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German Pages 388 Year 1995
Der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft 1920-1995
Winfried Schulze
Der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft 1920-1995 Unter Mitarbeit von Sven Bergmann und Gerd Helm
Akademie Verlag
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Schulze, Winfried: Der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft 1920-1995 / Winfried Schulze. Unter Mitarb. von Sven Bergmann und Gerd Helm. - Berlin: Akad. Verl., 1995 ISBN 3 - 0 5 - 0 0 2 9 0 0 - 5
© Akademie Verlag GmbH, Berlin 1995 Der Akademie Verlag ist ein Unternehmen der VCH-Verlagsgruppe. Gedruckt auf chlorfrei gebleichtem Papier. Das eingesetzte Papier entspricht der amerikanischen Norm ANSI Z. 39.48 - 1984 bzw. der europäischen Norm ISO TC 46. Alle Rechte, insbesondere die der Übersetzung in andere Sprachen, vorbehalten. Kein Teil dieses Buches darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form - durch Photokopie, Mikroverfilmung oder irgendein anderes Verfahren - reproduziert oder in eine von Maschinen, insbesondere von Datenverarbeitungsmaschinen, verwendbare Sprache übertragen oder übersetzt werden. Satz: Konzepta Agentur und Werbemittel GmbH, Prenzlau Druck: GAM Media GmbH, Berlin Bindung: Verlagsbuchbinderei D. Mikolai, Berlin Einbandgestaltung: Günter Schorcht, Berlin Printed in the Federal Republic of Germany
Inhalt
Vorbemerkung
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Einleitung
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1. Der Stifterverband 1920-1995: Perspektiven, Brüche, Kontinuitäten 2. Der Stifterverband als Gegenstand der Geschichtsschreibung 3. Die Quellengrundlage der Untersuchung
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I. Der alte Stifterverband 1920-1945 1. Wissenschaft und Industriegesellschaft in Deutschland a) Die , Jubiläumsstiftung der deutschen Industrie zur Förderung der technischen Wissenschaften" von 1900 b) Die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften c) Das deutsche „Rückstandssyndrom"
30 37 40 43
2. Der Zusammenbruch, die frühe Weimarer Republik und die Wissenschaft
44
3. Die Gründung des Stifterverbandes und die Interessen der Gründer
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4. Erste Aktivitäten des Stifterverbandes für die Notgemeinschaft
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5. Das Verhältnis zur Helmholtz-Gesellschaft
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6. Die Schwächung des Stifterverbandes nach der Machtergreifung und die „Förderergemeinschaft der deutschen Industrie"
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II. Der Stifterverband nach dem Zweiten Weltkrieg 1. Die lange Gründungsgeschichte a) Ein erster Überblick b) Die Vorgeschichte der Gründung seit 1948 c) Die Leibniz-Stiftung für Kunst und Wissenschaft d) Die Konstellationen der Neugründung 1949 e) Die Rollen von Richard Merton und Herbert Studders bei der Gründung des Stifterverbandes f) Die Gründung der Notgemeinschaft g) Die Gründergeneration des Stifterverbandes h) Der Beginn der Verbandsarbeit
96 96 104 108 111 112 122 139 141
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Inhalt
2. Die steuerliche Behandlung des Stifterverbandes 3. Institutionelle Konkurrenzen a) Kontakte zu den Gewerkschaften? b) Spitzenverbände der Wirtschaft c) Das Verhältnis zur Notgemeinschaft/DFG d) Eine „societas leonina"? Das Verhältnis zur Max-Planck-Gesellschaft e) Beziehungen zu den Trägern der angewandten Forschung f) Die Fraunhofer-Gesellschaft und der Stifterverband (1949-1953) g) DAAD, Alexander von Humboldt-Stiftung und Studienstiftung
146 152 152 153 158 160 168 170 210
4. Binnensicht I: Die Ära Nord 1950-1965: Der Aufbau a) Die Struktur des Stifterverbandes zwischen Akquisition und Vergabe b) Die frühe Ausgabenpolitik c) Der Gesprächskreis „Wirtschaft und Wissenschaft" (1957)
211 211 220 224
5. Zwischen Wirtschaftsboom und „Bildungskatastrophe"
231
6. Binnensicht II: Die Ära Risler 1965-1978: Herausforderungen und Anstöße a) Die Dezentralisierung seit 1963 b) Die Verwaltung von Stiftungen als neue Aufgabe c) Wandlungen im Verhältnis von Wirtschaft und Wissenschaft d) Neues Vergabeprofil e) Verstimmung bei den Gönnern f) Die Entstehung des Wissenschaftszentrums in Bonn g) Professionalisierung der Hauptverwaltung h) Die Arbeitsgemeinschaft Außeruniversitärer Historischer Forschungseinrichtungen (AHF) und das Historische Kolleg in München
237 239 242 247 251 256 260 263
7. Binnensicht III: Die Ära Niemeyer ab 1979 a) Konsolidierung des Spendenaufkommens b) Leistung und Konkurrenz in der Hochschullandschaft c) Private Hochschulen und Stiftungsprofessuren d) Stiftungsinitiativen
273 273 279 286 290
264
III. Bilanz und Ausblick 1. Der Stifterverband und die deutsche Wissenschaft 1920-1995 2. Problemlagen des Stifterverbandes 3. Der Stifterverband vor den Herausforderungen der 90er Jahre: Wiedervereinigung, Europäische Einigung und Effizienz der Wissenschaft
294 302 305
Anhang 1. Abkürzungsverzeichnis 2. Chronologie zur Geschichte des Stifterverbandes für die „Deutsche Wissenschaft" und wichtiger Wissenschaftsinstitutionen (1920-1995) 3. Finanzielle Leistungen des Stifterverbandes
311 313 316
Inhalt
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4. Dokumente 319 1. Friedrich Schmidt-Ott an Carl Duisberg (15. Februar 1921) 319 2. Protokoll der Hauptversammlung des Stifterverbandes der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft E.V. am 18. März 1922 (Auszug) 322 3. Bericht über die Gründungssitzung der Förderergemeinschaft der deutschen Industrie am 18. November 1942 326 4. Aufruf zur Gründung der Leibniz-Stiftung (1946) 330 5. Geheimrat Cuntz an Richard Merton (12. Juni 1948) 332 6. Entwurf Dr. Studders' für den Verlauf der Sitzung des „Merton-Kreises" in Schönberg/Ts. (1948) 334 7. Brief Hans-Helmut Kuhnkes über die Haltung der Stahlindustrie zur Gründung und Aufgabe eines Stifterverbandes der Deutschen Wissenschaft (24. März 1949) . . 335 8. Aufruf des BDI-Präsidenten Fritz Berg zur Unterstützung des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft (4. Februar 1950) 337 9. Entschließungen des Gesprächskreises „Wirtschaft und Wissenschaft" ( 1 9 5 8 - 1961) 340 5. Literatur- und Quellenverzeichnis 347 a) Benutzte Archive 347 b) Materialien des Stifterverbandes 347 c) Literatur 349 6. Personenregister 369 7. Abbildungen 375
Vorbemerkung
Gegen Ende des Jahres 1993 trat der Generalsekretär des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft mit der Bitte an mich heran, zum 75. Jahrestag der Gründung des Verbandes am 14. Dezember 1995 eine wissenschaftliche Darstellung der Geschichte des Verbandes zu verfassen. Angesichts der Tatsache, daß dies bislang noch nicht versucht wurde und lediglich Selbstdarstellungen des Verbandes oder bestenfalls wissenschaftliche Arbeiten vorliegen, die eher am Rande auf die Verbandsgeschichte oder auf schmale Segmente dieser Geschichte eingehen, schien mir dies eine reizvolle Aufgabe zu sein, obwohl die Geschichte eines Verbandes im 20. Jahrhundert auf den ersten Blick eine wenig aufregende Angelegenheit zu sein scheint. Die Geschichte des Stifterverbandes erwies sich aber je länger je mehr als aufschlußreicher Einblick in die Geschichte der staatlichen und privaten Wissenschaftsförderung dieses Jahrhunderts. Sie machte neben der Untersuchung der Geschichte des Stifterverbandes im engeren Sinne notwendigerweise einen Blick auf die breite Parallelentwicklung von staatlicher Finanzierung, wissenschaftlichem Fortschritt und Wirtschaftsinteressen erforderlich, und insofern ist die Geschichte des Stifterverbandes nicht von der parallelen Entwicklung des Dreiecksverhältnisses von Staat, Wirtschaft und Wissenschaft zu trennen, jenen Faktoren der Geschichte des 20. Jahrhunderts, die den Gang der Dinge vor allem bestimmen. Wer sich auf das Feld der Wissenschaftsgeschichte begibt, kann nicht umhin, über die Stellung dieses Arbeitsgebietes in der allgemeinen Geschichtswissenschaft nachzudenken, die in den letzten Jahrzehnten bekanntlich eine enorme Erweiterung ihres Themenspektrums erfahren hat. Am ehesten läßt sich diese andauernde Erweiterung als eine anthropologische Neuorientierung bezeichnen. Sie hat damit vorrangig die langfristige Veränderung der Lebensverhältnisse, die Wahrnehmung der Welt und biologische Konstanten menschlicher Existenz in ihrem Wandel thematisiert, dabei ist die individuelle und kulturell vermittelte Erfahrung dieser Prozesse in den Vordergrund des Interesses getreten. Demgegenüber hat sie sich bislang - trotz bemerkenswerter Ausnahmen - relativ wenig der allgemeinen Wissenschaftsgeschichte zugewandt. Da diese Richtung des Fragens bislang im Themenspektrum der allgemeinen Geschichtswissenschaft noch nicht hinreichend tief verankert ist und die z. T. hochspezialisierten speziellen Wissenschaftsgeschichten immer noch eine Randstellung gegenüber dem Fach einnehmen, habe ich die Aufgabe einer Geschichte des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft auch als willkommene Möglichkeit verstanden, Fragen der historischen Entwicklung von Wissenschaftsorganisationen zu einem selbstverständlicheren Thema der allgemeinen historischen Arbeit zu machen. Die Aufgabe, die Geschichte des Verbandes der letzten 75 Jahre zu beschreiben,
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Vorbemerkung
konnte natürlich nicht in gleichbleibender Dichte und Breite erfüllt werden. Zum einen liegt dies darin begründet, daß für die letzten 30 Jahre im allgemeinen noch keine Quellen zu erwarten waren, die über die normalen Akten wie Vorstandsprotokolle und interne Papiere hinausgehen, in ihrer Aussagekraft also normalerweise begrenzt sind. Da Geschichtsschreibung letztlich auch Distanz zum Gegenstand voraussetzt, schien es mir zum anderen angemessen, das Tun und Lassen der noch lebenden Akteure zurückhaltender zu kommentieren, als dies in einer historischen Perspektive vielleicht wünschenswert wäre. Umso größeres Gewicht konnte deshalb den drei Gründungsphasen 1920,1942 und 1948/49 und den konstitutiven 50er Jahren beigemessen werden. Die Arbeit hat vielfach von der hilfreichen Unterstützung der Mitarbeiter des Stifterverbandes profitiert, die immer wieder wichtiges Material bereitgestellt, nützliche Hinweise gegeben und mit mir diskutiert haben. Dr. Horst Niemeyer, Dr. Hans-Henning Pistor, Werner Stegemann und vor allem Dr. Heinz-Rudi Spiegel, der auch eine erste Durchsicht der relevanten Merseburger Archivbestände für mich unternahm, (alle in Essen) bin ich dafür besonders dankbar. Mein herzlicher Dank gilt auch Thorwald Risler, dem ehemaligen Generalsekretär des Stifterverbandes, für seine Bereitschaft zu einem längeren Arbeitsgespräch. Die Arbeit wäre neben den Belastungen meines Wechsels auf einen Lehrstuhl der LMU München im Jahr 1993, der normalen Arbeit an der Hochschule und in mancherlei wissenschaftspolitischen Gremien unmöglich zu schreiben gewesen, wenn nicht die engagierte und kenntnisreiche Mitarbeit von Sven Bergmann (Bochum) gewesen wäre. Er bereitete die Material- und Literatursammlung vor, besuchte einzelne Archive, unterzog v. a. die Altregistratur des Stifterverbandes in Essen einer gründlichen Durchsicht und brachte die Ergebnisse seiner Arbeit so zu Papier, daß sie als Grundlage für eine Darstellung der Aktivitäten des Stifterverbandes seit den 50er Jahren dienen konnten. Daneben habe ich besonders meinem Münchener Mitarbeiter Gerd Helm zu danken, der die Materialsuche in den Münchener Archiven unterstützte und eine erste Skizze der Geschichte der Beziehungen zur Fraunhofer-Gesellschaft erarbeitete. Auch anderen Mitarbeitern am Lehrstuhl (Claudia Brosseder, Anke van Kempen, Thomas Ott, Karl Sattler M. A., Elke Seifarth, Dr. Reinhard Stauber) danke ich für manche wertvolle Hilfe. Die Veröffentlichung der Arbeit gibt mir und den genannten Helfern auch die willkommene Möglichkeit, den Mitarbeitern der besuchten und angeschriebenen Archive, die ich hier nicht alle nennen kann, sehr herzlich für ihre kompetente Beratung, Auskünfte und teilweise Mithilfe zu danken, die manchmal über das Maß hinausging, das man erwarten darf. Der Deutschen Forschungsgemeinschaft bin ich für die Bereitstellung von Kopien aus ihren frühen Akten verbunden. Mein Münchener Kollege Reinhard Spree bot mir die dankbar akzeptierte Möglichkeit, erste Ergebnisse der Arbeit im Kreis seines Doktorandenkolloquiums vortragen zu können, dessen Mitglieder mir eine Reihe wichtiger Hinweise geben konnten. Die Nähe zu meinem Kollegen Gerhard A. Ritter, der im Kapitel über die Gründung des Historischen Kollegs selbst Gegenstand dieses Buches ist, war mir eine ständige Ermutigung, mich intensiver in die moderne Wissenschaftsgeschichte einzuarbeiten. Seine persönlichen Akten zur Gründung des Historischen Kollegs erleichterten mir die Arbeit zu diesem Punkt ebenso wie die kriti-
Vorbemerkung
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sehen Hinweise von Rudolf Vierhaus (Göttingen), der ebenfalls an den Vorbereitungen beteiligt war. Rüdiger vom Bruch, Bernhard vom Brocke und Reinhard Rürup bin ich für kundige Hinweise zu Dank verpflichtet. Vielen Studenten und Kollegen danke ich herzlich für einzelne Hinweise, kluge Antworten auf meine Fragen und die Bereitschaft, mir zuzuhören. Meinen Kollegen am Institut für Neuere Geschichte und dem Bayerischen Staatsministerium für Unterricht, Kultur, Wissenschaft und Kunst habe ich schließlich für die Befürwortung und Gewährung eines außerplanmäßigen Forschungssemesters zu danken, das sich in der letzten Phase der Arbeit als notwendig erwies. Der Stifterverband hat es sich zur Regel gemacht, seine Unterstützung ohne jede Auflagen inhaltlicher Art zu gewähren. Ich habe von diesem Prinzip profitieren können: Er hat auch diese Untersuchung in jeder Weise gefördert, aber niemals ernsthaft Einfluß auf Inhalt und Form meiner Darstellung zu nehmen versucht. München, im Juni 1995
Winfried Schulze
Einleitung
1. Der Stifterverband 1920-1995: Perspektiven, Brüche, Kontinuitäten Der Name „Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft" lädt unbestreitbar zu Mißverständnissen ein. Viele mögen dahinter zunächst einen Interessenverband im klassischen Sinne vermuten, der sich um die Interessen von Stiftern und Stiftungen in der Öffentlichkeit und im politischen Umfeld kümmert. Auch wenn solche Fragen für den Stifterverband aus naheliegenden Gründen immer wichtig waren und zunehmend wichtiger werden, so war er doch nie ein Interessenverband in diesem engen Sinne des Wortes. Seine doppelte Aufgabe hat er seit seiner Gründung vielmehr darin gesehen, zum einen mit Mitteln der Wirtschaft der Wissenschaft zu helfen, um damit einen Beitrag zur Erhaltung bzw. zur Verbesserung der Bedingungen wissenschaftlicher Arbeit in Deutschland zu leisten, die als Voraussetzung für den Erfolg der Industrie im Konkurrenzkampf mit anderen nationalen Industrien gesehen wurde. Zum andern hat er dies getan, um der Wirtschaft unmittelbaren Einfluß auf die Entwicklung der Wissenschaft und ihrer politischen Rahmenbedingungen zu sichern. So belegt die Existenz des Verbandes selber die enge Verbindung von Wirtschaft, Wissenschaft und staatlicher Ordnung in der deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts und berührt damit vielfach deren zentrale Themen.
„ Wissen(schaft) ist Macht" Wenn man vom „Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft" spricht, so wird zugleich deutlich, daß es dem Verband nicht um die Unterstützung wissenschaftlichen Fortschritts schlechthin und in einem allgemeinen Sinn geht, sondern um die spezifische Förderung einer nationalen Wissenschaft als Grundlage einer nationalen Wirtschaft. Damit berührt diese Untersuchung ein zentrales Problem der neuzeitlichen Entwicklung von Wissenschaft. Als 1893 Rudolf Virchow in seiner Berliner Rektoratsrede das damals erreichte Zusammenspiel von „scientia" und „potentia", von Wissenschaft und Macht, feierte,' griff er damit natürlich eine Formulierung des englischen Politikers und Philosophen Francis Bacon (1561-1626) aus der Anfangszeit der modernen 1 Vgl. Virchow, Rudolf: Die Gründung der Berliner Universität und der Übergang aus dem philosophischen in das naturwissenschaftliche Zeitalter, Rede am 3. August 1893, 28.
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Einleitung
europäischen Wissenschaft auf, der den Satz „Wissen ist Macht" formuliert hatte. Zugleich beleuchtete er damit das Dilemma neuzeitlicher Wissenschaft, deren Fortschreiten ohne die Konkurrenz der sich entwickelnden nationalen Staaten und ihrer ökonomischen Interessen kaum denkbar gewesen wäre. Hatte sich der Wettbewerb der Staaten in der Frühen Neuzeit noch vorrangig auf den Zugriff auf Land, Menschen, Edelmetalle oder Rohstoffe konzentriert, so trat vor allem seit dem Beginn der Industriellen Revolution wissenschaftlich-technologisches Wissen als neuer Konkurrenzfaktor hinzu und beflügelte den Wettbewerb zwischen den Nationen. Seit den beiden letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts häufen sich die Belege für die Neigung der Wissenschaftler, die geforderte Unterstützung ihrer Arbeit nicht mehr mit dem allgemeinen Hinweis auf Erfindungsgeist und das menschliche Streben nach Naturbeherrschung zu begründen, sondern mit dem - für die Wissenschaft durchaus komfortablen - Hinweis, den technologischen Vorsprung eines anderen Landes aufzuholen, die eigene Führung zu verteidigen, der Herausforderung des Nachbarn gewachsen zu sein, und wie die Formulierungen immer heißen mögen. Der deutsche Theologe und Wissenschaftspolitiker Adolf von Harnack brachte diese Neigung 1910 auf den Punkt, wenn er feststellte, daß „heutzutage bei dem außerordentlich gesteigerten Nationalgefühl jedem wissenschaftlichen Forschungsergebnis ein nationaler Stempel aufgedrückt wird." Der Gedanke einer organisierten industriellen Förderung der wissenschaftlichen Forschung, der sich schon 20 Jahre vor der Gründung des Stifterverbandes in Deutschland etablierte,2 war von Anfang an mit dem Gedanken verbunden, die Konkurrenzsituation auf dem Weltmarkt zugunsten Deutschlands zu entscheiden. Die verlorenen Kriege formten dieses Grundargument in ein tausendfach wiederholtes Muster um, so daß man 1920 von der „Wiedergewinnung der Macht" und von der Wissenschaft als dem noch verbliebenen „Machtfaktor" sprach und 1949 in der Wissenschaft die letzte Chance zum wirtschaftlichen Überleben erkannte. Für Werner Heisenberg ging es 1950 in seinen Kontakten mit dem Kanzleramt um die „internationale Konkurrenzfähigkeit der deutschen Forschung, und damit in einigen Jahren der deutschen Wirtschaft," wenn er eine bessere Finanzierung der physikalischen, insbesonders der kerntechnischen Forschung erreichen wollte.3 Das „kurze 20. Jahrhundert" Die Historiker haben eigentümliche Techniken entwickelt, um die unendlich lange Spanne der Zeit, die den Gegenstand ihrer Arbeit bildet, in handliche Portionen abzuteilen und damit überschaubar und verständlich zu machen. Schon seit dem 16. Jahrhundert hat sich die Technik durchgesetzt, Jahrhunderte zur Einheit historischer Periodisierung zu machen, in neuester Zeit kamen Differenzierungen in „lange" und „kurze" Jahrhunderte hinzu. Nutzt man diese Differenzierungsmöglichkeit, dann wird das 20. Jahrhundert gewiß als „kurzes Jahrhundert" in die Geschichte eingehen. Es beginnt - so könnte man sagen - 1917 verspätet mit der russischen Oktoberrevolution 2 Vgl. dazu den Abschnitt über die „Jubiläumsstiftung"! 3 Hier zitiert nach Cassidy, David C.: Werner Heisenberg. Leben und Werk, Heidelberg-BerlinOxford 1995,651.
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und dem Eintritt der USA in den Ersten Weltkrieg, und es endet verfrüht mit dem Jahre 1989. In diesem „kurzen Jahrhundert" besteht der Stifterverband nun genau 75 Jahre, und diese 75 Jahre sind beinahe identisch mit der Kernzeit dieses „kurzen Jahrhunderts". Unnötig zu sagen, daß das 20. Jahrhundert zudem durch ungeheure Beschleunigung der materiellen und technologischen Entwicklung und durch tiefe Brüche geprägt erscheint, wir Deutsche sind davon besonders intensiv getroffen worden; unsere Stellung in der Welt ist durch dieses Jahrhundert langfristig belastet worden. Angesichts der schnell folgenden und mehrfachen Brüche unserer Geschichte kann die historische Erinnerung hier ein Element der Stabilisierung und Klärung in der Erscheinungen Flucht bedeuten, kann den zurückgelegten Weg überschaubarer machen und damit ein Urteil über die Möglichkeiten der Zukunft erleichtern. Hier liegt die eigentliche Aufgabe des Historikers. Wie aber kann er sich dieser Aufgabe unterziehen, wenn das Jubiläum einer Institution ins Haus steht, deren Existenz ohne Zweifel zu begrüßen ist, deren unbestreitbare Leistungen auf der Hand liegen. Gibt es da noch eine wirkliche Alternative zur Haltung des „laudator temporis acti"? Muß da nicht die fünfundsiebzigjährige Geschichte des Stifterverbandes zu einer kontinuierlichen Erfolgsgeschichte stilisiert werden? All dies sind gewiß legitime Bedenken, wenn man sich an eine Geschichte des Stifterverbandes heranmacht, aber es sind die gleichen Bedenken gegenüber allen Formen von Geschichtsschreibung, die notwendigerweise vom Ende der Geschichte her blicken und alles sich mit Notwendigkeit entwickeln sehen. Entziehen kann man sich dieser Art von bedrückenden Vorgaben nur durch das Programm einer radikalen Historisierung des Gegenstandes insofern, als jede Beziehung zum erfolgreichen Ende der Geschichte durch den unmittelbaren Blick auf die handelnden Personen, ihre Interessen, ihre offenen und verdeckten Absichten, ihre Konflikte und Schwierigkeiten konterkariert werden muß. Das Jahr 1995 erschien den Handelnden der Jahre 1920,1935 oder 1949 zwar denkbar, aber es war in Dunkel und höchste Unsicherheit gehüllt. Es mag uns helfen, die Lage der Menschen der 20er Jahre zu verstehen, wenn wir uns daran erinnern, daß die Reparationszahlungen Deutschlands selbst nach dem für Deutschland günstigeren Young-Plan von 1929 erst im Jahre 1988 auslaufen sollten. Wir müssen versuchen, die Unsicherheit der genannten Jahre zu rekonstruieren, sie für unsere Geschichte zu nutzen und die definitiv geschehene Geschichte nachträglich zu einer offenen Geschichte zu machen. Das Dreieck von Staat, Wirtschaft und Wissenschaft Die Geschichte einer gesellschaftlichen Institution in diesem Jahrhundert zu schreiben erweist sich als unmöglich, wenn man allein von der betreffenden Institution ausgehen würde. Das widerspräche auch dem Selbstverständnis modemer Geschichtsschreibung, die ihren speziellen Gegenstand einem Verfahren dauernder Kontextualisierung unterzieht. Es bedarf der Verortung der Institution in den großen Prozessen der Zeit, um besser ihren historischen Platz bestimmen, aber auch, um genauer ihre Wirkungen feststellen zu können. Wichtig erscheint in einem solchen Zusammenhang zunächst, die mehrfache Veränderung der Rolle des Stifterverbandes festzustellen, der insgesamt auf große, gleichsam säkulare Bewegungen zu reagieren hatte oder von ihnen beeinflußt
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Einleitung
wurde. Zumindest drei sollen hier genannt werden, zugleich soll damit den Gefahren der eben genannten radikalen Historisierung vorgebeugt werden: Zum einen ist auf die tiefgehenden Veränderungen und Konjunkturen einzugehen, die die Rolle der Wirtschaft im öffentlichen Leben geprägt haben. In dieser Epoche vollzieht sich die Durchsetzung der modernen Industriegesellschaft, die Entstehung großer Konzerne, ihre Dienstbarmachung durch den Nationalsozialismus, ihre teilweise Zerschlagung durch alliierte Auflagen in der Nachkriegszeit, ihr Neuaufbau unter den Bedingungen des sog. Wirtschaftswunders, ihre dauernde und zuweilen krisenhafte Anpassung an die Bedingungen des europäischen und des Weltmarktes.4 Zum anderen ist auf die Transformationsprozesse in der Wissenschaft selber zu verweisen. Vor allem der Vorgang der breiten Verankerung der Wissenschaft im gesellschaftlichen Leben ist zu konstatieren, die „Verwissenschaftlichung" fast aller Lebensbereiche.5 Während am Beginn dieses Jahrhunderts wissenschaftliche Ausbildung ein Privileg weniger war, stehen wir heute in einem Vorgang der Eroberung fast aller Bereiche des wirtschaftlichen Lebens durch wissenschaftliche Erkenntnisse, die moderne Gesellschaft ist gar zur „Wissenschaftsgesellschaft" erklärt worden.6 Die Hochschule selbst näherte sich dem Großbetrieb an und veränderte damit ihre Natur. Die Zahl der Studierenden hat Dimensionen erreicht, die im ersten Jahrzehnt nach dem Zweiten Weltkrieg noch unvorstellbar waren. Im Wintersemester 1949 waren es gerade einmal 106 000 Studenten, heute nähern wir uns schon der Zahl von zwei Mio. Studierender. Noch wichtiger aber scheint mir die elementare Abhängigkeit der Wirtschaft von andauernder wissenschaftlicher Innovation, wenn sie ihre Produktivität behalten will. Diese Innovationen bedürfen freilich immer aufwendigerer Investitionen, das Risiko des Forschungskapitals steigt ebenso wie die Komplexität des notwendigen Transfers von wissenschaftlicher Innovation in wirtschaftlich nutzbare Verwertung. Schließlich ist auf den Vorgang eines Funktionswandels des Staates im Hinblick auf Wirtschaft und Wissenschaft zu verweisen, der tatsächlich erst im historischen Rückblick voll erkennbar wird. Ebenso wie der preußische Staat 1910 die private Finanzierung der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zunächst ablehnte, waren in der jungen Bundesrepublik die Länder noch ängstlich bemüht, jeden Eingriff des Bundes in die Bereiche von Bildung und Wissenschaft zu vermeiden. Obwohl schon das neue Grundgesetz in Art. 74 (13) „die Förderung der wissenschaftlichen Forschung" in den Katalog der konkurrierenden Gesetzgebung von Bund und Ländern aufnahm, waren gemeinsame Aufgaben zunächst nur unter größten Anstrengungen durchzusetzen - zu erinnern wäre an die Mühen des noch vor der Gründung der Bundesrepublik geschlossenen Königsteiner Abkommens von 1949 oder an die fehlende gesetzliche Regelung zur Wissenschaftsförderung - , so scheint am Ende des Jahres 1994 die Bedeutung von Wissenschaft und Forschung als Aufgabe des Bundes neu dokumentiert zu werden. Die Errichtung eines 4 Als erster Überblick: Stolper, Gustav / Borchardt, Knut: Deutsche Wirtschaft seit 1870, 2. Aufl. Tübingen 1966, 25 ff. 5 Solla Price, Derek de: Little Science, Big Science. Von der Studierstube zur Großforschung, Frankfurt am Main 1974, bes. 14 ff. 6 So Kreibich, Rolf: Die Wissenschaftsgesellschaft, Frankfurt am Main 1986.
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Bundesministeriums für Bildung und Forschung unter dem verheißungsvollen - aber natürlich inoffiziellen - Namen „Zukunftsministerium" belegt überdeutlich, daß die Rolle staatlicher Verantwortung für den Prozeß technisch-wissenschaftlicher Innovation eine neue Stufe erreicht hat, auch wenn damit nur die Trennung beider Ministerien aus dem Jahre 1969 aufgehoben und der ursprüngliche Zustand (seit 1962) wiederhergestellt wird.7 Dieser organisatorische Schritt stellt den vorläufigen Endpunkt eines Prozesses dar, der mit dem erwähnten Königsteiner Abkommen von 1949, der Einrichtung des Ministeriums für Atomfragen von 1955 und der „Blauen Liste" von 1975 begann, um nur einige wichtige Stationen zu nennen. Der klassische Beleg für das Entstehen eines in seiner Bedeutung neu erkannten Gestaltungsbereichs von Politik dürfte jedoch die Wortprägung „Wissenschaftspolitik" selbst sein, die Adolf von Harnack in seiner Akademiegeschichte aus dem Jahre 1900 zum erstenmal verwendete.8 Vor dem Hintergrund dieser drei, an dieser Stelle nur knapp zu skizzierenden Basisprozesse - so möchte ich sie nennen - ist also die Geschichte des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft zu sehen. Vor dieser Jahrhundertkulisse läßt sich ein mehrfach gestufter Prozeß wechselseitiger Anpassung beobachten, der gerade in einer Zeit beschleunigter Veränderungen unser besonderes Interesse beanspruchen kann. Die grundlegende Erfahrung war sicherlich die unübersehbare Entwicklung von Staat, Wissenschaft und Wirtschaft zu Großsystemen neuer Qualität. Es mag die Dinge charakterisieren, wenn in einem Text des bedeutenden Althistorikers Theodor Mommsen 1890 zum erstenmal die entscheidenden Worte „Großstaat", „Großindustrie" und „Großwissenschaft" aufscheinen, sie belegen die neuen Dimensionen unserer drei Bewegungen. Mommsen stellte fest: „Auch die Wissenschaft hat ihr soziales Problem; wie der Großstaat und die Großindustrie, so ist die Großwissenschaft, die nicht von einem geleistet, aber von einem geleitet wird, ein notwendiges Element unserer Kulturentwicklung."9
In gleicher Weise sprach 1899 und 1905 Adolf von Harnack vom „Großbetrieb der Wissenschaft", der vom Staat verantwortungsvoll zu lenken sei. 10 1929 stellte es der Münsteraner Chemiker Rudolf Schenck in einer Rektoratsrede schon als spezifisch deutsche Kulturleistung heraus, den Weg zu „Wissenschaftspolitik und Großwissenschaft" gegangen zu sein, und verwies dabei weniger auf die Anfänge im späten 19. Jahrhundert (Physikalisch-Technische Reichsanstalt), sondern vor allem auf die Anre7 Der Beginn dieses Ministeriums liegt im Bundesministerium für Atomfragen (seit Oktober 1955 unter Franz-Josef Strauß), das seit 1957 Bundesministerium für Atomkernenergie und Wasserwirtschaft hieß und 1962 in Bundesministerium für Wissenschaftliche Forschung umbenannt wurde. Vgl. Deutsche Verwaltungsgeschichte, Bd. V, passim und Sobotta, Johannes: Das Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung, Bonn 1967. 8 Vgl. Harnack, Adolf von: Geschichte der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 1, Berlin 1 9 0 0 , 4 f. 9 Mommsen, Theodor: Reden und Aufsätze, Berlin 1905, 209. 10 Harnack, Adolf von: Vom Großbetrieb der Wissenschaft, in: Preußische Jahrbücher 119, 1905, 193-201.
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Einleitung
gungen der Notgemeinschaft zur Gemeinschaftsforschung um 1925." Zweifellos ist es richtig, wenn man die Durchsetzung der sog. „modernen Großforschung" schon gegen Ende des 19. Jahrhunderts ansetzt und nicht erst mit dem bekannten „Manhattan-Projekt zur Herstellung der amerikanischen Atombombe.12 In jedem Falle wäre zu prüfen, ob nicht die kontrollierte Förderung der Wissenschaft durch Staat und Wirtschaft im 20. Jahrhundert eine neue, intensivierte Phase dieser „Großforschung" durchgesetzt hat. Auf den ersten Blick scheint ein enger Zusammenhang zwischen der Institutionalisierung von Aufsichts- und Koordinierungsorganen und der Tendenz zu bestehen, die vorhandenen knappen Fördermittel - zumal unter den ökonomischen Zwängen der Nachkriegszeit - möglichst effektiv einzusetzen. Die Schwerpunktforschung - bzw. in der Sprache des Jahres 1925 „Forschungsaufgaben der höheren Art" - bot sich hier geradezu an. Insofern liegt es nahe, eine Unterscheidung zwischen der durch Teamwork in Großlaboratorien charakterisierten naturwissenschaftlichen Großforschung im Sinne der PTR/KWG und jenem wissenschaftspolitischen Impuls zu machen, der in der Bündelung und dem optimalen Einsatz staatlicher oder privater Mittel bestand. Hiermit erreichte die wissenschaftliche Planung zweifellos eine neue Stufe ihrer Entwicklung.
Eine erste Gliederung: „Alter" und „neuer" Stifterverband In dieser Geschichte wird immer vom „Stifterverband" die Rede sein, auch wenn der Verband in den verschiedenen Abschnitten seiner Geschichte unterschiedliche Gesamtbezeichnungen und Namenzusätze führte. Die Geschichte dieses Stifterverbandes läßt sich auf den ersten Blick jedenfalls in zwei große Phasen gliedern, den alten „Stifterverband der Notgemeinschaft" in der Weimarer Republik unter seinen Vorsitzenden Carl Friedrich von Siemens, Carl Duisberg und Friedrich Schmidt-Ott. 1929 hatte er einer Namensänderung der Notgemeinschaft zur „Deutschen Gemeinschaft zur Erhaltung und Förderung der Forschung (Kurzform Deutsche Forschungsgemeinschaft)" folgend - auch seinen Namen geändert. 13 Er verlor nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten zweifellos an Einfluß, 1942 übernahm eine neu gegründete „Förderergemeinschaft der deutschen Industrie" viele seiner Aufgaben, ohne daß der Stifterverband freilich aufgelöst worden wäre. Die „Förderergemeinschaft" läßt sich durchaus als ein Bindeglied zwischen altem und neuem Stifterverband verstehen, denn aus 11 Schenck bezieht sich hier auf die Denkschrift der Notgemeinschaft über die Forschungsaufgaben „im Bereich der nationalen Wirtschaft, der Volksgesundheit und des Volkswohles", abgedruckt mit einer Anlage von Fritz Haber u.a. bei Zierold: Forschungsförderung, 576-586. Vgl. auch Schenck, Rudolf: Wissenschaftspolitik und Großwissenschaft, Münster 1929. Schenck war auch Mitglied des Hauptausschusses der Notgemeinschaft in den frühen 20er Jahren gewesen. 12 Dazu Lüst, Reimar: Der Beginn staatlicher Großforschung in Deutschland, in: PhysikalischTechnische Bundesanstalt. Mitteilungen 97, 1987. 4 6 9 - 4 7 4 und Helmuth Trischler in: Szöllösi-Janze, M. / Trischler, H. (Hgg.): Großforschung in Deutschland, Frankfurt am Main-New York 1990, 24 und jetzt die Einführung von Ritter, Gerhard A.: Großforschung und Staat in Deutschland. Ein historischer Überblick, München 1992, 200 f. 13 GSB, NL Schmidt-Ott, Nr. 7.
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ihrem Kreis heraus wurde seit 1948 die Idee eines neuen „Fonds der Industrie" zur Förderung von wissenschaftlicher Forschung und Lehre entwickelt. Schließlich gibt es den neuen „Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft", der 1949 jedoch noch als „Gesellschaft zur Förderung von Forschung und Lehre (Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft)" gegründet wurde. Seine Geschichte läßt sich wiederum vorläufig in einer Art und Weise gliedern, die mit den Namen von Generalsekretären verbunden ist. Dies mag man ergänzen oder korrigieren durch eine inhaltlich bestimmte Phasengliederung. Zu unterscheiden wäre nach der bis ins Frühjahr 1948 zurückreichenden Gründungsphase eine Aufbauphase, die mit dem Namen von „Verbandsdirektor" Ferdinand E. Nord verbunden ist, eine Phase der starken inhaltlichen Neuorientierung des Stifterverbandes durch eigene Schwerpunktprogramme unter Thorwald Risler (seit 1965) und eine Phase der Konsolidierung und Neuprofilierung des Verbandes durch selbständige Leistungen für das im Umbau befindliche bundesrepublikanische Wissenschaftssystem, wie sie mit dem Namen des seit 1979 amtierenden Generalsekretärs Horst Niemeyer verbunden ist. Veränderte Voraussetzungen Niemand wird bestreiten können, daß sich die Voraussetzungen für die Arbeit des Stifterverbandes in diesen 75 Jahren erheblich geändert haben. Beide Gründungen waren durch existentielle Notsituationen gekennzeichnet, beide Male schien die Existenz der deutschen Wissenschaft auf dem Spiel zu stehen, beide Male schienen Wissenschaft und Forschung der Strohhalm zur Rettung nicht nur der daniederliegenden Wirtschaft, sondern auch des ganzen deutschen Volkes zu sein. Demgegenüber hat sich die Situation seit dem Ende der 50er Jahre erheblich verändert, als die erste Aufbauphase des bundesrepublikanischen Wissenschaftssystems zu Ende ging und wichtige Voraussetzungen für eine aktive Wissenschaftspolitik des Bundes geschaffen wurden. Niemand wird heute mehr von einer Notsituation sprechen wollen, die jener der 20er Jahre oder der unmittelbaren Nachkriegsjahre auch nur entfernt vergleichbar wäre. Auch hier spiegelt die Geschichte des Stifterverbandes die Gesamtgeschichte unseres Landes wider. Der Stifterverband ist zu einer Institution geworden, die sich neben der Grundförderung der Wissenschaftsorganisationen vor allem die Effizienzkontrolle und Stimulierung des Wissenschaftssystems auf ihre Fahnen geschrieben hat. Das ist - ohne jeden Zweifel - eine beachtliche Entfernung von der ursprünglichen Zielsetzung, denn die Strecke zwischen jenen Stimmen aus der Wirtschaft im Jahre 1949, die den qualifizierten Nachwuchs und die anwendungsbezogene Forschung stärker fördern und den deutschen „Rückstand" zur westlichen Welt aufholen wollten, und der eben erwähnten neuen Kontroll- und Stimulanzfunktion des Stifterverbands, die sich in den letzten Jahren immer mehr herausgeschält hat, ist beachtlich und bedarf einer genaueren Überprüfung. Das deutsche „Rückstandssyndrom" Zum anderen muß man sehen, daß im Rückblick auf die Arbeit des Stifterverbandes ein durchgängiges Argument aufscheint, das in den öffentlichen Darstellungen des Verbandes jedoch eher verdrängt worden ist. Als im Gründungsaufruf von 1920 auf die
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Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands verwiesen wurde, die auf dem Weltmarkt gesichert werden müsse, war ein Ton angeschlagen worden, der sich in der weiteren Geschichte bis in die jüngste Zeit durchhalten sollte, wenn auch das Argument in den letzten Jahren mit sehr großer Vorsicht verwendet wurde. In der Gründungsphase von 1948/49 und in den frühen 50er Jahren spielte der Vergleich der öffentlichen Investitionen der Hauptkonkurrenten USA, England, Frankreich und Sowjetunion im Bereich der Wissenschaft eine ganz entscheidende Rolle. Gerade der Vorsitzende Richard Merton und Fritz Gummert - der Schatzmeister und strategische Kopf des Verbandes in den 50er und 60er Jahren - scheuten sich nicht, dieses Argument als zentrales Motiv eines stärkeren Engagements der Wirtschaft in der Förderung der Wissenschaft heranzuziehen; umfangreiche Statistiken untermauerten die vermutete Rückständigkeit Deutschlands in diesem Bereich. 1963 gab die Deutsche Forschungsgemeinschaft unter dem Eindruck des Rückgangs deutscher Nobelpreisträger und einer negativen Patentgebührenbilanz eine Expertenumfrage in Auftrag, um „Stand und Rückstand der Forschung in Deutschland in den Naturwissenschaften und Ingenieurwissenschaften" zu ermitteln.14 Angesichts der spezifischen Entwicklung der Selbstverwaltung der Wissenschaft in Deutschland, die sich von den Lösungen anderer europäischer Länder erheblich unterscheidet, liegt es nahe, danach zu fragen, ob der Stifterverband und die durch ihn repräsentierte Hilfe der Wirtschaft für die wissenschaftliche Forschung mit zur Durchsetzung dieses Modells beigetragen haben. Man wird eine solche Frage um so eher stellen, als die Forderung nach der Unterstützung der Forschung durch das Reich im Jahre 1920 in einer Situation erfolgte, die die Verantwortlichkeit für die Wissenschaftsförderung auf die Länder und das Reich verteilte. Die heute viel gebrauchte Formel eines „kooperativen Föderalismus" läßt sich letztlich bis in diese offene Situation des Jahres 1920 zurückverfolgen.15 75 Jahre stellen unter den Bedingungen des europäischen 20. Jahrhunderts gewiß eine Wegstrecke dar, die der historischen Vergegenwärtigung wert ist. Diese Wegstrecke klarer zu erkennen und daraus weitere Orientierung zu entwickeln, dazu bietet das 75jährige Jubiläum des Stifterverbands die erwünschte Gelegenheit. Vor den Herausforderungen der europäischen Einigung scheint dieser Rückblick besonders notwendig zu sein, denn mit dem Gelingen dieses politischen Prozesses könnten sich fundamental neue Voraussetzungen für einen Verband ergeben, der sich aus guten Gründen in den Hauptphasen seiner Entwicklung als dezidiert nationaler Verband verstanden hat.
14 Clausen, Richard: Stand und Rückstand der Forschung in Deutschland in den Naturwissenschaften und Ingenieurwissenschaften, Wiesbaden 1964. 15 Zu diesem Begriff vgl. Scharpf, Fritz/Reissert, Bernd/Schnabel, Thomas: Politikverflechtung. Theorie und Empirie des kooperativen Föderalismus in der Bundesrepublik Deutschland, Kronberg/Ts. 1976.
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2. Der Stifterverband als Gegenstand der Geschichtsschreibung Die Geschichtsschreibung hat sich nach wenig erfolgreichen Anfängen in der Weimarer Zeit erst nach dem Zweiten Weltkrieg intensiver mit den konstituierenden Elementen des modernen demokratischen Staates beschäftigen können, den Parteien, Verbänden und Interessengruppen. Vor allem seit der Gründung der „Kommission für die Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien" im Jahre 1951 sind diese Fragen mit zunehmender Intensität von der Geschichtswissenschaft der Bundesrepublik behandelt worden. 16 Gerade die Erforschung der Binnengeschichte des Kaiserreichs war hier besonders anregend, dessen Parteiengeschichte am Anfang dieser Bemühungen stand. Von der Analyse der politischen Parteien führte der Weg schnell zu den wirtschaftlichen Interessenverbänden im Vor- und Umfeld der Parteien.17 Die wichtigste Frage zielte hier auf die Modernisierungsfähigkeit dieses politischen Systems und auf den Charakter der dort zu beobachtenden Erneuerungsvorgänge, die bald mit dem Begriff der „konservativen Modernisierung" belegt wurden.18 In diesem Kontext wurde auch nach den spezifischen Bedingungen dieses Kaiserreichs für die Modernisierung seines Wissenschaftssystems, aber auch nach den Formen nichtstaatlicher Wissenschaftsförderung im 19. Jahrhundert gefragt.19 Wissenschaftliche Arbeiten über den Stifterverband liegen eigentlich erst seit den frühen 60er Jahren vor, wenn auch Kurt Pfuhl schon 1958 an der Universität Göttingen eine Dissertation zu verfassungs- und haushaltsrechtlichen Problemen der außeruniversitären Forschung vorlegte.20 An der TU Dresden erarbeitete Günther Kramarczyk dann 1965 eine wirtschaftswissenschaftliche Dissertation über den Stifterverband, der mit intensiver Nutzung einer vergleichsweise schmalen Materialbasis die Tätigkeit des Stifterverbandes als Teil der Aktivitäten des „Monopolkapitals" verstehen wollte, den Ausbildungssektor in seinem Sinne zu beeinflussen.21 Wenige Jahre später untersuchte Horst Hanke aus ähnlicher Perspektive die wirtschaftliche Rolle der Stiftungen im kapitalistischen Westen Deutschlands.22 Aus der perspektivisch begrenzten Sicht der 16 Schulze, Winfried: Deutsche Geschichtswissenschaft nach 1945, München 1989, 252 ff. 17 Vgl. Varain, Heinz Josef (Hg.): Interessenverbände in Deutschland, Köln 1973, Einleitung. 18 Zuletzt dazu die Bemerkungen bei Johnson, Jeffrey Allan: The Kaiser's Chemists. Science and Modernization in Imperial Germany, Chapel Hill 1990, 9 ff. 19 Dazu die Übersicht über den Forschungsstand bei Ragenfeld, Norma von: Zur Geschichte der privaten Wissenschaftsförderung im 19.Jahrhundert. Als maschinenschriftl. Manuskript, Bonn 1981. 20 Pfuhl, Kurt: Die öffentliche Forschungsorganisation außerhalb des Hochschulbereiches unter besonderer Berücksichtigung verfassungs- und haushaltsrechtlicher Probleme, Jur. Diss. Göttingen 1958. 21 Kramarczyk, Günther: Der „Stifterverband für die deutsche Wissenschaft" - ein Werkzeug zur Unterordnung der Wissenschaft unter die Herrschaft der deutschen Monopole, Diss. rer.oec. TU Dresden, Dresden 1965. 22 Hanke, Horst: Stiftungen als Instrumente der Monopolherrschaft (=DWI-Forschungshefte 6), Berlin 1971.
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DDR-Historie gerieten die „Monopolherren" der Notgemeinschaft und des Stifterverbandes auch weiterhin unter kritische Beobachtung und Beschuß der in der DDR relativ weit entwickelten Wissenschaftsgeschichtsschreibung. 23 Man wird deshalb feststellen müssen, daß die frühe Arbeit auf diesem Gebiet weitgehend in der DDR geleistet wurde, 24 wenn man einmal von der Arbeit von Steffen Richter zur Notgemeinschaft und ihrer Bedeutung für das Fach Physik aus dem Jahre 1972 absieht, mit der in der Bundesrepublik Neuland betreten wurde.25 Nach den vielfachen zeitgenössischen Würdigungen von Notgemeinschaft und Stifterverband der Weimarer Zeit durch Mithandelnde wie Friedrich Schmidt-Ott, den Historiker Karl Griewank und vor allem den Zentrumspolitiker Georg Schreiber wurde der Stifterverband in der Bundesrepublik zunächst im Kontext der Erinnerungsliteratur führender Funktionäre und Politiker wie Friedrich Glum, Kurt Zierold und des schon erwähnten Georg Schreiber beachtet.26 1970 würdigten Thomas Nipperdey und Ludwig Schmugge in ihrer knappen Geschichte der DFG zu ihrem 50jährigen Bestehen auch 23 Zur DDR-Wissenschaftgeschichtsschreibung demnächst Brocke, Bernhard vom.: Wissenschaftsgeschichte als historische Disziplin, voraussichtlich Berlin 1996 und bislang ders.: Das Elend der Wissenschaftsgeschichte in Deutschland. Zur Entwicklung der Wissenschaftsgeschichte seit Ranke, insbes. im 20. Jahrhundert, in: Österreichische Gesellschaft für Wissenschaftsgeschichte, Mitteilungen 13, 1993, 3-81, hier bes. 35 ff. 24 Zu nennen wären hier vor allem: Schlicker, Wolfgang: Konzeptionen und Aktionen bürgerlicher deutscher Wissenschaftler. Zum gesellschaftlichen Stellenwert der Forschung nach 1918 und zur Gründung der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft, in: ZfG 27, 1979, 423-438 und ders./Glaser, Josef: Tendenzen und Konsequenzen faschistischer Wissenschaftspolitik nach dem 30. Januar 1933, in: ZfG 31, 1983, 881 ff. - Weiterhin speziell für die Chemie Reishaus-Etzold, Heike: Die Herausbildung von monopolkapitalistischen Lenkungsorganen der Wissenschaft der Weimarer Republik unter dem Einfluß der Chemiemonopole, in: JWG 1972, Teil 3, 13-35 und dies.: Die Einflußnahme der Chemiemonopole auf die „Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V." während der Weimarer Republik, in: JWG 1973, Teil 1, 37-61. 25 Richter, Steffen: Forschungsförderung in Deutschland 1920-1936. Dargestellt am Beispiel der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft und ihrem Wirken für das Fach Physik, Düsseldorf 1972. 26 Griewank, Karl: Staat und Wissenschaft im Deutschen Reich. Zur Geschichte und Organisation der Wissenschaftspflege in Deutschland, Freiburg i.Brsg. 1927; Schreiber, Georg: Die Not der deutschen Wissenschaft und der geistigen Arbeiter. Geschehnisse und Gedanken zur Kulturpolitik des Deutschen Reiches, Leipzig 1923; Schreiber, Georg: Deutsche Wissenschaftspolitik von Bismarck bis zum Atomwissenschaftler Otto Hahn (Arbeitsgemeinschaft für Forschung des Landes NRW; H.4), Köln 1954. Zu Schreiber vgl. Morsey, Rudolf: Schriftenverzeichnis Georg Schreiber, 2. Aufl. Münster 1958 und ders.: Georg Schreiber, der Wissenschaftler, Kulturpolitiker und Wissenschaftsorganisator. Aus Anlaß der Wiederkehr seines 100. Geburtstages am 5. Januar 1982, in: Westf. Zs. 131/132, 1981/82, 121-159. - Glum, Friedrich: Zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Politik. Erlebtes und Erdachtes in vier Reichen, Bonn 1964; Zierold, Kurt: Forschungsförderung in drei Epochen. Deutsche Forschungsgemeinschaft. Geschichte-Arbeitsweise-Kommentar, Wiesbaden 1968.
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die Rolle des Stifterverbandes, ohne freilich die umfangreichen archivalischen Quellenbestände zur Geschichte der Not- bzw. Forschungsgemeinschaft nutzen zu können.27 Die biographischen Würdigungen der Männer, die seit 1920 die Geschicke des Stifterverbandes mitbestimmt haben, bilden natürlich eine wichtige Grundlage aller weiteren Arbeit. Hier sind vor allem die biographischen Versuche ganz unterschiedlicher Qualität über Carl Friedrich von Siemens, 28 Carl Duisberg, 29 Fritz Haber,30 Georg Schreiber, 3 ' Friedrich Schmidt-Ott,32 Hugo Stinnes,33 Albert Vogler 34 für die Weimarer Zeit, aber auch über Richard Merton, 35 Fritz Berg, 36 Hermann Reusch und Ernst H. Vits37 zu erwähnen, um nur einige der wichtigen Männer der Nachkriegszeit zu erwähnen. Gemeinsam ist allen Biographien oder biographischen Artikeln jedoch, daß die Tätigkeit für den Stifterverband meist nur am Rande erwähnt wird. Erst seit der Mitte der 70er Jahre entwickelte sich in der Bundesrepublik eine moderne Wissenschaftsforschung, die sich zunächst auf das Kaiserreich und hier auf das fas27 Nipperdey, Thomas/ Schmugge, Ludwig: 50 Jahre Forschungsförderung in Deutschland. Ein Abriß der Geschichte der Deutschen Forschungsgemeinschaft 1920-1970, Bonn-Bad Godesberg: Deutsche Forschungsgemeinschaft 1970. 28 Siemens, G.: Carl Friedrich von Siemens, Freiburg-München 1960 und jetzt Goetzeler, Herbert / Schoen, Lothar: Wilhelm und Carl Friedrich von Siemens. Die zweite Unternehmergeneration, Stuttgart 1986. 29 Dazu Rechtner, H.J.: Carl Duisberg. Eine Biographie, Düsseldorf-Wien 1960 und jetzt Becke-Goehring, Margot (Hg.): Freunde in der Zeit des Aufbrauchs der Chemie. Der Briefwechsel zwischen Theodor Curtius und Carl Duisberg, Heidelberg 1990. - Zum Weltbild Dulsbergs jetzt die Bochumer Magisterarbeit von Bergstedt, Friederike: Unternehmer zwischen Anpassung und Gesinnung. Carl Duisberg in Selbstaussagen zwischen Kaiserreich und Nationalsozialismus, Bochum 1994. 30 Dazu zuletzt Stoltzenberg, Dietrich: Fritz Haber. Chemiker, Nobelpreisträger, Deutscher, Jude, Weinheim 1994. - Margit Szöllösi-Janze, Institut für Neuere Geschichte der LMU München, bereitet z.Z. eine Habilitationsschrift über Fritz Haber vor. Vgl. vorläufig ihren Beitrag in: Kocka, J. u. a. (Hgg.): Von der Arbeiterbewegung zum modernen Sozialstaat. Festschrift für Gerhard A. Ritter zum 65. Geburtstag, München u.a. 1994, 658-682. 31 Morsey, Rudolf: Georg Schreiber, der Wissenschaftler, Kulturpolitiker und Wissenschaftsorganisator. Aus Anlaß der Wiederkehr seines 100. Geburtstages am 5. Januar 1982, in: Westf. Zs. 131/132, 1981/82, 121-159 und ders.: Schriftenverzeichnis Georg Schreiber, 2. Aufl. Münster 1958. 32 Über ihn seine Autobiographie: Erlebtes und Erstrebtes 1860-1950, Wiesbaden 1952 und Treue, Wilhelm: Friedrich Schmidt-Ott, in: Berlinische Lebensbilder, Bd. 3: Wissenschaftspolitik in Berlin, hg. v. W. Treue und K. Gründer, Berlin 1987, 235-250. 33 Wulf, Peter: Hugo Stinnes. Wirtschaft und Politik 1918-1924, Stuttgart 1979. 34 Vgl. Klass, Gert von: Albert Vogler. Einer der Großen des Ruhrreviers, Tübingen 1957. 35 Achinger, Hans: Richard Merton, Frankfurt am Main 1970. 36 Vgl. bislang Berg, Fritz: Die westdeutsche Wirtschaft in der Bewährung. Ausgewählte Reden aus den Jahren 1950-1965, Hagen 1966 und das dort enthaltene knappe Lebensbild Bergs. 37 Langenbruch, Theodor: Ernst Hellmut Vits, in: Wuppertaler Biographien, 9. Folge, Wuppertal 1970, 3-31.
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zinierende „System Althoff" 3 8 , die herausragenden Institutionen der PhysikalischTechnischen Reichsanstalt und der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft konzentrierte,39 ohne dabei den Versuch übergreifender Einordnung und statistischer Untermauerung zu unterlassen, wie die Arbeiten von Frank R. Pfetsch gezeigt haben.40 Auf diesem speziellen Feld überlagerten sich Fragen genuin wissenschaftshistorischer Art mit den schon erwähnten allgemeineren Fragen nach der Modernisierungsfähigkeit des Zweiten Kaiserreichs, die seit den späten 60er Jahren verstärkt diskutiert wurden.41 Hier ist es am ehesten gelungen, die speziellen Fragestellungen der Wissenschaftsgeschichte in die allgemeine Geschichtsforschung zu integrieren. Zunächst nur vereinzelt wurden auch Probleme der Weimarer Zeit aufgegriffen. 42 Hervorzuheben sind hier vor allem die Beiträge Gerald Feldmans, der aus seiner intimen Kenntnis der industriellen Interessenpolitik und des Inflationsproblems wertvolle Arbeiten auch zur Geschichte der Wissenschaftspolitik und des Stifterverbandes liefer38 Dazu vor allem die Arbeiten von Bernhard vom Brocke, der dieses Thema in verschiedenen Anläufen gründlich bearbeitet hat, zuletzt in: Vierhaus, Rudolf / Brocke, Bernhard vom (Hgg.): Forschung im Spannungsfeld von Politik und Gesellschaft. Geschichte und Struktur der Kaiser-Wilhelm/Max-Planck-Gesellschaft, Stuttgart 1990 wo v. Brocke die Geschichte der KWG umfassend dargestellt und auch das „System Althoff' gewürdigt hat, bes. 79 ff. und 119 ff. Ebd. auch die weitere Literatur, vor allem Brocke, Bernhard vom (Hg.): Wissenschaftsgeschichte und Wissenschaftspolitik im Industriezeitalter. Das „System Althoff' in historischer Perspektive, Hildesheim 1991. Zuletzt ders.: Althoff, Friedrich, in: DBE 1, München u.a. 1995, Sp. 101. - Man wird den Mannheimer Historikertag 1976 und die dort veranstaltete wissenschaftsgeschichtliche Sektion als wichtigen Beginn betrachten müssen. 39 Dazu Burchardt, Lothar: Wissenschaftspolitik im Wilhelminischen Deutschland, Göttingen 1975; Cahan, David: An Institute for an Empire. The Physikalisch-Technische Reichsanstalt, 1871-1918, Cambridge 1989; Bruch, Rüdiger vom: Wissenschaft, Politik und öffentliche Meinung. Gelehrtenpolitik im Wilhelminischen Deutschland (1890-1914), Husum 1980; Vierhaus/v.Brocke (Hgg.): Forschung im Spannungsfeld und zuletzt Brocke, Bernhard vom / Krüger, Peter: Hochschulpolitik im Föderalismus. Die Hochschulkonferenzen der deutschen Bundesstaaten und Österreichs 1898 bis 1918 (Protokolle), Berlin 1993. Dazu auch der Überblick von Richter, Steffen: Wirtschaft und Forschung. Ein historischer Überblick über die Förderung der Forschung durch die Wirtschaft, in: TG 46, 1979, 20--44 und die Thesen von Rasch, Manfred: Thesen zur preußischen Wissenschaftspolitik gegen Ende des Wilhelminischen Zeitalters, in: BzWG 12, 1989, 240-252. 40 Hierzu vor allem Pfetsch, Frank R.: Zur Entwicklung der Wissenschaftspolitik in Deutschland 1750-1914, Berlin 1974 und seine verschiedenen Aufsatzpublikationen zu dieser Fragestellung. 41 Als Auslöser fungierten die Arbeit von Hans Ulrich Wehler: Bismarck und der Imperialismus, Köln 1969. 42 So z.B. Schröder-Gudehus, Brigitte: The Argument for the Self-Government and Public Support of Science in Weimar Germany, in: Minerva 10, 1972, 537-570 und zuletzt ihr Beitrag in: Vierhaus, Rudolf/Brocke, Bernhard vom (Hgg.): Forschung im Spannungsfeld von Politik und Gesellschaft. Geschichte und Struktur der Kaiser-Wilhelm/Max-Planck-Gesellschaft, Stuttgart 1990, 858 ff.
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te. 43 Peter-Christian Witt steuerte eine wichtige Analyse des Budgetsystems der Weimarer Republik und seiner Bedeutung für die Wissenschaft bei. 44 Paul Forman und Steffen Richter legten wichtige Untersuchungen zur Geschichte der Physik dieser Epoche vor,45 die angesichts der fundamentalen Bedeutung dieses Wissenschaftszweiges für die Atomforschung natürlich vorrangiges Interesse beanspruchen konnte.46 Brigitte Schröder-Gudehus untersuchte die schwierigen Auslandsbeziehungen der deutschen Wissenschaft und thematisierte den scheinbaren Widerspruch von Selbstverwaltung der Wissenschaft und staatlicher Finanzierung. 47 Die Erforschung des Wissenschaftssystems des Dritten Reiches und hier besonders des Verbunds von Naturwissenschaft, Technik und Wirtschaft ist trotz einer Fülle von ausgezeichneten Detailstudien noch nicht als zufriedenstellend zu bezeichnen. 4 8 Die institutionelle Aufsplitterung, die bekannte Häufung von Sonderkompetenzen, die zu „Kompetenz-Anarchie" führte, 43 Feldman, Gerald D.: The Social and Economic Policies of German Big Business 1918-1929, in: AHR 55, 1969, 47-55, ders.: Industrie und Wissenschaft 1918-1933, in: Vierhaus/v.Brocke (Hgg.): Forschung im Spannungsfeld, Stuttgart 1990, 657-672 und ders.: The Private Support of Science in Germany, 1900-1933, in: v.Bruch/Müller (Hgg.): Formen außerstaatlicher Wissenschaftsförderung im 19. und 20. Jahrhundert, Stuttgart 1990, 87-111. 44 Witt, Peter-Christian: Wissenschaftsfinanzierung zwischen Inflation und Deflation: Die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft 1918/19 bis 1934/35, in: Vierhaus/v.Brocke (Hgg.): Forschung im Spannungsfeld, Stuttgart 1990,579-656. 45 Forman, Paul: The Financial Support and Polidcal Alignment of Physicists in Weimar Germany, in: Minerva 12,1974,39-66; ders.: Industrial Support and Political Alignments of the German Physicists in the Weimar Republic, in: Mommsen, H. / Petzina, D. / Weisbrod, B. (Hgg.): Industrielles System und politische Entwicklung in der Weimarer Republik, Düsseldorf 1974, 716-731. Beide Beiträge beruhen auf einer leider bislang unveröffentlichten Studie zur Geschichte der Helmholtz-Gesellschaft, die mir trotz meiner Bemühung bis Abschluß des Manuskripts nicht zur Verfügung stand. - Richter, Steffen: Forschungsförderung in Deutschland 1920-1936. Dargestellt am Beispiel der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft und ihrem Wirken für das Fach Physik, Düsseldorf 1972; ders.: Physik und Gesellschaft. Einige äußere Einflüsse auf die Entwicklung der Physik in Deutschland 1850 bis 1945, in: Physikalische Blätter 33, 1977, 49-57; ders.: Wirtschaft und Forschung. Ein historischer Überblick über die Förderung der Forschung durch die Wirtschaft in Deutschland, in: Technikgeschichte 46, 1979,20-44. 46 Dazu eine erste Skizze bei Stamm: Zwischen Staat und Selbstverwaltung, 155 ff. und Eckert, Michael/Osietzki, Maria: Wissenschaft für Macht und Markt. Kernforschung und Mikroelektronik in der Bundesrepublik, München 1989, 37 ff. 47 Schröder-Gudehus, Brigitte: Deutsche Wissenschaft und internationale Zusammenarbeit 1914-1928. Ein Beitrag zum Studium kultureller Beziehungen in Krisenzeiten, Genf 1966; dies, auch: The Argument for the Self-Government and Public Support of Science in Weimar Germany, in: Minerva 10, 1972, 537-570. 48 Zu erwähnen sind hier vor allem Arbeiten wie Ludwig, Karl-Heinz: Technik und Ingenieure im Dritten Reich, Düsseldorf 1974; Beyerchen, Alan D.: Scientists under Hitler: Politics and the Physics Community in the Third Reich, New Häven-London 1977; Mehrtens, Herbert: Die Naturwissenschaften im Nationalsozialismus, in: Rürup, Reinhard (Hg.): Wissenschaft und Gesellschaft. Beiträge zur Geschichte der TU Berlin 1879-1979, Bd. 2, Berlin u. a. 1979, 427-443.
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macht es schwierig, ein klares Bild zu gewinnen. 49 In dem hier besonders interessierenden Bereich ging Hans Pohl zuletzt auf archivalischer Grundlage der „Förderergemeinschaft der deutschen Industrie" nach, die seit 1942 mit ihren finanziellen Leistungen den Stifterverband bei weitem übertraf, und erbrachte damit erste Informationen über diese neue Variante industrieller Wissenschaftsförderung in der Endphase des Dritten Reichs. 50 Zuletzt legte Ulrich Marsch seine auf archivalischer Grundlage geschriebene Geschichte der Gründungsphase der Notgemeinschaft 1920-1925 vor.51 Im Zuge der umfassenden Historisierung der frühen Bundesrepublik selber erschienen seit den 80er Jahren sowohl grundlegende Dokumentensammlungen zur Wissenschaftsorganisation der Bundesrepublik, 52 als auch mit den Arbeiten von Thomas Stamm und Maria Osietzki wichtige Studien zur Gesamtentwicklung des Wissenschaftssystems der frühen Bundesrepublik 53 und zu ausgewählten Bereichen der Forschungspolitik, wobei natürlich die Atomforschung besonderes Interesse beanspruchen konnte.54 Darüber hinaus wurden die Einrichtungen der Großforschung in einem besonderen Projekt untersucht, das Gerhard A. Ritter (München) anregte.55 Daraus entstand auch eine erste Übersicht über die Geschichte dieser Einrichtungen,56 die natürlich auch das Interesse der wissenschaftssoziologischen Forschung gefunden haben. 57 Im Zuge der sich differenzierenden Wissenschaftsforschung, die freilich lange eine Existenz außerhalb der allgemeinen Geschichtswissenschaft führte und wohl auch heute noch 49 Vgl. dazu den Forschungsüberblick bei Mehrtens, Herbert: Das „Dritte Reich" in der Naturwissenschaftsgeschichte. Literaturbericht und Problemskizze, in: ders./ Richter, St. (Hgg.): Naturwissenschaft, Technik und NS-Ideologie. Beiträge zur Wissenschaftsgeschichte des Dritten Reiches, Frankfurt am Main 1980, 15-87. 50 Pohl, Hans: Zur Zusammenarbeit von Wirtschaft und Wissenschaft im „Dritten Reich": Die „Förderergemeinschaft der Deutschen Industrie" von 1942, in: VSWG 72, 1985, 508-536. 51 Marsch, Ulrich: Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft. Gründung und frühe Geschichte 1920-1925, Frankfurt am Main 1994, der eine Münchener Magisterarbeit zugrunde liegt. 52 Neuhaus, Rolf (Hg.): Dokumente zur Hochschulreform 1945-58, Wiesbaden 1961; Abelein, Manfred: Die Kulturpolitik des Deutschen Reiches und der Bundesrepublik Deutschland, Köln-Opladen 1968. Zur Tätigkeit der alliierten Hochschuloffiziere und den Süddeutschen und Nordwestdeutschen Hochschultagen jetzt die verschiedenen Publikationen von Manfred Heinemann. 53 Stamm, Thomas: Zwischen Staat und Selbstverwaltung. Die deutsche Forschung im Wiederaufbau 1945-1965, Köln 1981; Osietzki, Maria: Wissenschaftsorganisation und Restauration. Der Aufbau außeruniversitärer Forschungseinrichtungen und die Gründung des westdeutschen Staates 1945-1952, Köln-Wien 1984. 54 Dazu als erste Information Stamm: Zwischen Staat und Selbstverwaltung, 155 ff. und vor allem Radkau, Joachim: Aufstieg und Krise der deutschen Atomwirtschaft 1945-1975, Reinbek bei Hamburg 1983. 55 Vgl. dazu etwa Szöllösi-Janze, M. / Trischler, H. (Hgg.): Großforschung in Deutschland, Frankfurt am Main-New York 1990. 56 Ritter, Gerhard A.: Großforschung und Staat in Deutschland. Ein historischer Überblick, München 1992. 57 Dazu etwa Burrichter, Clemens (Hg.): Grundlegung der historischen Wissenschaftsfor-
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trotz der Einrichtung eines wissenschaftshistorischen Lehrstuhls an der Humboldt-Universität Berlin - führt, gerieten nicht nur tradierte Themen wie die Geschichte der Universitäten, sondern auch Phänomene wie das Stiftungswesen und die außerstaatliche Wissenschaftsförderung in das Blickfeld der Spezialforschung.58 So wird man in der Mitte der 90er Jahre wohl von einem erheblich verbesserten Stand der modernen Wissenschaftsforschung sprechen können,59 doch wäre es sicherlich unangemessen, hier einen rundum befriedigenden Forschungsstand konstatieren zu wollen. Immerhin haben sich durch die erwähnte Einrichtung eines Lehrstuhls und eines Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsforschung in Berlin im Jahre 1994 neue günstigere Bedingungen für diesen Forschungszweig ergeben, der sich im Jahre 1996 auch auf einem eigenen Wissenschaftshistorikertag in Berlin präsentieren wird. Gemessen an der realen Bedeutung der technisch-wissenschaftlichen Entwicklung sind hier aber trotzdem noch erhebliche Defizite auszumachen.60 Der Stifterverband selber ist außer in der erwähnten DDR-Dissertation von Kramarczyk bislang nicht zum Gegenstand eigener wissenschaftlicher Untersuchungen gemacht worden, obwohl in allen genannten Arbeiten meist knappe Aussagen auch zu seiner Geschichte gemacht werden. Insgesamt wird man also eine in den letzten Jahren stark verbesserte Grundlagenforschung im Bereich der allgemeinen Wissenschaftsgeschichte des 20. Jahrhunderts feststellen können, die freilich den Stifterverband und sein staatliches und wirtschaftliches Umfeld bislang noch nicht erfaßt hat.
3. Die Quellengrundlage der Untersuchung Der Zeithistoriker Hans Peter Schwarz hat vor einigen Jahren die Historiker als jene Zeitgenossen bezeichnet, „die sich vom Lärm des Tages und von der regierungsoffiziellen Historienmalerei nicht täuschen lassen." 61 Natürlich ist dies eher Wunsch und
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schung, Basel - Stuttgart 1979; ders.(Hg.): Wissenschaftsforschung: Neue Probleme, neue Aufgaben, Erlangen 1985; Krohn, Wolfgang/ Küppers, G.: Die Selbstorganisation der Wissenschaft, Frankfurt 1989; Krohn, Wolfgang: Die Wissenschaftsgeschichte in der Wissenschaft. Zu einer Historiographie der Wissenschaftsgeschichtsschreibung, in: Geschichtsdiskurs, Bd. 1: Grundlagen und Methoden der Historiographiegeschichte, Frankfurt am Main 1993, 271-290; Lepenies, Wolf: Probleme einer historischen Wissenschaftsforschung, in: Clemens Burrichter (Hg.), Grundlegung der historischen Wissenschaftsforschung, Basel - Stuttgart 1979, 23-77. Bruch, Rüdiger vom / Müller, Rainer A. (Hgg.): Formen außerstaatlicher Wissenschaftsförderung im 19. und 20. Jahrhundert. Deutschland im europäischen Vergleich, Stuttgart 1990. Zuletzt zur frühen Notgemeinschaft Marsch, Ulrich: Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft. Gründung und frühe Geschichte 1920-1925, Frankfurt am Main 1994. Vgl. etwa Bruch, Rüdiger vom: Bildungssystem, Universitäten, Wissenschaften, Gelehrte, Neuere Arbeiten und Ansätze zur deutschen Entwicklung vom 18. zum 20. Jahrhundert, in: AfS 29,1989,439^181. Schwarz, Hans Peter: Segmentäre Zäsuren. 1949-1989 : eine Außenpolitik der gleitenden Übergänge, in: Broszat, Martin (Hg.): Zäsuren nach 1945. Essays zur Periodisierung der deutschen Nachkriegsgeschichte, München 1990, 11-19, hier 18.
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Absichtserklärung als die objektive Wirklichkeit. Will der Historiker über die Selbststilisierungen und absichtsvollen Darstellungen von Politikern und Verbänden hinausgelangen, so muß er sich zu allererst einer tragfähigen Quellengrundlage versichern, die es ihm zumindest annäherungsweise erlaubt, die einleitend beschriebene Strategie der radikalen Historisierung umzusetzen. Er braucht direkte Quellen in möglichst dichter Überlieferung, um Absichten und Motive der handelnden Personen und Institutionen erkennen zu können. Die Vermutung mußte naheliegen, daß der Stifterverband selber über ein wohlgeordnetes Archiv verfügt, das gleichsam den Grundstock der Arbeit hätte bilden können. Diese Hoffnung wurde aber sofort enttäuscht, denn der naturwüchsig-ungeordnete Bestand der „Altregistratur" - Archiv wäre nicht die richtige Bezeichnung - in der Essener Zentrale des Stifterverbandes beginnt erst um 1950, als der Verband unter Ferdinand E. Nord seine offizielle Tätigkeit aufnahm. Zwar mühte sich Nord in den Anfangsjahren seiner Tätigkeit redlich, aus Firmenarchiven Material für die Vor- und Frühgeschichte des Verbandes zu erhalten, doch war diesen Bemühungen kein erheblicher Erfolg beschieden. Das bedeutet zugleich, daß sich die wichtige Geschichte der beiden Gründungsphasen 1920/21 und 1948/49 und die seiner gesamten Tätigkeit von 1920 bis 1945 aus dem Essener Material überhaupt nicht schreiben ließ, dazu ist kein Material vorhanden. Besonders schmerzlich vermißt man dabei einen Bestand mit den Akten von Fritz Gummert, dem höchst aktiven Schatzmeister dieser Jahre.62 Hier mußte natürlich zunächst der Bestand der Notgemeinschaft bzw. der Deutschen Forschungsgemeinschaft im Bundesarchiv Koblenz, das Archiv der Max-PlanckGesellschaft, teilweise der Bestand des Reichsinnenministeriums in Merseburg und der Nachlaß Schmidt-Ott im Geheimen Staatsarchiv Berlin-Dahlem herangezogen werden. Die Umstände der Gründung des ersten Stifterverbandes von 1920 ließen sich erfreulich präzise aus den Briefen von und an Carl Duisberg im Bayer-Archiv (Leverkusen) erschließen, so wie die konkurrierenden Aktivitäten der Helmholtz-Gesellschaft aus Akten des „Vereins Deutscher Eisenhüttenleute" in Düsseldorf zu belegen waren. Teilweise neues Material zur Geschichte der „Förderergemeinschaft der deutschen Industrie" konnte aus dem OMGUS-Bestand ermittelt werden. Die komplizierten Zusammenhänge der Neugründung 1948/49 konnten überhaupt erst nach der Benutzung der Nachlässe von Richard Merton im Archiv der Metallgesellschaft (jetzt im Hessischen Wirtschaftsarchiv in Darmstadt) und von Hermann Reusch im Archiv der Gutehoffnungshütte (jetzt im Rheinisch-Westfälischen Wirtschaftsarchiv Köln) angemessen verstanden werden. Aus diesen beiden Nachlässen ließ sich die bislang unbekannte Tätigkeit des Gründungsbeauftragten Dr. Herbert Studders erschließen. Die Unterlagen für die versuchte Neugründung von Notgemeinschaft und Stifterverband durch die Hannoveraner Leibniz-Stiftung konnten im Hauptstaatsarchiv Hannover benutzt werden. Hinzu kamen oft kleinere Bestände in einzelnen Firmenarchiven, wobei freilich bedauerlich oft festgestellt werden mußte, daß die Nachlässe der meisten hier interes62 Nachfragen bei der Ruhrgas AG und bei den Nachkommen Gummerts führten leider zu keinem Ergebnis. Ich danke Herrn Dr. Unger (Ruhrgas) für seine freundliche Hilfe.
Die Quellengrundlage der Untersuchung
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sierenden ehemaligen Vorstandsmitglieder verlorengegangen sind. Die Tatsache, daß keine - für Zwecke dieser Untersuchung verwertbare 63 - Nachlässe von Fritz Berg, Ernst H. Vits, Fritz Gummert, Ludwig Kastl oder anderen Wirtschaftsführern mehr existieren, schafft für eine tiefdringende Analyse der hier untersuchten Geschichte schwerwiegende Quellenprobleme, die letztlich nicht zu beheben sind. Erfahrungsgemäß sind Vorstandsprotokolle und andere Unterlagen eines Verbandes selten der Ort, an dem der Historiker letzten Aufschluß über persönliche und sachliche Kontroversen finden kann. Hier bot der Nachlaß Werner Bahlsens einen gewissen Ausgleich für die 60er und 70er Jahre.64 Gleichwohl ergab sich durch die Nutzung einer Vielzahl von staatlichen Archiven, Wirtschafts- und Firmenarchiven eine beachtliche Quellengrundlage, die die anfängliche Enttäuschung über die Begrenztheit der brauchbaren Quellen bald in Sorge über die Materialfülle umschlagen ließ, vor allem, wenn dieses Material vom engeren Gegenstand der Darstellung zu den weiteren Prozessen der Wissenschafts- und Institutionengeschichte hinführte. Als Beispiele dafür mögen der Nachlaß des Münchener Physikers Walther Gerlach im Deutschen Museum und der im Institut für Zeitgeschichte archivierte Bestand der Fraunhofer-Gesellschaft angeführt werden.65 Angesichts der vielfältigen Einflußnahme des Stifterverbandes auf die Wissenschaftsgeschichte der frühen Bundesrepublik hätte die Geschichte der Max-Planck-Gesellschaft, der Deutschen Forschungsgemeinschaft oder der Fraunhofer-Gesellschaft noch erheblich stärker ausgeweitet werden können, doch hätte dies zugleich vom eigentlichen Schwerpunkt dieser Darstellung weggeführt. Gleiches gilt auch für die Aktivitäten der Länderwirtschaftsministerien im Bereich der Forschung und für die Rolle des Bundeswirtschaftsministeriums bei der Organisierung der industriellen Gemeinschaftsforschung. Diese möglichen Ausweitungen sind jedoch zugleich eindeutige Hinweise auf die bedeutsame Rolle des Stifterverbandes im Prozeß der Herausbildung der bundesrepublikanischen Wissenschaftslandschaft und damit auf künftige Aufgaben einer modernen Wissenschaftsgeschichte der Bundesrepublik, für die die Geschichte des Stifterverbandes unzweifelhaft einen wichtigen Nukleus darstellt.
63 Die Nachlässe von Ludwig Kastl im Bundesarchiv Koblenz und der Nachlaß E.H. Vits im Deutschen Bergbaumuseum Bochum geben keinen Aufschluß für die Tätigkeit im Stifterverband. Der Teilnachlaß Vits berücksichtigt nur dessen Tätigkeit für die Combined Coal Control Group in Essen. 64 Bahlsen-Archiv Hannover (BahA). 65 Über die Fraunhofer-Gesellschaft bereitet Rüdiger vom Bruch (Berlin) zum 50jährigen Jubiläum eine Publikation vor.
I. Der alte Stifterverband 1920-1945
1. Wissenschaft und Industriegesellschaft in Deutschland Es liegt im spezifischen Charakter der Entwicklung deutscher territorialer Staatlichkeit in der Frühen Neuzeit, daß dieser Staat tendenziell alle wichtigen Lebensbereiche erfaßte und somit „durchstaatlichte". Dies gilt besonders für den Bereich der Hochschulausbildung, wo der fürstliche Territorialstaat seit dem späten Mittelalter ein besonderes Interesse an der Einrichtung und Kontrolle von Ausbildungsgängen für Juristen, Theologen und Mediziner zeigte, das durch die Reformation und den Personalbedarf des frühmodernen Staates noch verstärkt wurde.1 Auch die Akademiegründungen des 18. Jahrhunderts vollzogen sich in enger Anlehnung an die Fürsten, deren Genehmigungen und Wohlwollen für das Gelingen solcher Gründungen unverzichtbar waren.2 Erst als im Lauf des späteren 18. Jahrhunderts zunehmend „nützliche" Gesellschaften gegründet wurden, die sich der Verbesserung landwirtschaftlicher, technologischer und ökonomischer Kenntnisse widmeten, schalteten sich Angehörige des Bürgertums und des Adels als Privatleute in die Vorgänge ein, die wir als Wissenschaftspflege bezeichnen können.3 Dies bedeutete freilich noch keine strukturelle Änderung in der Trägerschaft wissenschaftlicher Einrichtungen, die weiterhin dem Staat unterstanden: Wissenschaft und Staat blieben in engster Verbindung. Im Juni 1949 wurde der Münchener Physiker Walther Gerlach von dem Wuppertaler Industriellen Ernst Hellmut Vits zu einer Sitzung nach Wiesbaden eingeladen, die die Neugründung des Stifterverbandes vorbereiten sollte. Gerlach freilich war verhindert, weil er donnerstags und freitags jeweils um 7 Uhr vierstündig seine berühmte „Experimentalphysik" las und er angesichts der Kürze des Semesters die Vorlesung nicht ausfallen lassen wollte. Aber um Vits zu trösten und ihn der Bedeutung der Sache zu versichern, versah er ihn mit einem hilfreichen Goethe-Zitat, das seitdem im Stifterverband durch Werbeschriften und Redemanuskripte weiter die Runde machen sollte. 1 Vgl. dazu Hammerstein, Notker: Zur Geschichte und Bedeutung der Universitäten im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation, in: HZ 241, 1985, 287-328. 2 Vgl. dazu Grau, Konrad: Berühmte Wissenschaftsakademien. Von ihrem Entstehen und ihrem weltweiten Erfolg, Frankfurt am Main 1988. 3 Vgl. u. a. Dann, Otto: Die Lesegesellschaften des 18. Jahrhunderts und der gesellschaftliche Aufbruch des deutschen Bürgertums, in: U. Hermann (Hg.): Die Bildung des Bürgers, Weinheim - Basel 1982, 100-119; Dülmen, Richard van: Die Gesellschaft der Aufklärer. Zur bürgerlichen Emanzipation und aufklärerischen Kultur in Deutschland, Frankfurt am Main 1986.
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Als Goethe sich am 16. Mai 1821 bei der Senckenbergischen Naturforschenden Gesellschaft für die Ernennung zum Korrespondierenden Mitglied bedankte, lobte er die Gründer mit den Worten: „Wer Kunst und Wissenschaft fördert darf sich sagen, daß er gränzenlose Folgen vorbereitet." 4 In jener Phase einer „halkyonischen Ruhe" in Deutschland, als sich allein studentische Unruhe in einigen Staaten zeigte und restaurative Tendenzen das Verfassungsleben prägten, werden nicht viele Menschen den tieferen Sinn dieser weitsichtigen Äußerung des Dichters und Naturforschers verstanden haben. Vor allem die Universitätswissenschaft kannte noch nicht die Bedeutung technologischer Innovation, sie war insgesamt noch geprägt von der Funktion der Ordnung und Verwaltung des tradierten Wissens, des „parta tueri", das für die Wissenschaftspflege der Frühen Neuzeit insgesamt charakteristisch war. Die Suche nach - vor allen Dingen nützlichem - Neuem gehörte bestenfalls zur Aufgabe wissenschaftlicher Sozietäten, die dem wissenschaftlichen Utilitarismus verpflichtet waren.5 Natürlich hatte diese Wissenschaft entscheidende Veränderungen des Weltbildes in Astronomie, Physik und Chemie vorbereitet, doch hatten diese Innovationen noch nicht tiefgehend die Produktion von Gütern beeinflußt. Zwar hatten die Staaten den Wert technologischer Kenntnisse und Verbesserungen erkannt und gewürdigt, diese Kenntnisse wurden auch gelehrt und durch private „nützliche" Gesellschaften in die Öffentlichkeit gebracht, doch wird sich dies noch nicht als breite Bewegung charakterisieren lassen. Einzelgänger wie Jakob Leupold in seinem „Theatrum machinarum" (1724—35) plädierten zwar für die engere Verbindung von Wissenschaft und technischer Praxis, doch hatte dies noch keine breiten Wirkungen. Friedrich der Große spottete angesichts eines praktischen Fehlschlags der Wissenschaft gegenüber Voltaire über die „vanité de la géométrie",6 doch schon 1798 ermahnte Friedrich Wilhelm III. seine Berliner Akademie der Wissenschaften, ihre „Einsichten auf nützliche Gegenstände zu richten." 7 Wenn auch vereinzelt schon die neuen „Kraftmaschinen" aus England im Einsatz waren, die bald die Industrie revolutionieren sollten, verharrte doch insgesamt die Produktion, zumindest in Mitteleuropa, noch auf einem traditionellen technologischen Niveau. Technologischer Fortschritt definierte sich noch - wie in der ganzen Frühen Neuzeit - durch die Verbreitung verbesserter Detailkenntnisse, den Austausch praktischer Erfahrungen, auch durch den Versuch, solche Kenntnisse aus England mittels Spionage auf den Kontinent zu vermitteln.8 Um 1800 mußte Deutschland - so hat Tho-
4 Goethe, Johann Wolfgang von: Brief vom 16. Mai 1821, hier zit. nach: Schäfer, Wilhelm: Chronik der Senckenbergischen Naturforschenden Gesellschaft 1817-1966, Frankfurt am Main 1967, 217 (Freundl. Hinweis von Dr. Klemmer, Forschungsinstitut und Natur-Museum Senckenberg Frankfurt am Main). 5 Vgl. zuletzt Wieland, Georg: Wissenschaft und "allgemeiner Nutzen". Zur kulturellen Deutung der mittelalterlichen und neuzeitlichen Universität, in: Saeculum 45, 1994, 308-315. 6 Zitiert nach Klemm, Friedrich: Die Rolle der Technik in der Aufklärung, in: Manegold, K. H. (Hg.): Wissenschaft, Wirtschaft und Technik. Wilhelm Treue zum 60. Geburtstag, München 1969,318-330. 7 Wieland: Wissenschaft und „allgemeiner Nutzen", 315. 8 Dazu Kroker, Werner: Wege zur Verbreitung technologischer Kenntnisse zwischen England
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mas Nipperdey geurteilt - im Hinblick auf die Entwicklung von Wissenschaft und Technologie als ein „zurückgebliebenes Land" gelten.9 Erst langsam setzt sich in der Praxis die Kooperation von wissenschaftlicher Forschung und praktischer Anwendung durch, und erst ganz vereinzelt finden sich im 19. Jahrhundert Stimmen, die eine Ausrichtung der Wissenschaft an den praktischen Bedürfnissen der Wirtschaft forderten. Zu nennen wäre hier der Leipziger Philosoph und Historiker Karl Friedrich Biedermann, der 1839 in seiner Schrift „Wissenschaft und Universität in ihrer Stellung zu den praktischen Interessen der Gegenwart" angesichts der ständigen Versuche der Menschen zur „Aneignung der Außendinge" für eine Orientierung der Wissenschaft an den Erfordernissen des technisch-wirtschaftlichen Fortschritts plädierte, dafür freilich von der Kritik noch verspottet wurde.10 Ihm erschienen die „industrielle Bewegung" und die „materiellen Interessen" seiner Zeit als unaufhaltsame Kräfte, an denen sich auch die Wissenschaften auszurichten hätten. Eine engere Bindung von wissenschaftlicher Forschung und industrieller Entwicklung konnte sich erst im Verlauf der folgenden Epoche der Industrialisierung einstellen, als deutlich wurde, daß erst wissenschaftliche Grundlagen die weitere zielgerichtete Entwicklung der gewerblichen Wirtschaft tragen würden.11 Wirtschaftlicher Fortschritt, der jetzt vermehrt zum Ziel auch staatlichen Handelns wurde, unterlag wissenschaftlicher Fundierung, wie dies der preußische Finanzbeamte Peter Christian Wilhelm Beuth 1824 erkannte: „Wo die Wissenschaft nicht in die Gewerbe eingeführt ist, da gibt es kein sicher gegründetes Gewerbe, da gibt es kein Fortschreiten." Der badische Ministerialbeamte Carl Friedrich Nebenius wollte die „Fortschritte der Production" noch enger an die „fortschreitende geistige Entwicklung" gebunden sehen, mußte sich freilich die Warnungen eines traditionell denkenden Philologen anhören, der ihn vor „Amerikanismus, Polytechnismus oder wie man die materiellen Richtungen sonst nennen will", warnte.12 Je schneller die Hochindustrialisierung fortschritt,13 desto klarer erkennbar wurde dieser elementare Zusammenhang. Werner von Siemens, dem immer klarer wurde, daß
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und Deutschland in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, Berlin-München 1971 und Braun, Hans-Jochen: Technologische Beziehungen zwischen Deutschland und England von der Mitte des 17. Jahrhunderts bis zum Ende des 18. Jahrhunderts, Düsseldorf 1974. Nipperdey, Thomas: Deutsche Geschichte 1800-1866. Bürgerwelt und starker Staat, 4. Aufl. München 1987, 484. Biedermann, Carl: Wissenschaft und Universität in ihrer Stellung zu den praktischen Interessen der Gegenwart, Leipzig 1839. - Zu Biedermann vgl. Schulze, Winfried: Karl Friedrich Biedermann. Eine Studie zum Verhältnis von Wissenschaft, Publizistik und Politik im deutschen Vormärz, in: Kurze, D. (Hg.): Aus Theorie und Praxis der Geschichtswissenschaft. Festschrift für Hans Herzfeld zum 80. Geburtstag, Berlin 1972, 299-326. Vgl. dazu die eindrucksvolle Behandlung der deutschen Wissenschaftsgeschichte des 19. Jahrhunderts bei Schnabel, Franz: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert, hier Bde. 5 (198-282) und 6 (13-266) der Taschenbuchausgabe Freiburg 1964-65. Hier zitiert nach Manegold, K. H.: Zur Emanzipation der Technik, 384. Vgl. den neuesten Überblick bei Wehler, Hans-Ulrich: Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. 3, München 1995, 552 ff.
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„die Begünstigung der naturwissenschaftlichen Forschung in eminentem Grade eine Förderung der materiellen Interessen des Landes" bewirkte, schrieb 1883: „Die naturwissenschaftliche Forschung bildet immer den sicheren Boden des technischen Fortschrittes, und die Industrie eines Landes wird niemals eine internationale, leitende Stellung erwerben und sich selbst erhalten können, wenn das Land nicht gleichzeitig an der Spitze des naturwissenschaftlichen Fortschritts steht. Dieses herbeizuführen, ist das wirksamste Mittel zur Hebung der Industrie."14 All dies erfolgte in dem sicheren Bewußtsein, den „Übergang aus dem philosophischen in das naturwissenschaftliche Zeitalter" mitzuerleben, den Rudolf Virchow in seiner Berliner Rektoratsrede von 1893 konstatiert hatte. „Scientia" sei in der Tat zur „potentia" geworden, schwärmte Virchow. 15 Im gleichen Jahr zog der Rektor der Berliner Technischen Hochschule Alois Riedler aus dieser Einsicht die praktische Konsequenz für die weitere Entwicklung der deutschen Hochschulen im 20. Jahrhundert: „Es ist hoch an der Zeit, die Bildungsmittel den alles beherrschenden wirtschaftlichen Bedürfnissen der Nation anzupassen, wenn wir den Wettbewerb mit dem Auslande erfolgreich bestehen wollen."16 1899 beging die Technische Hochschule in Berlin unter Riedlers Rektorat eine „Centenar"-feier, die sich weniger einem historisch korrekten Datum als dem unbedingten Wunsch der Hochschule und des Kaisers verdankte, die technischen Wissenschaften zu feiern.17 Die „Verwissenschaftlichung" der Wirtschaft und der Welt war unübersehbar geworden, 18 man trat aus dem „Jahrhundert der Chemie" in das neue „Jahrhundert der Technik" ein, das Riedler wiederum emphatisch begrüßte. 19 Für den Industriellen 14 Das erste Zitat nach Schenck, Rudolf: Arbeitsgemeinschaft und Gemeinschaftsarbeit in Naturwissenschaft und Technik, in: Abb, G. (Hg.): Aus 50 Jahren deutscher Wissenschaft, Freiburg-Berlin-Leipzig, 1930, 286-299, hier 287. Das zweite Zitat nach Richter, Steffen: Wirtschaft und Forschung. Ein historischer Überblick über die Förderung der Forschung durch die Wirtschaft in Deutschland, in: Technikgeschichte 46, 1979, 20 - 44, hier 21. 15 Virchow, Rudolf: Die Gründung der Berliner Universität und der Übergang aus dem philosophischen in das naturwissenschaftliche Zeitalter. Rede am 3. August 1893 in der Aula der Kgl. Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin, Berlin 1893, hier 28. 16 Riedler, Alois: Unsere Hochschulen und die Anforderungen des 20. Jahrhunderts, Berlin 1893, 32. 17 Vgl. Rürup, Reinhard (Hg.): Wissenschaft und Gesellschaft. Beiträge zur Geschichte der TU Berlin 1879-1979, 2 Bde., Berlin-Heidelberg-New York 1979, hier Bd. 1. - Zu den Feierlichkeiten auch Manegold, Karl-Heinz: Universität, Technische Hochschule und Industrie. Ein Beitrag zur Emanzipation der Technik im 19. Jahrhundert unter bes. Berücksichtigung der Bestrebungen Felix Kleins, Berlin 1970, 300 ff. 18 Erker, Paul: Die Verwissenschaftlichung der Industrie. Zur Geschichte der Industrieforschung in den europäischen und amerikanischen Elektrokonzemen 1890-1930, in: ZfU 35, 1990, 73-94. 19 Riedler, Alois: Über die geschichtliche und zukünftige Bedeutung der Technik. Zwei Reden
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Walther Rathenau bestand kein Zweifel daran, daß die „wissenschaftliche Vertiefung eines Volkes über seine Macht" entscheide.20 Für die aus solchen Einsichten entspringende Aufbruchstimmung waren die Jahre um 1900 vorzüglich geeignet: Im Rahmen einer „konservativen Modernisierung" spielte der wissenschaftliche Erneuerungsprozeß eine entscheidende Rolle.21 Diese Industrie konnte freilich nur wachsen, wenn der Staat bestimmte Voraussetzungen bereitstellte, aber auch regulierend und kontrollierend in die Wirtschaft und ihre Rahmenbedingungen eingriff. Dabei konnte in den deutschen Staaten überhaupt kein Zweifel daran bestehen, daß allein der Staat es sein konnte, der das für die Wirtschaft notwendige qualifizierte Personal ausbilden mußte.22 Von den Gewerbeschulen bis zu den Technischen Hochschulen spannte sich der Bogen der staatlichen Institutionen, die im Rahmen der „Erziehung zur Industrie" (Franz Schnabel) der Wirtschaft gut ausgebildete Fachkräfte zur Verfügung stellen sollten.23 Daß die Industrie Fachkräfte dringend benötigte, zeigten gerade die Zahlen der forschungsintensiven Industrien.24 Nachdem die Immatrikulationszahlen für Chemie seit 1850 rasant anstiegen, beschäftigten die drei bedeutendsten Firmen der chemischen Industrie in Deutschland - nämlich Bayer, Hoechst und die Badischen Anilin- und Sodafabriken - vor dem Ersten Weltkrieg schon doppelt so viele Chemiker wie alle deutschen Universitäten zusammen.25 Die Ingenieure erlebten einen kaum für möglich gehaltenen sozialen Aufstieg und erreichten 1899 das Promotionsrecht.26 An allen deutschen Universitäten wurden zwischen 1865 und 1920 aufwendige physikalische Laboratorien errichtet, und damit
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zur Feier der Jahrhundertwende und zum Geburtstag S.M. des Kaisers am 9. und 26. Januar 1900 in Berlin, Berlin 1900. Zit. nach Picht: Amerikaerfahrung, 245. Zur Situation der Wissenschaften um 1900 vgl. Gall, Lothar: Zur politischen und gesellschaftlichen Rolle der Wissenschaften in Deutschland, in: Coing, H. u.a.: Wissenschaft seit 1900. 75 Jahre Universität Frankfurt, Frankfurt am Main 1992, 9 ff - Zur Forschungsdiskussion vgl. Turner, Steven R.: German Science, German Universities: Historiographical Perspectives from the 1980s, in: Schubring, G. (Hg.), 'Einsamkeit und Freiheit' neu besichtigt, Stuttgart 1991, 2 4 - 3 6 und Johnson, Jeffrey Allan: The Kaiser's Chemists. Science and Modemization in Imperial Germany, Chapel Hill 1990, 9 ff. Dazu Lundgreen, Peter: Bildung und Wirtschaftswachstum im Industrialisierungsprozeß des 19. Jahrhunderts. Methodische Ansätze, empirische Studien und internationale Vergleiche, Berlin 1973. Streck, O. (Einleitung): Die deutschen Technischen Hochschulen. Ihre Gründung und geschichtliche Entwicklung, München 1941 sowie Rürupp, Reinhard in: ders.(Hg.): Wissenschaft und Gesellschaft. Beiträge zur Geschichte der TU Berlin 1 8 7 9 - 1 9 7 9 , 2 Bde., Berlin-Heidelberg-New York 1979, hier Bd. 1. — Das Schnabel-Zitat wie Anm. 11, Bd. 6, 75. Vgl. etwa Borscheid, Peter: Naturwissenschaft, Staat und Industrie in Baden (1848-1914), Stuttgart 1973. Ebd. 27, gezeigt am Beispiel Heidelbergs. Vgl. dazu den Überblick über deren Standesgeschichte im 19. Jahrhundert von Gispen, Kees: New Profession, Old Order. Engineers and German Society 1815-1914, Cambridge 1989.
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gab man der universitären Physik die erwünschte Möglichkeit, ihren Forschungsbetrieb neu zu organisieren. 27 Der Staat reagierte auf den Bedarf der Wirtschaft mit der Errichtung fachlich spezialisierter Lehrstühle an den Universitäten, die ihrerseits eng mit der Industrie zusammenarbeiteten; 28 er nahm aber auch durch Prüflaboratorien und Eichanstalten die Aufgabe der Überwachung und Vereinheitlichung technischer Anlagen auf sich. Erst gegen Ende des Jahrhunderts kam es aus Handel und Industrie und der gewerblichen Wirtschaft heraus zu ersten eigenen Initiativen für die Ausbildung, den Handelshochschulen. 1898 waren es Leipziger Handelsherren, die die Grundlage für die erste deutsche Handelshochschule legten.29 Unbestreitbar hatte Deutschland mit seiner forcierten Bildungs- und Forschungspolitik einen zukunftsweisenden Weg eingeschlagen. Das Land gewann neues Renommee in Europa und Amerika, sein Hochschulsystem wurde wegweisend und zog viele Interessenten an. Zur gleichen Zeit wurde die neue Leistungsfähigkeit Deutschlands auch von seinen europäischen Konkurrenten wahrgenommen, vor allem von England: „Science, education, application, and an equal regard for small as for large things - these, in the main, are the causes of Germany's success as a rival in the market of the world", schrieb bewundernd ein englischer Beobachter. 30 Die moderne Wissenschaftsgeschichte folgt im wesentlichen dieser Einschätzung, wenn sie Deutschland in dieser Epoche zum „Weltzentrum der Wissenschaft" werden sieht, wie es der Wissenschaftshistoriker Joseph Ben-David formuliert hat.31 Ein erstes Exempel für eine engere Verbindung von staatlicher Lenkung, wissenschaftlichen Kenntnissen und wirtschaftlichem Bedarf wurde 1887 die Errichtung der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt. 32 Auf dem Gebiet der Materialprüfung und 27 Dazu Cahan, David: An Institute for an Empire.The Physikalisch-Technische Reichsanstalt 1871-1918, Cambridge 1989,20 ff. 28 Zum Beginn dieser Kooperation in Baden vgl. Borscheid: Naturwissenschaft, Staat und Industrie in Baden, 111 ff. 29 Zur Leipziger Handelshochschule und zu den anderen einschlägigen Gründungen vgl. Jarausch, Konrad A. in: Handbuch der deutschen Bildungsgeschichte, Bd. 4, 1870-1918, München 1991,313-345. 30 Dawson, William H.: The Evolution of Modern Germany, London 1908, VI, hier zitiert nach Kiesewetter, Hubert: Europas Industrialisierung - Zufall oder Notwendigkeit?, in: VSWG 80, 1993,31-62, hieröl. 31 Hier zitiert nach Riese, Reinhard: Die Hochschule auf dem Wege zum wissenschaftlichen Großbetrieb. Die Universität Heidelberg und das badische Hochschulwesen 1860-1914 (Industrielle Welt; Bd. 19), Stuttgart 1977, 62. Vgl. dazu jetzt auch Alter, Peter: Deutschland als Vorbild britischer Wissenschaftsplanung, in: Birke, A. (Hg.): Wettlauf in die Moderne, Köln 1988, 51-69. 32 Dazu liegt eine relativ umfangreiche Literatur vor, u.a. Zenneck, J.: Werner von Siemens und die Gründung der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt, München 1931; die ältere Literatur bei Wendel, Günther: Die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft 1911-1914, Berlin 1975, 249, Anm. 6; Pfetsch, Frank R.: Scientific Organisation and Science Policy in Imperial Germany 1871-1914: The Foundation of the Imperial Institute of Physics and Technology, in: Minerva 8, 1970, 557-580; Burchardt, Lothar: Der Weg zur PTR. Die Projektierung und Gründung hochschulferner physikalischer Forschungsstätten im Kaiserreich, in: Physik. Blät-
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der Meßtechnik war - nicht zuletzt aus Kostengründen - seit langem ein Bedarf aus der feinmechanischen und elektrotechnischen Industrie angemeldet worden, doch sträubten sich vor allem die Universitäten gegen die Auslagerung wissenschaftlicher Arbeit aus ihrem Verantwortungsbereich heraus. Werner von Siemens hatte schon in seinem „Promemoria vom 20.3.1884" die Notwendigkeit dieser Institution nicht nur aus innerwissenschaftlichen und nationalen Gründen zu belegen versucht, sondern zugleich auf die Unverzichtbarkeit verbesserter nachrichtentechnischer Forschung im „Konkurrenzkampf der Völker" hingewiesen. Damit war ein neues Moment in die Diskussion um wissenschaftspolitische Innovationen eingebracht worden, das in den kommenden Jahrzehnten immer wieder strapaziert werden sollte, ohne freilich die Reichsstellen schon zu großzügiger Hilfe zu bewegen.33 Erst die Tatsache, daß Siemens persönlich sowohl für ein Baugrundstück wie für die Baukosten dieser neuen Institution aufkommen wollte, brachte den Durchbruch. Seit 1887 amtierte Hermann von Helmholtz, damals gerühmt als „Reichskanzler der deutschen Wissenschaft", als Präsident des Instituts, das sehr bald zum Vorbild auch für andere Fächer und Länder werden sollte.34 Innerhalb des Reichs gelang dies jedoch zunächst nicht, die Versuche zur Etablierung einer Chemischen Reichsanstalt schlugen fehl, selbst die Gründung des Vereins Chemische Reichsanstalt brachte keinen Erfolg. Es war schließlich die politisch interessante Idee einer „Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften" (KWG), die der Chemie ihre neuen Institute bescherte ,35 Ein in seinen praktischen Auswirkungen folgenreicher Durchbruch war erreicht worden: Wissenschaftliche Forschung hatte sich aus der alleinigen Obhut des Staates gelöst und fand in der modernisierungskräftigen Interessenkoalition von Bürokratie und Wirtschaft eine neue Heimat.36 Doch dies konnte nur ein erster Schritt zu weiteren Hilfen sein: Seit 1898 förderte die „Göttinger Vereinigung für angewandte Physik" aus den Beiträgen vor allem ihrer industriellen Mitglieder neue Lehrstühle für „Technische Physik", „angewandte Elektrizitätslehre" und später auch für „angewandte Mathematik". In Jena unterstützte die Carl-Zeiß-Stiftung seit 1901 ähnliche Lehrstühle.37
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ter 32,1976,289-297; Cahan, David: An Institute for an Empire. Vgl. auch ders. in Bortfeldt, J./Hauser, W./Rechenberg, H. (Hgg.): Forschen, Messen, Prüfen. 100 Jahre PhysikalischTechnische Reichsanstalt, 1887 bis 1987, Weinheim 1987, 27-67. Siemens, Werner von: Über die Bedeutung und die Ziele einer zu begründenden physikalisch-technischen Reichsanstalt. Denkschrift für den Reichstag (1885). Vgl. jetzt allgemein dazu Krüger, Lorenz (Hg.): Universalgenie Helmholtz. Rückblick nach 100 Jahren, Berlin 1994 und Rechenberg, Helmut: Hermann von Helmholtz. Bilder seines Lebens und Wirkens, Weinheim 1994. Dazu jetzt Johnson, Jeffrey Allan: The Kaiser's Chemists. Science and Modernization in Imperial Germany, Chapel Hill 1990, der damit die Gründung der KWG in eine längere Perspektive stellt. Vgl. hierzu die Überblicke bei Pfetsch, Frank R.: Zur Entwicklung der Wissenschaftspolitik in Deutschland 1750-1914, Berlin 1974 und Richter, Steffen: Wirtschaft und Forschung. Ein historischer Überblick über die Förderung der Forschung durch die Wirtschaft in Deutschland, in: Technikgeschichte 46,1979, 20-44. Nach v. Brocke/Krüger (Hgg.): Hochschulkonferenzen, 332, Anm. 26.
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a) Die „Jubiläumsstiftung der deutschen Industrie zur Förderung der technischen Wissenschaften" von 1900 Von hier ging ein mächtiger Impuls zur utilitaristischen Beteiligung der Wirtschaft an Bildung und Wissenschaft aus, dem sich letztlich auch die spätere Gründung des Stifterverbandes verdankt. Gewiß hatte es auch schon vor der KWG-Gründung in einzelnen Fällen Stiftungen und Spenden aus der Wirtschaft für wissenschaftliche Zwecke gegeben. Fast alle Universitäten erfreuten sich mehr oder weniger großer Stiftungen, die meist für Stipendien und soziale Zwecke gedacht waren. Die Universitäten versuchten angesichts gestiegener Forschungsaktivitäten jedoch, die Stiftungen stärker auf den Bereich der wissenschaftlichen Forschung umzulenken, wo sich ein zunehmend größerer Bedarf abzeichnete. Doch auch auf diesem Gebiet vollzog sich um die Jahrhundertwende eine bedeutsame Veränderung, die in der Perspektive der späteren Fördergesellschaften und des Stifterverbandes von 1920 genauer betrachtet werden muß. Hier muß vor allem der „Jubiläumsstiftung der Deutschen Industrie zur Förderung der technischen Wissenschaften" gedacht werden, die seit 1900 in Berlin mit dem beachtlichen Grundkapital von etwa 1,8 Mio. Mark arbeitete.38 Im Juni 1899 hatte eine Versammlung deutscher Industrieller in Berlin den Entschluß gefaßt, zum hundertjährigen Jubiläum der Berliner Technischen Hochschule im gleichen Jahr 39 eine Industriestiftung ins Leben zu rufen, die in breiter Weise die technische Forschung unterstützen sollte. An der Spitze des Organisationskomitees, das die vorbereitenden Arbeiten unternahm, standen die Berliner Unternehmer Ernst Borsig als Vorsitzender, Kommerzienrat Carl Albrecht Paul Heckmann - der damalige Vorsitzende des Gesamtverbandes Deutscher Metallindustrieller 40 - und der Ingenieur Direktor Max Krause. Hintergrund dieser Stiftung war zunächst der Wunsch der Industriellen, das - bekanntlich etwas willkürliche - Jubiläum der TH Berlin zum Anlaß einer demonstrativen Aktion zugunsten der deutschen Technik zu machen. Hier verband sich ein allgemeines Fortschrittsbewußtsein mit starken nationalen Motiven, der Altphilologe Wilamowitz-Moellendorff sprach gar von einer 38 Knappe Erwähnung bei Vierhaus/vom Brocke: Forschung im Spannungsfeld, 109. Die Stiftung verfügte 1914 über einen Jahresetat von mehr als 55 000 Goldmark, 1920 über 82 400 Goldmark, mußte aber 1924 ihre Arbeit einstellen, weil das Kapital im Lauf der Inflation zusammengeschmolzen war. 1925 waren nach Mitteilung von C. Köttgen - dem Schatzmeister der Stiftung - an A. Vogler noch 30 000 Mark übrig (AVDE HG 1, Bd.l, 19.2.25). 39 Dazu Rürup, Reinhard (Hg.): Wissenschaft und Gesellschaft. Beiträge zur Geschichte der TU Berlin 1879-1979, 2 Bde., Berlin-Heidelberg-New York 1979 und Manegold, KarlHeinz: Universität, Technische Hochschule und Industrie. Ein Beitrag zur Emanzipation der Technik im 19. Jahrhundert unter bes. Berücksichtigung der Bestrebungen Felix Kleins, Berlin 1970,227 f. und 300 ff. 40 Die Angaben über den Berliner Industriellen Paul Heckmann (1849-1910) verdanke ich meinem Bochumer Kollegen und Nachbarn Prof. Dr. Heinrich Heckmann, der mir die in Familienbesitz befindlichen Unterlagen über seinen Großvater freundlicherweise zur Verfügung stellte. Heckmann hatte nicht nur 1890 den Vorsitz des Gesamtverbandes Deutscher Metallindustrieller übernommen, sondern wurde 1904 auch Vorsitzender des Vereins Deutscher Arbeitgeberverbände.
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„Verbindung von Militarismus und Wissenschaft". Im Aufruf, den 226 Industrielle unterschrieben hatten, hieß es: „In lebendiger Wechselwirkung sind in diesen hundert Jahren unsere technischen Hochschulen und die d e u t s c h e Industrie miteinander e m p o r g e w a c h s e n zu einer H ö h e , zu der unser Vaterland mit gerechtem S t o l z e und die übrige Welt mit gebührender Anerkennung emporblickt. W i e an den herrlichen S i e g e n unserer Kriegsheere der deutschen S c h u l e ein hervorragender Anteil zuerkannt wird, s o haben die technischen Hochschulen unseres Vaterlandes von jeher grundlegend mitgewirkt an den Großtaten der deutschen Industrie und Technik, sie sind es, die für den täglich a u f s neue zu führenden Wettkampf unserem V o l k e die geistigen W a f f e n schaffen und ein vortreffliches Offizierskorps bereitstellen."
Während man diese Formulierungen, die auch in die einschlägigen Zeitungsberichte übernommen wurden,41 noch als Propaganda abtun könnte, so gibt ein späteres Rundschreiben sehr viel genauere Hinweise auf die Selbsteinschätzung der technologischwirtschaftlichen Lage Deutschlands auf dem europäischen und Weltmarkt. Um zu weiteren Kapitalzeichnungen zu ermuntern, verwies das Komitee auf den schärfer werdenden Konkurrenzdruck auf dem „Weltmarkte", zugleich jedoch auf das in Deutschland bewährte Prinzip wissenschaftlich-industrieller Kooperation. Bisher habe die Industrie jederzeit „Rat und Hilfe bei den Wissenschaften gefunden," während sie sich in anderen Ländern eher auf „empirische Grundlagen" stütze und deswegen nicht jene „geistige Fortentwicklung" aufweise, „die uns einen unbestrittenen Vorsprung verschafft hat und noch mehr in Zukunft verschaffen wird." In diesem Rundschreiben unterstrichen die Initiatoren auch die besondere Aufgabenstellung der Jubiläumsstiftung, wie sie sie verstanden. Sie verwendeten weitsichtige Formulierungen, die auch in der neueren Diskussion um die Rolle des Stifterverbandes wieder eine Rolle spielen: Aufgabe der Stiftung sei es, „ein tatkräftiges Zusammenwirken von Wissenschaft und Praxis zu fördern und insbesondere da helfend einzugreifen, wo staatliche Mittel nicht zur erwünschten Zeit oder nicht in ausreichender Höhe zur Verfügung gestellt werden können. In diesem Sinne wird das Kuratorium die Maßnahmen der Landesregierungen zur Förderung der technischen Wissenschaften häufig auch anregen und vorbereitend unterstützen können." Aus den Unterlagen - vor allem einem Kommentar des wissenschaftspolitisch aktiven Rektors Alois Riedler der TH Berlin - wird zudem deutlich, 42 daß es hierbei um 41 E i n i g e Zeitungsausschnitte ( R e i c h s b o t e , V o s s i s c h e Zeitung, National-Zeitung) enthält die Akte in A T U B (Vgl. f o l g e n d e A n m e r k u n g ! ) . D a s sich auf die äußeren Formen der Berliner Centenarfeiern beziehende Zitat von Wilamowitz nachgewiesen bei M a n e g o l d : Universität, Technische Hochschule und Industrie, 300. 4 2 Für diese knappe Darstellung der Jubiläumsstiftung standen mir im Archiv der T U Berlin die (Merseburger) Akten zur V e r f ü g u n g , die seinerzeit Hans Ebert für die T U - G e s c h i c h t e gesammelt hat ( N L Ebert, Film 5838). Für die Jahre 1 9 1 2 - 1 9 2 4 konnte ich auf die Unterlagen im S i e m e n s - A r c h i v M ü n c h e n (4 L f 6 3 9 ) zurückgreifen, auf die mich Dr. Frank Wittendorfer v o m S i e m e n s - M u s e u m München freundlicherweise hinwies.
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eine Aktion der Industrie ging, die auch einem Wunsch des Kaisers gerecht zu werden versuchte. Wilhelm II. habe u.a. gegenüber Friedrich A. Krupp und dem Rektor Riedler seinen Wunsch zum Ausdruck gebracht, eine „Akademie der technischen Wissenschaften" gründen zu wollen.43 Eigentlich hätten die Industriellen dies auch tun wollen, aber aus nicht zu klärenden Gründen sei bei der Sammlung der Gelder „der Fehler" gemacht worden, auch Süddeutschland einzubeziehen, so daß man jetzt keine Möglichkeit mehr sehe, eine letztlich wohl preußische „Akademie der technischen Wissenschaften" zu gründen. Man befürchtete Proteste aus „Süddeutschland", von wo immerhin ca. 200 000 Mark an Stiftungsgeldern gekommen waren, gegenüber einer solchen rein „preußischen" Verwendung der Gelder. So kam es „nur" zur Jubiläumsstiftung, die sich aber eine bemerkenswert stabile organisatorische Struktur gab und sich darin fundamental von allen bisher bestehenden Wissenschaftsstiftungen unterschied. Während nämlich die meisten Stiftungen Individual- oder Firmenstiftungen waren, bediente sich die „Jubiläumsstiftung" eines durchaus modernen Musters, indem sie ihr Grundkapital im Bereich der industriellen Förderer sammelte und die Kapitalerträge aus „mündelsicher" zu 3,5 % angelegten Wertpapieren in eigener Regie und wissenschaftlich kontrolliert an Hochschulinstitute und sonstige forschende Einrichtungen vergab, um dort bestimmte Forschungsaufgaben bearbeiten zu lassen. Sie gründete aber auch besondere Kommissionen für die Lösung bestimmter technischer Probleme (z.B. für den Eisenbetonbau 1903 oder das „dynamische Fliegen" mit „Hubschrauben" 1907) und näherte sich auf diese Weise zumindest programmatisch ein wenig einer Akademie an. Man sah sogar die Möglichkeit vor, die Stiftungsmittel ganz einem bestimmten wichtigen Thema zukommen zu lassen und bewahrte auch damit Grundideen einer Akademie. Auch die paritätische Besetzung ihres Aufsichtsgremiums durch zwölf Vertreter der Industrie und die gleiche Anzahl von Vertretern der deutschen Technischen Hochschulen und Bergakademien sowie ihr System der Begutachtung durch fünf Fachausschüsse (Maschinenbau, Berg- und Hüttenwesen, Architektur und Bauwesen, Chemische Technik, Elektrotechnik) machten sie zu einem Modellfall sowohl für die spätere „Kaiser Wilhelm Stiftung für kriegstechnische Wissenschaft" (1916)44 als auch für die spätere Notgemeinschaft und die Helmholtz-Gesellschaft, die sich beide dieses Modells bedienten. Die Existenz der „Jubiläumsstiftung" belegt, daß die Gründungen von HelmholtzGesellschaft und Stifterverband 1920 schon an eine beachtliche Tradition anknüpfen 43 Alois Riedler hatte 1899 eine Denkschrift über die Gründung einer technischen Akademie vorgelegt, die freilich in der Vorbereitung der Jubiläumsstiftung keine direkte Rolle spielte. Vgl. dazu Manegold, Karl-Heinz: Universität, Technische Hochschule und Industrie. Ein Beitrag zur Emanzipation der Technik im 19. Jahrhundert unter bes. Berücksichtigung der Bestrebungen Felix Kleins, Berlin 1970,215 ff.; 248 ff., Buchheim, G.: Eine Denkschrift von Alois Riedler, die Errichtung einer Akademie der technischen Wissenschaften betreffend (1899), in: NTM-Schriftenreihe 24,1987, 121-124 und zuletzt ein Hinweis bei Rasch, Manfred: Wissenschaft und Militär: Die Kaiser Wilhelm Stiftung für kriegstechnische Wissenschaft, in: MGM 5 0 , 1 9 9 1 , 7 3 - 1 2 0 , 7 7 . 44 Dazu jetzt die gründliche Studie von Rasch, Manfred: Wissenschaft und Militär.
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konnten, zumindest war das Modell der akkumulierten Kapitalstiftung und des wissenschaftlich kontrollierten Vergabemodus schon seit zwei Jahrzehnten bewährt. Ihre Tätigkeit mag auch davor hüten, die Gründung der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft überzubewerten, die damit auch in einen schon älteren Trend einzuordnen ist. Man wird sagen können, daß die Jubiläumsstiftung vor allem im Bereich der angewandten Forschung als eine Art von Vorläuferinstitution der späteren HelmholtzGesellschaft wirkte. In die Helmholtz-Stiftung wurden 1925 auch ihre Restmittel integriert, als das Kapital der Jubiläumsstiftung in der Inflation fast vollständig verlorengegangen war.45
b) Die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften Den nächsten Schritt in die einmal eingeschlagene Richtung stellte die Gründung der „Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften" im Jahre 1911 dar, die ohne Zweifel einen bemerkenswerten Einschnitt in der deutschen Wissenschaftsgeschichte bildet.46 Dies gilt unbeschadet der Tatsache, daß schon 1910 in Leipzig das von dem Kulturhistoriker Karl Lamprecht initiierte und vom sächsischen Wirtschaftsbürgertum finanzierte „Institut für Kultur- und Universalgeschichte bei der Universität Leipzig" gegründet worden war, hier also schon Vorläufer etabliert waren.47 Anläßlich des einhundertsten Jubiläums der Berliner Universität, mit der 1810 das tragende Element der Einheit von Forschung und Lehre im Humboldtschen Sinne verwirklicht worden war, gelang es, dem etablierten System der staatlich geförderten Wissenschaft eine neue Idee hinzuzufügen. Adolf von Harnack berief sich dabei auf unausgeführte Gedanken Humboldts über die dritte Form der sog. wissenschaftlichen „Hilfs-Institute" neben Universität und Akademie und vermochte so seine Kurskorrektur auch historisch zu legitimieren, ohne dabei die reale Gefahr zu verkennen, die er in der Abwanderung der Forschung in die Industrie sah.48 Georg Schreiber sprach schon 1923 dem Jahr 1911 die Qualität eines „Epochenjahres in der deutschen Wissenschaftsgeschichte" zu.49
45 SAM, Lf 639, Bd.2. 46 Zunächst Wendel, Günter: Die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft 1911-1914. Zur Anatomie einer imperialistischen Forschungsgesellschaft, Berlin 1975 und Burchardt, Lothar: Wissenschaftspolitik im Wilhelminischen Deutschland. Vorgeschichte, Gründung und Aufbau der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften, Göttingen 1975. Jetzt umfassend dazu Vierhaus, Rudolf / Brocke, Bernhard vom (Hgg.): Forschung im Spannungsfeld. Hier wurde die Gründungsphase von Bernhard von Brocke beschrieben (17-162). 47 Dazu Schorn-Schutte, Luise: Karl Lamprecht. Kulturgeschichtsschreibung zwischen Wissenschaft und Politik, Göttingen 1984, 259 f., 279 ff. und Czok, Karl: Karl Lamprechts Wirken an der Universität Leipzig, Berlin 1984. 48 Nach v.Brocke in: Vierhaus, Rudolf/Brocke, Bernhard vom (Hgg.): Forschung im Spannungsfeld, 70 ff. Zu Harnacks Sicht der Gefahr der „Abwanderung der Forschung in die Industrie" (geäußert schon 1909) vgl. Wendel, G.: Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, 32. 49 Schreiber, Georg: Die Not der deutschen Wissenschaft und der geistigen Arbeiter. Geschehnisse und Gedanken zur Kulturpolitik des Deutschen Reiches, Leipzig 1923, 16.
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Doch die politisch und publizistisch geschickte Einbindung der Wirtschaft in die nationale Aufgabe der Wissenschaftsförderung, wie sie durch die kaiserliche Schirmherrschaft über die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft wirksam unterstrichen wurde, stellte ein neues Moment dar, nicht zuletzt auch ihre beachtliche finanzielle Ausstattung, die sich bis Ende 1914 auf 13,7 Mio. Mark belief. Die Wirksamkeit dieser Gründung sollte sich auch noch ein Jahrzehnt später, nach dem Ende des Krieges erweisen, als von Harnack auf die Wissenschaft als einen der „wenigen Aktivposten" Deutschlands verwies. Die Gründung der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft vollzog sich auch unter dem Eindruck einer Entwicklung, die erst im späten 19. Jahrhundert die traditionell staatlich finanzierte wissenschaftliche Forschung an den Universitäten mit der Förderung durch die Industrie zusammengebracht hatte. Walther Rathenaus Denkschrift von 1909 hatte es als Zeichen von „Bürgertugend" bezeichnet, wenn - wie in den USA und in der Schweiz - Stiftungen die wissenschaftliche Forschung förderten. Harnack griff diesen Gedanken in seinem Kommentar zur kaiserlichen Botschaft vom 11. Oktober 1910 auf, der die Gefahr eines Zurückbleibens der deutschen naturwissenschaftlichen Forschung gegenüber den USA vor allem an die Wand malte: „Dennoch steht heute, am Anfang des 20. Jahrhunderts, die deutsche Wissenschaft, vor allem die naturwissenschaftliche, in einer Notlage, die nicht vertuscht werden darf. Zwar ist es eine Übertreibung, wenn jüngst von einem Hochschullehrer rund behauptet worden ist, die deutsche Wissenschaft sei bereits (namentlich von der amerikanischen) überflügelt, und ihre Universitäten ständen nicht mehr an der Spitze; wahr ist aber, daß die deutsche Wissenschaft auf wichtigen Linien der Naturforschung hinter der anderer Länder zurückzubleiben beginnt oder in Gefahr steht. Diese Tatsache ist national-politisch und wirtschaftlich bedenklich. National-politisch ist sie bedenklich, weil, anders als früher, heutzutage bei dem außerordentlich gesteigerten Nationalgefühl jedem wissenschaftlichen Forschungsergebnis ein nationaler Stempel aufgedrückt wird."
Eine Lösung dieses „national-politisch" vorrangigen Problems werde „um so leichter und um so sicherer gelingen, je mehr alle Kräfte entwickelt werden, welche die Überzeugung von der Notwendigkeit umfassender und freier Mitwirkung des Bürgertums an der Pflege der Wissenschaft und begeisterte Hingabe an diese neuen Ziele bürgerlicher Arbeit in immer weitere Kreise zu tragen vermögen." Harnack schien überzeugt davon, daß der Staat allein nicht in der Lage sein werde, die Kosten dieses Erneuerungsprozesses in der Wissenschaft zu tragen. 50 Er formulierte die Grundvoraussetzungen in großer Klarheit, aber in ebenso großer Verkennung der finanziellen Möglichkeiten des modernen Steuerstaates und in deutlicher Überschätzung der Möglichkeiten der Wirtschaft: „Die Wissenschaft ist in ihrer Ausbreitung und in ihrem Betriebe an einen Punkt gelangt, an welchem der Staat allein für ihre Bedürfnisse nicht mehr aufzukommen vermag. Eine Koope50 Harnack in: Die Woche vom 11.10.1910 (Kopie in BÄK, R 73, Nr. 4).
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Der alte Stifterverband 1920-1945 ration des Staates und privater kapitalkräftiger und für die Wissenschaft interessierter Bürger ist ins Auge zu fassen; denn in ihr allein ist die Zukunft der wissenschaftlichen Forschung nach der materiellen Seite hin sicher verbürgt."51
Daß die Frage der Wissenschaftsstiftungen in Deutschland in diesen Jahren geradezu virulent war, bezeugt auch die Rede Max Webers auf dem ersten deutschen Soziologentag, der wenige Tage nach dem Erscheinen dieses Beitrags in Frankfurt eröffnet wurde. Weber nutzte die günstige Gelegenheit, die Unterschiede in der Bereitschaft zu Stiftungen zwischen den USA und Deutschland herauszustellen. Da er seine große Zeitungsenquete beginnen wollte, stellte er fest, daß in Deutschland leichter Mittel für Heilzwecke oder sogar für Kunst zu finden seien als für wissenschaftliche Zwecke: „Wir sind also - und das gestehen wir offen - auf Mäzenatentum angewiesen." Bislang habe man diese Art von Mäzenatentum - hier wird Webers Beobachtung sehr ungenau - nur an einer Stelle beobachten können. Damit spielte er auf Frankfurt am Main selbst an, wo man die Gründung einer Universität vorbereitete. 52 Für Weber bestand kein Zweifel daran, daß die deutsche Tradition der Staatsfinanzierung ein größeres bürgerliches Engagement in Stiftungen für die Wissenschaften verhindere.53 Die Errichtung der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft stellte auch insofern einen bedeutsamen Schritt dar, weil sich hierin eine für Deutschlands Traditionen neue Konstellation der Wissenschaftsförderung abzeichnete. Auch wenn sich in der Industrie durchaus auch Stimmen vernehmen ließen - wie z. B. Emil Kirdorf - , die eine Übernahme solcher Verpflichtungen für die Wissenschaft ablehnten, weil sie eine Überlastung der Wirtschaft mit öffentlichen Ausgaben befürcheten,54 hat man zu Recht von einem „Qualitätssprung in der Geschichte des deutschen Stiftungswesens wie in der Geschichte der Wissenschaftsförderung" gesprochen. 55 Schon die frühe Geschichte der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft in der Weimarer Republik zeigte jedoch die Grenzen des „privaten" Engagements deutlich auf, als der Staat die Gesellschaft auffangen und den überwiegenden Teil ihrer Institute finanzieren mußte. Für den Gesamtzeitraum der Weimarer Republik nach der Währungsstabilisierung konnte die private Seite gerade noch 29 % der von der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft benötigten Mittel zur Verfügung stellen, von denen freilich noch der überwiegende Teil aus dem Ausland kam.56 51 Hier zitiert nach: 50 Jahre Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft und Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften 1911-1961. Beiträge und Dokumente, Göttingen 1961, 91. 52 Vgl. dazu Hammerstein, Notker: Die Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt am Main. Von der Stiftungsuniversität zur staatlichen Hochschule, Bd.l, Neuwied-Frankfurt am Main 1989. 53 Max Weber: Geschäftsbericht, in: Verhandlungen des Ersten deutschen Soziologentages vom 19.-22. Oktober 1910 in Frankfurt am Main. Reden und Vorträge, Tübingen 1911, 61 ff. 54 Feldman, Gerald D.: The Private Support of Science in Germany, 1900-1933, in: v.Bruch/Müller (Hgg.): Formen außerstaatlicher Wissenschaftsförderung, hier 87. Burchardt, Lothar: Wissenschaftspolitik im Wilhelminischen Deutschland. Vorgeschichte, 55 Gründung und Aufbau der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften, Göttingen 1975. 56 Vgl. Feldman: Private Support, 105 und jetzt vor allem Vierhaus, Rudolf/Brocke, Bernhard vom (Hgg.): Forschung im Spannungsfeld, 249-251 und 284 f.
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c) Das deutsche „Rückstandssyndrom" Schon im allgemeinen Überblick über die Wissenschaftsentwicklung an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert wurde festgestellt, daß moderne Wissenschaft ohne staatliche Hilfe nicht möglich war. Doch diese Bindung zog zu diesem Zeitpunkt auch die breite Tendenz zur Nationalisierung wissenschaftlicher Forschung mit sich. Im Unterschied zur Frühen Neuzeit, als sich Wissenschaftler noch als Teil einer europaweiten „république des lettres" wähnten und darin frei ihre Kontakte pflegen konnten, rückte Wissenschaft jetzt in den Rang eines Machtmittels ein, das eifrig gehütet und gegen Konkurrenz abgesichert wurde: „Wissenschaft entging nicht - so hat es ein amerikanischer Beobachter formuliert - der Welle des Nationalismus, sondern paßte sich ihr an"; man hat diesen Zusammenhang das „institutionelle Dilemma der modernen Wissenschaft" genannt.57 In diesem Kontext muß auffallen, daß die wesentlichen Innovationsphasen der deutschen Wissenschaftsorganisation immer durch Versuche bestimmt waren, Rückstände zum fortgeschritteneren Ausland aufzuholen. Während noch im späten 19. Jahrhundert Deutschlands Vorsprung in der wissenschaftlichen Fundierung „mit gerechtem Stolz" zur Kenntnis genommen wurde und die „Jubiläumsstiftung" von 1900 eher als weitsichtige Maßnahme zur Sicherung dieser Stellung verstanden wurde, änderte sich dies zunehmend. Schon in der Vorphase der KWG-Gründung hatte der Heidelberger Physiologe Cohnheim, der sich lange zu Forschungszwecken in den USA aufgehalten hatte, die Unterschiede in den Ausgaben der wichtigsten Universitäten Deutschlands und der Vereinigten Staaten zusammengestellt. Er kam zu dem alarmierenden Ergebnis, daß für die amerikanischen Hochschulen doppelt so viel Geld ausgegeben werde als für die vergleichbaren deutschen Institutionen.58 Auch von Harnack hatte dieses Argument des „Rückstands" in seinem Zeitungsartikel zur kaiserlichen Botschaft, die die Gründung der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft ankündigte, gebraucht, wenn er auch gleichzeitig vor Übertreibungen warnte. Das Argument eines „Rückstands" gewann vor dem Hintergrund verschärfter machtpolitischer Auseinandersetzungen nicht nur um Kolonien und Einflußsphären, sondern auch um Positionen auf dem „Weltmarkt" ein besonderes Gewicht und ließ sich deshalb trefflich verwenden. In diesem Sinne scheint ein Zusammenhang zwischen der politischen Lage Deutschlands und seiner wissenschaftlichen Selbsteinschätzung zu bestehen: Je bedrohlicher die außenpolitische Lage Deutschlands erschien, desto eher war man bereit, den Eindruck eines wissenschaftlich-technologischen Rückstands als wahr anzusehen und daraus Konsequenzen zu ziehen. Vielleicht bietet sich sogar die Erwägung an, ob nicht Deutschlands verspätete Einigung und Erscheinen auf dem politisch-wirtschaftlichen „Weltmarkt" den Hintergrund jener eindrucksvollen Wissenschaftsleistung im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert darstellen. Obwohl das Rückstandsargument in der unmittelbaren Gründungsvorbereitung der 57 Ich greife hier auf Überlegungen von J.A. Johnson: The Kaiser's Chemists, 4 ff. zurück, das Zitat ebd. nachgewiesen. 58 Nach Feldman, Gerald D.: Private Support, hier 96.
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Notgemeinschaft gegenüber dem Argument zurücktrat, daß nach dem verlorenen Krieg nur die wissenschaftliche Forschung Deutschland noch verblieben sei und allein sie einen Ansatzpunkt für Deutschlands Überleben bieten könne, spielte der vermutete Rückstand doch auch insofern eine Rolle, als jetzt das bemerkenswerte Absinken der deutschen wissenschaftlichen Produktion im Vergleich mit der Vorkriegszeit hervorgehoben wurde. In der Tat waren diese objektiven Zahlen bedrohlich, weil sie von Wissenschaftlern für ausgewählte Felder der Forschung erhoben wurden, für die internationale Bibliographien als Basis zur Verfügung standen. In einzelnen Fällen war der deutsche Anteil aller Publikationen zu einem bestimmten Themenbereich von ca. 50 auf 10 % abgesunken. Zusammen mit den minutiös ermittelten und erregt kommentierten Versuchen des Auslands, deutsche Wissenschaftler von internationalen Fachkonferenzen fernzuhalten, ergab sich so eine günstige Grundlage für eine gemeinsame Anstrengung, die deutsche Wissenschaft auf innovative Weise zu fördern.
2. Der Zusammenbruch, die frühe Weimarer Republik und die Wissenschaft Die Vorgeschichte des Stifterverbandes führt uns in die unmittelbare Anfangsphase der Weimarer Republik zurück, die zwar ihre Verfassung schon hatte, die freilich der inneren Stabilität noch entbehrte und unter der Last der Beseitigung der Kriegsfolgen und der Inflation litt.1 Es kann im Zusammenhang einer Verbandsgeschichte nicht darum gehen, die politischen und ökonomischen Krisenlagen der Republik von Weimar jedesmal in allen Einzelheiten mit der Geschichte des Stifterverbandes zu korrelieren. Sie müssen als bekannt vorausgesetzt werden.2 In besonderem Maße traf die inflationäre Entwicklung die Organisationen und Institute der Wissenschaft, die stark unter den Folgen des Krieges zu leiden hatten. Der Physiker Max Born berichtet über diese Zeit: „Damals war die Inflation der Währung in Deutschland schon so weit fortgeschritten, daß der Etat der Institute nicht ausreichte." Da man für wichtige Versuche dringend Geld brauchte, kam er auf den Gedanken, „hierfür das allgemeine Interesse an Einsteins Relativitätstheorie auszunutzen und Vorlesungen darüber gegen Eintrittsgeld zugunsten der Institutskasse" zu veranstalten.3 Es war nicht allein die schiere materielle Not, die wissenschaftliches Arbeiten fast unmöglich machte, es war vor allem auch der bewußte Abbruch der Wissenschaftsbeziehun1 Dazu Feldman, Gerald D.: Vom Weltkrieg zur Weltwirtschaftskrise. Studien zur Deutschen Wirtschafts- und Sozialgeschichte 1914-1932, Göttingen 1984. 2 Für den politik- und wirtschaftsgeschichtlichen Hintergrund verweise ich allgemein auf die neueren Deutungen von Mommsen, Hans: Die verspielte Freiheit. 1918-1933, Berlin 1989; James, Harold: Deutschland in der Weltwirtschaftskrise 1924-1936, Stuttgart 1988 und Winkler, Heinrich August: Weimar 1918-1933. Die Geschichte der ersten deutschen Demokratie, München 1993. 3 Einstein, A. / Born, M.: Briefwechsel 1916-1955. Kommentiert von Max Bom, Frankfurt am Main-Berlin 1986,46.
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gen zum westlichen Ausland, der sich verhängnisvoll auswirkte. Dort hatte man die „erstaunliche Selbstprostitution deutscher Gelehrsamkeit und Wissenschaft vor nationaler Eroberungsgier" - wie es der Präsident der Columbia University New York formuliert hatte - nicht vergessen. Schon im Oktober 1918 tagten die interalliierten Akademien und brachen offiziell jeden Verkehr mit Deutschland ab. Ein 1919 gegründeter „International Research Council" (für die Naturwissenschaften) hatte es sich geradezu zur Aufgabe gemacht, die Einladung deutscher Wissenschaftler auf internationale Kongresse oder die Wahrnehmung ihrer Ergebnisse systematisch zu verhindern,4 während die „Union académique internationale" die gleiche Aufgabe für die Geisteswissenschaften übernahm und einen Ausschluß Deutschlands vom wissenschaftlichen Verkehr bis 1931 plante. Der ehemalige preußische Kultusminister Friedrich Schmidt-Ott unterließ es nicht, gerade im Kontext der Gründung der Notgemeinschaft auf diese ungerechte Behandlung der deutschen Wissenschaft hinzuweisen. Die berüchtigte Erklärung von 93 deutschen Wissenschaftlern vom August 1914, die gerade im westlichen Ausland Empörung hervorgerufen hatte und deren Widerruf nach dem Krieg gefordert wurde, galt ihm noch 1921 in einem Werbeartikel für die „Notgemeinschaft" als berechtigtes „Bekenntnis zum Vaterlande".5 Die Wirkungen des Krieges Es kann kein Zweifel darüber bestehen, daß der Erste Weltkrieg wie in vielen anderen Gebieten auch auf dem Gebiet der Wissenschaft tiefgreifende strukturelle Veränderungen ausgelöst hatte. Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß der wirtschaftlich-technologische Bedarf der Kriegsführung einen heftig vorwärtstreibenden Impuls für die wirtschaftliche Gesamtentwicklung darstellte. Nirgendwo wird dies klarer erkennbar als in der chemischen Industrie, die geradezu als der technologische Gewinner des Ersten Weltkrieges bezeichnet werden kann. In Deutschland gelang vor allem der Ersatz der chilenischen Salpeterlieferungen durch verschiedene Verfahren der Stickstoffoxydierung. Somit konnte der gesamte Bedarf an Düngestoffen durch industrielle Produktion gedeckt werden, ein enormer Ausbau der entsprechenden Produktionsanlagen war die unvermeidliche Folge.6 Es verwundert daher nicht, wenn die chemischen Wissenschaften und die Industriechemiker unmittelbar nach dem Krieg das Interesse des Staates auf
4 Schreiber, Georg: Die Not der deutschen Wissenschaft und der geistigen Arbeiter. Geschehnisse und Gedanken zur Kulturpolitik des Deutschen Reiches, Leipzig 1923 und der kompetente Überblick bei Schröder-Gudehus, Brigitte: Deutsche Wissenschaft und internationale Zusammenarbeit 1914—1928. Ein Beitrag zum Studium kultureller Beziehungen in Krisenzeiten, Genf 1966. - Vgl. auch Schenk, E.G. und H.: Deutsche Wissenschaft und deutsche Forschung im Überlebenskampf 1920-1931, Ms. im Nachlaß Thomas Nipperdey, das die Rolle von Prof. Rudolf Schenck, dem ersten Vorsitzenden des Verbandes Deutscher Hochschulen und Mitglied des Hauptausschusses der Notgemeinschaft beleuchtet. 5 Schmidt-Ott, in: Die Woche vom 5.2.1921. 6 Für die Grundlagen im 19. Jahrhundert vgl. Wetzel, Walter: Naturwissenschaften und chemische Industrie in Deutschland. Voraussetzungen und Mechanismen ihres Aufstiegs im 19. Jahrhundert, Stuttgart 1991.
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die besonderen Bedürfnisse dieser Industrie lenkten.7 Haber konnte voller Stolz von der „zeitgeschichtlichen Führerstellung der chemischen Industrie" sprechen.8 Während des Krieges regte der Mangel an Arbeitskräften immer wieder die Einführung arbeitssparender Technologien an, der Einsatz von Kunststoffen setzte sich zunehmend durch. Der während des Krieges erschreckend sichtbar gewordene Mangel an Rohstoffen führte zu einer breiten technologischen Wende zur Suche nach Ersatzstoffen, für die sich vor allem die Kohlechemie anbot. Aber auch bei den Metallersatzstoffen war Ähnliches zu beobachten. In einem geheimen Bericht der „Metall-Freigabestelle" von 1916 heißt es hinsichtlich der personalpolitischen Konsequenzen: „Viel wichtiger war es, soweit wie irgend möglich Ersatzmittel ausfindig zu machen und ihre Anwendung mit allen Mitteln herbeizuführen, das heißt, Ingenieurarbeit zu leisten. Als führende Beamte der Metall-Freigabestelle konnten daher nur Ingenieure und Chemiker in Betracht kommen." 9 Als beim sog. Parlamentarischen Abend der „Notgemeinschaft" am 23. November 1920 der berühmte Chemiker Fritz Haber in Anwesenheit des Reichspräsidenten und einiger Reichsminister die Frage stellte, was denn eigentlich das heutige Deutschland von dem der Goethezeit unterscheide, war für ihn ganz klar, daß dies die Verwertung der Kohle sei. Die Kohle erst habe die Welt entscheidend verändert, habe erst die jahrhundertelange Abhängigkeit von natürlichem Wachstum beseitigt und die künstliche Fertigung von Stoffen sowie die Produktion von großen Energiemengen ermöglicht: „Um die Dinge im rechten Lichte zu sehen, muß man sich klar machen, was unsere Welt von der des alten Goethe unterscheidet. Näher betrachtet, steckt der ganze Unterschied in der Kohle, liegt darin, was wir aus ihr machen, was wir mit ihr vollbringen. Heute ist alles 'verwandelte Kohle'".
Vor allem die starke Inanspruchnahme der Wissenschaft durch den Staat für Rüstungszwecke hatte zu einem neuen Bewußtsein für die notwendig enge Verbindung von Wirtschaft und Wissenschaft gesorgt. Die Normierung industrieller Produkte hatte sich zur Beschleunigung und Sicherung der Fertigungsprozesse als ebenso notwendig erwiesen wie die Sicherung der Arbeitsqualität. Nicht nur die lebenswichtige Rolle der Chemie bei der Beschaffung der Ersatzrohstoffe war breiten Kreisen bewußt geworden, sondern auch die chemische Kriegsführung selbst hatte die zentrale Bedeutung dieser Wissenschaft vor Augen geführt.10 So wird man von einem neuen Bewußtsein technologischer Zwänge und Möglichkeiten sprechen dürfen. Als nach dem Kriegsende die Notlage der wissenschaftlichen Institute innerhalb und außerhalb der Universitäten 7 8 9 10
Dazu w.u. 57 f. Haber, hier zit. nach Schlicker: Konzeptionen, 427. Hier zitiert nach einer Druckschrift in ATUB, NL Ebert, Film 5838. Duisberg verlieh dieser Überzeugung in mehreren Reden nach dem Kriege lebhaften Ausdruck, wenn er von den „hervorragenden Leistungen" der Chemiker sprach. Vgl. Duisberg, Carl: Abhandlungen, z.B. 565. Zum Giftgaseinsatz unter Habers Leitung vgl. Stoltzenberg, Dietrich: Fritz Haber. Chemiker, Nobelpreisträger, Deutscher, Jude, Weinheim 1994, 238 ff.
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bekannt wurde, bildeten sich erstaunlich schnell einzelne Fördergemeinschaften, die hier zu helfen versuchten. Auf diesem Gebiet taten sich vor allem jene Industriezweige hervor, die während des Krieges prosperierten und an Gewicht gewonnen hatten. Dabei mögen auch die eher bedenklichen Zukunftseinschätzungen einiger Industrieller eine Rolle gespielt haben. Der Chemiker Emil Fischer," der in seiner Person das Engagement der Chemie in der Führung des Krieges ebenso wie sein prominenter Kollege Fritz Haber verkörperte, versprach sich im März 1919 von einem „sozialistischen Staat" wenig Unterstützung für wissenschaftliche Institute. Zum einen fehle das Geld, und zum anderen hätten die Leute ganz andere Sorgen. Ihn bekümmerten vor allem die sich abzeichnenden Schwierigkeiten der Institute der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft. 12 Angesichts einer Chemie, in der man das „wahre Land der unbegrenzten Möglichkeiten" sah, mußten solche Erwartungen besonders bedrücken. 13 In dieser Situation politisch-wirtschaftlicher Instabilität und der vielberufenen „Not der deutschen Wissenschaft", wie es im März 1920 ein Artikel des „Berliner Tageblatts" und ihm folgend eine Fülle von Zeitungsartikeln, Broschüren und Büchern formulierten, 14 fanden sich führende Wissenschaftler und Industrielle zusammen, um am 30. Oktober 1920 eine „Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft" - der genaue Titel lautete: „Deutsche Gemeinschaft zur Erhaltung und Förderung der Forschung (Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft e.V.)" 1 5 - im wahrsten Sinne des Wortes und am 14. Dezember einen „Stifterverband der Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft" zu gründen. Ersteres geschah in der Absicht, die Interessen der universitären und außeruniversitären Wissenschaft gegenüber dem Reich und den Ländern politisch wirkungsvoll zu bündeln, letzteres in der erklärten Absicht, in den Kreisen der Industrie, des Handels und der Banken Geld für wissenschaftliche Zwecke zu beschaffen und damit die Notlage der wissenschaftlichen Forschung angesichts leerer öffentlicher Kassen zumindest teilweise beheben zu können. Daß in Kreisen der Industrie die 11 Zu Fischer vgl. Feldman, Gerald D.: A German Scientist between Illusion and Reality: Emil Fischer, 1909-1919, in: Geiss, I. u.a. (Hgg.): Deutschland in der Weltpolitik des 19. u. 20. Jahrhunderts. Fritz Fischer zum 65. Geburtstag, Düsseldorf 1973, 341-362. 12 Nach Feldman, Gerald D.: The Private Support of Science in Germany, 1900-1933, in: v. Bruch/Müller (Hgg.): Formen außerstaatlicher Wissenschaftsförderung im 19. und 20. Jahrhundert, Stuttgart 1990, 87-111,96. 13 Zu diesem Zitat Johnson, Jeffrey Allan: The Kaiser's Chemists. Science and Modernization in Imperial Germany, Chapel Hill 1990, 1. 14 Dazu die umfangreiche Bibliographie des Schrifttums zur „Not der Wissenschaft und der geistigen Arbeiter" bei Schreiber, Georg: Die Not der deutschen Wissenschaft und der geistigen Arbeiter. Geschehnisse und Gedanken zur Kulturpolitik des Deutschen Reiches, Leipzig 1923, 141-147. 15 Nach Ausweis der gedruckten Satzung vom 30. Oktober 1920. Über die jeweiligen geringfügigen Namensänderungen braucht nicht genau Buch geführt werden, „Notgemeinschaft" war der allgemein verwendete Name. Wichtig immerhin zu erwähnen, daß seit 1928 der Name „Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft (Deutsche Forschungsgemeinschaft)" verwendet wurde. Während Schmidt-Ott am Namen „Notgemeinschaft" festhalten wollte, betonten andere, daß man nach 10 Jahren Tätigkeit nicht mehr von der Behebung der Not sprechen könne und plädierten für eine dauerhafte Bezeichnung.
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generelle Bereitschaft zur Unterstützung bestand, zeigten die kurz zuvor erfolgten Gründungen der Helmholtz-Gesellschaft zur Förderung der physikalisch-technischen Forschung, der Justus-Liebig-Gesellschaft zur Förderung des chemischen Unterrichts, der Emil-Fischer-Gesellschaft zur Förderung der chemischen Forschung und der AdolfBaeyer-Gesellschaft zur Förderung der chemischen Literatur, über die Duisberg bei der Jahresversammlung des „Chemischen Vereins" stolz berichtete.16 Die politischen Vorgeschichten Diese Gründungen hatten freilich beachtliche Vorgeschichten. Schon im Frühjahr 1918 hatten der „Verein Deutscher Chemiker" und der „Verband der Laborvorstände" nach einer Besprechung bei Kultusminister Schmidt-Ott in Denkschriften an die Hochschulverwaltungen der Länder die besonderen Bedürfnisse der Chemie unterstrichen. Diese Denkschriften hatte man durch detaillierte Fragebögen sorgfältig vorbereitet. Sie lagen schon der Konferenz der Hochschulreferenten vor, die vom 26. bis 28. September 1918 in Berlin tagten und erste gemeinsame Vorbereitungen für die Bewältigung der Kriegsfolgen für die Hochschulen treffen wollten.17 Angesichts der staatlichen Mittelknappheit sah die Denkschrift der „Laborvorstände" die Gründung einer „Deutschen Gesellschaft zur Förderung des chemischen Unterrichts" vor, die mit 15 Mio. Mark dotiert werden sollte. 1920 wurde dann aus dieser Gesellschaft nach Vereinigung mit dem schon älteren Justus-Liebig-Stipendienverein (1916) die o.g. Justus-Liebig-Gesellschaft zur Förderung des chemischen Unterrichts.18 Man wird vermuten können, daß mehrere Entwicklungsstränge in diesen Neugründungen zusammenliefen. Die Grundlage war natürlich durch die Schwächung der großen bürgerlichen Vermögen gegeben, die ihre fördernde Rolle nicht weiter spielen konnten. Zum anderen war dies die neue, finanziell gestärkte Rolle des Reiches, das durch die Erzbergersche Finanzreform aus der Rolle eines Kostgängers der Einzelstaaten zum Träger der Wissenschaftsförderung wurde.19 Hatte das Reich bis zum Ersten Weltkrieg gerade einmal die Monumenta Germaniae Historica, das Deutsche Museum in München, das Germanische Nationalmuseum in Nürnberg, die „Reichsuniversität" Straßburg sowie einige kleinere Forschungsstationen und Expeditionen finanziert,20 so 16 Dazu zunächst Duisberg, Carl: Abhandlungen, 584 ff. im Rahmen seiner Rede zur Jahresversammlung des „Chemischen Vereins". Vgl. allgemein Richter, Steffen: Wirtschaft und Forschung. Ein historischer Überblick über die Förderung der Forschung durch die Wirtschaft in Deutschland, in: Technikgeschichte 46, 1979, 2 0 - 4 4 , hier 34 f. und den speziellen Beitrag von Reishaus-Etzold, Heike: Die Herausbildung von monopolkapitalistischen Lenkungsorganen der Wissenschaft während der Weimarer Republik unter dem Einfluß der Chemiemonopole, in: JWG 1972/3, 13-35, 14-19. 17 Brocke, Bernhard vom/Krüger, Peter (Hgg.): Hochschulpolitik im Föderalismus. Die Protokolle der Hochschulkonferenzen der deutschen Bundestaaten und Österreichs 1898 bis 1918, Berlin 1994, hier 331 ff. 18 Ebd. 19 Vgl. dazu Hettlage, K. M. in: Deutsche Verwaltungsgeschichte, Bd. 4, 177 ff. 20 Eine Übersicht über die verschwindend geringen Leistungen des Reichs in wissenschaftlichen Angelegenheiten bei Cohn: Reichshaushalt, 81 ff.
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wurden seit 1921 feste Budgetansätze für die Förderung der wissenschaftlichen Forschung ausgewiesen. Diese neue „Wissenschaftspolitik" des Reiches war auch bereits in der Verfassunggebenden Nationalversammlung vorbereitet worden, der im Juli 1919 eine Anfrage des Chemikers und Abgeordneten Emil Abderhalden an die Reichsregierung vorlag, ob diese gedenke, „fernerhin der wissenschaftlichen Forschung diejenigen Mittel zur Verfügung zu stellen, die sie befähigen, im Interesse des Gesamtwohls des Volkes Landwirtschaft und Industrie durch wertvolle Entdeckungen und Errungenschaften zu fördern."21 Schließlich waren es die isolierte politische Lage Deutschlands in Europa und die Befürchtungen über eine auch wirtschaftliche Isolation, die den Weg für diese bemerkenswert innovative Lösung geebnet hatten. Die industrielle und wissenschaftliche Leistung Deutschlands bzw. deren Wiedererrichtung wurden z.B. von Schmidt-Ott als eine Art von „Machtersatz" angesehen. 22 Dies knüpfte vor allem an Harnacks Ausführungen an, der in seiner Denkschrift von 1909 zur Errichtung der Kaiser-WilhelmGesellschaft die „Wehrkraft" und die „Wissenschaft" als „die beiden starken Pfeiler der Größe Deutschlands" bezeichnet hatte.23 Jetzt, nach dem verlorenen Krieg, konnte man nach Ansicht des Zentrumspolitikers Georg Schreiber wohl darüber streiten, „ob wir noch eine politische Großmacht bedeuten; jedenfalls muß das Deutschland der Zukunft als eine Großmacht des Geistes und des Wissens erhalten bleiben." 24 „Das deutsche Wirtschaftsleben", so hieß es in einem Rundschreiben der Notgemeinschaft nach der Hauptversammlung des Jahres 1925, „kann sich nur dann zu neuer Macht erheben, wenn wir der deutschen Forschung die Grundvoraussetzungen für neue geistige Großtaten geben."25 Formulierungen ähnlicher Art ließen sich vielfach zitieren. „Die Not der geistigen Arbeit" „Die Not der deutschen Wissenschaft und der geistigen Arbeiter" war in den ersten Nachkriegsjahren zu einem gängigen Topos der öffentlichen Diskussion über die Kriegsfolgen geworden, das in Kongressen, Zeitschriftenaufsätzen und sogar in einer eigenen Zeitschrift behandelt wurde.26 Der SPD-Politiker Konrad Haenisch, seit 1919 preußischer Kultusminister, gab im Frühjahr 1920 den Begriff in seiner Schrift „Die Not der geistigen Arbeiter. Ein Alarmruf' vor.27 Diese vielberufene Not war im wesent21 Hier zit. nach Schlicker: Konzeptionen, 426. 22 Feldman, Gerald D.: The politics of Wissenschaftspolitik in Weimar Germany: a prelude to the dilemmas of a twentieth-century science policy, in: Charles S. Maier: Changing Boundaries of the Political, Cambridge u. a. 1987, 267. 23 Die Denkschrift zitiert in: Dokumente zur Gründung der KWG und der MPG zur Förderung der Wissenschaften. Katalog zur Ausstellung in der Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz, Berlin 1981,47. 24 Schreiber: Deutsche Kulturpolitik und der Katholizismus, o. O. o. J, 12 ff. 25 BAL46.11.2.1 vom 13.3. 1925. 26 Dazu der Überblick bei Jarausch, K.H.: Die Not der geistigen Arbeiter: Akademiker in der Berufskrise 1918-1933, in: W. Abelshauser (Hg.), Die Weimarer Republik als Wohlfahrtsstaat. Zum Verhältnis von Wirtschafts- und Sozialpolitik, Stuttgart 1987, 280-299. 27 Dabei handelte es sich um die gedruckte Fassung eines Vortrags, die Ostern 1920 erschien.
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liehen eine Folge der Teuerung, die schon seit der Mitte des Krieges eingesetzt hatte und nach dem Kriege bedrohliche Ausmaße annahm. Vor allem die hauptsächlich von ihrem Stiftungskapital abhängigen Institute der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft waren davon betroffen, die nicht wie der Staat die Teuerungszulagen für die Beamten um 150 % erhöhen konnten. Der Chemiker Fritz Haber benötigte 1919 für sein „Institut für Physikalische Chemie und Elektrochemie" einen fünffach höheren Betrag als zu Beginn des Krieges. Die Zahl der Abonnements ausländischer Fachzeitschriften in der Preußischen Staatbibliothek Berlin war - wie immer wieder repetiert wurde - von 2200 auf 140 abgesunken. Sprechende Beispiele aus der Existenznot junger Wissenschaftler, der mangelhaften Ausstattung von Instituten und Bibliotheken, der Not der Museen wurden vielfach publiziert und sorgten für eine gespannte öffentliche Aufmerksamkeit gegenüber der Wissenschaft. Dies geschah um so eher, als immer wieder betont wurde, daß ein arbeitsfähiges Wissenschaftssystem jener Grundstock sei, der auch angesichts der Niederlage Deutschland noch verblieben sei und von dem allein der Wiederaufstieg Deutschlands ausgehen könne. Alle diese Beispiele wurden 1923 von dem Zentrumspolitiker Prälat Georg Schreiber, dem wohl beredtsten Lobbyisten der „Not" in einem Buch „Die Not der deutschen Wissenschaft und der geistigen Arbeiter" zusammengefaßt, das nicht nur in Deutschland viel gelesen wurde, sondern mit Hilfe des Auswärtigen Amtes auch in mehrere andere Sprachen übersetzt wurde.28 Wenn man die Voraussetzungen der Gründung einer „Notgemeinschaft" wirklich verstehen will, muß man sich der publizistischen Wirksamkeit der „Not der geistigen Arbeit" bewußt werden, die jedoch letztlich weniger als „soziale Frage" denn als Teilproblem der wirtschaftlichen Zukunft Deutschlands und der Machtfrage gesehen wurde. Kapp-Putsch und Notgemeinschaftsgedanke Die Idee zur „Notgemeinschaft" - so wissen wir glücklicherweise von Schmidt-Ott selbst - entstand ausgerechnet am Tage des Kapp-Lüttwitz-Putsches, am 13. März 1920. Zu einer Besprechung über die Notlage der Forschungsinstitute im Haus des „Reichsbundes Deutscher Technik" in der Potsdamer Straße geladen, mußten der Chemiker Fritz Haber und der ehemalige preußische Kultusminister Friedrich Schmidt-Ott des Putsches wegen - nähere Umstände sind nicht bekannt - auf einer Treppenstufe stehend warten und entwickelten dabei den Gedanken einer „Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft": „Jedenfalls sind damals schon die Worte des Inhaltes gewechselt worden, daß es darauf ankäme, die gesamte Wissenschaft, auch die technische Wissenschaft, zu einem Bunde zu vereinigen." 29 28 Schreiber, Georg: Die Not der deutschen Wissenschaft und der geistigen Arbeiter. Geschehnisse und Gedanken zur Kulturpolitik des Deutschen Reiches, Leipzig 1923.- Zur vom Auswärtigen Amt angeregten Übersetzung vgl. BAL, Stifterverband Nr. 4 6 . 1 1 . 2 . 29 Hier zitiert nach Stoltzenberg, Dietrich: Fritz Haber. Chemiker, Nobelpreisträger, Deutscher, Jude, Weinheim 1994, 530. - Zu Haber vgl. auch die Kurzinformation in N D B 7, 1966, 386-389.
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Wenige Tage vorher - am 7. März 1920 - war im „Berliner Tageblatt" ein Brandartikel Habers erschienen, der in bewegenden Worten auf die Not vor allem der KWGInstitute aufmerksam machte. Schon hier verwies Haber auf die unverzichtbare Rolle wissenschaftlicher Forschungsarbeit, wenn Deutschland sich wirtschaftlich wieder erholen wolle. Schmidt-Ott faßte die Informationen, die im Frühjahr und Sommer 1920 über die Not der Wissenschaft verfügbar waren, zu einem eigenen Zeitschriftenartikel zusammen, der zum erstenmal die gesamte Schadenslage evaluierte und zu dem Ergebnis kam, daß eine Summe von ca. 80 Mio. Mark erforderlich sei, um die wichtigsten Hilfsmaßnahmen zu finanzieren. Fritz Haber verdeutlichte noch einmal die Not seines Instituts während einer Besprechung am 30. April 1920 dadurch, daß er auf den notwendigen „Einstrom der technischen Wissenschaft in die Wirtschaft" verwies, dieser aber nicht erfolgen könne, wenn z.B. sein Institutsetat nicht einmal die Kohlenkosten decke. Unter den gegebenen Umständen erwarteten alle Verantwortlichen eine Rettung aus dieser Situation nur durch staatliche Mittel. Als sich dann wenige Monate später unter der Führung von Männern wie dem Chemieindustriellen Carl Duisberg,30 dem Präsidenten der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, Adolf von Harnack, und den genannten Schmidt-Ott und Haber die deutschen Akademien, Universitäten und wissenschaftlichen Gesellschaften, darunter auch die KaiserWilhelm-Gesellschaft, zur „Notgemeinschaft" zusammenschlössen, da geschah dies zunächst vor dem Hintergrund des gerade in Kraft getretenen Versailler Vertrags, aber auch angesichts der neuen Reichsverfassung, die das Reich fiskalisch so gestärkt hatte, daß es allein in der Lage schien, die Mittel zur Gesundung der Wissenschaft aufzubringen. Adolf von Harnack, der Theologe und Generaldirektor der Preußischen Staatsbibliothek, zögerte in seiner ersten Akademiedenkschrift vom Februar 1920 nicht, zum Vergleich mit der Lage Deutschlands nach dem Dreißigjährigen Krieg zu greifen. Damals habe Deutschland nicht die Mittel zu seiner schnellen Erholung aufbringen können, jetzt solle nicht der gleiche Fehler wiederholt werden.31 Schmidt-Ott unterstrich in seiner Denkschrift an das Reichsministerium des Innern, die im Herbst 1920 die Argumente „pro Notgemeinschaft" politisch wirksam zusammenfaßte, die Bedeutung von Kultur und Forschung als „Grundstock für den ersehnten Völkerfrieden", doch ließ er auch keinen Zweifel an der elementaren Notwendigkeit wissenschaftlicher Innovation: „Wir haben unsere Bedürfnisse nach technischen Gütern so hoch gesteigert, daß unablässiges Erfinden der einzige Weg ist, um sie fortlaufend zu befriedigen, und das gesamte Leben der
30 Duisberg war 1919 erst zum Vorsitzenden des Vereins zur Wahrung der Interessen der chemischen Industrie Deutschlands gewählt worden. Vgl. seine Antrittsrede vom 25.10. 1919 in: Duisberg, Carl: Abhandlungen, Vorträge und Reden 1882-1921, Berlin-Leipzig 1923,561 ff. 31 Abdruck in Zierold: Forschungsförderung, 4 ff. - Zu Harnack u.a. Gerhard, Dietrich: Adolf von Harnack, in: Ders., Gesammelte Aufsätze (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte; Bd.54), Göttingen 1977, 2 3 3 - 2 4 4 und ders.: Adolf von Harnacks letzte Monate als Präsident der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, in: ebd., 245-267.
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Der alte Stifterverband 1920-1945 Menschen im Industriestaat bricht zusammen, wenn diese technischen Bedürfnisse nicht dauernd befriedigt werden." 32
Für seinen Kollegen Haber stellte sich die Frage des wissenschaftlichen Fortschritts auch in einer anderen Perspektive, die mit dem neuen nachrevolutionären Staatswesen verbunden war, das für Haber „ein außerordentlich teurer Staat" war. Er begründete dies folgendermaßen: „Von außen um Leistungen gepeinigt und im Inneren durch Forderungen gedrängt, die er erfüllen muß, wenn er sich nicht selbst aufgeben will, muß er den ständigen Fortschritt haben, und er kann ihn nur durch die Fortschritte der Wissenschaft erlangen."33
Die neue Kulturpolitik des Reiches Für Friedrich Schmidt-Ott, von 1917 bis 1918 preußischer Kultusminister, kamen die Beratungen des Jahres 1920 keineswegs unerwartet. Er hatte schon in einem Zeitschriftenartikel des Jahres 1919 die Konsequenzen aus der deutschen Niederlage insofern gezogen, als er eine Neuorientierung deutscher Politik an einer zielbewußten Kulturpolitik des Reiches statt an Machtträumen forderte.34 Er wollte den fortgefallenen Stabilisierungsfaktor „Monarchie" durch ein neues Moment der Stabilisierung ersetzen, die Förderung deutscher Kultur und Wissenschaft durch das Reich. Angesichts der großen Aufgaben, die damit der Kulturförderung zuwuchsen, stand auch für Schmidt-Ott ganz außer Frage, daß allein das Reich in der Lage sein würde, diese Ansprüche zu befriedigen. Man kann daher feststellen, daß die öffentliche Diskussion über eine Förderung, ja Rettung der Wissenschaft durch das Reich ganz im Sinne jener Überlegungen verlief, die dem Reich finanzpolitisch eine neue Grundlage geben wollten, es also gegenüber den Ländern, die vor dem Krieg das Reich durch Matrikularbeiträge finanziert hatten, zu stärken und ihm eigene Finanzquellen zu geben.35 Ergänzt wurden diese Überlegungen zur kulturpolitischen Neuorientierung deutscher Politik aus verschiedenen Richtungen: Carl Heinrich Becker, in dieser Phase Staatssekretär im preußischen Kultusministerium, dachte kulturpolitisch ganz ähnlich wie Schmidt-Ott. Kulturpolitik sollte eine Ersatzfunktion für Monarchie und Militär übernehmen, sollte die Sinnleere nach dem Sturz der Monarchie ausgleichen. In diesem Sinne hatte Becker schon eine Denkschrift formuliert, die er für Hugo Preuß, den Vater der neuen Reichsverfassung, geschrieben hatte.36 32 Schmidt-Ott hier zitiert nach der Denkschrift gedruckt bei Zierold: Forschungsförderung, 562 f. 33 Zitiert nach Stoltzenberg: Fritz Haber, 527. 34 Die Kulturaufgaben und das Reich, in: Intern. Monatschrift f. Wissenschaft, Kunst und Technik 13, 1919,451—464. 35 Zur Erzbergerschen Finanzreform vgl. Höfler, Gabriele: Erzbergers Finanzreform und ihre Rückwirkung auf die bundesstaatliche Struktur des Reiches vorwiegend am bayerischen Beispiel, Phil. Diss. Freiburg 1955. 36 Dazu Düwell, Kurt: Staat und Wissenschaft in der Weimarer Epoche. Zur Kulturpolitik des Ministers C.H. Becker, in: HZ 212, Beih.l, 1971, 3 1 - 7 4 und jetzt Müller, Guido: Weltpoliti-
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„Wir stehen vor der ungeheuer schweren Aufgabe, ein neues einigendes Band zu suchen, das uns über unseren Stammespartikularismus, über unsere konfessionelle Spaltung und über unsere berufsständische und soziale Gliederung hinaus zum Einheitsvolk werden läßt. Nötiger wie je braucht Deutschland jetzt eine bewußte Kulturpolitik."
Beckers Überlegungen, die zweifelsohne die Ausarbeitung der Reichsverfassung beeinflußt haben, sind hier nicht nur zu würdigen, weil sie Reichskompetenzen und Reichsfinanzen für Kultur- und Wissenschaftspolitik forderten, sondern auch, weil sie schon dem Gedanken einer Arbeitsgemeinschaft von Industrie und Wissenschaftssystem nähertraten. Die hier für ihn notwendigen Kontrollen zur Sicherung der Freiheit der Wissenschaft wollte Becker einer „neutralen" Institution zuweisen, das Reich sollte die notwendigen Reformschritte durch ein „Reichskulturamt" unterstützen. Tatsächlich wurde im Juli 1919 im Innenministerium des Reiches eine Abteilung III verankert, die diese Aufgaben zumindest ansatzweise wahrnehmen sollte. Man kann in dieser Abteilung den Vorläufer der späteren Abteilung III des Bundesinnenministeriums von 1949 sehen, die bekanntlich ebenfalls zur Keimzelle des späteren Atomministeriums bzw. des sich daraus entwickelnden Wissenschaftsministeriums wurde.37 Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß die Situation des verlorenen Krieges im Bereich von Wissenschaft und Kultur reformerische Überlegungen insofern auslöste, als die Kompetenzen des Reiches gestärkt werden sollten.38 Kultur und Wissenschaft machten zudem eine Art von politischem Restpotential aus, das ins Spiel gebracht werden mußte, um noch einen Grundbestand von deutschem Einfluß zu erhalten. Man wird diese Variante von Wissenschaftspolitik sowohl als eine Art der kritischen Akzeptanz des Versailler Friedens als auch als Beitrag der Wissenschaft zur Revision von Versailles bezeichnen können. Der Weg zur Gründung Wenn sich auch alle bislang besprochenen Reformkonzepte darin einig waren, neue, erheblich höhere Geldmittel vom Reich zu erhalten, so provozierte die mißliche Lage der Wissenschaft seit 1919 auch neue Überlegungen, die über diesen deutschen „Normalweg" staatlicher Förderung hinausgingen. Beckers vorsichtige Überlegungen in diese Richtung wurden schon erwähnt, wichtiger erscheinen in diesem Zusammenhang die praktischen Maßnahmen Fritz Habers und Adolf von Harnacks, die konkret die Liste der KWG-Institute daraufhin durchgingen, ob einzelne Institute durch die Wirtschaft zu finanzieren seien. Die entscheidende Weichenstellung wird man in einer Sitsche Bildung und akademische Reform. Carl Heinrich Beckers Wissenschafts- und Hochschulpolitik 1908-1930, Köln-Weimar-Wien 1991, hier 268 ff., das folgende Zitat ebd. aus C.H. Becker: Kulturpolitische Aufgaben des Reiches, Leipzig 1919, 5. 37 Jeserich, Kurt G.A./Pohl, Hans/Unruh, Georg von (Hgg.): Deutsche Verwaltungsgeschichte, Bd.V. Die Bundesrepublik Deutschland, Stuttgart 1987. 38 Dazu auch Schlicker, Wolfgang: Konzeptionen und Aktionen bürgerlicher deutscher Wissenschaftler. Zum gesellschaftlichen Stellenwert der Forschung nach 1918 und zur Gründung der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft, in: ZfG 27, 1 9 7 9 , 4 2 3 ^ 3 8 .
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zung des Verwaltungsausschusses der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft sehen müssen, der am 17. Februar 1920 tagte. Er beauftragte von Harnack, mit Carl Duisberg, dem wohl bedeutendsten Chemieindustriellen, in Verhandlungen einzutreten, um zumindest das KWG-Institut für Chemie von der chemischen Industrie finanzieren zu lassen.39 Das gesamte Jahr 1920 war erfüllt von verschiedensten Bemühungen der KaiserWilhelm-Gesellschaft, der deutschen Akademien, der Universitäten und der nationalen Kulturinstitute, mit den Ländern und dem Reich über eine neue Form der Finanzierung ins reine zu kommen. Gerade in der Diskussion um die Unterstützung der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zeigte sich, daß Preußen und das Reich nicht zu Unrecht auf die private Natur der Stiftung der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft verwiesen. In einer so schwierigen Lage wie der jetzigen könnten diese Institute nicht mehr erwarten, vom Staat getragen zu werden. Die Argumente zur Stützung der wissenschaftlichen Institute verfingen freilich nicht bei den Kultus- und Innenbehörden Preußens, wohl aber bei denen des Reiches, wo sich eine starke Unterstützung für die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft abzeichnete. Der preußische Finanzminister verwies die Institute der Kaiser-WilhelmGesellschaft jedoch unüberhörbar auf die Finanzkraft und das elementare Interesse der Industrie, so daß man in den staatlichen Institutionen durchaus unterschiedliche Konzepte erkennen kann. Wie schon erwähnt, trafen diese Gedanken bei Männern wie Fritz Haber auf besondere Resonanz. Haber, der während des Weltkrieges die Giftgaskriegsführung organisiert hatte, verfügte über exzellente Kontakte zur chemischen Industrie.
Die Besprechung beim „Reichsbund Deutscher Technik" Neue Bewegung in die institutionell offene Situation im Frühjahr 1920 brachte die schon erwähnte Besprechung, zu der der junge „Reichsbund Deutscher Technik" - eine 1918 aus dem VDI hervorgegangene politisch aktivere Bewegung der Ingenieure - am 13. März 1920 in sein Haus in Berlin geladen hatte. Der Reichsbund - eigentlich eher dem Gedanken einer Propagierung der Technik in der Öffentlichkeit verpflichtet 40 fühlte sich durch die seit einigen Monaten geführte Debatte um die „Not der Wissenschaft" dazu gedrängt, die interessierten Parteien an einen Tisch zu bekommen und nach neuen Lösungen zu suchen. Versammelt waren Vertreter der Berliner Hochschulen, der Staatsbibliothek, sowie Vertreter industrieller Verbände. Während der Vorsit-
39 Etzold, Heike: Monopol und Wissenschaft. Der Einfluß der Chemiemonopole auf die naturwissenschaftlich-technische Lehre und Forschung in Deutschland in der ersten Phase der allgemeinen Krise des Kapitalismus ( 1 9 1 8 - 3 2 ) Diss. TU Dresden 1970. Darauf aufbauend dies.: Die Einflußnahme der Chemiemonopole auf die „Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V." während der Weimarer Republik, in: JWG 1973, Teil 1, 3 7 - 6 1 und dies.: Die Herausbildung von monopolkapitalistischen Lenkungsorganen der Wissenschaft der Weimarer Republik unter dem Einfluß der Chemiemonopole, in: JWG 1972, Teil 3 , 1 3 - 3 5 . 40 Zum Reichsbund Deutscher Technik, der eigentlich eine Abspaltung vom VDI darstellte, vgl. die Bemerkungen bei Ludwig, Karl-Heinz: Technik und Ingenieure im Dritten Reich, Düsseldorf 1974, 35 ff. Das Mitteilungsblatt des Reichsbundes trug den programmatischen Titel „Technik voran!".
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zende des Reichsbundes Dahl seine guten Dienste bei der Vermittlung der Wünsche der Wissenschaft an die politischen Stellen und bei der notwendigen Materialsammlung anbieten wollte, ging Fritz Haber einen Schritt weiter. Nachdem er noch einmal die schwierige Lage der Institute in „ausführlicher treffsicherer Weise" - so das Protokoll dargelegt hatte, schlug er vor, „dem geplanten Unternehmen eine möglichst breite Grundlage zu schaffen" und alle Institute, Akademien und Hochschulen an einem Arbeitsausschuß zu beteiligen, um die widersprüchlichen Meinungen der interessierten Parteien „zu einem einigenden brauchbaren Vorschlag zu verdichten".41
Haber hatte erkannt, daß das getrennte Antichambrieren bei den verschiedenen Reichsund Länderinstanzen und den Wirtschaftsverbänden das gemeinsame Ziel der Wissenschaft nur schwächen konnte, es sollte deshalb konzentriert werden auf den Arbeitsausschuß, für den er auch gleich Friedrich Schmidt-Ott vorschlug. Auch wollte er sich gegen den „disziplinlosen Bettel" deutscher Forschungsinstitute bei deutschfreundlichen Kreisen im Ausland wenden, den er zu beobachten glaubte; die Gründung der Notgemeinschaft sollte auch dieses Unwesen in ordentliche Bahnen lenken. Damit versicherte sich Haber der Hilfe eines Mannes, der - aus der Schule Althoffs kommend - nicht nur anregend an dieser Diskussion beteiligt war, sondern der auch die bisherigen vielfältigen Kontakte zwischen Wissenschaft und Politik überblickte und dank seines Renommees in Politik, Wirtschaft und Wissenschaft in der Lage war, die Sache wirklich voranzubringen. Schmidt-Ott (so nannte er sich seit seiner Silbernen Hochzeit) kam aus der Laufbahn des preußischen Kultusbeamten, viele Jahre lang war er für die Bearbeitung der Kunst im Ministerium zuständig gewesen, womit er sich zunächst den Beinamen „Kunst-Schmidt" verdient hatte. Er genoß das Vertrauen des Kaisers, das ihm 1917 auch zum Amt des preußischen Kultusministers verholfen hatte. Für Haber jedenfalls war klar, daß „Excellenz" Schmidt-Ott unbedingt für diese Aufgabe gewonnen werden mußte. Er wußte um Schmidt-Otts pragmatisch-zielstrebige Art und dessen guten Ruf in den Kreisen der Industrie.42 Mit Carl Duisberg etwa verband ihn eine persönliche Freundschaft. Haber war sich völlig im klaren darüber, daß die eher zufällige Zusammensetzung des Gesprächskreises beim „Reichsbund" noch keine solide und hinreichend tragfähige Basis für eine zu gründende „Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft" abgeben konnte. Schon wenige Tage später warb er in einem Brief an den badischen Kultusminister Hummel um Unterstützung für seinen Plan, jetzt sprach er auch zum erstenmal 41 Abdruck des Protokolls bei Marsch, Ulrich: Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft. Gründung und frühe Geschichte 1920-1925, Frankfurt am Main 1994, 142-146. 42 Als zeitgenössische Würdigung vgl. Seeber, Reinhold: Friedrich Schmidt-Ott und die deutsche Wissenschaft, in: Abb, Gustav (Hg.): Aus fünfzig Jahren deutscher Wissenschaft, Berlin 1930, 1-8. Dieser Band erschien als Festschrift zum 70. Geburtstag Schmidt-Otts. Eher kritische Bemerkungen zu Schmidt-Ott bei Glum, Friedrich: Zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Politik. Erlebtes und Erdachtes in vier Reichen, Bonn 1964, 254 f.
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von einer „Notgemeigschaft der deutschen Wissenschaft". 43 Er berichtete umgehend der Preußischen Akademie der Wissenschaften von den Plänen und beantragte bei Eduard Meyer, dem Rektor der Berliner Universität, den Beitritt zur Notgemeinschaft. Am 19. April kam es dann zur formellen Anfrage der Preußischen Akademie der Wissenschaften an Schmidt-Ott, dem Plan „geneigtes Interesse" zuzuwenden, die Bildung des Ausschusses zu übernehmen und als Vorsitzender an seine Spitze zu treten.44 Habers Leistung in diesem Gründungsprozeß ist deshalb hervorzuheben, weil er die älteren Bemühungen der deutschen Akademien zur finanziellen Sicherung mit der neuen Initiative des „Reichsbundes" zusammenbrachte, in die ja auch Bibliotheken, Forschungsinstitute und Universitäten einbezogen waren. Erst so konnte die breite Grundlage für die Notgemeinschaft geschaffen werden, die letztlich auch die Voraussetzung für ihren politischen Erfolg darstellte. Im Mai und Juni erklärten dann die Akademien und Technischen Hochschulen ihren Beitritt zur „Notgemeinschaft", die jetzt an ihre entscheidende Arbeit im politischen Raum gehen konnte: Es mußte für eine stabile Finanzierung der Forschung von Seiten des Reiches gesorgt werden. Der Reichsinnenminster Koch lud für den 22. Juni die Länder zu einer Besprechung mit der Begründung ein, daß er „schleunige Maßnahmen zur Behebung des herrschenden Notstands für dringend erforderlich" halte. Dies geschah zu diesem Zeitpunkt freilich immer noch auf dünnem Eis, denn die Gesellschaft war noch nicht formell begründet. Immerhin wurde in den Verhandlungen mit den Reichsbehörden die Notgemeinschaft de facto schon anerkannt und ein gefährlicher Versuch der staatlichen Seite, die ursprüngliche Idee einer Selbstverwaltungskörperschaft in ein Reichskommissariat umzuwandeln, von dem Schmidt-Ott berichtet, schlug letztlich fehl.45 Sogar noch im Januar 1921 bestand die große Unsicherheit, unter welchen Kautelen das Reich so beachtliche Summen an die Notgemeinschaft geben werde, denn es gab noch kein Organisationsmodell für einen solchen Vorgang: „Daß das Reichsinnenministerium nicht so ohne weiteres bereit ist, der Notgemeinschaft die Verfügung über die vom Reichstag bewilligten 20 Millionen zu überlassen, habe ich vorausgesagt," schrieb Duisberg am 13. Januar an Schmidt-Ott. „Die beste Lösung wäre natürlich die, daß Sie Reichskommissar würden, um auf diese Weise die bürokratischen und sonstigen Schwierigkeiten, die dadurch entstehen könnten, zu überbrücken. Diese Lösung scheint mir die beste zu sein; ob das Ministerium aber darauf eingehen wird, ist eine andere Frage."46 Schmidt-Ott berichtet, daß er am 8. Oktober im Provisorischen Reichswirtschaftsrat über die Lage der Wissenschaft vorgetragen hatte. Am 2. November 1920 schrieb der 43 Nach Marsch: Notgemeinschaft, 64. 44 Abdruck des Briefes bei Zierold, Kurt: Forschungsförderung in drei Epochen. Deutsche Forschungsgemeinschaft. Geschichte-Arbeitsweise-Kommentar, Wiesbaden 1968,12 f. - Original in BÄK, R 73, Nr. 4 (19.4.1920) 45 So jedenfalls Schreiber: Not der deutschen Wissenschaft, 88. Auch Schmidt-Ott erwähnt einen solchen Versuch in seiner 1947 verfaßten Darstellung der Geschichte der Notgemeinschaft, in: BÄK R 73, Nr. 30. 46 GSB, NL Schmidt-Ott, Nr. 2.
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Vorsitzende dieses Gremiums an den Reichsfinanzminister mit der dringenden Bitte, die Summe von 40 Mio. Mark in den Haushaltsplan des Reiches einzustellen, und gab zugleich einen deutlichen Hinweis auf die Beteiligung der Wirtschaft an dieser Aufgabe: „Die im Reichswirtschaftsrat vertretenen produktiven Stände haben sich deshalb bereit erklärt, auch ihrerseits umfangreiche freiwillige Sammlungen einzuleiten, - der RDI fordert von den ihm angeschlossenen Betrieben ... eine Beisteuer von 10 bis 15 Mark auf den Kopf der beschäftigten Arbeiter - und werden einen entsprechenden Aufruf an die Angehörigen der Landwirtschaft, der Industrie, des Groß- und Kleinhandels, des Handwerks und der Banken erlassen."47
Diese Selbstverpflichtung war der direkte Hintergrund des Aufrufs der sieben Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft, der Anfang Dezember in hoher Auflage verschickt wurde. Darüber hinaus wird man in der Verknüpfung von privaten und staatlichen Förderungsmitteln eine wesentliche Voraussetzung dafür sehen müssen, daß die Notgemeinschaft als Selbstverwaltungskörperschaft organisiert wurde und nicht als Reichsbehörde oder als Reichskommissariat. 48 Für die weitere Geschichte der Wissenschaftsorganisationen in Deutschland war dies eine richtungweisende Entscheidung.49 Am 30. Oktober trafen sich Vertreter aller beteiligten Institutionen zur Gründungsversammlung der Notgemeinschaft im Sitzungssaal der Preußischen Staatsbibliothek, auf der noch einmal deutlich gemacht wurde, daß die erwarteten Reichsmittel nicht einfach an die Universitäten weiterzugeben waren, sondern der Forschung insgesamt dienen sollten, egal wo sie betrieben werde. Fritz Haber, der unermüdliche Antreiber, übernahm das Amt eines zweiten Stellvertreters des Präsidenten, der natürlich Friedrich Schmidt-Ott hieß. Daß die Unterstützung des Reichs und vor allem die wichtige Rückendeckung durch den Finanzminister Wirth, der Wissenschaftsmittel in Höhe von 20 Mio. Mark in den Reichshaushalt einstellen wollte, vor allem mit dem hohen Ansehen der chemischen Industrie selbst zusammenhing, machte Haber selbst klar. Er habe es vermieden, in den Gesprächen mit Wirth eine Förderung von „Philologie und Zubehör" anzumahnen.50 Trotz dieser despektierlichen Äußerung konnte jedoch kein Zweifel darüber bestehen, daß Haber eine Förderung der Geisteswissenschaften als notwendig, ja unverzichtbar ansah, eine Haltung, die er auch in späteren Jahren vertreten sollte.51 Haber legte seine Bewertung der Gründung der Notgemeinschaft in einem Artikel der „Allgemeinen Zeitung" vom 21. November 1920 nieder, wo er schrieb: 47 Zitiert nach BÄK, R73, Nr. 69, vom 2. November 1920. 48 Mir scheint dies überzeugender als der von Forman übernommene Hinweis Gerald D. Feldmans auf die gemeinsame soziale Bedrohung von Industriellen und Wissenschaftlern, die sich mit Hilfe der Selbstverwaltung vom ungeliebten Weimarer Staat abzukapseln versuchten (Feldman: Private Support, 100 f.). 49 Vgl. dazu den interessanten Beitrag von Schröder-Gudehus, Brigitte: The Argument for the Self-Government and Public Support of Science in Weimar Germany, in: Minerva 10, 1972, 537-570. 50 So Haber an Schmidt-Ott in: GSB, NL Schmidt-Ott, Nr. 2, vom 2. August 1920. 51 Vgl. Feldman: Private Support, 110 f.
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Der alte Stifterverband 1920-1945 „Der Vorgang, der sich hier in der bescheidenen Form einer Vereinsgründung äußerlich darstellt, ist in der Geschichte der deutschen Wissenschaftspflege ohne Beispiel. In der Hut und Fürsorge der Landesregierungen nebeneinander emporgediehen, auf jedem einzelnen Wissenschaftsgebiete in engem Zusammenhange miteinander, aber in den wirtschaftlichen Fragen bisher fast ohne alle Verbindung, empfinden die Pflegestätten der Wissenschaft im ganzen Reiche jetzt zum ersten Male die Notwendigkeit, sich zu einem arbeitsfähigen Selbstverwaltungskörper zusammenzuschließen, der für den Fortbestand der wissenschaftlichen Forschung Sorge tragen soll."
Als am 23. November die Gründer der Notgemeinschaft zu einem sog. Parlamentarischen Abend in den Reichstag einluden, sprachen dort neben Fritz Haber der Reichsminister des Inneren Koch, der Theologe von Harnack und der Münchener Mediziner von Müller. Haber, der hier den eindrucksvollsten Beitrag vortrug, legte mit kurzen Strichen dar, wie die neuere Entwicklung von wissenschaftlicher Forschung in Deutschland den „Übergang vom Agrarstaat zum Industriestaat" ermöglicht habe. Am Schluß stellte er die für einen anwendungsorientierten Chemiker überraschende Frage, ob immer nur das Kriterium der unmittelbaren Nützlichkeit auf Wissenschaft angewendet werden solle, und verneinte die Frage vehement. Naturwissenschaft und Technik könnten nur in einem kulturell hochstehenden Umfeld weiterentwickelt werden, der Naturwissenschaftler bedürfe der Kontrolle durch die Kulturwissenschaften.52 Man hätte sich kaum eine wirksamere Vorstellung der Bedeutung naturwissenschaftlicher Forschung vorstellen können als diese relativ kurze Rede Habers, die eine epochale Deutung der technisch-wissenschaftlichen Entwicklung und damit zugleich eine bestechend klare Ortsbestimmung der Wissenschaft vornahm. Die Gründung der Notgemeinschaft und des damit organisatorisch eng zusammenhängenden Stifterverbands profitierte von einem glücklichen konjunkturellen Zwischenhoch, das vom Frühjahr 1920 etwa ein Jahr lang die wirtschaftlichen Perspektiven günstig erscheinen ließ. Entscheidend für die Notgemeinschaft wurde jedoch die stabile staatliche Finanzierung, die sich auf einer breiten politischen Grundlage einspielte, so daß man letztlich davon sprechen kann, daß die Wissenschaftsförderung ein Anliegen aller Parteien des Reichstages wurde. Angesichts der sonstigen politischen Spaltung der Parteien und Interessengruppen verdient dieses breite Fundament der Wissenschaftspolitik als eines der wenigen Konsensfelder der Weimarer Republik hervorgehoben zu werden. Erst Ende der 20er Jahre begann dieser breite Konsensus zu bröckeln, als sich politische und öffentliche Kritik am Bewilligungsverfahren der Notgemeinschaft und an einigen Förderthemen zu reiben begannen. 1928 verwies SchmidtOtt „zur Entkräftung des Vorwurfs, als ob sie ihre Mittel ganz oder zum erheblichen Teil weltfremder und zweckloser Stubenwissenschaft widme, dem Hochschulklüngel diene und nichtbeamtete oder jüngere Forscher vernachlässige" direkt und „dreist" wie er selbst schrieb - auf den Jahresbericht.53 52 Die Vorträge dieses Abends, zu dem auch Reichspräsident Ebert erschien, wurden vielfach in den Zeitungen erwähnt und kommentiert und gedruckt in: Internationale Monatsschrift für Wissenschaft, Kunst u. Technik 15/2, 97-134. 53 Achter Bericht der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft, 1929, 5.
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3. Die Gründung des Stifterverbandes und die Interessen der Gründer Schon während der gesamten Gründungsvorbereitungen für die Notgemeinschaft war deutlich geworden, daß die Wissenschaft nicht nur den Staat um Unterstützung angehen, sondern auch die Industrie dazu auffordern wollte, ihren Beitrag zu leisten. Zum einen war dies die logische Konsequenz der bisherigen Finanzierung der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, deren private Basis den preußischen Finanzminister zu der - schon erwähnten - Auffassung brachte, daß auch nach dem Kriege die Industrie für diese Institute aufzukommen habe.' Es war der„Reichsverband der deutschen Industrie", der in einem Schreiben an Adolf von Harnack die Initiative ergriff und die Gründung eines Stifterverbandes ankündigte. Der„Reichsverband der Industrie" war erst im April 1919 aus dem Zusammenschluß des „Centraiverbandes Deutscher Industrieller" und des „Bundes der Industriellen" als neue industrielle Spitzenorganisation hervorgegangen. Seine Gründung zog die Konsequenz aus dem engen Zusammenwirken der gesamten Industrie mit staatlichen Stellen während des Krieges - etwa im „Kriegsausschuß der Deutschen Industrie" - und des schon 1916 erreichten vorläufigen Zusammenschlusses im „Deutschen Industrierat", so daß jetzt eine getrennte Organisation der industriellen Interessen als ganz unangemessen hätte erscheinen müssen. Gleichwohl glaubte das Geschäftsführende Präsidialmitglied Simons nach wenigen Jahren Verbandsarbeit feststellen zu müssen: 2 „Die deutsche Industrie ist schwer zusammenzuhalten, und der Reichsverband trägt noch die Spuren seiner Zusammensetzung aus ehemals feindlichen Elementen an sich." 3 Der erste Präsident des neuen Reichsverbandes wurde der Krupp-Direktor Dr. Kurt Sorge, weil er als bisheriger Präsident der industriellen Arbeitgeberverbände am ehesten die Gewähr bot, eine breite Unterstützung zu finden und die Integration der einzelnen Fraktionen zu gewährleisten. Er wurde unterstützt von einem Vorstand mit Namen wie u.a. Carl Duisberg, der 1925 der Nachfolger Sorges wurde, Robert Bosch, Abraham Frowein, Alfred Hugenberg, Philipp Rosenthal, Carl Friedrich von Siemens und Hugo Stinnes, was freilich keineswegs die Bildung innerverbandlicher Fraktionen gegen Sorge verhindern sollte: Der weitere Verlauf der Weimarer Republik war von tiefgreifenden Strategiedivergenzen der verschiedenen Industriezweige erfüllt, die sowohl die Haltung zur Republik generell als auch die Stellungnahmen zu aktuellen 1 Zur Lage der KWG und zur oftmals scharfzüngigen Charakterisierung der Berliner Gesellschaft vgl. Glum, F.: Zwischen Wissenschaft und Politik. Erlebtes und Erdachtes in vier Reichen, Bonn 1964, 229 ff. 2 Vgl. dazu Berg, Fritz (Einl.): Der Weg zum industriellen Spitzenverband, Dannstadt 1956 und als Überblick Ulimann, Hans-Peter: Interessenverbände in Deutschland, Frankfurt am Main 1988, bes. 77 ff. Von Interesse hier auch die Rede Carl Dulsbergs auf der Versammlung zum 10jährigen Jubiläum des RDI in Düsseldorf. RDI (Hg.): Mitgliederversammlung 1930, Berlin 1930. 3 Hier zit. nach Wulf, Peter: Hugo Stinnes. Wirtschaft und Politik 1918-1924, Stuttgart 1979, 129, Anm. 29.
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Problemen der Wirtschafts-, Arbeitsmarkt-, Sozial- und Reparationspolitik betrafen. 4 Richard Mertons Meinung, daß Sorge zwar „ein guter Kerl", aber „ein durchaus ungeeigneter Vertreter der deutschen Industrie" sei, trifft vielleicht am besten die zwiespältige Bewertung dieses Mannes.5 In den Diskussionen des Sommers um das Engagement der Industrie spielte auch ein außenpolitisches Argument eine Rolle, die Frage nämlich, wie die Alliierten auf eine Spendenaktion der deutschen Industrie zugunsten der Forschungsinstitute reagieren würden. Der zukünftige Schatzmeister des Stifterverbandes Arthur Salomonsohn sprach Anfang September diese Bedenken Schmidt-Ott gegenüber aus. Er hielt es für gefährlich, „die Agitation für diese Sammlung in die Wege zu leiten, bevor wir mit der Entente zu einer Verständigung über die Höhe der Entschädigungszahlung gekommen sind. Die Entente wird diese Action gewiß sehr ungern sehen und sie politisch auszubeuten suchen. Man wird die Aufbringung einer solchen Summe, wie wir sie ins Auge fassen, als ein Zeichen von Deutschlands finanzieller Kraft sicherlich mit Erfolg agitatorisch verwenden und für eine Erhöhung der Entschädigungszahlung ins Feld führen."6
Bei der Vorbereitung des Stifterverbandes der Notgemeinschaft wurde Carl Duisberg die treibende Kraft, der auch schon die erwähnten, kurz zuvor erfolgten Gründungen der Helmholtz-Gesellschaft und der chemischen Hilfsgesellschaften veranlaßt hatte: „Jeden Groschen, den wir übrig haben, müssen wir der Wissenschaft widmen. Es ist das bestangelegte Kapital, das wir besitzen." Solche starken Worte vor dem „Chemischen Verein" im Jahre 1922 belegen seine verbandspolitische Führungsposition, auch wenn sie keinen Beleg für tatsächliche Leistungen darstellen.7 Am 23. Oktober schrieb SchmidtOtt an Carl Duisberg, dem er seinen Besuch ankündigte: „Besonders wertvoll ist es mir auch, Sie in Sachen der Notgemeinschaft zu sprechen. Die Konstituierung soll am 30. Oktober erfolgen. Sie umfaßt natürlich nur die Empfängerseite. Wegen der Stifterseite regt Herr GD (Albert) Vogler nochmalige Besprechung zwischen uns drei an." Die Gründung des Stifterverbands war also der zweite Schritt im Gesamtpaket der Herren Duisberg, Vogler und Schmidt-Ott, die sich als der harte Kern der Gründergruppe erweisen sollten.8 Schmidt-Ott wies in seiner knappen Geschichte des Stifterverbandes 4 Vgl. dazu die grundlegenden Arbeiten von Weisbrod: Schwerindustrie und Neebe, Großindustrie und den Überblick bei Winkler, H. A.: Weimar 1918-1933. Die Geschichte der ersten deutschen Demokratie, München 1993. 5 Hier zitiert nach Feldman, Gerald D.: Vom Weltkrieg zur Weltwirtschaftskrise. Studien zur Deutschen Wirtschafts- und Sozialgeschichte 1914-1932, Göttingen 1984, 215. 6 GSB, NL Schmidt-Ott, Nr. 2, vom 5. September 1920. Er empfahl deshalb, diese Frage nur im kleinsten Kreis zu diskutieren. 7 Zit. nach Duisberg, Carl: Abhandlungen, Vorträge und Reden 1882-1921, Berlin-Leipzig 1923,614. 8 BAL 46.11.1 vom 23. 10.20. - In seiner Darstellung der Geschichte des Stifterverbandes von 1947 erwähnt Schmidt-Ott neben Duisberg und Vogler noch Dr. Salomonsohn, den ersten Schatzmeister des Stifterverbandes.
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von 1947 daraufhin, daß zunächst Harnack an Stinnes herangetreten sei, der 100 Mio. Mark aufbringen wollte, 50 für die Universitäten, 25 für die Technischen Hochschulen, 12 für die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft. „Solcher Bindung trat ich entgegen und es gelang, die freie Verfügung über die in Aussicht stehenden Mittel durchzusetzen."9 Da die Planungen des Gründerkreises für die Notgemeinschaft eindeutig auf eine Selbstverwaltungsorganisation der Wissenschaft hinausliefen, konnte die Industrie direkt in der Notgemeinschaft keinen Platz finden. Statt dessen wollte man einen von der Notgemeinschaft unabhängigen Verband gründen, der aber in enger Kooperation mit den Vertretern der Notgemeinschaft die Mittel verteilen sollte. Schon am 18. November teilte Dr. Sorge vom Reichsverband der Industrie dem Geschäftsführer der Notgemeinschaft selbstbewußt mit, daß „diejenigen, welche die Spenden für die deutsche Wissenschaft aufbringen, auch auf die Verwaltung und Verteilung der aufgebrachten Mittel Einfluß haben sollen." Dies solle in der Form geschehen, daß neben der Notgemeinschaft ein „Stifterverband der Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft" begründet wird. Auf diese Weise sollten die Interessen der Wissenschaft nach Selbstverwaltung und die Interessen der Industrie nach einer Möglichkeit der Mitentscheidung über die von ihr aufgebrachten Gelder harmonisiert werden. Der gleiche Dr. Sorge eröffnete auch am 14. Dezember die Gründungsversammlung, deren entscheidender Beschluß darin bestand: „Die Anwesenden erklären: Wir gründen am heutigen Tage unter dem Namen ,Stifterverband der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft' einen Verein und zwar auf Grund der anliegenden Satzung."
Die sogleich vorgenommenen Wahlen machten Carl Friedrich von Siemens (Vorstandsvorsitzender der Siemens-Schuckert-Werke) zum ersten Vorsitzenden, Hugo Stinnes und Eduard Arnhold zu stellvertretenden Vorsitzenden, sowie Salomonsohn von der Disconto-Gesellschaft zum Schatzmeister. Ein weiterer Verwaltungsrat sah 14 Sitze für je zwei Vertreter aus Bankgewerbe, Handwerk, Deutschem Industrie- und Handelstag, Einzelhandel, Großhandel und Reichsverband der Industrie vor. Ein engerer Verwaltungsrat gleicher Stärke umfaßte u.a. Namen wie Robert Bosch, Wilhelm Cuno, Carl Bosch (BASF), Carl Duisberg, Emil Kirdorf, Paul Reusch, Albert Vogler, Max H. Warburg und Georg Klingenberg. Gefahr der,, Industrieautokratie " ? Es läßt sich deutlich ausmachen, daß diese Konstellation von Notgemeinschaft und Stifterverband ein Produkt spezifischer Vorprägungen des Wissenschaftsapparates einerseits und handgreiflicher industrieller Interessenvertretung andererseits war. Vor allem Adolf von Harnack, der schon während des Krieges durch industriekritische Bemerkungen einigen Industriellen unangenehm aufgefallen war, hatte immer wieder auf der Idee der „reinen Wissenschaft" beharrt und sich gegen das gewehrt, was er eher unbestimmt die „Amerikanisierung" der Wissenschaft nannte, also ein direktes Mitbe9 BÄK, R 73, 30. - In den Akten läßt sich für diesen Schritt Harnacks kein Beleg finden.
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stimmen der Industrie in den Organisationen der Wissenschaft.10 Die formale Trennung beider Bereiche schien den Empfindlichkeiten beider Seiten eher gerecht zu werden als etwa eine direkte Zusammenarbeit von Wissenschaft und Wirtschaft in der Notgemeinschaft. Anfang Dezember, als ein erster Entwurf der Satzung des Stifterverbandes diskutiert wurde, war bei Harnack der Punkt erreicht, an dem er mit seiner Kritik an den Wünschen der Industrie geradezu herausplatzte. Er habe - so schrieb er Schmidt-Ott den Satzungsentwurf studiert, der ihn „mit schweren Sorgen erfüllt" habe. Er halte die starke Stellung des Stifterverbandes in der Notgemeinschaft für gefährlich: „Auf diesem Weg geraten wir in amerikanische Zustände der Rockefeiler usw." Es werde ein öffentlicher Protest entstehen, „daß die Wissenschaft an die Plutokratie ausgeliefert" werde. „Wir werden in die schwersten Kontroversen kommen und das mit Recht." Man müsse einen Mittelweg finden, „der dem Stifterverband gewisse Ingerenzen bzw. Rechte" einräume, aber aus Gründen der Freiheit der Wissenschaft und im Interesse des Geschäftsgangs der Notgemeinschaft freie Hand läßt: „Es ist mir übrigens auch zweifelhaft, ob der Staat hier ruhig zusehen kann."" Der Theologe Harnack stand mit seinen Befürchtungen in dieser „Fundamentalfrage der Zukunft der deutschen Wissenschaft" keineswegs allein. Haber, dessen Haltung sich auf Grund seiner langjährigen Verbindungen zu Chemiefirmen am ehesten von der Harnacks hätte unterscheiden können, reagierte ähnlich, wobei sich bei ihm die generelle Befürchtung einer „Industrieautokratie im Wissenschaftsbetriebe" mit einer erstaunlich scharfen Aversion gegen die persönliche Dominanz Duisbergs mischte. Hatte Haber am 7. August 1920 noch bissig von der beunruhigenden Selbstverständlichkeit von „unserem Freund Duisberg" geschrieben, der für sich in Anspruch nehme, die „Richtlinien der Entwicklung im Hochschul- und Forschungswesen zu bestimmen," so platzte ihm einen Monat später der Kragen, als er Duisbergs Versuche kommentierte, Voglers notorische Anti-Berlin-Stimmung zu stärken und auszunutzen: „Ich kann nicht von Duisberg schreiben, ohne mich zu sehr zu erregen. Die Selbstverständlichkeit, mit der er uns kreuzt, kränkt mich so, daß ich es gar nicht sagen kann."12
Selbst wenn man solche Äußerungen vorsichtig deutet und persönliche Aversionen und sachliche Gegensätze abzustreichen bereit ist,13 so bleibt doch ein struktureller Dissens 10 Zur Rede Harnacks 1916, in der er industrielle Kriegsgewinne angegriffen und staatliche Kontrolle gefordert hatte, Feldman, Gerald D.: The Private Support of Science in Germany, 1900-1933, in: v.Bruch/Müller (Hgg.): Formen außerstaatlicher Wissenschaftsförderung im 19. und 20. Jahrhundert, Stuttgart 1990, 87-111, hier 91. 11 Harnack an Schmidt-Ott in GSB, N L Schmidt-Ott, Nr.2. vom 8. Dezember 1920. - Zum Begriff der „Industrieplutokratie" als einer vor allem aus Amerika drohenden Gefahr bei deutschen Industriellen vgl. jetzt Picht, Clemens: Amerikaerfahrung, 246 f. 12 GSB, NL Schmidt-Ott, Nr. 2, Briefe an Schmidt-Ott vom 7. August und 8. September 1920. 13 So hatte Duisberg auf seiner Rede vor dem „Chemischen Verein" am 25. September 1920 erklärt, die Emil-Fischer-Gesellschaft werde beide Berliner Chemieinstitute der KWG fördern. Dagegen beschwerte sich Haber bei Schmidt-Ott schon am 7. August, daß nur das Chemische Institut der KWG, nicht aber sein Institut für Physikalische Chemie gefördert werde.
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über die wünschenswerte Nähe beider Seiten bestehen, der von einer Reihe der direkt Beteiligten in aller Schärfe gesehen wurde. Hinzu kamen parallele Einschätzungen der jeweiligen Lage durch die Wissenschaft und die Wirtschaft, wie sie der amerikanische Wissenschaftshistoriker Paul Forman analysiert hat.14 Beide Seiten sahen sich unter den Bedingungen der Revolution in einer Position potentieller Bedrohung durch den „sozialistischen Staat", wie es Kirdorf formuliert hatte. Beide Bereiche wollten sich tendenziell der drohenden Politisierung entziehen und trafen sich auf dem gemeinsamen Boden einer Auffassung, die den Wiederaufstieg Deutschlands allein seiner wissenschaftlich fundierten Wirtschaftskraft zutraute. Diese partielle Interessenkoalition kann freilich einen grundlegenden Dissens nicht überdecken, der sich vor allem im weiteren Verlauf der Verschränkung von Wissenschaft und Wirtschaft verschärfen sollte. Ein Mann wie Fritz Haber sah 1929 in einer „industriellen Autokratie" in der Wissenschaft eher traurige Zukunftsperspektiven.' 5 Auch Schmidt-Ott, der von Duisberg in den Bayer-Aufsichtsrat berufen worden war, hatte sich dadurch keineswegs seinen kritischen Blick auf die oftmals kurzsichtige Haltung seiner industriellen Freunde verstellen lassen. Bei aller Kooperationsbereitschaft von Wissenschaft und Wirtschaft wird man diesen elementaren Dissens festhalten müssen.
Das Problem
„Helmholtz-Gesellschaft"
Für einige Verwirrung sorgten nicht nur die erwähnten chemischen Gesellschaften, sondern vor allem die Gründung einer neuen Gesellschaft zur Unterstützung der angewandten physikalisch-technischen Forschung. Sie ging auf eine Anregung des Göttinger Physikers Felix Klein zurück, der sie zunächst Gauss-Weber-Gesellschaft nennen wollte, die aber dann am 27. Oktober als „Helmholtz-Gesellschaft zur Förderung der physikalisch-technischen Forschung e.V." in München gegründet wurde. 1921 bezeichnete Klein die Helmholtz-Gesellschaft geradezu als die Fortsetzung der Bestrebungen der „Göttinger Vereinigung", die seit 25 Jahren schon tätig sei. 16 Hier übernahm auf Duisbergs Betreiben Albert Vogler den Vorsitz. 17 Es scheint auch aus heutiger Sicht nur verständlich, wenn von Harnack und Schmidt-Ott damals über diese neue Gesell-
14 Forman, Paul: The Financial Support and Political Alignment of Physicists in Weimar Germany, in: Minerva 12, 1974, 39-66, hier 48. 15 Dazu etwa BÄK, R 73, 37 und der Kommentar bei Feldman, Gerald D.: The Private Support of Science in Germany, 1900-1933, in: v.Bruch/Müller (Hgg.): Formen außerstaatlicher Wissenschaftsförderung im 19. und 20. Jahrhundert, Stuttgart 1990, 87-111, 101 f. 16 AVDE, HG 1, Bd. 1 (Niederschrift der Sitzung der Göttinger Vereinigung vom 11.6.21). Zur Göttinger Vereinigung vgl. Manegold, Karl-Heinz: Universität, Technische Hochschule und Industrie. Ein Beitrag zur Emanzipation der Technik im 19. Jahrhundert unter bes. Berücksichtigung der Bestrebungen Felix Kleins, Berlin 1970. 17 Vgl. dazu den Bericht über die 20jährige Tätigkeit der Helmholtz-Gesellschaft, Düsseldorf 1939, der freilich wenig über die hier interessierenden Konflikte aussagt. Den Großteil des Berichts nimmt die Bibliographie der wissenschaftlichen Publikationen ein, die aus den von der Gesellschaft geförderten Projekten hervorgegangen sind.
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schaft - Zierold spricht gar von einer Gegengründung 18 - nicht glücklich waren. Sie mußten in dieser Situation der Vorbereitung einer großen, vom Reichsverband der Industrie selbst angestoßenen Sammelaktion in der Helmholtz-Gesellschaf. eine Gefährdung des großen Ziels, zumindest aber eine unliebsame Konkurrenz sehen.19 Duisberg aber, der sich als Lenker im Hintergrund bemühte, sah in der HelmholtzGesellschaft keine wirkliche Gefahr für den geplanten Stifterverband; er wollte sogar eine Erhöhung der Chancen des Stifterverbands erkennen, der mehr Geld von der Industrie erhalten würde, wenn die Industrie endlich die Interessen der angewandten Forschung hinreichend berücksichtigt sehe.20 Diese offene Flanke des neuen Stifterverbands gegenüber den chemischen Fördergesellschaften und vor allem gegenüber der physikalisch-anwendungstechnisch orientierten Helmholtz-Gesellschaft machte auch die Besetzung des o.g. Vorstandes zu einem komplizierten Geschäft. Vor allem war es ausgesprochen schwierig, einen ersten Vorsitzenden zu gewinnen. Zunächst ließ Vogler Schmidt-Ott ausrichten, er solle sich an Stinnes wenden, „von dem er glaube, daß er (sich) solchen Anträgen nicht entziehen werde." Schmidt-Ott wiederum meinte gegenüber Duisberg am 5. November, daß sich im Notfall Vogler bereit finden werde. Da jedoch weder Stinnes noch Vogler positiv reagierten und auch Krupp abgewunken hatte,21 spitzten sich die Überlegungen zwischen Berlin und Leverkusen auf Carl Friedrich von Siemens zu, der freilich auf seine Überlastung verwies und noch am 18. November ein unsicherer Kandidat war. Natürlich wäre Schmidt-Ott sehr an Duisberg selbst als Vorsitzendem gelegen gewesen, doch dieser lehnte dezidiert diese Aufgabe ab, verständlich angesichts seiner vielen Verpflichtungen, nicht zuletzt auch im Reichswirtschaftsrat. Endlich gelang es Schmidt-Ott, Siemens direkt zu sprechen. Duisberg wurde sofort über das Gespräch informiert: „Ich sprach vorhin mit Herrn von Siemens. Arbeitseinwände hat er nicht mehr erhoben. Er hatte aber ziemlich schnell unsere Achillesferse heraus: Das gleichzeitige Sammeln für Notgemeinschaft und Helmholtzgesellschaft. Meine Beruhigungsversuche, daß Sie wie Herr Gd. Dr. Vogler beide Zwecke nebeneinander fördern wollten, fruchteten nicht recht. Wenn man das im engeren Kreise und bei großen Verbänden könne, so werde die große Masse doch kopfscheu und werde, wenn sie die Wahl habe, sich immer nur zu Gunsten des der Industrie näherliegenden Interesses entscheiden. Darüber müsse er zunächst mit Ihnen und Herrn Vogler sprechen."
18 Zierold, Kurt: Forschungsförderung in drei Epochen. Deutsche Forschungsgemeinschaft. Geschichte-Arbeitsweise-Kommentar, Wiesbaden 1968, 29. 19 Vgl. dazu die Bemerkungen bei Nipperdey, Thomas/ Schmugge, Ludwig: 50 Jahre Forschungsförderung in Deutschland. Ein Abriß der Geschichte der Deutschen Forschungsgemeinschaft 1920-1970, Bonn-Bad Godesberg 1970, 24. 20 Marsch, Ulrich: Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft. Gründung und frühe Geschichte 1920-1925, Frankfurt am Main 1994, 89. 21 Von Stinnes war schon im August 1920 von dem Notgemeinschaftsmitarbeiter Dr. Wildhagen gesagt worden: „Der Herr hat keinen besonderen Eifer für unsere Sache." Wildhagen an Schmidt-Ott vom 11. August 1920 in GSB, NL Schmidt-Ott, Nr. 2.
Die Gründung des Stifterverbandes und die Interessen der Gründer
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Duisberg antwortete prompt, daß es ihm außerordentlich leid tun würde, wenn man von Siemens nicht gewinnen könne: „Die Helmholtz-Gesellschaft kann und darf kein Hindernis für ihn sein. Im Gegenteil werden wir durch ihr Bestehen mehr Mittel für die Notgemeinschaft bekommen."
Siemens konnte augenscheinlich erst für die Übernahme des Vorsitzes gewonnen werden, nachdem Hugo Stinnes, der der zweite Vorsitzende werden sollte, versprochen hatte, von Siemens bei den laufenden Geschäften gerade zu Beginn der Verbandsarbeit stark zu entlasten, ein Versprechen, das - wie wir noch sehen werden - kaum eingelöst wurde. Duisberg konnte beim zunächst für den 23. November geplanten Gründungsakt des Stifterverbandes - „der Geburt des sicherlich prächtigen Jungen" - nicht dabei sein, zog aber aus Leverkusen weiter die Fäden: Herr Stinnes müsse sofort nach der Gründung mit seinem Büro Propagandapläne entwerfen, Briefe schreiben lassen und „dafür sorgen, daß die Spitzenverbände ihre Pflicht tun und möglichst bald mit besonderem Anschreiben unter Beifügung von Zeichnungsscheinen die Mitglieder zum Beitritt zur Notgemeinschaft aufrufen." 22 Als dann klar wurde, daß die Hauptprotagonisten am 23. November alle verhindert waren, mußte Schmidt-Ott schweren Herzens umplanen und die Gründung auf den 14. Dezember verlegen. Zu diesem neuen Termin konnte auch Duisberg sein Kommen in Aussicht stellen. Den neuen Stifterverband wollte Duisberg möglichst breit verankert sehen, ja er wollte sogar die „Göttinger Vereinigung für angewandte Mathematik und Physik" - an deren Mitglieder er im November 1920 schrieb - in den neuen Stifterverband integrieren. Der „Stifterverband der Notgemeinschaft für die deutsche Wissenschaft" wurde am 14. Dezember 1920 offiziell gegründet. Seine Satzung sprach in § 1 den Zweck des Unternehmens an: „Der Stifterverband der Notgemeinschaft für die deutsche Wissenschaft hat den Zweck, durch Bereitstellung und sachentsprechende Verwendung der von ihm aufzubringenden Mittel die der deutschen wissenschaftlichen Forschung durch die gegenwärtige wirtschaftliche Notlage erwachsene Gefahr völligen Zusammenbruchs abzuwenden. Er will diesen Zweck in dauernder Zusammenarbeit mit der Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft und unter Benutzung ihrer für die förderlichste Verwendung der Mittel im Gesamtinteresse der deutschen Forschung geschaffenen Einrichtungen erfüllen. Wegen dieser Einrichtungen wird auf die am 30. Oktober beschlossene Satzung der Notgemeinschaft für die deutsche Wissenschaft Bezug genommen."
Die etwas gewundenen Formulierungen des zweiten Absatzes weisen darauf hin, daß die Form der Zusammenarbeit zwischen beiden Gesellschaften keinesfalls problemlos gesehen wurde.23 In § 14 der Satzung wurde weiter festgelegt, daß über die Verwen22 Der hier benutzte Briefwechsel zwischen Duisberg und Schmidt-Ott in BAL 46/11.1. 23 Vgl. w. u. 76 ff.! Die Satzung hier zit. nach Zierold: Forschungsförderung, 30 f.
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dung der Mittel ein gemeinsamer „Verteilungsausschuß" aus beiden Gesellschaften entscheiden sollte, der außerordentlich groß bemessen war. Außer den beiden Vorständen sollten ihm je zehn Mitglieder aus den beiderseitigen engeren Gremien angehören, also insgesamt 28 Mitglieder. Der Vorsitz in diesem Gremium sollte zudem von Jahr zu Jahr wechseln. Diese komplizierte Regelung deutet auf Auseinandersetzungen zwischen beiden Institutionen hin, die mit Harnacks Brief an Schmidt-Ott vom Dezember 1920 schon berührt wurden, im einzelnen freilich nicht zu belegen sind.24 Sie waren in gewisser Hinsicht schon ein Vorlauf der Auseinandersetzungen, die sich 1949 bei der Neugründung ergeben sollten, als es darum ging, entweder einen „Stifterverband der Notgemeinschaft" oder einen unabhängigen Stifterverband zu gründen. Freilich erwies sich bald, daß dieses relativ komplizierte Instrument schwer zu handhaben war. Schon nach Ablauf des Jahres 1922, als der Ausschuß zum erstenmal zusammengetreten war, überwies der Stifterverband seine Mittel zwar in drei bis vier Teilsummen unterteilt, aber doch relativ pauschal an die Notgemeinschaft und ersparte sich damit einen eigenen Gutachterapparat. Im großen Aufruf „an alle deutschen Erwerbsstände" vom 1. Dezember 1920 hatten die Spitzen verbände des Wirtschaftslebens freilich noch mit der Lösung geworben, daß die Verwaltung der Mittel „Gebern und Nutznießern" gemeinsam obliege. Über die Unterschrift dieses Aufrufs ergab sich noch eine kleine Differenz zwischen Duisberg und Schmidt-Ott. Duisberg schien es durchaus erwägenswert, auch die Zentralarbeitsgemeinschaft, also jenes aus Arbeitgebern und Arbeitnehmern paritätisch besetzte Gremium, unterschreiben zu lassen, um damit die Gewerkschaften in die große Aufgabe einzubinden. Dies gab er jedoch zu einem Zeitpunkt zu bedenken, als es aus technischen Gründen für eine Unterschrift bereits zu spät war. Der Grund sei - so schrieb Schmidt-Ott - daß die ZAG „nur Organisation der Industrie" sei, also Teilverband und (sie) „gehöre nur unter den Spezialaufruf der Industrie." Immerhin kommentierte Duisberg bei dieser Gelegenheit einmal die parteipolitische Einschätzung von Notgemeinschaft und Stifterverband und gab sich überzeugt davon, daß bis zur Mehrheitssozialdemokratie alle Parteien die Forschungspolitik mittragen würden. So sprach Schmidt-Ott 1925 vermutlich eine Binsenwahrheit des politischen Lebens der Weimarer Republik aus, wenn er pathetisch erklärte, daß die Sorge um die deutsche Wissenschaft keinen Parteienunterschied kenne.25 Bei dieser Gelegenheit gebrauchte er auch den Vergleich von den drei Ringen des deutschen Wissenschaftssystems, die er zusammengefügt habe: Zunächst die Wissenschaft, die er zur Einheit geführt habe, dann die Reichsbehörden und schließlich die Industrie. Erst 1928/30 sollten sich - wie schon angedeutet - aus dem politischen Raum, aber auch der sozialdemokratischen Presse und auch von einigen Firmen kritische Stimmen zur Vergabepolitik der Notgemeinschaft erheben.
24 Vgl. w.o. 62! 25 So Schmidt-Ott auf dem traditionellen Bierabend vor der Jahresversammlung 1925. BAL 46.11.2.
67 Der Gründungsaufruf Man wandte sich im Gründungsaufruf an alle „deutschen Landwirte, Kaufleute, Gewerbetreibenden und Industriellen" mit der dringenden Bitte, „durch A u f b r i n g u n g v o n Geldmitteln der N o t der deutschen Wissenschaft abzuhelfen." Dabei g e h e es in erster Linie um die Erhaltung der Forschung, während der Staat für den normalen Hochschulunterricht in der Verantwortung bleibe. D e r A u f r u f v e r w i e s dann auf e i n i g e s c h o n bekannte Beispiele der N o t der Wissenschaft: S o habe die Berliner Akademie ihre Veröffentlichungen einstellen müssen, Mikroskope und Bücher könnten nicht mehr gekauft werden, Zeitschriften müßten abbestellt werden. D i e Denkschrift der Notgemeinschaft gebe ein „erschütterndes Bild des Verfalls unserer besten Kulturgüter." „Die Folgen der wirtschaftlichen Not, in die unsere Technischen Hochschulen und Universitäten durch Geldentwertung und staatliche Finanznot gestürzt sind, machen sich schon jetzt für unsere Industrie aufs schärfste fühlbar. Es mangelt z.B. den Laboratorien und wissenschaftlichen Versuchsanstalten an Mitteln, veraltete und unbrauchbar gewordene Apparate, Instrumente usw. zu ersetzen und sich mit ihren Einrichtungen auf der Höhe der Zeit zu halten. Was das für die Ausbildung der Institute bedeutet, auf deren Nachwuchs unsere Industrie angewiesen ist, liegt auf der Hand.... Vor allem ist aber zu bedenken, daß die Aufgabe unserer Hochschulen nicht allein die Ausbildung, sondern auch die Forschung ist und daß mit ihr das Gedeihen unserer Industrie unauflöslich verknüpft ist. Mit der wirtschaftlichen Not unserer Hochschulen ist auch der Fortschritt unserer wissenschaftlichen Forschungen in Frage gestellt. Es ist notwendig, daß der praktische kaufmännische Sinn unserer Industriellen diesen der Industrie drohenden Gefahren durch eine rechtzeitige und großzügige Hilfsaktion vorbeugt. Der praktische kaufmännische Sinn sollte die Ausgaben der Industrie für die Unterstützung der Wissenschaftsgebiete, von deren Gedeihen ihre eigene Existenz abhängt, nicht als mildtätige Stiftungen, sondern als unvermeidliche Geschäftsunkosten und werbende Anlagen betrachten. ... Am schlimmsten liegen die Dinge für die experimentelle Naturwissenschaft, und gerade an sie müssen von der gesamten Industrie und Technik angesichts unserer wirtschaftlichen Not die mannigfachsten Anforderungen gestellt werden. Wir sind gezwungen, aus den uns nach dem Friedensschluß noch zur Verfügung stehenden Rohstoffen unter Anwendung fortgeschrittenster und rationellster Methoden das Äußerste herauszuholen. Es ist ein Gebot der Stunde, daß die Forschung hier rastlos neue Wege sucht." M a n wird g e w i ß nicht s a g e n können, daß der A u f r u f - trotz seiner unbestreitbar geschickten Argumentation - überall schnelle Erfolge zeitigte. Ein Brief an die Nordwestliche Gruppe des Vereins deutscher Eisen- und Stahlindustrieller Düsseldorf v o m 14. D e z e m b e r 1 9 2 0 zeigt, daß man sich in diesen Kreisen durchaus e i g e n e Gedanken über einen möglichst zweckdienlichen Einsatz eventueller Spenden machte: „Der Reichsverband der deutschen Industrie übersendet einen Aufruf der Spitzenverbände des deutschen Wirtschaftslebens, in dem gebeten wird, durch Aufbringung von Geldmitteln der Not der deutschen Wissenschaft abzuhelfen.... Bevor wir eine Erklärung darauf abgeben, wäre es uns erwünscht, zu erfahren, welche Stellung die anderen Werke des hiesigen Bezirks
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Der alte Stifterverband 1920-1945 dazu einnehmen und in welchem Umfang sie sich an der Aufbringung der Kosten zu beteiligen gedenken. Die Not der deutschen Wissenschaft ist nicht zu verkennen. Wir haben deshalb für diese Zwecke auch bereits erhebliche Mittel aufgewendet, zum Beispiel für die Hochschule in Aachen und für das Eisenforschungs-Institut. Der Weg der direkten Verbindung mit derartigen Instituten scheint uns doch vorteilhafter zu sein, als der vom Reichs verband der Deutschen Industrie gewählte, weil in diesem Falle die Werke die Sicherheit haben, daß die Mittel denjenigen Instituten zugute kommen, zu denen sie selbst das größte Interesse haben. Ob das bei einer derartigen allgemeinen Spende im gleichen Umfang der Fall sein wird, kann zweifelhaft sein. Wir würden Ihnen dankbar sein, wenn Sie feststellen wollten, wie man bei anderen Werken zu dieser Frage steht und welche Beträge von dort aus gestiftet worden sind."26
Am 14. Februar 1921 teilte Präsident von Schaewen von den Phoenix-Stahlwerken der Nordwestlichen Gruppe des Vereins deutscher Eisen- und Stahlindustrieller mit, daß man für die Industriespende der deutschen Wissenschaft einen Betrag von insgesamt 5 Mio. Mark vorgesehen habe, „den wir zur Hälfte unmittelbar an die HelmholtzGesellschaft abführen werden, während wir die restliche Hälfte der Nothilfe zuwenden wollen." „Wir machen jedoch für diese Spende zur Bedingung, daß davon ein Betrag von 100.000 Mark seitens der Nothilfe der Gesellschaft für Kohletechnik m.b.H., Dortmund Eving' zugeführt wird." Hier wurde also der Beitrag nicht nur zwischen Helmholtz-Gesellschaft und Stifterverband aufgeteilt, sondern darüber hinaus wurde der Anteil der Notgemeinschaft noch mit einer speziellen Zweckbindung belastet. Der Hintergrund dieser für die Notgemeinschaft wenig erfreulichen Entscheidung wird klarer, wenn man den Brief liest, den Vogler am 18. Januar 1921 zur Erläuterung der Gründung der Helmholtz-Gesellschaft an Geheimrat Beukenberg in Dortmund schrieb: „Herr Duisberg und ich hatten Sorge, daß bei der großen Sammlung der Notgemeinschaft und dem starken Überwiegen der altwissenschaftlichen Disziplinen (Vorsitz Schmidt-Ott und Harnack) unsere technischen Institute Not leiden würden. Wir haben darum, als wir uns gelegentlich einer Aufsichtsratssitzung in Berlin trafen, in wenigen Stunden die Gesellschaft gegründet und die Herren, die gerade anwesend waren, zu den Gründern herangezogen. Die Umgestaltung wird später erfolgen. Die Helmholtz-Gesellschaft wird, um die Einheitlichkeit nicht zu stören, Mitglied der Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft, will aber über ihre Gelder selbst verfügen. Die Werbung, die bisher nur unter der Hand vorgenommen worden ist, hat ein erfreuliches Ergebnis gezeitigt. Bisher sind rund 25 Mill. gezeichnet worden z.B. Gelsenkirchen, Deutsch-Luxemburg je 5, Dr. Silverberg (Braunkohle) 2 1/2, Siemens 5, Gutehoffnungshütte 5 usw. Den technischen Instituten der Hochschulen und Universitäten muß, wenn ein durchschlagender Erfolg verbürgt werden soll, ein Fonds von rund 50 Mill. zur Verfügung gestellt werden. Vom Reich und den Ländern ist trotz der größten persönlichen Bemühungen, die ich mir in Dutzenden von Besuchen gegeben habe, nichts zu erlangen. ... Wir müssen dafür sorgen, daß der Nachwuchs wissenschaftlich auf der Höhe ist. Das ist vielleicht die produktivste Anlage, die wir zur Zeit machen können." Danach kann kaum ein Zweifel über die Absichten der übereilten Konkurrenzgründung bestehen. Es war die schlichte Sorge der Stahlindustrie, daß eine von Schmidt-Ott und 26 MmA, Phönix, P8/25/90/2.
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Harnack beherrschte Notgemeinschaft zu einem Hort der industriefernen Forschung werden würde, und dies mußte schnell und wirksam verhindert werden.27 Vor dem Hintergrund dieser Stimmungsmache gegen die Notgemeinschaft konnte es nicht überraschen, wenn Stahlindustrielle wie der schon erwähnte Direktor der Phoenix-Werke, von Schaeven, jetzt ganz davor zurückschreckten, die Notgemeinschaft mit Spenden zu bedenken. Jetzt bedurfte es des ermunternden Hinweises von Vogler auf die Praxis der großen Firmen, ihre Spendenbeiträge zwischen beiden Organisationen zu teilen, um die ablehnende Haltung gegenüber der Notgemeinschaft nicht zu offenbar werden zu lassen.28 Ungeachtet solcher Praktiken und differierender Überlegungen blieb der Reichsverband der Industrie bei seiner klaren Unterstützung der Industriespenden und betonte in seinen „Geschäftlichen Mitteilungen" vom 14. Januar 1921, daß zwar zu diesem Zeitpunkt „noch kein Urteil über die Werbetätigkeit der einzelnen Verbände möglich" sei. „Im Interesse des Hilfswerks ist es jedoch unbedingt zu wünschen, daß kein Verband und keine Korporation sich gleichgültig dazu verhält, sondern die Beitragsleistung der Firmen so gut als möglich befördert und überprüft". Da die Kontrolle für den Reichsverband sehr schwer sei, sollten die einzelnen Verbände und Korporationen diese Aufgabe, soweit als möglich, auf sich nehmen.29
4. Erste Aktivitäten des Stifterverbandes für die Notgemeinschaft Anfangsschwierigkeiten Wer erwartet hatte, daß nach dem aufgeschobenen Gründungsakt am 14. Dezember der Stifterverband zügig seine Aufgaben in Angriff nehmen würde, mußte sich getäuscht sehen. Kurz vor dem Weihnachtsfest meldete Schmidt-Ott endlose Querelen nach Leverkusen. Der an sich für die Aufgabe der Werbung vorgesehene Mitarbeiter im Büro Stinnes sah sich außerstande, zusätzliche Arbeiten zu übernehmen, obwohl Stinnes im Prinzip damit einverstanden war. Seinen Namen für die Spendenwerbung herzugeben, lehnte er jedoch ab, weil er angesichts der bekannten „Widerstände" gegen seine Person nicht der richtige Mann sei, um zu Geldspenden für die Forschung aufzurufen.1 Herr v. Siemens halte sich deshalb für entlastet: „Inzwischen geschieht kaum etwas, um die Agitation weiterzuleiten." Das Donnerwetter Dulsbergs erfolgte postwendend: „Es ist sehr bedauerlich, daß diejenigen Herren, die wir gebeten haben, sich an die Spitze des Stifterverbandes der Notgemeinschaft zu stellen, so wenig Interesse und Tatkraft zeigen. Es ist doch Sache des Vorsitzenden, zuerst eine Organisation ins Leben zu rufen, die mit Eifer und Geschick die nicht sehr einfache und leichte Aufgabe übernimmt, möglichst große und 27 Vogler an Beukenberg v. 18.1.1921, ebd. 28 Brief v.Schaewen an Vogler vom 8.Feb. 1921 und Brief Voglers vom 9. Febr. 1921 an von Schaeven, ebd. 29 Ebd. 1 Stinnes an C.F. v. Siemens am 7. Januar 1921. BÄK, R 73, Nr. 189.
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Der alte Stifterverband 1920-1945 zahlreiche Geldaufwendungen zusammenzubringen. Wenn Herr v. Siemens dies nicht übernehmen kann oder übernehmen will, so bleibt nichts anderes übrig, als daß Sie nunmehr, wenn auch nicht direkt, sondern indirekt, selbstverständlich im Einverständnis mit v. Siemens, diese Arbeit übernehmen. Dabei handelt es sich in erster Linie darum, ein Bureau zu finden, das die erforderlichen Beziehungen mit der Industrie und den Spitzenverbänden besitzt und für einige Monate ausschließlich für Werbezwecke zur Verfügung steht. Herr Stinnes hat, als er das Amt eines stellvertretenden Vorsitzenden übernahm, hoch und heilig versprochen, daß er sein Bureau mit dieser Aufgabe betrauen wolle. Wie ich aber schon wiederholt erlebt habe, versprechen die Herren manches und halten wenig. Trotzdem dürfen wir Herrn Stinnes nicht freigeben, sondern müssen ihn um Einlösung seines Versprechens immer wieder und wieder anhalten."
Duisberg telegrafierte sofort an Vogler, den er - auch wenn er „sich geschäftlich, wirtschaftlich und politisch übernommen" habe - für entscheidend hielt, weil er „mehr noch als Stinnes imstande ist, uns große Beträge aus der Schwerindustrie und der angeschlossenen Fertigindustrie herbeizuschaffen." Schließlich versprach Duisberg, mit den Herren bei nächster Gelegenheit „ein energisches Wort (zu) sprechen, damit endlich diese für Deutschlands Wiederaufbau wichtigste Angelegenheit an die Reihe kommt." Er selbst bat Schmidt-Ott, über die Anteilszeichnungen der Industriellen laufend informiert zu werden, um ggf. helfend eingreifen zu können. Gleichwohl stagnierten die Angelegenheiten. Ende Januar wußte der Bankier Eduard Arnhold immer noch nicht, daß er zum 2. Stellvertretenden Vorsitzenden gewählt worden war, auch den Herren vom Verwaltungsrat sei - wie Schmidt-Ott formulierte - „noch keine Kunde geworden." Unter diesen Umständen meinte Schmidt-Ott, sich schon selbst für die Agitation zur Verfügung stellen zu müssen, nur müsse er ein adäquates Büro haben. Als ihn dann noch der RDI darüber informierte, daß angesichts der geschickten Werbung des Institutsdirektors Prof. Bernhard Harms viele Spenden zwischen Stifterverband und dem Kieler „Institut für Seeverkehr und Weltwirtschaft" geteilt würden, glaubte dieser schier verzweifeln zu müssen. Erst Ende Februar ergriff v. Siemens die schleifenden Zügel des zwar gegründeten, aber längst noch nicht arbeitsfähigen Verbandes. Ein „vertraulicher" Zwischenbericht Gerade im Februar war die Stimmung Schmidt-Otts auf dem Tiefpunkt angekommen. Auf der einen Seite war die innere Organisation der Notgemeinschaft fertig; das Büro arbeitsfähig, die Ausschüsse gebildet, von überall kamen Anfragen nach Hilfen. Aber diese hatte kein Geld, abgesehen von einigen hunderttausend Mark aus Nord- und Südamerika, womit man die Vorarbeiten bezahlen konnte. Deprimiert wandte sich SchmidtOtt im Februar 1921 in einem sechs Seiten umfassenden vertraulichen Schreiben an die Mitglieder des Hauptausschusses und die Vorsitzenden der Fachkommissionen, um den Stand der Dinge zu berichten und um Verständnis zu bitten.2 Hier sollen nur die Passagen, die den Stifterverband betreffen, wiedergegeben werden:
2 Dieses Rundschreiben fand sich im Nachlaß von Harry Bresslau, dem Vorsitzenden des Fachausschusses Geschichte. SBB, NL Bresslau, Kasten 4, vom Februar 1921.
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„Allerdings muß dazu gesagt werden, daß auch der SV bis in die letzten Tage eine Agitation nicht eingeleitet hatte. Für den Fortgang der Sammlungen erwies es sich zudem von vornherein als verhängnisvoll, daß nach dem Vorbilde der zur Unterstützung der Chemie berufenen je etwa 25 Mio. Kapital umfassenden 3 Gesellschaften .... bereits vor dem Inkrafttreten der NG die HG begründet war, die die Unterstützung der Forschung auf dem Gebiete der technischen Physik bezweckt. Der Gründer dieser Gesellschaft Herr Geh. RR Prof. Dr. Dulsberg und der derz. Vors. GD Dr. Vogler sind zwar von vornherein bemüht gewesen, die NG pari passu mit der HG zu fördern und haben bei der westdeutschen Industrie erreicht, daß mit der Förderung der HG auch für die NG und die von ihr vertretene Gesamtheit der Wissenschaft eine Reihe von Mio. in Ausssicht gestellt sind. Zugleich ergab sich aber auch bei sonstigen Sammlungen, wie im Kreise der Berliner Großbanken, der Wunsch, die zunächst für die NG ins Auge gefaßten Beträge (gleichfalls eine Anzahl von Mio.) in der Weise zu dritteilen, daß neben der NG die HG und die KWG zu gleichen Teilen berücksichtigt werden sollen. Die Möglichkeit derartiger Teilbewilligungen, von der in Kreisen der Zeichner umfangreich Gebrauch gemacht worden ist, ergibt sich aus der Fassung des Aufrufs der Spitzenverbände, wonach ein Teil der Bewilligungen für Sonderzwecke bestimmt werden darf. Die Herren, die die Sammlungen für die HG leiten, haben die Gründung dieser Gesellschaft von vornherein mit unter dem Gesichtspunkt unternommen, daß private Kreise und insbesondere diejenigen der Industrie viel eher zu Stiftungen geneigt sind, wenn die Verwendung der Beträge der Industrie unmittelbare Förderung verspricht. Diese Auffassung, die eine Verbindung der Sammlungen für NG und HG wünschenswert machte, ist auch in einer vor einigen Tagen abgehaltenen Sitzung des SV durchgedrungen und hat auf Anregung des Vorsitzenden, Herrn Carl Friedrich von Siemens, trotz der von mir geltend gemachten Bedenken, zu dem Beschlüsse geführt, daß von den Sammlungen der Industrie, soweit diese nicht von den Stiftern für bestimmte Zwecke festgelegt werden, zwei Drittel der HG überwiesen werden sollen. Allerdings ist dabei eine nähere Vereinbarung mit der HG in dem Sinne vorausgesetzt, daß sie gleichsam als Untergruppe der NG die Entlastung der letzteren von den mit der technischen Physik zusammenhängenden Wissenschaftszweigen übernimmt. Gleichwohl ergibt sich daraus eine wesentliche Beschränkung der für die allgemeinen Zwecke der Forschung zur Verfügung stehenden Mittel. Die bisher in Aussicht gestellten Mittel sind fast ausschließlich einzelnen größeren Verbänden zu danken. Die Gebefreudigkeit in anderen Kreisen ist durch die Einziehung des Reichsnotopfers und die in Erwägung gezogene Beseitigung der Bestimmung des Reichseinkommensteuergesetzes, wonach bis zu 10% des Einkommens steuerfrei für öffentliche Zwecke verwandt werden können, wesentlich gesunken. Wieweit es dem SV auf der jetzt beschlossenen Grundlage gelingen wird, grössere Mittel für die NG zu gewinnen, und ob sich insbesondere die Auffassung des Vorsitzenden des Stifterausschusses bewahrheiten wird, daß die Beschränkung der NG auf ein Drittel des Ergebnisses dieser größere Mittel zuführen werde, als wenn für die NG als Ganzes unmittelbar und allein gesammelt worden wäre, bleibt abzuwarten. Jedenfalls ergibt sich aus dem Vorstehenden eine sehr verwickelte Sachlage, die einen klaren Blick in die Zukunft nicht ermöglicht. So kann die Finanzlage der NG gegenüber dem immer dringender hervortretenden Bedürfnis zur Zeit nicht als erfreulich angesehen werden. Ich zweifle indes nicht, daß es bei dem freundlichen Zusammenwirken mit den führenden Persönlichkeiten der HG gelingen wird, schließlich zu einem befriedigenden Ergebnis zu gelangen." Dieser Brief verdient Interesse nicht nur wegen der für einen kleinen Kreis bestimmten präzisen Mitteilungen über die reale Lage des Unternehmens, sondern auch wegen der
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vorsichtigen Mischung von kritischer Stellungnahme gegenüber den „Industriekönigen" - wie Haber zu spotten pflegte - und der strategischen Überzeugung, auf diese angewiesen zu sein und mit ihnen letztlich doch zu einer Einigung zu kommen. Schmidt-Ott sollte recht behalten. Im Spätsommer stellte sich die Lage schon etwas erfreulicher dar. An den gleichen Empfängerkreis schrieb er Ende August, daß sich seit seinem letzten Schreiben vom 28. Februar die Angelegenheiten positiv entwickelt hätten. Insbesondere habe das Reich die Jahresraten von 20 Mio. für 1920 und 1921 bewilligt. Aus der Schweiz seien Schenkungen über 104.000 Mark, aus den USA bisher 1,1 Mio. Mark eingegangen. „Die Sammlungen der Industrie und sonstiger erwerbender Berufskreise sind noch nicht abgeschlossen, gehen aber erfreulich weiter, wenn auch nach dem Beschlüsse des SV vom Februar d. J. 2/3 der Industriezuwendungen, soweit sie nicht ausdrücklich der NG zugedacht sind, der ... HG zufließen. Die Beziehungen zu dieser sind noch nicht völlig geklärt, gehen aber einer befriedigenden Lösung entgegen. Bei letzterer, wie bei den chemischen Gesellschaften und dem SV, überwiegt die Meinung, daß zunächst nur Zinsen verwandt werden sollen, so daß an Bewilligungen erst nach dem 1. April künftigen Jahres zu denken ist. Die Hauptstütze der NG bilden hiernach die Bewilligungen des Reichs, und es steht zu hoffen, daß diese auch für künftige Jahre erfolgen werden."3 Erste Ergebnisse Angesichts des schon erwähnten relativ günstigen konjunkturellen Zwischenhochs war das Echo auf den in insgesamt 44 000 Exemplaren verschickten Aufruf in der Tat beachtlich. Bis Ende 1921 gingen ca. 75 Mio. Mark ein und 1922 waren fast 100 Mio. erreicht, Beträge, die freilich durch die Inflation stark gemindert wurden, auch wenn man durch Anlage in Sachwerten versucht hatte, das Kapitalvermögen zu sichern. 1925 trat der Stifterverband erneut an seine Klientel heran, und bediente sich dabei jetzt stärker „nationaler" Argumente, um die Wirtschaft zu neuen Spenden zu bewegen: „Die deutsche Wissenschaft kann sich nur dann zu neuer Macht erheben, wenn wir der deutschen wissenschaftlichen Forschung die Grundvoraussetzungen für neue geistige Großtaten erhalten. Die Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft hat sich schon jetzt ein unschätzbares Verdienst um unser deutsches Volk erworben, indem sie dank kluger Leitung und verständnisvollem Zusammenarbeiten aller interessierten Kreise der deutschen Wissenschaft ermöglicht hat, sich ohne allzu schwere Einbußen durch die Gefahrenzone des staatlichen Zusammenbruchs, wie der Inflationszeit, hindurchzuringen. Es ist gute Aussicht vorhanden, daß alle Reichstagsparteien weitere Mittel bewilligen und auch bestimmte Kreise des Auslandes uns weiter wie bisher helfen, wenn auch alle dazu berufenen Kreise der deutschen Wirtschaft ein gutes Beispiel nationalen Weitblicks geben und sich offensichtlich bereit zeigen, die Opfer zu bringen, zu denen sie fähig sind ... Bei der Verarmung unseres Mittelstandes ist der Nachwuchs einer neuen Generation wissenschaftlicher Forscher aufs schwerste bedroht. Die Hauptversammlung des Stifterverbandes vom 13. März 1925 hat einstimmig für das Jahr 1925 100.000 Goldmark für Forschungsstipendien bewilligt... Helfen auch Sie uns durch die Zeichnung eines regelmäßigen Jahresbeitrages oder Zeichnung einer einmaligen größeren 3 Ebd.
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Spende! Es handelt sich um eine nationale Angelegenheit, in der auch Ihre eigensten Interessen auf dem Spiele stehen. "4
Da das Konzept des Stifterverbands darauf beruhte, das Geld in einem Fonds anzulegen und nur die Kapitalerträge auszuschütten, dauerte es bis in das Jahr 1922, bis die ersten Mittel für die Wissenschaft tatsächlich fließen konnten. Aus diesem Grunde faßte man 1922 den Beschluß, die Zeit vom 14. Dezember 1920 bis 1. April 1921 nicht als normales Geschäftsjahr gelten zu lassen.
Die Gesamtsumme der Spenden Die Gesamtsumme aller Spenden für den Stifterverband betrug bis Ende 1921 63.771.337,75 Mark. Davon hatten aufgebracht: Industrie Banken Landwirtschaft Großhandel Einzelhandel
43562702,75 19286820,00 330000,00 589215,00 2600,00
Direkt an die Notgemeinschaft - also ohne den Umweg über die Konten des Stifterverbandes - waren zusätzlich 10848412,50 gezahlt worden, daher belief sich die Gesamtsumme bis Ende Dezember 1921 auf 74.619.750,25 Mark. Für die beiden ersten Monate 1922 erhöhte sich der Betrag noch einmal um ca. 3.500.000 M., so daß der Jahresbericht insgesamt 78.119.750,25 M. an Spenden sowie 1.059.132,70 an erwirtschafteten Zinsen melden konnte. 2689 Spender hatten sich insgesamt beteiligt, die Geschäftsunkosten des Verbandes beliefen sich auf 50145,- M., für Gehälter waren 37 595,-M. ausgegeben worden.
Ausgabenpolitik 1922 erhielt die Notgemeinschaft 2,4 Mio. Mark, je zur Hälfte war das Geld für die Technischen Hochschulen bzw. für Forschungsstipendien bestimmt, um Nachwuchswissenschaftlern, die man an der Hochschule halten wollte, zur Habilitation zu verhelfen. Diese Stipendien waren nicht auf bestimmte Fächer begrenzt, sondern hier konnten alle Fachrichtungen gefördert werden. Demgegenüber waren die Zuschüsse für 1923 und 1924 inflationsbedingt sehr bescheiden. Erst 1925 ging der Stifterverband dazu über, unter bestimmten Voraussetzungen auch auf das angesammelte Kapital zurückzugreifen, was Schmidt-Ott von Anfang an als notwendig bezeichnet hatte. Im wesentlichen konzentrierte sich die Unterstützung des Stifterverbands für die Notgemeinschaft auf die Förderungsart der Nachwuchsstipendien, daneben wurden jedoch auch spezielle Projekte gefördert, für die gesonderte Summen ausgeworfen wurden. Seit dem Ende der 20er Jahre bürgerte sich der Brauch ein, dem Präsidenten der Notgemeinschaft eine Summe zuzuweisen, die diesem als eine Art „Feuerwehrfonds" für Notfälle 4
MmA, Phönix, P8/25/90/2, Brief Stifterverband der Notgemeinschaft vom 24. Juni 1925 an Fa. Phoenix, Hoerde/Westf. (Kursive Textstellen im Original unterstrichen).
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diente. Freilich blieben die realen Summen bis 1934 durchaus begrenzt, sie überstiegen nicht den Durchschnitt von ca. 174.000 Mark im Jahr. Welche Wirkungen mit dieser begrenzten Förderung, vor allem der Konzentration auf die Forschungsstipendien, zu erzielen waren,5 mag eine kurze Notiz in der langen Antragsliste für Neustipendien im Jahre 1924/25 zeigen. Da war von einem jungen Göttinger Wissenschaftler die Rede, der am Institut für Theoretische Physik an strömungstheoretischen Untersuchungen der Linienspektra arbeite. Der junge Mann habe die Absicht, eine größere Arbeit über das Heliumspektrum zu veröffentlichen. Über laufende Einnahmen verfüge er nicht mehr. „Er werde der Forschung verlorengehen, wenn ihm nicht durch die Notgemeinschaft Hilfe wird." 6 Im Nachhinein darf der Stifterverband stolz darauf sein, in einer schwierigen Situation den späteren Nobelpreisträger Werner Heisenberg mit 100 M. monatlich gefördert zu haben. In die Zeit seiner Förderung fiel der Durchbruch zu seiner Quantentheorie in Helgoland im Juni 1925.7 Daneben beteiligte sich der Stifterverband an einigen spektakulären Unternehmungen der Notgemeinschaft, die zwar nicht dem ursprünglich anvisierten Ziel der technisch folgen- und ertragreichen Forschung dienten, aber dafür den Vorteil hatten, in der Öffentlichkeit eine gewisse Aufmerksamkeit hervorzurufen. Hier sind sowohl die deutsch-russische Gemeinschaftsexpedition ins Altai-Pamir-Gebirge zu nennen, die der geographischen Wissenschaft nicht nur einen „Pik Lenin" sondern auch einen „Notgemeinschaftsgletscher" eintrug, aber auch die ozeanographische Meteor-Expedition in den Südatlantik 1926/27 und die Grönlandexpeditionen, bei denen Alfred Wegener und seine Begleiter 1930 ums Leben kamen, wären hier zu erwähnen.8 Gerade die Meteor-Expedition gilt als wichtiger Markstein der neueren Ozeanforschung. Bei der Diskussion um die Grönlandexpeditionen hatte u. a. das Argument eine Rolle gespielt, daß Deutschland auf das erwartete wirtschaftliche Wettrennen zu den Polen vorbereitet sein müsse. Erste Kritik in der Öffentlichkeit Es waren vermutlich solche und andere wissenschaftlich weniger eindrucksvolle Vorhaben, die die Notgemeinschaft und damit automatisch auch den Stifterverband für öffentliche Kritik anfällig machten. Getreu Schmidt-Otts Motto, daß die Notgemeinschaft alle Wissenschaften zu fördern habe, neigten die Fachausschüsse zur Bewilli5 Zu den Forschungsstipendien der Notgemeinschaft, die vom Reich und vom Stifterverband finanziert wurden, unter der speziellen Perspektive der Physik Richter, Steffen: Forschungsförderung in Deutschland 1920-1936. Dargestellt am Beispiel der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft und ihrem Wirken für das Fach Physik, Düsseldorf 1972, hier 32 ff. 6 BÄK, R 73, Nr. 190. 7 Vgl. Heisenberg, Werner: Der Teil und das Ganze. Gespräche im Umkreis der Atomphysik, München 1969 und zum Zeitpunkt jetzt Cassidy, David C.: Werner Heisenberg. Leben und Werk, Heidelberg-Berlin-Oxford 1995, 205 (zum Stipendium), 246 ff.(zum „Durchbruch" 253). 8 Zu diesen Aktivitäten relativ ausführlich Zierold, Kurt: Forschungsförderung in drei Epochen. Deutsche Forschungsgemeinschaft. Geschichte - Arbeitsweise - Kommentar, Wiesbaden 1968, 159 ff.
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gung von z. T. sehr speziellen Themen, die darüber hinaus möglichst weit weg von den kontroversen Fragen der Zeit lagen. In der von Carl von Ossietzky geleiteten „Weltbühne" erschien im Juni 1928 ein Beitrag, der - mit „I. G. Wissenschaft" überschrieben die „Vertrustung" der deutschen Wissenschaft attackierte. „Die Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft... hat sich zu einem ebensolchen Machtfaktor auf wissenschaftlichem Gebiet entwickelt wie ihre große industrielle Schwester, die I. G. Farben." Der Artikel informierte zunächst einigermaßen zutreffend über die Gründungsgeschichte der Notgemeinschaft, ihre Ziele und ihre Finanzierung, über die man freilich nur ganz Allgemeines aus dem Jahresbericht der Notgemeinschaft erfahre, etwa daß ihr „nicht unerhebliche Mittel aus den deutschen Wirtschaftskreisen und auch aus dem Ausland zugeflossen" seien. Der Verfasser hielt es trotz solcher Geheimniskrämerei für ausgemacht, daß die Mittel für die Notgemeinschaft „ganz gewaltig sind" und daß „ihr Einfluß auf das gesamte deutsche Geistesleben bereits offenkundig zutage tritt." Während er an der Gesamtorganisation offensichtlich außer der „Vertrustung" eigentlich wenig auszusetzen hatte, beleuchtete der Artikel diesen Einfluß genauer in den Druckbeihilfen der Notgemeinschaft, vor allem für geisteswissenschaftliche Werke. Hier wurden einige der geförderten Titel herausgesucht und in besserwisserischer Weise als wissenschaftlich unbedeutend oder schlicht unnötig hingestellt. Mit dem Geld des Staates und der Industrie - so der Verfasser - sei eine „Tummelstätte Übeln Cliquengeistes" geschaffen worden. „Herr über Deutschlands Wissenschaft ist der muffige Akademikergeist geworden."9 Es versteht sich von selbst, daß dieser kritische Artikel nicht das Stipendium der Notgemeinschaft für den eben erwähnten Göttinger Physiker Werner Heisenberg erwähnte. Als typisch für das öffentliche Echo auf die Arbeit von Notgemeinschaft und Stifterverband kann der Artikel aber keinesfalls angesehen werden. Immerhin zeigte sich damit ein erstes Anzeichen von öffentlicher Kritik an der Arbeit der Notgemeinschaft, die bislang eine unangefochtene Position hatte wahren können. Doch in dieser Phase kam Kritik auch aus der industriellen Klientel des Stifterverbandes. 1931 meldete sich die Geschäftsleitung der Neukirchener Eisenwerke zu Wort, die an der Verteilung der Druckkostenzuschüsse des Jahres 1929/30 Anstoß nahm, in der für die Geschichte 150.000 Mark, für die Medizin aber nur 15.000 Mark ausgewiesen waren. Die Weberei H. M. Stahel verweigerte sogar die Beitragszahlung an den Stifterverband, weil im letzten Jahr nicht die Gesellschaft für deutsche Vorgeschichte bedacht worden sei. Außerdem fragte man sich auch in diesen Kreisen, ob etwa die Untersuchung „des Übergangs der vorbritischen Verwaltungen, insbes. des Moguls, auf die Engländer" oder die Untersuchung „der arabischen Volkskunde im südlichen Hedschas und im Hinterland von Oman" von der Notgemeinschaft finanzierte Reisen wert seien. Während es Schmidt-Ott leicht fiel, die Differenz zwischen den Druckkostenzuschüssen der Mediziner und der Historiker schlüssig zu erklären, war dies bei den exotischen Forschungsreisen gewiß schwieriger. Gleichwohl gelang es Schmidt-
9 Vgl. S. Alber: I.G. Wissenschaft, in: Die Weltbühne, Jahrgang 24, 1928, 907-911.
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Ott, die erneut in die Diskussion geratene Idee eines Reichskommissariates für die Notgemeinschaft abzuwehren.10
5. Das Verhältnis zur Helmholtz-Gesellschaft Es sollte deutlich geworden sein, daß bereits die Findung eines Vorsitzenden des Stifterverbandes unter der vermuteten Konkurrenzsituation zwischen beiden Institutionen gelitten hatte. Diese „Achillesferse" des Stifterverbandes machte in der Tat allen Beteiligten - Duisberg und Vogler vielleicht ausgenommen - große Sorge, weil natürlich zu Recht gesehen wurde, daß sich die Industrie eher von dem Angebot zur Förderung anwendungsorientierter Forschung würde beeindrucken lassen, als von dem breiten, aber auch unübersichtlichen Angebot des Stifterverbandes, der zudem in der Industrie als eher an der Grundlagenforschung interessiert erscheinen mußte. Da über die praktische Arbeit der Helmholtz-Gesellschaft (HG) außer dem Niederschlag einiger Jahresversammlungen seit 1920 nicht sehr viele Details zu ermitteln sind,1 muß zunächst von den knappen Bestimmungen der Satzung ausgegangen werden.2 Danach war die Aufgabe der Gesellschaft die finanzielle „Förderung der physikalisch-technischen Forschung" durch entsprechend gesammelte Geldmittel aus Kreisen der Industrie. Einem Verwaltungsrat oblag die Verteilung der gesammelten Mittel. Der Vorsitz der Gesellschaft lag bei Albert Vogler, dem Generaldirektor der Deutsch-Lux, Stellvertretender Vorsitzender war der Münchener Physiker Jonathan Zenneck, die Geschäftsführung oblag Dr. Otto Petersen in Düsseldorf, dem Geschäftsführenden Vorstandsmitglied des Vereins Deutscher Eisenhüttenleute, womit die tatsächliche Interessenlage der Gesellschaft schon vorgegeben war. Die Gremien der Gesellschaft waren ebenso knapp gehalten wie die Satzung, neben der Mitgliederversammlung führte ein dreiköpfiger Vorstand die Geschäfte. Im Frühjahr 1921 berichtete Dr. Otto Becker, der Geschäftsführer des Stifterverbandes, an einen sächsischen Industriellen, daß die Helmholtz-Gesellschaft Fachausschüsse für Physik, Elektrotechnik, Maschinenbau und Materialprüfung gebildet habe. 3 Damit hielt sich auch die HelmholtzGesellschaft an das Vorbild der Jubiläumsstiftung von 1900, deren Kapitalreste sie 1924 übernehmen sollte. 1939 bereiteten 6 Fachausschüsse die Bewilligung von Mitteln vor. Im Rundschreiben des RDI „an die deutsche Industrie", das die eigene Klientel über die Gründungs Vorgänge informierte, hieß es: 10 Vgl. dazu Zierold: Forschungsförderung, 127 f. und zum Zusammenhang der politischen Kritik an der Notgemeinschaft Schröder-Gudehus, Brigitte: The Argument for the SelfGovernment, 560 ff. 1 Protokolle der Jahresversammlungen 1921 ff. fanden sich im Archiv der Mannesmann AG, Düsseldorf. Dazu Material im AVDE, HG 1, Bd. 1. Grundlegend dazu Paul Forman: The Financial Support and Political Alignment of Physicists in Weimar Germany, in: Minerva 12, 1974, 39-66 und die darin erwähnte unveröffentlichte Arbeit des gleichen Verfassers. 2 Ein Exemplar der gedruckten Satzung in BÄK R 73, Nr. 3. 3 Ebd., vom 18.4.21. Vgl. das Protokoll der Hauptversammlung der HG vom 17.9.1921 in MmA, Phoenix.
Das Verhältnis zur Helmholtz-Gesellschaft
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„Um speziell den Bedürfnissen der Industrie gerecht zu werden, ist im Rahmen des Stifterverbandes ein besonderes Organ geschaffen worden, die Helmholtz-Gesellschaft. Die Helmholtz-Gesellschaft soll ausschließlich bestimmte Gebiete der Wissenschaft, vor allem Technik und Physik unterstützen. Sie soll ihren der Industrie angehörigen Mitgliedern engstes Zusammenarbeiten mit den Hochschullehrern der ihr zugewiesenen Wissenschaftsgebiete ermöglichen. Die von der Industrie eingehenden Gelder werden, falls von dem Spender keine besonderen Verfügungen getroffen sind, zu 2/3 der Helmholtz-Gesellschaft, zu 1/3 der Notgemeinschaft zugeführt."4
Diese Interpretation wird durchaus durch die schon zitierten Mitteilungen von Vogler selbst gedeckt, der am 18. Januar 1921 seinem Kollegen Geheimrat Beukenberg geschrieben hatte, daß man die Helmholtz-Gesellschaft gerade aus Sorge vor einem Überwiegen der Geisteswissenschaften in der Notgemeinschaft gegründet hatte. Schmidt-Ott, der in den ersten drei Monate des Jahres 1921 mit wachsender Sorge um das Verhältnis der beiden Gesellschaften erfüllt war, vermutete seinerseits etwas naiv, daß die Gründer der Helmholtz-Gesellschaft nur nicht ausreichend über die Zwecke der Notgemeinschaft informiert seien. Er erkannte offensichtlich nicht die grundsätzliche Interessendivergenz, die in der übereilten Gründung der Helmholtz-Gesellschaft zum Ausdruck gekommen war, und setzte weiterhin auf die „Fürsprache" bei Vogler und bessere Informationen der Ruhrindustriellen.5 Kurz darauf sprach Vogler in einem Schreiben an die Phönix-Werke davon, daß man die Helmholtz-Gesellschaft zur Entlastung der Notgemeinschaft gegründet habe. Dabei war er sich durchaus der Tatsache bewußt, daß Schmidt-Ott „immer noch mit großem Mißtrauen die Entwicklung der Helmholtz-Gesellschaft betrachtet", wie er im April 1921 an Duisberg schrieb. 6 Duisberg blieb jedoch auch gegenüber seinem Freund Schmidt-Ott unerbittlich. Er - Schmidt-Ott - könne „leider immer noch nicht einsehen, daß dies begründet ist in den verschiedenen Interessen, die die Allgemeinheit und insbesondere die Industrie den verschiedenen Wissenschaftszweigen entgegenbringt." Es zeige sich nun immer mehr, wie recht er gehabt habe, neben der Notgemeinschaft auch die Helmholtz-Gesellschaft zu gründen. Hätte man das nicht getan, so wäre nicht die Hälfte von dem Geld zusammengekommen, das jetzt beiden Gesellschaften zur Verfügung stünde.7
Von der „Symbiose " zur „ Tributpflicht" des Stifterverbandes Von Anfang an mußte es dem Stifterverband darauf ankommen, die Aktivitäten der Helmholtz-Gesellschaft so unauffällig wie möglich zu halten, und deshalb verfolgte der Stifterverband zunächst das Ziel, gemeinsame Fachausschüsse einzurichten, ja, man wollte letztlich die Konkurrentin in den eigenen Verband integrieren. Zunächst ließ sich die beabsichtigte „Symbiose" - so Schmidt-Ott an Vogler am 6. Dezember 1920 4 BÄK, R 73, Nr. 189. 5 Vgl. w.o. 68! Das Schreiben Schmidt-Otts an Duisberg vom 15.2.1921 in BAL, 46.11.1, als Dokument Nr. 1 w.u. 319 ff. 6 AVDE, HG 1, Bd.l (vom 20.4.21). 7 Ebd., Duisberg an Vogler vom 30.4.21.
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auch gut an, als Emil Kirdorf eine Spende seiner Unternehmen an die beiden Gesellschaften hälftig aufteilte; aber dies war nur ein vorübergehender Eindruck bei SchmidtOtt, der am entschiedensten für eine starke Notgemeinschaft kämpfte und die Helmholtz-Gesellschaft grundsätzlich entbehrlich fand. Als sich der Verwaltungsrat des Stifterverbandes am 23. Februar 1921 im Pfeilersaal des Kriegsministeriums versammelte, konnte von Siemens feststellen, daß zwar schon „viele Beispiele großzügiger Opferwilligkeit" zu verzeichnen seien, doch entdecke man immer noch Vorbehalte in Industriekreisen, die mit der Verteilung zwischen beiden Gesellschaften zusammenhingen: „Um die Propaganda in den Industriekreisen wirklich erfolgreich zu gestalten, besteht die Notwendigkeit, diesen die Gewähr zu geben, daß die von ihnen gestifteten Mittel in erster Linie denjenigen Wissenschaftsgebieten zu Gute kommen, deren Förderung für die Industrie ein Lebensinteresse ist. Andererseits besteht für die übrigen Wissenschaften die dringende Notwendigkeit, daß die Propaganda für die Helmholtz-Gesellschaft, die der Industrie die Gewähr für die Pflege der ihr am nächsten stehenden Wissenschaften geben soll, und die Propaganda für den Stifterverband der Notgemeinschaft einheitlich geführt und ein Weg geschaffen wird, auf dem ein wesentlicher Teil der aus der Industrie eingehenden Gelder der Notgemeinschaft zufließt. Um beiden Notwendigkeiten zu entsprechen, wird folgender Verteilungsschlüssel festgesetzt..."
Es schien also notwendig, die aus der Industrie kommenden Spenden im Verhältnis 2:1 aufzuteilen, während die „aus anderen Kreisen" kommenden Beiträge ganz an den Stifterverband fließen sollten. Auch sollte die Gesamtleitung der Werbung beim Stifterverband liegen, zudem sollten die leitenden Gremien miteinander verknüpft werden: „Die Helmholtz-Gesellschaft muß ein besonderes Organ des Stifterverbands sein!" Mit dieser Sitzung beendete v. Siemens auch das organisatorische Hin und Her um die Führung des Büros des Stifterverbands. Zunächst waren die Akten beim RDI geführt worden, weil Dr. Sorge ja die Gründungsversammlung geleitet hatte; dann waren die Akten an das Büro Stinnes weitergeleitet worden, wo man sie jedoch nicht akzeptierte und an Schmidt-Ott weiterschickte, bis sie endlich im Büro des Vorsitzenden Carl Friedrich von Siemens eintrafen. Seit diesem Zeitpunkt wurden die Geschäfte des Stifterverbands von Berlin-Siemensstadt aus geführt, wo zunächst der Historiker Dr. Otto Becker (bis zu dessen Berufung auf einen historischen Lehrstuhl an der Universität Halle im April 1927), dann der Siemensangestellte Dr. Robert Fellinger (II) die Geschäfte führten. Auch nach dem Rücktritt und selbst nach dem Tode von C. F. von Siemens blieb die Geschäftsführung dort bestehen. Doch auch diese Absprachen müssen noch Reste an Differenzen übrig gelassen haben. Am 7. März 1922 schrieb Schmidt-Ott sorgenvoll an Geheimrat Wüst, den Direktor des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Eisenforschung in Düsseldorf: „Und nun noch eins, was sich auf die Notgemeinschaft bezieht, an der Sie ja freundliches Interesse nehmen. Sie wissen vermutlich, daß der Vorsitzende des Stifterverbands, Herr v. Siemens, im Stifterverband den unglücklichen Beschluß durchgesetzt hat, daß 2/3 von allem was eingeht, an die Helmholtz-Gesellschaft abgegeben wird. Dabei war die Besorgnis maß-
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gebend, daß die Notgemeinschaft als Ganzes sich mehr auf Religionswissenschaft und geisteswissenschaftliche Gebiete beschränken und die Förderung der der Industrie nahestehenden Gebiete der Helmholtz-Gesellschaft vorbehalten bleiben würde. Ich habe diese Auffassung von vornherein bekämpft und dargetan, daß auch für die Notgemeinschaft und deren Reichs- und Stifterverbandsmittel in erster Linie die Wissenschaftszweige im Vordergrunde stehen, die unserer weiteren wirtschaftlichen Entwicklung und dem Wiederaufbau dienen. Auf Grund dessen sind seitens der Notgemeinschaft bereits über 5 Mio Mark für technische und physikalische Zwecke, Apparate, Instrumente usw. ausgegeben, die ganze Literaturversorgung, die sich besonders auf diese Gebiete erstreckt, nicht mitgerechnet. Nun entnehme ich einem Schreiben der GHH (Gutehoffnungshütte), daß sie die der Notgemeinschaft und der Helmholtz-Gesellschaft j e zur Hälfte gestifteten 5 Mio. nachträglich zu 2/3 der Helmholtz-Gesellschaft und nur zu einem Drittel der Notgemeinschaft zuweisen möchte, während bei dem durch Herrn v. S(iemens) herbeigeführten Beschluß die früher liegenden Stiftungen ausdrücklich ausgeschlossen waren. Ich sehe darin mit Bedauern, daß von Seiten der Stifterin das Vertrauen zur Notgemeinschaft nicht vorhanden ist und würde Ihnen sehr dankbar sein, wenn Sie unter der Hand einmal mit Herrn Kommerzienrat Reusch über diese Frage sich ins Benehmen setzen wollten, damit ich, wenn noch irgendwie Gründe zu Mißtrauen vorhanden sind, dem entgegentreten kann. Selbstverständlich werde ich mich seinem Wunsche nicht widersetzen, aber ich wäre noch dankbarer, wenn er eventuell auf seinen nachträglich geäußerten Wunsch verzichten würde. Die maßgebenden Herren der Helmholtz-Gesellschaft, Generaldirektor Vogler und Geheimrat Duisberg sind von vornherein für halbe Teilung und gegen die Überweisung von 2/3 an die Helmholtz-Gesellschaft gewesen, wie Herr Vogler mir noch in Düsseldorf die baldige Aufhebung des Beschlusses als wünschenswert hinstellte. Also, wenn Sie mir auf diesem Gebiet helfen mögen, wäre ich dankbar." Im April klagte Schmidt-Ott im gleichen Ton gegenüber Vogler, daß es ihm leider nicht gelungen sei, „zwischen Notgemeinschaft und Helmholtz-Gesellschaft die Brücken zu schlagen, die ich für notwendig halte." A m 4. Juni war in den Räumen der D i s c o n t o Gesellschaft eine weitere Besprechung angesetzt, um das Problem der Beziehung z w i schen Helmholtz-Gesellschaft und Stifterverband zu lösen. A m gleichen Tag, kurz vor der Sitzung, beschrieb Schmidt-Ott den für ihn unbefriedigenden Stand der D i n g e in einem Brief an Geheimrat v. Dyck, den Rektor der Münchener Technischen Hochschule und 2. Vorsitzenden der Notgemeinschaft, der ihm gegenüber kurz zuvor die endgültige Regelung der Frage der Helmholtz-Gesellschaft angemahnt hatte: „Den Wunsch wg. Regelung der Beziehungen zur H(elmholtz)-Stiftung und zu den Chemischen Stiftungen teile ich in vollem Maße. Ich habe schriftlich wie mündlich den einzelnen maßgebenden Herren gegenüber eine Klärung versucht, bin auch heute deswegen noch einmal mit Herrn v. Siemens und Dr. Salomonsohn zusammen. Aber die Hauptsache scheint mir, daß die Herren der Industrie einschließlich meines Freundes Duisberg sich auf die Zinsen beschränken, uns möglichst wenig hereinreden lassen und die Sache in ihrer Hand halten wollen. ... Überhaupt stehe ich auf dem Standpunkt, daß wir zu einheitlichen Fachausschüssen für Notgemeinschaft und Helmholtz-Gesellschaft kommen müssen und daß durch Austausch von Personen in den Bewilligungsfaktoren (!) Einheitlichkeit gesichert wird." 8
8 BÄK, R 73, Nr. 69. Antwort auf Brief v. Dycks vom 27.5.21.
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Die Helmholtz-Gesellschaft als Teil des Stifter erbandes Zwar blieb es auch nach dieser Besprechung bei der 2:1-Lösung, aber es kam die Bestimmung hinzu, daß auch die Helmholtz-Gesellschaft 1/3 der bei ihr eingehenden Spenden an den Stifterverband abführen solle und daß die Aufteilung nicht für die vor dem 23. Februar gemachten Spenden zutreffen könne, also dem Termin der letzten Besprechung. Dies war jedenfalls Schmidt-Otts ausdrückliche Meinung, während v. Siemens diese Frage noch als offen hinstellte und vom Verwaltungsrat entscheiden lassen wollte. Man hielt daran fest, daß die Helmholtz-Gesellschaft als Untergruppe des Stifterverbandes zu führen sei. Differenzen zwischen Schmidt-Ott und dem Vorsitzenden des Stifterverbandes wurden auch in der Frage der Schwerpunktsetzung der Arbeit des Stifterverbands deutlich. Während der Stifterverband ganz selbstverständlich die Frage der Forschung als vorrangig bezeichnete, stellte v. Siemens Fragen der Lehre und der Nachwuchsausbildung in den Vordergrund. Letzteres wirkte sich durch eine relativ starke Konzentration der Stifterverbandsbewilligungen an die Notgemeinschaft für Zwecke der Forschungsstipendien aus. Nachdem in den ersten beiden Jahren noch die Masse der Mittel in die Ausstattung der Bibliotheken der Technischen Hochschulen und Bergakademien geflossen war, setzte sich seit 1924 der Betrag für Forschungsstipendien an die Spitze der jährlichen Bewilligungen für die Notgemeinschaft. Bemerkenswert war die unter allen Beteiligten herrschende Einmütigkeit über die eventuelle Notwendigkeit, „zur Behebung akuter Notstände" auch das Kapital des Stifterverbandes angreifen zu können. Dies sei nach v. Siemens „auch die Ansicht der Mehrzahl der beteiligten Industriellen."9 Praktische oder bedeutsame Auswirkungen hat dies freilich nicht gehabt. Die Besprechung zwischen den Spitzen der Notgemeinschaft, der Justus-LiebigGesellschaft, der Helmholtz-Gesellschaft und dem Stifterverband und auch die Sitzung des Verwaltungsrats am 15. Juli bestätigten im wesentlichen diese Position, fügten aber noch den Verzicht der Helmholtz-Gesellschaft auf Zuwendungen des Stifterverbands für die von ihr direkt betreuten Gebiete hinzu. Noch deutlicher wurde betont: „Die Helmholtz-Gesellschaft bleibt ein selbständiges Organ im Rahmen des Stifterverbands und der Notgemeinschaft." Entscheidend wurde der Satz, daß „um doppelte Arbeit und Gegensätze zwischen Helmholtz-Gesellschaft und Notgemeinschaft zu vermeiden," beide Organisationen die gleichen Fachausschüsse für die von der Helmholtz-Gesellschaft unterstützten Wissenschaftsgebiete haben sollten und alle Gesuche diesen beiden Ausschüssen vorzulegen seien. Immerhin schien jetzt - fast 2 Jahre nach der Gründung - die Kompetenzfrage geregelt. Für Duisberg galt seinerseits schon sehr bald die Einsicht, daß gerade das Nebeneinander von Notgemeinschaft und Helmholtz-Gesellschaft sich als fruchtbar erwiesen habe. Er machte diesen Standpunkt seinerseits auch gegenüber der Göttinger Vereinigung geltend, deren Integration in die Helmholtz-Gesellschaft er seit Frühjahr 1921 betrieb, als er sah, wie erfreulich sich das Kapital der Helmholtz-Gesellschaft entwickelt hatte. Nachdem man schon mehr als die geplanten 50 Mio. gesammelt habe,
9 Protokoll der Besprechung vom 4. Juni 1920, in BÄK R 73, Nr. 189.
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sah er den Zeitpunkt gekommen, beide Gesellschaften miteinander zu vereinigen.10 Er sah die „Lebensfähigkeit" der Helmholtz-Gesellschaft und der chemischen Gesellschaften vor allem darin, daß sie nicht von Personen, sondern von „Firmen und Firmengruppen" abhängig seien, welche leichter als Privatpersonen in der Lage seien, größere Geldmittel für Forschungszwecke bereitzustellen. Deshalb plädierte er auch für eine Liquidierung der „Göttinger Vereinigung" und ihre Integration in die HelmholtzGesellschaft."
Neue Aufteilung der Mittel Die nächste Etappe in der Auseinandersetzung zwischen Stifterverband und Helmholtz-Gesellschaft bildete eine Absprache vom Jahre 1922, als eine neue Aufteilung zwischen Stifterverband und Helmholtz-Gesellschaft im Verhältnis von 1:1 beschlossen wurde. „Im Einvernehmen" mit dem Vorsitzenden der Helmholtz-Gesellschaft wurde vereinbart, die Verteilung der Mittel zwischen Helmholtz-Gesellschaft und Stifterverband zu ändern, jetzt also die Beträge zu halbieren, egal wo sie eingehen würden. Privatspenden, die direkt der Notgemeinschaft zugingen, sollten dem Stifterverband überwiesen werden.12 Im Jahresbericht des Stifterverbands voml8. März 1922 hieß es: „Mit ihr in ein gedeihliches Verhältnis zu kommen, bildete für den Stifterverband bei Beginn seiner Werbetätigkeit wohl das schwierigste Problem. Es war zu befürchten, daß HelmholtzGesellschaft und Stifterverband ihre Kräfte gegeneinander zersplittern und in den als Geldgeber in Betracht kommenden Kreisen Verwirrung und Verstimmung hervorrufen würden."
Nachdem man sich über die Frage der Verteilung der Spenden zwischen HelmholtzGesellschaft und Stifterverband geeinigt hatte, bot die Frage der Abgrenzung der Werbetätigkeit keine Schwierigkeiten mehr. Es wurde das Abkommen getroffen, daß der Werbetätigkeit der Helmholtz-Gesellschaft die gesamte Kohle erzeugende Industrie des Rheinlands und Westfalens, dazu die gesamte Eisen erzeugende Industrie vorbehalten bleiben sollten.
Gesamtbilanz der Helmholtz-Gesellschaft
1924-1939
Die Gesamtausgaben der Helmholtz-Gesellschaft zwischen 1924, dem Ende der Inflation, und 1939 belief sich auf etwa 1,5 Mio. RM. 1924 1925 1926 1927 1928 1929 1930 1931 Summe
37.134 55.818 115.176 140.142 105.707 143.167 148.144 118.801
1932 1933 1934 1935 1936 1937 1938
91.818 82.802 75.018 97.856 129.899 113.575 131.117 1,5 Mio.
10 AVDE, HG 1, Bd. 1, Duisberg an Vogler vom 30.3.21. 11 AVDE, HG 1, Bd. 1, Niederschrift der Sitzung der Göttinger Vereinigung am 11.6.21. 12 Beschluß v. 18.3.22, BÄK, R 73, Nr. 189.
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Seit der Mitte der 20er Jahre wurde jede Art der Aufteilung der Spenden fallengelassen. Damit war die Zeit der „Tributpflichtigkeit" - ein Ausdruck Robert Fellingers - des Stifterverbands gegenüber der Helmholtz-Gesellschaft beendet, die die Arbeit des Stifterverbands ohne jeden Zweifel behindert hat. Wichtiger scheint jedoch zu sein, daß das von der Industrie durchgesetzte Konzept eines festen Kapitals, von dem nur die Zinsen für Förderungszwecke verwendet werden durften, eine Fördervariante war, die angesichts des begrenzten Kapitals und der Inflationsverluste letztlich nur geringe Wirkung erzielen konnte. Auch hier hatte Schmidt-Ott immer gebohrt, hatte schon im Dezember 1920 gegenüber Vogler den „grundsätzlichen Unterschied" der Auffassungen festgehalten: „daß wir für die Notgemeinschaft unter Umständen, d. h. wenn zwingende Gründe vorliegen - ich fürchte, daß sie kommen werden - auch das Kapital angreifen müssen." Obwohl auch schon während der 20er Jahre Sonderspenden erbeten wurden, blieb es letztlich beim Prinzip der auszuschüttenden Kapitalerträge und der Mitgliedsbeiträge. Allein die Mitgliederversammlung hätte hier eine Änderung herbeiführen können, und sie rang sich dazu nur unter extraordinären Bedingungen durch, etwa als 1941 die DFG nur einen kleinen Teil der Anträge bedienen konnte. Vor diesem Hintergrund war die Entscheidung der Neugründer von 1949, jährliche Sammlungen durchzuführen, ein besonders mutiger Schritt hin zu einem höheren Niveau der Fördertätigkeit. Vogler selbst setzte sich für den Stifterverband ein, wo immer er konnte, wobei er vor allem sein Prestige in Kreisen der Stahlindustrie zur Geltung brachte. Am 8. Juli 1924 schrieb er an die Hauptverwaltung der Phoenix-Stahlwerke: „Es wird wohl zweckmäßig sein, wenn wir uns gelegentlich einer unserer nächsten Zusammenkünfte sowohl über diese Frage, wie die der Helmholtz-Gesellschaft und anderer wissenschaftlicher Organisationen einmal aussprechen. Auch die Frage des Kohlen-ForschungsInstituts müßte bei dieser Gelegenheit geregelt werden. Wie schwer es der Wirtschaft fällt, auch nur kleine Mittel heute für allgemeine Zwecke zur Verfügung zu stellen, so darf doch nicht verkannt werden, welch große Werte endgültig vernichtet werden, wenn es nicht gelingt, die jetzige Geldkrise zu überwinden. Es handelt sich um verhältnismäßig bescheidene Beträge. Es ist z. B. der Jahres-Etat des KWI Mühlheim auf etwa 80.000 eingestellt, bisher aber nicht aufzubringen gewesen. Die Mittel sind vorschußweise von einzelnen Mitgliedern gegeben (worden). In welchem Umfange gerade die Vermögen der Wissenschaftlichen Institute zusammengeschrumpft sind, zeigt am besten die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, deren Vorkriegsvermögen von 15 Mill. Goldmark nach einem Kurs von Mai noch 320.000,Gold(mark) beträgt. Für die Notgemeinschaft und die Helmholtz-Gesellschaft will ich einen Jahresbeitrag von 1000 M. für ausreichend halten, vorausgesetzt, daß es gelingt, etwa 50-60 Unternehmungen oder Einzelpersonen hierfür zu interessieren."'3
Schwerpunkte der Arbeit des Stifterverbandes in der Weimarer Republik Es ist auf der Grundlage der z. Z. verfügbaren Quellen außerordentlich schwierig, sich über die inhaltlichen Schwerpunkte der von der Notgemeinschaft und damit auch vom Stifterverband finanzierten Forschungen ein genaues Bild zu machen. Kurt Zierold 13 MmA, Phoenix, P8/25/90/2.
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hielt dies sogar für weitgehend unmöglich, weil darüber keine Akten mehr vorhanden seien.14 Tatsächlich ist die Quellenlage für diese Frage schwierig, vor allem angesichts des nicht verzeichneten oder durch Findbuch erschlossenen Bestandes der Beihilfeakten, die noch im Bundesarchiv lagern. 15 Es wurde schon darauf verwiesen, daß die ersten beiden Bewilligungen des Stifterverbandes für die Notgemeinschaft den Schwerpunkt auf die Literaturversorgung der Technischen Hochschulen legten und damit eine empfindliche Lücke in der Versorgung mit technischer Literatur geschlossen werden konnte. Danach ergab sich für die 20er und frühen 30er Jahre ein relativ stabiles Muster der Bewilligungen für die Notgemeinschaft, weil meistens Beträge zwischen 90.000 und 120.000 Mark für Forschungsstipendien ausgeworfen wurden, dazu kleinere Beträge von 10-30.000 Mark für wechselnde Schwerpunktförderungen, und ein ergänzender Beitrag für die Schatulle des Präsidenten der Notgemeinschaft, womit dieser bestimmte Repräsentationsbedürfnisse abdecken und kleinere Hilfen zahlen konnte. Seit Bestehen des Stifterverbands bis 31. Dezember 1924 wurden an die Notgemeinschaft 149.747 Goldmark überwiesen. 1925 100.000.-RM 1926 90.000.-RM 1927 100.000.-RM 1928 120.000.-RM 1929 180.000.- RM (Grönlandexpedition 50.000, Präsident der Notgemeinschaft 30.000, Stipendien 100.000, Sonderüberweisung Höhenflugzeug 41.000 RM) 1930 230.000.-RM (100.000 für Stipendien, 50.000 für Grönlandexpedition, 50.000 blieben offen, 30.000 für den Präsidenten der NG, Sonderüberweisung 10.000 RM). 1931 180.000.-RM 1934 130.000.- RM (50.000 für Gasturbinenentwicklung, 20.000 für Ausgrabungen in Uruk-Warka, 20.000 für Volksforschung, 40.000 für geophysikalische Reichsaufnahme zur Erschließung neuer Rohstoffquellen, u.a. Petroleumbohrungen bei Hannover).
14 Zierold: Forschungsförderung, 185. 15 Ich stütze mich hier auf die Ausführungen von Trumpp, Thomas: Zur Geschichte und Ordnung des Bestandes, in: Bundesarchiv Koblenz: Findbuch zum Bestand R 73: Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft/Deutsche Forschungsgemeinschaft, 1. Teil, Koblenz 1989 und auf die Skizze eines Forschungsprojekts von Dr. Lothar Mertens, der im Archiv der Hoover-Institution in Stanford einen größeren Bestand von Stellungnahmen des NS-Dozentenbundes zu Förderanträgen an die NG ermittelt hat und jetzt beide Bestände auswertet, um daraus den Einfluß der NS-Wissenschaftspolitik auf die Forschungsförderung der Notgemeinschaft in den Jahren 1934-1937 zu ermitteln.
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6. Die Schwächung des Stifterverbandes nach der Machtergreifung und die „Förderergemeinschaft der deutschen Industrie" Der Stifterverband und der Nationalsozialismus Als der Stifterverband 1941 die gedruckte Übersicht über die ersten 20 Jahre seines Bestehens veröffentlichte, geschah dies in einer eigenartigen Situation. Dies war nicht allein daran zu erkennen, daß der Stifterverband - wie schon zum 10jährigen Bestehen1 — darauf verzichtete, das 20jährige Jubiläum des Verbandes mit einer Festveranstaltung zu begehen,2 sondern auch daran, daß der Bericht mit einem ungewöhnlichen Hinweis auf eine neue Beziehung des Stifterverbands zur Deutschen Industriebank endete, die als für den Stifterverband „sehr wichtig gewordene Verbindung" bezeichnet wurde. 3 Diese Bank hatte einen erheblichen Betrag für Zwecke der Forschungsförderung bereitgestellt und hatte diesen Betrag mit Hilfe des Gutachterapparates des Stifterverbandes verteilt. Zudem war die Bank „mit einem namhaften Eintritts- und Jahresbeitrag" Mitglied des Stifterverbands geworden, ihr Direktor (GD Hermann Bötzkes) war in den Vorstand des Stifterverbands gewählt worden. 4 Dies alles mußte den Eindruck erwecken, als habe der alte Stifterverband in der Endphase des Dritten Reiches praktisch nicht mehr bestanden, ja er wäre gar aufgelöst worden.5 In der frühen Nachkriegszeit konnte dies gewiß als ein Vorteil angesehen werden. Der Machtantritt der Nationalsozialisten stellte wie in allen Bereichen des Lebens auch für die Geschichte der Forschungsinstitutionen und des Stifterverbandes einen entscheidenden Einschnitt dar. Nach der Gleichschaltung der Forschungsgemeinschaft durch die Nationalsozialisten, erkennbar an der Ablösung Schmidt-Otts als Präsident 1934, waren auch die Aktivitäten des Stifterverbandes zurückgegangen, der sich mehr 1 1930 hatte man eine öffentlichkeitswirksame Kundgebung mit einigen wissenschaftlichen Vorträgen im Sitzungssaal des ehemaligen Herrenhauses arrangiert. Ein Zeitungsbericht formulierte: „Ernst, schlicht, ohne äußeren Prunk und dennoch eindrucksvoll, bezwingend durch geistigen Gehalt und zugleich fesselnd durch die Anwesenheit bedeutender Persönlichkeiten ... so verlief die Kundgebung." 2 Ungeachtet dieser Ankündigung fand dann am 14.Dezember 1940 im neuen „Haus der Forschung" doch eine Feierstunde statt, auf der Prof. Mentzel, der Präsident der Forschungsgemeinschaft, sprach. Vgl. w.u. 86, Anm. 9! 3 20 Jahre Stifterverband der Deutschen Forschungsgemeinschaft (Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft), Berlin 1941, in: BÄK R 73, 193, vor allem 15-16. 4 Zur Geschichte der Industriebank (heute IKB Deutsche Kreditbank AG, Düsseldorf) vgl. Cassier, Siegfried C.: Biographie einer Unternehmensbank. Der Weg der Industriebank AGDeutsche Industriebank und der langfristige Industriekredit in Deutschland, Frankfurt am Main 1977, bes. 153 ff. 5 Dies behauptete Nord in der ersten Fünfjahresbilanz 1955. Zuletzt wurde diese These noch vertreten durch Böttger, Joachim: Forschung für den Mittelstand. Die Geschichte der Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen „Otto von Guericke" e.V. im wirtschaftspolitischen Kontext, Köln 1993,31.
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und mehr der engen Anbindung an die Forschungsgemeinschaft - wie man die Notgemeinschaft schon seit 1929 nannte - entzog. Schmidt-Ott hatte zwar 1933 in seiner Einführung des 12. „Jahresberichts" der Notgemeinschaft durch ein öffentliches Bekenntnis zum Führer den Vorwurf mangelnder „nationaler Gesinnung" widerlegen wollen und seiner „Bewunderung für den Führer" Ausdruck verliehen, und Prof. Robert Fellinger, der Geschäftsführer des Stifterverbandes, hatte den neuen nationalsozialistischen Vorsitzenden überschwenglich begrüßt, doch sicherten diese verbalen Reverenzen an die neuen Machthaber nicht das Überleben der alten Forschungsgemeinschaft, die mit dem Parteienstaat als zu eng verbunden galt. Auch die vordergründigen Hinweise auf wissenschaftliche Vorhaben des Stifterverbandes, die vom „vaterländischen Gesichtspunkt Berücksichtigung heischten" wie die Erforschung der deutschen Vorzeit, der Wall- und Burganlagen des deutschen Ostens, die „rassenmäßige Erschließung des deutschen Volkes" oder die „Saarforschung" konnten dies nicht bewirken. 1934 fügte Schmidt-Ott dem üblicherweise knappen hektographierten Jahresbericht noch einmal eine Anlage 1 mit dem Hinweis auf Forschungen, die „vom Standpunkt des heutigen Staates als dem Volk dienend besondere Förderung beanspruchen", hinzu. Es war der „Wunsch des Führers", wie Minister Bernhard Rust Schmidt-Ott bei seiner Verabschiedung mitgeteilt hatte.6 Auch nach dem Ausscheiden aus dem Präsidentenamt der Notgemeinschaft und in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Stifterverbandes blieb Schmidt-Ott auch für die nationalsozialistische Wissenschaftverwaltung eine anerkannte und zumindest öffentlich hochgeachtete Persönlichkeit. Die hohe Wertschätzung für seine Arbeit brachten die neuen Vorsitzenden in ihren Reden 1934 und 1940 - beim Jubiläum des Stifterverbandes - zum Ausdruck. Natürlich veränderte der Stifterverband auch seine Führungsgruppe. Fritz Haber schied ebenso wie die jüdischen Bankiers aus dem Vorstand aus, ohne die der Stifterverband in den 20er Jahren undenkbar gewesen war. Daß führende Wissenschaftler wie der Münchener Physiker Walter van Dyck, einer der Gründer der Notgemeinschaft, den Rücktritt Habers und Heinrich Konens, des regimekritischen Bonner Physikers, zum Anlaß nahmen, deren „Verschwinden" sogar zu begrüßen, mag die Haltung der Wissenschaftler im Jahre 1933 allgemein charakterisieren: „Sie wissen", schrieb er Schmidt-Ott, „daß ich die Wahl der beiden Herren, besonders die von Haber, nie für gut gehalten habe." Van Dyck kritisierte am Nationalsozialismus lediglich die „übergroße Eile, alles und alles zu erneuem." 7 Die Notgemeinschaft wurde 1934 von dem Physiker Johannes Stark übernommen und damit der Partei untergeordnet.8 Dies war freilich nur eine vorübergehende Lösung, Stark konnte sich im Machtkampf der Parteiinstanzen nicht halten und mußte schon 1936 Prof. Rudolf Mentzel weichen. Seit 1937 bediente sich der neugeschaffene Reichsforschungsrat des organisatorischen Unterbaus der Forschungsgemeinschaft und 6 Darüber der Bericht Schmidt-Otts in GSB, NL Schmidt-Ott, Nr. 7 mit einer Fülle von schriftlichen Reaktionen auf den Vorgang. 7 Brief v. Dycks an Schmidt-Ott in GSB, NL Schmidt-Ott, Nr. 7, vom 14. Mai 1933. 8 Vgl. die Antrittsrede von Johannes Stark auf der Hannoveraner Mitgliederversammlung in BAL, 46. 11. 2. 1 „Adolf Hitler und die deutsche Forschung".
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sollte mit dieser Hilfe zum „wissenschaftlichen Generalstab des deutschen Volkes" werden, wie es Mentzel 1940 auf einer Feierstunde zum 20jährigen Bestehen des Stifterverbandes in völliger Verkennung der tatsächlichen Entwicklung formulierte.9 Bedeutungsverlust des Stifterverbandes? Der Stifterverband war durch den Tod von Carl Friedrich von Siemens im Jahre 1934 und die nur kurze Zeit des Vorsitzes von Carl Duisberg bis zu seinem Tod 1935 in eine schwierige Lage geraten. Zwar hatte man 1935 versucht, durch die Berufung des jetzt 75jährigen Schmidt-Ott zum Präsidenten des Stifterverbands eine Konsolidierung herbeizuführen, doch gingen die Einnahmen immer mehr zurück und der Einfluß des Verbandes nahm ab. Ob die Wahl des eben von Rust als Präsident der Forschungsgemeinschaft auf ausdrücklichen Wunsch Hitlers abgesetzten Schmidt-Otts als ein bewußtes Bekenntnis zu seiner Person oder eher als Ausdruck personeller Verlegenheit zu verstehen ist, läßt sich aus den verfügbaren Quellen nicht erschließen. Durch die Zuwahl von Staatsrat Emil Georg von Stauß zum Stellvertretenden Vorsitzenden und Schatzmeister, dem als „politische Versicherung" angesehenen Vorstandsmitglied der Deutschen Bank mit guten Kontakten zur nationalsozialistischen Parteiführung, 10 hatte man versucht, die politisch gewiß nicht kluge Wahl Schmidt-Otts abzusichern. Angesichts der zentralisierenden Forschungspolitik des Dritten Reiches konnte der Stifterverband jedenfalls keine bedeutende Rolle mehr spielen, obwohl er 1935 sogar sein Stammkapital angriff, um den besonderen Bedingungen der Zeit Rechnung zu tragen. „Spätestens zu Beginn des Zweiten Weltkrieges", so hat Hans Pohl die Meinung der Forschung zur Rolle des Stifterverbands zusammengefaßt, „war der Stifterverband nahezu bedeutungslos geworden, sowohl hinsichtlich seines finanziellen Aufkommens wie auch seiner Einflußnahme auf die Forschungspolitik."11 In einem gewissen Widerspruch zu der oft kolportierten resignativen Selbsteinschätzung Schmidt-Otts aus der Nachkriegszeit, die in der Forschung gerne übernommen wird, steht allerdings der Bericht über das Geschäftsjahr 1935. In der Vorstandssitzung vom 13. Dezember 1935 lagen Anträge in einer Gesamthöhe von 882.290 RM vor, von denen allerdings nur ca. 537.140 bewilligt wurden, weil der Vorstand das Vermögen des Verbandes nicht „so weitgehend in Anspruch" nehmen wollte. Diese weit 9 GSB, NL Schmidt-Ott, Nr. 10. Prof. Mentzel, der Nachfolger Starks als Präsident der Forschungsgemeinschaft, sprach am 14. Dezember 1940 auf einer Feierstunde zum 20jährigen Bestehen des Stifterverbandes. Die Rede („20 Jahre deutsche Forschung"), die ihren Schwerpunkt in einem Bericht über wissenschaftliche Arbeitsgebiete hatte, ist gedruckt in: Aus der Arbeit des Stifterverbandes der Deutschen Forschunsgemeinschaft (Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft), Zur 20. Wiederkehr der Gründung des Stifterverbandes, 14. Dezember 1940, 1-15. 10 Vgl. zu Person und Rolle von v. Stauß jetzt Gall, L./Feldman, G./James, H./Holtfrerich, C.L./Büschgen, H.E.: Die Deutsche Bank 1875 bis 1995, München 1995, 352 ff. (Verf. ist Harold James). 11 Pohl, Hans: Zur Zusammenarbeit von Wirtschaft und Wissenschaft im „Dritten Reich": Die „Förderergemeinschaft der Deutschen Industrie" von 1942, in: VSWG 72, 1985, 508-536, hier 512.
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über die normalen Beträge hinausgehende Summe konnte der Stifterverband allerdings nur dadurch aufbringen, daß er Wertpapiere in Höhe von ca. 300.000 RM verkaufte, so daß sich sein Effektenbesitz auf 512.049 RM nach Kurswert verminderte. Zur Erklärung dieses Verfahrens teilte Schmidt-Ott mit, daß die DFG „wegen Mangels an Mitteln" viele Anträge nicht erfüllen konnte und zudem viele Anträge an einzelne Mitglieder des Stifterverbandes gerichtet worden seien. Immerhin habe sich durch Übernahme dieser Anträge durch den Stifterverband der Beitrag einzelner Mitglieder „wesentlich" erhöht.12 Auch das Rundschreiben vom 11. November 1940, wie die vorhergehenden von Schmidt-Ott mit deutschem Gruß „Heil Hitler" gezeichnet, erweckt nicht den Eindruck einer agonalen Phase des Verbandes. Nach dem Bericht über den Verzicht auf eine außerordentliche Hauptversammlung zum 20jährigen Jubiläum und den im kommenden Jahr zu erwartenden Bericht über 20 Jahre Tätigkeit des Stifterverbands erläuterte der Vorsitzende die Lage des Verbandes: „Abgesehen davon, daß das Arbeitsgebiet des Stifterverbands sich seit der Eingliederung der Ostmark in das Deutsche Reich erweitert hat, bitten wir, auch zu bedenken, daß die an den Stifterverband in erhöhtem Maße herantretenden Anforderungen nicht nur eine einzelne Fachrichtung betreffen, sondern die Gesamtheit der Wissenschaft, wie sie an den Universitäten und Technischen Hochschulen und in den Kaiser-Wilhelm-Instituten forschend verfolgt wird, umfaßt. Heutzutage, mitten in einem Kriege, kommt noch hinzu, daß der Stifterverband sich seiner hohen Aufgabe, zur Erhaltung des Kulturniveaus des geeinten Reiches beizutragen, besonders bewußt sein muß."13
Es wurde schon erwähnt, daß der schließlich vorgelegte Bericht über die Gesamttätigkeit des Stifterverbandes in den Jahren 1920-40 vor allem das neue beachtliche Engagement der Deutschen Industriebank thematisierte. Damit trat zum erstenmal ein neuer bedeutender Akteur in das Rampenlicht der deutschen Wissenschaftsförderung. Dieses geradezu sensationelle Engagement eines einzelnen Unternehmens lenkt das Interesse auf eine neue Variante der Wissenschaftsförderung der Industrie seit dem Beginn des Krieges und besonders nach den Erfahrungen des ersten russischen Kriegswinters. Im November 1942 versuchte die „Reichsgruppe Industrie" unter der Führung Wilhelm Zangens eine neue Lösung der offenbar gewordenen Probleme der Hochschulforschung dadurch zu erreichen, daß man eine „Förderergemeinschaft der deutschen Industrie" gründete, die aus ihrem bemerkenswert hohen Mittelaufkommen in den ersten beiden Jahren (1942-44) auch den beachtlichen Betrag vom RM 200.000 an den „Stifterverband" weiterleitete. Man mußte bislang davon ausgehen, daß der Stifterverband angesichts der Position des schwachen Reichsforschungsrates, einer insgesamt staatlich gelenkten Kriegswirtschafts- und davon wiederum abhängenden Forschungspolitik und der neuen „Förderergemeinschaft" an eigenständiger Bedeutung verlor und de facto verschwand. Schmidt-Ott, der 1935 den Vorsitz des Stifterverbands übernommen hatte, war sich - nach dem Kriege - der nachlassenden Bedeutung des Verbandes offen12 Rundschreiben vom 8. Juni 1936, AAKZO, SV 2-3. 13 Rundbrief vom 11. November 1940, AAKZO, SV 2-3.
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bar bewußt: „Großes Schicksal hat dem Stifterverband unter meiner Leitung nicht getagt." 14 Diese resignierte Äußerung des Mannes, der lange Jahre Notgemeinschaft und Stifterverband geradezu verkörpert hatte, war zum Zeitpunkt ihrer Niederschrift gewiß nachvollziehbar, aber es ist fraglich, ob sie die Wirklichkeit wahrheitsgetreu widergibt. Der Stifterverband besteht bis 1945 Aufgelöst freilich wurde der Stifterverband ganz offensichtlich nicht, obwohl dies zuweilen behauptet wurde. Da nur ganz wenige Belege über Verbandsaktivitäten aus den letzten beiden Kriegsjahren vorliegen, darf zunächst aus der Tatsache der Überweisung von Vermögenswerten des alten Verbandes an den neuen Stifterverband im Jahre 1954 geschlossen werden, daß eine rechtsgültige Auflösung nicht stattgefunden hat. 1952 wurde auf einer Vorstandssitzung die Übernahme des Altvermögens des alten Stifterverbandes bekanntgegeben, und zwei Jahre später fiel dem Verband auch das Restvermögen der eben erwähnten „Förderergemeinschaft der deutschen Industrie" zu - immerhin ein Betrag von 213.000 DM in bar, Effekten von 7,6 Mio. RM und eine Hypothek im Wert von DM 100.000, die auf die Berliner Universitäten verteilt wurden. Schließlich erhielt der Verband auch die Vermögensreste der Adolf-Hitler-Spende der deutschen Industrie. Hier fungierte der Stifterverband allerdings nur als Durchgangskonto, weil das Geld an die neue MPG, den BDI und an österreichische Empfänger weitergeleitet werden mußte.15 Tatsächlich aber war der Stifterverband auch noch in den letzten Kriegsjahren präsent; er zog Beiträge ein, mahnte seine Mitglieder und erstattete Bericht über seine freilich reduzierten Aktivitäten. Nach dem schon erwähnten Rundschreiben des Jahres 1940 meldete sich der Stifterverband in der Jubiläumsbroschüre zu Wort, über die schon berichtet wurde. Hier wurde die erwähnte Beteiligung der Industriebank als „Erweiterung der Betätigungsfähigkeit des Stifterverbands" und „als günstiges Zeichen für die Zukunft des Stifterverbands" gewertet. Danach berichtete der Vorsitzende noch einmal am 9. September 1942 an die Mitglieder.16 Sein - offensichtlich - letzter Bericht wurde am 12. September 1944 an die Mitglieder verschickt, wieder wie üblich verbunden mit der Bitte, „uns von Neuem einmalige und laufende Beiträge zur Verfügung stellen zu wollen," um „vom Stifterverband aus die wissenschaftliche Forschungsarbeit in Deutschland in der bisherigen Weise und darüber hinaus möglichst noch weitergehend fördern zu können." Mit keinem Wort ging Schmidt-Ott in diesem geradezu gespenstisch wirkenden Schreiben auf die besonderen Zeitumstände der Endphase des Krieges ein.17 Am 28. September bedankte sich Schmidt-Ott bei der Geschäftsleitung der „Vereinigte Glanzstoff Fabriken", die nach ihrer kriegsbedingten Verlegung aus Wuppertal in Aschaffenburg residierte, für die Beitragzahlung von 1000 RM. Dies ist 14 Schmidt-Ott, in: Forschungen und Fortschritte 1935, 150. 15 AIKB, Stifterverband. 16 Dieser Bericht lag mir nicht vor, er wird aber in dem Bericht von 1944 erwähnt, AAKZO, SV 2-3. 17 Rundschreiben vom 12.9.1944 in AAKZO, SV 2-3.
Die Schwächung des Stifterverbandes nach der Machtergreifung
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die letzte Spur der Tätigkeit des Stifterverbands vor dem Kriegsende, die ermittelt werden konnte. Da seit 1940 Ernst H. Vits Vorstandsvorsitzender der Vereinigten Glanzstoff Fabriken war,18 der seit 1948 zum Gründerkreis des neuen Stifterverbands zählte, wird man auch hier zumindest Spuren der Kontinuität erkennen können. Das Archiv dieses Unternehmens ermöglicht auch den genauen Nachweis der Beitrags- und Spendenzahlungen zwischen 1925 und 1944 bzw. zwischen 1949 und 1971.19 Die „ Förderergemeinschaft der deutschen Industrie " Die Tatsache, daß noch im Jahre 1954 Vermögenswerte der „Förderergemeinschaft der Deutschen Industrie" auf den Stifterverband übertragen wurden, aber vor allem, daß diese „Förderergemeinschaft" der Forschung erheblich höhere Summen als der Stifterverband selbst zur Verfügung stellen konnte und sogar den Stifterverband noch finanzierte, macht die Frage notwendig, warum diese Neugründung erfolgte. Ihre Beantwortung fällt jedoch - wie es Hans Pohl formuliert hat - nicht leicht. 20 War sie eine Gründung gegen den Stifterverband oder ist ihre Gründung als ein weiteres Exempel des bekannten institutionellen Chaos in der Spätphase des Drittes Reiches zu sehen? Bislang hat allein die Untersuchung Pohls Licht auf diese Institution geworfen, der aus Akten des Siemens-Direktors Bingel deren Entstehungsgeschichte und Wirken rekonstruiert hat, während Herbert Mehrtens die Gründung in den Kontext der NS-Wissenschaftpolitik des Jahres 1942 gestellt hat.21 Im Siemens-Archiv fand sich zudem eine bislang unbekannte Äußerung des Mitgründers Hermann von Siemens, die die Motive der Industriellen zu dieser Gründung klarlegt. Ergänzendes Material konnte im Archiv der DFG benutzt werden, das dort dem Material zur Gründung des Stifterverbandes vorgeschaltet ist. Schließlich konnte auch relativ ausführliches Material aus den OMGUS-Akten benutzt werden, so daß die Geschichte und Wirksamkeit dieser erstaunlichen Institution bemerkenswert ausführlich dokumentiert werden kann.22 Letztlich wird kaum daran zu zweifeln sein, daß die Motive für die Gründung der „Förderergemeinschaft" auf zwei Ebenen angesiedelt waren. Zum einen sahen die Wirtschaftsführer, welche Wirkungen die Anspannung der Wirtschaft für unmittelbare Kriegszwecke auf die Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses und die Forschung hatten. Schon 1939 führte Geheimrat Dr. Hermann Bücher, damals Vorstandsvorsitzender der AEG, dem Merton im Jahre 1949 den Vorsitz im neuen Stifterverband anbieten sollte, in einem Schreiben an Wilhelm Zangen Klage über die verminderte Leistungsfähigkeit der Hochschulen. Er wollte deshalb 5-6 Mio. RM bereitstellen, um junge Wissenschaftler an der Hochschule zu halten. Dazu bedürfe es freilich einer Organisation mit genügend Durchsetzungskraft gegenüber staatlichen Stellen, die 18 Vgl. Langenbruch, Theodor: Ernst Hellmut Vits, in: Wuppertaler Biographien, 9. Folge, Wuppertal 1970, 3-31. 19 AAKZO, SV 2-3. 20 Pohl: Zusammenarbeit, 508. 21 Mehrtens, Herbert: Wissenschaftspolitik im NS-Staat. Strukturen und regionalgeschichtliche Aspekte, in: Wolfram Fischer u.a. (Hgg.): Exodus der Wissenschaften aus Berlin, Berlin 1994, 245-266, hier 246 und 263 f. 22 BÄK, OMGUS, 2/215/1.
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natürlich auch als gemeinnützig anerkannt werden müsse. Dieser Gedanke wurde in mehreren Besprechungen mit Industriellen, Förderern und hohen Beamten ventiliert.23 Im Juli 1939 wurde die Nachwuchsfrage in einer Beiratssitzung der Reichsgruppe Industrie diskutiert. Wenn auch durch den Kriegsausbruch die weitere Behandlung des Problems verzögert wurde, so kam es doch schon ein Jahr später zu einem per Rundschreiben verbreiteten Aufruf der Reichsgruppe zu Spenden, der freilich ohne Echo blieb. Damit verschwand das Thema der industriellen Nachwuchsförderung zunächst einmal von der Tagesordnung, wobei es nach den vorliegenden Quellen unklar bleibt, warum für fast anderthalb Jahre nicht mehr diskutiert wurde. Erst im Dezember 1941 wurde die Frage wieder aufgegriffen. Ein Vorstandsmitglied der Vereinigten Stahlwerke wurde erneut bei Zangen vorstellig, jetzt kam es zu intensiveren Beratungen im Rahmen der Reichsgruppe Industrie, die sich auch an den Vorarbeiten für die praktische Umsetzung beteiligte. Am 18. November traf sich schließlich eine hochrangige Gruppe von Industriellen im Hotel Adlon, um die „Förderergemeinschaft der Deutschen Industrie" formell zu gründen. Sicherlich hatten neben den offenen Nachwuchsproblemen die Erfahrungen des ersten russischen Kriegswinters für erste Ernüchterung über die militärischen Erfolgschancen Deutschlands gesorgt und hatten Raum für Erwägungen über die zukünftige Existenz von Wirtschaft und Forschung in einer Nachkriegszeit gegeben. Dies spricht auch vor dem Hintergrund anderer Überlegungen und Aktivitäten der „Reichsgruppe" - für den Realitätssinn der beteiligten Wirtschaftsführer, 24 sicher auch für die verbliebenen Handlungsmöglichkeiten der Industrie im nationalsozialistischen Kriegsregime. Es darf aber auch nicht übersehen werden, daß die Industrie nach Möglichkeiten suchte, die beachtlichen Kriegsgewinne anzulegen, wenn Kapitalaufstockung und Kapazitätserweiterung als die traditionellen Möglichkeiten zur Gewinnminderung nicht mehr interessant erschienen.25 Wenn es eines letzten Beweises für diese These bedürfte, so kann auf eine Aussage eines der Mitgründer verweisen werden. Als 1957 der damalige Verbandsdirektor des Stifterverbandes Nord bei Hermann von Siemes um Material zur Geschichte des Stifterverbandes aus dem Siemens-Archiv bat und bei dieser Gelegenheit den Eindruck erweckte, als sei der Stifterverband von der „Förderergemeinschaft" abgelöst worden, schrieb ihm v. Siemens zurück, wobei er keinen Zweifel über die Intentionen der Gründer von 1942 ließ: „Die Fördergemeinschaft (!) war eine zusätzliche Gründung aus der Reichsgruppe Industrie während des Krieges, weil die Industriefirmen ihre Überschüsse, die sie nicht zu Dividenden oder zum Ausbau der Kapazität verwenden konnten, zu einem Teil derselben lieber der Wissenschaft zuwenden wollten, als ihn in Reichsschätzen anzulegen."26 23 Nach Pohl: Zusammenarbeit, 514. 24 Vgl. etwa die Hinweise bei Berghahn, Volker R.: Unternehmer und Politik in der Bundesrepublik, Frankfurt am Main 1985, 55 f. 25 Zu den Kapazitätsausweitungen während des Krieges Abelshauser, Werner: Wirtschaftsgeschichte der Bundesrepublik Deutschland 1945-1980, Frankfurt am Main 1983, 27. 26 H. v. Siemens an Nord v. 5. 8.1957 in SAM, Ld 673. Dazu ist das Vorwort zum Aktenbestand OMGUS 2/215/1 zu vergleichen.
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Die Gründung der „Förderergemeinschaft", bei der - neben weiteren 34 Herren - auch der Vorsitzende des Stifterverbandes Schmidt-Ott persönlich anwesend war und sogar in den Verwaltungsrat gewählt wurde, wurde in der letzten Phase vor allem von Wilhelm Zangen, dem Vorstandsvorsitzenden der Mannesmann-Werke und Vorsitzenden der „Reichsgruppe Industrie", sowie dem Vorstandsvorsitzenden der SiemensSchuckert Werke, Dr. Rudolf Bingel, betrieben. Die Gründung erfolgte, um - wie es im Protokoll hieß - „der deutschen Wissenschaft in der Gefahr des Niedergangs" beizustehen. Man wird vermuten müssen, daß die noch bestehende Bindung des alten Stifterverbandes an die schwache DFG die Neugründung in dieser rechtlichen Form veranlaßte. Außerdem konnte sich in der „Reichsgruppe Industrie" zunehmend der Gedanke durchsetzen, daß man über selbst aufgebrachtes Geld auch selbst entscheiden wollte und zwar bis zur letzten Instanz. In dieser Phase schien selbst der eigene Stifterverband schon zu eng an die Forschungsgemeinschaft gebunden. Dieses Argument sollte auch 1949 bei der Neugründung eine wichtige Rolle spielen, um die satzungsmäßige Trennung zwischen Notgemeinschaft und Stifterverband durchzusetzen. Die Satzung von 1942 betonte, daß die Gründer bzw. das Kuratorium jederzeit in der Lage seien, „souverän über die vorhandenen Mittel zu verfügen". Bemerkenswert an der Gründung der „Förderergemeinschaft" war zunächst ihr außerordentlich hohes Spendenaufkommen, das vor allem durch die gesetzlich auferlegten Gewinnbeschränkungen der Industriebetriebe einerseits und die angebotenen Steuerbefreiungen verursacht wurde. Die Steuerbefreiungen wurden von Bingel während der Gründungsversammlung klar angesprochen: Danach war die Hälfte der Stiftung von Vermögens-, Körperschafts- und Gewerbesteuer frei, wenn diese Hälfte der Reichsgruppe für „Zwecke der Hochschulnachwuchsförderung" zur Verfügung gestellt wurde.27 Die andere Hälfte unterlag also der Steuerpflicht. „Aus guten Gründen" habe man darauf verzichtet, auch für die zweite Hälfte Steuerbefreiung zu erwirken. Seit 1941 unterlag die Industrie bekanntlich einer Reihe von staatlichen Gewinnbegrenzungsverordnungen, die es zunehmend erschwerten, Gewinne zu realisieren, wenn diese nicht zur Kapitalaufstockung oder zur Reinvestition genutzt werden konnten.28 Das Beispiel der Industriebank unter Generaldirektor Bötzkes, die so aktiv in die Förderpolitik des Stifterverbandes eingegriffen hatte, daß ihr sogar ganze Großanträge direkt zur Bewilligung zugewiesen wurden, zeigt, daß ein Unternehmen die Bühne der Förderpolitik betrat, das durch gesetzliche Auflagen sogar daran gehindert war, Gewinne auszuweisen bzw. gehalten war, etwaige Gewinne wiederum der gewerblichen Wirtschaft zur Verfügung zu stellen.29 Im Frühjahr 1943 standen der „Förderergemeinschaft" aus einem Stiftungsvermögen von über 22 Mio. RM über 800.000 RM Zinserträge zur Vergabe zur Verfügung, in 27 Dies entsprach einem Erlaß des Reichsfinanzministeriums vom 31.3.1942, den Bingel erwähnte. 28 Vgl. dazu die Bemerkungen bei Eichholtz, Dietrich: Geschichte der deutschen Kriegswirtschaft, 2 Bde., Berlin 1969-1985, hier Bd. 2,518 und 538 ff. 29 Cassier: Weg der Industriebank, 153. Grundlage war ein spezielles Industriebankgesetz von 1931.
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den beiden Jahren 1943-44 wurden über 3,6 Mio. RM an Fördermitteln verteilt. Dem Kuratorium gehörten führende Industrielle an, natürlich Bingel und Bötzkes, aber auch Alfred Krupp von Bohlen und Halbach, Friedrich Flick, Günther Quandt, Hermann Röchling, 30 Geheimrat Hermann Bücher und Albert Vogler, der damals auch schon Präsident der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft war. Vorsitzender wurde auf Vorschlag Zangens Hermann von Siemens. Die beiden einzigen Mitglieder, die nicht aus der Wirtschaft kamen, waren wiederum Exzellenz Schmidt-Ott und Dr. Achenbach vom Kuratorium der „Adolf-Hitler-Spende der deutschen Wirtschaft", der zum Schatzmeister gewählt worden war. Schmidt-Otts Rolle bei der Gründung des „Förderergemeinschaft" ist bislang nicht untersucht worden. Man mußte annehmen, daß der Vorsitzende des Stifterverbandes alles ihm nur Mögliche getan habe, um die potenten industriellen Geldgeber in „seinen" Stifterverband zu integrieren. Aber erstaunlicherweise nahm Schmidt-Ott nicht nur am Gründungsakt teil, sondern er ergriff nach der Wahl des Vorsitzenden das Wort, um seine „besondere Freude" über die gelungene Gründung zu bekunden. Er skizzierte noch einmal kurz die Geschichte des Stifterverbandes, betonte sein Ziel und beklagte zugleich „ein gewisses Nachlassen des Interesses und der Gebefreudigkeit". „Er glaube seinerseits nicht, daß der Stifterverband heute noch eine Bedeutung haben könne; er sehe sich in der Lage, ihn aufzulösen bzw. ihn auf die Förderergemeinschaft überzuleiten. Er sehe dies als das gewünschte Ende des Stifterverbandes an und bitte, ihm darin zuzustimmen." Hermann von Siemens war ganz offensichtlich über dieses Angebot überrascht und bat Schmidt-Ott, dieses angedeutete Ende nicht mit Gewalt heraufzubeschwören. Er halte es für das beste, sich über die künftige Zusammenarbeit einmal persönlich zu unterhalten, und hoffe, daß hier der richtige Weg gefunden werden würde."31 Ganz offensichtlich wollte Schmidt-Ott in dieser Phase am Stifterverband nicht mehr festhalten. Ihm konnte auch nicht verborgen geblieben sein, daß die Industriellen seinen Stifterverband für viel zu eng an die Forschungsgemeinschaft gebunden hielten und ihm deshalb nicht zutrauten, eine eigenständige, die Interessen der Wirtschaft berücksichtigende Politik zu betreiben.32 Am 20. Mai 1943 trafen sich die Herren des Kuratoriums zum ersten- und letztenmal zu einer Sitzung im Berliner Hotel Adlon. Die weitere Arbeit der „Förderergemeinschaft" wurde angesichts der Verkehrsschwierigkeiten in Deutschland vom engeren in Berlin ansässigen - Vorstand bewerkstelligt, der darüber den Mitgliedern, die ja einen durchaus überschaubaren Kreis darstellten, schriftlich Bericht erstattete. Natürlich war die Kriegszeit eine ungünstige Zeit zur Durchsetzung einer neuen Form der industriellen Forschungsförderung. Es lag in der Natur der Sache, daß in den beiden folgenden Kriegsjahren kaum mehr wirkliche Nachwuchsförderung oder gar Grundlagenforschung in langfristiger Perspektive betrieben werden konnte. Auch wenn 30 Dazu jetzt Hermann, Hans-Christian: Hermann Röchling in der deutschen Kriegswirtschaft. Ein Beitrag zum Verhältnis von Politik und Wirtschaft im Dritten Reich, in: JWLG 20, 1994, 405-450. 31 Zitiert nach dem Bericht über die Gründungs Versammlung, 13 f. 32 BÄK, OMGUS, 2/215/1.
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das Kuratorium durch Patenschaften seiner Mitglieder zu einzelnen Hochschulen versuchte, die Bindung an die „Förderergemeinschaft" zu intensivieren, so blieben die Aktivitäten unter den Bedingungen des Krieges auf niedrigem Niveau stehen. Die meisten Bewilligungen erwecken den Eindruck nicht intensiv vorbereiteter Entscheidungen, die nicht mit den sorgfältig geprüften Vergabeentscheidungen der Notgemeinschaft oder des Stifterverbandes verglichen werden können. Sehr viele Pauschalzuwendungen gingen an einzelne universitäre Freundesgesellschaften, daneben wurden auch relativ viele Wirtschaftsforschungsinstitute bedacht. Immerhin unterstützte die „Förderergemeinschaft" auch Ludwig Erhards Gutachten über „Kriegsfinanzierung und Schuldenkonsolidierung", das Ende 1944 nur in kleinem Kreis verteilt wurde. 1944 stellte die „Förderergemeinschaft" der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft noch einen Betrag in Höhe von 2 Mio. RM zur Verfügung, der nach dem Kriege das Überleben der in den Westen verlagerten Institute sicherstellte.33 Die Ausgabenpolitik der „Förderergemeinschaft" sollte sich wesentlich von der des alten Stifterverbandes unterscheiden. Siemens betonte während der ersten Kuratoriumssitzung, daß man das Kapital durchaus ausgeben und es bei Bedarf erneuern wolle. „Diese Frage sei im Augenblick nicht dringend, da große Auszahlungen jetzt nicht zu erwarten seien, aber man müsse in Friedenszeiten mit einem schnelleren Verbrauch rechnen." Insgesamt verdient es festgehalten zu werden, daß die „Förderergemeinschaft" sich gegen die überstarke Kriegsorientierung der Forschung wandte, die Ausblutung der Hochschulen bekämpfen und den wissenschaftlichen Nachwuchs fördern wollte. 34 Insofern zielte ihr Programm über den Krieg hinaus. Sie profitierte zugleich von der Tatsache, „daß 1942 eine so günstige Phase für die Wissenschaft begann," wie es Mehrtens formuliert hat. Generell vertrat man das Ziel, „die Forschung besonders in ihren Grundlagen" zu fördern, auch wurden die 1939 gekürzten Mittel für die Deutsche Forschungsgemeinschaft auf 9 Mio. erhöht, in Oberwolfach wurde ein mathematisches Forschungsinstitut neu gegründet.35 Wie ein verstecktes Programm der neuen Vereinigung mußte der Vortrag des Physikers Prof. Dr. Werner Köster (KWI für Metallforschung Stuttgart) auf der Berliner Gründungsveranstaltung wirken, der in relativ deutlicher Sprache den Irrweg der sog. „deutschen Physik" geißelte und vorbehaltlos für eine Rückkehr zur wissenschaftlichen Arbeit plädierte.36 Deutlich begrüßte er auch die heftige Kritik der Bonner Naturwissenschaftlichen Fakultät an der Schrift der Münchener Professoren Stark und Müller über „Jüdische und deutsche Physik" und stärkte damit 33 Vgl. dazu Vierhaus/v.Brocke: Forschung im Spannungsfeld, 402; Klass, Gert von: Albert Vogler. Einer der Großen des Ruhrreviers, Tübingen 1957, 303 und 50 Jahre Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, 197 f. Am 20.Januar 1945 beantragte die KWG bei der Förderergemeinschaft die Zuweisung von 2 Mio. RM „mit Rücksicht auf die großen Aufgaben - insbesondere auch für die Notwendigkeiten, die sich nach dem Kriege ergeben." (Henning/Kazemi: Chronik der KWG, Berlin 1988, 113.) 34 Vgl. Anhang, Dokument 3! 35 Vgl. Pohl: Zusammenarbeit, 520 und Mehrtens: Wissenschaftspolitik im NS-Staat, 262 ff. 36 BÄK, OMGUS, 2/215/1, fol. 28-^6. - Zur Person des Vortragenden vgl. Köster, W. (Hg.): 25 Jahre KWI für Metallforschung 1921-1946, Stuttgart 1949.
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deren Position. 37 In der Situation des Jahres 1942 mußte eine solche Äußerung vor einem Kreis von führenden Industriellen gewiß als scharfe Kritik an der NS-Wissenschaftspolitik gewertet werden, doch ist andererseits bekannt - und dies relativiert die Tatsache und die klare Tendenz des Vortrags - , daß in der Spätphase des Krieges die ideologischen Bindungen und Zwänge nachließen und die Freiräume von Wirtschaft und Wissenschaft zunehmend erweitert wurden.38 Rückblick auf den „alten" Stifterverband Rückblickend auf die Konstellationen der Forschungsförderung durch die Wirtschaft in der Zeit des Dritten Reiches kann man feststellen, daß sich zunächst der Stifterverband als Institution behaupten konnte, ohne formell „gleichgeschaltet" zu werden. Angesichts der Neuordnung der gesamten Wissenschaftslandschaft durch den Reichsforschungsrat und die diesem unterstellte Deutsche Forschungsgemeinschaft im Jahre 1937 verlor der Stifterverband jedoch an relativer Bedeutung, ohne freilich seine Aktivitäten aufzugeben. Er wurde jedoch „überholt" - so könnte man sagen - durch ein in der Industrie deutlich artikuliertes Unbehagen an der Schwächung der Grundlagenforschung an den Hochschulen, das geradezu zur Gegenbewegung eines industriellen „Kartells" der Wissenschaftsförderung führte. In diesem Punkte setzten Stifterverband, Industriebank und „Förderergemeinschaft" ein Gegengewicht gegen den allgemeinen Trend der Zeit, der natürlich auf staatlich gelenkte, kriegsnahe Forschung abzielte. Wichtig unter Gesichtspunkten der Kontinuität erscheint neben der teilweisen personellen Kontinuität zwischen diesem „Kartell" und dem neuen Stifterverband die Tatsache, daß von der Industrie immer wieder die Nachwuchsfrage, die Bedeutung der Hochschulforschung und die Grundlagenforschung als defizitär angesprochen wurden. 1948 sollte es dann ein ehemaliger Abteilungsleiter der „Reichsgruppe Industrie" sein, der die Konzeption für den neuen Stifterverband entwickelte und dabei genau die Gesichtspunkte vortrug, die in der Vorbereitung der „Förderergemeinschaft" eine Rolle gespielt hatten: Nachwuchsförderung, Forschungsförderung, Literaturdokumentation.39 Außerdem beharrte man 1949 wie schon 1942 auf der gesicherten Entscheidungsmöglichkeit über die von der Industrie aufgebrachten Gelder. Die letzte Spur der Existenz der „Förderergemeinschaft" findet sich in einem Brief
37 Gemeint ist hier Stark, Johannes / Müller, Wilhelm: Jüdische und deutsche Physik, Leipzig 1941. 38 Vgl. dazu auch die Bewertung bei Mehrtens, Herbert: Das „Dritte Reich" in der Naturwissenschaftsgeschichte, in: ders./ Richter, Steffen (Hgg.): Naturwissenschaft, Technik und NSIdeologie. Beiträge zur Wissenschaftsgeschichte des Dritten Reiches, Frankfurt am Main 1980, 50 f., der auf die Niederlage der „deutschen Physik" um 1940 und auf die neuerliche Wertschätzung der Wissenschaft durch das Regime hinweist. 39 Bislang ließ sich eine direkte Beteiligung von Dr. Herbert Studders, dem Planer von 1948/49, an den Vorbereitungen der „Förderergemeinschaft" nicht nachweisen. Gleichwohl liegt sie nahe, weil Studders der Leiter der Abteilung XI für „Industrielle Qualitätsarbeit" war, in der auch Ausbildungsfragen ressortierten. Studders ging in seinen Gesprächen und Arbeitspapieren seit 1948 verständlicherweise auf dieses Vorbild nicht ein. Vgl. w.u. 114 ff.!
95 von Dr. Hermann von Siemens vom 23. Februar 1954 an die noch lebenden Mitglieder „seiner" Gemeinschaft: „Unter Bezugnahme auf die in meinem Schreiben vom 17.3.1953 enthaltenen Vorschläge, denen Sie freundlicherweise zugestimmt haben, teile ich Ihnen mit, daß sich die Förderergemeinschaft der deutschen Industrie gemäß Abs. X der Satzung aufgelöst hat, nachdem das Vermögen nunmehr restlos auf den Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft übertragen worden ist. Der Schatzmeister des Stifterverbandes, Herr Dr. F. Gummert, hat mich in seinem Brief vom 9.2.1954 gebeten, Ihnen die aufrichtige Verbundenheit seines Verbandes für die Übertragung auszudrücken. Als ehemaliger Präsident des Kuratoriums möchte ich Ihnen, zugleich im Namen der früheren Mitglieder des Kuratoriums, für Ihre Mitarbeit in der Förderergemeinschaft bestens danken."40 Damit hatte der Stifterverband auch das materielle Erbe der „Förderergemeinschaft der deutschen Industrie" angetreten. 40 AIKB, Schriftverkehr Dr. Bötzkes betr. Stifterverband.
II. Der Stifterverband nach dem Zweiten Weltkrieg
1. Die lange Gründungsgeschichte a) Ein erster Überblick Die verbandsinterne Rückschau auf die Geschichte des Stifterverbandes hat sich bislang vorwiegend auf das offizielle Gründungsdatum des 22. September 1949 konzentriert. Damit ist ein zwar richtiges, aber doch nur sehr grobes Orientierungsdatum der Verbandsentwicklung der Nachkriegszeit gegeben, das für sich genommen wenig aussagt und der weiteren Erläuterung bedarf. Zudem wurde auch für die Neugründung von 1949 - wie schon für die erste Gründung im Jahre 1920 - meist nur der schlichte Tatbestand festgehalten, während die handelnden Personen und ihre divergierenden Absichten, die speziellen Umstände, Konstellationen und Schwierigkeiten kaum beachtet wurden. Selbst spätere Publikationen des Stifterverbandes neigten zudem dazu, den Beginn der Verbandsarbeit erst mit dem Eintritt des ersten „Verbandsdirektors" Ferdinand E. Nord anzusetzen und damit die Vorgeschichte des Verbandes vergessen zu machen. Die Gliederung der Geschichte der Bundesrepublik bereitet der Geschichtswissenschaft offensichtliche Schwierigkeiten. Zu verschieden sind die Gesichtspunkte und Argumente für markante Zäsuren. Während sich für die Geschichte der wirtschaftlichen Konjunktur relativ eindeutige Phasenbildungen zu ergeben scheinen, bestehen solche für die politische Geschichte offensichtlich noch nicht, sieht man einmal von der weitgehend anerkannten „Stabilisierungsphase" der 50er Jahre ab.' Die Geschichte des Stifterverbandes der Nachkriegszeit bereitet demgegenüber vergleichsweise geringe Schwierigkeiten. Sie läßt sich vorläufig in vier Phasen gliedern, die nur schwer von den Namen der handelnden Personen zu trennen sind, obwohl auch hier keinesfalls immer ganz klare Abgrenzungen vorliegen.2 Immerhin stellt sich bei näherer Untersuchung heraus, daß mit den Namen der jeweils relativ lange dienenden Generalsekretäre 1 Vgl. etwa die verschiedenen und durchaus widersprüchlichen Beiträge in Broszat, Martin (Hg.): Zäsuren nach 1945. Essays zur Periodisierung der deutschen Nachkriegsgeschichte, München 1990. 2 Kramarczyk, Günther: Der „Stifterverband für die deutsche Wissenschaft" - ein Werkzeug zur Unterordnung der Wissenschaft unter die Herrschaft der deutschen Monopole, Diss. rer.oec. TU Dresden, 1965, 61, unterteilt in eine Gründungsphase 1949-51, eine zweite Etappe 1951-58, eine dritte Etappe läßt er bis zum Jahr 1964, das Jahr der Abfassung seiner Arbeit, reichen.
Die lange Gründungsgeschichte
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bestimmte programmatische Neuorientierungen verbunden waren, die eine solche Einteilung rechtfertigen. Zu unterscheiden wären danach: eine ca. anderthalbjährige Gründungsphase, die vor allem mit den Namen von Dr. Herbert Studders und Richard Merton verbunden ist (1948-1949), eine Aufbau- und Konsolidierungsphase seit Beginn des Jahres 1950, für die die ~ Namen von „Verbandsdirektor" Ferdinand E. Nord und Schatzmeister Dr. Fritz Gummert stehen, eine Phase der inhaltlichen Neuorientierung und Neufundierung des Stifterverbandes durch die Stiftungspolitik unter Thorwald Risler (seit 1965) und eine Phase der finanziellen Konsolidierung und Profilierung des Verbandes durch ~ selbständige Leistungen für das im Umbau befindliche bundesrepublikanische Wissenschaftssystem, wie sie mit dem Namen des seit 1979 amtierenden Generalsekretärs (Dr. Horst Niemeyer) verbunden ist.
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Da die Tätigkeit des Stifterverbandes seit seiner Gründung am 22. September 1949 durch die gedruckten periodischen Jahresberichte und verschiedene Presseveröffentlichungen zumindest in groben Zügen bekannt, die viel interessantere Gründungsphase aber bislang dunkel geblieben ist, soll dieser Abschnitt seiner Geschichte ausführlicher behandelt werden. Kriegsfolgen für Wissenschaft und Wirtschaft Es gibt vermutlich nur sehr wenige Bereiche des öffentlichen Lebens in Deutschland, deren Geschichte von den großen historischen Einschnitten der jüngeren Geschichte unseres Landes unbeeinflußt geblieben sind. Der Rhythmus der politischen Katastrophen prägte auch die Bereiche von Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft. Die unmittelbare Nachkriegszeit im „Niemandsland Deutschland", das besiegt unter alliierter Kontrolle und unter dem lähmenden Eindruck der „deutschen Katastrophe" stand, erlaubt es kaum, mit allgemeinen Begriffen wie „Wissenschaft" oder „Wirtschaft" zu operieren. Man findet kaum eine Entsprechung für das, was mit diesen Begriffen in jenen Wochen und Monaten gemeint sein könnte.3 Wir finden einzelne Wissenschaftler, die über ganz Deutschland verstreut sind, die in ausgelagerten Forschungsstätten überlebt haben, wir finden zerstörte Betriebe, in denen man versucht, Trümmer wegzuräumen und Produktionsanlagen zu reparieren. Zumindest für einige Wochen wird man eine Phase der Lähmung annehmen müssen, während das Trauma der Zerstörung viel länger anhielt. Noch im Frühjahr 1946 begründete der Industrielle Paul Silverberg aus der Schweiz seine Weigerung nach Deutschland zurückzukehren mit der Wertung, daß in Deutschland noch „die apokalyptischen Reiter über das Land" gingen.4 Die Denkschrift 3 Dazu Michaelis, Anthony R.: Wissenschaft in Deutschland - Niedergang und neuer Aufstieg, Stuttgart 1983. 4 Hier zit. nach Neebe, Reinhard: Großindustrie, Staat und NSDAP 1930-1933. Paul Silverberg und der Reichsverband der Deutschen Industrie in der Krise der Weimarer Republik, Göttingen 1981,198.
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eines Direktors der Salamander AG formulierte unter der Überschrift „Die Wirtschaft nach dem Kriege" folgende These: „Das deutsche Volk ist noch so betäubt, daß die meisten sich dagegen sträuben, über die ganze furchtbare Gefahr, in der unsere Wirtschaft und damit unser Leben schwebt, sich ein schonungslos klares Bild zu machen. Man kritisiert oberflächlich und ist im übrigen zufrieden, daß es überhaupt weitergeht. Aber gerade daß alles weitermacht, wie wenn kein Krieg und kein Zusammenbruch vorgekommen wäre, ist das Unverantwortliche und belastet uns mit einer Nachkriegsschuld, die wir schwer werden büßen müssen. Unsere Pflicht ist es, den Dingen auf den Grund zu gehen, und von da aus den Weg zur Rettung zu suchen."5
Entscheidend war zunächst, daß alle wissenschaftliche Tätigkeit durch das Potsdamer Abkommen direkt unter alliierte Kontrolle gestellt worden war, ein autonomer deutscher Wissenschaftsbetrieb konnte deshalb nicht existieren. Durch das Kontrollratsgesetz Nr. 25 vom 29. April 1946 war relativ genau festgelegt worden, welche tendenziell kriegswichtigen Forschungs- und Entwicklungsarbeiten in Universitäten, Instituten und Industriebetrieben spezieller Kontrolle unterliegen sollten.6 Auch wenn sich aus der Rückschau ergibt, daß dieses Gesetz angesichts der kriegsorientierten Produktion der letzten Jahre gewisse Chancen für ein Aufholen Deutschlands im Bereich der lange vernachlässigten Grundlagenforschung bot, so mußte das Gesetz zunächst einmal einen harten Einschnitt gerade auf jenen Feldern der Forschung bedeuten, in denen Deutschland traditionell stark war.7 Das Kontrollratsgesetz Nr. 25 Im Vollzug des Kontrollratsgesetzes Nr. 25 wurde auf Anordnung der Militärregierung für Bayern beim Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft, Abteilung 3 das selbständige Referat „Überwachung der wissenschaftlichen Forschung" eingerichtet. Der Aufgabenbereich des Referates war im Kontrollratsgesetz Nr. 25 und in dessen vorläufigen Ausführungsbestimmungen festgelegt. Demgemäß hatte jedes Institut, gleichgültig ob staatlicher oder wirtschaftlicher Art, vor Aufnahme der Forschungstätigkeit um Genehmigung nachzusuchen. Die diesbezüglichen Anträge wurden bei der Dienststelle eingereicht und von hier aus an die Wirtschaftsabteilung der Militärregierung von Bayern weitergeleitet. Ein direkter Verkehr zwischen Forschungsinstituten und Militärregierung war nicht erlaubt. Die Dienststelle hatte den Antrag zu prüfen und ihn gegebenenfalls zu befürworten, andernfalls unter genauer Begründung der Ablehnung weiterzureichen. Die Wirtschaftsabteilung der Militärregierung leitete ihn nach eigener Überprüfung an den Kontrollrat in Berlin weiter, dort wurde die endgültige Entscheidung gefällt, die auf demselben Dienstweg dem Antragsteller bekanntgegeben wurde. Eine ständige Überarbeitung der Richtlinien tat ein übriges, um die praktische Arbeit zu erschweren. 5 BHSA,MWi 12584. 6 Vgl. Brautmeier, Jürgen: Forschungspolitik in Nordrhein-Westfalen 1945-1961, Düsseldorf 1983,9. 7 So die Argumentation von Brautmeier: Forschungspolitik, 25 f.
99 Außer der Überwachung der wissenschaftlichen Forschung bestand nach dem Kontrollratsgesetz eine weitere Aufgabe der Dienststelle darin, ehemals der Rüstung dienende Anlagen und Einrichtungen auf „friedensmäßige Verhältnisse" umzustellen, wertvolle Einrichtungen in vielen Forschungsstellen, die früher dem Reich und nicht mehr bestehenden Organisationen gehörten, zu retten, aber auch interessierte Industriefirmen mit Forschungsinstituten zusammenzubringen und eine Anzahl nicht rationell arbeitender Betriebe durch entsprechende Maßnahmen zu verbessern, sowie die Gründung neuer, von der Wirtschaft geforderter und auch von ihr zu finanzierender Forschungsstellen zu unterstützen. Die Bewältigung dieser Aufgaben schien den zuständigen Beamten aber nur möglich, wenn es gelänge, geeignete Wissenschaftler und Forscher für diese Institute zu finden. Es solle deshalb alles versucht werden, um ein weiteres Abwandern dieser Fachkräfte in andere Zonen zu verhindern. Eine Ermunterung solcher Aktivitäten mußte die Information darstellen, die der bayerische Ministerpräsident Wilhelm Hoegner Anfang Juli 1946 von der Länderratssitzung mitbrachte. Im Auftrag von General Lucius D. Clay sei auf die Wichtigkeit der wissenschaftlichen Forschung für die Wirtschaft hingewiesen worden. Der Ministerpräsident bat deshalb um Mitteilung, „ob dem Wirtschaftsministerium weitere Gelehrte, die in Bayern nützlich verwendet werden könnten, bekannt sind." Auch bat er darum, mit den Landesuniversitäten in Verbindung zu treten und über den Verlauf der Gespräche zu berichten. Man wird also feststellen können, daß die Länderstellen, die zur Forschungskontrolle eingerichtet wurden, sehr bald die Aufgabe der Forschungsförderung übernahmen, so daß die Frankfurter Wirtschaftsverwaltung zunächst der Ort war, an dem die Bemühungen der einzelnen Länder zusammenliefen. 8 Dort war am 3. Dezember 1946 ein Sonderausschuß der Ministerpräsidenten für wissenschaftliche Forschung gegründet worden, der die Länderaktivitäten koordinieren sollte. Bis zur Gründung der Bundesrepublik blieb dieser Ausschuß bestehen, sein Geschäftsführer war der spätere Generalsekretär des Deutschen Forschungsrates Hellmuth Eickemeyer. Bei der Verwaltung für Wirtschaft in Frankfurt fand noch am 3.8.1949 eine Besprechung mit Vertretern der Max-Planck-Gesellschaft, der Notgemeinschaft, der Fraunhofer-Gesellschaft und der Physikalisch-Technischen Anstalt statt, in der über die Förderung des Erfahrungsaustausches mit dem Ausland beraten wurde. Zur Finanzierung könne man Mittel des European Recovery Program (ERP), bzw. der „Technical Assistance" beantragen. Die Fraunhofer-Gesellschaft werde für die industrielle Forschung Vorschläge einreichen.9 Die Projekte sollten besonders der europäischen Wirtschaft von Nutzen sein. Im August 1945 legte der Kölner Wirtschaftshistoriker Bruno Kuske ein Gutachten über die zukünftige Organisation der wissenschaftlichen Forschung in Westdeutschland vor, das er auf Bitten der Kölner Industrie- und Handelskammer und des Oberbürgermeisters Konrad Adenauer verfaßt hatte: Die staatliche Ordnung und ihre Zuständigkeiten, die Gesichtspunkte und Absichten der Militärregierung in bezug auf das Land und seine Leistungsmöglichkeiten, die Erneuerung 8 BHSA.Mwi, Nr. 12584. 9 Vgl. dazu w.u. 176 f.!
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der Hochschul- und der sonstigen wissenschaftlichen Forschung sind unklar. Das Gleiche ist bei den persönlichen Grundlagen der Fall, für den Verbleib und die Absichten der sonst normalerweise in Betracht kommenden Mitarbeiter, die Aufbringung eines geeigneten Nachwuchses, die politische Nachprüfung der anzusetzenden Kräfte. Die Unterbringung der Forschungseinrichtungen und ihrer Arbeit stößt auf räumliche Schwierigkeiten. Teilweise sind ihre Bestände verlagert und unzugänglich oder durch Kriegseinwirkungen vermindert worden. Die Verlagerung erfolgte an Orte, von wo aus deren Angelegenheit nur sehr unvollkommen bearbeitet werden kann. Das gilt auch für die beteiligten Personen, die durch die jetzigen Schicksale in ihrem Wirken kaltgestellt sind."10
Kontrolloffiziere sorgten sowohl an den Universitäten wie an den Forschungsinstituten der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft bzw. der neuen Max-Planck-Gesellschaft (der britischen Zone) - soweit sie noch existierten oder verlagert worden waren - für die Umsetzung dieser Bestimmungen. Darüber hinaus sorgten alliierte Zugriffe auf einige Hundert hochqualifizierter deutscher Wissenschaftler aus dem Rüstungsbereich für eine weitere Schwächung des deutschen Wissenschaftssystems. Einzelne Menschen kämpften um das Überleben, versuchten notdürftig erste Schritte zu gehen, Trümmer wegzuräumen, Zerstörtes provisorisch nutzbar zu machen. Dies gilt auch für die Wissenschaft, wo die Universitäten schon ein halbes Jahr nach Kriegsende unter erschwerten Bedingungen wieder ihren Betrieb aufnahmen so wie die Betriebe, die Bilanz zogen und nach Auswegen aus der mißlichen Lage suchten. Daß dies einzelnen Instituten zumindest partiell auch gelang, belegt die Geschichte des Stuttgarter Kaiser-WilhelmInstituts für Metallforschung, das schon nach wenigen Wochen in Urach wieder „sinnvoll" arbeiten konnte." Die Arbeit der Kammern Wenn man von Wirtschaft und nicht nur von einzelnen Betrieben sprechen will, so sind darunter am ehesten jene lokalen und regionalen Organisationsversuche der Industrieund Handelskammern zu verstehen, die den Versuch unternahmen, die noch existierenden Wirtschaftsbetriebe organisatorisch und zumindest in den einzelnen Zonen zu wirksamer Interessenvertretung zusammenzufassen.12 Hier finden sich die ersten Belege für die Kooperation der Wirtschaft: Auf der Düsseldorfer Sitzung der Industrie- und Handelskammern der Nordrheinprovinz am 7. August 1945 gab man bekannt, „daß die Militärregierung die Absicht habe, die Frage, ob und welche Wirtschaftsorganisationen, namentlich fachlicher Art, ihre Tätigkeit wieder aufnehmen sollen, selbst in die Hand zu nehmen. Die Frage, ob hiermit dann auch eine politische Überprüfung der Organisationsleiter und Geschäftsführer verbunden sei, wurde bejaht.13 Eine Woche später traf man sich erneut und sprach davon, daß das deutsche Volk heute wirtschaft10 Zit. nach Brautmeier: Forschungspolitik, 51. 11 Vgl. Köster, W. (Hg.) 25 Jahre KWI für Metallforschung 1921-1946, Stuttgart 1949, 38 f. 12 Vgl. Reininghaus, Wilfried: Die Kammerorganisationen nach dem Zweiten Weltkrieg. Verwaltungsgeschichte und Quellenlage, in: Pohl, H. (Hg.) Zur Politik und Wirksamkeit des Deutschen Industrie- und Handelstages..., Stuttgart 1987, 21-30. 13 RWWA Köln, Abt. 48, Nr. 1, Fasz. 1.
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lieh und finanziell in der Situation eines äußerst Schwerkranken sei. Der Arzt, der die notwendige Operation durchzuführen habe, müsse sich zunächst durch die Herstellung eines Röntgenbildes Klarheit schaffen. Die Arbeit der Kammern drehte sich zunächst um elementare Fragen wie Nahrungsbeschaffung, Arbeitseinsatz, Transportmittel und Produktionsgenehmigungen für die noch arbeitsfähigen Betriebe. Sie waren - wie ihr Herantreten an Kuske zeigte - auch am ehesten in der Lage, über die betriebliche Ebene hinausgehende Fragen zu diskutieren und planerisch voranzutreiben. Am 1. Juni 1945 kam es bereits zu einer ersten Präsidialsitzung der Präsidenten der Industrie- und Handelskammern der Nordrhein-Provinz in Köln. Eine in Frankfurt ansässige Arbeitsgemeinschaft der Industrie- und Handelskammern unter Dr. Alfred Petersen vertrat die Interessen der Kammern bei der zonalen Wirtschaftsverwaltung und später bei der Bundesregierung. Da die Universitäten am ehesten ihre Notlage in das Bewußtsein der Kontrollmächte bringen konnten, waren die Treffen der Hochschulrektoren im Rahmen der zonalen Konferenzen der Hochschulrektoren die ersten Stimmen der Wissenschaft, die sich wieder zu Wort melden konnten.14 Wenn auch in den Beratungen der Hochschulrektoren zunächst praktische und soziale Fragen neben denen der Entnazifizierung im Vordergrund standen, so stellte man hier auch erste Überlegungen zu einer „landschaftlichen" Neuorganisierung der Forschungsaktivitäten an, nicht erstaunlich angesichts der völlig offenen Prozesse politisch-administrativer Neuordnung. So schlug Kuske in seinem Gutachten etwa einen Forschungsrat für Rheinland und Westfalen unter Führung der Behörden vor, während Prälat Schreiber, der inzwischen als Rektor der Universität Münster amtierte, „Forschungsgemeinschaften" unter „Führung der Hochschulen" vorsah, womit er die regionalen Grundlagen für eine spätere Neugründung der Notgemeinschaft legen wollte.15 Tatsächlich schloß sich die Konferenz der Hochschulrektoren in der Britischen Zone schon im Dezember 1945 in Bünde diesem Gedanken an und stellte damit erste Weichen in Richtung einer letztlich von den Hochschulen selbst zu organisierenden Forschungspolitik. Der Neuaufbau konnte also nur von den Provinzialverwaltungen bzw. Ländern ausgehen, und er vollzog sich deshalb auch in durchaus unterschiedlichen Formen. Gerade die Entwicklung der schon gründlicher untersuchten nordrhein-westfälischen Forschungspolitik zwischen 1948 und 1970 zeigt, welche institutionellen Besonderheiten sich in diesem industriellen Kerngebiet ausbilden konnten. 16 Vor diesem Hintergrund muß auch ein Brief Prälat Schreibers an Schmidt-Ott verstanden werden, in dem zum erstenmal nach dem Kriege wieder die Rolle des Stifterverbandes diskutiert wird: „Was den Stifterverband betrifft, so liegen die Dinge sehr emst, da die meisten Persönlichkei14 Vgl. dazu Heinemann, Manfred (Hg.): Hochschuloffiziere und Wiederaufbau des Hochschulwesens in Westdeutschland 1945-1952, 3 Bde., Hildesheim 1990-92. 15 Brautmeier: Forschungspolitik, 52. 16 Vgl. außer der eben genannten Arbeit von Brautmeier: Forschungspolitik, die Rede von Ministerpräsident Karl Arnold auf der 2. ordentlichen Hauptversammlung der MPG in Köln 12.-14. Sept. 1951.
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ten praktisch kaum noch in Frage kommen, da zum anderen die Finanzlage einen grundstürzenden Wandel der Strukturen heraufgeführt hat. Was die Notgemeinschaft betrifft, stehen viele mit mir auf dem Standpunkt, daß diese Angelegenheiten zunächst regional erledigt werden müssen. Vielleicht kann es später einmal zu einer Dachorganisation kommen. In den Industriewerken ist heute weniger der Generaldirektor maßgebend als der Treuhänder und der Betriebsobmann."
Daß Schmidt-Ott mit solchem westfälischen Regionalismus nicht einverstanden war, liegt auf der Hand. Seine kritische Randnotiz beweist, daß er immer noch in der Perspektive des Reiches dachte.17 Eine neue Notgemeinschaft Schon 1947 wurde in Kreisen der Hochschulen eine Neugründung der „Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft" gefordert, die - von den Kultusministern der Länder unterstützt - freilich erst Anfang 1949 ins Leben treten konnte.18 Von daher war die Notgemeinschaft von Anfang an stark auf die Länder ausgerichtet, was freilich auch in Kreisen der Wirtschaft den Eindruck verstärkte, daß hier eine Organisation in großer Nähe zur Länderpolitik gegründet worden war. Dieser Eindruck sollte für die jetzt zu behandelnde Gründungsgeschichte des Stifterverbandes erhebliche Bedeutung haben. In den Vorbereitungen der Notgemeinschaftsgründung zeigte sich nicht nur ein Bemühen, die in der unmittelbaren Nachkriegszeit starken regionalen Tendenzen der Forschungspolitik zurückzunehmen, sondern auch das Bestreben, der immer wieder öffentlich betonten Bedeutung wissenschaftlicher Forschung überhaupt erst Rechnung zu tragen. Sowohl durch Einzelaktionen prominenter Wissenschaftler (so etwa Otto Hahn), als auch durch reformerische Überlegungen zur Hochschulausbildung war der Gedanke der Forschungsabhängigkeit der deutschen Wirtschaft und einer daraus zu folgernden Stärkung der Forschung an den Hochschulen weit verbreitet worden. Sowohl die „Schwalbacher Richtlinien" von 1948 als auch das „Blaue Gutachten" zur Hochschulreform hatten besonderes Gewicht auf die Forschungskapazität der Hochschulen gelegt.19 Daß schon unmittelbar nach dem Kriege in vielen Dienststellen, Universitäten und politischen Gremien weiterführend über die Entwicklung der Forschung nachgedacht wurde, mag überraschen zu einem Zeitpunkt, da man angesichts entmutigender materieller Verhältnisse und einer höchst unsicheren Zukunft tiefe Niedergeschlagenheit erwarten müßte. Erstaunlich deutlich wurden jedoch die notwendigen organisatorischen Schritte und finanziellen Mittel angemahnt. „Es ist indessen mehr als eine Redensart, daß die Wissenschaft von heute die Technik von morgen ist, und man könnte heute meinen, daß eine Staatsführung, die das weiß, lieber vieles zurückstellt, um nur 17 Brief Schreiber mit handschriftl. Kommentar Schmidt-Otts in GSB, NL Schmidt-Ott, Nr. 41, vom 30. Oktober 1946. 18 Dazu grundlegend Stamm, Thomas: Zwischen Staat und Selbstverwaltung. Die deutsche Forschung im Wiederaufbau 1945-1965, Köln 1981, 109 ff. 19 Vgl. dazu die Dokumente bei Neuhaus, Rolf: Dokumente zur Hochschulreform 1945-58, Wiesbaden 1961,25 f. und 262.
103 die Wissenschaft aufrecht zu erhalten. Was nützt es, wenn wir heute am Leben bleiben und morgen mit Bestimmtheit zugrunde gehen?" Diese warnenden Sätze schrieb im Dezember 1948 der leitende Chemiker Dr. Reppe von der BASF an das nordrheinwestfälische Kultusministerium, um vor dem befürchteten Rückzug des Staates aus der Forschungsförderung an den Hochschulen zu warnen.20 In einem parallelen Schreiben an den bayerischen Ministerpräsidenten schrieb er, daß mancherorts die Meinung zu bestehen scheine, daß in einer solchen Notzeit die Privatwirtschaft helfend einschreiten müsse. Natürlich sei der Staat nie der alleinige Träger der Forschung gewesen, „aber es wäre verkehrt, wenn er sich praktisch ganz von der Forschung zurückziehen würde und die Privatwirtschaft die Ausbildung ihres Nachwuchses und die Betreuung der Grundlagenforschung selbst in die Hand nehmen müßte."21 Solche, heute etwas überspitzt anmutenden Formulierungen, findet man in diesen Jahren immer wieder. Allenthalben galt die Überzeugung, daß allein intensivierte wissenschaftliche Forschung das Potential für ein wirtschaftliches Überleben bereitstellen könne. Vor allem die ersten Nachkriegsversammlungen der naturwissenschaftlichen Gesellschaften in den Jahren 1948 und 1949 wandten sich warnend an die deutsche Öffentlichkeit, so etwa die Deutsche Gesellschaft für Metallkunde am 27. Oktober 1948, die Gesellschaft deutscher Chemiker am 10. November in Hannover und am 20. September 1949 in München sowie die Deutsche Physikalische Gesellschaft, die am 29. Januar 1949 eine Denkschrift über die „Notwendigkeit der Förderung der physikalischen Wissenschaft" vorlegte.22 So betonte die Denkschrift der Chemiker vom September 1949, „daß die Privatwirtschaft geneigt ist, Mittel insbesonders für die technischnaturwissenschaftliche Forschung bereitzustellen, allerdings unter der Voraussetzung, daß auch Staatsmittel zur Förderung der Forschung ausgegeben werden." Um diesen Eindruck zu gewinnen, bedarf es nicht nur des Blicks in die bislang genutzten Akten der Max-Planck-Gesellschaft oder von Wissenschaftlern und Industriellen, die diesen Organisationen verbunden waren. Daneben ist die beachtliche Zahl von Presseartikeln vor allem der Jahre 1949-50 heranzuziehen, die für eine hohe Sensibilisierung der Öffentlichkeit für Fragen der Forschung sorgten. Man hat in diesem Zusammenhang sogar von einer „Kaskade von Erklärungen zur dramatischen Situation der deutschen Forschung" gesprochen. 23 Unbestreitbar scheint, daß es der Stifterverband war, der die unterschiedlichen Stellungnahmen sammelte, sie bündelte, verstärkte und wirksam in den Prozeß politischer Meinungsbildung einspeiste. Durch Herausgabe wichtiger Zeitschriftenartikel in eigenen Publikationen, durch Lancierung von Artikeln in der Tagespresse wurde so eine Grundstimmung erzeugt, die die Politik in den Ländern und im Bund unter einen hohen Erwartungsdruck setzte.
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Hierzit. nach Brautmeier: Forschungspolitik, 134. BHSA,MWi 12590(22.12.48). Die Resolutionen dieser Gesellschaften in BHSA, MWi 12584,12590. So Rusinek, Bernd A.: Die Gründung der Kernforschungsanlage Jülich, in: Szöllösi-Janze, M. / Trischler, H. (Hgg.): Großforschung in Deutschland, Frankfurt am Main-New York 1990, 39.
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b) Die Vorgeschichte der Gründung seit 1948 Wer sich bislang über die Geschichte der zweiten Gründung des Stifterverbandes im Jahre 1949 informieren wollte, war im Grunde auf die knappen, historisch wenig ergiebigen verbandsinternen Darstellungen in den ersten Jahres- und Rechenschaftsberichten bzw. auf die entsprechenden Passagen in Kurt Zierolds Darstellung der deutschen Forschungspolitik angewiesen. Allerdings betrachtet Zierold die Gründung des Stifterverbandes als eine Art Nachgeburt zur glücklichen Neuerrichtung der Notgemeinschaft, die im wesentlichen von dieser angestoßen wurde.24 Julius Speer verstärkte diese Deutung durch seine Bemerkungen in der Trauerrede auf Ernst Helmut Vits im Jahre 1970, als er davon sprach, daß Vits „einer Einladung der Notgemeinschaft für die Deutsche Wissenschaft, an der Wiederbegründung des Stifterverbandes ... mitzuwirken, folgte." 25 Andeutungsweise haben bislang alleine Thomas Stamm und Maria Osietzki im Rahmen ihrer umfassenderen Themenstellungen die komplexere Interessenlage bei der Gründung wahrgenommen.26 Die relativ starke Beachtung des Stifterverbandes in der kapitalismuskritischen Literatur der DDR braucht hier nicht besonders kommentiert zu werden, da sie auf der Basis ungedruckter Materialien erfolgte und einem im wesentlichen vorgegebenen Interpretationsmuster genügen mußte.27 Das Ende des Zweiten Weltkrieges stellte wie in allen Bereichen des Lebens auch für die Geschichte des Stifterverbandes einen entscheidenden Einschnitt dar. Seine Arbeit war mit Kriegsende völlig zum Erliegen gekommen, ebenso wie die der „Fördergemeinschaft der deutschen Industrie", einer Ergänzungsinstitution des Stifterverbandes, die freilich weder aufgelöst noch stillgelegt worden war. Die Vermögenswerte beider Gesellschaften waren eingefroren. Die zentralen Akten des Stifterverbandes, der noch 1944 aus den Räumlichkeiten der Siemens-Werke in Berlin-Siemensstadt agierte, müssen als verschollen gelten.28 Nur in einzelnen Firmenarchiven lassen sich Zeugnisse seiner Aktivitäten ermitteln, die bis in die Endphase des Krieges reichen. Auch in der Vorbereitung des neuen Verbandes spielten die Männer der unmittelbaren Vorgängerinstitution keine entscheidende Rolle. Lediglich Schmidt-Ott wurde von Zierold über die Neugründungspläne der Notgemeinschaft informiert. Ebenso unterrichtete Merton ihn über die Pläne zur Neugründung des Stifterverbandes und ließ ihn zum Ehrenvorsit24 Zierold: Forschungsförderung, 285 ff. 25 Sonderdruck der Reden zur Trauerfeier. 26 Stamm: Zwischen Staat und Selbstverwaltung, 116 ff. und darauf aufbauend und weiterführend Osietzki: Wissenschaftsorganisation und Restauration. Der Aufbau außeruniversitärer Forschungseinrichtungen und die Gründung des westdeutschen Staates 1945-1952, KölnWien 1984, 348-351. 27 Hierzu zuerst Kramarczyk, Günther: Der „Stifterverband für die deutsche Wissenschaft" ein Werkzeug zur Unterordnung der Wissenschaft unter die Herrschaft der deutschen Monopole, Diss. rer. oec. TU Dresden, Dresden 1965 und Hanke, Horst: Stiftungen als Instrumente der Klassenherrschaft des Monopolkapitals, Diss. A Gesellschaftswiss. Fak. der Humboldt-Universität Berlin 1970. Darauf aufbauend ders.: Stiftungen als Instrumente der Monopolherrschaft (= DWI - Forschungshefte 6), Berlin 1971. 28 Das Siemens-Archiv enthält nach Auskunft der Leitung keine einschlägigen Materialien.
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zenden wählen, während etwa der hochbetagte Siemensangestellte Prof. Robert Fellinger, der 1944 pensionierte langjährige Geschäftsführer des Stifterverbandes, in die Neugründung ganz offensichtlich nicht eingebunden wurde.29 Angesichts der verheerenden Schäden, der personellen Verluste durch erzwungene Emigration und Kriegsfolgen, der Kontrolle durch alliierte Stellen und der Folgen jahrelanger Abschließung von der Außenwelt, stand der Wiederbeginn wissenschaftlicher Arbeit nach dem Ende des Krieges unter denkbar ungünstigen Voraussetzungen. Vor diesem Hintergrund ist es jedoch erstaunlich zu sehen, wie schnell sich die Wissenschaft tatsächlich zu reorganisieren verstand. Diese schnelle Wiederaufnahme des wissenschaftlichen Lebens fällt nicht erst in der historischen Rückschau auf. Schon den Zeitgenossen erschien der Unterschied in der Behandlung Deutschlands durch die Alliierten nach dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg bemerkenswert. Theodor Heuss hat dieses Phänomen mehrfach mit dem Begriff des Paradoxons zu charakterisieren versucht. So sprach er auf der ersten Jahresversammlung der Max-Planck-Gesellschaft in Köln im Juni 1950 von der „Paradoxie, daß der Gegner von gestern zum Helfer von heute geworden ist." 30 Ein bei Kriegsende schier unvorstellbarer Wandel hatte sich innerhalb weniger Jahre vollzogen. Göttingen wurde zum „besonders wichtigen Sammelpunkt deutscher Forschung" (Hellmuth Eickemeyer) für die ehemaligen Institute der KWG, die nach einer auf die britische Zone begrenzten Vorgründung im Jahre 1948 endgültig zur Max-PlanckGesellschaft umfirmierte; die dortige Universität öffnete bereits am 17. September 1945 wieder ihre Hörsäle, die Universität zu Köln am 12. Dezember. Mit dem Hinweis auf die notwendige Krankenversorgung gelang es auch in den Universitäten der amerikanischen Zone schneller als erwartet und von der Besatzungsmacht geplant, den Lehrbetrieb aufzunehmen. Im November konnte Prälat Schreiber, der wieder in sein Lehramt eingesetzt worden war, die schwer zerstörte Universität Münster mit einer Rede eröffnen. 31 Die Universität Münster galt ebenso wie Würzburg als zu 80% zerstört, München zu 70%, Freiburg zu 65 %, während die Gebäude der Universität zu Köln weitgehend erhalten geblieben waren. Zunächst wird man die Entwicklung der bundesrepublikanischen Wissenschaftsorganisation als einen Prozeß charakterisieren müssen, der von unten nach oben verlief. Da zunächst vor allem die Universitäten handlungsfähig waren und die Länder aus praktischen Gründen (Krankenversorgung, Lehrerausbildung) vorrangig an ihnen interessiert waren, setzte hier der Reorganisationsprozeß direkt an. Von hier aus organisierten sich die Hochschulrektorenkonferenzen, aus ihnen heraus und mit Unterstützung der Kultusminister der Länder wurde die neue „Notgemeinschaft für die deutsche Wis29 Ein eher privater Briefwechsel zwischen Schmidt-Ott und Fellinger, der nach dem Kriege zunächst in Bautzen, später in Tübingen wohnte, im Archiv der Industriebank Düsseldorf. Merton bewilligte Fellinger, der zu diesem Zeitpunkt 77 Jahre alt war, 1950 eine finanzielle Unterstützung (GSB, NL Schmidt-Ott, Nr. 41). 30 Rede des Bundespräsidenten in: Erste Jahresversammlung der MPG, Juni 1950, Göttingen 1950,12. 31 Rede zur Wiedereröffnung der Universität Münster, Münster 1946.
106 senschaft" gebildet. Parallel dazu fanden sich die Länder im Königsteiner Abkommen bereit, Institute von überlokaler Bedeutung - und damit auch die Institute der MaxPlanck-Gesellschaft - gemeinsam zu finanzieren. Damit entstand eine für die weitere Geschichte der bundesrepublikanischen Wissenschaftsorganisation bedeutsame „dritte Ebene", die für die Kultusminister der Länder nur die zweitbeste Lösung darstellte, während die Finanzminister den Ausschlag für eine zentrale Lösung gegeben hatten.32 Der Deutsche Forschungsrat Gegen diese generelle Grundrichtung des Aufbaus der Wissenschaft von unten nach oben spricht eigentlich nur die Gründung des „Deutschen Forschungsrates" in Göttingen am 10. März 1949, der aus einer von den Briten inaugurierten wissenschaftlichen Beratungsgruppe der Militärregierung in Forschungsangelegenheiten unter Leitung des Physikers Adolf Windaus heraus entstand und von den drei westdeutschen Akademien sowie der Max-Planck-Gesellschaft ins Leben gerufen wurde. Die Neugründung der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt in Braunschweig ging auf die Initiative dieses Beraterkreises zurück.33 Als DFR nahm der Kreis von renommierten Wissenschaftlern, der durch ein kompliziertes Auswahlverfahren der Hochschulen und Akademien zusammengesetzt worden war, für sich die Kompetenz in Anspruch, repräsentatives Organ der deutschen Wissenschaft zu sein, das sich politisch eher zum Bund als zu den Ländern hin orientierte. Schon die Beratungen des Parlamentarischen Rates über Art. 74(13) GG hatte der DFR im Sinne einer ausschließlichen Bundeskompetenz in Fragen der Wissenschaftsförderung zu beeinflussen versucht. Nach Gründung der Bundesrepublik zielte der Forschungsrat auf die Einrichtung einer Dienststelle für Forschung im Bundeskanzleramt, eines Ausschusses für Forschungsfragen beim Bundesrat und seine eigene Anerkennung als Beratungsorgan des Bundeskanzlers in Forschungsfragen. Daß diese Ideen bei der länderorientierten Notgemeinschaft nicht gerade auf Gegenliebe stießen, braucht kaum betont zu werden. In den Beratungen der Länderkultusminister zwischen 1947 und 1948 ist unverkennbares Mißtrauen sowohl gegenüber der Max-Planck-Gesellschaft und ihrer zentralen Finanzierung als auch gegenüber einer „gewissen Hybris" einiger Mitglieder des Forschungsrates zu erkennen.34 Im März 1951 schließlich schloß sich die „Notgemeinschaft" mit dem „Deutschen Forschungsrat" zur „Deutschen Forschungsgemeinschaft" zusammen. Jetzt waren die wichtigsten Organe der Selbstverwaltung der Wissenschaft etabliert. Mit dieser Verei32 Vgl. Osietzki: Wissenschaftsorganisation, 268 und unter dem Aspekt der Verbindung von unitarischer bzw. föderalistischer Konzeption Scharpf, Fritz W.: Der Bundesrat und die Kooperation auf der „dritten Ebene", in: Bundesrat (Hg.): Vierzig Jahre Bundesrat. Tagungsband zum wissenschaftlichen Symposion in der Evangelischen Akademie Tutzing vom 11. bis 14. April 1989, Baden-Baden 1989, 121-162, hier 137 ff. 33 Eickemeyer, Hellmuth: Die Gründung des Deutschen Forschungsrates, in: Physikalische Blätter 5 , 1 9 4 9 , 1 9 7 - 2 0 0 und ders.: Abschlussbericht des Deutschen Forschungsrates (DFR). Mit einem Vorwort von W. Heisenberg, München 1953, 13 f. 34 Zur Rolle Werner Heisenbergs als Präsident des DFR vgl. jetzt Cassidy: Heisenberg, 648 ff. Unklarheiten enthält Cassidys Bericht über die Gründung der Notgemeinschaft.
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nigung wurde nicht nur eine tiefgehende Differenz zwischen zwei konkurrierenden Personengruppen und Institutionen beendet, sondern mit dem Zusammenschluß zur Deutschen Forschungsgemeinschaft und dem damit letztlich dokumentierten Obsiegen der Notgemeinschaft hatte sich eine Wissenschaftskonzeption durchgesetzt, die als weniger gouvernemental und stärker am Prinzip der Selbstverwaltung orientiert gelten mußte. Der Forschungsrat hatte sich durch die engen Kontakte zu Bundeskanzler Adenauer den Anschein einer regierungsnahen Institution verschafft, zudem galt er in der Wirtschaft als zu stark an der Grundlagenforschung und weniger an Problemen der angewandten Forschung orientiert. Nicht zuletzt die damals in wichtigen Positionen der Wissenschaft stark vertretenen Geisteswissenschaftler wie der Mediävist Gerd Teilenbach als Präsident der Westdeutschen Rektorenkonferenz, dem der Romanist Gerhard Hess im Amt nachfolgte, oder der Mediävist Friedrich Baethgen als Präsident der Monumenta Germaniae Historica und der Rechtshistoriker Heinrich Mitteis als Präsident der Bayerischen Akademie der Wissenschaften machten ihren Einfluß zugunsten der Notgemeinschaft geltend. Obwohl der Münchener Historiker Franz Schnabel, der eigentlich zu den kulturpolitischen Föderalisten zählte,35 im Forschungsrat tätig war, erwies es sich, daß es dem DFR überhaupt nicht gelungen war, das Vertrauen der Geisteswissenschaftler zu gewinnen. Der DFR galt diesen als Zentrum der naturwissenschaftlichen Forschung und zudem wenig interessiert an Fragen der universitären Forschung.36 Natürlich lag es in der Absicht aller mit der Reorganisation der Wissenschaft befaßten Stellen, auch die Wirtschaft wieder an der Finanzierung der Forschung zu beteiligen. Nicht nur für die Gründer der Notgemeinschaft war dies von Beginn an beschlossene Sache, sondern auch der DFR empfand dies als beinahe selbstverständliche Möglichkeit der Finanzierung. Aber auch in den Kultusministerien der Länder - so etwa in Bayern - stand man solchen Überlegungen durchaus nahe, wobei hier natürlich der Gedanke einer Entlastung der strapazierten Haushalte im Vordergrund stand.37 Die Wirtschaft konnte freilich in den Jahren 1946 bis 1948 kaum Ansprechpartner stellen, die für eine überregionale und organisatorisch abgesicherte Beteiligung hätten sprechen können. Tatsächlich gab es im wesentlichen Beziehungen zwischen den Universitäten und ihren traditionellen lokalen und regionalen Förderern und Fördergesellschaften. 38 Doch auch neue Institutionen traten auf, von denen vor allem die niedersächsische Leibniz-Stiftung unser Interesse beanspruchen muß, weil es hier zur ersten Verbindung von Wirtschaft und Wissenschaft in der Nachkriegszeit kam. 35 Vgl. dazu Schulze, Winfried: Deutsche Geschichtswissenschaft nach 1945, München 1989, 245 ff. 36 Die Auseinandersetzungen zwischen Notgemeinschaft und DFR detailliert bei Stamm, Thomas: Zwischen Staat und Selbstverwaltung, 126 ff. und bei Osietzki: Wissenschaftsorganisation, 351 ff. - Die Sicht des DFR dokumentiert Eickemeyer: Abschlussbericht. 37 Vgl. dazu den Hinweis auf einschlägige Bemerkungen Friedrich Glums bei Osietzki: Wissenschaftsorganisation, 347. 38 Vgl. bislang Heimann, Dieter P.: Freunde und Förderer. Ein Beitrag zur Geschichte der privaten Hochschul- und Wissenschaftsförderung in Deutschland, Diss. Bonn 1990.
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c) Die Leibniz-Stiftung für Kunst und Wissenschaft In Niedersachen engagierte sich seit dem Frühjahr 1946 vor allem die neue „LeibnizStiftung für Kunst und Wissenschaft" in der Förderung von wissenschaftlichen Vorhaben - die Förderung der Kunst wurde bald aufgegeben - , ja sie versuchte sogar, ihre Aktivität auf andere Länder auszudehnen und sich zum Kern einer neuen Notgemeinschaft zu machen.39 Hinter ihrer Gründung am 22.5.1946 standen neben dem rührigen Kultusminister Adolf Grimme lokale Industrielle wie Werner Bahlsen und Georg Appel und vor allem Göttinger (Rudolf Smend, Max Planck, Ernst Nohl) und Hannoveraner Wissenschaftler (Rektor Müller). Auch Bischof Hanns Lilje und der Schriftsteller Ernst Wiechert gehörten dem Vorbereitenden Ausschuß an. Ein Schreiben an die Berliner Akademie diente dem Zweck, die Akademien zur Neugründung der Notgemeinschaft auf der Basis der Leibniz-Stiftung zu bewegen. Robert Havemann antwortete am 4.3.46 auch sehr freundlich, machte freilich unmißverständlich deutlich, daß er Dr. Ernst Telschow, den alten und neuen Generalsekretär der KWG, der dem Vorbereitenden Ausschuß (in Vertretung für Max Planck) angehörte, für „politisch vollkommen untragbar" hielt. Die Satzung der Stiftung, die sich dezidiert über den „britischen Raum" hinaus ausdehnen wollte, stellte - wie die alte Notgemeinschaft - die Förderung von individuellen Forschungsvorhaben und die Nachwuchsförderung in den Mittelpunkt, daneben plante man in Aufnahme des Gedankens des Berliner Harnack-Hauses ein LeibnizHaus und eine Zeitschrift. Zunächst einmal warf die Frage einer solchen, die alte Notgemeinschaft substituierenden Neugründung die Frage nach dem Fortbestand der alten Notgemeinschaft auf. Bald wurde deutlich, daß sich in Berlin ein vorläufiger Präsidialausschuß etabliert hatte, der sich als Weiterführung der alten Notgemeinschaft verstand, von der Berliner Akademie legitimiert und vom Magistrat von Berlin auch anerkannt wurde. Unter dem Vorsitz des Geologen Hans Wilhelm Stille hatten sich hier der Mediziner Rössle, der Physiker Carl Wilhelm Ramsauer, der Techniker Erich Siebel und der Philologe Johannes Stroux zusammengefunden, die Geschäftsführung lag bei Karl Griewank. Diese Berliner Restnotgemeinschaft fand jedoch nicht die Anerkennung der über Deutschland verteilten ehemaligen Mitarbeiter der Forschungsgemeinschaft. In Hamburg hatte deshalb 1946 der Biologe Rudolf Degkwitz einen „Verein der Förderer und Freunde der Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft" ins Leben gerufen, als deren Präsident er sich auf einem bombastischen Briefkopf bezeichnete. Er bemühte sich vor allem um die Rettung der Versuchstierbestände der ehemaligen Notgemeinschaft, hatte mit seinem Versuch zur Übernahme der Notgemeinschaft bei den Engländern jedoch wenig Erfolg, die eine „konstitutionelle" Fundierung der Notgemeinschaft verlangten, d. h. die Akademien sollten sich darum kümmern. Bei Degkwitz war auch Dr. Sergius Bräuer untergekommen, der ehemalige Leiter der Medizinischen Abteilung, der bald zur Leibniz-Stiftung wechseln sollte, um dort den Anspruch auf Weiterführung der Notge39 Die Darstellung dieser Stiftung erfolgt auf der Basis der Akten im Niedersächsischen Hauptstaatsarchiv Hannover (NHSA), Nds. 401, Nr. 32, 125, 128, 129. Für freundliche Hilfe habe ich Frau Dr. Christine van den Heuvel zu danken.
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meinschaftsarbeit zu bestärken. Degkwitz teilte im Juli 1947 Grimme mit, daß er „auch nur einen Stifterverband" habe gründen wollen, „der vielleicht neben der Notgemeinschaft wie früher bestehen könne." Der alte Stifterverband sei nämlich von den Nazis aufgelöst worden. Hier ist vermutlich der Beginn der Fehlinformation auszumachen, der alte Stifterverband sei im Dritten Reich aufgelöst worden. Der Versuch der Leibniz-Stiftung, durch Anschreiben von 68 Industrie- und Handelskammern Spendengelder außerhalb dieses Landes einzuwerben, hatte nur begrenzten Erfolg. Die IHK Münster weigerte sich, in Kontakt mit Hannover zu treten und verwies auf die Bedürftigkeit der Münsteraner Universität, auch die Kultusminister sahen solche Expansionsbestrebungen nicht gerne. Nicht zuletzt dieser Mißstand und der durch einige umfangreiche Informationsreisen zu Ministerien und Universitäten ausgelöste Eindruck, daß die Leibniz-Stiftung den anderen Ländern aufgedrängt werden sollte, verstärkten letztlich den Druck auf die Gründung einer neuen „Notgemeinschaft", die dann schließlich als eine Gründung der Kultusminister 1949 ins Leben trat. Immerhin übernahm der niedersächsische Ministerialrat Zierold, der schon im Vorbereitenden Ausschuß der Leibniz-Stiftung gesessen hatte, die Geschäftsführung der neuen „Bonner" Notgemeinschaft. 40 Ungeachtet des letztlichen Mißerfolgs, die LeibnizStiftung zum organisatorischen Kern einer neuen Notgemeinschaft plus Stifterverband werden zu lassen, belegen die Hannoveraner Aktivitäten zum einen das bemerkenswert frühe Zusammenwirken von Wirtschaft und Wissenschaft und zum anderen die durchaus unterschiedlichen Linien, die schließlich zur Frankfurter Gründung von 1949 hinführten. Die Folge des vorläufigen Fehlens zentraler Gremien der westdeutschen Wirtschaft war,41 daß die Universitäten, Studentenwerke, Forschungsinstitute und andere akademische Fördereinrichtungen immer wieder an alle nur greifbaren Adressaten aus der Industrie mit der Bitte um direkte Hilfe in sozialen Notfällen und Förderung von Forschung und Lehre herantraten. Der BDI bzw. dessen Vorform, die „Arbeitsgemeinschaft industrieller Verbände", wurde erst Ende November 1949 gegründet, bis dahin existierten nur die lokalen Industrie- und Handelskammern bzw. deren Arbeitsgemeinschaften auf Länderebene und einzelne Wirtschaftsvereinigungen. Deren Interessen waren aber auf die Fragen des eigenen Überlebens hin orientiert, wie etwa in der WirtschaftsVereinigung Eisen und Stahl.42 Vor Ort leisteten die Industrie- und Handelskammern freilich gerade in den Jahren bis 1949 eine beachtliche und unverzichtbare Arbeit.43 So wies auf einer Präsidialsitzung der nordrhein-westfälischen Kammern im Januar 1948 der Münsteraner Vertreter auf die schon praktizierte Zusammenarbeit zwi40 Die Personalakte Zierolds im NHSA. 41 Zur Verbandsgeschichte der Nachkriegszeit Berghahn, Volker R.: Unternehmer und Politik in der Bundesrepublik, Frankfurt am Main 1985, 69 ff. 42 Vgl. dazu Bührer, Werner: Ruhrstahl und Europa. Die Wirtschaftsvereinigung Eisen- und Stahlindustrie und die Anfänge der europäischen Integration 1945-1952, München 1986. 43 Vgl. dazu Reininghaus, Wilfried: Die Kammerorganisationen nach dem Zweiten Weltkrieg. Verwaltungsgeschichte und Quellenlage, in: Pohl, H. (Hg.): Zur Politik und Wirksamkeit des Deutschen Industrie- u. Handelstages, Stuttgart 1987,21-30.
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Der Stifterverband nach dem II. Weltkrieg
sehen Wissenschaft und Wirtschaft hin, die schon seit langem mit großem Erfolg durchgeführt werde. Die westfälischen Kammern würden die betreffenden Institute der Universität Münster, wie z. B. das Steuerrechtliche Institut und die Sozialforschungsstelle, regelmäßig unterstützen.44 Nicht zuletzt die unübersichtliche Situation der unkontrollierten Inanspruchnahme der Wirtschaft durch wissenschaftliche Institutionen und damit verbundene Nachwuchsfragen waren ein gewichtiger Grund für die seit 1948 feststellbare Bereitschaft in Kreisen der Industrie, über eine festere organisatorische Beteiligung an der Wissenschaftsförderung zu sprechen. Hermann Reusch war 1949 jedenfalls ehrlich genug zuzugeben, daß neben der „durchaus idealen Zielsetzung" für die Errichtung des Stifterverbandes auch dieses Problem der Bereinigung („eine Entlastung der Wirtschaft von den vielseitigen Ansprüchen") eine Rolle gespielt habe, einen neuen Stifterverband zu gründen.45
Die Gründung des Stifterverbandes als Idee der Wirtschaft Die Tatsache, daß die Neugründung der „Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft" der Neugründung des Stifterverbandes vorausging, darf freilich nicht in dem Sinne interpretiert werden, als bilde der Stifterverband nur das stiftungspolitische Unterfutter der Notgemeinschaft, die am 11. Januar 1949 in Köln wiedergegründet worden war. Zierold, der erste Geschäftsführende Vizepräsident, schreibt etwas vereinfachend, daß das Präsidium der neuen Notgemeinschaft im Mai 1949 an Männer der Wirtschaft herangetreten sei, „um die Wiedererrichtung des Stifterverbandes zu besprechen". 46 Diese Formulierung muß den Eindruck erwecken, als sei die Initiative zur Neugründung vom Präsidium der Notgemeinschaft ausgegangen. Im Juni fand dann tatsächlich auch - so schreibt Zierold weiter - in Wiesbaden die entscheidende Sitzung von Industriellen statt, die dann der Neugründung des Stifterverbandes am 22. September 1949 in Frankfurt den Weg ebnete. Auch die Satzung der Notgemeinschaft, die schon im Oktober von den Hochschulreferenten der beteiligten Länder gebilligt worden war, mochte eine solche Deutung nahelegen, wenn in § 1 (2) von den Mitteln der Notgemeinschaft die Rede war, die „durch die öffentliche Hand und durch in einem besonderen Stifterverband sich zusammenschließende private Stifter aufgebracht werden."47 Die Gründungsgeschichte des neuen Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft erweist sich bei genauerem Hinschauen freilich als ein beachtlich kompliziertes und nicht spannungsfreies Zusammenwirken von verschiedenen Initiativen und Überlegungen, schon gar nicht läßt sich diese Gründung als bloßer Folgeeffekt der Notgemeinschaftsgründung deuten. Mit größerem Recht kann die Neugründung des Stifter44 RWWA Köln, Abt. 48, Nr. 1, Fasz. 1. Niederschrift über die Präsidialsitzung der Vereinigung der Industrie- und Handelskammern des Landes Nordrhein-Westfalen am 30.1.1948 in Düsseldorf. 45 Reusch an Studders v. 18. Juli 1949 in RWWA, GHH 400101460/26. 46 Zierold: Forschungsförderung, 285 f. 47 Satzung der Notgemeinschaft in der Fassung von 1949 bei Zierold: Forschungsförderung, 550-554.
111 Verbandes sogar als eine Idee bezeichnet werden, die zunächst in der Wirtschaft selbst entwickelt wurde und die sich dann mit den Bemühungen der Notgemeinschaft traf, deren Interesse an einem Stifterverband der Wirtschaft auf der Hand lag. Die bislang sowohl von Zierold wie von Stamm und Osietzki genutzte Quellenbasis der nicht sehr ausführlichen DFG-Akten kann freilich diese breite Entwicklung nicht widerspiegeln. Nach ersten Hinweisen im Material der DFG auf offensichtlich langwierige Differenzen zwischen der Wirtschaftsseite und der Seite der Notgemeinschaft mußte es zunächst darum gehen, die industrielle Perspektive der Bemühungen der Wirtschaft genauer beschreiben zu können. Hier bot sich natürlich vorrangig der Nachlaß Richard Mertons an, des ersten Vorsitzenden des neuen Stifterverbandes, der seit dem Frühjahr 1948 mit diesen Fragen befaßt war.48 Er wurde in seiner speziellen Ergiebigkeit fast noch übertroffen vom Nachlaß Hermann Reuschs, dem Generaldirektor der Gutehoffnungshütte, weil Reusch in direktem und ständigem Kontakt mit jenem Dr. Studders stand, der im Auftrag Mertons die organisatorische Vorbereitung des Stifterverbandes in die Hand genommen hatte.49 Diese und andere Quellen aus Handelskammern, Firmenarchiven und dem Archiv der DFG erlauben es erfreulicherweise, die Schritte und Interessen der industriellen Seite erheblich genauer zu untersuchen, als dies bislang der Fall war.
d) Die Konstellationen der Neugründung 1949 Es wurde schon darauf hingewiesen, daß unmittelbar nach dem Krieg die Hilfe für Einrichtungen der Wissenschaft direkt zwischen den jeweiligen Partnern vereinbart wurde. Lokale Freundesgesellschaften nahmen ihre Arbeit auf und halfen „ihren" Universitäten so gut sie es vermochten. Auch einzelne Industriezweige kümmerten sich intensiv um ihre Partnereinrichtungen. So baute etwa der Verband der Kautschukindustrie das Institut für Kautschukforschung an der Technischen Universität Hannover wieder auf und beteiligte sich an der Neueinrichtung des Forschungsinstituts. Die Summen, die hier eingebracht wurden, waren beachtlich und veranlaßten in einzelnen Fällen solche Verbände sogar, sich im Vorfeld der Neugründung des Stifterverbandes sehr bedeckt zu halten. Ulrich Haberland und Otto Bayer von den Farbenfabriken Bayer schrieben Hermann Reusch auf dessen Bitte hin sogar, daß sie es für die beste Lösung hielten, wenn sich jeder Industriezweig um „seine" eigenen Institute kümmere, es bedürfe dann einer zentralen Organisation gar nicht. Dies war gewiß keine Antwort im Sinne der Politik des verstorbenen Carl Duisbergs, aber sie verdeutlicht die Neigung der Industrie zu direkter Förderung in den tradierten Bahnen der lokalen „Freundesgesellschaften" oder spezieller Beziehungen zu einzelnen Instituten und die daraus resultierenden Schwierigkeiten einer übergreifenden Organisation der Wirtschaftshilfe für die Wis48 Im Archiv der Metallgesellschaft Frankfurt am Main (AMG). Ich habe 1993 die Akten noch im Archiv der Metallgesellschaft in Frankfurt am Main benutzt. Inzwischen ist der Bestand im Hessischen Wirtschaftsarchiv Darmstadt benutzbar. 49 Das Archiv der GHH hat inwischen im Rheinisch-Westfälischen Wirtschaftsarchiv in Köln eine neue Heimat gefunden.
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senschaft. Als eine der frühesten überregionalen Hilfsaktionen für die Wissenschaft war in Niedersachsen auf Anregung Adolf Grimmes hin die schon erwähnte „LeibnizStiftung" entstanden. Sie spielte in der Gründungsphase des Stifterverbandes noch eine gewisse Rolle, denn Werner Bahlsen und Rechtsanwalt Boettinger nahmen an den Vorbesprechungen zwischen Notgemeinschaft und Wirtschaftskreisen zur Gründung des Stifterverbandes teil; da aber durch die Währungsreform ihr - ohnehin nur begrenztes Vermögen stark gemindert worden war, fiel dieser potentielle Konkurrent de facto aus. Erwähnenswert für dieses Stadium der institutionellen Offenheit und des Überwiegens lokaler, bestenfalls regionaler Lösungen war auch die Entstehung von Forschungsbeiräten in den Ländern, wie dies im Laufe des Jahres 1949 für Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg bekannt wurde. Hier erkannte die Wirtschaft durchaus die Gefahr einer Partikularisierung der Forschungslandschaft und daraus folgend wiederum den zersplitterten Zugriff der Wissenschaft auf das Potential der Wirtschaft. Der Wirtschaft ging es - dies wurde schon im Verlauf des Jahres 1948 deutlich - um ein zentrales und geordnetes Verfahren der Spendeneinwerbung und -Verteilung. Neben den Bitten um materielle Unterstützung des Lehr- und Forschungsbetriebes wurde die Industrie mit immer neuen Anfragen nach Beihilfen für Ausbildungszwecke überschüttet. Gerade die Not der Kriegsheimkehrer, die jetzt meist ohne Hilfe das Studium aufnahmen, sorgte in der Wirtschaft für intensives Nachdenken, sah man hier doch die zukünftige Führungsschicht der Betriebe und Verwaltungen heranwachsen. Man darf aus vielen Äußerungen von Wirtschaftsführern in diesen Jahren schließen, daß man hier ein vorrangiges Problem sah, das gemeinsam gelöst werden sollte. Von daher erstaunt es auch nicht, wenn die ersten Überlegungen zu einer durchgreifenden Neuordnung der Hilfe der Wirtschaft für die Wissenschaft sich auf die Nachwuchsfrage konzentrierten und zudem von zwei Männern entwickelt wurden, die schon vor dem Krieg mit Ausbildungsfragen auf der Ebene der „Reichsgruppe Industrie" beteiligt waren.
e) Die Rollen von Richard Merton und Herbert Studders bei der Gründung des Stifterverbandes Schon im April 1948 hatte sich ein gewisser Dr. Herbert Studders (damals tätig in der „Zentralleitung für Stiftungs- und Anstaltswesen in Württemberg")50 um einen Termin bei Richard Merton bemüht,51 um diesem die Initiative zur Gründung einer „Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaft" anzutragen. Zwar sprach Studders selber in ei50 Bei der Zentralleitung handelt es sich um eine Folgeorganisation des 1816 von der württembergischen Königin ins Leben gerufenen „Wohltätigkeitsvereins", der 1911 in „Zentralleitung für Wohltätigkeit", 1937 in „Zentralleitung für das Stiftungs- und Anstaltswesen" und 1956 schließlich in „Landeswohlfahrtswerk Baden-Württemberg" umbenannt wurde (Frdl. Auskunft des Hauptstaatsarchivs Stuttgart vom 1.2.1995). 51 Die Rolle Mertons bei der Vorbereitung der SV-Gründung wird in der Biographie Mertons nur sehr knapp erwähnt. Vgl. Achinger, Hans: Richard Merton, Frankfurt am Main 1970, 344 f. Vgl. auch Merton, Richard: Erinnernswertes aus meinem Leben, das über das Persönliche hinausgeht, Frankfurt am Main 1955.
Die lange Gründungsgeschichte
nem späteren Memorandum davon, daß Merton am 14. Mai 1948, dem 100. Geburtstag seines Vaters Wilhelm Merton, den Entschluß gefaßt habe, den Stifterverband neu zu gründen. Doch dies muß als nachträgliche Stilisierung bezeichnet werden, die den Gang der Dinge nicht korrekt schildert. Richtig ist daran, daß Studders und Geheimrat Heinrich Cuntz, ein ehemaliger Krupp-Direktor, der jetzt für die Hüttenindustrie tätig war, sich zunächst an diesem Tag zum erstenmal mit Merton hatten treffen wollen, um ihn mit ihren Plänen vertraut zu machen. Cuntz hatte es ebenfalls in seinem Brief nicht versäumt, diesen 14. Mai als den 100. Geburtstag von Wilhelm Merton zu würdigen. Freilich konnte Merton noch nicht direkt dafür gewonnen werden, die unmittelbar vor der Tür stehende Währungsreform machte ihn sehr vorsichtig. Studders und Cuntz hatten sich ihrerseits offensichtlich schon zu Beginn des Jahres 1948 zusammengefunden, um sich über die zukünftige Behandlung von Nachwuchsfragen durch die Wirtschaft zu unterhalten. Die erste Spur des späteren Stifterverbandes der Nachkriegszeit führt nach den gegenwärtig verfügbaren Quellen in den Januar des Jahres 1948 zurück. Am 28. Januar 1948 hatte es Geheimrat Ludwig Kastl (Aufsichtsratsvorsitzender der MAN) Studders gegenüber für möglich erklärt, „durch Spenden einen gewissen Fonds zusammenzubekommen", um damit von seiten der Wirtschaft aus den Nachdruck wissenschaftlicher Werke finanzieren und gezielt Nachwuchsförderung betreiben zu können.52 Die Wirtschaft habe auch in den Jahren vor 1933 getan, „was irgend in ihren Kräften stand". Kastl selbst war als ehemaliges Geschäftsführendes Präsidialmitglied des alten Reichsverbandes der Deutschen Industrie zwischen 1925 und 1933 ein erfahrener Verbandspolitiker, der sich jedoch 1933 angesichts der angestrebten Gleichschaltung des Verbandes auf seine anwaltliche Tätigkeit zurückgezogen hatte.53 Kastl hatte Studders auch die Empfehlung gegeben, „ganz systematisch vorzugehen und einfach über die Industrie- und Handelskammern an die Firmen der einzelnen Kammerbezirke heranzutreten." Man könne sich dann auf die bestehenden Verbindungen berufen, wenn nach der Währungsreform die Dinge schwieriger werden würden. Für die Forschung sah Kastl zu diesem Zeitpunkt noch schwarz, der Kontrollrat habe sie ja verboten und die einzelnen Unternehmungen seien in ihren Forschungsaktivitäten stark eingeschränkt. „Um so wichtiger ist es, daß die Forschung bei den Universitäten und Hochschulen weiter betrieben wird und ich glaube, daß Sie auch in dieser Richtung bei der Wirtschaft auf starkes Interesse stoßen." 52 Abschrift des Briefes von Kastl an Studders im Reusch-Nachlaß in RWWA, 400101460/25 (1). - Leider ist es nicht gelungen, den Originalbriefwechsel zwischen Kastl und Studders ausfindig zu machen. Der Nachlaß Kastls im BÄK enthält kein Material der Nachkriegszeit, das MAN-Archiv besitzt nach freundl. Auskunft seines Leiters Josef Wittmann keinen eigenen Nachlaß Kastls. Ein eigener Nachlaßbestand von Studders existiert auch nicht. So kann über den Kontakt zwischen beiden im Jahre 1948 nur vermutet werden, daß sie sich aus der Tätigkeit Kastls beim RDI bis 1933 kannten. - Zur wichtigen Rolle Kastls in süddeutschen Industriekreisen vgl. Berghahn, Volker R.: Unternehmer und Politik in der Bundesrepublik, Frankfurt am Main 1985, 62. 53 Dazu Soergel, Werner: Die Neuordnung des industriellen Organisationswesens 1933/35, in: Varain, H. J. (Hg.): Interessenverbände in Deutschland, Köln 1973, 259-276, hier 273.
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Studders hatte daraufhin - vermutlich schon im März - Dr. Rudolf Mueller in Frankfurt seinen „Plan zur Sicherung des Hochschulstudiums und der wirtschaftswichtigen wissenschaftlichen Arbeit" zugeleitet und ihn am 26.4. um die Vermittlung eines Gesprächstermins bei Merton gebeten, den er persönlich offensichtlich nicht kannte. Studders wollte durch die Einschaltung Muellers erreichen, daß er und Cuntz sich bei einem etwaigen Besuch keine Abfuhr Mertons einhandeln würden. In diesem Brief hatte Studders auch auf die mögliche Fortsetzung der familiären Merton-Tradition und auf den bevorstehenden 100. Geburtstag Wilhelm Mertons am 14. Mai 1948 verwiesen, weil er sich davon offensichtlich eine starke zusätzliche Motivierung Richard Mertons erhoffte. In diesem Schreiben an Mueller hatte Studders auch die Notwendigkeit einer unternehmerischen Offensive in Sachen eines „Bildungsfonds" hervorgehoben, nachdem schon die Hannoveraner Leibniz-Stiftung und die „Studienstiftung des deutschen Volkes" von Adolf Grimme - also von sozialdemokratischer Seite aus - ins Leben gerufen worden seien. Zu diesem Zeitpunkt wußte Studders noch nicht, daß auch der Gedanke, einen Stifterverband in die neue Notgemeinschaft einzubauen, letztlich auf Grimme zurückging. Jetzt - so lautete sein zentrales Argument - müsse „auf die Notwendigkeit hingewiesen werden, daß die unternehmerische Wirtschaft und ihre tragende bürgerliche Schicht auch eine eigene wirtschaftsnahe Führung und Verwendung der Mittel braucht." Dr. Herbert Studders - der Gründungsbeauftragte Dieses vermittelte Herantreten von Studders an Merton wirft die Frage auf, wer dieser Dr. Herbert Studders war, der sich so außerordentlich umtriebig mit dem Gedanken einer aus der Industrie heraus getragenen Gesellschaft zur Förderung von Forschung und Lehre befaßte. Dr. Herbert Studders, geb. 1894,54 hatte nach einem Studium der Pädagogik, Philosophie und Nationalökonomie 1919 in Leipzig promoviert und danach zunächst als Wissenschaftlicher Assistent am „Fürsorgeseminar" der Universität Frankfurt am Main gearbeitet. 1920 war er zum Geschäftsführer des „Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge" ernannt worden und war so mit einem sozialpolitischen Unternehmen in Kontakt gekommen, das seine Gründung dem Frankfurter Industriellen Wilhelm Merton, dem Vater Richard Mertons, verdankte.55 1923 war er Sozial- und Ausbildungsreferent im Hallischen Bergwerksverein in Halle/S. geworden, 1930 wechselte er als Berufsausbildungsreferent zur Vereinigung der industriellen Arbeitgeberverbände, um dann am 1.5.1934 in den Reichs verband der deutschen Industrie als Berufsbildungsreferent überzutreten. Seit 1937 war er Leiter der Abteilung XI („Industrielle Qualitätsarbeit") der Reichsgruppe Industrie, wie deren Organisations54 Ich folge hier den Angaben seines eigenhändigen Lebenslaufs in seiner BDI-Personalakte und in der Personalakte der württembergischen „Zentralleitung" (im Württemberg. Staatsarchiv Ludwigsburg, E 191, Bü 4436), auf die mich das Hauptstaatsarchiv Stuttgart freundlicherweise hinwies. 55 Vgl. dazu die kurzen Bemerkungen bei Achinger, Hans: Richard Merton, Frankfurt am Main 1970, 129, 156.
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plan aus dem Jahre 1941 ausweist.56 Studders war also von Studium und beruflichem Weg her ohne jeden Zweifel ein Spezialist für Fragen der beruflichen Bildung und Weiterbildung. 1938 war er mit einer kleinen Schrift zur Facharbeiterfrage in der Kriegswirtschaft hervorgetreten.57 Sein Entnazifizierungsverfahren - Studders war Mitglied der NSDAP gewesen war im April 1948 eingestellt worden. Nach der nebenamtlichen, fast zweijährigen Tätigkeit für Mertons Gründerkreis, während der er hauptberuflich seit 11.6.1946 als „kaufmännischer Hilfsarbeiter" für die erwähnte „Zentralleitung für Stiftungs- und Anstaltswesen in Württemberg" in Stuttgart arbeitete, trat er im November 1949 in die Geschäftsführung des eben gegründeten „Ausschusses für Wirtschaftsfragen der industriellen Verbände" ein, die Keimzelle des späteren „Bundesverbandes der deutschen Industrie" unter Fritz Berg. Dort leitete er zunächst das Referat „Sozialpolitische Verbindungsstelle und Industrieforschung"; im Organisationsplan von 1955 wird er als Referatsleiter erwähnt. 1957 übernahm er die Leitung des „Deutschen Instituts zur Förderung des industriellen Führungsnachwuchses" in Köln, blieb also letztlich im organisatorischen Umfeld des BDI tätig. 1959 wurde er in dieser Stellung pensioniert. Er starb 1981 in Köln. Studders betrieb die Geschäfte des Stifterverbandes also nur bis Ende 1949. Am 30. November 1949, dem gleichen Tag übrigens, an dem Fritz Berg Bundeskanzler Konrad Adenauer die Gründung des „Ausschusses für Wirtschaftsfragen der industriellen Verbände" mitteilte, schrieb Studders an Reusch, er sei zum Mitglied der Geschäftsführung des „Ausschusses" berufen worden. Er hat dann zwar noch einen Geschäftsverteilungsplan vorbereitet und bis 1951 ehrenamtlich für den Stifterverband gearbeitet, aber das Tagesgeschäft des Verbandes oblag seit dem Jahresbeginn 1950 dem neuen „Verbandsdirektor" Ferdinand E. Nord. Gleichwohl nahm Studders noch an Vorstandssitzungen des Jahres 1950 teil, weil seine intime Kenntnis der Vorgänge für die neue Verbandsführung einfach unverzichtbar war. Erst 1951 teilte Studders seinem Mentor Reusch mit, daß er jetzt seine Tätigkeit für den Stifterverband ganz einstellen wolle. Er blieb freilich im BDI der Verbindungsmann zum Stifterverband. Die Rolle, die Herbert Studders fast zwei Jahre lang spielte und die wesentlich dazu beitrug, daß der Stifterverband nicht nur ein Verband in der Notgemeinschaft oder sogar ein Verband der Notgemeinschaft, sondern - wie es damals hieß - ein „freier Stifterverband" wurde, ist bislang nicht adäquat gewürdigt worden, ja sie war gar nicht bekannt.58 Ende Juni 1948 hatte Geheimrat Ludwig Kastl Studders bestätigend geschrieben, daß auch er Merton für den geeigneten Mann halte, die Aufgabe der Sammlung eines „Bildungsfonds" in der Wirtschaft durchsetzen zu können. Da hatte Studders jedoch schon seine Überlegungen für einen „Studienfonds der deutschen Wirtschaft" schriftlich fixiert, hatte Merton zusammen mit Cuntz am 27. Mai persönlich aufgesucht und am 17. Juni mit Hermann Reusch gesprochen, an den er ebenfalls herangetreten war. 56 Vgl. dazu den Organisationsplan der Reichspruppe Industrie, hg. von K. Guth, Leipzig 1941 (das sog. „Blaue Buch"). 57 Studders, Herbert: Die Facharbeiterfrage in der Kriegswirtschaft, Hamburg 1938. 58 In dem ersten Fünfjahresbericht von 1955 taucht sein Name nicht auf.
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Nachdem Reusch zunächst abwartend reagiert und Studders mit erkennbarer Reserve um eine schriftliche Fassung seiner Pläne gebeten hatte, lud er ihn zu einem persönlichen Gespräch ein. Dieses Gespräch kann man als die Initialzündung für die Aktivitäten Reuschs bezeichnen, der sich seitdem bemerkenswert intensiv um einen - wie auch immer zu nennenden - „Fonds der Wirtschaft" für Zwecke der Wissenschaft bemühte und sein Engagement bis weit in die 50er Jahre fortsetzte. Später sollte sich Reusch u. a. im Vorstand des Stifterverbandes und in der Leitung des Gesprächskreises „Wirtschaft und Wissenschaft" hervortun. Im Mai 1948 hatte Geheimrat Dr. Heinrich Cuntz (Essen, ehemaliger Krupp-Direktor und langjähriger Vorsitzender des Bildungsausschusses der industriellen Spitzenverbände) Merton gegenüber den Gedanken entwickelt, eine solche Organisation ins Leben zu rufen, so daß man letztlich Kastl, Studders und Cuntz als die Urheber dieses Planes bezeichnen muß, der dann an Merton herangetragen wurde. Studders und Cuntz kannten sich aus der Bildungs- und Nachwuchskommission der industriellen Spitzenverbände, denn Studders war - wie schon erwähnt - früherer „Abteilungsleiter für Nachwuchs- und Bildungsfragen in der Reichsgruppe Industrie", während Cuntz der Leiter von zwei Arbeitskreisen der Reichsgruppe war. Ihr gemeinsamer Vorschlag zielte darauf ab, zunächst einen „Studienfonds der deutschen Wirtschaft" ins Leben zu rufen. Cuntz hat dann zwar noch an vorbereitenden Sitzungen teilgenommen, aber die eigentlich treibende Kraft wurde Studders.59 Nach der Gründung des Stifterverbandes hat Merton Cuntz in den Verwaltungsrat berufen und damit die Initiative dieses Mannes anerkannt. Für das Treffen mit Merton am 27. Mai 1948 hatte Studders bereits den kurzen Satzungsentwurf einer Gesellschaft „Studienfonds der deutschen Wirtschaft" vorbereitet, der die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses, die Unterstützung für den Nachdruck wissenschaftlicher Standardwerke, den Ankauf ausländischer Literatur und die allgemeine Förderung von Studium und Forschung in den naturwissenschaftlichen, technischen und staatswissenschaftlichen Disziplinen vorsah. Am 27. Mai waren auch schon ein Einladungsschreiben und eine Liste von möglichen Teilnehmern vorbereitet worden. Am 4. Juni aber wies Merton Cuntz auf seine schon erwähnten Bedenken hin, zu diesem Zeitpunkt bereits die Einladungen auszusenden; die Gerüchte über eine Markumstellung hielt er für zu gefährlich für das Unternehmen. Cuntz seinerseits verwies auf Kontakte zu MAN, der Gutehoffnungshütte, Daimler-Benz u. a. guten Adressen hin, um die Sache möglichst bald in Gang zu bringen. Doch Merton zögerte angesichts der unsicheren Lage weiterhin. Studders' Satzungsentwurf vom 27. Mai 1948 belegt zudem, daß diese Idee noch vor der erstmaligen Berücksichtigung eines „Stifterverbandes" in der künftigen Satzung der Notgemeinschaft das Licht der Welt erblickte. Denn dies geschah erst während einer Sitzung der Kultusminister in Stuttgart am 2. Juli 1948.60 Studders verfolgte durchaus unterschiedliche Pläne mit seiner Fondsidee. Zum einen ging es ihm als gelerntem „Nachwuchsmann" der „Reichsgruppe Industrie" um die 59 Cuntz verstarb bereits im Januar 1950. 60 Osietzki: Wissenschaftsorganisation, 349.
Die lange Gründungsgeschichte
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brennende Nachwuchsfrage, zum anderen aber auch um einen wissenschaftlichen Bibliotheksdienst, der die Aufgabe erfüllen sollte, möglichst schnell wichtige Informationen zu sammeln und der Wirtschaft zur Verfügung zu stellen. Herbert Studders war also derjenige, der 1948 nach einer ersten Anregung durch Ludwig Kastl im Mittelpunkt der gedanklichen Initiativen stand, Geld der Wirtschaft zentral zu sammeln und gezielt der Wissenschaft zur Verfügung zu stellen. In engem Kontakt mit Merton trieb er die Arbeiten eines sog. „Gründungskreises" voran, nicht ohne sich dabei auf den Rat und die Absicherung von Seiten Hermann Reuschs zu stützen. Da Merton und Reusch in der Sache selbst ganz einig waren, konnte Studders zwischen beiden Wirtschaftsführern hin- und hereilen, die notwendigen weiteren Verbindungen knüpfen, für eine personelle Absicherung und Verbreitung des Gedankens sorgen und so die Interessen der Merton/Reusch-Gruppe wahren, die darauf abzielten, jede Verzettelung der Wirtschaftshilfe für die Wissenschaft zu vermeiden und die ganze Unternehmung auf eine solide Grundlage zu stellen. Zwar gab es auch Momente, in denen Studders seine partielle Kritik an Merton gegenüber Reusch nicht verschwieg, aber insgesamt betrieb Studders das Gründungsgeschäft in hoher Loyalität zu Merton. Daß diese sehr bald gefordert sein sollte, werden die weiteren Entwicklungen des Jahres 1949 deutlich zeigen. Für Studders begründete sich die besondere Notwendigkeit der Einrichtung eines „Bildungsfonds der Wirtschaft" aus der Einsicht in eine gänzlich veränderte Lage im Verhältnis von Wissenschaft und Wirtschaft. In einem Schreiben an Merton vom 4. Januar 1949 hat Studders seine Überlegungen bemerkenswert klar und selbständig formuliert. Es ging damals um den Widerspruch zwischen einem in die Notgemeinschaft integrierten Stifterverband und einem davon ganz unabhängigen Unternehmen. Beide Unternehmungen würden sich unerfreuliche Konkurrenz machen, „unerwünschte Doppelarbeit" sei dann kaum zu vermeiden. Dabei müsse man die Unterschiede zwischen Notgemeinschaft und der „Gesellschaft" sehen. Während sich die Notgemeinschaft der ganzen „universitas litterarum" widmen müsse, wolle sich die „Gesellschaft" auf die „wirtschaftswichtigen Disziplinen beschränken und in deren Rahmen auf den wissenschaftlichen Nachwuchs, auf die Bibliographie und Beschaffung von Auslandsschrifttum und auf die akademische Weiterbildung" konzentrieren. Insofern sah Studders auch Parallelen zu der von Wilhelm Merton 1902 gegründeten „Gesellschaft für wirtschaftliche Ausbildung". Er fuhr fort: „Durch dieses eine Beispiel, dem manche andere hinzugefügt werden könnten, wird deutlich, daß die Stellung der Wirtschaft zu der Frage der Erhaltung und Förderung der Wissenschaft heute eine andere ist, als wie nach dem Ersten Weltkrieg. War auch damals der Ausgangspunkt für die Hilfsaktion der Wirtschaft die Erkenntnis der besonderen Bedeutung von Forschung und Lehre für diese, so ist heute das Interesse der Wirtschaft viel unmittelbarer und brennender. Konnte nach dem Ersten Weltkrieg die Hilfsaktion der Wirtschaft noch etwas den Charakter einer mäzenatischen Einstellung bewahren, so fällt dies meines Erachtens heute vollkommen weg. Denn nach dieser Entblößung von allem in den Patenten angehäuften Geistesgut, bei dieser Sorge um die führenden Kräfte in der zukünftigen Wirtschaft kann gar keine Rede mehr davon sein, daß die Wirtschaft heute Geld für die Wissenschaft aufbringt und hingibt, ohne stärksten Einfluß auf seine Verwendung zu nehmen. Ich bitte dies nicht so zu verstehen, als wollte ich nur der Zweckforschung oder gar einer engherzigen Beeinflus-
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sung der Wissenschaft das Wort reden. Ich bin mir selbstverständlich dessen bewußt, daß die Freiheit von Forschung und Lehre ein unveräußerliches Gut ist. Aber man kann andererseits weder von den Kult(us)ministern noch von den Vertretern der Wissenschaft die Kenntnis davon erwarten, wie stark heute und noch mehr morgen das Ringen der wirtschaftlichen Unternehmungen um ihre Existenz und ihre Fortentwicklung sein wird. Diese besondere Notlage der Wirtschaft bedingt aber eine ganz andere Einstellung zur Forschung und Lehre. In noch viel höherem Maße als früher muß deshalb der Kontakt zwischen Wissenschaft und Praxis gepflegt werden. So bitte ich es zu verstehen, wenn ich sage, daß die Wirtschaft sich heute nicht mehr darauf beschränken kann, Geldgeberin der Wissenschaft zu sein, sondern daß sie heute auch in die praktische Arbeit der Notgemeinschaft eingegliedert sein muß. Deshalb kann es nicht sein Bewenden damit haben, daß für die Notgemeinschaft ein Stifterverband geschaffen wird, der das Geld aufbringt und hingibt, sondern es muß darüber hinaus eine Sicherung geschaffen werden, daß auch in der praktischen Arbeit der Notgemeinschaft ein ständiger Kontakt mit der Wirtschafts-Praxis gepflegt wird."61
Cuntz und Studders hatten in ihren vorbereitenden Schreiben an Merton und während des Gesprächs am 27. Mai schon eine Strategie für das weitere Vorgehen entwickelt. Zunächst sollte auf der Basis eines Satzungsentwurfs und eines Einladungsschreibens ein ausgewählter Kreis von Industriellen zusammengebracht werden, um das weitere Vorgehen zu besprechen. Außerdem sollte Dr. Alfred Petersen, der Frankfurter Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft der Industrie- und Handelskammern, angesprochen werden, um sich dieser wichtigen Instanz zu versichern. Petersen, ebenfalls Direktor in der Metallgesellschaft, und Reusch waren die im Vorsitz alternierenden Leiter eines „Koordinationsausschusses der Kammern und Verbände", der sich in Frankfurt regelmäßig traf. Dieses Gremium - eine frühe Verbindung von Handelstag und Wirtschaftsverbänden - wollte Studders zur Absicherung und Fundierung seines Planes nutzen. Verzögerung durch Merton Doch diese Planungen erfuhren durch Mertons zögernde Haltung eine Unterbrechung. Angesichts der laufenden Vorbereitungen zur Währungsreform, über deren Termin er vermutlich genauere Kenntnisse hatte, als er in der Korrespondenz preisgab, schien ihm der Schritt zeitlich unklug plaziert: „Wir stehen - wenn ich einen Vergleich machen darf - gerade vor dem Begräbnis der alten Mark, die in den Todeszuckungen liegt. Mit dieser alten Mark hat die Wirtschaft dank Kompensationen zum Teil nicht schlecht, aber zum großen Teil auch nicht,recht' gelebt. Lachende Erben wird es nicht geben, wenn die alte Mark beerdigt ist, und die einzige Hoffnung ist, daß die Wirtschaft mit der neuen zunächst sehr schlecht, aber etwas mehr ,recht' leben wird." Aus diesen Gründen der Unsicherheit über die weitere Entwicklung wurde das Treffen des in den Papieren immer so genannten „Gründungskreises", das wenn es nach Cuntz und Studders gegangen wäre, schon im Frühsommer 1948 hätte stattfinden sollen, auf den Herbst verschoben.
61 Studders an Merton am 4.1.49, in: AMG, NL Merton, Ordner Studders.
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Das Treffen in Schönberg am 3. November 1948 Am 3. November traf sich endlich ein Kreis von Wirtschaftsführern in Schönberg im Taunus, und dort konnten Merton, Cuntz und Studders ihre Überlegungen zum weiteren Vorgehen entwickeln. In seinem Einladungsschreiben hatte Merton im wesentlichen die Überlegungen genutzt, die von Cuntz und Studders entwickelt worden waren, er erwähnte auch direkt deren „Anregung". Daraus entstand der „Schönberger Kreis", wie Merton dann später „den von mir repräsentierten Kreis" zu nennen pflegte. Die Wahl des Ortes Schönberg i. Taunus könnte man als eine symbolische Wahl verstehen, denn hier hatte am 19.-20. Mai des gleichen Jahres schon der Schönberger Hochschultag stattgefunden, auf dem die Entscheidung für die Gründung der Notgemeinschaft getroffen und ein Redaktionskomitee für die Satzung unter dem Vorsitz von Walter Hallstein eingerichtet worden war.62 Der sehr prosaische Grund der Ortswahl war jedoch die Existenz eines Gästehauses der Stadt Frankfurt in Schönberg, das für ein solches Treffen einen günstigen und preiswerten Rahmen bot. Der Teilnehmerkreis in Schönberg (zu dem u. a. Männer wie Theo Goldschmidt (IHK Essen), Robert Pferdmenges (IHK Köln), Wilhelm Haspel (Daimler-Benz), Reusch, Kastl und Hugo Henkel gehörten), bestätigte weitgehend die bislang von Studders entwickelte Linie und gab der Lenkungsgruppe um Merton das Mandat, mit den vorbereitenden Arbeiten fortzufahren, den Kontakt sowohl zu der in Gründung befindlichen Notgemeinschaft als auch zu den anderen Wirtschaftsverbänden aufzunehmen und einen Satzungsentwurf vorzubereiten. In der jetzt schon diskutierten Frage der zukünftigen Stellung zur Notgemeinschaft waren die Teilnehmer der Meinung, eine eigenständige Gesellschaft gründen zu sollen, weil dies die größere Gewähr biete, den notwendigen Einfluß der Geldgeber aus der Wirtschaft bei der Mittelvergabe auch wirklich ausüben zu können. In Schönberg stand der Gedanke einer „Sicherung der höchstqualifizierten Kräfte in Wissenschaft und Praxis" im Vordergrund. Man wollte den Gedanken der „vitalen Bedeutung der wissenschaftlichen Arbeit in der Wirtschaft" stärker propagieren.63 Theo Goldschmidt, ein Teilnehmer der Sitzung in Schönberg, plädierte seinerseits in den kommenden Präsidialsitzungen der nordrhein-westfälischen Industrie- und Handelskammer dafür, der Wissenschaft größere Unterstützung zukommen zu lassen und setzte so die Schönberger Anregung in die Praxis um: „Für dringend notwendig halte er eine wirksame Unterstützung der deutschen Wissenschaft und Forschung... Die sofortige Änderung dieser Bestimmung sei von besonderer Bedeutung angesichts der in vielen Fällen trostlosen Lage der Forschungsinstitute. Am Kulturetat dürfe nicht gespart werden. Die grundsätzliche Bereitschaft der Wirtschaft hier zu helfen, werde gestört durch die Notwendigkeit, Spenden sobald sie ein bestimmtes Maß überschritten, zu versteuern."64 62 Nach dem Bericht der Notgemeinschaft 1949/50, Bad Godesberg 1950, 8. 63 Dazu der Bericht von Studders in AMG, NL Merton, Ordner Studders. 64 RWWA Köln, Abt. 48, Nr. 1, Fasz. 1. Niederschrift über die Präsidialsitzung der Vereinigung der Industrie- und Handelskammern des Landes Nordrhein-Westfalen am 17. Dez. 1948 Kurhotel Klosterberg Arnsberg.
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Zwei Initiativen für einen Stifterverband Nach dem Schönberger Treffen lassen sich im wesentlichen zwei Initiativen unterscheiden, die sich gegen Ende des Jahres 1948 um die Gründung eines Stifterverbandes bemühten: Zum einen waren dies die Interessen der gerade neugegründeten Notgemeinschaft, deren Vorstand - Prof. Geiler (Universität Frankfurt am Main), Prof. Lehnartz (Universität Münster) und Dr. Zierold (er kam aus dem niedersächsischen Kultusministerium) - natürlich einen eng an die Notgemeinschaft angebundenen Stifterverband bevorzugte, durchaus in Anlehnung an den Stifterverband der 20er Jahre, der ja seit 1923 seine Finanzmittel weitgehend en bloc die Notgemeinschaft weiterleitete. Man darf vermuten, daß die schon 1946 gegründete niedersächsische LeibnizStiftung und die im gleichen Jahr entstandene „Gesellschaft der Förderer und Freunde der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft" des Hamburger Professors Degkwitz - die beide in einem sehr frühen Stadium die Aufgaben der Notgemeinschaft hatten übernehmen wollen - eine solche Lösung ebenfalls unterstützten. Die Leibniz-Stiftung hatte im September 1948 mitgeteilt, daß sie wegen Mangels an Geld die Förderung habe einstellen müssen.65 Zum andern war dies der Schönberger „Gründungskreis der Wirtschaft" unter Leitung von Richard Merton, der dabei im wesentlichen von Herbert Studders unterstützt wurde. Die in Schönberg versammelten Männer aus der Wirtschaft waren zwar von Merton und Studders ausgewählt worden, aber zum einen waren hier die Namen präsent, die sich schon im Vorfeld selbst um die Sache bemüht hatten, also etwa Ludwig Kastl (MAN), Wilhelm Haspel (Daimler-Benz), ErnstH. Vits (Vereinigte Glanzstoff), Hermann Reusch (GHH) und Alfred Petersen (Arbeitsgemeinschaft der IHK). Zum anderen zeigen die vorbereitenden Namensnennungen, daß die Lenkungsgruppe um eine möglichst breite regionale, branchenmäßige und institutionelle Absicherung bemüht war. Der von Studders entwickelte Ablaufplan dieser Sitzung hatte betont, daß es sich bei der Etablierung des Studienfonds nicht um ein „caritatives, sondern ein Nachwuchs- und Ausleseproblem" handele. Dementsprechend wurden als Ziele des Fonds „Studienhilfe, Weiterbildung, Bibliographie, Forschungshilfe" genannt. Schließlich vergaß Studders auch in dieser frühen Phase nicht, das Problem der steuerlichen Behandlung von Spenden anzusprechen und so für eine günstige materielle Basis seiner Aktivitäten zu sorgen. Die in Schönberg versammelten Herren erklärten sich durchaus bereit, durch eine Umlage seine Tätigkeit zu unterstützen, wofür Merton ein erstes Sammelkonto einrichtete.66 Ende Dezember konnte er schon über DM 8.000 verfügen und damit Studders' Bürotätigkeit bezahlen. Merton hatte es auch nicht versäumt, bei Studders' Arbeitgeber in Stuttgart die Bereitstellung von Büroraum und Schreibkraft abzusichern, was dieser gerne bewilligt hatte.67 Die Ergebnisse von Schönberg waren ganz im Sinne von Merton und Studders gewesen. Jetzt konnte sich Studders energisch an die Lösung der praktischen Fragen machen, 65 NHSA, Nds. 401, Nr. 128, vom 14.9.1948. 66 Aufzeichnung Studders für Merton vom 27.10.48 (AMG, NL Merton). 67 Der Brief Mertons vom 4 . 1 1 . 4 8 in der Personalakte Studders in Staatsarchiv Ludwigsburg (E 191, Bü 4436).
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vor allem die der steuerlichen Behandlung von Wissenschaftsspenden. Er suchte den Kontakt zum Verein deutscher Eisenhüttenleute in Düsseldorf und zur Arbeitsgemeinschaft der Kammern, und er richtete über die Rektoren ein Rundschreiben an die Vorsitzenden der universitären Fördergesellschaften, um so den „regionalen Unterbau für die Gesellschaft" zu schaffen. Auch konnte er Merton schon Anfang Dezember über erste Kontakte zur Presse unterrichten. In einem Schreiben an Walther Meuschel, den Vorsitzenden der Münchener „Universitätsgesellschaft", erbat Studders für die „Werbung in Wirtschaftskreisen" aussagekräftiges Material über die finanzielle Lage der Hochschule, „das im Ganzen oder in Einzelbeispielen erkennen läßt, in welchem Maße heute Forschung und Lehre bedroht sind und eine wissenschaftliche Arbeit erschwert ist. Tatsachen dieser Arbeit sind trotz allem immer noch zu wenig bekannt und beachtet." Auch erbat er Hinweise auf förderungswürdige junge Wissenschaftler, auf Institute und sogar begabte Studierende, um nötigenfalls „mit zentralen Mitteln" helfen zu können. Damit griff Studders natürlich relativ weitgehend in die Kompetenzen der lokalen Fördergesellschaften ein, obwohl er betonte, daß es dem neuen Förderkreis vor allem um die Deckung eines „zusätzlichen Finanzbedarfs" gehe. Meuschel erkannte - wie auch andere Universitätsgesellschaften - das Problem der Anfrage und wies in seiner Antwort sofort auf die notwendige Koordinierung der Maßnahmen hin, „daß nicht eine an sich unerwünschte Konkurrenz oder gar eine Schädigung der einen zu Gunsten der anderen Bestrebung daraus resultiert."68 Man muß den Eindruck gewinnen, daß dieser sehr höfliche Warnschuß des Münchener Vorsitzenden genügte, denn Studders verfolgte den Kontakt zu den lokalen Fördergesellschaften nicht weiter, obwohl er es in seinem Schreiben als sein „erstes Bemühen" bezeichnet hatte, die Verbindung zu den Fördergesellschaften „mit dem Ziele einer laufenden Zusammenarbeit" aufzunehmen. Der „neue" Stifterverband traf damit auf die gleichen Schwierigkeiten wie der „alte" Stifterverband, der 1920 vom Rektor der Universität Königsberg gefragt worden war, ob nicht ein zentraler Stifterverband die Stellung seiner „von der slawischen Flut umbrandeten Universität" und ihres neuen Fördervereins beeinträchtigen müsse.69 Die Aktionen des Schönberger Kreises und seiner Führungsmannschaft erfuhren in diesen ersten Dezembertagen eine gewisse Behinderung durch eine Anzeigenaktion, die am 9.12. in der „Welt" erschienen war. Darin hatte ein Kreis von Wissenschaftlern (u. a. Friedrich Meinecke), Politikern (u. a. Louise Schröder) und Wirtschaftsleuten zu Spenden für die wissenschaftliche Forschung und Lehre aufgerufen, ohne sich mit der Merton-Gruppe abzustimmen. U.a. hatten auch Theo Goldschmidt (Essen) und Ernst H. Vits (Wuppertal) unterschrieben, die schon auf Mertons „Gründer"-Liste standen. Studders hielt von der Aktion nicht viel, weil sie „ephemer" sei und die Kräfte zersplittere, maß ihr allerdings auch nicht allzuviel Gewicht bei. Nicht zuletzt die Teilnahme Adolf Grimmes bekümmerte ihn wegen der politischen Richtung. Ihm ging es, wie er betonte, nicht um spektakuläre Sammelaktionen zur Weihnachtszeit, sondern um die 68 Der Brief von Studders (21.12.48) an Meuschel und dessen Antwort in DMM, NL Gerlach. 69 BÄK, R 73, Nr. 69. Schreiben des Königsberger Rektors A. Bezzenberger an Schmidt-Ott vom 13.9.20 und 23.7.21.
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solide Fundierung der künftigen Gesellschaft bei den Kammern und den Fachverbänden der Wirtschaft. Der Stifterverband erhielt übrigens später die Summe, die diese Aktion eingebracht hatte.
f) Die Gründung der Notgemeinschaft Größere Sorgen bereiteten ihm die Nachrichten über die bevorstehende Gründung der Notgemeinschaft und einen in deren Rahmen ebenfalls geplanten „Stifterverband". Dabei fallt auf, daß im Kreis um Merton der Name „Stifterverband" zum erstenmal im Dezember 1949 als Teil der neuen Notgemeinschaft erwähnt wird, im Gegensatz zu den Bestrebungen des Kreises selbst, wo man meist vom „Bildungsfonds" oder von einer „Gesellschaft zur Förderung von Forschung und Lehre" sprach. Will man nun die Idee der Notgemeinschaft und eines ihr zugeordneten Stifterverbandes verfolgen, so muß man zunächst die Protokolle der Konferenzen der Hochschulrektoren und der Tagungen der Kultusminister der Länder konsultieren, die sich seit dem Herbst 1945 in relativ kurzen Abständen zu regelmäßigen Konferenzen trafen. 70 Während schon in der ersten Rektorenkonferenz der britischen Zone am 26./27. September die Frage nach dem restlichen Geld der „alten" Deutschen Forschungsgemeinschaft und des Stifterverbandes gestellt wurde, formulierte Prälat Schreiber auch schon den Wunsch nach einer Neukonstituierung der DFG „von unten her."71 Der Gedanke einer Neugründung der Notgemeinschaft durch die Länderministerien findet sich zum erstenmal im Protokoll der Tagung der Hochschulverwaltungen der britischen und amerikanischen Zone in Braunschweig am 18./19. April 1947, wo erwähnt wird, daß die Rektorenkonferenz dieser beiden Zonen in Bad Driburg am 14. Februar 1947 die Wiedererrichtung der Notgemeinschaft gebilligt habe. Tatsächlich war dies in Driburg so beschlossen und zugleich die Empfehlung gegeben worden, daß die schon existierenden regionalen Einzellösungen (niedersächsische Leibniz-Stiftung, Hamburger „Verein der Förderer und Freunde der Notgemeinschaft für die deutsche Wissenschaft") darin aufgehen sollten. Die eben erwähnte Hochschultagung der Kultusminister in Bad Schönberg am 19.-20. Mai 1948 hatte dann definitiv die Weichen in Richtung Notgemeinschaft gestellt: „Frau Min(ister) Teusch stellt i. A. von NRW die Frage einer überregionalen und interzonalen Notgemeinschaft zur Besprechung. Die Verarmung unseres Volkes und die Währungsreform zwingen dazu, alle für Forschungszwecke verfügbaren öffentlichen und privaten Mittel über70 Dieser Abschnitt stützt sich auf eine hilfreiche Zusammenstellung der einschlägigen Beschlüsse der Rektorenkonferenzen, der Besprechungen der Hochschulverwaltungen und schließlich der Kultusminister in BÄK, B 227, Nr. 508, Ergänzungen in Nr. 509 und 1. - 2 2 Zum Hintergrund vgl. Stamm: Zwischen Staat und Selbstverwaltung, 109 ff., Zierold: Forschungsförderung, 275 ff. und jetzt die breite Dokumentation dieser Konferenzen bei Heinemann, Manfred/Müller, Siegfried (Bearb.): Nordwestdeutsche Hochschulkonferenzen, 2 Teile, Hildesheim 1990, zur Entwicklung und Kompetenz der Konferenzen ebd. 1 ff. 71 Heinemann: Hochschulkonferenzen 1,75 ff.
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zonal und überregional zu leiten, damit sie am besten, zweckmäßigsten und sparsamsten verwendet und Fehlleitungen vermieden werden."
Die Rolle der Leibniz-Stiflung Der niedersächsische Kultusminister Adolf Grimme berichtete noch einmal über die Neugründung der Max-Planck-Gesellschaft und „seiner" niedersächsischen „LeibnizStiftung für Kunst und Wissenschaft". Schon in Münster habe man während der Tagung im September 1947 beschlossen, die schon bestehenden Fördereinrichtungen der Länder Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen zusammenzufassen: „Es soll eine über die Ländergrenzen hinausgehende Dachorganisation unter dem Namen ,Notgemeinschaft der Wissenschaft' geschaffen werden, jedoch sollten die Ländereinrichtungen einstweilen bestehen bleiben." Rechtsanwalt Dyckerhoff vom Kuratorium der Leibniz-Stiftung gab darauf einen Überblick über die bisherige Arbeit der Stiftung. Anfang 1948 habe die Stiftung, die ein Kapital von ca. 240.000 M. besaß, mit allen Länderministerien Kontakt aufgenommen, ob sie als Nachfolgerin der alten Notgemeinschaft anerkannt werde „oder ob eine andere umfassende Einrichtung an ihre Stelle treten wird, wobei betont wurde, daß nach der Währungsreform in erster Linie die finanziellen Kräfte der Wirtschaft in Anspruch zu nehmen sind." Man sei bereit, das Kuratorium der Leibniz-Stiftung um Vertreter der Universitäten, Akademien, der Max-Planck-Gesellschaft und des VDI zu erweitern und eine gleich große Anzahl von Vertretern der Wirtschaft dazu zu holen, auch jedes Land solle vertreten sein. Dies wäre natürlich eine ganz andere Lösung der Forschungsförderung geworden, wobei auffällt, daß hier die Wirtschaft eine erheblich prominentere Rolle gespielt hätte. Man wird auch feststellen können, daß diese Ideen durchaus den britischen Vorstellungen zur Reform der Universität entsprachen, die auf eine engere Verbindung von Universität und Gesellschaft abzielten. Tatsächlich hatte sich Dyckerhoff im Frühjahr und Sommer 1948 auf mehreren Reisen zu den Ministerien und Universitäten West- und Süddeutschlands um eine Anerkennung der Leibniz-Stiftung als Kernzelle der neuen Notgemeinschaft bemüht,72 letztlich aber nicht eine hinreichende Mehrheit der Kultusminister und Rektoren erreicht, die ihrerseits einen wirklichen Neubeginn aus ihrer Mitte heraus wünschten. Ob dabei parteipolitische Überlegungen und Differenzen zwischen der nordrhein-westfalischen Kultusministerin Christine Teusch und dem Sozialdemokraten Adolf Grimme eine Rolle spielten, läßt sich nur vermuten. Immerhin muß festgestellt werden, daß die Hannoveraner Stiftung den ersten Versuch darstellte, die Wissenschaftsförderung unmittelbar nach dem Kriegsende neu zu ordnen und dabei eine Organisationsform zu entwickeln, die Staat, Wissenschaft und Wirtschaft in einer Organisation zusammenführte. Auch wenn die Hannoveraner Bemühungen nicht zum gewünschten Ziel führten, muß ihre Originalität dieser Bemühungen festgehalten werden.73 Sie hätten eine völlig andere Lösung des Problems auf den Weg gebracht. 72 Die sehr informativen Berichte Dyckerhoffs in NHSA, Nds. 401, 128. 73 Soweit ich sehe, ist die Geschichte der Leibniz-Stiftung bis auf die kurzen Bemerkungen bei Stamm: Zwischen Staat und Selbstverwaltung, 75 f. noch nicht geschrieben.
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Nach weiteren Berichten über die einzelnen Forschungsgemeinschaften bzw. die einschlägigen Vorplanungen in den Ländern schlug Frau Teusch vor, die alte Notgemeinschaft wieder erstehen zu lassen und die Helmholtz-Gesellschaft, die Leibniz-Stiftung und die Max-Planck-Gesellschaft korporativ zu integrieren. Nähere Regelungen sollte ein Siebener-Ausschuß erarbeiten, der aus drei Vertretern der US-Zone (den Professoren Hallstein, Rupp und Föppl), drei Vertretern der britischen Zone (Prof. Lehnartz, Zierold und Fehling) und einem Vertreter der französischen Zone (dem Freiburger Nationalökonomen Prof. Dietze) bestehen sollte. Dieser Auftrag überschnitt sich mit einem schon früher durch den Zonenerziehungsrat der britischen Zone erteilten Auftrag an Rupp und Zierold. Der hessische Vertreter teilte mit, daß trotz dieses Grundsatzbeschlusses die Vorbereitungen für eine hessische Forschungsgemeinschaft weiterlaufen würden. An dieser Stelle wies Ludwig Raiser auf den (Deutschen) Forschungsrat der britischen Zone hin, der aber die Notwendigkeit der Eingliederung in die Notgemeinschaft einsehe; eine interessante Einschätzung der Situation des Jahres 1948, die sich freilich nicht bewahrheiten sollte. Der Beschluß der Minister lautete: „Es ist die übereinstimmende Auffassung..., daß die Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft wieder errichtet wird. Ihre A u f g a b e n , deren Bewältigung heute dringlicher denn j e erscheint, sollen der(!) der alten Notgemeinschaft vor 1933 entsprechen."
Zwei Monate später wurde am 2. Juli auf der Stuttgarter Sitzung der Kultusminister der Bizone der von der Siebener-Kommission erarbeitete Satzungsentwurf vorgelegt und von Ministerialrat Rupp erläutert. Er hatte die außeruniversitären Forschungsinstitute nicht integriert, nur die Einzelforschung sollte gefördert werden. Zunächst traf dies auf deutliche Kritik der Minister, die bei dieser Gelegenheit auch die Forschungsförderungsaktivitäten der Frankfurter Wirtschaftsverwaltung zurückwiesen und somit deutlich am föderalistischen Konzept festhielten. An dieser Stelle fiel es Adolf Grimme zu, den Stifterverband - zum erstenmal, soweit dies zu rekonstruieren ist - ins Spiel zu bringen. Er halte es „für wichtig, auch den Stifterverband in der Satzung zu erwähnen, da nach früheren Erfahrungen gerade dieses Gremium für die Entwicklung der Organisation bedeutsam" sei. Damit war das Interesse der Länderminister an der Mitwirkung der Wirtschaft an der Forschungsförderung deutlich dokumentiert, ohne daß jedoch zu diesem Zeitpunkt mit irgendeinem Vertreter der Wirtschaft offizieller Kontakt aufgenommen worden wäre. Als Ergebnis der Diskussion des ersten Satzungsentwurfs stellte Minister Bäuerle (Württemberg-Hohenzollern) fest, daß eine Koordinierung der Forschung unter der Leitung der Kultusverwaltungen erfolgen solle. „Es müsse vermieden werden, daß von wirtschaftlicher Seite her in kulturelle Gebiete eingegriffen wird." Eine ähnlich kritische Haltung der Universitätsseite gegenüber der Wirtschaft wurde auch während einer Rektorenbesprechung am 26.7. in Braunschweig deutlich. Walter Hallstein berichtete über die Vorlage des Entwurfs und die erste kritische Diskussion durch die Minister in Stuttgart im Juli. Er erwähnte auch die Verhandlungen mit der Wirtschaftsverwaltung in Frankfurt über die Verteilung der ERP-Forschungsmittel und ihre mögliche Einbeziehung in die Notgemeinschaft. Gegen die Einbeziehung der Industrieforschung spreche aber der Gesichtspunkt, daß im Stifterverband der Notgemein-
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schaft dann wohl die gleichen Kreise sitzen würden, die die Nutznießer der Industrieforschungsmittel wären. Der Kölner Rektor Kroll sprach sich auch „gegen eine Verquickung von Industrie und Wissenschaft" aus und erfuhr dabei Zustimmung von mehreren Rektoren. Wenige Tage später - am 31. Juli - stimmten in Holzminden die Länderfinanzminister der Errichtung der Notgemeinschaft ebenfalls zu: Ihr Wiederentstehen sei „dringlich und förderungswürdig". Ihre endgültige Fassung erhielt die Satzung der Notgemeinschaft während der Tagung der Hochschulreferenten der drei westlichen Zonen in Hamburg vom 5.-7. Oktober 1948. Für das hier allein interessierende Zusammenspiel von Wissenschaft und Wirtschaft ist festzuhalten, daß der Siebener-Ausschuß in weiser Voraussicht künftiger Probleme eine weitere Verstärkung der Rolle der Länder in der Notgemeinschaft für nicht wünschenswert erklärte, weil sonst private und ausländische Geldgeber die Notgemeinschaft zu sehr als „staatliche Institution" ansehen würden. Während die erste Fassung der Satzung nur ganz unbestimmt von „öffentlichen und privaten Mitteln" gesprochen hatte, lautete die jetzt angenommene Version im entscheidenden Paragraph 1 (2): „Die Mittel, die für die Erfüllung der Aufgaben der Notgemeinschaft erforderlich sind, sollen durch die öffentliche Hand und durch die in einem besonderen Stifterverband sich zusammenschließenden privaten Stifter aufgebracht werden."
Auf der Tagung der Kultusminister in Ravensburg am 19.-20. Oktober 1948 erfuhr diese Fassung auch die Billigung der Minister. Jetzt konnten die konkreten Überlegungen zur Vorbereitung der Gründung beginnen, wobei auffallen muß, daß weder der Siebener-Ausschuß noch die Konferenz der Kultusminister es für angebracht oder notwendig hielten, irgendeinen repräsentativen Vertreter der Wirtschaft hinzuzuziehen. Jedenfalls findet sich im Material der hier in Frage kommenden Persönlichkeiten keinerlei Hinweis auf eine solche Kontaktaufnahme, ein formeller Beschluß der Konferenz dazu liegt ebenfalls nicht vor. Auch auf der folgenden Rektorenbesprechung in Würzburg am 6./7. November 1948, wo Frau Teusch über die Vorarbeiten zur Notgemeinschaft berichtete und um Vorschläge für die Besetzung der Führungspositionen bat, wurde diese Frage erstaunlicherweise nicht berührt. Eindeutig entschieden war dagegen für Frau Teusch die Frage der Besetzung der Stelle des Geschäftsführenden Vizepräsidenten der Notgemeinschaft. Am 23. Dezember lud sie Kurt Zierold zur Gründungsversammlung nach Köln ein, wo er zum Geschäftsführenden Vizepräsidenten gewählt werden solle. Er sei der geeignetste Mann für diese Aufgabe.74 Der Verlauf der Gründungssitzung vom 12.1.1949 soll hier nur auf eine mögliche Berücksichtigung des künftigen Stifterverbandes hin untersucht werden. Tatsächlich wurde die Wahl eines dritten Vizepräsidenten offen gelassen, um nach Eingliederung 74 Zur Person Zierolds vgl. seine Geschichte der Wissenschaftsförderung und seine Personalakte im NHSA. Zierold hatte 1937 das Reichswissenschaftsministerium verlassen und hatte eine private Reichsfilmanstalt für Wissenschaft und Unterricht gegründet.
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des Stifterverbandes in die Notgemeinschaft einem „hervorragend verdienten Angehörigen der Wirtschaft eine Vertretung im Präsidium vorzubehalten." Auch im Hauptausschuß sah die Satzung zwei Plätze für Vertreter des Stifterverbandes vor. Diese Bemerkungen zur Berücksichtigung des Stifterverbandes in der Satzung der neuen Notgemeinschaft geben Gelegenheit zu der Frage, inwieweit die Satzung auf der alten Weimarer Satzung aufbaute oder neue Elemente in sie einfügte. Im Prinzip einigten sich die Macher schnell auf eine prinzipielle Übernahme der alten Satzung, verbesserten jedoch an einigen entscheidenden Stellen ihr Funktionieren in der Praxis, denn gerade in der letzten Phase war die Notgemeinschaft unter Schmidt-Otts monarchischem Führungsstil zunehmend auf Kritik gestoßen. Die Stärkung des Hauptausschusses und die Verdoppelung der Fachgutachter verbesserten ohne Zweifel die korporative Qualität der Institution. Eine wichtige Rolle bei der Satzungsüberarbeitung spielte neben Hallstein und Zierold ein weiterer ehemaliger Mitarbeiter der Notgemeinschaft, der jetzt im Kieler Ministerium beschäftigte Oberregierungsrat August Wilhelm Fehling, ein ehemaliger Mitarbeiter der Notgemeinschaft. Er versorgte Hallstein nicht nur mit den notwendigen Satzungen und Jahresberichten, sondern schilderte auch den tatsächlichen Zustand der Notgemeinschaft, der sich in den 30er Jahren relativ weit von der Satzung entfernt hatte: Am 23.5. übersandte er Hallstein die notwendigen Unterlagen und kommentierte die Satzungsentwicklung. Zu den Satzungen sei zu bemerken, daß sie in der Praxis einige Änderungen erfuhren, ohne daß eine formelle Satzungsänderung vorgenommen wurde. „Am bedeutungsvollsten waren die Änderungen in der Zusammensetzung des Hauptausschusses. Ihr Ziel war, die notwendigen Beziehungen zu dem Hauptgeldgeber, dem Reiche, und die einstimmige Bewilligung des Haushalts im Reichstag zu sichern. Zunächst traten 1923 drei parlamentarische Mitglieder zum Haushaltsausschuß hinzu und zwar je ein Vertreter der Deutschnationalen, des Zentrums und der Sozialdemokraten. Späterhin erfolgte eine ständige Erhöhung der Mitgliederzahl auf 15, von denen 10 von der Mitgliederversammlung gewählt wurden, 5 vom Reichsminister des Inneren ernannt wurden."
Auch die vier Vertreter der Hochschulverwaltungen seien nicht in der Satzung wiederzufinden, ebenso das besondere Gewicht der Ausschüsse.75 Das Merton-Projekt Kehren wir nach diesem Blick auf die Neugründung der Notgemeinschaft und die interessanten Bemerkungen über das Verhältnis von Wirtschaft und Wissenschaft zu den Beratungen um Merton zurück, wo man an der Errichtung eines Stifterverbandes arbeitete, ohne von den parallelen Diskussionen der Hochschuljuristen in Kiel, Frankfurt und Stuttgart Genaueres zu wissen. Diese planten für ihre Satzung einen Stifterverband, ohne schon zu ahnen, wer dahinter stehen würde. Während man in den Hochschulverwaltungen offensichtlich genau zu wissen schien, wie man den Stifterverband an die Notgemeinschaft binden wollte, herrschte um Merton, Reusch und Studders herum 75 Fehling an Hallstein vom 23.5.48 in BÄK, B 227, Nr.l.
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noch relative Unsicherheit, ja zuweilen Verwirrung hinsichtlich des weiteren Vorgehens. Vor allem war Studders selber noch unsicher über die weitere Strategie. Er erwog verschiedene Modelle der Kooperation zwischen dem „Stifterverband der Notgemeinschaft" und seiner „Gesellschaft", um nur ja ein doppeltes Herantreten an die Wirtschaft zu vermeiden. Dabei ergab sich dann relativ schnell die später im Prinzip verwirklichte Lösung: „Von dem Gedanken ausgehend, daß auf keinen Fall die Wirtschaft für die weitgehend übereinstimmenden Ziele zweimal angegangen werden darf, halte ich es für zweckmäßig, daß die Geschäftsführung des Stifterverbandes und der Notgemeinschaft in irgendeiner Weise vereinigt wird. Das würde praktisch dazu führen, daß nur eine Sammelaktion erfolgt und dann lediglich aus dem von der Wirtschaft aufgebrachten Betrag ein Teil für Zwecke der Gesellschaft abgezweigt wird. Die Mittelverwendung der Notgemeinschaft und der Gesellschaft würde dann wieder getrennt laufen, wenn sie auch aus Zweckmäßigkeitsgründen aufeinander abgestimmt werden."
Merton seinerseits trat an den Glanzstoff-Generaldirektor Ernst H. Vits heran, um ihn zu bitten, seine guten Kontakte zur Universität Münster und deren Rektor Prof. Lehnartz, einen der Vizepräsidenten der Notgemeinschaft, zu nutzen, um eine Verschmelzung beider Initiativen zu erreichen. Vits war seit 1947 Vorsitzender der Münsteraner Gesellschaft der Freunde und Förderer der Universität und hatte sich auch während des Krieges intensiv um „seine" alte Universität bemüht.76 Während Studders im Dezember 1948 also noch relativ offen für eine duale Lösung war, veränderte sich seine Position zunehmend und durchaus im Einklang mit Merton dahingehend, daß er ein Nebeneinander von Notgemeinschafts-Stifterverband und der „Gesellschaft zur Förderung von Forschung und Lehre" seines „Schönberger Kreises" zunehmend ablehnte. Bestärkt wurde er darin im Lauf des Januar von Prof. Boris Rajewski, dem neuen Rektor der Universität Frankfurt am Main, der ihn genauer über die Satzungsvorbereitungen der Notgemeinschaft informierte. Diese Satzung mache „eine Durchsetzung der Wünsche der Wirtschaft an die Wissenschaft fast unmöglich," und weiter: „Selbst wenn man in politischer Hinsicht keine Bedenken zu haben brauchte, so sind doch schon das Überwiegen der Verwaltungsbeamten und die große Zahl der von anderen Seiten kommenden Wünsche Grund genug, um eine straffe und zielsichere Erfüllung der wirtschaftswichtigen Aufgaben zu hemmen."77 Studders erwog in dieser Phase noch einen Beitritt der Merton-Gesellschaft zum Stifterverband der Notgemeinschaft, stellte aber jetzt als Essential heraus, daß die Notgemeinschaft bereit sein müsse, „der Wirtschaft entsprechenden Einfluß einzuräumen. Dies gilt für das Präsidium und für die maßgeblichen Organe der Geschäftsführung." Jetzt war die Linie der MertonGruppe festgelegt. Wie sehr die Interessen dieser beiden Richtungen in der Tat noch auseinanderklaff76 Vgl. die Würdigung von Vits durch Langenbruch, Theodor: Ernst Hellmut Vits, in: Wuppertaler Biographien, 9. Folge, Wuppertal 1970, 3-31, der auch auf die Münsteraner Aktivitäten eingeht. 77 Studders an Merton vom 21. Januar 1949 (AMG, NL Merton).
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ten, macht ein Brief Mertons vom 12. Januar 1949 an den befreundeten Journalisten Hans Achinger deutlich, d.h. einen Tag nach der Kölner Gründung der Notgemeinschaft, in dem er von seinen Bemühungen sprach, eine „Kollision zwischen den Bestrebungen des von mir vertretenen ,Gründerkreises' und den Bestrebungen der Kultusminister betr. die Gründung einer Notgemeinschaft zu vermeiden." Er habe rechtzeitig vorgeschlagen, Fühlung miteinander aufzunehmen, um einen doppelten Zugriff auf die Spenden der Wirtschaft zu vermeiden. Was ihn an der Gründung der Notgemeinschaft störe, sei die starke Stellung der Kultusminister und damit des Staates. Damit bestehe die Gefahr, daß „politische Instanzen und deren bürokratische Vertreter bei der Durchführung der Aufgaben das entscheidende Wort sprechen." Ihm schwebe dagegen ein „gebührender Einfluß der Wirtschaft" auf die Mittelvergabe vor, so wie dies im alten Stifterverband unter Schmidt-Ott der Fall gewesen sei.78 Am 22. Januar tat Merton den nächsten Schritt, um mögliche Komplikationen auszuräumen und traf sich mit dem Präsidenten der Notgemeinschaft, Prof. Geiler, dem Juristen und (zwischen 1945 und 1947) ehemaligen hessischen Ministerpräsidenten. Aus Mertons unmittelbar danach niedergeschriebenem Bericht an Studders geht hervor, daß dabei einige Mißverständnisse ausgeräumt werden konnten. Insbesondere habe Geiler Verständnis für die Kontrollwünsche der Wirtschaft gehabt, andererseits erwies sich Merton als lernfähig hinsichtlich der notwendigen breiten Förderung aller Wissenschaften durch die Mittel der Wirtschaft, die ihm Geiler dringend nahegelegt hatte. In diesem Sinne hatte ihm inzwischen auch Reusch geschrieben.79 Studders zeigte sich zu diesem Zeitpunkt noch skeptisch über die Rolle der Notgemeinschaft und auch ihres Präsidenten und riet deshalb zu einer gewissen Zurückhaltung. Ein Bericht Geilers an Schmidt-Ott vom 31. März 1949 zeigt aus der Perspektive der Notgemeinschaft den gleichen Vorgang und belegt zugleich, daß auch dort selbstkritisch nachgedacht wurde: „In der Mitgliederversammlung am 22./23.4. in München soll auch die Max-Planck-Gesellschaft aufgenommen werden... (Es) soll eine Aussprache mit Prof. Heisenberg stattfinden, ebenso mit verschiedenen Herren der Wirtschaft, insbesonders Herrn Richard Merton, der die Führung einer Wirtschaftsgruppe übernommen hat, die Geldmittel für Forschungszwecke aufbringen will. Hoffentlich gelingt es, diese Gruppe als Stifterverband mit der Notgemeinschaft in Verbindung zu bringen. Es zeigt sich jetzt doch, daß die Vorbereitung der Gründung der neuen Notgemeinschaft, an der ich noch nicht mitwirkte, in mancher Beziehung vielleicht ein wenig anders hätte erfolgen sollen, als dies geschehen ist. So entsteht immer wieder die unrichtige Auffassung, daß die jetzige Notgemeinschaft in einer Abhängigkeit von den Kultusministem steht, was faktisch doch gar nicht der Fall ist. Es wäre natürlich verhängnisvoll, wenn sowohl die Wirtschaft wie der Forschungsrat sich außerhalb der Notgemeinschaft stellen würden, und es muß hier unbedingt versucht werden, Brücken zu schlagen und möglichst eine Eingliederung herbeizuführen." 80
78 AMG, NL Merton, Akte Stifterverband. 79 Merton an Studders vom 2 2 . 1 . 4 9 (AMG, NL Merton). 80 BAK, B 227, Nr. 1.
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Natürlich bildete die Frage der Beteiligung der Wirtschaft an der Notgemeinschaft ein wichtiges Thema der ersten Mitgliederversammlung in München am 22. April. Präsident Geiler berichtete über die Bemühungen des Präsidiums, die Mittel der Notgemeinschaft durch Zuschüsse der Wirtschaft zu erhöhen. Ziel der Verhandlungen, die insbesondere mit den Mitgliedern des sog. Merton- Ausschusses stattgefunden hätten, sei, die verschiedenen Ansätze für Zusammenschlüsse innerhalb der Wirtschaft durch die Gründung eines Stifterverbandes der Notgemeinschaft aufzufangen. Eine Zersplitterung auf diesem Gebiet müsse unter allen Umständen vermieden werden. Geiler betonte, daß die Kultusminister keinen überwiegenden Einfluß in den Organen der Notgemeinschaft hätten. In den entscheidenden Gremien, Hauptausschuß und Kuratorium, hätten die wissenschaftlichen Mitglieder die absolute Mehrheit. Die Wirtschaft strebe eine Machtstellung bei der Verteilung ihrer Mittel an. Es sei verständlich, daß die Kreise, die die Mittel aufbrächten, bei der Verteilung mitwirken wollten. Man müsse deshalb der Wirtschaft einen Einfluß in den Organen der Notgemeinschaft einräumen, der der Höhe ihrer Zuschüsse entspreche. In dieser Richtung sei auch mit Vertretern der Wirtschaft verhandelt worden. Vizepräsident Zierold wies daraufhin, daß in den Organen der Notgemeinschaft der Einfluß des Staates heute geringer sei als vor 1933, wo dem Reichsinnenministerium bei der Verteilung der Mittel ein Vetorecht zugestanden habe. Er berichtete auch über seine Verhandlungen mit Vertretern der Militärregierungen und des britischen Foreign Office über Sinn und Aufgaben der Notgemeinschaft. Von den ausländischen Stellen sei besonders die Tatsache begrüßt worden, daß die wissenschaftlichen Mitglieder in allen Gremien die Mehrheit hätten.81
Die Reaktion der Wirtschaft auf die Aktivitäten der Notgemeinschaft Wie reagierte nun die Wirtschaft auf das fait accompli der Kölner Gründung der Notgemeinschaft, die ohne jede Beteiligung der Wirtschaft erfolgt war, wie man dort spitz bemerkt hatte? Zunächst stand die Wirtschaft unter dem besonderen Druck der Geldknappheit nach der Währungsreform des Sommers 1948, sie ermangelte weiterhin einer wirksamen Gesamtvertretung ihrer Interessen. Gleichwohl war es in Schönberg am 3. November 1948 zu der Absichtserklärung gekommen, eine „Gesellschaft zur Förderung von Forschung und Lehre" zu gründen, ohne daß dem aber schon öffentliche Aktionen gefolgt wären, denn man wollte den Plan einer Spendenaktion der Wirtschaft erst dem „Koordinationsausschuß der Kammern und Verbände" zur Beschlußfassung vorlegen. Die Kölner Notgemeinschaftsgründung ohne Heranziehung von Vertretern der Wirtschaft nährte dort den Verdacht, „daß die Kultusministerien der Länder auf die Arbeiten der Notgemeinschaft einen entscheidenden Einfluß" ausüben wollten. Bei dieser Struktur sei „die Gefahr verwaltungsmäßiger Hemmungen, ja vielleicht auch eine solche politischer Einflüsse, nicht von der Hand zu weisen." In diesem Sinne argumentierte auch Studders, der beharrlich sein Ziel der Verankerung der Idee eines „Bildungsfonds" in den Verbänden und Kammern verfolgte. Die 81 Der Bericht stützt sich auf das Protokoll der Mitgliederversammlung in NHSA, Nds. 401, 125.
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einfachste Lösung des Problems, so schrieb er Reusch noch im Januar 1949, liege darin, daß er die Mittelaufbringung für die Notgemeinschaft und die Geschäftsführung des Stifterverbandes selbst übernehme und so die Koordination der Mittelbeschaffung in seiner Person gegeben sei. Neben seinen schon erwähnten Aktivitäten trat er an die Geschäftsführer der Wirtschaftsverbände heran, die sich bislang in Arbeitsgemeinschaften organisiert hatten. Am 7. Februar traf er sich mit Dr. Frentzel, dem Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft der IHK, und Dr. Beutler von der Arbeitsgemeinschaft Eisen und Stahl und der Verbindungsstelle zu den wirtschaftlichen Verbänden. Hier wurde vereinbart, die Frage des „Bildungsfonds" auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung des „Koordinationsausschusses" von IHK und Industrieverbänden zu setzen, dazu sollten auch Vertreter der Banken, des Handels, des Verkehrs und der Landwirtschaft gebeten werden. Zusätzlich sollten die Herren des „Gründerkreises" eingeladen werden, denn man wollte am 11. März zur offiziellen Gründung schreiten, die Satzung unterzeichnen und die ersten Wahlen durchführen. Zu diesem Zweck hatte Studders bereits Kontakt mit dem zuständigen Frankfurter Registerrichter aufgenommen. Als Ziel der Sammelaktion wurde hier schon ein Gesamtaufkommen von 10 Mio. DM genannt, das nach dem Schlüssel der Anteilszeichnungen zur neuen „Industrie-Kreditbank" aufgebracht werden sollte. Für deren Gründung war ein Kapital von 20 Mio. DM gezeichnet worden, das nach einem Schlüssel verteilt worden war, der sich aus der halbierten Addition von Umsatz und Lohnsumme ergab.82 Damit schien von Seiten der Wirtschaft zunächst einmal alles getan, was zur Vorbereitung der Gründung bewerkstelligt werden konnte. Strittig war noch, ob man zu dieser Sitzung einen „werbewirksamen" Vortrag von Otto Hahn einplanen sollte. Mit der Person Otto Hahns kam natürlich auch die Max-Planck-Gesellschaft ins Spiel, die aber bislang bei den Verhandlungen außer acht gelassen worden war. Sie war bekanntlich auch nicht zur Gründung der Notgemeinschaft eingeladen worden. Erst auf der ersten Mitgliederversammlung in München hat man die Max-Planck-Gesellschaft in die Notgemeinschaft aufgenommen. Dieser sehr knappe Zeitplan konnte jedoch nicht eingehalten werden. Der Koordinationsausschuß mußte seine Sitzung zunächst auf den 31. März vertagen, doch auch zu diesem Termin konnte die Frage eines „Bildungsfonds" noch nicht behandelt werden. Der zaudernde Merton schlug mit Blick auf die problematische Liquiditätslage der Unternehmen ein weiteres Abwarten vor, nach dem Sommer würden die Aussichten sehr viel günstiger eingeschätzt und damit würde sich die Bereitschaft der Industriellen zu einer Wissenschaftsspende erhöhen.83 Als Studders Mitte April einen Zwischenbericht über den Stand der Dinge und damit zugleich klare Richtlinien für die weitere Behandlung der Frage formulierte, verwies er auf die Tatsache, daß nach einem 82 Vgl. dazu die Darstellung bei Cassier, Siegfried C.: Biographie einer Unternehmensbank. Der Weg der Industriebank AG- Deutsche Industriebank und der langfristige Industriekredit in Deutschland, Frankfurt am Main 1977, 160 ff. 83 AMG, NL Merton, Ordner Dr. Gummert 1949-1951, Merton an die Mitglieder des Schönberger Kreises o.D.(nach dem 16. April 1949, da Merton den von diesem Tage datierten Arbeitsbericht von Studders mitversandte).
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Gespräch zwischen Reusch und Zierold der Vorstand der Notgemeinschaft „offenbar immer noch von der falschen Auffassung" ausgehe, „daß der Stifterverband das von ihm aufgebrachte Geld in toto an die Notgemeinschaft gibt und daß deren Organe über die Verwendung der Mittel beschließen." Weiter schrieb er: „Es handelt sich hier um die Frage, ob die Wirtschaft die Entscheidung über die von ihr aufgebrachten Mittel ,im eigenen Hause' oder ,im fremden Hause' vornehmen will... Die Zusammensetzung des für die Beschlußfassung maßgeblichen Organs der Notgemeinschaft (Hauptausschuß) wird immer so sein, daß die Vertreter der Wirtschaft majorisiert werden können. Der Vorstand der Notgemeinschaft operiert mit dem Hinweis, daß die Militärregierung einen überwiegenden Einfluß von Wirtschaftskreisen auf die Beschlußfassung der Notgemeinschaft niemals zugestehen würde. Will sich die Wirtschaft trotzdem die Entscheidung sichern, so muß sie eine Lösung der Beschlußfassung ,im eigenen Hause' anstreben."84
Studders war freilich kundig genug, um einerseits zu erkennen, daß das Argument der Militärregierung aus ganz anderer Richtung kam, sah andererseits aber auch, daß Mertons Beharren auf starker Beteiligung der Wirtschaft in der Notgemeinschaft dort den Verdacht nähren mußte, daß ein „geschlossener und zu starker Einfluß der Wirtschaft auf die Wissenschaft" ausgeübt werden solle oder daß gar die Freiheit von Forschung und Lehre bedroht sei. Angesichts der damit zunächst reduzierten Aktivitäten des Merton-Kreises, der sich freilich über die weitere Strategie gegenüber der Notgemeinschaft seit Anfang Februar einig war, war jetzt die Notgemeinschaft am Zug. Prof. Geiler lud Mitglieder des Merton-Kreises zu einer Sitzung nach Wiesbaden am 18. Mai 1949 ein, auf der ein Organisationskomitee unter Merton und Vits zur Gründung eines Stifterverbandes gebildet wurde. Schon auf dieser Sitzung hatte Vits seine von Merton abweichende Meinung zu Protokoll gegeben. Da er nur sehr geringe Mittel aus der Wirtschaft erwartete, plädierte er auch für die von der Seite der Wissenschaft präferierte Lösung eines Stifterverbandes in der Notgemeinschaft. Um diese Absicht zu verwirklichen, lud Vits seinerseits für den 23. Juni in Abwesenheit Mertons und Reuschs - beide hielten sich in Amerika auf zu einer weiteren Sitzung nach Wiesbaden ein, offensichtlich um die Gründung eines Stifterverbandes im Sinne der Notgemeinschaft einzuleiten. Eindringliche Warnungen von Studders schlug er dabei in den Wind. Daß Merton und Reusch in Nordamerika sein würden, sah er nicht als Hindernis an.85 Vits, „in hohem Maße mit einem Instinkt zur Macht begabt", wie Ludwig Vaubel, sein Nachfolger im Vorstandsvorsitz der VGF, rückblickend einmal schrieb,86 wandte 84 Undatiertes Papier von Studders nach dem 31.3.49 (AMG, NL Merton). 85 Ohne der Tatsache zu viel Bedeutung beimessen zu wollen, ist festzustellen, daß Vits Geiler aus anderem Zusammenhang schon kannte. Geiler hatte für die Fa. Glanzstoff, deren Generaldirektor Vits war, 1947 ein Vits Position stützendes Gutachten betr. die Rechtslage in der Auseinandersetzung zwischen der VGF und der niederländischen AKu verfaßt, die für Vits damals von besonderer Bedeutung war. Vgl. Vaubel, Ludwig: Zusammenbruch und Wiederaufbau. Ein Tagebuch aus der Wirtschaft 1945-49, hg. von W. Benz, München 1984, 221. 86 In einer von Vaubel verfaßten Chronik der VGF im AKZO-Archiv. - Über Vit's Einstieg in
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sich damit expressis verbis gegen den Plan Mertons, einen umfassenden Stifterverband ins Leben zu rufen, obwohl auch dieser ihn brieflich um Zurückhaltung in der Frage gebeten hatte. Vits stellte jetzt eine klare Alternative zwischen dem Merton-Plan einer „Gesellschaft zur Förderung von Forschung und Lehre" und der Gründung eines Stifterverbandes her. Angesichts der pessimistisch eingeschätzten Lage der Wirtschaft müsse man diesen Plan fallenlassen und einen Stifterverband nur für die Notgemeinschaft gründen. Damit fiel Vits auf einen Diskussionsstand zurück, den die MertonGruppe längst überwunden hatte, wo man über die Spenden der Wirtschaft „im eigenen Hause" entscheiden wollte. Obwohl sich die Mehrheit der in Wiesbaden versammelten Wirtschaftsführer offenbar für die Notgemeinschafts-Lösung aussprach und alles auf eine entsprechende Beschlußfassung hinauslief, schreckte man erstaunlicherweise vor dem Gründungsbeschluß zurück, aber nicht etwa wegen des Fehlens von Merton oder Reusch, sondern wegen der Sorge, nicht breit genug vertreten zu sein, um einen solch weitreichenden Beschluß hinreichend abzusichern. Für Studders, der Merton sorgenvoll über diese Entwicklung berichtete und auch nicht vergaß, die „Illoyalität" von Vits zu erwähnen, der noch nicht einmal Merton in den Satzungsausschuß nehmen wollte, wurde hier ein klarer Dissens erkennbar, der sich in dem für ihn bemerkenswerten Akt ausdrückte, daß immerhin der Vorsitzende des „Organisationsausschusses" - Richard Merton - aus dem Unternehmen ausgebootet werden sollte. Natürlich führte dieser Schritt Vits' zu teilweise heftigen Reaktionen bei der Gruppe um Merton, weniger bei Merton selber, der Vits aus seiner Tätigkeit im Aufsichtsrat der VGF vermutlich gut kannte, als bei anderen. Nicht nur Studders war empört über sein Vorgehen, zumal er ihn wie Merton und Reusch eindringlich gebeten hatte, nicht die Versammlung einzuberufen, sondern auch Hermann Reusch ließ es an Deutlichkeit angesichts der „wenig erfreulichen Entwicklung" nicht fehlen. An Gummert schrieb er, er sei „etwas befremdet darüber, daß Herr Vits in Abwesenheit von Herrn Merton, der die Dinge bisher bearbeitet hat, die Aussprache mit den Beamten (!) der Notgemeinschaft erzwungen"87 habe. An Merton selbst schrieb er, der Ehrgeiz, den Vits plötzlich entwickle, richte nur Schaden an: „Es ist mir unverständlich, warum er sich jetzt auf einmal nach vorne drängt. Die Textilindustrie hat bisher mehr oder weniger versagt, wenn es sich um die Aufbringung von Geldmitteln für allgemeine Zwecke handelt."88 Vits selber berichtete zwei Tage nach der Sitzung an Merton und Reusch und antizipierte deren mögliche Kritik mit der - objektiv unrichtigen - Bemerkung, er sei nicht in die Führungsposition der VGF im Jahre 1940 informiert seine Omgus-Akte (2/195/4), darin das Protokoll seines Verhörs im März 1946. Danach unterliegt es keinem Zweifel, daß Vits als Wunschkandidat Hans Kehrls das Amt antrat, freilich auch mit der starken Rückendeckung von Hermann J. Abs, dem Vorsitzenden des Aufsichtsrats. Ebd. auch einige treffende Bemerkungen zu seiner Position als „Wehrwirtschaftsführer". In die Partei war Vits 1941 auf Druck örtlicher Stellen eingetreten, ohne irgendwelche Funktionen auszuüben. Unklar bleibt eine nur wenige Tage dauernde Geschäftsführerrolle von Vits in der „Deutschen Treuhandgesellschaft für Umsiedlung". 87 Reusch an Gummert vom 4. Juli 1949 (RWWA, GHH, 400101460/26). 88 Reusch an Merton vom vom 21. Juli 1949 (ebd.).
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diese Sitzung gegangen, um dort übereilte Beschlüsse zu fassen. Er beschwerte sich später über die kritische Haltung eben jenes Dr. Studders, der auftragsgemäß die Interessen Mertons vertreten hatte. Auch andere Quellen belegen, daß in der Wirtschaft durchaus unterschiedliche Bewertungen für ein Engagement in der Wissenschaft existierten. So machte etwa Hans-Helmut Kuhnke, der 1974 selbst Vorstandsvorsitzender des Stifterverbandes werden sollte, 1949 nach einem Gespräch mit Kurt Zierold in einem Brief an einen engen Mitarbeiter Karl-Heinz Sohns eine sehr nüchterne Rechnung auf, die zunächst einmal die elementare Verpflichtung des Staates für die Ausbildung und Forschung betonte: „Es kann nicht die Aufgabe der deutschen Wirtschaft sein, den Kultur-Etat der Öffentlichen Hand zu entlasten." Auf der anderen Seite sah Kuhnke ein „überragendes und geradezu lebenswichtiges Interesse daran, daß die deutsche wissenschaftliche Forschungsarbeit in möglichst großem Umfange wieder aufgenommen, fortgesetzt und erweitert wird." Die Wirtschaft habe jedoch vorrangiges Interesse an der angewandten Forschung, aber „kein unmittelbar eigenes Interesse an der allgemeinen Förderung des akademischen Nachwuchses" oder an der Förderung einzelner Universitäten. Wenn man sich entschließe, wieder einen Stifterverband zu gründen, so müsse man sehr genau die Wünsche der Wirtschaft im Auge haben, die Spezialinstitute und Forschungsarbeit fördern wolle.89 Kuhnke vertrat in diesem Schreiben, das er auch anderen Industriellen (u. a. Henle und Jarres) zugehen ließ, im wesentlichen die gleiche Position, die Albert Vogler und Carl Duisberg 1920 durchgesetzt hatten, als sie Hals über Kopf die Helmholtz-Gesellschaft gründeten, weil sie der breiten Förderungsabsicht der Notgemeinschaft unter Schmidt-Ott und Harnack nicht trauten. Daß die Notgemeinschaft - und hier vor allem der verantwortliche „Macher", der Geschäftsführende Vizepräsident Dr. Zierold - natürlich höchst interessiert daran war, einen Stifterverband in möglichst enger Bindung an die Notgemeinschaft zu konstituieren, liegt auf der Hand. Angesichts der selbständigen und gesicherten Stellung der Max-Planck-Gesellschaft und der unklaren, aber zunächst vom Bund gestützten Rolle des konkurrierenden „Deutschen Forschungsrates" unter Werner Heisenberg mußte es ihr darum gehen, den alleinigen oder doch weitgehenden Zugriff auf die Gelder der Wirtschaft zu erhalten, um damit ihre Position in den kommenden Auseinandersetzungen zu stärken. Tatsächlich zeigte sich bei den Querelen zwischen dem „Deutschen Forschungsrat" und der „Notgemeinschaft" im Jahre 1951, daß sich der Stifterverband eindeutig für den Gedanken der „Notgemeinschaft" aussprach und damit letztlich auch Erfolg hatte. Möglicherweise verdankt sich die schließliche Durchsetzung des föderalistischen Konzepts der „Notgemeinschaft" gegenüber dem „zentralistischen" Forschungsrat sogar der eindeutigen Position des Stifterverbandes, der hier größere Einwirkungsmöglichkeiten erwarten durfte. Ein Telegramm Gummerts an Merton über die Stimmung unter Bonner Parlamentariern am Vorabend der Entscheidung über die Fusion legt eine solche Interpretation nahe:
89 Kuhnke stellte selbst diesen Brief vom 24.3.1949 im Jahre 1964 dem Archiv des Stifterverbandes zur Verfügung. Vgl. Anhang, Dokument Nr. 7!
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„der grundtenor der gestrigen privatunterhaltungen war, dass wenn überhaupt, nur dann durch den stifterverband eine einigung zwischen forschungsrat und notgemeinschaft erzielt werden könnte." 90
Für die Wirtschaft - so wie Studders in Übereinstimmung mit seinen Auftraggebern deren Interessen formulierte - mußte es darum gehen, eine Organisation zu bilden, die ebenfalls die Bedürfnisse anderer Wissenschaftsorganisationen bedienen konnte. Auch müsse bei aller Würdigung der Grundlagenforschung die angewandte Forschung zum Zuge kommen. Damit sprach Studders eine Grundangst der Wirtschaft vor allem gegenüber der Max-Planck-Gesellschaft aus. Immerhin wurde im Sommer eine Reihe von Versuchen unternommen, die aufgetretenen Mißverständnisse zwischen Notgemeinschaft und Gründerkreis zu beheben. Schon im März 1949 hatte Zierold auf einer von Reusch initiierten Sitzung mit Industriellen die Unabhängigkeit der Notgemeinschaft von den Länderregierungen betont. Im August sorgte ein Brief von Prof. Walther Gerlach, dem Münchener Physiker, Rektor der Ludwig-Maximilians-Universität, Vizepräsidenten der Notgemeinschaft und ersten Präsidenten der Fraunhofer-Gesellschaft, für eine gewisse Entspannung in Kreisen der Wirtschaft. Er schrieb sowohl an Fritz Gummert wie an Alfred Petersen, den Präsidenten der Frankfurter Handelskammer, die er beide offensichtlich gut kannte, und warnte in freundschaftlich-kollegialem Ton vor einer Übertreibung der Differenzen zwischen Notgemeinschaft und Wirtschaft. Es sei „einfach nicht wahr", daß die Notgemeinschaft in der Abhängigkeit der Kultusminister stehe, er sah eher persönliche Antipathien am Werk. Die Wirtschaft dürfe nicht inkonsequent sein und der Notgemeinschaft vorwerfen, von den Länderregierungen abhängig zu sein, während sie diese selbst „bemuttern" wolle. Zudem konnte Gerlach mit Zahlen belegen, daß die ersten Bewilligungen der Notgemeinschaft sowohl bei den Sach- wie bei den Personalmitteln ein deutliches Übergewicht für die angewandte Forschung auswiesen.91 Gerlach betonte auch, daß die Notgemeinschaft desto unabhängiger gegenüber der Politik auftreten könne, je stärker sie von der Wirtschaft unterstützt werde. Dies ist ein Argument, das sich wie ein roter Faden durch die gesamte Geschichte der Notgemeinschaft/DFG ziehen sollte, und bis heute Gültigkeit behalten hat.92 Zum letzten Mal vor der Gründung trafen die Kontrahenten - so wird man sagen dürfen - am 3. August 1949 in Bad Godesberg zusammen, als die Satzungsfrage für den Stifterverband anstand. „Herr Merton eröffnet die Sitzung mit dem Hinweis darauf, daß er eine andere Meinung wie Herr Vits über die Organisation des Stifterverbandes vertrete." Er betonte noch einmal die besondere Dringlichkeit der angewandten Forschung, da sich die Max-Planck-Gesellschaft mit großen Mitteln der Grundlagenforschung widme. Reusch kam deutlicher zum entscheidenden politischen Punkt: Die Wahlen zum Bundestag könnten so ausgehen, daß eine Richtung an die Macht komme, „deren 90 Telegramm Gummert an Merton v. 2 4 . 3 . 5 0 in: AMG, NL Merton, Akte Dr. Gummert. 91 Kopie des Briefes von Gerlach an Gummert vom 8.8.1949, der unmittelbar nach einer Vorstandssitzung der Notgemeinschaft geschrieben worden war (NL Reusch und NL Merton). 92 Ich benutze hier die Fassung des Briefs von W. Gerlach an Petersen vom 8 . 8 . 4 9 in ADFG, 10, Heft 1.
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Politik die industriellen Verbände nicht billigten." Wenn sich der Stifterverband von einer zu engen Bindung an die Notgemeinschaft freihalte, könne er weitere Förderkreise ansprechen. Er verwies auf die gleichlautende Position der Kohleindustrie (Heinrich Kost) und der Eisenhüttenleute. Vits nutzte die Gelegenheit noch einmal, um die Differenz zwischen Merton und Reusch einerseits und den Beschlüssen der von ihm einberufenen Juni-Sitzung andererseits zu verdeutlichen, die auf einen Stifterverband der Notgemeinschaft hinausliefen. Auch bat er Merton dringend zu verhindern, daß Studders „eine eigene Politik" betreibe: So wie sich Herr Studders das letzte Mal benommen habe, gehe es nicht. Er jedenfalls sei nicht bereit, das noch einmal mitzumachen. Vit's Interpretation jener Sitzung vom 23.6. wurde jedoch von einem anderen Teilnehmer bezweifelt, denn eben die Frage der Organisation sei damals noch offen geblieben. Damit war diese Differenz innerhalb der Wirtschaftsvertreter vom Tisch, jetzt konzentrierte sich die Diskussion auf die verbale Fassung der Nähe oder Distanz des Stifterverbandes zur Notgemeinschaft. Geiler machte gegenüber den Bedenken von Merton und Reusch, die „ja eine eigene und selbständige Organisation haben sollten", erneut deutlich, daß die Notgemeinschaft die gesamte angewandte Forschung vertrete, sogar die Physikalisch-Technische Anstalt wolle der Notgemeinschaft beitreten. Die Max-Planck-Gesellschaft verfüge ohnehin über eine hinreichende Finanzierung. Wem also wolle die Wirtschaft denn überhaupt noch Mittel zukommen lassen, wenn nicht allein der Notgemeinschaft? Sie bedürfe der festen Bindung an den Stifterverband, um eine gewisse Budgetsicherheit zu haben. Diese lange und sehr freimütig geführte Aussprache führte dann zu einigen Umstellungen und Neuformulierungen im Satzungsentwurf, die jetzt Fritz Gummert übertragen wurden. Über die Einzelheiten der kommenden Gründungssitzung war man sich relativ schnell einig. 93 Nun galt es in der praktischen Arbeit jenes erhebliche „Maß an Mißtrauen und Übelwollen" abzubauen, das - wie Studders resümierend feststellte - in den letzten Monaten zwischen Industrie und Notgemeinschaft entstanden war. Eine weitere Komplikation erfuhren die Vorbereitungen zur Gründung des Stifterverbandes dadurch, daß am 23. August Merton in einem vertraulichen Schreiben an Reusch seine Zweifel formulierte, ob er für das Amt des Vorsitzenden der geeignete Mann sei. Je länger er sich die Sache überlege, desto klarer werde ihm, „daß ich persönlich für den Vorsitz überhaupt nicht in Frage kommen kann. Abgesehen davon, daß ich mich sachlich für nicht so qualifiziert halte, habe ich auch nicht die nötige Zeit." Er verwies auf seine Aktivitäten bei der Frankfurter IHK und im deutsch-französischen Wirtschaftsausschuß und empfahl statt dessen den ehemaligen Chef der AEG, Geheimrat Bücher, der zu dieser Zeit in Frankfurt lebte. Sogar den „Kelch eines stellvertretenden Vorsitzenden" bat er an sich vorübergehen zu lassen. Am gleichen Tag schrieb er auch an Studders, den er schon früher über seinen Verzicht informiert hatte, aber ungleich dezidierter als an Reusch: „Wie ich Ihnen neulich schon sagte, kandidiere ich nicht für den Posten des Vorsitzenden und würde auch nur ungern einen stellvertretenden Vorsitzendenposten übernehmen." 93 Das nur für interne Zwecke der NG bestimmte elfseitige Protokoll in ADFG 10, Heft 1.
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Das war für Reusch und Studders zweifellos ein Schock. Zwar hatten Studders und Reusch sehr wohl gesehen, daß Mertons Engagement für die Sache des Stifterverbandes an gewisse Grenzen stieß - er war schließlich bereits 68 Jahre alt und mit einer Vielzahl von Ämtern und Aufgaben belastet94 - doch wollten sie auf Merton keinesfalls verzichten. Besonders Studders drängte Merton jetzt mit starken Argumenten, sich der Aufgabe nicht zu entziehen: „Ich bitte, es mir nicht zu verübeln, wenn ich Ihnen zu der Frage des Vorsitzes wiederum mit einer abweichenden und Ihnen bereits bekannten Auffassung unter die Augen trete. Ich stimme Ihnen völlig zu, daß Sie sich auf die längere Dauer gesehen mit einer solchen Aufgabe nicht belasten können. Aber ich bitte Sie um Verständnis dafür, daß im vollsten Einverständnis aller Herren, die sich mit der Gründung dieser Gesellschaft befaßt haben, Ihnen gewissermaßen das Mandat der Wirtschaft übertragen worden ist. Dies ist so oft bei den Vorbesprechungen zum Ausdruck gekommen, daß ich es im einzelnen nicht zu begründen brauche. Bestimmt ist bei diesem Wunsche aus der Wirtschaft, Sie an der Spitze einer solchen Aktion zu sehen, nicht nur - um mit Herrn Dr. Vits zu sprechen - Ihr .internationales standing' dafür maßgebend gewesen, sondern ich glaube vielmehr, es war die Tatsache, daß mit einer Sorge um die Wissenschaft der Name ,Merton' nicht nur seit zwei Jahren, sondern seit mehr als 50 Jahren verbunden ist. Die Verehrung, die ich von je her für das Lebenswerk Ihres Herrn Vater empfunden habe, gibt mir deshalb auch heute den Mut, Sie erneut darum zu bitten, sich wenigstens für das erste Jahr dem Vorsitz der Gesellschaft nicht zu entziehen und damit den Namen ,Merton' auch mit diesem Werke zu verbinden. Neben diesem Hauptgrund möchte ich aber auch nicht unerwähnt lassen, daß Ihre Ablehnung des Vorsitzes den Eindruck erwecken könnte, als hätte die Entwicklung nicht den Lauf genommen, den Sie selbst ihr immer geben wollten. Dies wäre besonders im Hinblick auf die Auseinandersetzung mit der Notgemeinschaft eine sehr unerwünschte Begleiterscheinung."95
Die Person Richard Mertons An dieser Stelle ist es vielleicht angemessen, einen näheren Blick auf den Mann zu werfen, um den sich jetzt Reusch und Studders intensiv bemühten. Aus einer jüdischen Unternehmerfamilie Frankfurts mit stark entwickeltem sozialen Engagement stammend, gehört Richard Merton zweifelsohne zu den herausragenden deutschen Wirtschaftsführern des 20. Jahrhunderts. Merton war schon während des Ersten Weltkrieges durch seine eigenständige Kontraposition zur Schwerindustrie aufgefallen. Als Mitarbeiter General Groeners hatte er mit dessen Billigung die berühmte Denkschrift vom 12. Juli 1917 „Über die Notwendigkeit staatlicher Eingriffe zur Regelung der Unternehmensgewinne und Arbeiterlöhne" verfaßt, die eine staatliche Regulierung vor allem der Unternehmensgewinne empfahl, die Merton als unsittlich hoch empfand. Als er wegen der von Seiten der Industrie und Politik auf ihn niederprasselnden Kritik zur Strafe an die Front versetzt werden sollte, war es ein Major Kurt von Schleicher, der ihn mit der Bemerkung erneut in eine Stabsstelle einwies, er wolle ihn nicht totschießen lassen, denn „wir können Sie noch 94 Vgl. dazu Achinger: Richard Merton, 304 ff. 95 Studders an Merton am 29.8.49 in AMG, NL Merton, Ordner Studders.
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woanders besser gebrauchen." 96 Merton erlebte das Ende des Ersten Weltkriegs in Begleitung General Groeners, dessen engster Berater in ökonomischen Fragen er weiterhin blieb. Am Tage des Kapp-Putsches war Groener sein Gast in Frankfurt und Merton beschwor ihn zu einem Telegramm an Hindenburg, das diesem von jeder Unterstützung der Putschisten abriet. Seine besondere Bedeutung liegt u. a. darin, daß er während der Weimarer Republik zu den sozial und politisch aktiven Wirtschaftsführern gehörte (DVP-Mitglied des Reichstags), der sich in entscheidenden Fragen freilich von den Vertretern der rheinisch-westfälischen Schwerindustrie unterschied.97 Er wurde seit 1934 durch die nationalsozialistischen Rassengesetze mehr und mehr gezwungen, seine Leitungsfunktion im Konzern aufzugeben und sah nach gefährlich langem Abwarten und einem mehrwöchigen Aufenthalt im Konzentrationslager Buchenwald erst 1939 keine andere Möglichkeit mehr, als sein Heimatland in letzter Minute zu verlassen. Im englischen Exil erlangte er die englische Staatsbürgerschaft, was er gewiß seinen guten Beziehungen zu führenden englischen Industriellen und Politikern zu verdanken hatte. Nach seiner frühestmöglichen Rückkehr nach Frankfurt am Main und der Wiederaufnahme seiner Führungsposition in der Metallgesellschaft stellte sich Merton ohne jedes erkennbare Ressentiment wieder in den Dienst von Wirtschaft und Politik, der Kammer- und Verbandsarbeit und der Außenwirtschaftspolitik. In den 50er Jahren wurde er zu einem der prominentesten Vertreter der Wirtschaft, dessen Aktivitäten in Aufsichtsräten und in beratenden und internationalen Gremien kaum zu überblicken sind.98 Er verfügte über exzellente Beziehungen zu den führenden Politikern und empfand es in den späten 50er Jahren als beleidigend, wenn ein Brief an den Bundesminister für Wirtschaft nur von einem Referenten beantwortet wurde. Es kann also nicht erstaunen, wenn Merton schon 1948 von Geheimrat Kastl, der selbst nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten die Führung des Reichsverbandes der Industrie verlassen hatte, für die Aufgabe der Gründung eines neuen Stifterverbandes empfohlen wurde. Studders und Vits, die beide in der Industrie und in der industriellen Verbandsarbeit des Dritten Reiches groß geworden waren, wußten also genau, warum sie einen Mann wie Merton auf den Schild hoben. Überlegungen dazu, daß Merton auf Grund seiner Vergangenheit gewissermaßen die ideale Person für eine solche Aufgabe darstellte, finden sich in den Akten allerdings nicht. 96 Der Zusammenhang geschildert bei Gossweiler, Kurt: Großbanken, Industriemonopole, Staat. Ökonomie und Politik des staatsmonopolistischen Kapitalismus in Deutschland 1914-1932, Berlin 1971, 78-83. 97 Zu Merton vor allem Achinger: Richard Merton, und Merton, Richard: Erinnernswertes aus meinem Leben, das über das Persönliche hinausgeht, Frankfurt am Main 1955. Zu seiner Rolle 1917 und in der Krise 1930/31 vgl. zum einen Gossweiler: Großbanken, 78 ff. und zum andern Feldman, Gerald D.: Vom Weltkrieg zur Weltwirtschaftskrise. Studien zur Deutschen Wirtschafts- und Sozialgeschichte 1914-1932, Göttingen 1984, 230. - Eine für Mertens unternehmerische Rolle sicher wichtige Untersuchung der Geschichte der Metallgesellschaft bereitet Hans Pohl (Bonn) vor. 98 Vgl. auch die Charakterisierung Mertens und die Aufzählung seiner wirtschaftlichen und politischen Funktionen bei Albrecht, Karl: Aus den Lebenserinnerungen von Karl Albrecht, 1050.
138 Am 13. September 1949 war die „Gefahr" vorüber, die Vorsitzendenfrage endlich gelöst: Merton teilte Reusch mit, daß Geheimrat Bücher abgelehnt habe, und er fürchte, daß die Sache jetzt an ihm hängenbleibe. Tatsächlich blieb sie an ihm hängen, sogar bis 1955, als Merton sich schließlich zurückzog und Ernst H. Vits - sein Kontrahent von 1949 - das Amt für fast 15 Jahre übernahm. Nach dieser entscheidenden personellen Vorklärung trafen sich die Gründer noch einmal am 5. August zur Vorbereitung der Gründungsversammlung, die dann am 22. September in Frankfurt am Main im Großen Saal der Landwirtschaftskammer für Hessen stattfand. Die Gründungsversammlung Wie weit die personellen Vorklärungen gediehen waren, belegt die Tatsache, daß Merton diese Versammlung von Anfang an als Vorsitzender leitete und im Protokoll auch so tituliert wurde, ohne daß er schon formell gewählt gewesen wäre. Seine Wahl konnte erst in der Sitzung des auf der Gründungsversammlung gewählten Verwaltungsrates erfolgen, die unmittelbar im Anschluß daran stattfand. Fritz Berg schlug ihn als Vorsitzenden vor, und ohne weitere Aussprache erfolgte die Wahl. Am 23. Dezember beantragte Richard Merton den Eintrag der „Gesellschaft für Forschung und Lehre (Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft)" in das Frankfurter Vereinsregister. Die praktische Arbeit konnte jetzt beginnen, nachdem mit Merton, Reusch, Bücher und Gummert der Vorstand bestimmt und eine Reihe weiterer wichtiger Industrieller in den Verwaltungsrat gewählt worden waren." Es kam an dieser Stelle darauf an, den bislang in der einschlägigen Literatur vorherrschenden Eindruck zu widerlegen, als habe es sich bei der Gründung des Stifterverbandes bloß um einen Annex zur Notgemeinschaft gehandelt oder gar um die Wiederholung der Gründungskonstellation von 1920. Nachdem damals unter dem Druck der parallelen Gründung der Helmholtz-Gesellschaft nur ein sehr viel bescheidenerer Stifterverband als zunächst geplant realisiert werden konnte, gelang es 1949 schließlich, eine mit der Notgemeinschaft zwar eng kooperierende, aber institutionell unabhängige Organisation zu errichten. Wie zu vermuten, stellt sich die Geschichte der Gründung viel konfliktreicher und komplizierter dar, als dies üblicherweise gesehen wird. Wichtig erscheint vor allem, daß sich das Interesse der Industrie an einer gewissen Distanz zur Notgemeinschaft durchsetzte, wofür mehrere Gründe sprachen. Neben der Betonung der Unabhängigkeit der industriellen Spender, ihrer Sorge vor einer politisch fremdbestimmten Notgemeinschaft war vor allem der Wille entscheidend, sich als zentrale Schaltstelle industrieller Spendengelder zwischen Wirtschaft und Wissenschaft zu etablieren. Was man letztlich anvisierte, war eine herausragende forschungspolitische Machtstellung; sie zu erreichen, wurde in den nächsten Jahren die vorrangige Aufgabe für die Gründer des Stifterverbandes. Kontinuität zum alten Stifterverband? Herauszuheben ist auch eine gewisse Kontinuität zwischen den industriellen Spendenorganisationen während der Weimarer Republik und des Dritten Reiches einerseits und der Nachkriegszeit andererseits. Zunächst fällt auf, daß es mit Kastl, Cuntz und Stud99 Dazu w.u. 140 f.!
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ders drei Männer aus dem alten „Reichsverband" bzw. der „Reichsgruppe Industrie" waren, die 1948 - soweit dies erkennbar ist - den Gedanken eines „Bildungsfonds" der Wirtschaft für die Wissenschaft erstmalig formulierten. Dies waren Überlegungen, die letztlich auch bei der Gründung der „Förderergemeinschaft der deutschen Industrie" eine Rolle gespielt hatten, die sich 1942 angesichts des wenig forschungsfreundlichen Klimas der Kriegsforschung und -produktion um die Fortführung der Grundlagenforschung in Deutschland sorgte. Wenn auch in den bislang bekannt gewordenen Nachkriegsplanungen der „Reichsgruppe Industrie" aus den Jahren 1944/45 die Nachwuchsund Forschungsfragen offensichtlich keine entscheidende Rolle spielten,100 so legt doch sowohl die Zielsetzung der „Förderergemeinschaft" als auch die Herkunft der Neugründungspläne aus dem Umfeld dieser „Reichsgruppe" eine solche Deutung nahe.
g) Die Gründergeneration des Stifterverbandes Was trieb diese Männer, deren Aktivitäten, Reisen, Briefe, Telefonate und Sitzungen wir bislang verfolgt haben, eigentlich an, warum wurden sie in einer Organisation aktiv, die zweifelsohne einen schweren Start haben, vielleicht sogar ein Fehlschlag werden würde. Gerade bei Merton klingt manchmal die Last des Amtes durch, das er sich aufgehalst hatte: „Ich bin in der bedauernswerten Lage, für den Stifterverband überall um Stiftungen und Mitgliedsbeiträge zu betteln", schrieb er im Mai 1950 an Hermann J. Abs. Diese Männer waren ja keine Pensionäre, die nach einem neuen Betätigungsfeld suchten, sondern mitten in hoher beruflicher Anspannung stehende Wirtschaftsführer, die in ihren eigenen Firmen unter dem mannigfachen Druck von Exportproblemen, Währungsumstellungsfolgen, Rohstoffmangel und Dekartellisierungsvorschriften standen, ja z. T. auch um ihre eigenen Verträge bangen mußten. Zur Person von Ernst Hellmut Vits Gerade für einen Mann wie Vits läßt sich dieser Druck gut nachzeichnen, der 1946 noch Vernehmungen durch alliierte Kontrolloffiziere zu seiner Rolle im Dritten Reich zu überstehen hatte.101 Sein damaliger Mitarbeiter Ludwig Vaubel hat in seinem Tagebuch der Nachkriegsjahre die Fülle der Probleme festgehalten, die damals auf die Wirtschaft einstürmten, um so eindrucksvoller ist das Engagement über den eigenen Betrieb hinaus.102 1947 wurde Vits Vorsitzender der Freundesgesellschaft „seiner" Universität Münster, im Januar des gleichen Jahres wurde er in die Combined Control Coal Group in Essen berufen, und er wurde schließlich Vorsitzender des Ausschusses zur Vorbereitung des Gesetzes Nr. 75 der Militärregierung zur Neuordnung des Kohlebergbaus.103 100 Schumann, Wolfgang: Konzept für die „Neuordnung" der Welt. Die Kriegsziele des faschistischen deutschen Imperialismus im zweiten Weltkrieg, Berlin 1977 und ders.: Politische Aspekte der Nachkriegsplanungen des faschistischen deutschen Imperialismus in der Endphase des 2. Weltkrieges, in: ZfG 27,1979, 393-408. 101 Vgl. OMGUS, FINAD, 2/195/4 und 3/151-3/3 102 Vaubel, Ludwig: Zusammenbruch und Wiederaufbau. Ein Tagebuch aus der Wirtschaft 1945-49, hg. von W. Benz, München 1984, passim. 103 Darauf alleine bezieht sich der Teilnachlaß im BBA Bochum, Best. 76.
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Es steht also fest, daß es sich bei diesem Mann um einen besonders engagierten Wirtschaftsführer handelt, der in einer Vielzahl von Kontexten öffentliche Aufgaben übernahm. Er kann durchaus als exemplarischer Fall für jene Gruppe von Männern der Wirtschaft bezeichnet werden, die sich vor allem in der ersten Phase des neuen Stifterverbandes betätigt haben. Man kann Vits gleichsam als den Gegenpol zu Merton bezeichnen. Der eine hatte Deutschland aus rassischen Gründen verlassen müssen, der andere hatte unbestreitbar mit dem Dritten Reich Karriere gemacht. Der 1903 geborene Sohn eines protestantischen Hofpredigers hatte 1929 seine berufliche Laufbahn bei der Deutschen Revision und Treuhand AG begonnen, deren Justitiar er bald wurde. Schon 1934 in den Vorstand aufgerückt, kam er in dieser Funktion mit den Glanzstoffwerken in Berührung, deren Lösung vom bislang dominierenden niederländischen Partner AKU der nationalsozialistischen Wirtschaftspolitik tunlich erschien. 1939 trat Vits in die Dienste des Textilkonzerns und übernahm schon im folgenden Jahr - gestützt durch das Vertrauen des Sonderbeauftragten im Reichswirtschaftministerium Hans Kehrl und des Aufsichtsratsvorsitzenden Hermann Josef Abs - den Vorstandsvorsitz. Durch familiäre Bande eher dem protestantischen Widerstand gegen den Nationalsozialismus verbunden, wurde er gleichwohl Parteimitglied und Wehrwirtschaftsführer. In seiner Zeugenaussage vor dem Nürnberger Gerichtshof (IG-Farben Prozeß) erklärte er am 11. Mai 1948, daß die angeklagten Herren ebensowenig wie er selbst den Krieg gewollt hätten. „Als aber dann der Krieg ausgebrochen war, habe man auch keinen Sand in das Getriebe werfen, sondern dafür sorgen wollen, daß er gewonnen würde." Nach dem Krieg und den Verhören durch die britischen Besatzungsbehörden, die er mit großem Selbstbewußtsein über sich ergehen ließ, gewann Vits offensichtlich das Vertrauen der Besatzungsmacht. Er wurde als Generaldirektor auch zum „custodian" seines Werkes eingesetzt und wurde - wie erwähnt - zudem als einziger deutscher Vertreter in die Arbeitsgruppe zur Neuordnung des Ruhrkohlebergbaus berufen. Vits gelang es dank seines frühen Engagements für die synthetischen Fasern - schon vor dem Krieg hatte er eine Perlonversuchsanlage bauen lassen - , sein Unternehmen zu einem bedeutenden Textil- und Faserproduzenten auszubauen, dessen reiche Dividendenausschüttungen in den 50er und 60er Jahren auch dem Stifterverband zugutekommen sollten. Wenn man - über Vits hinaus, der aber durchaus typisch für die Gründergeneration zu sein scheint - einen vergleichenden Blick auf die Biographien der Männer wirft, die sich seit 1948 um die Neugründung des Stifterverbandes bemühten, dann fällt es schwer, schon auf den ersten Blick gemeinsame Züge zu entdecken. Allen gemeinsam war natürlich ihre Prägung durch die Erfahrungen der Republik von Weimar und durch das Dritte Reich.104 Letzteres bedeutete für die Industriellen vor allem die beklemmende Erfahrung zentraler Wirtschaftslenkung, staatlicher Gewinnbeschränkung und scharfer Ausrichtung der Produktion an den Kriegszwecken. Alle langfristigen Orientierungen hinsichtlich Zukunftsvorsorge, Nachwuchssicherung und Forschungsarbeit waren 104 Zu den Karrieren und Karrieremöglichkeiten der Wirtschaftsführer zwischen dem Nationalsozialismus und der frühen Bundesrepublik vgl. die Bemerkungen bei Berghahn: Unternehmer und Politik, 49 ff.
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darüber verloren gegangen. Dieser Eindruck über die - in dieser Hinsicht zumindest kritische Grundhaltung der Wirtschaftsführer hatte bekanntlich auch die Spitzen des NS-Regimes erreicht, die sich gerade im letzten Kriegsjahr immer wieder mit Versprechungen hervortaten, daß nach dem gewonnenen Kriege die Wirtschaft wieder werde frei agieren können.105 Vor diesem Erfahrungshintergrund liefen die Interessen der Wirtschaft natürlich auf eine Einschränkung der Rolle staatlicher Instanzen hinaus. Wann immer Staatseinfluß und „Beamte" erkennbar wurden, artikulierte sich Widerstand in der Wirtschaft. Von daher erklärt sich auch die zuweilen etwas zwanghaft anmutende Kritik an den „Beamten" der neuen Notgemeinschaft, deren Einfluß man auf alle Fälle beschneiden wollte. Das die Nachkriegszeit beherrschende Geflecht alliierter Vorschriften hinsichtlich Dekartellisierung, Produktion, Außenhandel, Versorgung etc. verstärkte diese latente Grundstimmung noch. Auf der anderen Seite wurde den beteiligten Wirtschaftsführern deutlich, daß die westlichen Alliierten einen stärkeren Beitrag der Wirtschaft zum Neuaufbau des Gemeinwesens erwarteten, was notwendigerweise mit Engagement in öffentlichen Angelegenheiten verbunden war. Der Stifterverband bot sich hier als idealer Wirkungsbereich an: Hier ließ sich die Aufgabe gesellschaftlichen Engagements in diesem Sinne mit der Wahrung genuiner Wirtschaftsinteressen verbinden. Sehr schnell erkannten die Männer des Stifterverbandes, daß sich aus der Verbandsarbeit ergebende Gespräche mit Bundesministern, dem Bundeskanzler oder dem Bundespräsidenten vorzüglich dazu benutzen ließen, um auch andere interessierende Fragen zu behandeln. So stand bei allen derartigen Gesprächen der frühen 50er Jahre die Frage der noch in alliierter Gefangenschaft befindlichen Wirtschaftsführer zur Diskussion. Schließlich läßt sich konstatieren, daß die deutsche Wirtschaft nach dem Verlust des Krieges wieder einmal dem Syndrom des „Rückstands" gegenüber dem westlichen Ausland erlag und daß dieses Gefühl des Rückstands eine enorme Bereitschaft zur Mithilfe auslöste. Hier wird sich am ehesten ein gemeinsamer Nenner der Gründergeneration finden lassen. In immer wieder neuen Wendungen wird die Notwendigkeit eigener Forschungsarbeit betont, die Deutschland allein in die Lage versetzen könne, auf dem zukünftigen Weltmarkt zu bestehen. Gierig wurden die zur Verfügung stehenden Informationen über die Bildungsgsysteme der europäischen und amerikanischen Konkurrenten gesammelt, ausgewertet und in Reden, Rundschreiben und Zeitungsbeiträgen genutzt. Fast jeder der führenden Köpfe des Stifterverbandes verfügte über eine Sammlung einschlägiger Zitate und Statistiken, die in Reden und Interviews immer wieder benutzt wurden.
h) Der Beginn der Verbandsarbeit Während der Frankfurter Gründungsversammlung waren auf Vorschlag des Vorsitzenden Merton für den Verwaltungsrat - vorläufig bis zum 31.3.1951 - folgende Herren gewählt worden: Hermann Josef Abs, Fritz Berg, Karl Bücher, Otto Friedrich, Fritz 105 Vgl. dazu Thamer, Hans-Ulrich: Verführung und Gewalt. Deutschland 1933-1945, Berlin 1990, 723.
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Gummert, Ulrich Haberland, Wilhelm Haspel, Hugo Henkel, Ludwig Kastl, Heinrich Kost, Wilhelm Alexander Menne, Richard Merton, Alfred Petersen, Hermann Reusch, Otto Seeling, Hermann von Siemens, Richard Uhlemeyer (ein Vertreter des Handwerks), Ernst H. Vits, Otto H. Vogel, Carl Wurster. Damit war eine beachtlich repräsentative Auswahl von Wirtschaftsvertretern erreicht worden, die gut die verschiedenen Branchen und Regionen der neuen Bundesrepublik vertraten. Eine Eintragung in das Vereinsregister der Stadt Frankfurt am Main, dem Firmensitz des Vorsitzenden Richard Merton, sollte erst zu dem Zeitpunkt erfolgen, an dem die Verhandlungen mit dem Bundesfinanzministerium über eine steuerliche Abzugsfähigkeit der Spenden zu einem Erfolg geführt haben würden. Ferner wurde von Geheimrat Bücher der Vorschlag gemacht, Herrn Merton zu bitten, Exzellenz Schmidt-Ott über die Gründung des neuen Stifterverbandes Mitteilung zu machen.106 Die Wahl Frankfurts verdankte sich programmatischen ebenso wie pragmatischen Überlegungen. Repräsentierte diese Stadt als Wohnort Richard Mertons, dessen Familie durch mäzenatisches Engagement, gerade auf dem Gebiet von Bildung und Wissenschaft, hervorgetreten war, wie keine zweite den neuen Anspruch des Stifterverbandes, so wuchs sie auch gleichzeitig in den ersten Nachkriegsjahren in die Rolle Berlins als politisches wie wirtschaftliches Kraftzentrum Westdeutschlands hinein. Als Sitz des Wirtschaftsrates der westlichen Besatzungszonen rechnete Frankfurt am Main fest mit der Wahl zur Bundeshauptstadt und wurde durch die Entscheidung für Bonn sehr enttäuscht. Erkenntnisse über die ersten gemeinschaftlichen Bestrebungen des Stifterverbandes gibt die Sitzung des Verwaltungsrats vom 8.12.1949 in Frankfurt am Main. Dabei unterrichtete der Vorstand die versammelten Herren von zunächst vier avisierten Aktionen, die alle auf eine Ausweitung der finanziellen Basis des Stifterverbandes zielten. So sollten die Präsidenten der zentralen Verbände der Wirtschaft gebeten werden, ihre Unterverbände aufzufordern, eine Spendenumlage in der Weise durchzuführen, daß für jeden Beschäftigten mindestens 20Pfg. an den Stifterverband überwiesen würden. Diese Belegschafts-Umlage ging auf einen Vorschlag des ersten Präsidenten des neugegründeten Bundesverbandes der Deutschen Industrie, Fritz Berg, zurück und sollte in einem gedruckten Rundschreiben Richard Mertons an sämtliche Verbände der gewerblichen Wirtschaft bekräftigt werden. Auch wenn die Problematik dieses, branchen- und unternehmensspezifische Wettbewerbsbedingungen nivellierenden Spendensatzes durchaus gesehen wurde, ging Berg bei seinem Vorschlag davon aus, daß dieser Beitrag unabhängig von konjunkturellen Schwankungen aufzubringen sei. Von den 1000 größten Unternehmen sollte darüberhinaus ein entsprechend angepaßter Sonderbeitrag erbeten werden. Daneben sollten die Präsidenten der Industrie- und Handelskammern bei den von ihnen vertretenen Kammern einen jeweiligen Beitrag von durchschnittlich 1.000,- DM erwirken. Berg seinerseits teilte mit, daß er die Aufforderung zur Zahlung der Belegschaftsumlage von 20 Pfg. schon am 30.11. an „seine" Verbände versandt habe. Mit der Belegschaftsumlage und der darin enthaltenen Idee einer kontinuierlichen Unterstützung der Wissenschaft aus regelmäßig fließenden Mitteln der Wirtschaft war ein beachtlicher Durchbruch erzielt worden. 106 RWWA, GHH 400101460/26, Protokoll Verwaltungsrat vom 22. September 1949.
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Schließlich sollten diese Absichten auf einem Presseempfang im Anschluß an die Verwaltungsratssitzung einer breiteren Öffentlichkeit zur Kenntnis gebracht werden. Dabei sollte besonders herausgestrichen werden, daß der Stifterverband als Gemeinschaftsaktion der Wirtschaft beabsichtige, der organisatorischen Zersplitterung von Forschung und Lehre entgegenzuwirken. Analog zur Zusammenfassung der Aktivitäten der Wirtschaft für die Wissenschaft sollten nun auch von Seiten der Politik und der Selbstverwaltungsorganisationen der Wissenschaft Anstrengungen zu größerer Übersichtlichkeit unternommen werden. Doch konnte dieses Postulat nicht über das keineswegs gleichgerichtete Interesse aller versammelten Vertreter der Wirtschaft hinwegtäuschen. Schon in der sich anschließenden Diskussion wurden Konflikte mit bereits bestehenden Einrichtungen der Wirtschaft zur Förderung der Wissenschaft erkennbar. Auf Nachfrage wurde versichert, daß der Stifterverband die bereits bestehenden Beziehungen von Unternehmen zur Wissenschaft, wie sie beispielsweise in den Förderergesellschaften an den Hochschulen zum Ausdruck kämen, nicht stören würde. Die in unmittelbarem Kontakt zu den Forschungsinstituten an den Universitäten stehenden Förderergesellschaften schienen den jeweiligen Spendern den Überblick über die zur Verfügung gestellten Mittel eher zu gewähren, was gerade für mittlere und kleinere Unternehmen von ausschlaggebender Bedeutung war, von deren Bereitschaft der Erfolg des Stifterverbandes als „Gemeinschaftsaktion" abhing. Es war allenfalls Übereinstimmung darüber zu erzielen, daß der Stifterverband, in Kontakt mit den Förderergesellschaften, deren Aufwendungen für die Wissenschaft registrierend erfassen sollte. Auch zweckgebunden an die Wissenschaft gegebene Stiftungen sollten über den Stifterverband geschleust werden. Hintergrund für die angestrebte vollständige Erfassung aller von der Wirtschaft für Forschungszwecke zur Verfügung gestellten Mittel war die Bereitschaft amerikanischer Stiftungen, hier besonders der Rockefeller-Foundation, Spenden für die deutsche Wissenschaft zur Verfügung zu stellen107, sowie die Aussicht für die Unternehmen der westdeutschen Industrie, der deutschen Industrieforschung bedeutende Mittel des Marshall-Plans zuführen zu können. Die Höhe dieser Zuwendungen würde sich dabei an den in Deutschland aufgebrachten Fördermitteln orientieren.108 Alle Maßnahmen mußten in dieser Perspektive natürlich darauf abzielen, den Beitrag der Wirtschaft zur Förderung der Wissenschaft - gerade auch im westlichen Ausland - in einem möglichst günstigen Licht erscheinen zu lassen. In diesem Zusammenhang empfahl sich eine „Gemeinschaftsaktion" der deutschen Wirtschaft und verbot sich geradezu die Wiederauflage der in den 20er Jahren neben der Notgemeinschaft agierenden Helmholtz-Gesellschaft. Hier ist auch der Grund für die enge, aber doch keineswegs ausschließliche Bindung an die Notgemeinschaft zu sehen, wie sie besonders von Vits und Abs favorisiert wurde. Voraussetzung dafür waren die Bereitschaft der Montanindustrie und hier insbesondere des Vereins Deutscher Eisenhüttenleute, auf eine exklusive wissenschaftsfördernde Vertretung zu verzichten. 107 SV/VP, Vorstandssitzung 2. Nov. 1949. 108 RWWA/ GHH 400101460/ 28, Rundbrief Berg 15. Dez. 1950.
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Zunächst sollten nur Herr Merton im Präsidium und die Herren Vits und Gummert im Hauptausschuß der Notgemeinschaft den Anliegen der Wirtschaft in den Organen der Notgemeinschaft Geltung verschaffen. Weiterhin sollten Vertreter der Wirtschaft in den Fachausschüssen zu Rate gezogen werden. Vits empfahl, in der zunächst erwarteten Phase begrenzten Mittelaufkommens nur wenig eigene Projekte über den Stifterverband durchzuführen und weitgehend die Notgemeinschaft zu unterstützen. Dies entsprach durchaus seiner seit 1949 erkennbaren Nähe zur Notgemeinschaft. Die frühe Verfassung des Stifterverbandes Nachdem bereits die Diskussionen des Gründerkreises keineswegs ein einheitliches Bild des künftigen Stifterverbandes ergeben hatten, zeugt auch die Satzung der „Gesellschaft zur Förderung von Forschung und Lehre (Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft) vom Februar 1950 von der noch offenen Gestalt des Verbandes. Bei den noch immer im Flusse befindlichen Verhandlungen zwischen Wissenschaft und Politik wollte man sich durch allzu frühe Festlegungen nicht seiner Einflußchancen berauben. Zwei Grundsatzentscheidungen ragen dennoch heraus. Durch die enge, aber keineswegs ausschließliche Zusammenarbeit mit der Notgemeinschaft und mit einem eindeutigen Akzent auf der Förderung des Nachwuchses wurden Zeichen gesetzt. Hier war die persönliche Initiative von Richard Merton erkennbar. Diese beiden Akzentuierungen lassen auch verstehen, warum es nicht zu einer Wiederauflage der Helmholtz-Gesellschaft gekommen ist. Entgegen der Weimarer Praxis griff der Stifterverband die Empfehlung der Notgemeinschaft auf und verzichtete zugunsten der Mitarbeit in den Organen der Notgemeinschaft auf einen gemeinsam von Stifterverband und Notgemeinschaft gebildeten gesonderten Vergabeausschuß. Organe des Stifterverbandes waren zunächst die jährlich veranstaltete Mitgliederversammlung, der auf die Dauer von 3 Jahren gewählte Verwaltungsrat, der auf 40 Mitglieder begrenzt war, sowie der Vorstand, dem, neben dem Vorsitzenden, zwei Stellvertretern und dem Schatzmeister fünf weitere Mitglieder angehörten. Gemäß der Satzung und den Beschlüssen des Verwaltungsrates oblag dem Vorstand die Geschäftsführung in eigener Regie unter Bestellung eines Vertreters seines Vertrauens. Für die öffentliche Wirksamkeit des Stifterverbandes wurde von Bedeutung, daß die ordentliche Mitgliederversammlung mit einer repräsentativen Vortragsveranstaltung verbunden sein sollte. Die erste Verwaltungsratssitzung und die Finanzen Durch die neugeschaffene Belegschaftsumlage war man über die Rentiersmentalität des Kaiserreichs und der Weimarer Zeit deutlich hinausgekommen und hatte auf die bloße Bereitstellung eines Kapitalstocks zur Verzinsung verzichtet. Zwar sah Merton weitsichtig auch schon die Möglichkeit, Stiftungen und Erbschaften durch den Stifterverband verwalten zu lassen, doch angesichts der vernichteten bzw. geschrumpften bürgerlichen Vermögen konnte dies nur eine Perspektive für die Zukunft sein, die sich vor allem seit den späten 60er Jahren als einträglich erweisen sollte. Indem man sich jedoch hauptsächlich der jährlichen Nagelprobe der Bewilligungen durch die Verbände und Einzelmitglieder unterziehen wollte, koppelte man den Stifterverband zugleich sehr viel enger an die wissenschaftspolitischen Diskussionen und ihre mögliche Rück-
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Wirkung auf die Unternehmerschaft. Ohne jeden Zweifel hat erst diese Entscheidung für die jährliche Umlage die wissenschaftspolitische Bedeutung des Stifterverbandes fundiert. Gerade Schatzmeister Gummert war es, der den einmal beschrittenen Weg zu einer jährlichen Umlage beharrlich weiter verfolgen wollte. Als im Laufe des Jahres 1950 einer der regionalen Geschäftsführer des Verbandes vorschlug, doch größeres Gewicht auf die Mitgliedschaften und vor allem auf die Sonderspenden zu legen, weil damit höhere Einnahmen zu erzielen seien, reagierte er mit einem sehr prinzipiellen Schreiben an Merton, verwies auf die vorangegangenen Vorstandsbeschlüsse zum „Finanzaufbau des Stifterverbandes" und suchte sich Mertons und des Vorstands Rückendeckung für seine Politik der Umlagen zu versichern. 109 Dabei kam Gummert die Tatsache sehr gelegen, daß sich im ersten Halbjahr 1950 der Ertrag der jährlich wiederkehrenden Einkünfte günstiger darstellte als die Summe der einmaligen Spenden. Die Einnahmen in Höhe von DM 900.000 setzten sich folgendermaßen zusammen: rd. DM 380.000 aus der Belegschaftsumlage, rd. DM 100.000 von 204 Einzel- und Firmenmitgliedern, rd. DM 2.000 von 52 Förderern, rd. DM 418.000 von 289 Freunden. Weitsichtig formulierte er: „So wichtig und unentbehrlich die Sonderspenden auch sein mögen, für die so notwendige langfristige Planung über mehrere Jahre im voraus sind die wiederkehrenden doch in gewissem Sinne bedeutungsvoller."
Gummert betonte auch, daß die Umlage nicht nur die ursprüngliche Idee des Stifterverbandes sei und unterstrich den für den Stifterverband günstigen Einhebemodus der Belegschaftsumlage, die durch die Verbände erfolge und dem Schatzmeister viel Geld erspare. Er schätzte den aus den Umlagen der Industrie und der übrigen gewerblichen Wirtschaft zu erzielenden Betrag auf 1,5 Mio. DM und sah darin den „wiederkehrenden Grundstock des Finanzaufbaus des Stifterverbandes für langfristige Planungen." Doch konnte diese Forderung nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Interessen der versammelten Vertreter der Wirtschaft keineswegs völlig gleichgerichtet waren. Schon in der sich anschließenden Diskussion wurden Konflikte mit bereits bestehenden Einrichtungen der Wirtschaft zur Förderung der Wissenschaft angesprochen. Gerade Ernst H. Vits war ja seit langem in der Münsteraner Freundesgesellschaft der Universität engagiert.
Der Stifterverband als anerkannte Instanz der Wissenschaftspolitik Innerhalb von wenigen Jahren - so läßt sich konstatieren - war es dem Stifterverband gelungen, zu einer im wissenschaftlichen und politischen Raum hoch anerkannten Instanz zu werden. Dies wird sicher am eindeutigsten belegt durch Äußerungen, die weit entfernt von Jahresversammlungen und Festakten fielen. 1952 wies die Bundesregierung in ihrem Nachtragshaushalt zum erstenmal einen besonderen Betrag (5 Mio. DM) 109 Gummert an Merton vom 30. Juli 1950 in AMG, NL Merton, Dr. Gummert 1949-51.
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zur „Förderang von Schwerpunkten in der deutschen wissenschaftlichen Forschung" aus, dem für 1953 ein Betrag von 10 Mio. DM folgte. Der damalige Bundesinnenminister, über dessen Etat das Geld an die DFG verteilt wurde, nahm dies zum Anlaß, am 28. Mai 1953 der Ständigen Konferenz der Kultusminister die Sorgen der Bundesregierung über Mängel in der Ausstattung der Hochschulen mitzuteilen. Er setzte dabei „die vom Stifterverband in seinen Jahrbüchern und auf seinen Veranstaltungen mitgeteilten Ziffern über das Mißverhältnis im öffentlichen Aufwand für die wissenschaftliche Forschung in der Bundesrepublik und in anderen Ländern" als bekannt voraus. Unter ausdrücklicher Würdigung der Unterstützung durch „die im Stifterverband vereinigten Wirtschaftskreise" ermahnte er die Länder zu stärkeren Leistungen, um nicht diese zusätzlichen Hilfen unwirksam werden zu lassen.110 Mit diesen Summen des Jahres 1952/53 begann auch - so läßt sich im Rückblick feststellen - die Politik der Bundesfinanzierung im Wissenschaftsbereich mit der Tendenz, die Anteile der Länder zu übertrumpfen, während 1952 der Länderanteil in der DFG-Finanzierung noch den des Bundes übertraf (Länder 5 Mio. DM - Bund 3 Mio. DM). Der bayerische Ministerialbeamte von Elmenau, in diesen Jahren immer ein besonders wachsamer Verteidiger der Kulturhoheit der Länder, unterließ es denn auch nicht, auf die Gefahren der auf den ersten Blick so attraktiven Bundesförderung hinzuweisen. Er sah die Alternative in einer besseren Finanzausstattung der Länder, die diese nicht zu strukturellen Kostgängern des Bundes mache." 1
2. Die steuerliche Behandlung des Stifterverbandes Voraussetzungen Grundlegende Voraussetzung der Aktivitäten des Stifterverbandes waren und sind die Entfaltungsräume, die die staatliche Gesetzgebung unternehmerischer Initiative auf dem Gebiet des Spendenwesens bietet. Der oft bemühte Dualismus von Staat und Gesellschaft täuscht über die wirkliche Durchdringung der beiden Sphären, die sich gedanklich so effektvoll gegenüberstellen lassen, eher hinweg. Vielmehr scheint - so hat es Wilhelm Hennis formuliert - ein „hoch entwickeltes Verbandsleben unter der Voraussetzung eines klar gegliederten Parteiensystems" tatsächlich „Ausdruck grundsätzlicher Bejahung der gegebenen politischen Ordnung, Zeugnis für ein hohes Maß an politischem Konsensus" zu sein.1 Neben dem gesetzlichen Rahmen steht dem Staat ein breites Förderungsinstrumentarium zur Verfügung. Anregung und Unterbindung von Aktivitäten unterliegen so einer subtilen staatlichen Steuerung. Dabei kommt der steuerlichen Veranschlagung eine entscheidende Rolle zu. Gefragt ist die Fähigkeit des Souveräns, mit seinem steu110 NRW HSA, NW 188, Nr. 1673, fol. 58. 111 Ebd., fol. 92 f. (10. Oktober 1953). 1 Hennis, Wilhelm: Verfassungsordnung und Verbandseinfluß. Bemerkungen zu ihrem Zusammenhang im politischen System der Bundesrepublik, in: ders., Politik als praktische Wissenschaft. Aufsätze zur politischen Theorie und Regierungslehre, München 1968,189.
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erlichen Instrumentarium auf gesellschaftliche Bemühungen und Anregungen angemessene Antworten zu erteilen. Der Gesetzgeber bewertet verschiedene gesellschaftliche Aktivitäten und Initiativen und bemißt aufgrund des veranschlagten gemeinen Nutzens die Be- und Entlastung für verschiedene „Bürger-Initiativen". Befreiung oder Ermäßigung von Steuern basieren auf einem Arrangement zwischen Staat und Gesellschaft. In der demokratischen Gesellschaft stellt sich dieses Problem in neuer Weise. Während im Kaiserreich private Stiftungsmittel durch gesellschaftliche Anerkennung, Titel, Orden, Zugang bei Hofe u.a. entgolten wurden, ja bestimmte Titel eine feste Taxe hatten, bedarf es im demokratischen Staat anderer Anreize. Er versteht sich nicht in erster Linie als über der Gesellschaft thronende „pouvoir neutre", sondern ist letztlich Ausdruck des Willens seiner Bürger. Fest und unverrückbar bleibt er nicht; über seine jeweilige, dem Wandel unterworfene Form wird von Mal zu Mal entschieden. Daraus erwächst in besonderem Maße das Interesse der unterschiedlichsten gesellschaftlichen Subjekte, auf diese Form und Funktion des Staates Einfluß auszuüben. Bei solchen Überlegungen setzten die Gründer des Stifterverbandes an und führten damit natürlich auch die einschlägigen Aktivitäten ihrer Vorgänger im Kaiserreich, in der Weimarer Republik und im Dritten Reich unter freilich gewandelten Bedingungen fort. Die Frage der steuerlichen Entlastung industrieller Fördermaßnahmen stand aus naheliegenden Gründen für den Stifterverband und seine Vorläufer immer im Vordergrund des Interesses. Allerdings spielte sie bei den Vorbereitungen der Jubiläumssstiftung im Jahre 1899/1900 keine entscheidende Rolle, hier ging es eher um die Verwirklichung einer darüber hinaus reichenden kaiserlichen Idee. Eine steuerliche Befreiung der Jubiläumsstiftung konnte damals noch nicht erreicht werden. 1920 trat diese Frage angesichts gewandelter Voraussetzungen stärker in den Vordergrund, so daß sich Schmidt-Ott im November von einem Berliner Rechtsanwalt in einem ausführlichen Gutachten über die möglichen steuerlichen Befreiungen informieren ließ.2 Bei der Neugründung 1949 spielte die Frage wünschenswerter Steuerbefreiungen schon bei den Beratungen des „Gründerkreises" eine wichtige Rolle; die Aktivitäten Fritz Gummerts konzentrierten sich geradezu auf die Lösung dieses Problems, dem man für das Gelingen des Unternehmens eine Schlüsselrolle zuwies. Verhandlungen und erste Erfolge Nachdem der Stifterverband im Jahre 1949 in seiner neuen Form an die Öffentlichkeit getreten war, konzentrierten sich die Aktivitäten des engeren Vorstandes auf die Einwerbung von Spenden bei den führenden Wirtschaftsverbänden, namentlich der westdeutschen Montanindustrie. Unter Verweis auf die bisher geleisteten Beiträge von Daimler Benz (50.000,- DM), den Vereinigten Glanzstoff-Fabriken (20.000,- DM) und der MAN (10.000,- DM) vermittelten Hermann Reusch Kontakte zur Wirtschaftsvereinigung Eisen- und Stahlindustrie sowie Fritz Gummert zur Wirtschaftsvereinigung Bergbau. Beide Verbände standen einem Engagement im Stifterverband positiv gegenüber, merkten aber auch die durchweg noch als unzureichend empfundene steuer2 GSB, NL Schmidt-Ott, Nr. 2.
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liehe Begünstigung möglicher Beitragszahlungen an.3 Dennoch beschränkte sich das Ersuchen um Steuererleichterungen nicht allein auf die so zu erwartenden Mehreinnahmen. Vielmehr sollten die gesellschaftliche Bedeutung der Wissenschaft über den Katalysator der Steuererleichterungen mehr als bisher ins öffentliche Bewußtsein Einzug halten. „Die Aufgabe des Verbandes ist, nicht nur Mittel zu sammeln, sondern darüber hinaus sowohl für eine, die Förderung wissenschaftlicher Forschung dienliche Steuerpolitik hinzuwirken, als auch ganz allgemein überall dort energisch einzutreten, wo für die wissenschaftliche Forschung mehr als bisher getan werden könnte und müßte." 4
Der „Propaganda bei den Parlamentariern" hatte schon die Wiederholung der Frankfurter Verwaltungsratssitzung vom 8.12.1949 in Bonn gegolten.5 Diese ersten Kontakte zur bundesdeutschen Politik wurden in den folgenden Jahren kontinuierlich gepflegt und intensiviert. Unter anderem ist hier einer der Anstöße zu den repräsentativen Jahresversammlungen des Stifterverbandes in Wiesbaden auszumachen. Steuerliche Erleichterungen von Wissenschaftsspenden waren - neben der beharrlich verfolgten Lage der inhaftierten „industriellen Kriegsverbrecher"- auch Gesprächsthema eines Besuchs Richard Mertons bei Bundespräsident Heuss.6 Entscheidend war aber der direkte Kontakt mit den Parlamentariern. In den von Fritz Gummert geführten Verhandlungen mit den Finanzministerien des Bundes und der Länder, vor allem Nordrhein-Westfalens, kamen, bei wohlwollender Einstellung des Bundes, vor allem die Bedenken einiger Bundesländer zum Tragen.7 Nachdem mit der ersten Werbung auch ohne die sichere Erwartung steuerlicher Begünstigungen im November 1949 begonnen worden war, konnte Richard Merton den Mitgliedern von Vorstand und Verwaltungsrat schließlich vom Erfolg der Bemühungen des Stifterverbandes berichten.8 Mit der Genehmigung des neuen Steuergesetzes durch die Oberkommissare waren, über die schon von der Notgemeinschaft in der Einkommensteuernovelle 1949 erwirkten 5 % absetzbarer Werbungskosten für Wissenschaftsspenden hinaus 10 % der Einkünfte frei von Einkommens- und Körperschaftssteuer. Außerdem konnten wahlweise 2 v. T. eines Betrages, der sich aus dem im Kalenderjahr getätigten Aufwendungen für Löhne und Gehälter und dem steuerbaren Umsatz zusammensetzte, voll abgesetzt werden. Voraussetzung dieser Begünstigungen war die formelle Anerkennung des Stifterverbandes als einer wissenschaftsfördernden Einrichtung, die schon im Dezember 1949 erfolgte. 9 Damit war ein
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RWWA/ GHH 400101460/ 27, Notiz Reusch vom 28. Feb.1950. SV/ VP, Gummert VWR 8. Okt. 1951. RWWA/ GHH 400101460/ 26, Reusch an Gummert 30. Dez.1949. RWWA/ GHH 400101460/ 26, Memorandum 14. Nov.1949. SV/ VP, Gummert Vorstandssitzung 7. Nov. 1949. SV/VP Ordner 49-55, Merton an Vorstand und Verwaltungsrat 8. Mai 1950; siehe Bundesanzeiger vom 3. Mai 1950. 9 BAnz. Nr.37 vom 17.Dez.1949.
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wesentlicher Anreiz zur Wissenschaftsförderung gegeben und die Hoffnung, „wesentlich höhere Mittel als früher aufzubringen", erschien durchaus nicht vermessen.10 Aber schon ein Jahr später drohte die erneute Begrenzung der Steuererleichterungen auf 5% der zu versteuernden Summe und sorgte sogleich für Beunruhigung bei potentiellen Spendern. So heißt es etwa in einem Schreiben an den Schatzmeister des Stifterverbandes: „Wir haben Ihnen heute den Betrag von 1.000,- überwiesen. Wir hätten diesen Betrag gem auf 10.000,- erhöht; es hat uns nur die drohende Einschränkung in der Höhe der anerkannten steuerfreien Beträge in der kommenden Einkommenssteuergesetzgebung davon abgehalten.""
Trotz der „schwerhörig(en)" Einstellung von Bundesfinanzminister Schäffer gelang es dem Stifterverband, mit seinem Anliegen beim Finanzausschuß des Deutschen Bundestages durchzudringen.12 Nach Abstimmung mit dem DIHT, dem BDI, dem Gesamtverband des Groß- und Ausfuhrhandels und der Hauptgemeinschaft des Deutschen Einzelhandels intervenierten Gummert und Merton bei Parlamentariern von CDU und SPD.13 Darüberhinaus beteiligte sich diesmal Reusch an der „Fühlungnahme" mit der Politik. In einem mahnenden Schreiben an Minister a.D. Dr. Höpker-Aschoff - Mitglied der Fraktion der FDP die „kräftig ins Kabinett hineinwirkte und auch die FDPMinisterriege nicht ruhen ließ"14 führte er aus: „Die im allgemeinen deutschen Interesse einfach unentbehrliche Fortentwicklung wissenschaftlicher Arbeit in Forschung, Lehre und Ausbildung würde zweifelsohne zur Erstarrung gebracht werden, wenn von Seiten der Bundesregierung dort ein Riegel vorgeschoben wird, wo bisher Mittel frei gemacht wurden, die der Wissenschaft die materiellen Voraussetzungen für die Erfüllung ihrer Aufgaben schufen."15
Bei Durchführung der Steuernovelle würden die „Spenden der Wirtschaft zum Nachteil der wissenschaftlichen Forschung ganz erheblich geringer sein".16 Soviel Einsatz zeigte Wirkung. Nicht nur konnte die zehnprozentige Einkommenssteuerbefreiung gehalten werden, wenig später gelang es zusätzlich, Spenden an die Wissenschaft von der Gewerbesteuer zu befreien. 17 Den „Virtuosen der Diskretion" 10 Zierold, Kurt: Sechs Monate Notgemeinschaft. Ein Rechenschaftsbericht, in: DUZ 4.Jg., Nr.23,2.Dez.l949,11. 11 RWWA/GHH 400101460/29. 12 RWWA/ GHH 400101460/ 30, Reusch an Gummert 27. Sept. 1951. 13 RWWA/GHH 400101460/28, Nord an Reusch 15.März 1951; auf Seiten der SPD setzte sich besonders Carlo Schmid gegen eine Verschlechterung der steuerlichen Bestimmungen ein. 14 Schwarz,'Hans-Peter: Die Ära Adenauer. Gründerjahre der Republik 1949-1957 (= Geschichte der Bundesrepublik Deutschland; Bd.2), Stuttgart 1981,42. 15 RWWAJ GHH 400101460/ 28, Reusch an Höpker-Aschoff 5. März 1951. 16 Ebd. 17 RWWA/ GHH 400101460/ 30, Finanzministerium NRW an Gummert 28. Dez. 1951; Reusch an Wellhausen 25. Okt. 1951.
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wie sie Theodor Eschenburg genannt hat - war es gelungen,18 die Politik für ihr Unternehmen in Anspruch zu nehmen und dem Stifterverband für sein weiteres Wirken ein sattes Pfund in die Hand zu drücken. Mithin konnten 1952 folgende gesetzliche Bestimmungen für Spenden an den Stifterverband geltend gemacht werden: Einkommenssteuer §10 b: Ausgaben zur Förderung mildtätiger, kirchlicher, religiöser und wissenschaftlicher Zwecke und der als besonders förderungswürdig anerkannten gemeinnützigen Zwecke sind bis zur Höhe von insgesamt 5 vom Hundert des Gesamtbetrages der Einkünfte oder 2 vom Tausend der Summe der gesamten Umsätze und der im Kalenderjahr aufgewendeten Löhne und Gehälter als Sonderausgaben abzugsfähig.
Körperschaftssteuer §11: (1) Bei Ermittlung des Einkommens sind die folgenden Beträge abzuziehen, soweit sie nicht bereits nach den Vorschriften des Einkommenssteuergesetzes abzugsfähige Ausgaben sind: 5. Ausgaben zur Förderung mildtätiger, kirchlicher, religiöser und wissenschaftlicher Zwecke und der als besonders förderungswürdig anerkannten gemeinnützigen Zwecke bis zur Höhe von insgesamt 5 vom Hundert des Einkommens oder 2 vom Tausend der Summe der gesamten Umsätze und der im Kalenderjahr aufgewendeten Löhne und Gehälter. Für wissenschaftliche Zwecke erhöht sich der Vomhundertsatz von 5 um weitere 5 vom Hundert. Als Einkommen im Sinn dieser Vorschrift gilt das Einkommen vor Abzug der im Absatz 1 und in § 10 Absatz 1 Ziffer 4 des Einkommenssteuergesetzes bezeichneten Ausgaben.
Darüber hinaus konnte der Stifterverband mit Inkrafttreten des Gewerbesteueränderungsgesetzes vom 27. Dezember 1951 als Erfolg seiner Bemühungen verbuchen, daß erstmals wissenschaftsfördernde Spenden gewerbesteuerlich begünstigt wurden.19 Die in diesen Bestimmungen gegenüber anderen wohltätigen Spendenaktivitäten zum Ausdruck gebrachte eindeutige steuerrechtliche Präferenz von Spenden für wissenschaftsfördernde Zwecke ist unmittelbar auf den Einsatz des Stifterverbandes zurückzuführen. Zur Umsetzung dieser steuerlichen Begünstigungen war der Stifterverband ermächtigt, Steuerbegünstigungsbescheinigungen auszustellen, die dem jeweiligen Spender nach Eingang seines Spendenbetrages umgehend zugingen. Damit verstummten innerhalb des Vorstandes auch Vorstöße, den Stifterverband in einen reinen Zweckverband umzuwandeln. Dies hätte den Verband zwar von seinen Steuersorgen völlig befreit, gleichzeitig aber unabsehbare Vorbehalte auf Seiten der Wissenschaftsorganisationen provoziert. Lediglich als ultima ratio behielt sich der Vorstand diese Maßnahme vor.20 18 Eschenburg, Theodor: Das Jahrhundert der Verbände, Lust und Leid organisierter Interessen in der deutschen Politik, Berlin 1989, 103. 19 Pelny, Curt: Förderung der Wissenschaften und Steuerbegünstigung, Düsseldorf o. J.(1962), 3-5. 20 SV/ VP, Vorstandssitzung vom 12. Feb.1951.
Die steuerliche Behandlung
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Visionen Es waren die Erfolge in der Steuerfrage, die zu weiteren Überlegungen auf diesem Gebiet Anlaß gaben. Richard Merton lockte der Gedanke, das Verhältnis zwischen Staat und Wissenschaft in großem Stil auf eine neue Ebene zu heben, auch um dem Stifterverband eine starke Position innerhalb der Wissenschaftsorganisationen zu verschaffen. Auf die grundlegende Besonderheit des Verhältnisses von Staat und Wissenschaft in Deutschland zielte sein Plan einer wesentlichen Ausweitung der Aktivitäten des Stifterverbandes ab, den er um die Jahreswende 1953/54 im engeren Vorstandskreis zur Sprache brachte. Merton bedrückte, daß in Deutschland der Staat Hauptgeldgeber der Wissenschaft sei und darunter die Freiheit der Wissenschaft leiden könne.21 Diese Gefahr sei nur durch eine stärkere Beteiligung der Wirtschaft an der Wissenschaftsfinanzierung zu vermeiden. Ausgehend von der Höhe der betriebseigenen Forschungsanstrengungen, die der Stifterverband seit 1949 zu erfassen suchte und deren wirkliche Höhe er auf 300 Mio. DM schätzte, entwickelte er ein steuerliches Modell, das dem Stifterverband jährlich 7 5 Mio. DM eingetragen hätte. Danach sollte ein Unternehmen die Hälfte der eigenen Forschungsaufwendungen wiederum zur Hälfte für steuerfreie Sonderabschreibungen verwenden dürfen, vorausgesetzt die andere Hälfte, also '/< des ursprünglichen Betrages, fließe zur Weiterleitung an die Hochschulen steuerfrei über den Stifterverband. Dabei sollte weiterhin wesentlich die DFG bedient werden. Zusätzlich aber sollte den Unternehmen eingeräumt werden, die Hälfte des Betrages an den Stifterverband zweckgebunden zu stiften, um so besonders interessierenden Forschungszweigen bevorzugt Gelder zukommen zu lassen. Der Stifterverband selbst würde seine Organisation beträchtlich ausweiten und seine Tätigkeit besonders auch auf die Nachwuchsförderung und den Hochschulbau, aber auch die Förderung der angewandten und Auftragsforschung erstrecken, Aktionsfelder, die die DFG satzungsgemäß nicht übernehmen könne. Ungeachtet der weiterbestehenden Entscheidungskompetenz der DFG sollte ein großer Kreis qualifizierter Mitarbeiter im Stifterverband für die Vermittlung zwischen Industrie und DFG sorgen.22 Soweit die Vision Richard Mertons. Bei allem Verständnis für sein Anliegen und bei aller Unterstützung in seinem Bemühen, den Einfluß des Staates auf die Wissenschaft zu begrenzen, stieß Merton in den Antworten des angesprochenen Vorstandskreises auf diplomatisch gefaßte entschiedene Ablehnung. Einmal wurde der denkbar ungünstige Zeitpunkt einer solchen Initiative angemerkt. Gerade in einer Phase generellen Ringens der Wirtschaft um niedrigere Steuersätze - in dieser Frage mußte Finanzminister Schäffer 1957 sogar seinen Abschied nehmen - könne der Stifterverband der Wirtschaft nicht in den Rücken fallen.23 Auch eine Nachfrage bei der MPG ergab ein deutliches Nein. Obwohl die MPG ihre Bedenken nicht schriftlich mitteilen wollte, ließ Telschow durchblicken, daß der Vorschlag Mertons, entgegen seinen Absichten, gerade auf eine Stärkung des staatlichen 21 RWWA/ GHH 400101460/ 33, Merton an Nord 3.Dez.l953. 22 RWWA/ GHH 400101460/ 33, Merton an Gummen 16. Jan. 1954. 23 RWWA/ GHH 400101460/ 33, Reusch an Merton 24.Feb.1954.
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Einflusses hinauslaufe und der industriellen Forschung damit die Hände gebunden würden. Am Ende müsse der Staat gar an allen Neuentdeckungen beteiligt werden.24 Als Merton im März 1954 seine Überlegungen, wenn auch in modifizierter Form, einem breiteren Personenkreis zur Kenntnis brachte,25 bemerkte Hermann Reusch kurzweg, „daß dieses Verfahren der deutschen Wirtschaft unwürdig ist." 26 Das Spenden dürfe nicht zu einem Geschäft werden, was dann letztlich auch Merton einsah. So blieb es bei dem Bemühen, auf der Basis der bereits erwirkten, wenn auch längst nicht voll genutzten Steuererleichterungen weiter die Notwendigkeit freiwilliger Wissenschaftsförderung zu betonen, so etwa besonders prononciert in den Ansprachen zur Jahresversammlung 1956. Zu dieser Veranstaltung wurde auch das neue Jahrbuch des Stifterverbandes vorgestellt, das die Bedeutung des Engagements der Wirtschaft materialreich unterstrich.
3. Institutionelle Konkurrenzen a) Kontakte zu den Gewerkschaften? In der unmittelbaren Vorphase der Gründung im September 1949 hatte Hermann Reusch im Drang der Geschäfte noch ein anderes Problem an Merton herangetragen, das jedoch sehr schnell wieder zur Seite gelegt wurde. Reusch hatte mit Abraham Frowein, einem Wuppertaler Unternehmer, die Frage besprochen, ob man die Gewerkschaften den Gründungsaufruf mit unterschreiben lassen solle, schrieb jedoch gleich dazu, daß er sich mit diesem Gedanken nicht befreunden könne.1 Angesichts der in der Vorbereitung bei Herbert Studders zuweilen erkennbaren Reizbarkeit, wenn der Name des SPD-Kulturpolitikers Adolf Grimme fiel, und seinem Bestreben, das „bürgerliche" Lager wissenschaftspolitisch zu aktivieren, war diese Reaktion Reuschs zu erwarten. Im Unterschied zu der Spendenaktion der „WELT", die auch von Sozialdemokraten unterzeichnet worden war, ging es dem Gründerkreis nicht nur um eine breite gesellschaftliche Aktion, sondern auch um ein Signal aus dem Lager der Wirtschaft. Daß man in den Kreisen der Industrie vor den Wahlen im September 1949 eine gewisse Unruhe zeigte und letztlich auch erst den Stifterverband gründete, als klar war, wohin die Bonner Politik zielte, bestätigt diese Grundrichtung. Besonders Hermann Reusch hatte diese Frage der offenen und daher unsicheren politischen Zukunft immer wieder betont.2 Den Stifterverband hat die Frage einer Einbeziehung der Gewerkschaften viele Jahre weitgehend unberührt gelassen. Erst zu Anfang der 70er Jahre warf ein Vorstandsmitglied diese Frage noch einmal auf, ohne damit jedoch ein besonderes Echo hervorrufen zu können.3 Der Eintritt des Gewerkschaftsbankiers Walther Hesselbach in 24 25 26 1 2 3
RWWA/ RWWA/ RWWA/ RWWA, Ebd. SV,VP.
GHH 400101460/ 33, GHH 400101460/ 33, GHH 400101460/ 33, GHH, 400101460/26,
Vermerk Büro Reusch 16.Feb.1954. Merton an Reusch 18.März 1954. Reusch an Merton 8.April 1954. Reusch an Frowein, 5.9.1949.
Institutionelle Konkurrenzen
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den Verwaltungsrat des Stifterverbandes 1974 wurde vom Vorstand dezidiert als Wahl der Person Hesselbachs, aber nicht als Vertretung der Gewerkschaften verstanden.4 Für die Gewerkschaften wurde natürlich der Stifterverband in den 50er Jahren zu einem neuen politischen Faktor, dessen Bedeutung zunehmend erkannt wurde. Ein Artikel der „Welt der Arbeit" aus dem Jahre 1959 zeigt, daß die Gewerkschaften diesen Einflußfaktor durchaus zur Kenntnis nahmen und den „einseitigen Einfluß der Wirtschaft über den Stifterverband auf die Deutsche Wissenschaft" kritisierten.5 Anlaß dieses Artikels war offensichtlich, daß durch den „Gesprächskreis Wirtschaft und Wissenschaft" sowie durch die Vertretung der Industrie im 1958 neugegründeten Wissenschaftsrat die starke Position der Unternehmerseite in der Bildungspolitik verstärkt wahrgenommen wurde.6 Auch die Berufung des damaligen Wissenschaftsratsvorsitzenden in den Vorstand des Stifterverbandes wurde in diese Richtung interpretiert. Dahinter stehe die „sehr zielstrebige und fachlich qualifizierte Bildungsarbeit der Unternehmerverbände."
b) Spitzenverbände der Wirtschaft Von Anfang an war es das Bemühen des Gründerkreises, die Neugründung des Stifterverbandes in engstem Einvernehmen mit den 1948/49 bestehenden Arbeitsgemeinschaften der Wirtschaftsverbände einerseits und der Kammern andererseits durchzuführen. Zu diesem Zweck nahm Dr. Studders Kontakt zu den damaligen Geschäftsführern auf und vereinbarte enge Zusammenarbeit, die im übrigen auch durch die Person von Hermann Reusch gegeben war, der als Sprecher der Eisenhüttenleute galt. Damit nahm der neue Stifterverband durchaus Verhaltensregeln auf, die schon im ersten Stifterverband gegolten hatten, wenn auch insgesamt der Erfolg dieser Kooperation nach dem Zweiten Weltkrieg als sehr viel enger angesehen werden muß. Zunächst jedenfalls wurde die Gründung des Stifterverbandes dadurch verzögert, daß die Sitzungen der Arbeitsgemeinschaft der Kammern und der wirtschaftlichen Verbände nicht tagten bzw. sich nicht mit der Frage des Stifterverbandes befassen konnten. Erst als dies geschehen war, gab man für die Gründung grünes Licht. Die Blicke in die Verhandlungen einzelner lokaler bzw. regionaler Kammern zeigen, daß hier intensive Aussprachen über eine Zustimmung zur Gründung geführt wurden.7 Zu bedenken ist auch, daß die Kammern vor allem in Nord- und Westdeutschland schon 1947 durch die niedersächsische Leibniz-Stiftung um Spenden angegangen worden waren. Bei dieser Anfrage hatte sich - wie erwähnt - die Münsteraner Kammer geweigert, Geld nach Niedersachsen zu geben, da man für die eigene Universität zu sorgen habe. 4 SV, VP, Aktennotiz vom 19.7.1974. 5 Heyde, Gregor: Mäzene mit Hintergedanken, in: Welt der Arbeit vom 13.2.1959. 6 Dabei muß festgestellt werden, daß der Bereich von Wissenschaft und Forschung in den 50er und 60er Jahren auch für das Forschungsinstitut des DGB nur ein peripheres Thema darstellten. Vgl. Markmann, Heinz/Spieker, Wolfgang (Hgg.): Wissenschaft für Arbeitnehmer und Gewerkschaften. Die Veröffentlichungen des Wirtschaftswissenschaftlichen Instituts/Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts des DGB 1946 bis 1985, Köln 1986,280-282. 7 Vgl. BWA, Sammelordner IHK-SV und RWWA, Abt. 48, Nr. 1, Fasz. 1.
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In seinem Bemühen, an die Verantwortung der Wirtschaft für die Wissenschaft in Forschung, Lehre und Nachwuchsförderung zu appellieren, konnte der neue Stifterverband von Beginn an auf die Unterstützung der Industrie- und Handelskammern wie der Unternehmerverbände zählen. Nach Kriegsende war das Bedürfnis der Wirtschaft nach Wiederaufrichtung der wissenschaftlichen Einrichtungen zuerst in den als unternehmerische Interessenvertretung wiederbegründeten Industrie- und Handelskammern greifbar geworden. So forderte der Präsident der IHK Münster, Dr. Gieselmann, im Januar 1948, unter Hinweis auf schon seit langem angelaufene Unterstützungen von Instituten der Universität Münster, von seinen rheinischen Kollegen, ähnliches auch für die rheinischen Universitäten auf die Beine zu stellen.8 Auch die Steuerhemmnisse für Wissenschaftsspenden kamen in den Präsidialsitzungen der Vereinigung der Industrie- und Handelskammern des Landes Nordrhein-Westfalen schon zur Sprache.9 Letztlich boten diese Äußerungen aber einen Spiegel der noch zersplitterten Aktivitäten der Wirtschaft. Die Gründung branchenübergreifender Industrieverbände wurde erst 1949 möglich, nachdem die Besatzungsmächte von deren Verbot Abstand genommen hatten.10 Seit dieser Zeit standen dem Stifterverband in Fritz Berg, dem ersten Präsidenten des BDI, wie seit 1948 in Alfred Petersen, dem Präsidenten der „Arbeitsgemeinschaft der Industrie- und Handelskammern des Vereinigten Wirtschaftsgebietes", verläßliche Partner zur Seite, die von der zentralen Bedeutung der Wissenschaft für die moderne Wirtschaft überzeugt waren und dies nicht nur mit Blick auf die unmittelbare Nachkriegsnot. Für die Zusammenarbeit mit dem BDI ist dabei von nicht geringem Interesse, daß der Stellvertretende Vorsitzende des Stifterverbandes, Hermann Reusch, führend am Zusammenschluß der industriellen Verbände beteiligt war und zunächst auch beste Aussichten auf den Vorsitz des neuen Dachverbandes hatte. Daß der allseits geschätzte Mittelständler Fritz Berg schließlich den Vorzug vor dem „kampfesfrohe(n)"11 Reusch erhielt, erwies sich für den Stifterverband gleichwohl als ideale Konstellation. Andernfalls wäre es Reusch wohl kaum möglich gewesen, für den stellvertretenden Vorsitz des Stifterverbandes zur Verfügung zu stehen. Das in späteren Jahren zu durchleidene Personalproblem des Vorstandes kam solcherart gar nicht erst auf. In der Person Reuschs stand dem Stifterverband ein führender Repräsentant der westdeutschen Eisen- und Stahlindustrie von großem politischem Gewicht zur Seite - Reusch hatte den VdEh durch die „turbulente" Nachkriegszeit geführt 1 2 -, der auch weiterhin über beste Bezie8 RWWA Abt. 48, Nr.l, Fasz. 1, Präsidialsitzung der Vereinigung der Industrie- und Handelskammern des Landes Nordrhein-Westfalen am 30. Jan. 1948 in Düsseldorf, 5. 9 Ebd., Präsidialsitzung am 17. Dez. 1948, Kurhotel Klosterberg Arnsberg, 4: Theo Goldschmidt. 10 Bührer, Werner: Unternehmerverbände, in: Die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, hrsg. von Wolfgang Benz, Bd. 2: Wirtschaft, Frankfurt/M. 1989, 143. 11 Herrmann, Walther: Der Wiederaufbau der Selbstverwaltung der Deutschen Wirtschaft nach 1945, in: ZfU 23,1978,92. 12 RWWA/ GHH 400101460/ 44, Reusch an Nord 19. Jan. 1961; zum VdEh siehe auch Wolfgang Krumbein, Wirtschaftssteuerung in Westdeutschland 1945 bis 1949. Organisationsformen und Steuerungsmethoden am Beispiel der Eisen- und Stahlindustrie in der britischen/ Bi-Zone (ZfU; Beiheft 58), Stuttgart 1989, 46 ff.
155 hungen zum B D I verfügte und damit die gedeihliche Partnerschaft zwischen Stifterverband und B D I in den folgenden Jahren sicherstellte. W e l c h e Erwartungen besonders der B D I mit der Gründung des Stifterverbandes verknüpfte, geht aus einer R e d e hervor, die Fritz Berg am 22. März 1 9 5 0 bei e i n e m E m p f a n g bundesdeutscher Parlamentarier i m B o n n e r Bürgerverein hielt. Dreh- und Angelpunkt seiner grundsätzlichen B e m e r k u n g e n z u m Verhältnis z w i s c h e n W i s s e n schaft und Wirtschaft war die Bedeutung wissenschaftlicher Innovationen im internationalen Konkurrenzkampf. Gerade weil die Worte Bergs sehr bewußt auf das versamm e l t e A u d i t o r i u m zielten, setzten sie e i n d e m o n s t r a t i v e s Signal für d i e dezidiert weltwirtschaftliche Ausrichtung des BDI. 1 3 D a die Bundesrepublik nicht in der L a g e sei, die Ernährung seiner B e v ö l k e r u n g o h n e Nahrungsmittelimporte sicherzustellen, ergäbe sich zwangsläufig die Aufgabe, für entprechende Exporte zu sorgen. „Dies alles sind ja hinreichend bekannte Tatsachen. Weniger bekannt und beachtet sind aber die Folgerungen, die sich daraus für die deutsche Industrie ergeben. Es ist gar nicht so schwer, Güter herzustellen. Es ist aber außerordentlich schwer, sie abzusetzen. Sind schon auf dem Binnenmarkt im Zuge der Einführung und Festigung der sozialen Marktwirtschaft wachsende Ansprüche der Kundschaft an Qualität und Preis der Erzeugnisse zu beobachten, so stellt uns der Weltmarkt, den wir uns ja neu erkämpfen müssen, vor große und schwierige Aufgaben. 1) die Kundschaft auf dem Weltmarkt stellt sehr hohe Anforderungen, 2) die Konkurrenzfirmen anderer Länder arbeiten unter wesentlich günstigeren Voraussetzungen, da sie weniger vorbelastet sind, 3) die ausländische Konkurrenz hat viel hinzugelernt, ja sie hat uns - wir müssen dies ganz nüchtern sagen - in vielem überflügelt. Die in jeder Hinsicht verhängnisvolle Autarkie des Hitlerreiches und die damit verbundene Abschnürung der deutschen Industrie vom Ausland, hat uns in manchen Zweigen um Jahre zurückgeworfen." „Wir können dies (d. h. Anschluß an das Ausland) vor allem durch eine Steigerung der Qualität, durch ein sorgfältiges Studium der Kundenwünsche und Bedürfnisse, durch neue Erfindungen und zweckmäßigere Verfahren erreichen. Diese Steigerung der Qualitätsarbeit bei gleichzeitiger Senkung der Gestehungskosten bedeutet aber nichts anderes als erhöhte geistige Vorarbeit. Mit der Gründung der „Gesellschaft zur Förderung von Forschung und Lehre" als eines Stifterverbandes der Wirtschaft für die deutsche Wissenschaft ist für die Vertiefung des Verständnisses unter der Unternehmerschaft für diese entscheidend wichtige Aufgabe und für die Werbung von Mitteln aus der Wirtschaft eine feste organisatorische Form und Vorausetzung geschaffen worden."' 4 Akuten Handlungsbedarf sah Berg i m Patentverlust der deutschen Wirtschaft, an der Zerstörung der großen, reichhaltig ausgestatteten Forschungslaboratorien der Industrie, die eine größere Aktivierung der Universitäts- und Hochschulinstitute erzwinge, an der mangelnden Unterstützung der w e g e n der Hochschulfrequenz der Nachkriegszeit über13 Herrmann, Walther: Der Wiederaufbau der Selbstverwaltung der Deutschen Wirtschaft nach 1945,93. 14 SV/VP, Ansprache Berg 22. März 1950.
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lasteten Professoren durch Assistenten und Hilfskräfte, an dem damit in Verbindung stehenden Nachwuchsmangel und der Gefahr der Abwanderung ins Ausland - interessanterweise betonte Berg gerade die Gefahr der Abwanderung in den Osten - , sowie an der kläglichen Versorgung von Wirtschaft und Wissenschaft mit der forschungsrelevanten ausländischen Literatur. Allgemein sei das Band zwischen Wirtschaft und Wissenschaft in Deutschland viel loser geknüpft als etwa in den Vereinigten Staaten oder in England, wo diese Verbindung schon durch die weitgehende Finanzierung der Universitäten durch Stiftungen selbstverständlich gegeben sei. Berg legte besonderes Gewicht auf die Funktion des Stifterverbandes, dem Gedanken der Wissenschaft nicht nur in Politik und Verwaltung, sondern gerade auch in breiteren Kreisen der Wirtschaft selbst Einzug zu verschaffen. „Diese Beispiele lassen sich ungezählt vermehren. Ihre Nutzanwendung für die heutige Betrachtung ist folgende: wir müssen erkennen, daß Industrie und Wissenschaft auf Gedeih und Verderb miteinander verbunden sind. Ohne die wissenschaftliche Arbeit in der Grundlagenforschung und in der angewandten Forschung hat die deutsche Industrie keine Chance, den Anschluß an Wirtschaft und Technik des Auslands zurück zu gewinnen, geschweige denn einen neuen Platz in der Welt zu erhalten."15
In den folgenden Jahren sollte sich die Zusammenarbeit zwischen dem Stifterverband und dem BDI in allen wichtigen Phasen der Nachkriegsentwicklung entscheidend bewähren. Der enge Kontakt zur „Arbeitsgemeinschaft der wirtschaftlichen Verbände", die im Frühjahr 1950 zum BDI werden sollte, hatte insofern entscheidende Konsequenzen, weil die Verbände für das Finanzierungssystem des neuen Verbandes unverzichtbar waren. Die von Fritz Berg vorgeschlagene Lösung der Belegschaftsumlage sollte durch die Verbände erhoben werden, und insofern kam den Verbänden entscheidende Bedeutung zu, wenn das neue Konzept gelingen sollte. Spendenalphabet Das Lebenselixier des Stifterverbandes waren die jährlich einlaufenden Spenden der Mitglieder und die Verbandsumlagen. Sie bildeten ein solides Fundament seiner Aktivitäten. Doch waren die Ziele des Stifterverbandes als Gemeinschaftsaktion der gewerblichen Wirtschaft weiter gesteckt und also schwieriger zu erreichen. Mit dem Kreis der angesprochenen Unternehmer wurde nicht nur der Aufwand der vom Verband zu leistenden Überzeugungsarbeit größer, es wuchs auch die Konkurrenz anderer, gleichfalls Gemeinnützigkeit für sich reklamierender Einrichtungen. Und diese Konkurrenz beobachtete der Stifterverband nicht allein als Mitbewerber um das mehr oder weniger beschränkte Spendenaufkommen. Nicht weniger fürchtete man in der Hauptversammlung demotivierende Auswirkungen eines chaotischen Wildwuchses der Spendenwünsche auf die Spendenbereitschaft gerade mittlerer Unternehmen. Bereits in der Gründungsphase war diese Besorgnis thematisiert worden. Zwar war die Ausgangsposition des Stifterverbandes schon durch die gegenüber anderen gemeinnützigen Akteu15 Ebd.
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ren deutlich günstigere Steuerbehandlung und auch die persönliche Vermittlung des Spendenbedarfs durch Außendienstmitarbeiter sehr erfolgversprechend. Um aber im Zugriff auf die Wirtschaft keine Chance ungenutzt zu lassen, begrüßte der Stifterverband alle Bemühungen, das Spendenwesen zu ordnen. In eigener Regie mühte sich der Stifterverband, stellvertretend für die Selbstverwaltungsorganisationen der Wissenschaft, die Werbung in der Wirtschaft zu übernehmen und dies in beiderseitigen Vereinbarungen zu dokumentieren. Durchaus erfolgreich gelang es dem Stifterverband derart die Werbeaktivitäten von DFG, Studienstiftung, DAAD, Humboldt-Stiftung, Helmholtz-Fonds und Bundesstudentenring zu bündeln und einer gegeneinander gerichteten Kraftaufwendung vorzubeugen. Daß die dezentral tätigen Fördergesellschaften der einzelnen Hochschulen nicht Gegenstand derartiger Vereinbarungen geworden sind und das Verhältnis des Stifterverbandes zur zentral agierenden MPG größeren Spannungsmomenten unterlag, zeugt vom Charakter des Verhältnisses des Stifterverbandes zu den einzelnen Wissenschaftsorganisationen. Hier erwies sich der Stifterverband in den Gründeljahren der deutschen Wissenschaftslandschaft als zentral agierende Ergänzung zu den föderal verwurzelten Wissenschaftsorganisation. In Allianz mit BDA, BDI und DIHT unterstützte der Stifterverband engagiert den „Arbeitskreis Spendenwesen der Gewerblichen Wirtschaft". Dieser Arbeitskreis erarbeitete ein Spendenalphabet, das alle wesentlichen Spendenanfragen erfaßte und nach kurzer Charakterisierung der Tätigkeiten der jeweiligen „Bettler" positiv oder negativ zu einzelnen Spendenwünschen Stellung nahm. 16 Mit diesem laufend aktualisierten WHS-Archiv (Wissenschaft, //umanitäres, Sonstiges) war nicht nur für Ordnung und Transparenz gesorgt, sondern in Maßen auch eine Steuerung des Spendenflusses möglich. Insbesondere sollte ein Schutz der Unternehmen und Organisationen der Wirtschaft vor nicht förderungswürdigen Einrichtungen gewährleistet werden.17 Dies entsprach ganz dem Wunsche des Stifterverbandes, vor allem aber auch dem Interesse der angesprochenen Unternehmer, „ausufernder Schnorrerei" Einhalt zu gebieten. „In Westdeutschland grassiert seit Jahren eine Seuche, die wie alle Seuchen in höchstem Maße ansteckend wirkt und immer weiter um sich greift, nämlich die des Wunsches und manchmal auch der Forderung nach Spenden aller Art. Ich glaube wohl jede Firma und insbesondere Firmen, die Gegenstände des begehrten täglichen Gebrauchs herstellen, vermögen davon ein Lied zu singen....Diese Schnorrerei stellt einen maßlosen Unfug dar, dem meines Erachtens nunmehr mit aller Entschiedenheit gesteuert werden muß. Ich weiß, daß es viele hilfsbedürftige Menschen und unterstützungsbedürftige Einrichtungen gibt, denen geholfen werden sollte, und ich versage mich, besonders um die Weihnachtszeit herum, solchen Bitten in der Regel nicht. Aber gerade diese unterstützungswürdigen Einrichtungen müssen mit der Zeit darunter leiden, daß eine Schnorrerei betrieben wird, die jedes Maß überschreitet und auch kein Schamgefühl mehr kennt."18 16 BahA 01041, Nord an Vorstand SV 2. Nov. 1953. 17 SV/VP, VWR2.Juni 1961. 18 RWWA/ GHH 400101460/ 33; es handelt sich hier um ein Schreiben eines nicht näher bezeichneten Unternehmers an den BDI.
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Die Bedeutung, die der Stifterverband dem WHS-Archiv im „Wettkampf um die Steuerung der Mittel" beimaß19, zeigt die Höhe seiner Beiträge. So floß 1952 der größte der vom Stifterverband gezahlten Mitgliedsbeiträge bzw. Zuschüsse mit 4.000,- DM an das WHS-Spendenarchiv der deutschen Wirtschaft und lag damit über den mit 1.000,- DM veranschlagten Beiträgen an die wissenschaftlichen Akademien in Göttingen, Heidelberg, München und Mainz oder etwa das Deutsche Museum.
c) Verhältnis zur Notgemeinschaft/DFG Analog zur Skepsis der Wirtschaft an der Dominanz der Philologen bei der Gründung der Notgemeinschaft von 1920 mangelte es auch bei der Neugründung der Notgemeinschaft 1949 den Wissenschaftlern und Kultusbeamten an Sensibilität gegenüber den Belangen der Wirtschaft. Gerügt wurde u. a., daß zwar Einladungen zur Gründungsversammlung am 11. Januar 1949 an die Kultusminister, die Hochschulen, Forschungsinstitute und Akademien, nicht aber an die Wirtschaft ergangen seien. In diesem Punkte vermutete Studders eine Initiative der Kultusverwaltungen, die Notgemeinschaft von politischer Seite entscheidend zu beeinflussen. So sah der noch in statu nascendi befindliche Stifterverband in der Abwehr derartiger Bestrebungen eine Aufgabe für weitere Gespräche. Die Wiedergründung der Notgemeinschaft setzte die von Merton getragene Initiative in Zugzwang. Bei der grundsätzlich nicht zu leugnenden, natürlichen Spannung zwischen den Wünschen der Wirtschaft und den auf die „universitas litterarum" gerichteten Arbeiten der Notgemeinschaft bot sich - wie schon betont wurde - den förderungswilligen Unternehmern folgende Alternative: Entweder man führte die Überlegungen des Schönberger Kreises zum Abschluß, bestand auf einer eigenen Institution und riskierte damit die gerade in der Wirtschaft gefürchtete Spenden-Anarchie, oder man stimmte einer Fusion der Gesellschaft zur Förderung von Forschung und Lehre mit dem von der Notgemeinschaft angeregten Stifterverband zu, ohne doch ganz in diesem Stifterverband aufzugehen.20 In Gesprächen zwischen Richard Merton und dem Präsidenten der Notgemeinschaft Prof. Dr. Geiler, kamen die Hoffnungen der Notgemeinschaft zum Ausdruck, daß der zu gründende Stifterverband über den mit 2 Mio. noch bescheidenen Beitrag der Länder hinaus bedeutende Mittel mobilisieren könne. Dabei hielt Merton an dem Vorbehalt über die Verwendung der von der Wirtschaft aufgebrachten Mittel fest. Man schied mit dem „beiderseitigen Wunsch nach vertrauensvoller Zusammenarbeit".21 Eine Einigung konnte schließlich darüber erzielt werden, daß der neue Stifterverband die von ihm eingeworbenen Gelder zwar nicht ausschließlich, aber doch zum wesentlichen Teil der Notgemeinschaft zukommen lassen werde. Im Gegenzug verzichtete die Notgemeinschaft auf die eigene Ansprache möglicher Spender. Für eine angemessene und den Wünschen der Wirtschaft Rechnung tragende Verwendung die19 SV/ VP, Bericht der HV vom 23.Februar 1954. 20 RWWA/ GHH 400101460/ 26, Memorandum Studders 17.Juni 1949. 21 RWWA/ GHH 400101460/ 25, Dritter Zwischenbericht Studders vom 16. April 1949.
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ser Gelder sollte der wechselseitige Austausch von Vertretern zwischen den satzungsgemäßen Organen von Stifterverband und Notgemeinschaft Sorge tragen. Vorstand und Verwaltungsrat des Stifterverbandes nahmen Vertreter der Notgemeinschaft auf und der Stifterverband beschickte Präsidium, Hauptausschuß und Kuratorium der Notgemeinschaft. Hoffte der Stifterverband über die Partnerschaft mit der Notgemeinschaft an zentraler Stelle an der Entwicklung der Wissenschaft zu partizipieren sowie Einblick und Einfluß auf alle der Wissenschaft in Forschung und Lehre wesentlich zufließenden Mittel zu erhalten, so sah die Notgemeinschaft in der Beteiligung der Wirtschaft vor allem die Sicherstellung ihres einzigartigen privatrechtlichen Organisationsstatuts. 22 Eine Einlösung der gesellschaftspolitischen Vorstellungen des „Blauen Gutachtens" der Britischen Militärregierung zur Hochschulreform, die „wissenschaftliche Welt" solle sich nicht abkapseln, sondern „sich möglichst weitgehend den Kräften der Gesellschaft" öffnen, spielte hierbei sicherlich keine Rolle. 23 Maßgeblich beabsichtigte der Stifterverband, den staatlichen Einfluß auf die DFG in Schach zu halten. „Seit seiner Gründung stritt der Stifterverband in engem Einvernehmen mit der Notgemeinschaft um die Unabhängigkeit von staatlichen Zugriffen. Zumindest im Anspruch war der Stifterverband bestrebt, der Notgemeinschaft und ihrer Nachfolgerin, der Deutschen Forschungsgemeinschaft, einen den öffentlichen Zuwendungen gleichhohen Betrag zur Verfügung zu stellen." 24
Kontinuierlich gab der Stifterverband zunächst 60%, seit 1955 70% seiner freien Mittel an die DFG, die damit im Normalverfahren, auf entsprechende Anträge, Forschungsvorhaben unterstützte. Zwar entpuppte sich der Vorsatz Schatzmeister Gummerts, die Balance zu den staatlichen Zuwendungen an die DFG zu halten, bald als unerfüllbare Wunschvorstellung. Dennoch gelang es dem Stifterverband, seinen Anteil am DFGEtat für Bewilligungen im Normalverfahren auf über 30% auszubauen.25 Für die entsprechende Vertrauensbasis sorgten im ersten Gremienaustausch zwischen Notgemeinschaft und Stifterverband Merton im Präsidium der Notgemeinschaft, Gummert und Vits im Hauptausschuß, sowie Otto A. Friedrich, Gummert, Haspel, Vits und Ziegler im Kuratorium und auf Seiten der Notgemeinschaft Lehnartz im Vorstand des Stifterverbandes, sowie Geiler, Gerlach, Hartmann und Zierold im Verwaltungsrat. In der Auseinandersetzung zwischen dem sich stark um Bundesmittel bemühenden Forschungsrat und der Notgemeinschaft drängten die Vertreter des Stifterverbandes in der Notgemeinschaft erfolgreich auf eine Fusion der beiden Organisationen, wobei insbesondere Merton Wert auf eine möglichst politikferne Einigung legte. 26
22 Letzeiter, Franz: Die Deutsche Forschungsgemeinschaft, Manuskript, 10. 23 Zierold, Kurt: Sechs Monate Notgemeinschaft. Ein Rechenschaftsbericht, in: DUZ 4.Jg., Nr.23, 2. Dezember 1949, 11. 24 SV/ VP, Gummert Vs 7. Nov. 1949. 25 SV (Hg.): Zehn Jahre Stifterverband, Essen 1959, 38. 26 Stamm: Zwischen Staat und Selbstverwaltung, 135.
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d) Eine „societas leonina"? Das Verhältnis zur Max-Planck-Gesellschaft Die Institute der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft unterlagen nach dem Ende des Krieges nicht nur den schärfsten Kontrollen der alliierten Behörden, weil ihre Wissenschaftler als verantwortlich für die militärische Stärke des Deutschen Reiches galten, sondern die Gesellschaft wurde auch vom Alliierten Kontrollrat als aufgelöst erklärt,27 ohne daß dieser Beschluß jedoch in die Praxis umgesetzt worden wäre. In den folgenden Monaten schälten sich durchaus unterschiedliche Strategien der Engländer und der Amerikaner über die Zukunft der KWG und damit der gesamten deutschen Grundlagenforschung heraus. Während die meisten Institute im Verlauf der Endphase des Krieges aus Berlin in die westlichen Teile Deutschlands verlagert worden waren, wurde das letzte in Berlin verbliebene Institut von russischen Truppen abgebaut und seine Wissenschaftler in die Sowjetunion verbracht. Die Wissenschaftler der von den Engländern eroberten Institute wurden zunächst in England interniert und über ihre Mitwirkung am deutschen Atom-Projekt befragt. Während dieses Aufenthalts wurden jedoch zugleich die Grundlagen für ein bemerkenswert vertrauensvolles Verhältnis zwischen englischen und deutschen Wissenschaftlern gelegt, so daß die britische Option für einen Wiederaufbau des deutschen Wissenschaftssystems eng mit den direkten Kontakten während des Farm-Hall-Aufenthaltes verbunden ist.28 Gleiches geschah auch mit den nach Ludwigsburg ausgelagerten Instituten. Für die in der britischen Zone gelegenen Institute, für die Göttingen zum Mittelpunkt geworden war, wurde schon am 11. September 1946 - zunächst nur für die britische Zone geltend - die Max-Planck-Gesellschaft als Auffangorganisation gegründet. Da der letzte Präsident der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, Albert Vogler, im April 1945 beim Einmarsch der Amerikaner ins Ruhrgebiet Selbstmord begangen hatte, übte deren Präsidentschaft zunächst in Vertretung für den noch internierten Otto Hahn - der als neuer Präsident vorgesehen war - Altpräsident Max Planck aus, der freilich seinen Generalsekretär Dr. Ernst Telschow und jüngere Kollegen mit den Verhandlungen über das weitere Schicksal betraute. Nachdem am 16. Januar 1948 auch die schwierig zu erlangende Zustimmung der Amerikaner zur Neugründung der „Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften" gegeben worden war, konnte die Gesellschaft am 26. Februar des gleichen Jahres gegründet werden, womit das komplizierte Nebeneinander von Max-Planck-Gesellschaft (Britische Zone) und alter KWG de facto beseitigt war, auch wenn die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft formell erst 1960 aufgelöst wurde. Schon am 18. Juli 1948 beschloß der Senat der Gesellschaft, die Mitgliederwerbung besonders „bei Einzelpersonen in Industrie- und Handelskreisen" zu verstärken, nachdem von den alten 300 KWG-Mitgliedern sich bislang nur etwa 100 bereit gefunden hatten, auch die neue Gesellschaft zu unterstützen. Bis zum 18. November 1949 erreich27 Bislang wurde bekanntlich kein formeller Auflösungsbeschluß ermittelt, aber der britische Verbindungsoffizier B. K. Blount erklärte dies gegenüber dem Präsidenten der KWG am 10. Juli 1946. Vgl. Henning-Kazemi: Chronik derMPG 1946-1960, 24. 28 Dazu jetzt die Interpretation der Farm-Hall Episode bei Oexle, Otto Gerhard: Wie in Göttingen die Max-Planck-Gesellschaft entstand, in: Max-Planck-Gesellschaft Jahrbuch 1994, 43-60.
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te die Max-Planck-Gesellschaft wieder die Zahl von 431 Fördernden Mitgliedern. 29 Trotzdem blieb die Max-Planck-Gesellschaft in ihrem Bemühen, die Zahl dieser Mitglieder zu erhöhen, bei eher zurückhaltenden Werbemethoden. Angesichts der schnell gefundenen Bereitschaft der Sitzländer, die Institute finanziell zu unterstützen, schien die Finanzlage der Gesellschaft gesichert, und es fand keine systematische Arbeit auf diesem Felde statt; die Pressearbeit wurde eher nebenbei erledigt. Offensichtlich sprach sich der Senat 1948 gegen eine besondere Aktivierung der Öffentlichkeitsarbeit zugunsten der Max-Planck-Gesellschaft aus, jedenfalls stellte Telschow dies später bei einem Besuch des Stifterverbandes im Juni 1950 fest. Sichtlich beeindruckt von der dort betriebenen Werbe- und Pressearbeit hielt er in einer Aktennotiz fest, daß er schon vor zwei Jahren eine aktivere Öffentlichkeitsarbeit empfohlen habe. Jetzt sei durch den Stifterverband der Beweis erbracht, daß sich zielstrebiger Einsatz von besonderem Personal auf diesem Gebiet lohne. Damit spielte Telschow auf die vom Stifterverband eingestellten stellvertretenden Geschäftsführer an, die für die regional aufgeteilte Spendenakquisition zuständig waren. Angesichts dieser Zahl und angesichts der Tradition der Gesellschaft, auf die private Unterstützung ihrer Arbeit durch die Industrie zu vertrauen, liegt es auf der Hand, daß die Gremien der Max-Planck-Gesellschaft die Bemühungen zur Gründung eines Stifterverbandes mit höchstem Interesse verfolgten. Jede Aktivität zur Bündelung der industriellen Spendenaktivitäten mußte natürlich den Zugriff der Max-Planck-Gesellschaft auf die traditionellen Spenderkreise gefährden. Merton hatte schon im November 1948 Otto Hahn über die Aktivitäten seines Gründerkreises informiert, ohne daß dies zu Reaktionen der Max-Planck-Gesellschaft geführt hätte. In der Senatssitzung vom 18./19. März 1949 hatte dann Theo Goldschmidt - der Realität erheblich vorausgreifend - berichtet, „daß ein Stifterverband unter Leitung des Metall-Industriellen Richard Merton ins Leben gerufen ist, der Mittel für die Notgemeinschaft und die MaxPlanck-Gesellschaft gesammelt hat ( ! ) . " Zugleich wurde bemerkt, daß bislang keine Beträge eingegangen seien, und daß „der Anteil der Max-Planck-Gesellschaft" dieser „unmittelbar zur Verfügung gestellt werden" solle. 30 Die Einladung zur Gründungssitzung des Stifterverbandes wurde Otto Hahn durch eine Kopie des Chemieindustriellen Ulrich Haberland zur Kenntnis gebracht. In Göttingen war man gespannt auf die Vorgänge in Frankfurt. So wundert es nicht, wenn die Satzung der schließlich gegründeten „Gesellschaft zur Förderung von Forschung und Lehre" von Herrn Pollay, einem Mitarbeiter der Generalverwaltung der Max-Planck-Gesellschaft, kritisch daraufhin durchgesehen wurde, ob sie die Max-Planck-Gesellschaft berücksichtige. Sein Aktenvermerk vom 15.11. 1949 ist unmißverständlich: „Die hier vorliegende geplante Satzung des Stifterverbands läßt erkennen, daß der Verband in erster Linie eine enge Zusammenarbeit mit der Notgemeinschaft wünscht. ...Die Max-PlanckGesellschaft ist in der Satzung nicht erwähnt. Hieraus kann geschlossen werden, daß unsere Institute an den Unterstützungsbeiträgen nicht teilhaben werden. Es muß sogar befürchtet 29 Vgl. Henning-Kazemi: Chronik derMPG 1946-1960, 41. 30 Senatsprotokoll vom 18./19. September 1949 in BBA, Best. 12, Nr. 182,11.
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werden, daß Industriefirmen, die jetzt bei uns Fördernde Mitglieder sind, abspringen und Mitglied des Stifterverbandes werden. Eine doppelte Zahlung von Förderbeiträgen kann kaum erwartet werden."
Diese Einschätzung verriet tiefe Skepsis der Göttinger Generalverwaltung unter Dr. Ernst Telschow, dem alten und neuen Generalsekretär der Max-Planck-Gesellschaft, die sich in den nächsten Monaten eher noch verstärken sollte. Tatsächlich hatte in den Gründungsvorbereitungen des Stifterverbandes die Max-Planck-Gesellschaft keine besondere Rolle gespielt, offensichtlich auch deshalb nicht, weil es - wie erwähnt - der Max-Planck-Gesellschaft schon früh gelungen war, ihre Institute entweder in den Länderhaushalten bzw. im Etat des vereinigten Wirtschaftsgebietes abzusichern. Die MaxPlanck-Gesellschaft hatte schon seit 1946 eine Politik der aktiven Erweiterung betreiben können, so daß sich die Befürchtungen der industriellen Gründer des Stifterverbandes eher auf den Zustand der Universitäten konzentrierten, von denen die Industrie ihren Forschungs- und Führungsnachwuchs bezog. Auch für Fachwissenschaftler außerhalb der Max-Planck-Gesellschaft galt deren Finanzierung als konsolidiert. Der Münchener Physiker Walther Gerlach vertrat diese Meinung dezidiert, und er machte der Max-Planck-Gesellschaft sogar den Vorwurf, in der Öffentlichkeit den Eindruck zu erwecken, als liefere sie „die wesentlichsten Beiträge zur Forschung." Für ihn aber stand fest, wie er im August 1949 an Fritz Gummert schrieb, „daß von der Mitte des Dritten Reiches, d.h. also in der Zeit, über die man eine begründete Aussage machen kann, die Forschungsarbeiten der Universitäten und Hochschulen mehr als 80% aller Forschungsarbeiten waren." Als sich der Stifterverband im Frühjahr 1950 an die Ausarbeitung seiner Werbekampagne machte, mußte natürlich sofort die Frage auftauchen, wie sich der Anspruch der Gründer - hier nahm vor allem Reusch eine dezidierte Position ein - auf wirkliche Zentralisierung des industriellen Spendenaufkommens mit den traditionellen Ansprüchen der Max-Planck-Gesellschaft auf das Geld der Industrie vertrug. Dabei muß bedacht werden, daß in diesen Wochen auch die entscheidenden Verhandlungen über die Vereinigung von DFR und Notgemeinschaft stattfanden, in die der Stifterverband stark involviert war. Nicht zuletzt drängte der Stifterverband auf einen Zusammenschluß der beiden Organisationen, um das „Durcheinander" in der Werbung um Industriegelder zu beseitigen. Insofern stand dem Stifterverband ein starkes Argument zu Gebote, wenn er sich jetzt darum bemühte, auch die Mittelaufbringung zu koordinieren. Zwar hatte Merton schon Otto Hahn während der Gespräche über die Vereinigung von Deutschem Forschungsrat und Notgemeinschaft auf die Möglichkeit eines Verzichts auf eigene Spendenwerbung der Max-Planck-Gesellschaft angesprochen, doch dies hatte zu keinem Ergebnis geführt. So hatte Fritz Gummert, der im Frühjahr 1950 seine weitreichenden Ideen in die Tat umsetzte, schon Anfang April das Gespräch mit Hermann Bötzkes, dem Generaldirektor der Düsseldorfer Industriebank und Schatzmeister der Max-Planck-Gesellschaft, und Telschow gesucht. Er trug beiden Herren unverblümt die Wünsche der neuen Organisation vor: Der Stifterverband lege Wert darauf, im Rahmen seiner Werbeaktion auch für die Max-Planck-Gesellschaft mitzu-
163 werben, und er wolle eine Selbstbeschränkung der Max-Planck-Gesellschaft für die Zahl ihrer Mitglieder - entsprechend ihrer früheren Mitgliederzahl von etwa 8 0 0 - erreichen. Bötzkes und Telschow schienen wie vom Schlag gerührt: „Es wurde betont - so formuliert der Aktenvermerk - daß die Max-Planck-Gesellschaft gewissermaßen Selbstmord verüben würde, wenn sie sich in der Werbung ihrer Mitglieder Beschränkungen auferlegen ließe. Die privaten Mittel hätten für die Gesellschaft stets das finanzielle Rückgrat bedeutet und in früherer Zeit ungefähr 51 % des Gesamtetats ausgemacht. Die Max-Planck-Gesellschaft könne im Hinblick auf ihre besondere Stellung in der deutschen Forschung auch auf eine Sonderbehandlung dieser Stellung nicht verzichten." Gummerts eigene Niederschrift über dieses Treffen belegt, daß die M a x - P l a n c k Gesellschaft-Vertreter mit hochentwickeltem Selbstbewußtsein auf die industrielle Neugründung hinunterschauten. Zu den von Gummert erwähnten aktuellen Schwierigkeiten der Mitteleinwerbung bei der Industrie „meinten die Herren, daß das möglicherweise für den Stifterverband zutreffe, daß aber die M a x - P l a n c k - G e s e l l s c h a f t einen solch guten R u f und eine solche Werbekraft habe, daß eine eigene Werbeaktion ihnen aussichtsreich erscheine...Zwar nicht expressis verbis, aber doch zwischen den Zeilen kam zum Ausdruck, daß die M a x - P l a n c k - G e s e l l s c h a f t aufgrund ihrer Tradition die Priorität vor dem Stifterverband beanspruchen müsse. A u c h gaben die Herren ihrer Enttäuschung Ausdruck, daß der Stifterverband sich so eng mit der Notgemeinschaft liiert habe." 3 1 Da in dieser Sitzung keine Einigung möglich erschien - auch wenn Bötzkes die Aufnahme einiger Herren des Stifterverbandes in den Senat der Max-Planck-Gesellschaft andeutete - mußte die F r a g e aufgeschoben werden. Man wollte sich Anfang Mai in Göttingen in größerem Kreise treffen. Schon vorher - am 2 8 . 4 . 1 9 5 0 - berichteten Bötzkes und Telschow dem Senat der Max-Planck-Gesellschaft über „gewisse Schwierigkeiten", die durch die Gründung des Stifterverbandes entstanden seien. Beide Herren ließen sich für die kommenden Verhandlungen den Rücken stärken: „Der Senat bringt zum Ausdruck, daß die Max-Planck-Gesellschaft unter allen Umständen ihre Unabhängigkeit und Selbständigkeit gegenüber dem Stifterverband wahren muß." 3 2 A m 1. Mai trafen in Göttingen die beiden Delegationen aufeinander. Hahn, Heisenberg, Schreiber, Bötzkes und Telschow vertraten die Sache der Max-Planck-Gesellschaft, Merton, Bücher, Gummert, Haberland, Nord und Fehling die des Stifterverbandes. Hahn eröffnete die Besprechung mit dem Hinweis auf den jüngsten Senatsbeschluß und die Einnahmenstruktur der Max-Planck-Gesellschaft, die nur noch 1 0 0 . 0 0 0 D M von den Mitgliedern, aber 12 Mio. DM von staatlichen Stellen erhalte. Merton verwies dagegen auf die schwierigen Bedingungen der Spendenwerbung unter den obwaltenden wirtschaftlichen Verhältnissen, die erst durch die unbestreitbaren Erfolge des Stifterverbandes in der steuerlichen Behandlung von Spenden verbessert worden sei. E r verband die inzwischen erfolgte Vereinigung von D F R und Notgemeinschaft zur D F G mit dem allgemeinen Spendenwesen, das ebenfalls vereinheitlicht werden müsse. E r 31 Die Niederschrift im AMG, Akte Dr. Gummert, SV. 32 Senatsprotokoll der MPG vom 2 8 . 4 . 1 9 5 0 in BBA, Best. 12, Nr. 182, 20.
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stellte verschiedene Modelle der Versorgung der Max-Planck-Gesellschaft durch die Spendenmittel des Stifterverbandes zur Diskussion, falls die Max-Planck-Gesellschaft auf eigene Werbung verzichte. Während Schreiber noch einmal einen numerus clausus für die Max-Planck-Gesellschaft-Mitgliederwerbung ablehnte, ging der pragmatische Gummert noch einen Schritt weiter: Er wies darauf hin, daß der Kreis, der vom Stifterverband angesprochen werde, erheblich größer sei als der Kreis potentieller Mitglieder der Max-Planck-Gesellschaft. Er deutete auch die guten Kontakte zu den Industrie- und Handelskammern an, durch die man über umfangreiche Adressatenlisten verfüge. Er könne sich vorstellen, daß der Stifterverband der Max-Planck-Gesellschaft diese Listen zur Verfügung stelle, wenn sich diese dazu bereit finde, in ihren Werbeschreiben das gute Einvernehmen mit dem Stifterverband zu betonen. Nachdem Telschow auch in den Werbeschreiben des Stifterverbands Rücksichtnahme auf die „Sonderstellung" der Max-Planck-Gesellschaft gefordert hatte, fügte Bötzkes die divergierenden Ansichten zu der vagen Kompromißlinie zusammen, die im Werbeaufruf des Stifterverbands für eine die Interessen der Max-Planck-Gesellschaft schützende Formulierung sorgte. Otto Hahn faßte schließlich das magere „Ergebnis" der Besprechung dahingehend zusammen, daß er eine Abstimmung der Werbeschreiben durch direkte Gespräche zwischen Telschow, Gummert und Nord sowie die praktische Überlassung von Adressenlisten an die Max-Planck-Gesellschaft vorsah. Die Werbung beider Institutionen sollte in jedem Falle nach außen als aufeinander abgestimmt bezeichnet werden, ein schon in der Druckfassung vorliegendes Werbeschreiben, das von der „Vereinheitlichung der Werbung" sprach, sollte nicht verwendet werden. Erstaunen muß an dieser Verhandlung, daß der Stifterverband nicht jenes Angebot vorlegte, das Nord mit Gummert in einem Aktenvermerk vorbereitet hatte. Eigentlich wollte man der Max-Planck-Gesellschaft eine Zuwendung in Höhe von 10% aller Einnahmen anbieten, wenn diese sich auf die Spendenwerbung bei ihren bisherigen Mitgliedern beschränke. Für den Fall, daß die Max-Planck-Gesellschaft auf jegliche Spendenwerbung verzichte, wollte man ihr 15-20 % anbieten. Wenn auch nach außen eine „Einigung" erzielt worden war, die auch als solche ausgegeben wurde, so blieb doch der sachliche Dissens erhalten. Am folgenden Tage hielt Telschow dies in seinem Aktenvermerk fest, wenn er betonte, daß die Max-PlanckGesellschaft keine Beschränkung von Werbung oder Mitgliederzahlen akzeptiert habe. Es war auch nach dieser Einigung abzusehen, daß das Verhältnis beider Organisationen gespannt bleiben würde. Prälat Schreiber kommentierte am 20. Mai, daß sich die „Angelegenheit des Stifterverbandes" in der Tat für die Max-Planck-Gesellschaft „wenig befriedigend" entwickele. Er zeigte sich skeptisch, ob man gegen den Stifterverband etwas unternehmen könne, wenn „von dort ein entscheidender Wille gezeigt" werde. Am „entscheidenden Willen" der Herren Merton, Gummert, Reusch und Nord aber konnte nicht gezweifelt werden. Als Telschow im Juni seinen Kontrahenten Nord in Essen besuchte, wobei auch über den Sitz für Otto Hahn im Vorstand und zwei Sitze für Telschow und Bötzkes im Verwaltungsrat des Stifterverbands gesprochen worden war, resümierte er: „Eine kritische Mitarbeit der Max-Planck-Gesellschaft bei den Arbeiten und Sitzungen des Stifterverbandes scheint mir wichtig." Telschow sollte mit seiner Vorsicht Recht behalten.
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Der nächste Konflikt ergab sich schon bald über die Höhe der Summen, die der Stifterverband der Max-Planck-Gesellschaft konkret zukommen ließ. Obwohl die Göttinger Vereinbarung keine bestimmte Summe genannt hatte, die der Stifterverband an die Max-Planck-Gesellschaft abführen sollte, so erwartete man in Göttingen doch einen erheblichen Beitrag. Er sollte jedenfalls höher liegen als die 20.000 DM, die 1950 außer dem Mitgliedsbeitrag von 1.000 DM - an ein Verfügungskonto „Otto Hahn" der Max-Planck-Gesellschaft geflossen waren. Im Herbst 1950 kam es zur Auseinandersetzung über die Höhe der Zuweisung des Stifterverbandes. Telschow nutzte die Differenz zwischen einer Ankündigung des Verbandes über seine Zahlung an die Max-PlanckGesellschaft und der tatsächlich eingetroffenen Summe zum Beginn einer neuen Runde in der Auseinandersetzung: „Wenn wir vom Stifterverband so gering dotiert werden, schrieb Telschow an Bötzkes - hat die ganze Liaison, die doch ziemlich weitgehend gedacht war, keinen Zweck für uns." Obwohl der Stifterverband zu beschwichtigen versuchte, indem er auf - eingestandenermaßen - fehlerhafte Angaben verwies und zudem sofort noch einmal 18.000 DM nach Göttingen überwies, so stellte auch dies Telschow noch nicht zufrieden. Er hatte in der Tat mit einem Betrag von mindestens 50.000 DM gerechnet. Die kritische Grundhaltung in Göttingen wurde auch in bissigen Kommentaren Telschows zur Registrierungsaktion der industriellen Aufwendungen für Forschung und Entwicklung (F+E-Aufwendungen) sichtbar, mit der der Stifterverband lediglich eine Gesamtdokumentation aller aus der Wirtschaft für die Forschung im weitesten Sinne bereitgestellten Mittel erreichen wollte, vor allem, um damit eventuell amerikanische Fördermittel locker zu machen. „Irreführend" schrieb er - zu Unrecht - an den Rand der Mitteilung, weil damit der Eindruck erweckt werde, daß der Stifterverband diese Mittel allein aufgebracht habe. Solche Marginalien belegen, daß im Verhältnis beider Organisationen noch manches der Klärung bedurfte. Mitte Februar setzten sich erneut Verhandlungskommissionen beider Verbände zusammen, um die unbefriedigende Situation zu verbessern, die durch die Übereinkunft vom 1. Mai 1950 überhaupt nicht geklärt worden war. Als neuer Streitpunkt waren die sog. „durchlaufenden" Mittel hinzugekommen, also Zuwendungen der Industrie, die über den Stifterverband an genau bestimmte Institute der Max-Planck-Gesellschaft liefen. Natürlich vertrat die Max-Planck-Gesellschaft die Meinung, daß diese Summen nicht in die Dotierung des Stifterverbands eingerechnet werden dürften, während dieser genau dies erreichen wollte. Wieder trafen die Meinungen deutlich aufeinander: Bötzkes sprach von Nachteilen für die Max-Planck-Gesellschaft durch die Werbung des Stifterverbands, während Merton auf die Vorteile verweisen konnte, die auch der Max-Planck-Gesellschaft durch die verbesserte steuerliche Behandlung von Spenden zugute kämen. Bötzkes wollte sowohl eine eigene Werbung bei den größeren Unternehmen, und zugleich forderte er einen Festbetrag zwischen 2 0 0 und 4 0 0 . 0 0 0 DM vom Stifterverband. Merton konterte diesen für ihn nicht akzeptablen Vorschlag mit dem Entwurf einer Vereinbarung, die Max-Planck-Gesellschaft solle sich auf Mitglieder mit nominellen Beiträgen beschränken - also keine „beitragsstarken" Industriemitglieder - dafür wolle der Stifterverband der Max-Planck-Gesellschaft 14% seiner Gesamteinnahmen zukommen lassen, mindestens aber 200.000 DM.
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Hahn und Bötzkes erklärten gleich, daß sie nicht an eine Annahme dieses Kompromisses durch den Senat glaubten. Man einigte sich deshalb auf eine Minimallinie, die in der Zusicherung gegenseitiger „freundlicher Zusammenarbeit", den Verzicht der MaxPlanck-Gesellschaft auf Werbung bei den Industrieverbänden, nicht aber bei Einzelfirmen, die Verbuchung und Weiterleitung zweckgebundener Spenden durch den Stifterverband an Max-Planck-Gesellschafts-Institute sowie die gegenseitige Hilfe und Absprache durch Zusammentreffen der Schatzmeister und Geschäftsführer beider Organisationen bestand. Während der Vorstand des Stifterverbands diese Regelung prinzipiell billigte und für 1951 die Zahlung von 50.000 DM an die Max-Planck-Gesellschaft beschloß, wollten die MPG-Vertreter die Abmachung erst dem Senat vorlegen. Diese Senatssitzung wurde von Telschow und Bötzkes geradezu strategisch vorbereitet, weil sie die „Abmachungen" mit dem Stifterverband nicht mittragen wollten. Telschow schrieb „dem Herrn Präsidenten" nicht ohne kritische Untertöne, er könne die Abmachungen nicht billigen und werde im Senat dagegen sprechen: „Es ist geradezu grotesk, daß der neugegründete Stifterverband einer Organisation wie uns, die seit 40 Jahren besteht, Vorschriften über Mitgliederwerbung machen will (keine Werbung bei Verbänden)." Auch die Zuweisung der Summe von DM 50.000 an den Präsidenten kritisierte Telschow; der Präsident sei nur in Einzelfällen berechtigt, allein und ohne Gegenzeichnung über derart hohe Geldbeträge zu verfügen. Im übrigen sei dieser Betrag als Leistung des Stifterverbands an die Max-Planck-Gesellschaft „lächerlich gering". Telschow plädierte zugleich für eine Einbeziehung jüngerer Industrieller in den Senat der MPG, „die nicht schon durch Stellungen oder Ehrenämter im Stifterverband, Notgemeinschaft usw. belastet sind, sondern ihr ganzes Interesse der Förderung unserer Gesellschaft zuwenden können." Dies war angesichts der breiten Streuung der Ämter im Stifterverband schwierig. Hier zeigte sich, daß der Stifterverband gut vorgearbeitet und wichtige Industrielle in seinem Sinne „belastet" hatte. Bei einem Treffen mit Bötzkes in Düsseldorf am 20. März 1951 stellte Telschow befriedigt fest, daß auch dieser inzwischen eine Annahme der Verhandlungsergebnisse scharf ablehnte. Bötzkes plante die kommende Senatssitzung so weit vor, daß sich einige Herren - u.a. Schreiber, Heisenberg, Butenandt und Pünder scharf gegen die Abmachungen erklären sollten und ihm, dem Präsidenten und Telschow gleichsam „eine Rüge" für das vorläufige Ergebnis erteilen sollten, um eine möglichst radikale Ablehnung zu erreichen. Da auch ein erneutes Treffen mit Gummert und Nord in Essen einen Tag später kein befriedigendes Ergebnis brachte, sondern Telschow nur - wie er schrieb - den „außerordentlich starken Ehrgeiz" Gummerts erkennen ließ, war die Marschlinie für die Senatssitzung klar. Dieses Konzept ging weitgehend auf. Zwar erkannte der Senat der Max-PlanckGesellschaft am 6. April zum erstenmal die Arbeit des Stifterverbands offiziell an, kritisierte zugleich aber dessen Werbeschreiben und lehnte eine Begrenzung der Werbetätigkeit ebenso ab wie eine Unterbrechung der „persönlichen Verbindung" zwischen einzelnen Industriemitgliedern und den von ihnen direkt geförderten Instituten. Damit waren auch die wesentlichen Punkte der vorläufigen Vereinbarungen abgelehnt worden. Daß die Beziehungen zwischen dem Stifterverband und der Max-Planck-Gesell-
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schaft in dieser Phase außerordentlich gespannt waren, verdeutlicht eine Bemerkung Prälat Schreibers kurz vor der Senatssitzung gegenüber Otto Hahn. Er bezeichnete das bisherige Verhältnis als „societas leonina" und sprach von einer „captivitas babylonica" der Max-Planck-Gesellschaft. Im April 1952 äußerte sich der Physiker Erich Regener in gleichem Sinne zum Thema Stifterverband und seiner engen Kooperation mit der DFG: „Es verdichtet sich jetzt bei mir die Befürchtung, daß Forschungsgemeinschaft und Stifterverband die ganze Forschung .verwalten' wollen, daß wir also neben den 11 Länderministerien, neben den Bundesministerien, noch eine weitere Kontrollbehörde bekommen, um so eher, als jetzt Herr Heisenberg bei der Forschungsgemeinschaft nicht mehr mitmachen will." Ähnliche Befürchtungen über die Regelungsabsichten der Forschungsgemeinschaft hatte Prälat Schreiber schon 1950 bei den Verhandlungen mit dem Stifterverband geäußert, war damals jedoch von Merton deutlich korrigiert worden. Schreibers kritische Haltung gegenüber der Notgemeinschaft und dem Stifterverband nach 1949 fällt um so mehr auf, als er in den 20er Jahren intensiv für die Notgemeinschaft gekämpft hatte. Leider liegen keine Quellen vor, die eine Erklärung dieser veränderten Grundeinstellung erlauben würden. Auch in einem Disput mit dem damaligen Pressemitarbeiter des Stifterverbandes von Kames wurde seine Haltung deutlich. Er trat mit seinen kritischen Überlegungen sogar an die Presse heran. Die Beziehungen zwischen der MPG und dem Stifterverband blieben durch ein gewisses Mißtrauen geprägt, weil man in Göttingen immer wieder einmal darüber nachdachte, ob man mit der Einschränkung der eigenen Werbung nicht doch einen Fehler gemacht habe. Ende 1958 war es wieder einmal soweit. Otto Hahn, der selbst einen Sitz im Vorstand des Stifterverbandes hatte, stellte nach langem Lamento über die knappen Mittel den Antrag, der MPG für 1959 1,5 Mio. DM zukommen zu lassen. Dafür stellt er in bewährter Manier seinerseits den Verzicht auf eigene Spendenwerbung in Aussicht. Während sich die Mitglieder des Stifterverbandes dem Antrag des bedeutenden Gelehrten - der auch dieses Mal mit den falschen Zahlen über eine zu 50 % private Finanzierung in der Weimarer Zeit argumentierte - nicht verschließen mochten, füllte jetzt der DFG-Präsident Hess die Rolle des Kontrahenten aus, wenn erdarauf hinweis, daß diese Erhöhung auf Kosten der DFG gehen müsse, die erheblich höheren Mittelbedarf als die MPG habe.33 Gegenüber diesen Dissonanzen in finanziellen Fragen, die natürlich immer vor dem relativierenden Hintergrund der knappen Mittelausstattung und der institutionellen Offenheit dieser Jahre gesehen werden müssen, ist zu betonen, daß Stifterverband, DFG und Max-Planck-Gesellschaft in zentralen politischen Fragen der Forschungspolitik eng und gut zusammenarbeiteten. Als es im Oktober 1951 darum ging, von Seiten der Forschung Bundeskanzler Adenauer gegenüber die Notwendigkeit vorzutragen, in den laufenden Verhandlungen zur Wiederherstellung der deutschen Souveränität auch „völlige Freiheit für die deutsche Forschung" zu fordern, schloß sich Merton einem Telegramm Ludwig Raisers und Otto Hahns an den Bundeskanzler sofort und ohne jedes Zögern an.34 33 SV/VS vom 4. Dezember 1958. Das Zitat Regeners in AMPG, IL 15,2. 34 AMPG L 15, 1 vom 13.10.51.
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„Deutsche Forschungsgemeinschaft, Max Planck-Gesellschaft und Stifterverband bitten Sie bei derzeitigen Verhandlungen zur Wiederherstellung deutscher Souveränität auch völlige Freiheit deutscher Forschung zu fordern. Wir halten auch Bindung durch Verträge nicht für tragbar. Wir sind jedoch bereit, eigene Bundeskontrolle in dem Umfang wie in anderen Westländern staatlicherseits ausgeübt (zum Beispiel Atomkontrolle) vorbehaltlos anzuerkennen und unsererseits zu unterstützen. Raiser Hahn Merton"
Diese Frage war auch schon vorher in Vorstandssitzungen des Stifterverbandes in diesem Sinne besprochen worden. Wilhelm Alexander Menne hatte in der Verwaltungsratssitzung des Stifterverbandes am 8.10. in München über die Absicht berichtet, die Kontrolle der deutschen Forschung auch in den neuen Verträgen bestehen zu lassen. Sein Vorschlag, die Mitglieder-Versammlung zu einem Brief an den Bundeskanzler zu veranlassen, wurde „lebhaft begrüßt."
e) Beziehungen zu den Trägern der angewandten Forschung Als Sachwalter der Beziehungen zwischen Wirtschaft und Wissenschaft trug der Stifterverband immer auch Sorge für die angewandte Forschung. In der Zeit noch nicht grundlegend geregelter Verhältnisse von Wissenschaft und Forschung galt das Augenmerk des Stifterverbandes den sich ausbildenden Personenkonstellationen bei der institutionellen Verankerung von Forschungsbereichen. Auf dem Gebiet der angewandten Forschung brachte der Stifterverband sein Gewicht im Sinne einer wirtschaftsnahen Institutionalisierung ein. Seit dem Frühjahr 1949 stand der Stifterverband im Kontakt zum Deutschen Verband Technisch-Wissenschaftlicher Vereine (TWV) und dessen Vorsitzenden Prof. Karl Willi Wagner und teilte dessen Bedenken über eine drohende Vernachlässigung der angewandten Forschung oder eine Übernahme von bisher in der Kompetenz der TWV stehenden Arbeiten durch staatlich majorisierte Einrichtungen wie etwa den Deutschen Forschungsrat.35 „Es ist nicht zu verkennen, daß aus der starken Propaganda der letzten Monate für eine finanzielle Erhaltung und Förderung der Forschung und der Hochschulen bis jetzt nur die Grundlagenforschung den Nutzen gezogen hat. Das ist an sich erfreulich. Wenn man es aber dabei bewenden läßt, ist der Weg zum Weiterbau der angewandten Forschung auf den Ergebnissen der Grundlagenforschung zeitlich zu lang. Hier liegt meines Erachtens die Berechtigung und die Bedeutung der Forderung nach einem Industrie-Forschungsrat und nach der gleichzeitigen Förderung der angewandten Forschung."36
35 RWWA/ GHH 400101460/ 26, Wagner an Studders 29.Mai 1949; Wagner bezog sich hier auf ein Referat des Geschäftsführers des DFR, Eickemeyer, auf dem Hochschulabend in Stuttgart am 6.April 1949. 36 RWWA/ GHH 400101460/ 26, Studders an Reusch 31. Mai 1949.
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Aus dem Jahr 1949 datieren auch konkrete Überlegungen über die Organisation der angewandten Forschung. Noch im Zweifel über die endgültige Form des Stifterverbandes, wurden doch die Anforderungen formuliert, die an einen solchen Industrie-Forschungsrat, entweder eingebunden in den Stifterverband oder neben diesem errichtet, zu stellen seien. Danach sollte der Forschungsbedarf der einzelnen Industrien gesichtet, Forschungsdefizite zu anderen Ländern kenntlich gemacht, für die Aufarbeitung der Forschungslücken geeignete Persönlichkeiten und Institute ermittelt und schließlich der Mittelaufwand für diese Totalrevision der industrienahen Forschung bestimmt werden.37 Der Bedeutung dieser Anliegen bewußt, plädierte Studders gegen die Aufsplitterung der wirtschaftlichen Interessen in einen, dem DFR 38 angeschlossenen Industrie-Forschungsrat und einen der Notgemeinschaft assistierenden Stifterverband und entwickelte, nicht ohne Einfluß auf die spätere Fusion von Notgemeinschaft und DFR, ein Modell für die Bündelung der Kräfte der Wirtschaft. „Das erste Ziel mußte es meines Erachtens sein, daß dieser, dem Heisenbergschen Forschungsrat kooptierte Industrie-Forschungsrat mit dem Beirat der Mertonschen GFuL identisch wird. Doch dies wäre ja eine spätere Sorge und der der dafür zuständigen Organe der Gesellschaft vorbehalten [...] Ich halte es nicht nur für Beschlußfassung richtig, sondern auch für bedeutungsvoll für die fachlichen Organisationen, daß sie bei der Gründung der GFuL nicht nur als Geldsammler auftreten, sondern, daß sie auch in die sachliche Arbeit eingeschaltet werden. Sachliche Aufgaben erblicke ich in Folgendem: a) Benennung von Persönlichkeiten aus dem Fachzweig, die in gemischten Gremien (Wissenschaft-Wirtschaft) mitarbeiten können. b) In größeren Verbänden Bildung von besonderen Arbeitsausschüssen, die sich der Forschungsarbeit, der industriellen Gemeinschaftsarbeit, der Hochschulfragen usw. annehmen. c) Übermittlung des laufend erarbeiteten bibliographischen Materials wirtschaftswichtigen Auslandsschrifttums und anderes mehr.39 Nun konnte sich in der praktischen Arbeit zeigen, ob die Anregungen des TWV bei der Gründung des Stifterverbandes von Erfolg gekrönt sein würden oder ob die Problematik nur auf eine höhere Ebene vertagt werden würde, wie der noch skeptische Hermann Reusch mutmaßte. „Wenn es tatsächlich gelungen sein sollte, die Forschungsgemeinschaft zu konstituieren, um Stifterverband, Notgemeinschaft und Forschungsrat unter einen Hut zu bringen, dann steht nur zu hoffen, daß dieses Institut eine möglichst übersichtliche Gliederung und klare Zustän37 RWWA/ GHH 400101460/ 26, Rundschreiben Wagner TWV 7. April 1949. 38 Von der formgebenden Kraft des Stifterverbandes bei den Vereinbarungen zwischen Notgemeinschaft und DFR, im „Spannungszustand zwischen Bund und Ländern", weiß Hellmuth Eickemeyer zu berichten; siehe Eickemeyer (Hg.), Abschlußbericht, 75. 39 RWWA/ GHH 400101460/ 25, Studders an Reusch 30. April 1949.
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digkeiten erhält. Die Herren von der Wissenschaft haben leider ein besonderes Geschick, die Dinge zu komplizieren."40
Für eine Komplizierung sorgten dann vor allem Organisationen, die erst nach Gründung des Stifterverbandes ihren Anspruch auf die praxisnahe Forschung anmeldeten.
f) Die Fraunhofer-Gesellschaft und der Stifterverband (1949-1953) Grundlagenforschung oder angewandte Forschung? Seit seiner Gründung mußte der Stifterverband im Gefolge der Notgemeinschaft in meist schwierigen Auseinandersetzungen seine Position zwischen der Grundlagenforschung und der angewandten Forschung bestimmen. 1920 war er zwar durch die parallele Gründung der Helmholtz-Gesellschaft dieser Schwierigkeit enthoben worden, aber zum einen erfolgte die Gründung dieser Gesellschaft gegen den erklärten Willen der Notgemeinschaft und ihres Stifterverbandes und zum anderen zeigte sich in der weiteren Entwicklung doch eine elementare Diskrepanz zwischen den unmittelbaren Interessen der Wirtschaft und der offiziellen Politik des Stifterverbandes, der offiziell immer stolz darauf war, alle Wissenschaften zu fördern. Nach der Neugründung von 1949 schien dieses Problem zunächst einmal durch die Abgrenzung von Max-Planck-Gesellschaft und Notgemeinschaft bereinigt, zumal als sich 1951 das Problem des DFR durch die Fusion mit der Notgemeinschaft zur DFG lösen ließ. Auch die Versuche des Verbandes Technisch-Wissenschaftlicher Vereine (TWV) durch seinen umtriebigen Vorsitzenden Prof. Wagner, einen Einfluß auf die Kooperation von Stifterverband, MaxPlanck-Gesellschaft und DFG zu gewinnen, mißlangen. Angesichts der nicht erfolgten Neubelebung der Helmholtz-Gesellschaft, die formell aber weiterbestand, mußte alles in die Richtung deuten, als sei die DFG auch der Ort, an dem die angewandte Forschung ihren - wenngleich schmalen - Platz haben sollte. Tatsächlich aber erwies sich dieser Versuch der Marginalisierung oder Zurückdrängung der angewandten Forschung als eine Fehlentwicklung, die spätestens seit der Gründung der Fraunhofer-Gesellschaft (FhG) am 26. März 1949 in einem leidvollen Prozeß korrigiert werden mußte. Daneben muß auch stärker gesehen werden, daß sich die Länder seit 1946 durch die Ausführungsbestimmungen zum Kontrollratsgesetz Nr. 25 in die Forschungspolitik eingeschaltet hatten. Die vielfältigen Bestrebungen der Bundesländer, durch die Bildung von Landesforschungsräten die landesspezifische angewandte Forschung zu fördern, werden oft vernachlässigt.41 1949 schlug der Präsident des Landesforschungsrates von Schleswig-Holstein vor, in allen Bundesländern solche Räte zu bilden und diese dann zur länderübergreifenden Kooperation zu bewegen. 42 Eine solche Initiative lag deshalb nahe, weil schon die amerikanische Zonenverwaltung und dann die Frankfurter 40 RWWA/ GHH 400101460/ 27, Reusch an O. Petersen 20. April 1950. 41 Die wichtige Ausnahme bildet deshalb die Arbeit von Brautmeier: Forschungspolitik für Nordrhein-Westfalen. Vgl. w.o. 98 f. 42 Dies wird erwähnt in einem Bericht über die Förderung der industrienahen Forschung in der
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Länderverwaltung die Forschungsangelegenheiten zentral behandelt hatten.43 Die Ministerpräsidenten der Länder hatten im Dezember 1946 bereits einen Sonderausschuß für die wissenschaftliche Forschung begründet.44 Zunächst mußte die Gründung der Fraunhofer-Gesellschaft freilich als ein durchaus willkommener und unproblematischer Vorgang erscheinen, weil er sich in diese Länderforschungspolitik einordnete. Die neue Gesellschaft wurde rasch von allen Seiten verbal anerkannt, da ihr zunächst auf Bayern konzentriertes Programm der „angewandten Forschung" eigentlich konkurrenzlos war und weder von der Max-Planck-Gesellschaft noch befriedigend von der Notgemeinschaft/DFG abgedeckt werden konnte, doch bot diese erste Zustimmung noch keine abschließende Sicherheit ihrer Existenz. Dieser scheinbare Widerspruch ergab sich aus der letztlich unklaren Abgrenzung der Aufgabenbereiche der wichtigsten Forschungsorganisationen und aus deren Konkurrenz um die finanziellen Ressourcen, die Staat und Wirtschaft bereitstellen konnten. Schließlich mußte im Bereich der industrienahen Forschung die Koordination zwischen Staat und Wirtschaft höchste Priorität besitzen. Damit war zunächst die Abstimmung der Ministerien untereinander gemeint, um zu verhindern, daß die diversen Bundesministerien für Wirtschaft, Verkehr, Inneres usw. unkoordiniert und damit auch unkontrolliert etwaigen gleichen Antragstellern Mittel vergaben. Noch wichtiger war für die Effektivität der in ihren Mitteln vergleichsweise begrenzten bundesdeutschen Volkswirtschaft die Vermeidung von industrieller Doppelforschung. So war es vor allem der Stifterverband, der darauf drängte, eine Auskunfts- und Vermittlungsstelle für die Industrieforschung einzurichten, deren Aufgabe es u.a. sein sollte, aktuelle Forschungsergebnisse um der Effektivität willen allgemein zugänglich zu machen und kleineren Unternehmen die Möglichkeit zu bieten, Forschungen in Auftrag zu geben. Für diese durchaus enge Aufgabe hatte man in Essen die FhG vorgesehen, eine zu schmale Aufgabenstellung, wie man in München fand. Die folgenden Ausführungen versuchen, die Schlingerfahrt der FhG vom bedrohlichen Mitkonkurrenten um die Geldvergabe über die Informationszentrale für die Industrieforschung bis zur unverzichtbaren „dritten Säule" im deutschen Forschungssystem nachzuzeichnen. Natürlich kann hier keine vollständige Geschichte der FhG geboten werden;45 besonderes Interesse soll vielmehr auf das Verhältnis des Stifterverbandes zur Entwicklung der FhG gelenkt werden. Die Leitfrage ist, welche Rolle dem Stifterverband im Prozeß der Neuordnung des Forschungssystems der Bundesrepublik zukam.
Gründung und erste Schritte: Bayerische Landesforschung Den getrennten Ländern oblag es, zunächst selbständig die dringendsten wirtschaftlichen Probleme ihres Territoriums zu lösen. Der Nutzung der Bodenschätze Bayerns Bundesrepublik von Dr. J. Pretsch, dem für diese Probleme federführenden Beamten im Bonner Wirtschaftsministerium, vom 2.10. 1951, IfZ, ED 721/211. 43 Ebd. 44 BHSA, MWi 12584. 45 Rüdiger vom Bruch (Berlin) bereitet im Auftrag der FhG eine Geschichte der Institution zum 50jährigen Jubiläum vor.
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mußte im Rahmen dieser Notsituation naturgemäß eine zentrale Stellung zukommen, zumal das Bayerische Geologische Landesamt sowie das Oberbergamt ihre Sache in den Nachkriegsjahren energisch zur Tagespolitik erklärten.46 Offenbar bestand sogar sehr früh ein wechselseitiges Interesse an einem solchen Institut, vor allem mit den amerikanischen und britischen Dienststellen. Nachdem man sich dann auch der Zustimmung der westalliierten Dienststellen 47 versichert hatte, konnte die zu gründende Gesellschaft der Pfeiler für deren unmittelbares Interessenfeld, die Tiefensprengungen, werden.48 Schließlich führte auch die Tatsache, daß es nach Kriegsende tatsächlich keine Gesellschaft gab, welche die süddeutschen, vor allem bayerischen Belange wissenschaftlicher Forschung mit Erfolg hätte vertreten können, zu ersten Überlegungen, in Anlehnung an das Vorbild der früheren Helmholtz-Gesellschaft, einen eingetragenen Verein „zur Förderung und Erhaltung der wissenschaftlichen Grundlagen der Industrie" (später kurz: „zur Förderung der angewandten Forschung") zu gründen. Rasch fand sich für diese bayerische Neugründung der Name „Fraunhofer Gesellschaft". 49 Vor allem Staatssekretär Hugo Geiger und Prof. Friedrich-Karl Drescher-Kaden erkannten das Desiderat, eine enge Verbindung zwischen Forschung und Industrie herzustellen.50 So war die Gründung der FhG am 26. März 1949 letztlich das Ergebnis von Überlegungen des Referats „Forschungskontrolle" im Bayerischen Wirtschaftsministerium und weniger - zumindest nicht vorrangig motiviert - von industriellen Interessen. Die starke Stellung des Staates kam auch darin zum Ausdruck, daß zum Senatsvorsitzenden Staatssekretär Geiger gewählt wurde. Schon das Protokoll der ersten Senatssitzung der FhG am 6.5.1949 belegt, daß für diese Neugründung in Konkurrenz zur Max-PlanckGesellschaft und zur Notgemeinschaft die Phase der Etablierung besonders schwierig werden sollte. Auf die Frage nach der Abgrenzung gegenüber den Arbeiten der Notgemeinschaft erläuterte der erste Präsident der FhG, der Münchener Physiker Walther Gerlach, die grundsätzlichen Unterschiede der Ziele beider Gesellschaften. Die Notgemeinschaft, deren Vizepräsident Gerlach zu dieser Zeit ebenfalls war, umfasse alle Wissensgebiete der ihr angeschlossenen Hochschulen und Akademien; sie behandele „Probleme", die FhG löse dagegen „Aufgaben", die in Gemeinschaftsarbeit zwischen 46 Als direktes Vorbild diente die Schweizer Arbeitsgemeinschaft „Geotechnische Kommission" (vgl. Schreiben Drescher-Kaden vom 20.7.48, IfZ, ED 721/136). 47 Aus dem Schreiben von Direktor Gigas (Bay. Geologisches Landesamt München) vom 20.7.1948 (IfZ, ED 721/136) geht hervor, daß die „Anregung zur Einrichtung eines derartigen Instituts" von der amerikanischen und britischen Besatzungsbehörde ausgegangen sein soll. „Auch die französischen Besatzungsbehörden sind an den Arbeiten, die das Land Survey Office z. Zt. durchführt, besonders interessiert." 48 BHSA, MWi 12683 (betr. Gründung der Fraunhofer-Gesellschaft). 49 Joseph von Fraunhofer (6.3. 1 7 8 7 - 7 . 6 . 1 8 2 6 ) . Als Mitglied der Bayerischen Akademie gelang es ihm, bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts seine physikalischen Forschungsergebnisse auf die im Enstehen begriffene optische Industrie anzuwenden. 50 Aktenvermerk des Referat 25b, Wissenschaftliche Forschung, 2 . 1 1 . 4 8 (Besprechung vom 29.10.48 bei Geiger), IfZ, ED 721/136.
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Wissenschaft und Wirtschaft aufgestellt und durchgeführt würden. Zwischen der Notgemeinschaft und der FhG seien diese Abgrenzungen inzwischen festgelegt worden. Der grundsätzliche Unterschied beider Gesellschaften bestehe darin, daß die Industrie bei der Notgemeinschaft im Stifterverband vertreten sei, ohne irgendwie Einfluß auf die Art der auszuführenden Arbeiten zu haben, während bei der FhG die Verbindung zwischen Wirtschaft und Wissenschaft enger und ein durchaus persönlicher Austausch sei. Die frühere Helmholtz-Gesellschaft, welche nur von der Industrie finanziert wurde, habe ihre Tätigkeit, die vorwiegend auf dem Gebiet der physikalischen Chemie des Eisenhüttenwesens lag, noch nicht wieder aufgenommen. Es sei möglich, daß die FhG einen Teil dieses Aufgabengebietes betreuen werde.51 Diese ersten Abgrenzungsversuche vermochten indes nicht, die Skepsis zu verdecken, mit der man der FhG gegenübertrat. Gleichwohl versicherte man auch an anderer Stelle, daß „eine Überschneidung mit anderen Gesellschaften, welche Gelder aus der Industrie beziehen, nicht zu befürchten sei, da [...] die Gesellschaft selbst keine Forschung betreiben oder Institute unterhalten [solle]."52 Doch diesen Beteuerungen standen auch Überlegungen gegenüber, welche ebenfalls im Rahmen der Satzungsdiskussion formuliert worden waren. Gleichsam als Gegenschrift zu den Überlegungen des Geologischen Landesamtes versuchte ihr Autor, Prof. Kreichgauer, das mögliche Aufgabenfeld einer Fraunhofer-Gesellschaft massiv zu erweitern. Sein zehnseitiges Memorandum vom 30.11.1948 mußte die übrige Forschungslandschaft aufrütteln, da hier provokativ und „ohne Rücksicht darauf [...], wie weit etwa andere Institutionen [einschl. der Großindustrie u. (der) einschlägigen Verbände usw.] sie [die Aufgaben] bereits bearbeiten, Aufgabenbereiche für die FhG definiert wurden." In jedem Fall wurde bereits in diesem frühen Stadium das Ziel formuliert, „als eine Erweiterung der Max-Planck-Gesellschaft [...], die angewandte Forschung [zu fördern]". 53 Wie auch immer diese theoretischen Abgrenzungsversuche lauten mochten, der Alltag der frühen FhG beschränkte sich neben den Tiefensprengungen nun zunächst darauf, Forschungszuschüsse an Einzelforscher zu vermitteln. Allgemeine Forschungsvorhaben zu fördern oblag jedoch der DFG. Eine erste Konkurrenzstellung ergab sich mithin durch das praktizierte Arbeitsfeld. Eine weitere „Demarkationslinie" zog der Stifterverband, der es nicht versäumte, der FhG bald unmißverständlich zu signalisieren, wer das Alleinrecht habe, bei der deutschen Industrie um Spenden für die Förderung von Wissenschaft und Forschung zu werben. Plötzlich fand sich die FhG im Getümmel der verschiedenen Institutionen. Das meist 51 Tatsächlich nahm die Helmholtz-Gesellschaft ihre Tätigkeit nach 1945 nicht wieder auf, ohne daß die Gesellschaft jedoch formal aufgelöst worden wäre. Am 15.7.60 fand in Düsseldorf ihre letzte Hauptversammlung statt (vgl. AVDE, HG 1, Bd. 2), die freilich nur konstatieren konnte, daß angesichts der etablierten Fördereinrichtungen und vor allem der jetzt erfolgreich durchgesetzten Fraunhofer-Gesellschaft für die Helmholtz-Gesellschaft kein Platz mehr für eigene Aktivitäten bestand. 52 Ausführungen Bungartz' in der Sitzung am 8.12.48, in: Aktenvermerk Dr. Siggel, Referat 25b wiss. Forschung vom 11.12.48, IfZ, ED 721/136. 53 Abschrift Prof. Dr. A. Kreichgauer, Aufgaben, 30.11.48, IfZ, ED 721/136.
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durch längere Tradition gewachsene Rollen- und Selbstverständnis dieser etablierten Verbände prallte auf die junge FhG, die ihrerseits erst auf dem Weg war, ihr Aufgabengebiet zu definieren. Wenig hilfreich war dabei, daß man sich in dieser schwierigen Zeit sagen lassen mußte, man sei ohnehin nur eine „bayerische Extrawurst" und damit unfähig, bundesweiten Zielsetzungen zu genügen. Die Kreichgauer-Denkschriften Wenn man zu erklären versucht, wie es zu dem raschen Wandel der FhG kam, so wird man auf den äußeren Impuls verwiesen, den die FhG erhielt, um sich neu orientieren zu können. Meist wird dann die Anfrage des Bundeswirtschaftsministeriums erwähnt, ob die FhG nicht die Mitverantwortung bei der Vergabe der ERP-Gelder übernehmen wolle. Die Chance, die sich damit der jungen Gesellschaft bot, wird als der entscheidende externe Impuls gedeutet, der die weitere Entwicklung bestimmte.54 In der Forschung bislang völlig unbekannt ist das Memorandum zweiter Fassung von Prof. Alfons Kreichgauer.55 Selbst in den zahlreichen Aktenvermerken der frühen 50er Jahre, die immer wieder neu versuchten, die Entwicklungsgeschichte festzuhalten, um dem wechselnden Teilnehmerkreis der Besprechungen einen - immer schwerer werdenden - Überblick über die bisherigen Zielvorstellungen geben zu können, taucht der Name des Verfassers der beiden Denkschriften aus dem Jahr 1948 nicht auf, möglicherweise, weil die prophetischen Aussagen Kreichgauers nur allzu deutlich machten, welche Fehler die Gründungsmitglieder zu verantworten hatten. Kreichgauer legte den Finger auf die Wunde der satzungsmäßigen Strukturdefekte der FhG. Der in der Satzung definierte Aufgabenbereich (Ermittlung von Forschungsproblemen, Durchführung von Untersuchungen und Beschaffung/Verwaltung von Forschungsmitteln) unterscheide sich - abgesehen von der Einschränkung auf die angewandte Forschung - nicht eigentlich von dem Tätigkeitsbereich der Notgemeinschaft, so der zentrale Einwurf des Verfassers der Denkschrift. Für Kreichgauer war die FhG gemäß der gegebenen Satzung eine Fehlgeburt, deren Weg qualvoll werden müsse: „Die FhG ist also ein Zwilling, die Konkurrenz der Notgemeinschaft, die bayerische 54 Für den heutigen Stand der Forschung über die FhG grundlegend ist der Beitrag von Hohn, Hans-Willy: Die Fraunhofer-Gesellschaft, in: ders. / Schimank, U w e (Hgg.): Konflikte und Gleichgewichte im Forschungssystem. Akteurkonstellationen und Entwicklungspfade in der staatlich finanzierten außeruniversitären Forschung, Frankfurt am Main 1990 (= Schriften des MPI für Gesellschaftsforschung Köln, Bd. 7), 171-231, hier 181. 55 Kreichgauer war Mitte der 30er Jahre (insgesamt zehn Jahre) Honorarprofessor und beauftragter Dozent an der TU Berlin im Fachbereich der Akustik und Tonpsychologie. Vgl.: Kürschners Deutscher Gelehrten Kalender, 5. Auflage, Berlin u. Leipzig 1935. Als Forschungsreferent und Laboratoriumsleiter „eines großen Ministeriums" war er 15 Jahre tätig (vgl. Memorandum v. Kreichgauer, 30.11.48, IfZ, ED 721/136). Für die FhG engagierte er sich im Rahmen der Satzungsdiskussion mit einem frühen Beitrag zur Anregung einer Fördergesellschaft im Jahre 1946 (!), zwei Denkschriften und wurde in den Redaktionsausschuß gewählt, der die endgültige Satzung abfassen sollte (vgl. Schreiben vom 8 . 1 2 . 4 8 , IfZ, ED 721/136). K. war Gründungsmitglied der Fraunhofer-Gesellschaft, übernahm jedoch keine Funktionen innerhalb der neuen Institution.
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Konkurrenz, - die Extrawurst, wie man außerhalb Bayerns sagen wird. Man wird dafür anführen: den Münchner Sitz, die Bezeichnung Fraunhofer-Gesellschaft, ganz besonders aber die ausschließliche Beteiligung bayerischer Unternehmungen und Wissenschaftler an ihrer Gründung wie, aller Voraussicht nach, auch ihrer Leitung. Und man wird übel vermerken, daß dies nicht schon im Titel zum Ausdruck kommt." Die Beschränkung auf die Landesforschung war für Kreichgauer ein Affront. Im Zentrum des eigentlichen Interesses, so Kreichgauer, hätte vielmehr die unbedingte Intemationalität der Forschung stehen müssen. Der sich so konstituierenden FhG werde es praktisch unmöglich sein, sich über die Grenzen Bayerns hinaus ausdehnen zu können, was ein „Schattendasein" zur Folge haben werde, da die Notgemeinschaft als der stärkere Zwilling, mit größeren Mitteln und durch die Zugkraft ihrer verdienstvollen Vergangenheit auch in Bayern viele Anhänger finden werde. Vor allem die neu entstehende Vertriebenen- und Flüchtlingsindustrie würde sich wohl recht bald und eher mit der Notgemeinschaft identifizieren können. Kreichgauer forderte, sich deutlich von einer schlechten Kopie der Notgemeinschaft zu distanzieren. Ehrlicher wäre es seiner Meinung nach gewesen, wenn man die neue Gesellschaft „Bayerische Forschungsgemeinschaft für Bergbau" genannt hätte. Der dubiose Antagonismus zwischen Anspruch und Wirklichkeit der FhG würde dagegen „die Gründung einer umfassenden Organisation praktisch verhindern". Die später von Staatssekretär Geiger gehaltene Ansprache anläßlich der Gründungsversammlung der FhG gleicht einem Zugeständnis an die Kreichgauer-Position, wenn er sagt: „Sobald wir festen Boden unter den Füßen haben, werden wir auch mit den anderen Ländern, vor allem aber mit Westdeutschland, die Zusammenarbeit aufnehmen."56 Kreichgauers Analysen und Warnungen nahmen tatsächlich manchen Streitpunkt der späteren Auseinandersetzungen vorweg. Schließlich kann man seiner Denkschrift zahlreiche Argumente entnehmen, die in den internen Besprechungen mit dem Stifterverband wieder auftauchten. Kreichgauer monierte, daß es eben nicht genüge, eine Fraunhofer-Gesellschaft gleichsam als „Schönwetterangelegenheit" zu gründen, die ihren alleinigen Zuständigkeitsbereich in der intakten Industrie sehe. Einen veritablen Aufgabenbereich sah er vielmehr in der Unterstützung der notleidenden Industrie, die sich keinen „Stab von wissenschaftlichen, technischen, kaufmännischen, juristischen Fachleuten, von freien Mitarbeitern und erfahrenen Aufsichtsräten leisten" könne. Sein Hauptargument war, daß eine effektive Organisation, „die nicht nur Forschung betreibt, sondern mit wissenschaftlichen und speziellen Fachkräften eingreift, [...]viele der jetzigen Zusammenbrüche" vor allem in der Mittel- und Kleinindustrie hätte vermeiden können. Dieser mehr politische als forschungspolitische Vorschlag zielte in eine gänzlich neue Richtung. Auch wenn hier die weiteren Absichten Kreichgauers nicht weiter zu verfolgen sind, so bleibt festzuhalten, daß er erhebliche interne Wirkungen erzielte.57 Das Verdienst 56 Wortlaut der Ansprache Geigers, 26.3.1949. Erstaunlicherweise bleibt Kreichgauer im Rahmen der Dankadresse an all diejenigen, „die zum Gelingen des heutigen Gründungstages in unermüdlicher Arbeit beigetragen haben [...]" unerwähnt. IfZ, ED 721/61. 57 Vgl. dagegen Hohn: Konflikte, 181.
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dieser Denkschrift ist unbestreitbar, die mögliche Ausrichtung der FhG beim Namen genannt und klar formulierte Aufgabenbereiche eingefordert zu haben. Die Eindringlichkeit seiner Mahnung, die durch die Satzung verursachten Unklarheiten zu bereinigen, um „die Inangriffnahme [der Probleme] nicht unnötig zu verzögern", sollte sich in abgewandelter Form in den Abgrenzungsverhandlungen zwischen FhG, Stifterverband, Max-Planck-Gesellschaft und DFG wiederholen. Die Vergabe von ERP-Geldern Der Forschungshaushalt des Bundeswirtschaftsministeriums war durch das „European Recovery Program" (ERP) für die Jahre 1950/51 um die beträchtliche Summe von 20 Millionen DM aufgestockt worden.58 Diese Gelder galt es nun mit Hilfe adäquater Institutionen zu verteilen.59 Als Forschungsinstitut noch ohne klaren Aufgabenbereich bot sich die neu gegründete Gesellschaft in München an, die gewünschte Mitverantwortung für die Verwaltung dieser Gelder zu übernehmen. Aus der Sicht des Bundes konnte zudem ein eingetragener Verein diese Aufgabe womöglich besser bewerkstelligen als ein Hochschulinstitut. Bekanntlich konnten ERP-Gelder als öffentliche Mittel generell jenen Forschungseinrichtungen zugute kommen, die auf der Grundlage der Gemeinnützigkeit arbeiteten. Gegebenenfalls konnte die Durchführung von Forschungsvorhaben sogar bei privaten Forschungseinrichtungen oder Firmen gefördert werden. So ergab sich aus den ERP-Bestimmungen plötzlich ein eigenständiges Tätigkeitsfeld für die FhG. Mit Rundschreiben vom 16. August 1951 ließ der Bundesminister für Wirtschaft den Länderwirtschaftsministern nun mitteilen, daß die FhG Zuschußempfängerin sei und als Gesellschaft die „Mitverantwortung bei der Durchführung von Forschungsvorhaben von privaten Forschern oder industriellen Betrieben [übernehme]". Sie erhielt damit gleichsam den Segen der Bundesregierung und verlor damit ihre bisherige bayerische Ausrichtung.60 Ende 1951 konnte man als Ergebnis dieser Beteiligung am ERP-Forschungsprogramm eine Gesamtzuteilung von 337.000 DM verbuchen.61 58 Zunächst waren Zuschüsse für die Förderung der wirtschaftsnahen Forschung aus ERP-Mitteln nicht vorgesehen. Ministerialdirigent Walter Hinsch kommt der Verdienst zu, durch Verhandlungen mit der US-Verwaltung in Bad Godesberg erreicht zu haben, daß ein Teil der Mittel als „verlorener Zuschuß für industrienahe Forschungsprojekte" (so Joachim Böttger: Forschung für den Mittelstand. Die Geschichte der Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen „Otto von Guericke" e.V. (AiF) im wirtschaftspolitischen Kontext, Köln 1993, 79) verwendet werden durfte. Es handelte sich um 20 Mio. DM aus der sog. ersten Tranche, 11 Mio. DM aus der zweiten, 10 Mio. DM aus der dritten Tranche des ERPProgramms. 59 Zu den Problemen der forschungspolitischen Zuständigkeit des Bundes in dieser Phase vgl. Stamm: Zwischen Staat und Selbstverwaltung, 141-150. 60 Paul Francke an Vorstand und Senatsausschuß der FhG sowie an Senator Hans Luther, 7.9.51, IfZ, ED 721/19. 61 Auch in der Mitgliederversammlung der FhG am 21.12.51 wird auf diesen Aspekt verwiesen. So konnte Prof. Sörensen „mit Stolz daraufhinweisen", daß Oberregierungsrat Dr. Pretsch auf dem Symposium der OEEC Nr. 81 die FhG als eine der drei Säulen der deutschen
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Die Zusammenarbeit von Bund und FhG erreichte Mitte des Jahres 1952 einen vorläufigen Höhepunkt. Das Bundeswirtschaftsministerium sah die FhG als ausführenden Arm ihrer Abteilung II/6 unter dem in den einschlägigen Verhandlungen federführenden Ministerialrat Hinsch, d.h. die FhG sollte die gesamte Verteilungsarbeit aller aus der Industrie kommenden Forschungsanträge in Eigenregie - nur unter formaler Oberaufsicht der Abteilung - übernehmen. Das so vom Bund definierte Aufgabengebiet der FhG basierte auf der Voraussetzung, daß praktisch alle Industrieverbände sich bereit erklärten, ihre Forschungsangelegenheiten durch die FhG vertreten zu lassen, was den Münchner Strategen eine willkommene Rückendeckung in ihrem Vorhaben bot, die FhG zu einer eigenständigen Säule werden zu lassen. Auch der erwähnte Drahtzieher hinter den Kulissen des Wirtschaftsministeriums sprach zu diesem Zeitpunkt von der FhG als einer Trägerorganisation, welche quasi komplementär zur Max-Planck-Gesellschaft und zur DFG die organisatorische Lücke, die das Feld angewandter Forschung ließ, schließen sollte. Das Wirtschaftsministerium hatte freilich pragmatische Gründe für seine Haltung gegenüber der FhG. Neben der Entlastung von aller Einzelarbeit (Sammlung, Prüfung, Sichtung und Durchführung von Anträgen) versprach man sich von einer „starken Organisation im Rücken" Unterstützung in den Etatverhandlungen des Bundestages gegenüber dem durch die mächtige DFG bevorzugten Innenministerium, zumal dort schon der Entwurf für ein Gesetz vorlag, durch das „die DFG zur alleinigen Repräsentantin der Forschung in Deutschland erklärt werden sollte".62 Zugleich plante die DFG ihrerseits, sich allmählich auch mit Industrieforschung zu befassen. Die Kompetenz der Forschungsförderung - sofern der „Gemeinschaftseinsatz" für die Wissenschaft die Ländermöglichkeiten überstieg - oblag dem Bundesinnenministerium. Das Bundeswirtschaftsministerium dagegen sollte die wirtschaftsnahe Forschungsförderung wahrnehmen, also die Industrieforschung und das technologische Forschungs- und Ausbildungswesen betreuen. Diese Kompetenzzuweisung war ein Novum.63 Man versprach sich davon einen nicht unbeträchtlichen Einfluß auf die deutsche Wirtschaftspolitik, zumal, wenn es gelingen sollte, ein Instrument ins Leben zu rufen, mit der man die wichtige deutsche Klein- und Mittelindustrie in forschungstechnischen Fragen und mit Geldmitteln unterstützen konnte. Wie dieses Instrument auszusehen hatte, war lange Zeit offen. Gleichwohl wird man in der Fraunhofer-Gesellschaft die für dieses Modell zunächst unbestritten vorgesehene Institution sehen dürfen. Um das sich verschärfende Konfliktpotential, welches sich mit der FhG verband, verstehen zu können, ist der Blick auf das Verhältnis von Stifterverband und FhG äußerst aufschlußreich. Bereits sehr früh bemühte sich der Stifterverband, die vermeintlich willkürliche, in diesem Stadium vor allem durch das Bundeswirtschaftsministerium gelenkte Entwicklung der FhG zu bändigen und in die eigene Konzeption der deutschen Forschungslandschaft einzugliedern. Doch wäre es unangemessen, von Forschung bezeichnet hat. Dr. Pretsch wurde später erster Referatsleiter für die Gemeinschaftsforschung, aus der die „Konkurrenz" der FhG, die AiF hervorgehen sollte. 62 Hohn: Konflikte, 182 mit Anm. 4 und 188 f. 63 Vgl. jetzt Böttger: Forschung für den Mittelstand, 38.
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einem fertigen organisatorischen Gesamtpaket sprechen zu wollen, welches der Stifterverband nur noch zu schnüren brauchte. Auch auf Seiten des Stifterverbandes läßt sich eine einheitliche Strategie hinsichtlich der FhG nur schwer ermitteln.
Der Stifterverband zügelt die junge
Fraunhofer-Gesellschaft
Gemessen an der späteren klaren Konfliktstellung von Stifterverband und FhG ist es bemerkenswert, wie kontingent auch diese Entwicklung zunächst war. Denn der Stifterverband unterstützte - obschon aus einer eigenen Motivation heraus - fürs erste sehr deutlich die Bestrebungen des Bundeswirtschaftsministeriums. So dachte man auch daran, die FhG zu einer autonomen Trägerorganisation zu formen und war schnell bereit, die FhG jährlich mit 50.000 DM zu unterstützen. Der Betrag sollte zur Auszahlung kommen, sofern die FhG auf ihre Eigenwerbung prinzipiell verzichtete - die für den Stifterverband typische Grundbedingung für alle möglichen Geldempfänger. Diese Zuwendung wurde von der FhG mit offenen Armen entgegengenommen, da man sie im Gegensatz zu den Geldern aus Bonn zweckfrei einsetzen und damit die anfallenden Verwaltungskosten mehr oder weniger begleichen konnte.64 Mit diesem vergleichsweise geringen Spendenversprechen gelang es dem Stifterverband, der FhG die Freiheit abzukaufen, eigenständig Gelder bei der Industrie zu sammeln. Er erhielt damit einen nicht unbeträchtlichen Einfluß in der FhG. Diesen Einfluß sollte die FhG bald zu spüren bekommen. Ende Oktober 1951 formulierte Gummert erstmalig die Möglichkeit einer „Tätigkeitsumstellung" der FhG, nämlich zu einer „zentralen Informations-, Beratungs- und Vermittlungsstelle für aus der Wirtschaft anliegende Forschungswünsche". 65 Dabei hätte die FhG im wesentlichen drei Aufgabengebiete zu schultern: die Verbindungsarbeit zwischen Forschung und Industrie, die treuhänderische Mittelverwahrung für wirtschaftsnahe und technische Forschung sowie die Betreuung von Forschungsaufgaben, die auch schon die Einrichtung von Instituten vorsah.66 Die Frage war, ob die frei herumschwirrenden Forschungsinstitute in einer Gesellschaft zusammengefaßt werden sollten, die ihre Betreuung übernehmen würde, oder ob diese Betreuung nicht besser durch die Wirtschaftsverbände selbst geschehen sollte. Die FhG jedenfalls wünschte, bestehenden Instituten - als Beispiel seien hier die Institute der Textilindustrie in Reutlingen und Krefeld sowie das Institut für Spektroskopie in Dortmund genannt - ein organisatorisches Dach zu geben, zumal es für diese Art der Betreuung industrienaher Forschung in Westdeutschland noch keine zusammenfassende Form gab. Unklar blieb fürs erste, ob die FhG darüber hinaus Interesse zeigen sollte, eigene Institute zu gründen. Auch dem Bundes wirtschaftsministerium schien eine auf die angewandte Forschung orientierte FhG geeignet, Forschungskredite und -Zuschüsse an die Industrie zu prüfen und die Bürgschaft für die ordnungsgemäße Durchführung der Aufgaben zu überneh64 Der Stifterverband unterstützte die FhG in den Jahren 1950 und 1952. 1951 war seiner Meinung nach die gestellte Bedinung nicht erfüllt worden. 65 Vgl. auch Gedächtnisprotokoll über Besprechung am 24. 10. 51 im Hause Roelen, betr. Tätigkeits-Umstellung der FhG, ungez., IfZ, ED 721/160. 66 Protokollauszug der Besprechung am 20.1.52 in Augsburg, ungez., IfZ, ED 721/160.
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men. Interessant ist auch, daß im Rahmen dieser Überlegungen daran gedacht wurde, die FhG als „Gesamt-Abrechnungsstelle für Forschungsförderung" in Westdeutschland fungieren zu lassen.67 In einer ersten Zusammenfassung läßt sich feststellen, daß der Stifterverband für die FhG in dieser Phase nicht nur Ideenlieferant für etwaige Tätigkeitsfelder und Geldgeber für die anfallenden Verwaltungskosten, sondern auch reger Agitator im Hintergrund hinsichtlich der unerläßlichen „public relations" der gewünschten neuen Forschungsgesellschaft war. Auch wenn die weitere Entwicklung - wie wir sehen werden - nicht in allen Punkten den ursprünglichen Übereinkünften folgte, so ist es wohl nicht übertrieben, auf den breiten Aktionsradius des Stifterverbandes in dieser Zeit zu verweisen, der die dringende Notwendigkeit einer breiten Aufklärung über Wissenschaftsentwicklung als Desiderat der frühen 50er Jahre erkannte und „über seine Presseverbindungen" diesem Informationsbedürfnis Rechnung trug. Doch ist es ebenfalls angebracht, die so vom Stifterverband definierte FhG mit ihrem ursprünglichen Gründungszweck ins Verhältnis zu setzen. Erst dann lassen sich weitere Rückschlüsse auf die Beweggründe des Stifterverbandes ziehen. Die „neue" FhG sollte in ein Forschungssystem eingebettet werden, welches ungefähr folgende Konturen aufweisen sollte: Die DFG sollte den Überbau für die gesamte Forschung ausmachen. Einzelne Säulen für diesen Überbau hätten dann die MaxPlanck-Gesellschaft, die Hochschulen und die FhG bilden können.68 Das vertraglich festzulegende Verhältnis von FhG und DFG sollte durch die Personalunion zwischen DFG-Generalsekretär und Leiter der FhG-Geschäftsführung dokumentiert werden.69 Das geforderte personelle Revirement des Fraunhofer-Senates kündigt sich bereits früh in diversen Gesprächsaufzeichnungen an.70 Künftig sollten Vertreter der DFG, der Max-Planck-Gesellschaft, des Stifterverbandes und damit der Wirtschaft und der Bundesregierung in die Gremien der Münchner Gesellschaft gewählt werden. Entscheidend war, daß die potentielle Säulenfunktion der FhG unter dem Dach der DFG von Stifterverband und FhG selbst unterschiedlich gedeutet wurde. Während sich die FhG als „selbständige Organisation für die Betreuung und Vertretung der wirtschaftsnahen Forschung" neben der Max-Planck-Gesellschaft und der DFG fühlte (was sich auch durch einen etwaigen Beitritt zur DFG als Mitglied nicht hätte ändern dürfen),71 lehnte der Stifterverband zu diesem Zeitpunkt den Gedanken einer Zusammenfassung der industrienahen Forschung als selbständige Säule neben Max-Planck67 Niederschrift über die Besprechung zwischen Bundeswirtschaftsministerium, Stifterverband und FhG am 24.10.1951 auf Schloß Styrum, gez. Roelen u. Francke, IfZ, ED 721/160. 68 Aktenvermerk Bespr. betr. FhG in Augsburg am 20.1.52, ungez., IfZ, ED 721/160. 69 Gedächtnisprotokoll, Tgb.Nr. 1193/51, Bespr. am 24.10.51 im Hause Roelen, Mülheim, gez. Nord, IfZ, ED 721/160. 70 Den man im übrigen mittlerweile auch als „Verwaltungsrat" bezeichnete, um Verwechslungen mit dem Senat der DFG zu vermeiden. 71 Im Aktenvermerk vom 3 . 7 . 5 2 definiert Sörensen das gewünschte Verhältnis der FhG zur DFG „wie das Verhältnis des Bundesrates zu einem deutschen Land." (IfZ, ED 721/160). Der Stifterverband lehnte diese Relation mit dem Hinweis ab, die DFG solle aus Gründen der Rationalität auch die technische Forschungsarbeit leisten.
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Gesellschaft und DFG vehement ab.72 Man sah sogar in der Existenz von zwei großen Forschungsorganisationen einen „unrationellen Dualismus", den man beseitigen wollte.73 Damit schienen sich zwei gegensätzliche Möglichkeiten abzuzeichnen, um die Industrieforschung wirksamer zu fördern: Während sich auf der einen Seite die FhG in München bemühte, die Tätigkeit ihrer Geschäftsstelle zu beleben, um Zuschußanträge von Firmen zur Begutachtung an solche Forscher weiterzuleiten, die selbst in der industrienahen Forschung standen, beabsichtigte auf der anderen Seite der Stifterverband, eine Verbindungsstelle bei der DFG einzurichten, um die Zusammenarbeit von Wirtschaft und Wissenschaft noch enger zu gestalten. Gemessen an den Absichten der Gründer der FhG, wie sie in der Satzung vom 26. März 1949 zum Ausdruck kommen, hätte das neue Arbeitsgebiet indes eine Fehlentwicklung markiert: Die Pflege der angewandten Forschung als der eigentliche Gründungszweck wäre damit quasi zugunsten rein bürokratischer Registratur- und Kontrollaufgaben ersetzt worden. Letztlich hätte sich damit die FhG „zu Tode reformiert", denn konsequenterweise, so auch die Einschätzung des Ständigen Sekretärs Francke,74 müßte die FhG sich auflösen, wenn man ihr den eigentlichen Wirkungsbereich entzöge. 75 Die vom Stifterverband eher beiläufig geforderte Satzungsänderung, um die erwogene „Tätigkeitsumstellung" vollziehen zu können, entsprach so gesehen beinahe einem sublim formulierten Todesurteil.76 72 Protokoll des Stifterverbandes der dreistündien Aussprache zwischen Dr. Heitz und Herrn Nord in Essen am 28.1.52, ED 721/160. Die in diesem Protokoll gegenübergestellten Auffassungen von Heitz (FhG) und Nord (Stifterverband) hinsichtlich der Aufgabengebiete der FhG dokumentieren anschaulich die unterschiedliche Gewichtung der einzelnen Teilbereiche des möglichen Wirkfeldes der Gesellschaft. In dem Vorstandsprotokoll des Stifterverbandes vom 21.6.52 wird mit Besorgnis auch eine neue Forschungskonzeption diskutiert: „Anderweitig aufgetauchte Pläne, die wirtschaftsnahe Forschung - gegebenenfalls auch die industrieeigene Forschung - in einem (Industrie-Forschungsrat) staatlich oder halbstaatlich unabhängig von der Deutschen Forschungsgemeinschaft zusammenzufassen, werden als gefährlich angesehen. Der Vorstand wiederholt auch hier seine Auffassung, daß es Aufgabe der Deutschen Forschungsgemeinschaft wäre, durch entsprechende interne Maßnahmen dieses Gebiet im Rahmen der gesamten Forschung zu seinem besonderen Recht kommen zu lassen." IfZ, ED 721/160 und SV, VP vom 21.6.52. 73 Unterlagen zur Sitzung in Königstein am 17.7.52, ungez., IfZ, ED 721/160. 74 In der FhG gab es zu diesem Zeitpunkt den Titel „Geschäftsführer" noch nicht. Stellungnahme zum Gedächtnis-Protokoll des Herrn Nord, 15.11.51, gez. Francke, IfZ, ED 721/160. Die Frage der Auflösung der FhG stand in dieser Zeit für den Stifterverband wenn auch nicht öffentlich, so doch hinter vorgehaltener Hand zur Disposition. Vgl. im übrigen auch den Brief Albrecht an Roelen, 29.9.52: „Am 26. d. Mts. abends traf ich mit Herrn Nord zusammen. Die Unterhaltung war nicht übermässig erfreulich, bis ich ihn fragte, ob nach seiner Auffassung der Stifterverband die Auflösung der FhG wünsche und mich vor einer Betätigung dort warnen wolle. Da erst merkte er offenbar, daß er sich völlig verrannt hatte und lenkte erheblich ein." IfZ, ED 721/11. Weniger zierte sich Reusch in der Frankfurter Besprechung am 12.2.52. In dem vertraulichen Aktenvermerk heißt es: Reusch: „[...] Die Frage ist
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In jedem Fall bedrohte der Stifterverband mit seiner vermeintlich wohlwollenden „Anregung" die Existenz oder zumindest die vorgesehene Entwicklung der FhG. Die Ablehnung einer geplanten Zentralisierung der Forschungskoordination im Rheinland durch die FhG muß im engen Zusammenhang mit diesen Existenznöten gesehen werden. Im Oktober 1952 richtete der Stifterverband seine „dringende Bitte" an die FhG, die Auskunftsstelle in Bad Godesberg einzurichten, um deren Betrieb in möglichst enger Verzahnung mit der DFG zu führen, also eine Art Bürogemeinschaft zu bilden. Die eher schlichte Argumentation, die bereits vorhandene Infrastruktur im Rheinland würde die Effektivität der Arbeit der FhG steigern helfen, ließ sich leicht entlarven, da die der DFG zur Verfügung stehende „technische Kompetenz" eher mager war, wie man in München wohl wußte.77 Vielmehr sollten die föderalistischen Tendenzen der Münchner Gesellschaft gestutzt werden.78 Auch wenn aus diversen Aktenvermerken hervorgeht, daß besonders Fritz Gummert als Vertreter der Interessen des Stifterverbandes das Bemühen signalisierte, „sich für die FhG einzusetzen", darf doch nicht übersehen werden, daß die angestrebte personelle Verflechtung - so sollte der Präsident der FhG in den Senat der DFG gewählt werden - , die enge Anbindung der FhG an die DFG fortan unbestrittene Direktive war. Diese Linie sollte sich durchsetzen, zumal die ehedem sogar vom Stifterverband selbst ins Spiel gebrachte Idee, die FhG könnte Institute gründen, künftig vom Stifterverband „mit Vorsicht behandelt werden (sollte)".79 Diese Politik der eingeschränkten und konditionierten Zugeständnisse, wie man sie nennen könnte, läßt sich auch am Streit über die Einstellung eines Geschäftsführers für fünf Jahre ablesen. Durch diesen Beschluß des Stifterverbandes sollte ganz im Sinne der FhG ein Signal für eine abgesicherte Zukunft gesetzt werden. Andererseits erhob man Bedenken gegen den von den Münchnern vorgesehenen Herrn, weil der Stifterverband ganz bewußt einen DFG-Referenten gegenüber einem Ministerialbeamten auf diese Position bringen wollte. Immerhin sollte durch die formale Aufnahme der FhG als Mitglied der Deutschen Forschungsgemeinschaft die Industrieforschung in Personalunion betreut werden, was den engen Kooperationswunsch der DFG mit der FhG erklärt.80 Jedenfalls eskalierte dieser „personalpolitische" Dissens und die dadurch erklärte Intervention seitens des Stifterverbandes im Rahmen jener Politik der dosierten Zugeständnisse schließlich bis zur unverhohlenen Androhung, den Kontakt zur FhG abzu-
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nun, ob man dazu eine Fraunhofer-Gesellschaft braucht [...] Ich zweifele an der Notwendigkeit der Fraunhofer-Gesellschaft." IfZ, ED 721/144. Stellungnahme zum Aktenvermerk des Herrn Dr. Gummert, 10.11.52 (?), gez. Walter Meißner, IfZ, ED 721/11. Protokollauszug, Bespr. vom 12.10.52, ungez. Vgl. auch Aktenvermerk, Augsburg, 26.11.51, gez. Sörensen u. Francke: Die deutliche Ablehnung gegenüber dem Vorschlag, die FhG nach Bad Godesberg zu verlagern, resultiert auch aus der Überlegung, in Bayern sei die Gefahr am geringsten, „daß durch Änderung der politischen Lage sich Auswirkungen auf die Arbeit der wissenschaftlichen Gesellschaft ergeben." Aktenvermerk Tgb.Nr. 1239/51, Augsburg, 22.11.51, gez. Francke u. Sörensen, IfZ, ED 721/160. BahA 01041, 28.7.1952.
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brechen.81 Die FhG ihrerseits reagierte mit Empörung auf diese Kompetenzüberschreitung des Stifterverbandes, dem man absprach, diesbezüglich der FhG Vorschläge unterbreiten zu dürfen.82 Besonders seit dem Frühjahr 1952 distanzierte sich der Stifterverband immer deutlicher von dem Gedanken des Bundeswirtschaftsministeriums, die Treuhandschaft für die ERP-Mittel an die FhG zu übergeben. Auch hier sah der Vorstand des Stifterverbandes die DFG, die man bekanntlich als „alleinige Repräsentanz der gesamten deutschen Forschung" sehen wollte, als geeignetere Instanz für jene Treuhänderschaft, die sich dann freilich stärker der angewandten Forschung öffnen müsse.83 Mitte des Jahres 1952 sprach man von offenen Meinungsgegensätzen. Vielleicht konnte gerade damals die Frontlinie schärfer denn je gesehen werden, nachdem die verschiedenen Interessenkonflikte jetzt unverhohlen freigelegt worden waren. Auf der einen Seite formierte sich der Stifterverband und das Bundesinnenministerium, welche die DFG um der Schlagkraft der deutschen Wissenschaft willen zur „Dachorganisation" der deutschen Forschung erheben wollten, auf der anderen Seite fanden sich die FhG und das Bundeswirtschaftsministerium zusammen, die an der Konzeption einer dreigliedrigen Forschungslandschaft festhielten.84 Trotz dieser Gegensätze hatte man sich in den sog. Frankfurter und Augsburger Abkommen vom 12. Februar 1952 bzw. 15. Mai 1952 auf eine weitere personelle Verzahnung einigen können: Die DFG sollte eine Vertretung im Senat der FhG erhalten, während die FhG als neues Mitglied der DFG ihrerseits keinen Anspruch erheben würde, dieselbe Vertretung im Senat der DFG zu bekommen.85 In dem von der DFG geplanten Industriebeirat sollte die FhG jedoch vertreten sein. Auch die Änderung des Kürzels der Fraunhofer-Gesellschaft in „FhG", um eine Verwechslung mit der DFG zu vermeiden - man hatte ehedem mit „F. G." signiert läßt sich wohlwollend als Zeichen der Kooperationsbereitschaft deuten,86 doch sollte sichtbar geworden sein, daß die Kluft zwischen den Organisationen gegenüber diesen versöhnlichen Gesten weiterhin überwog. 81 Gummert an Roelen, 24.6.52, IfZ, ED 721/160. 82 Stellungnahme zu dem Aktenvermerk Dr. Gummerts, 24.10.52, gez. Meißner, IfZ, ED 721/160. 83 SV, VP vom 23.6.52 und Auszug aus dem Vorstandsprotokoll des SV vom 21.6.52. 84 Ebd. Nicht nur faktische Differenzen wurden sichtbar, sondern auch der Umgangston hatte sich deutlich abgekühlt. So erklärte Nord in dem Gespräch mit Heitz unmißverständlich und direkt, „die FhG habe auf diesem Gebiet (Forschungsarbeit allgemein) nichts verloren." Diese harsche „Belehrung" stieß denn auch auf einiges Unverständnis, wie der Reaktion Roelens zu entnehmen ist, der „ehrlich geglaubt habe, Herr Dr. Gummert sei derselben Meinung wie er, deshalb überrasche ihn die jetztige Stellungnahme des Stifterverbandes." An anderer Stelle (Gespräch Nord, Bayer, Heitz am 28.6.52) kündigt Nord an, er werde ggf. „der FhG (den) schwersten Kampf ansagen". 85 Sörensen erklärte, die FhG sei bereit, im Ausschuß der DFG ohne Nennung ihres eigenen Namens mitzuarbeiten. Aktenvermerk betr. Bespr. Frankfurt am Main am 12.2.52, IfZ, ED 721/144. 86 Hohn: Konflikte, 181.
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Die Diskussion um das amerikanische
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Trachtete der Stifterverband in der Phase der unmittelbaren Gründung danach, über Kontaktpersonen im Ausland Verständnis und Unterstützung für die deutsche Wissenschaft angesichts von Verlust und Zerstörung zu finden, so mußte die Initiative der Wirtschaft bald gewahr werden, daß dem Austausch mit dem Ausland wechselseitige Interessenlagen zugrunde lagen. Konkret stellte sich die Herausforderung des Auslands, seit Anfang der 50er Jahre mit dem Battelle-Memorial-Institute der Versuch unternommen wurde, die Dependance einer amerikanischen Forschungsanstalt in Deutschland zu errichten. Damit griff ein neuer Akteur in das Ringen um den Aufbau der deutschen Forschungslandschaft ein, und in den Augen des Stifterverbandes nahm die „Gefahr" internationaler Konkurrenz im eigenen Land reale Gestalt an. Das Battelle-Memorial-Institute sollte als deutsche Tochtergesellschaft des privaten amerikanischen BMI (seit 1929) die europäische Forschung „unterstützen". Zweifellos versprach man sich auf amerikanischer Seite durch das Einpflanzen dieser Organisation in den deutschen „Forschungsmarkt" die elegante Lösung des eigenen Nachwuchsproblems. Auch war evident, daß man von der deutschen Grundlagenforschung zu profitieren gedachte, zumal es eine vergleichbare Forschungsrichtung in den USA nicht in den deutschen Dimensionen gab. 87 Für die amerikanische Seite stelle sich die Gründung im Rückblick als ein Akt „of faith and trust" dar, eine Perspektive, die von der deutschen Wirtschaft damals ganz und gar nicht geteilt wurde. 88 Vor allem der Stifterverband machte sich einmal mehr zum Wortführer der forschungspolitischen Organisationen und Verbände und betonte unverschleiert, daß man diese ausländische Konkurrenzorganisation gleichsam als „nationales Unheil" betrachten müsse, um so angemessene Abwehrstrategien entwickeln zu können. Den Orden des „nationalen Verdienstes" wollte man der FhG umhängen, wenn diese es „verhindern könnte, daß die Industrie sich an das höchst unerwünschte BMI wendet und also dadurch erreichen könnte, daß Battelle nie ins Geschäft kommt." 8 9 Sollte man dieser nationalen Verpflichtung und historischen Aufgabe von Seiten der FhG indes nicht nachkommen und die Vorschläge des Stifterverbandes ablehnen, würde der Stifterverband die geplante „Vermittlungsstelle" selbst in Angriff nehmen. 90 Die Ausgestaltung 87 SV, VP. Protokoll über die Sitzung des Verwaltungsrates am 24.3.52 in Frankfurt am Main. - Zur Geschichte des Frankfurter Battelle-Instituts bisher lediglich die Sammlung der Reden zum 25jährigen Jubiläum des Instituts, in: Battelle Frankfurt, Information 2 6 , 1 9 7 7 , 2 - 1 4 und die Bemerkungen bei Boehm, George A.W./Groener, Alex: Science in the Service of Mankind, Columbus, Ohio 1986, 59 ff. - Das Frankfurter Institut stellte 1993 aus wirtschaftlichen Gründen seine Tätigkeit ein. 88 So der amerikanische Batteile-Präsident Sherwood L. Fawcett auf der 25-Jahres-Feier, ebd. 89 Vertraulicher Bericht vom 2.6.52, gez. Heitz, IfZ, ED 721/144 und 160. 90 SV-Protokoll des Heitz-Nord-Gesprächs in Essen am 28.1.52, IfZ, ED 721/160. Am 27.10.52 faßte der SV-Vorstand dann folgenden Beschluß: 1. „Stifterverband wird Vermittlungsstelle bei DFG selbst aufziehen^...]." Geiger sprach sich daraufhin zunächst dafür aus, die Verhandlungen mit dem Stifterverband abzubrechen, zumal die Härte der vorläufigen Beschlußfassung auch darin ersichtlich wurde, daß Raiser als Präsident der DFG erklärte, er sei an den Beschlüssen des Stifterverbandes nicht beteiligt gewesen und habe erst hier (in der
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der „Informations-, Beratungs- und Vermittlungsstelle für aus der Wirtschaft anliegende Forschungswünsche" war für den Stifterverband das dringliche Gebot. Vor dem Hintergrund der sich abzeichnenden Konkurrenz zu einem Battelle-Institut in Deutschland versuchte der Stifterverband so mit konsequentem Druck, auf die FhG einzuwirken. Richard Merton, der den wirtschaftlichen Interessen der Vereinigten Staaten seit langem kritisch gegenüberstand, befürchtete durch das Battelle-Institut sogar eine „Bespitzelung der deutschen Industrie", so daß es geraten schien, mit allen Mitteln dagegen zu steuern und nicht zuzulassen, daß „gute deutsche Kräfte wegengagiert" würden.91 Für Merton war die geplante Battelle-Gründung die Fortsetzung der amerikanischen Wegnahme deutscher Technologie nach dem Kriege.92 Die nationale Dimension, also der Blick auf das bundesdeutsche Gesamtforschungssystem, bestimmte zu diesem Zeitpunkt in erheblichem Maße die Strategie des Stifterverbandes. Es sollte versucht werden, den „Ausverkauf der deutschen Forschung" zu verhindern, indem man sich dagegen verwahrte, daß die Westalliierten die deutsche Wissenschaft weiterhin als vermeintliches Reparationsgut „abbauten". Befürchtungen aus der Wirtschaft, hier werde der Versuch gemacht, über den Zugriff auf Ergebnisse deutscher Grundlagenforschung und die Abwerbung deutscher Nachwuchswissenschaftler der amerikanischen Forschung dienstbar zu sein, gab Richard Merton im Stifterverband wie im Senat der DFG beredten Ausdruck. Daraufhin von Bundeswirtschaftsminister Erhard zu einer näheren Stellungnahme gebeten, versuchte Merton die Einwände des Ministers zu entkräften, die ohnehin nicht zu verhindernde Gründung eines Battelle-Instituts erfolge dann in einem anderen europäischen Land.93 Wesentlich war für Merton die Gefahr einer sanften Kontrolle der deutschen Wissenschaft, in Kontinuität mit den Maßnahmen der Besatzungszeit. „Neben der Gefahr der Industrie- und Wissenschaftsbespitzelung fürchte ich, daß in direktem oder indirektem Zusammenhang mit dem Institut den Amerikanern das Ausspannen qualifizierter deutscher Fachkräfte erleichtert wird, wenn ein solches Institut in Deutschland besteht. Auch ein deutscher Verwaltungsrat wird nicht verhindern können, daß die Amerikaner die Absichten [...] im Rahmen ihres Battelle Instituts fördern."94
Auch wenn es sich bei den Überlegungen von Merton doch vorwiegend um Spekulationen handelte, drohte doch ganz real die Besetzung der sog. „Vertragsforschung" durch das Battelle-Institut. Um dieser Entwicklung zuvorzukommen, mahnte der Stifterverband im Einklang mit der DFG, dem Verein Deutscher Eisenhüttenleute, dem Bundesministerium für Wirtschaft und dem TWV die Errichtung einer „technischen For-
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Senatssitzung) davon erfahren. Vgl. Protokoll der Senatssitzung der FhG vom 31.10.52, IfZ, ED 721/29. Niederschrift über Besprechung am 5.2.52 in Königstein/Taunus, in: IfZ, ED 721/144. Boehm/Groener: Science in the Service of Mankind, 62, erwähnen diese Kritik pauschal. BahA 01041, Erhard an Merton 3.1an.l952. BahA 01041, Merton an Erhard 7.Jan.l952.
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schungs- und Informationsstelle für Industrie und Gewerbe" an, für die gerade bei der mittleren und kleinen Industrie ein Bedarf existiere.95 Es war also vor allem dieser Impuls ausschlaggebend, der FhG die Unterstützung des Stifterverbandes zu signalisieren. Im Rahmen dieses Selbstverständnisses war es nur folgerichtig, die bundespolitische Perspektive zur Kompaßzahl für kommende Schritte zu machen. So beharrte der Stifterverband auf der zentralen Einwerbung von Spenden aus der Industrie als ureigenster Aufgabe, um unnötige Doppelarbeit im Bundesgebiet zu vermeiden. Des weiteren verstand es der Stifterverband als Voraussetzung, daß die Gremien der FhG repräsentativ, nämlich bundesweit, besetzt würden. Und schließlich sollte es zu einer konkreten Abgrenzungsdiskussion zwischen Überbau und neuer Säule, also zwischen DFG und FhG kommen, um das sich formierende Forschungssystem vor möglichen Reibungsverlusten zu bewahren. Der Stifterverband würde sich demgegenüber weiter verpflichten, jährliche Verwaltungskosten der neuen „Vermittlungsstelle" in Höhe von 50.000 DM zu übernehmen.96 In der Bewertung der amerikanischen Konkurrenz ergaben sich allerdings deutlich auseinanderklaffende Standpunkte. Vor allem in den Kreisen der FhG, die das Revirement der FhG-Gremien Ende 1951 veranlaßt hatten, empfand man Befremden über die rückwärtsgewandte und „nationale" Strategie des Stifterverbandes und der alten, mittlerweile zum Rücktritt gezwungenen Riege der eigenen Gesellschaft. Namentlich Präsident Wilhelm Roelen bekräftigte auf der Senatssitzung vom 22. Februar 1952 seinen schon früher vorgetragenen Standpunkt, daß „die Errichtung eines derartigen Instituts Battelle in Deutschland nur zu begrüßen sei. Die dagegen vorgebrachten Einwände fallen gegenüber den zu erwartenden Vorteilen nicht ins Gewicht [...]. Der Fortschritt der Wissenschaft läßt sich nicht aufhalten und alle neuen Erkenntnisse werden doch der Allgemeinheit bekannt gegeben. Es kann also nur vorteilhaft sein, solche Fortschritte im eigenen Land zu verarbeiten." 97 Der Stellvertretende Senatsvorsitzende Emil Sörensen lehnte es sogar vehement ab, das Mißtrauen gegenüber dem Angebot aus den USA zu verallgemeinern. Das BMI sei eine Hilfe, mit der man Europas wirtschaftliche Unabhängigkeit fördern wolle. Die Fühlungnahme deutscher Institutionen mit dem BMI sei der ehrlichere und letztlich bessere Weg.98 Die verjüngte FhG machte sich somit in der Frage des Battelle-Memorial-Institutes zum Fürsprecher einer modernen Forschungspolitik, d.h. des gewollten Wettbewerbs unterschiedlicher Forschungsgesellschaften, deren Miteinander durch Kooperation geregelt werden sollte.99 Beistand erhielt diese liberale Position vor allem durch Bundeswirtschaftsminister Erhard, der ebenfalls glaubte, daß es wenig Aussicht auf Erfolg habe, den amerikanischen Plänen hinsichtlich des Battelle-Instituts entgegenzuarbei95 96 97 98 99
RWWA/GHH 400101460/ 134, Aktenvermerk 17. Juli 1954. Aktenvermerk, betr. Bespr. betr. FhG in Augsburg am 20.1.52, ungez., IfZ ED 721/160. Niederschrift über die Senatssitzung der FhG am 22.2.52 in Frankfurt a.M. IfZ, ED 721/29. Niederschrift über Besprechung in Königstein/Taunus am 5.5.52, IfZ, ED 721/144. Wir werden w. u. eine ähnliche Haltung beobachten können, ob eine „konkurrierende oder eine zentralistische Forschungslandschaft" zu bevorzugen sei. Auch hier präferierte die FhG den Wettbewerb.
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ten. Erhard befürchtete sogar, daß der Stifterverband die zweifellos vorhandenen Gefahren eher noch verschärfe, denn die Amerikaner könnten das geplante Institut in einem der benachbarten Länder (z.B. der Schweiz) einrichten: „Ich bin ferner der Ansicht, daß wir uns auf keinen Fall einer Zusammenarbeit mit dem Ausland verschließen sollten, ganz gleich, unter wie mißlichen Umständen diese Zusammenarbeit auch beginnt. Ich habe das Vertrauen zur deutschen Leistungsfähigkeit, besonders auf geistigem Gebiet, daß aus jeder Zusammenarbeit mit dem Ausland Nutzen für uns Deutsche entsteht."100 Erhards Stellung in dieser Frage ist durchaus mit seiner Position im sog. Kartellstreit zu vergleichen.101 In beiden Fällen setzte er gegen heftigen Widerstand aus der Industrie seine liberale Position durch. Am 2. Juli 1952 wurde das Battelle-Institut als eingetragener Verein in das Frankfurter Vereinsregister aufgenommen. Das nächste Kapitel soll nun gewissermaßen nachtragen, wie sich die Herausbildung der konträren Standpunkte zum Stifterverband aus Sicht der FhG darstellte. Wie bereits angedeutet, hatte erst der Austausch der Repräsentanten durch die Vorstandsund Senatswahlen der FhG das Klima merklich verschlechtert. Wir erinnern uns, daß es ja zunächst unter der Präsidentschaft Gerlachs - einem Freund Fritz Gummerts - zu einer Übereinkunft zwischen Stifterverband und FhG gekommen war. Die Maßnahmen, welche der damalige Vorstand traf, um die wohlwollende und finanzielle Unterstützung des Stifterverbandes zu erreichen, sind rasch noch einmal zusammengetragen - wenn man sich auf das Faktische beschränkt: Ein sog. Gegenseitigkeitsabkommen zwischen Stifterverband und FhG stellte fest, daß die FhG Spendeneinwerbungen auf ihre Mitglieder beschränken würde. Zum Jahreswechsel 1951/52 wurde die personelle Besetzung des Vorstandes und des Senats (auch ein Wunsch des Stifterverbandes!) weitgehend ausgetauscht, so daß man fortan mit Fug auf den nichtbayerischen Charakter der Gesellschaft verweisen konnte.102 Kurz darauf wurde die dritte Bedingung des Stifterverbandes, die Abgrenzung der Aufgabengebiete zwischen DFG und FhG, mutig angegangen. Doch zeigt der zweite Blick auf das Quellenmaterial, welche internen Querelen mit dieser vermeintlichen Verankerung durch den Stifterverband einhergingen. Es ist eher fraglich, das „Angebot" des Stifterverbandes als wirkliche Chance für die Fraunhofer-Gesellschaft zu begreifen.103 Im folgenden soll angedeutet werden, wel100 Abschrift Erhard an Merton, 3.1.52, IfZ, ED 721/112. 101 Vgl. dazu Berghahn: Unternehmer und Politik, 159 ff. 102 Das Argument, die FhG sei eine bayerische „Geschaftlhuberei", spielte allerdings weit über die Neubesetzung der Gremien hinaus zuweilen eine gewisse Rolle. Bemerkenswert ist in dem Schreiben des Stellvertretenden Vizepräsidenten der FhG Albert Maucher an FranzJosef Strauß vom 24.6.54 (IfZ, ED 721/97), daß man auf Seiten der FhG den Stifterverband bei der weiteren Entwicklung (1954 ff.) der Gesellschaft eher als Hemmschuh betrachtete: „ [...] Da der Stifterverband und zum Teil auch die DFG eine negative Einstellung zur FhG haben, werden deren Arbeiten vor allem in der letzten Zeit nicht nur nicht unterstützt, sondern sabotiert. Unter den unsachlichen Begründungen, die für dieses Verhalten angegeben werden, spielt der Vorwurf, die FhG sei eine bayerische Gründung und Einrichtung, eine wesentliche Rolle. Daß unter derartigen Auseinandersetzungen die sachliche Arbeit leiden mußte, ist selbstverständlich." 103 Vgl. dagegen Hohn: Konflikte, 183.
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che Fäden hinter den Kulissen gesponnen wurden und mit welchen weiteren Alternativvorstellungen man auf seiten des Stifterverbandes und der FhG jonglierte. Die schwierige Präsidentschaft Gerlachs 1949-1951 Als die ordentliche Mitgliederversammlung der Fraunhofer-Gesellschaft am 11. Februar 1955 die dritte Wahlperiode einläutete, bezeichnete der zum Senatsvorsitzenden gewählte Prof. Sörensen (MAN) diesen Moment als „Wendepunkt in der Geschichte der FhG". Erstmalig sei allein durch die Auswahl der wichtigsten Repräsentanten die Grundlage für einen eigenständigen Weg geschaffen: die beiden höchsten Ämter besetzten nun Männer aus der Wirtschaft, da neben dem Senatsvorsitzenden Sörensen Hermann von Siemens - der 1942 Vorsitzender der „Förderergemeinschaft" geworden war - die Präsidentschaft übernahm. Tatsächlich wurde die FhG demgegenüber in den beiden ersten Wahlperioden durch Männer geführt, deren Bezug zur Wirtschaft oder zur angewandten Forschung nicht im Vordergrund ihrer Tätigkeit gestanden hatte. Ganz besonders trifft dies wohl für den ersten Präsidenten Walther Gerlach zu. Als bekannten Physiker, damaligen Rektor der Universität und Präsidiumsmitglied der Notgemeinschaft hatte man ihn zum Präsidenten gewählt und ihm den Staatssekretär Hugo Geiger als Senatsvorsitzenden zur Seite gestellt.104 Nicht nur die starke Arbeitsüberlastung Gerlachs führte recht bald dazu, daß man auf seiten des Senats unzufrieden über seinen Einsatz für die FhG war; vielmehr - und das ist für unseren Kontext der interessante Aspekt - monierte man die allzu enge Verbindung, die sich während seiner Präsidentschaft offensichtlich zwischen dem Vorstand der FhG, dem Stifterverband und der DFG entwickelt hatte. Im wesentlichen gab es zwei neuralgische Punkte der Satzung, gegen die, so lautete bald der Vorwurf des am 6. Mai 1949 gegründeten Senatsausschusses, der Vorstand ohne Absprache mit dem Senat ständig verstoße.105 Zum einen ging es um die Frage der Einkünfte, zum anderen monierte man die Leichtfertigkeit, mit der Gerlach über das Schicksal der FhG, ja sogar in der Frage der Auflösung (in enger Abstimmung mit dem Stifterverband, aber ohne Unterrichtung des Senats) verfügte.106 Warum sind diese Kritikpunkte für unsere Fragestellung von Interesse? Durch den 104 Vgl. zu Gerlach, dessen Nachlaß im Deutschen Museum z.Z. geordnet wird, vorläufig Heinrich, R./Bachmann, H.R.: Walther Gerlach. Physiker-Lehrer-Organisator. Dokumente aus seinem Nachlaß, München 1989, v.a. 135 ff. 105 Die Mitgliederversammlung, welche für Dezember 1951 anberaumt und abgehalten wurde, kann man letztlich bereits zur neuen Wahlperiode zählen, da hier die Gremien der Satzung gemäß neugewählt wurden. 106 In der Satzung der FhG vom 26.3.1949 heißt es betr. „Auflösung der Gesellschaft" in § 20: „Die Gesellschaft kann durch Beschluß der Mitgliederversammlung aufgelöst werden. Bei der Beschlußfassung müssen mindestens drei Viertel aller ordentlichen Mitglieder persönlich vertreten sein oder ihre Stellungnahme schriftlich abgegeben haben. Der Beschluß bedarf einer Mehrheit von 2/3 der abgegeben Stimmen. Bei Auflösungsbeschluß entscheidet die Mitgliederversammlung über die Verwendung des augenblicklichen Vermögens der Gesellschaft; es soll zur gemeinnützigen Förderung der naturwissenschaftlichen und technischen Forschung verwendet werden."
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persönlichen Charakter der Übereinkünfte zwischen Stifterverband und FhG, auf den in dieser frühen Phase des öfteren hingewiesen wurde, gelang es dem Stifterverband, das erste Präsidium der FhG als Sprachrohr eigener Interessen zu nutzen. Wie der Blick in die einschlägigen Quellen belegt, gab es sehr wohl und sehr bald gegensätzliche Meinungen hinsichtlich der immerhin satzungsgemäß festgelegten Aufgabe, eine entsprechende Werbetätigkeit für die Gesellschaft sowohl in Bayern als auch in den anderen Ländern durchzuführen. Die Auffassung, der Vorstand hätte nicht „eigenmächtig", also ohne Zustimmung des Senatsausschusses bzw. des Senats, jede Werbung per Absprache mit dem Stifterverband unterbinden dürfen, wurde seinen Mitgliedern bald bis zur Zerreißprobe vorgehalten.107 Diese internen Friktionen mußten eine selbstbewußte und wirksame Entwicklung der FhG hemmen.108 Die Kritik am ersten Präsidium scheint auf den ersten Blick verständlich, doch sollte indes nicht übersehen werden, daß durch die enge Kooperation mit dem Stifterverband eine prinzipielle Anerkennung der FhG geschaffen wurde und so die Existenzfrage in dieser schwierigen Phase der Konsolidierung nicht ständig zur Debatte stand. Vergessen werden sollte in diesem Zusammenhang auch nicht, daß die eigentliche Vorgängergesellschaft, die „Helmholtz-Gesellschaft" ihrerseits ihren Wirkungsbereich „kampflos" an die DFG und die Max-Planck-Gesellschaft abgegeben hatte. Die These von der Notwendigkeit einer alternativen Gesellschaft zur Förderung der angewandten Forschung mußte sich letztlich auch an dieser Tatsache messen lassen. Die scharfe Kritik an Gerlach resultierte aus der Vorstellung, die Dringlichkeit angewandter Forschung hätte ein größeres Selbstbewußtsein im Umgang mit Stifterverband und anderen Organisationen verdient. Spannungen mit dem Stifterverband seien demgemäß nur marginale Nebenerscheinungen und könnten um der Eigenständigkeit willen verschmerzt werden. Ein längeres Zitat soll die Konfliktlage beschreiben. Der Ständige Sekretär Francke beklagte: „Seit unserer Besprechung am 21.4. in Augsburg steht die Angelegenheit der FhG folgendermaßen: Nachdem Herr Dr. Bungartz mit dem Termin der Mitgliederversammlung am 7.5. einverstanden war, ergab sich aus einem Telefongespräch am Montag mit ihm, daß er inzwischen mit Gerlach zusammen war und dieser ihn anscheinend überredet hat, daß man die Mitgliederversammlung erneut verschieben müsse, weil die Beziehungen zum Stifterverband noch bereinigt werden müßten. Dieser Vorwand ist ebenso belanglos wie die früheren Bremsversuche und zeigt nur, daß der vom Vertrauen der Mitglieder seinerzeit gewählte Präsident seinen durch die Satzung festgelegten Verpflichtungen in keiner Weise nachkommt. Schon die Tatsache, daß Herr Gerlach bei den verschiedensten Anlässen über die Möglichkeit einer Auflösung der Gesellschaft spricht, ohne die Meinung von Vorstand und Senat vorher einzuholen, genügt, um ihm das Vertrauen der Mitglieder zu entziehen [...]"109 Und: „ [...] Er (Gerlach) hat sich während der 2 1/2 Jahre seiner Präsidentschaft nie um die Angelegenheit der 107 Niederschrift über die Senats-Ausschußsitzung am 13.11.50 unter Vorsitz von Staatssekretär Geiger, IfZ, ED 721/29. 108 Prof. Knoblauch äußerte in einem persönlichen Gespräch, daß er mancherlei Zweifel hinsichtlich der Zukunftsfähigkeit der FhG habe, „nachdem 2 1/2 Jahre lang nur sehr wenig getan worden ist". Vgl. Auszug aus Aktenvermerk Sörensen vom 7.11.52, IfZ, ED 721/112. 109 Brief Francke an Sörensen, 24.4.51, IfZ, ED 721/29.
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FhG gekümmert, höchstens mit der Forschungsgemeinschaft und dem Stifterverband unbeauftragt Verhandlungen geführt, über deren Inhalt wir (im Senat) nicht unterrichtet wurden und die durchaus nicht immer im Sinne der Ziele unserer Gesellschaft waren [...] Herr Gerlach hat aus seiner Industriefremdheit heraus immer eine ablehnende Haltung gegenüber den Industrieforschungskrediten eingenommen."110 Dennoch wäre es sicherlich falsch, dem eher zurückhaltenden Gerlach zu unterstellen, er habe keine Strategie besessen, der FhG zum Durchbruch zu verhelfen. In den Korrespondenzordnern finden sich - vor allem wieder mit dem Schatzmeister Fritz Gummert - Überlegungen, wie die FhG zu gestalten wäre: „Mein Plan ist der, daß in der FhG eine Reihe von Instituten zusammengefaßt werden, welche ausgesprochen wissenschaftlich-technische Aufgaben forschungsmäßig behandeln, in analoger Form wie die Max-Planck-Gesellschaft die Grundlagenforschung treibt [...] (hierbei habe ich übrigens auch schon sehr stark Deine Forschungsstelle im Auge) Und: „Ich habe mit voller Absicht die Angelegenheit der FhG sehr langsam weitergetrieben, weil große Schwierigkeiten mit dem Stifterverband entstanden waren; ein wichtiger Punkt war dabei die Stellungnahme der früheren Helmholtz-Gesellschaft, welche erklärt hatte, daß die Helmholtz-Gesellschaft für die Unterstützung der angewandten Forschung nicht wieder ins Leben gerufen wird, da man die Angelegenheit teils der Notgemeinschaft, teils dem Stifterverband überlassen soll." 1 " In der Korrespondenz mit Walther Meißner heißt es: „Mittlerweile habe ich mit dem Stifterverband eine Vereinbarung getroffen, auf Grund derer wir Ende des letzten Jahres eine Pauschalsumme von 50.000 DM ohne Zweckbindung erhalten haben. Auf Grund einer kürzlich stattgefundenen Besprechung mit dem Präsidium des Stifterverbandes hoffe ich, daß wir im laufenden Jahre wieder einen beträchtlichen Zuschuß erhalten werden. Bemerkenswerte Teile der Industrie sind noch grundsätzlich gegen die FhG eingestellt, teils deshalb, weil man sie für eine bayerische Angelegenheit hält, teils deswegen, weil man sagt, sie sei unnötig, der Stifterverband mit der Notgemeinschaft könne alles Erforderliche auch allein machen. Man muß noch dauernd lavieren, ich habe aber die Hoffnung, daß im Laufe des Jahres sich die Verhältnisse konsolidieren lassen. Wie schwierig die Verhältnisse liegen, sei [...] an einem [...] Beispiel gezeigt: Die FhG richtet ein Institut für chemische Spektralanalyse ein [...] Der Erfolg ist, daß das Wirtschaftsministerium NRW auf Antrag 110 Brief Francke an Roelen, 14.1.52, Tgb.Nr. 101/52, IfZ, ED 721/11. 111 Brief Gerlach an Gummert, 27.10.49, IfZ, ED 721/11. Tatsächlich blieb die Zukunft der Helmholtz-Gesellschaft erstaunlich unklar. Noch der Aktenvermerk von Dr. Luther vom 3.7.52 hält fest, welche Maßnahmen getroffen worden seien, um „die Zusammenarbeit beider Gesellschaften" zu klären. Danach sei veranlaßt, daß „1.) Dr. ing.Dr. mont. hc., Dr. ing. E.h. Otto Petersen (Düsseldorf), der die Helmholtz-Gesellschaft früher vertreten hat," gebeten wurde, „eine Wahl in den Senat der FhG anzunehmen [...]" und 2.) „Am 19.2.52 hat Herr Dr. Luther mit Herrn Prof. Dr. Zenneck, der einer der maßgeblichen Herren der Helmholtz-Gesellschaft ist, vereinbart, daß alle Verhandlungen, die die Zusammenarbeit beider Gesellschaften betreffen, zwischen den Herren Dr. Roelen und Dr. Petersen geführt werden."
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eines dort sitzenden Kollegen mit Unterstützung der Industrie ein gleiches Laboratorium dort einrichten will."112 Der genannte Kritikpunkt, der Vorstand habe leichtfertig auf das Eigenrecht der Werbung verzichtet, ist vor allem von Interesse, weil damit auf einen Aspekt hingewiesen wird, der für den Stifterverband von außerordentlicher Bedeutung war. Wie aus dem Aktenmaterial hervorgeht, konnte die Fraunhofer-Gesellschaft Anfang 1951 verstärkt registrieren, daß trotz aller Querelen und Unbestimmtheiten aus den Kreisen der Industrie „ein besonderes Interesse an der Erhaltung und Vergrößerung der FhG" existierte.113 In der Tat konnte die FhG zu diesem Zeitpunkt die Option, eigenständig Spendengelder einzutreiben, als gewichtigen Trumpf in die Waagschale werfen und als schlagkräftiges Argument z. B. gegen die Auflösungsbestrebungen lancieren; so ließ es sich der bayerische Industrielle Everhard Bungartz nicht entgehen, Gummert darüber zu unterrichten, daß „eine große Anzahl von Firmen und Einzelpersönlichkeiten wohl gewillt ist, auf Grund persönlicher Interessen und persönlicher Beziehungen der Fraunhofer-Gesellschaft Gelder für ihre Aufgaben zur Verfügung zu stellen. Es wäre wohl dem Stifterverband kaum möglich, diese Kreise ebenso gut anzusprechen, wie dies die FhG tut, da dem Stifterverband als großem, übergeordneten Zentralverband einfach die Möglichkeiten fehlen, an diese Kreise auch nur irgendwie heranzukommen", zumal „derartige Spenden ein mehrfaches von dem ausmachen, was der Stifterverband der FhG gegeben hat." Eine knappe Woche später wurden diese markigen Worte dann jedoch durch Präsident Gerlach wieder entschärft: „Ursprünglich ist eine Geldwerbungsaktion der FhG vorgesehen worden. Ich habe aber hier gebremst, weil ich es für unzweckmäßig halte, daß verschiedene Stellen in derselben Richtung etwas tun."' 14 Im übrigen blieb diese „Gefahr" für den Stifterverband, also die Androhung von Eigenwerbung seitens der FhG, dauernder Diskussionsgegenstand in all den Verhandlungen zwischen FhG und Stifterverband, nicht zuletzt deswegen, weil die Satzung der FhG prinzipielle Spendenfinanzierung vorsah." 5 Da nun auch keine Satzungsänderung vor112 113 114 115
Brief Gerlach an Meißner, 26.1.51, Tgb.Nr.78/51, IfZ, ED 721/11. So etwa Bungartz an Gummert, Tgb.Nr. 189/51, 20.1.51, IfZ, ED 721/160. Brief Gerlach an Gummert, 27.10.49, Tgb.Nr. 1027/49, IfZ, ED 721/29. In der Satzung der FhG vom 26.3.1949 heißt es unter §17 (Einkünfte): „Die Einkünfte der Gesellschaft bestehen aus Leistungen der Mitglieder, aus Zuschüssen des Staates und freiwillen Zuwendungen jeglicher Art. Alle Zuwendungen, auch wenn sie vom Spender für ein bestimmtes Institut gedacht sind, werden an die Gesellschaft geleistet und von dieser verwaltet. Sämtliche Einkünfte dienen der Förderung der angewandten Forschung und damit nur gemeinnützigen Zwecken. Es muß von der Gesellschaft dafür gesorgt werden, daß die aus den Zuwendungen beschafften Gegenstände ihr Eigentum verbleiben und als solches gekennzeichnet werden."
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genommen wurde, beherrschte dieses Problem alle bilateralen Gespräche zwischen Stifterverband und FhG, bis es schließlich 1953 zum Eklat kam und der Stifterverband die Unterstützung der FhG gänzlich einstellte, nachdem zwischenzeitlich sogar einmal die Erhöhung des Unterstützungsbeitrages auf 100.000 DM zur Diskussion gestanden hatte. Die Zerrissenheit der FhG sollte durch die bereits mehrfach erwähnten Neuwahlen von Vorstand und Senat im Dezember 1951 bereinigt werden. Treibende Kraft dieses Personenkarussells waren der Ständige Sekretär Francke und der künftige Präsident. Durch das Revirement sollte die bundesweite Öffnung der Gremien der zweiten Wahlperiode dokumentiert werden. Zentral waren dabei die Person des neuen Präsidenten Dr. Ing. Wilhelm Roelen (Generaldirektor der Ruhrkohle AG), welcher zugleich Senator der Max-Planck-Gesellschaft war, und des neuen Schatzmeisters Hermann J. Abs, des Präsidenten der Wiederaufbaubank. Der enorm vergrößerte Senat, in dem nun Persönlichkeiten aller Bundesländer (z. B. übernahm der Ministerialrat beim Bundeswirtschaftsministerium Walter Hinsch den Sitz des bayerischen Wirtschaftsministeriums) vertreten waren, sorgte dagegen für einige Verstimmung beim Stifterverband. Als Gummert erfuhr, daß die FhG noch vor Ablauf der Wahlperiode die Bildung eines neuen Senats vorbereitete, sah er darin einen Vertrauensbruch des Herrn Dr. Roelen und wollte die Wahl zunächst nicht annehmen. Er empfahl vielmehr allen ihm bekannten Persönlichkeiten, ihre Wahl in den Senat ebenso abzulehnen. Abgesehen davon, daß Gummert den großen Senat mit seinen 27 Mitgliedern für viel zu unbeweglich hielt, um im Konkurrenzkampf mit dem BMI effektiv sein zu können, beschwerte er sich über das „fait accompli" der neuen Repräsentanten in München. Die Verhandlungsatmosphäre hatte sich grundlegend gewandelt. In München zeigte man sich zufrieden über die rasche Ablösung der alten Garde und glaubte, optimistisch in die Zukunft blicken zu können." 6 Jetzt konnten die Abgrenzungsverhandlungen mit neuem Selbstbewußtsein geführt werden. Dezentrale oder zentralisierte Forschung? Aber auch diese Abgrenzungsdebatte der beteiligten Organisationen zog weniger klare Grenzen durch die Forschungslandschaft, als man es sich in München oder anderswo wünschte. Die Vorstellung, die Marktlücke „angewandte Forschung" würde bei entsprechendem Angebot eine dankbare Nachfrage hervorrufen, erwies sich als zu schlicht. Rein funktional ließ sich der Wettbewerb auf dem „Forschungsmarkt" nicht regeln. Wichtiger waren immer noch die Finanzierungszusagen durch den Bund. Die Förderung der wissenschaftlichen Forschung ist im Art. 74 (13) GG für die Bundesrepublik Deutschland der konkurrierenden Gesetzgebung von Bund und Ländern zugewiesen. Bei der zu erwartenden Finanzierung der deutschen Forschung durch Bundesmittel bat die FhG, in entsprechender Weise berücksichtigt zu werden." 7 Um diese Gelder galt es zunächst zu werben. Eigene Interessen mußten gegenüber dem 116 Brief Francke an Roelen, 9.1.52, Tgb.Nr. 72/52, IfZ, ED 721/29. 117 Schreiben Gerlachs an Bundeskanzler Adenauer, 22.12.49, IfZ, ED 721/97, Tgb.Nr. 1154/49.
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nächsten oder möglichen Mitkonkurrenten geltend gemacht werden. Und zu einem möglichen Mitkonkurrenten war die FhG allein dadurch avanciert, da sie - wie erwähnt - zur „Ressortforschungs- und Dienstleistungsorganisation des Bundeswirtschaftsministeriums in der angewandten Forschung" gemacht worden war. Für den Bund konnte es mithin eine veritable Alternative sein, die FhG nicht in das „Königsteiner Abkommen" einzuordnen. Diese Variante hätte dann die Option geboten, eine selbständige, gleichsam von DFG und Max-Planck-Gesellschaft unabhängige Forschungspolitik zu betreiben. Diese Umgehung der Kompetenzdifferenzen zwischen Bund und Ländern hätte zudem womöglich die weitere Beteiligung des Bundes an der Finanzierung der großen Forschungsorganisationen (mittels Sonderhaushalten oder gar einer Globalförderung) in Frage gestellt. Als denkbare Variante einer nur zweckgebundenen Förderung von Max-Planck-Gesellschaft und DFG durch den Bund, der dann ja quasi mit der FhG über eine bundeseigene Forschungsorganisation verfügt hätte, mußte diese Vision die Verantwortlichen der etablierten Gesellschaften verschrecken bzw. aufs höchste alarmieren.118 Um es vorweg zu nehmen, es gelang in den sog. Abgrenzungsverhandlungen nicht, die FhG als eigenständige Forschungsorganisation auf Bundesebene zu etablieren, obschon allein (ungeachtet der umfangreichen schriftlichen Korrespondenzen) im Jahre 1952 sechs Besprechungen mit dem Stifterverband und der DFG stattgefunden hatten.
Bürogemeinschaft mit der Deutschen
Forschungsgemeinschaft?
Im Rahmen der bereits erwähnten Neuwahlen von Vorstand und Senat bemühten sich Ende 1951 der neue Präsident Roelen und der Senatsvorsitzende Luther um künftige Senatoren, welche aus allen deutschen Ländern kommen und als Vertreter der Wissenschaft und Wirtschaft der angewandten Forschung besonders nahe stehen sollten. Auch Werner Heisenberg zählte zu diesen vorgeschlagenen Männern. Doch in dessen ablehnendem Antwortschreiben an die Fraunhofer-Gesellschaft bündelte sich augenscheinlich das Mißbehagen, welches man in weiten Kreisen der neuen Entwicklung gegenüber hegte: „Wie Sie wissen, ist einer der entscheidenden Gesichtspunkte bei der Gründung der DFG seinerzeit der Gedanke gewesen, daß man die in Deutschland früher übliche Trennung zwischen der praktisch wichtigen angewandten Forschung und der nur kulturell bedeutsamen Grundlagenforschung beseitigen müsse, wie sie etwa in angelsächsischen Ländern üblich ist. Der Wunsch nach der Herstellung dieser Zusammenarbeit ist mir in den vergangenen Jahren stets so wichtig gewesen, daß Sie es verstehen werden, wenn ich jetzt die Wahl in den Senat der FhG nicht annehmen kann, bevor nicht das Verhältnis zwischen Forschungsgemeinschaft und FhG im Sinne einer solchen Zusammenarbeit geklärt ist."119 118 Hohn: Konflikte, 184 f. 119 Heisenberg an Francke, 2.1.52, Tgb.Nr.37/52, IfZ, ED 721/29.- Vgl. auch DFG-Präsident Raiser: „Es wäre ein Unglück, reine und angewandte Forschung organisatorisch trennen zu wollen.", in: Aktenvermerk betr. Bespr. über Eingliederung der FhG in die DFG in Frankfurt am Main, FhG, Tgb.Nr.307/52, ebd.
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Eine eigenständige Organisation der angewandten Forschung, so die generelle Befürchtung - also nicht nur in der DFG führe zur „Überorganisation", zu unerwünschter Konkurrenz z.B. auch in der Forschungsförderung an den Hochschulen.120 Hinzu kam, daß die DFG mittlerweile einen Ausschuß für Wirtschaftsförderung unter dem Vorsitz von Prof. Otto Bayer (Leverkusen) gegründet hatte, der sich der wirtschaftswichtigen Forschung annehmen sollte. Heisenberg knüpfte denn auch seine Bereitschaft, im Senat der FhG mitzuarbeiten, an die Bedingung, daß sich „bald Vereinbarungen über die Form der Zusammenarbeit dieser beiden Organisationen finden lassen". Kurzum, gerade an dieser Frage entzündete sich die Diskussion unterschiedlichster Konzepte möglicher Forschungsförderungssysteme. Das allzu leichtfertige Argument (welches vor allem als Hauptwaffe des Stifterverbandes diente), Überschneidungen bei der Bearbeitung einer Forschungsaufgabe führten pauschal zu unnützer Doppelarbeit, wurde seitens der FhG, namentlich von Prof. Drescher-Kaden, bezweifelt. Denn gerade in der angewandten Forschung gebe es zahlreiche Beispiele dafür, daß „ein bestimmtes Ziel auch auf verschiedenen Wegen erreicht werden kann." 121 Nicht die Aufgabe eines doppelgleisigen Systems sei die richtige Antwort, sondern vielmehr die enge Zusammenarbeit der unterschiedlichen Säulen der Forschungslandschaft sei die effizientere Lösung dieser Problematik. Nicht zufällig versprach sich auch der Senatsvorsitzende der FhG Luther eine Vorbildfunktion für die deutsche Forschung in dem amerikanischen Modell, allein mit anderer Zielrichtung, als dies Heisenberg tat. Er beschwor vielmehr das Prinzip des „teamwork" und plädierte für eine grundlegende Reform der deutschen Wissenschaftsorganisation.122 An dieser Stelle mag es geraten sein, den vielfach verwendeten Begriff „angewandte Forschung" in Abgrenzung zur „Grundlagenforschung" einmal näher zu beleuchten. Hilfreich dabei sind Ausführungen, welche Prof. Hans J. Piloty auf einer Tagung des Verbandes Technisch-Wissenschaftlicher Vereine in Düsseldorf vortrug. Bei seinem Definitionsversuch lehnte er sich an die Begriffsfestlegungen des OEEC-Berichtes Nr. 83 an:
120 Vgl. Hohn: Konflikte, 186, Anm. 12. 121 Niederschrift über die Senatssitzung der FhG am 22.2.52 in Frankfurt a.M., IfZ, ED 721/29. 122 „Lernen müssen wir dennoch vom Ausland, dem wir unsererseits nur dankbar sein können. Einer der wichtigsten methodischen Züge, die dort erkannt und ausgebaut worden sind, und denen die Amerikaner einen großen Teil ihrer Erfolge verdanken, ist das „teamwork", das Zusammenarbeiten Verschiedener an einer gemeinsamen Aufgabe. Teamwork ist etwas, was den Deutschen zunächst nicht recht liegt. Wenn bei uns einer einen besonders praktischen Hosenknopf erfindet, so will er in leider zahlreichen Fällen den Ruhm mit niemanden teilen. In Amerika dagegen findet man sehr häufig für eine Erfindung vier, fünf Namen genannt. Man weiß dort, daß die Wirkung umso größer zu sein pflegt, je mehr Erfinder an einer Idee beteiligt sind. Das ist auch im edelsten Sinne politisch-psychologisch wertvoll. Auch bei uns sollte sich die Überzeugung stärker durchsetzen, daß eine große Sache am Besten dann ausreifen und der Allgemeinheit Nutzen bringen kann, wenn möglichst viele Hände und Köpfe an ihr gearbeitet haben [...]". (Aus dem Schlußwort des Senatsvors. Luther), IfZ, ED 721/19.
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„Angewandte Forschung ist ein technisches Unterfangen mit dem Ziel, Probleme von technischer Bedeutung zu lösen, wobei Umfang und zeitliche Ausdehnung von der Wahrscheinlichkeit, verwertbare Ergebnisse zu erzielen, wesentlich abhängen. Der Gegenstand der angewandten Forschung kann demnach völlig abstrakt bis völlig praktisch sein, nur muß es sich um die Förderung der Technik handeln und die eingesetzte Mühe sowie die eingesetzten Mittel müssen sich, soweit dies vorausgesehen werden kann, lohnen. Auf jeden Fall muß aber die Erarbeitung neuer Erkenntnisse wissenschaftlichen Charakters wesentlicher Bestandteil des Forschungsvorhabens sein."123
Für unseren Kontext entscheidend ist an dieser umfangreichen Erklärung, daß sie überhaupt derart umfangreich sein mußte. Offensichtlich gaben die ständigen Querelen um die Notwendigkeit der FhG genügend Anlaß, eine scharfe Abgrenzung zur Grundlagenforschung zu formulieren, so daß die eilfertigen Vorschläge, man möge die Arbeit der FhG schlicht der DFG überlassen, an diesen geschliffenen Worten zerschellen sollten. Es konnte eben nicht ausreichen, die gesamte Arbeit der FhG mit dem Hinweis auf die scheinbar ebenfalls überflüssige, weil eingestellte, Arbeit der Helmholtz-Gesellschaft in Frage zu stellen. Die Begriffsklärung durch Piloty hatte offensichtlich das Ziel, die Diskussion zu versachlichen und die verbreitete These von der Untrennbarkeit reiner und angewandter Forschung an dieser definitorisch behaupteten Trennbarkeit zu messen. In jedem Fall konnte man neben diesen ungelösten Fragen zumindest eine Übereinkunft zwischen DFG und FhG als Ergebnis der Verhandlungen verbuchen. So sollte die DFG alle Anträge, die von der Industrie gestellt wurden, zur Bearbeitung an die FhG abgeben bzw. die Antragsteller auf die Zuständigkeit der FhG hinweisen. Umgekehrt verpflichtete sich die FhG, Anträge, die aus Hochschulkreisen gestellt wurden, an die Forschungsgemeinschaft zur Bearbeitung weiterzuleiten.124 Aber gerade diese „freundliche" Übereinkunft zeigt, welche Fragen offen geblieben waren. Die FhG empfand sich z. B. als die geeignetere Adresse, um Problemforschungsfelder zu ermitteln, bei denen nicht unmittelbar durch Mangel an Geld, sondern aufgrund anderer Umstände eine Gefährdung vorlag. Hier konnte nach Ansicht der Fraunhofer-Gesellschaft beispielsweise durch Heranziehung von Fachgutachtern, Einschaltung von Spezial-Instituten und Spezialfirmen, durch Bereitstellung seltener und schwer zu beschaffender Apparate, Hilfeleistungen bei Behördenverhandlungen und in Patentangelegenheiten, Erzielen billiger Preise bei Lieferanten usw. praktische Forschungsförderung geleistet werden, für die innerhalb des klassischen Aufgabenbereiches der DFG kein Raum war. Die Rolle der Max-Planck-Gesellschaft Das Leitkonzept der neuen Gesellschaft zur Förderung der angewandten Forschung sollte sich von den Organisationsstrukturen der Grundlagenforschung elementar unterscheiden. In Münchner Kreisen gab es Überlegungen, die „effiziente Praxisnähe" zum wichtigsten Motto für das neue Fördermodell „Fraunhofer-Gesellschaft" zu machen. 123 Abgedruckt in: Chemiker-Zeitung 2, 20.1.54, 47, hier: Zehn Grundsätze zur deutschen angewandten Forschung. 124 Meißner an Raiser, 4.7.52, IfZ, ED 721/144.
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Die Eigendynamik und den Selbstzweckcharakter der Grundlagenforschung lehnte man für die FhG folgerichtig ab. Die Zielformulierung der Forschung sollte gewissermaßen den Auftraggebern selbst überlassen werden, und die Wirtschaftlichkeit sowie die Verwendbarkeit ihrer Forschung sollten zum Hauptkriterium ihrer Förderaktivität avancieren. 125 Nur die als Auftragsforschung betriebene Industrieforschung konnte ein ernstzunehmender Konkurrent für das Battelle-Institut werden, so die Überlegungen in München. Die Funktion der FhG als Forschungsvermittlungsstelle konnte für dieses Konzept nur eine Nebenaktivität bzw. das Beschäftigungsfeld einer begrenzten Übergangsphase sein. Im Gegensatz zur Grundlagenforschung gab es tatsächlich einen großen Handlungsbedarf hinsichtlich einer notwendigen Vermeidung der erstaunlichen Zersplitterung von Antragstellern, Förderorganisationen und den zahlreichen Forschungsstätten. Mit einem Wort, man konnte sich aufgrund der Gegebenheiten eine schnelle Popularität ausrechnen, wenn es gelingen würde, die anvisierten Ziele zu verwirklichen und der Industrie die Unerläßlichkeit der FhG vorzuführen. 126 Genau dies befürchtete die Max-Planck-Gesellschaft. Man argwöhnte, daß eine selbständige FhG die Anziehungskraft der Max-Planck-Gesellschaft vor allem für den Bund schwächen würde und dessen Interesse an der Förderung der Grundlagenforschung schmälern könnte: „Ich würde es für eine verhängnisvolle Entwicklung halten", so Werner Heisenberg am 28. Januar 1952 in einem Brief an den späteren Präsidenten der Max-Planck-Gesellschaft, Adolf Butenandt, „wenn sich die Vorstellung einnistet, die Max-Planck-Gesellschaft treibt nur Grundlagenforschung, die FhG treibt die nützliche Forschung." 127 Und so war auch nach Ansicht der Max-Planck-Gesellschaft die Lösung dieser gefährlichen Kompetenzstreiterei die kompromißlose Begrenzung des Tätigkeitsbereichs der FhG auf die „Schaffung von Verbindungen". 128 Darüber hinaus trat man auch in Göttingen für die institutionelle Einbettung der angewandten Forschung innerhalb der DFG ein. Otto Bayer und Werner Heisenberg machten sich zu Fürsprechern der Idee der Gründung eines Ausschusses bzw. der Einsetzung eines 125 Mit dem später entwickelten finanztechnischen Modell sollte es gelingen, Forschungsaufträge einzuwerben. Das „Kernelement der Strukturreform der FhG bestand denn auch (später) in der Umstellung ihrer institutionellen Förderung auf die sog. .variable, erfolgsabhängige Grundfinanzierung'" (= direkte Abhängigkeit der Grundfinanzierung der FhG von der Höhe der eingeworbenen Mittel aus der Auftragsforschung), d.h.: zu jedem eingeworbenen Betrag erhielt die FhG jetzt einen Betrag in gleicher Höhe aus dem Haushalt des 1973 gegründeten Bundesministeriums für Forschung und Technologie. Damit kontrollierte der Bund praktisch die Effizienz der FhG. Auftragsforschung betrieb die FhG seit der Mitte der 50er Jahre. Zu einem regelrechten „Boom" entwickelte sich die Auftragsforschung, als die staatlich geförderte Verteidigungsforschung, welche die FhG bekanntlich ebenfalls betreute, abflachte. Vgl. hierzu: Hohn: Konflikte, 190-231, hier 175. 126 Sitzung des Senats der FhG am 31.10.52 in München, ungez., IfZ, ED 721/160. 127 Briefwechsel Heisenberg-Butenandt im NL Heisenberg. Schreiben vom 2 8 . 1 . 5 2 und 10.2.52, DFG-Korrespondenz, hier zitiert nach Hohn: Konflikte, 186. 128 Aktenvermerk betr. Besprechung über Eingliederung der FhG in die DFG am 12.2.52, IfZ, Tgb.Nr. 307/52, gez. Sörensen, IfZ, ED 721/144.
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zweiten „Technischen Senats". In diese Gremien sollte die FhG ihrer Meinung nach organisatorisch übergeleitet werden.129 Erst viel später erklärte Ernst Telschow, der Geschäftsführende Vizepräsident der Max-Planck-Gesellschaft, in einem Gespräch mit Präsident Roelen, „daß er anfänglich die Absicht gehabt habe, die Aufgabe der Max-Planck-Gesellschaft zu erweitern, auch auf das Gebiet der angewandten Forschung. Das sei aber nun überholt und es müsse gehandelt werden." Man wird aus solchen Worten die Anerkennung für den selbständigen Weg der FhG durch die Max-Planck-Gesellschaft sehen können.130 Die Haltung des Stifterverbandes Unklar hingegen blieb, wie sich der Stifterverband zu diesen neuen „Direktiven" stellen würde. Die DFG wünschte den Druck des Stifterverbandes auf die FhG, wenn diese plane, eigene Forschung zu treiben. Sollte es keine Einigung mit der FhG über Aufgabenbeschränkung, Verwaltungssitz und Arbeitsgemeinschaft mit der DFG geben, solle der Stifterverband auch „keine Unterstützung und keine Mitgliedschaft" in der FhG unterhalten.131 Das ambivalente Verhältnis zur Fraunhofer-Gesellschaft leitete sich bekanntlich aus der Konkurrenz her, die die FhG als möglicher Adressat für Geldspenden aus der Industrie darstellte. Durch die zugespitzten Frontstellungen mußte sich die FhG in ihrer Existenz bedroht fühlen, was durchaus zu einem Bruch bisheriger Vereinbarungen mit dem Stifterverband (Gegenseitigkeitsabkommen) führen konnte. Dies galt es zu verhindern. Es mußte, behutsamer als dies die DFG vorschlug, ein Kompromiß mit der FhG gefunden werden. Man einigte sich letztlich darauf, daß gerade auch bei fehlendem Konsens zwischen FhG und DFG der Stifterverband seine 50.000 DM Verwaltungshilfe der FhG zuschießen würde, um eine etwaige Doppelung der Spendenwünsche an die Wirtschaft zu vermeiden. Mit erstaunlicher Konsequenz taktierte man allerdings hinsichtlich des Verhältnisses der Fraunhofer-Gesellschaft zum Bund. Energisch forderte Verbandsdirektor Nord im Namen des Stifterverbandes den Abbruch der Verbindung von FhG und Bundeswirtschaftsministerium: „In Kreisen des Stifterverbandes wünsche man, daß alle Forschungsarbeit [...] in der DFG bearbeitet wird." Die FhG habe auf diesem Gebiet nichts verloren. Seit Ende Oktober 1952 verdichtete sich die Überlegung des Stifterverbandes, die Vermittlungsstelle im Rheinland selbst aufzuziehen, gewiß eher eine Drohgebärde gegenüber der FhG als wirkliche Absicht. Zunächst war jedenfalls auch nicht ernstlich an den Abbruch der Verbindung zur FhG gedacht, der aber als Argument in den Verhandlungen diente.132 Vielmehr sagte man zu, der Gesellschaft auch im kommenden 129 Hohn: Konflikte, 187. 130 Vgl. Roelen an Luther, 20.2.53, IfZ, ED 721/11. 131 SV, VP. - Protokoll über die Sitzung des Verwaltungsrates am 2 4 . 3 . 5 2 in Frankfurt am Main, NL Heisenberg, DFG-Korrespondenz 1952-56 (hier zitiert nach Hohn: Konflikte, 187 f.). 132 Brief Sörensen an Luther und Meißner vom 14.11.52. Sörensen spricht davon, daß sich die Meinungsverschiedenheiten mit dem Stifter verband „abgesehen von den grundsätzlichen
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Jahr 1953 mit einem Betrag von 50.000 DM helfen zu wollen. Neu war indes, daß dieses Geld für Forschungszwecke vorgesehen sein sollte.133 Kurzum, die Pläne, die der Stifterverband für die FhG ursprünglich vorgesehen hatte, schienen sich nicht verwirklichen zu lassen. Entgegen dem ansonsten typischen Verhandlungsstil des Stifterverbandes, selbst die Initiative für weitere Abstimmungen zu übernehmen, mit „dringenden Bitten" und verbindlichen Aufforderungen sowie stetiger Präsenz bei den entscheidenden Verhandlungen die Klärung voranzutreiben, läßt sich etwa ab November 1952 ein Wandel dieses Handlungsmusters beobachten. Das Verhandlungsgespann Merton-Gummert ließ für ganze zwei Monate Termine ausfallen, da Gummert zunächst wegen Krankheit reiseunfähig war und Merton keine freien Termine zu haben schien. 134 Subtiler war schließlich eine Verzögerungsvariante, die den Modus der Besprechungen geändert hätte. So überlegte Gummert, einfach den gesamten Vorstand des Stifterverbandes zu der Aussprache mit der FhG einzuladen, was freilich auch eine größere Zahl von Teilnehmern auf Seiten der FhG erfordert hätte. Eine effektive Diskussion wäre durch diesen großen Personenkreis natürlich ungleich schwerer gewesen, zumal ein allen zusagender Termin fast unmöglich schien. So gelang es Gummert eine Zeitlang, die aus Sicht der FhG nötige Besprechung ins Unbestimmte zu vertagen.135 Die Vorzeichen hatten sich tatsächlich umgekehrt. Jetzt war es die FhG, die sich eigener Handlungskompetenz erinnerte und schnelle Entscheidungen seitens des Stifterverbandes erwünschte. Die Aufhebung bedeutsamer Forschungsverbote im Jahr 1952 (Luftfahrt, Kernphysik, Radartechnik) hatte der angewandten Forschung neue Aufgaben gestellt, die um so dringender der Bearbeitung harrten, als es auf diesen Gebieten galt, den Vorsprung des Auslands wieder aufzuholen. Erstmals findet sich Mitte November 1952 auch der Gedanke, „daß es am besten wäre, auf den Zuschuß des Stifterverbandes zu verzichten und dafür der FhG jede Handlungsfreiheit zu lassen, die sie zur Durchführung ihrer Aufgaben und Durchsetzung ihrer Interessen braucht." 136 Schließlich forcierte die FhG die Absprache auf dem Weg schriftlicher Verhandlungen, und bereits einen Monat später konnte man ein relativ akzeptables Zwischenergebnis vorweisen. Der Stifterverband hatte verbindlich erklärt, keine Auskunftsstelle einzurichten und Prof. Sörensen sollte in den Verwaltungsrat des Stifterverbandes eintreten. Als vielleicht größten Erfolg dieser Verhandlungsphase durfte die FhG verbuchen, die
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Fragen, die wohl kaum in der nächsten Zeit beantwortet werden können - [...] nur auf wenige Punkte beschränken", IfZ, ED 721/160. Aktenvermerk, Vorschläge des Stifterverbands vom 27.10.52 für eine Zusammenarbeit mit der FhG, IfZ, ED 721/160. Allerdings ergaben sich auch Terminschwierigkeiten auf Seiten der FhG: Für die Monate November und Dezember des ausgehenden Jahres 1952 fiel Roelen in Folge eines gesundheitlichen Zusammenbruchs für die Präsidial-Geschäfte der FhG aus. An seiner statt führten die Herren Meißner und Sörensen sowie Luther die Verhandlungen mit dem Stifterverband u.a., IfZ, ED 721/11, Aktenvermerk Anruf Büro Roelen, 10.11.52, Tgb.Nr.2647. Brief Sörensen an Reichskanzler a.D. Luther und Meißner, 14.11.52, IfZ, ED 721/160. Brief Meißner an Roelen vom 13.11.52, TgbNr. 2680/52, IfZ ED 721/160.
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erstmalig unkonditionierte Zustimmung vom Stifterverband erhalten zu haben, „in solchen Fällen werben (zu können), wo persönliche Bindungen bestehen."137 Aus Sicht des Stifterverbandes war die Forschung jetzt wenigstens in einer Dachorganisation, der DFG, zusammengeführt worden, die lenkend und repräsentierend die Schlagkraft der deutschen Forschung gewähren sollte. Nach der Aufnahme der FhG als Repräsentantin der industriellen Forschung in die DFG konnte sogar davon gesprochen werden, daß alle wichtigen Glieder der Forschungslandschaft in der Spitze der DFG vertreten waren. Die Haltung des Bundeswirtschaftsministeriums Aus Sicht des Bundeswirtschaftsministeriums konnte die Situation, wie sie sich Ende 1952 darbot, kaum befriedigen. Die Sorgen, welche die Industrie- und die industrienahe Forschung noch immer im Bundesgebiet hatte, führte das Wirtschaftsministerium auf deren mangelnde Interessenvertretung im Forschungssystem zurück. Schon Ende 1951 hatte es der Vertreter des Bundeswirtschaftsministeriums bei der Londoner OEEC-Konferenz als „dringendes Gebot" bezeichnet, „die geeignete Form einer zentralen Förderung der industrienahen Forschung durch Wirtschaft, Wissenschaft und Regierung zu finden. 138 Der damit implizierte Vorwurf bewog den federführenden Ministerialrat Hinsch zu einem letzten Versuch, die FhG gegenüber der DFG zu stärken, „damit diese die Industrie-Forschung so zusammenfassen, vertreten und fördern kann, daß auch in der Gesamtvertretung der deutschen Forschung die Industrieforschung die Geltung und den Platz erhält, der ihr zusteht und den sie haben muß."139 Abgesehen von der aus Sicht von Hinsch beschämend mageren Vertretung der Industrieforschung im Senat der DFG, an der die Forschungsgemeinschaft scheinbar ungerührt festhalten wollte, empörte man sich beim Bundesminister für Wirtschaft auch darüber, daß „der Senat (der DFG) sich noch nicht einmal entschlossen hat, den als Vertreter der Industrieforschung neu hinzugewählten Professor Sörensen in den Hauptausschuß der DFG zu entsenden." 140 Im Interesse einer starken Industrieforschung zum Nutzen der gesamten deutschen Wirtschaft versuchte Hinsch, diesen Zustand noch einmal „mit allen Mitteln" zu ändern, da es nicht angehen könne, daß die „gesamte deutsche Industrieforschung irgend einem Zweig, wie etwa der Bakteriologie, der Geographie o. ä. gleichgesetzt wird."
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Brief Merton an Roelen und Luther, 30.12.52, Tgb.Nr.l 183, IfZ ED 721/160. Hier zitiert nach Böttger: Forschung, 62. Abschrift Schreiben Hinsch an Gummert/Vits vom 21.10.52, IfZ, ED 721/160. Ebd.: „[...] Es ist doch ein sehr deutliches Zeichen, wenn schließlich nach allen vorbereitenden Besprechungen der Senat sich nur dazu verstehen konnte, von acht freiwerdenden Sitzen nur einen einem in der Industrieforschung tätigen Wissenschaftler einzuräumen. Wenn man ferner berücksichtigt, daß unter den drei Persönlichkeiten, die für diesen Sitz vom Senat zur Auswahl der Mitgliederversammlung vorgeschlagen waren, sich der Präsident der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt befand, so wird die Lage noch deutlicher; denn der Präsident dieser Anstalt kann ja nun wirklich nicht als ein in der Industrieforschung tätiger Wissenschaftler bezeichnet werden."
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Während sich also das Bundeswirtschaftsministerium für die angemessene Vertretung der allgemeinen angewandten Forschung stark machte, stieß die FhG beharrlich mit ihrem alten Argument nach, daß sie das „wirtschaftliche Endziel" ihrer Arbeiten, also die Exportfähigkeit der deutschen Industrie, vor allem durch die Interessenvertretung der kleineren und mittleren Betriebe erreichen wolle. Gerade diese Zielgruppe sei oft personell und sachlich ungenügend für die Durchführung eigener Forschung ausgerüstet und bedürfe einer angemessenen Unterstützung. Auch der Länderforschungsausschuß beratschlagte Anfang November 1952 die Misere der deutschen Industrieforschung, namentlich der FhG. Man zeigte sich „erschüttert" über die geringe finanzielle Unterstützung, mit der die FhG ihre Existenz sichern müsse. Es sei „unmöglich", daß die 50.000 DM, welche der Stifterverband jährlich spende, die entstehenden Kosten abgelten könnten. So forderte vor allem Regierungsdirektor Frowein (Wirtschaftsministerium Hessen), die FhG müsse in das Staatsabkommen der Kultusminister aufgenommen werden. Gewiß wurde diese Initiative unter Hinweis auf den ausschließlich ökonomischen Tätigkeitsbereich der FhG von DFG-Präsident Raiser sofort zurückgewiesen, doch war zu erkennen, daß ein entsprechendes Arrangement mit den Länderwirtschaftsministern künftig angestrebt werden sollte, zumal man sich durch einen solchen Schritt in der Öffentlichkeit eine gewisse Werbung und Erhöhung des eigenen Bekanntheitsgrades versprach.141 Tatsächlich wurde das Problem der Verwaltungskosten - die mitnichten von den FhG-Mitgliederbeiträgen und den vom Stifterverband genehmigten Eigenspenden abgedeckt werden konnten142 - zu dem entscheidenden Problem des Jahres 1953. Wieder war es jetzt Frowein, der die s. E. naheliegende Konsequenz, die FhG in das Königsteiner Abkommen miteinzubeziehen und in die DFG einzugliedern, zur Tagespolitik erklärte. Nachdem die Mitgliedschaft der FhG bei der DFG (seit dem 5. Mai 1952) ohnehin dazu geführt habe, „die Grundsätze für die Bewilligung von Mitteln an die Forschungsstellen durch die FhG [...] im Laufe der Zeit stark den Grundsätzen der DFG (anzugleichen)", forderte er die staatliche Finanzierung der FhG durch eine „nähere Angliederung" an die DFG, um so die „Lebensfähigkeit" der FhG zu garantieren. Wie wir sehen, hatte sich mittlerweile auch auf Länderebene das Konzept, welches der Stifterverband bereits seit geraumer Zeit voranzutreiben versuchte, durchgesetzt, denn auch Frowein verstand unter Angliederung letztlich das Aufsaugen der Gesellschaft durch die DFG, welche die angewandte Forschung in einer besonderen Abteilung betreiben sollte. 143 Allerdings hörten die Gemeinsamkeiten mit dem Stifterverband auch genau hier auf, denn nach Ansicht Froweins war die Tätigkeit des Stifterverbandes, was die Mittelbeschaffung betraf, keineswegs befriedigend. Vielmehr glaubte der hessische Regierungsdirektor, „daß es möglich sein müßte, wesentlich höhere Beträge aus der Industrie zu erhalten. Die FhG habe bedauerlicherweise durch die Annahme von 50.000 DM ihre Freiheit, selbst bei der Industrie für ihre Arbeit zu werben, viel zu 141 Auszug aus dem Aktenvermerk v. Prof. Sörensen, 6 . 1 1 . 5 2 , IfZ, E D 721/112. 142 Gemeint war ein Betrag von ca. 20.000 D M . 143 In o. g. Aktenvermerk notierte Sörensen, daß „Frowein die FhG letzten Endes für nicht nötig [hält]".
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billig verkauft".144 Überhaupt war bekannt, daß Frowein den Stifterverband „in seiner heutigen Gestalt" gewandelt sehen wollte, da er „so wie er ist, unmöglich ist." 145 Solche Beobachtungen trafen sich mit kritischen Bemerkungen auch aus dem Wirtschaftsministerium des Bundes, wo Oberregierungsrat Pretsch im Oktober 1951 in einem Bericht über die Förderung der industrienahen Forschung festgestellt hatte, daß es „aber eines eindringlichen Rufens" bedürfe, um alle Kreise der Wirtschaft zur Mitarbeit zu gewinnen. Auch stellte er fest, daß einige Wirtschaftsvereinigungen noch zögern würden, Beiträge zum Stifterverband zu leisten, weil sie es vorzögen, zweckgebundene Mittel an Institute ihres Vertrauens zu geben.146 Wie reagierte nun die DFG, die von diesen Vorschlägen eigentlich betroffen war? Abgesehen davon, daß Ministerialdirektor Hinsch im Namen der Bundesregierung den Vorschlag, die FhG der DFG einzugliedern und die FhG in das Königsteiner Abkommen miteinzubeziehen, ablehnte, fanden diese Überlegungen auch in Godesberg nur ein verhaltenes Echo. Sowohl Raiser als auch Zierold betonten, „daß die Übernahme der angewandten Forschung durch ihre Organisation eine völlige Wesensänderung und einen völligen organisatorischen Umbau der Forschungsgemeinschaft notwendig machen würde." Daran konnte der DFG nicht gelegen sein. Einzig und allein die Globalförderung durch den Bund galt es zu sichern,- wobei man sich - wie bereits angesprochen - gute Chancen ausrechnen durfte, dieses Ziel mit Hilfe des Bundesinnenministeriums auch zu erreichen. Die Akzentverlagerung des Bundes hatte zudem bewirkt, daß er sich seit 1952 mit wuchtigen Sonderbudgets in die Forschungspolitik der Länder einzukaufen versuchte, statt eine legislativ fixierte Beteiligung an deren Wissenschaftspolitik zu erlangen. Die DFG wurde somit nolens volens zum Träger auch der angewandten Forschung. Doch lenken wir den Blick noch einmal zurück auf das Bundeswirtschaftsministerium. Die Differenz gegenüber dem Bundesministerium des Inneren hinsichtlich der Haushaltsforderungen wurde immer mehr zu einem unhaltbaren Zustand.147 Die neue Politik des Wirtschaftsministeriums lief nun darauf hinaus, die FhG fallen zu lassen. Die von Bayer und Heisenberg favorisierte Idee eines „Technischen Senats" innerhalb der DFG sollte fortan auch die neue Maxime des Bundeswirtschaftsministeriums sein. Kurzerhand und einseitig wurde Ende 1952 die Verbindung zur FhG aufgekündigt und die für die weitere Entwicklung der FhG bereits zugesagten (und dringend benötigten) Mittel von 550.000 DM verweigert, zumal zum Ende der zweiten Wahlperiode der Forschungsreferent konsequenterweise aus dem Senat der Münchner Gesellschaft ausscheiden sollte. Wie radikal der Wandel war, den das Bundeswirtschaftsministerium vollzog, zeigt der Beschluß, Institute und Forschungsgemeinschaften künftig direkt, also ohne die Einschaltung der FhG, unterstützen zu wollen. Zunehmendes Desinteresse an der Arbeit der FhG und vor allem die von dieser Seite ungewohnt scharfe Kritik 144 Aktenvermerk betr. Besprechung mit Frowein am 27.8.53, IfZ, ED 721/141. 145 Abschrift Aktenvermerk v. Sörensen, vertraulich, Augsburg 22.8.53 (Bespr. vom 20.8.53), IfZ, ED 721/144. 146 Bericht Dr. J. Pretsch vom 2.10. 1951, IfZ, ED 721/211. 147 Hohn: Konflikte, 189.
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der FhG fehle „jede Konzeption für eine fruchtbare Arbeit", sie „(stelle) weder ein geistiges Forum [dar], noch sei die Bearbeitung von Forschungsanträgen durch sie zweckmäßig und notwendig" - wurden auf der Sollseite verbucht.148 Daß die Situation sich mittlerweile hochkomplex und verworren darstellte, wird dokumentiert durch Firmen, die sowohl Mitglied beim Stifterverband als auch bei der FhG waren. Die Nachricht, der Stifterverband ziehe seine Unterstützung der FhG zurück, löste Empörung aus und man zog es in diesen Kreisen bisweilen vor, Spenden künftig direkt an die FhG zu überweisen. Erst wenn man sich beim Stifterverband wieder entschließen könne, diese Forschungsgesellschaft entsprechend zu unterstützen, würden Mittel auch für den Stifterverband in Aussicht gestellt.149 Auch die Erdölindustrie bekundete, durch die Veränderungen „mit Sicherheit ihre Spende an den Stifterverband zurückzuziehen", da sie ohnehin mit der dort geübten Verteilung der Mittel in keiner Weise einverstanden sei. All dies nahm der Bund mit Besorgnis zur Kenntnis. An den getroffenen Entscheidungen änderte sich dadurch jedoch nichts. Die Länder, so die These von Ministerialdirektor Leo Brandt (Düsseldorf) und Prof. Dr. Holtz (Präsident des Landesgewerbeamtes Stuttgart), könnten die Aufgabe, welcher sich die FhG annehme, allein lösen. Entscheidender Auslöser für die überraschende Kehrtwende des Bundes war u. a., so wird man vermuten dürfen, der durch den Stifterverband mittlerweile angekündigte Abbruch der Verbindungen zur FhG. Man erkannte die Last, die diese Gesellschaft plötzlich darstellte, da die FhG fortan keine gesicherte Unterstützung von Industrieseite mehr finden sollte.150 Doch reicht dieser Erklärungsansatz kaum aus, um das Schicksal der FhG in diesem Stadium vollends verstehen zu können. Hinter dieser zunächst schwer verständlichen Abwendung des Bundes von München hatte sich nämlich eine völlig neue Konzeption industrieller Forschung entwickelt. Gleichsam als Etappensieger im Wettlauf mit der FhG um den Einsatz von Fördermitteln aus dem Haushalt des Bundeswirtschaftsministeriums präsentierte sich im Herbst 1953 die Idee der „Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen" (AiF).151 Wie war es dazu gekommen? Ohne die Geschichte der AiF hier ausführlich darstellen zu können, müssen die wichtigsten Entwicklungsphasen dieser Organisation genannt werden, um das Modell der sog. „Gemeinschaftsforschung" mit dem Modell der FhG vergleichen zu können. Außerdem kann so die personelle Verflechtung der federführenden Akteure freigelegt werden.152
148 Um nachzuweisen, daß die Arbeit der FhG unnötig sei, hatte man eigens Herrn Prof. Eilender beauftragt, eine „Untersuchung" dieser Frage durchzuführen. 149 Vgl. beispielsweise Fritz Hahn, Geschäftsführer der Hahn Motorfahrzeuge GmbH, Stuttgart-Fellbach an den SV, 21.12.53, IfZ, ED 721/144. 150 Aktenvermerk, 17.12.53, ungez., IfZ, ED 721/112. 151 Böttger: Forschung, 61. 152 Zur Geschichte der AiF vgl. Böttger: Forschung.
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Die Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen (AiF) Bereits sehr früh sah das Bundesministerium für Wirtschaft eine Art Alternativkonzept zur FhG in der Förderung von „Gemeinschaftsforschung".153 Diese Variante der Forschung sollte immer dann stattfinden, wenn aufgrund fehlender Hochschulinstitute erwünschte Forschungsergebnisse ausblieben oder wo wegen finanzieller Labilität der Unternehmen Forschungen nicht unternommen werden konnten. Vor allem die Länder versprachen sich vom Konzept der Gemeinschaftsforschung, also der Bündelung von Forschungsinteressen der Industrie, eine erhebliche Leistungssteigerung der in ihrem Territorium ansässigen mittleren Betriebe. Wichtiges Merkmal - und damit auch Unterscheidungsmerkmal zu dem Modell der FhG - war für das Konzept der Gemeinschaftsforschung die Betonung der fließenden Grenzen zwischen Grundlagenforschung und angewandter Forschung.154 Zweifellos resultierte diese dem anglo-amerikanischen Forschungssystem ähnelnde Gemeinschaftsforschung aus den Anstößen, die man von der „Organization of European Economic Cooperation" erhalten hatte, der die Bundesrepublik noch vor ihrer Gründung beigetreten war. Die 1948 in Paris gegründete OEEC sollte als Gemeinschaftsorganisation die Durchführung des Marshall-Plans gewährleisten und den wirtschaftlichen Wiederaufbau Europas vorantreiben.155 Zu diesem Zweck organisierte sie gemeinsam mit dem „Committee for Applied Research" (CAR), also dem Ausschuß für angewandte Forschung, den europäischen Austausch zwischen den Vertretern der einzelnen nationalen Forschungssysteme.156 Auf dem Symposium im Jahre 1951 zum Thema „Die Förderung der wirtschaftsnahen Forschung in Westeuropa" entwickelte Dr. Joachim Pretsch erste vorsichtige Überlegungen für eine deutsche Variante der industriellen Gemeinschaftsforschung, deren Förderung durchaus als Aufgabe des Staates gesehen werden sollte. So beklagte Pretsch beispielsweise, daß man in Deutschland lange Zeit übersehen habe, „mit welchem Nutzen die staatliche Wirtschaftsverwaltung in Großbritannien und USA sich der Förderung derjenigen Forschung annahm, welche unmittelbar dem wirtschaftlichen Aufbau diente."157 Um die Wettbewerbsfähigkeit wiederzuerlangen, wurde es durch den immensen zeitlichen und finanziellen Druck auch in Deutschland populär, in „Gemeinschaftsforschung" unter der Einflußnahme eines Auftraggebers Ergebnisse zu erzielen. Wesentliches Kennzeichen dieses Forschungstyps sei es, wie Pretsch hervorhob, „daß sie im 153 Begriffsgeschichtliche Anmerkungen zu dem Terminus „Gemeinschaftsforschung" bei Böttger: Forschung, 59-61. Erstmalig tauche der Begriff „Gemeinschaftsforschung" in einer „Titelbegründung eines außerordentlichen Haushalts für Forschungszwecke" des Bundeswirtschaftsministeriums 1950 auf (Böttger: Forschung, 57). 154 Böttger: Forschung, 51. 155 Zur deutschen Rolle in der OEEC vgl. Bührer, Werner: Auftakt in Paris. Der Marshallplan und die deutsche Rückkehr auf die internationale Bühne 1948/49, in: VfZ 36, 1988, 529-556. 156 Vgl. auch Anm. 61. 157 Dr. Joachim Pretsch, Oberregierungsrat im Bundeswirtschaftsministerium, Bonn: Die Förderung der industrienahen Forschung in der Bundesrepublik Deutschland, Bonn, 2.10.51, IfZ, ED 721/211.
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bewußten Gegensatz zum Stifterverband den wissenschaftlichen Instituten die Aufgaben und Arbeitsrichtlinien im Rahmen eines Auftrages stellt." Auch wenn vor allem die finanzstarke Industrie an der Gemeinschaftsforschung wenig Interesse haben würde, so vermute Pretsch jedoch, „daß diese Art der Gemeinschaftsforschung, die manche Ähnlichkeit mit der vom DSIR (Department of Scientific and Industrial Research), in England entwickelten Methode der Förderung der Industrieforschung besitzt, in Deutschland noch an Boden gewinnt." Und schließlich formulierte Pretsch die später wegweisende Überlegung: „In der Bundesrepublik Deutschland sind gerade in jüngster Zeit eine Reihe von Instituten entstanden, die industrienahe Forschung betreiben. Zum Teil sind sie an einer Hochschule angeschlossen, zum Teil bestehen sie als selbständige Institute. Durchweg werden sie vom Staat und von der Industrie gemeinsam finanziert. Auch die Zahl der Forschungsgesellschaften von Wirtschaftsverbänden ist in ständigem Wachsen begriffen. Eine gemeinsame Betreuung all dieser Bestrebungen fehlt zur Zeit noch - sowohl auf Seiten der Industrie als auch auf Seiten des Staates. Die geeignete Form einer zentralen Förderung der industrienahen Forschung durch Wirtschaft, Wissenschaft und Regierung zu finden, muß als dringendes Gebot bezeichnet werden."158
Obschon Ministerialrat Hinsch lange Zeit die treibende Kraft für die Existenzsicherung der Fraunhofer-Gesellschaft war, verfolgte das Bundeswirtschaftsministerium seit Beginn der 50er Jahre offenbar eine Doppelstrategie. Hinsch plädierte nun, u. a. angeregt durch die Überlegungen seines Referatsleiters Pretsch, für neue Wege der Zusammenarbeit zwischen Industrieforschung und Staat und forcierte die Einflußnahme des Bundeswirtschaftsministeriums auf die Industrieforschung.159 Unter Leitung von Hinsch gelang es im Jahre 1953 in einem wichtigen Schritt, alle ursprünglich unabhängigen industrierelevanten Referate zu einer Unterabteilung des Bundeswirtschaftsministeriums zusammenzufassen. Das deutliche Signal, welches von dieser Konzentrierung der Kräfte ausging, bedeutete, daß Sachprobleme fortan wirtschaftspolitisch entschieden wurden.160 Dieser Schritt garantierte vor allem die Anerkennung der Industrieforschung als Objekt der Wirtschaftspolitik und unterstrich die Kompetenz des Bundeswirtschaftsministeriums, die Industrieforschung wirksam zu betreuen. Nachdem anfangliche Mißverständnisse ausgeräumt worden waren, konnte sich der Stifterverband mit dieser Entwicklung anfreunden.161 Als außerordentliches Mitglied 158 Pretsch, hier zit. nach Böttger: Forschung, 62. 159 Die Entwicklung nach dem Zweiten Weltkrieg gestaltete sich wie folgt: Anfangs wurden die wirtschaftsnahen Forschungsvorhaben von überregionaler Bedeutung beim Länderrat der amerikanischen Besatzungszone und dann bei der Verwaltung für Wirtschaft für das Vereinigte Wirtschaftsgebiet Westdeutschland bearbeitet. Schließlich übernahm das Bundesministerium für Wirtschaft ihre Förderung. Ein „Fachausschuß Forschung" wurde dem Ministerium als beratendes Organ zur Seite gestellt. 160 Böttger: Forschung, 39. 161 Zusammenfassend wird man sogar urteilen können, daß den SV ein freundschaftliches Verhältnis mit der AiF verband. An der am 22.6.1954 gegründeten AiF war er denn auch
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der AiF, welche schließlich die Vermittlungsstelle für Vertragsforschung mittrug, erhoffte sich der Stifterverband einen verbesserten Kontakt zur mittleren Industrie, die bislang im Feld der Spender nur schwach vertreten war.162 Denn das Aufgabengebiet der Arbeitsgemeinschaft erstreckte sich fortan auf den Zusammenschluß industrieller und gewerblicher Forschungsvereinigungen, auf die Koordinierung von Forschungsaufgaben, die Bildung von Schweipunktprogrammen, die Beratung bei der Beantragung öffentlicher Mittel und den Kontakt zu den einschlägigen Behörden. Tatsächlich wurde auch die Arbeit der AiF von mittleren und kleineren Unternehmen in Anspruch genommen. Dabei verfolgte die AiF gemeinnützige Zwecke durch Zusammenschluß von wissenschaftlichen Forschungsvereinigungen, durch die Koordinierung von Forschungsaufgaben und die Bildung von Schwerpunktprogrammen, Beratungen bei der Neugründung von Forschungsvereinigungen und der Beantragung öffentlicher Mittel, die Wahrnehmung von gemeinschaftlichen Interessen der Mitgliedsvereinigungen, sowie durch den ständigen Kontakt zu den für die Gemeinschaftsforschung zuständigen Behörden.163 Mit dem Ziel, eine Gesamtvertretung der verbandseigenen Forschung zu schaffen, konnte die AiF also auf die Unterstützung des Stifterverbandes zählen: „Der Stifterverband begrüßt den Plan eines Zusammengehens der industriellen Forschungseinrichtungen - seien sie werkseigen oder verbandlich getragen, seien sie unmittelbar forscherlich oder mittelbar forschungsfördernd tätig - zwecks Wahrnehmung gemeinsamer Interessen."164
Allerdings kritisierte der Stifterverband die in seinen Augen unbegründete Distanzierung der AiF von der DFG. Von einer wirtschaftsfremden Einstellung der DFG könne nicht die Rede sein. Die praktische Erfahrung des Stifterverbandes gerade auch bei der Verankerung der angewandten Forschung in den Gremien der DFG beweise das Gegenteil. Der Wunsch von Nord, die AiF möge zumindest alsbald Mitglied der DFG werden, erfüllte sich erst im Jahre 1967. Zudem forderte der Stifterverband die AiF auf, Berührungsängste zu Trägern wirtschaftsnaher Forschung, etwa zum TWV, abzulegen. Auch müsse sich die besonders von mittleren und kleineren Unternehmen in Anspruch genommene AiF der Zusammenarbeit mit der eisenschaffenden Industrie, dem Bergbau oder der Chemie öffnen.165
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beteiligt. Vgl. RWWA/GH 400101460/134, SV-Vorstand v. 4. Oktober 1954. Die partnerschaftliche Verbundenheit zwischen Stifterverband und AiF zeigte sich im übrigen auch darin, daß Ferdinand E. Nord nach seiner Pensionierung durch einen unerwarteten Todesfall von 1966-68 kommissarisch die Funktion eines Hauptgeschäftsführers der AiF übernahm. So Böttger: Forschung, 335 f. SV/VP, VWR vom 24. Juli 1955. AiF (Hg.): Handbuch der industriellen Gemeinschaftsforschung, Köln 1958, XI. RWWA/GHH 400101460/134, Erklärung des SV vor der AiF vom 22. Juni 1954. Ebd.
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Zusammenfassung und Ausblick Aus Sicht der FhG überschlugen sich die Ereignisse seit 1953. Und sie gipfelten in der von dem späteren FhG-Generalsekretär August Epp so beschriebenen „völligen Selbstaufgabe".166 Präsident Roelen bat um Eingliederung der FhG in die DFG.167 Doch die DFG konnte es sich jetzt leisten, die FhG mit dem Hinweis auf ihre fehlende Effizienz abblitzen zu lassen,168 zumal die Entwürfe zu einem eigenen „Ausschuß für angewandte Forschung" mit einer eigenen „Vermittlungsstelle für Vertragsforschung e. V." bereits in der Schublade lagen, wo sie auf ihre Realisierung warteten. Zur Förderung der angewandten Forschung sollte schließlich bei der DFG ein Ständiger Ausschuß gebildet werden. Das finanzielle Desaster war nun offenkundig. Die Ereignisse bis zum Herbst 1953 markieren die entscheidende Zäsur für diese Frühphase der Entwicklung des Forschungssystems. Obwohl der Stifterverband seine Vision eines von der DFG überwölbten Forschungssystems, welches die FhG als tragende Säule integriert hätte, ad acta legte und man sogar dem ursprünglichen Ziehkind nun offen den Todesstoß versetzen wollte - der Stifterverband empfahl der FhG, zu liquidieren und bot an, zu diesem Zweck letztmalig eine Summe von 20.000 DM zur Verfügung zu stellen, was auf seiten der FhG wie die Spende für ein „Begräbnis erster Klasse" empfunden wurde - kam es nicht zur Auflösung der FhG. Die vom Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft zugesagte Erhöhung des laufenden Zuschusses für Verwaltungskosten um 25.000 DM war in dieser Lage ein Lichtblick. Da die ERP-Gelder mittlerweile verstärkt vom Bund auf die Länder übergingen, versprach man sich in einer engeren Zusammenarbeit vor allem mit Bayern, Baden-Württemberg und Hessen sowie NRW eine Chance, die Fraunhofer-Gesellschaft liquide zu halten. Dies sollte gelingen. Dennoch blieb sie forschungspolitisch in einer äußeren Randposition, bis sich ein neuartiges Modell zur Förderung der angewandten Forschung bis Mitte der 60er Jahre hatte entwickeln können.169 Abschließend soll noch einmal die Eingangsfrage aufgegriffen werden, welche Rolle dem Stifterverband bei der Entfaltung der Fraunhofer-Gesellschaft zukam. Das Verhältnis von Stifterverband und FhG hatte zweifelsohne eine kuriose Entwicklung genommen. Um diese Ausführungen über die Entstehung und das Überleben der FhG im Zusammenspiel mit dem Stifterverband nochmals auf die faktische Ereigniskette zu reduzieren, scheint es sinnvoll, die richtungsweisenden Sitzungen zwischen diesen beiden Institutionen kondensiert in Erinnerung zu rufen. Dabei sollen kausale Verkettungen im Werden der Institutionen herausgearbeitet werden. Dennoch muß von der Vorstellung abgerückt werden, es ließen sich längerfristige Strategien der beteiligten Akteure freilegen. Das bundesdeutsche Forschungssystem ist nicht aus einem General166 Epp, August: Die ersten 25 Jahre der Fraunhofer Gesellschaft. Als Ms. gedruckt, München 1984, Teil 1,9. 167 Schreiben Roelen an DFG-Präsident Raiser, Duisburg, 29.10.53, IfZ, ED 721/144. 168 In seinem Antwortschreiben wies DFG-Präsident Raiser darauf hin, „daß es der FhG - aus welchen Gründen auch immer - nicht gelungen ist, die Förderung der angewandten Forschung mit der von ihr selbst als wünschenswert betrachteten Energie voranzutreiben". DFG-Präs. Raiser an FhG-Präs. Roelen, zit. nach Epp: Die ersten Jahre, Teil 1,10. 169 Hohn: Konflikte, 190-231.
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plan entstanden, sondern bedurfte der gegenseitigen Abgrenzung der Institutionen, die vor allem durch das Auftauchen der FhG als neuem Wettbewerber auf dem „Forschungsmarkt" verstärkt wurde. Eine kritische Betrachtung des Aktenmaterials ermöglicht, den hohen Grad der Kontingenz jener frühen Jahre zu dokumentieren. Die unmittelbare Bereitschaft des Stifterverbandes, der neuen Gesellschaft mit 50.000 DM Verwaltungshilfe jährlich beizustehen, genügte anfangs, um der FhG das Zugeständnis abzuringen, auf Eigenwerbung in der Wirtschaft zu verzichten, obwohl die Satzung vom 26. März 1949 die Option der eigenständigen Geldbeschaffung ausdrücklich vorsah. Das Abhängigkeitsverhältnis, in das die FhG somit gebracht wurde, bestimmte die anfängliche Entwicklung nicht unbeträchtlich. Auf der anderen Seite versprach diese - freilich bescheidene - „Globalförderung" in der kritischen Anfangsphase eine Art Überlebensgarantie. Als die FhG indes zu einer eigenständigen Säule angewandter Wissenschaft im Forschungssystem zu avancieren gedachte, verhinderte der Stifterverband diesen seiner Meinung nach dadurch entstehenden „unrationellen Dualismus" zweier großer Organisationen vorläufig und erklärte zugleich die DFG - wie in den Auseinandersetzungen mit dem DFR - zur alleinigen Repräsentantin der deutschen Forschung. Diese erste verdeckte Abwendung von der FhG verbindet sich mit den Besprechungen auf Schloß Styrum Ende Oktober 1951, wo der Stifterverband die FhG aufforderte, ihre bisherige Tätigkeit einzustellen, die Arbeiten an die DFG abzugeben und statt dessen in Bad Godesberg eine „Informations- und Vermittlungsstelle für aus der Wirtschaft anliegende Forschungswünsche" zu unterhalten. In den folgenden Sitzungen in Augsburg und Frankfurt galt es als selbstverständlich, daß der Stifterverband die Kosten für diese Auskunftsstelle übernehmen würde, was dann allerdings Ende 1952 höchst strittig werden sollte. Durch personelle Divergenzen, Querelen und Umstrukturierungen gegen Ende 1951 schien die FhG wie ein leckgeschlagenes Schiff phasenweise schwer manövrierbar, zumal gewisse Kontinuitätslinien vor allem im Zusammenspiel mit dem Stifterverband zu Beginn der zweiten Wahlperiode abzureißen drohten.170 Hinzu kam die finanzielle Not und die angesprochene Abhängigkeit, so daß sich als Signatur dieser frühen Jahre am ehesten eine allgemeine Passivität ausmachen läßt. Man reagierte nur auf Vorschläge, die von außen an die Gesellschaft herangetragen wurden. Allen voran war der Stifterverband eifriger Ideenlieferant für die Positionierung der FhG im Gesamtsystem. In diesem Sinne wurde denn auch in der Augsburger Besprechung vom 20.1.1952 die personelle Verflechtung mit dem Stifterverband beschlossen. Dieser Abstimmungsmaßnahme folgte dann drei Wochen später in Frankfurt die Verzahnung der Gremien von FhG und DFG. Mitte des Jahres 1952 war das Verhältnis zwischen FhG und Stifterverband an einem kritischen Tiefpunkt angelangt. Zwar war der Stifterverband noch in der Vorstandssit170 Der Stifterverband, hier namentlich Fritz Gummert, bemängelte, daß der Senat „leider etwas vorschnell gewählt worden [sei]" und die Zusammensetzung womöglich nicht ideal wäre, um „die Abwehr von weiteren amerikanischen Instituten nach der Art des Battelle-Instituts" zu sichern. Vgl. vertraulichen Aktenvermerk vom 12.2.52, IfZ, ED 721/144.
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zung in Bad Harzburg am 24. Juni 1952 bereit, für fünf weitere Jahre die FhG mit 50.000 DM zu unterstützen, doch wurden die ultimativen Konditionen für die FhG unhaltbar. Durch die klare Rückendeckung, die der Stifterverband der DFG gewährte, wurden all die Aufgabenbereiche, welche nach der Satzung der FhG den ursprünglichen Zweck industrienaher Forschung beschrieben, von der Münchner Gesellschaft abgekoppelt. Auch die Altemativoption, sich als Treuhänderin für das Bundeswirtschaftsministerium verdient zu machen, vereitelte der Stifterverband jetzt, indem diese Treuhänderschaft von der DFG übernommen werden sollte. Für den Stifterverband sollten alle möglichen unrationellen Verfahrensabläufe beseitigt werden, ggf. sogar dadurch, daß der Stifterverband in Zusammenarbeit mit der DFG die zur Abgrenzung des BattelleInstituts gewünschte Informationsstelle „Industrie-Forschung" selber aufzog. In jedem Fall sollte die Trennung von Grundlagenforschung und angewandter Forschung vermieden werden - u. a. eben indem man die Auskunftsstelle in den Apparat der DFG integrieren würde. Damit verband sich die „dringende Bitte" des Stifterverbandes, die „Bürogemeinschaft" in der Nähe von Bad Godesberg einzurichten, da dort „aus dem Material und großen Kreis sachverständiger Referenten der Forschungsgemeinschaft Nutzen gezogen werden" könne, wie die offizielle Begründung lautete.'71 Diese Lösung wurde in München indes als „besonders unglücklich" aufgefaßt, da die offensichtliche Unterbesetzung von Technikern in der DFG die geringe Bedeutung verriet, welche man innerhalb der Forschungsgemeinschaft den technischen Problemen zuerkannte. Dennoch signalisierte man in der bedrängten Situation, in der sich die FhG befand, vorerst prinzipielle Bereitschaft für einen solchen Umzug der Geschäftsstelle. Jedenfalls konnte man kaum davon ausgehen, daß dies die ganze Wahrheit war, zumal die DFG wiederholt erklärt hatte, „nichts gegen den Sitz der FhG in München zu haben". Hinter diesem eher vordergründigen Austausch von Argumenten verbargen sich handfeste Kritikpunkte, die die überraschende Kompromißlosigkeit von Stifterverband und DFG erklären helfen. Die FhG galt zunächst - ob zu Recht oder nicht - als Organisation mit unbefriedigenden Leistungen in der Forschung und fehlenden Konzepten in der Akquisition von Forschungsaufträgen. Das Szenario einer bedrohten nationalen Forschung durch das finanzstarke amerikanische Battelle-Institut, welches vor allem der Stifterverband beschwor, schraubte den Maßstab, den man an die Effektivität der jungen FhG anlegte, enorm in die Höhe. Die scharfe Ablehnung von Institutsbetreuung und -bildung durch den Stifterverband, welche sich als weiteres Arbeitsgebiet der FhG seit Mitte 1952 anbot, führte schließlich zu einer heftigen Gegenreaktion. Fortan berief man sich in der FhG deutlicher als zuvor auf das Recht, die Satzung selbst zu interpretieren. Es müsse der FhG auf alle Fälle überlassen bleiben, zu entscheiden, wie sie ihr Satzungsziel erreichen wolle. „Einsprüche anderer Stellen", so hieß es unmißverständlich in einem internen Vermerk von Ernst Meißner, „können hier unter keinen Umständen geduldet werden."172 Faktisch distanzierte sich die FhG jetzt immer deutlicher von dem Verband, der 171 Stellungnahme zum Aktenvermerk des Herrn Dr. Gummert, 24.10.52, gez. Ernst Meißner. IfZ, ED 721/160. 172 Ebd.
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ursprünglich - wenn auch unter anderen Vorzeichen - die Lebensfähigkeit der Gesellschaft garantieren half. Der verhältnismäßig geringe Prozentsatz, mit dem der Stifterverband an der Erhaltung der deutschen Forschung beteiligt sei und sein Status als „Mäzen" gäben ihm nicht das Recht, so die übereinstimmende Meinung der Männer um Präsident Roelen, das Arbeitsgebiet der FhG zu beeinflussen. Tatsächlich hatte das Engagement des Stifterverbandes bezüglich der FhG phasenweise eher den Charakter einer eigenständigen Forschungspolitik als der selbst gestellten Aufgabe einer finanziellen Betreuung der Forschung. 173 Die Art und Weise, mit der man die Vergabe von Mitteln mit Bedingungen verband und sich damit von dem Grundsatz eines vermeintlich von eigenen Interessen freien Mäzenatentums entfernte, stieß besonders bei der FhG auf großes Mißfallen. So gelang es schließlich trotz der Bemühungen von Merton, Gummert, Nord u.a. nicht, die FhG in dem begrenzten Tätigkeitsraum der Vermittlung festzuzurren. Die seit Oktober 1951 zwischen Stifterverband, der FhG und dem Bundeswirtschaftsministerium geführten Gespräche hatten sich aus Sicht des Stifterverbandes unbefriedigend entwickelt.174 Und nachdem das Battelle-Memorial Institut im Oktober 1953 mit der Werbung bei den Handelskammern und in der Industrie begonnen hatte, bemerkte Nord zynisch, wie dringlich die konkrete Umsetzung dieser Informationsleitstelle sei: „Offensichtlich werden die Opfer erst wach, wenn's ans Schlachten geht. Es ist nur ein geringer Trost für uns, darauf hinweisen zu können, daß der Vorstand des Stifterverbandes vom ersten Tage an die Gefahren und die Gegenmaßnahmen aufgezeigt hat."175
Zunächst jedoch scheiterte der Vorstoß, eine „Vermittlungsstelle für Vertragsforschung" zu errichten. Vor allem die Vertreter des Ministeriums aber auch der AiF machten ihre Einwände am 5. Juli 1954 im DFG-Ausschuß für angewandte Forschung gegen den Vorschlag des Arbeitskreises, dem Vertreter der DFG, des BDI, der TWV, des VDEh und des Bundeswirtschaftsministeriums angehörten, geltend.176 Noch verwies man auf das Aufgabengebiet der am 3. Mai 1952 der DFG beigetretenen FhG. Da sich der Arbeitskreis dennoch weiterhin von der Notwendigkeit einer VfV überzeugt zeigte, gelang schließlich aber doch am 21. September 1954, in Anlehnung an die DFG, die Gründung der VfV, die der Stifterverband mit einem Darlehen anfinanzierte.177 Hauptgeschäftsführer wurde Dipl.-Ing. Gambke von der DFG, als Vorsitzer fun173 Sehr anschaulich wird dieses Engagement u.a. aus dem Aktenvermerk von Sörensen, 21.7.52. Die Anregung Mertons bezüglich eines Fraunhofer-Instituts wollte Sörensen im Namen der FhG bald mit der DFG besprechen. Unverzüglich folgte der Einwand Mertons: „Bei dieser Besprechung muß aber der Stifterverband beteiligt werden." Worauf Sörensen erklärte: „Man [müsse] sich jederzeit darüber klar sein, wer für die verschiedenen Aussprachen jeweils zuständig ist. Das ist in diesem Fall die DFG, und diese allein. Der Stifterverband ist sowohl in der FhG wie in der DFG vertreten und wird infolgedessen über alle Vorgänge unterrichtet." (IfZ, ED 721/144). 174 RWWA7 GHH 400101460/ 132, SV/ HV, FhG Entwicklung Oktober 1951 bis August 1952. 175 RWWA/GHH 400101460/33, Nord an Reusch vom 3. Oktober 1953. 176 RWWA/ GHH 400101460/134, Aktenvermerk 17. Juli 1954. 177 Böttger: Forschung, 65.
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gierte Hermann Reusch. Die Aufgabe der VfV beschränkte sich dabei auf die Kontaktvermittlung zwischen interessierten Betrieben und geeigneten Forschern und der Beratung bei Vertragsabschluß. Auf diese Weise blieb auch die schroffe Konfrontation mit dem Battelle-Institut aus. Die hauseigene Abwicklung von Forschungsarbeiten, wie sie vom Battelle-Institut betrieben wurde, strebte die VfV nicht an. Der damit dokumentierten Abwendung des Stifterverbandes von der FraunhoferGesellschaft folgte die Trennung des Bundeswirtschaftsministeriums von der FhG und schließlich der Bruch mit der DFG. Von einer „echten" Konsolidierung konnte man also zum Zeitpunkt 1953/1954 nicht sprechen. Die Fraunhofer-Gesellschaft, die das Rennen um die Mittel des Bundesministeriums für Wirtschaft mit der Entstehung der AiF vorläufig verloren hatte, ging ein nicht formalisiertes Kooperationsbündnis mit der AiF ein.178 Diese rasante Entstehung der AiF erstaunt um so mehr, als Informationen über Struktur, Aufgaben und Selbstverständnis der AiF - also Abgrenzungsfragen und -probleme, an denen die FhG chronisch litt - , gänzlich fehlten. Böttger bezeichnet es in seiner „Geschichte der AiF" als „eine Art historischer Kuriosität", daß für das Gründungsjahr 1954 vom Bundeswirtschaftsministerium 1 Mio. DM aus dem außerordentlichen Haushalt sowie zusätzlich 2 Mio. DM aus ERP-Mitteln bereitgestellt worden seien.179 Die Idee, verschiedene industrielle Forschungsvereinigungen mit der Intention der Wissensvermehrung unter einem gemeinsamen Dach föderativ zusammenzuführen, war neuartig und für den Bund letztlich attraktiver als das Konzept der FhG. Die Logik dieser Idee schien zu dem Prinzip der Sozialen Marktwirtschaft zu passen und damit geeignet „das Kooperationsdenken über das Konkurrenzdenken zu stellen und die Einsicht zu vermitteln, daß gemeinschaftliches Handeln billiger und erfolgversprechender sein würde als Alleingänge".180 Die Lage der FhG war damit sehr schwierig geworden. Gleichwohl wurde mit Hilfe vor allem der beiden Bundesländer Bayern und Baden-Württemberg die entstandene finanzielle Katastrophe abgewehrt und das Tal letztlich durchschritten. Das Jahr 1954 markiert die entscheidende Umorientierung auf die bereits angesprochene Vertragsforschung. Zudem fanden in diesem Jahr auch die ersten Institutsgründungen statt.181 Die Bildung von Instituten wurde lange Zeit in der Abgrenzungsdiskussion zurückgestellt, um den Widerstand gegen die FhG nicht noch zu verstärken. Erst als die Industrie ihrerseits den Vorschlag machte, das in Bildung begriffene Institut für Eisen- und Metallforschung unter dem Namen „Fraunhofer" zu starten, konnte dieser gänzlich neue Entwicklungsstrang aufgegriffen werden. Jetzt erhielt die FhG aktive Unterstützung von der zahlungskräftigen Industrie selbst.182 Erst im Zuge dieser Aufwertung 183 178 Böttger: Forschung, 80 f. 179 Böttger: Forschung, 283. 180 Diese ersten Institute wurden vor allem durch die Bundesländer Baden-Würtemberg und Bayern unterstützt. Vgl. die genaue Übersicht bei Hohn: Konflikte, 178. 181. Roelen an Luther, 20.2.53, IfZ, ED 721/11. 182 Im Jahre 1974 wurde die FhG schließlich doch per Kabinettsbeschluß in die staatlich geförderte Forschung integriert. Vgl. auch Hohn: Konflikte, 223 ff. 183 1957 konnte der neue Vorsitzende des Stifterverbandes Vits berichten, daß das Verhältnis zur FhG insoweit verbessert worden sei, als man den Haushaltstitel „Patenthilfe für Hoch-
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der FhG, die seit Mitte der 50er Jahre ihren „eigenen Weg" (A. Epp) beschritt, kam es zu einer neuerlichen Annäherung von Stifterverband und FhG. Als der Stifterverband schließlich Fördermitglied in der Fraunhofer-Gesellschaft wurde, war der „Waffenstillstand" besiegelt. Nach dieser ausführlichen Beschäftigung mit der Einordnung der angewandten Forschung in die Wissenschaftslandschaft soll abschließend ein kurzer Blick auf die Fördereinrichtungen geworfen werden, die vom Stifterverband ebenfalls in seine Normalförderung aufgenommen wurden.
g) DAAD, Alexander von Humboldt-Stiftung und Studienstiftung Der Deutsche Akademische Austauschdienst Welchen Stellenwert der Stifterverband der Zusammenarbeit mit dem DAAD zumaß, zeigt die Tatsache, daß die Zuwendungen des Stifterverbandes an den DAAD bis 1957 die Zuwendungen an die MPG überstiegen und überhaupt, nach den Zuwendungen an die DFG, den zweithöchsten Etatposten der Sammelunterstützungen des Stifterverbandes ausmachten. Inhaltlich wie personell harmonierten Stifterverband und DAAD ohne Beispiel. Nicht nur erfüllte der über den DAAD abgewickelte Austausch deutscher und ausländischer Studenten exemplarisch den Satzungsauftrag des Stifterverbandes, der Förderung des qualifizierten Nachwuchses besondere Bedeutung zukommen zu lassen, vor allem öffnete sich der DAAD zuvorkommend Vertretern des Stifterverbandes, aber auch Kreisen der Wirtschaft, die an der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses durch Studienaufenthalt im Ausland besonders interessiert waren. Als ordentlichen Mitgliedern bot ihnen der DAAD Gelegenheit, an der Ausgestaltung des Austauschprogramms mitzuwirken.184 Für den Stifterverband war der Leiter der Hauptverwaltung im Vorstand des DAAD vertreten. Alexander von Humboldt-Stiftung Seit 1955 unterstützte der Stifterverband die Alexander von Humboldt-Stiftung, die ähnlich wie der DAAD Forschungs- und Dozentenstipendien für ausländische Wissenschaftler vergibt. Zweck der Stiftung war es dabei, durch die vergebenen Stipendien jungen Akademikern fremder Nationalität die Möglichkeit zu geben, ihre wissenschaftliche Ausbildung in Deutschland zu vertiefen.185 Voraussetzung aller dieser Sammelunterstützungen durch den Stifterverband war dabei der Verzicht der Unterstützungsempfänger auf eine eigene Werbetätigkeit, sowie deren Bereitschaft, Vertreter des Stifterverbandes vom adäquaten Einsatz der zur Verfügung gestellten Mittel zu überzeugen.
schulforscher" der FhG zur Verfügung gestellt habe (SV, Verwaltungsratssitzung vom 24.4.1957). 184 BahA 01041, Brief Merton u. Theodor Klauser (DAAD) an Bahlsen l.Mai 1952. 185 Alexander von Humboldt-Stiftung. Tätigkeitsbericht 1953-1978, Bonn 1978,153.
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Studienstiftung des deutschen Volkes Ebenfalls der Nachwuchsförderung verpflichtet war die Zusammenarbeit des Stifterverbandes mit der Studienstiftung des Deutschen Volkes. Dort widmete man sich ausschließlich der studentischen Hochbegabtenförderung, was vom Stifterverband entsprechend honoriert wurde. Vertreten wurde der Stifterverband in der Studienstiftung von seinem unermüdlichen Schatzmeister Fritz Gummert. Mit Notgemeinschaft, Max-Planck-Gesellschaft, DAAD, Humboldt- und Studienstiftung hatte der Stifterverband seine Klientel gefunden, die sich seit 1949 in seine finanzielle Obhut begab. Der Zusicherung zu jährlichen Sockelbeträgen standen Verpflichtungserklärungen dieser Organisationen gegenüber, auf eigene umfassende Werbung zu verzichten und damit das Spendenmonopol des Stifterverbandes im Wissenschaftsbereich zu wahren. Diese Politik der Spendenmonopolisierung war auf dem Felde der überregionalen Organisationen im wesentlichen erfolgreich, obwohl DFG und vor allem die Max-Planck-Gesellschaft immer wieder auf eine Erhöhung ihrer Sockelbeträge drängten. Gegenüber den lokalen Universitäts- und Fördergesellschaften war sie jedoch nicht durchzusetzen. Man wird nicht umhin können, die Verhandlungen mit den genannten Organisationen als schwierig, ja spannungsgeladen zu bezeichnen, und keineswegs hatte sich der Stifterverband dabei überall nur Freunde gemacht. Auf der anderen Seite war dies der Preis, der für die von der Industrie immer wieder dringend gewünschte Ordnung des Spendenmarktes zu zahlen war.
4. Binnensicht I: Die Ära Nord 1950-1965: Der Aufbau a) Die Struktur des Stifterverbandes zwischen Akquisition und Vergabe Ein breit gespanntes Netz von Kontakten sicherte dem Stifterverband im ersten Jahr nach seiner Neugründung Aufmerksamkeit und Wirkung,1 doch erst allmählich wuchsen diese Verbindungen zu fester Gestalt heran. Am 1.6.1950 konnte die für die Unterstützung des Vorstandes inzwischen unabdingbare Geschäftsführung eigene Räume auf dem Gelände der Kohlenstoff-Biologischen Forschungsstation in Essens Meisenburgstr. 97a beziehen. Damit hatte ein Provisorium ein Ende, das der Verbandsdirektor Ferdinand E. Nord in seinen - gewiß überschwenglichen - Abschiedsworten 1965 folgendermaßen beschrieb: „1949 war das Büro des Stifterverbandes im gemeinsamen Schlafzimmer von Fritz Gummert und mir - wir waren damals nach kriegsbedingter Zwangseinquartierung mit insgesamt 12 Personen im Haus. Ich schrieb auf einer uralten Erika die ersten Werbebriefe, der Versand des ersten Runddruckes über die Belegschafts-Umlage und die Steuerbegünstigungseingabe an die Parlamente wurde im Bastei-Keller vorgenommen."2
Sowohl die Unterbringung in Meisenburgstraße als auch die erste Heimstatt der „Wissenschaftsförderungswerkstatt" in der Herwarthstraße 60 verdankte der Stifterverband 1 Siehe w.o. 141 ff.! 2 SV/ VP, Manuskript von F. E. Nord 1965.
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dem Wirken seines Schatzmeisters Fritz Gummert bei der Ruhrgas AG. Dabei gliederte sich die frühe Geschäftsführung in drei, zunächst gleichrangig nebeneinanderstehende Aufgabenbereiche: Neben der von F. E. Nord geleiteten Verwaltung, dem Nukleus der späteren Hauptverwaltung, oblagen der „Gruppe Industrie" und der „Gruppe Handel und Gewerbe" der Geschäftsführung die unmittelbaren Kontakte zu den bereits fördernden oder noch skeptischen Unternehmern. In Nebentätigkeit betreute Dr. Herbert Studders (inzwischen beim BDI) von Köln aus die Industrie und Dr. Werner Soergel von Düsseldorf aus Handel und Gewerbe. Dieser persönlichen Ansprache der gewerblichen Wirtschaft kam, nicht nur in der Anfangsphase, entscheidende Bedeutung für den Erfolg des ganzen Unternehmens zu. Schon seit Ende 1949 hatte Ferdinand E. Nord die Leitung der Essener Verbandsgeschäfte übernommen. Der 1898 in Köln geborene Weltkriegsoffizier, der 1920/21 Staats- und Wirtschaftswissenschaften studiert hatte, war nach seinem Studium in der VersicherungsWirtschaft tätig, seit 1927 im Vorstand einer Versicherungsgruppe. Ehrenamtlich betätigte er sich in den dreißiger Jahren als Mitglied des Deutschen Olympischen Komitees, zusätzlich war er als Verwaltungschef für den Herzog von SachsenCoburg-Gotha tätig. Den Kontakt zum Stifterverband hatte vermutlich Fritz Gummert hergestellt, in dessen Verbindung der als Oberst aus dem Krieg heimgekehrte Nord war. Seine Leistung bestand zunächst in der Umsetzung des von Studders und Gummert erarbeiteten Organisationskonzepts, wobei er die Verwaltung stark an militärischen Vorbildern orientierte; später erwies er sich als tatkräftiger Organisator, der die vielfältigen Beziehungen des Stifterverbandes zu Politik und Wirtschaft mit Geschick pflegte und entwickelte. Nach seiner Pensionierung war er von 1966 bis 1968 als Geschäftsführendes Präsidialmitglied für die AiF tätig. Nord starb 1981 in Essen. Die Satzung vom Februar 1950 zeigte dann schon eine gefestigte Aufgabenverteilung. § 10 sieht einen Geschäftsführer zur Unterstützung bei der Erledigung der laufenden Aufgaben des Vorstandes vor. Ab dem zweiten Halbjahr 1950 weist der Haushaltsplan erstmals einen Geschäftsführer „Hauptverwaltung" aus, und die bisherige sektoral ausgerichtete Geschäftsführung Handel und Gewerbe weicht nun einer regional operierenden Geschäftsführung West/ Nord/ Süd/ Mitte. Neben den drei Geschäftsführern standen lediglich ein Buchprüfer, ein für die Mitgliedsverwaltung zuständiger Buchhalter und eine für Werbung, Verbände und Registratur zuständige Hilfskraft in den Diensten des Stifterverbandes. Ein „Presseberater" wurde auf Honorarbasis beschäftigt. Für das Jahr 1955 kann von einer ersten institutionellen Konsolidierung gesprochen werden. Die von Nord nun als „Verbandsdirektor" geleitete Hauptverwaltung gliederte sich in die Abteilungen Allgemeine Geschäftsführung, Organisationsverwaltung, Finanzverwaltung und Spendenverwaltung. Dabei zeugt vor allem die Binnengliederung der Spendenverwaltung von den besonderen Aktivitäten des frühen Stifterverbandes. Neben der Kontrolle der freien oder zweckgebundenen Unterstützungen zeichnete die Spendenverwaltung für Nachwuchsförderung, Verbindung zur Wissenschaft und das Archiv für Wissenschaftsspenden verantwortlich. Den Geschäftsführern im Außendienst oblag weiterhin der unmittelbare Kontakt zu den Spenderunternehmen, wobei
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ein Berliner Kontor treuhänderisch die in Berlin aufgebrachten Mittel verwaltete, auch die dem Stifterverband aus seiner Zeit vor 1949 zurückfließenden Beträge. 3 Demgegenüber hatte die Bonner Außenstelle des Stifterverbandes vor allem für einen „guten Draht" zu den in der Bundeshauptstadt residierenden Vertretungen von Politik, Wirtschaft und Wissenschaft zu sorgen. Registrieren und Schleusen Entscheidend für den Erfolg des wiedergegründeten Stifterverbandes war die Praxis des „Registrierens und Schleusens" der von der Wirtschaft aufgebrachten Mittel für die Wissenschaft. Frühe Kontakte zu amerikanischen Unternehmern und Stiftungen hatten deren Bereitschaft gezeigt, Beiträge für den Wiederaufbau der deutschen Wissenschaft zu leisten. Bei diesen Gesprächen war zum Ausdruck gebracht worden, daß sich die Höhe dieser Zuwendungen an der Höhe der von der deutschen Wirtschaft erzielten Spenden orientieren würde. 4 Damit war das Interesse auf seiten der deutschen Wirtschaft unmittelbar gegeben, sämtliche Wissenschaftsspenden der Wirtschaft registrierend zu erfassen und als solche auszuweisen. Darüber hinaus war so ein Anreiz gegeben, bisher direkt an wissenschaftliche Forschungseinrichtungen gezahlte Spenden über den Stifterverband zu schleusen, auch wenn dies nicht immer gelang wie etwa bei der Max-Planck-Gesellschaft oder bei den lokalen Fördergesellschaften der Hochschulen.5 Damit erwuchs der Wirtschaft eine Repräsentanz von hoher Kompetenz, die nicht allein Gehör und Mitsprache in der wissenschaftspolitischen Diskussion für sich beanspruchen konnte, sondern auch in der Lage war, über die genauere Kenntnis des Spendenverlaufs, Defizite und Überförderungen transparent zu machen, bzw. Doppelförderungen auszuschließen und so wohldosiert auf den Fluß der Zuwendungen an die Wissenschaft einzuwirken. Ein Vorstandsmitglied sah in der Registrierung gar die „Basis der Macht" des Stifterverbandes.6 Diese Einschätzung gründete sich darauf, daß nicht allein an eine Registrierung der Beiträge der Wirtschaft für die Wissenschaft gedacht war. Allein dies hätte den Einsatz des Stifterverbandes ausreichend gerechtfertigt. Mindestens ebenso großen Aufschluß erwartete man über die öffentlichen Zuwendungen für Forschung, Lehre und Ausbildung in den ersten Jahren der Bundesrepublik vor allem über die Forschungsbeihilfen aus dem Marshall-Plan.7 Diese Kenntnis war die unabdingbare Voraussetzung für alle Bemühungen, Einfluß auf die Verteilung öffentlicher Mittel zu nehmen. Auch wenn die Hoffnung Fritz Bergs enttäuscht wurde, die ERP-Mittel für die Forschung vollständig über den Stifterverband zu schleusen,8 sicherte die Mitsprache des Stifterverbandes im Senat der Notgemeinschaft doch „Verteilungskompetenz". Auch im Beirat des Bundeswirtschaftsministeriums, der über einen Teil der ERP-Gelder zu befinden hatte, war der Stifterverband 3 4 5 6 7 8
Siehe w.o. 88! SV/ VP, Merton Vorstandssitzung 12.Feb. 1951. SV/VP, Vorstandssitzung 4. Aug. 1950. SV/ VP, Bücher Vorstandssitzung 4. Aug. 1950. SV/VP, Vorstandssitzung 7. Nov. 1949. RWWA/ GHH 400101460/ 29, Berg an Blücher 21.März 1950.
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durch seinen Schatzmeister Glimmert vertreten.9 1950 entfielen von zunächst freigegebenen 20 Mio. DM des ERP-Fonds 3,7 Mio. auf die Notgemeinschaft, 3 Mio. auf die Max-Planck-Gesellschaft und 5 Mio. auf industrieeigene Forschungsvorhaben. Gleiches gilt für die Bemühungen, öffentliche Mittel für bestimmte Foschungsschwerpunkte locker zu machen, etwa 1952 in Aussicht stehende Bundesmittel zu verteilen. Hier wirkte der Stifterverband, gestützt auf seine doppelte Verankerung in Wirtschaft wie Wissenschaft, auf das Gespräch zwischen DFG und den industriellen Forschungsgemeinschaften hin, um eine „Interessenbereitschaft in der Forschungsgemeinschaft zu erreichen".10 Dabei registrierte der Stifterverband zwar zufrieden das Wachstum der Zuwendungen aus der Wirtschaft, konnte aber in keiner Phase der frühen Entwicklung mit der ungleichen Beteiligung der Wirtschaftsgruppen an seiner Wissenschaftsförderung zufrieden sein. So weist die Statistik des Stifterverbandes für das Jahr 1954 ein Übergewicht der Industrie gegenüber Großhandel, Einzelhandel, Banken, Versicherungen, Handwerk und Landwirtschaft von 82% bei den „freien Spenden", von 96% bei den „zweckgebundenen Spenden" und von 89% bei den nur registrierten Zuwendungen für die Wissenschaft aus." Anstöße aus dem Vorstand Trotz der allmählich intensiveren Arbeit der Hauptverwaltung liefen alle strategisch bedeutsamen Entscheidungen und wichtigen Kontakte weiter über den konzertiert agierenden Kreis des Vorstandes. Neben den schon angesprochenen Kontakten zu den Kreisen der westdeutschen Industrie, die von Reusch, meist vermittelt durch Studders, weiter aufrecht erhalten wurden und dem Werben Gummerts bei den Parlamentariern des Bundes und des Landes Nordrhein-Westfalen um steuerliche Begünstigungen für Wissenschaftsspenden, ist hier das Bemühen Otto A. Friedrichs zu erwähnen, amerikanische Wirtschaftskreise für die Unterstützung des Stifterverbandes zu gewinnen. Friedrich, Vorstandsvorsitzender der Harburger Gummiwarenfabrik Phoenix AG. und Berater des Bundeswirtschaftsministeriums in Rohstofffragen, beabsichtigte, über den Kontakt zu seinem Bruder, dem in Harvard lehrenden, aber auch in Deutschland bekannten Professor für „political science" Carl Joachim Friedrich,12 „zunächst mit einer kleineren Gruppe von eventuellen Interessenten in dieser Frage Fühlung zu nehmen." 13 Dabei war zunächst an solche US-Unternehmen gedacht, die bereits in wirtschaftlichem und technischem Austausch mit deutschen Unternehmen standen. Allerdings stockte die anfangs erfolgreiche Kontaktaufnahme in Folge der Korea-Krise und dem damit verbundenen Abfluß wesentlicher Kapitalien in die Aufrüstung. 14 In der Hoffnung, durch die persönliche Ansprache amerikanischer Industrieller doch noch 9 10 11 12
Stamm: Zwischen Staat und Selbstverwaltung, 143. BahA 01041, Notiz Bahlsen 28. Juli 1952. RWWA/GHH,400101460/137, Anlage zur Vorstandssitzung vom 2. November 1956. Carl Joachim Friedrich hielt in den 50er Jahren Seminare an der Universität Heidelberg und zählt zu den Gründervätern der Politikwissenschaft in der Bundesrepublik; siehe Arnold Brecht: Mit der Kraft des Geistes, Stuttgart 1967, 364. 13 BahA 01041, Merton an Bahlsen 15. Sept. 1951. 14 Ebd.
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einen Verein der Freunde deutscher Wissenschaft in den USA zusammenzuführen, reiste Richard Merton 1952 schließlich selbst in die USA. Unter Betonung der völligen Unabhängigkeit des Stifterverbandes von staatlicher Einflußnahme glaubte er zu einem positiven Ausgang der Gespräche beitragen zu können.15 Ein dauernder Stein des Anstoßes war den Herren des Vorstandes, die alle ein besonderes Sensorium für das zukünftige Gewicht von Wissenschaft und Forschung verband, die Diskrepanz zwischen den vom Stifterverband aufgebrachten Mitteln und den Bedürfnissen der Wissenschaft. Das Spendenaufkommen blieb eindeutig hinter den Erwartungen zurück und dies trotz der Orientierung der Spendenerwartungen an den tatsächlichen Möglichkeiten der Unternehmen. Die Belegschaftsumlage war gerade deshalb auf nur 20 Pf. je Beschäftigten festgesetzt worden, um auch bei schwacher Konjunktur eine Mindestausstattung des Stifterverbandes zu gewährleisten. Ein Spendenwunder folgte dem Wirtschaftswunder schon gar nicht.16 Clemens Plassmann, der sich dem Motto „Maecenates voco" besonders verpflichtet fühlte, mahnte bei seinen Managerkollegen einen Gesinnungswandel an: „Die deutschen Wirtschaftswunderkinder sind wirklich etwas wunderlich: sie kommen mir vordergründig und eingleisig vor, eng im Denken bei großem Stolz auf ihre eigenen Leistungen und bei wenig Verständnis für das große Ganze, sind aber keineswegs böswillig und letzten Endes durchaus zu leiten (dieses mit all den Vorbehalten, die bei jedem Kollektivurteil notwendig sind). Nach meiner Meinung hat der Wiederaufbau alle Kräfte in zu starkem Maße einseitig angespannt. Dieser einseitigen Anspannung muß eine Besinnung auf das Ganze und damit ein Gesinnungswandel folgen, der uns wieder wirklich königliche Kaufleute beschert, die im Großen zu denken wissen, die nicht im Gelderwerb allein den einzigen Lebenszweck sehen und sich der Verpflichtung des Reichtums gegenüber dem Volksganzen bewußt sind. ... Prominenzversicherungsvereine auf Gegenseitigkeit haben wir genug in der Bundesrepublik; dafür sollten die Gremien des Stifterverbandes zu gut sein."17
Gerade im Zuge einer größeren Sensibilisierung von Öffentlichkeit und Politik für Wissenschaft und Forschung zeitigte dieser Anstoß im Vorstand Folgen. Nach intensiven Sondierungen im Kreise von Vorstand und Verwaltungsrat unterbreitete Hermann Winkhaus auf der Jahresversammlung 1956 den Unternehmensführern den Vorschlag, 1% der jährlichen Dividende zur Grundlage ihrer Zuwendungen an den Stifterverband zu machen. Dieser Richtsatz sollte von keinem Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft unterschritten werden18 und als eine Art „Geländer" in den Geschäftsführersitzungen der jeweiligen Unternehmen helfen, den Beitragsforderungen des Stifterver15 SV/ VP, Vorstandssitzung 4.Aug. 1950, 12.Feb. 1951; aus den Unterlagen der folgenden Jahre ist nicht bekannt, daß die „USA-Aktion" des Stifterverbandes zu nennenswerten Ergebnissen geführt hat. Der sehr in die personellen Einzelheiten gehende Bericht Mertons über seine Reise und eine englische Version eines Vortrags über den Stifterverband in AMPG, Abt. I, Rep. I A 16 So Erich Dombrowski: Wo bleibt das Spendenwunder?, in: FAZ Nr. 128 vom 2.Juni 1960. 17 RWWA/ GHH 400101460/ 136, Plassmann an Gummert 10.Jan.1956; auch als Vorlage zur Vorstandssitzung am l.Feb. 1956. 18 SV/ VP, Ansprache Vits 25. April 1957.
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bandes Halt und Nachdruck zu verleihen.19 Gewichtig war dieser Vorschlag nicht nur deshalb, weil Winkhaus nicht nur als Vorstandsvorsitzender des Mannesmannkonzerns amtierte, sondern weil er gleichzeitig den Vorsitz des Spendenausschusses der Wirtschaftsvereinigung Eisen- und Stahlindustrie innehatte.20 Beispielgebend konnte Winkhaus im Aufsichtsrat von Mannesmann die „einmütige und rückhaltlose Zustimmung aller Mitglieder aus den verschiedenen Sparten, insbesondere auch derjenigen der Arbeitnehmerseite", dafür gewinnen, 2% der Dividende an den Stifterverband abzuführen. Damit sollte, ungeachtet der Tatsache, daß einige Branchen oder Firmen auf Grund vorübergehender Konjunkturschwankungen mehr oder weniger „arm spiel(t)en"21, ein Ansporn für andere Kapitalgesellschaften gegeben sein, „mehr als bisher zu tun".22 Neben der beabsichtigten „Modernisierung" der weiterhin praktizierten Belegschaftsumlage, muß der Vorschlag von Winkhaus auch im Rahmen der seinerzeitigen Forderungen des Stifterverbandes an die öffentliche Hand gesehen werden, mindestens 1 % des Bruttosozialprodukts für die Wissenschaftsförderung aufzuwenden. Insbesondere die Grundlagenforschung und die Geisteswissenschaften dürften nicht noch weiter zurückfallen. 23 Gerade im Vorfeld der Diskussionen über die Gründung des Wissenschaftsrates gedachte der Stifterverband, diese Forderungen mit Nachdruck zu vertreten. Deren Glaubwürdigkeit war um so eher gegeben, wenn der Stifterverband von seinen Mitgliedern behaupten konnte, 1% der Dividende für die Arbeit des Stifterverbandes zur Verfügung zu stellen.24 Um hörbar in den Chor der in Aussicht stehenden Aufführungen des Wissenschaftsrates einstimmen zu können, galt es, dem Stifterverband zunächst einmal eine kräftige Stimme zu verschaffen.25 Dies gelang, wenn auch nur vorübergehend. Der Wachstumskurs, der die späten 50er Jahre bestimmt hatte, fand in den frühen 60er Jahren ein jähes Ende. Hinzu traten interne Schwächeerscheinungen. Das Jahr 1964 brachte mit 3,8% die niedrigste Wachstumsrate seit Wiederbegründung des Stifterverbandes. Mit einem Bündel von Maßnahmen gedachte der inzwischen als Nachfolger des verstorbenen Fritz Gummert zum neuen Schatzmeister 19 20 21 22 23
SV/VP, VitsVWR 26. April 1956. MmA M 84.540, Winkhaus an Vits 12. April 1956. SV/ VP, Gummert Vorstandssitzung 4.Dez. 1958. MmA M 84.540, Winkhaus an Vits 12. April 1956. Der deutliche Hinweis auf die Förderung von Grundlagenforschung und Geisteswissenschaften findet sich sowohl in der Anregung von Plassmann als auch in dem vertraulichen Briefwechsel zwischen Vits und Winkhaus. 24 Siehe unter anderem SV/ VP, Vorstandssitzung 13. Feb.1957. 25 Mit mäßigem Erfolg; nicht nur wurde die 1 %-Aktion wiederum hauptsächlich von den Unternehmen von Kohle und Eisen getragen, selbst die Großunternehmen im Kreise der Förderer des Stifterverbandes versagten sich, dem Beispiel Mannesmann zu folgen und 2% der Dividende über den Stifterverband zu leiten. Deshalb beschränkte sich auch Mannesmann ab 1959 wieder auf die Zahlung von 1% der Dividende; MmA M 84.540, Emmendörfer (WV) an die Mitglieder des Ausschusses für Förderungs- und Spendenwesen 26. April 1957; ebd. Mannesmann Direktionsabteilung, Winkhaus/ Pohle an SV 23.Dez. 1959.
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gewählte Hermann Winkhaus die jährlichen Einnahmezuwächse wieder auf mindestens 10% zu steigern. In der Vorstandssitzung vom 10. Mai 1965 schlug er ein Konzept vor, das er gemeinsam mit dem scheidenden „Leiter der Hauptverwaltung" Nord und dem zukünftigen „Generalsekretär" Thorwald Risler erarbeitet hatte, und von dem er sich eine kräftige Belebung des Spendenzuwachses erhoffte. 26 Neben der Verstärkung des Außendienstes zählte zu den Maßnahmen vor allem die Senkung der Mindestbeiträge für Firmenmitglieder, sowie eine Werbekampagne in Zeitungen und Zeitschriften. Dabei rechnete Winkhaus mit einem deutlich stärkeren Zuspruch bei mittleren und kleineren Unternehmen, deren Mitarbeit der Stifterverband auch durch die geplante Gründung von Landeskuratorien - zum erstenmal 1964 in Baden-Württemberg - verstärkt anzusprechen suchte. Die Öffentlichkeitsarbeit Von Beginn seiner Gründung an richtete der Stifterverband einen nicht unerheblichen Teil seiner Aktivitäten auf eine wirksame Öffentlichkeitsarbeit, die ob ihrer Professionalität von einem erfahrenen Wissenschaftsverwalter wie dem Generalsekretär der Max-Planck-Gesellschaft Ernst Telschow sogar bewundert wurde. Sehr bewußt trat man in Essen dem Eindruck entgegen, nur einem speziellen Interesse der eigenen industriellen Klientel Geltung verschaffen zu wollen: „Die Öffentlichkeitsarbeit mußte daher von Anfang an darauf ausgerichtet werden, Dasein und Ziele des Stifterverbandes im Einklang mit dem Volks- und Staatsganzen, und der Bewahrung der Kultur, in der wir leben und von der wir alle abhängig sind, verständlich zu machen. Es mußte der Öffentlichkeit nachgewiesen werden, daß, wenn die Wissenschaft oder auch nur einer ihrer Zweige in Gefahr ist, ebenso die Existenz jedes einzelnen bedroht ist, und zwar nicht nur im vordergründigen Sinne angewandter Naturwissenschaft in einer technisch gestützten Kultur, sondern in den Fundamenten. Darüber hinaus würde die Leistung der Volkswirtschaft rapid absinken und unser Land im mitleidslosen Daseinskampf der Nationen unterliegen. Der Stifterverband mußte zu erkennen geben, daß er ein Mandat für die Gesamtheit besitzt, also über den .Parteien' steht. Seine Publikationen mußten berücksichtigen, daß er das Informationsbedürfnis der Allgemeinheit im Auge hat, indem er sie auf Grund eigener Forschungen und Quellen neutral und objektiv über Tatsachen unterrichtet, die von den .Parteien' nur gefärbt zu erwarten sind. .Partei' ist in diesem Sinne auch der Staat."27
Zur Öffentlichkeitsarbeit zählten neben seiner „Hausaufgabe", der Sammlung und Präsentation aller von der Wirtschaft für die Wissenschaft aufgewendeten Mittel, auch die umfangreiche Publikation von Reden, Denkschriften, Diskussionspapieren und Informationsschriften. Dieses Material vermittelt einen lebendigen Eindruck von der wissenschafts- und bildungspolitischen Grundlagendiskussion der 50er und 60er Jahre, lange bevor die große Öffentlichkeit sich für die „Bildungskatastrophe" interessierte.
26 SV/ VP, Winkhaus Vorstandssitzung 10. Mai 1965. 27 SV(Hg.): Zehn Jahre Stifterverband 1949-1959, Essen 1959, 50. Dies sind Formulierungen von F.E. Nord.
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Veranstaltungen Das Rückgrat dieser schwarz auf weiß verbreiteten, meist sehr eindringlichen Denkanstöße bildeten die repräsentativen Jahresversammlungen in Wiesbaden. In den 50er Jahren etablierten sich diese Versammlungen als gesellschaftliche Ereignisse, die den führenden Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft Gelegenheit zum gegenseitigen Kennenlernen und zur Kontaktpflege boten, einig in der Überzeugung, der Wissenschaft einen ihrer Bedeutung für den zukünftigen Wohlstand der Bundesrepublik Deutschland angemessenen Stellenwert einzuräumen. Die von der Hauptverwaltung generalstabsmäßig - im Wortsinn - geplanten und minutiös durchgeführten Treffen - ob der geforderten Akkuratesse beim Wiesbadener Hotelpersonal gefürchtet - kennzeichnete ein Geist, der in der Alltagsarbeit wissenschaftlicher Gremien so nicht zum Tragen kam. Das Bild einer „Schicksalsgemeinschaft Wissenschaft", das hier in den 50er Jahren beschworen wurde, lag jedenfalls dem Stifterverband sehr am Herzen. Er konnte sich nicht nur im Licht der zwar noch immer unzureichenden, aber doch gedeihlichen Entwicklung von Wissenschaft und Forschung sonnen; vor allem boten diese Veranstaltungen einen Anlaß, auf die immer noch zu steigernden Anstrengungen der Wirtschaft für die Wissenschaft zu drängen. So sollte der Anspruch des Stifterverbandes untermauert werden, bei wissenschaftspolitischen Entscheidungen beteiligt, mindestens aber gehört zu werden. Umrahmt wurde jede Jahresversammlung von Vorträgen führender Wissenschaftler oder Politiker, die später meist auch im Rahmen der Veröffentlichungsreihen des Stifterverbandes in gedruckter Form vorgelegt wurden. Neben den Jahres- und Mitgliederversammlungen sorgte eine Vielzahl von Veranstaltungen, mit welchen bestimmte Zielgruppen angesprochen wurden, für die öffentliche Verbreitung des Gedankens der Wi s senschaftsförderung.
„ Forschung heißt Arbeit und Brot" In den ersten Nachkriegsjahren warb der Stifterverband programmatisch exponiert, mit der Formel: „Forschung heißt Arbeit und Brot". Dieses Motto diente der Hauptverwaltung vor allem dazu, sich gegen den Eindruck zu stemmen, es handele sich bei der Förderung der Wissenschaft um eine Art Luxus, dessen man in der unmittelbaren sozialen Not der Nachkriegszeit nicht bedürfe. Hierbei machte der Stifterverband Anleihen bei einer achtteiligen Artikelserie der Zeitschrift „Christ und Welt", die unter dem Titel „Forschung heißt Leben" im Laufe des Jahres 1950 erschienen war. Auf der Basis des Rücklaufs einer umfangreichen schriftlichen Befragung deutscher Hochschulen und Forschungsstätten, zeichneten die Redakteure ein ernüchterndes Bild der Arbeitsmöglichkeiten deutscher Forscher. Das vor allem als Signal an den Nachwuchs verstandene Motto „Forschung heißt Arbeit und Brot" verband die Forderung nach höheren finanziellen Aufwendungen für die Forschung mit der Mahnung, sich nicht über den Stellenwert der Forschung für die soziale Existenz breiter Bevölkerungsschichten zu täuschen: „Das Kennzeichen eines echten Staatsmannes ist ein geschärftes Unterscheidungsvermögen zwischen Wichtigem und Unwichtigem. Das deutsche Volk ist heute zu arm, um gleichzeitig alle Aufgaben einer modernen Nation ausreichend erfüllen zu können. Wir bedürfen infolgedessen einer Dringlichkeitsliste, auf die sich alle Parteien einigen. Wie muß diese nach sachli-
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chen und nichts als sachlichen Erwägungen aussehen? In dieser Rangliste steht die Nahrung voran. Ihr folgt die Wohnung. An die dritte Stelle gehört unbedingt die Forschung. Sie ist sogar wichtiger als viele karitative und soziale Maßnahmen; denn Wohnungsbau wie Forschung werden - großzügig ins Werk gesetzt - einen wesentlichen Teil der sozialen Notstände aufsaugen und zum Verschwinden bringen. Wir sind uns bewußt, daß keine der Parteien bisher der Forschung einen solchen Rang zuerkannt hat [...]."28
Damit traf diese Initiative genau die Vorstellungen, die schon im Gründerkreis des Stifterverbandes immer wieder zur Sprache gekommen waren. Um diese Sensibilität für die Belange von Wissenschaft und Forschung auch im Bewußtsein von Politikern aller Parteien stärker zu verankern, eignete sich die Bezugnahme auf elementare Bedürfnisse wie Arbeit und Nahrung hervorragend. Mag bei der Akzentuierung wissenschaftlicher Forschung gegenüber sozialen oder karitativen Zwecken auch die zu erwartende Konkurrenz um einen begrenzten Spendenmarkt eine Rolle gespielt haben, so dominierte doch der Anspruch an die Politik, mehr als bisher der Not der Wissenschaft ihre Aufmerksamkeit zuzuwenden. Im gleichen Sinne wandte sich der Stifterverband in einem offenen Brief an die gesamte gewerbliche Wirtschaft: „Gerade jetzt müssen Wirtschaft und Wissenschaft sich gegenseitig ergänzen, und es muß Aufgabe der Wirtschaft sein, die notwendige finanzielle Grundlage für die wissenschaftliche Arbeit mitschaffen zu helfen, denn: die Forschung von heute ist das Brot von morgen!"29
Publikationen Auf diese gegenseitige Ergänzung von Wirtschaft und Wissenschaft waren auch die Veröffentlichungen des Stifterverbandes ausgerichtet. Zunächst in der Organisationsverwaltung betreut, koordinierte seit 1954 eine eigene Werbeverwaltung, der spätere Literaturdienst, die publizistischen Aktivitäten der Hauptverwaltung. Vornehmlich der Werbung, aber auch dem Informationsbedürfnis seiner Mitglieder verpflichtet, arbeitete der Stifterverband an einem möglichst umfassenden Bild des wissenschaftlichen Lebens in Deutschland, später auch des Auslands. Aufklärung über die grundlegenden Verhältnisse in Wissenschaftspolitik und -Organisation, aber auch Präsentation eines in dieser Fülle nirgends sonst zu findenden Datenmaterials, bieten die von 1950 bis 1970 erschienenen Jahrbücher. Zunächst in der Form eines Almanachs erprobt, widmeten sich die Jahrbücher später jeweils einem Thema aus Wissenschaft und Forschung, das auf der Basis eigener Recherchen umfassend abgehandelt wurde. Aufbauend auf diesem soliden Fundament versammelte die seit 1952 erschienene Schriftenreihe „Forschung und Wirtschaft - Partner im Fortschritt" alle jene publizistischen Beiträge, die auch nur annähernd auf den Zusammenhang von Wissenschaft und Wirtschaft eingingen. Oft wurden auch Vorträge vergangener Veranstaltungen oder Beiträge dem Stifterverband nahestehender Persönlichkeiten in die Schriftenreihe aufgenommen. 28 SV(Hg.): Forschung heißt Arbeit und Brot, Stuttgart 1950, 7; die ursprünglich in Christ und Welt erschienene Serie wurde vom Stifterverband als Broschüre weiter verbreitet. Zu den ursprünglichen Artikeln wurden dabei Stellungnahmen des Stifterverbandes, H. Eickemeyers, W. Heisenbergs und F. Schmidt-Otts hinzugefügt. 29 DUZ 5.Jg., Hft.8 (1950), 20.
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Die Spanne der Themen einzelner Hefte reichte von „Stiftungen in Amerika", über „Vom Wert werkseigener Forschung" bis hin zu Max Webers Rede über „Wissenschaft als Beruf (1920) oder Kants Schrift „Zum ewigen Frieden" (1795).30 In Gemeinschaftsveröffentlichung mit anderen wissenschaftlichen Instituten und im Rahmen der Zusammenarbeit innerhalb des Gesprächskreises Wirtschaft und Wissenschaft verantwortete der Stifterverband eine Reihe von Arbeitsschriften, die zu bestimmten „Kardinalfragen" der Wissenschaftsorganisation erstellt wurden. Hier galt ein besonderes Interesse Berichten über das wissenschaftliche Leben anderer Länder, unabhängig davon, ob es sich um westliche Industrieländer oder die wissenschaftlichen Einrichtungen anderer politischer Systeme handelte.31 In zunächst loser Folge erschien seit 1953 das Mitteilungsblatt „Wirtschaft und Wissenschaft", das vor allem aktuelle Berichte aus den Bereichen Wissenschaftspolitik und Forschungsförderung nachdruckte, die zuvor in der Tagespresse erschienen waren. Das ursprünglich verstreut veröffentlichte Material wurde, reduziert auf die wesentlichen Beiträge, den Mitgliedern des Stifterverbandes im Zusammenhang präsentiert, um so den Informationsstand der vielbeschäftigten Wissenschaftsförderer zu den jeweils wichtigen Entwicklungen in Wissenschaft und Forschung auf dem laufenden zu halten. Darüber hinaus erschienen die Tätigkeitsberichte oder andere Verbandsmitteilungen des Stifterverbandes im Rahmen von „Wirtschaft und Wissenschaft". In Zusammenarbeit mit den Selbstverwaltungsorganisationen beteiligte sich der Stifterverband auch an den Informationsdiensten „Hochschul-Dienst" und „Deutscher Forschungsdienst" und über den Verlag Dr. Josef Raabe auch an der DUZ.32 Wohl die weiteste Verbreitung der Veröffentlichungen des Stifterverbandes fand das 1954 erstmals präsentierte „Vademecum Deutscher Forschungsstätten" 33 . Auf Initiative von Ferdinand E. Nord wurde mit diesem Handbuch erstmals eine Bestandsaufnahme der Forschung in der Bundesrepublik vorgenommen. Informationen über mehr als 2000 Forschungsstätten wurden, nach Fachbereichen gegliedert und nach Forschungsvorhaben und Personalbestand aufgeschlüsselt, zusammengetragen und einer interessierten Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt. Später erweitert zu einem Vademecum Deutscher Lehr- und Forschungsstätten, zeugt vor allem die frühe Fassung dieses Handbuchs von den Intentionen, die den Stifterverband bewogen, im Zusammenwirken mit der DFG ein solches Vademecum zu erstellen. Erst die Auskünfte über Bearbeitung oder auch Nichtbearbeitung einzelner Forschungsvorhaben ermöglichten eine gezielte 30 Einen Überblick bietet SV(Hg.): Fünfzehn Jahre Stifterverband 1949-1964, Essen 1964,40 f. 31 Siehe SV(Hg.): Fünfzehn Jahre Stifterverband 1949-1964, Essen 1964,41/42. 32 SV/ VP, Vorstandssitzung 23.Feb.1962; zunächst war im Vorstand umstritten, ob die D U Z einer Stützung bedürfe; Nord machte geltend, daß eine Übernahme der DUZ durch die Friedrich-Ebert-Stiftung drohe. 33 Stifterverband(Hg.): Vademecum Deutscher Forschungsstätten, Bonn 1954; Zusammengestellt wurden die Forschungsinstitute der Universitäten und Hochschulen, die Forschungseinrichtungen des Bundes, der Länder und Gemeinden, die Forschungsinstitutionen der Wirtschaftsverbände und freier Forschungsstätten mit Angabe ihrer Leiter, Mitarbeiter und Forschungsgebiete, sowie der wissenschaftlichen und wissenschaftsfördernden Einrichtungen in der BRD einschließlich West-Berlins.
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Ansprache einzelner Forscher durch interessierte Unternehmer. Auch die Initiative zur gezielten Einrichtung oder zum dosierten Ausbau von Forschungsstellen wurde so erst möglich.
b) Die frühe Ausgabenpolitik Obwohl der Stifterverband in seinen Gesprächen mit der Notgemeinschaft die Verwendung der von der Wirtschaft aufgebrachten Mittel immer mit einem Vorbehalt versehen hatte, verzichtete er erstaunlicherweise weitgehend auf eine eigene Vergabepolitik. Hierin unterschied sich die Entwicklung nach 1949 nicht von den Verhältnissen nach 1920. Beide Male wurde die Verwendungskontrolle der Wirtschaft stark betont, beide Male verzichtete man in der Realität jedoch auf eigene direkte Kontrolle. Als Sammelunterstützung flössen in den ersten 15 Jahren mehr als 80% der vom Stifterverband vergebenen Mittel den Selbstverwaltungsorganisationen der Wissenschaft, vor allem der Notgemeinschaft/DFG, aber auch der MPG, dem DAAD, der Studienstiftung des Deutschen Volkes und der Alexander-von-Humboldt-Stiftung zu. An der Vergabe war der Stifterverband über seine Vertreter in den Gremien dieser Organisationen eher symbolisch beteiligt. Grundsätzlich sahen sich seine Repräsentanten dabei der Philosophie des Stifterverbandes verpflichtet, sich in keinem Falle als bloße Aushilfe für defizitäre öffentliche Etats einspannen zu lassen. Der öffentlichen Hand sollte keineswegs Verantwortung für die ohnehin als unzureichend eingeschätzten staatlichen Wissenschaftsausgaben abgenommen werden. In der klugen Einsicht, diese Wunde ohnehin nicht schließen zu können, verschrieb sich der Stifterverband der Ergänzung der öffentlichen Leistungen.34 Auch die wenigen Einzel-Unterstützungen von Wissenschaftlern oder Forschungsstätten zeigten sich dieser Ausgabenphilosophie verpflichtet. „Nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen" sollten die Einzel-Unterstützungen helfen, Aufbauschwierigkeiten oder unvorhersehbare Notlagen zu überbrücken.35 Doch zumeist wurden die an den Stifterverband gerichteten Unterstützungsanträge, unter Hinweis auf die Zusammenarbeit mit den zentralen Wissenschaftsorganisationen, nach einem entsprechenden Votum des Vorstands, abschlägig beschieden. Aufschluß über die Vergabe der den wissenschaftlichen Institutionen als Sammeloder Einzelunterstützungen zugeführten Mittel gibt die Verteilung dieser Mittel auf die Gebiete Geistes- und Gesellschaftswissenschaften, Naturwissenschaft und Technik, sowie Medizin. Allein 1954 gingen 26% der freien Mittel an die Geistes- und Gesellschaftswissenschaften, 57% an die Naturwissenschaften und Technik, sowie 17% an die Medizin. Noch deutlicher fiel die Verteilung der zweckgebundenen Mittel aus. Hier betrug das Verhältnis 8 %, 86% und 6 %. Auch wenn diese Relation zu Beginn der 50er noch deutlicher ausgefallen war, zeigte sich der Stifterverband keineswegs befriedigt 34 Neben anderen Aussagen siehe SV (Hg.): Jahrbuch 1957. Der Akademische Nachwuchs, Essen 1957, 131. 35 Eine Liste der dabei bedachten Institutionen findet sich in: SV(Hg.): Fünf Jahre Stifterverband, Essen 1954, 37.
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über die nach wie vor deutliche Dominanz der Naturwissenschaften, wie man dies nach den Diskussionen des Jahres 1949 hätte erwarten können. „Nur zögernd beginnt sich die Tendenz abzuzeichnen, die Geisteswissenschaften ihrer Bedeutung entsprechend mehr zu berücksichtigen, während die Medizin noch nicht das ihr gebührende Maß der Beachtung erfährt."36
Somit ging der Kölner Prof. Carl Niessen - Leiter des Theaterwissenschaftlichen Instituts - von falschen Voraussetzungen aus, als er 1958 in einem offenen Brief an den Deutschen Hochschulverband harsche Kritik am Stifterverband äußerte und dabei insbesondere gegen die Überbetonung eines materialistischen Standpunktes polemisierte.37 Niessen hätte seine Kritik wohl eher an die Adresse der DFG richten können, deren Verteilungsschlüssel für die Vergabe des Stifterverbandes den wesentlichen Maßstab setzte.38 So aber stieß die wenig überzeugende Kritik des Kölner Professors auf entschiedene Ablehnung bei Hochschulverband und Stifterverband.39 Die Nachwuchsförderung Die Nachwuchsförderung zählte nach § 1 der Satzung zu den wesentlichen Aufgaben des Stifterverbandes. In den Veröffentlichungen und Veranstaltungen der Hauptverwaltung wurde der interessierten Öffentlichkeit der Gedanke der Nachwuchsförderung dem Grundsatz der Wissenschaftsförderung gleichgewichtig zur Seite gestellt. Der vordringlichen Bedeutung der Nachwuchsfrage für Wirtschaft, Wissenschaft und Politik entsprechend, beschränkte sich der Stifterverband nicht auf werbende Maßnahmen in Zusammenarbeit mit den Wissenschaftsorganisationen. Schon im März 1950 schlug Richard Merton dem Verwaltungsrat die Einrichtung einer vom Stifterverband selbständig zu tragenden „Nachwuchsspende für die deutsche Wissenschaft" vor. Der qualifizierte Nachwuchs auf den Gebieten der Naturwissenschaften, der technischen Wissenschaften, der Wirtschaftswissenschaften, der medizinischen Wissenschaften und auf dem Gebiete des Wirtschaftsrechts sollte unmittelbar durch Stifterverbandsstipendien gefördert werden.40 Dabei standen Merton die betriebspraktischen Zusammenhänge der Nachwuchsförderung aus eigener Erfahrung vor Augen. Diese Einzelstipendien vergab der Stifterverband neben der mittelbaren Stipendienabwicklung über die DFG, die Studienstiftung des Deutschen Volkes, den DAAD und die AvH-Stiftung. Als ausschließliches Kriterium der Stipendienvergabe erkannte der Stifterverband die Begabung der einzelnen Bewerber an, wie es Vits formulierte: 36 SV (Hg): Jahrbuch 1956. Das Wissenschaftliche Leben in Deutschland, Essen 1956, 154. 37 Dabei spricht Niessen dem „aus drei Adeligen und manchen ehemaligen Offizieren mit einem Obersten an der Spitze bestehenden", „feudalen" SV die Affinität zu den Problemen der Wissenschaft ab; zitiert nach: Die Rheinpfalz Nr.21, 25. Jan. 1958. 38 Obwohl die DFG Wert auf die zwanglose Zusammensetzung der Fachbereiche legte, zeichneten sich deutliche Bewilligungsschwerpunkte ab; siehe DFG: Aufgaben und Finanzierung, Wiesbaden 1961, 25-28. 39 SV/ VP, Erklärungen des Hochschulverbandes und des Stifterverbandes vom 22. Jan. 1958. 40 SV/ VP, VWR 22. März 1950.
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„Der Stifterverband ist der Auffassung, daß mit jeder auf Kosten der Allgemeinheit erfolgenden Förderung eine Auslese der wirklich Begabten verbunden sein sollte. Diese Begabungen nach Charakter und Leistung herauszufinden und auszubilden, ist eine Aufgabe, die auf der Schule beginnt, aber auf der Hochschule fortgesetzt werden muß. Das Ziel ist, einen Nachwuchs von Akademikern heranzubilden, der die ihm im Leben zufallende vielseitige Verant,,41 wortung zu tragen vermag. Begabung definierte der Verbandsdirektor als eine Kombination von wissenschaftlicher B e f ä h i g u n g , charakterlicher Eignung und f a c h l i c h e m L e i s t u n g s v e r m ö g e n eines m ö g l i c h e n Kandidaten, die j e w e i l s über die Stellungnahme eines wissenschaftlichen Betreuers n a c h g e w i e s e n wurden. 4 2 Sicherlich spielten bei der Vergabe der Stipendien auch die Kontakte Nords zur korporativ organisierten Studentenschaft eine nicht unerhebliche Rolle. 4 3 S o sehr die Qualität auch im Vordergrund der Bemühungen des Stifterverbandes um eine verbesserte Nachwuchsförderung stand, so täuschten sich die Verantwortlichen doch nicht über die Herausforderungen des späten 20. Jahrhunderts. Gerade in der Konfrontation der politischen Systeme und der immensen Ausgaben der östlichen Systeme für den akademischen N a c h w u c h s und praxisbezogene Forschungen, über die der Stifterverband in seinen e i g e n e n V e r ö f f e n t l i c h u n g e n i m m e r w i e d e r detailliert Auskunft gab, wurde den Vertretern des Stifterverbandes die Fragwürdigkeit beschränkter Elitenförderung deutlicher. Der neue Vorsitzende Ernst H. Vits schrieb 1957: „Gerade in diesem Zusammenhang möchte ich darauf hinweisen, daß sich der Wettstreit der politischen, wirtschaftlichen und sozialen Systeme in der Welt ganz besonders auf die Wissenschaften und die Förderung des Nachwuchses bezieht. Auch bei uns hat sich eine wesentliche strukturelle Änderung vollzogen. Wir haben heute bereits einen breiten Strom um Bildung bemühter Menschen aus allen Schichten unseres Volkes, die Jahr für Jahr in größerer Zahl in unsere Bildungseinrichtungen und Universitäten drängen. Unsere weitgehend von der Technik geprägte Gesellschaft mit ihren zunehmend höheren Anforderungen bedarf einer ständig wachsenden Zahl ausgebildeter Menschen, deren Bildungsstand und Fähigkeiten wiederum die Gestaltung unserer Wirtschafts- und Sozialverfassung, aber auch unsere politischen Verhältnisse bestimmen. Mit anderen Worten: die geistige Substanz aller Schichten muß mobilisiert werden. Halten wir uns vor Augen: Die Zahl der Studenten in Rußland ist in den letzten vier Jahrzehnten in ungleich stärkerem Maße gewachsen als in den westeuropäischen Ländern, obwohl auch in diesen - etwa gegenüber dem Stand von 1914 - immerhin eine Verdoppelung der Studentenzahl festzustellen ist. Besonders hoch ist auch die Zahl der in der Sowjetunion in Ausbildung befindlichen Fachschüler, denen in den westlichen Ländern nur relativ bescheidene Zahlen gegenüberstehen. Wir müssen uns im klaren darüber sein, daß wir diese Entwicklung der Massenbildung akzep41 Vorwort Vits, in: SV, Jahrbuch 1957. Der Akademische Nachwuchs, Essen 1957. 42 Ferdinand Ernst Nord: Der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft und die Begabtenförderung an den wissenschaftlichen Hochschulen (Forschungsberichte des Landes Nordrhein-Westfalen; Nr.721), Köln und Opladen 1959, 27 f. 43 Nord verfaßte 1957 eigens für den Convent Deutscher Korporationsverbände eine Resolution mit dem Titel: „Die Aufgabe der Korporation im Rahmen der Hochschule"; siehe Neuhaus (Hg.): Dokumente, 638.
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tieren müssen, auch wenn wir uns gleichzeitig um die Entwicklung der Persönlichkeitswerte unseres studentischen Nachwuchses bemühen. Wir können uns - was den Zugang zu unseren Hochschulen anbetrifft - nicht in Wunschvorstellungen und Bildungsideale vergangener Epochen einspinnen. Ist dieser Ausgangspunkt aber richtig, dann müssen die Folgerungen hieraus so rasch wie möglich gezogen werden. Hierfür müssen die organisatorischen und finanziellen Grundlagen geschaffen werden. 44
Daher unterstützte der Stifterverband lebhaft die 1955 in Bad Honnef von der Kultusministerkonferenz und der Westdeutschen Rektorenkonferenz angestoßene Initiative einer „hochschulgerechten Studentenförderung", die Studienförderung nach dem „Honnefer Modell". Im Briefwechsel mit Bundeskanzler Adenauer setzte sich Vits auf Bitten des Deutschen Studentenwerks e.V. besonders nachdrücklich für die Aufnahme einer Bundesbürgschaft zur zinslosen Gewährung von Studentendarlehen ein.45 Im Rahmen der Nachwuchsförderung vollzog sich auch die Unterstützung ungarischer Studenten, die nach dem Scheitern des Volksaufstandes vom Oktober 1956 in die Bundesrepublik geflohen waren. Kurzfristig gelang es dem Stifterverband über eine Sonderwerbung bei seinen Mitgliedern, mehr als 100 dieser Studenten eine finanzielle Unterstützung zu vermitteln.46
c) Der Gesprächskreis „Wirtschaft und Wissenschaft" (1957) Ein der Werbung des Stifterverbandes aus Kreisen der Industrie zuweilen entgegengehaltener Einwand resultierte gerade aus dem Bestreben des Stifterverbandes, als Gemeinschaftsaktion der Wirtschaft den überwiegenden Teil der Einnahmen an die DFG zu überführen. Zwar gewährleistete die Mitarbeit der Vertreter des Stifterverbandes in den Organen der DFG eine prinzipielle Kontrolle der Mittel, doch ließ sich die Bereitschaft potentieller Spender mit diesem unspezifischen Hinweis nur wenig stimulieren. Die „Anonymität" der Mittelvergabe erwies sich als ein wesentliches Hindernis bei der Einwerbung von Spenden, der Einblick in deren Verwendung war daher ein immerwährendes Anliegen von Vorstand und Verwaltungsrat. Man kann hier vom eigentlichen institutionellen Dilemma des Stifterverbandes sprechen, das schon in den Konzeptionen Studders' wie in den Visionen Mertons zur Sprache gekommen war. Sollte es, unter dem Vorbehalt einer wesentlichen Steigerung des Spendenaufkommens, bei der einmal gefundenen Form des Stifterverbandes bleiben, so verbot sich eine Erhöhung des Verwaltungsaufwandes durch eigene Gutachter und damit eine „ebenso törichte wie überflüssige Konkurrenz" zur DFG.47 Der eigenen Möglichkeiten durchaus bewußt, richteten sich die Bemühungen des Vorstandes auf eine größere Vergabetransparenz, wobei neben verstärkter Öffentlichkeitsarbeit auch an eine Intensivierung des unmittelbaren Kontaktes zwischen Förderern und Geförderten gedacht wurde. Ein Ergebnis derartiger Überlegungen war ein Gespräch zwischen Wirtschaft und 44 SV/ VP, Vits Jv 25. April 1957. 45 SV/ VP, Vits an Adenauer 21. Jan. 1957. 46 Stipendienberichte einiger dieser Studenten finden sich im Archiv der Firma Mannesmann, M 84540. 47 SV/ VP, Gummert Vorstandssitzung l.Feb. 1955.
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Wissenschaft, das am 27.4.1956 erstmals im Anschluß an die repräsentative Wiesbadener Jahresversammlung veranstaltet wurde und dem Problem des Bildungsauftrages der Hochschulen gewidmet war. Wissenschaftlich besonders interessierten Unternehmern sollte so die Möglichkeit des persönlichen Austausches mit führenden Wissenschaftlern geboten werden. Standort, Erfahrungen und Ansichten der jeweils anderen Seite sollten zur Sprache gebracht und im günstigsten Falle die Ergebnisse der Gespräche demonstrativ in der Öffentlichkeit präsentiert werden. Der Anspruch des Stifterverbandes, in diesen Gesprächen die drei zentralen Aufgaben des Stifterverbandes symbolisch zusammenzuziehen, wurde von Vits folgendermaßen umrissen: „Im vergangenen Jahre habe ich die doppelte Aufgabe des Stifterverbandes geschildert, nämlich erstens, die berufenen Vertreter des Bundes und der Länder und die gesamte Öffentlichkeit auf die Notwendigkeit der Förderung von Wissenschaft, Forschung, Lehre und Studium hinzuweisen, und zweitens, und dies ist unsere Aufgabe im engeren Sinne, die gesamte gewerbliche Wirtschaft dazu anzuhalten, auch von sich aus möglichst viele freiwillige Spenden für diese gleichen Ziele zur Verfügung zu stellen. Zu diesen beiden Aufgaben ist schließlich noch eine weitere Aufgabe getreten, nämlich Stellung zu nehmen zu den in der Öffentlichkeit diskutierten Problemen der Pflege der Wissenschaft, ihrer Organisation und ihrer Finanzierung."48 Augenscheinlich hatte dieses erste „Gespräch zwischen Wirtschaft und Wissenschaft" Erfolg, denn auch in den folgenden Jahren fanden die Jahresversammlungen in Gesprächen zwischen Wirtschaft und Wissenschaft ihren Ausklang. Am 25.4.1957 endete die Diskussion über das Verhältnis von Fachbildung und Allgemeinbildung mit der Absage an den Typ des nur spezialisierten Hochschulabsolventen und dem Ruf der Wirtschaft nach der „fachlich qualifizierten, echten Persönlichkeit". Am 30.4.1959 beklagten Wirtschaft und Wissenschaft die Überfüllung der Hochschulen, wenn auch mit merklich unterschiedlichen Lösungsvorstellungen. 49 Daß mit den Gesprächen, neben den von Vits umrissenen Motiven, auch an eine Mobilisierung der Wissenschaft im Wettlauf zwischen Ost und West gedacht war, geht aus Bemerkungen Heinrich Kosts auf der Jahresversammlung 1957 hervor: „Wir sind gehalten, die härtesten Anstrengungen nicht zu scheuen, um es zu verhindern, weil die geographische Nachbarschaft des kommunistischen Totalitarismus dazu zwingt. Auch er züchtet ganz bewußt ein hochentwickeltes Spezialistentum, wobei insbesondere die polytechnischen Disziplinen das Übergewicht besitzen. Ein Staat, in welchem die allgemeinen Dinge, die Verzahnungen der einzelnen Lebensbereiche nur für wenige Hochfunktionäre überschau48 SV/ VP, Ansprache Vits 25. April 1957. 49 Der Vorschlag der „Entrümpelung" der Hochschulen und insbesondere die Ausgliederung der betriebswirtschaftlichen Studiengänge stieß auf den Widerspruch des Frankfurter Prof. Hax, der auch mit der harmonisierenden Berichterstattung über das Gespräch haderte. Insbesondere bemängelte er eine Passage des Hochschuldienstes, wo es heißt: „Die Verweisung von unzureichend begabten Ingenieurstudenten auf die bestehenden Fachschulen sollte systematisch und mit Nachdruck betrieben werden. Die Neuerrichtung von Ingenieur-Fachschulen ist wesentlich billiger als die von Technischen Hochschulen." Siehe Hochschul-Dienst, Jg. XII, Nr. 9, 8. Mai 1959; die dabei von Prof. Hax geäußerte Kritik am Vorgehen des Stifterverbandes konnte in Gesprächen und Briefen ausgeräumt werden; dazu BahA 01040.
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bar sind, weil das Gros der Intelligenz aus Nur-Spezialisten besteht, ist für eine entschlossene, die Macht in den Händen haltende Herrschaftsschicht die bequemste Regierungsform. Wo der Blick für das Größere und die Erkenntnismöglichkeiten fehlen, ist die Kritik an der Staatsführung kaum zu fürchten. Das gilt vor allem dann, wenn das vielverzweigte Spezialistentum durch eine ideologisch straff uniformierte „Oberbildung" überwölbt wird. Daß die westliche Welt, daß Deutschland, insbesondere schon durch seine geographische Lage, in eine höchst gefährliche innere Nachbarschaft gerieten, wenn das Nur-Spezialistentum auch im Westen vorherrschte, liegt auf der Hand. Diese Gefahr wird zudem besonders bedrohlich, als dem westlichen Spezialistentum die ideologische „Oberbildung" naturgemäß fehlt, die der östlichen Variante im dialektischen Materialismus zusätzlich eine gewisse Dynamik verleiht. Es besteht mithin für uns die absolute Nötigung, der Strategie des Ostens, die den Kalten Krieg der Hörsäle zu gewinnen sucht, ein Aufgebot an Freiwilligen des Geistes potentiell entgegenzustellen. Daß in dem Bemühen zu jener Synthese [von Fach- und Allgemeinbildung] alle Kräfte - Universitäten, Hochschulen, Staat und Wirtschaft und Studentenschaft - zusammenarbeiten müssen, ist eine Selbstverständlichkeit."50 Dennoch erklärt diese gesellschaftspolitisch ambitiöse Projektion vom „Krieg der Hörsäle" allein nicht die am 27. November 1957 erfolgte offizielle Gründung des „Gesprächskreises Wissenschaft und Wirtschaft" (GKWW) 51 , der gemeinsam von BDI und Stifterverband ins Leben gerufen wurde und dem später noch andere führende Industrieverbände ihr Placet erteilten. Zumal die neue, auch formell gefestigte Ebene, auf die die Gespräche zwischen „Geld und Geist" mit dem GKWW gehoben wurden, keineswegs die einhellige Zustimmung des Vorstands fand. So befürchtete gerade der für das verbandseigene Interesse verantwortliche Vits eine Überschneidung mit dem ureigensten Aufgabenbereich des Stifterverbandes.52 Daß der Gesprächskreis überhaupt zu eigenständiger Form und organisatorischer Absicherung finden konnte, steht in engem Zusammenhang mit der Belebung der wissenschafts- und forschungspolitischen Diskussion seit Mitte der 50er Jahre, die ihren vorläufigen Höhepunkt in der Gründung des Wissenschaftsrates fand. 53 Im Wahl50 Heinrich Kost: Warum Gespräch Wirtschaft - Wissenschaft?, in: Fachbildung - Allgemeinbildung. Ein drängendes Problem unserer Zeit (Wirtschaft und Wissenschaft; Sonderdruck A 57), Essen 1957, 5. 51 Vgl. die Beschlüsse im Anhang, Dokument 9! 52 SV/ VP, Vits Vorstandssitzung 23. Jan. 1958; daß Vits hier positiv anmerkt, es bestehe die „Möglichkeit" den GKWW „als Fortsetzung der Wiesbadener Gespräche .Wirtschaft - Wissenschaft' des Stifterverbandes zu behandeln", legt geradezu eine Trennung der den Gesprächen und dem Gesprächskreis zugrundeliegenden Intentionen nahe. 53 Zum Wissenschaftsrat siehe neben den entsprechenden Ausführungen bei Stamm: Zwischen Staat und Selbstverwaltung, 195-223, Kurt Pfuhl: Der Wissenschaftsrat, in: Mitteilungen aus der MPG, 5,1957,283-297; bibliographische Hinweise zum öffentlichen Diskussionsprozeß bringt die DUZ, XIII.Jg., Nr.5 (1958), 316/317. Jetzt sind auch die neueren Veröffentlichungen - von unterschiedlichem Wert - von Berger, Rolf: Zur Stellung des Wissenschaftsrates bei der wissenschaftlichen Beratung von Bund und Ländern, Baden-Baden 1974 und Foemer, Ulla: Zum Problem der Integration komplexer Sozialsysteme - am Beispiel des Wissenschaftsrates, Berlin 1981, heranzuziehen.
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kampfjahr 1957 erreichte die Diskussion über Wissenschaft und Forschung eine neue, breite Öffentlichkeit und wurde erstmals in der noch jungen Geschichte der BRD zum wirklichen Politikum. Die langwährenden Klagen der Wissenschaftsorganisationen über eine neue Notlage von Forschung und Lehre in Deutschland fanden im Frühjahr 1957 Widerhall in führenden Presseorganen und auf parteipolitischen Veranstaltungen.54 Auch der Stifterverband zeigte in dieser Diskussion Flagge und stellte konkrete Forderungen an die Ausgestaltung eines zukünftigen Wissenschaftsrates. 55 Die Finanzierung der Forschung über die Haushalte der Bundesländer stieß gerade zu einem Zeitpunkt an schwer überwindbare Hürden, da sich eine „Ingenieurlücke" abzeichnete, die nicht mehr in dem Maße wie noch in den Jahren nach 1945, durch den Zuzug qualifizierter Fachkräfte aus der DDR geschlossen werden konnte. Dem stand die Einsicht gegenüber, daß die Aufwendungen für Forschung und Technologie einen entscheidenden Baustein für den zukünftigen Wohlstand bildeten. Kursierten im Vorstand des Stifterverbandes bereits seit Mitte der 50er Jahre vertrauliche Berichte über die „Notwendigkeit höherer Nachwuchs- und Talentreserven im Produktions-Sektor Westdeutschlands",56 so verfolgte insbesondere Hermann Reusch, der Seilvertretende Vor54 Vgl. Dokumentation einer Sondersitzung der Arbeitsgemeinschaft für Forschung des Landes NRW vom 20.3.1957, in Leo Brandt u.a.: Wissenschaft in Not, Köln-Opladen 1957. 55 Auf der Jahresversammlung am 25. April 1957 in Wiesbaden machte Vits folgende Ausführungen: „Ich komme zu den organisatorischen Maßnahmen, die z.Zt. im Mittelpunkt der Erörterungen stehen und zu denen auch der Stifterverband Stellung beziehen muß. In der Erkenntnis, daß die bisherigen Maßnahmen von Bund und Ländern zur Pflege und Förderung wissenschaftlicher Forschung, Lehre und Bildung nicht ausreichen, ist der Ruf nach einem zentralen Organ zur Koordinierung aller Maßnahmen auf diesem Gebiet nicht ungehört geblieben... Durch ein Verwaltungsabkommen zwischen Bund und Ländern soll der deutsche Wissenschaftsrat geschaffen werden. Ich halte die Schaffung dieses Organs für notwendig und dann für richtig, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt werden: 1) Der Wissenschaftsrat muß ein einheitliches Organ werden mit nicht nur rein administrativem Charakter, sondern mit wirklichen Vollmachten. 2) Der Wissenschaftsrat muß bestehen a)aus den Repräsentanten des Bundes und der Länder und ihrer Parlamente, mit anderen Worten aus den Vertretern aller mit Wissenschaftspflege beschäftigten staatlichen Stellen b) aus den Vertretern der Wissenschaft selbst und ihren bewährten Organisationen und Einrichtungen c) aus sachverständigen Persönlichkeiten aus dem Bereich der Wirtschaft und der Kommunalverwaltungen. 3) Die Ernennung der Mitglieder des Wissenschaftsrates, die ihren Auftrag in voller Unabhängigkeit und ohne Bindungen an Weisungen wahrnehmen, sollte durch den Herrn Bundespräsidenten erfolgen. Über die Aufgabe des Wissenschaftsrates haben wir sehr konkrete Vorstellungen, insbesondere über seine Hauptaufgabe, langfristige Haushaltsplanungen auf dem Gebiete der Wissenschaftspflege vorzunehmen. Auch darüber, in welcher Form die Zusammenarbeit mit den zuständigen Ministern des Bundes und der Länder und den Parlamenten erfolgen soll, haben wir bestimmte Pläne." 56 RWWA/GHH 400101460/136; zentrale Sätze dieses zur Vorstandssitzung am 1.2.1956 vorgelegten Berichts lauten:
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sitzende des Stifterverbandes, aufmerksam den politischen Verlauf der Reformdiskussion und richtete dabei sein Augenmerk auf die bedarfsplanerischen Aspekte der neuen Koordinationsinstanz Wissenschaftsrat. Reusch gab sich bei der Übertragung der Forschungsförderung von den Ländern auf den Bund keinen Illusionen hin. „Ich habe dazu (zu dem Vorschlag der Errichtung eines Bundeskulturministeriums) bemerkt, daß die Kultusministerien in den Bundesländern der letzte Rest von Selbständigkeit seien, den man den Ländern gelassen habe. Sie würden diese Position voraussichtlich mit Klauen und Zähnen verteidigen."57
Dennoch wollte er mit aller Deutlichkeit für die Aufwertung des Bundes als Koordinator der Forschungsförderung werben. Diese Dinge sollten jedenfalls in Bonn energisch zur Sprache gebracht werden. In einem Schreiben an die CDU/ CSU-Fraktion des Deutschen Bundestages, insbesondere deren Mitglieder im Haushaltsausschuß, beklagte er die parteipolitische Aufheizung des Meinungsaustausches über die zukünftige Wissenschaftsförderung und die administrative Haltung von Regierung und Koalitionsparteien. Gelänge es nicht, zu der Einsicht vorzudringen, daß die Wissenschaft nicht in einem politischen, sondern in einem finanziellen Dilemma stecke, wirke die defensive Haltung der Regierung geradezu kontraproduktiv und führe nur zu neuem Druck aus dem politischen Raum. Insbesondere bemängelte Reusch die Berechnungen der Interparlamentarischen Arbeitsgemeinschaft über die Aufwendungen der öffentlichen Hand für die Forschung. Auf dieser irreführenden Basis sollten keine Verhandlungen geführt werden. Die Bereiche Wissenschaftsförderung und Kulturpflege seien klar voneinander abzugrenzen, damit die nur vom Bund zu übernehmenden Ausgaben von 500 Mio. DM für die Wissenschaftspflege auf den Weg gebracht werden könnten. Die Vergabe dieser Mittel sollte dem von den Koalitionsparteien geplanten „Deutschen Wissenschaftsrat" übertragen werden.58 Dessen Ausrichtung sollte dabei weniger administrativ als der Selbstverwaltung der Wissenschaft verpflichtet sein.59 „Die Anzeichen mehren sich, daß unsere Nachwuchs- und Talentreserven den dringenden Anforderungen einer kommenden Produktions-Expansion nicht genügen, kaum den gegenwärtigen Bedarf decken." „Qualitätsnachwuchs und junge Talente, die sich zu leitenden Posten ausbilden lassen, sind wichtiger als Rohstoffe." „Falls heute Deutschland sich in dem Weltkampf auf dem Gebiete der Nachwuchs- und Talent-Aktivierung - sei es geistes- oder gesellschaftswissenschaftlich, sei es in Naturwissenschaft oder Medizin - in eine bescheidene dritte oder vierte Linie zurückzuziehen gedenkt, so geschieht das lediglich auf Grund einer Selbstbescheidung, die Spengler mit einem härteren Ausdruck bezeichnet hätte: Auf keinen Fall kann je gesagt werden, daß diese Selbstbescheidung von außen aufgedrängt sei. Das Gegenteil ist der Fall. Ebenso wenig kann gesagt werden, daß die Not dazu zwingt: ein kleiner Bruchteil der Milliarden der stillen Bundesreserven oder der Kosten für die militärischen Streitkräfte würden genügen, um Deutschland ... auf dem Felde der wissenschaftlich geleiteten Produktion wieder in die erste Mannschaft des Wettkampfes der friedlichen Industrialisierung der Welt" zu stellen. 57 RWWA/ GHH 400101460/ 136, Reusch an Nord 10. April 1956. 58 RWWA/ GHH 400101460/ 139, Reusch an Rudolf Vogel (MdB) 27.2.1957; dabei nannte
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Die Kritik, die daraufhin vom Vorsitzenden der Interparlamentarischen Arbeitsgemeinschaft, dem CDU-Politiker Karl Hermann v. Buchka, am Vorgehen und der Lagebeurteilung des Stifterverbandes geäußert wurde60, quittierte Reusch mit dem „schlechten Gewissen" der CDU bei der Förderung der Wissenschaft. „Die Dinge sind von der SPD angestoßen worden, und das war im Wahljahr besonders unangenehm."61 Wieder einmal bewährte sich Reuschs Neigung zu eindeutiger Sprache. Erfolgreicher waren die Bemühungen des BDI in dieser Sache, der geschickt den Stifterverband ins Spiel brachte. In der Phase der konkreten Formierung des „Deutschen Wissenschaftsrates" wurde von den Vertretern des BDI beim federführenden Kultusminister, dem niedersächsischen Minister Langeheine, ein Vorschlagsrecht des Stifterverbandes für die Entsendung von Vertretern der Wirtschaft in den Wissenschaftsrat zur Sprache gebracht.62 „Angesichts der (...) bekannten, nicht unerheblichen Arbeit, die gerade der Stifterverband in den letzten Jahren für die Wissenschaftspflege geleistet hat, liegt es nach unserem Dafürhalten durchaus im Interesse von Bund und Ländern, über diese Organisation sachkundige Vorschläge für Vertreter der Wirtschaft zu erhalten, die mit wissenschaftlichen Fragen vertraut und zugleich auf Grund ihrer Kenntnis des wirtschaftlich Notwendigen bei der Beratung der Schwerpunktprogramme von Nutzen sein dürften."63
Auch wenn ein exklusives Vorschlagsrecht des Stifterverbandes nicht zu erreichen war, gelang es doch, auf gemeinsamen Vorschlag von Bundesregierung und Länderregierungen, Mitgliedern des Stifterverbandsvorstandes Eingang in den am 5. September 1957 gegründeten Wissenschaftsrat zu verschaffen.64 Die entscheidenden Artikel 2 und 3 des Abkommens zwischen Bund und Ländern über die Errichtung eines Wissenschaftsrates lauteten wie folgt:65 Artikel 2 Der Wissenschaftsrat hat die Aufgabe: 1. auf der Grundlage der von Bund und Ländern im Rahmen ihrer Zuständigkeit aufgestellten Pläne einen Gesamtplan für die Förderung der Wissenschaften zu
59 60 61 62
63 64 65
Reusch folgende Organisationen als Repräsentanten der Wissenschaft: die in der Rektorenkonferenz zusammengeschlossenen Hochschulen, die Bundes- und Landesanstalten der Forschung, die im Königssteiner Abkommen erfaßten wissenschaftlichen Institutionen, die WRK, der VDS, die DFG, die Studienstiftung, der DAAD und die Hilfsorganisationen des akademischen Nachwuchses. RWWA/GHH 400101460/ 139, Reusch an Rudolf Vogel (MdB) 27.2.1957. RWWA/GHH 400101460/138, K.v. Buchkaan Vits 18. April 1957. RWWA/GHH 400101460/38, Reusch an Nord 30. April 1957. RWWA/ GHH 400101460/ 139, in der gleichen Angelegenheit hatte der BDI (Stein, Wagner), in Abstimmung mit SV und BDA, bereits am 18. April Rudolf Vogel, MdB angeschrieben. RWWA/ GHH 400101460/ 139, Beutler an Langeheine 16.8.1957. Über Vorgeschichte und frühe Entwicklung des Wissenschaftsrates informiert aus Sicht der Beteiligten: Wissenschaftsrat 1957-1967, Bonn 1968. Einen Abdruck des Verwaltungsabkommens bietet Neuhaus (Hg.): Dokumente I, 512-514.
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2. 3.
Der Stifterverband nach dem II. Weltkrieg
erarbeiten und hierbei die Pläne des Bundes und der Länder aufeinander abzustimmen. Hierbei sind die Schwerpunkte und Dringlichkeitsstufen zu bezeichnen, jährlich ein Dringlichkeitsprogramm aufzustellen, Empfehlungen für die Verwendung derjenigen Mittel zu geben, die in den Haushaltsplänen des Bundes und der Länder für die Förderung der Wissenschaft verfügbar sind.
Artikel 3 (1) Die Bundesregierung und die Landesregierungen werden die Empfehlungen des Wissenschaftsrates bei der Aufstellung ihrer Haushaltspläne im Rahmen der haushaltsmäßigen Möglichkeiten berücksichtigen. (2) Die zuständigen Behörden des Bundes und der Länder unterstützen die Arbeit des Wissenschaftsrates durch laufende Unterrichtung und Auskünfte. Der Verkehr mit den Landesstellen ist über die für die Angelegenheiten der Kulturverwaltung zuständige oberste Landesbehörde, der Verkehr mit den Bundesstellen über das Bundesministerium des Innern zu leiten. In dieser zentralen Schaltstelle mit Initiativkraft für die mittelfristige Bedarfsplanung und Etatisierung der Wissenschaft war nun auch ein wichtiger Ansatzpunkt für Initiativen der Wirtschaft gegeben. Daß es keinen Zweifel an der zentralen Rolle des Staates für die Förderung der Wissenschaft gab, betonten in ihren Eröffnungsansprachen zur Gründung des GKWW sowohl Vits für den Stifterverband als auch Fritz Berg für den BDI. Da gerade diese tragende Rolle des Staates nicht ausgefüllt werde und die Wissenschaft unter diesen Voraussetzungen leide, setzten Stifterverband und BDI hier mit der Etablierung des GKWW an. „Da das Schwergewicht aller Wissenschaftsförderung notwendigerweise beim Staat liegt und liegen muß, hat die heutige Begegnung zwischen Vertretern der Wissenschaft und der Industrie nicht zuletzt auch zum Ziel, die Wünsche und Sorgen der Wissenschaft, die sich aus ihrem Verhältnis zum Staat ergeben, besser kennenzulernen und sie hierin von unserer Seite nach besten Kräften zu unterstützen."66
Berg ergänzte, die deutsche Industrie sei sich voll bewußt, „daß jeder Rückschritt auf wissenschaftlichem Gebiet zwangsläufig einen Rückschritt auf wirtschaftlichem Gebiet zur Folge haben muß." 67 Doch bevor überhaupt daran gegangen werden konnte, die Interessen der Wirtschaft in den Planungen des Wissenschaftsrates zur Geltung zu bringen, mußten die unterschiedlichsten Wünsche in der Unternehmerschaft überhaupt erst zur Sprache kommen, um dann zu gemeinsamen Forderungen an Bund und Länder gebündelt zu werden. Hierfür bot der Gesprächskreis in einer Grundsatzgruppe und drei Gesprächsgruppen geeignete Foren an, wo die Anliegen der Wirtschaft mit der für die spätere Wirksamkeit nötigen Schwerpunktbildung zur Sprache kamen. Hier liegt der eigentliche Grund für die Etablierung des Gesprächskreises mit den folgenden Gruppen: 66 BahA 01040, Eröffnungsansprache Vits 27. Nov. 1957. 67 Ebd., Eröffnungsansprache Berg 27. Nov. 1957.
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Grundsatzfragen der Wissenschaft Wissenschaftliche Hochschulen Akademischer Nachwuchs Forschung in der Wirtschaft. Die Arbeitsergebnisse des Gesprächskreises wurden in Entschließungen oder Empfehlungen zusammengefaßt und in Form von Resolutionen in der wissenschaftlichen Öffentlichkeit verbreitet. In mehr als 20 Entschließungen über einen Zeitraum von zehn Jahren erhob sich die Stimme des GKWW, um in der Wissenschaft Defizite aufzuspüren, Standpunkte deutlich zu machen und Forderungen an die politisch Verantwortlichen zu richten. Unter dem Dach des Kreises wurden auch die „Gespräche zwischen Wirtschaft und Wissenschaft" weitergeführt, die fortan in jährlich wechselnder Verantwortung von Stifterverband, BDI und DIHT einem akuten Problem aus dem Bereich der Wissenschaftspolitik gewidmet waren. Die für die Öffentlichkeit interessantesten Referate wurden vom Literaturdienst des Stifterverbandes gedruckt verbreitet. Aus dem GKWW kristallisierte sich ein besonderer „Tönissteiner Kreis" heraus, der sich die Heranführung des wissenschaftlichen Nachwuchses an internationale Führungsaufgaben zur speziellen Aufgabe machte. Geeignete Nachwuchskräfte wurden ausfindig gemacht, in Kolloquien und Seminaren zusammengeführt und schließlich mit möglichen Berufsfeldem vertraut gemacht. Hierbei wurde, neben den klassischen diplomatischen Tätigkeitsfeldern, vor allem an die im Zuge der Entscheidungen nach dem Zweiten Weltkrieg neu geordnete Weltlage gedacht. In der - sicherlich zutreffenden - Einschätzung der Tönissteiner war Deutschland für den steigenden Bedarf an gewandtem Personal auf internationalem Parkett weniger gerüstet als zumindest andere europäische Staaten. Hier bestand die Gefahr, daß die Stimme Deutschlands bei der sich abzeichnenden internationalen Vernetzung von Politik und Wirtschaft, besonders aber im Zuge der europäischen Integration nicht angemessen durchdringe. Ebenfalls angeschlossen an den GKWW war der „Ostergänzungslehrgang" am Osteuropa-Institut der Freien Universität Berlin für Führungsnachwuchs in Ostaufgaben. Über den Kontakt, der zwischen dem Stifterverband und dem Osteuropa-Institut bestand, eröffnete sich die Möglichkeit, Osthandels-Sachbearbeitern der deutschen Wirtschaft wirtschafts-, staats-, finanz- oder sozialpolitische Kenntnisse vor allem über die UdSSR näherzubringen.
5. Zwischen Wirtschaftsboom und „Büdungskatastrophe" Überblickt man die Arbeit des Stifterverbandes von 1949 bis zum Beginn der 60er Jahre, so war es den Vertretern der Wirtschaft gelungen, ihre Initiative als feste Größe im Kontakt mit Wissenschaft und Staatsverwaltung zu etablieren. Unter Hinweis auf die kontinuierlich steigenden Zuwendungen an die Wissenschaftsorganisationen - 1963 hatte man 26,6 Mio. DM „freie Spenden" erreicht und der DFG noch 17,4 Mio. DM überweisen können - hatte es der Stifterverband mit seiner professionell gestalteten
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Der Stifterverband nach dem II. Weltkrieg
Öffentlichkeitsarbeit verstanden, nicht nur Berührungsängste zwischen Wissenschaft und Wirtschaft abzubauen, sondern dieses insgesamt partnerschaftliche Verhältnis institutionell auf feste Grundlagen zu stellen. Dieser Erfolg mußte um so mehr verwundern, als die Initiative des Stifterverbandes während dieser zehnjährigen Wachstumsperiode weiterhin nur von einem relativ kleinen Kreis potenter Unternehmen getragen wurde und die strategischen Entscheidungen noch immer in den Händen derjenigen Mitglieder lagen, die schon an der Wiederbegründung des Stifterverbandes beteiligt waren. Die verbandspolitischen Gewichte folgten natürlich dem Anteil der Beiträge am Spendenaufkommen des Verbandes. Für das Geschäftsjahr 1962 konnte der Schatzmeister folgende Branchenaufteilung des freien Spendenaufkommens ermitteln:1
Branche
Summe (DM)
Anteil
Eisen und Stahl Banken und Kredit Automobilindustrie Elektrotechnik Elektrizitätswirtschaft Chemie Bergbau Maschinenbau NE-Metalle Versicherungen Kaufhäuser Textil
4,0 2,5 2,2 1,4 1,3 1,2 1,0 1,0 1,0 0,6 0,5 0,4
19,83% 12,09% 10,77% 6,8 % 6,62% 5,99% 5,09% 4,99% 4,45% 3,01 % 2,32% 2,15%
Mio Mio Mio Mio Mio Mio Mio Mio Mio Mio Mio Mio
Neben dieser traditionellen und durchaus Grund zur Sorge gebenden Verteilung der Spenden nach Branchen hatte man auch die Generationsfrage in den Verbandsgeschäften zu bedenken. Ungefähr mit dem Ende der Ära Adenauer begann auch die Ablösung jener Generation, die ihre politische Sozialisation in der Weimarer Republik erfahren und das Dritte Reich eher akzeptiert denn bekämpft hatte. Jetzt rückte allmählich die Generation nach, die die Vorkriegs- und bald auch die Kriegszeit nur noch als Jugenderinnerung ansah. Der damit verbundene Erfahrungswandel sollte die folgenden Jahre stark prägen. Im Stifterverband war vor diesem Hintergrund allen Beteiligten klar, daß mit dem allmählichen Ausscheiden der Gründergeneration auch der Erfolg des Stifterverbandes zur Disposition stand. Mit dieser Herausforderung sah er sich schneller als erwartet konfrontiert, zumal sich nicht nur seine personelle Binnenkonstellation unter den Druck des Wandels gesetzt sah, sondern sich darüber hinaus auch ein Ende der besonderen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Nachkriegszeit abzeichnete. Der Boom der Nachkriegszeit, der nicht nur von der Rekonstruktion der zerstörten Volkswirtschaften und vom Korea-Krieg getragen wurde, sondern auch vom Durch1 Aufzeichnung Schatzmeister Gummert für die VWR-Sitzung am 9. Mai 1963.
Zwischen Wirtschaftsboom und „Bildungskatastrophe"
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brach zum industriellen Massenkonsum auf der Basis des sprunghaften Anstiegs der Realeinkommen und der Wanderung aus dem traditionellen Wirtschaftssektor von Handel, Handwerk und Familienbetrieben in den industriellen Sektor, hatte einen scheinbar dauerhaften positiven Entwicklungstrend der europäischen Volkswirtschaften vorgegeben, der sich längerfristig als trügerisch erweisen sollte.2 Bei den Unternehmen wurde zunächst nicht klar genug gesehen, daß es sich bei der Nachkriegsprosperität um ein durchaus singuläres Phänomen handelte. Die dadurch geschürten Wachstumserwartungen ließen sich im Verlauf der 60er Jahre kaum noch aufrecht erhalten. Schon die konjunkturellen Zyklen der 50er Jahre wiesen jeweils eine geringere Expansion und einen stärkeren Rückgang auf, auch wenn die allmähliche Verlangsamung des wirtschaftlichen Wachstums kaum wirklich wahrgenommen wurde.3 Vor allem in den 50er Jahren hatte der Stifterverband von den uneingeschränkten Wachstumserwartungen seiner Förderer profitiert. In der Hoffnung auf die Erschließung zusätzlicher, der Wirtschaft letztlich nützlicher Qualitätsreserven stand die Förderung von Wissenschaft und Forschung, in welcher Form auch immer, außerhalb jeden Zweifels: Sie galt als vorrangige nationale Aufgabe. Jetzt aber relativierten sich diese Erwartungen, und zudem bahnte sich nicht nur ein Generationswechsel in Vorstand und Hauptverwaltung des Stifterverbandes, sondern überhaupt in den Führungsetagen der westdeutschen Wirtschaft an. Es mußte also alles darauf ankommen, diesen Wechsel auch in den Gremien des Stifterverbandes so zu vollziehen, daß der Verband fest in den tonangebenden Kreisen der Wirtschaft verankert blieb. Die Grundlinie wurde klar formuliert, sie zielte notwendigerweise auf die Aktivierung der jeweils führenden Unternehmergeneration: „Es besteht grundsätzlich das Bestreben, im Vorstand und Verwaltungsrat des Stifterverbandes möglichst die aktiven Vertreter der jeweiligen Unternehmen und Verbände zu haben und gleichzeitig eine Überalterung zu vermeiden."4
Der Nachkriegsboom suggerierte zudem einen immensen Qualifikationsbedarf aller Fachrichtungen, ein Bedarf, der sich zwar weitgehend mit den wirklichen Erfahrungen der 50er oder 60er Jahre deckte, der aber nicht daraufhin hinterfragt wurde, ob es sich hier um die Folgen einer einmaligen historischen Konstellation handelte oder um einen langfristig wirksamen Entwicklungstrend moderner Gesellschaften; die scheinbare Schlüssigkeit und das Überwiegen rein quantitativer Maßstabsetzungen taten ein übriges, den Entwicklungstrend der Nachkriegszeit bruchlos fortzuschreiben, 5 denn - so 2 Auf diesen Zusammenhang verwiesen zu haben ist das Verdienst von Lutz, Burkart: Der kurze Traum immerwährender Prosperität, Frankfurt am Main-New York 1984. 3 Ambrosius, Gerold: Das Wirtschaftssystem, in: Die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Bd. 2: Wirtschaft, hg. von Wolfgang Benz, Frankfurt/M. 1989, 14 f. 4 SV/ VP, Niederschrift über Besprechungen am 5. Januar und 9. Januar 1963 (anwesend: Vits, Nord, Bayer, Dryander). 5 Lutz, Burkart: Die Singularität der europäischen Prosperität, in: Kaelble, Hartmut (Hg.): Der Boom 1948-1973. Gesellschaftliche und wirtschaftliche Folgen in der Bundesrepublik Deutschland und in Europa, Opladen 1992, 56 f.
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Der Stifterverband nach dem II. Weltkrieg
hat es Werner Abelshauser formuliert - „gerade dieser industrielle Strukturwandel zugunsten neuer Produkte und zukunftsorientierter Technologien stellte hohe Anforderungen an die Qualifikationsstrukturen des Arbeitskräftepotentials."6 Gleichzeitig wuchsen - z.T. auch durch die Erfolge des Stifterverbandes bei der Sensibilisierung der Öffentlichkeit für die Belange von Wissenschaft und Forschung die Forderungen nach einer weiteren Verstärkung der Ausbildungskapazitäten für den akademischen Nachwuchs. Im Memorandum von acht bedeutenden Wissenschaftlern zur Situation der deutschen Bildungspolitik hieß es schon 1961: „Im Zusammenhang mit der im vollem Gang befindlichen Umschichtung unserer Gesellschaft hat das technische Zeitalter uns vor neue Bildungs- und Ausbildungsanforderungen gestellt, denen bisher kein Zweig unseres Bildungswesens gewachsen ist. Das öffentliche Bewußtsein hat noch nicht begriffen, daß in der Welt des 20. Jahrhunderts das wirtschaftliche Potential und die politische Selbstbehauptung eines Staates vom Stande seines Bildungswesens abhängig sind. Eine durchgreifende Neuordnung unseres Erziehungs- und Bildungswesens ist heute zu einer politischen Aufgabe ersten Ranges geworden. Sie muß sozial gerechte Methoden der Begabtenauslese einführen, muß der ländlichen Jugend gleiche Bildungschancen eröffnen wie der städtischen und muß es ermöglichen, den steigenden Bedarf an qualifizierten Nachwuchskräften der verschiedenen Bildungsstufen zu befriedigen. Diese Reform droht an der Schwerfälligkeit unseres föderativen Systems der Kulturverwaltung zu scheitern. Sie ist aber als gemeindeutsche Aufgabe so dringlich wie der Ausbau der wissenschaftlichen Hochschulen und Forschungseinrichtungen. Wie dort müssen darum auch hier neue Wege zur Zusammenarbeit von Bund und Ländern gefunden werden, die eine einheitliche Planung und Entscheidung der Grundsatzfragen ermöglichen."7 Die Gründung des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung unter Leitung von Hellmut Becker im Jahre 1963, der Alarmruf von Georg Picht über die bevorstehende „Bildungskatastrophe" im Jahre 1964 und das Postulat Ralf Dahrendorfs „Bildung ist Bürgerrecht" aus dem Jahre 1965 können als wichtige Indikatoren der gewachsenen Erwartungen an den Bildungssektor gesehen werden.8 „Unser Erziehungs- und Bildungswesen ist so funktionsunfähig geworden, daß es sogar seinen eigenen Bedarf nicht mehr decken kann: das ist die unwiderlegbare Konsequenz, die sich aus der kritischen Analyse der Bedarfsfeststellung der Kultusminister ergab. Was die Kultusminister der deutschen Öffentlichkeit in vorsichtiger Verhüllung präsentiert haben, ist die 6 Abelshauser, Werner: Wirtschaftsgeschichte der Bundesrepublik Deutschland 1945-1980, Frankfurt/M. 1983, 95. 7 Das Memorandum der Acht. Wissenschaftler warnen vor Selbstgefälligkeit und Illusionen, in: DZ Nr. 9, 2. März 1962, 6. Das am 6. November 1961 in Tübingen unterzeichnete Memorandum trägt die Unterschriften von Hellmut Becker, Joachim Beckmann, Klaus von Bismarck, Werner Heisenberg, Günter Howe, Georg Picht, Ludwig Raiser und Carl Friedrich von Weizsäcker. 8 Richter, Ingo: Das Institut für Bildungsforschung der Max-Planck-Gesellschaft Berlin, in: Mitteilungen aus der MPG 6, 1968, 383-399; MPI für Bildungsforschung, in: Berichte und Mitteilungen der MPG 2, 1989 und Bischoff, Friedrich: Bildung und technischer Fortschritt, Frankfurt am Main-New York 1986, 28 ff.
Zwischen Wirtschaftsboom und „Bildungskatastrophe"
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Erklärung eines nationalen Notstandes erster Ordnung. Es handelt sich nicht um vorübergehende Mißstände auf irgendeinem Sektor des öffentlichen Lebens; die Fundamente unserer Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung sind bedroht. Wenn ein solcher Notstand herrscht, dann hat der Bürger das Recht, von seiner Regierung ein Aktionsprogramm zu erwarten."9 Die Feststellung des CDU-Bildungspolitikers Hans Dichgans, daß „Arbeitskraft und Kapital... knapp und nur beschränkt vermehrbar" seien, war gerade in Kreisen der Wirtschaft geläufig. 10 Wiewohl sich besonders die Verantwortlichen des Stifterverbandes der enorm gestiegenen Bedeutung ihres Engagements in der vor ihnen liegenden Phase der bundesrepublikanischen Entwicklung bewußt waren, so ließ die Spendenbereitschaft ihrer Klientel für die Förderung der Wissenschaft in Forschung und Lehre doch deutlich zu wünschen übrig. Ernst Hellmut Vits mahnte dagegen mit den seit über einem Jahrzehnt bewährten Argumenten: „Der Wettstreit der politischen, wirtschaftlichen und sozialen Systeme in der Welt bezieht sich nun einmal ganz besonders auf die Wissenschaften und die Förderung des Nachwuchses. Wir haben heute glücklicherweise einen breiten Strom von Menschen aus allen Schichten unseres Volkes, die in unsere Bildungseinrichtungen drängen. Andererseits braucht das technische Zeitalter eine ständig wachsende Zahl ausgebildeter Menschen, deren Kenntnisse und Fähigkeiten unsere Wirtschafts- und Sozialverfassung, aber auch unser politisches Geschehen bestimmen. Daher muß die geistige Substanz aller Schichten mobilisiert werden."" In dem Dilemma steigender Erwartung auch gegenüber der Wirtschaft, dem neuen „Bildungsnotstand" abzuhelfen, bei gleichzeitig sinkender Bereitschaft der Unternehmen, dem Stifterverband die nötigen Mittel zur Verfügung zu stellen, sah Schatzmeister Winkhaus 1965 erstmalig die bislang wirksame Dynamik der Idee des Stifterverbandes in Frage gestellt und suchte - nüchtern die Lage analysierend - den Schulterschluß seiner Vorstandskollegen zur Bewahrung der Grundidee: „Wenn ich zu diesen unseren Anstrengungen noch die beiden Tatsachen hervorhebe, daß wir - und keineswegs nur anhand der Statistik - im Schnitt kein schlechtes' Wirtschaftsjahr hinter uns haben und daß der Stifterverband eine gute Presse hatte wie noch kaum in den Jahren vorher, so bleibt die Frage im Raum, woher der nicht den Erwartungen entsprechende Erfolg in 1964? Die Frage muß aufgegliedert werden in eine nach irrigen Voraussetzungen bei der Festsetzung des Haushaltes, d.h. nach irrigen Voraussetzungen bei der Einschätzung des Spendenwillens und eine andere nach Fehlern auf Seiten des Stifterverbandes. 9 So die düstere Aussicht von Picht, Georg: Die deutsche Bildungskatastrophe. Analyse und Dokumentation, Ölten und Freiburg/Br. 1964, 65. 10 Hans Dichgans auf dem Wirtschaftstag der CDU/CSU 1965, zit. nach Wilharm, Irmgard (Hg.): Deutsche Geschichte 1962-1983. Dokumente in 2 Bden., Bd. 1, Frankfurt am Main 1985, 233-236. 11 Vits zitiert nach Pfeil, Gerd-Horst: Hilfstruppe der Wissenschaft, in: Die Welt 2. Februar 1963.
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Der Stifterverband nach dem II. Weltkrieg
Am einfachsten scheint mir die Frage nach den irrigen Voraussetzungen, denen Vorstand, Kuratorium und Hauptverwaltung bei der Festsetzung des Haushaltes für 1964 aufgesessen sind. Um keine Mißverständnisse aufkommen zu lassen, ich bin mit dem Herrn Vorsitzer noch heute der Meinung, daß wir mit unserem Optimismus richtig lagen - denn ohne unverwüstlichen Optimismus läßt sich dieses Geschäft überhaupt nicht meistern, ganz zu schweigen von der Erfüllung der Wünsche der Wissenschaft. Nun sagen wir ganz ehrlich, womit wir gerechnet hatten: 1) Ganz allgemein mit einem gesteigerten Spendenergebnis, das mindestens der Steigerung des Bruttosozialprodukts entsprach. 2) Darin lag die Hoffnung auf eine Steigerung oder Anpassung der Spenden einiger alter Freunde, die bereits allein einige hunderttausende Mark ausgemacht hätte. 3) Schließlich aber auch mit einem wesentlich größeren Erfolg an Erhöhungen und Neuzugängen aus Kreisen der mittleren Industrie und des mittelständischen Gewerbes. Sicherlich, die freien Einnahmen sind trotz alledem um ein Geringes gestiegen, aber der erhoffte Millionenzuwachs im ganzen ist eben ausgeblieben. Wenn wir uns aber an die Brust schlagen, so müssen wir auch immer wieder die ernste Frage an uns richten, ob für den mangelhaften Erfolg in 1964 Fehler von Seiten des Stifterverbandes vorliegen, ob die Dynamik der vergangenen Jahre erloschen ist, ob wir nach 15 Jahren bereits zu sehr administrieren, verwalten, in der Routine uns begnügen oder gar beginnen zu resignieren. Nun, ich glaube, daß man von Fehlern im Sinne des Wortes nicht reden kann, auch wenn der eine oder andere mit unseren Methoden nicht einverstanden ist. Ich glaube, daß es kaum eine Organisation unserer Art gibt, die in 15 Jahren ohne so geringe Reibungsflächen mit ihren .Klienten' und mit der Öffentlichkeit ausgekommen ist wie der Stifterverband. Damit verengt sich die Frage auf den Bereich der Dynamik unserer Idee. Hierzu möchte ich vorweg mit Ihnen das Einverständnis darüber herstellen, daß wir auf keinen Fall resignieren und uns etwa lediglich mit dem Bewahren und Verwalten des bisher Erreichten begnügen. Ich halte nach wie vor - auch bei verringerten Gewinnspannen und anderer auf die Unternehmen zukommenden Schwierigkeiten - eine Verdoppelung unseres Spendenaufkommens nicht für unreell."'2 Diese internen Überlegungen sind in ihrer Grundsätzlichkeit und Schärfe geeignet, die Schwierigkeiten zu belegen, die der Stifterverband in dieser Umbruchphase zu verarbeiten hatte. Sie zeigen zugleich, daß sich mit der Führungsgruppe des Verbandes eine Gruppe von Männern der Wirtschaft zusammengefunden hatte, die der Grundidee der Wissenschaftsförderung durch die Wirtschaft verbunden blieb, auch als die äußeren Bedingungen die Arbeit erschwerten. Der Gedanke an Resignation verbot sich um so eher, als der neue Bundeskanzler Erhard in seiner ersten Regierungserklärung im Herbst 1963 die existentielle Bedeutung der Wissenschaft besonders herausgehoben und damit dem Grundgedanken des Stifterverbandes Unterstützung hatte zukommen lassen: 12 SV/VP Winkhaus 10. Mai 1965.
Binnensicht II: Die Ära Risler 1965-1978
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„Es muß dem deutschen Volk bewußt sein, daß die Aufgaben der Bildung und Forschung für unser Geschlecht den gleichen Rang besitzen wie die soziale Frage für das 19. Jahrhundert".'3
Unverkennbar war jedoch, daß sich die Ausgangslage für die Arbeit des Stifterverbandes aus inneren und äußeren Gründen verändert hatte. Es sollte die Aufgabe des neuen Generalsekretärs werden, mit dieser schwierigen Last umzugehen, sie vielleicht sogar abzuschütteln.
6. Binnensicht II: Die Ära Risler 1965-1978: Herausforderungen und Anstöße 15 Jahre praktischen Ringens um eine wesentliche Ausweitung der Zuwendungen der Wirtschaft an ihre Gemeinschaftsaktion führten die Akteure des Stifterverbandes zu der nüchternen Einschätzung, daß an eine wesentliche Steigerung der Mittel, bei bloßer Fortführung der bisherigen Praxisjährlich neu mit einem Spenden wünsch an die Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft heranzutreten, nicht zu denken war. Eher befürchtete man, daß mit dem allmählichen Ausscheiden der Gründergeneration ein wesentlicher Impuls für die in Vorstand und Verwaltungsrat vertretenen Personen ausbleiben würde, mit der Höhe der von ihnen aufgebrachten Mittel ein sichtbares Zeichen für den Rang der von ihnen repräsentierten Unternehmen zu geben. Zudem büßten die Unternehmen der Montanindustrie, die traditionell das Rückgrat des Stifterverbandes bildeten, im Verhältnis zur Gesamtwirtschaft allmählich an Bedeutung ein, was die Gefahr heraufbeschwor, in Zukunft nicht einmal die erreichte Höhe der freien Zuwendungen halten zu können. Bereits im Jahre 1960 rechnete der Stifterverband in Folge der Steinkohlenkrise mit jährlichen Verlusten von rd. 1 Mio. DM, und auch andere Branchen waren immer schwerer zu Zuwendungen zu bewegen. Einzelne Verbände bauten sogar die Belegschaftsumlage zugunsten der verbandseigenen Forschung ab. Deutlich brachte die vorbildlich spendende eisenschaffenden Industrie ihren Unmut über die zögerliche bis abweisende Haltung anderer Branchen zum Ausdruck.1 Konnte bereits 1963 der Haushaltsvoranschlag nur mit Mühe erfüllt werden, so wies der Haushalt 1964 mit einer Quote von 3,8% die geringste Steigerungsrate seit Bestehen des Stifterverbandes auf.2 Neue Problemlagen des Stifterverbandes Im Stifterverband war damit dringender Anlaß gegeben, verstärkt über den Anspruch einer wirklichen „Gemeinschaftsaktion der Wirtschaft" zur Förderung der Wissenschaft und seine Einlösung nachzudenken. Zwar hatte der Stifterverband in den vorausgegangenen Jahren gewisse Fortschritte bei der sektoralen Verteilung seines Mittelauf13 Die Regierungserklärung vom 18.10.1963 in: Behm, Hans Ulrich (Hg.): Die Regierungserklärungen der Bundesrepublik Deutschland, München 1971, 133. 1 BahA 01039, Gummert Verwaltungsrat 28. April 1960. 2 SV/ VP, Winkhaus Jahresversammlung 10. Mai 1965. Zur Erfüllung seiner Aufgaben hielt Winkhaus jährliche Steigerungsraten von 10 % für unerläßlich.
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kommens erzielt, doch bildete die noch immer mangelnde Beteiligung der mittelständischen Wirtschaft am Verbandsaufkommen weiterhin einen Stein des Anstoßes. Die Wahl Thorwald Rislers zum neuen Leiter der Hauptverwaltung setzte vor diesem Hintergrund ein merkliches Zeichen. Risler brachte in sein Amt gleichermaßen Erfahrungen eines Mittelständlers ein, die er in seiner unternehmerischen Tätigkeit nach dem Krieg gewonnen hatte, wie auch Kenntnisse auf dem Gebiet des Stiftungswesens, die ihm als Geschäftsführer der Geschwister-Scholl-Stiftung zur Verfügung standen. 3 Darüber hinaus verband sich mit ihm die Hoffnung, auch im südwestdeutschen Wirtschaftsraum Fuß zu fassen. Damit schien er der geeignete Mann zu sein, um den Vorstand auf neuen Wegen bei der Förderung von Wissenschaft und Forschung zu unterstützen. Vor allem wartete auf Risler die Aufgabe, jene Maßnahmen umzusetzen, mit denen der Vorstand den wachsenden Schwierigkeiten bei der Einwerbung von Spendengeldern begegnen wollte. Risler übernahm die Verantwortung, die bereits begonnene Dezentralisierung weiterzuführen sowie bei den bisher noch kaum erfolgreichen Versuchen des Stifterverbandes, Stiftungen anzuregen und zu verwalten, endlich konkrete Ergebnisse zu erzielen.4 Die Dezentralisierung des Verbandes war aus der Einsicht heraus angestoßen worden, daß an eine stärkere Beteiligung der mittleren und kleineren Unternehmen am Spendenaufkommen des Stifterverbandes solange nicht zu denken war, wie nicht intern die entsprechenden institutionellen Voraussetzungen dafür geschaffen waren. Die Rolle der Stiftungen für die Finanzierung von Wissenschaft und Forschung war erst relativ spät in den Gesichtskreis des Stifterverbandes gerückt. Obwohl die Möglichkeit der Stiftungen von Richard Merton 1949 schon gesehen worden war, ließ sich in den ersten Jahren nach der Wiedergründung ein Interesse an dieser in Deutschland wenig verbreiteten und vor allem in Amerika praktizierten Form der Wissenschaftsförderung kaum feststellen.5 Um so bemerkenswerter waren die Signale, die durch die Errichtung größe3 1913 geboren, schlug Risler zunächst eine wissenschaftliche Laufbahn ein, die ihn vom humanistischen Gymnasium kommend bis zur Mitarbeit am Deutschen Archäologischen Institut führte. Seine standhafte Haltung gegenüber dem Nationalsozialismus zwang ihn zu einer kaufmännisch-technischen Ausbildung in Berlin und Karlsruhe, die es ihm nach dem Krieg ermöglichte, die durch Kriegszerstörungen und Demontagen schwer angeschlagenen Süddeutschen Isolatorenwerke GmbH in Familienbesitz zu halten. Weiterhin war er an der Neugründung der Schule Schloß Salem beteiligt, wo er auch Latein, Griechisch und Geschichte unterrichtete. 1959 übernahm er die Geschäftsführung der Geschwister-Scholl-Stiftung, die als Trägerin der Hochschule für Gestaltung in Ulm das wirtschaftliche und organisatorische Fundament dieser Einrichtung sicherte. Über seine Vorstandstätigkeit bei der Schule Birklehof e.V. und die Mitarbeit im Ettlinger Kreis stand Risler in engem Kontakt zu den bildungspolitischen Initiativen der 60er Jahre. 4 Möglicherweise gaben die Kenntnisse auf dem Gebiet des Stiftungswesens den Ausschlag für die Wahl Rislers gegenüber dem zunächst von Herrn Gummert vorgeschlagenen Dr. Lehmann, dem langjährigen Hauptgeschäftsführer des TWV; SV/VP, Vorstandssitzung 2. Dezember 1963. 5 Im Jahre 1957 machte der Stifterverband erstmals in seinen Veröffentlichungen auf die Bedeutung von Stiftungen aufmerksam.
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rer Stiftungen außerhalb des Stifterverbandes - Fritz Thyssen-Stiftung 1959 und Stiftung Volkswagenwerk 1961 - gesetzt worden waren.6 Auf den relativ langen Prozeß zur Entwicklung der VW-Stiftung hatte der Stifterverband zumindest dadurch Einfluß zu nehmen versucht, als Ernst Hellmut Vits Wirtschaftsminister Erhard sowohl auf die erforderliche Förderung der Wissenschaft als auch auf die Notwendigkeit hingewiesen hatte, Vertreter der Wirtschaft im Aufsichtsrat der Stiftung zu beteiligen. Der sich mit diesen spektakulären Gründungen anbahnenden Entwicklung zur Errichtung von Stiftungen gedachte man auf Seiten des Stifterverbandes nicht tatenlos zuzusehen, zumal es der Generation der Gestalter des „Wirtschaftswunders" erst seit den 60er Jahren möglich wurde, über größere Vermögen disponieren zu können. So sehr sich aber der Stifterverband über die Person Thorwald Rislers neuen Perspektiven in der Wissenschaftsförderung öffnete, so sorgte der bis zu seinem Tode am 23. Januar 1970 den Vorstand führende Ernst Hellmut Vits für Kontinuität beim Übergang zu neuen Wegen in der Wissenschaftsförderung.
a) Die Dezentralisierung seit 1963 Viele Versuche der Hauptverwaltung, den Personalbestand im Außendienst zu reduzieren und durch „zeitgemäßere" Formen der Werbung zu ersetzen, scheiterten. Kurzfristig erzielte Einsparungen bei den Personalkosten mußten durch ein wesentlich geringeres Spendenaufkommen erkauft werden und wurden deshalb schon nach kurzer Zeit wieder rückgängig gemacht. In diesem Zusammenhang war dem Vorstand immer wieder vor Augen geführt worden, wie bedeutsam der unmittelbare und persönliche Unternehmenskontakt für die Spendenakquisition war. Indem die Geschäftsführer im Außendienst mögliche spezielle Wünsche potentieller Spender ermittelten, waren konkrete Ansatzpunkte für den Stifterverband gegeben, er konnte darauf reagieren. Außerdem war auf diesem Wege der jeweilige Anklang des Stifterverbandes in breiteren Unternehmenskreisen unverblümt zu ermitteln, und es konnten vertrauliche Informationen und Wertungen weitergegeben werden. Auf diesem Wege wurde auch der Wunsch vieler mittlerer Unternehmen an die Hauptverwaltung herangetragen, enger an der Arbeit des Stifterverbandes beteiligt zu werden und so auch einen tieferen Einblick in die Verwendung der Mittel zu bekommen. Am 18. März 1963 griff der Vorstand diese Anregungen, „in die Regionen zu dezentralisieren"7, auf und billigte die Errichtung von Landeskuratorien. Zur Unterstützung der Landesgeschäftsführer sollte mit diesen zunächst nicht mehr als fünf Landesvertretungen eine Brücke zu regional bekannten Persönlichkeiten geschlagen werden und damit die Schwelle eines ersten Kontaktes mit dem Stifterverband gesenkt werden. 8 Insbesondere wurde über die Dezentralisierung angestrebt, das Spendenaufkommen der mittelständischen Wirtschaft auf hohem Niveau zu homogenisieren. 6 Vgl. dazu als ersten Überblick Möller, Rolf: Die Rolle der Stiftungen bei der Wissenschaftsförderung, in: Gerwin, Robert (Hg.): Wie die Zukunft Wurzeln schlug. Aus der Forschung der Bundesrepublik Deutschland, Berlin-Heidelberg 1989, 322-327. 7 BahA 01039, Vermerk 11. März 1966. 8 SV/ VP, Winkhaus Vorstandssitzung 26. Januar 1966.
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Gerade innerhalb des Mittelstandes war die Spendenfreudigkeit extrem ungleich verteilt. Dem sollten die Landeskuratorien vor allem entgegenwirken, sie sollten ein unmittelbar sichtbarer Ansporn sein. In jedem Fall versprachen sich Vorstand und Verwaltungsrat von den Landeskuratorien eine Verdichtung des Gedankens der Wissenschaftsförderung.9 Zunächst wurden die Vorarbeiten für die Landeskuratorien Bayern und BadenWürttemberg aufgenommen, und eine Mustergeschäftsordnung für diese Gremien erarbeitet. Noch im Jahre 1964 konnten die ersten beiden Landeskuratorien gegründet werden, zunächst Baden-Württemberg am 5. November, unter dem Vorsitz von H. Cron, darauf Bayern am 7. Dezember unter Freiherr Tucher von Simmelsdorf, an die sich am 28. Januar 1965 die Gründung des Landeskuratoriums Berlin unter R. Schmidt anschloß. Im Zuge dieser Veränderungen wurden auch die sonstigen Organe des Stifterverbandes wieder einmal einer generellen Prüfung unterzogen, wobei der bisherige Verwaltungsrat einer aufeinander abgestimmten Konstruktion von einem Kuratorium und einer wachsenden Anzahl von Landeskuratorien umgewandelt wurde, neben denen die Organe der Mitgliederversammlung, des Vorstandes und der Hauptverwaltung weiterbestehen blieben. Die erste Sitzung des neuen Kuratoriums fand am 10. Mai 1965 in Wiesbaden statt, wo man auch die Geschäftsordnung der Landeskuratorien verabschiedete. Danach setzten sich die auf fünf Jahre im Einvernehmen mit dem Vorstand berufenen Landeskuratorien aus bis zu 20 Mitgliedern zusammen. Hinzu kamen jeweils als ex-officio-Mitglieder der regionale Repräsentant des BDI, der Vorsitzende der regionalen Arbeitsgemeinschaft der Industrie- und Handelskammern, der Vorsitzende der Landesrektorenkonferenz, sowie ggf. der regional zuständige Präsident der Akademie der Wissenschaften. Berechtigt zur Teilnahme an den Sitzungen waren darüber hinaus alle im jeweiligen Einflußgebiet eines Landeskuratoriums wohnenden Mitglieder von Vorstand und Kuratorium. Sitzungen sollten einmal im Jahr stattfinden und anläßlich jeder Jahresversammlung eine gemeinsame Sitzung der Landeskuratorien einberufen werden. Die Landeskuratorien entwickelten sich in der Folge zu wichtigen Trägern des Gedankens der Wissenschaftsförderung in der Wirtschaft und entfalteten öffentliche Wirksamkeit oft weit über ihren länderspezifischen Bezug hinaus. Neben der rein quantitativen Ausweitung der Veranstaltungen des Stifterverbandes war mit ihnen auch eine günstigere Verteilung der Aktivitäten über das ganze Jahr gewährleistet, ein Vorteil, der sich vor allem in der hitzigen Reformdiskussion der 60er auszahlen sollte. Die Grenzen dieser systematischen „Regionalisierung" waren durch die traditionelle Tätigkeit der Förderergesellschaften der einzelnen Hochschulen gezogen, die vor allem vom Marburger Universitätsbund vertreten wurden. Hier kam es insbesondere im Vorfeld einer Veranstaltung zur Öffentlichkeitsarbeit an den Universitäten zu Kollisionen, die eine grundsätzliche Diskussion des Verhältnisses Stifterverband/Förderergesellschaften herausforderten. Eine erste Berührung hatte sich bereits auf der Förderertagung am 5. Mai 1966 in 9 S V / VP, Vits: Verwaltungsrat 9. Mai 1963.
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Marburg ergeben. Vor dem Hintergrund eines stagnierenden Spendenmarktes versuchte der Stifterverband, die Förderergesellschaften von den Vorteilen einer Koordinierung der gemeinsamen Aktivitäten zu überzeugen. Eine ideale Ausgangsposition schien dabei in dem am 24. November 1966 gegründeten Landeskuratorium Niedersachsen gegeben. In der Hoffnung, daß „alle Formen der freien Unterstützung für die Wissenschaft" von der durch das Landeskuratorium zu entfachenden „Aktivität auf breiter Front" profitieren würden, hatten sich sämtliche niedersächsischen Förderergemeinschaften zur Mitarbeit bereit gefunden. 10 Hierin gründete sich für den Stifterverband die Zuversicht, daß der behutsam von Werner Bahlsen angebahnte Kontakt die Basis eines intensivierten Austauschs zwischen Stifterverband und Förderergesellschaften bieten könne. Doch auch hier stellte sich bald lähmendes Mißtrauen ein, das gemeinsames Handeln schier unmöglich machte, als deutlich wurde, daß beide Organisationen an den Spenden der mittelständischen Unternehmen interessiert waren. Auf ausdrücklichen Wunsch der Westdeutschen Rektorenkonferenz, die bereits 1964 Empfehlungen für die Verbesserung der Pressearbeit der wissenschaftlichen Hochschulen vorgelegt hatte, nahm sich die Hauptverwaltung der als weitgehend unzureichend empfunden universitätseigenen Öffentlichkeitsarbeit an. In Abstimmung mit den Förderergesellschaften sollte über neue, öffentlichkeitswirksame Formen der Präsentation der in den Universitäten geleisteten Forschungsarbeit nachgedacht werden." Gerade in der anschaulichen Präsentation der jeweils vor Ort sichtbar geleisteten Forschung sah die Hauptverwaltung eine Gewähr dafür, daß „der Gedanke einer auf breite Grundlage gestellten Wissenschaftsförderung und die Bereitschaft zum persönlichen Beitrag in immer weitere Kreise hineingetragen wird".12 Auch die hilflosen Reaktionen der Universitäten auf den studentischen Protest hatten nach Ansicht der Hauptverwaltung deren unzureichende Präsenz in der Öffentlichkeit deutlich gemacht. Zwar seien die Universitäten zu Brennpunkten der gesellschaftlichen Auseinandersetzung aufgestiegen, im Gegensatz zu anderen Ländern aber erschienen die Hochschulen in Deutschland eher als Objekte dieser Entwicklung, statt ihr eine eigene Richtung zu geben. Damit seien die Universitäten letztlich mitverantwortlich für den Eindruck, die Universität als Ganzes verschließe sich der Veränderung der Welt und werde von dieser Veränderung unvorbereitet überrollt.13 Geplant war, diesem Problemkomplex in Göttingen eine Arbeitstagung zu widmen und dabei zu überlegen, wie die Pressearbeit der Universitäten personell und materiell den Herausforderungen der Zeit angepaßt werden könne. In Zusammenarbeit mit den Förderergesellschaften Niedersachsens gedachte die Hauptverwaltung entsprechend initiativ zu werden. Doch scheiterte diese Initiative der Hauptverwaltung schon im Ansatz. Nicht nur stand das im Detail noch ungeklärte Verhältnis zwischen Stifterver10 BahA 01052, Notizen über die Gründung des Landeskuratoriums Niedersachsen im Stifterverband, 30. Nov. 1966. 11 BahA 01050, Fischer (Geschäftsstelle der WRK) an Risler 30. Nov.1968. 12 BahA 01052, Notizen über die Gründung des Landeskuratoriums Niedersachsen im Stifterverband, 30.Nov.1966. 13 WuW, 17. Jg., Nr. 2 (1969), 38/39.
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band und Förderergesellschaften einem praktikablen Arrangement entgegen, darüber hinaus mußte sich der Generalsekretär vorwerfen lassen, in einer so bedeutsamen Frage den Entscheidungen des eigenen Vorstandes vorgegriffen zu haben.14 Die Arbeitstagung zum Thema „Universität und Öffentlichkeit" fand schließlich in gemeinsamer Verantwortung von Stifterverband und WRK in Bad Godesberg statt, doch war im Vorfeld schon erkennbar geworden, wo die regionalen Grenzen der Wissenschaftsförderung und der Inanspruchnahme der Wirtschaft lagen. Nach dieser klaren Abgrenzung entwickelte sich das Verhältnis zwischen Stifterverband und Förderergesellschaften freundschaftlich. Auch der Erfahrungsaustausch auf dem Gebiet der Werbung und der Öffentlichkeitsarbeit kam schließlich doch zustande. Zumeist strebte der Stifterverband die Kooptierung des Vorsitzenden der jeweiligen Förderergesellschaften in das entsprechende Landeskuratorium an. Dabei setzte der Stifterverband auch in den folgenden Jahren die Dezentralisierung konsequent fort. In den folgenden Jahren konstitutierten sich die Landeskuratorien Hessen, RheinlandPfalz/Saarland, Nordrhein-Westfalen, Hamburg/Schleswig-Holstein und Bremen. Damit entwickelten sich die Landeskuratorien dank ihrer regionalen Präsenz zunehmend zu Kristallisationskernen aller privaten Aktivitäten auf dem Gebiet der Wissenschaftsförderung. Ihre Veranstaltungen setzten Markierungspunkte in der wissenschaftspolitischen Diskussion, die den Bekanntheitsgrad, aber vor allem auch den Wirkungskreis des Stifterverbandes bedeutend verstärkten. Darüber hinaus dokumentierte sich die gewachsene Bedeutung der Landeskuratorien in den Satzungsänderungen, die von der Mitgliederversammlung am 9. November 1970 gebilligt wurden. Indem der Vorstand sich zukünftig um die Vorsitzenden der jeweiligen Landeskuratorien erweiterte, fand vor allem die Mitarbeit der mittelständischen Wirtschaft endgültig ihre institutionelle Verankerung in den Gremien des Stifterverbandes und dem Vorwurf, eine Veranstaltung der Großindustrie zu sein, konnte jetzt wirksamer begegnet werden. In Fortführung dieser Veränderungen muß auch die satzungsmäßige Verankerung des BDA im Stifterverband gesehen werden. Seit 1978 gehörte dem Vorstand des Stifterverbandes neben den Präsidenten des BDI und des DIHT auch der Präsident des BDA von Amts wegen an.15
b) Die Verwaltung von Stiftungen als neue Aufgabe Es wurde bereits daraufhingewiesen, daß Richard Merton schon 1949 die Möglichkeit erkannt hatte, Kapitalstiftungen im Stifterverband zu verankern. Nach §3 seiner Satzung stand es dem Stifterverband seit diesem Jahr frei, Stiftungen zur Aufbringung seiner Mittel in Anspruch zu nehmen. Dennoch begannen erste, noch unsystematische Erkundungen des Stiftungswesen erst 1961. In der Hoffnung, hier „beachtliche Reser14 BahA 01049 und 01050, Wendt (Marburger Universitätsbund) an Risler 17. Juli 1968; Koenings-von Erffa an Wendt 30. Aug. 1969; Bahlsen an Koenings-von Erffa 12.Nov.1968; Risler an Bahlsen 19. Nov. 1968; Winnacker an Stifterverband 8.Januar 1969; Bahlsen an Vits 23. Januar 1969; Bahlsen an Ley 23. Januar 1969; Vits an Bahlsen 4. Februar 1969. 15 SV/ VP, Notiz Verabschiedung Esser 3. Dezember 1986.
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ven" für die Wissenschaftsförderung durch Wirtschaft und freie Berufe auftun zu können, und bestärkt durch die Gründung der Fritz Thyssen Stiftung im Jahre 1959 sowie den Aufbau der Stiftung Volkswagenwerk, widmete sich fortan ein Referat in der Hauptverwaltung der Akquisition von Stiftungen.16 Mit der Einrichtung des „Archivdienstes für Wissenschafts-Stiftungen" im Jahre 1963 stellte der Stifterverband diese ersten Sondierungen auf eine festere Grundlage. Neben einer Bestandsaufnahme aller wissenschaftsfördernden Einrichtungen, die unter dem Begriff „Stiftung" firmierten, nahm der Stifterverband Fühlung mit denjenigen Berufsverbänden auf, von deren Mitgliedern die Errichtung von Stiftungen am ehesten zu erwarten war. Resignierend mußte man daraufhin feststellen, daß von 40 angeschriebenen Verbänden nur eine positive Rückmeldung eintraf. Auch der Versuch der Errichtung selbständiger Direktoren-Stiftungen, der bis zur Ausfertigung eines Satzungsentwurfs gediehen war, wurde wieder fallengelassen. 17 Dennoch blieb die Hauptverwaltung beharrlich bei ihrem Vorhaben der Popularisierung des Stiftungswesens18 und nahm die ersten Enttäuschungen eher zum Anlaß, ihre Aktivitäten stärker systematisch zu organisieren.19 Neben der allgemeinen Verbesserung der Rahmenbedingungen für Stiftungen, für die sich der Stifterverband seit 1964 in der „Arbeitsgemeinschaft Großer Stiftungen" mit der Fritz Thyssen Stiftung und der Stiftung Volkswagenwerk engagierte, konzentrierte sich der Stifterverband vor allem auf die Beratung bei der Errichtung und der Betreuung unselbständiger, treuhänderischer Stiftungen und Stiftungsfonds. 20 Vor allem in diesem Segment erwartete der Stifterverband noch Reserven, da die Errichtung selbständiger Stiftungen in der Form etwa der Fritz Thyssen Stiftung oder der Stiftung Volkswagenwerk große Kapitalien erforderte, die vielen potentiellen Spendern nicht zur Verfügung standen. Mit der Prof. Dr.-Ing. Erich Müller-Stiftung zur Förderung des technisch-naturwissenschaftlichen Nachwuchses wurde 1963 die erste treuhänderische Stiftung mit einem Kapital von 1,72 Mio. DM beim Stifterverband eingerichtet.21 In den kommenden Jahren folgten jeweils weitere Stiftungen, deren Stiftungskapital zunächst aber hinter dem der ersten Stiftung zurückblieb. Nur die „Hermann und Lilly Schilling Stiftung für Medizinische Forschung" und die „Stipendienstiftung Physik und Mathematik" konnten wie die Müller-Stiftung auf einem Kapitalsockel von mehr als einer Mio. DM aufbauen. Die fachmännische Beratung bei der Anlage der Gelder übernahmen dabei die Herren Christians von der Deutschen Bank, Hauck, Mitinhaber des Bankhauses Georg Hauck & Sohn, und Baur, Direktor der Börsenabteilung der Bayerischen Vereinsbank. 16 SV/ VP, Gummert Verwaltungsrat 2. Juni 1961. 17 SV/ VP, Vorstand 9. Mai 1963. 18 In Übersetzung eines amerikanischen Originalbeitrages eröffnete WuW 11, Nr. 5, 1963 mit einem Beitrag über die „Förderung der Wissenschaft durch private Stiftungen in den USA". 19 SV/ VP, Vits Jahresversammlung 15. April 1964. 20 SV/ VP, Winkhaus Kuratorium 3. Mai 1966. 21 Zu Erich Müller (1892-1963), der zunächst in Diensten der Deutschen Reichsbahn tätig war, bevor er im Zuge des Zweiten Weltkriegs als Konstrukteur von Großgeschützen Bekanntheit erlangte, siehe den Ende 1995 erscheinenden Beitrag in der Neuen Deutschen Biographie.
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Die ersten praktischen Erfolge bei der Anregung von Stiftungen waren dem Stifterverband Anlaß, verstärkt die öffentliche Diskussion zum Thema Stiftungspolitik zu suchen. Am 3. Dezember 1966 fand in Frankfurt am Main unter maßgeblicher Beteiligung des Stifterverbandes die 4. Stiftungspolitische Arbeitstagung der Wirtschaftspolitischen Gesellschaft von 1947 statt. Gemeinsam riefen Stifterverband und Wirtschaftspolitische Gesellschaft offensiv zur Mobilisierung privater Initiativen auf. In unmittelbarer Folge der Bildung der Großen Koalition von CDU/CSU und SPD und der Wahl Kurt Georg Kiesingers zum neuen Bundeskanzler am 1. Dezember gewann die stiftungspolitische Initiative dabei einen deutlichen Unterton: „Es ist Sinn der stiftungspolitischen Diskussion, hier Wege zu weisen und zeitgemäße Formen der von uns für notwendig erachteten aktiven Zusammenarbeit von öffentlicher Hand und freien gesellschaftlichen Kräften zu entwickeln. Dieser Ansatz zur Überwindung etatistischen Denkens und der Gefahr einer Monopolisierung aller gesellschaftlichen Tätigkeiten durch die Bürokratie ist exemplarisch zu verstehen: Das Gemeinwohl hat sich nicht am Staat, sondern der Staat am Gemeinwohl zu orientieren."22
In einem Vortrag vor dem Notring der wissenschaftlichen Verbände Österreichs und der Vereinigung österreichischer Industrieller über die Entwicklung des Stiftungswesens in der Bundesrepublik unterstrich Generalsekretär Risler 1967 diesen Anspruch privater Initiative und äußerte sich in diesem Zusammenhang auch zur Bedeutung der Stiftungen im Rahmen einer „Modifizierung der Aufgabenstellung und des Erscheinungsbildes" des Stifterverbandes.23 Die bisherige Arbeit des Stifterverbandes sah Risler geprägt durch die spezifische Entwicklung Deutschlands im 20. Jahrhundert. Zum Ausgleich des inflationsgeschädigten Stiftungswesens in Deutschland habe der Stifterverband seit 1949 „als Sammelinstitution von Einzelspenden" wesentliche Beiträge zur Wissenschaftsförderung geleistet. „In einer Zeit aber, in der der rasante wirtschaftliche Aufschwung einem härteren Klima Platz macht, und sich das Interesse von äußeren Ehrungen auf nüchtern feststellbare Ergebnisse verlagert, kann nur eine bewußte und betonte Akzentverschiebung von dem notwendig begrenzten elitären Kreis zur liberal geöffneten Gemeinschaftsaktion weiterführen."24
Nicht nur der Generationswechsel in der Wirtschaft, die vollkommene Veränderung des gesellschaftlichen Rahmens lasse eine Neubestimmung der Verbandsarbeit notwendig erscheinen. In der Überzeugung, daß „die Freiheit in einer industriellen Massengesellschaft nur durch die Aktivierung des Individuums bewahrt werden" könne, sah Risler „die immense Bedeutung des Stiftungsgedankens".25 Ermutigt wurde der Stifterverband bei dieser Neuorientierung, die Risler energisch vorantrieb, durch ein Podiumsgespräch, das er am Vorabend seiner Wiesbadener Jah22 23 24 25
Stiftungspolitik. Sonderdruck aus: Offene Welt Nr.94, 1967, 5. WuW, 15. Jg., Nr. 2,1967,14. Ebd. Ebd.
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resversammlung vom 24. Mai 1968 zum Thema der Förderung des Stiftungswesens veranstaltete. Unter der Gesprächsleitung von Hellmut Becker, dem Direktor des MPI für Bildungsforschung, diskutierten Vertreter der Wissenschaft, der Stiftungen und der Politik grundlegende Fragen des Stiftungswesens. In seinem einführenden Referat betonte der Soziologe Ralf Dahrendorf die innovative Kraft der Stiftungen gegenüber der Allgegenwart des Staates. Einer mobilen und offenen Gesellschaft stehe es an, daß auch in Wissenschaft und Bildung Formen der Vielfalt und der Konkurrenz ihren Ausdruck fänden. Allerdings bedürfe es zur Durchsetzung der Stifterinnovationen einer gewissen Größenordnung, die notfalls über die Zusammenfassung kleiner Stiftungen zu realisieren sei. Wurden die Vorschläge Dahrendorfs weitgehend zustimmend begleitet, so reizte seine Anregung, „dem Interesse an Stiftungsgründungen durch hohe Erbschaftssteuer in Verbindung mit verstärkten steuerlichen Stiftungsanreizen" nachzuhelfen, zum spontanen Widerspruch.26 In einem am folgenden Tag vorgelegten Memorandum betonte der Stifterverband die Verantwortung des Staates, rechtliche und steuerliche Hindernisse bei der Errichtung und der laufenden Zweckerfüllung von Stiftungen abzubauen. „Die einzelnen Ländergesetze sollten hier so schnell wie möglich durch eine bundeseinheitliche Regelung abgelöst werden. Die Vereinheitlichung des Stiftungsrechts sollte darüber hinaus mit weitreichenden Reformen verbunden sein."27
Noch im gleichen Jahr bündelte der Stifterverband seine Aktivitäten zum Stiftungswesen in einem eigenen Stiftungszentrum (SZ). Deutlich über die Dokumentationstätigkeit des bisherigen Archivdienstes für Wissenschafts-Stiftungen hinausgehend, faßte das SZ Dokumentation, Information, die Beratung potentieller Stifter und die Verbandsaktivitäten zur Verbesserung der politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen von Stiftungen zusammen. Zunächst widmete sich ein kleiner Expertenstab von Juristen, Steuerfachleuten und Sozialwissenschaftlern auch der Verwirklichung mittlerer und kleinerer Stiftungsprojekte, deren Verwaltung der Stifterverband gegen Erstattung der Verwaltungskosten übernahm. Erst mit dem ungebremsten Wachstum des Stiftungsbereichs reiften im Stifterverband Überlegungen, die Verwaltungsübernahme von Stiftungen an bestimmte Voraussetzungen zu knüpfen. Bei der Verwendung der Erträge der Stiftungen lag es in der Hand der „treuhänderischen" Stifter, den Zweck und die Verwendung der Erträge eindeutig zu bestimmen oder in Zusammenarbeit mit dem Stifterverband über die Vergabe der Mittel zu befinden, während bei der Errichtung eines Stiftungsfonds 60% der ausgeschütteten Gelder für die Programme des Stifterverbandes zur Verfügung stehen und die verbleibenden 40% gemeinsam von Stifter und Stifterverband einer Verwendung zugeführt werden. Die Möglichkeit eines Stiftungsfonds wählte die Deutsche Bank, als sie dem Stifterverband aus Anlaß ihres einhundertsten Firmenjubiläums im Jahre 1970 ein Kapital von mehr als 10 Mio. DM zur Förderung der Wissenschaft in Forschung und Lehre zur treuhänderischen Verwaltung übertrug. Den Erfolg der Bemühungen des Stiftungszen26 Gather, Gemot: Neue Impulse für den Stiftungsgedanken, in: WuW, 16. Jg., Nr.4,1968,31 f. 27 SV/ VP, Jahresversammlung 24. Mai 1968.
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trums dokumentierte nicht nur dieser „große Coup", sondern vor allem die kontinuierliche Zunahme der Anzahl der Stiftungen und des Stiftungsvermögens. Schon im Jahre 1979 hatte das von 72 Stiftungen oder Stiftungsfonds gebildete Treuhandvermögen die Schwelle von 100 Mio. DM überschritten. Das gewachsene stiftungspolitische Schwergewicht des Stifterverbandes dokumentierte sich nicht nur im engen Kontakt zu den großen wissenschaftsfördernden Stiftungen in Deutschland, sondern fand über die Mitarbeit im „Hague Club" seinen Ausdruck auch auf europäischer Ebene. Der Name „Hague Club" steht dabei für den 1970 in Den Haag erfolgten Zusammenschluß der Direktoren großer europäischer Stiftungen als „a corporate body of European Foundation Directors". 28 Dabei dienten die regelmäßigen Direktorentreffen vornehmlich dem Informationsaustausch über aktuelle oder zukünftige Aufgaben privater Stiftungen. Vom 30. Mai bis zum 2. Juni 1978 lud der Generalsekretär des Stifterverbandes die Vertreter des inzwischen von 19 Stiftungen gestützten „Hague Clubs" zu einer Konferenz über die Aufgaben der Stiftungen in modernen Industriestaaten ins Bonner Wissenschaftszentrum ein.29 Dabei dokumentierte Bundespräsident Scheel sein Interesse an der Arbeit des „Hague Clubs" durch einen Empfang in der Villa Hammerschmidt. Publizistisch begleitete der Stifterverband die Arbeit des SZ mit einer eigenen wissenschaftlichen Schriftenreihe im Nomos-Verlag. Dabei kam insbesondere dem 1969 erschienenen ersten Band „Deutsche Stiftungen für Wissenschaft, Bildung und Kultur" grundlegende Bedeutung zu. In Anlehnung an das amerikanische „Foundation Directory" versuchte dieses Handbuch eine erste umfassende Bestandsaufnahme des Stiftungswesens in Deutschland und bildete so die Grundlage weiterer Arbeit auf diesem Gebiet, die inzwischen in dritter Auflage vorliegt.30 Insgesamt erfüllte das SZ eine wichtige Relaisfunktion bei der Verbesserung der Grundlagen eines dynamischen Stiftungswesens. Abgestimmt mit der Umstellung der Mittelvergabe zwischen 1967 und 1969 entwickelte sich das anfänglich eher als willkommene Ergänzung bei der Einwerbung freier und zweckgebundener Mittel gedachte Stiftungssegment zunehmend zum starken Spielbein wissenschafts- und bildungspolitischer Aktivitäten des Stifterverbandes. In seiner Einführung zum Tätigkeitsbericht 1971 bezeichnete Thorwald Risler den Stifterverband sogar als „Sammelstiftung", indem er die derart zu gewinnende Flexibilisierung besonders herausstellte und damit gleichzeitig den bisherigen Anspruch als „Gemeinschaftsaktion" fallenließ. 31 Auch wies er die mit dem Begriff „Verband" normalerweise assoziierte Vermutung zurück, es handele sich beim Stifterverband um eine Einrichtung zur Vertretung gemeinsamer wirtschaftlicher Interessen: 28 SV/ VP, Kuratoriumssitzung 23. Mai 1979. 29 SV (Hg.): Tätigkeitsbericht 1978, Essen 1978, 76. 30 Ute Berkel/ Klaus Neuhoff/ Ambros Schindler/ Erich Steinsdörfer: Stiftungshandbuch (Schriftenreihe zum Stiftungswesen; Bd.l), 3., Überarb. und erw. Aufl. Baden-Baden 1989. 31 Diese Charakterisierung des Stifterverbandes als „Sammelstiftung" findet sich erstmals im Tätigkeitsbericht 1967-1969, 9, der als Beilage von WuW, 18. Jg., Nr. 5, im Oktober 1970 erschien. Dabei fällt auf, daß erstmals die Hauptverwaltung direkt als Herausgeber des Tätigkeitsberichts firmierte.
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„Das entspricht keineswegs den Realitäten. Die im Stifterverband zusammengeschlossenen Mitglieder wollen gemeinsam dazu beitragen, daß Wissenschaft und Bildung gemeinnützig gefördert werden. Schon die heterogene Mitgliederstruktur schließt die Verfolgung eigener Interessen gegenüber der Wissenschaft aus. Die Mitglieder nehmen auch keinen Einfluß auf die Richtung der Forschung. Dies zu betonen erscheint mir wichtig"32
Damit vollzog der Stifterverband über die Aktivierung des Stiftungswesens nicht nur eine Verbreiterung und langfristige Sicherung seiner materiellen Basis, sondern nutzte die Phase der Umorientierung auch zu einer entschiedenen Neubestimmung seiner Funktion gegenüber der Wissenschaft wie auch seines Verhältnisses zur Wirtschaft. Hatte noch in den Diskussionen um die Neugründung das Interesse der Wirtschaft an den unmittelbaren Vorteilen wissenschaftlicher Forschung im Vordergrund gestanden, so trat dieser Impuls jetzt stärker zurück und wich einer offeneren Grundhaltung gesellschaftlicher Interessenvertretung der Wirtschaft. Daß diese Vergrößerung der Distanz zwischen Wirtschaft und Stifterverband nicht unproblematisch war, sollten die folgenden Jahre noch deutlich machen.
c) Wandlungen im Verhältnis zwischen Wirtschaft und Wissenschaft Traditionell stand der Stifterverband im engen Bündnis mit der DFG für die Förderung der Wissenschaft ein. Wenn auch nicht mehr ausschließlich auf diese zentrale Organisation wissenschaftlicher Selbstverwaltung fixiert, wie noch zu Zeiten der Notgemeinschaft, so dokumentierte der Stifterverband doch durch Abführung von 70% seiner freien Mittel als Globalzuwendungen an die DFG bis in die 60er Jahre hinein sein besonderes Verhältnis zu dieser Organisation. Dabei sicherte die Unterstützung durch die großen Betriebe der Montanindustrie der Tätigkeit des Stifterverbandes die nötige materielle Basis und sorgte für Kontinuität in der Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Wissenschaft. Mit dem zwangsläufigen Wandel in Wirtschaft und Wissenschaft, aber auch mit der Veränderung des gesellschaftlichen Umfeldes, wandelte sich auch diese Partnerschaft nachhaltig.33 Neben Expansion und Ausdifferenzierung von Wissenschaft und Forschung, die einer Steuerung von zentraler Stelle kaum noch einen Ansatzpunkt bot, stagnierte das freie Spendenaufkommen des Stifterverbandes seit 1965 bei etwa 21 Mio. DM. Vor allem die erhebliche Herabsetzung der Spendenzahlungen aus der Montanindustrie zeigte an, daß der Stifterverband vor dem tiefsten Einschnitt seit 1949 stand und daß die Dezentralisierung und die Anregung von Stiftungen allein nicht ausreichten, um der privaten Wissenschaftsförderung neue Impulse zu geben. Vielmehr seien die Mittel des Stifterverbandes angesichts der gestiegenen staatlichen Unterstützungen für die Wis32 SV/ VP, Risler 4./5. Mai 1972 vor der Arbeitsgemeinschaft deutscher Stiftungen. 33 Schon die von der Mitgliederversammlung am 5. Oktober 1964 angenommenen Satzungsänderungen geben dem veränderten Verhältnis zwischen DFG und Stifterverband Ausdruck. Ausdrücklich werden neben der DFG auch die MPG, der DAAD und die Studienstiftung als Mittelempfänger genannt.
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senschaftsorganisationen oftmals „nur mehr ein Tropfen auf den heißen Stein."34 Dringend müßten neue Spendenquellen erschlossen werden. „Die Kontinuität unserer Arbeit wird künftig davon abhängen, ob die Wachstumsindustrien und weitere noch konjunkturell begünstigte Unternehmen bereit sind, die zentrale Forschungsfinanzierung über den Stifterverband zu verstärken."35
Dies war eine Einsicht, die in der Rezession von 1967 nachdrücklich unter Beweis gestellt wurde. Dabei waren die Auswirkungen des erstmaligen Rückgangs des Sozialprodukts in der Nachkriegszeit nicht nur direkt in der verhaltenen Spendenbereitschaft der Wirtschaft wirksam, sondern indirekt auch über die Veränderung der politischen Rahmenbedingungen. Die große Koalition in Bonn brachte mit Karl Schiller eine Persönlichkeit in das Amt des Bundeswirtschaftsministers, die sich den Maximen des Keynesianismus verpflichtet fühlte. Dem Funktionsverlust der Sozialen Markwirtschaft, der seinen Niederschlag in einer Arbeitslosenzahl von mehr als 500.000 Menschen, sinkenden Wachstumsraten und einer erhöhten Inflationsrate finde36, sollte mit dem Gesetz zur Förderung von Stabilität und Wachstum vom 14. Juni 1967 entgegengewirkt werden.37 Der von Ludwig Erhard propagierten „Formierten Gesellschaft" wurde nun die „Mündige Gesellschaft" entgegengesetzt, 38 mit Auswirkungen auch in der Wissenschaftspolitik. Als Antwort auf die „Begrenztheit der finanziellen und personellen Möglichkeiten" wurden unter dem Bundesminister für wissenschaftliche Forschung Gerhard Stoltenberg weitere Schritte auf dem Wege zu Schwerpunktüberlegungen in der Forschungsförderung und einem gezielteren Einsatz der öffentlichen Mittel unternommen.39 Vor dem Hintergrund dieser vom Stifterverband wenig beeinflußbaren Entwicklungen konzentrierten sich die Diskussionen im Vorstandskreis vor allem auf die bisherige Vergabepraxis. Zu deutlich liefen hier alle Fäden des problematischer werdenden Verhältnisses zwischen Politik, Wissenschaft und Wirtschaft zusammen. „Das größte Hindernis für eine effektive Argumentation ist die sogenannte globale Mittelvergabe, die es schwierig macht, die Verwendung der Mittel detailliert darzustellen. Daher bemüht sich der Stifterverband seit langem um eine Konkretisierung seiner Mittelvergabe und um Entwicklung bestimmter Schwerpunkte."40
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RWWA/GHH400101460/112, Bungartz Vorstandssitzung 8.Mai 1969. BahA 0104Z, Vits an Bahlsen 16. Dezember 1966. Schiller, Karl: Neue Leitidee gesucht, in: Wirtschaftswoche Nr.22, Jg. 41, 1987, 102. Osterwald, Egbert: Die Entstehung des Stabilitätsgesetzes, Frankfurt 1982, 119. Ambrosius, Gerold: Das Wirtschaftssystem, in: Benz, Wolfgang (Hg.): Die Bundesrepublik Deutschland, Bd.l: Politik, Frankfurt a. M. 1983, 279. 39 Bundesminister für Wissenschaftliche Forschung, Bundesbericht Forschung II, Bonn 1967, 8. 40 RWWA/ GHH 40010146/ 812, Risler vor dem Landeskuratorium Baden-Württemberg 6. November 1969.
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Konkretisierung der Mittel Auch wenn die Bedeutung der freien Zuwendungen des Stifterverbandes an die Wissenschaftsorganisationen gerade vom Präsidenten der DFG Hess immer wieder betont worden war, zeichneten sich, bedingt durch das geringere Mittelaufkommen, aber auch im Zuge der personellen Veränderungen beim Stifterverband wie an der Spitze der Wissenschaftsorganisationen, Wandlungen in der Zusammenarbeit zwischen Stifterverband und Wissenschaftsorganisationen ab.4' Gegenüber dem neuen Präsidenten der DFG Julius Speer brachte der Stifterverband den dringenden Wunsch zum Ausdruck, der die Spendenwerbung belastenden „Anonymität" der Mittelvergabe entgegenzutreten.42 Dabei war zunächst nur an eine Herausstellung einzelner Projekte gedacht, die mit Mitteln des Stifterverbandes ermöglicht worden waren. „Wir glauben, daß hier Projekte wie das Forschungschiff,Meteor', wie die Technische Informationsbibliothek in Hannover oder auch das Institut für Präventivmedizin in Freiburg besonders ansprechende und überzeugende Vorhaben darstellen[...]"43
Zwar deutete Speer an, daß einzelne Schwerpunktprogramme speziell aus Mitteln des Stifterverbandes gefördert werden könnten, doch gab er zu bedenken, daß damit ähnlichen Ersuchen von Bund und Ländern ein Ansatzpunkt gegeben sein würde. Zunächst dachte Speer nicht an eine generelle Abkehr von den Globalzuwendungen. Er ging davon aus, dem Stifterverband in einer besonders schwierigen Phase seiner Entwicklung vorübergehend Hilfe zu gewähren, in der Hoffnung, nach Überwindung der Krise wieder zur alten Praxis der Sammelunterstützung zurückzufinden. Nachdem allerdings die konjunkturelle Talfahrt in den Jahren 1966 und 1967 weiterhin anhielt, ja ihrem Tiefpunkt erst noch entgegensteuerte, und die Zuwendungen an die DFG von 17.911.559 im Jahre 1964, über 17.389.502 im Jahre 1965, schließlich auf 14.544.489 im Jahre 1966 sanken, mehrten sich im Vorstand die Vorstöße zu einer generellen Revision der traditionellen Vergabepraxis. Während Vits sich befriedigt über das von der DFG signalisierte Entgegenkommen zeigte, forderte eine starke Gruppe innerhalb des Vorstandes eine unmittelbare Abstimmung der Mittelvergabe auf die Wünsche und Bedürfnisse der Mitglieder. Nur so war in ihren Augen die Lethargie der Gemeinschaftsaktion überhaupt zu überwinden. Entscheidendes Gewicht kam diesen Vorstößen gerade deshalb zu, da sich hierbei Vorstandsmitglieder exponierten, die als Vertreter der chemischen Industrie, der Banken, der Elektroindustrie oder der mittelständischen Wirtschaft Garanten der Modernisierung und damit von besonderer Bedeutung für eine zukunftsweisende Binnenstruktur des Stifterverbandes waren. Die vorstandsinterne Auseinandersetzung führte schließlich an den Rand des Rücktritts von Vits in der Vorstandssitzung am 23. Mai 1968 in Wiesbaden. In einem Kompromiß 41 SV/ VP, auf der Sitzung des VWR vom 9. Mai 1963 hatte Gummen noch festgestellt, daß an eine Abkehr von den globalen Zuwendungen an die Wissenschaftsorganisationen nicht gedacht sei. Weiterhin sollten 95% der vom Stifterverband zu vergebenden Mittel als Sammelzuwendungen gewährt werden. 42 WuW 13. Jg., Nr.3, 3; Vits Jahresversammlung 11. Mai 1965. 43 SV/VP, Winkhaus Notizen 10. Mai 1965.
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zwischen den beiden Positionen wurde schließlich erreicht, daß auch zukünftig ein möglichst großer Teil des Spendenaufkommens der DFG zur freien Verfügung überlassen werden sollte, daß aber daneben der Hauptverwaltung Handlungsspielraum zur stärkeren Einflußnahme auf die Mittel vergabe offenstehe. Damit entfernte sich der Stifterverband schrittweise von dem ohnehin kaum eingelösten Anspruch einer Gemeinschaftsaktion der deutschen Wirtschaft in Richtung auf eine flexibel zum Einsatz zu bringende Clearingstelle im Übergang von Wirtschaft und Wissenschaft, mit Servicefunktionen für einzelne Branchen, Gruppen oder Schwerpunkte. Vorangetrieben wurde die Veränderung in der Vergabepraxis auch durch den Konflikt des Stifterverbandes mit den staatlichen Vertretern innerhalb von DFG und MPG. Bund und Länder kritisierten die gegenüber den Haushaltsansätzen vorgenommenen Kürzungen des Stifterverbandes, aufgrund derer sie ihrerseits ein Recht auf Mittelkürzungen reklamierten. Dem dabei von den staatlichen Vertretern im Hauptausschuß der DFG geäußerte Vorschlag, „realistisch" vorzugehen und an die Zuwendungen der Wirtschaft die gleichen Maßstäben anzulegen wie an die Zuwendungen der öffentlichen Hand, trat der Stifterverband, unterstützt von Speer, energisch entgegen.44 In Briefen an die Generalsekretäre der DFG, Dr. Schiel, und der MPG, Dr. Schneider, verwahrte sich der Stifterverband gegen eine Gleichsetzung der freien Spenden mit den öffentlichen Aufwendungen und vor allem gegen eine feste Einstellung in die Haushalte der Wissenschaftsorganisationen. In der Folge des derart provozierten Vertrauensverlustes in der Wirtschaft sei nur mit dem Rückgang oder mit einer größeren Zweckbindung der freien Mittel zu rechnen.45 Gerade um diesen Gefahren entgegenzutreten, mahnte der Stifterverband bei der DFG an, die grundsätzlichen Probleme der Zuschüsse des Stifterverbandes neu zu überdenken. „Heute ist die Situation so, daß der Beitrag des Stifterverbandes im enorm gewachsenen Haushalt der DFG untergeht und - wie viele Kritiker in unserem Kreis sagen, ohne noch erkennbar die alte Funktion zu erfüllen oder etwa eine neue spezielle Wirkung zu entfalten den Staat bei den ihm zufallenden Aufgaben entlastet. Gerade aber das kann nicht die Aufgabe von Stiftungen und Spenden sein."46
Am 2. November 1967 wandte der Vorstand des Stifterverbandes dieser Entwicklung seine volle Aufmerksamkeit zu. Nach der Schilderung der jüngsten Entwicklungen bei der DFG und der MPG forderte Schatzmeister Winkhaus die Mitglieder des Vorstandes zu einer grundsätzlichen Diskussion darüber auf, ob die freiwillig erbrachten Spendenmittel der Mitglieder des Stifterverbandes feste Bestandteile der Etats der Wissenschaftsorganisationen sein dürften. Nachdem in Verhandlungen mit der MPG erreicht worden sei, daß der MPG die Stifterverbandsmittel zur freien Verfügung überlassen blieben, empfahl Winkhaus eine gleichermaßen konsequente Haltung gegenüber der DFG. Nur so könnte der Stifterverband seiner ursprünglichen Aufgabe wieder gerecht werden, Forschungsvorhaben Mittel zur Verfügung zu stellen, für die andere Finanz44 BahA 01048, Auszug Niederschrift Hauptausschuß DFG vom 4. März 1967. 45 BahA 01048, Risler an Schneider 26. Mai 1967; Risler an Schiel 18. April 1967. 46 Ebd.
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quellen nicht existierten. Grundsätzlich sei „eine Neuordnung bei der Verwendung der Mittel des Stifterverbandes innerhalb der DFG zu überlegen." 47 Um die Werbemöglichkeiten der Hauptverwaltung zu steigern, empfahl Winkhaus, „Herrn Risler für die Werbung um Spenden einerseits das Argument,unsere Mittel fließen in den wohl verwalteten Topf der DFG' nicht aus der Hand zu schlagen, ihm aber andererseits noch mehr als bisher Möglichkeiten zu bieten, der alle Werbung lähmenden .Anonymität' beizukommen."48 Im Tätigkeitsbericht von 1970 fand die Umorientierung im Verhältnis zwischen dem Stifterverband und den Wissenschaftsorganisationen und hier insbesondere gegenüber der DFG erstmals öffentlich ihren Niederschlag: „Auf dem Hintergrund des sich in der staatlichen wie nichtstaatlichen Wissenschaftsförderung vollziehenden Wandels ist die Vergabepolitik des Stifterverbandes gekennzeichnet durch den Übergang von der globalen Mittelvergabe seiner Mittel an die Selbstverwaltungsorganisationen der Wissenschaft zur schrittweisen Bildung eigener Schwerpunkte im engen Zusammenwirken mit den Fachgremien dieser Organisationen. Auf einem pragmatisch orientierten Weg wurde vorerst versucht, bisherige und neu beschlossene Aktivitäten in ein die Entwicklung eigentlicher Schwerpunkte vorbereitendes System einzuordnen."
Auch auf personeller Seite fand die Umstellung der Vergabepolitik ihre Entsprechung. War der Stifterverband bisher von zwei Mitgliedern des Vorstandes im Hauptausschuß der DFG vertreten worden, so übernahm der Generalsekretär des Stifterverbandes nach dem Tode von Clemens Plassmann im Jahre 1970 dessen frei gewordenen Sitz. Unter Schwerpunktbildung verstand Elkmann „die Subsumierung mehrerer Projekte unter ein gemeinsames, besonders förderungswürdiges Gesamtthema, wobei die Öffentlichkeitsarbeit unterstützend mitwirkt."49 Diese Schwerpunktbildung ermögliche es dann um so mehr, die Leistungen der Wirtschaft sichtbar zu machen.
d) Neues Vergabeprofil Nachdem die DFG im Jahre 1967 noch eine globale Zuweisung von 13,5 Mio. DM ohne Auflage erhalten hatte, ging der Stifterverband 1968 erstmals dazu über, die Zuwendungen an die DFG aufzuteilen in einen Sockelbetrag zur Stärkung der Selbstverwaltung und einen Betrag, der jeweils gemeinsamen Programmen von Stifterverband und DFG zur Verfügung stehen sollte. Besonderen Nachdruck verlieh der Stifterverband seinen Forderungen an die DFG durch eine vertiefte Zusammenarbeit mit der MPG, deren Sockelzuwendungen in der Erwartung steigender Spendeneinnahmen kontinuierlich steigen sollten. Das erste selbständig vom Stifterverband finanzierte Projekt war bezeichnenderweise das MPI für biologische Kybernetik in Tübingen. Vor allem unter dem Vorsitz von Hellmut Ley setzte der Stifterverband die ersten Ansätze zu einer neuen Vergabephilosophie, auch in bewußter Loslösung von der DFG, entschie47 SV/ VP, Winkhaus Vorstandssitzung 2. November 1967. 48 Ebd. 49 SV/ VP, Elkmann Notizen Vorstandssitzung 9. November 1970.
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den fort. Ziel war es dabei, über die Schwerpunktprogramme des Stifterverbandes nicht nur die mittleren und kleineren Unternehmen stärker für die Arbeit des Stifterverbandes zu interessieren, sondern auch dem Fonds der Chemie oder dem Hause Siemens Möglichkeiten der Mitarbeit im Stifterverband zu signalisieren. Gerade die Vertreter der Wachstumsindustrien waren nur über konkrete Projektarbeit für den Stifterverband zu gewinnen. Im Zusammenhang mit einer weitgehenden Veränderung an der Spitze des Stifterverbandes - Elkmann war seit 1969 Schatzmeister, Ley seit 1970 Vorsitzender, Spethmann seit 1971 erster stellvertretender Vorsitzender - nahm die seit 1967 im Vorstand geführte Vergabediskussion konkrete Formen an. Am 25. Oktober 1971 legte die Hauptverwaltung dem Vorstand ein Vergabeprogramm vor, das auf der Grundlage der Vorstandsbeschlüsse vom 5. März 1971 nähere Ausführungen zu den künftigen Förderungsschwerpunkten des Stifterverbandes machte.50 Unter Betonung einer flexiblen und dynamischen Stiftungspolitik beabsichtigte der Stifterverband, zunächst vier Schwerpunkten seine Aufmerksamkeit zuzuwenden. In Anbetracht des Übergewichts der naturwissenschaftlichen Disziplinen in der Forschung gedachte der Stifterverband, den Geisteswissenschaften eine bevorzugte Förderung zukommen zu lassen. Mit der Förderung von Organisationsmodellen interdisziplinärer Forschung reagierte der Stifterverband auf die immer spürbarer werdende Verflechtung der einzelnen Fächer und Disziplinen. Aufgrund des Eindrucks noch unzureichender Rahmenbedingungen für einen funktionierenden internationalen Wissenschafts- austausch nahm sich der Stifterverband der Förderung von Modellen internationaler wissenschaftlicher Zusammenarbeit an. Darüber hinaus verstärkte der Stifterverband seine Bemühungen um eine Vermittlung von Theorie und Praxis auf dem Feld der Bildungspolitik. Im Kontrast zur staatlichen Grundversorgung sollte der Stifterverband mit allen Schwerpunkten „berechtigten Bedürfnissen der Gesellschaft" überall dort nachkommen, wo sich der Staat einer Förderung versagte. 51 Hierbei sollte die nichtstaatliche Wissenschaftsförderung besonders durch Initiativprogramme und Projekte mit Modellcharakter hervortreten. Offensiv sollten Stiftungen durch ihre Existenz und ihre Aktivitäten die Prinzipien des gesellschaftlichen Pluralismus, der sozialen Marktwirtschaft, des Wettbewerbs und der Leistungsgesellschaft verteidigen. Eindeutig stellte sich der Stifterverband mit seinem Vergabeprogramm der Planungseuphorie, wie sie in der Regierungserklärung der neuen Regierungskoalition ihren Niederschlag gefunden hatte, entgegen. Kaum ein größerer Widerspruch läßt sich denken zu dem dort angesprochenen Ziel der Bundesregierung, „Methoden des politischen Entscheidungsprozesses über Forschungsprioritäten zu entwickeln, die heute kaum in den Anfängen vorhanden sind."52 Doch nicht nur inhaltlich ging der Stifterverband mit seiner Vergabereform neue 50 SV/ VP, Vergabeprogramm des SV 25. Oktober 1971. 51 Ebd. 52 Beyme, Klaus v. (Hg.): Die großen Regierungserklärungen der deutschen Bundeskanzler von Adenauer bis Schmidt, München-Wien 1979, 24.
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Wege. Parallel zu den gesteigerten Erwartungen des Stifterverbandes an die Zusammenarbeit mit den Wissenschaftsorganisationen gingen Stifterverband und DFG auch bei der wechselseitigen Gremienvertretung neue Wege. Nach dem Tod von Clemens Plassmann, der bis 1970 einen der beiden Sitze des Stifterverbandes im Hauptausschuß der DFG wahrgenommen hatte, folgte ihm - wie erwähnt - in diesem Amt kein jüngeres Vorstandsmitglied des Stifterverbandes, sondern der Generalsekretär. Den mit dem Vergabeprogramm steigenden Koordinationsanforderungen war schwerlich noch von einem aktiv in der Wirtschaft tätigen Vertreter des Stifterverbandes nachzukommen. Auch wenn am 15. Mai 1972 eine Vergabekommission des Vorstandes einberufen wurde, um den Generalsekretär bei seiner Mitwirkung in der DFG zu unterstützen und den gebotenen Kontakt zu den Mitgliedern des Vorstandes zu halten, so geben diese Veränderungen doch auch Kenntnis vom wachsenden Gewicht des Generalsekretärs und damit der Hauptverwaltung innerhalb des Stifterverbandes. Neben Mitarbeitern der Hauptverwaltung und Herrn Risler gehörten der Vergabekommission von Seiten des Vorstandes der Vorsitzende des Landeskuratoriums NRW Biedenkopf, Schatzmeister Elkmann und der ehemalige Präsident der DFG Hess an. Gerade in der Phase der praktischen Erarbeitung dieser Förderungsschwerpunkte sollte es sich als mittelfristig bedenklich erweisen, daß die Zuwendungen aus dem Bereich der Eisen- und Stahlindustrie wieder auf den Stand vor der Rezession zurückkehrten.53 Parallel zu dem Höhenflug der gesamten Volkswirtschaft schlugen die konjunkturverstärkenden Maßnahmen von 1967 auch bei den Zuwendungen an den Stifterverband zu Buche. Der so entstandene Eindruck der Konsolidierung der freien Mittel bei gleichzeitigem deutlichen Anstieg des Treuhandvermögens und der zweckgebundenen Mittel sollte sich als trügerisch erweisen. Nicht nur bürdete sich der Stifterverband so mit einigen Förderprogrammen eine erheblich Belastung auf, die er von der mittelfristigen Entwicklung seiner Finanzausstattung her nicht zu tragen in der Lage war, auch die Gleichstellung von DFG und MPG, die vor allem unter dem Vorsitz von Ley angestrebt worden war, um den Handlungsspielraum des Stifterverbandes zu vergrößern, mußte 1975 einer nüchterneren Einschätzung des Verhältnisses zwischen Stifterverband und MPG weichen. 54 Vor dem Hintergrund des mit „Priorität" geförderten Wissenschaftszentrums seit 1976 und nach der Übernahme des Vorsitzes durch HansHelmut Kuhnke, der sich der Vertretung des Stifterverbandes im Präsidium der DFG mit vollstem Einsatz widmete, büßte die Entwicklung des Verhältnisses zwischen Stifterverband und DFG an Dramatik ein. Der Stifterverband versprach, „auch in Zukunft keinen Apparat aufzubauen, der sich anmaße, die Qualität von Programmen unabhängig von den Möglichkeiten im Rahmen der DFG zu beurteilen." 55 Neben den schon angesprochenen Schwerpunkten förderte der Stifterverband noch die medizinische Forschung und leistete Hilfen für Organisation und Struktur der Wissenschaft. Den Hintergrund dieser Förderungsschwerpunkte bildeten zum einen die Errichtung des Wissenschaftszentrums sowie die zunehmende Bedeutung der Stiftungen im Rahmen 53 BahA 01049, Vits an Bohlsen 19. Dezember 1969. 54 BahA 01370, Vorstandssitzung 26. November 1975. 55 Ebd.
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der Förderpolitik des Stifterverbandes. Elf der vom Stifterverband 1978 verwalteten 72 Stiftungen wiesen eine medizinische Zweckbestimmung auf.56 Schwerpunkt Bildung Wenn der Stifterverband das Thema Bildung nach 1970 in allen seinen Facetten zu einem eigenen programmatischen Schwerpunkt erhob, so reichen doch die verschiedenen Wurzeln dieser Beschäftigung weiter zurück. Eher war es so, daß die personelle Konstellation an der Spitze des Stifterverbandes vor 1970 einer solch deutlichen Schwerpunktbildung entgegenstand. Risler dagegen war über seine Mitarbeit im Ettlinger Kreis mit allen Fragen der bildungspolitischen Diskussion bestens vertraut und lebhaft daran interessiert, konkrete Maßnahmen zur Reform des Bildungswesens zu ergreifen. In Ettlingen fanden seit 1957 regelmäßig Treffen interessierter Persönlichkeiten aus der vorwiegend mittleren Industrie über Grundfragen der Bildungspolitik statt.57 Lange vor der Beschäftigung einer breiteren Öffentlichkeit mit der Bildungsreform begründet, entwickelte sich der, auf Initiative des Unternehmers Hans Freudenberg zustande gekommene „Ettlinger Kreis" „zu einem Faktor in der Auseinandersetzung um die Bildungspolitik in der Bundesrepublik."58 Zunächst nur als Diskussionsforum für die unbefriedigende Entwicklung des Bildungswesens angestoßen, wurde er mit den Jahren zu einer festen Einrichtung, für die sich nach dem Tod von Hans Freudenberg sein Sohn Hermann engagierte. Aus Anlaß des zehnjährigen Bestehens führte Hellmut Becker aus: „Wenn sich ein Kreis von Industriellen nun schon zehn Jahre und immer wieder recht erfolgreich mit Bildungspolitik beschäftigt, dann ist das keine Aktion gegen Parlament und Wissenschaft, es macht nur deutlich, daß das Monopol der politischen Willensbildung nicht bei den politischen Parteien liegt und daß Demokratie nur dann gedeiht, wenn die Gesellschaft in allen ihren Gliedern bereit ist, freiwillig politische Verantwortung zu übernehmen."59
In diesem Kernpunkt traf sich die Initiative des Ettlinger Kreises mit den Vorstellungen, wie sie Risler auch für den Stifterverband und seine Programmplanung in Anspruch nahm, nämlich dazu beizutragen, „die Öffentlichkeit von dem Verantwortungsbewußtsein des Unternehmers für Wissenschaft und Bildung zu überzeugen."60 Aber zunächst galt es, die Haltung der Mitgliedsunternehmen „über die unternehmerische Mitverantwortung auch im Bereich von Wissenschaft und Bildung" kennenzulernen.61 Dabei geäußerte Nachfragen, ob angesichts des Geschehens an den Univer56 SV, Förderungsschwerpunkte 1969-1978 im Überblick, Sonderdruck aus Forum Nr.4, 5, und 6 (1979) undNr.l (1980). 57 Becker, Hellmut: Aufklärung als Beruf. Gespräche über Bildung und Politik, MünchenZürich 1992, 164 f. 58 Becker, Hellmut: Ettlingen, in: Neue Sammlung, 8, 1968, 241. 59 Ebd. 60 RWWA/ GHH 40010146/828, Risler Kuratoriumssitzung 12. Mai 1971. 61 MmA M 84.540, Mm AG Dir.-Abt. an Risler 14. September 1970.
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sitäten sichergestellt werden könnte, „daß die von der deutschen Wirtschaft gespendeten Gelder keinen Einzelpersonen oder Gruppen an unseren Hochschulen zugute kommen, deren Unterstützung die deutsche Wirtschaft ablehnt", konnte die Hauptverwaltung unter Hinweis auf die Vertretung des Stifterverbandes in den Beschlußgremien der Wissenschaftsorganisationen befriedigend begegnen. 62 Nur so konnte der Stifterverband dem Dilemma begegnen, das darin bestand, einerseits auf ein Mißtrauen gegenüber der von der sozial-liberalen Bundesregierung an die Spitze der innenpolitischen Reformen gestellten Bildungspolitik zu stoßen, andererseits aber - daraus resultierend - ein breites öffentliches Interesse für dieses Thema voraussetzen zu können. 63 Dieser Gratwanderung unterzog sich der Stifterverband bei der Konzeption seiner bildungspolitischen Initiativen. In der Überzeugung, daß das Bildungwesen immer stärker auf wissenschaftliche Erkenntnisse angewiesen sei, es andererseits aber an konkreten Institutionen und Verfahrensweisen zur Vermittlung zwischen Theorie und Praxis fehle, sah der Stifterverband bei den Aktivitäten im Bildungsbereich vor allem einen Ansatzpunkt für Kontakte zur politischen Ebene, Kontakte, die der Stifterverband wiederum bei seinen Bemühungen um die Förderung des Stiftungswesens zu nutzen gedachte. Ein weiterer Vorteil der bildungspolitischen Bemühungen war, daß sich die spätere Übernahme von Projekten durch die öffentliche Hand problemlos gestaltete und die finanziellen Belastungen des Stifterverbandes überschaubar blieben. Das größte und im Vorstand auch umstrittenste Programm stellten die Regionalen Pädagogischen Zentren (RPZ) dar. In zwei Modellversuchen in Bad Kreuznach und Aurich erprobte der Stifterverband seit 1974, in Zusammenarbeit mit dem Bund und den beteiligten Bundesländern Rheinland-Pfalz und Niedersachsen, die schulnahe Lehrplanentwicklung und Lehrerfortbildung. 64 In Zusammenarbeit mit benachbarten wissenschaftlichen Einrichtungen sollte dabei Sorge dafür getragen werden, daß auch bei einer dezentralen Lehrplanentwicklung keine qualitativen Einbußen hinzunehmen sein würden. Auf der anderen Seite sollte über die dezentrale Organisation der Schulverwaltung die Bevölkerung wieder einen stärkeren Einfluß auf die Bildungswege bekommen. In der Vorstandssitzung vom 26. November 1975 stieß die Einrichtung der RPZ auf teil weises Unverständnis. Zum einen seien die öffentlichen Aufwendungen für derartige Projekte mehr als ausreichend, zum anderen aber sei nicht zu verstehen, wie der Stifterverband ein solches Projekt in einer „Notsituation" seiner finanziellen Entwicklung fördern könne. 65 Dabei hatte der Stifterverband seine Initiativen sorgfältig in bildungspolitischen Gesprächen vorbereitet. In der Nachfolge der „Gespräche zwischen Wirtschaft und 62 MrnA M 84.540, Mm AG Dir.-Abt. an Risler 14. September 1970; SV, HV, Hilpert an Mm AG 30. September 1970. 63 Jäger, Wolfgang: Die Innenpolitik der sozial-liberalen Koalition, in: Karl Dietrich Bracher/ Wolfgang Jäger/ Werner Link: Republik im Wandel 1969-1974. Die Ära Brandt (Geschichte der Bundesrepublik Deutschland; Bd.5), Stuttgart-Mannheim 1986, 129 ff. 64 SV (Hg.): Tätigkeitsbericht 1976 und 1977, Essen 1977, 46 f. 65 BahA 01370, Vorstandssitzung 26. November 1975.
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Wissenschaft" veranstaltete der Stifterverband in der Villa Hügel Gespräche zwischen Wirtschaft, Wissenschaft und Politik, die bald zu einer festen Institution des Stifterverbandes wurden. Die später als Villa-Hügel-Gespräche bezeichneten Veranstaltungen markierten entscheidende Wegmarken zwischen der ersten Formulierung und der schließlichen Entscheidungsfindung von neuen Programmschwerpunkten. Dabei ist die bildungspolitische Ausrichtung der Villa-Hügel-Gespräche offensichtlich. Mit ihnen stellte der Stifterverband ein neutrales Forum für die Diskussion zentraler bildungspolitischer Fragen zur Verfügung. 66 Themen waren dabei 1970 „Schulreform durch Lehrplanrevision", 1972 „Reform der Bildungsverwaltung", 1975 „Bildungsexpansion und Beschäftigungsstruktur", 1976 „Die geburtenstarken Jahrgänge und die Aufnahmefähigkeit des Bildungssystems" und 1978 „Zwang zur Bildungspolitik - Mut zur Bildungspolitik". Einen großen publizistischen Erfolg konnte der Stifterverband mit dem gemeinsam mit der Studienstiftung betreuten Bundeswettbewerb Mathematik erzielen, dem später auch ein Bundeswettbewerb im Bereich Fremdsprachen nachfolgte.67 Die Bundeswettbewerbe richteten sich an die Schüler Höherer Schulen und verfolgten den Zweck, einerseits intellektuelle Sonderbegabungen ausfindig zu machen und andererseits das Verständnis der Öffentlichkeit für die Mathematik und später auch für die Bedeutung der Sprachen zu fördern.68 Die Sonderstellung dieser Wettbewerbe zeigten sich in vielerlei Hinsicht. Nicht nur zählten sie zu den bekanntesten Aktionen des Stifterverbandes überhaupt, mit der größten Multiplikatorwirkung in der Öffentlichkeit, sie vereinten auch in idealer Weise die verschiedenen Interessen von Wirtschaft, Wissenschaft, Öffentlichkeit und Politik.69
e) Verstimmung bei den Gönnern? Zu einem nicht unerheblichen Teil lebt der Stifterverband von dem Vertrauen, das seiner Arbeit in Politik, Wirtschaft und Wissenschaft entgegengebracht wird. Das zeigte sich einmal an den Bemühungen des Stifterverbandes, die rechtlichen und steuerlichen Rahmenbedingungen für die Wissenschaftsförderung zu verbessern, zum anderen aber auch an der sich verändernden Bereitschaft der Unternehmer, sich im Stifterverband und für den Stifterverband zu engagieren. Die Vergabepraxis war gerade deshalb umgestellt worden, um den wachsenden Klagen der Wirtschaft über die Anonymität der Zusammenarbeit mit den Wissenschaftsorganisationen zu begegnen. Mit den Unruhen an den deutschen Universitäten wurde das Verhältnis von Wirtschaft und Wissenschaft und damit die Basis des Stifterverbandes seit 1967 erst recht auf eine harte Probe gestellt. Noch vor der Zuspitzung der Ereignisse im Spätsommer 1967 konstatierte Vits im Jahrbuch 1966/1967 des Stifterverbandes „über die Partner [im Stifterverband] hinaus bis in den Kreis der interessierten Öffentlichkeit steigendes Unbehagen". 66 SV/ VP, Pistor Vorstandssitzung 24. April 1974. 67 SV (Hg.): Tätigkeitsbericht 1976 und 1977, Essen 1977,44 f. sowie SV (Hg.): Tätigkeitsbericht 1979, Essen 1979,40 f. 68 SV/ VP, Kreutzkam Kuratoriumssitzung 24. April 1975. 69 Ebd.
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„Daß im Zeitalter eines tiefgreifenden Wandels der Generationsverhältnisse die Beziehungen zwischen Lehrkörper und Studenten immer wieder in den Vordergrund der Polemik über die künftige Struktur unserer Hochschulen rücken, ist dabei kennzeichnend."70 Vor allem der historischen Vertiefung und der Versachlichung der Diskussion sollte das von Wolfgang Kalischer, dem Leiter der Dokumentationsabteilung der WRK, erarbeitete Jahrbuch über die „Universität und ihre Studenten", das Dokumente vom 12. Jahrhundert bis zum Jahre 1964 versammelte, dienen. Derweil hatte der studentische Protest gerade erst begonnen. Der Tod des Studenten Benno Ohnesorg am 2. Juni 1967 wurde zum Ausgangspunkt einer politischen Protestbewegung, die sich zunächst auf die Universitäten konzentrierte, aber weit über deren Rahmen hinausstrahlte und Wirkungen erzielte. „Nach dem 2. Juni 1967 ist die Studentenschaft nicht nur der Berliner Universität, sondern dank der Berliner Studenten die der gesamten Bundesrepublik, zu einem Faktor der deutschen Innenpolitik geworden."71 Dabei geriet die ursprünglich von den Studenten eingeklagte Hochschulreform bald in den Hintergrund und allgemeinpolitische Fragen rückten in den Mittelpunkt des Interesses: „Die Dynamik der Studentenbewegung im Jahre 1968 eskalierte den Protest über den aktiven Widerstand zur illegalen Aktion." 72 Als eine „abgewogene und ausführliche Betrachtung" der Ereignisse an der FU Berlin empfahl die Hauptverwaltung den Mitgliedern des Vorstandes die Darstellung des Politikwissenschaftlers Kurt Sontheimer, der als Professor der Freien Universität Berlin das Geschehen hautnah verfolgen konnte. 73 Darin verwies Sontheimer vor allem auf die eigene Verantwortung der Politiker und Professoren:74 „Die Aufgabe der Professoren wie der Politiker besteht deshalb heute darin, die Studenten nicht sich selbst zu überlassen, sondern mit ihnen zu argumentieren und dabei zur Kenntnis zu nehmen, daß sie Autorität nur in dem Maße beanspruchen können, in dem sie sich Autorität gleichermaßen durch fachliche Leistung, pädagogischen Ginsatz und demokratisches Engagement [...] erringen."75 Sontheimer schloß seinen Artikel in der Erwartung einer letztlich positiven Gesamtbilanz der studentischen Proteste. „Ihre Selbstgefälligkeit in Frage gestellt zu haben, könnte sich dereinst als ein Dienst der studentischen Politik an der deutschen Demokratie herausstellen."76 70 SV (Hg.): Jahrbuch 1966/1967. Die Universität und ihre Studentenschaft, Essen 1967, VII. 71 Sontheimer, Kurt: Studenten auf Kollisionskurs, in: Merkur Nr.235, XXI.Jg., Hft.8 (1967), 701-711, hier 701. 72 Jarausch, Konrad H.: Deutsche Studenten 1800-1970, Frankfurt/M. 1984,228. 73 RWWA/ GHH 400101460/ 112, Risler an Reusch 15. Sept. 1967. 74 Sontheimer, Kurt: Studenten auf Kollisionskurs, in: Merkur 21, 1967,701-711. 75 Sontheimer, Kurt: ebd., 710. 76 Sontheimer, Kurt: ebd., 711.
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Im Zuge der Studentenunruhen sah sich das Verhältnis des Stifterverbandes zu den Universitäten, aber auch zur organisierten Studentenschaft erstmals einer ernsten Belastung ausgesetzt. War der Stifterverband bisher im engen Schulterschluß mit dem VDS für die seit 1945 immer wieder geforderte Hochschulreform eingetreten 77 , so wurde diese Zusammenarbeit jetzt mit der nicht hinnehmbaren Forderung nach einer Demokratisierung der Hochschulen konfrontiert. 78 Von hier schien es nicht weit zur Forderung nach einer Demokratisierung der Wirtschaft zu sein, was die Existenzgrundlage des Stifterverbandes in Frage gestellt hätte. Dabei eignete sich die Universität besonders deshalb zum Angriffspunkt studentischen Protestes, da sie sich wie „kaum eine andere Institution im neueren Deutschland [...] dem Wandel heftiger widersetzt und bis zu den 70er Jahren unseres Jahrhunderts ihre traditionellen Formen der Selbstverwaltung erfolgreicher bewahrt" hatte.79 Dieser Eindruck verstärkte sich vor allem im Zuge des deutlichen Anstiegs der Studentenzahlen nach 1960. Zwar trug die Aufstockung des Lehrpersonals quantitativ der Nachfrage nach akademischer Bildung Rechnung, doch sorgte die weitgehende Verlagerung der Lehrbelastungen auf den akademischen Mittelbau für zusätzliche Frustrationen an den Universitäten. Vor allem die Abhängigkeit von einzelnen Ordinarien oder Institutsdirektoren wurde als „unwürdig" empfunden.80 Um so deutlicher war der Ruf, endlich Konsequenzen aus der sich abzeichnenden Überforderung der Hochschulen zu ziehen. Im Zuge der Eskalation des studentischen Protestes formierte sich auf Seiten der Professoren organisierter Widerstand gegen „Politisierung und sogenannte Demokratisierung der Hochschulen". In einem Marburger Manifest verurteilten 1500 Professoren die „Vermischung des Gedankenguts der Hochschulreform mit dem eines gesellschaftlichen Umsturzes insgesamt."81 Hinzu trat 1970 die Tätigkeit des Bundes Freiheit der Wissenschaft, der Vertreter aller gesellschaftlichen Gruppen zum öffentlichen Protest gegen vermeintliche Ideologisierung, Politisierung und Leistungsverfall der Hochschule zusammenführte. 82 Mit der Anfrage des Bundes Freiheit der Wissenschaft an den Stifterverband sah sich der Stifterverband zu einer Stellungnahme im Rahmen der politisierten Auseinanderset77 Besonders Nord hatte sich für die Veröffentlichung der wichigsten Dokumente zur Hochschulreform eingesetzt; siehe Neuhaus, Rolf (Hg.): Dokumente zur Hochschulreform 1945-1959, Wiesbaden 1961, 2. 78 Der Stifterverband widmete der studentischen Forderung nach Demokratisierung einen durchaus verständnisvollen Artikel in seiner Zeitschrift Wirtschaft und Wissenschaft; siehe Kuli, Edgar: Demokratisierung der Universität? Vom Widersinn und vom Sinn einer studentischen Losung, in: WuW, 16. Jg., Hft. 5 (1968), 26 f. 79 Craig, Gordon: Professoren und Studenten, in: ders.: Über die Deutschen, München 1982, 194. 80 Hennis, Wilhelm: Studentenbewegung und Hochschulreform, in: Glaser, Horst Albert (Hg.): Hochschulreform - und was nun? Berichte - Glossen - Perspektiven, Frankfurt/M.-BerlinWien 1982,55ff. 81 Das Marburger Manifest findet sich abgedruckt in: Hans-Adolf Jacobsen / Hans Dollinger (Hg.): Die Deutschen Studenten. Der Kampf um die Hochschulreform. Eine Bestandsaufnahme, München 1968, 202-205. 82 Nipperdey, Thomas: Wem dienen unsere Universitäten?. Eine Einführung, in: ders. (Hg.): Hochschulen zwischen Politik und Wahrheit. Sind Reformen zu verkraften? Zürich 1981, 12.
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zung um die Gestaltung der Wissenschaft herausgefordert. Hinzu kam die Nachfrage einiger Mitgliedsunternehmen des Stifterverbandes, ob es zuträfe, daß besonders „revolutionäre" Hochschulinitiativen mit Mitteln des Stifterverbandes gefördert würden. Dabei wurden vor allem einige bildungspolitische Initiativen des Stifterverbandes zur Curriculumsreform kritisiert.83 Unter Hinweis z.B. auf den Aufbau eines eigenen Förderungsprogramms erklärte der Stifterverband jedoch, daß es ihm nicht möglich sei, den Bund Freiheit der Wissenschaft aus seinem freien Mittelaufkommen zu unterstützen. Gerade im Zuge der ,,zunehmende[n] politischen Polarisierung" habe der Stifterverband die „früher übliche" Unterstützung hochschulpolitischer Organisationen schrittweise eingestellt.84 Gleiches habe der Stifterverband auch in Gesprächen mit dem Vorstandsmitglied des Bundes, Prof. Rüegg deutlich werden lassen. Die Hilfestellung des Stifterverbandes könne sich lediglich auf die Weiterleitung zweckgebundener Mittel, deren Verwendung jeweils von den Mitgliedsunternehmen bestimmt werde, erstrecken. Man wird hieraus gewiß keine politische Differenz zwischen dem Stifterverband und dem Bund Freiheit der Wissenschaft herauslesen dürfen, vielmehr schien es der Führung des Verbandes in dieser Situation der Konfrontation klüger, seine Handlungsfähigkeit nach beiden Seiten durch eigene Zurückhaltung zu bewahren. Doch auch ohne die klug vermiedene, unmittelbare Beteiligung an der hochschulpolitischen Auseinandersetzung bekam der Stifterverband den in den 70er Jahren zunehmenen Vertrauensverlust der Wissenschaft in Kreisen der Wirtschaft zu spüren. „Aus einer langanhaltenden Wissenschaftsfreundlichkeit verbunden mit einer geradezu euphorischen und ehrfürchtigen Wissenschaftsgläubigkeit dreht sich der Wind hin bis zur Wissenschaftsfeindlichkeit. Sinkt das Ansehen der Professoren - und dafür gibt es Beispiele genug - , so sinkt auch das Ansehen der Wissenschaft."85
Trotz der stets von sachlichen Argumenten geprägten Werbung für Wissenschaft und Forschung, wie sie inbesondere in der Öffentlichkeitsarbeit des Stifterverbandes in den 50er und 60er Jahren zum Ausdruck gekommen war, geriet der Stifterverband unaufhaltsam in den Sog der generellen Infragestellung des wissenschaftlich-technischen Fortschritts.86 Der noch 1968 von Hans Dichgans konstatierte bundesdeutsche Pragmatismus bei der Förderung von Wissenschaft und Forschung schien gegenstandslos geworden zu sein: „In den letzten Jahren hat sich in aller Welt eine neue Wissenschafts- und Forschungsideologie entwickelt, die Komponenten aus der Welt der Mystik, des Religionsersatzes enthält. In der Bundesrepublik wird jedoch die Forschung betont mit lauter Argumenten platter Nütz83 SV (Hg.): Schulreform durch Curriculumrevision (Bildungspolitische Initiativen; Bd. 1), Stuttgart 1972. 84 SV/ VP, Risler an Plettner 28. Januar 1974. 85 SV/ VP, Kuhnke: Private Wissenschaftsförderung. Überlegungen zur Aufgabenstellung des Stifterverbandes in den kommenden Jahren, Dezember 1976. 86 In langfristiger Perspektive dargestellt bei Winter, Michael: Ende eines Traums. Blick zurück auf das utopische Zeitalter Europas, Stuttgart-Weimar 1993.
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lichkeit begründet, etwa: man dürfe den Anschluß an die internationale Forschung nicht verlieren; man müsse der Abwanderung von Forschern nach Amerika entgegenwirken; die Erkenntnisse, die bei der Raumfahrt gewonnen werden könnten, seien späterhin für die Produktion von Rundfunkgeräten und Kühlschränken nützlich. Der transzendentale Zug, der in Amerika und Rußland beim Wettlauf zum Mond sichtbar wird, fehlt in der Bundesrepublik völlig." 87
f) Die Entstehung des Wissenschaftszentrums in Bonn Ein wichtiges Element der neuen Vergabephilosophie des Stifterverbandes entstand seit 1976 im Wissenschaftszentrum, das in Bonn-Bad Godesberg errichtet worden war. Als gemeinschaftlich genutzte Verwaltungseinrichtung aller maßgeblichen Wissenschaftsorganisationen entwickelte sich das Wissenschaftszentrum zum wichtigsten Außenposten der Hauptverwaltung. Komplementär zum Vergabeausschuß des Vorstandes sicherte das Wissenschaftszentrum den unmittelbaren Kontakt zu den vom Stifterverband geförderten Wissenschaftsorganisationen und bildete die Basis für eine möglichst reibungslose Koordination bei der Entwicklung und Durchführung der vom Stifterverband geförderten Programme. Noch aus der Zeit des Gesprächskreises „Wirtschaft und Wissenschaft" bestanden regelmäßige Arbeitskontakte zwischen den Hauptgeschäftsführern der Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft einerseits und Stifterverband, DFG, MPG und AvH andererseits. Darüber hinaus trafen sich einmal monatlich auf Initiative des Stifterverbandes alle Generalsekretäre der Wissenschaftsorganisationen zu klärendem Gedankenaustausch. Gerade in der Phase der Umstellung der Vergabepraxis kam diesen Gesprächen eine neue Bedeutung zu.88 Bei der Errichtung des Wissenschaftszentrums war es ein wesentliches Ziel, diesen Gesprächen einen festen Rahmen und einen „Koordinationsplatz" zu schaffen, aber auch Vertreter der öffentlichen Verwaltung in die bestehenden Kontakte miteinzubinden. Exemplarisch ließen sich im Wissenschaftszentrum die Vorteile einer unbürokratischen Zusammenarbeit zwischen dem Stifterverband und den Wissenschaftsorganisationen zeigen. Zum einen ermöglichte das Wissenschaftszentrum die volle Konzentration der Selbstverwaltungsorganisationen auf ihre Hauptaufgabe der Wissenschaftsförderung, indem es den von jeder Organisation einzeln zu tragenden Verwaltungsaufwand wesentlich reduzierte. Mit der Realisierung der von allen im Wissenschaftszentrum ansässigen Wissenschaftsorganisationen genutzten Versorgungseinrichtungen und Veranstaltungsräumen standen automatisch mehr Etatmittel für Wissenschaft und Forschung zur Verfügung. Zum anderen aber wurde die Autonomie der Selbstverwaltungsorganisationen in einer Phase deutlich ansteigender staatlicher Mittelzuwendungen erneut bekräftigt und längerfristig auf eine feste Grundlage gestellt. Dabei konnte der Stifterverband bei der Errichtung des Wissenschaftszentrums auf eine Praxis zurückgreifen, mit der schon der erste Vorstand des Stifterverbandes seine Unterstützung der Selbstverwaltungsorganisationen zum Ausdruck gebracht hatte. 87 Dichgans, Hans: Das Unbehagen in der Bundesrepublik. Ist die Demokratie am Ende? Düsseldorf-Wien 1968,23. 88 SV/VP, Risler vor dem Landeskuratorium Baden-Württemberg am 27. Januar 1976.
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Bereits im Jahre 1953 war im Präsidium und im Hauptausschuß der DFG der dringende Ruf nach einem eigenen Gebäude laut geworden. Schon seit Jahren war die DFG gezwungen gewesen, für die Bewältigung der gewachsenen Aufgaben eingestelltes Personal behelfsweise in Barackenbauten unterzubringen. Verschärfend kam 1953 hinzu, daß der Sitz der DFG-Zentrale in einer alten Godesberger Villa, bei der es sich um ein Restitutionsvermögen handelte, inzwischen von einer Räumungsklage bedroht wurde. Da es aussichtslos schien, im Bonner Raum ein geeignetes Mietobjekt zu finden, und nachdem die Stadt Godesberg sich bereit erklärt hatte, ein entsprechendes Grundstück preiswert zur Verfügung zu stellen, sollte ein Neubau errichtet werden, in dem neben der DFG auch der DAAD und die Studienstiftung unterzubringen waren. Mit den Planungen wurde zwar begonnen, allerdings sah sich die DFG außerstande, die volle Bausumme aufzubringen. Auf Vorschlag von Richard Merton erklärte sich der Stifterverband bereit, ein Drittel der Kosten über eine zweckgebundene Sonderspende des Vorstandes und des VWR zu übernehmen, unter der Voraussetzung, daß dadurch „die übrigen Beiträge an den Stifterverband keine Einbuße erleiden".89 Auch in den folgenden Jahren unterstützte der Stifterverband Erweiterungsbauten oder Neubauten der Wissenschaftsorganisationen. Dabei war zunächst noch nicht abzusehen gewesen, welchen immensen Aufschwung die Wissenschaftsförderung in den 60er Jahren nehmen sollte. In der Zeit von 1960 bis 1968 stiegen allein die Etats der DFG, des DAAD und der Studienstiftung von 58,5 Mio. auf 234,2 Mio. DM. Auch wenn sich der Personalbestand im gleichen Zeitraum lediglich verdoppelte, so zeichnete sich doch ab, daß erneut mit Erweiterungsmaßnahmen zu rechnen war. Diese Entwicklung bildete den Hintergrund der Vorstandsentscheidung des Stifterverbandes am 25. November 1968, auf Bitten der Wissenschaftsorganisationen ein zwischen den Bauten der DFG, des DAAD und der WRK liegendes Grundstück des Deutschen Studentenwerks zu erwerben. Eile war geboten, da das Deutsche Studentenwerk mit Rückforderungszahlungen des Bundes konfrontiert war und die Gefahr bestand, daß sich der Bund infolge anderer Zugriffsmöglichkeiten des Grundstücks bemächtigen würde. Ursprünglich beabsichtigte der Stifterverband, das Gelände entsprechend dem Baubedarf der jeweiligen Wissenschaftsorganisationen zu veräußern und sich lediglich an einzelnen Baumaßnahmen zu beteiligen.90 In Zusammenhang mit der inzwischen veränderten Vergabepolitik des Stifterverbandes und angesichts der Kostenersparnisse, die über die weitgehende Einrichtung von Gemeinschaftsanlagen zu erzielen sein würden, entschloß sich der Vorstand des Stifterverbandes in seiner Sitzung am 18. März 1970, auch die Bauträgerschaft für das Wissenschaftszentrum zu übernehmen. Wichtiges Argument für diese Entscheidung war, daß durch die vom Stifterverband angestrebte Schwerpunktbildung bei der Vergabe eine sehr viel intensivere Abstimmungsarbeit mit den Wissenschaftsorganisationen geleistet werden müsse; dies erfordere eine dauernde Nähe des Stifterverbandes zu den Wissenschaftsorganisationen, bedeute aber auch eine dauernde Verpflichtung bei der Finanzierung.91 89 RWWA/GHH 400101460/ 132, Merton an Vorstandssitzung und VWR 8. April 1953. 90 SV/ VP, GfW 18. März 1970. 91 SV/ VP, Vergabeausschuß 28. Oktober 1975.
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Es wurde zu einer besonders schmerzlichen Erfahrung des Stifterverbandes, daß die für eine Leasing-Gesellschaft fälligen Raten gerade in einer vom Rückgang der freien Mittel gekennzeichneten Phase seiner Entwicklung fällig wurden und die Möglichkeiten der Hauptverwaltung, in der Wissenschaftsförderung gestaltend zu wirken, erheblich einschränkten. 92 Diese Entwicklung verschärfte sich, nachdem der Bund sich zunächst nicht bereit zeigte, die von den Wissenschaftsorganisationen beantragten Mietzuschüsse zu übernehmen. Damit fielen die Leasingverpflichtungen für das Wissenschaftszentrum höher aus als ursprünglich errechnet, und der Stifterverband war gezwungen, die Sockelansätze der betreffenden Organisationen stärker zur Finanzierung des Wissenschaftszentrums heranzuziehen.93 Daß das Wissenschaftszentrum trotz der Finanzierungsprobleme seinem Namen eines Zentrums der Wissenschaft voll gerecht wurde, belegt eindrucksvoll die Reihe der Organisationen, die in der einen oder anderen Form die Bonner Gemeinschaftseinrichtung in Anspruch nahmen. Neben der DFG, dem DAAD und der WRK mieteten auch die AvH und die Arbeitsgemeinschaft der Großforschungseinrichtungen Büroräume an, und die Studienstiftung beteiligte sich an den Gemeinschaftseinrichtungen. Darüber hinaus wurde das Wissenschaftszentrum regelmäßig von der MPG, der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, der Konferenz der Akademien der Wissenschaften, der Vereinigung für internationale Zusammenarbeit, dem Institut für Dokumentationswesen, dem Institut für Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik, der Stiftung Kommunikationsforschung, der Robert Bosch Stiftung, der Fritz Thyssen Stiftung, der Stiftung Volkswagenwerk, dem VDI und dem TWV genutzt. Es war „das größte Vorhaben, das der Stifterverband für seine Partner in der Wissenschaft übernommen hat."94 In Aufgabenstellung und Funktionserfüllung unterschied sich das Wissenschaftszentrum wesentlich von allen bisherigen Verwaltungseinrichtungen der Wissenschaftsorganisationen. Mit den gemeinsamen Diensten und den in die Öffentlichkeit ausstrahlenden regelmäßigen Ausstellungen, Konferenzen sowie dem Kasino und Aufenthaltsbereich wirkte das Wissenschaftszentrum erfolgreich allen Anwandlungen entgegen, die zu leistende Verwaltungsarbeit alleine in der äußeren, möglicherweise aufwendigen Präsentation der Wissenschaftsorganisationen anzusiedeln. In der Verdeutlichung der kulturellen Dimension des Gebäudekomplexes sah der Stifterverband jedenfalls einen Ansatzpunkt, um der Gefahr der Bürokratisierung des Geistes entgegenzutreten. Das Interesse, das dem Wissenschaftszentrum auch nach der Eröffnung am 17. Mai 1976 in Anwesenheit von Bundespräsident Scheel von politischer Seite entgegengebracht wurde, zeigte sich daran, daß es sich zu einer Stätte der Begegnung und des Gesprächs zwischen staatlichen und nichtstaatlichen Förderern von Wissenschaft und Forschung entwickelte, was von den Bundesministerien für Forschung und Technologie sowie für Bildung und Wissenschaft ausdrücklich begrüßt wurde.95 Auch das Aus92 93 94 95
SV/ SV/ SV/ SV/
VP, VP, VP, VP,
Vorstandssitzung 27. April 1976. Vorstandssitzung 29. Februar 1980. Kuhnke Mitgliederversammlung 2. Mai 1980. Kuhnke Kuratoriumssitzung 24. April 1975.
263 wärtige Amt äußerte sich im Hinblick auf die immer wichtiger werdenden internationalen wissenschaftlichen Beziehungen zustimmend zu den im Wissenschaftszentrum gegebenen Möglichkeiten.96
g) Professionalisierung der Hauptverwaltung Überblickt man die Arbeit der Hauptverwaltung seit 1965, so zeichnen sich erkennbare Veränderungen ab, die einerseits einen Einschnitt gegenüber der Verbandsarbeit bis 1965 bedeuten, anderseits aber auch eine Einteilung der Ära Risler in zwei unterschiedlich akzentuierte Phasen nahelegen. Zum einen zeigt die Entwicklung des Personalzuwachses der Hauptverwaltung einen durchgängigen Zug zur Professionalisierung. Erfolgte in der Ära Nord die Beschäftigung akademisch ausgebildeten Personals eher zufällig, so erzwang die verstärkte Programmarbeit der Hauptverwaltung die Einstellung adäquat qualifizierter Mitarbeiter. Zum anderen bedeutete der Tod von Ernst Hellmut Vits am 23. Januar 1970, der die Tätigkeit des Stifterverbandes seit der Wiedergründung in führenden Positionen begleitet hatte, eine wichtige Zäsur, die keineswegs nur die Amtszeit Rislers betraf. Die durch den Tod von Vits aus vereinsrechtlichen Gründen notwendig gewordene Einrichtung eines Notvorstandes, der von Hellmut Ley, Werner Bahlsen und Gerhard Elkmann gebildet wurde, zog einige Satzungsänderungen nach sich, die auch das Gewicht der Hauptverwaltung stärker zum Tragen brachten. Nach dem Beschluß der Mitgliederversammlung vom 9. November 1970 lag die vereinsrechtliche Vertretung des Stifterverbandes fortan nicht mehr ausschließlich in den Händen des jeweiligen Vorsitzenden des Vorstandes, sondern wurde gemeinsam vom Vorsitzenden, seinen Stellvertretern, dem Schatzmeister sowie dem Leiter der Hauptverwaltung gebildet, wobei jeweils zwei Vorstandsmitglieder gemeinschaftlich zur Vertretung berechtigt wurden. Neben dieser formellen Aufwertung der Hauptverwaltung wog vielleicht noch schwerer, daß gleichzeitig der Vorstand um die jeweiligen Vorsitzenden der Landeskuratorien erweitert wurde, womit der Kreis der unmittelbar an den Entscheidungen des Stifterverbandes beteiligten Personen und damit der Koordinationsbedarf innerhalb des Vorstandes deutlich anwuchs. Die daraus resultierende Aufgabe konnte nur von einer stärker in den Entscheidungsprozeß des Vorstandes integrierten Hauptverwaltung bewältigt werden. Darüber hinaus stellte der Stifterverband den Turnus seiner Mitglieder- und Jahresversammlungen derart um, daß die mit dem bisherigen Erscheinungsbild des Stifterverbandes unmittelbar verknüpften repräsentativen Jahresversammlungen in Wiesbaden aufgegeben wurden und einer Kombination von Jahresversammlung und Kuratoriumssitzung wichen, die künftig am Sitz der Hauptverwaltung in Essen stattfanden. Die entscheidende Mitgliederversammlung wurde nun alle zwei Jahre in Verbindung mit der Sitzung eines Landeskuratoriums abgehalten. Diese Umgestaltung des äußeren Erscheinungsbildes wie der internen Organisationsstruktur wurde von der Hauptverwaltung nicht allein hingenommen, sondern mit großem Interesse vorangetrieben. Dem neuen Verständnis des Stifterverbandes als 96 SV (Hg.): Tätigkeitsbericht 1974 und 1975, Essen 1975,25.
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„Sammelstiftung" entsprach weniger die gebündelte Interessenpolitik im öffentlichen Raum als vielmehr die fachlich kompetent umgesetzte Alltagsarbeit im Zusammenwirken mit den Selbstverwaltungsorganisationen der Wissenschaft. Diese Ausrichtung des Stifterverbandes war um so eher begründet, als eine Sammelstiftung nicht nur größere Unabhängigkeit von konjunkturellen Schwankungen gewährleistete, sondern auch die als Gefahr erkannte Abhängigkeit von einem begrenzten Kreis von Großförderern reduzierte. Zwar war in der programmatischen Ausrichtung der jeweiligen Stiftungen eine neue Einschränkung mitgegeben. Dennoch war für die Umsetzung der einzelnen Stiftungszwecke eher wissenschaftlicher Sachverstand als nur wissenschaftspolitische Abstimmungsarbeit erforderlich. Gleiches gilt für die Dienstleistungen, die - wie die Wissenschaftsstatistik - traditionell mit der Arbeit des Stifterverbandes verbunden waren oder - wie das Stiftungszentrum - die neuen Wege des Stifterverbandes überhaupt erst ermöglichten. Diese Entwicklung spiegelt sich deutlich im Stellen- und Besetzungsplan der Hauptverwaltung wieder. Blieb die Bedeutung akademisch ausgebildeten Personals bis zum Ende der 60er Jahre eher gering, so verdreifachte sich die Zahl dieser Mitarbeiter von 1968 bis 1973, um dann in kleinen Schritten kontinuierlich bis auf den Bestand von 24 Personen zu wachsen.97 Diese, auch im Verhältnis zur konstant bleibenden Zahl aller 72 Beschäftigten, bemerkenswerte Steigerung erstreckte sich neben der hauseigenen Wissenschaftsstatistik und dem seit 1968 tätigen Stiftungszentrum vornehmlich auf die Mittelvergabe. Im Gegensatz zur ersten Nachkriegsentwicklung, in der Überlegungen zu einer eigenen Vergabetätigkeit des Stifterverbandes unter Hinweis auf die begrenzten Mittel aufgegeben worden waren, bemühte sich die Hauptverwaltung seit den 70er Jahren, die absolut wie relativ zu den Staatsaufwendungen schwindenden freien Mittel über ein eigenes Vergabeprofil so effizient wie möglich zum Einsatz zu bringen. Die Personalentwicklung im Zeichen der beschriebenen Professionalisierung läßt sich nicht nur als Beleg für eine effektiver betriebene Verwaltungstätigkeit deuten, sondern vor allem auch als Zeugnis des verstärkten Bemühens, durch mit den Wissenschaftsorganisationen entwickelte Programme die Anonymität der Mittelvergabe zu überwinden. Zwar wurde im Kreise des Kuratoriums auch über eine mögliche Aufgabe der kostenträchtigen eigenen Dienstleistungen des Stifterverbandes diskutiert. Dennoch sprach letztlich das darin manifestierte Selbstverständnis des Stifterverbandes gegen eine erhebliche Einschränkung dieser Dienstleistungen.
h) Die Arbeitsgemeinschaft Außeruniversitärer Historischer Forschungseinrichtungen (AHF) und das Historische Kolleg in München Die Beziehungen zwischen dem Stifterverband und den Geisteswissenschaften wird man über die lange Dauer hin als durchaus ambivalent bezeichnen können. Auf der einen Seite lebte die Weimarer Gründergeneration in der festen bildungsbürgerlichen 97 Im fünfjährigen Abstand ergeben sich aus dem Stellen- und Besetzungsplan für die Beschäftigung von akademisch geschultem Personal folgende Zahlen: 1963=5; 1968=4; 1973=12; 1978=14; 1983=15; 1988=19; 1993=24.
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Überzeugung, daß Wissenschaft nur als Gesamtensemble von Versuchen zum Verständnis der Welt angelegt sein könne. Das enge Nebeneinanderwirken des Theologen Adolf von Harnack und des Chemikers Fritz Haber belegte diese Position geradezu exemplarisch. Aus diesem Grunde hatte Fritz Haber im November 1920 während des Parlamentarischen Abends im Reichstag die Bedeutung der Kulturwissenschaften herausgestellt, ohne die eine leistungsfähige Wissenschaftskultur nicht gedeihen könne. Diese Grundüberzeugung, die er mehrfach äußerte, hinderte ihn aber keineswegs daran, in den Verhandlungen mit dem Reichsministerium des Innern durchaus vorrangig den unverzichtbaren Ertrag der Naturwissenschaften ins Feld zu führen, wenn es darum ging, Reichsgelder für die Notgemeinschaft locker zu machen. Da schien es dann durchaus geraten, mit den Erfolgen seiner Chemie zu protzen und - durchaus entschuldbar auf „Philologie und Zubehör" zu verzichten. Auf der anderen Seite wußten die industriellen Gründerväter des Stifterverbandes sehr genau, daß man in Industriekreisen die Notgemeinschaft für zu stark an der Grundlagenforschung sowie den Geistes-, Sozial- und Staats Wissenschaften orientiert hielt. Carl Duisberg hatte diese Zurückhaltung seiner Kollegen vorausgesehen und deshalb die Gründung der Helmholtz-Gesellschaft für angewandte Forschung angeregt und auch gegen Schmidt-Ott durchgesetzt. Vor dem Hintergrund dieser besonderen Berücksichtigung der angewandten Forschung in der Helmholtz-Gesellschaft und in den chemischen Gesellschaften konnten dann die Notgemeinschaft und ihr Stifterverband auch beachtliche Anteile ihrer Mittel für die Geisteswissenschaften einsetzen. Gerade Schmidt-Ott machte dies zum Programm seiner Leitungstätigkeit. Die Notgemeinschaft wandte - wie die Jahresberichte ausweisen - im Durchschnitt wohl etwa 18% ihrer Mittel für die Geisteswissenschaften auf.98 Während der Vorbereitungen zur Neugründung 1948/49 stellte die Industrie wieder ihr besonderes Interesse an der angewandten Forschung heraus, ohne daß dies allerdings zu mehr als den beschriebenen Kontroversen um das Verhältnis des Stifterverbandes zur Notgemeinschaft und zur Fraunhofer-Gesellschaft geführt hätte. Diese Kontroversen aber drehten sich vorrangig um die politische Nähe der Notgemeinschaft zu den Länderregierungen, weniger um die Frage ihrer mehr oder weniger starken Berücksichtigung der Geisteswissenschaften. Als der Physiker Walther Gerlach 1950 dem Stifterverband die ersten prozentualen Bewilligungszahlen der neuen Notgemeinschaft mitteilen konnte, zeigte man sich hier über die hohen Anteile der naturwissenschaftlich-technischen Forschung durchaus befriedigt. Danach entkrampfte sich die gespannte Situation erheblich. Die Frage der Berücksichtigung der Geisteswissenschaften wurde 1950 noch einmal von Prälat Georg Schreiber in einem Zeitschriftenbeitrag aufgegriffen. Schreibers Beziehungen zum Stifterverband waren in diesen Anfangsjahren nicht ungetrübt, was mit der mangelnden Förderung einiger bevorzugter Themen Schreibers zusammenhing. Jedenfalls glaubte Schreiber, den Werbeschreiben des Stifterverbandes eine zu schwache Berücksichtigung der Geisteswissenschaften entnehmen zu dürfen und fand sie „mit wenigen Worten abgetan." Schreibers Haltung war insofern jedoch nicht konsequent, wenn er dem Stifterverband zugleich empfahl, sich 98 Dazu die Jahresberichte der Notgemeinschaft.
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nicht als „Hilfsinstitut" für die Notgemeinschaft zu betrachten, bei der ja an sich die Geisteswissenschaften am besten aufgehoben waren." Angesichts der allgemeinen Ausweitung der Wissenschaftsförderung in den 50er und seit den späten 60er Jahren bildeten die Geisteswissenschaften für den Stifterverband kein besonderes Problem mehr. Er unterstützte seinerseits voll die Politik der DFG, die auf eine breite und prinzipielle Förderung aller Wissenschaftsbereiche abzielte. An den Sonderprogrammen partizipierten auch die Geisteswissenschaften gleichmäßig. Da sie durch die erfolgreiche Neugründung von außeruniversitären Forschungsinstituten wie dem Institut für Zeitgeschichte, dem Institut für Europäische Geschichte, dem Herder-Institut, dem Max-Planck-Institut für Geschichte sowie der Deutschen Historischen Institute in Rom und Paris und verschiedener dauerhaft finanzierter Historischer Kommissionen und Arbeitsgruppen durchaus von der Ausweitung des Systems profitiert hatten, 100 schien hier auch kein besonderer Handlungsbedarf zu bestehen. Dies gilt freilich vor allem für die historischen Wissenschaften. Immerhin ist darauf zu verweisen, daß trotz der Institutsgründungen der Nachkriegszeit der Bildungsreformer Helmut Becker schon 1954 angesichts der Tendenz zur „Verbürokratisierung der Forschung" das Fehlen von „Einrichtungen wie Princeton" beklagt hatte.101 Neuer Handlungsbedarf schien erst wieder erkennbar zu werden, als in den 70er Jahren die Geisteswissenschaften hinter den Förderungsmaßnahmen für die Naturwissenschaften deutlich zurückblieben. Dieser Vorgang wurde noch überlagert durch eine Schwächung der Forschungskapazitäten der Hochschulen angesichts der sich abzeichnenden permanenten Überbelastung des Lehrpersonals und die sich abzeichnende Gefahr eines Auswanderns der Forschung aus den Universitäten.102 Der Stifterverband reagierte sehr schnell auf diese Situation, traf sie bei ihm doch mit seit etwa 1970 entwickelten internen Überlegungen zu einer Profilierung seiner Aktivitäten zusammen, die darauf abzielten, nicht nur Geld weiterzugeben, sondern daneben auch eigene Förderprogramme zu entwickeln.103 Hier boten sich die relativ preiswerten Geisteswissenschaften als Ausgleich geradezu an. Auch in anderen Institutionen waren ähnliche Gedanken entwickelt worden. Besonders die neugegründeten Stiftungen (Stiftung Volkswagenwerk und Fritz Thyssen Stif99 100
101
102
103
Vgl. Schreiber, Georg: Wissenschaft und Wirtschaft, in: Rheinischer Merkur, 3 f. (Hier zitiert nach der undat. Kopie in AAKZO, 2-3). Vgl. dazu den Überblick bei Schulze: Deutsche Geschichtswissenschaft, 228 ff. und ders. / Defrance, Corine: Die Gründung des Instituts für Europäische Geschichte Mainz, Mainz 1992. Becker, H.: Organisation und Finanzierung der Forschung, in: Moras, J./Paeschke, H. (Hgg.): Deutscher Geist zwischen Gestern und Morgen. Bilanz der kulturellen Entwicklung seit 1945, Stuttgart 1954, 135. Vgl. Frühwald, Wolfgang u.a.: Geisteswissenschaften heute. Eine Denkschrift, Frankfurt 1991; Weingart, Peter u.a.: Die sog. Geisteswissenschaften: Außenansichten. Die Entwicklung der Geisteswissenschaften in der BRD 1954—1987, Frankfurt am Main 1991 und Prinz, Wolfgang u.a. (Hgg:): Die sog. Geisteswissenschaften: Innenansichten, Frankfurt am Main 1990, hier bes. 15 ff. Vgl. dazu w.u. 280 ff.!
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tung) bemühten sich um eine strukturelle Verbesserung der Lage der Geisteswissenschaften. Sie sahen hierin ein ihren finanziellen Möglichkeiten angemessenes Aktionsfeld. Dabei galten amerikanische und französische geisteswissenschaftliche Zentren, also das Institute for Advanced Studies in Princeton und das Collège de France in Paris, als Vorbild. So unvergleichbar beide Institutionen sind, so sehr beeinflußte ihr Charakter die nachholende deutsche Diskussion, die wieder einmal einen westeuropäischamerikanischen Vorsprung aufholen mußte. In diesem Kontext entstanden folgende Arbeitspapiere eine Denkschrift der Stiftung Volkswagenwerk zur Gründung einer „Gesellschaft für Kultur und sozialwissenschaftliche Grundlagenforschung" von 1964, die im Kuratorium der Stiftung Anfang der 70er Jahre erneut aufgegriffen wurde, - Überlegungen zur Gründung einer „Max-Weber-Gesellschaft", die Prof. M. Rainer Lepsius bei der Jahresversammlung der Deutschen Forschungsgemeinschaft 1973 vorstellte, - Planungen zu einem „Deutschen Wissenschaftskolleg", die von der Fritz Thyssen Stiftung 1976/77 entwickelt worden waren. Hierzu hatte der Münchener Romanist Harald Weinrich eine Vorlage erstellt. -
Im Stifterverband wurden diese Ideen seit 1974 unter dem Stichwort „Modell Princeton" verfolgt. 104 Schon im Jahre 1972 hatte der Stifterverband einen Schwerpunkt Geisteswissenschaften eingerichtet und förderte mit der „Arbeitsgemeinschaft Außeruniversitärer Historischer Forschungseinrichtungen" (AHF) in Zusammenarbeit mit der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften erstmals ein neues geisteswissenschaftliches Organisationsmodell. 105 Diese Arbeitsgemeinschaft hatte sich nach ersten Vorbesprechungen im Kreise der Historischen Kommission im Jahre 1969 im darauffolgenden Jahr zu einer vorbereitenden Sitzung getroffen; 1972 folgte ihre formelle Konstituierung, nachdem der Stifterverband eine Förderungszusage gegeben hatte. 1974 erschien der erste Band des AHF-Jahrbuchs der Historischen Forschung. 106 Die AHF erscheint aus heutiger Perspektive nur als eine Organisation zur Koordinierung der Arbeit von Forschungsinstituten und zur Herausgabe des Jahrbuchs der Historischen Forschung. Tatsächlich zeigen jedoch die Gründungsvorbereitungen im Rahmen der Historischen Kommission, daß hier eine breit angelegte Aktion zur Stärkung der Rolle der Geisteswissenschaften in der Gesellschaft 104 Ich stütze mich hier vor allem auf die Ordner „Stiftungsfonds Deutsche Bank, Historisches Kolleg" im Archiv des Stifterverbandes, in denen die einschlägigen internen und externen Materialien zusammengetragen wurden, sowie auf die persönlichen Unterlagen von Gerhard A. Ritter (München). Hinzu kamen natürlich die einschlägigen Vorstandsprotokolle. Mehrere im Verlauf der Beratungen angefertigte Übersichten über die Entwicklung der Ideen, auf die ich hier auch zurückgreife, erleichtern die Beschreibung der Vorgänge. 105 Vgl. dazu die Jahrbücher der AHF seit 1974 ff. 106 Vgl. dazu Kalmer, Georg: Einleitung, in: AHF-Jahrbuch 1, 1974,9-16. Ich danke Herrn Dr. Georg Kalmer für ergänzende Hinweise und Material aus dem Archiv der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. - Die AHF ging 1983 in die Förderung des Freistaats Bayern über.
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intendiert war, so daß das Engagement des Stifterverbandes durchaus verständlich erscheint. Schon damit hatte sich eine gewisse Affinität zur Geschichtswissenschaft ergeben. Der Verband versprach in seinem Tätigkeitsbericht des Jahres 1973 zudem, sich in Zukunft vermehrt mit „strukturellen Verbesserungen" für die „kleinen Fächer" und für die Geistes- und Sozialwissenschaften insgesamt zu befassen.107 Diesem Versprechen folgte unmittelbar danach die Anlauffinanzierung der in der Bayerischen Akademie der Wissenschaften neu gegründeten Arbeitsgemeinschaft „Philosophische Editionen". Freilich ergaben sich aus den planerischen Überlegungen zur Stärkung der Geisteswissenschaften im Stifterverband institutionelle Konsequenzen, die von ihm schon aus finanziellen Gründen nicht zur Gänze realisiert werden konnten. Das „Modell Princeton" konnte überhaupt nur deshalb so weit in den Vordergrund der internen Überlegungen rücken, weil die Deutsche Bank im Interesse ihres bedeutenden Stiftungsfonds, der zum hundertjährigen Jubiläum der Bank eingerichtet worden war, im Frühjahr 1974 die Hauptverwaltung des Stifterverbandes mit der Ausarbeitung eines größeren geisteswissenschaftlichen Förderprogramms beauftragt hatte. Bei einem Besuch in Essen am 15. Juli 1974 hatte Alfred Herrhausen - damals Mitglied des Vorstands der Deutschen Bank - erste Überlegungen über eine mögliche Verwendung dieses Fonds entwickelt und weiteres Nachdenken angeregt. Ähnlich wie andere Fördereinrichtungen sahen auch die Vertreter der Deutschen Bank - hier vor allem Franz Heinrich Ulrich und Alfred Herrhausen - die Geisteswissenschaften bedenklich an den Rand der allgemeinen Wissenschaftsentwicklung gedrängt, weil deren spezifische Einzelleistungen durch die zunehmende Bürokratisierung, Ideologisierung und die erhöhten Lehrbelastungen gefährdet seien. Ihnen erschienen die Geisteswissenschaften zudem als ein geeigneter Modellfall für die notwendige Förderung herausragender Einzelleistungen im Sinne einer Stärkung des Elitegedankens. Im Lauf des Jahres 1974 fanden erste ausführliche Gespräche mit Vertretern der Deutschen Bank zur Vorbereitung dieses „Princeton-Modells" statt. Zur Vorbereitung dieser Gespräche hatte der Stifterverband informelle Kontakte mit dem zuständigen Vizepräsidenten (Prof. Nesselhauf) wie mit dem Fachreferenten der DFG (Dr. Treue) gesucht und Notizen für die inhaltliche Gestaltung eines deutschen „Princeton" erhalten. Die Gespräche mit Alfred Herrhausen führten zur Einsicht, daß den Geisteswissenschaften und insbesondere den kleinen Fächern unter ihnen die notwendigen Voraussetzungen für interdisziplinäre Kooperation fehlten. Für den Anwendungsbezug der Natur- und Ingenieurwissenschaften gebe es bei den Geisteswissenschaften kein Äquivalent, das diese Kooperation wirksam stimulieren könne. Angesichts der konzeptuellen und institutionellen Vereinzelung in den Geisteswissenschaften bedürften sie neuer Kooperationsformen, die zwischen einer größeren Projektgruppe und der individuellen Arbeit an einem Lehrstuhl oder einem Institut angesiedelt sein müßten. Die interdisziplinäre Kooperation der Geisteswissenschaften werde deswegen zunehmend wichtiger, weil zahlreiche aktuelle Probleme der Menschheit von den Geisteswissenschaften nur punktuell bearbeitet würden. Durch die starke „Europazentriertheit" geisteswissen107 Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft: Tätigkeitsbericht 1973, 47.
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schaftlicher Forschung und Lehre fehlten z.B. Experten, die eine umfassende Kenntnis fremder Kulturen besäßen. Die noch bevorstehende Konfrontation mit fremden Kulturkreisen durch die immer engeren politischen und wirtschaftlichen Verflechtungen sei noch kaum zum Gegenstand geisteswissenschaftlicher Forschung gemacht worden. Es gebe noch zahlreiche andere Beispiele, an denen man zeigen könne, wie wichtig geisteswissenschaftliche Kompetenz für die Bewältigung gesellschaftlicher Probleme sei, ohne daß auf diese Gesellschaftsrelevanz besonders abgehoben werden sollte. So motiviert, plante der Stifterverband daraufhin die Einrichtung einer kleinen Expertenrunde, die so besetzt sein sollte, daß die Erfahrungen und Überlegungen der großen Wissenschaftsorganisationen mit einbezogen würden. In die „Projektgruppe Princeton" wurden deshalb im Herbst 1974 die Professoren Helmut Coing, Gerhard Hess, Julius Speer, von Steuben und Rudolf Vierhaus berufen. Im Januar 1975 erklärte sich der Stiftungsfonds Deutsche Bank bereit, der Projektgruppe erste Mittel für die Planungsphase zur Verfügung zu stellen. Die „Projektgruppe Princeton" tagte erstmals am 19. März 1975 in der Essener Hauptverwaltung des Stifterverbandes. Auf der Grundlage dieses Gesprächs und noch später einkommender schriftlicher Stellungnahmen der Gruppenmitglieder erarbeitete Prof. Vierhaus ein internes Memorandum („Gedanken zur Förderung der Geistes- und Sozialwissenschaften" vom 1. Juli 1975), das in einer weiteren Sitzung diskutiert werden sollte. Es fehle bislang - so schrieb Vierhaus - „an der Stetigkeit und Verläßlichkeit äußerer Bedingungen wie an der Sammlung, Konzentration und dem langen Atem der Forscher." Schon in dieser Expertensitzung bestand Konsens darüber, daß als eines der zentralen Förderungsinstrumente Stipendien für hochqualifizierte Forscher dienen sollten. Sie sollten den Empfängern „die Durchführung ihrer Forschungsvorhaben unter günstigen Bedingungen ermöglichen", denn gerade die Durchführung größerer und langwieriger individueller Forschungsvorhaben werde für Hochschullehrer immer schwieriger, weil die „Beanspruchungen durch Aufgaben der Lehre und der Selbstverwaltung immer mehr zunehmen". Diese Überlegungen zur Förderung der Geistes- und Sozialwissenschaften wurden vom Präsidenten der DFG auch auf die anderen Wissenschaften übertragen. Er forderte, daß „hervorragenden Gelehrten mehr Zeit für wissenschaftliche zusammenfassende Monographien verschafft werden müsse." Schon im April 1976 trug man sich in Essen mit dem Gedanken einer Begrenzung des Versuchs auf die Geschichtswissenschaft: „Der Vorschlag, aus den Geisteswissenschaften einen Bereich zunächst herauszunehmen und mit ihm zu experimentieren, scheint sinnvoll" schrieb ein Referent nieder. „Da der Stifterverband sich vor allem den historischen Wissenschaften und ihrer Förderung gewidmet hat, liegt es nahe, sie auszuwählen." Diese Vorbereitungen im Stifterverband überschnitten sich mit gleichlautenden Denkprozessen der Thyssen Stiftung. Sie hatte eine ihrer Gründungsideen wieder aufgegriffen und nach Abstimmung mit dem Stifterverband am 5. Juli 1976 zu einem Expertengespräch über ein dem Collège de France nachgebildetes „Deutsches Kolleg" eingeladen. Diesem Gespräch lag ein internes Memorandum des Romanisten Harald Weinrich zugrunde, in dem ebenfalls empfohlen wurde, eine Form der Forschung zu
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begünstigen, die angesichts der zunehmenden Spezialisierung in den Wissenschaften als „wissenschaftliche Synthesenbildung" bezeichnet wurde. Hier sollte ebenfalls die „große Forscherpersönlichkeit" gefördert werden, die im „Deutschen Kolleg" vielleicht ihr „opus magnum" schreiben könnte.108 Auch der Münchener Neuzeithistoriker Gerhard A. Ritter hatte sich auf diese Sitzung vorbereitet. Er hatte einige Argumente zusammengestellt, die für ein „Historisches Kolleg" sprachen: Die bisherigen Förderungsinstrumente (Finanzierung von Sonderforschungsbereichen, Institutsforschung, Projektforschung, Nachwuchsförderung) seien nicht geeignet, die individuelle Forschung von hochqualifizierten Gelehrten im Bereich der Geistes- und Sozialwissenschaften in angemessener Weise zu fördern. Wenn man verhindern wolle, daß geistes- und sozialwissenschaftliche Forschung, soweit sie nicht in Teamarbeit erfolgt, nur noch vom Nachwuchs gemacht werden könne, müsse ein neues Instrument, das speziell auf qualifizierte Forscher ausgerichtet sein müsse, geschaffen werden. Eine derartige Idee stehe auch im Einklang mit der Konzeption des Präsidenten der Forschungsgemeinschaft, hochqualifizierte Forscher für die Abfassung guter Monographien, Handbücher und Lehrbücher befristet von der Lehre freizustellen. Die Errichtung derartiger, zeitlich begrenzter Forschungsprofessuren sei wahrscheinlich der Errichtung permanenter Professuren wegen der nötigen Flexibilität und des Wunsches nach möglichst intensiver Verbindung von Forschung und Lehre vorzuziehen. Insofern glichen sich die beiden Konzepte. Allerdings sei nicht zu übersehen, daß die Beurlaubung der vorgesehenen Professoren für mehrere Jahre durch die Kultusminister auf erhebliche Schwierigkeiten stoßen könne. Es müsse aber eine Lösung gefunden werden, wenn die Bundesrepublik nicht Gefahr laufen wolle, gegenüber der großzügig ausgestatteten Akademieforschung der Ostblockländer oder der weitgehenden Freistellung führender Forscher von der Routine der Lehre in den angelsächsischen und französischen Universitäten dauernd ins Hintertreffen zu geraten. Ritter konnte zu diesem Zeitpunkt (2. Juli 1976) schon in die richtige, d. h. Erfolg versprechende Richtung argumentieren. Wenige Tage vorher hatte er mit einem Referenten des Stifterverbandes in München die entscheidenden Fragen vorberaten. Er selbst hielt fest: „Zunächst wurde die Frage des 'kleineren' oder 'größeren' Projekts diskutiert. Es bestand Übereinstimmung darüber, daß das kleinere Projekt der Errichtung eines 'Historischen Kollegs' mit etwa drei Lehrstühlen ... realistischer und durchführbarer erscheint als das große Projekt der Errichtung eines deutschen Kollegs, das in dem Memorandum von Herrn Weinrich vorgesehen wurde, zumal bei dem großen Projekt mit erheblichen politischen Schwierigkeiten gerechnet werden muß." Zwar müsse man damit rechnen, daß die Reduzierung auf das Fach Geschichte auf Schwierigkeiten stoße. Dem könne man zum Teil dadurch begegnen, daß man auch Gelehrte anderer Fachrichtungen, die historisch arbeiten, berücksichtige; etwa in der juristischen Fakultät beheimatete Verfassungshistoriker oder Politikwissenschaftler, die historisch arbeiten, die historische Dimension berücksichtigende Soziologen und Philosophen kämen durchaus für eine Forschungsprofessur in Frage. 108 Die erste Fassung des Memorandums stammt aus dem Mai 1976.
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Weinrich dachte dagegen - anders als Ritter - eher an eine „nationale Akademie der Wissenschaften mit residierenden Mitgliedern" (etwa 20), 15 „korrespondierenden" Mitgliedern und 5 Gastwissenschaftlern, dazu eine hohe Zahl von Wissenschaftlichen Mitarbeitern und Hilfskräften. Hier ergab sich ein klarer Dissens zum Konzept des Stifterverbandes, der sich durch Vorgespräche vergewissert hatte, daß Ritter und Schieder das Konzept des „kleinen Kollegs" unterstützen würden. Teilnehmer des ersten Expertengesprächs am 5. Juli 1976 waren die Herren Siegfried Balke, Hans Dichgans, Hermann Krings, Nikolaus Lobkowicz, Hermann Lübbe, Gerhard A. Ritter, Theodor Schieder, Harald Weinrich und Gerd Brand. In diesem Gespräch zeigte sich jedoch schnell, daß die Mehrzahl der Teilnehmer davon abriet, gleich an die Institutionalisierung eines „Deutschen Kollegs" im großen Stil und mit Lebenszeitstellen zu denken. Zur Sammlung von ersten Erfahrungen über diesen Weg der Förderung sei es sinnvoller, erst eine kleine Lösung, ein „kleines Kolleg" anzustreben, allerdings bei gleichlautendem Hauptziel: Förderung hochqualifizierter Einzelforscher. „Das kleine Kolleg" könne zunächst durchaus nur für einen Teilbereich der Wissenschaften konzipiert werden, um das Experiment übersichtlich zu gestalten; besonders geeignet erscheine ein „Historisches Kolleg", da die historischen Wissenschaften den Vorzug hätten, durch ihren methodischen Ansatz alle anderen Disziplinen zu berühren. Die Herren Ritter und Lobkowicz wurden gebeten, das Konzept für eine „kleine Lösung" weiter auszuarbeiten. Jetzt unternahm Ritter es, die Dinge weiter voranzutreiben. Ende Oktober legte er Rektor Lobkowicz seinen Vorschlag einer „kleinen" Lösung vor, der 10 (!) Stipendiaten für jeweils 3 Jahre vorsah. Da Ritter seit dem Sommer davon überzeugt war, eine Lösung mit drei Stipendiaten zu suchen, kann dieser Vorschlag nur als Kompromißlösung gegenüber Weinrich und Lübbe verstanden werden, die sich für die „große" Lösung ausgesprochen hatten.109 Ritter wie Lobkowicz war in hohem Maße daran gelegen, diese neue Einrichtung nach München zu ziehen, wo die Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften bereitstand, um als Ankerinstitution zu dienen, und wo der Stifterverband bereits die AHF förderte. Diese Vereinigung der historischen Forschungsinstitute außerhalb der Universitäten hatte sich 1972 gebildet und schon früh die Unterstützung für ihre Hauptaufgabe gefunden, jährlich in Form eines Jahrbuchs einen verläßlichen Überblick über die historischen Forschungsprojekte in der Bundesrepublik zu liefern. Mit diesen günstigen Voraussetzungen und dem Hinweis auf andere historische Forschungsinstitute und Bibliotheken konnte München auch ein Kölner Angebot aus dem Felde schlagen, das von Oberbürgermeister und Oberstadtdirektor vorgelegt worden war. Damit war eine ganz entscheidende Voraussetzung geschaffen worden: Angesichts der nur mit staatlichen Mitteln durchzusetzenden großen Lösung eines „Deutschen Kollegs", das in den von Weinrich anvisierten Dimensionen zweifellos die finanziellen Kapazitäten der privaten Stiftungen überschritten hätte, bot das „kleine Kolleg" die realistische Chance, eine gute Idee zumindest partiell zu realisieren und zudem den Interessen eines potenten Stifters gerecht zu werden. Die Fritz Thyssen Stiftung hielt weiter109 Ich stütze mich hierbei vor allem auf die persönlichen Unterlagen von G.A. Ritter.
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hin an der Idee eines „Deutschen Kollegs" fest, während sich in Berlin unterdessen der Aufbau des stärker an „Princeton" orientierten Wissenschaftskollegs andeutete. Sie organisierte zwei weitere Treffen der eben erwähnten Expertenrunde im November 1976 und im März 1977, deren Ergebnisse freilich in eine andere Richtung liefen als die vom Stifterverband beabsichtigte. Während man sich zwischen Stifterverband und Stiftungsfonds Deutsche Bank über die „kleine Lösung" schon weitgehend einig war, sprach das Ergebnis der 3. Sitzung der Thyssen Stiftung noch immer vom „Deutschen Wissenschaftskolleg" und dessen Finanzierung durch verschiedene Stiftungen. Erst danach wollte man Verhandlungen mit dem zuständigen Bundesministerium und den möglichen Sitzländern aufnehmen. Der Stifterverband hatte seinerseits am 17. August 1976 dem Vorstand der Deutschen Bank neben anderen Vorschlägen das Modell eines „Historischen Kollegs" in Umrissen vorgelegt und um grundsätzliche Zustimmung zu diesem Konzept gebeten. Erst nach einer prinzipiellen Zusage, die am 27. April 1977 in Essen eintraf, wolle man diesen Plan eines „Historischen Kollegs" als Förderungseinrichtung für hochqualifizierte Forscher im Rahmen der schon bestehenden „Projektgruppe Princeton" weiter diskutieren. Die Projektgruppe wollte man zudem um die in der Auseinandersetzung mit der „großen" Lösung bewährten Professoren Gerhard A. Ritter (damals Mitglied des Hauptausschusses der DFG) und Theodor Schieder (Präsident der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften) sowie um Vertreter der DFG, der MPG und der WRK erweitern. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft stand dem Projekt „Historisches Kolleg" freilich reserviert gegenüber. Am 2. Juni 1977 hatte der Stifterverbandsvorsitzende Hans-Helmut Kuhnke im Präsidium schon Mühe, das Thema überhaupt auf die Tagesordnung zu bringen, nachdem das BMFT einen Vorschlag der Thyssen Stiftung an die DFG übersandt hatte. Mehr als eine vage Empfehlung an die Stiftungen, ohne staatliches Geld auszukommen, war unter diesen Bedingungen kaum zu erwarten.110 Die Arbeiten dieser Projektgruppe und des aus ihr heraus entwickelten ersten Kuratoriums sollen hier nicht im Einzelnen verfolgt werden, weil sie vor allem der organisatorischen, finanziellen und personellen Ausstattung des „Historischen Kollegs" dienten. Am 20. Juli 1978 konnte Alfred Herrhausen, der sich die Idee des Historischen Kollegs ganz zu eigen gemacht hatte und in der letzten Phase Druck auch auf den Stifterverband ausübte, um das Projekt zu beschleunigen,111 die konstituierende Sitzung des Kuratoriums des Historischen Kollegs im Düsseldorfer Haus der Deutschen Bank eröffnen. Man bestätigte München als Sitz des Kollegs und schuf damit die Voraussetzungen für die Eröffnung des Kollegs am 20. Oktober 1980, das in Räumen, die - nach einiger Verzögerung - von der Stadt München zur Verfügung gestellt worden waren, seine Arbeit aufnehmen konnte.112 1988 konnte es in die renovierte Kaulbach-Villa umziehen. 110 SV/VP, Bericht über die DFG-Präsidiumssitzung vom 2.6.77. 111 Dazu die Würdigung Knut Borchardts in: Historisches Kolleg 1980-1990 (Schriften des Historischen Kollegs, Dokumentationen 8), München 1991, 15-22 und Herrhausen, Alfred: Denken - Ordnen - Gestalten. Reden und Aufsätze, hg. von Kurt Weidemann, Berlin 1990. 112 Vgl. dazu Horst Fuhrmann in: Historisches Kolleg 1980-1990, München, 1991 7 ff.
Binnensicht III: Die Ära Niemeyer ab 1979
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Die spezifische Arbeitsweise des Kollegs, die im wesentlichen darauf abzielt, dem Stipendiaten die - hoffentlich abschließende - Arbeit an einem größeren Werk zu ermöglichen, hat sich in den vergangenen 15 Jahren vielfach bewährt." 3 Die Freistellung des Stipendiaten von allen Lehrverpflichtungen und die Residenzpflicht in München ermöglichen zumindest eine weitgehende Konzentration auf die Forschungsarbeit, auch wenn natürlich bei einem Jahresaufenthalt nicht alle anderen Verpflichtungen abgestellt werden können. Die Verpflichtung der Stipendiaten zu einem Kolloqium im Umfeld ihres Forschungsprojekts und zu einem öffentlichen Vortrag verbinden die im Mittelpunkt stehende individuelle Arbeit mit der Kommunität der Wissenschaftler und der Öffentlichkeit in einem vertretbaren Maße. Sie wird damit auch der Grundidee der Stifter gerecht, denen es neben der Betonung des Gedankens der Spitzenforschung im Bereich der Geisteswissenschaften vor allem um eine Stärkung der Rolle historischen Denkens in der Gesellschaft ging. Es liegt auf der Hand, daß sich zwischen 1974 und 1976 der Stifterverband mit seinem Konzept eines „kleinen Kollegs" gegenüber den anderen Interessenten durchsetzen konnte. Ohne den mächtigen Schub der Deutschen Bank und hier vor allem der Person Alfred Herrhausens wäre eine solche Durchsetzung nicht möglich gewesen. Für den Stifterverband war die Etablierung des „Historischen Kollegs" auch deshalb von großer Bedeutung, weil seine planerischen Kapazitäten ausreichend gewesen waren und sein Personal sich der gestellten Aufgabe gewachsen gezeigt hatte.
7. Binnensicht III: Die Ära Niemeyer ab 1979 a) Konsolidierung des Spendenaufkommens Die 1979 anstehende Pensionierung Thorwald Rislers als Generalsekretär und die damit fällige Neubesetzung der Spitze der Hauptverwaltung veranlaßte schon seit 1977 Gespräche im „kleinen Kreis" über die weitere Arbeit des Stifterverbandes. In der engeren Diskussion im Vorstand mahnte vor allem der scheidende Generalsekretär Risler selbst an, das „Kernproblem der augenblicklichen Phase des Stifterverbandes" nicht aus den Augen zu verlieren. Worin dieses „Kernproblem" bestand, war allen Verantwortlichen in der Verbandsführung klar: Es bestand unzweideutig in der seit einigen Jahren stagnierenden Entwicklung des Spendenaufkommens.1 Dabei gelte es - so Risler die Aufmerksamkeit besonders der Höhe der freien Spenden zuzuwenden, von denen der Bewegungsspielraum des Stifterverbandes bei den Wissenschaftsorganisationen entscheidend abhänge. Sie bildeten die „Legitimationsbasis" für den Stifterverband als Gemeinschaftsaktion der Wirtschaft.2 Sollte es nicht gelingen, dieser verhäng113 Die Arbeit einer Fördereinrichtung zu würdigen, von der man selbst schon profitiert hat (1984/85) und deren Kuratorium man zudem angehört, fällt schwer und soll hier in aller Zurückhaltung geschehen. Ich stütze mich u.a. auf eine zur internen Evaluation vorgenommene Auswertung der Abschlußberichte der Stipendiaten, die diese Bewertung stützt. 1 SV/VP, Risler an Herrhausen 25. Oktober 1977. 2 SV/VP, Niemeyer, Vorstandssitzung 5. Mai 1983.
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nisvollen Entwicklung eine Wendung zum Besseren zu geben, so drohe nicht nur die wissenschaftsorganisatorische Initiativkraft der Hauptverwaltung des Verbandes allmählich zu erlahmen, sondern auch die traditionell vom Stifterverband angebotenen Dienstleistungen seien vor diesem Hintergrund in Frage gestellt.3 Reorganisation der Vorstandsarbeit In dieser Situation schien eine Neubesetzung an der Spitze der Hauptverwaltung allein nicht durchschlagend. Abhilfe schien erst die Absicherung und Stärkung der Position des neuen Generalsekretärs durch einen neu formierten Vorstand zu verheißen, dessen Mitglieder neben ihrer regulären Unternehmenstätigkeit auch bestimmte definierte Vorstandsaufgaben übernehmen sollten. Anlaß zu diesen Überlegungen bot auch hier die schmerzhafte Erfahrung des Rückgangs der Spenden seit Mitte der 70er Jahre.4 Zu deutlich entsprach dem finanziellen Loch in der Bilanz ein personeller Engpaß, vor allem nach dem überraschenden Ableben des damaligen Vorsitzenden des Vorstandes Hellmut Ley im Jahre 1974. Mit der Übernahme des Vorsitzes durch den ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der Ruhrkohle AG, Hans-Helmut Kuhnke, ergab sich 1974 erstmals in der Geschichte des Stifterverbandes die Konstellation, daß eine nicht mehr aktiv im Wirtschaftsleben tätige Persönlichkeit an der Spitze des Vorstandes stand. Diese Lösung, die Kuhnke selbst keineswegs behagte, weil er die Schwächung der Position des Vorsitzenden durchaus erkannte, war ihm von Werner Bahlsen angetragen worden. Kuhnke versicherte in einem Schreiben an Hans Günther Sohl, daß er diese Position nur solange wahrnehmen wolle, bis ein aktiver Unternehmer gefunden sei, der die Aufgabe übernehmen wolle.5 Gleichwohl betrachtete Kuhnke seine Berufung zum Vorsitzenden als Krönung seines Engagements für den Stifterverband und kümmerte sich vor allem stark um die Gremien der Wissenschaftsorganisationen, in denen der Stifterverband traditionell vertreten war. Mit der Wahl einer nicht mehr im aktiven Berufsleben stehenden Persönlichkeit entfiel zweifellos ein nicht zu unterschätzender Stimulus für freie Spendenzuwendungen, denn gerade in einer Phase konjunktureller Erholung hätte hier verlorener Boden gut gemacht werden müssen. Im Kreise der Mitglieder von Vorstand und Kuratorium war die Versuchung, Abstriche an der 1%-Regel zuzulassen, seit Mitte der 70er Jahre um so eher gegeben, als sich „Signalwirkung" und „Solidaritätsdruck" der 1 %-Marke jetzt weniger in der Person des Vorsitzenden symbolisierten. Auch der verstärkte persönliche Einsatz Kuhnkes bei der Vertretung des Stifterverbandes in den Wissenschaftsorganisationen und der Betreuung der Landeskuratorien vermochte die Spendenfreudigkeit der Mitglieder nicht in dem erwünschten und notwendigen Maße zurück Zugewinnen.6 3 SV/VP, Risler an Herrhausen 25. Oktober 1977. 4 Ebd. Von 1975 bis 1978 war der Stifterverband sogar gezwungen, in steigendem Maße Einnahmefehlbeträge auszuweisen. Erst seit 1979 gelang die allmähliche Schließung dieser Deckungslücken. 5 Der Brief Kuhnkes an Sohl abschriftlich in BahA. 6 SV/VP, Risler Vorstandssitzung 26. April 1977.
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Vor diesem Hintergrund oblag dem neu formierten Vorstand und auch dem neuen Generalsekretär die vordringliche Aufgabe, Gesichtspunkten intensivierter Akquisition gerecht zu werden. Da zu erwarten war, daß in Zukunft - also nach der Vorstandszeit Kuhnkes - ein durch eine bedeutende Firmen-„Hausmacht" gestützter Vorsitzender wesentlich von der Verantwortung für sein Unternehmen in Anspruch genommen sein würde, sollte die arbeitsteilige Zusammenarbeit eines Kernvorstandes dafür Sorge tragen, daß die durch das besondere Engagement Kuhnkes realisierte Präsenz des Stifterverbandes in den Wissenschaftsorganisationen auch weiterhin gewährleistet sein würde. Dem Ideal, wie es etwa Werner Bahlsen einmal bei seinem Abschied als stellvertretender Vorsitzender des Stifterverbandes formuliert hatte, war jedenfalls schwer nahezukommen: „Seit ich eine leitende Position in unserer Firma innehabe - und dies nun schon über 40 Jahre - habe ich sicherlich 30% meiner Zeit für Öffentlichkeitsarbeit zur Verfügung gestellt, sei es für die Kunst, für Wissenschaft, für Fachverbände und für Politik - Dinge, die in keiner Form direkt unser Haus betreffen. Diese Arbeit hat mein Leben bereichert. Ich glaube auch, daß sie geistige Anregungen für Entscheidungen in der eigenen Firma brachte."7
Daß mit Horst Niemeyer, der am 1. Januar 1979 sein Amt antrat, eine Persönlichkeit für das Amt des Generalsekretärs gefunden wurde, die nicht nur die europäische Dimension von Wissenschaft und Forschung in sein neues Amt einbrachte,8 sondern sich auch den hohen Erwartungen der Mobilisierung von Spendenmitteln gewappnet zeigte, konnte in der Jahresbilanz 1979 zufrieden vermerkt werden. So gelang es nicht nur, die zweckgebundenen Mittel zu erhöhen, sondern vor allem die freien Zuwendungen um 10% zu steigern, die damit, erstmals seit 1972, wieder die Schwelle von 20 Millionen überschritten. Auch der angestrebte Generationswechsel in wichtigen Funktionen des Stifterverbandes wurde erfolgreich vollzogen. Walther Casper (Metallgesellschaft AG) folgte 1979 Gerhard Elkmann als Schatzmeister und Klaus Liesen (Ruhrgas AG) übernahm 1980 den Vorsitz des Stifterverbandes. Damit begann eine beachtlich lange (bis 1993) Periode sehr effektiver Vorstandsarbeit. In dieser personellen Konstellation gelang es seit 1980, die „freien Spenden" allmählich wieder zu steigern. Erfolge konnten Liesen und Niemeyer vor allem in einer Vielzahl von persönlichen Gesprächen bei den Vorständen der großen Mitgliedsunternehmen des Stifterverbandes erzielen. Darüber hinaus reagierte die Hauptverwaltung auf veränderte Erwartungen einer neuen Unternehmergeneration mit einer behutsamen Modernisierung ihrer Akquisitionsbemühungen. Die Präsentation der Ziele und Förde7 BahA, Bahlsen 26. April 1977. Bahlsen - der Idealfall eines am Stifterverband interessierten Industriellen - war schon 1950 in den Verwaltungsrat des Stifterverbandes eingetreten und hatte viele Jahre als Vorstandsmitglied, als Vorsitzender des Landeskuratoriums Niedersachsen und schließlich - nach dem überraschenden Tode Hellmut Leys 1974 - als interimistischer Vorsitzender bis zur Wahl Kuhnkes gedient. 8 Niemeyer (geb. 1928) verfügte über Erfahrungen als Referent in der DFG, als Geschäftsfuhrender Vorstand der DFVLR und Leiter eines Europäischen Forschungsinstituts (Ispra).
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rungsmaßnahmen des Stifterverbandes wurde nach Gesichtspunkten eines modernen Marketings optimiert und Wert auf eine adäquate, unternehmensbezogene Umsetzung dieser Maßnahmen durch die Mitarbeiter des Außendienstes gelegt. Die auf F. E. Nord zurückgehende Praxis der 50er Jahre, vor allem pensionierte Offiziere für eine formal korrekte Kontaktpflege zu gewinnen, war auf Kritik in der neuen Generation der industriellen Klientel gestoßen. Sie wich zunehmend der gezielten Ansprache der interessierten Wirtschaftskreise durch ein verjüngtes und akademisch qualifiziertes Personal, während der Außendienst weitgehend in der Hand pensionierter Offiziere blieb. So konnte das Bild einer zeitgemäßen, den neuen Erwartungen ihrer Mitglieder gerecht werdenden Institution der Wirtschaft auch nach außen deutlich werden.9 Um die freien Mittel möglichst vollständig im Zusammenwirken mit den Wissenschaftsorganisationen zu vergeben, wurden die zentralen Dienstleistungen des Stifterverbandes wie Wissenschaftsstatistik, Stiftungszentrum, Wissenschaftszentrum und auch die Öffentlichkeitsarbeit in Hinsicht auf eine kostendeckende Gestaltung und rechtliche Verselbständigung überprüft. 10 Ergebnis dieser Überlegungen war - auch aus steuerlichen Gründen - die Auslagerung dieser Aktivitäten in die „Gemeinnützige Verwaltungsgesellschaft für Wissenschaftspflege" (GVW), die u. a. das Wissenschaftszentrum betrieb. Diese Gesellschaft war u. a. das Ergebnis einer 1960 begonnenen Überprüfung des Stifterverbandes durch die zuständigen Finanzbehörden des Landes Nordrhein-Westfalen. Trotz eines sich relativ lange hinziehenden Verfahrens wurde die korrekte Arbeit des Stifterverbandes gewürdigt, nur in wenigen Fällen wurden zweckgebundene Spenden beanstandet. Um jedoch den gemeinnützigen Teil der Verbandsaktivitäten sauberer von den anderen Aufgabenbereichen wie der Verwaltung des Anlagevermögens trennen zu können, schlug Nord - hier Anregungen der Finanzverwaltung folgend - schon 1961 die Einrichtung der GVW vor, die dann auch 1962 formell gegründet wurde." Da bei den zunächst erheblichen finanziellen Belastungen durch das Wissenschaftszentrum in absehbarer Zeit mit einer Entspannung nicht zu rechnen war, konzentrierte sich die kritische Prüfung der Verbandsarbeit besonders auf die Einzelposten Stiftungszentrum und Wissenschaftsstatistik. Während die Stiftungen angemessen am Verwaltungsaufwand durch das Stiftungszentrum beteiligt werden sollten und überhaupt über eine stärkere Selektion bei der Aufnahme neuer Stiftungen nachgedacht wurde, verhandelte die Hauptverwaltung über eine staatliche Kostenübernahme bei der Wissenschaftsstatistik.12 Mit diesen Maßnahmen gelang es dem Stifterverband, den Konsolidierungsprozeß erfolgreich voranzutreiben. Auch ohne besondere konjunkturelle Belebung vermochte der Stifterverband eine fast zehn Jahre anhaltende Stagnationsphase zu überwinden. Neben der Stabilisierung der Einnahmen trug vor allem die Kostenentlastung bei den Dienstleistungen zu diesem Ergebnis bei. 9 SV/ VP, Vorstandssitzung 2. Mai 1980. 10 Dafür wurde die rechtlich selbständige Gesellschaft für Gemeinnützige Wissenschaftspflege genutzt. 11 SV/VWR vom 2. Juni 1961 in Würzburg. 12 SV/VP, Casper Kuratoriumssitzung 2. Mai 1980.
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Wachsendes Ungleichgewicht zwischen „freien Mitteln " und Stiftungserträgen Bereits seit 1983 trat eine andere Entwicklung in den Blick der Hauptverwaltung, die in den folgenden Jahren die Diskussion über das Selbstverständnis des Stifterverbandes maßgeblich bestimmte. 1982 überflügelten die Einnahmen aus Stiftungsvermögen (Erträge und Kapitalinanspruchnahme) mit knapp 20,9 Mio. DM erstmals die freien Spenden, die in diesem Jahr etwa 20,1 Mio. DM betrugen. Zum Teil gelang es der Hauptverwaltung, die vom Stifterverband verwalteten Stiftungen an den Förderprogrammen des Stifterverbandes zu beteiligen, dennoch änderte dies nichts an dem prinzipiellen Unterschied zwischen Stiftungs vermögen und freien Spenden. Zwar sind die Stiftungsmittel wie die freien Spenden geeignet, den Wissenschaftsorganisationen flexible Mittel zur Verfügung zu stellen und somit richtungsweisende Entscheidungen zu ermöglichen, aber nur die freien Mittel garantieren den Fortbestand der Selbstverwaltung und schaffen damit überhaupt erst das Fundament, auf dem innovative Konzepte entstehen können. Konnte in der bisherigen Entwicklung des Stifterverbandes kein Zweifel an diesem Primat der freien Mittel bestehen, so deutete die faktische Entwicklung des dem Stifterverband zur Verfügung stehenden Mittelaufkommens immer stärker auf eine Marginalisierung der freien Mittel hin. Zwar hatten die Stiftungsmittel die freien Spenden gerade erst überholt, aber allein der rasante Anstieg des Stiftungsvermögens ließ schon in naher Zukunft ein deutlicheres Mißverhältnis erwarten. Zudem gestaltete sich die Betreuung und Koordination der Stiftungen zu einer wesentlich anders gearteten Aufgabe als die bislang im Mittelpunkt stehende kontrollierte Vergabe der freien Mittel. Damit drohte eine Spaltung des Stifterverbandes in „zwei voneinander unabhängige Funktionsbereiche", die zwar formal über die Hauptverwaltung zusammengehalten würden, in ihrem Selbstverständnis und Arbeitsprofil aber zunehmend eigene Wege gehen würden.13 Auch wenn der Stifterverband zu diesem Zeitpunkt erst die Anfänge dieser Entwicklung wahrnahm, hob Niemeyer schon 1983 die Bedeutung dieser zu erwartenden Entwicklung hervor: „Es schien mir aber wichtig, dies hier einmal vorzutragen, weil ich mich dem Eindruck nicht verschließen kann, daß der Stifterverband sich heute an einer Wendemarke befindet."14
In den folgenden Jahren verständigten sich Vorstand und Hauptverwaltung zunehmend über die Konsequenzen, die aus dem gleichermaßen erfreulichen Anstieg wie der bedenklichen Aufteilung des Mittelaufkommens zu ziehen seien. Neben der Erhöhung der freien Mittel - mittelfristig hielt Walther Casper eine Anhebung auf 30 Mio. für erforderlich - konzentrierten sich die Bestrebungen vor allem auf eine konsequente Verzahnung der Stiftungen mit dem Förderprogramm des Stifterverbandes.' 5 Bei aller Beachtung der wichtigen Individualität der einzelnen Stiftungen und deren spezieller thematischer Ausrichtung sollte es doch verstärkt möglich sein, zu einer feineren Abstimmung innerhalb des Förderprogramms zu finden, zumal Stifter und Stifterver13 SV/VP, Niemeyer Vorstandssitzung 5. Mai 1983. 14 Ebd. 15 SV/VP, Casper Kuratoriumssitzung 2. Mai 1985.
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band wechselseitig voneinander profitierten. Die inhaltliche und thematische Individualität der einzelnen Stiftungen sollte bei der Rationalisierung der Stiftungsverwaltung durch die Zentralisierung der Rechts- und Steuerberatung sowie der Finanzverwaltung nicht leiden.16 Dabei hielt die Überflügelung des freien Spendenaufkommens durch die Höhe des verwalteten Stiftungskapitals weiter an. Es kennzeichnet die Ära Niemeyer, daß selbst unter Berücksichtigung der Stabilisierung bei den freien Spenden der „Lebensnerv" des Stifterverbandes gegenüber dem expandierenden Stiftungsbereich stetig an Bedeutung einbüßte. 17 Und dies konnte geschehen, obwohl der Stifterverband inzwischen „auf dem Teilmarkt der Wissenschaftsspenden eine fast marktbeherrschende Stellung" erreicht hatte.18 Letztlich muß auch die Überprüfung der Hauptverwaltung im Jahre 1988 durch das Wirtschaftsberatungsunternehmen McKinsey als Ausfluß der Bestrebungen gesehen werden, die Aufgabenverteilung zwischen Stiftungsverwaltung und Dienstleistungsbereich zu optimieren. Diese externe Überprüfung bestätigte jedoch im wesentlichen die Neuerungen, die in den ersten Jahren der Amtszeit Niemeyers eingeführt worden waren und gab erstaunlich wenig wirklich neue Anregungen. Im Spannungsfeld zwischen Wirtschaft, Wissenschaft und Politik setzte der Vorstand neue Akzente. So formulierte Klaus Liesen programmatisch: „Die Tatsache, daß die Förderung der Wissenschaft nach heutigem Verständnis eine öffentliche Aufgabe ist, begründet keinen Monopolanspruch staatlichen Handelns[...]" 19
Demgegenüber zeige sich eine Rückbesinnung auf die Bedeutung privater Zuwendungen in dem Maße, wie die angespannte Lage der öffentlichen Haushalte wesentliche Steigerungen der staatlichen Förderung von Wissenschaft und Forschung kaum noch ermögliche. Dies sei in der Öffentlichkeit spürbar. Obwohl auch den Mitteln der Wirtschaft für die freiwillige Wissenschaftsförderung Grenzen gesetzt seien, gelte es die Bedeutung der privaten Mittel gegenüber der staatlichen Grundversorgung deutlich zu machen. 20 Dabei sollte konsequent dem Eindruck entgegengetreten werden, die von staatlicher Seite zu verantwortenden Förderungslücken könnten über Stiftungen geschlossen werden.21 Vielmehr müsse die Krise der öffentlichen Wissenschaftsfinanzierung als besondere Chance für die privaten Unterstützungsleistungen erkannt werden. „Andererseits liegt in dem zwingender werdenden Gebot der effizienten Nutzung begrenzter finanzieller und personeller Ressourcen natürlich auch eine erhebliche Chance, nämlich die der verstärkten Konzentration auf die Qualität in der Forschung." 22 16 17 18 19 20 21 22
SV/VP, SV/VP, SV/VP, SV/VP, SV/VP, SV/VP, SV/VP,
Niemeyer Vorstandssitzung 5. Mai 1985. Elkmann Vorstandssitzung 28. November. 1978. Vermerk für die Geschäftsleitung 26. Oktober 1988. Liesen 2. Mai 1980. Liesen Jahresversammlung 19. Mai 1981. Liesen Vorstandssitzung 26. März 1981. Liesen Jahresversammlung 19. Mai 1981.
Binnensicht III: Die Ära Niemeyer ab 1979
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Entsprechend sollte der Stifterverband bei seinen Zuwendungen an die Wissenschaftsorganisationen vor allem das Leistungsdenken betonen und daher Schwerpunkte in der Förderung der Spitzenforschung setzen.23 Hierbei reagierte der Stifterverband auch auf Entwicklungen innerhalb der Wissenschaftsorganisationen selbst. Das Überwiegen der staatlichen Finanzierung hatte diesen inzwischen die Vorgabe eingetragen, öffentlich-rechtliche Vorschriften, etwa im Bereich der Personalbewirtschaftung, zu beachten, und somit, in den Augen des Stifterverbandes, zu Einbußen von Effizienz und Flexibilität in der Forschung geführt. Gerade diese Aspekte sollte der Stifterverband bei der Gestaltung seiner künftigen Förderungspolitik entsprechend betonen und bei subtiler Dosierung innerhalb des Hochschulbereichs auch praktizieren.24 Dauerfinanzierungen sollten gemieden und frühzeitig eine Übernahme der vom Stifterverband initiierten Projekte durch andere Träger sichergestellt werden.25 Ein von der Hauptverwaltung erstellter Rahmenplan für das künftige Förderungsprogramm, mit dem sich auch die Hoffnung auf einen stärkeren Zuspruch aus dem Kreis der Förderer verband, skizzierte dabei die Grundlinien zukünftiger Mittelvergabe. Dieser Rahmenplan stellte in den folgenden Jahren das Rückgrat aller Maßnahmen zur Steigerung von Leistung und Konkurrenz in der Hochschullandschaft dar. Die gegenüber den Wissenschaftsorganisationen betonte Akzentuierung des Leistungsgedankens brachte der Stifterverband auch im unmittelbaren Kontakt zur Politik zum Ausdruck, so im Rahmen eines Villa-Hügel-Gesprächs zum Thema „Förderung wissenschaftlicher Spitzenleistungen Begründungen und Wege" im Jahre 1981.
b) Leistung und Konkurrenz in der Hochschullandschaft Dabei verfolgte der Stifterverband mit Aufmerksamkeit die programmatischen Erklärungen und ersten Grundsatzentscheidungen der neugewählten Bundesregierung, die der Wissenschafts- und Forschungspolitik einen hohen Stellenwert zumaßen. Vor allem die hochschulpolitischen Vorstellungen der Regierung Kohl schienen eine optimistisch stimmende Beweglichkeit in Fragen der Qualitätssicherung und der Stärkung des Konkurrenzgedankens innerhalb des Hochschulbereichs zu signalisieren. Vor der Mitgliederversammlung des Jahres 1984 stellte Liesen fest: „In der breiten Diskussion um den Zusammenhang von Eliteförderung und privaten Hochschulen konzentriert sich zur Zeit wie in einem Brennspiegel die hochschulpolitische Diskussion. Gleichgültig, ob man die Verbesserung der Lage vorrangig durch die Gründung privater Hochschulen oder durch Stärkung des Wettbewerbs zwischen den staatlichen Hochschulen zu erreichen sucht, in jedem Fall wird an dieser Diskussion deutlich, wo die Schwachstellen des gegenwärtigen Systems zu suchen sind. Wir haben zur Zeit eine Situation, die offen ist für vielfältige Initiativen, und dies sollte die private Wissenschaftsförderung zu eigenen Initiativen beflügeln; denn in offenen Situationen ist sie bekanntlich in ihrem Element."26 23 24 25 26
SV/VP, SV/VP, SV/VP, SV/VP,
Niemeyer Vorstandssitzung 29. Februar 1980 Liesen SV 26. März 1981. Niemeyer Vorstandssitzung 29. Februar 1980. Liesen Notizen Mitgliederversammlung 24. Januar 1984.
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Daher versprach sich der Stifterverband nicht zu Unrecht eine positive Resonanz auf seine hochschulpolitischen Vorstellungen. „Insgesamt scheint sich ganz allgemein das Bewußtsein einzustellen, daß wir den Anforderungen der Zukunft nicht mit mehr Reglementierung, sondern mit mehr Mut zur Differenzierung begegnen müssen." 27
Konkret zeichnete sich vor allem eine Stärkung der Drittmittelforschung gegenüber öffentlichen Haushaltsvorschriften innerhalb des Hochschulrahmengesetzes ab.28 Nicht ruhen ließ den Stifterverband die entgegen den Äußerungen in der Regierungserklärung vom 4. Mai 1983 anfängliche Zurückhaltung der Bundesregierung auf dem Gebiet des Stiftungswesens. Hier gedachte die Hauptverwaltung in den kommenden Monaten aktiv zu werden, insbesondere in der wichtigen Frage der Rücklagenbildung aus den Erträgen des Stiftungsvermögens.29 Pragmatisches Handeln bestimmte die Haltung des Stifterverbandes im Hinblick auf die andauernd hohen Studentenzahlen. Den Beschluß der Regierungschefs von Bund und Ländern, ihren gemeinsam getragenen „Öffnungsbeschluß" vom 4. Oktober 1977 am 10. März 1989 zu verlängern, begrüßte der Stifterverband als Chance und Herausforderung.30 Die Tatsache, daß inzwischen 25 % eines Altersjahrganges die Möglichkeiten eines Hochschulstudiums nutzten, dürfe nicht nur unter dem Etikett der „Überlast" betrachtet werden. Allerdings bereite die zunehmende Verweildauer der Studenten an den Universitäten Probleme. Gerade im Blick auf den entstehenden europäischen Arbeitsmarkt könne die Sorge um zu lange Ausbildungszeiten nicht länger ignoriert werden. Vor dem Hintergrund begrenzter Mittel für die Forschungsförderung formulierte der Stifterverband ein Aktionsprogramm, das konkrete Maßnahmen zur Studienzeitverkürzung beinhaltete. Demnach sollten Studenten, Fachbereiche oder Hochschulen, die durch besondere Initiative bei der Verkürzung der Studienzeiten hervorgetreten waren, im Rahmen von Sonderprogrammen des Stifterverbandes ausgezeichnet werden.31 Förderungsprogramm Die Spendenentwicklung der späten 70er und frühen 80er Jahre hatte vor allem unmittelbare Folgen für die Förderpolitik des Stifterverbandes. Abgesehen von einer Übergangsphase, deren Rahmenbedingungen noch durch Programmentscheidungen der voraufgegangenen Jahre abgesteckt waren, erwirkte die Hauptverwaltung vom Vorstand die Grundsatzentscheidung, künftig keine Dauer- oder Regelförderungen mehr einzugehen. Gerade um der durch staatliche Grundentscheidungen geprägten Wissenschaft größere Flexibilität abzuringen, müsse sich auch die Förderpolitik des Stifterverbandes dieser Flexibilität verpflichtet wissen. In einem Rahmenplan, der dem Präsidium am 27 28 29 30 31
SV/VP, SV/VP, SV/VP, SV/VP, SV/VP,
Liesen Liesen Liesen Liesen Liesen
Notizen Mitgliederversammlung 24. Januar 1984. Notizen Mitgliederversammlung 24. Januar 1984. Mitgliederversammlung 11. Mai 1984. Jahresversammlung 11. Mai 1989. Jahresversammlung 11. Mai 1989.
Binnensicht III: Die Ära Niemeyer ab 1979
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2. Oktober 1979 vorlag und in der Vorstandssitzung am 29. Februar 1980 angenommen wurde, bekräftigte der Stifterverband auf der einen Seite die Zusammenarbeit mit den Wissenschaftsorganisationen, die schon mit der Konstruktion des Stifterverbandes gegeben sei, verwies aber auf der anderen Seite darauf, daß sich der Stifterverband „als ein von der Wirtschaft getragener Mitgliederverein" die Grundsatzentscheidung über die Schwerpunkte seiner Förderung vorbehalten müsse.32 Damit kehrte man zu einem Argumentationsmuster zurück, das schon in der Gründungszeit 1949 immer hochgehalten worden war. Konkret gab der Rahmenplan Auskunft über Förderungsmodalitäten und inhaltliche Schwerpunkte, an denen sich die Kooperation mit den Wissenschaftsorganisationen in den kommenden Jahren ausrichten sollte. Neben der Stärkung der Selbstverwaltungskräfte der Wissenschaftsorganisationen durch unmittelbare Zuwendungen, deren Höhe sich der Stifterverband aber vorbehielt, sollte sich die Förderung von Projekten der Wissenschaftsorganisationen aus Mitteln des Stifterverbandes vor allem auf jene Bereiche erstrecken, für die keine staatlichen Mittel zur Verfügung stünden. Weiterhin legte der Stifterverband Wert auf eine Begrenzung dieser Projekte auf drei Jahre. Außerdem war in dem Rahmenplan an solche Projekte gedacht, die aufgrund rechtlicher Beschränkungen weder von den Wissenschaftsorganisationen noch von staatlicher Seite durchgeführt werden konnten. Hier gedachte der Stifterverband auf Initiative der Wissenschaftsorganisationen, staatlicher Stellen, von Mitgliedern des Stifterverbandes oder treuhänderischer Stiftungen tätig zu werden, bestand aber auch bei diesen Projekten auf einem zeitlichen Rahmen von höchstens drei Jahren. In Expertengesprächen bzw. mit der Finanzierung von Gutachten beabsichtigte der Stifterverband, der notwendigen Diskussion auch unbequemer wissenschaftspolitischer Fragen ein Forum zu bieten. Zur Ausgestaltung dieser Vergabeverfahren benannte der Stifterverband thematische Schwerpunkte, die er als Prioritätensetzung, nicht aber als starre Festlegung verstanden wissen wollte. Hierzu zählten die internationale wissenschaftliche Zusammenarbeit, die medizinische Forschung, die Geisteswissenschaften, Struktur und Organisation der Wissenschaft sowie der Bereich Wissenschaft und Öffentlichkeit. Ausschlaggebend für die Benennung gerade dieser Themenfelder war neben dem offensichtlichen Mitgliederinteresse (Medizin!) und der in der traditionellen Zusammenarbeit des Stifterverbandes mit den Wissenschaftsorganisationen gegebenen Ausrichtung (internationale wissenschaftliche Zusammenarbeit) die Tatsache, daß sich mit der Expansion des Hochschulsektors einige Fachbereiche besonderen Belastungen ausgesetzt sahen. Daneben bildete die Förderung des wissenschaftlichen und technischen Nachwuchses weiterhin eines der allerersten und in § 1 der Satzung verankerten Programmziele des Stifterverbandes. Zwar konnte das neue inhaltliche Profil des Förderprogramms die Kontinuität zum Schwerpunktprogramm der 70er Jahre nicht verleugnen, es wies aber gerade in der Art des Vergabeverfahrens eine größere Variabilität auf. Im Zuge des Abbaus der finanziellen Belastungen durch das Wissenschaftszentrum sollte flexibel auf die Bedürfnisse der Wissenschaftsorganisationen reagiert werden. Mit diesen Maßnahmen gedachte der 32 SV/VP, Präsidium 2. Oktober 1979.
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Der Stifterverband nach dem II. Weltkrieg
Stifterverband nicht nur neue Akzente in der privaten Wissenschaftsförderung zu setzen, sondern auch das eigene Profil gegenüber den Möglichkeiten der großen Wissenschaftsstiftungen zu schärfen. Maßgeblich förderte der Stifterverband seit 1979 folgende Projekte:33
Dahlem-Konferenzen Zentrale Bedeutung bei der Förderung der internationalen wissenschaftlichen Zusammenarbeit maß der Stifterverband den Dahlem-Konferenzen bei. Diese 1974 gemeinsam von Stifterverband und DFG ins Leben gerufenen Forschungskonferenzen versammelten mehrmals im Jahr einen Kreis international renommierter Wissenschaftler zum interdisziplinären Austausch über aktuelle, international bedeutsame Probleme. Eine Besonderheit der Dahlem-Konferenzen, die seit ihrer Begründung in Berlin-Dahlem stattfanden, ist die durch detaillierte Vorabinformation aller Teilnehmer mögliche intensive Diskussion in Arbeitsgruppen. Vorträge werden nicht gehalten, dafür aber Grundlagen und Ergebnisse der Diskussionen etwa ein halbes Jahr nach der jeweiligen Konferenz geschlossen in englischer Sprache publiziert. Der erhebliche finanzielle Bedarf der Dahlem-Konferenzen führte schon früh zu Verhandlungen zwischen dem Stifterverband und dem Berliner Senator für Wissenschaft und Forschung über eine langfristige Sicherung dieser Veranstaltungen. Im Jahre 1980 stimmte der Stifterverband dem Vorschlag des Landes Berlin zu, die Dahlem-Konferenzen gemeinsam mit dem neugegründeten Wissenschaftskolleg in dem noch zu errichtenden Emst-ReuterZentrum langfristig zu institutionalisieren.34 Im Jahre 1986 gelang schließlich die überwiegende öffentliche Finanzierung durch den Senat von Berlin.35
Wissenschaftleraustausch Neben den Dahlem-Konferenzen unterstützte der Stifterverband in Zusammenarbeit mit der DFG, dem DAAD und der AvH eine Vielzahl von Maßnahmen zur Erleichterung des personellen Austausches zwischen deutschen und ausländischen Wissenschaftlern. Dabei wurde die Förderung von Personen mit dem Vorsatz der Verstärkung internationalen Kontakte fächerunabhängig gewährt. 1977 konnte der Stifterverband Bilanz des Richard-Merton-Programms ziehen, das nach dem Tode des ersten Vorsitzenden 1957 aufgelegt worden war. In fast 20 Jahren hatte man mit einem Volumen von 13,5 Mio. DM ca. 850 Gastprofessoren gefördert und damit einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der wissenschaftlichen Kontakte ins Ausland geleistet, der seitdem in den ordentlichen Haushalt der DFG übernommen wurde.
Zentrum für Türkeistudien Ein besonderes Element der Förderungspolitik des Stifterverbandes bildete das zunächst nicht als Dauereinrichtung geplante Zentrum für Türkeistudien. Nachdem 33 Einen detaillierten Überblick über das Förderungsprogramm bieten die Tätigkeitsberichte 1979 ff.; falls nicht eigens angemerkt, stützen sich die folgenden Bemerkungen auf Angaben in den Tätigkeitsberichten der Jahre 1979-1989. 34 SV/VP, Niemeyer Vorstandssitzung 26. März 1981. 35 SV/VP, Niemeyer Vorstandssitzung 17. Dezember 1985.
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sich der Stifterverband bereits 1973, auf Anregung des Ettlinger Gesprächskreises, in Modellversuchen mit der Problematik der schulischen wie beruflichen Eingliederung ausländischer Kinder und Jugendlicher beschäftigt hatte, stimmte der Vorstand auf seiner Sitzung am 29. Februar 1980 der Errichtung regionaler Arbeitsstellen zur Förderung ausländischer Kinder und Jugendlicher zu.36 Ein unmittelbarer Anlaß für eine institutionelle Verankerung des kulturellen Austausches zwischen der BRD mit der Türkei war mit einer vom Stifterverband 1981 durchgeführten Studienreise der Generalsekretäre der Wissenschaftsorganisationen in die Türkei gegeben. Die mit dem Ziel der Verbesserung der wissenschaftlichen Beziehungen zwischen der BRD und der Türkei geplante Reise mündete schließlich in Überlegungen, den wissenschaftlichen Austausch gerade von Seiten der Bundesrepublik auf eine stabile Basis zu stellen. Nach dem Vorbild amerikanischer „Centers for Turkish Studies" wurde 1985 ein Zentrum für Türkeistudien gegründet, das zunächst im Bonner Wissenschaftszentrum und nach Übernahme der Trägerschaft durch das Land NRW an der Universität Essen untergebracht über eine Intensivierung des wissenschaftlichen Kontaktes die Kenntnisse über Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur der Türkei in der BRD erhöhen sollte, um darüber auch einen Beitrag zur Verbesserung der deutsch-türkischen Beziehungen zu leisten.37 Im Bereich der medizinischen Forschung stellte der Stifterverband den Wissenschaftsorganisationen über eine Vielzahl von Stiftungen Mittel zur Verfügung. Seine Mittel im Rahmen des Förderungsprogramms konzentrierte der Stifterverband in Zusammenarbeit mit der DFG und der MPG vor allem auf solche Forschungsvorhaben, die von den Wissenschaftsorganisationen als besonders dringlich eingeschätzt wurden. Hierbei erstreckte sich die Förderung auf eine Fülle von Einzelthemen, von der Erforschung von Krebs oder Multiple Sklerose bis hin zu ethischen Problemen moderner Medizin oder, nach der Erweiterung des medizinischen Schwerpunktes um die biowissenschaftliche Forschung, auch der Naturschutzforschung. In den Geisteswissenschaften förderte der Stifterverband insbesondere die Fächer Philosophie und Geschichte. Hierbei gedachte er über die Erprobung verschiedener Förderungsverfahren zu einem wirksamen Einsatz der privaten Mittel zu finden. Neben der Förderung der nationalen und internationalen Kooperation von Forschern oder Forschergruppen sollte einzelnen renommierten Wissenschaftlern die Möglichkeit gegeben werden, wichtige Veröffentlichungen ungestört abzuschließen. Aufbauend auf einer von der DFG angeregten und gemeinsam von der Fritz Thyssen Stiftung, der Robert Bosch Stiftung, der Stiftung Volkswagenwerk und dem Stifterverband finanzierten Untersuchung des Instituts für Demoskopie Allensbach über „Die Lage der Forschung an den deutschen Universitäten" setzte sich der Stifterverband vor allem durch die Förderung von Stiftungsprofessuren seit 1985 für die Stärkung der Forschung an den Universitäten ein. Auch in Zeiten verstärkter Lehrbelastungen sollte so für die Funktions- und Leistungsfähigkeit der Forschung Sorge getragen und damit einem Strukturproblem der Wissenschaft abgeholfen werden. 36 SV/VP, Niemeyer Vorstandssitzung 29. Februar 1980; dabei hatte sich insbesondere im Kreise der Arbeitgeber Informationsbedarf über die „Zweite Ausländergeneration" ergeben. 37 SV/ VP, Niemeyer Vorstandssitzung 11. Dezember 1984.
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Im Rahmen seines Satzungsauftrages setzte sich der Stifterverband in Zusammenarbeit mit der DFG, dem DAAD und der Studienstiftung weiterhin für die Stipendienförderung des wissenschaftlichen Nachwuchses ein. In Anknüpfung an den seit 1970 erfolgreichen Bundeswettbewerb Mathematik richtete der Stifterverband seit dem Schuljahr 1979/80, zunächst in den Bundesländern Hamburg und Rheinland-Pfalz, einen Schülerwettbewerb „Fremdsprachen" aus. Dabei ließ sich der Stifterverband von der Einsicht leiten, daß eine angemessene Förderung wissenschaftlicher Talente von der frühzeitigen Entdeckung der entsprechenden Begabung abhängig ist. Die Villa-Hügel-Gespräche Auch in seinen Veranstaltungen spiegelte sich die neue Akzentuierung der Arbeit des Stifterverbandes wider. Als traditioneller Ort der Vorfelddiskussion und der Sondierung künftiger Förderungsschwerpunkte sind vor allem die Villa-Hügel-Gespräche Ausdruck der angestrebten qualitativen Profilierung des Stifterverbandes seit Anfang der 80er Jahre. Gegenüber der herausgehobenen Stellung der bildungspolitischen Reformdiskussion in den 70er Jahren konzentrierten sich die Villa-Hügel-Gespräche in den 80er Jahren stärker auf hochschulpolitische Themen. Das VHG im Anschluß an die Jahresversammlung am 29. September 1981 hatte dabei geradezu initiierende Bedeutung für die strategische Ausrichtung des Förderprogramms auf die qualitative Erneuerung der Hochschullandschaft. Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft diskutierten dabei über die „Förderung wissenschaftlicher Spitzenleistungen - Begründungen und Wege". Herausgefordert durch die mittlerweile an ihr Ende gelangte Expansion des Hochschulbereichs und die evidente Erhöhung der Zahl der Universitäten, der Professorenstellen und vor allem der Studenten, beklagte der Stifterverband dezidiert ausbleibende Spitzenleistungen in der Forschung. „Diese Förderung der besonderen Leistung ist eine Herausforderung an die private Wissenschaftsförderung, und an diesem vorrangigen Ziel orientiert sich auch die Förderungstätigkeit des Stifterverbandes. Seine Aufgabe ist es, sich als Gemeinschaftsaktion der Wirtschaft in koordinierender Weise an der Förderung von Wissenschaft und Forschung und an der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses zu beteiligen."38
Im Gespräch in der Villa Hügel wurden unter anderem das Absinken der durchschnittlichen Qualität der Hochschullehrer, fehlende Chancen und Anreize für den qualifizierten wissenschaftlichen Nachwuchs und die bürokratische Einengung des Handlungsrahmens der Hochschulen mit Sorge betrachtet. Im Ergebnis forderte der Gesprächskreis Politiker und Wissenschaftsverwaltung dazu auf, den Wettbewerbsgedanken stärker innerhalb des Hochschulbereichs zu verankern, und regte private Förderer an, ihre Mittel konzentriert solchen Disziplinen zur Verfügung zu stellen, in denen die Bundesrepublik den Anschluß an die internationale Spitzenforschung gewinnen sollte. Statt thematischer Schwerpunkte sollte sich die private Förderung dabei gezielt hervorragenden Forscherpersönlichkeiten und besonders qualifizierten Nachwuchs38 SV/ VP, Liesen 2. Mai 1985.
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kräften zuwenden. In Ergänzung seines eigenen Rahmenplans zur Forschungsförderung, dem der Stifterverband die entsprechende öffentliche Wirksamkeit zu verschaffen suchte, zielte das VHG damit auf Multiplikatoreffekte bei anderen Akteuren der privaten Wissenschaftsförderung. Stärker auf die mittelbar oder unmittelbar vom Staat bestimmten Rahmenbedingungen für die Zusammenarbeit zwischen Hochschulforschung und Industrie eingehend wandte sich das VHG am 6. Oktober 1983 dem Thema „Hochschulforschung und industrielle Innovation - Sind wir für die Zukunft gerüstet?" zu. Angesichts der Herausforderung durch andere Industrieländer hob das Gespräch vor allem auf einen reibungslosen Austausch zwischen beiden Bereichen ab. Dabei gelte es nicht nur, das gegenseitige Verständnis auf der Basis eines „gewissen Grundkonsensfes] in den Zielen der technischen und gesellschaftlichen Entwicklung" zu erleichtern, sondern vor allem die institutionellen Rahmenbedingungen für einen wechselseitigen Übergang zwischen Wissenschaft und industrieller Innovation auszubauen.39 Im Ergebnis des Gesprächs stellte Liesen zufrieden fest: „Man kann heute wieder ohne Vorbehalte über die Zusammenarbeit Industrie-Wissenschaft sprechen.'"'0
Die enge Verschränkung zwischen Arbeitswelt und Berufsqualifizierung wurde in dem VHG des Jahres 1986 deutlich. Gerade in innovativer Hinsicht anspruchsvolle Branchen verzeichneten einen Zugang von Arbeitsplätzen, wie sich überhaupt eine Tendenz zur beruflichen Höherqualifizierung abzeichnete. Allerdings verschließe sich - so die Grundtendenz des Gesprächs - der zweifellos zu konstatierende Qualifizierungsbedarf einem zielgerichteten Zugang. Eher sei vor einer frühen Spezialisierung nur zu warnen. In einer immer rascheren Entwicklungssprüngen ausgelieferten Arbeitswelt biete vielmehr eine solide Allgemeinbildung das beste Fundament, um den Herausforderungen des forcierten Wandels zu begegnen.4' Einen Blick in die 90er Jahre warf der Stifterverband mit dem VHG des Jahres 1988 „Die Hochschulen nach der Überlast - Neue Chancen für die Forschung?". Fragend konfrontierte der Stifterverband die Sachverständigen aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik mit der Vorstellung, die Forschung könne von einem zukünftigen Rückgang der Studentenzahlen profitieren. Unbestritten stellten die hohen Lehrbelastungen sicherlich keine Erleichterung der Forschungsmöglichkeiten dar, dennoch wurde in dem Gespräch dem Eindruck entgegengetreten, damit seien Forschungsdefizite zu entschuldigen. Zu unterschiedlich verteile sich die Belastung auf Fächer und Universitäten. Wer der Forschung einen Dienst erweisen wolle, der müsse dies ohne einen Seitenblick auf die Studentenzahlen bewerkstelligen. Bestehende Freiräume seien, auch in Zusammenarbeit mit der Wirtschaft, auszugestalten, wobei sich die Hochschulen auf die Grundlagenforschung sowie die Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses 39 SV, Bericht 1983, Essen 1983, 65-68; Zitat 66. 40 SV/ VP, Liesen Mitgliederversammlung 24. Januar 1984. 41 SV, Bericht 1986, Essen 1986, 83 f.
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konzentrieren sollten. Flankierend sei auch an einen Ausbau der Fachhochschulen zu denken. Dabei gelte auch im Zeichen der Überlast: „Gute Wissenschaftler machen nach wie vor gute Forschung."42
Nach dem säkularen Einschnitt des Jahres 1989 ergab sich die Themenstellung des VHG am 30. Oktober 1990 fast zwangsläufig. Dabei suchte der Stifterverband „Wege zu einer deutschen Wissenschaftslandschaft - Konzepte und Perspektiven". Der deutlichen Warnung vor Überheblichkeit und pauschalen Verurteilungen gegenüber Wissenschaft und Wissenschaftlern der ehemaligen DDR folgte ein ebenso entschiedenes Plädoyer für die Strategie, beim anstehenden Neuaufbau der Hochschulen konsequent auf den qualifizierten wissenschaftlichen Nachwuchs zu setzen. Ganz im Gegensatz zu den Organisationsstrukturen der Wissenschaft in der DDR sei es darüber hinaus angebracht, die Forschung aus den Akademieinstituten wieder verstärkt in den Universitäten zu verankern und so das Fundament für ein funktionierendes Zusammenspiel von Lehre und Forschung zu legen.43 Auch dürfe die Entwicklung in Deutschland nicht abgetrennt von den Wandlungen in ganz Europa erörtert werden. Erst im Kontakt zu West- und Osteuropa könne der Anschluß an die internationale Scientific Community gefunden werden. Insgesamt zeugen die VHG von der distanziert beobachtenden und kritischen Ausrichtung des Stifterverbandes in den 80er Jahren. Jenseits der Aufgeregtheiten der 70er Jahre, aber auch ohne den Anspruch und die Möglichkeiten eines unmittelbaren Einwirkens auf die Gremien direkter wissenschaftspolitischer Entscheidung im Zuge einer bis dahin ungeahnten Expansionsphase des Wissenschaftsbereichs, verdeutlichten die VHG Kernelemente einer wirtschaftsnahen Sicht der Entwicklungen in Wissenschaft und Forschung. Für die Verständigung einer wissenschaftsnahen Öffentlichkeit über geplante Initiativen des Stifterverbandes leisteten die Gespräche unentbehrliche Dienste. Man kann sie auf der einen Seite als Plattform des Austauschs über sich anbahnende Problemlagen im Bereich der Hochschul- und Forschungspolitik bezeichnen, auf der anderen Seite war es der Stifterverband selber, der aus den Gesprächen Anregungen für die Schwerpunktsetzung in seinen Förderprogrammen gewinnen konnte.
c) Private Hochschulen und Stiftungsprofessuren Einen besonders gewichtigen Beitrag innerhalb des Förderungsprogramms stellten die Stiftungsprofessuren dar. Dabei muß deren Einrichtung in unmittelbarem Zusammenhang mit der Herausforderung der deutschen Hochschullandschaft durch die Gründung privater Hochschulen nach amerikanischem Vorbild gesehen werden.44 Zwar war der 42 SV, Bericht 1988, Essen 1988, 59 f. 43 SV, Bericht 1990, Essen 1990, 8. 44 Die Diskussion über die Rolle von Stiftungslehrstühlen war schon in den 70er Jahren vom Stifterverband dokumentiert worden. Im Jahre 1972 erschien in WuW ein Beitrag von Paul W. Meyer unter dem Titel „Akzelerator der Studienreform", der die Möglichkeiten von Stiftungslehrstühlen für den Bereich der Wirtschaftswissenschaften auslotete. In einer redaktio-
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Aufbau privater Hochschulen schon Anfang der 70er Jahre angesichts der Turbulenzen an den etablierten Hochschulen und dem damit entstandenen Vertrauensverlust auf Seiten der Wirtschaft erwogen worden, doch schienen der praktischen Verwirklichung scheinbar unüberwindliche Hindernisse entgegenzustehen. Im Organ des Stifterverbandes hieß es zu diesem Thema nicht ohne Resignation: „Das Thema Stiftungsuniversität ist ausgereizt. Die Vorstellung, mit einer solchen Einrichtung als Reformmodell die nur schleppend vorangekommene Hochschul- und Studienreform zu beschleunigen, hat sich aus hochschulrechtlichen, hochschulpolitischen und finanziellen Gründen als unrealisierbar erwiesen."45
In einem veränderten politischen Klima seit Anfang der 80er Jahre kam es erneut zu Vorstößen zur Errichtung privater Hochschulen. Nachdem sich die Universität WittenHerdecke, die Internationale Europäische Universität Ingolstadt und die Hochschule für Unternehmensführung Koblenz 1983 mit Unterstützungsgesuchen an den Stifterverband gewandt hatten, er möge bei der Errichtung von Lehrstühlen und Fakultäten, bei Zuwendungen für Betriebskosten und Stipendienfonds oder bei der Bereitstellung von Mitteln für Forschungsprojekte Hilfestellung leisten, aber auch in der Erwartung, daß diese Gründungsinitiativen einen erheblichen Einfluß auf die Entwicklung des Marktes für wissenschaftsfördernde Spenden haben würden, sah sich der Stifterverband 1984 zu einer prinzipiellen Stellungnahme gegenüber den Neugründungen veranlaßt. Bei aller Würdigung dieser privaten Alternative sah der Stifterverband seine Aufgabe vor allem in der Optimierung des bestehenden Hochschulsystems, wobei er sich der Unterstützung der privaten Universitäten aber nicht prinzipiell verschloß. Auf Vorschlag des Vorstandes der Deutschen Bank stimmte der Stifterverband am 1 l . M a i 1984 der Unterstützung der Universität Witten-Herdecke beim Aufbau der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät unter der Voraussetzung zu, daß die Gesamtfinanzierung der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät sichergestellt sein müsse. In der gleichen Sitzung beschloß der Vorstand des Stifterverbandes, auf Anregung des Präsidenten der DFG, Eugen Seibold, 46 die Einrichtung von „Stiftungsprofessuren" zunächst in einer generellen Richtlinie für die Hauptverwaltung vorzusehen, um dieser damit erst die Möglichkeit zur Prüfung der Frage zu geben, ob sich eine solche Einrichtung überhaupt realisieren lasse. Die zunächst skeptische Haltung des Stifterverbandes über die mögliche Realisierung von Stiftungsprofessuren in der Abstimmung mit den Kultusverwaltungen konterte Seibold mit dem Hinweis, er sei notfalls bereit, auf seinem Talar Reklame für „Jägermeister" zu machen, wenn dies zur Stiftung einer Professur
nellen Notiz verwies Hagen Beinhauer, der Redakteur von WuW, auf die Chance, durch die Errichtung von Stiftungslehrstühlen der „Entfremdung zwischen Theorie und Praxis" entgegenzuwirken. Diese Entfremdung zeige sich deutlich an dem steigenden Aufwand der Unternehmen für betriebseigene Ausbildungsstätten; siehe: Stiftungslehrstühle - eine neue Brücke zwischen Wirtschaft und Wissenschaft ?, in: WuW, Nr. 2, 1972, 19-22. 45 Ebd., 21. 46 SV/ VP, Niemeyer Vorstandssitzung 17. Dezember 1985; Verabschiedung Seibold.
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führe.47 Ohne damit schon grundsätzliche Festlegungen des Stifterverbandes gegenüber den privaten Hochschulgründungen präjudizieren zu wollen48, beschloß der Vorstand am 11. Mai 1984: „Der Vorstand des Stifterverbandes begrüßt alle privaten Initiativen, die geeignet sind, die Wissenschaft in Forschung und Lehre zu fördern. Er begrüßt daher Bemühungen, Stiftungslehrstühle zu schaffen und das bestehende Hochschulsystem durch private Neugründungen zu ergänzen. Er ist sich bewußt, daß private Hochschulen weder die bestehenden Hochschulen bei der Ausbildung der auf längere Zeit noch hohen Studentenzahlen wesentlich entlasten, noch daß von ihnen vorerst besondere Forschungsleistungen erwartet werden können." 49 „Voraussetzung für den dauerhaften Erfolg der privaten Neugründungen ist die langfristige Sicherung ihrer Grundfinanzierung; diese kann nicht durch jährlich neu einzuwerbende Spenden, die überwiegend aus der Wirtschaft kommen müßten, gewährleistet werden." 50 „Als ein besonders geeignetes Instrument für privates Engagement in der Wissenschaftsförderung erscheint dem Vorstand zum gegenwärtigen Zeitpunkt die Schaffung von Stiftungslehrstühlen, unabhängig von der Rechtsform des Hochschulträgers." 51
In seiner Sitzung vom Dezember 1984 erteilte der Vorstand des Stifterverbandes schließlich die abschließende Zustimmung zum Programm der Stiftungsprofessuren. Danach sollten in einem Zeitraum von 8 Jahren zehn Mio. DM zur Finanzierung von Stiftungsprofessuren bereitgestellt werden. Darüber hinaus gedachte der Stifterverband im Kreise seiner Mitglieder und der von ihm verwalteten Stiftungen für diese neue Form der Forschungsförderung zu werben und sich, bei entsprechendem Interesse, für die Durchführung entsprechender Verwaltungsmaßnahmen zu empfehlen. Unterstützung erfuhr die Aktion des Stifterverbandes durch ein Memorandum „Zur Sicherung der Leistungsfähigkeit der Hochschulforschung und Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses", das die Unterschriften des Präsidenten der MPG, Heinz A. Staab, des Präsidenten der WRK, Theodor Berchem, des Vorsitzenden des WR, HansJürgen Engeil, des Präsidenten der DFG, Eugen Seibold, des Vorsitzenden der AGF, Hans Wolfgang Levi, und des Präsidenten der FhG, Max Syrbe, trug. Darin beklagten die Unterzeichner den mangelnden personalpolitischen Spielraum, der die Leistungsfähigkeit der Hochschulforschung in den 80er Jahren gefährde. Während die Zahl der Studienanfänger deutlich gestiegen sei, stagniere der Stellenbestand für das wissenschaftliche Personal. Da bei der gegebenen Altersstruktur der Professoren vorerst nicht mit einer Veränderung dieser Situation zu rechnen sei, drohe der Verlust qualifizierter Nachwuchskräfte für die Forschung.52 47 SV/ VP, Liesen Vorstandssitzung 2. Mai 1985. 48 Unbeschadet der Einrichtung von Stiftungsprofessuren stimmte der Vorstand am 2. Mai 1985 der Förderung der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Witten/Herdecke in den Jahren 1984 bis 1988 aus dem Stiftungsfonds der Deutschen Bank zu. 49 SV/VP, Vorstandssitzung 11. Mai 1984. 50 SV/VP, Vorstandssitzung 11. Mai 1984. 51 SV/VP, Vorstandssitzung 11. Mai 1984. 52 SV/VP, Anlage zur Vorstandssitzung 17. Dezember 1985.
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Gerade in diesem Punkt traf sich das Memorandum mit dem aktuellen Projekt des Stifterverbandes. In zwei Arbeitssitzungen erörterte am 17. Januar und 26. Februar 1985 eine von der Hauptverwaltung berufene Expertenrunde alle grundsätzlichen Gesichtspunkte des neuen Programms. 53 Dabei wurde noch einmal deutlich zum Ausdruck gebracht, daß die vom Stifterverband finanzierten Stiftungsprofessuren der Stärkung der Forschung und der dauerhaften Gewinnung hochqualifizierter Nachwuchswissenschaftler für die Forschung dienen sollten. Die Ausbildungskapazität der Hochschulen dürfe dadurch nicht vorrangig erweitert werden. Vielmehr sollten durch die Stiftungsprofessuren qualitätsverändernde Wirkungen im Rahmen vorhandener Kapazitäten angestoßen werden.54 Um es nicht bei einem bloßen Postulat neuer Forschungsansätze zu belassen, verlangte der Stifterverband von den antragstellenden Hochschulen den Nachweis eines wissenschaftlich begründeten, längerfristig tragfähigen Konzepts, das sich neuen Wegen in Forschung und Lehre öffnen sollte.55 Insgesamt gedachte der Stifterverband, mit seinem Projekt einen mittleren Weg zu beschreiten, der vermitteln sollte zwischen den Bestrebungen der privaten Hochschulen, außerhalb des bestehenden Hochschulsystems neue Maßstäbe zu setzen, und dem Drängen der staatlichen Hochschulen, über die Einbindung zusätzlicher Lehr- und Forschungskapazitäten zu einer breiteren Verteilung der quantitativen Belastung zu kommen. 56 Im Oktober 1985 wurde das „Förderungsprogramm Stiftungsprofessuren" öffentlich ausgeschrieben. Dabei waren drei Modelle von Stiftungsprofessuren vorgesehen: 1. Die neue Professur auf Dauer, die aber nur auf Zeit aus Stiftungsmitteln finanziert wird 2. Die vorgezogene Berufung, die von der Bereitschaft eines Hochschullehrers abhängig ist, sich vorzeitig emeritieren zu lassen 3. Die Stiftungsgastprofessur, die mit deutschen Nachwuchswissenschaftlern oder ausländischen Gastwissenschaftlern besetzt werden kann.57 Zur Vorbereitung der Entscheidung über die insgesamt 106 eingegangenen Anträge von 42 Hochschulen bildete der Vorstand des Stifterverbandes eine Wissenschaftliche Kommission „Stiftungsprofessuren", der Hans-Jürgen Engell, Thomas Finkenstaedt, Peter Graf Kielmannsegg, Hubert Markl und Gerhard Thews angehörten, und dazu eine Vergabekommission unter der Leitung seines Vorstandsmitglieds Friedhelm Gieske. Auf Empfehlung der beiden Kommissionen, die am 7. April 1986 in einer gemeinsamen Sitzung getagt hatten, bewilligte der Vorstand des Stifterverbandes in seiner Sitzung am 6. Mai 1986 die Einrichtung von 20 Stiftungsprofessuren an 16 Hochschulen. Hierzu erläuterte Gieske: „Die Kurzanalyse der zur Förderung empfohlenen Anträge zeigt unseres Erachtens eine erfreuliche Vielfalt in der Verteilung der zur Förderung empfohlenen Stiftungsprofessuren 53 54 55 56 57
SV/VP, Beschlußvorlage Vorstandssitzung 2. Mai 1985. SV/VP, Vorstandssitzung 2. Mai 1985. SV/VP, Vorstandssitzung 2. Mai 1985. SV/VP, Pistor Vorstandssitzung 2. Mai 1985. SV, Bericht 86, Essen 1986, 68-78.
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auf Bundesländer, Hochschulorte, Fachgebiete und Fächer. Diese Verteilung hat sich allein aus der Qualität der Anträge ergeben, sie ist nicht - wie ich schon sagte - Ergebnis gezielter Vorgaben."58
Bereits 1989 konnte der Stifterverband zufrieden auf seine Bemühungen um die Förderung von Stiftungsprofessuren zurückblicken. Neben dem erhofften Durchbruch in der Zusammenarbeit mit den Hochschulen gelang es, breite Kreise für die Errichtung von Stiftungsprofessuren zu interessieren. Zwischen 1985 und 1989 stieg die Zahl der Stiftungsprofessuren von 25 auf 90, wobei 50 Stiftungsprofessuren vom Stifterverband und den von ihm verwalteten Stiftungen errichtet worden waren, während die restlichen von anderen Stiftungen (z.B. der Stiftung Volkswagenwerk) finanziert worden waren. Noch positiver gestaltete sich diese vorläufige Bilanz im Hinblick auf die auch 1989 noch nicht grundlegend stabilisierte Existenz privater Hochschulen, über die weiter Verhandlungen geführt wurden. Liesen konnte zufrieden konstatieren: „Alle, die an der damaligen Diskussion teilgenommen haben, werden in diesem Fall das glückliche Gefühl haben, daß wir damals das Richtige empfohlen und anschließend - in bezug auf die Stiftungsprofessuren - auch das Richtige getan haben."59
Das Förderinstrument der Stiftungsprofessuren erwies seine Brauchbarkeit auch in der Bewältigung der spezifischen Probleme der wissenschaftlichen Neuordnung des Hochschulwesens in den „neuen Bundesländern". Hier gelang es dem Verband, insgesamt 22 Professuren (bis 1995) einzurichten, wobei die Finanzierung hierbei nicht aus den ordentlichen Haushaltsmitteln des Stifterverbandes erfolgte, sondern im wesentlichen aus Sondermitteln einzelner Unternehmen, die jeweils für eine spezielle Stiftungsprofessur gewonnen werden mußten.
d) Stiftungsinitiativen Fortentwicklung des Stiftungswesens Während in den 80er Jahren grundsätzlich die Konsolidierung der freien Mittel auf dem - letztlich unbefriedigenden - Niveau der Mitte der 60er Jahre gelang, gestaltete sich die Entwicklung des Treuhandvermögens ungebrochen expansiv. Nachdem die Bundesregierung ihre Bereitschaft zu erkennen gegeben hatte, bestehende Stiftungen zu fördern und zu prüfen, wie gemeinnützige Stiftungen von privater Seite ermutigt werden könnten, setzte auch der Stifterverband Prioritäten in der StiftungsVerwaltung.60 Die Stiftungen blieben nach der Auffassung des damaligen Schatzmeisters Walter Casper die Hoffnungsträger des Verbandes: „Diese Stiftungen werden und müssen, sozusagen als zweites Standbein, in Zukunft wesentlich zur Sicherung der finanziellen Basis des Stifterverbandes beitragen."61 58 SV/VP, Gieske Vorstandssitzung 6. Mai 1986. 59 SV/VP, Liesen Vorstandssitzung 11. Mai 1989. 60 Regierungserklärung vom 4. Mai 1983, in: Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (Hg.): Bulletin Nr. 43 vom 5. Mai 1983; SV/ VP, Vorstandssitzung 5. Mai 1983. 61 SV/VP, Casper Mitgliederversammlung 6. Mai 1982.
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Sowohl die Anzahl der vom Stifterverband verwalteten Stiftungen als auch das von diesen bereitgestellte Stiftungskapital erreichten von Jahr zu Jahr neue Höchstmarken. Angesichts dieser Entwicklung beauftragte der Vorstand am 12. Dezember 1984 die Hauptverwaltung mit der Erarbeitung einer Konzeption, die der veränderten Bedeutung der Stiftungen im Rahmen der Tätigkeit des Stifterverbandes Rechnung tragen sollte. Dabei sollten Vorschläge über die zukünftige Organisation der Stiftungsverwaltung innerhalb des Stifterverbandes, aber auch mögliche Anforderungen an die Stiftungen unterbreitet werden. Am 6. Mai 1986 legte die Hauptverwaltung dem Vorstand Richtlinien für die Stiftungsverwaltung vor, die zwar den quantitativen Anteil des Treuhandvermögens am Ausgabenpotential deutlich werden ließen - 1985 erreichten die Erträge aus Stiftungskapital etwa die gleiche Höhe wie freie und zweckempfohlene Mittel zusammen - , aber doch - in bewußter Anknüpfung an frühere Stellungnahmen - deutlich auf den hohen Stellenwert der freien Spenden hinwiesen. Zwar sei an der Stützung der kontinuierlichen Arbeit des Stifterverbandes durch die positive Entwicklung des Treuhandvermögens nicht zu zweifeln, dennoch beruhe der Zuspruch des Stifterverbandes bei Stiftern ganz wesentlich auf seiner Rolle als Aktionsgemeinschaft der Wirtschaft zur Förderung der zentralen Wissenschaftsorganisationen. Diese Grundlage drohe bei der zunehmenden und bereits spürbaren Identifizierung des Stifterverbandes mit einzelnen Förderungsinitiativen der von ihm verwalteten Stiftungen wegzubrechen. 62 Niemeyer faßte 1987 die vorangegangenen Überlegungen von Vorstand und Hauptverwaltung dahingehend zusammen, daß die freien Spenden „weiterhin die Grundlage des Stifterverbandes als Gemeinschaftsaktion, als politische Legitimation und als Basis für seine Spendenverwaltung" bildeten, und schloß sich damit erneut der Position Fritz Gummerts aus dem Jahre 1950 unmittelbar an.63 Die Bedeutung dieser entscheidenden Legitimationsgrundlage des Stifterverbandes zeigte sich wiederum in den Erfolgen bei der Interessenvertretung der Stiftungen gegenüber den politischen Gremien. Auch wenn es nicht gelang, eine Beseitigung der Auswirkungen der Körperschaftssteuerreform des Jahres 1977 auf die gemeinnützigen Stiftungen zu erwirken, so konnte auf maßgebliches Betreiben des Stifterverbandes 1986 erstmals erreicht werden, daß Stiftungen zur Bildung von Rücklagen aus ihren Erträgen ermächtigt wurden. Europäische Stiftungsinitiative Mit dem elementaren Bruch des Jahres 1989 nahm unter führender Beteiligung des Stifterverbandes eine Initiative konkrete Formen an, die auf eine systematische Abstimmung zwischen den europäischen Stiftungen drängte und auf eine übernationale europaorientierte Repräsentanz des europäischen Stiftungswesens hinarbeitete. Schon seit Jahren hatte es Versuche gegeben, auf diesem bemerkenswerten Wachstumssektor des Stiftungswesens für mehr Transparenz und Koordination zu sorgen, zumal die einzelnen Stiftungen in steigendem Maße nationale Rückwirkungen des auf europäischer 62 SV/VP, Niemeyer Vorstandssitzung 6. Mai 1986. 63 SV/VP, Niemeyer Vorstandssitzung 14. Mai 1987.
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Ebene in Gang gebrachten Gesetzgebungsprozesses zu gewärtigen hatten. In Anlehnung an amerikanische Vorbilder sollte mindestens erreicht werden, Informationen über Größe, Rechtsstatus, Aufgabenstellung und programmatische Ausrichtung europäischer Stiftungen zentral abrufbereit zu halten. Dabei plante man vor allem, den drei amerikanischen Organisationen Foundation Center/New York, Independent Sector/Washington und Council On Foundations/Washington ein europäisches Pendant gleicher Wirksamkeit zur Seite zu stellen.64 Zu einem Zeitpunkt, der wie kein zweiter den Aufbruch zu einem neuen Europa symbolisiert, gelang am 9. November 1989 mit der Gründung des European Foundation Center (EFC) in Brüssel der Durchbruch zu einer gemeineuropäischen Organisation zur Förderung des Stiftungswesens. Die sieben Gründungsmitglieder waren dabei die „Charities Aid Foundation" (Vereinigtes Königreich), die „European Cultural Foundation" (Niederlande), die „Fondation de France" (Frankreich), die „Fondation Roi Baudouin" (Belgien), die „Funda?ao Oriente" (Portugal), der „Stichting Konigin Juliana Fonds" (Niederlande) sowie der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft (Deutschland).65 Organisatorisch gliederte sich das EFC in die jährlich abgehaltene Mitgliederversammlung und den Vorstand. Der Vorsitzende des Vorstandes wurde jeweils für zwei Jahre bestimmt. Die Mitgliedschaft ist allen gemeinnützig tätigen Stiftern zugänglich. Unmittelbarer Ansatzpunkt des EFC war es, in dem sich abzeichnenden neuen Europa auf die Schaffung, Erhaltung bzw. Ausweitung der für nötig gehaltenen Freiräume für Stiftungen zu drängen. Gegenüber der Europäischen Kommission, dem Europäischen Parlament, aber auch anderen Akteuren europäischer Reichweite gedachte das EFC, den Interessen seiner Mitglieder übernationale Geltung zu verschaffen. Neben dieser nach außen gerichteten „essential core work" widmete sich das EFC der bisher nur unzureichend geleisteten europaweiten Datenerhebung zum Stiftungswesen. Dem Informationsbedürfnis seiner Mitglieder gerecht zu werden, aber auch potentiellen oder bereits etablierten Stiftungen beratend Beistand zu leisten, wurde die wesentliche Aufgabe des EFC Communication Center in Brüssel.66 Einen wichtigen Aufgabenbereich fand die vom Generalsekretär des Stifterverbandes wesentlich mitangeregte institutionelle Verankerung europäischer Koordination im Stiftungsbereich in der Unterstützung stiftungspolitischer Initiativen in Osteuropa. Neben dem Gedanken materieller Unterstützungsleistungen ging das Bemühen der Mitglieder des EFC von grundsätzlichen Überlegungen aus. Nach Jahrzehnten staatlich geplanter und verantworteter Wirtschaftsordnung fehlte es in Osteuropa nicht nur am geistigen und materiellen Fundament für ein gemeinnütziges und eigenverantwortliches Engagement, sondern vor allem an den elementaren und unentbehrlichen rechtlichen Rahmenbedingungen für das Stiftungswesen. Gerade in der Phase noch nicht festgelegter verfassungsrechtlicher Strukturen bemühte sich das EFC bei der Implementierung der einschlägigen Gesetzeswerke um stiftungsfreundliche Bestimmungen. 64 Siehe hierzu: International Encyclopedia of Foundations, New York u.a. 1990. 65 Nach mündlicher Auskunft von Mitarbeitern des Stifterverbandes. 66 EFC Profile 23. September 1992,1.
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In einer in Prag unterzeichneten Deklaration stellte die Generalversammlung des EFC am 9. November 1993 grundlegende Forderungen auf: „Um einen dynamischen und berechenbaren Bereich der Stiftungsarbeit zu gewährleisten, der frei sein muß von nationalen Interessen, ruft das EFC die Regierungen und die europäischen und internationalen Institutionen auf, alles Notwendige zu veranlassen, um: Das Recht der Bürger zu sichern, neue Stiftungen und Vereinigungen zu bilden. Einen starken unabhängigen Sektor als wesentlichen Faktor einer pluralistischen Gesellschaft anzuerkennen Individuelles und gemeinschaftliches Engagement im Bereich der Gemeinschaft zu ermutigen und Stiftungspartnerschaften zwischen dem öffentlichen, dem privaten und freiwilligen Sektor zu fördern."67
Dabei setzte sich das EFC auch dafür ein, die bestehenden stiftungsrelevanten Bestimmungen nationalen Zuschnitts nicht einfach gegen stiftungsfreundliche, aber europäisch homogenisierte Festsetzungen auszutauschen. Man legte trotz aller Kooperationsabsichten Wert darauf, die nationalen Eigenheiten zu erhalten. In der traditionell gewachsenen Stiftungsvielfalt sah das EFC auch eine Verpflichtung für die Zukunft. 1992 richtete der Stifterverband die jährliche Mitgliederversammlung des EFC im Bonner Wissenschaftszentrum aus, nachdem der Generalsekretär des Stifterverbandes 1992 den Vorsitz im Vorstand des EFC übernommen hatte. Als Vorsitzender betonte er die zukunftsweisende Bedeutung der im EFC gebündelten Initiativen: „Unser langfristiges Ziel ist es, ein übergreifendes europäisches Bewußtsein für die Schlüsselrolle zu verstärken, die Stiftungen und Stiftungsunternehmen weiterhin im neuen Europa spielen werden."68
Und an anderer Stelle führte er aus: „In der Vergangenheit wirkten die europäischen Stiftungen in der Perspektive des Nationalstaats, aber eine Vorhut ist dabei, traditionelle Grenzen zu überschreiten und tatsächlich neue europäische Verantwortung im Rahmen des EFC zu übernehmen."69
Damit hatte der Stifterverband die neue europäische Konstellation der Wissenschaftsförderung hinsichtlich ihrer politischen Rahmenbedingungen erkannt, ohne daß damit jedoch schon Klarheit darüber gewonnen gewesen wäre, welche Rolle die bislang national motivierten Institutionen der Wissenschaftsförderung in einem Europa nach Maastricht spielen werden. 67 EFC, Annual Report 1993. 68 EFC, Annual Report 1992,17. 69 EFC, Annual Report 1991,6.
III. Bilanz und Ausblick
1. Der Stifterverband und die deutsche Wissenschaft 1920-1995 Der Rückblick auf die Geschichte des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft soll für eine umfassende Perspektive auf die langfristigen Veränderungen der Förderung von Wissenschaft genutzt werden, die seit dem Anbruch des industriellen Zeitalters für die europäischen Nationalstaaten neue Bedeutung gewonnen hatte. Vor allem seit den letzten beiden Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts hatte sich in Deutschland ein elementarer Wandel im Verhältnis von Staat, Wissenschaft und Gesellschaft vollzogen, der sich bald in der beginnenden Kooperation von Wirtschaft und Staat bei der Ausgestaltung des Wissenschaftssystems zeigte. Damit wurde der tradierten Verantwortlichkeit des Staates für Wissenschaft und Bildung ein gänzlich neues Element hinzugefügt, das der gewachsenen Bedeutung der Wirtschaft Rechnung trug. Die von Werner von Siemens letztlich durchgesetzte Gründung der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt im Jahre 1887, die Einrichtung der „Jubiläumsstiftung" für die technischen Wissenschaften im Jahre 1900 und die Gründung der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften im Jahre 1911 mögen hier als Exempel und wichtige Markierungspunkte dieser frühen Entwicklung angesehen werden. Sie wurde sowohl der zunehmenden Integration von naturwissenschaftlicher Forschung und wirtschaftlichem Produzieren als auch der gestiegenen Bedeutung technischer Innovationen für die Stellung Deutschlands auf dem Weltmarkt gerecht.
Neue Formen der Kooperation von Wirtschaft und Wissenschaft Während es sich bei der Förderung der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt durch Werner von Siemens noch um eine einmalige Zuwendung von gleichwohl entscheidender Bedeutung handelte, war die administrative Ausgestaltung der Jubiläumsstiftung zweifellos ein innovativer organisatorischer Akt. Hier gelang es, Wissenschaftler und Industrielle gleichberechtigt in einem Aufsichtsgremium zusammenzubringen und mit dem System der Fachausschüsse auch schon eine Beurteilungsmethode zu entwickeln, die der fachlichen Differenzierung der Forschung zumindest in Ansätzen Rechnung trug. Wesentlich scheint im Rückblick auch die von den Gründern erkannte Möglichkeit, durch bewußte Steuerung der finanziellen Mittel eine erste Phase der Schwerpunktforschung zu initiieren und damit Forschung in einen neuen Zusammenhang mit der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklung zu bringen. Die „Jubiläumsstiftung" scheint der Ort zu sein, an dem sich zum erstenmal Industrielle und Wissen-
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schaftler trafen, um den Prozeß der Forschung unter Bedürfnisgesichtspunkten neu zu organisieren. Die Gründung der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft vollzog sich auch unter dem Eindruck einer Entwicklung, die erst im späten 19. Jahrhundert die traditionelle, staatlich finanzierte wissenschaftliche Forschung an den Universitäten mit der Förderung durch die Industrie zusammengebracht hatte. Walther Rathenaus Denkschrift von 1909 hatte es als Zeichen von „Bürgertugend" gesehen, wenn - wie in den USA und in der Schweiz - Stiftungen die wissenschaftliche Forschung förderten. Während Max Weber auf dem ersten deutschen Soziologentag im Oktober 1910 noch die mangelnde Bereitschaft des deutschen Bürgertums zur Unterstützung sozialwissenschaftlicher Forschung attackierte und nur Frankfurt am Main von diesem Verdikt ausnehmen wollte, zeichnete sich mit der Gründung der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften kurz vor dem Ersten Weltkrieg eine für Deutschland neue Konstellation der Wissenschaftsförderung ab. Man hat zu Recht in der hier erprobten Verbindung von bürgerlichem Stiftungskapital und (geringeren) staatlichen Mitteln einen „Qualitätssprung in der Geschichte des deutschen Stiftungswesens wie in der Geschichte der Wissenschaftsförderung" gesehen. Von hier ging ein mächtiger Impuls zur utilitaristischen Beteiligung der Wirtschaft an Bildung und Wissenschaft aus, dem sich letztlich auch die Gründung des Stifterverbandes im Jahre 1920 verdankte. Vor dem Hintergrund der älteren Jubiläumsstiftung relativiert sich dieser Qualitätssprung jedoch. Auch wenn man das Finanzvolumen der Jubiläumsstiftung mit dem des Stifterverbandes von 1920 vergleicht, ist festzuhalten, daß die 1,8 Mio. Goldmark von 1900 über den 1,7 Mio. Goldmark lagen, die der Stifterverband bis Ende 1921 als Grundkapital angesammelt hatte. Was die Stiftungen und Spenden aus der Wirtschaft für wissenschaftliche Zwecke vor der KWG-Gründung von dieser Gründung unterschied, war die politisch und publizistisch geschickte Einbindung der Wirtschaft in die nationale Aufgabe der Wissenschaftsförderung, die durch die kaiserliche Schirmherrschaft noch wirkungsvoll unterstrichen wurde; dies stellte ein neues Moment dar, auch im Vergleich zur Jubiläumsstiftung, die noch erheblich stärker im verborgenen arbeitete. Die mit der KWG-Gründung erreichte politische Wirkkraft sollte sich auch noch ein Jahrzehnt später nach dem Ende des Krieges erweisen, als Adolf von Harnack auf die Wissenschaft als einen der „wenigen Aktivposten" verwies, die Deutschland noch geblieben waren. Wenn jetzt die Helmholtz-Gesellschaft, die chemischen Förderstiftungen und der Stifterverband der Notgemeinschaft durch ihre Unterstützung der notleidenden Wissenschaft die vielbeschworene „Not der geistigen Arbeit" zu lindern suchten, dann hatte dies zum einen wissenschaftsinterne Gründe, die der Tatsache Rechnung trugen, daß die modernen Industrien vor allem auf die Leistungen wissenschaftlicher Forschungstätigkeit angewiesen waren. Zum andern aber stellte das Potential der Wissenschaft in der Situation politischer, militärischer und wirtschaftlicher Entmachtung im Friedensvertrag von Versailles eine willkommene Art des „Machtersatzes" dar. Von diesem Potential war allein ein Wiederaufstieg des Landes zu erwarten, und es lag in der Erwartung aller Wissenschaftler und Industriellen, dieses Potential entschlossen zu nutzen. Die politischen Eliten schlössen sich dieser Meinung an, so daß die Wissenschaftsför-
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Bilanz und Ausblick
derung der Weimarer Republik zu den wenigen erstaunlichen Konsensbereichen der Republik gezählt werden muß.
Der Gedanke der Selbstverwaltung der Wissenschaft Angesichts der durchaus begrenzten realen Summen, die der Stifterverband auch im Verbund mit den anderen Unterstützungsgesellschaften bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs aufbringen konnte, wird man - bei allem Nutzen selbst kleiner Unterstützungen - den langfristigen Haupteffekt dieser Förderung weniger in den realen Summen als in den politischen Fernwirkungen dieser Beteiligung der Wirtschaft sehen können. Die Reichshilfen des Jahres 1920, die ja schon seit einiger Zeit diskutiert worden waren, konnten erst zu dem Zeitpunkt politisch durchgesetzt werden, als die Industriellen im Vorläufigen Reichswirtschaftsrat ihre Zusage zur Gründung des Stifterverbandes der Notgemeinschaft gegeben hatten. Angesichts dieser privaten Initiative konnte das Reich nicht zurückstehen. Insofern hatte die Gründung des Stifterverbandes eine Signalwirkung, die weit über die reale Unterstützung hinausreichte. Eine weitere Folgewirkung dieser industriellen Förderung in der Form des Stifterverbandes der Notgemeinschaft wird man in ihrer Bedeutung für die rechtliche Konstruktion der Wissenschaftsförderung sehen müssen, die 1920 etabliert wurde. Angesichts der erheblichen Reichsmittel, die seit 1921 regelmäßig in die Haushalte eingestellt wurden, hätte man sich durchaus eine andere behördliche Regelung vorstellen können, diese Summen wissenschaftlich und administrativ angemessen zu verteilen. Tatsächlich bestand ja 1920 kurzzeitig die Gefahr - jedenfalls in den Augen Schmidt-Otts - , ein besonderes Reichskommissariat für diese Aufgabe einzurichten. Dies wurde angesichts aufkeimender politischer Kritik an der Notgemeinschaft 1929 noch einmal vorgeschlagen. Schmidt-Ott konnte dieser Idee eines Reichskommissars deshalb argumentativ wirksam entgegentreten, weil er auf den Anteil der Wirtschaft am Aufkommen der Notgemeinschaft verwies, der eine spezielle Rechtsform erfordere. So besteht ein enger Zusammenhang zwischen der spezifisch deutschen Form wissenschaftlicher Selbstverwaltung, wie sie heute in allen großen Wissenschaftsorganisationen selbstverständlich ist, und der ihr vorausgehenden Zusammenführung privater und öffentlicher Mittel. Ohne die spezifische Konstellation der frühen Weimarer Republik, als diese administrative Lösung entwickelt und von starken Persönlichkeiten etabliert und ausgebaut wurde, wäre diese Lösung vermutlich nicht mit ihren weitreichenden Konsequenzen durchgesetzt worden. Gerade vor dem Hintergrund einer tief verwurzelten staatlichen Dominanz im Bereich von Bildung und Wissenschaft ist diese Durchsetzung der Selbstverwaltung hervorzuheben.
Vom Stifterverband zur Förderergemeinschaft der deutschen Industrie Diese 1920 entwickelte Idee der Selbstverwaltung der Wissenschaft erwies sich freilich als nicht resistent genug gegen die Bedrohung der nationalsozialistischen Neuordnung der Wissenschaft. Trotz erheblichen Entgegenkommens des tradierten Apparats der Notgemeinschaft wollte das neue Regime auch mit diesem Relikt der „Systemzeit" aufräumen und die wissenschaftliche Forschung den Erfordernissen von Volkstum und Rasse einerseits, von industrieller Machtentfaltung und Kriegsvorbereitung anderer-
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seits anpassen. Die Tatsache, daß der Stifterverband nicht im klassischen Sinne gleichgeschaltet wurde, sondern in der Sache weitgehend unbehelligt und sogar mit einem Vorsitzenden weiterarbeiten konnte, der gerade als Präsident der Notgemeinschaft abgelöst worden war, belegt wohl eher die relative Randposition des Stifterverbandes als dessen hartnäckiges Beharren auf der Wahrung seiner tradierten Position im Wissenschaftssystem. Der Stifterverband paßte sich verbal - auch mit seinem Vorsitzenden Schmidt-Ott durchaus der Sprache der Zeit an, ersetzte seine jüdischen Vorstandsmitglieder durch parteigenehme Figuren und versuchte, seinem Hauptgeschäft - der Förderung wissenschaftlicher Forschung - auch unter den neuen Bedingungen weiter nachzugehen. Erst als sich die finale Krise des Dritten Reiches abzeichnete, wurde aus Kreisen der Industrie heraus eine Gegenbewegung insofern entwickelt, als jetzt die außerordentlich günstige Ertragslage der Wirtschaft dazu genutzt wurde, angesichts der evidenten Vernachlässigung der Grundlagenforschung und des wissenschaftlichen Nachwuchses beide Bereiche mit Blick auf eine Zeit nach dem Krieg zu stärken. Obwohl für die Gründung der spezifischen Sonderform der „Förderergemeinschaft der deutschen Industrie" keine zwingenden Gründe angegeben werden können - denn alle ihre Zwecke hätten sich auch mit dem alten Stifterverband erfüllen lassen können so liegt doch die Vermutung nahe, daß dem Stifterverband unter seinem greisen Vorsitzenden eine schnelle und unbürokratische Verteilung der reichen Geldmittel nicht mehr zugetraut wurde. Wie in vielen Bereichen so lassen sich auch zwischen der industriellen Wissenschaftsförderung der Vor- und der Nachkriegszeit eine Fülle von Kontinuitäten ausmachen. Männer aus dem alten RDI und der „Reichsgruppe Industrie" waren bei der Vorbereitung des neuen Stifterverbandes beteiligt, was angesichts ihrer spezifischen Interessenlage der Sicherung von Forschungspotential und qualifiziertem Nachwuchs nicht erstaunen kann. Vor dem Hintergrund von Demontagen und - was bedeutender war - Patent- und Personal verlusten der Wirtschaft mußte es darauf ankommen, wieder technologischen Anschluß an die fortgeschrittenen Wirtschaftsnationen zu finden. Weniger als „Machtersatz" - wie nach dem Ersten Weltkrieg - denn als „Überlebenspotential" wurden Wissenschaft und Forschung jetzt angesehen, das der Pflege, aber auch des Schutzes bedurfte. Nur so läßt sich etwa der hartnäckige Kampf des Stifterverbandes gegen die Einrichtung eines Battelle-Memorial-Instituts erklären, das zunächst einmal als Bedrohung für den eigenen wissenschaftlichen Nachwuchs angesehen wurde. Hier argumentierte der Stifterverbandsvorsitzende Richard Merton, ein weltgewandter Außenhandelsfachmann, in den tradierten Kategorien des Nationalstaates, ohne sich damit freilich gegenüber der liberalen Forschungspolitik des Bundeswirt schaftsministers durchsetzen zu können. Die komplizierte Gründungsgeschichte von 1948-1949 Die Gründungsgeschichte des Stifterverbandes in den Jahren 1948/49 hat sich als viel konfliktreicher dargestellt, als dies bislang gesehen wurde. Nachdem schon 1946 im Umfeld der niedersächsischen Leibniz-Stiftung unter Adolf Grimme erste Ideen zur Neubelebung der Notgemeinschaft und ihres Stifterverbandes aufgetaucht waren und die universitären Freundesgesellschaften sich engagiert um „ihre" jeweiligen Univer-
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Bilanz und Ausblick
sitäten bemühten, war es im Frühjahr 1948 eine davon, aber auch von der späteren Notgemeinschaft, ganz unabhängige Initiative aus dem Umfeld der industriellen Verbände, die zum „Gründerkreis" um Richard Merton führte. Sehr bald konkurrierten zwei Grundideen eines zukünftigen Stifterverbandes, eine „große" Lösung in Distanz zur Notgemeinschaft und die „kleine" Lösung eines Stifterverbandes für die Notgemeinschaft in Anlehnung an das Vorbild von 1920. Daß die Notgemeinschaft natürlich höchst interessiert daran war, einen Stifterverband in möglichst enger Anbindung zu bekommen, liegt auf der Hand. Angesichts der selbständigen und gesicherten Stellung der Max-Planck-Gesellschaft und der unklaren, aber zunächst von Adenauer gestützten Rolle des mit ihr konkurrierenden „Deutschen Forschungsrates" unter Werner Heisenberg, mußte es ihr darum gehen, den alleinigen oder doch weitgehenden Zugriff auf die Gelder der Wirtschaft zu erhalten, um damit ihre Position in den kommenden Auseinandersetzungen zu stärken. Tatsächlich zeigte sich bei den Querelen zwischen dem „Deutschen Forschungsrat" und der „Notgemeinschaft" im Jahre 1951, daß sich der Stifterverband eindeutig für die „Notgemeinschaft" aussprach und damit letztlich auch Erfolg hatte. Vermutlich verdankt sich die schließliche Durchsetzung der neuen „Deutschen Forschungsgemeinschaft" gegenüber dem Forschungsrat 1951 sogar der eindeutigen Position des Stifterverbandes. Für die Wirtschaft aber mußte es darum gehen, eine Organisation zu bilden, die auch die Bedürfnisse anderer Wissenschaftsorganisationen bedienen konnte. Auch wollte man bei aller Würdigung der Grundlagenforschung die angewandte Forschung gesichert sehen. Nicht zuletzt sollte mit der Gründung auch der wilde Wettlauf um die Industriespenden kanalisiert werden. Anders als 1920 war das Engagement des Stifterverbandes 1949 nicht direkte Vorbedingung für die Bewilligung von Forschungsmitteln der Länder und des Bundes. Weder die Gründung der Notgemeinschaft im Januar 1949 noch das Königsteiner Abkommen der Länder vom März 1949 zur Finanzierung überregional bedeutsamer Forschungsinstitute standen in einem ursächlichen Zusammenhang mit den Gründungsvorbereitungen des Stifterverbandes. Vielmehr erwies sich das Eigengewicht dieser Gruppe von Forschungseinrichtungen als so erheblich, daß die Länderverwaltungen um ein praktikables Kooperationsinstrument nicht herumkamen; sie setzten damit auch die Fördermaßnahmen durch die Frankfurter Wirtschaftsverwaltung fort. Sie hatte damit eine „unitarische" Lösung der Förderung der MPG präjudiziell, für die sich die Finanzminister der Länder im Unterschied zu ihren Kultusministern entschieden hatten. Der Stifterverband entfaltete seine politische Wirkung erst, als die politisch „richtige" Bundesregierung schon etabliert war. Diese freilich sah sich bald dem erheblichen argumentativen Druck des Stifterverbandes ausgesetzt, der sich mit dem starken BDI Fritz Bergs im Rücken zum erklärten Anwalt der deutschen Forschung machen sollte. Die enge Kooperation von BDI und Stifterverband sollte sich in den nächsten Jahren bewähren und noch verstärken, als beide Seiten etwa im Gesprächskreis „Wirtschaft und Wissenschaft" und bei der Wissenschaftsstatistik effektiv zusammenarbeiteten. Angesichts dieses überzeugten Engagements dürfen jedoch auch die kritischen Stimmen in der Wirtschaft nicht überhört werden, die den Staat alleine in die Verantwortung für die wissenschaftliche Forschung nehmen wollten. Hier meldeten sich jene Stimmen
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zu Wort, die unterschwellig immer schon die Arbeit des Stifterverbandes begleitet hatten; auch wollten einige Firmen an der direkten Förderung von für ihre Interessen besonders wichtigen Instituten festhalten und auf die große Organisation verzichten. Keineswegs ohne Konflikte verlief auch die Abgrenzung der Interessengebiete zwischen der Max-Planck-Gesellschaft und der 1949 gegründeten Fraunhofer-Gesellschaft, die beide dem Stifterverband nicht ohne weiteres alleine die Industriespenden zukommen lassen wollten. Die Besprechungen zwischen beiden Verbänden gehören vermutlich zu den heftigsten in der Geschichte des Stifterverbandes. Prälat Schreiber glaubte damals die Beziehung zwischen Stifterverband und Max-Planck-Gesellschaft gar als „societas leonina" kennzeichnen zu müssen. An diesen Auseinandersetzungen zwischen Stifterverband, Deutscher Forschungsgemeinschaft, Deutschem Forschungsrat, Max-Planck-Gesellschaft und Fraunhofer-Gesellschaft läßt sich auch die bemerkenswerte Offenheit und der erhebliche Gestaltungsspielraum des Wissenschaftssystems der frühen 50er Jahre aufzeigen.
Der Stifterverband als moralische Instanz der Wissenschaftspolitik Die heute selbstverständliche Ordnung der bundesrepublikanischen Wissenschaftslandschaft entstand damals erst unter lauten Nebengeräuschen, und man wird gewiß sagen können, daß der Stifterverband in dieser Phase der Neujustierung eine ganz entscheidende Rolle gespielt hat. Dies zeigte sich nicht nur in der Stellungnahme gegen den Deutschen Forschungsrat und seinem Eintreten für die DFG, seiner harten Auseinandersetzung mit der Max-Planck-Gesellschaft um die Industriespenden, sondern es zeigte sich vor allem in lang andauernden Debatten um die Existenzberechtigung und Aufgabenbeschreibung der Fraunhofer-Gesellschaft, die Gründung der AiF 1954 und um die spätere Einrichtung des Wissenschaftsrates. Nicht zuletzt war es der Stifterverband, der in der wissenschaftspolitischen Diskussion die Themen vorgab, die Begriffe „besetzte" und die Diskussion vorantrieb. Schon lange bevor der Stifterverband 1967 18 genau definierte, elementare „Begriffe der Wissenschaftsorganisation" veröffentlichte, hatte er auf diesem Gebiet praktisch vorgearbeitet. In allen Debatten spielten Vertreter des Stifterverbandes jeweils ganz entscheidende Rollen. Der Stifterverband war zu einer Art moralischer Instanz der Wissenschaftspolitik geworden, die die Politik vor allem der Bundesregierung schon früh unter Handlungszwang setzte, die in dieser Rolle aber auch expressis verbis die Anerkennung der Bundesregierung fand. Die damals errungene Stellung des Stifterverbandes ist hervorzuheben, weil er in der strategischen Diskussion um die weitere Ausgestaltung der bundesrepublikanischen Wissenschaftsorganisationen immer wieder Stellung beziehen mußte. Er tat dies u. a. durch die Einrichtung des Gesprächskreises „Wirtschaft und Wissenschaft" im Jahre 1957, vor allem aber auch durch dezidierte Stellungnahmen seines damaligen Vorsitzenden Ernst Hellmut Vits zur Notwendigkeit eines neuen Beratungsgremiums von hoher Überzeugungskraft, des späteren Wissenschaftsrates, der 1958 ins Leben trat und sich zu einem wirksamen Planungsinstrument entwickeln sollte. Im Kontext der Gründung des Gesprächskreises „Wirtschaft und Wissenschaft" zeichnete sich auch neben der finanziellen Hilfe die stärkere direkte Einflußnahme der Industrie auf die Entscheidungsprozesse der Bildungs- und Wissenschaftspolitik ab, wie dies im Jahres-
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bericht 1958/59 des BDI für „unerläßlich" erklärt wurde.1 Damit bereitete sich schon früh die Position einer aktiven Bildungspolitik ab, die seit der Mitte der 60er Jahre unter der engagierten Führung Thorwald Rislers einerseits zu einem Markenzeichen des Verbandes wurde, andererseits aber auch gewisse Irritationen mit jenen Industriellen heraufbeschwor, die für eine enge Förderpolitik im Sinne wirtschaftsnaher Forschung plädierten. Neue Spendenpolitik Die wichtigste Grundlage der Verbandsentwicklung seit 1949 war eine neue Spendenpolitik, die sich fundamental von der des „alten" Stifterverbandes unterschied, was kaum überschätzt werden kann. Hatte man in den 20er und 30er Jahren und auch zu Zeiten der „Förderergemeinschaft" nur die Zinserträge des einmal eingeworbenen Stiftungskapitals ausgeworfen, so bediente sich der neue Stifterverband jetzt eines gänzlich neuen Konzepts. Er unterwarf sich der jährlichen Nagelprobe der freien und zweckgebundenen Spenden aus der Wirtschaft, wobei die Orientierungszahlen von 20 Pf. pro Beschäftigten als sog. „Belegschaftsumlage" bzw. die spätere Maßzahl von 1% der Dividende eine große Rolle spielten. Hier liegt die eigentliche innovative Leistung der Nachkriegsgründung, auch die Einwerbung von einzelnen Stiftungen unter dem Dach des Stifterverbandes sah man 1949 schon voraus. Diese angesichts der damaligen Wirtschaftslage und der vorherrschenden Erwartungen durchaus riskante Operation gelang; die Spendensumme wuchs von 1,3 Mio. DM im Jahre 1949/1950 auf die Rekordsumme der freien Spenden von 26,6 Mio. im Jahre 1965 an. Hier muß allerdings auch der wertmäßige Rückgang der Spenden in jüngster Zeit erwähnt werden, denn die Summe dieser freien Spenden lag im Jahre 1994 noch immer auf diesem Niveau. Freie Spenden vs. Stiftungsvermögen Der starke Problemdruck der unmittelbaren Nachkriegsjahre und die daraus folgende relativ hohe Spendenbereitschaft konnte unter dem Eindruck beachtlicher Zuwächse der Staatsförderung nicht durchgehalten werden. Diese negative Entwicklung bereitete den Vorstandsmitgliedern in ihrem tiefen Engagement nicht geringe Sorgen. Immer wieder kursierten geradezu utopische Zahlen, die man eigentlich erreichen könnte. Auch finden sich immer wieder harte Worte über die Unternehmensführungen, die auf die erreichten steuerlichen Reize für Spenden nicht reagierten, obwohl die Spendenbeträge doch zu 33^40 % vom Staat finanziert würden. Daß diese real rückläufige Entwicklung der freien Spenden natürlich vor dem Hintergrund erheblicher Branchenverschiebungen und Konzentrationsverluste zu sehen ist, soll hier nur kurz berührt werden. Gleichwohl bleibt festzuhalten, daß die hohen Erwartungen der Gründergeneration auf eine wirkliche „Gemeinschaftsaktion" der deutschen Wirtschaft mit hohen jährlichen Summen nicht erfüllt und auch als partieller Fehlschlag gedeutet wurden. Der Rückgang muß freilich auch vor dem Hintergrund eines beachtlichen Anstiegs jener Mittel gesehen werden, die zunehmend aus dem akkumulierten Stiftungsvermögen flössen, immerhin 98 Mio. DM im letzten Jahr (1994). 1 Vgl. BDI-Jahresbericht 1958/59.
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Es wurde schon angesprochen, daß die Wissenschaftspolitik der jungen Bundesrepublik gerade in den ersten beiden Jahrzehnten von einer heute geradezu faszinierenden Offenheit geprägt war, die dem Stifterverband erhebliche Spielräume eröffnete. Gleichwohl folgte auch sie einem klar erkennbaren Grundmuster deutscher Wissenschaftspolitik im 20. Jahrhundert, dem Kampf gegen das Syndrom des vermeintlichen „Rückstandes". Als Charakteristikum deutscher Wissenschaftspolitik seit dem späten Kaiserreich läßt sich das konstante Bemühen ausmachen, „Rückstände" vor allem gegenüber dem westlichen Ausland aufzuholen. Dieses Argument trifft in besonderer Weise für die frühe Bundesrepublik zu, als sich Wissenschaft, Wirtschaft und Politik im Konsens darüber zusammenfanden, die vermutete Forschungslücke zum westlichen Ausland, ja sogar gegenüber europäischen Mittelstaaten aufzuholen und zu schließen. In dieser entscheidenden Phase gelang es dem Stifterverband, zu einer im wissenschaftlichen und politischen Raum hoch anerkannten und gestaltenden Instanz zu werden. Vor allem läßt sich dies an der effektiven Wirkung zeigen, die der Stifterverband in der Auseinandersetzung zwischen der Notgemeinschaft und dem Deutschen Forschungsrat ausübte. Während sich in diesem Fall die Position des Stifterverbandes zugunsten der DFG durchsetzen ließ, mußten die beiden engen Partner in ihrem Kampf gegen die Fraunhofer-Gesellschaft eine Niederlage einstecken. Ihr Versuch, die Fraunhofer-Gesellschaft in die DFG zu integrieren, mißlang; die Gesellschaft verstand es, sich ein eigenes Betätigungsfeld zu erkämpfen, dessen Bedeutung vermutlich von Stifterverband und DFG nicht deutlich genug erkannt wurde. Teils durch den Übereifer der Essener Verhandlungsführer, das Betätigungsfeld der FhG auf eine Vermittlungsagentur innerhalb der DFG begrenzen zu wollen, teils durch das Nichterkennen des vom Bundeswirtschaftsministerium präferierten Systems der „Gemeinschaftsforschung" im Rahmen der 1954 gegründeten Arbeitsgemeinschaft industrieller ForschungsVereinigungen (AiF), verspielte man die Chance, aktiver Wegbereiter des zukünftigen dreigliedrigen Forschungssystems zu werden. Indem man die FhG ihrem Schicksal überließ, scheiterte auch der Versuch, das amerikanische Konkurrenzprojekt zur FhG, das deutsche Battelle-Memorial-Institute, als „nationales Unheil" zu verhindern. So wie die Wirtschaftsverbände im Kampf gegen Erhards liberale Kartellpolitik eine Niederlage hinnehmen mußten, setzte der Bundeswirtschaftsminister auch in diesem Bereich seinen Grundsatz einer wettbewerbsorientierten Forschungspolitik durch und zwang damit der deutschen Industrieforschung die Batteile-Konkurrenz auf. Zugleich setzten sich mit FhG, Battelle und der AiF drei Institutionen der angewandten Forschung durch, denen der Stifterverband in seiner Nibelungentreue zur DFG zunächst prinzipielle Skepsis entgegengebracht hatte. Gleichwohl wird auch hier ex negativo die Stellung des Stifterverbandes im forschungspolitischen Kräftespiel erkennbar. Eindeutig belegt wird dies durch Äußerungen, die weit entfernt von Jahresversammlungen und Festakten des Stifterverbandes selbst getroffen wurden. 1952 wies die Bundesregierung in ihrem Nachtragshaushalt zum erstenmal einen besonderen Betrag (5 Mio. DM) zur „Förderung von Schwerpunkten in der deutschen wissenschaftlichen Forschung" aus, dem für 1953 ein Betrag von 10 Mio. DM folgte. Der damalige Bundesinnenminister Robert Lehr, über dessen Etat das Geld an die DFG verteilt wurde, nahm dies zum Anlaß, am 28. Mai 1953 der
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Ständigen Konferenz der Kultusminister die Sorgen der Bundesregierung über Mängel in der Ausstattung der Hochschulen mitzuteilen. Er setzte dabei „die vom Stifterverband in seinen Jahrbüchern und auf seinen Veranstaltungen mitgeteilten Ziffern über das Mißverhältnis im öffentlichen Aufwand für die wissenschaftliche Forschung in der Bundesrepublik und in anderen Ländern" als bekannt voraus. Unter ausdrücklicher Würdigung der Unterstützung durch „die im Stifterverband vereinigten Wirtschaftskreise" ermahnte er die Länder zu stärkeren Leistungen, um diese zusätzlichen Hilfen der Wirtschaft nicht unwirksam werden zu lassen.2 Mit diesen Summen des Jahres 1952/53 begann auch - so läßt sich im Rückblick feststellen - die Politik der Bundesfinanzierung im Wissenschaftsbereich mit der Tendenz, die Anteile der Länder zu übertrumpfen, während 1952 der Länderanteil in der DFG-Finanzierung noch den des Bundes übertraf (Länder 5 Mio. DM - Bund 3 Mio. DM). Aufmerksame Beobachter aus dem Lager der Bundesländer haben damals durchaus die langfristigen Gefahren für die Stellung der Länder erkannt. Natürlich hatte die alliierte Kontrolle über die noch nicht souveräne Bundesrepublik zunächst insgesamt die Rolle der Länder und der Selbstverwaltungsinstitutionen gestärkt, als der Bund offiziell noch keine eigene Forschungspolitik betreiben konnte. Diese Phase ging jedoch schon seit den frühen 50er Jahren zu Ende, als der Bund angesichts einer insgesamt günstigen Haushaltslage die Chance erkannte, Forschung durch Bundesmittel stärker zu fördern. Mit der neugewonnenen Souveränität und der deutschen Beteiligung an den europäischen Atomforschungsprogrammen gewann diese Bundesfinanzierung ganz neue Dimensionen.
2. Problemlagen des Stifterverbandes Will man eine Summe der Bemühungen des Stifterverbandes gerade der letzten 25 Jahre ziehen - jene Phase also, die durch eine enorme Kapazitätsausweitung der akademischen Bildungseinrichtungen und den Aufbau der Großforschungseinrichtungen geprägt ist - , dann werden neben unbestreitbaren Erfolgen der Verbandsarbeit auch problematische Entwicklungslinien erkennbar.
Veränderter Stellenwert der Fördermittel des Stifterverbandes Zunächst ist die Frage aufgeworfen, ob und wie die Wirtschaft ihren Beitrag zur Entwicklung dieses Wissenschaftssystems noch leisten kann, wenn ihr Anteil am Gesamthaushalt der DFG von ca. 10 % im Durchschnitt der Jahre 1950 bis 1969 auf 0,3 % im vergangenen Jahr abgesunken ist. Diese Zahl mag man als Meßzahl für die Verschiebung der Relationen betrachten, auch wenn das Geld des Stifterverbandes für DFG, MPG und DAAD gewiß einen anderen Stellenwert hat; es ist „nichtfiskalisches" Geld, mit ihm kann man mehr machen. Angesichts europäischer und weltweiter Forschungskooperationen und immenser Kostenbelastungen, die nur noch durch die öffentlichen Hände getragen werden können, läßt sich Wissenschaftsförderung durch die Wirtschaft 2
HStA Düsseldorf, NW 188, Nr. 1673, fol. 92 f. (10. Oktober 1953).
Problemlagen des Stifterverbandes
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nicht mehr im Stile der spektakulären Meeresforschung mit der „Meteor", der Erforschung eines „Notgemeinschaftsgletschers" in der fernen Sowjetunion oder der Grönlandexpeditionen unter Alfred Wegener, aber auch nicht mehr mit dem Hauptargument der „Not der Wissenschaft" durchführen, das noch 1949 entscheidend war. Die Hilfe des Stifterverbandes mußte damit ihren Stellenwert radikal verändern. Angesichts der letztlich wohl nicht gelungenen breiten Verankerung des Stifterverbandsgedankens als einer wirklichen „Gemeinschaftsaktion der deutschen Wirtschaft" - denn nur eine relativ kleine Zahl von Unternehmen aus dem Industrie- und Bankenbereich finanziert de facto den heutigen Stifterverband - ist eher davon auszugehen, daß die Anteile der möglichen Förderung durch die Wirtschaft prozentual noch weiter zurückgehen werden. Immer vor das Problem gestellt, daß seine Sockelbeträge für DFG, MPG, DAAD und AvH anonyme Förderung beinhalten, hat sich der Stifterverband bemüht, durch seine Zuwendungen bestimmte exemplarische Förderfelder zu bearbeiten, exzellente Leistungen über das im öffentlichen Rahmen mögliche Maß hinaus zu finanzieren, unbürokratisch Anschubfinanzierungen für Vorhaben zu geben, die in öffentlichen Haushalten noch nicht zu etablieren waren, und Evaluierungsmaßnahmen im Wissenschaftssystem selbst zu betreiben, um damit dem labilen Gesamtsystem „Wissenschaft" auch unter den Bedingungen des modernen bürokratischen Anstaltsstaates die notwendigen innovativen Qualitäten zu erhalten. Er erkannte zudem die Symbol- und Impulswirkung eigener Förderprogramme. Als Beispiel wären hier etwa das Förderprogramm „Geisteswissenschaften" seit 1970 und die Einrichtung der Stiftungsprofessuren seit 1985 zu nennen, die seit 1992 in einem neuen Programm auch auf die neuen Bundesländer übertragen wurden. Neben der Sockelförderung der großen Institutionen und den eigenen Förderprogrammen hat der Stifterverband bestimmte Basisdienste geleistet (Registrierung der Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen der Industrie, Vademecum deutscher Lehr- und Forschungsstätten, Bau des Bonner Wissenschaftszentrums u.a.). Die europäische Herausforderung hat er nach Westen durch die Kontakte zu vergleichbaren westeuropäischen Förderungseinrichtungen und den Aufbau des europäischen Stiftungszentrums, vor allem aber auch als Helfer nach Osten aufgenommen. Man kann dies die neue Funktion der Stimulierung, der Vernetzung und Effizienzkontrolle des Verbandes gegenüber der europäischen Wissenschaft nennen. Vom Mäzenatentum zur Interessenvertretung Damit deutet sich ein zweiter Problembereich an, den man als die mittlerweile beachtliche Entfernung von der ursprünglichen Zielsetzung der Nothilfe bezeichnen kann. Die Distanz ist unübersehbar geworden zwischen jenen kritischen Stimmen aus der Wirtschaft gegen die Notgemeinschaft im Jahre 1949, die die anwendungsbezogene Forschung im wohlverstandenen Eigeninteresse der Industrie stärker fördern wollten, über die Mischung von „mäzenatische(m) Geist mit Nützlichkeitserwägungen" im Sinne Ferdinand E. Nords oder die Äußerungen Hans-Helmut Kuhnkes in den 70er Jahren, der Stifterverband wolle ganz uneigennützig fördern, und der eben erwähnten neuen Funktion der Stimulierung und Effizienzkontrolle, die sich in den Jahren des Vorsitzes von Klaus Liesen immer mehr herausgeschält hat. Diese historisch feststellbare Distanz
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Bilanz und Ausblick
ist beachtlich und bedarf einer genaueren Überprüfung. Anzuknüpfen wäre dabei an Richard Mertons weise Bemerkung aus dem Jahre 1955, daß er mit dem Begriff des Mäzenatentums für die Wissenschaft wenig anfangen könne, ja es reue ihn sogar, den Begriff eingeführt zu haben. Das bildungsbürgerliche „Maecenates voco", mit dem der frühe Stifterverband warb und mit Ehrengaben und Abzeichen ganz bewußt auch an „etwaige Eitelkeiten" appellierte, ging ihm sehr gegen den Strich. Man sollte sich in der Tat bemühen, diesen Begriff in der Deutung des Stifterverbandes aus dem Spiel zu lassen. So wie Albert Vogler und Carl Duisberg 1920 „ganz schnell" die Helmholtz-Gesellschaft gründeten, weil sie bei der Notgemeinschaft Schmidt-Otts und Harnacks um die angewandte Forschung fürchteten, so wie Hermann Reusch 1949 ganz ehrlich sagte, daß man neben allen hehren Zielen mit der Gründung des Stifterverbandes vor allem den wilden Wettlauf um die Spenden der Industrie eindämmen und kanalisieren wolle, so sollte man im Rückblick und bei aller Würdigung komplexer Motivlagen schärfer herausstellen, daß der Stifterverband weniger Mäzen als vielmehr Vertreter legitimer und dazu gesellschaftlich nützlicher Interessen war und ist. In einer Zeit, in der sein Anteil am Budget der DFG unter die 1 %-Marke gesunken ist, muß sein Beitrag zur Wissenschaft stärker noch als früher wohl vor allem als ein strategischer Finanzierungsbeitrag verstanden werden, der dem Stifterverband und der sie tragenden Wirtschaft gleichsam das Eintrittsbillet in den Kreis der Wissenschaftsorganisationen verschafft, an deren Zieldefinitionen und Entscheidungen die Wirtschaft vorrangig interessiert ist. Diese strategische Leistung ist auch von den Gewerkschaften respektvoll bemerkt worden, die schon Ende der 50er Jahre mit einer Mischung aus Kritik und Bewunderung die überaus effiziente Vertretung der Wirtschaft in den Wissenschaftsorganisationen zur Kenntnis nahmen. Der Stifterverband selber hat den Kontakt zu den Gewerkschaften nicht gesucht, seitdem die Anregung Dulsbergs, die Centrai-Arbeitsgemeinschaft 1920 am Aufruf zur Unterstützung der Gründung zu beteiligen, nicht mehr realisiert werden konnte. Eine Zuwahl des Bankiers Walther Hesselbach (BfG) wurde vom Stifterverband dezidiert als Wahl einer Persönlichkeit, nicht aber als Vertretung der Gewerkschaften interpretiert. Zum anderen scheint gerade im Rückblick auf die Arbeit des Stifterverbandes ein durchgängiges Argument auf, das sich auf die Stärkung der deutschen Position auf dem Weltmarkt bezog. Als im Gründungsaufruf von 1920 auf die notwendige Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands verwiesen wurde, die gesichert werden müsse, war ein Ton angeschlagen worden, der sich in der weiteren Geschichte bis in die jüngste Zeit durchhalten sollte, wenn auch das Argument in den letzten Jahren der Europäisierung der Wirtschaft mit sehr großer Vorsicht verwendet bzw. in die Diskussion um den „Standort Deutschland" integriert wurde. In der Gründungsphase von 1948/49 und in den frühen 50er Jahren spielte der Vergleich der öffentlichen Investitionen der Hauptkonkurrenten USA, England, Frankreich und Sowjetunion im Bereich der Wissenschaft eine ganz entscheidende Rolle. Gerade Richard Merton und Fritz Gummert scheuten sich nicht, dieses Argument als zentrales Motiv eines stärkeren Engagements der Wirtschaft in der Förderung der Wissenschaft heranzuziehen. Umfangreiche Statistiken untermauerten die vermutete Rückständigkeit Deutschlands in diesem Bereich, die - wie eben gezeigt - auch von der Bundesregierung gerne zitiert wurden.
Der Stifterverband vor den Herausforderungen der 90er Jahre
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Insofern wird man auch hier die starke Orientierung am amerikanischen Beispiel des Investierens in die Wissenschaft als einen Teilaspekt jenes breiten Trends zur „Verwestlichung" ansehen müssen, der insgesamt für die Bundesrepublik gilt und ohne Zweifel ihrer Habenseite zugeschrieben werden muß. Auch als die Männer des Stifterverbandes 1950 in Bonn bei Ministern und Parlamentariern für ihren neuen Verband und vor allem für Steuererleichterungen bei Spenden warben, stand das Argument der deutschen Wettbewerbsfähigkeit qua Wissenschaft immer im Vordergrund und wurde dort ebenso wie in der Presse offensichtlich auch verstanden. Von daher läßt sich die Beobachtung ableiten, daß der Stifterverband nicht erst seit dem Ende der 60er Jahre die beachtliche Expansion des Bildungs- und Wissenschaftssystems fördernd mitgetragen hat. Die wohlfeilen Sprüche über zu viele Akademiker gehörten gewiß nicht zum Essener Repertoire, wo man die ausländischen Vergleichszahlen nur zu gut kannte und wo man sie als Herausforderung des deutschen Bildungssystems begriff. Mir scheint, daß es nicht zuletzt dem Stifterverband zu verdanken ist, daß die Bundesrepublik sehr früh unter den wirksamen Druck des Rückstandsargumentes gestellt wurde, längst bevor die westliche Welt durch den berühmten Sputnikschock (1957) und die bundesrepublikanische Gesellschaft durch den Begriff der „Bildungskatastrophe" (1965) alarmiert wurde. Es verband sich mit anderen Bemühungen zu einem außerordentlich nachhaltigen Impuls zur weiteren Förderung von Bildung und Wissenschaft. Dieser Anstoß hat letztlich dazu geführt, daß die heutige Bundesrepublik trotz der bedenklichen Entwicklung der jüngsten Zeit unbestritten zu den technologisch führenden Ländern gehört.3
3. Der Stifterverband vor den Herausforderungen der 90er Jahre: Wiedervereinigung, Europäische Einigung und Effizienz der Wissenschaft Heute geht es für den Stifterverband gewiß nicht mehr darum, unmittelbare Not zu lindern. Schon Ende der 20er Jahre reagierte die Notgemeinschaft auf die Normalisierung des Lebens, als sie das Wort „Not" aus ihrem Titel entfernte, weil das Reich aus budgetrechtlichen Gründen darauf bestand. In der Bundesrepublik verschwand die Formulierung „Notgemeinschaft" mit dem Zusammenschluß von Notgemeinschaft und Deutschem Forschungsrat schon 1951, ein Jahr später begann die Unterstützung der DFG durch den Bund im Rahmen von Sonderprogrammen. Die Arbeit des Stifterverbandes hat sich nach der Etablierung und finanziellen Absicherung eines funktionsfähigen Wissenschaftssystems in neuerer Zeit vor allem drei Herausforderungen zu stellen, von denen zwei politisch bedingte Aufgaben sind: den Folgen der deutschen Wiedervereinigung und den Folgen der Bildung der Europäischen Union. Eine dritte Herausforderung ergibt sich durch die endgültige Etablierung des quantitativ dominierenden Systems staatlicher Wissenschaftsförderung. 3 Vgl. dazu jetzt die kritische Bilanz von Heike, Hans-Dieter: Was leistet die Forschungsförderung?, in: Forschung und Lehre. Mitt. des Hochschulverbandes 5/1995,242-252.
306
Bilanz und Ausblick
Die Herausforderung der deutschen Wiedervereinigung hat der Stifterverband nicht nur durch ein Villa-Hügel-Gespräch (1990) und durch die Ausweitung seiner Organisation auf die neuen Bundesländer, sondern offensiv durch eine Reihe spezieller Förderprogramme und (bis 1995) 22 Stiftungsprofessuren in diesen Ländern angenommen. 4 Das letztere Instrument hatte der Stifterverband in Auseinandersetzung mit den Neugründungen privater Hochschulen entwickelt und seit 1985 realisiert. Hier ist zu erwarten, daß die Universitäten und Forschungseinrichtungen der noch „neuen" Bundesländer sich sehr bald quantitativ und qualitativ an die Grundlagen und Maßstäbe der „alten" Bundesländer anpassen werden. Die europäische Herausforderung ist von einer anderen Dimension, weil sie die politischen Rahmenbedingungen und nationalstaatlichen Motivationen der modernen Forschungsförderung in Frage stellt. Zunächst einmal hat der Stifterverband erfolgreich versucht, die europäischen nationalen Wissenschaftsstiftungen zu einheitlichem Handeln im European Foundation Center zu versammeln. Aber hier liegt nicht das wirkliche Problem, es liegt vielmehr im Wegfall der bislang dominierenden nationalen Förderperspektiven. Wissenschaftliche Forschung ist jahrzehntelang mit einem starken nationalen Argument propagiert worden, ja sie hat vermutlich ihre wesentlichen Antriebe daraus gezogen. Angesichts multinationaler Wirtschaftsstrukturen, der weltweiten Verlagerung von Produktionsanlagen und der letztlich transnationalen Strukturen der Wirtschaft an der Wende zum 21. Jahrhundert entfallen zunehmend die tradierten Argumente von nationalem „Rückstand" und „Aufholen", von „wirtschaftlicher Macht" und „Wiederaufstieg", weil sich die Referenzgrößen verschoben haben. Eine durch eine gemeinsame Währung, eine harmonisierte Wirtschafts- und Sozialpolitik und eine einheitliche Außenwirtschaftspolitik stabilisierte Europäische Union wird auch die Rolle nationaler Fördereinrichtungen langfristig zur Disposition stellen, auch wenn die Ansätze einer wirklich europäischen Forschungspolitik noch sehr bescheiden sind. Das entzieht dem - gerade in den letzten Jahren - tragenden Gedanken des Stifterverbandes aber keineswegs den Boden. Ein einheitlicher europäischer Wirtschaftsraum wird wieder in der Konkurrenz globaler Wirtschaftsräume und unter dem Druck begrenzter Ressourcen stehen, so daß die entscheidenden Argumente ökonomischer Leistungsfähigkeit und technologischer Innovationskraft keineswegs an Gewicht verlieren. Vor diesem gewichtigen Hintergrund gewinnt die Funktion des Stifterverbandes als Agentur zur anregenden Förderung, begleitenden Kontrolle und Effizienzsteigerung des Wissenschaftssystems eine neue Bedeutung. Nichts spricht dafür, daß die Welt von Forschung und Wirtschaft den Zwängen ständiger Innovation und Effizienzsteigerung entgehen könnte. Das letzte Jahrzehnt war erfüllt von Diskussionen über die Freiheit und Steuerung jener Wissenschaft, die in die starke Abhängigkeit staatlicher Finanzierung geraten ist.5 4 Stifterverband (Hg.): Wege zu einer deutschen Wissenschaftslandschaft - Konzepte und Perspektiven, Essen 1991. 5 Vgl. unter dem Aspekt der Wissenschaftsfreiheit im außeruniversitären Bereich Karpen, Ulrich: Das Spannungsverhältnis von Wissenschaftsfreiheit und Wissenschaftsverwertung, in: Schuster, Hermann J. (Hg.): Handbuch des Wissenschaftstransfers, Berlin-Heidelberg 1990,
Der Stifterverband vor den Herausforderungen der 90er Jahre
307
Unbestreitbar erwünscht erscheint gerade auch vor diesem Hintergrund staatlich hochalimentierter Wissenschaft und Forschung die Existenz jener Kräfte, die als außerhalb des staatlichen Einflußbereichs stehende Kräfte zu charakterisieren sind. Wer aus einsehbaren Gründen an einer pluralistischen Welt interessiert ist, wird auch die Existenz von Organisationen wie den Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft begrüßen müssen. Man findet schwerlich eine bessere Formulierung für diese Notwendigkeit als den Satz des Göttinger Physikers Felix Klein, den er 1898 zur Begründung der „Göttinger Vereinigung für angewandte Mathematik und Physik" niederschrieb: „Es muß doch nicht alles in unserm Vaterlande von oben regiert werden, und eine freie Unterstützung der Wissenschaft aus den unabhängigen Kreisen derjenigen, die es zunächst angeht, will mir auch unter allgemeinen Gesichtspunkten ein Fortschritt scheinen."6 71-88 und jetzt die Analyse von Classen, Claus Dieter: Wissenschaftsfreiheit außerhalb der Hochschule. Zur Bedeutung von Art 5 Abs. 3 GG für außeruniversitäre Forschung und Forschungsförderung, Tübingen 1994, bes. 22 ff. 6 Zitiert nach Schenck, Rudolf: Arbeitsgemeinschaft und Gemeinschaftsarbeit in Naturwissenschaft und Technik, in: Abb, G. (Hg.): Aus 50 Jahren deutscher Wissenschaft, Freiburg-Berlin-Leipzig 1930, 286-299, hier 290.
Anhang
1. Abkürzungsverzeichnis
AfS AfW. AGF AHF AHR AiF AtomG. AvH BAnz. BDA BDI BfG BGBl. BMFT BMI BMWi. BT-Drs (n). BU BzWG BVerfG.(E) CAR CEH DAAD DBE DFG DFR DFVLR DKBL DSIR DUZ EFC EGKS FAZ FG FG FIN AD FR FS GG GHH GKWW GVW GWU HG
Archiv für Sozialgeschichte Archivdienst für Wissenschaftsstatistik Arbeitsgemeinschaft der Großforschungseinrichtungen Arbeitsgemeinschaft Außeruniversitärer Historischer Forschungseinrichtungen American Historical Journal Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungseinrichtungen Atom-Gesetz Alexander von Humboldt Stiftung Bundesanzeiger Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände Bundesverband der Deutschen Industrie Bank für Gemeinwirtschaft Bundesgesetzblatt Bundesministerium für Forschung und Technik Battelle-Memorial-Institute Bundeswirtschaftsministerium Bundestags-Drucksache(n) Belegschafts-Umlage Berichte zur Wissenschaftsgeschichte Bundesverfassungsgericht (Entscheidungen des) Committee for Applied Research Central European History Deutscher Akademischer Austauschdienst Deutsche Biographische Enzyklopädie Deutsche Forschungsgemeinschaft Deutscher Forschungsrat Deutsche Forschungs- und Versuchsanstalt für Luft- und Raumfahrt Deutsche Kohlenbergbau-Leitung Department of Scientific and Industriai Research Deutsche Universitätszeitung European Foundation Center Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl Frankfurter Allgemeine Zeitung Fraunhofer-Gesellschaft zur Förderung der angewandten Forschung Fördergesellschaft Financial Administration Frankfurter Rundschau Festschrift Grundgesetz Gutehoffnungshütte Gesprächskreis Wissenschaft und Wirtschaft Gemeinnützige Verwaltungsgesellschaft für Wissenschaftspflege Geschichte in Wissenschaft und Unterricht Helmholtz-Gesellschaft
312 HV HZ Inst. IHK Jv. JGMOD JWG JWLG Ks. KWG KWI LK MGM MPG MPI Mv. NDB NG NL NPL OEEC OMGUS PTR PVS RDI RPZ Staüb StSt SV SZ Tb. TG TH TU TWV VdEH VDI VDS VfV VfZ VGF VHG VLF VP VRW Vs VSWG VWD WR WRK WuW ZAG ZfG ZfU ZWLG
Anhang Hauptverwaltung Historische Zeitschrift Institut Industrie- und Handelskammer Jahresversammlung Jahrbuch für Geschichte Mittel- und Ostdeutschlands Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte Jahrbuch für Westdeutsche Landesgeschichte Kuratoriumssitzung Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften Kaiser-Wilhelm-Institut Landeskuratorium Militärgeschichtliche Mitteilungen Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften Max-Planck-Institut Mitgliederversammlung Neue Deutsche Biographien Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft Nachlaß Neue Politische Literatur Organization of European Cooperation Office of Military Government for Germany, US-Zone of Occupation Physikalisch-Technische Reichsanstalt Politische Vierteljahresschrift Reichsverband der Deutschen Industrie Regionales Pädagogisches Zentrum Statistisches Jahrbuch Studienstiftung des deutschen Volkes Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft Stiftungszentrum Tätigkeitsbericht Technikgeschichte Technische Hochschule Technische Universität Deutscher Verband technisch-wissenschaftlicher Vereine Verein deutscher Eisenhüttenleute Verein Deutscher Ingenieure Verband Deutscher Studentenschaften Vermittlungsstelle für Vertragsforschung Vierteljahresschrift für Zeitgeschichte Vereinigte Glanzstoff Fabriken Villa-Hügel-Gespräch/e Vademecum der Lehr- und Forschungsstätten Vorstandsprotokoll Verwaltungsrat Vorstandssitzung Vierteljahresschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte Vereinigte Wirtschaftsdienste Wissenschaftsrat Westdeutsche Rektorenkonferenz Wirtschaft und Wissenschaft Zentralarbeitsgemeinschaft Zeitschrift für Geschichtswissenschaft Zeitschrift für Untemehmensgeschichte Zeitschrift für Württembergische Landesgeschichte
2. Chronologie zur Geschichte des „Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft" und wichtiger Wissenschaftsinstitutionen (1920-1995)
28. 3.1887 26. 2.1898 12. 5. 1900 11. 1.1911 1916 13. 3.1920
27. 9.1920 30. 10. 1920 27. 10. 1920 1. 12. 1920 14. 12. 1920 3. 7. 1922 12. 4. 1934 23. 6. 1934 16. 11. 1935 1937 18. 11. 1942
22. 5. 1946 11. 9. 1946
Reichstagsbeschluß über die Errichtung der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt in Berlin Gründung der Göttinger Vereinigung für angewandte Physik und Mathematik Errichtung der Jubiläumsstiftung der deutschen Industrie zur Förderung der technischen Wissenschaften in Berlin Gründung der Kaiser : Wilhelm-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften Gründung der Kaiser-Wilhelm-Stiftung für kriegstechnische Wissenschaften Erste Gedanken zur Gründung einer „Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft" durch den Chemiker Fritz Haber und den ehemaligen Preußischen Kultusminister Friedrich Schmidt-Ott angesichts der „Not der geistigen Arbeit" Beginn der Arbeit der Justus-Liebig-Gesellschaft zur Förderung des chemischen Unterrichts Konstituierung der „Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft" (Präsident Schmidt-Ott) Gründung der Helmholtz-Gesellschaft zur Förderung der angewandten Forschung Spendenaufruf der „Spitzenverbände des deutschen Wirtschaftslebens" zugunsten der deutschen Wissenschaft Gründung des „Stifterverbandes der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft" unter Vorsitz von C.F. von Siemens (bis 1934) Zusammenschluß von „Göttinger Vereinigung" und Helmholtz-Gesellschaft Carl Duisberg übernimmt den Vorsitz des Stifterverbandes bis zu seinem Tode 1935 Entlassung Schmidt-Otts als Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft Schmidt-Ott übernimmt den Vorsitz des Stifterverbandes Einrichtung des Reichsforschungsrates Gründung der „Förderergemeinschaft der Deutschen Industrie" unter Vorsitz von Hermann von Siemens als Parallelorganisation zum Stifterverband Gründung der „Leibniz-Gesellschaft zur Förderung von Wissenschaft und Kunst" in Hannover Gründung der „Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften" in der britischen Zone
314 18. 1. 1948 26. 2. 1948 16. 4. 1948 30. 10. 1948 11. 1. 1949
9. 3. 1949 24. 3. 1949 26. 3. 1949 22. 4. 1949 22. 9. 1949
19. 10. 1949 1. 1. 1950 1950-54 15. 8. 1951 22. 6. 1954 1955 20. 10. 1955 1956/57 5. 9.1957 7. 7. 1959 19. 5.1961 5. 11. 1964 1. 1.1965 1967 1970 1974 1974
Anhang Erste Überlegungen zur Gründung eines „Bildungsfonds" der deutschen Industrie durch Ludwig Kastl, Heinrich Cuntz und Herbert Studders Gründung der „Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften" Gründung der OEEC (Organization for European Economic Development) Treffen des Merton-Kreises in Schönberg i. Ts. zur Vorbereitung des Stifterverbandes Gründung der „Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft", die nach der Vereinigung mit dem Deutschen Forschungsrat (DFR) wieder „Deutsche Forschungsgemeinschaft" genannt wird (1951) Gründung des Deutschen Forschungsrates (DFR) unter Werner Heisenberg Königsteiner Abkommen zur gemeinsamen Finanzierung übergreifender Forschungseinrichtungen Gründung der „Fraunhofer-Gesellschaft zur Förderung der angewandten Forschung" (FhG) in München Gründung der Westdeutschen Rektorenkonferenz (WRK) Gründung der „Gesellschaft zur Förderung von Forschung und Lehre" (Stifterverband für die deutsche Wissenschaft) in Frankfurt a. M., erster Vorstandsvorsitzender Richard Merton (Metallgesellschaft AG), erster Schatzmeister Dr. Fritz Gummert (Ruhrgas AG) Gründung des Ausschusses für Wirtschaftsfragen industrieller Verbände, seit 1950 Bundesverband der Deutschen Industrie Ferdinand E. Nord erster Leiter der Hauptverwaltung Auseinandersetzungen mit MPG und FhG über den Zugriff auf die Industriespenden Zusammenschluß von Notgemeinschaft und Deutschem Forschungsrat zur Deutschen Forschungsgemeinschaft Gründung der Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen (AiF) Vorstandsvorsitzender Emst H. Vits (Vereinigte Glanzstoff Fabriken, Wuppertal) Gründung des Bundesministeriums für Atomfragen, des späteren Ministeriums für Wissenschaft und Forschung Gründung des Gesprächskreises „Wirtschaft und Wissenschaft" durch Hermann Reusch, Vits und Fritz Berg (BDI) Gründung des Wissenschaftsrates, der 1958 seine Arbeit aufnimmt Einrichtung der Thyssen-Stiftung Gründung der Volkswagen-Stiftung Gründung des ersten Landeskuratoriums in Baden-Württemberg Generalsekretär Thorwald Risler Beschluß zur Mittelvergabe im Rahmen von eigenen Schwerpunktprogrammen des Stifterverbandes Vorstandsvorsitzender Hellmut Ley (Metallgesellschaft AG) Vorstandsvorsitzender Hans-Helmut Kuhnke (Ruhrkohle AG) Förderung der Dahlem-Konferenzen und Beginn der Villa HügelGespräche
Chronologie 28. 11. 1975 17. 5. 1976 1. 1. 1979 1980 1980 1985 9.11. 1989 1991-95 1993 1995
315 Rahmenvereinbarung zwischen Bund und Ländern über die gemeinsame Förderung der Forschung (Institute der „Blauen Liste") Eröffnung des vom Stifterverband errichteten Wissenschaftszentrums in Bonn-Bad Godesberg Generalsekretär Dr. Horst Niemeyer Vorstandsvorsitzender Dr. Klaus Liesen (Ruhrgas AG) Eröffnung des Historischen Kollegs in München Einrichtung des Programms der „Stiftungsprofessuren" Gründung des European Foundation Center in Brüssel Einrichtung von 22 Stiftungsprofessuren in den neuen Bundesländern Vorstandsvorsitzender Dr. Karlheinz Kaske (früher Siemens AG) Prof. Dr. Manfred Erhardt (Berlin) wird zum neuen Generalsekretär (ab 1996) berufen
3. Finanzielle Leistungen des Stifterverbandes
Jahr
Freie Mittel
SP-Stiftungen* SP-Mitgl./Förd.* Z-Spenden
1948/50 1951 1952 1953 1954 1955 1956 1957 1958 1959 1960 1961 1962 1963 1964 1965 1966 1967 1968 1969 1970 1971 1972 1973 1974 1975 1976 1977 1978 1979 1980 1981 1982 1983 1984 1985
1.500.000 1.232.000 1.746.000 1.710.000 2.400.000 4.731.000 5.862.000 8.539.000 10.060.000 12.053.000 15.275.000 19.653.000 20.721.000 24.673.000 25.616.000 26.590.000 23.226.000 21.909.000 21.711.000 23.009.000 23.641.000 22.440.000 20.332.000 19.247.000 18.099.000 17.485.000 18.010.000 18.173.000 18.132.000 20.048.000 20.002.000 19.694.000 20.108.000 20.219.000 20.494.000 22.009.000
0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 705.000 624.000 689.000 150.000 3.410.000 1.579.000 1.445.000 1.231.000 4.109.000 3.261.000 2.850.000 2.952.000
0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0
0 0 0 0 0 6.943.000 7.902.000 8.530.000 9.655.000 8.934.000 10.813.000 8.883.000 9.379.000 6.186.000 7.500.000** 9.660.000 6.570.000 7.250.000 8.162.000 8.445.000 10.342.000 11.008.000 11.741.000 13.758.000 16.074.000 17.604.000 17.558.000 18.513.000 17.201.000 23.813.000 15.548.000 13.423.000 10.789.000 18.988.000 9.313.000 10.732.000
Stiftungsverm.
0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 218.000 264.000 1.567.000 1.125.000 18.225.000 5.099.000 16.998.000 4.221.000 10.138.000 4.371.000 14.519.000 10.376.000 41.975.000 33.469.000 41.331.000 35.913.000 29.034.000 39.004.000 37.762.000 72.154.000
317
Finanzielle Leistungen des Stifterverbandes Fortsetzung Jahr
Freie Mittel
SP-Stiftungen* SP-Mitgl./Förd.* Z-Spenden
Stiftungsverm.
1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994
23.057.000 23.540.000 25.619.000 26.141.000 26.221.000 26.504.000 26.014.000 25.532.000 25.018.000
3.224.000 2.936.000 3.761.000 3.417.000 1.580.000 1.682.000 1.898.000 2.475.000 2.911.000
0 0 0 509.000 2.714.000 3.084.000 3.597.000 3.772.000 4.243.000
7.181.000 7.857.000 9.109.000 8.601.000 9.043.000 12.317.000 8.102.000 7.719.000 7.471.000
214.022.000 87.929.000 88.661.000 63.013.000 40.577.000 52.227.000 166.888.000 75.543.000 80.279.000
Gesamt'
817.995.000
46.889.000
17.919.000
438.617.000
1.286.902.000
*
Diese Spendenkategorie umfaßt Stiftungen und Spenden der Mitglieder im Rahmen von Sonderprogrammen ** Nachträglich geschätzter Wert, da keine Unterlagen verfügbar.
M 964 m 1974
1984 M 1994
Banken und Kreditgewerbe
Automobilindustrie
Elektrizitätswirtschaft
Chemische Industrie
Maschinenbau
Abb. 1
Prozentualer Anteil ausgewählter Wirtschaftsbereiche am freien Spendenaufkommen 1964/1974/1984/1994
Anhang
318
I 1964 S 1974 EU 1984 ^ 1994
! 6,00%
-
J=t m
sonstige Vereinigungen
Gas- Wasserversorgung Vermögensverwaltung
Abb. 2 *
Einzelhandel
steine und Erden MineralölVerarbeitung
:
Textilgewerbe Ernahrungsindustrie
NE-Metalle
A u s g l i e d e r u n g einzelner B r a n c h e n aus d e m Bereich „Restliche B r a n c h e n "
1964/1974 handelt es sich um die Branche,Sonstige', ,Stiftungen 4 ist ein Teil davon.
4. Dokumente
Im folgenden Quellenanhang werden einige Dokumente abgedruckt, die für die Geschichte des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft von besonderer Bedeutung sind. Neben einem Brief von Friedrich Schmidt-Ott an Carl Duisberg vom Februar 1921, der die Schwierigkeiten der Anfangsphase des Verbandes lebendig schildert, sind es vor allem Protokolle wichtiger Versammlungen (z.B. 1922 und 1942) und solche Dokumente, die wesentliche Informationen über die Vorgeschichte und Geschichte der Neugründung von 1949, aber auch über die kritischen Stimmen in der Wirtschaft vermitteln. Eine Auswahl der bildungspolitischen Leitsätze des Gesprächskreises „Wirtschaft und Wissenschaft" zwischen 1958 und 1961 rundet die Auswahl ab. Die Vorlagen wurden hinsichtlich der Schreibweise behutsam modernisiert (z.B. Köln für Cöln, daß für dass), orthographische Fehler wurden stillschweigend korrigiert. Der archivalische Nachweis der Dokumente erfolgte bereits in den Anmerkungen.
Dokument 1 Friedrich Schmidt-Ott an Carl Duisberg (15. Februar 1921) 15. Februar (1921) Hochverehrter und lieber Herr Geheimrat! Sie haben Streik und sind gewiß mit anderen Dingen voll beschäftigt. Ich weiß leider garnichts Genaueres über die mich an sich interessierende Sachlage, bescheide mich aber gern, bis Sie der Weg wieder nach Berlin führt. Daß Sie zum Plenum des Reichswirtschaftsrates kommen, ist wohl sicher. Und so hoffe ich, daß Ihnen der Termin für den Verwaltungsrat des Stifterverbandes am 23. Februar 12 Uhr vormittags und für die Vorbesprechung um 15 Uhr genehm ist. Nach wochenlangem Bemühen ist es mir gelungen, mit Herrn Karl Friedrich von Siemens in Fühlung zu kommen. Wir hatten am 2. Februar mit ihm im Reichstage die erste Besprechung. Er hat augenscheinlich mit der Förderung der Angelegenheit einen seiner Beamten, Herrn Dr. Becker, beauftragt, der sich seither bemüht, die, wie letzterer selbst sagt, sehr vernachlässigte Angelegenheit in Gang zu bringen, leider ohne sich ihr ganz widmen zu können. Die Frage der Angliederung eines Geschäftsführers des Stifterverbandes an mein Büro hat Herr v. Siemens grundsätzlich gebilligt. Als ich Herrn Becker gegenüber von einem durch Dr. Salomonsohn empfohlenen Regierungsrat Dr. Ruhnau sprach, dessen Ansprüche voraussichtlich aber hoch sein würden, teilte mir Herr Dr. Becker im voraus Herrn v. Siemens Bedenken mit. Besagter Herr Regierungsrat Ruhnau, der sich gestern mir gegenüber zur Übernahme der Geschäfte bereit erklärt hat, ist im Reichsentschädigungsamt pensionsberechtigt angestellt, hofft auf den Oberregierungsrat. Er scheint bezüglich der Auslandsentschädigungen sehr Tüchtiges geleistet zu haben, ist im Reichsdienst angestellt, obwohl er bis zur Revolution Geschäftsführer des Vereins zur Bekämpfung der Sozialdemokratie war. Von Haus aus ist er Landwirt. Jedenfalls ist er viel herumgekommen und macht einen vorzüglichen Eindruck. Aber seine Forderungen sind nun so, daß ich auch meinerseits Bedenken trage, sie anzunehmen. Annahme auf 5 Jahre. Jährliches Gehalt 70 000 M (oder,
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falls das Reichsfinanzministerium auf Grund der Härteparagraphen die Steuer erlasse, 48 700) Dienstaufwandsentschädigung 30 000 M jährlich und vor allem 2% aller durch ihn gesammelten Beträge als Entschädigung für die ihm entgehende Reichspension. Das scheint mir doch dann unerreichbar zu sein, vor allem die Tantieme ausgeschlossen. Dr. Salomonsohn will sich gleichwohl noch bei seinem Präsidenten Hickmann näher erkundigen. Vor dem 23. können wir ja jedenfalls keine Beschlüsse fassen. An Dr. Petersen hatte ich geschrieben. Er ist leider verreist. Ich habe noch keine Nachricht von ihm. Natürlich bin ich noch weiter bemüht, einen geeigneten Mann zu finden. Was die Sammlungen angeht, so hat Herr Stinnes neuerdings Herrn v. Siemens gegenüber die Forderung aufgestellt, daß von allen Eingängen der Industrie 2/3 der Helmholtz-Gesellschaft zufließen. Für die Sammlungen anderer Verbände könne man sich mit 1/3 für die HelmholtzGesellschaft begnügen. Mir kommt es vor, als ob eine Regelung des Verhältnisses zwischen Notgemeinschaft und Helmholtz-Gesellschaft für erstere grundlegend ist. Auch der Geschäftsführer wird, wie die Dinge liegen, nicht für eine dieser beiden Unternehmungen sammeln können, ohne sich auch der anderen anzunehmen. Was ich am meisten empfinde, ist, daß Herr Stinnes und augenscheinlich auch andere Befürworter der Helmholtz-Gesellschaft von dem eigentlichen Zwecke der Notgemeinschaft nicht unterrichtet sind. Herr v. Siemens selbst sagte mir, daß er unter anderem die Akkumulatoren-Fabrik von einer Bewilligung für die Notgemeinschaft zunächst noch zurückgehalten habe, dabei liegt bei ihm, wie bei dem stellvertretenden Vorsitzenden des Stifterverbandes augenscheinlich der Irrtum vor, daß die Notgemeinschaft einseitig die Geisteswissenschaften bevorzugen wolle, während die Förderung der naturwissenschaftlichen und technischen Interessen bei der Helmholtz-Gesellschaft ruhe. Letzteres wird aber nach dem Statut der Helmholtz-Gesellschaft, wie mir auch Planck neuerdings noch zum Ausdruck brachte, garnicht in vollem Maße der Fall sein können, und sehr weitgehende Interessen, namentlich auch in technischer Beziehung werden der Notgemeinschaft, die allein 5 technische Fachausschüsse begründet hat, vorbehalten bleiben müssen. Mir scheint eine Verständigung hierüber vor allem wichtig, und wenn sie dazu führt, daß die maßgebenden Herren, auf deren Mitwirkung ich ja in erster Linie angewiesen bin und denen ich für die bisherigen Bewilligungen zugunsten der Notgemeinschaft von Herzen danke, sich nicht nur für die Helmholtz-Gesellschaft, sondern auch für die Notgemeinschaft und zwar auch zeitlich darüber hinaus einsetzen wollen, so würde ich garnichts dagegen haben, daß die Sammlungen gemeinsam in der Art erfolgen, daß nach einem bestimmten Schlüssel zunächst die 50 Millionen der Helmholtz-Gesellschaft eingestellt werden und dann mit vereinten Kräften zugunsten der Notgemeinschaft weiter vorgegangen wird. Ich bitte Sie herzlich, diesen Gedanken einmal Ihrerseits zu überlegen und ihm Ihre tüchtige Hilfe zu schenken. Was daneben erwünscht bleibt, ist m.E. eine Vereinheitlichung der Gutachteraktion, um Parteiungen, wie sie leider auf physikalischem Gebiete in Nauheim zum Ausdruck kamen, zugunsten einer rein sachlichen Behandlung zurückzuhalten. Für das erste Jahr ist bei der Notgemeinschaft in der Chemie lediglich der Vorstand des Verbandes der Laboratoriumsvorstände als Fachausschuß gestellt, nachdem Willstätter sich freundlicherweise damit einverstanden erklärt hat, daß Stock den Vorsitz und die Geschäftsführung übernimmt. In der Physik habe ich dafür Sorge getragen, daß jedenfalls der Vorsitzende des Akademiker-Verbandes, Stark, mit in den Ausschuß gewählt ist. Wir sind aber über das erste Jahr ja überhaupt nicht gebunden und ich wäre sehr dankbar, wenn Sie eine Vereinheitlichung der Gutachterorganisation mit der HelmholtzGesellschaft ins Auge fassen wollten. Vielleicht sind die 6 Professoren, die Sie zunächst in den Verwaltungsrat der Helmholtz-Gesellschaft aufgenommen haben und die auf eine stark süddeutsche Orientierung deuten, auch noch nicht Ihr letztes Wort, so wenig ich Ihre Sachlichkeit anzweifeln möchte. Kämen wir so zu einer gewissen Vereinheitlichung der Organisation, so würde ich dies im Interesse der Sache aufs höchste begrüßen.
321 Einstweilen empfinde ich sehr, wie noch vieles unklar ist. Die großen Sammlungen zerflattern. Die Hapag, der ich die Liste des Herrn Generaldirektor Vogler mitgeteilt hatte, hat abgelehnt. Herr Vogler selbst, der mir eine Rücksprache hier in sichere Aussicht gestellt und Herrn Dr. Freundt mit der Verabredung einer Besprechung beauftragt hatte, ist hier gewesen, ohne daß er oder Herr Freundt mir Mitteilung gemacht haben. Ich weiß natürlich zu schätzen, in wie schwierigen Fragen dieser hochverehrte Mann ist, zumal nachdem auch noch die Frage der Londoner Konferenz auf der Tagesordnung erschienen ist. Ich mag aber an ihn im Augenblick kaum schreiben und bitte Sie, ihm, falls Sie es für richtig halten, von meinen Darlegungen mit meinen besten Grüßen Kenntnis zu geben. Dr. Salomonsohn, der am treuesten die Sorgen des Stifterverbandes im Auge behält, aber selbst schwer belastet ist, meint, daß die Forderung des Herrn Stinnes wegen der 2/3 nicht so streng zu nehmen sei und wohl nur den Disput, den er wegen der Beteiligung der Helmholtz-Gesellschaft an der Stiftung der Banken mit Herrn Vogler gehabt habe, auf dem Herr Stinnes zugegen gewesen sei, fortsetze. Dies ist ja aber im Falle der oben vorgeschlagenen Einigung eine Frage, die nicht in erster Linie steht. Die Beträge der Großbanken haben sich inzwischen auf 24 'h Millionen Mark erhöht, und Dr. Salomonsohn hofft, noch auf im ganzen 25 Millionen Mark zu kommen. Wie leicht es ist der Notgemeinschaft gegenüber Sonderinteressen in den Vordergrund zu stellen, geht daraus hervor, daß Professor Harms in Kiel auf Grund des Aufrufs der Spitzenverbände für seine Zwecke erhebliche Beträge gewonnen hat, worüber sich der Reichsverband beschwert, was man ihm aber m.E. nicht verargen kann, zumal er meint, daß Stifter vielfach erst durch ihn darauf aufmerksam gemacht wären, was die Notgemeinschaft eigentlich sei. Mein kleiner Artikel über die Notgemeinschaft aus der „Woche", den ich Ihnen als Drucksache übersandte, ist hoffentlich in Ihre Hände gelangt, sonst sende ich gern noch Exemplare. Angesichts der wirtschaftlichen und nationalen Lage halte ich es für die Aufgabe der Notgemeinschaft, die dem wirtschaftlichen Aufschwünge Deutschlands dienende Forschung durchaus in den Vordergrund zu stellen. Ich werde bereit sein, dieses auch weiter überall zum Ausdruck zu bringen. Wenn Sie sich die Mühe geben wollen, meinen kleinen Artikel zu lesen, den ich auch den übrigen Mitgliedern des Verwaltungsrates habe zugehen lassen, würde ich sehr dankbar sein. Da Sie sich für die Frage Prandtl, wie ich annehme, interessieren, so möchte ich auf Grund einer Mitteilung des Ministerialrates Richter hinzufügen, daß die Umwandlung seiner Professur in eine ordentliche, wenn auch noch nicht fest zugesagt, doch in erreichbarer Nähe steht. Eine Regelung wegen des Vermögens der Göttinger Gesellschaft ist noch nicht erreichbar gewesen. Ich habe darauf aufmerksam gemacht, daß, wenn das Finanzministerium nicht zur Übernahme der bescheidenen Jahresleistungen der Göttinger Vereinigung bereit wäre, Herr Krupp m.E. das Grundstück, welches für das nun nicht zur Ausführung gekommene mathematische Institut geschenkt war und zum Teil schon für das zahnärztliche Institut benutzt wird, zurückfordern könne. Zu irgend welchen Zusagen an Prandtl, der auch für sein jetziges Institut an der Universität eine Etatserhöhung haben möchte, liegt nach Ansicht des Herrn Richter eine Möglichkeit nicht vor, sodaß man ihn ev. doch nach München ziehen lassen müßte. Von Seiten des Rheinisch-Westfälischen Kohlensyndikats ging mir gestern unmittelbar die Mitteilung zu, daß es der Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft den Betrag von 8 Millionen Mark zur Verfügung stelle unter der Bedingung, daß auf die Bergbau-Wissenschaften und Hilfswissenschaften angemessene Rücksicht genommen werde und daß dem Rheinisch-Westfälischen Kohlen-Bergbau ein Vorschlagsrecht für einige Stellen in dem über die Verwendung der Mittel verfügenden Ausschuß eingeräumt wird. Wegen der Benennung der Persönlichkeiten bittet er mit dem Bergbau-Verein zu Essen in Verbindung zu treten. Der Betrag von 8 Millionen Mark wird zu meiner Verfügung gehalten. Die Friedr. Krupp A.-G. habe sich bereit erklärt, diesen Fonds zu verwalten und mit 5 % zu verzinsen. Ich werde natürlich wegen dieses Fonds als-
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bald mit dem Stifterverband in Verbindung treten, der ja auch die Aufnahme von Persönlichkeiten in den Verwaltungsrat zu beschließen hat. Ich vermute, daß es der Betrag war, den Herr Vogler in seiner letzten Liste unter Syndikate mit 10 Millionen (neben 12 Millionen westliche Kohlenwerke) Mark angeführt hatte. Jedenfalls bin ich mir bewußt, auch diese Zuwendung der Sammlertätigkeit des Herrn Vogler zu verdanken. Soeben erhalte ich ein Schreiben von Geheimrat F. Oppenheim, das die Fähigkeiten des Herrn Regierungsrates Dr. Ruhnau rühmt. Aber die FordeAing ist doch zu weitgehend. Jedenfalls müßte m.E. die Tantieme fallen. \ Meine Reise verschiebt sich noch etwas. Auf die Vorbesprechung am 23. bin ich gespannt. Herr v. Siemens möchte nur Industrielle dabei haben, während ich wenigstens Planck oder auch Haber, Matschoss und Hergesell herangezogen hätte. Vielleicht können wir mit diesen oder einem von ihnen während Ihrer Anwesenheit noch einmal sprechen, um vor allem das Nebeneinander der Helmholtz-Gesellschaft und der Notgemeinschaft zu klären. Sehr wertvoll wäre es mir, [mit] Ihnen noch vor dem Zusammensein am 23. ds. Mts. um 10 Uhr ein Wort wechseln zu können. Geht es nicht anders, so könnte ich Sie vielleicht im Adlon abholen. Im Falle der Gewinnung eines Geschäftsführers scheint es mir von grundlegender Bedeutung zu sein, daß dieser, wie Sie und augenscheinlich auch Herr Vogler in Aussicht genommen haben, meinem Büro angegliedert wird, schon um die Agitation, die ich ja auch mit der Presse aufgenommen habe, zu vereinheitlichen. Ferner wäre es mir wertvoll, wenn die Kosten meines Büros, die zunächst annähernd 100 000 M betragen werden, vom Stifterverband übernommen würden, um die Freiheit der Notgemeinschaft gegenüber dem Reich (los von Berlin) zu sichern. Bis jetzt lebe ich noch von den 50 000 M, die uns Herr Dr. Lieber am Tage der Gründung der Notgemeinschaft mitbrachte. Die Sammlungen des Stifterverbandes bei der Diskonto-Gesellschaft belaufen sich einstweilen bis gestern auf 6,7 Millionen Mark, wobei aber die großen Beträge von Leverkusen und Ludwigshafen eingeschlossen sind. Daß von Österreich verzweifelte Anstrengungen gemacht werden, unsere Mittel gleich für die Wiener Universität und andere Zwecke nutzbar zu machen, möchte ich nur andeuten. Ich glaube, daß hier große Vorsicht am Platze ist. Darf ich schließlich noch erwähnen, daß der mir befreundete tüchtige General v. Rauch mich gebeten hat, die Bitte des Invalidendankes, der sich wegen der Hinterbliebenen aus dem Kriege 70 in besonderer Notlage befindet, in Leverkusen zu unterstützen. Es handelt sich wohl um keine großen Beträge.
Dokument 2 Protokoll der Hauptversammlung des Stifterverbandes der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft E.V. am 18. März 1922 (Auszug) Hauptversammlung des Stifterverbandes der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft E.V. am 18.März 1922 mittags 12 Uhr in den Räumen der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft, Berlin C 2, Schloß Portal III. Anwesend sind die Herren: Dr.-Ing. Robert Bosch, BASF, Verwaltungsrat Stifterverband Dr.-Ing. Bräter, i./Fa. C. Zeiss, Jena
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Prof. Dr. Brandi, Göttingen, Notgemeinschaft Ministerialrat Donnevert, Vertreter des Reiches Geh. Reg. Rat. Dr. e.h. Duisberg, Farbenfabriken vorm. Fried.Bayer & Co., Verwaltungsrat des Stifterverbandes Geh. Rat. Prof. Dr. von Dyck, Notgemeinschaft Dr. Eversmann, i./Fa. J.D. Riedel AG. Berlin Britz Dr. Fischmann, Deutscher Eisenbauverband Dr. Gehlhoff, Notgemeinschaft Geh. O.-Reg. Rat Prof. Dr. Hergesell, Notgemeinschaft Geh. Reg. Rat Prof. A. Hertwig, Notgemeinschaft Ökonomierat Keiser, Reichsausschuß der Dtsch. Landwirtschaft, Verwaltungsrat Stifterverband Dipl. Ing. H. Kind, Vertreter der Bergmann-Elektrizitätswerke AG Prof. Dr. Konen, Bonn Notgemeinschaft C. Matschoss, VDI Dr. A. Meiner, Börsenverein der Dtsch. Buchhändler, Leipzig Prof. Dr. Nägel, Hauptausschuß der Notgemeinschaft Dr. von Rautter, Tuchfabrikanten-Verein, Aachen Komm. Rat Dr. Louis Ravene, Vertreter des Zentralverbandes des Deutschen Großhandels, Verwaltungsrat Stifterverband Komm. Rat Dr.-Ing. Paul Reusch, Generaldirektor der Gutehoffnungshütte, VWR Stifterverband Dr. Rüffenberg, Rhein. Braunkohlen-Syndikat, Köln Dr. Salomonsohn, Notgemeinschaft und Verwaltungsrat Stifterverband Schmidt v. Knobelsdorf, Deutscher Lokomotiv-Verband Exzellenz Schmidt-Ott, Präs. d. Notgemeinschaft Prof. Dr. Schreiber, Mitgl. d. Reichstages Dr. Kurt Schroth i./Fa. Fried. Krupp A.G., Essen Reg. Ass. A.D. von Schweinitz, Notgemeinschaft Dr. C.F. von Siemens, I. Vorsitzender Stifterverband Thalmann, i./Fa. J. Dreyfuss & Co. Dr. Taeger, Handelskammer Dresden Dr. A. von Weinberg i./Fa. Leopold Casella & Co, Verwaltungsrat Stifterverband Dr. Weinholz, i./Fa. Gebr. Röchling, Berlin Dr. Otto Becker, als Geschäftsführer Entschuldigt: Geh. Komm. Rat Eduard Amhold, Berlin, Verwaltungsrat Stifterverband Fabrikbesitzer Abr. Frowein, Elberfeld, Verwaltungsrat Stifterverband Heddernheimer Kupferwerk & Süddeutsche Kabelwerke AG, Mannheim Geh. Komm. Rat Dr.-Ing. e.h. Emil Kirdorf, Düsseldorf, Verwaltungsrat Stifterverband Geheimrat Klingenberg, Charlottenburg, Verwaltungsrat Stifterverband Baurat Dr.-Ing. Lippart, Nürnberg, Verwaltungsrat Stifterverband Direktor Mankiewitz, Berlin, Verwaltungsrat Stifterverband Geh. Komm. Rat Georg Marwitz, Dresden, Verwaltungsrat Stifterverband Dr.-Ing. ter Meer, Hannover, Stifterverband Franz von Mendelssohn, Berlin, Verwaltungsrat Stifterverband Komm. Rat Hermann Röchling, Heidelberg Excellenz Staatsminister Dr. von Schorlemer-Lieser, Lieser, Verwaltungsrat Stifterverband Dr. Emil von Stauss, Berlin, Stifterverband
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Verein Deutscher Nähmaschinenfabrikanten, Mannheim Württembergische Vereinsbank, Stuttgart Den Vorsitz führt Herr Dr. C.F. von Siemens Der Herr Vorsitzende begrüßt die erschienenen Mitglieder des Stifterverbandes sowie die Gäste: Die Erkenntnis der Bedeutung der deutschen Wissenschaft für unser wirtschaftliches und unser gesamtes nationales Leben habe in zahlreichen Kreisen sehr erfreuliche großzügige Opferwilligkeit gezeitigt. Er danke diesen Kreisen im Namen des Stifterverbandes und der Notgemeinschaft. Demgegenüber herrsche aber in anderen Kreisen ein absoluter Mangel an Verständnis oder auch kurzsichtiger Egoismus. Zum Beweis hierfür macht der Vorsitzende vertrauliche Mitteilung über die Höhe der Spenden aus den Kreisen der Industrie, der Banken, des Großhandels, des Kleinhandels und der Landwirtschaft. Hierauf erstattet der Geschäftsführer des Stifterverbandes den Jahresbericht: Der Stifterverband der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft wurde am 14. Dez. 1920 zu dem Zwecke gegründet, Mittel aufzubringen für die Unterstützung der wissenschaftlichen Forschung und den Stiftern ein Mitbestimmungsrecht für die Verwendung der von ihnen aufgebrachten Mittel zu sichern. Schon vorher, am 28. Okt. 1920 war die Helmholtz-Gesellschaft zur Förderung der physikalisch-technischen Forschung gegründet worden. Mit ihr in ein gedeihliches Verhältnis zu kommen, bildete für den Stifterverband bei Beginn seiner Werbetätigkeit wohl das schwierigste Problem. Es war zu befürchten, daß Helmholtz-Gesellschaft und Stifterverband ihre Kräfte gegeneinander zersplittern und in den als Geldgeber in Betracht kommenden Kreisen Verwirrung und Verstimmung hervorrufen würden, wenn beide Organisationen jede unabhängig von der anderen, ihre Werbetätigkeit in den gleichen Kreisen entfalten würden. Um ein solches Konkurrenzwerben zwischen Helmholtz-Gesellschaft und Stifterverband zu vermeiden, hat im Februar 1921 der Stifterverband mit der Helmholtz-Gesellschaft folgendes Abkommen getroffen. Die aus der Industrie eingehenden Spenden werden, falls von den Spendern keine besonderen Bestimmungen getroffen sind, zu zwei Dritteln der Helmholtz-Gesellschaft und zu einem Drittel der Notgemeinschaft zugeführt, ohne Rücksicht darauf, ob sie beim Stifterverband oder der Helmholtz-Gesellschaft eingezahlt werden. Die aus allen anderen Kreisen stammenden Gelder gehen voll zur Notgemeinschaft, doch bleibt dem Spender das Recht vorbehalten, für seine Spende auch eine andere Art der Verteilung vorzuschreiben. Dieser Beschluß des Verwaltungsrates des Stifterverbandes vom 23. Feb. 1921 wurde durch den Verwaltungsratsbeschluß vom 15. Juli 1921 dahin ergänzt, daß er keine rückwirkende Kraft haben solle, daß also alle bis zum 23. Febr. dem Stifterverband bzw. der Helmholtz-Gesellschaft zugeflossenen Spenden dem Teilungsschlüssel nicht unterworfen sein sollten. Nachdem man sich über die Frage der Verteilung der Spenden zwischen Helmholtz-Gesellschaft und Stifterverband geeinigt hatte, machte die Frage der Abgrenzung der Werbetätigkeit zwischen beiden keine Schwierigkeiten mehr. Es wurde das Abkommen getroffen, daß der Werbetätigkeit der Helmholtz-Gesellschaft die gesamte Kohle erzeugende Industrie Rheinlands und Westfalens, dazu die gesamte Eisen erzeugende Industrie vorbehalten bleiben sollte. Dem Vorstand des Stifterverbandes lag auch besonders am Herzen, daß ein gutes Zusammenarbeiten zwischen Notgemeinschaft und Helmholtz-Gesellschaft gewährleistet werde. Unter vermittelnder Mitarbeit des Stifterverbandes ist es in einer Konferenz, die am 15. Juli 1921 zwischen Vertretern der Helmholtz-Gesellschaft, der Notgemeinschaft und des Stifterverbandes stattfand, hierüber zu einer ersten Verständigung zwischen Notgemeinschaft und Helmholtz-Gesellschaft gekommen. Es wurde beschlossen:
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Die Helmholtz-Gesellschaft bleibt ein selbständiges Organ im Rahmen des Stifterverbandes und der Notgemeinschaft. Um doppelte Arbeit und Gegensätze zwischen Notgemeinschaft und Helmholtz-Gesellschaft zu vermeiden, müssen beide Organisationen soweit es irgend möglich ist, die gleichen Fachausschüsse für die von der Helmholtz-Gesellschaft unterstützten Wissenschaftsgebiete haben. Diese Fachausschüsse sind auf einer möglichst breiten Grundlage zu bilden, damit sie einen zweifelsfreien Anspruch auf allgemeine Gültigkeit haben und auch für die Verwendung der Reichsgelder zuständig sein können. Der Stifterverband hatte die Werbetätigkeit anfangs allein den Spitzenverbänden überlassen, die sich bereits am 1. Dez 1920 mit einem Aufruf an die deutschen Landwirte, Kaufleute, Gewerbetreibenden und Industriellen gewandt hatten. So gut wie vollständig resultatlos blieb dieser Aufruf unter den Mitgliedern des Zentral verbandes des Deutschen Großhandels, der Hauptgemeinschaft des Deutschen Einzelhandels und des Deutschen Handwerks- und Gewerbekammertages. In sehr erfreulichem Gegensatz dazu stand die Werbetätigkeit des Centraiverbandes des Deutschen Bank- und Bankiersgewerbes und des RDI. Die vom Stifterverband mit dem Reichsverband der Privatversicherungen angeknüpften Verhandlungen zwecks Werbetätigkeit bei den Versicherungsgesellschaften blieben leider resultatlos. Der Reichsverband der Privatversicherungen lehnte eine Beteiligung mit der Begründung ab, daß er die seinen Mitgliedern zur Verfügung stehenden Mittel für wissenschaftliche Zwecke bereits auf direktem Wege den betreffenden Instituten zugängig gemacht habe. Anfang Mai 1921 übernahm die von dem ersten Vorsitzenden des Stifterverbandes eingerichtete Geschäftsführung des Stifterverbandes die Werbetätigkeit, in Verbindung mit dem RDI, dem Centraiverband des Deutschen Bank- und Bankiersgewerbes, dem Zentralverband des Deutschen Großhandels, der Hauptgemeinschaft des Deutschen Einzelhandels und dem Deutschen Industrie- und Handelstag. Es wurde für jedes einzelne Wirtschaftsgebiet eine kurze Denkschrift verfaßt, in der die Bedeutung der Wissenschaft für das betreffende Wirtschaftsgebiet nachgewiesen und dargelegt wird, daß der Spender seinen Beitrag für die Wissenschaft nicht als eine mildtätige Gabe für einen fremden Zweck, sondern als werbende Anlage betrachten müsse. Jede Denkschrift ist in der Form eines persönlichen Briefes gehalten, ist mit einem besonderen Anschreiben versehen und von führenden Persönlichkeiten des betreffenden Wirtschaftsgebietes unterzeichnet. Wir bearbeiteten außerdem die im Handbuch der Aktien-Gesellschaften verzeichneten Firmen, soweit sie nicht vereinbarungsgemäß in den Bereich der Werbetätigkeit der HelmholtzGesellschaft fallen. Es war unser Bestreben, in jedem Verband und in jeder Wirtschaftsgruppe eine besonders einflußreiche Persönlichkeit als Vertrauensmann zu gewinnen, die möglichst bald nach Versendung unseres Werbematerials von sich aus eine Aktion zu unserer Unterstützung unternehmen und ihren Einfluß auf die ihr nahestehenden Kreise für die Beteiligung an unseren Sammlungen einsetzen könne. Das Büro des Stifterverbandes besteht aus einem Geschäftsführer, zwei Damen für den laufenden Schriftwechsel und die Registratur, einer Buchhalterin, drei Adressenschreiberinnen und einer Dame für die Kartothek. Der Schatzmeister des Stifterverbandes, Herr Dr. Salomonsohn, erstattet Bericht über die Bilanz, worauf Entlastung.... Bezüglich der Verwendung der vom Stifterverbande aufgebrachten Mittel wurde in dem
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gemeinsamen Verteilungsausschuß, der vor der Hauptversammlung tagte, folgender Beschluß gefaßt: Da die Notgemeinschaft für die Beschaffung ausländischer Literatur nur die Bibliotheken der Universitäten unterstützen kann, wird auf Antrag des Präsidenten der Notgemeinschaft beschlossen, daß der Stifterverband von den ihm zur Verfügung stehenden Zinsen für das nächste Jahr den Bibliotheken der Technischen Hochschulen je 100.000,- und außerdem den Bibliotheken der Bergakademien in Freiberg und Clausthal je 50.000 zusammen 1.200.000 zur Beschaffung ausländischer Literatur zur Verfügung stellen soll. Ferner wird in Aussicht genommen, daß der Stifterverband für das kommende Jahr bis zu 1.200.000,- für Forschungsstipendien an den wissenschaftlichen Nachwuchs gewährt. Die Bedingungen für die Gewährung der Stipendien sollen sein: 1.) Es muß der Nachweis besonderer wissenschaftlicher Fähigkeiten vorliegen, 2.) es muß für die zu gewährenden Stipendien eine wissenschaftliche Aufgabe vorliegen, über deren Wert man sich ein Urteil bilden kann. Der Stifterverband wird ein aus 3 Personen bestehendes Kuratorium bilden, das nach Einholung der Gutachten der in Frage kommenden Fachausschüsse nach Vorschlag der Notgemeinschaft gemeinsam mit dem Präsidium der Notgemeinschaft über die Gewährung der Stipendien entscheidet. Excellenz Harnack legt dar, daß die zu gewährenden Summen nicht zu klein sein dürfen. Ein Antrag, die Unterstützungen des Stifterverbandes bzw. der Notgemeinschaft auch auf die höheren technischen Lehranstalten auszudehnen, wird einstimmig abgelehnt.
Dokument 3 Bericht über die Gründungssitzung der Förderergemeinschaft der deutschen Industrie am 18. November 1942 Bericht über die Gründungssitzung der Förderergemeinschaft der deutschen Industrie am 18. November 1942 um 17 Uhr im Hotel Adlon in Berlin Tagesordnung: 1) Begrüßung durch den Leiter der Reichsgruppe Industrie, Herrn Generaldirektor Zangen. 2) Einführende Worte von Herrn Dr. Bingel. 3) Beschlußfassung über die Gründung der Förderergemeinschaft. 4) Berufung des Präsidenten durch den Leiter der Reichsgruppe Industrie. 5) Verschiedenes. Anwesend die Herren: Dr. jur., Dr. Ing.e.h. Hans Berckemeyer, Berlin Lankwitz (Vorsitzer d. Aufsichtsrats der Schering AG, Berlin) Dr. Ing. e.h. Rudolf Bingel, Berlin-Charlottenburg (Vorsitzer d. Vorstandes der SiemensSchuckert-Werke AG, Berlin) Dr. jur.C. Hans Boden, Oberregierungsrat a. D., Berlin Dahlem (Vorstandsmitglied der Allgemeinen Elektrizitäts-Gesellschaft, Berlin)
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Dipl. Ing. Alfred von Bohlen und Halbach, Essen (Vorsitzer des Vorstandes der Friedr. Krupp A G Essen) Dr. Ing. e.h. Conrad von Borsig, Geh. Kommerzienrat, Berlin (Vorsitzer d. Aufsichtsrats derBorsig-Kokswerke AG, Hindenburg OS.) Dr. Ing. e.h., Dr. rer. nat.h.c. Heinrich von Buol, Berlin-Frohnau (Vorsitzer des Vorstandes der Siemens & Halske AG, Berlin) Dr. rer. pol.h.c., Dr. Ing. e.h. Friedrich Flick, Berlin-Grunewald (Vorsitzer d. Aufsichtsrats der Mitteldeutschen Stahlwerke AG, Riesa) Franz, Dir., Berghütte Wien (Berg- und Hüttenwerks-Gesellschaft, Teschen) Dr. jur. et rer.pol. Hans Leonhardt, Hammerbacher, Mannheim (Stellv. Vorsitzer d. Vorstandes der Brown, Boveri & Cie. AG, Mannheim) Ewald Hecker, Regierungsrat a.D., Hannover (Vorsitzer d. Aufsichtsrats der Ilseder Hütte, Peine) Wolfgang von Kentig, Berlin-Charlottenburg (Vorstandsmitglied der Daimler-Benz AG, Stuttgart-Untertürkheim) Dr. Ing. Conrad Herrmann, Berlin-Zehlendorf (Vorsitzer des Vorstandes der Schering AG, Berlin) Dr. Richard Kaselowsky, Bielefeld (Inhaber der Firma Dr. August Oetker, Bielefeld) Hermann Kellermann, Bergassessor a.D., Oberhausen/Rhld. (Vorsitzer des Vorstandes der Gutehoffnungshütte Oberhausen AG, Oberhausen) Dr. Fritz Könecke, Hannover (Vorsitzer des Vorstandes der Continental Gummi-Werke AG, Hannover) Dr. Langen (Röchling'sehe Eisen- und Stahlwerke GmbH, Völklingen) Dr. Ing. e.h. Albert Pietzsch, München-Solln (Vorsitzer des Vorstandes der Elektronischen Werke München AG, Höllriegelskreuth) Dr. Ing.e.h. Alfred Pott, Gleiwitz (Generalbevollmächtigter für die Graf von Ballestrem'sche Güterdirektion, Vorsitzer des Aufsichtsrats der „Oberhütten" Vereinigte Oberschlesische Hüttenwerke AG, Gleiwitz) Dr. Ing.e.h. Günther Quandt, Berlin (Vorsitzer des Vorstandes der Accumulatoren-Fabrik AG, Berlin, und der Deutschen Waffen- und Munitionsfabriken AG, Berlin) Dipl. Ing. Hans Reuter, Wittlaer (Vorsitzer des Vorstandes der Demag AG, Duisburg) Hermann Schlosser, Frankfurt/M. (Vorsitzer des Vorstandes der Deutschen Gold- und SilberScheideanstalt vorm. Roessler, Frankfurt/Main) Dr. jur. h.c. Hermann Schmitz, Geh. Kommerzienrat, Berlin-Dahlem (Vorsitzer des Vorstandes der IG Farbenindustrie AG, Frankfurt/Main) Dr. Eduard Schalfejew, Ministerialdirektor a.D., Dessau (Vorsitzer des Vorstandes der Deutschen Continental-Gas-Gesellschafit, Dessau) Rudolf Stahl, Gerichtsassessor a.D., Berlin-Grunewald (Vorsitzer des Vorstandes der Salzdetfurth AG, Berlin) Dr. rer. pol. Wilhelm Steinberg, Düsseldorf (Mitglied des Vorstandes der Vereinigten Stahlwerke AG, Düsseldorf) Erich Tgahrt, Dortmund (Vorsitzer des Vorstandes der Hoesch AG, Dortmund) Dr. Ing. e.h., Dr. phil. h.c., Dr. mont.h.c. Albert Vogler, Dortmund (Vorsitzer d. Aufsichtsrats der Vereinigten Stahlwerke AG, Düsseldorf) Dipl. Ing. Karl Martell Wild, Stuttgart (Geschäftsführer der Robert Bosch GmbH, Stuttgart) Wilhelm Zangen, Düsseldorf (Vorsitzer des Vorstandes der Mannesmannnröhren -Werke, Düsseldorf) Nachstehende Herren, die nicht anwesend waren, hatten namens der von ihnen vertretenen Fir-
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men Vollmachten erteilt, und zwar Gen. Dir. Rosterg (Wintershall AG, Kassel) an Herrn Dr. Bingel Gen.Dir. Stapelfeldt (Deutsche Schiffs- und Maschinenbau AG „Weser", Bremen) an Herrn Zangen Es waren ferner anwesend: Dr. Hermann von Siemens Seine Exzellenz Staatsminister a.D. Schmidt-Ott Dr. Achenbach, Geschäftsführer des Kuratoriums der Adolf-Hitler-Spende sowie seitens der Geschäftsführung der Reichsgruppe Industrie Dr. Guth, Dr. Döring, Rechtsanwalt Rauch. 1. Begrüßung durch den Leiter der Reichsgruppe Industrie, Herrn Generaldirektor Zangen Zu Beginn der Sitzung begrüßte der Leiter der Reichsgruppe Industrie die Anwesenden auf das herzlichste. In schwerer Zeit habe die Reichsgruppe Industrie ein Werk in die Hand genommen, über dessen Ziele er Mitteilungen nicht zu machen brauche, da sie breits von Herrn Bingel im einzelnen den anwesenden Herren dargestellt worden seien. Herr Zangen begrüßte insbesondere den als Gast anwesenden Herrn Staatsminister a.D. Schmidt-Ott und brachte zum Ausdruck, wie sehr man sich seiner Tätigkeit für die Wissenschaft erinnere und welcher Wert darauf gelegt werden müsse, mit ihm und dem von ihm geleiteten Stifterverbande aufs engste zusammenzuarbeiten. Als er kurz nach Übernahme seines Amtes als Leiter der Reichsgruppe Industrie habe feststellen müssen, wie wenig Mittel der Wissenschaft für Zwecke der Forschung und Nachwuchsförderung zur Verfügung stehen, habe er diese Frage im engeren Beirat der Reichsgruppe Industrie zur Sprache gebracht. Der engere Beirat habe seine Auffassung geteilt, daß die Industrie sich stärker an dieser wichtigen Frage beteiligen und in größerem Umfange Mittel für Forschung und Nachwuchsförderung zur Verfügung stellen müsse. Mit Zustimmung des Beirats habe er seinerzeit Verhandlungen mit den Ministerien aufgenommen, um klarzustellen, daß die geplante Förderungsarbeit nur dann unterstützt werden könne, wenn sich der Staat seinerseits beteiligt. Diese Schritte seien von Erfolg begleitet gewesen. Die Bemühungen der Reichsgruppe Industrie seien teilweise parallelgegangen mit entsprechenden Schritten einzelner Persönlichkeiten der deutschen Industrie. Er denke hier besonders an die Bemühungen der Herren Geheimrat Bücher und Professor Hörlein. Eine Fühlungnahme mit diesen Herren habe Übereinstimmung darin ergeben, daß die geplante Aktion im Rahmen der Reichsgruppe Industrie durchzuführen ist. Dabei habe man sich in den Fußstapfen von Karl Bosch bewegt, der in der Krisenzeit nach dem Weltkriege jungen Akademikern geholfen habe, ihre Studien zu vollenden, und der für den Nachwuchs der Hochschulen eingetreten sei. Um diese Ideen zu verwirklichen, habe sich Herr Bingel bemüht, durch seine Verhandlungen einen Beitrag für die gedachten Zwecke sicherzustellen. Seine Bemühungen seien von Erfolg gekrönt gewesen. Bei der Auswahl der Firmen, die um Mitwirkung gebeten seien, habe man sich bewußt Beschränkungen auferlegt. Grundsatz solle bleiben, daß es sich bei dem Aufbringen um eine Tat der deutschen Industrie handelt, die diese aus eigener Kraft vollbringt. Herr Zangen dankte vor Eintritt in die Tagesordnung Herrn Bingel in herzlichen Worten für seine mühevolle Arbeit und bat ihn, zu der vorgelegten Satzung das Wort zu nehmen. 2. Einführende Worte von Herrn Dr. Bingel Herr Bingel gab die inzwischen noch vorgenommenen Abänderungen im Satzungsentwurf bekannt, die durch rote Unterstreichungen in den ausgelegten Exemplaren des Entwurfs vorgenommen worden waren. Die Satzung sei von dem Gesichtspunkt aus aufgebaut, daß die Gründer
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bzw. das Kuratorium jederzeit in der Lage sind, souverän über die vorhandenen Mittel zu verfügen. Herr Achenbach habe über den Inhalt der Satzung rechtzeitig mit den zuständigen Stellen verhandelt und deren Zustimmung eingeholt. Herr Bingel dankte Herrn Achenbach für seine Bemühungen. Besonders wichtig sei es dabei, daß es gelungen ist, die Grundlagen für die Anerkennung der Förderergemeinschaft als gemeinnütziger Einrichtung zu klären, so daß mit der Freistellung des Stiftervermögens von der Vermögenssteuer, seiner Erträgnisse von der Körperschaftssteuer und Gewerbesteuer gerechnet werden könne. Eine Steuerfreiheit des einzelnen Gebers komme insofern in Betracht, als nach dem Erlaß des Reichsfinanzministers vom 31.3.1942 Spenden an die Reichsgruppe Industrie für Zwecke der Förderung des wissenschaftlichen Hochschulnachwuchses als abzugsfähige Betriebsausgaben anzusehen sind. Wie den Anwesenden bekannt sei, ist darum gebeten worden, jeweils die Hälfte der an die Reichsgruppe Industrie überwiesenen Geldmittel für die Zwecke der Hochschulnachwuchsförderung zur Verfügung zu stellen, um dadurch auf diese Hälfte auch Steuerfreiheit beim einzelnen Geber zu erreichen. Es wäre denkbar gewesen, Schritte einzuleiten, um auch die zweite Hälfte durch Anerkennung als abzugsfähige Betriebsausgaben beim Geber steuerfrei zu machen. Aus guten Gründen sei aber von solchen Schritten abgesehen worden. Herr Bingel bat Herrn Guth, nunmehr die Liste der Gründerfirmen vorzulesen. Die von Herrn Guth verlesene Liste ist in der Anlage beigefügt. 3. Beschlußfassung über die Gründung der Förderergemeinschaft Nachdem hiermit die Punkte 1 und 2 der Tagesordnung erledigt waren, bat Herr Zangen um Zustimmung zu der bekanntgegebenen Satzung. Er stellte die Frage, ob noch irgendwelche Wünsche vorhanden seien. Da dies nicht der Fall war, stellte er fest, daß die Anwesenden einhellig der Satzung zugestimmt haben. Er stellte weiter fest, daß damit die Gründung der Förderergemeinschaft der deutschen Industrie vollzogen sei. 4. Berufung des Präsidenten durch den Leiter der Reichsgruppe Industrie Herr Zangen führte aus, daß nach § 4 der Satzung der erste Präsident der Förderergemeinschaft vom Leiter der Reichsgruppe Industrie im Einvernehmen mit den Gründern zu berufen sei. Er habe mit einigen Herren Fühlung aufgenommen und glaube, in Herrn Dr. Hermann von Siemens einen Mann als ersten Präsidenten der Förderergemeinschaft vorschlagen zu können, der in der Lage sei, diese verantwortungsvolle Aufgabe zu übernehmen (Zustimmung). Herr Zangen stellte Zustimmung der Anwesenden fest und fragte Herrn von Siemens, ob er gewillt sei, das Amt zu übernehmen. Herr von Siemens dankte den Anwesenden für das große Vertrauen, das in ihn gesetzt worden sei. Er werde sich bemühen, dieses Vertrauen zu verdienen, indem er die große und schöne Aufgabe übernehme und im Sinne der Anwesenden durchführe. Er werde sich bemühen, das Kuratorium so schnell wie möglich zusammenzusetzen und zu berufen. Seine Aufgabe werde es zunächst sein, die drei Vizepräsidenten zu wählen, und es werde dann alsbald eine erste Besprechung über die Grundsätze stattfinden müssen, nach denen die Förderergemeinschaft zu arbeiten habe. Er glaube, daß man sich zunächst hinsichtlich der Mittelvergebung einer gewissen Zurückhaltung befleißigen müsse, um erst einen Überblick über die Vielfältigkeit der verschiedenen Aufgaben zu bekommen. Es treffe sich zurzeit günstig, daß die Forschungstellen von den Behörden mit Aufgaben so stark belastet seien, daß im Augenblick das Bedürfnis nach finanzieller Förderung nicht sehr stark sein werde. Um so mehr werde man sich der Frage der Förderung des akademischen Nachwuchses annehmen können. Er hoffe, daß die Anwesenden mit diesem Vorgehen einverstanden seien und spreche nochmals seinen herzlichen Dank für das entgegengebrachte Vertrauen aus. Herr Zangen dankte Herrn von Siemens dafür, daß er das Amt des Präsidenten angenommen
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habe. Er sprach sodann allen Gründern seinen Dank aus für das Verständnis, das sie den Bemühungen des Herrn Bingel entgegengebracht hätten. Er betrachte den erfolgreichen Beginn der Förderergemeinschaft als ein gutes Omen und hoffe, daß sie viel Gutes stiften werde. Anschließend verlas Herr Guth auf Bitte des Herrn Zangen eine geplante kurze Pressenotiz, die die Zustimmung der Anwesenden fand. Abschließend erbat Herr Staatsminister a. D. Schmidt-Ott das Wort. Er drückte seine besondere Freude über die vollzogene Gründung aus. Das, was er selbst ersehnt habe, sei damit zur Tat geworden, und er bitte, ihm zu glauben, daß er dieser Tatsache neidlos gegenüberstehe. Vor 22 Jahren habe er sich an die Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft gewandt und bei ihnen Verständnis für die gleichen Fragen gefunden. Damals sei der Stifterverband zustande gekommen, dessen Präsident 15 Jahre hindurch Carl Friedrich von Siemens gewesen sei. Als er zurücktrat, wurde Duisberg sein Nachfolger, und an dessen Stelle sei später er selbst getreten. Seitdem sei er zweierlei zu schaffen und zu halten bemüht gewesen: einmal die völlige Unabhängigkeit, zum anderen die Verfolgung der erstrebten Ziele. Was ihn bekümmert habe, sei ein gewisses Nachlassen des Interesses und der Gebefreudigkeit. Um dem entgegenzutreten, habe auch er sich um Wege zu einer Steuererleichterung bemüht, und sein engerer Vorstand habe eine Eingabe an den Reichsmarschall beschlossen. Er müsse gestehen, daß er in dieser Beziehung wenig Hoffnung habe, und er freue sich um so mehr, daß es gelungen sei, in dieser Richtung für die Förderergemeinschaft bessere Aussichten zu erreichen. Er glaube seinerseits nicht, daß der Stifterverband heute noch eine Bedeutung haben könne; er sehe sich aber in der Lage, ihn aufzulösen, bzw. ihn auf die Förderergemeinschaft überzuleiten. Er sehe dies als das gewünschte Ende des Stifterverbandes an und bitte, ihm darin zuzustimmen. Herr von Siemens bat Exz. Schmidt-Ott, dieses angedeutete Ende des Stifterverbandes nicht mit Gewalt heraufzubeschwören. Er halte es für das beste, sich über die künftige Zusammenarbeit einmal persönlich zu unterhalten, und hoffe, daß hier der richtige Weg gefunden werden würde. Herr Zangen schloß darauf die Sitzung um 17.30 Uhr.
Dokument 4 Aufruf zur Gründung der Leibniz-Stiftung (1946) Aufruf an die am kulturellen Wiederaufbau interessierten Institutionen, Unternehmungen und Persönlichkeiten Unter dem Namen „Leibniz-Stiftung" ist eine Institution ins Leben gerufen, die folgende Aufgaben übernommen hat: 1.
2. 3. 4. 5.
Gelehrte bei ihren wissenschaftlichen Forschungsaufgaben und Künstler in ihrer schöpferischen Arbeit zu fördern und zu unterstützen und ihnen zur Durchführung ihrer Arbeiten auch Unterkunft bereitzustellen Studierenden und Kunstschülern bei der Ausbildung materielle Hilfe zu bieten Gelehrten und Künstlern durch Gewährung von Reisebeihilfen die Möglichkeit zu geben, den Austausch geistiger Werte mit dem Ausland wieder aufzunehmen materiell und ideell zu helfen beim Wiederaufbau der wissenschaftlichen Bibliotheken Beihilfen zu gewähren für die Material- und Apparatebeschaffung der Forschungsinstitute.
Um diese Aufgaben erfüllen zu können, um die ungeheure Not im Bereich des kulturellen Lebens
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abzuwenden, ruft das Präsidium, ruft das Kuratorium der Leibniz-Stiftung zur praktischen Hilfe auf. Deutschland kann nach zwölfjährigem Kulturabstieg nur zu neuem Leben erwachen und im Chor der Völker seine Stimme wieder zur Geltung bringen, wenn es sich auf seine geistigen Werte besinnt. Daher müssen - trotz aller persönlichen Sorgen des einzelnen - alle mithelfen, die Kulturschaffenden in die Lage zu versetzen, ihr Werk in echtem demokratischem Geiste neu zu beginnen. Voraussetzung für die Erneuerung des deutschen Geisteslebens ist die helfende Teilnahme der Öffentlichkeit. Das deutsche Volk muß die geistigen Schäden der Nazi-Tyrannei überwinden; es muß wieder Anschluß finden an die internationale Wissenschafts- und Kunstentwicklung; es muß seine Eigenart, die Arbeit seiner Gelehrten und Künstler wieder einordnen in das Kulturgefüge einer befriedeten Welt und so Achtung und Ansehen in der Gemeinschaft der Völker wiedergewinnen. Daher müssen Behörden, Institutionen, Industrie, Handel, Landwirtschaft, Gewerbe und Einzelpersonen die materiellen Grundlagen schaffen, auf denen der geistige Wiederaufbau erfolgen kann. Helft alle mit! Gebt die Mittel für die Aufgaben der Leibniz-Stiftung Überweist die ersten Beiträge auf eines der untenstehenden Konten. Im Verband der Freunde der Leibniz-Stiftung schließen sich alle zusammen, die einmal oder regelmäßig größere Zahlungen zu leisten bereit sind oder die durch laufende Beiträge (bei freier Selbsteinstufung) die Aufgaben der Stiftung unterstützen wollen. Dafür wird zu bestimmten örtlichen Veranstaltungen eingeladen und später eine Zeitschrift geliefert. Ein Kuratorium, besetzt mit Männern aus Kunst, Wissenschaft und Wirtschaft, sorgt für den organischen Einsatz aller Spenden im Sinne des deutschen Kulturaufbaues. Ein großes Ziel verlangt großen Opferwillen. Geld und Konten sind nicht ewig, aber Menschengeist wirkt alle Zeit. Wissenschaft und Wirtschaft gehören zusammen, Kunst und Wirtschaft schließen einander nicht aus. Wenn dieser Ruf das Echo findet, das wir erwarten, dann kann das, was Deutschland an politischer und wirtschaftlicher Macht verloren hat, im Bereich des Geistigen wiedergewonnen werden. Wer jetzt hilft, trägt dazu bei, daß Deutschland wieder zu neuem Leben aufersteht. Leibniz - Stiftung für Kunst und Wissenschaft Geheimrat Prof. Dr. h.c. Max Planck Staatsminister a.D. Adolf Grimme Sekretariat: Hannover, Nienburgerstr. 1 A Ruf 20697 Bankkonto: Deutsche Bank, Hannover, Georgsplatz Postscheckkonto: Nr. 700 der Deutschen Bank für Konto Leibniz-Stiftung 41 510
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Dokument 5 Geheimrat Cuntz an Richard Merton (12. Juni 1948) Geheimrat Dr. Cuntz Essen Gasthaus Kreuzstraße den 12. Juni 1948
z. Zt. Dürnbach Post Gmund Obb.
Herrn Dr. Richard Merton Metallgesellschaft Frankfurt/Main Reuterweg 14 Sehr geehrter Herr Dr. Merton! Im Nachgang und in Ergänzung meines Briefes vom 10.6.48 bitte ich Sie um die Freundlichkeit, den nachstehenden Vorschlag zu überprüfen, der sich aus einer gemeinsamen Überlegung mit Dr. Studders ergeben hat. Die nunmehr aufgeschobene Versammlung einiger Herren aus der Wirtschaft sollte den Zweck haben, a)
b)
sich grundlegend zu verständigen über die Mitwirkung der Wirtschaft bei der Sicherung des Hochschulstudiums und der wiss. Arbeit bes. nach der Währungsreform (Aufgaben auf lange Sicht; Finanzierung mit größeren Mitteln) durch Bildung eines kleineren Fonds die Ingangsetzung der Vorarbeiten hierzu, besonders aber auch die Lösung zweier dringlicher Aufgaben zu ermöglichen (Neudruck wiss. Standardwerke; Bibliographie wiss. Auslandsliteratur).
Wir waren uns in der Besprechung vom 27.5. in Frankfurt darüber einig, daß man diese unter lb gekennzeichneten Sofortaufgaben hätte auch mit „schlechtem" Geld finanzieren können. Man hätte es praktisch nur in einem Umfange aufbringen müssen, der es auch nach der Währungsreform erlaubt hätte, die Arbeiten auf die Dauer von 5 - 6 Monaten zu sichern. Diese Aufbringung ist nun nach Lage der Dinge nicht mehr möglich oder zweckvoll. Jetzt muß man an eine Sicherung dieser dringenden Arbeiten mit neuem Geld denken. Diesen Gedanken werbend an weitere Kreise jetzt heranzutragen, ist natürlich nicht möglich und erfolgversprechend. Hier müßten also einige wenige Firmen vorübergehend Hilfsstellung geben und zwar in der Weise, daß sie für die Dauer - sagen wir von fünf Monaten - für einen bestimmten Monatsbetrag gutsagen. Ich würde hierzu vorschlagen, daß Sie sich mit einigen Firmen darüber verständigen, in welcher Höhe eine solche Garantiesumme geleistet werden sollte. Wenn ich mir vorstelle, daß von 5 bis 7 Firmen eine jede einen Monatsbetrag von 1000,zusagt, so würde das bedeuten, daß im Laufe von fünf Monaten eine Garantiesumme von 25 bis 35 000,- zur Verfügung stehen würde. Ich bin mir völlig darüber klar, daß nach der Währungsreform 1000,- in neuem Geld ein sehr, sehr namhafter Betrag ist. Man kann natürlich den Betrag auch niedriger wählen. Aber ich habe bewußt nur von einer Garantie gesprochen, denn ich bin der Meinung, daß es ja garnicht notwendig ist, daß die betr. Firmen diesen ganzen Betrag sofort und vollständig erlegen. Sie sollen nur gutsagen, aber den Beitrag erst nach Abruf leisten und zwar nach Maßgabe dessen, wie die Arbeiten tatsächlich anlaufen. Sieht man die Sache so an, wird die Belastung für die Firmen m.E. erträglich. Denn erfahrungsgemäß wird der Geldbedarf erst klein sein und erst in den letzten Monaten namhaftere Beträge erfordern, d.h. mit anderen Worten: in den ersten zwei Monaten werden vielleicht nur wenige hundert oder tausend Mark
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abgerufen, die Hauptsumme aber erst zu einem Zeitpunkt, an dem, wie wir alle hoffen, dann wieder eine gewisse Konsolidierung eingetreten ist. Wenn Sie, sehr verehrter Herr Dr. Merton, mich nun fragen, welche Firmen da wohl in Betracht kommen könnten, so möchte ich mir erlauben, Ihnen folgenden Vorschlag zu machen: Aus einem Brief, den Geheimrat Dr. Kastl von der MAN, Nürnberg vor wenigen Tagen an Herrn Dr. Studders richtete, entnehme ich, daß die MAN sich einem Beitrag bestimmt nicht verschließen würde, wenn auch andere Firmen sich an dieser Sache beteiligen. Bei der engen Verflochtenheit von MAN und der Gutehoffnungshütte (Dr. Herrn. Reusch Oberhausen) möchte ich annehmen, daß auch Dr. Reusch sich einer solchen Bitte nicht verschließen würde. Weiterhin würde ich Herrn Theodor Goldschmidt in Essen vorschlagen, an den ich aus früherer Bekanntschaft heraus auch gern ergänzend schreiben würde. Schließlich habe ich auch in dem Leiter der Daimler-Benz-Werke, Dr. Haspel, Stuttgart-Untertürkheim einen Mann kennengelernt, der sich den hier in Rede stehenden Problemen ebensowenig verschließt wie der Notwendigkeit, daß hier finanziell etwas getan werden müßte, so hätten Sie doch schon fünf Firmen zusammen. Es wäre dann vielleicht noch zu erwägen ob man in der Wirtschaftspolitischen Gesellschaft also Herrn Dr. Rudolf Mueller - und in der Arbeitsgemeinschaft der Industrie- und Handelskammern, also Herrn Dr. Ing. Petersen, noch zwei Stellen gewinnen sollte und gewinnen könnte, die eine solche Garantie ebenfalls mit übernehmen wollen. Im ganzen und auf die Dauer von fünf Monaten gesehen, ist j a die Belastung des Einzelnen dann wirklich nicht mehr so schlimm. Der Erfolg aber würde doch der sein, daß die vorbereitenden Arbeiten mit der Energie vorangetrieben werden könnten, die erforderlich ist, soll nicht kostbare Zeit verlorengehen. Nach Ablauf der 5 - 6 Monate würden nach dem Urteil von Dr. Studders vielleicht die Abeiten soweit sein, daß einige positive Ergebnisse schon vorliegen, mit denen in der Breite der Wirtschaft geworben werden kann. Wenn Sie nun bei der Überprüfung dieses Vorschlages zu dem Schluß kommen, daß er brauchbar ist und daß Sie in dieser oder ähnlicher Weise sich an einige Firmen wenden wollen, so läßt Sie Dr. Studders bitten, über ihn zu verfügen, wenn Sie in der geschäftsmäßigen Behandlung der Angelegenheit entlastet sein wollen. In diesem Falle bitte ich Sie, Herrn Dr. Studders nach Frankfurt zu rufen (Stuttgart, Falkertstraße 29 Tel. 69928). Auch sagt mir Dr. Studders, daß die Dienststelle, in deren Rahmen er z.Zt. tätig ist (Zentralleitung für Stiftungswesen) wohl nach wie vor bereit sein würde, der Ingangsetzung der Arbeiten mit der Überlassung eines Büros u. dergl. heute unschätzbaren Dingen Hilfsstellung zu geben. Aber es ist verständlich, daß Dr. Studders das Entgegenkommen dieser Stelle auch nicht überspannen möchte. Dies gilt vor allem für die Anstellung der für die Entwicklung und Durchführung der Arbeiten notwendigen Hilfskräfte, die natürlich aus den aufzubringenden Mitteln bezahlt werden müssen. Aber unter den heutigen Verhältnissen geht es j a nicht so rasch mit dem Aufbau einer Büroapparatur, deshalb wies ich auch schon oben darauf hin, daß der Geldbedarf zunächst geringer sein würde. Indem ich der Hoffnung Ausdruck gebe, daß doch ein Weg gefunden werden möchte, um in dieser für Wirtschaft und Wissenschaft so wichtigen Angelegenheit zu einem praktischen Ziele zu kommen, verbleibe ich mit verbindlichem Gruß Ihr sehr ergebener Dr. Cuntz
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Dokument 6 Entwurf Dr. Studders' für den Verlauf der Sitzung des „Merton-Kreises" in Schönberg/Ts. (1948) Herrn Dr. Richard Merton betr. Sitzung vom 3.11.48 in Schönberg (T.) Über Sicherung des Hochschulstudiums und der wissenschaftlichen Arbeit. I. Einleitungsansprache Geheimrat Cuntz, Essen Knüpft an Sachlage 1924 an (Studentenwerk, Studentenstiftung, Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft, Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft). Frequenz der Hochschulen - heute und morgen. Notlage. Hilfe der Wirtschaft ist eine Frage praktischer Vernunft. Knappheit der Mittel zwingt zu 1) Zusammenfassung und planmäßigem Einsatz der Mittel, Vorschlag: „Studien- und Forschungshilfe der deutschen Wirtschaft". 2) Ausweitung und Begrenzung. Beschränkung auf wirtschaftswichtige Disziplinen. Ausweitung auf höhere Fachschulen. Besondere Lage der Forschung: Grundlagen- und Industrieforschung. II. Kurzreferat Dr. Studders, Stuttgart Die gestellte Aufgabe ist kein caritatives, sondern ein Nachwuchs- und Ausleseproblem. Vier Hauptaufgaben: 1) Studienhilfe (Stipendien, Patenschaften, Darlehen, Bücherhilfe) 2) Weiterbildung und Auslandsstudium 3) Bibliographie wirtschaftswichtigen Auslandsschrifttums 4) Forschungshilfe. III. Aussprache Ohne die Aussprache irgendwie pressen zu wollen, wird es sich doch empfehlen, bestimmte Grundfragen zu behandeln und zu einer Entscheidung zu bringen: 1) Die Not der Hochschulen, der Forschungsinstitute und der Studierenden und Wissenschaftler darf als bekannt vorausgesetzt werden. Frage: Ist Hilfe Sache der ganzen Wirtschaft und soll deshalb auch diesmal die Wirtschaft als Ganzes aufgerufen werden? 2) Wenn ja, wird es als erwünscht angesehen, die aufkommenden Mittel zu vereinigen, um Zersplitterung zu vermeiden und einen planmäßigen Einsatz auf Grund einer Zusammenarbeit von Wirtschaft und Wissenschaft (Hochschule, Forschung) zu gewährleisten? Einzelbeziehungen von Unternehmungen oder Verbänden zu Hochschulen und Instituten sollen durch diese Zentralisierung der Mittel nicht unmöglich gemacht werden. 3) Wird die gesamte Wirtschaft aufgerufen und werden die aufkommenden Mittel in einem Fonds gesammelt, dann müssen aus ihm auch alle wesentlichen Aufgaben bestritten werden. Als solche werden angesehen (Vergl. Referat Studders) Studienhilfe, Weiterbildung, Bibliographie, Forschungshilfe. Stimmen die Anwesenden dem zu, dann sollte im Hinblick auf die weittragende Bedeutung zu fassender Beschlüsse der Vorsitzende beauftragt werden, die formalen und materiellen Vorbereitungen in die Wege zu leiten, die sich beziehen auf:
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a) b) c) d) e)
Feststellung des ungefähren Finanzbedarfs; Möglichkeiten der Mittelbeschaffung; Steuerliche Behandlung der aufzubringenden Beträge; Grundsätze für die Verwendung der Mittel; Formalitäten zur Gründung einer Körperschaft oder Gesellschaft „Studien- und Forschungshilfe der deutschen Wirtschaft". Die Anwesenden erklären sich bereit, zur Finanzierung dieser Vorarbeiten beizutragen. (Dispositionsfonds des Vorsitzenden) Nach zwei- bis dreimonatiger Frist wird der gleiche oder ein erweiterter Kreis wieder zusammentreten, um einen Bericht über die abgeschlossenen Vorarbeiten entgegenzunehmen und zur endgültigen Gründung zu schreiten. 27.10.48
Dokument 7 Brief Hans-Helmut Kuhnkes über die Haltung der Stahlindustrie zur Gründung und Aufgabe eines Stifterverbandes der Deutschen Wissenschaft (24. März 1949) Herrn Dr. Martin Sogemeier Essen-Bredeney Hohe Buchen 13 Betr.: Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft. Lieber Herr Dr. Sogemeier! In der obengenannten Angelegenheit habe ich heute Gelegenheit gehabt, mich mit dem geschäftsführenden Vizepräsidenten, Dr. Kurt Zierold, eingehend über die Möglichkeiten der Förderung der deutschen Wissenschaft durch die Wirtschaft zu unterhalten. Ich habe mich dabei für meine Person auf folgenden Standpunkt gestellt: 1. Es kann nicht die Aufgabe der deutschen Wirtschaft sein, den Kultur-Etat der Öffentlichen Hand zu entlasten. Wenn der in der Aufgabenstellung und in der direkten Beteiligung am erarbeiteten Sozialprodukt immer unersättlicher werdende Staat glaubt, nicht genügend Mittel freimachen zu können, um dem akademischen Nachwuchs überhaupt und speziell jeder Begabung eine ausgezeichnete akademische Ausbildung gewährleisten zu können, und wenn er weiter glaubt, die deutschen Wissenschaften nicht direkt und indirekt in der großzügigsten Weise finanziell fördern zu können, so mögen auch in aller Öffentlichkeit die dafür allein zuständigen Politiker die Verantwortung übernehmen. Wie der Einzelne auf die Hilfe der Gemeinschaft nur insoweit rechnen darf, als er nicht im Stande ist, sich selbst zu helfen, ebenso darf umgekehrt der Staat nicht versuchen, die ihm obliegenden Aufgaben auf andere abzuwälzen. Das erzieht zur Bequemlichkeit und Verantwortungslosigkeit und fördert nur noch die Neigung, mit dem durch die Hilfe der Wirtschaft ersparten Etat-Geld überflüssige oder unerwünschte Aufgaben zu finanzieren. Die Verantwortung der Politiker kann man in diesem Falle nur realisieren, wenn man einmal die Nerven behält und trotz aller Notschreie den Daumen auf dem Portemonnaie hält. 2. Rein sachlich gesehen hat die Wirtschaft m.E. ein überragendes und geradezu lebenswichtiges Interesse daran, daß die deutsche wissenschaftliche Forschungsarbeit in möglichst großem
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Umfange wieder aufgenommen, fortgesetzt und erweitert wird. Jede weitere Begründung dafür erübrigt sich. Daraus folgt: a) Wir müssen unbedingt die Max-Planck-Gesellschaft unterstützen, also die allgemeine Arbeit in den Instituten. b) Wir müssen unter allen Umständen sicherstellen, daß einzelne Wissenschaftler bestimmte Forschungsarbeiten durchführen können. Das war und ist seit 1920 die Aufgabe der Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft. Dagegen hat die Wirtschaft m.E. kein unmittelbar eigenes Interesse an der allgemeinen Förderung des akademischen Nachwuchses. Der Akademiker-Nachwuchs ist ohnehin derartig groß, daß aus dem vorhandenen Reservoir nach dem Gesetz der großen Zahl genügend gute Fachkräfte der Wirtschaft zur Verfügung stehen werden. Die Förderung einzelner besonderer Aufgaben ist daher als allgemein soziales Problem unter diesen Umständen Sache der Allgemeinheit. Das schließt selbstverständlich nicht aus, daß jedes einzelne Unternehmen für sich dort noch Spezialbegabungen fördert, wo es glaubt, dies tun zu sollen. Die Wirtschaft hat weiter auch kein unmittelbar eigenes Interesse an der Förderung einzelner Universitäten und ihrer Lehreinrichtungen. Dies ist eine spezielle Aufgabe der einzelnen Förderkreise, die sich erfahrungsgemäß aus Freunden der Universität zusammensetzen, die den verschiedensten Schichten und Fakultäten entstammen. 3. Eine enge Verbindung zwischen der Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft und der Max-Planck-Gesellschaft halte ist für erforderlich. Früher waren ja beide Gesellschaften dadurch verbunden, daß Repräsentanten der einen im Vorstand der anderen Gesellschaft waren und umgekehrt. Dagegen halte ich es nicht für zweckmäßig, daß die Wirtschaft im Vorstand der Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft besonders vertreten ist. So groß unser Interesse an der Durchführung und Lösung von Forschungsarbeiten auch sein mag, so sehr sollten wir bei den uns politisch auferlegten Beschränkungen die Entstehung eines falschen Eindrucks vermeiden. Ähnlich wie früher mag sich die Wirtschaft im Stifter-Verband organisieren, dem es selbstverständlich überlassen bleibt, bei der Zurverfügungstellung von Mitteln bestimmte Wünsche so zu äußern, daß ihre Berücksichtigung auch sichergestellt ist. Denn selbstverständlich kann man niemandem verwehren mitzureden, wenn er Geld geben soll. 4. So verlockend es auch sein mag, die gesamte, für die Förderung der Wissenschaft verfügbare Kraft der Wirtschaft zu konzentrieren, um die Zersplitterung unserer ohnehin doch nur sehr beschränkten Mittel zu vermeiden, so sehr muß man auch im Auge behalten, daß eine zentrale schlüsselmäßige Aufteilung eines Gesamtbetrages auf verschiedene Zwecke dazu führen kann, daß gerade die Zwecke gefördert werden, an denen wir nur sekundäres Interesse haben. Von der Politik her gesehen wird das größere Interesse immer bei der Nachwuchsförderung und der allgemeinen Förderung der Universitäten liegen, während die Wirtschaft vorwiegend ein Interesse an der Förderung der Spezialinstitute und der Forschung haben muß. Im Rahmen einer Einheitsorganisation wird der Einfluß der Wirtschaft auf die Verteilung der Mittel niemals so stark sein wie der Einfluß der Politiker, die schon aus Gründen der Publizität und Popularität dafür sorgen werden, daß in erster Linie ihre Wünsche berücksichtigt werden. Dazu kommt, daß erfahrungsgemäß die Spendenfreudigkeit nachläßt, je genereller und damit auch unpersönlicher die zu fördernden Zwecke umschrieben werden. Ich bin mir völlig im klaren darüber, daß bei all diesen Fragen auch starke persönliche Wünsche und Ambitionen eine Rolle spielen. Ich bin jedoch fest davon überzeugt, daß unsere deutsche Wirtschaft unabhängig von derartigen menschlichen Schwächen eine gewaltige Kraftanstrengung ebensosehr im allgemeinen Interesse des deutschen Volkes wie aber auch im wohlverstandenen eigenen Interesse machen sollte, um die deutsche wissenschaftliche Forschungsarbeit planmäßig, nachhaltig und großzügig sicherzustellen. Dabei werden wir uns stär-
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ker als bisher nicht nur naturwissenschaftlichen Problemstellungen, sondern auch soziologischen, ethischen und psychologischen Problemstellungen zuwenden müssen, da nicht nur die Technik, sondern der Mensch selbst als Individuum und im Rahmen seiner Einordnung in das einzelne Unternehmen und in die Wirtschaft überhaupt ungeahnte Leistungsreserven enthält, deren Mobilisierung für uns alle eine Lebensfrage ist. Mit freundlichen Grüßen bin ich stets Ihr ergebener gez. Dr. Kuhnke Ddr. Herrn Dr. Henle Herrn Dr. Jarres Herrn Dr. Schroeder
Dokument 8 Aufruf des BDI-Präsidenten Fritz Berg zur Unterstützung des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft (4. Februar 1950) Herrn Dr. Merton mit der Bitte um gefl. Kenntnisnahme BUNDESVERBAND DER DEUTSCHEN INDUSTRIE Der Präsident Köln, den 4.2.1950 Kaiser-Wilhelm-Ring 2-4 Telefon: 70421 Dr.St/IaV An die Herren Präsidenten der Mitgliedsverbände Betr.: Förderung von Forschung und Lehre, hier: Stifterverband für die deutsche Wissenschaft Sehr geehrte Herren! In meinem Schreiben vom 19.12.1949 habe ich Sie über die am 22. September vorigen Jahres von maßgebenden Vertretern der deutschen Wirtschaft - besonders der Industrie - gegründete Gesellschaft zur Förderung von Forschung und Lehre (Stifterverband für die deutsche Wissenschaft) unterrichtet. Dem Wunsche ihres Vorsitzenden, Herrn Dr. Richard MERTON, Metallgesellschaft, Frankfurt/Main, folgend habe ich Sie gebeten, sich in Ihrem Industriezweig für diese Hilfsmaßnahme einzusetzen und Ihren Mitgliedsfirmen nahezulegen, sich mit einer Mindestspende in Höhe von 20 Pf. je Belegschaftsmitglied zu beteiligen. Die Stellungnahme zu dieser meiner Anregung in den einzelnen Industrieverbänden ist unterschiedlich. Sie läßt vermuten, daß
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einige Industriezweige das Wesen und die Bedeutung dieser Aktion nicht voll erkannt haben. Ich wende mich deshalb erneut an Sie mit der dringenden Bitte, sich dieser nicht zu verschließen, sondern alles zu tun, um diese Hilfsaktion zu einem vollen Erfolg zu bringen. Im einzelnen darf ich dazu noch folgendes ausführen: 1.) Es handelt sich bei dieser Hilfe für die Wissenschaft nicht um eine caritative Angelegenheit. Es sind vielmehr unmittelbare Interessen der Industrie im Spiel. Heute zehren wir von den Ergebnissen einer jähre- und jahrzehntelangen Forschungsarbeit. Wird der Forschung heute nicht geholfen, fehlen der Industrie von morgen die wissenschaftlichen Grunderkenntnisse, auf denen sich die Entwicklungsarbeit der Betriebe aufbaut und aus denen sich ihre Patente ergeben. Von einem Schritthalten mit den Aufwendungen und Fortschritten des Auslandes auf diesem Gebiete kann schon gar nicht die Rede sein. 2.) Einige Industrieverbände wiesen auf die Aufwendungen hin, die sie schon in der Unterstützung der allgemeinen Forschung oder ganz spezieller, der Branche nahestehender Institute gemacht haben. Diese Aufwendungen sollen in keiner Weise geschmälert oder in ihrer Bedeutung verkannt werden. Die Gründer des Stifterverbandes gingen vielmehr von folgender Erkenntnis aus: Der Geldbedarf der Forschung und Lehre ist außerordentlich groß. Das zeigt die bedeutende Zahl der Unterstützungsgesuche, die von der Wissenschaft an Unternehmungen, Verbände oder Kammern herangetragen werden. Der Geldbedarf ist in jedem Falle größer als die Summe der Mittel, die aufgebracht werden. Es muß deshalb eine vernünftige Rangordnung der Aufgaben und eine Steuerung der aufzubringenden Mittel angestrebt werden. Hier will die Wirtschaft ein entscheidendes Wort mitsprechen. Deshalb ist der Stifterverband gegründet worden. In ihm wird die Wirtschaft das letzte und entscheidende Wort über die Verwendung der von ihr aufgebrachten Mittel sprechen. Dem entspricht es auch, daß es den Mitgliedsverbänden unbenommen bleibt, einen Teil der von ihren Mitgliedsfirmen aufgebrachten Spenden zweckgebunden zu geben. Das aber hat zur Voraussetzung, daß die Industrieverbände sich überhaupt einschalten: in die Werbung, in die Sammlung der Mittel und in die Beschlußfassung über ihre Verwendung. Die Gründe, die einzelne Industrieverbände daher anführen, daß sie die aufkommenden Mittel nicht bei sich sammeln und geschlossen an den Stifterverband abführen wollen, scheinen mir nicht durchschlagend zu sein. Sie verkennen mein Bestreben, den Einfluß der Industrie auf die Unterstützung von Forschung und Lehre zu sichern. 3.) Sie gehen auch noch an einer anderen Tatsache vorbei. Es ist beabsichtigt und auch aussichtsreich, daß der deutschen Forschung über den Stifterverband vom Ausland geholfen wird. Es entspricht einem Gebot der Selbstachtung, daß jeder Auslandshilfe die Selbsthilfe bis zum Äußersten vorangeht. Von dem Umfang dieser Selbsthilfe wird die Höhe der Auslandshilfe abhängen. Je mehr deshalb die deutsche Industrie Mittel für die deutsche Forschung aufbringt, desto größere Hilfe dürfen wir aus dem Auslande erwarten. 4.) Der Wunsch des Stifterverbandes, daß die von der Industrie bereits aufgewendeten oder für spezielle Zwecke vorgesehenen Mittel zweckgebunden über den Stifterverband geleitet oder ihm wenigstens in ihrer Höhe angegeben werden sollen, hat darin seinen Grund, daß die tatsächlichen Gesamtaufwendungen der deutschen Wirtschaft - im besonderen der Industrie - für Forschung und Lehre einmal sichtbar gemacht werden sollen. Ich hoffe, Ihnen hierdurch ausreichend begründet zu haben, daß eine führende Mitwirkung der Industrieverbände an dieser Hilfsaktion für die Wissenschaft unabweisbar ist. Da dies meines Erachtens vorwiegend eine fachliche Angelegenheit ist, sind die Industrie- und Handelskammern gebeten worden, unbeschadet einer allgemeinen Werbung von der Sammlungstätigkeit über die Industrie- und Handelskammern abzusehen und diese den Verbänden zu überlassen. Ich möchte
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annehmen, daß die Industrieverbände diese Grundauffassung teilen und sich nunmehr mit größerer Tatkraft in diese Aktion einschalten werden. Diese Mitwirkung muß sich in folgendem zeigen: a) Erneute Werbung schriftlich und mündlich bei Vorstands- oder Hauptausschuß-Sitzungen, bei Mitgliederversammlungen oder sonstigen Veranstaltungen. Der Stifterverband stellt im Bedarfsfalle Herren zur Verfügung, die entsprechende Aufklärungen über die Bedeutung dieser Aktion geben können. b) Hereinnahme der Mitgliedsspenden auf ein Konto des Industrieverbandes, denn nur so ist ein Überblick über die Beteiligung der Branche an dieser Aktion zu gewinnen. c) Abführung des Gesamtbetrages an den Stifterverband. d) Mitteilung einer Anzahl von Einzelfirmen und ihrer Leiter, an die sich der Vorsitzende des Stifterverbandes noch persönlich wenden will. Es ist anzunehmen, daß bei einem Bericht der deutschen Öffentlichkeit und dem Ausland gegenüber die größeren Firmenspenden Erwähnung finden werden. Um den Geschäftsführungen der Industrieverbände Gelegenheit zu geben, noch bestehende Zweifelsfragen an Ort und Stelle zu klären, habe ich den Referatsleiter im Bundesverband der deutschen Industrie, Herrn Dr. Studders, beauftragt, unverzüglich mit den Herren Hauptgeschäftsführern der Industrieverbände Verbindung aufzunehmen, damit auch diejenigen Mitgliedsverbände, bei denen eine befriedigende Beteiligung an der Hilfsaktion für die Wissenschaft noch nicht festgestellt werden konnte, sich dem Beispiel der anderen Verbände anschließen. Ich habe schon eingangs darauf hingewiesen, daß es sich hierbei nicht nur um eine Mittelaufbringung der Industrie für die Wissenschaft handelt, sondern um ein vitales Interesse der Industrie an der Forschung. Der Bundesverband bereitet deshalb eine besondere Zusammenarbeit mit den Mitgliedsverbänden und den technisch-wissenschaftlichen Vereinen mit dem Ziele vor, die Wünsche der Industrie an die Forschung zu erarbeiten. Diese Wünsche sollen über den Stifterverband an die Wissenschaft herangetragen werden. In diesem Sinne wird die Industrie also nicht nur die Gebende, sondern auch bald die Nehmende sein, und ich behalte mir vor, in nächster Zeit an die Mitgliedsverbände mit weiteren Vorschlägen hierzu heranzutreten. BUNDESVERBAND DER DEUTSCHEN INDUSTRIE Der Präsident: gez. Fritz Berg
Dokument 9 Entschließungen des Gesprächskreises „Wirtschaft und Wissenschaft" (1958-1961) ERSTE ENTSCHLIESSUNG Meister: Schüler Der „Gesprächskreis Wissenschaft/Wirtschaft" begrüßt die Gründung des Wissenschaftsrates und stellt mit Befriedigung die Bereitschaft des Bundes und der Länder fest, die Mittel für die Wissenschaftsförderung zu erhöhen. Er hält es jedoch für seine vordringliche Pflicht, gleichzeitig auf das gegenwärtige Kernproblem aller Hochschul-Reformpläne „Lehrer:Schüler" hinzuweisen. Mittelpunkt wissenschaftlichen Lebens ist der Hochschullehrer in seiner Eigenschaft als For-
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scher und Lehrer. Nur diese Verbindung zweier Aufgaben in einer Person dient der Einheit von Forschung und Lehre und stellt sicher, daß sich der Student einmal mit dem neuesten Stand seiner wissenschaftlichen Disziplin, zum anderen mit dem Geschehen in der Umwelt vertraut machen kann. Voraussetzung der Funktionsfähigkeit dieses Systems ist aber ein angemessenes zahlenmäßiges Verhältnis zwischen Hochschullehrer und Studenten. Solange an deutschen Hochschulen in der Regel keine Möglichkeit mehr zu einem persönlichen Gespräch zwischen Hochschullehrer und Student besteht, d. h. der Mensch sich nicht in genügendem Maße um den Menschen kümmern kann, werden alle übrigen Empfehlungen und Maßnahmen zur Förderung der Wissenschaft wirkungslos bleiben, wird es nie zu einer Synthese Fachbildung/Allgemeinbildung kommen und der innere Zusammenhalt der Hochschule verloren gehen. Die deutsche Wirtschaft, deren Bestand weitgehend davon abhängig ist, daß die Hochschulen ihre Aufgabe, Stätten des Forschens, des Lehrens und damit der Bildung zu sein, in befriedigender Weise zu lösen vermögen, hält es daher für unerläßlich, das Zahlenverhältnis zwischen Lehrkräften und Studenten unter Zugrundelegung des bekannten und erforderlichen Bedarfes zu verbessern. Sie richtet daher an die Länder, den Bund und den Wissenschaftsrat die Bitte, ohne Zeitverlust diese zentrale Frage einer Lösung zuzuführen. Mai 1958 ZWEITE ENTSCHLIESSUNG Staatliche Wissenschaftsfinanzierung Von einem materiellen Notstand der deutschen Wissenschaft - in Forschung, Lehre und Ausbildung - mit den unausbleiblichen geistigen und praktischen Folgen nach innen wie nach außen zu sprechen, ist unbeschadet aller Maßnahmen des Staates und der Wirtschaft nach wie vor berechtigt. Die Gesprächsgruppe „Wissenschaftsfinanzierung" des Gesprächskreises Wissenschaft und Wirtschaft hält es auch weiterhin im Sinne der alten Forderung des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft für zwingend, mindestens 1 % des Volkseinkommens (Nettosozialprodukt zu Faktorkosten) in Bund und Ländern für Wissenschaftsförderung - ohne Forschungsaufwendungen der Bundesministerien für Verteidigung und Atomkernenergie - bereitzustellen. Der sich daraus gegenüber dem bisherigen Aufkommen von 1,1 Milliarden DM ergebende Mehrbetrag in Höhe von rund l h Milliarde DM würde nach Ansicht des Gesprächskreises der deutschen Wissenschaft die Möglichkeit geben, den Anschluß an den internationalen Stand wie auch die Möglichkeit eines Vorstoßes in wissenschaftliches Neuland für die Gelehrten und ihre Studenten zu gewährleisten. Der Mehrbetrag sichert zudem die Erfüllung der Ersten Entschließung des Gesprächskreises zur Wiederherstellung eines gesunden Zahlenverhältnisses zwischen Lehrer und Student wie auch der baulichen und fachlichen Forderungen, wie sie u. a. durch den notwendigen Neubau von wissenschaftlichen Instituten und deren Einrichtungen gegeben sind. Der Gesprächskreis begrüßt fernerhin die bei Parlamenten und Regierungen vorhandene Bereitschaft, die aus der P r i v a t i s i e r u n g geeigneter Unternehmen der öffentlichen Hand erzielten Verkaufserlöse für allgemeine Wissenschaftsförderung zusätzlich zu verwenden und hofft, daß diese Absicht sobald wie möglich verwirklicht wird. Juli 1958 DRITTE ENTSCHLIESSUNG Hochschulreife Die Gesprächsgruppe „Hochschulreife" im Gesprächskreis Wissenschaft und Wirtschaft hat sich im Hinblick auf die in der Öffentlichkeit viel diskutierte Vorbildung der Student mit dem Abitur
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und dem Prinzip der Hochschulreife befaßt und dabei folgende Überzeugung gewonnen: 1. Ein sinnvolles Studium an einer wissenschaftlichen Hochschule setzt eine seiner Eigenart entsprechende Hochschulreife (Maturität) voraus. Deshalb kann deren Inhalt nur von den Bedürfnissen wissenschaftlicher Lehre und Forschung her bestimmt sein. Die Belange der Wirtschaft und der wissenschaftlichen Hochschulen stimmen insoweit überein. 2. Es erscheint richtig, daß das Abitur wie bisher Abschlußprüfung ist und gleichzeitig die Hochschulreife bescheinigt. 3. Bildung und Ausbildungswege aller Art, die zur Hochschulreife führen, müssen den Voraussetzungen zum Studium an wissenschaftlichen Hochschulen genügen. 4. Die bildungs- und gesellschaftspolitische Lage der Gegenwart verlangt von den Hochschulen, ihre Vorstellungen über den Inhalt der Hochschulreife alsbald bekanntzugeben. November 1958
VIERTE ENTSCHLIESSUNG Europa-Universität Die Gesprächsgruppe „Internationale Wissenschaftsbeziehungen" im Gesprächskreis Wissenschaft und Wirtschaft hat sich mit den Bestrebungen befaßt, die auf die Gründung einer „Europäischen Universität" zielen. Diese Bestrebungen haben einen Weg im Auge, der sich anbietet, wenn man auch im akademischen Bereich in der sogenannten Integrierung Europas fortschreiten will. Dieses Ziel steht außer jeder Diskussion bei allen, die sich über die geistige und moralische Situation Europas klar sind. Aber der Weg einer „Europäischen Universität" ist ganz gewiß nicht der einzige denkbare; ja, es ist die Frage, ob er z. Z. überhaupt gangbar ist oder aber, ob er nicht, sofern man ihn gehen könnte, von anderen Wegen an Güte übertroffen wird. Die Gesprächsgruppe ist nun überzeugt, daß man andere Wege gehen könnte und gehen sollte. Es hat sich allerdings seit Jahresfrist in deutschen Regierungsstellen und in einigen „supranationalen" Gremien die Meinung gezeigt, es gäbe gar keine Wahl unter den denkbaren Wegen, weil der Euratom-Vertrag für die Vertragsstaaten die völkerrechtliche Pflicht erzeugt habe, den Weg zur Gründung einer „Europäischen Universität" zu gehen. Wäre das richtig, dann hätte allerdings das Suchen nach dem richtigen Weg keinen Sinn mehr. Es ist deshalb von entscheidender Bedeutung für das Aufnehmen einer echten Diskussion in dieser höchst bedeutungsvollen Frage gewesen, daß die Westdeutsche Rektorenkonferenz mit allem Nachdruck daraufhingewiesen hat, daß eine solche völkerrechtliche Pflicht der Vertragsstaaten nicht besteht, vielmehr durch den Euratom-Vertrag nur gesichert ist, daß eine „wissenschaftliche Hochschule auf dem Gebiet der Kernforschung" gegründet wird. Die Frage, welche Wege zu weiterführender Integration gegafigen werden sollten, insbesondere: ob man eine „Europäische Universität" gründen sollte, ist danach rechtlich offen. Das war zunächst zu klären. Die Gesprächsgruppe hält nun den Weg der „Europäischen Universität" nicht für den in unserer Lage richtigen. Dies sind ihre Erwägungen: Bei den großen Anstrengungen, die ohnehin gemacht werden müssen, damit die jetzt bestehenden Universitäten der Vertragsstaaten in die Lage versetzt werden, ihren unvorhergesehenen riesigen Aufgaben zu genügen, Universitäten, die nach ihrer Herkunft und ihrem Wesen europäische sind, sollte mit Eifer danach getrachtet werden, das personell und thematisch „Europäische" in ihnen sehr rasch zu verstärken. Die Gesprächsgruppe, die sich ohne jeden Vorbehalt zur Integrierung bekennt, sieht - soweit es um Wissenschaft geht - in solcher Verstärkung des „Europäischen" in den Universitäten das Entscheidende: H u n d e r t -
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t a u s e n d e v o n S t u d i e r e n d e n w ü r d e n so f ü r d i e I n t e g r a t i o n e r f a ß t werden. Die Errichtung einer „Europäischen Universität" im Sinn einer Voll-Universität mit dem Einsetzen der Ausbildung bei den Abiturienten müßte dem Ziel, auf breitester Basis im Akademischen zu europäisieren, einen Teil der Mittel entziehen, die dafür in den heute überall viel zu knappen Kultur-Etats vorgesehen werden würden. Und man gewönne damit nur eine sehr kleine Zahl künftiger „Europäer", einen exklusiven Kreis, dessen Auftauchen der Integrierung Europas eher hinderlich sein müßte. Die heutigen Universitäten, obwohl zutiefst im Geistesleben Europas verwurzelt und von einer Prägung, die eine agglomerierte Universität gar nicht erreichen könnte, gerieten in den Schein der „Provinzialität". Somit sollte, sofern die Vertragsstaaten in Zukunft über das im Euratom-Vertrag Vereinbarte hinausgehen wollen, außer den vordringlichen und undispensierbaren Maßnahmen der „Europäisierung" der bestehenden Hohen Schulen als ein fruchtbares Neues allenfalls eine Anstalt ins Auge gefaßt werden, die für „v o r g e r ü c k t e" Studierende der Hohen Schulen oder „fertige Akademiker" w i s s e n s c h a f t l i c h e Weiterführungs-Veranstaltungen in Vorlesung und Seminar zu geben hätte, wobei auf das „Europäische" im Lehrkörper und in den Themen besonderes Gewicht gelegt werden könnte, in der Studentenschaft aber gerade nicht gelegt werden dürfte. Juni 1959
FÜNFTE ENTSCHLIESSUNG Fremdsprachen D i e G e s p r ä c h s g r u p p e E u r o p ä i s c h e F ü h r u n g s k r ä f t e im G K W W hat sich mit der AKTIVIERUNG DES FREMDSPRACHENUNTERRICHTS AN DEN HÖHEREN SCHULEN befaßt 1. 2.
3.
4. 5. 6.
Dem Fremdsprachenunterricht sollte an allen Zweigen der Höheren Schule, doch auch an den Mittelschulen und Fachschulen besondere Beachtung geschenkt werden. Der Akzent sollte im Hinblick auf die drei Europäischen Gemeinschaften und insbesondere die EWG stärker auf den französischen Unterricht gelegt werden. Solange an den Bestimmungen des Düsseldorfer Abkommens, daß Englisch grundsätzlich erste Fremdsprache an den neusprachlichen und mathematisch-naturwissenschaftlichen Gymnasien zu sein hat, festgehalten wird, sollte daher der Typ des neusprachlichen Gymnasiums mit der Sprachenfolge Englisch, Französisch, Lateinisch in größerer Zahl vertreten sein. In der Oberstufe aller neusprachlichen Gymnasien sollte eine weitere lebende Fremdsprache als Wahlfach angeboten werden. In der Reifeprüfung jeder höheren Schulart oder in entsprechenden Abschlußprüfungen anderer Ausbildungsgänge sollten mindestens zwei bis zum Abschluß getriebene Sprachen gefordert werden, von denen eine eine romanische oder Latein sein muß. Der Schüler- und Lehreraustausch sollte planmäßig gefördert werden. Die Ausbildungsmöglichkeiten an den Universitäten für Fremdsprachen aller Art müßten erweitert und verbessert werden. Die Prüfungsordnungen für das philosophische Staatsexamen sollten ausdrücklich die Bestimmungen enthalten, daß jeder Neuphilologe einen Studienaufenthalt von mindestens sechsmonatiger Dauer in dem Lande, dessen Sprache er unterrichten soll, nachzuweisen hat (spätestens bei der Meldung zur 2. Staatsprüfung).
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7.
Die Fortbildung der Lehrer der neueren Sprachen müßte systematischer durchgeführt werden (Studienaufenthalt in regelmäßigen Zeitabständen, Fortbildungskurse, Austausch). November 1959 S E C H S T E ENTSCHLIESSUNG der Gesprächsgruppe Internationale Wissenschaftsbeziehungen zur A K A D E M I S C H E N A U S B I L D U N G UND Z U R F R E I H E I T D E R B E R U F S A U S Ü B U N G IN EUROPA Die Bemühungen um einen Zusammenschluß der europäischen Staaten bringen die Notwendigkeit mit sich, die akademischen Ausbildungsgänge und Zeugnisse sowie die Möglichkeiten der Berufsausübung durch Anerkennung ihrer Gleichwertigkeit austauschbar zu machen. Dabei handelt es sich um die drei Gebiete: a) Regelungen über innere Äquivalenzen, d. h. über gegenseitige Anerkennung wohl verschiedenartiger, aber gleichwertiger Studienleistungen. b) Äußere Äquivalenzen, d. h. staatlich sanktionierte Anerkennung von Studienzeugnissen und -diplomen der Partnerländer. c)
Regelung über den effectus civilis, d. h. über die Freiheit der Berufsausübung in anderen Partnerländern als dem, in welchem das dazu befähigende Diplom erworben wurde. Der Europarat hat dementsprechend drei Konventionen ausgearbeitet: 1. Die europäische Reifezeugnis-Konvention (in kraft getreten). 2. Die Konvention über die gegenseitige Anerkennung von Studienzeiten (im Ratifizierungsverfahren). 3. Die Konvention über die gegenseitige Anerkennung von Studiendiplomen (noch nicht endgültig formuliert). Zur Frage der Regelung bezüglich der Zulassungs- und Niederlassungsvoraussetzungen (Freiheit der Berufsausübung) besteht noch keine umfassende Übereinkunft. Lediglich im Rahmen besonderer Vereinbarungen wurden für einzelne akademische Berufsgruppen europäische Regelungen vorbereitet. Die Gesprächsgruppe „Internationale Wissenschaftsbeziehungen" im Gesprächskreis Wissenschaft/ Wirtschaft begrüßt diese Schritte zu einer g e g e n s e i t i g e n A n e r k e n n u n g d e r E r z i e h u n g s- u n d A u s b i l d u n g s s y s t e m e in Europa sehr. Sie ist jedoch der Meinung, daß diese Bemühungen bei weitem noch nicht den notwendigen Umfang erreicht haben. Sie hofft, daß die Vorarbeiten der Westdeutschen Rektorenkonferenz um die Herstellung von Äquivalenzregelungen von den zuständigen Stellen tatkräftig gefördert werden. Derartige Regelungen können jedoch nicht von einem Land allein ausgehen, sondern bedürfen der gemeinsamen Anstrengung aller europäischen Staaten. Die Gesprächsgruppe bittet daher nachdrücklichst alle hierzu berufenen Stellen der Bundesrepublik und der europäischen Partnerstaaten, die laufenden Arbeiten wirksam zu beschleunigen und zu einem baldigen Abschluß zu bringen. Juli 1960
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SIEBTE ENTSCHLIESSUNG der Gesprächsgruppe Wissenschaftliche Hochschulen und Akademischer Nachwuchs zur GESTALTUNG NEUER HOCHSCHULEN Bei dem vom Wissenschaftsrat jetzt erfreulicherweise empfohlenen und bevorstehenden Ausbau unserer Wissenschaftlichen Hochschulen können nunmehr längst als notwendig erkannte Reformen berücksichtigt werden. Das historische Nebeneinander von Universität und Technischer Hochschule in Deutschland muß heute - von der Einheit aller Wissenschaften ausgehend - vom Standpunkt der modernen Industriegesellschaft her kritisch überprüft werden. Die Gesprächsgruppe schlägt daher vor: 1. Bei Gründung neuer Universitäten ist eine Einbeziehung der Ingenieurwissenschaften in Anlehnung an die Naturwissenschaften vorzusehen. 2. Bei der Gründung neuer und beim Ausbau vorhandener Technischer Hochschulen ist ein verstärkter Einbau geisteswissenschaftlicher Disziplinen vorzunehmen. 3. In der zahlenmäßigen Relation zwischen Lehrkräften und Studierenden ist dringend anzustreben, wieder echte Studiengemeinschaften zu gewinnen. Dies ist eine der wesentlichen Voraussetzungen, damit auch künftig die auf der Verbindung von Lehre und Forschung basierende Funktion der deutschen Hochschulen gewährleistet bleibt. November 1960
ACHTE ENTSCHLIESSUNG der Gesprächsgruppe Wissenschaftliche Hochschulen und Akademischer Nachwuchs zur ERRICHTUNG VON HÖHEREN WIRTSCHAFTLICHEN LEHRANSTALTEN (HWL) Mit der fortschreitenden Technisierung und Rationalisierung wächst der Bedarf an Führungskräften für eine Verwendung in der mittleren Ebene. Ihm versucht gegenwärtig der Ausbau von Ingenieurschulen und der Aufbau von ihnen gleichrangigen Lehranstalten gerecht zu werden. Die Gesprächsgruppe begrüßt insbesondere: 1. die Koordinierung aller Bestrebungen zur Entfaltung von Höheren Wirtschaftlichen Lehranstalten, 2. die Entwicklung einheitlicher Zulassungs-, Lehr- und Prüfungsordnungen für Höhere Wirtschaftliche Lehranstalten, 3. die Klärung des Verhältnisses von Höheren Wirtschaftlichen Lehranstalten zu den wissenschaftlichen Hochschulen, 4. in diesem Zusammenhange die Bemühungen zur Feststellung des tatsächlichen Bedarfs an kaufmännischen Kräften der verschiedenen Führungsebenen. In den Ingenieurschulen erblickt die Gesprächsgruppe ein Modell für gleichartige Einrichtungen in anderen Fachgebieten. Die Gesprächsgruppe appelliert an Verwaltung und Wirtschaft, bei Stellenbesetzungen sorgfältig zu prüfen, ob für den Arbeitsplatz die mehr auf praktische Aufgaben bezogene Qualifikation an Höheren Wirtschaftlichen Lehranstalten oder das mehr auf wissenschaftliche Leistungen ausgerichtete Studium an den Universitäten in Frage kommt. Die Gesprächsgruppe erwartet von dieser Entwicklung einen Fortschritt für die wirtschaftli-
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che Praxis und auch einen Gewinn für die volkswirtschaftliche, wie die betriebswirtschaftliche Lehre und Forschung. November 1960
NEUNTE ENTSCHLIESSUNG der Gesprächsgruppe Wissenschaftsfinanzierung zum AUSBAU DER WISSENSCHAFTLICHEN HOCHSCHULEN Die Gesprächsgruppe Wissenschaftsfinanzierung des Gesprächskreises Wissenschaft und Wirtschaft begrüßt die im Bericht des Wissenschaftsrates geforderte Verbesserung der Ausstattung der wissenschaftlichen Hochschulen, die eine kräftige Vermehrung des Lehrkörpers, eine fühlbare Erweiterung des technischen Personals, eine erhebliche Erhöhung der Arbeitsmittel und eine Beschleunigung in der Durchführung der dringend notwendigen Bauvorhaben zum Ziel hat. Nachdem die Empfehlungen des Wissenschaftsrates jetzt vorliegen, ist es Aufgabe der Hochschulen und der Hochschulverwaltungen, alles daran zu setzen, die hierin vorgeschlagenen Möglichkeiten zu verwirklichen. Nur entschlossenes Handeln kann dazu führen, daß die bestehenden Mißverhältnisse beseitigt und Voraussetzungen dafür geschaffen werden, daß die Möglichkeiten zu einem wirklichen Studium und fruchtbarer Forschertätigkeit an den deutschen Hochschulen wiederhergestellt werden. Dezember 1960
ZEHNTE ENTSCHLIESSUNG der Gesprächsgruppe Hochschulreife zur RAHMENVEREINBARUNG DER KULTUSMINISTER-KONFERENZ ZUR ORDNUNG DES UNTERRICHTS AUF DER OBERSTUFE DER GYMNASIEN Die Gesprächsgruppe begrüßt, daß durch die Saarbrücker Beschlüsse der Kultusministerkonferenz vom 29.9.1960 die Vereinheitlichung des Oberstufenunterrichts auf dem Gymnasium in Angriff genommen worden ist. Sie bejaht insbesondere die in der Präambel zum Ausdruck gebrachte Zielsetzung, durch eine Verminderung der Zahl der Pflichtfächer und die Konzentration der Bildungsstoffe eine Vertiefung des Unterrichts zu ermöglichen und die Erziehung des Schülers zu geistiger Selbständigkeit und Verantwortung zu fördern. Die Gesprächsgruppe bedauert jedoch, daß die Kultusministerkonferenz den Naturwissenschaften nicht diejenige Bedeutung zugemessen hat, die ihnen als wesentlicher Bestandteil der für die Hochschulreife zu fordernden Grundausbildung zukommt. Außerdem bestehen Bedenken dagegen, daß das sogenannte Stufenabitur nicht auf die letzte Klasse der Gymnasien beschränkt bleibt. Die Gesprächsgruppe bittet die Kultusministerien der Länder, diesen Gesichtspunkten in den Durchführungsverordnungen zur Rahmenvereinbarung Rechnung zu tragen. Mai 1961
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ELFTE ENTSCHLIESSUNG der Gesprächsgruppe Hochschulreife zum SCHULABSCHLUSS FÜR NICHT-AKADEMISCHE BERUFSAUSBILDUNG Unsere moderne Industriegesellschaft läßt erkennen, daß der Bedarf an Fachleuten für verantwortliche betriebspraktische Tätigkeiten - seien sie kaufmännisch, seien sie technisch - weitaus schneller wächst als der Bedarf an akademisch vorgebildeten Kräften. Der verhältnismäßig kleinen Zahl von Gymnasiasten, die sich im Laufe der Schulzeit für ein Studium an einer wissenschaftlichen Hochschule als begabt erweist, steht eine größere Zahl solider Mittelbegabungen mit mehr praktischen Fähigkeiten gegenüber. Ihnen durch formellen Akt eine abgeschlossene Schulbildung zu bestätigen, die ihnen den Besuch von Ingenieurschulen und Höheren Fachlichen Lehranstalten oder den direkten Berufsantritt ermöglicht, erscheint vordringlich. Die Gesprächsgruppe hält es daher für notwendig, daß 1. die Zahl der Mittel-(Real-)schulen erhöht wird. 2. die Gymnasien, unbeschadet ihrer auf die Hochschulreife ausgerichteten Zielsetzung, das Recht erhalten, am Ende der Mittelstufe ein formelles Abschlußzeugnis zu erteilen. Juni 1961
5. Literatur- und Quellenverzeichnis
a) Benutzte Archive Archiv der AKZO Nobel, Wuppertal (AAKZO) Archiv der Bahlsen AG Hannover (BahA) Archiv des BDI, Köln (ABDI) Archiv der Industrie-Kreditbank Düsseldorf (AIKB) Archiv der Mannesmann AG Düsseldorf (MmA) Archiv des Stifterverbandes Essen (SV) Archiv der Metallgesellschaft, Frankfurt am Main (AMG) Archiv für Geschichte der Max-Planck-Gesellschaft Berlin (AMPG) Archiv der Deutschen Forschungsgemeinschaft Bonn-Bad Godesberg (ADFG) Archiv des Vereins Deutscher Eisenhüttenleute Düsseldorf (AVDE) Bayer-Archiv der Bayer AG, Leverkusen (BAL) Bayerisches Wirtschaftsarchiv München (BWA) Bayerisches Hauptstaatsarchiv München (BHSA) Bergbauarchiv Bochum (BBA) Bundesarchiv Abt. Potsdam/Abt. Merseburg (BAM)
Bundesarchiv Koblenz (BÄK) Deutsches Museum München (DMM) Deutsches Zentralarchiv Merseburg (DZAM) Geheimes Staatsarchiv Preuß. Kulturbesitz Berlin-Dahlem (GSB) Institut für Zeitgeschichte, München (IfZ) Niedersächsisches Hauptstaatsarchiv Hannover (NHSA) Nordrhein-Westfälisches Hauptstaatsarchiv Düsseldorf (NRWHSA) Rheinisches Wirtschaftsarchiv Köln (RWWA) Siemens-Museum, München (SAM) Staatsbibliothek Berlin, Handschriftenabteilung (SBB) Universitätsarchiv der LMU München (ALMU) Universitätsarchiv der TU Berlin (ATUB) Westfälisches Wirtschaftsarchiv, Dortmund (WWA) Württembergisches Staatsarchiv Ludwigsburg Persönliche Unterlagen Dr. Fritz Gummert (Essen) Thorwald Risler (Bonn-Bad Godesberg) Prof. Dr. Paul Heckmann (Bochum) Prof. Dr. Gerhard A. Ritter (München)
b) Materialien des Stifterverbandes Stifterverband (Hg.): Fünf Jahre Stifterverband 1949-1954, Essen 1954 Stifterverband (Hg.): Zehn Jahre Stifterverband 1949-1959, Essen 1959 Stifterverband (Hg.): Fünfzehn Jahre Stifterverband 1949-1964, Essen 1964
Stifterverband (Hg.): Jahrbuch 1950. Der Stifterverband, Essen 1950 Stifterverband (Hg.): Jahrbuch 1951. Die Hohen Schulen, Essen 1951 Stifterverband (Hg.): Jahrbuch 1952/53. Almanach der Wissenschaft, Essen 1953
348 Stifterverband (Hg.): Jahrbuch 1954. Wissenschaft und Fortschritt, Essen 1954 Stifterverband (Hg.): Jahrbuch 1955. Wissenschaft in Zahlen, Essen 1955 Stifterverband (Hg.): Jahrbuch 1956. Das wissenschaftliche Leben in Deutschland, Essen 1956 Stifterverband (Hg.): Jahrbuch 1957. Der akademische Nachwuchs, Essen 1957 Stifterverband (Hg.): Jahrbuch 1958. Geist und Wissenschaft im Bild, Essen 1958 Stifterverband (Hg.): Jahrbuch 1959. Weltverbundenheit der Wissenschaft,- Essen 1959 Stifterverband (Hg.): Jahrbuch 1960. Die Akademikerin, Essen 1960 Stifterverband (Hg.): Jahrbuch 1961. Nobelstiftung und Pour le mérite, Essen 1961 Stifterverband (Hg.): Jahrbuch 1962. Wissenschaft in Daten, Essen 1962 Stifterverband (Hg.): Jahrbuch 1963. Wissenschaft in der Karikatur, Essen 1963 Stifterverband (Hg.): Jahrbuch 1964. Studium in Europa, Essen 1964 Stifterverband (Hg.): Jahrbuch 1965. Das wissenschaftliche Leben in Deutschland, Essen 1965 Stifterverband (Hg.): Jahrbuch 1966/67. Die Universität und ihre Studentenschaft, Essen 1967 Stifterverband (Hg.): Jahrbuch 1968/69. Florenz 4.Nov. 1966. Einer Stadt wird geholfen, Essen 1969 Stifterverband (Hg.): Mitteilungsblatt „Wirtschaft und Wissenschaft", Essen 1953ff. (enthält die Tätigkeitsberichte bis 1970) Stifterverband (Hg.): Forum Stifterverband. Informationen aus der Wissenschaftsförderung, Essen 1976 ff. Stifterverband (Hg.): Schriftenreihe „Forschung und Wirtschaft" - Partner im Fortschritt, Essen 1952 ff. Stifterverband (Hg.): Vademecum Deutscher Forschungsstätten, Essen 1954 (weitere Auflagen als Vademecum Deutscher Lehrund Forschungsstätten) Stifterverband (Hg.): Schriftenreihe „Materialien aus dem Stiftungszentrum", Essen 1972ff.
Anhang Stifterverband (Hg.): Tätigkeitsberichte, Essen 1971 ff. Stifterverband (Hg.): Schriftenreihe zum Stiftungswesen (bis 1989 sind 14 Bde. erschienen), Baden-Baden 1966 ff. Berkel, Ute/Neuhoff, Klaus/Schindler, Ambros/Steinsdörfer, Erich: Stiftungshandbuch (Schriftenreihe zum Stiftungswesen; Bd.l), 3., Überarb. und erw. Aufl., BadenBaden 1989 Stifterverband (Hg.): Schriftenreihe „Bildungspolitische Initiativen", Stuttgart 1971 ff. Stifterverband (Hg.): Schriftenreihe „Materialien zur Bildungspolitik", Essen 1972ff. Stifterverband (Hg.): Forschung heißt Arbeit und Brot, Stuttgart 1950 Stifterverband (Hg.): Die Förderung des Stiftungswesens - eine Aufgabe von Staat und Gesellschaft. Referate und Diskussionsbeiträge von einer Veranstaltung des Stifterverbandes am 23.5.1968 in Wiesbaden (Arbeitsschrift B 1969), Essen 1969 Stifterverband (Hg.): Wissenschaftspolitik in den Vereinigten Staaten, Essen 1969 Stifterverband (Hg.): Fluktuation deutscher Wissenschaftler: Institutioneller Austausch, Privater Wechsel der Wirkungsstätte. 8. Gespräch zwischen Wirtschaft und Wissenschaft, Essen, 6. Okt. 1964, Essen 1965 Stifterverband (Hg.): Die Förderung des Stiftungswesens. Eine Aufgabe von Staat und Gesellschaft, Essen 1969 Stifterverband (Hg.): Haben wir eine Management-Lücke: Wie auf Führungsfunktionen in Wirtschaft und öffentlicher Verwaltung vorbereitet wird und was daran geändert werden sollte, Dok. vom 5. Nov. 1968 in Stuttgart, Essen 1969 Stifterverband (Hg.): Lehrerbildung, ein Schlüsselproblem von Schul- und Hochschulreform. 11. Gespräch zwischen Wirtschaft und Wissenschaft am 14.12.1967 in Essen, Villa Hügel, Essen 1969 Stifterverband (Hg.): Jahresbericht über den Eingang von Veröffentlichungen ausländischer und internationaler Institutionen, Essen 1971 Stifterverband (Hg.): Memorandum zur
Literatur- und Quellenverzeichnis
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349 bandes, Villa Hügel, 29. Sept. 1981, Essen 1982 Stifterverband (Hg.): Bundeswettbewerb Mathematik: Aufgaben und Lösungen 1978-1982, Stuttgart 1983 Stifterverband (Hg.): Hochschulforschung und industrielle Innovation: Sind wir für die Zukunft gerüstet? Dokumentation eines wissenschaftspolitischen Gesprächs, 6. Okt. 1983, Essen 1983 Stifterverband (Hg.): Ingenieurbedarf und Studienmotivation: Dokumentation eines Kolloquiums des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft im Wissenschaftszentrum Bonn, Essen 1983 Stifterverband (Hg.): Forschung und Entwicklung in der Wirtschaft 1979/81, Essen 1985 Stifterverband (Hg.): Forschung und Entwicklung in der Wirtschaft 1983, Arbeitsschrift, Essen 1986 Stifterverband (Hg.): Forschung und Entwicklung in der Wirtschaft 1985, Arbeitsschrift, Essen 1988 Stifterverband (Hg.): Die Hochschulen nach der Überlast: neue Chancen für die Forschung? Dokumentation eines wissenschaftspolitischen Gesprächs, 2. Nov. 1988, Essen 1989 Stifterverband (Hg.): Forschung und Entwicklung in der Wirtschaft 1987, Arbeitsschrift, Essen 1990
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Literatur- und Quellenverzeichnis
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Anhang
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6. Personenregister
Abderhalden, Emil 49 Abelshauser, Werner 234 Abs, Hermann Josef 132,139-141,143, 182,191 Achenbach, Walter 92,328 f. Achinger, Hans 128 Adenauer, Konrad 99,107,115,167,224, 232,298 Albrecht, Carl 37 Althoff, Friedrich 55 Appel, Georg 108 Amhold, Eduard 61,70,323 Arnold, Karl 101 Bacon, Francis 13 Baethgen, Friedrich 107 Bäuerle, Theodor 124 Bahlsen, Werner 29,108,112,241,263, 274 f. Balke, Siegfried 271 Baur, Gerhard H. 243 Bayer, Otto 111,182,193,195,200,233 Becker, Carl Heinrich 52f.,319 Becker, Hellmut 234,245,254,266 Becker, Otto von 76,78,323 Beckmann, Joachim 234 Beinhauer, Hagen 287 Ben-David, Joseph 35 Berchem, Theodor 288 Berckemeyer, Hans 326 Berg, Fritz 23, 29,115,138, 141 f., 154-156,213, 230,298, 314,339 Beukenberg, Wilhelm 68, 77 Beuth, Peter Christian Wilhelm 32 Beutler, Wilhelm 130 Bezzenberger, A. 121 Biedenkopf, Kurt 253 Biedermann, Karl Friedrich 32
Bingel, Rudolf 89,91 f., 326, 328-330 Bismarck, Klaus von 234 Blount, Bertram K. 160 Boden, Hans 326 Boettinger, Henry Theodore von 112 Bötzkes, Hermann 84, 91 f., 162-166 Bom, Max 44 Borsig, Conrad von 327 Borsig, Ernst 37 Bosch, Carl 61,328 Bosch, Robert 59,61,322 Bräter 322 Bräuer, Sergius 108 Brand, Gerd 271 Brandi, Karl 323 Brandt, Leo 201 Bresslau, Harry 70 Buchka, Karl Hermann von 229 Bücher, Hermann 89, 92,135,138, 141-143,328 Bungartz, Everhard 188,190 Buoi, Heinrich von 327 Butenandt, Adolf 166,195 Casper, Walther 275, 277, 290 Christians, F. Wilhelm 243 Clay, Lucius D. 99 Cohnheim, Julius 43 Coing, Helmut 269 Cron, Helmut 240 Cuno, Wilhelm 61 Cuntz, Heinrich 113-116,118f„ 138,314, 332-334 Dahl, Otto 55 Dahrendorf, Ralf 234,245 Degkwitz, Rudolf 108 f., 120 Dichgans, Hans 235,259,271
370 Dietze, Constantin von 124 Döring, Wilhelm 328 Donnevert, Max 323 Drescher-Kaden, Friedrich-Karl 172, 193 Dryander 233 Dulsberg, Carl 18, 23, 28,46, 51, 54-56, 59-66,68-71,76 f.,79 f., 86,111,133,265, 304,313,323, 330 Dyck, Walter van 79, 85, 323 Dyckerhoff, Robert 123 Ebert, Friedrich 58 Ebert, Hans 38 Eickemeyer, Hellmuth 99, 105,168 f., 219 Eilender, Walter 201 Elkmann, Gerhard 251-253,263,275 Elmenau, Johannes von 146 Engeil, Hans-Jürgen 288 f. Epp, August 205,210 Erhard, Ludwig 93,184-186, 236, 239, 248, 301 Erhardt, Manfred 315 Erzberger, Matthias 48, 52 Eschenburg, Theodor 150 Eversmann, Alexander 323 Fawcett, Sherwood L. 183 Fehling, August Wilhelm 124, 126, 163 Feldman, Gerald D. 24,48,57 Fellinger, Robert 78, 82, 85, 105 Finkenstaedt, Thomas 289 Fischer, Emil 47 Fischmann, Hermann 323 Flick, Friedrich 92, 327 Föppl, Ludwig 124 Forman, Paul 25,48, 63 Francke, Paul 180,188,191 Franz, Eugen 327 Fraunhofer, Joseph von 172 Frentzel, Gerhard Adolf Philipp 130 Freudenberg, Hans 254 Freudenberg, Hermann 254 Freundt, F. A. 321 Friedrich II., preußischer König 31 Friedrich, Carl Joachim 214 Friedrich, Otto A. 141, 158, 214 Friedrich Wilhelm III., preußischer König 31 Frowein, Abraham 59, 152, 323
Anhang
Frowein, Friedrich
199 f.
Gambke, Gotthard 208 Gehlhoff, Georg Richard 323 Geiger, Hugo 172, 175, 183,187 Geiler, Karl 120, 128f., 131, 135, 158f. Gerlach, Walther 29 f., 134,159, 162, 172, 186-190,265 Gieselmann, Reinhard 154 Gieske, Friedhelm 289 Gigas, Erwin 172 Glum, Friedrich 22 Goethe, Johann Wolfgang von 31 Goldschmidt, Theodor 119,121, 161,333 Griewank, Karl 22, 108 Grimme, Adolf 108f., 112, 114,121, 123 f., 152,297, 331 Groener, Wilhelm 13 6 f. Gummen, Fritz 20,28 f., 95,97,133-135, 138,142,144 f., 147-149,159,162-164, 166,178,181 f., 186,189-191,197,206, 208, 211 f., 214, 216, 232, 238, 249, 291, 304, 314 Guth, Karl 328-330 Haber, Fritz 23,46f., 50-58, 62 f., 72, 85, 265,313,322 Haberland, Ulrich 111, 142, 161, 163 Haenisch, Konrad 49 Hahn, Fritz 201 Hahn, Otto 102,130,160-168 Hallstein, Walter 119,124,126 Hanke, Horst 21 Harms, Bernhard 70,321 Harnack, Adolf von 14, 17,40f„ 43,51, 53 f., 58 f., 61-63,66,68 f., 133,265,295, 304, 326 Hartmann, Eduard 159 Haspel, Wilhelm 119 f., 142, 159, 333 Hauck, Georg 243 Havemann, Robert 108 Hax, Herbert 225 Hecker, Ewald 327 Heckmann, Paul 37 Heisenberg, Werner 14, 74 f., 128, 133, 163,16 f., 192 f., 195,200,219, 234,298, 314 Heitz, Waldemar 180,182
371
Personenregister
Helmholtz, Hermann von 36 Henkel, Hugo 119,142 Henle, Günther 133,337 Hennis, Wilhelm 146 Hergesell, Hugo 322 f. Herrhausen, Alfred 268, 272 f. Herrmann, Conrad 327 Hertwig, August 323 Hess, Gerhard 1 0 7 , 1 6 7 , 2 4 9 , 2 5 3 , 2 6 9 Hesselbach, Walther 152 f., 304 Heuss, Theodor 105,148 Hickmann, Johannes Benjamin 320 Hindenburg, Paul von 137 Hinsch, Walter 176 f., 191, 198, 200, 203 Hoegner, Wilhelm 99 Höpker-Aschoff, Hermann 149 Hörlein, Heinrich 328 Holtz, Friedrich 201 Howe, Günter 234 Hugenberg, Alfred 59 Humboldt, Wilhelm von 40 Hummel, Hermann 55 Jarres, Karl
133,337
Kalischer, Wolfgang 257 Kames, Alfred E. 167 Kant, Immanuel 220 Kaselowsky, Richard 327 Kaske, Karlheinz 315 Kastl, Ludwig 2 9 , 1 1 3 , 1 1 5 - 1 1 7 , 1 1 9 f., 137 f., 141,314,333 Kehrl, Hans 132,140 Keiser, Carl Friedrich 323 Kellermann, Hermann 327 Kentig, Wolfgang von 327 Kielmannsegg, Peter Graf von 289 Kiesinger, Kurt Georg 244 Kind, Herbert 323 Kirdorf, Emil 4 2 , 6 1 , 6 3 , 7 8 , 3 2 3 Klein, Felix 63,307 Klingenberg, Georg 61,323 Knoblauch, Helmut 188 Koch, Erich 56, 58 Könecke, Fritz 327 Köster, Werner 93 Köttgen, C. 37 Kohl, Helmut 279
Konen, Heinrich Mathias 85, 323 Kost, Heinrich 135,142,225 Kramarczyk, Günther 21, 27 Krause, Max 37 Kreichgauer, Alfons 173-175 Krings, Hermann 271 Kroll, Josef 125 Krupp, Friedrich Alfred K. 39,321 Krupp von Bohlen und Halbach, Alfred 327 Kuhnke, Hans-Helmut 133,253, 272, 274 f., 303,314, 335-337 Kuske, Bruno 99,101 Lamprecht, Karl 40 Langeheine, Richard 229 Langen 327 Lehmann, Richard 238 Lehnartz, Emil 120,124,127, 159 Lehr, Robert 301 f. Leonhardt, Hans 327 Lepsius, Mario Rainer 267 Leupold, Jakob 31 Levi, Hans Wolfgang 288 Ley, Hellmut 251-253, 263, 274 f., 314 Lieber 322 Liesen, Klaus 275, 278 f., 303, 315 Lilje, Hanns 108 Lippart, Gottlieb 323 Lobkowicz, Nikolaus 271 Lübbe, Hermann 271 Luther, Hans 189, 192 f., 197 Mankiewitz, Paul 323 Markl, Hubert 289 Marsch, Ulrich 26 Marwitz, Georg 323 Matschoß, Conrad 322 f. Maucher, Albert 186 ter Meer, Gustav 323 Mehrtens, Herbert 89 Meinecke, Friedrich 121 Meiner, Arthur 323 Meißner, Ernst 197,207 Meißner, Walther 189 Mendelssohn, Franz von 323 Menne, Wilhelm Alexander 142,168 Mentzel, Rudolf 84-86
92,
372 Merton, Richard 20, 23,28,60,89,97, 104,111-122,126-128,130-142,144 f., 148 f. 151 f., 158 f., 161-165,167 f., 184, 197,208,215,222,224,238,242,261, 297 f., 304,314, 332-334, 337 Merton, Wilhelm 113 f., 117 Meuschel, Walther 121 Meyer, Paul W. 286 Meyer, Eduard 56 Mitteis, Heinrich 107 Mommsen, Theodor 17 Müller, Erich 243 Müller, Friedrich 108 Müller, Friedrich von 58 Mueller, Rudolf 114, 333 Müller, Wilhelm 93 Nägel, Adolph 323 Nebenius, Carl Friedrich 32 Nesselhauf, Herbert 268 Niemeyer, Horst 19,97,273, 275,277 f., 291,315 Niessen, Carl 222 Nipperdey, Thomas 22,32 Nohl, Ernst 108 Nord, Ferdinand Ernst 19,28,90,96 f., 115,163 f., 166,180,182,196,204,208, 211 f., 217,220,223,233, 258,263,276, 303,314 Ohnesorg, Benno 257 Oppenheim, F. 322 Osietzki, Maria 26, 104, 111 Ossietzky, Carl von 75 Petersen, Alfred 101, 118, 120,134, 142, 154, 333 Petersen, Otto 76, 189 Pferdmenges, Robert 119 Pfetsch, Frank R. 24 Pfuhl, Kurt 21 Picht, Georg 234 Pietzsch, Albert 327 Piloty, Hans J. 193 f. Planck, Max 108,160, 320, 322,331 Plassmann, Clemens 215 f., 251,253 Pohl, Hans 26, 86, 89 Pollay, Heinz 161
Anhang Pott, Alfred 327 Prandtl, Ludwig 321 Pretsch, Joachim 171,176 f., 200,202f. Preuß, Hugo 52 Pünder, Hermann 166 Quandt, Günther
92,327
Raiser, Ludwig 124,167 f., 183,192, 199 f., 205,234 Rajewski, Boris 127 Ramsauer, Carl Wilhelm 108 Rathenau, Walther 34,41,295 Rauch, Friedrich von 322 Rauch, Hans 328 Rautter 323 Ravene, Louis 323 Regener, Erich 167 Reppe, Walter Julius 103 Reusch, Hermann 23, 28,110f., 115-120, 126,128,130-132,134-136,138,142, 147,149,152-154,162,164,169,180, 209,214,227-229,304,314, 333 Reusch, Paul 61,79,323 Reuter, Hans 327 Richter, Friedrich 321 Richter, Steffen 22,25 Riedler, Alois 33, 38 f. Risler, Thorwald 19,97,217,238 f., 244, 246,251,253 f., 263,273,300,314 Ritter, Gerhard A. 26, 267,270-272 Röchling, Hermann 92, 323 Roelen, Wilhelm 182,185,189,191 f., 196 f., 205,208 Rössle, Robert 108 Rosenthal, Philipp 59 Rosterg, August 328 Rüegg, Walter 259 Rüffenberg 323 Ruhnau 319,322 Rupp 124 Rust, Bernhard 85 f. Salomonsohn, Arthur 60 f., 79, 319-321, 323, 325 Schaewen, Richard von 68 f. Schäffer, Friedrich 149,151 Schalfejew, Eduard 327
373 Scheel, Walter 246,262 Schenck, Rudolf 17,45 Schieder, Theodor 271 f. Schiel, Carl Heinz 250 Schiller, Karl 248 Schleicher, Kurt von 136 Schlosser, Hermann 327 Schmid, Carlo 149 Schmidt, R. 240 Schmidt von Knobelsdorf 323 Schmidt-Ott, Friedrich 18, 22 f., 28, 45, 47-52, 55-58, 60, 62-66, 68-70, 72-75, 77-80, 82, 84-88,91 f., 101 f., 104f., 126, 128,133,142,147, 219, 265, 296 f., 304, 313,319-323,328, 330 Schmitz, Hermann 327 Schmugge, Ludwig 22 Schnabel, Franz 34,107 Schneider, Friedrich 250 Schorlemer-Lieser, Klemens Freiherr von 323 Schreiber, Georg 22 f., 40,49 f., 101,105, 122, 163 f., 166 f., 265, 299, 323 Schroeder 337 Schröder, Louise 121 Schröder-Gudehus, Brigitte 25 Schroth, Kurt 323 Schwarz, Hans-Peter 27 Schweinitz, A. D. von 323 Seeling, Otto 142 Seibold, Eugen 287 f. Siebel, Erich 108 Siemens, Carl Friedrich von 18, 23, 32, 59, 61, 64f., 69-71, 78-80, 86, 313, 319f., 322-324, 330 Siemens, Hermann von 89 f., 92 f., 95, 142, 187, 313, 328 f. Siemens, Werner von 36, 294 Silverberg, Paul 97 Simons, Walter 59 Smend, Rudolf 108 Sörensen, Emil 176,179,182, 185, 187, 196-199,208 Soergel, Werner 212 Sogemeier, Martin 335 Sohl, Hans-Günther 274 Sohn, Karl-Heinz 133 Sontheimer, Kurt 257
Sorge, Kurt 59-61,78 Speer, Julius 104,249,269 Spengler, Oswald 228 Spethmann, Dieter 252 Staab, Heinz A. 288 Stahl, Rudolf 327 Stamm, Thomas 26, 104,111 Stapelfeldt, Franz 328 Stark, Johannes 85, 93, 320 Stauß, Emil Georg von 86, 323 Stein 229 Steinberg, Wilhelm 327 Steuben, Hans von 269 Stille, Hans Wilhelm 108 Stinnes, Hugo 23,59,61,64 f., 69f„ 78, 320 f. Stock, Alfred 320 Stoltenberg, Gerhard 248 Strauß, Franz-Josef 17, 186 Stroux, Johannes 108 Studders, Herbert 28,94,97,111-121,126 138, 152 f., 158, 169, 212, 214, 224, 314, 332-334, 339 Syrbe, Max 288 Taeger, Kurt Rudolf Erdmann 323 Tellenbach, Gerd 107 Telschow, Ernst 108, 151, 160-166, 196, 217 Teusch, Christine 122-125 Tgahrt, Erich 327 Thalmann 323 Thews, Gerhard 289 Treue, Wolfgang 268 Tucher von Simmelsdorf, Hermann Freiherr von 240 Uhlemeyer, Richard 142 Ulrich, Franz Heinrich 268 Vaubel, Ludwig 131,139 Vierhaus, Rudolf 269 Virchow, Rudolf 13,33 Vits, Ernst Hellmut 23, 29 f., 89, 104, 120f., 127, 131 f., 134-140, 142f„ 145, 159, 209, 216, 222-227, 230, 233, 235, 239,249,256,263,299,314 Vogler, Albert 23, 60-64, 68-71, 76 f.,
374
Anhang
Wilhelm II., deutscher Kaiser 39 Willstätter, Richard 320 Windaus, Adolf 106 Winkhaus, Hermann 215-217,235,237, 250 f. Wirth, Josef 57 Witt, Peter-Christian 25 Wüst, Fritz 78 Wurster, Carl 142
79, 8 2 , 9 2 , 1 3 3 , 1 6 0 , 304, 321 f., 327 Vogel, Otto H. 142 Vogel, Rudolf 228 f. Voltaire, François Marie Arouet 31 Wagner, Karl Willi 168 f., 229 Warburg, Max H. 61 Weber, Max 4 2 , 2 2 0 , 2 9 5 Wegener, Alfred 74, 303 Weinberg, Arthur Bernhard von 323 Weinholz 323 Weinrich, Harald 267,269-271 Weizsäcker, Carl Friedrich von 234 Wiechert, Ernst 108 Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von Wild, Karl Martell 327 Wildhagen 64
37 f.
Zangen, Wilhelm 87, 89-91, 327-330, Zenneck, Jonathan 76,189 Ziegler, Karl 159 Zierold, Kurt 22, 64, 82, 104, 109-111, 120, 124-126,129,131,133 f., 159,200, 335
375
Friedrich Schmidt-Ott (1860-1956), Präsident der Notgemeinschaft (1920-1934) und Vorsitzender des Stifterverbandes 1935-1945
Carl Friedrich von Siemens (1872-1941), erster Vorsitzender des Stifterverbandes der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft 1920-1934
376
Fritz Haber (1868-1934)
Adolf von Harnack (1851-1913)
377
Albert Vogler (1877-1945), Mitbegründer und Vorsitzender der Helmholtz-Gesellschaft seit 1920. 1940-1945 Präsident der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft
Richard Merton (1881-1958), erster Vorsitzender des Stifterverbandes nach dem Zweiten Weltkrieg 1949-1955
378
Ernst H. Vits und Richard Merton im Jahre 1953
Julius Speer, Ernst H. Vits, Helmut Ley bei der Sitzung des Landeskuratoriums Hessen 1969
379 MV""*"
Ernst H. Vits, Theodor Heuss, Richard Merton auf dem Weg zur Jahresversammlung 1953 in Wiesbaden Fritz Gummert, Theodor Heuss, Theodor Eschenburg, Ferdinand E. Nord in der Essener Hauptverwaltung im November 1961
380
Fritz Gummert (1895-1963), erster Schatzmeister des Stifterverbandes 1949-1963
Fritz Berg (1901-1979), 1949-1979 Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie
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Ernst H. Vits, Ludwig Erhard, Fritz Gummert in Wiesbaden im Jahr 1959
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Hermann Reusch (1896 -1971), als Vorsitzender der Wirtschaftvereinigung Eisen und Stahl 1949 wichtiger Partner Mertons bei der Neugründung des Stifterverbandes
Werner Bahlsen (1904-1985), stellvertretender Vorsitzender des Stifterverbandes 1964-1977
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Hermann Reusch vor dem Gesprächskreis „Wirtschaft und Wissenschaft", Villa Hügel 1961
Verwaltung des Stifterverbandes in Essen, Brucker Holt
Ralf Dahrendorf als Redner am Vorabend der Jahresversammlung 1968 Kurt Biedenkopf, Hermann Lübbe, Gerhard Hess, Hans Schwab-Felisch, Sitzung des Landeskuratoriums Nordrhein-Westfalen
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Das Wissenschaftszentrum in Bonn-Bad Godesberg Eröffnung des Wissenschaftszentrums am 17.5.1976: Hans-Helmut Kuhnke, Walter Scheel, Hans Matthöfer, Thorwald Risler
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Alfred Herrhausen im Vortragssaal der Kaulbachvilla, dem Sitz des Historischen Kollegs Erste Verleihung des Preises des Historischen Kollegs 1983: Franz-Josef Strauß, Klaus Liesen, Gordon A. Craig, Alfred Heuss, Theodor Schieder, Carl Carstens
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Kuratoriumssitzung des Stifterverbandes im Jahre 1985, Villa Hügel Villa Hügel-Gespräch 1981 Dieter Spethmann, Alfred Herrhausen, Klaus Liesen, Peter Glotz, Horst Niemeyer
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Villa Hügel-Gespräch 1993: Hans-Henning Pistor, Hubert Markl, Klaus Liesen, Horst Niemeyer Verwaltung des Stifterverbandes seit 1992 in Essen-Heidhausen, Barkhovenallee 1