Nr. 4, 5, 6, 7 EStG. 141

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2. Kap.: Der Teilwert im System des Ertragssteuerrechts

II. Die Funktionen des Teilwerts im Vergleich zu anderen Instituten der Wertberichtigung 1. Die verfahrensrechtlichen Funktionen des Teilwerts Der soeben beschriebene Anwendungsbereich des Teilwerts beschreibt die ver­ fahrensrechtlichen Funktionen des Teilwerts im Bewertungsgefüge des § 6 EStG.146 Insofern ist der Teilwert entweder der korrigierende Vergleichsmaßstab zu den AK/HK (Nr. 1, 2, 3 des § 6 Abs. 1 EStG) oder der alleinige Wertmaßstab (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 1, Nr. 5 S. 1 HS. 1, Nr. 6 EStG) oder der Regelmaßstab, der ggf. durch die AK/HK korrigiert werden kann (§ 6 Abs. 1 Nr. 5 S. 1 HS. 2, Nr. 7 EStG).147 2. Die materiellrechtlichen Funktionen des Teilwerts Materiellrechtlich erfüllt der Teilwert im Rahmen der Bewertungssystematik des § 6 EStG mehrere Funktionen: a) Erfassung von Reinvermögensveränderungen in der Steuerbilanz Die wichtigste Funktion besteht heute148 darin, zur verfassungsrechtlich gefor­ derten Berücksichtigung der subjektiven Leistungsfähigkeit149 Veränderungen im Reinvermögen des Steuerpflichtigen exakt zu erfassen.150 Grundsätzlich wäre hier­ für eine jährliche Gesamtbewertung des Betriebs einschließlich einer Abschät­ zung der Ertragserwartungen erforderlich. Diese Methode ließe jedoch den Ein­ zelbewertungsgrundsatz (§ 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB) unberücksichtigt und ist damit für die Zwecke der Bilanzierung untauglich. Die Teilwertdefinition ist auf Grund­ lage dieser Erkenntnis der Versuch, die Bedeutung des einzelnen Wirtschaftsguts für den Betrieb, und zwar im Rahmen der Gesamtheit aller übrigen Wirtschafts­ güter, zum Ausdruck zu bringen.151 Der Steuerpflichtige soll nur in der Höhe belas­ tet werden, wie es dem Gesamtwert des Unternehmens entspricht.152 Aus diesem 146

Winkeljohann, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 6, Rn. 573. Winkeljohann, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 6, Rn. 573. 148 Die hier genannten Funktionen des Teilwerts beziehen sich auf seine Bedeutung im mo­ dernen Bilanzsteuerrecht. Zur ursprünglichen Idee, einen betriebsindividuellen Wert zu defi­ nieren vgl. unten: 3. Kapitel, A. III. 149 Zur Bedeutung des aus Art. 3 Abs. 1 GG abgeleiteten Leistungsfähigkeitsprinzips ausführ­ lich unten: 4. Kapitel, D. II. 3. 150 Müller-Dott, StbJb 1988/1989, 164 f.; Weber-Grellet, Steuerbilanzrecht, § 19, Rn.  2; Werndl, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 6, Rn. B 321. 151 Ehmcke, in: Blümich, § 6, Rn. 546; Müller-Dott, StbJb 1988/1989, 164 f.; Albach, Wpg 1963, 624; Schneider, StuW 1971, 326 ff., 337; Heigl, StuW 1969, Sp. 462 ff. 152 RFH, U.v. 19.1.1938 – VI 533/36, RStBl 1938, 179; Ehmcke, in: Blümich, § 6, Rn. 546; Knobbe-Keuk, Bilanz- u. UnternehmenStR, 9. Aufl., S. 174. 147

B. Der Teilwert im Bilanzsteuerrecht

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Grund ist nach der Definition des § 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG der Wert des einzelnen Wirtschaftsguts „im Rahmen des Gesamtkaufpreises“ aus der Sicht eines Erwer­ bers des ganzen jeweiligen Betriebs für den Teilwert maßgeblich. Dass diese For­ derung theoretisch widersprüchlich und praktisch undurchführbar ist, stellte sich zwar schon vor der Aufnahme der Teilwertdefinition in das EStG 1934 heraus.153 Dennoch erfüllt der Teilwert seine Funktion für die Bemessung des Reinvermö­ gens, indem er die Bewertung von Wirtschaftsgütern in zwei Richtungen begrenzt: Auf der einen Seite – nach oben – verhindert der Teilwert zu hohe Wertansätze, die aus den fortgeführten AK/HK resultieren, indem er alle wertbestimmenden Fakto­ ren berücksichtigt, die nicht in den AK/HK oder den Absetzungen für Abnutzung und Substanzverringerung nach § 7 EStG erfasst sind.154 So kommt die Teilwert­ bewertung beispielsweise in Betracht bei der nachträglichen Entdeckung von Alt­ lasten auf einem Grundstück oder der Markteinführung eines verbesserten Nach­ folgeprodukts.155 Auf der anderen Seite – nach unten – dient der Teilwert als Wertuntergrenze und verhindert die willkürliche Bildung stiller Reserven.156 Der ungerechtfertigte An­ satz etwa des Einzelveräußerungspreises für ein Anlagegut kommt aufgrund des Teilwertansatzes nicht in Betracht. Diese funktionelle Ambivalenz wird als der Grund für die Unmöglichkeit sowohl der mathematisch exakten Bestimmung als auch der geeigneten Definition des Teilwerts gesehen.157 b) Weitere materiellrechtliche Funktionen des Teilwerts Weitere materiellrechtliche Funktionen unterscheiden sich je nach Anwen­ dungsgebiet des Teilwerts. So soll der Teilwertansatz bei der Bewertung von zum Verkauf bestimmten Wirtschaftsgütern, z. B. Vorräten, der Verlustantizipation die­ nen.158 Sind die kalkulatorischen Verkaufspreise nicht mehr erzielbar, so besteht der künftige Verlust des Unternehmers in der Differenz zwischen progressiv oder 153

Vgl. insofern z. B. das RG, U.v. 3.11.1899 – III. 176/99, Gruchots Beiträge zur Erl. des Dt. Rechts, Bd. 44, 158; dazu unten: 3. Kapitel, A. V. 1. 154 Winkeljohann, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 6, Rn. 573; Weber-Grellet, Steuerbilanz­ recht, § 19, Rn. 2. 155 Zu den Beispielen vgl. Birk, Steuerrecht, 12. Aufl., Rn. 873, 886, 888 (Fall 39, Abwand­ lung), 889, 892 (Fälle 40, 41). 156 Begründung zum § 6 EStG 1934, RStBl 1935, 33, wonach durch Vorschriften über die Mindestbewertung eine „zu weitgehende Abbuchung der Gewinne“ verhütet werden soll. Ebenso RFH, U.v. 19.1.1938  – VI 533/36, RStBl 1938, 179; Winkeljohann, in: Herrmann/ Heuer/Raupach, § 6, Rn. 573; Ehmcke, in: Blümich, § 6, Rn. 546; Werndl, in: Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, § 6, Rn. B 321; Weber-Grellet, Steuerbilanzrecht, § 19, Rn. 2. 157 Weber-Grellet, Steuerbilanzrecht, § 19, Rn. 2. 158 Kleinle, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 6, Rn. 1002; Schmidt/Glanegger, 28. Aufl. 2009, § 6, Rn.  227. M. E. darf die Funktion der Verlustantizipation ggü. der Funktion der Durch­ setzung des Leitungsfähigkeitsprinzips nicht überbewertet werden, dazu noch ausführlich: 4. Kapitel, A. VI.

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2. Kap.: Der Teilwert im System des Ertragssteuerrechts

retrograd159 ermittelten Anschaffungs- oder Reproduktionskosten und retrograd ermitteltem Teilwert, auf den abgeschrieben wird.160 In dieser Funktion trägt der Teilwert nicht dem steuerrechtlichen Leistungsfähigkeitsprinzip, sondern dem handelsrechtlichen Imparitätsprinzip (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB) Rechnung.161 Das gleiche gilt, wenn durch den Ansatz des niedrigeren Teilwerts bei Anlage­ gütern oder des höheren Teilwerts bei Schulden die bis zum Bilanzstichtag ent­ standenen Risiken und Verluste realisiert und steuerlich berücksichtigt werden.162 Bei der Bewertung von Entnahmen und Einlagen (§ 6 Abs.  1 Nr.  4–7 EStG) soll der Ansatz des Teilwerts private und betriebliche Sphäre voneinander abgren­ zen.163 Um nur diejenigen Gewinne steuerlich zu erfassen, die im Rahmen der be­ trieblichen Tätigkeit erwirtschaftet wurden – nur diese sind Einkünfte i. S. d. § 2 Abs. 2 S. 1 Nr. 1–3 EStG –, muss das Ergebnis des Betriebsvermögensvergleichs aus zwei aufeinander folgenden Wirtschaftsjahren um privat veranlasste Zu- und Abgänge korrigiert werden (vgl. § 4 Abs. 1 S. 1 EStG). Entnahmen und Einlagen sind daher mit ihrem Realisationswert, den der Teilwert in diesen Fällen darstellt, hinzuzurechnen bzw. abzuziehen.164 Andere Vorschriften – etwa § 5 Abs. 2 EStG – sind dieser Maßgabe entsprechend auszulegen und zu modifizieren.165 3. Zur Abgrenzung der Teilwertbewertung von der Absetzung für Abnutzung oder Substanzverringerung, § 7 EStG Von der Berücksichtigung unvorhergesehener Wertveränderungen strikt zu tren­ nen ist die Berücksichtigung anteiliger Jahresbeiträge für die Verwendung eines Wirtschaftsgutes. Für diese sieht das EStG die Vornahme von Absetzungen für Abnutzung und Substanzverringerung (AfA) vor, § 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 i. V. m. § 7 EStG. Die Berücksichtigung der AfA bei der Bilanzierung nach § 5 Abs. 1 EStG wird durch § 5 Abs.  6 EStG vorgeschrieben. Der Anwendungsbereich der AfAVorschriften beschränkt sich auf Wirtschaftsgüter, die der Abnutzung unterliegen und deren Verwendung oder Nutzung durch den Steuerpflichtigen sich erfahrungs­ 159

Bei der progressiven Wertermittlung wird ein Wert durch Summierung der bei der Pro­ duktion anfallenden Kosten ermittelt, bei der retrograden Wertermittlung durch Rückrechnung vom voraussichtlichen Verkaufspreis, vgl. BFH, U.v. 29.4.1970 – III 217/63, BStBl II 1970, 614, 617; U.v. 20.7.1973 – III R 101/72, BStBl II 1973, 794, 795; Schmidt/Glanegger, 28. Aufl. 2009, § 6, Rn. 192. 160 BFH, U.v. 27.10.1983 – IV R 143/80, BStBl II 1984, 35; Schmidt/Glanegger, 28. Aufl. 2009, § 6, Rn. 227. 161 So auch Moxter, FS Klein, S. 831 f. 162 Weber-Grellet, Steuerbilanzrecht, § 19, Rn. 2. 163 Kleinle, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 6, Rn. 1002; Schmidt/Glanegger, 28. Aufl. 2009, § 6, Rn. 6. Ausführlich oben: 3. Kapitel, B. I. 2. c) cc). 164 Weber-Grellet, Steuerbilanzrecht, § 22, Rn. 1; Wöhe, betriebsw. Steuerlehre I/2, S. 353. 165 Schmidt/Glanegger, 28. Aufl. 2009, § 6, Rn. 6; Kleinle, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 6, Rn. 1002.

B. Der Teilwert im Bilanzsteuerrecht

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gemäß auf einen Zeitraum von mehr als einem Jahr erstreckt, vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 1, § 7 Abs. 1 S. 1 EStG. Die AfA wird also nur bei abnutzbaren Wirtschafts­ gütern des Anlagevermögens berücksichtigt, wobei je nach Art des Wirtschafts­ guts unterschiedliche Formen der Aufwandsverteilung gesetzlich geregelt sind.166 In Bezug auf die Vornahme der AfA nach einer Entnahme (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG) oder nach einer Einlage (§ 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG) ist das Gesetz lückenhaft und be­ darf einer ergänzenden Auslegung.167 a) Unterschiedliche Zwecke Die Bewertung mit dem Teilwert und die AfA schließen sich systematisch nicht aus, denn wenn auch in beiden Fällen ein für die Anschaffung oder Herstellung getätigter Aufwand periodengerecht bei der Bewertung eines Wirtschaftsgutes be­ rücksichtigt wird, verfolgen beide „Abschreibungsarten“ doch vollständig unter­ schiedliche Zielsetzungen.168 Die AfA bewirkt, dass die Anschaffung oder Herstel­ lung eines abnutzbaren Wirtschaftsgutes des Anlagevermögens zunächst als ein erfolgsneutraler Vorgang (Aktivtausch oder Aktiv-Passiv-Tausch) bilanziert wird und der getätigte Aufwand statisch über die voraussichtliche Nutzungsdauer des Wirtschaftsgutes verteilt wird. Dabei knüpfen sie an die historischen AK/HK an und verteilen diese vollständig und planmäßig auf die der Anschaffung oder Her­ stellung nachfolgenden Jahre, und zwar unabhängig von der tatsächlichen Wert­ entwicklung des Wirtschaftsguts. Hierin erschöpft sich der Zweck der AfA nach § 7 EStG.169 Demgegenüber bezweckt die Bewertung mit dem Teilwert eine allgemeine Wertberichtigung aus Sicht des Bilanzstichtages, die von dem laufenden, durch die Nutzung bedingten Wertverzehr unabhängig ist.170 Der Teilwert zielt damit nicht 166 § 7 Abs. 1 S. 1 – 5 EStG sieht für alle WG die lineare AfA vor; S. 6 gestattet für best. WG die sog. Leistungs-AfA; S.  7 lässt Absetzungen für außergewöhnliche technische oder wirtschaftliche Abnutzung zu. Für bewegliche WG, die nach dem 31.12.2008 und vor dem 1.1.2011 angeschafft oder hergestellt werden, regeln Abs. 2, 3 jetzt wieder die degressiven AfA. Abs. 4, 5 enthalten Sonderregeln für Gebäude. Abs. 6 regelt für bestimmte Unternehmen die Absetzungen für Substanzverringerung. §§ 7a – 7k EStG enthalten weitere Sonderregelungen. Die Vorschrift zur Bilanzierung geringwertiger Wirtschaftsgüter, § 6 Abs. 2 EStG, ist systema­ tisch ebenfalls eine Regel zur Aufwandsverteilung. 167 Vgl. dazu ausführlich Wendt, Das Verhältnis von Entnahme/Einlage zur Anschaffung/Ver­ äußerung im Einkommensteuerrecht, S. 101 ff. Er befürwortet eine Analogie zum Institut der nachträglichen Anschaffungskosten (Entnahme, S. 108, 292), bzw. eine Differenzierung zwi­ schen Bilanzansatz und Abschreibungsberechnung auf Grundlage der ursprünglichen AK/HK (Einlage, S. 117 ff., 292). Kritisch dazu Weber-Grellet, NZG 2003, 766 f. 168 Schmidt/Kulosa, 28. Aufl. 2009, § 7, Rn. 4; Werndl, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 6, Rn. B 425. 169 Vgl. BFH, U.v. 15.03.1990  – IV R 30/88, BStBl II 1990, 623, 625; U.v. 26.04.2006  – IX R 24/04, BStBl II 2006, 754; Schmidt/Kulosa, 28. Aufl. 2009, § 7, Rn. 4. 170 Werndl, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 6, Rn. B 425.

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2. Kap.: Der Teilwert im System des Ertragssteuerrechts

auf eine vollständige Verteilung des Anschaffungs- oder Herstellungsaufwands auf die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer, sondern vielmehr auf eine zutref­ fende Bewertung.171 Dafür werden unvorhergesehene Wertveränderungen berück­ sichtigt, die unabhängig von der Art des Bewertungsgegenstands eintreten können. Der Anwendungsbereich des Teilwerts ist folgerichtig nicht auf abnutzbare Wirt­ schaftsgüter des Anlagevermögens beschränkt. b) Gemeinsamkeiten und Unterschiede am Beispiel der Absetzung für außergewöhnliche technische oder wirtschaftliche Abnutzung (AfaA) Die unterschiedliche Zielsetzung sowie der nur teilweise deckungsgleiche An­ wendungsbereich von Teilwert und AfA bringt es mit sich, dass sich beide Institute auch in ihren Voraussetzungen unterscheiden. Die Abgrenzung der Teilwertbewer­ tung von den Absetzungen für außergewöhnliche technische oder wirtschaftliche Abnutzung (AfaA) nach § 7 Abs. 1 S. 7 EStG172 veranschaulicht die Unterschiede besonders deutlich, weil sich diese beiden Abschreibungsmöglichkeiten insofern ähneln, als in beiden Fällen ein aus dem Rahmen des Üblichen fallendes Ereignis eine Wertberichtigung erfordert. Die Möglichkeit der AfaA nach § 7 Abs. 1 S. 7 EStG dient wie die AfA nach § 7 Abs. 1 S. 1, 2 EStG der Verteilung der AK/HK auf die Restnutzungsdauer, jedoch soll sie berücksichtigen, dass die bisherige Ver­ teilung aufgrund ungewöhnlicher Umstände als nicht mehr vertretbar erscheint.173 Voraussetzung für die Vornahme der AfaA ist, dass durch ein unvorhergesehenes Ereignis ein außergewöhnlicher „Abnutzungseffekt“ herbeigeführt wurde, durch den das Wirtschaftsgut in seiner Nutzungsfähigkeit beeinträchtigt ist.174 Eine bloße Wertminderung, die zwar ebenfalls unplanmäßig ist, aber ohne Einfluss auf die be­ triebsgewöhnliche Nutzungsdauer bleibt, rechtfertigt hingegen keine AfaA, son­ dern allenfalls den Ansatz des Teilwerts.175 Dieser setzt gem. § 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 2, Nr. 2 S. 2 EStG eine voraussichtlich dau­ ernde Wertminderung voraus. Eine solche liegt nach der Rechtsprechung des BFH für abnutzbare Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens (§ 6 Abs.  1 Nr.  1 EStG) vor, wenn der Wert zum Bilanzstichtag mindestens für die Hälfte der Restnut­ zungsdauer unter dem planmäßigen Restbuchwert liegt.176 Dabei kommt es nicht 171

So auch Schmidt/Kulosa, 28. Aufl. 2009, § 7, Rn. 4. Vgl. zu dieser Abgrenzung etwa Werndl, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 6, Rn. B 425. 173 FG Münster, U.v. 18.2.2005 – 11 K 5218/03 E, EFG 2005, 854, 856; Schmidt/Kulosa, 28. Aufl. 2009, § 6, Rn. 121. 174 FG Münster, U.v. 18.2.2005 – 11 K 5218/03 E, EFG 2005, 854, 856. 175 FG Münster, U.v. 18.2.2005 – 11 K 5218/03 E, EFG 2005, 854, 856. 176 BFH, U.v. 14.3.2006 – I R 22/05, BStBl II 2006, 680, 681; U.v. 29.04.2009 – I R 74/08, DStR 2009, 1687, 1688. Vgl. auch BMF, Erlass v. 25.2.2000 – IV C 2 – S 2171 b – 14/00, BStBl I 2000, 372, Rz. 6; Werndl, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 6, Rn. B 415; Schmidt/ Glanegger, 28. Aufl. 2009, § 6, Rn. 218. 172

B. Der Teilwert im Bilanzsteuerrecht

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auf die individuelle Restnutzungsdauer im bewertenden Betrieb, sondern auf die typisierte betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer des Wirtschaftsguts an, die sich bei Gebäuden nach § 7 Abs. 4, 5 EStG 1997, bei anderen Wirtschaftsgütern nach den amtlichen AfA-Tabellen richtet.177 Eine etwaige Absicht des Steuerpflichtigen, das Wirtschaftsgut vor Ablauf dieser Nutzungsdauer zu veräußern, führt nicht zu einem kürzeren Prognosezeitraum.178 Für Wirtschaftsgüter des nicht abnutzbaren Anlagevermögens (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG) ist darauf abzustellen, ob die Gründe für die niedrigere Bewertung für einen überschaubaren Zeitraum (3–5 Jahre) anhal­ ten werden.179 Für Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG) wird eine dauerhafte Wertminderung angenommen, wenn die Abwertungsgründe bis zum geplanten Verbrauch bzw. bis zur erwarteten Veräußerung, allenfalls bis zum Zeitpunkt der Bilanzaufstellung, anhalten.180 Problematisch ist das Erfordernis der voraussichtlich dauerhaften Wertminde­ rung im Hinblick auf eine leistungsgerechte Besteuerung vor allem bei abnutz­ baren Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens. Weder der vorzeitige Verkauf, der für die Prognose der Dauerhaftigkeit nicht berücksichtigt werden darf,181 noch eine nicht nutzungsbedingte Wertminderung durch die Ingebrauchnahme eines neu an­ geschafften Wirtschaftsgutes können unter den Voraussetzungen des § 6 Abs.  1 Nr. 1 S. 2, Nr. 2 S. 2 EStG gewinnmindernd berücksichtigt werden: In Fällen, in denen die Ingebrauchnahme zu einem im Verhältnis zur Abnutzung unverhältnis­ mäßig hohen Wertverlust führt, liegt der Teilwert in den ersten Jahren deutlich un­ ter dem Buchwert. Jedoch ist die Differenz zwischen Teilwert und Buchwert auf­ grund der stetigen Abschreibungen nach § 7 EStG nicht dauerhaft i. S. d. § 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG. Nach der Konzeption des Einkommensteuergesetzes ist die vor­ übergehende Überbewertung mit den fortgeführten AK/HK hinzunehmen. Nur wenn das Wirtschaftgut vor Ende der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer ver­ äußert werden soll, droht ein endgültiger Verlust, da der Buchwert gegebenen­ falls nicht schnell genug sinkt, um sich dem Teilwert wieder anzunähern. Der BFH stellt auch in diesem Fall auf die betriebsgewöhnliche Restnutzungsdauer ab und versagte jüngst die Teilwertabschreibung mit den Argumenten, dass das Ge­ setz nicht danach differenziere, ob der Eintritt eines endgültigen Verlusts drohe, dass subjektive Nutzungszwecke für die Nutzungsdauer eines Wirtschaftsguts un­ beachtlich seien und dass das Abstellen auf eine objektive Nutzungsdauer aus Ver­ einfachungszwecken geboten sei.182 177 BFH, U.v. 29.04.2009 – I R 74/08, DStR 2009, 1687, 1688; BMF, Erlass v. 25.2.2000 – IV C 2 – S 2171 b – 14/00, BStBl I 2000, 372, Rz. 6. 178 BFH, U.v. 29.04.2009 – I R 74/08, DStR 2009, 1687, 1688. 179 BMF, Erlass v. 25.2.2000 – IV C 2 – S 2171 b – 14/00, BStBl I 2000, 372, Rz. 11; Winkeljohann, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 6, Rn. 562. 180 So BMF, Erlass v. 25.2.2000 – IV C 2 – S 2171 b – 14/00, BStBl I 2000, 372, Rz. 23; Werndl, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 6, Rn.  B 417; Winkeljohann, in: Herrmann/Heuer/ Raupach, § 6, Rn. 562. 181 Vgl. dazu ausführlich BFH, U.v. 29.4.2009 – I R 74/08, DStR 2009, 1687 ff. 182 BFH, U.v. 29.4.2009 – I R 74/08, DStR 2009, 1687, 1688.

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2. Kap.: Der Teilwert im System des Ertragssteuerrechts

c) Zum „Vorrang“ der Absetzung für Abnutzung vor der Teilwertbewertung Zu einer „Kollision“ von Teilwertbewertung und AfA kann es nur kommen, wenn ein abnutzbares Wirtschaftsgut des Anlagevermögens aufgrund einer un­ planmäßigen, voraussichtlich dauerhaften Wertminderung mit dem Teilwert be­ wertet werden müsste. Für diesen Fall ergibt sich aus § 6 Abs.  1 Nr.  1 S.  1, 2 EStG, dass der Teilwert den um die AfA herabgesetzten Anschaffungs- oder Her­ stellungskosten gegenüber gestellt werden muss und nur dann zur Anwendung kommt, wenn er auch dann noch niedriger ist. Die AfA-Regelungen sind inso­ fern also „vorrangig“ zu beachten, wenn sowohl für sie als auch für die Teilwert­ bewertung die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen;183 das gilt auch im Fall der AfaA nach § 7 Abs. 1 S. 7 EStG.184 Systematisch ergeben sich hingegen keine ­Unterschiede. Handelsrechtlich findet die AfA in dem – terminologisch ebenso eindeutigen – Begriff der „planmäßigen Abschreibung“, § 253 Abs. 3 S. 1, 2 HGB, seine Entspre­ chung. Nur im Handelsrecht bildet die planmäßige Abschreibung terminologisch ein Begriffspaar mit der außerplanmäßigen Abschreibung auf den niedrigeren bei­ zulegenden Wert (§ 253 Abs. 3 S. 3, Abs. 4 S. 2 EStG), der nach allgemeiner An­ sicht dem steuerrechtlichen Teilwert entspricht.185 4. Zur Abgrenzung der Teilwertbewertung von den Rückstellungen für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften In „Konkurrenz“186 zum Teilwert steht in bestimmten Fällen, insbesondere bei der Bewertung von Vorräten (Umlaufvermögen, § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG187), theore­ tisch die Rückstellung für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften, die je­ doch gem. § 5 Abs. 4a S. 1 EStG in der Steuerbilanz nicht gebildet werden darf. Das Konkurrenzverhältnis entsteht aus der Überlegung, dass sich die Bewertung von Vorräten nach dem kalkulierten Veräußerungserlös richtet, dem die bereits an­ gefallenen und die noch zu erwartenden Aufwendungen gegenüber zu stellen sind. Im Falle eines kalkulierten Verlusts kann dieser theoretisch entweder auf der Ak­ tivseite der Bilanz in Form einer Teilwertabschreibung auf die Vorräte oder auf der Passivseite der Bilanz in Form einer Verlustrückstellung abgebildet werden. Im 183

So auch Weber-Grellet, Steuerbilanzrecht, § 19, Rn. 5. Werndl, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 6, Rn. B 425. 185 So früher auch Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 19. Aufl., § 17, Rz. 144 f., 169 ff., die ihre Ansicht nunmehr geändert hat, Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 20. Aufl., § 17, Rz. 144. Aus­ führlich dazu 5. Kapitel, B. 186 Vgl. BFH, U.v. 7.9.2005 – VIII R 1/03, BB 2005, 2802, 2806; BStBl II 2006, 298, 302. 187 Zur Teilwertvermutung für Vorräte und deren Widerlegung vgl. 4. Kapitel, B. II. 2. c). 184

B. Der Teilwert im Bilanzsteuerrecht

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Gegensatz zur Verlustrückstellung ist die Teilwertabschreibung dabei allerdings auf die aktivierten AK/HK begrenzt.188 a) Das Verhältnis von aktivischer und passivischer Verlustberücksichtigung in Handels- und Steuerbilanz Aufgrund des steuerrechtlichen Verbots der Rückstellungsbildung gem. § 5 Abs. 4a S. 1 EStG kommt es praktisch nur bei der handelsrechtlichen Bilanzie­ rung zu einer tatsächlichen Konkurrenz der beiden Möglichkeiten der Verlust­ berücksichtigung; statt des Teilwerts steht dort der niedrigere beizulegende Wert des § 253 Abs. 4 S. 2 HGB in Konkurrenz zur Verlustrückstellung. Steuerrecht­ lich stellt sich jedoch die Frage, ob das Verbot der Rückstellungen für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften nicht auch eine Berücksichtigung der Ver­ luste in Form einer Wertminderung auf der Aktivseite verbietet. Das wäre, wie der BFH betont, dann nicht der Fall, wenn die Teilwertabschreibung insoweit einen Vorrang vor der Verlustrückstellung hätte. Der BFH stellt bei dieser Frage allein auf das Konkurrenzverhältnis im Handelsrecht ab und überträgt sein Ergebnis auf­ grund des Maßgeblichkeitsprinzips (§ 5 Abs. 1 EStG), jedoch unter Beachtung des steuerrechtlichen Bewertungsvorbehalts (§ 5 Abs. 6 EStG), sodann auf das Steuer­ recht. Im Handelsrecht gehe die weit überwiegende Meinung im Schrifttum und die handelsrechtliche Bilanzierungspraxis von einem Vorrang der aktivischen Ab­ wertung aus; eine Verlustrückstellung werde nur dann und nur solange gebildet, als der Verlust nicht durch Abschreibung auf den niedrigeren beizulegenden Wert berücksichtigt werden könne.189 Dem schließt sich der 8. Senat des BFH für das Einkommensteuerrecht zu Recht mit dem Argument an, dass schon das Gesetz auf die Subsidiarität der Verlustrückstellung hinweise, indem es diese nur für dro­ hende, also noch nicht eingetretene Verluste zulasse, sodass die Rückstellung auf­ zulösen und durch eine aktivische Abwertung zu ersetzen sei, sobald der Verlust eingetreten sei.190

188

BFH, U.v. 7.9.2005 – VIII R 1/03, BB 2005, 2802, 2806, 2807. Weber-Grellet, BB 2006,

38.

189 So BFH, U.v. 7.9.2005 – VIII R 1/03, BB 2005, 2802, 2806, 2807 mit Verweis auf Adler/ Düring/Schmaltz, Rechnungslegung der Unternehmen, 6. Aufl., § 249, Rz. 138; Herzig, StbJb 2000/2001, 293; Hoffmann, DStR 2000, 1339. 190 BFH, U.v. 7.9.2005 – VIII R 1/03, BB 2005, 2802, 2807. Ebenso BFH, U.v. 28.11.1974 – V R 36/74, BStBl II 1975, 398, 399; Schmidt/Weber-Grellet, 28. Aufl. 2009, § 5, Rn.  270 „Unfertige Erzeugnisse; Schmidt/Glanegger, 28.  Aufl. 2009, § 6, Rn.  250 „Schwebende Geschäfte“.

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2. Kap.: Der Teilwert im System des Ertragssteuerrechts

b) Zur Reichweite der Verlustberücksichtigung bei unfertigen Erzeugnissen Ein Folgeproblem stellt sich, wenn die Vorräte, aus deren Verkauf ein Verlust droht, zum Bilanzstichtag noch nicht fertig gestellt wurden, es also um die Teil­ wertabschreibung auf unfertige Erzeugnisse geht. In diesem Zusammenhang ist streitig, ob bei der Bewertung nur auf das bis zum Bilanzstichtag abgewickelte Geschäft (Teilrealisierung) oder auf das gesamte, teilweise noch schwebende Ge­ schäft abzustellen ist. Teilweise wird die Ansicht vertreten, die Teilwertabschrei­ bung auf die unfertigen Erzeugnisse könne bereits während des schwebenden Ver­ trags im Hinblick auf den gesamten erwarteten Verlust vorgenommen werden.191 Dem wird von anderer Seite entgegen gehalten, dass damit nicht realisierte Ver­ luste, die bei langfristigen Geschäften unter Umständen in weiter Zukunft liegen, in die Berechnung mit einbezogen würden.192 Da der Teilwert über den Zeitpunkt der Realisation keine Aussage treffe, lasse sich nicht zuordnen, wie hoch der Ver­ lust zu einem bestimmten Bilanzstichtag sei.193 Vermittelnd wird darüber hinaus vertreten, dass eine Teilwertabschreibung zwar nicht hinsichtlich des vollständi­ gen zu erwartenden Verlustes aus dem Geschäft, wohl aber hinsichtlich des dem jeweiligen Stand der Fertigstellung entsprechenden, auf die einzelnen unfertigen Erzeugnisse entfallenden, anteilig realisierten Verlustes möglich sei.194 Eine Be­ rücksichtigung des weiter gehenden Verlustes aus dem noch schwebenden Ge­ schäft sei aufgrund des Verbots der Verlustrückstellung unzulässig. Der BFH lehnte die beiden letztgenannten Ansichten ab und ließ eine Teil­ wertabschreibung auf das gesamte, teilweise noch nicht abgewickelte Geschäft mit dem Argument zu, dass der Teilwertbegriff des § 6 Abs.  1 Nr.  1 S.  3 EStG von der Preisvorstellung eines gedachten Erwerbers des gesamten Betriebs ausge­ he.195 Dieser werde bei der Ermittlung des Wertes des Auftragsbestandes dem am Markt erzielbaren Veräußerungserlös die Aufwendungen entgegen stellen, die bis zur Fertigstellung der unfertigen Erzeugnisse, also auch noch zukünftig, anfallen würden. Die gegenteilige Auffassung, die eine Differenzierung zwischen den Ver­ lusten, die bis zum Bilanzstichtag entstanden seien und den Verlusten, die künftig entstehen würden, vornehme, entspreche nicht den Grundsätzen über die Ermitt­ lung des Teilwerts.196 Denn dieser werde bei zum Absatz bestimmten Waren und sonstigen Vorräten sowie bei unfertigen Erzeugnissen und Leistungen nach der re­ trograden Wertermittlungsmethode ermittelt, die eine Teilwertabschreibung davon 191

So i.E. BFH, U.v. 7.9.2005  – VIII R 1/03, BB 2005, 2802, 2803 ff. im Anschluss an Schmidt/Glanegger, 28.  Aufl. 2009, § 6, Rn.  250 „Schwebende Geschäfte“; Herzig, StbJb 2000/2001, 305 f.; Hoffmann, DStR 2000, 1338 f. 192 Weber-Grellet, BB 2006, 38; Schmidt/ders., 28. Aufl. 2009, § 5, Rn. 270 „Unfertige Er­ zeugnisse“. 193 Weber-Grellet, BB 2006, 38. 194 BMF-Schreiben v. 14.11.2000 – IV A 6-S 2174-5/00, BStBl I 2000, 1514. 195 BFH, U.v. 7.9.2005 – VIII R 1/03, BB 2005, 2802, 2805. 196 BFH, U.v. 7.9.2005 – VIII R 1/03, BB 2005, 2802, 2805, 2806.

B. Der Teilwert im Bilanzsteuerrecht

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abhängig mache, ob der voraussichtliche Veräußerungserlös der Wirtschaftsgüter nicht mehr die Selbstkosten derselben zuzüglich eines durchschnittlichen Unter­ nehmergewinns abdecke.197 Wie sich zeigen wird, stellte der BFH mit dieser Argu­ mentation unmittelbar auf die Grundsätze ab, die sich aus der Definition des Teil­ werts gem. § 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG ergeben. Im konkreten Fall wandte der BFH die Grundsätze auf teilfertige Bauten auf fremdem Grund und Boden an. Die teil­ fertigen Bauten seien für einen Bauunternehmer unfertige Erzeugnisse und als sol­ che Vorräte, deren Bewertung sich nach den allgemein für materielle Güter des Umlaufvermögens geltenden Vorschriften richte.198 Ob es sich darüber hinaus um unfertige Erzeugnisse oder unfertige Leistungen handele, ob das ausgewiesene Wirtschaftsgut im Endeffekt eine Sache oder eine Forderung gegen den Auftrag­ geber sei, könne dahinstehen.199

197

StRspr., vgl. nur BFH, U.v. 29.4.1999  – IV R 14/98, BStBl II 1999, 681, 682; U.v. 25.7.2000 – VIII R 35/97, BStBl II 2001, 566, 568; U.v. 7.9.2005 – VIII R 1/03, BB 2005, 2802, 2804. 198 BFH, U.v. 7.9.2005 – VIII R 1/03, BB 2005, 2802, 2804. Ebenso Schick/Franz, in: Herr­ mann/Heuer/Raupach, § 5, Rn.  965; Schreiber, in: Blümich, § 5, Rn.  311, 740 „Teilfertige Bauten“. A. A. Schmidt/Weber-Grellet, 28. Aufl. 2009, § 5, Rn. 270 „Unfertige Erzeugnisse“: einem Rechnungsabgrenzungsposten ähnlich; Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh, GmbHG, 18. Aufl., § 42, Rn 159: Bilanzierungshilfe. 199 BFH, U.v. 7.9.2005 – VIII R 1/03, BB 2005, 2802, 2806.

Drittes Kapitel

Die Geschichte des Teilwerts 3. Kap.: Die Geschichte des Teilwerts Um zu erkennen, welche Überlegungen überhaupt zur Entwicklung eines Be­ wertungsmaßstabes geführt haben, der als theoretisch widersprüchlich1 und prak­ tisch unbestimmbar2 gilt, soll im Folgenden die Entstehung des Teilwerts von den Anfängen der Bilanz im Rechtssinne3 bis zur Aufnahme der Definition ins Ein­ kommensteuergesetz von 1934 nachvollzogen werden. Wie sich zeigen wird, ste­ hen dabei die Erkenntnisse und Meinungen von Gesetzgebung, Rechtsprechung und Literatur des Handelsrechts und des Steuerrechts in einem engen wechsel­ seitigen Verhältnis.

A. Die Entwicklung einer Idee Die regelmäßige Gegenüberstellung von Vermögen und Verbindlichkeiten zur Feststellung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit  – kurz: die Bilanzierung  – ist keine steuerwissenschaftliche Idee. Die Bilanz ist ursprünglich überhaupt kein rechtliches Instrument, sondern eine aus betriebswirtschaftlicher Sicht sinnvolle Methode, sich einen Überblick über Erfolg und Misserfolg der eigenen kaufmän­ nischen Geschäftstätigkeit zu verschaffen.4 Der Instrumentalisierung der Bilanz zur Durchführung der Einkommensbesteuerung ging deshalb eine bis ins Mittel­ alter zurückreichende Geschichte voraus,5 von der hier nur die letzten gut 200 Jahre interessieren sollen.

I. Handelsrechtliche Vorschriften zur Bilanzierung im Überblick 1. Das Preußische Allgemeine Landrecht von 1794 Ein sehr frühes System von Bewertungsvorschriften findet sich im Preußischen Allgemeinen Landrecht (ALR) von 1794 im Zweiten Titel des Ersten Teils mit der Überschrift: „Von Sachen und deren Rechten überhaupt“. Allgemein und ohne

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Kosiol, StuW 1949, Sp. 152, 155. Weber-Grellet, Bilanzsteuerrecht, 10. Aufl., Rn. 260; Kosiol, StuW 1949, Sp. 155. 3 Zu diesem Begriff vgl. oben: 2. Kapitel, A. II. 1. a). 4 Mathiak, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 5, Rn. A 85. 5 Mathiak, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 5, Rn. A 85.

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einen bestimmten Maßstab festlegen zu wollen, definiert § 111: „Der Nutzen, den eine Sache ihrem Besitzer leisten kann, bestimmt den Wert derselben.“6 Ein kon­ kreter Wertmaßstab findet sich hingegen in § 112, demzufolge der „Nutzen, wel­ chen die Sache einem jeden Besitzer gewähren kann, […] ihr gemeiner Wert“7 ist. Ohne die Vorschriften näher kommentieren zu wollen, sollten zwei Aussagen fest­ gehalten werden: Einerseits hängt der Wert einer Sache hier offensichtlich stets von ihrem Nutzen für ihren „Besitzer“ ab – und damit zumindest nicht ausschließ­ lich von ihrer Substanz. Andererseits liegt das entscheidende Merkmal des gemei­ nen Wertes in einer Objektivierung, die durch die Loslösung des Wertansatzes vom Nutzen für einen bestimmten Besitzer erreicht wird. Diese beiden Merkmale kom­ men, wie sich zeigen wird, in zahlreichen späteren Bewertungsmaß­stäben immer wieder vor. 2. Das Allgemeine Deutsche Handelsgesetzbuch vom 31.5.1861 Gegenstand einer näheren Betrachtung soll das Allgemeine Deutsche Handels­ gesetzbuch (ADHGB) sein, das auf Empfehlung der Bundesversammlung vom 31.5.1861 in den meisten deutschen Staaten galt und durch Bundesgesetz vom 5.6.18698 zum Gesetz des Norddeutschen Bundes wurde. Durch Reichsgesetz vom 16.4.18719 wurde es nach der Reichgründung am 18.1.1871 ein Gesetz des Deutschen Reiches. Vorschriften zu der Führung von Handelsbüchern finden sich im vierten Titel des ersten Buches in Art. 28 bis 40 ADHGB. Die Pflicht des Kaufmanns zur Füh­ rung von Büchern über die Handelsgeschäfte und die Lage seines Vermögens er­ gab sich aus Art. 28 Abs. 1 ADHGB. Hinsichtlich der Bewertung von Wirtschafts­ gütern regelte Art. 31 ADHGB10: „Bei der Aufnahme des Inventars und der Bilanz sind sämmtliche Vermögensstücke und For­ derungen nach dem Werthe einzusetzen, welcher ihnen zur Zeit der Aufnahme beizulegen ist. Zweifelhafte Forderungen sind nach ihrem wahrscheinlichen Werthe anzusetzen, unein­ bringliche Forderungen aber abzuschreiben.“

Diese Vorschrift war in mehrfacher Hinsicht auslegungs- und verbesserungs­ bedürftig.11 Besondere Aufmerksamkeit verdient vor allem der „beizulegende 6 Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten. Neue Ausgabe. Erster Theil, erster Band, Berlin 1806, S. 34. 7 Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten. Neue Ausgabe. Erster Theil, erster Band, Berlin 1806, S. 34. 8 Bundesgesetzblatt des Deutschen Bundes, 1869, S. 404. 9 RGBl I 1871, 63; im Königreich Bayern eingeführt durch Reichsgesetz vom 22.4.1871, RGBl I 1871, 78. 10 Gesetzestext zitiert nach: Staub, ADHGB, 2. Aufl. 1894, Art. 31. 11 Zu den mit dem HGB 1897 eingetretenen Änderungen bezüglich Anwendungsbereich und Bewertungszeitpunkt vgl. unten: 3. Kapitel, A. I. 4.

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3. Kap.: Die Geschichte des Teilwerts

Wert“12, der zum maßgeblichen Wertmaßstab für alle (genannten) Wirtschafts­güter erklärt wird. Auf der Grundlage dieses wenig aussagekräftigen Begriffs wurde ab dem Jahr 1873 der Teilwert entwickelt.13 Bevor diese Entwicklung mit dem Urteil des Reichsoberhandelsgerichts vom 3.12.187314 eingeleitet wurde, sah man die Bewertungsvorschrift des Art.  31 ADHGB offenbar nicht als zwingend geltende Rechtsnorm, sondern als „einen sehr schätzbaren Wegweiser“15 zur Erläuterung der Handelsbräuche, die für die Bewertung eine weitaus größere Rolle spielten. In den Änderungsvorschlägen ein­ zelner Abgeordneter der „Kommission zur Berathung eines allgemeinen deutschen Handelsgesetzbuches“ wurde statt des beizulegenden Wertes auch der „wahre“ Wert der Bilanzposten oder der Wert zur Zeit der Aufnahme in die Bilanz erwähnt, ohne dass damit eine inhaltliche Präzisierung einher ginge.16 Ins­gesamt deutet in den Materialien zu Art. 31 ADHGB bis 1873 noch nichts auf die Annahme des Betriebsfortbestands als Grundlage für die Ermittlung des beizu­legenden Wer­ tes hin.17 3. Die Aktienrechtsnovelle vom 18.7.1884 Neuerungen hinsichtlich der Bewertung von Wirtschaftsgütern brachte die Akti­ enrechtsnovelle vom 18.7.188418 mit sich, die durch die Art. 173–249g ins ADHGB eingefügt wurde.19 Die Aktienrechtsnovelle unterschied im neuen Art. 185a S. 1 Nr. 1, 3 ADHGB20 zwischen Umlauf- und Anlagevermögen und führte ein Nie­ derstwertprinzip ein, indem sie für das Umlaufvermögen die Anschaffungs- und Herstellungspreise als Wertobergrenze festlegte.21 Damit sollte zur Gewährleistung

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Auf die Existenz des niedrigeren beizulegenden Wertes im heutigen § 253 Abs.  3 S.  3, Abs.  4 S.  2 HGB sei an dieser Stelle nur hingewiesen; dazu ausführlich unten: 5.  Kapitel, B. VII. 13 Zu dieser Entwicklung sogleich: 3. Kapitel, A. II. bis VII. 14 ROHG, II. Senat, Urteil vom 3.12.1873 – 934/73, ROHGE 12, 15 ff. Dazu unten 3. Ka­ pitel, A. II. 15 Vgl. Markower, ADHGB 1865, Art.  31, Fn.  10 zitiert nach: Lutz, Protokolle ADHGB 1858, S. 47. 16 Vgl. Lutz, Protokolle ADHGB 1858, S. 47 f. 17 Vgl. nur Lutz, Protokolle ADHGB 1858, S.  47 f.; Markower, ADHGB 1865, Art.  31, Fn. 10–12. Bornemann u. a., ADHGB 1862, Art. 31 lassen die Vorschrift gar vollständig un­ kommentiert. Ebenso Zitzlaff, StuW 1941, Sp. 193. 18 RGBl I 1884, 123 ff. 19 Die Vorschriften der Art. 173–249 g ADHGB über die Aktiengesellschaften und die Kom­ manditgesellschaften auf Aktien wurden 1897 als §§ 178–334 ins HGB übernommen. 20 Übernommen in § 261 HGB 1897, vgl. RGBl I 1897, 280. 21 Vgl. Art.  185a Abs.  1 Nr.1 ADHGB in der Fassung der Aktienrechtsnovelle von 1884 (RGBl  I 1884, 136): „Werthpapiere und Waaren, welche einen Börsen- oder Marktpreis ha­ ben, dürfen höchstens zu dem Börsen- oder Marktpreise zur Zeit der Bilanzaufstellung, sofern dieser jedoch den Anschaffungs- oder Herstellungspreis übersteigt, höchstens zu letzterem an­ gesetzt werden.“

A. Die Entwicklung einer Idee

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einer vorsichtigen Bewertung der Ausweis nicht realisierter Vermögenswertstei­ gerungen verhindert werden.22 Die Bewertungsvorschriften des Art. 185a der Ak­ tienrechtsnovelle wurden jedoch nicht als allgemeines Prinzip anerkannt, sondern galten als Sonderbewertungsvorschriften nur im Aktienrecht.23 Die Bewertungs­ grundsätze des Art.  31 ADHGB blieben damit außerhalb des Aktienrechts be­ stehen, die Anschaffungs- oder Herstellungskosten konnten den „beizulegenden Wert“ als allgemeinen Bewertungsmaßstab weder ersetzen noch in seiner Höhe begrenzen.24 4. Das Handelsgesetzbuch vom 10.5.1897 Im Jahre 1897 löste das Handelsgesetzbuch (HGB) vom 10.5.189725 das ADHGB ab.26 Die Bewertungsvorschriften der Art. 28 bis 40 ADHGB fanden Einzug in die §§ 38 bis 47 HGB. Dabei wurde in § 38 Abs. 1 HGB die Verpflichtung des Kauf­ manns neu aufgestellt, „seine Handelsbücher und die Lage seines Vermögens nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung ersichtlich zu machen“.27 An­ sonsten wurden die Bewertungsvorschriften  – wie auch die übrigen Vorschrif­ ten des ADHGB  – weitgehend unverändert übernommen.28 Die Rechtsprechung und Lehre zum ADHGB war damit auch zur Auslegung des HGB weitgehend verwendbar.29 Die Bewertungsvorschrift des Art.  31 ADHGB floss in § 40 Abs.  2, 3 HGB ein. Dabei wurde der Wortlaut des § 40 Abs. 2 HGB gegenüber Art. 31 ADHGB in zweifacher Hinsicht geändert.30 Anstatt der als unvollständig angesehenen31

22 Preußisches OVG, U.v. 30.12.1905 – V. A. 18/05, PrOVGE 12, 310, 314, 315; ­Schlotter, 5.  Kapitel, C. II. 1.  (S.  305); Simon, Bilanzen der AG und KGaA, 3.  Auflage, 1899, § 87 (S. 335 ff.). 23 Reichs-Justizamt, Denkschrift zu dem Entwurf eines Handelsgesetzbuchs, Berlin 1896, S.  46 f. Im Handels- und Steuerbilanzrecht setzte sich erst nach dem Ersten Weltkrieg das Realisationsprinzip und das Anschaffungs-/Herstellungskostenprinzip durch, so Rief-Drewes, S. 22. 24 Reichs-Justizamt, Denkschrift zu dem Entwurf eines Handelsgesetzbuchs, Berlin 1896, S. 46 f; Mathiak, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 5, Rn. A 96. 25 RGBl I 1897, 219. 26 Vgl. Art. 3 EGHGB v. 10.5.1897, RGBl 1897. 437. 27 RGBl I 1897, 227. 28 Baumbach/Hopt/Hopt, HGB, 34. Aufl., Einl. v. § 1, Rn. 9; Werndl, in: Kirchhof/Söhn/Mel­ linghoff, § 6, Rn. A 235; Mathiak, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 5, Rn. A 100. 29 Baumbach/Hopt/Hopt, HGB, 34. Aufl., Einl. v. § 1, Rn. 9; offensichtlich wird dies auch beim Vergleich der Kommentierungen von Hermann Staub zu ADHGB und HGB, vgl. etwa Staub, ADHGB, 2. Aufl. 1894, Art. 31, Einl. und ders. HGB, 6./7. Aufl. 1900, § 40, Anm. 2. 30 § 40 Abs. 2 HGB 1897 lautet: „Bei der Aufstellung des Inventars und der Bilanz sind sämmt­ liche Vermögensgegenstände und Schulden nach dem Werthe anzusetzen, der ihnen in dem Zeitpunkte beizulegen ist, für welchen die Aufstellung stattfindet.“ Vgl. RGBl I 1897, 228. 31 ROHG, II. Senat, Urteil vom 3.12.1873 – 934/73, ROHGE 12, 15, 18; Simon, Bilanzen der AG und KGaA, 1886, § 61 (S. 150); Staub, ADHGB, 2. Aufl. 1894; Art. 31, § 1.

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3. Kap.: Die Geschichte des Teilwerts

­ enennung von „Vermögensstücke(n) und Forderungen“32 als Gegenstände der B Bilanzierung, sprach § 40 Abs. 2 HGB von „Vermögensgegenständen und Schul­ den“33 und bezog damit auch sprachlich alle Aktiva und Passiva in die Bewertungs­ vorschriften ein. Hinsichtlich des für die Bewertung maßgeblichen Zeitpunktes wurde § 40 Abs.  2 HGB sprachlich der bereits vorherrschenden Auslegung an­ gepasst. So stellte Herrmann Staub im Jahr 1900 fest: „Nicht der Werth zur Zeit der Aufnahme, sondern der Werth zur Zeit, für welchen die Aufnahme gilt, ist maßgebend, wie das Gesetz jetzt deutlich sagt.“34 Damit wurde das Stichtagsprin­ zip in seiner heute bekannten und in §§ 243 Abs. 3, 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB voraus­ gesetzten Form Bestandteil des Gesetzes. Die Bewertung selbst wurde dadurch nicht beeinflusst.

II. Das Urteil des Reichsoberhandelsgerichts vom 3.12.1873 Wie bereits angedeutet, ließen die Vorschriften zur Bewertung in Art.  31 ADHGB hinsichtlich der Frage, nach welchen Kriterien der entscheidende „beizu­ legende Wert“ zu ermitteln sei, noch erheblichen Spielraum. Von herausragender Bedeutung für dessen Ausfüllung war die Grundsatzentscheidung des Reichsober­ handelsgerichts (ROHG) vom 3.12.187335. In einem Prozess über die Bilanz der „Oldenburgischen Spar- und Leih-Bank“ setzte sich das Gericht mit den Grundsät­ zen der kaufmännischen Bilanz,36 insbesondere mit der Bewertung der Aktiva und Passiva nach den Vorschriften des ADHGB, auseinander. Mit den Erläuterungen zu Art. 31 ADHGB stieß das Gericht die Entwicklung differenzierter Bewertungsmaßstäbe nicht nur an, sondern prägte sie zugleich nachhaltig. Dabei finden sich gerade an den schwierigen Stellen des Urteils Merk­ male, die für den Teilwert charakteristisch sind. Aus diesem Grund wird das Urteil im Folgenden in seinen Einzelheiten wiedergegeben und ausgewertet. 1. Der Sachverhalt Konkret geht es in dem Urteil um die Bewertung von Gold-Depositen einer Bank, die in der Bilanz zum Tageskurs am Abschlussstichtag ausgewiesen wur­ den. Die Gold-Depositen waren Termineinlagen (auch „befristete Einlagen“), also von der Bank für eine bestimmte Frist angenommene fremde Gelder zur kontinu­ ierlichen Ansammlung und Bereithaltung liquiden Kapitals, mit denen das Aktiv­



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Gesetzestext zitiert nach: Staub, ADHGB, 2. Aufl. 1894, Art. 31. RGBl I 1897, 228. 34 Staub, HGB, 6./7. Aufl. 1900, § 40, Anm. 3. 35 ROHG, II. Senat, Urteil vom 3.12.1873 – 934/73, ROHGE 12, 15 ff. 36 Vgl. Leitsatz: ROHG, II. Senat, Urteil vom 3.12.1873 – 934/73, ROHGE 12, 15.

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geschäft refinanziert wurde.37 Im vorliegenden Fall handelte es sich um Terminein­ lagen in Form von sog. Kündigungsgeldern, deren Fälligkeit durch eine Kündi­ gung herbeigeführt werden musste.38 Zum Streit über die Bewertung der Gold-Depositen kam es anlässlich der Übernahme der als OHG geführten „Oldenburgischen Spar- und Leih-Bank“ durch eine unter der gleichen Firma gegründete AG zum 1.1.1872. Beide Par­ teien vereinbarten, dass die AG das Geschäft der OHG mit allen Aktiva und Pas­ siva, wie sie am 1.1.1872 in den Büchern der OHG ausgewiesen wurden, zu einem bestimmten Preis übernehmen solle. Zudem wurde ausdrücklich verein­ bart, dass die Bilanz zum 1.1.1872 „genau der bisherigen Praxis der offenen Handelsgesellschaft und den Vorschriften des A. D. H. G.B.’s entsprechend“39 aufgestellt werden solle. Die OHG wies ihre Gold-Depositen, die als Fremd­ kapital zu den Verbindlichkeiten gehörten, mit dem Tageskurs des Goldes am 1.1.1872 von 108 7⁄8 Courant- bzw. Silber-Thalern – der in Oldenburg gesetzlich geltenden Währung – aus. Die AG hingegen war der Auffassung, dass nicht der Tageskurs zum 1.1.1872, sondern vielmehr der im Reichsgesetz vom 4.12.1871 betreffend die Ausprägung von Reichsgoldmünzen für das Verhältnis von Gold und Silber festgesetzte Kurs von 110 5⁄7 oder ein anderer höherer Kurs hätte aus­ gewiesen werden müssen. Begründet wurde diese Forderung damit, dass die De­ positen eine 6-monatige Kündigungsfrist hatten und daher von den Einlegern nicht vor dem 1.7.1872 hätten zurückgenommen werden können. Der Tages­ kurs des 1.1.1872 konnte daher nach Ansicht der AG nicht unmittelbar maßgeb­ lich sein. Die AG beanspruchte deshalb als Klägerin vom Beklagten, einem Teilhaber der früheren OHG, an der er mit einem Anteil von 32,5 % beteiligt war, die Erstattung der sich für den Anteil des Beklagten ergebenden Differenz zwischen ausgewiese­ nem Wert und dem sich aus dem Reichsgesetz ergebenden Wert. 2. Die Entscheidungsgründe und ihre Erläuterung Die Entscheidung des ROHG ist in zwei Teile gegliedert: Zunächst erläuterte das Gericht ausführlich sein Verständnis von den Zielen und Mitteln der Bilanzierung.40 Im Mittelpunkt stand dabei insbesondere die Vor­ schrift des Art. 31 ADHGB über die Bewertung. Die Erläuterungen dazu, die von zahlreichen weiteren Ausführungen zu grundlegenden Bilanzierungsprinzipien be­



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Gößmann, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb., 3. Aufl., § 69, Rn. 6. Gößmann, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb., 3. Aufl., § 70, Rn. 9. 39 Vereinbarung zwischen den Parteien, zitiert nach: ROHG, II. Senat, Urteil vom 3.12.1873 – 934/73, ROHGE 12, 15, 16. 40 ROHG, II. Senat, Urteil vom 3.12.1873 – 934/73, ROHGE 12, 15 bis 19.

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3. Kap.: Die Geschichte des Teilwerts

gleitet wurden, geben dem Urteil seine herausragende Bedeutung für die Entwick­ lung des Teilwerts. Im zweiten Teil wandte sich das Gericht der Lösung des verhandelten Falles zu, die hier zunächst in der gebotenen Kürze wiedergegeben werden soll:41 a) Bewertung der Gold-Depositen mit dem Stichtagswert zum 1.1.1872 Entsprechend dem Klagebegehren und dem Wortlaut des Art. 31 ADHGB war die entscheidende Frage, welcher Wert den Gold-Depositen als Verbindlichkeiten bei der Umrechnung in Courant- bzw. Silber-Thaler in der Bilanz zum 1.1.1872 beizulegen sei. Problem und Auslöser dieser Frage war die Tatsache, dass die Kün­ digung der Depositen frühestens zum 1.7.1872, also ein halbes Jahr nach dem Bilanzstichtag möglich gewesen wäre. Aus diesem Grund hielt das ROHG den Tageskurs der Goldthaler zu Courant- bzw. Silber-Thalern vom 1.1.1872 für zu­ mindest „unmittelbar nicht maßgebend“42. Jedoch hatte schon das in erster In­ stanz mit dem Fall befasste Obergericht Oldenburg – nach Auffassung des ROHG zu Recht – festgestellt, dass auch die Bewertung mit dem erwarteten zukünftigen Wert nicht ohne weiteres möglich gewesen sei. Überall dort, wo sich ein zukünf­ tiger Wert objektiv nicht feststellen ließe, bleibe für die Veranschlagung nichts an­ deres übrig, als den Wert zugrunde zu legen, den die Vermögensgegenstände ge­ genwärtig hätten.43 Das Oberappellationsgericht Oldenburg hatte als Berufungsgericht präzisierend festgestellt, dass sich die Differenz zwischen dem zu erwartenden zukünftigen Ta­ geskurs zu der Zeit, zu der die Einleger die Depositen zurückfordern konnten bzw. die Bank ihnen diese zurückzahlen durfte und dem gegenwärtigen Wert der Gold­ thaler nicht mit durch objektive Momente unterstützter Bestimmtheit habe ange­ ben lassen. Angesichts der damals vorherrschenden Ansicht, bei der Bilanzierung gehe es um die Suche nach objektiv richtigen Werten,44 musste somit auch das Be­ rufungsgericht zu dem Ergebnis kommen, dass eine Bewertung der Gold-Deposi­ ten allein mit dem gegenwärtigen Wert möglich war.45 In diesem Sinne konkretisierte das ROHG das Problem der Bewertung auf die Frage, ob aufgrund der konkreten Verhältnisse mit genügend objektiver Sicherheit den Depositen schon am 1.1.1872 ein höherer Wert als der Tageskurs hätte beige­ legt werden müssen. Nach Ansicht des Gerichts handelte es sich hierbei um eine



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ROHG, II. Senat, Urteil vom 3.12.1873 – 934/73, ROHGE 12, 15, 19 bis 23. ROHG, II. Senat, Urteil vom 3.12.1873 – 934/73, ROHGE 12, 15, 19. 43 ROHG, II. Senat, Urteil vom 3.12.1873 – 934/73, ROHGE 12, 15, 21. 44 Zur Widerlegung dieser Ansicht vgl. unten: 3. Kapitel, A. III. 2. 45 ROHG, II. Senat, Urteil vom 3.12.1873 – Rep. 934/73, ROHGE 12, 15, 22.

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tatsächliche Entscheidung, die in der hier verhandelten Richtigkeitsbeschwerde nicht habe beantwortet werden können.46 Das Berufungsgericht habe ohne dass ein Widerspruch mit den entscheidenden Rechtssätzen feststellbar gewesen sei, ent­ schieden, dass sich die eingeklagte Differenz zwischen dem gegenwärtigen Wert der Goldthaler und dem zur Zahlungszeit zu erwartenden oder zu entrichtenden Wert nicht aufgrund objektiver Momente habe angeben lassen. Damit hätte das Gericht dem Reichsgesetz vom 4.12.1871 betreffend die Ausprägung von Reichs­ goldmünzen die ihm von der Klägerin beigelegte Bedeutung abgesprochen, aus der sich das Erfordernis der Bewertung der Gold-Depositen zu einem höheren Kurs einzig habe ergeben können. Dies wäre eine rein tatsächliche Frage, die vom ROHG nicht habe überprüft werden können. Die Revision hatte folgerichtig wie die Vorinstanzen keinen Erfolg.47 Wesentlich zukunftsweisender und für diese Arbeit interessanter sind die Aus­ führungen des ROHG zu den Zielen der kaufmännischen Bilanz und der an diesen Zielen ausgerichteten Bewertung: b) Die Bilanz als stichtagsbezogene Vermögensrechnung Als Ziele der kaufmännischen Bilanz identifizierte das Gericht einerseits, eine „Übersicht und Feststellung des Vermögensbestandes in einem bestimmten Zeit­ punkte“ zu liefern und andererseits, durch den Vergleich von zu verschiedenen Zeitpunkten aufgestellten Bilanzen das Resultat „der Geschäftsführung während der dazwischen liegenden Perioden“48 aufzuzeigen. Die erste Aussage beschreibt das Wesen der Bilanz als Zeitpunktrechnung.49 Mit dem zweiten Halbsatz skizziert das ROHG wesentliche Funktionen der Bilanz, nämlich die Rechenschaftslegung und Information gegenüber betriebsfremden Dritten sowie Dokumentation und Kontrolle der Geschäftstätigkeit.50



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ROHG, II. Senat, Urteil vom 3.12.1873 – Rep. 934/73, ROHGE 12, 15, 22. Für die letzten vier Sätze: ROHG, II. Senat, Urteil vom 3.12.1873 – Rep. 934/73, ROHGE 12, 15, 22. 48 Für beide Zitate: ROHG, II. Senat, Urteil vom 3.12.1873 – Rep. 934/73, ROHGE 12, 15, 17; Hervorhebungen geändert. 49 Zudem legt sich das Gericht bilanztheoretisch auf die erst später zur Abgrenzung als sol­ che bezeichnete statische Bilanztheorie fest, nach der die jährliche Vermögensermittlung im Vordergrund der Betrachtung steht. Zur Bedeutungslosigkeit der Bilanztheorien für die Bilanz im Rechtssinne vgl. oben: 2. Kapitel, A. II. 1. a). 50 Zur Bilanz als Instrument der Rechenschaftslegung (im Gegensatz zur Kostenrechnung) vgl. oben: 2. Kapitel, A. II. 1. c).

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3. Kap.: Die Geschichte des Teilwerts

c) Die Bilanz als Abbildung aller Aktiva und Passiva Bezüglich des Umfangs der Bilanzierung stellte das ROHG zunächst wie selbst­ verständlich fest, dass „Alle einzelnen Activ- und Passiv-Posten, aus welchen sich das Vermögen zusammensetzt“51, in die Bilanz aufzunehmen gewesen seien. Eher beiläufig bemerkte es später, dass die Aufzählung von „Vermögensstücke(n)“ und „Forderungen“ in Art. 31 Abs. 1 ADHGB dementsprechend unvollständig gewe­ sen sei,52 weil damit die passiven Bilanzposten unberücksichtigt blieben. Mit der Einführung des HGB im Jahre 1897 beseitigte der Gesetzgeber diesen offensichtli­ chen Fehler, indem er den Wortlaut des § 40 Abs. 2 HGB entsprechend änderte und statt dessen von sämtlichen „Vermögensgegenständen und Schulden“ sprach.53 d) Bewertung zum Bilanzstichtag statt zum Tag der Aufstellung Eine weitere Ungenauigkeit, die Art. 31 ADHGB im Gegensatz zu § 40 HGB 1897 aufwies, betraf den Zeitpunkt, zu dem die Bewertung stattfinden sollte. Wie­ derum nahm das ROHG die spätere Gesetzesänderung vorweg, indem es aus­ führte, dass die Bilanzposten mit dem „gegenwärtigen Werthe, den sie in demjeni­ gen Zeitpunkte, für welchen die Bilanz aufgenommen wird, besitzen, in die Bilanz einzustellen“54 gewesen seien.55 e) Bewertung in Geldeinheiten Ohne dies ausdrücklich zu erwähnen, formulierte das ROHG das eigentliche Problem des Falles und der Bewertung zu bilanziellen Zwecken insgesamt mit den Worten, dass allein der Wert der Vermögensgegenstände in Geld als dem „allgemeine(n) Wertmesser“56 für die Bewertung maßgeblich sei, und zwar in der für den Kaufmann maßgeblichen Währung. Diese Aussage korrespondiert mit der heute als selbstverständlich geltenden Auffassung, dass es das Ziel der Bewertung sei, den bilanzierten Gütern im Hinblick auf ein bestimmtes Ziel eine bestimmte Anzahl von Geldeinheiten zuzuordnen,57 wobei  – dies hatten Wissenschaft und Rechtsprechung damals noch nicht erkannt  – unterschiedliche Bewertungsziele unterschiedliche Bewertungsmaßstäbe erforderten.58

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ROHG, II. Senat, Urteil vom 3.12.1873 – 934/73, ROHGE 12, 15, 17. ROHG, II. Senat, Urteil vom 3.12.1873 – 934/73, ROHGE 12, 15, 19. 53 Vgl. dazu oben: 3. Kapitel, A. I. 4. 54 ROHG, II. Senat, Urteil vom 3.12.1873 – 934/73, ROHGE 12, 15, 17. 55 Dazu oben: 3. Kapitel, A. I. 4. 56 ROHG, II. Senat, Urteil vom 3.12.1873 – 934/73, ROHGE 12, 15, 17. 57 Stobbe, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 6, Rn. 69; Busse v. Colbe, DStJG 7 (1984), S. 40. 58 Stobbe, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 6, Rn. 69; Moxter, DStJG 7 (1984), 388, Grund­ satz der Aufgabenadäquanz.

A. Die Entwicklung einer Idee

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f) Bewertung nach dem Grundsatz der Vorsicht Bezüglich der Bewertung von Verbindlichkeiten und Forderungen wurde auf diejenigen Besonderheiten hingewiesen, die später als Ausdruck des Realisationsund des Imparitätsprinzips59 Einzug in die allgemeinen Bewertungsgrundsätze des § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB fanden: Schulden seien mit dem vollen Betrag zu bi­ lanzieren, bei Forderungen hingegen sei die Zahlungsfähigkeit des Schuldners und sonstige die Durchsetzbarkeit erschwerende Umstände zu berücksichtigen.60 Bei Schulden und Forderungen, die noch nicht fällig seien, seien zudem ersparte bzw. entbehrte Zinsen zu berücksichtigen.61 Forderungen, deren Gegenstand nicht Geld sei, könnten, so das ROHG weiter, nicht zum Nennwert, sondern nur nach dem Wert des Gegenstands zur Zeit der Forderung bewertet werden.62 g) Der „beizulegende Wert“ des Art. 31 Abs. 1 ADHGB Nach diesen grundsätzlichen Ausführungen wandte sich das ROHG der Frage zu, welcher der „maßgebend für die Bilanz zu ermittelnde(n) gegenwärtige(n) Werthe“63 sei. Auch hier fand das Gericht klare Worte und legte sich darauf fest, dass der gegenwärtige Wert der „allgemeine Verkehrswerth“64 sei, der hier aus­ drücklich „einem nur auf willkürliches subjectives Ermessen oder auf bloße Spe­ culation zurückzuführenden Werthanschlage“65 entgegengesetzt wurde. Der bei­ zulegende Wert i. S. d. Art. 31 ADHGB sollte also der Verkehrswert sein, dessen steuerrechtliche Entsprechung der gemeine Wert66 ist. Zur Begründung wurde mit Verweis auf den wörtlich zitierten Art. 31 ADHGB angeführt, dass das Ziel der Bilanzierung die Abbildung einer Vermögenslage sei, die „der objectiven Wahr­ heit möglichst nahe kommen“67 solle.68 Ähnlich wurde das Ziel der Bewertung in der einzigen vom ROHG zitierten Quelle, den Motiven zum preußischen Entwurf 59 Nach dem Imparitätsprinzip, sind alle vorhersehbaren Risiken und Verluste, die bis zum Abschlussstichtag entstanden sind, zu berücksichtigen, selbst wenn diese erst zwischen dem Abschlussstichtag und dem Tag der Aufstellung des Jahresabschlusses bekannt geworden sind; nach dem Realisationsprinzip, sind Gewinne erst dann auszuweisen, wenn sie am Bilanzstich­ tag realisiert sind, vgl. § 252 Abs. 1 Nr. 4 HS. 2 HGB. 60 ROHG, II. Senat, Urteil vom 3.12.1873 – 934/73, ROHGE 12, 15, 18. 61 ROHG, II. Senat, Urteil vom 3.12.1873 – 934/73, ROHGE 12, 15, 17 f. 62 ROHG, II. Senat, Urteil vom 3.12.1873 – 934/73, ROHGE 12, 15, 17. 63 ROHG, II. Senat, Urteil vom 3.12.1873 – 934/73, ROHGE 12, 15, 18. 64 ROHG, II. Senat, Urteil vom 3.12.1873 – 934/73, ROHGE 12, 15, 18. 65 ROHG, II. Senat, Urteil vom 3.12.1873 – 934/73, ROHGE 12, 15, 18. 66 Zur Entsprechung von gemeinem Wert und Verkehrswert, der auch als Veräußerungs-, Verkaufs-, Markt- oder Tauschwert bezeichnet wird: Birk, Steuerrecht, 12. Aufl., Rn. 880; Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 20. Aufl., § 13, Rz. 12. Zur Definition des gemeinen Wertes vgl. § 9 Abs. 2 BewG. 67 ROHG, II. Senat, Urteil vom 3.12.1873 – 934/73, ROHGE 12, 15, 19. 68 So auch: Schlotter, 5. Kapitel, C. II. 1. (S. 304).

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3. Kap.: Die Geschichte des Teilwerts

eines Handelsgesetzbuchs formuliert, in dem es heißt, dass „im Interesse der Gläu­ biger darauf hinzuwirken“ sei, „daß das aufgenommene Inventar der wahren Ver­ mögenslage möglichst getreu entspricht.“69 Dementsprechend sollte nach Ansicht des Gerichts der sich aus dem „Markt- oder Börsenpreis (Cours)“70 ergebende Wert oder ein auf andere Weise zu ermittelnder „gegenwärtiger objectiver Werth“71 gebildet werden. Das Ziel, nicht nur subjektive Einflüsse von der Bewertung aus­ zuschließen, sondern einen objektiven, absolut richtigen Wert zu finden, wird in diesen Ausführungen sehr deutlich.72 Grundsätzlich wäre hiermit alles gesagt gewesen: Der Wert, der den Vermögens­ gegenständen zur Zeit der Aufnahme in die Bilanz beizulegen war, war der all­ gemeine Verkehrswert, der wie der gemeine Wert i. d. R. dem Einzelveräußerungs­ preis entspricht und der schon vom ROHG mit dem Markt- oder Börsenpreis (oder einem sonstigen gegenwärtigen objektiven Wert) gefunden wurde. Erstaunlicherweise jedoch beließ es das Gericht nicht bei diesen Erklärungen, sondern fügte ihnen einen weiteren Bestandteil hinzu, der das bisherige, mit dem Art. 31 ADHGB durchaus vereinbare Gefüge sprengte und einen völlig neuen Ge­ danken enthielt. Wörtlich hieß es in dem Urteil: „Der Bilanz liegt hiernach in der That die Idee einer fingirten augenblicklichen allgemeinen Realisirung sämmtli­ cher Activa und Passiva zum Grunde, wobei jedoch davon ausgegangen werden muß, daß in Wirklichkeit nicht die Liquidation, sondern vielmehr der Fortbestand des Geschäftes beabsichtigt wird und dass daher bei der Ermittelung und Feststel­ lung der einzelnen Werthe derjenige Einfluß unberücksichtigt zu lassen ist, wel­ chen eine Liquidation auf dieselben ausüben würde.“73 Dieser Satz, der gleichzeitig den Abschluss der allgemeinen Ausführungen zur Bewertung nach den Vorgaben der Art. 29–31 ADHGB bildet, enthält auf den ers­ ten Blick zwei Aussagen, die unkommentiert nicht zueinander passen:74 Einerseits lässt die Benennung des Verkehrswertes zunächst nur den Schluss zu, dass die Bewertung unter der Annahme der Zerschlagung bzw. der Liquida­ tion des Unternehmens durchgeführt werden soll.75 Denn die Einzelveräußerung sämtlicher Wirtschaftsgüter an unterschiedliche Käufer führt unausweichlich zur Auflösung des Betriebs, also zu seiner Liquidation. Werden also alle Wirtschafts­

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Entwurf eines preußischen HGB, 2. Teil: Motive, S. 21 f. ROHG, II. Senat, Urteil vom 3.12.1873 – 934/73, ROHGE 12, 15, 18. 71 ROHG, II. Senat, Urteil vom 3.12.1873 – 934/73, ROHGE 12, 15, 18. 72 Zu dieser Unterscheidung und den heutigen Zielen der Bilanzierung unten: 3.  Kapitel, A. III. 2. 73 ROHG, II. Senat, Urteil vom 3.12.1873 – 934/73, ROHGE 12, 15, 19; Hervorhebungen im Original. 74 Simon sah „Haupt- und Nebensatz in unlöslichem Widerspruche“ stehen, vgl. Simon, Bi­ lanzen der AG und KGaA, 1886, § 63 (S. 155); dazu unten: 3. Kapitel, A. IV. 1. 75 In diesem Sinne: Schlotter, 5. Kapitel, C. II. 1. (S. 304); Koch, Wpg 1957, 1, 3; Moxter, Bilanzlehre, 3. Aufl., S. 218.

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güter mit dem Verkehrswert bzw. gemeinen Wert bewertet, findet die Bewertung unter der fiktiven Annahme der Liquidation statt. Tatsächlich wurde lange Zeit ver­ treten, dass der beizulegende Wert i. S. d. Art. 31 ADHGB zur damaligen Zeit auch vom ROHG als Einzelveräußerungspreis im Sinne eines Liquidationswertes ver­ standen wurde.76 Andererseits sollte aber der Einfluss einer Liquidation auf die Bewertung aus­ drücklich unberücksichtigt bleiben. Mit dieser Forderung erlangt zwangsläufig das Merkmal des Fortbestands entscheidende Bedeutung für die Bewertung, wie das ROHG selbst feststellte. Diese Feststellung wirft die Frage auf, warum die Be­ wertung unter der Annahme des Fortbestands durchgeführt werden sollte. Die Ant­ wort liegt in einer einfachen Tatsache: Wenn das Ziel der damaligen Bewertung darin lag, den objektiv richtigen, wahren Wert zu finden, war es nur sachgerecht, von den Voraussetzungen auszugehen, die der objektiven Wahrheit am Nächsten kamen. Eine der Liquidation entsprechende Bewertung mit Einzelveräußerungs­ preisen erscheint dann sachfremd, wenn es um die Bewertung von Wirtschafts­ gütern geht, die dem Unternehmen auch nach dem Abschlussstichtag – möglicher­ weise noch für mehrere Jahre – dienen sollen.77 Im Umkehrschluss erscheint die Annahme des Unternehmensfortbestands unter der genannten Zielsetzung nicht nur nahe liegend, sondern unabdingbar. Keine Erklärung liefert das Urteil hingegen bezüglich der wichtigen Frage, wes­ halb sich der Fortbestand des Unternehmens bei den einzelnen Wirtschaftsgütern wertmäßig niederschlagen sollte. Außerdem wird nicht klar, wie der Fortbestand in die Bewertung mit dem allgemeinen Verkehrswert bzw. gemeinen Wert inte­ griert werden kann. Aus dem eindeutigen Wortlaut des oben zitierten Satzes sowie aus seiner Stel­ lung am Ende der Erläuterungen zu Art.  31 ADHGB geht m. E. jedoch hervor, dass das ROHG den beizulegenden Wert als „Fortbestandswert“ im Gegensatz zu einem „Veräußerungswert“ verstanden hat.78

76 So etwa Koch, Wpg 1957, 1, 3, ohne jedoch Quellen zu nennen, die den Wert des Art. 31 ADHGB mit der zerschlagungsstatischen Bilanzauffassung in Verbindung setzen. Die hier zitierte Entscheidung des ROHG kann seine These nicht stützen, weil sie die Liquidation ausdrücklich nicht berücksichtigt wissen will. Widersprüchlich Schlotter, 5. Kapitel, C. II. 1. (S. 304), der – offenbar Koch folgend – ebenfalls Rechtsprechung und Literatur die Auslegung im Sinne eines Liquidationswertes unterstellt und sich dabei auf die zitierte Entscheidung des ROHG beruft, bevor er wenig später feststellt, dass auch das ROHG in eben dieser Entschei­ dung nicht von der Liquidation, sondern von der Fortführung ausgehe. 77 Ähnlich Mellwig, FS Moxter, S.  1077; Kußmaul/Meyering, StB 2007, 463 m. w. N. in Fn. 10. 78 Anders insofern Moxter, Bilanzlehre, 2. Aufl., S. 219 f. In späteren Werken Moxters wird dieses Verständnis offenbar nicht aufrechterhalten.

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III. Die vom ROHG geschaffene Ausgangslage aus heutiger Sicht Zweifellos prägte das Urteil des ROHG die Entwicklung der bilanziellen Bewer­ tung für die nächsten Jahrzehnte. Wenn es auch teilweise lückenhaft und wider­ sprüchlich war, bot es doch genügend Anlass und Raum für weiterführende Über­ legungen, die für die Entwicklung des Teilwerts von entscheidender Bedeutung waren. Umso wichtiger ist es, an dieser Stelle den Aussagegehalt des Urteils zu klären, denn wenn auch die Terminologie des Gerichts verständlich erscheinen mag, ergeben sich doch aufgrund der veränderten Rahmenbedingungen für die Bi­ lanzierung erhebliche inhaltliche Differenzierungen, die insbesondere eine Klä­ rung der verwendeten Terminologie erforderlich machen. 1. Die Abgrenzung von Fortbestandswert und Liquidationswert Um die Innovation des ROHG terminologisch zu erfassen, ohne eine etwa­ ige Übereinstimmung mit dem späteren Teilwert vorwegzunehmen und um den ungenauen Bezeichnungen des neuen Wertmaßstabs durch die zeitgenössischen Autoren zu entgehen,79 soll der Wert, den das Gericht als Verkehrswert unter der Voraussetzung des Betriebsfortbestands umschrieben hat, im Folgenden als „Fort­ bestandswert“ bezeichnet werden. Damit soll insbesondere der Unterschied zu dem in letzter Konsequenz als Veräußerungs- oder Liquidationswert geltenden Verkehrswert bzw. gemeinen Wert betont werden. Zugleich wird die maßgebende Rolle des Fortbestands hervorgehoben, ohne ihm bereits eine bestimmte wert­ mäßige Bedeutung beizumessen. 2. Die Abgrenzung objektiv richtiger und objektivierter Werte Erklärtes Ziel des ROHG war es, mit der Bilanzierung die Abbildung einer Ver­ mögenslage zu erreichen, die „der objectiven Wahrheit möglichst nahe kommen“80 sollte.81 Das Gericht ging also davon aus, dass es für ein Wirtschaftsgut (und

79 Die Versuche, den beizulegenden Wert nach Art. 31 Abs. 1 ADHGB mit bekannten Wert­ maßstäben auszufüllen, führte zu Problemen mit der Terminologie der Bewertungsmaßstäbe insgesamt. So wurde nicht nur versucht, neu gewonnene Erkenntnisse in den „Verkehrswert“ einzubauen (so das ROHG, II. Senat, U.v. 3.12.1873 – 934/73, ROHGE 12, 15 ff.), sondern es wurden auch neue Fachbegriffe zur Berücksichtigung dieser Erkenntnisse geschaffen, die sich jedoch wie der „Geschäftswert“ (vgl. dazu Staub, ADHGB, 2. Aufl. 1894, Art. 31, § 1; ders., HGB, 6./7. Aufl. 1900, § 40, Anm. 3 sowie unten: 3. Kapitel, A. IV. 2.) in dieser Funktion nicht durchgesetzt haben. 80 ROHG, II. Senat, Urteil vom 3.12.1873 – 934/73, ROHGE 12, 15, 19. 81 So auch: Schlotter, 5. Kapitel, C. II. 1. (S. 304).

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Verbind­lichkeiten) einen objektiv richtigen Wert mit absoluter Geltung gebe. ­Damit folgt es einer Ansicht, die im 19. Jahrhundert weit verbreitet war.82 Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass das Ziel einer Bewertung nur sein kann, den bilanzierten Gütern im Hinblick auf ein bestimmtes Ziel eine Anzahl von Geld­ einheiten zuzuordnen,83 wobei unterschiedliche Bewertungsziele unterschiedliche Be­wertungsmaßstäbe erfordern.84 Jeder Wert hat damit nur im Rahmen der ihm vorgegebenen Funktion Bedeutung85 und kann deshalb nur relativ richtig sein. Ziel der Steuerbilanz ist die exakte Erfassung von Reinvermögensveränderungen als Indikator wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit. Nur insofern können nach der hier – und mittlerweile wohl einhellig – vertretenen Ansicht „richtige“ Werte ge­ funden werden. Eine andere Frage ist, inwieweit Werte objektiviert werden müssen, um sie von subjektiven Einflüssen des jeweils Bilanzierenden unabhängig zu machen. In­ sofern ist – wie vor allem in Quellen des 19. Jahrhunderts oft betont wird – darauf zu achten, dass die persönlichen Verhältnisse für die Bewertung keine Rolle spie­ len. Nur in diesem Sinne ist der Teilwert ein objektiver, besser gesagt objektivier­ ter Wert, der von den einseitigen Preisvorstellungen eines der Vertragspartner letzt­ lich losgelöst ist.86 Zu unterscheiden ist also zwischen „objektiv richtigen“ und „objektivierten“ Werten. Indem das ROHG objektiv richtige Werte sucht, stellt es an die Bewertung völ­ lig andere Anforderungen, als das heutige Bilanzrecht. 3. Fortbestand und Fortführung – Vorläufige Unterscheidung Für den hier interessierenden Fortbestandswert wirkt sich das deshalb aus, weil die Annahme des Fortbestands vom ROHG allein auf das Ziel zurückgeführt wer­ den kann, der Wirklichkeit möglichst nahe kommen zu wollen. Anzeichen dafür, dass das ROHG den Fortbestand als übergeordnetes Prinzip der bilanziellen Be­ wertung im Sinne des heute bekannten Fortführungsprinzips (§ 252 Abs. 1 Nr. 2 82 Vgl. nur die Beratungen während des Gesetzgebungsverfahrens zum ADHGB, in denen ohne weitere Erläuterung statt des „beizulegenden Wertes“ auch die Aufnahme eines „wah­ ren Wertes“ in Art. 31 ADHGB vorgeschlagen wurde, dazu Lutz, Protokolle ADHGB 1858, S. 47. 83 Stobbe, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 6, Rn. 69; Busse v. Colbe, DStJG 7 (1984), S. 40; Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 20. Aufl., § 13, Rz. 2, 11. 84 Stobbe, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 6, Rn. 69; Moxter, DStJG 7(1984), 388. 85 Hensel, Steuerrecht, 1933, S. 82; Weber-Grellet, Steuerbilanzrecht, § 16, Rn. 1; ders., Bi­ lanzsteuerrecht, 10. Aufl., Rn. 223. 86 BFH, U.v. 7.12.1978, BStBl II 1979, 729; Lademann/Ortmann-Babel, § 6, Rn. 377, näher Rn. 385.

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HGB) verstanden wissen wollte, können dem Urteil nicht entnommen werden. Vorbehaltlich der weiteren Entwicklung87 darf der für die Ziele des ROHG ver­ wendete Fortbestand nicht mit dem Bewertungsgrundsatz der Fortführung ver­ wechselt werden. Terminologisch soll deshalb vom „Fortbestand“ die Rede sein, solange das Fortbestehen des Unternehmens – ganz im Sinne des ROHG – als Be­ standteil des speziellen, hier begutachteten „Teilwerts“ verwendet wird. Im Gegen­ satz dazu soll der Begriff „Fortführung“ die Annahme benennen, die der Bilanzie­ rung gem. § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB als Prinzip zugrunde liegt.

IV. Zeitgenössische Erklärungsversuche zum Urteil des ROHG Wenn auch die Absicht des ROHG, die Bewertung unter Berücksichtigung des Betriebsfortbestands vorzunehmen, nachvollziehbar sein mag, so blieben doch zwei wesentliche Fragen hinsichtlich der Umsetzung dieses Ziels unbeantwor­ tet. Wie angedeutet muss nämlich einerseits geklärt werden, welche Überlegung hinter der scheinbar widersprüchlichen Konstruktion des Gerichts steckt, bei der Bestimmung des Verkehrswerts den Einfluss einer Liquidation unberücksich­ tigt lassen zu wollen und statt dessen vom Fortbestand des Unternehmens aus­ zugehen. Andererseits stellt sich die Frage, warum sich der Fortbestand des Unterneh­ mens auf den Wert des einzelnen Wirtschaftsguts auswirken sollte, zu welchem Zweck also der Fortbestand in die Bewertung einfließen sollte. 1. Herman Veit Simon: Bilanzansatz auf Grundlage des „individuellen Werths“ Die Probleme, die vom ROHG geschaffene Konstruktion eines Verkehrswerts, der unter der Annahme des Unternehmensfortbestands ermittelt werden soll, ge­ danklich zu durchdringen, zeigen sich deutlich in den Ausführungen Herman Veit Simons, der 1886 das Urteil des ROHG88 zum Anlass nahm, die gesetzlichen Vor­ gaben zur Bewertung von Wirtschaftsgütern zu diskutieren.89 Seine Kritik för­ derte die Entwicklung eines differenzierten Bewertungssystems, indem sie die Un­ zulänglichkeiten des vom ROHG aufgestellten Bewertungskonzepts aufzeigte und Alternativen vorstellte.

87 Zur Bestätigung dieser Differenzierung vgl. unten: 3. Kapitel, A. VII. 2.: „Fortbestand und Fortführung – endgültige Unterscheidung“. 88 ROHG, II. Senat, Urteil vom 3.12.1873  – 934/73, ROHGE 12, 15 ff.; dazu ausführlich oben: 3. Kapitel, A. II. 89 Simon, Bilanzen der AG und KGaA, 1886, Sechstes und Siebentes Kapitel (S. 149 ff.).

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So hielt Simon es für grundlegend falsch, in der Bilanz eine Vermögensauf­ stellung zu sehen, die der objektiven Wahrheit möglichst nahe kommen sollte.90 Seiner Ansicht nach ist der Wert einer Sache „nichts derselben Inhärirendes; er ist weder Eigenschaft derselben, noch überhaupt eine Thatsache, sondern vielmehr eine Meinungssache.“91 Andererseits betont Simon aber, dass die Person des Urtei­ lenden auch seiner Meinung nach unerheblich sei, dass statt dessen unter bestimm­ ten Voraussetzungen jeder Urteilende dasselbe Werturteil abgeben müsse.92 Der Ansatz des allgemeinen Verkehrswerts als maßgeblichen „objektivem“, d. h. ab­ solut richtigen Wert erschien ihm dagegen als „unrichtig“.93 Überzeugend begrün­ dete Simon so die Zweckgebundenheit von Werten, von der auch im Rahmen die­ ser Arbeit ausgegangen wird.94 Die Kritik Simons an der Suche nach objektiv richtigen Werten war somit zwar berechtigt,95 griff aber im Falle des ROHG zu kurz. Denn Simon unterstellte dem ROHG, alle Wirtschaftsgüter stets mit dem allgemeinen Verkehrswert bilanzieren zu wollen. Diese Auslegung des Art. 31 ADHGB erhob er mit Hinweis auf andere Rechtsquellen zur einhelligen Ansicht96. Dabei verkannte Simon, dass das Ge­ richt den Verkehrswert gerade deshalb um die zusätzliche Voraussetzung des an­ genommenen Betriebsfortbestands erweiterte, um ihn von einem Liquidationswert zu einem Fortbestandswert zu machen. Bei der Formulierung des Gerichts, zur Bilanzierung müsse die fingierte Rea­ lisierung sämtlicher Wirtschaftsgüter zugrunde gelegt werden, wobei jedoch vom Fortbestand des Geschäfts ausgegangen werden müsse, sah er Haupt- und Ne­ bensatz in „unlöslichem Widerspruch“97 stehen. Wie einerseits ein Verkaufswert maßgebend sein sollte, andererseits aber dennoch die Bewertung unter Berück­ sichtigung des Fortbestands vorgenommen werden sollte, blieb ihm verschlossen. Dementsprechend fällt auch sein Fazit zum Urteil des ROHG aus: „Da die Theo­ rie, welche das Reichsoberhandelsgericht über die Natur der Bilanz aufstellt, in sich widerspruchsvoll ist, so fallen damit auch die aus dieser Theorie gezogenen Folgerungen.“98 Simon bricht hier die Interpretation des Urteils ab, obwohl er er­ kannt hat, dass das Gericht die einheitliche Bewertung mit dem Verkehrswert im Sinne eines Veräußerungswerts durchbrechen wollte.

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Vgl. hierzu ROHG, II. Senat, Urteil vom 3.12.1873 – 934/73, ROHGE 12, 15, 19. Simon, Bilanzen der AG und KGaA, 1886, § 63 (S. 152 f.). 92 Simon, Bilanzen der AG und KGaA, 1886, § 63, (S. 153, Fn. 4). M. E. falsch interpretiert hat deshalb Moxter, Bilanzlehre, 2. Aufl., S. 222 die Ausführungen Simons. 93 Simon, Bilanzen der AG und KGaA, 1886, § 62 (S. 151). Zu unterscheiden sind folglich objektive und objektiv richtige, wahre Werte. Während letztere von Simon u. a. abgelehnt wer­ den, sind erstere unverzichtbar für die Bilanzierung. 94 Vgl. oben: 3. Kapitel, A. III. 2. 95 Vgl. zur Begründung dieser Auffassung nochmals oben: 3. Kapitel, A. III. 2. 96 Simon, Bilanzen der AG und KGaA, 1886, § 61 (S. 150). 97 Simon, Bilanzen der AG und KGaA, 1886, § 64 (S. 155). 98 Simon, Bilanzen der AG und KGaA, 1886, § 64 (S. 156).

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3. Kap.: Die Geschichte des Teilwerts

Das Unverständnis Simons für die Ausführungen des Oberhandelsgerichts deckt zwei Schwachstellen des Urteils auf, über die andere Autoren noch etliche Zeit später hinweggesehen haben: Zum einen versucht das ROHG, die Voraussetzung der Unternehmensfort­ führung terminologisch in den allgemeinen Verkehrswert zu integrieren. Daraus ergibt sich ein Widerspruch, weil der neue Wert tatsächlich ein „Fort­bestandswert“ ist, während der Verkehrswert ausschließlich als Veräußerungswert bekannt ist. Die Umschreibung als „Verkehrswert unter der Voraussetzung des Betriebsfort­ bestands“ dürfte für das Missverständnis Simons nicht ganz unerheblich ge­wesen sein. Zum anderen verzichtet das ROHG bei der Aufstellung seiner Theorie auf jede Differenzierung verschiedener Wirtschaftsgüter. Damit geht das Gericht ideal­ typisch davon aus, dass der angenommene Fortbestand für jeden Gegenstand zu einem wertmäßigen Unterschied gegenüber dem Verkehrswert führt. Dieses Ver­ ständnis ist nur dann sinnvoll, wenn der Unterschied nicht in dem jeweiligen Ge­ genstand, sondern im fortbestehenden Betrieb als Ganzem begründet ist und antei­ lig auf jedes Wirtschaftsgut umgelegt werden soll.99 Denn wenn sich die Funktion eines Gegenstands wie z. B. bei den Waren auf die entgeltliche Hingabe zur Be­ schaffung anderer Güter, also auf den Verkauf beschränkt, so liegt der wertmäßige Unterschied, den der Fortbestand ausmachen kann, bei Null. Der Verkehrswert bleibt der Veräußerungswert in seiner ursprünglichen Gestalt. Der Unternehmens­ fortbestand kann auf den Wert des Guts in diesem Fall keinen Einfluss nehmen. Das ROHG zieht dies gar nicht in Betracht. Ein wertmäßiger Unterschied auf­ grund des Unternehmensfortbestands wird allen Gütern zugeschrieben. Dadurch wird die Bewertungskonzeption nicht nur verkompliziert, sondern auch realitäts­ fremd, denn ein zur Veräußerung bestimmter Gegenstand kann tatsächlich nur zum Einzelveräußerungspreis ohne fortbestandsbedingten Mehrwert abgesetzt wer­ den. Zudem deutet sich ein Konflikt mit dem als abnutzbares Wirtschaftsgut (§§ 5 Abs.  2, 7Abs.  1 S.  3 EStG) gesondert zu bilanzierenden derivativen Geschäftsoder Firmenwert100 an. Somit bestanden für Simon gute Gründe, selbst ein Bewertungssystem zu ent­ werfen, das die Widersprüche des ROHG aufhob. Erstaunlich ist, dass Simon den Kerngedanken des Gerichts, mithilfe des angenommenen Betriebsfortbestands die Betriebszugehörigkeit des einzelnen Wirtschaftsguts zu berücksichtigen, in ähn­ licher, wenngleich nicht identischer Form, als Grundlage der Bewertung nutzt: „Der Werth eines Vermögens, welches an einem bestimmten Tage versilbert wer­ den soll, ist weit niedriger, als wenn es dem Eigenthümer und dessen bisherigen



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Zur Problematik der Gesamt- und Einzelrentabilität für den Teilwert vgl. unten: 4. Kapi­ tel, A. II. 2. 100 Dazu noch ausführlich: 4. Kapitel, A. II. 1. und 2. sowie Schmidt/Glanegger, 28. Aufl. 2009, § 6, Rn. 240.

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Zwecken erhalten bleibt.“101 Wesentlich deutlicher als das ROHG drückt Simon hiermit aus, dass auch er der Zugehörigkeit eines Wirtschaftsguts zu einem be­ stimmten Betrieb wertbestimmenden Einfluss zuschreibt. Damit enden aber die Gemeinsamkeiten zwischen ROHG und Simon. Denn die Motivation zur Berück­ sichtigung des Fortbestands war hier eine ganz andere als beim ROHG: Das Ge­ richt wollte die Wirklichkeit möglichst genau abbilden. Simon hingegen wollte eine generelle Unterbewertung der Anlagegüter mit dem Verkehrswert verhindern. Dieser Unterschied ist nicht zu unterschätzen. Denn während das Gericht (positiv) die in einem Betrieb als Ganzem möglichen Kombinationseffekte in der Bewer­ tung berücksichtigen will, (nur so ist der unterschiedslose Ansatz des „Verkehrs­ werts unter Berücksichtigung des Fortbestands“ auch auf Waren u. ä. zu erklären) möchte Simon (negativ) die generelle Bewertung mit Liquidationswerten verhin­ dern. Genau diese Begründung wird auch für das allgemein anerkannte und in § 252 Abs.  1 Nr.  2 HGB gesetzlich niedergelegte Fortführungsprinzip herange­ zogen.102 Die Ausführungen Simons zeigen deutlich, dass die Berücksichtigung des Unternehmensfortbestands nicht zwingend an das bilanzielle Objektivitätsver­ ständnis des ROHG gebunden ist, dass vielmehr der Fortbestand aus anderem An­ lass und mit anderem Inhalt – nämlich im Sinne des Fortführungsprinzips – auch dann notwendige Grundlage der Bilanzierung sein muss, wenn die Bewertung mit objektiv richtigen Werten ausdrücklich abgelehnt wird. Die angedeutete Differen­ zierung von Fortbestand i. S. d. ROHG und Fortführung i. S. d. HGB kommt hier also zum Tragen.103 Im Endeffekt sah die Bewertung bei Simon folgendermaßen aus: Der Wert eines Gegenstands war nach Simons Ansicht von zwei „Prämissen“104 abhängig. In der ersten Prämisse müsse entschieden werden, ob der Gegenstand zu Besitz und Nutzung oder zur Beschaffung anderer Güter, d. h. zur Veräuße­ rung dienen solle. Wie bereits zwei Jahre zuvor der durch die Aktienrechtsnovelle ein­geführte Art. 185a Nr. 3 ADHGB105, unterschied auch Simon damit zwischen „zwei Klassen“106 von „Vermögensgegenstände(n)“107, nämlich denjenigen, die zum dauerhaften Gebrauch im Betrieb bestimmt sind – den sog. „Betriebsgegen­ ständen“108, heute Anlagevermögen genannt – und denjenigen, die zur Weiterver­ äußerung bestimmt sind  – den sog. „Veräußerungsgegen­ständen“109, heute Um­ laufvermögen genannt. Entsprechend dieser Unterscheidung sei entweder ein sog. 101

Simon, Bilanzen der AG und KGaA, 1886, § 64 (S. 155). Dazu: Kleindiek, in: Staub, Großkomm. HGB, 4. Aufl., § 252, Rn. 10 ff.; MüKoHGB/Ballwieser, § 252, Rn. 9 ff. 103 Vgl. zu dieser Differenzierung oben: 3. Kapitel, A. III. 3. 104 Simon, Bilanzen der AG und KGaA, 1886, § 63 (S. 153). 105 RGBl I 1884, 123 ff.; dazu oben: 3. Kapitel, A. I. 3. 106 Simon, Bilanzen der AG und KGaA, 1886, § 69 (S. 163). 107 Simon, Bilanzen der AG und KGaA, 1886, § 69 (S. 163). 108 Simon, Bilanzen der AG und KGaA, 1886, § 69 (S. 163), Randbemerkung. 109 Simon, Bilanzen der AG und KGaA, 1886, § 69 (S. 163), Randbemerkung. 102

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3. Kap.: Die Geschichte des Teilwerts

„Gebrauchswerth“ oder ein „Tauschwerth“, der auch „Verkehrswerth“ und „Rea­ lisirungswerth“ genannt wird, anzusetzen.110 Der Gebrauchswert sollte sich er­ geben aus dem Erwerbspreis abzüglich einer der Abnutzung gleichkommenden Wertminderung.111 In der zweiten Prämisse müsse dann entschieden werden, ob eine einzelne Person oder eine Vielheit von Personen zum Vergleich herangezogen werde. „Je nach dieser Verschiedenheit kann man einen besonderen und allgemeinen Werth unterscheiden.“112 Für die Frage, welcher dieser Werte für die Bilanz entscheidend sei, stellte Si­ mon auf die Natur der Bilanz ab, die seiner Ansicht nach „die Darstellung des Ver­ mögens einer bestimmten Person bilden“ solle.113 So kam für den Wertansatz in der Bilanz nur derjenige Wert in Frage, den ein Bilanzposten aufgrund seiner be­ stimmten Funktion für einen bestimmten Steuerpflichtigen habe, nach der von Si­ mon verwendeten Terminologie also der „besondere Gebrauchswert“ oder der „besondere Verkehrswert“. Simon bezeichnete den jeweils maßgebenden Wert als „individuellen Wert“114. Insgesamt führt die aus großem zeitlichen Abstand durchgeführte Analyse der Simon’schen Ausführungen zu einem bemerkenswerten Ergebnis: Die Differen­ zierung von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens und des Umlaufvermögens ist heute handelsrechtlich und steuerrechtlich ebenso anerkannt, wie die Diffe­ renzierung unterschiedlicher Bewertungsmaßstäbe. Auch die Bedeutung des Fort­ führungsprinzips, die sich in der Verhinderung des generellen Ansatzes von Li­ quidationswerten erschöpft, wurde von Simon richtig erkannt. Insofern waren die Ausführungen Simons wegweisend für die Entwicklung der handelsrechtlichen und steuerrechtlichen Bilanzierung. Umso deutlicher muss auf die Unterschiede zum Bilanzverständnis des ROHG hingewiesen werden. Simon deckt in seinen Ausführungen Schwächen auf, die hier deswegen von besonderem Interesse sind, weil sowohl die Rechtsprechung verschiedener Gerichte als auch das Schrifttum das Urteil auf dem Weg der Teil­ wertentwicklung immer wieder zitiert haben. Soweit die Kritik Simons dabei un­ berücksichtigt blieb, bedarf es einer kritischen Überprüfung hinsichtlich der Frage, inwieweit die Quellen für die Erklärung des Teilwerts tauglich sind.

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Für alle Begriffe: Simon, Bilanzen der AG und KGaA, 1886, § 63 (S. 153). Simon, Bilanzen der AG und KGaA, 1886, § 82 (S. 189); § 84 (S. 196); vgl. auch Moxter, Bilanzlehre, 2. Aufl., S. 220, 221. 112 Simon, Bilanzen der AG und KGaA, 1886, § 63 (S. 153). 113 Simon, Bilanzen der AG und KGaA, 1886, § 68 (S. 160). 114 Simon, Bilanzen der AG und KGaA, 1886, § 68 (S. 161). 111

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2. Hermann Staub: Ein „Geschäftswerth“ mit den Merkmalen des Teilwerts Eine kurze, aber aufschlussreiche Auseinandersetzung mit dem Wertbegriff des Art. 31 ADHGB bzw. des § 40 Abs. 2 HGB findet sich in einer Kommentierung von Hermann Staub, der sowohl das Urteil des ROHG als auch die Bedenken Si­ mons mit einbezieht.115 Wie das ROHG und Simon legt auch Staub großen Wert auf die Feststel­ lung, dass mit dem „beizulegenden Wert“ ein objektiver Wert gemeint sei, der von „rein subjectiven Erwägungen“ oder „rein subjectiven Eigenschaften des Geschäftsinhabers“116 unabhängig sei. Wenngleich Staub sich unmittelbar auf das ROHG zu berufen scheint, beschränkt er doch wie Simon die Objektivierung auf den Ausschluss subjektiver Einflüsse des jeweiligen Betriebsinhabers, ohne einen objektiv richtigen Wert einzufordern. Wichtige Erkenntnisse ergeben sich bezüglich der vom ROHG unbeantwor­ tet gelassenen Frage, wie sich der Fortbestand des Betriebs in der Bewertung des einzelnen Wirtschaftsguts niederschlagen soll. Staub betont, dass mit dem beizu­ legenden Wert, den Art. 31 ADHGB „im Auge hat, […] der objektive Werth, den die Vermögensgegenstände für das Geschäft haben, nicht der gemeine Werth, wie er sich bei einer augenblicklichen Zwangsversilberung stellen würde,“117 gemeint sei. Damit hebt Staub die Annahme des Fortbestands, die für sich allein noch kei­ nen wertbestimmenden Einfluss hat, auf die Ebene der Bewertung: Mittels des Fortbestands kann der Mehrwert erfasst werden, den die einzelnen Wirtschafts­ güter aufgrund ihrer Bedeutung für einen bestimmten lebenden Betrieb haben.118 Während das ROHG also ein eher allgemeines Bilanzierungsziel (möglichst ge­ naue Abbildung der Wirklichkeit) vor Augen hatte, misst Staub der Idee eine kon­ krete Aufgabe im Rahmen des Bewertungsschemas (Berücksichtigung der Be­ triebszugehörigkeit als wertbestimmender Faktor) zu. Nach welchen Kriterien der Einfluss der Betriebszugehörigkeit zu bemessen ist, lässt Staub hingegen offen.119 Der vom ROHG als „Verkehrswert unter Berücksichtigung des Fortbestands“ um­ schriebene Wert des Art. 31 Abs. 1 ADHGB wird bei ihm zum „objektiven Wert für das Geschäft“. Beide Auslegungen widersprechen sich nicht. Im Gegenteil, die weitreichende, aber kritiklose Kommentierung des Urteils belegt, dass die Ausle­ gung Staubs unmittelbar auf die Idee des Gerichts zurückgeht. Das Bewertungs­ 115

Staub, 2. Aufl. 1894, Art.  31, § 1; ders., 6./7. Aufl. 1900, § 40, Anm.  3. Aus Vereinfa­ chungsgründen wird im Folgenden nur noch die 2. Auflage zitiert; die entscheidenden Passa­ gen der Kommentierung sind unverändert geblieben. 116 Staub, ADHGB, 2. Aufl. 1894, Art. 31, § 1. 117 Staub, ADHGB, 2. Aufl. 1894, Art. 31, § 1; Hervorhebungen im Original. 118 So zum Teilwert: BFH, B.v. 12.8.1998 – IV B 4/98, BFH/NV 1999, 305; Birk, Steuerrecht, 12. Aufl., Rn. 878. 119 Ausführlich zu dieser Frage unten: 3.  Kapitel, A. V. 1.: Urteil des RG v. 3.11.1899  – III. 176/99, Gruchots Beiträge zur Erl. des Dt. Rechts, Bd. 44, 158.

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ziel, die Betriebszugehörigkeit als wertbestimmenden Faktor zu berücksichtigen, beruht also unmittelbar und ausschließlich auf der Idee, in der Bilanz die Wirk­ lichkeit möglichst genau abbilden zu können. Dieser Zusammenhang darf in der weiteren Untersuchung nicht außer Acht gelassen werden. Der Fortbestandswert beruht, auch wenn die Berücksichtigung der Betriebszughörigkeit in den Vorder­ grund gestellt wird, allein auf dem falschen Verständnis der Bilanzierung als Ab­ bildung der Wirklichkeit. Auch die zweite offene Frage des Urteils wird von Staub eingehend behandelt. Ausdrücklich widerspricht Staub der Ansicht Simons, dass die Kombination von Veräußerung und Fortbestand zu einem unlöslichen Widerspruch führe120 und lie­ fert sodann eine Erklärung, die den angeblichen Widerspruch auflöst und zumin­ dest theoretisch schlüssig erklärt. Durch die Verbindung der Merkmale „allge­ meine Veräußerung“ und „Fortbestand“121 solle der Wert markiert werden, „den die Gegenstände beim Fortbestehen des Geschäfts, jedoch ohne Rücksicht auf be­ sondere, vom Regelmäßigen abweichende Verhältnisse des zeitigen Besitzers ha­ ben, vielmehr nur mit Rücksicht auf Umstände, die den Werth erzeugen, auch wenn das Geschäft in andere Hände überginge.“122 Diese Auslegung Staubs be­ stätigt die These, dass das ROHG die Bewertung grundsätzlich unter der An­ nahme des Unternehmensfortbestands vornehmen wollte und Staub dieses Ver­ ständnis seiner Interpretation zugrunde legt. Deutlich wird in dieser Formulierung die unterschiedliche Bedeutung der Veräußerung in der Konzeption des neuen Fortbestandswerts und der Konzeption des ursprünglichen Verkehrswerts: Die Veräußerung ist nicht mehr das entscheidende Kriterium, das im Zentrum der Bewertung steht, sondern nur noch ein Hilfsmittel zur Einbindung des Fortbe­ stands. Es dient nach Staub dem Ausschluss besonderer Umstände, die auf den jeweiligen Be­sitzer zurückzuführen sind und erfüllt damit eine bloße Objekti­ vierungsfunktion. Insofern ist zwar noch die Veräußerung erforderlich, mit dem Verkehrswert hat diese Auslegung allerdings nichts mehr zu tun. Terminologisch hielt Staub es folgerichtig für sinnvoll, den neu konzeptionierten Fortbestands­ wert in Abgrenzung zu anderen Bewertungsmaßstäben als „Geschäftswert“ zu bezeichnen.123 Der Begriff des Geschäftswerts wurde nicht nur von Staub, sondern auch von anderen Autoren und Gerichten der damaligen Zeit in diesem Sinne verwendet. Um Missverständnisse auszuschließen, soll im Folgenden vom „Geschäftswert“ oder „Geschäftswerth“ nur die Rede sein, wenn dieser Begriff in zeitgenössischen Quellen zur Bezeichnung des Wertmaßstabes verwendet wird, der zur Berücksich­ tigung betriebsindividueller Verhältnisse vom Geschäft des Betriebsinhabers ab­ 120 Vgl. zu dieser Ansicht oben: 3.  Kapitel, A. IV. 1.  sowie Simon, Bilanzen der AG und KGaA, 1886, § 64, (S. 155). 121 Für beide Zitate: Staub, ADHGB, 2. Aufl. 1894, Art. 31, § 1. 122 Staub, ADHGB, 2. Aufl. 1894, Art. 31, § 1. 123 Staub, ADHGB, 2. Aufl. 1894, Art. 31, § 1.

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hängig gemacht wird. Geht es hingegen um das immaterielle Wirtschaftsgut, das im heutigen Bilanzrecht als „Geschäfts- oder Firmenwert“ bezeichnet wird und bei entgeltlichem Erwerb nach §§ 5 Abs. 2, 7 Abs. 1 S. 3 EStG als abnutzbares Anla­ gegut in der Steuerbilanz aktiviert werden muss,124 so soll im Folgenden nur vom „Firmenwert“ die Rede sein. Staub trifft mit seinen Ausführungen gleich zwei wesentliche Bestandteile der Teilwertdefinition, die – und dies ist in zweifacher Hinsicht beachtlich – 40 Jahre später im Steuerrecht gesetzlich verankert wurden. Die Annahme des Fortbestands des Unternehmens ist bis heute unverändert das wesentliche Tatbestandsmerkmal des Teilwerts. Die fiktive Veräußerung des gesamten Betriebs dient bis heute dazu, die Sicht des Betriebsinhabers zu objektivieren.125 Staub belegt damit die Bedeu­ tung des ROHG-Urteils für die Entwicklung des Teilwerts, dessen theoretische Konzeption sich hier andeutet. Gleichzeitig wird deutlich, dass die Konzeption Si­ mons in eine andere Richtung geht.

V. Die konsequente Fortentwicklung der Idee bis zur gesetzlichen Definition Die ausführliche Erläuterung des Urteils von 1873 in mehreren handelsrecht­ lichen und steuerrechtlichen Kommentierungen deutet bereits an, dass die Ent­ scheidung nicht auf den Einzelfall beschränkt bleiben sollte. Sowohl Gerichte als auch der Gesetzgeber konnten die Idee, mittels des Unternehmensfortbestands eine genauere Bewertung eines Wirtschaftsguts zu erreichen, nicht mehr ignorie­ ren. Auffällig ist, dass sich die Diskussion einschließlich der damit verbundenen Fortentwicklung mehr und mehr ins Steuerrecht verlagerte. 1. Die Rechtsprechung des Reichsgerichts Die Idee, mittels des Betriebsfortbestands den Wert eines Wirtschaftsguts „für das Geschäft“126 zu berücksichtigen, ist rein theoretischer Natur. Praktisch stellt sich hingegen das Problem, den wertmäßigen Unterschied, der durch die Berück­ sichtigung des Fortbestands im Sinne des ROHG entsteht, zu quantifizieren.127 Beide Bereiche eines Wertbegriffs – theoretische Konzeption und praktische Um­ setzung – sind strikt voneinander zu trennen, denn beide bedürfen einer kritischen

124 Dazu: BFH, U.v. 27.3.1995 – I R 60/95, BStBl II 1996, 576; U.v. 27.3.2001 – I R 42/00, BStBl II 2001, 771, 772; Schmidt/Weber-Grellet, § 5, Rn. 221, 222. 125 BFH, U.v. 6.12.1995 – I R 51/95, BStBl II 1998, 781, 783; Schmidt/Glanegger, 28. Aufl. 2009, § 6, Rn. 215. 126 Vgl. Staub, ADHGB, 2. Aufl. 1894, Art. 31, § 1. 127 Hier liegt bis heute das Hauptproblem des Teilwerts.

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3. Kap.: Die Geschichte des Teilwerts

Überprüfung anhand unterschiedlicher Kriterien.128 Naturgemäß ist die Rechtspre­ chung stärker mit der praktischen Seite der Bewertung konfrontiert als die Lite­ ratur. Dementsprechend musste früher oder später die Frage beantwortet werden, wie die vom ROHG aufgeworfene Idee umgesetzt werden kann. Wenig überra­ schend ist, dass das Reichsgericht (RG), das seit dem 1. Oktober 1878 das oberste deutsche Zivilgericht war129 und für Streitigkeiten des Handelsrechts das ROHG ablöste,130 als erstes mit der Frage der Umsetzung befasst war. In einem Urteil vom 25.6.1887131 stellte das RG eine Verbindung zwischen dem beizulegenden Wert des Art. 31 ADHGB und dem Ertrag des Unternehmens her. In komplizierten Ausführungen kam es zu dem Ergebnis, dass dem immer noch verfolgten Bewertungsziel, mit der Bilanz die Wahrheit möglichst genau abbilden zu wollen, nur dann Rechnung getragen werde, „wenn man entspre­ chend einem mehrjährigen Ertrage unter Berücksichtigung des Einflusses dau­ ernder oder bloß vorübergehender Verhältnisse einen Wert kalkuliert.“132 Der Wert „für das Geschäft“ sollte also durch eine auf eine Betrachtung der letzten Jahre ge­ stützte Ertragserwartung in die Bewertung des einzelnen Wirtschaftsguts einflie­ ßen. Wolle man die ganz entscheidende Bedeutung des bisherigen durchschnitt­ lichen Ertrages leugnen, so setze man sich mit der täglichen Lebenserfahrung in Widerspruch.133 Mit der Erwähnung der Ertragserwartungen hat das RG einen Punkt in der Um­ setzung des Fortführungsgedankens getroffen, der auch für den Teilwert heftig dis­ kutiert wurde.134 Wenngleich das oben genannte Urteil noch die Ertragsfähigkeit eines Betriebs berücksichtigen wollte, erkannte das Gericht doch schnell die Gren­ zen einer solchen Bewertung. Das entscheidende Problem liegt darin, dass ein Er­ trag nur durch einen Gesamtbetrieb erwirtschaftet werden kann. Die einzelnen Wirtschaftsgüter erbringen hingegen keinen Ertrag.135 Für die bilanzielle Bewer­ tung mithilfe von Ertragswerten führt diese Erkenntnis zu einem Zirkelschluss136. Denn die ertragsorientierte Bewertung des einzelnen Wirtschaftsguts kann nicht stattfinden, solange nicht der Ertrag des Unternehmens bekannt ist. Der Ertrag eines Unternehmens hingegen kann nicht ermittelt werden, solange nicht der Wert

128 Für den Teilwert vgl. zur theoretischen Konzeption: 3. Kapitel, A. VII. 1.; 4. Kapitel, A. VII.; zur praktischen Umsetzung: 4. Kapitel, B. 129 Vgl. § 3 Abs.  2 Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz v. 27.1.1877, RGBl 1877, 77. 130 Vgl. § 14 Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz v. 27.1.1877, RGBl 1877, 79. 131 RG, U.v. 25.6.1887 – R I 137/87, RZG 19, 111. 132 RG, U.v. 25.6.1887 – R I 137/87, RZG 19, 111, 121. 133 RG, U.v. 25.6.1887 – R I 137/87, RZG 19, 111, 121. 134 Dazu unten: 4. Kapitel, A. II. 135 So schon RG, U.v. 3.11.1899 – III. 176/99, Gruchots Beiträge zur Erl. des Dt. Rechts, Bd. 44, 158, 159. 136 Wall, Wpg 1957, 546; Kosiol, StuW 49, Sp. 153. Ebenso DillerGrottke, SteuStud 2007, S. 70.

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des Vermögens und damit der Wert eines jeden Wirtschaftsguts feststeht.137 Eine Beurteilung der Ertragsmöglichkeiten setzt also die Kenntnis des Unternehmens­ gesamtwerts voraus. Damit scheidet umgekehrt die Heranziehung von Ertragsge­ sichtspunkten für eine Bewertung einzelner Wirtschaftsgüter aus. Dieses Argu­ ment spricht überzeugend dafür, den späteren Teilwert als Substanzwert und nicht als Ertragswert zu verstehen.138 Differenziert setzte sich das Reichsgericht im Urteil vom 3.11.1899139 mit die­ ser Erkenntnis auseinander. Das Gericht wies eine Revision zurück, in der der Kläger  – ein ehemaliger Gesellschafter  – eine Bewertung des Gesellschaftsver­ mögens einer OHG nach ihrer Ertragsfähigkeit forderte, um so den Anteil zu er­ höhen, der ihm nach seinem Austritt zustand. Während das erstinstanzlich mit der Sache befasste Landgericht den einzelnen Vermögensgegenständen „mit Rück­ sicht darauf, daß mit diesen Gegenständen ein lukratives, mit befreundeter Kund­ schaft ausgerüstetes Geschäft betrieben werde“ einen „Zuschlag“ von gut 40 % des Vermögenswertes hinzurechnete, wandte sich das Berufungsgericht – wie auch das Reichsgericht als Revisionsgericht – gegen eine solche Bewertung. Es sei un­ richtig, dass in einer Bilanz die Erträge des Geschäfts zu berücksichtigen seien.140 Denn nicht der Wert des Geschäfts nach seinen Ertragsergebnissen, sondern die einzelnen reellen Vermögenswerte würden in der Bilanz dargestellt.141 „Diese ein­ zelnen Vermögensgegenstände können aber garnicht nach ihren Erträgen geschätzt werden; denn die einzelnen Gegenstände als solche geben keinen Ertrag.“142 Da­ mit wendet sich das RG eindeutig gegen eine Heranziehung von Ertragswerten zu bilanziellen Zwecken. Dennoch fordert das Gericht, dass die Gegenstände mit einem „Geschäftswer­ the“, also „mit dem Werthe, den sie für das Geschäft haben“143 anzusetzen seien. Insofern ist die Auslegung des Art.  31 Abs.  1 ADHGB durch das RG mit der Staubs identisch.144 Deutlicher als in jedem anderen Urteil eines obersten Gerichts und in jeder sonstigen Veröffentlichung wird hier differenziert zwischen dem Fort­ bestandswert, den ein Gegenstand „für das Geschäft“ hat und dem aus Ertragsge­ sichtspunkten abgeleiteten Wert. 137

Doralt, DStJG 7 (1984), 146. Ähnlich Diller/Grottke, SteuStud 2007, S. 70: „Die Ermitt­ lung der Einzelwerte ist also stets Voraussetzung für die Festlegung eines Gesamtkaufpreises.“ 138 Vgl. für die ausführliche Argumentation für den Teilwert als Substanzwert unten: 4. Kapi­ tel, A. II. 1. 139 RG, U.v. 3.11.1899 – III. 176/99, Gruchots Beiträge zur Erl. des Dt. Rechts, Bd. 44, 158. 140 RG, U.v. 3.11.1899 – III. 176/99, Gruchots Beiträge zur Erl. des Dt. Rechts, Bd. 44, 158, 159. 141 RG, U.v. 3.11.1899 – III. 176/99, Gruchots Beiträge zur Erl. des Dt. Rechts, Bd. 44, 158, 159. 142 RG, U.v. 3.11.1899 – III. 176/99, Gruchots Beiträge zur Erl. des Dt. Rechts, Bd. 44, 158, 159. 143 RG, U.v. 3.11.1899 – III. 176/99, Gruchots Beiträge zur Erl. des Dt. Rechts, Bd. 44, 158, 159. 144 Vgl. dazu oben: 3. Kapitel, A. IV. 2. sowie Staub, ADHGB, 2. Aufl. 1894, Art. 31, § 1.

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3. Kap.: Die Geschichte des Teilwerts

Wenn nicht der mögliche Ertrag den besonderen Wert eines Wirtschaftsguts für ein Unternehmen ausmacht, stellt sich die Frage, an welchem Kriterium sich der Wert für das Geschäft sonst bemessen sollte. Das Urteil beantwortet diese Frage nicht eindeutig. Vielmehr wird nur beispielhaft festgestellt, dass der Wert eines Fabrikgebäudes „eben als solches zu schätzen“ sei, während der Wert von käufli­ chen oder herstellbaren Gegenständen auch bei gut gehenden Geschäften nicht hö­ her sein könne, als die ursprünglichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten.145 Möglicherweise wollte das Gericht danach differenzieren, ob ein Wirtschaftsgut für den Geschäftsbetrieb des Unternehmens betriebsnotwendig oder überzählig ist, m.a.W. ob es im Falle des Nichtvorhandenseins wiederbeschafft würde oder nicht.146 Für diese Auslegung spricht, dass auch heute noch die AK/HK die Wert­ obergrenze für die Teilwertbestimmung neuer Wirtschaftsgüter bilden, jedoch nur, sofern diese auch betriebsnotwendig sind.147 Des Weiteren wird der vom RG ver­ wendete Begriff „Geschäftswerth“ und die Wendung „Werthe, den sie für das Ge­ schäft haben“148 dieser Auslegung gerecht. Das entscheidende Kriterium für die Berücksichtigung der Betriebsbezogenheit eines Wirtschaftsguts war also für das RG des Merkmal der Betriebsnotwendigkeit.149 Für die Entwicklung des Teilwerts darf das Urteil als Beleg dafür gelten, dass be­ reits 1899 der Konflikt zwischen Einzelbewertung und Ertragsbewertung bekannt war und im Handelsrecht zugunsten der Einzelbewertung gelöst wurde. Damit ent­ fällt das historische Argument für die These, der Teilwert sei als steuer­rechtliche Ausprägung des beizulegenden Werts aus Art. 31 ADHGB ein Ertragswert.150 In einem Urteil aus dem Jahr 1912151 beschäftigte sich das RG mit der Frage, wie ein als Sacheinlage in eine neu gegründete Gesellschaft eingebrachtes Ge­ schäft im Verhältnis zu den Geldeinlagen der anderen Gesellschafter zu bewerten sei. Das Gericht machte den Wert des eingebrachten Geschäfts vom Gesamtver­ 145 RG, U.v. 3.11.1899 – III. 176/99, Gruchots Beiträge zur Erl. des Dt. Rechts, Bd. 44, 158, 159. 146 In diesem Sinne auf die Grenzwerte des heutigen Teilwerts verweisend: Weber-Grellet, Bilanzsteuerrecht, 10. Aufl., Rn.  261 mit Verweis auf BFH, U.v. 5.10.1972  – IV R 118/70, BStBl II 1973, 207, 208. 147 Zu dieser sog. Teilwertgrenze ausführlich unten: 4. Kapitel, B. I. 148 RG, U.v. 3.11.1899 – III. 176/99, Gruchots Beiträge zur Erl. des Dt. Rechts, Bd. 44, 158, 159. 149 Die Frage der Betriebsnotwendigkeit eines Wirtschaftsguts ist nicht zu verwechseln mit der Frage, ob ein Wirtschaftsgut notwendiges Betriebsvermögen ist. Während erstere eine Frage der Bewertung betrieblich genutzter Güter ist (Ansatz der Höhe nach), ist letztere eine Frage des Ansatzes (Ansatz dem Grunde nach), der in diesem Sinne „notwendig“ erfolgen muss, wenn ein Wirtschaftsgut dem Betrieb in dem Sinne unmittelbar dient, dass es objektiv erkenn­ bar zum unmittelbaren Einsatz im Betrieb selbst bestimmt ist (Gegenbegriffe: gewillkürtes Be­ triebsvermögen, Privatvermögen; vgl. z. B. BFH, U.v. 19.2.1997 – XI R 1/96, BStBl II 1997, 399, 402; Schmidt/Heinicke, 28. Aufl. 2009, § 4, Rn. 104 ff.). 150 Zu dieser Ansicht ausführlich unten: 4. Kapitel, A. II. 1. 151 RG, U.v. 23.5.1912 – VI. 555/11, Gruchots Beiträge zur Erl. des Dt. Rechts, Beilageheft zu Bd. 56, S. 874.

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kaufswert der fertigen Waren abhängig, die mit dem Geschäft in die Gesellschaft eingebracht wurden. Denn dieser Gesamtverkaufswert stelle „den Geldwert der Waren dar, der mit der Geldeinlage der anderen Gesellschafter verglichen wer­ den“ könne.152 Mit diesem Argument wandte sich das RG gegen das Gutachten eines Sach­ verständigen, der den Wert des eingebrachten Geschäfts vom „Geschäftswert“ der Warenvorräte abhängig gemacht hatte.153 Das Gericht wies darauf hin, dass die­ ser nach den Grundsätzen für die Aufstellung einer Handelsbilanz gem. §§ 39, 40 HGB 1897 ermittelte sog. Geschäftswert „nur die Materialwerte der Warenvor­ räte zuzüglich der Herstellungskosten […] ohne Rücksicht auf Angebot und Nach­ frage und den dadurch bedingten Tauschwert der fertigen Waren“ berücksichtige und damit zum Vergleich mit den Geldeinlagen der anderen Gesellschafter unge­ eignet sei.154 Unabhängig davon, ob die Beurteilung des Gerichts sachlich richtig war, kommt in dem Urteil sehr deutlich zum Ausdruck, dass das RG den nach den §§ 39, 40 HGB 1897 ermittelten sog. Geschäftswert weiterhin ausschließlich von Sachwerterwägungen und nicht vom durch den Verkauf erzielbaren Ertrag abhän­ gig machte – und in diesem Fall gerade deshalb für unangemessen hielt. 2. Die frühe Steuergesetzgebung der deutschen Einzelstaaten Die Erkenntnisse zum handelsrechtlichen beizulegenden Wert des Art. 31 Abs. 1 ADHGB bzw. des § 40 Abs. 2 HGB 1897 können nur dann uneingeschränkt zur Auslegung des Teilwerts aus § 6 Nr. 1 EStG 1934 herangezogen werden, wenn der Teilwertbegriff aus steuerrechtlicher Sicht zweifelsfrei auf die handelsrechtliche Bilanzierung, bestenfalls auf das Urteil des ROHG vom 3.12.1873155 zurückge­ führt werden kann. Der Gedanke des Fortbestands müsste dann seinen Weg über steuerrechtliche Gesetzgebung, Rechtsprechung und Literatur bis zum Steuer­ gesetzgeber des Jahres 1934 gefunden haben. a) Erste steuerrechtliche Regelungen zur Bilanzierung Mit der einheitlichen Entwicklung des Handelsrechts kam als absehbare Folge die Frage auf, ob und wie die Gewinnermittlung des bilanzierenden Kaufmanns für die Einkommensbesteuerung genutzt werden könnte. Da die Steuergesetz­ 152 So wörtlich: RG, U.v. 23.5.1912 – VI. 555/11, Gruchots Beiträge zur Erl. des Dt. Rechts, Beilageheft zu Bd. 56, S. 874, 877. 153 Vgl. RG, U.v. 23.5.1912 – VI. 555/11, Gruchots Beiträge zur Erl. des Dt. Rechts, Beilage­ heft zu Bd. 56, S. 874, 877. 154 RG, U.v. 23.5.1912 – VI. 555/11, Gruchots Beiträge zur Erl. des Dt. Rechts, Beilageheft zu Bd. 56, S. 874, 877. 155 ROHG, II. Senat, Urteil vom 3.12.1873 – 934/73, ROHGE 12, 15 ff.

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3. Kap.: Die Geschichte des Teilwerts

gebung bis zur staatsrechtlichen Neuordnung im Jahr 1919 Sache der deutschen Einzelstaaten war, fehlt es bis nach dem Ersten Weltkrieg an einer einheitlichen Kodifizierung des Einkommensteuerrechts.156 Die ersten an die handelsrechtliche Gewinnermittlung nach dem ADHGB anknüpfenden Einkommensteuergesetze wurden im Jahr 1874 von Bremen157 und Sachsen158 erlassen.159 Diesen schlossen sich 1881 Hamburg und 1890 Sachsen-Meiningen an.160 Den ersten Einkommensteuergesetzen war gemein, dass sie rechtstheoretisch von der Quellentheorie161 ausgingen und damit die für die heutige Gewinner­ mittlung entscheidende Reinvermögenszugangstheorie162 vernachlässigten.163 Der Übernahme der handelsrechtlichen Bilanzierung nach ADHGB und den GoB zur steuerrechtlichen Gewinnermittlung stand also die steuergesetzlich favorisierte Einnahmen-Ausgaben-Rechnung entgegen.164 Hinzu kam, dass schon damals der in der Natur der Sache liegende Konflikt zwischen dem handelsrechtlichen Vorsichtsprinzip und dem steuerrechtlich ge­ botenen Bestreben nach Verhinderung steuermindernder Verhaltensweisen offen­ bar wurde.165 Damit standen der Übernahme handelsrechtlicher Bilanzierungsvor­ schriften bzw. der Handelsbilanz selbst zwei wesentliche Argumente entgegen, die im Endeffekt die Aufstellung zweier Jahresrechnungen erforderten. Aus der Sicht des Kaufmanns war diese Gesetzeslage allerdings ausgesprochen unbefrie­ digend. Die Erstellung zweier Jahresrechnungen erforderte hohen Aufwand, der angesichts des gemeinsamen Zwecks, „den Gewinn“ ermitteln zu wollen, nicht ge­ rechtfertigt erschien.

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Mathiak, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 5, Rn. A 110. Bremisches EStG v. 17.12.1874, Brem. GBl. 1874, 121. 158 Sächsisches EStG v. 22.12.1874, GVBl. für das Königreich Sachsen, 1874, 471. 159 Barth, Entwicklung des Bilanzrechts, 1955, Bd. II, Teilbd. 1, S. 183 ff., 189 ff.; Mathiak, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 5, Rn. A 113; Schlotter, 5. Kapitel, C. II. 1. (S. 306); Alsheimer, ZfB 1974, S. 842 f. 160 Barth, Entwicklung des Bilanzrechts, 1955, Bd. II, Teilbd. 1, S. 194 ff.; Alsheimer, ZfB 1974, S. 844. 161 Diese wurde von Bernhard Fuisting begründet (Fuisting, Die Preußischen direkten Steu­ ern, 4. Bd.: Grundzüge der Steuerlehre, Berlin 1902). Sie hält nur das Einkommen für steuer­ bar, das als Ergebnis einer ständig fließenden Einkommensquelle erzielt wird. Veränderungen im Vermögensbestand beeinflussen das Einkommen hingegen nicht. Die Quellentheorie gilt heute im Bereich der sog. Überschusseinkünften des § 2 Abs. 1 Nr. 4–7 EStG. 162 Vgl. dazu oben: 2. Kapitel, A. I. 163 Barth, Entwicklung des Bilanzrechts, 1955, Bd. II, Teilbd. 1, S. 198; Schlotter, 5. Kapitel, C. II. 1. (S. 306 f.). Zu den Theorien vgl. oben: 2. Kapitel, A. I. 164 Dazu ausführlich Barth, Entwicklung des Bilanzrechts, 1955, Bd. II, Teilbd. 1, S. 196 ff. 165 Vgl. insoweit: Bericht der Landtagskommission des sächs. Landtags vom 15.12.1871, ausgearbeitet von Referent Dr. Gensel, zitiert nach: Barth, Entwicklung des deutschen Bilanz­ rechts, 1955, Bd. II, Teilbd. 1, Anhang, S. 100 f. Vgl. auch ders., Entwicklung des deutschen Bilanzrechts, 1955, Bd. II, Teilbd. 1, S. 200 ff. zur entscheidenden Parlamentsdebatte im Preu­ ßischen Abgeordnetenhaus am 16.2.1891. 157

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Der Gesetzgeber steckte damit in einem Dilemma: Wie sollte eine einzige Bi­ lanz den handelsrechtlichen und steuerrechtlichen Zielen gleichzeitig gerecht wer­ den können? Die Antwort war durch die bereits bestehenden gesetzlichen Regelun­ gen der Bilanzierung im ADHGB vorgezeichnet. Sie liegt in dem bis heute nicht abgeschlossenen Versuch, die steuerlichen Ziele bei grundsätzlicher Maßgeblich­ keit der handelsrechtlichen Bilanzierung durch steuerrechtliche Sondervorschrif­ ten durchzusetzen.166 So fand sich bereits 1874 in Sachsen und daran anknüpfend 1890 in Sachsen-Meiningen sowie 1891 in Preußen eine einkommensteuerrechtli­ che Vorschrift, die abweichend von der Quellentheorie ausdrücklich die Bilanz als sichere Grundlage der Veranlagung anerkannte.167 Stellvertretend für alle soll nur auf die preußische Vorschrift eingegangen werden. b) Das Preußische Einkommensteuergesetz vom 24.6.1891 Preußen verabschiedete am 24.6.1891 im Rahmen der sog. „Miquel’schen Steuerreform“168 das preußische Einkommensteuergesetz (PrEStG)169. Der oben beschriebene Konflikt zwischen handelsrechtlichen und steuerrechtlichen Bilan­ zierungszielen wurde während des Gesetzgebungsverfahrens konkretisiert auf das Problem des Kaufmanns, bei der handelsrechtlich gebotenen vorsichtigen Be­ wertung nicht die Grenze zu der aus steuerrechtlichen Gründen strafbaren Un­ terbewertung zu überschreiten.170 Die gesetzliche Regelung sollte also eine Wert­ untergrenze festlegen, ohne die vorsichtige Bewertung zu verhindern. Die bloße Bezugnahme auf Art. 31 ADHGB wurde dafür als zu unsicher angesehen.171 Statt dessen sollte ein „Mittelweg“172 beschritten werden, der die handelsrechtliche Ge­ winnermittlung mit der steuerrechtlichen Einnahmen-Ausgaben-Rechnung kom­ biniert. Die „Kompromissformel“173 wurde in § 14 Abs. 1 PrEStG niedergelegt: 166 Eben dieses Problem findet sich heute in dem in § 5 Abs. 1 EStG niedergelegten Maßgeb­ lichkeitsgrundsatz, der aufgrund der abweichenden steuerrechtlichen Zwecke mittlerweile an zahlreichen Stellen durchbrochen ist, vgl. § 5 Abs. 6 EStG. 167 So vertreten in der Kommissionsberatung des preußischen Landtages zu der 1891 ein­ gefügten Vorschrift, dass der Reingewinn aus dem Handels- und Gewerbebetrieb nach den Grundsätzen zu berechnen sei, wie sie für die Inventur und die Bilanz durch das Handelsge­ setzbuch (gemeint: das ADHGB) vorgeschrieben seien und sonst dem Gebrauch des ordent­ lichen Kaufmanns entsprächen; vgl. dazu Barth, Entwicklung des Bilanzrechts, 1955, Bd. II, Teilbd. 1, S. 198 f. 168 Benannt nach dem damaligen preußischen Finanzminister Johannes von Miquel, vgl. dazu Birk, Steuerrecht, 12. Aufl., Rn. 20, 601. 169 PrGS 1891, 175. 170 Vgl. die Ausführungen des preußischen Abgeordneten Brömel, zitiert nach Barth, Ent­ wicklung des Bilanzrechts, 1955, Bd. II, Teilbd. 1, S. 201 f. 171 Vgl. die Ausführungen des preußischen Abgeordneten Brömel, zitiert nach Barth, Ent­ wicklung des Bilanzrechts, 1955, Bd. II, Teilbd. 1, S. 201 f. 172 Vgl. die Ausführungen des preußischen Abgeordneten Brömel, zitiert nach Barth, Ent­ wicklung des Bilanzrechts, 1955, Bd. II, Teilbd. 1, S. 201 f. 173 Mathiak, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 5, Rn. A 122.

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3. Kap.: Die Geschichte des Teilwerts „Das Einkommen aus Handel und Gewerbe einschließlich des Bergbaues besteht in dem in Gemäßheit der allgemeinen Grundsätze (§§ 6–11) ermittelten Geschäftsgewinne. Mit dieser Maßgabe ist der Reingewinn aus dem Handel und dem Gewerbebetriebe nach den Grund­ sätzen zu berechnen, wie solche für die Inventur und Bilanz durch das Allgemeine Deutsche Handelsgesetzbuch vorgeschrieben sind und sonst dem Gebrauch eines ordentlichen Kauf­ manns entsprechen. Insbesondere gilt dieses einerseits von dem Zuwachs des Anlagekapi­ tals und andererseits von den regelmäßigen jährlichen Abschreibungen, welche einer an­ gemessenen Berücksichtigung der Werthminderung entsprechen.“174

Mit der Bezugnahme auf die §§ 6–11 PrEStG wurde die Einnahmen-Aus­gabenRechnung als grundsätzlich anzuwendende Gewinnermittlungsmethode festge­ legt. Durch die einleitenden Worte „Mit dieser Maßgabe“ des Satzes 2 sollte die handelsrechtliche Bilanzierung einbezogen werden, ohne ihr gegenüber der Ein­ nahmen-Ausgaben-Rechnung zuviel Gewicht zu verleihen.175 Letztendlich führte diese Formulierung zu einer undurchführbaren Vermengung handelsrechtlicher und steuerrechtlicher Gewinnermittlungsgrundsätze und wurde schon damals als unglücklich empfunden.176 Unabhängig davon zeigt das Gesetzgebungsverfahren jedoch die Notwen­ digkeit, im Steuerrecht einen Wertmaßstab zu finden, der aus fiskalischen Gründen eine Unterbewertung verhindert und gleichzeitig die Berücksichtigung von Wertminderungen ermöglicht, die aus handelsrechtlicher Vorsicht geboten sind. 3. Die Rechtsprechung des Preußischen Oberverwaltungsgerichts und die darauf folgenden Gesetzesänderungen Während der preußische Gesetzgeber frei war, den § 14 des preußischen Ein­ kommensteuergesetzes seinen Vorstellungen entsprechend zu formulieren, stand die Rechtsprechung vor der Aufgabe, die „Kompromissformel“ des Jahres 1891 auch anzuwenden. Hierbei ergaben sich wie angedeutet Probleme, denn mit der Einnahmen-Ausgaben-Rechnung einerseits und dem Betriebsvermögensvergleich andererseits standen sich zwei grundlegend verschiedene Systeme gegenüber. Dem Preußischen Oberverwaltungsgericht (PrOVG) oblag es, in letzter In­ stanz über die Auslegung des § 14 PrEStG von 1891 zu entscheiden. In zahl­ reichen Entscheidungen ab 1895 legte sich das Gericht dabei darauf fest, dass die Bilanzierung gegenüber der Einnahmen-Ausgaben-Rechnung vorgehe.177 Die­ ses Ergebnis wurde mit einer Auslegung des § 14 PrEStG nach „Entstehung und 174

Zitiert nach: Mathiak, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 5, Rn. A 119. Mathiak, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 5, Rn. A 120. 176 Droste, Verwaltungsarchiv Bd. V (1897), S. 543 ff.; Mathiak, in: Kirchhof/Söhn/Melling­ hoff, § 5, Rn. A 121. 177 Preußisches OVG, U.v. 13.12.1895 – V. 5/95, PrOVGE 4, 241, 243 ff. 175

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Zusammenhang“178 begründet. Falls der Satz 2 des § 14 PrEStG nicht dem Satz 1 widersprechen oder Unmögliches verlangen solle, bleibe nur die Auslegung üb­ rig, dass die in Satz 1 erwähnten Grundsätze der §§ 6–11 PrEStG „durch den Satz 2 des § 14 beseitigt und durch die für die Bilanzziehung maßgebenden Grundsätze ersetzt“ werden müssten, „und zwar mit den daraus formell und materiell sich er­ gebenden Folgen.“179 Den Grundsätzen der §§ 6–11 PrEStG, die die EinnahmenAusgaben-Rechnung betreffen, wurde danach nur noch Bedeutung für die Abgren­ zung des steuerpflichtigen Einkommens vom Vermögen zugemessen,180 was ihre Bedeutung für die Gewinnermittlung erheblich einschränkte. Hinsichtlich der Bewertung in der nun auch für steuerliche Zwecke maß­ geblichen Bilanz wurde ab 1897 die bereits zitierte Entscheidung des ROHG von 1873181 aufgegriffen und der „gemeine Wert“ i. S. d. § 9 des Ergänzungssteuerge­ setzes vom 14.7.1893 als maßgeblicher Bewertungsmaßstab angesehen.182 Der ge­ meine Wert diente dabei als steuerrechtliche Entsprechung zum handelsrechtli­ chen Verkehrswert und stellte dementsprechend den objektiven Verkaufswert unter der Voraussetzung des Fortbestandes des Unternehmens dar.183 Mit der Berufung auf das ROHG übernahm das PrOVG – ohne dies näher zu erläutern – dessen Be­ wertungskonstruktion. Der „objektive Verkaufswert unter der Voraussetzung des Fortbestandes des Betriebes“184 war nach Ansicht des PrOVG auch für die steuer­ rechtliche Gewinnermittlung durch Bilanzierung maßgeblich. Die Auswirkungen der konsequenten Anwendung des vom ROHG geprägten Wertbegriffs durch das PrOVG waren erheblich. Erst durch diese Praxis erlangte die Bilanz im Steuerrecht den Status einer eigenständigen Grundlage der Gewinn­ ermittlung.185 Trotz der noch offenen Fragen186 erwies sich die handelsrechtli­ che Bilanzierung nach Art. 28 ff. ADHGB bzw. §§ 38 ff. HGB 1897 als taugliches Mittel zur steuerrechtlichen Gewinnermittlung. Die Bedenken, die 1891 während des Gesetzgebungsverfahrens in Preußen vorgebracht wurden, konnten zerstreut ­werden. 178

Preußisches OVG, U.v. 13.12.1895 – V. 5/95, PrOVGE 4, 241, 244. Preußisches OVG, U.v. 13.12.1895 – V. 5/95, PrOVGE 4, 241, 245 (beide Zitate). 180 Preußisches OVG, U.v. 13.12.1895 – V. 5/95, PrOVGE 4, 241, 244 f. 181 ROHG, II. Senat, U.v. 3.12.1873 – 934/73, ROHGE 12, 15 ff. 182 Preußisches OVG, U.v. 17.5.1897 – E. IX. 84/96, PrOVGE 6, 30, 32 ff.; U.v. 17.5.1897 – E. XII. a. 37/96, PrOVGE 6, 40, 42; U.v. 25.11.1899 – V. a. 44.50/99, PrOVGE 8, 85, 86 ff.; U.v. 30.12.1905 – V. A. 18/05, PrOVGE 12, 310, 314; U.v. 3.3.1909 – VI. A. 5/08, PrOVGE 14, 263, 274; Schlotter, 5. Kapitel, C. II. 1. (S. 307); Koch, Wpg 1957, 1, 3. 183 So ausdrücklich auch: Preußisches OVG, U.v. 17.5.1897 – E. XII. a. 37/96, PrOVGE 6, 40, 42; Preußisches OVG, U.v. 3.3.1909 – V. a. 44.50/99, PrOVGE 14, 263, 274. 184 Preußisches OVG, U.v. 3.3.1909 – VI. A. 5/08, PrOVGE 14, 263, 265 mit Hinweis auf frü­ here Urteile des Gerichts: U.v. 17.5.1897 – E. IX. 84/96, PrOVGE 6, 30, 32 ff.; U.v. 17.5.1897 – E. XII. a. 37/96, PrOVGE 6, 40, 42; U.v. 25.11.1899 – V. a. 44.50/99, PrOVGE 8, 85, 86 ff.; U.v. 2.7.1902 – V. A. 136/01, PrOVGE 10, 294, 303. 185 Schlotter, 5. Kapitel, C. II. 1. (S. 307). 186 Dazu: Barth, Entwicklung des Bilanzrechts, 1955, Bd. II, Teilbd. 1, S. 206 f. 179

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3. Kap.: Die Geschichte des Teilwerts

Auch der Gesetzgeber konnte sich dieser Entwicklung nicht verschließen. Im Rahmen der Neufassung des PrEStG im Jahr 1906 trat der neue § 13 an die Stelle des bisherigen § 14. Statt der unklaren Sätze 2 und 3 regelte der neue Satz 2: „Bei Steuerpflichtigen, welche Handelsbücher nach Vorschrift der §§ 38 flg. des Handels­ gesetzbuchs führen, ist der Gewinn unter Beachtung der Vorschriften in § 7 und § 8 nach den Grundsätzen zu berechnen, wie solche für die Inventur und Bilanz durch das Handels­ gesetzbuch vorgeschrieben sind und sonst dem Gebrauch eines ordentlichen Kaufmanns entsprechen.“187

Damit war die Übertragung der handelsrechtlichen Bilanzierungsregeln in das preußische Einkommensteuerrecht sowohl auf gesetzgeberischer als auch auf ge­ richtlicher Seite vorerst vollzogen. Der Grundsatz der Maßgeblichkeit war ge­ setzlich verankert. In fast allen deutschen Staaten wurden zu Anfang des 20. Jahr­ hunderts ähnliche Regelungen erlassen. Der Unternehmensfortbestand wurde als Bestandteil der Bewertung nach § 40 HGB 1897 auch von den mit Steuersachen befassten Gerichten berücksichtigt. Bis zu den Anfängen der reichseinheitlichen Steuergesetzgebung im Jahr 1919 änderten sich weder die Gesetzgebung noch die Rechtsprechung zur steuerlichen Gewinnermittlung wesentlich. So entwickelte sich ein steuerrechtlicher Gewinnbegriff, der auf einem vermögensorientierten, zeitwertstatisch konzipierten Handelsbilanzrecht aufbaute und bei dem sich der Gewinn aus der Differenz zweier stichtagsbezogen zu ermittelnder zeitwertbezo­ gener Vermögensbestände ergab.188 4. Bernhard Fuisting: Der Nutzen für den Betrieb bestimmt den „Gebrauchswert“ Zustimmung fand die Rechtsprechung des PrOVG und die sich daran anschlie­ ßende Änderung des preußischen Einkommensteuergesetzes von 1906 auch in der Literatur. So findet sich in der Kommentierung des § 13 PrEStG 1906 von Bern­ hard Fuisting aus dem Jahr 1915189 ein Überblick über die – damals noch junge – Geschichte der Bewertungsgrundsätze im Steuerrecht und ihren Weg vom Art. 31 ADHGB über das Urteil des ROHG bis zum § 13 PrEStG 1906. Bezugnehmend auf eine Entscheidung des PrOVG vom 27.10.1910190 führt Fuisting zunächst aus, dass nach § 13 Abs. 1 EStG 1906 „der Gewinn nach den Grundsätzen zu berechnen“ ist, die „durch das HGB. vorgeschrieben sind und sonst dem Gebrauch eines ordentlichen Kaufmanns entsprechen.“191 Für die Be­ 187

PrGS 1906, 259. Schlotter, 5. Kapitel, C. II. 1. (S. 308 f.). 189 Fuisting, Die preußischen direkten Steuern, I/1, § 13 EStG, Anm. 32, S. 602 ff. 190 Preußisches OVG, U.v. 27.10.1910 – V. A. 36/10, PrOVGE 14, 281 ff. 191 Fuisting, Die preußischen direkten Steuern, I/1, § 13 EStG, Anm. 32, S. 602.

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wertung in diesem Zusammenhang wird wie selbstverständlich der § 40 Abs.  2 HGB 1897192 herangezogen und kommentiert. Hinsichtlich der Frage, was un­ ter dem „beizulegenden Wert“ zu verstehen ist, beruft sich Fuisting auf die dem ROHG193 folgende Rechtsprechung des PrOVG194 und zieht nach Betrachtung mehrerer Entscheidungen die Bilanz, dass sowohl für das Anlage- als auch für das Umlaufvermögen – bei Fuisting „Anlage- und Betriebskapital“ genannt195 – der „objektive Verkaufswert unter Voraussetzung der Fortsetzung des Betriebs“ maßgebend sei.196 Damit übernimmt Fuisting in unveränderter Form die Ausle­ gung des ROHG zu Art. 31 ADHGB, der 1897 in § 40 Abs. 2 HGB übernommen ­worden war. Anders als das Gericht erklärt Fuisting wenig später diese Passage, indem er ausführt, „der Bilanz liege die Idee einer fingierten augenblicklichen Realisa­ tion durch Veräußerung des Geschäfts im ganzen mit allen Aktivis und Passivis an einen dessen Fortführung beabsichtigenden Erwerber zu Grunde.“197 Ebenso wie Staub198, jedoch mit eindeutigerer Formulierung geht Fuisting also davon aus, dass alle Wirtschaftsgüter fiktiv als Ganzes, also im Rahmen eines Gesamt­ kaufs, verkauft werden und der fiktive Erwerber den Betrieb unverändert fort­ führe. Der Verweis auf sechs in der Zwischenzeit zum Einkommensteuerrecht er­ gangene Entscheidungen des PrOVG199 zeigt, wie sehr sich dieses Verständnis der Bewertung mittlerweile im Steuerrecht etabliert hatte. Die Entwicklung der bilanziellen Bewertung wurde im Steuerrecht ebenso betrieben, wie im Handels­ recht. Nebenbei erwähnt Fuisting  – auch insoweit folgt er Hermann Staub  –, dass Herman Veit Simon 1886 das Urteil des ROHG fehlinterpretiert hat, als dieser zu dem Schluss kam, die Verbindung von Veräußerung und Fortbestand führe zu einem unlöslichen Widerspruch.200 Fuisting hält diesen Vorwurf für unbegründet,

192 Zum Inhalt des § 40 Abs. 2 HGB 1897 bzw. des im Wesentlichen gleichen Art. 31 ADHGB vgl. oben: 3. Kapitel, A. I. 2. und 4. 193 Vgl. oben zur Entscheidung des ROHG, II. Senat, U.v. 3.12.1873 – 934/73, ROHGE 12, 15 ff.: 3. Kapitel, A. II. 2. g). 194 Dazu oben: 3. Kapitel, A. V. 3. 195 Fuisting, Die preußischen direkten Steuern, I/1, § 13 EStG, Anm. 32, S. 604. 196 Fuisting, Die preußischen direkten Steuern, I/1, § 13 EStG, Anm. 32, S. 603 f. 197 Fuisting, Die preußischen direkten Steuern, I/1, § 13 EStG, Anm. 32, S. 607. 198 Staub, ADHGB, 2. Aufl. 1894, Art. 31, § 1; dazu ausführlich oben: 3. Kapitel, A. IV. 2. 199 Fuisting, Die preußischen direkten Steuern, I/1, § 13 EStG, Anm. 32, S. 603 ff. mit Ver­ weis auf PrOVG, Entsch. d. VI. Senats, 1. Kammer, v. 17.5.1897 – Rep. E. IX. 84/96, PrOVGE 6, 30, 34, 42, 44; Entsch. d. VI. Senats, 1. Kammer, v. 28.11.1899. J. N. XII. a. 79 – Rep. XII. a 67/99, PrOVGE 8, 81, 86 f.; Entsch. d. V. Senats v. 5.6.1907. J. N. V. A. 17 – Rep. V. A. 12/07, PrOVGE 13, 244, 245; Entsch. d. V. Senats v. 20.10.1909. J. N. V. A. 85  – Rep. V. A. 64/09, PrOVGE 14, 231, 233; Entsch. d. V. Senats v. 20.12.1911. J. N. V. A. 154 – Rep. V. A. 129/10, PrOVGE 15, 261, 263. 200 Simon, Bilanzen der AG und KGaA, 1886, § 64 (S. 155); dazu ausführlich oben: 3. Kapi­ tel, A. IV. 1.

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3. Kap.: Die Geschichte des Teilwerts

gesteht Simon aber zu, das ROHG habe sich in einer „nicht glücklichen Fassung“ aus­gedrückt.201 Von besonderem Interesse für die Entwicklung des Teilwerts sind die Erklärun­ gen Fuistings zur Bewertung des sog. „Anlagekapitals“ nach Art. 31 ADHGB bzw. § 40 Abs. 2 HGB 1897 durch das PrOVG: Mit der Feststellung, dass die Steuerse­ nate für die Bewertung des Anlagekapitals von der „Fortführung des Geschäfts“202 ausgingen, begründet er die Auffassung, dass der eigentliche „Gegenstand der Bewertung […] stets die Gesamtheit als Einheit in ihrer derzeitigen Verbindung und Bestimmung“ sei, während die Einzelbewertung lediglich der „Gewinnung von Rechnungsfaktoren und Unterlagen“ diene.203 Aufbauend auf diese Erkenntnis führt Fuisting aus, dass die Summe der Verkehrswerte aller Güter „nicht ohne wei­ teres den Gesamtwert des Anlage- und Betriebskapitals“ darstelle, das zu bilanzie­ ren sei.204 Denn „nicht der Verkaufswert der einzelnen Bestandteile des Anlage­ kapitals als besonderer Gegenstände der Veräußerung, sondern ihr Nutzen für den speziellen Gewerbebetrieb, also ihr Gebrauchswert“205 müsse bilanziell berück­ sichtigt werden, wenn der fiktive Verkauf des ganzen Unternehmens nicht zum Zwecke seiner Auflösung, sondern zum Zwecke seiner Fortführung angenommen werde. Der wertmäßige Unterschied, den der Fortbestand auf die Bewertung aus­ übt, liegt nach Ansicht Fuistings also im Nutzen für den Betrieb. Wonach sich der Nutzen bemessen soll – ob nach dem möglichen Ertrag des Unternehmens oder nach der Betriebsnotwendigkeit des Wirtschaftsguts für das Unternehmen – wird nicht erläutert. M. E. sprechen die Ausführungen eher dafür, dass mit dem Nutzen ein quantifizierbarer Ertrag gemeint ist, der durch den Gebrauch des Wirtschafts­ guts vom Unternehmen erwirtschaftet werden kann.206 Bei dieser Auslegung bedeuten die Ausführungen Fuistings für die Entwick­ lung der bilanziellen Bewertung einen Rückschritt um etwa 20 Jahre. Dies wird besonders im Vergleich zu den Erkenntnissen des Reichsgerichts aus dem Jahr 1899 deutlich. Während das RG längst erkannt hatte, dass eine Ertragsbewer­ tung nicht mit dem für die Bilanz maßgeblichen Grundsatz der Einzelbewertung kombinierbar ist und nur der Wert der Sache selbst für die Bilanzierung entschei­ dend sein kann,207 stellt Fuisting den Gesamtbetrieb in den Mittelpunkt der Bewer­ 201

Fuisting, Die preußischen direkten Steuern, I/1, § 13 EStG, Anm. 32, S. 607. Fuisting, Die preußischen direkten Steuern, I/1, § 13 EStG, Anm. 32, S. 605. 203 Fuisting, Die preußischen direkten Steuern, I/1, § 13 EStG, Anm. 32, S. 605 f. 204 Fuisting, Die preußischen direkten Steuern, I/1, § 13 EStG, Anm. 32, S. 606 in Berufung u. a. auf: Preußisches OVG, U.v. 17.5.1897 – E. IX. 84/96, PrOVGE 6, 30, 33 ff. 205 Fuisting, Die preußischen direkten Steuern, I/1, § 13 EStG, Anm. 32, S. 606. 206 Dass schon § 111 aus dem Zweiten Titel des Ersten Teils des Preußischen Allgemeinen Landrechts von 1794 (dazu oben: 3. Kapitel, A. I. 1.) für den Wert einer Sache maßgeblich auf den Nutzen abstellte, den sie ihrem Besitzer leisten kann, sei an dieser Stelle vermerkt, ohne daraus weitere Schlüsse zu ziehen. Ein Hinweis auf das ALR fehlt in sämtlichen hier zitierten Quellen ab dem Jahr 1861. 207 Vgl. insoweit das Urteil des RG vom 3.11.1899 – III. 176/99, Gruchots Beiträge zur Erl. des Dt. Rechts, Bd. 44, 158. 202

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tung und bezieht mit dem „Nutzen“ einen aufgeteilten, ertragsabhängigen Mehr­ wert ein. Für die Entwicklung der steuerrechtlichen Bilanzierung sind die rückständigen Ausführungen Fuistings fatal. Bis heute zählt Fuisting zu den großen Steuerwis­ senschaftlern vor dem Ersten Weltkrieg. Entsprechend groß war seine Autorität zu Lebzeiten. So trug er entscheidend dazu bei, dass sich ein überkommenes, auf einem alten Urteil des ROHG beruhendes Verständnis der Bilanz im Steuerrecht verfestigen konnte. Die Erkenntnisse Simons wurden von ihm ebenso missachtet, wie die im Laufe der Zeit diesen Erkenntnissen angepassten Urteile des Reichsge­ richts. Hier könnte einer der Gründe dafür liegen, dass der Teilwert nur im Steuer­ recht eine gesetzliche Definition erfahren hat. 5. Gesetzliche Vorläufer des Teilwerts in der Weimarer Republik Die Kommentierung Fuistings von 1915208 zeigt, dass sich die Gesetzgebung zu der sich langsam entwickelnden „Disziplin“209 Bilanzsteuerrecht von 1906 bis zum Ersten Weltkrieg nicht wesentlich geändert hatte. Dies änderte sich erst im Jahr 1918, als mit der Entstehung der Weimarer Republik die Gesetzgebungskompe­ tenz vollständig auf das Parlament überging. Vor dem Hintergrund der staatlichen Neuordnung begann 1919 die reichseinheitliche Steuergesetzgebung, die mit der Verabschiedung einer Vielzahl von Steuergesetzen einherging.210 Das Jahr 1919 markiert deshalb nicht ganz zufällig den Beginn der gesetzlichen Verankerung eines neuen Bewertungsmaßstabs, aus dem später der Teilwert wurde. a) § 139 der Reichsabgabenordnung vom 13.12.1919 Besonders große Bedeutung unter den neuen Steuergesetzen hatte die Reichs­ abgabenordnung vom 13.12.1919211. Neben dem Steuerverfahrensrecht enthielt sie im zweiten Abschnitt des zweiten Teils, §§ 137–161, Vorschriften zur Werter­ mittlung. Nach § 137 Abs. 1 AO 1919 ist bei der Bewertung der gemeine Wert zu­ grunde zu legen, der gem. § 138 Abs. 1 AO 1919 durch den Preis bestimmt wird, „der im gewöhnlichen Geschäftsverkehre nach der Beschaffenheit des Gegenstan­ des unter Berücksichtigung aller den Preis beeinflussenden Umstände bei einer

208

Dazu oben: 3. Kapitel, A. V. 4. Weber-Grellet, Bilanzsteuerrecht, 10. Aufl., Rn. 1. 210 Z. B. Erschaftsteuergesetz, RGBl 1919, 1543–1566; Grunderwerbsteuergesetz, RGBl 1919, 1617–1628; Tabaksteuergesetz, RGBl 1919, 1667–1697; Umsatzsteuergesetz, RGBl 1919, 2157–2184. 211 RGBl 1919, 1993 ff. 209

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3. Kap.: Die Geschichte des Teilwerts

Veräußerung zu erzielen wäre“212. Von Interesse für den Teilwert ist insbesondere der § 139 AO 1919, der für die Bewertung von Wirtschaftsgütern eines Unterneh­ mens besondere Voraussetzungen aufstellte, indem er festlegte: „(1) Bei der Bewertung von Vermögen, das einem Unternehmen gewidmet ist, wird in der Regel von der Voraussetzung ausgegangen, daß das Unternehmen bei der Veräußerung nicht aufgelöst, sondern weitergeführt wird. (2) Für die Bewertung der dauernd dem Betriebe gewidmeten Gegenstände ist der Anschaf­ fungs- oder Herstellungspreis abzüglich angemessener Abnutzung maßgebend unter Zulas­ sung des Ansatzes des niedrigeren Wertes, wenn er dem wirklichen Werte zur Zeit der Bi­ lanzaufstellung entspricht.“213

Insgesamt ergibt sich für die Bewertung folgendes Bild: Alle Wirtschaftsgüter – Anlage- und Umlaufgüter – werden gem. § 137 Abs. 1 AO 1919 grundsätzlich mit dem gemeinen Wert214 angesetzt. Für alle Güter gilt zudem Absatz 1 des § 139, so­ dass „bei der zur Bewertung des Unternehmens fingierten Veräußerung unterstellt werden“ soll, „daß der Käufer das Unternehmen nicht auflösen wolle, sondern zur Weiterführung erwerbe.“215 Hier findet sich die erste steuergesetzliche Veranke­ rung des Bewertungskonzepts, das durch die Grundsatzentscheidung des ROHG vom 3.12.1873216 in die bilanzielle Bewertung eingeführt wurde: Der maßgebende Wert sollte mittels der Annahme der „Weiterführung“ die Betriebszugehörigkeit eines Wirtschaftsguts berücksichtigen und gleichzeitig durch eine fingierte Veräu­ ßerung des Unternehmens ein Unterfall des gemeinen Werts bleiben. Die fingierte Veräußerung und die Annahme der Weiterführung tauchen 15 Jahre später unver­ ändert auch in der Teilwertdefinition auf. § 139 Abs. 1 AO 1919 stellt schon deshalb einen ganz entscheidenden Brücken­ schlag zwischen dem Urteil von 1873 und der Teilwertdefinition des EStG 1934 dar. Für die Bewertung der „dauernd dem Betrieb gewidmeten Gegenstände“217, d. h. des Anlagevermögens, enthält Absatz 2 des § 139 AO 1919 im ersten Halbsatz eine explizite Regelung: Der „Anschaffungs- oder Herstellungspreis abzüglich ange­ messener Abnutzung“218 sollte maßgebend sein. Diese Bewertungsregel entspricht dem heutigen § 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 i. V. m. § 7 EStG, der Absetzungen für Abnut­ zung oder Substanzverringerung (AfA)219 zulässt. 212

RGBl 1919, 2023 für beide Vorschriften. RGBl 1919, 2024. 214 Zum Begriff des gemeinen Werts in der AO v. 1919 ausführlich: Mrozek u. a., AO 1919, § 138, Anm. 1, 2; Rüde/Mühe/Hauser, AO 1919, § 138, Zu Abs. 1. 215 Rüde/Mühe/Hauser, AO 1919, § 139, Zu Abs. 1. Ähnlich Mrozek u. a., AO 1919, § 139, Anm. 3a. 216 ROHG, II. Senat, Urteil vom 3.12.1873 – 934/73, ROHGE 12, 15 ff. 217 RGBl 1919, 2024. 218 RGBl 1919, 2024. 219 Zum Verhältnis der AfA zum Teilwert oben: 2. Kapitel, B. II. 3. 213

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Viel entscheidender für die hier in Rede stehende Frage der Teilwertermittlung und in der Literatur zum späteren Teilwert wenig beachtet ist der weitere Aussage­ gehalt des § 139 Abs. 2 AO 1919. Die Vorschrift ermöglicht den Ansatz eines im Gegensatz zum Anschaffungsoder Herstellungspreis abzüglich angemessener Abnutzung „niedrigeren Wer­ tes“, wenn dieser „dem wirklichen Werte“ in dem Zeitpunkt, für den die Bi­ lanz aufgestellt wird, entspricht.220 Interessant ist die Funktion des wirklichen Wertes. So sollte der wirkliche Wert angesetzt werden, wenn ein Wirtschafts­ gut zu teuer eingekauft wurde und dementsprechend der wirkliche Wert niedri­ ger war als der Anschaffungspreis.221 Weitere Anwendungsfälle waren Wertminde­ rungen „insbesondere wegen Konjunkturveränderungen, Veraltung o. dgl.“222 Im Gegensatz zu den abnutzungsbedingt wertgeminderten Anschaffungs- oder Her­ stellungskosten nimmt der „wirkliche Wert“ also unplanmäßige Wertminderun­ gen auf. Eben diese Funktion erfüllt auch der Teilwert im heute gültigen Einkom­ mensteuerrecht.223 So kommt eine Teilwertabschreibung nach § 6 Abs.  1 Nr.  1 S.  2, Nr.  2 S.  2 EStG 2010 bei Anlagegütern beispielsweise bei sog. Fehlmaß­ nahmen in Betracht, die einem zu teuren Einkauf ähnlich sind.224 Bemerkens­ wert ist auch, dass im Gegensatz zu den früheren Ausführungen der handels- und steuerrechtlichen Rechtsprechung und Literatur die unplanmäßige Wertminde­ rung ausdrücklich von der planmäßigen Wertminderung wegen Abnutzung abge­ grenzt und mit einem eigenen Begriff, dem „wirklichen Wert“ belegt wurde. Über­ dies kommt der wirkliche Wert ebenso wie der Teilwert bei der Bewertung des (­aktiven) Anlagevermögens nur als niedrigerer Wert im Vergleich zu den abge­ setzten Anschaffungs- oder Herstellungs­kosten vor. Unter Einbeziehung des Ab­ satzes 1, der auch für die Ermittlung des wirklichen Werts die Annahme der „Wei­ terführung“, also des Fortbestands anordnet, entspricht der wirkliche Wert sowohl hinsichtlich seiner Merkmale als auch hinsichtlich seiner Funktion dem späteren Teilwert. Damit wurde schon in der Abgabenordnung von 1919 und nicht erst – wie etwa Müller-Dott meint225 – im Reichsbewertungsgesetz von 1925226 der Inhalt des Teil­ werts gesetzlich niedergelegt. Für die Geschichte des Teilwerts hat dies nicht unerhebliche Konsequenzen: Nicht erst die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs, sondern der Gesetzgeber 220

RGBl 1919, 2024. Mrozek u. a., AO 1919, § 139, Anm. 7. 222 Rüde/Mühe/Hauser, AO 1919, § 139, Zu Abs. 2. 223 Zu den materiellrechtlichen Funktionen des Teilwerts im heutigen Einkommensteuerrecht vgl. oben: 2. Kapitel, B. II. 2. 224 Eine Fehlmaßnahme liegt vor, wenn der wirtschaftliche Nutzen hinter dem zu ihrer Durch­ führung erforderlichen Aufwand zurückbleibt, BFH, U.v. 20.5.1988 – III R 151/86, BStBl II 1989, 269; Schmidt/Glanegger, 28. Aufl. 2009, § 6, Rn. 237. 225 Müller-Dott, StbJb 1988/1989, 164. 226 Dazu sogleich: 3. Kapitel, A. V. 5. c). 221

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selbst erkannte bereits 1919, dass (für die Anlagegüter) ein neuer Wertmaßstab erforderlich war, der unplanmäßige Wertminderungen aufnehmen konnte und deshalb nicht aus dem Anschaffungs- oder Herstellungspreis abgeleitet werden konnte. Mrozek stellt darüber hinaus eine unmittelbare Verbindung zwischen dem wirklichen Wert und den Ausführungen Staubs zum § 40 HGB sowie des ROHG von 1873 her.227 Dies bestätigt die aufgezeigte Entwicklung des mit den Teilwert­ merkmalen versehenen Wertmaßstabs aus dem Urteil des ROHG. b) § 33 des Reichseinkommensteuergesetzes vom 29.3.1920 Nicht unerwähnt bleiben soll die Gewinnermittlungsvorschrift des ersten im ganzen Reich geltenden Einkommensteuergesetzes228, das nicht 1919, sondern erst am 29.3.1920 erlassen wurde. § 33 Abs.  2 EStG 1920 sah für Steuerpflichtige, die steuerbares Einkommen aus einem Gewerbebetrieb hatten und Handelsbücher nach dem HGB führten, vor, dass der Gewinn nach den Grundsätzen zu berechnen sei, „wie sie für die Inventur und Bilanz durch das Handelsgesetzbuch vorgeschrie­ ben sind.“229 Damit schrieb das Gesetz eine umfassende Maßgeblichkeit der Han­ delsbilanz fest,230 obwohl zu dieser Zeit bereits bekannt war, dass für die steuer­ lichen Zwecke eine kaufmännisch nicht zu beanstandende Unterbewertung durch gesetzliche Maßnahmen verhindert werden muss.231 1921 wurde durch Art. 1 Nr. 16 des Gesetzes zur Änderung des Einkommen­ steuergesetzes vom 29. März 1920232 ein § 33a neu ins EStG eingeführt. Dessen Satz 1 erklärte – sofern vorhanden – den „Anschaffungs- oder Herstellungspreis nach Abzug der zulässigen Absetzungen für Abnutzung“233 zum grundsätzlichen Bewertungsmaßstab. Der gemeine Wert konnte gem. § 33a S. 2 EStG alternativ an­ gesetzt werden, wenn er niedriger war.234 Er wurde so zu einem bloßen Alternativ­ wert und Vorgänger des Teilwerts.235 227 Mrozek u. a., AO 1919, § 139, Anm. 7 verweist für den „wirklichen Wert“ auf seine Kom­ mentierung zu § 174 AO 1919. Der buchführende Steuerpflichtige muss gem. § 174 Abs. 2 AO 1919 zum Zwecke der Ermittlung und Festsetzung der Steuer (vgl. die amtl. Überschrift des 3. Abschnitts) auch angeben, „wie Gegenstände des Gebrauchs und Lagerbestände bewertet und welche Beträge […] abgeschrieben worden sind.“ Ohne dass der „wirkliche Wert“ noch­ mals genannt würde, verweist Mrozek (Mrozek u. a., AO 1919, § 139, Anm.  14) für den für § 174 Abs. 2 AO 1919 „maßgebende(n) Wert“ in großem Umfang auf das Urteil des ROHG vom 3.12.1873 (dazu oben: 3. Kapitel, A. II.) sowie auf die Kommentierungen Staubs zu § 40 HGB (dazu oben: 3. Kapitel, A. IV. 2.). 228 RGBl 1920, 359–378. 229 RGBl 1920, 372. 230 Mathiak, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 5, Rn. A 126; Mellwig, FS Moxter, S. 1076. 231 Vgl. z. B. Rüde/Mühe/Hauser, AO 1919, § 139, Zu Abs. 1. 232 RGBl 1921, 313 ff. 233 RGBl 1921, 318. 234 RGBl 1921, 318. 235 Mellwig, FS Moxter, S. 1076.

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1923 trat ein weiteres Änderungsgesetz236 in Kraft, das sowohl den Anwen­ dungsbereich, als auch die Maßgeblichkeit des Handelsrechts beschränkte. c) § 31 des Reichsbewertungsgesetzes vom 10.8.1925 Unmittelbaren Bezug auf die Vorschriften der Reichsabgabenordnung von 1919 nimmt das Reichsbewertungsgesetzes vom 10.8.1925237. § 31 Abs. 1 BewG 1925238 verweist für die Bewertung des Betriebsvermögens auf die §§ 137 Abs. 1, 138 AO 1919 und erklärt damit den gemeinen Wert zum maßgebenden Bewertungsmaß­ stab. § 31 Abs. 2 BewG 1925239 fordert darüber hinaus mit Hinweis auf den durch §§ 137 Abs.  2, 139 Abs.  1 AO 1919 aufgestellten Grundsatz der Gesamtbewer­ tung240 den Ansatz der Werte, den die Güter „unter der Voraussetzung der Fortfüh­ rung des Betriebs für den Betrieb haben.“ Insgesamt gilt für die Bewertung des Be­ triebsvermögens nach dem BewG 1925 also das zur Reichsabgabenordnung 1919 Gesagte,241 sodass auch hier inhaltlich die Merkmale des späteren Teilwerts kodi­ fiziert waren.242

236 Gesetz über die Berücksichtigung der Geldentwertung in den Steuergesetzen, RGBl I 1923, 198. 237 RGBl I 1925, 214 ff. 238 RGBl I 1925, 221. 239 RGBl I 1925, 221. 240 Nach Mrozek u. a., AO 1919, § 137, Anm. 4 besagt der Grundsatz der Gesamtbewertung/ Bewertungseinheit, dass die einzelnen Gegenstände, die ein wirtschaftliches Ganzes bilden, als ein einheitliches wirtschaftliches Gut zu bewerten sind, dass der Wert jeder wirtschaftlichen Einheit als Ganzes festzustellen ist. Dies führt unmittelbar dazu, dass bei der Bewertung die Zugehörigkeit des Gutes zu einem bestehenden Betrieb berücksichtigt wird. 241 Vgl. dazu oben: 3. Kapitel, A. V. 5. a). Ein wesentlicher Unterschied besteht jedoch darin, dass § 31 Abs. 1 BewG 1925 den § 139 Abs. 2 AO 1919 für unanwendbar erklärt. Damit wird die Bedeutung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten erheblich reduziert. Ebenso wie die Einführung, muss auch der Verzicht auf die Anschaffungs- oder Herstellungskosten als Be­ wertungsmaßstab vor dem Hintergrund der deutschen Inflation von 1914 bis 1923 gesehen werden. Während die Festlegung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten als Wertober­ grenze in der AO 1919 verhinderte, dass astronomische Wertsteigerungen als Gewinn ausge­ wiesen werden mussten, wurde die Unanwendbarkeitserklärung im Jahr 1925 damit gerecht­ fertigt, dass früher angeschaffte Wirtschaftsgüter, insbesondere aus den letzten Jahrzehnten des neunzehnten Jahrhunderts sowie aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg, gegenüber spä­ ter erworbenen Wirtschaftsgütern steuerlich begünstigt seien. Ausdrücklich wird darauf hin­ gewiesen, dass die Zugrundelegung des Anschaffungspreises für die in der Inflationsperiode erworbenen Anlagen zu „ganz unhaltbaren Ergebnissen“ führe. (amtl. Begründung zum Ge­ setzentwurf des BewG 1925, S. 40; zitiert nach: Erler, Reichsbewertungsgesetz, 1927, § 31, S. 190 ff.). 242 So auch Müller-Dott, StbJb 1988/1989, 164, der den Teilwert hier „zum ersten Male“ ge­ setzlich verankert sieht und damit m. E. die Reichweite des § 139 Abs. 2 AO 1919 verkennt.

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d) § 19 des Reichseinkommensteuergesetzes vom 10.8.1925 Ohne Bezugnahme auf die AO von 1919 erfolgt hingegen die Bewertung im Reichseinkommensteuergesetz vom 10.8.1925243. Insbesondere durch die erstmals verwirklichte dualistische Einteilung der Einkunftsarten in Gewinneinkünfte und Überschusseinkünfte (§ 7 Abs. 2 EStG 1925) legte diese Fassung den Grundstein für die Konzeption des Einkommensteuergesetzes in seiner heutigen Form.244 Für die Gewinnermittlung der nach dem HGB buchführenden Steuerpflichti­ gen stellte § 13 S. 1 EStG 1925 auf die Differenz der nach den Grundsätzen ord­ nungsgemäßer Buchführung ermittelten Überschüsse des Betriebsvermögens am Schluss zweier Wirtschaftsjahre ab. Damit wurde  – wie schon in den früheren Einkommensteuergesetzen – die Maßgeblichkeit der handelsrechtlichen Gewinn­ ermittlung erklärt. Anders jedoch als noch § 33 EStG 1920, enthält § 13 S. 2 EStG 1925 einen kla­ ren Vorbehalt einkommensteuerrechtlicher Vorschriften betreffend die Entnahmen aus dem eigenen Betrieb, die abzugsfähigen Ausgaben und die hier vor allem in­ teressierende Bewertung. Diesbezüglich heißt es in § 19 Abs. 1 EStG 1925: „Für die einzelnen dem Betriebe gewidmeten Gegenstände ist für den Schluss des Steuerab­ schnitts (§ 12 Abs. 1, § 13) der gemeine Wert zugrunde zu legen. Bei der Ermittlung des gemeinen Wertes von Gegenständen, die nicht zum Verkauf be­ stimmt sind, ist nicht der bei der Veräußerung jedes Gegenstandes im einzelnen erzielbare Preis zu ermitteln, vielmehr ist davon auszugehen, daß der Gegenstand auch fernerhin der Fortführung des Betriebs dient, dem er zur Zeit der Bewertung angehört.“245

Entgegen dem Wortlaut des § 19 Abs. 1 S. 2 EStG 1925 war die Vorschrift ins­ gesamt nicht auf Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens beschränkt, sondern er­ fasste alle zum Betriebsvermögen gehörenden Gegenstände.246 Wie schon § 139 AO 1919, der insofern ebenfalls undeutlich formuliert war,247 wurde die Bewer­ tung einheitlich für Anlage- und Umlaufvermögen geregelt. Im Gegensatz zur AO 1919, deren Gedanken im EStG 1925 übernommen wurden,248 enthält § 19 Abs. 1 S. 2 EStG 1925 ausdrücklich nicht nur die Fiktion des Fortbestands des Betriebs, sondern verbietet zugleich die Bewertung mit dem Einzelveräußerungspreis. Darin kommt sehr deutlich der logische Zusammenhang zwischen Fortbestand und Betriebszugehörigkeit zum Ausdruck: Letztere wird 243

RGBl I 1925, 189 ff. Birk, Steuerrecht, 12. Aufl., Rn. 22, 601. 245 RGBl I 1925, 193. 246 Becker, Das Einkommensteuergesetz, 2.  Teil, 1929, zu §§ 19–21, Bem. 237 (S.  1081); § 19, Bem. 7 (S. 1190); Wulff u. a., Einkommensteuer, 1932, § 19, Bem. 3. 247 Vgl. dazu: 3. Kapitel, A. V. 5. a). 248 Zitzlaff, StuW 1941, Sp. 193. 244

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berück­sichtigt, indem das gesamte Unternehmen als fortbestehende Einheit in die Bewertung des einzelnen Wirtschaftsguts einbezogen wird. Die theoretische Kon­ struktion des Teilwerts ist damit auch im EStG von 1925 schon vorgezeichnet.249 Die Nähe zum späteren Teilwert wird auch in den Kommentaren zum Einkom­ mensteuergesetz von 1925 erkennbar. Becker (1929)250 und Wulff (1932)251 spre­ chen – wahrscheinlich dem Reichsfinanzhof252 folgend – bereits vom „Teilwert“, wenn sie den unter der Voraussetzung des Unternehmensfortbestands ermittelten gemeinen Wert meinen. Zudem wird dieser Wert in einer Weise beschrieben, die ganz auf seine Funktion ausgerichtet ist und diese deutlicher als die gesetzliche Definition hervortreten lässt. Ziel der Bewertung aller Wirtschaftsgüter sei, „ih­ ren Wert als Teile, ihren Wert im Rahmen des Betriebes zu erfassen“253. An ande­ rer Stelle heißt es: „Bei dem gemeinen Wert ist zu unterscheiden zwischen dem Einzelwert und dem Wert eines Gegenstandes als Teil einer wirtschaftlichen Ein­ heit (Teilwert).“254 Der Teilwert wird also noch als „Anwendungsfall des gemei­ nen Wertes“255 verstanden. Verglichen mit der späteren Definition ist diese Be­ griffsbestimmung dementsprechend noch unvollständig. Dennoch deutet sich die Verselbstständigung als Wertbegriff, der neben den gemeinen Wert tritt, bereits an. Nach Doralt ist das Verständnis vom Teilwert als Anwendungsfall des gemei­ nen Werts ein Beweis dafür, dass der Teilwert bei seiner gesetzlichen Verankerung 1934 als preisorientierter Substanzwert konzipiert war.256 e) Zusammenfassung Insgesamt gibt die Gesetzgebung zur Bewertung für steuerliche Zwecke seit 1919 ein einheitliches Bild ab. Neben den um Absetzungen für Abnutzung ver­ minderten Anschaffungs- oder Herstellungskosten wurde ein gemeiner Wert für erforderlich gehalten, der unter der Voraussetzung des Unternehmensfortbestands ermittelt werden sollte. Für diesen Wert waren zwei Merkmale charakteristisch: Einerseits wurde mit dem Fortbestand die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Betrieb berücksichtigt, die sich in einem gebrauchsabhängigen Wert „für das Ge­ schäft“ insbesondere von Anlagegütern niederschlägt, andererseits wurde mit der Rückführung dieses Wertes auf den gemeinen Wert das Merkmal der (fiktiven) Veräußerung beibehalten, die jedoch nur noch objektivierende Funktion haben konnte. Deutlich erkennbar bleibt der Bezug der Bewertung zu Art.  31 Abs.  1 249

So auch: Mellwig, FS Moxter, S. 1079. Becker, Das Einkommensteuergesetz, 2. Teil, 1929, § 19, Bem. 7 (S. 1190). 251 Wulff u. a., Einkommensteuer, 1932, § 19, Bem. 3. 252 Zur Verwendung des Begriffs „Teilwert“ durch den Reichsfinanzhof seit 1926 vgl. unten: 3. Kapitel, A. V. 6. a). 253 Becker, Das Einkommensteuergesetz, 2. Teil, 1929, zu §§ 19–21, Bem. 237 (S. 1081). 254 Wulff u. a., Einkommensteuer, 1932, § 19, Bem. 3; Hervorhebungen geändert. 255 Becker, Das Einkommensteuergesetz, 2. Teil, 1929, zu §§ 19–21, Bem. 233 (S. 1074). 256 Doralt, DStJG 7 (1984), 147; zur Frage des Teilwerts als Substanzwert: 4. Kapitel, A. II. 250

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ADHGB bzw. § 40 Abs. 2 HGB und dem Urteil des ROHG von 1873. Die Merk­ male haben also auch durch die Steuergesetze bis 1925 keine grundlegend andere Bedeutung erhalten. Auf dieser Grundlage beruht die für den Teilwert wegwei­ sende Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs. 6. Die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs Der Reichsfinanzhof (RFH), das 1918 gegründete, erstmals für das gesamte Reichsgebiet zuständige oberste Gericht in Abgabensachen, befasste sich ab 1926 in zahlreichen Urteilen mit der neuen Bewertungsvorschrift des § 19 EStG 1925.257 a) Die Verwendung des Begriffs „Teilwert“ Bezüglich des gemeinen Wertes i. S. d. § 19 Abs. 1 S. 2 EStG 1925 wurde erst­ mals im Urteil des VI. Senats vom 14.12.1926258 betont, „dass nicht etwa der Li­ quidationswert zu ermitteln sei. Bei einem zu einer wirtschaftlichen Einheit gehö­ renden Gegenstand ist in der Tat scharf zu unterscheiden zwischen dem Werte, den der Gegenstand als Teil der wirtschaftlichen Einheit hat, kurz gesagt dem Teilwert, und dem Werte, den er aus dem Zusammenhang gerissen für sich haben würde, kurz gesagt dem Einzelwerte.“259 Damit hielt der Begriff „Teilwert“ als Ausdruck für den die Betriebszugehörigkeit berücksichtigenden Wertmaßstab Einzug in die höchstrichterliche Rechtsprechung. Am 14.12.1927 wurde er erstmals auch auf die Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens angewandt.260 Auffallend ist, dass der RFH hier nicht wie § 19 Abs. 1 S. 2 EStG 1925 selbst die Fiktion des Fortbestands des Betriebs nutzt, sondern den Teilwert allein über das Ziel, die Betriebszugehö­ rigkeit zu berücksichtigen, definiert. Darin kommt m. E. die Selbstverständlichkeit zum Ausdruck, mit der der Betriebsfortbestand als Mittel zur Berücksichtigung der Betriebszugehörigkeit eines Wirtschaftsguts angewandt wurde. Durch die stete Verwendung des Begriffs „Teilwert“ in folgenden Entscheidun­ gen261 wurde dieser zum Fachbegriff für den in § 19 Abs. 1 S. 2 EStG 1925 be­ 257

RFH, U.v. 14.12.1926 – VI A 575/26, RFHE 20, 87 ff.; U.v. 14.12.1927 – VI A 802/27, RFHE 22, 309 ff.; U.v. 14.3.1928 – VI. A. 54/28, RStBl 1928, 182; U.v. 9.5.1928 – I A 190/28, RFHE 23, 244; U.v. 10.10.1928 – VI A 1216/28, StuW 1929, Nr. 70 (Sp. 130); U.v. 11.1.1929 – VI. A. 1515/28, RStBl 1929, 221; U.v. 18.12.1929, 20.3.1930, 28.2.1930, RStBl 1930, 59, 90, 348, 360, 436. 258 RFH, U.v. 14.12.1926 – VI A 575/26, RFHE 20, 87 ff. 259 RFH, U.v. 14.12.1926 – VI A 575/26, RFHE 20, 87, 88. 260 RFH, U.v. 14.12.1927 – VI A 802/27, RFHE 22, 309, 311. 261 Z. B. RFH, U.v. 14.12.1927 – VI A 802/27, RFHE 22, 309, 311; U.v. 11.1.1929 – VI. A. 1515/28, RStBl 1929, 221. In manchen Entscheidungen spricht der RFH auch vom „gemeinen Teilwert“, vgl. z. B. RFH, U.v. 20.3.1930, RStBl 1930, 348.

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schriebenen Wertmaßstab. Obwohl es sich dabei laut Gesetz immer noch um einen „Anwendungsfall des gemeinen Wertes“262 handelte, ist nicht zu übersehen, dass der Teilwert sich zu einem eigenen Bewertungsmaßstab entwickelte und als sol­ cher neben den gemeinen Wert trat, ihm hinsichtlich seiner Bedeutung sogar den Rang ablief. b) Differenz- und Repartitionsmethode als Erklärung der Teilwertkonzeption Die Rechtsprechung des RFH war auch noch in anderer Hinsicht prägend für den späteren Teilwert: Wie das RG stand auch der RFH vor dem Problem, den Teil­ wert unabhängig von seiner theoretischen Konzeption im Einzelfall bestimmen zu müssen. Wiederum rückte die Frage in den Mittelpunkt, ob der Wert „für das Geschäft“263 über Ertragserwartungen zu berücksichtigen sei. Die Probleme einer am Ertrag ausgerichteten Bewertung vor Augen, war das RG bereits in dem Ur­ teil vom 1.11.1899264 zu dem Ergebnis gekommen, dass zwar die Erträge des Ge­ schäfts zu vernachlässigen seien, die Gegenstände aber dennoch mit dem „Ge­ schäftswert“, den sie für das Geschäft haben, zu bilanzieren seien. Damit hat das Gericht den „Geschäftswert“ eindeutig nicht vom möglichen Ertrag des Betriebs, sondern von der Frage der Betriebsnotwendigkeit des einzelnen Wirtschaftsguts abhängig gemacht. Der RFH dagegen kam in einem Urteil vom 14.12.1926265 zu einem missver­ ständlichen Ergebnis. Für die praktische Bestimmung des unter Berücksichtigung des Betriebsfortbestands gebildeten gemeinen Werts i. S. d. § 19 Abs. 1 S. 2 EStG 1925 ging das Gericht vom Betrag der Wiederbeschaffungskosten aus.266 Der Teil­ wert sollte gleich dem Wiederbeschaffungs- oder Reproduktionswert sein.267 Da­ mit ermittelte der RFH den späteren Teilwert aus § 19 Abs. 1 S. 2 EStG 1925 als Substanzwert, für dessen Bestimmung Ertragsgesichtspunkte grundsätzlich keine Rolle spielen. Vielfach wurde diese Rechtsprechung des RFH später zu Recht als Argument dafür herangezogen, dass der Teilwert nach seiner historischen Ent­ wicklung ein Substanzwert sei.268 Auch in anderen Urteilen sprach sich der RFH für die Bestimmung des gemeinen Werts aus § 19 Abs.  1 S.  2 EStG 1925 als 262

Becker, Das Einkommensteuergesetz, 2. Teil, 1929, zu §§ 19–21, Bem. 233 (S. 1074). RG, U.v. 3.11.1899 – III. 176/99, Gruchots Beiträge zur Erl. des Dt. Rechts, Bd. 44, 158, 159. 264 RG, U.v. 3.11.1899 – III. 176/99, Gruchots Beiträge zur Erl. des Dt. Rechts, Bd. 44, 158; dazu oben: 3. Kapitel, A. V. 1. 265 RFH, U.v. 14.12.1926 – VI A 575/26, RFHE 20, 87 ff. 266 RFH, U.v. 14.12.1926 – IV A 575/26, RFHE 20, 87, 1. Leitsatz; ausführlich: S. 89. 267 RFH, U.v. 14.12.1926 – IV A 575/26, RFHE 20, 87, 88 f. 268 Etwa Winkeljohann, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 6, Rn. 582, 572. Ebenfalls auf die historische Entwicklung Bezug nehmend: Werndl, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 6, Rn. B 337, 322. Zu dieser Problematik ausführlich: 4. Kapitel, A. II. 263

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„Teilwert“ aus, der mit dem Wiederbeschaffungswert am Bilanzstichtag überein­ stimme; teilweise wurde dabei die Heranziehung von Ertragsgesichtspunkten aus­ drücklich abgelehnt.269 Konzeptionell begründet wurde diese Wertfindung hingegen mit der später sog. „Differenzmethode“: „Der Teilwert bestimmt sich nach demjenigen Betrage, den ein Käufer des ganzen Unternehmens vermutlich – genaue Kalkulation vorausge­ setzt – weniger für das Unternehmen geben würde, wenn der betreffende Gegen­ stand nicht zu dem Unternehmen gehörte.“270 Der „Teilwert“ des einzelnen Wirt­ schaftsguts sollte also die Differenz der Unternehmensgesamtwerte sein, die sich ergibt, wenn das Wirtschaftsgut einmal in die Bewertung einbezogen wird und einmal außen vor bleibt. Die Anwendung dieser Bewertungsmethode scheitert je­ doch an logischen Widersprüchen:271 Wird das bereits bewertete Wirtschaftsgut zu der ursprünglichen Einheit zurückgelegt, bevor der „Teilwert“ des nächsten er­ mittelt wird, so ist die Summe der „Teilwerte“ größer als der Gesamtwert.272 Wird das Wirtschaftsgut nach der Bewertung nicht zurückgelegt, wird zwar die Glei­ chung erfüllt, aber die im Folgenden zu bewertenden Wirtschaftsgüter werden nicht mehr als Teile des Unternehmens, sondern als Teile eines kleiner werdenden Restunternehmens bewertet. Zudem würde der „Teilwert“ der Güter von der Rei­ henfolge ihrer Bewertung abhängen.273 Der Differenzmethode liegt ein Verständnis vom „Teilwert“ als aufgeteiltem, vom Unternehmensertrag abhängigen Gesamt­ wert zugrunde. Die zitierte Passage des Urteils wird daher auch als Grundstein der Methode zur Aufteilung des Unternehmensgesamtwerts auf die einzelnen Wirt­ schaftsgüter verstanden. Damit diente das Urteil auch den Befürwortern eines als Ertragswert konzipierten Teilwerts als historisches Argument.274 Bei der Bewertung des Urteils darf jedoch nicht übersehen werden, dass die Aufteilung eines Gesamtkaufpreises für die tatsächliche Wertermittlung gar nicht in Betracht gezogen wurde und im Widerspruch zu der praktischen Ermittlung des als „Teilwert“ bezeichneten Fortbestandswerts steht.275 Einige Jahre später wurde die Idee der Differenzmethode vom RFH aufgrund der geschilderten Nachteile aufgegeben. Statt dessen entwickelte das Gericht die 269 RFH, U.v. 14.12.1927 – VI A 802/27, RFHE 22, 309, 311; U.v. 11.1.1929 – VI A 1515/28, RStBl 1929, 221, 222; U.v. 6.3.1935 – VI A 890/34, StuW 1935, Nr. 288, Sp. 685. 270 RFH, U.v. 14.12.1926 – IV A 575/26, RFHE 20, 87, 88 f. 271 Ausführlich zur Kritik an der Differenzmethode: Jacob, Steuerbilanzen, S.  109 ff. Vgl. auch Müller-Dott, StbJb 1988/1989, 165 f. 272 RFH, U.v. 6.3.1935  – VI A 890/34, StuW 1935, Nr.  288, Sp.  685; Albach, Wpg 1963, 626 f. 273 Albach, Wpg 1963, 627. 274 Etwa Müller-Dott, StbJb 1988/1989, 167. Zu der damit verbundenen Kritik am Teilwert ausführlich unten: 4. Kapitel, A. III. 275 Schon Zitzlaff, StuW 1939, Sp. 980, 981 erkannte, dass der RFH die Differenzmethode „praktisch auch nicht durchgeführt“ hat und kam zu dem Schluss: „Wahrscheinlich hat RFH. Bd. 20 S. 88 die Formel gar nicht in ihrer wörtlichen Bedeutung verstanden, […].“

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sog. „Zurechnungs- oder Repartitionsmethode“. Der „Teilwert“ sollte der Preis sein, „den ein Käufer des ganzen Betriebs für den betreffenden Gegenstand bewil­ ligen würde.“276 Der (fiktive) Kaufpreis sollte also auf die einzelnen Wirtschafts­ güter repartiert werden,277 d. h. den einzelnen Wirtschaftsgütern sollte ein Teil des Gesamtwerts der wirtschaftlichen Einheit so zugerechnet werden, wie es ihrer Be­ deutung für die Einheit entspricht.278 Allerdings erwies sich diese Methode für die praktische Bestimmung des Teil­ werts als ebenso untauglich, wie die Differenzmethode.279 Denn das zentrale Pro­ blem der Zurechnung, Einzelwerte zu finden, die den Gesamtertragswert ergeben, ohne die Summe der Anschaffungskosten zu übersteigen (dies wäre ein Verstoß gegen das Realisationsprinzip) konnte auch durch diese Methode nicht gelöst werden.280 Folgerichtig machte der RFH die Ermittlung des „Teilwerts“ von Wa­ ren für eine Handelsgesellschaft weiterhin von den Wiederbeschaffungskosten abhängig.281 Theoretische Konzeption und praktische Umsetzung blieben somit unvereinbar. Für den später gesetzlich definierten Teilwert wirkt sich dieser Zwie­ spalt deshalb in besonderer Weise aus, weil die Repartitionsmethode in die Le­ galdefinition des § 6 Nr. 1 S. 3 EStG 1934 einfloss.282 Die Definition übernahm eine praktisch unbrauchbare Theorie als anscheinend taugliche Wertermittlungs­ methode. M. E. liegt hier die Ursache dafür, dass der Teilwertdefinition bis heute vorge­ halten wird, zu „unüberwindlichen Schwierigkeiten“283 zu führen. Denn das rich­ tige – zumindest das dem RFH entsprechende – Verständnis der Definition setzt unbedingt eine Differenzierung zwischen der theoretischen Konzeption und der praktischen Wertermittlung voraus. Diese Differenzierung, die sich bereits in der Rechtsprechung des RG284 angedeutet hatte, wurde nach Einführung des Teilwerts in das Gesetz lange Zeit ignoriert.285

276

RFH, U.v. 10.10.1928 – VI A 1216, StuW 1929, Nr. 70, Sp. 130. Albach, Wpg 1963, 627. 278 Ähnlich: Jacob, Steuerbilanzen, S. 112. 279 Zur Kritik: Jacob, Steuerbilanzen, S. 112 ff.; Albach, Wpg 1963, 627. 280 Albach, Wpg 1963, 627; Jacob, Steuerbilanzen, S. 113 f. 281 RFH, U.v. 10.10.1928 – VI A 1216, StuW 1929, Nr. 70, Sp. 130. 282 Werndl, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 6, Rn.  B 325; Jacob, Steuerbilanzen, S.  113. Vgl. allein den Wortlaut der Definition: „[…] den ein Erwerber des ganzen Betriebs […] für das einzelne Wirtschaftsgut ansetzen würde […].“ im Vergleich zum Urteil: „[…] den ein Käu­ fer des ganzen Betriebs […] für den betreffenden Gegenstand bewilligen würde.“ 283 So wörtlich: Weber-Grellet, Bilanzsteuerrecht, 10.  Aufl., Rn.  260 und WissB. Ernst& Young, Abschaffung des Teilwerts, BB 2004, Beil. 3, S. 7. 284 RG, U.v. 3.11.1899 – III. 176/99, Gruchots Beiträge zur Erl. des Dt. Rechts, Bd. 44, 158. 285 Deutlich unterschieden zwischen theoretischer Konzeption und ihrer Umsetzung haben dagegen z. B.: Kußmaul/Meyering, StB 2007, 463. 277

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3. Kap.: Die Geschichte des Teilwerts

7. Zusammenfassung Die Fortentwicklung der Idee, den Verkehrswert unter der Voraussetzung des Betriebsfortbestands zu ermitteln, lässt sich anhand von Gesetzesänderungen und Gerichtsurteilen gut nachvollziehen. Wesentlichen Einfluss auf die Entwicklung einer einheitlichen Konzeption des neuen Fortbestandswertes hatten vor allem das RG und der RFH. So setzte sich bereits 1899 die Erkenntnis durch, dass ein Bilanzwert nicht unter Berücksichti­ gung des Unternehmensertrags ermittelt werden kann und die Betriebsbezogen­ heit des Fortbestandswertes statt dessen über das Kriterium der Betriebsnotwen­ digkeit zu berücksichtigen ist. Folgerichtig wurden marktpreisabhängige Werte, ins­besondere der Wiederbeschaffungswert zur näherungsweisen Ermittlung des neuen Wertes herangezogen.286 Die Gesetzgebung in Preußen und später im Deutschen Reich folgte der Recht­ sprechung der obersten Gerichte, was sich z. B. an der dem Preußischen OVG fol­ genden Maßgeblichkeit handelsrechtlicher Bilanzierungsregeln in § 13 S. 2 PrEStG 1906287 und der inhaltlichen Übernahme der Repartitionsmethode des RFH288 in der Teilwertdefinition des § 6 Nr. 1 S. 3 EStG 1934 zeigt. Inhaltlich war der Teil­ wert bereits in § 139 AO 1919 angelegt. § 19 EStG 1925 und § 31 BewG 1925 über­ nahmen die Konstruktion ohne systematische Änderungen, bevor mit der Geset­ zesänderung des Jahres 1934 der Teilwert kodifiziert wurde.289 Die Idee des ROHG wurde bis dahin ausgebaut und erklärt, ohne aus dem offen­ sichtlich gewordenen Auseinanderfallen von Konzeption und Umsetzbarkeit die Konsequenz zu ziehen, die Idee aufzugeben.

VI. Die Herkunft des Teilwerts als Begriff Kurz soll noch die Herkunft des Begriffs „Teilwert“ erläutert werden. Der Be­ griff ist für das Verständnis und die Bestimmung des Wertmaßstabes weniger wichtig als die inhaltlichen Überlegungen, die zu seiner Bildung geführt haben. Wegen der aufgezeigten Probleme mit der Differenzierung zum gemeinen Wert290 und der Umschreibung als „Gebrauchswert“291 oder „Geschäftswert“292, ist er aber dennoch nicht ohne Belang. 286

Zur Rechtsprechung des RG oben: 3. Kapitel, A. V. 1. PrGS 1906, 259. Zur dafür maßgeblichen Rechtsprechung des PrOVG oben: 3. Kapitel, A. V. 3. 288 Zu dieser Rechtsprechung des RFH oben: 3. Kapitel, A. V. 6. b). 289 Zu den Gesetzesänderungen in der Zeit der Weimarer Republik oben: 3. Kapitel, A. V. 5. 290 Vgl. nur Simon, Bilanzen der AG und KGaA, 1886, § 64 (S. 155); dazu: 3. Kapitel, A. IV. 1. 291 So Fuisting, Die preußischen direkten Steuern, I/1, § 13 EStG, Anm. 32, S. 606. 292 So Rehm, Die Bilanzen der Aktiengesellschaften, § 23, VII.; Staub, ADHGB, 2. Aufl. 1894, Art. 31, § 1. 287

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Vielfach wird die Schöpfung des Wortes Teilwert dem Steuerrechtler ­Ludwig Mirre zugeschrieben.293 In einem Aufsatz zu den Bewertungsmaßstäben des Steu­ errechts aus dem Jahr 1913294 beschrieb Mirre den Unterschied zwischen gemei­ nem Wert und Ertragswert. In diesem Zusammenhang erläuterte er die Möglich­ keiten, ein Unternehmen als Ganzes mit dem „Gesamtwert“ oder der „Summe der Einzelwerte“ zu bewerten. Ohne nähere Erklärungen stellte Mirre fest, dass für den Einzelwert „nicht der gemeine Wert der einzelnen Sache, sondern ihre Be­ deutung für die ganze Einheit, zu der sie gehört, hier kurz Teilwert genannt, zu ermitteln“295 sei. Von anderer Seite hingegen wird die erstmalige Verwendung des Begriffs Teil­ wert im Zusammenhang mit der Berücksichtigung der Betriebsfortführung unmit­ telbar dem RFH296 zugeschrieben.297 Wichtiger als die Frage nach der Urheberschaft des Begriffes ist die Tatsa­ che, dass er seit 1926 – und dies ist eindeutig auf die Rechtsprechung des RFH zurückzuführen – von Rechtsprechung298 und Literatur299 konsequent angewandt wurde und sich dadurch zu einem Fachausdruck entwickelt hat. Zudem wird dem Teilwert nachgesagt, dass er eine gelungene Umschreibung des Wertes sei, der einerseits das Prinzip der Einzelbewertung umsetzt, andererseits aber auch die Eigenschaft des Wirtschaftsgutes berücksichtigt, „Teil eines Ganzen (des Unter­ nehmens)“ zu sein.300 Der Teilwert ist im wahrsten Sinne des Wortes der Wert, den ein einzelnes Wirtschaftsgut als Teil eines Unternehmens hat.

VII. Schlussfolgerungen Die Entwicklung des „Fortbestandswertes“, aus dem später der Teilwert wurde, kann von 1873 bis 1934 lückenlos nachvollzogen werden. Neuerungen in Gesetz­ gebung, Rechtsprechung und Literatur bedingten sich dabei gegenseitig. Tenden­ 293

Winkeljohann, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 6, Rn.  572; Werndl, in: Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, § 6, Rn. B 322; Voß, S. 85; Weber-Grellet, Steuerbilanzrecht, § 19, Rn. 1; Zitzlaff, StuW 1941, Sp. 194; Doralt, DStJG 7 (1984), 143; Euler, DStJG 7 (1984), 155, 161; Mellwig, FS Moxter, S. 1077; Kußmaul/Meyering, StB 2007, 462; Knobbe-Keuk, Bilanz- u. Unterneh­ menStR, 9. Aufl., S. 176, Fn. 106. 294 Mirre, DNotZ 1913, 155 ff. 295 Mirre, DNotZ 1913, 169. 296 Erstmals, in: RFH, U.v. 14.12.1926 – VI A 575/26, RFHE 20, 87 ff.; vgl. dazu: 3. Kapitel, A. V. 6. 297 Begründung zum § 6 EStG 1934, RStBl 1935, 33, 38; Steuerreformkommission 1971, ­Abschn. V., Tz. 137, S. 462; Wall, Wpg 1957, 545; Rief-Drewes, S. 41 sowie nunmehr auch ­Weber-Grellet, Bilanzsteuerrecht, 10. Aufl., Rn. 260. 298 Dazu oben: 3. Kapitel, A. V. 6. a). 299 Schon 1929 sprach Becker bzgl. des Wertes nach § 19 Abs. 1 S. 2 EStG 1925 nur noch vom Teilwert, vgl. Becker, Das Einkommensteuergesetz, 2. Teil, 1929, § 19, Bem. 7 (S. 1190). 300 So etwa: Meussen, StuW 1998, 175, 178.

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3. Kap.: Die Geschichte des Teilwerts

ziell hat sich die Diskussion um den neuen Wertbegriff, der aus dem beizulegenden Wert des Art. 31 Abs. 1 ADHGB von 1861 entwickelt wurde, vom Handels- ins Steuerrecht verlagert, was nicht nur an den zunehmend steuerrechtlichen Quellen zu erkennen ist, sondern auch an der Tatsache, dass der nach wie vor auslegungs­ bedürftige Begriff des niedrigeren beizulegenden Wertes in § 253 Abs.  3 S.  3, Abs. 4 S. 2 HGB noch immer gesetzlich existent ist.301 1. Die theoretische Konzeption des Fortbestandswerts aus den Jahren 1873 bis 1934 Das ROHG legte im Jahr 1873 den beizulegenden Wert des Art.  31 Abs.  1 ADHGB als Fortbestandswert aus.302 Dabei hatte es eine bestimmte theoretische Konstruktion vor Augen, die den Bestandteilen des Wertmaßstabes eine bestimmte Bedeutung zumisst. Auf diese Konstruktion, um deren Erklärung sich zunächst vor allem das handelsrechtliche Schrifttum bemühte,303 wurde seitens der steuerrecht­ lichen Rechtsprechung bis weit ins zwanzigste Jahrhundert immer wieder zurück­ gegriffen.304 Dies lag auch an der steuerrechtlichen Gesetzgebung nach dem Ersten Weltkrieg,305 die die Konstruktion des ROHG umzusetzen versuchte, ohne sie er­ kennbar verändern zu wollen. Das steuerrechtliche Schrifttum, namentlich Bern­ hard Fuisting,306 förderte diese Entwicklung, obwohl Herman Veit Simon schon 1886 die Widersprüche der Konstruktion einschließlich des ihr zugrunde liegen­ den falschen Bilanzverständnisses aufdeckte.307 Seine Einwände blieben jedoch ungehört, sodass die Bewertungskonstruktion des ROHG letztendlich ohne er­ kennbare wesentliche Veränderungen die Grundlage für den gesetzlich definier­ ten Teilwert bildete. Die Konstruktion beruht im Wesentlichen auf zwei Merkmalen und sieht fol­ gendermaßen aus: Dem damaligen Ziel folgend, in der Bilanz die wahren Vermögensverhält­ nisse abbilden zu wollen, sollten die Rahmenbedingungen für die Bewertung der 301

Ausweislich der Gesetzesbegründung zum BilMoG ist der „beizulegende Zeitwert“, der nunmehr in § 255 Abs. 4 HGB definiert ist, nur auf zu Handelszwecken erworbene Finanzin­ strumente anwendbar und damit nicht identisch mit dem „niedrigeren beizulegenden Wert“ aus § 253 Abs. 3 S. 3, Abs. 4 S. 2 HGB, vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung v. 30.7.2008, ­BT-DrS. 16/10067, Begründung S. 61. 302 Vgl. ROHG, II. Senat, Urteil vom 3.12.1873 – 934/73, ROHGE 12, 15, 19 sowie oben: 3. Kapitel, A. II. 2. g). 303 Vgl. dazu oben: 3. Kapitel, A. IV. 304 Vgl. zur Rechtsprechung des RFH: 3. Kapitel, A. V. 6. 305 Vgl. dazu oben: 3. Kapitel, A. V. 5. 306 Vgl. Fuisting, Die preußischen direkten Steuern, I/1, § 13 EStG, Anm. 32, S. 602 ff. sowie oben: 3. Kapitel, A. V. 4. 307 Vgl. Simon, Bilanzen der AG und KGaA, 1886, Sechstes und Siebentes Kapitel (S. 149 ff.) sowie oben: 3. Kapitel, A. IV. 1.

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Wirklichkeit weitgehend angenähert werden. Aus diesem Grund sollte der Aus­ nahmefall der Betriebsaufgabe unberücksichtigt bleiben, indem der Fortbestand des Unternehmens in den Mittelpunkt des neuen Bewertungsmaßstabes gestellt wurde. Während sich das ROHG auf diese Überlegung beschränkte, konkreti­ sierten Kommentatoren und Gerichte die Bedeutung des Fortbestands dahinge­ hend, dass damit die zukünftige Zugehörigkeit eines Wirtschaftsguts zu einem be­ stimmten Betrieb und damit der Wert „für das Geschäft“308 berücksichtigt werden sollte. Das Urteil des ROHG aus dem Jahr 1873 trug durch seine Formulierungen ent­ scheidend dazu bei, dass die Schwierigkeiten bei der Bestimmung des „Fortbe­ standswerts“ von Anfang an unterschätzt wurden. Hermann Staub und noch mehr die Urteile des RG zeigen hier aber ein entscheidendes Problem auf: Um theore­ tische Widersprüche zu vermeiden, darf der wertmäßige Unterschied durch die Zugehörigkeit eines Wirtschaftsguts zu einem bestimmten Betrieb nicht von den Ertragsmöglichkeiten des Betriebs in seiner individuellen Zusammensetzung ab­ hängig gemacht werden. Ansonsten würde der Fortbestandswert zu einem von der Wirtschaftlichkeit des Betriebs abhängigen Ertragswert. Die Problematik, einen solchen Wert für die Bilanzierung zu verwenden, erkannte schon das Reichs­ gericht309 und differenzierte deshalb zwischen dem „Wert für das Geschäft“, also dem „Geschäftswert“ und dem Ertragswert. Entscheidendes Kriterium des „Ge­ schäftswerts“ zur Berücksichtigung der Betriebszugehörigkeit sollte die Betriebs­ notwendigkeit des Wirtschaftsguts sein. Zweites wesentliches Merkmal des Fortbestandswerts war ursprünglich zu­ gleich sein Ausgangspunkt, der nach den Ausführungen des ROHG im Verkehrs­ wert liegen sollte.310 Die Anknüpfung an den Verkehrswert ist irreführend, weil die Bewertung mit einem Fortbestandswert gerade nicht vom Absatz- oder Be­ schaffungsmarkt abhängt. Die Funktion der dem Verkehrswert immanenten Ver­ äußerung verschiebt sich damit. Sie kann bei einem Wertmaßstab, in dessen Mittelpunkt der Fortbestand des Unternehmens seht, nur noch dazu dienen, die Fortführung des Betriebs von dem jeweils bilanzierenden Steuerpflichtigen zu ab­ strahieren und damit die Bewertung zu objektivieren.311 Denn Fortbestand und Ver­ äußerung schließen sich, soweit es um den Einfluss der Marktpreisabhängigkeit eines Wertes geht, in der Tat aus, wie schon Simon feststellte.312 Wenn auch die Veräußerung im Rahmen der Fortbestandsbewertung eine wesentliche Rolle ein­ 308

Mit dieser Terminologie: Staub, ADHGB, 2. Aufl. 1894, Art. 31, § 1 (dazu oben 3. Kapi­ tel, A. IV. 2.) und RG, U.v. 3.11.1899 – III. 176/99, Gruchots Beiträge zur Erl. des Dt. Rechts, Bd. 44, 158, 159 (dazu oben: 3. Kapitel, A. V. 1.). 309 Dazu oben: 3. Kapitel, A. V. 1. sowie RG, U.v. 3.11.1899 – III. 176/99, Gruchots Beiträge zur Erl. des Dt. Rechts, Bd. 44, 158, 159. 310 Vgl. oben: 3. Kapitel, A. II. 2. g). 311 Zur Objektivierung i.R.d. Teilwertbegriffs ausführlich oben: 3. Kapitel, A. III. 2. 312 Vgl. Simon, Bilanzen der AG und KGaA, 1886, § 64 (S.  155) sowie oben: 3.  Kapitel, A. IV. 1.

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3. Kap.: Die Geschichte des Teilwerts

nimmt, war sie doch mit der Anknüpfung an den Verkehrswert von Anfang an stark überbetont und sehr missverständlich. Ungeklärt bleibt, ob sich das ROHG dessen bewusst war. So ist es einerseits denkbar, dass das Gericht den Verkehrswert gerade deshalb genannt hat, um dem Erfordernis der Objektivierung nachzukommen. Die Objektivierung wäre in die­ sem Fall alleinige Ursache für die Erwähnung des Verkehrswerts. Andererseits – m. E. nahe liegender  – könnte das Gericht den Verkehrswert als Grundlage der Bewertung verstanden haben, weil es davon ausging, den Fortbestand in diesen Wertmaßstab integrieren zu können. Die Einschaltung einer fiktiven Veräußerung war dann zur Kombination des Verkehrswerts mit dem Fortbestand des Unterneh­ mens erforderlich. Die Objektivierung wäre eine bloße Folge dieser Konstruktion, nicht ihre Ursache. Das ändert jedoch nichts an der Funktion des fiktiven Verkaufs, der – wie die Kommentierung Staubs belegt313 – auch in diesem Fall von Anfang an als Objektivierungskriterium verstanden wurde. Ausgehend von der letztgenannten Annahme wird ein weiterer wesentlicher Nachteil des Fortbestandswerts deutlich: Die Integration des Fortbestands in den Verkehrswert ist ursprünglich nichts anderes als der Kern einer gedanklichen Kon­ struktion, die im Hinblick auf bestimmte bilanzielle Ziele entwickelt wurde. Von seiner theoretischen Konzeption deutlich zu unterscheiden ist daher die Frage der praktischen Bestimmung des Fortbestandswerts.314 Die theoretisch nahe liegende wertmäßige Abbildung der Betriebsbezogenheit durch Berücksichtigung des erwarteten anteiligen Unternehmensertrags im Wert des einzelnen Wirtschaftsguts scheitert einerseits am Einzelbewertungsgrundsatz, andererseits an der damit verbundenen Willkür der Aufteilung. Aus diesem Grund kamen weder die Differenz- noch die Repartitionsmethode des RFH jemals zur Anwendung. Statt dessen erfolgte die praktische Bestimmung des Fortbestandswerts von An­ fang an mittels Substanzwerten, insbesondere des Wiederbeschaffungswerts. Trotz dieses offensichtlichen Auseinanderfallens von Theorie und Praxis wurde die auf das ROHG zurückzuführende Konstruktion eines Fortbestandswertes beibehalten und vom RFH ab 1926 mit dem Fachbegriff „Teilwert“ belegt. Ohne weitere Än­ derungen315 wurde daraus der gesetzliche Teilwert, der so eine praktisch undurch­ führbare Forderung kodifizierte. Der Ursprung dieses Wertes liegt offensichtlich nicht im Steuerrecht des 20. Jahrhunderts, sondern im Handelsrecht des 19. Jahr­ hunderts ab 1861.316 313

Vgl. dazu oben: 3. Kapitel, A. IV. 2. So am deutlichsten: Kußmaul/Meyering, StB 2007, 462 ff. 315 Vgl. Begründung zu § 6 EStG 1934, RStBl 1935, 33, 38. 316 So auch: Doralt, DStJG 7 (1984), 143. Ehmcke hingegen knüpft die Definition des Jah­ res 1934 ausschließlich an § 19 Abs. 1 S. 2 EStG 1925 [dazu oben: 3. Kapitel, A. V. 5. d)] sowie die darauf folgende Rechtsprechung des RFH [vgl. oben: 3. Kapitel, A. V. 6. a)] an, vgl. Ehmcke, in: Blümich, § 6, Rn. 541. M. E. geht das nicht weit genug. Rief-Drewes hingegen ignoriert 314

A. Die Entwicklung einer Idee

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2. Fortbestand und Fortführung – Endgültige Unterscheidung Nach Begutachtung der geschichtlichen Entwicklung des späteren Teilwerts kann auch die Frage beantwortet werden, inwieweit der Fortbestand als Bestand­ teil des neuen Wertmaßstabs auf das handelsrechtlich und steuerrechtlich an­ erkannte Fortführungsprinzip gestützt werden kann. Gem. § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB ist bei der Bewertung von der Fortführung der Unternehmenstätigkeit auszugehen, sofern dem nicht tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten entgegenstehen. Demzufolge ist der Ansatz von Liquidationswer­ ten nur in Ausnahmefällen zulässig.317 Die Bewertung erfolgt dann nach vorsich­ tiger Schätzung der zu erzielenden Veräußerungserlöse, wobei die Anschaffungsoder Herstellungskosten nicht überschritten werden dürfen.318 Liegen  – wie im Regelfall  – keine tatsächlichen oder rechtlichen Gegeben­ heiten vor, die der Fortführung entgegenstehen, finden die allgemeinen Bewer­ tungsvorschriften der §§ 252–256a HGB Anwendung.319 Daraus folgt, dass das differenzierte Bewertungssystem des HGB die Unternehmensfortführung ­bereits impliziert. Die Nennung des Prinzips in § 252 HGB ist somit rein deklarato­ risch. Das zeigt sich auch daran, dass für den Fall der Liquidation die Bewertung durch Schätzung der Veräußerungserlöse und damit abweichend vom kodifizier­ ten Bewertungssystem durchgeführt werden soll. Crezelius stellt daher vollkom­ men zu Recht fest, dass das Fortführungsprinzip „kein eigentlicher Bewertungs­ grundsatz“, sondern „vielmehr denknotwendige Voraussetzung für die periodische Ergebnisrechnung“320 sei. Für die bilanzielle Bewertung im Steuerrecht gilt nichts anderes. Das Fortführungsprinzip gilt als GoB über den Maßgeblichkeitsgrundsatz des § 5 Abs. 1 EStG sowie über § 141 Abs. 1 S. 2 AO auch für die einkommensteu­ errechtliche Gewinnermittlung durch Bilanzierung.321 Die Bewertungskonzeptio­ nen sind insoweit vergleichbar, als dass beide von den fortgeführten Anschaffungsoder Herstellungskosten als grundsätzlichem Bewertungsmaßstab ausgehen (vgl. § 253 Abs. 1 S. 1 HGB und § 6 Abs. 1 Nr. 1, 2 EStG). Der hier in Rede stehende Teilwert ist dazu zwar ein steuerrechtlicher Hilfswert, jedoch nicht für den Son­ derfall der Liquidation. Er fügt sich daher in das Bewertungssystem ein, für das

den Einfluss des ROHG auf das Preußische OVG, wenn er keine Hinweise auf einen handels­ rechtlichen Ursprung des Teilwerts sieht, vgl. Rief-Drewes, S. 15 f.; später (S. 19) stellt auch Rief-­Drewes selbst fest, die als Legaldefinition des Teilwerts kodifizierte Erwerberformel sei im Handelsrecht entstanden. 317 MüKoHGB/Ballwieser, § 252, Rn. 9. 318 Kleindiek, in: Staub, Großkomm. HGB, 4. Aufl., § 252, Rn. 10 ff. 319 So zur alten Rechtslage: MüKoHGB/Ballwieser, § 252, Rn. 9; Kleindiek, in: Staub, Groß­ komm. HGB, 4. Aufl., § 252, Rn. 10 ff; Kleinle, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 5, Rn. 215. 320 Kirchhof/Crezelius, 8. Aufl., § 5, Rn. 47. 321 Kempermann, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 5, Rn. B 74; Kleinle, in: Herrmann/Heuer/ Raupach, § 5, Rn. 215; Weber-Grellet, Steuerbilanzrecht, § 5, Rn. 17.

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3. Kap.: Die Geschichte des Teilwerts

§ 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB i. V. m. § 5 Abs. 1 EStG (Maßgeblichkeitsgrundsatz) und § 141 Abs. 1 S. 2 AO ein grundlegendes Prinzip normieren. Unter dieser Prämisse kann mit dem Fortbestand als Bestandteil des Teilwerts nicht dasselbe gemeint sein wie mit dem der Bewertung sowieso zugrunde liegen­ den Prinzip der Fortführung. Denn wenn ein Bewertungssystem auf dem Grund­ satz der Fortführung aufgebaut ist, kann nicht der gleiche Grundsatz wesentlicher Bestandteil eines Bewertungsmaßstabs sein. Die Erwähnung des Fortbestands wäre überflüssig, wenn damit die Fortführung i. S. d. § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB ge­ meint wäre. In der einkommensteuerrechtlichen Literatur wird auf eine solche Differenzie­ rung hingegen vielfach verzichtet. So wird für die Herkunft des Fortbestands in der Teilwertdefinition vielfach undifferenziert auf das Fortführungsprinzip des § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB verwiesen.322 Werndl sieht in der Umschreibung des Teilwerts nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG den wohl „wesentlichsten Hinweis darauf, dass § 6 von einem lebenden Betrieb ausgeht“323, obwohl er gleichzeitig anerkennt, dass die Bewertungsvorschriften des § 6 EStG insgesamt einen fortbestehenden Betrieb voraus­setzen, was wie dargelegt eher dafür spricht, dass die in der Teilwertdefini­ tion angesprochene Fortführung nicht auf das allgemeine Fortführungsprinzip zu­ rückgeführt werden kann. Andere namhafte Autoren verzichten dagegen zu Recht auf die Herstellung eines unmittelbaren Zusammenhangs zwischen den Bestandteilen des Teilwerts und dem Fortführungsprinzip.324 Ob dieser Verzicht in allen Fällen auf der darge­ legten Erkenntnis beruht, dass Fortbestand und Fortführung nicht unmittelbar auf­ einander aufbauen, kann den Ausführungen nicht entnommen werden. Unwahr­ scheinlich erscheint allerdings, dass die Autoren bei der Auseinandersetzung mit der in der Teilwertdefinition genannten „Fortführung“ das grundlegende Fortfüh­ rungsprinzip übersehen und deshalb nicht erwähnt haben. Der Unterschied zwischen Fortführung und Fortbestand zeigt sich auch im Zweck beider Merkmale: Das Fortführungsprinzip hat die Aufgabe, eine gene­ relle Bewertung mit Liquidationswerten zu verhindern. An diesem Ziel sind die Bewertungskonzeptionen sowohl des HGB als auch des EStG ausgerichtet. Dar­ aus ergibt sich aber nicht, dass – wie der Teilwert dies vorsieht – (positiv) eine Bewertung mit Fortbestandswerten gefordert wird, um den wertbestimmenden 322

Winkeljohann, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 6, Rn.  572; Kempermann, in: Kirchhof/ Söhn/Mellinghoff, § 5, Rn. B 74; Lademann/Ortmann-Babel, § 6, Rn. 377; Kirchhof/Fischer, 8. Aufl., § 6, Rn. 90; Doralt, DStJG 7 (1984), 141 (Überschrift), 144; WissB. Ernst&Young, Ab­ schaffung des Teilwerts, BB 2004, Beil. 3, S. 4. 323 Werndl, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff § 6, Rn. A 144. 324 Schmidt/Weber-Grellet, 28. Aufl. 2009, § 5, Rn.  66–84; Schmidt/Glanegger, 28. Aufl. 2009, § 6, Rn. 215 ff.; Birk, Steuerrecht, 12. Aufl., Rn. 877 ff.; Weber-Grellet, Steuerbilanzrecht, § 19, Rn. 1 ff.; ders., Bilanzsteuerrecht, 10. Aufl., Rn. 260 ff.; Hey, in: Tipke/Lang, ­Steuerrecht, 20. Aufl., § 17, Rz. 40 ff., 144 ff.

A. Die Entwicklung einer Idee

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Einfluss der Zugehörigkeit zu einem bestimmten Betrieb berücksichtigen zu kön­ nen.325 Schon Herman Veit Simon, der die Ausführungen des ROHG aus dem Jahr 1873 als „widerspruchsvoll“326 ablehnte, hielt an der Berücksichtigung der Fort­ führung zum Zwecke der Vermeidung genereller Unterbewertungen fest.327 Folg­ lich war auch seiner Meinung nach die Berücksichtigung der Fortführung nicht notwendig mit Berücksichtigung einer (positiven) Wertveränderung aufgrund der Betriebszugehörigkeit verbunden. Wird der Zweck der Teilwertbewertung – wie Kosiol328 und Doralt329 meinen  – auf die Loslösung von Liquidationswerten be­ schränkt, so wird das für den Teilwert charakteristische Merkmal der Betriebsin­ dividualität vernachlässigt, das den Fortbestand als Mittel zu seiner Berücksichti­ gung verwendet, aber nicht in jedem Fall auf die Fortführung i. S. d. § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB gerichtet ist und dementsprechend eine Bewertung zu Liquidationswer­ ten in bestimmten Fällen nicht ausschließt. Gegen eine Rückführung des Fortbestands i. S. d. Teilwertdefinition auf das han­ delsrechtliche Fortführungsprinzip spricht auch die Tatsache, dass dieses Prin­ zip erst durch das BiRiLiG von 1986 kodifiziert wurde330 und somit  – wenn auch nicht als Prinzip, so doch in seiner gesetzlichen Form  – wesentlich spä­ ter als die Teilwertdefinition entstand.331 Für eine Heranziehung dieses mögli­ cherweise schon früher bestehenden Prinzips durch das ROHG oder das handels­ rechtliche Schrifttum bestehen ebenso wenig Anzeichen, wie für die Rückführung dieses weltweit anerkannten Prinzips auf die Entscheidung des ROHG aus dem Jahr 1873.332 3. Die Rechtfertigung des Teilwerts als Bestandteil des geltenden Bilanzsteuerrechts Wichtiger als die terminologische Differenzierung zwischen Fortbestand i. S. d. ROHG und Fortführung i. S. d. HGB selbst sind ihre weiteren Folgen für den Teil­ wert. 325

So zum späteren Teilwert: Schmidt/Glanegger, 28.  Aufl. 2009, § 6, Rn.  215; Winkel­ johann, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 6, Rn. 572, 573; Birk, Steuerrecht, 12. Aufl., Rn. 878. 326 Simon, Bilanzen der AG und KGaA, 1886, § 64 (S. 156). 327 Vgl. im Zusammenhang: Simon, Bilanzen der AG und KGaA, 1886, § 64 (S. 155 f.). 328 Kosiol, StuW 1949, Sp. 155, 156. 329 Doralt, DStJG 7 (1984), 141, 144. 330 Vgl. § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB, eingeführt durch Art. 1 Nr. 8. BiRiLiG, BGBl I 1985, 2355, 2358. 331 Diese Entwicklung sieht auch Kempermann, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 5, Rn. B 74; wenngleich er dennoch einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Fortbestand i. S. d. Teil­ werts und Fortführungsprinzip herstellt. 332 Eine solche Entwicklung sieht Doralt, DStJG 7 (1984), 141, 144, wenn er feststellt, dass der „Fortführungsgedanke aus dem Jahr 1873 […] heute unter dem Modewort „Going-Con­ cern-Prinzip“ weltweit die Grundlage handelsrechtlicher Bewertung“ sei.

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3. Kap.: Die Geschichte des Teilwerts

Wenn der Fortbestand in der Teilwertdefinition nicht auf dem Fortführungs­ prinzip beruht, geht er unmittelbar nur auf die vom ROHG aufgeworfene Idee zu­ rück, die Bewertung der Wirklichkeit möglichst weit anzunähern. Dieses Bewer­ tungsziel ist jedoch überholt.333 Insbesondere entspricht es nicht der Konzeption, die der Bilanzierung im heutigen HGB und EStG zugrunde liegt. Damit entfällt für den wesentlichen Bestandteil des Teilwerts die unmittelbare systematische Legitimation. Er wäre damit insgesamt systematisch unhaltbar, wenn nicht andere Überle­ gungen den Fortbestand in seiner ihm durch das ROHG beigelegten Form legi­ timieren können. Diese Legitimation ergibt sich mittelbar aus der Funktion des Teilwerts als Alternative zu den AK/HK. Denn als solche soll der Teilwert zur Durchsetzung des Leistungsfähigkeitsprinzips sämtliche planmäßigen und außer­ planmäßigen Umstände berücksichtigen, die den Wert eines Wirtschaftsguts oder Schuldpostens ausmachen.334 Dazu soll die Bewertung unter Berücksichtigung der individuellen Verhältnisse in dem Betrieb, zu dem der Gegenstand gehört, vorgenommen werden. Wertbestimmenden Einfluss erlangt damit die Zugehö­ rigkeit zu einem konkreten Betrieb, wenn der Betrieb und mit ihm die konkre­ ten betriebsindividuellen Verhältnisse über den Zeitpunkt der Bewertung hinaus fortbestehen. Die Legitimation des Fortbestands ergibt sich also aus der syste­ matisch und verfasungsrechtlich notwendigen Korrektur eines Wertansatzes um die wertrelevanten betriebsindividuellen Umstände. Folglich ist der Teilwert in seiner theoretischen Konstruktion als objektivierter, betriebsindividuell korri­ gierter Wertmaßstab systematisch mit dem geltenden Bilanzrecht vereinbar, so­ fern das Merkmal des Fortbestands von dem Ziel einer wirklichkeitsnahen Be­ wertung gelöst und im Sinne einer subjektiv leistungsabhängigen Bewertung verstanden wird.

B. Die Definition Auf der Grundlage der zuvor geschilderten Entwicklung wurde der Teilwert mit dem Einkommensteuergesetz vom 16.10.1934 gesetzlich definiert (§ 6 Nr. 1 S. 3 EStG 1934335) und sein Anwendungsbereich festgelegt. Die Definition war nicht mehr nur Ergebnis eines in Gesetzgebung, Rechtsprechung und Literatur stattfin­ denden Rechtsfortbildungsprozesses, sondern auch gesetzliche Grundlage für die weitere Anwendung und Auslegung des Wertmaßstabs. Ohne an den konzeptionel­ len und praktischen Schwächen des Teilwerts etwas ändern zu wollen, versuchte der Gesetzgeber, den bisherigen Erkenntnisstand zu kodifizieren. Die Unklar­heiten und Widersprüche in der bisherigen Entwicklung wurden dabei ignoriert. 333

Vgl. zur Begründung oben: 3. Kapitel, A. III. 2. Zu den materiellrechtlichen Funktionen des Teilwerts oben: 2. Kapitel, B. II. 2. 335 RStBl I 1934, S. 1007.

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B. Die Definition

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I. Die Definition im Rahmen des Einkommensteuergesetzes vom 16.10.1934 Mit dem neu erlassenen Reichseinkommensteuergesetz vom 16.10.1934336 wur­ den Strukturen eingeführt, die bis in die Gegenwart die wesentlichen Grundlagen des Einkommensteuerrechts ausmachen, so unter anderem die Einteilung in die sieben Einkunftsarten.337 Außerdem wurde in § 6 EStG 1934338 unter der amtlichen Überschrift „Bewertung“ folgende Bestimmung eingeführt: „Für die Bewertung der einzelnen Wirtschaftsgüter, die dem Betrieb dienen, gilt das fol­ gende: 1. Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die der Abnutzung unterliegen, sind mit den An­ schaffungs- oder Herstellungskosten, vermindert um die Absetzungen für Abnutzungen nach § 7 anzusetzen. Ist der Teilwert niedriger, so kann dieser angesetzt werden. Teilwert ist der Betrag, den ein Erwerber des ganzen Betriebs im Rahmen des Gesamtkaufpreises für das einzelne Wirtschaftsgut ansetzen würde; dabei ist davon auszugehen, daß der Erwerber den Betrieb fortführt. […] 2. Andere als die in Ziffer 1 bezeichneten Wirtschaftsgüter des Betriebs (Grund und Boden, Beteiligungen, Geschäfts- oder Firmenwert, Umlaufvermögen) sind mit den Anschaffungsoder Herstellungskosten anzusetzen. Statt der Anschaffungs- oder Herstellungskosten kann der niedrigere Teilwert (Ziffer 1 Satz 3) angesetzt werden. […] 3. Verbindlichkeiten sind unter sinngemäßer Anwendung der Vorschriften der Ziffer 2 an­ zusetzen. 4. Entnahmen des Steuerpflichtigen für sich, für seinen Haushalt oder für andere betriebs­ fremde Zwecke sind mit dem Teilwert anzusetzen. 5. Einlagen sind mit dem Teilwert für den Zeitpunkt der Zuführung, höchstens jedoch mit den tatsächlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten anzusetzen. 6. Bei Eröffnung eines Betriebs oder entgeltlichem Erwerb eines Betriebs sind die Wirt­ schaftsgüter mit dem Teilwert, höchstens jedoch mit den tatsächlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten anzusetzen.“

Die Legaldefinition des Teilwerts findet sich in § 6 Nr. 1 S. 3 EStG 1934. Ihre Aufnahme als Rechtsbegriff nicht nur ins EStG, sondern auch ins BewG339 ver­ deutlicht die „beherrschende Stellung“340, die der Teilwert im Rahmen der bi­ lanziellen Bewertung erlangt hat. Im Vergleich zum Einkommensteuergesetz von 1925 fällt auf, dass die Definition nun ausdrücklich diejenigen Elemente enthält, die schon zuvor maßgeblich für die Berücksichtigung des Einflusses der Betriebs­ zugehörigkeit waren, nämlich die Annahme des Betriebsfortbestands nach fiktiver Veräußerung des gesamten Betriebs unter Berücksichtigung des fiktiven Gesamt­ kaufpreises.

336

RGBl I 1934, 1005 ff.; RStBl I 1934, 1261 ff. Birk, Steuerrecht, 12. Aufl., Rn. 22, 601. 338 RGBl I 1934, 1007 f.; RStBl I 1934, 1263 f. 339 § 12 S. 2 BewG 1934, BGBl I 1934, 1036. 340 Hoffmann, DStZ 1947, 132.

337

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3. Kap.: Die Geschichte des Teilwerts

Außerdem war der Teilwert von Anfang an Teil eines völlig neu konzipierten Bewertungssystems aus drei Wertbegriffen: Anschaffungskosten, Herstellungs­ kosten und Teilwert.341 Damals wie heute waren Anschaffungs- und Herstellungs­ kosten für Anlage- und Umlaufgüter der grundsätzlich maßgebende Wert, der in bestimmten Fällen durch den niedrigeren oder höheren Teilwert ersetzt werden konnte. Der Teilwert war damit insofern ein Hilfs- oder Korrekturwert.342 Durch diese Umstrukturierung trat der Teilwert endlich aus dem Schatten des gemeinen Werts heraus: Wurde er zuvor noch als „Anwendungsfall des gemeinen Wertes“343 verstanden, so stand er nunmehr als eigenständiger Wertbegriff neben diesem.344 Der gemeine Wert wurde für die bilanzielle Bewertung im EStG 1934 bedeutungs­ los und tauchte – anders als heute345 – gar nicht mehr auf. Ein Blick in die „Begründung zum Einkommensteuergesetz“346 des Jahres 1934 bestätigt die Absicht zur völligen Neugestaltung der Bewertungsvorschriften. Der bisher als „hauptsächlicher Maßstab für die Bewertung des Betriebsvermögens“ angesehene gemeine Wert wurde durch die Anschaffungs- oder Herstellungskos­ ten ersetzt.347 Diese sollten ergänzt werden durch den Teilwert, der für das aktive Anlage- und Umlaufvermögen nach den Ziffern 1 und 2 als niedrigerer Teilwert,348 für Verbindlichkeiten nach Ziffer 3 als höherer Teilwert und für Entnahmen, Ein­ lagen sowie bei Betriebseröffnung und entgeltlichem Betriebserwerb nach Ziffern 4 bis 6 als Regelmaßstab Anwendung fand.349 Für die Herkunft des Begriffs wird ausdrücklich auf die Rechtsprechung des RFH in den Jahren zwischen 1925 und 1930 verwiesen.350 Ein Vergleich zu § 6 Abs.  1 Nr.  1, 2, 3 EStG 2010 zeigt, dass sich die Paral­ lelen zu 1934 nicht auf den Wortlaut der Definition beschränken. Der Anwen­ dungsbereich von Anschaffungs- und Herstellungskosten als Regelmaßstab sowie des Teilwerts als Hilfsmaßstab erstreckt sich in beiden Gesetzen auf das abnutz­ bare und das nicht abnutzbare Anlagevermögen, auf das Umlaufvermögen sowie auf Beteiligungen. Der Firmenwert (vgl. § 6 Nr. 2 S. 1 EStG 1934) ist für Wirt­ 341

Anschaffungs- und Herstellungskosten wurden schon von der Aktienrechtsnovelle 1884 (dazu oben: 3. Kapitel, A. I. 3.) sowie dem EStG von 1920 in der Fassung vom 24.3.1921 (dazu oben: 3. Kapitel, A. V.5. b)) als Wertobergrenze verwendet. 342 Heigl, StuW 1969, Sp. 463; Weber-Grellet, Bilanzsteuerrecht, 10. Aufl., Rn. 226; ders., Steuerbilanzrecht, § 19, Rn. 2. 343 Becker, Das Einkommensteuergesetz, 2. Teil, 1929, zu §§ 19–21, Bem. 233 (S. 1074). 344 Nur so ist wohl die Bemerkung von Rief-Drewes, S. 42 zu verstehen, aus dem Einkom­ mensteuergesetz gehe seit 1934 nicht mehr hervor, dass die Erwerberformel auf dem Gedanken beruhe, den gemeinen Wert des Bewertungsgegenstandes unter der Berücksichtigung der Fort­ führung des Unternehmens zu ermitteln. 345 Vgl. § 6 Abs. 4, Abs. 6 S. 1 EStG 2010. 346 RStBl I 1935, 33 ff. 347 RStBl I 1935, 38. 348 RStBl I 1935, 38. 349 RStBl I 1935, 39. 350 RStBl I 1935, 38.

B. Die Definition

109

schaftsjahre, die nach dem 31.12.1986 beginnen, infolge einer Änderung des § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG den abnutzbaren Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens zu­ geordnet worden, die unter Nummer 1 fallen.351 Für die Möglichkeit der Teilwert­ abschreibung ergibt sich daraus praktisch kein Unterschied.352 Für Verbindlichkei­ ten wird in beiden Gesetzesfassungen auf die Vorschrift über die Bewertung der sonstigen Wirtschaftsgüter verwiesen, was zu einer Bewertung mit dem Rück­ zahlungsbetrag (=  Nennwert) oder dem höheren Teilwert berechtigt.353 Bei der Bewertung von Entnahmen und Einlagen bildet der Teilwert damals wie heute den Regelmaßstab; die später aufgenommenen Differenzierungen in § 6 Abs.  1 Nr. 4 S. 1 HS. 2, S. 2–5 und Nr. 5 S. 1 HS. 2, S. 2, 3 EStG 2010 ändern daran nichts. Auffälligster Unterschied zwischen beiden Fassungen ist, dass die Möglichkeit der Teilwertabschreibung im EStG 2010 infolge des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 vom 24.3.1999354 für nach dem 31.12.1998 endende Wirtschafts­ jahre auf voraussichtlich dauernde Wertminderungen beschränkt ist.355 Dennoch sind die Parallelen beider Fassungen des EStG nach einem Zeitraum von mehr als 75 Jahren gerade für ertragssteuerrechtliche Verhältnisse bemerkenswert.

II. Der Tatbestand der Teilwertdefinition Die Definition des Teilwerts enthält mehrere Merkmale, in denen sich die be­ reits bekannten Überlegungen und Erkenntnisse der Zeit vor 1934 wieder finden. Diese Merkmale sind mit den sog. Teilwertfiktionen356 nicht identisch, weil diese bereits eine Auslegung des Gesetzes vornehmen. Um die Definition für die weitere Untersuchung nutzen zu können, soll die Bedeutung ihrer Bestandteile im histori­ schen Kontext kurz dargelegt werden. 1. Der „Erwerber des ganzen Betriebs“ Der „Erwerber des ganzen Betriebs“ ist eine fiktive Person, deren Bedeutung für die Bewertung sich auf die Objektivierung der Sicht des (bisherigen und zu­ künftigen) Betriebsinhabers beschränkt, der die Bilanz tatsächlich zu erstellen 351

Schmidt/Glanegger, 28. Aufl. 2009, § 6, Rn. 240. Vgl. auch § 7 Abs. 1 S. 3 EStG 2010, der für den Firmenwert Absetzungen für Abnutzung vorsieht. 352 Vgl. zum Verhältnis von Teilwertabschreibung und AfA oben: 2. Kapitel, B. II. 3. 353 RStBl I 1935, 38; Schmidt/Glanegger, 28. Aufl. 2009, § 6, Rn. 387; 401; Kiesel, in: Herr­ mann/Heuer/Raupach, § 6, Anm. 1130, 1132, 1138; vgl. zur Bewertung von Verbindlichkeiten oben: 2. Kapitel, B. I. 2. b) und c) bb). 354 BGBl I 1999, 402 ff.; speziell zu § 6 EStG: S. 404. 355 Zu den Gründen und Auswirkungen: vgl. unten: 4. Kapitel, C. III. 356 Dazu ausführlich im Folgenden: 4. Kapitel, A. I.

110

3. Kap.: Die Geschichte des Teilwerts

hat.357 Die Objektivierung zielt dabei jedenfalls nach heutigem Verständnis nicht auf die Suche nach einem wahren Wert,358 sondern dient allein dem Ausschluss von persönlichen Umständen, Absichten, Fähigkeiten und Preisvorstellungen des kon­ kreten, bilanzierenden Betriebsinhabers von der Bewertung.359 Die Kommentie­ rung Staubs von 1894 zu Art. 31 ADHGB 1861 belegt, dass schon bei Auslegung des Grundsatzurteils des ROHG von 1873360 eine fiktive Veräußerung als Mittel zur Objektivierung der Bewertung herangezogen wurde.361 Dass es dabei damals um die Suche objektiv richtiger Werte ging,362 ändert nichts an der heutigen Funk­ tion des fiktiven Erwerbers. 2. Die Bewertung „im Rahmen des Gesamtkaufpreises“ Die Bewertung „im Rahmen des Gesamtkaufpreises“ korrespondiert mit der Annahme, dass der Betrieb als Ganzes auf den gedachten Erwerber übergeht. Denn die Bewertung eines Wirtschaftsguts nach einem fiktiven Verkauf der Sach­ gesamtheit „Betrieb“ ist ohne Berücksichtigung des Gesamtkaufpreises nicht denkbar.363 An diesem Merkmal wird auch deutlich, worin sich der Teilwert vom Ver­ kehrswert bzw. vom gemeinen Wert unterscheidet: Nicht der Wert, den das Wirt­ schaftsgut für sich genommen am Markt hätte, sondern der Wert, den es als Be­ standteil eines bestehenden Betriebes hat, soll entscheidend sein. Die Bedeutung des einzelnen Wirtschaftsguts für das Unternehmen im Rahmen der Gesamt­ heit aller übrigen Wirtschaftsgüter soll wertmäßig abgebildet werden.364 Des­ halb wird für die Bewertung des einzelnen Wirtschaftsguts der gesamte Betrieb berücksichtigt. 357 BFH, U.v. 17.1.1978 – VIII R 31/75, BStBl II 1978, 335; U.v. 31.1.1991 – IV R 31/90, BStBl  II 1991, 627; U.v. 6.12.1995  – I R 51/95, BStBl II 1998, 781; Schmidt/Glanegger, 28. Aufl. 2009, § 6, Rn. 215. 358 Ein objektiv richtiger Wert für alle Bilanzzwecke kann nicht ermittelt werden, vgl. oben: 3. Kapitel, A. III. 2. 359 Aufgezeigt, aber ignoriert wurde die Unterscheidung bereits bei Simon, Bilanzen der AG und KGaA, 1886, § 62 (S.  151) u. § 63 (S.  153, Fn.  4). Zur heutigen Objektivierungs­ funktion auch: BFH, U.v. 31.1.1991 – IV R 31/90, BStBl II 1991, 627; noch deutlicher BFH, U.v. 7.2.1979  – I R 142/76, BStBl II 1979, 729, 730 und Werndl, in: Kirchhof/Söhn/Mel­ linghoff, § 6, Rn.  B 327, die in der Objektivität gar den Kerngedanken des Teilwertbegriffs sehen. 360 ROHG, II. Senat, Urteil vom 3.12.1873 – 934/73, ROHGE 12, 15 ff. 361 Staub, ADHGB, 2. Aufl. 1894, Art. 31, § 1; dazu ausführlich oben: 3. Kapitel, A. IV. 2. 362 Dazu oben: 3. Kapitel, A. III. 2. 363 In welcher Form der Gesamtkaufpreis dabei eine Rolle spielt, ist damit noch nicht ent­ schieden, wie die verschiedenen Ansichten zu dieser Fiktion der Teilwertdefinition zeigen. Ge­ rade dies zeigt aber, dass die Fiktion der Gesamtkaufpreisbildung nur der Vollständigkeit hal­ ber in die Teilwertdefinition gehört. 364 So auch: Kußmaul/Meyering, StB 2007, 463.

B. Die Definition

111

Obwohl der Wortlaut den „Gesamtkaufpreis“ erwähnt, erfolgt die Berücksich­ tigung des Gesamtbetriebs nicht über den Gesamtwert des Unternehmens,365 son­ dern – entstehungsgeschichtlich ebenso nahe liegend – über den Faktor der Be­ triebsnotwendigkeit.366 Der Wortlaut der Teilwertdefinition steht dem nicht entgegen. Indem eine Wert­ ermittlung „im Rahmen des“ Gesamtkaufpreises und nicht als „Teil des“ Gesamt­ kaufpreises gefordert wird, erlaubt die Definition eine Ermittlung des Teilwerts, ohne die Ermittlung des Gesamtkaufpreises einzufordern.367 Konzeptionell wird die Gesamtbewertung auch gar nicht gefordert.368 Die theo­ retische Aufgabe der Forderung nach Berücksichtigung des Gesamtkaufpreises liegt vielmehr darin, die Gesamtheit des Betriebs, dessen Wirtschaftsgut bewer­ tet werden soll, auf die Ebene der Bewertung zu übertragen, damit seine Bedeu­ tung für den (fortbestehenden) Betrieb berücksichtigt werden kann.369 Allein aus diesem Grund muss die Definition des Teilwerts einen Hinweis auf den Gesamt­ kaufpreis enthalten. 3. Der Betrag „für das einzelne Wirtschaftsgut“ Dass mit der Berücksichtigung des Gesamtkaufpreises nicht der Einzelbewer­ tungsgrundsatz (§ 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB) aufgehoben werden darf, geht nicht nur aus dem selbstverständlichen Wesen der Bilanz, sondern auch aus der Teilwert­ definition selbst hervor, nach der der Teilwert ein Betrag „für das einzelne Wirt­ schaftsgut“ ist. Die Vorschrift korrespondiert insofern mit § 39 Abs. 1 S. 1 HGB 1897370 und 1934, der für Bilanz und Inventur anordnet, dass der „Werth der ein­ zelnen Vermögensgegenstände anzugeben“ sei.371 Nach Mellwig ist die Beibehal­ 365 So die Auslegung durch die sog. Teilwertfiktionen; vgl. ausführlich: 4.  Kapitel, A. I. 2. Dies würde aber zu dem erwähnten Zirkelschluss führen: Der Wert des Vermögens soll unter Berücksichtigung des Ertrags ermittelt werden. Die Feststellung der Ertragserwartungen setzt jedoch die Kenntnis des Vermögens voraus. Vgl. dazu oben die Rechtsprechung des RG: 3. Ka­ pitel, A. V. 1. 366 Zur Entstehungsgeschichte in diesem Sinne oben: 3. Kapitel, A. V. 1., insbes.: RG, U.v. 3.11.1899 – III. 176/99, Gruchots Beiträge zur Erl. des Dt. Rechts, Bd. 44, 158. 367 So auch Winkeljohann, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 6, Rn. 582. 368 So auch: BFH, U.v. 19.12.1972 – VIII R 65/79, BStBl II 1973, 475, 476; U.v. 20.7.1973 – III R 100–101/72, BStBl II 1973, 794, 795; Winkeljohann, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 6, Rn. 582. 369 Winkeljohann, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 6, Rn.  582 mit Verweis auf BFH, U.v. 20.7.1973  – III R 100–101/72, BStBl II 1973, 794. Vgl. auch BFH, U.v. 30.11.1989  – II R 237/83, BStBl II 1989, 183, 185: die Erwähnung des Gesamtkaufpreises stellt lediglich klar, dass alle Wirtschaftsgüter unter Berücksichtigung ihrer Eigenschaft als Teil einer wirtschaft­ lichen Einheit zu bewerten sind. 370 RGBl 1897, 228. 371 Der Vergleich von § 6 EStG 1934 und § 39 HGB 1934 zeigt deutlich die Synonymität von „Wirtschaftsgut“ und „Vermögensgegenstand“.

112

3. Kap.: Die Geschichte des Teilwerts

tung und Durchsetzung der Einzelbewertung der entscheidende Grund für die ur­ sprüngliche, vom ROHG angestoßene Anknüpfung des „Fortbestandswerts“ an den gemeinen Wert.372 Mit der Beschreibung als Betrag, der „im Rahmen des Gesamtkaufpreises für das einzelne Wirtschaftsgut“ angesetzt „würde“, greift die Definition die Reparti­ tionsmethode auf,373 die vom RFH seit 1928 zur Erläuterung des „Fortbestands­ werts“ herangezogen wurde.374 Dass bereits das Gericht diese Methode nicht zur Bestimmung des Teilwerts anwandte, belegt abermals, dass die Definition keinen unmittelbaren Weg zur Bestimmung des Teilwerts aufzeigt. Die Verwendung des Konjunktivs macht deutlich, dass es sich  – gerade auch im Gegensatz zur Definition der Anschaffungs- oder Herstellungskosten (§ 255 Abs. 1–2a HGB) – um einen theoretischen Wert handelt, der nicht an tatsächlichen Gegebenheiten festgemacht wird. 4. Der Fortbestand des Betriebs Das wichtigste Merkmal des Teilwerts enthält der letzte Halbsatz der Defini­ tion, demzufolge bei der Bewertung davon auszugehen ist, „dass der Erwerber den Betrieb fortführt.“ Die Berücksichtigung des Gesamtkaufpreises ergibt nur dann Sinn, wenn das Unternehmen nicht nach der fiktiven Veräußerung an den Er­ werber aufgelöst wird. Der Fortbestand wirkt sich unmittelbar auf die Bewertung eines Wirtschaftsguts aus, weil so die Bedeutung für den lebenden, Ertrag erwirt­ schaftenden Betrieb berücksichtigt werden kann, die den Wert im Gegensatz zum gemeinen Wert verändert. Die Annahme des Fortbestands ermöglicht also inhalt­ lich die Berücksichtigung der Betriebszugehörigkeit des bewerteten Wirtschafts­ guts.375 Dieser Unterschied zu den übrigen Wertmaßstäben des Steuerrechts ist für den Teilwert prägend.

372

Mellwig, FS Moxter, S. 1078. Werndl, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 6, Rn.  B 325; Jacob, Steuerbilanzen, S.  113. Vgl. auch oben 3. Kapitel, A. V. 6. b). 374 Vgl. dazu etwa RFH, U.v. 10.10.1928 – VI A 1216, StuW 1929, Nr. 70, Sp. 130 sowie oben: 3. Kapitel, A. V. 6. b). 375 Ähnlich Schmidt/Glanegger, 28. Aufl. 2009, § 6, Rn. 215. 373

113

B. Die Definition

5. Zusammenfassung Die Merkmale der Teilwertdefinition und ihre Bedeutung sind in der folgenden Abbildung zusammengefasst: Tabelle 1 Die Merkmale des Teilwerts nach § 6 Nr. 1 S. 3 EStG 1934 bzw. § 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG 2010 fiktiver Erwerb des ganzen Betriebs

Bewertung i. R. d. Gesamtkaufpreises

für das einzelne Wirtschaftsgut

Fortführung durch fiktiven Erwerber

Objektivierung i. S. d. Abstraktion vom jeweiligen Betriebsinhaber

Überführung des zusammenhängen­ den Betriebs auf die Bewertungsebene

Durchsetzung des Einzelbewertungs­ grundsatzes, vgl. § 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB

Merkmal zur Berücksichti­ gung der Betriebs­ zugehörigkeit; daher Mittelpunkt der Konstruktion

setzt konzeptionell nicht voraus, dass der Gesamtkauf­ preis gebildet wird

= Teilwert Quelle: Eigene Darstellung.

III. Zum politischen Hintergrund des EStG 1934: Der Reinhardt’sche Steuerreform-Plan In Anbetracht der Tatsache, dass die wesentlichen Strukturen des heutigen Ge­ setzes und speziell der Teilwert auf das Gesetz von 1934 zurückgehen,376 stellt sich die Frage, inwieweit nationalsozialistische Ideologien das Einkommensteuerge­ setz von 1934 beeinflusst haben. In der steuerrechtlichen Literatur findet dieser Teil der Geschichte des EStG wenig Beachtung. Das Einkommensteuergesetz von 1934 war Bestandteil einer „großen national­ sozialistischen Steuerreform“377, in deren Rahmen am 16.10.1934 zehn neue Steu­ ergesetze erlassen wurden.378 Die Reform wurde im Juni 1934 als „Reinhardt’scher Steuerreform-Plan“379 angekündigt. Fritz Reinhardt, der Namensgeber der Re­ form, war Staatssekretär im Reichsministerium der Finanzen. Er war seit 1926 376

Vgl. oben: 3. Kapitel, B. I.; vgl. Birk, Steuerrecht, 12. Aufl., Rn. 22, 601. Reinhardt, RStBl 1934, 753. 378 So u. a.: SteueranpassungsG, RGBl I, 925 ff.; UStG, RGBl I, 942 ff.; KStG, RGBl I, 1031 ff.; RBewG, RGBl I, 1035; VermögenStG, RGBl I, 1052; G. über die Änderung des ErbStG, RGBl I, 1056. 379 RStBl 1934, 753 ff. 377

114

3. Kap.: Die Geschichte des Teilwerts

Mitglied der NSDAP und galt als Gefolgsmann Adolf Hitlers.380 Unter dem partei­ losen Finanzminister Graf Schwerin von Krosigk leitete er ab Mai 1933 bis zum Ende des zweiten Weltkriegs die Steuerabteilung im Finanzministerium und be­ stimmte dabei – wie schon aus der Benennung der Steuerreform mit seinem Na­ men ersichtlich ist – mehr als der Minister selbst den Kurs des Steuerrechts im Na­ tionalsozialismus.381 Damit ist jedoch noch nichts über den weltanschaulichen Hintergrund der im Zuge der Reform erlassenen Gesetze gesagt. Ganz im Sinne der nationalsozialis­ tischen Politik der ersten Regierungsjahre bestanden die Ziele der Steuerreform nach den Worten eines Zeitgenossen Reinhardts in Folgendem: Kampf um Ver­ minderung der Arbeitslosigkeit, Förderung der Familie, Betonung des Wertes der Persönlichkeit, Vereinfachung der Sprache und Darstellungsweise, Vereinfachung des Rechts und Entlastung der Verwaltung382. Keines dieser Ziele steht seinen Worten nach im Widerspruch zu einer rechtsstaatlichen, demokratischen Staats­ ordnung. Dass sie die Rechtsstaatlichkeit einer durch Fritz Reinhardt gestalteten Steuerreform dennoch nicht belegen können, zeigt sich in einem späteren Aufsatz Reinhardts, in dem er die nationalsozialistische Weltanschauung erklärt.383 Darin heißt es, dass „nach nationalsozialistischer Weltanschauung niemand mit Rechten, sondern jeder nur mit Pflichten geboren“384 werde. Der Erwerb von Rechten setze nach nationalsozialistischer Weltanschauung die Erfüllung von Pflichten gegen­ über der Volksgemeinschaft voraus.385 Das Interesse des sog. Volksganzen wurde damit über die Freiheit des Einzelnen gestellt. Wie wirkt sich diese Ideologie auf die Bestimmungen des Einkommensteuer­ gesetzes, speziell den § 6 EStG 1934 aus? Die oben nachvollzogene Geschichte der Bilanz im Rechtssinne386 zeigt, dass der Teilwert das Ergebnis einer rechtswis­ senschaftlichen Entwicklung war, auf die die Nationalsozialisten keinen Einfluss mehr nehmen konnten. Dies belegt nicht zuletzt die amtliche Gesetzesbegrün­ dung zum EStG 1934, die sich ausdrücklich auf die Entwicklung des Teilwert­ begriffs in der Rechtsprechung des RFH beruft und beispielhaft Entscheidungen aus den Jahren 1929 und 1930 nennt. Das EStG und die anderen Reformge­ setze vom 16.10.1934 beruhen auf Vorarbeiten der Ministerialbürokratie aus der Zeit vor 1933, die von den Nationalsozialisten umgesetzt wurden, ohne als eige­ nes nationalsozialistisches Besteuerungskonzept gelten zu können.387 Vielmehr 380

Voß, S. 51 f. Voß, S. 84. 382 Hefner, StuW 1934, Sp. 1395, der die Ziele offenbar den Gliederungspunkten in Reinhardts „Plan“ entnimmt, vgl. Reinhardt, RStBl 1934, 753 ff. 383 Reinhardt, RStBl 1936, 1041 ff. 384 Reinhardt, RStBl 1936, 1046. 385 Reinhardt, RStBl 1936, 1046. 386 Zu diesem Begriff oben: 2.  Kapitel, A. II. 1.  a). Zur Entwicklung des Teilwerts oben: 3. Kapitel, A. 387 Voß, S. 103 f. 381

B. Die Definition

115

blieb das Besteuerungssystem der Weimarer Republik unangetastet.388 Das EStG von 1934 ist dementsprechend weniger von nationalsozialistischem Gedanken­ gut geprägt als es die Ankündigung aus dem Juni 1934 hätte vermuten lassen können.389 Große Bedeutung für die juristische Absicherung staatlicher Maßnahmen hatte die Auslegung der bestehenden Gesetze im nationalsozialistischen Sinn. Als allge­ meiner Rechtsgrundsatz für alle Rechtsgebiete anerkannt,390 formulierte § 1 Abs. 1 des Steueranpassungsgesetzes vom 16.10.1934391 die neue Denkweise ausdrück­ lich: „Die Steuergesetze sind nach nationalsozialistischer Weltanschauung auszu­ legen.“ Fritz Reinhardt gab sich als Urheber dieser Vorschrift zu erkennen, indem er 1938 in einem Aufsatz zur „Beurteilung von Tatbeständen nach nationalsozialis­ tischer Weltanschauung“ nochmals die Abschaffung rechtsstaatlichen Denkens als Sieg der Rechtssicherheit und die Auslegung aller Gesetze und aller Tatbestände nach dieser Weltanschauung als „Selbstverständlichkeit“ bezeichnete.392

388

Voß, S. 104. So auch: Birk, Steuerrecht, 12. Aufl., Rn. 22. 390 Sächs. OVG, U.v. 18.1.1935, Juristische Wochenschrift 1935, 886; Staudinger/Brändel, 10. Aufl., Einl., Rn. 37, Fn. 38. 391 RGBl I, 1934, 925. 392 Reinhardt, RStBl 1936, 1047. 389

Viertes Kapitel

Die Teilwertproblematik de lege lata 4. Kap.: Die Teilwertproblematik de lege lata Mit der Definition wurde im Jahr 1934 eine neue Grundlage für die Anwendung des Teilwerts in Schrifttum und Rechtsprechung geschaffen. In den vergangenen 75 Jahren war die Definition Gegenstand fortwährender Versuche, den seitdem unveränderten Gesetzeswortlaut mit den (verfassungsrechtlichen) Prinzipien der steuerrechtlichen Bilanzierung, den Aufgaben des Teilwerts und den praktischen Möglichkeiten seiner jährlichen Ermittlung auf einen Nenner zu bringen. Nach­ folgend soll untersucht werden, wie der Teilwert durch die verschiedenen mit dem Steuerrecht befassten Institutionen in die deutsche Rechtsordnung integriert wird und welche Bedeutung er für das aktuell geltende Ertragssteuerrecht hat.

A. Der Normtext in der Literatur Angesichts der Schwierigkeiten in der Konzeption des Teilwerts verwundert es nicht, dass sich seit der Kodifizierung vor mehr als 75 Jahren eine umfangreiche Literatur zu den Fragen der Teilwertbestimmung gebildet hat. Treffend formuliert Albach den Kern des Problems mit den Worten: „Die Frage nach der Bewertung von Wirtschaftsgütern mit dem Teilwert läßt sich letztlich auf die Frage zurück­ führen, ob sich zwischen Einzelbewertung und Gesamtbewertung eine Synthese finden läßt oder ob die Dichotomie dieser beiden Bewertungsprinzipien unauf­ hebbar ist.“1

I. Die sogenannten „Teilwertfiktionen“ Bei allen Zweifelsfragen, die zum Teilwert diskutiert werden, besteht seitens des steuerrechtlichen Schrifttums weitgehende Einigkeit darüber, dass die Defini­ tion des § 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG drei Fiktionen enthalte, die in der Regel folgen­ dermaßen eingeteilt werden:2

1



2

Albach, Wpg 1963, 624. Ähnlich Scherpf, FS Barth, S. 75. Vgl. etwa: Werndl, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 6, Rn.  B 326; Birk, Steuerrecht, 12. Aufl., Rn. 878; Weber-Grellet, Bilanzsteuerrecht, 10. Aufl., Rn. 260; ähnlich: Ehmcke, in: Blümich, § 6, Rn. 586 ff; Winkeljohann, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 6, Rn. 579 ff., letzterer jedoch ohne ihnen das Wesen einer Fiktion zuzuschreiben. Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 20. Aufl., § 17, Rz. 145 erkennt das Vorhandensein der Fiktionen an, ohne sie zu nennen.

A. Der Normtext in der Literatur

117

(1) Der ganze Betrieb soll von einem fiktiven Erwerber erworben werden. (2) Die Bewertung erfolgt im Rahmen des Gesamtkaufpreises durch dessen Bil­ dung und Aufteilung auf die einzelnen Wirtschaftsgüter. (3) Der Betrieb soll durch den fiktiven Erwerber fortgeführt werden. Die Fiktionen gehen unmittelbar aus den Tatbestandsmerkmalen,3 also dem Wortlaut der Defininition hervor, der eine fiktive Bewertungssituation beschreibt. Dass die Bewertungssituation fiktiv ist, wird insbesondere deutlich an dem Merk­ mal des Betriebserwerbers, auf dessen Sicht es für die Bewertung ankommt, und an der Verwendung des Konjuktivs („ansetzen würde“), die angesichts des tatsäch­ lich nicht vorhandenen Erwerbers nur folgerichtig ist. Somit ist es insgesamt ge­ rechtfertigt, die Bestandteile der Definition als Fiktionen zu bezeichnen.4 Problematisch ist hingegen, dass mit der Einteilung der Definition in die Fik­ tionen zugleich eine Gesetzesinterpretation vorgenommen wird, die sich auf eine wörtliche Auslegung beschränkt. Es stellt sich die Frage, ob eine solche Auslegung vor dem Hintergrund der Entwicklungsgeschichte zwingend und sinnvoll ist oder ob durch die einseitige Orientierung am Wortlaut des § 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG eine verzerrte Interpretation vorgenommen wird. 1. Die Fiktion des Gesamtbetriebserwerbs Die Fiktion des Erwerbs des ganzen Betriebs durch einen fiktiven Erwerber er­ gibt sich unmittelbar aus dem Wortlaut der Definition („[…] Erwerber des ganzen Betriebs […]“). Da der Erwerb fiktiv ist, kommt es auf den Wert an, den der Steu­ erpflichtige als fiktiver Erwerber an sich selbst als tatsächlichen Betriebsinhaber für den Betrieb zahlen würde.5 Die sog. Erwerberfiktion6 dient der Objektivie­ rung der Bewertung, indem persönliche Umstände, Absichten, Fähigkeiten und Preisvorstellungen des konkreten, bilanzierenden Betriebsinhabers bei der Bewer­ Eine andere Einteilung der Fiktionen nimmt die Steuerreformkommission 1971, Abschnitt V, Tz. 138, S. 463 vor: „(1) Ein fiktiver Käufer soll den Gesamtwert des Betriebs ermitteln. (2) Die Ermittlung des Gesamtwerts soll unter dem Gesichtspunkt der Fortführung des Betriebs – also unter Berücksichtigung der zukünftig zu erwartenden Erträge – erfolgen. (3) Der fiktive Käufer soll den Gesamtkaufpreis, den er zu zahlen bereit ist, auf die einzelnen Wirtschaftsgüter vertei­ len.“ Mit ähnlicher Einteilung auch: Heigl, StuW 1969, Sp. 463; Knobbe-Keuk, Bilanz- u. Un­ ternehmenStR, 9. Aufl., S. 174 f. Die unterschiedliche Einteilung spielt für die Bedeutung und die Auslegung der Fiktionen keine Rolle. 3 Vgl. zu den Tatbestandsmerkmalen der Teilwertdefinition oben: 3. Kapitel, B. II. 4 Kritisch dazu jedoch: Winkeljohann, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 6, Rn.  579: keine Fiktionen, sondern der wirklichkeitsbezogenen Bewertung dienende Annahmen. Ähnlich Doralt, DStJG 7 (1984), 144 ff. 5 Winkeljohann, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 6, Rn. 482. 6 Von „Veräußerungsfiktion“ spricht dagegen Winkeljohann, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 6, Rn. 580.

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4. Kap.: Die Teilwertproblematik de lege lata

tung unberücksichtigt bleiben.7 Darüber hinaus wird schon durch die Fiktion des Gesamterwerbs der Ansatz von Einzel-Liquidationswerten als Teilwert eines Wirt­ schaftsguts verhindert.8 Nach Doralt manifestiert sich in dieser Fiktion die stati­ sche Bilanztheorie im Sinne der Fortführungsstatik.9 2. Die Fiktion der Bildung und Aufteilung des Gesamtkaufpreises Übereinstimmend gehen die verschiedenen Varianten der Teilwertfiktionen da­ von aus, dass der Gesamtkaufpreis des Unternehmens gebildet und auf die ein­ zelnen Wirtschaftsgüter aufgeteilt werden müsse.10 Sowohl theoretisch als auch praktisch führt diese Fiktion zu erheblichen Problemen. Mit der Bildung des Unternehmensgesamtwerts würde zugleich der erwartete Ertrag des Unternehmens in die Bewertung einfließen,11 obwohl weder der Wort­ laut noch die theoretische Konzeption einer Bewertung „im Rahmen des Gesamt­ kaufpreises“ dies erfordern.12 Die Fiktion geht damit über den Wortlaut der Defi­ nition hinaus und ist das Ergebnis einer keinesfalls zwingenden Auslegung.13 Auch die Aufteilung des Gesamtkaufpreises auf die einzelnen Wirtschaftsgüter ist problematisch. Dies zeigt sich schon daran, dass die Repartitionsmethode des RFH, die in diesem Teil der Definition anklingt, vom Gericht selbst nie angewandt wurde.14 Objektive Verteilungsschlüssel, etwa in Form von gesetzlichen Regelun­ gen oder Erfahrungssätzen, existieren nicht, sodass die Aufteilung willkürlich vor­ genommen werden müsste.15 7 BFH, U.v. 31.1.1991  – IV R 31/90, BStBl II 1991, 627; noch deutlicher BFH, U.v. 7.2.1979 – I R 142/76, BStBl II 1979, 729, 730 und Werndl, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 6, Rn. B 327, die in der Objektivirung gar den Kerngedanken des Teilwertbegriffs sehen. Vgl. schon oben: 3. Kapitel, B. II. 1. 8 BFH, U.v. 15.5.1952 – IV 469/51 U, BStBl III 1952, 169; U.v. 8.10.1957 – I 86/57 U, BStBl III 1957, 442; Winkeljohann, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 6, Rn. 580. 9 Doralt, DStJG 7 (1984), S. 145. 10 Steuerreformkommission 1971, Abschnitt V, Tz. 138, S. 463; Werndl, in: Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, § 6, Rn. B 326; Birk, Steuerrecht, 12. Aufl., Rn. 878; Doralt, DStJG 7 (1984), 144 ff; Weber-Grellet, Bilanzsteuerrecht, 10. Aufl., Rn.  260; ähnlich: Ehmcke, in: Blümich, § 6, Rn. 586 ff; Winkeljohann, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 6, Rn. 579 ff. Vgl. auch schon RFH, U.v. 19.1.1938 – VI 533/36, RFHE 43, 93, 95. 11 Werndl, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 6, Rn. B 327. 12 Vgl. BFH, U.v. 30.11.1989  – II R 237/83, BStBl II 1989, 183, 185; Winkeljohann, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 6, Rn. 582. Zur Bedeutung dieses Merkmals ausführlich: 3. Kapi­ tel, B. II. 2.  13 So auch: Winkeljohann, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 6, Rn. 582. 14 Vgl. dazu RFH, U.v. 10.10.1928 – VI A 1216, StuW 1929, Nr. 70, Sp. 130 sowie oben: 3. Kapitel, A. V. 6. b). 15 Werndl, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 6, Rn. B 329; Maaßen, Der Teilwert im Steuer­ recht, S.  123; Kußmaul, Steuerlehre, 5. Aufl., S.  63;Heigl, StuW 1969, Sp.  464; Kußmaul/ Meye­ring, StB 2007, 464.

A. Der Normtext in der Literatur

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Die Interpretation des Teilwerts als aufgeteilter Gesamtkaufpreis des Unter­ nehmens ist jedoch nicht erst auf der Grundlage der gesetzlichen Definition ent­ wickelt worden. Sie hat ihre Wurzeln vielmehr in der Teilwertgeschichte des frü­ hen 20.  Jahrhunderts. Der RFH entwickelte mit der Differenzmethode und der Repartitionsmethode zwei theoretische Konstruktionen, durch die der Wert eines einzelnen Wirtschaftsguts vom Gesamtwert des Unternehmens abgeleitet werden sollte.16 Beide Methoden erwiesen sich jedoch alsbald als ungeeignet für die prak­ tische Teilwertermittlung und wurden folgerichtig vom RFH nie angewandt. Auch die Überlegungen Bernhard Fuistings, denen zufolge der „Nutzen für den spezi­ ellen Gewerbebetrieb“17 für die bilanzielle Bewertung des Anlagevermögens ent­ scheidend sein sollte, mussten zwangsläufig den Unternehmensgesamtwert be­ rücksichtigen, wenn der Nutzen entsprechend der hier vertretenen Ansicht von den Ertragsmöglichkeiten des Betriebs abhängen sollte. Darüber hinaus forderte § 31 Abs. 2 BewG 1925 ausdrücklich, dem „Gesichtspunkte der Gesamtbewertung […] in der Weise Rechnung zu tragen,“ dass die einzelnen Gegenstände „mit dem Werte angesetzt werden, den sie unter der Voraussetzung der Fortführung des Be­ triebs für den Betrieb haben.“18 Die Definition hat also das Merkmal des Gesamtkaufpreises aus Überlegungen vor 1934 übernommen, wobei allerdings der Wortlaut nicht zur Bildung des Ge­ samtkaufpreises zwingt.19 Zurückzuführen ist die Berücksichtigung dieses Merk­ mals jedoch nicht auf seine Notwendigkeit für die Konzeption des Teilwerts, son­ dern auf eine Verzerrung, die zwischen der zuerst vom ROHG im Jahre 1873 formulierten Idee des Fortbestandswertes20 und der Definition des Teilwerts im EStG von 1934 aufgetreten ist. Diese Verzerrung fand statt, als die Idee zum Zwe­ cke ihrer Vereinfachung umformuliert wurde.21 Während die ursprüngliche Idee hieß: Bewertung des Einzelwirtschaftsguts unter Berücksichtigung des Gesamt­ betriebs, heißt die Definition: Bewertung des Gesamtbetriebs zurückgeführt auf das einzelne Wirtschaftsgut. Die Definition war also von Anfang an mit einer be­ stimmten Auslegung ihrer Merkmale „vorbelastet“. Insofern handelt es sich in der Tat um eine „gedankliche Fehlkonstruktion“22. Denjenigen Autoren, die der Teilwertdefinition nach 1934 die Notwendigkeit der Bildung und Aufteilung des Gesamtkaufpreises entnommen haben, kann die

16 Vgl. Müller-Dott, StbJb 1988/1989, 165; Kußmaul/Meyering, StB 2007, 464, Fn.  24 (m. w. N.). Zu den Theorien ausführlich oben: 3. Kapitel, A. V. 6. b). 17 Fuisting, Die preußischen direkten Steuern, I/1, § 13 EStG, Anm. 32, S. 606. Ausführlich zu Fuisting oben: 3. Kapitel, A. V. 4. 18 RGBl I 1925, 221. Dazu oben: 3. Kapitel, A. V. 5. c). 19 Vgl. für die diesbezügliche Auslegung der Definition oben: 3. Kapitel, B. II. 2. 20 Zu dieser Idee ausführlich oben: 3. Kapitel, A. II. 2. g). 21 So auch Wall, Wpg 1957, 545. Ähnlich Mellwig, FS Moxter, S. 1083 f.: Durch die objekti­ vierungsbedingte Erwerberfunktion der Definition sei man von einer verwendungsorientierten betriebsbezogenen Einzelbewertung zu einer beschaffungsorientierten betriebsbezogenen Ein­ zelbewertung gelangt. 22 Wall, Wpg 1957, 546.

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4. Kap.: Die Teilwertproblematik de lege lata

Verzerrung der ursprünglichen Teilwertidee des ROHG also nicht vorgeworfen werden. Jedoch müssen sie sich vorhalten lassen, dass sie die Verzerrung im ko­ difizierten Teilwertkonzept nicht erkannt und die Definition gegenüber der ur­ sprünglichen Idee überbetont haben. Insbesondere haben sie nicht erkannt, dass mit der Repartitionsmethode eine theoretische Überlegung kodifiziert wurde, die von vornherein nicht zur praktischen Wertermittlung geeignet war. Die Fiktion von der Bildung und Aufteilung des Gesamtkaufpreises beinhal­ tet folglich eine allein auf den Wortlaut der gesetzlichen Teilwertdefinition abstel­ lende Interpretation, die wesentliche Gesichtspunkte einer historisch angemesse­ nen Auslegung ignoriert. 3. Die Fiktion der Fortführung des Betriebs Die dritte Teilwertfiktion besteht in der im letzten Halbsatz des § 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG genannten Annahme der Betriebsfortführung. Die Annahme geht unmit­ telbar auf das Urteil des ROHG von 187323 zurück. Nach den hier gefundenen Er­ gebnissen diente das Merkmal ursprünglich dazu, die Bewertung der „objektiven Wirklichkeit“24 anzupassen. In der hier verwendeten Terminologie25 meint diese „Fortführung“ daher den Fortbestand zum Zwecke der Berücksichtigung der Be­ triebsbezogenheit. Nur in diesem Zusammenhang ist die Benennung als wesent­ liches Merkmal des Teilwerts sinnvoll.26 Die Berücksichtigung der Betriebsbezo­ genheit rechtfertigt sich im Geltungsbereich des Grundgesetzes wie dargelegt27 aus dem Erfordernis einer subjektiv leistungsabhängigen Bewertung des Betriebs­ vermögens i. S. d. § 4 Abs. 1 S. 1 EStG. Im Rahmen der Teilwertfiktionen hingegen wird seine Funktion darauf redu­ ziert, den Ansatz von Liquidationswerten zu verhindern.28 Eine weiter gehende Be­ deutung für die Konzeption des Teilwerts ist hier angesichts der anderen Fik­tionen entbehrlich, weil schon diese mit der Bildung und Aufteilung des Unternehmens­ gesamtwertes zu einer betriebsindividuellen Bewertung des Wirtschaftsgutes füh­ ren sollen. Diese Interpretation der Fortführung, die sich schon aus dem der Bilan­ zierung ohnehin zugrunde liegenden Fortführungsprinzip des § 252 Abs. 1 Nr. 2 23 ROHG, II. Senat, Urteil vom 3.12.1873 – 934/73, ROHGE 12, 15 ff. Dazu oben 3. Kapi­ tel, A. II. 24 Zur Widerlegung dieses Bilanzierungsziels oben: 3. Kapitel, A. III. 2. 25 Vgl. die Differenzierung von Fortführung i. S. d. § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB und Fortbestand i. S. d. Teilwerts, dazu oben 3. Kapitel, A. III. 3. und VII. 2. 26 Vgl. zur Begründung oben: 3. Kapitel, A. VII. 2. 27 Vgl. oben: 3. Kapitel, A. VII. 3. 28 So Werndl, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 6, Rn.  B 328 mit irreführendem Hinweis auf RFH, U.v. 14.12.1926 – VI A 575/26, RFHE 20, 87; in diesem Urteil wird der Fortbestand nicht auf diese Funktion reduziert. Vgl. auch Kosiol, StuW 1949, Sp. 155, 156; Doralt, DStJG 7 (1984), 141, 144.

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HGB ergibt, wird weder der Idee des ROHG29 noch der heutigen Funktion des Teilwerts30 gerecht, weil sie gerade die Elemente vernachlässigt, die sich aus der Bedeutung des Wirtschaftsguts für den lebenden Betrieb ergeben.31 4. Zusammenfassung Mit der Einteilung in die drei Teilwertfiktionen erfolgt zugleich eine wörtliche Auslegung der gesetzlichen Teilwertdefinition des § 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG. Da die Definition ihrerseits jedoch der Versuch ist, eine über gut 60 Jahre gewach­ sene, komplexe theoretische Konstruktion in einem Satz zu beschreiben, führt die wörtliche Auslegung allein zu einem widersprüchlichen, undurchführbaren Er­ gebnis. Dementsprechend ist auch der Aussagegehalt der Teilwertfiktionen wider­ sprüchlich und praktisch undurchführbar und wird zu Recht als unbefriedigend an­ gesehen.32 Die Bedeutung der Definition erschließt sich vielmehr erst bei Einbeziehung der Entstehungsgeschichte des § 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG. Die Definition des Teilwerts ist die vereinfachte Abbildung der zunächst rein theoretischen Idee, die Betriebs­ bezogenheit eines Wirtschaftsguts bei dessen Bewertung zu erfassen. Diese Idee, die auf das Urteil des ROHG aus dem Jahr 1873 zurückgeht und von da aus erklärt und weiterentwickelt wurde,33 wird durch die Definition verzerrt wiedergegeben, indem das wesentliche Element der Zugehörigkeit zu einem Betrieb über den wert­ mäßigen Anteil am Gesamtwert des Betriebs abgebildet wird. Eine Anordnung für die praktische Ermittlung des Teilwerts, die stets mittels einer Schätzung anhand marktabhängiger Einzelwerte erfolgte,34 kann der verzerrten Definition nicht ent­ nommen werden. Aufgrund des offenen Wortlauts bestehen aber gegen eine Tren­ nung der beschriebenen theoretischen Konstruktion von der praktischen Wert­ ermittlung auch keine Bedenken.35 Den Fiktionen liegt demzufolge ein methodischer Fehler zugrunde: Sie beru­ hen auf dem Versuch, die Teilwertdefinition für die praktische Anwendung nutz­ bar zu machen, ohne dabei zu berücksichtigen, dass diese eine vereinfachte und im Sinne der Repartitionsmethode bereits interpretierte und verzerrte Abbildung der rein theoretischen Idee ist, die Betriebsbezogenheit eines Wirtschaftsguts wert­

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Dazu oben: 3. Kapitel, A. II. 2. g). Dazu oben: 2. Kapitel, B. II. 31 Dazu schon oben 3. Kapitel, A. VII. Vgl. auch Winkeljohann, in: Herrmann/Heuer/Rau­ pach, § 6, Rn. 581; Schmidt/Glanegger, 28. Aufl. 2009, § 6, Rn. 215. 32 Vgl. etwa Weber-Grellet, Bilanzsteuerrecht, 10. Aufl., Rn. 260; Doralt, DStJG 7 (1984), 144 ff. 33 Vgl. zur Entwicklungsgeschichte des Teilwerts bis 1934 ausführlich oben: 3. Kapitel, A. 34 Vgl. insofern die Rechtsprechung des RG ab 1899 [dazu oben: 3. Kapitel, A. V. 1.] sowie die Rechtsprechung des RFH ab 1926 [dazu oben: 3. Kapitel, A. V. 6. b)]. 35 Vgl. dazu oben: 3. Kapitel, B. II. 2.

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4. Kap.: Die Teilwertproblematik de lege lata

mäßig zu erfassen. Da jedoch die Definition keine Anleitung zur praktischen Be­ stimmung des Teilwerts enthält, kann auch ihre wörtliche Auslegung im Sinne der Fiktionen eine solche nicht produzieren. Die Fiktionen können insofern nicht mehr leisten als die Definition, die sie erklären sollen. Insgesamt sind die Teilwertfiktionen damit weder zur Erklärung der theoreti­ schen Konzeption des Teilwerts, noch zur praktischen Bestimmung des Teilwerts im Einzelfall geeignet. Sie fördern im Gegenteil vielmehr die Verständnisschwie­ rigkeiten und sind als unvollständige Interpretation der gesetzlichen Definition insgesamt unbrauchbar. Sinnvoller ist statt dessen eine Zerlegung des § 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG in seine Tatbestandsmerkmale und deren vollständige historischteleologische Auslegung.36

II. Die Diskussion um Substanzwert und Ertragswert Die strittige Bedeutung des Gesamtkaufpreises für die Teilwertermittlung und die damit verbundene Frage, ob Ertragsgesichtspunkte Einfluss auf den Teilwert des einzelnen Wirtschaftsguts nehmen können, führt zu der grundsätzlichen Frage, ob der Teilwert ein Substanzwert37 oder ein Ertragswert38 ist. Während ein Subs­ tanzwert den Wert der Sachsubstanz beziffert, wird der Ertragswert aus den kapi­ talisierten durchschnittlichen Erträgen eines Betriebs abgeleitet und beziffert den potentiellen Nutzen, der aus dem Einsatz des Wirtschaftsguts resultiert.39 1. Der Teilwert als Substanzwert Die Einstufung des Teilwerts als Ertragswert basiert auf einer anscheinend nahe liegenden Schlussfolgerung: Wenn der Teilwert so wie es die Teilwertfiktionen vorsehen durch Bildung und Aufteilung des Gesamtkaufpreises eines fortbeste­ henden Betriebs durch einen fiktiven Erwerber ermittelt werden soll und der Ge­ 36 Vgl. zu den Merkmalen der Teilwertdefinition und ihrer Bedeutung ausführlich oben: 3. Kapitel, B. II. 37 So BFH, U.v. 19.5.1972  – III R 21/71, BStBl II 1972, 748, 749; U.v. 19.7.1995  – I R 56/94, BStBl II 1996, 28, 32; U.v. 29.4.1999  – IV R 63/94, BFHE 188, 386, 388; Winkel­ johann, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 6, Rn. 582; Werndl, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 6, Rn.  B 331, 336 f.; Schmidt/Glanegger, 28. Aufl. 2009, § 6, Rn.  215; Kirchhof/Fischer, 8.  Aufl., § 6, Rn.  88; Doralt, DStJG 7 (1984), 145 f.; Knobbe-Keuk, Bilanz- u. Unterneh­ menStR, 9. Aufl., S.  176; Weber-Grellet, Steuerbilanzrecht, § 19, Rn.  7; ders., Bilanzsteuer­ recht, 10. Aufl., Rn. 263 (zu missverständlichen Formulierungen auf S. 155 u. 175 ausführlich unten: 4. Kapitel, A. IV. 3.); Groh, StuW 1976, 35; WissB. Ernst&Young, Abschaffung des Teil­ werts, BB 2004, Beil. 3, S. 9. 38 So Vogel, DStZ/A 1979, 28, 33; Euler DStJG 7 (1984), 155 ff.; Müller-Dott, StbJb 1988/1989, 167, 170 f.; Breidert, BB 2001, 979. I. E. auch Moxter, FS Klein, S. 827; ders., FS Loitlsberger, S. 473; dazu unten: 4. Kapitel, A. VI. 2. 39 Weber-Grellet, Bilanzsteuerrecht, 10. Aufl., Rn. 274.

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samtkaufpreis durch Kapitalisierung des Ertrags gefunden wird40, so muss doch der Teilwert selbst ebenfalls ein Ertragswert sein. Diese Argumentation ist zwar konsequent,41 jedoch greift sie vor dem Hintergrund des begrenzten Aussagewerts der Teilwertfiktionen zu kurz. Denn die Definition des § 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG, auf der die Fiktionen beruhen, fordert einerseits für die theoretische Konzeption des Teilwerts nicht die Bildung des Gesamtkaufpreises und enthält andererseits für die praktische Bestimmung keine genauen Vorgaben.42 Auch trägt die Auslegung des Teilwerts als Ertragswert weder der Enstehungsgeschichte noch dem gesetzge­ berischen Willen im Jahr 1934 Rechnung.43 So wurde der Teilwert bis 1934 auf Grundlage des § 19 Abs.  1 S.  2 EStG 192544 noch als „Anwendungsfall des gemeinen Wertes“45 verstanden, der zwei­ fellos ein Substanzwert ist. Im Urteil vom 14.12.1926, in dem der RFH erstmals den Begriff „Teilwert“ verwendete, ging das Gericht für den unter Berücksichti­ gung des Fortbestands des Betriebs gebildeten gemeinen Wert i. S. d. § 19 Abs. 1 S. 2 EStG 1925 vom Wiederbeschaffungswert aus.46 Der Teilwert wurde also mit dem Wiederbeschaffungs- oder Reproduktionswert gleich gesetzt, der durch den Betrag der Wiederbeschaffungskosten bestimmt werden sollte.47 Damit verstand der RFH den späteren Teilwert als Substanzwert. Dass der RFH ausgerechnet in diesem Urteil, das für das Verständnis des Teilwerts als Ertragswert häufig an­ geführt wurde, weil es mit der sog. Differenzmethode angeblich eine Aufteilung des Gesamtwerts auf die einzelnen Wirtschaftsgüter nahe legte,48 für den Teilwert auf die Wiederbeschaffungskosten zurückgriff, widerlegt die Gegenansicht in be­ sonderer Weise. Schon in früheren Urteilen des RFH49 und sogar des RG50, in de­ nen der Bezug zum Teilwert noch nicht so unmittelbar zum Ausdruck kam, wurde der fragliche Wert nicht als Ertragswert, sondern als Wiederbeschaffungswert ermittelt. 40 Mittlerweile einhellige Auffassung, vgl. Werndl, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 6, B 331; Wöhe, Bilanzierung und Bilanzpolitik, S. 408 ff.; Döllerer, StbJb 1977/1978, 129, 136; Busse v. Colbe, StbJb 1981/1982, 273. Vgl. auch: Winkeljohann, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 6, Rn. 582. 41 So Werndl, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 6, Rn. B 336. 42 Dazu oben: 3. Kapitel, A. VII. 1. und B. II. 43 BFH, U.v. 19.5.1972 – III R 21/71, BStBl II 1972, 748, 749; U.v. 29.4.1999 – IV R 63/97, BFHE 188, 386, 388; Winkeljohann, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 6, Rn. 582; Werndl, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 6, Rn. 331, 337; Kosiol, StuW 1949, Sp. 153; Doralt, DStJG 7 (1984), 146. 44 RGBl I 1925, 193. 45 Becker, Das Einkommensteuergesetz, 2. Teil, 1929, zu §§ 19–21, Bem. 233 (S. 1074). 46 RFH, U.v. 14.12.1926 – IV A 575/26, RFHE 20, 87, 1. Leitsatz; ausführlich: S. 89. 47 RFH, U.v. 14.12.1926 – IV A 575/26, RFHE 20, 87, 88 f. 48 Ausführlich oben: 3. Kapitel, A. V. 6. b). 49 RFH, U.v. 14.12.1927 – VI A 802/27, RFHE 22, 309; U.v. 11.1.1929 – VI A 1515/28, RStBl 1929, 221; U.v. 6.3.1935 – VI A 890/34, StuW 1935, Nr. 288. 50 RG, U.v. 3.11.1899 – III. 176/99, Gruchots Beiträge zur Erl. des Dt. Rechts, Bd. 44, 158; dazu ausführlich 3. Kapitel, A. V. 1.

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4. Kap.: Die Teilwertproblematik de lege lata

Für den Teilwert als Substanzwert sprechen weitere gute Gründe: Überzeugend wurde immer wieder ausgeführt, dass ein Teilwert, der von der Aufteilung des ertragsabhängigen Gesamtwertes ausgeht, ein Widerspruch in sich sei.51 Einerseits könne der ertragsorientierte Teilwert nicht ermittelt werden, so­ lange man nicht den Ertrag des Unternehmens und den für dessen Ermittlung er­ forderlichen Unternehmensgesamtwert kenne. Andererseits könne der Ertrag nicht ermittelt werden, bevor der Wert des Betriebsvermögens in seinem konkreten Zu­ stand, also die einzelnen Teilwerte der Wirtschaftsgüter bekannt sei.52 Will man dem damaligen Gesetzgeber nicht unterstellen, den Widerspruch nicht erkannt zu haben, so ist dieses Argument ein starkes Indiz dafür, dass der Teilwert nicht als Ertragswert konzipiert wurde.53 Mit der Erkenntnis, dass der Definition des § 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG kein Schema zur Ermittlung des Teilwerts zu entnehmen ist, steht zugleich fest, dass sich auch das Wesen des Teilwerts als Ertragswert nicht aus der Definition ergeben kann. Außerdem beinhaltet die Bewertung mit einem Ertragswert, der sich aus einem Gesamtwert des Betriebs ergibt, stets die ungewollte Berücksichtigung von Kom­ binationseffekten zwischen Vermögensgegenständen und Schulden. Die Gesamt­ bewertung eines Unternehmens erfolgt i. d. R. mithilfe des Ertragswerts oder des Discounted Cash Flow.54 Diese Bewertungsverfahren beinhalten die Berücksich­ tigung von Verbundeffekten, die sich nicht willkürfrei einzelnen Vermögens­ gegenständen und Schulden zurechnen lassen.55 Gerade diese Kombinationsef­ fekte sollen durch das Prinzip der Einzelbewertung (§ 252 Abs.  1 Nr.  3 HGB) ausgeschaltet werden.56 Der Einfluss der Kombinationseffekte ist unproblema­ tisch, solange nicht der Gesamtwert für bilanzielle Zwecke genutzt wird; für die Ermittlung des Teilwerts eines einzelnen Wirtschaftsguts hingegen ist ein so be­ rechneter Gesamtwert ungeeignet. Ein weiteres Argument gegen den ertragsorientierten Teilwert kann der getrenn­ ten Bewertung von positivem Firmenwert einerseits und den übrigen Wirtschafts­ gütern des Anlagevermögens andererseits entnommen werden.57 So ergibt sich aus §§ 5 Abs. 2, 7 Abs. 1 S. 3 EStG58, dass ein positiver Firmenwert als abnutzbares

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So Doralt, DStJG 7 (1984), 146. Ähnlich Kosiol, StuW 49, Sp. 153: „circulus vitiousus“; Wall, Wpg 1957, 546 sowie Diller/Grottke, SteuStud 2007, S. 70: „Zirkelschluss“. Vgl. schon oben: 3. Kapitel, A. V. 1. 52 Doralt, DStJG 7 (1984), 146. Vgl. auch oben: 3. Kapitel, A. V. 1. 53 So auch Doralt, DStJG 7 (1984), 146. 54 MüKoHGB/Ballwieser, § 252, Rn. 18. Die Verfahren stellen auf zukünftige Gewinne oder zukünftige Einnahmeüberschüsse ab und unterscheiden sich daher stark von der Bilanzie­ rung, deren Ziel die Rechenschaftslegung über eine vergangene Periode ist [vgl. dazu oben: 2. Kapitel, A. II. 1 c)]. 55 MüKoHGB/Ballwieser, § 252, Rn. 18. 56 MüKoHGB/Ballwieser, § 252, Rn. 18. 57 Vgl. Schmidt/Glanegger, 28. Aufl. 2009, § 6, Rn. 215. 58 Gem. § 7 Abs. 1 S. 3 EStG gilt als betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer des Firmen­wertes eines Gewerbebetriebs oder eines Betriebs der Land- und Forstwirtschaft ein Zeitraum von

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Wirtschaftsgut des Anlagevermögens zu aktivieren ist, falls er entgeltlich erwor­ ben wurde. Unter der Voraussetzung, dass ein positiver Firmenwert maßgeblich auf den Ertragsaussichten eines Betriebs beruht,59 schließt das Aktivierungsgebot des § 5 Abs. 2 EStG60 im Umkehrschluss die Berücksichtigung von Ertragserwar­ tungen bei der Bewertung einzelner Wirtschaftsgüter aus. Nach Ansicht des BFH würde es dem Grundsatz der Einzelbewertung (§ 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB) wider­ sprechen, einen Firmenwert in die Bewertung in der Form einzubeziehen, dass er als die Differenz zwischen dem Substanzwert und dem Gesamtwert des Unterneh­ mens ermittelt und auf die einzelnen Wirtschaftsgüter aufgeteilt würde.61 Bei schlechten Ertragsaussichten des Unternehmens ist die Sach- und Rechts­ lage hingegen anders. Ein negativer Firmenwert kann sich nach bewertungsrecht­ lichen Grundsätzen immer nur im Wert der einzelnen Wirtschaftsgüter nieder­ schlagen.62 Die von Breidert befürwortete63, offenbar auf Adolf Moxter zurückgehende64 Idee der „ertragswertorientierten Einzelbewertung“ kann ebenfalls nicht über­ zeugen. Im Anschluss an ein Urteil des BFH, demzufolge Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens, mit deren Verkauf wirtschaftliche Vorteile für das Untermeh­ men im Ganzen verbunden sind, auch dann mit den Anschaffungskosten und nicht mit dem Teilwert zu bewerten sind, wenn der Verkaufspreis bewusst nicht kos­ tendeckend kalkuliert war (sog. Verlustprodukte),65 plädierte sie für eine „alter­ native Teilwertkonzeption“66. Ausgehend von dem Zweck der Teilwertvorschrift, „durch Einzelbewertung einen die betriebliche Verwendung des Wirtschaftsguts be­rücksichtigenden Wert zu ermitteln“67, soll für die Teilwert­ermittlung auf die in den einzelnen Bilanzposten verkörperten positiven oder negativen Nettoeinnah­ meerwartungen abgestellt werden.68 Die Nettoeinnahmen ergäben sich aus den mit dem Wirtschaftsgut erzielbaren (Brutto-)Einnahmen abzüglich der diesem Wirt­ schaftsgut zurechenbaren Aufwendungen.69 Die Auswirkungen dieser Konzeption 15  Jahren. Für diesen Zeitraum können die positiven Anschaffungskosten um AfA gem. § 7 Abs. 1 S. 1 EStG reduziert werden. Dies gilt im Einkommensteuerrecht unverändert auch nach Inkrafttreten des BilMoG (vgl. unten: 4. Kapitel, C. V.), vgl. Meurer, FR 2009, 119. 59 So wohl BFH, U.v. 2.3.1973 – III R 88/69, BStBl II 1973, 475, 476; Schmidt/Glanegger, 28. Aufl. 2009, § 6, Rn. 215. 60 So zu § 5 Abs.  2 EStG im Falle des entgeltlichen Erwerbs: Schmidt/Weber-Grellet, 28. Aufl. 2009, § 5, Rn. 161. 61 BFH, U.v. 2.3.1973 – III R 88/69, BStBl II 1973, 475, 476. 62 BFH, U.v. 2.3.1973 – III R 88/69, BStBl II 1973, 475, 476. Dazu sogleich: 4. Kapitel, A. II. 2. 63 Breidert, BB 2001, 979, 983 ff. 64 Breidert, BB 2001, 983, Fn. 34. 65 BFH, U.v. 29.4.1999 – IV R 14/98, BStBl II 1999, 681 (Leitsatz). 66 Zu der Konzeption ausführlich Breidert, BB 2001, 983 f.; Zitat: S. 984. 67 So wörtlich: Breidert, BB 2001, 983. 68 Breidert, BB 2001, 983. 69 Breidert, BB 2001, 983.

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4. Kap.: Die Teilwertproblematik de lege lata

auf die Teilwertermittlung werden anhand des besprochenen BFH-Falls zu den Verlustprodukten überprüft; im Ergebnis gelangt Breidert zwar wie der BFH zum Ansatz der Anschaffungskosten, jedoch hält sie dessen Auslegung des Imparitäts­ prinzips für zweifelhaft, da sie nicht die künftig zu erwartenden Veräußerungsver­ luste berücksichtige, die der Verkauf sog. Verlustprodukte mit sich bringe.70 Zu­ dem knüpfe die vorgestellte Teilwertkonzeption anders als die Rechtsprechung an den im Gesetz erwähnten Gesamtkaufpreis des Unternehmens an, der durch den Ertragswert bestimmt werde und bei der Teilwertermittlung zu berücksich­ tigen sei.71 Der Konzeption des Teilwerts als ertragswertorientierte Einzelbewertung ist zweierlei entgegen zu halten: Zum einen können „die in den einzelnen Bilanzpos­ ten verkörperten positiven und negativen Nettoeinnahmeerwartungen“72 nur für solche Wirtschaftsgüter beziffert werden, die zur Veräußerung bestimmt sind, also Waren. Die vor­gestellte Konzeption ist damit stark einzelfallbezogen und kann außerhalb des besprochenen Urteils73 keine Geltung beanspruchen. Zum anderen setzt Breidert sich nicht mit den soeben genannten Argumen­ ten auseinander, die gegen den als Ertragswert verstandenen Teilwert sprechen, sondern sucht allein anhand der vom BFH aufgeworfenen Parameter, namentlich Einzelbewertungsgrundsatz und Imparitätsprinzip, eine passende Teilwertkonzep­ tion.74 Gegen die Interpretation des Teilwerts als Ertragswert bestehen also gewichtige Argumente. Der Teilwert ist, wie die steuerwissenschaftliche Literatur in Überein­ stimmung mit der Rechtsprechung des BFH festgestellt hat, „in erster Linie ein Sachwert (Substanzwert)“.75



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Breidert, BB 2001, S.984. Vgl. Breidert, BB 2001, 984. 72 So zur Erklärung der ertragswertorientierten Einzelbewertung: Breidert, BB 2001, 983. 73 Unmittelbarer Bezug wird genommen auf BFH, U.v. 29.4.1999 – IV R 14/98, BStBl II 1999, 681 (Bewertung von Verlustprodukten, d. h. Wirtschaftsgütern des Umlaufvermögens, deren Verkaufspreis bewusst nicht kostendeckend kalkuliert ist). 74 Vgl. etwa Breidert, BB 2001, 979, 982 f. 75 BFH, U.v. 19.5.1972  – III R 21/71, BStBl II 1972, 748, 749; U.v. 19.7.1995  – I R 56/94, BStBl II 1996, 28, 32; U.v. 29.4.1999  – IV R 63/94, BFHE 188, 386, 388; Winkel­ johann, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 6, Rn. 582; Werndl, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 6, Rn.  B  331, 336 f.; Schmidt/Glanegger, 28. Aufl. 2009, § 6, Rn.  215; Kirchhof/Fischer, 8.  Aufl., § 6, Rn.  88; Doralt, DStJG 7 (1984), 145 f.; Knobbe-Keuk, Bilanz- u. Unterneh­ menStR, 9. Aufl., S.  176; Weber-Grellet, Steuerbilanzrecht, § 19, Rn.  7; Groh, StuW 1976, 35; WissB. Ernst&Young, Abschaffung des Teilwerts, BB 2004, Beil. 3, S. 9. Wörtlich: Weber-­ Grellet, Bilanzsteuerrecht, 10. Aufl., Rn. 263. Zu den Vertretern der Gegenansicht vgl. oben: 4. Kapitel, A. II.

A. Der Normtext in der Literatur

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2. Zur Bedeutung der Rentabilität – Eine Differenzierung vor dem Hintergrund der Teilwertdiskussion Die vorgebrachten Argumente, insbesondere die Widersprüchlichkeit eines als Er­ tragswert verstandenen Einzelwertes, lassen keinen Raum für die Berücksichtigung von Ertragserwägungen in der Teilwertbestimmung. Wird jedoch entsprechend der Definition auf den Gesamtwert des Betriebs abgestellt, so stellt sich die Frage, wie die damit verbundene Berücksichtigung des Ertrags die Bewertung beeinflusst. Vom Ertrag des Unternehmens nicht nur terminologisch, sondern auch in der Sache zu unterscheiden ist die Rentabilität, d. h. die Höhe der Verzinsung des ein­ gesetzten Kapitals.76 Vielfach wird auf diese Differenzierung verzichtet und die Problematik des mit dem Unternehmensgesamtwert einhergehenden Ertragswerts mit den allgemeinen Erwägungen zur Berücksichtigung der Rentabilität in der Bi­ lanz erörtert.77 Dass es sich tatsächlich um unterschiedliche Institute handelt, zeigt sich jedoch schon daran, dass ein Ertrag wie dargelegt nur von einem Unterneh­ men als Sachgesamtheit erwirtschaftet werden kann, während die Verzinsung ein­ gesetzten Kapitals zumindest für bestimmte Wirtschaftsgüter78 einzeln berechnet werden kann. So ist nicht nur zwischen „guter“ und „schlechter“79 Rentabilität zu unterscheiden, sondern auch zwischen der Rentabilität des Unternehmens und der Rentabilität des Einzelwirtschaftsguts.80 Unbestritten führt eine gute Rentabilität des gesamten Unternehmens zu einer Erhöhung des Firmenwerts, der im Falle des entgeltlichen Erwerbs selbstständig zu bilanzieren ist, §§ 5 Abs. 2, 7 Abs. 1 S. 3 ESG.81 Nach Inkrafttreten des ­BilMoG vom 25.5.2009 ist der entgeltlich erworbene (derivative) Firmenwert nunmehr in § 246 Abs. 1 S. 4 HGB82 legal definiert als Unterschiedsbetrag, um den die für die Übernahme eines Unternehmens bewirkte Gegenleistung den Wert der einzel­ nen Vermögensgegenstände des Unternehmens abzüglich der Schulden zum Zeit­ punkt der Übernahme übersteigt. Die Definition gilt wie ihre Vorgängerin aus

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Für die Definition: Hoffmann, in: Littmann/Bitz/Pust, § 6, Rn. 459. Vgl. etwa Winkeljohann, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 6, Rn.  607; Ehmcke, in: Blü­ mich, § 6, Rn. 547 m. Verweis auf Rn. 690 „Rentabilität“; Hoffmann, in: Littmann/Bitz/Pust, § 6, Rn. 459 ff. 78 Vgl. z. B. Schmidt/Glanegger, 28. Aufl. 2009, § 6, Rn. 239. 79 Ohne auf geeignete Maßstäbe näher eingehen zu wollen, soll die Rentabilität für die ­Zwecke der vorliegenden Arbeit „gut“ sein, wenn die Verzinsung des eingesetzten Kapitals an­ gemessen oder überdurchschnittlich ist und „schlecht“ sein, wenn die Verzinsung unterdurch­ schnittlich ist. 80 Ausführlich Ehmcke, in: Blümich, § 6, Rn. 690. 81 Unstreitig, vgl. nur BFH, U.v. 2.2.1972  – I R 96/70, BStBl II 1972, 382; Hoffmann, in: Littmann/Bitz/Pust, § 6, Rn.  460; Ehmcke, in: Blümich, § 6, Rn.  690 „Rentabilität des ­Betriebs“. 82 Seit dem 1.1.2010 besteht aufgrund dieser Norm eine Ansatzpflicht für den entgeltlich er­ worbenen Firmenwert im Einzel- und im Konzernabschluss, vgl. Art. 66 Abs. 3 S. 1, Abs. 5 EGHGB.

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4. Kap.: Die Teilwertproblematik de lege lata

§ 255 Abs. 4 S. 1 HGB a. F. auch im Steuerrecht.83 Der BFH definierte den Firmen­ wert auch als „die nicht in den Einzelwirtschaftsgütern verkörperte Ertragskraft des Unternehmens.“84 Durch die Anordnung des § 246 Abs. 1 S. 4 HGB n. F. und die Änderung des § 255 Abs. 4 HGB a. F., der u. a. die Möglichkeit einer pauscha­ len Abschreibung von mindestens ¼ des Betrages in jedem der Anschaffung fol­ genden Jahr vorsah, wurde die handelsrechtliche Bilanzierung auch in diesem Be­ reich den steuerrechtlichen Vorschriften angenähert.85 Für den Fall einer schlechten Rentabilität des ganzen Betriebs ist unbestritten, dass ein negativer Firmenwert nicht als selbstständig bewertbares negatives Wirt­ schaftsgut in die Bilanz aufgenommen werden kann,86 „weil er als eine Art Wert­ berichtigungsposten nach bewertungsrechtlichen Grundsätzen sich immer nur im Wert der einzelnen […] Wirtschaftsgüter niederschlagen“ kann.87 Im Ausnahme­ fall kann daher der Teilwert einzelner Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens ab­ sinken, wenn es sich nicht nur um geringfügige und vorübergehende Ertrags­ schwankungen handelt, sondern nachhaltig Verluste erwirtschaftet werden und deswegen konkrete, objektiv nachprüfbare Liquidations- oder Stilllegungsmaß­ nahmen ergriffen werden.88 Für die Bemessung der Abschreibungshöhe aufgrund schlechter Rentabilität des Betriebs stellt Ehmcke darauf ab, wie vielseitig das ein­ zelne Wirtschaftsgut in einem anderen Betrieb verwendbar sei; so verlören Grund und Boden und Gebäude wegen ihres in der Regel hohen Substanzwertes durch schlechte Rentabilität des Betriebs am wenigsten an Wert.89 Die Tatsache, dass der Teilwert die Wertminderungen aufgrund schlechter Ren­ tabilität des Betriebs aufnimmt, kann m. E. nicht als Beleg dafür angeführt werden, dass es sich um einen Ertragswert handelt, der stets vom Gesamtwert des Unter­ nehmens abhängig ist. Denn die Aufnahme von Wertveränderungen, aus der sich eine Veränderung der subjektiven Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen ergibt, ist eine ursprüngliche Aufgabe des Teilwerts.90 Wenn diese Wertveränderung in 83 Zur Anwendung der Definition aus § 255 Abs. 4 S. 1 HGB a. F. im Steuerrecht: Kirchhof/ Fischer, 8. Aufl., § 6, Rn. 125. 84 So etwa: BFH, U.v. 21.7.1982 – I R 177/77, BStBl II 1982, 758, 760. 85 Zu den Wirkungen des BilMoG vom 25.5.2009 noch unten: 4. Kapitel, C. V. 86 BFH, U.v. 17.9.1987  – III R 201–202/84, BStBl II 1988, 488, 489 f.; U.v. 9.11.1994  – I R 68/92, BStBl II 1995, 336, 338. Ebenso Piltz, StbJb 1991/1992, 151. 87 So BFH, U.v. 2.3.1973 – III R 88/69; BStBl II 1973, 475, 476. 88 BFH, U.v. 2.3.1973  – III R 88/69; BStBl II 1973, 475 f.; U.v. 17.9.1987  – III R 201– 202/84, BStBl II 1988, 488, 489; U.v. 20.9.1989  – II R 96/86, BStBl II 1990, 206 f.; U.v. 16.12.1998 – II R 53/95, BStBl II 1999, 160 f.; Ehmcke, in: Blümich, § 6, Rn. 690 „Rentabilität des Betriebs“; Schmidt/Glanegger, 28. Aufl. 2009, § 6, Rn. 238. Hoffmann, in: Littmann/Bitz/ Pust, § 6, Rn. 461 f. zieht daraus den zu weitreichenden Schluss, dass der negative Firmenwert aufgrund schlechter Rentabilität des Betriebs ebenso wie der positive Firmenwert für die Er­ mittlung des Teilwerts einzelner Wirtschaftsgüter unbeachtlich sei. 89 Ehmcke, in: Blümich, § 6, Rn. 690 „Rentabilität des Betriebs“ mit Hinweis auf BFH, U.v. 16.12.1998 – II R 53/95, BStBl II 1999, 160. 90 Vgl. zu den materiellrechtlichen Funktionen des Teilwerts oben: 2. Kapitel, B. II. 2.

A. Der Normtext in der Literatur

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einer Wertminderung aufgrund gesunkener Ertragserwartungen besteht, ist der An­ satz eines niedrigeren Teilwerts bei einzelnen Wirtschaftsgütern, die von der Ver­ änderung besonders betroffen sind, nicht Folge der Eigenschaft als Ertragswert, sondern sie beruht auf der Funktion des Teilwerts im Bewertungskonzept des Ein­ kommensteuerrechts. Auch die Erkenntnis, dass für die Aufteilung des negativen Firmenwerts dieselben Zurechnungsprobleme bestehen können wie für die Auftei­ lung des Unternehmensgesamtwerts, heißt nicht im Umkehrschluss, dass die Be­ rücksichtigung der negativen Rentabilität des Geschäfts den Teilwert zu einem vom Gesamtwert des Unternehmens abhängigen Ertragswert macht. Das gleiche gilt für die Berücksichtigung guter und schlechter Rentabilität ein­ zelner Wirtschaftsgüter, sofern diese einzeln feststellbar ist.91 Gute Rentabilität kann den Teilwert eines Wirtschaftsguts erhöhen, weil ein ge­ dachter Erwerber des Betriebs sie werterhöhend berücksichtigen würde.92 Dies ist insbesondere bei solchen Wirtschaftsgütern der Fall, deren Wert sinnvoller­ weise durch Ertragswertverfahren zu ermitteln ist, also z. B. bei Beteiligungen, Wertpapieren oder vermieteten Objekten.93 Eine Teilwertzuschreibung über die fortgeführten AK/HK hinaus ist jedoch unzulässig.94 Schlechte Rentabilität eines Wirtschaftsguts  – etwa aufgrund nachhaltig fehlender Auslastung wegen Über­ dimensionierung95 – kann im Gegenzug mit dem gleichen Argument eine teilwert­ senkende Wirkung haben.96 In diesem Fall liegen sog. Fehlmaßnahmen vor,97 die ein klassischer Anwendungsfall der Teilwertabschreibung sind. Wie die schlechte Rentabilität des gesamten Betriebs rechtfertigt auch die gute oder schlechte Rentabilität des einzelnen Wirtschaftsguts nicht die generelle Cha­ rakterisierung des Teilwerts als Ertragswert, denn die berücksichtigten Wertverän­ derungen wirken sich unplanmäßig auf den Wert des einzelnen Wirtschaftsguts aus und fallen deshalb in den Funktionsbereich des Teilwerts, ohne dass es auf den Er­ trag des gesamten Betriebs oder den aufgeteilten Gesamtkaufpreis ankommt. Mit dem pauschalen Hinweis auf den unbestrittenen Einfluss der Rentabilität auf die bilanzielle Bewertung bestimmter Wirtschaftsgüter kann daher nur vorder­ gründig ein als Ertragswert verstandener Teilwert legitimiert werden. Tatsächlich 91 Mit dieser Einschränkung: Ehmcke, in: Blümich, § 6, Rn. 690 „Rentabilität einzelner WG“ (Beispiel vermieteter Grundstücke); Schmidt/Glanegger, 28. Aufl. 2009, § 6, Rn. 239. 92 BFH, U.v. 25.9.1962  – I 154/61, HFR 1963, 58 f.; Winkeljohann, in: Herrmann/Heuer/ Raupach, § 6, Rn. 610; Ehmcke, in: Blümich, § 6, Rn. 690 „Rentabilität einzelner WG“. 93 Ehmcke, in: Blümich, § 6, Rn.  690 „Rentabilität einzelner WG“; Schmidt/Glanegger, 28. Aufl. 2009, § 6, Rn. 239. Ausführlich zur Bewertung einer Beteiligung Mäscher, S. 79 ff. 94 Hoffmann, in: Littmann/Bitz/Pust, § 6, Rn. 460; Birk, Steuerrecht, 12. Aufl., Rn. 907. 95 Vgl. BFH, U.v. 17.9.1987 – III R 201–202/84, BStBl II 1988, 488. 96 Winkeljohann, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 6, Rn.  610; Ehmcke, in: Blümich, § 6, Rn. 690 „Rentabilität einzelner WG“. 97 BFH, U.v. 17.9.1987 – III R 201–202/84, BStBl II 1988, 488; Hoffmann, in: Littmann/ Bitz/Pust, § 6, Rn. 460. Für die Abgrenzung zu überhöhten und erzwungenen Aufwendungen: Schmidt/Glanegger, 28. Aufl. 2009, § 6, Rn. 237.

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4. Kap.: Die Teilwertproblematik de lege lata

handelt es sich um zwei ganz unterschiedliche Probleme; die Diskussion wird hier unsauber geführt. Die angemessene Berücksichtigung der Rentabilität trägt nichts zu der Frage bei, ob sich aus der Definition das Erfordernis der Aufteilung eines (als Ertragswert bestimmten) Gesamtwerts ergibt. Nicht anders sind auch die auf den ersten Blick widersprüchlichen Aussagen Weber-Grellets zu verstehen. In Übereinstimmung mit der hier vertretenen Auf­ fassung soll der Teilwert seiner Konzeption nach „in erster Linie Sachwert (Subs­ tanzwert) und kein Ertragswert (Rentabilitätswert) sein.“98 Wenn dagegen an ande­ rer Stelle ausgeführt wird, der Teilwert sei weder Substanzwert noch Ertragswert,99 sondern der „Wiederbeschaffungswert“100, in den der funktionale Aspekt der Ren­ tabilität integriert werden müsse,101 so bezieht sich dies auf die konkrete Ermitt­ lung des Wertes, für die sowohl Ertragswertverfahren als auch Sachwertverfahren zur Anwendung kommen können. Der Teilwert soll als Wiederbeschaffungs- und Wiederherstellungswert ermittelt werden.102 In dieser Forderung steht der Subs­ tanzwert-Gedanke wesentlich im Vordergrund, ohne die Funktionalität des Wirt­ schaftsguts für den Betrieb, mithin die Frage der Rentabilität, generell für un­ beachtlich zu erklären. 3. Zusammenfassung Nicht nur die Widersprüchlichkeit eines vom Ertrag des Unternehmens abhängi­ gen Einzelwerts, sondern auch die Entstehungsgeschichte des Teilwerts sprechen – neben weiteren Gründen – eindeutig dagegen, den Teilwert aufgrund des Wortlauts der Definition (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG) als Ertragswert zu betrachten. Aus der Erkenntnis, dass die „Rentabilität“ mit Ausnahme des entgeltlich er­ worbenen positiven Firmenwertes (vgl. §§ 5 Abs.  2, 7 Abs.  1 S.  3 EStG) in die Teilwertermittlung einfließen kann, wurde zu Unrecht der Schluss gezogen, dass es sich bei dem Teilwert stets um einen vom Ertrag des Betriebs abhängigen Wert handeln müsse. Dabei wurde übersehen, dass die Methode zur Bestimmung des Teilwerts je nach Wirtschaftsgut wie bei jedem anderen Bewertungsmaßstab selbstverständlich vom erwarteten Ertrag abhängen kann, ohne dass der Wertmaß­ stab selbst zum Ertragswert wird.103

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Weber-Grellet, Bilanzsteuerrecht, 10. Aufl., Rn. 263. So Weber-Grellet, Bilanzsteuerrecht, 10. Aufl., Rn. 260, ähnlich auch Rn. 226. 100 Weber-Grellet, Bilanzsteuerrecht, 10. Aufl., Rn. 260. 101 Vgl. Weber-Grellet, Bilanzsteuerrecht, 10. Aufl., Rn. 263: der „endogene Funktionswert“ und Überschrift zu Pkt. 2.3.3: „Bedeutung der Rentabilität (funktionaler Aspekt)“. Deutlicher auf betriebliche Bewertungsfaktoren abstellend noch ders., Bilanzsteuerrecht, 9. Aufl., S. 175. 102 Vgl. Weber-Grellet, Bilanzsteuerrecht, 10. Aufl., Rn. 260, Überschrift zu Pkt. 2.3.1. 103 Als Beispiel sei verwiesen auf die Ermittlung von Grundstückswerten nach dem ZVG. Gem. § 74a Abs. 5 S. 1 ZVG ist als Grundstückswert der Verkehrswert festzusetzen (Stöber, ZVG, 19. Aufl., § 74a, Rz. 7.3). Gem. R 1.5.5 der Richtlinien für die Ermittlung der Verkehrs­

A. Der Normtext in der Literatur

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III. Die Kritik am ertragsabhängigen Teilwert und die Kritik an der „Teilwertkritik“ Die theoretischen Widersprüche eines durch Aufteilung des Gesamtkaufprei­ ses ermittelten und so zum Ertragswert erklärten Teilwerts riefen in Verbindung mit der Unmöglichkeit seiner praktischen Bestimmung eine breite Front von Kri­ tik hervor, die später als „Teilwertkritik“104 bezeichnet wurde. In diesem Zusam­ menhang wird häufig Kosiol zitiert,105 der in eindeutigen Worten äußerte, dass der Teilwert theoretisch voller Widersprüche stecke und der einzige Kern aller Varian­ ten sei, „daß der Teilwert als ertragsabhängiger Wert gedacht“ sei.106 Albach sieht das zentrale Problem des Teilwerts darin, Einzelwerte zu finden, die den Gesamt­ ertragswert ergeben und doch nicht die Summe der Anschaffungskosten überstei­ gen.107 Ausgehend von der sog. „klassischen Teilwertlehre“108 des RFH, jedoch wegen der mittlerweile erfolgten Kodifizierung des Teilwerts unter veränderten Rahmenbedingungen, versucht er, den Teilwert durch Aufteilung eines als Ertrags­ wert verstandenen Gesamtwerts zu ermitteln.109 Während die vom RFH zunächst entwickelte Differenzmethode zur Aufteilung des Unternehmensgesamtwerts an ihren eigenen logischen Widersprüchen scheitere, könne die später entwickelte Repartitionsmethode das Problem nicht lösen.110 Ähnlich äußert sich auch Heigl,111 in dessen Ausführungen die Widersprüche einer unmittelbaren Anwendung der Teilwertfiktionen für die Wertfindung sehr deutlich werden. Euler schließlich kri­ tisiert, dass sich der BFH mit der Heranziehung einer preis- und kostenorientier­ ten Bewertung „von der klassischen Bewertungslehre nach dem Teilwert gelöst“ und mit den Teilwertvermutungen „sämtliche Gesamtertragswertgesichtspunkte, die Inhalt der Teilwertdefinition“ seien, aufgegeben habe.112 Bei diesem Vorwurf übersieht er jedoch, dass eine ertragsorientierte Teilwertermittlung niemals durch­ werte von Grundstücken i. d. F. v. 1.3.2006 ist der Verkehrswert von Grundstücken, die im ge­ wöhnlichen Geschäftsverkehr im Hinblick auf ihre Rentierlichkeit gehandelt werden (z. B. Mietwohnhäuser u. ä.) mit dem Ertragswertverfahren nach §§ 15–20 Verordnung über Grund­ sätze für die Ermittlung der Verkehrswerte von Grundstücken (WertV) i. d. F. v. 6.12.1988, BGBl I 2209 zu ermitteln. Für die benannten Wirtschaftsgüter wird also der Verkehrswert als Ertragswert ermittelt. Gleiches gilt – in vereinfachter Form – bei Anwendung der Grundvermö­ gensbewertungsverordnung (GrBewV) etwa zum Zwecke der Bewertung von Grundvermögen für die Erbschaftsteuer. 104 In diesem Zusammenhang verwendet vor allem Doralt, DStJG 7 (1984), 141 den Begriff. 105 So z. B. bei Euler, DStJG 7 (1984), 162; Werndl, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 6, Rn. B 330. 106 Kosiol, StuW 1949, Sp. 152. 107 Albach, Wpg 1963, 627. 108 Albach, Wpg 1963, 626 f. 109 Albach, Wpg 1963, 628 ff. 110 Albach, Wpg 1963, 627. 111 Heigl, StuW 1969, Sp.  464 ff.; insbes. Sp.  465: „Die Absicht, den Ertragswert auf die Wirtschaftsgüter, die ihn erzielen, umzulegen, ist weder durch die Differenz- noch durch die Zurechnungsmethode erreichbar.“ 112 Euler, DStJG 7 (1984), 162.

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4. Kap.: Die Teilwertproblematik de lege lata

geführt wurde und der Teilwert schon vom RFH auf Grundlage des § 19 Abs. 1 S. 2 EStG 1925 als Substanzwert ermittelt wurde.113 Ausführlich und in weiten Teilen überzeugend114 hat sich Werner Doralt mit sei­ ner weithin bekannten „Kritik an der Teilwertkritik“115 gegen den als Ertragswert verstandenen und für unbrauchbar erklärten Teilwert gewendet. Wenn auch die un­ mittelbare Verknüpfung des in der Teilwertdefinition enthaltenen Fortbestands mit dem „Going-Concern-Prinzip“116 (Fortführungsprinzip, § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB) im Rahmen dieser Arbeit nicht befürwortet wird,117 lenken die übrigen Kernaussa­ gen das Teilwertverständnis doch in die richtige Richtung. So werden insbesondere die Literaturstimmen, die aus den Teilwertfiktionen einen ertragsorientierten Wert ableiten und den so konzipierten Wert kritisieren – die sog. „Teilwertkritik“118 – mit guten Argumenten aus der Entwicklungsgeschichte widerlegt.119 Der Ur­ sprung des Teilwerts wird folgerichtig im Handelsbilanzrecht gesehen,120 wenn auch die Schlussfolgerungen Doralts für den heutigen Teilwert zu weitreichend sind.121 Der Einfluss der Handelbilanz auf den Teilwert soll nach Doralt so stark sein, dass der Teilwert der Steuerbilanz mit dem Tageswert der Handelbilanz (ge­ meint ist der niedrigere beizulegende Wert am Abschlussstichtag, § 253 Abs.  3 S.  3, Abs.  4 S.  2 HGB122) übereinstimme und beide „nicht nur funktionsgleich, sondern austauschbar“ seien.123 Die Kritik am Teilwert sei daher eine Kritik am Tageswert.124

IV. Die Orientierung am Wiederbeschaffungswert Während die sog. Teilwertkritik an der Konzeption und Definition des Teilwerts zweifelte und nach alternativen Bewertungsmaßstäben suchte, stellte ein anderer Teil der Literaturstimmen die Umsetzung der gegebenen Definition in den Mittel­ punkt seiner Betrachtung. Der Teilwert sollte in einen anderen bekannten, leicht 113

Dazu ausführlich oben: 3. Kapitel, A. V. 6. b). Zustimmung fanden die Ausführungen z. B. auch bei Moxter, FS Klein, S. 827, Fn. 3. 115 Doralt, DStJG 7 (1984), 141; Unterüberschrift. 116 Vgl. Doralt, DStJG 7 (1984), 141, 144. 117 Vgl. dazu ausführlich oben: 3. Kapitel, A. III. 3. und VII. 2. 118 Doralt, DStJG 7 (1984), 141, 147. 119 Doralt, DStJG 7 (1984), 143, 145 f. Zur Entwicklungsgeschichte ausführlich oben: 3. Ka­ pitel, A. Zu den Lehren für den Teilwert als Substanzwert ausführlich: 4. Kapitel, A. II. 1. 120 Doralt, DStJG 7 (1984), 142. 121 Kritisch zur Übereinstimmung von beizulegendem Wert und Teilwert unten: 5. Kapitel, B. VII. 122 Vgl. Werndl, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 6, Rn. B 343. 123 Doralt, DStJG 7 (1984), 143, 151, 152; Zitat: S. 143 und 152. Ähnlich z. B. Hoffmann, in: Littmann/Bitz/Pust, § 6, Rn. 480 sowie früher Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 19. Aufl., § 17, Rz. 144, die ihre Auffassung jüngst geändert hat, vgl. Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 20. Aufl., § 17, Rz. 144 . 124 Doralt, DStJG 7 (1984), 151. 114

A. Der Normtext in der Literatur

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bestimmbaren Bewertungsmaßstab umgemünzt werden. Dies setzte ein gewisses Maß an Abstraktion voraus, um den Teilwert von der kodifizierten Definition zu lösen und sich seiner ursprünglichen Bedeutung zu erinnern. M. E. ist diese Ab­ straktion angesichts der bekannten Unzulänglichkeiten eine unabdingbare Voraus­ setzung für einen sachgerechten Umgang mit dem Teilwert.125 Dieser weniger auf eine Gesetzesänderung drängende Ansatz führte in der Fi­ nanzrechtsprechung des RFH schon in dem grundlegenden Urteil vom 14.12.1926126 zum Ansatz des Wiederbeschaffungswerts, der gegebenenfalls um die Unrentier­ lichkeit des Unternehmens oder des Gegenstands korrigiert wurde.127 Nach Albach ist die Übereinstimmung von Teilwert und Wiederbeschaffungskosten – gemeint ist der aus diesen abgeleitete Wiederbeschaffungswert  – die zentrale der später durch den RFH systematisierten Teilwertvermutungen.128 Auch in der Literatur wurde immer wieder versucht, den Teilwert über die Wie­ derbeschaffungs- oder Wiederherstellungskosten (WBK/WHK) zu ermitteln. 1. Fritz Wall: Die Frage nach der Wiederbeschaffung oder Wiederherstellung als einleuchtender Gedanke Sehr deutlich belegen die Ausführungen von Fritz Wall das Erfordernis der Ab­ straktion von der Teilwertdefinition. Die Formulierung des Gesetzes treffe gar nicht die eigentliche Teilwertidee, sondern verfälsche sie.129 Soweit mit dem Teil­ wert die Frage beantwortet werde, inwieweit ein Gegenstand für das Unternehmen nützlich sei, sodass es im Falle des Verlusts wiederbeschafft und dementsprechend mit dem Wiederbeschaffungs- oder Wiederherstellungswert angesetzt werde, sei 125 Vgl. schon 3. Kapitel, A. VII. zu einem differenzierten Verständnis von der Konzeption des Teilwerts im früheren und heutigen Bilanzrecht. 126 RFH, U.v. 14.12.1926 – VI A 575/26, RFHE 20, 87 ff. Zur Bedeutung dieses Urteils aus­ führlich 3. Kapitel, A. V. 6. b); VI. 127 Zuerst RFH, U.v. 14.12.1926  – VI A 575/26, RFHE 20, 87, 89. Ebenso: RFH, U.v. 14.12.1927 – VI A 802/27, RFHE 22, 309, 311; U.v. 11.1.1929 – VI A 1515/28, RStBl 1929, 221, 222; U.v. 6.3.1935 – VI A 890/34, StuW 1935, Nr. 288, Sp. 685. Auffällig ist aber, dass das Gericht den Teilwert des § 6 Nr. 1 S. 3 EStG 1934 schon kurz nach Aufnahme der Defi­ nition in das Gesetz nicht mehr unmittelbar mit dem Wiederbeschaffungswert in Verbindung brachte. Statt dessen wurde teils stärker auf die Definition abgestellt und der „Gesamtkauf­ preis der wirtschaftlichen Einheit“ in den Mittelpunkt gerückt, jedoch ohne die frühere Recht­ sprechung aufzugeben, vgl. ausführlich: RFH, U.v. 19.1.1938 – VI 533/36, RFHE 43, 93, 94 f. Eine Übereinstimmung mit dem „gemeinen Verkehrswert“, also dem vom Absatzmarkt ab­ hängigen Marktwert sah der RFH insbesondere für Geschäftsgrundstücke, vgl. RFH, U.v. 9.2.1938 – VI 739/37, RFHE 43, 268; U.v. 6.4.1938 – VI 575/37, RFHE 43, 312, 314. 128 Albach, Wpg 1963, 628. Ähnlich Winkeljohann, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 6, Rn. 619. Vgl. zu den Teilwertvermutungen des BFH ausführlich unten: 4. Kapitel, B. II. 129 Wall, Wpg 1957, 545. Diese Einschätzung entspricht der hier vertretenen Ansicht zu den Fiktionen der Definition, vgl. oben: 4. Kapitel, A. I. 2.

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4. Kap.: Die Teilwertproblematik de lege lata

der Teilwertgedanke einleuchtend und überzeugend.130 Die gesetzliche Definition hingegen, die aus dem Gesamtwert den Wert des einzelnen Gegenstands inner­ halb eines Unternehmens ableiten wolle, sei „ganz offensichtlich eine gedankliche Fehlkonstruktion“, die „theoretisch voller Widersprüche“131 stecke. 2. Adolf Moxter: Mögliche Begründungen für den Ansatz des Wiederbeschaffungs- oder Wiederherstellungswerts als Teilwert Adolf Moxter sieht in der Orientierung des Teilwerts am Wiederbeschaffungsoder Wiederherstellungswert ein überholtes Teilwertverständnis. Der am indivi­ duellen (d. h. für bestimmte Personen geltenden) Beschaffungsmarkt orientierte Teilwert sei nur „unter bestimmten Umständen eine befriedigende Teilwertkonzep­ tion“132. Im Regelfall sei ein funkionales, verlustantizipatorisches Teilwertver­ ständnis die einzige sinnvolle Auslegung der Teilwertvorschrift.133 Um die Vorteile des funktionalen Teilwertverständnisses zu veranschaulichen und seine These zu rechtfertigen, „daß der Teilwert nicht im Regelfall, sondern eher im Ausnahmefall dem Wiederbeschaffungswert gleichzusetzen“ sei,134 erläu­ tert Moxter zunächst einen solchen Ausnahmefall, der seinen folgenden Überle­ gungen nicht widerspricht und demnach auch bei einem funktionalen Teilwertver­ ständnis Bestand hätte. So habe die Beteiligung eines Unternehmens A an einem anderen Unternehmen B eine besondere Bedeutung für das Unternehmen A, wenn sie zur Sicherung der Rohstoffversorgung bestehe. Diese besondere Bedeutung schlage sich in der Bereitschaft zur Zahlung eines höheren Preises nieder, als ihn Dritte zahlen würden und führe ggf. auch zu höheren Anschaffungskosten, sofern der Verkäufer von B die besondere Bedeutung kenne. Der Teilwert bilde hier den aus der Betriebsverbundenheit resultierenden Mehrwert der Beteiligung gegen­ über den markttypischen Veräußerungs- oder Beschaffungspreisen ab.135 Der als (Wieder-)Beschaffungswert konzipierte Teilwert sei in diesem Fall angemessen. Daneben verweist Moxter für einen am Wiederbeschaffungswert orientier­ ten Teilwert auf eine mögliche Argumentation aus der Eigenschaft des Teilwerts als Substanzwert, die er trotz der Vorstellung eines anderen Teilwertverständ­ 130

Wall, Wpg 1957, 546 mit Verweis auf RFH, U.v. 14.12.1926 – IV A 575/26, RFHE 20, 87, 89. 131 Wall, Wpg 1957, 546. Genauso äußerte sich Kosiol, StuW 1949, Sp.  152 über den ­Teilwert. 132 Moxter, FS Loitlsberger, S. 475. 133 Moxter, FS Loitlsberger, S. 473 f., 480. Ausführlich zum sog. funktionalen Teilwertver­ ständnis unten: 4. Kapitel, A. VI. 134 Moxter, FS Loitlsberger, S. 480. 135 Moxter, FS Loitlsberger, S. 475.

A. Der Normtext in der Literatur

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nisses für tragfähig hält:136 Der Gesamtkaufpreis des Unternehmens entspreche dem Gesamtwert des Unternehmens; er lasse sich zerlegen in einen Substanz­ wert, der sich aus den Werten der Einzelwirtschaftsgüter und Schulden zusam­ mensetze und einen Firmenwert, der ein „bilanziell grundsätzlich vernachlässig­ bares Gesamtwirtschaftsgut“137 bilde. Eine Berücksichtigung des Firmenwerts bei Bewertung der Einzelwirtschaftsgüter und Schulden mittels Rentabilitätszuschlä­ gen und -ab­schlägen komme nicht in Betracht, weil er bilanziell vernachlässig­ bar sei und die Teilwertdefinition seine Nichtberücksichtigung bereits impliziere. Für die Bewertung der Einzelwirtschaftsgüter und Schulden sei unter Berücksich­ tigung des geforderten Unternehmensfortbestands daher allein auf den Wiederbe­ schaffungswert abzustellen, weil der Substanzwert des Unternehmens „allgemein als Inbegriff der zu ihren Wiederbeschaffungswerten angesetzten Wirtschaftsgüter und Schulden verstanden“138 werde. 3. Heinrich Weber-Grellet: Der Teilwert als betriebsbezogener Wiederbeschaffungsoder Wiederherstellungswert Jüngst sprach sich auch Heinrich Weber-Grellet für einen als Wiederbeschaf­ fungs- oder Wiederherstellungswert ermittelten Teilwert aus.139 Der Teilwert müsse in das allgemeine Bewertungssystem des Steuerrechts eingebunden werden und sei daher eine bestimmte Ausformung der (fortgeführten) Anschaffungs- oder Her­ stellungskosten.140 In Abgrenzung zum gemeinen Wert sei bei seiner Ermittlung jedoch immer der betriebliche Bezug zu berücksichtigen.141 So erwiesen sich die AK/HK in bestimmten Situationen als unzureichend und bedürften deshalb der Ergänzung. Als Beispiel nennt auch Weber-Grellet die Teilwertabschreibung auf eine Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft.142 Der Wert der Beteiligung hänge maßgeblich von ihrem sog. inneren Wert ab, in dem auch der Nutzen für das Un­ ternehmen erfasst werde, das die Beteiligung erworben habe.143 Die aufgewen­

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Für die gesamte Argumentation: Moxter, FS Loitlsberger, S. 475 f., wobei er auf Groh ver­ weist, der den Teilwert seinerseits jedoch nicht durch den Wiederbeschaffungswert, sondern durch den Zeitwert ersetzen will, vgl. Groh, StuW 1976, 35 f. 137 So wörtlich: Moxter, FS Loitlsberger, S. 475. 138 So wörtlich: Moxter, FS Loitlsberger, S. 475 f. 139 Weber-Grellet, Bilanzsteuerrecht, 10. Aufl., Rn. 260. 140 Weber-Grellet, Bilanzsteuerrecht, 10. Aufl., Rn. 260. 141 Weber-Grellet in einer schriftlichen Erläuterung seiner Teilwertkonzeption vom 25.10.2008 auf Nachfrage des Verfassers. 142 Weber-Grellet, Bilanzsteuerrecht, 10.  Aufl., Rn.  263 mit Hinweis auf FG HH, U.v. 9.10.2007 – 6 K 262/04, EFG 2008, 466. 143 Sog. „endogener Funktionswert“: Weber-Grellet, Bilanzsteuerrecht, 10. Aufl., Rn.  263 mit Hinweis auf FG HH, U.v. 9.10.2007 – 6 K 262/04, EFG 2008, 466: Der verminderte in­ nere Wert einer Beteiligung hängt von vier Faktoren ab: Substanzverlust, verschlechterte Er­

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4. Kap.: Die Teilwertproblematik de lege lata

deten Beschaffungskosten könnten daher betriebsbezogen unterschiedlich sein. Zur Berücksichtigung dieser Unterschiede möchte Weber-Grellet den – ebenfalls betiebsindividuellen  – Teilwert heranziehen, der seiner Konzeption nach durch den Begriff der „betriebsbezogenen (Wieder-)Beschaffungskosten / (Wieder-)Her­ stellungs­kosten“ zu ersetzen ist.144 Geht man davon aus, dass sich der Wiederbeschaffungs- oder Wiederherstel­ lungswert bereits durch ein gewisses Maß an Betriebsbezogenheit von den fortge­ führten AK/HK unterscheidet, könnte man den Teilwert nach diesem Verständnis auch als fortgeführte, betriebsbezogene AK/HK definieren.145 Diese Konzeption des Teilwerts zeichnet sich durch einen hohen Grad an Abstraktion aus. Dadurch gelingt es, die Betriebsbezogenheit des Teilwerts in ein strenges System steuer­ rechtlicher Bewertungsmaßstäbe zu integrieren: Der Teilwert wird zu betriebs­ bezogenen fortgeführten AK/HK. Das einzige Problem des Konzepts ist die Be­ wertung des Einflusses, den die Betriebsbezogenheit auf die Werte hat.

V. Das Verhältnis von Teilwert und niedrigerem beizulegenden Wert des HGB Unbefriedigend, weil wenig ergiebig sind die in der Literatur vertretenen An­ sichten über das Verhältnis des Teilwerts zum niedrigeren beizulegenden Wert des HGB, § 253 Abs. 3 S. 3, Abs. 4 S. 2, der auch als Tageswert146 bezeichnet wird.147 Historisch betrachtet manifestiert sich im Teilwert nichts anderes als die steuer­ rechtliche Weiterentwicklung des niedrigeren beizulegenden Werts, auf den er in gerader Linie zurückgeht.148 Teleologisch betrachtet sind beide Wertmaßstäbe tragslage und -aussichten, Funktionsverlust sowie Antizipation des erwarteten Veräußerungs­ verlusts. Deutlicher noch Weber-Grellet, Bilanzsteuerrecht, 9. Aufl., S. 175: Der Teilwert sei „(exogener) Wiederbeschaffungswert […] und (endogener) Funktionswert“. 144 Weber-Grellet in einer schriftlichen Erläuterung seiner Teilwertkonzeption vom 25.10.2008 auf Nachfrage des Verfassers. Vgl. auch Weber-Grellet, Bilanzsteuerrecht, 10. Aufl., Rn. 260, Überschrift zu Pkt. 2.3.1.: „Allgemeines – der Teilwert als Wiederbeschaffungswert“. 145 Ähnlich Weber-Grellet in einer schriftlichen Erläuterung seiner Teilwertkonzeption vom 25.10.2008 auf Nachfrage des Verfassers: „Die betriebsbezogenen Beschaffungskosten sind damit vielleicht nichts anderes als die zeitlich fortgeschriebenen Anschaffungskosten.“ In die­ sem Sinne auch Weber-Grellet, Bilanzsteuerrecht, 10. Aufl., Rn. 260. 146 So Doralt, DStJG 7 (1984), 141 f. 147 Wie schon erwähnt ist der „beizulegende Zeitwert“, der in § 255 Abs. 4 HGB definiert ist, nach der Gesetzesbegründung zum BilMoG nur auf zu Handelszwecken erworbene Finanz­ instrumente anwendbar und damit nicht identisch mit dem „niedrigeren beizulegenden Wert“ aus § 253 Abs. 3 S. 3, Abs. 4 S. 2 HGB, vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung v. 30.7.2008, ­BT-DrS. 16/10067, Begründung S. 61. 148 Vgl. zur Entwicklungsgeschichte des Teilwerts ausführlich oben: 3. Kapitel, A. Zum Ur­ sprung des Teilwerts im Urteil des ROHG vom 3.12.1873 – 934/73, ROHGE 12, 15, das auf Grundlage des Art. 31 Abs. 1 ADHGB erging, vgl.: 3. Kapitel, A. II. Für die Kongruenz der his­ torischen Wurzeln von Teilwert und beizulegendem Wert auch Doralt, DStJG 7 (1984), 142 f.

A. Der Normtext in der Literatur

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ebenfalls eng verwandt, weil beide bei Wirtschaftsgütern (handelsrechtlich Ver­ mögensgegenständen149) des Anlagevermögens (§ 253 Abs. 3 S. 3 HGB) und des Umlaufvermögens (§ 253 Abs. 4 S. 2 HGB) der Aufnahme außerplanmäßiger Ab­ schreibungen dienen.150 Dies gilt umso mehr, nachdem die Voraussetzungen des § 253 Abs. 3 HGB für den Ansatz des niedrigeren beizulegenden Wertes durch das BilMoG vom 25.5.2009151 den steuerlichen Bewertungsvorschriften angenähert wurde, indem auf das Abschreibungswahlrecht bei vorübergehenden Wertminde­ rungen (vgl. § 253 Abs. 2 S. 3 HGB a. F.) verzichtet wurde. Dennoch können beide Wertmaßstäbe nicht als identisch angesehen werden.152 Das derzeitige Verhältnis zwischen Teilwert und niedrigerem beizulegendem Wert bedarf vielmehr einer differenzierten Betrachtung, die im Rahmen der vor­ liegenden Arbeit im Hinblick auf die Frage erörtert werden soll, ob der niedri­ gere bei­zulegende Wert als Alternative zum Teilwert im Steuerrecht in Betracht kommt.153

VI. Das funktionale oder bilanzzweckadäquate Teilwertverständnis Mit der Erkenntnis, dass sich die Bedeutung des Teilwerts allein aus der Defi­ nition heraus nicht hinreichend ergründen lässt, gewinnt unweigerlich die Frage nach Sinn und Zweck des Teilwerts im Rahmen der steuerlichen Bilanzierung we­ sentlich an Bedeutung. Ein Teil der Literatur hat auf dieser Frage aufbauend ein sog. funktionales154 oder bilanzzweckadäquates155 Teilwertverständnis als Grund­ lage für die Wertfindung entwickelt. Im Mittelpunkt dieses funktionalen Teilwertverständnisses steht der Teilwert als Verlustantizipationsmaßstab.156 Grundlage des so verstandenen Wertes soll das 149

Für die Synonymität etwa BFH, B.v. 26.10.1087 – GrS 2/86, BStBl II 1988, 348, 352. Baumbach/Hopt/Merkt, HGB, 34.  Aufl., § 253, Rn.  13. Ausführlich unten: 5.  Kapitel, B. VII. 1. a). 151 BGBl I 2009, 1102, 1103. 152 So auch: Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 20. Aufl., § 17, Rz. 144; Winkeljohann, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 6, Rn. 618 ff.; Müller-Dott, StbJb 1988/1989, 168 f.; Groh, StuW 1976, 35 f. A. A. Steuerreformkommission 1971, Abschnitt V, Tz. 136, S. 462; Hoffmann, in: Littmann/Bitz/Pust, § 6, Rn.  413, 480; Weber-Grellet, Bilanzsteuerrecht, 10. Aufl., Rn.  260; Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 19. Aufl., § 17, Rz. 144; Doralt, DStJG 7 (1984), 143, 151, 152; Mellwig, FS Moxter, S. 1084, 1088. Unentschieden Werndl, in: Kirchhof/Söhn/Melling­ hoff, § 6, Rn. B 343. 153 Vgl. dazu ausführlich unten: 5. Kapitel, B. VII. 154 Moxter, FS Loitlsberger, S. 473 ff. Inhaltlich in die gleiche Richtung gehend: ders., FS Klein, S. 827 ff; ders., Bilanzrechtsprechung, 6. Aufl., S. 273 ff. 155 Mellwig, FS Moxter, S. 1069 ff. 156 Dazu Moxter, FS Loitlsberger, S. 473 ff.; ders., FS Klein, S. 827 ff.; ders., Bilanzrechtspre­ chung, 6. Aufl., S. 273 ff.; Mellwig, FS Moxter, S. 1069 ff., 1076 ff. 150

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4. Kap.: Die Teilwertproblematik de lege lata

dem Realisationsprinzip untergeordnete157 Imparitätsprinzip des § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB sein, demzufolge „alle vorhersehbaren Risiken und Verluste, die bis zum Ab­ schlussstichtag entstanden sind, zu berücksichtigen“ sind. Verluste können nach dieser Ansicht grundsätzlich entweder als Wertminderung eines Wirtschaftsguts bzw. als Wertsteigerung eines Schuldpostens oder als anteiliger Aufwandsüber­ schuss in der GuV, d. h. als Überschuss der Aufwendungen über die Erträge, ver­ standen werden.158 Angesichts des Realisationsprinzips, demzufolge die Ermitt­ lung des entziehbaren Vermögensüberschusses Zweck der Vermögensermittlung sei,159 müsse der zu antizipierende Verlust nach den drohenden künftigen Auf­ wandsüberschüssen bemessen werden.160 Dass der Teilwert dem Imparitätsprinzip dienen soll, obwohl für die Steuer­ bilanz nicht die vorsichtige Bewertung, sondern die Erfassung des vollen Ge­ winns im Vordergrund steht, wird einerseits aus der Eigenschaft als niedrigerer oder höherer Wert im Vergleich zu den AK/HK161 und andererseits aus der Maß­ geblichkeit der handelsrechtlichen GoB – zu denen das Imparitätsprinzip gehört – für die steuerrechtliche Bewertung (§ 5 Abs.  1 EStG) geschlossen162. Allerdings sollen der unterschiedliche Wortlaut, die Entstehungsgeschichte der Teilwertvor­ schrift und der unterschiedliche Zweck von Handels- und Steuerbilanz darauf hindeuten, dass es Aufgabe des Teilwerts sei, die handelsrechtliche Verlustanti­ zipation zu begrenzen:163 Während das Handelsrecht allein auf Aufwandsüber­ schüsse aus Abgangs- bzw. Veräußerungsverlusten abstelle, berücksichtige das Bilanzsteuerrecht die vor dem Abgang, also während der betrieblichen Nutzung zu erwartenden Erträge, durch die die Abgangsverluste (teilweise)  kompensiert würden.164 Die Ermittlung des Teilwerts soll nach dieser Ansicht mittels einer sog. direk­ ten Verlustbestimmung erfolgen, indem die dem Wirtschaftsgut zurechenbaren zu erwartenden Nettoeinnahmen mit dem Buchwert am Abschlussstichtag ver­ glichen werden.165 Übersteige der Buchwert die Nettoeinnahmen, liege in dieser Höhe ein zukünftiger Verlust vor, der eine Teilwertabschreibung rechtfertige. Den Wiederbeschaffungskosten komme eine ergänzende Bedeutung zu, wenn Verein­ fachungserfordernisse etwa bei Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen dazu zwängen oder wenn objektive Kriterien erwarten ließen, dass sich die Veräußerungspreise 157

Moxter, FS Klein, S. 831 f. Ausführlich Moxter, FS Klein, S. 828 ff., 832; ders., FS Loitlsberger, S. 476 f. 159 Moxter, FS Klein, S. 831; ders., FS Loitlsberger, S. 478. 160 Moxter, FS Loitlsberger, S. 477. Ähnlich ders., FS Klein, S. 832: Verluste nach drohenden Ausschüttungsbelastungen. 161 So Moxter, FS Loitlsberger, S. 475. 162 So Mellwig, FS Moxter, S. 1085, der Teilwert und handelsrechtlichen niedrigeren beizu­ legenden Wert (§ 253 Abs. 3, S. 3, Abs. 4 S. 2 HGB) für identisch hält. 163 Moxter, FS Loitlsberger, S. 479. 164 Moxter, FS Loitlsberger, S. 479. 165 Moxter, FS Klein, S. 832 f. 158

A. Der Normtext in der Literatur

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bis zum Veräußerungstag parallel zu den Wiederbeschaffungskosten entwickeln würden.166 Wenn auch das Festmachen einer – entsprechend abstrahierten – Teilwertkon­ zeption an der Funktion des Wertmaßstabs eine sinnvolle Herangehensweise für die Wertermittlung sein mag, so enthält doch der als Verlustmaßstab konzipierte Teilwert zwei schwerwiegende Nachteile: Wenn die Hauptaufgabe des Teilwerts darin gesehen wird, im Vergleich zum niedrigeren beizulegenden Wert des § 253 Abs.  3 S.  3, Abs.  4 S.  2 HGB „die handelsrechtliche Verlustantizipation zu begrenzen“167, so wird der Einfluss der Handelsbilanz über das Maßgeblichkeitsprinzip überbewertet und die Eigen­ ständigkeit der steuerbilanziellen Entwicklung seit Beginn des zwanzigsten Jahr­ hunderts ignoriert. Die Hauptaufgabe des Teilwerts liegt nämlich vielmehr in der Aufnahme unplanmäßiger Wertminderungen, und zwar zur Berücksichtigung der tatsächlichen, vollen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Steuerpflichti­ gen. Eine Begrenzung der Abschreibungen im Vergleich zum beizulegenden Wert geht mit dieser Funktion einher, ohne selbst originäre Funktion des Teilwerts zu sein. Darüber hinaus wird der Teilwert in Höhe des Betrages, um den die handels­ rechtliche Verlustantizipation begrenzt wird, von den zurechenbaren, erwarteten Nettoeinnahmen, also von der Ertragslage des Unternehmens abhängig gemacht. Der Teilwert wird so pauschal – mit Ausnahme der Fälle, in denen der Wiederbe­ schaffungs- oder Wiederherstellungswert anzusetzen ist – zum Ertragswert. Gegen diese Auslegung bestehen aber wie dargelegt erhebliche Vorbehalte.168 Zudem vernachlässigt die Konzeption, dass das Gesetz „die Bilanz in den Dienst der Rechnungslegung und nicht in den Dienst der Finanzierung“169 stellt. Von die­ ser Voraussetzung ging schon das ROHG in seiner für den Teilwert grundlegenden Entscheidung aus.170 Die Aufgaben der Bilanz liegen also in erster Linie in der Re­ chenschaftslegung über die Vergangenheit, nicht in der Zukunftsplanung. Die verlustantizipatorische Teilwertkonzeption kann daher nicht überzeugen.

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Vgl. Moxter, FS Klein, S. 834 f; ders., FS Loitlsberger, S. 479 f. Moxter, FS Loitlsberger, S. 479. 168 Vgl. bereits die Rechtsprechung des RG, dazu oben: 3. Kapitel, A. V. 1. sowie ausführlich oben: 4. Kapitel, A. II. 1. 169 Wörtlich: Döllerer, JbFAStR 1979/1980, 196. Ähnlich bereits ders., BB 1962, S.  189. Ausführlich oben: 2. Kapitel, A. II. 1.c). 170 Vgl. oben 3. Kapitel, A. II. 2. b) zu ROHG, II. Senat, Urteil vom 3.12.1873 – Rep. 934/73, ROHGE 12, 15, 17. 167

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4. Kap.: Die Teilwertproblematik de lege lata

VII. Zusammenfassung Die Literaturmeinungen zur Auslegung des Teilwerts sind vielfältig.171 Auf­ grund der theoretischen Widersprüche und praktischen Schwierigkeiten der Wert­ ermittlung eröffnete die Definition des § 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG der Wissenschaft die Möglichkeit, den Teilwert in alle denkbaren Richtungen zu interpretieren. Das Meinungsspektrum reicht dabei vom Ruf nach der Abschaffung des Wertes172 über theoretische Konstruktionen zu seiner reinen Erklärung173 bis hin zu konkreten Er­ mittlungsvorschlägen, die vor allem in der Suche nach einem vergleichbaren oder gar identischen Wertmaßstab bestanden174. Überzeugend kann keine Konstruktion den Teilwert erklären. So ignorieren etwa diejenigen Autoren, die auf den Gesamtkaufpreis des Unternehmens abstel­ len, die Tatsache, dass die Definition eine vereinfachte und verzerrte Wiedergabe der ursprünglichen Teilwertidee ist. Der Versuch, den Teilwert als vom Ertrag des Gesamtunternehmens abhängigen Wert zu ermitteln, war deshalb schon im An­ satz verfehlt. Sinnvoll erscheint eine Beachtung der vielfältigen Funktionen des Teilwerts im Rahmen der steuerrechtlichen Bilanzierung175 als wesentliches Kriterium eines geeigneten Teilwertverständnisses. Die Bestimmung des Teilwerts als Verlust­ antizipationsmaßstab, der die handelsrechtlichen außerplanmäßigen Abschreibun­ gen begrenzt,176 wird diesem Ansatz allerdings nicht gerecht. Immerhin lassen sich aus den Erklärungsversuchen der steuerrechtlichen Litera­ tur Schlussfolgerungen zur theoretischen Konzeption des Teilwerts einerseits und seiner praktischen Bestimmung andererseits ziehen. So besteht die einzige Mög­ lichkeit, die Konzeption sinnvoll zu Ende zu denken, in einer mittels teleologi­ scher und historischer Auslegung begründeten zweifachen Abstraktion vom Wort­ laut der Definition:

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Neben den vorgestellten Ansichten wurden auch noch andere vertreten. Vom Absatz­ markt machte etwa Zitzlaff (StuW 1941, Sp. 195) den Teilwert abhängig. Wie mit dem „gerin­ geren Wert“ des § 133 Ziff. 1 Abs. 2 AktG 1937 sei der (Einzel-)Veräußerungswert gemeint. ­Moxter (FS Loitlsberger, S. 475) weist zu Recht darauf hin, dass ein solcher Wert nicht grund­ sätzlich mit dem Teilwert gleichgesetzt werden könne, weil mit der Betriebsverbundenheit eine „wesent­liche Teilwerteigenschaft“ unberücksichtigt bleibe. 172 Z. B. Hoffmann, StuW 1947, Sp. 526; Wall, Wpg 1957, 544 ff.; Heigl, StuW 69, Sp. 490; Schneider, Wpg 1969, 305 ff.; WissB. Ernst&Young, Abschaffung des Teilwerts, BB 2004, Beil. 3, S. 11. Gegen den Trend hat sich Bühler schon 1948 klar für die Beibehaltung des Teilwerts ausgesprochen, vgl. Bühler, BB 1948, S. 287. 173 Z. B. Moxter, FS Loitlsberger, S. 473 ff. 174 Z. B. Doralt, DStJG 7 (1984), 143, 151, 152: Identisch mit beizulegendem Wert; WeberGrellet, Bilanzsteuerrecht, 10. Aufl., Rn. 260: Identisch mit Wiederbeschaffungswert. 175 Zu den Funktionen des Teilwerts bei der Bilanzierung oben: 2. Kapitel, B. II. 176 Vgl. Moxter, FS Loitlsberger, S.  473 ff.; ders., FS Klein, S.  827 ff.; ders., Bilanzrecht­ sprechung, 6. Aufl., S. 273 ff.

B. Der Teilwert in der Rechtsprechung der Finanzgerichte

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Nur wenn das Merkmal des Fortbestands als Notwendigkeit zur Berücksichti­ gung der Betriebszugehörigkeit des Wirtschaftsguts und diese als Notwendigkeit zur betriebsindividuellen Bewertung am Maßstab der Betriebsnotwendigkeit ver­ standen wird, überzeugt der Teilwert als durchdachter, systemgerechter und leis­ tungsabhängiger Bewertungsmaßstab. Vollständig von der Konzeption des Teilwerts zu lösen ist nach wie vor177 die Frage nach der praktischen Bestimmung. Die schon im 19. Jahrhundert durchge­ führte näherungsweise Bestimmung des Teilwerts mittels Schätzung zeigt ebenso, wie die Orientierung an marktpreisabhängigen Wertmaßstäben, dass die Definition keine Anordnung zur praktischen Wertermittlung trifft.

B. Der Teilwert in der Rechtsprechung der Finanzgerichte Nicht die theoretische Konzeption, sondern die Wertermittlung steht im Mittel­ punkt der Teilwertfragen der Rechtsprechung. Die in diesem Zusammenhang er­ gangenen Entscheidungen befassen sich zumeist mit der Teilwertabschreibung auf aktive Wirtschaftsgüter des Anlage- oder Umlaufvermögens nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 2, Nr. 2 S. 2 EStG, jedoch gelten die im Folgenden dargestellten Grund­ sätze auch für die Bewertung von Entnahmen und Einlagen (§ 6 Abs.  1 Nr.  4, 5 EStG).178 Die praktische Bestimmung des Teilwerts folgt einem System aus Grenz­werten und Vermutungen, deren Tradition in der Finanzrechtsprechung ebenso lang ist wie die des Teilwerts selbst.179 Das Erfordernis insbesondere der Teilwertvermutungen ergibt sich daraus, dass der Teilwert mangels geeigneter Definitionsmerkmale nur durch eine Schätzung ermittelt werden kann.180 Das Ergebnis der Schätzung muss plausibel, d. h. schlüssig, wirtschaftlich möglich und vernünftig sein und allgemei­ nen Schätzgrundsätzen, Erfahrungssätzen und Denkgesetzen ent­sprechen.181 Die mit der Schätzung einhergehende vollständige Loslösung der Teilwertbestimmung von der Definition ist eine seltene Besonderheit des Teilwerts – und nicht zuletzt Anlass für die Verfassung der vorliegenden Arbeit. 177 Vgl. zur theoretischen Konzeption des Fortbestandswerts bis 1934 oben: 3.  Kapitel, A. VII. 1. 178 Werndl, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 6, Rn. E 26; WissB. Ernst&Young, Abschaffung des Teilwerts, BB 2004, Beil. 3, S. 9. 179 Vgl. schon das Urteil des RFH, U.v. 14.12.1926 – VI A 575/26, RFHE 20, 87, 89, in dem dieser erstmalig den Begriff „Teilwert“ verwendete und ihn über die Wiederbeschaffungs­kosten bestimmen wollte. 180 BFH, B.v. 26.10.1995  – I B 20/95, BFH/NV 1996, 378; Schmidt/Glanegger, 28. Aufl. 2009, § 6, Rn. 216. 181 BFH, B.v. 26.10.1995 – I B 20/95, BFH/NV 1996, 378 m. w. N.; Ehmcke, in: Blümich, § 6, Rn. 600.

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4. Kap.: Die Teilwertproblematik de lege lata

I. Die Teilwertgrenzen Die zur Teilwertermittlung herangezogenen Schätzungen bewegen sich in einem Rahmen, der nach oben und nach unten strikt begrenzt ist. Die sog. Teilwert­ grenzen erwachsen aus kaufmännischen Überlegungen und der Systematik der Bi­ lanzierungsregeln und sind damit nicht nur das Produkt, sondern eine Vorgabe für die Teilwertschätzung durch die Finanzgerichte. Der Ausgangspunkt für die Bestimmung des Teilwerts ist seine Eigenschaft als Vergleichsmaßstab zu den Anschaffungs- und Herstellungskosten.182 Da mit dem Teilwert der Wert für den Betrieb, d. h. die konkrete Betriebsbezogenheit wert­ mäßig berücksichtigt werden soll, „korrigiert“ er die (abgeschriebenen) AK/HK zu einem tatsächlichen aktuellen Wert,183 wobei der gesetzliche Anwendungsbereich die Korrektur teilweise nur entweder nach unten (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 2, Nr. 2 S. 2 EStG) oder nach oben (§ 6 Abs. 1 Nr. 3 S. 1 EStG) erlaubt. Von entscheidender Be­ deutung für diese Korrektur ist die auf kaufmännischen Grundsätzen be­ruhende184, in der Teilwertdefinition verankerte Frage, wie der fiktive Betriebserwerber, der für den Fortbestand des Betriebs dieselben Überlegungen anstellen würde wie der bisherige Inhaber, das konkrete Wirtschaftsgut oder die konkrete Verbindlichkeit bewerten würde. Aus dieser Überlegung heraus ergibt sich als Untergrenze der Teilwertbewer­ tung, dass ein Gegenstand nicht weniger Wert sein kann, als sein gemeiner Wert zum Bilanzstichtag, der dem Einzelveräußerungspreis entspricht.185 Als Einzel­ veräußerungspreis wird von der Rechtsprechung in diesem Zusammenhang der Preis bezeichnet, den der Steuerpflichtige hätte erzielen können, wenn er das Wirt­ schaftsgut am Bilanzstichtag einzeln ohne Berücksichtigung der Betriebszugehö­ rigkeit veräußert hätte.186 Das sei mindestens der Material-/Schrottwert abzüglich der Veräußerungskosten.187 Von Bedeutung ist dieser Wert für Wirtschaftsgüter, die für den Betriebsablauf in Zukunft entbehrlich sind und deshalb im Falle ihres Ver­ lusts nicht wiederbeschafft würden.188 Auf der anderen Seite würde ein Kaufmann für ein Wirtschaftsgut auch dann nicht mehr als die Wiederbeschaffungskosten aufwenden, wenn es für den Betrieb 182

Zum Bewertungskonzept des EStG ausführlich oben: 2. Kapitel, B. I. 2. a). Weber-Grellet, Bilanzsteuerrecht, 10. Aufl., Rn. 260. 184 So Werndl, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 6, Rn. 359. 185 BFH, U.v. 4.12.1986  – IV R 162/85, BFH/NV 1987, 296, 297; U.v. 17.9.1987  – III R 201–202/84, BStBl II 1988, 488, 489; Schmidt/Glanegger, 28. Aufl. 2009, § 6, Rn. 226, 228; Werndl, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 6, Rn.  B 359; Winkeljohann, in: Herrmann/Heuer/ Raupach, § 6, Rn. 616. 186 BFH, U.v. 4.12.1986 – IV R 162/85, BFH/NV 1987, 296, 297. 187 BFH, U.v. 2.3.1973 – III R 88/69, BStBl II 1973, 475, 477; Winkeljohann, in: Herrmann/ Heuer/Raupach, § 6, Rn. 616. 188 BFH, U.v. 5.3.1972 – IV R 118/70, BStBl II 1973, 207, 208; Winkeljohann, in: Herrmann/ Heuer/Raupach, § 6, Rn. 616. 183

B. Der Teilwert in der Rechtsprechung der Finanzgerichte

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unbedingt notwendig ist. Die Obergrenze der Teilwertbewertung wird dement­ sprechend durch den Wert der Wiederbeschaffungskosten oder – für selbst herge­ stellte fertige oder unfertige Erzeugnisse – der Wiederherstellungskosten (Wieder­ beschaffungs- oder Wiederherstellungswert) markiert, wobei von den Verhältnissen des zu bewertenden Unternehmens auszugehen ist, wie sie sich am Bewertungs­ stichtag darstellen.189 Aufgrund des Realisationsprinzips können die WBK/WHK ihrerseits nicht höher sein als die historischen AK/HK.190 Da diese Teilwertgrenzen zugleich für mehrere Arten von Wirtschaftsgütern wichtige Teilwertvermutungen sind, wird hier auf die Darstellung von Einzelheiten verzichtet.

II. Die Teilwertvermutungen Anders als die Teilwertgrenzen sind die Teilwertvermutungen ein Hilfsmittel der Finanzrechtsprechung, durch das die Teilwertermittlung vereinfacht werden soll.191 Nicht die Systematik des Bilanzrechts, sondern allein durch Erfahrung ab­ gesicherte Praktikabilitätserwägungen legitimieren die Schätzungen.192 Die Ver­ mutungen besitzen daher keine Rechtsverbindlichkeit.193 Sie wirken vielmehr wie ein Anscheinsbeweis, dessen Widerlegung demjenigen obliegt, der ihre Richtig­ keit in Frage stellt.194 Zur Widerlegung müssen die Tatsachen, die die Schätzung eines von der Vermutung abweichenden Teilwerts rechtfertigen, dargelegt werden (objektive Feststellungslast).195 Entgegen vereinzelt auch vom BFH vertretener Ansicht196 kann daraus jedoch nicht der Schluss gezogen werden, dass die Teilwertermittlung eine Tatfrage sei. Denn die Bewertung ist ein Vorgang der Rechtsanwendung, der auch dem BFH als Revisionsgericht (§ 118 Abs. 2 FGO) zusteht. Folgerichtig handelt es sich bei den Teilwertvermutungen nicht um Tatsachenvermutungen im verfahrensrechtlichen Sinne. Das zeigt sich auch daran, dass eine Teilwertvermutung nicht als Beweis­ 189 BFH, U.v. 19.5.1972 – III R 21/71, BStBl II 1972, 748, 749; U.v. 20.7.1973 – III R 100– 101/72, BStBl II 1973, 794, 795; Schmidt/Glanegger, 28. Aufl. 2009, § 6, Rn. 226, 227. 190 Werndl, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 6, Rn. B 359. 191 BFH, U.v. 4.3.1998 – X R 151/94, BFH/NV 1998, 1086, 1089; Winkeljohann, in: Herr­ mann/Heuer/Raupach, § 6, Rn.  586; Werndl, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 6, Rn.  357; Schmidt/Glanegger, 28. Aufl. 2009, § 6, Rn. 229. 192 BFH, U.v. 20.8.2003 – I R 49/02, BStBl II 2003, 941, 942 f. (Forderungen); Werndl, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 6, Rn. B 357. 193 Winkeljohann, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 6, Rn. 586. 194 Winkeljohann, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 6, Rn.  586; Werndl, in: Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, § 6, Rn. B 358. 195 BFH, U.v. 8.5.1981 – III R26/79, BStBl II 1981, 702, 703 f.; U.v. 12.4.1989 – II R 213/85, BStBl 1989, 545, 546; U.v. 19.5.1998  – IV R 54/97, BStBl II 1999, 277 f.; Winkeljohann, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 6, Rn. 586, 598; Werndl, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 6, Rn. 358. Näher zur Widerlegung der Vermutungen unten: 4. Kapitel, B. II. 4. 196 BFH, U.v. 26.11.1987 – IV R 171/85, BStBl II 1988, 490, 491 f. Ebenso Werndl, in: Kirch­ hof/Söhn/Mellinghoff, § 6, Rn. B 358.

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4. Kap.: Die Teilwertproblematik de lege lata

erleichterung für die beweisbelastete Partei, den Steuerpflichtigen, sondern für dessen Gegner, die Finanzverwaltung, wirkt. Wie Ehmcke zu Recht feststellt,197 reicht es nicht aus, wenn der Steuerpflichtige eine Teilwertvermutung durch Dar­ tun der ernstlichen Möglichkeit eines vom gewöhnlichen Verlauf abweichenden Ganges des Geschehens entkräftet. Vielmehr muss er das Vorliegen der Umstände, die eine Teilwertabschreibung rechtfertigen, beweisen. Die Teilwertvermutungen sind damit ihrem Rechtscharakter nach nichts anderes als systematisierte, standardisierte Schätzungen. Das Bestehen oder Nichtbestehen einer Teilwertvermutung hat dementsprechend keinen Einfluss auf die Teilwert­ ermittlung durch die Finanzgerichte oder den BFH; weder die Beweislast noch die Möglichkeit des BFH zur Ermittlung des Teilwerts auf Grundlage der „tatsäch­ lichen Feststellungen“ (§ 118 Abs. 2 FGO) wird dadurch beeinflusst. Das System der Teilwertvermutungen orientiert sich an der Frage, wie viel ein Erwerber am Bewertungsstichtag für den fraglichen Bilanzposten in dem vor­ liegenden Zustand zahlen würde. Dementsprechend ist grob zwischen den ver­ schiedenen Bewertungszeitpunkten und den verschiedenen Arten von Wirtschafts­ gütern zu differenzieren. Insgesamt hat sich eine ausgesprochen differenzierte Rechtsprechung für alle möglichen Bilanzposten entwickelt, auf deren Dar­stellung hier verzichtet wird.198 1. Vermutungen für betriebsnotwendige Wirtschaftsgüter zum Zeitpunkt der Anschaffung oder Herstellung Für den Zeitpunkt der Anschaffung bzw. Herstellung stellte schon der RFH in seinem grundlegenden Urteil vom 14.12.1926199 die Vermutung auf, dass der Teil­ wert betriebsnotwendiger Wirtschaftsgüter den tatsächlichen AK/HK entspricht.200 Mit dem Argument, dass die AK/HK für den Anschaffungs- bzw. Herstellungszeit­ punkt die objektiven Wertverhältnisse am Absatz- oder Beschaffungsmarkt aus­ drücken, kann die Vermutung für sämtliche Wirtschaftsgüter des Anlage- und Um­ laufvermögens überzeugend begründet werden.201 Theoretisch müssen die AK/HK 197

Ehmcke, in: Blümich, § 6, Rn. 600. Vgl. statt dessen ausführlich z. B. Winkeljohann, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 6, Rn. 586–597; Schmidt/Glanegger, 28. Aufl. 2009, § 6, Rn. 229 ff. 199 RFH, U.v. 14.12.1926 – VI A 575/26, RFHE 20, 87, 89. 200 Ebenso in st.Rspr. z. B.: BFH, B.v. 25.10.1972 – GrS 6/71, BStBl II 1973, 79, 81; B.v. 12.8.1998 – IV B 4/98, BFH/NV 1999, 305 (Weinberg); U.v. 25.7.2000 – VIII R 35/97, BStBl II 2001, 566, 568 (für Waren); U.v. 28.6.2001 – IV R 40/97, BStBl II 2001, 717, 719 f. Ebenso Schmidt/Glanegger, 28. Aufl. 2009, § 6, Rn. 230; Winkeljohann, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 6, Rn. 587; Weber-Grellet, Bilanzsteuerrecht, 10. Aufl., Rn. 266. 201 Sog. Vermutung der Gegenwertigkeit von Aufwendungen. Vgl. Werndl, in: Kirchhof/ Söhn/Mellinghoff, § 6, Rn. B 366 mit Hinweis auf BFH, U.v. 11.7.1961 – I 311/60 S, BStBl III 1961, 462. 198

B. Der Teilwert in der Rechtsprechung der Finanzgerichte

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zu diesem Zeitpunkt den WBK/WHK entsprechen. Auch im Falle überhöhter und erzwungener Aufwendungen, die für einen außenstehenden Dritten in einem Un­ gleichgewicht zum Wert des Wirtschaftsguts stehen, solange er nicht die beson­ dere Beziehung des Wirtschaftsguts zu dem Betrieb kennt, soll sich der Teilwert nach der Vermutung mit den tatsächlichen AK/HK decken, sodass eine „Teilwert­ abschreibung“ auf den dem objektiven Wert entsprechenden Betrag nicht in Be­ tracht kommt.202 Etwas anderes gilt nur, sofern betriebsfremde, rein persönliche Überlegungen der Lebensführung zur Bezahlung eines überhöhten Preises geführt haben.203 2. Vermutungen für betriebsnotwendige Wirtschaftsgüter zu späteren Zeitpunkten Liegt der Bewertungszeitpunkt zeitlich nach der Anschaffung oder Herstel­ lung des zu bewertenden Bilanzpostens, richten sich die Vermutungen zur Bestim­ mung des Teilwerts nach der Art des Wirtschaftsguts und damit nach seiner übli­ chen Wertentwicklung. Dabei ist im Normalfall von der Betriebsnotwendigkeit des Gutes auszugehen.204 Für die Betriebsnotwendigkeit eines Wirtschaftsguts spricht nach der Rechtsprechung des BFH die Tatsache, dass der Steuerpflichtige das Wirtschaftsgut behalten und für betriebliche Zwecke verwendet oder zu­mindest vorgehalten hat.205 a) Nicht abnutzbare Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, § 6 Abs. 1 Nr. 2 S. 2, 3 EStG Da nicht abnutzbare Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens allein durch In­ betriebnahme oder Zeitablauf nicht an Wert verlieren, würde ein Kaufmann auch Jahre nach dem Zeitpunkt der Anschaffung oder Herstellung noch die vollen aktu­ ellen Anschaffungs- oder Herstellungskosten aufwenden, um ein betriebsnotwen­ diges Wirtschaftsgut dieser Art im Falle seines Fehlens zu beschaffen. Die zum 202 RFH, U.v. 26.6.1935  – VI A 475/34, RStBl 1935, 1496, 1497; BFH, U.v. 4.3.1998  – X R 151/94, BFH/NV 1998, 1086, 1089; B.v. 12.8.1998 – IV B 4/98, BFH/NV 1999, 305; U.v. 7.2.2002 – IV R 87/99, BStBl II 2002, 294, 295; U.v. 26.6.2007 – IV R 71/04, BFH/NV 2008, 347, 348. Vgl. auch Winkeljohann, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 6, Rn. 588 m. w. N.; Kleinle, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 6, Rn. 1007 m. w. N. 203 RFH, U.v. 25.9.1929  – VI A 1085/28, StuW 1929 Nr.  977, Sp.  1707, 1709; BFH, B.v. 25.10.1972 – GrS 6/71, BStBl II 1973, 79, 81; B.v. 12.8.1998 – IV B 4/98, BFH/NV 1999, 305. 204 Zu den Teilwertvermutungen für entbehrliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens vgl. unten: 4. Kapitel, B. II. 3. 205 BFH, U.v. 4.3.1998  – X R 151/94, BFH/NV 1998, 1086, 1090; B.v. 12.8.1998  – IV B 4/98, BFH/NV 1999, 305.

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4. Kap.: Die Teilwertproblematik de lege lata

Zeitpunkt der Anschaffung oder Herstellung geltende Vermutung greift daher auch zu späteren Zeitpunkten.206 Somit wird vermutet, dass der Teilwert zu späteren Be­ wertungsstichtagen den aktuellen AK/HK, also den WBK/WHK entspricht.207 Nur wenn diese gegenüber den tatsächlichen AK/HK (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 2 S. 1 EStG) gesunken sind, ist der Teilwertansatz gem. § 6 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 EStG statthaft. Die Vermutung gilt für Beteiligungen ebenso wie für Grund und Boden208 und im Falle überhöhter oder erzwungener Aufwendungen.209 Bei Grundstücken kommt dem gemeinen Wert besondere Bedeutung zu, wenn sich die WBK/WHK aus diesem ableiten lassen.210 b) Abnutzbare Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens einschließlich des Firmenwertes, § 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 2–4 EStG Für das abnutzbare Anlagevermögen soll eine Vermutung dafür sprechen, dass der Teilwert zu Bewertungsstichtagen, die nach dem Tag der Anschaffung oder Herstellung liegen, den um lineare211 AfA verminderten AK/HK entspricht.212 Je nachdem, ob für das zu bewertende Wirtschaftsgut ein Marktwert besteht oder nicht, soll entweder von den entsprechend gesunkenen WBK/WHK, die der Steuer­pflichtige zum Zeitpunkt der Bewertung aufwenden müsste,213 oder von den

206

So BFH, U.v. 21.7.1982  – I R 177/77, BStBl II 1982, 758, 760; Schmidt/Glanegger, 28. Aufl. 2009, § 6, Rn. 231. Kritisch zu dieser Teilwertvermutung für Finanzanlagevermögen, Kunstgegenstände anerkannter Meister, Ausstellungs- und Sammlungsstücke sowie Grund­ stücke Gabert, FR 2009, 812. 207 BFH, U.v. 4.12.1991 – I R 148/90, BStBl II 1992, 383, 385; B.v. 12.8.1998 – IV B 4/98, BFH/NV 1999, 305; U.v. 7.2.2002 – IV R 87/99, BStBl II 2002, 294, 295; Weber-Grellet, Bi­ lanzsteuerrecht, 10. Aufl., Rn. 267. Missverständlich Werndl, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 6, Rn. 377. 208 Werndl, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 6, Rn. 377; WissB. Ernst&Young, Abschaffung des Teilwerts, BB 2004, Beil. 3, S. 8. Ausführlich zu Teilwertvermutungen und Widerlegung bei Beteiligungen Mäscher, S. 76 ff. 209 BFH, B.v. 12.8.1998 – IV B 4/98, BFH/NV 1999, 305 m. w. N. Vgl. zur Begründung oben: 4. Kapitel, B. II. 1. 210 BFH, U.v. 25.8.1983 – IV R 218/80, BStBl II 1984, 33, 34 f.; U.v. 8.9.1994 – IV R 16/94, BStBl II 1995, 309, 310. 211 BFH, U.v. – II R 237/83, BStBl II 1989, 183, 184; Werndl, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 6, Rn. B 373. 212 BFH, U.v. 12.4.1989 – II R 213/85, BStBl II 1989, 545, 546; U.v. 4.10.1989 – II R 72/86, BStBl II 1989, 962, 963. Vgl. auch Winkeljohann, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 6, Rn. 595; Werndl, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 6, Rn. B 376. Missverständlich Schmidt/Glanegger, 28. Aufl. 2009, § 6, Rn. 232 mit Hinweis auf BFH, U.v. 17.1.1978 – VIII R 31/75, BStBl II 1978, 335, 336. 213 So insbes. bei marktgängigen Wirtschaftsgüter, vgl. schon RFH, U.v. 30.6.1927 – IV A 265/27, RStBl 1927, 196, 197 (Automobil). Ebenso BFH, U.v. 19.10.1972 – I R 244/70, BStBl II 1973, 54, 55 (Gebäude und techn. Anlagen). Vgl. auch Weber-Grellet, Steuerbilanzrecht, § 19, Rn. 9; ders., Bilanzsteuerrecht, 10. Aufl., Rn. 267.

B. Der Teilwert in der Rechtsprechung der Finanzgerichte

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fortgeführten tatsächlichen AK/HK214 auszugehen sein. Der Teilwert entspricht in diesem Fall dem Wiederbeschaffungs- oder Wiederherstellungswert, der ausge­ hend von den aktuellen AK/HK durch Abzug von alters- und abnutzungsadäqua­ ten AfA ermittelt wird.215 Besondere Probleme bereitet der Teilwert des Firmenwerts, der aufgrund der Regelungen der §§ 7 Abs. 1 S. 3, 5 Abs. 2 EStG bei entgeltlichem Erwerb als im­ materielles abnutzbares Wirtschaftsgut des Anlagevermögens zu aktivieren ist.216 Nach der sog. Einheitstheorie217 „verflüchtigt sich der entgeltlich erworbene Fir­ menwert allmählich und wird durch einen selbst geschaffenen Firmenwert ersetzt. Da sich Wertabnahme und Wertzunahme nicht trennen lassen, kann danach der Firmenwert für die Teilwertermittlung nicht in einen entgeltlich erworbenen und einen neu geschaffenen Teil gegliedert werden.“218 Der Firmenwert bildet also ein einheitliches Wirtschaftsgut. Ob unter diesen Voraussetzungen die um die AfA ab­ geschriebenen Anschaffungskosten (s. o.) als eine geeignete Teilwertvermutung angesehen werden können, wird zu Recht angezweifelt, weil nur noch ein kleiner werdender Teil des Firmenwerts als entgeltlich erworbener Teil für die Teilwertbe­ wertung in Betracht kommt.219 Die Bezifferung der Wertminderung, die eine Teil­ 214 So bei Wirtschaftsgütern ohne Marktwert, vgl. BFH, U.v. – II R 237/83, BStBl II 1989, 183, 184 (Maschinen); U.v. 4.3.1998 – X R 151/94, BFH/NV 1998, 1086, 1089 (Umbau = Her­ stellung eines Gebäudes). 215 So RFH, U.v. 30.6.1927 – IV A 265/27, RStBl 1927, 196, 197. 216 Anders als im Handelsrecht (vgl. §§ 248 Abs. 2 S. 1, 255 Abs. 2a, 268 Abs. 8 HGB) be­ steht für selbst geschaffene immaterielle Wirtschaftsgüter nach wie vor ein Aktivierungsverbot, vgl. Meurer, FR 2009, 119. 217 Der Teilwert des Firmenwerts kann nur auf Grundlage der Einheitstheorie gefunden wer­ den, Schmidt/Glanegger, 28. Aufl. 2009, § 6, Rn.  242. Die Geltung der Theorie wird ange­ zweifelt, seitdem durch das BiRiLiG (BGBl I 1985, 2355, 2425 f.) die Abnutzbarkeit des Fir­ menwerts in § 7 Abs. 1 S. 3 EStG gesetzlich geregelt ist (zutr. Geltung bejahend z. B.: BMF, v.  20.11.1986  – IV B 2  – S 2172  – 13/86, BStBl I 1986, 532; Ehmcke, in: Blümich, § 6, Rn. 766; Schmidt/Glanegger, 28. Aufl. 2009, § 6, Rn. 241; Schmidt/Weber-Grellet, 23. Aufl. 2004, § 5, Rn. 231; Borst, BB 1986, S. 2170 f.; wohl auch BFH, U.v. 16.5.2002 – III R 45/98, BStBl II 2003, 10, 12.  Verneinend z. B.: Winkeljohann, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 6, Rn.  726; Moxter, Bilanzrechtsprechung, 6.  Aufl., S.  298 ff.; Wagner/Schomaker, DB 1987, 1367; Brandenburg, DB 1986, S. 1792; Döllerer, BB-Beilage 12/1987, S. 13; Schneeloch, BB 1987, 2418). Das Wertaufholungsverbot des § 253 Abs. 5 S. 2 HGB i. d. F. des BilMoG vom 25.5.2009 (BGBl I 2009, 1102, 1104) bestätigt die Geltung der Theorie. Der Streit dürfte da­ mit aufgrund einer Entscheidung des Gesetzgebers erledigt sein. Außerdem regelt § 7 Abs. 1 EStG nur die Verteilung des aktivierten Aufwands für die Anschaffung und sagt nichts aus über die Teilwertfähigkeit des Firmenwerts. Vgl. zum Verhältnis von Teilwert und AfA schon oben 2. Kapitel, B. II. 3. sowie Schmidt/Glanegger, 28. Aufl. 2009, § 6, Rn. 242. Zudem spricht für die Theorie, dass ein Unternehmen nur einen einheitlichen Firmenwert haben kann, BFH, U.v. 21.7.1982 – I R 177/77, BStBl II 1982, 758, 760; Schmidt/Weber-Grellet, 23. Aufl. 2004, § 6, Rn. 231. Zu Parallelen zwischen Einheitstheorie und IAS 3 (dazu unten: 5. Kapitel, B. IV. 2.) vgl. Velte, StuW 2008, 280 ff. 218 Wörtlich BFH, U.v. 16.5.2002 – III R 45/98, BStBl II 2003, 10, 12. Ausführlich Schmidt/ Glanegger, 28. Aufl. 2009, § 6, Rn. 241 ff. 219 So auch Schmidt/Glanegger, 28. Aufl. 2009, § 6, Rn. 242.

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4. Kap.: Die Teilwertproblematik de lege lata

wertabschreibung des noch entgeltlich erworbenen Teils des Firmenwerts rechtfer­ tigt, ist damit das Ergebnis einer zweifachen220 Schätzung. Damit diese Schätzung nicht willkürlich geschieht, gelten nach der Rechtspre­ chung des BFH für die Bewertung des Firmenwerts erweiterte Regeln:221 Die Teilwertabschreibung setzt voraus, dass der Erwerb von Anfang an eine Fehl­ maßnahme war oder dass der Teilwert des einheitlichen Firmenwerts dauerhaft unter die (fortgeführten) Anschaffungskosten gesunken ist.222 Entscheidend für die Frage, ob der Firmenwert gesunken ist, ist eine Schätzung, die sich an der einge­ tretenen oder vorauszusehenden wirtschaftlichen Entwicklung des Unternehmens orientiert.223 Als firmenwertbildende Faktoren wird insbesondere auf die Renta­ bilität des Unternehmens abgestellt; stagniert die Entwicklung der Umsätze über einen längeren Zeitraum oder geht sie zurück, so kommt eine Teilwertabschrei­ bung in Betracht.224 Als Kontrolle für die Schätzung sind von der Rechtsprechung mehrere Berechnungsmethoden für einen gesunkenen Firmenwert anerkannt, die den Substanzwert des Unternehmens mit einbeziehen.225 Das Ergebnis einer be­ stimmten Berechnungsmethode oder Schätzung rechtfertigt allerdings nicht die Teilwertabschreibung; diese muss vielmehr durch die wirtschaftliche Entwick­ lung seit dem Erwerb z. B. durch einen Umsatz- oder Gewinnrückgang indiziert sein.226 Inwieweit der so ermittelte gegenwärtige Firmenwert entgeltlich erworben oder selbst aufgebaut wurde, bleibt der zweiten Schätzung durch das Gericht vorbehal­ ten. Um die Bewertung insofern zu vereinfachen und willkürliche Bewertungen zu vermeiden, akzeptiert der BFH eine Teilwertabschreibung wegen einer Fehlmaß­ nahme in der Regel nur, „wenn sich die Annahme des Firmenwerts bereits bis zum Ende desjenigen Geschäftsjahres, in dem die Zahlung geleistet wurde, als Fehl­ maßnahme erwiesen hat“.227

220 Erstens ist zu schätzen, wie hoch der entgeltlich erworbene Anteil am Firmenwert noch ist. Zweitens ist zu schätzen, inwieweit die Wertminderung gerade von diesem Teil abhängt. 221 Kritisch zur Rechtsprechung des BFH zu Teilwertabschreibungen beim Firmenwert: ­Moxter, Bilanzrechtsprechung, 6. Aufl., S. 298 ff. 222 Schmidt/Weber-Grellet, 23. Aufl. 2004, § 5, Rn. 232; Schmidt/Glanegger, 28. Aufl. 2009, § 6, Rn. 243 ff. 223 BFH, U.v. 24.4.1980 – IV R 61/77, BStBl II 1980, 690. 224 BFH, U.v. 13.3.1991 – I R 83/89, BStBl II 1991, 595, 597 mit Verweis auf BFH, U.v. 13.3.1983 – I R 63/79, BStBl II 1983, 667. 225 So die sog. Mittelwertmethode, die sog. indirekte Methode und die sog. direkte Methode. Vgl. Schmidt/Glangegger, 28. Aufl. 2009, § 6, Rn.  243 f.; Schmidt/Weber-Grellet, 23. Aufl. 2004, § 5, Rn. 232; Moxter, Bilanzrechtsprechung, 6. Aufl., S. 301 f. 226 Schmidt/Glanegger, 28. Aufl. 2009, § 6, Rn. 243; Schmidt/Weber-Grellet, 23. Aufl. 2004, § 5, Rn. 232. 227 So wörtlich zur Rechtslage vor dem BiRiLiG v. 19.12.1985: BFH, U.v. 9.2.1977  – I R 130/74, BStBl II 1977, 412, 413. Vgl. auch Schmidt/Glanegger, 28.  Aufl. 2009, § 6, Rn. 243.

B. Der Teilwert in der Rechtsprechung der Finanzgerichte

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c) Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens, § 6 Abs. 1 Nr. 2 S. 2, 3 EStG Die Teilwertvermutung für Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens (Waren, Vorräte an Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen, unfertige und fertige Erzeugnisse) spricht dafür, dass der Teilwert in den der Anschaffung oder Herstellung nachfol­ genden Zeitpunkten den WBK/WHK von Wirtschaftsgütern gleicher Art und Güte entspricht.228 Bei zum Absatz bestimmten Waren und zum Verkauf bestimmten selbst her­ gestellten fertigen oder unfertigen Erzeugnissen hängt der Teilwert darüber hinaus auch vom voraussichtlichen Veräußerungserlös ab, wenn der Veräußerungspreis nicht mehr die Selbstkosten der Ware zuzüglich eines durchschnittlichen Unter­ nehmerlohns deckt.229 In diesem Fall, der systematisch m. E. eine Widerlegung der Vermutug für die WBK/WHK darstellt, sind die Anschaffungskosten nach der Rechtsprechung des BFH um den Fehlbetrag zu mindern.230 Ein Vorrang des Absatzmarktes gegenüber dem Beschaffungsmarkt ist dabei abzulehnen.231 Diese Rechtsprechung beruht auf der Erkenntnis, dass ein Kaufmann für die Anschaf­ fung oder Herstellung eines solchen Wirtschaftsguts nicht mehr aufwenden würde, als ihm das Gut im Hinblick auf die spätere Veräußerbarkeit wert erscheint.232 Bei der Teilwertermittlung für Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe ist der Beschaf­ fungsmarkt der jeweiligen Unternehmensstufe maßgeblich.233 228 BFH, U.v. 13.3.1964 – IV 236/63 S, BStBl III 1964, 426 (Bekleidungsstoffe als Waren); U.v. 29.4.1970 – III 217/63, BStBl II 1970, 614, 617 f. (Vorräte an selbstgewonnenem Öl); U.v. 13.10.1976 – I R 79/74, BStBl II 1977, 540, 541 (Schmuckstücke als Waren); U.v. 30.1.1980 – I R 89/79, BStBl II 1980, 327, 328 (Ärztemuster als Vorratsvermögen); U.v. 25.7.2000 – VIII R 35/97, BStBl II 2001, 566, 568 (KFZ als Waren). Vgl. auch Kleinle, in: Herrmann/Heuer/ Raupach, § 6, Rn. 1008; Schmidt/Glanegger, 28. Aufl. 2009, § 6, Rn. 233, 250 „Handelsware“; Birk, Steuerrecht, 12. Aufl., Rn. 883. 229 BFH, U.v. 29.4.1970 – III 217/63, BStBl II 1970, 614, 617 f.; U.v. 19.5.1972 – III R 21/71, BStBl II 1972, 748, 749; U.v. 17.5.1974 – III R 50/73, BStBl II 1974, 508, 509. Vgl. Kleinle, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 6, Rn. 1010. 230 BFH, U.v. 5.5.1966 – IV 252/60, BStBl III 1966, 370; U.v. 27.10.1983 – IV R 143/80, BStBl II 1984, 35, 36; U.v. 25.7.2000 – VIII R 35/97, BStBl II 2001, 566, 567; U.v. 7.9.2005 – VIII R 1/03, BStBl II 2006, 298, 300; Groh, DB 1985, 1247. A. A. Weber-Grellet, Bilanzsteu­ errecht, 10. Aufl., Rn. 268: Sinken unter die Selbstkosten genügt. Ausführliches Beispiel bei Weber-Grellet, Bilanzsteuerrecht, 10. Aufl., Rn.  337 ff. Zur Widerlegung ausführlich unten: 4. Kapitel, B. II. 4. c). 231 So Kleinle, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 6, Rn.  1008; Schmidt/Glanegger, 28. Aufl. 2009, § 6, Rn. 250 „Handelsware“. 232 So zu Recht Kleinle, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 6, Rn. 1008 mit Verweis auf BFH, U.v. 3.7.1956 – I 118/55 U, BStBl III 1956, 248, 249. Ähnlich schon RFH, U.v. 22.10.193 – I A 254/30, RStBl 1932, 22, 23: „Für Gegenstände, die […] umgesetzt zu werden pflegen, wird ein Käufer des Unternehmens für die Regel […] den jeweils am Stichtag geltenden Marktpreis“ anlegen. „Denn er wird im allgemeinen in der Lage sein, die um den Marktpreis erworbenen Gegenstände wieder um den Marktpreis zu veräußern.“ 233 Schmidt/Glanegger, 28. Aufl. 2009, § 6, Rn. 250 „Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe“.

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4. Kap.: Die Teilwertproblematik de lege lata

Bei börsen- oder marktnotierten Wirtschaftsgütern des Vorratsvermögens kann auch der jeweilige Börsen- oder Marktpreis zur Bestimmung der Wiederbeschaf­ fungskosten in Betracht kommen, sofern am Bilanzstichtag Vorräte vergleichbarer Art und Güte auf dem Markt erhältlich sind.234 Wertpapiere etwa in Form von Anteilspapieren, die zum Umlaufvermögen des Steuerpflichtigen gehören, können auf den Teilwert abgeschrieben werden, wenn sich die Börsenkurse oder der wirtschaftliche Status des Beteiligungsunterneh­ mens während der Verweildauer im Betriebsvermögen voraussichtlich nicht er­ holen wird.235 Bei Zahlungsmitteln schließlich wird vermutet, dass ihr Teilwert dem Nennwert entspricht.236 d) Forderungen, § 6 Abs. 1 Nr. 2 S. 2, 3 EStG Forderungen, die auf eine Geld- oder Sachleistung gerichtet sind, können dem Betriebsvermögen als nicht abnutzbares Anlagevermögen oder – bei Forderungen aus Lieferungen und Leistungen – als Umlaufvermögen angehören;237 ihre Bewer­ tung richtet sich in beiden Fällen nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG. Wie bei anderen nicht abnutzbaren Anlagegütern wird auch bei im Anlage­ vermögen gehaltenen Forderungen vermutet, dass der Teilwert den tatsächlichen Anschaffungskosten entspricht, die ihrerseits dem Nennwert der Forderung ent­ sprechen.238 Bei unverzinslichen oder niedrig verzinslichen Forderungen geht die Vermutung dahin, dass der Teilwert dem Barwert der Forderung entspricht, der durch Abzinsung der künftigen Zahlungen auf den Bilanzstichtag zu ermitteln ist.239 Problematisch ist dabei die Festlegung des Zinssatzes;240 der BFH wendet in­ sofern § 12 Abs. 3 BewG entsprechend an, der einen Zinssatz von 5,5 % vorsieht.241 Dagegen ist eine Forderung auch bei Unverzinslichkeit mit dem Nennwert zu be­ 234 RFH, U.v. 22.10.193 – I A 254/30, RStBl 1932, 22, 23; BFH, U.v. 13.3.1964 – IV 236/63 S, BStBl III 1964, 426, 427; U.v. 29.7.1965 – IV 164/63 U, BStBl III 1965, 648, 649; Kleinle, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 6, Rn. 1008; Winkeljohann, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 6, Rn. 615; Schmidt/Glanegger, 28. Aufl. 2009, § 6, Rn. 227. 235 Schmidt/Glanegger, 28.  Aufl. 2009, § 6, Rn.  250 „Wertpapiere“; Kessler, DB 1999, 2585. 236 Vgl. Weber-Grellet, Bilanzsteuerrecht, 10. Aufl., Rn. 267. 237 Vgl. Kirchhof/Fischer, 8. Aufl., § 6, Rn. 136. 238 BFH, U.v. 23.11.1967 – IV 123/63, BStBl II 1968, 176; U.v. 20.8.2003 – I R 49/02, BStBl II 2003, 941, 942; Kirchhof/Fischer, 8. Aufl., § 6, Rn. 136, 137; Werndl, in: Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, § 6, Rn. B 574. 239 BFH, U.v. 29.10.1970  – IV R 141/67, BStBl II 1971, 92, 94; U.v. 23.4.1975  – I R 236/72, BStBl II 1975, 875, 876 f.; U.v. 9.7.1981  – IV R 35/78, BStBl 1981, 734; Werndl, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 6, Rn.  B 579; Schmidt/Glanegger, 28.  Aufl. 2009, § 6, Rn. 369, 371. 240 Dazu ausführlich: Werndl, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 6, Rn. B 580. 241 BFH, U.v. 20.11.1969 – IV R 22/68, BStBl II 1970, 309; U.v. 29.10.1970 – IV R 141/67, BStBl II 1971, 92, 94.

B. Der Teilwert in der Rechtsprechung der Finanzgerichte

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werten, wenn die Unverzinslichkeit durch andere Vorteile kompensiert wird und der Zinsverlust nicht höher ist als der Wert der Gegenleistung.242 Neben der Unver­ zinslichkeit kommen auch mangelnde Zahlungsfähigkeit und Zahlungswilligkeit des Schuldners, Rücktrittsrechte des Schuldners, die Eröffnung eines Insolvenz­ verfahrens oder die Einrede der Verjährung als Gründe für eine Wertminderung bei Forderungen in Betracht.243 Diese Gründe können auch für den Teilwert von zum Umlaufvermögen gehö­ renden Forderungen aus Lieferungen und Leistungen von Bedeutung sein, für des­ sen Übereinstimmung mit dem Nennwert der Forderung im Normalfall wie bei den langfristigen Forderungen eine Vermutung streitet.244 Für die Bemessung der Abwertungsgründe im Einzelfall kommt der Einschätzung des Kaufmanns beson­ dere Bedeutung zu.245 Die Höhe der außerplanmäßigen Abschreibung hängt damit in besonderem Maße von einer Schätzung ab, die jedoch anhand der bekannt ge­ wordenen Umstände sowie – im Falle einer Pauschalwertberichtigung – anhand der Forderungsausfälle der Vergangenheit vorzunehmen ist.246 Im Hinblick auf die Definition des Teilwerts nimmt die Forderungsbewertung insofern eine signifi­ kante Sonderstellung ein, als die Betriebsindividualität für die Bezifferung der Ab­ schreibung keine Rolle spielt und durch die Frage nach der Einbringlichkeit der Forderung verdrängt wird. e) Verbindlichkeiten, § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG Die gem. § 6 Abs. 1 Nr. 3 S. 1 EStG für Verbindlichkeiten geforderte sinnge­ mäße Anwendung der Nummer 2, die zu der beschriebenen247 spiegelbildlichen Struktur von aktiven Wirtschaftsgütern einerseits und Verbindlichkeiten und Rück­ stellungen andererseits führt, erstreckt sich auch auf die Teilwertvermutungen und ihre Widerlegung sowie auf die Teilwertgrenzen.248 Somit sind die soeben be­ 242

BFH, U.v. 18.7.1961 – I 322/60 U, BStBl III 1961, 405, 406 f. (Gewährung eines Ankaufs­ rechts); U.v. 26.2.1975 – I R 72/73, BStBl II 1976, 13, 14 (Zusage einer Bierbezugsverpflich­ tung); U.v. 9.7.1981 – IV R 35/78, BStBl 1981, 734 (Aufnahme v. Zeitschriften in die Lese­ mappen eines Lesezirkels). 243 Niedersächsisches FG., U.v. 9.12.2004 – 11 K 388/03, DStRE 2005, 1062, 1063 f. (Über­ schuldung des Darlehensnehmers); FG Brandenburg, U.v. 14.5.1997 – 2 K 1532/96 F, BB 1997, 1579 (fehlende Zahlungsfähigkeit und -willigkeit). Ausführlich Werndl, in: Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, § 6, Rn. B 574 ff. 244 Ohne Differenzierung nach Art der Forderung: Weber-Grellet, Bilanzsteuerrecht, 10. Aufl., Rn. 267; ders., Steuerbilanzrecht, § 19, Rn. 9. 245 St.Rspr.; vgl. z. B. BFH, U.v. 1.4.1958  – I 60/57 U, BStBl III 1958, 291, 292; U.v. 20.8.2003 – I R 49/02, BStBl II 2003, 941, 942 m. w. N. 246 BFH, U.v. 9.5.1961 – I 128/60 S, BStBl III 1961, 336 f. (zu den Voraussetzugen für die Bildung einer Rückstellung); Schmidt/Glanegger, 28. Aufl. 2009, § 6, Rn. 370. 247 Dazu ausführlich oben: 2. Kapitel, B. I. 2. c) bb). 248 Kiesel, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 6, Rn. 1139; Werndl, in: Kirchhof/Söhn/Melling­ hoff, § 6, Rn. D 17, D 65.

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4. Kap.: Die Teilwertproblematik de lege lata

schriebenen Schätzungen uneingeschränkt auf Verbindlichkeiten übertragbar, al­ lerdings mit der Maßgabe, dass das Höchstwertprinzip gilt und der Teilwert folge­ richtig nur als höherer Vergleichsmaßstab vorkommen kann.249 Entsprechend der Vermutung, dass der Teilwert aktiver Wirtschaftsgüter des § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG zum Zeitpunkt der Anschaffung oder Herstellung den AK/HK entspricht, wird vermutet, dass sich der Teilwert bei Entstehung einer Verbind­ lichkeit in Geld mit ihrem Nennwert, der zugleich die Wertuntergrenze darstellt, deckt.250 Für spätere Zeitpunkte wird vermutet, dass der Teilwert dem Barwert oder dem Zeitwert der Verbindlichkeit zum Bilanzstichtag entspricht.251 f) Vermutungen in den übrigen Anwendungsfällen, § 6 Abs. 1 Nr. 4, 5, 6, 7 EStG Entnahmen sind gem. § 6 Abs.  1 Nr.  4 S.  1 HS.  1 EStG regelmäßig mit dem Teilwert anzusetzen. Da Entnahmen laut der Legaldefinition des § 4 Abs. 1 S. 2 EStG in Form von Barentnahmen, Waren, Erzeugnissen, Nutzungen oder Leistun­ gen vorliegen können, existiert für ihre Bestimmung in der Praxis keine einheitli­ che Teilwertvermutung. Statt dessen richtet sich die Vermutung bei bilanzierbaren Wirtschaftsgütern nach der Art des Wirtschaftsguts, wobei die dort geltenden Teil­ wertvermutungen als Mindestsätze anzusehen sind.252 Die bereits genannten Ver­ mutungen gelten im Wesentlichen auch hier.253 Für nicht abnutzbares Anlagever­ mögen wird dementsprechend vermutet, dass der Teilwert der Entnahme den AK/ HK des Wirtschaftsguts entspricht; für abnutzbares Anlagevermögen stellt die Ver­ mutung auf die AK/HK abzüglich der AfA (§ 7 EStG) ab; für Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens, die zur Veräußerung bestimmt sind, wird vermutet, dass der Teilwert der Entnahme mit dem Wiederbeschaffungs- oder Wiederherstellungs­ wert anzusetzen ist.254 Für den Teilwert entnommener Nutzungen und Leistungen enthält das EStG hingegen keine Anhaltspunkte; es besteht insofern eine Regelungslücke.255 Die Entnahme ist etwa im Fall der Nutzung nicht mit deren Teilwert, sondern mit den

249 BFH, U.v. 22.11.1988 – VIII R 62/85, BStBl II 1989, 359, 361 m. w. N.; Werndl, in: Kirch­ hof/Söhn/Mellinghoff, § 6, Rn. D 17, D 65. 250 Kiesel, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 6, Rn. 1131, 1138 ff. 251 BFH, U.v. 12.3.1964 – IV 456/61 U, BStBl III 1964, 525, 526; U.v. 2.5.2001 – VIII R 64/93, BFH/NV 2002, 10, 13; Kiesel, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 6, Rn. 1138; Ehmcke, in: Blümich, § 6, Rn. 949; Werndl, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 6, Rn. D 65; Weber-Grellet, Bilanzsteuerrecht, 10. Aufl., Rn. 267. 252 Schmidt/Glanegger, 28. Aufl. 2009, § 6, Rn. 415. 253 Vgl. zu den einzelnen Vermutungen oben: 4. Kapitel, B. II. 2. a) bis c). 254 Schmidt/Glanegger, 28. Aufl. 2009, § 6, Rn. 415. 255 BFH, U.v. 14.1.1998 – X R 57/93, BFH/NV 1998, 1160, 1163.

B. Der Teilwert in der Rechtsprechung der Finanzgerichte

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tatsächlichen Selbstkosten anzusetzen.256 Zu den Selbstkosten gehören die als Be­ triebsausgaben im Rahmen der Minderung des buchmäßigen Betriebsvermögens abgezogenen (Gesamt-)Aufwendungen einschließlich der festen Kosten und der AfA in der in Anspruch genommenen Höhe sowie die Finanzierungskosten.257 Auf diese Weise wird der durch die betriebsfremde Nutzung verursachte Aufwand als entnommen angesehen.258 Für die Einlage, die gem. § 4 Abs. 1 S. 7 i. V. m. S. 2 EStG entsprechend der Ent­ nahme in Form von Bareinzahlungen, Waren, Erzeugnissen, Nutzungen und Leis­ tungen vorkommen kann, gilt für den Teilwertansatz gem. § 6 Abs. 1 Nr. 5 S. 1 HS. 1 EStG das zuvor Gesagte entsprechend.259 Aufgrund der Anordnung des § 6 Abs. 1 Nr. 6 EStG kann bei der Betriebseröff­ nung nichts anderes gelten.260 Auch für den entgeltlichen Betriebserwerb, bei dem die Wirtschaftsgüter gem. § 6 Abs.  1 Nr.  7 EStG mit dem Teilwert, höchstens jedoch mit den AK/HK an­ zusetzen sind, bestehen für die Ermittlung des Teilwerts keine besonderen Ver­ mutungsregeln. 3. Vermutungen für entbehrliche Wirtschaftsgüter Mit dem Argument, dass ein Kaufmann ein Wirtschaftsgut veräußern würde, wenn es für den Fortbestand des Betriebs entbehrlich ist und im Falle des Ver­ lusts nicht wiederbeschafft werden würde, wird die Vermutung gerechtfertigt, dass der Teilwert von nicht betriebsnotwendigen Wirtschaftsgütern dem Einzelveräuße­ rungspreis entspricht, der regelmäßig mit dem gemeinen Wert gleichgesetzt wer­ den kann.261 Die Argumentation kann für alle Arten von Wirtschaftsgütern, also sowohl für solche des Anlagevermögens als auch für solche des Umlaufvermö­ gens, herangezogen werden. Auch einer Übertragung auf den Fall, dass bereits die Anschaffung oder Herstellung eine Fehlmaßnahme bildet – dem einzig denk­ baren Grund für ein Absinken des Teilwerts zum Zeitpunkt der Anschaffung oder 256 BFH, U.v. 26.7.1979 – IV R 170/74, BStBl II 1980, 176, 181; B.v. 26.10.1987 – GrS 2/86, BStBl II 1988, 348, 353 (statt Selbstkosten: Aufwendungen); U.v. 14.1.1998  – X R 57/93, BFH/NV 1998, 1160, 1163. 257 BFH, U.v. 14.1.1998 – X R 57/93, BFH/NV 1998, 1160, 1163. 258 BFH, B.v. 26.10.1987  – GrS 2/86, BStBl II 1988, 348, 353 m. w. N.; U.v. 14.1.1998  – X R 57/93, BFH/NV 1998, 1160, 1163. 259 Vgl. Schmidt/Glanegger, 28. Aufl. 2009, § 6, Rn. 432; 441 „Teilwertbestimmung“: Hin­ weis auf allgemeine Ausführungen zum Teilwert (Rn. 215 ff.). 260 Zum modifizierten Teilwertbegriff für Einlagen anlässlich Betriebseröffnung vgl. oben: 2. Kapitel, B. I. 2. c) dd). 261 BFH, U.v. 25.6.1970 – IV 166/65, BStBl II 1970, 721, 722 (Grundstück); U.v. 25.8.1983 – IV R 218/80, BStBl II 1984, 33, 34 (Grundstück); Winkeljohann, in: Herrmann/Heuer/Rau­ pach, § 6, Rn. 616; WissB. Ernst&Young, Abschaffung des Teilwerts, BB 2004, Beil. 3, S. 8.

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4. Kap.: Die Teilwertproblematik de lege lata

Herstellung262  – stehen keine logischen Gründe entgegen.263 Darüber hinaus gilt die Vermutung auch für die Bewertung von Entnahmen, sofern die entnommenen Wirtschaftsgüter entbehrlich sind.264 4. Die Erschütterung der Teilwertvermutungen Da die Teilwertvermutungen verfahrensmäßig wie ein Anscheinsbeweis wir­ ken, sind sie widerlegbar.265 Denjenigen, der die Richtigkeit einer Vermutung in Frage stellt und ein Interesse an der Widerlegung hat, trifft eine objektive Fest­ stellungslast, d. h. er muss die Tatsachen, die die Schätzung eines von der Ver­ mutung abweichenden Teilwerts rechtfertigen, dartun und im Streitfall nach­ weisen.266 Die Unrichtigkeit der Vermutung muss durch konkrete, nachprüfbare Tatsachen nachgewiesen oder glaubhaft gemacht werden.267 Gelingt dies nicht, ist eine Bemessung des Teilwerts abweichend von den Vermutungen nicht möglich.268 Die Anforderungen und die Zielrichtung der Beweisführung ändern sich mit der bestrittenen Vermutung und der Wahrscheinlichkeit ihrer Geltung. So gilt etwa für die Vermutung, der Teilwert entspreche zum Zeitpunkt der Anschaffung oder Her­ stellung den tatsächlichen AK/HK,269 dass sie umso stärker ist, je kürzer der zeitli­ che Abstand zwischen Anschaffungs- oder Herstellungszeitpunkt und Bilanzstich­ tag ist.270 Umso größer sind auch die an den Nachweis der Widerlegung gestellten

262

Vgl. Schmidt/Glanegger, 28. Aufl. 2009, § 6, Rn. 230. VG Berlin, U.v. 30.11.1965  – XVII A 86/61, EFG 1966, 326; Winkeljohann, in: Herr­ mann/Heuer/Raupach, § 6, Rn. 599. 264 Schmidt/Glanegger, 28. Aufl. 2009, § 6, Rn. 415. Keine Teilwertvermutung besteht hinge­ gen für die Einlage (§ 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG) nicht betriebsnotwendiger Wirtschaftsgüter in das Betriebsvermögen. Da deren Wert für den Betrieb nicht über den im Rahmen eines Verkaufs erzielbaren Betrag hinausgeht, kommt auch insoweit nur der Ansatz des gemeinen Werts in Betracht. 265 Vgl. oben: 4. Kapitel, B. II. Ausführlich zur Widerlegung der Vermutungen z. B. Winkeljohann, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 6, Rn. 598 ff.; Ehmcke, in: Blümich, § 6, Rn. 618 ff.; Werndl, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 6, Rn. B 385. 266 BFH, U.v. 8.5.1981 – III R26/79, BStBl II 1981, 702, 703 f.; U.v. 12.4.1989 – II R 213/85, BStBl II 1989, 545, 546; U.v. 19.5.1998 – IV R 54/97, BStBl II 1999, 277 f.; Winkeljohann, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 6, Rn. 586, 598; Werndl, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 6, Rn. 358. 267 BFH, U.v. 13.7.1967 – IV 138/63, BStBl II 1968, 11, 12; U.v. 27.10.1983 – IV R 143/80, BStBl II 1984, 35, 36 (Waren); U.v. 20.5.1988 – III R 151/86, BStBl II 1989, 269, 270; Winkeljohann, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 6, Rn. 598. 268 BFH, U.v. 13.10.1976 – I R 79/74, BStBl II 1977, 540, 541; U.v. 24.2.1994 – IV R 18/92, BStBl II 1994, 514, 515. 269 Vgl. dazu oben: 4. Kapitel, B. II. 1. 270 BFH, U.v. 17.1.1978  – VIII R 31/75, BStBl II 1978, 335, 336; U.v. 13.4.1988  – I R 104/86, BStBl II 1988, 892, 894; B.v. 12.8.1998 – IV B 4/98, BFH/NV 1999, 305. 263

B. Der Teilwert in der Rechtsprechung der Finanzgerichte

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Anforderungen.271 Dennoch ist die Widerlegung der Vermutung auch für den An­ schaffungs- oder Herstellungszeitpunkt nicht ausgeschlossen.272 Für den Nachweis eines von den Teilwertvermutungen abweichenden Wer­ tes besteht nach der Rechtsprechung der Finanzgerichte eine Reihe anerkannter Gründe, von denen die sog. Fehlmaßnahme von besonderer Bedeutung ist. a) Die Fehlmaßnahme Bei Wirtschaftsgütern des Anlage- und Umlaufvermögens kommt der Ansatz des niedrigeren Teilwerts insbesondere dann in Betracht, wenn sich die Anschaf­ fung oder Herstellung eines Wirtschaftsguts als sog. Fehlmaßnahme erweist.273 Als Fehlmaßnahme wird vom BFH die Anschaffung oder Herstellung eines Wirt­ schaftsguts definiert, „wenn ihr wirtschaftlicher Nutzen bei objektiver Betrach­ tung deutlich hinter dem für den Erwerb und die Herstellung getätigten Aufwand zurückbleibt und demgemäß dieser Aufwand so unwirtschaftlich war, dass er von einem gedachten Erwerber des gesamten Betriebs im Kaufpreis nicht honoriert würde“.274 Dabei kann sich die Anschaffung von Anfang an oder aufgrund spä­ ter eintretender wesentlicher Umstände als Fehlmaßnahme erweisen.275 Allerdings wird bei der Bewertung des Firmenwerts eine Abschreibung wegen einer Fehl­ maßnahme nur bis zum Ende des Wirtschaftsjahres für zulässig erachtet, in dem die Zahlung geleistet wurde.276 Von besonderer Bedeutung ist die Fehlmaßnahme für die Teilwertvermutungen zum Zeitpunkt der Anschaffung oder Herstellung, weil sie für diesen Fall die ein­ zige Möglichkeit der Widerlegung darstellt.277 Die Anschaffung von Maschinen und Geräten kann beispielsweise dann eine Fehlmaßnahme sein, wenn sie erheb­ lich und dauerhaft überdimensioniert oder aufgrund erheblicher technischer Män­ gel zeitweise nicht funktionsfähig oder insgesamt überflüssig sind.278 In jedem Fall 271

BFH, U.v. 17.1.1978  – VIII R 31/75, BStBl II 1978, 335, 336; U.v. 13.4.1988  – I R 104/86, BStBl II 1988, 892, 894; B.v. 12.8.1998 – IV B 4/98, BFH/NV 1999, 305. 272 Vgl. BFH, U.v. 20.5.1988 – III R 151/86, BStBl II 1989, 269, 270, in dem die Wider­ legung zwar abgelehnt, aber nicht ausgeschlossen wird. 273 BFH, U.v. 13.4.1988  – I R 104/86, BStBl II 1988, 892, 894 (Vorräte an Waren); U.v. 26.6.2007 – IV R 71/04, BFH/NV 2008, 347, 349 (Grundstück); U.v. 17.9.1987 – III R 201–202/84, BStBl II 1988, 488, 489 (Baukran im Anlagevermögen). 274 Wörtlich für das Anlagevermögen: BFH, U.v. 26.6.2007 – IV R 71/04, BFH/NV 2008, 347, 349. Ähnlich BFH, U.v. 17.9.1987  – III R 201–202/84, BStBl II 1988, 488, 489; U.v. 4.3.1998 – X R 151/94, BFH/NV 1998, 1086, 1089; Ehmcke, in: Blümich, § 6, Rn. 625. 275 BFH, U.v. 17.9.1987 – III R 201–202/84, BStBl II 1988, 488, 489. 276 BFH, U.v. 9.2.1977 – I R 130/74, BStBl II 77, 412, 413; Schmidt/Glanegger, 28. Aufl. 2009, § 6, Rn. 243. Vgl. oben: 4. Kapitel, B. II. 2. b). 277 Ehmcke, in: Blümich, § 6, Rn. 623, 765. Vgl. oben: 4. Kapitel, B. II. 3. 278 Für alle drei Fälle BFH, U.v. 17.9.1987 – III R 201–202/84, BStBl II 1988, 488, 489. Für weitere Beispielsfälle vgl. Weber-Grellet, Bilanzsteuerrecht, 10. Aufl., Rn. 269.

156

4. Kap.: Die Teilwertproblematik de lege lata

setzt die Fehlmaßnahme einen erheblichen und nachhaltigen negativen Einfluss auf die wirtschaftliche Situation des Steuerpflichtigen voraus, wenn es auch auf die Ertragslage des gesamten Unternehmens nicht ankommt.279 b) Weitere Gründe für die Widerlegung von Teilwertvermutungen Neben der Fehlmaßnahme bestehen zahlreiche weitere Gründe für Wertverän­ derungen, die ein Abweichen von der jeweils geltenden Vermutung rechtfertigen können. So kann eine Vermutung etwa dann nicht durchgreifen, wenn das Wirt­ schaftsgut zum Bewertungszeitpunkt überhaupt nicht mehr vorhanden ist.280 Dar­ über hinaus rechtfertigen Wertminderungen aufgrund von Mängeln, Lagerschä­ den, technischer Überalterung, Änderung des modischen Geschmacks oder einer besonderen Ausfallgefahr von Forderungen eine abweichende Bewertung.281 Die Vermutung, dass der Teilwert des Firmenwerts (§ 7 Abs. 1 S. 3 EStG) zum Zeit­ punkt der Anschaffung den Anschaffungskosten entspricht,282 kann entkräftet wer­ den, wenn sich die Rentabilität des Unternehmens nachweisbar vermindert hat, weil die Entwicklung der Umsätze und Gewinne über einen längeren Zeitraum ­stagniert oder zurückgeht.283 Außerdem kommen als Ursachen für die Entkräftung von Teilwertvermutungen dauerhafte Wertschwankungen an dem jeweils maßgeblichen Markt in Betracht, sofern der Teilwert – wie in vielen Vermutungen – von den WBK/WHK oder den Verkaufserlösen abhängt.284 c) Die Bewertung im Falle einer erfolgreichen Widerlegung Wird die Geltung der Erfahrungssätze, die die Rechtsprechung für die Teil­ wertschätzung heranzieht, bestritten, so stellt sich die Frage, wie der abweichende Teilwert in diesen Fällen willkürfrei bestimmt werden und mit welchem Wert eine nachgewiesene Wertveränderung angesetzt werden kann. 279 BFH, U.v. 17.9.1987 – III R 201–202/84, BStBl II 1988, 488, 489 (erhebliche, dauerhafte Überdimensionierung); Knobbe-Keuk, Bilanz- u. UnternehmenStR, 9. Aufl., S. 177, Fn. 117. 280 BFH, U.v. 28.10.1976 – IV R 76/72, BStBl II 1977, 73, 74; U.v. 9.2.1977 – I R 130/74, BStBl II 1977, 412, 413; U.v. 26.6.2007 – IV R 71/04, BFH/NV 2008, 347, 349; Winkeljohann, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 6, Rn. 598. 281 Z. B. BFH, U.v. 13.10.1976 – I R 79/74, BStBl II 1977, 540, 541: Lange Lagerdauer, Un­ modern werden oder ähnliche Ursachen von Wertminderungen (für Waren); Weber-Grellet, Bi­ lanzsteuerrecht, 10. Aufl., Rn. 268. Für Abwertungsgründe bei Forderungen ausführlich oben: 4. Kapitel, B. II. 2. d). 282 Dazu ausführlich oben: 4. Kapitel, B. II. 1. 283 BFH, U.v. 13.4.1983 – I R 63/79, BStBl II 1983, 667, 668; U.v. 13.3.1991 – I R 83/89, BStBl II 1991, 595, 597; Weber-Grellet, Bilanzsteuerrecht, 10. Aufl., Rn. 268. 284 Dazu sogleich: 4. Kapitel, B. II. 4. c).

B. Der Teilwert in der Rechtsprechung der Finanzgerichte

157

In einigen Fällen kann es vorkommen, dass sich aus dem Grund für den abwei­ chenden Teilwert zugleich sein angemessener Wert ergibt, wenn etwa die maß­ geblichen AK/HK oder WBK/WHK oder die erzielbaren Verkaufserlöse ver­ gleichbarer Wirtschaftsgüter gesunken sind. So ist für marktgängige abnutzbare Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens285 ein nachweislich gesunkener Marktpreis einerseits ein möglicher Grund für die Widerlegung der Vermutung und anderer­ seits zugleich der angemessene niedrigere Teilwert.286 Für das nicht abnutzbare Anlagevermögen stellte der BFH mehrfach fest, dass der Nachweis eines unter den seinerzeit gezahlten und aktivierten Betrag gesunkenen Wertes die zu späteren Zeitpunkten geltende Teilwertvermutung für die AK/HK widerlegen könne.287 Bei Waren kann der Teilwert abweichend von der o.g. Vermutung288 angesetzt werden, wenn die voraussichtlichen Verkaufserlöse nicht mehr die Selbstkosten zzgl. eines durchschnittlichen Unternehmergewinns decken.289 In diesen Fällen kann der Teilwert durch progressive oder retrograde Rechnung ermittelt werden; die Finanzverwaltung erkennt in R 6.8 Abs.  2 der Einkommensteuerrichtlinien mit der sog. Subtraktionsmethode und der sog. Formelmethode ähnliche Teilwert­ ermittlungsmöglichkeiten an.290 Bei der retrograden Bewertungsmethode, die der BFH in ständiger Rechtsprechung anwendet,291 sind die Anschaffungskosten um den Fehlbetrag zwischen Selbstkosten zzgl. Unternehmergewinn und Veräuße­ rungserlös zu mindern. Die Selbstkosten bestehen dabei in den Anschaffungskos­ ten zzgl. eines Aufschlags für den auf sie entfallenden Anteil am betrieblichen Aufwand292 und sind Ausdruck der gesunkenen Wiederbeschaffungskosten.293 So­ wohl für den Ansatz der fraglichen Selbstkosten als auch für die tatsächlich er­ 285 Für diese Wirtschaftsgüter wird vermutet, dass der Teilwert den fortgeführten aktuellen AK/HK entspricht, vgl. oben: 4. Kapitel, B. II. 2. b). 286 BFH, U.v. 12.4.1989 – II R 312/85, BStBl II 1989, 545, 546 (keine negative Beeinflussung des Marktpreises durch Investitionszulagen nach § 19 BerlinFG). 287 BFH, U.v. 28.10.1976 – IV R 76/72, BStBl II 1977, 73, 74; U.v. 9.2.1977 – I R 130/74, BStBl II 1977, 412, 413 (beide nach alter Rechtslage für den Firmenwert als nicht abnutzbares Anlagegut); U.v. 26.6.2007 – IV R 71/04, BFH/NV 2008, 347, 349 (Grundstücke). 288 Für Waren wird vermutet, dass der Teilwert den Wiederbeschaffungskosten entspricht, vgl. oben: 4. Kapitel, B. II. 2. c). 289 BFH, U.v. 5.5.1966 – IV 252/60, BStBl III 1966, 370; U.v. 27.10.1983 – IV R 143/80, BStBl II 1984, 35, 36 m. w. N.; U.v. 25.7.2000 – VIII R 35/97, BStBl II 2001, 566, 567; U.v. 7.9.2005 – VIII R 1/03, BStBl II 2006, 298, 300; Groh, DB 1985, 1247. A. A. Weber-Grellet, Bilanzsteuerrecht, 10. Aufl., Rn. 268: Sinken unter die Selbstkosten genügt. Ausführliches Bei­ spiel bei Weber-Grellet, Bilanzsteuerrecht, 10. Aufl., Rn. 337 ff. 290 Ausführlich Kleinle, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 6, Rn. 1010 mit Verweis auf BFH, U.v. 29.11.1960 – I 137/59 U, BStBl III 1961, 154. 291 St.Rspr. vgl. z. B. BFH, U.v. 27.10.1983  – IV R 143/80, BStBl II 1984, 35, 36; U.v. 29.4.1999 – IV R 14/98, BStBl 1999, 681, 682; U.v. 25.7.2000 – VIII R 35/97, BStBl II 2001, 566, 568 m. w. N.; U.v. 7.9.2005 – VIII R 1/03, BStBl II 2006, 298, 300 m.w N. 292 So zur Definition der Selbstkosten: BFH, U.v. 27.10.1983 – IV R 143/80, BStBl II 1984, 35, 36; Kleinle, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 6, Rn. 1012; Weber-Grellet, Bilanzsteuerrecht, 10. Aufl., Rn. 337. 293 Weber-Grellet, Bilanzsteuerrecht, 10. Aufl., Rn. 268.

158

4. Kap.: Die Teilwertproblematik de lege lata

zielten Verkaufspreise der fraglichen Waren hat der Steuerpflichtige umfangreiche Unterlagen vorzulegen, die seine Teilwertschätzung rechtfertigen.294 Die gleiche Methode soll für selbst hergestellte Erzeugnisse anwendbar sein.295 Bei Wirtschaftsgütern des Umlaufvermögens, die nicht unmittelbar zum Ver­ kauf bestimmt sind wie etwa Vorräte an Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen, führt der Nachweis einer gesunkenen Brauchbarkeit oder Verwendbarkeit etwa wegen der Umstellung des Produktionsprogramms oder wegen Qualitätsmängeln zu sog. Gängigkeitsabschlägen, um die der Teilwert der Vorräte vermindert wird.296 Zur Ermittlung der Abschläge bestehen vereinfachte Verfahren, die sowohl handelsals auch steuerrechtlich anerkannt sind.297 Liegt der Grund für einen von der entsprechenden Vermutung abweichenden Teilwert nicht in veränderten Marktwerten, so hat derjenige, der den Nachweis führen möchte, neben den die abweichende Teilwertabschreibung rechtfertigenden Umständen auch ihre kostenmäßige Auswirkung etwa in Form gesunkener Ren­ tabilität einer Anlage nachzuweisen.298

III. Zusammenfassung Angesichts der nahezu unendlich vielen Kombinationen aus Wirtschaftsgütern und Gründen für eine Teilwertbewertung in den unterschiedlichen gesetzlich ge­ regelten Fällen, fällt es schwer, die Anwendungsfälle des Teilwerts zu systema­ tisieren. Die Teilwertgrenzen und die Teilwertvermutungen der Finanzgerichte stellen für eine solche Systematisierung einen ersten wesentlichen Schritt dar. Die Teilwertbestimmung durch die Rechtsprechung kann in drei Stufen einge­ teilt werden: Aus den Prinzipien und Regeln des Bilanzsteuerrechts sowie aus betriebswirt­ schaftlich notwendigen Überlegungen ergeben sich auf der ersten Stufe die Gren­ zen für die Teilwertbewertung.299 Der Teilwert liegt stets in einem Rahmen zwi­ schen dem Einzelveräußerungspreis als Untergrenze und den WBK/WHK, die ihrerseits höchstens in den historischen AK/HK bestehen können, als Wertober­ grenze. Ob sich der Teilwert eines konkreten Wirtschaftsguts eher im oberen 294 Näher BFH, U.v. 27.10.1983 – IV R 143/80, BStBl II 1984, 35, 36. Vgl. auch Weber-Grellet, Bilanzsteuerrecht, 10. Aufl., Rn. 337. 295 So Kleinle, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 6, Rn.  1010; Schmidt/Glanegger, 28. Aufl. 2009, § 6, Rn.  250 „Eigenerzeugnisse“. Wohl auch schon BFH, U.v. 20.7.1973  – III R ­100–101/72, BStBl II 1973, 794, 795. 296 Vgl. Kleinle, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 6, Rn.  1010, 1015, 1025 „Gängigkeits­ abschläge“. 297 Kleinle, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 6, Rn. 1025 „Gängigkeitsabschläge“, 1022. 298 BFH, U.v. 19.10.1972 – I R 244/70, BStBl II 1973, 54, 55 (für Gebäude). 299 Vgl. oben: 4. Kapitel, B. I.

B. Der Teilwert in der Rechtsprechung der Finanzgerichte

159

oder im unteren Bereich zwischen diesen Grenzen aufhält, hängt – wie schon der RFH feststellte300 – vom Grad der Betriebsnotwendigkeit des Wirtschaftsguts ab. Bei entbehrlichen Gütern des Anlage- und Umlaufvermögens sieht die Recht­ sprechung den Teilwert in dem im Allgemeinen niedrigeren Einzelveräußerungs­ preis.301 Im Regelfall des betriebsnotwendigen Wirtschaftsguts hingegen wird sich der Teilwert eher an den WBK/WHK orientieren. Auf einer zweiten Stufe orientieren sich die Gerichte an Schätzwerten, die sich in langjähriger Erfahrung in einer Vielzahl von Fällen für betriebsnotwendige Wirtschaftsgüter der gleichen Art als richtig erwiesen haben und daher als Teilwert vermutet werden. Diese Vermutungen lassen sich wie folgt zusammenfassen: Übereinstimmend gehen die Vermutungen für die Bestimmung des Teilwerts notwendiger aktiver Wirtschaftsgüter davon aus, dass der Teilwert über die WBK/ WHK zu bestimmen ist.302 Angesichts der Tatsache, dass die WBK/WHK nichts anderes als die aktuellen AK/HK sind, gilt dies auch für den Zeitpunkt der An­ schaffung oder Herstellung und nicht nur für Bilanzstichtage, die diesem Zeit­ punkt nachfolgen. Zu Recht stellte Albach daher fest: „Die zentrale Vermutung ist die, daß die Wiederbeschaffungskosten gleich dem Teilwert sind.“303 Ausnahmen bestehen in den Fällen, in denen die aktuellen Werte am Beschaf­ fungsmarkt aufgrund besonderer Umstände keine Aussagekraft für den Wert des Wirtschaftsguts in dem konkreten Betrieb besitzen, weil entweder – im Falle des Anlagevermögens – die Güter keinen Marktwert besitzen304 oder – im Falle von Waren  – der tatsächlich erzielbare Veräußerungserlös nicht die Vollkosten ein­ schließlich eines durchschnittlichen Unternehmergewinns deckt.305 Für abnutzbare Anlagegüter wird die Teilwertermittlung stets unter Berück­ sichtigung der AfA nach § 7 EStG vorgenommen,306 und zwar unabhängig davon, ob von den tatsächlichen AK/HK oder den WBK/WHK ausgegangen wird. Zah­ lungsmittel, Forderungen und Verbindlichkeiten in Geld sind in der Regel mit dem Nennwert oder dem Bar-/Zeitwert zu bewerten, soweit dies sinnvoll ist. Für den Firmenwert sowie in den übrigen Fällen der Forderungsbewertung besteht für Be­ wertungszeitpunkte, die nach dem Zeitpunkt der Anschaffung liegen, keine sinn­ volle Teilwertvermutung. Bei aktiven Wirtschaftsgütern, die für den Betriebsablauf entbehrlich sind, wird vermutet, dass der Teilwert mit dem Einzelveräußerungspreis, also der Unter­ grenze der Teilwertbewertung zusammen fällt. 300

RFH, U.v. 14.12.1926 – VI A 575/26, RFHE 20, 87, 89. Schmidt/Glanegger, 28. Aufl. 2009, § 6, Rn. 228, 415. 302 So stark vereinfachend auch: Steuerreformkommission 1971, Abschnitt V, Tz. 141, S. 463. 303 Albach, Wpg 1963, 628. 304 Vgl. zu den Vermutungen für abnutzbare Anlagegüter oben: 4. Kapitel, B. II. 2. b). 305 Vgl. zu den Vermutungen für Umlaufgüter oben: 4. Kapitel, B. II. 2. c). 306 Zum Verhältnis von Teilwertabschreibung und AfA vgl. oben: 2. Kapitel, B. II. 3.

301

160

4. Kap.: Die Teilwertproblematik de lege lata

Die Teilwertgrenzen und -vermutungen sind in der folgenden Tabelle zu­ sammengefasst: Tabelle 2 Teilwertgrenzen und -vermutungen nicht abnutzbares Anlage­ vermögen

abnutzbares Anlage­ vermögen

Umlauf­ vermögen

Forderungen

Verbind­ lichkeiten

Wertobergrenze: Wiederbeschaffungs- oder Wiederherstellungswert betriebs­ notwendig; Anschaffungs- oder Herstellungszeitpunkt betriebs­ notwendig; spätere Zeitpunkte

Tatsächliche AK/HK (zugl. WBK/WHK)

Aktuelle AK/HK (WBK/WHK)

nicht betriebs­notwendig; alle Zeitpunkte

Tats. AK/HK oder Aktuelle AK/HK (WBK/WHK) ./. AfA, § 7 EStG

Nennwert

i. d. R. WBK/ WHK

Nennwert; ggf. Barwert

Barwert oder Zeitwert

Gemeiner Wert Wertuntergrenze: Einzelveräußerungswert

Quelle: Eigene Darstellung.

Es verbleibt eine Reihe von Fällen, in denen die WBK/WHK und die anderen vermuteten Werte nicht zu angemessenen Ergebnissen führen und für den Teilwert keine Regel eingreift. In diesen Fällen bleibt nichts anderes übrig, als auf Regel­ vermutungen zu verzichten und den Teilwert auf einer dritten Stufe anhand subs­ tantiierter Unterlagen, an die hohe Anforderungen zu stellen sind, im Einzelfall zu schätzen und den sich daraus ergebenden Wert nachzuweisen.307 Der erfolgreiche Nachweis widerlegt zugleich eine anders lautende Teilwertvermutung.308 Ausgerichtet ist die Ermittlung des Teilwerts in diesen Fällen an seiner Funk­ tion als niedrigerer oder höherer Vergleichswert gegenüber den AK/HK. Erkenn­ bar um eine Anknüpfung seiner Methodik an die Definition bemüht, fordert der

307

Vgl. zu den Anforderungen an den Nachweis eines abweichenden Teilwerts oben: 4. Ka­ pitel, B. II. 4. 308 Zu Einzelheiten zur Widerlegung von Teilwertvermutungen vgl. oben: 4. Kapitel, B. II. 4. a) bis c).

B. Der Teilwert in der Rechtsprechung der Finanzgerichte

161

BFH für die Ermittlung des Teilwerts, dass sich ein Veräußerer und ein (gedach­ ter) Er­werber eines Gesamtbetriebs gegenübertreten und einen Preis aushandeln, in den sowohl der Veräußerer als auch der Erwerber ihre Preisvorstellungen ein­ bringen und in kaufmännischem Rahmen durchsetzen.309 „In diesem Sinne ist der Teilwert ein objektiver, d. h. von den einseitigen Preisvorstellungen eines der Ver­ tragspartner letztlich losgelöster Wert.“310 Das Merkmal der Objektivierung, das sich im Merkmal des Betriebserwerbers manifestiert,311 tritt hier zulasten der Be­ triebszugehörigkeit in den Vordergrund.

IV. Eigene Bewertung der Rechtsprechung Die Rechtsprechung der Finanzgerichte zum Teilwert bedarf in zweierlei Hin­ sicht einer kritischen Betrachtung: Die Kritik am Teilwert beruht zum einen auf der Tatsache, dass das von der Rechtsprechung als selbstverständlich dargestellte Abstellen auf die Vermutungen nicht von der gesetzlichen Definition gedeckt ist. Die diesbezüglichen Bedenken richten sich einerseits gegen den Wortlaut des Gesetzes und sind insofern verfas­ sungsrechtlicher Natur, als sie die Bestimmtheit und Willkürfreiheit des § 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG und der darauf beruhenden Ermittlung der Besteuerungsgrund­ lagen betreffen.312 Andererseits stellt sich die Frage, inwieweit die von den Finanzgerichten geübte Heranziehung von Vermutungen, für die keine unmittelbare gesetzliche Grundlage besteht, als Instrument der Wertermittlung steuerverfahrensrechtlichen Anforde­ rungen genügt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich bei den Vermutungen um vereinheitlichte Schätzungen auf Grundlage von Erfahrungssätzen handelt.313 Die Schätzung ist anerkanntermaßen eine Notwendigkeit der Teilwertermittlung. Ihre mehrstufige Systematisierung ist angesichts der zur praktischen Wertermitt­ lung schweigenden Definition nicht nur nachvollziehbar, sondern auch notwen­ dig, um die Teilwertermittlung nicht in jedem Fall einer willkürlichen Schätzung zu überlassen. Steuerverfahrensrechtlich findet die Schätzung in § 162 AO eine 309

BFH, U.v. 20.9.1960 – I 108/60 U, BFHE 71, 565; U.v. 11.1.1966 – I 99/63, BFHE 85, 275; U.v. 15.7.1966 – IV 226/64, BFHE 86, 699; U.v. 7.12.1978 – I R 142/76; BStBl II 1979, 729, 730; dem BFH folgend: Lademann/Ortmann-Babel, § 6, Rn. 377. Noch weiter auf die Ver­ handlung abstellend, jedoch ohne Bezug zu der durch die Teilwertdefinition geforderten Objek­ tivierung, wird vielfach definiert: Der Teilwert ist der Betrag, auf den sich Steuerpflichtiger und Betriebsprüfer einigen, vgl. Weber-Grellet, Steuerbilanzrecht, § 19, Rn. 3; ders., Bilanzsteuer­ recht, 10. Aufl., Rn. 260. 310 BFH, U.v. 7.12.1978 – I R 142/76, BStBl II 1979, 729, 730. 311 Dazu oben: 3. Kapitel, B. II. 1. 312 Zu den verfassungsrechtlichen Fragen bezüglich des Teilwerts ausführlich unten: 4. Kapi­ tel, D. II.; zum Bestimmtheitsgrundsatz: 4. Kapitel, D. II. 1. 313 Dazu schon oben: 4. Kapitel, B. II.

162

4. Kap.: Die Teilwertproblematik de lege lata

gesetzliche Verankerung, an der die Teilwertschätzung auch von zahlreichen Auto­ ren festgemacht wird.314 Zum anderen stellt sich materiellrechtlich die Frage, ob die Vermutungen inhalt­ lich überzeugen können. Diese Frage wird in der Diskussion um den Teilwert ge­ genüber den Bedenken gegen die verfahrensrechtlichen Probleme der Ver­mutung als Methode der Wertermittlung m. E. vernachlässigt. Für die hier begutachtete Angemessenheit der Vermutungen vor dem Hintergrund der historischen und sys­ tematischen Auslegung der Teilwertdefinition ist sie jedoch von entscheidender Bedeutung. Grundsätzlich ist die hohe Bedeutung der WBK/WHK für die Teilwertbewer­ tung gerechtfertigt. Sie entstammt der kaufmännischen Überlegung, ob unter Berücksichtigung der individuellen betrieblichen Verhältnisse im Falle des Ver­ lusts eine Wiederbeschaffung oder Wiederherstellung des fraglichen Wirtschafts­ guts angestrebt werden würde oder nicht und verhilft damit der Teilwertidee, mittels der Betriebszugehörigkeit die subjektive Leistungsfähigkeit in die Bewer­ tung einfließen zu lassen, zur Durchsetzung. Gleiches gilt im Fall der Entbehrlich­ keit des Wirtschaftsguts für den Ansatz des gemeinen Wertes bzw. des Verkehrs­ wertes. Wird eine Wiederbeschaffung bzw. Wiederherstellung angestrebt, weil das Wirtschaftsgut für den Betriebsablauf notwendig ist, wird der Kaufmann theo­ retisch nicht mehr Kapital aufwenden, als ihn die Wiederbeschaffung oder Wie­ derherstellung eines vergleichbaren Wirtschaftsguts in dem Zustand, in dem es sich zur Zeit des fiktiven Verlusts befand, kosten würde, also die (fortgeführten) WBK/WHK. Aus diesen Kosten ergibt sich dann der Teilwert. Wird eine Wieder­ beschaffung oder Wiederherstellung nicht angestrebt, weil das Wirtschaftsgut im Betriebsablauf überflüssig wurde, wird der Kaufmann das Gut zu dem Wert anset­ zen, zu dem er es abzüglich seiner Kosten verkaufen kann, d. h. dem Einzelveräu­ ßerungspreis. Der unbestreitbare Vorteil dieser Überlegung ist, dass sie mittels der Betriebs­notwendigkeit die Bedeutung für den individuellen Betrieb – und damit die ursprüngliche Teilwertidee  – mit dem Ansatz eines marktabhängigen, leicht bestimmbaren Wertes kombiniert. Auf diese Weise ist auch dem Leistungsfähig­ keitsprinzip Genüge getan. Eine Vermutung für die Gleichsetzung des Teilwerts mit den WBK/WHK ist also gerechtfertigt. Allerdings werden die Teilwertvermutungen teilweise als unzutreffend an­ gesehen. So wird kritisiert, dass künftige Verluste vielfach überhaupt nicht oder aber in übertriebener Höhe berücksichtigt würden.315 Diese Kritik kann schon des­ halb nicht durchgreifen, weil die Bilanz wie bereits erörtert kein Instrument der

314

Ehmcke, in: Blümich, § 6, Rn. 600; Kleinle, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 6, Rn. 1005; Werndl, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 6, Rn. B 357, Fn. 810 . 315 So Groh, StuW 1976, 32, 42; ihm folgend: Moxter, FS Klein, S. 827 ff.

C. Das Festhalten des Gesetzgebers am Teilwert

163

(zukunftsorientierten) Finanzplanung und der Teilwert folgerichtig nicht funktio­ nal verlustantizipatorisch zu verstehen ist.316 Dass die Bestimmung des Teilwerts seit mehr als 75 Jahren mittels Schätzungen und darauf aufbauender Vermutungen erfolgt, belegt m. E. besser als jedes andere Argument die weitgehende Angemessenheit der Teilwertvermutungen.

C. Das Festhalten des Gesetzgebers am Teilwert Obwohl der Teilwert seit seiner Aufnahme in die einkommensteuerrechtliche Bewertungsvorschrift des § 6 EStG im Jahr 1934 in der Kritik steht und seine Ab­ schaffung seit Jahrzehnten immer wieder gefordert wird,317 verblieb er samt sei­ ner gesetzlichen Definition unverändert Bestandteil sowohl des EStG als auch des BewG. Dabei überstand der Teilwert auch die zahlreichen Gesetzesreformen der letzten Jahre, von denen einige unmittelbar auf eine Änderung des Bilanzsteuer­ rechts abzielten.

I. Das Gutachten der Steuerreformkommission 1971 Der Finanzminister der ersten großen Koalition Franz Josef Strauß setzte Ende 1968 eine Steuerreformkommission ein und beauftragte sie, Vorschläge für ein re­ formiertes Steuerrecht auszuarbeiten, das den Zielsetzungen einer modernen Fi­ nanzpolitik entspricht und den Grundsatz der Gleichmäßigkeit und sozialen Ge­ rechtigkeit der Besteuerung berücksichtigt.318 Zudem sollte ein Schwerpunkt auf die Vereinfachung des Steuerrechts gelegt werden.319 Im Frühjahr 1971 übergab die Kommission ihr Gutachten, das in zwölf Abschnitten umfassend Stellung zu zahlreichen direkten und indirekten Steuern nahm, der Öffentlichkeit. Bei den Beratungen zur Gewinnermittlung im Einkommensteuerrecht widmete sich die Kommission auch der Frage, ob es möglich und zweckmäßig sei, „den häufig kritisierten Teilwertbegriff durch einen anderen Wertbegriff zu ersetzen.“320 Trotz der Zielsetzung, das Steuerrecht zu vereinfachen, sprach sich die Kommis­ sion dafür aus, „im Interesse der Rechtssicherheit und der Wahrung der Kontinui­ tät die bisherige Teilwertdefinition beizubehalten.“321 Dieses Ergebnis enttäuscht umso mehr, als zur Begründung darauf verwiesen wird, dass keine besseren Wert­ 316

Ausführlich oben: 4. Kapitel, A. VI. sowie 2. Kapitel, A. II. 1. c). So z. B. Hoffmann, StuW 47, Sp. 526; Wall, Wpg 1957, 544 ff.; Heigl, StuW 69, Sp. 490; WissB. Ernst&Young, Abschaffung des Teilwerts, BB 2004, Beil. 3, S. 11. Für die Beibehaltung hingegen Bühler, BB 1948, S. 287. 318 Steuerreformkommission 1971, Abschnitt I, Tz. 1, S. 19. 319 Steuerreformkommission 1971, Abschnitt I, Tz. 1, S. 19. 320 Steuerreformkommission 1971, Abschnitt V, Tz. 135, S. 462. 321 Steuerreformkommission 1971, Abschnitt V, Tz. 151, S. 465. 317

164

4. Kap.: Die Teilwertproblematik de lege lata

maßstäbe gefunden wurden.322 Dabei war sich die Kommission der „erheblichen Mängel“323 der Teilwertdefinition durchaus bewusst und beanstandete ausdrück­ lich, dass die Vermutungen, von denen die Rechtsprechung für die Wertermittlung ausgehen müsse,324 der gesetzlichen Definition nicht mehr entsprächen.325 Aller­ dings zog die Kommission für ihre Entscheidung nur drei Möglichkeiten zur Er­ setzung des Teilwerts in Betracht: Die Ersetzung durch den aktienrechtlichen nied­ rigeren Wert, der dem heutigen niedrigeren beizulegenden Wert des § 253 Abs. 3 S. 3, Abs. 4 S. 2 HGB entspricht,326 wurde mit dem Argument verworfen, dass auch dessen steuergesetzliche Formulierung als Wertuntergrenze den Einfluss der be­ triebsindividuellen Verhältnisse zum Ausdruck bringen müsse und sich dement­ sprechend ähnliche Bewertungsprobleme wie bei dem Teilwert ergeben würden.327 Ausführlich diskutiert wurde außerdem der Ersatz des Teilwerts durch einen so­ fortigen Verlustausgleich in Form einer Rückerstattung früher gezahlter Steuern.328 Diese Variante ist jedoch nach Ansicht der Kommission nicht sachgerecht, weil sie von der Voraussetzung ausgehe, dass Einnahmen und Werbungskosten eines unselbstständigen Arbeitnehmers mit realisierten Erträgen und Betriebsausgaben eines bilanzierenden Unternehmers vergleichbar seien.329 Für die Widerlegung die­ ser Annahme führt die Kommission sechs Gründe an, die vor allem die Unter­ schiede zwischen Unternehmern und unselbstständig Tätigen betonen.330 Schließlich wird mit dem Argument, dass gerade die Fiktion des Betriebs­ erwerbs die Berücksichtigung betriebsindividueller Verhältnisse ermögliche, auch die Möglichkeit verworfen, die Teilwertvermutungen der Rechtsprechung in die gesetzliche Definition aufzunehmen.331 Weitere Alternativen zum Teilwert wurden nicht in Betracht gezogen. Angesichts der Mängel, die die Kommission erkannt und in ihrem Vorschlag be­ rücksichtigt hat, sah die Kommission für die Beibehaltung der bisherigen Teilwert­ definition wohl zwingende Gründe. Diese liegen m. E. in den Parametern, denen die Kommission für den Teilwert oberste Priorität beigemessen hat, nämlich einer­ seits die Berücksichtigung betriebsindividueller Verhältnisse bei der Definition der Wertuntergrenze aktiver Wirtschaftsgüter332 sowie andererseits die Rechtssicher­ 322

Steuerreformkommission 1971, Abschnitt V, Tz. 151, S. 465. Steuerreformkommission 1971, Abschnitt V, Tz. 151, S. 465. 324 Zu den Teilwertvermutungen ausführlich oben: 4. Kapitel, B. 325 Steuerreformkommission 1971, Abschnitt V, Tz. 139–141, 151, S. 463, 465. 326 Zu Entsprechungen des Teilwerts im Handelsrecht ausführlich unten: 5. Kapitel, B. VII. 327 Steuerreformkommission 1971, Abschnitt V, Tz. 145, S. 464. 328 Zur Ersetzung des Teilwerts durch Verlustausgleich und Verlustabzug noch unten: 5. Ka­ pitel, B. I. 329 Steuerreformkommission 1971, Abschnitt V, Tz. 146, S. 464 f. 330 Steuerreformkommission 1971, Abschnitt V, Tz. 147–150, S. 465. 331 Steuerreformkommission 1971, Abschnitt V, Tz. 151, S. 465. 332 Vgl. insoweit Steuerreformkommission 1971, Abschnitt V, Tz. 145, S. 464 und Tz. 151, S. 465. 323

C. Das Festhalten des Gesetzgebers am Teilwert

165

heit und Bewertungskontinuität im Bereich des Steuerbilanzrechts.333 Zumindest das letztgenannte Ziel sollte für eine „Reform“-Kommission, deren Ziel es ist, das Steuerrecht gerechter und einfacher zu machen, nicht unbedingt maßgeblich sein. Der Gesetzgeber jedenfalls ist dem Vorschlag der Kommission gefolgt und hat den Teilwert nicht angetastet.

II. Das Bilanzrichtlinien-Gesetz vom 19.12.1985 Zu einer umfassenden Neugestaltung des handelsrechtlichen Bilanzrechts führte das „Gesetz zur Durchführung der Vierten, Siebenten und Achten Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Koordinierung des Gesellschafts­ rechts (Bilanzrichtlinien-Gesetz – BiRiLiG)“334 vom 19.12.1985, das am 1.1.1986 in Kraft trat.335 Mit der Einfügung des 3. Buches (Handelsbücher – §§ 238–342e HGB) wurden Vorschriften über Buchführung, Jahresabschluss, Vorlage und Auf­ bewahrung von Handelsbüchern ins HGB aufgenommen, die für alle Kaufleute336 gelten (1. Abschnitt, §§ 238–263 HGB) und für Kapitalgesellschaften und Genos­ senschaften einschließlich Konzernen um weitere Vorschriften (2., 3. Abschnitt, §§ 264–339 HGB) ergänzt wurden.337 Von zunehmender Bedeutung ist dabei in jüngster Zeit das in § 264 Abs. 2 S. 1 HGB kodifizierte Gebot, mit dem Jahres­ abschluss ein „den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermö­ gens-, Finanz- und Ertragslage der Kapitalgesellschaft zu vermitteln“, das als sog. „true and fair view-Grundsatz“ Teil der von § 5 Abs. 1 EStG erfassten GoB ist338 und mittlerweile auch für andere Rechtsformen als Kapitalgesellschaften, insbe­ sondere OHG und KG, das Vorsichtsprinzip als wichtigsten Bilanzierungsgrund­ satz ablöst.339

333

Vgl. insoweit Steuerreformkommission 1971, Abschnitt V, Tz. 151, S. 465. BGBl I 1985, 2355–2433. Dazu ausführlich z. B. Baumbach/Hopt/Merkt, HGB, 33. Aufl., Einl. v. § 238, Rn. 1–13; Hüffer, in: Staub, Großkomm. HGB, 4. Aufl., Vor § 238, Rn. 3–11. Zur 4. EG-Bilanzrichtlinie vgl. unten: 5. Kapitel, B. III. 1. 335 Art. 13 BiRiLiG, BGBl I 1985, 2433. 336 Im Zuge des BilMoG vom 25.5.2009 (BGBl I 2009, 1102) wurden Einzelkaufleute mit Umsatzerlösen bis 500 000 € oder Jahresüberschüssen bis 50 000 € gem. § 241a HGB von der Pflicht zur Buchführung und Erstellung eines Inventars befreit. 337 Näher Baumbach/Hopt/Merkt, HGB, 33. Aufl., Einl. v. § 238, Rn.  2; Hüffer, in: Staub, Großkomm. HGB, 4. Aufl., Vor § 238, Rn. 12 f. Der Vierte Abschnitt, §§ 340–342d HGB (Er­ gänzende Vorschriften für Unternehmen bestimmter Geschäftszweige) war nicht Gegenstand des BiRiLiG 1985, sondern beruht auf dem Bankbilanzrichtlinie-Gesetz v. 30.11.1990 (§§ 340– 340o, BGBl I 1990, 2570–2578) und dem Versicherungsbilanzrichtlinie-Gesetz v. 25.6.1994 (§§ 341–341o, BGBl I 1994, 1377–1386), vgl. Baumbach/Hopt/Merkt, HGB, 34. Aufl., § 340, Rn. 1; Schmidt/Weber-Grellet, 27. Aufl. 2008, § 5, Rn. 56. 338 So Schmidt/Weber-Grellet, 28. Aufl.2009, § 5, Rn. 83. 339 Dies zeigt sich vor allem an den durch das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz vom 25.5.2009 (dazu sogleich: 4.  Kapitel, C. V.) eingeführten Änderungen, die dem true and fair view-Grundsatz zur Geltung verhelfen. 334

166

4. Kap.: Die Teilwertproblematik de lege lata

Auf das Bilanzsteuerrecht nahm das BiRiLiG zum einen durch unmittelbare Änderungen des EStG (Art. 10 Abs. 15 BiRiLiG340) und zum anderen aufgrund der Maßgeblichkeit der handelsrechtlichen GoB (§ 5 Abs. 1 EStG), die ausdrück­ lich beibehalten werden sollte,341 Einfluss. Der Teilwert des § 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG sowie sein Anwendungsbereich wurden von diesen Änderungen nur mittel­ bar betroffen: Durch die Fiktion einer betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer von 15 Jahren in dem neu eingeführten Satz 3 des § 7 Abs. 1 EStG342 wurde der Firmenwert eines Unternehmens – wie schon zuvor im Handelsrecht – zu einem abnutzbaren Wirt­ schaftsgut des Anlagevermögens.343 Mit dieser Änderung trat die Frage auf, ob das Erfordernis der Berücksichtigung von AfA gem. § 7 EStG einer Ermittlung des Teilwerts auf Grundlage der sog. Einheitstheorie entgegenstehe.344 Der Rechts­ ausschuss des Bundestages ging während des Gesetzgebungsverfahrens auf die Problematik der Teilwertbestimmung für einen als abnutzbares Anlagegut klassi­ fizierten Firmenwert nicht ein,345 was darauf hindeutet, dass die Regelung keine Änderung der geübten Praxis erzwingt. Eine weitere mittelbare Auswirkung auf das Steuerbilanzrecht ging mit der han­ delsgesetzlichen Kodifizierung zahlreicher GoB einher, die zuvor gar nicht oder nur im AktG niedergeschrieben waren und nun aufgrund der Regelung im 1. Ab­ schnitt des 3. Buchs (§§ 238–263 HGB)346 für alle Kaufleute verbindliches Recht wurden. Die einkommensteuerrechtliche Bewertung wurde dadurch insofern kon­ kretisiert, als auf die zuvor dem Gewohnheitsrecht oder den Handelsbräuchen347 zuzuordnenden GoB nun eindeutig Bezug genommen werden konnte. Die umfassende gesetzliche Festlegung von Wertmaßstäben in §§ 253, 255 HGB348 schließlich ist für die einkommensteuerrechtliche Bewertung nur in dem Maße von Bedeutung, in dem aus den handelsrechtlichen Bewertungsvorschrif­ ten Rückschlüsse auf den Teilwert gezogen werden können.349 Dabei ist insbeson­ dere zu beachten, dass § 253 Abs. 2 S. 3 HGB a. F., jetzt § 253 Abs. 3 S. 3 HGB dem früheren § 154 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AktG 1965 entsprechen soll,350 sodass der 340

BGBl I 1985, 2425 f. Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drs. 10/4268, S. 90. 342 BGBl I 1985, 2425 f. Korrespondierend zugleich Streichung des Firmenwertes aus § 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG, vgl. Art. 10 Abs. 15 Nr. 1 a) bb) BiRiLiG (BGBl I 1985, 2425). 343 Vgl. Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drs. 10/4268, S. 146. 344 Dazu schon oben: 4. Kapitel, B. II. 2. b). 345 Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drs. 10/4268, S. 146 f. 346 BGBl I 1985, 23. 347 Ggf. auch kaufmännisches Standesrecht oder außerrechtliche Fachnormen, vgl. Baum­ bach/Hopt/Merkt, HGB, 34. Aufl., § 238, Rn. 11 sowie Wöhe/Kußmaul, Buchführung und Bi­ lanztechnik, 6. Aufl., S. 39 f. 348 BGBl I 1985, 2358 f. 349 Zum Vergleich von Teilwert und niedrigerem beizulegenden Wert ausführlich unten: 5. Kapitel, B. VII. 350 Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drs. 10/4268, S. 100. 341

C. Das Festhalten des Gesetzgebers am Teilwert

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niedrigere beizulegende Wert des alten Aktienrechts und derjenige des gelten­ den Handelsrechts jedenfalls für das Anlagevermögen gleich sind.351 Nichts an­ deres kann für das Umlaufvermögen und die Vorschriften des § 155 Abs. 2 S. 2 AktG 1965 und des § 253 Abs. 3 S. 2 HGB a. F., bzw. § 253 Abs. 4 S. 2 HGB n. F. gelten.

III. Das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 vom 24.3.1999 Wesentlich geändert352 wurden die Vorschriften des Steuerbilanzrechts durch das „Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002“353 vom 24.3.1999, das im Wesent­ lichen zum 1.1.1999 in Kraft trat354 und die steuerpolitischen Vorstellungen der neuen rot-grünen Bundesregierung von einem gerechteren und einfacheren Steu­ errecht umzusetzen half.355 Neben zahlreichen anderen Vorschriften des EStG, des KStG und weiterer Gesetze war gerade die Bewertungsvorschrift des § 6 EStG Ge­ genstand erheblicher Änderungen, die auch den Teilwert unmittelbar betrafen. So ist der Ansatz des niedrigeren Teilwerts in den Fällen des § 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 2, Nr. 2 S. 2 EStG356 seit dem Veranlagungszeitraum 1999 nur noch bei einer vo­ raussichtlich dauernden Wertminderung möglich. Eine solche soll bei abnutzbaren Anlagegütern vorliegen, wenn der Teilwert des Wirtschaftsguts mindestens für die halbe Restnutzungsdauer unter dem planmäßigen Restbuchwert liegt.357 Für nicht abnutzbare Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens verlangt der BFH, dass der Wert zum Bilanzstichtag unter die AK/HK gesunken ist und zum Zeitpunkt der Bi­ lanzerstellung keine konkreten Anhaltspunkte für eine alsbaldige Wertaufholung vorliegen.358 Bei Wirtschaftsgütern des Umlaufvermögens kann eine Wertminde­ rung nur dann dauerhaft sein, wenn sie während der voraussichtlichen Verweil­ dauer im Betrieb anhält.359 Für Verbindlichkeiten kommt der Ansatz des höheren

351

Aus diesem Grund können etwa Vergleiche zwischen Teilwert und niedrigerem Wert des § 154 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AktG 1965 auf den Vergleich zwischen Teilwert und niedrigerem bei­ zulegenden Wert des § 253 Abs. 3 S. 3 HGB übertragen werden. Gleiches gilt für das Umlauf­ vermögen. 352 So Schmidt/Glanegger, 19. Aufl. 2000, § 6, Rn. 1. Ähnlich Kessler, DB 1999, 2577. 353 BGBl I 1999, 402–496; BStBl I 1999, 304–398. 354 Vgl. Art. 18 Abs. 1 StEntlG 99/00/02, BGBl I 1999, 496. 355 Zu den Zielen vgl. Gesetzentwurf der Regierungsfraktionen, BT-Drs. 14/23, S. 1. 356 BGBl I 1999, 404. 357 BFH, U.v. 14.3.2006 – I R 22/05, BStBl II 2006, 680; BMF-Schreiben v. 25.2.2000, BStBl I 2000, S. 372, Tz. 6; Schmidt/Glanegger, 28. Aufl. 2009, § 6, Rn. 218. 358 BFH, U.v. 26.9.2007 – I R 58/06, BFH/NV 2008, 432 (börsennotierte Aktien; entgegen BMF-Schreiben v. 25.2.2000 – IV C 2-S 2171 b-14/00, BStBl I 2000, S. 373, Tz. 11). 359 So auch Schmidt/Glanegger, 28.  Aufl. 2009, § 6, Rn.  233 entgegen BMF-Schreiben v. 25.2.2000 – IV C 2-S 2171 b-14/00, BStBl I 2000, S. 374, Tz. 23 (Wertminderung bis zur Bi­ lanzaufstellung reicht aus). Ähnlich Groh, DB 1999, 984.

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4. Kap.: Die Teilwertproblematik de lege lata

Teilwerts nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 S. 1 i. V. m. Nr. 2 S. 2, 3 EStG360 spiegelbildlich nur noch bei einer voraussichtlich dauernden Werterhöhung in Betracht. Zusätzlich wurde die Möglichkeit des Teilwertansatzes durch die Abschaffung des Wertaufholungswahlrechts (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 4, Nr. 2 S. 3 EStG a. F.) einge­ schränkt.361 § 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 4, Nr. 2 S. 3 EStG362 ordnet statt dessen für das An­ lage- und das Umlaufvermögen ein striktes Gebot zur Wertaufholung an, wenn die Wertminderung und damit der Grund für eine Teilwertabschreibung ganz oder teil­ weise weggefallen ist oder wegen einer nur vorübergehenden Wertminderung nach der neuen Gesetzeslage nicht mehr zulässig ist.363 Gestrichen wurde weiterhin für land- und fortwirtschaftliche Betriebe die Möglichkeit, nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 S. 4 EStG a. F. einen höheren Teilwert anzusetzen.364 Begründet wurden diese Einschränkungen des Teilwertansatzes mit einer durch die Globalisierung erzwungenen Objektivierung der steuerlichen Gewinnermitt­ lung, die eine Reduzierung der Möglichkeiten zur Bildung stiller Reserven erforde­ re.365 Politisch wurden die Änderungen durch das Ziel motiviert, die Steuerbemes­ sungsgrundlage für bilanzierende Unternehmen zu verbreitern,366 Mehreinnahmen zu generieren367 und so auf der anderen Seite Arbeitnehmer und Familien spürbar zu entlasten.368 Während der Anwendungsbereich des Teilwerts durch das in Kraft getretene Steuerentlastungsgesetz selbst nicht verändert wurde, sah der ursprüngliche Ge­ setzentwurf der Regierungsfraktionen die Streichung des Teilwerts und seiner De­ finition aus § 6 Abs.  1 Nr.  1 und Nr.  2 EStG vor,369 um „Buchverluste“ im An­ lage- und Umlaufvermögen unberücksichtigt zu lassen und das handelsrechtliche Imparitätsprinzip, das mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip unvereinbar sei, zu­ gunsten des Realisationsprinzips aus der steuerlichen Gewinnermittlung zu ver­ bannen.370 Zudem wurde auf die Geltung des Zufluss-/Abflussprinzips (§ 11 EStG) für Arbeitnehmer und andere Bezieher von Überschusseinkünften verwiesen.371 Wirtschaftsgüter hätten danach auch im Falle einer unvorhergesehenen Wertmin­ derung nur mit den AK/HK – ggf. vermindert um die AfA nach § 7 EStG – an­ 360

BGBl I 1999, 404. Vgl. 3. Bericht des Finanzausschusses, BT-DrS. 14/443, S. 22. 362 BGBl I 1999, 404. 363 Ausführlich zum Wertaufholungsgebot bei Abschaffung der Teilwertabschreibung (i. S. d. Entwurfs in BT-DrS.  14/23): Niemann, in: IFSt-Schrift Nr.  368. Zum geplanten Gebot der Wertaufholung bei Kredit- und Finanzdienstleistungsinstituten ausführlich Kessler, DB 1999, 2577 ff. 364 BGBl I 1999, 404. 365 Gesetzentwurf der Regierungsfraktionen, BT-Drs. 14/23, S. 170. 366 Vgl. 3. Bericht des Finanzausschusses, BT-DrS. 14/443, S. 2 f. 367 Vgl. BT-DrS. 14/443, S. 61 ff. 368 Gesetzentwurf der Regierungsfraktionen, BT-Drs. 14/23, S. 1. 369 Gesetzentwurf der Regierungsfraktionen, BT-Drs. 14/23, S. 5. 370 Gesetzentwurf der Regierungsfraktionen, Begründung, BT-Drs. 14/23, S. 171. 371 Gesetzentwurf der Regierungsfraktionen, Begründung, BT-Drs. 14/23, S. 170. 361

C. Das Festhalten des Gesetzgebers am Teilwert

169

gesetzt werden können. Verluste sollten sich erst bei ihrer Realisierung steuerlich auswirken.372 Gegen diese Regelung erhob sich erheblicher Widerstand, der zu Recht auf den Dualismus der Einkunftsarten und auf die Tatsache verwies, dass das Imparitätsprinzip notwendiger Bestandteil des Bilanzsteuerrechts sei und die Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit nicht vereitle, sondern durchsetze.373 Der Teilwert sei deshalb ein konstituierender Bestandteil der steuer­ rechtlichen Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich.374 Für den Teilwert als einkommensteuerrechtlichen Bewertungsmaßstab hätte die Streichung aus § 6 Abs. 1 Nr. 1, 2 EStG jedoch nicht das Ende bedeutet. Denn der Wert sollte als maßgeblicher Wert für die Bewertung von Entnahmen und Einla­ gen (§ 6 Abs. 1 Nr. 4, 5 EStG) sowie in den Fällen der Nummern 6 und 7 des § 6 Abs. 1 EStG erhalten bleiben; die gesetzliche Definition sollte unverändert in § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 2 EStG-E übernommen werden.375 Selbst die weitreichenden Än­ derungen des ursprünglichen Gesetzentwurfs stellten den Teilwert damit weder als Begriff noch als einkommensteuerrechtliche Institution in Frage. Das steuerrecht­ liche Schrifttum sowie die Betroffenen und ihre Interessenverbände machten sich für die Beibehaltung des Wertmaßstabes – und der damit verbundenen Abschrei­ bungsmöglichkeiten – stark. Der Teilwert wurde plötzlich als notwendig und in­ haltlich angemessen angesehen. Nur vereinzelt wurde im Rahmen des Gesetzge­ bungsverfahrens der Ruf nach einer Präzisierung des Begriffs laut.376 Im Endeffekt setzte das Steuerentlastungsgesetz jedoch keine Impulse für eine Änderung oder Aufhebung des Teilwerts.

IV. Das Erbschaftsteuerreformgesetz vom 24.12.2008 Erhebliche Änderungen hinsichtlich der steuerrechtlichen Bewertungsmaßstäbe erfuhr das BewG durch das „Gesetz zur Reform des Erbschaftsteuer- und Bewer­ tungsrechts (Erbschaftsteuerreformgesetz – ErbStRG)“ vom 24.12.2008377, nach­ dem das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) mit Beschluss vom 7.11.2006378 die 372 Vgl. Gesetzentwurf der Regierungsfraktionen, Begründung, BT-Drs. 14/23, S. 170, 171. Ausführlich zur Streichung des Teilwerts aus § 6 Abs. 1 Nr. 1, 2 EStG: Uelner/Albert, Verbot der Teilwertabschreibung, IFSt-Schrift Nr. 369, S. 5 ff. 373 Etwa Groh, DB 1999, 979 f., 984; Stibi, StuB 1999, 32 f.; Niemann, in: IFSt-Schrift Nr.  368, S.  25 f. Vgl. auch Kessler, DB 1999, 2577, Fn.  4 m. w. N.; Hoffmann/Rüsch, DStR 1999, 46 f., 51. Zu den verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen einer Abschaffung des Teilwerts ausführlich Schlotter, 4. Kapitel, C. I. (S. 268). 374 Uelner/Albert, Verbot der Teilwertabschreibung, IFSt-Schrift Nr. 369, S. 2, 33. 375 Gesetzentwurf der Regierungsfraktionen, BT-Drs. 14/23, S. 6. 376 Vgl. Kessler, DB 1999, 2577, Fn. 11 mit Hinweis auf „eine Formulierungshilfe des Hessi­ schen Ministeriums der Finanzen vom 15.1.1999 und ein(en) entsprechenden Entschließungs­ antrag“. 377 BGBl I 2008, 3018–3082, Art. 2 (BewG) ab S. 3028; BStBl I 2009, 140–204, Art. 2 ab S. 150. 378 BVerfG, B.v. 7.11.2006 – 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1.

170

4. Kap.: Die Teilwertproblematik de lege lata

Bewertung des durch Erbschaft anfallenden Vermögens nach den Vorschriften des alten ErbStG für verfassungswidrig erklärt hatte. Das Gericht beanstandete einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, weil die in § 19 Abs. 1 ErbStG a. F. angeordnete Erhebung der Erbschaftsteuer mit einheitlichen Steuer­ sätzen an Steuerwerte anknüpfe, die für wesentliche Gruppen von Vermögen (z. B. Betriebsvermögen, Grundvermögen, Anteile von Kapitalgesellschaften und landund forstwirtschaftlichen Betrieben) unterschiedlich ermittelt würden.379 Statt des­ sen sei die Bewertung des Vermögens einheitlich am gemeinen Wert (§ 9 BewG) auszurichten.380 Erst auf einer zweiten Stufe seien Steuerbegünstigungen und -­befreiungen zur Verfolgung außerfiskalischer Lenkungszwecke unter bestimmten Voraussetzungen zulässig.381 Durch das Urteil des BVerfG sowie das ErbStRG erfuhr der gemeine Wert eine erhebliche Aufwertung als maßgeblicher Bewertungsmaßstab für sämtliche Ar­ ten von Vermögen wie etwa Betriebsvermögen (§ 109 Abs. 1 S. 1 BewG), bebaute und unbebaute Grundstücke (§ 177 BewG) und das sonstige Vermögen (§ 9 Abs. 1 BewG). Da nicht nur die Steuerbilanzwerte für die Erbschaftsteuer,382 sondern auch umgekehrt die erbschaftsteuerlichen Werte für die Ertragssteuerbilanz unge­ eignet sind, kommt eine unmittelbare Übertragung der Überlegungen des BVerfG auf die einkommensteuerrechtliche Bewertung nicht in Betracht. Interessant im Hinblick auf den Teilwert ist allerdings die Vorschrift zur Bewer­ tung des Wirtschaftsteils383 des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens, § 162 BewG. Im Hinblick auf die angestrebte einheitliche Ausrichtung der Bewertung am gemeinen Wert hatte das BVerfG auch für diese Vermögensart eine am Ertrags­ wert ausgerichtete Bewertung als verfassungswidrig abgelehnt; abzustellen sei auf den bei einer Veräußerung unter objektivierten Bedingungen erzielbaren Preis, also den gemeinen Wert384. Der Gesetzgeber ist dieser Forderung im Rahmen der Erbschaftsteuerreform nur scheinbar gefolgt,385 indem er zunächst gemäß § 162 Abs. 1 S. 1 BewG den gemeinen Wert für die Bewertung des Wirtschaftsteils eines land- und forst­ wirtschaftlichen Betriebs für maßgeblich erklärt, bevor er in § 162 Abs.  1 S.  2 BewG anordnet, dass bei der Bewertung davon auszugehen sei, „dass der Erwer­ ber den Betrieb […] fortführt.“ Der auf diese Weise konstruierte (gemeine) Wert 379

BVerfG, B.v. 7.11.2006 – 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1, Leitsatz 1. Vgl. BVerfG, B.v. 7.11.2006 – 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1, Leitsatz 2. a). 381 Lenkungsnormen müssen von einer erkennbaren gesetzgeberischen Entscheidung getra­ gen und gleichheitsgerecht, sachbezogen und willkürfrei ausgestaltet sein. Vgl. BVerfG, B.v. 7.11.2006 – 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 31 f., 36. 382 So BVerfG, B.v. 7.11.2006 – 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1, 41 f. 383 Nach § 160 Abs.  2 S.  1 BewG umfasst der Wirtschaftsteil eines Betriebs die land- und forstwirtschaftlichen Nutzungen, die Nebenbetriebe (§ 160 Abs.  3 BewG) sowie Abbauland (§ 160 Abs. 4 BewG), Geringstland (§ 160 Abs. 5 BewG) und Unland (§ 160 Abs. 6 BewG). 384 BVerfG, 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 64 f. 385 Ähnlich Moench/Albrecht, Erbschaftsteuer, Rn. 752. 380

C. Das Festhalten des Gesetzgebers am Teilwert

171

entspricht konzeptionell dem Teilwert des § 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG,386 der ur­ sprünglich ebenfalls als ein um das Merkmal des Betriebsfortbestands modifi­ zierter Verkehrswert verstanden wurde.387 Die Gesetzesbegründung der Bundesre­ gierung spricht in diesem Zusammenhang von dem „Fortführungswert“, der den Nutzungen, Nebenbetrieben und übrigen Wirtschaftsgütern im fortgeführten landund forstwirtschaftlichen Betrieb unter objektiven ökonomischen Bedingungen beizumessen sei.388 Sie entfernt sich damit ebenso wie die Vorschriften der §§ 163, 164 BewG, die eine Bewertung mit dem typisierten Reinertragswertverfahren vorsehen, deutlich von dem gemeinen Wert im Sinne eines Einzelveräußerungs­ preises. Unter diesen Voraussetzungen stellt sich die Frage, inwieweit die detaillier­ ten Regelungen zur Ermittlung des gemeinen Werts land- und forstwirtschaftli­ chen Effektivvermögens als gesetzgeberische Entscheidung für eine Umsetzung der einkommensteuerrechtlichen Teilwertkonstruktion verstanden werden können. Gegen eine so extensive Auslegung der §§ 162 ff. BewG sprechen jedoch neben der grundsätzlich gebotenen Differenzierung von erbschaft- und ertragssteuerlicher Bewertung389 weitere stichhaltige Gründe. So ist zu berücksichtigen, dass der Ge­ setzgeber selbst aus der terminologischen Anlehnung an den Teilwert keine weite­ ren Konsequenzen für die Wertermittlung gezogen hat. Die Teilwertermittlung, die praktisch deutlich anderen Regeln folgt,390 wird weder als Vorlage noch als weite­ res Anwendungsfeld der neuen Bewertungsmethodik erwähnt. Darüber hinaus muss berücksichtigt werden, dass der in den Sätzen 1 und 2 des § 162 Abs. 1 BewG angelegte Widerspruch zwischen Liquidationswert und Fort­ führungswert, der zugunsten des letzteren gelöst wird, nicht einem komplexen Be­ wertungsziel folgt wie der Teilwert, sondern eine bloße Reaktion des Gesetzgebers auf die Vorgabe des BVerfG ist, den gemeinen Wert als maßgeblichen Bewertungs­ maßstab aller Vermögensarten zu Grunde zu legen. Die entsprechende Anordnung des § 162 Abs. 1 S. 1 BewG ist also lediglich der Versuch, das Festhalten am Er­ tragswertverfahren für die Bewertung land- und forstwirtschaftlichen Vermögens zu verschleiern;391 der Widerspruch zwischen Liquidationswert und Fortführungs­ wert ist folglich anders als beim Teilwert nicht konzeptionell, sondern sprachlich bedingt. Im Gegensatz zu der komplizierten Teilwertkonstruktion bedarf er kei­ ner pragmatischen Lösung, sondern beruht auf einer pragmatischen Überlegung des Gesetzgebers.

386

So auch Birk, Steuerrecht, 12. Aufl., Rn. 1578 (Fn. 882). Vgl. oben: 3. Kapitel, A. V. 388 Gesetzentwurf der Bundesregierung, Begründung, BT-DrS. 16/7918, S. 42. 389 s. o. 390 Zur Teilwertermittlung in der Rechtsprechung ausführlich oben: 4. Kapitel, B. 391 So auch Moench/Albrecht, Erbschaftsteuer, Rn. 752. M. E. führt dies zur Verfassungswid­ rigkeit der Norm, weil entgegen den Vorgaben des BVerfG auf eine gleichmäßige Bewertung verschiedenartiger Erwerbsgegenstände bewusst verzichtet wurde. 387

172

4. Kap.: Die Teilwertproblematik de lege lata

Das neue Bewertungsrecht, das durch das ErbStRG eingeführt wurde, enthält damit insgesamt keine Impulse für die Entwicklung des Teilwerts.

V. Das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz vom 25.5.2009 Weitgehende Änderungen erfuhren die Vorschriften zur Rechnungslegung jüngst auch durch das „Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts (Bilanzrechtsmo­ dernisierungsgesetz – BilMoG)“ vom 25.5.2009392. Die Modernisierung, die vor allem die handelsrechtlichen Vorschriften zu Buchführung und Jahresabschluss (§§ 238 ff. HGB) betrifft, zielte auf den Ausbau des deutschen HGB-Bilanzrechts zu einer einfachen und kostengünstigen, aber vollwertigen Alternative zu den in­ ternationalen Rechnungslegungsstandards (insbes. IFRS), mit der gleichzeitig die aktuellen europarechtlichen Vorgaben zum Bilanzrecht393 umgesetzt werden sollen.394 Die Bilanzierung nach dem HGB sollte dabei in ihren Eckpunkten ein­ schließlich des Systems der GoB erhalten bleiben;395 die Bilanz selbst sollte wei­ terhin Grundlage der Ausschüttungsbemessung und der steuerlichen Gewinn­ ermittlung bleiben.396 Das Verhältnis zwischen Handelsbilanz und Steuerbilanz wird durch das Bil­ MoG einseitig modifiziert:397 Die Maßgeblichkeit der handelsrechtlichen GoB für die steuerliche Gewinnermittlung bleibt unverändert bestehen; eine Änderung der steuerlichen Gewinnermittlung wurde durch das Gesetz nicht angestrebt.398 Es war vielmehr auf Steuerneutralität angelegt.399 Somit nahm das BilMoG keinen unmit­ 392 BGBl I 2009, 1102 ff.; BStBl I 2009, 650 ff. (Auszug). Vgl. auch den Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 30.7.2008, BT-DrS. 16/10067 sowie Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses vom 24.3.2009, BT-DrS.  16/12407. Ausführlich zum Gesetzentwurf auch die Beiträge in Schmiel/Breithecker, Steuerliche Gewinnermittlung nach Bilanzrechts­ modernisierungsgesetz. 393 Ausdrücklich nennt der Entwurf die Abschlussprüferrichtlinie (Richtlinie 2006/43/EG vom 17.5.2006) und die Abänderungsrichtlinie (Richtlinie 2006/46/EG vom 14.6.2006), vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung v. 30.7.2008, BT-DrS. 16/10067, S. 1. 394 Gesetzentwurf der Bundesregierung v. 30.7.2008, BT-DrS.  16/10067, S.  1; Beschluss­ empfehlung des Rechtsausschusses v. 24.3.2009, BT-DrS. 16/12407, S. 1. 395 Eine weitreichende Deregulierung der Buchführungs- und Bilanzierungspflichten für Ein­ zelkaufleuten sowie Erleichterungen und Befreiungen für Kapitalgesellschaften sollen aber zu einer erheblichen Kostendämpfung führen. Gleichzeitig soll die Informationsfunktion des Jah­ res- und Konzernabschlusses gestärkt und so internationalen Maßstäben angenähert werden, so Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-DrS. 16/10067, S. 1. 396 So ausdrücklich: Gesetzentwurf der Bundesregierung v. 30.7.2008, BT-DrS.  16/10067, S. 1; Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses v. 24.3.2009, BT-DrS. 16/12407, S. 1. 397 Ausführlich zu den Auswirkungen des BilMoG auf den Maßgeblichkeitsgrundsatz etwa Theile/Hartmann, DStR 2008, 2031 ff.; Meurer, FR 2009, 117 ff. 398 Meurer, FR 2009, 117, 118. 399 Gesetzentwurf der Bundesregierung v. 30.7.2008, Begründung, BT-DrS 16/10067, S. 41. Die Änderungen des EStG, v. a. des § 5 EStG, beschränken sich demnach auf Anpassungen, die den Auswirkungen der handelsrechtlichen Änderungen geschuldet sind.

C. Das Festhalten des Gesetzgebers am Teilwert

173

telbaren Einfluss auf das Bewertungskonzept des Einkommensteuerrechts. Auch Funktion, Anwendungsbereich und Konzeption des Teilwerts wurden folgerich­ tig nicht verändert. In umgekehrter Richtung jedoch wurde der Einfluss steuerrechtlicher Prinzi­ pien auf die handelsrechtliche Bilanzierung, der sich insbesondere in der sog. um­ gekehrten formellen Maßgeblichkeit der Steuerbilanz für die Handelsbilanz nach § 5 Abs.  1 S.  2 EStG a. F. zeigte, aufgegeben. Das führte dazu, dass „die Aus­ übung von steuerlichen Wahlrechten, die von den handelsrechtlichen Bilanzie­ rungsvorschriften abweichen, im handelsrechtlichen Jahresabschluss nicht mehr nachzuvollziehen ist.“400 So kann etwa die Reinvestitionsrücklage des § 6b Abs. 3 EStG handelsrechtlich nicht mehr in Anspruch genommen werden.401 Konsequen­ terweise wurden auch die handelsrechtlichen Öffnungsklauseln, z. B. in §§ 254, 279 Abs.  2 HGB a. F. (Abschreibungen), §§ 247 Abs.  3, 273 HGB a. F. (Passiv­ posten) und § 280 Abs. 2 HGB a. F. (Wertaufholung), die die Maßgeblichkeit der Steuerbilanz auch dann zuließen, wenn ein entsprechender Ansatz allein han­ delsrechtlich unzulässig gewesen wäre,402 aufgehoben. Bezweckt wurde damit laut Gesetzes­begründung die Vereinfachung der handelsrechtlichen Rechnungsle­ gung und die Anhebung des Informationsniveaus des handelsrechtlichen Jahres­ abschlusses.403 Erstaunlicherweise gehen die Neuerungen des BilMoG jedoch nicht mit einer Distanzierung vom steuerlichen Bewertungskonzept einher. Vielmehr führt der Wegfall des Passivierungswahlrechts für Aufwandsrückstellungen (§ 249 Abs.  2 HGB a. F.), die Anpassung an den steuerrechtlichen Herstellungskostenbegriff (§ 255 Abs. 2, 2a HGB), der Wegfall des Abschreibungswahlrechts bei vorüber­ gehenden Wertminderungen (§ 253 Abs.  2 S.  3 HGB a. F.) unter Beibehaltung der Abschreibungspflicht bei voraussichtlich dauernden Wertminderungen (§ 253 Abs. 3 S. 3 HGB) sowie das uneingeschränkte Wertaufholungsgebot für alle Wirt­ schaftsgüter außer dem entgeltlich erworbenen Firmenwert (§ 253 Abs. 5 HGB) zu einer Annäherung an die steuerlichen Bewertungsvorschriften.404 Gleichzeitig nähern sich durch die stärkere Betonung des true and fair viewGrundsatzes die Bewertungsziele von Handels- und Steuerbilanz einander an, weil das Ziel der Informationsvermittlung für externe Adressaten, dem der true and fair view-Grundsatz dient, dem steuerlichen Ziel der exakten Erfassung steuer­ 400 So zur Änderung des § 5 EStG der Gesetzentwurf der Bundesregierung v. 30.7.2008, ­BT-DrS. 16/10067, S. 7; Zitat: Begründung, S. 99. 401 Zur handels- und steuerrechtlichen Behandlung eines solchen Postens nach neuem Recht ausführlich Theile/Hartmann, DStR 2008, 2032 f. 402 Schmidt/Weber-Grellet, 28. Aufl. 2009, § 5, Rn.  41; ders., Bilanzsteuerrecht, 10. Aufl., Rn. 78. 403 So zur Aufhebung des § 247 Abs.  3 HGB a. F. der Gesetzentwurf der Bundesregierung v. 30.7.2008, BT-DrS. 16/10067, Begründung, S. 49. 404 So insbesondere im Hinblick auf § 253 Abs. 3 S. 3 HGB auch Gesetzentwurf der Bundes­ regierung, Begründung, BT-DrS 16/10067, S. 56. Ebenso Meurer, FR 2009, 120.

174

4. Kap.: Die Teilwertproblematik de lege lata

licher Leistungsfähigkeit eher entspricht als das Vorsichtsprinzip. Denn immer­ hin sind auch die Steuerbehörden externe Adressaten, die – anders als Gläubiger – nicht an einer vorsichtigen (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB), sondern an einer objektiven Bewertung im Sinne einer subjekiv leistungsgerechten Bewertung interesiert sind. Für das Verhältnis und einen Vergleich405 zwischen dem niedrigeren beizule­ genden Wert, der in § 253 Abs. 3 S. 3, Abs. 4 S. 2 HGB unverändert beibehalten wurde,406 und dem Teilwert ist das BilMoG insofern von Bedeutung, als die Vor­ aussetzungen und die Ziele für die Anwendung beider Werte nunmehr identisch sind.407

VI. Zusammenfassung Die Auswahl an wichtigen Änderungsgesetzen zum handels- und steuerrecht­ lichen Bilanzrecht zeigt deutlich, dass der gesetzgeberische Wille zur Reform oder Abschaffung des Teilwerts spätestens seit 1998, als das Gesetzgebungsverfah­ ren zum Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 begann, vollständig erloschen ist. Denn selbst der ursprüngliche Entwurf dieses Gesetzes, der den Teilwert als Ausdruck des angeblich steuerrechtsfeindlichen Imparitätsprinzips aus den Re­ geln zur Bewertung aktiver Wirtschaftsgüter (§ 6 Abs. 1 Nr. 1, 2 EStG) verban­ nen wollte,408 verzichtete für die Bewertung von Entnahmen und Einlagen so­ wie in den Fällen der Betriebseröffnung und des entgeltlichen Betriebserwerbs (§ 6 Abs. 1 Nr. 4, 5, 6, 7 EStG) weder auf den Wert noch auf seine Definition.409 Das beschlossene Gesetz schränkte den Teilwertansatz ein, ohne die Bewertungs­ systematik grundlegend zu ändern; die neueren Reformgesetze ziehen eine Ände­ rung des einkommensteuerlichen Bewertungskonzepts überhaupt nicht mehr in Betracht. Daraus lässt sich der Schluss ziehen, dass sich der Gesetzgeber nach wie vor die Erkenntnisse der Steuerreformkommission von 1971410 zueigen macht. Demnach besteht seiner Ansicht nach zum einen auch weiterhin kein Grund, die Berücksich­ tigung der Betriebsbezogenheit – die als Idee nie in Zweifel gezogen wurde – für die Bemessung des Vergleichsmaßstabs zu den AK/HK aufzugeben. Zum ande­ ren garantiert das System der Teilwertvermutungen nach weiteren fast 40 Jahren Rechtsprechung eine Rechtssicherheit und Bewertungskontinuität, die nicht durch 405

Dazu ausführlich unten: 5. Kapitel, B. VII. Vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung v. 30.7.2008, BT-DrS.  16/10067, S.  6, 7; Be­ schlussempfehlung des Rechtsausschusses v. 24.3.2009, BT-DrS. 16/12407, S. 8. 407 So auch Gesetzentwurf der Bundesregierung, Begründung, BT-DrS 16/10067, S. 56. 408 Vgl. Gesetzentwurf der Regierungsfraktionen, BT-Drs. 14/23, S. 5; Begründung, S. 171 sowie oben: 4. Kapitel, C. III. 409 Vgl. Gesetzentwurf der Regierungsfraktionen, BT-Drs. 14/23, S. 5 f. 410 Dazu oben: 4. Kapitel, C. I. 406

D. Verfassungsrechtliche Vorgaben für geordnetes Bilanzsteuerrecht

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eine Abschaffung oder Änderung des Teilwerts aufgegeben werden sollte. Als Be­ leg dafür darf auf die Stimmen verwiesen werden, die sich vehement gegen die geplante Streichung aus § 6 Abs.  1 Nr.  1, 2 EStG im Rahmen des Steuerentlas­ tungsgesetzes 1999/2000/2002 ausgesprochen haben.411 In der Untätigkeit des Ge­ setzgebers in den vergangenen Jahren liegt damit eine nicht gering zu schätzende wohlwollende Billigung der Rechtsprechung zum Teilwert.

D. Verfassungsrechtliche und andere Vorgaben für ein geordnetes Bilanzsteuerrecht D. Verfassungsrechtliche Vorgaben für geordnetes Bilanzsteuerrecht

Von entscheidender Bedeutung für die Zukunft des Teilwerts ist die Frage, in­ wieweit die Schwierigkeiten der Teilwertermittlung zu einer Missachtung und Verletzung der Prinzipien des Bilanzsteuerrechts führen. Dabei sind nicht nur die verfassungsrechtlichen Anforderungen, sondern auch die steuerrechtlichen und handelsrechtlichen Prinzipien zu beachten, die die Anwendung des Teilwerts im Bilanzsteuerrecht regeln. Zudem lohnt eine Begutachtung des Wertmaßstabes im Hinblick auf die Übereinstimmung mit finanz- und wirtschaftswissenschaftlichen Besteuerungsprinzipien.

I. Zur Bedeutung eines äußeren und inneren Systems Der Teilwert ist als Bewertungsmaßstab des Bilanzsteuerrechts Bestandteil der Teilrechtsordnung Steuerrecht, das seinerseits zur Gesamtrechtsordnung gehört. Diese bildet ein System, das zu seiner Legitimation Ordnung, Folgerichtigkeit und Widerspruchsfreiheit erfordert.412 Die Komplexität der Gesamtrechtsordnung einerseits sowie seine Konkur­ renz zu außerrechtlichen Systemen  – etwa Finanz- und Wirtschaftswissenschaf­ ten  – andererseits erfordern zunächst ein sog. äußeres System, das „die Art der formalen Stoffanordnung, die technische Gliederung und Ordnung des Stoffes, die möglichst übersichtlich sein soll“413, regelt. Insofern kommt es also auf die Vollständigkeit, die Übersichtlichkeit und den Zusammenhang der maßgebli­ 411

Etwa Groh, DB 1999, 979 f., 984; Stibi, StuB 1999, 32 f.; Niemann, in: IFSt-Schrift Nr. 368, S. 25 f. Vgl. dazu oben: 4. Kapitel, C. III. 412 Weber-Grellet, Steuern im modernen Verfassungsstaat, S.  148; ders., DB 1994, S. 288. Ähnlich: Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 20. Aufl., § 4, Rz. 1, 3; Tipke, StRO I, 2. Aufl., S. 61 ff. Canaris spricht von Ordnung (= von der Sache her begründete, sog. innere Folgerich­ tigkeit) und Einheit als Charakteristika des Systembegriffs, vgl. Canaris, Systemdenken und Systembegriff, S. 11 f. 413 Grundlegend zum „System des Steuerrechts“ Tipke, StRO I, 2. Aufl., S. 61 ff.; ihm folgend Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 20. Aufl., § 4, Rz. 1 ff.; Zitat: Rn. 5. Ähnlich Pezzer, DStJG 14 (1991), 3 ff.

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4. Kap.: Die Teilwertproblematik de lege lata

chen Regelungen an. Das äußere System des Einkommensteuergesetzes wird teil­ weise aufgrund eines fehlenden Funktionszusammenhangs der Vorschriften so­ wie der teilweise nur partiellen Regelung grundlegender Merkmale als qualitativ schlecht angesehen.414 Für die hier interessierenden Vorschriften zur Bewertung in der Steuerbilanz, die in § 6 EStG umfassend geregelt sind, trifft diese Kri­ tik allerdings nicht zu, wenngleich das Bilanzsteuerrecht insgesamt angesichts der über EStG, HGB und AO verstreuten Vorschriften durchaus kritikwürdig ist.415 Entscheidend für die Frage, ob der Teilwert den Anforderungen des Bilanzsteu­ errechts entspricht, ist nicht das äußere, sondern das sog. innere (auch: inhaltliche, materiale)  System des (Bilanz-)Steuerrechts.416 Das innere System besteht aus Wertungen,417 die sich in denjenigen Fundamental- und Subprinzipien wieder fin­ den, die die Folgerichtigkeit und Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung gewähr­ leisten.418 Diese Wertungen ergeben sich für das Bilanzsteuerrecht einerseits aus den verfassungsrechtlichen Vorgaben an die Besteuerung und andererseits aus den handels- und steuerrechtlichen Prinzipien, die die Bilanzierung entsprechend dem jeweiligen Zweck systematisieren.

II. Zu den verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Besteuerung Das Steuerrecht dient in erster Linie der Verteilung der allgemeinen Lasten einer Gesellschaft auf ihre Mitglieder. Gleichzeitig ist es damit öffentliches Verwal­ tungsrecht, und zwar der Eingriffsverwaltung.419 Für das Bilanzsteuerrecht folgt aus der primären Funktion der Steuerbilanz, den Gewinn als Indikator der finanzi­ ellen Belastbarkeit des Steuerpflichtigen zu ermitteln,420 eine gegenüber dem Han­ delsbilanzrecht strengere und weitreichendere Beachtung sachgerechter Regeln, die sich – sofern sie systemtragend sind – unmittelbar aus der Verfassung ergeben

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So Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 20. Aufl., § 4, Rz. 7. Zur Bedeutung des äußeren Systems vgl. auch: Canaris, Systemdenken und Systembegriff, S. 19 m. w. N. 415 Für die Vereinheitlichung und Verabschiedung eines selbstständigen Steuerbilanzrechts: Schmidt/Weber-Grellet, 28. Aufl. 2009, § 5, Rn. 1; ders., Bilanzsteuerrecht, 10. Aufl., Rn. 5; ders., DB 1994, S. 288; ders., DB 2008, S. 2451. 416 Grundlegend dazu: Tipke, StRO I, 2. Aufl., S. 67 ff. 417 Canaris, Systemdenken und Systembegriff, S.  41; Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 20. Aufl., § 4, Rz. 9. 418 Canaris, Systemdenken und Systembegriff, S. 41 ff., 46 ff.; Lang, in: Tipke/Lang, Steuer­ recht, 20. Aufl., § 4, Rz. 9, 11 ff.; Tipke, StRO I, 2. Aufl., S. 67 ff.; Sodan, JZ 1999, 864, 873. 419 Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 20. Aufl., § 1, Rz. 11; Tipke, StRO I, 2. Aufl., S. 34; Birk, Steuerrecht, 12. Aufl., Rn. 172; Weber-Grellet, Steuern im modernen Verfassungsstaat, S. 188, 189; Papier, DStJG 12 (1989), S. 63. 420 So zur Funktion der Steuerbilanz: Schmidt/Weber-Grellet, 28. Aufl. 2009, § 5, Rn.  21; ders., FS Schmidt, S.  170 mit Verweis auf: BFH, B.v. 3.2.2969  – GrS 2/68, BFHE 95, 31, 35 ff.

D. Verfassungsrechtliche Vorgaben für geordnetes Bilanzsteuerrecht

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müssen.421 Zudem sind die Steuergesetze nach Art. 1 Abs. 3 GG am Maßstab der Grundrechte des Steuerpflichtigen zu messen.422 1. Der Bestimmtheitsgrundsatz Von grundlegender Bedeutung für für die Verfassungsmäßigkeit der Besteue­ rung ist die Beachtung des Rechtsstaatsprinzips, dessen zahlreiche Ausprägungen sich aus Art. 20 Abs. 3 GG in Verbindung mit anderen Verfassungsnormen erge­ ben.423 Art. 20 Abs. 3 GG bindet seinem Wortlaut nach die Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung und die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung an Recht und Gesetz. Neben etlichen anderen Anforderungen an eine rechtsstaatli­ che Besteuerung424 wird dieser Vorschrift das Gebot entnommen, dass die Gesetze und die daraus abgeleiteten Rechtsnormen und Einzelfallentscheidungen hinrei­ chend bestimmt sein müssen, sog. Bestimmtheitsgebot.425 Das Erfordernis der Bestimmtheit verlangt vom Gesetzgeber, Vorschriften so­ wohl hinsichtlich Tatbestand als auch hinsichtlich Rechtsfolge426 so genau zu fas­ sen, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte mit Rück­ sicht auf den Normzweck möglich ist.427 Steuerbegründende Tatbestände sollen nach Inhalt, Gegenstand, Zweck und Ausmaß so gefasst sein, dass der Steuer­ pflichtige die Rechtslage anhand der Regelung erkennen und sein Verhalten da­

421 Vgl. Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 20. Aufl., § 4, Rz. 13, der als systemtragende, ver­ fassungsrechtliche Prinzipien den Gleichheitsgrundsatz, das Legalitätsprinzip, das prohibitive Übermaßsverbot und das konstruktive sozialstaatliche Prinzip der sozial gerechten Besteue­ rung nennt und das Leistungsfähigkeitsprinzip als steuerspezifische Konkretisierung der ver­ fassungsrechtlichen Prinzipien diesen zugerechnet. Ausführlich behandelt Schlotter, 3.–6. Ka­ pitel die verfassungsrechtlichen Fragen des Teilwertansatzes. 422 Vgl. Höfling, in: Sachs, GG, 5.  Aufl., Art.  1, Rn.  91; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/ Starck, GG I, 5. Aufl., Art. 1, Rn. 221, 224; Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 20. Aufl., § 4, Rz. 50. 423 Das Rechtsstaatsprinzips wird in Art. 20 GG uneinheitlich verankert, vgl. z. B. BVerfG, B.v. 8.5.1973 – 2 BvL 5, 6, 7, 13/72, BVerfGE 35, 41, 47; B.v. 22.1.1975 – 2 BvL 51/71 und 10, 14/73, BVerfGE 39, 128, 143; B.v. 18.1.2000 – 1 BvR 321/96, BVerfGE 101, 397, 404; B.v. 17.7.2003 – 2 BvL 1, 4, 6, 16, 18/99, 1/01, BVerfGE 108, 186, 234: Art. 20 Abs. 3 GG; da­ gegen U.v. 24.9.2003 – 2 BvR 1436/02, BVerfGE 108, 282, 322: Art 20 Abs. 1 GG. Vgl. auch Sommermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG II, 5. Aufl., Art. 20, Rn. 227, Fn. 3 m. w. N., Rn 287 ff.; Sachs, in: Sachs, GG, 5. Aufl., Art. 20, Rn. 75 f. 424 Vgl. insofern ausführlich Tipke, StRO I, S.  67 ff; Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 20. Aufl., § 4, Rz. 11 ff. 425 Sachs, in: Sachs, GG, 5. Aufl., Art. 20, Rn. 126 ff.; Sommermann, in: v. Mangoldt/Klein/ Starck, GG II, 5. Aufl., Art. 20, Rn. 289 ff.; Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 20. Aufl., § 4, Rz. 167; Tipke, StRO I, 2. Aufl., S. 137; Wernsmann, Verhaltenslenkung, S. 10. Ausführlich zum Bestimmtheitsgrundsatz im Steuerrecht: Papier, DStJG 12 (1989), S. 61 ff. 426 Tipke, StRO I, 2. Aufl., S. 137; Papier, DStJG 12 (1989), S. 61, 63. 427 BFH, B.v. 6.9.2006 – XI R 26/04, BStBl II 2007, 167, 169.

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4. Kap.: Die Teilwertproblematik de lege lata

nach ausrichten kann.428 Dafür ist auch eine klare, in sich schlüssige, d. h. wider­ spruchsfreie, verständliche Formulierung des Gesetzestextes erforderlich.429 Würde man diesen Vorgaben entsprechend verlangen, dass der bilanzierende Steuerpflichtige der Teilwertdefinition eine nachvollziehbare Vorgabe für die Er­ mittlung des Teilwerts entnehmen können muss, läge ein Verstoß gegen den Be­ stimmtheitsgrundsatz vor, dessen Folge die Verfassungswidrigkeit des § 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG wäre. Denn während der Normzweck, d. h. der Anwendungsbe­ reich des Teilwerts und seine Funktion als niedrigerer bzw. höherer Vergleichs­ maßstab zu den AK/HK oder als Regelmaßstab eindeutig geregelt ist, gibt die De­ finition dem Steuerpflichtigen keine brauchbaren Hinweise auf das „Wie“ der Teilwertermittlung, sondern lässt allein die Idee erkennen, den fortbestehenden Betrieb bei der Bewertung zu berücksichtigen.430 Dennoch wird die Verfassungswidrigkeit des Teilwerts zumindest in den letzten Jahren nicht ernsthaft erwogen. Insbesondere zog der BFH nie eine verfassungs­ rechtliche Überprüfung des Teilwerts durch das BVerfG mittels eines Verfahrens nach Art.  100 Abs.  1 GG (konkrete Normenkontrolle)  in Betracht.431 Die Stim­ men, die die Abschaffung des Teilwerts aufgrund seiner Unklarheiten und Wider­ sprüche forderten, stützten sich nicht auf einen Verfassungsverstoß, sondern auf die Probleme im Umgang mit dem Teilwert selbst.432 Auch der Gesetzgeber hat aus den erkannten theoretischen und praktischen Mängeln der Definition nicht den Schluss gezogen, den Teilwert wegen der Unvereinbarkeit mit dem Rechtsstaats­ prinzip zu ändern oder aus dem Gesetz zu streichen.433 Diese Untätigkeit mag damit zusammenhängen, dass an die Bestimmtheit steuer­rechtlicher Normen generell relativ geringe Anforderungen gestellt werden. Das BVerfG fordert vom Gesetzgeber lediglich, die wesentlichen Bestimmun­ gen über die Steuer mit hinreichender Genauigkeit zu treffen.434 Von der Verfas­

428 BFH, B.v. 6.9.2006 – XI R 26/04, BStBl II 2007, 167, 169; BVerfG, U.v. 10.10.1961 – 2 BvL 1/59, BVerfGE 13, 153, 160; U.v. 28.2.1973 – 2 BvL 19/70, BVerfGE 34, 348, 365 f.; Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 20. Aufl., § 4, Rz. 167; Birk, Steuerrecht, 12. Aufl., Rn. 175. So auf den Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit Bezug nehmend: BVerfG, U.v. 14.12.1965 – 1 BvR 571/60, BVerfGE 19, 253, 267; B.v. 12.10.1978 – 2 BvR 154/74, BVerfGE 49, 343, 362; Hey, Steuerplanungssicherheit als Rechtsproblem, S. 558 ff. 429 Tipke, StRO I, 2. Aufl., S. 143. 430 Vgl. zur Konzeption des Teilwerts ausführlich oben: 3. Kapitel, A. VII. 1. 431 Nach Weber-Grellet, DStR 1991, 445 hält das BVerfG die Finanzgerichte und den BFH von aussichtslosen Vorlagen nach Art. 100 Abs. 1 GG ab, indem es dem Gesetzgeber einen wei­ ten Gestaltungsspielraum einräumt. 432 Hoffmann, StuW 47, Sp.  526; Wall, Wpg 1957, 545 ff.; Heigl, StuW 69, Sp.  462, 490; WissB. Ernst&Young, Abschaffung des Teilwerts, BB 2004, Beil. 3, S. 11. 433 Vgl. oben: 4. Kapitel, C. 434 BVerfG, B.v. 14.3.1967  – 1 BvR 334/61, BVerfGE 21, 209, 215; ähnlich schon U.v. 18.12.1953 – 1 BvL 106/53, BVerfGE 3, 225, 243. Vgl. Tipke, StRO I, 2. Aufl., S. 138 f. Kri­ tisch zu dieser Rechtsprechung: Papier, DStJG 12 (1989), S. 61 ff.

D. Verfassungsrechtliche Vorgaben für geordnetes Bilanzsteuerrecht

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sungswidrigkeit ist demnach solange nicht auszugehen, wie Verwaltungsbehörden und Gerichte „auftauchende(n) Zweifelsfragen mithilfe der anerkannten Ausle­ gungsmethoden zu beantworten“435 in der Lage sind. Die Auslegungsbedürftigkeit einer Norm darf folglich nicht mit verfassungswidriger Unbestimmtheit verwech­ selt werden.436 Aus der Komplexität des Steuerrechts legitimiert sich nach dieser Rechtsprechung ein hohes Abstraktionsniveau.437 Wenn auch Normenklarheit ein wünschenswertes Ziel ist, so ist eine gewisse Unbestimmtheit in Form von Geset­ zeslücken als steuerrechtliche Notwendigkeit kaum zu vermeiden.438 Fraglich ist deshalb, ob das System der Teilwertgrenzen und -vermutungen439, das von der Finanzgerichtsbarkeit entwickelt wurde und die Teilwertdefinition fak­ tisch ausfüllt, eine Konkretisierung der Definition im Sinne zulässiger Gesetzes­ auslegung oder Rechtsfortbildung440 ist. Eine Differenzierung dieser beiden Institute ist weder notwendig noch sinn­ voll.441 Beide Methoden der Rechtsanwendung müssen dem Rechtsstaats- und dem Demokratieprinzip folgen.442 Dass die Rechtsfortbildung als Akt der Judika­ tive in Konflikt mit dem Grundsatz der Gewaltenteilung kommen kann,443 recht­ fertigt keinen grundsätzlich anderen Umgang mit dem Institut. Vielmehr kann auch die Auslegung als gesetzesimmanente Rechtsfortbildung verstanden werden, wobei die Grenzen der Auslegungskompetenz umso schneller erreicht werden, je weiter sich die Auslegung vom möglichen Wortsinn des Normtextes entfernt.444 Im „Grenzbereich der Auslegung“445 liegen vor allem die Ausfüllung von bewussten 435 BVerfG, U.v. 14.3.1967 – 1 BvR 334/61, BVerfGE 21, 209, 215. Vgl. auch Tipke, StRO I, 2. Aufl., S. 138; Birk, Steuerrecht, 12. Aufl., Rn. 175. 436 BVerfG, U.v. 14.3.1967 – 1 BvR 334/61, BVerfGE 21, 209, 215; U.v. 18.12.1953 – 1 BvL 106/53, BVerfGE 3, 242 f.; Tipke, StRO I, 2. Aufl., S. 138. 437 So auch: Tipke, StRO I, 2. Aufl., S. 143. 438 Ähnlich Weber-Grellet, DStR 1991, 443; Tipke, StRO I, 2. Aufl., S. 138. Kritisch: Papier, DStJG 12 (1989), S. 61 ff. 439 Dazu ausführlich oben: 4. Kapitel, B. 440 Zur Rechtsanwendung (Gesetzesauslegung und Rechtsfortbildung) im Steuerrecht aus­ führlich: Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 20. Aufl., § 5, Rz. 40–83; Weber-Grellet, Steu­ ern im modernen Verfassungsstaat, S. 204 ff.; ders., DStR 1991, S. 438 ff.; Birk, StuW 1990, S. 300 ff. Vgl. auch Canaris, Feststellung von Lücken im Gesetz, S. 19 ff., 129 ff., 144 ff.; ders., Systemdenken und Systembegriff, S. 105 ff. 441 So auch Weber-Grellet, Steuern im modernen Verfassungsstaat, S. 206 m. w. N. A. A. noch ders., DStR 1991, 441 ff. Wird methodologisch differenziert, so liegt die Grenze der möglichen Gesetzesauslegung nach Karl Larenz im weitest möglichen Wortsinn, Larenz, Methodenlehre, 6. Aufl., S. 322. Ihm folgend: BFH, U.v. 6.8.1985 – VII R 73/81, BFHE 144, 302, 303; Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 20. Aufl., § 5, Rz. 53. Jenseits davon soll die nur unter erweiterten Voraussetzungen mögliche Rechtsfortbildung beginnen. 442 So auch Weber-Grellet, DStR 1991, 442. 443 So Ipsen, DVBl 1984, 1102; Kirchhof, FS Jur. Fakultät der Uni Heidelberg, S. 11, 26 f. A. A. Birk, StuW 1990, 300, 305 mit Verweis auf Vogel, DStZ/A 1977, 5. Vgl. Weber-Grellet, DStR 1991, Fn. 53. 444 Weber-Grellet, Steuern im modernen Verfassungsstaat, S. 206. 445 So wörtlich: Weber-Grellet, Steuern im modernen Verfassungsstaat, S. 206.

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4. Kap.: Die Teilwertproblematik de lege lata

und unbewussten Gesetzeslücken und die Auslegung gegen den Wortlaut (contra legem).446 Geht es um die Schließung von Gesetzeslücken, so bestehen gegen die richterliche Rechtsfortbildung keine Vorbehalte, falls das Gesetz bezogen auf den „objektivierten Gesetzesplan“ unvollständig ist, d. h. falls das Gesetz gemessen an seiner eigenen Absicht und seiner immanenten Teleologie unvollständig, ergän­ zungsbedürftig oder fehlerhaft formuliert ist.447 Die Umsetzung der Teilwertdefinition in Vermutungen sprengt den Wortlaut des § 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG in jeder Hinsicht. Jedoch lässt die Definition eine vom Wortlaut weitgehend abstrahierte historische und teleologische Auslegung zu, die den Gesamtkaufpreis nicht als zwingendes Tatbestandsmerkmal berück­ sichtigt, indem sie die Wertermittlung nur „unter Berücksichtigung des Gesamt­ kaufpreises“ vorschreibt. Diese Auslegung und das darauf aufbauende System der Vermutungen ist erforderlich, um den misslungenen Plan des Gesetzgebers (De­ finition eines Bewertungsmaßstabs zur Sicherstellung einer subjektiv leistungs­ abhängigen Besteuerung) realisieren zu können. Nur durch die Vermutungen be­ stehen für die Verwaltung steuernde und begrenzende Handlungsmaßstäbe und für die Gerichte Maßstäbe zur Rechtskontrolle,448 durch die die Teilwertbestim­ mung vorhersehbar und überprüfbar wird. Angesichts der Untätigkeit des Ge­ setzgebers trotz erkannter Schwächen der Teilwertdefinition449 und angesichts der Tatsache, dass erst das System der Teilwertgrenzen und -vermutungen zu Be­ stimmtheit und Rechtssicherheit führt, handelt es sich bei den Vermutungen um zulässige Rechtsfortbildung durch die Finanzgerichte und den BFH. Damit ist der Teilwert nicht wegen eines Verstoßes gegen den Bestimmtheitsgrundsatz verfassungswidrig. 2. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Ebenfalls aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG – teilweise in Ver­ bindung mit der Menschenwürdegarantie des Art. 1 Abs. 1 GG – wird der Grund­ satz der Verhältnismäßigkeit (auch Übermaßverbot) abgeleitet, demzufolge staat­ liche Maßnahmen in einem angemessenen Verhältnis zum angestrebten Zweck stehen müssen.450 Eine angemessene Mittel-Zweck-Relation erfordert, dass das

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Dazu ausführlich Canaris, Feststellung von Lücken im Gesetz, S. 31 ff. Sog. objektive Theorie, str.; vgl. BFH, U.v. 30.4.1986 – II R 34/86, BFH/NV 1987, 600; Weber-Grellet, Steuern im modernen Verfassungsstaat, S. 206; Canaris, Feststellung von Lü­ cken im Gesetz, S. 139 ff., 144 ff.; ders., Systemdenken und Systembegriff, S. 106. Vgl. zu dem Streit auch: Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 20. Aufl., § 5, Rz. 62 f. 448 So zu den Aufgaben des Bestimmtheitsgrundsatzes: BVerfG, U.v. 14.3.1967  – 1 BvR 334/61, BVerfGE 21, 209, 215. 449 Vgl. Steuerreformkommission 1971, Abschnitt V., Tz. 139, S. 463. 450 Sachs, in: Sachs, GG, 5. Aufl., Art. 20, Rn. 78, 145 ff.; Sommermann, in: v. Mangoldt/ Klein/Starck, GG II, 5. Aufl., Art. 20, Rn. 312 f. 447

D. Verfassungsrechtliche Vorgaben für geordnetes Bilanzsteuerrecht

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eingesetzte Mittel in Ansehung des Zwecks geeignet, erforderlich und verhältnis­ mäßig im engeren Sinne, d. h. zumutbar ist.451 Im Steuerrecht erlangt der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vor allem für das Be­ steuerungsverfahren Bedeutung,452 das im vierten Teil der AO, §§ 134 bis 217, ge­ regelt ist. Unverhältnismäßig (i. e. S.) können hier insbesondere die Mitwirkungs­ pflichten des Steuerpflichtigen sein, zu denen auch die Erstellung der Steuerbilanz gem. §§ 140, 141 AO gehört. Der Aufwand zur Ermittlung der Wertbegriffe des Steuerrechts darf in diesem Zusammenhang die Grenze des Zumutbaren nicht überschreiten.453 Aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergibt sich damit für die Bewertung in der Steuerbilanz die Forderung nach möglichst einfach zu hand­ habenden Wertansätzen.454 Gerade dieser Forderung kommt der Teilwert seiner Definition entsprechend nicht nach: Die Einzelwertermittlung „im Rahmen des Gesamtkaufpreises“ (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG), d. h. im engen Zusammenhang mit dem Unternehmensgesamtwert würde eine jährlich durchzuführende Unter­ nehmensbewertung voraussetzen. Die damit verbundenen Kosten könnten bereits unzumutbar sein. Jedenfalls wäre eine anschließende willkürfreie Aufteilung des Gesamtwerts auf die einzelnen Wirtschaftsgüter praktisch undurchführbar.455 Da jedoch der Teilwert tatsächlich mittels der von der Rechtsprechung aufge­ stellten Vermutungen oder des Nachweises eines im Einzelfall davon abweichen­ den Wertes ermittelt wird, entstehen für den Steuerpflichtigen keine unzumutba­ ren Mitwirkungspflichten. Verfassungsrechtlich verlagert sich das Problem damit auf das bereits geprüfte Gebot der Bestimmtheit, d. h. nicht die Verhältnismäßig­ keit des Ermittlungsaufwands, sondern das Auseinanderfallen von Definition und tatsächlicher Ermittlung steht weiterhin in der Kritik. 3. Die Grundsätze der Leistungsfähigkeit und der Gleichmäßigkeit der Besteuerung Die Begrenzung des Steuereingriffs durch das Rechtsstaatsprinzip wäre unzu­ reichend, wenn nicht gleichzeitig auch eine gerechte Verteilung der steuerlichen Lasten verfassungsrechtlich gewährleistet würde. Die „Fundamentalnorm“456 der 451 Sachs, in: Sachs, GG, 5. Aufl., Art. 20, Rn. 78, 149 ff.; Sommermann, in: v. Mangoldt/ Klein/Starck, GG II, 5. Aufl., Art. 20, Rn. 314 ff. 452 Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 20. Aufl., § 4, Rz. 209. Insofern geht es um das for­ melle Übermaßverbot. Zur Untauglichkeit des materiellen Übermaßverbots Tipke, StRO I, 2. Aufl., S. 417 ff. sowie Wernsmann, Verhaltenslenkung, S. 11, der das Verbot als „äußerste Grenze“ der Besteuerung ansieht, das dem Gesetzgeber „kaum Fesseln“ anlegt. 453 Scherpf, FS Barth, S. 84. 454 Scherpf, FS Barth, S. 85. 455 Zum Problem eines so verstandenen Teilwerts i. S. d. Teilwertfiktionen ausführlich oben: 4. Kapitel, A. I. 456 So wörtlich Birk, Steuerrecht, 12. Aufl., Rn. 186.

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4. Kap.: Die Teilwertproblematik de lege lata

Steuergerechtigkeit ist das allgemeine Gleichheitsgrundrecht aus Art.  3 Abs.  1 GG.457 Es erfährt im Steuerrecht eine spezielle, sog. bereichsspezifische Ausle­ gung: Gleichheit im Steuerrecht heißt unterschiedliche Belastung je nach indi­ vidueller wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit.458 Das Leistungsfähigkeitsprinzip459 konkretisiert also das Gebot gleicher steuerlicher Lastenverteilung und wird so zu einem verfassungskräftigen Fundamentalprinzip der Besteuerung.460 Inhalt­ lich verlangt der Grundsatz der Leistungsfähigkeit zweierlei: Einerseits müssen gleich hohe Einkommen gleich hoch besteuert werden (sog. horizontale Steuerge­ rechtigkeit), andererseits müssen unterschiedlich hohe Einkommen unterschied­ lich hoch besteuert werden (sog. vertikale Steuergerechtigkeit).461 Der Teilwert ist in seiner Funktion als Vergleichsmaßstab zu den AK/HK für die Durchsetzung des Leistungsfähigkeitsprinzips in der Bilanz unverzichtbar, weil durch ihn die unplanmäßigen Wertveränderungen berücksichtigt werden können, die die Leis­ tungsfähigkeit des bilanzierenden Steuerpflichtigen unmittelbar ändern. Da die Wertveränderungen von den individuellen Verhältnissen im Betrieb des Steuer­ pflichtigen abhängig gemacht werden, sichert der Teilwert eine subjektiv leis­ tungsabhängige Bewertung. Ergänzt wird der Grundsatz der Leistungsfähigkeit durch den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung, demgemäß ein willkürfreier Ansatz objektiv feststellbarer und auf einfache Art berechenbarer Positionen erforderlich ist, selbst wenn dadurch Vereinfachungen vorgenommen werden, die zu Abweichungen der Steuerbilanz vom betriebswirtschaftlich richtigen Ergebnis führen.462 Der Grund­ 457 St. Rspr., vgl. dazu nur BVerfG, B.v. 17.1.1957 – 1 BvL 4/54, BVerfGE 6, 55, 70; U.v. 27.6.1991 – 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239, 268. Ebenso: Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 20. Aufl., § 4, Rz. 70; Tipke, StRO I, 2. Aufl., S. 282 ff., 298 ff.; Birk, Steuerrecht, 12. Aufl., Rn.  186. Vgl. auch Pezzer, DStJG 14 (1991), S.  6 f. sowie ausführlich Schlotter, 3.  Kapitel A. I., II. (S. 121 ff.). 458 St.Rspr., z. B. BVerfG, U.v. 3.11.1982  – 1 BvR 620/78, 1335/78, 1104/79, 363/80, BVerfGE, 61, 319, 343 f.; B.v. 29.5.1990 – 1 BvL 20, 26, 184 und 4/86, BVerfGE 82, 60, 86; U.v. 27.6.1991  – 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239, 268 f.; B.v. 22.6.1995  – 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121, 134. Ebenso: Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 20. Aufl., § 4, Rz. 81 ff; Tipke, StRO I, 2. Aufl., S. 479 f.; Weber-Grellet, FS Schmidt, S. 170 f.; ders., Steuern im mo­ dernen Verfassungsstaat, S. 161 ff. m. w. N.; Birk, Steuerrecht, 12. Aufl., Rn. 188; ders., Leis­ tungsfähigkeitsprinzip, S. 165 f. Kritisch: Schlotter, 3. Kapitel, A. I. 2. (S. 124 ff.). 459 Im Gegensatz zum Leistungsfähigkeitsprinzip verteilt das Äquivalenzprinzip die Lasten entsprechend dem Nutzen, den der Abgabenpflichtige aus Leistungen des Staates gezogen hat, dazu Birk, Steuerrecht, 12. Aufl., Rn. 27 ff.; Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 20. Aufl., § 4, Rz. 86 ff. 460 Federmann, S.  178; Pezzer, DStJG 14 (1991), S.  7 ff.; Lang, in: Tipke/Lang, Steuer­ recht, 20. Aufl., § 4, Rz. 13; Birk, Steuerrecht, 12. Aufl., Rn.  186 ff.; Schlotter, 3.  Kapitel, A. I. 2. d) (S. 129), Zusammenfassung (S. 375). 461 BVerfG, B.v.29.5.1990 – 1 BvL 20, 26, 184 und 4/86, BVerfGE 82, 60, 89; Birk, Steuer­ recht, 12. Aufl., Rn. 192; ders., Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 165, 170. 462 Sog. Rechtsanwendungsgleichheit: Weber-Grellet, FS Schmidt, S.  170 f.; ders.; Bilanz­ steuerrecht, 10. Aufl., Rn. 47; Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 20. Aufl., § 4, Rz. 70; Birk, Steuerrecht, 12. Aufl., Rn. 187.

D. Verfassungsrechtliche Vorgaben für geordnetes Bilanzsteuerrecht

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satz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung konkretisiert unmittelbar die Forderung des Gleichheitssatzes aus Art. 3 Abs. 1 GG und gehört damit ebenfalls zu den sys­ temtragenden, verfassungskräftigen Prinzipien des Steuerrechts.463 Die Forderung nach Willkürfreiheit führt neben anderen wichtigen Folgen464 zu einer völlig un­ terschiedlichen Wertekonzeption gegenüber dem Handelsrecht. Die steuerrecht­ liche Bewertung ist bewusst einfach und vom Zeitfaktor unabhängig ausgestal­ tet.465 Wiederum erscheint der Teilwert verfassungsrechtlich problematisch, denn die Definition verlangt ihrem Wortlaut nach eine Berücksichtigung und Aufteilung des Gesamtkaufpreises und macht die Berechnung der Wertansätze damit unmög­ lich. Würde man – um diesen Umstand zu umgehen – die Aufteilung dennoch an­ hand selbst geschaffener Kriterien vornehmen, so wäre der Ansatz willkürlich und damit wegen des Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG verfassungswidrig. Dieses Er­ gebnis wird jedoch dadurch verhindert, dass die Wertermittlung mittels der sys­ tematisch gebotenen Teilwertgrenzen und der auf Erfahrungen beruhenden Teil­ wertvermutungen praktisch willkürfrei erfolgt. Somit liegt kein Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung und gegen Art. 3 Abs. 1 GG insgesamt vor. 4. Weitere verfassungsrechtliche Grenzen Neben den dargestellten Grenzen der Besteuerung aus Rechtsstaatsprinzip und Gleichheitsgrundsatz bestehen für das Steuerrecht noch weitere verfassungsrecht­ liche, insbesondere grundrechtliche Vorgaben.466 Da diese jedoch für den Teil­ 463 Vgl. Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 20.  Aufl., § 4, Rz. 13, 63, 70; Tipke, StRO I, 2. Aufl., S.103 ff., 114, 359 ff. 464 Dazu: Weber-Grellet, Bilanzsteuerrecht, 10. Aufl., Rn. 47. 465 Vgl. zum Bewertungskonzept im Einkommensteuerrecht oben: 2. Kapitel, B. I. 2. a) sowie Weber-Grellet, FS Schmidt, S. 170, 173; ders., Bilanzsteuerrecht, 10. Aufl., Rn. 46 f. 466 So folgt aus dem Sozialstaatsprinzip, Art. 20 Abs. 1 GG, und der Garantie der Menschen­ würde, Art. 1 Abs. 1 GG, die Steuerfreiheit des Existenzminimums (BVerfG, B.v. 29.5.1990 – 1 BvL 20, 26, 184 und 4/86, BVerfGE 82, 60, 85; Birk, Steuerrecht, 12. Aufl., Rn.  196 ff.; Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 20. Aufl., § 4, Rz. 185, 197). Aus der Garantie von Eigen­ tum und Erbrecht, Art. 14 Abs. 1 GG, sowie der Berufsfreiheit, Art. 12 Abs. 1 GG, folgt ein Verbot für eine Besteuerung mit erdrosselnder Wirkung und ein Gebot der eigentumsschonen­ den Besteuerung (Allein auf Art. 14 Abs. 1 GG abstellend: BVerfG, U.v. 31.5.1988 – 1 BvL 22/85, BVerfGE 78, 232, 243; U.v. 8.4.1997 – 1 BvR 48/94, BVerfGE 95, 267, 300; Auch auf Art. 12 Abs. 1 GG abstellend: Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 20. Aufl., § 4, Rz. 213 ff.). Bei der Besteuerung von Familien ist der besondere Schutz aus Art. 6 Abs. 1 GG zu beachten, der eine Benachteiligung von Familien bei der Besteuerung verbietet (BVerfG, U.v. 10.11.1998 – 2 BvR 1057, 1226, 980/91, BVerfGE 99, 216, 232; Birk, Steuerrecht, 12. Aufl., Rn. 199; Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 20. Aufl., § 4, Rz. 240 ff.). Das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG entfaltet seine Schutzwirkung vor allem im Steuerverfah­ ren, indem es einerseits einen unantastbaren Bereich privater Lebensgestaltung z. B. bei Au­ ßenprüfungen (§§ 193 ff. AO. Vgl. Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 20. Aufl., § 4, Rz. 198) und andererseits die informationelle Selbstbestimmung durch das Steuergeheimnis (§ 30 AO.

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4. Kap.: Die Teilwertproblematik de lege lata

wert ohne besondere Bedeutung sind, wird auf eine weiterführende Darstellung verzichtet.

III. Zu den Vorgaben des Bilanzsteuerrechts Die systemtragenden verfassungsrechtlichen Prinzipien der Besteuerung werden konkretisiert durch steuerrechtliche Prinzipien, die je nach Steuerart unterschied­ lich sein können.467 Neben den zahlreichen und hinlänglich bekannten Prinzipien des Einkommensteuerrechts468 sind für das innere System des Bilanzsteuerrechts vor allem diejenigen einfachgesetzlichen Regeln von Bedeutung, die die handelsund steuerrechtliche Bilanzierung und das Verhältnis der Handels- zur Steuerbi­ lanz regeln. Insofern gilt zunächst der Grundsatz der Maßgeblichkeit handelsrechtlicher GoB, vgl. § 5 Abs.  1 EStG.469 Alle470 im Handelsrecht unter dem Stichwort der „Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung“ bekannten Prinzipien müssen grund­ sätzlich, d. h. sofern keine spezielle steuerrechtliche Vorschrift eingreift oder der Zweck der steuerlichen Normen entgegensteht, auch bei der steuerrechtlichen Bilanzierung beachtet werden. Durch das BilMoG vom 25.5.2009 existiert der Grundsatz der Maßgeblichkeit nur noch einseitig in Form der materiellen Maßgeb­ lichkeit der Handels- für die Steuerbilanz.471 Seine Grenze findet der Maßgeblichkeitsgrundsatz im Vorrang zwingenden Steuerrechts, vgl. § 5 Abs. 6 EStG.472 Die wichtigste Grenze des § 5 Abs. 6 EStG im Rahmen der vorliegenden Arbeit ist der sog. einkommensteuerrechtliche Be­ wertungsvorbehalt, durch den die steuerrechtlichen Bewertungsmaßstäbe des § 6

BVerfG, U.v. 17.4.1984 – 2 BvE 11, 15/83, BVerfGE 67, 100, 142 ff.) gewährleistet. Schließ­ lich gewährleistet Art. 19 Abs. 4 GG auch im Steuerrecht gerichtlichen Rechtsschutz vor den Verwaltungs- und Finanzgerichten (§ 33 FGO. Vgl. Huber, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG I, 5. Aufl., Art. 19, Rn. 442.). 467 Vgl. z. B. Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 20. Aufl., § 4, Rz. 14 ff.; Federmann, S. 177; Weber-Grellet, FS Schmidt, 170 ff. 468 Ausführlich Weber-Grellet, Steuern im modernen Verfassungsstaat, S. 147 ff., 176 ff. Im Überblick auch Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 20. Aufl., § 4, Rz. 14 ff. 469 Teilweise wird auch vom „Maßgeblichkeitsprinzip“ gesprochen, so etwa Hey, in: Tipke/ Lang, Steuerrecht, 20. Aufl., § 17, Rz. 40; Pezzer, DStJG 14 (1991), S. 15 ff. Ausführlich zur Maßgeblichkeit auch Birk, Steuerrecht, 12. Aufl., Rn. 819; Weber-Grellet, Bilanzsteuerrecht, 10. Aufl., Rn. 70 ff. 470 Ausführlich zu den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung und Bilanzierung vgl. etwa: Weber-Grellet, Steuerbilanzrecht, § 5; Wöhe/Kußmaul, Buchführung und Bilanztech­ nik, 6. Aufl., S. 39 ff.; Jung, Handelsrecht, 7. Aufl., § 30; Schmidt, Handelsrecht, § 15 IV. 2. (S. 432 ff.). 471 Zu den Änderungen im Verhältnis zwischen Handels- und Steuerbilanz durch das BilMoG vom 25.5.2009 ausführlich oben: 4. Kapitel, C. V. 472 Weber-Grellet, FS Schmidt, S. 171.

D. Verfassungsrechtliche Vorgaben für geordnetes Bilanzsteuerrecht

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EStG vorrangig vor den §§ 252–256 HGB gelten.473 Das Konzept aus Anschaf­ fungskosten, Herstellungskosten und Teilwert474 ist im Vergleich zum handels­ rechtlichen Bewertungskonzept bewusst einfach ausgestaltet, um im Sinne der Gleichmäßigkeit der Besteuerung (Art. 3 Abs. 1 GG) – auf Kosten der Präzision – eine objektive, einfache und willkürfreie Bewertung zu fördern.475 Handelsrecht­ liche Bewertungsmaßstäbe nehmen folglich trotz des Maßgeblichkeitsgrundsatzes keinen unmittelbaren Einfluss auf die Bewertung und den Teilwert.476 Von untergeordneter Bedeutung für die Steuerbilanz ist dementsprechend trotz des Maßgeblichkeitsgrundsatzes auch das inhaltliche Leitprinzip477 der handels­ rechtlichen Rechnungslegung, das Vorsichtsprinzip des § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB.478 Denn mit dem Zweck der Steuerbilanz, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu messen, ist das Vorsichtsprinzip kaum zu vereinbaren.479 Aus diesem Grund ent­ hält das Steuerbilanzrecht insbesondere seit Inkrafttreten des Steuerentlastungs­ gesetzes 1999/2000/2002480 bestimmte Sondervorschriften, die seine Geltung im Vergleich zum Handelsbilanzrecht zurückdrängen, wie die Abschaffung der Ver­ lustrückstellung (§ 5 Abs. 4a EStG), die Beschränkung der Rückstellungsbildung (§ 5 Abs. 2a, 4b; § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG) und nicht zuletzt die Beschränkung der Teilwertabschreibung auf voraussichtlich dauernde Wertminderungen (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 2, Nr. 2 S. 2 EStG).481 Im Zuge der Internationalisierung der handelsrecht­ lichen Rechnungslegung wird das Vorsichtsprinzip auch handelsrechtlich mehr und mehr durch den Grundsatz des true and fair view abgelöst.482 Im Handelsrecht folgt das Prinzip direkt aus der Aufgabe der Handelsbilanz, Gläubiger vor einer Überbewertung zu schützen.483 Ausprägungen des Vorsichts­ prinzips sind das Imparitätsprinzip und das Realisationsprinzip.484 473

BFH, U.v. 21.10.1993 – IV R 87/92, BStBl II 1994, 176, 178; Birk, Steuerrecht, 12. Aufl., Rn. 871; Weber-Grellet, FS Schmidt, S. 173; ders., Bilanzsteuerrecht, 10. Aufl., Rn. 76. 474 Zu den Bewertungsmaßstäben des EStG vgl. oben: 2. Kapitel, B. I. 2. 475 Vgl. Weber-Grellet, FS Schmidt, S. 170, 173; ders., Bilanzsteuerrecht, 10. Aufl., Rn. 46 f. Zum Bewertungskonzept im Einkommensteuerrecht vgl. 2. Kapitel, B. I. 2. a). 476 Für einen Vergleich der demzufolge unabhängigen Bewertungsmaßstäbe aus EStG und HGB – konkret Teilwert und niedrigerer beizulegender Wert – vgl. unten: 5. Kapitel, B. VII. 477 Schmidt, Handelsrecht, § 15 IV. 2. e) (S. 434). 478 Schmidt, Handelsrecht, § 15 IV. 2. (S. 434). Zur verfassungsrechtlichen Beurteilung des Imparitätsprinzips im Steuerrecht vgl. Schlotter, 4. Kapitel, B. II. 1. d) (S. 259). 479 Birk, Steuerrecht, 12. Aufl., Rn. 823, 830. 480 Vgl. dazu oben: 4. Kapitel, C. III. 481 So auch Schmidt/Weber-Grellet, 28. Aufl. 2009, § 5, Rn. 77. Ähnlich Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 20. Aufl., § 17, Rz. 76, 78. 482 Vgl. zu dieser Entwicklung das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz vom 25.5.2009, BGBl I 2009, 1102 (dazu oben: 4. Kapitel, C. V.) sowie die IFRS (dazu unten: 5. Kapitel, B. IV.), die für Konzerne bereits gelten. 483 Baumbach/Hopt/Merkt, HGB, 34. Aufl., § 252, Rn. 10; Kleindiek, in: Staub, Großkomm. HGB, 4. Aufl., § 252, Rn. 36. 484 Vgl. zur inhaltlichen Bedeutung der Prinzipien § 252 Abs. 1 Nr. 4 HS. 2 HGB. Ausführlich zum Imparitätsprinzip im Einkommensteurrecht Groh, DB 1999, 978 ff.

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4. Kap.: Die Teilwertproblematik de lege lata

Das Imparitätsprinzip hat – zumindest im Anwendungsbereich des § 5 Abs. 1 EStG bzw. des § 141 Abs. 1 S. 2 AO485 – für den Ansatz des Teilwerts unmittelbare Bedeutung, soweit dieser in Gestalt des niedrigeren Teilwerts die Obergrenze der Bewertung aktiver Wirtschaftsgüter markiert, vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 2, Nr. 2 S. 2 EStG. Entsprechend dem niedrigeren beizulegenden Wert des § 253 Abs. 3 S. 3, Abs. 4 S. 2 HGB, der insofern das handelsrechtliche Niederstwertprinzip durch­ setzt, verhindert auch der Teilwert hier eine Überbewertung des Vermögens.486 Nicht mit dem Impariätsprinzip oder dem übergeordneten Vorsichtsprinzip erklärt werden kann dagegen die Funktion des Teilwerts als Wertuntergrenze zur Verhin­ derung von Unterbewertungen aktiver Wirtschaftsgüter.487

IV. Zu den wirtschafts- und finanzwissenschaftlichen Prinzipien für die Besteuerung Die Einkommensbesteuerung hat weitreichende wirtschaftliche Folgen sowohl für den Steuerpflichtigen als auch für den Staat. Folgerichtig beschäftigen sich nicht nur die Rechtswissenschaften, sondern auch die Wirtschafts- und Finanzwis­ senschaften mit dem inneren System des Bilanzsteuerrechts.488 Die Zielsetzung ist in beiden Fällen ähnlich: Gesucht wird ein „gutes“, „rationales“ Steuersystem, das (volkswirtschaftlich) möglichst geringe Belastungen mit (finanzwissenschaft­ lich) möglichst geringem Verwaltungsaufwand zwecks ausreichender Deckung des staatlichen Finanzbedarfs vereint. Da die wirtschaftlichen Folgen der Besteuerung üblicherweise in die unter­ nehmerischen Überlegungen mit einfließen, sollten die wirtschafts- und finanz­ wissenschaftlichen Anforderungen an ein rationales Steuersystem bei der Kodifi­ zierung des Bilanzsteuerrechts nicht unberücksichtigt bleiben,489 wenngleich die Vernachlässigung wirtschafts- oder finanzwissenschaftlicher Überlegungen nicht zur Rechtswidrigkeit oder Verfassungswidrigkeit einer Norm führen kann. 485

Die handelsrechtlichen GoB können nur über den Maßgeblichkeitsgrundsatz, § 5 Abs. 1 EStG, oder die Anordnung des § 141 Abs. 1 S. 2 AO Anwendung im Steuerrecht finden, vgl. oben: 2. Kapitel, A. II. 2. 486 Vgl. zu dem Zusammenhang von Teilwert und Niederstwertprinzip auch: Birk, Steuer­ recht, 12. Aufl., Rn. 885 ff. 487 Vgl. Weber-Grellet, Bilanzsteuerrecht, 10. Aufl., Rn. 226. Diese Funktion des Teilwerts beruht allein auf seiner Eigenschaft als steuerrechtlicher Wert, und kann über das Leistungs­ fähigkeitsprinzip erklärt werden, vgl. dazu oben: 2.  Kapitel, B. I. 2.  c)  aa) und II. 2. sowie 3. Kapitel, A. VII. 3. 488 Während volkswirtschaftlich die Frage im Mittelpunkt steht, inwieweit die Besteuerung Einfluss auf die Volkswirtschaft nimmt (vgl. Überblick bei Weber-Grellet, Steuern im moder­ nen Verfassungsstaat S. 159 f.), analysiert die Finanzwissenschaft das wirtschaftliche Handeln des Staates, insbesondere Einsatz und Verwendung staatlicher Einnahmen und Ausgaben (Andel, Finanzwissenschaft, 4. Aufl., S. 3. Ähnlich: Brümmerhoff, Finanzwissenschaft, 9. Aufl., S. 1). 489 So ähnlich auch Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 20. Aufl., § 8, Rz. 1.

D. Verfassungsrechtliche Vorgaben für geordnetes Bilanzsteuerrecht

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Adam Smith veröffentlichte 1776 sein Werk „An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations“ (zu deutsch: Der Wohlstand der Nationen) und benannte darin als tragende Grundsätze einer gerechten Besteuerung (sog. „tax ­canons“) die Steuergleichheit (equality), die Bestimmtheit der Zahlungspflicht (certainty), die Bequemlichkeit der Besteuerung (convenience of payment) und die Effizienz (Billigkeit) der Steuererhebung (economy in collection).490 An erster  – und damit aus rechtlicher Sicht angemessener491  – Stelle fordert Smith eine Besteuerung der Bürger „im Verhältnis zu ihren Fähigkeiten“492. In der Beachtung dieser Grundregel manifestiere sich die Gleichheit der Besteuerung,493 die offensichtlich von der individuellen Leistungsfähigkeit abhängig gemacht wird.494 Das Verständnis Smiths von einer gerechten Lastenverteilung entspricht damit  – ungeachtet möglicher Differenzierungen im Detail  – dem aus Art.  3 Abs. 1 GG abgeleiteten Leistungsfähigkeitsprinzip. Da der Teilwert diesem Prin­ zip zu dienen bestimmt ist, stimmt er insofern auch mit den Forderungen Smiths überein. Die Bestimmtheit der Zahlungspflicht hinsichtlich Steuertermin, Zahlungsform und zu entrichtendem Betrag soll vor allem die Willkür des Staates verhindern, die nach Meinung Smiths zu „Anmaßung und […] Bestechlichkeit“495 der Amtsträger führen kann. Die Forderung nach Bestimmtheit zur Vermeidung von Willkür findet sich wie dargelegt auch in den Forderungen des GG an eine verfassungsrechtlich gerechtfertigte Besteuerung. Das dort gefundene Ergebnis ist auf die Forderungen Smiths übertragbar: Der Teilwert erfüllt dementsprechend auch die wirtschaftsund finanzwissenschaftliche Forderung nach Bestimmtheit der Zahlungspflicht nur unter Hinzuziehung der gefestigten Auslegung in Form der Teilwertgrenzen und -vermutungen. Nach der dritten Grundregel soll eine Steuer „auf eine Art und Weise erhoben werden, daß die Zahlung der Abgabe dem Pflichtigen am leichtesten fällt.“496 Posi­ tiv kann dieses Postulat als Bequemlichkeit der Besteuerung verstanden werden, negativ als Unmerklichkeit, die eine Verschleierung der Steuerlast er­möglicht.497 490 Smith, Der Wohlstand der Nationen, 5. Buch, 2. Kapitel, 2. Teil: Steuern (S. 703 ff.). Vgl. auch Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 20. Aufl., § 8, Rz. 2, 3. 491 So auch Tipke, StRO II, 2. Aufl., S. 593; offen: Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 20. Aufl., § 8, Rz. 4. Für Smith selbst hingegen ist „ein höchst beachtlicher Grad an Ungleichheit von weit geringerem Übel als eine nur minimale Unsicherheit“, Smith, Der Wohlstand der Nationen, 5. Buch, 2. Kapitel, 2. Teil: Steuern (S. 704). 492 Smith, Der Wohlstand der Nationen, 5. Buch, 2. Kapitel, 2. Teil: Steuern (S. 703). 493 Smith, Der Wohlstand der Nationen, 5. Buch, 2. Kapitel, 2. Teil: Steuern (S. 703). 494 Dieses Verständnis ergibt sich auch aus dem Vergleich mit Landpächtern, die für Aus­ gaben der Wirtschaftsführung „jeweils im Verhältnis zu ihren Interessen am Grund und Bo­ den“ beitragen sollen, Smith, Der Wohlstand der Nationen, 5. Buch, 2. Kapitel, 2. Teil: Steuern (S. 703). Unentschieden dagegen Wernsmann, Verhaltenslenkung, S. 6. 495 Smith, Der Wohlstand der Nationen, 5. Buch, 2. Kapitel, 2. Teil: Steuern (S. 704). 496 Smith, Der Wohlstand der Nationen, 5. Buch, 2. Kapitel, 2. Teil: Steuern (S. 704). 497 Näher Wernsmann, Verhaltenslenkung, S. 7, 11 f.

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4. Kap.: Die Teilwertproblematik de lege lata

Die Ausführungen Smiths deuten jedoch darauf hin, dass die Besteuerung zuguns­ ten des Pflichtigen möglichst „angenehm“498 ausgestaltet sein soll, was offensicht­ lich insbesondere den Zeitpunkt der Zahlungspflicht meint; für den Aspekt der Verschleierung bestehen hingegen keine Anhaltspunkte. Vielmehr geht es wohl darum, die Akzeptanz für eine Steuer zu erhöhen, indem die Belastung des Pflich­ tigen nicht über die Zahllast hinaus auch durch die Art und Weise der Erhebung erhöht wird.499 Dieser Gedanke der Schonung des Steuerpflichtigen vor unnöti­ gen Belastungen findet sich auf verfassungsrechtlicher Ebene – allerdings in diffe­ renzierterer Form – im Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sowie in den Freiheits- und Verfahrensrechten wieder.500 Auch insoweit sind die in diesem Zusammenhang ge­ fundenen Ergebnisse übertragbar; bequem ist die Ermittlung des Teilwerts allen­ falls dann, wenn sie im Sinne der Finanzgerichtsbarkeit durch eine systematisierte Schätzung im Rahmen der Teilwertgrenzen erfolgt. Schließlich fordert Smith die Effizienz der Steuererhebung, mit der  – in Ab­ grenzung zur dritten Grundregel – nur die sog. Erhebungsbilligkeit, d. h. die Wirt­ schaftlichkeit der Erhebung aus Sicht der Verwaltung,501 gemeint sein kann. Ne­ ben einem zu hohen mit der Steuer verbundenen Verwaltungsaufwand können auch verschiedene Formen mangelnden Leistungsvermögens oder -willens sei­ tens des Steuerpflichtigen die Effizienz der Steuererhebung mindern.502 Die Er­ hebungsbilligkeit kann nur für eine ganze Steuerart insgesamt festgestellt werden. Eine Bezifferung des mit dem Teilwert als einzelnem Bewertungsmaßstab verbun­ denen Verwaltungsaufwands ist nicht möglich. Ein Ergebnis kann insofern nicht gefunden werden. Bis heute gelten die vier „tax canons“ in der wirtschafts- und finanzwissen­ schaftlichen Steuerlehre unverändert als Ausgangspunkt eines rationalen Steuer­ systems,503 wenngleich über den Stellenwert, den die einzelnen Grundsätze dabei einnehmen sollten, gestritten wird504 und die Grundsätze wie im Verfassungsrecht detailliert untergliedert wurden.505 498

Smith, Der Wohlstand der Nationen, 5. Buch, 2. Kapitel, 2. Teil: Steuern (S. 704). Dies ergibt sich auch aus der Erklärung, die vier Grundregeln zielten darauf ab, „mög­ lichst wenig die Bevölkerung“ zu belasten, Smith, Der Wohlstand der Nationen, 5. Buch, 2. Ka­ pitel, 2. Teil: Steuern (S. 705). 500 So auch: Wernsmann, Verhaltenslenkung, S. 10. 501 Dagegen bezieht sich die sog. Entrichtungsbilligkeit auf die Kosten der Steuerpflichtigen. Vgl. zu der Unterscheidung: Wernsmann, Verhaltenslenkung, S.  7 ff.; Homburg, Allgemeine Steuerlehre, 5. Aufl., S. 54. 502 Im Einzelnen: Smith, Der Wohlstand der Nationen, 5. Buch, 2. Kapitel, 2. Teil: Steuern (S. 704 f.). 503 Vgl. nur Weber-Grellet, Steuern im modernen Verfassungsstaat, S.  156 ff.; Wernsmann, Verhaltenslenkung, S. 6 ff.; Andel, Finanzwissenschaft, 4. Aufl., S. 295; Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 20. Aufl., § 8, Rz. 3. 504 Näher Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 20. Aufl., § 4, Rz. 4, § 1, Rz. 44 ff. 505 Vgl. z. B. Wagner, Finanzwissenschaft, S.  207 ff.; Neumark, Grundsätze gerechter und ökonomisch rationaler Steuerpolitik, S. 45 f. 499

D. Verfassungsrechtliche Vorgaben für geordnetes Bilanzsteuerrecht

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Das Äquivalenz- und das Leistungsfähigkeitsprinzip sind auch in diesen Wis­ senschaften Fundamentalprinzipien.506 Jedoch stehen sie anders als im Steuerrecht gleichrangig nebeneinander, weil nicht der Gerechtigkeitsaspekt, sondern der wirt­ schaftliche Aspekt einer rationalen Verteilung im Vordergrund steht. Diese Ver­ schiebung des Stellenwerts einzelner Prinzipien ist symptomatisch für den Un­ terschied zu den rechtlichen, insbesondere verfassungsrechtlichen Prinzipien, die sich inhaltlich nicht wesentlich von den wirtschafts- und finanzwissenschaftlichen Prinzipien unterscheiden.

V. Zusammenfassung Die vorangegangenen Untersuchungen betreffen zwei unterschiedliche Berei­ che: Sie begutachten einerseits die Übereinstimmung des § 6 Abs.  1 Nr.  1 S.  3 EStG mit dem inneren System des Bilanzsteuerrechts, für das die verfassungs­ rechtlichen Vorgaben und die steuerrechtlichen Prinzipien maßgeblich sind, und andererseits die finanz- und wirtschaftswissenschaftlichen Besteuerungsprinzi­ pien, die außerhalb des Bilanzsteuerrechts-Systems stehen. Aus verfassungsrechtlicher Sicht sind für den Teilwert vor allem die Grundsätze der Bestimmtheit, der Verhältnismäßigkeit und der Besteuerung nach der Leis­ tungsfähigkeit einschließlich der Gleichmäßigkeit der Besteuerung von Bedeu­ tung. Das Merkmal des Fortbestands, das ursprünglich eine wirklichkeitsgetreue Bewertung sichern sollte, sichert heute konzeptionell die betriebsindividuelle und damit subjektiv leistungsgerechte Bewertung und ist daher weiterhin nicht nur ge­ rechtfertigt, sondern unverzichtbar. Die theoretisch und praktisch unmögliche Ermittlung nach seiner wörtlich aus­ gelegten Definition gerät jedoch in Konflikt mit den Prinzipien der Normenbe­ stimmtheit sowie der Verhältnismäßigkeit des Besteuerungsverfahrens, mithin des Rechtsstaatsprinzips. Zudem entsteht aufgrund der Gefahr einer willkürlichen Wertermittlung ein Konflikt mit dem Gleichheitssatz, der eine gleichmäßige und damit vor allem willkürfreie Besteuerung fordert. Nur die im Wege der zulässigen Rechtsfortbildung entwickelten Teilwertgrenzen und -vermutungen der Finanz­ gerichtsbarkeit, die eine willkürfreie Teilwertbestimmung sichern, verhindern die Verfassungswidrigkeit der Teilwertdefinition. Von den steuerrechtlichen Prinzipien sind für den Teilwert vor allem das Maß­ geblichkeitsprinzip und – diesem folgend – das Imparitätsprinzip von Bedeutung. Über das Konzept, die Steuerbilanz mittels Maßgeblichkeitsgrundsatz an die Han­ delsbilanz zu koppeln, wird nach wie vor und nicht zuletzt aus Anlass des ­BilMoG vom 25.5.2009 gestritten.507 Aufgrund des steuerrechtlichen Bewertungsvorbe­ 506

Andel, Finanzwissenschaft, 4. Aufl., S. 290 f. m. w. N. Entschieden gegen den Maßgeblichkeitsgrundsatz noch Weber-Grellet, DB 1994, S. 288; ders., Steuerbilanzrecht, § 2, Rn.  7, 11.  Aufgrund der Aufgabe der formellen umgekehrten 507

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4. Kap.: Die Teilwertproblematik de lege lata

halts nach § 5 Abs. 6 EStG bedarf diese Frage im Rahmen der vorliegenden Arbeit jedoch keiner abschließenden Erörterung, denn der Teilwert ist als originär steuer­ rechtlicher Wert unabhängig vom Handelsrecht. In das so umrissene innere System des Bilanzsteuerrechts fügt sich der Teilwert nur dank der weitgehend vom Wortlaut der Definition unabhängigen Teilwertgren­ zen und -vermutungen ein. Der Vergleich der vier „tax canons“ von Adam Smith mit den verfassungs- und steuerrechtlichen Vorgaben für die Bilanzierung zeigt, dass die Grenzen zwischen Rechts-, Finanz- und Wirtschaftswissenschaften zumindest hinsichtlich der für wichtig erachteten Prinzipien fließend sind.508 So werden die Grundregeln Smiths teilweise als finanzwissenschaftliche509 und teilweise als wirtschaftswissenschaft­ liche510 Prinzipien verstanden; die steuerrechtliche Literatur nimmt  – bei Beto­ nung der gleichheitsrechtlichen Komponente  – stets auf sie Bezug.511 Aufgrund der weitreichenden Parallelen gilt hinsichtlich der finanz- und wirtschaftswissen­ schaftlichen Betrachtung das zur Verfassungsmäßigkeit Gesagte.

E. Schlussfolgerungen: Erforderlichkeit gesetzgeberischer Maßnahmen zur Sicherung der geltenden Rechtslage Im geltenden Bilanzsteuerrecht nimmt der Teilwert trotz aller Unzulänglichkei­ ten einen festen Platz als anerkannter und angewandter Wertmaßstab ein. Weder sein Bestand noch seine Definition im EStG und im BewG werden noch ernstlich in Frage gestellt. Maßgeblichen Anteil an dieser Entwicklung hatte die Rechtspre­ chung des RFH und des BFH,512 die durch die Trennung der praktischen Ermittlung des Teilwerts von seiner theoretischen Konzeption eine unverzichtbare Vorausset­ zung für das Überleben des Teilwerts schaffte.513 Dass sich das Problem der Teilwert­ ermittlung aber dennoch nicht erledigt hat, kommt anschaulich in der Feststellung Heys zum Ausdruck, dass es „bei aller Kritik an praktikablen Alternativen“ fehle.514 Maßgeblichkeit des § 5 Abs. 1 S. 2 EStG a. F. durch das BilMoG vom 25.5.2009 wird ein Ver­ zicht auf das Maßgeblichkeitsprinzip neuerdings wieder erwogen etwa von Meurer, FR 2009, 117, 118 ff.; Theile/Hartmann, DStR 2008, 2031 ff.; Weber-Grellet, DB 2008, 2451. 508 Ähnlich Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 20. Aufl., § 8, Rz. 1; Wernsmann, Verhaltens­ lenkung, S. 10. 509 Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 20. Aufl., § 8, Rz. 2. 510 Wernsmann, Verhaltenslenkung, S. 6. 511 Neben Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 20. Aufl., § 8, Rz. 2; Wernsmann, Verhaltenslen­ kung, S. 6 ff. auch Weber-Grellet, Steuern im modernen Verfassungsstaat, S. 156 f. 512 Dazu ausführlich: 4. Kapitel, C. 513 Zur notwendigen Trennung der Bewertungspraxis von der Theorie vgl. oben: 3. Kapitel, A. V. 6. und VII. 1. sowie 4. Kapitel, A. VII. 514 Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 20. Aufl., § 17, Rz. 145.

E. Schlussfolgerungen

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Die Bestimmung des Teilwerts mittels typisierter Schätzungen im Rahmen sys­ tematisch vorgegebener Grenzen und die damit einhergehende Abstraktion der Wertermittlung von der Definition des § 6 Abs.  1 Nr.  1 S.  3 EStG ermöglicht eine zumutbare, rechtssichere, willkürfreie und damit verfassungsgemäße Ermitt­ lung des Teilwerts.515 Die hohe Bedeutung, die den WBK/WHK dabei zukommt, ist angesichts der Erkenntnis, dass auf diese Weise bestmöglich die teilwertkonzeptionell bedingte Forderung nach einer betriebsindividuellen Bewertung mit dem bilanziellen Grundsatz der Einzelbewertung in Einklang gebracht werden kann, gerechtfertigt. Aufgrund des Auseinanderfallens von Definition und praktischer Wertermitt­ lung bestehen aber erhebliche dogmatische Unzulänglichkeiten, die für sich ge­ nommen bereits eine Präzisierung der gesetzlichen Vorschriften erforderlich ma­ chen. Darüber hinaus ist ein gesetzgeberisches Handeln auch zur Absicherung eines rechtssicheren und dem Leistungsfähigkeitsprinzip entsprechenden Steuer­ bilanzrechts dringend erforderlich.516 Die aktuellen Entwicklungen im Bereich des Handelsbilanzrechts, namentlich das Inkrafttreten des BilMoG517 zum 29.5.2009 zeigen, dass der Einfluss internationaler Rechnungslegungsstandards auf deutsche handelsrechtliche Vorschriften wächst und langfristig zu einer Veränderung der Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung und Bilanzierung führen wird. Das Vorsichtsprinzip (§ 252 Abs.  1 Nr.  4 HGB), das in Form des Imparitätsprinzips unmittelbare Bedeutung für den Teilwert hat, hat als „inhaltliches Leitprinzip“518 bereits zugunsten des true and fair view-Grundsatzes an Bedeutung verloren.519 Angesichts des Grundsatzes der Maßgeblichkeit, § 5 Abs. 1 EStG, besteht die Ge­ fahr, dass diese Entwicklung auf das Steuerbilanzrecht durchschlägt und zu einer ungewollten Veränderung bei der steuerlichen Gewinnermittlung mit unmittelba­ ren Folgen für die Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit520 führt. Als Einfallstore für einen solchen schleichenden Prozess kommen insbesondere diejenigen Normen in Betracht, die Gegenstand einer weitreichenden Auslegung durch die Rechtsprechung sind. Da die Teilwertermittlung mittels systematischer Grenzwerte und vermuteter Schätzwerte ausschließlich auf bilanzrechtlichen Prin­ zipien und der Rechtsprechung der Finanzgerichtsbarkeit beruht,521 ist sie in be­ 515

Zu Einzelheiten zur Verfassungsmäßigkeit des Teilwerts oben: 4. Kapitel, D. II. Vgl. dazu mit ausführlicher Argumentation auch Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 20. Aufl., § 17, Rz. 52 ff. 517 Gesetz vom 25.5.2009, BGBl I 2009, 112. Dazu ausführlich oben: 4. Kapitel, C. V. 518 So wörtlich: Schmidt, Handelsrecht, § 15 IV. 2.  (S.  434). Ähnlich Kleindiek, in: Staub, Großkomm. HGB, 4. Aufl., § 252, Rn. 36. 519 Dies zeigt sich etwa an der Abschaffung des Passivierungswahlrechts für Aufwandsrück­ stellungen (§ 249 Abs.  2 HGB a. F.) oder der Einführung des Wertaufholungsgebots (§ 253 Abs. 5 S. 1 HGB n. F.). Vgl. zu dieser Entwicklung auch oben: 4. Kapitel, C. V. 520 Zur Bedeutung des Leistungsfähigkeitsprinzips für die Besteuerung oben: 4.  Kapitel, D. II. 3. 521 Vgl. oben: 4. Kapitel, B. I. und II. 516

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4. Kap.: Die Teilwertproblematik de lege lata

sonderem Maße den Veränderungen ausgesetzt, die mit der behutsamen Internatio­ nalisierung des deutschen Handelsbilanzrechts einher gehen. Um eine ungewollte Veränderung des steuerlichen Bewertungsrechts zu verhindern, ist es erforderlich, § 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG soweit zu präzisieren, dass eine Bewertung nach steu­ errechtlichen Vorgaben unabhängig von Veränderungen im Handelsbilanzrecht ge­ sichert ist.

Fünftes Kapitel

Die Teilwertproblematik de lege ferenda 5. Kap.: Die Teilwertproblematik de lege ferenda Wenn einerseits die gesetzliche Definition theoretisch widersprüchlich und praktisch undurchführbar ist, andererseits aber eine gefestigte Rechtsprechung zur Bestimmung des Wertes besteht, die unzweifelhaft den verfassungsrechtlichen und steuersystematischen Anforderungen genügt, so liegt es nahe, die gesetzliche Re­ gelung so zu verändern, dass sie der Bewertungswirklichkeit entspricht. Im Folgenden soll dazu zunächst untersucht werden, welche Möglichkeiten zur Kombination von Einzelbewertung und betriebsbezogener Bewertung als Um­ setzung der Teilwertidee1 bestehen. Sodann wird auf Grundlage der dabei gefun­ denen Ergebnisse konkret nach einer möglichen gesetzlichen Regelung für den Teilwert gesucht, wobei der Vergleich zu anderen Rechtsordnungen, Bewertungs­ maßstäben und -methoden im Vordergrund steht.

A. Eigene Überlegungen zur Kombination von Einzelbewertung und Betriebsbezogenheit A. Kombination von Einzelbewertung und Betriebsbezogenheit

Für die Suche nach einer Lösung des Teilwertproblems sollen zunächst die Grenzen einer betriebsindividuellen Bewertung einzelner Bewertungsgegenstände ergründet werden. Ausgangspunkt der Überlegungen ist der Versuch, die hinter dem Teilwert stehende, vom ROHG im Jahr 18732 ins Leben gerufenen Idee des fortbestehenden Betriebs als wirtschaftende Einheit im Kern beizubehalten und auf praktikablere Weise in einem Wertmaßstab umzusetzen.3 Dabei gilt es insbe­ sondere festzustellen, ob der theoretische Widerspruch der Teilwertdefinition bei einer solchen Bewertung überhaupt vermeidbar ist, ob also die Betriebsbezogen­ heit und der Einzelbewertungsgrundsatz überhaupt innerhalb eines Bewertungs­ maßstabs berücksichtigt werden können.

1 Vgl. zur Idee des Teilwerts die Erklärungen von Simon, Bilanzen der AG und KGaA, 1886, Sechstes und Siebentes Kapitel (S. 149 ff.). und Staub, ADHGB, 2. Aufl. 1894, Art. 31, § 1. Dazu oben 3. Kapitel, A. III. Zur Erörterung der Grenzen eines auf dieser Idee beruhenden gesetzlich definierten Bewertungsmaßstabs unten: 5. Kapitel, A. 2 ROHG, II. Senat, Urteil vom 3.12.1873 – 934/73, ROHGE 12, 15 ff. Ausführlich oben: 3. Kapitel, A. II. 3 Die Abkopplung der Idee von der Definition zog schon Hoffmann, DStZ 1947, 133 als mögliche Basis für die Zukunft des Teilwerts in Erwägung.

194

5. Kap.: Die Teilwertproblematik de lege ferenda

I. Erste Überlegung: Eine betriebsbezogene Bewertung ohne Berücksichtigung von Ertragserwartungen? In der Teilwertdefinition werden der Unternehmensfortbestand, das Gesamt­ unternehmen und der Gesamtkaufpreis zur Berücksichtigung der Betriebszugehö­ rigkeit des bewerteten Wirtschaftsguts verwendet.4 Der Teilwert soll die Bedeu­ tung des Wirtschaftsguts für den Betrieb im Rahmen der Gesamtheit aller übrigen Wirtschaftsgüter zum Ausdruck bringen.5 Da sich diese Bedeutung im Ergebnis in der Mehrung des Betriebsreinvermögens manifestiert, liegt es nahe, die Betriebs­ zugehörigkeit durch eine Gesamtbewertung des Betriebs einschließlich der mög­ lichen Gewinne zu berücksichtigen.6 Die Berücksichtigung der möglichen Ge­ winne bei der Bilanzierung würde jedoch zu einer Ertragsbewertung führen, die für die Bewertung einzelner Vermögensgegenstände von vornherein ungeeignet ist.7 Dementsprechend führen alle Versuche, die Ertragsmöglichkeiten in die Ein­ zelbewertung zu integrieren, zwingend in eine Sackgasse. Das wäre aber dann nicht der Fall, wenn es gelänge, das Element der Betriebs­ zugehörigkeit beizubehalten und gleichzeitig den Wertmaßstab von der Gesamt­ bewertung des Unternehmens abzukoppeln. Folgende Erwägung könnte dafür entscheidend sein: Ein finanzieller Vorteil für ein (fort-)bestehendes Unterneh­ men könnte auch auf der Möglichkeit beruhen, eine aufeinander abgestimmte In­ frastruktur von Gerätschaften mit einer Effizienz zu nutzen, die nach dem Einzel­ verkauf eines Wirtschaftsguts selbst bei ansonsten gleichen Bedingungen durch zusätzliche Aufwendungen erst wieder hergestellt werden müsste. Das einzelne Wirtschaftsgut hätte einen Mehrwert nicht aufgrund seiner Bedeutung für den Be­ trieb, sondern aufgrund seiner bereits erfolgten Verflechtung in die jeweiligen be­ trieblichen Abläufe. Die Betriebszugehörigkeit würde sich nach diesem Verständ­ nis nicht in Ertragsmöglichkeiten, sondern in ersparten Aufwendungen für die Integration in einen ansonsten unter denselben Bedingungen mit denselben Ein­ richtungen arbeitenden Betrieb auszahlen. Ein so verstandener betriebsindividueller Wert hätte den Vorteil, dass das Ge­ samtunternehmen nur noch für die Zusammengehörigkeit der Wirtschaftsgüter als betriebliche Einheit von Bedeutung ist, während für die Bewertung jedes einzelne Wirtschaftsgut separat betrachtet wird.



4



5

Vgl. oben: 3. Kapitel, B. II. 1., 2., 5. Zu den materiellrechtlichen Funktionen des Teilwerts ausführlich oben: 2. Kapitel, B. II. 2. Vgl. auch Ehmcke, in: Blümich, § 6, Rn. 546; Müller-Dott, StbJb 1988/1989, 164 f.; Albach, Wpg 1963, 624 ff.; Schneider, StuW 1971, 326 ff., 337; Heigl, StuW 1969, Sp. 462 ff. 6 Vgl. zu diesem Verständnis des Teilwerts die sog. Teilwertfiktionen, dazu oben: 4. Ka­ pitel, A. I. 7 Vgl. dazu oben: 3. Kapitel, A. V.1. sowie RG, U.v. 3.11.1899 – III. 176/99, Gruchots Bei­ träge zur Erl. des Dt. Rechts, Bd. 44, 158, 159.

A. Kombination von Einzelbewertung und Betriebsbezogenheit

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Der Idee stehen jedoch zwei wesentliche Punkte entgegen: Die werterhöhende Berücksichtigung der Kosten, die bei der fiktiven Ein­ gliederung in ein anderes Unternehmen entstehen würden, würde eine Realisie­ rung ersparter Aufwendungen bedeuten. Ersparte Aufwendungen sind jedoch im Rahmen der Gewinnermittlung keine Betriebseinnahmen8 und dürfen den Gewinn nicht erhöhen. Dementsprechend dürfen sie auch nicht zu einer Er­höhung des Be­ triebsvermögensbestands führen. Darüber hinaus fehlt es für die Berücksichtigung einer so verstandenen Be­ triebsbezogenheit an einer auf dem Leistungsfähigkeitsprinzip9 beruhenden Recht­ fertigung. Der Teilwert des § 6 Abs.  1 Nr.  1 S.  3 EStG rechtfertigt sich daraus, dass zur Erfassung der subjektiven Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen eine Berücksichtigung unplanmäßiger Wertveränderungen zur exakten Erfassung des Reinvermögenszuwachses erforderlich ist. Nur um eine individuelle Bewertung zu erreichen, ist es gerechtfertigt, den Vergleichsmaßstab zu den AK/HK von der Be­ triebszugehörigkeit und damit von der Bedeutung des Bewertungsgegenstands für den konkreten Betrieb, also der Betriebsnotwendigkeit, abhängig zu machen. Wird die Betriebszugehörigkeit jedoch als ersparte Aufwendung verstanden und dem Wert eines Gegenstands als bloßer zusätz­licher Posten zugeschlagen, so wird zwar ein Zusammenhang zwischen Bewertungsgegenstand und Unternehmen, nicht je­ doch zwischen Bewertungsgegenstand und der Bedeutung für die betrieblichen Abläufe hergestellt. Im Ergebnis muss daher festgehalten werden, dass ein Wertmaßstab, der die Betriebszugehörigkeit eines Wirtschaftsgutes berücksichtigt, ohne dabei die Er­ tragserwartungen mit einzubeziehen, nicht durch das Leistungsfähigkeitsprinzip zu rechtfertigen ist und dementsprechend nicht theoretisch fundiert begründet wer­ den kann. Da andererseits die Berücksichtigung der Ertragserwartungen zu den bekann­ ten Konflikten mit dem Einzelbewertungsgrundsatz und der Bilanzierung insge­ samt führt, sind alle Versuche, die Betriebszugehörigkeit eines Wirtschaftsguts als unmittelbar wertbestimmenden Faktor bei der Bewertung eines einzelnen Wirt­ schaftsguts zu berücksichtigen, zum Scheitern verurteilt. Die Bedeutung des Wirtschaftsguts „für den Betrieb“10 oder „für das Ge­schäft“11, die konzeptionell das wesentliche Element des Teilwerts ist und deren Berücksich­

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Schmidt/Heinicke, 28. Aufl. 2009, § 4, Rn. 431; Weber-Grellet, in: Kirchhof/Söhn/Mel­ linghoff, § 4, Rn. D 72. Betriebseinnahmen werden grds. nur bei der Einnahmen-ÜberschussRechnung gem. § 4 Abs. 3 EStG zur Gewinnermittlung benötigt. Aufgrund des Grundsatzes der Totalgewinnidentität (Schmidt/Heinicke, 28. Aufl. 2009, § 4, Rn. 10) können ersparte Aufwen­ dungen auf ein Wirtschaftsgut aber auch dessen Wert nicht erhöhen. 9 Vgl. oben zum Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG als Grundlage dieses Prinzips: 4. Ka­ pitel, D. II. 3. 10 Vgl. § 31 Abs. 2 BewG 1925, RGBl I 1925, 221. Dazu oben: 3. Kapitel, A. V. 5. c). 11 Wörtlich Staub, ADHGB, 2. Aufl. 1894, Art. 31, § 1. Dazu oben: 3. Kapitel, A. IV. 2.

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5. Kap.: Die Teilwertproblematik de lege ferenda

tigung verfassungsrechtlich geboten ist, kann bei der praktischen Ermittlung des Teilwerts nur mittels einer Schätzung berücksichtigt werden.

II. Zweite Überlegung: Eine ertragsabhängige Bewertung ohne Berücksichtigung des Gesamtbetriebs? Der Grund für die Verwendung eines betriebsindividuellen Wertes liegt in der exakten Erfassung der subjektiven Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen. Aus diesem Grund soll der Teilwert der Wert sein, der – gerade im Gegensatz zum ge­ meinen Wert12 – die Bewertung insofern subjektiviert, als die individuellen Ver­ hältnisse des jeweiligen Betriebes berücksichtigt werden sollen. Wird diese Idee als Ausgangspunkt für einen Reformvorschlag des Teilwertbegriffs verwendet, so muss die Frage beantwortet werden, wie sich die subjektive Leistungsfähigkeit in dem Wert eines einzelnen Wirtschaftsguts niederschlagen soll. Eine nahe liegende und vielfach erörterte Möglichkeit ist die Einbeziehung des Nutzens, d. h. des Ertrags, den die Verwendung des Wirtschaftsguts erbringt.13 Fraglich ist, ob eine Möglichkeit besteht, den Ertrag des Wirtschaftsguts in der Be­ wertung zu berücksichtigen, ohne zugleich auf den Gesamtbetrieb abzustellen. In­ sofern muss jedoch aus der Unvereinbarkeit von Ertragsbewertung und Einzelbe­ wertungsgrundsatz einerseits,14 von Substanzbewertung und Berücksichtigung des Nutzens eines Wirtschaftsguts für den Betrieb andererseits15 die Konsequenz gezogen werden, dass ein Wertmaßstab, der den Nutzen für ein Unternehmen mit einbezieht, für die Zwecke der Gewinnermittlung durch Bilanzierung unbrauch­ bar ist. Denn der Nutzen einer Sache kann erst in Kombination mit anderen Wirt­ schaftsgütern zu Erträgen führen. Solche Kombinationseffekte bleiben bei der Bi­ lanzierung aber gerade unberücksichtigt.16 Eine vom Ertrag des Wirtschaftsguts abhängige Bewertung ohne Bezugnahme auf den Gesamtbetrieb ist daher logisch nicht möglich. Als einzige Komponente eines einzelnen Wirtschaftsguts, deren Wert unter Be­ achtung des Einzelbewertungsgrundsatzes sinnvoll in der Bilanz abgebildet wer­ den kann, bleibt die Sachsubstanz bzw. der in der Sache verkörperte Wert. Das bedeutet nicht, dass dieser Wert nicht nach den jeweiligen betriebsindividuellen Gegebenheiten und der jeweiligen Betriebsnotwendigkeit17 unterschiedlich sein 12 Vgl. § 138 Abs. 1 AO 1919, RGBl 1919, 2023 [oben: 3. Kapitel, A. V. 5. a)] sowie § 31 Abs. 1 BewG 1925, RGBl I 1925, 221 [oben: 3. Kapitel, A. V. 5. c)]. 13 Auf den Nutzen abstellend v. a. Fuisting, Die preußischen direkten Steuern, I/1, § 13 EStG, Anm. 32, S. 606. Dazu oben: 3. Kapitel, A. V. 4. 14 Vgl. oben: 3. Kapitel, A. V.1. sowie 5. Kapitel, A. I. 15 Vgl. zum Teilwert als Substanzwert oben: 4. Kapitel, A. II. 16 MüKoHGB/Ballwieser, § 252, Rn. 18. 17 Zur Bedeutung dieses Merkmals für den Teilwert vgl. oben: 3. Kapitel, A. VII. 1.

A. Kombination von Einzelbewertung und Betriebsbezogenheit

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kann. Jedoch beschränkt diese Erkenntnis den Kreis der Alternativen für den Teil­ wert auf die marktpreisabhängigen Werte, die für den jeweiligen Betriebsinhaber von Bedeutung sind.

III. Zwischenergebnis Nach dem zuvor Gesagten besteht keine Möglichkeit, die Ertragserwartungen eines Unternehmens oder den darauf beruhenden Unternehmenswert als Indika­ tor der steuerlichen Leistungsfähigkeit unmittelbar in dem Wert eines einzelnen Gegenstands der bilanziellen Bewertung zu berücksichtigen. Der Einzelbewer­ tungsgrundsatz (§ 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB, § 6 Abs. 1 HS. 1 EStG) zwingt zu einer reinen Substanzbewertung. Die Betriebsindividualität der Bewertung, die abstra­ hiert als Ziel der Teilwertbewertung gelten kann,18 lässt sich nur in dem Rah­ men berücksichtigen, in dem sie durch die Auswahl substanzwertabhängiger Wert­ maßstäbe beeinflusst werden kann. Die Suche nach einer steuerrechtsspezifischen Be­wertungsmethode, die in besonderer Weise vom Gesamtergebnis des Unterneh­ mens abhängig ist, bleibt damit erfolglos. Das heißt jedoch nicht, dass das Merk­ mal der Betriebsbezogenheit als Kriterium für den steuerrechtlichen Vergleichs­ maßstab völlig außer Acht gelassen werden muss. M. E. ist für die Suche nach einem Bewertungsmaßstab mit den Aufgaben des Teilwerts die Gleichsetzung mit einem bekannten, einfach handhabbaren Wert­ maßstab sinnvoll. Denn angesichts der für unterschiedliche Bilanzzwecke ent­ wickelten Fülle an ausgereiften Wertbegriffen, scheint die Etablierung eines neuen Wertes überflüssig und schwierig. In Betracht kommen sowohl Werte aus dem deutschen Steuer- und Handelsrecht als auch Bewertungsmaßstäbe auslän­ discher nationaler, internationaler und möglicherweise betriebswirtschaftlicher Rechnungs­legungsstandards. Die für den Teilwert charakteristische Sicht des fik­ tiven Betriebserwerbers kann in Form des Merkmals der Betriebsnotwendigkeit bei der Auswahl eines geeigneten Bewertungsmaßstabs  – neben den systemati­ schen und rechtlichen Vorgaben – weiterhin das entscheidende Kriterium sein.



18

Vgl. oben: 4. Kapitel, A. VII.

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5. Kap.: Die Teilwertproblematik de lege ferenda

B. Alternative Bewertungskonzepte und -maßstäbe im Vergleich zum Teilwert B. Bewertungskonzepte und -maßstäbe im Vergleich zum Teilwert

I. Verlustausgleich und Verlustabzug als Alternative zur Teilwertabschreibung Diskutiert wurde zeitweise der Ersatz der Teilwertabschreibung durch einen Verlustausgleich oder Verlustrücktrag, verbunden mit einer Verzinsung von For­ derungen und Schulden gegenüber dem Finanzamt.19 Mit den Argumenten, dass einerseits die „Gleichbehandlung aller Steuerpflichtigen“20, d. h. die Gleichmäßig­ keit der Besteuerung (Art. 3 Abs. 1 GG), gefördert werde und andererseits zahlrei­ che Bewertungsprobleme bei der steuerlichen Bilanzierung entschärft würden,21 wurde die Streichung des Teilwerts und die Beschränkung der steuerlichen Be­ wertungsmaßstäbe auf (fortgeführte) Anschaffungs- oder Herstellungskosten ge­ fordert. Die Idee beruhte auf der Annahme, dass Einkünfte von bilanzierenden Unternehmern und nicht bilanzierenden Arbeitnehmern vergleichbar seien und die auf dem Imparitätsprinzip beruhende Teilwertabschreibung, die bei Gewinnermitt­ lern zur Vorwegnahme von Verlusten führe, zu einer endgültig anderen Besteue­ rung führen könne als bei nicht bilanzierenden Steuerpflichtigen.22 Zu Recht wandten sich andere Autoren23 sowie die Steuerreformkommission von 197124 gegen eine Ersetzung der Teilwertabschreibung durch einen Verlust­ ausgleich oder Verlustrücktrag. Denn die Idee vernachlässigt den Dualismus der Einkunftsarten, indem sie Betriebseinnahmen und Einnahmen eines unselbststän­ dig Tätigen bzw. Betriebsausgaben und Werbungskosten sowie Unternehmer und Arbeitnehmer insgesamt gleich stellt.25 Zudem vermischt sie zwei Institute der Er­ tragsbesteuerung, deren Aufgabenfelder sich nicht überschneiden.26 Dies zeigt sich auch an den heutigen gesetzlichen Regelungen des Teilwerts als Bewertungsmaß­ stab für die Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG) einerseits und des Verlustausgleichs (§ 2 Abs. 3 EStG) bzw. des Ver­ lustrücktrags (§ 10d Abs. 1 EStG) als allgemeine Vorschriften zur Durchsetzung des objektiven Nettoprinzips27 andererseits. Im Übrigen würde ein Ersatz des Teil­ werts durch Verlustausgleich und -rücktrag weitere systematische An­passungen 19 So v. a. Schneider, Wpg 1969, 311 ff.; ders., Wpg 1970, 68 ff. (nur noch sofortiger Verlust­ ausgleich). 20 Ausführlich zu diesem Argument Schneider, Wpg 1970, 69; Zitat: S. 71. 21 Schneider, Wpg 1969, 311. 22 Vgl. Steuerreformkommission 1971, Abschnitt V, Tz. 146., S. 465. 23 Z. B. Jacob, Wpg 1970, 61 ff. 24 Steuerreformkommission 1971, Abschnitt V, Tz. 146 ff., S. 464 f. 25 Näher Steuerreformkommission 1971, Abschnitt V, Tz. 147 ff., S.  465. Vgl. dazu schon oben: 4. Kapitel, C. I. 26 Vgl. Jacob, Wpg 1970, 61 f. 27 Mit dieser Einteilung auch Birk, Steuerrecht, 12. Aufl., Rn. 616.

B. Bewertungskonzepte und -maßstäbe im Vergleich zum Teilwert

199

erfordern, der Maßgeblichkeit der Handelsbilanz entgegen stehen und damit eine vollständige Neuregelung des Steuerbilanzrechts nach sich ziehen, die neue Pro­ bleme aufwerfen würde.

II. Zur Zuständigkeit der Betriebswirtschaftslehre Möglicherweise kann das Problem der Teilwertbestimmung mithilfe betriebs­ wirtschaftlicher Bewertungsverfahren gelöst werden. Als Anknüpfungspunkt da­ für könnte der hypothetische Gesamtkaufpreis des Betriebs dienen, auf den die Definition des § 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG ihrem Wortlaut nach abstellt. Dieser Ge­ samtkaufpreis kann nur durch eine Unternehmensbewertung ermittelt werden, für die weder das HGB noch das EStG eine Ermittlungsmethode vorsehen und die sich folglich nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen richten müsste.28 Nach der hier vertretenen Auffassung kommt dem Gesamtkaufpreis trotz seiner Erwähnung in der Definition jedoch keine unmittelbare Bedeutung für die Teil­ wertermittlung zu.29 Schon aus diesem Grund kommt eine Bezugnahme auf be­ triebswirtschaftliche Grundsätze nicht in Betracht. Darüber hinaus bestehen auch grundlegende systematische Bedenken gegen die Heranziehung betriebswirtschaftlicher Methoden für die Erstellung der (Steuer-) Bilanz im Rechtssinne: Denn die betriebswirtschaftlichen Methoden zur Bewertung eines Unterneh­ mens entbehren einer gesetzlichen, zumindest aber verbindlichen Grundlage, die aus rechtsstaatlichen Gründen für den steuerlichen Zugriff bestehen muss.30 Außer­ dem werden zur Unternehmensbewertung praktisch nur noch zukunftsbezogene Methoden herangezogen,31 während die steuerrechtliche Bilanzierung der Rechen­ schaftslegung, also der Abbildung der Vergangenheit dient.32 Zudem ist die be­ triebswirtschaftliche Rechnungslegung an einen anderen, betriebsinternen Adres­ satenkreis gerichtet33 und verfolgt einen unterschiedlichen Bilanzzweck, der nicht in der Ermittlung der subjektiven Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen besteht.34

28



29

WissB. Ernst&Young, Abschaffung des Teilwerts, BB 2004, Beil. 3, S. 10. Zur Bedeutung des Gesamtkaufpreises i.R.d. Teilwertdefinition nach der hier vertretenen Auffassung oben: 3. Kapitel, B. II. 2. Für die abweichende Interpretation durch die sog. Teil­ wertfiktionen vgl. oben: 4. Kapitel, A. I. 2. 30 WissB. Ernst&Young, Abschaffung des Teilwerts, BB 2004, Beil. 3, S. 10. Ähnlich schon Schneider, Wpg 1969, 310. Zu den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die steuerliche Gewinnermittlung oben: 4. Kapitel, D. II. 31 So: WissB. Ernst&Young, Abschaffung des Teilwerts, BB 2004, Beil. 3, S. 10. Ebenso: Baumbach/Hopt/Hopt, HGB, 34. Aufl., Einl. v. § 1, Rn. 36. 32 Vgl. oben: 2. Kapitel, A. II. 1. Zu den Auswirkungen der Unterschiede zwischen „Investi­ tionsplanung“ und „Bilanzbewertung“ schon Schneider, Wpg 1969, 310. 33 Zum Adressatenkreis der Bilanz im Rechtssinne oben: 2. Kapitel, A. II. 1. a). 34 Zum spezifischen Zweck der Steuerbilanz oben: 2. Kapitel, A. II. 1. a) bb) und c).

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5. Kap.: Die Teilwertproblematik de lege ferenda

Doralt spricht deshalb zutreffend von der „Unzuständigkeit der Betriebswirt­ schaftslehre“35. Die betriebswirtschaftlichen Methoden der Unternehmensbewer­ tung können seiner Ansicht nach einer Auslegung des Teilwerts anhand des Ge­ setzes, die diesen zu einem preisorientierten Substanzwert mache, nicht entgegen gehalten werden.36

III. Der Einfluss des Europäischen Rechts auf den Teilwert Die Ertragsbesteuerung ist betriebswirtschaftlich ein nicht zu unterschätzender Faktor der Finanzplanung. Im Zuge der weltweiten Verlagerung von Investitionen und Produktionsstandorten und der Globalisierung von Waren- und Finanz­strömen wächst der Druck auf die nationalen Gesetzgeber, Besteuerungsvorschriften wett­ bewerbsfähig zu gestalten und international geltenden Grundsätzen anzupassen, um die durch die Besteuerung auftretenden Belastungen möglichst gering zu hal­ ten und eine Abwanderung von Kapital, Unternehmen und Besteuerungsressour­ cen zu verhindern. Zugleich bedarf es einer Harmonisierung der handelsrecht­lichen Rechnungslegungsvorschriften, die unternehmensexternen Adressaten einen län­ derübergreifenden Vergleich der Vermögens- und Finanzlage eines Unter­nehmens ermöglicht. Mit dem Ziel einer besseren Vergleichbarkeit der Unternehmensabschlüsse einerseits und eines Abbaus steuerlicher Hindernisse innerhalb der Gemeinschaft andererseits wird auf europarechtlicher Ebene versucht, eine Harmonisierung so­ wohl des handelsrechtlichen Jahresabschlusses als auch der körperschaftsteuer­ lichen Gewinnermittlung herbeizuführen. Von erheblichem Interesse für die Ent­ wicklung der deutschen handelsrechtlichen und steuerrechtlichen Vorschriften zur Gewinnermittlung sind daher die sog. 4.  EG-Bilanzrichtlinie sowie die Arbeits­ papiere der Arbeitsgruppe „Gemeinsame konsolidierte Körperschaftsteuer-Be­ messungsgrundlage“. 1. Die 4. EG-Bilanzrichtlinie vom 25.7.1978 Entscheidend geprägt wird die Bilanzierung gem. §§ 238 ff. HGB nach wie vor durch die 4. EG-Richtlinie über den Jahresabschluss von Gesellschaften be­ stimmter Rechtsformen (4.  EG-Bilanzrichtlinie)37 vom 25.7.1978, die zur Ver­ abschiedung des Bilanzrichtlinie-Gesetzes (BiRiLiG)38 vom 19.12.1985 geführt hat. Über den Maßgeblichkeitsgrundsatz des § 5 Abs. 1 EStG nehmen die mit dem BiRiLiG gesetzlich verankerten Bilanzierungsgrundsätze (§§ 238, 252, 264 HGB)

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Doralt, DStJG 7 (1984), 149. Doralt, DStJG 7 (1984), 147, 149. 37 Vierte Richtlinie 78/660/EWG; ABl. EG Nr. L 222 vom 14.8.1987, S. 11–31. 38 BGBl I 1985, 2355–2433. Dazu ausführlich oben 4. Kapitel, C. II.

B. Bewertungskonzepte und -maßstäbe im Vergleich zum Teilwert

201

auch Einfluss auf die einkommensteuerliche Gewinnermittlung durch Betriebsver­ mögensvergleich. Bedeutung erlangte die 4. EG-Bilanzrichtlinie über das BiRiLiG hinaus jüngst im Zuge der Änderungen, die durch das BilMoG vom 25.5.200939 ins HGB einge­ führt wurden. Der in Art. 2 Abs. 3 der 4. EGRiLi aufgestellte Grundsatz, dass der Jahresabschluss ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Ver­ mögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens vermitteln müsse (true and fair view-Grundsatz), wird nunmehr stärker betont und löst allmählich das Vor­ sichtsprinzip als wichtigsten Bilanzierungsgrundsatz ab.40 Dadurch wird die Bilan­ zierung nach dem HGB – dem Ziel des BilMoG entsprechend41 – inter­nationalen Bilanzierungsstandards sowie dem Ertragssteuerrecht angepasst. 2. Zu den Überlegungen der Arbeitsgruppe „Gemeinsame konsolidierte Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage“ der Europäischen Kommission Nicht zu vernachlässigen sind auch die Bemühungen der Europäischen Kom­ mission um eine Harmonisierung bzw. Koordinierung der direkten Steuern, die insbesondere im Hinblick auf die grenzüberschreitende Tätigkeit von Unterneh­ men angestrebt wird. Seit dem Jahr 2001 arbeitet die Kommission an zwei An­ sätzen, die auf die Beseitigung steuerlicher Hindernisse im europäischen Bin­ nenmarkt hinwirken. Dazu gehört zum einen eine Pilotregelung zur Besteuerung kleiner und mittlerer Unternehmen nach den Regeln des Sitzstaates (sog. Sitz­ landbesteuerung) und zum anderen die Schaffung einer gemeinsamen konsolidier­ ten Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage (GKKB oder CCCTB  – Common ­Consolidated Corporate Tax Base).42 Für einen Vergleich mit dem Teilwert sind vor allem die umfangreichen Überle­ gungen zur GKKB von Interesse, die auf der Grundlage eines Beschlusses von 200143

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Dazu ausführlich oben: 4. Kapitel, C. V. Zu dieser Entwicklung und dem BilMoG vom 25.5.2009 ausführlich oben: 4.  Kapi­ tel, C. V. 41 Gesetzentwurf der Bundesregierung v. 30.7.2008, BT-DrS.  16/10067, S.  1; Beschluss­ empfehlung des Rechtsausschusses v. 24.3.2009, BT-DrS. 16/12407, S. 1. 42 Näher zur Arbeit der Europäischen Kommission an einem koordinierten Unternehmens­ steuerrecht: http://ec.europa.eu/taxation_customs/taxation/company_tax/common_tax_base/ index_de.htm. 43 Vgl. die Mitteilung der Kommission „Ein Binnenmarkt ohne steuerliche Hindernisse. Strategie zur Schaffung einer konsolidierten Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage für die grenzüberschreitende Unternehmertätigkeit in der EU“ vom 23.10.2001, KOM (2001) 582 endg. Vgl. auch die Mitteilungen: „Steuerpolitik in der Europäischen Union – Prioritäten für die nächsten Jahre“ vom 23.5.2001, KOM (2001) 260 endg. sowie die Mitteilung „Ein Binnen­ markt ohne unternehmenssteuerrechtliche Hindernisse: Ergebnisse, Initiativen, Herausforde­ rungen“ vom 24.11.2003, KOM (2003) 726 endg.

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5. Kap.: Die Teilwertproblematik de lege ferenda

unter anderem von der im Jahr 2004 zu diesem Zweck eingesetzten Arbeitsgruppe erarbeitet wurden. Ein wesentlicher Vorteil der GKKB soll vor allem darin be­ stehen, die steuerlichen Befolgungskosten (compliance costs) für grenzüberschrei­ tend tätige Unternehmen aus dem Umgang mit den bis zu 27 unterschiedlichen Steuersystemen der EU zu reduzieren, die je nach Unternehmensgröße zwischen 1,9 % und 30,9 % der Steuerschuld ausmachen.44 Darüber hinaus soll die GKKB grenzüberschreitende Umstrukturierungen vereinfachen, einen grenzüberschrei­ tenden Verlustausgleich ermöglichen und Doppelbesteuerungssachverhalte ver­ meiden, indem sie die Aufteilung der ermittelten Einkünfte auf die beteiligten Staaten anhand eines formelhaften Zerlegungssystems regelt.45 Nicht geplant ist hingegen ein harmonisierter Körperschaftsteuersatz oder ein Eingriff in die natio­ nalen Einkommensteuersysteme.46 In bislang nahezu 70 Arbeitspapieren veröffentlichte die Kommission die Er­ gebnisse der Erörterungen zu den einzelnen Fragen; für das Jahr 2008 war ein Richtlinienvorschlag für eine GKKB angekündigt,47 der allerdings weiterhin auf sich warten lässt.48 Wichtige Erkenntnisse ergeben sich jedoch aus dem Arbeits­ papier „GKKB: mögliche Elemente der technischen Ausgestaltung“49, das einen – allerdings unvollständigen  – Vorschlag zur grundsätzlichen Ausgestaltung der GKKB vorstellt, indem die einzelnen Strukturelemente der Bemessungsgrundlage zu einem kohärenten Regelwerk zusammengefasst werden. Die Funktionsweise der GKKB gliedert sich nach dem Arbeitspapier in drei Schritte: In einem ersten Schritt werden die Gewinne der einzelnen Konzern­ glieder separat, aber nach einheitlichen Vorschriften ermittelt.50 In einem zwei­ ten Schritt erfolgt sodann die Konsolidierung, d. h. die Einzelabschlüsse der Toch­ terunternehmen einer Gruppe werden zusammengefasst und um die Gewinne und Verluste aus Transaktionen zwischen Mitgliedern der konsolidierten Gruppe be­ reinigt. Voraussetzung für die Konsolidierung soll ein unmittelbarer oder mittel­ barer Stimmrechtsanteil von 75 % an dem Tochterunternehmen sein;51 konsolidiert werden unabhängig von der Beteiligungsquote 100 % der Besteuerungsgrund­lagen 44 So Spengel/Oestreicher, DStR 2009, 779, 776 mit Verweis auf eine Veröffentlichung der Europäischen Kommission. 45 Näher: Mors/Rautenstrauch, Ubg 2008, 97 f. Vgl. auch Spengel/Oestreicher, DStR 2009, 776. 46 Mitteilungen der Kommission „Steuerpolitik in der Europäischen Union  – Prioritäten für die nächsten Jahre“ vom 23.5.2001, KOM (2001) 260 endg.; „Der Beitrag der Steuer- und Zollpolitik zur Lissabon-Strategie“ vom 25.10.2005, KOM (2005) 532 endg., S. 6; Spengel/­ Oestreicher, DStR 2009, 773. 47 Vgl. Mitteilung der Kommission vom 19.12.2006, KOM (2006) 823 endg. 48 Spengel/Oestreicher, DStR 2009, 773, 777. 49 Arbeitspapier der Europ. Kommission vom 26.7.2007, Rn.  1 ff. (S.  3); abrufbar unter: http://ec.europa.eu/taxation_customs/resources/documents/taxation/company_tax/common_ tax_base/CCCTBWP057_de.pdf. 50 Spengel/Oestreicher, DStR 2009, 776. 51 Arbeitspapier der Europ. Kommission vom 26.7.2007, Rn. 6 (S. 4).

B. Bewertungskonzepte und -maßstäbe im Vergleich zum Teilwert

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(Vollkonsolidation).52 Entscheidet sich eine Muttergesellschaft für die Anwendung der GKKB, so müssen alle in der EU ansässigen Tochterunternehmen, die die Be­ teiligungsvoraussetzungen erfüllen, und alle EU-Betriebsstätten in die Konsolidie­ rung einbezogen werden (All-in/all-out-Prinzip).53 In einem dritten Schritt wird der konsolidierte Konzernerfolg schließlich über eine formelhafte Zerlegung auf die beteiligten Mitgliedstaaten verteilt und dort den nationalen Steuersätzen unter­ worfen.54 Nach dem Arbeitspapier vom Juli 2007 erfolgt die Ermittlung der Steuer­ bemessungsgrundlage mittels einer Einnahmenüberschussrechnung.55 Wie in vie­ len nationalen Besteuerungsvorschriften wird also auch auf europäischer Ebene auf die Bilanzierung zu Besteuerungszwecken verzichtet. Für nicht abnutzbare Sachanlagen sieht das Papier die Möglichkeit einer Abschreibung vor, falls der Steuerzahler nachweist, „dass der Vermögenswert dauerhaft an Wert verloren hat“56. Sollte sich herausstellen, dass die Wertminderung nicht gerechtfertigt war, ist eine Wertaufholung vorgesehen.57 Die Bewertung der Einnahmen und Ausgaben soll grundsätzlich bei mone­ tären Transaktionen zum Wert der erbrachten Gegenleistung, also z. B. zum Preis für Waren oder Dienstleistungen, bei nicht monetären Transaktionen zum Markt­ preis und bei Transaktionen zwischen nahe stehenden Unternehmen zum Fremd­ vergleichspreis erfolgen.58 Im Falle einer dauerhaften außerplanmäßigen Wertmin­ derung kann diese als Abschreibung in Abzug gebracht werden,59 wobei aus dem Arbeitspapier nicht hervorgeht, auf welche Weise die Höhe der Wertminderung be­ ziffert werden soll. Aufschlussreicher sind insofern die Vorschläge für die Bewertung des Vorrats­ vermögens, das mit dem niedrigeren Wert aus Anschaffungs- oder Herstellungs­ kosten und Nettoveräußerungswert bewertet werden soll.60 Der Nettoveräußerungs­ wert, d. h. der erzielbare Veräußerungspreis abzüglich der Veräußerungskosten, 52 Arbeitspapier der Europ. Kommission vom 26.7.2007, Rn.  86 (S.  26); Mors/Rautenstrauch, Ubg 2008, 101. 53 Arbeitspapier der Europ. Kommission vom 26.7.2007, Rn.  85 (S.  26); Mors/Rautenstrauch, Ubg 2008, 100. 54 Spengel/Oestreicher, DStR 2009, 777. 55 Arbeitspapier der Europ. Kommission vom 26.7.2007, Rn.  19 (S.  8 f.); Mors/Rautenstrauch, Ubg 2008, 99. Die Ermittlung der Steuerbemessungsgrundlage bei den einzelnen Un­ ternehmen sollte ursprünglich auf Grundlage des internationalen handelsrechtlichen Rech­ nungslegungsstandards der IFRS erfolgen (so Spengel/Oestreicher, DStR 2009, 777 f. Zu den IFRS ausführlich unten: 5. Kapitel, B. IV.). Jedoch hat sich das Konzept der GKKB mittler­ weile von dieser Vorlage entfernt, wenn auch die Überlegungen der Kommission in einigen Be­ reichen nach wie vor an den IFRS angelehnt sind (Spengel/Oestreicher, DStR 2009, 778). 56 Arbeitspapier der Europ. Kommission vom 26.7.2007, Rn. 29 (S. 12). 57 Arbeitspapier der Europ. Kommission vom 26.7.2007, Rn. 29, Fn. 16 (S. 12). 58 Arbeitspapier der Europ. Kommission vom 26.7.2007, Rn. 43 (S. 15). 59 Arbeitspapier der Europ. Kommission vom 26.7.2007, Rn. 77 (S. 23). 60 Arbeitspapier der Europ. Kommission vom 26.7.2007, Rn. 52 (S. 16).

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5. Kap.: Die Teilwertproblematik de lege ferenda

soll also der niedrigere Vergleichswert sein, auf den die Abschreibung erfolgt.61 Im Vergleich zur Teilwertermittlung nach der Rechtsprechung der Finanzgerichte ist damit nicht der (Wieder-)Beschaffungsmarkt,62 sondern der Absatzmarkt von maßgebender Bedeutung. Konzeptionell geht auch die GKKB von einem markt­ preisabhängigen Wert aus, dessen Bestimmung mangels einer komplizierten theo­ retischen Konzeption keine Schwierigkeiten bereitet.

IV. Zu den Entsprechungen zum Teilwert in den International Financial Reporting Standards (IFRS) Keinen unmittelbaren Einfluss auf die steuerrechtliche Bilanzierung, deren Re­ gelung bislang den nationalen Gesetzgebern vorbehalten ist, haben internationale handelsrechtliche Rechnungslegungsstandards, die angesichts der zunehmenden weltweiten Vernetzung der Wirtschafts- und Finanzmärkte immer mehr an Bedeu­ tung gewinnen. Da aber auch die handelsrechtlichen Bilanzierungsordnungen  – unabhängig von ihrem unterschiedlichen Bilanzzweck – unplanmäßige Wertmin­ derungen berücksichtigen müssen, sollen sie Gegenstand einer vergleichenden Betrachtung sein. Bekannt geworden sind insofern vor allem die US-Generally Accepted Accoun­ ting Principles (US-GAAP) und die International Financial Reporting Standards (IFRS). Die IFRS des International Accounting Standards Board (IASB) haben sich innerhalb weniger Jahre weltweit als Standard für die Rechnungslegung eta­ bliert. Spätestens nachdem die US-amerikanische Wertpapieraufsichtsbehörde, die U. S.  Securities and Exchange Commission (SEC), Ende 2007 die Geltung der IFRS in den USA durch den Beschluss akzeptiert hat, dass bei ihrer Anwendung keine Überleitungsrechnung auf die US-GAAP mehr erstellt werden muss,63 kann dem Rechnungslegungsstandard des IASB globale Bedeutung attestiert werden. Angesichts der Konvergenzbestrebungen, die dieser Entwicklung zugrunde liegen, sinkt damit gleichzeitig die Bedeutung der US-GAAP, die teilweise bereits für ent­ behrlich gehalten werden.64 Da die US-GAAP zudem in zahlreichen für die Bewer­ tung relevanten Punkten keine wesentlichen Unterschiede zu den IFRS enthalten,65 61 So auch ausdrücklich: Arbeitspapier der Europ. Kommission vom 26.7.2007, Rn.  52, Fn. 25 (S. 17). 62 Vgl. Schmidt/Glanegger, 28. Aufl. 2009, § 6, Rn. 233 sowie oben: 4. Kapitel, B. II. 2. c). 63 Vgl. dazu Ballwieser u. a. (Hrsg.), Wiley IFRS 2008, Vorwort zur 4. Aufl., S. IX; Hayn/ Waldersee, IFRS-Synopse, S. V., 3. 64 Peemöller, in: Ballwieser u. a. (Hrsg.), Wiley IFRS 2009, Abschn. 1, Rn.  73 f. Abneh­ mende Bedeutung der US-GAAP sehen auch Hayn/Waldersee, IFRS-Synopse, S. V., die in der 7. Auflage ihrer Synopse zu verschiedenen Rechnungslegungsstandards zugunsten des Bil­ MoG auf die Darstellung der US-GAAP verzichtet haben. 65 Dies zeigt sich z. B. bei Hayn/Waldersee, IFRS-Synopse, S. V., 131 ff. Nennenswerte Un­ terschiede bestehen danach aber etwa bei der Methode zur Bezifferung einer Wertminderung und im Bereich der Wertaufholung (vgl. Hayn/Waldersee, IFRS-Synopse, S. 97 ff.) sowie bei

B. Bewertungskonzepte und -maßstäbe im Vergleich zum Teilwert

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wird in der vorliegenden Arbeit auf eine Untersuchung der Bewertungsvorschrif­ ten der US-GAAP verzichtet. Die IFRS sind mittlerweile in mehr als 100 Ländern weltweit anerkannt, wo­ bei die Anwendung teilweise bereits zwingend vorgeschrieben oder erlaubt ist und teilweise innerhalb eines festen Zeitrahmens geregelt werden soll.66 Innerhalb der Europäischen Union ist die Anwendung der IFRS im Konzern­ abschluss kapitalmarktorientierter Unternehmen bereits seit dem 1.1.2005 durch die EU-Verordnung Nr. 1606/2002 vom 19.7.200567 verpflichtend vorgeschrieben. Mittels des sog. Endorsement- oder Komitologieverfahrens nach Art. 3 und 6 der Verordnung werden die Standards des privatrechtlich organisierten68 IASB in ver­ bindliches, unmittelbar geltendes europäisches Recht transformiert.69 Damit ha­ ben die IFRS auch für in Deutschland ansässige Konzerne bereits erheb­liche Be­ deutung. 1. Die Voraussetzungen für einen Vergleich mit dem Einkommensteuergesetz Die Suche nach einer Alternative zum Teilwert in den Regelungen der IFRS wird durch den unterschiedlichen systematischen Ansatz des Rechnungslegungs­ standards im Vergleich zu HGB und EStG erschwert. Nicht nur die am angelsäch­ sischen „Case Law“ orientierten einzelfallbezogenen Regelungen, die untereinan­ der keiner systematischen Ordnung folgen, sondern auch die Ergänzung um das sog. Rahmenkonzept (Framework) als theoretische Basis der Standards und die Interpretationen (Interpretations) des International Financial Reporting Interpre­ tation Commitee (IFRIC, vormals Standing Interpretation Committee (SIC)) als Konkretisierungen der Standards machen den Umgang mit ihnen für Anwender des europäischen „Code Law“ schwierig.70 Von Vorteil sind allerdings grundsätz­ lich71 die mit diesem Regelungskonzept einhergehenden genauen Definitionen von Anwendungsbereich und Begriffen in jedem Standard.

der Vorratsbewertung, die nicht (wie nach IAS 2.9) streng absatzmarktorientiert ist, Hayn/Waldersee, IFRS-Synopse, S. 183 ff. 66 Hayn/Waldersee, IFRS-Synopse, S. 3; Buchholz, Grundzüge des Jahresabschlusses, 5. Aufl., S. 225. 67 Amtsblatt der Europäischen Union vom 11.9.2002, L 243, S. 1–4. 68 Buchholz, Grundzüge des Jahresabschlusses, 5.  Aufl., S.  225; Hayn/Waldersee, IFRS-­ Synopse, S. 6. 69 Ausführlich zum aktuellen Komitologieverfahren zur Übernahme der IFRS in Euro­ päisches Recht: Hayn/Waldersee, IFRS-Synopse, S. 6 ff. 70 So auch: Buchholz, Grundzüge des Jahresabschlusses, 5. Aufl., S. 228 f. 71 Die Erfahrung aus Ländern mit vergleichbaren Rechtssystemen zeigt jedoch, dass diese scheinbar eindeutigen Definitionen ohne Weiteres Gegenstand vielfacher juristischer Streitig­ keiten sein können.

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5. Kap.: Die Teilwertproblematik de lege ferenda

Beachtliche Unterschiede, die einen Vergleich der Bewertungsvorschriften des EStG und der IFRS erschweren, ergeben sich auch aus den unterschiedlichen Bilanzzwecken. Nicht die Gewinnermittlung zur Erfassung der steuerlichen Leistungsfähigkeit,72 sondern die Befriedigung der Informationsbedürfnisse eines weit gefassten externen Adressatenkreises wird nach den Regelungen des Rah­ menkonzepts, IAS F.9, F.12,73 bezweckt. Insofern wirkt sich die handelsrechtliche Zielsetzung der IFRS aus. Im Mittelpunkt dieses Adressatenkreises steht nach IAS F.10 der Investor,74 von dem angenommen wird, dass die Angaben, die seinem In­ formationsbedarf entsprechen, auch den Bedürfnissen der meisten anderen Adres­ saten genügen. Insbesondere das Vorsichtsprinzip des § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB, das auch steuerrechtlich nicht vollständig verdrängt wird, führt im Vergleich dazu be­ wertungstechnisch in eine andere Richtung, obwohl sowohl HGB als auch IFRS eine handelsrechtliche Bilanzierung vornehmen. Für den Vergleich mit dem Teilwert des EStG sollen exemplarisch die Mög­ lichkeiten der Berücksichtigung unvorhergesehener Wertminderungen bei abnutz­ baren und nichtabnutzbaren Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens einschließ­ lich des Firmenwerts, Vorräten, selbst hergestellten Erzeugnissen, Forderungen aus Lieferungen und Leistungen sowie finanziellen Verbindlichkeiten untersucht werden. 2. Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens – IAS 3, 16, 36 Im Unterschied zum HGB (vgl. § 253 Abs. 3) und EStG (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2) differenzieren die IFRS im Bereich des Anlagevermögens nicht zwischen abnutzbaren und nicht abnutzbaren Wirtschaftsgütern. Statt dessen werden dort das Sachanlagevermögen einerseits (IAS  16) und immaterielle Wirtschafts­güter andererseits (IAS 17 ff.) getrennt behandelt. Eine eigene Bewertungs­vorschrift für unplanmäßige Wertminderungen findet sich zusätzlich in IAS 36. a) Vergleich mit dem Teilwert Die Zugangsbewertung eines Gegenstands des Sachanlagevermögens, d. h. die Bewertung zum Zeitpunkt der Anschaffung oder Herstellung, erfolgt gem. IAS 16.15 mit seinen Anschaffungs- oder Herstellungskosten, deren Bestandteile in IAS 16.16 ff. näher aufgeschlüsselt werden. Die Zugangsbewertung des Anlage­

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Zu den Zwecken der Steuerbilanz ausführlich oben: 2. Kapitel, A. II. 1. a) bb) und c). Nach IAS F.9 gehören zum Adressatenkreis u. a. Investoren, Arbeitnehmer, Kredit­geber, Lieferanten und Kunden. Nach IAS F.12 besteht die Zielsetzung der Abschlüsse darin, In­ formationen über die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage und deren Veränderungen zu geben, die für die Adressaten wirtschaftlich nützlich sein können. 74 So auch Kudert/Sorg, S. 17.

B. Bewertungskonzepte und -maßstäbe im Vergleich zum Teilwert

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vermögens nach IAS 16 entspricht damit grob der Bewertung des Anlagevermö­ gens nach § 6 Abs. 1 Nr.1 S. 1, Nr. 2 S. 1 EStG, der ebenfalls den Ansatz der An­ schaffungs- oder Herstellungskosten vorsieht. Für die Folgebewertung, also die Bewertung zu dem Zeitpunkt der Anschaffung oder Herstellung nachgelagerten Zeitpunkten, differenziert IAS  16.29 zwischen dem sog. Anschaffungskostenmodell (IAS 16.30) und dem sog. Neubewertungs­ modell (IAS 16.31–16.42). Anzusetzen sind also entweder die fortgeführten An­ schaffungskosten oder – sofern der beizulegende Zeitwert75 eines Sachanlageguts verlässlich bestimmt werden kann  – der Neubewertungsbetrag, der dem beizu­ legenden Zeitwert am Tage der Neubewertung abzgl. bestimmter Abschreibungen und Wertminderungsaufwendungen entspricht. Zumindest das Anschaffungskos­ tenmodell ähnelt der Bewertung von (abnutzbaren) Anlagegütern mit den (fortge­ führten) Anschaffungs- oder Herstellungskosten nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 1, Nr. 2 S. 1 EStG. Eine detaillierte Regelung unmittelbar zur Berücksichtigung außerplanmäßiger Wertminderungen enthält IAS 36. Gem. IAS 36.1 besteht das Ziel des Standards darin sicherzustellen, dass die Vermögenswerte76 eines Unternehmens nicht mit mehr als ihrem „erzielbaren Betrag“ bewertet werden. Dahinter steht die Idee, dass der Buchwert eines Vermögenswerts jederzeit durch Cashflows77 aus dem Verkauf oder der Nutzung gedeckt sein muss und damit der wirtschaftlichen Leis­ tungsfähigkeit des Gutes entsprechen muss78. Der Anwendungsbereich der Regelung erstreckt sich nach IAS 36.2 und 36.3 insbesondere auf die Bilanzierung der Wertminderungen von abnutzbaren und nichtabnutzbaren materiellen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens sowie von etlichen immateriellen Wirtschaftsgütern einschließlich des derivativen Firmen­ werts.79 Die Anwendbarkeit des Teilwerts auf die genannten Vermögenswerte bzw. Wirtschaftsgüter im Falle außerplanmäßiger Wertminderungen ergibt sich aus § 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 2, Nr. 2 S. 2 EStG. Sein Äquivalent in IAS 36 ist der bereits er­ wähnte erzielbare Betrag, den der Buchwert zur Vermeidung von Überbewertun­ gen nicht übersteigen darf, vgl. IAS 36.1. Übersteigt der Buchwert den erzielbaren 75 Nach IAS 16.6 ist der beizulegende Zeitwert der Betrag, zu dem ein Vermögenswert zwi­ schen sachverständigen, vertragswilligen und voneinander unabhängigen Geschäftspartnern getauscht werden könnte. 76 Nach der Legaldefinition im Rahmenkonzept IAS F.49 ist ein Vermögenswert „eine in der Verfügungsmacht des Unternehmens stehende Ressource, die ein Ergebnis von Ereignissen der Vergangenheit darstellt, und von der erwartet wird, dass dem Unternehmen aus ihr künfti­ ger wirtschaftlicher Nutzen zufließt“ (zitiert nach Peemöller, in: Ballwieser u. a. (Hrsg.), Wiley IFRS 2009, Abschn. 1, Rn. 44). 77 Cashflows sind nach der Definition in IAS 7.6 Zuflüsse und Abflüsse von Zahlungsmitteln und Zahlungsmitteläquivalenten. 78 Kudert/Sorg, S. 75. 79 Hayn/Waldersee, IFRS-Synopse, S. 97 f.; Kudert/Sorg, S. 74.

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5. Kap.: Die Teilwertproblematik de lege ferenda

Betrag, so ist nach IAS 36.59 zwingend eine Abschreibung auf letzteren vorzu­ nehmen. Als Anhaltspunkte für eine Wertminderung und damit als Fallgruppen für die Vornahme einer Abschreibung nennt IAS 36.12 etliche unternehmensexterne und -interne Anzeichen für eine Wertminderung.80 Zumindest teilweise rechtfer­ tigen diese Anzeichen auch eine Teilwertabschreibung nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 2, Nr. 2 S. 2 EStG.81 Ob sich aus dem erzielbaren Betrag Erkenntnisse für eine alternative Teilwert­ bestimmung gewinnen lassen, hängt jedoch nicht nur von der Funktion, sondern auch von der Möglichkeit einer sinnvollen und einfachen Bestimmbarkeit des er­ zielbaren Betrags ab, die gegenüber der Teilwertbestimmung echte Vorteile lie­ fert. Als Maßstab für den Vergleich kommen hier nur die Teilwertvermutungen der Rechtsprechung, d. h. die Methode der Schätzung in Betracht.82 Gem. IAS 36.1 können für die Höhe des erzielbaren Betrags die Nutzung oder der Verkauf von Bedeutung sein. IAS 36.6 und IAS 36.18 definieren den erziel­ baren Betrag als den höheren der beiden Beträge aus beizulegendem Zeitwert ab­ züglich der Verkaufskosten und Nutzungswert. Der „beizulegende Zeitwert abzüglich der Verkaufskosten“ ist der Betrag, der durch den Verkauf eines Vermögenswerts oder einer zahlungsmittelgenerieren­ den Einheit83 in einer Transaktion zu Marktbedingungen zwischen sachverstän­ digen, vertragswilligen Parteien nach Abzug der Veräußerungskosten erzielt wer­ den könnte, IAS 36.6. Das ist im Ergebnis der Nettoveräußerungspreis.84 Für seine Bestimmung enthalten die Regelungen in IAS 36.25–36.29 besondere Vorgaben.85 So wird der in einem bindenden Kaufvertrag festgelegte Preis abzüglich der Ein­ zelverkaufskosten als bestmöglicher Indikator erachtet (IAS  36.25). Darauf fol­ gend soll der Marktpreis abzüglich der Veräußerungskosten (IAS  36.26) und in

80 Als externe Informationsquellen nennt IAS 36.12 z. B. deutliches Absinken des Markt­ wertes (a), Veränderungen im technischen, marktbezogenen, ökonomischen oder gesetzlichen Umfeld des Unternehmens (b) und Erhöhung von Marktzinsen oder anderen Marktrenditen (c). [… (d)]. Als interne Informationsquellen werden z. B. Hinweise auf eine Überalterung oder einen physischen Schaden (e), Veränderungen im Umfang oder in der Weise der Nutzung des Vermögenswerts, z. B. Stilllegung (f) und Hinweise darauf, dass die wirtschaftliche Ertrags­ kraft des Unternehmens schlechter ist als erwartet (g) genannt. Näher Hayn/Waldersee, IFRSSynopse, S. 95; Peemöller, in: Ballwieser u. a. (Hrsg.), Wiley IFRS 2009, Abschn. 8, Rn. 87 f. 81 So etwa der in IAS 36.12(e)  genannte Grund einer Überalterung oder physischen Be­ schädigung. 82 Zu den Teilwertvermutungen ausführlich oben: 4. Kapitel, B. II. 83 „Eine zahlungsmittelgenerierende Einheit ist die kleinste identifizierbare Gruppe von Ver­ mögenswerten, die Mittelzuflüsse aus der fortgesetzten Nutzung erzeugen, die weitestgehend unabhängig von den Mittelzuflüssen anderer Vermögenswerte oder anderer Gruppen von Ver­ mögenswerten sind.“ So wörtlich: Peemöller, in: Ballwieser u. a. (Hrsg.), Wiley IFRS 2009, Abschn. 8, Rn. 10 Nr. 41. 84 Peemöller, in: Ballwieser u. a. (Hrsg.), Wiley IFRS 2009, Abschn. 8, Rn. 90. 85 Ausführlich zur Bestimmung des Nettoveräußerungspreises: Peemöller, in: Ballwieser u. a. (Hrsg.), Wiley IFRS 2009, Abschn. 8, Rn. 91.

B. Bewertungskonzepte und -maßstäbe im Vergleich zum Teilwert

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Ermangelung eines aktiven Marktes eine Schätzung nach den besten verfügbaren Informationen (IAS 36.27) herangezogen werden. Im Endeffekt beruht der beizu­ legende Zeitwert damit in jedem Fall auf dem (geschätzten) Marktwert des Ver­ mögensgegenstands.86 Anders verhält es sich dagegen mit dem „Nutzungswert“, der wie der Teilwert ein unternehmensspezifischer Wert ist, weil er nur Faktoren berücksichtigt, die für das einzelne Unternehmen von Bedeutung sind.87 Seiner Definition nach ist der Nutzungswert der Barwert der künftigen Cashflows, der voraussichtlich aus einem Vermögenswert oder einer zahlungsmittelgenerierenden Einheit abgelei­ tet werden kann, IAS 36.6. Einzelheiten zur Berechnung des Wertes enthalten die IAS 36.30–36.57.88 Grundlage der Berechnung ist eine Schätzung der künftigen Cashflows, die das Unternehmen durch den Vermögenswert zu erzielen erhofft, IAS 36.30(a). Da auch bei Anwendung der IFRS der Einzelbewertungsgrundsatz gilt und ein einzelner Vermögenswert  – wie bereits ausführlich erörtert  – allein keinen Ertrag abwerfen kann, führt diese Methode der Berechnung des erzielba­ ren Betrags zu einem altbekannten Problem: Die unmögliche Bezifferung des er­ tragsabhängigen Nutzens eines einzelnen Bewertungsgegenstands, die dem Teil­ wert und seiner Definition vorgeworfen wird,89 soll nach den Regeln des IAS 36 für die Bezifferung der außerplanmäßigen Wertminderung entscheidend sein. An­ ders als das EStG versucht IAS 36 diese Schwierigkeit durch die Zusammenfas­ sung sog. zahlungsmittelgenerierender Einheiten zu überbrücken, vgl. IAS 36.66. Dennoch verbleibt das Problem der Zuordnung einzelner Cashflows zu einem ein­ zelnen Vermögenswert.90 Für das Problem der Teilwertbestimmung im deutschen Ertragssteuerrecht kann diese Lösung bei aller Einzelfallspezifizierung jedenfalls nicht überzeugen. Für die Bezifferung der Wertminderung des erworbenen Firmenwerts aus einem Unternehmenszusammenschluss (IFRS 3) wird ein spezieller Impairment Test durchgeführt, der in der Literatur ausführlich diskutiert wird.91 Nach IAS  38.48 darf ein selbst geschaffener Firmenwert nicht aktiviert werden. Insofern gilt also wie nach § 5 Abs. 2 EStG ein Akivierungsverbot.



86



87

Peemöller, in: Ballwieser u. a. (Hrsg.), Wiley IFRS 2009, Abschn. 8, Rn. 90. Peemöller, in: Ballwieser u. a. (Hrsg.), Wiley IFRS 2009, Abschn. 8, Rn. 90. 88 Zur Berechnung des Nutzungswertes ausführlich: Peemöller, in: Ballwieser u. a. (Hrsg.), Wiley IFRS 2009, Abschn. 8, Rn. 92 ff. 89 Ein einzelnes Wirtschaftsgut erzielt keinen Ertrag. Die Ableitung eines Einzelwertes aus dem ertragsabhängigen Unternehmenswert führt zu einem Zirkelschluss, dazu oben: 3. Kapi­ tel, A. V. 1. sowie RG, U.v. 25.6.1887 – R I 137/87, RZG 19, 111, 121. 90 Kudert/Sorg, S. 78. Ausführlich zum Problem der zalhungsmittelgenerierenden Einheiten Peemöller, in: Ballwieser u. a. (Hrsg.), Wiley IFRS 2009, Abschn. 8, Rn. 96 ff. 91 Buchholz, Rechnungslegung, 8. Aufl., S. 135 ff.

210

5. Kap.: Die Teilwertproblematik de lege ferenda

b) Schlussfolgerungen Die Bestimmungen des IAS  36 zur Berücksichtigung von Wertminderungen im abnutzbaren und nichtabnutzbaren materiellen und immateriellen Anlage­ vermögen lassen insgesamt keine Methoden erkennen, die für die Lösung des Teilwertproblems nutzbar gemacht werden können. Schon der systematische An­ satz, jeden Einzelfall case-law-artig in die Regelung zu übernehmen, vereitelt die Möglichkeit, in den IFRS eine methodische Lösung des Bewertungsproblems außer­planmäßiger Wertminderungen zu finden. Darüber hinaus zeigt ein – stark vereinfachter  – Vergleich mit dem Teilwert unerwartete Parallelen der tatsäch­ lichen Wertermittlung: So folgt die Ermittlung des erzielbaren Betrags als höherer Betrag aus Einzel­ veräußerungspreis oder Nutzungswert nach IAS 36.6 und 36.18 der gleichen Idee, wie die in der Teilwertermittlung der Rechtsprechung vorgenommene Differen­ zierung nach der Betriebsnotwendigkeit.92 Denn wenn der Nettoveräußerungs­ preis eines Wirtschaftsguts höher ist als sein Nutzungswert, wird ein Unterneh­ men den Gegenstand in der Regel veräußern.93 Im Sinne der Teilwertermittlung wäre er nicht mehr betriebsnotwendig und würde ebenfalls mit dem gemeinen Wert bewertet werden.94 Nach beiden Regelungen orientiert sich der Wert des Be­ wertungsgegenstands am Absatzmarkt. Liegt dagegen der Nutzungswert über dem Nettoveräußerungspreis, so wird ein Unternehmen den Gegenstand regelmäßig weiterhin nutzen.95 Der Gegenstand wäre bei einer Teilwertermittlung als betriebs­ notwendig einzustufen; eine Bewertung unter Berücksichtigung des Nutzens für den Betriebsablauf wäre nach der Teilwertdefinition ebenso erforderlich, wie nach IAS 36.6. Aufgrund der Unmöglichkeit einer ertragsabhängigen Einzel­bewertung weicht die Teilwertermittlung jedoch auf einen anderen marktabhängigen Wert, der sich aus WBK/WHK ergibt, aus, während IAS 36 die nutzungsabhängige Be­ wertung vorschreibt. Methodisch erfolgt die Ermittlung des erzielbaren Betrages eines Vermö­ genswerts im Falle einer vermuteten Wertminderung gem. IAS  36.9 S.  2 durch eine Schätzung. Auch insofern besteht damit kein Unterschied zur Ermittlung des Teilwerts.96

92 Zum Umgang der Finanzrechtsprechung mit dem Teilwert oben: 4. Kapitel, B. Zur Be­ deutung der Betriebsnotwendigkeit speziell 3. Kapitel, A. V.1. (Rspr. des RG) und 4. Kapitel, A. VII. (Konzeption des Teilwerts) und C. (Rspr. v. RFH/BFH). 93 Mit dieser Argumentation auch Peemöller, in: Ballwieser u. a. (Hrsg.), Wiley IFRS 2009, Abschn. 8, Rn. 90. 94 Vgl dazu oben: 4. Kapitel, B. I. und II. 3. 95 Mit dieser Argumentation auch Peemöller, in: Ballwieser u. a. (Hrsg.), Wiley IFRS 2009, Abschn. 8, Rn. 90. 96 Vgl. oben: 4. Kapitel, B. sowie BFH, B.v. 26.10.1995 – I B 20/95, BFH/NV 1996, 378; Schmidt/Glanegger, 28. Aufl. 2009, § 6, Rn. 216.

B. Bewertungskonzepte und -maßstäbe im Vergleich zum Teilwert

211

Die detaillierten Regelungen des IAS 36 bieten also im Vergleich zu den Be­ stimmungen über die Anwendung des Teilwerts als Bestandteil des einkommen­ steuerrechtlichen Bewertungskonzepts keine Vorteile, die eine Anpassung der Teil­ wertdefinition rechtfertigen könnten. Vielmehr bestätigt die junge internationale Regelung des IAS 36 das Dilemma der Teilwertidee und löst es auf eine wenig überzeugende Weise. 3. Vorräte und selbst hergestellte Erzeugnisse – IAS 2 Ähnlich umfangreiche Regelungen wie IAS 36 enthält IAS 2 für den Ansatz und die Bewertung von Vorräten. Nach der Definition in IAS 2.6 sind Vorräte i. S. d. IFRS alle Vermögenswerte, die zum Verkauf im normalen Geschäftsgang gehalten werden, die sich in der Herstellung für einen solchen Verkauf befinden oder die als Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe dazu bestimmt sind, bei der Herstellung oder der Erbringung von Dienstleistungen verbraucht zu werden. IAS 2.8 erweitert die De­ finition der Vorräte auf sämtliche zum Weiterverkauf bestimmten Handelswaren, Grundstücke, Gebäude, selbsthergestellte fertige und unfertige Erzeugnisse sowie begonnene Dienstleistungen.97 a) Vergleich mit dem Teilwert Hinsichtlich der Bewertung enthält IAS  2.9 ein strenges Niederstwertprinzip, indem er den Ansatz des niedrigeren Werts aus Anschaffungs- oder Herstellungs­ kosten und Nettoveräußerungswert vorschreibt. Gem. IAS 2.33 besteht ein Wert­ aufholungsgebot für den Fall, dass der Grund für die vorherige Abschreibung nicht mehr besteht.98 Die Anschaffungs- oder Herstellungskosten99 stellen wie im deut­ schen Handels- und Steuerrecht (vgl. § 253 Abs. 1 S. 1 HGB, § 6 Abs. 1 Nr. 2 S. 1 EStG) die Obergrenze für die Bewertung des Vorratsvermögens dar.100 Hier wie dort erfolgt die Zugangsbewertung zu den AK/HK.101

97



98

Vgl. auch Kudert/Sorg, S. 113. Peemöller, in: Ballwieser u. a. (Hrsg.), Wiley IFRS 2009, Abschn. 6, Rn.45. Die Wert­ aufholung ist nach IAS 2.34 S. 3 als Verminderung des Materialaufwandes in der Periode zu er­ fassen, in der die Wertaufholung eintritt. 99 In die Anschaffungs- oder Herstellungskosten von Vorräten sind nach IAS 2.10 alle Kos­ ten des Erwerbes und der Herstellung sowie sonstige Kosten einzubeziehen, die angefallen sind, um die Vorräte an ihren derzeitigen Ort und in ihren derzeitigen Zustand zu versetzen. IAS 2.11 – 2.20 enthalten dazu nähere Bestimmungen. Die Definition gilt innerhalb der IFRS nicht allgemein, sondern in dieser Form nur für das Vorratsvermögen; ausführlich: Peemöller, in: Ballwieser u. a. (Hrsg.), Wiley IFRS 2009, Abschn. 6, Rn. 25 ff.; Hayn/Waldersee, IFRSSynopse, S. 78 ff. 100 Hayn/Waldersee, IFRS-Synopse, S. 185. 101 Hayn/Waldersee, IFRS-Synopse, S.  183; Buchholz, Grundzüge des Jahresabschlusses, 5. Aufl., S. 261; Kudert/Sorg, S. 114.

212

5. Kap.: Die Teilwertproblematik de lege ferenda

Als Gründe für eine außerplanmäßige Abschreibung auf den Nettoveräuße­ rungswert nennen IAS  2.28 S.  1, 2 Beschädigung, Veralterung, den Rückgang der Verkaufspreise und die Steigerung der geschätzten Kosten der Fertigstel­ lung bzw. der geschätzten bis zum Verkauf anfallenden Kosten. Da diese Gründe auch eine Teilwertabschreibung nach § 6 Abs.  1 Nr.  2 S.  2 EStG rechtfertigen ­können, ist IAS 2 insoweit mit der einkommensteuerrechtlichen Bewertung ver­ gleichbar. Unterschiede bestehen hingegen bezüglich des Wertes, auf den die Abschrei­ bung erfolgt: Der Nettoveräußerungswert ist nach IAS  2.6 S.  2 der geschätzte, im normalen Geschäftsgang erzielbare Verkaufserlös abzüglich der geschätzten Kosten bis zur Fertigstellung und der geschätzten notwendigen Vertriebskosten. Anders als der Teilwert des § 6 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 EStG102 ist der Vergleichsmaß­ stab, auf den im Falle einer Wertminderung abzuschreiben ist, damit streng ab­ satzmarktorientiert.103 Dieser Regelung liegt die Überlegung zugrunde, dass Gü­ ter des Vorratsvermögens stets zum Verkauf bestimmt sind und dementsprechend „nicht mit höheren Beträgen angesetzt werden dürfen, als bei ihrem Verkauf oder Gebrauch voraussichtlich zu realisieren sind“104. Für den hier angestellten Vergleich mit dem Teilwert ist vor allem die Methode der Ermittlung des Nettoveräußerungswertes von Bedeutung, für die IAS  2.28– 2.32 nähere Bestimmungen enthält: Nach IAS  2.30 basieren die Schätzungen des Nettoveräußerungswerts auf den verlässlichsten substanziellen Hinweisen, die zum Zeitpunkt der Schätzungen im Hinblick auf den für die Vorräte voraussicht­ lich erzielbaren Betrag verfügbar sind. Das können gem. IAS 2.31 etwa der ver­ traglich vereinbarte Preis oder der im normalen Geschäftsverkehr erzielbare Preis sein, die jeweils um die Veräußerungskosten zu reduzieren sind.105 Eine faktische Durchbrechung der Absatzmarktorientierung findet sich in IAS  2.32 S.  3, dem­ zufolge die Wiederbeschaffungskosten für Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe, die für die Herstellung von Vorräten bestimmt sind, die verlässlichste Grundlage für die Ermittlung des Nettoveräußerungswerts der mit ihnen hergestellten Vorräte an Wa­ ren sein können. b) Schlussfolgerungen Für die ertragssteuerliche Bewertung von Vorräten an Waren und an Roh-, Hilfsund Betriebsstoffen bietet IAS  2 keinen Erkenntnisgewinn. Schon systematisch bestehen mit dem strengen Niederstwertprinzip und dem Wertaufholungsgebot 102 Vgl. zu den entsprechenden Teilwertvermutungen für das Vorratsvermögen oben: 4. Ka­ pitel, B. II. 2. c). 103 Hayn/Waldersee, IFRS-Synopse, S.  183; Buchholz, Grundzüge des Jahresabschlusses, 5. Aufl., S. 261. 104 So wörtlich: IAS 2.28 S. 3. 105 Vgl. Buchholz, Grundzüge des Jahresabschlusses, 5. Aufl., S. 261.

B. Bewertungskonzepte und -maßstäbe im Vergleich zum Teilwert

213

starke Ähnlichkeiten zum deutschen Bilanzsteuerrecht. Auch bewertungstechnisch sind keine verwertbaren Vorteile gegenüber der Teilwertbewertung erkennbar. So erfolgt die Bewertung nach beiden Rechnungslegungsstandards stets marktpreis­ abhängig. Die Rechtsprechung zum Teilwert ist bezüglich der Vorräte, die zur Ver­ äußerung bestimmt sind, insoweit flexibler, als auch die WBK/WHK der zum Verkauf bestimmten Waren den Teilwert ausmachen können.106 Die Vorschrift des IAS 2.32 über die Bewertung von selbst hergestellten Vorräten, deren Netto­ veräußerungswert retrograd über die Wiederbeschaffungskosten der Roh-, Hilfsund Betriebsstoffe zu ermitteln ist, zeigt jedoch, dass auch die IFRS den Wieder­ beschaffungswert zur Ermittlung des niedrigeren Vergleichswertes anerkennen, sofern dies dem Ziel einer sachgerechten Bewertung im Sinne des Bewertungs­ ziels des IAS  2.28 S.  3 dient. Gleichwohl kommt dem Beschaffungsmarkt in den Teilwertvermutungen der Finanzgerichte ungleich höhere Bedeutung etwa bei der Bewertung selbst hergestellter fertiger und unfertiger Erzeugnisse mit den WHK zu.107 Insgesamt fehlt es auch in IAS 2 – systembedingt – an einer einheitlichen Me­ thode zur Ermittlung des niedrigeren Wertes, auf den die außerplanmäßige Ab­ schreibung erfolgt. Damit bieten die IFRS auch für das Vorratsvermögen keine Vorteile gegenüber der Teilwertbewertung, die zu einer Verbesserung der bisheri­ gen Rechtslage beitragen könnten. 4. Forderungen aus Lieferungen und Leistungen – IAS 32, 39 Die IFRS unterscheiden zwischen Forderungen aufgrund eines Vertrages und sonstigen Forderungen ohne vertragliche Basis.108 Während Forderungen, die nicht auf einem Vertrag beruhen (sondern z. B. auf Zuwendungen der öffentlichen Hand), als sonstige Vermögenswerte nach den Regelungen des Rahmenkonzepts oder spezieller Standards zu bilanzieren sind, gehören vertragliche Forderungen – darunter Forderungen aus Lieferungen und Leistungen – zu den Finanzinstrumen­ ten109, deren Bewertung sich nach IAS 39 richtet, vgl. IAS 32.3.110

106

Zu den entsprechenden Teilwertvermutungen vgl. oben: 4. Kapitel, B. II. 2. c). Vgl. oben: 4. Kapitel, B. II. 2. c). 108 Beine/Meyer, in: Ballwieser u. a. (Hrsg.), Wiley IFRS 2009, Abschn. 5, Rn. 24. 109 Nach IAS 32.11 ist ein Finanzinstrument ein Vertrag, der gleichzeitig bei dem einen Un­ ternehmen zu einem finanziellen Vermögenswert und bei dem anderen Unternehmen zu einer finanziellen Verbindlichkeit (dazu unten: 5. Kapitel, B. IV. 5.) oder einem Eigenkapitalinstru­ ment führt. 110 Beine/Meyer, in: Ballwieser u. a. (Hrsg.), Wiley IFRS 2009, Abschn. 5, Rn. 24. 107

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5. Kap.: Die Teilwertproblematik de lege ferenda

a) Vergleich mit dem Teilwert Der Anwendungsbereich des ausgesprochen unübersichtlichen IAS 39 erfasst gem. IAS  39.2–39.7 Ansatz und Bewertung sämtlicher Finanzinstrumente und geht damit weit über die Bewertung von Forderungen hinaus. Detaillierte Be­ stimmungen zur Bewertung der einzelnen Finanzinstrumente finden sich nicht nur in dem Standard selbst (IAS 39.43–39.70), sondern auch in dessen Anhang A (IAS 39.AG64–39.AG93). Die Zugangsbewertung von Forderungen aus Lieferungen und Leistungen erfolgt nach IAS  39.43 mit dem sog. beizulegenden Zeitwert111. Dies ist nach IAS 39.AG64 S. 1 in der Regel der Transaktionspreis, d. h. der beizulegende Zeit­ wert der gegebenen oder erhaltenen Gegenleistung, der deren Anschaffungs­kosten entspricht.112 Die Regelung ähnelt der Bewertung von Forderungen nach dem EStG, wenn auch diesbezüglich nur in Ausnahmefällen auf die AK/HK der Gegen­ leistung113 und – aufgrund des Realisationsprinzips – im Regelfall auf den Nenn­ wert der Forderung abgestellt wird.114 Die Folgebewertung von Forderungen erfolgt gem. IAS 39.46(a) zu fortgeführ­ ten Anschaffungskosten unter Anwendung der sog. Effektivzinsmethode. IAS 39.9 enthält eine umfassende Definition dieser Bewertungsmethode.115 Nach IAS  39.

111

Nach IAS 39.9 ist der beizulegende Zeitwert definiert als der Betrag, zu dem zwischen sachverständigen, vertragswilligen und voneinander unabhängigen Geschäftspartnern ein Ver­ mögenswert getauscht oder eine Schuld beglichen werden könnte. 112 Hayn/Waldersee, IFRS-Synopse, S. 187. 113 Vgl. Schmidt/Glanegger, 28. Aufl. 2009, § 6, Rn. 361: Wert der Gegenleistung bei Zession und Forderungserwerb gegen Sachleistung maßgeblich. 114 So BFH, U.v. 23.11.1967 – IV 123/63, BStBl II 1968, 176 f; U.v. 23.4.1975 – I R 236/72, BStBl II 1975, 875, 876; U.v. 22.10.1991 – VIII R 64/86, BFH/NV 1992, 449; Schmidt/WeberGrellet, 28. Aufl. 2009, § 5, Rn. 270 „Forderungen“; Schmidt/Glanegger, 28. Aufl. 2009, § 6, Rn. 361. 115 Auszug aus IAS 39.9: „Die Effektivzinsmethode ist eine Methode zur Berechnung der fortgeführten Anschaffungskosten eines finanziellen Vermögenswertes oder einer finanziellen Verbindlichkeit (oder einer Gruppe von finanziellen Vermögenswerten oder finanziellen Ver­ bindlichkeiten) und der Allokation von Zinserträgen und Zinsaufwendungen auf die jeweili­ gen Perioden. Der Effektivzinssatz ist derjenige Kalkulationszinssatz, mit dem die geschätz­ ten künftigen Ein- und Auszahlungen über die erwartete Laufzeit des Finanzinstruments oder eine kürzere Periode, sofern zutreffend, exakt auf den Nettobuchwert des finanziellen Ver­ mögenswertes oder der finanziellen Verbindlichkeit abgezinst werden. Bei der Ermittlung des Effektivzinssatzes hat ein Unternehmen zur Schätzung der Cashflows alle vertraglichen Bedin­ gungen des Finanzinstruments zu berücksichtigen (z. B. Vorauszahlungen, Kauf- und andere Op­tionen), nicht jedoch künftige Kreditausfälle. In diese Berechnung fließen alle unter den Vertragspartnern gezahlten oder erhaltenen Gebühren und sonstige Entgelte ein, die ein integra­ ler Teil des Effektivzinssatzes (siehe IAS 18), der Transaktionskosten und aller anderen Agien und Disagien sind. Es wird davon ausgegangen, dass die Cashflows und die erwartete Laufzeit einer Gruppe ähnlicher Finanzinstrumente verlässlich geschätzt werden kann. In den seltenen Fällen, in denen es jedoch nicht möglich ist, die Cashflows oder die erwartete Laufzeit eines

B. Bewertungskonzepte und -maßstäbe im Vergleich zum Teilwert

215

AG84 werden jedoch die Cashflows kurzfristiger Forderungen nicht abgezinst, falls der Abzinsungseffekt unwesentlich ist. Dies wird bei Forderungen aus Lie­ ferungen und Leistungen, die nach dem EStG als Wirtschaftsgüter des Umlauf­ vermögens zu bilanzieren sind, regelmäßig der Fall sein. Für die Bewertung von Finanzinstrumenten im Falle einer (vermuteten) Wert­ minderung enthält IAS 39 in den Paragraphen 58 bis 70 sowie im Anhang A Para­ graphen AG84 bis AG93 umfangreiche Regelungen. IAS 39.59(a)–(f) enthält eine Liste von sog. Schadensfällen, deren Beobachtung in der Vergangenheit objek­ tive Hinweise auf eine Wertminderung gibt. Diese Schadensfälle können als In­ dikatoren für eine mangelnde Zahlungsfähigkeit oder -bereitschaft des Schuld­ ners zusammengefasst werden,116 sodass die Gründe für eine Wertminderung nach IAS 39.58–39.70 den Anwendungsfällen für eine Teilwertabschreibung auf Forde­ rungen weitgehend entsprechen.117 Die Bewertung erfolgt in diesen Fällen für alle finanziellen Vermögenswerte, die zu fortgeführten Anschaffungskosten bilanziert werden (vgl. IAS  39.46(a)), gem. IAS 39.63–39.65 und IAS 39.AG84–39.AG92. Gem. IAS 39.63 ergibt sich die Höhe des Verlusts im Falle einer Wertminderung als Differenz zwischen dem Buchwert des Vermögenswertes und dem Barwert der erwarteten künftigen Cash­ flows, d. h. der voraussichtlichen künftigen Mittelzu- und -abflüsse.118 Die Ab­ zinsung erfolgt mit dem ursprünglichen Effektivzinssatz der Forderung, also dem bei erstmaligem Ansatz ermittelten Zinssatz, IAS 39.63. Die Wertminderungen sind in Form von Einzelwertberichtigungen vorzuneh­ men; Pauschalwertberichtigungen auf Forderungen sind in IAS 39 grundsätzlich nicht vorgesehen.119 Allerdings erlaubt IAS 39.64 die Ermittlung der Wertminde­ rung für eine Gruppe von finanziellen Vermögenswerten mit vergleichbaren Aus­ fallrisikoprofilen, wenn eine individuelle Wertminderung nicht zu ermitteln ist. Nach IAS 39.65 schließlich besteht – ebenso wie nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 S. 3 i. V. m. Nr. 1 S. 4 EStG – ein striktes Zuschreibungsgebot, wenn die Wertminderung in einer Folgeperiode nach ihrer Erfassung nicht fortbesteht.

Finanzinstruments (oder einer Gruppe von Finanzinstrumenten) verlässlich zu bestimmen, hat das Unternehmen die vertraglichen Cashflows über die gesamte vertragliche Laufzeit des Fi­ nanzinstruments (oder der Gruppe von Finanzinstrumenten) zugrunde zu legen.“ 116 So sind u. a. erhebliche finanzielle Schwierigkeiten des Emittenten oder des Schuldners (IAS 39.59(a)), ein Vertragsbruch wie beispielsweise ein Ausfall oder Verzug von Zins- oder Tilgungszahlungen (IAS 39.59 (b)) oder eine erhöhte Wahrscheinlichkeit, dass der Kreditneh­ mer in Insolvenz oder ein sonstiges Sanierungsverfahren geht (IAS 39.59 (d)) Anhaltspunkte für eine Wertminderung. Weitere Sachverhalte, die Hinweis auf eine Wertminderung geben können, enthält IAS 39.61. 117 Zur Teilwertermittlung bei Forderungen aus Lieferungen und Leistungen durch die Fi­ nanzgerichte ausführlich oben: 4. Kapitel, B. II. 2. c). 118 Hayn/Waldersee, IFRS-Synopse, S. 189. 119 Hayn/Waldersee, IFRS-Synopse, S. 189.

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5. Kap.: Die Teilwertproblematik de lege ferenda

b) Schlussfolgerungen Die umfangreichen Vorschriften des IAS 39 sowie seines Anhangs belegen wie auch die umfangreiche Rechtsprechung zum Teilwert von Forderungen aus Liefe­ rungen und Leistungen die Komplexität der Forderungsbewertung. Während die Bestimmungen des IAS 39 wiederum systembedingt jeden Einzelfall abzudecken versuchen, bedarf es zur Wertermittlung aufgrund der abstrakten Regelung des § 6 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 EStG einer differenzierten Rechtsprechung, die wie die einzelfall­ bezogenen Bestimmungen des IAS 39 auf anerkannte Methoden zur Forderungs­ bewertung angewiesen ist. Trotz des unterschiedlichen methodischen Ansatzes der IFRS, der sich wie­ derum in den zahlreichen Einzelfallregelungen des IAS 39 auswirkt, besteht ne­ ben den offensichtlichen Parallelen zum Teilwertansatz120 die entscheidende Ge­ meinsamkeit darin, dass beide Rechnungslegungsstandards die Bezifferung der Wertminderung von der Höhe und Wahrscheinlichkeit des befürchteten Zah­ lungsausfalls abhängig machen.121 Bei unverzinslichen oder niedrig verzinslichen Forderungen hängt die Bewertung in beiden Fällen von der Höhe angemessen ab­gezinster Rückzahlungen ab.122 Die Betriebsindividualität spielt für die Bemes­ sung des Teilwerts von Forderungen hingegen keine Rolle; seine Ermittlung wird allein von der Funktion, außerplanmäßige Wertminderungen aufzunehmen, abhän­ gig g­ emacht. Damit stellt die Rechtsprechung, der die Ausgestaltung der Bewertung unter Beibehaltung abstrakter Bewertungsregeln wie § 6 EStG vorbehalten bleibt, auf das auch nach IAS  39 entscheidende wertbestimmende Merkmal ab. Eine Kon­ kretisierung im Sinne einer Differenzierung von Forderungstypen oder Abschrei­ bungsgründen kann eine abstrakte Regelung zur Teilwertbestimmung, um de­ ren Suche es hier geht, nicht ersetzen und kommt als Alternative daher nicht in ­Betracht. 5. Finanzielle Verbindlichkeiten – IAS 32, 39 Auf der Passivseite der Bilanz differenzieren die IFRS im Bereich der Schul­ den (F. 49 (b)123; F. 60–64) nach dem Schuldgrund, dem Zeitpunkt der Fälligkeit und nach der Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme. Letztere führt – ähnlich 120 Gemeint sind etwa die Zuschreibungspflicht (IAS 39.65) und die Gründe für die Abschrei­ bung (IAS 39.59, 39.61). 121 Vgl. für die entsprechende Rechtsprechung zum Teilwert oben: 4. Kapitel, B. II. 2. c). 122 Vgl. IAS 39.AG64 sowie für den Teilwert FG Nds., U.v. 9.2.2004  – 11 K 388/03, DStRE 2005, 1062, 1063 f.; BFH, U.v. 9.7.1981 – IV R 35/78, BStBl II 1981, 734. 123 Nach IAS F. 49 (b) ist eine Schuld eine gegenwärtige Verpflichtung des Unternehmens, die aus Ereignissen der Vergangenheit entsteht und deren Erfüllung für das Unternehmen er­ wartungsgemäß mit einem Abfluss von Ressourcen mit wirtschaftlichem Nutzen verbunden ist.

B. Bewertungskonzepte und -maßstäbe im Vergleich zum Teilwert

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wie in § 6 Abs. 1 Nr. 3, 3a EStG – zu einer Differenzierung von Verbindlichkeiten (v. a. IAS 32, 39), Rückstellungen (IAS 37.10, 37.11 ff.)124 und nicht bilanzierungs­ fähigen Eventualschulden (IAS  37.10, 37.27). Die Gliederung der Schulden er­ folgt gem. IAS 1.51 ff. grundsätzlich nach der Fristigkeit, wenn nicht eine Glie­ derung nach der Liquidität den Adressaten der Rechnungslegung relevantere oder verlässlichere Informationen bietet.125 Bei den gegenwärtigen Verpflichtungen ist weiter zwischen finanziellen und sonstigen Verbindlichkeiten zu unterscheiden, wobei nur die sog. finanziellen Ver­ bindlichkeiten, d. h. auf vertraglicher Vereinbarung beruhende Verbindlichkeiten – ähnlich wie die Forderungen aufgrund eines Vertrages126 – zu den in IAS 32 und IAS 39 geregelten Finanzinstrumenten gehören, vgl. IAS 32.11. a) Vergleich mit dem Teilwert Die Erstbewertung einer finanziellen Verbindlichkeit erfolgt gem. IAS  39.43 und 39.AG64 grundsätzlich zum beizulegenden Zeitwert der erhaltenen Gegen­ leistung, der i. d. R. den Anschaffungskosten entspricht.127 Insofern entspricht die Regelung der des § 6 Abs.  1 Nr.  3 S.  1 EStG, dessen Anordnung der sinnge­ mäßen Anwendung der Bewertungsregel für Umlaufgüter und nicht abnutzbare Anlagegüter (§ 6 Abs.  1 Nr.  2 EStG) regelmäßig ebenfalls zu einer Bewertung von Geldschulden nach dem Wert der Anschaffungskosten für die Gegenleistung führt.128 Für die Folgebewertung sind die finanziellen Verbindlichkeiten in zwei Katego­ rien einzuordnen: Grundsätzlich sind finanzielle Verbindlichkeit gem. IAS  37.47 mit den fort­ geführten Anschaffungskosten zu bewerten. Diese ergeben sich aus dem Wert des erstmaligen Wertansatzes abzgl. Tilgungen, zzgl. oder abzgl. der kumulierten Ver­ rechnung einer etwaigen Differenz zwischen dem ursprünglichen Betrag und dem 124

Nach IAS 37.10 ist eine Rückstellung eine Schuld (i. S. d. IAS F.49(b)), die bezüglich ih­ rer Fälligkeit oder ihrer Höhe ungewiss ist. Die Voraussetzungen, unter denen eine Pflicht zum Ansatz einer Rückstellung in der Bilanz besteht, ergeben sich aus IAS 37.14; da danach u. a. „eine verlässliche Schätzung der Höhe der Verpflichtung“ erforderlich ist, erfolgt die Bewer­ tung gem. IAS 37.36 nach dem Betrag der bestmöglichen Schätzung der Ausgabe, die zur Er­ füllung der gegenwärtigen Verpflichtung zum Bilanzstichtag erforderlich ist. Da der Teilwert für die Bewertung von Rückstellungen nach § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG bedeutungslos ist, wird in­ sofern auf einen Vergleich verzichtet. 125 Hayn/Hold Paetsch, in: Ballwieser u. a. (Hrsg.), Wiley IFRS 2009, Abschn. 12, Rn. 143. 126 Dazu oben: 5. Kapitel, B. IV. 4. 127 Hayn/Waldersee, IFRS-Synopse, S. 259; Hayn/Hold Paetsch, in: Ballwieser u. a. (Hrsg.), Wiley IFRS 2009, Abschn. 12, Rn. 118. 128 Vgl. oben: 2. Kapitel, B. I. 2. b) sowie Ehmcke, in: Blümich, § 6, Rn. 942; Schmidt/Glanegger, 28. Aufl. 2009, § 6, Rn. 387.

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5. Kap.: Die Teilwertproblematik de lege ferenda

bei Fälligkeit rückzahlbaren Betrag sowie abzgl. einer gegebenenfalls eintretenden außerordentlichen Verringerung der Schuld, vgl. IAS 39.9. Die Differenz zwischen dem i.R.d. Erstbewertung erfassten Betrag und dem vertraglichen Rückzahlungs­ betrag ist unter Verwendung der Effektivzinsmethode zu verrechnen.129 Ausweis­ lich der Definition des IAS 39.9 werden außerordentliche Wertveränderungen be­ reits in den fortgeführten Anschaffungskosten berücksichtigt. Da die IFRS nicht wie die Bewertung nach deutschem Recht dem Vorsichtsprinzip verpflichtet sind, das bei Verbindlichkeiten zu einem Höchstwertprinzip konkretisiert wird, spricht IAS 39.9 nur von Wertminderungen, die die Anschaffungskosten senken. Von die­ sem systematisch bedingten Unterschied abgesehen, ist für den Vergleich mit § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG entscheidend, dass sich damit ein alternativer Wertmaßstab er­ übrigt, der wie der Teilwert außerplanmäßige Wertveränderungen berücksichtigt. Sofern für die Folgebewertung gem. IAS  39.47 von den fortgeführten Anschaf­ fungskosten auszugehen ist, werden diese ebenso um unplanmäßige Wertverände­ rungen korrigiert, wie der Wertansatz nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 S. 1 i. V. m. Nr. 2 EStG im Falle dauernder Werterhöhungen. Da mit dem Abstellen auf die historischen Anschaffungskosten die Fair-valueBewertung vernachlässigt wird,130 besteht gem. IAS 39.47 (a) für bestimmte finan­ zielle Verbindlichkeiten auch bei der Folgebewertung die Möglichkeit einer er­ folgswirksamen Bewertung mit dem beizulegenden Zeitwert. IAS 39.9 bestimmt die Voraussetzungen für erfolgswirksam zum beizulegenden Zeitwert bewertete finanzielle Verbindlichkeiten, zu denen etwa die zu Handelszwecken gehaltenen Verbindlichkeiten gehören, die z. B. dann vorliegen, wenn sie hauptsächlich mit der Absicht erworben oder eingegangen wurden, einen Gewinn aus kurzfristigen Wertschwankungen zu erzielen (IAS  39.9 (a)  (i)). Bei diesen Verbindlichkeiten sind Erträge und Aufwendungen, die im Rahmen der Folgebewertung auftreten, im betrieblichen Ergebnis der Periode auszuweisen, in der sich eine Änderung des beizulegenden Zeitwerts ergibt.131 Für die Definition des beizulegenden Zeitwerts gilt wiederum132 die Definition des IAS 39.9; es handelt sich also um den Betrag, zu dem zwischen sachverständigen, vertragswilligen und voneinander unabhängi­ gen Geschäftspartnern ein Vermögenswert getauscht oder eine Schuld beglichen werden könnte. Ziel der Bewertung mit diesem Wert ist es nach IAS 39.48A S. 3, den Transaktionspreis festzustellen, der sich am Bewertungsstichtag zwischen un­ abhängigen Vertragspartnern bei Vorliegen normaler Geschäftsbedingungen (d. h.

129

Hayn/Hold Paetsch, in: Ballwieser u. a. (Hrsg.), Wiley IFRS 2009, Abschn. 12, Rn. 119; Kudert/Sorg, S. 138. Zur Effektivzinsmethode bereits oben: 5. Kapitel, B. IV. 4. a). sowie De­ finition in IAS 39.9. 130 So Buchholz, Grundzüge des Jahresabschlusses, 5. Aufl., S. 263; Hayn/Hold Paetsch, in: Ballwieser u. a. (Hrsg.), Wiley IFRS 2009, Abschn. 12, Rn. 116. 131 Hayn/Hold Paetsch, in: Ballwieser u. a. (Hrsg.), Wiley IFRS 2009, Abschn. 12, Rn. 119. 132 Der beizulegende Zeitwert ist auf für die Erstbewertung von Forderungen entscheidend, vgl. schon oben: 5. Kapitel, B. IV. 4. a).

B. Bewertungskonzepte und -maßstäbe im Vergleich zum Teilwert

219

auch unter der Prämisse der Unternehmensfortführung, IAS 39.AG 69) fiktiv er­ geben hätte. Auch dem betriebsbezogenen Teilwert einer Verbindlichkeit, der in deren Barwert oder im Zeitwert bestehen soll133, liegt die Annahme einer fingierten Preisverhandlung zwischen Betriebsinhaber und fiktivem Erwerber zugrunde. In­ sofern gehen IAS 39.47, 39.9 und § 6 Abs. 1 Nr. 3 S. 1 EStG von der gleichen Fik­ tion aus. In beiden Fällen werden unplanmäßige Wertveränderungen der Verbind­ lichkeiten in den fiktiven Verhandlungen zweier verständiger Geschäfts­partner berücksichtigt. In beiden Fällen führt diese Fiktion zum erfolgswirksamen Ansatz des Zeitwerts. b) Schlussfolgerungen Der Vergleich der Bewertung von Verbindlichkeiten nach IAS 32 und 39 und § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG zeigt einerseits erhebliche Unterschiede in der systematischen Herangehensweise und den Überlegungen, die den Bewertungsregeln zugrunde liegen, und andererseits unerwartet ähnliche Ausgestaltungen und Ergebnisse. So sind die Regelungen geprägt vom Grundsatz der „fair presentation“, die dem beizulegenden Zeitwert große Bedeutung zukommen lässt und vor allem bei der Folgebewertung nach IAS 39.47 ff. dazu führt, dass ein Äquivalent zum Höchst­ wertprinzip nicht existiert. Auch die Einordnung der finanziellen Verbindlichkei­ ten bei den Finanzinstrumenten i. S. d. IAS 32, 39, die damit zusammenhängende vielfache Differenzierung der Schulden nach Schuldgrund und Fristigkeit sowie die differenzierte Folgebewertung mit fortgeführten Anschaffungskosten oder bei­ zulegendem Zeitwert (IAS  39.47) zeigen die erheblichen systematischen Unter­ schiede zur Bewertung nach dem HGB oder EStG. Dementsprechend schwie­ rig gestaltet sich ein umfassender Vergleich mit der Bewertungsvorschrift des § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG, dessen Anwendungsbereich im Steuerrecht erheblich weiter ist, als der der IAS 32 und IAS 39. Umso erstaunlicher sind die aufgezeigten Parallelen sowohl bei der Zugangs- als auch bei der Folgebewertung der finanziellen Verbindlichkeiten. Diese beschrän­ ken sich nicht nur auf die selbstverständliche erfolgswirksame Berücksichtigung unplanmäßiger Wertveränderungen im Bereich der Verbindlichkeiten, sondern er­ strecken sich – jedenfalls soweit nach IAS 39.43 und 39.47 der beizulegende Zeit­ wert anzusetzen ist – auch auf die Art und Weise der Wertfindung, die auch beim Teilwert letztendlich auf der fiktiven Verständigung zwischen zwei Vertragspart­ nern beruht. Soweit nach IAS 39.47 die fortgeführten Anschaffungskosten anzu­ setzen sind, übernehmen diese aufgrund ihrer im Vergleich zu § 255 Abs. 1 S. 1

133 Je nachdem, ob die Zahlung auf die Verbindlichkeit oder deren Übernahme durch den fik­ tiven Erwerber fingiert wird, besteht der Teilwert im Barwert oder im Zeitwert der Verbindlich­ keit, vgl. ausführlich oben: 2. Kapitel, B. I. 2. c) bb).

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5. Kap.: Die Teilwertproblematik de lege ferenda

HGB umfassenderen Definition auch die Funktion des Teilwerts, d. h. die Berück­ sichtigung unplanmäßiger Wertveränderungen. Damit steht zugleich fest, dass die Vorschriften über die Bewertung von finan­ ziellen Verbindlichkeiten nach IAS 32, 39 keine Schlüsse auf eine im Vergleich zur Teilwertermittlung vorteilhafte Methode zur Berücksichtigung unplanmäßiger Wertveränderungen zulassen. 6. Zusammenfassung Die Bewertung nach den IFRS beruht auf vollkommen anderen systematischen und prinzipiellen Grundlagen, als die Bewertung nach § 6 EStG. Methodisch sind die Vorschriften der IFRS durch das anglo-amerikanische Recht geprägt. Sie geben daher der unsystematischen Regelung zahlreicher Ein­ zelfälle den Vorzug vor abstrakt formulierten Regelungen. Wenn auch dadurch ein Vergleich mit der Bilanzierung nach dem EStG insofern vereinfacht wird, als es nicht auf die Anwendungspraxis oder Rechtsprechung ankommt, so sind doch der unmittelbaren Nutzbarmachung der Regeln für das deutsche Einkommensteuer­ recht von vornherein offensichtlich enge Grenzen gesetzt. Hinsichtlich der Bewer­ tung kann § 6 EStG nicht so ausgestaltet werden, dass er etwa die Bestimmung des Teilwerts für sämtliche Anwendungsfälle regelt. Inhaltlich ist die handelsrechtliche Bilanzierung nach IFRS geprägt vom Grund­ satz des true and fair view, der den Betriebsvermögensvergleich an den Informati­ onsbedürfnissen von externen Adressaten, v. a. von Investoren ausrichtet, vgl. IAS F.10. Obwohl diese Ausrichtung durch das BilMoG vom 25.5.2009 auch in zahl­ reichen Bilanzierungsvorschriften des deutschen Handelsrechts nunmehr verstärkt ihren Ausdruck findet und den Zielen des Ertragssteuerrechts nicht von vornher­ ein entgegen steht,134 verbietet sich eine unmittelbare Nutzbarmachung der IFRS für die ertragssteuerliche Bewertung. Der Vergleich mit der Rechtsprechung zum Teilwert zeigt jedoch vielfach Parallelen in der Bewertungspraxis. Daraus kann der Schluss gezogen werden, dass die Teilwertgrenzen und -vermutungen moder­ nen Bewertungsstandards entsprechen, soweit es inhaltlich um die Berücksichti­ gung unplanmäßiger Wertveränderungen und methodisch um die Wertermittlung durch Schätzung geht.

134 Zum BilMoG vom 25.5.2009 und den Auswirkungen auf das Einkommensteuerrecht oben: 4. Kapitel, C. V.

B. Bewertungskonzepte und -maßstäbe im Vergleich zum Teilwert

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V. Zu den Entsprechungen zum Teilwert in ausländischen Rechtsordnungen Für die Suche nach einem alternativen Weg zur Berücksichtigung unplan­ mäßiger Wertminderungen im Anlage- und Umlaufvermögen bzw. unplanmäßiger Wertsteigerungen von Schulden und Verbindlichkeiten sind auch die Regelungen in ausländischen Rechtsordnungen von Interesse. Dabei ist jedoch zu berücksich­ tigen, dass die Gewinnermittlung zu steuerlichen Zwecken dort teilweise einem völlig anderen methodischen Ansatz folgt und z. B. nicht mittels eines am Han­ delsrecht orientierten Betriebsvermögensvergleichs durchgeführt werden muss. Zudem steht die Berücksichtigung von Verlusten in anderen Ländern nicht un­ ter dem Einfluss der Grundrechte, die im deutschen Recht für die Rechtfertigung einzelner Begriffe und Werte eine ebenso große Rolle spielen wie die bilanz- und steuersystematischen Prinzipien. 1. Die Niederlande und Österreich Trotz aller Probleme mit seiner Auslegung und Anwendung, ist der Teilwert – oder ein vergleichbarer Wert mit anderem Namen – auch anderen Rechtsordnun­ gen bekannt. Allerdings liegt der Ursprung nicht selten im deutschen Teilwert, sodass der Aussagegehalt eines Vergleichs mit diesen Rechtsordnungen gering bleibt, soweit Besteuerungsprinzipien, Bewertungsvorschriften und Rechtspre­ chung dem deutschen Vorbild entsprechen. Einen interessanten Vergleich stellt Gerard Meussen an,135 der im niederländi­ schen „bedrijfswaarde“ (Betriebswert) ein Äquivalent zum Teilwert identifiziert. Der bedrijfswaarde, der gesetzlich nicht definiert ist, geht unmittelbar auf den Teilwert des EStG 1934 zurück, der durch deutsche Erlasse zur Einkommensteuer und zur Körperschaftsteuer seit 1941, also im Laufe der Besetzung der Nieder­ lande, in die niederländische Steuergesetzgebung aufgenommen wurde.136 Ob­ wohl 1950 aus dem Gesetzestext gestrichen, blieb der bedrijfswaarde ein Bestand­ teil der Rechtsprechung niederländischer Finanzgerichte, die den Begriff ähnlich wie § 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG definieren.137 Dies bestätigt m. E. die Idee eines sys­ 135

Meussen, StuW 1998, 174 ff. Der Versuch Meussens, den bedrijfswaarde bzw. den Teil­ wert entsprechend dem Wortlaut seiner Definition über einen Gesamtwert des Unternehmens zu ermitteln (vgl. S. 179), kann allerdings m. E. nicht überzeugen. Insofern gilt das zum Teil­ wert Gesagte, vgl. dazu oben: 4. Kapitel, A. I. (Die sogenannten Teilwertdefinitionen) und VII. (Zusammenfassung). 136 Meussen, StuW 1998, 174. 137 Nach Meussen, StuW 1998, 174 definiert der „Hoge Raad“ des obersten niederländischen Gerichtshofs den bedrijfswaarde als den „Wert, welcher ein Erwerbender bei Übernahme des gesamten Unternehmens dem gesonderten Aktivum beimessen würde, wenn er vom Über­ nahmewert des Ganzen ausgehen würde und vorhätte, die Führung des Unternehmens fort­ zusetzen“.

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5. Kap.: Die Teilwertproblematik de lege ferenda

tematisch fundierten, aber vollkommen theoretischen Wertmaßstabes, der unter Beachtung des Realisationsprinzips die Aufgabe hat, die Berücksichtigung unge­ planter Wertveränderungen nicht nur aufzunehmen, sondern zu erklären. Hinsicht­ lich der Bestimmung des bedrijfswaardes stellt Meussen fest, dass in beiden Län­ dern eine eindeutige Berechnungsmethode nicht existiert und die Definition des Wertmaßstabes in den Niederlanden „völlig ignoriert“ werde.138 In beiden Ländern existierten „bemerkenswerte Parallelen“ insbesondere bezüglich der Hand­habung einer Teilwertvermutung,139 die auch in den Niederlanden vom Steuerpflichtigen zum Nachweis eines für ihn günstigeren Wertes widerlegt werden müsse und für aktive Wirtschaftsgüter grob gesagt dahin gehe, dass „der Teilwert eines Ak­ tivums dem Kostpreis bzw. Buchwert gleichzusetzen sei und daß dieser beim Kauf eines Aktivums dem dafür bezahlten Preis gleichzusetzen sei (außer wenn es sich um einen Fehlkauf handelt).“140 Daraus folgt, dass die niederländische Recht­sprechung keine geeignetere Methode zur Teilwertbestimmung entwickelt hat, als die auch in Deutschland gebräuchliche Schätzung, die mittels der wider­ legbaren Teilwertvermutungen im Rahmen der Teilwertgrenzen141 systematisiert wurde. Noch größere Parallelen zum deutschen Teilwert weist der „Teilwert“ des öster­ reichischen EStG auf, der ebenfalls unmittelbar auf die deutsche Regelung zurück­ geht142 und in § 6 Z 1 EStG (Österreich) eine mit § 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG iden­ tische Definition enthält. Auch hinsichtlich seiner materiellrechtlichen Funktionen als Korrekturwert und Wertuntergrenze für das aktive Vermögen ist er mit dem deutschen Teilwert vergleichbar.143 Die Judikatur zum Teilwert ist in Österreich weniger umfangreich als in Deutschland, sie zeigt jedoch deutlich, dass die Kon­ zeption der Wertermittlung in beiden Ländern gleich ist: Auch in Österreich beruht der Teilwert auf einer Schätzung.144 Diese wird mit­ tels Teilwertvermutungen systematisiert, die den deutschen Vermutungen im We­ sentlichen entsprechen.145 Wie im deutschen Einkommensteuerrecht wird auch in der österreichischen Rechtsprechung der Teilwert davon abhängig gemacht, ob das jeweilige Wirtschaftsgut für den jeweiligen Betrieb notwendig oder entbehrlich

138

Meussen, StuW 1998, 178. Meussen, StuW 1998, 177. 140 Meussen, StuW 1998, 179. 141 Dazu oben: 4. Kapitel, B. 142 Vgl. Doralt/Ruppe, österr. Steuerrecht, 9. Aufl., Rn. 336. 143 Vgl. dazu Beiser, Steuern, S. 134 ff. 144 Doralt/Ruppe, österr. Steuerrecht, 9. Aufl., Rn. 336. 145 Vgl. etwa Doralt/Ruppe, österr. Steuerrecht, 9. Aufl., Rn. 340 ff.; Jakom/Baldauf, öEStG, § 6, Rz. 41: 1. Im Zeitpunkt der Anschaffung/Herstellung: Teilwert = AK/HK; 2. In späteren Zeitpunkten: a)  nicht abnutzbares Anlagevermögen: Teilwert = AK/HK; b)  abnutzbares An­ lagevermögen: Teilwert = AK/HK abzgl. AfA; c) Umlaufvermögen: Teilwert = Wiederbeschaf­ fungs-/Wiederherstellungskosten. 139

B. Bewertungskonzepte und -maßstäbe im Vergleich zum Teilwert

223

ist, ob es also im Falle des Verlusts wiederbeschafft werden würde oder nicht.146 Dementsprechend stehen angesichts der im Regelfall zu bejahenden Betriebsnot­ wendigkeit die Wiederbeschaffungskosten, also der Preis am Beschaffungsmarkt, aus dem sich der Wiederbeschaffungswert ergibt, im Vordergrund.147 Bei entbehr­ lichen Wirtschaftsgütern hingegen stimmt auch in Österreich der Teilwert mit dem gemeinen Wert überein.148 Der kurze Vergleich des Teilwerts mit den auf ihm beruhenden vergleich­baren Werten in den Niederlanden und in Österreich zeigt hinsichtlich der Frage der Wertermittlung eine wesentliche Parallele: Die Teilwertermittlung beruht auch in diesen Ländern auf einer Schätzung, die im Gegensatz zum Verkaufspreis (gemei­ nen Wert) die Verhältnisse des jeweiligen Betriebs berücksichtigen soll. Zur Syste­ matisierung dieser Schätzung werden von der Rechtsprechung widerlegbare Ver­ mutungen herangezogen; ein konkretes Wertermittlungsverfahren besteht für die Berücksichtigung außerplanmäßiger Wertminderungen wie im deutschen Recht nicht. Folglich haben die niederländische und die österreichische „Teilwert“-Er­ mittlung keine methodischen Vorteile gegenüber der deutschen Wertermittlungs­ praxis. 2. Spanien Der Vergleich des Teilwerts mit den spanischen Regelungen zur Berück­ sichtigung außerplanmäßiger Wertminderungen im Vermögensbestand wird da­ durch erschwert, dass das spanische Recht hinsichtlich der Berücksichtigung von Wert­veränderungen einer anderen Systematik folgt und einen Teilwert nicht kennt.149 So werden unplanmäßige Wertminderungen nach spanischem Recht in der Handelsbilanz als aktive Wertberichtigungsposten in Form von Aktivprovisionen (provisiones de activo) berücksichtigt, sofern sie reversibel i. S. d. Art. 39 CCom (­Códido de commercio; span. Handelsgesetz), d. h. vorübergehend, sind.150 Bei der steuerrechtlichen Gewinnermittlung, bei der die Gewinn- und Verlustrech­ nung eine zentrale Rolle spielt,151 können die Aktivprovisionen gem. Art.  10.3 TRLIS (reformierte Fassung (Texto Refundido) des span. Körperschaftsteuerge­ setzes Ley del Impuesto sobre Sociedades) als Aufwendungen abgezogen werden, „soweit sie nicht von den Einschränkungen des Art. 12 TRLIS erfasst werden“152. Ein direkter Vergleich mit dem Teilwert scheitert insofern daran, dass der Teilwert 146

Doralt/Ruppe, österr. Steuerrecht, 9. Aufl., Rn. 339. Doralt/Ruppe, österr. Steuerrecht, 9. Aufl., Rn. 339. 148 Doralt/Ruppe, österr. Steuerrecht, 9. Aufl., Rn. 339. 149 Kaiser, Gewinnermittlung in Spanien und Deutschland, S. 186 ff., 190. 150 Kaiser, Gewinnermittlung in Spanien und Deutschland, S. 188. 151 Ausführlich: Kaiser, Gewinnermittlung in Spanien und Deutschland, S. 96, 98. 152 So wörtlich: Kaiser, Gewinnermittlung in Spanien und Deutschland, S. 188.

147

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5. Kap.: Die Teilwertproblematik de lege ferenda

gem. § 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 2, Nr. 2 S. 2 EStG nur bei voraussichtlich dauernden Wert­ minderungen angesetzt werden darf, für die die Aktivprovisionen nach spanischem Recht gerade nicht gebildet werden dürfen.153 Mit den dauernden Wertminderungen des deutschen Handels- und Steuerrechts ebenfalls nur bedingt vergleichbar sind die außerordentlichen Verluste (gastos ­extraordinarios por pérdidas definitivas o permanetes). Nach Art. 39.3, letzt. HS. CCom kommt es für die Berücksichtigung solcher Verluste darauf an, ob sie aus realisierten und damit unumkehrbaren Wertminderungen resultieren.154 Anders als für den Teilwert reicht eine voraussichtlich dauernde Wertminderung also nicht aus. Die Möglichkeit einer Wertaufholung ist konsequenterweise nicht vorgese­ hen.155 Die Berücksichtigung der außerordentlichen Verluste erfolgt handelsrecht­ lich durch eine Neubewertung der betroffenen Wirtschaftsgüter;156 in Höhe der Wertminderung sind Aufwendungen geltend zu machen. Das gilt auch für das Steuerrecht, das bezüglich der außerordentlichen Verluste keine besonderen Vor­ schriften enthält.157 Da das spanische Steuerrecht somit dauernde Wertminderungen i. S. d. § 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 2, Nr. 2 S. 2 EStG nicht kennt, erübrigt sich ein Vergleich der Methoden zur Bestimmung einer solchen Minderung. 3. Italien Das aktuelle italienische Steuerrecht beruht auf einer breit angelegten Reform, die  – nach einem politischen Machtwechsel  – durch das Ermächtigungsgesetz Nr. 80 vom 7.4.2003 in Gang gesetzt wurde.158 Ziel der Reform war es, das ita­ lienische Steuerrecht in mehreren Schritten so zu modernisieren, dass es im Ver­ gleich mit anderen führenden europäischen Industrienationen (vor allem Deutsch­ land) wettbewerbsfähig ist, gemeinschaftsrechtliche Vorgaben berücksichtigt und zugleich italienischen Besonderheiten Rechnung trägt, die in der überwiegenden Präsenz kleiner und mittlerer Unternehmen liegen.159 Die italienische Einkommensteuer (Imposta sul reddito – IRE), der natürliche Personen und nicht gewerblich tätige Körperschaften unterliegen, sowie die ita­ lienische Körperschaftsteuer (Imposta sul reddito delle società  – IRES), der ju­ ristische Personen und andere körperschaftlich strukturierte Organisationen un­ 153

Näher Kaiser, Gewinnermittlung in Spanien und Deutschland, S. 190. Kaiser, Gewinnermittlung in Spanien und Deutschland, S. 190. 155 Vgl. Kaiser, Gewinnermittlung in Spanien und Deutschland, S. 190. 156 Kaiser, Gewinnermittlung in Spanien und Deutschland, S. 188. 157 Kaiser, Gewinnermittlung in Spanien und Deutschland, S. 188, 190. 158 Näher zur steuerpolitischen Entwicklung, deren Resultat das Ermächtigungsgesetz Nr. 80 vom 7.4.2003 war, Hilpold/Steinmair, Grundriss des ital. Steuerrechts, S. 2 ff. 159 Hilpold/Steinmair, Grundriss des ital. Steuerrechts, S. 7, 9; Specker, Zwischen Sonder­ steuerrecht und verdeckter Gewinnausschüttung, S. 33, Fn. 152. 154

B. Bewertungskonzepte und -maßstäbe im Vergleich zum Teilwert

225

terliegen, sind nunmehr Teil des „Testo unico delle imposte sui redditi – TUIR“ (Einheitstext der Steuern auf das Einkommen).160 Die italienische Körperschaft­ steuer IRES (Art. 72 ff. TUIR) ist im Zuge der Reform zum 1.1.2004 und nochmals zum 1.1.2008 geändert worden, wobei die letzte Änderung, die mit dem Haushalts­ gesetz 2008161 verabschiedet wurde, in Anlehnung an die deutsche Unternehmen­ steuerreform 2008 auf eine Senkung der nominellen Steuerbelastung, eine Ver­ einfachung der steuerlichen Gewinnermittlung und eine Belastungsgleichheit der unterschiedlichen Rechtsformen abzielte.162 Wie in Deutschland erfolgt die Gewinnermittlung für Besteuerungszwecke mit­ hilfe einer Steuerbilanz. Diese beruht nach dem Grundsatz der Maßgeblichkeit (Art.  52 Abs.  1 TUIR) auf der handelsrechtlichen Gewinnermittlung, die nach Art. 56 ff. TUIR und für Körperschaften nach Art. 83 ff. TUIR steuerrechtlich mo­ difiziert wird.163 Die Maßgeblichkeit der Handelsbilanz wurde mit dem Haushalts­ gesetz 2008 nochmals gestärkt; rein steuerrechtlich veranlasste Abschreibungen, Wertberichtigungen und Rückstellungen sind weitgehend abgeschafft worden.164 Für die Bewertung bestimmter Wirtschaftsgüter bestehen in Art. 92 ff. und 110 TUIR nach wie vor steuerrechtliche Sonderregeln,165 die jedoch kein vollständi­ ges Bewertungskonzept beschreiben, sodass auch für die Bewertung in weiten Tei­ len auf die handelsrechtlichen Regeln abzustellen ist.166 Das Bewertungskonzept des italienischen Zivilgesetzbuchs (Codice Civile – C. C.) dient ähnlich der Bewertung nach dem HGB dem Vorsichtsprinzip. Dabei kommt der wahrheitsgetreuen Informationsvermittlung nach anglo-amerikanischem Vor­ bild und im Sinne der IFRS167 nunmehr ebenso wie im HGB eine erhebliche Be­ deutung zu, die sich im Bereich der Bewertung in dem Versuch auswirkt, eine 160 Specker, Zwischen Sondersteuerrecht und verdeckter Gewinnausschüttung, S.  33; Hilpold/Steinmair, Grundriss des ital. Steuerrechts, S. 8 f. 161 Gesetz Nr. 244 vom 24.12.2007, „Disposizioni per la formazione del bilancio annuale e pluriennale dello Stato – Legge finanziaria 2008“, vgl. Romani/Grabbe/Imbrenda, IStR 2008, 210, Fn. 1. 162 Romani/Grabbe/Imbrenda, IStR 2008, 210. 163 Specker, Zwischen Sondersteuerrecht und verdeckter Gewinnausschüttung, S. 34; Eickenberg, Jahresabschluss deutscher u. italienischer Kapitalgesellschaften, S.  70; Hilpold/Steinmair, Grundriss des ital. Steuerrechts, S. 247. 164 Eickenberg, Jahresabschluss deutscher u. italienischer Kapitalgesellschaften, S. 71 f.; Romani/Grabbe/Imbrenda, IStR 2008, 212. 165 Art. 92 TUIR regelt Verfahren zur Bewertung von Veränderungen im Vorratsvermögen (Variazioni delle rimanzenze); Art. 93 TUIR regelt die Bewertung mehrjähriger Bauleistungen, Lieferungen und Dienstleistungen (Opere, forniture  e servizi di durata ultrannuale); Art.  94 TUIR behandelt die Bewertung von Wertpapieren (Valutazione dei titoli). Art. 110 TUIR ent­ hält allgemeine Regeln für die Bewertung (Norme generali sulle valutazioni). 166 Unzutreffend m. E. daher Hilpold/Steinmair, Grundriss des ital. Steuerrechts, S. 259, die auf diese Feststellung verzichten und in Art. 92 TUIR „Die Bewertung der Anfangs- und End­ bestände“ geregelt sehen. 167 Zur Bilanzierung nach den IFRS ausführlich oben: 5. Kapitel, B. IV.

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5. Kap.: Die Teilwertproblematik de lege ferenda

Unterbewertung von aktiven Wirtschaftsgütern, bzw. eine Über­bewertung von Schulden zu verhindern und einen vollständigen und umfassenden Vermögens­ ausweis zu erreichen.168 Zu diesem Zweck gelten für die Bewertung einerseits der Grundsatz der Bilanzierung zu den historischen Anschaffungs- oder Herstellungs­ kosten (Art. 2426 Nr. 1, Nr. 9 C. C.) und andererseits eine Form des Niederstwert­ prinzips (Art. 2426 Nr. 3 S. 1 HS. 1, Nr. 9 S. 1 HS. 1 C. C.).169 Neben den histori­ schen Anschaffungs- oder Herstellungskosten sind vor allem zeitbezogene Werte auszuweisen. Für Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens besteht nach Art. 2426 Nr. 9 S. 1 HS. 1 C. C. ein Verbot der Bilanzierung unter den Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten oder einem aus dem Marktverlauf abgeleiteten Realisations­ wert. Zudem gilt ein striktes Wertaufholungsgebot (Art.  2426 Nr.  3 S.  1 HS.  2, Nr. 9 S. 1 HS. 2 C. C.). Insgesamt ähnelt die Bewertung damit dem Bewertungskonzept des § 6 EStG: Der marktabhängige Realisationswert übernimmt etwa bei der Bewertung des Um­ laufvermögens verfahrensrechtlich und materiellrechtlich dieselbe Funktion wie der deutsche Teilwert, indem er als Alternativwert unplanmäßige Wertverände­ rungen aufnimmt. Praktisch kommt es insofern in beiden Fällen zu einer marktab­ hängigen, zeitbezogenen Bewertung. Dies gilt auch für andere Fälle, in denen ein zeitbezogener Wert als Alternative zu den Anschaffungs- oder Herstellungskosten anzusetzen ist. Auch das strikte Wertaufholungsgebot, das eine Unterbewertung verhindern soll, findet sich in den deutschen steuerrechtlichen Vorschriften zur Be­ wertung des abnutzbaren und nicht abnutzbaren Anlagevermögens sowie des Um­ laufvermögens (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 4, Nr. 2 S. 3 EStG) wieder. Wenn auch eine Untersuchung der Methoden zur praktischen Wertermittlung mangels geeigneter deutschsprachiger Quellen unterbleiben muss, so lässt sich doch bereits den abstrakten Regeln des Codice Civile entnehmen, dass auch im italienischen Bilanzrecht neben den Anschaffungs- oder Herstellungskosten eine marktpreisabhängige Bewertung zum Bilanzstichtag für einen Teil der materiel­ len Anlage- und Umlaufgüter durchgeführt wird. Das italienische Bilanzrecht ent­ hält damit  – unter dem Einfluss einer zunehmenden Europäisierung und Inter­ nationalisierung  – erhebliche Parallelen zum deutschen Handelsbilanzrecht, das hinsichtlich des Bewertungskonzepts dem EStG jüngst durch das BilMoG vom 25.5.2009 angeglichen wurde. Weiterführende Erkenntnisse für die Ermittlung des Teilwerts sind dem italienischen Recht damit nicht zu entnehmen, jedoch be­stätigt es den Trend einer fortschreitenden Harmonisierung und Europäisierung des Bi­ lanzrechts sowie der Unselbstständigkeit der steuerlichen Gewinnermittlung ge­ genüber dem handelsrechtlichen Jahresabschluss.

168

Eickenberg, Jahresabschluss deutscher u. italienischer Kapitalgesellschaften, S. 145, 176. Eickenberg, Jahresabschluss deutscher u. italienischer Kapitalgesellschaften, S. 145.

169

B. Bewertungskonzepte und -maßstäbe im Vergleich zum Teilwert

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4. Ungarn Nach dem ungarischen Steuerrecht unterliegen Unternehmensgewinne sowohl von Personengesellschaften als auch von Kapitalgesellschaften der Körperschaft­ steuer, deren einheitlicher Steuersatz 16 % beträgt.170 Die ungarische Körper­ schaftsteuer entspricht der deutschen Körperschaftsteuer und der Einkommen­ steuer auf Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 2 Abs. 1 Nr. 2, § 15 EStG). Die Gewinnermittlung für körperschaftsteuerliche Zwecke erfolgt mittels Ge­ winn- und Verlustrechnung; eine Steuerbilanz wird nicht erstellt.171 Damit folgt Ungarn im Vergleich zu Deutschland einem vollständig anderen Ansatz zur steu­ erlichen Gewinnermittlung. Bemessungsgrundlage für die Körperschaftsteuer ist das um Kürzungen und Hinzurechnungen korrigierte Ergebnis der handelsrechtlichen Gewinn- und Ver­ lustrechnung, sodass eine einfache Maßgeblichkeit gilt.172 Die handelsrechtliche Bilanz, die nach Maßgabe des Rechnungslegungsgeset­ zes (Törvény  a számvitelről; im Folgenden RLG-H) Teil  der handelsrechtlichen Rechnungslegung ist, orientiert sich sowohl an anglo-amerikanischem als auch an kontinental-europäischem Recht.173 So besteht das Ziel des Jahresabschlusses in der Vermittlung eines den tatsächlichen Verhältnissen der Vermögens-, Finanzund Ertragslage entsprechenden Bildes (§ 18 RLG-H), während die weiteren Bi­ lanzierungsgrundsätze (§§ 15, 16 RLG-H) überwiegend den deutschen GoB ent­ sprechen.174 Insgesamt bestehen gerade im Bereich der Bewertung die wichtigsten Unter­ schiede zwischen dem ungarischen und dem deutschen Jahresabschluss.175 So ist im Unterschied zum deutschen Bilanzrecht nicht auf den Bilanzstichtag, sondern auf den Zeitpunkt der Bilanzaufstellung abzustellen, §§ 53 Abs. 2, 54 Abs. 1, 55 Abs. 1 RLG-H. Angesichts der Unterschiede ist der unmittelbare Vergleich der Methoden zur Berücksichtigung unplanmäßiger Wertminderungen bei der steuerlichen Gewinn­ ermittlung nicht möglich, ohne auch die systematischen und prinzipiellen Grund­ lagen der Gewinnermittlung und damit das komplette Bewertungsrecht mit ein­ zubeziehen.176 Der Vergleich beschränkt sich daher auf die Feststellung einer of­ fensichtlichen Gemeinsamkeit, die zugleich die Grenzen einer punktuellen Unter­ 170

F. A. Z./Rödl & Partner, Investitionsführer Ungarn, S. 46. Djanani/Brähler/Ulbrich, Steuern in Ungarn, S. 63. 172 Djanani/Brähler/Ulbrich, Steuern in Ungarn, S. 27, 63 f. 173 Djanani/Brähler/Ulbrich, Steuern in Ungarn, S. 26. 174 Näher Djanani/Brähler/Ulbrich, Steuern in Ungarn, S. 32 f. m. w. N. 175 F. A. Z./Rödl & Partner, Investitionsführer Ungarn, S. 44. 176 Ein umfassender Vergleich zwischen ungarischer und deutscher Einkommens- und Kör­ perschaftsteuer, der die Berücksichtigung von Wertminderungen mit einbezieht, muss einer an­ deren Arbeit vorbehalten bleiben. 171

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5. Kap.: Die Teilwertproblematik de lege ferenda

suchung offenbart: Außerplanmäßige Abschreibungen können im Bereich des An­ lagevermögens in der Regel nur vorgenommen werden, wenn die Wertminderung von Dauer ist.177 Desgleichen kommt auch für die Bewertung des Umlaufvermö­ gens eine Berücksichtigung von Wertminderungen und der Ansatz eines niedrige­ ren Vergleichswerts nur in Betracht, wenn diese von Dauer sind, §§ 55 Abs. 1, 56 Abs. 1 RLG-H. Steuerlich sind die Abschreibungen jedoch nur zum Teil und damit in noch restriktiverem Maße als im Handelsrecht zulässig.178 5. Polen Da das polnische Einkommensteuerrecht teilweise noch auf das Preußische Ein­ kommensteuergesetz von 1891179 zurückgeht,180 ist der Vergleich des Teilwerts, bzw. des deutschen steuerlichen Bewertungskonzepts mit dem polnischen Er­ tragssteuerrecht geprägt von strukturellen Gemeinsamkeiten einerseits und Un­ terschieden im Detail andererseits: Wie in Deutschland, gewinnt die Steuerbilanz als Instrument der steuerlichen Gewinnermittlung sowohl i. R. d. polnischen Ein­ kommensteuergesetzes (EStG-Pl) als auch i. R. d. polnischen Körperschaftsteuer­ gesetzes (KStG-Pl) Bedeutung, wobei beide Gesetze ähnlich wie in Deutschland anhand des subjektiven Anwendungsbereichs voneinander abgegrenzt werden.181 Das EStG-Pl kennt neun Einkunftsarten, von denen hier nur die Einkünfte aus wirtschaftlicher Betätigung (Art. 14 EStG-Pl) von Interesse sind. Ob ein Steuer­ pflichtiger, der solche Einkünfte erzielt, seinen Gewinn mithilfe einer Steuer­bilanz ermitteln kann oder muss, hängt von seinem Nettoumsatz ab (vgl. Art. 24a EStGPl).182 Körperschaftsteuerpflichtige Rechtssubjekte sind hingegen gem. Art.  9 Abs. 1 KStG-Pl stets zur Buchführung verpflichtet. In beiden Fällen richtet sich die Bilanzierung nach dem polnischen Rechnungslegungsgesetz (RLG-Pl), vgl. Art. 24a Abs. 1, Abs. 4, Abs. 5 S. 2 EStG-Pl, Art. 9 Abs. 1 KStG-Pl.183 Jedoch er­ langt dieses anders als in Deutschland nicht im Sinne des Maßgeblichkeitsgrund­ satzes Bedeutung für die Steuerbilanz, sondern der nach den Vorschriften des RLG-Pl mittels der Handelsbilanz festgestellte Jahresüberschuss wird mittels Hin­

177

Djanani/Brähler/Ulbrich, Steuern in Ungarn, S. 39. Djanani/Brähler/Ulbrich, Steuern in Ungarn, S. 65. 179 Dazu oben: 3. Kapitel, A. V. 2. b). 180 Cloer, in: Kudert (Hrsg.), Investieren in Polen, S. 65. 181 Vgl. Cloer, in: Kudert (Hrsg.), Investieren in Polen, S. 69; Nabialek, in: Kudert (Hrsg.), Investieren in Polen, S. 130 f.: Steuersubjekt der EStG-Pl sind allein natürliche Personen (für nicht rechtsfähige Personenmehrheiten und (teil-)rechtsfähige Personengesellschaften gilt das Transparenzprinzip); Steuersubjekt der KStG-Pl sind neben weiteren Organisationseinheiten v. a. juristische Personen. 182 Näher Cloer, in: Kudert (Hrsg.), Investieren in Polen, S. 80 f. 183 Cloer, in: Kudert (Hrsg.), Investieren in Polen, S. 80 f.; Nabialek, in: Kudert (Hrsg.), In­ vestieren in Polen, S. 140. 178

B. Bewertungskonzepte und -maßstäbe im Vergleich zum Teilwert

229

zurechnungen und Kürzungen modifiziert.184 Eine eigenständige Steuerbilanz wird nicht erstellt. Unter Vernachlässigung der Regeln über die Ableitung des steuerlichen Ge­ winns aus dem Ergebnis des handelsrechtlichen Jahresabschlusses soll im Folgen­ den unmittelbar auf die Vorschriften zur handelsrechtlichen Rechnungslegung ab­ gestellt werden. Die polnische Handelsbilanz gliedert sich wie die deutschen Bilanzen in lang­ fristige und kurzfristige Vermögenswerte, wobei für die Einteilung eine Dauer der restlichen Nutzung bzw. eine Restlaufzeit von 12 Monaten nach dem Bilanz­ stichtag ausschlaggebend ist.185 Grundprinzipien der Bewertung sind das Vor­ sichtsprinzip und  – wie auch in anderen Rechtsordnungen  – in zunehmendem Maße der Grundsatz des true and fair view.186 Die Erstbewertung der Aktiva und Passiva erfolgt gem. Art. 7 Abs. 1 RLG-Pl zu den tatsächlichen historischen Anschaffungs- oder Herstellungskosten187 ­unter Beachtung des Vorsichtsprinzips.188 Insofern entsprechen die polnischen Bilan­ zierungsvorschriften den deutschen handelsrechtlichen und steuerrechtlichen Re­ gelungen.189 Die Folgebewertung erfolgt für alle Arten von Wirtschaftsgütern unter Berück­ sichtigung planmäßiger und außerplanmäßiger Abschreibungen. Für das Sachan­ lagevermögen sieht Art. 32 RLG-Pl zunächst die Vornahme linearer, degressiver oder leistungsabhängiger Abschreibungen vor.190 Im Falle der hier interessierenden dauerhaften unplanmäßigen Wertminde­ rungen ist eine außerplanmäßige Abschreibung vorzunehmen, und zwar auf den Netto-Veräußerungspreis, den beizulegenden Zeitwert oder den Nutzungswert, Art. 28 Abs. 7 RLG-Pl.191 Eine dauerhafte Wertminderung ist anzunehmen, wenn die Wahrscheinlichkeit besteht, dass aus einem von dem Unternehmen kontrol­ lierten Vermögenswert in Zukunft die erwarteten wirtschaftlichen Vorteile auf­ grund einer Minderung des Handels- oder Nutzungswerts nicht oder nicht voll­ ständig erzielt werden können.192 Der Netto-Veräußerungspreis entspricht dem am 184 Die Gewinnermittlung ähnelt damit der Ermittlung des deutschen Gewerbeertrags nach §§ 7 ff. GewStG, vgl. Cloer, in: Kudert (Hrsg.), Investieren in Polen, S. 81. 185 Jungmann/Tacakiewicz, in: Kudert (Hrsg.), Investieren in Polen, S.713. 186 Jungmann/Tacakiewicz, in: Kudert (Hrsg.), Investieren in Polen, S. 702 ff. 187 Die Zusammensetzung der Anschaffungs- und Herstellungskosten entspricht nunmehr weitgehend der Zusammensetzung nach § 255 Abs. 1–2a HGB, vgl. Jungmann/Tacakiewicz, in: Kudert (Hrsg.), Investieren in Polen, S. 714 f. 188 Jungmann/Tacakiewicz, in: Kudert (Hrsg.), Investieren in Polen, S. 705, 714. 189 Vgl. für die Bewertung nach dem deutschen EStG oben: 2. Kapitel, B. I. 2. 190 Zur Bewertung des Sachanlagevermögens nach RLG-Pl ausführlich: Jungmann/Tacakie­wicz, in: Kudert (Hrsg.), Investieren in Polen, S. 719 ff.; zu planmäßigen Abschreibungen: S. 721 ff. 191 Jungmann/Tacakiewicz, in: Kudert (Hrsg.), Investieren in Polen, S. 717 f. 192 Jungmann/Tacakiewicz, in: Kudert (Hrsg.), Investieren in Polen, S. 723.

230

5. Kap.: Die Teilwertproblematik de lege ferenda

Bilanzstichtag erzielbaren Verkaufspreis ohne Umsatz- und Akzisesteuer, vermin­ dert um Rabatte, Nachlässe und ähnliche Minderungen sowie um die Ausgaben, die mit der Vorbereitung dieses Vermögenswertes zum Verkauf sowie mit der Tä­ tigung des Verkaufs selbst verbunden sind, und erhöht um eine eventuell geschul­ dete Sachschenkung.193 Sofern der Netto-Veräußerungspreis nicht bestimmt wer­ den kann, ist der beizulegende Zeitwert anzusetzen. Darunter ist der Betrag zu verstehen, zu dem zwischen sachverständigen, vertragswilligen und voneinander unabhängigen Geschäftspartnern ein Vermögenswert getauscht oder eine Verbind­ lichkeit beglichen werden könnte.194 Die Ermittlung des Wertes orientiert sich an­ ders als bei dem niedrigeren beizulegenden Wert des HGB195 oder bei dem Teil­ wert des EStG196 nicht am Wiederbeschaffungs- sondern am Absatzmarkt.197 Der Nutzungswert schließlich, der im Gesetz nicht definiert ist, bezeichnet die tatsäch­ liche Möglichkeit des Gebrauchs eines Gegenstands, d. h. den zukünftigen Nutzen aus dem Gebrauch des Gegenstands.198 Mit der gesetzlichen Regelung dieser Wert­ maßstäbe als Alternativwerte für den Fall einer unplanmäßigen Wertminderung überwindet das polnische Bilanzrecht die Unklarheiten, die sich in Deutschland nicht nur hinsichtlich des Teilwerts (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG), sondern auch hin­ sichtlich des niedrigeren beizulegenden Werts (§ 253 Abs. 3 S. 3, Abs. 4 S. 2 HGB) ergeben. Nach Art. 35c RLG-Pl besteht bei Wegfall des Grundes für die außerplanmäßige Abschreibung ein Wertaufholungsgebot. Zur Berücksichtigung des Einflusses, den die Inflation auf den Wert eines Wirtschaftsguts ausübt, sieht das RLG-Pl zudem die Möglichkeit einer Neubewertung vor.199 Die Folgebewertung immaterieller Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens erfolgt ebenfalls zu Anschaffungs- oder Herstellungskosten unter Berücksichtigung plan­ mäßiger und außerplanmäßiger Wertminderungen, wobei etwa der derivative Fir­ menwert bei dauerhafter Wertminderung mit dem beizulegenden Zeitwert zu be­ werten ist.200 Vorräte sind gem. Art. 28 Abs. 1 Nr. 6, Art. 34, 35c RLG-Pl mit dem niedrige­ ren Wert aus Anschaffungs- oder Herstellungskosten und Nettoveräußerungspreis zu bewerten. Aus Vereinfachungsgründen lässt das RLG-Pl auch den Ansatz an­ derer Werte zu.201 193

Jungmann/Tacakiewicz, in: Kudert (Hrsg.), Investieren in Polen, S. 717. Jungmann/Tacakiewicz, in: Kudert (Hrsg.), Investieren in Polen, S. 717. 195 Vgl.: 5. Kapitel, B. VII. 2. 196 Vgl. oben: 4. Kapitel, B. II. 2. a) und b). 197 Jungmann/Tacakiewicz, in: Kudert (Hrsg.), Investieren in Polen, S. 723 f. 198 Für alle drei Definitionen: Jungmann/Tacakiewicz, in: Kudert (Hrsg.), Investieren in Polen, S. 717 f. 199 Näher Jungmann/Tacakiewicz, in: Kudert (Hrsg.), Investieren in Polen, S. 724 ff. 200 Vgl. Jungmann/Tacakiewicz, in: Kudert (Hrsg.), Investieren in Polen, S. 730 f. 201 Näher zur Bilanzierung von Vorräten: Jungmann/Tacakiewicz, in: Kudert (Hrsg.), Inves­ tieren in Polen, S. 746 ff. 194

B. Bewertungskonzepte und -maßstäbe im Vergleich zum Teilwert

231

Die Bewertung von Forderungen erfolgt grundsätzlich zum Nennwert. Gem. Art. 28 Abs. 1 Nr. 7 RLG-Pl sollen die Forderungen zum Bilanzstichtag mit dem zu zahlenden Betrag (abzgl. Preisnachlässe, inkl. Umsatzsteuer) unter Berücksich­ tigung des Vorsichtsprinzips bewertet werden. Bei Forderungen aus Lieferungen und Leistungen bleibt es dadurch i. d. R. bei dem Ansatz des Nennwerts.202 Lang­ fristige Forderungen werden analog zu den kurzfristigen Forderungen bewertet, sodass auch sie mit dem zu zahlenden Betrag, also dem Nennwert, anzusetzen sind.203 Unverzinsliche oder niedrig verzinsliche Forderungen werden abweichend von den deutschen und den IFRS-Vorschriften nicht abgezinst.204 Insgesamt erfolgt die Bewertung in der polnischen Handelsbilanz damit prag­ matisch anhand objektiv feststellbarer Werte. Konzeptionell ist die Bewertung wie in den meisten europäischen Bewertungskonzepten, die unter dem Einfluss der 4.  EG-Bilanzrichtlinie stehen, an dem Vorsichtsprinzip und dem Grundsatz des true and fair view ausgerichtet. Im Gegensatz zu den deutschen Vorschriften regelt und definiert das polnische Gesetz allerdings die Bewertungsmaßstäbe, auf die im Falle einer außerplanmäßigen Wertminderung abzuschreiben ist. Dies ist dogma­ tisch im Vergleich zur Regelung des Teilwerts ein erheblicher Vorteil. 6. Die Vereinigten Staaten von Amerika Zu einem Aufeinandertreffen zweier „Kulturen“ der Rechnungslegung kommt es schließlich bei einem Vergleich der deutschen (kontinental-europäischen) mit der US-amerikanischen (anglo-amerikanischen) Bilanzierung.205 Abgesehen da­ von, dass das US-amerikanische Recht auf das englische Common Law zurück geht und damit im Gegensatz zum kontinental-europäischen Recht als Fallrecht (case law) ausgestaltet ist,206 kennt auch das Steuerrecht der USA kein Äquivalent zur deutschen Steuerbilanz; die Ermittlung der steuerlichen Bemessungsgrundlage erfolgt vielmehr wiederum durch eine Gewinn- und Verlustrechnung.207 Die Rechtsgrundlage für die Besteuerung in den nue Code of 1986 (IRC; Title 26 U. S. C. (United gesetz. Ertragssteuern (Income Taxes) sind geregelt Besteuert ist jegliche Art von Einkommen (Gross 202

USA ist der Internal Reve­ States Code)), ein Bundes­ in Subtitle A., Sec. 1–1563. Income),208 soweit es nicht

Jungmann/Tacakiewicz, in: Kudert (Hrsg.), Investieren in Polen, S. 751. Jungmann/Tacakiewicz, in: Kudert (Hrsg.), Investieren in Polen, S. 752. 204 Ausführlich zur Forderungsbewertung: Jungmann/Tacakiewicz, in: Kudert (Hrsg.), Inves­ tieren in Polen, S. 751 ff. 205 Ausführlich dazu Kadel, Dt. u. US-amerikanische Handels- und Steuerbilanz, S. 187 ff.; Zitat: 317. Vgl. auch Jesch/Striegel, US-amerikanisches Steuerrecht, Rn. 30 ff. 206 Jesch/Striegel, US-amerikanisches Steuerrecht, Rn. 1. 207 Kadel, Dt. u. US-amerikanische Handels- und Steuerbilanz, S. 187. 208 „Gross income means all income from whatever source derived.“ Vgl. Kadel, Dt. u. USamerikanische Handels- und Steuerbilanz, S. 188. 203

232

5. Kap.: Die Teilwertproblematik de lege ferenda

ausdrücklich als nicht steuerbar erklärt worden ist, Sec. 61. Die Bewertung von Wirtschafts­gütern, die angesichts der für die Ermittlung der Bemessungsgrund­ lage entscheidenden Gewinn- und- Verlustrechnung nur für die Regelung von Ab­ zugsverboten bestimmter Ausgaben relevant ist, erfolgt grundsätzlich zu den An­ schaffungs- oder Herstellungskosten, Sec. 1012209. Ein Wertverlust kann und darf in der Gewinn- und- Verlustrechnung grundsätzlich erst dann berücksichtigt wer­ den, wenn er erlitten („sustained“) wurde, Sec. 165(a). Die steuerliche Berücksich­ tigung von Verlusten setzt also deren Realisation in Form etwa einer Veräußerung, eines Austauschs oder der Beendigung oder Aufgabe der Verwendungsmöglich­ keiten voraus.210 Für die Berücksichtigung von unplanmäßigen Wertminderungen gelten einheitliche Regelungen für alle Wirtschaftsgüter, wobei jedoch für Güter des Vorratsvermögens und für bestimmte Wertpapiere besondere Vorschriften zu beachten sind: Reg. 1.165–2(a)  etwa erlaubt die Berücksichtigung einer Wertminderung bei nicht abbschreibbaren Wirtschaftsgütern, wenn diese im Geschäftsbetrieb („trade or business“) nicht mehr brauchbar sind.211 Berechnet wird der abziehbare Verlust als Differenz aus dem erzielbaren Betrag abzüglich der (fortgeführten) Anschaf­ fungs- oder Herstellungskosten, Sec. 165(b) mit Verweis auf Sec. 1011.212 In Höhe des Verlusts liegt eine Ausgabe vor. Der Wert, auf den eine Abschreibung in der Bilanz vorgenommen werden würde, ist der erzielbare Verkaufspreis; ob ein Wert­ verlust vorliegt, bestimmt sich nach dem Absatzmarkt. Die Regelung entspricht i.E. der des § 6 Abs.  1 Nr.  1 S.  2 EStG, derzufolge der Teilwert anzu­setzen ist, wenn dieser dauerhaft niedriger ist als die fortgeführten AK/HK. Im Falle nicht mehr brauchbarer, also entbehrlicher Wirtschaftsgüter wäre als Teilwert der ge­ meine Wert anzusetzen.213 Für das Vorratsvermögen sind die Voraussetzungen für eine steuerliche Be­ rücksichtigung außerplanmäßiger Wertminderungen dagegen weniger strikt. Zum Vorratsvermögen gehören alle fertigen oder halbfertigen Waren sowie Rohstoffe und Vorräte, die zum Verkauf bestimmt sind oder die zu einem Teil der Handels­ ware werden, Reg. 1.471–1.214 Die Bewertung erfolgt nach der sog. „lower of cost or market“-Methode entweder mit den Anschaffungs- oder Herstellungskos­ ten oder mit dem niedrigeren Marktwert.215 Wertminderungen können hier auch vorweg­genommen werden. Der niedrigere Wert ergibt sich grundsätzlich aus den 209

So Kadel, Dt. u. US-amerikanische Handels- und Steuerbilanz, S. 202. Kadel, Dt. u. US-amerikanische Handels- und Steuerbilanz, S. 203 m. w. N. 211 Nach Jesch/Striegel, US-amerikanisches Steuerrecht, Rn.  219 entspricht die Abschrei­ bung aus diesem Grund der Teilwertabchreibung nach deutschem Recht. „Regulations“ (Reg.) sind vom US-Finanzministerium erlassene Verordnungen, die die Vorschriften des ICR aus­ legen und/oder erläutern. 212 Kadel, Dt. u. US-amerikanische Handels- und Steuerbilanz, S. 204. 213 Vgl. zu der entsprechenden Teilwertvermutung oben: 4. Kapitel, B. II. 3. 214 Kadel, Dt. u. US-amerikanische Handels- und Steuerbilanz, S. 208. 215 Kadel, Dt. u. US-amerikanische Handels- und Steuerbilanz, S. 209, 215; Reg. 1.471–2 b). 210

B. Bewertungskonzepte und -maßstäbe im Vergleich zum Teilwert

233

Wiederbeschaffungskosten, also aus dem Beschaffungsmarkt, bei nutzungseinge­ schränkten oder unverkäuflichen Wirtschaftsgütern des Vorratsvermögens aus dem Veräußerungspreis am Absatzmarkt.216 Eine Orientierung der Bewertung am Ab­ satz- und am Beschaffungsmarkt erfolgt auch bei der Teilwertermittlung nach dem deutschen Steuerrecht.217 Für bestimmte Wertpapiere, die von bestimmten Wertpapierhändlern im Um­ laufvermögen gehalten werden,218 besteht nach der „market-to-market accounting method“ die Möglichkeit, einen sog. „Fair Market Value“ auch dann anzusetzen, wenn dieser über die Anschaffungs- oder Herstellungskosten hinaus gestiegen ist. Diese Durchbrechung des Realisationsprinzips, die einen zu niedrigen Einkom­ mensausweis verhindern sollte,219 ist mit den für das deutsche Steuer- und Han­ delsrecht geltenden Grundsätzen offensichtlich unvereinbar. Insgesamt erfolgt die Bewertung im US-amerikanischen Steuerrecht markt­ orientiert, wobei für die Berücksichtigung außerplanmäßiger Wertminderungen je nach Art des Wirtschaftsguts der Preis am Absatz- oder Wiederbeschaffungsmarkt als Vergleichsmaßstab herangezogen wird. 7. Zusammenfassung Der stichprobenartige Blick auf die Besteuerungsvorschriften ausländischer Rechtsordnungen zeigt erhebliche systematische Unterschiede bei der Ermittlung der ertragssteuerlichen Bemessungsgrundlage. Dennoch lassen sich einige Ge­ meinsamkeiten feststellen, die als Voraussetzung für einen Vergleich der Metho­ den zur Berücksichtigung unplanmäßiger Wertminderungen dienen sollen: So ist für die Ermittlung der Steuerbemessungsgrundlage durch Betriebsver­ mögensvergleich in den untersuchten europäischen Ländern – und ebenso in allen anderen Staaten der EU220 – die handelsrechtliche Gewinnermittlung maß­geblich. Die europäischen handelsrechtlichen Rechnungslegungsvorschriften folgen dar­ über hinaus im Zuge der Harmonisierung auf Grundlage der IFRS sowie der 4. EG-Bilanzrichtlinie221 dem amerikanischen Vorbild und richten ihre Bilanzie­ rungsvorschriften nunmehr am Grundsatz des true and fair view als „overriding principle“ aus. Das Vorsichtsprinzip, das für die steuerliche Bewertung gemessen am Bilanzzweck nie eine Notwendigkeit war, tritt auch handelsrechtlich in den Hintergrund, wobei diese Entwicklung etwa in Polen ebenso wie in Deutschland 216

Kadel, Dt. u. US-amerikanische Handels- und Steuerbilanz, S. 215. Zu der entsprechenden Teilwertvermutung vgl. oben: 4. Kapitel, B. II. 2. c). 218 Näher Sec. 475 sowie Kadel, Dt. u. US-amerikanische Handels- und Steuerbilanz, S. 213 f. 219 So Kadel, Dt. u. US-amerikanische Handels- und Steuerbilanz, S. 214. 220 So Spengel/Oestreicher, DStR 2009, 774. 221 Vgl. dazu oben: 5. Kapitel, B. III. 1. 217

234

5. Kap.: Die Teilwertproblematik de lege ferenda

noch nicht abgeschlossen ist222 und die einzelnen Vorschriften erst nach und nach entsprechend angepasst oder ausgelegt werden. Ein wesentlicher systematischer Unterschied besteht hingegen im Vergleich zu vielen Ländern – etwa Ungarn und den USA – darin, dass auf eine Steuerbilanz verzichtet und nur die Gewinn- und Verlustrechnung zur Ermittlung der Steuer­ bemessungsgrundlage herangezogen wird. Das Problem der Berücksichtigung un­ planmäßiger Wertminderungen verlagert sich in diesen Fällen vorrangig auf die Handelsbilanz; die Vergleichbarkeit mit dem deutschen Ertragssteuerrecht hängt damit in erhöhtem Maße vom Maßgeblichkeitsgrundsatz und den übrigen system­ tragenden Prinzipien der einzelnen Länder ab, deren Untersuchung den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde. Die Schlussfolgerungen aus dem stichprobenartig angestellten Vergleich be­ schränken sich daher auf das Offensichtliche: So stellen alle Rechtsordnungen für die Berücksichtigung unplanmäßiger Wert­ minderungen auf leicht bestimmbare Einzelwerte ab. Unternehmenswertabhän­ gige Werte oder komplizierte retrograd ermittelte Einzelwerte werden aus Prakti­ kabilitätsgründen vermieden. Großen Einfluss haben – grob gesagt – die Zeitwerte am jeweiligen Absatz- oder Beschaffungsmarkt. Anschaffungs- und Herstellungs­ kosten, Verkaufspreise und Wiederbeschaffungs­werte sind dementsprechend die entscheidenden Wertkategorien. Insofern besteht unter Berücksichtigung der fi­ nanzgerichtlichen Rechtsprechung kein systematischer Unterschied zum deut­ schen Teilwert und seiner Ermittlung. In den Ländern, die einen Teilwert nach deutschem Vorbild übernommen ha­ ben wie etwa die Niederlande und Österreich führt der Vergleich des Umgangs mit dem Wert in der Rechtsprechung zu der Erkenntnis, dass auch dort eine ein­ deutige und gesetzestreue Methode zur Ermittlung des Teilwerts nicht besteht. Wie in Deutschland kommt es statt dessen auf die durch Vermutungen systemati­sierten Schätzungen an. Eine detaillierte abstrakte Regelung, die etliche Fallgruppen abdeckt und Im­ pulse für eine adäquate Regelung des deutschen Teilwerts liefern kann, findet sich im polnischen Rechnungslegungsrecht. Der Versuch, die verschiedenen Bewer­ tungsmaßstäbe gesetzlich zu definieren, auf die eine außerplanmäßige Abschrei­ bung vorgenommen werden kann, trifft den Kern des in dieser Arbeit behandelten Problems. Er wird daher in den folgenden Überlegungen weitere Berücksichti­ gung finden.

222

Vgl. Jungmann/Tacakiewicz, in: Kudert (Hrsg.), Investieren in Polen, S. 702 f.

B. Bewertungskonzepte und -maßstäbe im Vergleich zum Teilwert

235

VI. Der gemeine Wert Aufgrund der historischen Bedeutung für die Entwicklung des Teilwerts223 und der damit verbundenen ähnlichen Konzeption wird immer wieder der gemeine Wert als Alternative zum Teilwert im Ertragssteuerrecht in Betracht gezogen.224 Nach § 9 Abs.  2 S.  1 BewG, dessen Definition auch für das Ertragssteuerrecht gilt,225 wird der gemeine Wert226 durch den Preis bestimmt, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit des Wirtschaftsgutes bei einer Veräu­ ßerung zu erzielen wäre. Dabei sind alle Umstände, die den Preis beeinflussen, nicht aber ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse zu berücksichtigen, § 9 Abs. 2 S. 2, 3 BewG. Im Rahmen des Einkommensteuerrechts kommt dem gemei­ nen Wert nur untergeordnete Bedeutung zu,227 etwa bei der unentgeltlichen Über­ tragung eines Wirtschaftsgutes in das Betriebsvermögen eines anderen Steuer­ pflichtigen, § 6 Abs. 4 EStG, für die Übertragung eines Wirtschaftsgutes im Wege des Tausches, § 6 Abs. 6 S. 1 EStG, sowie bei der Ermittlung des Aufgabegewinns nach § 16 Abs. 3 S. 3, 7 EStG.228 Ihren Definitionen nach besteht der wesentliche Unterschied zwischen Teilwert und gemeinem Wert darin, dass nur beim Teilwert die Zugehörigkeit eines Wirt­ schaftsguts zu einem lebenden (fortbestehenden) Betrieb und damit die Bedeutung für diesen Betrieb berücksichtigt wird, die sich in einer im Vergleich zur Einzel­ veräußerung höheren oder niedrigeren Bewertung niederschlägt.229 Dieser Unterschied spiegelt sich auch in der theoretischen Konzeption beider Werte wider: Während der gemeine Wert als Veräußerungswert konzipiert ist,230 soll der Teilwert ein Fortbestandswert sein, der die Wertverhältnisse in einem le­ benden Betrieb berücksichtigt. Dabei ist der Teilwert – wie sich aus seiner Ent­

223

Zur Entwicklung des Teilwerts ausführlich oben: 3. Kapitel, A. So etwa bei Hoffmann, DStZ 1947, 133, der eine Rückkehr zur Wertbezeichnung des EStG 1925 und damit zum gemeinen Wert forderte. Vgl. auch WissB. Ernst&Young, Abschaf­ fung des Teilwerts, BB 2004, Beil. 3, S. 1 ff; 18, die die Ersetzung des Teilwerts durch einen „Betriebswert“ vorschlagen, der regelmäßig dem gemeinen Wert und ausnahmsweise den Wie­ derbeschaffungskosten entsprechen soll. 225 BFH, U.v. 7.12.1978 – I R 142/86, BStBl II 1979, 729, 730; WissB. Ernst&Young, Ab­ schaffung des Teilwerts, BB 2004, Beil. 3, S. 4. 226 Der gemeine Wert wird auch als Verkehrswert, Marktwert oder Tauschwert bezeichnet und fällt i. d. R. mit dem Einzelveräußerungspreis zusammen, vgl. BFH, U.v. 5.11.1981 – IV R 103/79, BStBl II 1982, 258, 260; Simon, Bilanzen der AG und KGaA, 1886, § 67 (S. 159); Birk, Steuerrecht, 12. Aufl., Rn. 880; Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 20. Aufl., § 13, Rz. 12. 227 So auch Weber-Grellet, Bilanzsteuerrecht, 10. Aufl., Rn. 227. 228 Vgl. Weber-Grellet, Bilanzsteuerrecht, 10. Aufl., Rn. 227. 229 Ähnlich Winkeljohann, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 6, Rn.  580; Weber-Grellet, Bi­ lanzsteuerrecht, 10. Aufl., Rn. 262; WissB. Ernst&Young, Abschaffung des Teilwerts, BB 2004, Beil. 3, S. 4. 230 Diesen Begriff verwendend auch Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 20.  Aufl., § 13, Rz. 12. 224

236

5. Kap.: Die Teilwertproblematik de lege ferenda

stehungsgeschichte ergibt – eine Weiterentwicklung des gemeinen Werts und der Versuch, die Liquidation als wertbestimmenden Faktor zu eliminieren.231 Angesichts der Grenzen und Vermutungen, die die Rechtsprechung zur Teilwert­ ermittlung heranzieht, gleichen sich gemeiner Wert und Teilwert insoweit, als ihre praktische Bestimmung auf marktpreisabhängigen Werten beruht.232 Während je­ doch der Teilwert in vielen Fällen vom Beschaffungsmarkt abgeleitet wird, indem die Wiederbeschaffungs- oder Wiederherstellungskosten herangezogen werden, ist der gemeine Wert vom Absatzmarkt abhängig. Dabei sind beide Werte nicht auf einen funktionierenden Markt, aus dem Vergleichspreise abgeleitet werden kön­ nen, angewiesen. Definiert wird demnach in beiden Fällen eher eine Bewertungs­ methode, die einen fiktiven Marktpreis beschreibt,233 für dessen Er­mittlung be­ stimmte Methoden gesetzgeberisch anerkannt sind. Die soeben beschriebenen Unterschiede in Konzeption und Bestimmung bei­ der Werte sind für die Frage nach einer möglichen Ersetzung des Teilwerts durch den gemeinen Wert von entscheidender Bedeutung. Wenn sich auch beide Werte in den Fällen decken, in denen die Zugehörigkeit eines Wirtschaftsguts zu einem konkreten Betrieb keinen Einfluss auf den Wert des Guts nimmt (etwa bei typi­ schen Gebrauchsgegenständen und Wertpapieren) oder in denen eine nachhaltige Unrentabilität des Betriebs zu einem negativen Firmenwert führt,234 so kann der gemeine Wert den Teilwert dennoch nicht ersetzen. Denn vor dem Hintergrund der materiellrechtlichen Hauptfunktion der Steuerbilanz, die subjektive Leistungs­ fähigkeit und steuerliche Belastbarkeit des Steuerpflichtigen zu erfassen,235 kann auf das Kriterium der Betriebsindividualität, das den Teilwert vom gemeinen Wert unterscheidet, nicht kompensationslos verzichtet werden. Anderenfalls würde der wertmäßige Einfluss, der aus dem individuellen funktionalen Zusammenhang der Wirtschaftsgüter eines Betriebs herrührt, stets vernachlässigt. Dies würde etwa bei aktiven Wirtschaftsgütern, die nur aufgrund ihrer Notwendigkeit für den Fort­ bestand eines Betriebs einen positiven Wert haben (z. B. Ärztemuster236) zu einer generellen Unterbewertung führen, durch die die Bilanz ihre Funktion als Indika­ tor für die Belastbarkeit des Steuerpflichtigen nicht mehr erfüllen könnte. Eine vollständige Ersetzung des Teilwerts durch den gemeinen Wert kommt aus diesem Grund nicht in Betracht.

231

Ausführlich oben: 3. Kapitel, A.; zur Konzeption insbes.: 3. Kapitel, A. V. 7.; VII. 1. So auch Diller/Grottke, SteuStud 2007, S. 71. 233 Ähnlich Weber-Grellet, Bilanzsteuerrecht, 10. Aufl., Rn. 262: gedachte Preise. 234 Weber-Grellet, Bilanzsteuerrecht, 10. Aufl., Rn. 262. Zu den Auswirkungen einer nach­ haltigen Unrentabilität: BFH, U.v. 2.3.1973  – III R 88/69, BStBl II 1973, 475 sowie oben: 4. Kapitel, A. II. 2. 235 Vgl. oben: 2. Kapitel, B. II. 2. sowie Weber-Grellet, Bilanzsteuerrecht, 10. Aufl., Rn. 46. 236 Für dieses Beispiel vgl. BFH, U.v. 30.1.1980 – I R 89/79, BStBl II 1980, 327, 328 f. sowie Weber-Grellet, Bilanzsteuerrecht, 10. Aufl., Rn. 262. 232

B. Bewertungskonzepte und -maßstäbe im Vergleich zum Teilwert

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VII. Der niedrigere beizulegende Wert des Handelsgesetzbuchs Wie dargelegt entwickelte sich der Teilwert auf der Grundlage des beizu­ legenden Werts aus Art. 31 Abs. 1 ADHGB bzw. § 40 Abs. 2 HGB 1897.237 Auf­ grund dieser historischen Zusammenhänge stellt sich die Frage, inwieweit sich Teilwert und niedrigerer beizulegender Wert (§ 253 Abs. 3 S. 3, Abs. 4 S. 2 HGB 2010) heute hinsichtlich Funktionen und Bestimmbarkeit unterscheiden und wel­ che Auswirkungen die unterschiedliche Entwicklungsgeschichte hatte. Hoffmann sah 1947 in der engen Verknüpfung beider Werte die „einzige mögliche Grundlage für den Teilwert“; werde sie aufgegeben, so sei der Teilwert nicht mehr lebens­ fähig.238 Doralt stellte 1984 für den Vergleich zwischen Teilwert und beizulegen­ dem Wert gar die These auf, dass beide Werte „nicht nur funktionsgleich, sondern austauschbar“ seien und zwar „historisch, nach der Absicht des Gesetzgebers, und nach der Rechtslage.“239 Angesichts der im Rahmen dieser Arbeit erkennbar ge­ wordenen Prägung des Teilwerts durch die Prinzipien des Steuerrechts, bedürfen diese Ansichten einer kritischen Überprüfung. 1. Die Funktionen des niedrigeren beizulegenden Werts im Vergleich zum Teilwert Trotz der mit dem BilMoG vom 25.5.2009 eingetretenen Annäherung der han­ delsrechtlichen Bewertungsvorschriften an das Ertragssteuerrecht240 bestehen hin­ sichtlich der verfahrensrechtlichen und materiellrechtlichen Funktionen weiterhin gewisse Unterschiede zwischen beiden Werten. a) Die verfahrensrechtlichen Funktionen Der Anwendungsbereich (verfahrensrechtliche Funktion) des niedrigeren bei­ zulegenden Wertes erstreckt sich auf die Bewertung sowohl des (abnutzbaren und nicht abnutzbaren) Anlagevermögens (§ 253 Abs.  3 S.  3, 4 HGB) als auch des Umlaufvermögens (§ 253 Abs.  4 S.  2 HGB). Dabei ordnet das HGB eine Ab­ schreibungspflicht an (§ 253 Abs.  3 S.  3, Abs.  4 S.  1 HGB), die für Güter des Anlagevermögens auf voraussichtlich dauernde Wertminderungen beschränkt ist; das Abschreibungswahlrecht im Falle vorübergehender Wertminderungen (§ 253 Abs. 2 S. 3 HS. 1 HGB a. F.) wurde durch das BilMoG vom 25.5.2009 aufge­hoben. Da das EStG eine Teilwertabschreibung in diesen letztgenannten Fällen schon zu­ 237

Vgl. zu dieser Entwicklung ausführlich oben: 3. Kapitel, A. II. bis V. Hoffmann, DStZ 1947, S. 133. 239 Für beide Zitate: Doralt, DStJG 7 (1984), S. 152. 240 Vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung zum BilMoG, Begründung, BT-DrS 16/10067, S. 56 sowie oben: 4. Kapitel, C. V. 238

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5. Kap.: Die Teilwertproblematik de lege ferenda

vor nicht vorsah, ändert sich am Verhältnis von Handels- und Steuerbilanz inso­ fern nichts. Bei der Bilanzierung nach § 5 Abs. 1 EStG besteht im Falle einer vor­ aussichtlich dauernden Wertminderung aufgrund des Maßgeblichkeitsgrundsatzes auch in der Steuerbilanz für alle aktiven Wirtschaftsgüter eine Abschreibungs­ pflicht.241 Der Gesetzesbegründung zum BilMoG ist zu entnehmen, dass der „beizu­ legende Zeitwert“ im Bewertungskonzept des HGB ähnlich dem Teilwert im Be­ wertungskonzept des EStG als dritter Bewertungsmaßstab neben die Anschaf­ fungs- oder Herstellungskosten tritt.242 Allerdings ist für das Umlaufvermögen nach § 253 Abs. 4 S. 1 HGB als Vergleichswert zu den Anschaffungs- oder Her­ stellungskosten zunächst der sich aus dem Börsen- oder Marktpreis am Abschluss­ stichtag ergebende Wert heranzuziehen. Der niedrigere beizulegende Wert dient in diesem Zusammenhang als Ersatz für einen nicht feststellbaren Börsen- oder Marktwert, wenn er die Anschaffungs- oder Herstellungskosten unterschreitet.243 Durch die Änderungen, die mit dem BilMoG einhergehen, wird der Anwendungs­ bereich des niedrigeren beizulegenden Wertes im Bereich aktiver Vermögens­ gegenstände insgesamt der einkommensteuerrechtlichen Bewertung mit dem Teil­ wert weitgehend angeglichen.244 Keine besonderen Bewertungsregeln enthält das HGB für die Fälle der Ent­ nahme, der Einlage, der Betriebseröffnung sowie des entgeltlichen Betriebs­ erwerbs (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 4, 5, 6, 7 EStG), bei denen der Teilwert als vorrangig oder allein maßgeblicher Wertmaßstab eine entscheidende Rolle spielt.245 Ledig­ lich für den Fall der Betriebseröffnung, für den § 6 Abs. 1 Nr. 6 EStG auf die Vor­ schriften über die Einlagen (§ 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG) verweist, ist der Vorschrift des § 242 Abs. 1 S. 2 HGB zu entnehmen, dass auf die Eröffnungsbilanz die für den Jahresabschluss geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden sind, soweit sie sich auf die Bilanz beziehen. Für die Bewertung ergibt sich daraus, dass die Vor­ schriften der §§ 252 bis 256 HGB über die Bewertung im oben beschriebenen Sinne gelten.246 Dass im HGB keine Bewertungsvorschriften etwa zu Entnahmen und Einlagen zu finden sind, hängt mit der Bedeutung für den jeweiligen Bilanzzweck zusam­ men: Während Entnahmen und Einlagen für die steuerrechtliche Gewinnermitt­ 241

Birk, Steuerrecht, 12. Aufl., Rn. 890. So Gesetzentwurf der Bundesregierung zum BilMoG, Begründung, BT-DrS 16/10067, S. 59 zur Überschrift des § 255 HGB („Bewertungsmaßstäbe). 243 MüKoHGB/Ballwieser, § 253, Rn. 60; Kleindiek, in: Staub, Großkomm. HGB, 4. Aufl., § 253, Rn. 69. 244 Gesetzentwurf der Bundesregierung zum BilMoG, Begründung, BT-DrS 16/10067, S. 56; Meurer, FR 2009, 120. 245 Vgl. oben: 2. Kapitel, B. I. 2. c) und 4. Kapitel, B. II. 2. f) (zu den entsprechenden Teil­ wertvermutungen). 246 Hüffer, in: Staub, Großkomm. HGB, 4. Aufl., § 242, Rn.  34; Baumbauch/Hopt/Merkt, HGB, 34. Aufl., § 242, Rn. 1. 242

B. Bewertungskonzepte und -maßstäbe im Vergleich zum Teilwert

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lung erhebliche Bedeutung haben,247 sind sie für die Fragen des Gläubigerschut­ zes eher nebensächlich. Nach wie vor bestehen also in den Anwendungsbereichen von Teilwert und bei­ zulegendem Wert Unterschiede, die einer unveränderten Übernahme des handels­ rechtlichen Wertmaßstabes in das Ertragssteuerrecht entgegenstehen. b) Die materiellrechtlichen Funktionen Ebenso wie der Teilwert bei der Bewertung des Anlage- und Umlaufvermö­ gens, dient der niedrigere beizulegende Wert materiellrechtlich vor allem der Auf­ nahme unplanmäßiger Wertminderungen, die mittels außerplanmäßiger Abschrei­ bungen in entsprechender Höhe berücksichtigt werden, § 253 Abs. 3 S. 3, Abs. 4 S. 2 HGB. Die Vornahme außerplanmäßiger Abschreibungen ihrerseits dient jedoch anders als die Teilwertabschreibung allein dem Vorsichtsprinzip in Gestalt des Imparitäts­ prinzips, § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB. Der niedrigere beizulegende Wert soll also eine Überbewertung des Vermögens verhindern. Die Aufgaben des Teilwerts gehen darüber hinaus auch noch in eine andere Richtung.248 Beide Werte unterscheiden sich daher in der systematischen Begründung für ihre Anwendung grundlegend. 2. Die Bestimmbarkeit des niedrigeren beizulegenden Werts Der niedrigere beizulegende Wert hat nur dann praktische Vorteile gegenüber dem Teilwert, wenn er verständlich, widerspruchsfrei und eindeutig definiert und damit willkürfrei bestimmbar wäre. Das ist jedoch nicht der Fall.249 Im Vergleich zum Teilwert fehlt es bereits an einer gesetzlichen Definition des Wertes. Wäh­ rend die Teilwertdefinition mit der Erwähnung des ganzen Betriebs, des Gesamt­ kaufpreises und des Fortbestands zumindest erahnen lässt, welche Idee dem Wert­ maßstab zugrunde liegen soll,250 verwendet § 253 Abs. 3 S. 3, Abs. 4 S. 2 HGB einen völlig offenen Begriff, der – wie die Materialien zum Gesetzgebungsverfah­ 247 Zur Gewinndefinition des § 4 Abs. 1 S. 1 EStG vgl. oben: 2. Kapitel, A. II. 1. a) bb). Zu den Zwecken von Handels- und Steuerbilanz vgl. oben: 2. Kapitel, A. II. 1. a). Zur Bedeutung des Teilwerts für Entnahmen und Einlagen vgl. oben: 2. Kapitel, B. I. 2. c) cc). 248 Der Teilwert soll zugleich eine Unterbewertung des Vermögens verhindern. Ausführlich zur Problematik dieser funktionellen Ambivalenz (so Weber-Grellet, Steuerbilanzrecht, § 19, Rn. 2) oben: 3. Kapitel, B. II. 2. 249 Insbesondere ist der nunmehr in § 255 Abs. 4 HGB definierte „beizulegende Zeitwert“ nur für die Bewertung von zu Handelszwecken erworbenen Finanzinstrumenten vorgesehen und damit nicht mit dem „niedrigeren beizulegenden Wert“ identisch, vgl. dazu Gesetzentwurf der Bundesregierung v. 30.7.2008, BT-DrS. 16/10067, Begründung S. 61. 250 Zu den Merkmalen der Teilwertdefinition ausführlich oben: 3. Kapitel, B. II.

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5. Kap.: Die Teilwertproblematik de lege ferenda

ren des ADHGB von 1861 belegen251 – inhaltlich beliebig ist. Der niedrigere bei­ zulegende Wert ist damit zunächst ebenfalls ein wertausfüllungsbedürftiger un­ bestimmter Rechtsbegriff, der einer mindestens ebenso weitreichenden Auslegung bedarf wie der Teilwert.252 Symptomatisch dafür schlägt Kleindiek sogar vor, zur Bestimmung des niedrigeren beizulegenden Wertes in umgekehrter Richtung das in der Praxis durchgeführte Verfahren zur Ermittlung des steuerlichen Teilwertes heranzuziehen.253 Dennoch stand der handelsrechtliche Wertmaßstab niemals so in der Kritik, wie sein steuerrechtliches Pendant. Dafür sind m. E. die folgenden Unterschiede zwi­ schen beiden Wertmaßstäben verantwortlich: Erstens provoziert die Unlogik der Teilwertdefinition Kritik. Insofern schadet die Definition dem Teilwert, weil Widersprüche am Wortlaut des Gesetzes fest­ gemacht werden können, während der niedrigere beizulegende Wert mangels De­ finition nicht eindeutig widerlegbar ist. Der niedrigere beizulegende Wert ist zweitens nicht mit einem konkreten Merk­ mal bzw. einer konkreten Eigenschaft wie der Betriebszugehörigkeit verknüpft und muss dementsprechend das Bewertungsziel (Aufnahme außerplanmäßiger Abschreibungen zur vorsichtigen Bewertung) nicht wie der Teilwert auf einem vorgeschriebenen Weg erreichen. Drittens besteht im Handelsrecht anders als im Steuerrecht stets die Möglich­ keit, auf die ungeschriebenen Handelsbräuche und die GoB zurückzugreifen und so Wertungsfragen im Einzelfall zu beantworten. Insofern bietet der niedrigere beizulegende Wert des HGB durchaus Vorteile ge­ genüber dem Teilwert des EStG, wobei bei seiner Bestimmung zwischen abnutz­ barem und nicht abnutzbarem Anlagevermögen sowie Umlaufvermögen zu diffe­ renzieren ist: a) Vermögensgegenstände des Anlagevermögens, deren Nutzung zeitlich begrenzt ist, § 253 Abs. 3 S. 3 HGB Bei den Vermögensgegenständen des abnutzbaren Anlagevermögens kann der niedrigere beizulegende Wert des § 253 Abs. 3 S. 3 HGB unter dem Fortführungs­ wert liegen, wenn die Nutzungsdauer kürzer oder der Restwert geringer ist als er­ wartet oder wenn sich die Anschaffungs- oder Herstellungskosten als zu hoch her­ ausgestellt haben. Der niedrigere beizulegende Wert ist in diesen Fällen durch 251

Vgl. dazu oben: 3. Kapitel, A. I. 2. Glanegger/Kusterer, HGB, 7.  Aufl., § 253, Rz. 23, 41. Nach Hoffmann, in: Littmann/ BitzPust, § 6, Rn.  413 enthält der beizulegende Wert eine „nichts sagende Wertungskompo­ nente[…], die der Auslegung noch mehr als der Teilwert bedarf“ (Hervorhebungen geändert). 253 Kleindiek, in: Staub, Großkomm. HGB, 4. Aufl., § 253, Rn. 63. 252

B. Bewertungskonzepte und -maßstäbe im Vergleich zum Teilwert

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einen entsprechend geänderten Abschreibungsplan zu ermitteln, der aus Sicht des Zugangszeitpunkts neu aufzustellen ist. Führt die Neuberechnung der Abschrei­ bungen zu einem Wert unter dem bisherigen Fortführungswert, so muss im Falle einer dauernden Wertminderung eine außerordentliche Abschreibung in Höhe der berechneten Differenz vorgenommen werden.254 Für das abnutzbare Anlagever­ mögen ist der niedrigere beizulegende Wert also eindeutig zu bestimmen, solange die Parameter für die planmäßige Abschreibung feststehen. b) Vermögensgegenstände des Anlagevermögens, deren Nutzung nicht zeitlich begrenzt ist, § 253 Abs. 3 S. 3 HGB Anders sieht es hingegen bei der Ermittlung des niedrigeren beizulegenden Wertes von nicht abnutzbaren Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens aus. Wie das Steuerrecht, bedient sich das Handelsrecht hier verschiedener Hilfswerte, de­ ren Anwendung sich nach der Art des zu bewertenden Gegenstands richtet. Da­ bei füllt grundsätzlich der Wiederbeschaffungs- oder Wiederherstellungswert den Begriff des niedrigeren beizulegenden Wertes aus.255 Für Anlagegegenstände, de­ ren baldige Veräußerung geplant ist, die also nicht betriebsnotwendig sind, und für endgültig stillgelegte Betriebsanlagen wird hingegen ausnahmsweise der Ein­ zelveräußerungspreis am Absatzmarkt herangezogen.256 Sofern sich in Ermange­ lung eines entsprechenden Marktes weder ein Wiederbeschaffungs- noch ein Ein­ zelveräußerungswert bestimmen lässt (insbes. für Beteiligungen und immaterielle Wirtschaftsgüter wie Patente und Lizenzen), ist der niedrigere beizulegende Wert aus dem Ertragswert abzuleiten.257 Dieser richtet sich nach dem Wert des Unter­ nehmens als Ganzes, der quotal auf die Anteile, in die das Kapital des Unterneh­ mens gesellschaftsrechtlich zerlegt ist, verteilt wird.258 Teilweise wird in der han­ delsrechtlichen Literatur für die Ermittlung des niedrigeren beizulegenden Wertes im Zusammenhang mit dem nicht abnutzbaren Anlagevermögen auf den Teilwert verwiesen.259 Ballwieser stellt fest, dass sich der niedrigere beizulegende Wert des nicht abnutzbaren Anlagevermögens „aus Marktpreisen oder Marktpreisschätzun­ 254

Vgl. MüKoHGB/Ballwieser, § 253, Rn. 45. Kleindiek, in: Staub, Großkomm. HGB, 4. Aufl., § 253, Rn. 63; Glanegger/Kusterer, HGB, 7. Aufl., § 253, Rz. 23, 24; Baumbach/Hopt/Merkt, HGB, 34. Aufl., § 253, Rn. 13; Buchholz, Grundzüge des Jahresabschlusses, 5. Aufl., S. 89. 256 Kleindiek, in: Staub, Großkomm. HGB, 4.  Aufl., § 253, Rn.  63; Glanegger/Kusterer, HGB, 7. Aufl., § 253, Rz. 23, 26; Baumbach/Hopt/Merkt, HGB, 34. Aufl., § 253, Rn. 13; Buchholz, Grundzüge des Jahresabschlusses, 5. Aufl., S. 89. 257 Kleindiek, in: Staub, Großkomm. HGB, 4. Aufl., § 253, Rn. 63; Glanegger/Kusterer, HGB, 7. Aufl., § 253, Rz. 23, 25; Baumbach/Hopt/Merkt, HGB, 34. Aufl., § 253, Rn. 13. 258 Glanegger/Kusterer, HGB, 7. Aufl., § 253, Rz. 23, 25. 259 Kleindiek, in: Staub, Großkomm. HGB, 4. Aufl., § 253, Rn.  63; Merkt zieht zur Kom­ mentierung der dauerhaften Wertminderung ohne weitere Erklärung die Rechtsprechung des BFH heran und bezeichnet den beizulegenden Wert sogar als „Teilwert“, vgl. Baumbach/Hopt/ Merkt, HGB, 34. Aufl., § 253, Rn. 13. 255

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5. Kap.: Die Teilwertproblematik de lege ferenda

gen“ ergebe.260 Die Parallelen zur Teilwertermittlung sind unverkennbar: Abhän­ gig von der Betriebsnotwendigkeit sind zunächst die WBK/WHK oder der Ver­ äußerungspreis von Bedeutung.261 Sofern der niedrigere beizulegende Wert als Er­ tragswert ermittelt wird, findet die Idee der Repartition262 Anwendung. Kann der niedrigere beizulegende Wert nicht marktpreisabhängig ermittelt werden, wird auf eine Schätzung263 zurückgegriffen. c) Vermögensgegenstände des Umlaufvermögens, § 253 Abs. 4 S. 2 HGB Problematisch ist auch die Festlegung des niedrigeren beizulegenden Wertes für das Umlaufvermögen nach § 253 Abs. 4 S. 2 HGB: In Betracht kommen bei Ab­ leitung aus dem Absatzmarkt der Verkaufswert und bei Ableitung aus dem Be­ schaffungsmarkt der Wiederbeschaffungswert.264 Dabei ist nach mehrheitlich ver­ tretener Ansicht wiederum nach Art der Wirtschaftsgüter zu differenzieren: So soll der Absatzmarkt für unfertige und fertige Erzeugnisse und unfertige Leistungen sowie für Überbestände an Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen maßgeblich sein, wäh­ rend sich die Bewertung für benötigte Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe und fertige und unfertige Erzeugnisse, für die auch ein Fremdbezug möglich ist, am Beschaf­ fungsmarkt orientieren soll. Für Handelswaren und Überbestände an fertigen und unfertigen Erzeugnissen soll der jeweils niedrigere Wert entweder des Beschaf­ fungs- oder des Absatzmarktes maßgeblich sein.265 Dieser Differenzierung wird jedoch seit Jahrzehnten entgegen gehalten, dass ein vom Beschaffungsmarkt abgeleiteter niedrigerer beizulegender Wert nicht mit dem Imparitätsprinzip vereinbar sei. Für die Antizipation künftiger Verluste sei auf einen zu erwartenden Aufwandsüberschuss abzustellen, welcher nur durch eine absatzmarktorientierte Bewertung berücksichtigt werden könne, die mög­ liche Veräußerungserlöse und damit den Beitrag des Wirtschaftsguts zur Schul­ dendeckung erfasse.266 Ein Rückgriff auf Beschaffungsmarktpreise wird teilweise 260

MüKoHGB/Ballwieser, § 253, Rn. 52. Zu WBK/WHK und Einzelveräußerungspreis als Teilwertgrenzen oben: 4. Kapitel, B. I. 262 Zur Repartitionsmethode des RFH oben: 3. Kapitel, A. V. 6. b). 263 Zur Teilwertermittlung mittels Schätzung oben: 4. Kapitel, B. sowie BFH, B.v. 26.10.1995 – I B 20/95, BFH/NV 1996, 378; Schmidt/Glanegger, 28. Aufl. 2009, § 6, Rn. 216. 264 Kleindiek, in: Staub, Großkomm. HGB, 4. Aufl., § 253, Rn. 69; Glanegger/Kusterer, HGB, 7. Aufl., § 253, Rz. 41; ausführlich Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung der Unterneh­ men, 6. Aufl., § 253, Rz. 513, 514. 265 Mit dieser Differenzierung: Kleindiek, in: Staub, Großkomm. HGB, 4. Aufl., § 253, Rn. 71 ff.; Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung der Unternehmen, 6. Aufl., § 253, Rz. 488 ff.; Baum­ bach/Hopt/Merkt, HGB, 34. Aufl., § 253, Rn. 19 ff.; Glanegger/Kusterer, HGB, 7. Aufl., § 253, Rz. 41; Knobbe-Keuk, Bilanz- u. UnternehmenStR, 9. Aufl., S. 198. 266 MüKoHGB/Ballwieser, § 253, Rn.  60; Koch, Wpg 1957, 1 f., 30 f., 60 f.; Baumbach/ Hueck/Schulze-Osterloh, GmbHG, 18. Aufl., § 42, Rn. 405. 261

B. Bewertungskonzepte und -maßstäbe im Vergleich zum Teilwert

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aber dennoch dort für möglich gehalten, wo eine absatzmarktorientierte Bewer­ tung der voraussehbaren Verluste nicht oder nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand möglich ist,267 was insbesondere bei Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen so­ wie selbsthergestellten Halbfabrikaten, die auch fremd bezogen werden können, der Fall sein kann.268 Wiederum sind die Parallelen zur Ermittlung des Teilwerts signifikant;269 ins­ besondere verläuft die Bewertung von Waren und eigenen Erzeugnissen in bei­ den Regelungswerken ähnlich, sofern der niedrigere Börsen- oder Marktpreis des § 253 Abs. 3 S. 1 HGB berücksichtigt wird. Für die Bewertung des Umlaufvermögens mit dem niedrigeren beizulegenden Wert bestehen insgesamt erhebliche Unsicherheiten, sodass im Vergleich zur Teil­ wertermittlung keine Vorteile feststellbar sind. Es fehlt insofern an einer eindeuti­ gen gesetzlichen Regelung, die nicht nur die Frage beantworten müsste, ob der Be­ schaffungsmarkt für die Ermittlung des beizulegenden Wertes in Betracht kommt, sondern auch festlegen müsste, ob und wann Verkaufs- oder Wiederbeschaffungs­ wert anzuwenden sind. 3. Die Entwicklung des niedrigeren beizulegenden Werts im Vergleich zum Teilwert Wie bereits festgestellt,270 kann die Entwicklung des Teilwerts aus dem han­ delsrechtlichen niedrigeren beizulegenden Wert des Art. 31 Abs. 1 ADHGB271 bis ins Jahr 1873 zurückverfolgt werden. Dabei fällt auf, dass die Diskussion um den niedrigeren beizulegenden Wert um die Wende zum 20. Jahrhundert im Handels­ recht praktisch zum Erliegen gekommen ist. Das RG verzichtete darauf, dem Vor­ bild seines Vorgängers, des ROHG, zu folgen und die Gewinnermittlung durch Bilanzierung durch seine Rechtsprechung weiterhin zu prägen.272 Statt dessen wurden die bisherigen Erkenntnisse vom RG in seinen Urteilen lediglich zitiert. Eigene Impulse für die Entwicklung der bilanziellen Bewertung gab das RG hin­ gegen weder für die Verabschiedung des HGB im Jahre 1897, noch aus Anlass der staatlichen Neugründung im Jahr 1919. Auf der gesetzgeberischen Seite schlug sich dieses Vorgehen in ähnlicher Weise nieder: Anstatt einen „Fortbestandswert“ gesetzlich zu definieren, blieb der 267 Kleindiek, in: Staub, Großkomm. HGB, 4. Aufl., § 253, Rn. 71; Baumbach/Hueck/SchulzeOsterloh, GmbHG, 18. Aufl., § 42, Rn. 405. 268 So Kleindiek, in: Staub, Großkomm. HGB, 4. Aufl., § 253, Rn. 72. 269 Vgl. für die Teilwertvermutungen für das Umlaufvermögen oben: 4.  Kapitel, B. II. 1., 2. c) und 3. 270 Oben: 3. Kapitel, A. VII. und 4. Kapitel, A. V. 271 Zum ADHGB oben: 3. Kapitel, A. I. 2. 272 Mathiak, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 5, Rn. A 125.

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5. Kap.: Die Teilwertproblematik de lege ferenda

niedrigere beizulegende Wert bis heute undefiniert Bestandteil der handelsrecht­ lichen Bewertungsvorschriften. Dass das kein Nachteil sein musste, zeigt die Diskussion um die Teilwertdefinition, die seit 1934 nicht zum Erliegen gekom­ men ist.273 Im Steuerrecht dagegen gewann die Gewinnermittlung durch Bilanzierung seit 1895 zunehmende Bedeutung. Dies schlug sich nicht nur in den neuen Ein­ kommensteuergesetzen etwa von Preußen aus dem Jahr 1891274, sondern auch in der Rechtsprechung des PrOVG275 nieder. Wenn auch zu dieser Zeit eine Maß­ geblichkeit der Handelsbilanz anerkannt wurde, die zu einer Bezugnahme auf die Ausführungen des ROHG führte, ist nicht zu übersehen, dass Gesetzgeber und Gerichte um ein Bewertungssystem bemüht waren, das vor allem die steuerrecht­ lichen Anforderungen erfüllte. Doralt ist somit voll und ganz zuzustimmen, wenn er sagt, dass die Teilwertdefinition des EStG von 1934 das Ergebnis einer Diskus­ sion sei, die im Handelsrecht ihren Ausgang genommen und sich auf das Steuer­ recht verlagert habe.276 a) Zu den Gründen für die Entwicklung des Teilwerts allein im Steuerrecht Mit der Erkenntnis, dass die Zivilgerichte kein Interesse an der Entwicklung eines „neuen“ Bewertungsmaßstabs hatten, stellt sich die Frage, warum die Fi­ nanzgerichtsbarkeit auf breiter Front, d. h. in AO, EStG, BewG, eine Alternative zum gemeinen Wert suchte und warum dabei die Betriebszugehörigkeit mittels des Merkmals des Unternehmensfortbestands konsequent in den Mittelpunkt ge­ stellt wurde. Die Antwort liegt zunächst sehr pragmatisch in dem größeren Anwendungs­ bereich des Teilwerts gegenüber dem handelsrechtlichen beizulegenden Wert.277 Das spezifisch steuerrechtliche Ziel der Erfassung des vollen betrieblichen Ge­ winns erfordert einen Bewertungsmaßstab, der nicht nur als Korrekturwert, son­ dern auch als Realisationswert für die Übertragung von Wirtschaftsgütern aus dem Betriebsvermögen in das Privatvermögen des Steuerpflichtigen und umgekehrt, d. h. für Entnahmen und Einlagen (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 4, 5 EStG) und ähnliche Vor­ gänge (z. B. § 6 Abs.  1 Nr.  6, 7 EStG), zur Anwendung kommen kann.278 Diese 273

Zur Diskussion um die Teilwertdefinition in der Literatur oben: 4. Kapitel, A. Dazu oben: 3. Kapitel, A. V. 2. b). 275 Dazu oben: 3. Kapitel, A. V. 3. 276 Doralt, DStJG 7 (1984), 143; Rief-Drewes hingegen ignoriert den Einfluss des ROHG auf das Preußische OVG, wenn er keine Hinweise auf einen handelsrechtlichen Ursprung des Teil­ werts sieht, vgl. Rief-Drewes, S. 15 f.; später (S. 19) stellt auch Rief-Drewes selbst fest, die als Legaldefinition des Teilwerts kodifizierte Erwerberformel sei im Handelsrecht entstanden. 277 Vgl. dazu oben: 5. Kapitel, B. VII. 1. a): verfahrensrechtliche Funktionen des Teilwerts. 278 Vgl. zu dieser Funktion des Teilwerts oben: 2. Kapitel, B. II. 2. b). 274

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Funktion verbietet einen Bewertungsmaßstab, dessen Verständnis von einem Ver­ gleich mit den AK/HK abhängt, wie dies bei dem „niedrigeren“ beizulegenden Wert des § 253 Abs. 3 S. 3, Abs. 4 S. 2 HGB der Fall ist. Dass der steuerrechtliche Korrektur- und Realisationswert wesentlich auf den Fortbestand des Betriebs abstellt, kann aus den unterschiedlichen Zwecken von Handels- und Steuerbilanz erklärt werden:279 Während in der Handelsbilanz zur Durchsetzung des Vorsichtsprinzips (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB) „nur“ eine Überbewertung verhindert werden soll, muss die Steuerbilanz aus fiskalischen Gründen auch die Unterbewertung der Wirtschafts­ güter verhindern.280 Schon in den Debatten des preußischen Parlaments zur Ver­ abschiedung des preußischen Einkommensteuergesetzes vom 24.6.1891281 wurde darauf hingewiesen, dass es zwar handelsrechtlich vollkommen gleichgültig sei, ob ein Gewerbetreibender eine größere Vorsicht als die gesetzlich geforderte wal­ ten lasse, dass dieses Vorgehen aber steuerrechtlich strikt unterbunden werden müsse.282 Über die Anforderungen des Handelsrechts hinaus muss also ein für steuerrechtliche Zwecke genutzter Bewertungsmaßstab die Funktion einer Wert­ untergrenze erfüllen können. Gleichzeitig verbietet sich aus Gründen der Besteue­ rung nach dem Leistungsfähigkeitsprinzip eine Überbewertung.283 Damit rückte die von den Autoren des 19.  Jahrhunderts (einschließlich des ROHG und des PrOVG) zu Unrecht angestrebte Bewertung mit dem objektiv rich­ tigen Wert284 in den Fokus des steuerrechtlichen Interesses. Es stellte sich die Frage, von welchen Voraussetzungen auszugehen ist, um eine möglichst objek­ tive Bewertung zu erreichen. Aus der Erkenntnis, dass der Wert des Wirtschafts­ guts mit seiner Einbindung in ein bestehendes Unternehmen steigt, gelangte man zur Berücksichtigung der Betriebszugehörigkeit, die eine Bewertung im Rahmen des fortbestehenden, ganzen Betriebs verlangt. Auf diese Weise erklärt sich auch der Wortlaut der Teilwertdefinition, vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG. Ebenfalls aus dem Zweck der Steuerbilanz, jedoch anhand der Unvereinbar­ keit von Einzelbewertung (§ 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB, § 6 Abs. 1 HS. 1 EStG) und Erfassung der Leistungsfähigkeit, folgt eine Erklärung, die Müller-Dott liefert285: Wird die subjektive Leistungsfähigkeit eines Steuerpflichtigen mittels eines Be­ triebsvermögensvergleichs festgestellt, so muss der Reinvermögenszuwachs einer 279

Dazu oben: 2. Kapitel, A. II. 1. a). Werndl, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 6, Rn. B 321. Zu den Zwecken der Steuerbilanz oben: 2. Kapitel, A. II. 1. a) bb). 281 Vgl. dazu oben: 3. Kapitel, A. V. 2. b). 282 Vgl. die Ausführungen des preußischen Abgeordneten Brömel, zitiert nach Barth, Ent­ wicklung des Bilanzrechts, 1955, Bd. II, Teilbd. 1, S. 201 f. 283 Werndl, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 6, Rn. B 321. 284 Zum Begriff des objektiven Wertes im Vergleich zu einem objektivierten Wert oben: 3. Kapitel, A. III. 2. 285 Müller-Dott, StbJb 1988/1989, 164 f. 280

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Person seinen Niederschlag in der Bilanz finden. Das setzt grundsätzlich eine Gesamt­bewertung aller Vermögenswerte einschließlich des individuellen Ertrags­ werts voraus. Da die Gesamtbewertung aufgrund des Einzelbewertungsgrund­ satzes nicht bilanziell abgebildet werden kann, wurde umgekehrt versucht, „die Bewertung der einzelnen Wirtschaftsgüter mit dem zusätzlichen Element der Ein­ bettung in den jeweiligen Betrieb zu befrachten.“286 Mithilfe der Bewertung der einzelnen Wirtschaftsgüter sollte – so die Idee – in der Summe der Gesamtwert des Unternehmens abgebildet werden. Dazu war es erforderlich, einen Wertmaß­ stab zu konstruieren, auf den die Zugehörigkeit zu einer konkreten betriebswirt­ schaftlichen Einheit wertmäßig Einfluss nahm. So kam es im Ertragssteuerrecht zu der Idee, mittels der Berücksichtigung des Unternehmensfortbestands den individuellen Nutzen für den Betrieb zu berück­ sichtigen, während das Handelsrecht mangels entsprechender Bilanzzwecke auf eine solche Entwicklung des beizulegenden Wertes verzichtete. b) Zu den Auswirkungen der Entwicklung des Teilwerts allein im Steuerrecht Während das Handelsrecht mit dem auf das ADHGB zurück gehenden „beizu­ legenden“ Wert die alte, aber nicht minder erklärungsbedürftige Terminologie bei­ behielt, setzte sich im Steuerrecht die vom RFH verwendete Terminologie als ge­ lungene Bezeichnung für den „neuen“ Wertmaßstab durch. Dem Gesetzgeber der zwanziger und dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts eröffnete sich damit im Steu­ errecht die Möglichkeit, auf eine durch Literatur und Rechtsprechung gefestigte Terminologie zurückgreifen zu können, in der sich der Teilwert auch als Begriff287 einen Platz gesichert hatte. Der Schritt zur Aufnahme ins Gesetz im Jahr 1934 war nur noch ein sehr kleiner. Im Handelsrecht hingegen war die Entwicklung – wenn auch nicht inhaltlich, so doch terminologisch – im 19. Jahrhundert stehen geblie­ ben. Eine Übernahme steuerrechtlicher Begriffe ins Handelsrecht kam mit der sich auseinander bewegenden Entwicklung von Handelsbilanz und Steuerbilanz nicht in Betracht. So blieb der Begriff Teilwert auf das Steuerrecht beschränkt. Deshalb taucht er bis heute nicht im HGB auf. 4. Zusammenfassung Der Vergleich des steuerrechtlichen Teilwerts mit dem handelsrechtlichen nied­ rigeren beizulegenden Wert ergibt, dass die noch heute gültigen unterschied­lichen Zwecke von Steuer- und Handelsbilanz die Unterscheidung beider Wertmaß­ 286 So wörtlich: Müller-Dott, StbJb 1988/1989, 163, 165 mit Verweis auf: Albach, Wpg 1963, 624 ff., Schneider, StuW 1971, 326 ff.; Heigl, StuW 1969, Sp. 462 ff. 287 Zur Herkunft des Teilwerts als Begriff oben: 3. Kapitel, A. VI.

B. Bewertungskonzepte und -maßstäbe im Vergleich zum Teilwert

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stäbe rechtfertigen. Auf der Aufgabe des Teilwerts, sowohl Über- als auch Unter­ bewertungen zu verhindern, beruht auch die Entwicklung, die sich schon früh vom handelsrechtlichen Wert gelöst hat. Trotz der Annäherung der handelsrechtlichen Bewertungsregeln an das Steuerrecht durch das BilMoG288 bleiben diese Unter­ schiede bestehen. Wie der Vergleich von Funktionen und Bestimmung der Wertmaßstäbe zeigt, hat die unterschiedliche Entwicklung jedoch nicht zu wesentlich anderen Aufga­ ben oder Bewertungsmethoden geführt. Die Unterschiede beschränken sich im Wesentlichen auf die Terminologie, die theoretische Begründung und  – wie er­ wähnt – die Bewertungsziele der jeweiligen Bilanz, der die Wertmaßstäbe dienen. Soweit daher in der steuerrechtlichen Literatur davon die Rede ist, der Teil­ wert sei dem Handelsrecht „fremd“289, kann dies allein für die Begrifflichkeit des Teilwerts, nicht für seine Funktion in der Bilanz oder die Art seiner Bestimmung gelten. Der Behauptung, der Teilwert sei ein „spezifisch steuerrechtlicher Wert­ maßstab, der unabhängig vom Handelsrecht und dessen Grundsätzen ordnungs­ gemäßer Buchführung entwickelt worden“290 sei, muss hingegen strikt entgegen getreten werden.291 Treffend erschien die früher von Hey verwendete Formulie­ rung, die den Teilwert als originär steuerrechtlichen Wertbegriff bezeichnete und sogleich auf eine „handelsrechtliche Entsprechung“ im niedrigeren beizulegenden Wert nach § 253 Abs. 3 S. 3, Abs. 4 S. 1, 2 HGB hinwies.292 Gegen eine Verwendung des niedrigeren beizulegenden Werts als Alternative zum Teilwert spricht außerdem, dass der niedrigere beizulegende Wert hinsicht­ lich seiner Bestimmbarkeit mangels klarer gesetzlicher Regelungen ebenso vage ist wie der Teilwert, wenn auch die Kritik daran nie das Ausmaß der Teilwert­ kritik293 erreicht hat. Bemerkenswert ist aber, dass die Bestimmung des niedrigeren beizulegenden Werts angesichts der gleichen Funktion innerhalb der Bewertungs­ konzepte (Aufnahme unvorhergesehener Wertminderungen bzw. außerplanmäßi­ ger Abschreibungen) für einen wesentlichen Teil der Bewertungsgegenstände die Teilwertvermutungen der Finanzrechtsprechung294 bestätigt, weil sie genauso er­ folgt wie diese es vorsehen. Der niedrigere beizulegende Wert bewegt sich wie der Teilwert zwischen dem Wiederbeschaffungs- oder Wiederherstellungswert und dem Veräußerungspreis und wird  – für das Anlagevermögen  – von der Be­ triebsnotwendigkeit abhängig gemacht. Dabei ist jedoch zuzugestehen, dass die 288

Dazu oben: 4. Kapitel, C. V. Maaßen, Der Teilwert im Steuerrecht, S. 17. 290 Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung der AG, Bd. 1, 4. Aufl., § 154, Rz. 81. 291 Zur Entwicklung des Teilwerts aus handelsrechtlichen Bewertungsvorschriften oben: 3. Kapitel, A. I. bis V. 292 Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 19. Aufl., § 17, Rz. 144. Dagegen vertritt sie nunmehr die Ansicht, der Teilwert sei „ein originär steuerrechtlicher Wert ohne handelsrechtliche Ent­ sprechung“, vgl. Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 20. Aufl., § 17, Rz. 144. 293 Vgl. insbesondere zur Kritik des Schrifttums oben: 4. Kapitel, A. 294 Dazu ausführlich oben: 4. Kapitel, B. 289

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5. Kap.: Die Teilwertproblematik de lege ferenda

marktpreis­abhängige Einzelbewertung für den niedrigeren beizulegenden Wert system­gerecht ist, während sie in Anbetracht des Wortlauts der Teilwertdefinition nur eine Hilfskonstruktion ist. Aufgrund der systematischen Unterschiede und mangels klarer Vorteile bezüg­ lich der Bestimmung des Wertes besteht kein Grund, den Teilwert durch den nied­ rigeren beizulegenden Wert zu ersetzen.

VIII. Der Wiederbeschaffungswert und der Wiederherstellungswert Schon seit 1926 wird durchgängig vertreten, dass der „Teilwert“ für betriebs­ notwendige Wirtschaftsgüter dem Wiederbeschaffungs- oder Wiederherstellungs­ wert entspreche.295 Eine angemessene gesetzliche Regelung des Teilwerts kann daher möglicherweise in einer geeigneten Beschreibung als Wiederbeschaffungsbzw. Wiederherstellungswert, für den die Wiederbeschaffungs- bzw. Wiederher­ stellungskosten entscheidend sind, bestehen. 1. Die Bedeutung für die praktische Teilwertbestimmung Bei der praktischen Teilwertbestimmung nehmen die WBK/WHK als Bestand­ teil von Teilwertvermutungen oder für deren Widerlegung296 eine zentrale Rolle ein.297 Dabei differenziert der BFH298 – ebenso wie ein Teil der Literatur299 – al­ lerdings nicht trennscharf zwischen Wiederbeschaffung und Wiederherstellung, 295 Vgl. etwa RFH, U.v. 14.12.1926 – IV A 575/26, RFHE 20, 87, 89; BFH, U.v. 2.3.1973 – III R 88/69, BStBl II 1973, 475, 476; Weber-Grellet, Bilanzsteuerrecht, 10. Aufl., Rn.  260. Ebenso die heutige Rechtsprechung der Finanzgerichte in den sog. Teilwertvermutungen, dazu oben: 4. Kapitel, B. II. 296 Der Teilwert abnutzbarer Anlagegüter soll den WBK/WHK entsprechen, wenn diese un­ ter den um AfA verminderten AK/HK liegen; der Teilwert von Wirtschaftgütern des Umlauf­ vermögens entspricht den WBK/WHK, sofern nicht für Erzeugnisse und Waren mit unter den Vollkosten liegenden Verkaufserlösen zu rechnen ist. Vgl. z. B. Schmidt/Glanegger, 28. Aufl. 2009, § 6, Rn. 229 ff. 297 So Winkeljohann, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 6, Rn. 619; Albach, Wpg 1963, 628. Zu den Teilwertvermutungen ausführlich: 4. Kapitel, C. II. 298 Vgl. nur BFH, U.v. 20.7.1973 – III R 100–101/72, BStBl II 1973, 794, 795: „Der Teil­ wert von Erzeugnisbeständen entspricht demnach den Wiederbeschaffungskosten, die aufge­ wendet werden müßten, um die zu bewertenden Wirtschaftsgüter wieder herzustellen.“ Ähnlich schon RFH, U.v. 14.12.1926 – IV A 575/26, RFHE 20, 87, 89; sowie BFH, U.v. 19.5.1972 – III R 21/71, BStBl II 1972, 748, 749. Präziser BFH, U.v. 13.10.1976 – I R 79/74, BStBl II 1977, 540, 541: „Bei Eigenerzeugnissen entsprechen den Wiederbeschaffungskosten die Wieder­ herstellungs- oder Reproduktionskosten.“ 299 Etwa Winkeljohann, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 6, Rn. 615. Anders etwa Ehmcke, in: Blümich, § 6, Rn. 637 ff., 645 ff.; Schmidt/Glanegger, 28. Aufl. 2009, § 6, Rn. 227.

B. Bewertungskonzepte und -maßstäbe im Vergleich zum Teilwert

249

obwohl eine solche Trennung anhand der Frage, ob ein Wirtschaftsgut angeschafft oder selbst hergestellt wird, leicht möglich ist. Dennoch besteht hinsichtlich der Bestandteile sowohl der Wiederbeschaffungskosten als auch der Wiederherstel­ lungskosten mittlerweile eine gesicherte Rechtslage. Die Wiederbeschaffungskosten umfassen diejenigen Aufwendungen, die ein gedachter Erwerber vornehmen müsste, um ein Wirtschaftsgut gleicher Art und Güte und gleichen Gebrauchszustands am Bewertungsstichtag anzuschaffen, wo­ bei auf die Kosten abzustellen ist, die bei der Beschaffung gerade durch den Be­ trieb des Steuerpflichtigen anfallen würden (betriebsindividuelle Bewertung).300 Die Ermittlung der Wiederbeschaffungskosten erfolgt auf Grundlage des Bör­ sen- oder Marktpreises, sofern ein solcher für das Wirtschaftsgut besteht.301 An­ derenfalls ist der Einkaufspreis am Bilanzstichtag entscheidend.302 Falls die Wie­ derbeschaffungskosten nicht anhand des Börsen-, Markt- oder Einkaufspreises er­ mittelt werden können, sind sie auf Grundlage des Preises für ein neues gleichar­ tiges Wirtschaftsgut unter Berücksichtigung des Zustandes des zu bewertenden Wirtschaftsguts zu schätzen.303 Damit werden die Wiederbeschaffungskosten stets marktpreisabhängig ermittelt, wobei der Beschaffungsmarkt des jeweiligen Unter­ nehmens im Vordergrund steht.304 Anstelle der Wiederbeschaffungskosten sind für den Wert selbst hergestellter fertiger oder unfertiger Erzeugnisse die Wiederherstellungskosten maßgeblich, die nach dem BFH alle Kosten umfassen, die bei dem zu bewertenden Unter­ nehmen anfallen, um das einzelne zum Betriebsvermögen gehörende Erzeugnis in der Fertigungsstufe, in der es sich am Bewertungsstichtag befand, durch die­ ses Unternehmen zu reproduzieren.305 Aufgrund dieser Kosten könne der sog. Re­ produktionswert der Erzeugnisbestände sowohl nach der retrograden Methode durch Rückrechnung vom voraussichtlichen Verkaufspreis als auch nach der pro­ gressiven Methode durch Summierung der bei der Produktion anfallenden Kosten ermittelt werden, wobei beide Methoden zum gleichen Ergebnis kommen müs­ sen.306 Im Gegensatz zu den Herstellungskosten handelt es sich bei den Wiederher­ stellungskosten um fiktive Kosten, zu denen auch die bis zum Stichtag aufgewen­ deten allgemeinen Verwaltungskosten der Fertigung und die Vertriebskosten etwa 300

Ehmcke, in: Blümich, § 6, Rn.  637 f.; Winkeljohann, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 6, Rn. 615. 301 BFH, U.v. 29.97.1965  – IV 164/63 U, BStBl III 1965, 648; U.v. 8.3.1968  – III 85/65, BStBl II 1968, 575; Ehmcke, in: Blümich, § 6, Rn. 639; Winkeljohann, in: Herrmann/Heuer/ Raupach, § 6, Rn. 615, 1008. 302 Winkeljohann, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 6, Rn. 615, 1008; Ehmcke, in: Blümich, § 6, Rn. 639. 303 RFH, U.v. 30.6.1927 – VI A 265/27, RStBl 1927, 196; BFH, U.v.1.10.1969 – IV 166/74, BStBl II 1970, 205; Winkeljohann, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 6, Rn. 615. 304 So auch Schmidt/Glanegger, 28. Aufl. 2009, § 6, Rn. 227. 305 BFH, U.v. 19.5.1972  – III R 21/71, BStBl II 1972, 748, 749; U.v. 20.7.1973  – III R ­100–101/72, BStBl II 1973, 794, 795. 306 U.v. 20.7.1973 – III R 100–101/72, BStBl II 1973, 794, 795.

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5. Kap.: Die Teilwertproblematik de lege ferenda

für Sortierung, Kennzeichnung und Lagerung gehören.307 Der so ermittelte Repro­ duktionswert kann niedriger sein als der Wert der tatsächlich angefallenen Kosten, wenn etwa die Kosten308 oder die Verkaufspreise309 nachhaltig gesunken sind. Mit den WBK/WHK steht also eine bewährte Methode für die marktpreisabhän­ gige Bewertung eines einzelnen Wirtschaftsguts zur Verfügung, die für die Bestim­ mung des Teilwerts in bestimmten Anwendungsfällen310 seit dessen Entwicklung im Jahr 1926 verwendet wird. 2. Definition des Wiederbeschaffungsoder Wiederherstellungswertes Trotz seiner Bedeutung für die Bilanzierung nicht nur im Ertragssteuerrecht, sondern auch im Handelsrecht, fehlt es bislang an einer präzisen Definition des Wiederbeschaffungs- oder Wiederherstellungswertes. Eine solche findet sich we­ der in den Vorschriften des Handels- oder Steuerrechts, noch in den Urteilen der Finanzgerichtsbarkeit, die auf eine Differenzierung von Wiederbeschaffung und Wiederherstellung verzichtet. Jedoch kann in Anlehnung an die Rechtsprechung des BFH311 definiert werden, dass sich der Wiederbeschaffungs- oder Wiederher­ stellungswert nach den Kosten ermittelt, die anfallen, um das einzelne Wirtschafts­ gut in dem Zustand, in dem es sich am Bewertungsstichtag befindet, durch den Be­ trieb wiederzubeschaffen oder wiederherzustellen. 3. Die theoretische Konzeption im Vergleich zur Konzeption des Teilwerts Konzeptionell teilen Teilwert und Wiederbeschaffungswert bzw. Wiederherstel­ lungswert wichtige Charakteristika, die auf den ersten Blick nicht erkennbar sind: So ist das Merkmal der Betriebsbezogenheit, das den Teilwert vom gemeinen Wert unterscheidet und der Teilwertdefinition als abstrahiertes Ziel zu entneh­ men ist,312 auch für den Wiederbeschaffungs- bzw. Wiederherstellungswert maß­ 307

BFH, U.v. 20.7.1973 – III R 100–101/72, BStBl II 1973, 794, 795; Kleinle, in: Herrmann/ Heuer/Raupach, § 6, Rn. 1008, 1009. 308 BFH, U.v. 14.2.1956 – I 239/54 U, BStBl III 1956, 102; U.v. 9.9.1986 – VIII R 20/85, BFH/NV 1987, 442. 309 BFH, U.v. 13.10.1977 – I R 79/94, BStBl II 77, 540, Schmidt/Glanegger, 28. Aufl. 2009, § 6, Rn. 250 „Eigenerzeugnisse“. 310 Dazu im Einzelnen oben: 4. Kapitel, B. (Der Teilwert in der Rechtsprechung der Finanz­ gerichte). 311 Vgl. insoweit BFH, U.v. 19.5.1972 – III R 21/71, BStBl II 1972, 748, 749; U.v. 20.7.1973 – III R 100–101/72, BStBl II 1973, 794, 795. 312 Vgl. oben: 4. Kapitel, A. VII.

B. Bewertungskonzepte und -maßstäbe im Vergleich zum Teilwert

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geblich, wenn auf die Verhältnisse und Möglichkeiten des jeweiligen Betriebs abgestellt wird. Denn ein Kaufmann würde für die Frage, ob und zu welchem Preis er ein einzelnes Wirtschaftsgut erwerben oder herstellen möchte, darauf ab­ stellen, ob das Gut für die Fortführung seines Betriebs notwendig ist und  – so­ fern er dies bejaht – zu welchem Preis er das Gut beschaffen oder mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln herstellen kann. Die gleiche Überlegung stellt er nach der Konzeption des Teilwerts im Falle eines (fiktiven) Betriebserwerbs (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG) an.313 Auch dann würde er für ein Wirtschafts­ gut nicht mehr ausgeben, als er für die Wiederbeschaffung bzw. Wiederherstel­ lung des einzelnen Wirtschaftsguts aufwenden müsste. Aus diesem Grund bilden die WBK/WHK die Obergrenze für die Teilwertbewertung im Fall der Betriebs­ notwendigkeit des bewerteten Wirtschaftsguts.314 Der Wiederbeschaffungs- bzw. Wiederherstellungswert berücksichtigt folglich mit der Bedeutung „für den jewei­ ligen Betrieb“ die wesentliche Überlegung, die der Entwicklung des Teilwerts zu Grunde lag.315 Zugleich werden damit die Grenzen einer Heranziehung der WBK/WHK zur Umsetzung des Teilwerts deutlich, denn auch konzeptionell entsprechen sich Teil­ wert und Wiederbeschaffungs- bzw. Wiederherstellungswert in bestimmten Fäl­ len nicht. So gilt die Überlegung, dass ein Kaufmann den Wert eines Gutes vom Beschaffungsmarkt abhängig machen wird, zum einen dann nicht, wenn ein Wirt­ schaftsgut für den Betriebsablauf nicht (mehr) notwendig ist und ein (fiktiver) Er­ werber die Wiederbeschaffung bzw. Wiederherstellung nicht in Betracht ziehen würde. Für den Fall der Entbehrlichkeit des Wirtschaftsguts muss also ein ande­ rer Wert den Teilwertbegriff ausfüllen. Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass der Teilwert im Gegensatz zum Wiederbeschaffungs- oder Wiederherstellungs­ wert nicht als rein marktabhängiger Wert konzipiert ist. Vielmehr kann sich der Teilwert auch aufgrund solcher Umstände ändern, die vom Markt vollkommen un­ abhängig und statt dessen rein betrieblicher Natur sind.316 Die Marktabhängigkeit, die hinsichtlich der Praktkabilität der entscheidende Vorteil des Wiederbeschaf­ fungs- oder Wiederherstellungswerts gegenüber dem Teilwert ist, ist zugleich eine Beschränkung hinsichtlich der wertbestimmenden Faktoren, der der Teilwert kon­ zeptionell nicht unterliegt.

313 Mit dieser Argumentation auch: BFH, U.v. BFH, U.v. 19.5.1972 – III R 21/71, BStBl II 1972, 748, 749; U.v. 20.7.1973 – III R 100–101/72, BStBl II 1973, 794, 795. 314 Vgl. oben: 4. Kapitel, B. I. 315 Zu dieser grundlegenden Überlegung: BFH, U.v. 26.6.2007 – IV R 71/04, BFH/NV 08, 347, 349. Zur Entwicklung des Teilwerts als Wert eines Wirtschaftsguts „für das Geschäft“ vgl.: Staub, ADHGB, 2. Aufl. 1894, Art. 31, § 1 (oben: 3. Kapitel, A. IV. 2.) sowie RG, U.v. 3.11.1899 – III. 176/99, Gruchots Beiträge zur Erl. des Dt. Rechts, Bd. 44, 158, 159 (oben: 3. Kapitel, A. V. 1.). 316 Vgl. für einen solchen Fall etwa: BFH, U.v. 2.3.1973 – III R 88/69, BStBl II 1973, 475: Absinken des Teilwerts wegen nachhaltiger Unrentabilität des Betriebs.

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5. Kap.: Die Teilwertproblematik de lege ferenda

4. Kontrollüberlegungen Ob sich der Wiederbeschaffungs- bzw. Wiederherstellungswert zur Umsetzung der Teilwertdefinition eignet, soll anhand dreier Kontrollüberlegungen überprüft werden, die außerhalb der praktischen Bestimmung und der theoretischen Kon­ zeption des Teilwerts liegen: Im Rahmen des einkommensteuerrechtlichen Bewertungskonzepts ist der Teil­ wert im Vergleich zu den Anschaffungs- oder Herstellungskosten vor allem der Korrekturwert, der unplanmäßige Wertveränderungen aufnimmt und so die Be­ steuerung nach der individuellen Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen sichert. Insofern „korrigiert“ der Teilwert die Anschaffungs- oder Herstellungskosten auf den tatsächlichen aktuellen Wert zum Bilanzstichtag.317 Aus dieser Überlegung rechtfertigt sich etwa der Ansatz der Anschaffungs- oder Herstellungskosten als Teilwert für alle Arten von Wirtschaftsgütern zum Zeitpunkt der Anschaffung oder Herstellung, denn zu diesem Zeitpunkt können noch keine wertverändernden Um­ stände eingetreten sein.318 Die Wiederbeschaffungs- oder Wiederherstellungskos­ ten fügen sich in diese Argumentation nahtlos ein, weil sie ebenfalls beschaffungs­ marktorientierte Einzelkosten darstellen, die die AK/HK um das Merkmal der Betriebsindividualität „korrigieren“, das sich vor allem für der Anschaffung oder Herstellung nachfolgende Bewertungsstichtage einerseits in der Frage nach der Betriebsnotwendigkeit, andererseits in der Frage nach dem Zustand des bewerte­ ten Wirtschaftsguts konkretisiert. Der Ansatz der WBK/WHK als Teilwert führt auch zu einer sachgerechten Be­ wertung der Entnahmen und Einlagen, für die der Teilwert nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 1, Nr. 5 S. 1 HS. 1 EStG den Regelmaßstab darstellt. Aufgrund der hohen Be­ deutung von Entnahmen und Einlagen für die Ermittlung der einkommensteuer­ lichen Bemessungsgrundlage, ist dies ein wesentlicher Punkt bei der Umsetzung des Teilwerts. Die Bewertung der Entnahme mit dem Teilwert als Realisationswert soll zu einer Aufdeckung der stillen Reserven führen, die während der Betriebs­ zugehörigkeit des Wirtschaftsguts gebildet wurden.319 Wird der Teilwert mittels WBK/WHK bestimmt, so werden die Aufwendungen, die während der Betriebs­ zugehörigkeit getätigt wurden, um das Wirtschaftsgut in den zum Bewertungs­ stichtag vorliegenden Zustand zu versetzen, berücksichtigt. Die Bewertung erfolgt also wie gefordert unter Berücksichtigung der stillen Reserven. Die Bewertung der Einlage mit dem Teilwert soll dazu führen, dass das Wirt­ schaftsgut dem Betrieb mit aufgedeckten stillen Reserven zugeführt wird.320 Auch 317

So auch Weber-Grellet, Bilanzsteuerrecht, 10. Aufl., Rn. 260. Zu den Teilwertvermutungen zum Zeitpunkt der Anschaffung/Herstellung ausführlich oben: 4.  Kapitel, B. II 1.  Zu den Vermutungen im Überblick: Schmidt/Glanegger, 28. Aufl. 2009, § 6, Rn. 229 ff. 319 Vgl. zur Bewertung der Entnahme mit dem Teilwert oben: 2. Kapitel, B. I. 2. c), cc). 320 Vgl. zur Bewertung der Einlage mit dem Teilwert oben: 2. Kapitel, B. I. 2. c), cc). 318

B. Bewertungskonzepte und -maßstäbe im Vergleich zum Teilwert

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in diesem Fall führt der Ansatz des Wiederbeschaffungs- oder Wiederherstellungs­ werts dazu, dass die stillen Reserven, die vor der Zugehörigkeit zum Betriebsver­ mögen durch zusätzliche Aufwendungen auf das Wirtschaftsgut gebildet wurden, bei der Teilwertermittlung berücksichtigt werden. Der Teilwert wird damit seiner Aufgabe als Realisationswert gerecht. Dasselbe gilt in den Fällen der Betriebs­ eröffnung (§ 6 Abs.  1 Nr.  6 EStG) und des entgeltlichen Betriebserwerbs (§ 6 Abs. 1 Nr. 7 EStG). Mit der Berücksichtigung der Betriebsindividualität im Rahmen der Ermittlung des Wiederbeschaffungs- oder Wiederherstellungswerts wird zugleich  – wenn auch beschränkt auf marktabhängige Faktoren – dem Leistungsfähigkeitsprinzip des Art. 3 Abs. 1 GG321 Rechnung getragen. Da einerseits der mithilfe der Wie­ derbeschaffungs- bzw. Wiederherstellungskosten ermittelte Teilwert den konkre­ ten Zustand zum Zeitpunkt der Bilanzaufstellung berücksichtigt, wird eine Über­ bewertung des Wirtschaftsguts, zu der etwa der Ansatz des Buchwertes führen könnte, verhindert. Da andererseits die WBK/WHK dann zur Teilwertermittlung herangezogen werden, wenn das Wirtschaftsgut betriebsnotwendig ist, wird zu­ gleich eine Unterbewertung verhindert, die mit dem Ansatz des gemeinen Werts (§ 9 Abs. 2 BewG) verbunden sein könnte.322 5. Zusammenfassung Die Wiederbeschaffungs- oder Wiederherstellungskosten sind daher zu Recht ein wichtiger Bestandteil der Teilwertermittlung. Wird der Teilwert soweit von sei­ ner Definition abstrahiert, dass er nurmehr als Umschreibung des Wertes dient, der zur Erfassung der individuellen Leistungsfähigkeit alle wertbeeinflussenden Umstände in dem konkreten jeweiligen Betrieb berücksichtigt,323 so ist seine Um­ setzung mit dem Wiederbeschaffungs- bzw. Wiederherstellungswert in den Fällen konzeptionell zwingend, in denen eine Wiederbeschaffung oder Wiederherstel­ lung aufgrund der Betriebsnotwendigkeit des Wirtschaftsguts stattfinden würde. Die Vorteile des Wiederbeschaffungs- bzw. Wiederherstellungswerts gegenüber der theoretisch widersprüchlichen und praktisch undurchführbaren Definition des § 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG sind offensichtlich. Sie liegen einerseits in der Prak­ tikabilität eines unzweideutig definierbaren, mit einfachen Mitteln bestimmba­ ren, marktabhängigen Einzelwerts und andererseits in der grundsätzlichen Über­ einstimmung mit dem Bewertungskonzept des Einkommensteuerrechts, das zur Erfüllung des verfolgten Bilanzzwecks neben den Anschaffungs- oder Herstel­ lungskosten einen Korrektur- und Realisationswert enthält, der von den Ausgangs­

321

Dazu oben: 4. Kapitel, D. II. 3. Vgl. zum gemeinen Wert oben: 5. Kapitel, B. VI. 323 Zur notwendigen Abstraktion der Wertbestimmung von der Definition des Teilwerts oben: 4. Kapitel, A. VII. 322

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5. Kap.: Die Teilwertproblematik de lege ferenda

werten allein in dem entscheidenden Punkt, nämlich der Berücksichtigung der betriebsindividuellen Verhältnisse, abweicht. Soweit dies von marktabhängigen Faktoren abhängt, erlaubt die Verwendung des Wiederbeschaffungs- oder Wie­ derherstellungswerts also eine Bewertung unter Beachtung des Leistungsfähig­ keitsprinzips (Art. 3 Abs. 1 GG). Jedoch kann auch der Wiederbeschaffungs- bzw. Wiederherstellungswert allein nicht den Teilwert ersetzen. Aufgrund seiner zahlreichen Anwendungsfälle324 und seiner Funktionen im Bewertungskonzept des EStG325 bedarf der Teilwert viel­ mehr einer differenzierten Umsetzung, die einerseits die Möglichkeit der Entbehr­ lichkeit eines Wirtschaftsguts und andererseits die Wertveränderungen aufgrund von nicht marktabhängigen, betrieblichen Umständen berücksichtigt.

IX. Ein „Betriebswert“ zwischen gemeinem Wert und Wiederbeschaffungs- bzw. Wiederherstellungswert Eine praktikable Möglichkeit könnte darin bestehen, den Teilwert durch einen neuen Wertmaßstab zu ersetzen, der im Anschluss an die Rechtsprechung des BFH326 durch Bezugnahme auf die wichtigsten ihn ausfüllenden Wertbegriffe  – Wiederbeschaffungs- oder Wiederherstellungswert und gemeiner Wert  – um­ schrieben wird. 1. Der Vorschlag des Wissenschaftlichen Beirats des Fachbereichs Steuer von Ernst & Young Einen ausführlichen, substantiierten Vorschlag für die Ersetzung des Teilwerts durch einen sog. „Betriebswert“, der dem gemeinen Wert, höchstens jedoch den niedrigeren Wiederbeschaffungskosten entsprechen soll,327 legte im Jahr 2004 der Wissenschaftliche Beirat des Fachbereichs Steuer der Ernst & Young Wirtschafts­ prüfungsgesellschaft vor. Mit dem Argument, dass die Rechtsprechung des BFH an die Stelle des Teilwerts „einen ganz anderen“ Begriff gesetzt habe, der durch Teilwertgrenzen und -vermutungen bestimmt werde, lehnte er die weitere Ver­ wendung des Begriffs Teilwert ab, ohne zugleich die Rechtsprechung bzw. die Wert­ermittlung als marktabhängigen Einzelwert zwischen Einzelveräußerungs­ preis und Betrag der Wiederbeschaffungs- bzw. Wiederherstellungskosten in die Kritik zu nehmen.328 In dieser Hinsicht unterscheidet sich der Beitrag von frühe­

324

Vgl. dazu oben: 2. Kapitel, B. I. 2. c). Vgl. dazu oben: 2. Kapitel, B. I. 2. a) und II. 326 Dazu ausführlich oben: 4. Kapitel, B. 327 Vgl. WissB. Ernst&Young, Abschaffung des Teilwerts, BB 2004, Beil. 3, S. 11, 18, 23. 328 Vgl. WissB. Ernst&Young, Abschaffung des Teilwerts, BB 2004, Beil. 3, S. 11.

325

B. Bewertungskonzepte und -maßstäbe im Vergleich zum Teilwert

255

ren Aufsätzen, die mit dem Teilwert zugleich die Bewertungsmethodik der Fi­ nanzgerichte in Frage stellten. Der „Betriebswert“ soll im Vergleich zum Teil­ wert zunächst vor allem den Vorteil haben, den Wert nicht nur praktisch, sondern auch konzeptionell von der Betriebsbezogenheit zu befreien. Dadurch soll auch verhindert werden, dass der Gesamtwert (Gesamtkaufpreis) des Betriebs und mit ihm erfolgsberücksichtigende Elemente in die Teilwertbemessung implementiert werden.329 Die Untersuchung, die dem Vorschlag zur Abschaffung des Teilwerts zugrunde liegt, begutachtet die gegenwärtige Rechtslage und die Konsequenzen einer Geset­ zesänderung im Einkommensteuerrecht einerseits und im Körperschaftsteuerrecht andererseits und gliedert sich damit in zwei Teile. Auf Grundlage einer recht umfassenden Darstellung des Teilwerts und des ge­ meinen Werts einschließlich ihrer gemeinsamen Entwicklungsgeschichte wird die Unanwendbarkeit der Legaldefinition des § 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG festgestellt, die für die heutige Besteuerungspraxis „bedeutungslos“ sei.330 Als unmittelbare Folge aus der Unanwendbarkeit der Legaldefinition wird deren Abschaffung und Ersetzung durch einen anderen Wertmaßstab, den „Betriebswert“, vorgeschlagen. Die weitere Untersuchung widmet sich den praktischen Auswirkungen einer Er­ setzung des Teilwerts durch den gemeinen Wert. Im Ergebnis komme es nur in vier Fällen331 zu einer veränderten Bewertung. Auf Grundlage dieser Untersuchungen wird die folgende Abwägung getroffen: Für die Ersetzung des Teilwerts durch den gemeinen Wert im Einkommen­ steuerrecht spreche eine damit einhergehende Steuervereinfachung sowie eine sys­ temgerechtere Darstellung des Entnahmewerts.332 Gegen die Ersetzung spreche die Gefahr der steuerlichen Berücksichtigung nicht realisierter Gewinne bei der Be­ wertung von Entnahmen und von Wirtschaftsgütern des Umlaufvermögens.333 Die­ sen Bedenken könne jedoch dadurch begegnet werden, dass statt des gemeinen Werts die Wiederbeschaffungskosten als Wert angesetzt würden, sofern es für das zu bewertende Wirtschaftsgut keinen gemeinen Wert oder Einzelveräußerungs­ preis gebe oder dieser höher sei als die Wiederbeschaffungs- oder Wiederherstel­ lungskosten des betreffenden Wirtschaftsguts.334 Ein in diesem Sinne definierter

329

WissB. Ernst&Young, Abschaffung des Teilwerts, BB 2004, Beil. 3, S. 11, 19. WissB. Ernst&Young, Abschaffung des Teilwerts, BB 2004, Beil. 3, S. 11. 331 So führe der Ansatz des gemeinen Werts etwa bei der Entnahme von Wirtschaftsgütern des Umlaufvermögens zu einem höheren Wert, bei der Einlage von abnutzbaren Wirtschafts­ gütern des Anlagevermögens sowie bei einer Teilwerteinbringung solcher Güter nach §§ 20, 24 UmwStG zu einem geringeren AfA-Volumen und bei der Teilwertabschreibung von notwen­ digen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens zu einem höheren Abschreibungsvolumen, vgl. WissB. Ernst&Young, Abschaffung des Teilwerts, BB 2004, Beil. 3, S. 17 . 332 WissB. Ernst&Young, Abschaffung des Teilwerts, BB 2004, Beil. 3, S. 17. 333 WissB. Ernst&Young, Abschaffung des Teilwerts, BB 2004, Beil. 3, S. 18. 334 WissB. Ernst&Young, Abschaffung des Teilwerts, BB 2004, Beil. 3, S. 18. 330

256

5. Kap.: Die Teilwertproblematik de lege ferenda

dritter Wertmaßstab des Einkommensteuerrechts könne dann als „Betriebswert“ bezeichnet werden.335 Der zweite Teil der Untersuchung widmet sich der Frage, ob es im Bereich des Körperschaftsteuerrechts möglich und sinnvoll ist, den Teilwert durch den neu definierten „Betriebswert“ entsprechend dem Vorschlag zum Einkommensteuer­ recht zu ersetzen.336 Im Mittelpunkt steht dabei die verdeckte Gewinnausschüttung (vGA), die als wesensgleiche Entsprechung zur einkommensteuerrechtlichen Ent­ nahme identifiziert wird.337 Begutachtet werden die zwei Grundfälle der vGA, die eine Bewertung von Wirtschaftsgütern erfordern, nämlich der Erwerb durch die Gesellschaft von einem Gesellschafter zu einem unangemessen hohen Preis und die Veräußerung an einen Gesellschafter zu einem unangemessen niedrigen Preis. Nach Modellrechnungen, die die Rechtsprechung des BFH zur geltenden Rechts­ lage zum Maßstab nehmen, kommt der Wissenschaftliche Beirat zu dem Ergebnis, dass der für die Ersetzung des Teilwerts im EStG konzipierte „Betriebswert“ auch auf den Bereich der vGA im Körperschaftsteuerrecht anwendbar sei.338 Er schlägt daher eine entsprechende Änderung des EStG vor, die über § 8 Abs. 1 S. 1 KStG auch in die körperschaftsteuerliche Bewertung problemlos übernom­ men werden könnte. 2. Stellungnahme Der Vorschlag des Wissenschaftlichen Beirats führt letztendlich zur Ersetzung des Teilwerts durch den gemeinen Wert, der seinerseits in bestimmten Fällen durch den Wert der Wiederbeschaffungs- bzw. Wiederherstellungskosten ersetzt werden soll. Im Vergleich zu der vorliegenden Arbeit stellt der Vorschlag stärker auf die Praxis ab und macht die Eignung eines alternativen Bewertungskonzepts zum Teil­ wert ausschließlich von den Veränderungen gegenüber der Rechtsprechung des BFH abhängig. Im Vergleich zum Teilwert hat der „Betriebswert“, der seinerseits zwei an­ dere bekannte Bewertungsmaßstäbe in einer bestimmten Weise kombiniert, zwei wesentliche Vorteile: Zum einen führt die Verwendung bekannter Wertmaßstäbe zu der Vereinfachung und Normenklarheit, die vorrangiges Ziel einer jeden Re­ form des Teilwerts sein muss. Zum anderen werden das Bewertungskonzept des 335 Folgende Definition wird vorgeschlagen: „ Der Betriebswert ist gleich dem Verkehrswert, es sei denn das zu bewertende Wirtschaftsgut hat keinen Verkehrswert oder sein Verkehrswert ist höher als seine Wiederbeschaffungskosten (Wiederherstellungskosten) sind. In diesen Fäl­ len ist der Betriebswert gleich den Wiederbeschaffungskosten (Wiederherstellungskosten).“ WissB. Ernst&Young, Abschaffung des Teilwerts, BB 2004, Beil. 3, S. 19. 336 Vgl. WissB. Ernst&Young, Abschaffung des Teilwerts, BB 2004, Beil. 3, S. 19 ff. 337 WissB. Ernst&Young, Abschaffung des Teilwerts, BB 2004, Beil. 3, S. 20 f. 338 WissB. Ernst&Young, Abschaffung des Teilwerts, BB 2004, Beil. 3, S. 21, 23.

B. Bewertungskonzepte und -maßstäbe im Vergleich zum Teilwert

257

Steuer­bilanzrechts sowie die systematischen Rahmenbedingungen einschließlich des Maßgeblichkeitsprinzips und der Wesentlichkeit der einkommensteuerlichen Gewinnermittlung für das Ergebnis der Gewinnermittlung im Körperschaftsteuer­ recht unverändert gelassen, sodass es nicht zu Folgeproblemen durch die Anpas­ sung anderer Normen kommen kann. Allerdings nimmt der Wissenschaftliche Beirat mit seinem Vorschlag in Kauf, die Betriebsbezogenheit, die mittels des Merkmals des Unternehmensfortbestands Bestandteil der Teilwertfiktion ist, aufzugeben. Mit den Argumenten, die Defini­ tion sei für die tatsächliche Wertermittlung bedeutungslos339 und der Gedanke des Fortbestands sei überholt340 wird die gesamte Idee des Teilwerts aufgegeben, ob­ wohl nicht diese, sondern die Umsetzung in der Definition des § 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG der Kristallisationspunkt der Kritik am Teilwert war. M. E. liegt hier ein we­ sentlicher Fehler des Wissenschaftlichen Beirats. Denn allein die Betriebsbezo­ genheit des Teilwerts sicherte – gerade im Gegensatz zum gemeinen Wert – die Betriebsindividualität der Bewertung, d. h. die Wertermittlung nach der individu­ ellen Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen. Ein Vorschlag, der den gemeinen Wert in den Mittelpunkt der Alternative zum Teilwert stellt, berücksichtigt folg­ lich das verfassungsrechtliche Gebot der Besteuerung nach der individuellen Leis­ tungsfähigkeit nicht hinreichend. Richtiger wäre es insofern, den Wiederbeschaffungs- oder Wiederherstellungs­ wert in den Mittelpunkt eines ggf. neuen Bewertungsmaßstabs zu stellen, der die­ sen mit dem gemeinen Wert kombiniert und die Aufgaben des Teilwerts über­ nimmt. Denn der Wiederbeschaffungs- oder Wiederherstellungswert enthält ein betriebsindividuelles Element, das unmittelbar die subjektive Leistungsfähigkeit berücksichtigt. Wird bei dieser Konzeption der Ansatz des gemeinen Wertes da­ von abhängig gemacht, dass er niedriger ist als die WBK/WHK, so ergeben sich hinsichtlich der Bewertung keine Unterschiede zum Vorschlag des Wissenschaft­ lichen Beirats. In beiden Fällen wäre der jeweils niedrigere Wert aus Wiederbe­ schaffungs- oder Wiederherstellungswert und gemeinem Wert anzusetzen. Jedoch würde sich das Regel- Ausnahme- Verhältnis und damit die Richtung des Nach­ weises eines von der Vermutung abweichenden niedrigeren Wertes umkehren.

X. Zusammenfassung Die Bandbreite der begutachteten bestehenden Maßstäbe, die Vorlagen oder zu­ mindest Anhaltspunkte für eine mögliche Veränderung der gesetzlichen Regelung des Teilwerts liefern könnten, ist groß. Sie reicht von der Verlustverrechnung als Verfahrensschritt, der die Aufgaben des Teilwerts übernehmen könnte, über an­ dere Rechnungslegungskonzeptionen bis hin zu konkreten Bewertungsmaßstäben. 339

WissB. Ernst&Young, Abschaffung des Teilwerts, BB 2004, Beil. 3, S. 11. WissB. Ernst&Young, Abschaffung des Teilwerts, BB 2004, Beil. 3, S. 17.

340

258

5. Kap.: Die Teilwertproblematik de lege ferenda

Dementsprechend heterogen sind die Ergebnisse der Untersuchungen, von de­ nen nur diejenigen von Bedeutung für die Suche nach einer angemessenen gesetz­ lichen Regelung des Teilwerts sein können, die gegenüber der Bewertungspraxis nach der Rechtsprechung der Finanzgerichtsbarkeit auf Grundlage des EStG un­ ter Berücksichtigung der systematischen Grundanforderungen zu einem Erkennt­ nisgewinn führen. Hervorzuheben sind unter diesen Voraussetzungen erstens die trotz der syste­ matischen Unterschiede in einigen Bereichen ähnliche Bewertungspraxis nach den IFRS,341 zweitens die Art der gesetzlichen Regelung von unplanmäßigen Wert­ veränderungen im polnischen Rechnungslegungsgesetz,342 drittens die Überein­ stimmung des Wiederbeschaffungs- oder Wiederherstellungswerts mit der theore­ tischen Konzeption des Teilwerts343 sowie viertens der Vorschlag einer Alternative zum Teilwert in Form eines Regel-Ausnahme-Verhältnisses seitens des Wissen­ schaftlichen Beirats von Ernst & Young.344 Auffällig ist zudem, dass die komplizierte, durch das Grundgesetz (insbes. Art. 3 Abs. 1 GG) gerechtfertige theoretische Konstruktion des Teilwerts ein aus­ gesprochener Einzelfall ist; bei keinem anderen Bewertungsmaßstab nimmt die theoretische Konstruktion so großen Einfluss auf die praktische Bestimmung. Die Berücksichtigung unplanmäßiger Wertminderungen erfolgt in anderen Rechnungs­ legungskonzepten stets in Abhängigkeit des Absatz- oder Beschaffungsmarktes, während auf eine Berücksichtigung des Unternehmensgesamtwerts teils bewusst verzichtet wird, um eine praktikable Bewertung zu gewährleisten.

341

Vgl. dazu oben: 5. Kapitel, B. IV. Vgl. dazu oben: 5. Kapitel, B. V. 5. 343 Vgl. dazu oben: 5. Kapitel, C. VIII. 344 Vgl. dazu oben: 5. Kapitel, C. IX.

342

Sechstes Kapitel

Resümee 6. Kap.: Resümee

A. Zusammenfassung der Ergebnisse Bevor aus den vorgenannten Erkenntnissen Schlussfolgerungen für die Zukunft des Teilwerts gezogen werden, sollen die Erkenntnisse der einzelnen Kapitel kurz zusammengefasst werden: Zunächst wurde die Bedeutung des Teilwerts für das geltende Bilanzsteuerrecht dargestellt. Auf der Grundlage des Leistungsfähigkeitsprinzips als verfassungs­ kräftigem Fundamentalprinzip1 dient der Teilwert bei der Bewertung von Wirt­ schaftsgütern zum Zwecke der ertragssteuerrechtlichen Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich der Aufnahme unplanmäßiger Wertveränderungen und sichert so eine Besteuerung des bilanzierenden Steuerpflichtigen nach seiner individuellen Leistungsfähigkeit.2 Ausgangspunkt der Analyse des Teilwerts, dessen markantestes Merkmal das offensichtliche Auseinanderfallen von Definition und praktischer Wertbestim­ mung ist, war seine Entwicklungsgeschichte. Der Ausgangspunkt der Idee für einen Bewertungsmaßstab mit den Merkmalen des Teilwerts wurde in einem Ur­ teil des Reichsoberhandelsgerichts aus dem Jahr 18733 zum damaligen Handels­ recht identifiziert. Der Teilwert wurde stets als objektivierter, d. h. von der Per­ son des Bilanzierenden unabhängiger Wertmaßstab verstanden; seine Wurzeln liegen im beizulegenden Wert des früheren ADHGB von 1861.4 Zur Ermittlung dieses Wertes sollten mittels des Merkmals des Fortbestands, um das ursprüng­ lich der gemeine Wert bzw. der Verkehrswert ergänzt wurde, die individuel­ len Verhältnisse des Betriebs, zu dem der zu bewertende Gegenstand gehörte, also die Betriebszugehörigkeit des Gegenstands, berücksichtigt werden. Wäh­ rend die Berücksichtigung der Betriebszugehörigkeit zunächst damit begründet wurde, in der Bilanz die „wahre“ Vermögenslage möglichst wirklichkeitsgetreu wiedergeben zu wollen, rechtfertigt heute das aus Art. 3 Abs. 1 GG hergeleitete



1



2

Vgl. Federmann, S. 178; Birk, Steuerrecht, 12. Aufl., Rn. 186 ff. sowie 4. Kapitel, D. II. 3. Zu den Funktionen des Teilwerts vgl. oben: 2. Kapitel, B. I. 2. c), II. Zur Bedeutung für das Leistungsfähigkeitsprinzip oben: 3. Kapitel, A. VII. 3. 3 ROHG, II. Senat, Urteil vom 3.12.1873 – 934/73, ROHGE 12, 15 ff. 4 Zum historischen Ursprung des Teilwerts vgl. oben: 3. Kapitel, A. I. und II. sowie ROHG, II. Senat, Urteil vom 3.12.1873 – 934/73, ROHGE 12, 15 ff.

260

6. Kap.: Resümee

Leistungsfähigkeitsprinzip die betriebsindividuelle Bewertung zu Besteuerungs­ zwecken.5 Die weitere Entwicklung des Teilwerts konnte nahezu lückenlos nachvoll­zogen werden, wobei einige markante Wegpunkte erkennbar wurden: Die Rechtspre­ chung des RG6 etwa füllte den Fortbestandswert vor seiner Benennung als Teilwert und seiner gesetzlichen Definition aus dem Jahr 1934 aus, wobei die Trennung von theoretischer Konzeption einerseits und praktischer Bestimmung andererseits von Anfang an maßgeblichen Einfluss auf den Bewertungsmaßstab ausübte. So er­ kannte das RG schon 1899, dass ein betriebsbezogener Wert „für das Geschäft“7 theoretisch nicht mittels der Berücksichtigung der Ertragserwartungen erklärt wer­ den kann und statt dessen auf die Frage nach der Betriebsnotwendigkeit des Gu­ tes abzustellen ist. Der RFH scheiterte mit der Differenz- und der Repartitionsme­ thode an dem Versuch einer Berücksichtigung des Gesamtunternehmenswerts und bestimmte den Teilwert ebenso wie zuvor das RG mittels marktabhängiger Ein­ zelwerte.8 Während diese Rechtsprechung zu einem gefestigten und rechtssicheren System aus Teilwertgrenzen und widerlegbaren Teilwertvermutungen führte,9 misslang der wissenschaftliche Umgang mit der Teilwertdefinition des § 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG. Die Entwicklungsgeschichte bis zur Aufnahme des Teilwerts in das EStG 1934 zeigt, dass die Definition nur ein Versuch war, die Idee des Fortbestands­ werts vereinfachend zu beschreiben, ohne zugleich einen Weg für die Bestimmung des Teilwerts im Einzelfall vorgeben zu wollen. Dies wurde von Seiten der Litera­ tur lange Zeit ignoriert. Dementsprechend fehlt auch den Teilwertfiktionen10 als nochmals vereinfachte Form der Definition die nötige Abstraktion, die erforder­ lich ist, um die theoretische Konzeption des Teilwerts erklären zu können. Als Er­ gebnis zur theoretischen Konzeption wurde festgehalten, dass die Definition von einer fiktiven Erwerbssituation ausgeht, in deren Mittelpunkt der Betriebsfortbe­ stand steht. Mit dessen Hilfe wird eine betriebsindividuelle und damit leistungs­ bezogene Bewertung gesichert. Wertbestimmend ist dabei die Frage nach der Be­ triebsnotwendigkeit des Gegenstands.11 Nach der Differenzierung von theoretischer Konzeption einerseits und prakti­ scher Teilwertbestimmung mittels systematisierter Schätzung andererseits näherte sich die Untersuchung der Teilwertproblematik aus Sicht des Gesetzgebers und des Verfassungsrechts. Festgestellt wurde dabei ein Handlungsbedarf, für den die

5



6

s. o. sowie 3. Kapitel, A. VII. 3. Dazu oben: 3. Kapitel, A. V. 1. 7 So wörtlich: RG, U.v. 3.11.1899 – III. 176/99, Gruchots Beiträge zur Erl. des Dt. Rechts, Bd. 44, 158, 159. 8 Zur Rechtsprechung des RFH ausführlich oben: 3. Kapitel, A. V. 6. 9 Zu Teilwertgrenzen und -vermutungen oben: 4. Kapitel, B. 10 Zu den in der Literatur vertretenen Ansichten zum Teilwert ausführlich oben: 4. Kapitel, A.; zu den Teilwertfiktionen: 4. Kapitel, A. I. 11 Vgl. zur theoretischen Konzeption des Teilwerts auch oben: 4. Kapitel, A. VII.

B. Schlussfolgerungen

261

aktuellen bilanzrechtlichen Entwicklungen wesentliche neue Erkenntnisse liefern. Von gesetzgeberischer Seite blieb sämtliche Kritik am Teilwert und seiner Defini­ tion bislang ohne Reaktion. Wenn auch angesichts der gefestigten Rechtsprechung der Finanzgerichte nicht die Verfassungswidrigkeit des Teilwerts festgestellt wer­ den konnte,12 so führt doch das Auseinanderfallen von Definition und Werter­ mittlung zu einer „dogmatischen Unsauberkeit“ der Besteuerung. Dabei ist das Bewertungskonzept an sich nicht zu beanstanden. Denn die Angleichung der han­ delsrechtlichen Bewertung an das steuerrechtliche Bewertungskonzept durch das BilMoG vom 25.5.2009 hat wenn auch nicht unmittelbar den Teilwert, so doch die steuerrechtlichen Regeln bestätigt und gestärkt.13 Gescheitert sind die Versuche, einen ertragsabhängigen Einzelwert oder einen von der genauen Zusammensetzung des Betriebsvermögens abhängigen, aber von den Ertragserwartungen unabhängigen Wert zu beschreiben.14 Für eine sinnvol­ lere gesetzliche Regelung der Teilwertproblematik kommt demzufolge nur eine Orientierung an anderen Bewertungskonzepten in Betracht. Die Begutachtung an­ derer Bewertungsmaßstäbe und Bilanzierungsordnungen mit dem Ziel, eine der Bewertungspraxis entsprechende gesetzliche Regelung entwickeln zu können, be­ stätigte die Notwendigkeit eines Wertmaßstabes, der für verschiedene Arten von Bewertungsgegenständen, d. h. ohne die Methode der Wertermittlung vorzugeben, eine Berücksichtigung unplanmäßiger Wertminderungen auf Grundlage marktab­ hängiger Werte ermöglicht.15 Auf der Grundlage dieser Erkenntnis werden die folgenden Schlussfolgerun­ gen gezogen.

B. Schlussfolgerungen I. Zur Erforderlichkeit einer gesetzlichen Neuregelung des Teilwerts Das Auseinanderfallen von Definition und Ermittlung des Teilwerts erfordert gesetzgeberische Maßnahmen, um die Bewertung zum Zwecke der steuerlichen Gewinnermittlung endlich auf eine dogmatisch unzweifelhafte Grundlage zu stel­ len und den seit mehr als 75 Jahren bestehenden status quo der Teilwertermittlung im Sinne Hegels dreifach aufzuheben, ihn also zu beseitigen, zu bewahren und auf eine höhere Ebene zu befördern. Dies ist auch angesichts der jüngsten Änderungen im Bewertungsrecht des HGB (§§ 253 ff.) sowie der wachsenden Bedeutung inter­

12



13

Vgl. dazu oben: 4. Kapitel, D. II. und V. Zu wichtigen Gesetzesänderungen im Bereich des Bilanzsteuerrechts vgl. oben: 4.  Ka­ pitel, C. 14 Dazu oben: 5. Kapitel, A. 15 Ausführlich zu anderen Ansätzen und Bilanzordnungen oben: 5. Kapitel, B.

262

6. Kap.: Resümee

nationaler Rechnungslegungsstandards (z. B. IFRS) erforderlich, um eine schlei­ chende Einflussnahme fremder Bewertungsgrundsätze in die Steuerbilanz über den „weichen“ Teilwert zu verhindern.16

II. Die Parameter und Voraussetzungen für eine gesetzliche Neuregelung Die gesetzliche Neuregelung des Teilwerts sollte das Auseinanderfallen von ge­ setzlicher Regelung und praktischer Wertermittlung überwinden, ohne neue Un­ sicherheiten zu schaffen. Dabei sollte sie im Rahmen der verfassungsrecht­lichen und systematischen Voraussetzungen die spezifischen Funktionen des Teilwerts bestmöglich übernehmen.17 1. Keine Veränderung des Steuerrechts im Übrigen Die Neuregelung eines konkreten Wertmaßstabes als Bestandteil eines kom­ plexen Regelungszusammenhangs, der die höherrangigen verfassungsrechtlichen Vorgaben ebenso beachten muss wie die Zusammenhänge zur handelsrechtlichen Bilanzierung, kann nur unter der Voraussetzung durchgeführt werden, dass die übrigen (grund-)gesetzlichen Rahmenbedingungen sowie die Belastungsentschei­ dungen des Gesetzgebers, die dem Ertragssteuerrecht zugrunde liegen, unverän­ dert bleiben. Grundlegende Voraussetzung dafür ist die Verwendung des Betriebs­ vermögensvergleichs als Methode zur steuerlichen Gewinnermittlung. Da bei der doppelten Buchführung die Ergebnisse von Bilanz und Gewinn- und Verlustrech­ nung zwingend gleich sind, ist dies keine Selbstverständlichkeit. Auch das ertrags­ steuerliche Bewertungskonzept soll unverändert bleiben,18 soweit eine Änderung nicht infolge einer geänderten gesetzlichen Regelung des Teilwerts erforderlich wird.



16

Zu dieser Argumentation vgl. ausführlich oben: 4. Kapitel, E. Ein solches „schleichen­ des Eindrigen internationaler Rechnungslegungsstandards in die Steuerbilanz“ aufgrund der Entscheidungen des EuGH zu bilanzsteuerrechtlichen Fragen sieht auch Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 20. Aufl., § 17, Rz. 52. 17 Zu den systematischen Zusammenhängen im Bilanzsteuerrecht und den Funktionen des Teilwerts oben: 2. Kapitel, A. II. und B. II. Zu den verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Teilwertbewertung oben: 4. Kapitel, D. II. 18 Zum einkommensteuerrechtlichen Bewertungskonzept ausführlich oben: 2.  Kapitel, B. I. 2. a).

B. Schlussfolgerungen

263

2. Keine Veränderung der bisherigen Rechtspraxis Insgesamt soll die gesetzliche Umgestaltung vom Standpunkt des Rechts­ anwenders aus gesehen möglichst geringe Auswirkungen haben. So sollen sowohl der Anwendungsbereich des Teilwerts für die Bewertung insbesondere von Bilanz­ positionen (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 2, Nr. 2 S. 2, Nr. 3 EStG) und Entnahmen und Ein­ lagen (§ 6 Abs. 1 Nr. 4, 5 EStG; sog. verfahrensrechtliche Funktion) als auch die materiellrechtliche Funktion der Sicherstellung einer leistungsabhängigen Bewer­ tung etwa mittels Aufnahme unplanmäßiger Wertveränderungen bestenfalls unver­ ändert bestehen bleiben.19 Damit einher geht das Ziel, die Bewertung im konkre­ ten Fall möglichst beizubehalten, wobei die systembedingten Teilwertgrenzen und die differenzierte Rechtsprechung der Finanzgerichte als Maßstab dienen.20 Selbst wenn bei dieser im Einzelfall ungerechtfertigt erscheinende Ergebnisse erzielt werden, wird von dem Versuch abgesehen, mittels einer Gesetzesänderung punk­ tuelle Veränderungen gegenüber der bewährten Bewertungspraxis vorzunehmen. 3. Keine Abschaffung des Teilwerts oder seiner Definition Wird die Gesetzesänderung somit vor dem Hintergrund eines ansonsten unver­ änderten Bewertungs- und Bilanzierungssystems vorgenommen, so bestehen gute Gründe, auch die bisherige Teilwertdefinition des § 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG bei­ zubehalten. Denn für die verfassungsrechtliche Legitimation des Bewertungsmaß­ stabs, der die Unterbewertung des Vermögens verhindern soll und sich damit deut­ lich von den klassischen handelsrechtlichen Bewertungsgrundsätzen unterscheiden muss, ist ein Merkmal, durch das theoretisch die subjektive Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen berücksichtigt wird, von wesentlicher Bedeutung. Die Idee des Teilwerts, dass mittels des Betriebsfortbestands die Betriebszugehörigkeit des be­ werteten Wirtschaftsguts und damit die individuelle Leistungsfähigkeit des Steu­ erpflichtigen Bestandteil eines Wertmaßstabes wird,21 hat an Genialität und Gül­ tigkeit nichts verloren.22 Das Ziel der vorgeschlagenen Gesetzesänderung besteht daher nicht in der Änderung des Teilwerts als Idee, sondern in einer angemessenen Umsetzung der Idee. Die Differenzierung von theoretischer Konzeption und prak­ tischer Bestimmung muss sich im Gesetz fortsetzen. Dazu ist es erforderlich, dass einerseits die Teilwertdefinition und damit die Idee der individuell leistungsabhän­ gigen Bewertung und andererseits die Umsetzung in praktikable, d. h. marktabhän­ gige Werte Bestandteile des Gesetzes werden. 19 Zu verfahrensrechtlicher und materiellrechtlicher Funktion des Teilwerts oben: 2. Kapitel, B. II.1. und 2. 20 Zu Teilwertgrenzen, Teilwertvermutungen und deren Widerlegung oben: 4. Kapitel, B. 21 Zur theoretischen Konzeption des Teilwerts in diesem Sinne oben: 3. Kapitel, A. VII. 3. 22 A. A. dagegen WissB. Ernst&Young, Abschaffung des Teilwerts, BB 2004, Beil. 3, S. 3 ff., die ihren Vorschlag auf der Annahme gründen, die Definition sei „bedeutungslos“ (S. 11) und der Fortbestandsgedanke sei überholt (S. 17).

264

6. Kap.: Resümee

4. Bewertung im Regelfall mit dem Wiederbeschaffungs- oder Wiederherstellungswert Erforderlich ist demzufolge eine Ergänzung der Teilwertdefinition um eine Re­ gelung zur Ermittlung des Teilwerts in den verschiedenen Anwendungsfällen. Aus verfassungsrechtlichen Gründen verlangt eine Neuregelung in erster Linie eine ver­ ständliche und widerspruchsfreie23, verhältnismäßig einfache24 und willkür­freie25 Möglichkeit der Teilwertermittlung. Inhaltlich kommen für eine solche Regelung nur marktabhängige Einzelwerte in Betracht, die bedingt durch die GoB zwischen oberer und unterer Teilwertgrenze, also für aktive Wirtschaftsgüter zwischen Wie­ derbeschaffungs- bzw. Wiederherstellungswert und gemeinem Wert liegen müssen und sich im Übrigen an der Rechtsprechung der Finanzgerichte orientieren soll­ ten.26 Verfahrensrechtlich kann die Umsetzung in Form eines Regel-AusnahmeVerhältnisses erfolgen. Als Regelvermutung kommt für den Teilwert nur der Wiederbeschaffungs- oder Wiederherstellungswert in Betracht. Dafür sprechen sowohl theoretische als auch praktische Gründe: In theoretischer Hinsicht erfüllt der Wiederbeschaffungs- oder Wiederherstellungswert die Anforderungen an den Teilwert, weil er sich einerseits in das Bewertungskonzept des Einkommensteuerrechts als derjenige Korrektur­ wert einfügt, der sämtliche bewertungsrelevanten betriebsindividuellen Umstände berücksichtigt, und er andererseits der Betriebsbezogenheit Rechnung trägt, so­ fern sein Ansatz von der Betriebsnotwendigkeit des zu bewertenden Gegenstands abhängig gemacht wird.27 Der Wiederbeschaffungs- oder Wiederherstellungs­ wert nimmt damit als einziger marktabhängiger Einzelwert die abstrahierte Idee des Teilwerts auf, den Wert eines Gegenstands von seiner Bedeutung „für das Ge­ schäft“ abhängig zu machen. Er ist für die Besteuerung nach der Leistungsfähig­ keit (Art. 3 Abs. 1 GG) unverzichtbarer Bestandteil der Bewertungsregeln. In praktischer Hinsicht nimmt der (zeitanteilig abgeschriebene) Wiederbeschaf­ fungs- oder Wiederherstellungswert für die Bewertung verschiedener Arten von Wirtschaftsgütern eine überragende Stellung ein, sofern die Teilwertvermutungen der Rechtsprechung als Maßstab herangezogen werden. Dies gilt sowohl für die Bewertung im Rahmen der Bilanzierung als auch für die Bewertung von Entnah­ men und Einlagen.28 Nur für die Bewertung eines Wirtschaftsguts zum Zeitpunkt der Anschaffung oder Herstellung sind die WBK/WHK nicht Bestandteil der Teil­

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24

Dies erfordert der Bestimmtheitsgrundsatz, vgl. oben: 4. Kapitel, D. II. 1. Vgl. oben: 4. Kapitel, D. II. 2. 25 Dies erfordert der Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung, vgl. oben: 4. Kapitel, D. II. 3. 26 Vgl. zu den Teilwertgrenzen oben: 4. Kapitel, B. I.; zu den Teilwertvermutungen oben: 4. Kapitel, B. II. und III. 27 Zur Herleitung dieses Ergebnisses ausführlich oben: 5. Kapitel, B. VIII. 28 Vgl. zu den Teilwertvermutungen in den genannten Fällen oben: 4.  Kapitel, B.  II.  1. bis 3.

B. Schlussfolgerungen

265

wertvermutung. Vielmehr wird zu diesem Zeitpunkt vermutet, dass der Teilwert den AK/HK entspricht, weil es noch nicht zu Wertveränderungen habe kommen können.29 Aus eben diesem Grund ist jedoch davon auszugehen, dass auch der Wiederbeschaffungs- oder Wiederherstellungswert den AK/HK entspricht, so dass die bisherige Bewertungspraxis seinem Ansatz auch zum Zeitpunkt der Anschaf­ fung oder Herstellung nicht entgegen steht. Der Wiederbeschaffungs- oder Wiederherstellungswert ist damit die beste Syn­ these aus der abstrahierten, auf die Betriebsindividualität reduzierten Teilwert­ fiktion einerseits und einer marktpreisabhängigen, praktikablen Einzelbewertung andererseits.30 5. Bewertung im Ausnahmefall mit dem gemeinen Wert Da der Wiederbeschaffungs- oder Wiederherstellungswert allein nicht ausreicht, um den Teilwert umzusetzen,31 muss die Regelvermutung um eine Ausnahme­ regelung ergänzt werden. Ausgehend von den bilanzsteuerrechtlichen Grenzen der Teilwertbemessung muss der damit festgelegte Wert für (aktive) Wirtschafts­ güter zwingend niedriger sein.32 Es bietet sich an, auf die untere Teilwertgrenze abzustellen, also den gemeinen Wert, der zugleich für nicht betriebsnotwendige Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens als Teilwert vermutet wird.33 Im Rahmen einer gesetzlichen Regelung ist die Möglichkeit zum Ansatz des gemeinen Wer­ tes schon allein deshalb erforderlich, weil ansonsten keine Möglichkeit für eine von der Wertobergrenze abweichende Bewertung bestünde. Bestätigt wird der An­ satz des gemeinen Wertes in Fällen der beabsichtigten Veräußerung durch die Vor­ schrift des § 16 Abs. 3 S. 7 EStG, der im Falle der Betriebsaufgabe eine Bewer­ tung einzelner nicht veräußerter Wirtschaftsgüter, für die sich ein Wert nicht aus einer tatsächlichen Realisation ergibt, mit dem gemeinen Wert vorsieht.34 Der An­ satz des gemeinen Wertes als fiktiver Veräußerungswert entspricht also der Wer­ tung des geltenden EStG. Für den gemeinen Wert als kodifizierte Ausnahmerege­ lung spricht zudem, dass er dem Teilwert als (absatz-)marktabhängiger Einzelwert konzeptionell ähnlich ist und entwicklungsgeschichtlich ein Vorläufer des Teil­ werts ist.35

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30

Ausführlich zu dieser Argumentation oben: 4. Kapitel, B. II. 1. Vgl. Knobbe-Keuk, Bilanz- u. UnternehmenStR, 9. Aufl., S. 176, Jacob, Steuerbilanzen, S. 125; ders., Wpg 1970, 61 ff, 65; Wöhe, betriebsw. Steuerlehre I/2, S. 186. 31 Vgl. oben: 5. Kapitel, B. VIII. 5. 32 Die Wiederbeschaffungs- bzw. Wiederherstellungskosten stellen systembedingt die Ober­ grenze des Teilwerts dar, vgl. oben: 4. Kapitel, B. I. 33 Zur Bedeutung des gemeinen Werts als Teilwertvermutung oben: 4. Kapitel, B. II. 34 Nach Schmidt/Wacker, 28. Aufl. 2009, § 16, Rn. 277 ist der gemeine Wert aufgrund von § 16 Abs. 3 S. 7 EStG in weitergehendem Sinne als „spezifischer Wertmaßstab des § 16 zu ver­ stehen“. 35 Vgl. zum gemeinen Wert ausführlich oben: 5. Kapitel, B. VI.

266

6. Kap.: Resümee

Zur Anwendung müsste der gemeine Wert als Alternative zum Wiederbeschaf­ fungs- oder Wiederherstellungswert in den Fällen kommen, in denen der Steuer­ pflichtige die Entbehrlichkeit eines Wirtschaftsgutes36 oder einen aus anderen Gründen im Vergleich zum Wiederbeschaffungs- oder Wiederherstellungswert niedrigeren Wert nachweist. Während der Ansatz des gemeinen Wertes in Fäl­ len der Entbehrlichkeit wie erwähnt aufgrund von kaufmännischen Überlegungen sachgerecht ist,37 ist die zweite Alternative erforderlich, weil der Wiederbeschaf­ fungs- oder Wiederherstellungswert allein von der Wertentwicklung des jeweili­ gen Bewertungsgegenstandes am Markt abhängt, während der betriebsindividuelle Teilwert darüber hinaus auch von betrieblichen und marktunabhängigen Faktoren abhängen kann.38 An den Nachweis sollten – in Kontinuität zur bisherigen Rechtsprechung – die­ selben Anforderungen gestellt werden, die bislang an die Widerlegung einer Teil­ wertvermutung gestellt wurden.39 Durch den Ansatz des gemeinen Wertes in allen Fällen, in denen ein niedrigerer Wert nachgewiesen wird, wird die Teilwert­ ermittlung (zumeist zugunsten des Steuerpflichtigen) pauschaliert. Mit dieser Pau­ schalierung geht eine erstrebenswerte Vereinfachung der Teilwertermittlung ein­ her. Die im Einzelfall mit der Pauschalierung verbundenen anderen Wertansätze sind daher hinnehmbar. 6. Bewertung des derivativen Firmenwerts Besonderer Aufmerksamkeit bedürfen die Auswirkungen einer Veränderung des § 6 EStG auf die Bewertung des Firmenwertes. Unter Beibehaltung und Berück­ sichtigung der §§ 5 Abs. 2, 7 Abs. 1 S. 3 EStG, denen zufolge ein derivativer Fir­ menwert als abnutzbares immaterielles Wirtschaftsgut des Anlagevermögens mit einer gewöhnlichen Nutzungsdauer von 15 Jahren zu bewerten ist, während ein originärer Firmenwert nicht bilanziert werden darf, wird im Sinne der sog. Ein­ heitstheorie davon ausgegangen, dass sich der entgeltlich erworbene Firmenwert im Laufe der Zeit verflüchtigt und durch den selbst geschaffenen Firmenwert er­ setzt wird.40 Dadurch ergibt sich das Problem, dass für Wirtschaftsjahre, die dem Jahr der Anschaffung folgen, der Anteil des derivativen Firmenwerts im Vergleich zum originären Firmenwert nicht ermittelt werden kann.41

36



37

Vgl. zur Teilwertvermutung für den Fall der Entbehrlichkeit oben: 4. Kapitel, B. II. 3. Vgl. zu dieser Begründung oben: 4. Kapitel, B. I. 38 Vgl. insoweit oben: 5. Kapitel, B. VI sowie VIII. 3. und 5. 39 Vgl. oben: 4.  Kapitel, B. II. 4.: Die Unrichtigkeit einer Teilwertvermutung muss durch konkrete, nachprüfbare Tatsachen nachgewiesen oder glaubhaft gemacht werden. 40 Zur Einheitstheorie sowie zur Teilwertvermutung für den Firmenwert vgl. oben: 4. Kapi­ tel, B. II. 1. und 2. a). 41 Zur problematischen Ermittlung des derivativen Firmenwerts ausführlich oben: 4.  Ka­ pitel, B. II. 2. a). Vgl. Schmidt/Weber-Grellet, 23. Aufl. 2004, § 5, Rn. 230 ff.; Schmidt/Glan­ egger, 28. Aufl. 2009, § 6, Rn. 240 ff.

B. Schlussfolgerungen

267

Eine Vereinfachung der Teilwertregelung im Sinne einer Beschränkung der Teil­ wertabschreibung auf das Jahr der Anschaffung, wie sie seitens der Rechtspre­ chung für den Fall der Fehlmaßnahme befürwortet wird,42 erscheint aus Verein­ fachungsgründen sinnvoll. Jedoch geriete eine solche Regelung in Konflikt mit dem Leistungsfähigkeitprinzip (Art.  3 Abs.  1 GG), das insbesondere dann eine Teilwertabschreibung des Firmenwerts unverzichtbar macht, wenn dieser den we­ sentlichen Teil des Betriebsvermögens ausmacht. Zudem würde eine solche Be­ schränkung nicht berücksichtigen, dass eine Teilwertabschreibung des Firmen­ werts vielfach auf eine vom Erwerbszeitpunkt unabhängige Verschlechterung der wirtschaftlichen Entwicklung zurückzuführen ist. Die Regelung des § 6 Abs.  1 Nr.  2 EStG zur Bewertung abnutzbarer Wirtschaftsgüter des Anlagevemögens muss daher auch weiterhin vollständig für den Firmenwert gelten. Die Teilwert­ ermittlung bleibt damit in diesem Bereich Gegenstand einer vagen, an der Ertrags­ entwicklung des Unternehmens orientierten Schätzung, für die die anerkannten Kontrollrechnungen43 eine Hilfestellung bieten (müssen).

III. Ein Vorschlag für eine neue gesetzliche Regelung des Teilwerts Die zuvor genannten Erwartungen sollen in einem Vorschlag für die gesetzliche Neuregelung des Teilwerts zusammenfließen. Zugeschnitten ist der Vorschlag vor allem auf die Zwecke der ertragssteuerlichen Gewinnermittlung nach EStG und KStG. Da die Konzeption des Wertes nicht verändert wurde, bestehen aber keine Bedenken gegen die Übernahme in § 10 BewG. Der Vorschlag erfolgt unabhängig von einem konkreten Standort in einem der Gesetze; die Nummerierung der Sätze dient allein der Übersichtlichkeit. Eine Neuregelung des Teilwerts könnte wie folgt formuliert sein: (1) Teilwert ist der Betrag, den ein Erwerber des ganzen Betriebs im Rahmen des Gesamtkaufpreises für das einzelne Wirtschaftsgut ansetzen würde; dabei ist davon auszugehen, dass der Erwerber den Betrieb fortführt. (2) Der Teilwert entspricht in der Regel dem Wiederbeschaffungswert oder dem Wiederherstellungswert. (3) Der Wiederbeschaffungs- oder Wiederherstellungswert ermittelt sich nach den Kosten, die anfallen, um das einzelne Wirtschaftsgut in dem Zustand, in dem



42 Vgl. dazu oben: 4. Kapitel, B. II. 2. a) sowie BFH, U.v. 9.2.1977 – I R 130/74, BStBl II 1977, 412, 413. 43 Zu den Kontrollrechnungen für den Teilwert des Firmenwerts vgl. etwa Schmidt/Glanegger, 28. Aufl. 2009, § 6, Rn. 244; Moxter, Bilanzrechtsprechung, 6. Aufl., S. 301 f.; Weber-Grellet, Bilanzsteuerrecht, 10. Aufl., Rn. 330.

268

6. Kap.: Resümee

es sich am Bewertungsstichtag befindet, durch den Betrieb wiederzubeschaf­ fen oder wiederherzustellen. (4) Weist der Steuerpflichtige anhand konkreter, nachprüfbarer Tatsachen nach, dass das Wirtschaftsgut im Falle seines Fehlens mangels Notwendigkeit für die betrieblichen Abläufe nicht oder nicht so ersetzt würde (fehlende Betriebsnot­ wendigkeit), oder dass der Wert des Wirtschaftsguts unter den Wiederbeschaf­ fungs- oder Wiederherstellungswert gesunken ist, so entspricht der Teilwert dem gemeinen Wert (§ 9 BewG).

C. Kontrollüberlegungen Abschließend soll die vorgeschlagene gesetzliche Neufassung anhand einiger Kontrollüberlegungen überprüft werden.

I. Übereinstimmung mit der Teilwertidee Verfahrensrechtlich dient der Teilwert bei der Bewertung des Anlage- und Um­ laufvermögens als niedrigerer Vergleichswert zu den Anschaffungs- oder Herstel­ lungskosten. Zu diesem Zweck nimmt er alle außerplanmäßigen Wertminderungen auf, die sich für das konkrete Wirtschaftsgut in dem konkreten Unternehmen des Steuerpflichtigen ergeben. Darüber hinaus kommt ihm in bestimmten Fällen die Bedeutung eines Realisationswertes zu. Materiellrechtlich dient der Teilwert da­ mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip (Art. 3 Abs. 1 GG), indem er die individuellen Verhältnisse im Betrieb des Steuerpflichtigen und damit dessen subjektive Leis­ tungsfähigkeit berücksichtigt. Die Berücksichtigung der betriebsindividuellen Verhältnisse erfolgt nach der ursprünglichen Teilwertidee mittels der Fiktion, dass der Betrieb nach einer Ver­ äußerung fortbesteht und der Erwerber, der in die Position des Steuerpflichtigen tritt, jedes einzelne Wirtschaftsgut mit dem Wert ansetzt, der angesichts des Fort­ bestands nach betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten angemessen ist. Um diese Idee auch weiterhin als Grundlage des Teilwerts nachvollziehen zu können, bleibt die bekannte Definition des § 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG unverändert Bestandteil des Vorschlags (S. 1). Die Anknüpfung des Teilwerts an Wiederbeschaffungs- oder Wiederherstel­ lungswert und gemeinen Wert (S. 2) führt diese Idee fort, indem die Bewertungs­ entscheidung des fiktiven Erwerbers einerseits von der Frage nach Betriebsnotwen­ digkeit oder Entbehrlichkeit des Wirtschaftsguts für den Fortbestand des Betriebs abhängig gemacht wird (vgl. S. 4 Alt. 1). Mit dem Argument, dass ein fiktiver Er­ werber und Kaufmann für ein Wirtschaftsgut nicht mehr bezahlen würde, als ihm

C. Kontrollüberlegungen

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das Gut für seinen Betrieb44, bzw. im Hinblick auf die spätere Veräußerung45 wert ist, wird er entweder den Wiederbeschaffungs- oder Wiederherstellungswert oder den gemeinen Wert für angemessen erachten. Andererseits erlaubt die vorgeschla­ gene Gesetzesfassung die Berücksichtigung solcher wertbestimmender Umstände, die marktunabhängig und rein betrieblich bedingt sind, indem sie dem Steuer­ pflichtigen den Nachweis eines unter dem Wiederbeschaffungs- oder Wiederher­ stellungswert liegenden gemeinen Wertes unabhängig von der Frage der Betriebs­ notwendigkeit ermöglicht (S. 4 Alt. 2). In dieser Möglichkeit manifestiert sich der Unterschied zwischen dem Wiederbeschaffungs- oder Wiederherstellungswert als reinem Marktwert und dem Teilwert als betriebsindividuellem Wert.46

II. Übereinstimmung mit der bisherigen Rechtspraxis Bestätigung findet der oben unterbreitete Vorschlag in der langjährigen Recht­ sprechung der Finanzgerichte zum Teilwert. Wie der Überblick über die Teil­ wertgrenzen und -vermutungen gezeigt hat, ist der Wiederbeschaffungs- oder Wiederherstellungswert eines Wirtschaftsguts bereits jetzt von überragender Be­ deutung für die Teilwertermittlung im Rahmen der Bilanzierung und der Bewertung von Entnahmen und Einlagen. Dies zeigt sich daran, dass er einerseits die obere Teilwertgrenze und andererseits die zentrale Teilwertvermutung für viele Anwen­ dungsfälle des Teilwerts darstellt. Die dabei von der Rechtsprechung herangezo­ gene Definition47 wird zur Klarstellung Bestandteil des Gesetzes (vgl. S. 3 des Vor­ schlags). In Kombination mit dem gemeinen Wert, der als untere Teilwertgrenze die einzige sinnvolle Alternative zum Wiederbeschaffungs- oder Wiederherstel­ lungswert ist, wird ein erheblicher Anteil von Fällen, in denen ein anderer Teilwert als die tatsächlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten anzusetzen ist, erfasst.

III. Übereinstimmung mit den materiell- und verfahrensrechtlichen Anforderungen an die Wertermittlung Materiellrechtlich entspricht das vorgeschlagene Regel-Ausnahme-Verhältnis den für die Teilwertermittlung maßgeblichen Vorgaben. Wie die Untersuchung ge­ zeigt hat, ergeben sich Wiederbeschaffungs- bzw. Wiederherstellungswert und ge­ meiner Wert als Teilwertgrenzen aus der aus kaufmännischer Sicht beantworteten 44 BFH, B.v. 21.3.1995 – IV B 95/94, BFH/NV 1996, 211, 212; U.v. 7.2.2002 – IV R 87/99, BStBl II 2002, 294, 295; B.v. 12.8.1998 – IV B 4/98, BFH/NV 1999, 305; U.v. 26.6.2007 – IV R 71/04, BFH/NV 08, 347, 349. 45 Kleinle, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 6, Rn. 1007. 46 Vgl. ausführlich oben: 5. Kapitel, B. VIII. 3. und 5. 47 Vgl. zur Definition der Wiederbeschaffungs- oder Wiederherstellungskosten in der Recht­ sprechung oben: 5. Kapitel B. VIII. 2.

270

6. Kap.: Resümee

Frage, wie der fiktive Betriebserwerber in der Position des bisherigen Inhabers das konkrete Wirtschaftsgut oder die konkrete Verbindlichkeit bei Fortbestand des Betriebs bewerten würde.48 Bezüglich der Teilwertvermutungen wurde heraus­ gearbeitet, dass die hohe Bedeutung der Wiederbeschaffungs- oder Wiederherstel­ lungskosten konzeptionell und aus verfassungsrechtlichen Gründen gerechtfertigt ist.49 Die Bewertung mit dem gemeinen Wert im Fall der Entbehrlichkeit (fiktive Veräußerung) findet zudem in § 16 Abs. 3 S. 7 EStG, d. h. im Fall der Betriebsauf­ gabe, eine Bestätigung.50 Die Möglichkeit des Nachweises eines aus anderen, be­ trieblichen Gründen vom Wiederbeschaffungs- oder Wiederherstellungswert ab­ weichenden Wertes schließlich füllt die Lücke zwischen den marktabhängigen Werten und dem Teilwert. Verfahrensrechtlich ist das vorgeschlagene Regel-Ausnahme-Verhältnis das Er­ gebnis einer pauschalierten Schätzung. Denn die Legimation für die Kodifizierung gerade dieser Wertmaßstäbe ergibt sich nicht aus ihrer Eigenschaft als Teilwert­ grenzen, sondern aus der Vielzahl entschiedener Einzelfälle, in denen die auf einer Schätzung beruhende Ermittlung des Teilwerts zum Ansatz dieser Werte geführt hat. Damit stellt das Regel-Ausnahme-Verhältnis eine unmittelbare Fortführung der Teilwertvermutungen dar, die bisher ebenfalls auf die Schätzung als Methode zur Ermittlung des Teilwerts zurückgeführt wurden. Einen gesetzlichen Anknüp­ fungspunkt findet diese Methode der Teilwertermittlung in § 162 AO.51 Als legi­ timer Bestandteil des Steuerverfahrensrechts bestehen gegen die Beibehaltung der Schätzung als Wertermittlungsmethode keine Bedenken. Wie die Vermutungen kann auch das vorgeschlagene Regel-Ausnahme-Verhältnis sowohl den Teilwert im Sinne eines Korrekturwertes zu den AK/HK (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 2, Nr. 2 S. 2, Nr. 3 EStG) als auch den Teilwert im Sinne eines Realisationswertes (§ 6 Abs. 1 Nr.  4, 5, 6, 7 EStG) ausfüllen.52 Denn allein die Art der Systematisierung bzw. ihre Verankerung im Gesetz ändert nichts an der verfahrensrechtlichen Legitima­ tion der Wertermittlungsmethode. Auch gegen die gesetzliche Vermutung (S. 2) und die Zulässigkeit ihrer Wider­ legung durch den Nachweis eines anderen Wertes (S. 4) bestehen verfahrensrecht­ lich keine Bedenken. So erklärt etwa § 292 S. 1 ZPO vorbehaltlich anderer gesetz­ licher Vorschriften den Beweis des Gegenteils für zulässig, sofern ein Gesetz für das Vorhandensein einer Tatsache eine Vermutung aufstellt.

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49

Zu den Teilwertgrenzen ausführlich oben: 4. Kapitel, B. I. Zur Konzeption des Teilwerts vgl. oben: 3. Kapitel, A. VII. 1. Zur Verfassungsmäßigkeit der Wiederbeschaffungs-/Wiederherstellungskosten als Teilwertvermutung vgl. oben: 4. Kapi­ tel, B. III. und IV. sowie E. 50 Vgl. oben: 5. Kapitel, VI. und 6. Kapitel, B. II. 5. 51 Zur Teilwertermittlung als Schätzung nach § 162 AO auch: Kleinle, in: Herrmann/Heuer/ Raupach, § 6, Rn. 1005; Ehmcke, in: Blümich, § 6, Rn. 600; Werndl, in: Kirchhof/Söhn/Mel­ linghoff, § 6, Rn. B 357, Fn. 810. 52 Zu den Funktionen des Teilwerts als Korrekturwert und Realisationswert oben: 2. Kapitel, B. II. 2.

C. Kontrollüberlegungen

271

IV. Übereinstimmung mit der handelsrechtlichen Bewertung Angesichts der Tatsache, dass der Teilwert der Steuerbilanz  – vor dem Hin­ tergrund der unterschiedlichen Zwecke der Bilanzen selbst  – die gleiche mate­ riellrechtliche Funktion erfüllt wie der beizulegende Wert der Handelsbilanz,53 kann auch die vergleichbare Methode zur Bestimmung des handelsrechtlichen beizulegenden Werts54 als Argument für die Ermittlung des Teilwerts als Wie­ derbeschaffungs- bzw. Wiederherstellungswert oder gemeiner Wert herangezogen werden. Der beizulegende Stichtagswert wird gesetzlich nicht definiert und bedarf ebenso wie der Teilwert einer (teleologischen) Auslegung,55 die jedoch – mangels steuerrechtlicher Relevanz – nicht primär anhand des Leistungsfähigkeitsprinzips des Art. 3 Abs. 1 GG vorzunehmen ist. Dennoch liegt seiner Ermittlung als Maß­ stab für die Bewertung des Anlage- und Umlaufvermögens dieselbe kaufmänni­ sche Überlegung zugrunde wie dem Teilwert: Anlagegüter (z. B. Maschinen) und Vorräte (z. B. an Rohstoffen), die für den reibungslosen Produktionsablauf not­ wendig sind und jederzeit verfügbar sein müssen, sind nach den Verhältnissen am Beschaffungsmarkt mit dem Wiederbeschaffungs- oder Wiederherstellungs­ wert zu bewerten.56 Für nicht notwendige Wirtschaftsgüter, etwa nicht benötigte Maschinen oder Überbestände an Rostoffen, ist hingegen der Wert am Absatz­ markt, also der Veräußerungswert, der i. d. R. dem gemeinen Wert entspricht, von Bedeutung.57 Damit bestätigt die handelsrechtliche Wertermittlung den oben vorgestellten Vorschlag für eine Erneuerung der gesetzlichen Teilwertregelung. Dies gilt umso mehr, als die Bewertungsvorschriften des HGB durch das Bilanzrechtsmoderni­ sierungsgesetz vom 25.5.200958 gerade im Bereich der Berücksichtigung unplan­ mäßiger Wertminderungen denjenigen des EStG angeglichen wurden und darin der gesetzgeberische Wille zum Ausdruck kommt, sich die bereits den ent­sprechenden Teilwertvermutungen zugrunde liegende Argumentation zueigen zu machen.59

53 Vgl. zu Anwendungsbereich und Funktion des niedrigeren beizulegenden Werts oben: 5. Kapitel, B. VII. 1. 54 Vgl. dazu oben: 5. Kapitel, B. VII. 2. 55 Buchholz, Grundzüge des Jahresabschlusses, 5. Aufl., S. 89. 56 Vgl. oben: 5. Kapitel, B. VII. 2. a) und b) sowie Buchholz, Grundzüge des Jahresabschlus­ ses, 5. Aufl., S. 89, 91. 57 Vgl. oben: 5. Kapitel, B. VII. 2. b) und c) sowie Buchholz, Grundzüge des Jahresabschlus­ ses, 5. Aufl., S. 89, 91. 58 BGBl I 2009, 1102 ff. 59 Vgl. zu den Änderungen des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes oben: 4. Kapitel, C. V.

272

6. Kap.: Resümee

V. Übereinstimmungen mit ausländischen und internationalen Bewertungsvorschriften Wenn auch die Ertragsbesteuerung nach wie vor Sache der nationalen Gesetz­ geber ist, so bestätigen doch vergleichbare Regelungen in den Bewertungsvor­ schriften ausländischer und international geltender Bilanzierungsregeln die Sach­ gerechtigkeit der Lösung. So verdeutlicht ein Vergleich der handelsrechtlichen und steuerrechtlichen Ab­ schreibungsregeln aller untersuchten Rechtsordnungen, dass eine sinnvolle Be­ wertung zu bilanziellen Zwecken nur mittels (absatz- oder beschaffungs-)markt­ abhängiger Einzelwerte möglich ist.60 In Österreich wird der Teilwert aktiver Wirtschaftsgüter des Anlage- und des Umlaufvermögens ebenso wie in in Deutschland je nachdem, ob das Wirtschafts­ gut betriebsnotwendig oder entbehrlich ist, mit dem Wiederbeschaffungs- oder Wiederherstellungswert oder dem gemeinen Wert gleich gesetzt.61 Die polnische Regelung zur außerplanmäßigen Abschreibung auf das Anlage­ vermögen (Art.  28 Abs.  7 RLG-Pl), die drei Bewertungsmaßstäbe definiert, auf die die Abschreibung vorgenommen werden kann, belegt darüber hinaus, dass eine gesetzliche Regelung alternativ anwendbarer Wertmaßstäbe möglich und sinnvoll ist. Allerdings hat der polnische Gesetzgeber das Bewertungskonzept anders aus­ gestaltet, sodass weitergehende Schlussfolgerungen für den genannten Vorschlag nicht gezogen werden können.62 Parallelen zu der vorgeschlagenen Neuregelung finden sich auch in den Vor­ schriften der IFRS.  So ist etwa der Nettoveräußerungspreis für die Bewertung sowohl des Anlage- als auch des Umlaufvermögens im Falle außerplanmäßiger Wertminderungen von wesentlicher Bedeutung.63 Auch die Methode, die Auswahl zwischen zwei alternativen Bewertungsmaßstäben von der Frage der Betriebsnot­ wendigkeit des bewerteten Wirtschaftsguts abhängig zu machen, findet sich etwa in der Bewertungsregel für außerplanmäßige Abschreibungen im An­lagevermögen (IAS 36.6 und 36.18) wieder.64 60 Marktabhängige Einzelwerte sind nach außerplanmäßigen Abschreibungen etwa anzuset­ zen gem. Art. 28 Abs. 7 RLG-Pl (Nettoveräußerungswert, beizulegender Zeitwert, Nutzungs­ wert). 61 Vgl. oben: 5. Kapitel, B. V. 1. sowie Doralt/Ruppe, österr. Steuerrecht, 9. Aufl., Rn. 339. 62 Ausführlich zur Bilanzierung nach dem polnischen Rechnungslegungsgesetz oben: 5. Ka­ pitel, B. V. 5. 63 Die Bewertung des Anlagevermögens erfolgt im Falle einer außerplanmäßigen Wert­ minderung mit dem erzielbaren Betrag (IAS 36.1), d. h. dem höheren der beiden Beträge aus beizulegendem Zeitwert abzüglich der Verkaufskosten und Nutzungswert (IAS 36.6, 36.18), ­wobei ersterer dem Einzelveräußerungspreis entspricht [vgl. dazu oben: 5. Kapitel, B. IV. 2. a)]; die Bewertung des Umlaufvermögens erfolgt gem. IAS 2.9 mit dem niedrigeren Wert aus AK/ HK und Nettoveräußerungsvermögen [vgl. dazu oben: 5. Kapitel, B. IV. 3. a)]. 64 Ausführlich dazu oben: 5. Kapitel, B. IV. 2. a).

C. Kontrollüberlegungen

273

VI. Fortführung der Entwicklungsgeschichte des Teilwerts Die Entwicklung des Teilwerts vom Urteil des ROHG aus dem Jahr 1873 bis zur gesetzlichen Definition aus dem Jahr 1934 beruhte wie dargelegt auf einem ständi­ gen Wechselspiel zwischen Rechtsprechung und Gesetzgebung.65 So führte etwa die Rechtsprechung des Preußischen Oberverwaltungsgerichts zur Gewinnermitt­ lung nach den Vorschriften des Preußischen Einkommensteuergesetzes von 1891 dazu, dass sich der Betriebsvermögensvergleich als Gewinnermittlungsmethode im Steuerrecht auch auf gesetzlicher Ebene in Form des § 13 EStG 1906 durch­ setzen konnte.66 Einige Zeit später übernahm der Gesetzgeber die von der Recht­ sprechung des RFH entwickelte Repartitionsmethode in die gesetzliche Definition des Teilwerts.67 Vor diesem Hintergrund ist es nur folgerichtig, Veränderungen an der gesetz­ lichen Regelung des Teilwerts auf Grundlage der gefestigten Rechtsprechung des BFH vorzunehmen. Der Vorteil dieser Methode besteht darin, dass eine erwiese­ nermaßen praxistaugliche Regelung gesetzlich verankert wird. Hinzu kommt, dass die Rechtssicherheit, die schon bisher aufgrund der langjährigen Rechtsprechung bestand, durch deren Übernahme ins Gesetz nochmals erhöht wird.



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Zur Entwicklungsgeschichte des Teilwerts ausführlich oben: 3. Kapitel, A. Zu diesem Zusammenhang vgl. oben: 3. Kapitel, A. V. 3. 67 Vgl. dazu oben: 3. Kapitel, A. V. 6. b) sowie 3. Kapitel, B. II. 3.

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Personen- und Sachregister Absetzungen für Abnutzung und Substanz­ verringerung (AfA)  46, 146 –– Abgrenzung zum Teilwert  46 –– Funktion  47 –– Vorrang der AfA  50 Aktienrechtsnovelle  56 Albach, Horst  131 Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch (ADHGB)  55 Anlagevermögen  36, 144 –– abnutzbar  146 –– nicht abnutzbar  145 Anschaffungskosten  34, 144, 146, 207 –– finaler Anschaffungskostenbegriff  34 Barwert  152, 159 Bedrijfswaarde  221 Betriebsindividualität der Bewertung  72, 105, 106, 136, 162, 164, 193, 236, 249, 250, 268 Betriebsnotwendigkeit  78, 98, 101, 141, 144, 145, 159, 195, 241, 251, 252, 260, 264, 268 Bewertung in der Bilanz  33 Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz von 2009  31, 172, 189, 191, 271 Bilanzrichtlinien-Gesetz von 1985  165 Bilanzsteuerrecht  23 –– äußeres und inneres System  175 –– Bilanz im Rechtssinn  24 –– Jahresabschluss nach HGB  25 –– Steuerbilanz  27 –– gesetzliche Grundlagen  30 –– subjektiver Anwendungsbereich  31 –– Teilwert als notwendiger Bestandteil  105 –– Verhältnis zum betrieblichen Rechnungs­ wesen  23 Breidert, Ulrike  125 Bundesfinanzhof  29, 34, 125, 128, 141, 143, 178, 190 doppelte Buchführung  25, 262 Doralt, Werner  132, 200

Einheitstheorie  147 Einzelbewertungsgrundsatz  44, 102, 111, 124, 195, 197 Entbehrlichkeit  142, 153, 159, 266, 268 Erbschaftsteuerreformgesetz von 2008  169 Ernst & Young  254 Ertragsbesteuerung  21, 198 –– Steuerobjekt  22 –– Steuersubjekt  21 Ertragswert  76, 122 –– Berücksichtigung der Ertragserwartungen  76, 194, 196, 197 –– Kritik  122, 130 –– Unterscheidung von Rentabilität  127 Ertragswertorientierte Einzelbewertung  125 Fehlmaßnahme  155 Firmenwert  75, 108, 124, 127, 146, 147, 166, 207, 266 –– Abgrenzung zum Geschäftswert  74 Fortbestandswert  70, 74, 98, 100, 120, 260 –– Definition  66 –– Teilwert als ~  112 Fortbestand und Fortführung –– Endgültige Unterscheidung  103 –– Vorläufige Unterscheidung  67 Fuisting, Bernhard  84 funktionales Teilwertverständnis  134, 137 –– Teilwert als Verlustantizipationsmaßstab  137 Gang der Untersuchung  19 gemeiner Wert  170, 235, 265 gemeinsame konsolidierte KörperschaftsteuerBemessungsgrundlage (GKKB)  201 Gesamtkaufpreis  110, 118, 199, 255 Geschäftswert siehe Firmenwert Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung und Bilanzierung (GoB)  30, 37, 166, 172, 184, siehe auch  Maßgeblichkeit handels­ rechtlicher GoB

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Personen- und Sachregister

Hegel, Georg Wilhelm Friedrich  261 Heigl  131 Herstellungskosten  34, 144, 146 Höchstwertprinzip  40, 152 Imparitätsprinzip  46, 138, 185, 189, 191 International Financial Reporting Standards (IFRS)  204, 272 –– Bewertung des Anlagevermögens  206 –– Bewertung finanzieller Verbindlichkeiten  216 –– Bewertung von Forderungen aus Liefe­ rungen und Leistungen  213 –– Bewertung von Vorräten und selbst herge­ stellten Erzeugnissen  211 Kontrollüberlegungen zum Gesetzesvorschlag  268 Kosiol, Erich  131 Kostenrechnung  28 –– Verhältnis zur Bilanz  28, 29 Maßgeblichkeit handelsrechtlicher GoB  30, 166, 184 –– Änderungen durch das BilMoG  172 Moxter, Adolf  134, 137 Nationalsozialismus  113 Nennwert  150, 152, 159 Niederstwertprinzip  56, 186, 211 niedrigerer beizulegender Wert (§ 253 HGB)  136, 139, 237, 271 –– Anwendungsbereich und Bestimmbarkeit  239 –– Entwicklungsgeschichte  243 –– Funktionen im Vergleich zum Teilwert  237 –– Vergleich zum Teilwert  246 objektivierte Werte  66, 109, 117 Preußisches Allgemeines Landrecht (ALR)  54 Preußisches Einkommensteuergesetz von 1891  81, 228 Preußisches Oberverwaltungsgericht  82, 98 Realisationsprinzip  138, 185 Reichsabgabenordnung von 1919  87

Reichsbewertungsgesetz von 1925  91 Reichseinkommensteuergesetz von 1920  90 Reichseinkommensteuergesetz von 1925  92 –– Kommentierungen  93 Reichseinkommensteuergesetz von 1934  107 Reichsfinanzhof  94, 98, 190 –– Differenzmethode  96, 260 –– Verwendung des „Teilwerts“  94 –– Zurechnungs- oder Repartitionsmethode  97, 260 Reichsgericht  75, 98, 101, 260 Reichsoberhandelsgericht  58, 100 –– Auslegung des „beizulegenden Wertes“  63 –– Urteil vom 3.12.1873  58, 259 Rentabilität  156 –– Bedeutung für den Teilwert  127, 130 retrograde Wertermittlung  157 Simon, Herman Veit  68 –– Bewertungsonzept  71 –– individueller Wert  72 Smith, Adam  187 Staub, Hermann  73, 101 Steuerbilanz  27 –– Verhältnis zur Handelsbilanz  27, 172 –– Zwecke  27, 206 Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 von 1999  167, 185 Steuerreformkommission von 1971  18, 163, 174, 198 Substanzwert  122, 196 tax canons  187, 190 Teilwert –– Abgrenzung zur Drohverlustrückstellung  50 –– als Korrekturwert  36, 37, 252 –– als Realisationswert  36, 41, 252 –– Alternativen –– aus ausländischen Rechtsordnungen  221 –– Italien  224 –– Niederlande  221 –– Österreich  221 –– Polen  228, 234, 272 –– Spanien  223 –– Ungarn  227 –– USA  231

Personen- und Sachregister –– –– –– –– –– ––

aus den IFRS  204 aus der Betriebswirtschaftslehre  199 Betriebswert  254, 256 Einnahmenüberschussrechnung  203 gemeiner Wert  235 niedrigerer beizulegender Wert (§ 253 HGB)  164, 237 –– Verlustausgleich  164, 198 –– Wiederbeschaffungs- und Wiederher­ stellungswert  248 –– Anwendungsbereich  32, 36 –– Bewertung aktiver Wirtschaftsgüter  36 –– Bewertung von Verbindlichkeiten  39 –– Definition  106, 107 –– im EStG 1934  107 –– Tatbestandsmerkmale  109 –– Entwicklungsgeschichte  54, 113, 259, 273 –– Funktionen  44, 259 –– Abgrenzung privater und betrieblicher Sphäre  45 –– Abgrenzung zur AfA  46 –– Durchsetzung des Imparitätsprinzips  45 –– Durchsetzung des Leistungsfähigkeits­ prinzips  44, 106 –– Herkunft des Begriffes  98 –– praktische Bestimmung  102, 141 –– theoretische Konzeption  100, 140, 171, 235, 250, 260 Teilwertfiktionen  116, 260 –– Fiktion der Bildung und Aufteilung des Gesamtkaufpreises  118 –– Fiktion der Fortführung des Betriebs  120 –– Fiktion des Gesamtbetriebserwerbs  117 –– Kritik  121 Teilwertgrenzen  142, 158, 179 Teilwertvermutungen  141, 143, 159, 180 –– betriebsnotwendige Wirtschaftsgüter  145 –– entbehrliche Wirtschaftsgüter  153 –– Erschütterung  154, 160 –– zum Zeitpunkt der Anschaffung/Herstel­ lung  144 –– Kritik  161

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Teilwertzwang  37 Transparenzprinzip  22 True and fair view-Grundsatz  165, 173, 191, 220, 233 Umlaufvermögen  36, 144, 149 Unterscheidung von Fortbestand und Fort­ führung  67 verfassungsrechtliche Vorgaben  176, 189, 191 –– Bestimmtheitsgrundsatz  177 –– Gleichmäßigkeit der Besteuerung  181 –– Leistungsfähigkeitsprinzip  181, 195, 253 –– Verhältnismäßigkeitsgrundsatz  180 Verkehrswert siehe gemeiner Wert –– Bedeutung für Teilwertentwicklung  63, 68, 101 Verlustantizipation  134 siehe auch  funktio­ nales Teilwertverständnis Verlustausgleich  164 Vierte EG-Bilanzrichtlinie  200 voraussichtlich dauernde Wertminderung  167 Vorschlag für eine Gesetzesänderung  261, 267 –– Erforderlichkeit  261 –– Voraussetzungen  262 Vorsichtsprinzip  185, 191, 233 Wall, Fritz  133 Weber-Grellet, Heinrich  38, 135 Wiederbeschaffungs- und Wiederherstel­ lungswert  135, 147, 149, 159, 162, 248, 264 –– Definitionen  249, 250 Wiederbeschaffungswert  95, 98, 102, 123 –– Abgrenzung zum Wiederherstellungswert  248 Wirtschafts- und finanzwissenschaftliche Prinzipien  186 Zirkelschluss der Teilwertdefinition  17, 76, 111, 124, 209