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German Pages 503 Year 2008
Schmidt-Troje/Schaumburg Der Steuerrechtsschutz
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Der Steuerrechtsschutz von
Dr. Jürgen Schmidt-Troje Präsident des Finanzgerichts Köln und
Dr. Heide Schaumburg Vizepräsidentin des Finanzgerichts Köln
3. neu bearbeitete und eiWeiterte Auflage
2008
oUs
Verlag
Dr.OttoSchmidt Köln
Die 1. Auflage [1997) und 2. Auflage [2001) erschienen im Stallfuß Verlag, Bonn/Berlin.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek veiZcichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufuar.
Verlag Dr. Otto Schmidt KG Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln Tel. 02 21/9 37 38-01, Fax 02 21/9 37 38-943 [email protected] www.otto-schmidt.de ISBN 978-3-504-16562-8 ©2008 by Verlag Dr. Otto Sclunidt KG, Köln
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist w:heberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das verwendete Papier ist aus chlorfrei gebleichten Rohstoffen hergestellt, holz- und säurefrei, alterungsbeständig und umweltfreundlich. Einbandgestaltung: Jan P. Lichtenford, Mettmann Satz: A. Quednau, Haan Druck und Verarbeitung: Bercker, Kevelaer Printed in Gennany
Vorwort Dieses Werk wendet sich an jeden, der sich mit steuerlichem Verfahrensrecht, ob in Verfahren vor dem Finanzamt, dem Finanzgericht, dem Bundesfinanzhof, dem Bundesverfassungsgericht oder dem Europäischen Gerichtshof, beschäftigt. Nur derjenige kann die Rechte des Steuerpflichtigen wirksam durchsetzen, der die verfahrensrechtlichen Spielregeln beherrscht. Weil das Verfahrensrecht häufig nicht genügend Beachtung findet, werden etliche Verfahren im Ergebnis verloren – und das, obwohl der angefochtene Bescheid rechtswidrig ist. Dieses Handbuch will dem Berater das Rüstzeug an die Hand geben, um die Rechte seines Mandanten im Steuerverfahren erfolgreich durchzusetzen. Darüber hinaus eröffnet es einen schnellen Zugriff auf die einschlägigen Vorschriften und hält eine Vielzahl von Anregungen u. a. für sachdienliche Anträge bereit. Zahlreiche Empfehlungen und Beispiele sowie ein Anhang mit einer Vielzahl von Musterschriften sollen das als spröde geltende Verfahrensrecht anschaulich und transparent machen und dem Praktiker die Arbeit erleichtern. In den letzten Jahren ist das steuerliche Verfahrensrecht wiederum insbesondere durch das Gesetz zur Modernisierung des Kostenrechts, das 1. Justizmodernisierungsgesetz, das Anhörungsrügengesetz, das Justizkommunikationsgesetz und zuletzt durch das Gesetz zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts, wonach mit Wirkung ab dem 1. Juli 2008 die Vorschriften über die Vertretungsregelung neu gefasst werden, zahlreichen Änderungen unterworfen worden. Die damit verbundenen Neuregelungen und die immer umfangreicher werdende Rechtsprechung zu verfahrensrechtlichen Fragen haben eine grundlegende Überarbeitung der 2. Auflage erforderlich gemacht. Dabei sind gesetzliche Neuerungen sowie die neueste Rechtsprechung berücksichtigt worden. In das Buch ist ein gesondertes Kapitel über den Rechtsschutz im Vollstreckungs- und Insolvenzverfahren, der in der alltäglichen Beratungspraxis große Bedeutung hat, neu aufgenommen worden. Ferner spielt die Anrufung des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs eine immer größer werdende Rolle. Deshalb sind die entsprechenden Kapitel deutlich erweitert worden. Um den Umfang des Buches als Handbuch für den Praktiker überschaubar zu halten, haben wir uns weiterhin auf eine kurze Darstellung der für den Rechtsanwender wesentlichen verfahrensrechtlichen Kernbereiche beschränkt und immer den „sicheren Weg“ gewählt. Das Handbuch soll und kann deshalb keine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den vielfältigen verfahrensrechtlichen Problemen enthalten und Antworten auf alle verfahrensrechtlichen Fragen geben. Hierfür muss auf die einschlägigen Kommentare, Lehrbücher und Monographien verwiesen werden. Wir danken allen Mitarbeitern des Verlages, die an der Erstellung des Handbuchs mitgewirkt haben. Unser besonderer Dank gilt Frau Dr. Angelika StadlhoferWissinger, die die Erstellung der 3. Auflage als Ansprechpartnerin begleitet und zahlreiche wertvolle Ideen beigesteuert hat.
V
Vorwort
Für Vorschläge und Hinweise, auch kritische Äußerungen sind wir stets dankbar. Eine Erleichterung dafür sollen die am Buchende eingebundenen Rückantwortkarten bieten.
Köln, im Mai 2008
VI
Jürgen Schmidt-Troje und Heide Schaumburg
Inhaltsübersicht Seite
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V Inhaltsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX Ausgewählte Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXI Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXIII
I. Teil – Finanzbehördlicher Rechtsschutz A. Förmliche Rechtsbehelfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 B. Nichtförmliche Rechtsbehelfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 C. Zivilrechtliche Schadensersatzansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50
II. Teil – Rechtsschutz vor dem Finanzgericht A. B. C. D. E. F. G. H. I. J.
Ausgangssituation und Erwägungen vor Klageerhebung . . . . . . . . . . . . . . Form und Inhalt der Klage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klagearten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ABC der Klagemöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zulässigkeitsvoraussetzungen für eine Klage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Durchführung des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anhörungsrüge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Urteilsberichtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wiederaufnahme des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorläufiger Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
52 60 84 97 112 164 252 256 259 261
III. Teil – Rechtsschutz vor dem Bundesfinanzhof A. Revision . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Beschwerde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
292 329
IV. Teil – Anrufung des Bundesverfassungsgerichts I. II. III. IV. V.
Organisation des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verfassungsbeschwerde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Konkrete Normenkontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einstweiliger Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
335 335 340 341 344
V. Teil – Anrufung des Europäischen Gerichtshofs I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Besetzung des Europäischen Gerichtshofs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Das Vorabentscheidungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
348 349 350
VII
Inhaltsübersicht Seite
VI. Teil – Rechtsschutz im Vollstreckungs- und Insolvenzverfahren A. Rechtsschutz im Vollstreckungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357 B. Rechtsschutz im Insolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370
VII. Teil – Kostenregelungen I. II. III. IV.
Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kostentatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Streitwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prozesskostenhilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
377 378 384 386
VIII. Teil – Musterschriftsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 392 Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 448 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 459
VIII
Inhaltsverzeichnis Seite
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V Inhaltsübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII Ausgewählte Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXI Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXIII
I. Teil – Finanzbehördlicher Rechtsschutz A. Förmliche Rechtsbehelfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
I. Einspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeine Vorüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Prüfung des Bescheids . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anzufechtende Maßnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Prüfung der Beschwer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Einspruchsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Zweckmäßigkeit des Einspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zulässigkeitsvoraussetzungen des Einspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Statthaftigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Beschwer des Einspruchsführers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Einspruchsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Bindungswirkung anderer Verwaltungsakte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Beteiligtenfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Handlungsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Vertretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . i) Form und Inhalt des Einspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . j) Einspruchsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . k) Einspruchsverzicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . l) Rechtsschutzbedürfnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . m) Zeitpunkt des Vorliegens der Zulässigkeitsvoraussetzungen . . . . . 3. Begründetheit des Einspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Prüfungsumfang und Verböserung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Erörterung des Sach- und Rechtsstandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Ausschlussfrist zur Benennung von Tatsachen und Beweismitteln und zur Vorlage von Urkunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Stillstand des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Aussetzung des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ruhen des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Unterbrechung des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Änderungsbescheid während des Einspruchsverfahrens . . . . . . . . . . . .
1 1 1 1 2 2 3 3 4 4 6 7 12 12 13 14 14 15 17 22 23 24 24 24 24 28 30 32 32 33 35 36 IX
Inhaltsverzeichnis Seite
6. Hinzuziehung zum Einspruchsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Rücknahme des Einspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rücknahmeerklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Wirkungen der Rücknahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Teilrücknahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Einspruchsentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Vorläufiger Rechtsschutz B. I. II. III. IV.
37 39 39 40 41 42 44
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44
Nichtförmliche Rechtsbehelfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Antrag auf schlichte Änderung des Steuerbescheids . . . . . . . . . . . . . . . . . Petition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gegenvorstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufsichtsbeschwerde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
46 46 48 49 49
C. Zivilrechtliche Schadensersatzansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50
II. Teil – Rechtsschutz vor dem Finanzgericht A. Ausgangssituation und Erwägungen vor Klageerhebung . . . . . . . . . . . . . . 52 I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 II. Klageziel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 III. Zweckmäßigkeit einer Klage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verfahrensdauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Saldierungsbefugnis des Gerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Kompensationsgefahr in anderen Bescheiden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Dritte im Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Kostenrisiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
57 57 57 58 59 59
B. Form und Inhalt der Klage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 II. Form der Klage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Schriftform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Sonderfälle der Schriftform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Telegramm und Telebrief . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Telefax . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Computerfax . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) E-Mail . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
61 61 63 63 63 64 64
III. Erhebung der Klage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Adressat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Klageerhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verfahrenshandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
66 66 66 67
IV. Bezeichnung des Klägers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 X
Inhaltsverzeichnis Seite
V. Bezeichnung des Beklagten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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VI. Streitgegenstand und Klagebegehren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Streitgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Klagebegehren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ausschlussfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
72 72 72 75
VII. Bezeichnung der angefochtenen Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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VIII. Klageantrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Formulierung des Antrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Erweiterung des Antrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Antrag bei Klageverbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Beispiele für Klageanträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
78 78 79 80 81
IX. Klagebegründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
82
C. Klagearten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
84
I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
84
II. Anfechtungsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Aufhebungsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Änderungsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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III. Verpflichtungsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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IV. Allgemeine Leistungsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
90
V. Feststellungsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Feststellungsinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Fortsetzungsfeststellungsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
91 91 92 92 93 95
D. ABC der Klagemöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
97
E. Zulässigkeitsvoraussetzungen für eine Klage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
112
I. Rechtsweg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Öffentlich-rechtliche Streitigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Abgrenzung zu den Strafgerichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Einzelfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einzelheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Abgabenangelegenheiten (§ 33 Abs. 1 Nr. 1 FGO) . . . . . . . . . . . . . b) Vollziehung von Verwaltungsakten in anderen Angelegenheiten (§ 33 Abs. 1 Nr. 2 FGO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Berufsrechtliche Streitigkeiten über Rechtsverhältnisse des Steuerberatungsgesetzes (§ 33 Abs. 1 Nr. 3 FGO) . . . . . . . . . . . . .
112 112 113 113 114 115 115 117 117 XI
Inhaltsverzeichnis Seite
d) Finanzrechtsweg kraft ausdrücklicher Zuweisung (§ 33 Abs. 1 Nr. 4 FGO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 3. Entscheidung über die Zulässigkeit des Finanzrechtswegs . . . . . . . . . 118 II. Vorverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Sprungklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anordnung eines dinglichen Arrestes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Untätigkeitsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
118 118 119 119 121 121
III. Klagebefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einzelheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtsverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ermessensentscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Geltendmachung der Rechtsverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. ABC der Klagebefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
126 126 126 126 127 127 128
IV. Rechtsschutzinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 V. Beteiligtenfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 1. Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 2. Beginn und Ende der Beteiligtenfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 VI. Prozess- und Postulationsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 1. Prozessfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 2. Postulationsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 VII. Klagefrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Dauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. ABC der Wiedereinsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Verfahren bei der Wiedereinsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
142 142 145 147 152
VIII. Prozessbevollmächtigter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Prozessvollmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Einreichung der Vollmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Exkurs: Ausschlussfrist bis zum 30.6.2008 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Erlöschen der Vollmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
155 155 157 159 161 162
F. Die Durchführung des Verfahrens
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164
I. Die Spruchkörper und ihre Mitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Senate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einzelrichter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vorsitzender . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Berichterstatter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
164 164 165 166 167
II. Amtsermittlungsprinzip/Untersuchungsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 1. Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 XII
Inhaltsverzeichnis Seite
2. Verletzung von Mitwirkungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zurückweisung verspäteten Vorbringens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Voraussetzungen für die Zurückweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Präklusion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Sonderfall: Fristsetzung im Einspruchsverfahren . . . . . . . . . . . . . . 4. Beweislast (Feststellungslast) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
173 174 174 175 178 182 182
III. Vorbereitung der mündlichen Verhandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vorbereitende Schriftsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Aktenvorlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Akteneinsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Einsichtnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ort der Einsichtnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ausfertigungen, Auszüge, Ausdrucke, Abschriften . . . . . . . . . . . . d) Rechtsbehelfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Erörterungstermin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Änderungsbescheid während des Klageverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . a) Fortsetzung des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Erledigung der Hauptsache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Klagerücknahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
183 183 185 186 186 187 188 189 190 191 191 192 193
IV. Stillstand des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Aussetzung des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ruhen des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Unterbrechung des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
194 194 195 196
V. Beiladung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einfache Beiladung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Notwendige Beiladung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Besondere Beiladung auf Antrag des Finanzamts . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Verfahren und Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
196 197 198 200 201
VI. Mündliche Verhandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Terminsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ladung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Terminsänderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Öffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Gesetzlicher Richter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Berufsrichter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ehrenamtliche Richter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ausschluss von der Ausübung des Richteramts . . . . . . . . . . . . . . . d) Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Ablauf der mündlichen Verhandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeiner Verhandlungsablauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rechtliches Gehör . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Fragerecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Sitzungspolizei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
202 203 203 204 208 209 210 210 211 212 215 215 217 219 220 XIII
Inhaltsverzeichnis Seite
7. Beweisaufnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beweisanträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Beweisbedürftige Tatsachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Beweismittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Durchführung der Beweisaufnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Zeugnisverweigerungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Verhandlungsniederschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Urteilsverkündung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Videokonferenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
220 220 221 224 225 228 229 231 232 233
VII. Verzicht auf mündliche Verhandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 VIII. Verfahren nach billigem Ermessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 IX. Entscheidung des Gerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Urteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Urteilsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Urteilsinhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zwischenurteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Teilurteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Gerichtsbescheid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . X. Exkurs: Selbständiges Beweisverfahren
237 237 237 239 241 245 247 248
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250
XI. Exkurs: Eidliche Vernehmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 G. I. II. III. IV. V.
Anhörungsrüge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Statthaftigkeit der Anhörungsrüge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Form, Frist und Inhalt der Anhörungsrüge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Begründetheit der Anhörungsrüge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
252 252 253 253 254 255
H. I. II. III.
Urteilsberichtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Berichtigung wegen offenbarer Unrichtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tatbestandsberichtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Urteilsergänzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
256 256 257 258
I. Wiederaufnahme des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 J. Vorläufiger Rechtsschutz
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261
I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 II. Aussetzung der Vollziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Allgemeine Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vollziehbarer Verwaltungsakt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XIV
262 262 263 263
Inhaltsverzeichnis Seite
b) Einlegung eines Rechtsbehelfs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Rechtsschutzinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Besondere Zulässigkeitsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ganze oder teilweise Ablehnung eines Antrags durch die Finanzbehörde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Keine zeitnahe Entscheidung der Finanzbehörde . . . . . . . . . . . . . . c) Drohende Vollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Materiell-rechtliche Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Unbillige Härte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ermessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Sicherheitsleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Rechtsfolgen der Vollziehungsaussetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sonderfälle der Vollziehungsaussetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundlagenbescheid/Folgebescheid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verlustfeststellungsbescheid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Negativer Feststellungsbescheid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Lohnsteuerfreibetrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Antrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsbehelf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Änderung des Beschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
267 269 269 270 270 273 274 275 276 278 278 279 280 280 280 281 282
III. Einstweilige Anordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeine Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Besondere Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Inhalt der einstweiligen Anordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Rechtsbehelf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Sonderfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gesonderte Feststellung von Verlusten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Negative Feststellungsbescheide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Negative Umsatzsteuerfestsetzung (Erstattung) . . . . . . . . . . . . . .
283 283 284 284 285 288 288 290 290 290 291 291
3.
4.
5.
6. 7. 8.
264 265 266
III. Teil – Rechtsschutz vor dem Bundesfinanzhof A. Revision . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
292
I. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
292
II. Vertretungszwang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
293
III. Zulassung der Revision und Nichtzulassungsbeschwerde . . . . . . . . . . . . 1. Form der Zulassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Nichtzulassungsbeschwerde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Formelle Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
294 295 296 296
XV
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b) Zulassungsgründe für die Revision . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) . . . . . . . cc) Rechtsfortbildung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alt. FGO) . . . . . . . . dd) Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alt. FGO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) . . . . . . . . . . . . . . c) Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) . . . . . . . bb) Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alt. FGO) . . . . cc) Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alt. FGO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) . . . . . . . . . . . . . . d) Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
298 298 299 300 301 302 305 305 306 306 307 308
IV. Einlegung der Revision . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Adressat der Revision und Einlegungsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Form und Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
310 310 311 311
V. Begründung der Revision . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Revisionsbegründungsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Inhalt der Revisionsbegründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Revisionsantrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Revisionsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Revisionsgründe im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtsverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bindung an die tatsächlichen Feststellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Absoluter Revisionsgrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Keine vorschriftsmäßige Besetzung des Gerichts . . . . . . . . . . bb) Mitwirkung eines ausgeschlossenen oder mit Erfolg abgelehnten Richters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Verletzung des rechtlichen Gehörs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Mangelhafte Vertretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Verletzung der Öffentlichkeit des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . ff) Fehlen der Entscheidungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . gg) Verfahrensfehler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
313 313 314 314 315 316 316 318 319 320 321 321 323 324 324 325
VI. Das Verfahren vor dem Bundesfinanzhof . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 VII. Anschlussrevision . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 B. I. II. III.
Beschwerde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zulässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XVI
329 329 331 333
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IV. Teil – Anrufung des Bundesverfassungsgerichts I. Organisation des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
335
II. Verfassungsbeschwerde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zulässigkeitsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtsweg zum Bundesverfassungsgericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beschwerdefähigkeit und Beschwerdebefugnis . . . . . . . . . . . . . . . c) Rechtswegerschöpfung und Subsidiarität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Frist und Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Annahme zur Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Vertretungszwang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
335 335 336 336 336 337 338 339 340
III. Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
.....................
340
IV. Konkrete Normenkontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
341 341 343
V. Einstweiliger Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zulässigkeit des Antrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . b) Antragsberechtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ordnungsmäßigkeit des Antrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Rechtsschutzinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Begründetheit des Antrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
344 344 344 344 345 345 345 345
V. Teil – Anrufung des Europäischen Gerichtshofs I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
348
II. Die Besetzung des Europäischen Gerichtshofs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Spruchkörper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Generalanwalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
349 349 349
III. Das Vorabentscheidungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vorlageberechtigung und Vorlageverpflichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vorabentscheidungsersuchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Amtssprache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Prozessvertreter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Verfahrensablauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
350 350 351 352 352 353
XVII
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VI. Teil – Rechtsschutz im Vollstreckungs- und Insolvenzverfahren A. Rechtsschutz im Vollstreckungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357 I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357 II. Aufteilungsbescheid
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358
III. Einstweilige Einstellung der Vollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vorüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Unbilligkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtsfolgen und Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Aussetzung der Verwertung
358 358 359 361
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 362
V. Pfändungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 362 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 362 2. ABC des Rechtsschutzes und der Anträge im Vollstreckungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363 B. Rechtsschutz im Insolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370 I. Insolvenzantrag des Finanzamtes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370 II. Eröffnung des Insolvenzverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Stellung des Insolvenzverwalters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Unterbrechung und Aufnahme des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Anmeldung der Forderung zur Insolvenztabelle . . . . . . . . . . . . . . . . .
371 371 372 374
VII. Teil – Kostenregelungen I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377 1. Kostentragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377 2. Kosten des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377 II. Kostentatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verfahren vor dem Finanzgericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gerichtskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Außergerichtliche Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verfahren vor dem Bundesfinanzhof . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gerichtskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Außergerichtliche Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
378 378 378 381 384 384 384
III. Streitwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384 IV. Prozesskostenhilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Persönliche Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XVIII
386 386 387 388 390
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VIII. Teil – Musterschriftsätze Muster 1: Vorsorgliche Einspruchseinlegung zur Fristwahrung . . . . . . . . . Muster 2: Verspätete Einspruchseinlegung – Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Muster 3: Einspruchseinlegung mit Begründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Muster 4: Vorsorgliche Klageerhebung zur Fristwahrung . . . . . . . . . . . . . . Muster 5: Aufhebungsklage: Einkommensteuer, getrennte Veranlagung, Zusammenveranlagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Muster 6: Aufhebungsklage: Aufhebung einer Einspruchsentscheidung . . Muster 7: Aufhebungsklage: Aufhebung eines Berichtigungsbescheids . . . Muster 8: Aufhebungsklage: Haftungsbescheid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Muster 9: Änderungsklage: Herabsetzung der Einkommensteuer . . . . . . . . Muster 10: Änderungsklage: Änderung eines einheitlichen und gesonderten Feststellungsbescheids . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Muster 11: Verpflichtungsklage: Erlass eines Änderungsbescheids . . . . . . . Muster 12: Verpflichtungsklage: Ablehnung eines Erlassantrags . . . . . . . . . Muster 13: Allgemeine Leistungsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Muster 14: Feststellungsklage: Feststellung der Nichtigkeit einer Prüfungsanordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Muster 15: Fortsetzungsfeststellungsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Muster 16: Sprungklage bei Änderungsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Muster 17: Untätigkeitsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Muster 18: Aussetzung (Aufhebung) der Vollziehung eines Einkommensteuerbescheids . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Muster 19: Aussetzung (Aufhebung) der Vollziehung eines Haftungsbescheids . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Muster 20: Einstweilige Anordnung – Einstweilige Einstellung der Vollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Muster 21: Nichtzulassungsbeschwerde – Grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Muster 22: Nichtzulassungsbeschwerde: Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Muster 23: Nichtzulassungsbeschwerde: Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Muster 24: Anhörungsrüge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Muster 25: Einlegung der Revision (ohne Begründung) . . . . . . . . . . . . . . . . . Muster 26: Revisionsbegründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Muster 27: Schriftliche Erklärungen in einem Vorabentscheidungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Muster 28: Verfassungsbeschwerde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Muster 29: Einstweilige Anordnung gegen den Insolvenzantrag des Finanzamts gem. § 114 FGO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
393 394 396 398 399 401 403 405 407 409 411 413 415 416 418 420 422 424 426 428 430 432 434 436 438 439 441 443 446
XIX
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Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
448
I. Fristen im Steuerprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
448
II. Gerichtskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gebührentatbestände – Anlage 1 (zu § 3 Abs. 2 GKG) Kostenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gebührentabelle – Anlage 2 zum GKG (zu § 34) . . . . . . . . . . . . . . . .
450 450 453
III. Finanzgerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
454
Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
459
XX
Ausgewählte Literatur I. Kommentare Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Zivilprozessordnung, 66. Aufl. München 2008 Beermann/Gosch, Abgabenordnung – Finanzgerichtsordnung (Loseblattsammlung), Bonn–Berlin 2008 Gräber, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl. München 2006 Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung – Finanzgerichtsordnung (Loseblattsammlung), Köln 2008 Klein, Abgabenordnung, 9. Aufl. München 2006 Koch/Scholtz, Abgabenordnung, 5. Aufl. Köln 1996 Kühn/von Wedelstädt, Abgabenordnung – Finanzgerichtsordnung, 19. Aufl. Stuttgart 2008 Maunz/Dürig, Grundgesetz (Loseblattsammlung), München 2008 Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, Bundesverfassungsgerichtsgesetz (Loseblattsammlung), München 2008 Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung 1, §§ 1–102, 2. Aufl. München 2007 Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung, 2. Aufl. München 2000–2001 Pahlke/König, Abgabenordnung, §§ 1–368, München 2004 Pump/Leibner, Abgabenordnung, (Loseblattsammlung), München/Unterschleißheim 2005 Schwarz, AO, Kommentar zur Abgabenordnung (Loseblattsammlung), 11. Aufl. Freiburg 1998 ff. Schwarz, FGO, Kommentar zur Finanzgerichtsordnung (Loseblattsammlung), Freiburg 2007 Tipke/Kruse, Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung (Loseblatt), Köln 2008 Thomas/Putzo, Zivilprozessordnung, 28. Aufl. München 2007 Uhlenbruck, Insolvenzordnung, 12. Aufl. München 2002 Zöller, Zivilprozessordnung, 26. Aufl. Köln 2007
II. Lehrbücher und Monographien Ax/Große/Melchior, Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 19. Aufl. Stuttgart 2007 Birk, Steuerrecht, 10. Aufl. Heidelberg 2007 XXI
Ausgewählte Literatur
Boochs/Dauernheim, Steuerrecht in der Insolvenz, 3. Aufl. Neuwied 2007 Frotscher, Besteuerung bei Insolvenz, 5. Aufl. Heidelberg 2000 Jakob, Abgabenordnung, 3. Aufl. München 2001 Jesse, Einspruch und Klage im Steuerrecht, 2. Aufl. München 2002 Schima, Das Vorabentscheidungsverfahren vor dem EuGH, 2. Aufl. Wien/München 2004 Schreyer, Rechtsbehelfe in Steuersachen, 2. Aufl. München 1996 Seer, Der Einsatz von Prüfungsbeamten durch das Finanzgericht, Berlin 1993 Seer, Verständigungen im Steuerverfahren, Köln 1996 Tipke/Lang, Steuerrecht, 19. Aufl. Köln 2008
XXII
Abkürzungsverzeichnis a. A. a. a. O. ABl. Abs. AdV AEAO a. F. AfA AG AktG AnwBl AO AO-StB Art. Aufl. Az.
andere Auffassung am angegebenen Ort Amtsblatt (der EU) Absatz Aussetzung der Vollziehung Anwendungserlass zur Abgabenordnung alte Fassung Absetzung für Abnutzung Aktiengesellschaft Aktiengesetz Anwaltsblatt Abgabenordnung Der AO-Steuerberater Artikel Auflage Aktenzeichen
BAföG BayVerwGH BB BerlinFG betr. BewG BFH BFH/NV BGB BGBl. BGH BMF BSHG BStBl. BT-Drucks. BVerfG BVerfGG BVerfGE BVerwG bzgl. bzw.
Bundesausbildungsförderungsgesetz Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Betriebs-Berater Berlinförderungsgesetz betreffend Bewertungsgesetz Bundesfinanzhof Sammlung der Entscheidungen des BFH Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Bundesministerium der Finanzen Bundessozialhilfegesetz Bundessteuerblatt Bundestags-Drucksache Bundesverfassungsgericht Bundesverfassungsgerichtsgesetz Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bundesverwaltungsgericht bezüglich beziehungsweise
Co.
Companie
DB ders. dgl. d. h.
Der Betrieb derselbe dergleichen das heißt XXIII
Abkürzungsverzeichnis
DRiG DStR DStRE DStZ
Deutsches Richtergesetz Deutsches Steuerrecht Deutsches Steuerrecht Entscheidungsdienst Deutsche Steuerzeitung
EFG EG EGAO EGKS EGMR EGV ErbStG EStDV EStG EU EuGH EuGRZ
Entscheidungen der Finanzgerichte Europäische Gemeinschaft Einführungsgesetz zur Abgabenordnung Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft Erbschaftsteuergesetz Einkommensteuer-Durchführungsverordnung Einkommensteuergesetz Europäische Union Europäischer Gerichtshof Europäische Grundrechte-Zeitschrift
f. ff. FG FGO FGG FGOÄndG FR
folgende fortfolgende Finanzgericht Finanzgerichtsordnung Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Gesetz zur Änderung der Finanzgerichtsordnung Finanz-Rundschau
GbR gem. GewStG GG ggf. GKG GmbH GmS-OGB GrS GVG GVPl GWB
Gesellschaft bürgerlichen Rechts gemäß Gewerbesteuergesetz Grundgesetz gegebenenfalls Gerichtskostengesetz Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes Großer Senat Gerichtsverfassungsgesetz Geschäftsverteilungsplan Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen
HFR h. L. h. M.
Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung herrschende Lehre herrschende Meinung
i. d. F. i. d. R. i. E. INF
in der Fassung in der Regel im Einzelnen Die Information über Steuer und Wirtschaft
XXIV
Abkürzungsverzeichnis
i. H. v. InsO i. S. i. V. m.
in Höhe von Insolvenzordnung im Sinne in Verbindung mit
JKomG JStG JVEG JZ
Justizkommunikationsgesetz Jahressteuergesetz Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz Juristenzeitung
KG KGaA KÖSDI KostRModG KostVfG krit. KStG KV
Kommanditgesellschaft Kommanditgesellschaft auf Aktien Kölner Steuerdialog Kostenrechtsmodernisierungsgesetz Kostenverfügung der Justizverwaltungen der Länder kritisch Körperschaftsteuergesetz Kostenverzeichnis
m. E. Mio. MünchKommInsO m. w. H. m. w. N.
meines Erachtens Million Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung mit weiteren Hinweisen mit weiteren Nachweisen
Nachw. n. F. NJW Nr. n. v. NW NWB
Nachweis/e neue Fassung Neue Juristische Wochenschrift Nummer nicht veröffentlicht Nordrhein-Westfalen Neue Wirtschaftsbriefe für Steuer- und Wirtschaftsrecht
o. g. OHG OLG
oben genannt Offene Handelsgesellschaft Oberlandesgericht
PKH PUDLV RStBl RVG Rz.
Prozesskostenhilfe Post-Universaldienstleistungsverordnung Reichssteuerblatt Rechtsanwaltsvergütungsgesetz Randziffer
S. s. SigG sj. sog.
Seite siehe Signaturgesetz steuer-journal.de sogenannt XXV
Abkürzungsverzeichnis
StÄndG st. Rspr. StB StBerG StBGebV StBereinG StbJb. StGB StEK StMBG St.-Nr. StPfl. StuB StuW
Steueränderungsgesetz ständige Rechtsprechung Steuerberater/in Steuerberatungsgesetz Steuerberatergebührenverordnung Steuerbereinigungsgesetz Steuerberater-Jahrbuch Strafgesetzbuch Steuererlasskartei Missbrauchsbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetz Steuernummer Steuerpflichtige/r Steuern und Bilanzen Steuer und Wirtschaft
Tz.
Textziffer
u. a. u. Ä. u. U.
unter anderem und Ähnliches unter Umständen
VdN VerfO-EuGH VGFGEntlG vgl. v. H. VollstrA VwGO VwVG VwZG
Vorbehalt der Nachprüfung Verfahrensordnung des Europäischen Gerichtshofes Gesetz zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit vergleiche vom Hundert Vollstreckungsanweisung Verwaltungsgerichtsordnung Verwaltungsvollstreckungsgesetz Verwaltungszustellungsgesetz
WP
Wirtschaftsprüfer
z. B. Ziff. ZIP ZSEG
zum Beispiel Ziffer Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Gesetz über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen Zeitschrift für Steuern und Recht Zivilprozessordnung Gesetz über die Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung zuzüglich
ZSteu ZPO ZVG zzgl.
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I. Teil Finanzbehördlicher Rechtsschutz A. Förmliche Rechtsbehelfe In diesem Teil soll der außergerichtliche Rechtsschutz gegen Maßnahmen der 1 Finanzbehörden behandelt werden. Hier ist zu differenzieren zwischen nichtförmlichen Rechtsbehelfen und förmlichen Rechtsbehelfen. Die nichtförmlichen Rechtsbehelfe sind im Unterschied zu den förmlichen Rechtsbehelfen mit Ausnahme des Antrags auf schlichte Änderung nach § 172 AO in der Abgabenordnung nicht geregelt. Sie vermögen nicht die Wirkungen eines förmlichen Rechtsbehelfs zu erzielen, da sie den Eintritt der Bestandskraft eines Bescheides nicht verhindern können. Sofern Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Bescheides bestehen, sollte in jedem Fall von einem förmlichen Rechtsbehelf, in der Regel dem Einspruch, Gebrauch gemacht werden, um den betreffenden Bescheid nicht bestandskräftig werden zu lassen und um ggf. eine Aussetzung der Vollziehung erreichen zu können.
I. Einspruch 1. Allgemeine Vorüberlegungen a) Prüfung des Bescheids Wenn der Steuerpflichtige bzw. sein Berater einen Steuerbescheid vom Finanz- 2 amt erhalten, sollten sie zunächst den Bescheid daraufhin überprüfen, ob das Finanzamt den in der betreffenden Steuererklärung gemachten Angaben gefolgt ist. Insbesondere etwaige Erläuterungen zum Steuerbescheid sollten sorgfältig gelesen und analysiert werden, da Abweichungen von der Erklärung hier regelmäßig bezeichnet und begründet werden. Allerdings sollte die Prüfung nicht auf die Lektüre der Erläuterungen beschränkt bleiben. Denn die Erfahrung zeigt, dass häufig von der Erklärung zum Nachteil des Steuerpflichtigen abgewichen worden ist, ohne dass hierauf in den Erläuterungen hingewiesen wird. b) Anzufechtende Maßnahme Vor Einlegung des Einspruchs müssen sich Steuerpflichtiger/Berater darüber im 3 Klaren sein, welche Maßnahme des Finanzamts mit dem Einspruch angegriffen werden soll. Dabei sind insbesondere die Vorschriften der §§ 157 Abs. 2 und 351 AO zu beachten: Gem. § 157 Abs. 2 AO bilden die Besteuerungsgrundlagen grundsätzlich einen 4 mit Rechtsbehelfen nicht selbständig anfechtbaren Teil der Steuerfestsetzung, 1
I Rz. 5
Finanzbehördlicher Rechtsschutz
soweit diese nicht in einem besonderen Bescheid besonders festgestellt worden sind. Hieraus folgt: Der Steuerpflichtige kann sich grundsätzlich nur gegen die Steuerfestsetzung als solche in dem Bescheid wenden und nicht eine einzelne der Steuerberechnung zu Grunde gelegte Besteuerungsgrundlage, die zur Begründung der Steuerfestsetzung dient, isoliert anfechten1. 5 Nach § 351 Abs. 2 AO können Entscheidungen in einem Grundlagenbescheid (z. B. Feststellungsbescheid) nur durch Anfechtung dieses Bescheides, nicht aber durch Anfechtung des Folgebescheides angegriffen werden. In der Praxis spielt gerade das Verhältnis zwischen Grundlagen- und Folgebescheid eine erhebliche Rolle. Denn häufig werden Folgebescheide mit Gründen angefochten, die sich gegen die Rechtmäßigkeit des Grundlagenbescheides richten. Dies kann zur Unzulässigkeit des betreffenden Einspruchs und dazu führen, dass die gesondert festgestellten Besteuerungsgrundlagen bestandskräftig und damit – auch in einem Folgebescheid – bindend werden (s. II Rz. 17). Empfehlung: Bei der Überprüfung des Steuerbescheides muss in jedem Fall festgestellt werden, ob die Abweichung auf einem Feststellungsbescheid/ Grundlagenbescheid beruht. Ist dies der Fall, muss für eine Anfechtung des Grundlagenbescheides gesorgt werden. c) Prüfung der Beschwer 6 Ein Einspruch ist nur dann zulässig, wenn der Steuerpflichtige durch den entsprechenden Steuerbescheid auch beschwert ist (s. hierzu im Einzelnen I Rz. 33). Ist das Finanzamt von der Erklärung abgewichen, steht damit noch nicht fest, dass der Steuerpflichtige hierdurch auch beschwert ist. Deshalb müssen Steuerpflichtiger/Berater ermitteln, wie sich die Abweichung auf die festgesetzte Steuerschuld ausgewirkt hat. Hat die Abweichung zu einer höheren Steuerfestsetzung geführt, liegt eine Beschwer vor. d) Einspruchsfrist 7 Unverzüglich sollten Steuerpflichtiger/Berater Beginn und Ende der Einspruchsfrist festhalten. Denn die Verbindlichkeit des Steuerbescheides kann nur dadurch beseitigt werden, dass dieser fristgerecht angefochten wird, damit das Finanzamt ihn aufhebt bzw. antragsgemäß ändert. Die Einspruchsfrist beträgt in der Regel einen Monat (§ 355 Abs. 1 Satz 1 AO) und beginnt mit Ablauf des Tages, an dem der Verwaltungsakt (Steuerbescheid) bekannt gemacht worden ist (zur Einspruchsfrist s. I Rz. 62 ff.). Ist die Frist schuldlos versäumt worden, kann Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt werden (s. I Rz. 74 ff.). Empfehlung: Steuerpflichtiger und Berater sollten in jedem Fall versuchen, innerhalb der Frist Einspruch einzulegen: Hierfür reicht es aus, wenn der Einspruch innerhalb der Frist per Telefax, Computerfax oder E-Mail an das Finanzamt übermittelt wird. Er braucht innerhalb der Einspruchsfrist nicht be-
__________
1 BFH v. 22.12.2003 – IX B 100/03, BFH/NV 2004, 532; Gräber/von Groll, § 40 FGO Rz. 73.
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Einspruch
Rz. 9 I
gründet zu werden. Deshalb reicht es zur Fristwahrung aus, dass dem Finanzamt innerhalb der Frist ein Schriftsatz zugeht, aus dem sich ergibt, dass gegen einen bestimmten Steuerbescheid Einspruch eingelegt wird. Beispiel: A erhält am 3.3. den Einkommensteuerbescheid 2006. In dem Bescheid ist insofern von der Steuererklärung zum Nachteil des A abgewichen, als Aufwendungen für Fortbildung in Höhe von 2000 Euro nicht als Werbungskosten anerkannt worden sind. Zur Wahrung der Einspruchsfrist reicht es aus, wenn A dem Finanzamt per Telefax folgendes Schreiben übermittelt: Betr.: St.-Nr. … hier: Einkommensteuerbescheid 2006 vom … Gegen den o. g. Einkommensteuerbescheid lege ich Einspruch ein. Eine Begründung meines Einspruchs folgt. Unterschrift e) Zweckmäßigkeit des Einspruchs Vor der Einlegung eines Einspruchs sollten sich Steuerpflichtiger/Berater überle- 8 gen, ob die Einlegung eines Einspruchs tatsächlich zweckmäßig ist. Denn das Einspruchsverfahren führt grundsätzlich zu einer Gesamtaufrollung des gesamten Falles. Die Finanzbehörde kann also im Einspruchsverfahren nicht nur Fehler zu Ungunsten des Steuerpflichtigen mit solchen Fehlern saldieren, die ihm zu seinen Gunsten unterlaufen sind. Es kann – nach vorherigem Hinweis – die Steuer auch höher festsetzen, also verbösern (§ 367 Abs. 2 AO; s. I Rz. 101). Einer drohenden Verböserung kann der Steuerpflichtige allerdings dann noch durch Rücknahme des Einspruchs entgehen (s. I Rz. 103, 253). Kostengesichtspunkte spielen bei der Frage, ob Einspruch eingelegt werden soll, keine Rolle, da das Einspruchsverfahren bei der Finanzbehörde kostenfrei ist. f) Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz Gem. § 361 Abs. 1 Satz 1 AO hat die Einlegung eines Einspruchs keinen Einfluss 9 auf die Vollziehung des angefochtenen Steuerbescheides. Das heißt, der Steuerpflichtige muss den in dem Bescheid festgesetzten Steuerbetrag auch dann zahlen, wenn er Einspruch eingelegt hat, um Vollstreckungsmaßnahmen zu vermeiden. Um den nachgeforderten Betrag nicht sofort zahlen zu müssen, muss der Steuerpflichtige gem. § 361 Abs. 2 Satz 2 AO einen Antrag beim Finanzamt auf Aussetzung der Vollziehung stellen. Diesem Antrag muss stattgegeben werden, wenn und insoweit ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides bestehen (s. I Rz. 231 ff.). Einstweilen frei
10–20 3
I Rz. 21
Finanzbehördlicher Rechtsschutz
2. Zulässigkeitsvoraussetzungen des Einspruchs a) Statthaftigkeit – Verwaltungsakte in bestimmten Angelegenheiten Gem. § 347 Abs. 1 Satz 1 AO ist der Einspruch als einziger außergerichtlicher Rechtsbehelf im steuerrechtlichen Verfahren gegen Verwaltungsakte statthaft, die erlassen werden
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– in Abgabenangelegenheiten, auf die die Abgabenordnung Anwendung findet (Nr. 1), außerdem – in bestimmten Verfahren zur Vollstreckung von Verwaltungsakten in anderen als den oben bezeichneten Angelegenheiten, soweit die Verwaltungsakte durch Bundesfinanzbehörden oder Landesfinanzbehörden nach den Vorschriften der Abgabenordnung zu vollstrecken sind (Nr. 2), – in allen öffentlich-rechtlichen und berufsrechtlichen Angelegenheiten, auf die gem. § 164a StBerG die Abgabenordnung anzuwenden ist (Nr. 3) sowie – in anderen durch die Finanzbehörden verwalteten Angelegenheiten, soweit die Vorschriften über die außergerichtlichen Rechtsbehelfe durch Gesetz für anwendbar erklärt worden sind oder erklärt werden (Nr. 4). § 347 Abs. 1 Satz 1 AO korrespondiert im Wesentlichen mit § 33 FGO, der Vorschrift über den Rechtsweg zu den Finanzgerichten. Wegen der Einzelheiten zu den Nrn. 1–4 des § 347 Abs. 1 AO wird deshalb auf die entsprechenden Ausführungen zu § 33 FGO verwiesen (s. II Rz. 281 ff.). Ein wichtiger Unterschied besteht allerdings: Der Rechtsweg zu den Finanzgerichten ist gegen alle finanzbehördlichen Maßnahmen eröffnet, während das Einspruchsverfahren nur gegen Verwaltungsakte i. S. des § 118 AO statthaft ist. Zu den mit dem Einspruch anfechtbaren Verwaltungsakten rechnen z. B.:
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– Aufforderung zur Anzeige nach § 33 ErbStG durch die Steuerfahndung nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO1, – Aufforderung, den Datenzugriff zu dulden und durch Übergabe des Datenträgers hieran mitzuwirken2, – Aufhebungs- und Änderungsbescheide, – Aufteilungsbescheide, – Abrechnungsbescheide, – die Ablehnung, einen Bescheid zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern, – Entscheidungen über Stundung und Erlass, – Festsetzung von Zinsen und Kosten sowie von Verspätungszuschlägen, Säumniszuschlägen u. Ä., – Feststellungsbescheide, Steuermessbescheide, Zerlegungsbescheide,
__________ 1 BFH v. 31.5.2006 – II R 66/04, BFH/NV 2007, 350. 2 Drüen in Tipke/Kruse, § 147 AO Tz. 82; Brockmeyer in Klein, § 147 AO Rz. 16; Sauer in Beermann/Gosch, § 147 Rz. 49; vgl. auch BFH v. 11.9.1996 – VII B 176/94, NV 1997, 166; BFH v. 15.9.1992 – VII R 66/91, NV 1993, 76; krit. Rüsken in Klein, § 200 AO Rz. 6.
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Zulässigkeitsvoraussetzungen des Einspruchs
Rz. 24 I
– Bescheide über Billigkeitsmaßnahmen nach § 163 AO, – Haftungsbescheide und Duldungsbescheide, – Prüfungsanordnung1, – Steuerbescheide, Steuervergütungsbescheide, – verbindliche Zolltarifauskünfte, – verbindliche Zusagen, Keine Verwaltungsakte und damit mit dem Einspruch nicht anfechtbar sind 23 u. a.: – Antrag des Finanzamts auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens2, – Benennungsverlangen nach § 160 Satz 1 AO3, – der Außenprüfungsbericht (er trifft keine Regelung, diese erfolgt erst durch den nachfolgenden Steuerbescheid), – Bestimmung des Betriebsprüfers4, – die Mahnung nach § 259 AO5, – innerdienstliche Kontrollmitteilungen, – schriftliche oder mündliche Hinweise und Belehrungen bzw. unverbindliche Auskünfte (sie treffen keine verbindliche Regelung), – vorläufige Bescheinigungen über die Gemeinnützigkeit. – Untätigkeitseinspruch
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Darüber hinaus ist der Einspruch gem. § 347 Abs. 1 Satz 2 AO statthaft, wenn geltend gemacht wird, dass über einen Antrag auf Erlass eines Verwaltungsaktes ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes binnen angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden ist. Hierdurch soll verhindert werden, dass die Finanzverwaltung den Rechtsschutz durch Untätigbleiben unterläuft6. Welche Frist als angemessen angesehen werden kann, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, insbesondere von Umfang und der Schwierigkeit der Bearbeitung des Antrags in tatsächlicher (möglicherweise umfangreiche, zeitaufwändige Ermittlungen) und rechtlicher Hinsicht sowie vom schutzwürdigen Interesse des Antragstellers ab7. Feste Regeln wird man hier kaum aufstellen können. Weitere Voraussetzung für einen Untätigkeitseinspruch ist, dass die Behörde ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes untätig geblieben ist. Das bedeutet: Der Untätigkeitseinspruch ist nur dann nicht statthaft, wenn
__________ 1 BFH v. 25.11.1997 – VIII R 4/94, BStBl. II 1998, 461. 2 BFH v. 19.12.1989 – VII R 30/89, BFH/NV 1990, 710 m. w. N.; Loose in Tipke/Kruse, § 251 AO Rz. 18 m. w. N. 3 BFH v. 10.11.1998 – VIII R 3/98, BStBl. II 1999, 199. 4 BFH v. 29.4.2002 – IV B 2/02, BStBl. II 2002, 507. 5 BFH v. 18.10.1994 – VII R 20/94, BStBl. II 1995, 42, BFH v. 30.9.2002 – VII S 16/02 (PKH), VII S 16/02 (NV), BFH/NV 2003, 142. 6 Vgl. Tipke in Tipke/Kruse, § 347 AO Rz. 24. 7 Ebenso Tipke in Tipke/Kruse, § 347 AO Rz. 27.
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I Rz. 25
Finanzbehördlicher Rechtsschutz
– ein zureichender Grund für die Untätigkeit vorliegt (z. B. Voraussetzungen für das Ruhen des Verfahrens gem. § 363 Abs. 2 AO) und – die Finanzbehörde dem Steuerpflichtigen diesen Grund rechtzeitig mitteilt. Wird auch über den Untätigkeitseinspruch nicht innerhalb angemessener Frist entschieden, so kann der Steuerpflichtige gem. § 46 Abs. 1 Satz 1 Untätigkeitsklage (s. II Rz. 308) erheben. 25 – Ausschluss des Einspruchs in besonderen Fällen Der Einspruch ist nicht statthaft – gegen Einspruchsentscheidungen (§ 348 Nr. 1 AO), Zwar ist auch die Einspruchsentscheidung ein Verwaltungsakt; damit wäre grundsätzlich gem. § 347 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO gegen eine Einspruchsentscheidung wiederum der Einspruch statthaft. Dies würde indessen zu einer wenig sinnvollen Häufung von Einsprüchen führen und wäre auch im Interesse eines effektiven Rechtsschutzes wenig sinnvoll. Das gilt auch dann, wenn die Einspruchsentscheidung eine höhere Steuerfestsetzung und damit eine erstmalige Beschwer enthält1. Denn nach Abschluss des Einspruchsverfahrens kann der Steuerpflichtige gem. § 44 Abs. 1 FGO Klage erheben, sofern der Einspruch ganz oder teilweise ohne Erfolg geblieben ist; – bei Nichtentscheidung über einen Einspruch (§ 348 Nr. 2 AO),
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Ähnliches gilt für den in § 348 Nr. 2 AO beschriebenen Fall der Nichtentscheidung über einen Einspruch. Auch hier würde die Einlegung weiterer Einsprüche wenig Sinn machen; denn auch in diesem Fall hat der Steuerpflichtige die Möglichkeit, ohne Abschluss des Einspruchsverfahrens gem. § 46 Abs. 1 Satz 1 FGO Klage zu erheben, sog. Untätigkeitsklage (s. II Rz. 308); – gegen Verwaltungsakte der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder, außer wenn ein Gesetz das Einspruchsverfahren vorschreibt (§ 348 Nr. 3 AO),
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Verwaltungsakte der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder können gem. § 44 Abs. 1 FGO direkt – also ohne Vorverfahren – mit der finanzgerichtlichen Klage angegriffen werden; – gegen Entscheidungen der Oberfinanzdirektionen in Angelegenheiten des 2. Abschnitts des 2. Teils des Steuerberatungsgesetzes (§ 348 Nr. 4 AO),
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– gegen Entscheidungen der Steuerberaterkammern in Angelegenheiten des 2. und 6. Abschnitts des 2. Teils des Steuerberatungsgesetzes (§ 348 Nr. 5 AO).
b) Zuständigkeit 29 Über den Einspruch entscheidet im Regelfall gem. § 367 Abs. 1 Satz 1 AO die Finanzbehörde, die den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat.
__________ 1 Vgl. dazu BFH v. 12.7.2005 – II R 10/04, BFH/NV 2006, 228; v. 22.3.2006 – XI R 24/05, BFH/NV 2006, 1179 sowie von Wedel in Beermann/Gosch, § 348 AO Rz. 4.
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Zulässigkeitsvoraussetzungen des Einspruchs
Rz. 34 I
Es ist denkbar, dass die örtliche Zuständigkeit der Finanzbehörde wechselt, z. B. 30 durch – Umstände, die in der Person des Steuerpflichtigen liegen (Umzug; Verlegung des Sitzes oder der Geschäftsleitung), oder – Änderung der Zuständigkeit der betreffenden Finanzbehörde (z. B. in Fällen einer Umorganisation). In derartigen Fällen eines Zuständigkeitswechsels entscheidet gem. § 367 Abs. 1 Satz 2 AO grundsätzlich die nachträglich zuständig gewordene Finanzbehörde. Zu beachten ist allerdings, dass ein Zuständigkeitswechsel kraft Gesetzes nicht bereits mit dem Vorliegen der sie begründenden Umstände (z. B. Wohnsitzwechsel) eintritt, sondern erst dann, wenn eine der beteiligten Finanzbehörden hiervon Kenntnis erlangt (§ 26 Satz 1 AO). Ausnahmsweise kann die bisher zuständige Finanzbehörde das Einspruchsverfahren zu Ende führen, wenn dies unter Wahrung der Interessen der Beteiligten der einfachen und zweckmäßigen Durchführung des Verfahrens dient1. Allerdings muss die neu zuständig gewordene Finanzbehörde ausdrücklich zustimmen (§ 367 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 26 Satz 2 AO). Die Entscheidung, welche Finanzbehörde das Einspruchsverfahren zu Ende führt, 31 ist kein Verwaltungsakt, sondern eine behördeninterne Maßnahme2. Sie kann deshalb nicht mit dem Einspruch angegriffen werden. Richtet sich der Einspruch gegen einen Verwaltungsakt, den eine Behörde auf- 32 grund einer gesetzlichen Vorschrift für die zuständige Finanzbehörde erlassen hat (z. B. in den Fällen des § 195 Satz 2 AO bei Beauftragung einer anderen Finanzbehörde mit der Durchführung einer Außenprüfung), so entscheidet die zuständige Finanzbehörde über den Einspruch; allerdings kann auch die für die zuständige Finanzbehörde handelnde Behörde dem Einspruch abhelfen (§ 367 Abs. 3 AO).
c) Beschwer des Einspruchsführers Gem. § 350 AO ist nur derjenige befugt, Einspruch einzulegen, der geltend macht, 33 durch einen Verwaltungsakt oder dessen Unterlassung beschwert zu sein. – Zweck
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§ 350 AO bezweckt, die Befugnis, Einspruch gegen einen Verwaltungsakt einzulegen, einzuschränken. Nur derjenige, der durch den Verwaltungsakt beschwert ist, soll Einspruch einlegen können; andere Personen, die diese Voraussetzung nicht erfüllen, sollen von dieser Rechtsschutzmöglichkeit ausgeschlossen werden. Hierdurch sollen – ähnlich wie bei der Klagebefugnis des § 40 Abs. 2 FGO – Popularrechtsbehelfe3 verhindert werden. Denn die in der
__________ 1 BFH v. 30.9.1989 – IX R 214/87, BFH/NV 1990, 431. 2 Kruse in Tipke/Kruse, § 26 AO Rz. 14. 3 Zum Begriff s. BFH v. 27.11.1985 – II R 90/83, BStBl. II 1986, 243.
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I Rz. 35
Finanzbehördlicher Rechtsschutz
Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung vorgesehenen Rechtsschutzmöglichkeiten dienen der Realisierung des Individualrechtsschutzes, der insbesondere auch durch Art. 19 Abs. 4 GG hinsichtlich des gerichtlichen Rechtsschutzes garantiert ist1. 35 – Begriff „Beschwer“ Im Unterschied zu § 40 Abs. 2 FGO, der Vorschrift über die Klagebefugnis, spricht § 350 AO nicht von der Geltendmachung einer „Rechtsverletzung“, sondern verwendet den Begriff „Beschwer“. Der Begriff „Beschwer“ ist weiter als der der „Rechtsverletzung“. Zwar ist stets eine Beschwer anzunehmen, wenn der Einspruchsführer geltend macht, in seinen Rechten verletzt zu sein (s II Rz. 327 ff.). Darüber hinaus liegt aber auch dann eine Beschwer vor, wenn z. B. bei Ermessensentscheidungen kein Ermessensfehler in Form eines Ermessensfehlgebrauchs oder einer Ermessensüberschreitung (§ 102 FGO; s. II Rz. 330 Stichwort „Ermessensentscheidung“) gerügt wird, sondern lediglich, dass – innerhalb des bestehenden Ermessensspielraums – die besonderen Belange des Steuerpflichtigen stärker hätten berücksichtigt werden sollen2. Beispiel: A stellt bei der Finanzbehörde einen Stundungsantrag bzgl. der Einkommensteuerabschlusszahlung für das Jahr 05, der mit vorübergehenden Liquiditätsproblemen begründet wird. Die Finanzbehörde lehnt den Antrag ab, ohne auf die Liquidität des A einzugehen. Hiergegen kann A Einspruch einlegen. Er ist durch die ablehnende Entscheidung in jedem Fall beschwert, da er mit seinem Einspruch geltend machen kann, die Finanzbehörde hätte seine finanzielle Situation stärker berücksichtigen sollen. Darüber hinaus liegt eine Beschwer auch dann vor, wenn Richtlinien, Erlasse oder Verfügungen, an die die Finanzbehörde im Gegensatz zum Gericht gebunden ist, nicht oder unrichtig angewendet worden sind3. Generell kann davon ausgegangen werden, dass jeder belastende Verwaltungsakt eine Beschwer darstellt, also insbesondere Steuerbescheide, die zu einer Steuerschuld führen. Hier braucht das Vorliegen einer Beschwer auch nicht besonders begründet zu werden (zu Besonderheiten s. I Rz. 35 ff. [44])4. – Beschwer durch einen Verwaltungsakt Die Beschwer muss gem. § 350 AO auf einem Verwaltungsakt oder auf dessen Unterlassung beruhen. Dies kann nur dann der Fall sein, wenn der Verwaltungsakt bekannt gegeben worden ist. Denn nur dann entfaltet er Rechtswirkungen (vgl. § 124 Abs. 1 AO). Vor der Bekanntgabe handelt es sich um einen behördeninternen Vorgang.
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Vgl. von Wedel in Beermann/Gosch, § 350 AO Rz. 4. Tipke in Tipke/Kruse, § 350 AO, Rz. 5. Tipke in Tipke/Kruse, § 350 AO Rz. 6. Vgl. BFH v. 27.11.1985 – II R 90/83, BStBl. II 1986, 243.
Zulässigkeitsvoraussetzungen des Einspruchs
Rz. 39 I
Hiervon zu unterscheiden sind allerdings die Verfahren, in denen über die Wirksamkeit der Bekanntgabe gestritten wird. In diesen Fällen ist eine Beschwer gegeben, weil zumindest der Anschein einer wirksamen Bekanntgabe erzeugt worden ist und der Steuerpflichtige ein rechtlich schutzwürdiges Interesse an einer Entscheidung über die Wirksamkeit der Bekanntgabe und damit über die Wirksamkeit des Bescheides hat. Eine Beschwer kann sich grundsätzlich nur aus dem Ausspruch/Tenor des Ver- 37 waltungsaktes ergeben, nicht aus der Begründung1. Falsche Begründungen, Hinweise oder Erläuterungen, die keinen Einfluss auf den Ausspruch des Verwaltungsaktes haben, können deshalb nicht zu einer Beschwer führen. Dies wird mitunter übersehen. Geht es dem Steuerpflichtigen beispielsweise lediglich um die Klärung einer steuerneutralen Aktivierungsfrage, die auf die Höhe der festgesetzten Steuer keinen Einfluss hat, so fehlt ihm für einen etwaigen Einspruch die Beschwer2. Ob der Tenor des Verwaltungsaktes eine Beschwer enthält, ist vielfach nicht einfach zu beantworten: Ist in einem Steuerbescheid die Steuerschuld oder der Messbetrag auf 0 Euro fest- 38 gesetzt, kann in der Regel keine Beschwer geltend gemacht werden. Dies gilt jedenfalls für Einkommensteuerbescheide3 und in der Regel für Bescheide über den Gewerbesteuermessbetrag, in denen der Gewerbesteuermessbetrag auf 0 Euro festgesetzt wird4. Bei der Umsatzsteuer und der Körperschaftsteuer5 kann auch die Festsetzung eines Erstattungsbetrages bzw. einer negativen Steuerschuld (aufgrund eines Überhangs an Vorsteuern bzw. aufgrund einer Körperschaftsteuerminderung durch Aufbrauchen des nach dem Systemwechsel festgesetzten Körperschaftsteuerguthabens gem. § 37 Abs. 2 Satz 2 KStG) als Beschwer geltend gemacht werden, wenn ein höherer Erstattungsbetrag bzw. Minusbetrag erstrebt wird. Bei Gewinn- und Verlustfeststellungsbescheiden liegt eine Beschwer nicht nur dann vor, wenn geltend gemacht wird, der festgestellte Gewinn sei zu hoch, sondern auch dann, wenn eine höhere Verlustfeststellung erstrebt wird6. Von dem Grundsatz, dass es für die Beurteilung der Beschwer lediglich auf den 39 Tenor des Verwaltungsaktes ankommt, gibt es verschiedene Ausnahmen: – Sind einzelne Besteuerungsgrundlagen in einem Bescheid für andere Behörden auch zu Lasten des Steuerpflichtigen bindend, so ist von einer Beschwer auszugehen. Dies gilt z. B. für Leistungen nach dem BAföG hinsichtlich der positiven Einkünfte, nicht aber hinsichtlich der außergewöhnlichen Belastungen7.
__________ 1 BFH v. 27.1.1972 – IV R 157/71, BStBl. II 1972, 465; v. 23.8.2006 – IV B 114/05, BFH/NV 2007, 66. 2 H. M., vgl. BFH v. 4.4.1974 – IV R 7/71, BStBl. II 1974, 52. 3 BFH v. 20.4.2005 – X R 40/04, BFH/NV 2005, 1739; Gräber/von Groll, § 40 FGO Rz. 88. 4 BFH v. 2.6.1998 – VIII B 60/97, BFH/NV 1999, 53. 5 Vgl. BFH v. 21.10.1999 – I R 14/98, BStBl. II 2000, 325. 6 Tipke in Tipke/Kruse, § 350 AO Rz. 12. 7 BFH v. 29.5.1996 – III R 49/93, BStBl. II 1996, 654.
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I Rz. 40
Finanzbehördlicher Rechtsschutz
– Die günstige Steuerfestsetzung oder die Feststellung kann sich in späteren Jahren zum Nachteil des Steuerpflichtigen auswirken, z. B. – bei einem unrichtigen Bilanzansatz1 im Zusammenhang mit dem Grundsatz der Bilanzidentität, – bei der steuerlichen Beurteilung von bestimmten Aufwendungen als sofort abzugsfähige Werbungskosten und hieraus entstehenden Nachteilen in den Folgejahren, weil dem Steuerpflichtigen hinsichtlich der steuerrechtlichen Beurteilung ein Wahlrecht zusteht2, – bei rechtswidriger Bejahung einer Steuerschuldnerschaft (z. B. Gewerbesteuersubjekt, auch wenn der Gewerbesteuermessbetrag auf 0 Euro lautet) bzw. der Steuerpflicht (es wird geltend gemacht, es bestehe eine Körperschaftsteuerbefreiung)3. 40 Die Beschwer ergibt sich nicht zwingend nur aus der Höhe der festgesetzten Steuer. Sie kann sich auch aus der Beifügung einer unselbständigen Nebenbestimmung – Vorbehalt der Nachprüfung gem. § 164 Abs. 1 AO oder Vorläufigkeitsvermerk gem. § 165 Abs. 1 AO – ergeben. Diese Nebenbestimmungen sind zwar nicht gesondert anfechtbar; der Steuerpflichtige kann aber mit seinem Einspruch gegen den Bescheid geltend machen, dieser sei zu Unrecht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erteilt worden oder zu Unrecht vorläufig ergangen4. 41 Wird mit dem Einspruch allein die Verfassungsmäßigkeit einer angewendeten Norm gerügt und ist der Bescheid insoweit vorläufig (§ 165 Abs. 1 AO) ergangen, so fehlt grundsätzlich das Rechtsschutzbedürfnis für das Einspruchsverfahren, wenn sich die verfassungsrechtliche Streitfrage in einer Vielzahl gleich gelagerter Verfahren (Massenverfahren) stellt und diesbezüglich bereits ein nicht von vornherein aussichtsloses Musterverfahren beim Bundesverfassungsgericht anhängig ist5. 42 Da die im Zusammenhang mit der Beschwer auftretenden Probleme im Wesentlichen mit denen der Klagebefugnis übereinstimmen, wird wegen weiterer Einzelheiten auf das ABC der Klagebefugnis verwiesen (s. II Rz. 330). 43 – Geltendmachung der Beschwer Einspruchsbefugt ist gem. § 350 AO nur derjenige, der geltend macht, durch einen Verwaltungsakt oder dessen Ablehnung beschwert zu sein. Hieraus folgt, dass nur derjenige Einspruch einlegen kann, der von dem Inhalt des Verwaltungsaktes betroffen ist, für den der Verwaltungsakt also nach seinem Inhalt bestimmt ist. Dies ist in der Regel der Adressat des Verwaltungsaktes (vgl. §§ 122 Abs. 1, 124 Abs. 1 AO). Wird gegen Ehegatten als Gesamtschuldner ein einheitlicher Bescheid i. S. des § 155 Abs. 2 AO erlassen, so können beide Ehegatten Einspruch einlegen, da
__________ 1 BFH v. 19.9.1997 – IV R 16/95, BStBl. II 1997, 808. 2 Vgl. BFH v. 7.11.1989 – IX R 190/85, BStBl. II 1990, 460 m. w. N. 3 BFH v. 13.7.1994 – I R 5/93, BStBl. II 1995, 134; v. 13.5.1995 – II R 24/91, BStBl. II 1995, 653. 4 Vgl. Tipke in Tipke/Kruse, § 164 AO Rz. 53, 55 und § 165 AO Rz. 31. 5 BFH v. 16.5.2005 – VI R 37/01, BFH/NV 2005, 1323.
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Zulässigkeitsvoraussetzungen des Einspruchs
Rz. 46 I
sie beide betroffen sind. Ist der Bescheid jedoch nur an einen Ehegatten gerichtet, so ist der Einspruch des anderen Ehegatten mangels Beschwer unzulässig. Dies wird in der Praxis häufig nicht hinreichend beachtet. Die Zulässigkeit des Einspruchs hängt nicht davon ab, ob im Ergebnis tatsächlich eine Beschwer vorliegt. Insoweit muss sich aus dem insoweit schlüssigen Vortrag des Einspruchsführers die ernsthafte Möglichkeit einer Beschwer ergeben. Dies folgt aus dem mit § 350 AO verfolgten Zweck, sog. Popularrechtsbehelfe1 auszuschließen. Der Einspruchsführer braucht nicht stets das Vorliegen einer Beschwer zu be- 44 gründen. In der Abgabenordnung gibt es keine Vorschriften, die eine Pflicht zur Substantiierung des Rechtsbehelfsbegehrens normieren. § 357 Abs. 3 Satz 3 AO spricht lediglich davon, dass die Tatsachen, die zur Begründung des Einspruchs dienen, angegeben werden sollen. Deshalb besteht dann keine Notwendigkeit zur Darlegung der Beschwer, wenn der Adressat eines ihn belastenden Steuerbescheides Einspruch einlegt (sog. Adressatentheorie); mit der Einlegung des Einspruchs macht er geltend, dass er eine Überprüfung eines ihm nachteiligen Verwaltungsaktes begehrt2. Eine Beschwer setzt nicht voraus, dass dem Einspruchsführer etwas versagt 45 worden ist. Sie kann auch vorliegen, wenn er antragsgemäß veranlagt worden ist. Beispiel: A hat bei der zuständigen Finanzbehörde seine Einkommensteuererklärung 2001 eingereicht: Er ist antragsgemäß veranlagt worden. Bei der Überprüfung des entsprechenden Steuerbescheides stellt A fest, dass er vergessen hat, Fortbildungskosten als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend zu machen. Hier liegt eine Beschwer vor, da A geltend macht, dass die festgesetzte Einkommensteuer zu hoch ist, weil noch weitere Werbungskosten zu berücksichtigen sind, die zu einer Verminderung der Steuerschuld führen. Dass der A diesen Umstand schuldhaft nicht bereits mit seiner Erklärung geltend gemacht hat, schließt eine Beschwer nicht aus. Die Beurteilung einer Beschwer hängt nicht von Verschuldensfragen ab. – Wegfall der Beschwer
46
Eine Beschwer muss noch im Zeitpunkt der Entscheidung über den Einspruch vorliegen. Entfällt sie nach Einlegung des Einspruchs, aber vor der Einspruchsentscheidung, so ist der Einspruch unzulässig geworden. Die Beschwer kann entfallen, wenn der angefochtene Bescheid aufgehoben oder antragsgemäß geändert wird. Sie entfällt nicht durch die Vollziehung des angefochtenen Bescheides.
__________ 1 BFH v. 27.11.1985 – II R 90/83, BStBl. II 1986, 243. 2 BFH v. 27.11.1985 – II R 90/83, BStBl. II 1986, 243.
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I Rz. 47
Finanzbehördlicher Rechtsschutz
d) Einspruchsbefugnis 47 Wer beschwert ist, ist grundsätzlich auch einspruchsbefugt. Allerdings ist zu beachten: – bei mehreren Personen Neben der Beschwer als allgemeiner Einspruchsbefugnis ist bei einheitlichen Feststellungsbescheiden zusätzlich die Einspruchsbefugnis nach § 352 AO zu beachten. Es handelt sich um Feststellungsbescheide, die gegen mehrere Personen ergangen sind (§ 179 Abs. 2 Satz 2 AO), und zwar unabhängig von der Art der in die Feststellung einbezogenen Besteuerungsgrundlagen. Empfehlung: Bei Gesellschaftern, Gemeinschaftern oder sonstigen Mitberechtigten ist immer sorgfältig zu prüfen, wer überhaupt befugt ist, gegen den Feststellungsbescheid Einspruch einzulegen. Wird Einspruch für eine nicht einspruchsbefugte Person eingelegt und ist der Einspruch deshalb unzulässig mit der Folge, dass der anzufechtende Bescheid in Bestandskraft erwächst, könnte dies eine Haftung des Beraters auslösen. § 352 Abs. 1 Nr. 1 AO schränkt die Einspruchsbefugnis ein, wenn zur Vertretung berufene Geschäftsführer oder Empfangsbevollmächtigte i. S. von § 183 AO vorhanden sind. Da § 352 AO dem § 48 FGO entspricht, kann hierauf verwiesen werden (s. II Rz. 330 Stichwort „Feststellungsbescheide“). 48 – bei Rechtsnachfolge In § 353 AO ist die Einspruchsbefugnis des Rechtsnachfolgers klarstellend erwähnt. Bei der Gesamtrechtsnachfolge (z. B. Erbfolge) tritt der Erbe in die Rechtsposition des Rechtsvorgängers ein (§ 45 AO) und kann die Steuerbescheide, die gegen den Erblasser als Adressaten ergangen sind, nur anfechten, wenn die Einspruchsfrist noch nicht abgelaufen ist1. Bei der Einzelrechtsnachfolge (rechtsgeschäftlicher Erwerb) hat der Erwerber mit den gegen den Veräußerer ergangenen Steuerbescheiden grundsätzlich nichts zu tun und hat insoweit auch keine Einspruchsbefugnis, da er insoweit nicht beschwert ist. Lediglich bei Feststellungsbescheiden mit quasi dinglicher Wirkung (Einheitswertbescheide – § 182 Abs. 2 AO –, Grundsteuermessbescheide – § 184 Abs. 1 Satz 4 AO – sowie Zerlegungs- und Zuteilungsbescheide – §§ 185 und 190 AO –), die auch gegen den Rechtsnachfolger wirken, ist der Erwerber innerhalb der für den Rechtsvorgänger geltenden Einspruchsfrist befugt, Einspruch einzulegen.
e) Bindungswirkung anderer Verwaltungsakte 49 Bei der Prüfung der Zulässigkeit eines Einspruchs wird vielfach die Bindungswirkung anderer Verwaltungsakte übersehen. Dies kann zur Unzulässigkeit eines Einspruchs führen.
__________ 1 Vgl. Tipke in Tipke/Kruse, § 353 AO Rz. 2.
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Zulässigkeitsvoraussetzungen des Einspruchs
Rz. 52 I
Gem. § 351 Abs. 1 AO können Verwaltungsakte, die unanfechtbare Verwaltungs- 50 akte ändern, grundsätzlich nur insoweit angegriffen werden, als die Änderung reicht. Diese eingeschränkte Anfechtungsmöglichkeit von Änderungsbescheiden tritt nur ein, wenn der ursprüngliche Bescheid bereits vor Erlass des Änderungsbescheids unanfechtbar war. War die Einspruchsfrist noch nicht angelaufen, findet § 351 Abs. 1 AO keine Anwendung, ist der Änderungsbescheid also ohne Einschränkung anfechtbar. Mit dieser Einschränkung der Einspruchsmöglichkeit soll verhindert werden, dass die Bestandskraft bei Erlass von Änderungsbescheiden durchbrochen wird. Eine weitere Einschränkung der Einspruchsbefugnis enthält § 351 Abs. 2 AO: 51 Danach können Entscheidungen in einem Grundlagenbescheid i. S. des § 171 Abs. 10 AO nur durch Anfechtung dieses Bescheides, nicht auch durch Anfechtung des Folgebescheides angegriffen werden. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass die in dem Grundlagenbescheid festgestellten Besteuerungsgrundlagen für den Folgebescheid bindend sind und deshalb auch nicht mehr von dem für den Erlass des Folgebescheides zuständigen Finanzamt überprüft werden können (vgl. § 171 Abs. 10 AO). Für die Praxis besonders bedeutsam sind hier die Fälle des § 180 AO, insbesondere die sog. Gewinnfeststellungsbescheide. Empfehlung: Wird z. B. der Gewinn gem. § 180 Abs. 1 Nr. 2a AO gesondert festgestellt, so können Einwendungen gegen die Höhe des festgestellten Ergebnisses nur durch einen Einspruch gegen den betreffenden Grundlagenbescheid (Feststellungsbescheid) geltend gemacht werden, nicht aber im Rahmen eines Einspruchs gegen den Folgebescheid (Einkommensteuerbescheid). Wird dies übersehen, so könnte dies zur Haftung des Beraters führen. Allerdings kann im Verfahren gegen den Folgebescheid eingewendet werden, ein Grundlagenbescheid sei noch nicht oder nicht wirksam erlassen worden1. f) Beteiligtenfähigkeit Beteiligter eines Einspruchsverfahrens kann nur derjenige sein, der beteiligten- 52 fähig ist. Hierunter ist die Fähigkeit zu verstehen, in einem Verwaltungsverfahren Träger von Rechten und Pflichten sein zu können. Im Steuerrecht kann deshalb Beteiligter nur sein, wer steuerrechtsfähig ist. Die Steuerrechtsfähigkeit bestimmt sich nach den jeweiligen Steuergesetzen. Deshalb sind steuerrechtsfähig natürliche und juristische Personen, aber auch nichtrechtsfähige Personenvereinigungen wie z. B. die OHG, KG oder BGB-Gesellschaft, falls das jeweilige Steuergesetz sie für steuerrechtsfähig erklärt, wie z. B. für den Bereich des Umsatzsteuerrechts2. Unabhängig davon ist im Einspruchsverfahren jeder beteiligtenfähig, der Adressat des betreffenden Steuerbescheides ist, gegen den sich also der Steuerbescheid seinem Inhalt nach richtet. In der Praxis ist die Frage der Beteiligtenfähigkeit lediglich von untergeordneter Bedeutung.
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1 Vgl. BFH v. 6.12.1995 – I R 131/94, BFH/NV 1996, 592. 2 Wegen weiterer Einzelheiten vgl. Drüen in Tipke/Kruse, § 33 AO Rz. 25 ff.
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I Rz. 53
Finanzbehördlicher Rechtsschutz
g) Handlungsfähigkeit 53 Die Handlungsfähigkeit ist von der Beteiligtenfähigkeit zu unterscheiden. Sie entspricht im Zivilrecht der Geschäftsfähigkeit. Man versteht hierunter die Fähigkeit, in rechtlich zulässiger Weise Verfahrenshandlungen selbst, also ohne Vertreter vornehmen zu können, z. B. selbst Einspruch einlegen zu können. Gem. § 365 Abs. 1 i. V. m. § 79 Abs. 1 AO sind im Einspruchsverfahren handlungsfähig – natürliche Personen, die nach bürgerlichem Recht geschäftsfähig sind, – natürliche Personen, die nach bürgerlichem Recht in der Geschäftsfähigkeit beschränkt sind, soweit sie für den Gegenstand des Verfahrens durch Vorschriften des bürgerlichen Rechts als geschäftsfähig oder durch Vorschriften des öffentlichen Rechts als handlungsfähig anerkannt sind, – juristische Personen, Vereinigungen oder Vermögensmassen durch ihre gesetzlichen Vertreter oder durch besondere Beauftragte sowie – Behörden durch ihre Leiter, deren Vertreter oder Beauftragte.
h) Vertretung 54 Der Steuerpflichtige braucht den Einspruch nicht selber einzulegen und das Einspruchsverfahren durchzuführen. Er kann sich gem. § 80 Abs. 1 AO durch einen Bevollmächtigten vertreten lassen, der für ihn handelt. Die dem Bevollmächtigten erteilte Vollmacht ermächtigt grundsätzlich zu allen das Verwaltungsverfahren betreffenden Verfahrenshandlungen, falls sich aus ihrem Inhalt nicht etwas anderes ergibt (§ 80 Abs. 1 Satz 2 AO). Soll der Bevollmächtigte also z. B. nicht zur Rücknahme des Einspruchs berechtigt sein, muss die ihm erteilte Vollmacht ausdrücklich eine solche Einschränkung enthalten. Erteilt der Steuerpflichtige eine allgemeine Vollmacht, so schließt diese in aller Regel eine Empfangsvollmacht ein, es sei denn, der Bevollmächtigte weist ausdrücklich darauf hin, dass keine Bevollmächtigung zur Empfangnahme von Steuerbescheiden bestehe1. Die Vollmacht ermächtigt nicht zum Empfang von Steuervergütungen oder Steuererstattungen (§ 80 Abs. 1 Satz 2 2. Halbs. AO). Der Bevollmächtigte hat dem Finanzamt gegenüber seine Vollmacht auf Verlangen schriftlich nachzuweisen (§ 80 Abs. 1 Satz 3 AO). 55 Die Vollmacht erlischt durch Widerruf, der dem Finanzamt gegenüber allerdings erst mit dem Zugang wirksam wird (§ 80 Abs. 1 Satz 4 AO). Sie erlischt ferner durch Tod oder durch Eintritt der Handlungsunfähigkeit des Bevollmächtigten, nicht aber durch den Tod oder den Eintritt der Handlungsunfähigkeit des Vollmachtgebers. Der Bevollmächtigte hat jedoch, wenn er für den Rechtsnachfolger im Einspruchsverfahren auftritt, auf Verlangen des Finanzamts dessen Vollmacht schriftlich beizubringen (§ 80 Abs. 2 AO).
__________ 1 BFH v. 7.9.2005 – IV B 67/04, BFH/NV 2006, 234; Balmes in Kühn/von Wedelstädt, § 123 AO Anm. 4; Pahlke in Pahlke/Koenig, § 123 AO Rz. 8.
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Zulässigkeitsvoraussetzungen des Einspruchs
Rz. 58 I
Das Finanzamt hat die Bevollmächtigung und die Person des Bevollmächtigten 56 grundsätzlich zu akzeptieren. Es kann einen Bevollmächtigten jedoch zurückweisen, wenn er – ohne Befugnis geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen leistet (§ 80 Abs. 5 AO), – ungeeignet zum schriftlichen oder unfähig zum sachgemäßen mündlichen Vortrag ist (§ 80 Abs. 6 Satz 1 AO), – als Bevollmächtigter aus einem Mitgliedstaat der EU zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen im Inland fachlich nicht geeignet ist (§ 80 Abs. 7 Satz 1 AO). Zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen berufene Personen wie Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer können nicht zurückgewiesen werden. Die Bevollmächtigung hat zur Folge, dass Handlungen des Bevollmächtigten un- 57 mittelbar dem Steuerpflichtigen zuzurechnen sind. Das bedeutet, Verfahrenshandlungen und Erklärungen des Bevollmächtigten werden rechtlich als solche des Steuerpflichtigen behandelt. Dies gilt konsequenterweise auch für Versäumnisse, z. B. Fristversäumnisse (vgl. § 110 Abs. 1 Satz 2 AO). Grundsätzlich steht es im von den Gerichten nur eingeschränkt überprüfbaren Ermessen der Behörde, ob sie sich an den Beteiligten selbst oder an dessen Bevollmächtigten wendet1. In aller Regel soll sich die Behörde an den Bevollmächtigten halten und darf nur in Ausnahmefällen an den Beteiligten selbst herantreten2. Liegt aber eine schriftliche Vollmacht vor, so muss die Finanzbehörde förmliche Zustellungen gegenüber dem Bevollmächtigten vornehmen (§ 7 Abs. 1 Satz 2 VwZG n. F.3).
i) Form und Inhalt des Einspruchs – Form
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Der Einspruch muss gem. § 357 Abs. 1 Satz 1 AO schriftlich eingelegt oder zur Niederschrift der Finanzbehörde erklärt werden. Die Schriftform ist bereits dann gewahrt, wenn sich aus einem Schriftstück der Wille des Steuerpflichtigen ergibt, gegen einen Verwaltungsakt Einspruch einlegen zu wollen. Im Unterschied zur Schriftform des § 126 BGB ist eine eigenhändige Namensunterschrift des Steuerpflichtigen nicht zwingend erforderlich4. Dies ergibt sich aus § 357 Abs. 1 Satz 2 AO: Danach genügt es für einen Einspruch, wenn aus dem Schriftstück hervorgeht, wer den Einspruch eingelegt hat. Ein Einspruch kann auch beim Finanzamt mündlich durch Erklärung zur Niederschrift eingelegt werden. Erforderlich ist, dass der Steuerpflichtige
__________ 1 BFH v. 3.2.2004 – VII R 30/02, BStBl. II 2004, 439; v. 27.2.1986 – IV R 72/85, BStBl. II 1986, 547. 2 BFH v. 26.10.2005 – X B 41/05, BFH/NV 2006, 243. 3 BFH v. 29.7.1987 – I R 367, 379/83, BStBl. II 1988, 242 zu § 8 VwZG a. F. 4 H. M., vgl. FG des Saarlandes v. 7.5.1992 – 2 K 129/88, EFG 1992, 712; Tipke in Tipke/ Kruse, § 357 AO Rz. 12 m. w. N.
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I Rz. 59
Finanzbehördlicher Rechtsschutz
selbst oder sein Vertreter persönlich die Erklärung bei dem zuständigen Finanzbeamten, meist dem Sachbearbeiter der Veranlagungsstelle, abgibt und dieser die Erklärung schriftlich niederlegt und unterzeichnet. Eine fernmündliche Einspruchseinlegung ist nicht möglich, auch wenn der Finanzbeamte hierüber einen Vermerk fertigt1. Empfehlung: Es ist darauf zu achten, dass bei Einlegung des Einspruchs die Schriftform gewahrt wird. Es empfiehlt sich, das Schriftstück mit einer Unterschrift zu versehen. Eine fernmündliche Erklärung zur Niederschrift ist nicht möglich und führt zur Unzulässigkeit des Einspruchs, auch wenn der Finanzbeamte hierüber einen Vermerk fertigt. Die Wahrung der Schriftform durch Erklärung zur Niederschrift setzt das persönliche Erscheinen des Steuerpflichtigen oder seines Vertreters an Amtsstelle voraus. 59
Das Gesetz stellt in § 357 Abs. 1 Satz 3 AO ausdrücklich fest, dass Einspruch auch durch Telegramm eingelegt werden kann. Anerkannt ist inzwischen auch, dass andere Übertragungsformen zulässig sind, durch die das Finanzamt ein Schriftstück erhält, in dem ein Einspruch niedergelegt ist. So ist anerkannt, dass Einspruch auch per Telefax, Telebrief, Fernschreiben, Telekopie, Computerfax u. Ä. eingelegt werden kann2. Neuerdings kommt auch eine Einlegung per E-Mail in Betracht, sofern eine entsprechende Zugangsöffnung durch die Finanzverwaltung3 erfolgt ist (§ 87a Abs. 1 Satz 1 AO). Für diese Fälle ist von der Finanzverwaltung durch Erlass4 geregelt, dass entgegen § 87a Abs. 3 AO eine qualifizierte elektronische Signatur nicht erforderlich ist. Dies ist auch konsequent, da das Einspruchsschreiben nicht zwingend mit einer Unterschrift versehen werden muss.
60 – Inhalt Zum Inhalt des Einspruchs enthält das Gesetz in § 357 Abs. 3 AO lediglich Sollvorschriften. Danach soll bei der Einlegung des Einspruchs der angefochtene Verwaltungsakt bezeichnet werden. Außerdem soll angegeben werden, inwieweit der Verwaltungsakt angefochten und seine Aufhebung beantragt wird. Ferner sollen die Tatsachen, die zur Begründung dienen, und die Beweismittel (§ 92 AO) angeführt werden. Dadurch, dass der Gesetzgeber diese Anforderungen an den Inhalt des Einspruchs als Sollvorschriften formuliert hat, hat er zu erkennen gegeben, dass die entsprechenden Angaben nicht innerhalb der Einspruchsfrist gemacht werden müssen, sondern nachgeholt werden können. 61
Innerhalb der Einspruchsfrist muss allerdings feststehen, welcher Verwaltungsakt tatsächlich angefochten wird. Der angefochtene Verwaltungsakt als Objekt des Einspruchs muss sich aus der Einspruchsschrift in der Weise ergeben, dass er sich entweder durch deren Auslegung ermitteln lässt oder dass Zweifel oder Unklarheiten am Gewollten von der Finanzbehörde durch Rückfragen beseitigt
__________ 1 BFH v. 10.7.1964 – III 120/61 U, BStBl. III 1964, 590. 2 Vgl. BFH v. 19.1.1989, BStBl. II 1989, 567 und v. 26.3.1991, BStBl. II 1991, 463. 3 Eine Übersicht über die von der Finanzverwaltung eröffneten Zugänge findet sich unter www.eSteuer.de. 4 Anwendungserlass zur AO, Zu § 87a Nr. 3.
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Zulässigkeitsvoraussetzungen des Einspruchs
Rz. 64 I
werden können1. Denn ein Einspruch, mit dem ein Verwaltungsakt angefochten werden soll, muss sich gegen einen (bestimmten) Verwaltungsakt richten, und die Zulässigkeit eines solchen Einspruchs setzt voraus, dass der Einspruchsführer geltend macht, durch diesen Verwaltungsakt beschwert zu sein. Die genauen Angaben zu dem angefochtenen Bescheid – z. B. das Datum – können allerdings später nachgeholt werden. Empfehlung: Gelingt es nicht, innerhalb der Einspruchsfrist den Bescheid sorgfältig zu überprüfen, so empfiehlt es sich, vorsorglich einen Einspruch einzulegen, ohne diesen zu begründen. Auf diese Weise kann verhindert werden, dass der Bescheid bestandskräftig wird. Stellt sich später heraus, dass der angefochtene Bescheid rechtmäßig und nicht zu beanstanden ist, wird der Einspruch zurückgenommen. Kosten fallen hierbei nicht an. j) Einspruchsfrist Gem. § 355 Abs. 1 Satz 1 AO ist der Einspruch innerhalb eines Monats nach Be- 62 kanntgabe des Verwaltungsaktes einzulegen. Ein vor der Bekanntgabe eingelegter Einspruch ist grundsätzlich unzulässig und 63 muss nach Bekanntgabe wiederholt werden2. Ein Feststellungsbescheid kann von einem Feststellungsbeteiligten allerdings dann vor der Bekanntgabe an ihn selbst ohne zeitliche Begrenzung angefochten werden, wenn der Bescheid an einen anderen Beteiligten bekannt gegeben worden ist, da der Bescheid mit der Bekanntgabe an einen Feststellungsbeteiligten existent geworden ist3. – Bekanntgabe Voraussetzung für den Beginn der Einspruchsfrist ist eine wirksame Bekannt- 64 gabe. Bei Bekanntgabemängeln, die zur Unwirksamkeit des Bescheides führen, beginnt die Frist nicht zu laufen4. Dies ist konsequent, da gem. § 124 Abs. 1 AO ohnehin der Verwaltungsakt erst in dem Zeitpunkt wirksam wird, in dem er demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, bekannt gegeben wird. Empfehlung: Weist das Finanzamt auf die Versäumung der Einspruchsfrist hin und droht die Abweisung des Einspruchs als unzulässig, so sollte in jedem Fall mit besonderer Aufmerksamkeit geprüft werden, ob eine wirksame Bekanntgabe des Bescheides gem. § 122 AO erfolgt ist. Ein häufiger zu beobachtender Bekanntgabefehler ist, dass der Bescheid an eine nicht zur Empfangnahme berechtigte Person bekannt gegeben wird. Ebenso ist hier die falsche Bekanntgabe bei Vorliegen einer schriftlichen Empfangsvollmacht zu erwähnen. Ist dem Finanzamt eine schriftliche Empfangsvollmacht zugeleitet worden, muss die Bekanntgabe von Bescheiden bei der nach
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1 Vgl. BFH v. 28.11.2001 – I R 93/00, BFH/NV 2002, 613; v. 19.6.1997 – IV R 51/96, BFH/NV 1996, 6. 2 BFH v. 8.4.1983 – VI R 209/79, BStBl. II 1983, 551. 3 BFH v. 7.8.1990 – VIII R 257/84, BFH/NV 1991, 507. 4 BFH v. 10.7.1986 – V R 96/95, BStBl. II 1986, 834.
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I Rz. 65
Finanzbehördlicher Rechtsschutz
§ 122 Abs. 1 Satz 3 AO gebotenen Ermessensausübung (Ermessensreduzierung auf null) an den Empfangsbevollmächtigten erfolgen1. Wird stattdessen der Bescheid lediglich dem Steuerpflichtigen bekannt gegeben, ist die Bekanntgabe zunächst unwirksam und die Einspruchsfrist beginnt nicht zu laufen. In diesem Fall gilt aber in analoger Anwendung von § 9 Abs. 1 VwZG a. F. bzw. § 8 VwZG in der seit dem 1.2.2006 geltenden Fassung der Bescheid in dem Zeitpunkt als bekannt gegeben, in dem der richtige Empfänger bzw. der Empfangsbevollmächtigte den Bescheid tatsächlich erhält. Insoweit tritt eine Heilung ein, die zum Beginn der Einspruchsfrist führt2. Die Einspruchsfrist beginnt auch dann nicht zu laufen, wenn der angefochtene Bescheid aus anderen Gründen nichtig ist, da nichtige Bescheide keinerlei Rechtswirkungen entfalten können.
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66 – Steueranmeldungen Ein Einspruch gegen eine Steueranmeldung ist gem. § 355 Abs. 1 Satz 2 1. Halbs. AO innerhalb eines Monats nach Eingang der Steueranmeldung bei der Finanzbehörde einzulegen. Auf den Zeitpunkt der Bekanntgabe kann hier nicht abgestellt werden, da die Steueranmeldungen (Umsatzsteuervoranmeldung, Lohnsteueranmeldung, Kapitalertragsteueranmeldung u. a.) gem. § 168 AO einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleichkommen, folglich kein förmlicher Bescheid erteilt wird. Führt die Voranmeldung allerdings zu einer niedrigeren Steuer als bisher oder zu einer Steuervergütung, steht sie einer Steuerfestsetzung erst dann gleich, wenn die Finanzbehörde zustimmt (§ 168 Satz 2 AO). Für die Zustimmung ist keine Form vorgeschrieben (§ 168 Satz 3 AO); sie kann schriftlich wie mündlich erfolgen, ausdrücklich oder konkludent, z. B. durch Überweisung des Vergütungsbetrages3. In diesen Fällen ist gem. § 355 Abs. 1 Satz 2 2. Halbs. AO der Einspruch innerhalb eines Monats nach Bekanntwerden – nicht Bekanntgabe – der Zustimmung einzulegen. Jede Form des Bekanntwerdens reicht hier aus. Erhält der Steuerpflichtige keine schriftliche Mitteilung über die Zustimmung des Finanzamtes zur Steueranmeldung, beginnt die Frist regelmäßig erst mit der Zahlung der Steuervergütung oder des Mindersolls zu laufen. 67 – Untätigkeitseinspruch Der sog. Untätigkeitseinspruch (§ 347 Abs. 1 Satz 2 AO – s. I Rz. 24) kann unbefristet eingelegt werden (§ 355 Abs. 2 AO). 68 – Rechtsbehelfsbelehrung Bei schriftlichen4 oder elektronischen5 Verwaltungsakten beginnt die Frist für die Einlegung des Einspruchs gem. § 356 Abs. 1 AO nur, wenn der Bescheid mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung versehen ist. Voraussetzung für eine ordnungsgemäße Rechtsbehelfsbelehrung ist, dass der Beteiligte
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BFH v. 9.6.2005 – IX R 25/04, BFH/NV 2006, 225. BFH v. 1.12.2004 – II R 17/04, BStBl. II 2005, 855. BFH v. 28.2.1996 – XI R 42/94, BStBl. II 1996, 660. Gem. § 157 Abs. 1 AO müssen Steuerbescheide grundsätzlich schriftlich erteilt werden. S. § 87a AO Abs. 4.
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Zulässigkeitsvoraussetzungen des Einspruchs
Rz. 70 I
über den Einspruch und die Finanzbehörde, bei der er einzulegen ist, deren Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich belehrt worden ist (§ 356 Abs. 1 AO). Eine solche Rechtsbehelfsbelehrung wird in aller Regel den Steuerbescheiden beigefügt (vgl. § 157 Abs. 1 Satz 3 AO). Ist die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist die Einlegung des Einspruchs nur binnen eines Jahres nach der Bekanntgabe des Verwaltungsaktes zulässig, es sei denn, – dass die Einlegung vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war. Hier gilt aber § 110 Abs. 2 AO sinngemäß (§ 356 Abs. 2 Satz 2 AO), weshalb der Einspruch innerhalb eines Monats, nachdem die höhere Gewalt beseitigt ist, einzulegen ist, – oder eine schriftliche oder elektronische Belehrung dahin erfolgt ist, dass ein Einspruch nicht gegeben sei (§ 356 Abs. 2 Satz 1 AO). Empfehlung: Droht die Abweisung des Einspruchs als unzulässig wegen Versäumung der Einspruchsfrist, so sollte auf jeden Fall geprüft werden, ob die Rechtsbehelfsbelehrung ordnungsgemäß erfolgt ist. Die Einspruchsfrist ist eine gesetzliche Ausschlussfrist; sie kann deshalb nicht 69 nach § 109 Abs. 1 AO von der Finanzbehörde verlängert werden. – Fristenberechnung
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Für die Berechnung der Einspruchsfrist gelten gem. § 365 Abs. 1 i. V. m. § 108 Abs. 1 AO die bürgerlich-rechtlichen Vorschriften der §§ 187 ff. BGB entsprechend. Wichtig für den Beginn der Einspruchsfrist ist § 187 Abs. 1 BGB: Danach wird bei der Berechnung der Einspruchsfrist der Tag nicht mitgerechnet, an dem der betreffende Verwaltungsakt bekannt gegeben worden ist. Denn die Bekanntgabe ist nach § 355 Abs. 1 AO ein Ereignis, das für den Anfang der Einspruchsfrist maßgebend ist. Empfehlung: Bei der Fristenberechnung ist für den Fristenbeginn immer darauf zu achten, welche Form der Bekanntgabe die Finanzbehörde gewählt hat, ob die Zustellung durch einfachen Brief erfolgt ist oder mit Postzustellungsurkunde. Bei Zustellung durch einfachen Brief gilt für die Bekanntgabe immer die Dreitagevermutung nach § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO, wonach der Bescheid als am dritten Tag nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben gilt, auch wenn er früher zugegangen ist, es sei denn der Bescheid ist nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen. Fällt aber der dritte Tag des Dreitageszeitraums auf einen Sonntag, gesetzlichen Feiertag oder Sonnabend, so verlängert sich die Frist bis zum nächstfolgenden Werktag1. Wird die Einspruchsfrist falsch berechnet und trifft den Berater hieran ein Verschulden, so kann dies zur Haftung des Beraters führen, sofern infolgedessen der Einspruch verspätet eingelegt wird.
__________ 1 So neuerdings die geänderte st. Rspr., BFH v. 14.10.2003 – IX 68/98, BStBl. II 2003, 898; v. 11.3.2004 – VII R 13/03, BFH/NV 2004, 1065.
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I Rz. 71
Finanzbehördlicher Rechtsschutz
Beispiel: Ein Bescheid wird am Mittwoch, 10.1.2007 mit einfachem Brief zur Post gegeben (Bekanntgabe nach § 122 Abs. 2 AO). Der Bescheid gilt trotz der Dreitagevermutung, da der dritte Tag auf einen Sonnabend fällt, am Montag, den 15.1.2007, als bekannt geben. 71
Bei der förmlichen Zustellung mit Postzustellungsurkunde gilt dagegen der Bescheid an dem Tag als bekannt gegeben, an dem die Zustellung nach den Vorschriften des Verwaltungszustellungsgesetzes als bewirkt gilt und der von dem Zusteller beurkundet wird (z. B. Tag der Übergabe oder der Ersatzzustellung). Dieser Tag muss nicht mit der o. g. Dreitagevermutung identisch sein! Beispiel: Ein Bescheid wird am Dienstag, 9.1.2007, mit einfachem Brief zur Post gegeben (Bekanntgabe nach § 122 Abs. 2 AO) oder am Freitag, 12.1.2007 per Zustellungsurkunde förmlich zugestellt. Hier beginnt die Frist jeweils an 13.1.2007, da der Tag der Bekanntgabe gem. § 187 Abs. 1 BGB nicht mitgerechnet wird.
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Die Einspruchsfrist endet gem. § 188 Abs. 2 BGB mit Ablauf des Tages, welcher mit seiner Benennung demjenigen entspricht, in den das Ereignis – hier die Bekanntgabe – gefallen ist. Beispiel: Tag der Bekanntgabe – wie im obigen Beispiel – der 12.1.2007, Fristbeginn wie oben am 13.1.2007, Fristende am 12.2.2007! Existiert bei einer nach Monaten bemessenen Frist ein der Benennung entsprechender Tag in dem Monat des Fristablaufs nicht, endet die Frist gem. § 188 Abs. 3 BGB mit dem Ablauf des letzten Tages des betreffenden Monats. Beispiel: Bekanntgabe des Bescheids am 31.1.2007; Fristbeginn am 1.2.2007; Fristende: 28.2.2007 um 24.00 Uhr! Fällt das Ende der Frist auf einen Sonnabend, Sonntag oder gesetzlichen Feiertag, endet die Frist gem. § 108 Abs. 3 AO erst mit Ablauf des nächstfolgenden Werktags.
73 – Versäumung der Einspruchsfrist Wird die Einspruchsfrist versäumt, ist der Einspruch gem. § 358 Satz 2 AO grundsätzlich als unzulässig zu verwerfen. Das bedeutet: Mag der Steuerpflichtige mit seinen Einwendungen gegen die Rechtmäßigkeit des Bescheides im Recht sein und die Steuer zu seinen Lasten zu hoch festgesetzt sein, kann er mit seinem Einspruch keinen Erfolg haben. Die Steuer kann also nicht herabgesetzt werden, weil der Einspruch unzulässig ist. In diesem Fall findet keine Überprüfung der Rechtmäßigkeit mehr statt.
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Zulässigkeitsvoraussetzungen des Einspruchs
Rz. 76 I
– Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
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Bei einer Versäumung der Einspruchsfrist müssen Steuerpflichtiger und Berater in jedem Fall sorgfältig prüfen, ob nicht eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Betracht kommt. Gem. § 110 Abs. 1 AO ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist (hierzu rechnet auch die Einspruchsfrist) einzuhalten. Ein etwaiges Verschulden des Beraters wird dem Steuerpflichtigen zugerechnet, muss er also gegen sich gelten lassen (§ 110 Abs. 1 Satz 2 AO). Die Wiedereinsetzung erfolgt aufgrund eines – formlosen – Antrags, der innerhalb 75 eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen ist. Er ist zu begründen; die Tatsachen zu seiner Begründung sind glaubhaft zu machen. Außerdem muss – darauf muss stets geachtet werden, wenn der Antrag Erfolg haben soll – die versäumte Handlung (hier die Einlegung des Einspruchs) innerhalb der Monatsfrist nachgeholt werden. Die Glaubhaftmachung der Wiedereinsetzungsgründe kann demgegenüber erst später erfolgen. Beispiel: A findet nach Rückkehr aus einem längeren Auslandsurlaub den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2006 vor. Der Bescheid ist während seines Urlaubs in seinen Briefkasten gelangt. Die Einspruchsfrist ist bereits abgelaufen. Hier beginnt die Frist für die Wiedereinsetzung mit der Rückkehr aus dem Urlaub. Das bedeutet: Will A den Bescheid anfechten, muss er binnen eines Monats nach Urlaubsrückkehr Einspruch einlegen, einen Wiedereinsetzungsantrag stellen und begründen. Zur Begründung würde hier der Hinweis auf den Auslandsurlaub mit Datumsangabe ausreichen. Über die Frage der Wiedereinsetzung entscheidet die Finanzbehörde im Ein- 76 spruchsverfahren. Sieht sie den Antrag als begründet an, wird sie – falls die übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen vorliegen – in die Prüfung der Begründetheit des Einspruchs eintreten. Sieht sie die Wiedereinsetzung als nicht begründet an, wird sie den Einspruch wegen Versäumung der Einspruchsfrist als unzulässig verwerfen. Da die Voraussetzungen des § 110 AO für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand denen des § 56 FGO für eine Wiedereinsetzung entsprechen, wird wegen der Einzelheiten auf die entsprechenden Ausführungen im II. Teil verwiesen (s. II Rz. 396 ff.). Abweichend von § 56 Abs. 2 FGO beträgt die Frist für den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Versäumung der Einspruchsfrist einen Monat und nicht lediglich zwei Wochen (vgl. § 110 Abs. 2 AO). Empfehlung: Wird der Einspruch wegen Verspätung als unzulässig verworfen, so sollte zusätzlich überprüft werden, ob die Steuerfestsetzung möglicherweise unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 AO) steht, und deshalb eine Änderung des Bescheides – unabhängig von Einspruchsfristen – beantragt werden kann. Dies wird in der Praxis immer wieder übersehen.
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I Rz. 77
Finanzbehördlicher Rechtsschutz
k) Einspruchsverzicht 77 Gem. § 354 Abs. 1 AO kann der Steuerpflichtige auf die Einlegung eines Einspruchs verzichten. Ein solcher Einspruchsverzicht führt zum Verlust der Möglichkeit, in zulässiger Weise Einspruch einlegen zu können, darüber hinaus aber auch jedenfalls faktisch zu einem Verlust der Klagemöglichkeit1. Der Einspruchsverzicht hat deshalb in der Praxis geringe Bedeutung. 78 Folgende Besonderheiten sind beim Einspruchsverzicht zu beachten: – Der Verzicht kann wirksam erst nach Erlass des Verwaltungsaktes erklärt werden (§ 354 Abs. 1 Satz 1 AO). Erlass ist gleichbedeutend mit Bekanntgabe des Verwaltungsaktes (vgl. § 124 Abs. 1 Satz 1 AO). – Der Verzicht kann auch bei Abgabe einer Steueranmeldung ausgesprochen werden für den Fall, dass die Steuer nicht abweichend von der Steueranmeldung festgesetzt wird (§ 354 Abs. 1 Satz 2 AO). – Der Verzicht ist gegenüber der zuständigen Finanzbehörde schriftlich oder zur Niederschrift zu erklären (§ 354 Abs. 2 Satz 1 AO). Dies entspricht der Form, in der der Einspruch einzulegen ist (vgl. § 357 Abs. 1 AO und I Rz. 58 f.) – Der Schriftsatz oder die Niederschrift, worin der Verzicht erklärt wird, darf keine weitere Erklärung enthalten (§ 354 Abs. 2 Satz 1 2. Halbs. AO). Der Verzicht darf nicht Bestandteil eines anderen Textes sein2, weil sich der Steuerpflichtige über die Bedeutung seiner Erklärung bewusst sein soll. – Der Verzicht kann nur vor Einlegung eines Einspruchs erklärt werden; wird er nach Einlegung eines Einspruchs erklärt, ist er regelmäßig als Rücknahme des Einspruchs auszulegen3. 79 Erfüllt ein Rechtsbehelfsverzicht die o. g. Voraussetzungen nicht, so ist er unwirksam. Er ist darüber hinaus dann unwirksam, wenn er durch eine Täuschungshandlung, Drohung, Zwang und ähnliche Handlungen durch die Finanzbehörde zu Stande gekommen ist4. Nach § 354 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 110 Abs. 3 AO kann die Unwirksamkeit eines Verzichts nach einem Jahr seit Ablauf der Einspruchsfrist nicht mehr geltend gemacht und der unterlassene Einspruch nicht mehr nachgeholt werden, außer wenn dies vor Ablauf des Jahres infolge höherer Gewalt nicht möglich war. Die Unwirksamkeit kann nicht in einem besonderen Verfahren geltend gemacht werden. Der Steuerpflichtige muss vielmehr gegen den betreffenden Verwaltungsakt Einspruch einlegen. Im Rahmen des Einspruchsverfahrens muss die Finanzbehörde dann über die Wirksamkeit des Verzichts entscheiden. Hält sie
__________ 1 Vgl. von Wedel in Beermann/Gosch, § 354 AO Rz. 1 und 8; Gräber/von Groll, § 50 FGO Rz. 2; a. A. zu Recht Tipke in Tipke/Kruse, § 354 AO Rz. 16; Pahlke in Pahlke/König, § 354 AO Rz. 11, die eine Klage für zulässig halten, aber die Klage bei wirksamem Einspruchsverzicht als unbegründet abweisen wollen, ohne in eine Sachprüfung einzusteigen. 2 BFH v. 3.4.1984 – VII R 18/80, BStBl. II 1984, 513. 3 So Tipke in Tipke/Kruse, § 354 AO Rz. 9. 4 von Wedel in Beermann/Gosch, § 354 AO Rz. 13.
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Zulässigkeitsvoraussetzungen des Einspruchs
Rz. 81 I
den Einspruchsverzicht für wirksam, muss sie den Einspruch als unzulässig verwerfen. Hält sie den Verzicht für unwirksam und liegen die übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen vor, so muss sie in eine Sachprüfung eintreten, also prüfen, ob der Einspruch begründet und der angefochtene Verwaltungsakt rechtswidrig ist. Empfehlung: Von einer Verzichtserklärung sollte – wenn überhaupt – nur vorsichtig Gebrauch gemacht werden. Will der Steuerpflichtige einen Bescheid nicht anfechten, braucht er lediglich die Rechtsbehelfsfrist verstreichen zu lassen. Einer Verzichtserklärung bedarf es nicht.
l) Rechtsschutzbedürfnis Aus den allgemeinen verfahrensrechtlichen Grundsätzen folgt, dass der Rechts- 80 schutz suchende Bürger ein schutzwürdiges Interesse an einer konkreten Entscheidung haben muss. Fehlt ein derartiges Rechtsschutzbedürfnis, ist der Einspruch unzulässig. Insoweit kann auf die Ausführungen zum Rechtsschutzinteresse bei der Klageerhebung verwiesen werden (s. II Rz. 341 ff.). Einem Einspruch fehlt grundsätzlich das Rechtsschutzbedürfnis, wenn mit ihm 81 ausschließlich Einwände erhoben werden, die sich auf die Verfassungsmäßigkeit einer im Steuerfall angewendeten gesetzlichen Regelung beziehen und der Bescheid in diesem Punkt deshalb gem. § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO vorläufig ergangen ist, weil die verfassungsrechtliche Streitfrage sich in einer Vielzahl im Wesentlichen gleich gelagerter Verfahren (Massenverfahren) stellt und bereits ein nicht von vornherein aussichtsloses Musterverfahren beim BVerfG anhängig ist1. Denn dann kann der Steuerpflichtige im Allgemeinen die Klärung der Streitfrage in dem Musterverfahren abwarten, ohne dadurch unzumutbare Rechtsnachteile zu erleiden2. Denn eine weitere verfassungsrechtliche Klärung in eigener Sache kann er gegebenenfalls später durch Rechtsbehelfe gegen die vom Finanzamt nach § 165 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 zu treffende Entscheidung herbeiführen, wenn ihm nach dem Ausgang des Musterverfahrens die Streitfrage nicht ausreichend beantwortet erscheint. Musterverfahren und Einspruchsverfahren müssen hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Streitfrage im Wesentlichen gleich gelagert sein; in dem Musterverfahren darf es nicht um einen anderen Sachverhalt gehen, der zusätzliche, möglicherweise sogar vorrangige Streitfragen aufwirft. Musterverfahren und Einspruchsverfahren müssen schließlich dieselbe Vorschrift3, nicht aber notwendigerweise auch das gleiche Streitjahr betreffen4. Ein Rechtsschutzinteresse liegt in diesen Fällen ausnahmsweise dann vor, wenn der Steuerpflichtige eine weitere Vorlage an das Bundesverfassungsgericht mit neuen Argumenten und neuen zusätzlichen Gerichtspunkten oder eine erstmalige Entscheidung des BFH herbeiführen will5.
__________
1 BFH v. 22.3.1986 – III B 173/95, BStBl. II 1986, 506. 2 BFH v. 10.11.1993 – X B 83/93, BStBl. II 1994, 119; v. 16.2.2005 – VI R 37/01, BFH/NV 2005, 1323. 3 BFH v. 27.11.1992 – III B 133/91, BStBl. II 1993, 240. 4 BFH v. 22.3.1996 – III B 173/95, BStBl. II 1996, 506. 5 BFH v. 7.2.1992 – III B 24-25/91, BStBl. II 1992, 408.
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I Rz. 82
Finanzbehördlicher Rechtsschutz
m) Zeitpunkt des Vorliegens der Zulässigkeitsvoraussetzungen 82 Die Voraussetzungen für die Zulässigkeit des eingelegten Einspruchs müssen im Zeitpunkt der Entscheidung des Finanzamts über den Einspruch vorliegen. Bis dahin können Zulässigkeitsmängel, soweit sie überhaupt heilbar sind, noch geheilt werden, so dass ein zunächst unzulässiger Einspruch ggf. noch zulässig werden kann. 83–95 Einstweilen frei.
3. Begründetheit des Einspruchs a) Allgemeines 96 Kommt die Finanzbehörde zu dem Ergebnis, dass der eingelegte Einspruch zulässig ist, hat sie seine Begründetheit zu überprüfen. Begründet ist der Einspruch dann, wenn der angefochtene Verwaltungsakt ganz oder teilweise rechtswidrig ist und den Einspruchsführer in seinen Rechten verletzt bzw. der Anspruch des Einspruchsführers auf Erlass eines abgelehnten Verwaltungsaktes ganz oder teilweise zu Unrecht abgelehnt worden ist. Bei Ermessensentscheidungen kann der Einspruch auch dann ganz oder teilweise begründet sein, wenn die Finanzbehörde aus Zweckmäßigkeitserwägungen zu einer Korrektur des Verwaltungsaktes gelangt. Für die Überprüfung des angefochtenen Bescheides im Einspruchsverfahren gelten im Prinzip die gleichen Grundsätze wie für das Veranlagungsverfahren. Dies ergibt sich aus der Verweisung in § 365 Abs. 1 AO auf die Vorschriften, die für den Erlass des angefochtenen oder begehrten Verwaltungsaktes gelten. Etwas anderes gilt nur für den Fall, dass das Gesetz für das Einspruchsverfahren Abweichungen vorschreibt, wie z. B. für die sog. Verböserung (s. I Rz. 101 ff.). b) Prüfungsumfang und Verböserung 97 – Prüfungsumfang § 367 Abs. 2 Satz 1 AO verpflichtet die zuständige Finanzbehörde, die Sache in vollem Umfang erneut zu prüfen. Dabei gelten für sie dieselben Regeln, die für das dem Einspruchsverfahren vorangegangene Verfahren gegolten haben (vgl. § 365 Abs. 1 AO). Das Einspruchsverfahren hat also nicht lediglich Rechtsschutzfunktion – im Unterschied zum finanzgerichtlichen Verfahren. Es ist vielmehr als Verlängerung des Verwaltungsverfahrens ausgestaltet. Die Finanzbehörde ist an die Sachanträge des Steuerpflichtigen nicht gebunden; sie kann den angefochtenen Bescheid grundsätzlich auch zu seinem Nachteil ändern (sog. Verböserung, s. I Rz. 101 ff.). 98
Die Verböserungsmöglichkeit endet bei einem endgültigen, nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Bescheid mit der Festsetzungsverjährung. Der Ablauf der Verjährung des Steueranspruchs wird durch die Einlegung des Einspruchs gem. § 171 Abs. 3a AO1 in vollem Umfang gehemmt. Die
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1 Eingefügt durch das StBereinG 1999 v. 22.12.1998.
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Begründetheit des Einspruchs
Rz. 100 I
frühere Rechtsprechung, wonach die Festsetzungsfrist nur im Umfang des Rechtsbehelfsantrags gehemmt wurde1, ist durch § 171 Abs. 3a AO überholt2. Bei einem Feststellungsbescheid, der allerdings mehrere, selbständig anfecht- 99 bare Feststellungen enthält und dadurch ohne weiteres teilbar ist, kann der Steuerpflichtige durch eine Teilanfechtung die Verböserungsmöglichkeit des Finanzamts hinsichtlich der nicht angefochtenen Feststellungen ausschließen. Derartige im Einzelnen selbständig anfechtbare Feststellungen enthalten z. B. Gewinnfeststellungsbescheide hinsichtlich der Feststellungsbeteiligten, der Höhe des Gewinns und der Gewinnverteilungsquote oder aber Einheitswertbescheide betr. Art, Wert und Zurechnung eines Grundstücks. Die Teilanfechtung hat zur Folge, dass die nicht angegriffene Feststellung bestandskräftig wird (Teilbestandskraft). Eine Änderung zu Ungunsten des Steuerpflichtigen kommt deshalb nur dann noch in Betracht, wenn die Voraussetzungen einer Änderungsvorschrift (z. B. § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO – Änderung wegen nachträglich bekannt gewordener Tatsachen, die zu einer höheren Steuer führen – oder § 164 Abs. 2 AO bei einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung) vorliegen, falls keine Festsetzungsverjährung eingetreten ist. Dies gilt auch, wenn gegen mehrere Verwaltungsakte (mehrere Steuerarten und/oder mehrere Jahre) in einem Schreiben – äußerlich verbundene – Einsprüche eingelegt werden, wie dies häufig nach einer Betriebsprüfung geschieht. Hier kann natürlich jeder einzelne Einspruch zurückgenommen werden, so dass die entsprechenden Steuerbescheide in Bestandskraft erwachsen3. Die Prüfungskompetenz der Finanzbehörde ist auf den Sachverhalt beschränkt, 100 der von dem angefochtenen Bescheid erfasst wird. Mit anderen Worten: Nur im Rahmen des Lebenssachverhalts, der durch den angefochtenen Bescheid erfasst worden ist, darf die Finanzbehörde prüfen, ob der steuerrechtlich erhebliche Sachverhalt vollständig und richtig ermittelt worden ist und die betreffende Steuer richtig festgesetzt worden ist4. Denn Gegenstand des Einspruchsverfahrens ist der angefochtene Bescheid (§ 347 Abs. 1, § 357 Abs. 2 und 3 AO). Insoweit findet die Überprüfungsmöglichkeit des Finanzamts ihre Grenze im angefochtenen Verwaltungsakt. Die Prüfung darf also nicht auf Personen, Zeiträume oder Steuern ausgedehnt werden, die von dem angefochtenen Bescheid nicht erfasst werden5. Von Bedeutung wird diese Beschränkung vor allem bei der Grunderwerbsteuer6: Hat die Finanzbehörde in dem angefochtenen Bescheid, z. B. in dem Vorgang A, einen grunderwerbsteuerpflichtigen Sachverhalt erfasst, so kann sie im Einspruchsverfahren nicht stattdessen den Vorgang B grunderwerbsteuerlich erfassen. Steht der angefochtene Verwaltungsakt unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 AO), oder ist er ganz oder teilweise vorläufig ergangen (§ 165
__________ 1 2 3 4 5 6
BFH v. 8.7.1998 – I R 112/97, BStBl. II 1999, 123. BFH v. 6.9.2006 – XI R 51/05, BStBl. II 2007, 83; Kruse in Tipke/Kruse, § 171 AO Rz. 52. So auch Tipke in Tipke/Kruse, § 367 AO Rz. 34. BFH v. 28.7.1993 – II R 50/90, BFH/NV 1993, 712. Vgl. Tipke in Tipke/Kruse, § 367 AO Rz. 18 m. w. N. Vgl. BFH v. 19.1.1994 – II R 32/90, BFH/NV 1994, 758.
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I Rz. 101
Finanzbehördlicher Rechtsschutz
Abs. 1 AO), ist die Finanzbehörde im Einspruchsverfahren nicht zu einer abschließenden Prüfung verpflichtet. Sie ist lediglich gehalten, die Sache in vollem Umfang erneut zu überprüfen1. Deshalb kann die Finanzbehörde über das Einspruchsverfahren nicht gezwungen werden, bei solchen Bescheiden in eine abschließende Prüfung einzusteigen. 101 – Verböserung Die „in vollem Umfang“ (§ 367 Abs. 1 AO) erfolgende Überprüfung des angefochtenen Bescheides im Einspruchsverfahren kann dazu führen, dass der Bescheid im Ergebnis zu Gunsten des Steuerpflichtigen rechtswidrig ist, die Steuer also z. B. zu niedrig festgesetzt ist, und die Finanzbehörde hieraus die Konsequenzen zieht und nach einem entsprechenden Hinweis die Steuer erhöht. Beispiel: A hat vergessen, in seiner Einkommensteuererklärung Beiträge zu einer Haftpflichtversicherung in Höhe von 2000 Euro zu erklären. Mit seinem Einspruch macht A diese Beiträge geltend. Bei ihrer Überprüfung stellt die Finanzbehörde fest, dass sie zu Unrecht von A geltend gemachte Mehraufwendungen für doppelte Haushaltsführung in Höhe von 4000 Euro als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit anerkannt hat, so dass sich das zu versteuernde Einkommen im Ergebnis um 2000 Euro erhöht. Hier kann die Finanzbehörde in der Einspruchsentscheidung – nach einem entsprechenden Hinweis – die Einkommensteuer höher festsetzen (sog. Verböserung). Als Verböserung ist auch die Aufhebung oder Änderung eines begünstigenden Bescheides anzusehen. Ebenso liegt eine Verböserung vor, wenn der angefochtene Bescheid nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stand, die Einspruchsentscheidung aber mit einem Vorbehaltsvermerk versehen werden soll2. Entsprechendes gilt für die spätere Beifügung eines Vorläufigkeitsvermerks in einen endgültigen Bescheid. Zwar dürfte auch der umgekehrte Fall, dass der angefochtene Bescheid unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stand, in der Einspruchsentscheidung dieser Vorbehalt aber aufgehoben werden soll, als Verböserung gewertet werden können, da dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit genommen wird, künftig noch Änderungen gem. § 164 Abs. 2 AO zu seinen Gunsten herbeiführen zu können3; insoweit ist aber ein Verböserungshinweis nicht erforderlich, weil sich die Verböserung ohnehin nicht durch die Rücknahme des Einspruchs vermeiden lässt4. Ebenso braucht auf die Verböserungsmöglichkeit dann nicht hingewiesen zu werden, wenn der angefochtene Bescheid unter dem Vorbehalt der Nachprüfung
__________ 1 2 3 4
BFH v. 15.12.1992 – VIII R 52/91, BFH/NV 1993, 684. Vgl. BFH v. 12.6.1980 – IV R 23/79, BStBl. II 1980, 527. So auch BFH v. 10.7.1996 – I R 5/96, BStBl. II 1997, 5. BFH v. 17.2.1998 – IX R 45/96, BFH/NV 1998, 816.
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Begründetheit des Einspruchs
Rz. 103 I
(§ 164 Abs. 1 AO) steht1 oder auch sonst die erhöhte Steuerfestsetzung noch nach Rücknahme des Einspruchs möglich ist, sich also die Verböserung nicht durch eine Rücknahme des Einspruchs verhindern lässt. Ist zweifelhaft, ob eine entsprechende Änderung zu Ungunsten des Steuerpflichtigen noch möglich ist, darf auf den Hinweis nicht verzichtet werden2. Empfehlung: Es ist zu beachten, dass verfahrensrechtlich eine Verböserung grundsätzlich nur dann zulässig ist, wenn der Steuerpflichtige zuvor darauf hingewiesen worden ist. Bei einer ungewollten Verböserung sollte überprüft werden, ob der entsprechende Hinweis ordnungsgemäß erteilt worden ist. Gem. § 367 Abs. 2 AO muss der Verböserungshinweis folgende Voraussetzun- 102 gen erfüllen: – Der Steuerpflichtige muss auf die Möglichkeit einer nachteiligen Änderung des angefochtenen Verwaltungsaktes hingewiesen werden. – Ihm müssen die Gründe für diese Änderung mitgeteilt werden. Das heißt: Die Finanzbehörde hat konkret darzulegen, in welchem Punkt bzw. in welchen Punkten sie ihre Auffassung geändert hat und aus welchem Grund. Allgemein gehaltene Angaben genügen nicht. Denn der Hinweis soll dem Steuerpflichtigen ermöglichen, den Umfang des Risikos einer Entscheidung nicht nur zu seinen Gunsten, sondern auch zu seinem Nachteil abwägen zu können. Insoweit ist jeweils der Einzelfall für die Auslegung des erforderlichen Inhalts des Hinweises maßgeblich3 – Er muss Gelegenheit haben, sich zu der für ihn nachteiligen Änderung zu äußern. Dies setzt eine angemessene Frist zur Stellungnahme voraus4. Die Hinweispflicht ist Ausfluss des Grundsatzes der Gewährung rechtlichen Gehörs. Durch den Hinweis soll dem Steuerpflichtigen insbesondere Gelegenheit gegeben werden, in seine Überlegungen die Möglichkeit der Rücknahme seines Einspruchs einzubeziehen, um so der drohenden Änderung zu seinem Nachteil zu entgehen. Allerdings braucht der Steuerpflichtige nicht darüber belehrt zu werden, er könne durch Rücknahme seines Einspruchs der Verböserung entgehen5. Wird der Verböserungshinweis nicht oder nicht ordnungsgemäß erteilt oder die 103 Frist zur Stellungnahme unangemessen kurz bemessen, liegt eine Verletzung des Grundsatzes der Gewährung rechtlichen Gehörs vor, der auf eine entsprechende Klage hin zur isolierten Aufhebung der Einspruchsentscheidung und damit zur Zurückverweisung an die Finanzbehörde führt, sofern der Steuerpflichtige im Klageverfahren einen solchen Antrag auf bloße Aufhebung der Einspruchsentscheidung stellt. Dadurch kann der Steuerpflichtige wie in das Einspruchsverfahren zurückversetzt werden, wodurch ihm die Möglichkeit eröffnet wird, nunmehr den Einspruch zurückzunehmen und der Verböserung zu entgehen.
__________ 1 2 3 4 5
BFH v. 10.7.1996 – I R 5/96, BStBl. II 1997, 5. BFH v. 22.3.2006 – XI R 24/05, BStBl. II 2006, 576. BFH v. 21.1.1997 – V B 110/96, BFH/NV 1997, 388. Vgl. von Wedel in Beermann/Gosch, § 367 AO Rz. 11. So auch Tipke in Tipke/Kruse, § 367 AO Rz. 30.
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I Rz. 104
Finanzbehördlicher Rechtsschutz
Beispiel: Es wird beantragt, die Einspruchsentscheidung vom …2007 aufzuheben. Begründung: Es wird gerügt, dass der Verböserungshinweis nicht ordnungsgemäß erteilt worden ist … 104
Allerdings kann der Steuerpflichtige auf die isolierte Aufhebung der Einspruchsentscheidung verzichten, wenn er eine Entscheidung des Gerichts in der Sache selbst erstrebt. Dies sollte er aber im Klageverfahren durch seinen Klageantrag und seine Klagebegründung unmissverständlich zum Ausdruck bringen. Beispiel: Es wird beantragt, unter Änderung des Einkommensteuerbescheides 2005 vom … und Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom …2007 zusätzliche Sonderausgaben in Höhe von 2000 Euro anzuerkennen und die Einkommensteuer 2005 auf … Euro herabzusetzen. Begründung: Der unterbliebene/nicht ordnungsgemäße Verböserungshinweis wird nicht gerügt. Es wird eine Sachentscheidung beantragt. …
c) Erörterung des Sach- und Rechtsstandes 105 Gem. § 364a Abs. 1 AO soll die Finanzbehörde vor Erlass einer Einspruchsentscheidung den Sach- und Rechtsstand auf Antrag des Einspruchsführers erörtern. Fehlt es an einem Antrag, steht es im Ermessen der Finanzbehörde, ob sie eine Erörterung durchführen will (§ 364a Abs. 1 Satz 3 AO). § 364a AO verfolgt das Ziel, eine einvernehmliche Erledigung des Einspruchsverfahrens zu fördern und damit Rechtsstreitigkeiten von den Finanzgerichten fern zu halten. Die mündliche Erörterung mit den Verfahrensbeteiligten ist in besonderem Maße geeignet ist, den Sachverhalt aufzuklären, Missverständnisse zu beseitigen, Rechtsfragen zu diskutieren und auf eine einvernehmliche Verständigung hinzuwirken. Die Befriedungsfunktion solcher Erörterungen sollte nicht unterschätzt werden. Ziel einer mündlichen Erörterung kann auch eine sog. tatsächliche Verständigung über schwierig zu ermittelnde tatsächliche Umstände sein. 106 Nach § 364a Abs. 1 Satz 1 AO hat der Steuerpflichtige die Möglichkeit, durch einen entsprechenden Antrag auf eine Erörterung hinzuwirken. Besondere Anforderungen an einen solchen Antrag sind im Gesetz nicht geregelt, so ist insbesondere keine besondere Form oder Frist vorgeschrieben. Der Antrag kann auch telefonisch gestellt werden1. Schon aus Beweisgründen empfiehlt sich aber, den Antrag schriftlich zu stellen. Auch sollte der Antrag so früh wie möglich gestellt werden, weil der Steuerpflichtige nicht weiß, wann die Finanzbehörde über den Einspruch entscheiden wird. Darüber hinaus sollten in dem Antrag die für erörterungswürdig gehaltenen Punkte angegeben werden, um die Abweisung des Antrags zu erschweren.
__________ 1 Jesse, B Rz. 223.
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Begründetheit des Einspruchs
Rz. 108 I
Empfehlung: Insbesondere in tatsächlich und/oder rechtlich schwierigen Fällen empfiehlt es sich für den Steuerpflichtigen und seinen Berater, einen Antrag auf Erörterung zu stellen. Denn durch die Erörterung lässt sich eher als im schriftlichen Verfahren eine tatsächliche Verständigung über Sachverhaltsfragen erzielen und auch der eigene Rechtsstandpunkt besser verdeutlichen. Hat der Steuerpflichtige einen Antrag gestellt, soll die Finanzbehörde erörtern. Aus dieser gesetzlichen Formulierung folgt, dass die Finanzbehörde für den Regelfall die Erörterung durchzuführen hat. Ihr Ermessen ist insoweit eingeschränkt. Nur bei Vorliegen besonderer Umstände, z. B. fehlender Begründung des Einspruchs und des Antrags, Nichtabgabe der Steuererklärung1, Verschleppungsabsicht, kann sie von einer Erörterung absehen. Die Ablehnung des Antrags auf Durchführung einer Erörterung erfüllt zwar die 107 Voraussetzungen des § 118 AO für einen Verwaltungsakt. Sie ist aber nicht mit dem Einspruch und anschließender Klage anfechtbar. Vielmehr ist hier der Rechtsgedanke des § 128 Abs. 2 FGO anwendbar, wonach verfahrensleitende Verfügungen nicht gesondert anfechtbar sind2. Eine zu Unrecht erfolgte Ablehnung kann allenfalls dazu führen, dass das Finanzgericht im Klageverfahren Verwaltungsakt und Einspruchsentscheidung aufhebt, sofern die Voraussetzungen des § 100 Abs. 3 FGO erfüllt sind3. Eine isolierte Aufhebung der Einspruchsentscheidung4 kommt nur in Betracht, wenn der Kläger durch die Ablehnung der Erörterung im Einspruchsverfahren beschwert (§ 40 Abs. 2 FGO) ist. Dafür muss er darlegen5, was er erörtert hätte, dass das Einspruchsverfahren aufgrund der Erörterung nach § 364a AO 1977 anders als vorliegend abgeschlossen worden wäre6 und dass er ein berechtigtes Interesse daran hat, dass die Sache noch einmal an das Finanzamt zurückgeht7. Empfehlung: Meinen der Einspruchsführer und sein Berater, dass die Erörterung im Einspruchsverfahren zu Unrecht unterblieben ist und die ergangene Einspruchsentscheidung rechtswidrig ist, so empfiehlt es sich, bei Klageerhebung auf die Sache selbst einzugehen und anzuregen, einen Erörterungstermin vor dem Berichterstatter anzuberaumen (zum Erörterungstermin im Klageverfahren s. II Rz. 527 ff.). Gem. § 364a Abs. 1 Satz 3 AO kann die Finanzbehörde auch nach ihrem eigenen 108 Ermessen zu einem Erörterungstermin laden, ohne dass ein entsprechender Antrag des Steuerpflichtigen vorliegt. Sachgerecht dürfte eine Erörterung insbesondere dann sein, wenn die Finanzbehörde absehen kann, dass sich das Einspruchsverfahren durch eine einvernehmliche Regelung erledigen lässt und so ein Klageverfahren vermieden werden kann.
__________ 1 FG München v. 24.4.1998 – 7 K 3785/97, EFG 1998, 1310. 2 So auch Tipke in Tipke/Kruse, § 364a AO Rz. 6. 3 So Tipke in Tipke/Kruse, a. a. O., § 364a AO Tz. 6; von Wedel in Beermann/Gosch, § 364a AO Rz. 25; Dumke in Schwarz, § 364a AO Rz. 29; Pahlke in Pahlke/Koenig, § 364a AO Rz. 24; s. hierzu auch II Rz. 697 ff. 4 Szymczak in Koch/Scholtz, § 364a AO Rz. 12. 5 BFH v. 6.9.2005 – IV B 14/04, BFH/NV 2005, 2166. 6 Vgl. Birkenfeld in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 364a AO Rz. 27; von Wedel in Beermann/Gosch, § 364a AO Rz. 25. 7 Klein/Brockmeyer, § 364a AO Rz. 6.
29
I Rz. 109
Finanzbehördlicher Rechtsschutz
109 Die Ladung zum Erörterungstermin ist nicht anfechtbar. In jedem Fall fehlt es für einen Einspruch gegen die Ladung an einer Beschwer i. S. des § 350 AO, denn das persönliche Erscheinen ist gem. § 364a Abs. 4 AO nicht erzwingbar1. 110 Die Erörterung kann in geeigneten Fällen auch telefonisch durchgeführt werden. Empfehlung: Bei telefonischen Erörterungen ist Vorsicht geboten. Eine telefonische Erörterung ist nur unbedenklich, wenn der Einspruchsführer bzw. sein Bevollmächtigter dem zustimmen2. Auf einen überraschenden Anruf des Finanzamts müssen sich Steuerpflichtiger und Berater nicht einlassen.
d) Ausschlussfrist zur Benennung von Tatsachen und Beweismitteln und zur Vorlage von Urkunden 111 § 364b Abs. 1 AO ermöglicht es der Finanzbehörde, dem Einspruchsführer eine Frist zu setzen – zur Angabe der Tatsachen, durch deren Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung er sich beschwert fühlt (Nr. 1), – zur Erklärung über bestimmte klärungsbedürftige Punkte (Nr. 2), – zur Bezeichnung von Beweismitteln oder zur Vorlage von Urkunden, soweit er dazu verpflichtet ist (Nr. 3). Die Fristsetzung ist eine Ermessensentscheidung der Finanzbehörde. 112 – Zweck des § 364b AO Der Steuerpflichtige ist im Einspruchsverfahren ebenso wie im Besteuerungsverfahren gem. § 365 Abs. 1 i. V. m. §§ 85, 88, 90 und 149 AO zur Mitwirkung verpflichtet, insbesondere zur Abgabe der Steuererklärung. § 364b AO gibt der Finanzbehörde die Möglichkeit, für die Erfüllung der Mitwirkungspflichten bestimmte Fristen zu setzen mit der Folge, dass Vorbringen oder Beweismittel nach Fristablauf zurückgewiesen werden können. § 364b AO dient der Verfahrensbeschleunigung und -konzentration und soll dem Missbrauch des Rechtsbehelfsverfahrens zu rechtsbehelfsfremden Zwecken (z. B. Zeitgewinn) entgegenwirken3. Deshalb macht die Finanzbehörde von der Möglichkeit der Fristsetzung nach dieser Vorschrift vorwiegend in solchen Einspruchsverfahren Gebrauch, die einen Schätzungsbescheid nach Nichtabgabe der Steuererklärung betreffen. Der Gesetzeszweck, Missbräuchen zu begegnen, kommt im Gesetzeswortlaut kaum zum Ausdruck, ist aber bei der Ermessensausübung zu berücksichtigen. 113 – Rechtmäßigkeit der Fristsetzung Die Finanzbehörde kann eine Frist setzen zur Angabe von Tatsachen, zur Erklärung über bestimmte Punkte sowie zur Bezeichnung von Beweismitteln und Vorlage von Urkunden. Damit orientiert sich § 364b Abs. 1 AO weitgehend an
__________ 1 Ebenso im Ergebnis auch Tipke in Tipke/Kruse, § 364a AO Rz. 8. 2 Vgl. auch Klein/Brockmeyer, § 364a AO Rz. 3. 3 BT-Drucks. 12/7427, 37.
30
Begründetheit des Einspruchs
Rz. 115 I
§ 79b FGO. Wegen der Einzelheiten zum Inhalt der Fristsetzung wird auf die entsprechenden Ausführungen zu § 79b FGO verwiesen (s. II Rz. 489 ff.). Ob die Finanzbehörde eine Frist setzt, mit welchem Inhalt und wie lang die Frist bemessen wird, obliegt ihrem Ermessen. Die Finanzbehörde kann eine Ermessensentscheidung darüber treffen, ob sie dem Steuerpflichtigen überhaupt eine Ausschlussfrist nach § 364b Abs. 1 AO setzen will. Es müssen Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Steuerpflichtige das Einspruchsverfahren zu verfahrensfremden Zwecken benutzen will, es ihm also nicht um Rechtsschutz, sondern um Zeitgewinn geht1. Da die sachgerechte Ermessensausübung gerichtlich überprüfbar sein muss, müssen die entsprechenden Ermessenserwägungen in der Fristsetzung angegeben werden2. Auch die Fristbemessung hat nach pflichtgemäßem Ermessen zu erfolgen, da 114 das Gesetz eine bestimmte Frist nicht vorsieht. Wie lang die Frist zu bemessen ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, insbesondere von seinem Umfang und seiner Schwierigkeit. Allgemein verbindliche Regeln wird man hier kaum aufstellen können. In der Regel dürfte eine Frist von einem Monat an der unteren Grenze des Zulässigen liegen und angemessen sein3. In jedem Fall muss die Frist aber so bemessen sein, dass ausreichend Überlegungszeit verbleibt und die gewünschten Angaben tatsächlich auch gemacht bzw. Urkunden und Beweismittel beschafft werden können. Die Frist kann als finanzbehördliche Frist gem. § 109 Abs. 1 Satz 1 AO verlängert werden. Die Fristverlängerung kann auf Antrag oder aber auch von Amts wegen erfolgen; es handelt sich ebenfalls um eine Ermessensentscheidung4. Der Antrag auf Fristverlängerung muss vor Ablauf der Frist bei der Finanzbehörde eingehen; eine rückwirkende Verlängerung der Frist ist ausgeschlossen5. Geht der Antrag auf Fristverlängerung erst nach Ablauf der Frist beim Finanzamt ein, so kommt nur eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. § 364b Abs. 2 Satz 3 i. V. m. § 110 AO in Betracht. – Anfechtbarkeit der Fristsetzung
115
Die Fristsetzung nach § 364b Abs. 1 AO ist nach weitaus überwiegender Meinung im Schrifttum ein Verwaltungsakt i. S. des § 118 AO6. Die selbständige Anfechtbarkeit der Fristsetzung nach § 364b AO ist nach wie vor umstritten7, wird von der finanzgerichtlichen Rechtsprechung jedoch verneint8. Über die
__________ 1 Vgl. Tipke in Tipke/Kruse, § 364b AO Rz. 18. 2 So auch von Wedel in Beermann/Gosch, § 364b AO Rz. 15. 3 So auch FG Brandenburg v. 24.10.1997 – 2 K 566/97 F, EFG 1998, 387 (388 m. w. N.); s. auch Tiedchen, BB 1996, 1033. 4 Vgl. Tipke in Tipke/Kruse, § 364b AO Rz. 29; von Wedel in Beermann/Gosch, § 364b AO Rz. 31. 5 Ebenso Tipke in Tipke/Kruse, § 364b AO Rz. 29. 6 Vgl. Tipke in Tipke/Kruse, § 364b AO Rz. 26; von Wedel in Beermann/Gosch, § 364b AO Rz. 13 f. m. w. N. 7 Ausführlich hierzu Klein/Brockmeyer, § 364b AO, Rz. 6 und 13 ff.; Tipke in Tipke/Kruse, § 364b AO Rz. 38 ff.; vgl. hierzu auch die Überblicke bei Hartmann, S. 133 ff. und Hettler, S. 146 ff.. 8 FG Saarland v. 21.2,1997 – 1 K 166/96, EFG 1997, 651; FG München v. 4.12.1997 – 13 K 2613/97, EFG 1998, 436, bestätigt durch BFH v. 20.7.2000 – VI R 8/98, n. v.
31
I Rz. 116
Finanzbehördlicher Rechtsschutz
Rechtmäßigkeit der Fristsetzung und die daraus folgende Präklusion entscheidet die Finanzbehörde erfahrungsgemäß grundsätzlich im Rahmen der Einspruchsentscheidung. 116 – Rechtsfolge: Präklusion im Einspruchsverfahren Wird die nach § 364b Abs. 1 AO unter Fristsetzung erteilte Aufforderung nicht innerhalb der gesetzten Frist erfüllt, tritt eine sog. obligatorische Präklusion1 ein. Das bedeutet: Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf der Frist vorgebracht werden, dürfen von der Finanzbehörde zu Gunsten des Steuerpflichtigen nicht mehr berücksichtigt werden. Insoweit besteht kein Ermessen der Finanzbehörde. Sie ist kraft Gesetzes gehindert, das verspätete Vorbringen zu berücksichtigen, es sei denn, die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sind erfüllt (§ 364b Abs. 2 Satz 2 i. V. m. § 110 AO – s. auch II Rz. 499). Empfehlung: Ist die Ausschlussfrist versäumt worden und kommt auch keine Wiedereinsetzung in Betracht, so muss Klage erhoben werden, wenn der Einspruch ganz oder teilweise zurückgewiesen wird. Im Klageverfahren hat der Steuerpflichtige nämlich noch die Möglichkeit, die versäumte Handlung nachzuholen. Denn im Klageverfahren ist das Gericht gem. § 76 Abs. 3 FGO nicht auf eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Fristsetzung nach § 364b AO beschränkt und wird auch nicht präjudiziert, sondern hat eine eigenständige Ermessensentscheidung zu treffen2. Dabei kann das Finanzgericht die nachgeholte Handlung nur unter engen Voraussetzungen als verspätet zurückweisen3. Allerdings sieht § 137 Satz. 3 FGO4 vor, dass die Kosten des Gerichtsverfahrens in diesem Fall dem Kläger aufzuerlegen sind. 117–130 Einstweilen frei.
4. Stillstand des Verfahrens 131 Der Stillstand des Einspruchsverfahrens führt dazu, dass Verfahrenshandlungen von der Finanzbehörde gegenüber den Verfahrensbeteiligten nicht wirksam vorgenommen werden können. Es laufen solange keine Fristen. § 249 ZPO findet insoweit sinngemäß Anwendung5.
a) Aussetzung des Verfahrens 132 Gem. § 363 Abs. 1 AO kann das Einspruchsverfahren wegen Vorgreiflichkeit eines anderen Verfahrens von der Finanzbehörde ausgesetzt werden. Eine Aussetzung setzt danach voraus, dass die Entscheidung ganz oder teilweise von dem Bestehen
__________ 1 Seer in Tipke/Kruse, § 76 FGO Rz. 113. 2 Einhellige Auffassung, BFH v. 30.11.2004 IX B 29/04, BFH/NV 2005, 711 m. w. N.; vgl. auch von Wedel in Beermann/Gosch, § 364b AO Rz. 54 ff., m. w. N.; Hellwig in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 76 FGO Rz. 78b; Birkenfeld, § 364b AO Rz. 58 ff. 3 Vgl. hierzu im Einzelnen II Rz. 499. 4 Eingefügt durch Gesetz v. 19.12.2001, BGBl. I 2001, 3922. 5 von Wedel in Beermann/Gosch, § 363 AO Rz. 4; Tipke in Tipke/Kruse, § 363 AO Rz. 4.
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Stillstand des Verfahrens
Rz. 133 I
oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anhängigen Rechtsstreites bildet oder von einem Gericht oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist. Liegen diese Voraussetzungen vor, kann die Finanzbehörde die Entscheidung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung des Gerichts oder der Verwaltungsbehörde aussetzen (§ 363 Abs. 1 AO). Es handelt sich um eine Ermessensentscheidung der Finanzbehörde, die nicht der Zustimmung oder eines Antrags des Steuerpflichtigen bedarf. Beispiel: A streitet mit der Finanzbehörde über die Höhe der AfA eines 2005 erworbenen Hauses. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren gegen den Einkommensteuerbescheid für 2005 erhebt A Klage beim Finanzgericht. In seiner Einkommensteuererklärung für 2006 setzt er wiederum die von der Finanzbehörde nicht anerkannte AfA an. Diese wird in dem betreffenden Einkommensteuerbescheid 2006 wiederum nicht berücksichtigt. Deshalb legt A Einspruch ein. Hier kann die Finanzbehörde die Entscheidung über den Einspruch gem. § 363 Abs. 1 AO bis zur Entscheidung des Finanzgerichts über die Klage gegen den Einkommensteuerbescheid 2005 aussetzen. Lehnt die Finanzbehörde einen Antrag auf Aussetzung des Verfahrens ab oder widerruft sie eine Aussetzungsentscheidung, kann diese Entscheidung nicht isoliert mit dem Einspruch angegriffen werden. Die Rechtswidrigkeit dieser Entscheidung kann nur durch Klage gegen die Einspruchsentscheidung – Rechtsschutzinteresse für die isolierte Aufhebung der Einspruchsentscheidung ist vorhanden1 – geltend gemacht werden (§ 363 Abs. 3 AO). b) Ruhen des Verfahrens – Ruhen aus Zweckmäßigkeitsgründen
133
Gem. § 363 Abs. 2 Satz 1 AO kann die Finanzbehörde das Verfahren mit Zustimmung des Einspruchsführers ruhen lassen, wenn dies aus wichtigen Gründen zweckmäßig erscheint. Das bloße Interesse des Steuerpflichtigen, den Steuerfall offen zu halten, stellt keinen wichtigen Grund dar2. Ein wichtiger Grund liegt insbesondere dann vor, wenn der Ausgang eines Musterverfahrens abgewertet werden soll. Ist allerdings bereits ein Verfahren beim Europäischen Gerichtshof, dem Bundesverfassungsgericht oder einem obersten Bundesgericht anhängig, liegt bereits ein Ruhen des Verfahrens kraft Gesetzes nach § 363 Abs. 2 Satz 2 AO vor. Deshalb hat Satz 1 dieser Vorschrift in der Praxis an Bedeutung verloren, da als Musterverfahren hier nur Verfahren vor den Instanzgerichten in Frage kommen, besonders vor den Finanzgerichten. Ein wichtiger Grund kann aber auch angenommen werden, wenn die streitige Frage durch Erlass geregelt werden soll.
__________
1 BFH v. 26.9.2006 – X R 39/05, BStBl. II 2007, 222. 2 BFH v. 6.7.1999 – IV B 14/99, BFH/NV 1999, 1587; Tipke in Tipke/Kruse, § 363 AO Rz. 19.
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I Rz. 134
Finanzbehördlicher Rechtsschutz
Die Entscheidung über das Ruhen des Verfahrens ist eine Ermessensentscheidung der Finanzbehörde, die die ausdrückliche Zustimmung des Einspruchsführers voraussetzt. Bei der Ausübung des Ermessens spielen insbesondere verfahrensökonomische Gesichtspunkte eine Rolle, nämlich unnötige Klageverfahren zu vermeiden. 134 – Ruhen wegen Musterverfahren Von Gesetzes wegen ruht das Einspruchsverfahren gem. § 363 Abs. 2 Satz 2 AO, wenn wegen der Verfassungsmäßigkeit einer Rechtsnorm oder wegen einer Rechtsfrage ein Verfahren bei dem Europäischen Gerichtshof, dem Bundesverfassungsgericht oder einem obersten Bundesgericht anhängig ist und der Einspruch hierauf gestützt wird. Der Einspruchsführer muss sich zur Begründung seines Einspruchs ausdrücklich auf ein anhängiges Verfahren bei einem der o. g. Gerichte berufen und dieses Verfahren muss für das Einspruchsverfahren präjuzielle Bedeutung haben, es muss also eine in dem Einspruchsverfahren entscheidungserhebliche Rechtsfrage betreffen1. Dies gilt allerdings dann nicht, wenn insoweit die Steuer gem. § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO vorläufig festgesetzt ist, so ausdrücklich § 363 Abs. 2 Satz 2 2. Halbs. AO2. § 363 Abs. 2 AO dient der Verfahrensökonomie. Durch das Ruhen des Einspruchsverfahrens soll verhindert werden, dass durch eine Vielzahl von Verfahren die Finanzbehörden und die Finanzgerichte blockiert werden, deren einheitliche Regelung nach Abschluss des Musterverfahrens zu erwarten ist. 135
Streitig war bisher die Frage, wie zu verfahren ist, wenn nicht nur wegen eines Punktes Einspruch eingelegt worden ist, der Gegenstand eines Musterverfahrens ist, sondern darüber hinaus noch weitere Punkte streitig sind. Nach überwiegender Meinung und der bisherigen Praxis ruhte das Verfahren dann insgesamt. Nunmehr kann insoweit aufgrund der Neuregelung in § 367 Abs. 2a AO3 durch Teileinspruchsentscheidung entschieden werden, soweit die Finanzbehörde eine solche für sachdienlich hält. Im Übrigen ruht das Einspruchsverfahren wegen des Musterverfahrens weiter kraft Gesetzes. Kann dem noch ruhenden Einspruch nach Ausgang des Musterverfahrens dann nicht abgeholfen werden, kann dieser – wie ruhende Einsprüche anderer Steuerpflichtiger betr. dieselbe Rechtsfrage – gem. § 367 Abs. 2b AO4 durch Allgemeinverfügung der obersten Finanzbehörde zurückgewiesen werden (s. I Rz. 204).
136 – Ruhen aufgrund einer Allgemeinverfügung Nach § 363 Abs. 2 Satz 3 AO kann durch öffentlich bekannt zu gebende Allgemeinverfügung mit Zustimmung der obersten Finanzbehörde für bestimmte Gruppen gleich gelagerter Fälle angeordnet werden, dass Einspruchsverfahren auch in anderen als den o. g. Fällen ruhen. Dabei kann es sich insbesondere um
__________ 1 BFH v. 25.11.2003 – II B 68/02, BFH/NV 2004, 462; v. 26.9.2006 – X R 39/05, BStBl. II 2007, 222; Tipke in Tipke/Kruse, § 363 AO Rz. 17 und 18; Klein/Brockmeyer, § 363 AO Rz. 14; Pahlke in Koenig/Pahlke, § 363 AO Rz. 46. 2 Zur Zulässigkeit des Einspruchs und der Klage in diesen Fällen s. BFH v. 16.2.2005 VI R 37/01, BFH/NV 2002, 1323. 3 Eingefügt durch JStG 2007 v. 13.12.2006, BGBl. I 2006, 2878. 4 Eingefügt durch JStG 2007 v. 13.12.2006, BGBl. I 2006, 2878.
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Stillstand des Verfahrens
Rz. 138 I
künftig anstehende Fälle von grundsätzlicher Bedeutung, vor allem wenn abzusehen ist, dass verfassungsrechtliche Fragen in Kürze zu klären sein werden1, handeln. Unklar ist, welche Behörde für den Erlass der Allgemeinverfügung in diesem Fall zuständig sein soll (Finanzamt, Oberfinanzdirektion, Landesfinanzministerium). Nicht geregelt ist auch – anders als in § 367 Abs. 2b Satz 2 AO –, in welcher Form die öffentliche Bekanntmachung erfolgen soll (Veröffentlichung in Tageszeitungen, im Bundessteuerblatt, im Bundesgesetzblatt?). – Fortsetzung des Verfahrens
137
Ruht das Verfahren, so ist es fortzusetzen, wenn der Einspruchsführer dies beantragt oder die Finanzbehörde dies dem Einspruchsführer mitteilt (§ 363 Abs. 2 Satz 4 AO). Der Einspruchsführer hat also die Möglichkeit, auf eine Fortsetzung des Verfahrens durch einen entsprechenden Antrag hinzuwirken. Dies gilt in allen Fällen des § 363 Abs. 2 AO2. Die Mitteilung der Finanzbehörde ist als rechtsgestaltender Verwaltungsakt eine Ermessensentscheidung. Der Einspruchsführer hat zwar kein subjektives Recht darauf, dass die Finanzbehörde von einer Fortsetzung des Einspruchsverfahrens vor Beendigung der gesetzlichen Zwangsruhe absieht. Er hat aber einen Anspruch auf rechtmäßige Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens3. Lehnt die Finanzbehörde einen Antrag auf Ruhen des Verfahrens ab oder widerruft sie das Ruhen des Verfahrens, so kann diese ablehnende Entscheidung nicht isoliert mit dem Einspruch angegriffen werden. Die Rechtswidrigkeit einer derartigen Entscheidung kann nur durch eine Klage gegen die Einspruchsentscheidung geltend gemacht werden (§ 363 Abs. 3 AO)4. Hat die Finanzbehörde das Ruhen des Einspruchsverfahrens ermessensfehlerhaft verweigert, so kann es, auch wenn die Klage letztlich abzuweisen ist, billigem Ermessen entsprechen, dem Finanzamt die gesamten Kosten des Verfahrens aufzuerlegen5.
c) Unterbrechung des Verfahrens Die §§ 347 ff. AO enthalten keine Regelungen über die Unterbrechung des außer- 138 gerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens. Sie sind insoweit lückenhaft. Die bestehende Gesetzeslücke ist nach allgemeiner Auffassung in entsprechender Anwendung der §§ 239 ff. ZPO zu schließen6. Hauptfälle sind hier die Gesamtrechtsnachfolge oder die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Ein-
__________ 1 2 3 4
Tipke in Tipke/Kruse, § 363 AO Rz. 25. BFH v. 27.11.1998 – IV B 14/99, BFH/NV 1999, 1587. BFH v. 26.9.2006 – X R 39/05, BStBl. II 2007, 222. BFH v. 14.7.2004 – IX R 13/01, BStBl. II 2005, 125; v. 26.9.2006 – X R 39/05, BStBl. II 2007, 222. 5 § 138 Abs. 1, 137 Satz 2 FGO; BFH v. 27.11.1998 – VI R 161-162/90, BFH/NV 1999, 659. 6 Vgl. BFH v. 10.6.1970 – III R 128/67, BStBl. II 1970, 665; v. 10.12.1975 – II R 150/67, BStBl. II 1976, 506; Tipke in Tipke/Kruse, § 363 AO Rz. 4; Birkenfeld in Hüschmann/ Hepp/Spitaler, § 363 AO Rz. 24; Klein/Brockmeyer, § 363 AO Rz. 3; Koch/Scholtz/ Szymczak, § 363 AO Rz. 11.
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I Rz. 151
Finanzbehördlicher Rechtsschutz
spruchsführers, die zur Unterbrechung des Verfahrens in analoger Anwendung des § 240 ZPO führen. Zu Einzelheiten s. die vergleichbare Regelung zur Unterbrechung des Klageverfahrens II Rz. 545. 139–150 Einstweilen frei.
5. Änderungsbescheid während des Einspruchsverfahrens 151 Wird dem Einspruch durch die Finanzbehörde voll stattgegeben und ergeht ein Vollabhilfebescheid, so ist das Einspruchsverfahren mit dem Abhilfebescheid erledigt, und es bedarf keiner Einspruchsentscheidung (§ 367 Abs. 2 Satz 3 AO)1. Der Einspruch gegen den angefochtenen Bescheid wird unzulässig, weil mit dem Abhilfebescheid die Beschwer entfallen ist2. Ein Abhilfebescheid, der zur Erledigung des Einspruchsverfahrens führt, liegt auch dann vor, wenn sich der Bescheid teilweise als dem Einspruchsführer nachteilig erweist, er dieser Änderung aber nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a, 1. Halbs. AO zugestimmt hat3. 152 Wird im Übrigen der angefochtene Verwaltungsakt während des Einspruchsverfahrens geändert oder ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt automatisch Gegenstand des Einspruchsverfahrens (§ 365 Abs. 3 AO). Ein gegen den Änderungsbescheid eingelegter Einspruch ist unzulässig. Voraussetzung ist immer, dass der Einspruch als solcher zulässig ist. Ist das außergerichtliche Rechtsbehelfsverfahren gegen den ursprünglichen Verwaltungsakt durch einen unzulässigen Rechtsbehelf begonnen worden, so ist der Einspruch gegen den Erstbescheid als unzulässig zu verwerfen; der neue Verwaltungsakt kann in diesem Verfahren in der Sache nicht geprüft werden4. In diesem Fall ist vielmehr gegen den Änderungsbescheid Einspruch einzulegen. § 363 Abs. 3 AO wird u. a. angewendet in folgenden Fällen: Angefochtener Bescheid
„Neuer Bescheid“ während des Einspruchsverfahrens
Anwendung des § 363 Abs. 3 Satz 1 AO – Einspruch unzulässig
Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid
Umsatzsteuer-Jahresbescheid
Ja5
Einkommensteuer-Vorauszahlungsbescheid
Einkommensteuer-Jahresbescheid
Ja6
__________ 1 BFH v. 5.6.2003 – IV R 38/02, BStBl. II 2004, 2; v. 4.2.1976 – I R 203/73, BStBl. II 1976, 551. 2 von Wedel in Beermann/Gosch, Steuerliches Verfahrensrecht, § 367 AO Rz. 15. 3 BFH v. 5.6.2003 – IV R 38/02, BStBl. II 2004, 2. 4 BFH v. 13.4.2000 – V R 56/99, BStBl. II 2000, 490. 5 BFH v. 4.11.1999 – V R 35/98, BStBl. II 2000, 454. 6 BFH v. 13.12.2006 – VIII R 62/04, BFH/NV 2007, 584.
36
Rz. 166 I
Hinzuziehung zum Einspruchsverfahren
Angefochtener Bescheid
„Neuer Bescheid“ während des Einspruchsverfahrens
Anwendung des § 363 Abs. 3 Satz 1 AO – Einspruch unzulässig
Gewerbesteuermessbescheid für Vorauszahlungszwecke
Gewerbesteuermessbescheid für das Kalenderjahr
Ja1
Bescheid unter dem Vorbehalt Bescheid über die Aufhebung der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 des Vorbehalts der Nachprüfung AO) (§ 164 Abs. 3 Satz 1 AO)
Ja2
Erstbescheid
Teilabhilfebescheid
Ja
Erstbescheid
Verbösernder Bescheid nach § 367 Abs. 2 Satz 2 AO
Ja
Erstbescheid
Änderung nach § 129 AO
Ja analog (Satz 2 Nr. 1)
Erstbescheid
Nein3 – selbständiger Änderungsbescheide nach §§ 172 ff. AO zuungunsten des Einspruch erforderlich Einspruchsführers ohne Zustimmung und ohne Verböserungshinweis z. B. § 173 AO
Erstbescheid
Vollabhilfebescheid
Nein4 selbständiger Einspruch erforderlich und zulässig5
Unwirksamer Bescheid
Wirksamer Bescheid
Ja analog (Satz 2 Nr. 2)
Empfehlung: Ist sich der Steuerpflichtige oder sein Berater nicht sicher, ob der „neue“ Bescheid zum Gegenstand des Verfahrens wird, so sollte – um eine Haftung des Beraters zu vermeiden – vorsorglich immer Einspruch eingelegt werden, der ggf. durch Einspruchsentscheidung als unzulässig abgewiesen wird. Dies ist ohne Bedeutung, da durch das Einspruchsverfahren nach derzeitiger Rechtslage keine Kosten verursacht werden. Einstweilen frei.
153–165
6. Hinzuziehung zum Einspruchsverfahren Die Hinzuziehung (§ 360 AO) dient dem Zweck, dritte Personen in das Ein- 166 spruchsverfahren mit einzubeziehen, denen gegenüber die Entscheidung zweckmäßigerweise oder aber auch notwendig bindende Wirkung haben soll. Zu unterscheiden ist zwischen einfacher Hinzuziehung (§ 360 Abs. 1 AO) und notwendiger Hinzuziehung (§ 360 Abs. 3 AO). Wegen der Voraussetzungen im Einzelnen wird auf die Erläuterungen zur insoweit gleich lautenden Vorschrift des § 60 FGO (s. II Rz. 547 ff.) und für Beiladungen in Massenverfahren (bei mehr als 50 beizu-
__________ 1 2 3 4 5
BFH v. 9.9.1986 – VIII R 198/84, BStBl. II 1987, 28. BFH v. 26.2.2002 – IV R 3/01, BStBl. II 2003, 112. BFH v. 7.11.2006 – R 14/05, BStBl. II 2007, 236. BFH v. 18.4.2007 – XI R 47/05, BStBl. II 2007, 736. BFH v. 18.4.2007 – XI R 47/05, BStBl. II 2007, 736.
37
I Rz. 167
Finanzbehördlicher Rechtsschutz
ladenden Personen) auf die Erläuterungen zu der § 360 Abs. 5 AO entsprechenden Vorschrift des § 60a FGO verwiesen (s. II Rz. 554). 167 Bei der Hinzuziehung ist Folgendes besonders zu beachten: Die Hinzuziehung erfolgt gem. § 360 Abs. 1 Satz 1 AO von Amts wegen oder auf Antrag. Dabei ist die notwendige Hinzuziehung immer von Amts wegen durchzuführen. Bei der einfachen Hinzuziehung ist der Einspruchsführer vorher zu hören (§ 360 Abs. 1 Satz 2 AO). Es erscheint allerdings sinnvoll, den Einspruchsführer auch im Fall der notwendigen Hinzuziehung vorher zu hören, damit dieser die Möglichkeit erhält, die Hinzuziehung durch Rücknahme des Einspruchs zu vermeiden. Empfehlung: Erhält der Einspruchsführer bzw. dessen Berater einen derartigen Hinweis auf eine beabsichtigte Hinzuziehung eines fremden Dritten zum Einspruchsverfahren, so ist abzuwägen, wie groß die Aussichten des Einspruchs auf Erfolg sein dürften, und welcher Nachteil durch die Öffnung der Steuergeheimnissphäre durch die Hinzuziehung des Dritten entstehen könnte1. Eine nicht gewollte Hinzuziehung kann nur durch die Rücknahme des Einspruchs vermieden werden. 168 Die Hinzuziehung erfolgt durch Verwaltungsakt, der durch den Einspruchsführer und den Hinzugezogenen angefochten werden kann. Der Hinzugezogene kann während des Einspruchsverfahrens, unabhängig davon, ob eine einfache oder notwendige Hinzuziehung vorliegt, dieselben Rechte geltend machen wie der Einspruchsführer (§ 360 Abs. 4 AO). Er kann Einwendungen gegen den angefochtenen Bescheid unabhängig vom Vorbringen des Einspruchsführers vorbringen2. Damit unterscheidet sich seine Stellung von der des nach § 60 Abs. 3 FGO im Klageverfahren notwendig Beigeladenen. Eine Pflicht des Hinzugezogenen zu einer irgendwie gearteten Mitwirkung besteht allerdings nicht3. „Herr des Verfahrens“ bleibt in den Fällen der Hinzuziehung der Einspruchsführer. Nimmt der Einspruchsführer den Einspruch zurück, so kann der Hinzugezogene das Verfahren nicht fortsetzen. Die Rücknahme des Einspruchs durch den Einspruchsführer kann er nicht verhindern4. Dies gilt auch, wenn der angefochtene Verwaltungsakt aufgehoben wird und sich das Einspruchsverfahren dadurch erledigt5. Die Hinzuziehung ist insoweit akzessorisch6. 169 Eine Entscheidung durch Abhilfebescheid (§ 172 Abs. 1 Nr. 2a AO), wahrt die Rechte des Hinzugezogenen nur, wenn sie seinem Antrag der Sache nach entspricht oder wenn er ihr zustimmt7. Verweigert er seine Zustimmung, so ist durch Einspruchsentscheidung zu entscheiden, auch wenn dem Begehren des Einspruchsführers in vollem Umfang stattgegeben wird. Die Finanzbehörde darf den Verwaltungsakt auch zum Nachteil des Hinzugezogenen abändern, wenn über den Streitpunkt zwangsläufig nur einheitlich entschieden werden kann, weil
__________ 1 Brandis in Tipke/Kruse, § 360 AO Rz. 4. 2 Brandis in Tipke/Kruse, § 360 AO Rz. 7. 3 Brandis in Tipke/Kruse, § 360 AO Rz. 7; BFH v. 7.2.2007 – IV B 210/04, BFH/NV 2007, 869. 4 BFH v. 22.3.2006 – XI R 24/05, BStBl. II 2006, 576; Pahlke in Koenig/Pahlke, § 367 Rz. 33. 5 Brandis in Tipke/Kruse, § 360 AO Rz. 8. 6 BFH v. 7.2.2007 – IV B 210/04, BFH/NV 2007, 869. 7 BFH v. 11.4.1991 – V R 40/86, BStBl. II 1991, 605.
38
Rücknahme des Einspruchs
Rz. 182 I
sich die Entscheidung notwendigerweise auf alle Feststellungsbeteiligten auswirkt1. Da die Einspruchsentscheidung auch gegenüber dem Hinzugezogenen wirkt, kann der Hinzugezogene Klage erheben, wenn er geltend machen kann, in seinen Rechten verletzt zu sein. Die unterlassene notwendige Hinzuziehung wird im Klageverfahren durch notwendige Beiladung (§ 60 Abs. 3 Satz 1 FGO) geheilt2. Einstweilen frei.
170–180
7. Rücknahme des Einspruchs § 362 Abs. 1 AO sieht vor, dass der Einspruch bis zur Bekanntgabe der Ein- 181 spruchsentscheidung zurückgenommen werden kann. Die Rücknahme ist eine verfahrensrechtliche Willenserklärung. Sie darf nicht an eine Bedingung geknüpft werden3. Bedingung ist ein zukünftiges Ungewisses Ereignis, das vom Wissen oder Willen der Finanzbehörde oder eines anderen Beteiligten unabhängig ist. Beispiel: A nimmt seinen Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid 2005 mit der Bemerkung zurück, die Rücknahme erfolge unter der Voraussetzung, dass seine Aufwendungen, die Gegenstand des Einspruchs sind, im Folgejahr 2006 anerkannt werden. Die Rücknahme ist unwirksam, da sie an eine unzulässige Bedingung geknüpft ist.
a) Rücknahmeerklärung Nur der Einspruchsführer oder sein Vertreter können den Einspruch zurückneh- 182 men. Dabei schließt die Vollmacht, Einspruch einlegen zu können, grundsätzlich die Vollmacht zur Rücknahme ein. Wenn die Vollmacht nicht so weit gehen soll, muss der Steuerpflichtige sie ausdrücklich einschränken. Für die Vollmacht, ihre Wirkung und ihren Nachweis gilt auch hier § 80 AO (I Rz. 54 ff.). Die Rücknahme des Einspruchs hat schriftlich oder zur Niederschrift zu erfolgen; sie hat also in derselben Form zu erfolgen wie die Einlegung des Einspruchs. Dies folgt daraus, dass § 357 Abs. 1 und 2 AO in § 362 Abs. 1 Satz 2 AO ausdrücklich in Bezug genommen worden sind. Bzgl. der Form wird deshalb auf die entsprechenden Ausführungen zur Einlegung des Einspruchs verwiesen (I Rz. 58 f.). Richtiger Adressat der Rücknahme ist gem. § 362 Abs. 1 Satz 2 AO i. V. m. § 357 Abs. 2 AO die Finanzbehörde, deren Verwaltungsakt angefochten worden ist.
__________ 1 BFH v. 7.2.2007 – IV B 210/04, BFH/NV 2007, 869. 2 BFH v. 28.10.1999 – I R 8/98, BFH/NV 2000, 579. 3 BFH v. 20.12.2006 – X R 38/05, BFH/NV 2007, 1016; Tipke in Tipke/Kruse, § 362 AO Rz. 6; Klein/Brockmeyer, § 362 AO Rz. 4.
39
I Rz. 183
Finanzbehördlicher Rechtsschutz
Die Einspruchsrücknahme ist zwar als Willenserklärung auslegungsfähig. Das heißt, es braucht nicht unbedingt das Wort „Rücknahme“ verwendet zu werden. Der Erklärung muss aber klar und eindeutig zu entnehmen sein, das eingeleitete Einspruchsverfahren nicht weiter fortführen zu wollen. Empfehlung: Um Auslegungsschwierigkeiten und Rückfragen zu vermeiden, sollte eine eindeutige Erklärung abgegeben werden, z. B. „Hiermit wird der Einspruch vom 1.8.2007 gegen den Einkommensteuerbescheid 2006 vom 20.7.2007 zurückgenommen“. Als Verfahrenserklärung ist die Einspruchsrücknahme darüber hinaus nicht anfechtbar und grundsätzlich auch nicht widerrufbar, wenn die Rücknahmeerklärung der Finanzbehörde zugegangen und damit wirksam geworden ist. Allerdings ist der vorherige oder gleichzeitige Widerruf der Einspruchsrücknahme möglich1. Beispiel: A gibt am 30.8.2007 ein Schreiben zur Post, in dem der Einspruch vom 1.8.2007 gegen den Einkommensteuerbescheid 2006 zurückgenommen wird. Nachts kommen ihm Bedenken, ob die Rücknahme richtig war. Er schickt der Finanzbehörde am 31.8.2007 noch vor Dienstbeginn ein Schreiben per Fax, dass die Rücknahme widerrufen werde und das Einspruchsverfahren fortgesetzt werden solle. Hier wird das Einspruchsverfahren fortgesetzt, weil der Widerruf vor Eingang der Rücknahmeerklärung beim Finanzamt eingegangen ist. 183 Die Rücknahme des Einspruchs ist gem. § 362 Abs. 1 Satz 1 AO nur zulässig bis zur Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung. Das ist für die Fälle von besonderer Bedeutung, in denen die Finanzbehörde die Verböserung angedroht hat. Geht die Rücknahme verspätet, also erst nach der Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung, bei der Finanzbehörde ein, bleibt sie ohne Wirkung. Dem Steuerpflichtigen steht dann nur noch der Klageweg zur Verfügung. b) Wirkungen der Rücknahme 184 Die Rücknahme des Einspruchs hat folgende Wirkungen: – Es tritt der Verlust des eingelegten Rechtsbehelfs ein, § 362 Abs. 2 AO. Das bedeutet: Es werden lediglich die rechtlichen Wirkungen des konkret eingelegten Einspruchs aufgehoben; es bleibt die Möglichkeit bestehen – falls die Einspruchsfrist noch nicht abgelaufen ist –, erneut Einspruch einzulegen. Dies unterscheidet die Rücknahme vom Einspruchsverzicht (s. I Rz. 77 ff.). Beispiel: A hat am 5.7.2007 den Einkommensteuerbescheid 2006 erhalten. Am 10.7. 2007 legt er rein vorsorglich Einspruch ein, um den Bescheid in Ruhe überprüfen zu können: Nach Beendigung der Prüfung nimmt er am 15.7.2007
__________
1 BFH v. 20.12.2006 – X R 38/05, BFH/NV 2007, 1016; Birkenfeld in Hübschmann/Hepp/ Spitaler, § 362 AO Rz. 102; Dumke in Schwarz, § 362 AO Rz. 7; ähnlich von Wedel in Beermann/Gosch, § 362 AO Rz. 12.
40
Rücknahme des Einspruchs
Rz. 186 I
den Einspruch zurück. Am 20.7.2007 fällt ihm auf, dass er vergessen hat, Aufwendungen für Fortbildung als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend zu machen. Hier kann A erneut Einspruch einlegen, da die Einspruchsfrist noch nicht abgelaufen ist. – Ist die Einspruchsfrist im Zeitpunkt der Rücknahme bereits abgelaufen – dies wird in der Praxis der Regelfall sein –, führt die Rücknahme zur Bestandskraft des betreffenden Steuerbescheides. Dies hat zur Folge, dass nunmehr auch ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung unzulässig geworden ist, da ein solcher Antrag gem. § 361 Abs. 1 AO einen „angefochtenen Verwaltungsakt“ voraussetzt. Sollte bereits eine Aussetzung der Vollziehung gewährt worden sein, ist damit zu rechnen, dass eine gewährte Aussetzung der Vollziehung beendet wird. Das Rechtsbehelfsverfahren wird nur durch eine wirksame Rücknahme beendet. 185 Unwirksam ist die Rücknahme dann, wenn sie nicht der vorgeschriebenen Form entspricht, verspätet oder bei einer nicht zuständigen Behörde eingelegt worden ist. Darüber hinaus ist die Rücknahme auch in den Fällen unwirksam, in denen sie durch eine unzulässige Beeinflussung seitens der Finanzbehörde erwirkt worden ist, also durch bewusste Täuschung, Drohung, bewusst falsche Auskunft oder mittels rechtlich offensichtlich unzutreffender Erwägungen – insbesondere gegenüber rechtsunkundigen Steuerpflichtigen – veranlasst worden ist. Dies gilt aber nur in krassen Fällen unzulässiger Einwirkung auf die Willensbildung des Steuerpflichtigen, wobei jeweils im Einzelfall die individuellen Erkenntnismöglichkeiten des die Rücknahme Erklärenden zu berücksichtigen sind. Wird die Rücknahme durch einen rechtskundigen oder sachkundigen Bevollmächtigten erklärt, hat eine vorausgegangene objektiv unrichtige Auskunft oder Beurteilung der Rechtslage durch das Finanzamt auf die Wirksamkeit der Rücknahme keinen Einfluss1. Keine unzulässige Beeinflussung ist auch die Anregung der Rücknahme im Zusammenhang mit der Erteilung eines Verböserungshinweises. Empfehlung: Auch wenn das Finanzamt zu einer Rücknahme des Einspruchs „rät“, ist sorgfältig zu überlegen, ob die Rücknahme, die zu einem Rechtsverlust führt, tatsächlich erklärt werden soll. Wird die Rücknahme durch einen rechtskundigen oder sachkundigen Bevollmächtigten erklärt, hat eine vorausgegangene objektiv unrichtige Auskunft oder Beurteilung der Rechtslage durch das Finanzamt auf die Wirksamkeit der Rücknahme keinen Einfluss.
c) Teilrücknahme Eine Teilrücknahme des Einspruchs bedeutet bei einem nicht teilbaren Verfah- 186 rensgegenstand eine Einschränkung der Einspruchsbegründung und hat sonst keine Auswirkung. Der fallen gelassene Punkt kann auch in einem späteren Klageverfahren wieder aufgenommen werden2.
__________ 1 Vgl. hierzu ausführlich BFH v. 29.6.2005 – II R 21/04, BFH/NV 2005, 1964 m. w. N. 2 Birkenfeld in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 362 AO Rz. 123.
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I Rz. 201
Finanzbehördlicher Rechtsschutz
Nach § 362 Abs. 1a AO kann der Einspruch allerdings begrenzt zurückgenommen werden, soweit Besteuerungsgrundlagen für ein Verständigungs- oder Schiedsverfahren nach einem Doppelbesteuerungsabkommen von Bedeutung sein können. Sinn dieser Regelung ist, dass der Verwaltungsakt hinsichtlich der Besteuerungsgrundlagen, auf die sich die begrenzte Rücknahme bezieht, in Teilbestandskraft erwachsen soll. Diese Besteuerungsgrundlagen müssen deshalb genau bezeichnet sein (§ 362 Abs. 1a Satz 2 i. V. m. § 354 Abs. 1a AO). Diese Regelung ist erforderlich, weil die Einleitung des Verständigungs- und Schiedsverfahrens in der Praxis häufig die Bestandskraft des betreffenden Verwaltungsakts voraussetzt1. Wurde der Einspruch nur wegen der vorgenannten Besteuerungsgrundlagen eingelegt, ist das Einspruchsverfahren nach der Rücknahme des Einspruchs beendet. Betriff der Einspruch auch noch andere Punkte, so wird das Einspruchsverfahren fortgeführt und hinsichtlich der übrigen Besteuerungsgrundlagen durch Einspruchsentscheidung abgeschlossen2. Die Teilrücknahme und die damit eingetretene Teilbestandskraft hindert aber eine etwaige Saldierung durch die Finanzverwaltung nicht3. Nach Durchführung des Verständigungs- oder Schiedsverfahrens kann der vollständig oder teilweise bestandskräftige Bescheid nach § 175a Satz 1 AO geändert werden, soweit dies zur Umsetzung erforderlich ist4. 187–200 Einstweilen frei.
8. Einspruchsentscheidung 201 Will die Finanzbehörde dem Einspruch nicht abhelfen (s. I Rz. 151) oder erledigt sich das Einspruchsverfahren nicht durch Rücknahme des Einspruchs durch den Einspruchsführer (s. I Rz. 184 f.), muss die Finanzbehörde das Verfahren durch eine förmliche Einspruchsentscheidung beenden (vgl. § 367 Abs. 2 Satz 3 AO). Die Einspruchsentscheidung ist nach § 366 AO schriftlich abzufassen, zu begründen, mit einer Rechtsbehelfsbelehrung zu versehen und den Beteiligten bekannt zu geben. Stand der angefochtene Verwaltungsakt unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 AO), kann der Vorbehalt in der Einspruchsentscheidung aufrechterhalten werden. Denn das Einspruchsverfahren ist nicht automatisch als abschließende Prüfung i. S. des § 164 Abs. 1 AO anzusehen. Wird der Vorbehalt nicht ausdrücklich in der Einspruchsentscheidung aufgehoben, bleibt er bestehen5. Dies gilt auch dann, wenn der Vorbehalt der Nachprüfung in der Einspruchsentscheidung nicht mehr erwähnt ist. Entsprechendes gilt für den Vorläufigkeitsvermerk gem. § 165 Abs. 1 AO.
__________ 1 2 3 4 5
Birkenfeld in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 362 AO Rz. 148. Birkenfeld in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 362 AO Rz. 151. Birkenfeld in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 362 AO Rz. 160. Birkenfeld in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 362 AO Rz. 152. BFH v. 14.9.1993 – VIII R 9/93, BStBl. II 1995, 2; v. 1.8.1984 – V R 91/83, BStBl. II 1984, 788.
42
Einspruchsentscheidung
Rz. 204 I
Obwohl der Einspruch ganz oder teilweise Erfolg hat, kann die Finanzbehörde im 202 Rahmen der Einspruchsentscheidung mit bisherigen Fehlern bei der Steuerfestsetzung saldieren. Ein saldierungsfähiger materieller Fehler i. S. des § 177 Abs. 3 AO ist auch dann gegeben, wenn Festsetzungsverjährung eingetreten ist. § 177 AO ist selbst keine Korrekturvorschrift, sondern begrenzt lediglich die Wirkungen von Korrekturvorschriften und führt zur Begrenzung der gegenläufigen Festsetzung eines nicht verjährten Teilbetrags1. Gem. § 367 Abs. 2a Satz 1 AO n. F.2 kann die Finanzbehörde nunmehr vorab eine 203 Teileinspruchsentscheidung erlassen, wenn dies sachdienlich ist. In dieser Entscheidung ist dann zu bestimmen, hinsichtlich welcher Teile des angefochtenen Bescheids keine Bestandkraft eintreten soll (§ 367 Abs. 2a Satz 2 AO). Ob eine Teil-Entscheidung zulässig ist, war bis zu der Neuregelung des § 367 Abs. 2a AO umstritten3. Eine Teil-Entscheidung kann insbesondere in den Fällen der Musterverfahren sachdienlich sein, wenn einzelne Punkte des Einspruchs entscheidungsreif sind und im Übrigen die Voraussetzungen für ein Ruhen des Verfahrens gem. § 363 Abs. 2 Satz 2 AO gegeben sind (s. I Rz. 134 f.). § 367 Abs. 2a Satz 1 AO stellt es in das Ermessen der Finanzbehörde, ob sie bei einer Entscheidungsreife nur einzelner Punkte eine Teilentscheidung erlassen will. Die Vorschrift verfolgt das Ziel, dem Einspruchsführer rascher zu einer Entscheidung wenigstens hinsichtlich einzelner Punkte seines Einspruchs zu verhelfen und das Einspruchsverfahren insoweit zu entlasten (s. zum Teilurteil gem. § 98 FGO II Rz. 715 ff.). Im Tenor der Einspruchsentscheidung ist aus Gründen der Rechtssicherheit eindeutig klarzustellen, hinsichtlich welcher Teile des angefochtenen Bescheides dieser nicht bestandskräftig werden soll4. Bezüglich der entschiedenen Teile erwächst die Teil-Einspruchsentscheidung in Bestandskraft, wenn hiergegen keine Klage erhoben wird. Dies bedeutet, dass die in der Teil-Entscheidung vorab entschiedenen Punkte nicht mehr Gegenstand der Endentscheidung sind. Nach § 367 Abs. 2b Satz 1 AO n. F.5 können wegen Musterverfahren vor dem 204 Europäischen Gerichtshof, dem Bundesverfassungsgericht oder dem Bundesfinanzhof anhängige Einsprüche, denen nach Ausgang des Verfahrens bei einem dieser Gerichte nicht abgeholfen werden kann, insoweit durch Allgemeinverfügung zurückgewiesen werden. Es handelt sich hier um eine Regelung für Massenverfahren6, bei denen zunächst kraft Gesetzes gem. § 363 Abs. 2 Satz 2 AO das
__________
1 BFH v. 9.8.2006 – II R 24/05, BStBl. II 2007, 87. 2 I. d. F. des JStG 2007 v. 13.12.2006, BGBl. I 2006, 2903. 3 Verneinend BFH v. 26.9.2006 – X R 39/05, BStBl. II 2007, 222; Jesse, S. 131 Rz. 211; Kühn/Hofmann, § 363 AO n. F. Anm. 4; Pahlke in Koenig/Pahlke, § 363 AO Rz. 51; Szymczak, DB 1994, 2254, 2260; Szymczak in Koch/Scholtz, § 363 AO Rz. 10/5; Tiedchen, BB 1996, 1033; Tipke in Tipke/Kruse, § 363 AO Tz. 21; bejahend Birkenfeld in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 363 AO Rz. 194; Klein/Brockmeyer, § 363 AO Rz. 20; M. Söffing, DStR 1995, 1489; von Wedel in Beermann/Gosch § 363 AO Rz. 56; von Wedelstädt, DB 1994, 1260. 4 So ausdrücklich auch Tipke in Tipke/Kruse, § 367 AO Rz. 61. 5 I. d. F. des JStG 2007 v. 13.12.2006, BGBl. I 2006, 2903. 6 Für die Erledigung von Massenverfahren ohne Einspruchsentscheidung war bereits durch Einfügung des § 18a in das EGAO durch das StMBG v. 21.12.1993, BGBl. I 1993, 2310, eine Regelung, aber bezogen nur auf Verfahren vor dem BVerfG, eingeführt worden.
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I Rz. 216
Finanzbehördlicher Rechtsschutz
Ruhen des Einspruchsverfahrens eingetreten war. Sachlich zuständig für den Erlass der Allgemeinverfügung ist gem. § 367 Abs. 2b Satz 2 Abs. 2 AO die oberste Finanzbehörde, das heißt das Bundes- oder Landesfinanzministerium. Erfahrungsgemäß werden in diesen Fällen sog. koordinierte Ländererlasse erlassen. Die Allgemeinverfügung ist nach Satz 3 der Vorschrift im Bundessteuerblatt und auf den Internetseiten des Bundesministeriums der Finanzen (www.bundesfinanzminis terium.de) zu veröffentlichen und gilt am Tag nach der Herausgabe des Bundessteuerblatts als bekannt gegeben. Die Klagefrist endet – nur insoweit – mit Ablauf eines Jahres nach der Bekanntgabe. In § 367 Abs. 2b Satz 5 AO wird darauf hingewiesen, dass die Klage auch bei Zurückweisung des Einspruchs durch Allgemeinverfügung nicht etwa gegen die Bundesrepublik oder das Bundesland, sondern gegen die Behörde zu richten ist, die den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat. Die Zurückweisung des Einspruchs aufgrund der Allgemeinverfügung betrifft nur die Frage, die dem vorgreiflichen Verfahren vor einem der obersten Gerichte entspricht. Hat der Einspruchsführer noch wegen weiterer Punkte Einspruch erhoben, ist insoweit eine Einspruchsentscheidung zu erlassen, soweit nicht dem Einspruch abgeholfen wird oder der Einspruchsführer den Einspruch zurücknimmt oder – wie neuerdings vorgesehen – bereits eine Teileinspruchsentscheidung (s. I Rz. 203) erlassen worden ist. Hier gilt dann die „übliche“ Klagefrist von einem Monat. 205–215 Einstweilen frei.
9. Kosten 216 Das außergerichtliche Einspruchsverfahren ist nicht kostenpflichtig. Einspruchsführer und Finanzbehörde haben jeweils ihre eigenen Kosten zu tragen. Dies gilt ausnahmsweise nicht im Einspruchsverfahren gegen Kindergeldfestsetzungen. Dem erfolgreichen Einspruchsführer werden vom Arbeitsamt – Familienkasse – die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung notwendigen Aufwendungen erstattet (§ 77 Abs. 1 EStG). Obsiegt der Steuerpflichtige im Gerichtsverfahren, und werden die Kosten ganz oder teilweise dem Beklagten auferlegt, so sind nach § 139 Abs. 1 und 3 FGO auf Antrag auch die Kosten des Vorverfahrens erstattungsfähig (s. VII Rz. 2). 217–230 Einstweilen frei.
II. Vorläufiger Rechtsschutz 231 Wenn der Steuerpflichtige gegen einen Steuerbescheid Einspruch einlegt, wird hierdurch die Vollziehung des Bescheides grundsätzlich nicht gehemmt, insbesondere die Steuererhebung nicht aufgehalten (§ 361 Abs. 1 Satz 1 AO). Mit anderen Worten: Trotz Einlegung eines Einspruchs muss der Steuerpflichtige die in dem angefochtenen Bescheid festgesetzte Steuer zunächst einmal zahlen, andern44
Vorläufiger Rechtsschutz
Rz. 234 I
falls drohen ihm Vollziehungsmaßnahmen der Finanzbehörde. Auf die Erfolgsaussichten des Einspruchs kommt es nicht an. Die Zahlung braucht nur dann nicht zu erfolgen, wenn dem Steuerpflichtigen Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Bescheides gewährt worden ist. Die Aussetzung der Vollziehung kann von Amts wegen erfolgen (§ 361 Abs. 2 Satz 1 AO). Im Regelfall wird sie jedoch nur auf Antrag (§ 361 Abs. 2 Satz 2 AO) gewährt. Nach § 361 Abs. 2 Satz 2 AO soll – auf Antrag – die Aussetzung der Vollziehung 232 erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Da die Voraussetzungen des § 361 AO für eine Aussetzung der Vollziehung mit denen des § 69 FGO für eine Aussetzung der Vollziehung durch das Finanzgericht nahezu wörtlich übereinstimmen, wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die entsprechenden Ausführungen zu § 69 FGO verwiesen (s. II Rz. 807 ff.). Die Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts ist ein begünstigender Verwaltungsakt, der nach § 119 Abs. 2 AO schriftlich, elektronisch, mündlich oder in anderer Weise – ausdrücklich – erlassen werden kann. Das bloße Schweigen der Finanzbehörde auf einen gestellten Antrag und das Ausbleiben von Vollstreckungsmaßnahmen können nicht dahingehend ausgelegt werden, dass das Finanzamt die Aussetzung der Vollziehung stillschweigend gewährt hat1. Die Aussetzung der Vollziehung ist grundsätzlich bis zur Erledigung des konkreten Rechtsmittels, also für eine Rechtsbehelfsstufe, zu gewähren2. Wird die Aussetzung der Vollziehung durch die Finanzbehörde abgelehnt, so ist 233 hiergegen nach Wahl des Steuerpflichtigen der Einspruch gegeben (§ 347 AO) und/oder unmittelbar ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung beim Finanzgericht (§ 69 Abs. 3 AO). Auch wenn die Finanzbehörde in der Aussetzungssache auf den Einspruch des Steuerpflichtigen eine Einspruchsentscheidung erlässt, so ist hiergegen keine Klagemöglichkeit gegeben (§ 361 Abs. 5 AO). Dies wird immer wieder einmal übersehen. Eine derartige Klage in einer Aussetzungssache ist unzulässig. Empfehlung: Voraussetzung für einen Antrag beim Finanzgericht ist immer, dass zuvor erfolglos ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung bei der Finanzbehörde gestellt worden ist (§ 69 Abs. 4 FGO), es sei denn, dass das Finanzamt in angemessener Frist über den Antrag nicht entschieden hat oder die Vollstreckung droht. Sonst ist ein unmittelbar bei Gericht gestellter Antrag unzulässig (s. II Rz. 816 ff.). Soweit der Einspruch endgültig keinen Erfolg hat, wird der ausgesetzte Betrag mit 234 0,5 v. H. pro angefangenen Monat (= 6 v. H. Jahreszinssatz) verzinst. Die Entstehung des Zinsanspruchs setzt allein die endgültige Erfolglosigkeit eines förmlichen Rechtsbehelfs bei gewährter Aussetzung der Vollziehung voraus. Die
__________ 1 BFH v. 16.6.2005 – VII B 273/04, BFH/NV 2005, 1747. 2 BFH v. 6.2.1986 – IV S 14/85, BFH/NV 1986, 336.
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I Rz. 246
Finanzbehördlicher Rechtsschutz
Fehlerhaftigkeit der bestandskräftigen Aussetzungsentscheidung1 oder ein Überschreiten der angemessenen Verfahrensdauer ohne Hinzutun des Steuerpflichtigen2 berühren den Zinsanspruch grundsätzlich nicht. 235–245 Einstweilen frei.
B. Nichtförmliche Rechtsbehelfe 246 Als nichtförmliche Rechtsbehelfe kommen in Betracht – der Antrag auf schlichte Änderung nach § 172 AO, – die Petition, – die Gegenvorstellung, – die Aufsichtsbeschwerde.
I. Antrag auf schlichte Änderung des Steuerbescheids 247 Nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a AO kann ein Steuerbescheid aufgehoben oder geändert werden, soweit einem Antrag des Steuerpflichtigen der Sache nach entsprochen wird; dabei ist eine Änderung zu seinen Gunsten nur zulässig, wenn der Antrag vor Ablauf der Rechtsbehelfsfrist gestellt ist Diese Regelung gilt nur für Steuerbescheide, nicht aber für andere Bescheide wie z. B. Haftungsbescheide, Duldungsbescheide oder dgl. 248 Ein solcher schlichter Änderungsantrag ist kein förmlicher Rechtsbehelf. Er unterliegt keiner Form; er kann mündlich, auch fernmündlich, und schriftlich gestellt werden. Es empfiehlt sich aus Beweisgründen aber immer die Schriftform. 249 Strebt der Steuerpflichtige eine Änderung zu seinen Gunsten an – was der Regelfall sein wird –, so muss der Antrag auf Änderung des Steuerbescheides vor Ablauf der Einspruchsfrist und der Antrag auf schlichte Änderung des Steuerbescheides in Form der Einspruchsentscheidung vor Ablauf der Klagefrist beim Finanzamt gestellt werden. Ferner muss der Antrag bis zum Ablauf der Rechtsbehelfsfrist konkretisiert werden. Das bedeutet, der Aufhebungs- bzw. Änderungsrahmen muss gegenüber der Finanzbehörde vor Fristablauf festgelegt sein. Auch eine betragsmäßige Erweiterung ist deshalb nach Ablauf der Rechtsbehelfsfrist nicht mehr zulässig3. 250 Die Finanzbehörde darf den Bescheid nur im Rahmen des Antrags ändern. Sie darf über den Antrag nicht hinausgehen, insbesondere auch nicht zu Lasten des Steuerpflichtigen verbösern. Insoweit unterscheidet sich der Änderungsantrag
__________ 1 BFH v. 18.7.1994 – X R 33/91, BStBl. II 1995, 4. 2 BFH v. 21.2.1991 – V R 105/84, BStBl. II 1991, 498. 3 BFH v. 27.10.1993 – XI R 17/93, BStBl. II 1994, 439; v. 20.12.2006 – X R 30/05, BFH/NV 2007, 994.
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Antrag auf schlichte Änderung des Steuerbescheids
Rz. 253 I
vom Einspruch (vgl. § 367 Abs. 2 Satz 2 AO). Eine Saldierung im Rahmen des Antrags ist allerdings zulässig1. Beispiel: A hat beim Finanzamt seine Einkommensteuererklärung für das Jahr 2006 eingereicht und ist erklärungsgemäß veranlagt worden. Bei Überprüfung des Steuerbescheids stellt er fest, dass er Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (Aufwendungen für Arbeitsmittel) in Höhe von 1500 Euro versehentlich nicht angegeben hat. Er beantragt beim Finanzamt – noch innerhalb der Einspruchsfrist –, den Einkommensteuerbescheid 2006 zu ändern und weitere Werbungskosten von 1500 Euro zu berücksichtigen. Stellt das Finanzamt nunmehr fest, dass bei der Veranlagung des A zu Unrecht Sonderausgaben (Aufwendungen für nicht abziehbare Versicherungen) in Höhe von 5000 Euro anerkannt waren, kann es in Höhe von 1500 Euro saldieren und den Änderungsantrag abweisen. Eine Verböserung durch Streichung der Sonderausgaben in Höhe von insgesamt 5000 Euro und entsprechende Erhöhung der festgesetzten Einkommensteuerschuld kann nicht erfolgen. Bei einem schlichten Änderungsantrag ist – im Gegensatz zum Einspruch – keine 251 Aussetzung der Vollziehung möglich, weil kein „angefochtener“ Verwaltungsakt vorliegt. Es könnte allenfalls an einen Stundungsantrag gedacht werden. Ein Steuerpflichtiger, der die Änderung eines ihm zugegangenen und ihn be- 252 schwerenden Steuerbescheides erreichen will, kann zwischen der schlichten Änderung und dem förmlichen Rechtsbehelf/Einspruch wählen. Er kann den Antrag auf schlichte Änderung aber nicht – kumulativ – neben dem Einspruch stellen. Hat er Einspruch eingelegt, so überlagert der Einspruch einen daneben gestellten Antrag auf schlichte Änderung. Denn der Einspruch wahrt die Rechte des Steuerpflichtigen umfassender und wirkungsvoller2. Empfehlung: Von dem Antrag nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a AO sollte nur 253 sehr selten Gebrauch gemacht werden. Der Einspruch unterscheidet sich von einem Antrag nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a AO nämlich in folgenden Punkten3 und ist deshalb für den Rechtsschutz des Steuerpflichtigen in der Regel wirkungsvoller: – Er hindert den Eintritt der formellen und materiellen Bestandskraft; – er kann zwar zur Verböserung führen (§ 367 Abs. 2 Satz 2 AO); der Verböserungsgefahr kann der Steuerpflichtige aber durch rechtzeitige Rücknahme des Einspruchs entgehen; – er ermöglicht die Aussetzung der Vollziehung. Entschließt sich der Steuerpflichtige aber für einen derartigen Antrag, dann muss dieser Antrag innerhalb der Einspruchsfrist hinreichend konkretisiert sein. Das heißt, er muss sein Änderungsbegehren seinem sachlichen Gehalt nach zumin-
__________ 1 BFH v. 20.12.2006 – X R 30/05, BFH/NV 2007, 994. 2 So ausdrücklich BFH v. 27.9.1994 – VIII R 36/89, BStBl. II 1995, 353; Loose in Tipke/ Kruse, § 172 AO Rz. 30. 3 BFH v. 27.2.2003 – V R 87/01, BStBl. II 2003, 505.
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I Rz. 254
Finanzbehördlicher Rechtsschutz
dest in groben Zügen zu erkennen geben. Insofern ist nicht die konkrete Berechnung des Änderungsbetrages erforderlich – und allein auch nicht ausreichend –; erforderlich ist vielmehr die Angabe der sachverhaltsbezogenen Korrekturpunkte. 254 Gegen die Ablehnung des Änderungsantrags nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a AO ist grundsätzlich der Einspruch und anschließend die Verpflichtungsklage gegeben. 255–265 Einstweilen frei.
II. Petition 266 Art. 17 GG gewährleistet jedermann das Recht, sich schriftlich mit Bitten und Beschwerden an die zuständigen Stellen und an die Volksvertretung zu wenden. Voraussetzung für eine Petition ist lediglich ein schriftliches Begehren. Die weite Formulierung des Art. 17 GG verbietet es, sonstige formelle Voraussetzungen für eine Petition aufzustellen. So sind insbesondere eine eigene Beschwer sowie ein eigenes Rechtsschutzinteresse nicht erforderlich1. Auch Fristen sind im Gegensatz zu den förmlichen Rechtsbehelfen nicht vorgeschrieben. Eine nur mündlich erhobene Petition genießt nicht den Grundrechtsschutz des Art. 17 GG2. Inhaltlich setzt der Begriff „Bitten und Beschwerden“ in Art. 17 GG voraus, dass die Eingabe ein bestimmtes Begehren, ein sog. Petitum enthält. In Betracht kommen etwa: Bitten um Stellungnahmen oder Abhilfen, Anträge, Anregungen, Gegenvorstellungen, Beschwerden, Dienstaufsichtsbeschwerden usw. Auf die Verwendung des Begriffs „Petition“ kommt es nicht an. Bloße Mitteilungen, Belehrungen oder Hinweise usw. fallen allerdings mangels Petitum nicht hierunter. 267 Adressaten der Petition sind gem. Art. 17 GG die „zuständigen Stellen und die Volksvertretung“. Die zuständige Stelle bestimmt sich im Einzelfall danach, ob sie nach den sich aus den Gesetzen ergebenden Organisationsregelungen zur sachlichen Befassung mit der Eingabe berufen sind. Wendet sich der Steuerpflichtige z. B. gegen eine Maßnahme des Finanzamts, so kann er seine Position beim Finanzamt oder der übergeordneten Behörde, der Oberfinanzdirektion, einreichen, die die Entscheidung der Finanzämter in vollem Umfang überprüfen kann. Stattdessen kann er sich natürlich auch direkt an den Landtag bzw. den im Landtag für die Bearbeitung zuständigen Petitionsausschuss wenden. 268 Das Petitionsrecht gewährt einen Anspruch auf einen Bescheid: Es verpflichtet die Stelle, bei der die Petition einzureichen ist, nicht nur zur Empfangnahme, sondern auch zur sachlichen Prüfung. Dabei darf sich die Antwort der betreffenden Stelle nicht in einer Eingangsbestätigung erschöpfen. Sie muss vielmehr zum Ausdruck bringen, dass von dem Inhalt der Petition Kenntnis genommen wurde. Außerdem muss die Art der Erledigung angegeben werden3. 269–280 Einstweilen frei.
__________
1 Vgl. Dürig in Maunz/Dürig, Art. 17 GG Rz. 21. 2 Dürig in Maunz/Dürig, Art. 17 GG Rz. 37. 3 Dürig in Maunz/Dürig, Art. 17 GG Rz. 8.
48
Aufsichtsbeschwerde
Rz. 296 I
III. Gegenvorstellung Auch die Gegenvorstellung gehört zu den nichtförmlichen Rechtsbehelfen. Sie ist 281 zwar gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt. Ihre Zulässigkeit ergibt sich aber unmittelbar aus Art. 17 GG, dem allgemeinen Petitionsrecht, sich nämlich mit Bitten und Beschwerden an die „zuständigen Stellen“ zu wenden. Die Gegenvorstellung unterliegt weder einer besonderen Frist noch einer besonderen Form. Sie kann auch mündlich erhoben werden; jedoch empfiehlt sich die Schriftform, und zwar zum einen aus Beweisgründen, zum andern deshalb, um die Gegenvorstellung dem Schutzbereich des Art. 17 GG zuordnen zu können. Denn ein Anspruch auf einen Bescheid ist nur bei Wahrung der Schriftform gegeben. Im Unterschied zur Aufsichtsbeschwerde richtet sich die Gegenvorstellung an 282 den Beamten bzw. Bediensteten, dessen Anordnungen oder Maßnahmen gerügt werden sollen. Sie stellt inhaltlich eine Bitte an den sachentscheidenden Amtsträger dar, seine Entscheidung noch einmal zu überdenken und ggf. i. S. des Petenten zu ändern. Dabei können mit der Gegenvorstellung persönliche Dienstpflichtverletzungen gerügt werden. Gegenstand einer Gegenvorstellung kann aber auch die Rechtmäßigkeit der betreffenden Maßnahme sein, insbesondere eine sachgerechte Ermessensausübung. Da die Gegenvorstellung eine besondere Ausprägung des allgemeinen Petitions- 283 rechts des Art. 17 GG ist, besteht – wie bei der Petition – ein Anspruch auf einen Bescheid. Der betreffende Amtsträger darf die Gegenvorstellung also nicht nur entgegennehmen und eine Empfangsbestätigung ausstellen. Die Gegenvorstellung muss beantwortet und die Art der Erledigung mitgeteilt werden, allerdings nur bei Wahrung der Schriftform. Empfehlung: Eine Gegenvorstellung kann einen förmlichen Rechtsbehelf, ins- 284 besondere den Einspruch nicht ersetzen. Sollen sachliche Einwendungen gegen einen förmlichen Bescheid, z. B. einen Steuerbescheid, erhoben werden, muss unbedingt auch der förmliche Rechtsbehelf eingelegt werden, um den Eintritt der Bestandskraft zu verhindern. Diese Wirkung hat eine Gegenvorstellung nicht. Falls die Einspruchsfrist versäumt worden ist, sollte gleichwohl alsbald Einspruch eingelegt und ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt werden. Zu erwägen wäre allenfalls, neben Einspruch und ggf. Wiedereinsetzungsantrag zusätzlich eine Gegenvorstellung bzw. Aufsichtsbeschwerde zu erheben. Einstweilen frei.
285–295
IV. Aufsichtsbeschwerde Auch die Aufsichtsbeschwerden (Sachaufsichtsbeschwerde, Dienstaufsichtsbe- 296 schwerde) gehören zu den in der Abgabenordnung nicht geregelten nichtförmlichen Rechtsbehelfen. Ihre Zulässigkeit folgt ebenso wie die der Gegenvorstellung aus dem allgemeinen Petitionsrecht des Art. 17 GG. 49
I Rz. 297
Finanzbehördlicher Rechtsschutz
Die Aufsichtsbeschwerden unterliegen als nichtförmliche Rechtsbehelfe keinen besonderen Voraussetzungen. Sie sind insbesondere form- und fristfrei. Allerdings sollte auch hier auf die Schriftform geachtet werden, um die Aufsichtsbeschwerde dem Schutz des Art. 17 GG (Bescheidungsanspruch) zu unterstellen. Insoweit gelten die vorgenannten Ausführungen zur Gegenvorstellung entsprechend. 297 Adressat der Aufsichtsbeschwerde ist der Dienstvorgesetzte des Amtsträgers, dessen Maßnahmen bzw. dessen Verhalten gerügt wird. Das ist in der Regel der Behördenleiter (z. B. Finanzamtsvorsteher) oder die übergeordnete Dienstbehörde (z. B. Oberfinanzdirektion). Die Aufsichtsbeschwerden untergliedern sich in Dienstaufsichts- und Sachaufsichtsbeschwerden. Beide unterscheiden sich lediglich in ihrem Inhalt. Mit der Sachaufsichtsbeschwerde wird die – unrichtige, insbesondere ermessensfehlerhafte – Sachbehandlung gerügt; demgegenüber bezieht sich die Dienstaufsichtsbeschwerde auf persönliches Fehlverhalten eines Amtsträgers. 298 Derjenige, der Aufsichtsbeschwerde erhebt, hat einen Anspruch auf einen Bescheid wie bei der Gegenvorstellung. Insoweit wird auf die entsprechenden Ausführungen zur Gegenvorstellung Bezug genommen (s. I Rz. 283). Empfehlung: Wie die Gegenvorstellung kann auch die Aufsichtsbeschwerde einen förmlichen Rechtsbehelf nicht ersetzen: Sollen sachliche Einwendungen gegen einen förmlichen Bescheid, z. B. einen Steuerbescheid, erhoben werden sollen, muss unbedingt auch der förmliche Rechtsbehelf, nämlich der Einspruch eingelegt werden, um den Eintritt der Bestandskraft zu verhindern. Diese Wirkung hat eine Aufsichtsbeschwerde nicht. Falls die Einspruchsfrist versäumt worden ist, sollte gleichwohl alsbald Einspruch eingelegt und ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt werden. Zu erwägen wäre allenfalls, neben Einspruch und ggf. Wiedereinsetzungsantrag zusätzlich Aufsichtsbeschwerde zu erheben. – Im Übrigen sollte von Dienstaufsichtsbeschwerden nur zurückhaltend Gebrauch gemacht werden. Sie führen erfahrungsgemäß nur zu einer – zum Teil recht deutlichen – Verschlechterung des Klimas zwischen Steuerpflichtigem und Finanzbehörde, ohne in der Sache selbst hilfreich zu sein. Eher zu empfehlen ist ein persönliches, klärendes Gespräch an Amts Stelle; erst wenn dieses keinen Erfolg hat, sollte als letztes Mittel zur Dienstaufsichtsbeschwerde gegriffen werden.
299
300–310 Einstweilen frei.
C. Zivilrechtliche Schadensersatzansprüche 311 Grundsätzlich werden dem Steuerpflichtigen die notwendigen Auslagen für einen im Einspruchsverfahren zugezogenen Bevollmächtigten nicht erstattet, wenn sich das Begehren des Steuerpflichtigen bereits im Einspruchsverfahren endgültig erledigt; § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO findet hier keine entsprechende Anwendung1.
__________ 1 BFH v. 21.5.1971 – III B 48/70, BStBl. II 1971, 714.
50
Zivilrechtliche Schadensersatzansprüche
Rz. 313 I
In den §§ 250 ff. AO fehlt eine Bestimmung, wonach dem bereits im Einspruchsverfahren obsiegenden Steuerpflichtigen ein abgabenrechtlicher Anspruch auf Ersatz seiner Vertreterkosten zusteht. Kommen allerdings zusätzliche Umstände hinzu, die in die Risikosphäre des 312 Finanzamtes fallen und als solche eine Amtspflichtverletzung begründen, steht der Geltendmachung eines Amtshaftungsanspruchs gem. § 839 BGB, Art. 34 GG nichts im Wege1. Im Zusammenhang mit dem steuerlichen Rechtsbehelf (Einspruch) kann gegen die Finanzverwaltung ggf. ein Kostenerstattungsanspruch hinsichtlich der Auslagen für den Bevollmächtigten geltend gemacht werden. Es handelt sich hier um einen Anspruch auf Auslagenerstattung aus dem Gesichtspunkt schuldhafter Amtspflichtverletzung, so dass hierfür nicht das Finanzgericht, sondern das Zivilgericht (Landgericht) zuständig ist2. Der Schaden besteht in Form der durch die Durchführung des Einspruchsverfahrens entstandenen Kosten des hiermit beauftragten Steuerberaters. Teilweise wird ein Schaden allerdings nur in Höhe der Gebühren angenommen, wie sie durch die Beratung durch den Steuerberater entstanden wären (eine Beratungsgebühr nach § 21 StBerGebV)3. Beispiel 1: Gegen den Einzelhändler A ergeht infolge eines Eingabefehlers bei der elektronischen Datenverarbeitung ein Umsatzsteuerbescheid, der zu einer Umsatzsteuernachforderung in Höhe von 4 Mio. Euro führt. A muss einen Steuerberater beauftragen, der für ihn Einspruch einlegt. Der Umsatzsteuerbescheid wird daraufhin aufgehoben. Die Rechnung des Steuerberaters beläuft sich auf x Euro. Sofern den Finanzbeamten eine schuldhafte Pflichtverletzung trifft, kann A das Finanzamt im Schadensersatzwege für die Steuerberatergebühren in Anspruch nehmen4. Beispiel 25: Das Finanzamt stellt ermessensmissbräuchlich – wegen geringfügiger Steuerrückstände – einen Insolvenzantrag gegen A. Hier kann eine haftungsbegründende Amtspflichtverletzung des Finanzbeamten nach § 839 BGB vorliegen, der zum Schadensersatz verpflichtet. Wird ein solcher Amtshaftungsanspruch geltend gemacht, ist auch die Frage des 313 Mitverschuldens des Steuerpflichtigen (§ 254 BGB) mit zu berücksichtigen. Von Bedeutung ist hier insbesondere ein vorwerfbarer Verstoß des Steuerpflichtigen gegen seine Mitwirkungspflichten6.
__________ 1 2 3 4 5 6
Zu Einzelheiten s. Kohlhepp, DStR 2006, 549 mit zahlreichen Nachw. aus der Rspr. BGH v. 6.2.1975 – III ZR 149/72, NJW 1975, 972. Brandenburgisches OLG v. 23.2.2006 – 2 U 1/05, ZSteu 2006, R303-R306. Vgl. hierzu OLG München v. 3.5.2006 – 1 U 2398/06, n. v. Frotscher, Besteuerung bei Insolvenz, 5. Aufl. Heidelberg 2000, S. 243. Vgl. Schleswig-Holsteinisches OLG v. 21.4.2006 – 11 W 22/05, n. v.
51
II. Teil Rechtsschutz vor dem Finanzgericht A. Ausgangssituation und Erwägungen vor Klageerhebung I. Allgemeines 1 Steuerermittlungs- und Steuerfestsetzungsverfahren sind mit erheblichen Eingriffen in die private und wirtschaftliche Sphäre von Steuerpflichtigen verbunden. Zum Schutz der Interessen des Einzelnen gegenüber den Entscheidungen der Finanzbehörden gibt es deshalb außergerichtliche und gerichtliche Rechtsbehelfe. Waren die außergerichtlichen Rechtsbehelfe ganz oder teilweise erfolglos (s. I Rz. 1–239), so stellt sich für den Steuerpflichtigen und seinen Berater die Frage, ob, wie, wo, wann und mit welchen Erfolgsaussichten gegen die betreffende Maßnahme der Finanzverwaltung vorgegangen werden kann. Beispiel 1: K betreibt eine Reparaturwerkstätte mit Tankstellenbetrieb. Im Betrieb arbeiten seine Ehefrau als kaufmännische Angestellte und sein Sohn als Geselle mit. Die Arbeitsverhältnisse hatte das Finanzamt zunächst steuerlich anerkannt. Im Jahr 2005 wurden die Löhne an die Ehefrau und den Sohn nicht regelmäßig gezahlt. K machte die Lohnzahlungen als Betriebsausgaben geltend. Das Finanzamt erkannte bei der Einkommensteuerveranlagung 2005 den Betriebsausgabenabzug nicht an. Der hiergegen eingelegte Einspruch blieb ohne Erfolg. Beispiel 2: E wurde nach dem Tode seines Vaters vom Finanzamt vergeblich zur Abgabe einer Erbschaftsteuer-Erklärung aufgefordert. Das Finanzamt erließ daraufhin gegen E am 5.11.2005 einen Erbschaftsteuer-Bescheid über 90 000 Euro; dabei war der Wert des von E erworbenen Nachlasses auf 1 Mio. Euro geschätzt worden. Der Steuerbescheid wurde bestandskräftig. Mit Schreiben vom 13.6.2006 reichte E nachträglich eine Steuererklärung ein, aus der sich ein Wert des Reinnachlasses von 273 000 Euro ergab. Er beantragte, den unanfechtbaren Steuerbescheid aufzuheben. Das Finanzamt lehnte diesen Antrag ab. Der hiergegen eingelegte Einspruch blieb erfolglos. 2 Bevor ein Steuerpflichtiger Klage erhebt, sollte er sich die Frage stellen: – Was will ich mit der Klage erreichen? – Welche konkrete Entscheidung des Gerichts begehre ich mit meiner Klage? Es empfiehlt sich deshalb zunächst, das Klageziel so genau wie möglich klar heraus zu arbeiteten. Nur so kann ein klarer Klageantrag gestellt und die Klage 52
Klageziel
Rz. 17 II
überzeugend begründet werden. Nach der genauen Formulierung des Klageziels müssen der Steuerpflichtige bzw. sein Berater weitere Überlegungen anstellen, nämlich, – welche Maßnahme der Finanzverwaltung mit der Klage angegriffen werden soll bzw. welche Maßnahme mit der Klage erstrebt wird (s. II Rz. 16 ff.); – ob der Rechtsweg zu den Finanzgerichten für die angegriffene bzw. erstrebte Maßnahme gegeben ist (s. II Rz. 281 ff.); – wer als richtiger Kläger bezeichnet werden soll (wichtig z. B. bei Personengesellschaften und im Insolvenzverfahren – s. II Rz. 91 ff.); – wer der richtige Beklagte ist (s. II Rz. 106 ff.); – welche Klageart in Betracht kommt (s. II Rz. 186 ff.); – welcher Klageantrag zu stellen ist (s. II Rz. 151 ff.); – ob der Kläger klagebefugt/beschwert ist (s. II Rz. 326 ff.); – ob ein vorgeschriebenes Vorverfahren durchgeführt worden (s. II Rz. 301) ist oder ob auf das Vorverfahren ausnahmsweise verzichtet werden kann (Untätigkeitsklage, s. II Rz. 308 ff., oder Sprungklage s. II Rz. 302 ff.); – ob die Klagefrist gewahrt oder der Bescheid bereits bestandskräftig geworden ist (s. II Rz. 391 ff.); – ob eine schriftliche Prozessvollmacht vorgelegt werden kann (s. II Rz. 421 ff.); – ob es zweckmäßig und sinnvoll ist zu klagen (s. II Rz. 36 ff.). Einstweilen frei.
3–15
II. Klageziel Vor Klageerhebung muss sich der Steuerpflichtige bzw. sein Berater darüber im 16 Klaren sein, welche Maßnahme der Finanzverwaltung er mit seiner Klage angreifen will (z. B. einen Steuerbescheid, eine Prüfungsanordnung, eine Maßnahme der Vollstreckung) bzw. welche Maßnahme der Finanzverwaltung er mit seiner Klage erstrebt (z. B. Erlass eines Änderungsbescheides zu seinen Gunsten, Rückzahlung zuviel gezahlter Steuern, Einsicht in die Steuerakten). Welche Maßnahmen der Finanzverwaltung im Einzelnen anfechtbar sind, ergibt sich aus dem ABC der Klagemöglichkeiten (s. II Rz. 266). Im Rahmen seiner Überlegungen muss der Steuerpflichtige bzw. sein Berater ins- 17 besondere die sachlichen Grenzen der Klagebefugnis, die sich aus § 42 FGO i. V. m. § 351 AO ergeben, beachten. Nach § 351 Abs. 2 AO können Entscheidungen in einem Grundlagenbescheid, der gem. § 182 Abs. 1 AO Bindungswirkung für den Folgebescheid hat, nur durch Anfechtung dieses Bescheides, nicht auch durch Anfechtung des Folgebescheides angegriffen werden. In der Praxis spielt gerade das Verhältnis zwischen Grundlagen- und Folgebescheid eine erhebliche Rolle. Denn häufig werden Folgebescheide mit Gründen angefochten, die sich gegen die Rechtmäßigkeit des Grundlagenbescheides richten. Eine solche Klage ist zwar nicht allein deshalb unzulässig; die Rechtsfolge des § 351 Abs. 2 AO be53
II Rz. 18
Rechtsschutz vor dem Finanzgericht
steht vielmehr nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung1 nur darin, dass die Einwendungen gegen den Grundlagenbescheid im Klageverfahren unberücksichtigt bleiben. Allgemein wird eine gegen einen Folgebescheid gerichtete Klage für zulässig erachtet, wenn mit ihr das Fehlen eines wirksamen Grundlagenbescheids geltend gemacht wird2. Dies kann dazu führen, dass die Klage gegen den Folgebescheid von vornherein keine Aussicht auf Erfolg hat. Die Klage ist vielmehr gegen den Grundlagenbescheid zu richten. Werden ausschließlich Einwendungen gegen den Grundlagenbescheid vorgebracht, ist eine Klage gegen den Folgebescheid grundsätzlich nicht erforderlich, da der Folgebescheid ohnehin gem. § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO zu ändern ist, wenn ein Grundlagenbescheid erlassen, aufgehoben oder geändert wird. Beispiel 1: K hat seinen Wohnsitz im Bezirk des Finanzamts B und seinen Gewerbebetrieb im Bezirk des Finanzamts E. Er will sich mit seiner Klage gegen den Ansatz der vom Finanzamt E gesondert festgestellten Gewinne seines Gewerbebetriebes wenden (nicht gegen die übrigen Besteuerungsgrundlagen). Hier muss K den Feststellungsbescheid des Finanzamtes E, in dem seine Einkünfte aus Gewerbebetrieb gesondert festgestellt worden sind, angreifen. Der Einkommensteuerbescheid wird dann gem. § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO geändert werden. Richtet K seine Klage stattdessen gegen den Einkommensteuerbescheid und lässt den Feststellungsbescheid unanfechtbar werden, so läuft er Gefahr, dass die Klage als unbegründet abgewiesen wird, weil die Feststellungen im Feststellungsbescheid als Grundlagenbescheid gem. § 182 Abs. 1 AO Bindungswirkung für den Einkommensteuerbescheid als Folgebescheid haben. Beispiel 2: In seiner Einkommensteuererklärung für das Jahr 2005 hat K einen gewerblichen Verlust aus einer Beteiligung an einer Abschreibungs-KG in Höhe von 100 000 Euro erklärt. Das Finanzamt hat diesen Verlust bei der Einkommensteuerveranlagung nicht berücksichtigt. Das für die Besteuerung der KG zuständige Finanzamt hatte nämlich durch Bescheid die Durchführung einer einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung für die KG und ihre Gesellschafter abgelehnt (negativer Feststellungsbescheid), weil nach Auffassung dieses Finanzamts keine Mitunternehmerschaft i. S. des § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG vorlag. Will K nunmehr erreichen, dass das Finanzamt den erklärten Verlust aus der Beteiligung an der KG bei der Einkommensteuerveranlagung berücksichtigen muss, müssen seine entsprechenden Einwendungen in einem Verfahren gegen den negativen Feststellungsbescheid vorgebracht werden. 18 Bei seinen Vorüberlegungen sollte der Steuerpflichtige auch die Vorschrift des § 157 Abs. 2 AO beachten. Danach bildet die Feststellung der Besteuerungsgrundlagen einen mit Rechtsbehelfen nicht selbständig anfechtbaren Teil des Steuerbe-
__________
1 So ausdrücklich BFH v. 9.11.2005 – I R 10/05, BFH/NV 2006, 750 m. w. H. 2 So z. B. BFH v. 9.11.2005 – I R 10/05, BFH/NV 2006, 750; Steinhauff in Hübschmann/ Hepp/Spitaler, § 42 FGO Rz. 27; Dumke in Schwarz, § 42 FGO Rz. 27.
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Klageziel
Rz. 19 II
scheides, soweit die Besteuerungsgrundlagen nicht besonders festgestellt werden (s. I Rz. 4). Der Steuerpflichtige kann sich mit einem Rechtsbehelf also nur gegen die Steuerfestsetzung als solche – gegen die Höhe der Steuer – wenden. Dies ist im Klageverfahren, wie der Vorschrift des § 40 Abs. 2 FGO zu entnehmen ist, nur möglich, sofern der Steuerpflichtige durch den Ausspruch des Bescheides in seinen Rechten verletzt wird. Dies ist aber ein Problem der sog. Klagebefugnis (s. II Rz. 326 ff.). Die einzelnen Besteuerungsgrundlagen, z. B. den Ansatz der Einkünfte aus Gewerbebetrieb, der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, Sonderausgaben usw. kann der Steuerpflichtige nicht gesondert angreifen. Dieser Teil ist unselbständiger Teil des die Steuer festsetzenden Bescheides und zählt zur Begründung i. S. des § 121 AO. Er ist für sich genommen kein Verwaltungsakt, da ihm ein eigenständiger Regelungscharakter fehlt. Beispiel: X erlitt im Jahre 2005 Verluste aus Gewerbebetrieb i. H. v. 30 000 Euro und einen Verlust aus Vermietung und Verpachtung i. H. v. 12 000 Euro. Im Einkommensteuerbescheid 2005 werden die gewerblichen Verluste nach Auffassung des X um 10 000 Euro und die Verluste aus Vermietung und Verpachtung um 4000 Euro zu niedrig angesetzt. Die Einkommensteuer für das Streitjahr 2005 wird allerdings auf 0 Euro festgesetzt. Einer Klage gegen den Einkommensteuerbescheid, mit der X begehrt, die Verluste zutreffend zu berücksichtigen, steht die Vorschrift des § 157 Abs. 2 AO entgegen. Denn der Verlustansatz ist grundsätzlich eine unselbständige Besteuerungsgrundlage i. S. dieser Vorschrift. Im Übrigen ist X durch eine Steuerfestsetzung auf 0 Euro nicht beschwert. Wird ein Verlust allerdings durch einen Feststellungsbescheid gesondert festgestellt, ist eine Klagemöglichkeit gegeben. Dies ist gem. § 10d Abs. 4 Sätze 4–5 EStG für den am Schluss eines Veranlagungszeitraums verbleibenden Verlustvortrag ausdrücklich gesetzlich vorgeschrieben. Mithin wäre eine Klage auf Feststellung eines verbleibenden – höheren – Verlustvortrags zulässig, solange noch der Einkommensteuerbescheid geändert werden könnte, die Änderung aber mangels steuerlicher Auswirkung unterbleibt1. Nicht angreifbar sind auch mündliche oder schriftliche Belehrungen, Erläuterun- 19 gen, Ratschläge und Hinweise des Finanzamts, die sich steuerlich nicht auswirken. Durch solche Maßnahmen ist der Steuerpflichtige in aller Regel nicht beschwert. Beispiel: Im Zuge einer im Jahre 2006 bei A durchgeführten Betriebsprüfung behandelte der Betriebsprüfer ein bestimmtes unbebautes Grundstück, das bisher dem Privatvermögen zugeordnet war, als Betriebsvermögen. Eine Gewinnänderung trat aufgrund dessen nicht ein. In dem geänderten Gewinnfeststellungsbescheid ist u. a. folgende Erläuterung enthalten: „Unter Bezugnahme auf die im Betriebsprüfungsbericht dargestell-
__________ 1 BFH v. 9.12.1998 – XI R 62/97, BStBl. II 2000, 3.
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II Rz. 20
Rechtsschutz vor dem Finanzgericht
ten Prüfungsfeststellungen ist der Grund und Boden in Ihrer Bilanz auch zukünftig als Betriebsvermögen mit den Anschaffungskosten zu berücksichtigen.“ Eine Klage des A, mit der sich dieser gegen diese Feststellungen wendet, wäre unzulässig, sofern diese sich lediglich gegen die Behandlung des Grund und Bodens als Betriebsvermögen und damit lediglich gegen den Inhalt der Erläuterungen und gleichzeitig gegen die im Betriebsprüfungsbericht vertretene Rechtsauffassung richtet. 20 Sowohl die Erläuterungen zum Bescheid als auch der Betriebsprüfungsbericht stellen keine rechtserheblichen Meinungsäußerungen des Finanzamts dar, die sich auf die Höhe des festgestellten Gewinns auswirken. Dies gilt selbst dann, wenn sich in späteren Jahren die Auffassung des Finanzamts für die Gesellschaft als nachteilig erweisen könnte. Denn die in den Erläuterungen und im Betriebsprüfungsbericht vertretene Rechtsauffassung erwächst nicht in Rechtskraft und kann deshalb auch für die Zukunft keine Bindungswirkung entfalten. Beispiel: Das Finanzamt weist den S im Steuerbescheid darauf hin, dass seine Einkünfte solche aus selbständiger Arbeit und nicht solche aus nichtselbständiger Arbeit sind. Steuerliche Folgen zu seinem Nachteil ergeben sich hieraus nicht. S kann gegen diese Belehrung keinen Rechtsbehelf einlegen, da er hierdurch nicht beschwert ist. 21 Bei der Frage der örtlichen Zuständigkeit müssen zunächst Maßnahmen des Finanzamtes, z. B. der Steuerbescheid, abgewartet werden. Erst gegen den Steuerbescheid kann der Steuerpflichtige nach erfolglosem Einspruchsverfahren mit der Begründung vorgehen, das Finanzamt sei örtlich unzuständig. Allerdings muss er hierbei die Vorschrift des § 127 AO im Auge behalten; nach dieser Vorschrift kann die Aufhebung eines Verwaltungsaktes nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit zu Stande gekommen ist, wenn keine andere Entscheidung in der Sache hätte getroffen werden können, der Bescheid also inhaltlich richtig ist. Beispiel: Die Finanzämter A und B streiten darüber, welches von beiden Ämtern für die Besteuerung des S zuständig ist. Sie schließen eine Vereinbarung des Inhalts ab, dass das Finanzamt B für die Besteuerungsmaßnahmen des S zuständig sein sollte. Dies wird dem S mitgeteilt. Einige Zeit später teilt die Oberfinanzdirektion dem S mit, sie habe die Finanzämter A und B angewiesen, die Vereinbarung zu widerrufen und angeordnet, dass das Finanzamt A für die Besteuerung zuständig sein solle. S will sich gegen diese Mitteilung der Oberfinanzdirektion wehren. Mit Erfolg? Gegen die Mitteilung der Oberfinanzdirektion kann S sich nicht im Klagewege zur Wehr setzen. Eine solche Klage wäre unzulässig. S muss in einem solchen Fall Maßnahmen des Finanzamts A, z. B. den Erlass eines Steuerbescheides, abwarten. 22–35 Einstweilen frei. 56
Zweckmäßigkeit einer Klage
Rz. 38 II
III. Zweckmäßigkeit einer Klage Bevor eine Klage beim Finanzgericht erhoben wird, sollten der Steuerpflichtige 36 und sein Berater prüfen, ob eine Klage überhaupt zweckmäßig ist.
1. Verfahrensdauer Die sich für den Steuerpflichtigen aus einer längeren Verfahrensdauer ergebenden 37 nachteiligen Folgen können allerdings dadurch abgemildert werden, dass in Verfahren, in denen über die Steuerfestsetzung gestritten wird, ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gestellt wird. Über solche Anträge entscheiden die Finanzgerichte in aller Regel innerhalb von wenigen Monaten. Ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung beim Gericht – dieser ist allerdings nur zulässig, wenn das Finanzamt zuvor einen entsprechenden Antrag abgelehnt hat – bietet darüber hinaus für den Steuerpflichtigen einen weiteren Vorteil. Er erfährt die vorläufige Rechtsauffassung des Gerichts innerhalb relativ kurzer Zeit. Sollte das Gericht dem Antrag stattgeben, ist das Finanzamt erfahrungsgemäß eher geneigt, von sich aus den angefochtenen Bescheid zu ändern und das Klageverfahren damit zu erledigen. Wird der Antrag vom Gericht abgelehnt, sollte es sich der Steuerpflichtige bzw. sein Berater nach dem Studium der Gründe überlegen, ob er die Klage im Hauptsacheverfahren weiter verfolgen soll. Zu berücksichtigen ist ferner, dass nach der Gewährung einer Aussetzung der Vollziehung Aussetzungszinsen in Höhe von 6 v. H. jährlich zu zahlen sind, wenn die Klage letztlich keinen Erfolg hat (s. II Rz. 808). Bei lang andauernden Verfahren führt die Aussetzung der Vollziehung im Übrigen dazu, dass – aus Sicht der Finanzverwaltung sehr günstig – keine Zahlungsverjährung eintreten kann1.
2. Saldierungsbefugnis des Gerichts Noch ein weiterer Aspekt sollte bei der Prüfung der Zweckmäßigkeit der Klage 38 nicht unberücksichtigt bleiben: Zwar darf eine Entscheidung des Finanzgerichts gegen den Kläger höchstens in der Abweisung der Klage bestehen, nicht aber in der Veränderung des vor Klageerhebung bestehenden Rechtszustandes zu seinem Nachteil (sog. Verböserung). Das Finanzgericht kann aber Fehler, die dem Finanzamt zu Lasten des Steuerpflichtigen unterlaufen sind, mit solchen Fehlern ausgleichen (saldieren), die sich zu Gunsten des Steuerpflichtigen ausgewirkt haben. Das Gleiche gilt auch im umgekehrten Fall. Beispiel 1: X begründet seine Klage gegen den über 5000 Euro lautenden Einkommensteuerbescheid 2005 damit, dass das Finanzamt die Reisekosten nicht in vollem Umfang als Betriebsausgaben anerkannt habe, und beantragt, die Steuer auf 4000 Euro herabzusetzen.
__________
1 § 231 AO – BFH v. 25.2.1004 – I B 34/02, n. v.
57
II Rz. 39
Rechtsschutz vor dem Finanzgericht
Gelangt das Gericht zu dem Ergebnis, dass die Einwendungen des X zwar berechtigt sind, stellt es aber fest, dass bestimmte Aufwendungen i. H. v. 6000 Euro nicht als Sonderausgaben anerkannt werden können, so sind diese Beträge nach vorherigem Hinweis auszugleichen. Eine Erhöhung des Steuerbetrages über 5000 Euro hinaus ist allerdings im Hinblick auf das sog. Verböserungsverbot nicht zulässig. Beispiel 2: Stellt das Gericht fest, dass das Vorbringen des X hinsichtlich der Anerkennung der Reisekosten unbegründet ist, das Finanzamt aber andere Kosten i. H. v. 5000 Euro zu Unrecht nicht als Betriebsausgaben anerkannt hat, ist die Klage trotz der unrichtigen Begründung gleichwohl erfolgreich. Das Gericht kann also die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aus anderen als den vom Kläger geltend gemachten Gründen feststellen, selbst wenn die Angaben des Klägers keinerlei Anhaltspunkte für die Rechtswidrigkeit enthalten haben. Das Gericht muss aber auch, obwohl das Vorbringen des Klägers an sich erfolgreich ist, die Klage abweisen, wenn die durch den Kläger geltend gemachten, ihn belastenden Fehler durch andere Fehler, die sich bisher in dem angefochtenen Bescheid zu seinem Vorteil ausgewirkt haben, ausgeglichen werden. Diese Saldierung kann also dazu führen, dass das Gericht, obwohl der Klagevortrag zutrifft, die Klage als unbegründet abzuweisen hat, weil der festgesetzte Steuerbetrag im Ergebnis richtig ist1. Eine aus diesem Grund erfolgte Klageabweisung hat notwendigerweise zur Folge, dass der Steuerpflichtige die Kosten des Verfahrens zu tragen hat. Insoweit ist Vorsicht geboten. Empfehlung: Vor Erhebung der Klage sollten der Steuerpflichtige und sein Berater überlegen, ob dem Finanzamt nicht Fehler zu Gunsten des Steuerpflichtigen unterlaufen sind, die möglicherweise zu einer Abweisung der Klage führen können, obwohl dem Finanzamt auch einige Fehler zu Lasten des Steuerpflichtigen unterlaufen sind. So können unnötige Verfahrenskosten vermieden werden.
3. Kompensationsgefahr in anderen Bescheiden 39 Eine weitere Gefahr der Kompensation ergibt sich bei bestimmten Fallkonstellationen aus § 174 Abs. 4 AO2. Nach § 174 Abs. 4 Satz 1 AO können dann, wenn aufgrund irriger Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts ein Steuerbescheid ergangen ist und dieser Bescheid aufgrund eines Rechtsbehelfs des Steuerpflichtigen zu dessen Gunsten geändert wird, aus dem Sachverhalt nachträglich durch Erlass oder Änderung eines Steuerbescheids die richtigen Folgerungen gezogen werden. Durch diese Regelung soll der Finanzbehörde die Möglichkeit eröffnet werden, Folgerungen aus einem bestimmten Sachverhalt, die zunächst nicht im „richtigen“ Bescheid, sondern in einem anderen Verfahren gezogen wurden, durch Änderung des „richtigen“ Bescheids oder durch erstmaligen Erlass eines solchen
__________ 1 BFH v. 19.4.2005 – III B 19/04, n. v. 2 Hierauf weisen ausdrücklich Fumi/Müller in sj 2006, Heft 21, S. 21 hin.
58
Zweckmäßigkeit einer Klage
Rz. 41 II
zu einem späteren Zeitpunkt noch zu ziehen1. § 174 Abs. 4 AO betrifft also den Fall, dass die Finanzbehörde oder das Gericht aufgrund eines Rechtsbehelfs eine Steuerfestsetzung zugunsten des Steuerpflichtigen ändert, die Klage also Erfolg hat. In dieser Konstellation lässt die Vorschrift zu, dass aus dem nämlichen „bestimmten“ Sachverhalt nunmehr ohne Rücksicht auf die etwaige Bestandskraft einer anderen Steuerfestsetzung nachträglich die richtigen steuerlichen Konsequenzen gezogen werden2. Empfehlung: Der Steuerpflichtige und sein Berater sollten gleichermaßen im Vorfeld überlegen, ob möglicherweise die steuerlichen Auswirkungen aufgrund einer Folgeänderung in einem anderen Bescheid zu erfassen sind und der Erfolg der Klage damit nur ein „Pyrrhussieg“ wäre. Dies kann auch für Gewinnverschiebungen gelten.
4. Dritte im Verfahren Der Steuerpflichtige und sein Berater sollten auch überlegen, welche Personen 40 u. U. vom Gericht gem. § 60 Abs. 3 FGO notwendig beizuladen sind (s. II Rz. 550), weil die Entscheidung nur mit Wirkung für und gegen Dritte ergehen kann. Es könnte sein, dass die beizuladenden Personen, die als Beteiligte dann z. B. auch ein Akteneinsichtsrecht haben, unerwünscht sind. Diese Frage spielt insbesondere bei Klagen einer Personengesellschaft gegen Feststellungsbescheide eine Rolle. Hier müssen ggf. z. B. ausgeschiedene Gesellschafter, zu denen der Kläger sonst keinen Kontakt mehr hat, beigeladen werden.
5. Kostenrisiko Schließlich sollte auch das Kostenrisiko bedacht werden. Zu den Kostenregelun- 41 gen im Einzelnen s. VII Rz. 1. Bei Erhebung einer Klage fallen seit dem 1.7.2004 sofort Gerichtsgebühren an. Der kurz nach Eingang der Klage von dem Kläger zu zahlende Vorschuss beträgt, ausgehend von einer vierfachen Verfahrensgebühr bei einem Mindeststreitwert von 1000 Euro, jedenfalls 220 Euro (55 Euro x 4) für jede einzelne Klage. Dies ist auch dann der Fall, wenn es sich in dem Klageverfahren um einen niedrigeren Streitwert handelt. Wird die Klage nur „vorsorglich“ ohne konkreten Antrag erhoben und dann nicht weiter begründet, sondern vielmehr nach Überprüfung des Bescheids wieder zurückgenommen, so ermäßigen sich die Gerichtsgebühren um die Hälfte, das heißt, es müssen in diesem Fall immer mindestens 110 Euro gezahlt werden. Sind die finanziellen Mittel für die Bezahlung der Gerichtskosten und auch des Beraters nicht vorhanden, so ist zu überlegen, ob Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Rechtsanwalts oder Steuerberaters beantragt werden soll (s. VII Rz. 56 ff.).
__________ 1 BFH v. 8.7.1992 – XI R 54/89, BStBl. II 1992, 867; v. 28.2.2001 – I R 29/99, BFH/NV 2001, 1099 m. w. N. 2 Vgl. dazu die Anmerkung von Braun zum Urteil des FG Köln v. 20.3.2007 – 15 K 1487/03, EFG 2007, 1221.
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II Rz. 56
Rechtsschutz vor dem Finanzgericht
Beispiel: A ist Freiberufler und will mit seiner Klage die Berücksichtigung von zusätzlichen Betriebsausgaben in Höhe von 500 Euro erreichen, was zu einer Steuerabsetzung von 200 Euro führen würde. A muss einen Vorschuss an Gerichtskosten in Höhe von 220 Euro leisten. Empfehlung: Vor Klageerhebung sollte auch die Kostenfrage bedacht werden. Der Kostenvorschuss ist für jede einzelne Klage zu leisten. Deshalb sollten möglichst viele Klagebegehren (Steuerarten, Streitjahre) in einer Klage zusammengefasst werden. Dies ist ohne weiteres zulässig. – Es sollte auch nicht nur „vorsorglich“ Klage zur Fristwahrung erhoben werden, die dann nach Überprüfung des Bescheids wieder zurückgenommen wird. Kann der Kostenvorschuss nicht geleistet werden und kann auch das Geld für den Prozessbevollmächtigen nicht aufgebracht werden, weil die persönlichen Verhältnisse dies nicht zulassen, so empfiehlt es sich, Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des namentlich zu benennenden Bevollmächtigten zu beantragen. 42–55 Einstweilen frei.
B. Form und Inhalt der Klage I. Allgemeines 56 Entschließt sich der Steuerpflichtige, den Finanzrechtsweg zu beschreiten, muss er neben der Frist auch bestimmte Formalien beachten. Das auf Erlass eines Urteils gerichtete gerichtliche Verfahren wird durch Erhebung einer Klage in Gang gesetzt. Die Klage ist schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Finanzgerichts zu erheben (§ 64 Abs. 1 FGO). Eine telefonische Klageerhebung ist nicht möglich, und zwar auch dann nicht, wenn das Telefongespräch vom Urkundsbeamten zu Protokoll genommen wird1. Die Gerichtssprache ist gemäß § 52 Abs. 1 FGO i. V. m. § 184 GVG Deutsch. Inhaltlich muss die Klage gem. § 65 Abs. 1 FGO bezeichnen – den Kläger, – den Beklagten, – den Gegenstand des Klagebegehrens, – bei Anfechtungsklagen den angefochtenen Verwaltungsakt und die Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf. Außerdem soll sie enthalten – einen Antrag sowie – die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel.
__________ 1 Vgl. Gräber/von Groll, § 64 FGO Rz. 27 m. w. N.
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Form der Klage
Rz. 58 II
Der Klage sollen ferner die Urschrift oder eine Abschrift des angefochtenen Verwaltungsakts und der Einspruchsentscheidung beigefügt werden.
II. Form der Klage 1. Schriftform Die Klage ist schriftlich zu erheben (§ 64 Abs. 1 Satz 1 FGO). Diese Vorausset- 57 zung ist grundsätzlich nur dann erfüllt, wenn die Klage in einem Schriftstück niedergelegt und vom Kläger oder seinem Vertreter eigenhändig (handschriftlich) unterzeichnet ist1. Unterschreiben können nur natürliche Personen, nicht hingegen juristische Personen wie z. B. Aktiengesellschaften, GmbHs und Vereine. Für juristische Personen müssen ihre gesetzlichen Vertreter unterzeichnen. Wird deshalb am Ende der Klageschrift lediglich eine juristische Person angegeben, so fehlt die erforderliche Unterschrift. Es liegt keine wirksame Klageerhebung vor. Die Schriftform ist auch gewahrt, wenn die Klageschrift von einem bevollmächtigten Vertreter, z. B. einem Steuerberater oder Rechtsanwalt als Prozessbevollmächtigtem unterschrieben wird. Lässt sich ein Kläger durch einen Bevollmächtigten vertreten, dann ist das Erfordernis der Eigenhändigkeit der Unterschrift nicht gewahrt, wenn der Bevollmächtigte mit dem Namen des Klägers unterschreibt und die Bevollmächtigung nicht aus der Klageschrift oder aus den dieser beigefügten Unterlagen ersichtlich ist2. Die Unterschriftsleistung kann nach Ablauf der Klagefrist nicht mehr nachgeholt werden. Empfehlung: Ist die Klageschrift lediglich von einem Angestellten des Prozessbevollmächtigten unterzeichnet worden, dem seinerseits keine Vollmacht (auch keine Untervollmacht) erteilt worden ist – eine entsprechende Nachfrage des Gerichts wird z. B. durch die Unterzeichnung der Klageschrift mit dem Zusatz „im Auftrag“ hervorgerufen –, kann der Mangel in der Vertretung durch eine spätere Genehmigung seitens des Prozessbevollmächtigten oder des Klägers persönlich geheilt werden3. Dies geschieht „automatisch“ dadurch, dass spätere Schriftsätze vom Prozessbevollmächtigten selbst unterzeichnet sind. Von einer Unterschrift kann nur dann ausgegangen werden, wenn es sich um 58 einen die Identität des Unterschreibenden ausreichend kennzeichnenden individuellen Schriftzug handelt, der nach dem Schriftbild die Absicht einer vollen Unterschrift erkennen lässt4. Dazu gehört auch – dies ist für die Praxis besonders
__________ 1 BFH v. 3.5.2005 – X B 190/03, BFH/NV 2005, 1824 unter Berufung auf BFH v. 10.7.2002 – VII B 6/02, BFH/NV 2002, 1597. 2 BFH v. 3.5.2005 – X B 190/03, BFH/NV 2005, 1824 unter Berufung auf BFH v. 7.11.1997 – VI R 45/97, BStBl. II 1998, 54; v. 17.12.1998 – III R 87/96, BStBl. II 1999, 313. – § 126 BGB, der eine Unterschrift des Vertreters mit dem Namen des Vertretenen zulässt, ist wegen der Eigenständigkeit des Prozessrechts auf Prozesshandlungen weder unmittelbar noch entsprechend anwendbar. 3 BFH v. 28.2.2000 – IX B 143/99, BFH/NV 2000, 982. 4 BFH v. 2.8.2002 – IV R 14/01, BFH/NV 2002, 1604; v. 23.6.1999 – X R 113/96, BStBl. II 1999, 668.
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II Rz. 59
Rechtsschutz vor dem Finanzgericht
wichtig –, dass mindestens einzelne Buchstaben zu erkennen sind, weil es sonst am Merkmal einer Schrift überhaupt fehlt. Erforderlich ist nicht, dass der Namenszug lesbar ist. Eine Unterschrift ist von der Rechtsprechung in folgenden Fällen nicht mehr anerkannt worden: – bei zwei gewellten Linien mit einem Punkt, selbst wenn sie über dem Wort „Steuerberater“ gezogen sind1; – bei einer sog. Paraphe, d. h. bei Unterzeichnung mit erkennbar nur einzelnen Buchstaben oder einer abgekürzten Form des Namens2, allerdings mit der Möglichkeit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, wenn diese Art der Unterzeichnung im Geschäftsverkehr, bei Behörden und in Gerichtsverfahren jahrelang ohne Beanstandungen verwendet worden ist; – bei einem Faksimile-Stempel3; – bei einem handgeschriebenen Schriftzeichen, aus dem sich ein Buchstabe mit einem zusätzlichen Schnörkel erkennen lässt4; – bei einem Zusatz auf einer Telekopie in Maschinenschrift „gez. …, Rechtsanwalt“5. Empfehlung: Die vorstehenden Beispiele machen deutlich, dass die Klageschrift, sofern nicht im Hinblick auf neuere moderne Kommunikationsmittel eine eigenhändige Unterschrift entbehrlich ist (z. B. bei Klageerhebung per Computerfax oder per E-Mail) immer eigenhändig zu unterschreiben ist. Bei der Unterzeichnung der Klageschrift sollte zur Vermeidung von Rechtsnachteilen unbedingt darauf geachtet werden, dass die Unterschrift lesbar ist. Denn: Enthält die Klageschrift keine Unterschrift bzw. keine wirksame Unterschrift, kann die Unterschriftsleistung rechtswirksam nur bis zum Ablauf der Klagefrist nachgeholt werden. Liegt eine wirksame Unterschrift bis zum Ablauf der Klagefrist nicht vor, so ist keine rechtswirksame Klage erhoben worden mit der Folge, dass die angegriffenen Bescheide bestandskräftig geworden sind6. In diesem Fall kann sich der Prozessvertreter schadensersatzpflichtig machen. 59 Von einer schriftlichen Klageerhebung kann ausnahmsweise auch ohne eigenhändige Unterzeichnung der Klageschrift auch dann ausgegangen werden, – wenn der nicht unterzeichneten Klageschrift ein handschriftlich unterzeichnetes Schriftstück, insbesondere ein Anschreiben oder eine Abschrift der Klage beigefügt ist7; – wenn aus dem betreffenden Schriftsatz und ggf. beigefügten weiteren Unterlagen hinreichend sicher auf die Urheberschaft geschlossen werden kann und
__________ 1 2 3 4 5 6 7
BFH v. 30.5.1984 – I R 2/84, BStBl. II 1984, 669. BFH v. 16.3.1999 – X R 41/96, BStBl. II 1999, 565. BFH v. 7.8.1974 – II R 169/70, BStBl. II 1975, 194. BFH v. 8.10.1991 – IX R 48/91, BFH/NV 1992, 188. BFH v. 10.7.2002 – VII B 6/02, BFH/NV 2002, 1597. BFH v. 29.8.1969 – III R 86/68, BStBl. II 1970, 89. BFH v. 5.11.1973 – GrS 2/72, BStBl. II 1974, 242; v. 6.6.2005 – X B 56/05, n. v.
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Form der Klage
Rz. 61 II
außerdem der Briefumschlag, der die maßgebenden Schriftstücke enthält, vom Verfasser handschriftlich mit der Absenderangabe versehen ist1. So wird der Mangel der Unterschrift z. B. dadurch geheilt, dass der Klage eine vom Kläger unterzeichnete Vollmacht beigefügt wird, die sich auf dieselben Steuerarten und dieselben Veranlagungszeiträume bezieht. Denn Verfahrensvorschriften sind im Zweifel so auszulegen, dass sie – wenn irgend vertretbar – eine Entscheidung der materiellen Rechtsfrage ermöglichen; es muss allerdings feststehen, dass es sich bei dem Schriftstück nicht um einen Entwurf handelt, sondern dass es mit Wissen und Wollen des Berechtigten dem Gericht zugeleitet worden ist2.
2. Sonderfälle der Schriftform a) Telegramm und Telebrief Von den Möglichkeiten, eine Klage durch Telegramm3 oder Telebrief4 zu erhe- 60 ben, wird im Hinblick auf die neueren technischen Kommunikationsmittel in der Praxis kein Gebrauch mehr gemacht. Die vom Gesetz geforderte Schriftform gilt jedenfalls auch in diesen Fällen als gewahrt.
b) Telefax Die Klage kann auch wirksam per Telefax erhoben werden, d. h. auch bei einer 61 Übermittlung der Klageschrift im Telefax-Verfahren direkt an das Gericht ist die Schriftform gewahrt, wenn die Kopiervorlage erkennbar ordnungsgemäß unterschrieben ist5. Von dieser Möglichkeit wird in der Praxis sehr häufig Gebrauch gemacht. Sie ist an sich unproblematisch, weil die unterschriebene Originalklageschrift die Kopiervorlage ist, die auf diesem Wege als Kopie an das Finanzgericht übermittelt wird. Ein weiteres Anschreiben ist nicht erforderlich. Häufig wird dann noch die Originalklageschrift auf dem Postweg an das Gericht übersandt, z. B. wenn dann noch zahlreiche Anlagen beigefügt werden, die vorher nicht gefaxt worden sind. Empfehlung: Wird die Klageschrift zunächst per Telefax an das Gericht geschickt und wird anschließend die Originalklageschrift nochmals auf dem Postweg übersandt, so sollte das Telefax einen Zusatz wie „vorab per Fax“ enthalten, damit die Klage bei Gericht nicht zweimal – ggf. mit Kostenfolgen – erfasst wird6.
__________ 1 2 3 4 5 6
BFH v. 1.12.1989 – VI R 57/86, BFH/NV 1990, 586. BFH v. 28.9.1995 – IV R 76/94, BFH/NV 1996, 332. S. z. B. BFH v. 14.6.1985 – III R 265/84, BStBl. II 1985, 522. Vgl. BFH v. 10.3.1982 – I R 91/81, BStBl. II 1982, 573. BFH v. 19.5.2000 – VIII B 13/00, BFH/NV 2000, 1358. Diese Empfehlung gibt auch Valentin in sj 23/06, 17.
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II Rz. 62
Rechtsschutz vor dem Finanzgericht
c) Computerfax 62 Die Klage kann auch wirksam durch Computerfax – ohne eigenhändige Unterschrift – an das Finanzgericht übermittelt werden1. Dabei muss in der Klageschrift die Person des Erklärenden dadurch hinreichend bestimmt sein, dass am Ende des Schriftstücks, wenn nicht eine Unterschrift eingescannt wird2, der gedruckte Name enthalten und der Hinweis angebracht ist, dass der benannte Urheber wegen der gewählten Übertragungsform nicht eigenhändig zu unterzeichnen vermag3. Auch bei einer Klageerhebung per Computerfax genügt nicht die Angabe des Firmennamens; es ist die – gedruckte – Unterschrift des gesetzlichen Vertreters erforderlich4. Beispiel: Die „X-GmbH, Geschäftsführer Peter Meier“ erhebt Klage gegen den Körperschaftsteuerbescheid 2005 durch ein Computerfax: Dieses ist am Schluss nur mit der Firmenbezeichnung der Gesellschaft (Einzelhandel-X-GmbH) versehen. Die Klage ist nicht wirksam erhoben worden. Es fehlt an einer Unterzeichnung der Klageschrift. Die Klageschrift müsste vielmehr den zusätzlich den Namen des Geschäftsführers enthalten und den Hinweis auf darauf, dass im Hinblick auf die gewählte Übertragungsform per Computerfax eine eigenhändige Unterschrift nicht möglich ist. Also: … Mit freundlichen Grüßen Einzelhandel-X-GmbH Peter Meier Hinweis: Eine eigenhändige Unterschrift ist wegen der gewählten Übertragungsform per Computerfax nicht möglich.
d) E-Mail 63 Im Rahmen des elektronischen Rechtsverkehrs muss ein am PC erstelltes Dokument und damit auch eine Klage nicht mehr ausgedruckt und per Post oder als Fax versendet werden, sondern das elektronische Dokument kann unmittelbar an das Gericht gesendet werden. Dabei ist zu beachten, dass elektronische Dokumente, die einem schriftlich zu unterzeichnenden Schriftstück gleich stehen, mit einer besonderen Form der „elektronischen Unterschrift“ versehen werden müssen, einer so genannten qualifizierten elektronischen Signatur. Dies ist
__________ 1 BVerfG v. 4.7.2002 – 2 BvR 2168/00, NJW 2002, 3534; BFH v. 4.9.2000 – III B 41/00, BFH/NV 2001, 231. 2 Beschluss des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes v. 5.4.2000 – GmS-OGB 1/98, NJW 2000, 234. 3 So ausdrücklich BVerfG v. 4.7.2002 – 2 BvR 2168/00, NJW 2002, 3534 unter Hinweis auf den Beschluss des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes v. 5.4.2000 – GmS-OGB 1/98, NJW 2000, 234. 4 Vgl. BFH v. 4.9.2000 – III B 41/00, BFH/NV 2001, 321.
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Form der Klage
Rz. 65 II
ein elektronisches Verfahren, das sicherstellt, dass ein im elektronischen Rechtsverkehr übermitteltes Dokument von einem bestimmten Absender stammt und unverfälscht übermittelt wurde. Für eine solche qualifizierte elektronische Signatur benötigt der Bevollmächtigte eine entsprechende Signatursoftware und eine Signaturkarte. Einzelheiten hierzu können auf den Internetseiten der am elektronischen Rechtsverkehr beteiligten Gerichte abgefragt werden1. Die Möglichkeit der Übermittlung elektronischer Dokumente an die Finanzge- 64 richte regelt § 52a FGO2. Voraussetzung für eine elektronische Klageerhebung ist, dass für den jeweiligen Zuständigkeitsbereich eine Rechtsverordnung erlassen worden ist, in der die Art und Weise der Dokumentenübermittlung genau festgelegt ist. Für den elektronischen Rechtsverkehr mit dem BFH3 gibt es eine solche Rechtsverordnung, für den mit den Finanzgerichten bereits in Brandenburg, Hamburg und Nordrhein-Westfalen. Nach § 52a Abs. 2 Satz 3 FGO hat die verantwortende Person das Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz (SigG)4 zu versehen. Ihrer Rechtsnatur nach ist die Signatur ein Funktionsäquivalent zur eigenhändigen Unterschrift5. Gem. § 2 Nr. 1 SigG sind „elektronische Signaturen“ i. S. dieses Gesetzes Daten in elektronischer Form, die anderen elektronischen Daten beigefügt oder logisch mit ihnen verknüpft sind und die zur Authentifizierung dienen. Die Eintragung einer monetären Beschränkung von 100 Euro ist unbeachtlich, wenn die Signatur dazu verwendet wird, einen (bestimmenden) Schriftsatz an das Gericht zu übermitteln6. Entspricht die elektronisch eingelegte Klage nicht den Anforderungen des § 52a Abs. 1 FGO7, weil es ersichtlich an der qualifizierten elektronischen Signatur nach § 2 Nr. 3 SigG bzw. an der Einhaltung eines anderen sicheren Verfahrens, das die Authentizität und die Integrität des übermittelten elektronischen Dokuments sicherstellt (vgl. § 52a Abs. 1 Satz 3 und 4 FGO), fehlt, ist die Klage nicht wirksam erhoben und damit unzulässig8. Unabhängig von der Signatur kann ein Dokument zusätzlich elektronisch ver- 65 schlüsselt werden, damit es von Dritten nicht gelesen werden kann. Von der Klageerhebung per E-Mail ist bisher nur in wenigen Fällen Gebrauch gemacht worden. Einstweilen frei.
66–75
__________ 1 Z. B. fg-koeln.nrw.de zum Stichwort „Elektronischer Rechtsverkehr“. 2 I. d. F. von Art. 3 Nr. 2 des Gesetzes über die Verwendung elektronischer Kommunikationsformen in der Justiz (Justizkommunikationsgesetz) v. 22.3.2005, BGBl. I 837, 844. 3 V. 26.11.2004, BGBl. I 2004, 3091. 4 V. 16.5.2001, BGBl. I 2001, 876; vgl. auch die Signaturverordnung v. 16.11.2001, BGBl. I, 3074. 5 Roßnagel, Recht der Multimedia-Dienste, 1999, § 2 SigG Rz. 25. 6 BFH v. 18.10.2006 – XI R 22/06, BStBl. II 2007, 276. 7 Zu Einzelheiten zu dem beim BFH zu benutzenden Verfahren s. auf den Internetseiten des BFH www.bundesfinanzhof.de, Stichwort „Elektronischer Rechtsverkehr“. 8 BFH v. 14.9.2005 – VII B 138/05, BFH/NV 2006, 104.
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II Rz. 76
Rechtsschutz vor dem Finanzgericht
III. Erhebung der Klage 1. Adressat 76 Die Klage ist bei dem Gericht zu erheben (§ 64 Abs. 1 Satz 1 FGO). Die Anbringung der Klage bei einer hierfür zuständigen Behörde wahrt die Klagefrist (vgl. § 47 Abs. 2 FGO – s. II Rz. 394), stellt aber noch keine Klageerhebung dar. Gericht in diesem Sinne ist das sachlich und örtlich zuständige Gericht. Richtet sich die Klage gegen einen Verwaltungsakt, kann der Kläger das zuständige Gericht und dessen Anschrift der Rechtsbehelfsbelehrung entnehmen. Soweit der Finanzrechtsweg gegeben ist, sind grundsätzlich in der ersten Instanz die Finanzgerichte zuständig. Örtlich zuständig ist dabei grundsätzlich das Finanzgericht, in dessen Bezirk die beklagte Behörde ihren Sitz hat (§ 38 Abs. 1 FGO). Die Zuständigkeit richtet sich danach, gegen welche Behörde die Klage tatsächlich gerichtet worden ist. Hat der Kläger, aus welchen Gründen auch immer, die falsche Behörde verklagt, ändert das nichts an der sachlichen Zuständigkeit des Gerichts.
2. Klageerhebung 77 Die Klage ist bei Gericht erhoben, wenn sie diesem zugegangen ist. Dieser Zeitpunkt ist wichtig für die Frage, ob die Klagefrist noch gewahrt worden ist. Wird die Klage beim Finanzgericht zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle erhoben, ist sie in dem Zeitpunkt zugegangen, in dem der Kläger die Niederschrift des Urkundsbeamten genehmigt. Wird Klage durch Einreichung eines Schriftsatzes erhoben, liegt ein Zugang erst in dem Zeitpunkt vor, in dem die Klageschrift tatsächlich in den Verfügungsbereich des Gerichts gelangt1. Damit ist eine telefonische Klageerhebung nicht möglich, auch wenn das Telefonat vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle aufgenommen wird2. 78 Nach der Rechtsprechung des BFH ist eine per Telefax übermittelte Klage bei störungsfreier Übermittlung und störungsfrei ausdruckendem Telefaxgerät des Gerichts erst dann zugegangen, wenn die Klageschrift innerhalb der Klagefrist von dem Empfangsgerät vollständig, d. h. einschließlich der Seite, welche die Unterschrift trägt, aufgezeichnet und ausgedruckt worden ist3. Neuerdings vertritt der BGH unter Berufung auf das BVerfG4 und die einschlägige Literatur5 die Auffassung, dass es für den Zugang allein auf den vollständigen Empfang (Speicherung) der gesendeten technischen Signale im Telefaxgerät des Gerichts ankomme und der Zeitpunkt des Ausdrucks des empfangenen Schriftsatzes unerheblich sei6.
__________ 1 BVerfG v. 7.5.1991 – BvR 215/90, NJW 1991, 2076. 2 Gräber/von Groll, § 64 FGO Rz. 28. 3 BFH v. 25.11.2003 – I R 9/03, BFH/NV 2004, 519; v. 5.11.2003 – B 99-101/03, BFH/NV 2004, 358. 4 BVerfG v. 1.8.1996 – BvR 121/95, NJW 1996, 2857. 5 Greger in Zöller, § 167 Rz. 9; Gummer/Heßler in Zöller, § 519 Rz. 18d. 6 BGH v. 25.4.2006 – IV ZB 20/05, NJW 2006, 2263.
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Erhebung der Klage
Rz. 81 II
Empfehlung: Wird eine Klage am letzten Tag der Klagefrist per Telefax erhoben, so sollte dies so rechtzeitig geschehen, dass unter gewöhnlichen Umständen mit einem Zugang noch bis 24.00 Uhr gerechnet werden kann. Dabei hat er die Belegung des gerichtseigenen Telefaxanschlusses durch andere eingehende Sendungen, eine kurz vor Fristablauf allgemein zu beobachtende Erscheinung, einzukalkulieren1. Geht die Klage verspätet ein, so kann dies zur Haftung des Beraters führen, sofern ihn hieran ein Verschulden trifft. Wird die Klageschrift in ein Postfach des Gerichts eingelegt, ist sie zugegangen, 79 wenn diese vor Fristablauf in das Postfach einsortiert wird. Auf den Zeitpunkt der Abholung oder Empfangnahme kommt es nicht an2.
3. Verfahrenshandlung Von einer Klage kann nur dann gesprochen werden, wenn der Wille des Steuer- 80 pflichtigen oder seines Bevollmächtigten, Klage zu erheben, klar und unmissverständlich zum Ausdruck gebracht wird. Es ist allerdings unschädlich, wenn der Ausdruck „Klage“ nicht gebraucht wird, sofern nur der Wille, eine Entscheidung des Gerichts herbeizuführen, auf andere Weise hinreichend deutlich zum Ausdruck kommt. Dies kann z. B. dadurch geschehen, dass der Schriftsatz an das Gericht adressiert wird. Eine vorsorglich erhobene Klage ist wirksam3. Aus der Klageschrift muss sich aber die unbedingte Anrufung des Gerichts zum Zwecke förmlicher Rechtsschutzgewährung entnehmen lassen4. Die Klageerhebung darf deshalb nicht von einer Bedingung, d. h. von dem Eintritt eines zukünftigen ungewissen Ereignisses, abhängig gemacht werden. Eine bedingte Klageerhebung für den Fall der Gewährung von Prozesskostenhilfe 81 ist im finanzgerichtlichen Verfahren unzulässig5. Allerdings ist in diesen Fällen nach Gewährung der Prozesskostenhilfe auf Antrag des Klägers regelmäßig Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, so dass für die Frage der Bewilligung der PKH immer von einer zulässigen Klage auszugehen ist. Zulässig ist jedoch auch der isolierte Prozesskostenhilfeantrag vor Klageerhebung, in dem die Klageerhebung erst nach der Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag in Aussicht gestellt wird. Insoweit hat das Gericht aufgrund der ihm vorliegenden Schriftstücke ggf. im Wege der Auslegung zu entscheiden, was der Kläger letztlich begehrt6. Empfehlung: Eine bedingte – unzulässige – Klage löst Gerichtskosten aus. Denn abweichend von dem bis zum 30.6.2004 geltenden Kostenrecht ergibt
__________ 1 2 3 4 5
BVerfG v. 19.11.1999 – BvR 565/98, NJW 2000, 574. Tipke in Tipke/Kruse, § 47 FGO Rz. 9. Tipke in Tipke/Kruse, § 65 FGO Rz. 4. BFH 3.2.2005 – II B 304/03, BFH/NV 2005, 1111. Vgl. hierzu z. B. BFH v. 19.11.1985 – VII B 103/85, BFH/NV 1986, 180; v. 3.4.1987 – VI B 150/85, BStBl. II 1987, 573; v. 3.2.2005 – VII B 304/03, BFH/NV 2005, 1111; a. A. BFH v. 24.8.2001 – VI S 5/01, n. v. 6 Vgl. dazu vor allem FG Münster v. 17.8.2006 – 14 S 1430/06 PKH, EFG 2006, 1688.
67
II Rz. 91
Rechtsschutz vor dem Finanzgericht
sich nach der Neufassung des Gerichtskostengesetzes1 für den Kläger mit der Klageerhebung stets ein Kostenrisiko. So ist die Möglichkeit einer gerichtsgebührenfreien Klagerücknahme weggefallen. Die mit der Klageerhebung entstehende, einheitliche Verfahrensgebühr in Höhe einer vierfachen Gebühr ermäßigt sich lediglich im Falle einer Klagerücknahme (§ 3 Abs. 2 GKG n. F. i. V. m. Nr. 6110 Kostenverzeichnis – KV). Eine solche – da bedingt – unzulässige Klage lässt sich vermeiden. Denn es ist im finanzgerichtlichen Verfahren möglich, innerhalb der Klagefrist lediglich einen isolierten – ordnungsgemäßen – Prozesskostenhilfeantrag zu stellen, über den gerichtsgebührenfrei entschieden wird. Es sollte darauf geachtet werden, dass dem Prozesskostenhilfeantrag deshalb nur eine nicht unterschriebene und ausdrücklich als Entwurf gekennzeichnete Klageschrift beigefügt wird. Allerdings ist nach Erhalt des Beschlusses über die Gewährung von Prozesskostenhilfe dann innerhalb der Zweiwochenfrist des § 56 Abs. 2 FGO die Klage zu erheben und ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu stellen. Ein Wiedereinsetzungsgrund liegt hier anerkanntermaßen vor (s. II Rz. 398 Stichwort: Prozesskostenhilfe). 82–90 Einstweilen frei.
IV. Bezeichnung des Klägers 91 Die Klage muss den Kläger bezeichnen (§ 65 Abs. 1 Satz 1 FGO). Das bedeutet: Die Person des Klägers muss aus der Klage eindeutig und klar feststellbar sein. Dazu gehört auch die Angabe der ladungsfähigen Anschrift2. Diese Angabe ist regelmäßig unverzichtbar; andernfalls besteht die Gefahr, dass die Klage nach Fristsetzung, die diesbezüglichen Angaben zu machen, als unzulässig abgewiesen wird. Auch der Prozessbevollmächtigte sollte entsprechend bezeichnet werden. Klage des Kaufmanns Hans Meier, X-Straße 23, 50169 Köln (= Privatanschrift) – Klägers Prozessbevollmächtigter: Steuerberater Peter Müller, Y-Straße 100, 50011 Köln (= Büroanschrift) gegen … 92 Problematischer ist jedoch die Frage, wer überhaupt richtiger Kläger und damit Beteiligter ist. Die Bezeichnung des Klägers in der Klageschrift ist für die Beteiligtenstellung nicht allein ausschlaggebend. Vielmehr kommt es darauf an, welcher Sinn der in der Klageschrift gewählten Parteibezeichnung bei objektiver Würdi-
__________ 1 Durch das Kostenrechtsmodernisierungsgesetz (KostRModG) v. 12.2.2004, BGBl. I 2004, 718. 2 BFH v. 19.10.2000 – R 25/00, BStBl. II 2001, 112; v. 15.2.2002 – B 55/01, BFH/NV 2002, 800.
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Bezeichnung des Beklagten
Rz. 106 II
gung des Erklärungsinhalts beizulegen ist. In diese Beurteilung ist auch der im weiteren Verlauf des Verfahrens erfolgte Tatsachenvortrag mit einzubeziehen. Bei unrichtiger äußerer Bezeichnung ist grundsätzlich die Person als Partei anzusprechen, die erkennbar durch die Parteibezeichnung betroffen werden soll; die Klageschrift ist als Prozesshandlung auslegungsfähig1. Auch bei scheinbar eindeutiger Erklärung hängt die Bestimmung des Klägers von allen dem Finanzamt und dem Finanzgericht als den Empfängern der Klageschrift bekannten oder erkennbaren Umständen tatsächlicher oder rechtlicher Art ab. Dabei ist im Allgemeinen nicht anzunehmen, dass eine Klage für jemanden erhoben wird, der nicht mehr existent ist2. Empfehlungen: – Die Person des Klägers sollte möglichst in der Klageschrift mit Namen, Beruf, Wohnanschrift und Stellung im Verfahren aufgeführt werden. – Erhebt jemand als gesetzlicher Vertreter Klage für einen anderen (z. B. der vertretungsberechtigte Gesellschafter einer GmbH für die Gesellschaft), so muss erkennbar gemacht werden, dass der Betreffende für einen anderen auftritt und nicht eine Klage im eigenen Namen erhebt. – Sofern für den Kläger ein Prozessbevollmächtigter handelt, sollte auch dieser so genau wie möglich mit Namen, Beruf, Büroanschrift und Stellung im Verfahren (Prozessbevollmächtigter) bezeichnet werden. Dies ist wichtig, weil das Gericht gem. § 62 Abs. 3 Satz 3 FGO Zustellungen und Mitteilungen an den Prozessbevollmächtigten zu richten hat, wenn ein solcher bestellt ist. – Im Zweifel sollten die im Rubrum der Einspruchsentscheidung benannten Personen in die Klägerbezeichnung so übernommen werden, wie sie dort bezeichnet sind. Damit ist der Kläger normalerweise zutreffend benannt. Einstweilen frei.
93–105
V. Bezeichnung des Beklagten Gem. § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO muss die Klage auch den Beklagten bezeichnen. 106 Wer der richtige Beklagte ist, ergibt sich aus § 63 FGO. Danach ist die Klage grundsätzlich gegen die Behörde zu richten, – die den ursprünglichen Verwaltungsakt erlassen hat oder – die den beantragten Verwaltungsakt oder die andere Leistung unterlassen oder abgelehnt hat oder – der gegenüber die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.
__________ 1 BFH v. 6.5.1998 – B 108/97, BFH/NV 1999, 146. 2 BFH v. 14.11.1986 – III R 12/81, BStBl. II 1987, 178; v. 8.11.2005 – VIII B 3/96, BFH/NV 2006, 570 m. w. N.
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II Rz. 107
Rechtsschutz vor dem Finanzgericht
Ist vor Erlass der Entscheidung über den Einspruch eine andere als die ursprünglich zuständige Behörde für den Steuerfall örtlich zuständig geworden, so ist die Klage gem. § 63 Abs. 2 FGO zu richten – gegen die Behörde, die die Einspruchsentscheidung erlassen hat; – wenn über einen Einspruch ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden ist (sog. Untätigkeitsklage i. S. des § 46 FGO), gegen die Behörde, die im Zeitpunkt der Klageerhebung für den Steuerfall örtlich zuständig ist. Hat eine Behörde, die aufgrund gesetzlicher Vorschriften berechtigt ist, für die zuständige Behörde zu handeln, den ursprünglichen Verwaltungsakt erlassen oder den beantragten Verwaltungsakt oder die andere Leistung unterlassen oder abgelehnt, so ist die Klage gegen die zuständige Behörde zu richten (§ 63 Abs. 3 FGO). Dieser Fall ist in der Praxis von geringer Bedeutung1. Gesetzlich nicht geregelt ist die Frage, welche Auswirkungen auf die Position des Beklagten ein Wechsel der Zuständigkeit während des finanzgerichtlichen Verfahrens hat. Hier sind zwei Fälle zu unterscheiden: – Ändern sich während des finanzgerichtlichen Verfahrens die tatbestandlichen Voraussetzungen der §§ 17 ff. AO, z. B. wegen eines Wohnsitzwechsels des Steuerpflichtigen, bleibt das bisher zuständig gewesene Finanzamt richtiger Beklagter2. – Ändert sich im Laufe des Verfahrens aufgrund eines Organisationsaktes (z. B. Gesetzesänderung, Änderung der Finanzamts-Bezirke) die Zuständigkeit des beklagten Finanzamts, so wird das nunmehr zuständige – neue – Finanzamt im Wege des gesetzlichen Beteiligtenwechsels Beklagter. Dies gilt aber nur dann, wenn der Beklagtenwechsel mit einem Wechsel des Streitgegenstands einhergeht. Ein solcher liegt z. B. vor, wenn das neu zuständige Finanzamt einen Änderungsbescheid erlassen hat und nunmehr über diesen Bescheid gestritten wird3 107 Zur Bezeichnung der beklagten Behörde ist regelmäßig die Angabe der amtlichen Bezeichnung des betreffenden Finanzamts erforderlich. Soweit Abkürzungen verwendet werden, müssen diese aus sich heraus verständlich oder allgemein gebräuchlich sein. Regelmäßig genügt zur Bezeichnung des beklagten Finanzamts die Angabe des Ortes, an dem das Finanzamt seinen Sitz hat. Gibt es in einer Stadt mehrere Finanzämter, ist die genaue amtliche Bezeichnung erforderlich. Eine genaue Anschrift des beklagten Finanzamts braucht die Klageschrift nicht zu enthalten, wenn die Anschrift gerichtsbekannt ist. Hiervon kann bei Klagen gegen Finanzämter in aller Regel ausgegangen werden. Empfehlung: In Zweifelsfällen sollte sich der Kläger hinsichtlich der Bezeichnung der beklagten Behörde an die Angabe in dem angefochtenen Bescheid oder dem Ablehnungsbescheid halten.
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1 Vgl. im Einzelnen Tipke in Tipke/Kruse, § 63 FGO Rz. 8. 2 Vgl. BFH v. 16.10.2002 – I R 17/01, BStBl. II 2003, 631 m. w. N. 3 BFH v. 25.1.2005 – I R 87/04, BStBl. II 2005, 575 in Einschränkung zur bisherigen Rechtsprechung (z. B. BFH v. 9.11.2004 – V S 21/04, BStBl. II 2005, 101).
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Bezeichnung des Beklagten
Rz. 110 II
Wird die falsche Behörde verklagt, ist die Klage unzulässig. Will der Kläger nach 108 Klageerhebung eine Auswechslung der beklagten Behörde vornehmen, liegt eine sog. Klageänderung vor. Diese ist bei fristgebundenen Klagen – wie der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage – nur innerhalb der Klagefrist zulässig1. Beispiel: A hat gegen das Finanzamt Köln-Süd Klage erhoben, mit der er seinen Einkommensteuerbescheid anfechten will. Richtiger Beklagter wäre demgegenüber das Finanzamt Köln-Ost. Will K nunmehr seine Klage gegen das Finanzamt Köln-Ost richten, muss er eine Klageänderung vornehmen. Diese wäre allerdings nur zulässig, wenn sie noch innerhalb der Klagefrist erfolgen würde. Allerdings können Unklarheiten in der Bezeichnung des Beklagten im Wege der 109 Auslegung im Laufe des Verfahrens berichtigt werden2. Es reicht aus, wenn sich das beklagte Finanzamt z. B. durch die Bezeichnung der Steuernummer und/oder der Rechtsbehelfsnummer in der Klageschrift3 oder durch beigefügte Anlagen wie den angefochtenen Verwaltungsakt oder die Einspruchsentscheidung alsbald leicht und eindeutig bestimmen lässt4. Beispiel: S hat vom zuständigen Finanzamt Köln-Süd einen Einkommensteuerbescheid erhalten, der nach seiner Auffassung eine um 5000 Euro überhöhte Einkommensteuerschuld ausweist. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhebt S Klage. In der Klageschrift gibt er als beklagtes Finanzamt versehentlich das Finanzamt Köln-West an. Allerdings enthält die Klageschrift die Angabe der richtigen Steuernummer, der sich entnehmen lässt, dass der Bescheid vom Finanzamt Köln-Süd erlassen worden ist. Hier kann der Klageschrift aufgrund der korrekten Angabe der Steuernummer im Wege der Auslegung entnommen werden, dass das Finanzamt Köln-Süd verklagt werden sollte. Die Klage ist deshalb zulässig. Eine Klageschrift kann den Mindestanforderungen des § 65 Abs. 1 FGO auch 110 dann entsprechen – und damit zulässig sein –, wenn in ihr zwar die Person des Beklagten nicht ausdrücklich bezeichnet ist, diese sich jedoch aufgrund anderer Angaben in der Klageschrift (z. B. Bezeichnung des angefochtenen Verwaltungsaktes und der Einspruchsentscheidung) alsbald leicht und eindeutig bestimmen lässt5. Diese weniger formstrenge Auslegung soll dem sich aus Art. 19 Abs. 4 GG ergebenden Grundsatz einer Rechtsschutz gewährenden Auslegung Rechnung tragen: Danach soll der Zugang zum Gericht nicht unnötig erschwert werden; deshalb ist eine Prozesserklärung so auszulegen, dass sie – wenn irgend vertretbar – im Ergebnis dem Willen eines verständigen Klägers entspricht. Einstweilen frei.
__________ 1 2 3 4 5
111–120
BFH v. 26.2.1980 – VII R 60/78, BStBl. II 1980, 331; Gräber/von Groll, § 63 FGO Rz. 5. BFH v. 22.1.2004 – III R 26/02, BFH/NV 2004, 792. BFH v. 22.1.2004 – III R 26/02, BFH/NV 2004, 792 m. w. N. BFH v. 16.6.1994 – IV R 97/93, BFH/NV 1995, 279. So BFH v. 16.6.1994 – IV B 97/93, BFH/NV 1995, 279.
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II Rz. 121
Rechtsschutz vor dem Finanzgericht
VI. Streitgegenstand und Klagebegehren 1. Streitgegenstand 121 Streitgegenstand im finanzgerichtlichen Verfahren ist nicht das einzelne Besteuerungsmerkmal, sondern die Rechtmäßigkeit des die Steuer festsetzenden Steuerbescheides1. Dies bedeutet: Die Finanzgerichte haben im Rahmen des Klagebegehrens nicht nur die Rechtmäßigkeit der festgesetzten Steuer aus den vom Kläger angegebenen Gründen zu prüfen; sie müssen vielmehr die Rechtmäßigkeit des Steuerbescheides insgesamt im Rahmen des Klagebegehrens ohne Rücksicht auf die nach Auffassung der Beteiligten bestehenden oder fehlenden rechtmäßigen oder rechtswidrigen Besteuerungsgrundlagen untersuchen. Hieraus folgt: Fehler in einem Steuerbescheid, die sich zu Ungunsten des Klägers ausgewirkt haben und von ihm mit der Klage geltend gemacht werden, können mit solchen Fehlern, die sich zu seinen Gunsten ausgewirkt haben, ausgeglichen (saldiert) werden. Beispiel: Das Finanzamt hat zu Unrecht Schuldzinsen in Höhe von 5000 Euro bei der Ermittlung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nicht als Werbungskosten anerkannt, wogegen sich der Kläger mit seiner Klage wendet. Das Finanzamt hat aber, was der Richter im Klageverfahren feststellt, Unfallkosten in Höhe von 6000 Euro – ebenfalls zu Unrecht – bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit als Werbungskosten berücksichtigt. Die Saldierung kann zur Klageabweisung führen, obwohl dem Finanzamt, wie vom Kläger geltend gemacht, ein Fehler zu seinen Ungunsten unterlaufen war.
2. Klagebegehren 122 Vom Streitgegenstand zu unterscheiden ist die Frage, wie genau der Kläger das Klagebegehren in der Klageschrift zu bezeichnen hat. Denn § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO schreibt zwingend vor, dass der Kläger den Gegenstand des Klagebegehrens darlegen muss. Im Hinblick darauf, dass das Gericht über das Klagebegehren nicht hinausgehen darf (§ 96 Abs. 1 Satz 2 FGO), hat der Kläger den Umfang des von ihm begehrten Rechtsschutzes zu bestimmen. Vor diesem Hintergrund ist die ausreichende Bezeichnung des Klagebegehrens zu beurteilen. Der Kläger muss deshalb substantiiert darlegen, inwieweit der angefochtene Verwaltungsakt rechtswidrig sein soll und ihn in seinen Rechten verletzt2. Mit anderen Worten: Der Kläger muss dem Gericht substantiiert den konkreten Sachverhalt unterbreiten, in dessen steuerrechtlicher Würdigung durch das Finanzamt er eine Rechtsverletzung erblickt; welche konkreten Anforderungen damit erfüllt sein müssen, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab3, insbesondere von
__________ 1 BFH v. 26.11.1979 – GrS 1/78, BStBl. II 1980, 99, 102. 2 BFH v. 8.6.2004 – XI B 46/02, BFH/NV 2004, 1417. 3 BFH v. 14.6.2000 – X R 18/99, BFH/NV 2001, 170.
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Streitgegenstand und Klagebegehren
Rz. 122 II
dem Inhalt des angefochtenen Verwaltungsakts, der Steuerart und der Klageart. Hierzu gibt es eine umfangreiche Rechtsprechung. – Vorsicht ist geboten, wenn lediglich ein bestimmter Klageantrag gestellt wird. Es ist fraglich, ob ein solcher allein für die Bezeichnung des Klagebegehrens ausreicht1. Er kann aber im Einzelfall ausreichen, wenn der Kläger die Herabsetzung der Steuerschuld bzw. einer bestimmten Besteuerungsgrundlage oder bei einem Gewinnfeststellungsbescheid der Einkünfte auf einen genau bezeichneten Betrag beantragt2. Bei einem bezifferten Klageantrag sind weitere Angaben zum Sachverhalt jedenfalls dann nicht erforderlich, wenn der Sachverhalt, um den gestritten wird, in groben Zügen aus der Einspruchsentscheidung oder unter Berücksichtigung des Inhalts der den Streitfall betreffenden Verwaltungsakte erkennbar ist3. – Bei einer Klage gegen einen Schätzungsbescheid reicht es allerdings aus, wenn der Kläger die anderweitig anzusetzende Besteuerungsgrundlage dem Betrag nach bezeichnet, z. B. bei einer Klage gegen einen Schätzungsbescheid sein Begehren durch Angabe von Umsatz, Vorsteuer und Gewinn näher umschreibt4. – Insoweit kommt – gerade bei Schätzungsbescheiden – auch eine Bezugnahme auf eine beim Finanzamt nach Erlass des angefochtenen Steuerbescheides tatsächlich eingereichte und diesem auch vorliegende Steuererklärung mit den erforderlichen Angaben oder Anlagen in Frage. Dabei kann der Hinweis auf Erklärungen, die eine andere Festsetzung oder Steuerart betreffen, ebenfalls genügen, soweit deren Inhalt Grundlage für die Entscheidung des angefochtenen Bescheides ist. Betrifft der Rechtsstreit also ausschließlich gewerbliche Einkünfte, ist für die Bezeichnung des Klagebegehrens zur Einkommensteuer somit der Hinweis auf eine vorliegende Erklärung zur Gewerbesteuer ausreichend5. – Auch ein Antrag auf Aufhebung eines Steuerbescheids kann zur hinreichenden Bezeichnung ausreichen, wenn eine Auslegung des Antrags auch unter Berücksichtigung des Inhalts der den Streitfall betreffenden Verwaltungsakte ergibt, dass der Bescheid dem Grunde nach angegriffen wird6. Anderes kann gelten, wenn mit der Klage entgegen ihrem Wortlaut erkennbar keine Aufhebung, sondern eine nicht näher bezeichnete Abänderung des Steuerbescheids begehrt wird7. – Der Gegenstand des Klagebegehrens wird hingegen durch einen Antrag auf Aufhebung eines genau bezeichneten Zinsbescheids hinreichend bezeichnet8,
__________ 1 Verneinend BFH v. 19.3.1996 – VII S 17/95, BFH/NV 1996, 818. 2 BFH v. 17.1.2002 – VI B 114/01, BStBl. II 2002, 306 unter Berufung auf BFH v. 17.10.1990 – I R 118/88, BStBl. II 1991, 242; v. 23.1.1997 – IV R 84/95, BStBl. II 1997, 462. 3 BFH v. 17.1.2002 – VI B 114/01, BStBl. II 2002, 306; v. 25.9.2006 – IV B 58/05, n. v. 4 BFH v. 17.1.2002 – VI B 114/01, BStBl. II 2002, 306 m. w. N. 5 BFH v. 22.4.1998 – XI R 31-32/97, BFH/NV 1998, 1245 m. w. N. 6 BFH v. 24.7.1997 – V R 65/96, BFH/NV 1998, 324; v. 17.1.2002 – VI B 114/01, BStBl. II 2002, 306; v. 25.9.2006 – IV B 58/05, n. v. 7 BFH v. 8.7.1998 – I R 23/97, BStBl. II 1998, 628; v. 25.5.2000 – XI B 10/99, BFH/NV 2000, 1362. 8 Vgl. BFH v. 24.7.1997 – V R 65/96, BFH/NV 1998, 324.
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II Rz. 122
Rechtsschutz vor dem Finanzgericht
da durch den Antrag eindeutig erkennbar werde, dass der Kläger die Berechtigung des Finanzamts, Zinsen festzusetzen, dem Grunde nach angreift. – In Bezug auf einen Haftungsbescheid ist hingegen angenommen worden, dass es für die Bezeichnung des Gegenstands des Klagebegehrens im Haftungsverfahren nicht ausreiche, wenn der Kläger den angefochtenen Haftungsbescheid und die Haftungssumme konkret benannt sowie einen Klageantrag lediglich auf Aufhebung des Haftungsbescheids gestellt habe1. Empfehlung: Für die Bezeichnung des Gegenstands des Klagebegehrens reicht es grundsätzlich nicht aus, dass der Kläger den angefochtenen Steuerbescheid und die Daten der Einspruchsentscheidung bezeichnet sowie einen bestimmten Klageantrag (z. B. Aufhebung des Einkommensteuerbescheides oder des Haftungsbescheides) stellt. Der Kläger muss vielmehr substantiierte Gründe für die Rechtswidrigkeit angeben, d. h., im Einzelnen darlegen, inwiefern der angefochtene Bescheid rechtswidrig sein soll. Es reicht auch die Bezugnahme auf den Inhalt der in der Klage genau bezeichneten Einspruchsentscheidung aus, wenn sich hieraus – zusammen mit dem erklärten Klageziel – ergibt, worum genau gestritten wird. Der Streitpunkt muss von anderen Streitpunkten abgrenzbar und unverwechselbar fixiert sein2. Es reicht aus, wenn der Kläger die anderweitig festzusetzenden Besteuerungsgrundlagen dem Betrag nach bezeichnet. Die Präzisierung des Klagebegehrens kann auch durch Bezugnahme auf das Einspruchsverfahren oder auf beim Finanzamt oder Finanzgericht eingereichte Unterlagen – wie auch die abgegebene Steuererklärung – erfolgen. Bei einer Klage gegen einen Schätzungsbescheid reicht es nicht aus vorzutragen, die Steuer sei zu hoch; vielmehr sollten hier die genauen Besteuerungsgrundlagen, am besten in Form der Steuererklärung genau benannt werden. Beispiel 1: K hat für das Streitjahr keine Einkommensteuererklärung abgegeben. Das Finanzamt hat deshalb die Besteuerungsgrundlagen nach § 162 AO geschätzt und die Einkommensteuer entsprechend festgesetzt. Gegen den Einkommensteuerbescheid legte K Einspruch ein, den er jedoch nicht begründete. Das Finanzamt hat den Einspruch deshalb zurückgewiesen. In seiner Klage trägt K lediglich vor, das Gericht möge den Einkommensteuerbescheid aufheben. Legt K nicht bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung substantiiert dar, in welchen Punkten er den angefochtenen Einkommensteuerbescheid für rechtswidrig hält, ist seine Klage als unzulässig abzuweisen, denn das Klagebegehren ist nicht hinreichend bestimmt. Gibt K allerdings in der mündlichen Verhandlung an, die Einkünfte aus Gewerbebetrieb seien vom Finanzamt zu hoch geschätzt worden, weil er im Streitjahr um ca. 10 000 Euro geringere Einnahmen erzielt habe, so hat er das Klagebegehren bereits hinreichend bestimmt. Die Klage kann jedenfalls nicht aus diesem Grund als unzulässig abgewiesen werden.
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1 BFH v. 19.3.1996 – VII S 17/95, BFH/NV 1996, 818. 2 BFH v. 14.6.2000 – X R 18/99, BFH/NV 2001, 170.
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Streitgegenstand und Klagebegehren
Rz. 123 II
Beispiel 2: Sachverhalt wie vor, K beantragt jedoch in der mündlichen Verhandlung, die Steuer nach Maßgabe der von ihm später noch nachzureichenden Steuererklärung festzusetzen. Hier ist im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht zu erkennen, inwiefern der angefochtene Verwaltungsakt rechtswidrig sein und K in seinen Rechten verletzen soll. Wenn keine Vertagung in Betracht kommt, müsste die Klage mangels ausreichender Bezeichnung des Klagebegehrens als unzulässig abgewiesen werden. Beispiel 3: A erhebt Klage gegen einen Einkommensteuerbescheid und beantragt die Herabsetzung der Steuer um 1500 Euro. Aus welchem Grunde die Herabsetzung begehrt wird, ob z. B. Betriebsausgaben oder Werbungskosten oder Sonderausgaben vom Finanzamt zu Unrecht nicht anerkannt worden sind, führt er nicht aus. Auch in diesem Fall ist das Klagebegehren nicht hinreichend bestimmt. Die Klage müsste deshalb als unzulässig abgewiesen werden. Beispiel 4: K wurde nach dem Tode seines Vaters vom beklagten Finanzamt vergeblich zur Abgabe einer Erbschaftsteuererklärung aufgefordert. Das Finanzamt erließ daraufhin gegen ihn einen auf einer Schätzung beruhenden Erbschaftsteuerbescheid. Dieser Bescheid wurde bestandskräftig. Ein Jahr später reichte K nachträglich eine Steuererklärung ein, aus der sich ein erheblich geringerer Wert des Nachlasses ergab, als das Finanzamt bei seiner Schätzung angesetzt hatte. K beantragte deshalb, den Steuerbescheid aufzuheben. Das Finanzamt lehnte dies ab. Auch der hiergegen eingelegte Einspruch blieb ohne Erfolg. Mit seiner Klage macht K geltend, er beantrage, den Steuerbescheid nach § 174 AO aufzuheben. Der überwiegende Teil des vom Finanzamt berücksichtigten Nachlasses sei bereits in einem gegen seine Mutter gerichteten Erbschaftsteuerbescheid erfasst worden. Die Klage ist zulässig. Das Klagebegehren ist von K hinreichend bestimmt worden. Er hat konkret zum Ausdruck gebracht, weshalb er die Ablehnung des Erlasses eines Berichtigungsbescheides durch das Finanzamt für rechtswidrig hält.
3. Ausschlussfrist Die Bezeichnung des Klagebegehrens kann grundsätzlich noch in der mündlichen 123 Verhandlung erfolgen. Allerdings kann der Vorsitzende oder der Berichterstatter dem Kläger für die Bezeichnung des Klagebegehrens eine Frist mit ausschließender Wirkung setzen (§ 65 Abs. 2 Satz 2 FGO). Unterlässt es der Kläger, die Bezeichnung des Klagebegehrens innerhalb der ihm gesetzten Ausschlussfrist nachzuholen, so ist die Klage allein aus diesem Grund als unzulässig abzuweisen. 75
II Rz. 124
Rechtsschutz vor dem Finanzgericht
Die Bezeichnung des Klagebegehrens ist dem Finanzgericht gegenüber vorzunehmen. Die Ausschlussfrist wird nicht gewahrt, wenn das Klagebegehren lediglich gegenüber dem Finanzamt konkretisiert wird1 und das Finanzgericht hiervon nichts innerhalb der Ausschlussfrist erfährt. Eine entsprechende Erklärung z. B. durch Einreichen einer Steuererklärung beim Finanzamt genügt deshalb nicht, um einer entsprechenden Verfügung des Gerichts nachzukommen; vielmehr muss dann noch innerhalb der Ausschlussfrist zusätzlich dem Finanzgericht hiervon Mitteilung gemacht werden2. 124 Die Ausschlussfrist kann verlängert werden3. Die Gründe für die Fristverlängerung müssen dargelegt und glaubhaft gemacht werden, und zwar vor Fristablauf4. Das Gericht ist nicht verpflichtet, von Amts wegen auf eine – fristgerechte – Glaubhaftmachung hinzuwirken5. Für eine Fristverlängerung kommen nur erhebliche Gründe in Betracht, die es dem Kläger unmöglich machen, die Frist einzuhalten. Zu berücksichtigen ist in jedem Fall, dass allein der Antrag auf Fristverlängerung die gesetzte Ausschlussfrist nicht hinfällig macht; vielmehr ist die Klage mit dem fruchtlosen Ablauf der Ausschlussfrist unzulässig6. Empfehlung: Der Antrag auf Fristverlängerung macht die gesetzte Ausschlussfrist nicht hinfällig. Ist die gesetzte Frist zu kurz und soll Verlängerung der Frist beantragt werden, so sollte der entsprechende Antrag unter Darlegung und Glaubhaftmachung der Gründe, warum die Einhaltung der Frist nicht möglich ist, so rechtzeitig vor Fristablauf gestellt werden, dass das Gericht hierüber noch vor Fristablauf entscheiden und die Entscheidung dem Kläger mitteilen kann, so dass die ausstehende Prozesshandlung ggf. noch erfolgen kann. 125 Bei unverschuldeter Fristversäumung ist nach § 65 Abs. 2 Satz 3 FGO Wiedereinsetzung in vorigen Stand in entsprechender Anwendung des § 56 FGO möglich. Wegen der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird auf II Rz. 396 ff. verwiesen. 126–135 Einstweilen frei.
VII. Bezeichnung der angefochtenen Entscheidung 136 Gem. § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO müssen bei Anfechtungsklagen auch der angefochtene Verwaltungsakt und die Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf bezeichnet werden. Dabei hat die Bezeichnung so genau zu erfolgen, dass das Gericht mit Sicherheit feststellen kann, welchen Verwaltungsakt und welche Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf (Einspruchsentscheidung) der Kläger zum Gegenstand des Verfahrens machen will. Um insoweit
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BFH v. 22.4.1998 – XI R 31-32/97, BFH/NV 1998, 1245. So st. Rspr., s. BFH v. 24.10.2001 – X R 39/99, BFH/NV 2002, 498. Vgl. BFH 17.3.2003 – IV B 51/02 NV 2004, 348. § 54 Abs. 2 FGO i. V. m. § 224 Abs. 2 ZPO, BFH v. 24.3.1999 – V B 136/98, BFH/NV 1999, 1237; zur Glaubhaftmachung vgl. II Rz. 405. 5 BFH v. 1.8.1996 – XI B 149/150/95, BFH/NV 1997, 131. 6 BFH v. 18.2.2003 – VIII B 218/02, BFH/NV 2003, 1186.
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Bezeichnung der angefochtenen Entscheidung
Rz. 137 II
Klarheit zu schaffen, sollen nach § 65 Abs. 1 Satz 4 FGO der Klage die Urschrift oder Abschrift des angefochtenen Verwaltungsaktes und der Einspruchsentscheidung beigefügt werden. Empfehlung: Um von Anfang an jegliche Missverständnisse über den Verfahrensgegenstand zu vermeiden, sollten vor allem der angefochtene Verwaltungsakt und die Einspruchsentscheidung mit Datum, Aktenzeichen und Betreff (z. B. Einkommensteuer 2005, Umsatzsteuer 2006) angegeben werden. Sofern die Möglichkeit von Verwechslungen besteht, sollte in jedem Fall darauf geachtet werden, dass zweifelsfrei erkennbar wird, welcher konkrete Verwaltungsakt und welche konkrete Einspruchsentscheidung angefochten werden soll. Beispiel 1: Hat das Finanzamt die Steuer und einen Verspätungszuschlag in dem gleichen Bescheid-Formular festgesetzt, sollte erkennbar gemacht werden, ob nur die Steuerfestsetzung oder nur die Festsetzung des Verspätungszuschlags oder beides angefochten werden soll. Beispiel 2: Hat das Finanzamt mehrere Bescheide unter demselben Datum und demselben Aktenzeichen erlassen, ist in jedem Fall klarzustellen, welche Steuerfestsetzung für welches Jahr angegriffen werden soll. Dies kann z. B. in folgender Weise geschehen: Wegen Bescheiden vom 8.10.2007 – St.-Nr. 218/056/2190 – betreffend Einkommensteuer und Umsatzsteuer 2005 – sowie Gewerbesteuermessbescheid 2005 vom 20.10.2007. Da vor Klageerhebung regelmäßig ein außergerichtliches Verfahren stattgefunden 137 hat, sind in der Regel gegenüber dem Kläger zwei Verwaltungsakte erlassen worden, nämlich der Steuerbescheid und die Einspruchsentscheidung. Zwar ist nach § 44 Abs. 2 FGO grundsätzlich Verfahrensgegenstand der ursprüngliche Verwaltungsakt (Steuerbescheid) in der Gestalt, die er durch die Einspruchsentscheidung gefunden hat. Diese Vorschrift ist aber lückenhaft. Es ist in Ausnahmefällen auch möglich, die Rechtsbehelfsentscheidung allein zum Verfahrensgegenstand zu machen. Ein solcher Ausnahmefall liegt z. B. vor, wenn der Kläger ausschließlich Verstöße gegen Verfahrensvorschriften innerhalb des Rechtsbehelfsverfahrens rügt. In diesen Fällen kann in der Einspruchsentscheidung selbst eine selbständige Beschwer des Klägers enthalten sein, z. B. weil der Einspruch zu Unrecht als unzulässig abgewiesen worden ist. Beispiel 1: S hat gegen den gegen ihn ergangenen Einkommensteuerbescheid Einspruch eingelegt. Das Finanzamt hat diesen Einspruch wegen Versäumung der Einspruchsfrist als unzulässig verworfen und einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgelehnt. S kann allein gegen die Einspruchsentscheidung mit dem Antrag vorgehen, diese Entscheidung ersatzlos aufzuheben, weil ihm Wiedereinsetzung zu gewähren sei. Mit einem solchen Antrag kann er erreichen, dass das Finanzamt 77
II Rz. 138
Rechtsschutz vor dem Finanzgericht
die Möglichkeit erhält, noch einmal im Vorverfahren eine Sachprüfung und Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des Steuerbescheides vorzunehmen. Beispiel 2: Der gegen die Eheleute X ergangene Einkommensteuerbescheid wird nur vom Ehemann mit dem Einspruch angefochten. Die Einspruchsentscheidung ergeht gegen beide Eheleute, obwohl die Ehefrau gar keinen Einspruch eingelegt hat. Hier kann die Ehefrau mit der Klage die isolierte Aufhebung der Einspruchsentscheidung begehren, da sie durch diese beschwert ist1. Empfehlung: Sofern ein Steuerpflichtiger diesen Weg beschreiten will, sollte er in der Klageschrift unmissverständlich zum Ausdruck bringen, dass er lediglich die Aufhebung der Einspruchsentscheidung und nicht die Änderung oder die Aufhebung des Steuerbescheides durch das Gericht begehrt. 138 Nach § 65 Abs. 2 Satz 2 FGO kann dem Kläger auch zur Bezeichnung des angefochtenen Verwaltungsaktes und der Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf eine Frist mit ausschließender Wirkung gesetzt werden. Dies bedeutet: Erfolgt die Bezeichnung dieser Entscheidungen nicht innerhalb der gesetzten Frist, wird die Klage allein aus diesem Grund als unzulässig abgewiesen; es sei denn, es ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (vgl. § 65 Abs. 2 Satz 3 FGO). 139–150 Einstweilen frei.
VIII. Klageantrag 151 Die Klage soll auch einen bestimmten Antrag enthalten (§ 65 Abs. 1 Satz 2 FGO). Der Klageantrag hat wesentliche Bedeutung für das Klageverfahren. Er ist wichtig z. B. – für die Charakterisierung des Klagebegehrens, über das das Gericht nicht hinausgehen darf (vgl. § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO), – für die Bestimmung des Streitwerts und seiner Auswirkung auf die Kosten, – für den Umfang des Obsiegens bzw. Unterliegens des Klägers und insoweit auch für die Kostenentscheidung, – für die richtige Klageart.
1. Formulierung des Antrags Empfehlung: Der Kläger sollte sich bemühen, den Klageantrag so klar wie möglich zu fassen. Als Kontrollüberlegung könnte hier gelten: Kann das Gericht auf den Klageantrag – würde ihm stattgegeben – eine verständliche, inhaltlich abgegrenzte und vollstreckbare Entscheidung treffen?
152
__________ 1 BFH v. 26.4.2006 – II R 35/06, BFH/NV 2006, 1800.
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Klageantrag
Rz. 154 II
Um einen hinreichend klaren Antrag zu stellen, muss sich der Kläger deshalb zunächst über folgende Fragen im Klaren sein: – Soll ein bereits erlassener Verwaltungsakt/Steuerbescheid angefochten werden (Anfechtungsklage)? – Soll die Verurteilung des Finanzamts zum Erlass eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsaktes/Steuerbescheids erreicht werden (Verpflichtungsklage)? – Soll die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes/Steuerbescheids begehrt werden (Feststellungsklage)? – Soll eine andere Maßnahme des Finanzamts angegriffen oder erstrebt werden, die nicht als Verwaltungsakt angesehen werden kann (allgemeine Leistungsklage)? Der Antrag sollte zwar möglichst klar formuliert werden. Es reicht aber aus, 153 wenn das Begehren des Klägers durch Auslegung zu ermitteln ist. Denn spätestens in der mündlichen Verhandlung muss der Vorsitzende im Rahmen seiner Hinweispflichten darauf hinwirken, dass ein sachdienlicher Antrag gestellt und ein unklarer Antrag erläutert wird (§ 76 Abs. 2 FGO). In der Praxis kommt es selten vor, dass der Kläger auch auf einen entsprechenden Hinweis des Vorsitzenden keinen bestimmten Antrag stellt. Sollte dies jedoch ausnahmsweise der Fall sein, ist die Klage nicht unzulässig, vielmehr hat das Finanzgericht das Klagebegehren unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Falles zu bestimmen. – Wird kein bestimmter Steuerbetrag angegeben, ist dies unschädlich, wenn das Gericht den Betrag aufgrund des Klagebegehrens ermitteln kann. – Ist die Berechnungs- oder Bemessungsgrundlage für die Steuerfestsetzung unsicher, etwa weil noch ein Sachverständigengutachten einzuholen oder eine Schätzung durchzuführen ist, ist auch ein unbezifferter Antrag auf Festsetzung des sich aufgrund des Gerichtsverfahrens ergebenden Betrages zulässig. Vorteil: Durch einen in dieser Weise unbestimmten Klageantrag vermeidet der Kläger eine Teilabweisung und spart Gerichtskosten.
2. Erweiterung des Antrags Auch nach Ablauf der Ausschlussfrist kann die durch die Benennung einzelner 154 Streitpunkte nunmehr zulässige Klage grundsätzlich erweitert werden. Durch die Stellung eines Klageantrages tritt grundsätzlich keine Teilbestandskraft des angefochtenen Einkommensteuerbescheides ein1. Hierzu hat der Große Senat des Bundesfinanzhofs ausgeführt, dass die Anfechtungsklage gegen einen Einkommensteuerbescheid regelmäßig auch insoweit zulässig ist, als sie nach Ablauf der Klagefrist erweitert wird. Nur dann, wenn der Kläger eindeutig zu erkennen ge-
__________ 1 BFH v. 12.9.1995 – IX R 78/94, BStBl. II 1996, 16.
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II Rz. 155
Rechtsschutz vor dem Finanzgericht
geben hat, dass er von einem weiter gehenden Klagebegehren absehen will, ist die Klage insoweit unzulässig, als sie nach Ablauf der Klagefrist erweitert wird1. Werden dagegen bei Feststellungsbescheiden, die mehrere selbständige Feststellungen (z. B. Höhe des Gewinns und dessen Verteilung, Veräußerungsgewinn) enthalten, innerhalb der Ausschlussfrist nur einzelne selbständige Feststellungen angegriffen, ist die nach Ablauf der Ausschlussfrist vorgenommene Klageerweiterung bezüglich anderer Feststellungen unzulässig2. Diese selbständig anfechtbaren Feststellungen sind dann unanfechtbar geworden. Empfehlung: Um zu vermeiden, dass eine Klageerweiterung nach Ablauf der Klagefrist vom Finanzgericht als unzulässig angesehen werden könnte, sollte in jedem Fall bei der Antragstellung in der Klageschrift oder in einem späteren Schriftsatz vor Ablauf der Klagefrist darauf hingewiesen werden, dass es sich um einen vorläufigen Antrag bzw. um die Ankündigung eines Antrags handelt, der in der mündlichen Verhandlung gestellt werden soll, beispielsweise wie folgt: Es wird zunächst beantragt, die Einkommensteuer 2005 unter Änderung des Bescheides vom … und Aufhebung der dazu ergangenen Einspruchsentscheidung auf 10 000 Euro herabzusetzen. Oder: In der mündlichen Verhandlung werde ich folgenden Antrag stellen: Unter Änderung des Einkommensteuerbescheides vom … und Aufhebung der dazu ergangenen Einspruchsentscheidung wird die Einkommensteuer 2005 auf 10 000 Euro herabgesetzt. 155 Eine Klageerweiterung ist natürlich nicht mehr möglich, wenn sich das Verfahren in der Hauptsache erledigt hat. Dies kann dadurch geschehen, dass das beklagte Finanzamt einen Änderungsbescheid erlässt, in dem dem Klageantrag in vollem Umfang stattgegeben wird.
3. Antrag bei Klageverbindung 156 Gem. § 43 FGO können auch mehrere Klagebegehren vom Kläger in einer Klage zusammengefasst werden, wenn sie sich gegen denselben Beklagten richten, im Zusammenhang stehen und dasselbe Gericht zuständig ist. Mit der Verbindung mehrerer Klagen oder Klagebegehren kann der Kläger die Vorteile ausnützen, die sich durch eine gemeinsame Verhandlung und Entscheidung z. B. durch eine prozessökonomische Sachaufklärung und Verhandlung oder zur Vermeidung von Widersprüchen bei verschiedenen gerichtlichen Entscheidungen ergeben. Entschließt sich der Kläger zu einer Verbindung mehrerer Klagebegehren, sollte er unbedingt beachten, dass hinsichtlich eines jeden einzelnen Klagebegehrens ein möglichst konkreter Antrag gestellt wird.
__________ 1 BFH v. 23.10.1989 – GrS 2/87, BStBl. II 1990, 327. 2 Vgl. BFH v. 23.10.1989 – GrS 2/87 BStBl. II 1990, 327.
80
Klageantrag
Rz. 157 II
Beispiel: Der Kläger will sich mit seiner Klage gegen die Einkommensteuerbescheide 2004 und 2005 wenden. In beiden Streitjahren sind vom Finanzamt bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung Schuldzinsen nicht als Werbungskosten berücksichtigt worden. Darüber hinaus hat das Finanzamt bei der Einkommensteuerveranlagung 2005 die erhöhte Abschreibung nach § 10e EStG bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nicht berücksichtigt. In diesem Fall sollte der Kläger für jedes Streitjahr deutlich machen, welches Klagebegehren er verfolgt, indem er in zwei Klageanträgen die begehrte Entscheidung des Finanzgerichts für das jeweilige Streitjahr zum Ausdruck bringt. Zulässig ist auch die Verbindung mehrerer Klagebegehren durch eine eventuelle Klageverbindung. In einem solchen Fall soll nach dem Willen des Klägers über das zweite Begehren (Hilfsbegehren) erst entschieden werden, wenn das erste Begehren (Hauptbegehren) abgewiesen wird. Es handelt sich hier um einen Hauptund einen Hilfsantrag. Beispiel: Der Kläger begehrt in erster Linie die Aufhebung eines vom Finanzamt zu seinen Ungunsten geänderten Bescheides mit der Begründung, die Voraussetzungen für eine Änderung hätten nicht vorgelegen. Für den Fall, dass das Gericht seinem Aufhebungsantrag nicht entsprechen sollte, begehrt er die Anerkennung weiterer Werbungskosten. Hier handelt es sich um einen Haupt- und um einen Hilfsantrag. Über die Frage der Berücksichtigung weiterer Werbungskosten soll erst entschieden werden, wenn dem Hauptantrag – Aufhebung des Änderungsbescheides – nicht stattgegeben wird.
4. Beispiele für Klageanträge 157
Anfechtungsklage Es wird beantragt, a) … den Einkommensteuerbescheid 2005 vom 1.4.2006 und die Einspruchsentscheidung vom 30.9.2007 aufzuheben. b) … unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 30.9.2007 den Einkommensteuerbescheid 2005 vom 1.4.2006 dahin abzuändern, dass die Steuer auf 4580 Euro herabgesetzt wird. c) … unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 30.9.2007 den Einkommensteuerbescheid 2005 vom 1.4.2006 dahin gehend abzuändern, dass ein weiterer Betrag von 3978 Euro als Betriebsausgaben bei den Einkünften des Klägers aus Gewerbebetrieb berücksichtigt wird oder: dass der erklärte Verlust bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb berücksichtigt wird.
81
II Rz. 171
Rechtsschutz vor dem Finanzgericht
Verpflichtungsklage Es wird beantragt, a) … das beklagte Finanzamt zu verpflichten, unter Aufhebung des ablehnenden Bescheids vom 1.8.2005 und Aufhebung der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 1.10.2007 den Einkommensteuerbescheid 2005 vom 1.4.2005 zu berichtigen und die Steuer auf 10 000 Euro herabzusetzen (Verpflichtungsklage nach Ablehnung einer Berichtigung eines Bescheides, z. B. wegen neuer Tatsachen zu Gunsten des Steuerpflichtigen (§ 173 Abs. 1 Nr. 2 AO). b) … das beklagte Finanzamt zu verpflichten, unter Aufhebung des ablehnenden Bescheids vom 1.8.2005 und Aufhebung der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 1.10.2007 den Erlassantrag des Klägers vom 1.6.2005 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden (Verpflichtungsantrag bei Vorliegen einer Ermessensentscheidung des Finanzamts). Würde der Kläger in diesem Fall seinen Klageantrag direkt auf Erlass der Steuer richten, obwohl noch ein Ermessen des beklagten Finanzamtes besteht, liefe er Gefahr, dass seine Klage zum Teil abgewiesen würde. Feststellungsklage Es wird beantragt, a) … festzustellen, dass der berichtigte Feststellungsbescheid des Beklagten vom 1.9.2007 unwirksam ist. b) … die Rechtswidrigkeit des vom Beklagten zurückgenommenen Einkommensteuerbescheides 2005 vom 11.4.2007 festzustellen. c) … die Unwirksamkeit des Einkommensteuerbescheides 2005 vom 11.4.2007 festzustellen. Leistungsklage Es wird beantragt a) … den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 3000 Euro zu bezahlen (Leistungsklage, z. B. aufgrund zuviel gezahlter Steuern). b) … den Beklagten für verpflichtet zu erklären, die Festsetzung des angedrohten Zwangsgeldes zu unterlassen (sog. Unterlassungsklage). 158–170 Einstweilen frei.
IX. Klagebegründung 171 Gem. § 65 Abs. 1 Satz 3 FGO soll die Klage ferner die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel enthalten. Vor der Abfassung der Begründung muss sich der Kläger zunächst darüber klar werden: – Trifft der vom Finanzamt angenommene Sachverhalt zu, ist also lediglich die vom Finanzamt vertretene Rechtsauffassung unrichtig, oder aber 82
Klagebegründung
Rz. 174 II
– ist das Finanzamt von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen und deshalb zu einer falschen rechtlichen Würdigung gekommen? Kommt der Kläger zu dem Ergebnis, dass der vom Finanzamt angenommene Sachverhalt nicht zutrifft, sollte er die richtigen Tatsachen vollständig vortragen und zur Klarstellung auf die vom Finanzamt fälschlicherweise angenommenen Tatsachen hinweisen. Außerdem sollte der Kläger die von ihm vorgetragenen Tatsachen unter Beweis stellen. Dabei kommen als Beweismittel in Betracht (vgl. § 81 FGO) – – – – –
Augenscheinseinnahme durch das Gericht, Zeugenvernehmung, Einholung eines Sachverständigengutachtens, Vorlage von Urkunden, Vernehmung eines oder beider Beteiligten (Parteivernehmung).
Die Angabe von Beweismitteln geschieht in der Praxis üblicherweise so, dass sie 172 sofort nach der jeweils zu beweisenden Tatsache durch Einrücken im Schriftsatz genannt werden. Beispiel: Das beklagte Finanzamt hat zu Unrecht eine Zusammenveranlagung abgelehnt. Die Behauptung, der Kläger und seine Ehefrau hätten im Streitjahr nicht mehr zusammengelebt, die Ehefrau hätte den Kläger vielmehr bereits ein Jahr zuvor verlassen, trifft nicht zu. Richtig ist vielmehr, dass sich der Kläger und seine Ehefrau einmal vor drei Jahren für zwei Monate getrennt hatten. Anschließend ist die Ehefrau des Klägers jedoch wieder in die eheliche Wohnung zurückgekehrt. Beweis: 1) Zeugnis der Frau S, der Ehefrau des Klägers, wohnhaft in X-Stadt, Y-Straße 2) Zeugnis der Frau X, der Schwägerin des Klägers, wohnhaft in X-Stadt, Z-Straße; 3) Parteivernehmung des Klägers. Der Kläger kann die der Klagebegründung dienenden Tatsachen unmittelbar in 173 seiner Klageschrift vortragen oder in einem späteren Schriftsatz an das Gericht. Er hat allerdings auch die Möglichkeit, sich in der Klageschrift auf andere Schriftstücke zu beziehen, z. B. auf die Einspruchsbegründung. In einem solchen Fall sollte allerdings das in Bezug genommene Schriftstück so genau wie möglich angegeben werden oder besser noch: in Fotokopie beigefügt werden. Kommt der Kläger bei seinen Vorüberlegungen hinsichtlich der Begründung der 174 Klage zu dem Ergebnis, dass das Finanzamt von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen ist, gilt für die Klagebegründung Folgendes: Zu Rechtsausführungen ist der Kläger nicht verpflichtet. Er kann davon ausgehen, dass das Gericht das anzuwendende Recht kennt und anwendet. Gleichwohl empfehlen sich Rechtsausführungen insbesondere in solchen Fällen, in denen die gesetzlichen Regelungen unübersichtlich sind und/oder der Kläger für seine Auffassung Rechtsprechung und Literatur anführen kann, die nur schwer zugänglich ist. Einstweilen frei.
175–185 83
II Rz. 186
Rechtsschutz vor dem Finanzgericht
C. Klagearten I. Allgemeines 186 In der Finanzgerichtsordnung wird umfassender Rechtsschutz durch folgende Klagearten gewährt (§§ 40, 41 FGO): – – – –
Anfechtungsklage, Verpflichtungsklage, sonstige Leistungsklage sowie Feststellungsklage.
Dabei bestimmt sich die jeweilige Klageart nach dem Klagebegehren, d. h. dem Ziel, das mit der Klage verfolgt werden soll. Auf die Bezeichnung der Klageart kommt es nicht an; denn die Klage ist als prozessuale Willenserklärung auslegungsfähig1. 187 Mit der Anfechtungsklage (§ 40 Abs. 1, 1. Alt. FGO) wird ein Verwaltungsakt oder ein selbständiger Teil eines Verwaltungsaktes als rechtswidrig oder nichtig angegriffen. Beispiel: X meint, in dem gegen ihn gerichteten Einkommensteuerbescheid sei die Einkommensteuer zu hoch festgesetzt worden, und begehrt eine niedrigere Festsetzung der Einkommensteuer. 188 Mit der Verpflichtungsklage wird der Erlass eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsaktes begehrt (vgl. § 40 Abs. 1, 2. Alt. FGO). Mit dieser Klage soll also die Verwaltungsbehörde zum Erlass eines Verwaltungsaktes durch eine gerichtliche Entscheidung veranlasst werden. Beispiel 1: S meint, durch die Ablehnung einer Stundung durch das Finanzamt in seinen Rechten verletzt zu sein. Er erstrebt eine Verpflichtung des Finanzamts, die begehrte Stundung zu gewähren. Beispiel 2: X ist der Auffassung, dass der gegen ihn ergangene endgültige und bestandskräftige Einkommensteuerbescheid wegen neuer Tatsachen geändert werden müsste und begehrt eine Änderung des Bescheides nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO. Eine sonstige Leistungsklage (§ 40 Abs. 1, 3. Alt. FGO) liegt vor, wenn der Kläger eine Leistung der Finanzverwaltung begehrt, die nicht in dem Erlass eines Verwaltungsaktes besteht. Eine derartige Leistung kann ein positives Tun oder ein Unterlassen darstellen.
__________ 1 BFH v. 20.9.1996 – VI R 43/93, BFH/NV 1997, 249.
84
Anfechtungsklage
Rz. 201 II
Beispiel 1: S will von dem Finanzamt eine bestimmte Auskunft erhalten, die ihm nicht erteilt wird. Beispiel 2: S will erreichen, dass dem Finanzamt untersagt wird, Dritten Einblick in seine Steuerakten zu gewähren. Eine Feststellungsklage (§ 41 Abs. 1 FGO) kommt in Betracht, wenn der Kläger die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, der Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes oder der Unechtheit oder Echtheit einer Urkunde begehrt. Beispiel: S ist der Auffassung, ein gegen ihn gerichteter Einkommensteuerbescheid sei nicht wirksam bekannt gegeben worden. Er begehrt deshalb die Feststellung durch das Gericht, dass der Einkommensteuerbescheid unwirksam sei. Verschiedene Klagearten können auch in einer Klage nebeneinander stehen. Beispiel: S beantragt, die Nichtigkeit eines Einkommensteuerbescheides festzustellen, weil dieser nach seiner Auffassung nicht wirksam zugestellt sei; hilfsweise beantragt er, den Einkommensteuerbescheid zu ändern und die Steuerschuld herabzusetzen, da das Finanzamt geltend gemachte Werbungskosten zu Unrecht nicht anerkannt habe. Hier hat der Kläger nebeneinander in Form eines Haupt- und Hilfsantrages eine Feststellungsklage und eine Anfechtungsklage erhoben. Empfehlung: Die Unterscheidung der verschiedenen Klagearten ist wichtig für 189 die Stellung des richtigen Klageantrags. Außerdem sind die Voraussetzungen für die Zulässigkeit der jeweiligen Klageart im Gesetz unterschiedlich geregelt. So sind z. B. die Anfechtungs- und die Verpflichtungsklage grundsätzlich erst dann zulässig, wenn ein außergerichtliches Rechtsbehelfsverfahren durchgeführt worden ist. Eine Feststellungsklage ist nur zulässig, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Abgesehen davon ist eine Feststellungsklage unzulässig, soweit der Kläger seine Rechte durch Anfechtungs-, Verpflichtungs- oder sonstige Leistungsklage verfolgen kann. Einstweilen frei.
190–200
II. Anfechtungsklage 1. Allgemeines Die in der Praxis bedeutsamste Klageart ist die Anfechtungsklage (§ 40 Abs. 1, 201 1. Alt. FGO). Sie ist auf die Aufhebung oder Abänderung eines belastenden Verwaltungsaktes durch richterliches Urteil gerichtet. Dabei ist unter Verwaltungs85
II Rz. 202
Rechtsschutz vor dem Finanzgericht
akt jede Verfügung, Entscheidung oder sonstige Maßnahme zu verstehen, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist (§ 118 Satz 1 AO). Belastende Verwaltungsakte in diesem Sinne sind z. B. Steuerbescheide, die Aufforderung zur Abgabe der Steuererklärung, zur Erteilung einer Auskunft, zur Vorlage von Büchern usw. Die Finanzgerichtsordnung kennt zwei Arten der Anfechtungsklage, nämlich – die Aufhebungsklage und – die Änderungsklage. Beiden Arten der Anfechtungsklage ist gemeinsam, dass sie sich gegen belastende Verwaltungsakte richten. Sie unterscheiden sich indessen nach – dem Klagebegehren, – dem Inhalt der Entscheidung des Gerichts, sofern die Klage begründet ist, sowie – ihren Rechtswirkungen.
2. Aufhebungsklage 202 Mit der Aufhebungsklage wird die volle oder – bei Teilbarkeit des Verwaltungsaktes – ggf. die teilweise Aufhebung des angegriffenen Bescheides und des außergerichtlichen Rechtsbehelfs erstrebt. Ist die Klage begründet, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und die Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf (Einspruchsentscheidung) auf. Beispiel 1: Gegen S ist ein Haftungsbescheid wegen Umsatzsteuer ergangen, weil er als Geschäftsführer einer GmbH im Handelsregister eingetragen ist. S legt gegen den Haftungsbescheid Einspruch ein mit der Begründung, er sei in dem fraglichen Zeitraum nicht mehr Geschäftsführer gewesen, die Haftungsvoraussetzungen lägen damit nicht vor. Das Finanzamt weist seinen Einspruch als unbegründet zurück. Mit der Klage erstrebt S in diesem Fall die Aufhebung des Haftungsbescheides und der Einspruchsentscheidung. Wäre die Klage begründet, würde das Gericht beide Entscheidungen, nämlich den Haftungsbescheid und die Einspruchsentscheidung aufheben. Beispiel 2: A ist Gewerbetreibender. Er ist für die Streitjahre zur Einkommen-, Umsatzund Gewerbesteuer veranlagt worden. Die Bescheide sind von A nicht angefochten und deshalb bestandskräftig geworden. Im Jahre 2006 findet bei A eine Betriebsprüfung statt. Nach den Ergebnissen der Betriebsprüfung werden die Einkommen-, Umsatz- und Gewerbesteuermessbescheide für die Streitjahre zu Ungunsten des A gem. § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO geändert. A ist der Auffassung, die Voraussetzungen für eine Änderung der ursprünglichen Bescheide lägen nicht vor. Seine aus diesem Grund gegen die Steuerbescheide gerichteten Einsprüche bleiben ohne Erfolg. 86
Anfechtungsklage
Rz. 205 II
In diesem Fall müsste A, wenn er die ersatzlose Aufhebung der Bescheide erstrebt, ebenfalls eine Aufhebungsklage bzw. Aufhebungsklagen gegen die erlassenen Änderungsbescheide erheben. Würde er mit seinen Klagen Erfolg haben, würde das Gericht die Änderungsbescheide sowie die Einspruchsentscheidung/en aufheben. Für diesen Fall wäre der ursprüngliche Rechtszustand wieder eingetreten, d. h. die ursprünglichen, bestandskräftig gewordenen Bescheide wären wieder in Kraft. Mit der Anfechtungsklage in Form der Aufhebungsklage kann auch die Nichtig- 203 keit eines Bescheides zur Beseitigung des Rechtsscheins geltend gemacht werden. Wahlweise ist in diesem Fall neben der Anfechtungsklage die Feststellungsklage gegeben1. Die Anfechtungsklage ist dann aber – nur zulässig, wenn die einmonatige Klagefrist des § 47 FGO gewahrt ist2, – und nur begründet, wenn der Bescheid nicht durch Versäumung der Einspruchsfrist formell unanfechtbar geworden ist3. Empfehlung: Ist unsicher, ob der Verwaltungsakt tatsächlich nichtig bzw. unwirksam ist, empfiehlt es sich, auf jeden Fall neben dem Hauptantrag auf Feststellung der Nichtigkeit auch den Hilfsantrag zu stellen, den Verwaltungsakt aufzuheben. Dabei ist für den Aufhebungsantrag die Klagefrist von einem Monat zu wahren. Beispiel: Es wird beantragt, festzustellen, dass der Einkommensteuerbescheid vom … 2007 nichtig ist, hilfsweise, den Einkommensteuerbescheid vom … 2007 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung aufzuheben.
3. Änderungsklage Mit der Änderungsklage wird eine Änderung des in einem Verwaltungsakt, in der 204 Regel einem Steuerbescheid, festgesetzten Betrages begehrt. Eine Änderungsklage ist nur gegen die Verwaltungsakte i. S. des § 347 Abs. 1 AO zulässig, also gegen Steuerbescheide, Steuervergütungsbescheide, Steueranmeldungen, sowie Feststellungsbescheide, Steuermessbescheide, Haftungsbescheide und Duldungsbescheide, Verwaltungsakte über Zinsen und Kosten usw. (vgl. § 40 Abs. 1 und § 100 Abs. 2 FGO). Eine Änderungsklage ist nicht nur auf solche Steuer-, Steuermess- und Feststel- 205 lungsbescheide beschränkt, in denen eine positive Steuerschuld bzw. ein positiver Betrag festgesetzt ist. Sie ist vielmehr auch bei Steuerbescheiden gegeben, die
__________ 1 BFH v. 16.9.2004 – VII B 20/04, BFH/NV 2005, 231 und unter II Rz. 246 ff. 2 BFH v. 8.7.1998 – I R 17/96, BStBl. II 1999, 48. 3 BFH v. 26.6.1985 – IV R 62/83, BFH/NV 1987, 19.
87
II Rz. 216
Rechtsschutz vor dem Finanzgericht
einen negativen Betrag ausweisen. Dies gilt insbesondere auch bei Feststellungsbescheiden, in denen ein Verlust festgestellt wird. Beispiel 1: S erhebt nach erfolglosem Einspruchsverfahren Klage gegen den Einkommensteuerbescheid, weil nach seiner Auffassung das Finanzamt die erhöhte Abschreibung nach § 10e EStG zu Unrecht versagt hat und deshalb die Einkommensteuerschuld auf 15 270 Euro statt auf 14 125 Euro festgesetzt hat. Hier empfiehlt sich für A eine Anfechtungsklage in Form der Änderungsklage. Würde er in diesem Fall eine Aufhebungsklage einreichen, würde A, sofern das Finanzamt tatsächlich die erhöhte Abschreibung zu Unrecht versagt hätte, mit seiner Klage zum überwiegenden Teil unterliegen. Denn das Gericht würde nicht den Einkommensteuerbescheid aufheben, sondern lediglich die Einkommensteuer herabsetzen. Beispiel 2: A reicht beim Finanzamt seine Umsatzsteuerjahreserklärung ein, nach der die Vorsteuerbeträge die angefallenen Umsatzsteuern übersteigen. Das Finanzamt setzt die Umsatzsteuer-Zahllast mit 1000 Euro fest, da nach seiner Auffassung bestimmte Vorsteuern nicht abziehbar sind. Hiergegen wendet sich A nach erfolglosem Einspruch mit seiner Klage. Er begehrt, die an ihn zu erstattende Umsatzsteuer auf 3000 Euro festzusetzen. Auch hier handelt es sich um eine Änderungsklage, denn A erstrebt die Änderung des angefochtenen Umsatzsteuerbescheides und nicht seine Aufhebung. Würde A in diesem Fall eine Aufhebungsklage erheben, würde er die erstrebte Erstattung nicht erhalten können. Beispiel 3: Die X-KG betreibt einen Automobilrennstall. Das Finanzamt lehnt es ab, die Verluste aus diesem Rennstall gesondert festzustellen, weil nach seiner Auffassung keine steuerpflichtigen Einkünfte erzielt werden, also Liebhaberei vorliegt. In diesem Fall würde die KG mit einer Klage die Durchführung eines Feststellungsverfahrens erstreben. Mit einer Aufhebung des eine Feststellung ablehnenden Bescheides des Finanzamts wäre der KG also nicht gedient. Hier kommt deshalb als Klageart nicht die Anfechtungsklage in Betracht, sondern eine Verpflichtungsklage auf Erlass eines Feststellungsbescheides. 206–215 Einstweilen frei.
III. Verpflichtungsklage 216 Die Verpflichtungsklage ist nach der Anfechtungsklage die wichtigste Klageart im finanzgerichtlichen Verfahren. Ziel dieser Klage ist die Verurteilung der beklagten Behörde, einen abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakt zu erlassen (§ 40 Abs. 1 FGO). Die Verpflichtungsklage ist eine Leistungsklage und muss 88
Verpflichtungsklage
Rz. 217 II
auf den Erlass eines Verwaltungsaktes gerichtet sein. Eine reine Amtshandlung des Finanzamts, die nicht als Verwaltungsakt anzusehen ist, genügt nicht. Anfechtungs- und Verpflichtungsklage sind zu trennen. Gegen die Ablehnung 217 eines Antrags auf Erlass eines Bescheides ist, um den begehrten Bescheid zu erhalten, nur eine Verpflichtungsklage zu erheben, nicht aber eine zusätzliche Anfechtungsklage mit dem Ziel einer Aufhebung des ablehnenden Bescheides. Denn ist die Ablehnung eines Bescheides rechtswidrig und der Kläger in seinen Rechten verletzt, so hat das Gericht die Verpflichtung des Finanzamts auszusprechen, den beantragten Bescheid zu erlassen bzw. bei einer Ermessensentscheidung auszusprechen, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden (§ 101 FGO). Das Gericht muss also, bevor es das Finanzamt zum Erlass eines Verwaltungsaktes oder zur Neubescheidung verpflichtet, notwendigerweise die Rechtmäßigkeit der ablehnenden Verfügung überprüfen. Die Verpflichtungsklage hat damit zwangsläufig nicht nur die Verpflichtung zum Erlass des begehrten Verwaltungsaktes, sondern auch die Anfechtung der Ablehnung des erlassenen Verwaltungsaktes zum Inhalt. In der Verpflichtungsklage ist also eine Anfechtungsklage enthalten, der keine selbständige Bedeutung zukommt, auch nicht in kostenrechtlicher Hinsicht. Beispiel 1: Durch eine Betriebsprüfung bei dem Gewerbetreibenden G werden ausschließlich Tatsachen bekannt, die eine niedrigere Einkommensteuerveranlagung rechtfertigen. Das Finanzamt lehnt es ab, einen Änderungsbescheid zu erlassen. Der hiergegen eingelegte Einspruch bleibt ohne Erfolg. Will G nunmehr im Klagewege eine Änderung der Einkommensteuer erreichen, muss er eine Verpflichtungsklage erheben. Hat seine Klage Erfolg, spricht das Gericht unter Aufhebung der ablehnenden Verfügung die Verpflichtung des Finanzamts aus, eine Änderungsveranlagung durchzuführen. Beispiel 2: Das Finanzamt hat den begehrten Antrag auf Veranlagung zur Einkommensteuer abgelehnt, weil nach seiner Auffassung die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen. Der hiergegen eingelegte Einspruch ist ohne Erfolg geblieben. Will der Kläger nunmehr im Klagewege die Durchführung einer Antragsveranlagung zur Einkommensteuer erreichen, so ist die richtige Klageart die Verpflichtungsklage, gerichtet auf Verurteilung des Finanzamts zur Durchführung einer Antragsveranlagung zur Einkommensteuer. Beispiel 3: X hat beim Finanzamt den Antrag gestellt, die Frist zur Abgabe seiner Steuererklärung zu verlängern. Diesen Antrag hat das Finanzamt abgelehnt. Der Einspruch ist erfolglos geblieben. Will A im Klagewege eine Fristverlängerung erreichen, muss er eine Verpflichtungsklage erheben1. Einstweilen frei.
218–230
__________ 1 Vgl. dazu BFH v. 11.4.2006 – VI R 64/02, BStBl. II 2006, 642.
89
II Rz. 231
Rechtsschutz vor dem Finanzgericht
IV. Allgemeine Leistungsklage 231 Die allgemeine Leistungsklage richtet sich nicht gegen einen Verwaltungsakt, seine Ablehnung oder Unterlassung, sondern auf eine andere Leistung. Diese kann in einem Tun, Dulden oder Unterlassen des Finanzamts bestehen. Da die Leistungen der Finanzverwaltung zumeist auf Verwaltungsakten beruhen, kommt die allgemeine Leistungsklage im finanzgerichtlichen Verfahren nur in Ausnahmefällen vor. Beispiel 1: S hat erfahren, dass das Finanzamt einem Dritten, den es durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen hat, Einblick in seine Steuerakten gewahren will. Will S im Klagewege erreichen, dass dem Finanzamt untersagt wird, dem Dritten die Steuerakten zugänglich zu machen, muss er eine Klage in Form einer allgemeinen Leistungsklage erheben. S erstrebt hier nämlich nicht die Verurteilung zum Erlass eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsaktes (für diesen Fall wäre die Verpflichtungsklage die richtige Klageart); er begehrt vielmehr eine andere Leistung als den Erlass eines Verwaltungsaktes. Er will nämlich, dass das Finanzamt etwas unterlässt und hierzu verurteilt wird. Beispiel 2: S hat beim Finanzamt einen Antrag auf Veranlagung zur Einkommensteuer gestellt. Das Finanzamt hat daraufhin den Erstattungsbetrag auf 2500 Euro festgesetzt und einen entsprechenden Abrechnungsbescheid erteilt, aus dem sich der Erstattungsbetrag ergibt, diesen Betrag jedoch trotz mehrfacher Aufforderung durch S nicht ausgezahlt. Hier kann S die Auszahlung des Erstattungsbetrages in Form einer allgemeinen Leistungsklage gerichtlich durchsetzen. Beispiel 3: U erbittet vom Finanzamt Auskunft darüber, ob die Gemeinde X zur Umsatzsteuer herangezogen werde und ob dabei die Umsätze des Krematoriums erfasst worden seien; er hat dabei die Befürchtung geäußert, die Gemeinde X werde insoweit nicht zur Umsatzsteuer herangezogen, weshalb sie ihre Leistungen günstiger anbieten könne. Er beabsichtigt Konkurrentenklage zu erheben. Das Finanzamt verweigert die Auskunftserteilung. U kann sein Auskunftsbegehren mit der allgemeinen Leistungsklage vor Gericht verfolgen1. Beispiel 4: X meint, ihm stünde wegen eines Rechenfehlers in seinem Einkommensteuerbescheid ein Anspruch auf Rückzahlung von 1000 Euro zu.
__________ 1 BFH v. 5.10.2006 – VII R 24/03, BStBl. II 2007, 243.
90
Feststellungsklage
Rz. 246 II
Will X die Rückzahlung dieses Betrages gerichtlich durchsetzen, kann er nicht unmittelbar auf Verurteilung des Finanzamts zur Rückzahlung klagen, also nicht unmittelbar eine allgemeine Leistungsklage erheben. Denn dieser Klage steht der bisher nicht berichtigte Einkommensteuerbescheid entgegen. X muss also zunächst erreichen, dass der Einkommensteuerbescheid gem. § 129 AO berichtigt wird. Das heißt: Er hat beim Finanzamt einen entsprechenden Antrag auf Erlass eines Berichtigungsbescheides zu stellen. Lehnt das Finanzamt diesen Antrag ab und bleibt auch ein hiergegen eingelegter Einspruch erfolglos, muss X eine Verpflichtungsklage auf Erlass eines Berichtigungsbescheides erheben. Führt das Finanzamt zwar eine Berichtigungs-Veranlagung durch, weigert es sich aber gleichwohl – aus welchen Gründen auch immer –, den entsprechenden Betrag zurückzuzahlen, kann nunmehr nach Erteilung eines Abrechnungsbescheides – eine allgemeine Leistungsklage auf Rückzahlung des zu viel gezahlten Betrages erhoben werden (s. oben Beispiel 2). Für eine neben der Anfechtungsklage erhobene Leistungsklage, mit der die Rück- 232 zahlung des Betrages begehrt wird, der aufgrund des angefochtenen Bescheides entrichtet worden ist, fehlt in der Regel das Rechtsschutzbedürfnis. Denn es ist in aller Regel davon auszugehen, dass das Finanzamt die sich aus der Änderung eines Bescheides zu Gunsten des Steuerpflichtigen ergebenden Konsequenzen ziehen wird1. Einstweilen frei.
233–245
V. Feststellungsklage 1. Allgemeines Gem. § 41 Abs. 1 FGO kann durch eine Klage auch die Feststellung des Beste- 246 hens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes begehrt werden. Damit wird bezweckt, eine Rechtsschutzlücke auszufüllen. Durch die Möglichkeit einer Feststellungsklage soll der Rechtsschutz in Form der Anfechtungs-, Verpflichtungs- oder sonstigen Leistungsklage ergänzt werden. Die Feststellungsklage ist gerichtet auf Feststellung – des Bestehens eines Rechtsverhältnisses, – des Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder – der Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes.
__________ 1 BFH v. 28.1.2002 – VII B 83/01, BFH/NV 2002, 934 unter Berufung auf BFH v. 16.7.1980 – VII R 24/77, BStBl. II 1980, 632.
91
II Rz. 247
Rechtsschutz vor dem Finanzgericht
2. Rechtsverhältnis 247 Gegenstand der Feststellungsklage ist ein Rechtsverhältnis. Hierunter ist eine bestimmte, konkrete, durch den vorgetragenen Sachverhalt gegebene, rechtlich geregelte Beziehung von Personen untereinander oder von Personen zu einem Gegenstand zu verstehen. Mit anderen Worten: Ein Rechtsverhältnis liegt dann vor, wenn sich aus der Anwendung von Rechtssätzen auf einen Sachverhalt rechtliche Beziehungen zwischen mehreren Personen oder zwischen einer Person und einem Gegenstand ergeben. Beispiel 1: Der körperschaftsteuerbefreite Verband klagte auf Feststellung, ob und in welchem Umfang er befugt ist, Spendenbescheinigungen auszustellen1. Beispiel 2: Der Optionsberechtigte U klagt auf Feststellung, dass ein bestimmter Veräußerungsvorgang betr. ein Grundstück steuerpflichtig ist, so dass er vom Grundstücksveräußerer eine Rechnung verlangen und den Vorsteuerabzug geltend machen kann2. 248 Die Feststellungsklage kann nicht auf die Feststellung der Gültigkeit oder Ungültigkeit einer Rechtsnorm gerichtet werden3. Dem Kläger wird es allerdings in den meisten Fällen gar nicht um die abstrakte Gültigkeit der Norm gehen, sondern darum, ob die von ihm in ihrer Gültigkeit angezweifelte Norm in seinem Fall angewendet werden kann. Er kann deshalb in aller Regel mit der Anfechtungsklage gegen den Bescheid vorgehen, in dem die von ihm als ungültig angesehene Norm angewendet worden ist. Ferner können eine bestimmte Rechtsfrage, die Feststellung abstrakter Rechtsfragen sowie die Feststellung von Tatsachen oder von Sachverhalten nicht Gegenstand einer Feststellungsklage sein. Auch künftige Rechtsbeziehungen stellen noch kein Rechtsverhältnis dar, weil es insoweit an der nötigen Konkretisierung fehlt. Deshalb ist eine sog. vorbeugende Feststellungsklage im Besteuerungsverfahren grundsätzlich ausgeschlossen4.
3. Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes 249 Auch die Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes kann Gegenstand der Feststellungsklage sein, obwohl ein Verwaltungsakt kein Rechtsverhältnis darstellt, sondern ein solches lediglich begründet, ändert oder aufhebt. Da aber auch durch einen nichtigen Verwaltungsakt der Rechtsschein eines Rechtsverhältnisses begründet wird, hat der Gesetzgeber in § 41 Abs. 1 FGO ausdrücklich eine Klage auf Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes zugelassen. Mit der Feststellungsklage kann auch die Unwirksamkeit eines Verwaltungsaktes wegen fehler-
__________ 1 2 3 4
BFH v. 23.9.1999 – XI R 66/98, BStBl. II 2000, 533. BFH v. 10.7.1997 – V R 94/96, BStBl. II 1997, 707. Gräber/von Groll, § 41 FGO Rz. 18. So ausdrücklich BFH v. 8.4.1981 – II R 47/79, BStBl. II 1981, 581; vgl. dazu auch Tipke in Tipke/Kruse, § 41 FGO Rz. 11.
92
Feststellungsklage
Rz. 250 II
hafter Bekanntgabe und damit das Vorliegen eines Nichtaktes geltend gemacht werden. Eine auf die Beseitigung des Rechtsscheins der ordnungsgemäßen Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes gerichtete Feststellungsklage ist gegenüber einer auf das gleiche Rechtsschutzziel gerichteten Anfechtungsklage nicht subsidiär. Die Feststellungsklage ist vielmehr wahlweise neben der Anfechtungsklage gegeben; es sollten insoweit Haupt- und Hilfsantrag (s. II Rz. 203) gestellt werden1. Die Feststellung der Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsaktes oder die Frage, ob ein Verwaltungsakt überhaupt vorliegt, kann dagegen nicht Gegenstand einer Feststellungsklage sein. Eine Klage auf Feststellung der Nichtigkeit einer Maßnahme, die nicht als Verwaltungsakt anzusehen ist, ist deshalb unzulässig.
4. Feststellungsinteresse Eine Feststellungsklage ist nur zulässig, wenn der Kläger ein berechtigtes Interes- 250 se an der baldigen Feststellung hat (§ 41 Abs. 1 FGO). Dieses Feststellungsinteresse ist eine Sachentscheidungsvoraussetzung. Das bedeutet: Liegt diese Voraussetzung im Zeitpunkt der Entscheidung – in aller Regel zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung – nicht vor, ist die Klage als unzulässig abzuweisen. Ein berechtigtes Interesse ist jedes nach der Sachlage anzuerkennende schutzwürdige Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art2. Liegt ein solches Interesse vor, kann es nur dann als berechtigt angesehen werden, wenn eine Unsicherheit in der Rechtsstellung des Klägers besteht, die der Klarstellung bedarf. Beispiel 1: S beschäftigt einen seiner Angestellten weitgehend im Ausland. Er meint, dass die dem Angestellten gezahlten Bezüge nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegen. Er hat deshalb, wie dem Finanzamt seit längerem bekannt ist, seit Jahren für diesen Angestellten keine Lohnsteuer einbehalten, abgeführt oder angemeldet. Das Finanzamt hat zwar wiederholt zum Ausdruck gebracht, dass nach seiner Auffassung S hierzu verpflichtet sei; einen Haftungsbescheid hat es jedoch nicht erlassen. S kann im Hinblick auf den ungewissen Rechtszustand Feststellungsklage erheben3. Denn die Frage, ob bestimmte Verhaltenspflichten bestehen, die unabhängig von etwaigen Verwaltungsakten zu befolgen sind, kann Gegenstand einer allgemeinen Feststellungsklage sein. Es wäre unzumutbar, den Kläger auf den Rechtsweg gegen etwaige drohende Schätzungsbescheide zu verweisen und ggf. der Gefahr der Strafverfolgung auszusetzen4.
__________
1 BFH v. 16.9.2004 – VII B 20/04, BFH/NV 2005, 231 m. w. N. 2 BFH v. 27.8.2003 – II R 18/02, BFH/NV 2004, 203; s. hierzu auch Gräber/von Groll, § 41 FGO Rz. 29 f.; Tipke in Tipke/Kruse, § 41 FGO Rz. 8 ff.; Steinhauff in Hübschmann/ Hepp/Spitaler, § 41 FGO Rz. 230 ff. 3 Fall nach FG Hamburg v. 6.1.1984 – VII 70/82, EFG 1984, 482. 4 BFH v. 4.6.1970 – V R 92/66; 10/67, BStBl. II 1970, 648 bei Streit um die Abgabe von Umsatzsteuer-Voranmeldungen; vgl. auch BFH v. 23.9.1999 – XI R 66/98, BStBl. II 2000, 533.
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II Rz. 251
Rechtsschutz vor dem Finanzgericht
Beispiel 2: E hat mehrere Eigentumswohnungen. Er hat vor, im nächsten Jahr drei Wohnungen zu verkaufen. Er bittet um Mitteilung, ob die Verkaufserlöse steuerlich zu erfassen seien. Das Finanzamt lehnt die erbetene Stellungnahme ab. E kann sein Begehren nicht mit einer Feststellungsklage durchsetzen. Es liegt noch kein konkreter Sachverhalt vor, aus dem sich rechtliche Beziehungen zwischen dem Finanzamt und E ergeben könnten1. 251 Nach § 41 Abs. 2 Satz 1 FGO fehlt das Rechtsschutzbedürfnis für eine Feststellungsklage insbesondere dann, wenn der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs(z. B. durch Anfechtungsklage) oder Leistungsklage (z. B. Verpflichtungsklage) verfolgen kann oder hätte verfolgen können (sog. Subsidiarität der Feststellungsklage2). Durch diese Vorschrift ist gewährleistet, dass die für Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen geltenden Vorschriften für das Vorverfahren und die Klagefrist nicht umgangen werden können. Das Rechtsschutzbedürfnis entfällt allerdings nicht bereits deshalb, weil das Finanzamt das streitige Rechtsverhältnis irgendwann durch Verwaltungsakt klären könnte. Für den Ausschluss des Rechtsschutzbedürfnisses kommt es entscheidend darauf an, ob in absehbarer Zeit mit einem klärenden Verwaltungsakt zu rechnen ist. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass die steuerliche Beurteilung eines Sachverhalts grundsätzlich dem Steuerfestsetzungsverfahren vorbehalten ist, und zwar unabhängig davon, wie viel Zeit zwischen der Verwirklichung des Sachverhaltes und der Durchsetzung des Steuerfestsetzungsverfahrens regelmäßig vergeht und wie groß das Interesse des Steuerpflichtigen an einer baldigen Klärung der steuerlichen Rechtslage ist. Beispiel: A streitet mit dem Finanzamt darüber, ob und unter welchen Voraussetzungen eine stille Beteiligung seiner minderjährigen Kinder an seinem Komplementär-Anteil an einer KG steuerlich anzuerkennen ist. K kann diese Streitfrage nicht durch eine Feststellungsklage klären lassen. Denn diese Frage hat das Finanzamt zunächst in einem Steuerbescheid zu beurteilen, der dann mit der Anfechtungsklage ggf. angefochten werden kann3. 252 Gleiches gilt für die Überprüfung von Vollstreckungsmaßnahmen der Finanzbehörde: Rechtsschutz gegen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen muss zunächst in dem dafür gesetzlich vorgesehenen Verwaltungsverfahren gesucht werden. Eine Feststellungsklage mit dem Antrag, die Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung oder einzelner Vollstreckungsmaßnahmen festzustellen, ist gem. § 41 Abs. 2 FGO unzulässig4. Empfehlung: Ist an sich eine Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage möglich, so kommt eine Feststellungsklage nach § 41 Abs. 2 Satz 1 FGO nicht in Be-
__________ 1 Vgl. BFH v. 8.4.1981 – II R 47/79, BStBl. II 1981, 581. 2 BFH v. 10.11.1998 – VIII R 3/98, BStBl. II 1999, 199; v. 13.10.1999 – IV B 8/99, BFH/NV 2000, 458. 3 BFH v. 1.2.1973 – IV R 1/72, BStBl. II 1973, 533. 4 BFH v. 15.4.1992 – VII B 102/91, BFH/NV 1994, 377.
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Feststellungsklage
Rz. 254 II
tracht. Dies gilt auch dann, wenn die Frist für die an sich mögliche Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage verstrichen ist (Subsidiarität der Feststellungsklage). Unabhängig davon ist allerdings die sog. Nichtigkeitsfeststellungsklage (§ 41 Abs. 2 Satz 2 FGO), mit der auch die Unwirksamkeit eines Verwaltungsaktes wegen fehlender Bekanntgabe geltend gemacht werden kann.
5. Fortsetzungsfeststellungsklage Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist ein Sonderfall der Feststellungsklage. Ihre 253 Zulässigkeit wird aus § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO hergeleitet. Sie bezieht sich auf die Fälle, in denen sich eine zulässige Anfechtungsklage vor der gerichtlichen Entscheidung in der Hauptsache erledigt hat, z. B. durch Rücknahme des angefochtenen Verwaltungsaktes oder durch antragsgemäße Änderung. In entsprechender Anwendung des § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO kommt eine Fortsetzungsfeststellungsklage auch dann in Betracht, wenn sich während des Rechtsstreits der mit der Klage verfolgte Verpflichtungsantrag1 erledigt hat. Schließlich ist die Fortsetzungsfeststellungsklage auch zulässig, wenn sich der streitbefangene Verwaltungsakt schon vor Klageerledigung erledigt hat2. Die Fortsetzungsfeststellungsklage, die sich immer auf einen Verwaltungsakt bezieht, kommt nicht bei der Erledigung von Leistungs- oder Feststellungsklagen in Betracht3. Bei Erledigung der Hauptsache muss der Kläger in der Regel den Rechtsstreit für in der Hauptsache erledigt erklären, darf also nur einen Kostenantrag stellen, über den das Gericht dann zu entscheiden hat. Hält er an seinem Klageantrag (Sachantrag) fest, müsste die Klage mangels Rechtsschutzinteresses abgewiesen werden. In derartigen Fällen kann der Kläger aber gem. § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO beantragen, das Gericht möge die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bzw. die Rechtswidrigkeit der Ablehnung des Erlasses eines beantragten Verwaltungsaktes feststellen. Empfehlung: Erledigt sich der angefochtene Verwaltungsakt, so ist zu prüfen, ob die Hauptsache für erledigt erklärt werden soll – dies ist in den meisten Fällen der Fall – oder ob die Klage als „Fortsetzungsfeststellungsklage“ fortgeführt werden soll. Dies setzt voraus, dass noch ein besonderes Rechtsschutzinteresse an einer Entscheidung durch das Gericht vorliegt. In diesem Fall empfiehlt es sich, den Fortsetzungsfeststellungsantrag ausdrücklich zu stellen wie folgt: Nachdem sich der angefochtene Verwaltungsakt durch Aufhebung/Änderung erledigt hat, wird nunmehr beantragt, festzustellen, dass der ursprüngliche Verwaltungsakt vom … 2006 rechtswidrig war. Der Kläger hat an dieser Feststellung ein berechtigtes Interesse, weil … Voraussetzung für die Zulässigkeit einer solchen Fortsetzungsfeststellungsklage 254 ist immer, dass der Kläger an dieser Feststellung ein berechtigtes Interesse hat. Es
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1 BFH v. 21.2.2006 – IX R 78/99, BStBl. II 2006, 930. 2 BFH v. 10.7.2002 – X R 65/96, BFH/NV 2002, 1567. 3 Tipke in Tipke/Kruse, § 100 FGO Rz. 51.
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II Rz. 254
Rechtsschutz vor dem Finanzgericht
genügt jedes konkrete, vernünftigerweise anzuerkennende schutzwürdige Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art1. Dass ein solches berechtigtes Interesse besteht, muss vom Kläger hinreichend substantiiert dargelegt werden. Ein berechtigtes Interesse in diesem Sinne ist in folgenden Fällen angenommen worden: – wenn der erledigte Verwaltungsakt diskriminierende Wirkung hatte und deshalb ein schutzwürdiges Rehabilitierungsinteresse besteht. Dies ist namentlich dann der Fall, wenn der Bescheid, der Gegenstand einer Anfechtungsklage war, den Vorwurf der Steuerhinterziehung enthalten hatte2. – Ein Feststellungsinteresse wird auch dann bejaht, wenn die beantragte Entscheidung für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen in Verfahren vor den Zivilgerichten von Bedeutung ist. Voraussetzung ist allerdings, dass die Schadensersatzklage anhängig oder mit hinreichender Sicherheit zu erwarten ist, dass die finanzgerichtliche Entscheidung für das zivilgerichtliche Urteil nicht unerheblich ist und die Rechtsverfolgung vor dem Zivilgericht nicht offensichtlich aussichtslos ist. Dies muss der Kläger darlegen, wozu auch Ausführungen zur Art und Höhe des Schadens gehören3. – Unter dem Gesichtspunkt einer Wiederholungsgefahr wird ein Feststellungsinteresse dann bejaht, wenn mit großer Wahrscheinlichkeit auch in den Folgejahren ein im Wesentlichen gleicher Sachverhalt der Besteuerung zu Grunde liegen wird und anzunehmen ist, dass das Finanzamt dabei zu seiner ursprünglichen, dem Steuerpflichtigen ungünstigen Rechtsauffassung zurückkehren wird4. – Bei einer Ablehnung einer begehrten Fristverlängerung wird das Feststellungsinteresse nach Zeitablauf ebenfalls unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr bejaht5. Darüber hinaus wird das Feststellungsinteresse auch aus der sich aus der Ablehnung der Fristverlängerung ergebenden Festsetzung und Androhung von Zwangsgeldern hergeleitet6. – Unter dem Gesichtspunkt eines Verwertungsverbots7 und auch im Hinblick auf die Frage, ob die Festsetzungsverjährung nach § 171 Abs. 4 AO8 gehemmt wird, wird ein Feststellungsinteresse bei der Feststellung der Rechtswidrigkeit von Prüfungsanordnungen bejaht. Denn die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Prüfungsanordnung ist notwendig, um in einem Verfahren gegen die betreffenden Änderungsbescheide mit Erfolg geltend machen zu können, die
__________ 1 Vgl. BFH v. 11.8.1998 – VII R 72/97, BStBl. II 1998, 750. 2 BFH v. 15.12.2004 – X B 56/04, BFH/NV 2005, 714. 3 BFH v. 22.12.2003 – VII B 35/03, BFH/NV 2004, 652; v. 17.5.2001 – I S 2/01, BFH/NV 2001, 1426 m. w. N. 4 Vgl. BFH v. 16.12.1971 – IV R 221/67, BStBl. II 1972, 182; v. 29.1.2003 – XI R 82/00, BStBl. II 2003, 550. 5 BFH v. 28.6.2000 – X R 24/95, BStBl. II 2000, 514; v. 11.4.2006 – VI R 64/02, BStBl. II 2006, 642. 6 BFH v. 21.2.2006 – IX R 78/99, BStBl. II 2006, 392. 7 BFH v. 15.12.1999 – X B 86/99, BFH/NV 2000, 681. 8 BFH v. 25.9.2006 – VI B 79/05, BFH/NV 2007, 84.
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ABC der Klagemöglichkeiten
Rz. 266 II
anlässlich der Betriebsprüfung bekannt gewordenen Tatsachen dürften nicht verwertet werden. Haben die Prüfungsfeststellungen bereits Eingang in Steuerbescheide gefunden, so kann ein Verwertungsverbot nur dann Erfolg haben, wenn diese Bescheide noch geändert werden können. Deshalb müssen diese Steuerbescheide zusätzlich angefochten werden, um die aus den Prüfungsfeststellungen gezogenen Folgerungen zu beseitigen. – Ein Feststellungsinteresse wird auch aus den Auswirkungen für die Nachzahlungszinsen gem. § 233a AO hergeleitet, wenn es um die Fortsetzungsfeststellungsklage bei der Anpassung der Einkommensteuer-Vorauszahlungen geht. Eine Fortsetzungsfeststellungsklage i. S. des § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO kann auch 255 in den Fällen erhoben werden, in denen sich der streitige Verwaltungsakt bereits vor Klageerhebung erledigt hat1. Voraussetzung ist allerdings auch hier, dass der Kläger ein berechtigtes Interesse an der Feststellung hat, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen sei. Beispiel: Bei S fand im Jahre 2006 eine Betriebsprüfung statt. Dabei traten beim Finanzamt Zweifel darüber auf, welche Zahlungen verschiedene Firmen im Prüfungszeitraum an S geleistet hatten. Ohne S zu unterrichten, richtete das Finanzamt drei Auskunftsersuchen an verschiedene Firmen. Diese erteilten die erbetenen Auskünfte. Gegen die Auskunftsersuchen legte S erfolglos Einspruch ein. Hier kann S eine Fortsetzungsfeststellungsklage erheben mit dem Ziel, die Rechtswidrigkeit der Auskunftsersuchen gerichtlich feststellen zu lassen, obwohl sich die Auskunftsersuchen durch Beantwortung bereits vor Erhebung der Klage erledigt hatten. Voraussetzung für die Zulässigkeit dieser Klage wäre allerdings ein berechtigtes Interesse an der Feststellung. Dieses könnte z. B. unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr vorliegen, wenn weitere Auskunftsersuchen des Finanzamts zu befürchten sind oder aber wenn S gegen das Finanzamt einen Schadensersatzprozess anstrengen will. Hier muss allerdings hinzukommen, dass der Schadensersatzprozess nicht offensichtlich aussichtslos ist. Einstweilen frei.
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D. ABC der Klagemöglichkeiten Änderungsbescheid: s. Berichtigungsbescheid
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Anteilsbewertung: s. Feststellungsbescheid Aufforderung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung: s. VI Rz. 27, Stichwort „Eidesstattliche Versicherung“.
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1 BFH v. 10.7.2002 – X R 65/96, BFH/NV 2002, 1567; v. 26.9.2007 – I R 43/06, BStBl. II 2008, 134.
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II Rz. 266
Rechtsschutz vor dem Finanzgericht
Auflage: Soll die einem Bescheid beigefügte Auflage, die eine selbständige Bedeutung hat und den Inhalt des Bescheids nicht berührt, beseitigt werden, ist Anfechtungsklage gegen die Auflage zu erheben. Denn nach herrschender Meinung ist die Auflage selbständiger und damit auch selbständig anfechtbarer Verwaltungsakt1. Dieser Fall kommt in der Praxis ober nur selten vor. Antrag: … die dem Stundungsbescheid vom … beigefügte Auflage … aufzuheben. Auskunftsersuchen: Das Auskunftsersuchen nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO gegenüber Beteiligten oder anderen Personen, über die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhaltes erforderlichen Auskünfte zu erteilen, ist ein Verwaltungsakt, gegen den Anfechtungsklage erhoben werden kann2. Beschwert sind bei Auskunftsersuchen gegenüber Dritten sowohl der Dritte als auch der Steuerpflichtige selbst3. Im Einspruchs- und im Klageverfahren muss überprüft werden, ob die Sachaufklärung durch den Steuerpflichtigen selbst zu keinem Erfolg geführt hat oder keinen Erfolg verspricht. Ferner ist zu beachten, dass es sich um eine Ermessensentscheidung des Finanzamts handelt, die vom Gericht nur eingeschränkt (§ 102 FGO) überprüfbar ist. Antrag: … das Auskunftsersuchen vom … und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom … aufzuheben. Berichtigungsbescheid: – Erstrebt der Steuerpflichtige einen Berichtigungsbescheid, so muss er seinen Anspruch auf den Erlass eines Berichtigungs-/Änderungsbescheides mit der Verpflichtungsklage geltend machen. Antrag: … den Beklagten zu verpflichten, den Einkommensteuerbescheid … (Jahreszahl) vom … zu ändern und die Einkommensteuer … (Jahreszahl) auf … Euro herabzusetzen. – Will der Steuerpflichtige sich hingegen gegen einen ergangenen Berichtigungsbescheid mit der Begründung wenden, die Voraussetzungen für eine Berichtigung lägen nicht vor, muss er eine Anfechtungsklage (Aufhebungsklage) erheben. Antrag: … den – berichtigten – Einkommensteuerbescheid … (Jahreszahl) vom … und die Einspruchsentscheidung vom … aufzuheben. – Geht es dem Steuerpflichtigen um eine Änderung des Berichtigungsbescheides und um eine Herabsetzung der Steuer, so ist die Anfechtungsklage in Form der Änderungsklage die richtige Klageart. Antrag: … unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom … den – berichtigten – Einkommensteuerbescheid … (Jahreszahl) vom … zu ändern und die Einkommensteuer … (Jahreszahl) auf … Euro herabzusetzen (oder: … die Einkommensteuer … (Jahreszahl) unter Berücksichtigung weiterer Betriebsausgaben bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb von … herabzusetzen).
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1 Vgl. BFH v. 25.8.1981 – VII B 3/81, BStBl. II 1982, 34; Klein/Brockmeyer, § 120 AO Rz. 11. 2 BFH v. 19.12.2006 – VII R 56/05, BFH/NV 2007, 799. 3 S. auch Tipke in Tipke/Kruse, § 93 AO Rz. 34.
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ABC der Klagemöglichkeiten
Rz. 266 II
Betriebsprüfung (Außenprüfung): – Abbruch einer Betriebsprüfung: Der Abbruch einer Betriebsprüfung ist ein Verwaltungsakt und deshalb mit Einspruch und Anfechtungsklage in Form der Aufhebungsklage angreifbar1. Antrag: … die Verfügung vom … über den Abbruch der Betriebsprüfung und die Einspruchsentscheidung vom … aufzuheben. Mit der Klage kann z. B. geltend gemacht werden, die Betriebsprüfung sei nur abgebrochen worden, um die Aufdeckung neuer Tatsachen zu Gunsten des Steuerpflichtigen zu verhindern. – Ablehnung einer Betriebsprüfung: Die Ablehnung einer Betriebsprüfung ist ein Verwaltungsakt und deshalb mit dem Einspruch angreifbar. Will der Steuerpflichtige nach erfolglosem Einspruchsverfahren die Durchführung einer Betriebsprüfung im Klagewege erreichen, so ist die Verpflichtungsklage die richtige Klageart. Denn der Steuerpflichtige erstrebt einen Verwaltungsakt, nämlich die Anordnung einer Betriebsprüfung (vgl. Stichwort „Anordnung einer Betriebsprüfung“). Da die Prüfungsanordnung eine Ermessensentscheidung ist, kann das Gericht das Finanzamt nur dann zum Erlass einer Prüfungsanordnung verurteilen, wenn das Ermessen des Finanzamts auf null reduziert ist, das heißt, dass jede andere Entscheidung als die Erteilung einer Prüfungsanordnung rechtswidrig wäre. Liegt keine Ermessensreduzierung vor, kann das Finanzamt lediglich verurteilt werden, den Steuerpflichtigen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Es empfiehlt sich deshalb, folgenden Antrag zu stellen: Antrag: 1. … den Beklagten zu verpflichten, eine Prüfungsanordnung hinsichtlich folgender Steuerarten und folgender Besteuerungszeiträume zu erteilen …, 2. hilfsweise den Beklagten zu verurteilen, den Antrag der Kläger auf Erteilung einer Prüfungsanordnung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. – Ablehnung einer Schlussbesprechung: Die Ablehnung einer Schlussbesprechung ist ebenso wie der Abbruch einer Betriebsprüfung ein anfechtbarer Verwaltungsakt. Deshalb gelten die Ausführungen zum Stichwort „Abbruch einer Betriebsprüfung“ sinngemäß. – Anordnung einer Betriebsprüfung: Die Anordnung einer Betriebsprüfung ist ein Verwaltungsakt. Sie kann deshalb mit Einspruch und Anfechtungsklage (Aufhebungsklage) angefochten werden. Antrag: … die Anordnung der Betriebsprüfung vom … und die Einspruchsentscheidung vom … aufzuheben.
__________ 1 BFH v. 24.10.1972 – VIII R 108/72, BStBl. II 1973, 542.
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II Rz. 266
Rechtsschutz vor dem Finanzgericht
Will der Steuerpflichtige verhindern, dass die anlässlich einer Betriebsprüfung gewonnenen Erkenntnisse vom Finanzamt verwertet werden, so muss er die Betriebsprüfungsanordnung anfechten. Nur auf diese Weise kann er ein Verwertungsverbot erreichen. Ist die Betriebsprüfung bereits beendet, bevor der Kläger Klage erhoben hat oder wird die Prüfung während des Klageverfahrens beendet, muss der Kläger statt der Anfechtungsklage die sog. Fortsetzungsfeststellungsklage (s. II Rz. 253 ff.) erheben bzw. von der Anfechtungsklage zur Fortsetzungsfeststellungsklage überwechseln. Antrag: … festzustellen, dass die Prüfungsanordnung des Beklagten vom … rechtswidrig gewesen ist. – Anordnung der Erweiterung einer Betriebsprüfung: Auch die Erweiterungsanordnung ist ein Verwaltungsakt. Es gelten deshalb die Ausführungen zum Stichwort „Anordnung einer Betriebsprüfung“ entsprechend. – Datenzugriff: Die Aufforderung des Beklagten, den Datenzugriff zu dulden und durch Übergabe des Datenträgers hieran mitzuwirken (§ 147 Abs. 7 Satz 2 AO), ist ein Verwaltungsakt, der durch Einspruch und Anfechtungsklage angefochten werden kann1. Antrag: … die Aufforderung des Beklagten vom … und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom … aufzuheben. – Mitwirkungspflicht (§ 200 AO): Die Konkretisierung der in § 200 AO festgelegten Mitwirkungspflichten durch den Betriebsprüfer ist als Verwaltungsakt anzusehen, z. B. die Aufforderung, bestimmte Aufzeichnungen, Bücher oder Urkunden vorzulegen, bestimmte Auskünfte zu erteilen. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren kann die betreffende Maßnahme mit der Anfechtungsklage angefochten werden. Antrag: … die Aufforderung des Beklagten vom …, Auskunft darüber zu erteilen, ob …, sowie die Einspruchsentscheidung vom … aufzuheben. Hat sich die Aufforderung vor einer gerichtlichen Entscheidung durch Rücknahme oder anders erledigt, kommt statt einer Anfechtungsklage eine Fortsetzungsfeststellungsklage in Betracht, falls der Kläger ein berechtigtes Interesse an der Feststellung hat (s. II Rz. 253 ff. und Muster VIII Rz. 15). Antrag: … festzustellen, dass die Aufforderung des Beklagten vom …, Auskunft darüber zu erteilen, ob …, sowie die Einspruchsentscheidung vom … rechtswidrig gewesen sind. – Verlegung des Betriebsprüfungsbeginns (§ 197 Abs. 2 AO): Die Ablehnung der Verlegung des Betriebsprüfungsbeginns ist ein Verwaltungsakt. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren ist, da der Steuerpflichtige eine Verlegung des
__________ 1 Drüen in Tipke/Kruse, § 147 AO Rz. 82; Brockmeyer in Klein, § 147 AO Rz. 16; Sauer in Beermann/Gosch, § 147 AO Rz. 49; vgl. BFH v. 4.4.2005 – VII B 305/04, BFH/NV 2005, 1226; v. 15.9.1992 – VII R 66/91, NV 1993, 76; FG Hamburg v. 13.11.2006 – 2 K 198/05, n. v.
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ABC der Klagemöglichkeiten
Rz. 266 II
Prüfungsbeginns erstrebt – also einen neuen Verwaltungsakt –, Verpflichtungsklage auf Verlegung des Prüfungsbeginns zu erheben. Mit einer Anfechtungsklage gegen die ablehnende Entscheidung des Finanzamts könnte der Steuerpflichtige sein Ziel nicht erreichen; denn mit dieser Klage würde nur die ablehnende Entscheidung aufgehoben, die Festsetzung des Prüfungsbeginns aber bliebe bestehen. Es empfiehlt sich deshalb, folgende Anträge zu stellen: Anträge: 1. … die Festsetzung des Prüfungsbeginns durch Verfügung vom … und die Einspruchsentscheidung vom … aufzuheben und 2. den Beklagten zu verpflichten, den Antrag auf Terminsverlegung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Bei der Entscheidung über die Terminsverlegung handelt es sich um eine – eingeschränkte – Ermessensentscheidung. Deshalb ist es ratsam; einen Bescheidungsantrag zu stellen. Einheitswertbescheid: Bei Klagen gegen Einheitswertbescheide kommen mehrere Klagearten in Betracht, je nachdem, gegen welche Art Bescheid sich der Kläger wendet und mit welchem Ziel: – Hauptfeststellungs- und Nachfeststellungsbescheide enthalten jeweils drei Feststellungen, die selbständig nebeneinander stehen und selbständig angegriffen werden können, nämlich die Feststellung der Art und des Wertes der wirtschaftlichen Einheit sowie die Zurechnung der wirtschaftlichen Einheit. Wendet sich der Kläger gegen die Artfeststellung (z. B. Feststellung der Grundstücksart „Zweifamilienhaus“ statt „Einfamilienhaus“) oder gegen die Zurechnung der wirtschaftlichen Einheit, so muss er eine Anfechtungsklage in Form der Aufhebungsklage erheben. Antrag: … den Nachfeststellungsbescheid vom … hinsichtlich der Artfeststellung „Einfamilienhaus“ bzw. hinsichtlich der Zurechnung des Grundstücks auf den Kläger sowie die Einspruchsentscheidung vom … aufzuheben. Will der Kläger Einwendungen gegen die Höhe des festgestellten Einheitswertes erheben, erstrebt er also eine Herabsetzung des Einheitswertes, so ist richtige Klageart die Anfechtungsklage in Form der Änderungsklage. Antrag: … unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom … und Änderung des Einheitswertbescheides vom … den Einheitswert auf … Euro herabzusetzen (oder: … den Einheitswert unter Berücksichtigung einer Jahresrohmiete von … festzusetzen). Erstrebt der Kläger eine Fortschreibung hinsichtlich der Art-, Wert- oder Zurechnungsfeststellung, so muss er eine Verpflichtungsklage erheben, da er den Erlass eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsaktes (Fortschreibungsbescheid) erstrebt. Antrag: … den Beklagten zu verpflichten, hinsichtlich des Grundstücks … auf den 1.1. … eine Artfortschreibung zum Zweifamilienhaus durchzuführen, oder: … den Beklagten zu verpflichten, den Einheitswert des Grundstücks … im Wege der Wertfortschreibung auf den 1.1. … auf … Euro herabzusetzen, 101
II Rz. 266
Rechtsschutz vor dem Finanzgericht
oder: … den Beklagten zu verpflichten, auf den 1.1. … hinsichtlich des Grundstücks … eine Zurechnungsfortschreibung durchzuführen und das Grundstück dem Kläger zuzurechnen. Einkommensteuerbescheid: Erstrebt der Steuerpflichtige eine Herabsetzung der Einkommensteuer, so muss er eine Anfechtungsklage in Form der Änderungsklage erheben (s. Klagemuster VIII Rz. 9). Will der Steuerpflichtige geltend machen, dass eine Einkommensteuerveranlagung zu Unrecht durchgeführt ist, z. B. weil die Voraussetzungen für eine Einkommensteuerveranlagung nicht erfüllt sind oder das Finanzamt zu Unrecht eine Zusammenveranlagung statt einer getrennten Veranlagung durchgeführt hat, so kann er sein Ziel mit einer Anfechtungsklage in Form der Aufhebungsklage erreichen (s. Klagemuster VIII Rz. 5). Zur Berichtigung eines Einkommensteuerbescheides im Anschluss an die Änderung eines Grundlagenbescheides vgl. Stichwort „Folgebescheid“. Einspruchsentscheidung: Ausnahmsweise kann auch isoliert, d. h. ohne Anfechtung des betreffenden Steuerbescheides, eine Einspruchsentscheidung angefochten werden, z. B. wenn der Einspruch zu Unrecht als unzulässig verworfen worden ist (s. II Rz. 330, Stichwort Einspruchsentscheidung). Hier kommt als Klageart nur die Anfechtungsklage in Form der Aufhebungsklage in Betracht. Antrag: … die Einspruchsentscheidung vom … aufzuheben. Feststellungsbescheid: – Ablehnung einer Feststellung: Lehnt das Finanzamt eine einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften ab, z. B. mit der Begründung, es läge sog. Liebhaberei vor, kann der Steuerpflichtige sein Ziel nur mit einer Verpflichtungsklage auf Erteilung eines Feststellungsbescheides erreichen. Antrag: … den Beklagten zu verpflichten, für das Jahr … (Jahreszahl) eine einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte der Klägerin (z. B. einer KG, OHG usw.) durchzuführen oder: … den Beklagten zu verpflichten, für die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung des Grundstückes … für das Jahr … (Jahreszahl) eine einheitliche und gesonderte Feststellung durchzuführen. – Hatte das Finanzamt ursprünglich eine einheitliche und gesonderte Feststellung durchgeführt und die betreffenden Bescheide später aufgehoben mit der Begründung, die Voraussetzungen für eine gesonderte Feststellung lägen nicht vor, kann der Steuerpflichtige sein Ziel mit der Anfechtungsklage in Form der Aufhebungsklage erreichen. Wird der Aufhebungsbescheid auf die Klage hin aufgehoben, ist der ursprüngliche Feststellungsbescheid automatisch wieder in Kraft. Antrag: … den Aufhebungsbescheid vom … und die Einspruchsentscheidung vom … aufzuheben.
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ABC der Klagemöglichkeiten
Rz. 266 II
– Anteilsbewertung: Auch der Bescheid über die Anteilsbewertung ist ein Feststellungsbescheid. Soll im Klagewege eine Herabsetzung des Wertes erreicht werden, ist die richtige Klageart die Anfechtungsklage in Form der Änderungsklage. Antrag: … unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom … den Bescheid über die gesonderte Feststellung des gemeinen Wertes der Anteile an der Klägerin (GmbH) vom … zu ändern und den gemeinen Wert mit … festzustellen. Soll mit der Klage geltend gemacht werden, dass die Voraussetzungen für eine gesonderte Feststellung nicht vorliegen, weil z. B. die Feststellung für die Besteuerung nicht von Bedeutung ist, so ist Anfechtungsklage in Form der Aufhebungsklage zu erheben. Antrag: … den Bescheid über die gesonderte Feststellung des gemeinen Wertes der Anteile an der Klägerin vom … und die Einspruchsentscheidung vom … aufzuheben. – Gewinnfeststellung: Will der Steuerpflichtige erreichen, dass der Gewinnfeststellungsbescheid aufgehoben wird, weil die Voraussetzungen für eine gesonderte Feststellung nicht vorliegen, ist Anfechtungsklage in Form der Aufhebungsklage zu erheben. Antrag: … den Feststellungsbescheid … (Jahreszahl) vom … und die Einspruchsentscheidung vom … aufzuheben. Kommt es dem Steuerpflichtigen hingegen auf eine Änderung des Gewinnfeststellungsbescheides (Herabsetzung der Höhe des Gewinns, Herabsetzung des Gewinnanteils usw.) an, so ist eine Anfechtungsklage in Form der Änderungsklage zu erheben. Antrag: … unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom … den Gewinnfeststellungsbescheid vom … zu ändern und den Gewinn auf … herabzusetzen sowie den Gewinn wie folgt aufzuteilen … Bei Feststellungsbescheiden ist auf die Frage der Klage- und Prozessführungsbefugnis besonders zu achten (s. II Rz. 330 Stichwort „Feststellungsbescheide“). – Verlustfeststellungen: Für einen Bescheid, in dem nicht ein Gewinn, sondern ein Verlust einheitlich und gesondert festgestellt wird, gelten die Ausführungen zum Stichwort „Gewinnfeststellung“ sinngemäß. Wendet sich der Kläger gegen die Höhe oder die Verteilung des festgestellten Verlustes, muss er also eine Anfechtungsklage in Form der Änderungsklage erheben. Soll geltend gemacht werden, die Voraussetzungen für eine gesonderte Feststellung lägen nicht vor, so ist die richtige Klageart die Anfechtungsklage in Form der Aufhebungsklage. Folgebescheid: Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs sind Klagen gegen einen Folgebescheid (z. B. Einkommensteuerbescheid, sofern einzelne Einkünfte gesondert festgestellt sind, Grundsteuermessbescheide im Verhältnis zu Einheitswertbescheiden) auch insoweit zulässig, als Einwendungen erhoben werden, die im Verfahren gegen einen Grundlagenbescheid zu prüfen
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II Rz. 266
Rechtsschutz vor dem Finanzgericht
sind1; die Rechtsfolge des § 351 Abs. 2 AO besteht nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung nur darin, dass die Einwendungen gegen den Grundlagenbescheid im Klageverfahren unberücksichtigt bleiben. Es empfiehlt sich in diesem Fall in aller Regel, von der Klage gegen den Folgebescheid abzusehen, weil hierdurch ein zusätzliches Kostenrisiko entsteht. Wird das Verfahren gegen den Grundlagenbescheid verloren, so wird automatisch auch die Klage gegen den Folgebescheid abgewiesen, sofern sie nur auf Einwendungen gegen den Grundlagenbescheid gestützt war. Ist noch kein Grundlagenbescheid ergangen, oder ist er zwar ergangen, aber hiergegen ist noch ein Einspruchs- oder Klagverfahren anhängig, so hat das Gericht die Klage gegen den Folgebescheid bis zur Entscheidung über den Grundlagenbescheid gem. § 74 FGO auszusetzen (s. II Rz. 541). Will der Steuerpflichtige gegen den Folgebescheid klagen mit Einwendungen, die im Verfahren gegen den Grundlagenbescheid zu prüfen sind, so muss er Anfechtungsklage in Form einer Änderungsklage erheben. Antrag: … unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom …, den Einkommensteuerbescheid … (Jahreszahl) vom … zu ändern und die Einkommensteuer auf … Euro herabzusetzen (oder: … und die Einkommensteuer unter Berücksichtigung eines Verlustes aus Gewerbebetrieb von … Euro festzusetzen. Empfehlung: Werden bei einer Klage gegen einen Folgebescheid Einwendungen gegen den Grundlagenbescheid erhoben, so muss der Kläger dafür Sorge tragen, dass der Grundlagenbescheid noch geändert werden kann und nicht bestandskräftig wird. Dies kann in den meisten Fällen nur durch Einspruchseinlegung und Klageerhebung gegen den Grundlagenbescheid geschehen. Unterläuft dem Berater hier ein schuldhaftes Versehen, kann dies zur Haftung führen. Bei einem Grundlagen- und Folgebescheid ist also besondere Vorsicht geboten! Gewerbesteuermessbescheid: Hinsichtlich der Klagemöglichkeiten für Gewerbesteuermessbescheide gelten die Ausführungen zum Stichwort „Einkommensteuerbescheid“ sinngemäß. Grunderwerbsteuerbescheid: Hinsichtlich der Klagemöglichkeiten bei Grunderwerbsteuerbescheiden gelten die Ausführungen zum Stichwort „Einkommensteuerbescheid“ entsprechend. Grundlagenbescheid: S. die Ausführungen zum Stichwort „Folgebescheid“. – Ein typischer Grundlagenbescheid ist der Feststellungsbescheid; insoweit gelten die Ausführungen zum Stichwort „Feststellungsbescheid“. Grundsteuermessbescheid: Es gelten sinngemäß die Ausführungen zum Stichwort „Einkommensteuerbescheid“. Haftungsbescheid: Auch hier gelten sinngemäß die Ausführungen zum Stichwort „Einkommensteuerbescheid“.
__________ 1 So ausdrücklich BFH v. 9.11.2005 – I R 10/05, BFH/NV 2006, 750 m. w. H.
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ABC der Klagemöglichkeiten
Rz. 266 II
Insolvenzantrag1: Nach allgemeiner Meinung ist der finanzamtliche Insolvenzantrag kein Verwaltungsakt, so dass es keines Vorverfahrens nach § 44 FGO bedarf2, weil dem Antrag der verbindliche Regelungscharakter fehlt, indem durch den Antrag das Insolvenzverfahren nicht unmittelbar selbst eröffnet, sondern lediglich dessen Einleitung angestrebt wird. Finanzgerichtlicher Rechtsschutz gegen einen finanzamtlich gestellten Insolvenzantrag kann deshalb nur durch Erhebung einer Leistungsklage nach § 40 Abs. 1 FGO auf Verurteilung des Finanzamtes zur Rücknahme des Insolvenzantrages, die bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder bis zur rechtskräftigen Abweisung des Eröffnungsantrages möglich ist (§ 13 Abs. 2 InsO), erreicht werden. Antrag: … das beklagte Finanzamt zu verurteilen, den Insolvenzantrag vom … zurückzunehmen. Der Kläger muss hier vortragen, dass die Stellung des Antrags ermessensfehlerhaft ist bzw. sich nach der Antragstellung Gesichtspunkte ergeben hätten, die die Aufrechterhaltung des Insolvenzantrages als ermessensfehlerhaft erscheinen lassen3. Mitteilungen, rufgefährdende: Gegen rufgefährdende, durch den Besteuerungszweck nicht mehr gedeckte Mitteilungen des Finanzamts an Dritte oder auch an andere Finanzämter ist eine sog. sonstige Leistungsklage (§ 40 Abs. 2 FGO) – in Gestalt einer vorbeugenden Unterlassungsklage4 – zulässig. In solchen Fällen hat der Steuerpflichtige einen durch § 30 AO gesicherten Anspruch auf Unterlassung dergestalt, dass das Finanzamt Verhältnisse, die ihm im Rahmen des Besteuerungsverfahrens bekannt geworden sind, nicht unbefugt anderen Personen offenbaren darf5. Umsatzsteuerbescheid: Es gelten sinngemäß die Ausführungen zum Stichwort „Einkommensteuerbescheid“. Untätigkeitsklage (s. dazu ausführlich unter II Rz. 308 ff.): Die Untätigkeitsklage ist eine normale Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage. Streitgegenstand ist nicht die Untätigkeit der Finanzbehörde, sondern die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bzw. die Rechtmäßigkeit der Ablehnung des Erlasses des begehrten Verwaltungsaktes. Hieraus folgt für den Klageantrag: Er lautet nicht auf die Verurteilung der Behörde, eine Einspruchsentscheidung zu erlassen. Er ist vielmehr bei der Anfechtungsklage auf Aufhebung bzw. Änderung des angefochtenen Verwaltungsaktes und bei der Verpflichtungsklage auf Verpflichtung der beklagten Behörde auf Erlass eines Verwaltungsaktes oder auf Neubescheidung entsprechend der Rechtsauffassung des Gerichts gerichtet.
__________ 1 Vgl. dazu im Einzelnen VI Rz. 41. 2 BFH v. 26.2.2007 – VII B 98/06, BFH/NV 2007, 1270; FG des Saarlandes v. 21.1.2004 – 1 K 67/03, EFG 2004, 759; Kruse in Tipke/Kruse, § 251 AO Tz. 18; Beermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 251 AO Rz. 107. 3 FG Berlin v. 21.9.2004 – 7 K 7182/04 EFG 2005, 11. 4 Vgl. BFH v. 16.10.1986 – V B 3/86, BStBl. II 1987, 30. 5 BFH v. 11.1.2001 – VIII B 83/00, BFH/NV 2001, 578; v. 12.1.1975 – I B 73/75, BStBl. II 1976, 118.
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II Rz. 266
Rechtsschutz vor dem Finanzgericht
Vollstreckung (zum besonderen Rechtsschutz in Vollstreckungssachen s. VI Rz. 26): – Aufteilungsbescheid (§ 279 AO): Der Aufteilungsbescheid ist ein Verwaltungsakt. Hält der Steuerpflichtige den Aufteilungsbescheid für rechtswidrig, muss er ihn mit der Anfechtungsklage angreifen1. Antrag: … unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom … den Aufteilungsbescheid vom … dahin gehend zu ändern, dass … Zur Begründung der Klage können nur Einwendungen gegen die Art der Aufteilung erhoben werden; Einwendungen gegen die Steuerfestsetzung selbst sind unzulässig. – Auskunftserteilung im Vollstreckungsverfahren: Ein Auskunftsersuchen gem. § 93 Abs. 1 AO, das sich an den Beteiligten selbst und an Dritte richten kann, ist auch im Vollstreckungsverfahren zulässig2, z. B. Ersuchen um Mitteilung der Bankverbindung. Daneben ist eine Aufforderung an den Vollstreckungsschuldner, die zur Geltendmachung einer gepfändeten Forderung notwendige Auskunft zu erteilen und die über die Forderung vorhandenen Urkunden herauszugeben, nach § 315 Abs. 2 AO möglich3. Die Aufforderung ist – unabhängig davon, auf welche Rechtsgrundlage sie gestützt wird – ein Verwaltungsakt, der deshalb mit der Anfechtungsklage in Form der Aufhebungsklage angegriffen werden muss, falls der Steuerpflichtige diese Maßnahmen für rechtswidrig hält. Antrag: … die Aufforderung zur Auskunftserteilung und zur Vorlage von Urkunden vom … und die Einspruchsentscheidung vom … aufzuheben. Zur Begründung der Klage kann im Wesentlichen nur vorgetragen werden, dass die begehrte Auskunft und Urkundenvorlage zur Geltendmachung der Forderung nicht notwendig sind. Einwendungen gegen die Einziehungsverfügung müssen gegen diese Verfügung vorgebracht werden, Einwendungen gegen die Steuerfestsetzung gegen die entsprechenden Steuerbescheide. – Eidesstattliche Versicherung (§ 284 Abs. 2 Satz 1 AO): Die Anordnung zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung ist ein Verwaltungsakt. Eine solche Anordnung liegt, wenn sie nicht gesondert erteilt wird, in der Terminsladung. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren kann die Anordnung mit der Anfechtungsklage in Form der Aufhebungsklage angegriffen werden4. Antrag: … die Anordnung zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung vom … und die Einspruchsentscheidung vom … aufzuheben. Gegen die Anordnung kann grundsätzlich nur geltend gemacht werden, dass die Voraussetzungen des § 284 AO für die eidesstattliche Versicherung nicht vorliegen, weil z. B. die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen des § 254 AO nicht gegeben sind.
__________
1 BFH v. 8.10.2002 – III B 74/02, BFH/NV 2003, 193. 2 BFH v. 19.12.2006 – VII R 46/05, BFH/NV 2007, 799; v. 22.2.2000 – VII R 73/98, BStBl. II 2000, 366. 3 BFH v. 30.3.1989 – VII R 89/88, BStBl. II 1989, 537. 4 BFH v. 11.12.1984 – VII B 41/84, BStBl. II 1985, 197.
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ABC der Klagemöglichkeiten
Rz. 266 II
Gem. § 284 Abs. 6 Satz 2 AO ist ein Vollstreckungsschuldner, der gegen die Anordnung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung Einspruch und Klage eingelegt und begründet hat, erst nach der Unanfechtbarkeit der Entscheidung über den Rechtsbehelf zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung verpflichtet. Insoweit hat die Einlegung eines Rechtsbehelfs automatisch aufschiebende Wirkung. Einem dennoch gestellten AdV-Antrag fehlt es dann am erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis1. Gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 AO muss der Vollstreckungsschuldner eine eidesstattliche Versicherung über den Verbleib von Urkunden abgeben und auch die von ihm zu erteilenden Auskünfte durch eidesstattliche Versicherung erhärten (§ 315 Abs. 2 Satz 2 AO). Auch die Aufforderung zur Abgabe der entsprechenden eidesstattlichen Versicherung ist ein Verwaltungsakt. Für die Klage gegen einen solchen Bescheid gelten deshalb die o. g. Grundsätze entsprechend. – Einstellung der Vollstreckung (§§ 257, 258 AO): Wird die Einstellung oder Beschränkung der Vollstreckung nach § 257 AO begehrt, so erstrebt der Steuerpflichtige einen ihn begünstigenden Verwaltungsakt. Er muss deshalb, falls sein Antrag und sein Einspruch erfolglos bleiben, Verpflichtungsklage auf Erteilung eines Bescheides über die Einstellung oder Beschränkung der Vollstreckung erheben. Antrag: … den Beklagten zu verpflichten, die Vollstreckung aus dem Einkommensteuerbescheid … (Jahreszahl) vom … einzustellen. Zur Begründung der Klage muss im Einzelnen dargelegt werden, dass die Voraussetzungen des § 257 AO für eine Einstellung bzw. Einschränkung der Vollstreckung vorliegen. Begehrt der Steuerpflichtige die einstweilige Einstellung der Vollstreckung nach § 258 AO, so erstrebt er ebenfalls einen ihn begünstigenden Verwaltungsakt. Er muss deshalb ebenfalls, falls sein Antrag und sein Einspruch erfolglos bleiben, Verpflichtungsklage erheben. Im Unterschied zur Einstellung der Vollstreckung nach § 257 AO handelt es sich bei der einstweiligen Einstellung der Vollstreckung nach § 258 AO um eine Ermessensentscheidung. Daraus folgt: Das Gericht kann das Finanzamt nur dann zur einstweiligen Einstellung der Vollstreckung verurteilen, wenn das Ermessen des Finanzamts auf null reduziert ist, d. h. jede andere Entscheidung als die Einstellung rechtswidrig wäre. Im Übrigen kann das Gericht das Finanzamt lediglich verurteilen, den Steuerpflichtigen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Deshalb empfiehlt sich in der Regel folgender Antrag: 1. … den Beklagten für verpflichtet zu erklären, die einstweilige Einstellung der Vollstreckung aus dem Einkommensteuerbescheid … (Jahreszahl) vom … auszusprechen,
__________ 1 BFH v. 25.11.1997 – VII B 188/97, BStBl. II 1998, 227.
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II Rz. 266
Rechtsschutz vor dem Finanzgericht
2. hilfsweise den Beklagten für verpflichtet zu erklären, den Antrag des Klägers auf einstweilige Einstellung der Vollstreckung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Mit der Klage kann nur geltend gemacht werden, dass die Vollstreckung im Einzelfall unbillig ist (vgl. § 258 AO). – Eintragung einer Zwangshypothek: Der Antrag des Finanzamts als Vollstreckungsgläubiger auf Eintragung einer Sicherungshypothek stellt einen anfechtbaren Verwaltungsakt dar, da der Antrag gem. § 322 Abs. 3 Satz 2 AO die Bestätigung enthalten muss, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die Vollstreckung vorliegen1. – Einziehungsverfügung (§ 314 AO): Die Einziehungsverfügung ist ein Verwaltungsakt, der mit dem Einspruch angreifbar ist. Beschwert sind durch die Einziehungsverfügung sowohl der Vollstreckungsschuldner als auch der Drittschuldner. Gegen diese Verfügung können deshalb sowohl der Vollstreckungsschuldner als auch der Drittschuldner die Anfechtungsklage in Form der Aufhebungsklage erheben mit dem Antrag: … die Einziehungsverfügung des Beklagten vom … und die Einspruchsentscheidung vom … aufzuheben. Die Einziehungsverfügung wird in der Praxis vielfach mit der Pfändungsverfügung verbunden (s. auch Stichwort: „Pfändungsverfügung“), beide sind aber gleichwohl selbständig anfechtbare Verwaltungsakte, die in einem solchen Fall lediglich äußerlich zusammengefasst sind. Die Klage kann im Wesentlichen nur darauf gestützt werden, dass die Voraussetzungen für eine Einziehungsverfügung nicht gegeben sind (z. B. weil eine Pfändungsverfügung unterblieben ist) bzw. dass die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen des § 254 AO nicht vorliegen. – Ersuchen um Erzwingungshaft (§ 284 Abs. 8 Satz 1 AO): Das an das Amtsgericht gerichtete Ersuchen der Vollstreckungsbehörde, die Haft zur Erzwingung der eidesstattlichen Versicherung anzuordnen (§ 284 Abs. 8 Satz 1 AO), ist ein Verwaltungsakt, gegen den der Einspruch gegeben ist2. Das Ersuchen kann deshalb – nach erfolglosem Einspruchsverfahren – mit der Anfechtungsklage in Form der Aufhebungsklage angegriffen werden. Antrag: … das Ersuchen des Beklagten an das Amtsgericht … vom …, die Haft zur Erzwingung der eidesstattlichen Versicherung anzuordnen, und die Einspruchsentscheidung vom … aufzuheben. Die Klagebegründung kann im Wesentlichen nur darauf gestützt werden, dass die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen (§ 254 AO) bzw. die besonderen Voraussetzungen des § 284 Abs. 8 AO für das Ersuchen nicht vorliegen (z. B. ausreichende Entschuldigung usw.).
__________ 1 BFH v. 15.12.1992 – VII B 131/92, BFH/NV 1993, 460. 2 BFH v. 11.12.1984 – VII B 41/84, BStBl. II 1985, 197; a. A. Kruse in Tipke/Kruse, § 284 AO Rz. 32 m. w. N.; Müller-Eiselt in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 284 AO Rz. 95.
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ABC der Klagemöglichkeiten
Rz. 266 II
– Leistungsgebot (§ 254 Abs. 1 AO): Das Leistungsgebot ist ein eigenständiger Verwaltungsakt, der mit dem Einspruch bzw. nach erfolglosem Einspruchsverfahren mit der Anfechtungsklage in Form der Aufhebungsklage anfechtbar ist1. Antrag: … das Leistungsgebot vom … und die Einspruchsentscheidung vom … aufzuheben. Mit der Klage kann nur das Leistungsgebot als solches angegriffen werden, nicht auch die Rechtmäßigkeit des dem Leistungsgebot zu Grunde liegenden Bescheides (vgl. § 256 AO). – Pfändung beweglicher Sachen durch den Vollstreckungsbeamten (§ 286 AO) und Pfändungsverfügung hinsichtlich Forderungen und anderen Vermögensrechten (§§ 309, 321 AO): Sowohl die Pfändung beweglicher Sachen als auch die Pfändungsverfügung, die sich auf die Pfändung von Forderungen und anderen Vermögensrechten bezieht, sind Verwaltungsakte. Sie sind deshalb mit Einspruch und Anfechtungsklage in Form der Aufhebungsklage angreifbar. Antrag: … die Pfändung der … (Bezeichnung der gepfändeten Sachen) lt. Pfändungsniederschrift vom … und die Einspruchsentscheidung vom … aufzuheben bzw. die Pfändungsverfügung vom … sowie die Einspruchsentscheidung aufzuheben. – Verwertung von Pfandsachen (§ 297 AO): Der Vollstreckungsschuldner kann gem. § 297 AO die Aussetzung der Verwertung gepfändeter Sachen verlangen. Die Aussetzung ist ein begünstigender Verwaltungsakt, die Ablehnung der Voraussetzungen für eine Aussetzung der Verwertung ist mit dem Einspruch angreifbar. Will der Vollstreckungsschuldner im Klagewege vorgehen, ist richtige Klageart die Verpflichtungsklage. Die Aussetzung der Verwertung nach § 297 AO ist eine Ermessensentscheidung. Daraus folgt, das Gericht kann das Finanzamt nur dann zur Aussetzung der Verwertung verurteilen, wenn das Ermessen auf null reduziert ist, d. h. jede andere Entscheidung als die Aussetzung der Verwertung rechtswidrig ist. Im Übrigen kann das Gericht das Finanzamt lediglich verurteilen, den Vollstreckungsschuldner unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Deshalb empfehlen sich in der Regel folgende Anträge: 1. … den Beklagten für verpflichtet zu erklären, die Verwertung folgender am … gepfändeter Sachen auszusetzen: … (Aufzählung der gepfändeten Sachen), 2. hilfsweise, den Beklagten für verpflichtet zu erklären, den Antrag des Klägers auf Aussetzung der Verwertung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Mit der Klage kann nur geltend gemacht werden, dass die alsbaldige Verwertung unbillig wäre. Deshalb kommt – nach durchgeführtem Vorverfahren – eine Verpflichtungsklage auf vorläufige Einstellung der Verwertung (§ 258 AO) in Betracht.
__________
1 BFH v. 31.10.1975 – VIII B 14/74, BStBl. II 1976, 258; v. 20.12.2002 – VII B 66/02, BFH/NV 2003, 592.
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II Rz. 266
Rechtsschutz vor dem Finanzgericht
– Zwangsversteigerung, Zwangsverwaltung: Die Anträge des Finanzamts an das Vollstreckungsgericht auf Anordnung der Zwangsversteigerung/Zwangsverwaltung von Grundbesitz sind in der Regel als Verwaltungsakte anzusehen. Denn es handelt sich bei einem solchen Antrag um eine eigenständige behördliche Maßnahme, durch die das behördliche Vollstreckungsverfahren abgeschlossen wird. Außerdem hat die Vollstreckungsbehörde die Verantwortung dafür zu tragen, dass die Voraussetzungen für die Vollstreckung vorliegen und dies zu bestätigen, so dass das Vollstreckungsgericht diese Voraussetzungen nicht selbst zu prüfen hat1. Das bedeutet, dass solche Anträge mit dem Einspruch und der Anfechtungsklage angreifbar sind. Antrag: … den Antrag des Beklagten vom … betreffend die Anordnung der Zwangsversteigerung über das Grundstück … sowie die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom … aufzuheben. Vorbehalt der Nachprüfung: – Festsetzung unter Vorbehalt Zum Inhalt des Steuerbescheids gehört auch die Entscheidung der Finanzbehörde, ob die Steuerfestsetzung gem. § 164 AO unter dem Vorbehalt der Nachprüfung oder vorbehaltlos ergeht. Die Beifügung des Nachprüfungsvorbehalts stellt eine unselbständige Nebenbestimmung zum Steuerbescheid dar, die der Steuerpflichtige nicht gesondert, sondern nur gemeinsam mit den übrigen Bestandteilen des Verwaltungsakts anfechten kann2. Bestätigt die Einspruchsentscheidung eine Vorbehaltsfestsetzung des Finanzamts oder wird der Nachprüfungsvorbehalt zulässigerweise erstmals in die Einspruchsentscheidung aufgenommen3, ist deshalb als Rechtsbehelf die Anfechtungsklage gegeben; die Entscheidung über die Aufnahme des Nachprüfungsvorbehalts ist Teil der Einspruchsentscheidung und nicht ein gesonderter Verwaltungsakt, der selbständig angefochten werden könnte. In der Begründung kann man sich darauf beschränken, im Einzelnen darzulegen, weshalb der Vorbehalt der Nachprüfung rechtswidrig sein soll. – Aufhebung des Vorbehalts Nach § 164 Abs. 3 Satz 2 AO steht die Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung einer Steuerfestsetzung ohne Vorbehalt der Nachprüfung gleich. Wird der einem Bescheid beigefügte Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 AO) aufgehoben, so ist Anfechtungsklage gegen den Bescheid als solchen zu erheben, da der Vorbehalt der Nachprüfung eine unselbständige Nebenbestimmung des Bescheides ist4. Ebenso verhält es sich, wenn das Finanzamt den Steuerbescheid in der im Übrigen abschlägigen Einspruchsentscheidung für vorbehaltlos erklärt und damit den Nachprüfungsvorbehalt aufhebt. Diese Regelung bildet gleichfalls einen unselbständigen Teil der Einspruchsentscheidung und kann nicht gesondert mit dem Einspruch angefochten werden, vielmehr kann die Aufhebung des Nachprüfungsvorbehalts (wie auch die Aufnahme des Vorbe-
__________ 1 2 3 4
BFH v. 25.1.1988 – VII B 85/87, BStBl. II 1988, 566. BFH v. 30.10.1980 – IV R 168-170/79, BStBl. II 1981, 150. Vgl. dazu BFH v. 12.6.1980 – IV R 23/79, BStBl. II 1980, 527. Vgl. BFH v. 10.7.1996 – I R 5/96, BStBl. II 1997, 5.
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ABC der Klagemöglichkeiten
Rz. 266 II
halts in den Steuerbescheid) nur gemeinsam mit der Steuerfestsetzung angefochten werden. Antrag: … den Einkommensteuerbescheid … (Jahreszahl) in Form der Einspruchsentscheidung vom … aufzuheben (bzw. dahingehend zu ändern, dass der Bescheid weiterhin unter dem Vorbehalt der Nachprüfung steht). Vorläufigkeit: – Beifügung eines Vorläufigkeitsvermerks Gem. § 165 Abs. 1 Satz 1 AO kann eine Steuer insoweit vorläufig festgesetzt werden, als ungewiss ist, ob die Voraussetzungen für ihre Erhebung eingetreten sind. Soll geltend gemacht werden, dass der Bescheid nicht als vorläufig (§ 165 AO) hätte ergehen dürfen, so ist richtige Klageart die Anfechtungsklage gegen den für vorläufig erklärten Bescheid. Denn auch der Vorläufigkeitsvermerk nach § 165 AO ist eine unselbständige Nebenbestimmung, die mit dem Steuerbescheid eine Einheit bildet und nur mit ihm zusammen angefochten werden darf1. Dem Kläger ist es aber unbenommen, sein gegen den Steuerbescheid insgesamt gerichtetes Klagebegehren auf die Beseitigung des Vorläufigkeitsvermerks und damit die Aufhebung des gesamten Bescheids zu beschränken2. Antrag: … den Einkommensteuerbescheid … (Jahreszahl) vom … und die Einspruchsentscheidung vom … aufzuheben3. In der Begründung muss dann dargelegt werden, weshalb die Vorläufigkeitserklärung rechtswidrig ist. – Ablehnung der Vorläufigkeitserklärung Der Steuerpflichtige ist beschwert, sofern der Vorläufigkeitsvermerk für ihn vorteilhaft ist. Gegen den Ablehnungsbescheid sind Einspruch und Verpflichtungsklage gegeben mit dem Antrag: … unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom … und der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom … den Beklagten für verpflichtet zu erklären, den angefochtenen Bescheid … (Jahreszahl) vom … hinsichtlich … (genaue Bezeichnung des oder der Punkte) für vorläufig zu erklären oder: den Kläger unter Ausübung des ihm eingeräumten Ermessens neu zu bescheiden. Die Beifügung des Vorläufigkeitsvermerks ist eine Ermessensentscheidung der Finanzbehörde. Der Antrag setzt in der 1. Alternative voraus, dass von den verschiedenen, theoretisch in Betracht kommenden Ermessensentscheidungen im konkreten Fall nur eine einzige Entscheidung ermessensgerecht ist, also eine sog. Ermessensreduzierung auf „null“ vorliegt. Nur in diesem Fall ist das
__________ 1 BFH v. 25.10.1989 – X R 109/87, BStBl. II 1990, 278. 2 BFH v. 25.10.1989 – X R 109/87, BStBl. II 1990, 278. 3 BFH v. 14.7.2003 – II B 121/01, BFH/NV 2004, 2, wonach die Fehlerhaftigkeit des Vorläufigkeitsvermerks zur Aufhebung des Bescheids in vollem Umfang führt.
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II Rz. 281
Rechtsschutz vor dem Finanzgericht
Finanzgericht berechtigt, die Behörde zu verpflichten, die allein ermessensgerechte Rechtsfolgeentscheidung zu treffen1. – Aufhebung des Vorläufigkeitsvermerks Der Steuerpflichtige kann bei Entfallen der Ungewissheit i. S. des § 165 Abs. 1 Satz 1 und 2 AO die Endgültigkeitserklärung des Steuerbescheids beantragen und dieses Begehren durch Einspruch und Verpflichtungsklage durchsetzen. Antrag: … unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom … und der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom … den Beklagten zu verpflichten, den Einkommensteuerbescheid … (Jahreszahl) vom … für endgültig zu erklären. Hebt das Finanzamt den Vorläufigkeitsvermerk auf, weil die Voraussetzungen für die Ungewissheit entfallen sein sollen, so kann der Steuerpflichtige hiergegen Anfechtungsklage erheben mit dem Antrag: … den Änderungsbescheid vom … und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom … aufzuheben (bzw. dahingehend zu ändern, dass der Vorläufigkeitsvermerk aufrechterhalten bleibt). Widerrufsvorbehalt: Der Widerrufsvorbehalt ist kein selbständiger Verwaltungsakt, sondern eine unselbständige Nebenbestimmung zu dem Bescheid, dem er beigefügt ist. Dabei handelt es sich in aller Regel um den Steuerpflichtigen begünstigende Bescheide. Erstrebt der Steuerpflichtige einen ihn begünstigenden Bescheid ohne Widerrufsvorbehalt, muss er eine Verpflichtungsklage auf Erlass des Bescheides ohne Widerrufsvorbehalt erheben. Antrag: … den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger die Einkommensteuerabschlusszahlung vom … bis zum … ohne einen Widerrufsvorbehalt zu stunden. In der Begründung ist dann darzulegen, dass die Voraussetzungen für eine Stundung vorliegen und ein Widerrufsvorbehalt ermessensfehlerhaft ist. 267–280 Einstweilen frei.
E. Zulässigkeitsvoraussetzungen für eine Klage I. Rechtsweg 1. Allgemeines 281 Der Rechtsweg zu den Finanzgerichten ist lediglich in den in § 33 FGO abschließend aufgezählten Fällen gegeben. Alle übrigen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nicht verfassungsrechtlicher Art, die nicht ausdrücklich den Sozialgerichten zugewiesen sind, gehören vor die allgemeinen Verwaltungsgerichte. Auf diese
__________ 1 BFH v. 18.12.2001 – VIII R 27/96, BFH/NV 2002, 747.
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Rechtsweg
Rz. 283 II
Weise ist der vom Grundgesetz garantierte lückenlose Rechtsschutz gegen Rechtsverletzungen durch die öffentliche Gewalt gewährleistet. Nach § 33 Abs. 1 Nrn. 1–4 FGO ist der Finanzrechtsweg gegeben: – in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten über Abgabenangelegenheiten, soweit die Abgaben der Gesetzgebung des Bundes unterliegen und durch Bundesfinanz- oder Landesfinanzbehörden verwaltet werden (§ 33 Abs. 1 Nr. 1 FGO), – in öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten über die Vollziehung von Verwaltungsakten, soweit sie durch Bundes- oder Landesfinanzbehörden nach den Vorschriften der Abgabenordnung zu vollziehen sind und der Finanzrechtsweg nicht bereits gem. § 33 Abs. 1 Nr. 1 FGO eröffnet ist (§ 33 Abs. 1 Nr. 2 FGO), – in öffentlich-rechtlichen und berufsrechtlichen Streitigkeiten über Angelegenheiten, die durch bestimmte Teile des Steuerberatungsgesetzes geregelt werden (§ 33 Abs. 1 Nr. 3 FGO) sowie – in anderen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten, soweit durch Bundes- oder Landesgesetze der Finanzrechtsweg eröffnet ist (§ 33 Abs. 1 Nr. 4 FGO).
a) Öffentlich-rechtliche Streitigkeit Entscheidende Voraussetzung für die Zuständigkeit der Finanzgerichte ist hier- 282 nach zunächst, dass eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit vorliegt. Diese Voraussetzung ist in aller Regel erfüllt, wenn zumindest auf einer Seite ein Träger öffentlicher Gewalt in seiner Funktion als Hoheitsträger beteiligt ist. Die Rechtsprechung berücksichtigt hier in erster Linie, durch welche Rechtssätze der Sachverhalt wesentlich geprägt wird und welche Rechtssätze für die Beurteilung des Klagebegehrens in Anspruch genommen werden können. Das Steuerrecht ist in diesem Sinne eindeutig öffentliches Recht. Denn es regelt die Rechtsbeziehungen zwischen den steuerberechtigten Körperschaften und den Steuerpflichtigen. Finanzämter treten hier als Hoheitsträger auf und greifen nicht unerheblich in die Rechte der Steuerpflichtigen ein. Über strafrechtliche, zivilrechtliche, verwaltungsrechtliche und sozialrechtliche Fragen haben die Finanzgerichte und damit auch der Bundesfinanzhof nicht zu entscheiden, es sei denn, es handelt sich um Vorfragen für eine steuerrechtliche Frage, über die im Rahmen des Finanzrechtsstreits zu entscheiden ist1.
b) Abgrenzung zu den Strafgerichten Für die Praxis sehr wichtig ist die Abgrenzung des Finanzrechtswegs gegenüber 283 dem Rechtsweg zu den Strafgerichten. Insoweit stellt § 33 Abs. 3 FGO klar, dass der Finanzrechtsweg im Steuerstraf- und Bußgeldverfahren keine Anwendung findet. Es gelten dann die Vorschriften der Strafprozessordnung (StPO) bzw. des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten, wenn und solange ein Straf- oder Ordnungswidrigkeitsverfahren anhängig ist und in dessen Rahmen Anträge gestellt
__________ 1 BFH v. 1.9.2006 – X B 108/06, n. v.; Gräber/Koch, § 33 FGO Rz. 5 m. w. N.
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II Rz. 284
Rechtsschutz vor dem Finanzgericht
werden1. Die Steuerfahndung kann sowohl in Abgabenangelegenheiten2 als auch in Steuerstraf- und Bußgeldsachen3 tätig werden. Diese doppelfunktionale Tätigkeit der Steuerfahndung bei der Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben ist allgemein anerkannt4. Es hängt deshalb vom Einzelfall ab, ob im konkreten Fall eine Abgabenangelegenheit oder eine dem Straf- und Bußgeldverfahren zuzuordnende Sache zu entscheiden ist. Geht es um die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen im Rahmen von § 208 Abs. 1 Nr. 2 AO, handelt es sich jedenfalls um eine Abgabenangelegenheit, solange noch kein förmliches Straf- und Bußgeldverfahren eingeleitet worden ist. Nach Abschluss des Ermittlungsverfahrens, also auch nach dessen Einstellung oder sonstiger Beendigung, ist ggf. wieder die Zuständigkeit des Finanzrechtswegs eröffnet, wenn erneut oder erst jetzt eine abgabenrechtliche Streitigkeit aufgeworfen wird.
c) Einzelfälle 284 Daraus folgt im Einzelnen: Akteneinsicht: – Ist bereits ein Straf- oder Bußgeldverfahren eingeleitet und wird der Antrag auf Einblick in die Akten der Steuerfahndung im Straf- oder Bußgeldverfahren gestellt, so ist der Finanzrechtsweg nicht eröffnet. Die Geltendmachung eines etwaigen Anspruchs auf Akteneinsicht ist hier Sache des „Straf- und Bußgeldverfahrens“, bis dieses Verfahren durch rechtskräftige Entscheidung oder durch Einstellung abgeschlossen ist. – Vor Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens bzw. nach Abschluss des Straf- oder Bußgeldverfahrens ist die Tätigkeit der Steuerfahndung mehr dem Betriebsprüfungsdienst vergleichbar. In diesen Fällen ist deshalb für die Entscheidung über die Akteneinsicht der Finanzrechtsweg eröffnet5. Steuerbescheide: – Wendet sich ein „Beschuldigter“ gegen die aufgrund der Ermittlung der Steuerfahndung festgesetzten Steuern, handelt es sich um eine Abgabenangelegenheit i. S. des § 33 Abs. 2 FGO, über die gem. § 393 Abs. 1 Satz 1 AO unabhängig vom Strafverfahren zu entscheiden ist6. – Für Streitigkeiten um die Festsetzung einer Frist zur Entrichtung verkürzter Steuern nach § 371 Abs. 3 AO ist nicht der Finanzrechtsweg gegeben, sondern der Rechtsweg zu den Strafgerichten7.
__________ 1 BFH 6.5.1997 – VII B 4/97, BStBl. II 1997, 543; v. 6.2.2001 – VII B 277/00, BStBl. II 2001, 306. 2 § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 3 AO. 3 § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO. 4 BFH v. 29.6.2005 – II R 3/04, BStBl. II 2006, 1. 5 Vgl. BFH v. 2.12.1976, BStBl. II 1977, 318. 6 BFH v. 4.5.2005 – IX B 230/03, BFH/NV 2005, 1485. 7 BFH v. 17.12.1981 – IV R 94/77, BStBl. II 1982, 352; Gräber/Gast-de Haan, § 371 AO Rz 9.
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Rechtsweg
Rz. 285 II
Auskunftsersuchen: – Für eine Klage gegen ein Auskunftsersuchen, das die Steuerfahndung nach Einleitung eines Steuerstrafverfahrens und unter Hinweis auf dieses Strafverfahren an einen Dritten richtet, ist nicht der Finanzrechtsweg, sondern der ordentliche Rechtsweg gegeben1. – Wird ein Bankinstitut aufgrund eines von der Steuerfahndungsstelle beantragten richterlichen Beschlusses zur Vermeidung der möglichen Durchsuchung und Beschlagnahme ersucht, Auskunft über Konten zu geben und werden nach Erteilung dieser Auskunft Entschädigungsanspruche nach dem Gesetz über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen (ZSEG) seitens des Bankinstituts geltend gemacht, so ist für dieses Begehren nicht der Finanzrechtsweg, sondern der Rechtsweg zu den Strafgerichten eröffnet2. Abgabe an Staatsanwaltschaft: – Für eine Klage auf Aufhebung der Abgabe einer Steuerstrafsache an die Staatsanwaltschaft ist der Finanzrechtsweg ausgeschlossen3. Schlussbesprechung: Für den Streit darüber, ob im Rahmen einer Steuerfahndungsprüfung eine Schlussbesprechung abgehalten werden muss, ist der Finanzrechtsweg nicht eröffnet4.
2. Einzelheiten a) Abgabenangelegenheiten (§ 33 Abs. 1 Nr. 1 FGO) Nach § 33 Abs. 1 Nr. 1 FGO ist der Finanzrechtsweg eröffnet, wenn folgende 285 Voraussetzungen erfüllt sind: – Es muss sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit über Abgabenangelegenheiten handeln. – Die Abgaben müssen der Gesetzgebung des Bundes unterliegen. – Sie müssen durch Bundes- oder Landesfinanzbehörden verwaltet werden. Nach § 33 Abs. 2 FGO sind Abgabenangelegenheiten alle mit der Verwaltung der Abgaben einschließlich der Abgabenvergütungen oder sonst mit der Anwendung der abgabenrechtlichen Vorschriften durch die Finanzbehörden zusammenhängenden Angelegenheiten einschließlich der Maßnahmen der Bundesfinanzbehörden zur Beachtung der Verbote und Beschränkungen für den Warenverkehr über die Grenze; den Abgabenangelegenheiten stehen die Angelegenheiten der Verwaltung der Finanzmonopole gleich. Zu den Abgabenangelegenheiten rechnen danach insbesondere alle Maßnahmen zur Vorbereitung der Besteuerung, zur Ermittlung der steuerlich relevanten Sachverhalte, zur Steuerfestsetzung und Ab-
__________ 1 2 3 4
BFH v. 20.4.1983 – VII R 2/82, BStBl. II 1983, 482. Vgl. BFH v. 23.12.1980 – VII R 92/79, BStBl. II 1981, 349. Vgl. BFH v. 25.1.1972 – VII R 109/68 BStBl. II 1972, 286. BFH v. 4.9.1989 – IV B 54/89, BFH/NV 1990, 151.
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II Rz. 286
Rechtsschutz vor dem Finanzgericht
gabenerhebung einschließlich Vollstreckung sowie die Inanspruchnahme als Haftender durch Haftungsbescheid oder Duldungsbescheid. 286 Der Finanzrechtsweg1 hat in letzter Zeit bei folgenden Brennpunkten eine Rolle gespielt: – Erteilung einer Lohnsteuerbescheinigung: Es bestehen zwischen den Arbeitsund Finanzgerichten unterschiedliche Auffassungen, welche der beiden Gerichtsbarkeiten für einen Rechtsstreit wegen der Erteilung einer Lohnsteuerbescheinigung und der zutreffenden Eintragung, Ergänzung oder Berichtigung von Daten in der Lohnsteuerbescheinigung zuständig ist. Nach der finanzgerichtlichen Rechtsprechung sind ausschließlich die Gerichte für Arbeitssachen zuständig, da es sich um eine bürgerlich-rechtliche Angelegenheit zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber über Arbeitspapiere handelt2. Nach Meinung des Bundesarbeitsgerichts3 ist für diese Fälle der Finanzrechtsweg gegeben. Nach Meinung des Bundesfinanzhofs sind die Finanzgerichte bei einer Verweisung gem. § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG jedenfalls an diese gebunden und dürfen keine Rückverweisung vornehmen, da der Verweisungsbeschluss durch die Arbeitsgerichte nicht offensichtlich unhaltbar sei4. – Gewerbeerlaubnis: – Für Streitigkeiten über die Pflicht der Finanzbehörde zur Erstellung von Bescheinigungen über steuerliche Verhältnisse auf der Grundlage amtlicher Kenntnisse sind die Finanzgerichte zuständig5. Erfasst wird somit auch die Klage auf Erteilung einer steuerlichen Unbedenklichkeitsbescheinigung zum Erhalt einer Gaststättenerlaubnis6. – Die Rechtsfrage, ob das Finanzamt im Rahmen seiner Verwaltungs- bzw. Vollstreckungstätigkeit Auskunft über das steuerliche Verhalten des Steuerpflichtigen geben bzw. einen Antrag auf Gewerbeuntersagung wegen Steuerrückständen stellen darf, fällt ebenfalls in die Zuständigkeit der Finanzgerichte7. – Zustimmung zum Realsplitting: Für die Klage auf Zustimmung zum Realsplitting sind die ordentlichen Gerichte zuständig8. – Schadensersatzanspruch: Für die Klage wegen eines Folgenbeseitigungsanspruchs auf Schadensersatz ist der Rechtsweg zum Finanzgericht nicht gege-
__________ 1 Einzelheiten bei Gräber/Koch, § 33 FGO Rz. 30 „ABC der Abgabenangelegenheiten“. 2 FG Münster v. 4.7.2005 – X K 640/05, EFG 2006, 283; Sächsisches FG v. 18.5.2005 – 5 K 612/05, n. v.; FG München v. 9.6.2004 – 1 K 1234/04, EFG 2004, 1704; vgl. auch BFH v. 14.10.2005 – VI S 17/05, BFH/NV 2006, 329. 3 BAG v. 11.6.2003 – 5 AZB 1/03, NJW 2003, 2629. 4 BFH v. 14.10.2005 – VI S 17/05, BFH/NV 2006, 329; vgl. auch BFH v. 30.6.2005 – VI S 7/05, NV 2005, 1849. 5 Tipke in Tipke/Kruse, § 33 FGO Rz. 32. 6 FG Hamburg v. 4.9.2006 – 2 K 33/06, EFG 2007, 234; a. A. FG des Saarlandes v. 20.5.1983 – II 77/83, EFG 1984, 559. 7 Vgl. BFH v. 23.11.1993 – VII R 56/93, BStBl. II 1994, 356; FG Nürnberg v. 12.12.2006 – II 141/06, n. v. 8 FG München v. 31.3.2005 – 1 K 619/05, EFG 2005, 1627.
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Rechtsweg
Rz. 288 II
ben1. Sinngemäß handelt es sich um einen Amtshaftungsanspruch, für den – bei zulässiger Klage – gem. Art. 34 GG i. V. m. § 839 BGB die Zivilgerichte, und zwar die Landgerichte (Vertretungszwang!) zuständig sind2.
b) Vollziehung von Verwaltungsakten in anderen Angelegenheiten (§ 33 Abs. 1 Nr. 2 FGO) Es kommt in der Praxis selten vor, dass die Finanzbehörde für eine andere Behör- 287 de tätig wird und die Auftragstätigkeit nach den Vorschriften der Abgabenordnung abzuwickeln hat. Streitigkeiten in diesem Bereich, die vor den Finanzgerichten ausgetragen werden, sind deshalb außerordentlich selten. Einer der seltenen Fälle, in denen die Finanzämter als Vollstreckungsbehörden für andere Behörden tätig werden, ist in §§ 2, 3 Verwaltungsvollstreckungsgesetz (VwVG NRW) geregelt. Danach können Geldforderungen des Landes durch die Vollstreckungsbehörden der Finanzverwaltung vollstreckt werden. In diesen Fallen haben die Finanzämter die für sie geltenden Bestimmungen, also die Vorschriften der AO anzuwenden3.
c) Berufsrechtliche Streitigkeiten über Rechtsverhältnisse des Steuerberatungsgesetzes (§ 33 Abs. 1 Nr. 3 FGO) Wegen des engen Sachzusammenhangs mit den übrigen zum Finanzrechtsweg 288 gehörenden Angelegenheiten sind auch bestimmte öffentlich-rechtliche und berufsrechtliche Streitigkeiten nach dem Steuerberatungsgesetz dem Finanzgericht zugewiesen. Hierzu rechnen – Streitigkeiten über die Hilfeleistung in Steuersachen4 (insbesondere Befugnis, Verbot und Untersagung der Hilfeleistung, Verbot der Werbung, Verbot der Vereinbarung eines Erfolgshonorars) einschließlich der Angelegenheiten der Lohnsteuerhilfevereine, – Streitigkeiten über die Voraussetzungen für die Berufsausübung5, insbesondere das Prüfungswesen (Zulassung zur Prüfung und Prüfungsentscheidungen), die Bestellung zum Steuerberater, die Anerkennung als Steuerberatungsgesellschaft sowie Rücknahme und Widerruf der Bestellung bzw. Anerkennung, – Streitigkeiten über die Zusammenführung der steuerberatenden Berufe6, insbesondere über die Auslegung von Übergangsvorschriften, – Streitigkeiten über die Rechtmäßigkeit von Zwangsmitteln1, die zur Durchsetzung einer Untersagung der Hilfeleistung in Steuersachen oder zur Durchsetzung von Aufsichtsmaßnahmen angewendet werden.
__________ 1 FG Hamburg v. 17.8.2004 – III 369/02, StEK 2004, 795; vgl. BFH v. 8.4.1987 – VII B 142/86, BFH/NV 1988, 94 m. w. N. 2 Vgl. BGH v. 26.11.1974 – VI ZR 124/72, NJW 1975, 540. 3 Vgl. § 3 Abs. 1 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes NRW. 4 1. Teil des StBerG, §§ 1–31. 5 2. Teil des StBerG, §§ 35–55. 6 Sechster Abschnitt des 2. Teils des StBerG, §§ 154–157.
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II Rz. 289
Rechtsschutz vor dem Finanzgericht
d) Finanzrechtsweg kraft ausdrücklicher Zuweisung (§ 33 Abs. 1 Nr. 4 FGO) 289 In vielen Fällen ist in Landes- bzw. Bundesgesetzen ausdrücklich festgelegt, dass für bestimmte Rechtsstreitigkeiten der Finanzrechtsweg eröffnet wird. Auf Einzelheiten soll an dieser Stelle nicht eingegangen werden2, da diese Zuständigkeit in der Praxis nicht von großer Bedeutung ist.
3. Entscheidung über die Zulässigkeit des Finanzrechtswegs 290 Für die Entscheidung über die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs wichtig ist die Vorschrift des § 17a GVG, die gem. § 155 FGO auch für das finanzgerichtliche Verfahren gilt: Danach hat das Finanzgericht, wenn der zu ihm beschrittene Rechtsweg unzulässig ist, dies nach Anhörung der Beteiligten durch Beschluss, der zu begründen ist, auszusprechen, und zwar von Amts wegen. Zugleich hat es den Rechtsstreit an das zuständige Gericht des zulässigen Rechtswegs zu verweisen. Dieser Beschluss ist für das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist, hinsichtlich des Rechtswegs bindend. Das heißt: Das andere Gericht kann die Sache nicht wieder an ein Finanzgericht zurückverweisen3. Gegen eine Verweisung ist eine Beschwerde gem. § 17a Abs. 4 Satz 3 GVG nur gegeben, wenn diese in dem Verweisungsbeschluss ausdrücklich zugelassen ist4. Ist der beschrittene Rechtsweg zulässig, kann das Finanzgericht dies vorab aussprechen. Eine solche Entscheidung muss es treffen, wenn eine Partei die Zulässigkeit des Rechtswegs rügt5. 291–300 Einstweilen frei.
II. Vorverfahren 1. Grundsatz 301 In den Fällen, in denen gegen eine Entscheidung der Finanzbehörde ein außergerichtlicher Rechtsbehelf gegeben ist, ist die Klage in der Regel nur zulässig, wenn das Vorverfahren über den außergerichtlichen Rechtsbehelf ganz oder zum Teil erfolglos geblieben ist (§ 44 Abs. 1 FGO). Das bedeutet: Klagen, wie die Anfechtungsklage und die Verpflichtungsklage, sind erst dann zulässig, wenn ein Einspruchsverfahren ganz oder zum Teil erfolglos geblieben sind. Es muss also eine Rechtsbehelfsentscheidung ergangen sein, in der das Begehren des Steuerpflichtigen ganz oder zum Teil zurückgewiesen worden ist.
__________ 1 Erster Abschnitt des 3. Teils des StBerG, § 159. 2 Es wird auf die zusammenfassende Darstellung bei Tipke in Tipke/Kruse, § 33 FGO Rz. 65 ff., verwiesen. 3 § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG. 4 BFH v. 6.2.2001 – VIII B 277/00, BStBl. II 2001, 306. 5 § 17a Abs. 3 GVG.
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Vorverfahren
Rz. 303 II
Das erfolglos gebliebene Vorverfahren ist Sachentscheidungsvoraussetzung1, nicht Voraussetzung für die Klageerhebung überhaupt. Das bedeutet: Ob diese Voraussetzung erfüllt ist, ist in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen. Wird vor Abschluss des Vorverfahrens Klage erhoben, ist die Klage zwar grundsätzlich zunächst einmal unzulässig. Die Klage wird aber dadurch zulässig, dass die Finanzbehörde während des gerichtlichen Verfahrens die außergerichtliche Rechtsbehelfsentscheidung erlässt. Beispiel: S hat am 1.4. Anfechtungsklage gegen einen Einkommensteuerbescheid erhoben, gegen den er fristgerecht Einspruch eingelegt hatte. Eine Einspruchsentscheidung war jedoch vor Klageerhebung noch nicht erteilt worden. Kurz nach der Klageerhebung ergeht die Einspruchsentscheidung, die dem Begehren des A nicht im vollen Umfang entspricht. Die Klage ist durch Ergehen der Einspruchsentscheidung zulässig geworden.
2. Ausnahmen a) Sprungklage Gem. § 45 Abs. 1 FGO kann eine Klage ausnahmsweise auch ohne Vorverfahren 302 erhoben werden, wenn die Behörde, die über den außergerichtlichen Rechtsbehelf zu entscheiden hat, innerhalb eines Monats nach Zustellung der Klageschrift dem Gericht gegenüber zustimmt. Eine solche Sprungklage kommt insbesondere dann in Betracht2, wenn – die für die Entscheidung erheblichen tatsächlichen Feststellungen von der Finanzbehörde bereits getroffen worden sind und – mit weiteren oder andersartigen Feststellungen nicht mehr zu rechnen ist und – wenn nicht zu erwarten ist, dass die Finanzbehörde in einem Vorverfahren den in dem angefochtenen Bescheid angenommenen Rechtsstandpunkt ändern wird. Hat von mehreren Berechtigten einer einen außergerichtlichen Rechtsbehelf eingelegt, ein anderer unmittelbar Klage (Sprungklage) erhoben, ist in jedem Fall zunächst über den außergerichtlichen Rechtsbehelf zu entscheiden (§ 45 Abs. 1 Satz 2 FGO). Die Sprungklage ist nur zulässig, wenn die Finanzbehörde, die über den außerge- 303 richtlichen Rechtsbehelf zu entscheiden hat, innerhalb eines Monats nach Zustellung der Klageschrift zugestimmt hat (§ 45 Abs. 1 Satz 1 FGO). Die Zustimmung ist kein Verwaltungsakt, sondern eine prozessuale Erklärung der Finanzbehörde. Sie steht in deren Ermessen. Dabei hat die Finanzbehörde allerdings zu prüfen, ob und inwieweit die Sache noch im Einspruchsverfahren gefördert werden kann (z. B. durch weitere Aufklärung von Tatsachen), andererseits, ob ein
__________ 1 BFH v. 2.6.1987 – VIII R 192/83, BFH/NV 1988, 104; ebenso Tipke in Tipke/Kruse, § 44 FGO Rz. 13; a. A. aber Gräber/von Groll, § 44 FGO Rz. 28 ff. 2 Tipke in Tipke/Kruse, § 45 FGO Rz. 1.
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II Rz. 304
Rechtsschutz vor dem Finanzgericht
überwiegendes Interesse des Rechtsbehelfsführers an einer möglichst baldigen Entscheidung des Finanzgerichts besteht. Die Zustimmung muss ausdrücklich gegenüber dem Gericht erklärt werden. Eine Form für diese Erklärung ist allerdings nicht vorgeschrieben; sie kann deshalb schriftlich, aber auch mündlich bzw. fernmündlich erfolgen. 304 Die Zustimmung kann nur innerhalb eines Monats erteilt werden. Dabei beginnt die Frist mit Zustellung der Klage durch das Gericht an das Finanzamt (§ 45 Satz 1 FGO). Die Zustimmung kann nach allgemeiner Auffassung auch schon vor der Klageerhebung – aber erst nach der Erteilung des Bescheids – erteilt werden1. Empfehlung: Will der Kläger – z. B. aus Zeitgründen – sofort das Gericht anrufen und kein Vorverfahren mehr durchführen, weil der Sachverhalt klar ist und eine reine Rechtsfrage streitig ist, kann er versuchen, die Zustimmung des Finanzamtes zur sofortigen Klageerhebung einzuholen. Dies geschieht in der Praxis häufiger, vor allem im Rahmen von Schlussbesprechungen bei Betriebsprüfungen, wenn sich Kläger und Finanzamt über einen bestimmten Punkt nicht einigen können. Die schriftliche Zustimmung darf dann aber erst nach Ergehen des Bescheids erteilt werden. Beispiel: Die X-GmbH und das für diese zuständige Finanzamt streiten darum, wie ein unstreitiger Sachverhalt bei der Körperschaftsteuerveranlagung steuerlich zu würdigen ist. Beide halten die Durchführung eines Einspruchsverfahrens gegen den Körperschaftsteuerbescheid für wenig sinnvoll, da abzusehen ist, dass das Finanzamt seine bisherige Auffassung weiterhin vertreten wird. Deshalb stimmt das Finanzamt nach Erteilung des Bescheids, aber schon vor Klageerhebung in einem Schriftsatz der Erhebung einer Sprungklage zu. Dieser Schriftsatz wird von der X-GmbH mit der Klageerhebung dem Gericht vorgelegt. 305 Lehnt die Behörde die Zustimmung ab oder geht die Zustimmungserklärung der Finanzbehörde dem Gericht nicht innerhalb eines Monats zu, wird die Klage als außergerichtlicher Rechtsbehelf (Einspruch) behandelt2. Einer Zustimmung des Klägers hierfür bedarf es nicht. Beispiel: Das Finanzgericht stellt dem Finanzamt eine Sprungklage gegen einen Einkommensteuerbescheid am 15.10. zu. Bis zum 15.11. hat das Finanzamt der Klage nicht zugestimmt. Die Klage ist als Einspruch zu behandeln, das Verfahren deshalb formlos an die Finanzbehörde abzugeben. Sollte später noch eine Zustimmungserklärung des Finanzamts eingehen, so ginge diese Erklärung ins Leere.
__________ 1 BFH v. 23.7.1987 – I R 173/82, BFH/NV 1987, 178; Tipke in Tipke/Kruse, § 45 FGO Rz. 10; Gräber/von Groll, § 45 FGO Rz. 10; Steinhauff in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 45 FGO Rz. 33. 2 § 45 Abs. 3 FGO.
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Vorverfahren
Rz. 308 II
Ein Rechtsbehelf gegen die Versagung der Zustimmung ist nicht gegeben. Ebenso wenig kann die Zustimmung mit einem Rechtsbehelf angegriffen werden. Auch gegen die Abgabe an die Finanzbehörde ist kein Rechtsbehelf gegeben1. Widerspricht der Kläger der formlosen Abgabe an das Finanzamt, so ist über die Abgabe durch unanfechtbaren Beschluss zu entscheiden, der nicht begründet werden muss. Zwar steht dem Gericht eine Prüfung, ob die Finanzbehörde die Zustimmung zu 306 Recht erteilt hat, nicht zu. Gem. § 45 Abs. 2 Satz 1 FGO kann das Gericht jedoch eine Sprungklage innerhalb von drei Monaten nach Eingang der Akten der Behörde bei Gericht, spätestens innerhalb von sechs Monaten nach Klagezustellung durch Beschluss an die zuständige Behörde zur Durchführung des Vorverfahrens abgeben. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass – weitere Tatsachenfeststellungen notwendig sind, die nach Art oder Umfang erhebliche Ermittlungen erfordern, und – die Abgabe auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auch in diesem Fall ist die Klage als außergerichtlicher Rechtsbehelf zu behandeln (§ 45 Abs. 3 FGO). Zweck dieser Vorschrift ist es, darauf hinzuwirken, dass die Finanzbehörden die zur Entscheidung des konkreten Falles notwendigen Tatsachenfeststellungen selbst treffen und der Sprungklage nicht etwa deshalb zustimmen, um sich aufwendige Sachverhaltsermittlungen zu ersparen. Um der Tatsache Rechnung zu tragen, dass sich die Aktenübersendung durch die Verwaltungsbehörde verzögern kann, knüpft die Frist an den Akteneingang an. Zugleich wird eine Höchstfrist bestimmt.
b) Anordnung eines dinglichen Arrestes Macht der Kläger mit seiner Klage die Rechtswidrigkeit der Anordnung eines 307 dinglichen Arrestes (§§ 324, 326 AO) geltend, ist eine solche Klage gem. § 45 Abs. 4 FGO ohne Vorverfahren zulässig. Das bedeutet: Der Steuerpflichtige kann gegen die Anordnung eines dinglichen Arrestes sogleich Anfechtungsklage erheben, ohne das gegen eine solche Anordnung gegebene Einspruchsverfahren durchführen zu müssen. Der Zustimmung der Finanzbehörde, die die Anordnung eines dinglichen Arrestes getroffen hat, bedarf es im Unterschied zur Sprungklage nicht.
c) Untätigkeitsklage – Allgemeines: Von dem Grundsatz, dass Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen 308 grundsätzlich erst dann zulässig sind, wenn das Vorverfahren ganz oder teilweise ohne Erfolg geblieben ist, gibt es eine weitere Ausnahme: Ist über einen außergerichtlichen Rechtsbehelf ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden, ist die Klage auch
__________ 1 BFH v. 10.9.1998 – II B 78/91, BFH/NV 1997, 56.
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II Rz. 309
Rechtsschutz vor dem Finanzgericht
ohne vorherigen Abschluss des Vorverfahrens zulässig (vgl. § 46 FGO). Diese Klage wird auch als sog. Untätigkeitsklage bezeichnet, obwohl diese Bezeichnung irreführend ist. Das Gericht wird nämlich die Behörde nicht verurteilen, tätig zu werden, sondern es muss grundsätzlich in der Sache selbst entscheiden. Deshalb wäre beispielsweise eine Klage mit dem Ziel, das Finanzamt für verpflichtet zu erklären, unverzüglich über den Einspruch zu entscheiden, unzulässig1. Die „Untätigkeitsklage“ kann nicht nur als Anfechtungsklage, sondern auch als Verpflichtungsklage erhoben werden. So kommt eine Untätigkeitsklage in Form der Verpflichtungsklage dann in Betracht, wenn über den außergerichtlichen Rechtsbehelf gegen die Ablehnung eines Antrags wegen Untätigkeit ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist nicht entschieden worden ist. 309 – Untätigkeitseinspruch: Eine Untätigkeitsklage i. S. des § 46 FGO ist nur zulässig, wenn über einen Einspruch nicht entschieden worden ist. Wird demgegenüber ein beantragter Verwaltungsakt nicht binnen angemessener Frist erlassen, ist die Klage gem. § 46 FGO nicht unmittelbar zulässig. In solchen Fällen muss vielmehr zunächst ein sog. Untätigkeitseinspruch (§ 347 Abs. 1 Satz 2 AO; s. I Rz. 24) eingelegt werden2. Erst wenn über diesen Einspruch nicht in angemessener Frist entschieden worden ist, wäre eine Untätigkeitsklage zulässig. Etwas anderes gilt nur in Fällen des § 348 Nr. 3 und Nr. 4 AO (z. B. Verwaltungsakte der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder, Entscheidungen des Zulassungs- und des Prüfungsausschusses der Oberfinanzdirektionen in Angelegenheiten des Steuerberatungsgesetzes), in denen der Einspruch nicht statthaft ist (s. I Rz. 27 f.). Hier kann unmittelbar Untätigkeitsklage beim Finanzgericht erhoben werden (§ 46 Abs. 2 FGO). 310 – Streitgegenstand: Streitgegenstand bei der Untätigkeitsklage ist die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bzw. die Rechtmäßigkeit der Ablehnung des Erlasses des begehrten Verwaltungsaktes. Hieraus folgt für den Klageantrag: Er lautet nicht auf die Verurteilung der Behörde, eine Einspruchsentscheidung zu erlassen. Er ist vielmehr bei der Anfechtungsklage auf Aufhebung bzw. Änderung des angefochtenen Verwaltungsaktes und bei der Verpflichtungsklage auf Verpflichtung der beklagten Behörde auf Erlass eines Verwaltungsaktes oder auf Neubescheidung entsprechend der Rechtsauffassung des Gerichts gerichtet. 311
Erlässt die Finanzbehörde nach Erhebung der Untätigkeitsklage, aber vor einer Entscheidung des Finanzgerichts eine Einspruchsentscheidung oder einen Abhilfebescheid, worin dem Begehren des Klägers in vollem Umfang entsprochen wird, ist die Hauptsache erledigt. Geben die Beteiligten entsprechende Erledigungserklärungen ab, ist gem. § 138 FGO nur noch über die Kosten zu ent-
__________ 1 Vgl. BFH v. 25.10.1973 – VII R 15/71, BStBl. II 1974, 116. 2 Vgl. dazu BFH v. 3.8.2005 – I R 74/02, BFH/NV 2006, 19; v. 28.6.2006 – I R 97/05, BFH/NV 2006, 2207.
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Vorverfahren
Rz. 312 II
scheiden. War die Klage unzulässig, z. B. weil die Sechs-Monats-Frist nicht gewahrt war und kein Ausnahmefall vorlag, ergibt sich die Kostenfolge aus § 138 Abs. 1 FGO. In diesem Fall hätte der Kläger die Kosten zu tragen. War die Klage hingegen zulässig, so hat nach § 138 Abs. 2 FGO die Finanzbehörde die Kosten zu tragen. Entspricht die Einspruchsentscheidung nicht oder nicht in vollem Umfang dem Klagebegehren, hat sich der Rechtsstreit nicht in der Hauptsache erledigt. Er wird vielmehr mit ggf. verändertem Verfahrensgegenstand fortgeführt, ohne dass es eines entsprechenden Antrags bedarf. Für die Kosten gelten in diesem Fall die allgemeinen Grundsätze: Obsiegt letztlich der Kläger, hat die Finanzbehörde die Kosten zu tragen. Obsiegt die Finanzbehörde, hat der Kläger die Kosten zu tragen. Bei teilweisem Obsiegen werden die Kosten entsprechend aufgeteilt. Empfehlung: Erlässt die Finanzbehörde im Laufe des Klageverfahrens die Einspruchsentscheidung, entspricht sie aber mit dieser Entscheidung dem Begehren des Klägers nicht oder nicht im vollen Umfang, so hat sich die Untätigkeitsklage nicht erledigt. Das Klageverfahren wird dann fortgeführt. Die Beteiligten können bei einer dem Klagebegehren teilweise stattgebenden Entscheidung nunmehr allerdings auch von sich aus die Hauptsache für erledigt erklären (s. II Rz. 535). – Voraussetzungen im Einzelnen: Die sog. Untätigkeitsklage i. S. des § 46 Abs. 1 312 FGO ist nur zulässig, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind: – Die Finanzbehörde muss einen Verwaltungsakt erlassen oder den Erlass eines Verwaltungsaktes abgelehnt oder unterlassen haben. – Gegen den Verwaltungsakt, seine Ablehnung oder Unterlassung muss ein außergerichtlicher Rechtsbehelf eingelegt worden sein. – Eine Rechtsbehelfsentscheidung darf noch nicht erlassen worden sein. Eine angemessene Frist zur Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf muss abgelaufen sein. – Die Finanzbehörde darf dem Kläger keinen zureichenden Grund für das Ausbleiben der Rechtsbehelfsentscheidung mitgeteilt haben. Eine der wesentlichen Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Untätigkeitsklage ist, dass in angemessener Frist über den außergerichtlichen Rechtsbehelf nicht entschieden worden ist. Angemessen ist eine Frist, innerhalb welcher eine Rechtsbehelfsentscheidung nach den Umständen des Falles erwartet werden kann. Hierbei sind zu berücksichtigen: – die Schwierigkeiten der Sachverhaltsermittlung, – der Umfang und die rechtlichen Schwierigkeiten des Falles und – das erkennbare Interesse des Rechtsbehelfsführers an einer baldigen Entscheidung1.
__________ 1 BFH v. 7.3.2006 – VI B 78/04, BFH/NV 2006, 1018; von Beckerath in Beermann/Gosch, § 46 FGO Rz. 88 und 95.
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II Rz. 313 313
Rechtsschutz vor dem Finanzgericht
Im Regelfall wird eine Klage nach Ablauf von sechs Monaten nach Einlegen des außergerichtlichen Rechtsbehelfs als zulässig angesehen werden können, wie sich aus § 46 Abs. 1 Satz 2 FGO entnehmen lässt1. Diese Vorschrift enthält allerdings keine verbindliche Bestimmung über die Angemessenheit der Frist. Sie lässt lediglich die Wertung des Gesetzgebers erkennen, dass eine Frist von weniger als sechs Monaten grundsätzlich nicht als unangemessen angesehen werden kann. Wird die Untätigkeitsklage vor Ablauf von sechs Monaten seit Einlegen des außergerichtlichen Rechtsbehelfs erhoben, ist sie grundsätzlich unzulässig, es sei denn, dass wegen besonderer Umstände des Falles (z. B. drohende Vollstreckungsmaßnahmen) eine kürzere Frist geboten ist (§ 46 Abs. 1 Satz 2 FGO). Die Klage wird aber zulässig, wenn das Gericht nicht binnen sechs Monaten das klageabweisende Urteil verkündet hat. Denn es genügt für die Zulässigkeit der Untätigkeitsklage, dass die Sechs-Monats-Frist vor der mündlichen Verhandlung oder der Entscheidung abgelaufen ist. Die vorzeitig erhobene Klage „wächst dann in die Zulässigkeit hinein“2. Nach § 46 Abs. 1 Satz 3 FGO kann das Gericht das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten, verlängerbaren Frist aussetzen.
314
Weitere Voraussetzung für die Zulässigkeit der Untätigkeitsklage ist, dass die Einspruchsentscheidung ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes ausgeblieben ist. Ein zureichender Grund in diesem Sinne liegt vor, wenn bei objektiver Betrachtungsweise aus diesem Grund eine Entscheidung nicht erwartet werden kann. Ob dies der Fall ist, hängt von den Umständen des jeweiligen einzelnen Falles ab. Ein zureichender Grund ist unbeachtlich, wenn die Finanzbehörde ihn erst nach Klageerhebung mitteilt. Der Steuerpflichtige soll nicht Gefahr laufen, eine unzulässige Klage zu erheben3. Beispiel 1: Die X-AG hat gegen den Gewerbesteuermessbescheid Einspruch eingelegt, weil das Finanzamt es abgelehnt hat, gem. § 10a GewStG anteilige Verluste in Abzug zu bringen, die im Rahmen einer sog. Mehrmütterorganschaft bei der Organgesellschaft erwirtschaftet worden sind. Kurz darauf ergeht eine Entscheidung des BFH, die die entscheidungserhebliche bisherige Verwaltungsauffassung nicht teilt4. Durch Nichtanwendungserlass v. 4.12.2000 ordnet das Bundesministerium der Finanzen an, dass die geänderte BFHRechtsprechung „bis auf weiteres nicht allgemein anzuwenden sei. Vergleichbare Fälle seien weiterhin im Hinblick auf eine mögliche gesetzliche Regelung offen zu halten.“ Daraufhin teilt das Finanzamt mit, es werde eine Entscheidung über den Einspruch zurückstellen, bis die neue Gesetzesregelung ergehe.
__________ 1 BFH v. 30.10.1987 – IV B 148/86, BFH/NV 1989, 558; v. 7.3.2006 – VI B 78/04, BFH/NV 2006, 1018; Steinhauff in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 46 FGO Rz. 11 m. w. N. 2 Vgl. BFH v. 7.3.2006 – VI B 78/04, BStBl. II 2006, 430 m. w. N. 3 BFH v. 27.4.2006 – IV R 18/04 BFH/NV 2006, 2017; von Beckerath in Beermann/Gosch, § 46 FGO Rz. 131; Steinhauff in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 46 FGO Rz. 172. 4 BFH v. 9.6.1999 – I R 43/97, BStBl. II 2000, 695.
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Vorverfahren
Rz. 314 II
Das Abwarten einer Gesetzesregelung, die vermutlich zum Nachteil des Klägers rückwirkend eine nachträgliche Rechtsgrundlage für den angefochtenen Bescheid schafft, ist kein zureichender Grund für ein Nichttätigwerden der Behörde1. Beispiel 2: A hat Einspruch sowohl gegen den Bescheid über die einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung als auch gegen seinen Einkommensteuerbescheid eingelegt. Das Finanzamt hat das Einspruchsverfahren über den Einkommensteuerbescheid ausgesetzt, bis über den Einspruch gegen den Feststellungsbescheid entschieden ist. Eine Untätigkeitsklage gegen den Einkommensteuerbescheid ist unzulässig, da ein zureichender Grund für die Untätigkeit der Behörde vorliegt, solange das Einspruchsverfahren gem. § 363 Abs. 1 AO ausgesetzt2 oder gem. § 363 Abs. 2 AO zum Ruhen gebracht worden ist3 Beispiel 3: A hat gegen seinen Einkommensteuerbescheid Einspruch eingelegt. Während des Einspruchsverfahrens wird bei A eine Betriebsprüfung angeordnet. Es ist zu erwarten, dass auch die im Einspruch des A angesprochenen Fragen im Rahmen der Betriebsprüfung geklärt werden. Stellt das Finanzamt deshalb bis zum Abschluss der Betriebsprüfung und damit verbundener weiterer Sachverhaltsermittlungen die Einspruchsentscheidung zurück, ist dies in aller Regel als zureichender Grund anzusehen4. Beispiel 4: S hat gegen seinen Einkommensteuerbescheid Einspruch eingelegt. Das Finanzamt teilt dem S mit, dass wegen Krankheit des Sachbearbeiters und Arbeitsüberlastung bei der Behörde innerhalb absehbarer Zeit über den Einspruch nicht entschieden werden könne. Ursachen im Bereich der Behördenorganisation, wie Arbeitsüberlastung durch Personalmangel, Urlaub oder Krankheitsfälle sind grundsätzlich kein zureichender Grund für die Überschreitung einer angemessenen Frist5. S könnte deshalb – nach Ablauf der Sechs-Monats-Frist – Untätigkeitsklage erheben. Einstweilen frei.
315–325
__________ 1 FG Köln v. 21.11.2001 – 6 K 1134/01, EFG 2002, 1245, aufgehoben durch BFH v. 3.8.2005 – I R 74/02, BFH/NV 2006, 19, da der Untätigkeitseinspruch fehlte. Ebenso Gräber/von Groll, § 46 FGO Rz. 22. 2 BFH v. 14.10.2002 – V B 170/01, BFH/NV 2003, 197; Gräber/von Groll, § 46 FGO Rz. 20. 3 Steinhauff in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 46 FGO Rz. 150 ff.; Tipke in Tipke/Kruse, § 46 FGO Tz. 12; von Beckerath in Beermann/Gosch, § 46 FGO Rz. 123. 4 Gräber/von Groll, § 46 FGO Rz. 19; Tipke in Tipke/Kruse, § 46 FGO Rz. 10. 5 Steinhauff in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 46 FGO Rz. 142, m. w. N.; Tipke in Tipke/ Kruse, § 46 FGO Tz. 10; von Beckerath in Beermann/Gosch, § 46 FGO Rz. 120.
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II Rz. 326
Rechtsschutz vor dem Finanzgericht
III. Klagebefugnis 1. Allgemeines 326 Gem. § 40 Abs. 2 FGO ist, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsaktes oder einer anderen Leistung in seinen Rechten verletzt zu sein (sog. Klagebefugnis). Der Sinn dieser Vorschrift besteht darin, Klagen zu vermeiden, die nur zur Klärung theoretischer Rechtsfragen geführt werden bzw. die nicht der Wahrnehmung eigener, sondern der Wahrnehmung der Rechte Dritter oder des Allgemeininteresses dienen sollen. Nur derjenige, der darlegt, dass er selbst in eigenen Rechten durch eine Maßnahme der Finanzbehörde betroffen ist, kann zulässigerweise eine Klage erheben. Die Klagebefugnis muss sowohl bei der Anfechtungsklage als auch bei der Verpflichtungsklage und der allgemeinen Leistungsklage vorliegen. Deshalb muss der Kläger – bei der Anfechtungsklage eine Rechtsverletzung durch einen Verwaltungsakt, – bei der Verpflichtungsklage eine Rechtsverletzung durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsaktes sowie – bei der allgemeinen Leistungsklage eine Rechtsverletzung durch eine sonstige Leistung, die nicht in einem Verwaltungsakt besteht, oder durch die Ablehnung oder Unterlassung einer solchen Leistung geltend machen.
2. Einzelheiten a) Rechtsverletzung 327 Die Klagebefugnis liegt nur vor, wenn der Kläger eine Rechtsverletzung geltend macht. Eine Rechtsverletzung in diesem Sinne liegt nur dann vor, wenn der Verwaltungsakt dem geltenden Recht widerspricht oder bei belastenden Verwaltungsakten (z. B. Steuerbescheiden) durch eine Rechtsnorm nicht gedeckt ist. Der Kläger muss also zweierlei geltend machen: – zum einen, dass der angefochtene Verwaltungsakt objektiv rechtswidrig ist und – zum anderen, dass er gerade ihn, den Kläger, in seinen Rechten verletzt. Es muss sich um eine Rechtsverletzung handeln; eine Verletzung wirtschaftlicher, kultureller oder sonstiger Interessen genügt nicht. Eine Verletzung von verfahrensrechtlichen Vorschriften ist allerdings auch als Rechtsverletzung anzusehen. Die Verletzung von Verwaltungsvorschriften (Richtlinien, Erlasse, OFDVerfügungen) ist grundsätzlich keine Rechtsverletzung i. S. des § 40 Abs. 2 FGO. Verwaltungsvorschriften binden nämlich in der Regel nur die nachgeordneten Behörden und Bediensteten. Denn norminterpretierende Verwaltungsvorschriften binden die Steuergerichte grundsätzlich nicht. Die Gerichte folgen ihnen nur 126
Einzelheiten
Rz. 329 II
dann, wenn sie eine zutreffende Auslegung des Gesetzes enthalten1. Eine gewisse Bindungswirkung ergibt sich aber bei Bewertungsrichtlinien und Typisierungsanordnungen (AfA-Tabellen, Richtsätzen, Pauschbeträgen). Die Gerichte wenden solche Richtlinien im Interesse der Gleichmäßigkeit der Besteuerung an, sofern sie nicht im Einzelfall zu untragbaren, d. h. zu offensichtlich unrichtigen Ergebnissen führen2. Im Regelfall binden derartige Richtlinien also die Gerichte. Ein Abweichen von diesen Richtlinien würde also als Rechtsverletzung i. S. des § 40 Abs. 2 FGO angesehen werden können3.
b) Ermessensentscheidungen Betreffen die Verwaltungsvorschriften ein gesetzlich eingeräumtes Ermessen der 328 Behörde, kann sich der Steuerpflichtige in der Regel auch auf die Verletzung dieser Verwaltungsvorschriften berufen4. Denn bei der Ausübung des Ermessens ist der Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG zu beachten5. Deshalb wird ermessensfehlerhaft entschieden und damit das geltende Recht verletzt, wenn die Finanzbehörde im Einzelfall ohne triftigen Grund von der Ermessensrichtlinie innerhalb ihres Ermessensspielraums abweicht. Dabei sind von den Gerichten Richtlinien nicht wie Gesetze auszulegen. Es ist nicht nach jeder denkbaren Auslegung der Anweisungen zu forschen, sondern nach dem Sinn, den ihr die anweisende Behörde erkennbar beigemessen hat. Entscheidend ist die durch die Verwaltungsrichtlinie vorgezeichnete tatsächliche Verwaltungsübung6.
c) Geltendmachung der Rechtsverletzung Der Kläger muss geltend machen, in seinen Rechten verletzt zu sein. Die Klage- 329 befugnis erfordert also nicht, dass der Kläger tatsächlich in seinen Rechten verletzt ist. Es genügt allerdings nicht, dass der Kläger die reine Behauptung aufstellt, er sei in seinen Rechten verletzt. Er muss vielmehr substantiiert und in sich schlüssig Tatsachen vortragen, aus denen sich – ihre Richtigkeit unterstellt – ergibt, dass er in seinen Rechten verletzt ist. Die Klagebefugnis gegenüber Feststellungsbescheiden ist in § 48 FGO besonders geregelt. Sie ist im nachfolgenden ABC der Klagebefugnis unter dem Stichwort „Feststellungsbescheide“ dargestellt.
__________ 1 Z. B. BFH v. 17.1.1984 – VI R 24/81, BStBl. II 1984, 522; v. 4.6.1997 – X R 12/97, BStBl. II 1997, 740. 2 Vgl. BFH v. 13.12.2001 – III R 40/99, BStBl. II 2002, 224 zur Anwendung der Pauschsätze für Kfz.-Kosten Körperbehinderter. 3 Vgl. BFH v. 17.9.1997 – II R 74/94, BFH/NV 1998, 318 zur Bindung der Gerichte an das Stuttgarter Verfahren für die Anteilsbewertung. 4 Vgl. BFH v. 11.4.2006 – VI R 64/02, BStBl. II 2006, 642 (zu Fristverlängerungsanträgen). 5 „Selbstbindung der Verwaltung“ gem. Art. 3 GG; z. B. Drüen in Tipke/Kruse, § 4 AO Tz. 93. 6 BFH v. 21.10.1999 – I R 1/98, BFH/NV 2000, 691.
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II Rz. 330
Rechtsschutz vor dem Finanzgericht
3. ABC der Klagebefugnis 330 Ehegatten: Ist der Steuerbescheid (z. B. Einkommensteuerbescheid bei einer Zusammenveranlagung) gegen beide Ehegatten gerichtet, so sind beide Ehegatten klagebefugt. Es besteht eine getrennte Rechtsbehelfsbefugnis beider Ehegatten1. Ist der Bescheid jedoch nur an einen Ehegatten gerichtet (z. B. bei getrennter Veranlagung), so ist der andere Ehegatte nicht betroffen, folglich auch nicht klagebefugt. Einkommensteuerbescheid: – zu hohe Steuer: Wird nach Auffassung des Klägers in einem Einkommensteuerbescheid die Steuer zu hoch festgesetzt (z. B. weil Werbungskosten, Betriebsausgaben, Sonderausgaben oder außergewöhnliche Belastungen nach Auffassung des Klägers zu Unrecht nicht anerkannt worden sind), liegt stets eine Rechtsverletzung und damit eine Klagebefugnis vor; – zu niedrige Steuer: Durch die Festsetzung einer zu niedrigen Steuer ist der Steuerpflichtige in der Regel nicht in seinen Rechten verletzt und damit auch gegen den entsprechenden Bescheid nicht klagebefugt. Eine Klage mit dem Begehren, eine höhere Steuer festzusetzen ist grundsätzlich unzulässig2. Ausnahmsweise kann ein Kläger aber auch durch eine zu niedrige Steuerfestsetzung in seinen Rechten verletzt sein: Liegt nach Darlegung des Steuerpflichtigen eine zu niedrige Steuerfestsetzung vor, die unter Berücksichtigung der in ihr liegenden gegenwärtigen Vorteile und der mit ihr für spätere oder vorhergehende Steuerabschnitte verbundenen Nachteile im steuerlichen Ergebnis eine Schlechterstellung befürchten lässt, liegt eine Rechtsverletzung vor; die Klagebefugnis ist dann gegeben. Deshalb kann eine Einkommensteuerveranlagung auch mit dem Ziel einer höheren Steuerfestsetzung angefochten werden, wenn die angesetzten Besteuerungsgrundlagen eine Bindung für andere Veranlagungen herbeiführen3. Es muss allerdings mit einer gewissen Sicherheit angenommen werden können, dass der Vorgang, auf dem die zu niedrige Steuerfestsetzung beruht, dem Steuerpflichtigen bei der gleichen Steuer für spätere Steuerabschnitte oder bei einer anderen Steuerart steuerliche Nachteile verursachen wird, die den durch die zu niedrige Steuerfestsetzung bewirkten Vorteil überwiegen. So liegt z. B. eine Rechtsverletzung vor, wenn die Steuerfestsetzung auf einem unrichtigen Bilanzansatz beruht und dieser Ansatz nach dem Grundsatz der Bilanzidentität bewirkt, dass der Vorteil sich in anderen (vorhergehenden oder späteren) Veranlagungszeiträumen zu einem noch größeren Nachteil des Steuerpflichtigen auswirkt4. Kann sich ein falscher Bilanzansatz aber weder auf die Steuer des betreffenden Jahres noch auf die Steuer der vorigen Jahre zum Nachteil des Klägers auswirken, liegt eine Rechtsverletzung nicht vor. Macht der Steuerpflichtige z. B. mit der Klage gegen einen Einkommensteuerbescheid geltend, der
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1 Vgl. dazu BFH v. 27.11.1984 – VIII R 73/82, BStBl. II 1985, 296. 2 BFH v. 9.9.2005 – IV B 6/04, BFH/NV 2006, 22 m. w. N. 3 BFH v. 10.12.1992 – IV R 17/92, BStBl. II 1993, 344; v. 9.9.2005 – IV B 6/04, BFH/NV 2006, 22 m. w. N. 4 Vgl. BFH v. 13.12.1984 – VIII R 273/81, BStBl. II 1985, 394; v. 24.10.2006 – I R 2/06, BFH/NV 2007, 814.
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ABC der Klagebefugnis
Rz. 330 II
Buchwert einer Beteiligung sei höher als vom Finanzamt angenommen, weil bestimmte Aufwendungen keine Privatentnahmen, sondern zusätzliche Anschaffungskosten gewesen seien, liegt keine Rechtsverletzung vor. Denn der Kläger macht nicht geltend, dass in dem Einkommensteuerbescheid die Höhe der Steuer unrichtig festgesetzt ist. Ob sich der unrichtige Bilanzansatz in einem späteren Veranlagungszeitraum für den Steuerpflichtigen ungünstig auswirken könnte, ist in diesem Zusammenhang unbeachtlich, solange der unrichtige Bilanzansatz keine Bindungswirkung für spätere Jahre hat. Denn in der Rechtsprechung ist anerkannt, dass eine Berichtigung unrichtiger Wertansätze in der Bilanz in späteren Jahren zulässig ist, sofern sich der Wertansatz auf die Höhe der Steuern nicht ausgewirkt hat, diese also auch bei richtigem Wertansatz nicht höher oder niedriger gewesen wären1. – Einkommensteuer 0 Euro: Es entspricht der gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung, dass eine Klage gegen einen auf 0 Euro lautenden Einkommensteuerbescheid unzulässig ist, weil der Kläger insoweit nicht beschwert ist2. Ist die Einkommensteuer auf 0 Euro festgesetzt worden, so kann der Steuerpflichtige auch nicht geltend machen, der Bescheid sei deshalb rechtswidrig, weil ein zu niedriger oder gar kein Verlust angesetzt worden ist3. Es besteht jedoch die Möglichkeit, innerhalb der Anfechtungsfrist für den Einkommensteuerbescheid den Erlass eines Feststellungsbescheids über den verbleibenden Verlustabzug zu beantragen (§ 10d Abs. 4 Satz 5 EStG). Die Verlustfeststellung gem. § 10d Abs. 4 EStG kann selbständig angefochten werden mit der Begründung, der Verlust sei zu niedrig festgestellt. Insoweit liegt – auch wenn die Steuer auf 0 Euro festgesetzt ist – wegen der Auswirkungen auf die Folgejahre die Klagebefugnis vor. Ausnahmsweise ist auch bei einem Einkommensteuerbescheid über 0 Euro die Klagebefugnis gegeben, falls eine Besteuerungsgrundlage für ein anderes Verfahren maßgebend ist4. Sind einzelne Besteuerungsgrundlagen in einem Bescheid für andere Behörden auch zu Lasten des Steuerpflichtigen bindend, so ist von einer Beschwer auszugehen. Dies gilt z. B. für Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz: Gem. § 21 Abs. 1 BAföG gelten die Summe der im Einkommensteuerbescheid ausgewiesenen positiven Einkünfte i. S. des § 2 Abs. 1 und 2 EStG als Einkommen, das gem. § 11 Abs. 2 BAföG auf den Bedarf des Auszubildenden anzurechnen ist5. Die Eltern als Adressaten des Einkommensteuerbescheids sind insoweit klagebefugt, nicht dagegen der BAFöG-Empfänger selbst6, da er durch die im Bescheid seiner Eltern angesetzten Besteuerungsgrundlagen nur mittelbar betroffen ist, nämlich im Hinblick auf deren Tatbestandswirkung im Verfahren zur Gewährung von Ausbildungsförderung.
__________ 1 Vgl. BFH v. 26.11.1974 – VIII R 258/72, BStBl. II 1975, 206. 2 BFH v. 23.2.2007 – VIII B 106/06, BFH/NV 2007, 1164. 3 BFH v. 23.2.2007 – VIII B 106/06, BFH/NV 2007, 1164 unter Berufung auf BFH 9.12.1998 – XI R 62/97, BStBl. II 2000, 3. 4 BFH v. 8.11.1989 – I R 174/86, BStBl. II 1990, 91. 5 BFH v. 20.12.1994 – IX R 124/92, BStBl. II 1995, 537; v. 29.5.1996 – III R 49/93, BStBl. II 1996, 654. 6 BFH v. 20.12.1994 – IX R 124/92, BStBl. II 1995, 537.
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II Rz. 330
Rechtsschutz vor dem Finanzgericht
Einspruchsentscheidung: In aller Regel enthält eine Einspruchsentscheidung keine selbständige Rechtsverletzung. Für den Rechtsschutz des Steuerpflichtigen sind nämlich Verwaltungsverfahren und Rechtsbehelfsverfahren sowie die sich daraus ergebenden Entscheidungen der Finanzbehörden als Einheit zu betrachten. Hat die Finanzbehörde den Rechtsbehelf allerdings zu Unrecht als unzulässig verworfen, liegt hierin eine selbständige Rechtsverletzung. Der Kläger ist also in diesem Fall auch insoweit klagebefugt, als er allein die Einspruchsentscheidung mit seiner Klage angreift1. Gleiches gilt, wenn gegen ihn eine Einspruchentscheidung ergeht, ohne dass Einspruch eingelegt worden ist. Diese Fälle kommen immer wieder in Zusammenveranlagungsfällen vor, wenn nur einer der Ehegatten Einspruch eingelegt hat, die Einspruchsentscheidung aber gegen beide Ehegatten ergangen ist. In diesem Fall enthält die Einspruchsentscheidung eine Rechtsverletzung, soweit sie gegen den anderen Ehegatten ergangen ist, und ist insoweit isoliert aufzuheben2. Erben: Klagebefugt gegen Steuerbescheide, die gegen den Erblasser ergangen sind, sind auch die Erben, sofern die Bescheide ihnen gegenüber Rechtswirkungen erzeugen. Dies ist bei Steuerbescheiden in aller Regel der Fall, da bei der Gesamtrechtsnachfolge die Forderungen und Schulden aus dem Steuerverhältnis auf den Rechtsnachfolger übergehen (§ 45 Abs. 1 AO). Soweit danach eine Klagebefugnis des Erben zu bejahen ist, übernimmt dieser eine Klagemöglichkeit des Erblassers. Er muss deshalb grundsätzlich auch Einschränkungen in der Klagemöglichkeit gegen sich gelten lassen, die bereits vor dem Erbfall eingetreten sind, z. B. eine bereits dem Erblasser gegenüber verstrichene Rechtsbehelfsfrist. Ermessensentscheidung: Bei Ermessensentscheidungen ist der Kläger klagebefugt, wenn er geltend macht, die Ermessensentscheidung sei rechtswidrig und beeinträchtige ihn in seinen Rechten, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder weil von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist (vgl. § 102 FGO). Besondere Bedeutung gewinnen in der Praxis in diesem Zusammenhang Verwaltungsvorschriften, die das Ermessen der Verwaltung im Einzelfall einengen. Kann der Steuerpflichtige hier im Einzelfall dartun, dass die Behörde zu Unrecht von einer Verwaltungsvorschrift abgewichen ist3, reicht dies für seine Klagebefugnis aus. Denn bei der Ausübung des Ermessens ist der Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG zu beachten4. Feststellungsbescheide: Die Klagebefugnis gegen Feststellungsbescheide wird in § 48 FGO geregelt, und zwar abweichend von § 40 Abs. 2 FGO, der zwingend voraussetzt, dass der Kläger geltend macht, in eigenen Rechten verletzt zu sein. Die Klagebefugnis gegen Feststellungsbescheide hängt darüber hinaus nicht da-
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1 Vgl. BFH v. 7.7.1976 – I R 66/75, BStBl. II 1976, 680; von Beckerath in Beermann/Gosch, § 44 FGO Rz. 130 ff.. 2 BFH v. 20.12.2006 – X R 38/05, BFH/NV 2007, 1016. 3 Vgl. BFH v. 11.4.2006 – VI R 64/02, BStBl. II 2006, 642 (zu Fristverlängerungsanträgen); v. 21.10.1999 – I R 1/98, BFH/NV 2000, 691. 4 „Selbstbindung der Verwaltung“ gem. Art. 3 GG; z. B. Drüen in Tipke/Kruse, § 4 AO Tz. 93.
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ABC der Klagebefugnis
Rz. 330 II
von ab, auf welche Einkunfts- oder Vermögensart sich der betreffende Feststellungsbescheid bezieht; sie ist vielmehr einheitlich für alle Feststellungsbescheide festgelegt. Im Einzelnen gilt für die Klagebefugnis gegen Feststellungsbescheide Folgendes: – Grundsatz (§ 48 Abs. 1 Nr. 1 1. Alt. FGO): Die Klagebefugnis gegen Bescheide über die einheitliche und gesonderte Feststellung steht den zur Vertretung berufenen Geschäftsführern zu. Damit knüpft die Klagebefugnis an die zivilrechtliche Vertretungsregelung an1. Die Klagebefugnis gehört zu den Sachentscheidungsvoraussetzungen, die im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vorliegen müssen. Bei der Klagebefugnis nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO handelt es sich um einen gesetzlich geregelten Fall einer sog. Prozessstandschaft2. Das heißt: Der vertretungsberechtigte Gesellschafter klagt nicht im eigenen Namen, sondern im Namen der Gesellschaft, die dann wiederum in gesetzlicher Prozessstandschaft für ihre Gesellschafter tätig wird. Empfehlung: Es empfiehlt sich, in der Klageschrift die Gesellschaft als Klägerin anzugeben, aber auch den zur Vertretung befugten Gesellschafter, der die Klage erhoben hat und folgende Formulierungen zu wählen: Klage der X-KG, erhoben durch den zur Vertretung berechtigten Gesellschafter A Dabei wird die Beteiligtenfähigkeit der Gesellschaft bzw. Gemeinschaft als selbstverständlich vorausgesetzt. Denn sonst fehlt es an der Grundlage für eine Prozessstandschaft3. Neuerdings wird die Rechtsfähigkeit der BGB-Gesellschaft und damit auch deren Prozess- bzw. Beteiligungsfähigkeit in Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung bejaht4. Hierbei kommt es nicht darauf an, ob die Gesellschafter einer GbR nur einzeln oder – wie gesetzlich vorgesehen – gemeinschaftlich vertretungsberechtigt sind5. Im Falle der Liquidation sind, da die bisherige Vertretungs- und Geschäftsführungsbefugnis erloschen ist (vgl. z. B. § 730 Abs. 2 BGB; §§ 146 ff. HGB), die Liquidatoren vertretungsbefugt, deren Person sich aus dem Gesellschaftsvertrag, einem Gesellschafterbeschluss oder aus dem Gesetz ergibt. Dementsprechend ändert sich auch die Klagebefugnis. Mit dem Abschluss der Liquidation und nach vollständiger Abwicklung ist die Personengesellschaft erloschen; damit hat auch die Vertretungsbefugnis der Liquidatoren ihr Ende gefunden mit der Folge, dass auch ihre Klagebefugnis nach
__________ 1 Z. B. § 714 BGB für die BGB-Gesellschaft, § 125 HGB für die offene Handelsgesellschaft, §§ 161 Abs. 2, 170, 125 HGB für die Kommanditgesellschaft – jeweils in Verbindung mit den entsprechenden gesellschaftsvertraglichen Vereinbarungen. 2 BFH v. 4.10.2006 – VIII R 7/03, BFH/NV 2007, 145. 3 Gräber/von Groll, § 48 FGO Rz. 24. 4 BFH v. 29.6.2004 – IX R 39/03, BFH/NV 2004, 1371; v. 11.12.2006 – VIII B 82/06, BFH/NV 2007, 453. 5 BFH v. 29.6.2004 – IX R 39/03, BFH/NV 2004, 1371; Steinhauff in Hübschmann/Hepp/ Spitaler § 48 FGO Rz. 70; von Beckerath in Beermann/Gosch, § 48 FGO Rz. 77.3; Dumke in Schwarz, § 48 FGO Rz. 10; a. A. z. B. Gräber/von Groll, § 48 FGO Tz. 28; Brandis in Tipke/Kruse, § 48 FGO Rz. 12.
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II Rz. 330
Rechtsschutz vor dem Finanzgericht
§ 48 Abs. 1 Nr. 1 1. Alt. FGO entfällt. Tritt die Vollbeendigung der Personengesellschaft während des Klageverfahrens ein, so geht sowohl die Beteiligtenstellung als auch die Prozessführungsbefugnis von der Personengesellschaft auf die durch den angegriffenen Bescheid beschwerten Gesellschafter über1. – Ausnahme 1 (§ 48 Abs. 1 Nr. 1 2. Alt. FGO): Ist ein zur Vertretung berufener Geschäftsführer nicht vorhanden, so ist der Klagebevollmächtigte i. S. des § 48 Abs. 2 FGO klagebefugt. Da das Zivilrecht für alle Personengesellschaften Vertretungsregelungen enthält, kommt diese Bestimmung grundsätzlich nur zum Tragen, wenn es sich bei der Klägerin um eine Gemeinschaft handelt, z. B. Erbengemeinschaft, Miteigentümergemeinschaft, oder wenn es um Feststellungen nach § 180 Abs. 2 AO geht. Die in § 48 Abs. 1 Nr. 1 2. Alt. FGO geregelte Klagebefugnis des Klagebevollmächtigten greift nur dann ein, wenn die Beteiligten spätestens bei Erlass der Einspruchsentscheidung über die Klagebefugnis des Empfangsbevollmächtigten belehrt worden sind (§ 48 Abs. 2 Satz 3 FGO). Ist die Belehrung unterblieben, so entfällt die Klagebefugnis des Klagebevollmächtigten, da das Gesetz diese Klagebefugnis ausdrücklich vom Vorliegen einer entsprechenden Belehrung abhängig macht. Für diesen Fall ist gem. § 48 Abs. 1 Nr. 2 FGO jeder Gesellschafter, Gemeinschafter oder Mitberechtigter, gegen den der Feststellungsbescheid ergangen ist oder zu ergehen hätte, klagebefugt. – Ausnahme 2 (§ 48 Abs. 1 Nr. 2 FGO): Ist weder ein vertretungsberechtigter Geschäftsführer noch ein Klagebevollmächtigter i. S. des § 48 Abs. 2 FGO vorhanden, fehlt der in § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO vorgesehene Anknüpfungspunkt für die Klagebefugnis. Deshalb bestimmt § 48 Abs. 1 Nr. 2 FGO, dass in diesen Fällen jeder Gesellschafter, Gemeinschafter oder Mitberechtigte, gegen den der Feststellungsbescheid ergangen ist oder zu ergehen hätte, klagebefugt ist. Für diesen Fall gilt also wieder die allgemeine Regelung der Klagebefugnis in § 40 Abs. 2 FGO. – Ausnahme 3 (§ 48 Abs. 1 Nr. 3 FGO): Neben den zur Vertretung berufenen Geschäftsführern und Klagebevollmächtigten sind gem. § 48 Abs. 1 Nr. 3 FGO auch ausgeschiedene Gesellschafter, Gemeinschafter oder Mitberechtigte, gegen die der Feststellungsbescheid ergangen ist oder zu ergehen hätte, klagebefugt. Ein ausgeschiedener Gesellschafter oder Gemeinschafter kann gegen einen die Zeit vor seinem Ausscheiden betreffenden Gewinnfeststellungsbescheid, durch dessen Inhalt er betroffen ist, klagen, auch wenn ihm der Bescheid nicht bekannt gegeben wurde. Für die Klagebefugnis kommt es allein darauf an, dass der Kläger von dem Verwaltungsakt inhaltlich unmittelbar betroffen ist, d. h., dass der Verwaltungsakt ganz oder teilweise für ihn inhaltlich bestimmt sein muss. Dies ist wegen der für ihn nachteiligen Folgen beim ausgeschiedenen Gesellschafter der Fall, sofern es sich um Feststellungsbescheide handelt, die die Zeit vor seinem Ausscheiden betreffen2.
__________ 1 BFH v. 28.3.2000 – VIII R 6/99, BFH/NV 2000, 1074; v. 27.7.2005 – II R 35/04, BFH/NV 2006, 18. 2 Vgl. BFH v. 31.7.1980 – IV R 18/77, BStBl. II 1981, 33.
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ABC der Klagebefugnis
Rz. 330 II
– Ausnahme 4 (§ 48 Abs. 1 Nr. 4 FGO): Soweit es sich darum handelt, wer an dem festgestellten Betrag beteiligt ist und wie dieser sich auf die einzelnen Beteiligten verteilt, ist jeder klagebefugt, der durch die Feststellungen hierzu berührt wird. Diese Regelung beruht auf dem Grundgedanken, dass derjenige, der durch einen Bescheid selbst in seiner eigenen Rechtsposition beeinträchtigt ist, selbst die Möglichkeit haben muss, diesen Bescheid gerichtlich überprüfen zu lassen. Letztlich ist dies eine notwendige Folge des sich aus Art. 19 Abs. 4 GG ergebenden Grundrechts auf individuellen Rechtsschutz gegen Maßnahmen der Verwaltung. – Ausnahme 5 (§ 48 Abs. 1 Nr. 5 FGO): Soweit es sich um eine Frage handelt, die einen Beteiligten persönlich angeht, ist gem. § 48 Abs. 1 Nr. 5 FGO jeder klagebefugt, der durch die Feststellungen über diese Frage berührt wird. Hierbei handelt es sich in erster Linie um im Feststellungsbescheid festgestellte Fragen des Sonderbetriebsvermögens, der Sonderbetriebseinnahmen bzw. Sonderverluste einzelner Gesellschafter1. Empfehlung: Es ist zu beachten, dass § 48 FGO nur die Klagebefugnis bei Feststellungsbescheiden regelt. Handelt es sich um Bescheide, deren Adressat unmittelbar die Gesellschaft ist (z. B. Umsatzsteuerbescheide, Gewerbesteuermessbescheide), so ist ausschließlich die Gesellschaft als Steuerschuldnerin klagebefugt (40 Abs. 2 FGO). Das heißt z. B. für eine GbR, dass für sie gem. §§ 709 Abs. 1, 714 BGB die Gesellschafter gemeinschaftlich tätig werden müssen; ein Gesellschafter allein ist nicht klagebefugt2. Der einzelne Gesellschafter (Mitunternehmer) kann hier nicht geltend machen, in eigenen Rechten verletzt zu sein, da er nicht Adressat des Bescheides ist. Gewerbesteuermessbescheid: Wird der Gewerbesteuermessbetrag auf 0 Euro festgesetzt, so ist dennoch eine Beschwer und damit eine Klagebefugnis zu bejahen, wenn z. B. eine Steuerschuldnerschaft (z. B. Gewerbesteuersubjekt, auch wenn Gewerbesteuermessbetrag auf 0 Euro lautet) bzw. die Steuerpflicht (es wird geltend gemacht, es bestehe eine Körperschaftsteuerbefreiung) rechtswidrig bejaht werden3. Grundlagenbescheid: Die Beschwer liegt bei einem Grundlagenbescheid darin, dass eine vom Steuerpflichtigen behauptete Rechtsposition allgemein mit steuerrechtlich verbindlicher Wirkung festgestellt oder geleugnet wird (§ 40 Abs. 2 FGO i. V. m. §§ 179, 180 AO). Eine Beschwer und damit eine Klagebefugnis sind immer dann anzunehmen, wenn in dem Feststellungsbescheid – eine andere als die vom Kläger begehrte Vermögensart4 – oder Einkunftsart festgestellt worden ist5,
__________ 1 Vgl. z. B. BFH v. 1.6.1989 – IV R 19/88, BStBl. II 1989, 1018. 2 BFH v. 10.4.2001 – V B 116/00, BFH/NV 2001, 1220. 3 BFH v. 13.7.1994 – I R 5/93, BStBl. II 1995, 134; v. 13.5.1995 – II R 24/91, BStBl. II 1995, 653. 4 BFH v. 17.2.1993 – II R 25/90, BStBl. II 1993, 584. 5 BFH v. 24.4.1991 – X R 84/88, BStBl. II 1991, 713.
133
II Rz. 330
Rechtsschutz vor dem Finanzgericht
– das Bestehen einer Mitunternehmerschaft angenommen wird1, – die Höhe des Gewinns abweichend – ggf. auch zu niedrig2 – festgestellt wird3, – oder Gewinne und Verluste einbezogen worden sind4. Die Durchführung eines einheitlichen und gesonderten Feststellungsverfahrens nach § 180 Abs. 1 Nr. 2a AO ist grundsätzlich zwingende Voraussetzung für die in diesem Verfahren zu treffenden Feststellungen und für die entsprechenden Einzelveranlagungen der Gesellschafter. Eine konkrete Prüfung der jeweiligen einkommensteuerrechtlichen Auswirkungen würde das System der Verselbständigung der Ermittlung von Besteuerungsgrundlagen durchbrechen. Ob und in welchem Umfang die Feststellungen bei den Steuerveranlagungen der einzelnen beteiligten Gesellschafter sich jeweils auswirken und anfechtbar sind, ist deshalb unerheblich5. Haftungsbescheid: Adressat des Haftungsbescheides ist nur der Haftende; deshalb ist der Steuerschuldner durch den Haftungsbescheid in aller Regel nicht in seinen Rechten verletzt. Das bedeutet: Der Steuerpflichtige (Steuerschuldner) besitzt gegen den Haftungsbescheid keine Klagebefugnis. Eine Anfechtung des Haftungsbescheides durch den Steuerschuldner ist in aller Regel auch nicht erforderlich, weil vor dem Haftungsbescheid zunächst ein Steuerbescheid gegen den Steuerschuldner ergeht; denn der Steuerschuldner ist i. d. R. vorrangig in Anspruch zu nehmen. Hierdurch wird er in die Lage versetzt, Einwendungen gegen Grund und Höhe der Steuerforderungen zu erheben. Etwas anderes gilt nach der Rechtsprechung im Rahmen der Haftung des Arbeitgebers für die Lohnsteuer des Arbeitnehmers. Hier wird eine Rechtsverletzung auch des Arbeitnehmers durch den an den Arbeitgeber gerichteten und bekannt gegebenen Haftungsbescheid angenommen mit der Folge, dass der Arbeitnehmer den Haftungsbescheid anfechten kann, wenn er für die nachgeforderte Steuer in Anspruch genommen werden kann6. Interessenverbände: Interessenverbände, zu denen auch Berufsverbände gehören, sind im finanzgerichtlichen Verfahren nicht befugt, im eigenen Namen gegen Bescheide, die an eines ihrer Mitglieder gerichtet sind, Klage zu erheben; sie können nämlich nicht geltend machen, in eigenen Rechten verletzt zu sein. Dies gilt auch für Lohnsteuerhilfevereine, zu deren satzungsmäßigen Aufgaben es gehört, ihren Mitgliedern in Lohnsteuersachen Hilfe zu leisten. Auch dann, wenn ein Steuererstattungsanspruch an den Interessenverband abgetreten wird, entsteht keine Klagebefugnis hinsichtlich des zu Grunde liegenden Bescheides. Denn die an sich zulässige Abtretung eines Erstattungsanspruchs hat nicht zur Folge, dass hierdurch die gesamte Rechtsstellung des Steuerpflichtigen aus dem dem Erstattungsanspruch zu Grunde liegenden Steuerschuldverhältnis
__________ 1 2 3 4 5 6
BFH v. 9.5.1984 – I R 25/81, BStBl. II 1984, 726. BFH v. 9.9.2005 – IV B 6/04, BFH/NV 2006, 22. BFH v. 26.7.1984 – IV R 13/84, BStBl. II 1985, 3. BFH v. 23.10.1991 – I R 86/89, BStBl. II 1992, 185. BFH v. 14.6.1994 – VIII R 20/93, BFH/NV 1995, 318. Vgl. BFH v. 7.2.1980 – VI B 97/79, BStBl. II 1980, 210 und v. 29.6.1973 – VI R 311/69, BStBl. II 1973, 780; a. A. Schmidt/Drenseck, § 42d EStG Rz. 58.
134
ABC der Klagebefugnis
Rz. 330 II
auf den Abtretungsempfänger übergeht und dieser zur Anfechtung des gegen den Steuerpflichtigen ergangenen Bescheids berechtigt wird1. Mitunternehmer: s. Feststellungsbescheide Personengesellschaft: s. Feststellungsbescheide Pfändungsgläubiger: Gegen eine Forderungspfändung kann sich im Wege der Klage nicht nur der Vollstreckungsschuldner, sondern auch ein Dritter wenden, sofern er geltend macht, die Pfändung verstoße gegen Vollstreckungsnormen, die auch seinem Schutz dienen. Klagebefugt ist auch der Drittschuldner, wenn er von der angefochtenen Pfändung betroffen ist und er Einwendungen gegen die Art und Weise der Zwangsvollstreckung geltend macht, zu denen auch die Geltendmachung der Unpfändbarkeit von Forderungen2 gehört3. Steuerberater: Ein Steuerberater kann einen gegen seinen Mandanten gerichteten Bescheid nicht in eigenem Namen anfechten. Er kann nicht geltend machen, durch einen solchen Bescheid in eigenen Rechten verletzt zu sein. Dies gilt auch dann, wenn das Finanzamt die für seinen Mandanten beantragte Fristverlängerung abgelehnt hat4. Testamentsvollstrecker: Der Testamentsvollstrecker kann Bescheide, die Einkommen oder Vermögen des Erblassers betreffen (z. B. Einkommensteuerbescheide, Gewinnfeststellungs- und Einheitswertbescheide) nicht anfechten. Er kann insoweit nicht geltend machen, durch derartige Bescheide in eigenen Rechten verletzt zu sein. Denn Inhaber des Nachlasses ist der Erbe. Er ist Schuldner der Nachlassverbindlichkeiten einschließlich der Steuerschulden5. Dies gilt selbst dann, wenn der Bescheid dem Testamentsvollstrecker gegenüber bekannt gegeben worden ist, ohne dass dieser allerdings selbst in Anspruch genommen wurde6. Vorbehalt der Nachprüfung: Ist ein Bescheid unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 AO) oder vorläufig i. S. des § 165 AO erlassen worden, so kann hierin eine Rechtsverletzung liegen. Das bedeutet: Der Steuerpflichtige kann selbst dann, wenn das Finanzamt ihn erklärungsgemäß veranlagt hatte, Klage erheben mit der Behauptung, der Vorbehalt der Nachprüfung sei zu Unrecht erfolgt. Insoweit ist er klagebefugt. Das Gleiche gilt, soweit der Steuerpflichtige geltend macht, der Vorbehalt der Nachprüfung sei zu Unrecht aufgehoben worden7. Das gilt natürlich auch, wenn vorgetragen wird, der Bescheid sei zu Unrecht vorläufig ergangen. Zusammenveranlagung: Sind Eheleute zusammen zur Einkommensteuer veranlagt worden und ist gegen sie ein zusammengefasster Bescheid ergangen, so ist
__________ 1 Vgl. BFH v. 31.3.1975 – VI R 238/71, BStBl. II 1975, 669. 2 Vgl. § 319 AO. 3 BFH v. 7.7.1987 – VII R 94/84, BFH/NV 1988, 80; Kruse in Tipke/Kruse, § 309 AO Rz. 56 und 57. 4 BFH v. 21.2.2006 – IX R 78/99, BStBl. II 2006, 399. 5 Vgl. BFH v. 16.12.1977 – III R 35/77, BStBl. II 1978, 383; v. 15.2.1978 – I R 36/77, BStBl. II 1978, 491; v. 29.11.1995 – X B 328/94, BStBl. II 1996, 322. 6 Vgl. BFH v. 4.11.1981 – II R 144/78, BStBl. II 1982, 262 betr. den Erbschaftsteuerbescheid. 7 BFH v. 28.5.1998 – V R 100/96, BStBl. II 1998, 502.
135
II Rz. 341
Rechtsschutz vor dem Finanzgericht
jeder der beiden Ehegatten klagebefugt1, unabhängig davon, ob der Bescheid an beide Ehegatten oder nur an einen Ehegatten bekannt gegeben worden ist. Hieraus folgt: Ein Ehegatte ist auch insoweit klagebefugt, als er geltend macht, dass die Einkünfte des anderen Ehegatten unrichtig festgestellt worden sind, weil z. B. Betriebsausgaben bei den gewerblichen Einkünften des anderen Ehegatten nicht in vollem Umfange berücksichtigt worden sind. 331–340 Einstweilen frei.
IV. Rechtsschutzinteresse 341 Eine Klage ist nur zulässig, wenn der Kläger des Rechtsschutzes bedarf, das heißt, wenn er an der Durchführung des Klageverfahrens ein rechtlich geschütztes Interesse hat. Im finanzgerichtlichen Verfahren ist das Rechtsschutzinteresse in aller Regel zu bejahen, wenn der Kläger klagebefugt ist. Kann der Kläger geltend machen, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsaktes oder einer anderen Leistung in seinen Rechten verletzt zu sein, kann ihm ein rechtlich schutzwürdiges Interesse an der Durchführung seiner Klage nicht abgesprochen werden. Deshalb gewinnt im Klageverfahren das allgemeine Rechtsschutzinteresse nur Bedeutung bei der Feststellungsklage. Diese ist nur zulässig, wenn der Kläger ein besonderes Rechtsschutzinteresse, d. h. ein berechtigtes Interesse an baldiger Feststellung hat Wegen der Einzelheiten wird auf die Ausführungen zur Feststellungsklage (s. II Rz. 250 ff.) verwiesen. Empfehlung: Soll mit der Klage lediglich die Verfassungswidrigkeit einer Norm gerügt werden, so fehlt das Rechtsschutzinteresse, wenn das Finanzamt bereits im Einspruchsverfahren den angefochtenen Bescheid in diesem Punkt für vorläufig erklärt hat. Eine solche Klage ist grundsätzlich unzulässig. Soll dennoch Klage erhoben werden, so müssen besondere Gründe materiell-rechtlicher oder verfahrensrechtlicher Art substantiiert geltend gemacht werden, damit das Rechtsschutzbedürfnis bejaht werden kann2. 342–355 Einstweilen frei.
V. Beteiligtenfähigkeit 356 Gem. § 57 FGO sind Beteiligte am Verfahren – – – –
der Kläger, der Beklagte, der Beigeladene, die Behörde, die dem Verfahren nach § 122 Abs. 2 FGO (also im Revisionsverfahren) beigetreten ist.
__________ 1 Vgl. BFH v. 27.11.2004 – VIII R 73/82, BStBl. II 1985, 296. 2 BFH v. 16.2.2005 – VI R 37/01, BFH/NV 2005, 1323 m. w. N.
136
Beteiligtenfähigkeit
Rz. 358 II
Die Vorschriften der §§ 64–77 ZPO über die Beteiligung Dritter am Rechtsstreit (Haupt- und Nebenintervention, Streitverkündung) gelten im finanzgerichtlichen Verfahren nicht1.
1. Begriff Den Begriff der Beteiligtenfähigkeit regelt die FGO nicht2. Nach allgemeiner Auf- 357 fassung ist unter Beteiligtenfähigkeit die Fähigkeit zu verstehen, an einem finanzgerichtlichen Verfahren als Kläger, Beklagter, Beigeladener oder Beigetretener beteiligt zu sein. Die Beteiligtenfähigkeit ist Sachentscheidungsvoraussetzung. Das bedeutet: Fehlt die Beteiligtenfähigkeit, muss die Klage allein aus diesem Grund als unzulässig abgewiesen werden. Nach der Rechtsprechung des BFH setzt die Fähigkeit, Beteiligter i. S. des § 57 FGO zu sein, eine – wenn auch begrenzte – Steuerrechtsfähigkeit auf dem steuerrechtlichen Gebiet voraus, das Gegenstand des Verfahrens ist3. Dabei ist beteiligtenfähig derjenige, der den steuerlich relevanten Tatbestand verwirklicht. Die Beteiligtenfähigkeit korrespondiert deshalb mit der Steuerrechtsfähigkeit. Steuerrechtsfähig und damit beteiligtenfähig ist der, der für den betreffenden Bereich steuerliche Rechte und Pflichten zu tragen hat. Dies richtet sich in der Regel nach den einzelnen Steuergesetzen4. Damit sind z. B. steuerrechtsfähig und somit beteiligtenfähig:
358
– bei der Einkommensteuer die natürlichen Personen (vgl. § 1 EStG; – bei der Körperschaftsteuer die Körperschaften i. S. des § 1 KStG; – im Feststellungsverfahren für Zwecke der Einkommensteuer und Körperschaftsteuer die Personengesellschaften. Diese sind hier insoweit Steuerrechtssubjekt, als sie in der Einheit ihrer Gesellschafter Merkmale eines Besteuerungstatbestandes verwirklichen, welche den Gesellschaftern für deren Besteuerung zuzurechnen sind5; – bei der Umsatzsteuer die Unternehmer i. S. des § 2 UStG, also alle, die eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausüben; hierzu rechnen neben natürlichen Personen auch GbR, offene Handelsgesellschaften, Kommanditgesellschaften sowie Körperschaften i. S. des § 1 KStG, nicht dagegen bloße Innengesellschaften, wie die stillen Gesellschaften (typische, ebenso wenig atypische); – bei der Gewerbesteuer der Unternehmer (vgl. § 5 GewStG), also der, für dessen Rechnung das Gewerbe betrieben wird; das kann z. B. auch eine GbR, eine offene Handelsgesellschaft bzw. Kommanditgesellschaft und die Körperschaft i. S. des § 1 KStG sein;
__________ 1 BFH v. 17.9.2002 – III B 81/02, n. v.; v. 29.11.1995, BStBl. II 1996, 322. 2 Anders als § 61 VwGO. 3 Vgl. BFH v. 12.11.1985 – VIII R 364/83 BStBl. II 1986, 311; v. 9.7.1996 – VII R 136/95, BFH/NV 1997, 10. 4 Vgl. BFH v. 6.12.1983 – VIII R 203/81, BStBl. II 1984, 318. 5 BFH v. 18.5.2004 – IX R 83/00, BStBl. II 2004, 898.
137
II Rz. 359
Rechtsschutz vor dem Finanzgericht
– bei der Grunderwerbsteuer können neben natürlichen und juristischen Personen auch Personengesellschaften Steuerrechtssubjekt sein; in diesem Fall ist nur die Personengesellschaft, vertreten durch ihre vertretungsberechtigten Gesellschafter beteiligtenfähig. Das sind bei einer GbR in der Regel nur die gemeinschaftlich zur Vertretung der Gesellschaft berufenen Gesellschafter. – Darüber hinaus muss auch demjenigen Gebilde in einem finanzgerichtlichen Verfahren Beteiligtenfähigkeit zugesprochen werden, das von der Finanzbehörde zu Unrecht als steuerrechtsfähig angesehen worden ist und durch einen Steuerbescheid in Anspruch genommen worden ist1.
2. Beginn und Ende der Beteiligtenfähigkeit 359 Die Beteiligtenfähigkeit beginnt bei natürlichen Personen mit der Vollendung der Geburt und endet mit dem Tod. 360 Bei juristischen Personen des Privatrechts, z. B. Kapitalgesellschaften und rechtsfähigen Vereinen, beginnt die Beteiligtenfähigkeit in der Regel zusammen mit der Rechtsfähigkeit im zivil- bzw. handelsrechtlichen Sinne. Hierzu ist z. B. bei der AG, der KGaA und der GmbH die Eintragung im Handelsregister erforderlich. Allerdings kann auch eine durch Abschluss des notariellen Gesellschaftsvertrags errichtete und im Handelsregister noch nicht eingetragene Kapitalgesellschaft als sog. Vorgesellschaft bereits als Körperschaftsteuersubjekt behandelt werden. Voraussetzung ist allerdings eine geschäftliche Tätigkeit sowie eine spätere Eintragung ins Handelsregister2. In diesem Fall ist die Vorgesellschaft (Gründungsgesellschaft) ebenfalls als beteiligtenfähig anzusehen. Die Beteiligtenfähigkeit endet bei juristischen Personen in der Regel mit der Auflösung – ohne Abwicklung – oder im Falle der Abwicklung mit deren Abschluss. 361 Die Beteiligtenfähigkeit bleibt allerdings, auch wenn die Löschung im Handelsregister erfolgt, solange erhalten, wie die juristische Person noch Rechte hat oder auch nur solche für sich in Anspruch nimmt, und solange sie noch steuerliche Pflichten zu erfüllen hat und gegen sie ergangene Steuerbescheide angreift3. Allerdings verliert der bis dahin bestellte Geschäftsführer durch die Löschung im Handelsregister seine Vertretungsbefugnis. Daher wird das gerichtliche Verfahren an sich gem. § 155 FGO i. V. m. § 241 Abs. 1 ZPO bis zur Bestellung eines Liquidators unterbrochen. Diese Unterbrechung des Verfahrens tritt gem. § 155 FGO i. V. m. § 246 Abs. 1 ZPO hingegen nicht ein, wenn die Gesellschaft durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten ist, der aufgrund seiner Vollmacht vertretungsbefugt und prozessführungsbefugt ist. Die dem Prozessbevollmächtigten vor Löschung erteilte Prozessvollmacht dauert über den Zeitpunkt der Löschung im Handelsregister fort (§ 155 FGO i. V. m. § 86 ZPO). Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH kann das Finanzgericht deshalb in der Sache entscheiden, wenn eine gelöschte GmbH im Klageverfahren durch einen vor der Löschung be-
__________ 1 BFH v. 9.7.1996 – VII R 136/95, BFH/NV 1997, 10. 2 BFH v. 14.10.1992 – I R 17/92, BStBl. II 1993, 352 m. w. N. 3 Vgl. dazu BFH v. 17.7.2006 – V B 188/05, BFH/NV 2006, 2107.
138
Beteiligtenfähigkeit
Rz. 363 II
vollmächtigten Prozessbevollmächtigten vertreten ist1. Der Prozessbevollmächtigte einer gelöschten GmbH hat danach die Möglichkeit, einerseits die Aussetzung des Verfahrens, andererseits aber ohne Verzögerung eine Sachentscheidung herbeizuführen. Ergibt diese, dass noch verteilbares Vermögen vorhanden ist (z. B. Erstattungsansprüche), so lebt die Gesellschaft fort, und es findet eine Nachtragsliquidation statt. Erst dann ist die Bestellung eines Nachtragsliquidators erforderlich, um das weitere Prozessverhalten der GmbH zu bestimmen. Auch bei Personengesellschaften und Gemeinschaften beginnt die Beteiligten- 362 fähigkeit in dem Zeitpunkt, in dem sie für den Bereich der jeweiligen Steuerart steuerliche Rechte und Pflichten zu tragen haben. Dies wird in der Regel der Zeitpunkt sein, in dem sie auch gesellschaftsrechtlich bzw. bürgerlich-rechtlich entstanden sind. Auch die GbR ist in der neueren Rechtsprechung beteiligtenfähig und klagebefugt und wird steuerlich wie die OHG behandelt. Damit kann sie auch in Feststellungsverfahren, die z. B. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung oder aus Kapitalvermögen zum Gegenstand haben, selbst Klägerin sein2. Schwieriger zu beantworten ist die Frage nach dem Ende der Beteiligtenfähigkeit 363 von Personengesellschaften und Gemeinschaften: – Bei einer Klage gegen einen Feststellungsbescheid endet die Beteiligtenfähigkeit (§ 57 FGO) einer Personengesellschaft, wenn sie nach Gesellschaftsrecht als voll beendet anzusehen ist. Dies ist bei einer aufgelösten Personengesellschaft regelmäßig der Fall, wenn die Liquidation abgeschlossen und das Gesamthandsvermögen vollständig abgewickelt ist. Darüber hinaus endet eine Personengesellschaft mit dem Auflösungsbeschluss auch ohne Durchführung eines Liquidationsverfahrens, wenn die Gesellschaft zuvor durch ihre geschäftliche Betätigung ihr Aktivvermögen verloren hat und Nachschüsse der Gesellschafter zur Begleichung der Schulden im Rahmen der Abwicklung nicht zu erlangen sind. Auf die Löschung der Personengesellschaft im Handelsregister kommt es dagegen nicht an. Ist die Personengesellschaft im Zeitpunkt der Klageerhebung bereits voll beendet oder tritt die Vollbeendigung während des gerichtlichen Verfahrens ein, so sind die durch den angefochtenen Bescheid beschwerten Feststellungsbeteiligten selbst klagebefugt3. – Ist die Personengesellschaft dagegen selbst Steuersubjekt – z. B. in Bezug auf die Umsatz-, Gewerbe- und Grundsteuer sowie in Bezug auf die Verpflichtung zur Duldung einer Prüfungsanordnung –, ist diese auch noch nach ihrer Auflösung so lange als materiell-rechtlich existent zu behandeln, bis alle gemeinsamen Rechtsbeziehungen, zu denen auch das Rechtsverhältnis zwischen der Gesellschaft und dem FA gehört, abgewickelt sind4. Empfehlung: Es empfiehlt sich, im Rubrum der Klageschrift neben der Gesellschaft auch die Gesellschafter anzugeben, damit notfalls der richtige Beteiligte im Wege der Auslegung ermittelt werden kann5.
__________
1 So BFH v. 17.7.2006 – V B 188/05, BFH/NV 2006, 2107; ausf. dazu BFH v. 27.4.2000 – I R 65/98, BStBl. II 2000, 500. 2 BFH v. 16.10.2006 – IX B 7/05, BFH/NV 2007, 238. 3 BFH v. 17.1.2007 – XI R 19/05, BFH/NV 2007, 1315. 4 BFH v. 1.10.1992 – VI R 60/91, BStBl. II 1993, 82. 5 BFH v. 1.7.2004 – IV R 4/03, BFH/NV 2005, 162.
139
II Rz. 364
Rechtsschutz vor dem Finanzgericht
364 Tritt der Verlust der Beteiligtenfähigkeit während eines finanzgerichtlichen Verfahrens durch den Tod eines Beteiligten ein, wird das Verfahren gem. § 155 FGO i. V. m. § 239 Abs. 1 ZPO unterbrochen, und zwar bis zu dessen Aufnahme durch den Rechtsnachfolger/Erben. Liegt jedoch eine Vertretung durch einen Prozessbevollmächtigten vor, tritt die Unterbrechung nicht ein; auf Antrag des Prozessbevollmächtigten oder des Finanzamts (in der Praxis unüblich) ist das Verfahren aber auszusetzen (§ 155 FGO i. V. m. § 246 Abs. 1 ZPO). Wird ein solcher Antrag nicht gestellt, wird das Verfahren – ggf. gegen „Unbekannte Erben nach …“ – fortgeführt und durch Urteil abgeschlossen. Dies gilt auch dann, wenn der Tod in der Zeit nach Erlass des Urteils und vor Einlegung des Rechtsmittels eintritt; denn der verstorbene Beteiligte wird im Rechtsmittelverfahren noch durch seinen Prozessbevollmächtigten der Vorinstanz als vertreten angesehen1. Im Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Partei wird das Verfahren, wenn es die Insolvenzmasse betrifft, unterbrochen, bis es nach den für das Insolvenzverfahren geltenden Vorschriften aufgenommen (s. VI Rz. 44 f.) oder das Insolvenzverfahren beendet wird (§ 155 FGO i. V. m. § 240 ZPO). 365–375 Einstweilen frei.
VI. Prozess- und Postulationsfähigkeit 1. Prozessfähigkeit 376 Prozessfähigkeit ist die Fähigkeit, in einem finanzgerichtlichen Verfahren Verfahrenshandlungen selbst oder durch einen selbst bestellten Vertreter vornehmen zu können, also z. B. Klage zu erheben, Anträge zu stellen, Rechtsmittel einzulegen. Die Prozessfähigkeit ist Sachurteilsvoraussetzung und deshalb von Amts wegen in jeder Lage des Verfahrens zu prüfen. Sie muss im Urteilsverfahren zur Zeit der letzten mündlichen Verhandlung vorhanden sein. Ist diese Voraussetzung nicht erfüllt, so ist die Klage als unzulässig abzuweisen2. 377 Gem. § 58 Abs. 1 Nr. 1 FGO sind unbeschränkt prozessfähig im finanzgerichtlichen Verfahren3 alle nach bürgerlichem Recht Geschäftsfähigen, d. h. alle Volljährigen mit Ausnahme der nicht nur vorübergehend Geistesgestörten (§ 104 Nr. 2 BGB) und der wegen Geistesschwäche, Verschwendung oder Trunksucht durch das Vormundschaftsgericht gem. § 1896 BGB unter Betreuung gestellten Personen4. Ausländische Staatsangehörige sind grundsätzlich prozessfähig, soweit sie nach dem Recht ihres Heimatlandes geschäftsfähig sind. Gem. § 58 Abs. 1 Nr. 2 FGO sind außerdem prozessfähig alle nach bürgerlichem Recht in der Geschäftsfähigkeit Beschränkten, soweit sie nach Vorschriften des bürgerlichen Rechts oder öffentlichen Rechts für den Gegenstand des Verfahrens als geschäftsfähig anerkannt sind. Hierunter fallen z. B. Minderjährige, die das 7., aber noch nicht das 18. Lebensjahr vollendet haben und
__________ 1 2 3 4
BFH v. 2.8.2004 – V B 96/04, BFH/NV 2004, 1665 m. w. N. BFH v. 8.7.1999 – III B 22/99, BFH/NV 1999, 1628. Vgl. dazu Drüen in Tipke/Kruse, § 58 FGO Rz. 12 ff.; § 79 AO Rz. 12 ff. Drüen in Tipke/Kruse, § 79 AO Rz. 21.
140
Prozess- und Postulationsfähigkeit
Rz. 379 II
– zum selbständigen Betrieb eines Erwerbsgeschäftes ermächtigt worden sind (§ 112 BGB), für solche Rechtsgeschäfte, die der Geschäftsbetrieb mit sich bringt, bzw. – zum Eintritt in ein Dienst- oder Arbeitsverhältnis ermächtigt sind (§ 113 BGB), für solche Rechtsgeschäfte, die die Eingehung und Aufhebung eines solchen Verhältnisses oder die Erfüllung der sich aus ihnen ergebenden Verpflichtungen betrifft. Beispiel: Der minderjährige M ist von seinen Eltern zum Betrieb eines Erwerbsgeschäfts ermächtigt worden. Er kann deshalb selbständig Angelegenheiten im Zusammenhang mit Betriebsteuern erledigen und ggf. – nach Durchführung eines Einspruchsverfahrens – auch gegen einen ablehnenden Bescheid Klage erheben. Angelegenheiten im Zusammenhang mit der Einkommensteuer fallen nicht hierunter1. Nicht prozessfähige natürliche Personen werden durch ihre gesetzlichen Vertre- 378 ter (z. B. bei ehelichen Kindern die Eltern) vertreten. Rechtsfähige und nichtrechtsfähige Personenvereinigungen, nichtrechtsfähige Vermögensverwaltungen usw. werden durch ihre Organe bzw. durch alle Gesellschafter oder Gemeinschafter vertreten, soweit sie nicht im Einzelfall von der Vertretung ausgeschlossen sind oder ggf. auch Einzelvertretung zugelassen ist.
2. Postulationsfähigkeit Von der Prozessfähigkeit ist die Postulationsfähigkeit zu unterscheiden. Unter 379 Postulationsfähigkeit versteht man die Fähigkeit, selbst vor einem bestimmten Gericht auftreten und Verfahrenshandlungen wirksam vornehmen zu können. Im finanzgerichtlichen Verfahren ist ein Vertretungszwang nicht vorgeschrieben. Deshalb kann grundsätzlich jeder prozessfähige Steuerpflichtige in einem Verfahren vor dem Finanzgericht selbst seine Rechte wahrnehmen. Dies gilt ausnahmsweise dann nicht, wenn das Gericht gem. § 62 Abs. 1 Satz 2 FGO angeordnet hat, dass ein Bevollmächtigter bestellt werden muss. In diesem Fall geht die Postulationsfähigkeit mit Rechtskraft des entsprechenden Beschlusses verloren2. Eine solche Anordnung kommt in der Praxis allerdings nur sehr selten vor. Sie setzt voraus, dass der Beteiligte selbst nicht in der Lage ist, seine Rechte wahrzunehmen. Dies ist z. B. dann der Fall, wenn es ihm an der Fähigkeit zum geeigneten schriftlichen oder mündlichen Vortrag fehlt oder nur auf diese Weise sichergestellt werden kann, dass der Prozess ohne Verzögerungen durchgeführt werden kann, z. B. wenn der Betreffende häufig durch nachhaltige Krankheit oder Berufstätigkeit gehindert ist, Termine wahrzunehmen3.
__________ 1 Drüen in Tipke/Kruse, § 79 AO Rz. 17. 2 Gräber/Stapperfend, § 62 FGO Rz. 26. 3 Vgl. BFH v. 23.10.2000 – VII B 193/00, BFH/NV 2001, 335; v. 30.10.2000 – X B 72/00, BFH/NV 2001, 474; weitere Einzelheiten bei Loose in Tipke/Kruse, § 62 FGO Rz. 25–28.
141
II Rz. 391
Rechtsschutz vor dem Finanzgericht
Für das Verfahren vor dem Bundesfinanzhof bestimmt § 62a FGO a. F. bzw. § 62 Abs. 4 Satz 1 FGO n. F. ab dem 1.7.2008, dass sich jeder Beteiligte durch eine vertretungsberechtigte Person i. S. des § 62 Abs. 4 Satz 3 FGO als Bevollmächtigten vertreten lassen muss. Dieser Vertretungszwang vor dem Bundesfinanzhof bedeutet, dass die Postulationsfähigkeit der Beteiligten für das gesamte Verfahren fehlt. Verfahrenshandlungen können wirksam also nur von den vertretungsberechtigten Personen vorgenommen werden. Zu Einzelheiten s. III Rz. 5 ff. 380–390 Einstweilen frei.
VII. Klagefrist 1. Dauer 391 Die Frist für die Erhebung einer Anfechtungsklage beträgt gem. § 47 Abs. 1 Satz 1 FGO einen Monat. Sie beginnt mit der wirksamen Bekanntgabe der vollständigen1 Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf, in den Fällen der Sprungklage und in den Fällen, in denen ein außergerichtlicher Rechtsbehelf nicht gegeben ist, mit der Bekanntgabe des Verwaltungsaktes. Zu Einzelheiten s. I Rz. 62 ff. Diese Regelung gilt für die Verpflichtungsklage sinngemäß, wenn der Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsaktes abgelehnt worden ist (§ 47 Abs. 1 Satz 2 FGO). Empfehlung: Weist das Gericht auf die Versäumung der Klagefrist hin und droht die Abweisung der Klage als unzulässig, so sollte in jedem Fall mit besonderer Aufmerksamkeit geprüft werden, ob eine wirksame Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung erfolgt ist. 392 Ist im Fall einer Anfechtungsklage der Verwaltungsakt bzw. die Einspruchsentscheidung schriftlich ergangen, so beginnt die Frist für die Klageerhebung nur dann zu laufen, wenn der Berechtigte über das Gericht oder die Behörde, bei denen die Klage anzubringen ist, deren Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich oder elektronisch belehrt worden ist (§ 55 Abs. 1 FGO). Das Gleiche gilt bei Verpflichtungsklagen. Beispiel: Das Finanzamt hat den Einspruch des A durch Einspruchsentscheidung zurückgewiesen. In der beigefügten Rechtsbehelfsbelehrung wird lediglich darüber belehrt, dass die Klage beim Finanzamt in X angebracht werden kann, nicht aber darüber, dass die Klage auch beim Gericht in K erhoben werden kann. Obwohl die Rechtsmittelbelehrung keine Angaben über das Gericht, bei dem Klage zu erheben ist, und dessen Sitz enthält, beträgt die Klagefrist einen Monat. Die Rechtsbehelfsbelehrung ist nämlich nicht „unrichtig“ i. S. des § 55 Abs. 2 FGO, wenn die Klagemöglichkeit beim Finanzgericht nicht erwähnt worden ist, jedoch über die Möglichkeit des Anbringens der Klage beim
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1 BFH v. 25.7.2007 – III R 15/07, BStBl. II 2008, 94.
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Finanzamt belehrt und das hierfür zuständige Finanzamt zutreffend bezeichnet worden ist1. Ist die Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist die Klageerhebung nicht unbefristet möglich. Die Klage kann in diesen Fällen nur innerhalb eines Jahres seit Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung bzw. des Verwaltungsaktes i. S. des § 54 FGO erhoben werden, es sei denn, – dass die Einlegung vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war. Hier gilt aber § 56 Abs. 2 FGO sinngemäß (§ 55 Abs. 2 Satz 2 FGO), weshalb die Klage innerhalb von zwei Wochen, nachdem die höhere Gewalt beseitigt ist, einzulegen ist, – oder eine schriftliche oder elektronische Belehrung dahin erfolgt ist, dass eine Klage nicht gegeben sei (§ 55 Abs. 2 Satz 1 FGO). Empfehlung: Droht die Abweisung der Klage als unzulässig wegen Versäumung der Klagefrist, so sollte auf jeden Fall geprüft werden, ob die Rechtsbehelfsbelehrung ordnungsgemäß erfolgt ist. Die Klagefrist ist gewahrt, wenn die Klageschrift am letzten Tag der Frist bei dem 393 zuständigen Gericht eingeht. Die Klagefrist ist eine gesetzliche Ausschlussfrist; sie kann deshalb nicht vom Gericht verlängert werden. Berechnung der Klagefrist Für die Berechnung der Klagefrist gelten gem. § 54 Abs. 2 FGO i. V. m. § 222 ZPO die bürgerlich-rechtlichen Vorschriften der §§ 187 ff. BGB entsprechend. – Beginn der Frist Wichtig für den Beginn der Klagefrist ist § 187 Abs. 1 BGB: Danach wird bei der Berechnung der Klagefrist der Tag nicht mitgerechnet, an dem der betreffende Verwaltungsakt bekannt gegeben worden ist. Denn die Bekanntgabe ist nach § 54 Abs. 1 FGO das Ereignis, das für den Anfang der Klagefrist maßgebend ist. Empfehlung: Bei der Fristenberechnung ist für den Fristenbeginn immer darauf zu achten, welche Form der Bekanntgabe die Finanzbehörde gewählt hat, ob die Zustellung durch einfachen Brief erfolgt ist oder mit Postzustellungsurkunde. Bei Zustellung durch einfachen Brief gilt für die Bekanntgabe immer die Dreitagevermutung nach § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO, wonach der Bescheid, zumeist in Form der Einspruchsentscheidung, als am dritten Tag nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben gilt, auch wenn er früher zugegangen ist, es sei denn, der Bescheid ist nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen. Wird die Klagefrist vom Berater falsch berechnet und trifft ihn hieran ein Verschulden, so kann dies ggf. zur Haftung führen. Fällt der dritte Tag des Dreitageszeitraums auf einen Sonntag, gesetzlichen Feiertag oder Sonnabend, so verlängert sich die Frist bis zum nächstfolgenden Werktag2, d. h., die Entscheidung gilt immer an einem Werktag als bekannt gegeben.
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1 So ausdrücklich BFH v. 17.5.2000 – I R 4/00, BStBl. II 2000, 539. 2 So neuerdings die geänderte st. Rspr., BFH v. 14.10.2003 – IX 68/98, BStBl. II 2003, 898; v. 11.3.2004 – VII R 13/03, BFH/NV 2004, 1065.
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Beispiel: Die Einspruchsentscheidung wird am Mittwoch, 9.1.2008 mit einfachem Brief zur Post gegeben (Bekanntgabe nach § 122 Abs. 2 AO). Die Entscheidung gilt trotz der Dreitagevermutung am Montag, den 14.1. 2008, als bekannt gegeben, da der dritte Tag (12.1.) auf einen Sonnabend fällt. Bei der förmlichen Zustellung mit Postzustellungsurkunde gilt dagegen der Bescheid/die Einspruchsentscheidung an dem Tag als bekannt gegeben, an dem die Zustellung nach den Vorschriften des Verwaltungszustellungsgesetzes als bewirkt gilt und der von dem Zusteller beurkundet wird (z. B. Tag der Übergabe oder der Ersatzzustellung). Dieser Tag muss nicht mit der o. g. Dreitagevermutung identisch sein! Beispiel: Die Einspruchsentscheidung wird am Dienstag, 8.1.2008, mit einfachem Brief zur Post gegeben (Bekanntgabe nach § 122 Abs. 2 AO) oder am Freitag, 11.1.2008 per Zustellungsurkunde förmlich zugestellt. Hier beginnt die Frist jeweils am 12.1.2008, da der Tag der Bekanntgabe gem. § 187 Abs. 1 BGB nicht mitgerechnet wird. Dass bei der Fristenberechnung der erste Tag ein Sonnabend ist, ist unerheblich. – Ende der Frist Die Klagefrist endet gem. § 54 Abs. 2 FGO i. V. m. § 222 Abs. 1 ZPO, § 188 Abs. 2 BGB mit Ablauf des Tages, welcher mit seiner Benennung demjenigen entspricht, in den das Ereignis – hier die Bekanntgabe – gefallen ist. Beispiel: Tag der Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung – wie im obigen Beispiel – der 11.1.2008 (Freitag), Fristbeginn wie oben am 12.1.2008, Fristende am 11.2. 2008 (Montag)! Existiert bei einer nach Monaten bemessenen Frist ein der Benennung entsprechender Tag in dem Monat des Fristablaufs nicht, endet die Frist gem. § 188 Abs. 3 BGB mit dem Ablauf des letzten Tages des betreffenden Monats. Beispiel: Bekanntgabe des Bescheids am 31.1.2008 (Donnerstag); Fristbeginn am 1.2.2008; Fristende am 29.2.2008 (Freitag) um 24.00 Uhr! Fällt das Ende der Frist auf einen Sonnabend, Sonntag oder gesetzlichen Feiertag, endet die Frist gem. § 54 Abs. 2 FGO i. V. m. § 222 Abs. 2 ZPO erst mit Ablauf des nächstfolgenden Werktags. Beispiel: Bekanntgabe des Bescheids am 15.2.2008 (Freitag); 1. Tag der Frist am 16.2. 2008 (Samstag); Fristende eigentlich am 15.3.2008, da es sich aber um einen Sonnabend handelt, endet die Frist erst mit Ablauf des 17.3.2008 (Montag). 144
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Dabei ist zu beachten, dass die Fristen für Rechtsbehelfe mit Ablauf des letzten Tages der Frist enden. Das bedeutet: Die Frist endet unabhängig von der Behördendienstzeit erst um 24 Uhr. Der Bürger darf die Frist in vollem Umfang ausschöpfen. Deshalb müssen Behörden und Gerichte geeignete Vorkehrungen treffen, um die volle Ausnutzung der Frist zu ermöglichen. Ist kein Nachtbriefkasten vorhanden, so dass Schriftstücke vor und nach 24 Uhr nicht eingeworfen werden können, müssen Eingänge, die bei Leerung des Briefkastens am Morgen entnommen werden, mit dem Eingangsstempel des Vortages versehen werden. Aus dem Fehlen eines Nachtbriefkastens dürfen dem Steuerpflichtigen keine Nachteile entstehen. Unterhält das Gericht ein Postschließfach, so ist die Frist gewahrt, wenn die Klageschrift vor Fristablauf in das Schließfach einsortiert wird. Auf den Zeitpunkt der Abholung oder Empfangnahme kommt es nicht an. Die Frist für die Erhebung der Klage gilt gem. § 47 Abs. 2 FGO auch dann als ge- 394 wahrt, wenn die Klage bei der Behörde, die den angefochtenen Verwaltungsakt oder die angefochtene Entscheidung erlassen oder dem Beteiligten bekannt gegeben hat, innerhalb der Frist angebracht wird. Für das Anbringen einer Klage beim Finanzamt gem. § 47 Abs. 2 FGO genügt es, wenn die Klage in einem verschlossenen und postalisch an das Finanzgericht adressierten Briefumschlag in den Briefkasten des Finanzamts eingeworfen oder beim Finanzamt abgegeben wird. Die Klageschrift muss nicht derart in den Verfügungsbereich des Finanzamts gelangen, dass es von ihrem Inhalt Kenntnis nehmen kann oder Kenntnis nimmt1. Das Finanzamt ist verpflichtet, den Eingangstag z. B. dadurch zu dokumentieren, dass es auf dem an das Finanzgericht gerichteten Briefumschlag einen Eingangsstempel anbringt. Empfehlung: Es kommt häufig vor, dass am letzten Tag der Frist festgestellt wird, dass die Klagefrist abzulaufen droht. Hat der Berater seine Kanzlei nicht an dem Ort, an dem das Gericht seinen Sitz hat, empfiehlt es sich zur Fristwahrung, die Klage bei dem in aller Regel räumlich näheren Finanzamt anzubringen, das die betreffende Entscheidung getroffen hat. Auch hier reicht es zur Wahrung der Frist aus, wenn dem Finanzamt die Klageschrift bis zum Ablauf des letzten Tages der Frist z. B. durch Einwurf in den Nachtbriefkasten oder per Telefax zugeht. Innerhalb der Klagefrist muss eine Klageschrift eingehen, die den Formerforder- 395 nissen des § 64 Abs. 1 FGO entspricht. Das heißt insbesondere, dass die Klageschrift in deutscher Sprache abgefasst ist und unterzeichnet ist (s. II Rz. 56 ff.).
2. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand Ist die Klagefrist versäumt worden, kommt eine Wiedereinsetzung in den vorigen 396 Stand in Betracht. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist gem. § 56 Abs. 1 FGO auf Antrag zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war,
__________ 1 BFH v. 14.2.1997 – I B 80/96, BFH/NV 1997, 675; v. 9.2.2006 – VI B 99/05, BFH/NV 2006, 1118.
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eine gesetzliche Frist einzuhalten. Dabei steht das Verschulden eines Vertreters, z. B. eines Prozessbevollmächtigten, dem Verschulden des Steuerpflichtigen gleich1. Eine Fristversäumung ist nur dann als entschuldigt anzusehen, wenn sie durch die äußerste, den Umständen des Falles angemessene und vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht verhindert werden konnte2. Verschulden liegt dann vor, wenn ein Beteiligter diejenige Sorgfalt außer Acht gelassen hat, die für einen gewissenhaften Beteiligten nach den Umständen des Einzelfalls geboten und zumutbar war, um die gesetzlichen Fristen einzuhalten3. Ein Verschulden liegt bereits bei leichter Fahrlässigkeit vor4. Maßgeblich ist die vom Kläger persönlich zu fordernde Sorgfalt5. Damit ist bei der Beurteilung des Verschuldens eines juristisch oder steuerrechtlich gebildeten Steuerpflichtigen ein strengerer Maßstab anzuwenden als bei einem rechtsunkundigen, ungewandten Kläger. In jedem Fall muss der Kläger die gleiche Sorgfalt anwenden wie in seinen sonstigen Angelegenheiten. So hat er insbesondere amtliche Schreiben und Rechtsbehelfsbelehrungen zu lesen und zu prüfen, ob eine Rechtsbehelfsfrist in Gang gesetzt wird. Bei Zweifeln über Beginn, Dauer oder Ende der Rechtsbehelfsfrist muss er den ungünstigsten Fall annehmen oder sich durch Rückfrage bei einem rechtskundigen Berater oder der Finanzbehörde Gewissheit verschaffen. Empfehlung: Von Angehörigen der steuerberatenden Berufe wird erwartet, dass sie die Voraussetzungen und die Anforderungen für die jeweils einzulegenden Rechtsmittel kennen oder sich zumindest davon Kenntnis verschaffen6. Deshalb ist gerade für den Rechtsanwalt und Steuerberater in ihrer täglichen Praxis die Fristenkontrolle von nicht zu unterschätzender Bedeutung7. Denn nur durch eine ordnungsgemäße Fristenkontrolle kann die Versäumung von Fristen, was immer zur Haftung führen kann, insbesondere von Rechtsbehelfsfristen, weitestgehend ausgeschlossen werden. Die Fristenkontrolle sollte damit beginnen, dass das Eingangsdatum auf dem betreffenden Bescheid bzw. der Einspruchsentscheidung notiert wird, und der Briefumschlag, mit dem der Bescheid bzw. die Einspruchsentscheidung übersandt worden sind, zu den Akten genommen wird. Die Frist sollte dann in einem besonderen Fristenkalender festgehalten werden; die Rechtsbehelfsakte mit Terminnotiz reicht nicht aus. Da die Notierung des Fristablaufs im Fristenkalender in der Regel nicht genügt, um die notwendige Handlung rechtzeitig vornehmen zu können, sollte eine Vorfrist vermerkt werden. Die notierte Frist darf erst dann gelöscht werden, wenn die Rechtshandlung vorgenommen worden ist und in der Akte vermerkt ist, dass das entsprechende Schreiben, hier die Klageschrift, zur Post
__________ 1 St. Rspr.; vgl. BFH v. 20.12.2006 – III B 181/05, n. v.; v. 5.4.2005 – I B 146/04, BFH/NV 2005, 1352. 2 BFH v. 4.12.2003 – IX B 181/01, BFH/NV 2004, 526. 3 BFH v. 24.1.2005 – III B 34/04, BFH/NV 2005, 720; v. 23.5.1989 – VII R 67/88, BFH/NV 1990, 244. 4 BFH v. 18.1.2007 – III R 65/05, BFH/NV 2007, 946. 5 Für den subjektiven Verschuldensbegriff auch Gräber/Stapperfend, § 56 FGO Rz. 7; Tipke in Tipke/Kruse, § 56 FGO Rz. 9. 6 BFH v. 3.8.2005 – IX B 26/05, BFH/NV 2006, 307. 7 BFH v. 18.1.2007 – III R 65/05, BFH/NV 2007, 946.
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ABC der Wiedereinsetzung
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gegeben ist (s. nachfolgendes ABC: Stichwort „Büroorganisation und Büroversehen“). Der Steuerpflichtige darf die Rechtsbehelfsfrist als Erklärungs- und Überlegungs- 397 frist in vollem Umfang ausschöpfen1. Gegen Ablauf der Frist muss er allerdings eine Beförderungsart wählen, die für den rechtzeitigen Zugang der Klageschrift und damit die Einhaltung der Klagefrist Gewähr leistet. Verzögerungen der Briefbeförderung oder Briefzustellung, die der Steuerpflichtige nicht zu vertreten hat, können ihm jedoch nicht zugerechnet werden. Er kann darauf vertrauen, dass für die Briefbeförderung die gewöhnliche Laufzeit gilt2. Übliche Verlängerungen der normalen Laufzeit muss er in die Fristberechnung einbeziehen.
3. ABC der Wiedereinsetzung Folgende Fälle, in denen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Betracht kom- 398 men kann, sind für die Praxis besonders bedeutsam: Abwesenheit wegen Urlaubs-/Geschäftsreise: – Vorübergehende Abwesenheit Ein Steuerpflichtiger, der eine ständige Wohnung hat und diese nur vorübergehend (Zeitraum umstritten, vorsichtshalber: maximal vier Wochen3) während eines Urlaubs nicht benutzt, braucht grundsätzlich für die Zeit seiner Abwesenheit keine besonderen Vorkehrungen hinsichtlich möglicher Zustellungen zu treffen. Er kann darauf vertrauen, dass er Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erhält, sofern ihm während seiner Abwesenheit ein Steuerbescheid oder eine Einspruchsentscheidung zugestellt werden und er – bedingt durch seine Abwesenheit (Kausalität!) – die Frist versäumt. In den meisten Fällen wird diese Kausalität nicht gegeben sein4! – Längere Abwesenheit Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kommt dann nicht in Betracht, wenn der Steuerpflichtige bei längerer Abwesenheit keinen Vertreter, Postbevollmächtigten oder Empfangsbevollmächtigten bestellt und für ihn erreichbar bleibt oder nicht dafür sorgt, dass ihm sämtliche Schriftstücke nachgesandt werden. Jedenfalls bei längerer Abwesenheit entspricht es dem Gebot prozessualer Sorgfalt, durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass man von Zustellungen, die Fristen in Lauf setzen, Kenntnis erhält und Fristen gewahrt werden. Dies gilt umso mehr, wenn mit fristauslösenden Zustellungen konkret zu rechnen ist5.
__________ 1 BFH v. 25.11.2003 – VII R 9/03, BFH/NV 2004, 519. 2 BFH v. 11.7.2006 – VIII R 10/05, BStBl. II 2007, 96. 3 Vgl. Nachweise bei Gräber/Stapperfend, § 56 FGO Rz. 20; BVerfG v. 11.2.1976 – 2 BvR 849/75, NJW 1976, 1537 und v. 20.2.1992 – 2 BvR 1330/91, n. v.: längstens sechs Wochen. 4 Vgl. dazu z. B. FG München v. 8.11.2006 – 10 K 3509/06, n. v. 5 BFH v. 30.3.2006 – VII B 197/05, BFH/NV 2006, 1487 m. w. N.; Gräber/Stapperfend, § 56 FGO Anm. 20 m. w. N.
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II Rz. 398
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– Angehörige der steuerberatenden Berufe Die Verpflichtung eines berufsmäßig handelnden Bevollmächtigten zu fristwahrendem Verhalten führt dazu, dass er sich für die Zeit seiner Abwesenheit entweder eines Zustellungsvertreters bedienen oder durch die Einschaltung geeigneter Hilfspersonen gewährleisten muss, dass er zeitnah über den Eingang wichtiger Post informiert wird. Für die Auswahl und die Unterweisung solcher Hilfspersonen gelten die Grundsätze zur Einschaltung von Büropersonal. Insbesondere muss hinreichend darüber belehrt werden, wie mit eingehenden behördlichen oder gerichtlichen Postsendungen zu verfahren ist, vor allem bei förmlich zugestellten Sendungen. Angesichts der häufig fristauslösenden Bedeutung solcher Sendungen muss regelmäßig ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass diese unverzüglich entweder an den Adressaten selbst oder an eine andere Person weitergeleitet werden müssen, die an Stelle des Adressaten fristwahrend tätig werden kann1. – Kausalität Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann ebenfalls nicht gewährt werden, wenn sich der Steuerpflichtige zwar während des Laufs der Klagefrist in Urlaub befand, die Einspruchsentscheidung aber vor Beginn des Urlaubs bekannt gegeben worden ist und die Klagefrist erst nach dem Urlaub – und seien es auch nur wenige Tage nach dem Urlaub – ablief2. Arbeitsüberlastung: Arbeitsüberlastung rechtfertigt auch bei einem Bevollmächtigten in der Regel keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand3. Büroorganisation und Büroversehen: Das sog. Büroversehen gehört zu den in der Praxis bedeutsamsten Wiedereinsetzungsgründen. Ein Büroversehen liegt vor, wenn eine Fristüberschreitung eintritt, obwohl der Berater sein Büro so organisiert hat, dass die Wahrung der gesetzlichen Fristen und der richterlichen Ausschlussfristen sichergestellt ist. Wesentliche Voraussetzung für eine ordnungsgemäße Büroorganisation ist zunächst, dass der Prozessbevollmächtigte alle Vorkehrungen dafür getroffen hat, die nach vernünftigem Ermessen geeignet sind, Fristversäumnisse auszuschließen, und dass er durch regelmäßige Belehrung und Überwachung seiner Bürokräfte für die Einhaltung seiner Anordnungen Sorge getragen hat4. Dazu ist es grundsätzlich unerlässlich, dass ein Fristenkontrollbuch (Fristenkalender oder eine vergleichbare Einrichtung) geführt wird. Im Fristenkalender muss der Fristablauf für jede einzelne Sache vermerkt werden. Die Einhaltung der laufenden Fristen muss durch tägliche Einsichtnahme in den Fristenkalender gesichert werden. Zu der hiernach geforderten Endkontrolle gehört die Anweisung, Fristen erst dann zu löschen, wenn das fristwahrende Schriftstück tatsächlich gefertigt und abgesandt ist oder zumindest „postfertig“ (postausgangsbereit) vorliegt. Die Eintragung im Kontrollbuch gewährleistet eine Überwachung der Fristensache bis zu
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BFH v. 22.8.2006 – I R 24/05, BFH/NV 2007, 63. Vgl. BFH v. 15.12.1977 – VI R 179/75, BStBl. II 1978, 240. Vgl. BFH v. 23.8.2005 – VII B 153/05, BFH/NV 2006, 309. BFH v. 25.9.1999 – X R 102/98, BFH/NV 1999, 1221; v. 5.3.2004 – IV R 66/02, n. v.; v. 24.7.2002 – VII B 150/02, BFH/NV 2002, 1489.
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dem Zeitpunkt, zu dem die Absendung des fristwahrenden Schriftstücks in einem Postausgangsbuch festgehalten wird und die Frist auf der Grundlage letzterer Eintragung gelöscht wird1. Ein Steuerberater darf die Berechnung einfacher und in dem jeweiligen Büro geläufiger Fristen, die Eintragung in das Fristenkontrollbuch und die weitere Kontrolle der Fristen einem gut ausgebildeten und sorgfältig überwachten Bediensteten übertragen. Allerdings muss er durch geeignete Anordnungen dafür sorgen, dass er selbst die Fristberechnung in ungewöhnlichen und zweifelhaften Fällen kontrolliert, in denen die Fristen seinem Personal nicht bekannt sind. Zu diesem Zweck hat er durch organisatorische Maßnahmen sicherzustellen, dass ihm die betreffenden Vorgänge zur diesbezüglichen Prüfung vorgelegt werden2. Empfehlung: Neben der Eintragung der eigentlichen Fristen ins Fristenkontrollbuch ist es zweckmäßig, auch sog. Wiedervorlagefristen festzuhalten, damit gewährleistet ist, dass zur Vermeidung eines Regresses rechtzeitig vor Ablauf der Frist der betreffende Vorgang bearbeitet werden kann. Allerdings reicht die Notierung von Wiedervorlagefristen für sich allein nicht zur ordnungsmäßigen Fristenkontrolle aus. Denn wenn im Fristenkalender nur Wiedervorlagefristen eingetragen werden, ist hieraus nicht ersichtlich, wann die eigentliche Frist abläuft3. – Es genügt für eine ordnungsmäßige Büroorganisation nicht, wenn statt eines Fristenkontrollbuches Schriftstücke, die zur Wahrung einer Rechtsmittelfrist eine termingebundene Erledigung erfordern, in sog. Terminmappen abgelegt werden4. – Die Einhaltung der laufenden Fristen muss durch tägliche Einsichtnahme in den Fristenkalender (Fristenkontrollbuch) gesichert werden. Die notierte Frist darf frühestens gelöscht werden, wenn das notierte Schriftstück tatsächlich abgesandt oder zumindest postfertig gemacht worden ist5. Ein Bevollmächtigter muss das Personal, das mit der Fristwahrung beauftragt ist, sorgfältig auswählen, belehren und überwachen. Stellt er fest, dass eine Angestellte unzuverlässig ist, darf er ihr die Bearbeitung von Fristsachen nicht allein überlassen, sondern muss vielmehr ihre Arbeit persönlich beaufsichtigen und nachprüfen. Wird ihm ein Versehen seiner Angestellten mitgeteilt, liegt ein eigenes Verschulden vor, wenn er die Sachlage nicht unverzüglich selbst überprüft und die erforderlichen Schritte unternimmt, sondern die Prüfung der Angelegenheit seiner Angestellten überlässt. Gleiches gilt, wenn das Büropersonal nicht angewiesen worden ist, sobald eine tatsächliche oder vermeintliche Fristversäumnis festgestellt worden ist, die Akten unverzüglich dem Bevollmächtigten oder seinem Vertreter vorzulegen6. Hilfspersonen des Klägers: Der Kläger braucht sich das Verschulden eines Angehörigen, Angestellten oder sonstigen Erfüllungsgehilfen, der kein gesetzlicher Vertreter oder Prozessbevollmächtigter ist, nicht zurechnen zu lassen. In Fällen
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BFH v. 8.11.2006 – VII R 20/06, BFH/NV 2007, 469. BFH v. 13.11.1998 – X R 31/97, BFH/NV 1999, 941. Vgl. BFH v. 31.7.2002 – VI B 17/02, BFH/NV 2002, 1490. BFH v. 31.5.2005 – I R 103/04, BStBl. II 2005, 623. BFH v. 17.6.2005 – VI R 69/04, BFH/NV 2005, 2016. BFH v. 29.9.1976 – II R 154/75, BStBl. II 1977, 35.
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Rechtsschutz vor dem Finanzgericht
dieser Art ist aber stets zu prüfen, ob die Fristversäumung durch die genannten Personen nicht auf einem eigenen Verschulden des Klägers selbst beruht, sei es, dass die betraute Person zur Erledigung derartiger Aufgaben nicht geeignet ist, sei es, dass der Kläger sie nicht genügend belehrt oder nicht ausreichend beaufsichtigt hat, sei es, dass er die Erstellung oder die Einreichung eines Rechtsbehelfs einer Person überlässt, ohne die Fristenwahrung durch diese zu überwachen1. Irrtum über materielles Recht und Verfahrensrecht: Irrtümer über materielles Recht begründen grundsätzlich keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Hier wird dem Steuerpflichtigen zugemutet, sich ausreichend zu informieren. Wegen unverschuldeten Rechtsirrtums kann nach ständiger Rechtsprechung des BFH allerdings Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden, wenn sich der Irrtum auf die Frist selbst oder die Form der Fristwahrung bezieht. Irrtümer über das Wesen einer Ausschlussfrist oder über materielles Recht begründen dagegen eine Wiedereinsetzung grundsätzlich nicht; denn in diesen Fällen kann dem Steuerpflichtigen oder seinem Berater zugemutet werden, von den Verfahrensrechten in der gebotenen Weise Gebrauch zu machen bzw. sich hierüber zu informieren2. Bei berufsmäßigen Vertretern begründet darüber hinaus die mangelnde Kenntnis über Verfahrensrecht und verfahrensrechtliche Fristen grundsätzlich einen Verschuldensvorwurf. Hier kommt eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nur ausnahmsweise in Betracht, wenn die Rechtslage in hohem Maße unsicher ist, die einzuhaltende Frist versäumt wurde, weil rechtlich vertretbare Überlegungen zu der Fristversäumung geführt haben, und schließlich trotz der Unsicherheit die Zweifel über die bestehende Frist bzw. die Möglichkeit der Fristwahrung auch durch zumutbare Ausschöpfung bestehender Informationsmöglichkeiten nicht ausgeräumt werden konnten3. Krankheit: Ein Bevollmächtigter muss organisatorisch sicherstellen, dass auch in Fällen einer plötzlichen Erkrankung Fristen gewahrt werden. So hat er sein Büro allgemein anzuweisen, im Falle seiner plötzlichen Verhinderung durch Krankheit oder sonstige Umstände für eine ausreichende Vertretung zu sorgen. Eine Erkrankung kann nur dann zur Wiedereinsetzung führen, wenn sie plötzlich und unvorhersehbar auftritt und so schwer ist, dass es für den Prozessbevollmächtigten unzumutbar ist, die Frist einzuhalten oder rechtzeitig einen Vertreter zu bestellen. Ein schlüssiger Wiedereinsetzungsantrag erfordert die Darlegung einer geeigneten Notfall-Vorsorge, die auch bei einer unvorhersehbaren Verhinderung des Steuerberaters die Funktionsfähigkeit des Büros, insbesondere die Überwachung der Fristsachen, gewährleistet4. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist ausgeschlossen, wenn das für die Bearbeitung zuständige Mitglied einer Sozietät erkrankt und die übrigen ebenfalls beauftragten Mitglieder der Sozietät es unterlassen, die erforderlichen fristwahrenden Maßnahmen zu ergreifen5.
__________ 1 Vgl. BFH v. 16.10.1990 – VII R 64/89, BFH/NV 1991, 567; v. 23.10.2001 – VIII 51/01, BFH/NV 2002, 162. 2 BFH v. 19.12.2006 – VI R 59/02, BFH/NV 2007, 866; v. 22.5.2006 – VI R 51/04, BStBl. II 2006, 833. 3 BFH v. 9.12.1999 – III R 4/98, BFH/NV 2000, 987. 4 BFH v. 13.10.2006 – XI R 4/06, BFH/NV 2007, 253 m. w. N. 5 BFH v. 13.9.2002 – III B 39/02, BFH/NV 2003, 185.
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ABC der Wiedereinsetzung
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Beruht die Fristversäumung allerdings auf nervösen Störungen infolge krankhafter Veränderung der Geistestätigkeit des Klägers selbst, so ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren1. Postverkehr: Der Kläger, der sich für die Einlegung seiner Klage der Post bedient, kann darauf vertrauen, dass die Post die nach ihren organisatorischen und betrieblichen Vorkehrungen für den Normalfall festgelegten Postzeiten auch einhält. Geschieht dies nicht, so darf ihm das, da er darauf keinen Einfluss hat, im Rahmen der Wiedereinsetzung nicht als Verschulden zur Last gelegt werden. Auch nach Erlass der Post-Universaldienstleistungsverordnung (PUDLV)2 dürfen die Beteiligten darauf vertrauen, dass werktags im Bundesgebiet aufgegebene Postsendungen am folgenden Werktag im Bundesgebiet ausgeliefert werden3. Wird also die Klagefrist infolge Verzögerung der Postlaufzeiten versäumt, ist nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Prozesskostenhilfe: Es entspricht ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung, dass ein Beteiligter, der wegen Mittellosigkeit nicht in der Lage ist, das gegebene Rechtsmittel rechtzeitig einzulegen, Anspruch auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hat, wenn er innerhalb der Rechtsmittelfrist alles Zumutbare tut, um das in seiner Mittellosigkeit bestehende Hindernis zu beheben. Das bedeutet, dass er bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist alle Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe zur Einlegung des Rechtsmittels schaffen muss. Hierzu gehört, dass innerhalb dieser Frist das Prozesskostenhilfegesuch zusammen mit der Erklärung i. S. des § 117 Abs. 2–4 ZPO eingereicht wird. Ausnahmen gelten nur, sofern der Antragsteller nicht auch hieran wiederum ohne sein Verschulden gehindert ist. Der mittellose Beteiligte wird, was die beabsichtigte Rechtsverfolgung angeht, grundsätzlich bis zur Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag als ohne sein Verschulden an der wirksamen Einlegung des Rechtsmittels verhindert angesehen4. Telefax: Ein fristgebundener Schriftsatz, der dem Gericht per Telefax übermittelt 399 wird, geht nur dann fristgerecht bei Gericht ein, wenn er innerhalb der Frist vollständig, das heißt einschließlich der Seite, welche die Unterschrift trägt, aufgezeichnet worden ist5. Wer einen fristgebundenen Schriftsatz mittels Telefax einlegt, muss mit der Übermittlung so rechtzeitig beginnen, dass diese unter gewöhnlichen Umständen vor Fristablauf abgeschlossen ist6. Der Absender trägt grundsätzlich das Risiko des rechtzeitigen Zugangs. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann in Betracht kommen, wenn der unvollständige Eingang eines Schriftstücks auf eine Betriebsstörung des Telefaxgerätes (beim Empfänger) zurückzuführen ist, die der Absender nicht zu vertreten hat7. Demgegenüber ist die Belegung eines angewählten Empfangsgerätes eines
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BFH v. 3.12.1971 – III R 44/68, BStBl. II 1972, 541. V. 15.12.1999, BGBl. I 1999, 2418. BFH v. 8.5.2006 – VII B 219/05, BFH/NV 2006, 1504 m. w. N. Vgl. BFH v. 26.8.1994 – X S 6/94, NV 95, 540; v. 20.4.1988 – X S 13/87, BFH/NV 1988, 728 , m. w. N. 5 BFH v. 20.12.2006 – I B 70/06, BFH/NV 2007, 929. 6 BFH v. 28.11.2000 – VI B 5/00, BStBl. II 2001, 32. 7 BFH v. 25.11.1996 – III R 8/96, BFH/NV 1997, 366.
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II Rz. 400
Rechtsschutz vor dem Finanzgericht
Gerichts durch andere Teilnehmer in den Abend- und Nachtstunden ein gewöhnliches Ereignis, auf das sich der Rechtsuchende einstellen muss, da diese Zeit wegen günstiger Tarife und wegen drohenden Fristablaufs genutzt wird, um fristwahrende Schriftsätze per Telefax zu übermitteln1. Ob man bei einem Fristversäumnis von einem fehlenden Verschulden ausgehen kann, wenn glaubhaft gemacht wird, dass schon mehrere Stunden vor Fristablauf vergeblich versucht worden ist, den Schriftsatz per Telefax an das Gericht zu übermitteln2, ließ der BFH offen. 400 Weitere Fälle: Es ist genau zu unterscheiden, ob den Beteiligten selbst3 oder seinen Vertreter4 ein Verschulden an der Fristversäumung trifft. Dabei muss der Kläger sich das Verschulden seines Prozessbevollmächtigten gemäß § 155 FGO i. V. m. § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen5. In beiden Fällen kann zwar keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden, trifft den Kläger selbst jedoch kein Verschulden, sondern nur seinen Berater, so kann er diesen ggf. in Haftung nehmen. Die Sorgfaltsanforderungen an einen berufsmäßigen Berater mindern sich auch dann nicht, wenn der nach wie vor als Steuerberater zugelassene Prozessbevollmächtigte altersbedingt aus einer Steuerberatungsgesellschaft ausgeschieden ist und nur noch nebenbei Mandate betreut6.
4. Verfahren bei der Wiedereinsetzung 401 Verfahrensmäßig setzt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand voraus: – den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, – den Vortrag der Wiedereinsetzungsgründe und – die Nachholung der versäumten Rechtshandlung (z. B. Klageerhebung)!! alles innerhalb einer Zweiwochenfrist, beginnend mit dem Wegfall des Hindernisses, – die Glaubhaftmachung der Wiedereinsetzungsgründe spätestens im Verfahren über den Antrag. 402 Erforderlich ist zunächst ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. In dem Antrag muss eindeutig, klar und unmissverständlich zum Ausdruck gebracht werden, dass Wiedereinsetzung begehrt wird. Der Antrag ist in der Form vorzunehmen, die für die versäumte Rechtshandlung gilt (§ 155 FGO i. V. m. § 236 Abs. 1 ZPO). Wird die Klagefrist versäumt, so ist für den Antrag auf Wie-
__________ 1 BFH v. 25.11.2003 – VII R 9/03, BFH/NV 2004, 519 unter Berufung auf BVerfG v. 19.11.1999 – 2 BvR 565/98, NJW 2000, 574. 2 Vgl. dazu Hellwig in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 64 FGO Rz. 33; Zöller/Greger, § 233 ZPO Rz. 23 „Telefax“. 3 S. dazu die alphabetische Aufstellung bei Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 56 FGO Rz. 76 ff. 4 S. dazu die alphabetische Aufstellung bei Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 56 FGO Rz. 306 ff. 5 Vgl. auch BFH v. 31.7.2007 – IX R 47/06, BFH/NV 2007, 2136. 6 So BFH v. 31.7.2007 – IX R 47/06, BFH/NV 2007, 2136.
152
ABC der Wiedereinsetzung
Rz. 404 II
dereinsetzung in den vorigen Stand Schriftform erforderlich. Wird ein Antrag auf Wiedereinsetzung beim BFH gestellt, ist der Vertretungszwang zu beachten. Empfehlung: Es empfiehlt sich, den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gleichzeitig mit der Einlegung des Rechtsmittels zu stellen und sofort zu begründen. Die Tatsachen, die die Wiedereinsetzung rechtfertigen sollen, müssen innerhalb 403 der Wiedereinsetzungsfrist von zwei Wochen ab Wegfall des Hindernisses vorgetragen werden. Es empfiehlt sich allerdings, die Tatsachen bereits im Wiedereinsetzungsantrag anzugeben. Die die Wiedereinsetzung begründenden wesentlichen Tatsachen müssen innerhalb der Frist schlüssig dargestellt werden. Zum schlüssigen Vortrag derartiger Tatsachen sind die genaue Beschreibung des Hindernisses, das der Fristwahrung entgegenstand, und die vollständige Darlegung der Ereignisse, die das Unverschulden an der Fristversäumnis belegen sollen, erforderlich1. Beispiel 1: Bei einer Fristversäumnis infolge einer Erkrankung sind daher die Tatsachen anzugeben, aus denen sich Art und Schwere der Erkrankung in der Weise ergeben, dass sie die Annahme erlauben, dass es aufgrund der Schwere der Krankheit nicht möglich war, einen fristwahrenden Schriftsatz rechtzeitig einzureichen. Bei Erkrankung des Prozessbevollmächtigten sind darüber hinaus die für diesen Fall getroffenen organisatorischen Maßnahmen, um Fristversäumnisse auszuschließen, darzulegen2. Beispiel 2: Wird z. B. die fristgerechte Absendung einer beim Gericht nicht eingegangenen Klageschrift behauptet, sind innerhalb der Zwei-Wochen-Frist alle Tatsachen vorzutragen, aus denen sich die rechtzeitige Absendung bzw. Aufgabe des fristwahrenden Schriftsatzes zur Post ergibt, wobei nicht nur die Versendungsart, sondern auch angegeben werden muss, welche Person den Schriftsatz wann (Tag und Uhrzeit) und auf welche Weise (Abgabe beim Postamt oder Einwurf in einen bestimmten Postbriefkasten) zur Post aufgegeben hat3. Besondere Anforderungen werden an die schlüssige Darlegung des Wiedereinsetzungsgrundes „Büroversehen“ gestellt. Dabei muss der Vertreter darlegen, dass kein Organisationsfehler vorliegt, d. h. dass er alle Vorkehrungen getroffen hat, die nach vernünftigem Ermessen die Nichtbeachtung von Fristen auszuschließen geeignet sind, und dass er durch regelmäßige Belehrung und Überwachung seiner Bürokräfte für die Einhaltung seiner Anordnungen Sorge getragen hat4. Eine Erläuterung oder Ergänzung des die Versäumnis und die unverschuldete 404 Verhinderung begründenden Sachverhalts ist auch noch nach Ablauf der Zwei-
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BFH v. 18.1.2005 – X B 181/03, n. v. BFH v. 18.1.2005 – X B 181/03, n. v. mit zahlreichen weiteren Nachweisen. St. Rspr., BFH v. 18.10.2004 – I B 40/04, n. v. BFH v. 25.6.2003 – XI B 186/02, BFH/NV 2003, 1589; v. 18.1.2007 – III R 65/05, BFH/NV 2007, 945.
153
II Rz. 405
Rechtsschutz vor dem Finanzgericht
Wochen-Frist möglich, wenn innerhalb der Frist der Kern der Wiedereinsetzungsgründe bereits schlüssig vorgetragen worden ist. Ausgeschlossen ist aber, nach Ablauf der Wiedereinsetzungsfrist einen völlig neuen Sachverhalt nachzuschieben. Lediglich unklare oder unvollständige Angaben können erläutert oder ergänzt werden1. 405 Die Tatsachen, die den Wiedereinsetzungsantrag rechtfertigen sollen, sind entweder mit dem Wiedereinsetzungsantrag oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Mittel der Glaubhaftmachung ist jedes in § 81 FGO genannte Beweismittel (Augenscheinseinnahme, Zeugen, Sachverständige, Parteivernehmung, Urkunden). Zusätzlich kommt gem. § 155 FGO i. V. m. § 294 Abs. 1 ZPO die eidesstattliche Versicherung in Betracht, und zwar die des Klägers selbst oder aber die eines in Betracht kommenden Zeugen (z. B. eines Bürogehilfen) oder Sachverständigen oder aber auch die des Prozessbevollmächtigten selbst. Empfehlung: Die Wiedereinsetzungsgründe sollten möglichst innerhalb der Zwei-Wochen-Frist glaubhaft gemacht werden. Zulässig ist es aber auch, wenn die Glaubhaftmachung später erfolgt. 406 Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist fristgebunden: Er ist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Innerhalb dieser Frist muss der betreffende Rechtsbehelf (z. B. die Klage) nachgeholt werden. Die Zwei-Wochen-Frist beginnt zu laufen, sobald das Hindernis, durch das die Fristversäumnis verursacht wurde, wegfällt. Hinsichtlich des Wegfalls des Hindernisses ist zu unterscheiden: – Wusste der Betroffene, dass die Frist überschritten ist, so beginnt die Frist mit der Versäumnis der gesetzlichen Frist. – War dem Betroffenen oder seinem Bevollmächtigten die Fristversäumnis nicht bewusst, beginnt die Frist, sobald er oder sein Bevollmächtigter von der Fristversäumnis Kenntnis erhält oder bei ordnungsgemäßer Erledigung seiner Angelegenheiten hätte Kenntnis haben müssen. Beispiel 1: Erkennt der Prozessbevollmächtigte, dass aufgrund eines Programmabsturzes des zur Fristenüberwachung eingesetzten Computerkalendariums möglicherweise auch der dort eingetragene Termin für die Klageerhebung verloren gegangen war, so ist das Hindernis für die Fristversäumnis (§ 56 Abs. 2 Satz 1 FGO) bereits zu diesem Zeitpunkt und nicht erst dann weggefallen, wenn er von der Fristversäumnis tatsächlich Kenntnis erlangt2. Beispiel 2: A will gegen den Einkommensteuerbescheid vor dem Finanzgericht Köln Klage erheben. Zwei Tage vor Ablauf der Klagefrist wirft A die Klage in einen Postbriefkasten in Köln ein. Die Klage geht beim Finanzgericht erst zwei Tage nach Ablauf der Klagefrist ein.
__________ 1 BFH v. 9.11.1999 – XI R 17/99, BFH/NV 2000, 583. 2 BFH v. 23.12.2005 – VI R 79/04, BFH/NV 2006, 787.
154
Prozessbevollmächtigter
Rz. 422 II
Hier beginnt die Zwei-Wochen-Frist in dem Zeitpunkt, zu dem A von der Fristversäumnis Kenntnis erlangt, etwa wenn A die Eingangsmitteilung des Gerichts erhält, oder spätestens dann, wenn ihm ausdrücklich mitgeteilt worden ist, z. B. durch einen entsprechenden Hinweis des Berichterstatters, dass er die Frist versäumt hat1. Einstweilen frei.
407–420
VIII. Prozessbevollmächtigter 1. Allgemeines Im finanzgerichtlichen Verfahren kann jeder prozessfähige Steuerpflichtige seine 421 Rechte selbst wahrnehmen. Es besteht vor dem Finanzgericht kein Vertretungszwang, es sei denn, das Gericht hat angeordnet, dass ein Bevollmächtigter zu bestellen ist (s. II Rz. 379). In § 62 Abs. 1 FGO n. F.2 wird ausdrücklich hervorgehoben, dass die Beteiligten vor dem Finanzgericht den Rechtsstreit selbst führen können. Sie können also selbst Klage erheben und wirksam Prozesshandlungen vornehmen. Beim Bundesfinanzhof gilt dagegen Vertretungszwang (§ 62a FGO a. F.; ab 1.7.2008: § 62 Abs. 4 FGO n. F.; s. III Rz. 5 ff.). Der Steuerpflichtige, der einen Steuerprozess führen will, kann aber zur Wahrnehmung seiner Rechte einen Bevollmächtigten bestellen (§ 62 Abs. 1 Satz 1 FGO a. F.; ab 1.7.2008: § 62 Abs. 2 FGO n. F.). Bevollmächtigte sind Vertreter der Beteiligten. Sie handeln also in deren Namen; ihre Handlungen und Erklärungen wirken unmittelbar für und gegen den Beteiligten. Vor dem Finanzgericht konnte bis zum 30.6.2008 jeder als Bevollmächtigter auf- 422 treten, der prozessfähig ist. Eine bestimmte berufliche Vorbildung, z. B. als Steuerberater, Rechtsanwalt oder Wirtschaftsprüfer, wurde bis zum 30.6.2008 nicht vorausgesetzt. Dies hat sich ab dem 1.7.2008 geändert: Nach § 62 Abs. 2 FGO n. F. können sich die Beteiligten durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater, Steuerbevollmächtigten, Wirtschaftsprüfer oder vereidigten Buchprüfer als Bevollmächtigten vertreten lassen. Zur Vertretung berechtigt sind auch Gesellschaften i. S. des § 3 Nrn. 2 und 3 StBerG, die durch solche Personen handeln. Das sind – Partnerschaftsgesellschaften, deren Partner ausschließlich den steuer- und rechtsberatenden Berufen angehören, – Steuerberatungsgesellschaften, Rechtsanwaltsgesellschaften, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und Buchprüfungsgesellschaften. Insoweit hat sich an der bisherigen Rechtslage nichts geändert.
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1 BFH v. 9.8.2004 – VI B 161/02, BFH/NV 2004, 1668; vgl. auch Tipke in Tipke/Kruse, § 56 FGO Rz. 20. 2 Eingefügt durch Art. 14 des Gesetzes zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts v. 12.12.2007, BGBl. I 2007, 2840, 2856, das der Umsetzung der EG-Richtlinie 2005/36/ EG v. 5.9.2005 über die Anerkennung der Berufsqualifikation dient.
155
II Rz. 423
Rechtsschutz vor dem Finanzgericht
423 In § 62 Abs. 2 Satz 2 FGO n. F. wird jedoch abschließend aufgezählt, wer darüber hinaus als Bevollmächtigter vor dem Finanzgericht auftreten kann. Das sind: 1. Beschäftigte des Beteiligten oder eines mit ihm verbundenen Unternehmens (§ 15 AktG); Behörden oder juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen, 2. volljährige Familienangehörige (§ 15 AO, § 11 des Lebenspartnerschaftsgesetzes), Personen mit Befähigung zum Richteramt und Streitgenossen, wenn die Vertretung nicht im Zusammenhang mit einer entgeltlichen Tätigkeit steht, 3. Personen und Vereinigungen i. S. des § 3 Nr. 4 StBerG im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 3 Nr. 4 StBerG, (Diese Regelung betrifft beim Vorliegen der dort genannten Voraussetzungen Personen oder Vereinigungen, die in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in der Schweiz beruflich niedergelassen sind und dort befugt geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen leisten.) 4. landwirtschaftliche Buchstellen ihm Rahmen ihrer Befugnisse nach § 4 Nr. 8 StBerG, 5. Lohnsteuerhilfevereine ihm Rahmen ihrer Befugnisse nach § 4 Nr. 11 StBerG, 6. Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder, 7. juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nr. 6 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet. Bevollmächtigte, die keine natürlichen Personen sind, handeln durch ihre Organe und durch ihre mit der Prozessvertretung beauftragten Vertreter. 424 Bevollmächtigte, die nicht nach den vorgenannten Vorschriften vertretungsbefugt sind, weist das Gericht gem. § 62 Abs. 3 Satz 1 FGO n. F. durch unanfechtbaren Beschluss zurück. Bis zur Zurückweisung vorgenommene Prozesshandlungen eines nicht vertretungsbefugten Bevollmächtigten und bis zur Zurückweisung vorgenommene Zustellungen oder Mitteilungen des Gerichts an diesen sind wirksam. Die von einem nicht vertretungsbefugten Bevollmächtigten erhobene Klage ist also wirksam erhoben.
156
Prozessbevollmächtigter
Rz. 427 II
Beispiel: A bittet seinen Nachbarn N, der Lehrer ist und nicht die Befähigung zum Richteramt hat, ihm bei seiner Klage gegen das Finanzamt wegen Einkommensteuer zu helfen. Er erteilt ihm eine schriftliche Vollmacht hierfür. N formuliert die Klageschrift und erhebt unter Vorlage der Vollmacht als Vertreter des A fristgerecht Klage beim Finanzgericht. Da N nicht vertretungsbefugt ist, weist der zuständige Senat beim Finanzgericht den N durch Beschluss zurück. Dieser Beschuss ist unanfechtbar. Die Klage (als Prozesshandlung) ist allerdings wirksam erhoben und kann von A weitergeführt werden. Hiervon zu unterscheiden ist allerdings der Fall der Klageerhebung durch einen vollmachtlosen Vertreter (s. II Rz. 426 ff.). In § 62 Abs. 5 FGO n. F. ist geregelt, dass Richter nicht als Bevollmächtigte vor 425 dem Gericht auftreten dürfen, dem sie angehören. Dies gilt für ehrenamtliche Richter – außer in den o. g. Fällen der Nr. 1 – für das Auftreten vor dem Spruchkörper, dem sie angehören. Treten sie dennoch entgegen dieser Regelung auf, so weist das Gericht den unbefugt auftretenden Richter oder ehrenamtlichen Richter gem. § 62 Abs. 5 Satz 3 i. V. m. Abs. 3 Satz 1 FGO durch unanfechtbaren Beschluss zurück. Bis zu diesem Zeitpunkt vorgenommene Prozesshandlungen sind allerdings wirksam.
2. Prozessvollmacht Der Bevollmächtigte erhält seine Vertretungsmacht durch die Vollmacht. Er 426 kann den Beteiligten deshalb nur dann wirksam vertreten, wenn er eine gültige Vollmacht erhalten hat. Das Vorliegen einer Vollmacht ist eine Sachentscheidungsvoraussetzung. Wird die Vollmacht auf Verlangen des Gerichts nicht nachgewiesen, so kann das Gericht keine Sachentscheidung treffen. Die Klage muss vielmehr durch Prozessurteil als unzulässig abgewiesen werden, weil es an einer Prozesshandlungsvoraussetzung fehlt. Dabei macht es keinen Unterschied, ob die Vorlage der Vollmacht unterblieb, obwohl eine schriftliche Vollmacht vorhanden war, oder ob die Vollmacht nicht vorgelegt wurde, weil sie nicht erteilt war1. Liegt keine gültige Vollmacht vor, wirken die von dem vollmachtlosen Vertreter 427 vorgenommenen Verfahrenshandlungen nicht gegenüber dem Beteiligten, in dessen Namen er aufgetreten ist. Beispiel: Steuerberater A erhebt im Namen des Steuerpflichtigen S Klage gegen den Umsatzsteuerbescheid. Eine Vollmacht war dem A nicht erteilt worden. Die Klageerhebung wirkt nicht für und gegen den Steuerpflichtigen. Ihm können deshalb bei Abweisung der Klage als unzulässig auch keine Gerichtskosten abverlangt werden. Die Kosten hat in diesem Fall der vollmachtlose Vertreter zu tragen.
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1 Vgl. BFH v. 16.11.1993 – VIII R 7/93, BFH/NV 1994, 891.
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II Rz. 428
Rechtsschutz vor dem Finanzgericht
428 Der Mangel der Vollmacht kann allerdings nachträglich noch durch eine Genehmigung geheilt werden. Wird diese Genehmigung erteilt, werden sämtliche Verfahrenshandlungen, auch die, die vor der Erteilung der Genehmigung vorgenommen worden sind, wirksam. Beispiel: Genehmigt in dem vorgenannten Beispiel der Steuerpflichtige S die Klageerhebung, indem er z. B. dem Steuerberater nachträglich eine entsprechende Vollmacht erteilt, wirkt die Klageerhebung für und gegen ihn. Das bedeutet: In diesem Fall ist auch die Klagefrist gewahrt, wenn die Klage von dem zunächst vollmachtlosen Steuerberater innerhalb der Klagefrist erhoben worden ist. Dies gilt selbst dann, wenn die Genehmigung der Prozessführung erst nach Ablauf der Klagefrist erteilt wird. 429 Die Vollmacht wird durch einseitige Erklärung des Vollmachtgebers erteilt. Die Erklärung kann gegenüber dem zu Bevollmächtigenden, dem Gericht oder dem Prozessgegner erfolgen. Die schriftliche Erteilung der Vollmacht ist im finanzgerichtlichen Verfahren konstitutive Voraussetzung für die Entstehung der Vollmacht1. Zur Schriftform gehört grundsätzlich die handschriftliche Unterzeichnung der Vollmachtsurkunde durch den Vollmachtgeber. Eine Prozessvollmacht kann auch in der Weise erteilt werden, dass die Klageschrift vom Kläger sowie seinem als solchen in der Klageschrift bezeichneten Bevollmächtigten unterschrieben wird2. Aus der Vollmachtsurkunde oder einem an das Gericht gerichteten Begleitschreiben, das zur Auslegung herangezogen werden kann, muss sich eindeutig und klar ergeben, wer, wen wofür bevollmächtigt hat3. Bei einer auf eine Sozietät ausgestellten Vollmacht gelten alle Sozien als bevollmächtigt4. Tritt z. B. ein bei der Sozietät angestellter Steuerberater auf, muss er neben der Vollmacht für die Sozietät eine Untervollmacht vorlegen5. 430 Die in einem finanzgerichtlichen Verfahren erteilte Prozessvollmacht ist wie im Zivilprozess umfassend (§ 155 FGO i. V. m. §§ 81–84 ZPO). Deshalb ermächtigt die Prozessvollmacht zu allen den Finanzrechtsstreit betreffenden Prozesshandlungen, also insbesondere dazu, Klage zu erheben, die Klage zu ändern, sie zurückzunehmen, Tatsachen zu behaupten, sie zu bestreiten, zuzugestehen, Rechtsmittel einzulegen, zurückzunehmen oder auf sie zu verzichten, die Hauptsache für erledigt zu erklären. Allerdings kann der Umfang der Prozessvollmacht durch den Vollmachtgeber beschränkt werden (§ 155 FGO i. V. m. § 83 ZPO), z. B. auf eine Terminsvollmacht. Die Einschränkung muss sich aus der Vollmachtsurkunde selbst oder aus einer anderen schriftlichen Erklärung des Vollmachtgebers eindeutig und klar ergeben. Ergibt sich die Einschränkung nicht zweifelsfrei aus der Vollmachtsurkunde, ist von einer umfassenden Vollmacht auszugehen6.
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BFH v. 27.11.2002 – X R 37/01, BFH/NV 2003, 341 m. w. N. BFH v. 1.3.2001 – II R 3/00, BFH/NV 2001, 1129. BFH v. 27.2.1998 – VI R 88/97, BStBl. II 1998, 445. BFH v. 29.3.2005 – VI B 198/04, BFH/NV 2005, 1349 m. w. N.; Gräber/Stapperfend, § 62 FGO Rz. 6; Loose in Tipke/Kruse, § 62 FGO Tz. 4, jeweils m. w. N. 5 BFH v. 22.1.1991 – X R 107/90, BStBl. II 1991, 524. 6 BFH v. 17.9.1997 – X S 14/96, BFH/NV 1998, 470.
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Prozessbevollmächtigter
Rz. 432 II
3. Einreichung der Vollmacht Bis zum 30.6.2008 war die Bevollmächtigung auf Verlangen des Gerichts durch 431 die Vorlage der schriftlichen Vollmacht nachzuweisen (§ 62 Abs. 3 Satz 1 FGO a. F.). Diese war dem Gericht vorzulegen. Seit dem 1.7.2008 ist nach § 62 Abs. 6 Satz 1 FGO n. F., auch ohne dass das Gericht dies ausdrücklich verlangt, die Vollmacht schriftlich zu den Gerichtsakten einzureichen, das heißt, die Prozessvollmacht ist dem zuständigen Spruchkörper zu dem jeweiligen Verfahren im Original einzureichen. Die bisherige Rechtsprechung gilt insoweit fort. Die Vorlage einer Ablichtung der Vollmachtsurkunde reicht ebenso wenig aus1 wie die Übermittlung der schriftlich erteilten Vollmacht durch Telefax2; denn zum Nachweis der Bevollmächtigung ist die Vorlage der Vollmacht im Original zu den Gerichtsakten erforderlich. Ist dem Prozessbevollmächtigten die Vollmacht nicht von dem Vertretenen selbst erteilt worden, hat er die Vollmacht vielmehr von dessen Vertreter erhalten (sog. Untervollmacht), so gehört zum Nachweis der Prozessvollmacht auch der Nachweis der Vertretungsmacht desjenigen, der die Untervollmacht unterzeichnet hat3. Hat der Vollmachtgeber eine zunächst erteilte Vollmacht widerrufen, ist zum Nachweis der Vertretungsbefugnis die Vorlage einer neuen Vollmachtsurkunde erforderlich4. Eine Bezugnahme auf eine Vollmacht, die in einem anderen Verfahren beigebracht ist, dürfte als Nachweis der Bevollmächtigung allerdings nach wie vor ausreichen, wenn dem Gericht eine Einsicht in diese Vollmachtsurkunde ohne weiteres möglich und aus der Urkunde ersichtlich ist, dass sie auch für das Verfahren, in dem die Bezugnahme erfolgt, bestimmt ist5. Diese Regelung gilt immer für alle Prozessbevollmächtigten, die nicht Angehörige der steuerberatenden Berufe sind. Insoweit hat das Gericht den Mangel der Vollmacht von Amts wegen zu beachten und die Klage ggf. als unzulässig abzuweisen. Aufgrund von § 62 Abs. 6 Satz 4 FGO n. F. wird die Vorlage der Prozessvollmacht 432 bei den Angehörigen der rechts- und steuerberatenden Berufe erleichtert. Danach braucht das Gericht den Mangel der Vollmacht nicht von Amts wegen zu beachten, wenn Angehörige der rechts- und steuerberatenden Berufe als Prozessvertreter auftreten, wenn also ein Rechtsanwalt, Steuerberater, Steuerbevollmächtigter, Wirtschaftsprüfer oder vereidigter Buchprüfer oder eine Gesellschaft i. S. des § 3 Nrn. 2 und 3 StBerG als Bevollmächtigter auftritt (§ 62 Abs. 6 Satz 3 FGO n. F.). Wie bisher gilt allerdings: Besteht ein wenn auch nur geringer Zweifel daran, dass eine Bevollmächtigung tatsächlich besteht, so muss das Gericht den Nachweis der Vollmacht durch Vorlage der Vollmachtsurkunde verlangen. Für die Annahme derartiger notwendiger begründeter Zweifel an einer Bevollmächtigung, die bei dem Auftreten von Angehörigen der steuerberatenden Berufe die Anforderung einer Vollmacht rechtfertigen können, müssen konkrete Anhaltspunkte vorlie-
__________ 1 BFH v. 29.11.2005 – II S 15/05, BFH/NV 2006, 593. 2 BFH v. 28.11.1995 – VII R 63/95, BStBl. II 1996, 105; v. 5.6.2003 – III R 38/01, BFH/NV 2004, 489. 3 BFH v. 22.10.1998 – X R 77/95, BFH/NV 1999, 625. 4 BFH v. 7.7.1999 – VI R 203/98, BFH/NV 2000, 59. 5 BFH v. 16.9.1998 – VI R 37/98, BFH/NV 1999, 485.
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II Rz. 433
Rechtsschutz vor dem Finanzgericht
gen. Insoweit dürfte die bisherige Rechtsprechung weiterhin Geltung haben. Bloße abstrakte Mutmaßungen reichen insoweit nicht aus1. 433 Keiner Prozessvollmacht bedürfen kraft Gesetzes oder aufgrund behördlicher oder gerichtlicher Anordnung zur Vertretung befugte Personen. Hierzu rechnen z. B. gesetzliche Vertreter von juristischen Personen, insbesondere Handelsgesellschaften, geschäftsführende Gesellschafter von Personengesellschaften, Liquidatoren und Insolvenzverwalter. Die Anforderung einer Prozessvollmacht durch das Gericht bleibt in diesen Fällen wirkungslos2. Auch eine Prokura oder eine Generalvollmacht machen eine besondere Prozessvollmacht entbehrlich. Hier ergibt sich das Vertretungsrecht im finanzgerichtlichen Verfahren aus der Generalvollmacht bzw. der Prokura selbst, also aus der sachlich-rechtlichen Vertretungsmacht. Allerdings muss diese sachlich-rechtliche Vertretungsmacht durch Vorlage entsprechender Urkunden nachgewiesen werden. Empfehlung: Da immer damit gerechnet werden muss, dass das Gericht die Vorlage der Vollmacht verlangt, sollte sich der Bevollmächtigte hierauf einrichten und bestrebt sein, möglichst noch vor Klageerhebung eine schriftliche Prozessvollmacht seines Mandanten zu erhalten. Es empfiehlt sich, immer dafür Sorge zu tragen, dass eine ordnungsgemäße schriftliche Vollmacht vorhanden ist, aus der hervorgeht, wer, wen wozu bevollmächtigt hat. Wird die Vollmacht vom Gericht angefordert, so empfiehlt es sich, grundsätzlich die Vollmachtsurkunde im Original vorzulegen3. Im Hinblick auf die Beweisfunktion der Vollmachtsurkunde reicht die Übersendung einer Ablichtung oder die Übermittlung eines Telefax nicht aus. Ebenso sollte in diesem Fall möglichst nicht auf eine Vollmacht in anderen Gerichtsakten oder gar in den Finanzamtsakten verwiesen werden. – Wird Akteneinsicht beantragt, ist es zur Wahrung des Steuergeheimnisses (§ 30 AO) geboten, eine Vollmacht vorzulegen. 434 Die Vollmacht kann nachgereicht werden (§ 62 Abs. 6 Satz 2 FGO n. F.). Das bedeutet: Der zunächst zur Unzulässigkeit der Klage führende Mangel einer fehlenden Vollmacht kann geheilt werden, wenn die Vollmacht nachgereicht wird. Grundsätzlich wird die Prozessführung durch einen bisher vollmachtlosen Vertreter wirksam, wenn die schriftliche Prozessvollmacht nachgereicht wird. Im Gegensatz zur bisherigen Regelung kann für die Vorlage bzw. Nachreichung der Vollmacht vom Vorsitzenden oder Berichterstatter nur noch eine einfache richterliche Frist gem. § 62 Abs. 6 Satz 2 FGO n. F. gesetzt werden. Eine Ausschlussfrist zur Vorlage der Prozessvollmacht ist aufgrund der neuen gesetzlichen Regelung in § 62 Abs. 6 Satz 2 FGO n. F. nicht mehr gesetzlich vorgesehen und deshalb nicht mehr zulässig. Dies bedeutet, dass die Vollmacht auch noch nach Ablauf der Frist vorgelegt werden kann, ohne dass hieraus Rechtsnachteile erwachsen.
__________ 1 Vgl. grundlegend BFH v. 11.2.2003 – VII R 18/02, BStBl. II 2003, 606 m. w. N.; vgl. auch BFH v. 28.5.2003 – VII B 236/02, BFH/NV 2003, 1208; v. 28.11.2003 – III B 75/02, BFH/NV 2004, 523. 2 Vgl. BFH v. 9.11.1994 – I R 96/94, BStBl. II 1995, 204. 3 BFH v. 29.11.2005 – II S 15/05, BFH/NV 2006, 593; ebenso Loose in Tipke/Kruse, § 62 FGO Rz. 35.
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Prozessbevollmächtigter
Rz. 435 II
Beispiel: Assessor J, der das 2. juristische Staatsexamen hat und mit A befreundet ist, erhebt gegen die gegen A ergangene Einspruchsentscheidung des Finanzamts X als vollmachtloser Vertreter des A beim Finanzgericht Klage. Der Berichterstatter fordert den J unter Fristsetzung von einem Monat auf, eine Vollmacht vorzulegen. Dieser Aufforderung kommt J nicht nach. Der Berichterstatter, dem der Fall als Einzelrichter übertragen worden ist, beraumt nunmehr einen Termin zur mündlichen Verhandlung an. Zu diesem Termin müssen sowohl der J als auch der A geladen werden. A ist froh, dass J Klage erhoben hat und will vermeiden, dass die Klage als unzulässig abgewiesen wird. Dies kann er dadurch erreichen, dass trotz Fristablaufs die Vollmacht noch bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vorgelegt oder die Klageerhebung bis zu diesem Zeitpunkt durch ihn genehmigt wird.
4. Exkurs: Ausschlussfrist bis zum 30.6.2008 Nach § 62 Abs. 3 Satz 2, 2. Halbs. FGO a. F. konnte der Vorsitzende oder Bericht- 435 erstatter für das Einreichen der Vollmacht eine Frist mit ausschließender Wirkung setzen. Die Voraussetzungen für eine Fristsetzung nach § 62 Abs. 3 Satz 3 FGO waren gering. Erforderlich war lediglich, dass ein Bevollmächtigter für einen Beteiligten auftrat und der Bevollmächtigte seine Prozessvollmacht bisher nicht nachgewiesen hatte. Bei einem Angehörigen der steuerberatenden Berufe mussten zusätzlich noch begründete Zweifel an der Bevollmächtigung bestehen1. Ob in den Fällen, in denen eine Prozessvollmacht nicht vorgelegt wurde, eine Frist mit ausschließender Wirkung gesetzt wurde, stand im Ermessen des Vorsitzenden oder Berichterstatters. Die Fristsetzung setzte nicht voraus, dass der Bevollmächtigte bereits einmal vergeblich zur Vorlage der Prozessvollmacht aufgefordert worden war. Es war also möglich und rechtlich zulässig, dem Bevollmächtigten, der bei Einreichung der Klageschrift keine Prozessvollmacht vorlegt, sogleich eine Frist mit ausschließender Wirkung zu setzen2. Die Anordnung der Ausschlussfrist war wirksam, wenn die Verfügung von dem betreffenden Richter eigenhändig unterzeichnet und dem Bevollmächtigten eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift der Verfügung zugestellt worden war3. Es war allerdings unschädlich, wenn die Verfügung zwar nicht mit eigenhändiger Unterschrift unterzeichnet war, sondern lediglich mit einer Paraphe, aber dem Bevollmächtigten eine Urschrift zugestellt wurde, die die voll ausgeschriebene Unterschrift des Richters trug4. Waren weder die Verfügung noch die dem Bevollmächtigten zugestellte Urschrift von dem Richter unterzeichnet, war die Fristsetzung unwirksam.
__________ 1 BFH v. 28.11.2003 – III B 75/03, BFH/NV 2004, 523. 2 Gräber/Stapperfend, § 62 FGO Rz. 88 m. w. N., allerdings nicht mehr bei Angehörigen der steuerberatenden Berufe. 3 BFH v. 29.1.1998 – V R 64/97, BFH/NV 1998, 869. 4 Vgl. BFH v. 9.8.1996 – VI R 30/96, BFH/NV 1997, 135.
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II Rz. 436
Rechtsschutz vor dem Finanzgericht
Die Ausschlussfrist zur Vorlage der Prozessvollmacht war als richterliche Frist auf Antrag verlängerbar1. Der entsprechende Antrag musste vor Fristablauf gestellt werden2. Eine Fristverlängerung kam jedoch nur in Betracht, wenn erhebliche Gründe für die Verlängerung glaubhaft gemacht werden. Dies ist ausdrücklich in § 224 Abs. 2 ZPO festgelegt. Erhebliche Gründe liegen in der Regel nur dann vor, wenn sie auch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtfertigen könnten3. Die Glaubhaftmachung der erheblichen Gründe hatte noch vor Ablauf der Ausschlussfrist zu erfolgen4. Ein Antrag auf Verlängerung einer gesetzten Ausschlussfrist musste nicht mehr beschieden werden, wenn er so spät einging, dass er nicht mehr beschieden werden oder die noch ausstehende Prozesshandlung nicht mehr erfolgen konnte5. Die Vollmacht musste innerhalb der gesetzten Ausschlussfrist beim Finanzgericht eingereicht werden. § 47 Abs. 2 FGO konnte hier nicht, auch nicht entsprechend, angewendet werden6. Wurde die Ausschlussfrist nicht eingehalten und konnte gem. §§ 62 Abs. 3 Satz 4, 56 FGO auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung dieser Frist gewährt werden, war die Klage als unzulässig abzuweisen; denn es fehlte an einer Prozessvoraussetzung.
5. Erlöschen der Vollmacht 436 Die Prozessvollmacht endet durch Widerruf, Zweckerreichung (Beendigung des Rechtsstreits), Tod des Prozessbevollmächtigten sowie durch Beendigung des der Prozessvollmacht zu Grunde liegenden Vertrages (§ 155 FGO i. V. m. §§ 86 und 87 ZPO). Der Widerruf ist ein einseitiges und empfangsbedürftiges, formloses Rechtsgeschäft des Vollmachtgebers. Er ist dem Gericht oder dem Prozessbevollmächtigten gegenüber zu erklären. In der Bestellung eines neuen Prozessbevollmächtigten kann ein Widerruf der Bestellung eines früheren Bevollmächtigten nur dann gesehen werden, wenn darin eindeutig zum Ausdruck kommt, dass der neue Bevollmächtigte an Stelle des früheren bestellt werden soll. Gegenüber dem Gericht wird der Widerruf erst wirksam, wenn er dem Gericht angezeigt worden ist7. Auch durch eine Beendigung des Rechtsstreits erlischt die für diesen Rechtsstreit erteilte Vollmacht. Hiervon kann allerdings erst ausgegangen werden, wenn der mit der Erteilung der Vollmacht verfolgte Zweck erreicht und keine Handlung durch die Prozessvollmacht mehr gedeckt sein kann. 437 Die Vollmacht erlischt auch, wenn der der Erteilung der Vollmacht zu Grunde liegende Vertrag beendet wird. Diese Voraussetzung ist insbesondere dann erfüllt,
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§ 54 Abs. 2 FGO, § 224 Abs. 2 ZPO; BFH v. 12.7.1988 – VII B 21/88, BFH/NV 1990, 48. BFH v. 11.3.1996 – V B 106/95, BFH/NV 1996, 756; Gräber Stapperfend, § 62 FGO Rz. 89. Gräber/Stapperfend, § 62 FGO Rz. 89; s. unter II Rz. 396 ff. BFH v. 1.8.1996 – XI B 149-150/95, BFH/NV 1997, 131. BFH v. 17.1.2003 – IV B 51/02, BFH/NV 2004, 348. BFH v. 27.8.1999 – X R 122/98, BStBl. II 1999, 662. BFH v. 12.12.2001 – XI R 88/98, BFH/NV 2002, 922.
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Prozessbevollmächtigter
Rz. 438 II
wenn das Mandat gekündigt wird. Durch eine Niederlegung des Mandats wird die Vollmacht erst dann beendet, wenn in der Niederlegung gleichzeitig eine Kündigung des der Vollmacht zu Grunde liegenden Kausalvertrages zu sehen ist. Das bedeutet: Legt der Bevollmächtigte lediglich das Mandat nieder, ohne gleichzeitig zu erkennen zu geben, dass er auch den der Erteilung der Vollmacht zu Grunde liegenden Vertrag gekündigt hat, bleibt er für das Gericht Prozessbevollmächtigter. Dies hat zur Folge, dass gem. § 62 Abs. 3 Satz 5 FGO Zustellungen oder Mitteilungen des Gerichts weiterhin an ihn zu richten sind. Eine Ladung zur mündlichen Verhandlung, die dem Prozessbevollmächtigten ordnungsgemäß zugestellt worden ist, verliert ihre Wirkung für und gegen den Prozessbeteiligten auch nicht dadurch, dass dem Gericht nach Ladungszustellung die Mandatsniederlegung und das Erlöschen der Prozessvollmacht angezeigt werden1. Beispiel: Der Steuerberater A erreicht seinen Mandanten M nicht mehr, weil sich dieser für längere Zeit im Ausland aufhält, und kann keinen Kontakt mehr zu ihm herstellen. Er legt daraufhin gegenüber dem Gericht das Mandat nieder. Die Vollmacht ist in diesem Fall noch nicht erloschen, weil weder der Mandant selbst die Kündigung des Mandatsverhältnisses gegenüber dem Gericht ausgesprochen hat noch durch den Prozessbevollmächtigten nachgewiesen werden kann, dass die Kündigung des Mandatsverhältnisses der Prozesspartei zugegangen ist (§ 130 Abs. 1 BGB). Für das Gericht bleibt der S Prozessbevollmächtigter, so dass weiterhin Mitteilungen und Ladungen wirksam an ihn gerichtet werden können. Auch nach der Mandatsniederlegung kann der Bevollmächtigte für den Beteiligten nämlich solange handeln, bis dieser in anderer Weise für die Wahrnehmung seiner Rechte gesorgt hat2. Der Tod des Klägers bleibt ohne Auswirkung auf den Fortgang und Abschluss des 438 Verfahrens, wenn der Verstorbene durch einen Prozessbevollmächtigten wirksam vertreten war. Dies ändert sich auch nicht dadurch, dass dem Gericht zum Todeszeitpunkt eine schriftliche Prozessvollmacht (noch) nicht vorlag, da im finanzgerichtlichen Verfahren der Einreichung der Vollmacht bei Gericht allenfalls Nachweisfunktion zukommt3. Einstweilen frei.
439–450
__________ 1 Vgl. BFH v. 3.3.2005 – VIII B 80/04, AO-StB 2005, 202; BFH v. 18.8.2003 – X S 5/03, BFH/NV 2004, 66. 2 § 155 FGO i. V. m. § 87 Abs. 2 ZPO; Spindler in Hübschmann/Hepp/Spitaler § 62 FGO Rz. 133; Brandt in Beermann/Gosch, § 62 FGO Rz. 68. 3 BFH v. 26.2.2002 – X B 79/01, BFH/NV 2002, 1035.
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II Rz. 451
Rechtsschutz vor dem Finanzgericht
F. Die Durchführung des Verfahrens I. Die Spruchkörper und ihre Mitglieder 1. Senate 451 Entscheidungen werden beim Finanzgericht grundsätzlich durch Senate getroffen. Die Zuständigkeit des für die Entscheidung zuständigen Senats ergibt sich aus dem Geschäftsverteilungsplan des Gerichts, der vom Präsidium zu beschließen ist (§ 4 FGO i. V. m. § 21e Abs. 1 GVG). Darin regelt das Präsidium die personelle Besetzung der Senate und, damit der gesetzliche Richter gewahrt wird (s. III Rz. 119 f.), nach abstrakten Merkmalen die Verteilung der Geschäfte auf die Senate (z. B. Verteilung der Zuständigkeit nach Finanzämtern, Sachgebieten oder dergl.). 452 Die Senate entscheiden in der Besetzung mit drei Berufsrichtern und zwei ehrenamtlichen Richtern. Bei Beschlüssen außerhalb der mündlichen Verhandlung und bei Gerichtsbescheiden wirken die ehrenamtlichen Richter allerdings nicht mit (§ 5 Abs. 3 FGO). Die ehrenamtlichen Richter sind also z. B. bei folgenden Entscheidungen nicht beteiligt, soweit sie außerhalb der mündlichen Verhandlung ergehen: – – – – –
Beiladung Dritter zum Verfahren (§ 60 Abs. 4 FGO), Aussetzung der Vollziehung (§ 69 Abs. 2, 3 FGO), Verbindung und Trennung von Verfahren (§ 73 FGO), Beweisbeschlüsse (§ 82 FGO), einstweilige Anordnungen (§ 114 FGO).
Bei Urteilen ohne mündliche Verhandlung (wegen Verzichts der Beteiligten auf mündliche Verhandlung; § 90 Abs. 2 FGO; s. auch II Rz. 661 ff.) müssen die ehrenamtlichen Richter mitwirken, da es sich hierbei nicht um Gerichtsbescheide oder Beschlüsse, sondern um „normale“ Urteile handelt. Wie die Berufsrichter sind auch die ehrenamtlichen Richter unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen. Sie wirken bei der mündlichen Verhandlung und bei der Urteilsfindung mit gleichen Rechten wie die Berufsrichter mit (§ 16 FGO). Obwohl bei ihrer Auswahl Berufsvertretungen mitwirken (§ 25 FGO), sind die ehrenamtlichen Richter nicht Interessenvertreter ihrer Verbände. Sie haben ihre Pflichten getreu dem Gesetz zu erfüllen, nach bestem Wissen und Gewissen ohne Ansehen der Person zu urteilen und nur der Wahrheit und zu dienen, wie sich aus ihrem Amtseid ergibt (vgl. § 45 Abs. 1 Satz 2 DRiG). 453 Die Geschäftsverteilung innerhalb des Senats wird durch Mehrheitsbeschluss aller dem Senat angehörenden Berufsrichter bestimmt (§ 4 FGO i. V. m. § 21g GVG). Dabei ist, um den gesetzlichen Richter zu wahren (s. III Rz. 119 ff.), vor Beginn des Geschäftsjahres für dessen Dauer festzulegen, nach welchen Grundsätzen die Mitglieder des Senats an den Verfahren mitwirken. Dieser Beschluss kann nur geändert werden, wenn dies wegen Überlastung, ungenügender Auslastung, Wechsels oder dauerhafter Verhinderung einzelner Mitglieder des Spruchkörpers nötig wird. Nach § 21g Abs. 3 GVG ist in dem Senatsgeschäftsver164
Die Spruchkörper und ihre Mitglieder
Rz. 455 II
teilungsplan auch zu bestimmen, wer als Einzelrichter für welches Verfahren in Betracht kommt. Die Verteilung der Geschäfte im Senatsgeschäftsverteilungsplan ist eine Maßnahme, die weder von der Justizverwaltung noch vom Gerichtspräsidenten noch vom Gerichtspräsidium beeinflusst werden darf. Lediglich bei Stimmengleichheit der Berufsrichter des Senats bei Beschlussfassung entscheidet das Präsidium (§ 4 FGO i. V. m. § 21g Abs. 1 Satz 2 FGO). Die Verteilung der Geschäfte ist nicht anfechtbar. Die Geschäftsverteilung muss so klar sein, dass für jeden Rechtsstreit die Besetzung des Senats von vornherein bestimmbar ist, gleichgültig ob es sich um Urteils- oder Beschlusssachen handelt. Über den Inhalt des Geschäftsverteilungsplanes kann jeder Beteiligte Auskunft verlangen bzw. Einsicht in den Plan nehmen. Die Geschäftsverteilungspläne der meisten Finanzgerichte sind im Internet über die Homepage der einzelnen Gerichte abrufbar.
2. Einzelrichter Nach § 6 FGO kann der Senat den Rechtsstreit einem seiner Mitglieder als Ein- 454 zelrichter zur Entscheidung übertragen. Voraussetzung hierfür ist gem. § 6 Abs. 1 FGO, dass – die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und – die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat. Einer Zustimmung der Verfahrensbeteiligten hierzu bedarf es nicht1. Allerdings wird in der Praxis häufig vor der Einzelrichterübertragung nach § 6 FGO auf die entsprechende Möglichkeit hingewiesen und Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Der Rechtsstreit darf allerdings dem Einzelrichter dann nicht übertragen werden, wenn bereits vor dem Senat mündlich verhandelt worden ist, es sei denn, dass inzwischen ein Vorbehalts-, Teil- oder Zwischenurteil ergangen ist (§ 6 Abs. 2 FGO). Der Einzelrichter kann nach Anhörung der Beteiligten den Rechtsstreit auf den Senat zurück übertragen, wenn sich aus einer wesentlichen Änderung der Prozesslage ergibt, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist. Eine erneute Übertragung auf den Einzelrichter ist dann allerdings ausgeschlossen (§ 6 Abs. 3 FGO). Die Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter ist ebenso wie die Rück- 455 übertragung durch den Einzelrichter auf den Senat unanfechtbar. Außerdem hat der Gesetzgeber die Zuständigkeitsabgrenzung zwischen Einzelrichter und Senat in vollem Umfang irreversibel ausgestaltet: Die unterlassene Übertragung ist der Revision entzogen (§ 6 Abs. 4 Satz 2 FGO) ebenso wie der nicht selbständig anfechtbare Rückübertragungsbeschluss des Einzelrichters (§ 124 Abs. 2 FGO). Die
__________ 1 BFH v. 16.11.1999 – XI R 97/97, BFH/NV 2000, 585.
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II Rz. 456
Rechtsschutz vor dem Finanzgericht
Entscheidung, den Rechtsstreit nach § 6 Abs. 1 FGO auf den Einzelrichter zur Entscheidung zu übertragen, ist nach § 6 Abs. 4 Satz 1 FGO zwar ebenfalls unanfechtbar. Sie kann allerdings ausnahmsweise mit der Verfahrensrevision gerügt werden, wenn die diesbezügliche Entscheidung greifbar gesetzwidrig ist und einen Missbrauch darstellt1. Dies ist sie aber nur dann, wenn sie mit der geltenden Rechtsordnung schlechthin unvereinbar ist, weil sie jeder Grundlage entbehrt und inhaltlich dem Gesetz fremd ist. Die gleichen Grundsätze gelten auch für die in § 6 Abs. 3 Satz 1 FGO vorgesehene Möglichkeit der Rückübertragung des Rechtsstreits vom Einzelrichter auf den Senat. 456 Der Einzelrichter entscheidet grundsätzlich ohne ehrenamtliche Richter. Allerdings ist in § 5 Abs. 4 FGO den Ländern die Möglichkeit eingeräumt, durch Gesetz die Mitwirkung von zwei ehrenamtlichen Richtern an den Entscheidungen des Einzelrichters vorzusehen. Bislang hat lediglich das Land Niedersachsen von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht. 457 Einzelrichterliche Zuständigkeit hat auch der sog. konsentierte Richter nach § 79a Abs. 3 i. V. m. Abs. 4 FGO. Danach ist eine Entscheidung durch den Einzelrichter zulässig, wenn die Beteiligten ihr Einverständnis dazu erklärt haben (konsentierter Einzelrichter)2. Auch hier ergeht die Entscheidung grundsätzlich ohne ehrenamtliche Richter. Deren Mitwirkung ist wie bei der Entscheidung des Einzelrichters nach § 6 FGO an die besonderen Voraussetzungen des § 5 Abs. 4 FGO gebunden3.
3. Vorsitzender 458 Jeder Senat besitzt einen Vorsitzenden. Der Vorsitzende führt den Vorsitz im Senat und soll einen richtungweisenden Einfluss auf die Rechtsprechung des Senats im Allgemeinen ausüben4. Bei der Rechtsfindung im konkreten Einzelfall sind allerdings die Aufgaben und Verantwortung der Mitglieder des Senats gleich. Dem Vorsitzenden sind nach der Finanzgerichtsordnung zahlreiche Aufgaben übertragen: – Der Vorsitzende verfügt den Termin zur mündlichen Verhandlung und bestimmt den Entscheidungstermin ohne mündliche Verhandlung (§ 91 FGO; § 155 FGO i. V. m. § 216 ZPO). – Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, dass Formfehler beseitigt, sachdienliche Anträge gestellt, unklare Anträge erläutert, ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt, ferner alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Angaben abgegeben werden (§ 76 Abs. 2 FGO). – Der Vorsitzende eröffnet und leitet die mündliche Verhandlung (§ 92 Abs. 1 FGO). Er hat die Streitsache mit den Beteiligten tatsächlich und rechtlich zu
__________ 1 2 3 4
Vgl. BFH v. 26.10.2006 – IX B 9/06, BFH/NV 2007, 447 m. w. N. BFH v. 26.4.2005 – VII B 83/04, BFH/NV 2005, 1592. BFH v. 15.12.1998 – VIII R 74/97, BStBl. II 1999, 300. BFH v. 8.9.2006 – II B 42/05, BFH/NV 2007, 77.
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Die Spruchkörper und ihre Mitglieder
Rz. 460 II
erörtern und die mündliche Verhandlung nach Erörterung der Streitsache für geschlossen zu erklären (§ 93 Abs. 1, 3 FGO). – Dem Vorsitzenden obliegt darüber hinaus die Aufrechterhaltung der Ordnung in der Sitzung (§ 52 FGO i. V. m. § 176 GVG; s. auch II Rz. 611). – Der Vorsitzende leitet die Beratung, stellt die Fragen und sammelt die Stimmen (§ 52 FGO i. V. m. § 194 Abs. 1 GVG). – Der Vorsitzende unterzeichnet das Sitzungsprotokoll (§ 94 FGO i. V. m. § 163 Abs. 1 ZPO). – Der Vorsitzende kann gem. § 69 Abs. 3 FGO die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes aussetzen. Außerdem kann er in dringenden Fällen gem. § 114 Abs. 2 Satz 3 FGO eine einstweilige Anordnung erlassen. Gem. § 79a Abs. 1 FGO entscheidet der Vorsitzende, wenn die Entscheidung im 459 vorbereitenden Verfahren (also vor der mündlichen Verhandlung) ergeht, – über die Aussetzung und das Ruhen des Verfahrens (Nr. 1), – bei Zurücknahme der Klage, auch über einen Antrag auf Prozesskostenhilfe (Nr. 2), – bei Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache, auch über einen Antrag auf Prozesskostenhilfe (Nr. 3), – über den Streitwert (Nr. 4), – über die Kosten (Nr. 5), – über die Beiladung (Nr. 6). Außerdem kann der Vorsitzende ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid i. S. des § 90a FGO entscheiden (§ 79a Abs. 2 Satz 1 FGO). Gegen diesen Gerichtsbescheid ist ausschließlich der Antrag auf mündliche Verhandlung gegeben (§ 79a Abs. 2 Satz 2 FGO). Revision oder Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision sind nicht statthaft1. Ferner kann der Vorsitzende mit Einverständnis der Beteiligten auch sonst an Stelle des Senates entscheiden (vgl. § 79a Abs. 3 FGO; s. II Rz. 464). Ist ein Berichterstatter bestellt, so entscheidet dieser in den o. g. Fällen des § 79a Abs. 1–3 FGO an Stelle des Vorsitzenden (§ 79a Abs. 4 FGO).
4. Berichterstatter Bei der praktischen Bearbeitung der Verfahren kommt dem Berichterstatter eine 460 wichtige Funktion zu. Berichterstatter ist derjenige Berufsrichter, dem im konkreten Einzelfall die Aufgabe übertragen ist, alle Anordnungen zu treffen, die notwendig sind, um den Rechtsstreit möglichst in einer mündlichen Verhandlung zu erledigen (§ 79 Abs. 1 Satz 1 FGO). Der Berichterstatter unterliegt bei der
__________ 1 BFH v. 3.11.1993 – II R 77/93, BStBl. II 1994, 118; v. 27.1.2006 – II B 116/04, BFH/NV 2006, 908.
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II Rz. 461
Rechtsschutz vor dem Finanzgericht
Durchführung seiner vorbereitenden Maßnahmen nicht den Weisungen des Senatsvorsitzenden. Die Bestimmung zum Berichterstatter erfolgt durch den Vorsitzenden. In aller Regel ergibt sich der Berichterstatter bereits aus dem Senatsgeschäftsverteilungsplan. Einen solchen Geschäftsverteilungsplan hat gem. § 21g GVG der Senat jeweils vor Beginn des Geschäftsjahres für dessen Dauer zu beschließen (s. II Rz. 453). Die Bestellung zum Berichterstatter erfolgt in der Praxis unmittelbar nach Eingang der Klage. 461 Im Rahmen der Vorbereitung der mündlichen Verhandlung kann der Berichterstatter gem. § 79 Abs. 1 Satz 2 FGO insbesondere – die Beteiligten zur Erörterung des Sach- und Streitstandes und zur gütlichen Beilegung des Rechtsstreites laden (Nr. 1), – den Beteiligten die Ergänzung oder Erläuterung ihrer vorbereiteten Schriftsätze sowie die Vorlegung von Urkunden, die Übermittlung von elektronischen Dokumenten und die Vorlegung von anderen zur Niederlegung bei Gericht geeigneten Gegenständen aufgeben, insbesondere eine Frist zur Erklärung über bestimmte klärungsbedürftige Punkte setzen (Nr. 2), – Auskünfte einholen (Nr. 3), – die Vorlage von Urkunden oder die Übermittlung von elektronischen Dokumenten anordnen (Nr. 4), – das persönliche Erscheinen der Beteiligten anordnen (Nr. 5; durch die Bezugnahme auf § 80 FGO wird dem Berichterstatter auch die Möglichkeit eröffnet, für den Fall des Ausbleibens ein Ordnungsgeld anzudrohen und bei schuldhaftem Ausbleiben des Beteiligten durch Beschluss das angedrohte Ordnungsgeld festzusetzen), – Zeugen und Sachverständige zur mündlichen Verhandlung laden (Nr. 6). Die Beteiligten sind von jeder Anordnung, die der Berichterstatter trifft, zu benachrichtigen (§ 79 Abs. 2 FGO). Hierdurch soll erreicht werden, dass die Beteiligten über den jeweiligen Verfahrensstand Bilde sind. – In § 79 Abs. 3 FGO ist zusätzlich ausdrücklich vorgesehen, dass auch der Berichterstatter einzelne Beweise erheben kann. Dies darf allerdings nur insoweit geschehen, als es zur Vereinfachung der Verhandlung vor dem Gericht sachdienlich und von vornherein anzunehmen ist, dass das Gericht das Beweisergebnis auch ohne unmittelbaren Eindruck von dem Verlauf der Beweisaufnahme sachgemäß zu würdigen vermag. Es gelten die Vorschriften über die Beweisaufnahme (§§ 81 Abs. 1 Satz 2, 82 FGO; s. auch II Rz. 612 ff.). Darüber hinaus entscheidet der Berichterstatter gem. § 79a Abs. 4 i. V. m. § 79a Abs. 1 FGO, sofern die Entscheidung im vorbereitenden Verfahren ergeht, – über die Aussetzung und das Ruhen des Verfahrens (Nr. 1), – bei Zurücknahme der Klage, auch über einen Antrag auf Prozesskostenhilfe (Nr. 2), – bei Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache, auch über einen Antrag auf Prozesskostenhilfe (Nr. 3), 168
Die Spruchkörper und ihre Mitglieder
Rz. 464 II
– über den Streitwert (Nr. 4), – über die Kosten (Nr. 5), – über die Beiladung. Unter „vorbereitendem Verfahren“ ist das Verfahren bis zur mündlichen Ver- 462 handlung zu verstehen. Dies entspricht dem mit § 79a Abs. 1 FGO verfolgten Zweck, die Senate zu entlasten und dem Senat Entscheidungen lediglich dann vorzubehalten, wenn sie in oder aufgrund einer mündlichen Verhandlung vor dem Senat oder im Zusammenhang mit einem vom Senat erlassenen Gerichtsbescheid ergehen. Das vorbereitende Verfahren beginnt erneut, wenn nach dem Ende der mündlichen Verhandlung keine Endentscheidung ergeht (z. B. Vertagung), sondern zu einem späteren Zeitpunkt noch eine Entscheidung nach § 79a, Abs. 1 Nr. 1–5 FGO erforderlich wird1. Außerdem kann der Berichterstatter gem. § 79a Abs. 2 i. V. m. Abs. 4 FGO ohne 463 mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid i. S. des § 90a Abs. 1 FGO entscheiden. Gegen diesen Gerichtsbescheid im vorbereitenden Verfahren ist ausschließlich der Antrag auf mündliche Verhandlung gegeben. Revision oder Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision sind nicht statthaft2. In dieser Vorschrift ist zwar nicht ausdrücklich erwähnt, ob die mündliche Verhandlung vor dem Senat stattfinden muss. Aus dem Umstand aber, dass in § 79a FGO allein die Entscheidungsbefugnisse des Berichterstatters – und nicht die des Einzelrichters – geregelt sind, ist aber zu schließen, dass die mündliche Verhandlung vor dem Senat stattfinden muss. Mit Einverständnis der Beteiligten kann der Berichterstatter auch sonst an Stelle 464 des Senats entscheiden (§ 79a Abs. 3, 4 FGO). Das heißt, der Berichterstatter kann über die Klage auch als konsentierter Einzelrichter (s. II Rz. 457) durch Urteil allein entscheiden. Voraussetzung ist allerdings das ausdrückliche Einverständnis der Beteiligten. Die Einverständniserklärung ist Prozesshandlung und deshalb grundsätzlich weder anfechtbar noch widerrufbar. Insbesondere kann das Einverständnis nicht mit der Begründung widerrufen werden, man habe sich über die Person des Berichterstatters geirrt. Der Senat ist an die Einverständniserklärung nicht gebunden. Er kann also auch dann – als Senat – über die Klage entscheiden, wenn sich die Beteiligten ausdrücklich mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter einverstanden erklärt haben. Einstweilen frei.
465–475
__________ 1 BFH v. 20.10.1997 – VI B 244/95, BFH/NV 1998, 495; v. 4.5.1995 – VII B 193/94, BFH/NV 1995, 1021; vgl. auch Gräber/Koch, § 79a FGO Rz. 5. 2 BFH v. 3.11.1993 – II R 77/93, BStBl. II 1994, 118; v. 27.1.2006 – II B 116/04, BFH/NV 2006, 908. Gegen die vom Senat oder Einzelrichter i. S. des § 6 FGO in dieser Eigenschaft erlassenen Gerichtsbescheide sind als Rechtsbehelfe neben dem Antrag auf mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 Satz 1 FGO) im Falle ihrer Zulassung die Revision (§ 90a Abs. 2 Satz 2 FGO) und andernfalls die Nichtzulassungsbeschwerde gegeben.
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II Rz. 476
Rechtsschutz vor dem Finanzgericht
II. Amtsermittlungsprinzip/Untersuchungsgrundsatz 1. Grundsatz 476 Nach § 76 Abs. 1 FGO erforscht das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen (sog. Untersuchungsgrundsatz oder Amtsermittlungsprinzip). Dabei ist es an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden (§ 76 Abs. 1 Satz 4 FGO). Dies bedeutet: Das Finanzgericht ist gehalten, erforderlichenfalls unter Ausnutzung aller verfügbarer Beweismittel den Sachverhalt so vollständig wie möglich aufzuklären, damit eine Sachentscheidung gefällt werden kann1. Dies gilt auch dann, wenn der angefochtene Bescheid unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangen ist; die FGO beschränkt auch in diesem Fall die gerichtliche Prüfungspflicht nicht auf eine summarische oder kursorische Prüfung2. Allerdings setzt die Sachverhaltsermittlung durch das Gericht im Rahmen der Begründetheitsprüfung eine zulässige Klage voraus. Eine Klage, die das Klagebegehren nicht hinreichend bezeichnet, ist bereits unzulässig; eine Sachverhaltsermittlung durch das Gericht findet in diesem Fall nicht statt. Der Kläger muss zwar nicht die zur Begründung der Klage dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben (§ 65 Abs. 1 Satz 3 FGO). Dennoch obliegt es ihm, im Rahmen seiner prozessualen Mitwirkungspflicht, solches zu tun. 477 Das Gericht ist grundsätzlich nicht verpflichtet, ohne bestimmten Anlass, der sich nicht aus den Akten oder dem Vortrag der Beteiligten ergibt, allen möglichen Fragen von sich aus nachzugehen3. Die Pflicht des Gerichts, den entscheidungserheblichen Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln, gilt insoweit nicht unbegrenzt. Sie wird durch die Mitwirkungspflichten der Beteiligten begrenzt4. § 76 Abs. 1 FGO ist nicht dahin zu verstehen, dass das Gericht ohne jeden Hinweis der Beteiligten Ermittlungen anzustellen hat. Inhalt und Umfang der richterlichen Aufklärungspflicht stehen notwendig im Zusammenhang mit dem Vorbringen der Beteiligten. Der Steuerpflichtige darf sich im finanzgerichtlichen Verfahren nicht passiv verhalten. Er muss an der Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhalts aktiv mitwirken, wie sich aus § 76 Abs. 1 Sätze 2 und 3 FGO ergibt. Dies gilt umso mehr, wenn es sich um Tatsachen handelt, die das Gesetz bewusst in seine Beweislast (Feststellungslast) gestellt hat. Deshalb muss der Steuerpflichtige für von ihm behauptete Tatsachen Beweis antreten. Dies gilt in besonderem Maße für einen durch einen Bevollmächtigten vertretenen Kläger, denn das Finanzgericht darf darauf vertrauen, dass der Steuerpflichtige alles tut, um den Sachverhalt durch Tatsachen, Behauptungen und Beweisantritte einer Klärung zuzuführen. Deshalb kann der Kläger z. B. eine Verletzung der Aufklärungspflicht dann nicht geltend machen, wenn er im Verfahren vor dem Finanzgericht nach einer vom Gericht durchgeführten Beweisaufnahme keine weiteren Beweisanträge gestellt hat5.
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Vgl. BFH v. 3.11.1988 – III R 288-289/84, BFH/NV 1989, 507. BFH v. 10.5.1994 – IX R 26/89, BStBl. II 1994, 902. BFH v. 4.9.1984 – VIII B 157/83, BStBl. II 1984, 834. BFH v. 15.2.1989 – X R 16/86, BStBl. II 1989, 462; v. 28.11.2003 – III B 7/03, BFH/NV 2004, 645; v. 14.5.2007 – XI B 71/06, BFH/NV 2007, 1685. 5 Vgl. BFH v. 7.8.1974 – II R 177/73 BStBl. II 1975, 119.
170
Amtsermittlungsprinzip/Untersuchungsgrundsatz
Rz. 480 II
Von einer zur Aufhebung des entsprechenden Urteils führenden Verletzung der 478 Aufklärungspflicht kann nur dann ausgegangen werden, wenn das Gericht Tatsachen oder Beweismittel außer Acht lässt, die sich ihm nach Lage der Akten hätten aufdrängen müssen, besonders dann, wenn sie in das Verfahren eingeführt waren1. Das Gericht hat den Parteien allerdings weitgehend Hilfe zu leisten. Die Durchsetzung eines Rechts darf nicht an der Unbeholfenheit oder Rechtsunkenntnis einer Partei scheitern. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Partei nicht durch einen Steuerberater oder Rechtsanwalt vertreten wird. Diese Verpflichtung des Gerichts ergibt sich aus § 76 Abs. 2 FGO. Danach hat der Vorsitzende darauf hinzuwirken, dass ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt und alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden. Eine entsprechende Pflicht obliegt dem Berichterstatter im vorbereitenden Verfahren, wie sich aus § 79 Abs. 1 FGO ergibt. Der Mitwirkungspflicht des Klägers kommt insbesondere dann besondere Bedeu- 479 tung zu, wenn Tatsachen aufzuklären sind, die seiner Sphäre zuzuordnen sind. Deshalb hat die Rechtsprechung bei Auslandsbeziehungen eine erweiterte Mitwirkungspflicht des Steuerpflichtigen angenommen. Durch die erweiterte Mitwirkungspflicht wird gleichzeitig die Grenze für die Sachaufklärungspflicht des Gerichts abgesteckt. Diese Grenze wird dort gezogen, wo es sich um Verhältnisse handelt, die ohne Mitwirkung des Steuerpflichtigen nicht oder nur unter unverhältnismäßigen Schwierigkeiten ermittelt werden können2. Auch wenn das Finanzgericht wegen mangelnder Mitwirkung des Steuerpflichtigen nicht in der Lage ist, den Sachverhalt vollständig aufzuklären, ist es gehalten, die schon vorliegenden Nachweise und die ihm bekannten Umstände zu würdigen und bei seiner Sachentscheidung zu berücksichtigen3. Bei trotz entsprechender Aufforderung fehlender Klagebegründung verletzt das 480 Finanzgericht seine Aufklärungspflicht nicht, wenn es anhand seiner Akten die Entscheidung der Behörde auf Fehler tatsächlicher und rechtlicher Art nachprüft4. Man wird nicht beanstanden können, wenn sich das Finanzgericht bei fehlender Begründung, zumal dann, wenn der Steuerpflichtige durch einen Steuerberater oder Rechtsanwalt vertreten ist, in der Regel auf die rechtliche Nachprüfung beschränkt, es sei denn, dass das Finanzamt offensichtlich von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen ist5. Dies muss sich allerdings den Akten zweifelsfrei entnehmen lassen, so dass sich dem Gericht die Notwendigkeit weiterer Aufklärung aufdrängt6
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BFH v. 28.11.2003 – III B 7/03, BFH/NV 2004, 645. BFH v. 11.3.1997 – I B 123/95, BFH/NV 1997, 730. BFH v. 16.4.1980 – I R 75/78, BStBl. II 1981, 492. BFH v. 29.4.1999 – VII B 253/98, BFH/NV 1999, 1481. BFH v. 28.11.2003 – III B 7/03, BFH/NV 2004, 645; v. 7.12.2006 – IX B 50/06, BFH/NV 2007, 1135. 6 BFH v. 28.6.2006 – V B 199/05, BFH/NV 2006, 2098.
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II Rz. 481
Rechtsschutz vor dem Finanzgericht
481 Das Gericht darf auf die Erhebung eines von einem Beteiligten angebotenen Beweismittels (zum Beweisantragsrecht s. II Rz. 614 ff.) im Regelfall nur verzichten1, wenn – das Beweismittel für die zu treffende Entscheidung unerheblich ist, – die Richtigkeit der durch das Beweismittel zu beweisenden Tatsache zu Gunsten des betreffenden Beteiligten unterstellt werden kann, – das Beweismittel nicht erreichbar oder – das Beweismittel unzulässig oder absolut untauglich ist. Das Gericht darf allerdings den Antrag auf Vernehmung eines Zeugen nicht mit der Begründung ablehnen, das Gegenteil der vom Zeugen zu bekundenden Tatsache sei bereits erwiesen; darin würde eine unzulässige vorweggenommene Würdigung eines nicht erhobenen Beweises und damit eine Verletzung der Aufklärungspflicht liegen2. 482 Beweisergebnisse anderer Gerichtsverfahren dürfen im Wege des Urkundenbeweises in das finanzgerichtliche Verfahren eingeführt werden (§§ 81, 82 FGO i. V. m. § 415 ZPO)3. Das Finanzgericht kann sich daher Feststellungen aus einem in das finanzgerichtliche Verfahren eingeführten Strafurteil zu Eigen machen, es sei denn, dass die Beteiligten gegen die strafgerichtlichen Feststellungen substantiierte Einwendungen vortragen und entsprechende Beweisanträge stellen, die das Finanzgericht nicht nach den allgemeinen für die Beweiserhebung geltenden Grundsätzen unbeachtet lassen kann4. Von dem Beteiligten, der gegen die strafgerichtlichen Feststellungen Einwendungen erhebt, muss erwartet werden, dass er die Richtigkeit der Feststellungen nicht summarisch bestreitet. In welchem Maße eine Substantiierung entsprechender Einwendungen und Beweisanträge gefordert werden kann, hängt von der Art und Weise der Feststellungen im Strafurteil ab, gegen die sich der Beteiligte wendet. Beruhen die strafgerichtlichen Feststellungen auf Geständnissen eines Mitangeklagten, so bedarf es zur Substantiierung einer annehmbaren Erklärung, warum zu erwarten sei, dass dieser seine Aussagen ändern werde5. Empfehlung: Sofern ein Beteiligter oder sein Bevollmächtigter die in einem vom Finanzgericht beigezogenen Strafurteil enthaltenen Feststellungen nicht für richtig hält, sollte eindeutig und klar der Verwertung dieser Feststellung widersprochen und genau dargestellt werden, in welchen Punkten die tatsächlichen Feststellungen des Strafurteils falsch oder unvollständig sind. Außerdem sollte der nach Auffassung des Beteiligten richtige Sachverhalt dargelegt werden, ggf. mit entsprechenden Beweisanträgen. Hier wird deutlich, wie wichtig die Wahrnehmung des Rechts auf Akteneinsicht ist. Denn über den Inhalt der Strafakten bzw. eines Strafurteils kann man sich am besten durch Akteneinsicht unterrichten. Dabei muss das Gericht die Beteiligten über die
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Vgl. hierzu die st. Rspr., zuletzt BFH v. 1.2.2007 – VI B 118/04, BStBl. II 2007, 538 m. w. N. BFH v. 2.6.2003 – II B 49/02, BFH/NV 2003, 1340. BFH v. 23.1.1985 – I R 30/81, BStBl. II 1985, 305. Vgl. BFH v. 10.1.1978 – VII R 106/76, BStBl. II 1978, 311. Vgl. BFH v. 29.1.2007 – V B 160/6, V B 161/06, BFH/NV 2007, 759.
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Amtsermittlungsprinzip/Untersuchungsgrundsatz
Rz. 483 II
Beiziehung der Akten rechtzeitig vor der mündlichen Verhandlung informieren (zur Akteneinsicht s. II Rz. 521 ff.).
2. Verletzung von Mitwirkungspflichten Aus der gemeinsamen Verantwortung von Steuerpflichtigen einerseits und Finanz- 483 behörde sowie Finanzgericht andererseits für die vollständige Sachaufklärung folgt u. a., dass sich dann grundsätzlich die Ermittlungspflicht der Finanzbehörde (§ 88 Abs. 1 AO) oder die des Finanzgerichts (§ 76 Abs. 1 Sätze 1–4 und § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO) entsprechend mindert, wenn der Steuerpflichtige die ihm auferlegten Mitwirkungs-, Informations- oder Nachweispflichten verletzt. Kriterien und Ausmaß der Reduzierung der Sachaufklärungspflicht lassen sich dabei nicht generell festlegen, sondern nur von Fall zu Fall bestimmen. Dabei können nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs1 folgende Gesichtspunkte – mit je nach den Umständen des Einzelfalles unterschiedlicher Gewichtung – bedeutsam werden: – der Grad der Pflichtverletzung, – der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit; in diesem Zusammenhang auch Erwägungen der Prozessökonomie2, – der Gedanke der Zumutbarkeit der Mitwirkung für den Steuerpflichtigen3, – die gesteigerte Mitverantwortung aus vorangegangenem Tun, z. B. bei außergewöhnlicher Sachverhaltsgestaltung oder „ungeordneten Verhältnissen“4, – der Gedanke der Beweisnähe: Die Verantwortung des Steuerpflichtigen für die Aufklärung des Sachverhalts ist umso größer (die von Finanzbehörden und Finanzgerichten umso geringer), je mehr Tatsachen oder Beweismittel der von ihm beherrschten Informations- und/oder Tätigkeitssphäre angehören5. Die Verletzung abgabenrechtlicher Mitwirkungspflichten kann dann, wenn sie Tatsachen oder Beweismittel aus dem alleinigen Verantwortungsbereich des Steuerpflichtigen betrifft, sogar dazu führen, dass aus seinem Verhalten für ihn nachteilige Schlüsse gezogen werden. Solche Schlussfolgerungen können auch nicht bezifferbare Besteuerungsgrundlagen betreffen6. Beispiel7: Bei A werden ungeklärte Einlagen in Höhe von 50 000 Euro auf einem betrieblichen Bankkonto festgestellt. A macht keine Angaben dazu, wo diese Mittel herkommen. Das Finanzamt rechnet den entsprechenden Betrag den Betriebseinnahmen und den Umsätzen hinzu.
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1 BFH v. 15.2.1989 – X R 16/86, BStBl. II 1989, 462 m. w. N. 2 BFH v. 9.9.1986 – VIII R 100/83, BFH/NV 1987, 105, 106; v. 6.5.2005 – XI B 239/03, BFH/NV 2005, 1605. 3 BFH v. 21.1.1976 – I R 234/73, BStBl. II 1976, 513. 4 BFH v. 7.7.1983 – VII R 43/80, BStBl. II 1983, 760. 5 BFH v. 15.2.1989 – X R 16/86, BStBl. II 1989, 462; v. 9.5.2006 – XI B 104/05, BFH/NV 2006, 1801. 6 BFH v. 15.2.1989 – X R 16/86, BStBl. II 1989, 462 m. w. N. 7 Nach BFH v. 30.3.2006 – III B 56/05, BFH/NV 2006, 1485.
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II Rz. 484
Rechtsschutz vor dem Finanzgericht
Der Steuerpflichtige ist bei ungeklärten Bareinzahlungen auf ein betriebliches Bankkonto wegen der von ihm selbst hergestellten Verbindung zwischen Privat- und Betriebsvermögen bei der Prüfung, ob Einlagen gegeben sind bzw. wo die Mittel herkommen, verstärkt zur Mitwirkung verpflichtet. Bei Verletzung dieser Pflicht kann das Finanzgericht von weiterer Sachaufklärung absehen und den Sachverhalt dahin würdigen, dass unaufgeklärte Kapitalzuführungen auf nicht versteuerten Einnahmen beruhen.
3. Zurückweisung verspäteten Vorbringens a) Allgemeines 484 Die gerichtliche Aufklärungspflicht ist durch § 79b FGO nicht unerheblich eingeschränkt. Es würde einem zügigen Abschluss des Verfahrens entgegenstehen, wenn das Vorbringen der Beteiligten trotz Ablaufs einer ihnen gesetzten Frist vom Gericht stets zu berücksichtigen ist. Dies würde zu erheblichen Mehrbelastungen und Verzögerungen in der Bearbeitung der Verfahren durch die Finanzgerichte führen. So müssten z. B. mündliche Verhandlungen, an denen auswärtige ehrenamtliche Richter mitwirken, vertagt werden, weil Beteiligte erst im Termin die nur ihnen bekannten entscheidungserheblichen Tatsachen vortragen oder Beweismittel benennen. Durch § 79b FGO hat das Gericht deshalb die Möglichkeit, unter bestimmten Voraussetzungen verspätetes Vorbringen der Beteiligten zurückzuweisen. Diese Vorschrift ermöglicht es dem Vorsitzenden oder dem Berichterstatter, – dem Kläger eine Frist zur Angabe der Tatsachen, durch deren Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung im Verwaltungsverfahren er sich beschwert fühlt, zu setzen (§ 79b Abs. 1 FGO), – den Beteiligten unter Fristsetzung aufzugeben, zu bestimmten Vorgängen tatsächliche Angaben zu machen oder Beweismittel zu benennen (§ 79b Abs. 2 Nr. 1 FGO) und/oder Urkunden oder andere bewegliche Sachen vorzulegen, soweit der betreffende Beteiligte dazu verpflichtet ist (§ 79b Abs. 2 Nr. 2 FGO). 485 Die nach § 79b FGO gesetzte Frist kann als richterliche Ausschlussfrist bei Vorliegen erheblicher Gründe auf fristgerechten und glaubhaft gemachten Antrag verlängert werden (§ 54 Abs. 2 FGO i. V. m. § 224 Abs. 2 ZPO). Es empfiehlt sich, einen derartigen Antrag vorsichtshalber so rechtzeitig vor Ablauf der gesetzten Frist zu stellen, dass die Fristverlängerung noch in offener Frist vorgenommen werden kann1. Allein der Antrag auf Fristverlängerung macht diese Ausschlussfrist jedoch noch nicht hinfällig2, über den Antrag muss grundsätzlich entschieden werden (§ 54 Abs. 2 FGO i. V. m. § 225 Abs. 1 ZPO). 486 Nach § 79b Abs. 3 FGO gilt: Werden Erklärungen und Beweismittel nach Ablauf der gesetzten Frist vorgebracht, können sie vom Gericht zurückgewiesen werden und das Gericht kann ohne weitere Ermittlungen entscheiden, wenn
__________ 1 Vgl. dazu FG München v. 22.9.1999 – 2 K 4229/99, EFG 2000, 30. 2 BFH v. 9.6.1995 – VII B 20/95, BFH/NV 1996, 50.
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Amtsermittlungsprinzip/Untersuchungsgrundsatz
Rz. 489 II
– ihre Zulassung nach der freien Überzeugung des Gerichts die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde und – der Beteiligte die Verspätung nicht genügend entschuldigt und – der Beteiligte über die Folgen einer Fristversäumung belehrt worden ist und – wenn es für das Gericht nicht mit geringem Aufwand möglich ist, den Sachverhalt auch ohne Mitwirkung der Beteiligten selbst zu ermitteln. Durch die Möglichkeit der Zurückweisung verspäteten Vorbringens wird der Anspruch auf rechtliches Gehör inhaltlich stark begrenzt. Denn das Grundrecht auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) beinhaltet auch die Pflicht des Gerichts, die Ausführungen der Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und bei der Entscheidung in Erwägung zu ziehen. Das Recht auf rechtliches Gehör gewährt indessen keinen Schutz gegen Entscheidungen, die den Sachvortrag eines Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts teilweise oder ganz unberücksichtigt lassen1. Von Verfassungswegen sind deshalb im Interesse einer zügigen und ordnungsgemäßen Rechtsschutzgewährung Ausschlussfristen in den Verfahrensordnungen nicht zu beanstanden2. Die Fristsetzung nach § 79b FGO kann als prozessleitende Verfügung nicht mit 487 der Beschwerde angefochten werden
b) Voraussetzungen für die Zurückweisung In formeller Hinsicht erfordert § 79b FGO, dass die Frist durch Verfügung des 488 Vorsitzenden oder Berichterstatters gesetzt wird. Das bedeutet: Die entsprechende Anordnung des Vorsitzenden oder Berichterstatters muss von dem Betreffenden unterzeichnet sein. Außerdem muss eine beglaubigte Abschrift der fristsetzenden Verfügung dem Beteiligten förmlich zugestellt werden3. Erfüllt die Anordnung diese Voraussetzungen nicht, ist sie unwirksam. Eine Zurückweisung verspäteten Vorbringens kommt dann nicht in Betracht. Die Fristsetzung nach § 79b Abs. 1 FGO kann mit der Fristsetzung nach § 65 489 Abs. 2 FGO verbunden werden, um eine unnötige Verzögerung des Verfahrens zu vermeiden (79b Abs. 1 Satz 2 FGO). § 79b Abs. 1 FGO hat den Zweck, den äußeren Rahmen des Streitprogramms in tatsächlicher Hinsicht abzustecken; er dient der Substantiierung der Beschwer, nicht aber der Angabe von Tatsachen schlechthin, die bei der Entscheidung zu berücksichtigen sind. Dies folgt aus § 79b Abs. 2 FGO, der eine Fristsetzung zur Angabe von Tatsachen über § 79b Abs. 1 FGO hinaus vorsieht und anderenfalls überflüssig wäre4. Insofern stehen die in § 79b Abs. 1 und 2 FGO aufgeführten möglichen Gegenstände einer Fristsetzung in einem Rangverhältnis. Erst wenn die Tatsachen angegeben worden sind, durch deren Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung im Verwaltungsverfahren sich der Kläger beschwert fühlt, kann der Vorsitzende oder der
__________ 1 BFH v. 14.12.2006 – II B 23/06, BFH/NV 2007, 495; v. 3.6.2004 – VII B 295/03, BFH/NV 2004, 1415. 2 Vgl. BVerfG v. 2.12.1987 – 1 BvR 1291/85, BVerfGE 77, 275, 284 m. w. N. 3 So BFH v. 24.6.1999 – V R 1/99, BFH/NV 1999, 1616. 4 BFH v. 27.7.1999 – VIII R 55/98, BFH/NV 2000, 196.
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II Rz. 490
Rechtsschutz vor dem Finanzgericht
Berichterstatter einem Beteiligten unter Fristsetzung gem. § 79b Abs. 2 FGO aufgeben, zu bestimmten Vorgängen, die für das Gericht aus den gem. § 79b Abs. 1 FGO geforderten Angaben erkennbar geworden sind, Tatsachen anzugeben oder Beweismittel zu bezeichnen (Nr. 1) sowie Urkunden oder andere bewegliche Sachen vorzulegen (Nr. 2)1. Nach § 79b Abs. 1 FGO kann der Vorsitzende oder der Berichterstatter dem Kläger eine Frist setzen zur Angabe der Tatsachen, durch deren Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung im Verwaltungsverfahren er sich beschwert fühlt. Mit dieser Formulierung des Gesetzes wird klargestellt, dass das Gericht zunächst zum Tatsachenvortrag veranlassen kann, ohne hierbei zur Bezeichnung bestimmter aufklärungsbedürftiger Tatsachen verpflichtet zu sein. Zu einer derartigen Konkretisierung ist das Gericht regelmäßig nicht in der Lage, solange der Kläger noch nicht angegeben hat, wodurch er sich beschwert fühlt. Im weiteren Verlauf des Verfahrens kann das Gericht dann nach vorbereitender Bearbeitung des Falles nicht nur dem Kläger, sondern jedem Verfahrensbeteiligten aufgeben, die Angaben über bestimmte, vom Gericht zu bezeichnenden Vorgänge zu ergänzen oder Beweismittel beizubringen. Beispiel 1: Der Vorsitzende fordert den Kläger nach § 79b Abs. 1 FGO auf, die Klage innerhalb eines Monats zu begründen. Die Anordnung ist vom Vorsitzenden unterzeichnet und enthält eine Belehrung über die Folgen bei Fristversäumung. Trägt der Kläger in der mündlichen Verhandlung die entscheidungserheblichen Tatsachen vor, so kann sein Vorbringen nicht als verspätet zurückgewiesen werden. Die vom Vorsitzenden unterzeichnete Anordnung nach § 79b Abs. 1 FGO ist unwirksam, da sie nicht auf die Angaben von Tatsachen beschränkt ist2. Beispiel 2: Der Berichterstatter fordert den Kläger nach § 79b Abs. 1 FGO auf, die Tatsachen anzugeben, durch deren Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung im Verwaltungsverfahren er sich beschwert fühlt. Hierzu wird dem Kläger eine Frist von einem Monat gesetzt. Die Anordnung ist vom Berichterstatter unterzeichnet und enthält eine Belehrung über die Folgen einer Fristversäumung. Kommt der Kläger dieser Anordnung nicht fristgemäß nach und trägt er die entscheidungserheblichen Tatsachen erst in der mündlichen Verhandlung vor, so kann sein Vorbringen als verspätet zurückgewiesen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des § 79b Abs. 3 FGO vorliegen. Die allgemeine Aufforderung zum Tatsachenvortrag entspricht dem Wortlaut des § 79b Abs. 1 FGO und ist deshalb zulässig. 490 Für die Bezeichnung des Gegenstandes des Klagebegehrens bei einer Anfechtungsklage gegen einen Einkommensteuerbescheid ist es ausreichend, aber auch erforderlich, den Streitpunkt in allgemeiner gehaltener Form – z. B. durch genaue
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1 BFH v. 12.9.1995 – IX R 78/94, BStBl. II 1996, 16. 2 BFH v. 19.1.2007 – VII B 50/06, BFH/NV 2007, 946.
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Amtsermittlungsprinzip/Untersuchungsgrundsatz
Rz. 491 II
Benennung der nach Ansicht des Klägers zu Unrecht nicht berücksichtigten Abzugsbeträge, etwa bestimmter Betriebsausgaben so zu umreißen, dass er konkretisiert und von anderen denkbaren Streitpunkten abgrenzbar ist1. Ob der Kläger aber ausreichende Angaben zur Substantiierung seiner Beschwer i. S. des § 79b Abs. 1 FGO dargetan hat, ist letztlich eine Frage des Einzelfalles. Unter Hinweis auf die Maßgeblichkeit der Umstände des Einzelfalles hat der BFH es beispielsweise als ausreichende Darlegung i. S. des § 79b Abs. 1 FGO angesehen, wenn der Kläger innerhalb der Ausschlussfrist klar zum Ausdruck bringt, dass er sich durch die Abweichung von den eingereichten Steuererklärungen beschwert fühle2. Über die Bezeichnung des Klagebegehrens hinaus kann das Gericht nicht über § 79b Abs. 1 FGO die Bezeichnung weiterer Tatsachen verlangen, wenn aus der Einspruchsentscheidung, die der Klageschrift beigefügt ist, klar zu erkennen ist, dass eine Verletzung der Rechte i. S. des § 40 Abs. 2 FGO darin gesehen wird, dass das Finanzamt in fehlerhafter Weise den in der Einspruchsentscheidung festgestellten Sachverhalt einer bestimmten Norm zugeordnet hat, statt ihn einer anderen Norm zuzuweisen3. Kommt der Kläger der Verpflichtung aus § 79b Abs. 1 FGO zur Bezeichnung von Tatsachen zur Beschwer nicht nach, ist die Klage mangels Beschwer als unzulässig abzuweisen4. Empfehlung: Um insoweit kein Risiko einzugehen, sollte der Kläger bei einer Aufforderung nach § 79b Abs. 1 FGO jedenfalls darlegen, welche Tatsachen das Finanzamt seiner Entscheidung hätte zu Grunde legen müssen, aber nicht zu Grunde gelegt hat, um zum richtigen rechtlichen Ergebnis zu kommen. Nach § 79b Abs. 2 FGO kann das Gericht also einem Beteiligten unter Fristset- 491 zung nur aufgeben, zu bestimmten Vorgängen Tatsachen anzugeben oder Beweismittel zu bezeichnen sowie Urkunden oder andere bewegliche Sachen vorzulegen, soweit der Beteiligte dazu verpflichtet ist. Eine allgemeine Aufforderung zur Ergänzung von Angaben genügt den Anforderungen des § 79b Abs. 2 Nr. 1 FGO nicht. Die Aufforderung muss möglichst konkret formuliert sein und hinreichend deutlich machen, zu welchen Punkten der Richter ein weiteres Vorbringen für notwendig hält. Diesem Erfordernis genügt eine richterliche Verfügung nicht, die unter Bezugnahme auf einen Schriftsatz des Prozessgegners allgemein zu einer Stellungnahme und pauschal zur Vorlage von zahlreichen, vom Prozessgegner für erforderlich gehaltenen Unterlagen auffordert. Eine solche Bezugnahme kann allenfalls dann ausreichen, wenn für den Kläger eindeutig erkennbar ist, auf welche der vom Finanzamt angesprochenen Erklärungen sich die gerichtliche Verfügung bezieht5. Eine Aufforderung zur Vorlage von Steuererklärungen ist durch § 79b Abs. 2 FGO nicht gedeckt6. Eine Steuererklärung ist nämlich mehr als ein bloßer Tatsachenvortrag zu „bestimmten Vorgängen“, sondern eine
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BFH v. 13.6.1996 – III R 93/95, BStBl. II 1996, 483. BFH v. 21.5.1997 – I R 50/96, BFH/NV 1997, 870. BFH v. 27.7.1999 – VIII R 56/98, BFH/NV 2000, 198. BFH v. 8.3.1995 – X B 243-244/94, BStBl. II 1995, 417. BFH v. 25.4.1995 – IX R 6/94, BStBl. II 1995, 545. BFH v. 24.5.2000 – VI R 182/99, BFH/NV 2000, 1481; v. 19.11.2003 – I B 25/03, AO-StB 2004, 168.
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II Rz. 492
Rechtsschutz vor dem Finanzgericht
Wissenserklärung über die in der Steuererklärung aufgeführten Tatsachen, die zugleich rechtliche Schlussfolgerungen des Steuerpflichtigen enthält. 492 Gem. § 79b Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO können der Vorsitzende oder der Berichterstatter einem Beteiligten ferner eine Frist zur Bezeichnung von Beweismitteln oder zur Vorlage von Urkunden bzw. anderer beweglicher Sachen setzen, soweit der Beteiligte dazu verpflichtet ist. In der Verfügung ist genau zu bezeichnen, auf welche Punkte sich die Beweismittel beziehen sollen. Dabei setzt eine wirksame Fristsetzung nach dieser Vorschrift die Bezugnahme auf bestimmte aufklärungsbedürftige Tatsachen voraus1. Dies ist nur möglich, wenn der Beteiligte bereits die entscheidungserheblichen Tatsachen vorgetragen hat und lediglich den Beweisantritt schuldig geblieben ist. Hat der Kläger hingegen überhaupt noch keine die Klage begründenden Tatsachen vorgetragen, kommt eine Fristsetzung nach § 79b Abs. 2 FGO zur Bezeichnung von Beweismitteln nicht in Betracht. Das bedeutet: Dem Kläger muss in den Fällen, in denen noch keine die Klage begründenden Tatsachen vorgetragen worden sind, zunächst eine Frist nach § 79b Abs. 1 FGO zur Angabe von Tatsachen gesetzt werden. Kommt der Kläger dieser Aufforderung nach, kann erst im Anschluss daran unter Bezugnahme auf bestimmte aufklärungsbedürftige Punkte die Bezeichnung von Beweismitteln bzw. die Vorlage von Urkunden verlangt werden2.
c) Präklusion 493 Das FG kann gem. § 76 Abs. 3 i. V. m. § 79b Abs. 3 Satz 1 FGO Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf der wirksam gesetzten Frist oder im finanzgerichtlichen Verfahren vorgebracht werden, zurückweisen und ohne weitere Ermittlungen entscheiden, wenn – die Ausschlussfrist wirksam und ermessensfehlerfrei gesetzt worden ist (s. II Rz. 488 ff.), – der Beteiligte über die Folgen der Fristversäumung zutreffend belehrt worden ist (s. II Rz. 494), – die zurückgewiesenen Erklärungen und Beweismittel nach Ablauf der Frist vorgebracht worden sind (s. II Rz. 495), – ihre Zulassung nach der freien Überzeugung des Gerichts die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde (s. II Rz. 495) und – der Beteiligte die Verspätung nicht genügend entschuldigt (s. II Rz. 496) und – der Sachverhalt nicht mit geringem Aufwand vom Finanzgericht selbst bis zur Entscheidungsreife ermittelt werden kann (s. II Rz. 497). 494 Ist nach § 79b Abs. 1 und 2 FGO wirksam eine Frist gesetzt worden, kann eine Zurückweisung verspäteten Vorbringens bzw. eines verspäteten Beweisantritts trotz Fristablaufs nur dann erfolgen, wenn der Beteiligte über die Folgen einer
__________ 1 Vgl. BFH v. 14.1.1981 – I R 133/79, BStBl. II 1981, 443. 2 So BFH v. 28.4.1982 – I R 35/79, BStBl. II 1983, 42.
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Amtsermittlungsprinzip/Untersuchungsgrundsatz
Rz. 495 II
Fristversäumung belehrt worden ist (§ 79b Abs. 3 Nr. 3 FGO). Das Gericht muss den Kläger also darauf hinweisen, dass es Erklärungen und Beweismittel, die nach Ablauf der gesetzten Frist vorgebracht werden, zurückweisen und ohne weitere Ermittlungen entscheiden kann1. Die Belehrung muss zusammen mit der Fristsetzung erfolgen. Ist eine Belehrung unterblieben oder genügt sie diesen Anforderungen nicht, kann verspätetes Vorbringen bzw. ein verspäteter Beweisantritt nicht zurückgewiesen werden. Beispiel: Der Berichterstatter setzt dem Kläger nach § 79b Abs. 2 Nr. 1 FGO eine Frist von einem Monat zur Bezeichnung von Beweismitteln zu im Einzelnen aufgeführten streitigen Tatsachen. Bezüglich der Folgen einer Fristversäumung wird pauschal auf § 79b Abs. 3 FGO hingewiesen. Benennt der Kläger erst in der mündlichen Verhandlung nach Fristablauf Zeugen für die von ihm behaupteten, streitigen Tatsachen, kommt eine Zurückweisung nicht in Betracht, da der Kläger nicht ordnungsgemäß über die Folgen einer Fristversäumung belehrt worden ist. Das Gericht muss in einem solchen Fall die Sache vertagen. Weitere Voraussetzung für die Zurückweisung ist nach § 79b Abs. 3 Nr. 1 FGO, 495 dass ohne die Zurückweisung eine Verzögerung der Erledigung des Rechtsstreits eintreten würde. Eine Verzögerung tritt dann ein, wenn der Rechtsstreit bei Zulassung der verspäteten Erklärungen oder von Beweismitteln länger als bei deren Zurückweisung dauern würde2. Eine Verzögerung in diesem Sinne liegt nicht vor, wenn die mündliche Verhandlung zur gleichen Zeit oder in gleicher Weise wie bei rechtzeitigem Vorbringen durchgeführt werden kann. Beispiel: Dem Kläger ist vom Berichterstatter wirksam nach § 79b FGO eine Frist von vier Wochen zur Angabe der Tatsachen gesetzt worden, die das Gericht nach seiner Auffassung bei der Entscheidung hätte berücksichtigen müssen. Der Anordnung kam der Kläger nicht nach. Daraufhin bestimmte der Vorsitzende Termin zur mündlichen Verhandlung. In der mündlichen Verhandlung trägt der Kläger die klagebegründenden Tatsachen vor. In diesem Fall hat der Vorsitzende zunächst eine Erklärung des Beklagten über die vom Kläger vorgetragenen Tatsachen herbeizuführen. Bestreitet der Beklagte den Sachvortrag des Klägers nicht und hat das Gericht auch keine Veranlassung, an den Angaben des Klägers zu zweifeln, ist der Rechtsstreit entscheidungsreif. Eine Zurückweisung des Vorbringens des Klägers kommt nicht in Betracht. Eine Verzögerung der Entscheidung tritt in diesem Fall nicht ein. Bestreitet der Beklagte den Sachvortrag des Klägers, würde eine Verzögerung des Rechtsstreits eintreten, wenn noch weitere Aufklärungsmaßnahmen er-
__________ 1 BFH v. 16.1.2006 – VIII B 35/05, BFH/NV 2006, 957. 2 Vgl. BFH v. 10.6.1999 – IV R 23/98, BStBl. II 1999, 664; v. 14.12.2006 – II B 23/06, BFH/ NV 2007, 495.
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II Rz. 496
Rechtsschutz vor dem Finanzgericht
forderlich sind. In diesem Fall kommt eine Zurückweisung des Vorbringens des Klägers als verspätet in Betracht. Empfehlung: Sofern die Einhaltung einer Frist nach § 79b Abs. 1 oder 2 FGO aus irgendeinem Grunde nicht möglich war und ein Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt worden ist, kann der Kläger die Zurückweisung seines Vorbringens dann verhindern, wenn er 1. sämtliche klagebegründenden Tatsachen möglichst sofort, spätestens aber noch in der mündlichen Verhandlung vorträgt und 2. die notwendigen Beweismittel in der mündlichen Verhandlung präsentieren kann (z. B. Urkunden, präsente Zeugen) für den Fall, dass der Beklagte seinen Sachvortrag bestreitet. 496 Schließlich ist Voraussetzung für die Zurückweisung, dass der Beteiligte die Verspätung nicht genügend entschuldigt (§ 79b Abs. 3 Nr. 2 FGO). Nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes genügt zur Zurückweisung das Fehlen einer Entschuldigung. Das bedeutet: Es obliegt dem säumigen Beteiligten, ausreichende Entschuldigungsgründe vorzutragen. Eine Hinweispflicht des Finanzgerichts auf die Fristversäumnis und die Möglichkeit einer Entschuldigung besteht nicht1. Das Gericht hat die Voraussetzungen für ein Verschulden nicht von Amts wegen festzustellen oder nachzuweisen. Es kann sich darauf beschränken, die Glaubhaftmachung der vorgetragenen Entschuldigungsgründe zu fordern. Ob die Verspätung genügend entschuldigt ist, ist danach zu beurteilen, ob die nach den Umständen des Einzelfalls und den persönlichen Kenntnissen und Möglichkeiten erforderliche und zumutbare prozessuale Sorgfalt beachtet wurde. Dabei ist das Verschulden des gesetzlichen Vertreters und des Prozessbevollmächtigten dem säumigen Beteiligten zuzurechnen. Da der Verschuldensmaßstab dem der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entspricht, wird auf die entsprechenden Ausführungen zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verwiesen (s. II Rz. 396 ff.). 497 Die Zurückweisung verspäteten Vorbringens ist in den Fällen ausgeschlossen, in denen es dem Gericht mit geringem Aufwand möglich ist, den Sachverhalt auch ohne Mitwirkung des betreffenden Beteiligten zu ermitteln (§ 79b Abs. 3 Satz 3 FGO). Das Gericht muss also trotz Verletzung einer Mitwirkungspflicht von Amts wegen dann noch ermitteln, wenn andere zur Aufklärung geeignete Erkenntnismittel ohne weiteres greifbar sind. Welcher gerichtliche Ermittlungsaufwand noch als gering anzusehen ist, wird von den noch erforderlichen Ermittlungshandlungen abhängen. Ein geringer Aufwand dürfte dann zu bejahen sein, wenn ein Zeuge bekannt ist, von dem Aufschluss zu erwarten ist und der geladen werden kann. Umfangreiche und umständliche Beweisaufnahmen, insbesondere Betriebsprüfungen oder Sachverständigengutachten, die der Beteiligte bei sachgemäßer Mitwirkung ohne weiteres vermeiden könnte, braucht das Gericht nicht zu veranlassen. Geringer Ermittlungsaufwand für sich allein schließt allerdings die Zurückweisungsmöglichkeit
__________ 1 BFH v. 8.3.1995 – X B 243-244/94, BStBl. II 1995, 417; v. 7.5.2002 – X B 137/01, BFH/NV 2002,1459.
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Amtsermittlungsprinzip/Untersuchungsgrundsatz
Rz. 498 II
nicht aus. Hinzukommen muss vielmehr, dass die Ermittlungen auch ohne weitere Mitwirkung des säumigen Beteiligten möglich sind1. Die Zurückweisung verspäteten Vorbringens steht im Ermessen des Gerichts. Bei 498 der Ermessensausübung soll u. a. berücksichtigt werden, ob der Beteiligte rechtlich bewandert oder sachkundig vertreten ist, ferner die Dauer der Fristenüberschreitung, der Grad des Verschuldens sowie die Möglichkeit einer außergerichtlichen Erledigung2. Immer ist aber Voraussetzung für eine Zurückweisung, dass sich das Gericht selbst ordnungsgemäß verhalten hat. Eine Zurückweisung verspäteten Vorbringens ist deshalb ermessensfehlerhaft, wenn das Finanzgericht bei rechtzeitiger und sachgerechter Vorbereitung der mündlichen Verhandlung in der Lage gewesen wäre, die verspätet geltend gemachten Tatsachen und Beweismittel in der Verhandlung zu berücksichtigen3. Erkennt das Gericht, dass der verspätet vorgetragene Sachverhalt auch unter Berücksichtigung des Akteninhalts in einem entscheidungserheblichen Punkt unvollständig oder unklar ist, muss es die Maßnahmen ergreifen, die zur Klärung des Sachverhalts innerhalb der Frist bis zur mündlichen Verhandlung geeignet erscheinen4. Beispiel: Der Kläger wird vom Berichterstatter unter Fristsetzung gem. § 79b FGO aufgefordert, den von ihm erklärten Gewinn innerhalb eines Monats im Einzelnen zu erläutern. Der Kläger hält diese Frist nicht ein, legt aber nach drei Monaten zur Erläuterung den zwischenzeitlich erstellten Jahresabschluss vor. Das Gericht nimmt diesen ohne weitere Überprüfung zu den Akten und beraumt ein halbes Jahr später einen Termin zur mündlichen Verhandlung an. In dem Termin wird festgestellt, dass der nach Ablauf der Ausschlussfrist vorgelegte Jahresabschluss hinsichtlich verschiedener Positionen, insbesondere einer Teilwertabschreibung, weiter aufklärungsbedürftig ist. Hier muss – ggf. auch unter Vertagung der mündlichen Verhandlung – der Fall weiter aufgeklärt werden. Eine Zurückweisung des verspätet vorgelegten Jahresabschlusses wäre ermessensfehlerhaft und kommt deshalb nicht in Betracht. Um Verfahrensverzögerungen entgegenzutreten, musste das Gericht den Kläger rechtzeitig auf etwaige Bedenken hinweisen und den Beklagten rechtzeitig auffordern, in der Sache Stellung zu nehmen. Hierfür stand bis zur mündlichen Verhandlung genügend Zeit zur Verfügung5. In der Regel wird es nicht ermessenswidrig sein, wenn das Gericht den säumigen Beteiligten mit den ordnungsmäßig angedrohten Konsequenzen seiner Säumnis belastet und sein Vorbringen als verspätet zurückweist.
__________ 1 2 3 4 5
BFH v. 30.3.2005 – VI B 24/04, BFH/NV 2005, 1225. Vgl. BT-Drucks. 8/842, 14; BFH v. 29.9.2004 – IV B 58/03, n. v. BFH v. 17.2.2000 – I R 52-55/99, BStBl. II 2000, 354. BFH v. 10.6.1999 – IV R 23/98, BStBl. II 1999, 664. BFH v. 9.9.1998 – I R 31/98, BStBl. II 1999, 26; v. 30.11.2004 – IX B 29/04, BFH/NV 2005, 711.
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II Rz. 499
Rechtsschutz vor dem Finanzgericht
d) Sonderfall: Fristsetzung im Einspruchsverfahren 499 Nach § 76 Abs. 3 Satz 1 FGO kann das Finanzgericht Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf der vom Finanzamt nach § 364b Abs. 1 AO gesetzten Frist im Einspruchsverfahren oder im finanzgerichtlichen Verfahren vorgebracht werden, zurückweisen und ohne weitere Ermittlungen entscheiden. Nach § 76 Abs. 3 Satz 2 FGO findet § 79b Abs. 3 FGO entsprechende Anwendung. Dies führt zu einem für das Finanzgericht ausgesprochen umständlichen Verfahren: Hat das Finanzamt über den Einspruch unter Zurückweisung von Vorbringen nach § 364b AO entschieden (s. I Rz. 111 ff.) und wird dagegen Klage erhoben, hat das Gericht bei Prüfung der Begründetheit dieser Klage zunächst zu untersuchen, ob – die Ausschlussfrist vom FA wirksam und ermessensfehlerfrei gesetzt worden ist, – der Beteiligte über die Folgen der Fristversäumung zutreffend belehrt worden ist, – die zurückgewiesenen Erklärungen und Beweismittel nach Ablauf der Frist vorgebracht worden sind, – die Verspätung nicht genügend entschuldigt worden ist und – der Sachverhalt nicht mit geringem Aufwand vom Gericht selbst bis zur Entscheidungsreife ermittelt werden kann. Sind alle diese Fragen zu bejahen, setzt die Zurückweisung der Erklärungen oder Beweismittel weiter voraus, dass die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits nach der freien Überzeugung des Gerichts verzögern würde. Erst wenn das Gericht zu dieser Überzeugung kommt, liegt es in seinem pflichtgemäßen Ermessen, die Erklärungen oder Beweismittel zurückzuweisen. Das Gericht hat also eine eigene Ermessensentscheidung zu treffen, ob trotz rechtmäßiger Fristsetzung nach § 364b AO nachträgliches Vorbringen im Klageverfahren zu berücksichtigen ist oder nicht. Es wird allein durch die Kostenfolge des § 137 Satz 3 FGO verspätetes Vorbringen sanktioniert1. Damit ist die Fristsetzung nach § 364b AO durch die Finanzbehörde in der Praxis nahezu bedeutungslos, wenn später Klage erhoben wird. Empfehlung: Hat das Finanzamt im Einspruchsverfahren Erklärungen und Beweismittel nach § 364b Abs. 1 AO zurückgewiesen, sollte hiergegen unbedingt Klage erhoben werden, da die Fristsetzung durch die Finanzbehörde in der Praxis in diesen Fällen nahezu bedeutungslos ist, wenn die entsprechenden Erklärungen und Beweismittel im Klageverfahren vorgelegt bzw. benannt werden.
4. Beweislast (Feststellungslast) 500 Lässt sich der Sachverhalt nicht aufklären und ist von einer nicht behebbaren Ungewissheit („non liquet“) auszugehen, wird nach Beweislastgrundsätzen entschieden. Es ergeht ein sog. Beweislasturteil.
__________ 1 BFH v. 30.11.2004 – IX B 29/04, BFH/NV 2005, 711 m. w. N.; vgl. auch I Rz. 116 (Einspruchsverfahren).
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Vorbereitung der mündlichen Verhandlung
Rz. 516 II
Deshalb kommt es immer wieder darauf an, welchen der Beteiligten die objektive Beweislast (Feststellungslast) für die Unaufklärbarkeit des Sachverhalts trifft1. Die Verteilung der Feststellungslast beruht auf materiell-rechtlichen Regelungen und ist von Fall zu Fall unter Würdigung der einschlägigen Rechtsnormen und ihrer Zweckbestimmung zu beantworten2. Gesetzlich festgelegte Regeln gibt es insoweit nicht. Die Beweislastgrundregel lautet: Im Allgemeinen gilt für den Steuerprozess, dass das Finanzamt die objektive Beweislast für die den Steueranspruch begründenden Tatsachen trägt, während den Steuerpflichtigen die objektive Beweislast für diejenigen Tatsachen trifft, die die Steuerbefreiung oder Steuerermäßigung rechtfertigen oder die den Steueranspruch aufheben bzw. einschränken3. Der Steuerpflichtige trägt die Feststellungslast für eine von ihm behauptete betriebliche Veranlassung getätigter Aufwendungen4. Anhand vom Steuerpflichtigen darzulegender objektiver Tatsachen muss feststehen, dass geltend gemachte Aufwendungen in tatsächlichem oder wirtschaftlichem Zusammenhang mit einer konkreten Gewinnerzielungsabsicht angefallen sind und eine ggf. vorliegende private Mitveranlassung unbedeutend ist. Auf Verlangen sind entsprechende Nachweise bzw. Unterlagen vorzulegen5. Es kann auch aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung der Beweis des ersten 501 Anscheins für einen typischen Geschehensablauf sprechen6. Der Anscheinsbeweis kann dadurch entkräftet oder erschüttert werden, dass ein Sachverhalt dargelegt wird, der die ernstliche Möglichkeit eines anderen als des der allgemeinen Erfahrung entsprechenden Geschehensablaufs ergibt7. Eine Umkehr der Beweislast kann allenfalls in Betracht kommen, wenn die Un- 502 aufklärbarkeit des Sachverhalts auf ein vorwerfbares Verhalten des jeweils anderen Prozessbeteiligten zurückzuführen ist8. Einstweilen frei.
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III. Vorbereitung der mündlichen Verhandlung 1. Vorbereitende Schriftsätze Wie sich aus § 79 Abs. 1 Satz 1 FGO ergibt, soll das Verfahren vom Vorsitzenden 516 oder – was in der Praxis die Regel ist – vom Berichterstatter so vorbereitet wer-
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1 Vgl. hierzu Schmidt-Troje in Beermann/Gosch, § 96 FGO Rz. 62 ff. 2 BFH v. 20.3.1987 – III R 172/82, BStBl. II 1987, 679. 3 BFH v. 1.8.2007 – XI R 18/05, BFH/NV 2007, 2104; v. 2.6.2006 – IV B 3/05, BFH/NV 2006, 1652. 4 BFH v. 24.2.2000 – III R 59/98, BStBl. II 2000, 273. 5 BFH v. 24.2.2000 – III R 59/98, BStBl. II 2000, 273. 6 Vgl. BFH v. 2.6.2006 – IV B 3/05, BFH/NV 2006, 1652 für eine auch private Nutzung des Dienstwagens. 7 Z. B. BFH v. 14.5.1999 – VI B 258/98, BFH/NV 1999, 1330; v. 4.6.2004 – VI B 256/01, BFH/ NV 2004, 1416 m. w. N.; v. 11.7.2005 – X B 11/05, BFH/NV 2005, 1801; v. 27.10.2005 – VI B 43/05, BFH/NV 2006, 292. 8 Vgl. BFH v. 5.3.2007 – IX B 29/06, BFH/NV 2007, 1174.
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II Rz. 517
Rechtsschutz vor dem Finanzgericht
den, dass der Rechtsstreit möglichst in einer mündlichen Verhandlung zu erledigen ist. Zur Vorbereitung notwendig und zweckmäßig ist die Einreichung von Schriftsätzen seitens der Beteiligten (§ 77 Abs. 1 FGO). Hierzu können die Beteiligten vom Vorsitzenden oder Berichterstatter unter Fristsetzung angehalten werden. Den vorbereitenden Schriftsätzen sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden. Diese Schriftsätze werden den Beteiligten von Amts wegen zugestellt. Die Schriftsätze sollen unterschrieben sein (§ 155 FGO i. V. m. § 130 Nr. 6 ZPO). Sofern die Schriftsätze Anträge oder Prozesserklärungen der Beteiligten enthalten (sog. bestimmende Schriftsätze), ist die Schriftform zwingend vorgeschrieben (s. II Rz. 57 f.). Den Schriftsätzen sind die Urkunden, auf die Bezug genommen wird, in Urschrift oder in Abschrift ganz oder im Auszug beizufügen. Sind die Urkunden dem Gegner bereits bekannt oder sehr umfangreich, so genügt die genaue Bezeichnung mit dem Anerbieten, Einsicht bei Gericht zu gewähren (§ 77 Abs. 2 FGO). 517 Nach § 52a Abs. 1 und 2 FGO1 soll der elektronische Rechtsverkehr zwischen den Beteiligten und dem Gericht ermöglicht werden. Voraussetzung ist eine entsprechende Rechtsverordnung der Bundesregierung für den elektronischen Rechtsverkehr mit dem Bundesfinanzhof2 oder der jeweiligen Landesregierungen für den elektronischen Rechtsverkehr mit den einzelnen Finanzgerichten. Die Übersendung von Schriftsätzen per E-Mail ist nur dann rechtswirksam, wenn die einschlägige Rechtsverordnung dies vorsieht3. § 52a Abs. 1 Satz 3 und 4 FGO verlangen für Dokumente, für die die Schriftform vorgeschrieben ist, eine qualifizierte elektronische Signatur nach § 2 Nr. 3 des Signaturgesetzes bzw. die Einhaltung eines anderen sicheren Verfahrens, das die Authentizität und die Integrität des übermittelten elektronischen Dokuments sicherstellt. In § 52a Abs. 2 FGO ist bestimmt, dass ein elektronisches Dokument eingegangen ist, sobald die für den Empfang bestimmte Einrichtung des Gerichts es aufgezeichnet hat. Empfehlung: Bei § 77 Abs. 1 FGO handelt es sich nur um eine Soll-Vorschrift. Dies bedeutet, dass die Beteiligten nicht allein deshalb von einem weiteren Vortrag in der mündlichen Verhandlung ausgeschlossen sind, weil sie keine oder nur unzulänglich vorbereitende Schriftsätze ausgetauscht oder diesbezüglich gesetzte Fristen versäumt haben. Ob und in welchem Umfang die Beteiligten vorbereitende Schriftsätze einreichen sollten, richtet sich – unabhängig von einer etwaigen Aufforderung durch das Gericht – danach, ob noch weiteres Vorbringen im Hinblick auf die Sachentscheidung des Gerichts erforderlich und zweckmäßig ist. Dabei sollte sich jeder Beteiligte stets am Zweck der vorbereitenden Schriftsätze orientieren: Sie sollen in erster Linie dazu dienen, neue tatsächliche und rechtliche
__________ 1 I. d. F. von Art. 3 Nr. 2 des Gesetzes über die Verwendung elektronischer Kommunikationsformen in der Justiz (Justizkommunikationsgesetz) v. 22.3.2005, BGBl. I, 837, 844. 2 Einzelheiten zu dem beim BFH zu benutzenden Verfahren sind den Internetseiten des BFH (www.bundesfinanzhof.de, Stichwort „Elektronischer Rechtsverkehr“) zu entnehmen. 3 BFH v. 14.9.2005 – VII B 138/05, BFH/NV 2006, 104; Gräber/Stapperfend, § 52a FGO Rz. 3.
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Vorbereitung der mündlichen Verhandlung
Rz. 520 II
Gesichtspunkte in das Verfahren einzuführen und bei der Aufklärung des Sachverhalts durch exakte und ausführliche Tatsachenschilderung sowie Beweisangebote mithelfen.
2. Aktenvorlage Gem. § 71 Abs. 2 FGO hat das beklagte Finanzamt die den Streitfall betreffenden 518 Akten nach Empfang der Klageschrift an das Gericht zu übersenden. Der Kläger darf und muss deshalb davon ausgehen, dass dem Gericht die Steuerakten baldmöglichst zur Verfügung stehen, so dass das Gericht bereits bei der Vorbereitung der mündlichen Verhandlung Kenntnis vom Inhalt der Steuerakten besitzt. Deshalb erübrigt es sich für den Kläger, Ablichtungen von Verwaltungsvorgängen (Einspruchsschreiben, Korrespondenz mit dem Finanzamt, Betriebsprüfungsberichte – usw.) vorzulegen. Er sollte vielmehr hierauf Bezug nehmen und, falls dem Gericht die betreffenden Unterlagen nicht vorliegen sollten, es hierdurch zur Beiziehung der betreffenden Unterlagen veranlassen. Allerdings sollen dem Gericht nach § 65 Abs. 1 Satz 4 FGO bereits mit der Klage das Original oder eine Abschrift des angefochtenen Verwaltungsakts und der Einspruchsentscheidung vorgelegt werden (s. II Rz. 136). Das Finanzamt hat die den Streitfall betreffenden Akten vorzulegen, das sind die 519 Akten, deren Inhalt im Hinblick auf den Gegenstand des Rechtsstreits für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage erheblich sind. Dazu gehören nicht nur die eigentlichen Steuerakten, sondern – soweit vorhanden – auch Bilanzakten, Betriebsprüfungsakten, ggf. auch die Handakten des Betriebsprüfers oder Steuerfahndungsakten1. Das Finanzamt hat die Akten vollständig vorzulegen. Es ist – wie jede Behörde – nach § 86 Abs. 1 FGO zur Vorlage von Akten verpflichtet, soweit nicht durch das Steuergeheimnis (§ 30 AO) geschützte Verhältnisse Dritter unbefugt offenbart werden. Das bedeutet: Es dürfen keine Akten oder Aktenteile zurückbehalten werden. Dies gilt auch für etwaige interne Unterlagen wie Entwürfe, Gutachten, vorbereitende Arbeiten2. Befinden sich allerdings in den Steuerakten vertrauliche Mitteilungen von Hinweisgebern (Anzeigenerstatter usw.), so ist das Finanzamt grundsätzlich befugt, diese Aktenteile auszuheften und nicht vorzulegen. Hat das Gericht versehentlich von einer solchen vertraulichen Mitteilung Kenntnis erhalten, darf es diese Kenntnis nicht verwerten und nicht in die Entscheidungsfindung einfließen lassen3. Hält das Finanzamt Unterlagen zurück, so hat das Gericht im Rahmen seiner 520 Sachaufklärungspflicht darüber zu befinden, ob der Inhalt in Anbetracht des Gegenstandes des Rechtsstreits für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage wesentlich ist und deshalb die Vorlage im Rahmen der Beweiserhebung/Amtsermittlung anzuordnen ist4. Ggf. sollte der Steuerpflichtige bzw. sein Berater einen entsprechenden Antrag beim Gericht stellen. Weigert sich das Finanzamt,
__________ 1 2 3 4
BFH v. 25.7.1994 – X B 333/93, BStBl. II 1994, 862. So auch Tipke in Tipke/Kruse, § 86 FGO Rz. 3 m. w. N. BFH v. 25.7.1994 – X B 333/93, BStBl. II 1994, 802. BFH v. 26.6.1996 – X R 53/95, BFH/NV 1997, 293.
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II Rz. 521
Rechtsschutz vor dem Finanzgericht
Akten oder Aktenteile vorzulegen, so stellt nach § 86 Abs. 3 FGO n. F.1 auf Antrag eines Beteiligten (ausschließlich) der BFH in den Fällen des § 86 Abs. 1 und 2 FGO ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss fest, ob die Verweigerung der Aktenvorlage rechtmäßig ist2.
3. Akteneinsicht a) Einsichtnahme 521 Gem. § 78 Abs. 1 FGO können die Beteiligten die Gerichtsakten und die dem Gericht vorgelegten Akten einsehen. Diese Möglichkeit der Akteneinsicht ist Ausfluss des Grundrechtes auf rechtliches Gehör (Art. 103 GG)3. Das Gericht ist nicht verpflichtet, die Beteiligten auf ihr Recht zur Akteneinsicht hinzuweisen. Es hat die Beteiligten lediglich davon in Kenntnis zu setzen, wenn es Akten anderer Behörden oder Gerichte oder andere Akten des beklagten Finanzamts als die den Streitfall unmittelbar betreffenden Steuerakten hinzugezogen hat. Es ist auch nicht erforderlich, dass das Gericht dem Kläger mitteilt, welche Tatsachen die ihm vorgelegten Steuerakten enthalten und welche Teile aus diesen Akten es voraussichtlich verwerten wird. Der Kläger hat nämlich die Möglichkeit, in Ausübung seines Rechts auf Akteneinsicht von sich aus festzustellen, welche Akten dem Gericht vorliegen und was diese beinhalten4. Das Recht auf Akteneinsicht steht jedem Beteiligten und dem Bevollmächtigten zu. Auch Beigeladene haben also einen Anspruch auf Akteneinsicht, da sie gem. § 57 Nr. 3 FGO Beteiligte sind. Empfehlung: Von der Möglichkeit der Akteneinsicht wird in der Praxis erfahrungsgemäß zu wenig Gebrauch gemacht. Jedem Beteiligten bzw. Berater kann nur empfohlen werden, Einblick insbesondere in die Steuerakten zu nehmen, da gerade die Steuerakten häufig wesentliche Hinweise auf die Meinungsbildung innerhalb des Finanzamtes enthalten. Die Kenntnis dieser Umstände kann für die erfolgreiche Durchführung des Prozesses erhebliche Bedeutung gewinnen. So kann der Steuerpflichtige bzw. sein Berater gerade durch Einsichtnahme in die Steuerakten ihm günstige Tatsachen entdecken. Es kann für den Beteiligten prozessuale Nachteile zur Folge haben, wenn er die Akteneinsicht unterlässt. So kann er beispielsweise in einem Revisionsverfahren nicht geltend machen, dass ihm das rechtliche Gehör versagt worden sei, wenn das Gericht bei seiner Entscheidung aus den Akten ersichtliche, dem Beteiligten aber unbekannt gebliebene Tatsachen verwertet oder aber zu seinen Gunsten nicht verwertet5.
__________ 1 Eingefügt durch das Justizkommunikationsgesetz (JKomG) v. 22.3.2005, BGBl. I 2005, 837. 2 Vgl. dazu BFH v. 7.12.2006 – V B 163/05, BStBl. II 2007, 275. 3 BFH v. 22.5.2002 – VI B 2/02, BFH/NV 2002, 1168. 4 So st. Rspr., z. B. BFH v. 30.4.1998 – III B 3/98, BFH/NV 1999, 180; v. 20.12.2005 – V B 222/04, BFH/NV 2006, 774. 5 BFH v. 13.3.2007 – VI S 14/06, BFH/NV 2007, 1328.
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Vorbereitung der mündlichen Verhandlung
Rz. 524 II
Beispiel: Im Anschluss an eine Betriebsprüfung hat das Finanzamt einen Änderungsbescheid zu Ungunsten des Steuerpflichtigen mit der Begründung erlassen, die durch die Betriebsprüfung festgestellten Tatsachen seien nachträglich i. S. des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO bekannt geworden. Durch Einblick in die Steuerakten stellt der Steuerpflichtige aufgrund eines in den Akten befindlichen Vermerks fest, dass die behaupteten Tatsachen dem Finanzamt bereits bei der ursprünglichen Veranlagung bekannt gewesen waren. Die Einsichtnahme in die Steuerakten wird hier der Klage zum Erfolg verhelfen, weil die Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO für eine Änderung des ursprünglichen Steuerbescheides nicht vorlagen; die behauptete Tatsache war dem Finanzamt damit nicht nachträglich bekannt geworden. Das Recht auf Akteneinsicht erstreckt sich auf die Gerichtsakten sowie alle dem 522 Gericht vorgelegten Akten. Regelmäßig wird allerdings der Einblick in die Gerichtsakten für die Beteiligten uninteressant sein. Denn in aller Regel enthalten die Gerichtsakten die dem Beteiligten ohnehin bekannten eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie prozessleitende Verfügungen und Beschlüsse des Gerichts. Bei Versäumung einer Ausschlussfrist könnte allerdings die Einsichtnahme in die Postzustellungsurkunde interessant sein. Bestimmte Teile der Gerichtsakten können gem. § 78 Abs. 3 FGO nicht eingesehen werden, nämlich die Entwürfe von Urteilen, Beschlüssen und Verfügungen, die Arbeiten zu ihrer Vorbereitung, ferner die Dokumente, die Abstimmungen oder Ordnungsstrafen des Gerichts betreffen. Diese Vorschrift dient dem Schutz der richterlichen Unabhängigkeit und soll die durch das Beratungsgeheimnis geschützte Unbefangenheit bei der Urteilsfindung gewährleisten1. In § 78 Abs. 2 Sätze 2–4 FGO in der ab dem 1.4.2005 geltenden Fassung2 wird die 523 Akteneinsicht für die Fälle geregelt, in denen die Akten elektronisch geführt (§ 52b FGO n. F.) werden. Eine elektronische Aktenführung gibt es derzeit in der Finanzgerichtsbarkeit noch nicht, so dass hier weitere Ausführungen entbehrlich sind. Insoweit wird deshalb auf die einschlägige Kommentierung hierzu verwiesen3.
b) Ort der Einsichtnahme Die Einsichtnahme4 erfolgt in der Regel in den Räumen des Finanzgerichts. Sie 524 kann aber auch bei einem Finanzamt oder einem anderen Gericht vorgenommen werden. Erfahrungsgemäß pflegen die Gerichte die Akten auf Antrag dem Finanzamt oder etwa einem auswärtigen Amtsgericht zuzusenden, damit ein Beteiligter dort Akteneinsicht nehmen kann, falls ein entsprechender Antrag gestellt wird. In aller Regel werden einem Bevollmächtigten die Akten nicht in dessen Wohn-
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BFH v. 13.12.1973 – VII B 71/72, BStBl. II 1973, 253. JKomG v. 22.3.2005, BGBl. I 2005, 837, 845. Vgl. etwa Koch/Gräber, § 78 FGO Rz. 3, 8, 11, 14 f. Vgl. hierzu Koch/Gräber, § 78 FGO Rz. 9 und 10; Tipke in Tipke/Kruse, § 78 FGO Rz. 10–13.
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II Rz. 525
Rechtsschutz vor dem Finanzgericht
oder Geschäftsräumen überlassen. Die Entscheidung über einen entsprechenden Antrag des Bevollmächtigten ist eine Ermessensentscheidung des Gerichts. Nach Auffassung des Bundesfinanzhofs1 ist es nicht ermessensfehlerhaft, wenn das Gericht anordnet, dass die Einsichtnahme im Finanzgericht erfolgen soll. Es könne nämlich einem Bevollmächtigten oder Beteiligten zur Vermeidung von Verlustrisiken und im Interesse der ständigen Verfügbarkeit der Akten bei Gericht grundsätzlich zugemutet werden, sich zur Ausübung seines Rechts auf Akteneinsicht zum Gericht zu begeben. In Sonderfällen sind hiervon allerdings Ausnahmen geboten. Keine Sonderfälle sind allerdings: räumliche Enge, fehlende Kopiermöglichkeit, starke Arbeitsüberlastung des Prozessbevollmächtigten, Zeitaufwand für die Fahrt zum Gericht, größere Entfernung zwischen Gericht und Kanzlei bei bestehender Möglichkeit der Aktenübersendung an ein Gericht oder eine Behörde am Sitz des Bevollmächtigten2. Dagegen sind als Sonderfälle in der Rechtsprechung anerkannt worden: – körperliche Behinderung des Beteiligten oder seines Prozessbevollmächtigten, die eine Akteneinsicht bei Gericht unzumutbar erscheinen lassen3, oder, – wenn die einzusehenden Akten außergewöhnlich umfangreich und unübersichtlich sind und es dem Prozessbevollmächtigten deshalb innerhalb der Dienstzeiten des Gerichts auch bei intensivem Bemühen voraussichtlich nicht möglich sein wird, sich innerhalb eines angemessenen Zeitraums über den Akteninhalt zu informieren4. Empfehlung: Es empfiehlt sich, zur Durchführung der Akteneinsicht einen schriftlichen oder fernmündlichen Antrag bei dem Finanzgericht zu stellen und einen entsprechenden Termin zur Durchführung der Akteneinsicht zu vereinbaren. Andernfalls läuft man Gefahr, dass die Akteneinsicht bereits deshalb nicht durchgeführt werden kann, weil die Akten sich im Geschäftsgang befinden oder so schnell keine Entscheidung über die Akteneinsicht herbeigeführt werden kann. Ferner empfiehlt es sich, spätestens vor Durchführung der Akteneinsicht eine schriftliche Vollmacht vorzulegen, da dem vollmachtlosen Prozessvertreter keine Akteneinsicht gewährt werden darf.
c) Ausfertigungen, Auszüge, Ausdrucke, Abschriften 525 Gem. § 78 Abs. 2 Satz 1 FGO können die Beteiligten sich durch die Geschäftsstelle auf ihre Kosten Ausfertigungen, Auszüge, Ausdrucke und Abschriften erteilen lassen. Hierunter fallen nach einhelliger Auffassung auch Ablichtungen5. Ein Anspruch auf Abschriften usw. besteht allerdings nur insoweit, als die Erteilung von Abschriften usw. geeignet ist, die Prozessführung zu erleichtern. Denn
__________ 1 BFH v. 15.11.2004 – V B 182/04, BFH/NV 2005, 569. 2 BFH v. 11.6.2002 – V B 5/02, BFH/NV 2002, 1664. 3 BFH v. 24.3.1981 – VII B 64/80, BStBl. II 1981, 475; v. 11.10.1985 – III B 57/84, BStBl. II 1986, 227. 4 Z. B. BFH v. 29.3.2003 – III B 112/02, BFH/NV 2004, 210. 5 Tipke in Tipke/Kruse, § 78 FGO Rz. 14.
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Vorbereitung der mündlichen Verhandlung
Rz. 526 II
Zweck der Vorschrift ist es, den Beteiligten die zur ordnungsgemäßen Prozessführung nötigen Unterlagen zu sichern. Umfangreiche Abschriften oder Ablichtungen können deshalb ohne ein begründetes Interesse nicht verlangt werden, wenn ein Beteiligter sein Ziel auch durch Akteneinsicht erreichen kann. Aus § 78 Abs. 2 Satz 1 FGO lässt sich kein Anspruch auf Überlassung von Fotokopien der gesamten Gerichtsakten und der gesamten dem Gericht vorgelegten Akten ableiten1. Beispiel: Rechtsanwalt X stellt beim Finanzgericht den Antrag, ihm komplette Ablichtungen der Gerichtsakten sowie der dem Gericht vorgelegten Steuerakten einschließlich der Bilanzakten, Betriebsprüfungsakten und Betriebsprüferhandakten in seine Kanzlei zu übersenden. Ein solcher Antrag könnte als missbräuchlich abgewiesen werden, da nicht erkennbar ist, dass die Erteilung von Kopien der gesamten Akten geeignet und erforderlich ist, die Prozessführung zu erleichtern. X könnte sein Ziel vielmehr auch durch Akteneinsicht erreichen. Es bleibt dem X unbenommen, einen Antrag auf Akteneinsicht zu stellen und in diesem Zusammenhang die Übersendung der Akten an das Finanzamt oder ein zu seiner Kanzlei näher gelegenes Gericht (Amtsgericht, Landgericht) zu begehren. Eine Herausgabe der Gerichtsakten in die Wohnung oder die Geschäftsräume kommt grundsätzlich nicht in Betracht. Die Entscheidung über die Erteilung von Ablichtungen usw. trifft der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle. An seiner Stelle kann auch der Vorsitzende, der von ihm bestimmte Berichterstatter oder der Senat in voller Besetzung entscheiden2.
d) Rechtsbehelfe Lehnt das Gericht die beantragte Akteneinsicht oder die Erteilung von Ausferti- 526 gungen u. Ä. förmlich durch Beschluss ab, so ist gegen diese Entscheidung, die der Vorsitzende, der Berichterstatter oder der Senat treffen kann, die Beschwerde (§ 128 Abs. 1 FGO) gegeben. Das Gleiche gilt, wenn die Aktenübersendung in das Büro des Bevollmächtigten abgelehnt wird. Hier kann der Bevollmächtigte die Beschwerde auch im eigenen Namen erheben3. Bei Überprüfung der Ermessensausübung durch das Finanzgericht ist der BFH gehalten, eigenes Ermessen auszuüben4. Die bloße formlose Mitteilung des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, dass die Akten, in die Einsicht begehrt wird, dem Gericht noch nicht vorliegen, ist keine beschwerdefähige Entscheidung5.
__________ 1 BFH v. 5.2.2003 – V B 239/02, BFH/NV 2003, 800; vgl. auch Tipke in Tipke/Kruse, § 78 FGO Rz. 14. 2 Vgl. Gräber/Koch, § 78 FGO Rz. 13. 3 BFH v. 22.4.1997 – X B 62/97, BFH/NV 1997, 787. 4 BFH v. 25.9.2006 – VI B 136/05, BFH/NV 2007 86. 5 BFH v. 7.2.2005 – V B 62/04, V B 63/04, BFH/NV 2005, 1319.
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II Rz. 527
Rechtsschutz vor dem Finanzgericht
4. Erörterungstermin 527 Zur Erörterung des Sach- und Streitstandes kann der Vorsitzende oder der von ihm bestimmte Berichterstatter die Beteiligten zu einem Erörterungstermin laden (§ 79 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 FGO). Der Erörterungstermin hat den Zweck, mit den Beteiligten den Sach- und Streitstand zu erörtern und möglichst zu einer gütlichen Beilegung des Rechtsstreits zu gelangen (so ausdrücklich § 79 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 FGO). Dabei werden in der Praxis die tatsächlich und rechtlich bestehenden Probleme mit den Beteiligten diskutiert und so herausgearbeitet, dass ergänzende Stellungnahmen möglich und Lücken im Sachverhalt geschlossen werden können. Der Erörterungstermin hat auch eine Befriedungsfunktion: Vielfach führen gerade die bei einem Erörterungstermin geführten Rechtsgespräche zu einer einvernehmlichen Regelung zwischen den Beteiligten, so dass sich der Rechtsstreit ohne gerichtliche Entscheidung und ohne mündliche Verhandlung erledigt. 528 Die Erörterungstermine sind nicht öffentlich1. § 155 FGO i. V. m. § 169 GVG schreibt nur für die mündliche Verhandlung vor dem erkennenden Gericht einschließlich der Verkündung der Urteile und Beschlüsse die Öffentlichkeit des Verfahrens vor. Die Erörterungstermine können im Dienstzimmer des Richters, in einem Besprechungszimmer des Gerichts, im Finanzamt oder auch in einem Zimmer des örtlichen Amtsgerichts stattfinden. Bei einem großräumigen Finanzgerichtsbezirk kommt es häufig vor, dass die Berichterstatter ihre Erörterungstermine in einem Zimmer des beklagten Finanzamts oder des örtlichen Amtsgerichts abhalten. Wegen des damit verbundenen, teilweise nicht unerheblichen Zeitaufwands für An- und Abreise des Berichterstatters versucht dieser in solchen Fällen in aller Regel, an einem Tag mehrere Verfahren in einem Erörterungstermin zu erledigen. Die Beteiligten können auch per Videokonferenz gem. § 91a Abs. 2 FGO zugeschaltet werden (s. II Rz. 643 ff.). 529 In vielen Fällen wird der Berichterstatter im Rahmen eines Erörterungstermins einen Vorschlag zur Erledigung des Rechtsstreits unterbreiten. Ein solcher Vorschlag kann darin bestehen, dass – er dem Finanzamt den Erlass eines dem Antrag des Klägers entsprechenden Änderungsbescheides vorschlägt, – er den Kläger bzw. den Prozessbevollmächtigten fragt, ob die Klage nicht zurückgenommen werden soll, – er den Erlass eines Änderungsbescheides vorschlägt, mit dem dem Klagebegehren teilweise entsprochen wird. Die Beteiligten sollten den Vorschlag des Berichterstatters eingehend überdenken; denn der Vorschlag gibt zumindest die vorläufige Auffassung des Berichterstatters, der vielfach auch in internen Gesprächen mit den übrigen Senatsmitgliedern behandelt worden ist, wieder. Ggf. sollte um eine kurze Unterbrechung des Erörterungstermins gebeten werden, um sich über die Reaktion auf den Vorschlag des Berichterstatters klar zu werden. Sofern der Vorschlag des Berichterstatters nicht angenommen werden sollte, sollte unbedingt der eigene Rechts-
__________ 1 BFH v. 21.4.1986 – IV R 190/85, BStBl. II 1986, 568.
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Vorbereitung der mündlichen Verhandlung
Rz. 533 II
standpunkt noch einmal schriftsätzlich deutlich gemacht werden, wobei auch die Argumente des Berichterstatters berücksichtigt werden sollten. Ein Vergleich – etwa über die Höhe der Steuer – ist im finanzgerichtlichen Ver- 530 fahren nicht zulässig. Allerdings führt im Erörterungstermin häufig eine tatsächliche Verständigung der Beteiligten über bestimmte Besteuerungsgrundlagen, das heißt den Sachverhalt, der der Besteuerung zu Grunde zu legen ist, zum Abschluss des Verfahrens. Eine derartige tatsächliche Verständigung dient der Verfahrensbeschleunigung und dem Rechtsfrieden. Sie ist grundsätzlich zulässig und hat den Zweck, dass sich die Beteiligten hinsichtlich bestimmter Sachverhalte, deren Klärung schwierig, aber zur Festsetzung der Steuer notwendig ist, über den möglichst zutreffenden Besteuerungssachverhalt i. S. des § 88 AO einigen. Vergleiche über Steueransprüche sind demgegenüber wegen der Grundsätze der Gesetzmäßigkeit und Gleichmäßigkeit der Besteuerung nicht möglich1. Nicht zulässig ist ferner eine tatsächliche Verständigung über reine Rechtsfragen2. Für den Fall, dass dem beklagten Finanzamt der Erlass eines Änderungsbeschei- 531 des vorgeschlagen wird, gibt häufig der Vertreter des Beklagten zu Protokoll des Berichterstatters die Erklärung ab, dass das Finanzamt sich verpflichtet, einen entsprechenden Änderungsbescheid erlassen zu wollen. Eine solche Verpflichtungserklärung ist für das Finanzamt bindend. Deshalb sollte der Kläger bzw. sein Bevollmächtigter in einem derartigen Fall bereits im Erörterungstermin zu Protokoll den Rechtsstreit für erledigt erklären. Eine solche Erledigungserklärung wird vom Beklagten in der Regel ebenfalls abgegeben. Bei Abgabe der Erledigungserklärungen sollten die Beteiligten auch an die Kosten des Verfahrens denken und dem Gericht ggf. eine entsprechende Anregung geben, wie die Kosten verteilt werden sollen. Zwar ist das Gericht bei seiner Kostenentscheidung nicht an Vorschläge der Beteiligten gebunden, doch kann es die Anregung der Beteiligten nach billigem Ermessen berücksichtigen. Haben die Beteiligten Einvernehmen über die Kostenverteilung erzielt, so ist es in aller Regel billig, der Einigung der Beteiligten zu folgen3. Dabei kann sogar einer Anregung der Beteiligten gefolgt werden, die Gerichtskosten dem Finanzamt, das nach derzeitiger Gesetzeslage gerichtskostenfrei ist, und die außergerichtlichen Kosten den Klägern aufzuerlegen4. Über den Erörterungstermin wird eine Niederschrift aufgenommen, in der der 532 wesentliche Inhalt der Erörterungen sowie die ggf. abgegebenen prozessualen Erklärungen festgehalten sind.
5. Änderungsbescheid während des Klageverfahrens a) Fortsetzung des Verfahrens Wird der angefochtene Verwaltungsakt während des Klageverfahrens geändert, so 533 wird das Verfahren gegen den Änderungsbescheid fortgesetzt, ohne dass der Klä-
__________ 1 2 3 4
BFH v. 28.6.2001 – IV R 40/00, BStBl. II 2001, 714. BFH v. 31.3.2004 – I R 71/03, BStBl. II 2004, 742. BFH v. 7.12.1999 – VIII R 1/98, BFH/NV 2000, 596. BFH v. 23.5.1996 – III B 72/94, BFH/NV 1996, 846.
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II Rz. 534
Rechtsschutz vor dem Finanzgericht
ger irgendwelche Prozesserklärungen abgeben muss, Der Änderungsbescheid wird gem. § 68 Satz 1 FGO automatisch Gegenstand des Verfahrens, sofern er nach dem 31.12.2000 bekannt gegeben worden ist. Ein Einspruch ist gegen den während des Klageverfahrens ergangenen Änderungsbescheid nicht möglich (§ 68 Satz 2 FGO). Nach § 68 Satz 3 FGO hat die Finanzbehörde, das Gericht durch Übersendung einer Abschrift des neuen Verwaltungsakts über den Änderungsbescheid zu informieren. Wird nämlich vom Gericht noch über den bisherigen Verwaltungsakt in Unkenntnis des neuen Verwaltungsaktes entschieden, geht das Urteil „ins Leere“1. Es liegt ein wesentlicher Verfahrensmangel vor, der mit einer auf § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO gestützten Nichtzulassungsbeschwerde gerügt werden kann (s. III Rz. 43 ff.). Daneben wird in Betracht gezogen, ob als einfacherer Weg auch ein Antrag auf Ergänzung des Urteils gem. § 109 FGO in Betracht kommt2, der allerdings gem. § 109 Abs. 2 FGO nur binnen zwei Wochen nach Zustellung des Urteils gestellt werden kann. Empfehlung: Damit das Gericht nicht in Unkenntnis des neuen Verwaltungsakts über die gegen den ursprünglichen Verwaltungsakt erhobene Klage entscheidet und das Urteil damit „ins Leere“ geht, sollten der Kläger oder sein Bevollmächtigter auf jeden Fall das Gericht ebenfalls über den Änderungsbescheid informieren. b) Erledigung der Hauptsache 534 Entspricht der Änderungsbescheid in vollem Umfang dem Klagebegehren, so ist die Hauptsache materiell erledigt. Dies führt dazu, dass der Kläger sein Klagebegehren nicht im Nachhinein erweitern kann3. Empfehlung: Entspricht der Änderungsbescheid dem Klagebegehren in vollem Umfang, so muss eine Prozesserklärung abgegeben werden (Erledigungserklärung oder Klagerücknahme), da die Klage sonst wegen Wegfalls des Rechtsschutzinteresses auf Kosten des Klägers als unzulässig abgewiesen werden muss. Deshalb empfiehlt es sich für den Kläger zu überprüfen, wer die Kosten des Verfahrens zu tragen hat, und dementsprechend entweder die Hauptsache für erledigt erklären oder aber, was ggf. kostengünstiger sein kann, die Klage zurückzunehmen (s. II Rz. 538). 535 Entspricht der Änderungsbescheid dem Klagebegehren nur teilweise, so ist die Hauptsache an sich nicht erledigt. Es gibt es für den Kläger aber folgende Möglichkeiten: – Ist der Kläger mit dem Teiländerungsbescheid einverstanden, so sollte er – je nach Kostensituation (s. II Rz. 538) – die Hauptsache für erledigt erklären oder die Klage zurücknehmen. – Ist der Kläger mit dem Teiländerungsbescheid nicht einverstanden, so wird das Verfahren, ohne dass der Kläger eine Prozesserklärung abgeben muss, automatisch mit dem Änderungsbescheid fortgesetzt (s. II Rz. 533).
__________
1 Vgl. Spindler, DB 2001, 62, 65 unter Hinweis auf die st. Rspr. 2 So Spindler, DB 2001, 62, 65; Gräber/von Groll, § 68 FGO Rz. 106. 3 BFH v. 31.10.1990 – II R 45/88, BStBl. II 1991, 102.
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Vorbereitung der mündlichen Verhandlung
Rz. 538 II
– Gegen den Änderungsbescheid ist kein Einspruch möglich! Die Erledigungserklärung ist von der Klagerücknahme zu unterscheiden. Inso- 536 weit sollte vom Kläger eine eindeutige Prozesserklärung mit entsprechenden Kostenanträgen abgegeben werden, etwa wie folgt: Nach Ergehen des Änderungsbescheides vom … wird hiermit die Hauptsache für erledigt erklärt. Es wird beantragt, die Kosten dem beklagten Finanzamt aufzuerlegen. Ferner wird beantragt, die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären. Oder: Hiermit wird die Klage zurückgenommen. Der Kläger kann seine Erledigungserklärung bis zum Eingang der Erledigungserklärung des Beklagten widerrufen1. Denn die einseitige Erledigungserklärung eines Beteiligten bewirkt – anders als die Klagerücknahme – noch keine Beendigung des Rechtsstreits.
c) Klagerücknahme Der Kläger kann seine Klage jederzeit bis zur Rechtskraft des Urteils zurück- 537 nehmen (§ 72 Abs. 1 Satz 1 FGO). Das Verfahren wird dadurch beendet. Nach Schluss der mündlichen Verhandlung, bei beiderseitigem Verzicht auf mündliche Verhandlung i. S. des § 90 Abs. 2 FGO2 und nach Bekanntgabe eines Gerichtsbescheids ist die Rücknahme nur mit Einwilligung des beklagten Finanzamtes möglich (§ 72 Abs. 1 Satz 2 FGO). Diese Einwilligung wird in der Praxis aber regelmäßig erteilt. Die Rücknahmeerklärung ist als Prozesserklärung grundsätzlich unwiderruflich3, auch wenn die Einwilligung des Beklagten noch nicht vorliegt4. Bei einer Klagerücknahme hat der Kläger kraft Gesetzes immer die Kosten zu 538 tragen (§ 136 Abs. 2 FGO). Dabei kann eine Klagerücknahme kostengünstiger sein als eine Erledigung der Hauptsache. Allerdings empfiehlt sich die Klagerücknahme nur dann, wenn die Kosten des Verfahrens ohnehin dem Kläger ganz oder ggf. auch teilweise auferlegt werden müssten. Empfehlung: Bevor die Klage zurückgenommen wird, sollten der Kläger bzw. sein Berater sorgfältig prüfen, wer die Kosten des Verfahrens zu tragen hat. Ist davon auszugehen, dass aufgrund der prozessualen Situation die Kosten der beklagten Finanzbehörde auferlegt werden, sollte besser eine Erledigungserklärung abgegeben werden.
__________ 1 2 3 4
BFH v. 26.10.2006 – V R 40/05, BStBl. II 2007, 271. Gräber/Koch, § 72 FGO Rz. 24. BFH v. 26.10.2006 – V R 40/05, BStBl. II 2007, 271. Ebenso BFH v. 26.10.2006 – V R 40/05, BStBl. II 2007, 271; Gräber/Koch, § 72 FGO Rz. 19; von Wedel in Schwarz, § 72 FGO Rz. 17; a. A. Brandis in Tipke/Kruse, § 72 FGO Rz. 18; Stöcker in Beermann/Gosch, § 72 FGO Rz. 43.
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II Rz. 539
Rechtsschutz vor dem Finanzgericht
IV. Stillstand des Verfahrens 539 Das Verfahren kann durch Aussetzung, Ruhen oder Unterbrechung zum Stillstand kommen. Während des Stillstands sind Prozesshandlungen der Beteiligten, aber auch richterliche Handlungen unwirksam1.
1. Aussetzung des Verfahrens 540 Nach § 74 FGO kann das Klageverfahren wegen Vorgreiflichkeit eines anderen Verfahrens vom Gericht – grundsätzlich entscheidet hierüber der Vorsitzende oder Berichterstatter, § 79a Abs. 1 Nr. 1 FGO – ausgesetzt werden. Eine Aussetzung setzt danach voraus, dass die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder teilweise von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist. Liegen diese Voraussetzungen vor, kann das Gericht die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde aussetzen. Die Aussetzung eines anhängigen Klageverfahrens kommt nur in Betracht, wenn die Klage zulässig ist2 und auch nicht mehr in die Zulässigkeit hineinwachsen kann3. 541 Es handelt sich um eine Ermessensentscheidung des Gerichts. Eine Zustimmung oder ein Antrag der Beteiligten ist nicht erforderlich; allerdings können die Beteiligten eine Aussetzung des Verfahrens anregen. Dies kann auch noch in der mündlichen Verhandlung geschehen. Es ist regelmäßig geboten und zweckmäßig, dass das Finanzgericht den Streit um die Rechtmäßigkeit eines Folgebescheids aussetzt, solange noch unklar ist, ob und wie der angegriffene Grundlagenbescheid geändert wird4. Beispiel: A, wohnhaft in K, hat im Streitjahr Einkünfte aus einem in X betriebenen Gewerbebetrieb in Höhe von 30 000 Euro. Das Finanzamt X als Betriebstättenfinanzamt erkennt die geltend gemachten Betriebsausgaben nicht in voller Höhe an und erlässt für das Streitjahr einen Bescheid über die gesonderte Feststellung des Gewinns aus Gewerbebetrieb, in dem der Gewinn auf 38 000 Euro festgestellt wird. Hiergegen wendet sich A mit dem Einspruch. Kurze Zeit später erhält A von seinem Wohnsitzfinanzamt K einen Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr, in dem die Einkünfte aus Gewerbebetrieb mit 38 000 Euro berücksichtigt sind. Hiergegen legt A Einspruch ein. In der abschlägigen Einspruchsentscheidung verweist das Finanzamt K auf die bindende Wirkung des Gewinnfeststellungsbescheids als Grundlagenbescheid.
__________ 1 BFH v. 6.12.2005 – XI B 116/04, BFH/NV 2006, 951. 2 BFH v. 11.8.1999 – VIII B 113/98, n. v. 3 Z. B. bei einer Untätigkeitsklage, die zu früh erhoben worden ist, vgl. BFH v. 21.5.2007 – VI B 65/06, BFH/NV 2007, 1688. 4 St. Rspr., vgl. BFH v. 3.8.2000 – III B 179/96, BStBl. II 2001, 33; s. auch Tipke in Tipke/ Kruse, § 74 FGO Rz. 11; Gräber/Koch, § 74 FGO Rz. 12.
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Stillstand des Verfahrens
Rz. 544 II
A erhebt hiergegen Klage und verweist auf das Einspruchsverfahren gegen den Gewinnfeststellungsbescheid. Das Finanzgericht wird, wenn die Klage fristgerecht erhoben und auch sonst zulässig ist, das Verfahren gem. § 74 FGO bis zum Abschluss des Verfahrens über den Feststellungsbescheid aussetzen. Bei einem vor dem Bundesverfassungsgericht anhängigen Musterverfahren zur 542 Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit einer Norm ist das Verfahren gem. § 74 FGO bis zu einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auszusetzen1, wenn das Musterverfahren eine im Streitfall anzuwendende Norm betrifft und als nicht aussichtslos erscheint, zahlreiche Parallelverfahren vorliegen und keiner der Verfahrensbeteiligten ein besonderes berechtigtes eigenes Interesse an einer Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit der umstrittenen gesetzlichen Regelung hat. Darüber hinaus muss eine die Verfassungswidrigkeit bejahende Entscheidung des BVerfG entscheidungserhebliche Auswirkungen auf das auszusetzende Verfahren haben. Eine Verfahrensaussetzung scheidet aus, wenn selbst für den Fall, dass das BVerfG die einschlägige Steuerrechtsnorm für verfassungswidrig erklären würde, eine entscheidungserhebliche Auswirkung auf das Streitverfahren deshalb auszuschließen ist, weil allenfalls mit einer Unvereinbarkeitserklärung oder einer Änderungsverpflichtung des Gesetzgebers nur für die Zukunft zu rechnen ist. Allerdings kommt die Aussetzung des Klageverfahrens nicht schon allein deshalb in Betracht, weil in derselben Rechtsfrage ein Musterprozess vor dem Bundesfinanzhof anhängig ist2. Die Aussetzung eines Klageverfahrens wegen eines vor dem BFH anhängigen Musterverfahrens ist nur dann gerechtfertigt, wenn das Musterverfahren und das Klageverfahren hinsichtlich der entscheidungserheblichen Streitfrage im Wesentlichen gleich gelagert sind3. Die Aussetzungsentscheidung sowie die Ablehnung einer beantragten Ausset- 543 zung ergehen durch Beschluss. Hiergegen ist die Beschwerde gegeben (§ 128 Abs. 1 FGO). Wird die Aussetzung abgelehnt, kann dies auch im Urteil geschehen.
2. Ruhen des Verfahrens Gem. § 155 FGO i. V. m. § 251 Abs. 1 ZPO hat das Gericht das Ruhen des Verfah- 544 rens anzuordnen, wenn beide Parteien dies beantragen und anzunehmen ist, dass wegen Schwebens von Vergleichsverhandlungen oder aus anderen wichtigen Gründen diese Anordnung zweckmäßig ist. Die Anordnung des Ruhens des Verfahrens setzt einen Antrag auf Ruhen beider Beteiligter voraus4. Die Zustimmung ersetzt den Antrag5. Auch bei übereinstim-
__________ 1 Vgl. dazu ausf. BFH v. 28.3.2007 – VIII B 50/06, BFH/NV 2007, 1337 m. w. N. 2 BFH v. 15.3.2006 – X B 8/06, BFH/NV 2006, 1140; a. A. Gräber/Koch, § 74 FGO Rz. 15; Tipke in Tipke/Kruse, § 74 FGO Rz. 21. 3 BFH v. 15.3.2006 – X B 8/06, BFH/NV 2006, 1140. 4 BFH v. 31.10.2006 – I B 23/06, BFH/NV 2006, 2287. 5 BFH v. 27.10.1993 – X B 136/93, BFH/NV 1994, 389.
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II Rz. 545
Rechtsschutz vor dem Finanzgericht
mendem Antrag darf das Gericht die Verfahrensruhe allerdings nur dann anordnen, wenn diese zweckmäßig ist. Nach Ablauf von drei Monaten seit Wirksamwerden der Anordnung über das Ruhen kann jeder Beteiligte – ohne besonderen Grund – das Verfahren wieder aufnehmen (§ 155 FGO i. V. m. § 251 Abs. 2 Satz 1 ZPO).
3. Unterbrechung des Verfahrens 545 Die wichtigsten Fälle, in denen das Verfahren unterbrochen wird, sind die Unterbrechung – durch den Tod der Partei (§ 155 FGO i. V. m. § 239 ZPO) bis zur Aufnahme durch den Rechtsnachfolger, – durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Partei, sofern das Verfahren die Insolvenzmasse betrifft (§ 155 FGO i. V. m. § 240 ZPO – s. VI Rz. 44 ff.), – durch Verlust der Prozessfähigkeit oder des gesetzlichen Vertreters, ohne dass die Partei prozessfähig geworden ist (§ 155 FGO i. V. m. § 241 ZPO). Empfehlung: Findet in den Fällen des Todes oder des Verlustes der Prozessfähigkeit eine Vertretung durch einen Prozessbevollmächtigen statt – die Vollmacht wirkt auch über den Tod hinaus –, wird das Verfahren nicht unterbrochen. Allerdings kann der Bevollmächtigte einen Antrag stellen, das Verfahren auszusetzen. Beispiel: Die Löschung einer GmbH im Handelsregister gem. § 141a Abs. 1 FGG hat zur Folge, dass ihr bisheriger gesetzlicher Vertreter (Geschäftsführer) seine Vertretungsbefugnis (§ 35 Abs. 1 GmbHG) verliert. Die gelöschte GmbH gilt steuerrechtlich als fortbestehend und weiterhin als beteiligtenfähig1. Daher wird das gerichtliche Verfahren an sich gem. § 155 FGO i. V. m. § 241 Abs. 1 ZPO bis zur Bestellung eines Liquidators unterbrochen. Diese Unterbrechung des Verfahrens tritt gem. § 155 FGO i. V. m. § 246 Abs. 1 ZPO hingegen nicht ein, wenn die Gesellschaft durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten ist2.
V. Beiladung 546 Die Beiladung hat den Zweck, Personen, die weder Kläger noch Beklagte sind, am Prozess zu beteiligen, weil sie entweder an dessen Ausgang ein rechtliches Interesse haben oder die Entscheidung auch ihnen gegenüber wirken soll. Mit anderen Worten: Die Beiladung soll prozessökonomisch wirken und widersprüchliche Entscheidungen vermeiden. Sie soll ein besonderes Verfahren gegen Dritte erspa-
__________ 1 BFH v. 18.2.1993 – X B 165/92, BFH/NV 1994, 214. 2 BFH v. 16.4.2007 – I B 115/06, BFH/NV 2007, 1674.
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Beiladung
Rz. 548 II
ren und außerdem bewirken, dass der Beigeladene die Entscheidung gegen sich gelten lassen muss, weil sich die Rechtskraft der Entscheidung auch auf ihn erstreckt. Die Beiladung setzt also ein anhängiges gerichtliches Verfahren voraus. Sie ist deshalb erst zulässig, nachdem Klage erhoben worden ist. Andererseits ist eine Beiladung nicht mehr möglich, wenn ein Verfahren bereits beendet ist, sei es durch Klagerücknahme, sei es durch eine Erledigung in der Hauptsache. Voraussetzung für eine Beiladung ist nicht, dass die Klage zulässig ist. Jedoch kann in den Fällen, in denen eine Klage offensichtlich unzulässig ist, auch auf eine notwendige Beiladung verzichtet werden1.
1. Einfache Beiladung Das Gesetz unterscheidet in § 60 FGO zwischen der einfachen (§ 60 Abs. 1 FGO) 547 und der notwendigen Beiladung (§ 60 Abs. 3 FGO). Eine einfache Beiladung ist zulässig bei solchen Personen, deren rechtliche Interessen nach den Steuergesetzen durch die Entscheidung des Gerichts berührt werden. Das sind insbesondere solche Personen, die nach den Steuergesetzen neben den Steuerpflichtigen haften (§ 60 Abs. 1 Satz 1 FGO). Es reicht nicht aus, dass lediglich wirtschaftliche Interessen des Dritten berührt werden2. Beispiel: Ergeht gegen mehrere Gesamtschuldner ein einheitlicher Bescheid und erhebt nur einer der Gesamtschuldner Klage, so können die anderen Gesamtschuldner einfach beigeladen werden. Klagt bei einer Zusammenveranlagung nur ein Ehegatte, so kann der andere beigeladen werden. In der Praxis ist dies aber nicht üblich. Bei der einfachen Beiladung handelt es sich um eine Ermessensentscheidung des 548 Gerichts. Bei der Ausübung des Ermessens hat das Gericht stets auch die Interessen des klagenden Steuerpflichtigen zu berücksichtigen, insbesondere den Schutz des Steuergeheimnisses. Deshalb ist der Steuerpflichtige vor einer einfachen Beiladung zu hören, sofern er am Verfahren – als Kläger oder als bereits Beigeladener – beteiligt ist (§ 60 Abs. 1 Satz 2 FGO). Widerspricht der Kläger der Beiladung, so ist es in der Regel nicht ermessenswidrig, wenn die einfache Beiladung desjenigen abgelehnt wird, der ein den Belangen des Klägers entgegen gesetztes Interesse am Ausgang des Rechtsstreites hat3. Bei gegenläufigen Interessen des Beigeladenen und des Klägers ist eine Beiladung allerdings aufgrund des möglicherweise gegebenen Gewichts öffentlicher Belange und der Interessen der Hauptbeteiligten nicht grundsätzlich ausgeschlossen4.
__________ 1 BFH v. 8.12.2006 – VII B 243/05, BFH/NV 2007, 597. 2 BFH v. 28.6.2005 – IV B 174/03, BFH/NV 2005, 2009; Spindler in Hübschmann/Hepp/ Spitaler, § 60 FGO Rz. 33. 3 BFH v. 23.1.2004 – VII B 184/03, BFH/NV 2004, 795. 4 BFH v. 28.12.1998 – VII B 280/98, BFH/NV 1999, 815.
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II Rz. 549
Rechtsschutz vor dem Finanzgericht
Empfehlung: Die einfache Beiladung eines Dritten kann vom Kläger häufig dadurch verhindert werden, dass er der Beiladung widerspricht. 549 Das Unterlassen einer einfachen Beiladung (§ 60 Abs. 1 FGO) stellt keinen Verfahrensmangel i. S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO dar und hat lediglich zur Folge, dass die Entscheidung dem nicht Beigeladenen gegenüber keine Bindungswirkung hat1.
2. Notwendige Beiladung 550 Gem. § 60 Abs. 3 FGO ist derjenige zum Verfahren notwendig beizuladen, der an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt ist, dass die Entscheidung des Gerichts dem Kläger und ihm gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Der Verzicht eines Verfahrensbeteiligten auf die notwendige Beiladung ist unbeachtlich. Wegen ihrer Zugehörigkeit zur Grundordnung des Verfahrens steht die notwendige Beiladung nicht zur Disposition der Beteiligten, die möglicherweise andere Interessen als die Beizuladenden haben2. 551 Besondere Bedeutung besitzt die notwendige Beiladung bei einheitlichen Feststellungsbescheiden. Erheben hier nicht alle diejenigen, die nach § 48 FGO klagebefugt sind (s. I Rz. 330 Stichwort „Feststellungsbescheide“), gegen den einheitlichen Feststellungsbescheid Klage, so sind die Personen, die keine Klage erhoben haben, notwendig beizuladen. Das bedeutet: Klagebefugnis und notwendige Beiladung hängen voneinander ab. Hieraus folgt andererseits, dass ein Nichtklagebefugter auch nicht notwendig beigeladen werden kann. Beispiel 1: An der X-KG sind die Gesellschafter A als Komplementär und B als Kommanditist beteiligt. Nach einer Betriebsprüfung erhöhte das Finanzamt den Gewinn der KG für das Streitjahr von 100 000 Euro auf 200 000 Euro. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren gegen den entsprechenden Feststellungsbescheid erhebt A als vertretungsberechtigter Gesellschafter für die KG Klage. In dem Klageverfahren ist B als Kommanditist nicht nach § 60 Abs. 3 FGO notwendig beizuladen, da er nicht klagebefugt i. S. des § 48 Abs. 1 FGO ist. Hier geht es nur um die Höhe des Gewinns der Gesellschaft, nicht auch um die Gewinnbeteiligung des Kommanditisten B oder um ihn persönlich betreffende Fragen. Beispiel 2: Das Finanzamt lehnt es in einem negativen Feststellungsbescheid ab, für die X-KG – bestehend aus den Gesellschaftern A als Komplementär und B als Kommanditist – eine einheitliche Feststellung gewerblicher Einkünfte durchzuführen mit der Begründung, die KG betreibe keinen Gewerbebetrieb, denn es fehle ihr die Gewinnerzielungsabsicht. Es liege vielmehr sog. Liebhaberei vor. Hiergegen erhebt A nach erfolglosem Einspruchsverfahren Klage.
__________ 1 BFH v. 29.10.2002 – V B 186/01, BFH/NV 2003, 780. 2 BFH v. 19.6.2006 – VIII R 33/05, BFH/NV 2006, 1693.
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Beiladung
Rz. 553 II
Hier geht es um die Frage, ob eine Mitunternehmerschaft besteht und ob A und B Mitunternehmer sind. Klagebefugt i. S. des § 48 Abs. 1 FGO sind deshalb in einem solchen Fall neben dem zur Vertretung berufenen Geschäftsführer (§ 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO) alle übrigen Gesellschafter (§ 48 Abs. 1 Nr. 4 FGO)1. Das bedeutet: Da nur A Klage erhoben hat, ist der Kommanditist B gem. § 60 Abs. 3 FGO notwendig beizuladen. Allerdings hat nach ständiger Rechtsprechung des BFH eine – an sich gebotene – 552 Beiladung der übrigen klagebefugten Gesellschafter zu unterbleiben, wenn die Klage offensichtlich unzulässig ist oder wenn die nicht klagenden Gesellschafter unter keinem denkbaren Gesichtspunkt steuerrechtlich betroffen sind2. Dies ist dann der Fall, wenn die Entscheidung des Finanzgerichts keine Auswirkungen auf die Höhe des Gewinnanteils des nicht klagenden Gesellschafters haben kann3. Dies gilt z. B., wenn ausschließlich eine Frage des Sonderbetriebsvermögens des klagenden Gesellschafters streitig ist und dies keinen Einfluss auf den einem anderen Gesellschafter zugewiesenen Anteil am Gewinn oder Verlust der Mitunternehmerschaft hat4. Beispiel 1: Streitig ist, ob das in das Privatvermögen überführte Sonderbetriebsvermögen des klagenden Gesellschafters zu einem Aufgabegewinn geführt hat. Hier ist die Gesellschaft als solche notwendig beizuladen. Eine Beiladung der übrigen Mitgesellschafter kommt nicht in Betracht. Beispiel 2: Es ist lediglich die Höhe des Sonderbetriebsgewinns des Klägers – und damit mittelbar die Höhe des Gesamtgewinns der Gesellschaft –, nicht aber die Verteilung des Gewinns auf die Gesellschafter streitig. In einem derartigen Fall ist die Beiladung der anderen Gesellschafter nicht erforderlich5. Allerdings ist die Gesellschaft als solche notwendig beizuladen. Im Falle der Vollbeendigung einer Personengesellschaft erlischt die Vertretungs- 553 befugnis des Geschäftsführers, so dass er nicht mehr klagebefugt i. S. des § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO ist. Sowohl die Beteiligtenstellung als auch die Prozessführungsbefugnis und damit auch die Klagebefugnis (§ 48 Abs. 1 Nr. 2 FGO) gehen von der Personengesellschaft auf die durch den angegriffenen Bescheid beschwerten Gesellschafter über6. Wenn auch nur ein Gesellschafter Klage erhebt, sind die übrigen Gesellschafter grundsätzlich gem. § 60 Abs. 3 FGO notwendig beizuladen7. Nicht erforderlich ist allerdings die Beiladung einer aufgelösten und im Handelsregister gelöschten Komplementär-GmbH einer GmbH & Co. KG, der über ihren bisherigen Ergebnisanteil von 0 Euro hinaus noch Verlustanteile zuzu-
__________ 1 2 3 4 5 6 7
Vgl. BFH v. 6.5.1998 – IV B 141/96, BFH/NV 1999, 45. BFH v. 8.12.2006 – VII B 243/05, BFH/NV 2007, 597. BFH v. 4.5.1999 – VIII B 94/98, BFH/NV 1999, 1483. BFH v. 22.5.1990 – VIII R 120/86, BStBl. II 1990, 780. BFH v. 26.4.1995 – XI R 80/94, BFH/NV 1996, 37. BFH v. 4.10.2006 – VIII R 7/03, BFH/NV 2007, 145 m. w. N. BFH v. 4.5.1999 – VIII B 94/98, BFH/NV 1999, 1483.
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II Rz. 554
Rechtsschutz vor dem Finanzgericht
rechnen wären1. Tritt die Vollbeendigung im Laufe des Klageverfahrens ein, so wird das Verfahren gem. § 155 FGO i. V. m. § 239 ZPO unterbrochen und kann mit den nunmehr klagebefugten Gesellschaftern fortgesetzt werden. Sofern nicht alle nunmehr klagebefugten Gesellschafter das Verfahren als Kläger fortsetzen, sind die nicht klagenden ehemaligen Gesellschafter beizuladen. Eine Unterbrechung tritt allerdings dann nicht ein, wenn eine Vertretung durch einen Prozessbevollmächtigten stattgefunden hat (§ 155 FGO i. V. m. § 246 ZPO)2. 554 In § 60a FGO ist festgelegt, dass das Gericht in Fällen, in denen mehr als 50 Personen notwendig beizuladen sind, durch Beschluss anordnen kann, dass nur solche Personen beigeladen werden, die dies innerhalb einer bestimmten Frist beantragen3. Hierdurch wird dem Gericht die Möglichkeit verschafft, das Beiladungsverfahren abzukürzen und im Interesse der Beteiligten zu straffen. Die Grenze für die Anwendbarkeit dieser Bestimmung ist bei 50 Beteiligten gezogen. Der diesbezügliche Beschluss des Gerichts muss erkennbar machen, was für ein Verfahren anhängig ist, wie der Sachstand ist und warum die Beiladung notwendig ist. Außerdem ist ausdrücklich im Interesse der Beizuladenden festgelegt, dass der Beschluss des Gerichts im elektronischen Bundesanzeiger bekannt zu machen ist. Er muss darüber hinaus in Tageszeitungen veröffentlicht werden, die in dem Bereich verbreitet sind, in dem sich die Entscheidung voraussichtlich auswirken wird. Dabei bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles, durch welche Tageszeitung die Betroffenen am besten erreicht werden können. Hierfür werden meist überregionale Zeitungen in Betracht kommen. Zum Schutz der Betroffenen ist der Tag des Fristablaufs in den Tageszeitungen mitzuteilen. Das Gericht soll allerdings Personen, die von der Entscheidung erkennbar in besonderem Maße betroffen werden, von Amts wegen beiladen, auch wenn kein Antrag gestellt worden ist (§ 60a Satz 9 FGO). Der Beschluss, in dem das Gericht anordnet, dass nur solche Personen beigeladen werden, die dies innerhalb einer bestimmten Frist beantragen, ist unanfechtbar (§ 60a Satz 2 FGO).
3. Besondere Beiladung auf Antrag des Finanzamts 555 Die besondere Beiladung nach § 174 Abs. 5 i. V. m. § 174 Abs. 4 AO richtet sich nicht nach § 60 FGO. Hierfür ist erforderlich – ein Antrag des Finanzamts, – die Möglichkeit, dass ein Steuerbescheid wegen irriger Beurteilung eines Sachverhalts zu Gunsten des Steuerpflichtigen aufzuheben oder zu ändern ist und hieraus bei dem Dritten steuerliche Folgerungen zu ziehen sind bzw. dass die Möglichkeit einer Folgeänderung besteht4.
__________ 1 BFH v. 4.5.1999 – VIII B 94/98, BFH/NV 1999, 1483 unter Berufung auf BFH v. 16.12.1981 – I R 93/77, BStBl. II 1982, 474. 2 BFH v. 22.11.1988 – VIII R 90/84, BStBl. II 1989, 326; Gräber/Stapperfend, § 60 FGO Rz. 65. 3 S. dazu BFH v. 22.9.1999 – I B 66/98, BFH/NV 2000, 334. 4 BFH v. 14.12.2004 – I B 137/04, BFH/NV 2005, 835.
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Beiladung
Rz. 557 II
Allerdings erhält der nach diesen Vorschriften Beigeladene die Stellung eines notwendig Beigeladenen1.
4. Verfahren und Rechtsfolgen Die Beiladung geschieht gem. § 60 Abs. 1 und 3 FGO von Amts wegen oder auf 556 Antrag. Allerdings ist die notwendige Beiladung stets von Amts wegen durchzuführen. Ein etwaiger Antrag hätte hier nur die Bedeutung einer Anregung. Vor der einfachen Beiladung ist der Steuerpflichtige zu hören, wenn er am Verfahren beteiligt ist (§ 60 Abs. 1 Satz 2 FGO). Durch eine Beiladung gem. § 60 Abs. 3 Satz 1 FGO kann eine (sogar) bewusst unterlassene notwendige Hinzuziehung gem. § 360 Abs. 3 Satz 1 AO im Klageverfahren geheilt werden2 (s. I Rz. 166). Die Beiladung erfolgt durch einen mit Gründen versehenen Beschluss, in dem der Stand der Sache und der Grund der Beiladung angegeben werden sollen. Der Beschluss wird in der Regel außerhalb der mündlichen Verhandlung gefasst. Er ist allen Beteiligten zuzustellen. Gegen den Beschluss können die bisherigen Beteiligten sowie derjenige, der beigeladen worden ist, Beschwerde einlegen. Die Ablehnung einer von den Verfahrensbeteiligten beantragten Beiladung erfolgt normalerweise im Endurteil. Die Beteiligten können die abgelehnte und unterlassene Beiladung als Verfahrensfehler gem. § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO mit der Nichtzulassungsbeschwerde rügen; eine Beschwerde der Beteiligten ist insoweit nicht zulässig3. Hat ein Dritter als am finanzgerichtlichen Verfahren (noch) nicht Beteiligter seine Beiladung beantragt, so erfolgt die Ablehnung durch Beschluss oder im Endurteil. Die hiergegen eingelegte Beschwerde des Dritten ist zulässig4. Durch die Beiladung wird der Beigeladene Verfahrensbeteiligter. Das bedeutet, 557 dass er innerhalb der Anträge des Klägers bzw. Beklagten selbständig Angriffsbzw. Verteidigungsmittel geltend machen und alle Verfahrenshandlungen wirksam vornehmen kann (§ 60 Abs. 6 Satz 1 FGO). Im Falle einer notwendigen Beiladung kann er sogar abweichende Sachanträge stellen (§ 60 Abs. 6 Satz 2 FGO). Das bedeutet in der Praxis: – – – –
dem Beigeladenen sind alle Schriftsätze zuzustellen, er hat das Recht auf Akteneinsicht, er ist zu allen Terminen zu laden, Urteile und andere Entscheidungen sind ihm zuzustellen.
Der Beigeladene tritt in den Verfahrensstand ein, der zum Zeitpunkt der Beiladung besteht. Folglich sind frühere Prozesshandlungen ihm gegenüber nicht zu wiederholen. Außerdem kann eine Klage vom Kläger ohne Zustimmung oder Genehmigung des Beigeladenen zurückgenommen oder in der Hauptsache für erle-
__________ 1 BFH v. 8.1.1996 – X B 112/95, BFH/NV 1996, 589; v. 14.12.2004 – I B 137/04, BFH/NV 2005, 835. 2 BFH v. 28.10.1999 – I R 8/98, BFH/NV 2000, 579. 3 BFH v. 21.6.1994 – VIII B 5/93, BStBl. II 1994, 681. 4 BFH v. 21.6.1994 – VIII B 5/93, BStBl. II 1994, 681.
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II Rz. 558
Rechtsschutz vor dem Finanzgericht
digt erklärt werden. Der Kläger bleibt insofern „Herr des Verfahrens“. Ein rechtskräftiges Urteil bindet auch den Beigeladenen und seinen Rechtsnachfolger. 558 Unterbleibt die Beiladung, so hängt die rechtliche Folge davon ab, ob es sich um eine notwendige oder um eine einfache Beiladung gehandelt hätte. Unterbleibt die notwendige Beiladung, ist das Urteil gegenüber dem an sich Beizuladenden unwirksam. Auf die Revision hin kann das Urteil des Finanzgerichts allein aus diesem Grunde wegen eines Verfahrensfehlers aufgehoben und die Sache ohne weitere Sachprüfung durch den Bundesfinanzhof zur erneuten Entscheidung an das Finanzgericht zurückverwiesen werden1. Um unnötige Verfahrensverzögerungen zu vermeiden, lässt aber § 123 Abs. 1 Satz 2 FGO2 notwendige Beiladungen durch den BFH zu3. Damit kann der Verfahrensmangel noch im Revisionsverfahren geheilt werden. Allerdings steht es im Ermessen des BFH, ob er die Sache an das FG zur Nachholung der notwendigen Beiladung zurückverweist oder die Beiladung selbst vornimmt4. Sind weitere Tatsachenfeststellungen nicht erforderlich, kann die Sache vom BFH entschieden werden. Bei berechtigtem Interesse des Beigeladenen muss der BFH die Sache jedoch an das Finanzgericht zurückverweisen, etwa wenn der Beigeladene sich noch zu den vom Finanzgericht festgestellten Tatsachen äußern will (§ 126 Abs. 3 Satz 2 FGO; s. III Rz. 151). Wird die einfache Beiladung unterlassen oder abgelehnt, so hat dies zur Folge, dass der Beigeladene durch die Entscheidung nicht gebunden wird. Er kann also in einem von ihm angestrengten Prozess die gleichen Einwendungen, die der ursprüngliche Kläger in seinem Verfahren vorgebracht hat, nochmals erheben. 559–570 Einstweilen frei.
VI. Mündliche Verhandlung 571 Gem. § 90 Abs. 1 FGO entscheidet das Gericht grundsätzlich aufgrund mündlicher Verhandlung, soweit durch Urteil zu entscheiden ist. Andere Entscheidungen – wie z. B. alle Beschlüsse – können nach § 90 Abs. 1 Satz 2 FGO ohne mündliche Verhandlung ergehen. Bei ausdrücklichem Verzicht der Beteiligten kann gem. § 90 Abs. 2 FGO auch ohne mündliche Verhandlung entschieden werden (s. II Rz. 661 ff.). Gem. § 94a FGO kann das Gericht auch ohne einen ausdrücklich erklärten Verzicht von mündlicher Verhandlung absehen, wenn der Streitwert 500 Euro nicht übersteigt und kein Beteiligter die mündliche Verhandlung beantragt (s. II Rz. 664).
__________ 1 BFH v. 30.3.1999 – VIII R 15/97, BFH/NV 1999, 1468; Spindler in Hübschmann/Hepp/ Spitaler, § 60 FGO Rz. 130. 2 I. d. F. des 2. FGOÄndG v. 19.12.2000, BGBl. I 2000, 1757. 3 S. BFH v. 28.8.2001 – VIII R 9/01, BFH/NV 2001, 61. 4 BFH v. 19.6.2006 – VIII R 33/05, BFH/NV 2006, 1693.
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Mündliche Verhandlung
Rz. 575 II
1. Terminsbestimmung Der Termin zur mündlichen Verhandlung wird vom Vorsitzenden bzw. dem Ein- 572 zelrichter bestimmt (§ 155 FGO i. V. m. § 216 ZPO), und zwar sobald zu erwarten ist, dass der Rechtsstreit in einer mündlichen Verhandlung erledigt werden kann, also entscheidungsreif ist (§ 79 Abs. 1 Satz 1 FGO). Die in § 216 Abs. 2 ZPO festgelegte Verpflichtung, Termine unverzüglich zu bestimmen, gilt nicht für das finanzgerichtliche Verfahren. Denn dies würde der Bestimmung in § 79 Abs. 1 Satz 1 FGO zuwiderlaufen, wonach der Rechtsstreit möglichst in einer mündlichen Verhandlung zu erledigen ist. Daraus folgt, dass die Sache so weit aufbereitet sein muss, dass sie – bevor sie terminiert werden kann – voraussichtlich in einem Verhandlungstermin abgeschlossen werden kann.
2. Ladung Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung durch den Vorsitzenden be- 573 stimmt ist (Terminsbestimmung), sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen – beim Bundesfinanzhof von mindestens vier Wochen – zu laden (§ 91 Abs. 1 FGO). Im finanzgerichtlichen Verfahren wird das Recht auf Gehör u. a. durch die Notwendigkeit einer ordnungsgemäßen Ladung der Verfahrensbeteiligten zur mündlichen Verhandlung gewährleistet. Sie soll u. a. sicherstellen, dass die Beteiligten im Regelfall eine Zeitspanne von mindestens zwei Wochen zwischen dem Tag der Zustellung der Ladung und dem Termin zur mündlichen Verhandlung für die Vorbereitung auf den Termin zur Verfügung haben, damit sie imstande sind, sich in der mündlichen Verhandlung zur Wahrung ihrer Rechte angemessen zu äußern1. Steht einem Verfahrensbeteiligten diese Zeitspanne nicht zur Verfügung, weil die Ladung ihn nicht oder zu spät erreicht hat, so gibt ihm der Anspruch auf rechtliches Gehör ein Recht auf Aufhebung des Termins bzw. Vertagung der mündlichen Verhandlung. Die Ladung wird von Amts wegen durch die Geschäftsstelle bzw. Serviceeinheit 574 durchgeführt. Gem. § 53 Abs. 2 FGO ist die Ladung den Beteiligten nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung zuzustellen. Die Ladung muss einen bestimmten Inhalt haben: Sie muss neben der Angabe der ladenden Stelle, der Bezeichnung des Adressaten, des Gerichts, des Terminorts, des Sitzungssaales, des Terminzwecks und Terminzeitpunkts die Aufforderung enthalten, den Termin wahrzunehmen2. Außerdem ist gem. § 91 Abs. 2 FGO der Hinweis notwendig, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann. Ist die Ladung nicht ordnungsgemäß und sind die betreffenden Beteiligten nicht erschienen oder wird der Mangel gerügt, muss das Gericht den Termin aufheben oder vertagen3. Die Nichteinhaltung der Ladungsfrist und damit eine Verletzung des § 91 FGO 575 kann gem. § 155 FGO i. V. m. § 295 ZPO geheilt werden. Voraussetzung für eine
__________ 1 BFH v. 8.6.2005 – X B 54/04, BFH/NV 2005, 1620 m. w. N. 2 Vgl. Gräber/Koch, § 91 FGO Rz. 10; BFH v. 31.3.2000 – VII B 87/99, BFH/NV 2000, 1224. 3 BFH v. 8.6.2005 – X B 54/04, BFH/NV 2005, 1620.
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II Rz. 576
Rechtsschutz vor dem Finanzgericht
Heilung ist, dass der Beteiligte auf die Einhaltung des § 91 FGO verzichtet oder er in der nächsten mündlichen Verhandlung den Mangel nicht gerügt hat, obwohl er erschienen ist und ihm der Mangel bekannt war oder bekannt sein musste1. Ansonsten stellt die Nichteinhaltung der Ladungsfrist regelmäßig eine Versagung des rechtlichen Gehörs i. S. des § 119 Nr. 3 FGO gegenüber dem Beteiligten dar. 576 Gem. § 91 Abs. 1 Satz 2 FGO kann der Vorsitzende in dringenden Fällen die Ladungsfrist abkürzen. Dabei muss die abgekürzte Frist allerdings so bemessen sein, dass die Beteiligten den Termin wahrnehmen können. Eine Beschwerde ist gegen die Abkürzung der Ladungsfrist nicht zulässig, da es sich um eine Fristbestimmung i. S. des § 128 Abs. 2 FGO handelt2. Die Abkürzung der Ladungsfrist ist im finanzgerichtlichen Verfahren von geringer Bedeutung. Denn in den meisten Fällen wird erstmals nach ein bis zwei Jahren ein Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt. Hier sind kaum Fälle denkbar, in denen die Anberaumung des Termins nunmehr so dringend ist, dass die Ladungsfrist abgekürzt werden muss. 577 Unter Termin ist dabei nur der Terminstag, nicht jedoch die Terminsstunde zu verstehen. Sinn und Zweck der Ladungsfrist ist es, den Beteiligten Gelegenheit zu geben, sich auf die Verhandlung vorzubereiten. Dies gebietet keine erweiterte Auslegung der Vorschrift des § 91 Abs. 1 Satz 1 FGO auf die Terminsstunde. Gegen etwaige Unzumutbarkeiten, die aus einer kurzfristigen Neubestimmung der Terminsstunde resultieren können, sind die Beteiligten dadurch geschützt, dass sie ggf. Anspruch auf die Verlegung des Termins haben3.
3. Terminsänderung 578 Gem. § 155 FGO i. V. m. § 227 ZPO kann das Gericht aus erheblichen Gründen auf Antrag oder von Amts wegen einen Termin aufheben, verlegen oder eine Verhandlung vertagen. Dabei ist unter Aufhebung die Beseitigung eines Termins vor seinem Beginn durch den Vorsitzenden zu verstehen. Verlegung eines Termins ist die Bestimmung eines anderen Termins vor Beginn des anberaumten Termins durch den Vorsitzenden; sie schließt eine Terminsaufhebung ein. Unter Vertagung ist die Bestimmung eines neuen Termins nach Beginn der anberaumten Verhandlung durch den Senat zu verstehen. 579 Eine Terminsänderung kann nur aus erheblichem Grund erfolgen. Welche Gründe als erheblich anzusehen sind, richtet sich nach den Verhältnissen des Einzelfalls4. Der Prozessstoff und die persönlichen Verhältnisse des betroffenen Beteiligten und ggf. seines Prozessbevollmächtigten sind bei der Prüfung ebenso zu berücksichtigen wie der Umstand, dass das Finanzgericht die einzige Tatsacheninstanz ist und die Beteiligten ein Recht darauf haben, ihre Sache in einer münd-
__________ 1 BFH v. 13.6.2005 – I B 155/03, n. v.; v. 21.1.1981 – II R 81/79, BStBl. II 1981, 401. 2 BFH v. 30.7.2001 – VII B 78/01, BStBl. II 2001, 681. 3 BFH v. 31.3.2006 – IV B 138/04 BFH/NV 2006, 1490 unter Hinweis auf die herrschende Meinung; statt aller Zöller/Stöber, § 217 ZPO Rz. 1. 4 Vgl. dazu die Aufzählung bei Schallmoser in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 91 FGO Rz. 90 ff.
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Mündliche Verhandlung
Rz. 580 II
lichen Verhandlung vorzutragen1. Ausnahmsweise kann auch beim Vorliegen erheblicher Gründe die Ablehnung einer Terminsänderung ermessensgerecht sein, wenn offenkundig Prozessverschleppungsabsicht vorliegt oder wenn der Kläger seine prozessualen Mitwirkungspflichten in anderer Weise erheblich verletzt hat2. Die erheblichen Gründe, die für eine Terminsänderung geltend gemacht werden, sind auf Verlangen des Vorsitzenden bzw. auf Verlangen des Gerichts glaubhaft zu machen (§ 155 FGO i. V. m. § 227 Abs. 3 ZPO)3. Eine Tatsache ist glaubhaft gemacht, wenn aufgrund präsenter Beweismittel eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für einen bestimmten Geschehensablauf spricht4. Weitere Konsequenz einer solchen verfahrensrechtlichen Konstellation ist, dass verbleibende Zweifel zu Lasten desjenigen gehen, der die Änderung des Termins begehrt. Eine an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit ist allerdings nicht erforderlich. Zur Glaubhaftmachung (§ 155 FGO i. V. m. § 294 ZPO) kann sich der Beteiligte aller Beweismittel bedienen, auch einer Versicherung an Eides statt, wobei die eidesstattliche Versicherung nur subsidiäres Mittel zur Glaubhaftmachung ist5. Es dürfen allerdings nur sog. präsente Beweismittel angeboten werden, aufgrund deren der Beweis sofort und unmittelbar erbracht werden kann (§ 294 Abs. 2 ZPO). Hiervon zu unterscheiden ist die Frage, welche Anforderungen an die Begründung des Antrags auf Terminsänderung zu stellen sind: Die Begründung muss den erheblichen Grund für eine Terminsaufhebung schlüssig ergeben. Deshalb reicht es bei einem Aufhebungsantrag z. B. wegen Erkrankung nicht aus, wenn lediglich mitgeteilt wird, der Termin könne wegen einer Erkrankung nicht wahrgenommen werden. Erforderlich sind genaue Angaben zur Art der Erkrankung, damit das Gericht das Vorliegen eines erheblichen Grundes prüfen kann6. Als erheblicher Grund für eine Terminsänderung kommen in Betracht:
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– ein geplanter Urlaub. Er muss aber in seiner Planung so ausgestaltet sein, dass die Wahrnehmung des gerichtlichen Termins während dieser Zeit nicht zumutbar ist. Ein erheblicher Grund ist deshalb nur dann ausreichend dargelegt, wenn nicht nur vorgetragen wird, dass es sich um einen Urlaub handelt, der im Zeitpunkt der Zustellung der Ladung bereits verbindlich geplant war, sondern auch das Urlaubsziel so präzise genannt wird, dass das Gericht beurteilen kann, ob eine Wahrnehmung des Termins trotz des Urlaubs unzumutbar ist7; – Krankheit des nicht vertretenen Klägers oder seines Bevollmächtigten. Erforderlich ist jedoch, dass die geltend gemachten Krankheitsgründe rechtzeitig beim Gericht vorgebracht und glaubhaft gemacht werden. Ein erheblicher
__________ 1 BFH v. 10.4.2007 – XI B 58/06, n. v.; v. 4.5.1994 – IX R 104/92, BFH/NV 1995, 46. 2 BFH v. 3.11.2003 – III B 55/03, BFH/NV 2004, 506; v. 17.5.2000 – IV B 86/99, BFH/NV 2000, 1353. 3 BFH v. 4.5.1994 – X R 104/92, BFH/NV 1995, 46. 4 S. z. B. BFH v. 23.11.1994 – X B 23/94, BFH/NV 1995, 625; v. 3.7.2000 – VI B 223/99, BFH/NV 2000, 1491; v. 27.9.2001 – X R 66/99, BFH/NV 2002, 358; Gräber/Stapperfend, § 56 FGO Rz. 45. 5 BFH v. 13.10.2005 – IV B 21/05, BFH/NV 2006, 328. 6 BFH v. 10.4.2007 – XI B 58/06, n. v. 7 BFH v. 27.4.2005 – X B 130/04, BFH/NV 2005, 1596.
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II Rz. 580
Rechtsschutz vor dem Finanzgericht
Grund liegt auch regelmäßig bei einer plötzlichen und nicht vorhersehbaren Erkrankung vor, die den Beteiligten an der Wahrnehmung eines Termins zur mündlichen Verhandlung hindert. Wird ein Terminsverlegungsantrag jedoch erst kurz vor dem anberaumten Termin gestellt und mit einer plötzlichen Erkrankung begründet, ist der Beteiligte verpflichtet, die Gründe für die Verhinderung so anzugeben und zu untermauern, dass das Gericht die Frage, ob der Beteiligte verhandlungs- und reiseunfähig ist oder nicht, selbst beurteilen kann. Ein für diesen Zweck vorgelegtes privatärztliches Attest muss deshalb die Verhandlungsunfähigkeit eindeutig und nachvollziehbar ergeben1. Im Fall der Erkrankung eines anwaltlich vertretenen Beteiligten muss zudem die Notwendigkeit seiner Anwesenheit im Termin substantiiert dargelegt und glaubhaft gemacht werden2; – Verhinderung des Klägers bzw. seines Prozessbevollmächtigten wegen eines gleichzeitig stattfindenden Gerichtstermins, der früher anberaumt worden ist3; – Verhinderung des sachbearbeitenden Prozessbevollmächtigten aus den vorherigen Gründen, sofern die Prozessvollmacht nicht einer Sozietät erteilt worden ist und der betreffende Termin durch ein anderes Mitglied der Sozietät sachgerecht wahrgenommen werden kann. Zwar kann ein Prozessbevollmächtigter dann nicht auf die Möglichkeit einer anderweitigen Terminsvertretung verwiesen werden, wenn die Wahrnehmung des Termins durch eine andere Person als den zuständigen Sachbearbeiter nicht zumutbar ist. Solche Besonderheiten müssen indessen, sofern sie nicht offenkundig sind, im Einzelnen vorgetragen werden. Dazu ist nicht ausreichend, pauschal auf die „besondere Komplexität“ oder „bestimmte Eigentümlichkeiten“ des Verfahrens zu verweisen4, vor allem wenn die Einarbeitung durch ein anderes Mitglied der Sozietät zeitlich noch möglich und der Prozessstoff vom Umfang her überschaubar ist5; – unverschuldeter Bevollmächtigtenwechsel, wenn es sich in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht um eine schwierige Sache handelt und der Wechsel kurz vor der mündlichen Verhandlung stattfindet. Insbesondere stellt ein Anwaltswechsel vor der mündlichen Verhandlung nur dann einen Grund zur Vertagung dar, wenn er nicht durch die Prozesspartei verschuldet ist oder jedenfalls aus schutzwürdigen Gründen erforderlich ist6. In dem Verlegungsantrag ist eindeutig darzulegen, wann die Mandatsniederlegung erfolgt ist. Ferner muss sich aus dem Antrag auch aufgrund tatsächlicher, nachvollziehbarer Angaben ergeben, warum der Wechsel stattgefunden hat, damit das Finanzgericht in der Lage ist zu beurteilen, ob der Wechsel durch den Kläger verschuldet war; – fehlerhafte Ladung (s. oben II Rz. 574 f.).
__________ 1 2 3 4 5 6
St. Rspr., z. B. BFH v. 16.10.2006 – I B 46/06, BFH/NV 2007, 254. BFH v. 4.4.2006 – VII B 196/05, BFH/NV 2006, 1494. BFH v. 12.1.2004 – VII B 122/03, BFH/NV 2004, 654. BFH v. 7.4.2004 – I B 111/03, BFH/NV 2004, 1282. BFH v. 17.3.1988 – VII R 124/87, BFH/NV 1988, 719. BFH v. 22.4.2005 – III B 121/04, BFH/NV 2005, 1373.
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Mündliche Verhandlung
Rz. 583 II
Nicht als erhebliche Gründe, die eine Terminsänderung rechtfertigen könnten, 581 werden anerkannt: – das Ausbleiben eines Beteiligten oder die Ankündigung, nicht zu erscheinen, falls das Gericht nicht der Auffassung ist, dass die Partei ohne ihr Verschulden am Erscheinen verhindert ist (vgl. § 227 Abs. 1 ZPO); – die mangelnde Vorbereitung eines Beteiligten, wenn der Beteiligte dies nicht genügend entschuldigt (vgl. § 227 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 ZPO)1; – das Einvernehmen der Beteiligten über eine Terminsänderung (vgl. § 227 Abs. 1 Nr. 3 ZPO); – nicht genügende Vorbereitung auf die mündliche Verhandlung trotz hinreichender Frist2. Empfehlung: Die bloße Ankündigung des Klägers bzw. seines Bevollmächtigten, im Termin nicht zu erscheinen, führt noch nicht zur Terminsaufhebung. Sofern der Beteiligte eine Terminsaufhebung wünscht, ist ein entsprechender Antrag unmissverständlich unter Darlegung der erheblichen Gründe und ggf. deren sofortiger Glaubhaftmachung zu stellen. Es kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass einem Terminsaufhebungsantrag entsprochen wird. Bei einem Terminverlegungsantrag müssen der Kläger bzw. sein Berater, solange ihnen vom Finanzgericht eine Terminsaufhebung oder -änderung nicht mitgeteilt worden sind, vielmehr davon ausgehen, dass die mündliche Verhandlung am vorgesehenen Tag stattfinden wird. Deshalb besteht hier ggf. Anlass, von sich aus telefonischen Kontakt mit dem Gericht aufzunehmen und sich durch eine Rückfrage über die Entscheidung über den Terminsänderungsantrag zu informieren3. Über einen Antrag auf Aufhebung sowie Verlegung eines Termins entscheidet 582 grundsätzlich der Vorsitzende – und zwar ohne mündliche Verhandlung (§ 155 FGO i. V. m. § 227 Abs. 4 Satz 1 ZPO). Die Entscheidungen sind kurz zu begründen (§ 155 FGO i. V. m. § 227 Abs. 4 Satz 2 ZPO) und werden formlos mitgeteilt (§ 155 FGO i. V. m. § 329 Abs. 2 Satz 2 ZPO). Über einen Vertagungsantrag entscheidet demgegenüber das Gericht (der gesamte Senat); diese Entscheidung wird, sofern ein selbständiger Beschluss ergeht, in der mündlichen Verhandlung verkündet oder aber zugestellt. Bei einer Vertagung wird die mündliche Verhandlung geschlossen und an einem neu zu bestimmenden Termin – mit der dann geschäftsplanmäßig bestimmten Richterbank (also auch anderen ehrenamtlichen Richtern) – wieder neu eröffnet. Über die Ablehnung der Vertagung kann das Gericht auch in den Urteilsgründen befinden. Die Entscheidungen sind nicht selbständig anfechtbar (§ 128 Abs. 2 FGO, § 227 583 Abs. 2 Satz 3 ZPO). Die rechtswidrige Ablehnung eines Terminsänderungsantrags ist jedoch ein wesentlicher Verfahrensfehler i. S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 und § 119 Nr. 3 FGO (Verletzung des rechtlichen Gehörs).
__________ 1 BFH v. 8.10.2003 – VII B 89/03, BFH/NV 2004, 217. 2 BFH v. 13.8.1996 – V B 7/96, BFH/NV 1997, 188. 3 BFH v. 5.7.2004 – VII B 7/04, BFH/NV 2005, 64 m. w. N.
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II Rz. 584
Rechtsschutz vor dem Finanzgericht
4. Öffentlichkeit 584 Gem. § 52 Abs. 1 FGO gelten die §§ 169, 171b–175 GVG über die Öffentlichkeit des Verfahrens für das finanzgerichtliche Verfahren sinngemäß. Das bedeutet: Die mündliche Verhandlung vor dem erkennenden Senat des Finanzgerichts oder dem Einzelrichter einschließlich der Verkündung der Urteile und Beschlüsse muss grundsätzlich öffentlich sein (§ 169 GVG). Der Grundsatz der Öffentlichkeit soll gewährleisten, dass sich die Rechtsprechung der Gerichte grundsätzlich in aller Öffentlichkeit und nicht hinter verschlossenen Türen abspielt. Er dient der Kontrolle der Gerichte1. Geschützt ist nur die Saalöffentlichkeit. Der Ausschluss von Ton-, Fernseh- und Rundfunkaufnahmen in Gerichtsverhandlungen durch § 169 Satz 2 GVG ist verfassungsgemäß2. Die Öffentlichkeit ist gewahrt, wenn ein unbestimmter – allenfalls nach Maßgabe der vorhandenen Plätze begrenzter – Personenkreis die Möglichkeit hat, die Verhandlung an Ort und Stelle zu verfolgen3. Es genügt, dass der Raum, in dem die Verhandlung stattfindet, grundsätzlich für jedermann zugänglich ist; eine allgemeine Bekanntgabe des Verhandlungsortes ist nicht erforderlich4. Eine Beeinträchtigung der Öffentlichkeit des Verfahrens ist nur dann ein Verfahrensmangel i. S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 und § 119 Nr. 5 FGO (s. III Rz. 118, 129), wenn die Beschränkung der Öffentlichkeit auf den Willen des Gerichts zurückzuführen ist, sei es, dass das Gericht durch eigene Anordnung die Beschränkung veranlasst hat, sei es, dass es unterlassen hat, eine bestehende und ihm bekannt gewordene Beschränkung durch rechtzeitiges Eingreifen zu beseitigen. Deshalb verletzt z. B. das versehentliche Verschließen der Eingangstür zum Gerichtsgebäude und die dadurch verursachte Behinderung des Zugangs zur mündlichen Verhandlung den Grundsatz der Öffentlichkeit des Verfahrens nur dann, wenn das Gericht dies bemerkt hat oder dies bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt hätte bemerken können5. 585 Für den Ausschluss der Öffentlichkeit legt § 52 Abs. 2 FGO speziell für das finanzgerichtliche Verfahren fest, dass der Ausschluss der Öffentlichkeit erfolgen muss, wenn ein anderer Beteiligter als die Finanzbehörde (Kläger oder Beigeladener) es beantragt. Die Verkündung des Urteils erfolgt gem. § 52 Abs. 1 FGO i. V. m. § 173 GVG aber in jedem Fall öffentlich. Empfehlung: Will der Kläger oder ein Beigeladener, dass von dem Verfahren sowenig wie möglich an die Öffentlichkeit dringt, so sollten er bzw. sein Bevollmächtigter nach Eröffnung der mündlichen Verhandlung den Antrag stellen, die Öffentlichkeit auszuschließen. Dieser Antrag braucht nicht begründet zu werden. Das Gericht muss diesem Antrag stattgeben und in öffentlicher Sitzung die Entscheidung verkünden, dass die Öffentlichkeit ausgeschlossen wird. Die öffentliche Verkündung des Urteils kann der Kläger damit aber
__________ 1 2 3 4 5
BFH v. 15.3.1977 – VII R 122/73, BStBl. II 1977, 431. BVerfG v. 24.1.2001 – 1 BvR 2623/95, 1 BvR 622/99, BVerfGE 103, 44. BFH v. 11.9.1997 – IV R 53/96, BFH/NV 1998, 340. BFH v. 15.3.1977 – VII R 122/73, BStBl. II 1977, 431. BFH v. 21.3.1985 – IV S 21/84, BStBl. II 1985, 551.
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Mündliche Verhandlung
Rz. 588 II
nicht verhindern. Es empfiehlt sich in diesem Fall, das Gericht zu bitten, von einer Verkündung des Urteils abzusehen, und einen Antrag auf Zustellung des Urteils zu stellen. Schließlich könnte bei der Gerichtsverwaltung noch beantragt werden, von einer Veröffentlichung des – anonymisierten – Urteils abzusehen. Darüber hinaus kann das Gericht gem. § 52 Abs. 1 FGO i. V. m. § 172 GVG für 586 die Verhandlung oder einen Teil davon – nicht aber für die Verkündung des Urteils – die Öffentlichkeit ausschließen, wenn – eine Gefährdung der Staatssicherheit, der öffentlichen Ordnung oder der Sittlichkeit zu besorgen ist (Nr. 1); – eine Gefährdung des Lebens, des Leibes oder der Freiheit eines Zeugen oder einer anderen Person zu besorgen ist (Nr. la); – ein wichtiges Geschäfts-, Betriebs-, Erfindungs- oder Steuergeheimnis zur Sprache kommt, durch dessen öffentliche Erörterung überwiegende schutzwürdige Interessen verletzt würden (Nr. 2); – ein privates Geheimnis erörtert wird, dessen unbefugte Offenbarung durch den Zeugen oder Sachverständigen mit Strafe bedroht ist (Nr. 3); – eine Person unter 16 Jahren vernommen wird (Nr. 4). Über die Ausschließung der Öffentlichkeit ist in nicht öffentlicher Sitzung zu 587 verhandeln, wenn ein Beteiligter es beantragt oder das Gericht es für angemessen erachtet (§ 174 GVG). Der Beschluss, der die Öffentlichkeit ausschließt, muss öffentlich verkündet werden; er kann in nichtöffentlicher Sitzung verkündet werden, wenn zu befürchten ist, dass eine öffentliche Verkündung eine erhebliche Störung der Ordnung der Sitzung zur Folge haben würde. Bei der Verkündung ist der Grund anzugeben, aus dem die Öffentlichkeit ausgeschlossen worden ist. Die Begründung ist in das Protokoll aufzunehmen, ein entsprechender Verstoß des Gerichts müsste aber sofort gerügt werden1.
5. Gesetzlicher Richter An der mündlichen Verhandlung und Entscheidung darf nur der sog. gesetzliche 588 Richter mitwirken. Ein Verstoß hiergegen kann mit der Nichtzulassungsbeschwerde als Verfahrensfehler gerügt werden (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). Gesetzlicher Richter i. S. des Art. 101 Abs. 1 GG sind das Gericht als organisatorische Einheit, der jeweilige Senat als Spruchkörper sowie jeder einzelne Richter, der im Senat mit der Sache befasst wird2. Wer als Richter an der Entscheidung eines konkreten Rechtsstreits mitwirken soll, muss sich möglichst eindeutig aus allgemeinen Vorschriften ableiten lassen. Zu diesen allgemeinen Regelungen zählt in erster Linie der sog. Geschäftsverteilungsplan. Er muss den zur Entschei-
__________ 1 BFH v. 10.11.2005 – VIII B 166/04, BFH/NV 2006, 752; v. 17.1.1995 – V R 28/94, BFH/NV 1995, 983. 2 Vgl. BFH v. 29.1.1992 – VIII K 4/91, BStBl. II 1992, 252 unter Hinweis auf die Rspr. des BVerfG.
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II Rz. 589
Rechtsschutz vor dem Finanzgericht
dung der anhängig werdenden Verfahren berufenen Richter so eindeutig und genau wie möglich bestimmen (s. II Rz. 451 ff.).
a) Berufsrichter 589 Die Senate des Finanzgerichts entscheiden gem. § 5 Abs. 3 FGO grundsätzlich in der Besetzung mit drei Berufsrichtern einschließlich des Vorsitzenden und zwei ehrenamtlichen Richtern, soweit nicht ein Einzelrichter entscheidet (s. II Rz. 454 ff.). Dies gilt allerdings nicht für Beschlüsse außerhalb der mündlichen Verhandlung und Gerichtsbescheide. Hier wirken die ehrenamtlichen Richter nicht mit. Zu den Berufsrichtern gehören gem. § 14 Abs. 1 FGO die Richter auf Lebenszeit sowie gem. § 15 FGO die Richter auf Probe oder Richter kraft Auftrags. Als Richter auf Probe (§§ 12, 13 DRiG) kommen Inhaber der Befähigung zum Richteramt in Betracht, die später als Richter auf Lebenszeit verwendet werden und in einer Probezeit ihre Eignung für eine Anstellung auf Lebenszeit nachweisen sollen. Sie führen die Dienstbezeichnung „Richter“ (§ 19a Abs. 3 DRiG). Zum Richter kraft Auftrags kann ein Beamter auf Lebenszeit oder auf Zeit ernannt werden, der später als Richter auf Lebenszeit verwendet werden soll (§ 14 Abs. 1 DRiG). Er behält sein bisheriges Amt sowie seine bisherige Besoldung und Versorgung. Im Übrigen ruhen für die Dauer des Richterverhältnisses kraft Auftrags die Rechte und Pflichten aus dem Beamtenverhältnis. Bei einer gerichtlichen Entscheidung darf nicht mehr als ein Richter auf Probe oder ein Richter kraft Auftrags oder ein abgeordneter Richter mitwirken. Er muss als solcher in dem Geschäftsverteilungsplan kenntlich gemacht werden1. Ebenso setzt Art. 101 Abs. 1 GG einer Überbesetzung der einzelnen Senate Grenzen. Eine Überbesetzung ist jedenfalls dann verfassungswidrig, wenn es die Zahl der Richter eines Senats gestattet, dass sie in zwei personell voneinander verschiedenen Gruppen Recht sprechen, oder wenn der Vorsitzende mehrere Spruchkörper mit jeweils verschiedenen Beisitzern bilden kann2.
b) Ehrenamtliche Richter 590 An den Senatsentscheidungen mit Ausnahme von Beschlüssen außerhalb der mündlichen Verhandlung und Gerichtsbescheiden sind gem. § 5 Abs. 3 FGO auch zwei ehrenamtliche Richter beteiligt. Wie die Berufsrichter sind auch die ehrenamtlichen Richter unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen. Obwohl bei ihrer Auswahl Berufsvertretungen mitwirken (vgl. § 25 FGO), sind die ehrenamtlichen Richter nicht Interessenvertreter ihrer Verbände. Sie haben ihre Pflichten getreu dem Gesetz zu erfüllen, nach bestem Wissen und Gewissen ohne Ansehen der Person zu urteilen und nur der Wahrheit und Gerechtigkeit zu dienen, wie sich aus ihrem Amtseid ergibt (vgl. § 45 Abs. 1 Satz 1 DRiG).
__________ 1 § 29 Satz 2 DRiG; vgl. auch BFH v. 18.11.1969 – II R 90/67, BStBl. II 1970, 127. 2 BFH v. 29.1.1992 – VIII K 4/91, BStBl. II 1992, 252.
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Mündliche Verhandlung
Rz. 592 II
Die ehrenamtlichen Richter wirken bei der mündlichen Verhandlung und bei der Urteilsfindung mit gleichen Rechten wie die Berufsrichter mit (§ 16 FGO). Wegen ihrer den Berufsrichtern gleichen Stellung in der Verhandlung und bei der Entscheidung gilt der Grundsatz des gesetzlichen Richters auch für die ehrenamtlichen Richter. Dies bedeutet: Auch bei der Bestimmung der ehrenamtlichen Richter, die an einer mündlichen Verhandlung mitwirken sollen, ist nach einem vorher festgelegten Geschäftsverteilungsplan zu verfahren.
c) Ausschluss von der Ausübung des Richteramts Gem. § 51 Abs. 1 FGO gelten für die Ausschließung der Gerichtspersonen die 591 Vorschriften der Zivilprozessordnung sinngemäß. Gem. § 41 ZPO ist ein Richter (Berufsrichter oder ehrenamtlicher Richter) kraft Gesetzes von der Ausübung des Richteramtes ausgeschlossen: – in Sachen, in denen er selbst Partei ist oder bei denen er zu einer Partei in dem Verhältnis eines Mitberechtigten, Mitverpflichteten oder Regresspflichtigen steht (Nr. 1); – in Sachen seines Ehegatten, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht (Nr. 2); – in Sachen seines Lebenspartners, auch wenn die Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht (Nr. 2a); – in Sachen einer Person, mit der er in gerader Linie verwandt oder verschwägert, in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt oder bis zum zweiten Grad verschwägert ist oder war (Nr. 3); – in Sachen, in denen er als Prozessbevollmächtigter oder Beistand einer Partei bestellt oder als gesetzlicher Vertreter einer Partei aufzutreten berechtigt ist oder gewesen ist (Nr. 4); – in Sachen, in denen er als Zeuge oder Sachverständiger vernommen ist (Nr. 5); – in Sachen, in denen er in einem früheren Rechtszuge oder in einem schiedsrichterlichen Verfahren bei dem Erlass der angefochtenen Entscheidung mitgewirkt hat, sofern es sich nicht um die Tätigkeit eines beauftragten oder ersuchten Richters handelt (Nr. 6). Außerdem ist gem. § 51 Abs. 2 FGO von der Ausübung des Amtes als Richter 592 oder ehrenamtlicher Richter auch ausgeschlossen, wer bei dem vorausgegangenen Verwaltungsverfahren mitgewirkt hat. Hierunter ist nicht nur das außergerichtliche Verwaltungsverfahren (Einspruchsverfahren) zu verstehen, sondern das gesamte Verfahren, das zu einer Entscheidung geführt hat; eine Mitwirkung am Erlass des angefochtenen Bescheids selbst ist nicht erforderlich. Eine bloß beratende Tätigkeit reicht bereits aus1. Denn der Begriff der „Mitwirkung“ ist nach dem Sinn der Regelung, das Vertrauen in die Unparteilichkeit des Richters zu schützen, weit auszulegen. Eine Tätigkeit in anderen Verwaltungsangelegenheiten der beklagten Behörde führt ebenso wenig zum Ausschluss wie das Tätig-
__________ 1 BFH v. 25.4.1978 – VII R 7/78, BStBl. II 1978, 401; s. auch BFH v. 15.7.1987 – X R 15/81, BFH/NV 1988, 446.
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II Rz. 593
Rechtsschutz vor dem Finanzgericht
werden bei der Festsetzung einer anderen Steuerart, selbst wenn ein identischer Lebenssachverhalt parallel zu werten gewesen sein sollte1. 593 Liegt einer der genannten Ausschließungsgründe vor, ist der betreffende Richter kraft Gesetzes an jeder richterlichen Tätigkeit in dem betreffenden Verfahren gehindert. Die Ausschließung ist unverzichtbar und in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu berücksichtigen. An die Stelle des ausgeschlossenen Richters tritt dessen geschäftsplanmäßiger Vertreter. Handlungen des ausgeschlossenen Richters können bis zum Abschluss der Instanz durch den Vertreter wiederholt werden. Geschieht dies nicht oder kann dies nicht mehr geschehen, liegt bei Urteilen ein sog. absoluter Revisionsgrund vor (§ 119 Nr. 2 FGO; s. III Rz. 121). d) Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit 594 Ein Richter kann gem. § 51 Abs. 1 FGO i. V. m. § 42 ZPO wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden. Entscheidet das Gericht über einen entsprechenden Antrag durch Beschluss, ist dieser unanfechtbar (§ 128 Abs. 2 FGO). 595 Ein Ablehnungsantrag ist nur dann zulässig, wenn – er sich auf ein bestimmtes Verfahren bezieht2 und – individuelle, auf einen bestimmten Richter bezogene Gründe angegeben werden3 und – und er nicht rechtsmissbräuchlich ist. 596 Ein rechtsmissbräuchlicher Antrag ist unzulässig. Bei missbräuchlicher Ablehnung eines Richters entscheidet der Senat in der normalen Besetzung, also ggf. unter Einschluss des abgelehnten Richters4. Ein rechtsmissbräuchliches Befangenheitsgesuch liegt z. B. vor, wenn – alle Richter eines Gerichts oder Spruchkörpers ohne Darlegung der Gründe, die gegen die Unparteilichkeit des einzelnen Richters oder aller Richter des Senats sprechen, abgelehnt werden5; – der Ablehnungsantrag einen ausschließlich beleidigenden bzw. verunglimpfenden Inhalt hat6; etwas anderes muss allerdings dann gelten, wenn das Ablehnungsgesuch neben den verunglimpfenden Äußerungen noch einen sachlichen Kern enthält7; – ausschließlich verfahrensfremde Zwecke, beispielsweise Prozessverschleppung verfolgt werden8. 597 Gem. § 51 Abs. 1 FGO i. V. m. § 42 Abs. 2 ZPO kann ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist,
__________
1 2 3 4 5 6 7 8
BFH v. 24.7.2000 – VIII B 44/00, BFH/NV 2001, 176 m. w. N. Vgl. BFH v. 1.10.1990 – X B 119/90, BFH/NV 1991, 331. BFH v. 29.1.1993 – IX B 75/92, IX B 80/92, BFH/NV 1993, 612. BFH v. 27.10.2006 – VI B 118/05, BFH/NV 2007, 97. BFH v. 24.2.2000 – IV S 15/99, BFH/NV 2000, 981 m. w. N. BFH v. 17.4.1996 – I B 134/95, BFH/NV 1996, 826. Vgl. BFH v. 9.9.1998 – I B 47/98, BFH/NV 1999, 786. BFH v. 27.10.2006 – VI B 118/05, BFH/NV 2007, 97 m. w. N.
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Mündliche Verhandlung
Rz. 599 II
Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen. Der Grund, der das Misstrauen rechtfertigen soll, muss vom Standpunkt des Beteiligten aus objektiv und vernünftig betrachtet vorliegen. Das heißt mit anderen Worten: Der Beteiligte muss bei objektiver und vernünftiger Betrachtung davon ausgehen, dass der Richter nicht unvoreingenommen entscheiden werde. Hierbei kommt es nicht darauf an, ob die Entscheidung wirklich von Voreingenommenheit beeinflusst ausfiele. Ausschlaggebend ist vielmehr, ob der Beteiligte von seinem Standpunkt aus bei Anlegung eines objektiven Maßstabs Anlass hat, Voreingenommenheit zu befürchten1. Ablehnungsgründe können sich zum Beispiel ergeben
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– aus besonders engen persönlichen Beziehungen des Richters zu einem Beteiligten, wie Liebesbeziehung, Verlöbnis, Schwägerschaft, enge Freundschaft oder Feindschaft2, nicht aber bereits bei bloßer Bekanntschaft; – bei der Äußerung von Rechtsansichten allerdings nur, wenn der Richter seine Ansicht in einer Weise geäußert hat, die dem Beteiligten Grund für die Befürchtung gibt, der Richter werde Gegengründen nicht mehr aufgeschlossen gegenüberstehen3, oder – Gründe dargetan werden, die dafür sprechen, dass die mögliche Fehlerhaftigkeit auf einer unsachlichen Einstellung des Richters gegenüber der abgelehnten Partei oder auf Willkür beruht; dabei muss die Fehlerhaftigkeit ohne weiteres feststellbar und gravierend sein sowie auf unsachliche Erwägungen schließen lassen4; – aus einem gespannten Verhältnis zwischen dem Richter und dem Prozessbevollmächtigten eines Beteiligten, wenn die Besorgnis begründet ist, dass es sich im konkreten Fall zu Ungunsten des Beteiligten ausgewirkt haben könnte5. Kein Ablehnungsgrund liegt vor, wenn
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– der Richter bereits an einer zu Ungunsten des Beteiligten ausgefallenen Entscheidung mitgewirkt hat, auch wenn es sich um einen ähnlich gelagerten Fall gehandelt6; – der Richter an einem Gerichtsbescheid in derselben Sache mitgewirkt hat7; – der Berichterstatter in einem „Schätzungsfall“ von den gerichtsverfahrensrechtlichen Möglichkeiten einer Verfahrensbeschleunigung Gebrauch macht8;
__________ 1 BFH v. 18.8.2000 – V B 32/00, BFH/NV 2001, 316; vgl. auch das ausführliche ABC der Ablehnungsgründe bei Spindler in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 51 FGO Rz. 68 ff. 2 Vgl. Gräber/Stapperfend, § 51 FGO Rz. 49 m. w. N. 3 BFH v. 14.4.2000 – II B 167/99, BFH/NV 2000, 1229. 4 BFH v. 3.5.2000 – IV B 46/99, BStBl. II 2000, 376. 5 BFH v. 29.11.2000 – I B 9/00, BFH/NV 2001, 625 m. w. N.; v. 22.2.2001 – VIII B 103/00, BFH/NV 2001, 1126. 6 BFH v. 24.11.2000 – II B 44/00, BFH/NV 2001, 621. 7 BFH v. 14.10.1999 – IV B 72/99, BFH/NV 2000, 459. 8 BFH v. 15.2.2000 – X B 91/99, BFH/NV 2000, 1472.
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II Rz. 600
Rechtsschutz vor dem Finanzgericht
– der Richter eine besonders freimütige Ausdrucksweise hat1, etwas anderes gilt allerdings dann, wenn sich der Richter dabei einer evident unsachlichen, unangemessenen oder beleidigenden Sprache bedient hat2. 600 Gem. § 51 Abs. 1 Satz 2 FGO können im finanzgerichtlichen Verfahren Gerichtspersonen darüber hinaus auch abgelehnt werden, wenn von ihrer Mitwirkung die Verletzung eines Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisses oder Schaden für die geschäftliche Tätigkeit eines Beteiligten zu besorgen ist. Hiervon wird man dann ausgehen können, wenn der Richter beispielsweise ein gleiches oder ähnliches Geschäft betreibt wie der Steuerpflichtige oder an einer Gesellschaft beteiligt ist, die ein gleiches oder ähnliches Geschäft betreibt3. Abgesehen davon ist gem. § 51 Abs. 3 FGO eine Besorgnis der Befangenheit stets dann begründet, wenn der Richter der Vertretung einer Körperschaft angehört oder angehört hat, deren Interessen durch das Verfahren berührt werden. Gedacht ist hier an solche Richter, die einen maßgeblichen Einfluss innerhalb der beteiligten Körperschaft ausüben oder ausgeübt haben, nicht jedoch an Richter, die zu irgendeiner Zeit Beamte der Finanzverwaltung waren4. Empfehlung: Ablehnungsgründe, die während einer mündlichen Verhandlung oder während eines Erörterungstermins entstehen, müssen bis zum Schluss der Verhandlung geltend gemacht werden; darüber hinaus muss sich die Partei weigern, den Termin weiter wahrzunehmen, wenn sie ihr Ablehnungsrecht nicht verlieren will5. Ein Beteiligter kann einen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit nämlich nicht mehr ablehnen, wenn er sich bei ihm, ohne den ihm bekannten Ablehnungsgrund geltend zu machen, in eine Verhandlung eingelassen oder Anträge gestellt hat (§ 51 FGO i. V. m. § 43 ZPO). Die Begriffe „in eine Verhandlung eingelassen“ und „Anträge gestellt“ werden weit ausgelegt6. „Anträge“ sind auch schriftliche Sachanträge im sachlichen Zusammenhang mit der angeforderten Klagebegründung sowie grundsätzlich auch Prozessanträge wie der Antrag auf mündliche Verhandlung nach Ergehen eines Gerichtsbescheids7 oder die Erweiterung eines Klageantrags8. So führt auch die rügelose Einlassung zur Sache in einem Schriftsatz zum Verlust des Ablehnungsrechts9. 601 Wirkt ein mit Erfolg wegen Befangenheit abgelehnter Richter an der Entscheidung mit, so liegt ein absoluter Revisionsgrund (§ 119 Nr. 2 FGO; s. III Rz. 121) vor, der mit der Nichtzulassungsbeschwerde gem. § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO gerügt werden kann.
__________ 1 2 3 4 5 6 7 8 9
BFH v. 16.11.1999 – IV B 63/99, BFH/NV 2000, 724. BFH v. 19.5.2006 – II B 78/05, BFH/NV 2006, 1620 m. w. N. Vgl. Gräber/Stapperfend, § 51 FGO Rz. 63. BFH v. 26.7.2006 – V B 130/04, V S 15/06 (PKH), BFH/NV 2007, 52. BFH v. 6.8.1999 – X B 18/99, BFH/NV 2000, 73; v. 6.7.2005 – II R 28/02, BFH/NV 2005, 2027. BFH v. 27.9.1999 – IX B 16/97, BFH/NV 2000, 453. BFH v. 23.5.2000 – VIII R 20/99, BFH/NV 2000, 1359. BFH v. 27.9.1999 – IX B 16/97, BFH/NV 2000, 453. BFH v. 29.3.2000 – I B 90/99, BFH/NV 2000, 1220.
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Mündliche Verhandlung
Rz. 604 II
6. Ablauf der mündlichen Verhandlung a) Allgemeiner Verhandlungsablauf Wie die mündliche Verhandlung abläuft, ist in den §§ 92–94 FGO geregelt. Der 602 Vorsitzende eröffnet und leitet die mündliche Verhandlung. Er ruft die Sache auf und stellt zunächst fest, wer für die Beteiligten erschienen ist. Der „Aufruf der Sache“ hat den Sinn, die geladenen und erschienenen Beteiligten davon in Kenntnis zu setzen, dass nunmehr ihre Sache verhandelt wird, um ihnen Gelegenheit zu geben, ihren Anspruch auf rechtliches Gehör auch effektiv wahrnehmen zu können. Die Art und Weise des Aufrufs hängt von den Umständen des Einzelfalls ab1. Voraussetzung für die Durchführung der mündlichen Verhandlung ist nicht, dass alle Beteiligten bzw. deren Prozessbevollmächtigte daran teilnehmen. Die mündliche Verhandlung kann, sofern die Beteiligten ordnungsgemäß geladen worden sind, selbst dann durchgeführt werden, wenn niemand erschienen ist. Auch in diesem Fall findet das normale Verfahren statt, da die Finanzgerichtsordnung kein Versäumnisverfahren kennt. In der Verhandlung können die Beteiligten mit Beiständen erscheinen (§ 62 603 Abs. 7 Satz 1 FGO n. F.). Beistand kann entgegen der bis zum 30.6.2008 geltenden Rechtslage ab dem 1.7.2008 nur eine Person sein, die nach § 62 Abs. 2 FGO n. F. vertretungsbefugt ist oder die vom Gericht als Beistand in dem Verfahren zugelassen worden ist, weil dies sachdienlich ist und hierfür ein besonderes Bedürfnis besteht. Treten andere Personen als Beistand auf, die auch nicht vom Gericht besonders zugelassen worden sind, hat das Gericht diese durch unanfechtbaren Beschluss zurückzuweisen (§ 62 Abs. 7 Satz 3 i. V. m. Abs. 3 Satz 1 FGO n. F.). Nach § 62 Abs. 7 Satz 4 FGO n. F. gilt das von einem Beistand Vorgetragene als von dem Beteiligten vorgebracht, soweit es nicht von diesem sofort widerrufen oder berichtigt wird. Nach Feststellung der erschienenen Personen und entsprechender Protokollie- 604 rung tragen der Vorsitzende oder – was in der Praxis die Regel ist – der Berichterstatter den wesentlichen Inhalt der Akten vor. Der Aktenvortrag dient nicht nur der Unterrichtung der Beteiligten, sondern auch der übrigen Mitglieder des Gerichts, vor allem der ehrenamtlichen Richter. Dieser Vortrag soll klarstellen, von welchem Sachverhalt das Gericht ausgeht, und zugleich den wesentlichen Inhalt der Akten zum Gegenstand des Verfahrens machen. Da der Vortrag auf den entscheidungserheblichen Sachverhalt konzentriert ist, kann ihm vielfach schon die Richtung entnommen werden, in die eine Entscheidung des Gerichts gehen wird. Dabei ist es nicht zu beanstanden, wenn der Berichterstatter ein bereits vor der mündlichen Verhandlung in Urteilsform gehaltenes schriftliches Votum mit dem Vorschlag der Entscheidung gefertigt hat und den sich hieraus ergebenden Tatbestand in der mündlichen Verhandlung vorträgt, solange der einzelne Richter oder der Senat noch nicht endgültig festgelegt ist und bereit ist, die ggf. vom Kläger in der mündlichen Verhandlung neu vorgetragenen Gesichtspunkte zu
__________ 1 S. dazu BVerfG v. 5.10.1976 – 2 BvR 558/75, BVerfGE 42, 364; BFH v. 25.7.1994 – X R 72/93, BFH/NV 1995, 234.
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II Rz. 605
Rechtsschutz vor dem Finanzgericht
berücksichtigen1. Bei der Fertigung eines Urteilsentwurfs handelt es um ein allgemein übliches Verfahren der Terminsvorbereitung und Urteilsfindung. Für die Meinungsbildung in einem Spruchkörper ist es nämlich unerlässlich, dass, bevor sich die zuständigen Richter zur Entscheidung zusammenfinden, ein Bericht vorliegt, der den gesamten Sach- und Streitstand wiedergibt und, der soweit möglich auch einen Entscheidungsvorschlag enthält. Ohne eine derart umfassende schriftliche Vorbereitung könnte der Konzentrationsmaxime, also dem gesetzlichen Gebot, den Rechtsstreit möglichst in einer mündlichen Verhandlung zu erledigen (§ 79 Abs. 1 Satz 1 FGO), im Steuerprozess nicht entsprochen werden. Ein solches in Urteilsform gehaltenes Votum bzw. ein solcher Urteilsentwurf ist nur vorläufiger Natur und kann sich infolge anderer oder besserer späterer Erkenntnisse bei der endgültigen Überzeugungsbildung (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO) als korrekturbedürftig erweisen2. 605 Anschließend erhalten die Beteiligten das Wort, um ihre Anträge zu stellen und zu begründen (§ 92 Abs. 3 FGO). Das Gericht wirkt darauf hin, dass sachdienliche Anträge gestellt oder unklare Anträge erläutert werden. Der Vorsitzende hat insoweit ggf. Formulierungshilfe zu leisten ((§ 76 Abs. 2 FGO). Ist ein Beteiligter nicht erschienen, gelten seine aus den vorbereitenden Schriftsätzen erkennbaren Anträge als gestellt. 606 Nach Erörterung der Streitsache erklärt der Vorsitzende die mündliche Verhandlung für geschlossen (§ 93 Abs. 3 Satz 1 FGO). Normalerweise verkündet er gleichzeitig einen kurzfristig auf der Richterbank getroffenen Beschluss über das weitere Vorgehen: Eine Entscheidung wird heute nach Beratung nicht vor … Uhr verkündet werden (s. II Rz. 640). Oder: Eine Entscheidung wird den Beteiligten zugestellt (s. II Rz. 641). Die Schließung der mündlichen Verhandlung ist allerdings erst dann zulässig, wenn der Rechtsstreit hinreichend erörtert ist, die Mitglieder des Gerichts keine weiteren Fragen mehr haben und die Beteiligten zu allen entscheidungserheblichen Punkten gehört wurden und weder weitere Anträge stellen noch weiter zur Sache vortragen wollen. Mit der Schließung der regelmäßig öffentlichen mündlichen Verhandlung (§ 52 Abs. 1 FGO i. V. m. § 169 GVG) wird nicht zwangsläufig gleichzeitig auch die Sitzung des Gerichts beendet. Beratung, Abstimmung und Urteilsfällung erfolgen in der Regel im Anschluss an die öffentliche Sitzung in nicht öffentlicher Sitzung (§ 52 Abs. 1 FGO i. V. m. § 193–197 GVG). Die genaue Uhrzeit der Beratung, die Urteilsfindung als solche und die Mitwirkung der an der mündlichen Verhandlung beteiligten Richter an der Urteilsfindung müssen nicht in der Sitzungsniederschrift (nachträglich) oder sonstwo protokolliert werden. Findet die Beratung mit den ehrenamtlichen Richtern nicht mehr, nicht vollständig oder nicht abschließend am gleichen Tage statt und wird das Urteil deshalb an einem ande-
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1 So zuletzt BFH v. 18.7.2006 – X B 206/05, BFH/NV 2006, 1877 m. w. N. 2 Vgl. BFH v. 17.5.1995 – X R 55/94, BStBl. II 1995, 604; i. Ü. auch BVerfG v. 17.3.1959 – 1 BvR 53/56, BVerfGE 9, 213 (215).
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Mündliche Verhandlung
Rz. 608 II
ren Tage, an dem eine Nachberatung mit derselben Richterbank stattfindet, gesprochen, muss im Rubrum ein anderer Sitzungstag angeben werden (etwa nach mündlicher Verhandlung am 20.2.2008 in der Sitzung vom 23.3.2008)1. Bis zur Wirksamkeit des Urteils kann das Gericht nach nochmaliger Beratung mit derselben Richterbank die zunächst getroffene Entscheidung aufheben oder ändern2. Ein nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingereichter Schriftsatz, der neue Angriffs- oder Verteidigungsmittel enthält, kann dann nur noch über den Weg der Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung bei der Entscheidung berücksichtigt werden. Nachgereichte Schriftsätze sind deshalb grundsätzlich unbeachtlich3. Die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung (§ 93 Abs. 3 Satz 2 FGO) steht 607 grundsätzlich im Ermessen des Gerichts. Die Wiedereröffnung oder deren Ablehnung erfolgt durch besonderen Beschluss, der begründet werden muss4. Der Beschluss, durch den die Wiedereröffnung abgelehnt wird, kann aber auch im Urteil begründet werden. Da es sich um einen selbständigen Beschluss handelt, wirken die ehrenamtlichen Richter gem. § 5 Abs. 3 Satz 2 FGO hieran nicht mit5. Eine Wiedereröffnung ist allerdings geboten, wenn nach Schluss der mündlichen Verhandlung bis zur Verkündung oder Zustellung des Urteils Gründe bekannt werden, die zur Aufhebung des Urteils berechtigen würden. In diesem Fall schafft die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung die Möglichkeit, reparable Fehler sofort zu beheben6. Der Beschluss über die Wiedereröffnung ergeht gem. § 5 Abs. 3 Satz 2 FGO ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter. Allerdings muss die nachfolgende Entscheidung von den an der mündlichen Verhandlung beteiligten Richtern – einschließlich der ehrenamtlichen Richter – getroffen werden. Denn bei einer Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung bleibt die bereits durchgeführte mündliche Verhandlung – anders als bei einer Vertagung – zumindest u. A. Grundlage der später zu treffenden Entscheidung7. Eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung ist nach Ergehen des Urteils nicht mehr möglich8.
b) Rechtliches Gehör Wichtig für die Praxis ist, dass der Vorsitzende die Streitsache mit den Beteilig- 608 ten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu erörtern hat (§ 93 Abs. 1 FGO). Hierdurch soll der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt festgestellt und geklärt sowie das rechtliche Gehör der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung gewahrt werden. Es soll sichergestellt werden, dass keine wesentlichen Tatsachen und rechtlichen Gesichtspunkte übersehen werden. Außerdem sollen die Beteiligten Gelegenheit erhalten, sich auf die für die Entscheidung wesentlichen
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Vgl. dazu BFH v. 30.4.2001 – VII B 28/01, BFH/NV 2001, 1287. BFH v. 6.6.2001 – X B 169/00, BFH/NV 2001, 1143. Ebenso Hellwig in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 93 FGO Rz. 14. Hellwig in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 93 FGO Rz. 15 f. BFH v. 23.10.2003 – V R 24/00, BStBl. II 2004, 89; v. 5.9.2005 – IV B 155/03, BFH/NV 2006, 98. 6 BFH v. 2.12.1998 – X R 9/96, BFH/NV 1999, 1213. 7 BFH v. 15.7.2005 – I B 19/05, BFH/NV 2006, 68. 8 BFH v. 11.1.2007 – VI S 10/06 (PKH), BFH/NV 2007, 936 m. w. N.
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II Rz. 609
Rechtsschutz vor dem Finanzgericht
Fragen einzustellen und ggf. ihren Vortrag darauf einzurichten. Die Beteiligten sollen zu allen tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkten Stellung nehmen können, die nach Auffassung des Gerichts für die Entscheidung von Bedeutung sind – dies ist der Zweck des rechtlichen Gehörs. Darüber hinaus verpflichtet der Grundsatz des rechtlichen Gehörs das Gericht, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und zu beachten1. Es soll sichergestellt werden, dass die erlassene Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, die ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrages der Parteien haben. Gem. § 93 Abs. 1 FGO hat der Vorsitzende die Streitsache mit den Beteiligten nicht nur in tatsächlicher, sondern auch in rechtlicher Hinsicht zu erörtern. Ergänzt wird diese Vorschrift noch durch § 155 FGO i. V. m. § 278 Abs. 3 ZPO: Danach darf das Gericht seine Entscheidung auf einen rechtlichen Gesichtspunkt, den ein Beteiligter erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, nur stützen, wenn es Gelegenheit zur Äußerung dazu gegeben hat2. 609 Eine besondere Konkretisierung des rechtlichen Gehörs für das finanzgerichtliche Verfahren enthält § 96 Abs. 2 FGO: Danach darf das Urteil nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten. Das Recht auf rechtliches Gehör schützt die Beteiligten aber auch davor, dass das Gericht ohne vorherigen Hinweis auf einen nicht vorhersehbaren rechtlichen Gesichtspunkt abstellt. Deshalb ist das rechtliche Gehör verletzt, wenn die Beteiligten von einer Entscheidung überrascht werden (sog. Überraschungsentscheidung), weil das Urteil auf tatsächliche oder rechtliche Gesichtspunkte gestützt wird, zu denen sich die Beteiligten bisher nicht geäußert hatten und nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens zu einer Äußerung auch keine Veranlassung bestanden hat, und wenn damit dem Rechtsstreit eine Wendung gegeben worden ist, mit der auch ein kundiger Prozessbeteiligter unter Berücksichtigung vertretbarer Rechtsauffassungen nicht rechnen musste3. Eine Überraschungsentscheidung liegt aber insbesondere nicht bereits dann vor, wenn das Gericht in seiner Entscheidung Gesichtspunkte als maßgeblich herausstellt, die bisher nicht im Vordergrund gestanden haben; denn die – fachkundig vertretenen – Prozessparteien müssen grundsätzlich alle vertretbaren rechtlichen Gesichtspunkte von sich aus in Betracht ziehen und ihren Vortrag darauf einrichten4. Die Beteiligten sollen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht vor Überraschungsentscheidungen geschützt werden. Deshalb hat das Gericht einen rechtlichen Hinweis zu erteilen, wenn es seine Entscheidung auf neue tatsächliche oder rechtliche Gesichtspunkte stützen will. Allerdings: Eine umfassende Erörterung dahingehend, dass die einzelnen für die Entscheidung erheblichen Gesichtspunkte im Voraus angedeutet werden, ist nicht erforderlich5. Empfehlung: Hat das Gericht einen rechtlichen Hinweis erteilt, sollte der Kläger sorgfältig prüfen, ob die Durchsetzung seines Klagebegehrens unter Be-
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St. Rspr., BFH v. 13.4.2007 – V B 122/05, BFH/NV 2007, 1517. Vgl. auch BFH v. 28.2.1996 – IX R 74/94, BFH/NV 1996, 573. Vgl. für alle BFH v. 14.12.2006 – VIII B 108/05, BFH/NV 2007, 741. BFH v. 14.12.2006 – VIII B 108/05, BFH/NV 2007, 741. BFH v. 14.12.2006 – VIII B 108/05, BFH/NV 2007, 741.
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Mündliche Verhandlung
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rücksichtigung des rechtlichen Hinweises noch Aussicht auf Erfolg verspricht. Der Kläger muss nämlich damit rechnen, dass das Gericht auf der Grundlage des rechtlichen Hinweises entscheiden wird. Ergibt eine Überprüfung des eigenen Standpunktes, dass die Klage trotz des Hinweises Erfolg versprechend ist (z. B. weil das Gericht von falschen Voraussetzungen ausgegangen ist oder einschlägige höchstrichterliche Rechtsprechung übersehen hat), sollte. das Verfahren fortgeführt und eingehend zu dem rechtlichen Hinweis Stellung genommen werden. Kommt der Kläger allerdings nach dem rechtlichen Hinweis zu der Erkenntnis, dass seine Klage wenig aussichtsreich sein wird, sollte er überlegen, ob die Klage aus Kostengründen nicht besser zurückgenommen werden sollte.
c) Fragerecht Gem. § 93 Abs. 2 FGO hat jedes Mitglied des Gerichts in der mündlichen Ver- 610 handlung das Recht, Fragen zu stellen. Dieses Fragerecht steht also nicht nur den – hauptamtlichen – Berufsrichtern, sondern auch den ehrenamtlichen Richtern zu. Der Vorsitzende muss diesem Fragerecht entsprechen. Dabei dürfen die Fragen unmittelbar gestellt werden, nicht etwa nur über den Vorsitzenden. Im Rahmen einer Beweisaufnahme sind die Mitglieder des Gerichts nach § 82 FGO i. V. m. § 396 Abs. 2 und 3 ZPO berechtigt, Fragen an den Zeugen zu stellen. Das schließt auch ein, dem Zeugen Vorhalte aus eigenen Aussagen oder den Akten zu machen, wenn dadurch eine erhöhte Anspannung des Gedächtnisses erreicht werden soll oder Rückschlüsse auf die Glaubwürdigkeit des Zeugen ermöglicht werden1. Wird eine Frage beanstandet – z. B. als nicht sachdienlich und deshalb unzulässig –, so entscheidet hierüber gem. § 93 Abs. 2 Satz 2 FGO das Gericht, nicht etwa der Vorsitzende. Die Entscheidung des Gerichts ist gem. § 128 Abs. 2 FGO unanfechtbar2. Gem. § 83 Satz 2 FGO steht auch den Beteiligten bei Beweisaufnahmen das Recht zu, sachdienliche Fragen an Zeugen und Sachverständige zu stellen. Sachdienlich sind die Fragen nur, wenn sie beweiserheblich sind. Sie müssen geeignet sein, die Sachverhaltsaufklärung unmittelbar oder mittelbar zu fördern. Wird eine Frage beanstandet, so entscheidet auch hier das Gericht (§ 83 Satz 3 FGO). Weist das Finanzgericht eine Frage zu Unrecht zurück, liegt darin ein Verfahrensmangel i. S. des § 119 Nr. 3 FGO (Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör), der mit der Nichtzulassungsbeschwerde gerügt werden kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). Verzichtet ein Beteiligter (ausdrücklich oder stillschweigend) auf sein Fragerecht, führt dies grundsätzlich zum Verlust des Rügerechts (vgl. § 155 FGO i. V. m. § 295 ZPO)3.
__________ 1 BFH v. 10.11.1999 – IV B 139/98, NFH/NV 2000, 719. 2 Tipke in Tipke/Kruse, § 93 FGO Rz. 6; Gräber/Koch, § 93 FGO Rz. 5. 3 BFH v. 28.1.1993 – X B 80/92, BFH/NV 1994, 108; Gräber/Koch, § 83 FGO Rz. 6.
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II Rz. 611
Rechtsschutz vor dem Finanzgericht
d) Sitzungspolizei 611 Auf die Sitzungspolizei finden gem. § 52 Abs. 1 FGO die Vorschriften der §§ 176– 183 GVG entsprechende Anwendung. Gem. § 176 GVG obliegt die Aufrechterhaltung der Ordnung der Sitzung (sog. Sitzungspolizei) dem Vorsitzenden. Beteiligte, Zeugen, Sachverständige oder bei der Verhandlung nicht beteilige Personen, die den zur Aufrechterhaltung der Ordnung getroffenen Anordnungen nicht Folge leisten, können aus dem Sitzungszimmer entfernt sowie zur Ordnungshaft abgeführt und während einer zu bestimmenden Zeit, die 24 Stunden nicht übersteigen darf, festgehalten werden. Über diese Maßnahmen entscheidet gegenüber Personen, die bei der Verhandlung nicht beteiligt sind, der Vorsitzende, in den übrigen Fällen das Gericht (§ 177 GVG). Gegen Beteiligte, Zeugen, Sachverständige oder bei der Verhandlung nicht beteiligte Personen, die sich in der Sitzung einer Ungebühr schuldig machen, kann vorbehaltlich der strafgerichtlichen Verfolgung ein Ordnungsgeld bis zu 1000 Euro oder Ordnungshaft bis zu einer Woche festgesetzt und sofort vollstreckt werden. Bei der Festsetzung von Ordnungsgeld ist zugleich für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, zu bestimmen, in welchem Maße Ordnungshaft an seine Stelle tritt (§ 178 Abs. 1 GVG). Über die Festsetzung von Ordnungsmitteln entscheidet gegenüber Personen, die bei der Verhandlung nicht beteiligt sind, der Vorsitzende, in den übrigen Fällen das Gericht (§ 178 Abs. 2 GVG). Die Vollstreckung der Ordnungsmittel hat der Vorsitzende unmittelbar zu veranlassen (§ 179 GVG). Unter einer Ungebühr ist jede vorsätzliche, zurechenbare, grobe Verletzung der Ordnung zu verstehen, insbesondere eine Missachtung des Gerichts z. B. durch Trunkenheit, grobe Beleidigungen – auch des Prozessgegners – und Tätlichkeiten. Ist ein Ordnungsmittel wegen Ungebühr festgesetzt oder eine Person zur Ordnungshaft abgeführt oder eine bei der Verhandlung beteiligte Person entfernt worden, so ist der Beschluss des Gerichts und dessen Veranlassung in das Protokoll aufzunehmen (§ 182 GVG). Das bedeutet, dass auch der Vorfall selbst in das Protokoll aufzunehmen ist. Gegen den Beschluss, mit dem sitzungspolizeiliche Maßnahmen festgesetzt worden sind, ist die Beschwerde zum Bundesfinanzhof gegeben (§ 128 Abs. 1 FGO). Sie ist binnen einer Frist von zwei Wochen nach Bekanntgabe der Entscheidung schriftlich oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle einzulegen (§ 129 FGO).
7. Beweisaufnahme a) Allgemeines 612 Auf die Beweisaufnahme sind im Wesentlichen die Vorschriften der Zivilprozessordnung anzuwenden, wie sich aus § 82 FGO ergibt. Allerdings scheiden die Bestimmungen aus, die mit dem Amtsermittlungsprinzip des § 76 FGO nicht in Einklang stehen. Aus § 82 FGO i. V. m. § 358 ZPO folgt, dass in den Fällen, in denen die Beweisaufnahme ein besonderes Verfahren erfordert, dieses Verfahren, nämlich die Beweisaufnahme, durch Beweisbeschluss besonders anzuordnen ist. 220
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Rz. 614 II
Die Beweisaufnahme erfolgt grundsätzlich durch das Gericht in der mündlichen 613 Verhandlung (§ 81 Abs. 1 FGO). Es kann insbesondere Augenschein einnehmen, Zeugen, Sachverständige und Beteiligte vernehmen und Urkunden heranziehen. Das Gericht kann jedoch gem. § 81 Abs. 2 FGO in geeigneten Fällen schon vor der mündlichen Verhandlung eines seiner Mitglieder als beauftragten Richter oder durch Bezeichnung der einzelnen Beweisfragen ein anderes Gericht (ersuchter Richter) um die Beweisaufnahme ersuchen. In diesen Fällen wird die Beweisaufnahme außerhalb der mündlichen Verhandlung durchgeführt. Es ist dann aber ein Beweisbeschluss des Gerichts erforderlich, der gem. § 82 FGO i. V. m. § 358a ZPO bereits vor der mündlichen Verhandlung erlassen werden kann. Ferner können gem. § 79 Abs. 3 FGO auch der Vorsitzende oder – was in der Praxis häufiger anzutreffen ist – der Berichterstatter einzelne Beweise erheben, ohne dass es dazu eines Beweisbeschlusses des Senats bedarf. Dies darf aber nur insoweit geschehen, als es zur Vereinfachung der Verhandlung vor dem Gericht sachdienlich und von vornherein anzunehmen ist, dass das Gericht das Beweisergebnis auch ohne unmittelbaren Eindruck von dem Verlauf der Beweisaufnahme sachgemäß zu würdigen vermag. Auch bei der Beweiserhebung nach § 79 Abs. 3 FGO gelten die §§ 81 Abs. 1 Satz 2, 82 FGO. Insbesondere ist ein Beweisbeschluss des Vorsitzenden bzw. Berichterstatters erforderlich1. Der Beweisbeschluss muss notwendigerweise die Bezeichnung der streitigen Tatsachen, über die Beweis zu erheben ist, und die Bezeichnung der Beweismittel unter Benennung der zu vernehmenden Zeugen und Sachverständigen oder der zu vernehmenden Partei enthalten2. Die genaue Bezeichnung des Beweisthemas ist notwendig, damit erkennbar wird, welche Aufklärung die Durchführung der Beweisaufnahme bringen soll. Deshalb reicht in aller Regel die Bezugnahme auf bestimmte Stellen in anderen Schriftstücken nicht aus. Der Beweisbeschluss ist unanfechtbar (§ 128 Abs. 2 FGO).
b) Beweisanträge Die Finanzgerichtsordnung überlässt es im Interesse einer möglichst umfassen- 614 den, den Erfordernissen des konkreten Falles angepassten Sachverhaltsaufklärung grundsätzlich dem Ermessen des Gerichts, welche Mittel es zur Erforschung des Sachverhalts anwendet. Dies folgt aus § 76 Abs. 1 FGO, der dem Gericht aufgibt, den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen. Das Gericht ist dabei an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden (§ 76 Abs. 1 Satz 5 FGO). Das gilt aber nur in dem Sinne, dass das Finanzgericht von sich aus auch Beweise erheben kann, die von den Parteien nicht angeboten sind3. Von den
__________ 1 Ebenso Tipke in Tipke/Kruse, § 79 FGO Rz. 11; a. A. aber ohne Begründung Gräber/Koch, § 79 FGO Rz. 11. 2 Vgl. dazu § 82 FGO i. V. m. § 359 ZPO. 3 S. dazu BFH v. 1.2.2007 – VI B 118/04, BStBl. II 2007, 538; v. 27.5.2005 – VII B 38/04, BFH/NV 2005, 1496.
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II Rz. 615
Rechtsschutz vor dem Finanzgericht
Verfahrensbeteiligten angebotene Beweise muss das Finanzgericht grundsätzlich erheben, wenn es einen Verfahrensmangel vermeiden will1. 615 Die Gründe, aus denen ein Beweisantrag abgelehnt werden kann, sind dieselben, die auch das Gericht von einer Beweiserhebung von Amts wegen entbinden. Auf die beantragte Beweiserhebung kann es im Regelfall nur verzichten, – wenn die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die zu treffende Entscheidung unerheblich ist2; – wenn das angegebene Beweismittel unzulässig oder absolut untauglich ist3. Davon ist auszugehen, wenn dem Gericht nicht zuzumuten ist, einen Beweis zu erheben, von dessen völliger Nutzlosigkeit es überzeugt ist, weil er nicht der Sachaufklärung dienen kann. In diesem Zusammenhang ist allerdings zu beachten, dass über den Wert eines angebotenen Beweismittels in der Regel erst nach der Beweiserhebung entschieden werden kann. Anders ist es nur, wenn bestimmte Umstände schon vorher eine sichere Feststellung der Ungeeignetheit des Beweismittels ermöglichen (z. B. der angebotene Zeuge kann zu der Behauptung keine Aussage machen, weil er sich zum fraglichen Zeitpunkt an einem anderen Ort aufgehalten hat); – wenn das Beweismittel unerreichbar ist4. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn das Gericht nicht in der Lage ist, das Beweismittel herbeizuschaffen. So ist beispielsweise ein Zeuge dann unerreichbar, wenn Ermittlungen nach seinem Aufenthalt ergebnislos bleiben oder es an jeglichen Anhaltspunkten für seinen Aufenthaltsort fehlt. Ein Zeuge ist nicht allein deshalb unerreichbar, weil er zur mündlichen Verhandlung ein Attest vorlegt, wonach er derzeit nicht reiseund aussagefähig ist5. Oder: Wird ein ausländischer Zeuge nicht in der mündlichen Verhandlung gestellt und kann eine Aussage wegen einer entsprechenden Weigerung des Zeugen auch nicht im Wege der Rechtshilfe erzwungen werden, kann das Beweismittel als unerreichbar entsprechend § 244 Abs. 3 StPO behandelt werden (s. II Rz. 617)6; – wenn das Gericht die behauptete Tatsache als wahr unterstellt; in diesem Fall muss das Gericht die behauptete Tatsache wirklich als bewiesen behandeln und darf sich in seiner Entscheidung mit dieser Tatsache nicht in Widerspruch setzen7;
__________ 1 S. dazu BFH v. 1.2.2007 – VI B 118/04, BStBl. II 2007, 538; v. 21.12.2005 – I B 249/04, BFH/NV 2006, 780. 2 Vgl. BFH v. 21.2.2000 – XI B 132/98, BFH/NV 2000, 882; v. 22.9.2000 – XI B 197/99, BFH/NV 2001, 312. 3 St. Rspr.; z. B. BFH v. 16.11.2005 – VI R 71/99, BFH/NV 2006, 753; v. 27.7.2000 – V R 38/99, BFH/NV 2001, 181; v. 30.12.2002 – XI B 58/02, BFH/NV 2003, 787. 4 BFH v. 27.7.2000 – V R 38/99, BFH/NV 2001, 181. 5 BFH v. 27.7.2000 – V R 38/99, BFH/NV 2001, 181. 6 BFH v. 8.8.2006 – X B 161/04, BFH/NV 2006, 2119; v. 21.5.1992 – VIII B 76/91, BFH/NV 1993, 32. 7 Vgl. BFH v. 27.7.2000 – V R 38/99, BFH/NV 2001, 181.
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Mündliche Verhandlung
Rz. 617 II
– wenn der Beweisantrag unsubstantiiert ist1 oder „ins Blaue hinein“ gestellt wird2. Allerdings ist bei ungenügender Konkretisierung des Beweisantrages das Gericht nach § 76 Abs. 2 FGO gehalten, auf eine Erläuterung und Klarstellung des Beweisthemas und des Beweisangebotes hinzuwirken3. „Ins Blaue hinein“ gestellte und deshalb als unsubstantiiert anzusehende Beweisanträge sind anzunehmen, wenn sie offenkundig Behauptungen betreffen, die ohne jede tatsächliche Grundlage aufgestellt werden; – wenn eine Parteivernehmung beantragt wird und nichts an Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit des Verbringens besteht4. Die Zurückweisung des Beweisantrags muss nicht durch besonderen Beschluss – 616 dieser wäre nach § 128 Abs. 2 FGO ohnehin unanfechtbar – erfolgen. Es reicht aus, wenn sich die Gründe für die Ablehnung aus dem Urteil ergeben5. Das Übergehen eines – entscheidungserheblichen – Beweisantrages kann einen Verfahrensmangel i. S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO darstellen. Hierauf kann eine Nichtzulassungsbeschwerde gestützt werden. Dabei muss der Verfahrensmangel bezeichnet und gleichzeitig vorgetragen werden, dass die Nichterhebung des angebotenen Beweises in der nächsten mündlichen Verhandlung gerügt wurde oder weshalb diese Rüge nicht möglich war6. Das Übergehen eines Beweisantrages gehört nämlich zu den verzichtbaren Verfahrensmängeln. Dabei geht das Rügerecht auch durch das bloße Unterlassen einer rechtzeitigen Rüge verloren. Verhandelt der Kläger bzw. sein Bevollmächtigter zur Sache, ohne den Verfahrensmangel zu rügen, obwohl er den Mangel kannte oder kennen musste, verliert er das Rügerecht7. Empfehlung: Hält der Kläger eine Beweisaufnahme (z. B. die Vernehmung eines Zeugen) unbedingt für erforderlich, um den Prozess gewinnen zu können, so sollte er ausdrücklich zu Protokoll geben, dass der Beweisantrag aufrechterhalten wird und dass die Nichterhebung des beantragten Beweises gerügt wird. Beantragt ein Kläger, einen im Ausland ansässigen Zeugen zu einem Auslands- 617 sachverhalt zu vernehmen, so muss er mit Rücksicht auf § 76 Abs. 1 Satz 4 FGO i. V. m. § 90 Abs. 2 AO gegenüber dem Gericht seine Bereitschaft erklären, den Zeugen zur Vernehmung als präsenten Zeugen zu stellen und für dessen Erscheinen zu einem rechtzeitig anzuberaumenden Termin Sorge zu tragen8. Ggf. muss
__________ 1 Z. B. BFH v. 2.8.2006 – IX B 58/06, BFH/NV 2006, 2117; v. 2.3.2006 – XI B 79/05, BFH/NV 2006, 1132; v. 10.3.2005 – X B 66/04, BFH/NV 2005, 1339; Gräber/Stapperfend, § 76 FGO Rz. 29. 2 BFH v. 21.12.2001 – VII B 132/00, BFH/NV 2002, 661, m. w. N.; v. 19.8.2003 – IX B 36/03, DStRE 2004, 540. 3 BFH v. 6.5.1999 – VII R 59/98, BFH/NV 2000, 49; v. 30.12.2002 – XI B 58/02, BFH/NV 2003, 787. 4 BFH v. 3.3.2006 – IV B 127/04, BFH/NV 2006, 1133. 5 BFH v. 4.10.1991 – VII B 98/91, BFH/NV 1992, 603. 6 BFH v. 14.8.2000 – VII B 87/00, BFH/NV 2001, 147; v. 24.8.2005 – IV B 61/04, BFH/NV 2006, 85. 7 BFH v. 14.1.2000 – VIII B 72/99, n. v. 8 BFH v. 8.8.2006 – X B 161/04, BFH/NV 2006, 2119; v. 21.5.1992 – VIII B 76/91, BFH/NV 1993, 32.
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II Rz. 618
Rechtsschutz vor dem Finanzgericht
das Gericht den Kläger deshalb darauf hinweisen, dass dieser den im Ausland wohnhaften Zeugen selbst zur mündlichen Verhandlung stellen müsse1. Erklärt der Kläger dann, den Zeugen nicht stellen zu können, so darf das Gericht entsprechend § 244 Abs. 3 StPO den benannten Zeugen im Ausland als unerreichbares Beweismittel bewerten2. Das Gericht darf dann ohne eine Berücksichtigung des Zeugen den ihm vorliegenden Sachverhalt nach freier Überzeugung (§ 96 Abs. 1 FGO) würdigen. Ein Verfahrensfehler in Gestalt der Übergehung eines Beweisantrags liegt dann nicht vor. Die Vernehmung eines Zeugen im Ausland (§ 155 FGO i. V. m. §§ 363, 364 ZPO) ist zwar prozessrechtlich zulässig; sie muss aber nicht zwingend erfolgen, wenn der Zeuge im Inland nicht verfügbar ist. Das Finanzgericht muss nach pflichtgemäßem Ermessen prüfen, ob es entsprechend vorgehen will. Dabei ist es durchaus ermessensgerecht, wenn das Gericht den Zeugen in der mündlichen Verhandlung selbst vernehmen will, weil es entscheidend auf den persönlichen Eindruck und die Glaubwürdigkeit des Zeugen ankommt3.
c) Beweisbedürftige Tatsachen 618 Eine Beweisaufnahme ist in der Regel nur dann erforderlich, wenn der entscheidungserhebliche Sachverhalt nicht bereits aufgrund der Mitwirkung der Beteiligten so geklärt ist, dass das Gericht ihn seiner Entscheidung zu Grunde legen kann. Eine Beweisaufnahme hat insbesondere dann stattzufinden, wenn entscheidungserhebliche Tatsachen zwischen den Beteiligten streitig sind. 619 Beweisbedürftig können nur Tatsachen sein. Tatsachen sind alle sinnlich wahrnehmbaren äußeren und inneren Vorgänge und Verhältnisse4. Tatsachenbewertungen und rechtliche Schlussfolgerungen aus Tatsachen sind keine Tatsachen. Zu den Tatsachen gehören die Verkehrsauffassung und sog. Erfahrungssätze. Hier wird kann allerdings die Einholung eines Sachverständigengutachtens in Betracht kommen. Eine Tatsache ist dann nicht beweisbedürftig, wenn sie offenkundig ist5. Offenkundig ist eine Tatsache, wenn sie – allgemeinkundig ist, das heißt, einer beliebig großen Zahl von Menschen bekannt oder ohne weiteres zuverlässig wahrnehmbar ist oder allgemein verbreitet worden ist6, so z. B. historische Ereignisse, Entfernungen, Börsenkurse; – gerichtskundig ist, d. h., das erkennende Gericht hat sie selbst aufgrund seiner eigenen amtlichen Tätigkeit wahrgenommen; privates Wissen von Richtern fällt nicht hierunter. Tatsachen, die das Gericht als offenkundig behandeln will, müssen zur Wahrung des rechtlichen Gehörs zum Gegenstand der Verhandlung gemacht werden1. Das
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BFH v. 27.9.1999 – I B 49/98, BFH/NV 2000, 452. BFH v. 8.8.2006 – X B 161/04, BFH/NV 2006, 2119. BFH v. 8.8.2006 – X B 161/04, BFH/NV 2006, 2119. Seer in Tipke/Kruse, § 81 FGO Rz. 5; Gräber/Koch, § 81 FGO Rz. 3. Vgl. § 155 FGO i. V. m. § 291 ZPO; BFH v. 3.8.1993 – VII B 29/93, BFH/NV 1994, 326. Vgl. Seer in Tipke/Kruse, § 81 FGO Rz. 8.
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Mündliche Verhandlung
Rz. 622 II
bedeutet: Sie müssen den Beteiligten bekannt gegeben werden, damit sie Gelegenheit zur Stellungnahme haben und ggf. Beweis für ihre gegenteilige Behauptung anbieten können. Das Gericht darf nur hinsichtlich der Tatsachen Beweis erheben, also eine Be- 620 weisaufnahme durchführen, die entscheidungserheblich sind. Das sind Tatsachen, auf die es für die Entscheidung des Gerichts ankommt. Die Durchführung einer Beweisaufnahme ist deshalb nur dann zulässig, wenn die vom Gericht bereits festgestellten Tatsachen nicht ausreichen, um über das Klagebegehren entscheiden zu können. Ob Beweis erhoben werden muss, hängt im finanzgerichtlichen Verfahren nicht davon ab, ob eine Tatsache zwischen den Beteiligten unstreitig oder streitig ist. Hat das Gericht z. B. aufgrund des Akteninhalts Zweifel, ob eine zwischen den Beteiligten unstreitige Tatsache, die entscheidungserheblich ist, tatsächlich vorliegt, so muss es wegen des Grundsatzes der Amtsermittlung hierüber Beweis erheben2.
d) Beweismittel Als Beweismittel im finanzgerichtlichen Verfahren erwähnt § 81 Abs. 1 Satz 2 621 FGO – – – – –
die Einnahme des Augenscheins, die Vernehmung von Zeugen, die Begutachtung durch Sachverständige und deren Vernehmung, die Vernehmung von Beteiligten, die Heranziehung von Urkunden.
Diese Aufzählung ist nicht abschließend, wie das Wort „insbesondere“ in § 81 Abs. 1 Satz 2 FGO zeigt. Als Beweismittel kommen deshalb alle Erkenntnismittel in Betracht, die geeignet sind oder geeignet sein können, die Überzeugung des Gerichts vom Vorhandensein entscheidungserheblicher Tatsachen zu begründen. Deshalb können beispielsweise auch amtliche Auskünfte und schriftliche Erklärungen sowie Presseberichte oder – was im finanzgerichtlichen Verfahren erhebliche Bedeutung hat – der gerichtseigene Prüfungsbeamte (s. II Rz. 626) als Beweismittel in Betracht kommen. – Augenschein
622
Unter einer Augenscheinseinnahme ist die sinnliche Wahrnehmung durch das Gericht über Eigenschaften oder Zustände von Sachen und Personen im Rahmen des Prozesses zu verstehen3. Augenscheinsobjekte können auch Gerüche, Geräusche und Tonaufnahmen sein sowie andere, mit den Sinnen wahrnehmbare Tatsachen und Vorgänge. Die Einnahme des Augenscheins wird häufig mit einem Sachverständigenbeweis verbunden.
__________ 1 BFH v. 3.8.1993 – VII B 29/93, BFH/NV 1994, 326. 2 § 138 Abs. 3 ZPO, wonach Tatsachen, die nicht ausdrücklich bestritten werden, als zugestanden anzusehen sind, wenn nicht die Absicht, sie bestreiten zu wollen, aus den übrigen Erklärungen der Parteien hervorgeht, gilt im finanzgerichtlichen Verfahren wegen des Amtsermittlungsprinzips nicht. 3 Vgl. dazu Seer in Tipke/Kruse, § 81 FGO Rz. 13.
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II Rz. 623
Rechtsschutz vor dem Finanzgericht
Die Einnahme des Augenscheins kann vorgenommen werden durch – den Spruchkörper, also den vollbesetzten Senat (drei Berufsrichter einschließlich des Vorsitzenden und den beiden ehrenamtlichen Richtern), bzw. den Einzelrichter, – einen vom Senat beauftragten oder ersuchten Richter (§ 81 Abs. 2 FGO), sofern ein geeigneter Fall für eine entsprechende Beweisaufnahme vorliegt, – den Vorsitzenden oder Berichterstatter vor der mündlichen Verhandlung im vorbereitenden Verfahren (§ 79 Abs. 3 i. V. m. § 81 Abs. 1 Satz 2 FGO), – einen beauftragten Sachverständigen, – den gerichtseigenen Prüfungsbeamten als Augenscheinsgehilfe des Gerichts1. Die Beteiligten sind aufgrund ihrer Mitwirkungspflichten grundsätzlich zur Duldung des Augenscheins verpflichtet. Diese Verpflichtung kann allerdings nicht erzwungen werden. Weigert sich der Beteiligte, die Augenscheinseinnahme zu dulden, so kann das Gericht hieraus für den betreffenden Beteiligten ungünstige Schlüsse ziehen2. 623 – Zeugen Zeuge ist eine Person, die aufgrund ihrer Wahrnehmungen etwas über Tatsachen und Zustände bekunden kann. Zeugen können nur am Prozess nicht beteiligte Dritte sein. Ein Beteiligter kann nicht als Zeuge aussagen. Der gesetzliche Vertreter des Klägers kann deshalb nicht als Zeuge, sondern lediglich als Partei vernommen werden (z. B. Geschäftsführer einer GmbH, s. II Rz. 627). 624 – Sachverständige Sachverständige sind Personen, die dem Richter auf seine Anordnung hin die ihm fehlende Kenntnis von Erfahrungssätzen übermitteln, aus einem feststehenden Sachverhalt Schlussfolgerungen ziehen oder aufgrund ihrer besonderen Sach- und Fachkunde Tatsachen feststellen. Die Zuziehung von Sachverständigen ermöglicht es dem Gericht, sich auf die besondere Sachkunde anderer Personen zu stützen. Diese Sachkunde kann in der Beherrschung bestimmter Wissenschaften liegen oder in Erfahrungen und Kenntnissen auf bestimmten Gebieten. Wie aus der Einordnung des Sachverständigen als Beweismittel hervorgeht, hat er den Richter bei der Feststellung von Tatsachen zu unterstützen. Das Gutachten des Sachverständigen hat sich deshalb in jedem Fall auf Tatsachen zu beschränken; die rechtliche Würdigung ist einzig und allein Aufgabe des Gerichts. Der Sachverständige kann gem. § 82 FGO i. V. m. § 406 Abs. 1 ZPO aus Gründen, die zur Ausschließung eines Richters führen (§ 41 ZPO – s. II Rz. 598 ff.) oder wegen Besorgnis der Befangenheit (§ 42 ZPO – s. II Rz. 594 ff.) abgelehnt werden, und zwar dann, wenn ein Anlass vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Sachverständigen zu rechtfertigen. Gründe für ein derartiges Misstrauen sind vorhanden, wenn ein Beteiligter von seinem Standpunkt aus bei vernünftiger, objektiver Betrachtung davon ausgehen kann, der Sachverständige
__________
1 Gräber/Koch, § 81 FGO Rz. 19; vgl. Seer, Der Einsatz von Prüfungsbeamten durch das Finanzgericht, 267 f. 2 Vgl. Stöcker in Beermann/Gosch, § 82 FGO Rz. 71.
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Mündliche Verhandlung
Rz. 627 II
werde sein Gutachten nicht unvoreingenommen abgeben. Bei Anordnung eines schriftlichen Gutachtens ist das Ablehnungsgesuch grundsätzlich nur bis zum Eingang des Gutachtens bei Gericht möglich. Nach diesem Zeitpunkt müssen sich Gründe für ein Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Sachverständigen aus dem Gutachten selbst ergeben1. Nach § 88 FGO kann ein Sachverständiger auch dann abgelehnt werden, wenn dessen Heranziehung eine Verletzung des Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisses oder Schaden für die geschäftliche Tätigkeit eines Beteiligten befürchten lässt. – Urkunden
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Unter Urkunden sind schriftliche Gedankenäußerungen zu verstehen. Öffentliche Urkunden sind Urkunden, die von einer öffentlichen Behörde innerhalb ihrer Amtsbefugnisse oder von einer mit öffentlichem Glauben versehenen Person – z. B. einem Notar – innerhalb ihres Geschäftskreises in der vorgeschriebenen Form aufgenommen worden sind (§ 415 Abs. 1 ZPO). Letzteren kommt ein hoher Beweiswert zu: Nach allgemeinen Erfahrungssätzen erbringen sie im Regelfall vollen Beweis für die in ihr beurkundeten Tatsachen. So erbringt gem. § 418 Abs. 1 ZPO der Eingangsstempel einer Behörde oder eines Gerichts grundsätzlich den vollen Beweis für Zeit und Ort des Eingangs eines Schreibens2. Der nach § 418 Abs. 2 ZPO zu erbringende Gegenbeweis der Unrichtigkeit einer öffentlichen Urkunde erfordert den vollen Nachweis eines anderen Geschehensablaufs. Bloße Zweifel an der Richtigkeit der urkundlichen Feststellungen genügen nicht, vielmehr muss zur Überzeugung des Gerichts jegliche Möglichkeit ihrer Richtigkeit ausgeschlossen sein. Der Inhalt der Richtigkeit des Eingangsstempels kann also u. U. widerlegt werden3. – Gerichtseigene Prüfungsbeamte
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Es handelt sich bei diesen Prüfungsbeamten um Bedienstete des Finanzgerichts, die meist mit der Überprüfung nicht beweiskräftiger Buchführungen betraut werden, die die Finanzämter zu Zuschätzungen oder Vollschätzungen veranlasst haben. In derartigen Fällen wird der Prüfungsbeamte meist von dem Senat durch Beweisbeschluss eingesetzt, das Zahlenwerk der Buchführung auf formelle oder materielle Mängel zu überprüfen, zu den von den Finanzämtern vorgenommenen Teil- und Vollschätzungen Stellung zu nehmen und ggf. aufgrund neuer Erkenntnisse aus innerem Betriebsvergleich, Geldverkehrsrechnungen oder Vermögenszuwachsrechnungen eigene Schätzungsvorschläge zu erarbeiten. Der aufgrund förmlichen Beweisbeschlusses eingesetzte Prüfungsbeamte beim Finanzgericht ist Sachverständiger4. Das hat zur Folge, dass er von den Beteiligten als befangen abgelehnt werden kann, wenn die Voraussetzungen des § 82 FGO i. V. m. §§ 406 Abs. 1, 42 ZPO erfüllt sind5. – Beteiligtenvernehmung
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Das Gericht hört den Kläger oder dessen gesetzlichen Vertreter als Partei regelmäßig ohne förmliche Beweisaufnahme nur informatorisch. Es handelt sich um
__________ 1 2 3 4 5
BFH v. 29.3.1999 – V B 140/98, BFH/NV 1999, 1241 m. w. N. BFH v. 9.8.2004 – VI B 79/02, BFH/NV 2004, 1548. BFH v. 29.3.2005 – IX B 236/02, n. v. BFH v. 2.8.2005 – IV B 185/03, BFH/NV 2005, 2224 m. w. N. BFH v. 29.3.1999 – V B 140/98, BFH/NV 1999, 1241.
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II Rz. 628
Rechtsschutz vor dem Finanzgericht
die Anhörung des Klägers und die Gewährung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG). Der Prozessbevollmächtigte des Klägers ist nicht Partei. Er wird, sofern erforderlich, als Zeuge vernommen. Die förmliche Vernehmung des Klägers als Partei ist nur ein letztes Hilfsmittel zur Aufklärung des Sachverhalts, wenn trotz Ausschöpfung aller anderen Beweismittel noch Zweifel bestehen. Sie dient nicht dazu, einem Beteiligten Gelegenheit zu geben, seine eigenen Behauptungen zu bestätigen und ggf. zu beschwören. Sie kann unterbleiben, wenn sich das Gericht mit Hilfe anderer Beweismittel eine Überzeugung bilden kann oder wenn nichts an Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit des Vorbringens erbracht ist1. Die Parteivernehmung des Klägers kommt nur dann in Betracht, wenn eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit von dessen Behauptungen besteht.
e) Durchführung der Beweisaufnahme 628 Gem. § 81 Abs. 1 Satz 1 FGO erhebt das Gericht grundsätzlich Beweis in der mündlichen Verhandlung (s. II Rz. 461). Für die Praxis besonders wichtig ist die Beweisaufnahme durch die Vernehmung von Zeugen. Hier gelten gem. § 82 FGO die Vorschriften der Zivilprozessordnung entsprechend. Zum Beweistermin werden die Zeugen unter Bezugnahme auf den Beweisbeschluss geladen. Dabei muss die Ladung die Bezeichnung der Parteien, den Gegenstand der Vernehmung sowie die Anweisung enthalten, zur Ablegung des Zeugnisses bei Vermeidung der durch das Gesetz angedrohten Ordnungsmittel zu dem genau bezeichneten Termin zu erscheinen (vgl. § 377 ZPO). Diese Anweisung ist wichtig, weil einem ordnungsgemäß geladenen Zeugen, der nicht erscheint, die durch das Ausbleiben verursachten Kosten auferlegt werden können, ohne dass ein entsprechender Antrag erforderlich ist (§ 380 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Ferner kann gegen ihn dann Ordnungsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft festgesetzt werden (§ 380 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Die Festsetzung des Ordnungsmittels unterbleibt, wenn der Zeuge sein Ausbleiben genügend entschuldigt; erfolgt die genügende Entschuldigung nachträglich, so werden die gegen den Zeugen getroffenen Anordnungen wieder aufgehoben (§ 381 Abs. 1 ZPO)2. 629 Wenn es das Gericht im Hinblick auf den Inhalt der Beweisfrage und die Person des Zeugen für ausreichend erachtet, kann das Gericht eine schriftliche Beantwortung der Beweisfrage anordnen, allerdings unter Hinweis darauf, dass der Zeuge zur Vernehmung geladen werden kann (§ 377 Abs. 3 ZPO). Eine schriftliche Zeugenaussage kann eine mündliche Zeugenaussage vor dem Prozessgericht ersetzen3. Ein geeigneter Fall liegt vor, wenn der Zeuge die beweiserhebliche Auskunft voraussichtlich anhand seiner Bücher oder anderer Aufzeichnungen geben kann4.
__________ 1 2 3 4
St. Rspr., BFH v. 3.3.2006 – IV B 127/04, BFH/NV 2006, 1133. BFH v. 7.3.2007 – X B 76/06, BStBl. II 2007, 463. BFH v. 11.12.1997 – VIII B 21/97, BFH/NV 1998, 975. Seer in Tipke/Kruse, § 82 FGO Rz. 36.
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Mündliche Verhandlung
Rz. 633 II
Vor seiner Vernehmung wird der Zeuge zur Wahrheit ermahnt und darauf hinge- 630 wiesen, dass er in den vom Gesetz vorgesehenen Fällen u. U. seine Aussage zu beeidigen hat (§ 395 Abs. 1 ZPO). Die Vernehmung beginnt dann damit, dass der Zeuge über Vornamen und Zunamen, Alter, Stand oder Gewerbe und Wohnort befragt wird. Erforderlichenfalls sind ihm auch Fragen über solche Umstände, die seine Glaubwürdigkeit in der Streitsache betreffen, insbesondere über seine Beziehungen zu den Parteien, vorzulegen (§ 395 Abs. 2 ZPO). Alsdann wird der Zeuge veranlasst, zu dem Gegenstand seiner Vernehmung im Zusammenhang auszusagen. Zur Aufklärung und zur Vervollständigung seiner Aussage sowie zur Erforschung des Grundes, auf dem die Wahrnehmung des Zeugen beruht, sind ggf. weitere Fragen zu stellen (§ 396 ZPO). Empfehlung: Der Kläger bzw. sein Bevollmächtigter sollten bei einer Beweisaufnahme durch das Gericht unbedingt dabei sein. Die Beteiligten können nämlich unmittelbar an den Zeugen sachdienliche Fragen richten (§ 83 FGO). Hiervor sollten sich der Kläger und sein Berater nicht scheuen. Die Fragen müssen allerdings beweiserheblich sein. Das sind sie, wenn sie geeignet sind, die Sachaufklärung unmittelbar oder mittelbar zu fördern. Weist das Gericht eine solche Frage zu Unrecht zurück, kann darin ein Verfahrensmangel i. S. des § 119 Nr. 3 FGO (Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör) liegen, der mit der Nichtzulassungsbeschwerde gerügt werden kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). Verzichtet ein Beteiligter (ausdrücklich oder stillschweigend) auf sein Fragerecht, 631 führt dies grundsätzlich zum Verlust des Rügerechts (vgl. § 155 FGO i. V. m. § 295 ZPO). Eine schlüssige Verfahrensrüge setzt deshalb voraus, dass der Beschwerdeführer darlegt, weshalb er selbst nicht in der Lage war, auf entsprechende Fragen hinzuwirken, und/oder weshalb sich dem Finanzgericht die Notwendigkeit weiterer Befragung angesichts des bisherigen Sachstandes hätte aufdrängen müssen1.
f) Zeugnisverweigerungsrecht Zu beachten ist, dass Zeugen unter Umständen berechtigt sind, ihr Zeugnis zu 632 verweigern. Für das Recht zur Verweigerung des Zeugnisses und die Pflicht zur Belehrung über die Zeugnisverweigerung gelten nach § 84 Abs. 1 FGO nicht die Vorschriften der ZPO, sondern die §§ 101–103 AO sinngemäß. Danach sind Angehörige i. S. des § 15 AO eines Beteiligten berechtigt, die Aussage zu verweigern, soweit sie nicht selbst als Beteiligte über ihre eigenen steuerlichen Verhältnisse auskunftspflichtig sind oder die Auskunftspflicht für einen Beteiligten zu erfüllen haben. Über ihr Auskunftsverweigerungsrecht sind sie zu belehren. Außerdem können gem. § 102 AO die Auskunft verweigern:
633
– Geistliche über das, was ihnen in ihrer Eigenschaft als Seelsorger anvertraut worden oder bekannt geworden ist,
__________ 1 BFH v. 28.1.1993 – X B 80/92, BFH/NV 1994, 108.
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II Rz. 634
Rechtsschutz vor dem Finanzgericht
– Mitglieder des Bundestages, des Landtages oder einer zweiten Kammer, d. h. des Bundesrates1, über Personen, die ihnen in ihrer Eigenschaft als Mitglieder dieser Organe oder denen sie in dieser Eigenschaft Tatsachen anvertraut haben, sowie über diese Tatsachen selbst, – Verteidiger, Rechtsanwälte, Patentanwälte, Notare, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Steuerbevollmächtigte, vereidigte Buchprüfer, Ärzte, Zahnärzte, Psychologische Psychotherapeuten, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, Apotheker und Hebammen über das, was ihnen in ihrer beruflichen Eigenschaft anvertraut worden oder bekannt geworden ist sowie – Personen, die bei der Vorbereitung, Herstellung oder Verbreitung von periodischen Druckwerken oder Rundfunksendungen berufsmäßig mitwirken oder mitgewirkt haben über die Person des Verfassers, Einsenders oder Gewährsmanns von Beiträgen und Unterlagen sowie über die ihnen im Hinblick auf ihre Tätigkeit gemachten Mitteilungen, soweit es sich um Beiträge, Unterlagen und Mitteilungen für den redaktionellen Teil handelt. 634 Außerdem haben gem. § 103 AO Personen, die nicht Beteiligte und nicht für einen Beteiligten auskunftspflichtig sind, ein Auskunftsverweigerungsrecht auf solche Fragen, deren Beantwortung sie selbst oder einen ihrer Angehörigen der Gefahr strafgerichtlicher Verfolgung oder eines Verfahrens wegen einer Ordnungswidrigkeit aussetzen würde. Über dieses Recht ist dieser Personenkreis zu belehren. Nach dieser Regelung steht dem Auskunftsverpflichteten zur Vermeidung einer Selbstbelastung kein umfassendes, sondern nur ein gegenständlich beschränktes Auskunftsverweigerungsrecht zu. Zur Verweigerung einer insgesamt verlangten Auskunft berechtigt § 103 AO jedoch dann, wenn die geforderte Auskunft nicht in einzelne Fragen aufgeteilt werden kann oder wenn die geforderte Auskunft in einem so engen Zusammenhang mit einem möglicherweise strafbaren oder ordnungswidrigen Verhalten steht, dass nichts übrig bleibt, was beantwortet werden könnte, ohne dass die Auskunftsperson sich oder einen Angehörigen belasten würde2. In diesen Fällen führt das Recht, die Beantwortung einzelner Fragen zu verweigern, im Ergebnis ausnahmsweise zu einer berechtigten Verweigerung der verlangten Auskunft in vollem Umfang3. Nach ständiger Rechtsprechung müssen die Tatsachen, auf die der Zeuge sein Zeugnisverweigerungsrecht stützen will, weder angegeben noch glaubhaft gemacht werden, wenn schon der Inhalt der Beweisfrage den Weigerungsgrund glaubhaft macht. Denn bereits bei einem prozessual ausreichenden Anfangsverdacht droht die Gefahr strafgerichtlicher Verfolgung, wodurch das Zeugnisverweigerungsrecht ausgelöst wird4. 635 Über die Rechtmäßigkeit der Zeugnisverweigerung ist, sofern dies durch einen der Beteiligten beantragt wird oder das Gericht selbst die Aussage anordnen will, durch Zwischenurteil zu entscheiden (§ 82 FGO i. V. m. § 387 Abs. 3 ZPO). Das
__________ 1 Vgl. Tipke in Tipke/Kruse, § 102 AO Rz. 6. 2 BFH v. 7.5.2007 – X B 167/06, BFH/NV 2007, 1524 unter Hinweis auf BFH v. 13.4.1988 – V B 158/87, BFH/NV 1989, 82. 3 BFH v. 7.5.2007 – X B 167/06, BFH/NV 2007, 1524. 4 BFH v. 7.5.2007 – X B 167/06, BFH/NV 2007, 1524 m. w. N.
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Mündliche Verhandlung
Rz. 637 II
Zwischenurteil ergeht gegenüber den Parteien des (Haupt-)Prozesses sowie gegenüber dem die Aussage verweigernden Zeugen, der insoweit für das Zwischenverfahren Nebenbeteiligter ist1. Gegen das Zwischenurteil findet entsprechend § 387 Abs. 3 ZPO die Beschwerde statt, der das Finanzgericht nicht abhelfen kann2.
8. Verhandlungsniederschrift Über die mündliche Verhandlung und jede Beweisaufnahme ist eine Niederschrift 636 (Protokoll) anzufertigen (§ 94 FGO i. V. m. § 159 Abs. 1 ZPO). Die Niederschrift enthält – den Ort und den Tag der Verhandlung, – die Namen der Richter, des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle und eines etwa zugezogenen Dolmetschers, – die Bezeichnung des Rechtsstreits, – die Namen der erschienenen Beteiligten, Bevollmächtigten, Zeugen und Sachverständigen, – die Angabe, dass öffentlich verhandelt oder die Öffentlichkeit ausgeschlossen worden ist. Außerdem sind in die Niederschrift die wesentlichen Vorgänge der Verhandlung aufzunehmen. Es sind insbesondere festzustellen – – – – –
die Anträge, die Aussagen der Zeugen, Sachverständigen und vernommenen Beteiligten, die Entscheidungen (Urteile, Beschlüsse und Verfügungen) des Gerichts, die Verkündung der Entscheidungen, die Zurücknahme der Klage oder eines Rechtsmittels sowie eines Verzichts auf Rechtsmittel.
Die Niederschrift hat gem. § 94 FGO i. V. m. § 165 ZPO Beweiskraft für die Wah- 637 rung der für die mündliche Verhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten. Diese Beweiskraft kann nur durch den Nachweis der Fälschung widerlegt werden. Sind in der Niederschrift bestimmte Vorgänge nicht erwähnt (z. B. Antrag des Klägers auf Vertagung), so liefert die Niederschrift den Beweis dafür, dass solche Vorgänge nicht stattgefunden haben3. Empfehlung: Im Hinblick auf die Beweiskraft des Protokolls kann es wichtig sein, dass bestimmte Vorgänge im Protokoll erscheinen. Die Beteiligten können deshalb beantragen, dass bestimmte Vorgänge oder Äußerungen in das Protokoll aufgenommen werden (§ 94 FGO i. V. m. § 160 Abs. 4 Satz 1 ZPO), z. B. das ausdrückliche Bestreiten eines behaupteten Sachverhaltes oder das Aufrechterhalten eines Beweisantritts und die Rüge der unterlassenen Beweisaufnahme oder die Rüge eines sonstigen Verfahrensmangels. Der Be-
__________
1 BFH v. 17.3.1997 – VIII B 41/96, BFH/NV 1997, 736. 2 BFH v. 7.5.2007 – X B 167/06, BFH/NV 2007, 1524 m. w. N. 3 BFH v. 30.6.2005 – X B 173/04, BFH/NV 2005, 1850; s. dazu auch Schallmoser in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 94 FGO Rz. 91.
231
II Rz. 638
Rechtsschutz vor dem Finanzgericht
schluss, durch den die beantragte Aufnahme bestimmter Vorgänge in das Protokoll abgelehnt wird, ist unanfechtbar. Er muss aber in das Protokoll aufgenommen werden, so dass auf diese Weise erreicht werden kann, dass der Vorgang oder die Äußerung jedenfalls auf diese Weise – mittelbar – im Protokoll erscheint. 638 Die Niederschrift ist von dem Vorsitzenden und von dem Protokollführer zu unterschreiben. 639 Nach § 94 FGO i. V. m. § 164 ZPO können Unrichtigkeiten des Protokolls jederzeit berichtigt werden. Unrichtigkeit ist jedwede Diskrepanz zwischen den tatsächlichen Vorgängen und Äußerungen und in der Niederschrift festgehaltenem Inhalt1. Die Ablehnung einer beantragten Protokollberichtigung, die auch schon während der mündlichen Verhandlung erfolgen kann, ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden bzw. des Einzelrichters und ist nicht anfechtbar2.
9. Urteilsverkündung 640 Hat eine mündliche Verhandlung stattgefunden und sich das Verfahren nicht anderweitig durch Klagerücknahme oder übereinstimmende Erledigungserklärungen erledigt, kommt es, wenn der Streitfall entscheidungsreif ist, normalerweise zu einem Urteil (s. Rz. 676 ff.). Dieses wird in der Regel in dem Termin, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen wurde, verkündet. In besonderen Fällen kann das Urteil auch in einem sofort anzuberaumenden Termin, der nicht über zwei Wochen hinaus angesetzt werden soll, verkündet werden (§ 104 Abs. 1 Satz 1 FGO). Die Verkündung erfolgt durch Verlesung der Urteilsformel; das Urteil muss den Beteiligten dann aber noch zugestellt werden. Etwaige Verkündungsmängel werden durch die nachfolgende Zustellung des angefochtenen Urteils geheilt3. 641 Statt der Verkündung kann das Urteil auch zugestellt werden; dann muss das Urteil innerhalb von zwei Wochen nach der mündlichen Verhandlung der Geschäftsstelle übergeben werden. Die Übergabe der von den Berufsrichtern unterschriebenen Urteilsformel reicht insoweit aber zunächst aus4. Zur Nachberatung im Senat s. II Rz. 606. Eine verspätete Niederlegung der Urteilsformel in der Geschäftsstelle und eine Verletzung der diesbezüglichen Ordnungsvorschrift (§ 104 Abs. 2 i. V. m. 105 Abs. 4 Satz 2 FGO) führt aber nicht zur Zulassung der Revision5. Die nach § 104 Abs. 2 FGO der Geschäftsstelle übergebene Urteilsformel ist den Beteiligten auf Anfrage bekannt zu geben6. Hierauf haben die Beteiligten einen Rechtsanspruch7.
__________ 1 2 3 4 5 6
Schallmoser in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 94 FGO Rz. 71. Schallmoser in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 94 FGO Rz. 82 f. BFH v. 13.12.2000 – X R 67/99, BFH/NV 2001, 635. BFH v. 30.4.2001 – VII B 28/01, BFH/NV 2001, 1287. BFH v. 5.12.2003 – XI B 69/03, BFH/NV 2004, 527. BFH v. 7.10.1998 – II B 93/98, BFH/NV 1999, 935; v. 28.4.1999 – V B 90/98, BFH/NV 1999, 1362. 7 BFH v. 30.4.2001 – VII B 28/01, BFH/NV 2001, 1287.
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Mündliche Verhandlung
Rz. 644 II
Das Finanzgericht muss die Entscheidungsgründe innerhalb von längstens fünf 642 Monaten absetzen1, darf aber diese Frist zur Übergabe des vollständigen Urteils an die Geschäftsstelle bis zum letzten Tag ausnutzen. Hat das Finanzgericht die Fünf-Monats-Frist eingehalten, kann die Revision aber zugelassen werden, wenn dargetan oder sonst erkennbar ist, dass die Urteilsformel bei fristgemäßer Niederlegung anders als im zugestellten Urteil gelautet hätte2. Nach Ergehen des Urteils, durch Verkündung oder durch Zustellung statt der Verkündung, kommt eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung (§ 93 Abs. 3 Satz 2 FGO) nicht mehr in Betracht3.
10. Videokonferenz § 91a FGO4 sieht in Abs. 1 vor, dass mündliche Verhandlungen auch in der Weise 643 durchgeführt werden können, dass Beteiligte und/oder deren Vertreter auf deren Antrag per Videokonferenz zugeschaltet werden. § 91a Abs. 1 Satz 2 FGO geht vom Bild einer virtuellen mündlichen Verhandlung aus. Die Beteiligten können, sofern das Gericht die Zuschaltung gestattet, auch in diesem Fall wirksame Verfahrenshandlungen vornehmen, also z. B. Prozesserklärungen abgeben oder Anträge stellen, ohne dass sie persönlich im Gerichtssaal erscheinen müssen. Diese Vorschrift, die die Benutzung neuer Technologien im Gerichtssaal möglich machen soll, gibt den Beteiligten keinen Anspruch darauf, dass diese Technik vom Gericht vorgehalten wird. Eine Zuschaltung Dritter – als Öffentlichkeit – kommt nicht in Betracht. Die Öffentlichkeit kann die Verhandlung vom Sitzungsraum aus verfolgen. Das Gericht kann den Beteiligten auf Antrag gestatten, sich per Videokonferenz 644 an der mündlichen Verhandlung zu beteiligen. Es handelt sich um eine Ermessensentscheidung, die durch Beschluss des Gerichts (Senats, Einzelrichters) erfolgt. Bei der Ermessensentscheidung sind zu berücksichtigen das Interesse des Antragstellers einerseits, sich zur mündlichen Verhandlung von einem dritten Ort aus zuschalten zu lassen (z. B. Gesundheitszustand, Kostenersparnis u. Ä.) und das Interesse an einem ordnungsgemäßen Ablauf der mündlichen Verhandlung unter Beachtung des Grundsatzes der Unmittelbarkeit andererseits5. Der Beschluss, die beantragte Videoschaltung zuzulassen oder abzulehnen, ist als prozessleitende Verfügung nicht anfechtbar (§ 128 Abs. 2 FGO)6. Allerdings kann die Entscheidung, sofern sie fehlerhaft ist und zu einem Verfahrensfehler führt, incidenter im Rahmen der Revision überprüfbar sein (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO)7.
__________ 1 Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes v. 27.4.1993 – GmS-OGB 1/92, HFR 1993, 674. 2 BFH v. 5.12.2003 – XI B 69/03, BFH/NV 2004, 527; v. 7.7.1999 – VIII R 81/98, BFH/NV 1999, 1626. 3 BFH v. 25.10.2000 – VII B 198/00 –, BFH/NV 2001, 471. 4 Eingefügt durch das 2. FGOÄndG v. 19.12.2000, BGBl. I 2000, 1757. 5 Ebenso Brandis in Tipke/Kruse, § 91a FGO Rz. 6. 6 BFH v. 27.3.2003 – VI B 77/02, BFH/NV 2003, 818; Brandt in Beermann/Gosch, § 128 FGO Rz. 94; Seer in Tipke/Kruse, § 128 Tz. 25. 7 Vgl. dazu BFH v. 19.1.2006 VII B 300/05, BH/NV 2006, 960; Brandis in Tipke/Kruse, § 91a FGO Rz. 11 m. w. N.
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II Rz. 645
Rechtsschutz vor dem Finanzgericht
645 Lässt sich die gestattete Videoschaltung nicht durchführen – die Schaltung kommt z. B. wegen Überlastung der Leitungen nicht zu Stande oder es liegt ein technischer Defekt vor –, so liegt regelmäßig ein erheblicher Grund für eine Vertagung vor, da der nicht persönlich anwesende Beteiligte bzw. dessen Vertreter auf die Zuschaltung vertraut hat1. Andernfalls könnte die Durchführung der mündlichen Verhandlung ohne den zugeschalteten Beteiligten eine Versagung des rechtlichen Gehörs bedeuten und damit zu einem absoluten Revisionsgrund (§ 119 Abs. 2 Nr. 3 FGO) führen. 646 Nach § 91a Abs. 1 Satz 3 FGO findet eine Aufzeichnung der Videokonferenz nicht statt. Hierbei handelt es sich um eine eindeutige gesetzliche Anordnung, die nicht disponibel ist2. Ein Verstoß hiergegen führt zu einem Verwertungsverbot. Bei Erörterungsterminen nach § 79b Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 FGO (s. II Rz. 527 ff.) ist die Zuschaltung per Videokonferenz unter den gleichen Voraussetzungen möglich (§ 91a Abs. 2 FGO). Empfehlung: Fragt das Gericht an, ob die Beteiligten einen Antrag auf eine mündliche Verhandlung per Videokonferenz stellen wollen, so sollte Folgendes überlegt werden: Natürlich dient eine Verhandlung per Videokonferenz der Zeit- und Kosteneinsparung. Grundsätzlich empfiehlt es sich für den Kläger bzw. seinen Berater dennoch, im Gerichtssaal bei der mündlichen Verhandlung persönlich anwesend zu sein. Dies gilt vor allem, wenn es auf den persönlichen Eindruck ankommt. Deshalb sollten ein entsprechender Antrag oder das Einverständnis zu einer Videokonferenz nur dann erklärt werden, wenn der Sachverhalt unstreitig ist und es lediglich um Rechtsfragen geht. Werden in der mündlichen Verhandlung Zeugen vernommen, sollte auf eine persönliche Anwesenheit nicht verzichtet werden, damit auch persönlich – „Auge in Auge“ – Fragen unmittelbar gestellt werden können. 647 § 93a FGO3 sieht die Möglichkeit vor, Zeugen und Sachverständige im Wege der Videokonferenz zu vernehmen (Videovernehmung). Voraussetzung ist immer das Einverständnis von allen am Verfahren Beteiligten, das klar und eindeutig schriftlich oder zu Protokoll abgegeben werden muss. Ein Widerspruch des Zeugen oder Sachverständigen ist unbeachtlich. Die Entscheidung des Gerichts ist auch hier eine Ermessensentscheidung, die durch unanfechtbaren Beschluss erfolgt (§ 128 Abs. 2 FGO). Gesichtspunkte, die hierbei zu berücksichtigen sind, sind neben dem ordnungsgemäßen Ablauf der mündlichen Verhandlung und der Sicherheit der Datenübertragung auch der Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme und der Umstand, dass der persönliche Eindruck durch die Zwischenschaltung eines technischen Mediums beeinträchtigt oder auch verfälscht werden kann. Nach § 93a Abs. 1 Satz 4 FGO soll die Aussage aufgezeichnet werden, wenn zu besorgen ist, dass der Zeuge oder Sachverständige in einer weiteren
__________ 1 Ebenso Hellwig in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 91a FGO Rz. 8; Brandis in Tipke/Kruse, § 91a FGO Rz. 6 m. w. N.; a. A. Schmieszek in Beermann/Gosch, § 91 FGO Rz. 33, der darauf abstellt, in wessen Sphäre der technische Fehler liegt. 2 Ebenso Brandis in Tipke/Kruse, § 91a FGO Rz. 9; a. A. Schmieszek in Beermann/Gosch, § 91a FGO Rz. 31. 3 Eingefügt durch das 2. FGOÄndG v. 19.12.2000, BGBl. I 2000, 1757.
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Verzicht auf mündliche Verhandlung
Rz. 662 II
mündlichen Verhandlung nicht vernommen werden kann und die Aufzeichnung zur Erforschung des Sachverhalts erforderlich ist. Eine Zuschaltung aus dem Ausland setzt den Abschluss entsprechender Rechts- 648 hilfeabkommen mit den ausländischen Staaten für das finanzgerichtliche Verfahren voraus1. Solche wären sinnvoll, liegen bisher aber noch nicht vor. Einstweilen frei.
649–660
VII. Verzicht auf mündliche Verhandlung Gem. § 90 Abs. 2 FGO kann das Gericht (Senat bzw. Einzelrichter) ohne münd- 661 liche Verhandlung entscheiden, wenn die Beteiligten mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden sind. Erforderlich ist, dass alle Verfahrensbeteiligten, also auch die Beigeladenen, ihr Einverständnis erklären. Ein Urteil, das ohne mündliche Verhandlung ergeht, obgleich das erforderliche Einverständnis auch nur eines der Beteiligten nicht vorliegt, enthält einen absoluten Revisionsgrund, der auf die Nichtzulassungsbeschwerde gem. § 115 Abs. 2 Nr. 3 i. V. m. § 119 Nr. 4 FGO (der Kläger war nicht nach den Vorschriften des Gesetzes vertreten) zur Aufhebung des angefochtenen Urteils führt2. Der Verzicht auf die mündliche Verhandlung ist eine Prozesshandlung. Als Pro- 662 zesshandlung muss der Verzicht klar, eindeutig und vorbehaltlos geklärt werden. Das bedeutet: Der Erklärung muss eindeutig und klar zu entnehmen sein, dass der betreffende Beteiligte auf mündliche Verhandlung verzichten will. Der Verzicht auf mündliche Verhandlung ist als Prozesshandlung grundsätzlich unwiderruflich; die Erklärung kann auch nicht an eine Bedingung geknüpft oder wegen Irrtums angefochten werden3. Allerdings kann die Verzichtserklärung ausnahmsweise widerrufen werden, wenn sich die Prozesslage nach Abgabe der Erklärung wesentlich geändert hat4. Der Widerruf muss dann aber ebenso wie der Verzicht klar, eindeutig und vorbehaltlos erklärt werden. Hat ein Beteiligter vor der Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter sein Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt, so bezieht sich das Einverständnis nur auf die Entscheidung durch den Senat, es sei denn, es ist ausdrücklich auch für den Fall einer Entscheidung durch den Einzelrichter erklärt worden5. Die Verzichtserklärung ist an keine Frist gebunden; sie kann jederzeit bis zum Abschluss des Verfahrens, auch noch nach Zugang einer Ladung zur mündlichen Verhandlung abgegeben werden6.
__________
1 Schaumburg, ZRP 2002, 313 (315); Seibel, AO-StB 2001, 147 (150); Brandis in Tipke/ Kruse, § 93a FGO Rz. 2 m. w. N. 2 BFH v. 29.4.1999 – V R 102/98, BFH/NV 1999, 1480. 3 BFH v. 9.8.1996 – VI R 37/96, BStBl. II 1997, 77; v. 8.6.2004 – IV B 180/02, BFH/NV 2004, 1634. 4 BFH v. 6.4.1990 – III R 62/89, BStBl. II 1990, 744; v. 22.10.2003 – I B 39/03, BFH/NV 2004, 350. 5 BFH v. 9.8.1996 – VI R 37/96, BStBl. II 1997, 77. 6 Vgl. BFH v. 6.4.1990 – III R 62/89, BStBl. II 1990, 744.
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II Rz. 663
Rechtsschutz vor dem Finanzgericht
Empfehlung: Es sollte genau überlegt werden, ob auf mündliche Verhandlung verzichtet wird. Der ausdrückliche Verzicht auf mündliche Verhandlung bedeutet nämlich einen Verzicht auf das Rügerecht bei verzichtbaren Verfahrensfehlern, z. B. bei einem übergangenen Beweisantritt1. Ferner kommt eine Tatbestandsberichtigung bei Urteilen, die ohne mündliche Verhandlung ergangen sind, nicht in Betracht2. Die unzutreffende Darstellung des Sach- und Streitstands im Tatbestand eines ohne mündliche Verhandlung ergangenen Urteils ist dann als Verfahrensrüge im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde oder bei zugelassener Revision im Revisionsverfahren geltend zu machen. 663 Das Gericht ist an den Verzicht auf mündliche Verhandlung nicht gebunden. Zur Gewährung rechtlichen Gehörs kann eine mündliche Verhandlung sogar geboten sein. Das bedeutet: Auch wenn alle Beteiligten auf mündliche Verhandlung verzichtet haben, kann das Gericht mit mündlicher Verhandlung entscheiden. Dies kann z. B. zweckmäßig sein, wenn in der mündlichen Verhandlung noch Sachverhaltsfragen mit den Beteiligten erörtert werden sollen. Empfehlung: Wenn das FG entgegen einem beiderseitigen Verzicht auf mündliche Verhandlung gleichwohl eine mündliche Verhandlung ansetzt, können der Kläger bzw. sein Berater nicht davon ausgehen, der Sach- und Rechtsstand sei im schriftlichen Verfahren ausreichend und abschließend dargelegt und erörtert, und deswegen der mündlichen Verhandlung fernbleiben3. Vielmehr sollten der Kläger oder sein Berater in diesem Fall auch zur mündlichen Verhandlung erscheinen.
VIII. Verfahren nach billigem Ermessen 664 Nach § 94a FGO kann das Gericht (Senat bzw. Einzelrichter) sein Verfahren nach billigem Ermessen bestimmen, wenn der Streitwert bei einer Klage, die eine Geldleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 500 Euro nicht übersteigt. Das bedeutet: Das Gericht kann hier auch ohne einen ausdrücklich erklärten Verzicht von mündlicher Verhandlung absehen. Das Gericht ist nicht verpflichtet, den Kläger vorher auf diese Möglichkeit hinzuweisen und ihm Gelegenheit zu geben, einen Antrag auf mündliche Verhandlung zu stellen4. Auf Antrag eines Beteiligten muss allerdings mündlich verhandelt werden. Dabei entscheidet das Gericht in der Regel über die Klage durch abgekürztes Urteil (s. II Rz. 684), hat allerdings den Untersuchungsgrundsatz zu beachten. Außerdem bleiben die Vorschriften über den Gerichtsbescheid unberührt; d. h., das Gericht kann statt durch Urteil auch durch Gerichtsbescheid entscheiden. Empfehlung: Von einem Kläger, der durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten ist, wird erwartet, dass er § 94a FGO kennt und weiß, dass das Finanzgericht danach auch dann verfahren kann, wenn der Klageantrag nicht bezif-
__________ 1 BFH v. 5.10.2000 – V B 74/00, BFH/NV 2001, 330. 2 BFH v. 29.8.2003 – III B 205/03, BFH/NV 2004, 158 m. w. N.; Lange in Hübschmann/ Hepp/Spitaler, § 108 FGO Rz. 5; a. A. Gräber/von Groll, § 108 Rz. 1. 3 BFH v. 22.12.2005 – II B 12/05, BFH/NV 2006, 782. 4 BFH v. 3.11.2004 – X B 121/03, BFH/NV 2005, 360 m. w. N.
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Entscheidung des Gerichts
Rz. 677 II
fert ist, der Streitwert also nicht ziffernmäßig offenkundig ist. Um eine Entscheidung im schriftlichen Verfahren zu vermeiden, sollte ausdrücklich ein Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt werden. Wenn das Gericht dann dennoch ohne mündliche Verhandlung entscheidet, obgleich der Beteiligte einen Antrag auf mündliche Verhandlung (§ 94a Satz 2 FGO) gestellt hat, ist ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten (§§ 115 Abs. 2 Nr. 3, 119 Nr. 4 FGO)1, was zur Aufhebung des Urteils wegen eines Verfahrensfehlers führt. Auch in den Fällen, in denen das Verfahren nach billigem Ermessen bestimmt werden kann, hat das Gericht erforderliche Beweise zur Sachverhaltsaufklärung zu erheben. Entsprechenden Beweisanträgen muss es nachgehen, es sei denn, auf das Beweismittel kommt es für die Entscheidung nicht an oder es kann die Richtigkeit der durch das Beweismittel zu beweisenden Tatsache zu Gunsten der betreffenden Partei unterstellen oder das Beweismittel ist nicht erreichbar. Die Einholung von Sachverständigengutachten liegt zwar im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts. Es darf aber einen Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht mit der Begründung ablehnen, die Kosten stünden in keinem angemessenen Verhältnis zum Streitwert2. Einstweilen frei.
665–675
IX. Entscheidung des Gerichts 1. Urteil a) Allgemeines Gem. § 95 FGO entscheidet das Gericht über eine Klage grundsätzlich durch Ur- 676 teil, und zwar in der Regel aufgrund mündlicher Verhandlung (vgl. § 90 Abs. 1 Satz 1 FGO). Gem. § 90 Abs. 2 FGO kann das Gericht allerdings ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Voraussetzung hierfür ist aber, dass alle Beteiligten, also Kläger, Beklagter, Beigeladene und Beigetretene ausdrücklich ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt haben (vgl. II Rz. 661 ff.). Das Urteil ergeht gem. § 105 Abs. 1 Satz 1 FGO im Namen des Volkes. Es wird, wenn eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, in der Regel in dem Termin, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen wird, verkündet (s. II Rz. 640 ff.), und zwar durch Verlesen der Urteilsformel (des Tenors). Es muss den Beteiligten zugestellt werden (§ 104 Abs. 1 FGO). Statt der Verkündigung ist auch die Zustellung des Urteils zulässig (§ 104 Abs. 2 677 FGO. Es handelt sich um eine Ermessensentscheidung des Gerichts. Der entsprechende Beschluss ist am Schluss der mündlichen Verhandlung zu verkünden3. In
__________ 1 BFH v. 6.9.2000 – VI R 16/98, BFH/NV 2001, 325. 2 BFH v. 12.4.1994 – IX R 101/90, BStBl. II 1994, 660. 3 Vgl. Gräber/von Groll, § 104 FGO Rz. 8.
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II Rz. 678
Rechtsschutz vor dem Finanzgericht
diesem Fall ist das Urteil innerhalb von zwei Wochen nach der mündlichen Verhandlung der Geschäftsstelle zu übergeben. Hierfür reicht es aus, wenn die unterschriebene Urteilsformel innerhalb dieser Frist auf der Geschäftsstelle niedergelegt wird1. Die vollständige Abfassung des Urteils kann dann später erfolgen2. 678 Wird bei Zustellung des Urteils gem. § 104 Abs. 2 i. V. m. § 105 Abs. 4 Satz 2 FGO die Urteilsformel nicht binnen zweier Wochen nach der mündlichen Verhandlung bei der Geschäftsstelle niedergelegt, stellt dies zwar einen Verfahrensmangel dar; der Mangel kann aber weder eine Revision noch deren Zulassung begründen, solange nicht dargetan oder sonst erkennbar ist, dass die Urteilsformel bei fristgemäßer Niederlegung anders als im zugestellten Urteil gelautet hätte3. 679 Das Urteil ist schriftlich abzufassen und von den Berufsrichtern, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, zu unterzeichnen. Ist ein Richter verhindert, seine Unterschrift beizufügen, so wird dies mit dem Hinderungsgrund vom Vorsitzenden oder, wenn er verhindert ist, vom dienstältesten beisitzenden Richter unter dem Urteil vermerkt. Der Unterschrift der ehrenamtlichen Richter bedarf es nicht (§ 105 Abs. 1 FGO). 680 Der Inhalt eines Urteils ist in § 105 Abs. 2 FGO gesetzlich festgelegt. Danach enthält das Urteil – die Bezeichnung der Beteiligten, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Bevollmächtigten nach Namen, Beruf, Wohnort und ihrer Stellung im Verfahren, – die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Mitglieder, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, – die Urteilsformel, – den Tatbestand, – die Entscheidungsgründe sowie – die Rechtsmittelbelehrung. 681 Ein Urteil, das bei der Verkündung noch nicht vollständig abgefasst war – das ist der Regelfall –, ist vor Ablauf von zwei Wochen, vom Tag der Verkündung an gerechnet, vollständig abgefasst der Geschäftsstelle zu übergeben. Kann dies ausnahmsweise nicht geschehen, so ist innerhalb dieser zwei Wochen das von den Richtern unterschriebene Urteil ohne Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung der Geschäftsstelle zu übergeben. Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung sind alsbald nachträglich niederzulegen, von den Richtern besonders zu unterschreiben und der Geschäftsstelle zu übermitteln (§ 105 Abs. 4 Satz 3 FGO). 682 Wird ein Urteil erst mehr als fünf Monate nach seiner Verkündung vollständig abgefasst der Geschäftsstelle (Serviceeinheit) übergeben, so führt dies zu einem absoluten Revisionsgrund: Das Urteil ist in einem solchen Fall nicht mit Gründen versehen (vgl. § 119 Nr. 6 FGO), weil zwischen seiner Beratung und Verkün-
__________ 1 BFH v. 7.10.1998 – II B 43/98, BFH/NV 1999, 935; Gräber/von Groll, § 104 FGO Rz. 9. 2 Vgl. hierzu Rz. 682. 3 BFH v. 23.8.2002 – IV B 89/01, BFH/NV 2001, 177 und v. 7.10.1998 – II B 43/98, BFH/NV 1999, 935; Brandis in Tipke/Kruse, § 104 FGO Rz. 7.
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Entscheidung des Gerichts
Rz. 686 II
dung sowie der schriftlichen Abfassung ein so langer Zeitraum liegt, dass die zutreffende Wiedergabe des Beratungsergebnisses nicht mehr gewährleistet ist1. Wird ein Urteil nicht verkündet, sondern gem. § 104 Abs. 2 FGO zugestellt, so ist 683 das vollständig abgefasste Urteil mit Tatbestand, Entscheidungsgründen und Rechtsmittelbelehrung binnen fünf Monaten niederzulegen, von den Richtern besonders zu unterschreiben und der Geschäftsstelle zu übergeben. Die FünfMonats-Frist beginnt mit dem Ablauf des Tages, an dem das von den Richtern unterschriebene Urteil ohne Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung entsprechend § 105 Abs. 4 Satz 2 FGO der Geschäftsstelle übergeben worden ist, spätestens jedoch mit dem Ablauf desjenigen Tages, an dem das Urteil der Geschäftsstelle nach dieser Vorschrift bzw. nach § 104 Abs. 2 FGO hätte übergeben werden müssen2. § 105 Abs. 5 FGO ermöglicht es dem Gericht, von einer weiteren Darstellung der 684 Entscheidungsgründe abzusehen, soweit es der Begründung des Verwaltungsaktes oder der Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt. Die Bezugnahme auf die Begründung der Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf genügt den sich aus Art. 103 Abs. 1 GG und § 96 Abs. 1 Satz 3 FGO ergebenden Anforderungen an eine Entscheidungsbegründung nur, wenn das Gericht zu wesentlich neuem Vorbringen im Klageverfahren, über das in der Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf nicht entschieden worden ist, Stellung genommen hat3.
b) Urteilsgrundlage Gem. § 96 Abs. 1 FGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Ge- 685 samtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Dabei dürfen allerdings nur solche Tatsachen und Beweisergebnisse berücksichtigt werden, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten. Insoweit wird das Gesamtergebnis des Verfahrens durch den in § 96 Abs. 2 FGO verankerten Grundsatz des rechtlichen Gehörs begrenzt. Eine weitere Einschränkung enthält § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO: Danach darf das Gericht nicht über das Klagebegehren hinausgehen. Zu dem Gesamtergebnis des Verfahrens gehören nicht nur die Erkenntnisse, die 686 das Gericht aus einzelnen Aktenteilen, aus beigezogenen Akten oder einer Beweisaufnahme gewonnen hat, sondern alle entscheidungserheblichen Umstände tatsächlicher Art, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind bzw. – bei einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 FGO, vgl. II Rz. 661 ff.) – die im schriftlichen Verfahren eingeführt worden sind4. Dazu gehören der Sachvortrag der Beteiligten sowie der Inhalt beigezogener Akten, soweit sie zum Verfahrensgegenstand gemacht worden sind, die Beteiligten rechtzeitig vor der mündlichen Verhandlung auf die Beiziehung der Akten hinge-
__________ 1 BFH v. 12.3.2004 – VII B 239/02, BFH/NV 2004, 1114 und v. 7.7.1999 – VIII R 81/98, BFH/NV 1999, 1626; Gem. Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes v. 27.4.1993 – GmS-OGB 1/92, NJW 1993, 2603. 2 BFH v. 12.3.2004 – VII B 239/02, BFH/NV 2004, 1114. 3 BFH v. 2.12.1999 – IX R 76/98, BFH/NV 2000, 731. 4 Vgl. Gräber/von Groll, § 96 FGO Rz. 8; Seer in Tipke/Kruse, § 96 FGO Rz. 9.
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II Rz. 687
Rechtsschutz vor dem Finanzgericht
wiesen worden sind und das Gericht ihnen damit hinreichend Gelegenheit gegeben hat, zum Beweiswert dieser Akten Stellung zu nehmen1. Außerdem gehören dazu: der Inhalt einer Beweisaufnahme, das Verhalten der Beteiligten im Prozess insbesondere ihre Mitwirkung im Verfahren sowie ihr persönlicher Eindruck in der mündlichen Verhandlung2, allgemeinkundige bzw. gerichtskundige Tatsachen, sofern sie in das Verfahren eingeführt worden sind. 687 Das Gericht darf bei seiner Entscheidungsfindung keine Tatsachen berücksichtigen, die unter ein Beweisverwertungsverbot fallen. Ein Beweisverwertungsverbot liegt z. B. in folgenden Fällen vor: – Der Berichterstatter hat von vertraulichen Mitteilungen vom Hinweisgeber/ Anzeigenerstatter Kenntnis erhalten, die das Finanzamt versehentlich in den dem Gericht übersandten Steuerakten belassen und nicht ausgeheftet hatte3. – Das Gericht hat gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme verstoßen4. – Das Gericht hat – auf entsprechende Klage – eine Betriebsprüfungsanordnung aufgehoben oder ihre Rechtswidrigkeit/Nichtigkeit festgestellt5. – Erkenntnisse, die unmittelbar aus einer Telefonüberwachung in einem Strafverfahren stammen, dürfen in einem finanzgerichtlichen Verfahren nicht verwertet werden6. 688 Bindung an das Klagebegehren bedeutet, dass das Gericht dem Kläger grundsätzlich nicht mehr oder etwas anderes zusprechen darf, als dieser begehrt; es darf über das Klagebegehren regelmäßig nicht hinausgehen7. So darf das Gericht z. B. keinen Steuerbescheid aufheben, dessen Aufhebung der Kläger nicht beantragt hat. Es darf auch nicht von einem dem Wortlaut nach klaren Antrag des Klägers, der im Übrigen noch durch dessen Ausführungen gestützt wird, abweichen8. Das Gericht darf allerdings das Klagebegehren auch nicht unterschreiten. Das ist der Fall, wenn über das Klagebegehren nur zum Teil entschieden worden ist9. Andererseits darf das Gericht innerhalb des Klagebegehrens auch prüfen, ob der angefochtene Bescheid Fehler zu Gunsten des Klägers enthält und kann ggf. saldieren (zur Saldierung auch II Rz. 38). Es darf aber nicht mit den Folgen von Fehlern in anderen nicht angefochtenen Feststellungen kompensieren10. 689 Für die Überzeugungsbildung ist erforderlich, dass der Richter – ohne Bindung an gesetzliche Beweisregeln und nur seinem Gewissen unterworfen – persönliche Gewissheit in einem Maße erlangt, dass er an sich mögliche Zweifel überwindet und sich von einem bestimmten Sachverhalt als wahr überzeugen kann. Dabei
__________ 1 Vgl. BFH v. 31.8.2005 – IX B 71/05, BFH/NV 2006, 310; Lange in Hübschmann/Hepp/ Spitaler, § 96 FGO Rz. 25. 2 BFH v. 19.3.1982 VI R 25/80, BStBl. II 1982, 442. 3 BFH v. 25.7.1994 – X B 333/93, BStBl. II 1994, 802. 4 BFH v. 18.2.1994 – XI B 46/93, BFH/NV 1994, 792. 5 Vgl. BFH v. 20.2.1990 – IX R 83/88, BStBl. II 1990, 789. 6 Vgl. BFH v. 19.2.2004 – VII B 260/03, BFH/NV 2004, 807. 7 Vgl. BFH v. 25.1.2005 – I B 83/04, BFH/NV 2005, 1314. 8 Vgl. BFH v. 20.11.2003 – X B 65/03, BFH/NV 2004, 362. 9 BFH v. 18.8.2005 – II R 68/03, BFH/NV 2006, 360. 10 Vgl. BFH v. 26.2.2002 – IX R 20/98, BStBl. II 2002, 796.
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Entscheidung des Gerichts
Rz. 692 II
darf der Richter nicht eine von allen Zweifeln freie Überzeugung anstreben; er muss sich in tatsächlich zweifelhaften Fällen vielmehr mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit überzeugen. Dabei hat das Finanzgericht auch alle Indizien, die für oder gegen das Vorliegen einer Tatsache sprechen, zu berücksichtigen und in seine Gesamtwürdigung einzubeziehen1. Auf bloße Unterstellungen darf das Finanzgericht seine Überzeugungsbildung grundsätzlich nicht stützen2.
c) Urteilsinhalt Wenn das Gericht zu der Auffassung gelangt, dass ein vom Kläger angefochtener 690 Verwaltungsakt rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt, hebt es gem. § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO den Verwaltungsakt und die etwaige Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf (Einspruchsentscheidung) auf. Das beklagte Finanzamt ist an die rechtliche Beurteilung gebunden, die der Aufhebung zu Grunde liegt. An die tatsächliche Beurteilung durch das Gericht ist das Finanzamt allerdings nur insoweit gebunden, als nicht neu bekannt werdende Tatsachen und Beweismittel eine andere Beurteilung rechtfertigen (§ 100 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz FGO). Von diesem Grundsatz gibt es eine wichtige Ausnahme, die in der Praxis aller- 691 dings zur Regel geworden ist: Begehrt nämlich der Kläger die Änderung eines Verwaltungsaktes, der einen Geldbetrag festsetzt – dies ist regelmäßig bei Steuerbescheiden der Fall – oder der eine Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen (§ 100 Abs. 2 Satz 1 FGO). Das bedeutet im Regelfall: Das Gericht setzt, falls ein Steuerbescheid angefochten wird, in seinem Urteil die Steuer neu fest und beschränkt sich nicht lediglich auf die Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Beispiel: A hat in seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen in Höhe von 5000 Euro angesetzt. Das Finanzamt hat diese Werbungskosten nicht anerkannt und die Einkommensteuer in dem Steuerbescheid um 2000 Euro höher festgesetzt, nämlich auf 32 000 Euro. Dagegen hat A Einspruch eingelegt, der erfolglos blieb. Mit seiner Klage vor dem Finanzgericht hatte A Erfolg: Das Finanzgericht erkannte die 5000 Euro als Werbungskosten an. In diesem Fall setzt das Finanzgericht in dem Urteil die Einkommensteuer neu fest, und zwar um 2000 Euro niedriger als im dem angefochtenen Steuerbescheid, nämlich auf 30 000 Euro. Eine betragsmäßige Änderung des angefochtenen Verwaltungsaktes durch das 692 Gericht kommt allerdings nur dann in Betracht, wenn diese Änderung vom Klä-
__________ 1 BFH v. 11.7.2007 – IV B 121/06, BFH/NV 2007, 2241. 2 BFH v. 19.9.1990 – X R 79/88, BStBl. II 1991, 100.
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II Rz. 693
Rechtsschutz vor dem Finanzgericht
ger begehrt wird, d. h. von seinem Klagebegehren umfasst wird. Dies ist stets dann der Fall, wenn der Kläger ausdrücklich einen entsprechenden Klageantrag gestellt hat. Ist der Klageantrag unklar, das verfahrensrechtliche Ziel der Klage aber erkennbar auf eine geänderte Steuerfestsetzung gerichtet, so reicht dies aus. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Klageanträge im Hinblick auf den durch Art. 19 Abs. 4 GG garantierten effektiven Rechtsschutz so zu interpretieren sind, wie ein verständiger Kläger sie zur Erreichung seines Klageziels gestellt haben würde1. 693 § 100 Abs. 2 FGO gilt zwar grundsätzlich auch für die Festsetzung von Säumniszuschlägen, Zwangsgeldern, Verspätungszuschlägen und für Abrechnungsbescheide2. Er ist insoweit aber einschränkend auszulegen, als er nicht für Ermessensentscheidungen gilt, und zwar auch dann nicht, wenn diese – wie z. B. Haftungsbescheide – auf eine Geldleistung gerichtet sind oder eine betragsmäßige Feststellung enthalten. Denn das Gericht darf Ermessensentscheidungen des Finanzamts gem. § 102 FGO nur auf Ermessensfehler überprüfen und nicht sein Ermessen an die Stelle des Finanzamts treten lassen3. Das FG muss also z. B. einen Haftungsbescheid, wenn es eine fehlende oder fehlerhafte Ermessensausübung feststellt, nach § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO aufheben, ohne hierfür an die zusätzlichen Voraussetzungen des § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO (wesentlicher Verfahrensfehler, kosten- und zeitaufwendiger Aufklärungsbedarf) gebunden zu sein4. 694 Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrages einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Steuerbescheides durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, dass die Behörde den Betrag aufgrund der Entscheidung errechnen kann (§ 100 Abs. 2 Satz 2 FGO). In dieser Weise kann das Gericht allerdings nur verfahren, wenn es über sämtliche entscheidungserheblichen Fragen auch entschieden hat, lediglich die rechnerische Ermittlung des Betrags noch offen ist5. Dabei kann das Gericht dem Finanzamt auch aufgeben, die auf die betragsmäßig genau bezifferten zusätzlich zu berücksichtigenden Betriebsausgaben anteilig entfallende GewerbesteuerRückstellung zu berechnen6. 695 In solchen Fällen hat die Finanzbehörde den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung gem. § 100 Abs. 2 Satz 3 FGO unverzüglich formlos mitzuteilen; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Steuerbescheid mit dem geänderten Inhalt neu bekannt zu geben. Die formlose Mitteilung des Ergebnisses der Neuberechnung der Steuer gem. § 100 Abs. 2 Satz 3, 1. Halbs. FGO ist kein Verwaltungsakt. Die Mitteilung entfaltet danach keine Regelungswirkung, sondern bereitet lediglich den späteren Erlass eines Änderungsbescheids als Verwaltungsakt vor; dieser
__________ 1 Vgl. BFH v. 23.11.1988 – X R 1/86, BStBl. II 1989, 376; Gräber/von Groll, § 100 FGO Rz. 24. 2 Vgl. BFH v. 2.11.1994 – VII B 109/94, BFH/NV 1995, 616. 3 Vgl. Gräber/von Groll, § 100 FGO Rz. 27; Tipke in Tipke/Kruse, § 100 FGO Rz. 28. 4 Vgl. BFH v. 23.3.1993 – VII R 38/92, BStBl. II 1993, 581; Gräber/von Groll, § 100 FGO Rz. 27. 5 Vgl. BFH v. 14.8.1996 – V B 107/95, BFH/NV 1997, 205; Tipke in Tipke/Kruse, § 100 FGO Rz. 32. 6 Vgl. BFH v. 23.2.1994 – IV R 12/93, BFH/NV 1995, 56.
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Entscheidung des Gerichts
Rz. 698 II
soll mit geändertem Inhalt erst nach Rechtskraft der Entscheidung bekannt gegeben werden. Die Mitteilung trägt lediglich dem Bedürfnis der Beteiligten Rechnung, von dem Ergebnis der Neuberechnung möglichst bald zu erfahren1. Erst die in § 100 Abs. 2 Satz 3 2. Halbs. FGO vorgesehene neue Bekanntgabe nach 696 Rechtskraft der Entscheidung des Finanzgerichts ist ein neuer Verwaltungsakt. Dies gilt auch dann, wenn das Finanzamt keine formlose Mitteilung vornimmt, sondern sogleich einen solchen Änderungsbescheid erlässt2. Die Betragsberechnung – nicht die formlose Mitteilung – kann mit Einspruch und Klage angefochten werden. Allerdings kann wegen der Rechtskraft der Entscheidung gem. § 110 FGO nur geltend gemacht werden, die Betragsberechnung entspreche nicht den Vorgaben des Gerichts oder enthalte Rechenfehler3. Gem. § 100 Abs. 3 FGO kann das Gericht in den Fällen, in denen es eine weitere 697 Sachverhaltsaufklärung für notwendig erachtet, den Verwaltungsakt und die Einspruchsentscheidung aufheben, ohne in der Sache selbst zu entscheiden. Voraussetzung ist allerdings, dass dies wegen der Art oder des Umfangs der erforderlichen Ermittlungen auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Eine solche Entscheidung stellt eine Ausnahme von dem Grundsatz dar, dass das Gericht selbst eine Sachentscheidung über eine zulässige Klage treffen muss4. Sie beeinträchtigt das Interesse beider Beteiligten an dem baldigen Erhalt einer rechtskräftigen Entscheidung der Streitsache. Empfehlung: Die Entscheidung des Finanzgerichts, nach § 100 Abs. 3 FGO zu verfahren, ist mit der Nichtzulassungsbeschwerde und ggf. der Revision als möglicher Verfahrensmangel überprüfbar. Wenn ein Beteiligter mit einer solchen Entscheidung nicht einverstanden ist, kann er gegen die Entscheidung des Finanzgerichts also Nichtzulassungsbeschwerde und ggf. Revision einlegen und darlegen, dass diese Verfahrensweise nicht sachdienlich war. Zur Verfahrensbeschleunigung kann der Bundesfinanzhof bereits im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde das Urteil aufheben und die Sache an das Finanzgericht zurückverweisen5. Der Bundesfinanzhof hat den Anwendungsbereich dieser Vorschrift sehr stark 698 eingeschränkt: Grundsätzlich soll eine Aufhebung der behördlichen Entscheidung durch das Gericht ohne Sachentscheidung unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten nicht sachdienlich sein, weil den Beteiligten eine abschließende Sachentscheidung versagt wird. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass § 100 Abs. 3 Satz 1 FGO der Prozessökonomie dienen und die der Finanzbehörde auferlegte Amtsermittlungspflicht nicht zu einer Verzögerung des Verfahrens führen soll. Deshalb ist die Aufhebung des angefochtenen Bescheides und der Einspruchsentscheidung ohne Sachentscheidung durch das Finanzgericht
__________ 1 BFH v. 18.11.2004 – V R 37/03, BStBl. II 2005, 217; Schmidt-Troje in Beermann/Gosch, § 100 FGO Rz. 77. 2 BFH v. 20.11.2003 – IV R 31/02, BFH/NV 2004, 567. 3 Tipke in Tipke/Kruse, § 100 FGO Rz. 34; Gräber/von Groll, § 100 FGO Rz. 41; SchmidtTroje in Beerman/Gosch, § 100 FGO Rz. 77. 4 Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 100 FGO Rz. 106. 5 Vgl. BFH v. 30.7.2004 – IV B 134 – 144/02, BFH/NV 2005, 359.
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II Rz. 699
Rechtsschutz vor dem Finanzgericht
gem. § 100 Abs. 3 Satz 1 FGO grundsätzlich nicht sachdienlich, und zwar auch dann nicht, wenn es sich bei der für erforderlich gehaltenen weiteren Sachverhaltsermittlung um eine umfangreiche Zeugenvernehmung handelt. Die fehlende Sachdienlichkeit ergibt sich zum einen aus den eingeschränkten Befugnissen des Finanzamtes zur Zeugenvernehmung und zum anderen daraus, dass eine erneute Zeugenvernehmung im gerichtlichen Verfahren erforderlich werden könnte1. 699
Hinweis: Will das Gericht nach § 100 Abs. 3 Satz 1 FGO entscheiden und Verwaltungsakt und Einspruchsentscheidung aufheben, muss es die Beteiligten zuvor zur Gewährung rechtlichen Gehörs darauf hinweisen, um ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Dieser Hinweis muss spätestens in der mündlichen Verhandlung erfolgen. Davon kann nur abgesehen werden, wenn einer der Beteiligten zuvor eine derartige Entscheidung beantragt hat2.
700 § 100 Abs. 3 Satz 2 FGO enthält eine wichtige Einschränkung in sog. Schätzungsfällen: Eine Zurückverweisung kommt danach nicht in Betracht, soweit der Steuerpflichtige seiner Erklärungspflicht nicht nachgekommen ist und deshalb die Besteuerungsgrundlagen geschätzt worden sind. Das Gericht ist dann gehalten, von seiner eigenen Schätzungsbefugnis nach § 96 Abs. 1 2. Halbs. FGO i. V. m. § 162 AO Gebrauch zu machen3. 701 Macht das Gericht – ausnahmsweise – von der Regelung des § 100 Abs. 3 FGO Gebrauch, muss anschließend das Finanzamt erneut tätig werden. Es muss einen neuen Bescheid erlassen, wenn die erforderlichen Ermittlungen abgeschlossen worden sind. Aus der Rechtskraft der vorangegangenen gerichtlichen Entscheidung folgt allerdings, dass die Verwaltung an die Rechtsauffassung des Gerichts gebunden ist. 702 § 100 Abs. 3 Satz 5 FGO versperrt allerdings den Weg, den Bescheid aufzuheben und die Sache an das Finanzamt zurückzuverweisen, wenn sechs Monate seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht verstrichen sind. Im Interesse der Beschleunigung soll dann das Gericht die notwendigen Ermittlungen selbst durchführen müssen. Im Hinblick auf die Überlastung der meisten Finanzgerichte bedeutet dies, dass die Möglichkeit einer Zurückverweisung – unabhängig von der einschränkenden Auslegung durch den Bundesfinanzhof – in der Praxis nur sehr selten sein wird4. 703 Ist nach Zurückverweisung ein neuer Verwaltungsakt/Steuerbescheid erlassen worden, kann dieser nunmehr nach allgemeinen Grundsätzen mit einem außergerichtlichen Rechtsbehelf (Einspruch) und der Klage erneut angefochten werden.
__________ 1 BFH v. 25.7.2000 – VIII R 32/99, BFH/NV 2001, 178; so auch BFH v. 30.7.2004 – V B 143 – 144/02, BFH/NV 2005, 359; Tipke in Tipke/Kruse, § 100 FGO Rz. 43; Schmidt-Troje in Beermann/Gosch, § 100 FGO Rz. 84. 2 BFH v. 30.7.2004 – IV B 134 – 144/02, BFH/NV 2005, 359; Schmidt-Troje in Beermann/ Gosch, § 100 FGO Rz. 84.1; Tipke in Tipke/Kruse, § 100 Rz. 39. 3 BFH v. 18.5.1999 – I R 102/98, BFH/NV 1999, 1492; Gräber/von Groll, § 100 FGO Rz. 45, 46. 4 Vgl. Schmidt-Troje in Beermann/Gosch, § 100 FGO Rz. 86; Gräber/von Groll, § 100 FGO Rz. 48.
244
Entscheidung des Gerichts
Rz. 707 II
Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlass des neuen Verwaltungsaktes eine 704 einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, dass Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der entsprechende Beschluss kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden (§ 100 Abs. 3 Satz 3 und 4 FGO).
2. Zwischenurteil Sind bei einer Leistungs- oder einer Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungs- 705 akt Grund und Höhe des Anspruchs streitig, so kann das Gericht gem. § 99 Abs. 1 FGO durch Zwischenurteil vorab über den Grund des Anspruchs entscheiden. Es müssen sämtliche den Anspruchsgrund betreffenden Streitpunkte erledigt werden, so dass nach Ergehen des Zwischenurteils nur noch über die Höhe der streitigen Steuer zu entscheiden ist. Der Anspruchsgrund muss in jedem Fall feststehen1. Die Frage über die Höhe des Anspruchs bleibt dann einer weiteren Entscheidung vorbehalten2. Hat die Klage indes von vornherein insgesamt Erfolg oder keinen Erfolg, z. B. weil der Anspruch bereits dem Grunde nach nicht gegeben ist, so bleibt für eine Entscheidung zur Höhe des Steueranspruchs kein Raum mehr. In der Sache kann und darf deshalb auch kein Zwischenurteil über den Grund eines Steueranspruchs ergehen, vielmehr ergeht dann sogleich ein Endurteil3. Dieses sog. Zwischenurteil über den Grund kann ergehen, auch wenn die Betei- 706 ligten damit nicht einverstanden sind. Im Unterschied zu § 99 Abs. 2 FGO besteht kein Widerspruchsrecht eines Beteiligten. Es handelt sich um eine Ermessensentscheidung des Gerichts. Dabei ist der Erlass eines positiven Grundurteils nur zulässig, wenn der Anspruch mit hoher Wahrscheinlichkeit in irgendeiner Höhe besteht4. Gem. § 99 Abs. 2 FGO kann das Gericht durch Zwischenurteil über eine ent- 707 scheidungserhebliche Sach- oder Rechtsfrage vorab entscheiden, wenn dies sachdienlich ist und der Kläger oder Beklagte nicht widerspricht. Diese Vorschrift gibt dem Gericht im Interesse der Verfahrensbeschleunigung die Möglichkeit, über einzelne entscheidungserhebliche Sach- oder Rechtsfragen vorab zu entscheiden. Beispiel: Im Streitfall ist die Anspruchsgrundlage für eine Herabsetzung der Einkommensteuer noch nicht geklärt. Das Zwischenurteil behandelt nur eine Voraussetzung möglicher Anspruchsgrundlagen, und zwar das für die Förderung nach § 10e EStG oder § 7 FördG erforderliche Tatbestandsmerkmal „wirtschaftliches Eigentum“.
__________ 1 BFH v. 14.2.2001 – X R 82/97, BFH/NV 2001, 952; Gräber/von Groll, § 99 FGO Rz. 1. 2 BFH v. 11.2.1998 – I R 67/97, BFH/NV 1998, 1197. 3 BFH v. 11.2.1998 – I R 67/97, BFH/NV 1998, 1197; Gräber/von Groll, § 99 FGO Rz. 8; vgl. auch Tipke in Tipke/Kruse, § 99 FGO Rz. 8. 4 Vgl. Gräber/von Groll, § 99 FGO Rz. 8; Tipke in Tipke/Kruse, § 99 FGO Rz. 11.
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II Rz. 708
Rechtsschutz vor dem Finanzgericht
Nach § 99 Abs. 2 FGO ist es zulässig, über eine entscheidungserhebliche Sach- oder Rechtsfrage durch Zwischenurteil vorab zu entscheiden, wenn dies sachdienlich ist und nicht der Kläger oder der Beklagte widerspricht1. 708 Entscheidungserheblich sind solche Vorfragen, ohne deren Beantwortung ein Urteil über die geltend gemachte Rechtsbeeinträchtigung nicht möglich ist. Ein Zwischenurteil kommt deshalb nur zu solchen Vorfragen in Betracht, über die mit Sicherheit auch in einem Endurteil zu entscheiden wäre2. 709 Ein Zwischenurteil kann nur ergehen, wenn dies sachdienlich ist. Sachdienlich kann ein Zwischenurteil insbesondere dann sein, wenn erkennbar nur über eine bestimmte Sach- und Rechtsfrage gestritten wird, und zu erwarten ist, dass die Beteiligten nach der verbindlichen Klärung dieser Frage den Rechtsstreit im Übrigen rasch beilegen werden3. 710 Das Widerspruchsrecht der Beteiligten gewährleistet eine sachgerechte Handhabung. Das Zwischenurteil führt nämlich nicht die erwartete endgültige Beilegung der gerichtlichen Auseinandersetzung herbei, wenn der Kläger oder der Beklagte mit einer solchen Verfahrensweise nicht einverstanden ist und dem Erlass eines Zwischenurteils widerspricht. Dabei braucht der Widerspruch nicht begründet zu werden4. 711 Nach § 97 FGO kann das Gericht auch über die Zulässigkeit der Klage vorab durch Zwischenurteil entscheiden. Hier kommt es – im Gegensatz zum Zwischenurteil nach § 99 Abs. 2 FGO – nicht darauf an, ob die Beteiligten damit einverstanden sind. 712 Soll zunächst nur über die Zulässigkeit der Klage entschieden werden, so reicht es aus, wenn sich die mündliche Verhandlung auch nur hierauf erstreckt5. Meist wird schon in der Ladung darauf hingewiesen, dass vorab nur über die Zulässigkeit der Klage verhandelt werden soll. In diesen Fällen müssen sich die Beteiligten bei der Vorbereitung des Termins noch nicht mit den materiellen Rechtsfragen befassen. Kommt das Gericht dann zu der Auffassung, dass die Klage zulässig ist, so ergeht aufgrund der mündlichen Verhandlung ein Zwischen(feststellungs)urteil mit dem Tenor: „Die Klage ist zulässig“ oder, wenn noch andere Zulässigkeitsvoraussetzungen fehlen, z. B.: „Die Klage ist fristgerecht erhoben“. Ist das Gericht dagegen der Auffassung, dass die Klage unzulässig ist, dann ergeht ein abweisendes Endurteil mit dem Tenor: „Die Klage wird abgewiesen“6. 713 Die Entscheidung über die Zulässigkeit der Klage durch Zwischenurteil steht im Ermessen des Gerichts. Das bedeutet, dass die Beteiligten auch bei einem entsprechenden Antrag in der Regel keinen Anspruch darauf haben, dass das Gericht durch Zwischenurteil entscheidet. Bei der Ausübung seines Ermessens wird sich
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BFH v. 14.2.2001 – X R 82/97, BFH/NV 2001, 952. BFH v. 4.2.1999 – IV R 54/97, BStBl. II 2000, 139. Vgl. Tipke in Tipke/Kruse, § 99 FGO Rz. 16. Vgl. Tipke in Tipke/Kruse, § 99 FGO Rz. 17. Vgl. Tipke in Tipke/Kruse, § 97 FGO Rz. 4. Schmidt-Troje in Beermann/Gosch, § 97 FGO Rz. 5; Gräber/von Groll, § 97 FGO Rz. 5.
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Entscheidung des Gerichts
Rz. 717 II
das Gericht entsprechend dem Zweck der Vorschrift von verfahrensökonomischen Erwägungen leiten lassen, z. B. einer bei Unzulässigkeit der Klage überflüssigen umfangreichen Beweisaufnahme1. Durch die Erörterung der Sach- und Rechtslage und die Aufnahme eines Klage- 714 antrages wird durch das Finanzgericht kein Vertrauenstatbestand dahingehend geschaffen, dass die Klage nicht mehr als unzulässig abgewiesen werden könnte. Es steht im Ermessen des Gerichts, vorab – positiv – durch Zwischenurteil über die Zulässigkeit der Klage zu entscheiden2.
3. Teilurteil § 98 FGO ermöglicht dem Gericht, über einen einzelnen selbständigen Teil des 715 Streitgegenstandes zu entscheiden, falls insoweit Entscheidungsreife besteht. Hierdurch soll der Rechtsstreit entlastet und durch eine Teilentscheidung zu Gunsten der Beteiligten auch beschleunigt werden. Ein Teilurteil setzt zum einen die Teilbarkeit des Streitgegenstands bzw. die Zusammenfassung mehrerer Streitgegenstände voraus. Zum andern muss sich das Urteil mit einem abgeschlossenen Teil des Streitgegenstands befassen, der mit der Entscheidung durch das Gericht endgültig erledigt werden kann3. Ein Teilurteil kommt nach § 98 FGO nur in Betracht bei einer Teilbarkeit des 716 Streitgegenstandes, d. h. der Streitgegenstand des betreffenden Verfahrens muss aus mehreren selbständigen Teilen bestehen4. Diese Voraussetzung ist z. B. erfüllt bei der Klageverbindung i. S. des § 43 FGO (objektive Klagehäufung), auch bei einer eventuellen Klagehäufung (Haupt- und Hilfsantrag), falls der Hauptantrag abgewiesen wird und der Hilfsantrag auf einem anderen Sachverhalt beruht, so dass Hauptantrag und Hilfsantrag einander ausschließen5. Richtet sich die Klage gegen mehrere Steuerbescheide, so kann grundsätzlich für 717 jeden Bescheid ein Teilurteil ergehen. Ist Streitgegenstand allerdings nur ein einzelner Steuerbescheid, so setzt ein Teilurteil voraus, dass in dem Bescheid mehrere selbständig anfechtbare Entscheidungen getroffen worden sind. So entscheidet z. B. ein Gewinnfeststellungsbescheid i. S. des § 180 AO u. a. über die Einkünftequalifikation, die Höhe der Einkünfte, die Verteilung der Einkünfte auf die Beteiligten, die Sondervergütungen. Wird hier der Bescheid in mehreren selbständigen Streitpunkten angegriffen, so kann das Gericht durch Teilurteil entscheiden, falls die übrigen Voraussetzungen erfüllt sind. Andererseits kann in den Fällen, in denen in einem Steuerbescheid mehrere Besteuerungsgrundlagen angegriffen sind (z. B. Gewinn aus Gewerbebetrieb, Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, Sonderausgaben, außergewöhnliche Belas-
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1 Schmidt-Troje in Beermann/Gosch, § 97 FGO Rz. 5; Tipke in Tipke/Kruse, § 97 FGO Rz. 4. 2 BFH v. 31.10.1996 – VIII B 58/96, BFH/NV 1997, 417. 3 BFH v. 9.12.2003 – VI R 148/01, BFH/NV 2004, 527. 4 BFH v. 17.11.1992 – VIII R 35/91, BStBl. II 1994, 403. 5 BFH v. 22.11.1968 – III R 37/68, BStBl. II 1969, 260; Tipke in Tipke/Kruse, § 98 FGO Rz. 2.
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II Rz. 718
Rechtsschutz vor dem Finanzgericht
tung), kein Teilurteil ergehen, wenn die Beurteilung einzelner Besteuerungsgrundlagen entscheidungsreif ist. Dem steht bereits § 157 AO entgegen. Denn die einzelnen Besteuerungsgrundlagen sind kein selbständiger Teil des Streitgegenstandes1. Deshalb ist bei der Anfechtung eines Einkommensteuerbescheides der Erlass eines Teilurteils praktisch ausgeschlossen. 718 § 98 FGO stellt es in das Ermessen des Gerichts, ob es bei einer Entscheidungsreife nur eines Teils des Streitgegenstandes ein Teilurteil erlassen will. Entsprechend dem Ziel des § 98 FGO, den Beteiligten rascher zu einer Entscheidung über einen Teil des Streitgegenstandes zu verhelfen und das Verfahren zu entlasten, kommt ein Teilurteil nur dann in Betracht, wenn der betreffende Teil von dem weiteren Ausgang des Verfahrens unberührt bleiben wird. Das heißt, ein Teilurteil kommt nicht in Betracht, wenn die Möglichkeit widersprüchlicher Entscheidungen nicht ausgeschlossen werden kann2. 719 Bezüglich des entschiedenen Teils ist das Teilurteil ein Endurteil. Es ist deshalb selbständig anfechtbar und selbständig rechtskraftfähig in dem entschiedenen Umfang. Es bindet die Beteiligten und das Gericht einschließlich des Bundesfinanzhofs, falls es rechtskräftig geworden ist3.
4. Gerichtsbescheid 720 Nach § 90a Abs. 1 FGO kann das Gericht in geeigneten Fällen ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden. Eine Zustimmung der Beteiligten ist nicht erforderlich; ihnen sollte jedoch vor Erlass des Gerichtsbescheides entsprechendes rechtliches Gehör gewährt werden. 721 Das Gericht entscheidet von Amts wegen darüber, ob es durch Urteil oder Gerichtsbescheid entscheiden will. Es handelt sich um eine Ermessensentscheidung, bei der neben dem Zweck der Regelung – das finanzgerichtliche Verfahren zu beschleunigen und zu straffen4 – auch das Rechtsschutzinteresse der Beteiligten zu berücksichtigen ist. Deshalb dürfte der Erlass eines Gerichtsbescheides in Verfahren, die besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweisen, kaum in Betracht kommen. 722 Der Gerichtsbescheid ergeht als Beschluss. Hinsichtlich Form und Inhalt verweist § 106 FGO für Gerichtsbescheide auf die für Urteile geltende Vorschrift des § 105 FGO. Deshalb wird auf die entsprechenden Ausführungen zu Form und Inhalt eines Urteils verwiesen (vgl. II Rz. 680 ff.). Der Gerichtsbescheid ist mit einer Rechtsmittelbelehrung zu versehen (§ 55 FGO) und den Beteiligten zuzustellen (§ 106 i. V. m. § 104 Abs. 3 FGO). Beim Gerichtsbescheid wirken die ehrenamtlichen Richter nicht mit (§ 5 Abs. 3 FGO). Insoweit besteht ein wesentlicher Unterschied zu Urteilen, die ohne mündliche Verhandlung ergehen (§ 90 Abs. 2 FGO).
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BFH v. 9.12.2003 – VI R 148/01, BFH/NV 2004, 527; Tipke in Tipke/Kruse, § 98 FGO Rz. 2. BFH v. 30.11.1993 – IX R 92/91, BStBl. II 1994, 403; Gräber/von Groll, § 98 FGO Rz. 1. Gräber/von Groll, § 98 FGO Rz. 3; Tipke in Tipke/Kruse, § 98 FGO Rz. 4. Gräber/Koch, § 90a FGO Rz. 1
248
Entscheidung des Gerichts
Rz. 727 II
In § 90a Abs. 2 FGO sind die einzelnen Rechtsschutzmöglichkeiten gegen Ge- 723 richtsbescheide geregelt. Danach sind innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheids folgende Rechtsschutzmöglichkeiten gegeben: – Es kann immer mündliche Verhandlung beantragt werden. – Ist die Revision zugelassen, kann auch Revision eingelegt werden. – Wird von beiden Rechtsbehelfen Gebrauch gemacht, findet mündliche Verhandlung statt. § 90a Abs. 2 Satz 2 FGO sieht vor, dass die Beteiligten gegen den Gerichtsbe- 724 scheid nur Revision einlegen können, wenn diese zugelassen worden ist. Die Zulassung der Revision in einem Gerichtsbescheid wird allerdings auf Ausnahmefälle beschränkt bleiben, weil die Entscheidung von Streitigkeiten grundsätzlicher Art durch Gerichtsbescheid nur selten in Betracht kommen dürfte. Denn bei Streitigkeiten grundsätzlicher Art wird man kaum davon ausgehen können, dass es sich um einen für die Entscheidung durch Gerichtsbescheid „geeigneten Fall“ i. S. des § 90a Abs. 1 FGO handelt. Der Gerichtsbescheid wirkt als Urteil; wird allerdings rechtzeitig innerhalb eines 725 Monats nach dessen Zustellung mündliche Verhandlung beantragt, gilt er als nicht ergangen (§ 90a Abs. 3 FGO). Der Antrag auf mündliche Verhandlung ist gem. § 90a Abs. 2 FGO innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheides zu stellen, und zwar schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle1. Der Antrag braucht nicht begründet zu werden. Er ist allerdings nur zulässig, wenn der Beteiligte durch den Gerichtsbescheid beschwert ist und ein Rechtsschutzinteresse besteht. An der Beschwer fehlt es z. B., wenn dem Klagebegehren des Klägers in vollem Umfang entsprochen worden ist2. Wird rechtzeitig der Antrag auf mündliche Verhandlung gegen den Gerichts- 726 bescheid gestellt, so gilt der Gerichtsbescheid gem. § 90a Abs. 3 FGO als nicht ergangen. Das Verfahren wird in den Stand vor Erlass des Gerichtsbescheides zurückversetzt. Der Antrag kann zurückgenommen werden, und zwar noch in der mündlichen Verhandlung3. Der Gerichtsbescheid lebt dann wieder auf und wirkt als Urteil4. Der Antrag auf mündliche Verhandlung kann mit dem Verzicht auf mündliche Verhandlung nach § 90 Abs. 2 FGO verbunden werden5. Wird mündliche Verhandlung gegen den Gerichtsbescheid beantragt, so kann das 727 Gericht in dem anschließend aufgrund der mündlichen Verhandlung ergangenen Urteil von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungs-
__________ 1 2 3 4 5
Vgl. Gräber/Koch, § 90a FGO Rz. 19; zur Schriftform vgl. auch II Rz. 57 ff. Vgl. Tipke in Tipke/Kruse, § 90a FGO Rz. 11. BFH v. 9.5.1990 – II B 85/86, BStBl. II 1990, 548. Tipke in Tipke/Kruse, § 90a FGO Rz. 13; Gräber/Koch, § 90a FGO Rz. 23. Gräber/Koch, § 90a FGO Rz. 23; zum Verzicht auf mündliche Verhandlung vgl. II Rz. 661 ff.
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II Rz. 736
Rechtsschutz vor dem Finanzgericht
gründe absehen, soweit es der Begründung des Gerichtsbescheides folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt (§ 90a Abs. 4 FGO). 728–735 Einstweilen frei.
X. Exkurs: Selbständiges Beweisverfahren 736 Im anhängigen Verfahren erfolgt die Beweisaufnahme grundsätzlich aufgrund des Untersuchungsgrundsatzes; für ein selbständiges Beweisverfahren wird kaum ein Rechtsschutzinteresse dargelegt werden können1. Nach § 82 FGO i. V. m. § 485 Abs. 1 ZPO kann aber auf Antrag eines Beteiligten auch außerhalb eines Streitverfahrens die Einnahme des Augenscheins, die Vernehmung von Zeugen oder die Begutachtung durch einen Sachverständigen angeordnet werden, – wenn der andere Beteiligte, das heißt die Finanzbehörde, zustimmt – oder wenn zu besorgen ist, dass das Beweismittel verloren geht oder seine Benutzung erschwert wird. Ein so beschriebener „drohender Beweisnachteil“ ist z. B. anzunehmen bei einer schweren und lebensgefährlichen Erkrankung oder einer längeren Auslandsreise eines Zeugen oder der drohenden Veränderung bzw. des Untergangs einer Sache2. Hohes Alter der zu vernehmenden Person kann die Zulässigkeit des Antrags auf Beweissicherung begründen, weil dann, wenn diese Person nicht mehr besonders rüstig ist, die Gefahr des Beweismittelverlustes besteht3. Der Aufenthalt eines Zeugen im nahen Ausland ist für sich allein kein Anlass zur Besorgnis, der Zeuge werde zu gegebener Zeit nicht mehr oder nur unter erschwerten Bedingungen zu einer Aussage zur Verfügung stehen4. Nach Abs. 2 der Regelung kann dann, wenn ein Rechtsstreit noch nicht anhängig ist, ein Beteiligter die schriftliche Begutachtung durch einen Sachverständigen beantragen, wenn er ein rechtliches Interesse daran hat, dass u. a. der Zustand einer Person oder der Zustand oder Wert einer Sache festgestellt wird; ein rechtliches Interesse ist dabei anzunehmen, wenn die Feststellung der Vermeidung eines Rechtsstreits dienen kann. 737 Der Antrag ist bei dem Finanzgericht zu stellen, das für das Verfahren zuständig wäre (§ 486 Abs. 2 ZPO). In Fällen dingender Gefahr kann der Antrag bei dem Gericht gestellt werden, in dessen Bezirk die zu vernehmende Person sich aufhält (§ 82 FGO i. V. m. § 486 Abs. 3 ZPO). Darzulegen und glaubhaft zu machen ist in
__________ 1 S. dazu BFH v. 14.5.2007 – I B 135/06, BFH/NV 2007, 1900. 2 Schreiber in Münchener Kommentar zur ZPO, 2. Aufl., § 485 ZPO Rz. 8 f.; Herget in Zöller, ZPO, 26. Aufl., § 485 ZPO Rz. 5; Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/ Hartmann, ZPO, 65. Aufl., § 485 ZPO Rz. 6; Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 27. Aufl., § 485 ZPO Rz. 3; jeweils m. w. N. 3 BFH v. 4.11.1986 – VII B 120/86, BFH/NV 1987, 379. 4 BFH v. 14.5.2007 – I B 135/06, BFH/NV 2007, 1900.
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Exkurs: Eidliche Vernehmung
Rz. 738 II
diesem Fall ein Grund, der es untunlich erscheinen lässt, die Beweissicherung durch das – sachnähere – Prozessgericht vornehmen zu lassen1. Über den Antrag entscheidet das Finanzgericht durch Beschluss. Wird dem Antrag stattgegeben, ergeht ein normaler Beweisbeschluss unter Angabe des Beweisthemas und der zu vernehmenden Zeugen und Sachverständigen. Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 82 FGO i. V. m. § 490 Abs. 2 ZPO). Der abweisende Beschluss ist mit der Beschwerde gem. § 128 Abs. 1 FGO anfechtbar2. Die Beweisaufnahme findet wie im anhängigen Gerichtsverfahren statt (s. II Rz. 612 ff.). Nach § 82 FGO i. V. m. § 492 Abs. 3 ZPO kann das Gericht die Beteiligten zur mündlichen Erörterung laden, wenn eine Einigung aufgrund der Beweisaufnahme zu erwarten ist. Eine entsprechende Einigung ist zu Protokoll zu nehmen. Beruft sich einer der Beteiligten im Prozess auf Tatsachen, über die selbständig Beweis außerhalb des Verfahrens erhoben worden ist, so steht die selbständige Beweisaufnahme einer Beweisaufnahme des Finanzgerichts im anhängigen Verfahren gleich (§ 82 FGO i. V. m. § 493 Abs. 1 ZPO). Damit ist die protokollierte Aussage eines Zeugen Zeugenbeweis und nicht nur Urkundenbeweis3.
XI. Exkurs: Eidliche Vernehmung Hält die Finanzbehörde mit Rücksicht auf die Bedeutung der Auskunft oder zur 738 Herbeiführung einer wahrheitsgemäßen Auskunft die Beeidigung einer anderen Person als eines Beteiligten für geboten, so kann sie das für den Wohnsitz oder den Aufenthaltsort der zu beeidigenden Person zuständige Finanzgericht um die eidliche Vernehmung ersuchen (§ 94 Abs. 1 Satz 1 AO i. V. m. § 158 FGO). Die eidliche Vernehmung findet vor dem im Geschäftsverteilungsplan dafür bestimmten Richter statt (§ 158 Abs. 1 FGO). Gegenüber dem Ersuchen der Finanzbehörde gem. § 94 Abs. 1 AO steht dem Finanzgericht nur ein beschränktes Prüfungsrecht zu4. Es prüft die Ordnungsmäßigkeit des Vernehmungsersuchens (§ 94 Abs. 2 Satz 1 AO), ferner, ob die zu vernehmende Person „Subjekt“ einer eidlichen Vernehmung sein kann, also Dritter und nicht etwa Beteiligter ist5. Im Übrigen ist das Gericht grundsätzlich an das Ersuchen gebunden6. In der Praxis kommt das Ersuchen des Finanzamtes auf eidliche Vernehmung nicht häufig vor. Gegen die Entscheidung des Gerichts, die eidliche Vernehmung durchzuführen, kann als Rechtsbehelf Beschwerde gem. § 128 Abs. 1 FGO eingelegt werden. Berechtigt hierzu ist nur derjenige, der durch die Anordnung in seinen Rechten verletzt, d. h. beschwert wird. Zu dem Kreis der Beschwerdeberechtigten gehört demnach zunächst derjenige, der vernommen werden soll. Umstritten ist, ob
__________
1 BFH v. 4.11.1986 – VII B 120/86, BFH/NV 1987, 379. 2 Seer in Tipke/Kruse, § 82 FGO Rz. 100; BFH v. 11.10.2007 – V B 68/07, BFH/NV 2008, 343. 3 Seer in Tipke/Kruse, § 82 FGO Rz. 103. 4 BFH v. 26.9.1995 – VII B 148/95, BFH/NV 1996, 200. 5 BFH v. 28.3.1979 – I B 79/78, BStBl. II 1979, 538. 6 BFH v. 13.1.1992 – III B 33/91, BFH/NV 1992, 783.
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II Rz. 739
Rechtsschutz vor dem Finanzgericht
auch der Steuerpflichtige, dessen Verwaltungsverfahren die Vernehmung betrifft, in seinen Rechten verletzt sein kann1. Dies hängt von den Umständen des Einzelfalls und dem Sachvortrag des Steuerpflichtigen bezüglich einer etwaigen Rechtsverletzung ab. Es reicht jedenfalls nicht aus, wenn der Steuerpflichtige vorträgt, das Ersuchen sei unzulässig, weil das Finanzamt nicht selbst zuvor versucht habe, eine uneidliche Vernehmung des Dritten durchzuführen2, oder sein Recht auf Gehör sei verletzt, weil er vorher nicht gehört worden sei3.
G. Anhörungsrüge I. Allgemeines 739 Die Anhörungsrüge (§ 133a FGO) ist durch das sog. Anhörungsrügegesetz v. 9.12.20044 eingeführt worden und ist zum 1.1.2005 in Kraft getreten. Sie geht zurück auf einen Beschluss des BVerfG5. Das BVerfG hatte die bisherige Praxis der Gerichte, bei Verstößen gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs außerhalb der jeweiligen Verfahrensordnungen eine sog. Gegenvorstellung zuzulassen, falls gegen die betreffende Entscheidung kein Rechtsmittel mehr gegeben ist, für verfassungswidrig erachtet. Sie sei mit dem Grundsatz der Rechtsmittelklarheit nicht zu vereinbaren. Denn die Rechtsmittel müssten in der geschriebenen Rechtsordnung geregelt und in ihren Voraussetzungen für den Bürger erkennbar sein. Andererseits gebiete es der durch Art. 19 Abs. 4 GG abgesicherte Justizgewährungsanspruch, dass bei Verstößen gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs eine wirksame Kontrolle durch die Fachgerichte gewährleistet werde. Hierdurch solle zugleich dem Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde Rechnung getragen und das BVerfG entlastet werden. Dieser Aufforderung durch das BVerfG ist der Gesetzgeber mit dem Anhörungsrügegesetz nachgekommen. Nunmehr sind in alle Verfahrensordnungen entsprechende Regelungen über die Anhörungsrüge aufgenommen worden, in der FGO in § 133a. 740 Die Anhörungsrüge ist ein eigenständiger – außerordentlicher – Rechtsbehelf, durch den das betreffende Gericht zu einer Selbstüberprüfung seiner Entscheidung veranlasst werden soll. Sie ist quasi als wiedereinsetzungsähnlicher Rechtsbehelf ausgestaltet und lässt den Eintritt der Rechtskraft unberührt6. 741 Mit der Anhörungsrüge kann nur vorgebracht werden, das Gericht habe gegen den verfassungsrechtlich verbürgten Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verstoßen. Der Anspruch auf rechtliches Gehör umfasst nur die Kenntnisnahme entscheidungserheblichen Vorbringens. Die Anhörungsrüge dient nicht
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Vgl. hierzu BFH v. 3.10.1979 – IV B 63/79, BStBl. II 1980, 2. So BFH v. 3.10.1979 – IV B 63/79, BStBl. II 1980, 2. So BFH v. 3.10.1979 – IV B 63/79, BStBl. II 1980, 2. BGBl. I 2004, 3220. BVerfG v. 30.4.2003 – 1 PBvU 1/02, NJW 2003, 1924. Treber, NJW 2005, 97; Gräber/Ruban, § 133a FGO Rz. 2.
252
Anhörungsrüge
Rz. 744 II
dazu, die angegriffene Entscheidung nochmals in vollem Umfang zu überprüfen1. Das bedeutet: Mit dem Vorbringen, das Gericht habe in der Sache fehlerhaft entschieden, kann der Rügeführer im Rahmen der Anhörungsrüge nach § 133a FGO nicht gehört werden2.
II. Statthaftigkeit der Anhörungsrüge Gem. § 133a Abs. 1 FGO ist das Verfahren auf die Rüge eines durch eine gericht- 742 liche Entscheidung beschwerten Beteiligten fortzuführen, wenn 1. ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist, und 2. das Gericht den Anspruch dieses Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat. Eine Anhörungsrüge ist also nur zulässig, wenn die Entscheidung des Gerichts nicht angefochten werden kann. Vor Erhebung einer solchen Rüge ist deshalb zu prüfen, ob die Verletzung rechtlichen Gehörs durch ein anderes Rechtsmittel (Revision, Beschwerde, Erinnerung, Wiederaufnahmeklage) geltend gemacht werden kann. Hierdurch wird der Anwendungsbereich der Anhörungsrüge im finanzgerichtlichen Verfahren deutlich eingeschränkt. Denn die Urteile des Finanzgerichts sind mit der – zugelassenen – Revision (vgl. III Rz. 21 ff.) oder mit der Nichtzulassungsbeschwerde (vgl. III Rz. 26 ff.) anfechtbar; gegen Gerichtsbescheide ist der Antrag auf mündliche Verhandlung gegeben (vgl. II Rz. 723). Praktisch kommt die Anhörungsrüge im finanzgerichtlichen Verfahren nur bei Beschlüssen in Betracht, die gem. § 128 Abs. 2–4 FGO nicht mit der Beschwerde angefochten werden können oder gegen Entscheidungen des BFH3.
III. Form, Frist und Inhalt der Anhörungsrüge Die Anhörungsrüge ist gem. § 133a Abs. 2 Satz 4 FGO schriftlich (vgl. II Rz. 57 ff.) 743 oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Gericht zu erheben, dessen Entscheidung angegriffen wird. Richtet sich die Rüge gegen eine Entscheidung des BFH, ist gem. § 133a Abs. 2 Satz 5 FGO der dort geltende Vertretungszwang zu beachten. Das bedeutet, der betreffende Beteiligte kann die Anhörungsrüge in diesem Fall nicht selbst erheben, sondern muss sich durch einen beim BFH vertretungsberechtigten Prozessbevollmächtigten vertreten lassen (vgl. III Rz. 5). Die Anhörungsrüge ist gem. § 133a Abs. 2 FGO innerhalb einer Frist von 2 Wo- 744 chen nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs zu erheben. Es handelt sich um eine Ausschlussfrist, die nicht verlängert werden kann. Bei un-
__________
1 BFH v. 27.12.2006 – V S 24/06, BFH/NV 2007, 1667. 2 BFH v. 27.7.2007 – III S 8/07, BFH/NV 2007, 2135. 3 Vgl. Seer in Tipke/Kruse, § 133a FGO Rz. 3; Gräber/Ruban, § 133a FGO Rz. 7.
253
II Rz. 745
Rechtsschutz vor dem Finanzgericht
verschuldeter Fristversäumnis kann eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden1. Allerdings kann nach Ablauf eines Jahres seit Bekanntgabe der angegriffenen Entscheidung die Rüge nicht mehr erhoben werden (§ 133a Abs. 2 Satz 2 FGO). 745 Die Anhörungsrüge muss bestimmten inhaltlichen Mindestanforderungen genügen: In der Rüge muss die angegriffene Entscheidung möglichst genau bezeichnet werden (§ 133a Abs. 2 Satz 6 FGO). Hierzu reicht die Angabe des Datums, des Aktenzeichens und der Sache, in der die Entscheidung ergangen ist, aus2. Außerdem muss dargelegt werden, dass das Gericht den Anspruch auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat. Diese Formulierung spricht dafür, dass hier die gleichen Anforderungen an den Darlegungsumfang zu stellen sind wie bei einer auf Verletzung des rechtlichen Gehörs gestützten Nichtzulassungsbeschwerde. Das bedeutet: Für die schlüssige Rüge einer Verletzung des rechtlichen Gehörs muss der Rügeführer substantiiert darlegen, zu welchen Sachund Rechtsfragen er sich nicht äußern konnte oder welches Vorbringen das Gericht bei seiner Entscheidung nicht zur Kenntnis oder nicht in Erwägung gezogen hat. Bringt der Rügeführer mit der Anhörungsrüge lediglich zum Ausdruck, das angerufene Gericht habe nach seiner Ansicht den Streitfall unrichtig gewürdigt und über seine Beschwerde falsch entschieden, sind die Anforderungen an eine schlüssige Begründung der Anhörungsrüge nicht erfüllt3. Auch mit Erwägungen, die der Rügeführer erstmals mit der Anhörungsrüge vorbringt, kann eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nicht begründet werden4. Bezieht sich der gerügte Verstoß nur auf einzelne Feststellungen, ist zusätzlich substantiiert darzulegen, wozu sich der Rügeführer nicht hat äußern können, was er bei ausreichender Gewährung des rechtlichen Gehörs noch zusätzlich vorgetragen hätte und dass bei Berücksichtigung des übergangenen Vorbringens eine andere Entscheidung in der Sache möglich gewesen wäre5.
IV. Begründetheit der Anhörungsrüge 746 Die Anhörungsrüge ist gem. § 133a Abs. 1 Nr. 2 FGO begründet, wenn das Gericht den Anspruch des Rügeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat. Dabei ist die Entscheidungserheblichkeit bereits dann zu bejahen, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Gericht bei einer Gewährung rechtlichen Gehörs zu einer anderen Entscheidung gelangt wäre6. Das heißt: Die bloße Möglichkeit einer anderen Entscheidung bei ordnungsgemäßer Gewährung rechtlichen Gehörs reicht für die Entscheidungserheblichkeit aus.
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Vgl. Gräber/Ruban, § 133a FGO Rz. 11; zur Wiedereinsetzung vgl. II Rz. 396. Vgl. Rüsken in Beermann/Gosch, § 133a FGO Rz. 51; Gräber/Ruban, § 133a FGO Rz. 12. BFH v. 21.8.2007 – X S 18/07, BFH/NV 2007, 2143. BFH v. 21.8.2007 – X S 18/07, BFH/NV 2007, 2143. Vgl. BFH v. 5.8.2004 – II B 159/02, BFH/NV 2004, 1665; Rüsken in Beermann/Gosch, § 133a FGO Rz. 52, 53; Gräber/Ruban, § 133a FGO Rz. 12; vgl. zu den Anforderungen an eine schlüssige Darlegung der Verletzung rechtlichen Gehörs auch III Rz. 122 ff. 6 Vgl. Gräber/Ruban, § 133a FGO Rz. 14; Rüsken in Beermann/Gosch, § 133a FGO Rz. 56.
254
Anhörungsrüge
Rz. 750 II
V. Verfahren Wird von einem Beteiligten eine Anhörungsrüge erhoben, so gibt das Gericht den 747 übrigen Beteiligten, soweit dies erforderlich ist, Gelegenheit zur Stellungnahme (§ 133a Abs. 3 FGO). Hierdurch soll den übrigen Beteiligten rechtliches Gehör gewährt werden. Die Einschränkung „soweit erforderlich“ bedeutet, dass das Gericht auf die Gelegenheit zur Stellungnahme verzichtet kann, wenn schutzwürdige Interessen der übrigen Beteiligten nicht berührt werden, z. B. weil die Rüge offensichtlich unstatthaft ist oder wegen Versäumung der Rügefrist oder mangelhafter Begründung offensichtlich unzulässig ist1. Das Gericht prüft als Erstes, ob die Rüge statthaft und zulässig ist. Ist die Rüge 748 nicht statthaft oder nicht in der gesetzlich vorgeschriebenen Form oder Frist erhoben, hat das Gericht sie als unzulässig zu verwerfen (§ 133a Abs. 4 Satz 1 FGO). Ist die Rüge hingegen zulässig, prüft das Gericht ihre Begründetheit, d. h. es un- 749 tersucht, ob es den Anspruch des Rügeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat. Kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass die Rüge nicht begründet ist, weist es die Rüge als unbegründet zurück (§ 133a Abs. 4 Satz 2 FGO). Die Entscheidung ergeht durch unanfechtbaren Beschluss, der kurz begründet werden soll (§ 133a Abs. 4 Sätze 3, 4 FGO). Ist die Rüge begründet, hilft das Gericht ihr ab, indem es das Verfahren fortsetzt, soweit dies aufgrund der Rüge geboten ist. Das heißt, die Fortsetzung des Verfahrens bezieht sich nur auf den Teil, auf den sich die Rüge bezieht (§ 133a Abs. 5 Satz 1 FGO). Das Verfahren wird nicht insgesamt neu aufgerollt2. Dabei wird das Verfahren in die Lage zurückversetzt, in der es sich vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung befunden hat (§ 133a Abs. 5 Satz 2 FGO). In schriftlichen Verfahren tritt an die Stelle des Schlusses der mündlichen Verhandlung der Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können (§ 133a Abs. 5 Satz 3 FGO). Für den Tenor der gerichtlichen Entscheidung gilt gem. § 133a Abs. 5 Satz 4 FGO 750 § 323 ZPO entsprechend. Das bedeutet: Kommt das Gericht unter Berücksichtigung der Gewährung rechtlichen Gehörs zu demselben Ergebnis wie in der angegriffenen Entscheidung, spricht es aus, dass die angegriffene Entscheidung aufrechtzuerhalten ist. Kommt es zu einem anderen Ergebnis, hebt es die angegriffene Entscheidung ganz oder teilweise auf und ersetzt sie durch eine neue3. Einstweilen frei.
751–760
__________ 1 Vgl. Gräber/Ruban, § 133a FGO Rz. 15. 2 Vgl. Rüsken in Beermann/Gosch, § 133a FGO Rz. 72; Gräber/Ruban, § 133a FGO Rz. 18. 3 Vgl. Gräber/Ruban, § 133a FGO Rz. 19.
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II Rz. 761
Rechtsschutz vor dem Finanzgericht
H. Urteilsberichtigung I. Berichtigung wegen offenbarer Unrichtigkeit 761 Gem. § 107 Abs. 1 FGO können Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten im Urteil jederzeit vom Gericht berichtigt werden. Berichtigt werden können gem. § 107 FGO alle Bestandteile des Urteils, also Rubrum, Tenor, Tatbestand und Entscheidungsgründe1. 762 Der Begriff der offenbaren Unrichtigkeit deckt sich mit dem in § 129 AO. Ähnliche offenbare Unrichtigkeiten sind nur Erklärungsmängel, die zu dem Erklärungswillen des Gerichts erkennbar in Widerspruch stehen2. Nur mechanische Fehler, die ohne weitere Prüfung erkannt und berichtigt werden können, fallen hierunter. Wie bei der vergleichbaren Vorschrift des § 129 AO schließt auch hier die Möglichkeit eines – wenn auch offensichtlichen – Fehlers bei der Rechtsanwendung oder der Tatsachenwürdigung, eines Verfahrensverstoßes oder eines Denkfehlers die Berichtigung aus. Das bedeutet: Wie bei § 129 AO schließt die Möglichkeit eines Rechtsirrtums die Berichtigung nach § 107 FGO aus3. Dabei ist ein Fehler nur dann offenbar, wenn er auf der Hand liegt, wenn er durchschaubar, eindeutig oder augenfällig ist4. Hierzu rechnen auch Unrichtigkeiten, die in einer offenbaren Auslassung bestehen, z. B. sind im Rubrum versehentlich nicht alle Richter aufgeführt, die an der Entscheidung mitgewirkt haben5. 763 Die Berichtigung kann nur dazu führen, dass die Übereinstimmung des erkennbar gewordenen zutreffenden Inhalts des Urteils mit dem erklärten Text des Urteils hergestellt wird6. Ziel der Berichtigung nach § 107 FGO kann deshalb nur sein, den erklärten mit dem gewollten Inhalt der Entscheidung in Einklang zu bringen. Eine Änderung des gewollten und richtig erklärten Inhalts des Beschlusses kann nicht mit einem Berichtigungsantrag nach § 107 FGO, sondern nur mit einem zulässigen Rechtsmittel erreicht werden7. 764 Die Berichtigung des Urteils wegen offenbarer Unrichtigkeit ist nicht antragsgebunden, auch nicht fristgebunden. Sie kann deshalb auch noch nach Einlegung der Revision und nach Rechtskraft vorgenommen werden. 765 Offenbare Unrichtigkeiten des Rubrums in der Urschrift sind nach § 107 Abs. 1 FGO durch Beschluss des zuständigen Senats beim FG, der das Urteil gefällt hat (vgl. § 107 Abs. 2 Satz 1 FGO), zu berichtigen8. Sofern bereits Revision eingelegt
__________ 1 BFH v. 7.12.2000 – IX B 53/00, BFH/NV 2001, 631; Brandis in Tipke/Kruse, § 107 FGO Rz. 4. 2 BFH v. 21.8.2003 – XI B 239/02, BFH/NV 2004, 67. 3 BFH v. 21.8.2003 – XI B 239/02, BFH/NV 2004, 67 und v. 25.11.1993 – IV B 80/93, BFH/ NV 1994, 723. 4 BFH v. 17.3.2000 – IX B 111/99, BFH/NV 2000, 1127. 5 BFH v. 7.12.2000 – IX B 53/00, BFH/NV 2001, 631. 6 BFH v. 15.5.2006 – VII B 70/06, BFH/NV 2006, 1678. 7 BFH v. 10.2.2004 – X B 75/03, BFH/NV 2004, 663. 8 Vgl. BFH v. 23.8.1989 – IV R 44/88, BFH/NV 1990, 306.
256
Urteilsberichtigung
Rz. 770 II
worden ist, muss der BFH eine solche offenbare Unrichtigkeit des angefochtenen Urteils berichtigen1. Die Berichtigung erfolgt von Amts wegen durch Beschluss. Eines Antrags bedarf 766 es nicht. Deshalb kann die Berichtigung auch noch nach Einlegung der Revision oder nach Rechtskraft erfolgen. Der Berichtigungsbeschluss wird vom Urkundsbeamten auf dem Urteil und den Ausfertigungen vermerkt (§ 107 Abs. 2 Satz 2 FGO). Sowohl gegen den Berichtigungsbeschluss als auch gegen den die Berichtigung 767 ablehnenden Beschluss ist die Beschwerde gegeben. Der Berichtigungsbeschluss wirkt auf den Zeitpunkt des Wirksamwerdens des berichtigten Urteils (Verkündung, Zustellung) zurück2. Gem. § 113 Abs. 1 i. V. m. § 107 Abs. 1 FGO gelten die Grundsätze über die Ur- 768 teilsberichtigung sinngemäß auch für die Berichtigung von Beschlüssen3. Fehler, die die den Beteiligten zugestellte Ausfertigung eines Urteils aufgrund 769 eines Kanzleiversehens enthält, können jederzeit vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle richtig gestellt werden. Die Berichtigung ist allerdings auch dann wirksam, wenn sie stattdessen von der Gerichtskanzlei durchgeführt wird. Das Urteil ist in dem einen wie in dem anderen Fall allein in der berichtigten Fassung maßgebend4.
II. Tatbestandsberichtigung Enthält der Tatbestand des Urteils andere Unrichtigkeiten oder Unklarheiten, die 770 nicht als offenbare Unrichtigkeit i. S. des § 107 Abs. 1 FGO anzusehen sind, so kann gem. § 108 Abs. 1 FGO die Berichtigung binnen zwei Wochen nach Zustellung des Urteils beantragt werden. Nach dem Zweck des § 108 FGO ist die Tatbestandsberichtigung vom Gesetzgeber geschaffen worden, um zu verhindern, dass ein unrichtig beurkundeter Prozessstoff Grundlage für die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts wird5. Die Berichtigung des Tatbestandes eines im Revisionsverfahren ergangenen Urteils kommt deshalb nicht in Betracht6. Empfehlung: Da es für die Begründetheit einer Nichtzulassungsbeschwerde oder einer Revision auf die Richtigkeit des Tatbestandes ankommen kann, muss ggf. beim Finanzgericht ein Antrag auf Tatbestandsberichtigung gestellt werden. Unrichtigkeiten im Tatbestand eines Urteils können nämlich nicht mit der Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesfinanzhof, sondern grundsätzlich nur mit dem Antrag auf Tatbestandsberichtigung geltend gemacht werden7.
__________ 1 2 3 4 5 6 7
Vgl. BFH v. 12.9.2000 – III R 56/99, BFH/NV 2001, 197. BFH v. 19.12.2000 – IX R 29/00, BFH/NV 2001, 638. BFH v. 10.2.2004 – X B 75/03, BFH/NV 2004, 663. BFH v. 30.11.1998 – I R 42/98, BFH/NV 1999, 792. BFH v. 23.10.2000 – V R 105/98, BFH/NV 2001, 467. BFH v. 23.10.2000 – V R 105/98, BFH/NV 2001, 467. BFH v. 17.3.2000 – VII B 1/00, BFH/NV 2000, 1125.
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II Rz. 771
Rechtsschutz vor dem Finanzgericht
771 Das in § 108 FGO geregelte Verfahren betrifft nur Unrichtigkeiten im Tatbestand, nicht auch Unrichtigkeiten im Rubrum oder den Entscheidungsgründen. Deshalb kann das Verfahren nach § 108 FGO nicht zu einer Korrektur des Urteilstenors führen. 772 Die Berichtigung ist nur auf Antrag zulässig. Über den Antrag entscheidet das Gericht ohne Beweisaufnahme durch Beschluss. Der Beschluss ist unanfechtbar. Bei der Entscheidung wirken nur die Berufsrichter mit, die bei dem Urteil mitgewirkt haben. Die ehrenamtlichen Richter wirken bei dem Beschluss nicht mit. Der Berichtigungsbeschluss wird auf dem Urteil und den Ausfertigungen vermerkt (§ 108 Abs. 2 FGO). Empfehlung: Der Kläger bzw. sein Berater sollten genau überlegen, ob es sinnvoll ist, einen Antrag auf Tatbestandsberichtigung, der sehr genau begründet werden muss und mit Zeitaufwand verbunden ist, zu stellen. Für den Antrag auf Tatbestandsberichtigung fehlt es nämlich am Rechtsschutzinteresse, wenn gegen die gerichtliche Entscheidung, deren Tatbestand berichtigt werden soll, kein Rechtsmittel gegeben ist, wie z. B. gegen Beschlüsse über Anträge auf Prozesskostenhilfe1. 773 Eine Tatbestandsberichtigung kommt auch bei solchen Urteilen nicht in Betracht, die mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung ergangen sind; denn die Tatbestandsberichtigung ist auf Tatbestandsteile beschränkt, die für das Verfahren urkundliche Beweiskraft haben können. Im schriftlichen Verfahren gilt der urkundlich belegte Vortrag. Hierdurch ergibt sich allerdings keine Rechtsbeeinträchtigung, da der Kläger gegen eine seiner Ansicht nach unzutreffende Darstellung des Sach- und Streitstandes in diesem Fall seine Rechte durch eine schlüssige Verfahrensrüge wegen Verletzung der §§ 76, 96 FGO mit einer Nichtzulassungsbeschwerde oder im Revisionsverfahren wahrnehmen kann2. 774 Gem. § 108 Abs. 2 Satz 2 FGO ist der Beschluss, mit dem über einen Antrag auf Tatbestandsberichtigung entschieden wird, unanfechtbar. Gegen den Beschluss kann allenfalls die Anhörungsrüge nach § 133a FGO (vgl. II Rz. 739 ff.) erhoben werden3.
III. Urteilsergänzung 775 Wenn ein nach dem Tatbestand von einem Beteiligten gestellter Antrag oder die Kostenfolge bei der Entscheidung ganz oder zum Teil übergangen ist, ist auf Antrag das Urteil durch nachträgliche Entscheidung gem. § 109 Abs. 1 FGO zu ergänzen. Unterlässt das Gericht, das über die Kosten i. S. des § 139 Abs. 4 FGO von Amts wegen zu entscheiden hat, z. B. den Ausspruch über die Erstattungsfähigkeit der außergerichtlichen Kosten von Beigeladenen als Teil der gericht-
__________ 1 BFH v. 2.10.2000 – III S8/00, BFH/NV 2001, 328. 2 BFH v. 29.8.2003 – III B 105/02, BFH/NV 2004, 178 und v. 17.12.1999 – V B 116/99, BFH/NV 2000, 852. 3 Brandis in Tipke/Kruse, § 118 FGO Rz. 8; Gräber/Stapperfend, § 108 FGO Rz. 7.
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Wiederaufnahme des Verfahrens
Rz. 786 II
lichen Kostenentscheidung, so ist der betreffende Beschluss auf Antrag nach §§ 109, 113 FGO zu ergänzen1. Der Antrag muss nach dem Tatbestand des Urteils gestellt sein. Ist er im Tatbestand des Urteils nicht erwähnt, so findet § 109 FGO keine Anwendung, solange der Tatbestand nicht nach § 108 FGO berichtigt worden ist2. Die Ergänzung geschieht nur auf Antrag. Der Antrag muss binnen zwei Wochen nach Ausstellung des Urteils gestellt werden. Die Ergänzung erfolgt durch Urteil nach mündlicher Verhandlung. Folglich müssen auch ehrenamtliche Richter mitwirken. Die Besetzung des Gerichts, das über die Ergänzung zu entscheiden hat, muss nicht mit der ursprünglichen Besetzung übereinstimmen3. Die mündliche Verhandlung hat nur den nicht erledigten Teil des Rechtsstreits zum Gegenstand (§ 109 Abs. 2 Satz 2 FGO). Auf mündliche Verhandlung kann auch verzichtet werden (§ 90 Abs. 2 FGO; vgl. II Rz. 661 ff.). Auch kann das Gericht durch Gerichtsbescheid entscheiden; dann aber ohne ehrenamtliche Richter4. Empfehlung: Es ist darauf zu achten, dass der Antrag auf Urteilsergänzung fristgerecht innerhalb der Zwei-Wochen-Frist gestellt wird. Wird der Antrag auf Urteilsergänzung nämlich erst nach Ablauf der Zwei-Wochen-Frist und damit verspätet gestellt, entfällt die Rechtshängigkeit des nicht entschiedenen Streitteils und eine Urteilsergänzung kommt nicht mehr in Betracht. Der Kläger kann sein Begehren in diesem Fall im Rahmen der verfahrensrechtlichen Möglichkeiten erneut durch Einspruch und Klage geltend machen5. Für die Versäumung der Antragsfrist kann grundsätzlich unter den Voraussetzungen des § 56 FGO auch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden6. Einstweilen frei.
776–785
I. Wiederaufnahme des Verfahrens Nach § 134 FGO i. V. m. §§ 578 ff. ZPO kann die Wiederaufnahme eines rechts- 786 kräftig abgeschlossenen Verfahrens durch Nichtigkeitsklage oder durch Restitutionsklage (§ 134 FGO i. V. m. § 580 ZPO) erfolgen. Es handelt sich um außerordentliche Rechtsbehelfe mit dem Zweck, in Ausnahmefällen eine Korrektur rechtskräftig abgeschlossener Verfahren zu erreichen. Deshalb kommt eine Wiederaufnahme nur bei besonders gravierenden Prozessverstößen (sog. Nichtigkeitsklage) oder schwerwiegenden inhaltlichen Mängeln (sog. Restitutionsklage)
__________ 1 BFH v. 27.12.2006 – IX B 199/05, BFH/NV 2007, 1140. 2 BFH v. 30.6.2006 – II B 193/04, BFH/NV 2006, 2101; zur Tatbestandsberichtigung vgl. II Rz. 770. 3 Vgl. Gräber/Stapperfend, § 109 FGO Rz. 4; Brandis in Tipke/Kruse, § 109 FGO Rz. 5. 4 Vgl. Gräber/Stapperfend, § 109 FGO Rz. 4; Brandis in Tipke/Kruse, § 109 FGO Rz. 5; zum Gerichtsbescheid vgl. II Rz. 720 ff. 5 BFH v. 10.11.1998 – I B 84, 85/98, BFH/NV 1999, 644. 6 BFH v. 5.6.1997 – IV B 161/96, BFH/NV 1998, 37.
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II Rz. 787
Rechtsschutz vor dem Finanzgericht
in Betracht1. Die praktische Bedeutung von Nichtigkeits- und Restitutionsklage im finanzgerichtlichen Verfahren dieser beiden Möglichkeiten ist sehr gering. 787 Die Nichtigkeitsklage betrifft besonders schwer wiegende Prozessverstöße, die in § 579 Abs. 1 ZPO abschließend aufgezählt sind. Sie findet statt, wenn – das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war (vgl. III Rz. 119 ff.); – wenn ein Richter bei der Entscheidung mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen war, sofern nicht dieses Hindernis durch Ablehnungsgesuch oder Rechtsmittel ohne Erfolg geltend gemacht worden ist (vgl. III Rz. 121 ff., II Rz. 591 ff.); – wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, der mit Erfolg wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt worden ist (vgl. II Rz. 594 ff.); – wenn eine Partei in dem Verfahren nicht ordnungsgemäß vertreten war, sofern sie die Prozessführung nicht ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat (vgl. III Rz. 128). 788 In den Fällen, in denen das Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen sein soll oder ein abgelehnter Richter mitgewirkt hat, kommt eine Nichtigkeitsklage nicht in Betracht, wenn die Nichtigkeit vor dem rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens durch Rechtsmittel hätte geltend gemacht werden können (§ 134 FGO i. V. m. § 579 Abs. 2 ZPO). 789 Die Restitutionsklage kommt bei schwer wiegenden inhaltlichen Mängeln, die in § 580 ZPO aufgezählt sind, in Betracht, und zwar vor allem, wenn sich die Grundlage einer rechtskräftigen Entscheidung als gefälscht erweist. Dies ist z. B. der Fall, wenn – der Gegner sich durch die Beeidigung einer entscheidungserheblichen Aussage einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Verletzung der Eidespflicht schuldig gemacht hat; – eine entscheidungserhebliche Urkunde fälschlich angefertigt oder verfälscht war; – sich bei einer entscheidungserheblichen Zeugenaussage oder einem Gutachten herausstellt, dass der Zeuge oder Sachverständige in strafbarer Weise seine Wahrheitspflicht verletzt hat; – die Partei eine andere Urkunde auffindet oder benutzen kann, die eine ihr günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde. 790 Eine Restitutionsklage ist nur dann zulässig, wenn die Partei ohne ihr Verschulden gehindert war, den Restitutionsgrund in dem früheren Verfahren geltend zu machen. Da die meisten Klagen Steuerbescheide betreffen, die gem. § 110 Abs. 2 FGO auch nach rechtskräftiger Entscheidung noch geändert werden können, falls die gesetzlichen Voraussetzungen der §§ 130 ff. und 170 ff. AO erfüllt sind, bleibt für die Restitutionsklage noch weniger Raum als für die Nichtigkeitsklage2.
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1 Vgl. Gräber/Stapperfend, § 134 FGO Rz. 1. 2 Vgl. auch Gräber/Stapperfend, § 134 FGO Rz. 1.
260
Vorläufiger Rechtsschutz
Rz. 806 II
Zuständig für eine Klage auf Wiederaufnahme des Verfahrens ist nach § 134 FGO 791 i. V. m. § 584 ZPO das Gericht, das die entsprechende Entscheidung erlassen hat. Wird die Wiederaufnahme eines durch rechtskräftige Entscheidung des FG abgeschlossenen Verfahrens begehrt, so ist hiernach das Finanzgericht zuständig. Der BFH als Revisionsgericht ist für eine Klage auf Wiederaufnahme zuständig, wenn ein in der Revisionsinstanz erlassenes Urteil aufgrund der §§ 579, 580 Nrn. 4, 5 ZPO angefochten wird1. Einstweilen frei.
792–805
J. Vorläufiger Rechtsschutz I. Allgemeines Vorläufiger Rechtsschutz wird im finanzgerichtlichen Verfahren durch Ausset- 806 zung der Vollziehung und einstweilige Anordnung gewährt. Zwischen beiden bestehen folgende Unterschiede: Das Aussetzungsverfahren bezieht sich stets auf einen bestimmten, mit der Anfechtungsklage anfechtbaren Verwaltungsakt. Demgegenüber ist Gegenstand des Verfahrens bei einer einstweiligen Anordnung nicht ein Verwaltungsakt, sondern ein Recht bzw. ein Rechtsverhältnis des Antragstellers. Der vorläufige Rechtsschutz nach der FGO hängt also eng mit der Klageart in einem Verfahren zur Hauptsache zusammen. Die Aussetzung der Vollziehung ist danach eine Maßnahme, die einen mit einer Anfechtungsklage anfechtbaren Verwaltungsakt zur Voraussetzung hat. Wird im Hauptsacheverfahren eine Verpflichtungs-, allgemeine Leistungs- oder Feststellungsklage erhoben, kommt vorläufiger Rechtsschutz nur in Form einer einstweiligen Anordnung in Betracht2. Beispiel: Gegen den Steuerpflichtigen S ist ein Einkommensteuerbescheid ergangen, der unanfechtbar geworden ist. S ist der Ansicht, der Bescheid sei nichtig und erhebt Feststellungsklage auf Feststellung der Nichtigkeit. Da das Finanzamt aus dem Bescheid vollstrecken will, will S vorläufigen Rechtsschutz geltend machen. Im vorliegenden Fall kommt vorläufiger Rechtsschutz in Form einer einstweiligen Anordnung in Betracht. Hier kann dem Finanzamt, falls die übrigen Voraussetzungen des § 114 FGO vorliegen, durch Erlass einer einstweiligen Anordnung vorläufig untersagt werden, Folgerungen aus dem vom Steuerpflichtigen für nichtig angesehenen Bescheid zu ziehen3.
__________ 1 BFH v. 25.11.1999 – I K 1/98, BFH/NV 2000, 730. 2 BFH v. 28.10.1997 – VII B 40/97, BFH/NV 1998, 424; Gräber/Koch, § 69 FGO Rz. 5. 3 BFH v. 26.2.1992 – I B 113/91, BFH/NV 1993, 349.
261
II Rz. 807
Rechtsschutz vor dem Finanzgericht
II. Aussetzung der Vollziehung 1. Bedeutung 807 Erhebt ein Steuerpflichtiger Klage gegen einen Steuerbescheid, wird hierdurch die Vollziehung des Bescheides grundsätzlich ebenso wenig gehemmt wie durch Einlegung eines außergerichtlichen Rechtsbehelfs (§ 69 Abs. 1 FGO, § 361 Abs. 1 AO). Beispiel: Der Steuerpflichtige legt gegen den Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr, der eine Einkommensteuerschuld von 10 000 Euro ausweist, Einspruch ein. Die Einlegung des Einspruchs hat nicht zur Folge, dass S die 10 000 Euro solange nicht zahlen muss, bis über den Einspruch entschieden ist. Vielmehr wird durch den Einspruch die Vollziehung des Einkommensteuerbescheides nicht gehemmt. Dies hat zur Folge, dass S zunächst einmal die Einkommensteuerschuld begleichen muss. Hat sein Einspruch ganz oder teilweise Erfolg, muss das Finanzamt ihm den entsprechenden Steuerbetrag zurückzahlen. Gleiches gilt für den Fall einer Klageerhebung. 808 Um dennoch einen wirksamen Rechtsschutz zu gewährleisten, lässt § 69 FGO unter gewissen Voraussetzungen die Aussetzung oder die Aufhebung der Vollziehung eines angefochtenen Steuerbescheides als vorläufige Maßnahme zu. Im finanzgerichtlichen Verfahren kann also eine Aussetzung der Vollziehung grundsätzlich nur durch eine Entscheidung des Finanzamts (§ 69 Abs. 2 FGO) oder durch einen Beschluss des Gerichts (§ 69 Abs. 3 FGO) herbeigeführt werden. Mit dieser Regelung wollte der Gesetzgeber verhindern, dass jeder, sei es auch noch so aussichtslose Rechtsbehelf, einstweilen von der Verpflichtung zur Zahlung der festgesetzten Steuern entbindet. Insbesondere in den Fällen, in denen mutwillig Rechtsbehelfe eingelegt werden, soll der Steuerpflichtige sich der Verpflichtung zur Zahlung nicht entziehen können1. Andererseits hatte der Gesetzgeber auch die Interessen derjenigen zu berücksichtigen, die mit Erfolgsaussicht einen Rechtsbehelf einlegen. Sie können durch das Fehlen der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs im Einzelfall erheblich belastet werden. Sie müssten eine Leistung erbringen aufgrund eines Bescheides, über dessen Rechtmäßigkeit noch nicht rechtskräftig entschieden ist. Dabei vermag die mögliche spätere Rückgewähr der Leistung im Falle des Obsiegens nicht immer die durch die zunächst erfolgte Zahlung entstandenen Nachteile zu beheben. Diesen unterschiedlichen Interessen hat der Gesetzgeber dadurch Rechnung getragen, dass in den Fällen, in denen die Einlegung des Rechtsbehelfs durchaus Erfolg versprechend erscheint bzw. die Vollziehung zu besonderen Härten führen würde, auf Antrag die Vollziehung ausgesetzt werden kann. Damit wird der Betroffene im Wege vorläufigen Rechtsschutzes im Ergebnis so gestellt, als wenn sein Rechtsbehelf aufschiebende Wirkung hätte.
__________ 1 Vgl. BFH v. 12.5.2000 – VI B 266/98, BStBl. II 2000, 536.
262
Aussetzung der Vollziehung
Rz. 809 II
Empfehlung: Bei der Frage, ob ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung sinnvoll ist, sollte immer die eventuelle Verzinsung des Betrages in die Überlegungen mit einbezogen werden: Der ausgesetzte Betrag ist gem. § 237 AO zu verzinsen, soweit sich bei Überprüfung des Hauptsacheverfahrens herausstellt, dass die Klage endgültig keinen Erfolg hat. Der Zinssatz beträgt 0,5 % pro angefangenen Monat (= 6 % pro Jahr). Selbst wenn die Aussetzungsentscheidung fehlerhaft gewesen sein sollte, fallen die Zinsen an1. Wird dagegen die Steuerschuld sofort bezahlt, so fallen für einen bei erfolgreicher Klage zu erstattenden Betrag vom Tag der Rechtshängigkeit bis zum Auszahlungstag Zinsen in gleicher Höhe an, sofern nicht dem Kläger die Kosten des Verfahrens nach § 137 Satz 1 FGO wegen verspäteten Vorbringens auferlegt werden (§ 236 Abs. 3 AO).
2. Allgemeine Voraussetzungen a) Vollziehbarer Verwaltungsakt Ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ist nur dann zulässig, wenn ein Ver- 809 waltungsakt vorliegt, der vollzogen werden kann. Vollziehbar sind nur solche Verwaltungsakte, durch die dem Steuerpflichtigen eine Leistungspflicht auferlegt wird oder die Grundlage für eine Leistungspflicht sind. Nicht erforderlich ist allerdings, dass aus dem Verwaltungsakt eine Vollstreckung erfolgen muss. Die Vollziehung kann auch in anderer Weise geschehen. Deshalb sind auch Grundlagenbescheide als vollziehbar anzusehen (vgl. II Rz. 849 ff.). Besteht der Regelungsinhalt des Bescheides allerdings nur in der Ablehnung einer Leistung durch das Finanzamt oder eines begehrten Verhaltens, ist eine Vollziehung schon begrifflich nicht denkbar2. Beispiel 1: U ist durch bestandskräftigen Umsatzsteuerbescheid für das Streitjahr zur Umsatzsteuer in Höhe von x Euro herangezogen worden. Er beantragt beim Finanzamt, diesen Umsatzsteuerbescheid wegen neuer Tatsachen nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO zu seinen Gunsten zu ändern und die Umsatzsteuer auf 0 Euro herabzusetzen. Das Finanzamt lehnte den Antrag auf Änderung des Bescheids ab. Der hiergegen eingelegte Einspruch blieb ohne Erfolg. Gleichzeitig mit seiner gegen die ablehnende Einspruchsentscheidung erhobenen Klage hat U beim Finanzgericht die Aussetzung der Vollziehung des die Änderung ablehnenden Bescheides beantragt. Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ist unzulässig, da die Entscheidung des Finanzamts, mit der die Änderung des Steuerbescheides abgelehnt worden ist, nicht vollziehbar ist3.
__________ 1 BFH v. 18.7.1994 – X R 33/91, BStBl. II 1995, 4. 2 BFH v. 24.9.1999 – XI S 15/98, BFH/NV 2000, 451. 3 BFH v. 16.12.1997 – XI S 41/97, BFH/NV 1998, 615.
263
II Rz. 810
Rechtsschutz vor dem Finanzgericht
Beispiel 2: Dem Steuerpflichtigen A war die Einkommensteuer-Vorauszahlung für das IV. Quartal des Streitjahres i. H. v. x Euro gestundet worden. Später widerrief das Finanzamt die Stundungsverfügung. Hiergegen legte A Einspruch ein und beantragte zugleich Aussetzung der Vollziehung. Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ist zulässig; denn der Widerruf einer Stundung ist ein vollziehbarer Verwaltungsakt. Dies ergibt sich daraus, dass die Stundung ein begünstigender Verwaltungsakt ist, durch den die Fälligkeit einer Steuerzahlung ganz oder teilweise hinausgeschoben wird. Diese Rechtsposition wird durch einen Widerruf der Stundung beeinträchtigt. Eine Aussetzung der Vollziehung der Widerrufverfügung würde deshalb die den Steuerpflichtigen beeinträchtigende Wirkung einstweilen beseitigen1. 810 Neben dem Widerruf oder der Rücknahme eines begünstigenden Verwaltungsakts (z. B. Widerruf einer Stundung) sind in der Rechtsprechung als vollziehbare Verwaltungsakte angesehen worden: – ein Abrechnungsbescheid, der einen nach Aufrechnung durch das Finanzamt geminderten Erstattungsanspruch des Steuerpflichtigen feststellt2; – anfechtbare Vollstreckungsmaßnahmen3; – Pfändung einer Forderung (Kontenpfändung)4; – Anordnung einer Außenprüfung oder auch zeitliche Festlegung des Beginns oder des Ortes5; Demgegenüber sind folgende Maßnahmen nicht als vollziehbare Verwaltungsakte angesehen worden: – Aufrechnungserklärungen des Finanzamts6; – Ablehnung eines Stundungsantrages7; – Ablehnung der Herabsetzung von Vorauszahlungen8.
b) Einlegung eines Rechtsbehelfs 811 Da durch die Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung ein vorläufiger Rechtsschutz während eines anhängigen Rechtsbehelfsverfahrens gewährt werden soll, ist ein entsprechender Antrag nur zulässig, wenn der betreffende Verwaltungsakt angefochten ist. Die Aussetzung der Vollziehung eines nicht angefochtenen Verwaltungsakts kann also nicht begehrt werden9.
__________ 1 2 3 4 5 6 7 8
Vgl. BFH v. 8.6.1882 – VIII B 29/82, BStBl. II 1982, 608. BFH v. 9.2.1988 – VII B 187/87, BFH/NV 1988, 617. BFH v. 21..8.1990 – VII B 71/90, BFH/NV 1991, 394; vgl. auch VI Rz. 1 ff. BFH v. 4.2.1992 – VII B 119/91, BFH/NV 1992, 789. BFH v. 5.10.1994 – I S 10/94, BFH/NV 1995, 469. BFH v. 10.11.1987 – VII B 137/87, BStBl. II 1988, 43. BFH v. 8.6.1982 – VIII B 89/82, BStBl. II 1982, 608. BFH v. 27.3.1991 – I B 187/90, BStBl. II 1991, 643 und v. 10.4.1975 I B 7/75, BStBl. II 1975, 778. 9 BFH v. 15.10.1986 – III S 7/86, BFH/NV 1987, 142.
264
Aussetzung der Vollziehung
Rz. 814 II
Beispiel: Beantragen beide Ehegatten die Aussetzung der Vollziehung eines Einkommensteuer-Zusammenveranlagungsbescheides, hat aber nur einer von ihnen den Bescheid angefochten, so ist der Antrag des anderen grundsätzlich unzulässig. Die Aussetzung eines bereits bestandskräftigen Verwaltungsaktes ist ebenfalls 812 ausgeschlossen; denn die Aussetzung der Vollziehung kommt nur für einen (noch) „angefochtenen Verwaltungsakt“ in Betracht1. Auch ein isolierter Antrag auf Aufhebung der Vollziehung nach einer Erledigung in der Hauptsache mit dem Ziel der Beseitigung von Säumniszuschlägen ist nicht zulässig2. Empfehlung: Spätestens mit der Stellung des Antrags auf Aussetzung der Vollziehung muss gegen den Verwaltungsakt auch Einspruch eingelegt werden. Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung kann nämlich gleichzeitig mit der Einlegung des Rechtsbehelfs gestellt werden. Beispiel: Der Gewerbetreibende G hat am … den Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr erhalten, aus dem sich für ihn eine Abschlusszahlung von 25 000 Euro ergibt. Die Abschlusszahlung beruht im Wesentlichen darauf, dass das Finanzamt bei der Einkommensteuer-Veranlagung von den Angaben in der Steuererklärung abgewichen ist. G will die Frage, ob er gegen den Bescheid Einspruch und ggf. Klage einlegen soll, noch mit seinem Steuerberater besprechen, der sich allerdings auf einem längeren Auslandsaufenthalt befindet. Um gleichwohl die Abschlusszahlung nicht zahlen zu müssen, beantragt G Aussetzung der Vollziehung. Der Antrag ist unzulässig, da der streitige Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr – noch – nicht vom Steuerpflichtigen angefochten worden ist. G hätte also, damit sein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung zulässig ist, gleichzeitig mit diesem Antrag zur Fristwahrung Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid einlegen müssen. Für die Zulässigkeit des Antrags auf Aussetzung der Vollziehung ist nicht Vor- 813 aussetzung, dass der eingelegte Rechtsbehelf zulässig ist. Nach dem Wortlaut des Gesetzes kommt es einzig und allein darauf an, dass der Verwaltungsakt angefochten ist3. c) Rechtsschutzinteresse Wie für eine Klage ist auch für einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ein 814 Rechtsschutzbedürfnis erforderlich. Es muss ein berechtigtes Interesse gerade an einem vorläufigen Rechtsschutz bestehen. Die Vorschriften des § 69 Abs. 2 und 3 FGO haben nämlich den Zweck, bis zur Entscheidung über die Hauptsache in denjenigen Fällen einen vorläufigen Rechtsschutz zu gewähren, in denen rechtlich schutzwürdige Interessen des Rechtsuchenden dadurch gefährdet werden
__________
1 BFH v. 30.7.2003 – I S 4/03, BFH/NV 2003, 1445. 2 FG Baden-Württemberg v. 25.2.2004 – 3 V 23/03, EFG 2004, 829. 3 Seer in Tipke/Kruse, § 69 FGO Rz. 53.
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II Rz. 815
Rechtsschutz vor dem Finanzgericht
können, dass der Rechtsschutz im Hauptsacheverfahren zu spät kommt, weil in der Zwischenzeit durch die Vollziehung nicht mehr behebbare Nachteile entstanden sein können1. Muss der Antragsteller z. B. bei der Anfechtung einer Vollstreckungsmaßnahme aufgrund einer entsprechenden Zusicherung des Finanzamts nicht mit einer weiteren Vollstreckung rechnen, so besteht für einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der betreffenden Vollstreckungsmaßnahme kein berechtigtes Interesse an einem vorläufigen Rechtsschutz2. 815 Ein berechtigtes Interesse des Steuerpflichtigen an einem vorläufigen Rechtsschutz liegt nicht vor, solange der angefochtene Steuerbescheid sich steuerlich nicht auswirkt3. Gleiches gilt in den Fällen, in denen der Antragsteller durch den angefochtenen Bescheid nicht beschwert ist, weil die Steuer z. B. auf 0 Euro im Einkommensteuerbescheid festgesetzt worden ist. Hier fehlt es im Übrigen auch bereits an einem vollziehbaren Verwaltungsakt4.
3. Besondere Zulässigkeitsvoraussetzungen 816 Gem. § 69 Abs. 4 FGO ist ein Antrag an das Gericht auf Aussetzung der Vollziehung nach § 69 Abs. 3 Satz 1 FGO nur dann zulässig, wenn die Finanzbehörde einen entsprechenden Antrag zuvor ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Dies gilt gem. § 69 Abs. 3 Satz 2 FGO ausnahmsweise dann nicht, wenn – die Finanzbehörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat (Nr. 1), – eine Vollstreckung droht (Nr. 2). 817 Das Vorliegen dieser Tatbestandsmerkmale ist eine Voraussetzung für den Zugang zum Finanzgericht. Das bedeutet: Die genannten Voraussetzungen müssen im Zeitpunkt der Antragstellung bei Gericht vorliegen; andernfalls ist der Antrag unheilbar unzulässig5. Eine nachträgliche Heilung z. B. dadurch, dass die Finanzbehörde nach Anrufung des Gerichts den zuvor bei ihr gestellten Antrag abweist, ist nicht möglich6. Beispiel: Der Steuerpflichtige S beantragt unmittelbar beim Finanzgericht die Aussetzung der Vollziehung des von ihm mit Einspruch angefochtenen Einkommensteuerbescheides. Einen entsprechenden Antrag hat er zuvor beim Finanzamt nicht gestellt. Das Finanzamt beantragt im Aussetzungsverfahren, den Antrag als unbegründet zurückzuweisen. Der bei Gericht gestellte Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ist unzulässig, weil S nicht zuvor einen entsprechenden Antrag beim Finanzamt gestellt
__________ 1 2 3 4 5
Vgl. BFH v. 22.8.1995 – VII B 153, 154, 167, 172/95, BStBl. II 1995, 645. BFH v. 16.11.1977 – VII S 1/77, BStBl. II 1978, 69. BFH v. 9.6.1972 – II B 47/71, BStBl. II 1972, 710. Gräber/Koch, § 69 FGO Rz. 55 Stichwort „Einkommensteuerbescheid“. BFH v. 16.12.2003 – IX B 203/02, BFH/NV 2004, 650; Seer in Tipke/Kruse, § 69 FGO Rz. 68. 6 BFH v. 16.12.2003 – IX B 203/02, BFH/NV 2004, 650.
266
Aussetzung der Vollziehung
Rz. 820 II
hat: Dass das Finanzamt im gerichtlichen Aussetzungsverfahren Abweisung des Antrags beantragt hat, ändert die Beurteilung nicht. Denn die Tatbestandsmerkmale des § 69 Abs. 4 FGO müssen vorliegen, bevor der Antrag bei Gericht gestellt wird.
a) Ganze oder teilweise Ablehnung eines Antrags durch die Finanzbehörde Ein Antrag an das Gericht auf Aussetzung der Vollziehung ist nur zulässig, wenn 818 die Finanzbehörde den Antrag zuvor ganz oder teilweise abgelehnt hat (§ 69 Abs. 4 Satz 1 FGO). Diese Voraussetzung ist nur dann erfüllt, wenn das Finanzamt einen entsprechenden Antrag des Steuerpflichtigen ausdrücklich beschieden hat. In der Regel wird die Entscheidung des Finanzamts schriftlich ergehen. Zwingend ist dies jedoch nicht. Für den Zugang zum Gericht reicht es aus, wenn die Ablehnung durch den entscheidungsbefugten Beamten oder Angestellten mündlich erfolgt ist. Denn § 69 Abs. 4 Satz 1 FGO setzt nicht voraus, dass die Finanzbehörde den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil durch einen schriftlichen Verwaltungsakt abgelehnt hat. Eine mündliche Ablehnung durch den entscheidungsbefugten Beamten oder Angestellten des Finanzamtes reicht aus1. In diesem Zusammenhang ist jedoch zu beachten, dass der Steuerpflichtige die 819 objektive Beweislast für das Vorliegen der Zugangsvoraussetzungen hat. Gelingt ihm der Beweis nicht, dass das Finanzamt einen Aussetzungsantrag zuvor mündlich ausdrücklich ganz oder teilweise abgelehnt hat, z. B. weil das Finanzamt die Ablehnung bestreitet, wird der Antrag als unzulässig abgewiesen. Weder die Befristung einer Aussetzung der Vollziehung für die Dauer des Ein- 820 spruchsverfahrens noch die Mitteilung über den Ablauf der Aussetzung nach Abschluss des Einspruchsverfahrens stehen einer Ablehnung des Aussetzungsantrags i. S. des § 69 Abs. 4 Satz 1 FGO gleich2. Die Zugangsvoraussetzung für einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung beim Finanzgericht (§ 69 Abs. 4 Satz 1 FGO) ist auch dann erfüllt, wenn das FA den bei ihm gestellten Antrag mangels Begründung durch den Antragsteller ohne weitere Sachprüfung abgelehnt hat3. Nicht erforderlich ist, dass über den außergerichtlichen Rechtsbehelf in der Hauptsache bereits eine Entscheidung getroffen worden ist4. Beispiel: Das Finanzamt X erließ gegen den Steuerpflichtigen A einen Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr. Gegen den Bescheid legte A Einspruch ein und beantragte Aussetzung der Vollziehung. Das Finanzamt lehnte den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ab, über den Einspruch ist noch nicht
__________ 1 BFH v. 20.1.1998 – I S 7/97, BFH/NV 1998, 866. 2 BFH v. 15.6.2005 – IV S 3/05, BFH/NV 2005, 2014. 3 BFH v. 20.6.2007 – VIII B 50/07, BFH/NV 2007, 1779; Gräber/Koch, § 69 FGO Rz. 71; Seer in Tipke/Kruse, § 69 FGO Rz. 74. 4 BFH v. 13.3.1981 – VI B 94/79, BStBl. II 1981, 440; Gräber/Koch, § 69 FGO Rz. 72.
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II Rz. 821
Rechtsschutz vor dem Finanzgericht
entschieden. Daraufhin stellt A einen Antrag bei Gericht auf Aussetzung der Vollziehung des Einkommensteuerbescheides. Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ist zulässig, da das Finanzamt zuvor einen entsprechenden Antrag abgelehnt hatte. Der Zulässigkeit steht nicht entgegen, dass ein Einspruchsverfahren nicht durchgeführt und über den Einspruch in der Hauptsache noch nicht entschieden ist. 821 Auch dann, wenn die Finanzbehörde den bei ihr gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung nur zum Teil abgelehnt hat, ist ein Aussetzungsantrag an das Gericht zulässig. Eine teilweise Ablehnung in diesem Sinne liegt auch vor, wenn der Steuerpflichtige einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ohne Sicherheitsleistung gestellt hatte und das Finanzamt dem Antrag nur gegen Sicherheitsleistung entsprochen hatte1. Hat der Steuerpflichtige jedoch bereits beim Finanzamt beantragt, die Vollziehung gegen Sicherheitsleistung auszusetzen und ist diesem Antrag entsprochen worden, wäre ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung an das Gericht ohne Sicherheitsleistung unzulässig, da die Finanzbehörde einen Antrag des Steuerpflichtigen auch nicht teilweise abgelehnt hatte; es hatte vielmehr in diesem Fall dem Antrag im vollen Umfang entsprochen2. 822 Das Gleiche gilt für den Fall, dass der Steuerpflichtige beim Finanzamt einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung eines Steuerbescheides in bestimmter Höhe gestellt und das Finanzamt diesem Antrag entsprochen hat. Will der Steuerpflichtige in einem solchen Fall durch einen Antrag bei Gericht eine weiter gehende Aussetzung der Vollziehung erreichen, wäre sein Antrag unzulässig. Auch in diesem Fall hat das Finanzamt einen entsprechenden Antrag des Steuerpflichtigen nicht abgelehnt, sondern ihm in vollem Umfang entsprochen. Dies entspricht dem Sinn und Zweck des § 69 Abs. 4 FGO. Er setzt voraus, dass die Finanzbehörde mit den für die Gewährung bzw. Ablehnung der Aussetzung der Vollziehung wesentlichen Gründen befasst worden ist und eine Aussetzung danach ganz oder teilweise abgelehnt hat3. 823 Wird die Aussetzung der Vollziehung zwar in vollem Umfang, aber lediglich unter Widerrufsvorbehalt gewährt, liegt hierin keine teilweise Ablehnung des Antrags i. S. des § 69 Abs. 4 Satz 1 FGO. Diese ist erst dann gegeben, wenn das Finanzamt von seinem vorbehaltenen Widerrufsrecht Gebrauch macht. Das heißt: Der Steuerpflichtige kann nach § 69 Abs. 4 Satz 1 FGO einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung an das Gericht richten, sobald das Finanzamt von dem in der Aussetzungsverfügung vorbehaltenen Widerrufsrecht Gebrauch gemacht hat4. Ebenso liegt bei einer mit einer Befristung versehenen Aussetzung der Vollziehung keine teilweise Ablehnung i. S. des § 69 Abs. 4 Satz 1 FGO vor5.
__________ 1 2 3 4 5
BFH v. 12.5.2000 – VI B 266/98, BStBl. II 536. Gräber/Koch, § 69 FGO Rz. 73. BFH v. 13.12.1999 – III B 15/99, BFH/NV 2000, 827. BFH v. 12.5.2000 – VI B 266/98, BStBl. II 2000, 536. BFH v. 12.5.2000 – VI B 266/98, BStBl. II 2000, 536.
268
Aussetzung der Vollziehung
Rz. 827 II
b) Keine zeitnahe Entscheidung der Finanzbehörde Die Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung kann auch dann bei Gericht 824 beantragt werden, wenn die Finanzbehörde über den bei ihr gestellten Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat (§ 69 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 FGO). Dieser Ausnahmetatbestand ist nur dann erfüllt, wenn der Steuerpflichtige einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung zuvor beim Finanzamt gestellt hat und über diesen Antrag noch nicht entschieden worden ist. Was als angemessene Frist für eine Entscheidung über den Aussetzungsantrag 825 anzusehen ist, kann nur nach Lage des Einzelfalles entschieden werden. Im Allgemeinen ist als angemessen eine Frist anzusehen, innerhalb der unter Berücksichtigung der Arbeitsbelastung der Finanzämter eine Entscheidung eines eilbedürftigen Falles erwartet werden kann. Der Finanzbehörde muss in jedem Fall die Zeit verbleiben, die für die entscheidungserheblichen tatsächlichen Ermittlungen, für die rechtliche Würdigung sowie die Abfassung und Bekanntgabe der Aussetzungsentscheidung erforderlich ist. Auch Schwierigkeit und Umfang des einzelnen Aussetzungsfalles sind ebenso wie die Mitwirkung des Steuerpflichtigen an der Sachverhaltsaufklärung in diesem Zusammenhang von Bedeutung1. In aller Regel wird man einen Zeitraum von etwa einem Monat als angemessene Frist ansehen können. Ein zureichender Grund für die Überschreitung der angemessenen Frist wird an- 826 zunehmen sein, wenn der Antragsteller seinen Antrag nicht begründet, seine Mitwirkungspflichten verletzt oder sein Vorbringen im Aussetzungsverfahren nicht glaubhaft macht2.
c) Drohende Vollstreckung Gem. § 69 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 FGO ist ein Antrag auf Aussetzung oder Auf- 827 hebung der Vollziehung an das Gericht ohne vorherigen Antrag bei der Finanzbehörde und auch vor einer Entscheidung über einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung durch die Finanzbehörde dann zulässig, wenn die Vollstreckung droht. Hierfür reicht nicht aus, dass die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen (Fälligkeit, Leistungsgebot, Zeitablauf) vorliegen. Die Vollstreckung droht vielmehr erst dann, wenn das Finanzamt mit der Vollstreckung begonnen hat oder aus der Sicht eines objektiven Betrachters die Vollstreckung unmittelbar bevorsteht3. Allerdings kann auch eine bloße Vollstreckungsankündigung des Finanzamts nach der maßgeblichen Sicht des Steuerpflichtigen als Androhung der Vollstreckung i. S. v. § 69 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 FGO und nicht nur als eine bloße Mitteilung über den Fristablauf für eine gewährte Vollziehungsaussetzung verstanden werden4. Hieraus folgt: Ist Vollstreckungsaufschub nach § 258 AO
__________ 1 Vgl. Seer in Tipke/Kruse, § 69 FGO Rz. 76; Gosch in Beermann/Gosch, § 69 FGO Rz. 285 ff.; Gräber/Koch, § 69 FGO Rz. 78. 2 Vgl. Gräber/Koch, § 69 FGO Rz. 79; Seer in Tipke/Kruse, § 69 FGO Rz. 77. 3 BFH v. 11.8.2000 – I S 5/00, BFH/NV 2001, 314. 4 BFH v. 22.11.2000 – V S 15/00, BFH/NV 2001, 620.
269
II Rz. 828
Rechtsschutz vor dem Finanzgericht
gewährt worden, kann nicht mehr davon ausgegangen werden, dass die Vollstreckung droht1.
4. Materiell-rechtliche Voraussetzungen 828 Gem. § 69 Abs. 2 FGO kann eine Aussetzung der Vollziehung nur dann erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
a) Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit 829 Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes bestehen nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs dann, wenn und soweit bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage aufgrund der präsenten Beweismittel, des unstreitigen Sachverhalts und der gerichtsbekannten Tatsachen erkennbar wird, dass aus gewichtigen Gründen Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen oder Unsicherheit oder Unentschiedenheit in der Beurteilung von Rechtsfragen besteht und sich bei abschließender Klärung dieser Fragen der Verwaltungsakt als rechtswidrig erweisen könnte2. Danach ist nicht erforderlich, dass die Bedenken rechtlicher oder tatsächlicher Art gegen die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes überwiegen3. Andererseits reicht es nicht aus, dass in einem summarischen Verfahren Bedenken an der Rechtmäßigkeit nicht ausgeschlossen werden können. Es muss ein nicht nur geringer Grad von Wahrscheinlichkeit dafür sprechen, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig ist und der Rechtsbehelf infolgedessen Erfolg haben wird4. 830 Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes können sich hiernach daraus ergeben, dass die Finanzbehörde von einem unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt ausgegangen ist. Dabei reicht jedoch die bloße Behauptung von Tatsachen regelmäßig nicht aus, um Zweifel an der Rechtmäßigkeit zu begründen. Die Tatsachen müssen mehr als nur möglich sein, sie müssen vielmehr glaubhaft gemacht werden. Glaubhaft in diesem Sinne ist ein Sachvortrag dann, wenn nicht bloß eine geringe Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass der Vorgang sich so, wie der Steuerpflichtige ihn vorträgt, abgespielt hat5. 831 Im summarischen und eilbedürftigen Verfahren der Aussetzung der Vollziehung ist der Gegenstand der Nachprüfung in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht eingeschränkt. Es ist grundsätzlich Sache des Antragstellers, die entscheidungserheblichen Tatsachen vorzutragen sowie glaubhaft zu machen, und nicht des Gerichts, weitere Sachverhaltsermittlungen zu treffen. Dem ist z. B. mit der blo-
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Seer in Tipke/Kruse, § 69 FGO Rz. 80. BFH v. 16.6.2004 – I B 44/04, BFH/NV 2004, 1339. BFH v. 13.12.1999 – III B 15/99, BFH/NV 2000, 827. BFH v. 26.6.2003 – X S 4/03, BFH/NV 2003, 1217. BFH v. 14.7.1998 – VIII B 38/98, BFH/NV 1998, 1582; Seer in Tipke/Kruse, § 96 FGO Rz. 75.
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Aussetzung der Vollziehung
Rz. 835 II
ßen Verweisung auf das Vorbringen in einem anderen Verfahren, dessen Akten dem Senat nicht vorliegen, nicht genügt1. Hinsichtlich des im Aussetzungsverfahren zu berücksichtigenden Sachverhalts 832 findet wegen dessen Eilbedürftigkeit eine Beschränkung auf die dem Gericht vorliegenden Unterlagen, insbesondere die Akten der Finanzbehörde und auf präsente Beweismittel (z. B. im Verfahren vorgelegte Urkunden) statt2. Dabei sind alle Arten von Beweismitteln zulässig, darüber hinaus allerdings auch die eidesstattliche Versicherung des Antragstellers oder von Dritten (§ 155 FGO i. V. m. § 194 Abs. 1 ZPO)3. Förmliche Beweiserhebungen durch Zeugenvereinnahme oder Einholung eines Sachverständigengutachtens seitens des Gerichts finden regelmäßig nicht statt, obwohl das Gericht die rechtliche Möglichkeit hierzu hätte4. Denn das Gericht kann über den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung – auch nach Wegfall der früher zulässigen Klage auf Aussetzung der Vollziehung – aufgrund mündlicher Verhandlung entscheiden5. Empfehlung: Will der Steuerpflichtige eine Aussetzung der Vollziehung mit 833 der Begründung erreichen, das Finanzamt sei von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen, empfiehlt es sich, bereits im Aussetzungsverfahren den aus Sicht des Steuerpflichtigen richtigen Sachverhalt vollständig darzulegen und durch entsprechende Urkunden und/oder eidesstattliche Versicherungen etwaiger Zeugen oder einer eigenen eidesstattlichen Versicherung glaubhaft zu machen. Die Grundsätze über die Feststellungslast (vgl. II Rz. 500 ff.) gelten auch im Aus- 834 setzungsverfahren: Beruft sich ein Steuerpflichtiger zur Begründung von ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des Steuerbescheides auf einen die Steuer mindernden Sachverhalt und lässt sich nicht klären, ob dieser vorliegt, so gereicht dies dem Steuerpflichtigen zum Nachteil, weil er insoweit die Feststellungslast trägt. Beispiel: Begehrt ein Unternehmer den Vorsteuerabzug und macht damit einen Anspruch auf Minderung seiner Umsatzsteuer-Zähllast geltend, so trägt er hierfür die objektive Beweislast/Feststellungslast. Das bedeutet: Er muss auch im Aussetzungsverfahren die den Vorsteuerabzug begründenden Tatsachen schlüssig darlegen und glaubhaft machen, soweit seine Mitwirkungspflicht reicht6. Eine Aussetzung der Vollziehung kann auch darauf gestützt werden, dass ernst- 835 liche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes deshalb bestehen, weil das Finanzamt in dem angefochtenen Bescheid das Recht unrichtig angewendet hat. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes sind in der Regel dann anzunehmen, wenn
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BFH v. 14.6.1988 – IX B 157/87, BFH/NV 1990, 97. BFH v. 14.7.1998 – VIII B 38/98, BFH/NV 1998, 1582. BFH v. 12.11.1999 – VI B 318/99, n. v.; Gräber/Koch, § 69 FGO Rz. 121. Vgl. BFH v. 4.5.1977 – I R 162-163/76, BStBl. II 1977, 765; Gräber/Koch, § 69 FGO Rz. 121; Gosch in Beermann/Gosch, § 69 FGO Rz. 174. 5 Vgl. Gosch in Beermann/Gosch, § 69 FGO Rz. 218; Gräber/Koch, § 69 FGO Rz. 136. 6 Vgl. BFH v. 17.3.1994 – XI B 81/93, BFH/NV 1995, 171.
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II Rz. 836
Rechtsschutz vor dem Finanzgericht
– die streitige Rechtsfrage vom Bundesfinanzhof noch nicht entschieden worden ist und die Finanzgerichte unterschiedliche Auffassungen vertreten1, – die Behörde bei Erlass des angefochtenen Verwaltungsaktes von einer Entscheidung des Bundesfinanzhofes abgewichen ist2, – ein dem Steuerpflichtigen ungünstiges Gesetz zwischenzeitlich zu seinen Gunsten rückwirkend geändert worden ist. 836 In der Regel bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit dann nicht, wenn – der Bescheid der höchstrichterlichen Rechtsprechung und der im Schrifttum herrschenden Meinung entspricht3, – die zwischen den Beteiligten streitige Rechtsfrage höchstrichterlich entschieden worden ist, – Einspruch und/oder Klage gegen den angefochtenen Bescheid unzulässig sind. In diesem Fall können Zweifel an der Rechtmäßigkeit beim Gericht nicht entstehen, weil der angefochtene Bescheid wegen Unzulässigkeit des Einspruchs und/oder der Klage unabänderlich ist4. 837 Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes können auch mit verfassungsrechtlichen Bedenken gegen eine dem Bescheid zu Grunde liegende Norm begründet werden. Es gilt zwar der Grundsatz: Hält ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig, so hat es gem. Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG das Verfahren auszusetzen und die Entscheidung des BVerfG einzuholen. Das dem BVerfG vorbehaltene Verwerfungsmonopol hat zur Folge, dass das Finanzgericht Folgerungen aus der (von ihm angenommenen) Verfassungswidrigkeit eines formellen Gesetzes im Hauptsacheverfahren erst nach deren Feststellung durch das BVerfG ziehen darf. Die Finanzgerichte sind jedoch durch Art. 100 Abs. 1 GG nicht gehindert, schon vor der im Hauptsacheverfahren einzuholenden Entscheidung des BVerfG auf der Grundlage ihrer Rechtsauffassung vorläufigen Rechtsschutz zu gewähren, wenn dies im Interesse eines effektiven Rechtsschutzes geboten erscheint und die Hauptsacheentscheidung dadurch nicht vorweggenommen wird5. Allerdings kommt nach der Rechtsprechung des BFH eine Aussetzung der Vollziehung dann nicht in Betracht, wenn davon auszugehen ist, dass das BVerfG die Fortgeltung der verfassungswidrigen Norm für eine am rechtsstaatlichen Kontinuitätsgebot orientierten Übergangsfrist anordnen wird6. In seiner älteren Rechtsprechung hatte der BFH darüber hinaus ein berechtigtes Interesse an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes in diesen Fällen für erforderlich gehalten. Der Anspruch des Bürgers auf Rechtsschutz und die öffentlichen Belange (öffentliches Interesse an einer geordneten Haushaltsführung)
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Vgl. BFH v. 10.5.1999 – V B 6/99, BFH/NV 1999, 1526. Vgl. BFH v. 13.12.1999 – II B 15/99, BFH/NV 2000, 827. Vgl. BFH v. 23.7.1999 – VI B 116/99, BStBl. II 1999, 684. BFH v. 13.7.2000 – XI S 9/00, BFH/NV 2000, 1493. St. Rspr., vgl. zuletzt BFH v. 22.12.2003 – IX B 177/02, BStBl. II 2004, 367; BVerfG v. 24.6.1992 – 1 BvR 1028/91, BVerfGE 86, 382. 6 BFH v. 22.12.2003 – IX B 177/02, BStBl. II 2004, 367.
272
Aussetzung der Vollziehung
Rz. 839 II
seien gegeneinander abzuwägen. Dabei sei „das öffentliche Interesse an einer geordneten öffentlichen Haushaltswirtschaft“ in der Regel so gewichtig, dass das Interesse der Steuerpflichtigen an einer teilweisen Aussetzung der Vollziehung der Einkommensteuerbescheide dahinter zurückzustehen habe. Vorschriften, deren Verfassungsmäßigkeit in Zweifel gezogen werde, seien so lange gültig, bis das BVerfG ihre Verfassungswidrigkeit festgestellt habe. Der Individualanspruch auf vorläufigen Rechtsschutz habe nur dann Vorrang vor „dem rechtsstaatlichen Anliegen eines allgemeinen Normenvollzugs“, wenn durch die vorläufige Vollziehung „irreparable Nachteile“ drohten oder wenn das zu versteuernde Einkommen abzüglich der darauf zu entrichtenden Steuer unter dem sozialhilferechtlich garantierten Existenzminimum läge1. Der BFH scheint an dieser – sehr restriktiven – Rechtsprechung zum einstweiligen Rechtsschutz bei Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit einer entscheidungserheblichen Steuernorm zu Recht wohl nicht mehr festzuhalten und Haushaltsinteressen allenfalls nur noch eingeschränkt zu berücksichtigen2. Denn an die Zweifel hinsichtlich der Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Verwaltungsakts dürfen, wenn die Verfassungswidrigkeit von Normen geltend gemacht wird, keine strengeren Anforderungen gestellt werden als im Falle der Geltendmachung fehlerhafter Rechtsanwendung.3 Empfehlung: Bestehen im Hinblick auf die Verfassungsmäßigkeit einer entscheidungserheblichen Steuervorschrift ernsthafte verfassungsrechtliche Bedenken, sollte der Berater in jedem Fall einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung stellen. Im Hinblick auf die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes scheint der BFH aus gutem Grund haushaltsmäßige Erwägungen zunehmend in den Hintergrund treten zu lassen.
b) Unbillige Härte Eine Aussetzung der Vollziehung kommt auch dann in Betracht, wenn die Voll- 838 ziehung des angefochtenen Bescheides für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte (§ 69 Abs. 2 Satz 2 2. Alt. FGO). Die sog. unbillige Härte ist danach neben den ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit ein selbständiger Aussetzungsgrund. Eine unbillige Härte liegt vor, wenn einem Steuerpflichtigen durch die Zahlung Nachteile drohen, die über die eigentliche Zahlung hinausgehen und nicht oder schwer wieder gut zu machen wären, oder wenn die wirtschaftliche Existenz gefährdet würde4. Entscheidend ist also, ob dem Steuerpflichtigen bei sofortiger Vollziehung unzumutbare, kaum zu behebende Nachteile drohen. Auch bei einer Aussetzung wegen unbilliger Härte sind die Erfolgsaussichten des 839 Rechtsbehelfs nicht ohne Bedeutung. Das heißt: Die Aussetzung wegen unbilliger Härte darf nicht gänzlich ohne Rücksicht auf die Erfolgschancen des Rechtsbehelfs gewährt werden. Kann der Rechtsbehelf offensichtlich keinen Erfolg
__________ 1 BFH v. 19.8.1994 – X R 318-319/93, BFH/NV 1995, 143. 2 BFH v. 23.8.2007 – VI B 42/07, BStBl. II 2007, 799 und v. 22.12.2003 – IX B 177/02, BStBl. II 2004, 367. 3 BFH v. 5.10.2005 – XI B 39/04, BFH/NV 2006, 286. 4 Vgl. BFH v. 3.12.1998 – III S 11/98, BFH/NV 1999, 826.
273
II Rz. 840
Rechtsschutz vor dem Finanzgericht
haben, sind Zweifel also fast oder ganz ausgeschlossen, kommt eine Aussetzung der Vollziehung auch wegen unbilliger Härte nicht in Betracht1. Empfehlung: Um die Aussetzung der Vollziehung wegen unbilliger Härte zu erreichen, ist es notwendig, die wirtschaftlichen Verhältnisse des Einzelfalles darzustellen. Da im Verfahren über die Aussetzung nur eine summarische Prüfung erfolgt, können auch die für eine unbillige Härte sprechenden Umstände nur insoweit berücksichtigt werden, als sie bis zur Entscheidung substantiiert vorgetragen und glaubhaft gemacht worden sind. Allgemeine Hinweise z. B. auf die schlechte Lage eines Wirtschaftszweiges reichen nicht aus.
c) Ermessen 840 Liegen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes vor oder hätte die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge, soll auf Antrag die Vollziehung ausgesetzt werden. Durch diese Soll-Vorschrift ist der Ermessensspielraum erheblich eingeengt: Liegen die Voraussetzungen für die Aussetzung einer Vollziehung vor, hat das Gericht in der Regel dem Antrag stattzugeben. Lediglich in Sonderfällen besteht ein Ermessensspielraum2. 841 Bei der Ausübung des Ermessens sind die Interessen des Steuerpflichtigen an der Aussetzung der Vollziehung und das Interesse der Verwaltung an der Verwirklichung und Durchsetzung des Verwaltungsaktes gegeneinander abzuwägen. Dabei gewinnen die Interessen der Allgemeinheit an der Vollziehung des Verwaltungsaktes insbesondere dann an Bedeutung, wenn die Verfassungswidrigkeit einer Rechtsnorm zweifelhaft ist. Zwar reicht der Umstand, dass Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Bescheides mit verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die dem Bescheid zu Grunde liegenden Normen begründet werden, nicht schon für sich allein gesehen aus, einen Aussetzungsantrag abzuweisen. Hinzukommen muss vielmehr, dass der Aussetzung schwer wiegende öffentliche Interessen entgegenstehen3. Dies ist z. B. der Fall, wenn eine Aussetzung zur Folge haben würde, dass der Zweck eines Gesetzes zumindest zeitweise in wesentlichen Teilen vereitelt würde4, oder wenn das öffentliche Interesse an einer geordneten Haushaltsführung ausnahmsweise wegen zu erwartender Einnahmeausfälle in erheblicher Höhe höher zu bewerten ist als der Individualrechtsschutz5.
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Vgl. BFH v. 12.9.1999 – III B 16/99, BFH/NV 2000, 885. Gosch in Beermann/Gosch, § 69 FGO Rz. 179; Seer in Tipke/Kruse, § 69 FGO Rz. 82. Vgl. Seer in Tipke/Kruse, § 69 FGO Rz. 83; Gosch in Beermann/Gosch, § 69 FGO Rz. 180. BFH v. 10.2.1984 – III B 40/83, BStBl. II 1984, 454 bzgl. der Aussetzung der Vollziehung wegen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Investitionshilfeabgabe-Haftungsbescheides. 5 BFH v. 19.8.1994 – X R 318/93, X R 319/93, BFH/NV 1995, 143 bzgl. der Aussetzung der Vollziehung wegen ernstlicher Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Kinderfreibeträge und Sonderausgabenhöchstbeträge; vgl. hierzu auch II Rz. 837.
274
Aussetzung der Vollziehung
Rz. 843 II
d) Sicherheitsleistung Das Gericht kann gem. § 69 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Satz 3 FGO die Aussetzung der 842 Vollziehung von einer Sicherheitsleistung abhängig machen. Dabei ist eine Sicherheitsleistung anzuordnen, wenn die Voraussetzungen für die Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung vorliegen, die wirtschaftliche Lage des Steuerpflichtigen aber die alsbaldige Begleichung der Steuerschuld nach dem rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens zweifelhaft erscheinen lässt. Die Sicherheitsleistung dient der Vermeidung von Steuerausfällen bei einem für den Steuerpflichtigen ungünstigen Verfahrensausgang1. Ist allerdings die Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Verwaltungsakts ernstlich zweifelhaft und bestehen keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass bei einem Unterliegen des Antragstellers im Hauptsacheverfahren die Durchsetzung des Steueranspruchs gefährdet wäre, so ist die Vollziehung des Verwaltungsakts regelmäßig ohne Sicherheitsleistung auszusetzen2. Das gilt auch dann, wenn die für die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts sprechenden Gründe nicht überwiegen. Auch andere Gründe können die Anordnung einer Sicherheitsleistung angebracht erscheinen lassen wie z. B. die Tatsache, dass zur Beitreibung der Steuerschuld im Ausland vollstreckt werden müsste. Besteht allerdings mit dem betreffenden ausländischen Staat ein Abkommen zur Vereinfachung des Rechtsverkehrs in Abgabesachen, welches eine Vollstreckung unter gleichen Bedingungen wie im Inland gewährleistet, kann die Sicherheitsleistung aus diesem Grund nicht angeordnet werden3. Grundsätzlich ist die Anordnung einer Sicherheitsleistung von den Erfolgsaus- 843 sichten des Rechtsbehelfs unabhängig. In diesem Zusammenhang ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Sicherheitsleistung einem öffentlichen Interesse dient. Steuerausfälle nach einem für den Steuerpflichtigen ungünstigen Prozessausgang sollen vermieden werden. Dieses öffentliche Interesse entfällt, wenn mit Gewissheit oder doch mit großer Wahrscheinlichkeit ein für den Steuerpflichtigen günstiger Prozessausgang zu erwarten ist4. Empfehlung: Eine Aussetzung der Vollziehung ohne Sicherheitsleistung kommt in Betracht, wenn der angefochtene Bescheid mit Sicherheit oder großer Wahrscheinlichkeit rechtswidrig ist oder der Steuerpflichtige im Rahmen zumutbarer Anstrengung nicht in der Lage ist, Sicherheit zu leisten5. Deshalb ist es Sache des Steuerpflichtigen bzw. seines Beraters, die Umstände glaubhaft zu machen, die dem Sicherungsbedürfnis der Finanzbehörde genügen oder es als unangemessen erscheinen lassen6.
__________ 1 BFH v. 24.10.2000 – V B 144/00, BFH/NV 2001, 493; Seer in Tipke/Kruse, § 69 FGO Rz. 108. 2 BFH v. 3.2.2005 – I B 208/04, BFH/NV 2005, 625. 3 BFH v. 3.2.1977 – V B 6/76, BStBl. II 1977, 351. 4 BFH v. 13.12.1999 – III B 15/99, BFH/NV 2000, 827; Seer in Tipke/Kruse, § 69 FGO Rz. 109. 5 BFH v. 10.12.1997 – I B 107/97, BFH/NV 1998, 716. 6 BFH v. 17.1.1996 – V B 100/95, BFH/NV 1996, 491.
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II Rz. 844
Rechtsschutz vor dem Finanzgericht
e) Rechtsfolgen der Vollziehungsaussetzung 844 Wird die Vollziehung eines angefochtenen Bescheides ausgesetzt, hat dies zur Folge, dass der angefochtene Bescheid praktisch so behandelt wird, als sei er nicht existent. Das bedeutet: Die in dem Verwaltungsakt getroffene Regelung kann vorläufig nicht verwirklicht werden. Dabei umfasst der Begriff der Vollziehung die gesamte Durchführung des Bescheides, d. h. die gesamte Erhebung einer Abgabe1. Dies hat zur Folge, dass im Fall einer Aussetzung der Vollziehung keine Fälligkeit einer in dem Steuerbescheid festgesetzten Geldleistung entsteht – falls die Vollziehung vor Fälligkeit ausgesetzt wird. In diesem Fall werden auch keine Säumniszuschläge verwirkt2. Allerdings wirkt die Aussetzung der Vollziehung ex nunc, d. h. in die Zukunft. In der Vergangenheit kraft Gesetzes entstandene Säumniszuschläge bleiben folglich unberührt. Diese Säumnisfolgen können für die Vergangenheit nur durch Aufhebung der Vollziehung des Steuerbescheids beseitigt werden3. 845 Kraft der Aussetzung der Vollziehung ist das Finanzamt außerdem gehindert, irgendwelche Vollstreckungsmaßnahmen aufgrund des Bescheides zu ergreifen4. Auch eine Aufrechnung durch das Finanzamt mit einem Zahlungsanspruch aus einem von der Vollziehung ausgesetzten Bescheid gegen Ansprüche des Steuerpflichtigen, z. B. auf Vorsteuererstattung, ist ausgeschlossen, es sei denn, die Vollziehung ist erst zu einem Zeitpunkt ausgesetzt worden, als die Aufrechnung bereits durch das Finanzamt erklärt war5. 846 Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung bereits vollzogen, so ordnet das Gericht statt der Aussetzung der Vollziehung die Aufhebung der Vollziehung an (§ 69 Abs. 3 Satz 3 FGO). Hierdurch wird die Finanzbehörde grundsätzlich verpflichtet, den Zustand wiederherzustellen, der vor der Vollziehung bestand. So ist insbesondere die aufgrund des angefochtenen Bescheides gezahlte Steuer zu erstatten, ohne dass dies im Tenor besonders angeordnet werden müsste. 847 Der einstweilige Rechtsschutz ist nicht unerheblich eingeschränkt: In § 69 Abs. 2 Satz 8 FGO, der gem. § 69 Abs. 3 Satz 4 FGO auch für die „finanzgerichtliche Aussetzung der Vollziehung“ gilt, ist festgelegt, dass die Aussetzung und die Aufhebung der Vollziehung auf die festgesetzte Steuer, vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge, um die anzurechnende Körperschaftsteuer und um die festgesetzten Vorauszahlungen zu beschränken ist. Dies bedeutet: Mit der Aufhebung der Vollziehung kann, obwohl das Gericht ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des betreffenden Steuerbescheides hat, nicht mehr die vorläufige Erstattung von Vorauszahlungen, einbehaltenen Steuerabzugsbeträgen und anrechenbarer Körperschaftsteuer erreicht werden. Damit kann die Aussetzung der
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BFH v. 22.7.1977 – III B 34/74, BStBl. II 1977, 838. BFH v. 10.10.2002 – VII S 28/01, BFH/NV 2003, 12; Loose in Tipke/Kruse, § 240 AO Rz. 24. Vgl. BFH v. 10.5.2002 – VII B 244/01, BFH/NV 2002, 1125. Vgl. BFH v. 1.2.2000 – IV B 138/98, BFH/NV 2000, 713. BFH v. 24.10.1996 – VII B 122/96, BFH/NV 1997, 257; Gosch in Beermann/Gosch, § 69 FGO Rz. 226.
276
Aussetzung der Vollziehung
Rz. 848 II
Vollziehung eines Vorauszahlungsbescheids durch den Erlass eines Jahressteuerbescheides gegenstandslos werden (§ 69 Abs. 2 Satz 8 FGO)1. Beispiel: Gegen A ergeht ein Vorauszahlungsbescheid, in dem die Vorauszahlungen für Einkommensteuer für das Streitjahr mit 414 130 Euro, 36 978 Euro und 31 508 Euro festgesetzt werden. Auf den Einspruch des A hat das Finanzamt die Vollziehung in Höhe der festgesetzten Beträge in vollem Umfang ausgesetzt, weil es die Rechtmäßigkeit dieser Festsetzung aufgrund der Einbeziehung von Einkünften des Antragstellers aus gewerblichem Grundstückshandel als ernstlich zweifelhaft ansah. Während des die Vorauszahlungen betreffenden Einspruchsverfahrens erlässt das Finanzamt gegen A den Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr und zwar wiederum unter Zugrundelegung von Einkünften aus gewerblichem Grundstückshandel in Höhe von 790 000 Euro. Der Bescheid führt nach Anrechnung von Steuerabzugsbeträgen und bereits geleisteten Vorauszahlungen zu einer Steuernachforderung von 280 000 Euro Einkommensteuer. Hiergegen wendet sich A wiederum mit dem Einspruch. Die gleichzeitig begehrte Aussetzung der Vollziehung lehnte das Finanzamt ab, da die Abschlusszahlung laut Einkommensteuerbescheid geringer sei als die festgesetzten Vorauszahlungen zur Einkommensteuer (§ 361 Abs. 2 Satz 4 AO). Auch das Gericht kann wegen § 69 Abs. 2 Satz 8 FGO keine Aussetzung der Vollziehung gewähren. Die dort enthaltenen Beschränkungen der Möglichkeit, die Vollziehung eines Steuerbescheids auszusetzen oder aufzuheben, sind nach Auffassung des BFH mit dem Grundgesetz vereinbar2. Ausnahmsweise soll eine vorläufige Erstattung dann gewährt werden können, 848 wenn sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 69 Abs. 2 Satz 8 2. Halbs. FGO). Der Begriff „wesentliche Nachteile“ ist dabei i. S. der Rechtsprechung zu § 114 FGO zu verstehen3. Allein die Tatsache, dass der Steuerpflichtige einstweilen nicht über die ggf. zu erstattenden Mittel verfügen kann, ist kein wesentlicher Nachteil i. S. des § 69 Abs. 2 Satz 8 2. Halbs. FGO; und zwar auch dann, wenn fällig werdende andere Zahlungen im Wege der Kreditaufnahme finanziert werden müssen4. Empfehlung: Wer also eine vorläufige Erstattung von Vorauszahlungs- und Abzugsbeträgen mit einem Antrag auf Aufhebung der Vollziehung erstrebt, muss „wesentliche Nachteile“ im Einzelnen darlegen und glaubhaft machen. Um sicher zu gehen, sollten Umstände dargelegt werden, die eine Existenzbedrohung darstellen (vgl. hierzu II Rz. 892).
__________ 1 Vgl. BFH v. 24.1.2000 – X B 99/99, BFH/NV 2000, 559. 2 Vgl. BFH v. 24.1.2000 – X B 99/99, BFH/NV 2000, 559. 3 BFH v. 2.11.1999 – I B 49/99, BStBl. II 2000, 57; Gosch in Beermann/Gosch, § 69 FGO Rz. 198.6; vgl. auch II Rz. 890 ff. 4 BFH v. 2.11.1999 – I B 49/99, BStBl. II 2000, 57.
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II Rz. 849
Rechtsschutz vor dem Finanzgericht
5. Sonderfälle der Vollziehungsaussetzung a) Grundlagenbescheid/Folgebescheid 849 Ist die Vollziehung des Grundlagenbescheides ausgesetzt, so bestimmt § 69 Abs. 2 Satz 4 FGO, dass auch die Vollziehung eines – gleichwohl erlassenen – Folgebescheides auszusetzen ist. Dabei ergeben sich Umfang und Höhe der Aussetzung des Folgebescheides aus Umfang und Höhe der Aussetzung der Vollziehung des Grundlagenbescheides. Dies ergibt sich aus der Bindungswirkung zwischen Grundlagenbescheid und Folgebescheid. Die Aussetzung des Folgebescheides ist zwingend vorgeschrieben, falls der Grundlagenbescheid ausgesetzt ist. Ein Ermessensspielraum der Finanzbehörde besteht hier lediglich hinsichtlich der Sicherheitsleistung und etwaiger Nebenbestimmungen. Für die Praxis ist wichtig, dass der Folgebescheid auch dann auszusetzen ist, wenn ein entsprechender Antrag des Steuerpflichtigen nicht vorliegt. Nach dem Wortlaut des Gesetzes ist die Folgeaussetzung zwingend vorgeschrieben und deshalb vom Finanzamt von Amts wegen durchzuführen. Die Verpflichtung, den Folgebescheid von der Vollziehung auszusetzen, besteht auch dann, wenn der Folgebescheid selbst nicht angefochten ist1. 850 Liegt ein Grundlagenbescheid vor, ist aber die Vollziehung des Grundlagenbescheides nicht ausgesetzt worden, hat dies zur Folge, dass auch der Folgebescheid wegen der im Grundlagenbescheid getroffenen Feststellungen nicht ausgesetzt werden kann. Dies ergibt sich aus der Bindungswirkung zwischen Grundlagenund Folgebescheid. In einem solchen Fall kann vorläufiger Rechtsschutz für den Folgebescheid nur dadurch erlangt werden, dass ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Grundlagenbescheides gestellt wird. Es reicht nicht aus, wenn der Grundlagenbescheid lediglich angefochten ist2. Beispiel: A ist geschäftsführender Gesellschafter der X-OHG. Der Gewinn der Gesellschaft ist durch Feststellungsbescheid einheitlich und gesondert festgestellt worden. A ist der Auffassung, dass der vom Finanzamt festgestellte Gewinn überhöht ist, da ein Teil der geltend gemachten Betriebsausgaben nicht anerkannt worden ist. In dem Einkommensteuerbescheid des A ist der Gewinnanteil an der Gesellschaft in der im Feststellungsbescheid festgelegten Höhe zu Grunde gelegt worden. Will A einstweiligen Rechtsschutz hinsichtlich der nach seiner Auffassung im Einkommensteuerbescheid zu hoch angesetzten Gewinnbeteiligung an der Gesellschaft erreichen, muss er einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Feststellungsbescheides stellen: Hat der Antrag Erfolg, ist das Finanzamt von Amts wegen verpflichtet, den Folgebescheid (Einkommensteuerbescheid des A) in entsprechender Höhe von der Vollziehung auszusetzen.
__________ 1 BFH v. 23.6.1998 – VII R 119/97, BFH/NV 1998, 1322; Seer in Tipke/Kruse, § 361 FGO Rz. 11; Gräber/Koch, § 69 FGO Rz. 180. 2 BFH v. 6.12.2000 – X B 89/00, BFH/NV 2001, 630 und v. 29.10.1987 – VIII R 413/83, BStBl. II 1988, 240.
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Aussetzung der Vollziehung
Rz. 853 II
Etwas anderes gilt für den Fall, dass im Folgebescheid (z. B. Einkommensteuer- 851 bescheid) einheitlich und gesondert festzustellende Besteuerungsgrundlagen enthalten sind, die noch nicht in einem Feststellungsbescheid erfasst worden sind. Hier hat der Steuerpflichtige ein rechtlich anzuerkennendes Interesse daran, den Einkommensteuerbescheid anzufechten und demgemäß auch Aussetzung der Vollziehung des Einkommensteuerbescheides zu beantragen, da er sich gegen einen Feststellungsbescheid noch nicht – auch nicht mit einem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung – wenden kann. Ihm kann auch nicht zugemutet werden, den Erlass des Feststellungsbescheides abzuwarten. Denn dies hätte zur Folge, dass der Einkommensteuerbescheid in vollem Umfang vollziehbar wäre, obwohl möglicherweise ernstliche Zweifel hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der einheitlichen und gesondert festzustellenden Besteuerungsgrundlagen bestehen1. In einem Verfahren wegen einer Billigkeitsmaßnahme nach § 163 AO (abwei- 852 chende Festsetzung von Steuern aus Billigkeitsgründen) kommt einstweiliger Rechtsschutz nur durch Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung in Betracht, nicht aber im Wege der Aussetzung der Vollziehung des betreffenden Steuerbescheides. Denn die Entscheidung über einen Antrag nach § 163 AO ist ein rechtlich selbständiger Verwaltungsakt, der – im Falle der Stattgabe – Grundlagenbescheid gegenüber dem Steuerfestsetzungsbescheid ist2.
b) Verlustfeststellungsbescheid Ist in der Feststellungserklärung ein Verlust erklärt worden und folgt das Finanz- 853 amt dieser Erklärung nicht, sondern setzt einen niedrigeren oder gar keinen Verlust fest, so wird vorläufiger Rechtsschutz durch Aussetzung der Vollziehung des Feststellungsbescheides gewährt, nicht etwa durch eine einstweilige Anordnung. Dies ergibt sich daraus, dass auch für Feststellungsbescheide, bei denen ein Verlust an Stelle eines festgestellten Gewinnes bzw. ein höherer Verlust als festgestellt begehrt wird, die Anfechtungsklage die richtige Klageart ist. Mit der Anfechtungsklage korrespondiert als Mittel vorläufigen Rechtsschutzes die Aussetzung der Vollziehung. Denn gleichgültig, ob die Beteiligten darüber streiten, dass statt eines positiven Betrages in dem Feststellungsbescheid ein geringerer positiver Betrag oder gar ein negativer Betrag als Besteuerungsgrundlage anzusetzen ist oder ob sich der Streit ausschließlich im Bereich negativer Beträge abspielt, stets wird ein Bescheid des Finanzamts mit dem Ziel angefochten, ihn betraglich zu ändern. Für das Begehren der betraglichen Änderung eines Bescheides ist aber die richtige Klageart die Anfechtungsklage3. Empfehlung: In einem solchen Fall ist der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Feststellungsbescheides dahin zu stellen, dass vorläufig bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage statt von einem Verlust von x Euro von einem Verlust von y Euro auszugehen ist, der sich auf die Beteiligten wie folgt verteilen soll (Angabe der jeweiligen Beteiligungs-
__________ 1 BFH v. 1.2.2000 – IV B 138/98, BFH/NV 2000, 713. 2 BFH v. 18.3.1996 – V B 131/95, BFH/NV 1996, 692. 3 BFH v. 14.4.1987 – GrS 2/85, BStBl. II 1987, 637; Gosch in Beermann/Gosch, § 69 FGO Rz. 81.
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II Rz. 854
Rechtsschutz vor dem Finanzgericht
daten). Wird dem Antrag stattgegeben, muss das Gericht in einem Beschluss entsprechend tenorieren. c) Negativer Feststellungsbescheid 854 Lehnt das Finanzamt es ab, Gewinne oder Verluste einheitlich festzustellen, so ergeht ein sog. negativer Feststellungsbescheid. Ein derartiger negativer Gewinnfeststellungsbescheid ist einer Aussetzung der Vollziehung fähig; denn die gegen einen solchen Bescheid erhobene Klage enthält zumindest Elemente einer Anfechtungsklage1. Hinweis: Vorläufiger Rechtsschutz gegenüber einem negativen Feststellungsbescheid wird im Wege der Aussetzung der Vollziehung gewährt. In der Entscheidungsformel ist in einem solchen Fall auszusprechen, die Vollziehung des angefochtenen Bescheides werde mit der Maßgabe ausgesetzt, dass vorläufig bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Hauptverfahren von einem Verlust von … Euro auszugehen sei, der sich auf die Beteiligten wie folgt verteile … (Angabe der jeweiligen Daten). d) Lohnsteuerfreibetrag 855 Nicht nur bei teilweiser Ablehnung der Eintragung eines Freibetrages auf der Lohnsteuerkarte ist vorläufiger Rechtsschutz durch Aussetzung der Vollziehung zu gewähren. Dieser Rechtsbehelf ist auch statthaft, wenn das Finanzamt die Eintragung des Freibetrages in vollem Umfang abgelehnt hat2.
6. Antrag 856 Der Antrag auf Aussetzung/Aufhebung der Vollziehung ist grundsätzlich zunächst an die Behörde zu richten, die den Verwaltungsakt erlassen hat (vgl. § 69 Abs. 4 FGO). Erst wenn die Behörde den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung oder Aufhebung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat oder einer der Ausnahmefälle des § 69 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 und 2 FGO (vgl. II Rz. 816 ff.) vorliegt, kann ein Antrag an das Gericht gestellt werden. Dabei ist der Antrag gem. § 69 Abs. 3 Satz 1 FGO an das Finanzgericht zu richten, bei dem Klage erhoben worden ist oder nach erfolglosem außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren Klage zu erheben wäre (Gericht der Hauptsache). 857
Empfehlung: Der Antrag sollte folgende Angaben enthalten: – genaue Bezeichnung des Antragstellers, genaue Bezeichnung des Antragsgegners, – die genaue Bezeichnung des Verwaltungsaktes, dessen Vollziehung ausgesetzt bzw. aufgehoben werden soll,
__________ 1 Vgl. BFH v. 14.4.1987 – GrS 2/85, BStBl. II 1987, 637; Gosch in Beermann/Gosch, § 69 FGO Rz. 81. 2 Vgl. BFH v. 23.8.2007 – VI B 42/07, BStBl. II 2007, 799 und v. 17.3.1994 – VI B 154/93, BStBl. II 1994, 567; Gräber/Koch, § 69 FGO Rz. 55.
280
Aussetzung der Vollziehung
Rz. 860 II
– in welchem Umfang und – aus welchem Grund Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung begehrt wird. Außerdem sollte angegeben werden, – ab welchem Zeitpunkt, – für welche Dauer und – aufgrund welcher Tatsachen und rechtlicher Erwägungen die Vollziehung ausgesetzt bzw. aufgehoben werden soll. Ferner sind die entscheidungserheblichen Tatsachen, aus denen die Voraussetzungen für eine Aussetzung/Aufhebung der Vollziehung hergeleitet werden (ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit, unbillige Härte), wegen des summarischen Charakters des Aussetzungsverfahrens glaubhaft zu machen, z. B. durch Vorlage von Urkunden oder durch eidesstattliche Versicherungen. Sind die betreffenden Tatsachen streitig und fehlt es an einer Glaubhaftmachung, muss der Antragsteller mit einer Abweisung seines Antrags allein aus diesem Grunde rechnen. Grundsätzlich entscheidet das Gericht über den Antrag durch Beschluss. Gem. 858 § 69 Abs. 3 Satz 5 FGO kann in dringenden Fällen der Vorsitzende allein entscheiden. Hierbei ist zu beachten, dass gegen die Entscheidung des Vorsitzenden im Interesse der Verfahrensbeschleunigung nur die – allerdings zulassungsbedürftige – Beschwerde gegeben ist (§ 128 Abs. 3 FGO). Eine Klage auf Aussetzung der Vollziehung ist nicht zulässig. § 69 Abs. 7 FGO 859 bestimmt nämlich, dass im Falle der Ablehnung eines Antrages auf Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung durch die Behörde die Anrufung des Gerichts nur nach Abs. 3 und Abs. 5 Satz 3 in Betracht kommt.
7. Rechtsbehelf Gegen den Beschluss des Gerichts, mit dem über den Antrag auf Aussetzung der 860 Vollziehung entschieden worden ist, ist gem. § 128 Abs. 3 FGO die Beschwerde an den Bundesfinanzhof nur dann gegeben, wenn das Finanzgericht in seinem Beschluss die Beschwerde ausdrücklich zugelassen hat. Hat das Finanzgericht seinen Beschluss für unanfechtbar erklärt, kommt eine nachträgliche Zulassung der Beschwerde nicht in Betracht. Denn nach dem eindeutigen Wortlaut des § 128 Abs. 3 FGO muss die Beschwerde in dem Beschluss zugelassen werden. Die Beschwerde muss ausdrücklich zugelassen sein1. Eine Nichtzulassungsbeschwerde ist im Gesetz nicht vorgesehen und damit nicht statthaft2. Beispiel: Das Finanzgericht hat durch Beschluss gem. § 69 Abs. 3 FGO den Antrag des Steuerpflichtigen auf Aussetzung der Vollziehung des Einkommensteuerbe-
__________ 1 BFH v. 6.6.2005 – VIII B 78/05, BFH/NV 1837; Gräber/Koch, § 69 FGO Rz. 186. 2 BFH v. 29.8.2003 – III B 109/03, BFH/NV 2004, 71.
281
II Rz. 861
Rechtsschutz vor dem Finanzgericht
scheides für das Streitjahr abgelehnt. Diesen Beschluss hat das Finanzgericht unter Hinweis auf § 128 Abs. 3 FGO für unanfechtbar erklärt. Nunmehr legt der Steuerpflichtige gegen den Beschluss Beschwerde ein und beantragt gleichzeitig, die Beschwerde zuzulassen. Die Beschwerde ist unzulässig, da das Finanzgericht in seinem Beschluss die Beschwerde nicht zugelassen hat. Eine nachträgliche Zulassung der Beschwerde kommt nicht in Betracht. 861 Nach § 128 Abs. 3 Satz 2 FGO findet für die Zulassung der Beschwerde § 115 Abs. 2 FGO, der für die Zulassung der Revision gilt, entsprechende Anwendung. Dabei ist die Zulassung der Beschwerde nicht darauf beschränkt, dass die streitige Rechtsfrage die Auslegung des § 69 FGO betrifft. Eine grundsätzliche Bedeutung i. S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO kann sich auch auf die materielle Rechtsfrage des angefochtenen Steuerbescheides beziehen1. 862 Im Beschwerdeverfahren überprüft der Bundesfinanzhof die Entscheidung des Finanzgerichts in vollem Umfang, also in tatsächlicher und in rechtlicher Hinsicht. Allerdings gilt wie im Hauptsacheverfahren das Verbot der Schlechterstellung: Hat der Steuerpflichtige gegen einen Beschluss des Finanzgerichts, durch den die Vollziehung des angefochtenen Bescheides nur teilweise ausgesetzt worden war, Beschwerde eingelegt, so kann der Bundesfinanzhof auf die Beschwerde des Steuerpflichtigen hin nicht die Aussetzung der Vollziehung des Bescheides insgesamt ablehnen.
8. Änderung des Beschlusses 863 Nach § 69 Abs. 6 Satz 1 FGO können Beschlüsse über Anträge, die auf Aussetzung der Vollziehung gerichtet sind, vom Gericht der Hauptsache jederzeit geändert oder aufgehoben werden, und zwar auch dann, wenn Klage noch nicht erhoben ist. Wie sich aus dem Wortlaut des Gesetzes ergibt, kann die Änderung bzw. Aufhebung von Amts wegen erfolgen. Eines entsprechenden Antrags eines Beteiligten bedarf es nicht. 864 Eine Änderung bzw. Aufhebung des gerichtlichen Beschlusses kommt in Betracht, wenn das Gericht bei neuerlicher Prüfung der Sach- und Rechtslage zu dem Ergebnis kommt, dass es einen Beschluss gleichen Inhalts nicht mehr erlassen würde. Voraussetzung für eine Änderung/Aufhebung ist nicht, dass sich die Entscheidungsgrundlagen des Gerichtsbeschlusses nachträglich geändert haben. So kommt eine Aussetzung oder Aufhebung insbesondere in Betracht, wenn – sich die Sachlage nach Ergehen des Beschlusses geändert hat, – einem Beteiligten entscheidungserhebliche Tatsachen oder Beweismittel erst nach Ergehen des Beschlusses bekannt geworden sind,
__________ 1 BFH v. 9.1.1990 – VII B 187/89, BFH/NV 1990, 473 und v. 28.11.1977 – GrS 4/77, BStBl. II 1978, 229; Gräber/Koch, § 69 FGO Rz. 191.
282
Einstweilige Anordnung
Rz. 881 II
– dem Gericht von Amts wegen neue Tatsachen oder Beweismittel bekannt werden, die zu einer anderen Entscheidung führen, – neue Gesichtspunkte zu berücksichtigen sind, deren Tragweite im summarischen Verfahren bisher nicht ausreichend gewürdigt wurde. Das Verfahren betreffend die Änderung bzw. Aufhebung des ursprünglichen Be- 865 schlusses ist keine rechtsbehelfsähnliche Fortsetzung des ursprünglichen Aussetzungsverfahrens, sondern ein selbständiges Verfahren zur Überprüfung der Frage, ob die Aufrechterhaltung der ursprünglichen Aussetzungsentscheidung noch gerechtfertigt ist. Für die Beteiligten nicht unerheblich erschwert wird die Änderung bzw. Aufhe- 866 bung eines Aussetzungsbeschlusses durch § 69 Abs. 6 Satz 2 FGO. Danach kann ein Beteiligter die Änderung oder Aufhebung des Beschlusses über einen Antrag nach § 69 Abs. 3 FGO nur wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen. Als Änderung der Umstände i. S. dieser Bestimmung ist nicht nur eine Änderung der Sach- oder Rechtslage anzusehen. Vielmehr reicht jede Änderung der für die Beurteilung der Aussetzung/Aufhebung der Vollziehung maßgeblichen Gesichtspunkte aus, so z. B. auch eine Veränderung der Prozesslage, weil zwischenzeitlich eine auf einer abweichenden Beurteilung beruhende Entscheidung in der Hauptsache ergangen ist oder dem Gericht im Laufe des Verfahrens Umstände bekannt geworden sind, die ihm im Zeitpunkt des Aussetzungsbeschlusses noch nicht bekannt waren und die es deshalb bei seiner Entscheidung noch nicht berücksichtigen konnte. Das Antragsrecht besteht ferner, wenn im ursprünglichen Verfahren bestimmte 867 Umstände ohne Verschulden nicht geltend gemacht worden sind. Bei dieser Alternative lagen also bei Ergehen des ursprünglichen Beschlusses die betreffenden Umstände vor, sie sind aber in diesem Verfahren nicht vorgetragen worden. Hier ist das Antragsrecht daran geknüpft, dass der Beteiligte ohne sein Verschulden gehindert war, die objektiv bereits bestehenden Umstände vorzutragen. Damit ähnelt dieser Tatbestand dem der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. § 56 Abs. 1 FGO. Zur Frage des Verschuldens wird deshalb auf die Darstellung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verwiesen (vgl. II Rz. 396 ff.). Einstweilen frei.
868–880
III. Einstweilige Anordnung 1. Bedeutung Die einstweilige Anordnung des finanzgerichtlichen Verfahrens entspricht der 881 einstweiligen Verfügung des Zivilprozesses. Sie ergänzt den durch § 69 FGO in Form der Aussetzung der Vollziehung gewährten vorläufigen Rechtsschutz für die Fälle, in denen ein anfechtbarer Verwaltungsakt nicht vorliegt. Durch § 114 Abs. 5 FGO ist ausdrücklich festgelegt, dass die einstweilige Anordnung ausscheidet, wenn ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung zulässig ist. 283
II Rz. 882
Rechtsschutz vor dem Finanzgericht
Da es sich bei den meisten Streitigkeiten im finanzgerichtlichen Verfahren um Anfechtungssachen handelt, kommt der einstweiligen Anordnung in der Praxis – verglichen mit der Aussetzung der Vollziehung – keine wesentliche Bedeutung zu. Beispiel: Das Finanzamt hat abweichend von der Umsatzsteuererklärung keine negative Steuerschuld (Erstattung), sondern eine Umsatzsteuer von 0 Euro festgesetzt, weil geltend gemachte Vorsteuerbeträge nicht berücksichtigt wurden. Hier kann der Steuerpflichtige nicht mit einem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung einstweiligen Rechtsschutz erreichen. Denn im Wege der Aussetzung der Vollziehung können nicht vorläufig negative Steuerschulden festgesetzt werden. Hier kommt nur Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung in Betracht mit dem Ziel, Vorsteuerbeträge in bestimmter Höhe unter dem Vorbehalt der Rückforderung ausgezahlt zu erhalten1. Empfehlung: Die einstweilige Anordnung ist insbesondere dann der richtige Rechtsbehelf, wenn der Antragsteller die einstweilige Einstellung von Vollstreckungsmaßnahmen (Gewährung von Vollstreckungsaufschub, § 258 AO, oder zeitweilige Aussetzung der Verwertung, § 297 AO) durch das Finanzamt begehrt bzw. erreichen will, dass die Vollstreckung bis zur endgültigen Klärung des Rechtstreits ausgesetzt werden soll2. Allerdings sind Einwendungen gegen die Rechtmäßigkeit von Vollstreckungsmaßnahmen in aller Regel im einstweiligen Rechtsschutz mit dem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung geltend zu machen3.
2. Voraussetzungen a) Allgemeine Voraussetzungen 882 Nach § 114 Abs. 1 FGO kann eine einstweilige Anordnung durch das Gericht nur auf Antrag erlassen werden. Der Antrag ist schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle beim zuständigen Gericht zu stellen (§ 114 Abs. 3 FGO i. V. m. § 920 Abs. 3 ZPO). Er ist an keine Frist gebunden und kann bereits vor Erhebung der Klage in der Hauptsache gestellt werden. Der Antrag muss enthalten – die Bezeichnung des Antragstellers, – die Angabe des Antragsgegners, – die Bezeichnung des Anordnungsanspruchs, d. h. des Rechts, für das vorläufiger Rechtsschutz gewährt werden soll, – die Bezeichnung des Anordnungsgrundes. Dem Antrag muss außerdem zu entnehmen sein, dass vorläufiger Rechtsschutz durch eine einstweilige Anordnung begehrt wird.
__________ 1 Vgl. Gräber/Koch, § 69 FGO Rz. 55 Stichwort „Umsatzsteuerbescheide“. 2 BFH v. 23.11.1999 – VII B 310/98, BFH/NV 2000, 588. 3 Vgl. Gräber/Koch, § 69 FGO Rz. 55 Stichwort „Vollstreckungsmaßnahmen“.
284
Einstweilige Anordnung
Rz. 886 II
Zum notwendigen Inhalt des Antrags gehört nicht, dass ein bestimmter Antrag 883 gestellt wird. Das bedeutet: Der Antragsteller braucht die Maßnahme, die das Gericht im Wege der einstweiligen Anordnung anordnen soll, nicht genau zu bestimmen. Der Antrag ist nur zulässig, wenn die allgemeinen Prozessvoraussetzungen erfüllt sind, insbesondere der Finanzrechtsweg gegeben ist. Die Prozessvoraussetzungen sind dieselben wie für die Erhebung der Klage (vgl. II Rz. 56 ff.).
b) Besondere Voraussetzungen Es gibt zwei Formen der einstweiligen Anordnung, nämlich die Sicherungsanord- 884 nung und die sog. Regelungsanordnung. Die Sicherungsanordnung ist darauf gerichtet, den bestehenden Zustand zu erhalten (§ 114 Abs. 1 Satz 1 FGO). Demgegenüber zielt die Regelungsanordnung darauf ab, einen bestehenden Zustand vorläufig neu zu regeln, also die bisherige Rechtsposition des Antragstellers zu verbessern (§ 114 Abs. 1 Satz 2 FGO). Beide Formen der einstweiligen Anordnung werden in der Praxis nicht streng getrennt. Dies hat allerdings für den Antragsteller keine Nachteile, da die Rechtsfolgen im Wesentlichen dieselben sind. – Anordnungsanspruch Der Anordnungsanspruch richtet sich danach, ob eine Sicherungs- oder eine Re- 885 gelungsanordnung begehrt wird. Im Falle der Sicherungsanordnung ist Anordnungsanspruch das Recht des Antragstellers, dessen Verwirklichung durch die Änderung des bestehenden Zustandes vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Es handelt sich also um den Anspruch, der in der Hauptsache Gegenstand des Klagebegehrens ist oder sein soll1. Ein solcher Anspruch kann z. B. ein sich aus § 30a Abs. 3 FGO ergebender Anspruch auf Unterlassung sein, unzulässigerweise bei einer rechtswidrigen Rasterfahndung gefertigte Aufzeichnungen aus Geschäftsunterlagen zu verwerten bzw. weiterzuleiten2. Im Falle der Regelungsanordnung ist Anordnungsanspruch der Anspruch des An- 886 tragstellers auf Vornahme einer bestimmten Handlung oder Herstellung eines bestimmten Zustandes. Der Anspruch muss aus dem zwischen dem Antragsteller und dem Antragsgegner bestehenden Rechtsverhältnis, das bis zur Entscheidung des Streits im Hauptsacheverfahren vorläufig geregelt werden soll, herzuleiten sein3. Er muss sich aus dem zwischen den Beteiligten streitigen Rechtsverhältnis ergeben. Dabei braucht der Anordnungsanspruch bei der Regelungsanordnung nicht notwendig mit dem Anspruch aus dem Rechtsverhältnis inhaltlich überein zu stimmen. So kann er beispielsweise auf ein im Verhältnis zum Hauptanspruch „weniger“, allerdings nicht auf ein „mehr“ gerichtet sein.
__________ 1 BFH v. 14.7.1971 – II B 2/71, BStBl. II 1971, 633; Loose in Tipke/Kruse, § 114 FGO Rz. 15; Gräber/Koch, § 114 FGO Rz. 39. 2 BFH v. 25.7.2000 – VII B 28/99, BStBl. II 2000, 643; vgl. auch BFH v. 29.10.1997 – VII B 40/97, BFH/NV 1998. 424 zur Unterlassung der Verwertung von Aufzeichnungen. 3 Loose in Tipke/Kruse, § 114 FGO Rz. 23; Gräber/Koch, § 114 FGO Rz. 44.
285
II Rz. 887
Rechtsschutz vor dem Finanzgericht
Beispiel 1: Eine GmbH war als sog. Zwischenmieterin von sog. Bauherren eingeschaltet worden. Das Finanzamt F hatte gegenüber den für die Umsatzbesteuerung zuständigen Wohnsitzfinanzämtern der Bauherren behauptet, die GmbH sei mangels wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit nicht in der Lage, das Mietausfallrisiko zu tragen. Dieses sei deshalb bei den Bauherren verblieben. Die Wohnsitzfinanzämter hatten diese Feststellung wiederum in den gegen die Bauherren gerichteten Umsatzsteuerbescheiden zu Grunde gelegt. Hier hat die GmbH einen Anordnungsanspruch. Sie hat nämlich einen durch § 30 AO gesicherten Anspruch auf Unterlassung dergestalt, dass das Finanzamt F Verhältnisse, die ihm im Rahmen des Besteuerungsverfahrens der GmbH bekannt geworden sind, nicht unbefugt anderen Personen offenbaren oder verwerten darf1. Beispiel 2: Der Steuerpflichtige S hat beim Finanzamt Stundung der Einkommensteuer für das Streitjahr beantragt. Der Antrag wurde vom Finanzamt abgelehnt. Hier kann S, falls die übrigen Voraussetzungen des § 114 FGO vorliegen, im Wege der einstweiligen Anordnung beispielsweise eine vorläufige Einstellung der Vollstreckung nach § 258 AO erreichen2. Empfehlung: Da Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist, dass der geltend gemachte Anspruch (sog. Anordnungsanspruch) bezeichnet und glaubhaft gemacht wird, muss der Antragsteller den Anspruch schlüssig darlegen und dessen tatsächlichen Voraussetzungen glaubhaft machen3. Zur Glaubhaftmachung kann sich der Antragsteller aller Beweismittel bedienen. Außer den üblichen Beweismitteln ist hier jedoch auch eine eidesstattliche Versicherung des Antragstellers oder eines Dritten zulässig. Die Glaubhaftmachung ist nicht an bestimmte Formen gebunden – so ist z. B. auch eine schriftliche Zeugenbekundung möglich –; sie muss aber spätestens im Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag vorliegen. 887 Das Gericht prüft nur summarisch, ob ein solcher Anordnungsanspruch gegeben ist. Das heißt. Es findet keine abschließende, umfassende und endgültige Prüfung statt. – Anordnungsgrund 888 Auch beim Anordnungsgrund ist zwischen der Sicherungs- und der Regelungsanordnung zu unterscheiden. Bei der Sicherungsanordnung ist Anordnungsgrund die Gefährdung des Anordnungsanspruchs, die darin besteht, dass die Verwirklichung dieses Anspruchs durch Veränderung des bestehenden Zustandes vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (vgl. § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO). Diese Voraussetzungen sind noch nicht erfüllt, wenn lediglich die bloße Möglichkeit beeinträchtigender Maßnahmen besteht. Vielmehr muss ein gewisser Grad von Wahrscheinlichkeit für solche Maßnahmen sprechen. Der Antragsteller muss
__________
1 BFH v. 16.10.1986 – V B 3/86, BStBl. II 1987, 30. 2 BFH v. 12.2.1991 – VII B 170/90, BFH/NV 1992, 42. 3 BFH v. 25.7.2000 – VII B 28/99, BStBl. II 2000, 643.
286
Einstweilige Anordnung
Rz. 892 II
ausreichend darlegen, dass eine ihm unmittelbar zukommende Rechtsposition durch das Verhalten der Finanzverwaltung gefährdet erscheint und hierzu Tatsachen vortragen, aus denen sich – bei Unterstellung ihrer Richtigkeit – die Rechtsverletzung bzw. Rechtsgefährdung ergibt1. Außerdem liegt ein Anordnungsgrund dann nicht vor, wenn der Antragsteller 889 sein Begehren in einem anderen Verfahren geltend machen kann. Deshalb kann z. B. eine einstweilige Anordnung nicht gegen die Verwertung von Auskünften im Rahmen einer Betriebsprüfung erlassen werden. Hier kann der Antragsteller vorläufigen Rechtsschutz dadurch erlangen, dass er, sobald ein auf den Prüfungsfeststellungen beruhender Änderungsbescheid ergeht, die Aussetzung der Vollziehung dieses Bescheides begehrt2. Bei der Regelungsanordnung muss die einstweilige Regelung
890
– zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder – zur Verhinderung drohender Gewalt oder – aus anderen Gründen objektiv notwendig erscheinen. Ein solcher Anordnungsgrund liegt nur vor, wenn ohne eine vorläufige Regelung die wirtschaftliche oder persönliche Existenz des Antragstellers bedroht wäre. Geringere Beeinträchtigungen bei Fortbestehen des bisherigen Zustandes reichen grundsätzlich nicht aus3. Notwendig ist eine Regelung nur dann, wenn sie bei Abwägung der Belange der 891 Öffentlichkeit und der privaten Interessen des Antragstellers unumgänglich ist, um letzteren gegen wesentliche Nachteile zu schützen. Die für eine einstweilige Anordnung sprechenden Gründe müssen so schwerwiegend sein, dass sie eine einstweilige Anordnung unabweisbar machen4. Deshalb reichen z. B. folgende Umstände, für sich allein gesehen, als Anordnungsgründe nicht aus: – die Bezahlung von Steuern, auch wenn sie möglicherweise nach einem Obsiegen im Hauptsacheverfahren zu erstatten wären, – eine zur Bezahlung von Steuern notwendige Kreditaufnahme, – eine zur Bezahlung von Steuern erforderliche Veräußerung von Vermögenswerten, – ein Zurückstellen betrieblicher Investitionen, um Steuern bezahlen zu können, – eine Einschränkung des gewohnten Lebensstandards, um die Steuer begleichen zu können, – etwaige steuerliche Nachteile im Hinblick auf beabsichtigte geschäftliche Dispositionen5. Empfehlung: Wird der Erlass eines begünstigenden Verwaltungsaktes (z. B. 892 Herabsetzung der Vorauszahlungen) abgelehnt, dann ist ein Anordnungsgrund in der Regel nur gegeben, wenn die wirtschaftliche oder persönliche Existenz
__________ 1 2 3 4 5
BFH v. 25.7.2000 – VII B 28/99, BStBl. II 2000, 643. BFH v. 30.9.1986 – VIII B 62/84, BFH/NV 1987, 23. BFH v. 23.9.1998 – I B 82/98, BStBl. II 2000, 320. BFH v. 12.4.1984 – VIII B 115/82, BStBl. II 1984, 492. Vgl. BFH v. 15.4.1988 – I B 21/88, BStBl. II 1988, 585.
287
II Rz. 893
Rechtsschutz vor dem Finanzgericht
des Betroffenen durch die Ablehnung unmittelbar und ausschließlich bedroht ist. Das bedeutet für den Antrag: Der Antragsteller muss seine gesamten persönlichen Verhältnisse (Einkommen, Vermögen, Verbindlichkeiten) darlegen und glaubhaft machen. Ebenso wie der Anordnungsanspruch muss auch die Notwendigkeit einer Regelung (Anordnungsgrund) bezeichnet und glaubhaft gemacht werden. Folglich muss der Antragsteller den Anordnungsgrund schlüssig darlegen und dessen tatsächlichen Voraussetzungen glaubhaft machen.
3. Verfahren 893 Zuständig für den Erlass einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszuges, also in aller Regel das Finanzgericht. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden; gegen dessen Entscheidung kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe das Gericht (der Senat) angerufen werden. Der Vorsitzende darf allerdings nur dann entscheiden, wenn der vorgetragene Sachverhalt den sofortigen Erlass einer einstweiligen Regelung erfordert und deswegen die Zeit bis zum Zusammentreten des Senats zur Vermeidung irreparabler Rechtsverluste nicht mehr abgewartet werden kann1. Hinweis: Der Bundesfinanzhof darf über einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht entscheiden; er ist instanziell nicht zuständig, auch wenn bereits ein Revisionsverfahren anhängig ist. Denn gem. § 114 Abs. 2 Satz 2 FGO ist stets das Gericht des ersten Rechtszugs zuständig2. 894 Gem. § 114 Abs. 4 FGO entscheidet das Gericht über einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ausschließlich durch Beschluss.
4. Inhalt der einstweiligen Anordnung 895 Gem. § 114 Abs. 3 FGO i. V. m. § 938 ZPO bestimmt das Gericht den Inhalt einer einstweiligen Anordnung nach seinem freien Ermessen. Dabei muss sich die einstweilige Anordnung allerdings im Rahmen des gestellten Antrags halten und zur Erreichung des Zwecks erforderlich sein. 896 Mit einer einstweiligen Anordnung kann nur eine einstweilige Regelung erreicht werden. Das heißt: Das Ergebnis des Hauptprozesses darf nicht vorweggenommen oder dem Hauptprozess endgültig vorgegriffen werden. Eine solche Vorwegnahme des Ergebnisses des Hauptprozesses liegt allerdings nicht schon dann vor, wenn dem Antragsteller die beantragte Rechtsposition vorläufig eingeräumt wird, falls diese Rechtsposition bei Verlust des Hauptprozesses wieder rückgängig gemacht werden kann. So darf das Finanzamt z. B. verpflichtet werden, eine Bescheinigung über die vorläufige Anerkennung des Antragstellers als eine gemeinnützigen Zwecken dienende Körperschaft zu erteilen, sofern der Antragsteller zur
__________ 1 BFH v. 14.4.2000 – V B 39/00, BFH/NV 2000, 1230. 2 BFH v. 6.5.1999 – VII S 3/99, BFH/NV 1999, 1368.
288
Einstweilige Anordnung
Rz. 898 II
Erfüllung seiner satzungsmäßigen und ihrer Art nach gemeinnützigen Zwecke auf den Erhalt steuerbegünstigter Spenden angewiesen und seine wirtschaftliche Existenz ohne eine derartige Regelungsanordnung bedroht ist1. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung ist vielmehr nur dann ausgeschlossen, wenn diese Anordnung endgültig vorgreiflich ist, also irreparable Zustände geschaffen werden2. Beispiel: A möchte mit seinem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung erreichen, dass er zu der am … beginnenden Steuerberaterprüfung zugelassen wird; er meint, in diesem Zeitpunkt die Zulassungsvoraussetzungen erfüllt zu haben. Hier fehlt ein Anordnungsanspruch. Denn eine Regelungsanordnung, durch die die Verpflichtung ausgesprochen werden soll, einen Bewerber vorläufig zur Steuerberaterprüfung zuzulassen, darf grundsätzlich nicht ergehen, weil sie das Ergebnis des Hauptsacheprozesses in unzulässiger Weise vorwegnehmen würde. Eine solche Regelungsanordnung ist nur ausnahmsweise unter erschwerten Voraussetzungen zulässig3. Ausnahmsweise darf auch im Wege einer einstweiligen Anordnung dem Ergebnis 897 des Hauptverfahrens vorgegriffen werden, wenn die Anordnung zur Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes unumgänglich wäre, d. h. anders ein wirksamer Rechtsschutz nicht erreichbar wäre und dies für den Antragsteller zu unzumutbaren Folgen führen würde. Da in solchen Fällen aber im Wege einer einstweiligen Anordnung trotz deren grundsätzlich vorläufiger Zielsetzung zu Gunsten des Antragstellers irreparable Verhältnisse geschaffen werden, kann ein solcher Ausnahmefall nur bei einer besonderen Intensität zumindest des Anordnungsgrundes gegeben sein. Eine solche besondere Intensität ist z. B. anzunehmen, wenn die wirtschaftliche oder persönliche Existenz des Antragstellers unmittelbar bedroht ist4. Beispiel: A beantragt im Wege einer einstweiligen Anordnung, das Finanzamt zu verpflichten, ihm eine Unbedenklichkeitsbescheinigung zu erteilen. Ist im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes die Anordnung der Erteilung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung unabweisbar, um den Antragsteller vor unerträglichen irreparablen Folgen zu schützen, so kann sie nur bei gleichzeitiger Anordnung einer Sicherheitsleistung erfolgen; es sei denn, der Antragsteller hätte glaubhaft gemacht, auch die Beibringung einer Sicherheitsleistung sei ohne unerträgliche, nicht wieder gut zu machende Nachteile nicht möglich5. Ist die Hauptsache bei Gericht nicht anhängig, so hat das Finanzgericht auf An- 898 trag ohne mündliche Verhandlung anzuordnen, dass der Antragsteller, der die einstweilige Anordnung erwirkt hat, binnen einer zu bestimmenden Frist Klage
__________ 1 2 3 4 5
BFH v. 23.9.1998 – I B 82/98, BStBl. II 2000, 320. BFH v. 21.2.1984 – VII B 78/83, BStBl. II 1984, 449. BFH v. 21.1.1999 – VII B 214/98, BStBl. II 1999, 141. BFH v. 21.1.1999 – VII B 214/98, BStBl. II 1999, 141. BFH v. 14.1.1987 – II B 102/86, BStBl. II 1987, 269.
289
II Rz. 899
Rechtsschutz vor dem Finanzgericht
zu erheben hat (§ 114 Abs. 3 FGO i. V. m. § 926 Abs. 1 ZPO). Wird dieser Anordnung nicht Folge geleistet, so ist die einstweilige Anordnung auf Antrag nach mündlicher Verhandlung aufzuheben (§ 114 Abs. 3 FGO i. V. m. § 926 Abs. 2 ZPO). Die Aufhebung erfolgt gem. § 114 Abs. 4 FGO durch Beschluss1.
5. Rechtsbehelf 899 Gem. § 128 Abs. 3 FGO steht den Beteiligten die Beschwerde gegen eine Entscheidung über einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nur dann zu, wenn das Finanzgericht sie in seinem Beschluss ausdrücklich zugelassen hat. Die Zulassung kann nur aus den Gründen erfolgen, die auch zur Zulassung einer Revision führen. Dies ergibt sich aus dem Hinweis auf § 115 Abs. 2 FGO. Ist die Beschwerde vom Finanzgericht nicht zugelassen worden, ist sie nicht statthaft. Eine Zulassung der Beschwerde durch den Bundesfinanzhof findet in einem solchen Fall nicht statt2. Die Zulassung der Beschwerde muss nicht ausdrücklich in die Beschlussformel aufgenommen werden, auch wenn dies aus Gründen der Rechtsklarheit sinnvoll erscheint. Es genügt vielmehr, wenn die Zulassung etwa durch Hinweis auf den Zulassungsgrund oder die gesetzliche Bestimmung erkennbar aus den Gründen hervorgeht. Es reicht allerdings nicht aus, wenn lediglich die Rechtsmittelbelehrung allgemein von der Zulässigkeit der Beschwerde gegen den Beschluss ausgeht und nicht zu erkennen ist, ob das Gericht im konkreten Fall die Beschwerde zulassen wollte3.
6. Sonderfälle 900 Problematisch war bisher das richtige Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bei der gesonderten Feststellung von Verlusten, bei sog. negativen Feststellungsbescheiden und bei der Ablehnung des Finanzamts, eine negative Umsatzsteuer (Erstattung) festzusetzen.
a) Gesonderte Feststellung von Verlusten 901 Stellt das Finanzamt einen niedrigeren Verlust, als in der Feststellungserklärung beantragt ist, fest (Verlustfeststellungsbescheid), so ist hiergegen in der Hauptsache die Anfechtungsklage gegeben. Daraus folgt: Vorläufiger Rechtsschutz kann nur in Form der Aussetzung der Vollziehung in Betracht kommen, nicht aber in Form der einstweiligen Anordnung nach § 114 FGO. Ein solcher Antrag wäre nach § 114 Abs. 5 FGO unzulässig4.
__________ 1 2 3 4
Vgl. Gräber/Koch, § 114 FGO Rz. 96; Loose in Tipke/Kruse, § 114 FGO Rz. 81. St. Rspr., vgl. BFH v. 19.12.2000 – VII B 301/00, BFH/NV 2001, 425. BFH v. 18.9.1997 – VII B 161/97, BFH/NV 1998, 484. Vgl. BFH v. 10.7.1979 – VIII B 84/78, BStBl. II 1979, 567; zu den Einzelheiten vgl. oben II Rz. 853.
290
Einstweilige Anordnung
Rz. 903 II
b) Negative Feststellungsbescheide Vorläufiger Rechtsschutz gegenüber einem negativen Gewinnfeststellungsbe- 902 scheid wird im Wege der Aussetzung der Vollziehung gewährt. In der Entscheidungsformel ist in einem solchen Falle auszusprechen, die Vollziehung des angefochtenen Bescheides werde mit der Maßgabe ausgesetzt, dass vorläufig bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Hauptverfahren von einem Verlust von x Euro auszugehen sei, der sich auf die Beteiligten wie folgt verteile: (Angabe der jeweiligen Daten)1.
c) Negative Umsatzsteuerfestsetzung (Erstattung) Vorläufiger Rechtsschutz gegen die Ablehnung des Finanzamts, eine negative 903 Umsatzsteuer (Umsatzsteuererstattung) festzusetzen, kann nur durch eine einstweilige Anordnung, nicht durch Aussetzung der Vollziehung gewährt werden. Der Anwendungsbereich der Aussetzung der Vollziehung ist auf Fallgestaltungen begrenzt, in denen in dem angefochtenen Steuerbescheid eine Umsatzsteuerschuld festgestellt worden ist und dem Steuerschuldner insoweit die Vollziehung droht2.
__________ 1 BFH v. 14.4.1987 – GrS 2/85, BStBl. II 1987, 637; wegen Einzelheiten vgl. II Rz. 854. 2 BFH v. 30.7.1986 – V B 31/86, BFH/NV 1987, 42.
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III. Teil Rechtsschutz vor dem Bundesfinanzhof A. Revision I. Vorbemerkung 1 Wie sich aus den Zulassungsgründen des § 115 Abs. 2 FGO ergibt, dient die Revision in erster Linie dem Interesse der Allgemeinheit an der Fortbildung des Rechts und der Wahrung der Rechtseinheit. Der Individualrechtsschutz wird hingegen im Wesentlichen durch die Überprüfung der Entscheidung auf Verfahrensfehler (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) gewährleistet1. 2 Gem. § 115 Abs. 1 FGO kann eine Revision grundsätzlich nur gegen Urteile der Finanzgerichte eingelegt werden. Liegt kein Urteil, sondern lediglich ein Beschluss vor, ist die Einlegung einer Revision nicht möglich. Ggf. kommt hier als Rechtsmittel allerdings eine Beschwerde zum Bundesfinanzhof in Betracht (vgl. § 128 FGO und III Rz. 181 ff.). Zu den Urteilen gehören nicht nur die Endurteile (§ 95 FGO), sondern auch die Grundurteile (§ 99 Abs. 1 FGO), Teilurteile (§ 98 FGO), Zwischenurteile (§ 99 Abs. 2 FGO) und Ergänzungsurteile (§ 109 FGO)2. Darüber hinaus sind als Urteile i. S. des § 115 Abs. 1 FGO auch Gerichtsbescheide anzusehen, die gem. § 90 Abs. 3 FGO als Urteil wirken; außerdem Gerichtsbescheide, in denen gem. § 90a Abs. 2 Satz 2 FGO die Revision zugelassen worden ist3. Wird allerdings neben der Einlegung der Revision mündliche Verhandlung vor dem Finanzgericht beantragt, so wird die Revision gegenstandslos, es findet vielmehr gem. § 90a Abs. 2 Satz 3 FGO eine mündliche Verhandlung vor dem Finanzgericht statt. Gegen Gerichtsbescheide des Vorsitzenden oder des Berichterstatters (§§ 79a Abs. 2, 4; 90a FGO) ist – abweichend von § 90a Abs. 2 FGO – nur der Antrag auf mündliche Verhandlung statthaft4. 3 Mit der Revision kann nur erreicht werden, dass das Urteil des Finanzgerichts auf die Verletzung von Bundesrecht oder unter bestimmten, im finanzgerichtlichen Verfahren in der Regel nicht vorhandenen Voraussetzungen auf die Verletzung von Landesrecht hin nachgeprüft wird. Die Revision kann also nur auf Rechtsfehler oder Verfahrensmängel gestützt werden. Neue Tatsachen und Beweismittel können im Revisionsverfahren nicht vorgebracht werden. Das Revisionsgericht ist grundsätzlich an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen
__________ 1 Vgl. Gräber/Ruban, § 115 FGO Rz. 2; Seer in Tipke/Kruse, § 115 FGO Rz. 14, 15. 2 Vgl. Gräber/Ruban, § 115 FGO Rz. 4 m. w. N.; Seer in Tipke/Kruse, § 115 FGO Rz. 21 m. w. N. 3 Vgl. Gräber/Ruban, § 115 FGO Rz. 5. 4 BFH v. 3.11.1993 – II R 77/93, BStBl. II 1994, 118; Seer in Tipke/Kruse, § 115 FGO Rz. 22.
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Vertretungszwang
Rz. 6 III
Feststellungen gebunden, wie sich aus § 118 Abs. 2 FGO ergibt. Es hat allerdings – auf entsprechende Rüge – zu prüfen, ob die Entscheidungsgrundlagen des Finanzgerichts verfahrensrechtlich korrekt zustande gekommen sind1. Gem. § 115 Abs. 1 FGO steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanz- 4 hof nur zu, wenn sie vom Finanzgericht oder – auf entsprechende Beschwerde – vom Bundesfinanzhof zugelassen worden ist. Dabei ist die Revision gem. § 115 Abs. 2 FGO nur zuzulassen, wenn – die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), – die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) oder – ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO).
II. Vertretungszwang Gem. § 62 Abs. 4 FGO2 muss sich vor dem BFH jeder Beteiligte durch einen Pro- 5 zessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind nur Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer (§ 62 Abs. 4 i. V. m § 62 Abs. 2 Satz 1 FGO) zugelassen. Außerdem sind gem. § 62 Abs. 1 Satz1 FGO i. V. m. § 3 Nr. 2 und 3 StBerG zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugte Steuerberatungs-, Rechtsanwalts-, Wirtschaftsprüfungs-, Buchprüfungs- und Partnerschaftsgesellschaften zur Vertretung vor dem Bundesfinanzhof berechtigt, sofern sie durch einen o. g. Berufsangehörigen vertreten werden Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden wie die Finanzämter können sich durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt vertreten lassen (§ 62 Abs. 4 Satz 3 FGO). Der Vertretungszwang vor dem BFH bedeutet, dass nicht ordnungsgemäß vertretene Beteiligte nicht postulationsfähig sind. Ihnen fehlt damit die Fähigkeit, vor dem BFH rechtswirksam prozessual handeln und verhandeln zu können mit der Folge, dass ihre Prozesserklärungen unbeachtlich sind3. Dieser Vertretungszwang gilt nicht nur für die Einlegung und Begründung der 6 Revision, sondern für alle Prozesshandlungen4 vor dem BFH, also auch für die Einlegung einer Beschwerde einschließlich der Nichtzulassungsbeschwerde, darüber hinaus für den Antrag auf Verlängerung der Revisionsfrist5, für den Antrag
__________ 1 2 3 4
Vgl. Seer in Tipke/Kruse, § 115 FGO Rz. 19. Bis zum 30.6.2008: § 62a FGO. Vgl. Loose in Tipke/Kruse, § 62a FGO Rz. 2; Gräber/Stapperfend, § 62a FGO Rz. 6. Vgl. BFH v. 20.2.1991 – II R 63/88, BStBl. II 1991, 541; Brandt in Beermann/Gosch, § 62a FGO Rz. 47. 5 BFH v. 20.10.1982 – I R 61/82, BStBl. II 1983, 134.
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III Rz. 7
Revision
auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand1 und den Antrag auf mündliche Verhandlung nach Gerichtsbescheid2. Auch die Anhörungsrüge i. S. des § 133a FGO unterliegt dem Vertretungszwang, wenn für die beanstandete Entscheidung – z. B. ein Beschluss des Bundesfinanzhofs – ihrerseits Vertretungszwang galt3. Es besteht allerdings kein Vertretungszwang für den Steuerpflichtigen als Revisionsbeklagten, wenn er keine Anträge stellen und nicht vor dem Bundesfinanzhof auftreten will. 7 Für Beigeladene besteht zwar grundsätzlich auch Vertretungszwang, da sie Beteiligte i. S. des § 57 FGO sind. Dies kann aber nur gelten, wenn sie Anträge stellen und Ausführungen machen wollen4. Kein Vertretungszwang besteht ferner für Anträge auf PKH zur Durchführung eines Revisionsverfahrens5. 8 Eine von einem Steuerpflichtigen selbst oder einer nicht zur Vertretung vor dem Bundesfinanzhof berechtigten Person eingelegte Revision kann nicht durch eine nach Ablauf der Revisionsfrist abgegebene Erklärung einer vertretungsberechtigten Person geheilt werden6. Eine Heilung ist nur innerhalb der Revisionsfrist möglich, denn eine nachträgliche Genehmigung durch einen vertretungsberechtigten Bevollmächtigten wirkt nur für die Zukunft7. 9 Allerdings wird eine Revision auch nicht dadurch unzulässig, dass der Prozessvertreter des Revisionsklägers nach ordnungsmäßiger Einlegung und Begründung der Revision sein Mandat niederlegt. Dem Bundesfinanzhof gegenüber wirkt in den dem Vertretungszwang unterliegenden Verfahren eine Mandatsniederlegung durch den bisherigen Prozessvertreter erst mit der entsprechenden Anzeige und der weiteren Mitteilung von der Bestellung eines anderen Bevollmächtigten8. 10–20 Einstweilen frei.
III. Zulassung der Revision und Nichtzulassungsbeschwerde 21 Gem. § 115 Abs. 1 FGO steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof nur zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat. Das bedeutet: Es gibt keine zulassungsfreie Revision, auch nicht bei besonders schweren Verfahrensmängeln.
__________ 1 2 3 4 5 6 7 8
BFH v. 19.10.1998 – X S 10/98, BFH/NV 1999, 503. BFH v. 6.2.2003 – VIII R 80/01, BFH/NV 2003, 505. BFH v. 29.6.2005 – VII S 26/05, BFH/NV 2005, 1848. Vgl. Loose in Tipke/Kruse, § 62a FGO Rz. 6; Gräber/Stapperfend, § 62a FGO Rz. 19; a. A. Brandt in Beermann/Gosch, § 62a FGO Rz. 36. BFH v. 27.1.2003 – II S 2/01, BFH/NV 2003, 793. BFH v. 10.8.2004 – III R 19/04, BFH/NV 2004, 1668 und v. 19.5.1999 – XI R 20/98, BFH/NV 1999, 1605; Gräber/Stapperfend, § 62a FGO Rz. 24. BFH v. 12.12.2003 – V B 256/02, BFH/NV 2004, 649 und v. 18.4.1996 – VII B 26/96, BFH/NV 1996, 775. BFH v. 25.1.1999 – III B 59/98, BFH/NV 1999, 953.
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Zulassung der Revision und Nichtzulassungsbeschwerde
Rz. 25 III
1. Form der Zulassung Über die Zulassung der Revision entscheidet das Finanzgericht von Amts wegen. 22 Es bedarf insoweit also keines Antrags der Beteiligten: Stellen die Beteiligten gleichwohl entsprechende Anträge, sind sie als Anregung an das Gericht zu werten, sich mit der Zulassung der Revision im Urteil auseinanderzusetzen1. Die Entscheidung über die Zulassung der Revision muss ausdrücklich erfolgen. Das heißt: Es muss sich klar und eindeutig aus dem Urteil ergeben, dass das Finanzgericht die Revision zulassen will, andernfalls ist die Revision nicht zugelassen2. Der Ausspruch über die Zulassung gehört kraft Sachzusammenhangs in das Urteil und kann nur zusammen mit diesem – also nicht durch einen gesonderten Beschluss3 – ausgesprochen werden4. Die Zulassung der Revision sollte aus Gründen der Rechtsklarheit im Tenor des 23 finanzgerichtlichen Urteils erfolgen Beispiel: In dem Tenor eines finanzgerichtlichen Urteils heißt es dann: – Die Klage wird abgewiesen. – Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. – Die Revision wird zugelassen. Die Zulassung der Revision kann allerdings auch erst in den Entscheidungsgründen erfolgen. Dort muss dann allerdings unmissverständlich zum Ausdruck gebracht worden sein, dass die Revision zugelassen wird. In der Übersendung der Revision an den Bundesfinanzhof liegt keine Zulassung der Revision5 In der Regel erfolgt die Zulassung der Revision im Anschluss an die Kostenent- 24 scheidung. Beispiel 1: Der Senat lässt die Revision zu. Er ist mit seinem Urteil von der Entscheidung des Bundesfinanzhofs (Datum, Aktenzeichen, Fundstelle) abgewichen und ist der Auffassung, dass die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine erneute Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert. Beispiel 2: Der Senat hat die Revision zugelassen. Der entschiedenen Rechtssache kommt grundsätzliche Bedeutung zu, weil … Ist die Revision vom Finanzgericht im Urteil – im Tenor oder in den Entschei- 25 dungsgründen – ausdrücklich zugelassen worden, ist diese Entscheidung nicht
__________ 1 Vgl. Gräber/Ruban, § 115 FGO Rz. 106; Seer in Tipke/Kruse, § 115 FGO Rz. 122 ff. 2 Vgl. Gräber/Ruban, § 115 FGO Rz. 107; Seer in Tipke/Kruse, § 115 FGO Rz. 126; BFH v. 28.6.1995 – VIII R 35/94, BFH/NV 1996, 165. 3 Gräber/Ruban, § 115 FGO Rz. 106 m. w. N. 4 Vgl. BFH v. 23.8.2000 – I R 49/00, BFH/NV 2001, 196. 5 Vgl. BFH v. 24.9.1971 – VI R 24/71, BStBl. II 1971, 811.
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III Rz. 26
Revision
mit der Beschwerde nach § 128 Abs. 3 FGO anfechtbar; sie ist unanfechtbar1. Insofern fehlt es an einer Beschwer; denn die Beteiligten können in dem Revisionsverfahren alles vorbringen, was für sie günstig ist. So können sie insbesondere auch vortragen, dass die Gründe, die zur Zulassung der Revision geführt haben, nicht gegeben waren, weil z. B. das angefochtene Urteil tatsächlich nicht von einem Urteil des Bundesfinanzhofs abweicht.
2. Nichtzulassungsbeschwerde 26 Hat das Finanzgericht die Revision nicht ausdrücklich zugelassen bzw. enthält das finanzgerichtliche Urteil keine Entscheidung über die Revisionszulassung, kann eine Revision nur nach einer erfolgreichen Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt werden. Denn im Unterschied zur Zulassung der Revision ist die Nichtzulassung der Revision gem. § 116 Abs. 1 FGO selbständig mit der Beschwerde anfechtbar. a) Formelle Voraussetzungen 27 – Beschwerdefrist: Die Nichtzulassungsbeschwerde kann nur innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils eingelegt werden. Es handelt sich um eine Ausschlussfrist, die nicht verlängert werden kann. Wird diese Frist versäumt, so kommt allenfalls Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. § 56 FGO in Betracht, falls kein Verschulden vorliegt2. Empfehlung: Es ist darauf zu achten, dass die Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesfinanzhof in München eingelegt wird. Sie ist nämlich nicht beim Finanzgericht, sondern gem. § 116 Abs. 2 Satz 1 FGO beim Bundesfinanzhof einzulegen. Das bedeutet: Die Monatsfrist wird nur dann gewahrt, wenn die Nichtzulassungsbeschwerde innerhalb eines Monats beim Bundesfinanzhof eingegangen ist. Wird die Beschwerde innerhalb der Frist nicht beim Bundesfinanzhof, sondern beim Finanzgericht eingelegt, so ist die Frist nur dann gewahrt, wenn das Finanzgericht die Nichtzulassungsbeschwerde an den Bundesfinanzhof weiterleitet und die Beschwerde dort noch innerhalb der Frist eingeht. Ist das nicht der Fall, ist die Nichtzulassungsbeschwerde verfristet und damit unzulässig. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand dürfte in einem solchen Fall nicht Betracht kommen, da die Fristversäumnis nicht schuldlos ist; der zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde Bevollmächtigte (vgl. III Rz. 5 ff.) hätte wissen müssen, dass die Beschwerde nach § 116 Abs. 2 Satz 1 FGO nur beim Bundesfinanzhof eingelegt werden kann. 28 – Schriftform: Die Nichtzulassungsbeschwerde muss schriftlich eingelegt werden. Dies geschieht in der Regel durch Einreichen eines eigenhändig und handschriftlich unterzeichneten Schriftsatzes. Die Einlegung der Beschwerde kann auch per Telegramm oder Telefax erfolgen. Allerdings wird die Beschwerdefrist
__________ 1 Gräber/Ruban, § 115 FGO Rz. 109. 2 Gräber/Ruban, § 115 FGO Rz. 15.
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Zulassung der Revision und Nichtzulassungsbeschwerde
Rz. 30 III
nur dann gewahrt, wenn die Nichtzulassungsbeschwerde innerhalb der Frist vollständig, d. h. einschließlich der Seite, die die Unterschrift trägt, aufgezeichnet worden ist1. Auch die Einlegung per Computerfax genügt noch den Anforderungen an die Schriftform2; die Person des Erklärenden wird hier schon dann hinreichend bestimmt, wenn die Unterschrift eingescannt ist oder am Ende der Hinweis angebracht wird, dass der benannte Urheber wegen der gewählten Übertragungsform nicht eigenhändig zu unterzeichnen vermag3. Zu den Anforderungen an die Schriftform vgl. auch II Rz. 57 ff. Die Nichtzulassungsbeschwerde muss das angefochtene Urteil bezeichnen. 29 Dazu ist die genaue Bezeichnung des Finanzgerichts, das die Entscheidung getroffen hat, des Datums der Entscheidung sowie des Aktenzeichens erforderlich. Außerdem soll der Beschwerdeschrift eine Ausfertigung oder Abschrift des Urteils, gegen das Revision eingelegt werden soll, beigefügt werden (§ 116 Abs. 2 Sätze 2 und 3 FGO). Die genaue Bezeichnung des Urteils kann nach Ablauf der Beschwerdefrist nicht mehr nachgeholt werden4 Ist allerdings das angefochtene Urteil der Beschwerdeschrift beigefügt, dürfte dieser Mangel geheilt sein5. Empfehlung: Der Beschwerdeschrift sollte klar und eindeutig zu entnehmen sein, dass eine Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt werden soll, nicht etwa Revision. Zwar kann unter Umständen auch eine Auslegung des entsprechenden Schriftsatzes zur Annahme einer Nichtzulassungsbeschwerde führen. Allerdings sind der Auslegung im Hinblick auf den beim Bundesfinanzhof herrschenden Vertretungszwang (vgl. III Rz. 5 ff.) durch rechtskundige Bevollmächtigte enge Grenzen gesetzt6. Legt der Kläger statt der Nichtzulassungsbeschwerde Revision ein, so kann die Revision nicht in eine Nichtzulassungsbeschwerde umgedeutet werden7. Auch eine hilfsweise eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig8. Wegen des vor dem Bundesfinanzhof bestehenden Vertretungszwangs muss die 30 Nichtzulassungsbeschwerde von einer vertretungsberechtigten Person i. S. des § 62 Abs. 4 FGO (vgl. III Rz. 5 ff.) unterzeichnet sein. Diese muss die volle Verantwortung für die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde übernehmen und erkennen lassen, dass sie sich mit dem Streitstoff befasst hat. Die Nichtzulassungsbeschwerde muss daher von dem Bevollmächtigten selber stammen. Hierfür reicht es nicht aus, dass ein Bevollmächtigter lediglich einen von der Partei selbst verfassten Schriftsatz unterschreibt und weiterleitet oder auf einen Schriftsatz der Partei Bezug nimmt, ohne sich diesen erkennbar zu eigen zu machen9.
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1 BFH v. 20.12.2006 – I B 70/06, BFH/NV 2007, 929. 2 Vgl. BFH v. 4.9.2000 – III B 41/00, BFH/NV 2001, 321. 3 Gem. Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes v. 5.4.2000 – GmS-OGB 1/98, NJW 2000, 2340. 4 So auch Seer in Tipke/Kruse, § 116 FGO Rz. 26. 5 So auch Seer in Tipke/Kruse, § 116 FGO Rz. 26; Gräber/Ruban, § 116 FGO Rz. 11. 6 BFH v. 31.1.2000 – V B 190/99, BFH/NV 2000, 872; Gräber/Ruban, § 116 FGO Rz. 9. 7 BFH v. 23.8.2000 – I R 49/00, BFH/NV 2001, 196. 8 BFH v. 26.3.2001 – III R 46/00, BFH/NV 2001, 1137; vgl. auch Seer in Tipke/Kruse, § 116 FGO Rz. 17. 9 BFH v. 21.9.2004 – VII B 89/04, BFH/NV 2005, 232 und v. 11.3.2003 – VII B 356/02, BFH/NV 2003, 817.
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III Rz. 31
Revision
31 – Begründungsfrist: Gem. § 116 Abs. 3 FGO läuft für die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde eine selbständige Begründungsfrist. Sie beträgt zwei Monate ab der Zustellung des vollständigen finanzgerichtlichen Urteils. Auch die Begründung ist beim Bundesfinanzhof einzulegen. 32
Die Begründungsfrist kann von dem Vorsitzenden auf einen entsprechenden Antrag des Beschwerdeführers um einen weiteren Monat verlängert werden, kann also maximal drei Monate ab Zustellung des kompletten Urteils betragen. Die Begründungsfrist kann nur einmal verlängert werden, nicht mehrfach1. Der Fristverlängerungsantrag muss allerdings vor Ablauf der Begründungsfrist gestellt sein, also beim Bundesfinanzhof eingehen2. Ein fristgerechter Eingang beim Finanzgericht genügt nicht. Geht er später ein, kann ihm nicht stattgegeben werden; die Nichtzulassungsbeschwerde wäre dann – wenn bislang keine den Vorschriften der FGO entsprechende Begründung abgegeben worden ist – unzulässig3. Empfehlung: Es ist darauf zu achten, dass sämtliche Nichtzulassungsgründe fristgerecht vorgetragen werden, damit sie auch bei der Entscheidung berücksichtigt werden können. Der Berater muss nämlich sämtliche Zulassungsgründe innerhalb der Begründungsfrist substantiiert vortragen. Zulassungsgründe, die erst nach Ablauf der Begründungsfrist vorgebracht werden, bleiben unberücksichtigt. Denn die Zulässigkeit einer Nichtzulassungsbeschwerde insbesondere hinsichtlich der Begründungsanforderungen ist nur nach den innerhalb der Begründungsfrist vorgebrachten Ausführungen zu beurteilen4.
33 Bloße Erläuterungen oder Ergänzungen sind allerdings auch noch nach Fristablauf zulässig5. Neues tatsächliches Vorbringen ist im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde allerdings gänzlich ausgeschlossen, da der Bundesfinanzhof gem. § 118 Abs. 2 FGO an die tatsächlichen Feststellungen des Finanzgerichts gebunden ist6.
b) Zulassungsgründe für die Revision aa) Allgemeines 34 Gem. § 115 Abs. 2 FGO ist die Revision nur zuzulassen, wenn – die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr. 1), – die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH erfordert (Nr. 2) oder
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1 BFH v. 28.1.2003 – X B 126/02, BFH/NV 2003, 505 und v. 21.9.2001 – IV B 118/01, BStBl. II 2001, 768; a. A. wohl Seer in Tipke/Kruse, § 116 FGO Rz. 22. 2 BFH v. 28.6.2007 – IX B 39/07, BFH/NV 2007, 2124 und v. 7.12.2006 – IX B 44/06, BFH/NV 2007, 921. 3 BFH v. 28.1.2003 – X B 126/02, BFH/NV 2003, 505; Gräber/Ruban, § 116 FGO Rz. 21. 4 BFH v. 24.4.2007 – X B 169/06, BFH/NV 2007, 1504. 5 BFH v. 23.6.2004 – V B 230/02, BFH/NV 2005, 80 und v. 30.7.2003 – X B 152/02, BFH/NV 2003, 1603; Seer in Tipke/Kruse, § 116 FGO Rz. 23; Gräber/Ruban, § 116 FGO Rz. 22. 6 BFH v. 4.10.2000 – VIII B 1/00, BFH/NV 2001, 328; Seer in Tipke/Kruse, § 116 FGO Rz. 36.
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Zulassung der Revision und Nichtzulassungsbeschwerde
Rz. 36 III
– ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Die Nichtzulassungsbeschwerde kann danach nur auf die Gründe gestützt werden, die die Zulassung der Revision durch das Finanzgericht rechtfertigen. Das bedeutet: Die Nichtzulassungsbeschwerde muss sich mit einem oder mehreren der in § 115 Abs. 2 Nrn. 1–3 FGO aufgeführten Zulassungsgründe auseinander setzen. Die Aufzählung in § 115 Abs. 2 FGO ist abschließend1. Aus den Zulassungsgründen der Nrn. 1 und 2 des § 115 Abs. 2 FGO ergibt sich, 35 dass ein allgemeines Interesse an einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs bestehen muss. Das heißt, es muss sich um eine Rechtsfrage handeln, die im allgemeinen Interesse an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts der Klärung durch den BFH bedarf. Es darf sich also nicht um eine Einzelfallproblematik handeln, sondern die Rechtsfrage muss in der Regel für eine Vielzahl gleichartiger Rechtsfälle von Bedeutung sein2. Das ist regelmäßig nicht der Fall, wenn das Finanzgericht seine Entscheidung auf die besonderen Umstände des betreffenden Sachverhalts stützt3. Empfehlung: Hat das Finanzgericht seine Entscheidung mit einer doppelten Begründung versehen und trägt jeder dieser Gründe für sich die Entscheidung, so kann eine Zulassung der Revision nur erreicht werden, wenn für beide entscheidungserheblichen Gründe ein Zulassungsgrund gegeben ist. In einem solchen Fall ist es bereits für die Zulässigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde erforderlich, dass für beide Begründungen des Finanzgerichts jeweils ein Zulassungsgrund i. S. des § 115 Abs. 2 FGO substantiiert und schlüssig dargelegt wird4.
bb) Grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) Gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO ist die Revision zuzulassen, wenn die Rechtssache 36 grundsätzliche Bedeutung hat. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn eine Frage zu entscheiden ist, an deren Beantwortung ein allgemeines Interesse besteht, weil ihre Klärung das Interesse der Allgemeinheit an der Entwicklung und Handhabung des Rechts betrifft5. Es muss sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame und auch für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Frage handeln6. Dies ist der Fall, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit und/oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und im Streitfall auch klärungsfähig ist7. Hiervon
__________ 1 Seer in Tipke/Kruse, § 115 FGORz. 32; Gräber/Ruban, § 115 FGO Rz. 11. 2 Vgl. Gräber/Ruban, § 115 FGO Rz. 25. 3 BFH v. 11.4.2001 – I B 123/00, BFH/NV 2001, 1221; Beermann in Beermann/Gosch, § 115 FGO Rz. 88. 4 BFH v. 24.3.2003 – II B 41/02, BFH/NV 2003, 1067 und v. 12.5.2000 – IV B 74/99, BFH/ NV 2000, 1133; Seer in Tipke/Kruse, § 115 FGO Rz. 34. 5 St. Rspr., vgl. BFH v. 22.1.2007 – VIII B 161/05, BFH/NV 2007, 889 m. w. N. 6 Vgl. BFH v. 5.5.1998 – I B 24/98, BStBl. II 2000, 430; Gräber/Ruban, § 115 FGO Rz. 23. 7 St. Rspr., vgl. BFH v. 29.12.2006 – IX B 139/05, BFH/NV 2007, 1084 und v. 27.10.2003 – VII B 196/03, BFH/NV 2004, 232 m. w. N.
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III Rz. 37
Revision
kann z. B. ausgegangen werden, wenn die aufgeworfene Rechtsfrage in Rechtsprechung und/oder Schrifttum umstritten ist und deshalb für die Allgemeinheit eine höchstrichterliche Klärung bedeutsam ist1. Dafür reicht es andererseits nicht, wenn lediglich Einwendungen gegen die Richtigkeit des Urteils des FG erhoben werden, da die Nichtzulassungsbeschwerde nicht dazu dient, allgemein die Richtigkeit finanzgerichtlicher Urteile zu überprüfen und zu gewährleisten2. Auch Rechtsfragen, die ausgelaufenes Recht oder auslaufendes Recht betreffen, kommt regelmäßig keine grundsätzliche Bedeutung mehr zu3. 37 Die Rechtsfrage muss darüber hinaus klärungsbedürftig sein. Daran fehlt es, wenn sich die Antwort auf die streitige Rechtsfrage ohne weiteres aus dem klaren Wortlaut und dem Sinngehalt des Gesetzes ergibt oder die Rechtslage offensichtlich eindeutig ist4 bzw. vom Bundesfinanzhof hinreichend geklärt ist und sich keine neuen Gesichtspunkte ergeben, die eine erneute Überprüfung durch den Bundesfinanzhof erforderlich machen5. 38 Die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung setzt ferner voraus, dass die streitige Rechtsfrage in dem betreffenden Verfahren auch klärungsfähig ist. Hieran fehlt es, wenn sie nach den für den Bundesfinanzhof bindenden Feststellungen des Finanzgerichts nicht entscheidungserheblich wäre6, so z. B. wenn die Rechtsfrage die Begründetheit der Klage betrifft, die Klage aber als unzulässig abgewiesen wurde7. An der Entscheidungserheblichkeit fehlt es auch dann, wenn das Finanzgericht seine Entscheidung auch auf andere selbständige und für sich bereits tragende Erwägungen gestützt hat8. cc) Rechtsfortbildung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alt. FGO) 39 Der Zulassungsgrund „Rechtsfortbildung“ steht zwar selbständig neben dem der „grundsätzlichen Bedeutung“ und „der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung“ (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 bzw. § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alt. FGO). Hierbei handelt es sich aber um einen Spezialfall der „grundsätzlichen Bedeutung“ i. S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO9. Er liegt nur vor, wenn die Entscheidung über die Rechtsfrage im Allgemeininteresse zur Rechtsfortbildung beiträgt. Diese Voraussetzung ist dann erfüllt, wenn die Entscheidung über die betreffende Rechtsfrage bisher ungeklärt ist und der Einzelfall Veranlassung gibt, Leitsätze für die Auslegung gesetzlicher Vorschriften aufzustellen oder Gesetzeslücken auszufüllen10. Dass die
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1 BFH v. 19.5.2005 – IX B 98/06, BFH/NV 2005, 1829 m. w. N. 2 BFH v. 17.1.2006 – VIII B 172/05, BFH/NV 2006, 799. 3 BFH v. 8.2.2007 – IX B 107/06, BFH/NV 2007, 1098 und v. 20.10.2006 – IX B 52/05, BFH/NV 2007, 214. 4 BFH v. 8.2.2007 – XI B 70/06, BFH/NV 2007, 1071; Gräber/Ruban, § 115 Rz. 28. 5 BFH v. 2.3.2007 – IX B 144/06, BFH/NV 2007, 1120 und v. 4.5.1999 – IX B 38/99, BStBl. II 1999, 587. 6 BFH v. 8.4.2004 – VII B 110/03, BFH/NV 2004, 1310; Gräber/Ruban, § 115 Rz. 30. 7 BFH v. 19.2.2001 – VI B 35/99, BFH/NV 2001, 1032; Seer in Tipke/Kruse, § 115 FGO Rz. 52. 8 BFH v. 8.2.2000 – I B 61/99, BFH/NV 2000, 964. 9 BFH v. 28.12.2006 – III B 91/05, BFH/NV 2007, 864 und v. 27.1.2003 – II B 194/01, BFH/NV 2003, 792. 10 BFH v. 23.8.2002 – IV B 89/01, BFH/NV 2003, 177 m. w. N.; Seer in Tipke/Kruse, § 115 FGO Rz. 61; Gräber/Ruban, § 115 FGO Rz. 41.
300
Zulassung der Revision und Nichtzulassungsbeschwerde
Rz. 41 III
betreffende Rechtsfrage bislang höchstrichterlich noch nicht entschieden ist, reicht – für sich allein – noch nicht aus1 Eine – ergänzende – Rechtsfortbildung liegt vor, wenn eine Lücke im Gesetz vorhanden ist. Dies ist der Fall, wenn insoweit eine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes gegeben ist, d. h. „wenn das Gesetz, gemessen an seiner eigenen Absicht und immanenten Teleologie, unvollständig ist und die Ergänzung nicht etwa einer vom Gesetz gewollten Beschränkung auf bestimmte Tatbestände widerspricht“2). Im Übrigen gelten für die Revisionszulassung zur Rechtsfortbildung die gleichen Grundsätze hinsichtlich der Klärungsbedürftigkeit, Klärungsfähigkeit/Entscheidungserheblichkeit und über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der betreffenden Rechtsfrage wie für den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung. dd) Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alt. FGO) Gem. § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alt. FGO ist eine Revision auch dann zuzulassen, 40 wenn die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert. Mit dem Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung sollen Unterschiede in der Rechtsanwendung durch die Gerichte vermieden bzw. beseitigt werden3. Es reicht aus, dass das Finanzgericht bei seiner Entscheidung über eine Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Gerichts abweicht. Hierunter fallen alle Gerichte, nicht nur die Finanzgerichte4. Dabei kann von einer Divergenz nur dann ausgegangen werden, wenn in den 41 divergierenden Entscheidungen über vergleichbare Sachverhalte und eine identische Rechtsfrage unterschiedliche Rechtsauffassungen vertreten wurden5. Das Finanzgericht muss seiner Entscheidung einen abstrakten Rechtssatz zu Grunde gelegt haben, der mit den tragenden Rechtsausführungen in der Divergenzentscheidung nicht übereinstimmt6. Eine Abweichung in der Würdigung von Tatsachen genügt nicht7. Zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung wird eine Revision dann nicht erforderlich sein, wenn das Finanzgericht von der Rechtsprechung des betreffenden Gerichts ausgeht, deren Voraussetzungen aber wegen der Besonderheiten des Einzelfalls verneint8.
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1 BFH v. 27.3.2006 – VIII B 131/06, BFH/NV 2006, 2122. 2 BFH v. 13.7.1989 – V R 110 – 112/84, BStBl. II 1989, 1036; Beermann in Beermann/Gosch, § 115 FGO Rz. 112. 3 Vgl. BT-Drucks. 14/3750, Seite 75. 4 So Seer in Tipke/Kruse, § 115 FGO Rz. 64; Beermann in Beermann/Gosch, § 115 FGO Rz. 117; a. A. Gräber/Ruban, § 115 FGO Rz. 49, die eine Abweichung nur von höchstrichterlichen Entscheidungen einschließlich finanzgerichtlicher Entscheidungen und Entscheidungen des BVerfG sowie des EuGH verlangen. 5 BFH v. 3.4.2007 – VIII B 60/06, BFH/NV 2007, 1341; Gräber/Ruban, § 115 FGO Rz. 58. 6 BFH v. 12.10.2006 – VI B 154/05, BFH/NV 2007, 51. 7 BFH v. 12.10.2006 – VI B 154/05, BFH/NV 2007, 51 und v. 4.8.1993 – II B 175/92, BFH/ NV 1994, 718. 8 Vgl. BFH v. 28.4.1994 – X B 313/93, BFH/NV 1995, 124 zum Zulassungsgrund der Divergenz.
301
III Rz. 42
Revision
Empfehlung: Eine Nichtzulassungsbeschwerde kann auch darauf gestützt werden, dass das Urteil von einer Entscheidung eines anderen Gerichts abweicht, die erst nach dem Urteil des Finanzgerichts ergangen ist oder bekannt wurde1. Es kommt nämlich nicht darauf an, ob das Finanzgericht bewusst oder unbewusst von einer Entscheidung eines anderen Gerichts abgewichen ist. Maßgebend für die Beurteilung der Rechtslage ist der Stand der Rechtsprechung im Zeitpunkt der Entscheidung über die Zulassung der Revision. Frühere Entscheidungen, die durch neuere Rechtsprechung – im Zeitpunkt der Entscheidung über die Revisionszulassung – bereits überholt sind, können deshalb zur Begründung einer Divergenz nicht herangezogen werden2. 42 Auch schwerwiegende Fehler bei der Auslegung revisiblen Rechts (sog. qualifizierte Rechtsanwendungsfehler) können die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alt. FGO rechtfertigen, wenn sie geeignet sind, das Vertrauen in die Rechtsprechung zu beschädigen. Es muss sich um einen offensichtlichen formellen oder materiellen Rechtsfehler des Finanzgerichts handeln von erheblichem Gewicht i. S. einer willkürlichen oder greifbar gesetzeswidrigen Entscheidung3. Hiervon kann nur dann ausgegangen werden, wenn das Finanzgericht die Rechtslage in eklatanter Weise verkannt hat und seine Entscheidung unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt vertretbar erscheint4. Dies kann z. B. der Fall sein, wenn das Finanzgericht eine offensichtlich einschlägige entscheidungserhebliche Rechtsnorm übersehen hat5. Eine lediglich fehlerhafte Umsetzung von Rechtsprechungsgrundsätzen auf die Besonderheiten des Einzelfalls reicht hierfür nicht aus6. Von einer willkürlichen Entscheidung kann auch dann nicht gesprochen werden, wenn sich das Gericht mit der Rechtslage eingehend auseinander setzt und seine Rechtsauffassung nicht jeder Rechtsgrundlage entbehrt bzw. noch als vertretbar erscheint7. ee) Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) 43 Gem. § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Mit diesem Revisionszulassungsgrund soll gewährleistet werden, dass ein korrektes Verfahren eingehalten wird. Er dient dem Schutz des rechtsuchenden Bürgers vor einer rechtsfehlerhaften Durchführung des finanzgerichtlichen Verfahrens. Hier geht es also nicht in erster Linie um eine „richtige“ Entscheidung des Finanzgerichts, sondern vielmehr um die Beachtung der verfahrensrechtlichen Vorschriften der FGO, falls auf deren Verletzung oder Nichtbeachtung die Entscheidung des Finanzgerichts beruhen kann.
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1 Vgl. BFH v. 29.7.1976 – V B 10/76, BStBl. II 1976 684; Gräber/Ruban, § 115 FGO Rz. 51, 57; Seer in Tipke/Kruse, § 115 FGO Rz. 68. 2 Vgl. BFH v. 30.8.1995 – II B 23/95, BFH/NV 1996, 162. 3 BFH v. 19.1.22002 – IX B 79/02, BFH/NV 2003, 501 m. w. N.; Seer in Tipke/Kruse, § 115 FGO Rz. 75 ff. 4 BFH v. 21.5.2004 – III B 107/03, BFH/NV 2004, 1220. 5 So BFH v. 28.7.2003 – V B 72/02, BFH/NV 2003, 1597. 6 BFH v. 14.3.2007 – VIII B 131/06, BFH/NV 2007, 1176 und v. 17.1.2006 – VIII B 172/05, BFH/NV 2006, 799. 7 BFH v. 13.10.2004 – IV B 122/02, BFH/NV 2005, 341 und v. 30.8.2001 – IV B 79 – 80/01, BStBl. II 2001, 837.
302
Zulassung der Revision und Nichtzulassungsbeschwerde
Rz. 45 III
Verfahrensfehler sind Verstöße gegen das finanzgerichtliche Verfahren betreffen- 44 de gesetzliche Vorschriften, also Verstöße gegen Vorschriften des Gerichtsverfahrensrechts. Hierunter fallen also nicht Fehler im Verwaltungsverfahren bzw. außergerichtlichen Vorverfahren1. Solche Verfahrensfehler sind u. a., dass – das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; – bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen der Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war2; – ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, außer wenn er der Prozessführung ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat; – das Urteil auf eine mündliche Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind oder – die Entscheidung nicht mit Gründen versehen ist3. Weitere Verfahrensmängel, die häufig gerügt werden, sind folgende: – Abweisung der Klage zu Unrecht als unzulässig4; – Verletzung der Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung durch unterbliebene Beweiserhebung bzw. Übergehen eines Beweisantrags5; – Einwendungen gegen die Richtigkeit und Vollständigkeit des im Urteil des Finanzgerichts festgestellten Tatbestandes; diese Rüge greift allerdings nur dann, wenn der Tatbestand gänzlich fehlt oder als Grundlage für die rechtlichen Schlussfolgerungen des FG völlig unzureichend ist6; – vorweggenommene Beweiswürdigung7; – Verletzung des rechtlichen Gehörs8; allerdings kann dieses Rügerecht durch rügelose Verhandlung zur Hauptsache verloren gehen (vgl. III Rz. 48); – Verstoß gegen die prozessuale Fürsorgepflicht9 und Hinweispflicht10. Eine möglicherweise fehlerhafte Beweiswürdigung durch das Finanzgericht stellt 45 keinen Verfahrensmangel dar; denn die Grundsätze der Beweiswürdigung sind dem materiellen Recht, nicht dem Verfahrensrecht zuzuordnen. Dazu rechnet auch die Frage, ob im Einzelfall ein Beweis des ersten Anscheins erschüttert ist11.
__________ 1 BFH v. 9.1.2.2003 – III B 135/03, BFH/NV 2004, 339 und v. 29.11.2001 – VI B 67/01, BFH/NV 2002, 525. 2 Vgl. BFH v. 3.5.2000 – IV B 46/99, BStBl. II 2000, 376. 3 BFH v. 23.12.2002 – III B 77/02, BFH/NV 2002, 502. 4 BFH v. 11.1.2007 – VII B 262/06, BFH/NV 2007, 1142. 5 BFH v. 15.3.2007 – IX B 234/06, BFH/NV 2007, 1179 und v. 27.10.2004 – XI B 182/02, BFH/NV 2005, 564. 6 BFH v. 27.2.2007 – III B 84/06, BFH/NV 2007, 1136. 7 BFH v. 23.12.2002 – III B 77/02, BFH/NV 2002, 502 und v. 26.1.2001 – VI B 156/00, BFH/NV 2001, 808. 8 BFH v. 9.1.2007 – VII B 134/05, BFH/NV 2007, 1141; vgl. III Rz. 122 ff., allgemein zur Verletzung des rechtlichen Gehörs. 9 Vgl. BFH v. 1.2.2001 – XI B 11/00, BFH/NV 2001, 811. 10 BFH v. 9.12.2003 – III B 135/03, BFH/NV 2004, 339. 11 St. Rspr., vgl. u. a. BFH v. 4.6.2004 – VI B 256/01, BFH/NV 2004, 1416 und v. 23.4.1992 – VIII B 49/90, BStBl. II 1992, 671; Gräber/Ruban, § 115 FGO Rz. 82.
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III Rz. 46
Revision
Die Verletzung materiellen Rechts kann eine Revisionszulassung nur rechtfertigen, wenn die Voraussetzungen des § 115 Ab.2 Nr. 1 und/oder Nr. 2 FGO gegeben sind. 46 Gem. § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO ist eine Revision wegen eines Verfahrensmangels nur dann zulässig, wenn der Verfahrensmangel auch tatsächlich vorliegt. Das ist z. B. nicht der Fall, wenn der Verfahrensmangel nur vorgeschoben ist oder es hierauf nach der Rechtsauffassung des Finanzgerichts nicht ankam1. 47 Nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO muss das Urteil außerdem auf dem Verfahrensmangel beruhen können. Dies ist der Fall, wenn die Möglichkeit besteht, dass die Entscheidung bei richtigem Verfahren anders ausgefallen wäre; dabei kommt es auf die Rechtsauffassung des Finanzgerichts – mag sie richtig oder falsch sein – an2. Deshalb liegt z. B. ein Verfahrensfehler durch unterlassene Beweiswürdigung dann nicht vor, wenn das Beweisthema nach der Rechtsauffassung des Finanzgerichts nicht entscheidungserheblich ist3. 48 Verfahrensmängel, auf deren Rüge im finanzgerichtlichen Verfahren wirksam verzichtet werden kann und verzichtet worden ist, können mit der Nichtzulassungsbeschwerde nicht mehr geltend gemacht werden. Hierzu gehört u. a. das Übergehen eines Beweisantrags4, die Verletzung der Amtsermittlungspflicht bzw. Sachverhaltsaufklärungspflicht5, die Einhaltung der Ladungsfrist6, die Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme z. B. durch die Vernehmung eines Zeugen durch den beauftragten Richter7 sowie der Anspruch auf rechtliches Gehör8. Beispiel: Den Verfahrensbeteiligten war bis zur mündlichen Verhandlung nicht mitgeteilt worden, dass das Gericht die Strafakten des Amtsgerichts beigezogen hatte. Dies allein begründet jedoch keine Verletzung des rechtlichen Gehörs. Auf die Geltendmachung eines solchen Verfahrensmangels kann nämlich gem. § 155 FGO i. V. m. § 295 ZPO verzichtet werden. Wird der Verstoß gegen Vorschriften des Prozessrechts gerügt, auf deren Beachtung die Beteiligten verzichten können, muss in der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde vorgetragen werden, dass der Beschwerdeführer den Fehler bei nächster sich bietender Gelegenheit vor dem Finanzgericht gerügt hat oder weshalb eine solche Rüge nicht möglich gewesen ist. Dem Kläger bleibt es auch in diesen Fällen unbenommen, während der mündlichen Verhandlung die Akten einzusehen und, falls ihm die Zeit nicht ausreichen oder der Aktenumfang eine ordnungsgemäße Einsichtnahme nicht erlauben sollte, eine Vertagung der Streitsache zu beantragen.
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1 BFH v. 4.11.1993 – VII B 141/93, BFH/NV 1994, 642; vgl. auch Gräber/Ruban, § 115 FGO Rz. 94. 2 BFH v. 11.1.2007 – VII B 262/06, BFH/NV 2007, 1142 und v. 28.6.2002 – III B 41/02, BFH/NV 2002, 1337. 3 BFH v. 26.1.2001 – VI B 265/00, BFH/NV 2001, 809; Gräber/Ruban, § 115 FGO Rz. 79. 4 Vgl. BFH v. 19.1.2005 – VII B 61/04, BFH/NV 2005, 921. 5 Vgl. BFH v. 17.3.2000 – VII B 1/00, BFH/NV 2000, 1125. 6 Vgl. BFH v. 17.12.1998 – VII B 239/97, BFH/NV 1999, 1093. 7 Vgl. BFH v. 17.12.1998 – VII B 239/97, BFH/NV 1999, 1093. 8 Vgl. BFH v. 20.8.1999 – VII B 4/99, BFH/NV 2000, 214.
304
Zulassung der Revision und Nichtzulassungsbeschwerde
Rz. 50 III
c) Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde Gem. § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO müssen in der Beschwerdebegründung die Voraus- 49 setzungen des § 115 Abs. 2 FGO dargelegt werden. Eine den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO genügende Begründung ist Zulässigkeitsvoraussetzung der Nichtzulassungsbeschwerde1. Eine Darlegung der Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO erfordert, dass der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde zu entnehmen sein muss, auf welchen Zulassungsgrund die Beschwerde gestützt wird und dass die Voraussetzungen dieses Zulassungsgrundes gegeben sind. Dazu müssen zumindest die in dieser Vorschrift genannten Tatbestandsmerkmale in der Beschwerdebegründung näher erläutert werden. Allgemeine Ausführungen genügen nicht. Erforderlich sind substantiierte und in sich schlüssige Ausführungen zu den Voraussetzungen des betreffenden Zulassungsgrundes2. Dazu ist eine substantiierte Darstellung der Klärungsbedürftigkeit einer bestimmten Rechtsfrage, die voraussichtlich im konkreten Fall auch klärbar ist, erforderlich. Dabei muss es um die Klärung einer zweifelhaften oder umstrittenen Rechtslage gehen. Deshalb muss sich der Beschwerdeführer insbesondere mit der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, Äußerungen im Schrifttum sowie ggf. veröffentlichten Verwaltungsmeinungen auseinandersetzen. Gibt es zu der streitigen Rechtsfrage bereits Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs und Äußerungen im Fachschrifttum, ist eine grundlegende Auseinandersetzung damit notwendig sowie eine Darlegung, weshalb hierdurch die Rechtsfrage noch nicht als geklärt anzusehen ist3. Zu den Anforderungen an die Darlegung der Zulassungsgründe im Einzelnen: aa) Grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) Die Darlegung dieses Zulassungsgrundes erfordert substantiierte Ausführungen 50 zur Klärungsbedürftigkeit einer hinreichend bestimmten Rechtsfrage, die im konkreten Fall auch klärbar ist und deren Beurteilung zweifelhaft oder umstritten ist. Ferner muss auf die Bedeutung der Klärung der konkreten Rechtsfrage für die Allgemeinheit eingegangen werden4. Das bedeutet im Einzelnen: – Zunächst muss herausgearbeitet und ausgeführt werden, um welche konkrete Rechtsfrage es geht, der grundsätzliche Bedeutung beigemessen werden soll. – Alsdann muss die Klärungsbedürftigkeit dieser Rechtsfrage substantiiert dargestellt werden. Das setzt voraus, dass die Beschwerdeschrift konkrete Ausführungen darüber enthält, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die betreffende Rechtsfrage umstritten ist. Hierzu muss sich der Beschwerdeführer insbesondere mit der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, den Äußerungen im Schrifttum sowie mit ggf. veröffentlichten Verwaltungsmeinungen auseinandersetzen5. Die Klärungsbedürftigkeit ist mit Einwendun-
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1 BFH v. 24.7.2002 – I B 154/01, BFH/NV 2003, 52 und v. 30.8.2001 – IV B 79, 80/01, BStBl. II 2001, 837. 2 BFH v. 24.7.2002 – I B 154/01, BFH/NV 2003, 53. 3 BFH v. 23.2.2007 – III B 17/06, BFH/NV 2007, 1117. 4 St. Rspr., vgl. BFH v. 11.4.2007 – II B 104/06, BFH/NV 2007, 1280 m. w. N. 5 Vgl. BFH v. 11.4.2007 – II B 104/06, BFH/NV 2007, 1280.
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III Rz. 51
Revision
gen gegen die Richtigkeit des angefochtenen Urteils nicht hinreichend dargetan1. Eine Rechtsfrage ist nicht klärungsbedürftig, wenn sie sich ohne weiteres aus dem Gesetz beantworten lässt oder wenn sie bereits durch eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs geklärt worden ist und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar gemacht werden, die eine erneute Überprüfung und Entscheidung durch den Bundesfinanzhof erforderlich machen2. – Außerdem muss ausgeführt werden, weshalb es in dem angestrebten Revisionsverfahren auf die Klärung der betreffenden Rechtsfrage ankommt und dem Revisionsgericht eine Klärung möglich ist. Die betreffende Rechtsfrage muss für den Streitfall entscheidungserheblich sein3. – Schließlich muss das allgemeine Interesse an der Klärung der Rechtsfrage dargestellt werden. Hierzu ist ein konkreter und substantiierter Vortrag erforderlich, aus welchen Gründen im Einzelnen die Klärung der Rechtsfrage aus Gründen der Rechtssicherheit, Rechtseinheitlichkeit und/oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt4. Dazu sollte substantiiert darauf eingegangen werden, ob die Rechtsfrage in der Literatur unterschiedlich beantwortet wird und/oder ob abweichende Verwaltungsauffassungen existieren.
bb) Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alt. FGO) 51 Dieser Zulassungsgrund dient dem Allgemeininteresse an einer Weiterentwicklung des Rechts (vgl. III Rz. 39) und ist ein Spezialfall der Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung5. – Auch hier muss zunächst die streitentscheidende konkrete Rechtsfrage herausgearbeitet werden. – Alsdann muss im Einzelnen dargelegt werden, dass die Rechtsfrage bislang ungeklärt ist, der Einzelfall Veranlassung gibt, Grundsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder des Verfahrensrechts aufzustellen oder Gesetzeslücken rechtsschöpferisch auszufüllen6. Hinsichtlich der weiteren Anforderungen an die Beschwerdebegründung kann im Wesentlichen auf die entsprechenden Ausführungen zur Grundsatzrevision verwiesen werden (vgl. III Rz. 50).
cc) Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alt. FGO) 52 Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erforderlich ist, um eine einheitliche Rechtsprechung sicherzustellen (vgl.
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BFH v. 5.12.2006 – VIII B 4/06, BFH/NV 2007, 490. BFH v. 15.12.2000 – IX B 91/00, BFH/NV 2001, 795. BFH v. 31.1.2007 – IV B 140/05, BFH/NV 2007, 1105. BFH v. 6.3.2007 – XI B 165/06, BFH/NV 2007, 1130. Gräber/Ruban, § 116 FGO Rz. 38. Vgl. BFH v. 3.4.2007 – VIII B 110/06, BFH/NV 2007, 1273.
306
Zulassung der Revision und Nichtzulassungsbeschwerde
Rz. 54 III
III Rz. 40). Bei der Darlegung sind dementsprechend folgende Aspekte zu berücksichtigen: – Auch hier ist zunächst die entscheidungserhebliche Rechtsfrage herauszuarbeiten und darzulegen. – Alsdann sind Ausführungen notwendig, aus denen sich ergibt, dass eine höchstrichterliche Entscheidung dieser Frage erforderlich ist, um eine einheitliche Rechtsprechung zu sichern. Folglich muss sich aus der Beschwerdebegründung ergeben, dass es Unterschiede in der Rechtsprechung zu dieser Frage gibt oder dass sie zu erwarten sind. Das heißt: Es muss in der Beschwerdebegründung substantiiert dargelegt werden, inwieweit über eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage unterschiedliche Auffassungen bei den Gerichten bestehen oder welche sonstigen vergleichbaren Gründe eine höchstrichterliche Entscheidung gebieten. Wird eine Abweichung des angefochtenen FG-Urteils von einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs gerügt, müssen tragende und abstrakte Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil sowie aus der behaupteten Divergenzentscheidung des Bundesfinanzhofs herausgearbeitet und einander gegenüber gestellt werden, um die Abweichung zu verdeutlichen1. Die entsprechenden Entscheidungen müssen genau bezeichnet werden (Gericht, Datum, Aktenzeichen, ggf. Fundstelle). Es reicht nicht aus, lediglich zu rügen, das Finanzgericht habe bestimmte vom Bundesfinanzhofs aufgestellte Rechtsgrundsätze im konkreten Streitfall falsch angewendet2. Auch eine Divergenz in der tatsächlichen Würdigung oder Subsumtionsfehler reichen nicht aus3.
dd) Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) Soll die Revision auf einen Verfahrensmangel gestützt werden (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 53 FGO), muss bereits in der Nichtzulassungsbeschwerde der Verfahrensmangel genau bezeichnet sein. Der Beschwerdeführer muss erkennbar machen, welche Verfahrensvorschrift das Finanzgericht verletzt haben soll. Dazu müssen auch die Tatsachen angegeben werden, aus denen sich der Verfahrensmangel ergeben soll4. Fehlerhaft gerügte Prozessvorgänge sind deshalb genau und bestimmt zu beschreiben. Der Beschwerdeführer darf es nicht dem Gericht überlassen, die für die Verfahrensrügen notwendigen Tatsachen anhand der Akten zu ermitteln. Das bedeutet: Die Tatsachen, die den Verfahrensmangel ergeben, sind so vollständig anzugeben, dass es dem Revisionsgericht möglich ist, allein anhand der Beschwerdeschrift zu prüfen, ob der Verfahrensfehler vorliegt, wenn die Behauptungen des Beschwerdeführers zutreffen. Die vorgetragenen Tatsachen müssen – ihre Richtigkeit unterstellt – den gerügten Verfahrensmangel ergeben5. Die Ausführungen des Beschwerdeführers müssen auch erkennen lassen, dass das 54 angefochtene Urteil des Finanzgerichts auf dem gerügten Verfahrensmangel be-
__________ 1 BFH v. 16.12.2005 – IX B 38/05, BFH/NV 2006, 772 und v. 30.5.2005 – X B 149/04, BFH/ NV 2005, 1618. 2 BFH v. 21.8.2006 – X B 154/05, BFH/NV 2006, 2285. 3 BFH v. 16.12.2005 – IX B 38/05, BFH/NV 2006, 772. 4 BFH v. 19.1.2000 – II B 41/99, BFH/NV 2000, 1102; Gräber/Ruban, § 116 FGO Rz. 48. 5 BFH v. 29.10.2002 – IV B 98/01, BFH/NV 2003, 326.
307
III Rz. 55
Revision
ruhen kann. Hierzu muss er schlüssig vortragen, dass das angefochtene Urteil – bei Zugrundelegung der insoweit maßgeblichen, ggf. auch unrichtigen materiellrechtlichen Rechtsauffassung des Finanzgerichts möglicherweise anders ausgefallen wäre1. Empfehlung: Vielfach kann auf die Einhaltung verfahrensrechtlicher Vorschriften gem. § 155 FGO i. V. m. § 295 ZPO verzichtet werden, z. B. die Erhebung eines beantragten Beweises. In solchen Fällen gehört deshalb zur schlüssigen Rüge eines Verfahrensmangels auch die Darlegung, dass die Verletzung der betreffenden verzichtbaren Verfahrensvorschrift vor dem Finanzgericht ordnungsgemäß gerügt wurde oder aus welchen Gründen eine solche Rüge nicht möglich war2. Empfehlung: Soll eine unzureichende Sachverhaltsaufklärung zum Gegenstand einer Verfahrensrüge erhoben werden, sollte nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs3 unbedingt zu folgenden Punkten Stellung genommen werden:
55
– Welche Tatsachen das Finanzgericht auch ohne besonderen Antrag hätte aufklären müssen oder welche Beweise zu welchem Beweisthema es von Amts wegen hätte erheben müssen; – aus welchen – genau bezeichneten – Gründen sich dem Finanzgericht die Notwendigkeit einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts oder einer Beweiserhebung auch ohne einen entsprechenden Antrag hätte aufdrängen müssen; – inwiefern eine weitere Aufklärung des Sachverhalts auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des Finanzgerichts zu einer anderen Entscheidung hätte führen können.
d) Verfahren 56 Die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils (§ 116 Abs. 4 FGO). Eine Abhilfemöglichkeit des Finanzgerichts besteht nicht4. Nunmehr entscheidet ausschließlich der Bundesfinanzhof über die Zulässigkeit und Begründetheit der Nichtzulassungsbeschwerde (§ 116 Abs. 5 Satz 1 FGO). 57 Die Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfolgt durch Beschluss, der kurz begründet werden soll. Von einer Begründung kann gem. § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. 58 Wird mit der Nichtzulassungsbeschwerde mit Erfolg ein Verfahrensmangel i. S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO gerügt, kann der Bundesfinanzhof bereits in dem Be-
__________ 1 2 3 4
BFH v. 5.3.2007 – X B 146/05, BFH/NV 2007, 1125 m. w. N. BFH v. 10.2.2004 – VII B 224/03, BFH/NV 2004, 1060. BFH v. 19.3.2007 – X B 191/06, BFH/NV 2007, 1134. Gräber/Ruban, § 116 FGO Rz. 53.
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Zulassung der Revision und Nichtzulassungsbeschwerde
Rz. 62 III
schluss, in dem über die Nichtzulassungsbeschwerde entschieden wird, das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen (§ 116 Abs. 6 FGO). Hierdurch wird das Verfahren in den Fällen beschleunigt, in denen auch in einem anschließenden Revisionsverfahren nur eine Aufhebung und Zurückverweisung in Betracht gekommen wäre. Wird der Nichtzulassungsbeschwerde vom Bundesfinanzhof stattgegeben, so wird 59 das Beschwerdeverfahren automatisch als Revisionsverfahren fortgesetzt – außer in den o. g. Fällen des § 116 Abs. 6 FGO. Der Einlegung einer gesonderten Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht. Mit der Zustellung des Beschlusses beginnt für den Beschwerdeführer die Revisionsbegründungsfrist, für die übrigen Beteiligten die Revisions- und die Revisionsbegründungsfrist (§ 116 Abs. 7 FGO). Empfehlung: Bei der Nichtzulassungsbeschwerde sollte der Berater innerhalb 60 der zweimonatigen Begründungsfrist alle Nichtzulassungsgründe vollständig vortragen. Bei der Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde darf der Bundesfinanzhof nämlich nur die innerhalb der Begründungsfrist von nunmehr zwei Monaten ab Zustellung des vollständigen Urteils (§ 116 Abs. 3 Satz 1 FGO) vom Beschwerdeführer dargelegten oder bezeichneten Gründe berücksichtigen1. Für die Entscheidung, ob die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO für eine Revisionszulassung gegeben sind, kommt es auf den Zeitpunkt der Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde an2. Das Beschwerdeverfahren kann – außer durch einen Beschluss des Bundesfinanz- 61 hofs – auch durch eine Rücknahme beendet werden. Eine Zurücknahme der Beschwerde ist in entsprechender Anwendung des § 125 FGO (Zurücknahme einer Revision) zulässig3. In einem solchen Fall ist das Verfahren durch Beschluss einzustellen. Darüber hinaus kann das Beschwerdeverfahren auch durch übereinstimmende 62 Erledigungserklärungen beendet werden. Tritt z. B. während des Beschwerdeverfahrens ein erledigendes Ereignis ein (der angefochtene Bescheid wird vom beklagten Finanzamt z. B. zurückgenommen) und erklären daraufhin die Beteiligten den Rechtsstreit für in der Hauptsache erledigt, so werden das angefochtene Urteil und das Beschwerdeverfahren gegenstandslos; der Bundesfinanzhof hat nur noch über die Kosten des gesamten Rechtsstreits zu entscheiden4. Das Beschwerdeverfahren kann sich allerdings auch – unabhängig vom Hauptsacheverfahren – erledigen, z. B. dadurch, dass die als klärungsbedürftig angesehe-
__________ 1 BFH v. 24.4.2007 – X B 169/06, BFH/NV 2007, 1504; Gräber/Ruban, § 116 FGO Rz. 55; Seer in Tipke/Kruse, § 116 FGO Rz. 73. 2 BFH v. 6.7.1995 – III B 41/94, BFH/NV 1996, 299. 3 BFH v. 24.4.1995 – III B 27/95, BFH/NV 1995, 914; Seer in Tipke/Kruse, § 116 FGO Rz. 66. 4 BFH v. 21.8.2000 – IX B 123/99, BFH/NV 2001, 195; Seer in Tipke/Kruse, § 116 FGO Rz. 68.
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III Rz. 63
Revision
ne Rechtsfrage inzwischen in einem anderen Verfahren abschließend geklärt ist1. Auch hier muss das Beschwerdeverfahren für erledigt erklärt werden – zur Vermeidung einer Abweisung der Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig. 63 Auch eine einseitige Erledigungserklärung ist möglich. In diesem Fall entscheidet der Bundesfinanzhof lediglich noch über die Frage, ob sich das Verfahren erledigt hat. Wie im Klageverfahren (vgl. II Rz. 534) hat auch hier die Erledigungserklärung des Beschwerdeführers den Inhalt, festzustellen, dass das zunächst zulässige und begründete Rechtsmittel inzwischen gegenstandslos geworden sei. Der Beschwerdeführer geht also von seinem ursprünglichen Sachantrag (Zulassung der Revision) auf einen Feststellungsantrag über. Dieser Antrag hat Erfolg, wenn tatsächlich eine Erledigung eingetreten ist2. Empfehlung: Hat sich der Rechtsstreit tatsächlich in der Hauptsache erledigt (z. B. durch antragsgemäße Änderung oder Aufhebung des angefochtenen Bescheides) sollte zur Vermeidung von Kosten die Abgabe einer Erledigungserklärung geprüft werden. Wird der Rechtsstreit seitens des Beschwerdeführers nämlich nicht für erledigt erklärt, so wird die Nichtzulassungsbeschwerde wegen Wegfalls des Rechtsschutzinteresses unzulässig und muss auf Kosten des Beschwerdeführers abgewiesen werden3.
64
65–75 Einstweilen frei.
IV. Einlegung der Revision 1. Allgemeines 76 Eine Revision muss nur noch in den Fällen, in denen das Finanzgericht die Revision zugelassen hat, eingelegt werden. Hat nämlich das Finanzgericht die Revision nicht zugelassen, ist sie aber vom Bundesfinanzhof auf Nichtzulassungsbeschwerde hin zugelassen worden, wird das Beschwerdeverfahren gem. § 116 Abs. 7 FGO grundsätzlich automatisch als Revisionsverfahren weiter geführt. Einer Revisionseinlegung durch den – mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde erfolgreichen – Beschwerdeführer bedarf es nicht4. Eine Ausnahme besteht nur für den Fall, dass der Bundesfinanzhof das Urteil des Finanzgerichts gem. § 116 Abs. 6 FGO wegen eines Verfahrensmangels i. S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO aufgehoben und die Sache an das Finanzgericht zurückverwiesen hat (§ 116 Abs. 7 FGO; vgl. III Rz. 43 ff.). In diesem Fall ist das Verfahren vor dem Bundesfinanzhof beendet, das Finanzgericht hat erneut über den Fall zu entscheiden. Auf diese Rechtsfolgen werden die Beteiligten vom Bundesfinanzhof in dem entsprechenden Beschluss gem. § 116 Abs. 7 Satz 3 FGO hingewiesen.
__________ 1 2 3 4
BFH v. 18.3.1994 – III B 543/90, BStBl. II 1994, 473; Gräber/Ruban, § 116 FGO Rz. 74. BFH v. 3.4.2000 – I B 68/99, BFH/NV 2000, 1226; Gräber/Ruban, § 116 FGO Rz. 74. BFH v. 22.9.1999 – VII B 82/99, BFH/NV 2000, 335. Vgl. Rüsken in Beermann/Gosch, § 120 FGO Rz. 8.1.
310
Einlegung der Revision
Rz. 79 III
2. Adressat der Revision und Einlegungsfrist Die Revision ist gem. § 120 Abs. 1 Satz 1 FGO beim Bundesfinanzhof, nicht beim 77 Finanzgericht einzulegen. Durch die Revisionseinlegung beim Finanzgericht wird also die Revisionsfrist nicht gewahrt. Geht die Revision zwar innerhalb der Frist beim Finanzgericht ein, aber erst nach Fristablauf beim Bundesfinanzhof, so ist die Revision verspätet eingelegt und wird vom Bundesfinanzhof als unzulässig abgewiesen1. In diesem Fall kommt zwar eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Betracht (§ 56 FGO). Sie kann aber nicht darauf gestützt werden, dass der Revisionskläger nicht gewusst habe, dass die Revision beim Bundesfinanzhof einzulegen ist. Eine solche Rechtsunkenntnis schließt ein Verschulden i. S. des § 56 FGO nicht aus, zumal die Revision wirksam nur von einem Rechtskundigen eingelegt werden kann2. Die Revision ist gem. § 120 Abs. 1 Satz 1 FGO innerhalb eines Monats nach Zu- 78 stellung des vollständigen Urteils einzulegen. Die Frist beginnt erst mit der ordnungsgemäßen Zustellung des vollständigen Urteils. Zu einem vollständigen Urteil gehören neben Rubrum, Urteilsformel und Kostenentscheidung Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung. Inhaltliche Mängel in Tatbestand und/oder Entscheidungsgründen, die den absoluten Revisionsgrund des § 119 Nr. 6 FGO („die Entscheidung ist nicht mit Gründen versehen“ (vgl. III Rz. 130 ff.) begründen, haben nicht zur Folge, dass die Revisionsfrist nicht in Lauf gesetzt wird; d. h. trotz solcher Begründungsmängel wird die Revisionsfrist mit der Zustellung dieses Urteils in Lauf gesetzt3. Das gilt selbst dann, wenn in dem Urteil in unzulässiger Weise auf ein anderes Urteil Bezug genommen worden ist4. Auch die Berichtigung eines Urteils hat grundsätzlich keinen Einfluss auf den Lauf der Revisionsfrist, es sei denn, Tenor und Entscheidungsgründe widersprechen sich hinsichtlich der Zulassung der Revision5.
3. Form und Inhalt Gem. § 120 Abs. 1 Satz 1 FGO ist die Revision schriftlich einzulegen. Dies erfor- 79 dert grundsätzlich die eigenhändige (handschriftliche) Unterschrift des Prozessbevollmächtigten. Enthält der innerhalb der Revisionsfrist beim Bundesfinanzhof eingegangene Schriftsatz keine eigenhändige Unterschrift des Bevollmächtigten, sondern weist den Namen lediglich in Maschinenschrift aus, ist die Revision bereits aus diesem Grund unzulässig. Eine nach Ablauf der Revisionsfrist nachgereichte eigenhändig unterschriebene Ausfertigung der Revisionsschrift ist unbeachtlich und kann der Revision nicht mehr zur Zulässigkeit verhelfen6. Von einer eigenhändigen Unterschrift kann nur bei einem die Identität des Unterschreibenden ausreichend kennzeichnenden, individuellen Schriftzug ausge-
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Vgl. Rüsken in Beermann/Gosch, § 120 FGO Rz. 46, 51 ff. Gräber/Ruban, § 120 FGO Rz. 3; vgl. III Rz. 5 ff. Rüsken in Beermann/Gosch, § 120 FGO Rz. 72. BFH v. 31.7.1990 – VII R 60/89, BStBl. II 1990, 1071; Rüsken in Beermann/Gosch, § 120 FGO Rz. 72; Gräber/Ruban, § 120 FGO Rz. 23; a. A. Seer in Tipke/Kruse, § 120 FGO Rz. 22. 5 BFH v. 27.7.2004 – IX R 44/01, BFH/NV 2005, 188. 6 Rüsken in Beermann/Gosch, § 120 FGO Rz. 43.
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III Rz. 80
Revision
gangen werden. Diesen Anforderungen ist allerdings genügt, wenn der in diesem Sinne individuell gestaltete Schriftzug die Absicht einer vollen Unterschrift erkennen lässt, auch wenn er nur flüchtig geschrieben ist1. Eine bloße Paraphe reicht als Unterschrift nach wie vor nicht aus2. Die Schriftform ist auch gewahrt, wenn die Revision durch Telegramm, durch Fernschreiben, Telefax (wenn die Kopiervorlage ordnungsgemäß unterzeichnet ist) oder durch Computerfax mit eingescannter Unterschrift eingelegt ist. Enthält ein Computerfax den Zusatz, dass der benannte Urheber wegen der gewählten Übertragungsform nicht unterzeichnen kann, genügt dies nach einer neueren Entscheidung des Bundesfinanzhofs den Anforderungen an die Erfüllung der Schriftform3. Empfehlung: Es sollte darauf geachtet werden, dass die Revisionsschrift ordnungsgemäß und vorsorglich auch lesbar unterschrieben ist. Wegen des gem. § 62 Abs. 4 FGO vor dem Bundesfinanzhof geltenden Vertretungszwangs kann die Revision nur von einer vor dem Bundesfinanzhof vertretungsberechtigten Person wirksam eingelegt werden (vgl. III Rz. 5 ff.). Diese Person muss die Revisionsschrift deshalb auch unterzeichnen. 80 Die Revision muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Das geschieht regelmäßig durch Angabe des Gerichts, das die Entscheidung gefällt hat, des Urteilsdatums, des Aktenzeichens und der Sache, in der das Urteil ergangen ist. Es muss klar erkennbar und zweifelsfrei sein, gegen welche Entscheidung sich der Revisionskläger wendet und dass insoweit Irrtümer ausgeschlossen sind4. Mehr verlangt der Zweck der Vorschrift nicht. Diese Angaben müssen innerhalb der Revisionsfrist erfolgen. Außerdem müssen die Beteiligten des Revisionsverfahrens angegeben werden5. 81 Die Revisionsfrist ist eine Ausschlussfrist6. Ihre Versäumung hat deshalb grundsätzlich den Verlust der Revision zur Folge. In diesem Fall muss die Revision als unzulässig abgewiesen werden. Allerdings kann unter den Voraussetzungen des § 56 FGO eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Betracht kommen. Ist die Frist zur Einlegung der Revision schuldlos versäumt, darf Wiedereinsetzung aber nur dann gewährt werden, wenn die Einlegung der Revision innerhalb der Antragsfrist des § 56 Abs. 2 FGO (zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses) nachgeholt wird, innerhalb dieser Frist also die Revision beim Bundesfinanzhof eingeht7. 82–95 Einstweilen frei.
__________ 1 Vgl. BFH v. 2.8.2002 – IV R 14/01, BFH/NV 2002, 1604 und v. 16.3.1999 – X R 41/96, BStBl. II 1999, 565. 2 BFH v. 2.8.2002 – IV R 14/01, BFH/NV 2002, 1604. 3 BFH v. 9.11.2000 – I S 6/00, BFH/NV 2001, 479; vgl. im Einzelnen zur Wahrung der Schriftform auch II Rz. 57 ff. 4 BFH v. 25.2.1997 – VIII R 129/95, BFH/NV 1997, 542. 5 Gräber/Ruban, § 120 FGO Rz. 14; Rüsken in Beermann/Gosch, § 120 FGO Rz. 25. 6 Seer in Tipke/Kruse, § 120 FGO Rz. 18. 7 BFH v. 10.3.2000 – VII R 2/00, BFH/NV 2000, 1117; Gräber/Ruban, § 120 FGO Rz. 30; zur Wiedereinsetzung im Einzelnen vgl. auch II Rz. 401 ff.
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Begründung der Revision
Rz. 99 III
V. Begründung der Revision 1. Revisionsbegründungsfrist Die Revision ist gem. § 120 Abs. 2 FGO innerhalb von zwei Monaten nach Zu- 96 stellung des vollständigen Urteils zu begründen. Für den Beschwerdeführer beträgt die Begründungsfrist – bei erfolgreicher Nichtzulassungsbeschwerde – einen Monat nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Revision. Die Begründung ist – ebenso wie die Einlegung – beim Bundesfinanzhof einzureichen. Eine etwaige Einreichung beim Finanzgericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, reicht zur Fristwahrung nicht aus1. Die Revisionsbegründungsfrist ist keine Ausschlussfrist; sie ist verlängerbar. Sie 97 kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Senatsvorsitzenden verlängert werden (§ 120 Abs. 2 Satz 3 FGO). Ein Verlängerungsantrag, der erst nach Fristablauf beim Bundesfinanzhof eingeht, kann keinen Erfolg haben2. Hier kann nur ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand helfen. Allerdings: Eine Wiedereinsetzung wegen Versäumung der Begründungsfrist kommt nur unter Nachholung der versäumten Revisionsbegründung innerhalb der zweiwöchigen Wiedereinsetzungsfrist nach § 56 Abs. 2 FGO in Betracht3. Eine gesonderte Wiedereinsetzung hinsichtlich des verspäteten Antrags auf Fristverlängerung sieht das Gesetz nicht vor4. Der Antragsteller kann im Übrigen nicht darauf vertrauen, dass seinem Fristverlängerungsantrag auch stattgegeben wird. Deshalb empfiehlt es sich, sich rechtzeitig darüber zu informieren, ob der Antrag Erfolg hat und die Begründungsfrist verlängert wird. Schon aus Gründen der Rechtssicherheit sollte der Antrag auf Verlängerung der 98 Revisionsbegründungsfrist schriftlich gestellt werden5. Zwar enthält die FGO keine Vorschriften hinsichtlich der Begründung eines Fristverlängerungsantrags. Insoweit greifen aber über § 155 FGO die Vorschriften der ZPO ein, hier § 224 Abs. 2 ZPO. Danach müssen für eine Fristverlängerung erhebliche Gründe glaubhaft gemacht werden. Das können z. B. die besondere Schwierigkeit der Rechtslage, vorübergehende Arbeitsüberlastung des Prozessbevollmächtigten sein6. Die Begründungsfrist kann auch mehrfach verlängert werden7. Allerdings sollte 99 in solchen Fällen der – weitere – Fristverlängerungsantrag sorgfältig begründet werden.
__________ 1 Gräber/Ruban, § 120 FGO Rz. 38; Rüsken in Beermann/Gosch, § 120 FGO Rz. 113. 2 BFH v. 16.5.2000 – VII R 112/99, BFH/NV 2000, 1479 und v. 14.8.1997 – III R 35/96, BFH/NV 1998, 332; Seer in Tipke/Kruse, § 120 FGO Rz. 73. 3 BFH v. 27.10.2000 – V R 16/00, BFH/NV 2001, 608; Seer in Tipke/Kruse, § 120 FGO Rz. 74. 4 BFH v. 27.10.2000 – V R 16/00, BFH/NV 2001, 608. 5 Vgl. Seer in Tipke/Kruse, § 120 FGO Rz. 73; Rüsken in Beermann/Gosch, § 120 FGO Rz. 133. 6 Vgl. Rüsken in Beermann/Gosch, § 120 FGO Rz. 131. 7 Vgl. BFH v. 3.9.2002 – I R 59/01, BFH/NV 2003, 181; Gräber/Ruban, § 120 FGO Rz. 52; Rüsken in Beermann/Gosch, § 120 FGO Rz. 132; Seer in Tipke/Kruse, § 120 FGO Rz. 78.
313
III Rz. 100
Revision
2. Inhalt der Revisionsbegründung 100 Die Revisionsbegründung muss gem. § 120 Abs. 3 FGO inhaltlich Folgendes enthalten: – die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten und dessen Aufhebung beantragt wird (Revisionsanträge), – die Angabe der Revisionsgründe, und zwar – die bestimmte Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt; – soweit die Revision auf einen Verfahrensmangel gestützt wird: die Bezeichnung der Tatsachen, die den Mangel ergeben.
a) Revisionsantrag 101 § 120 Abs. 3 Nr. 1 FGO verlangt nicht zwingend einen förmlichen, ziffernmäßig bestimmten Antrag. Es reicht vielmehr aus, dass sich aus der Revisionsbegründung eindeutig ergibt, inwieweit sich der Revisionskläger durch das angefochtene Urteil beschwert fühlt und inwieweit er eine Änderung des angefochtenen Urteils des Finanzgerichts begehrt1. Es genügt, wenn auf die Anträge Bezug genommen wird, die beim Finanzgericht gestellt worden sind, falls das Finanzgericht die Klage in vollem Umfang abgewiesen hat2. Auch ein Antrag auf Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils entspricht noch den Anforderungen des § 120 Abs. 3 Nr. 1 FGO, wenn damit zum Ausdruck gebracht werden soll, dass eine Entscheidung nach dem vor dem FG gestellten Antrag begehrt wird3. 102 Bei einer Entscheidung des Finanzgerichts über mehrere Anträge ist eine genaue Bezeichnung dann notwendig, wenn die Anträge teils als unbegründet, teils als unzulässig zurückgewiesen sind. Das Gleiche gilt, wenn der Revisionskläger nur die Entscheidung des Finanzgerichts bzgl. eines von mehreren Anträgen mit der Revision angreifen will. Denn der Bundesfinanzhof als Revisionsgericht ist an den gestellten Revisionsantrag gebunden und in seiner Befugnis, das angefochtene Urteil materiell-rechtlich umfassend zu überprüfen (§ 118 Abs. 3 Satz 2 FGO), beschränkt4. 103 Enthält die Revisionsschrift keinen bestimmten Antrag und kann auch aus der Revisionsbegründung im Wege der Auslegung kein eindeutiger Antrag entnommen werden, so ist die Revision allein aus diesem Grund unzulässig5. 104
Empfehlung: Der Revisionsantrag muss innerhalb der Revisionsbegründungsfrist gestellt werden. Anders als im Verfahren vor dem FG kann ein wirk-
__________ 1 BFH v. 4.8.2004 – II R 33/03, BFH/NV 2005, 241 und v. 4.11.1997 – VIII R 19/95, BFH/NV 1998, 1094. 2 Vgl. Seer in Tipke/Kruse, § 120 FGO Rz. 95. 3 Vgl. Seer in Tipke/Kruse, § 120 FGO Rz. 95; Gräber/Ruban, § 120 FGO Rz. 54. 4 BFH v. 11.4.1991 – V R 86/85, BStBl. II, 1991, 729; Seer in Tipke/Kruse, § 120 FGO Rz. 96; Gräber/Ruban, § 120 FGO Rz. 54. 5 BFH v. 19.11.1990 – VIII R 146/85, BFH/NV 1991, 333; Gräber/Ruban, § 120 FGO Rz. 55.
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Begründung der Revision
Rz. 107 III
samer Revisionsantrag nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist nicht mehr nachgeholt werden1. Eine Erweiterung des Klageantrags im Revisionsverfahren gegenüber der 1. In- 105 stanz ist gem. § 123 Abs. 1 FGO unzulässig. Das Wesen des Revisionsverfahrens besteht darin, die Rechtmäßigkeit der finanzgerichtlichen Entscheidung zu überprüfen. Eine solche Entscheidung liegt aber nur insoweit vor, als über den Klageantrag entschieden worden war. Über ein Begehren, das erstmals in der Revisionsinstanz durch Erweiterung des Klageantrages anhängig gemacht wird, ist gerichtlich noch nicht entschieden, so dass es insoweit an einem Gegenstand der revisionsgerichtlichen Nachprüfung fehlt2. Hiervon zu unterscheiden ist eine Erweiterung des Revisionsantrags. Sie ist zulässig, wenn sie innerhalb der Revisionsbegründungsfrist erfolgt. Denn die Rechtskraft des angefochtenen Urteils wird durch die Einlegung der Revision in vollem Umfang gehemmt3. Demgegenüber ist eine Einschränkung des Revisionsantrags jederzeit, also auch nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist zulässig4.
b) Revisionsgründe Gem. § 120 Abs. 3 Nr. 2a FGO muss die Revisionsbegründung die Umstände be- 106 stimmt bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt. Zur hinreichend bestimmten Bezeichnung dieser Umstände muss die erhobene Rüge eindeutig erkennen lassen, – welche Norm der Revisionskläger für verletzt und – aus welchen Gründen tatsächlicher oder rechtlicher Art er das erstinstanzliche Urteil für unrichtig hält. Das folgt aus dem Sinn und Zweck des § 120 Abs. 3 Nr. 2a FGO, das Revisionsgericht zu entlasten und den Revisionskläger zu zwingen, Inhalt, Umfang und Zweck des Revisionsangriffs von vornherein klarzustellen5. Die erhobene Rüge muss zwar nicht unbedingt durch Angabe eines bestimmten Paragraphen gekennzeichnet werden. In jedem Fall muss aber eindeutig aus der Revisionsschrift oder der Revisionsbegründung erkennbar sein, welche Norm der Revisionskläger für verletzt hält6. Darüber hinaus muss der Revisionskläger die Gründe rechtlicher oder tatsäch- 107 licher Art angeben, die nach seiner Auffassung das erstinstanzliche Urteil als unrichtig erscheinen lassen. Hierzu bedarf es zumindest einer kurzen Auseinandersetzung mit den Gründen des FG-Urteils, die aus sich selbst heraus erkennen
__________ 1 BFH v. 19.11.1990 – VIII R 146/85, BFH/NV 1991, 333; Gräber/Ruban, § 120 FGO Rz. 55; Seer in Tipke/Kruse, § 120 FGO Rz. 98. 2 Vgl. BFH v. 12.9.1995 – IX R 78/94, BStBl. II 1996, 16; Gräber/Ruban, § 123 FGO Rz. 1. 3 BFH v. 22.4.1986 – VIII R 87/85, BFH/NV 1986, 690; Gräber/Ruban, § 120 FGO Rz. 56. 4 BFH v. 25.6.2002 – IX R 47/98, BStBl. II 2002, 756. 5 BFH v. 24.6.2003 – IX R 28/01, BFH/NV 2004, 1383; Seer in Tipke/Kruse, § 120 FGO Rz. 107. 6 BFH v. 25.6.2003 – X R 66/00, BFH/NV 2004, 19 und v. 1.6.1994 – II R 124/90, BFH/NV 1995, 128.
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III Rz. 108
Revision
lässt, dass der Revisionskläger die Begründung des angefochtenen Urteils und sein bisheriges Vorbringen überprüft hat. Allgemeine Hinweise auf Rechtsverletzungen durch das angefochtene Urteil oder generelle Bezugnahmen auf im finanzgerichtlichen Verfahren oder gar im außergerichtlichen Vorverfahren eingereichte Schriftsätze reichen nicht aus1. Demgemäß muss sich der Revisionskläger mit den tragenden Gründen des finanzgerichtlichen Urteils auseinander setzen und darlegen, weshalb er diese für unrichtig hält2. Aus der Revisionsbegründung muss feststellbar sein, dass der Revisionskläger seine bisherige Rechtsauffassung anhand der Urteilsbegründung des Finanzgerichts überprüft hat. Dazu reicht eine Bezugnahme auf das Vorbringen im Klageverfahren in der Regel nicht aus3. Empfehlung: In der Revisionsbegründung sollte in jedem Fall Folgendes dargelegt werden: – welche Rechtsnorm konkret das FG verletzt haben soll; – welche entscheidungserheblichen Ausführungen des Finanzgerichts aus welchen Gründen unrichtig sein sollen; – welche Punkte des angefochtenen Urteils als änderungsbedürftig angesehen werden und – aus welchen Gründen im Einzelnen die Änderung für geboten erachtet wird4. Empfehlung: Ist das Urteil des Finanzgerichts auf mehrere von einander unabhängige, selbständig tragfähige rechtliche Erwägungen gestützt, so muss in der Revisionsbegründung für jede dieser Erwägungen formgerecht dargelegt werden, weshalb sie nach Auffassung des Revisionsklägers das angefochtene Urteil nicht trägt5.
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3. Revisionsgründe im Einzelnen a) Rechtsverletzung 109 Gem. § 118 Abs. 1 FGO kann die Revision nur darauf gestützt werden, dass das angefochtene Urteil auf der Verletzung revisiblen Rechts beruht. Revisibel ist grundsätzlich nur Bundesrecht; in Ausnahmefällen, auf die hier nicht näher eingegangen werden soll, weil sie in der Praxis nur selten vorkommen, auch Landesrecht (vgl. § 118 Abs. 1 Satz 2 FGO). 110 Bundesrecht i. S. des § 118 Abs. 1 Satz 1 FGO sind – das Grundgesetz, – die förmlichen Bundesgesetze (z. B. Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Umsatzsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, Bewertungsgesetz usw.); – die Rechtsverordnungen von Bundesbehörden, einschließlich der Rechtsverordnungen bundesunmittelbarer Körperschaften;
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BFH v. 25.6.2003 – X R 66/00, BFH/NV 2004, 19; Gräber/Ruban, § 120 FGO Rz. 61. BFH v. 27.11.2003 – VII R 49/03, BFH/NV 2004, 521. BFH v. 19.10.2000 – VI R 73/00, BFH/NV 2001, 333. Vgl. BFH v. 11.3.1999 – XI R 101/96, BFH/NV 1999, 1228. BFH v. 11.3.1999 – XI R 101/96, BFH/NV 1999, 1228.
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Begründung der Revision
Rz. 112 III
– Gewohnheitsrecht – dabei handelt es sich um Normen des Bundesrechts, die sich durch ständige, über längere Zeit bestehende, einheitliche Übung gebildet haben und vor dem einheitlichen Rechtsbewusstsein der beteiligten Personenkreise als Rechtsüberzeugung bestätigt worden sind1; – die allgemeinen Regeln des Völkerrechts (Art. 25 Satz 1 GG); – das gem. Art. 59 Abs. 2 GG transformierte Völkerrecht, d. h. völkerrechtliche Verträge, insbesondere Doppelbesteuerungsabkommen; – das Recht der Europäischen Gemeinschaften, da es im ganzen Bundesgebiet gilt; – allgemeine Rechtsgrundsätze und Rechtsprinzipien, soweit sie in den Bereich der Rechtsetzungskompetenz des Bundes fallen; – Auslegungsregeln, soweit sie der Auslegung von Bundesrecht dienen; hierzu rechnen vor allem die gesetzlichen Auslegungsregeln, die Denkgesetze und Erfahrungssätze2. Kein Bundesrecht i. S. des § 118 Abs. 1 Satz 1 FGO sind Verwaltungsvorschriften 111 des Bundes. Verwaltungsvorschriften sind grundsätzlich weder für den Bürger noch für die Gerichte als Rechtsnorm verbindlich3. Ausnahmsweise hat die Rechtsprechung die Revisibilität von Verwaltungsvorschriften dann anerkannt, wenn sie mehr als bloße Dienstanweisungen sind, und eine im Gesetz nur allgemein festgelegte Rechtspflicht durch bestimmte, für alle gleich liegenden Fälle geltenden Regeln konkretisieren und damit das der Verwaltung eingeräumte Beurteilungs- bzw. Entscheidungsermessen mit Wirkung nach außen festlegen, wie z. B. Pauschalierungsregelungen4. Die Revision kann nur darauf gestützt werden, dass das Urteil geltendes revi- 112 sibles Recht (materielles Recht oder Verfahrensrecht) verletzt. Das heißt: Der Revisionskläger muss in der Revisionsbegründung darlegen, dass das Finanzgericht in dem angefochtenen Urteil das Recht auf den festgestellten Sachverhalt falsch angewendet oder nicht angewendet hat5. Entsprechend den oben dargestellten Grundsätzen liegt eine Rechtsverletzung auch dann vor, wenn das Finanzgericht beispielsweise die Willenserklärung der Beteiligten unrichtig ausgelegt hat, weil es die gesetzlichen Auslegungsregeln der §§ 133, 157 BGB nicht beachtet oder gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen hat. Denn der Bundesfinanzhof ist an einen vom Finanzgericht angenommenen Erfahrungssatz nicht gem. § 118 Abs. 2 FGO gebunden, weil es sich bei der Ermittlung solcher allgemeinen Erfahrungssätze nicht um eine dem Tatrichter vorbehaltene Würdigung von Tatsachen und Beweisergebnissen, sondern um Rechtsanwendung handelt6. Auch der Anscheinsbeweis ist eine vom Revisionsgericht zu überprüfende rechtliche Wertung und keine – nicht revisible – reine Beweiswürdigung7.
__________ 1 2 3 4
Seer in Tipke/Kruse, § 118 FGO Rz. 14; Gräber/Ruban, § 118 FGO Rz. 13. BFH v. 11.2.1981 – I R 13/77, BStBl. II 1981, 475. BFH v. 9.7.2003 – I R 48/02, BStBl. II 2004, 425. BFH v. 9.7.2003 – I R 48/02, BStBl. II 2004, 425 und v. 20.3.1980 – IV R 11/76, BStBl. II 1980, 455. 5 Vgl. Seer in Tipke/Kruse, § 118 FGO Rz. 31; Beermann in Beermann/Gosch, § 118 FGO Rz. 19. 6 BFH v. 20.7.1999 – VII R 111/98, BStBl. II 1999, 803; Gräber/Ruban, § 118 FGO Rz. 28. 7 BFH v. 8.7.1998 – I R 17/96, BFH/NV 1999, 242.
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III Rz. 113
Revision
113 Wichtig ist, dass das angefochtene Urteil auf der Rechtsverletzung beruhen muss (vgl. § 118 Abs. 1 Satz 1 FGO). Das heißt: Es muss die Möglichkeit gegeben sein, dass das Gericht ohne die Rechtsverletzung zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre1. Hieraus folgt, dass die Rechtsverletzung dann unerheblich ist, wenn das Urteil sich aus anderen als den von dem Finanzgericht angefügten Gründen als richtig erweist (vgl. § 126 Abs. 4 FGO). In diesem Fall ist die Revision als unbegründet zurückzuweisen, obwohl sich aus den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils ergibt, dass eine Verletzung des bestehenden Rechts gegeben ist.
b) Bindung an die tatsächlichen Feststellungen 114 Für die Praxis von besonderer Bedeutung ist die Vorschrift des § 118 Abs. 2 FGO: Danach ist der Bundesfinanzhof an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden. Der Überprüfung durch das Revisionsgericht kann also nur der Sachverhalt zugewiesen werden, der dem Urteil des Finanzgerichts zu Grunde gelegen hat. Der Bundesfinanzhof darf keine Tatsachen berücksichtigen oder seiner Entscheidung zu Grunde legen, die nicht in dem finanzgerichtlichen Urteil festgestellt sind. Das bedeutet: Die Beteiligten können im Revisionsverfahren grundsätzlich keine neuen Tatsachen mehr vortragen2. Dabei ist es unerheblich, ob die tatsächlichen Feststellungen des Finanzgerichts im Tatbestand oder in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils enthalten sind3. Zu den tatsächlichen Feststellungen gehören auch Schlussfolgerungen tatsächlicher Art, die das Finanzgericht auf der Grundlage des von ihm festgestellten Sachverhalts im Rahmen der ihm obliegenden Tatsachenwürdigung vorgenommen hat. Dabei haben die Schlussfolgerungen des Finanzgerichts schon dann Bestand, wenn sie zwar nicht zwingend, aber möglich sind4. Die Würdigung des Finanzgerichts darf allerdings weder gegen Denkgesetze noch gegen allgemeine Erfahrungssätze verstoßen; insoweit ist eine Überprüfung durch den BFH im Revisionsverfahren möglich5. 115 Hieraus folgt andererseits: Hat das Finanzgericht in dem Urteil für eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage keine tatsächlichen Feststellungen getroffen, kann der Bundesfinanzhof diese Feststellungen auch nicht selber treffen. Er darf auch die vom Finanzgericht getroffenen Tatsachenfeststellungen nicht ergänzen. Fehlende entscheidungserhebliche Tatsachen kann nur das Finanzgericht treffen, an das der Rechtsstreit in einem derartigen Fall zurückzuverweisen ist6. 116 Eine Bindung des BFH an die tatsächlichen Feststellungen des Finanzgerichts besteht gem. § 118 Abs. 2 FGO ausnahmsweise nur dann nicht, wenn in Bezug
__________ 1 Seer in Tipke/Kruse, § 118 FGO Rz. 51; Gräber/Ruban, § 118 FGO Rz. 33; Beermann in Beermann/Gosch, § 118 FGO Rz. 39. 2 BFH v. 25.1.2005 – I R 52/03, BFH/NV 2005, 940 und v. 9.3.1999 – 7 S 14/96, BFH/NV 1999, 1133; Gräber/Ruban, § 118 FGO Rz. 36. 3 BFH v. 25.1.2005 – I R 52/03, BFH/NV 2005, 940; Gräber/Ruban, § 118 FGO Rz. 37; Seer in Tipke/Kruse, § 118 FGO Rz. 81. 4 BFH v. 9.1.2001 – X R 31/98, BFH/NV 2001, 1017. 5 BFH v. 9.1.2001 – X R 31/98, BFH/NV 2001, 1017. 6 Vgl. BFH v. 16.12.1998 – X R 125/97, BFH/NV 1999, 917.
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Begründung der Revision
Rz. 118 III
auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe im Wege einer Verfahrensrüge vorgebracht worden sind1. Solche Rügen sind z. B. die Rüge mangelnder Sachverhaltsaufklärung oder in sich widersprüchlicher tatsächlicher Feststellungen in dem angefochtenen Urteil. Dabei sind unzureichende oder in sich widersprüchliche Tatsachenfeststellungen als materiell-rechtliche Fehler sogar von Amts wegen zu beachten und führen – auch ohne förmliche Rüge – zur Aufhebung der Entscheidung2. Zu einer solchen Verfahrensrüge gehört auch die Rüge, das Finanzgericht habe bei seiner Entscheidung wesentliche Teile des Gesamtergebnisses des Verfahrens nicht berücksichtigt3. Der Bundesfinanzhof kann allerdings tatsächlich Feststellungen daraufhin über- 117 prüfen, ob sie gegen Denkgesetze, allgemeine Erfahrungssätze, Auslegungsregeln oder andere allgemeine Grundsätze des Bundesrechts verstoßen. Er kann auch allgemeinkundige sowie gerichtskundige Tatsachen berücksichtigen, auch dann, wenn sie in dem finanzgerichtlichen Urteil nicht festgestellt sind. Denn solche Tatsachen bedürfen keines Beweises und haben wie Rechtsnormen Allgemeingültigkeit. In diesem Rahmen kann auch eine Beweiswürdigung vom Revisionsgericht überprüft werden4. Empfehlung: Mit der Revision kann nur geltend gemacht werden, dass die tatsächlichen Feststellungen des Finanzgerichts gegen Denkgesetze, allgemeine Erfahrungssätze, Auslegungsregeln oder andere allgemeine Grundsätze des Bundesrechts verstoßen. Es kann dagegen nicht geltend gemacht werden, dass die Feststellung der Tatsachen durch das Finanzgericht, dessen Beweiswürdigung und die daraus gezogenen Schlussfolgerungen nicht zwingend sind. Der Bundesfinanzhof kann im Revisionsverfahren nur prüfen, ob das Finanzgericht zu den von ihm gefundenen Feststellungen kommen konnte, ob also die vorgenommene Beweiswürdigung und die daraus gezogenen Schlussfolgerungen möglich sind5. Dies wird in der Praxis häufig verkannt. c) Absoluter Revisionsgrund Ob ein Urteil auf der Verletzung von Bundesrecht beruht, braucht dann nicht 118 geprüft zu werden, wenn ein absoluter Revisionsgrund i. S. des § 119 FGO vorliegt. Nach dieser Vorschrift ist ein Urteil stets als auf der Verletzung von Bundesrecht beruhend anzusehen, wenn – das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; – bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen der Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war; – einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war;
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1 BFH v. 25.1.2005 – I R 52/03, BFH/NV 2005, 940; Gräber/Ruban, § 118 FGO Rz. 56; Seer in Tipke/Kruse, § 118 Rz. 90. 2 BFH v. 26.6.2003 – VI R 10/02, BFH/NV 2003, 1560 und v. 25.6.2003 – X R 72/98, BStBl. II 2004, 403. 3 Vgl. BFH v. 20.1.2005 – X S 2/04, BFH/NH 2005, 902; Gräber/Ruban, § 118 FGO Rz. 56. 4 Vgl. Gräber/Ruban, § 118 FGO Rz. 30; Seer in Tipke/Kruse, § 118 FGO Rz. 69 ff., 73. 5 BFH v. 9.1.2001 – X R 31/98, BFH/NV 2001, 1017.
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III Rz. 119
Revision
– ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, außer wenn er der Prozessführung ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat; – das Urteil auf eine mündliche Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder – die Entscheidung nicht mit Gründen versehen ist. aa) Keine vorschriftsmäßige Besetzung des Gerichts 119 Dieser Revisionsgrund liegt vor, wenn gegen den Grundsatz des gesetzlichen Richters i. S. des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verstoßen ist. Dieser verfassungsrechtlich abgesicherte Grundsatz will sicherstellen, dass der den Einzelfall entscheidende Spruchkörper sowie jeder an der Entscheidung mitwirkende Richter die gebotene Neutralität und Unparteilichkeit walten lässt. Hierdurch soll der Gefahr begegnet werden, dass die Rechtsprechung durch eine Manipulierung der Spruchkörper sachfremden Einflüssen ausgesetzt und das Ergebnis der Entscheidung beeinflusst wird1. Dies erfordert es nicht, Finanzrichter vor allem deshalb von der richterlichen Tätigkeit in Verfahren auszuschließen, die sich gegen eine bestimmte Finanzbehörde richten, weil sie früher selbst der Finanzverwaltung angehört haben2. Gesetzlicher Richter in diesem Sinne ist nicht nur das Gericht als organisatorische Einheit (z. B. Finanzgericht Köln) oder das erkennende Gericht als Spruchkörper (z. B. 2. Senat des Finanzgerichts Köln), vor dem verhandelt und von dem die Streitsache entschieden wird, sondern auch die zur Entscheidung im Einzelfall berufenen Richter3. Die Zuständigkeit des für die Entscheidung zuständigen Spruchkörpers ergibt sich aus dem Geschäftsverteilungsplan des Gerichts, der vom Präsidium zu beschließen ist (§ 4 FGO i. V. m. § 21e Abs. 1 GVG; vgl. II Rz. 451). Darin regelt das Präsidium die personelle Besetzung der Senate und nach abstrakten Merkmalen die Verteilung der Geschäfte auf die Senate. Ist der betreffende Senat mit mehr als der in § 5 Abs. 3 FGO vorgesehenen Zahl von Richtern besetzt (sog. Überbesetzung), dann müssen in einem senatsinternen Geschäftsverteilungsplan (vgl. II Rz. 453), den der gesamte Senat beschließen muss, die Geschäfte auf die einzelnen Senatsmitglieder verteilt werden (§ 21g Abs. 1 GVG). Der Beschluss bestimmt vor Beginn des Geschäftsjahres für dessen Dauer, nach welchen Grundsätzen die Mitglieder an den Verfahren mitwirken. Er muss auch regeln, welcher Richter des Senats für welche Verfahren als Einzelrichter nach § 6 FGO in Betracht kommt (vgl. zum Einzelrichter II Rz. 454 ff.). 120 Ein Besetzungsfehler kommt insbesondere in folgenden Fällen in Betracht: – Der Rechtsstreit ist vom Einzelrichter entschieden worden, ohne dass ein Übertragungsbeschluss i. S. des § 6 FGO vorlag oder die Voraussetzungen des § 79a FGO – Zustimmung der Beteiligten – erfüllt waren4. Ein Verstoß gegen
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1 BVerfG v. 8.4.1997 – 1 PBvU 1/95, BStBl. II 1999, 672. 2 BFH v. 18.2.1997 – VIII R 54/95, BStBl. II 1999, 647. 3 Vgl. BFH v. 29.1.1992 – VIII K 4/91, BStBl. II 1992, 252 und v. 28.12.1999 – V R 33/98, BFH/NV 1999, 815. 4 BFH v. 5.5.1999 – XI R 44/98, BFH/NV 1999, 1485.
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Begründung der Revision
Rz. 122 III
den gesetzlichen Richter soll auch dann vorliegen, wenn sich die Übertragung auf den Einzelrichter als „greifbar gesetzeswidrig“ erweist1. Dies ist z. B. der Fall, wenn der Berichterstatter als Einzelrichter allein entscheidet, nachdem bereits vor dem Senat mündlich verhandelt worden ist2. – Der Geschäftsverteilungsplan des Gerichts oder des Spruchkörpers ist im laufenden Jahr ohne sachlichen Grund geändert worden. Die Gründe für eine ggf. vorliegende Überbelastung sind nach der in § 21e Abs. 3 Satz 1 GVG getroffenen Regelung ohne Bedeutung; im Übrigen obliegt die Feststellung der Überbelastung der pflichtgemäßen Beurteilung durch das Präsidium, die vom Revisionsgericht nur auf Willkür überprüft werden darf3; allerdings ist nicht bereits dadurch der gesetzliche Richter verletzt, dass in dem Geschäftsverteilungsplan des Gerichts für das laufende Geschäftsjahr bereits anhängige Sachen einem anderen Spruchkörper zugewiesen werden als dem, bei dem sie im Zeitpunkt ihres Eingangs anhängig geworden sind. Denn erkennendes Gericht ist das Gericht in der Besetzung, für die der im Zeitpunkt der abschließenden Entscheidung geltende Geschäftsverteilungsplan maßgebend ist4. – Der Senat ist überbesetzt, und es fehlt ein senatsinterner Geschäftsverteilungsplan, oder er ist mangelhaft oder missbräuchlich umgesetzt5. – Ein von seinem Amt entbundener ehrenamtlicher Richter hat bei der Entscheidung mitgewirkt6.
bb) Mitwirkung eines ausgeschlossenen oder mit Erfolg abgelehnten Richters Richter, die gem. § 51 Abs. 2 FGO oder § 51 Abs. 1 FGO i. V. m. § 41 ZPO kraft 121 Gesetzes von der Ausübung des Richteramtes ausgeschlossen sind oder mit Erfolg wegen Besorgnis der Befangenheit (§ 51 FGO i. V. m. § 42 ZPO) abgelehnt worden sind, dürfen an der Entscheidung nicht mitwirken (vgl. II Rz. 594 ff.). Tun sie es doch, ist der absolute Revisionsgrund des § 119 Nr. 2 FGO gegeben.
cc) Verletzung des rechtlichen Gehörs Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs besagt, dass das Gericht seinen Entschei- 122 dungen nur Tatsachen zu Grunde legen darf, zu denen sich die Beteiligten vorher äußern können. Darüber hinaus haben die Beteiligten Anspruch darauf, von sich aus im Verfahren alles vorzutragen, was sie für wesentlich halten. Das Gericht hat ihre Ausführungen zur Kenntnis zu nehmen und bei der Entscheidung in Erwägung zu ziehen7.
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BFH v. 8.6.1995 – IV R 80/94, BStBl. II 1995, 776. BFH v. 8.3.1994 – IX R 58/93, BStBl. II 1994, 571. BFH v. 26.9.1990 – IV R 121/89, BFH/NV 1991, 826. BFH v. 14.11.1995 – VIII R 3 - 5/95, BFH/NV 1996, 481. BFH v. 7.11.1994 – VIII R 3/94, BFH/NV 1995, 618. BFH v. 16.12.1993 – V R 2/92, BFH/NV 1995, 397. BFH v. 26.4.1995 – I B 166/94, BStBl. II 1995, 532; Gräber/Ruban, § 119 FGO Rz. 10a.
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III Rz. 123
Revision
123 Die Rüge des Revisionsklägers, ihm sei das rechtliche Gehör versagt worden, ist nur dann zulässig und hinreichend begründet, – wenn der Kläger substantiiert darlegt, wozu er sich nicht hat äußern können und – was er bei ausreichender Gewährung des rechtlichen Gehörs noch vorgetragen hätte1. Hierfür genügt es z. B. nicht, wenn der Kläger lediglich darlegt, er habe von der Beiziehung von Akten, die das Finanzgericht in seiner Entscheidung verwertet habe, nichts gewusst. Er muss vielmehr – ggf. nach Einsicht in die betreffenden Akten – darlegen, was er in der Vorinstanz vorgetragen hätte, falls ihm das Finanzgericht das rechtliche Gehör im ausreichenden Maße gewährt hätte. Diese Grundsätze gelten allerdings nicht, wenn das rechtliche Gehör durch Nichtverlegung eines zur mündlichen Verhandlung bestimmten Termins verletzt worden sein soll2. 124 Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs ist auch dann verletzt, wenn die Verfahrensbeteiligten von einer Entscheidung überrascht werden, weil das Urteil auf tatsächliche oder rechtliche Gesichtspunkte gestützt ist, zu denen sie sich bislang nicht geäußert hatten und nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens auch keine Veranlassung hatten, sich zu äußern. Denn die Verfahrensbeteiligten haben Anspruch darauf, dass das Gericht sie auch in rechtlicher Hinsicht auf entscheidungserhebliche Erwägungen und Gesichtspunkte hinweist, mit denen sie erkennbar nicht gerechnet haben und auch nicht rechnen mussten. Deshalb ist das rechtliche Gehör verletzt, wenn das Finanzgericht sein Urteil auf einen rechtlichen Gesichtspunkt stützt, der weder im Besteuerungsverfahren noch im gerichtlichen Verfahren geäußert worden ist und dessen Heranziehung auch aus sonstigen Gründen nicht nahe lag3. 125 Im Einzelnen ist bei der Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs substantiiert darzulegen: – wozu der Beschwerdeführer sich vor dem Finanzgericht nicht hat äußern können, – was er bei ausreichender Gewährung des rechtlichen Gehörs noch vorgetragen hätte, – inwieweit er alle Möglichkeiten ausgeschöpft hat, sich rechtliches Gehör vor dem Finanzgericht zu verschaffen, und – dass das angefochtene Urteil ohne die Verletzung rechtlichen Gehörs hätte anders ausfallen können4. 126 Auf die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs kann gem. § 155 FGO i. V. m. § 295 ZPO verzichtet werden. Ein solcher Verzicht kann ausdrücklich erklärt
__________ 1 BFH v. 20.1.2000 – II B 68/99, BFH/NV 2000, 861. 2 BFH v. 3.9.2001 – GrS 3/98, BStBl. II 802 und v. 7.4.2004 – I B 111/03, BFH/NV 2004, 1282. 3 Vgl. BFH v. 14.5.2003 – X B 168/02, BFH/NV 2003, 1205 und v. 29.11.2000 – X R 10/00, BFH/NV 2001, 627. 4 BFH v. 21.8.2000 – VII B 113/00, BFH/NV 2001, 194 und v. 23.7.1999 – XI B 170/97, BFH/NV 2000, 7; Gräber/Ruban, § 119 FGO Rz. 14.
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Begründung der Revision
Rz. 128 III
werden, er kann aber auch konkludent erfolgen, z. B. durch eine rügelose Einlassung1. Hinweis: Die Ablehnung eines Antrags auf Terminsverlegung vermag die 127 Rüge einer Verletzung des rechtlichen Gehörs nicht zu rechtfertigen, wenn der Prozessbevollmächtigte des Klägers im Termin erschienen ist und zur Sache verhandelt hat. Denn der Verzicht auf den Anspruch auf rechtliches Gehör wird unterstellt, wenn der Berechtigte trotz Kenntnis der Verkürzung seines Rechts die Rechtsverletzung nicht schon in der Instanz rügt, in der sie stattgefunden haben soll. Deshalb gehört zur schlüssigen Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs die Angabe, dass die Verletzung bereits in der Vorinstanz gerügt worden ist oder warum sie nicht hatte gerügt werden können2.
dd) Mangelhafte Vertretung Ein Beteiligter ist dann in gesetzwidriger Weise im Verfahren nicht vertreten, 128 wenn das Gericht bei der Vorbereitung oder Durchführung der mündlichen Verhandlung gesetzliche Vorschriften verletzt und dadurch die Teilnahme unmöglich gemacht hat3. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn ein Beteiligter nicht ordnungsgemäß geladen war4, das Finanzgericht zu Unrecht einen Verzicht auf mündliche Verhandlung angenommen und unter Verstoß gegen § 90 Abs. 1 und 2 FGO ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entschieden hat5, oder eine Terminsverlegung vom Senatsvorsitzenden zugesagt worden ist, der Termin aber gleichwohl durchgeführt wird6. Das Gleiche gilt, wenn der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle irrtümlich die unzutreffende Auskunft erteilt, der Termin zur mündlichen Verhandlung sei verlegt worden, die mündliche Verhandlung aber gleichwohl durchgeführt wird7. Ein Fall mangelhafter Vertretung liegt auch vor, wenn das Finanzgericht sein Verfahren gem. § 94a FGO nach billigem Ermessen bestimmt und ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, obgleich ein Beteiligter einen Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt hat8, oder der Berichterstatter im schriftlichen Verfahren entscheidet, weil er irrtümlich annimmt, auch die Kläger hätten auf mündliche Verhandlung verzichtet9. Demgegenüber liegt keine mangelhafte Vertretung vor, wenn das Finanzgericht einen Antrag auf Aufhebung oder Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung zu Unrecht abgelehnt und durch Urteil entschieden hat; hier kann allenfalls eine Verletzung des rechtlichen Gehörs geltend gemacht werden10.
__________ 1 BFH v. 23.7.2003 – V B 260/02, BFH/NV 2003, 1595 und v. 19.5.1995 – VIII B 85/93, BFH/NV 1995, 142. 2 BFH v. 23.7.1999 – XI B 170/97, BFH/NV 2000, 7 m. w. N. 3 BFH v. 17.12.1999 – III R 64/98, BFH/NV 2000, 741. 4 BFH v. 14.6.1994 – VIII R 79/93, BFH/NV 1995, 225. 5 BFH v. 5.5.1999 – XI R 44/98, BFH/NV 1999, 1485. 6 BFH v. 18.10.2000 – VIII R 22/00, BFH/NV 2001, 466. 7 BFH v. 25.8.1999 – X R 9/98, BFH/NV 2000, 569. 8 BFH v. 26.9.2000 – VI R 16/98, BFH/NV 2001, 325. 9 BFH v. 5.5.1999 – XI R 44/98, BFH/NV 1999, 1485. 10 BFH v. 18.10.2000 – VIII R 22/00, BFH/NV 2001, 466.
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III Rz. 129
Revision
ee) Verletzung der Öffentlichkeit des Verfahrens 129 Die mündliche Verhandlung vor dem erkennenden Senat des Finanzgerichts bzw. dem Einzelrichter einschließlich der Verkündung muss gem. § 52 Abs. 1 FGO i. V. m. § 169 GVG grundsätzlich öffentlich sein (vgl. II Rz. 584 ff.). Das bedeutet: Ein unbestimmter Personenkreis muss die Möglichkeit haben, die Verhandlung an Ort und Stelle zu verfolgen. Der Raum, in dem die Streitsache verhandelt wird, muss für jedermann zugänglich sein1. Wird gegen den Grundsatz der Öffentlichkeit des Verfahrens verstoßen, ist der absolute Revisionsgrund des § 119 Nr. 5 FGO gegeben. Er setzt allerdings voraus, dass die Beeinträchtigung der Öffentlichkeit auf den Willen oder die mangelnde Sorgfalt des Gerichts zurückzuführen ist2.
ff) Fehlen der Entscheidungsgründe 130 Eine Entscheidung ist dann nicht mit Gründen versehen, wenn sie nicht erkennen lässt, welche tatsächlichen Feststellungen und rechtlichen Erwägungen für sie maßgeblich waren. Der Sinn des Begründungszwangs liegt darin, die Prozessbeteiligten darüber in Kenntnis zu setzen, auf welchen Feststellungen, Erkenntnissen und rechtlichen Überlegungen das Urteil beruht. Ein Fehlen von Entscheidungsgründen liegt deshalb nur dann vor, wenn den Beteiligten die Möglichkeit entzogen ist, die getroffene Entscheidung zu überprüfen. Das ist nur dann der Fall, wenn das Finanzgericht seine Entscheidung überhaupt nicht begründet oder die Entscheidungsgründe insgesamt nur aus inhaltsleeren Floskeln bestehen oder missverständlich und verworren sind, nicht jedoch bei einer unzutreffenden oder unzureichenden Begründung3. 131 Das Finanzgericht ist zwar nicht verpflichtet, auf alle Einzelheiten des Sachverhalts und auf jede von den Beteiligten angestellte Erwägung näher einzugehen. Es fehlen jedoch dann hinreichende Entscheidungsgründe, wenn das Finanzgericht einen selbständigen Anspruch oder ein selbständiges Angriffs- oder Verteidigungsmittel übergeht oder einen bestimmten Sachverhaltskomplex überhaupt nicht berücksichtigt4. Allerdings verstößt es nicht gegen den Begründungszwang, wenn das Gericht an Stelle eigener Ausführungen zu einer Rechtsfrage auf eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs verweist – unter Angabe der Fundstelle5. Hinweis: Der Tatbestand eines Urteils muss in sich verständlich sein. Die Darstellung muss ein – wenn auch kurz gehaltenes – klares, vollständiges und in sich abgeschlossenes Bild des Streitstoffs enthalten. Gibt der Tatbestand eines angefochtenen Urteils einschließlich der in Bezug genommenen Schriftstücke den zum Verständnis seines Inhalts erforderlichen Sach- und Streit-
__________ 1 BFH v. 19.1.2002 – V B 164/01, BFH/NV 2003, 521 und v. 27.11.1991 – X R 98 - 100/90, BStBl. II 1992, 411. 2 BFH v. 10.1.1995 – IV B 108/94, BFH/NV 1995, 803 und v. 22.3.1993 – XI R 23/92, XI R 24/92, BStBl. II 1993, 514. 3 BFH v. 20.6.2000 – VIII R 47/99, BFH/NV 2001, 46. 4 BFH v. 29.11.2000 – I R 16/00, BFH/NV 2001, 626. 5 BFH v. 16.8.1999 – VIII B 63/99, BFH/NV 2000, 209.
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Das Verfahren vor dem Bundesfinanzhof
Rz. 147 III
stand nicht hinreichend wieder, so bildet die Entscheidung keine geeignete Grundlage für deren sachliche Nachprüfung durch das Revisionsgericht1. Macht das Finanzgericht von der Begründungserleichterung nach § 105 Abs. 5 132 FGO Gebrauch (vgl. II Rz. 684), ist das Urteil dann nicht mit Gründen versehen, wenn das Gericht zu wesentlich neuem Klagevorbringen, über das im außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren noch nicht entschieden worden ist, nicht Stellung genommen hat2. Ein Urteil gilt auch dann als nicht mit Gründen versehen, wenn es bei der Ver- 133 kündung noch nicht vollständig abgefasst war und nicht spätestens innerhalb von fünf Monaten nach der Verkündung in vollständiger Fassung mit Urteilsformel, Tatbestand und Entscheidungsgründen einschließlich Unterschrift der mitwirkenden Richter der Geschäftsstelle übergeben worden ist3.
gg) Verfahrensfehler Wird die Revision auf einen Verfahrensfehler gestützt, so müssen in sich schlüs- 134 sig und vollständig die Tatsachen in der Revisionsbegründung dargelegt werden, aus denen sich der Verfahrensfehler ergibt (vgl. § 120 Abs. 3 Nr. 2b FGO). Das heißt, es müssen Tatsachen vorgetragen werden, die – ihre Richtigkeit unterstellt – den Verfahrensmangel ergeben4. Einstweilen frei.
135–145
VI. Das Verfahren vor dem Bundesfinanzhof Der äußere Ablauf des Verfahrens vor dem Bundesfinanzhof ähnelt dem Verfah- 146 ren vor dem Finanzgericht. Dies ergibt sich daraus, dass gem. § 121 Satz 1 FGO die für das finanzgerichtliche Verfahren geltenden Verfahrensvorschriften entsprechend anwendbar sind. Auch im Revisionsverfahren tauschen also die Beteiligten zunächst in vorbereitenden Schriftsätzen ihre Auffassung aus. Eine Besonderheit des Revisionsverfahrens besteht gem. § 122 Abs. 2 FGO aller- 147 dings darin, dass bei Streitigkeiten über eine auf Bundesrecht beruhende Abgabe oder über Bundesrecht das Bundesministerium für Finanzen dem Verfahren beitreten kann. Häufig wird es vom Bundesfinanzhof sogar dazu aufgefordert, dem Verfahren beizutreten. Tritt das Bundesministerium der Finanzen dem Rechtsstreit bei, so hat es die Stellung eines Beteiligten (§ 122 Abs. 2 Satz 4 FGO). Das bedeutet, es kann Anträge stellen, Schriftsätze einreichen und sich in der mündlichen Verhandlung äußern. Gleiches gilt gem. § 112 Abs. 2 Satz 2 FGO für die zuständige oberste Landesbehörde, wenn das Verfahren eine von den Landesfinanzverwaltungen verwaltete Abgabe oder eine Rechtsstreitigkeit über Landesrecht betrifft.
__________ 1 2 3 4
BFH v. 20.6.2000 – VIII R 47/99, BFH/NV 2001, 46. BFH v. 2.12.1999 – IX R 76/98, BFH/NV 2000, 731. BFH v. 18.10.1999 – IX R 28/99, BFH/NV 2000, 464; vgl. auch II Rz. 642, 682. BFH v. 14.12.2000 – VIII R 28/00, BFH/NV 2001, 794; vgl. auch III Rz. 53 ff.
325
III Rz. 148
Revision
148 Der Bundesfinanzhof prüft zunächst, ob die Revision statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form eingelegt und begründet worden ist (vgl. III Rz. 76 ff.). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so weist der Bundesfinanzhof die Revision als unzulässig zurück. Die Entscheidung ergeht nicht durch Urteil, sondern gem. § 126 Abs. 1 FGO durch Beschluss. 149 Ist die Revision statthaft und zulässig, entscheidet der Bundesfinanzhof gem. §§ 121, 90 Abs. 1 FGO grundsätzlich aufgrund mündlicher Verhandlung. Dieser Grundsatz ist jedoch in der Praxis die Ausnahme. Denn der Bundesfinanzhof fordert die Beteiligten vielfach zu einem Verzicht auf mündliche Verhandlung auf (vgl. § 121 i. V. m. § 90 Abs. 2 FGO), Kommt es zu einer mündlichen Verhandlung, so läuft diese ähnlich wie die mündliche Verhandlung vor dem Finanzgericht ab. Jeder Senat beim Bundesfinanzhof entscheidet in der mündlichen Verhandlung mit fünf Berufsrichtern. Ehrenamtliche Richter wirken beim Bundesfinanzhof nicht mit. In der mündlichen Verhandlung führt ein Richter des Senats den Vorsitz. Außerdem gibt es – ähnlich wie beim Finanzgericht – einen Berichterstatter. Der Berichterstatter trägt auch beim Bundesfinanzhof zu Beginn der mündlichen Verhandlung den wesentlichen Inhalt der Akten vor. Anschließend erhalten zunächst der Revisionskläger (das kann auch das Finanzamt sein), dann der Revisionsbeklagte und schließlich die übrigen Beteiligten das Wort. 150 Von dem Grundsatz, dass über eine Revision durch Urteil entschieden wird, gibt es nach § 126a FGO eine weitere Ausnahme: Der Bundesfinanzhof kann eine unbegründete Revision durch Beschluss in der Besetzung mit fünf Berufsrichtern zurückweisen, wenn – diese Entscheidung einstimmig ergeht und – der Bundesfinanzhof eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. In einem solchen Fall sind allerdings die Beteiligten von der Absicht des Bundesfinanzhofs vorab zu unterrichten und zu hören. Der Beschluss soll eine kurze Begründung enthalten; dabei sollen die Voraussetzungen dieser Verfahrensmöglichkeit festgestellt werden (§ 126a Satz 3 FGO). 151 Ist die Revision begründet, so kann der Bundesfinanzhof wie folgt verfahren: – Er kann in der Sache selbst entscheiden (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO). Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass die Sache spruchreif ist. Das ist der Fall, wenn die vom Finanzgericht festgestellten Tatsachen eine abschließende rechtliche Beurteilung der Streitsache durch den Bundesfinanzhof ermöglichen, also keine weiteren tatsächlichen Feststellungen zu treffen sind1. – Er kann auch das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO). Dies gilt insbesondere für die Fälle, in denen die Sache noch nicht spruchreif ist2 oder das Finanzgericht die Klage – zu Unrecht – als unzulässig abgewiesen
__________ 1 Gräber/Ruban, § 126 FGO Rz. 12; Seer in Tipke/Kruse, § 126 FGO Rz. 28. 2 BFH v. 28.9.2000 – III R 61/98, BFH/NV 2001, 643; Gräber/Ruban, § 126 FGO Rz. 14; Seer in Tipke/Kruse, § 126 FGO Rz. 29, 30.
326
Anschlussrevision
Rz. 167 III
hat, die Begründetheit der Klage also nicht geprüft hat1. Aufhebung und Zurückverweisung erfolgen auch dann, wenn das Urteil auf einem Verfahrensmangel beruht. Auch die notwendige Beiladung gehört zur Grundordnung des Verfahrens; auf sie kann nicht verzichtet werden. Das Unterlassen einer notwendigen Beiladung ist deshalb verfahrensfehlerhaft. Wird sie im finanzgerichtlichen Verfahren unterlassen, kann dieser Verfahrensfehler noch im Revisionsverfahren geheilt werden (vgl. § 123 Abs. 1 Satz 2 FGO). Allerdings steht es im Ermessen des Bundesfinanzhofs, ob er die Sache an das Finanzgericht zur Nachholung der notwendigen Beiladung zurückverweist oder die Beiladung selbst vornimmt2. Hat der BFH das Urteil eines Einzelrichters aufgehoben, kann er die Sache an den Vollsenat des Finanzgerichts zurückverweisen, wenn die Sache im zweiten Rechtszug weiterhin besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist oder von grundsätzlicher Bedeutung ist3. Hinweis: Das Finanzgericht, an das die Sache zur anderweitigen Verhandlung 152 und Entscheidung zurückverwiesen worden ist, hat seiner Entscheidung die rechtliche Beurteilung des Bundesfinanzhofs zu Grunde zu legen, § 126 Abs. 5 FGO. Empfehlung: Hat der Bundesfinanzhof durch Gerichtsbescheid entschieden, so 153 kann jeder Beteiligte innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheids Antrag auf mündliche Verhandlung stellen. Es empfiehlt sich, mit dem Antrag auf mündliche Verhandlung darzulegen, weshalb der Antragsteller den ergangenen Gerichtsbescheid nicht für rechtens hält. Einstweilen frei.
154–165
VII. Anschlussrevision Die Anschlussrevision ist zwar in der Finanzgerichtsordnung selbst nicht er- 166 wähnt. Ihre Statthaftigkeit ergibt sich aber aus § 155 FGO i. V. m. § 554 ZPO. Sie hat vor allem in den Fällen Bedeutung, in denen Kläger und Beklagter teilweise obsiegt haben, teils unterlegen sind und beide hinsichtlich desselben Bescheides eine Abänderung des finanzgerichtlichen Urteils erreichen wollen, der Revisionsbeklagte sich allerdings lediglich der Revision des Revisionsklägers anschließen will. Zu unterscheiden ist zwischen einer selbständigen Revision des Revisionsbeklag- 167 ten und der unselbständigen Anschlussrevision: Eine selbständige Revision liegt vor, wenn nach Einlegung der Revision durch einen Beteiligten dessen Prozessgegner ebenfalls Revision einlegt und diese Revision alle Zulässigkeitsvoraussetzungen erfüllt, also auch als solche zugelassen worden ist, sei es durch das Finanzgericht, sei es durch den Bundesfinanzhof so-
__________ 1 BFH v. 14.6.2000 – X R 18/99, BFH/NV 2001, 170. 2 BFH v. 19.6.2006 – VIII R 33/05, BFH/NV 2006, 1693; vgl. zur notwendigen Beiladung auch II Rz. 550 ff. 3 BFH v. 27.7.2004 – IX R 64/01, BFH/NV 2005, 191 und v. 15.4.1996 – VI R 98/95, BStBl. II 1996, 478.
327
III Rz. 168
Revision
wie die normale Revisionsfrist gewahrt ist. Diese Revision behält ihre volle Wirkung als selbständiges Rechtsmittel auch dann, wenn die Revision des anderen Beteiligten zurückgenommen oder als unzulässig verworfen worden ist. Denn es handelt sich um zwei voneinander unabhängige, selbständige Revisionen1. Eine Anschlussrevision liegt vor, wenn der Revisionsbeklagte sich der Revision des Klägers anschließen, also nicht selbständig Revision einlegen will. Sind alle Voraussetzungen für eine Revision erfüllt einschließlich der Wahrung der Revisionsfrist, spricht man von einer sog. selbständigen Anschlussrevision. Steht hingegen dem Revisionsbeklagten ein eigenes Recht auf Erhebung der Revision wegen des Fehlens der Zulässigkeitsvoraussetzungen nicht (mehr) zu, kann er sich der Revision des Revisionsklägers durch Einreichung einer Revisionsanschlussschrift gleichwohl anschließen (sog. unselbständige Anschlussrevision). Denn gem. § 155 FGO i. V. m. § 554 Abs. 2 ZPO ist eine Anschlussrevision auch statthaft, wenn der Revisionsbeklagte auf die Revision verzichtet hat, die Revisionsfrist verstrichen oder die Revision nicht zugelassen worden ist. 168 Die Umdeutung einer selbständigen Revision in eine unselbständige Anschlussrevision ist ebenso wie der Übergang zur Anschlussrevision zulässig2. Empfehlung: Wird bei einem teilweise stattgebenden Urteil die Revisionsfrist für eine selbständige Revision durch den Revisionsbeklagten versäumt oder bestehen Zweifel daran, ob die Revisionsfrist für eine selbständige Revision eingehalten worden ist, so kann der Revisionsbeklagte innerhalb eines Monats nach Zustellung der Revisionsbegründung zur Anschlussrevision übergehen. Diese darf aber nicht über den Rahmen der (Haupt-)Revision hinausgehen, da die Anschließung an eine Revision ihrem Wesen nach akzessorisch im Verhältnis zur Hauptrevision ist (s. III Rz. 172). 169 Die Anschlussrevision muss gem. § 554 Abs. 2, 3 ZPO innerhalb eines Monats nach der Zustellung der Revisionsbegründung schriftlich eingelegt und begründet werden. Sie erfolgt durch Einreichung einer Revisionsanschlussschrift beim Bundesfinanzhof. Die Frist für die Begründung der Anschlussrevision ist eine Ausschlussfrist; sie kann nicht verlängert werden3. 170 Die Begründung der Anschlussrevision muss den Anforderungen des § 120 Abs. 3 FGO genügen. D. h. sie muss folgende Angaben enthalten: – die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten und dessen Aufhebung beantragt wird (Revisionsanträge), – die Angabe der Revisionsgründe, und zwar – die bestimmte Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt; – soweit die Revision auf einen Verfahrensmangel gestützt wird: die Bezeichnung der Tatsachen, die den Mangel ergeben.
__________ 1 Vgl. Rüsken in Beermann/Gosch, § 120 FGO Rz. 109 ff., der hier allerdings von einer selbständigen Anschlussrevision spricht; Gräber/Ruban, § 120 FGO Rz. 81. 2 Vgl. BFH v. 13.4.1994 – II R 93/90, BStBl. II 1994, 817 m. w. N. 3 Vgl. BFH v. 19.3.2003 – VI R 40/01, BFH/NV 2003, 1163.
328
Zulässigkeit
Rz. 181 III
Die Anschlussrevision muss sich auf denselben Steuerfall beziehen wie die Revi- 171 sion. Fehlt es an dieser Voraussetzung, weil sie sich z. B. auf einen Steuerbescheid bezieht, für den keine Revision eingelegt wurde, so ist die Anschließung unzulässig1. Hat bei objektiver Klagehäufung ein Beteiligter Revision nur wegen eines Streitjahres eingelegt, kann daher der andere Beteiligte die Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung nicht durch eine unselbständige Anschlussrevision auf ein anderes Streitjahr ausdehnen2. Beispiel3: Das Finanzgericht hat der von K gegen die Einkommensteuerbescheide 2004 und 2006 erhobenen Klage nur hinsichtlich des Einkommensteuerbescheides 2004 stattgegeben und die Revision zugelassen. Das Finanzamt hat hinsichtlich des Einkommensteuerbescheids 2004 Revision eingelegt. Eine gegen den anderen – abweisenden – Teil des finanzgerichtlichen Urteils betreffend das Streitjahr 2004 gerichtete unselbständige Anschlussrevision des K wäre unzulässig. Dies gilt in solchen Fällen auch umgekehrt bei einer Revision des K gegen die Klageabweisung betreffend das Jahr 2004 hinsichtlich einer betreffend das Jahr 2006 gerichteten unselbständigen Anschlussrevision des Finanzamts. Die früher bestehenden Unterschiede zwischen einer selbständigen und einer 172 unselbständigen Anschlussrevision sind nach der Neuregelung der Anschlussrevision in § 554 ZPO entfallen. Die Anschlussrevision ist nunmehr generell gegenüber der Hauptrevision akzessorisch, d. h. sie ist von deren Zulässigkeit und Fortführung abhängig. Sie verliert gem. § 554 Abs. 4 ZPO ihre Wirkung, wenn die Hauptrevision zurückgenommen, verworfen oder durch Beschluss zurückgewiesen wird4. Erweist sich die Anschlussrevision aber als begründet, so kann das erstinstanz- 173 liche Urteil unter Durchbrechung des Verbots der Verböserung auch zum Nachteil des Revisionsklägers abgeändert werden5. Einstweilen frei.
174–180
B. Beschwerde I. Zulässigkeit Gem. § 128 Abs. 1 FGO ist die Beschwerde an den Bundesfinanzhof gegen die 181 Entscheidungen des Finanzgerichts gegeben, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide sind sowie gegen Entscheidungen des Vorsitzenden oder Berichterstatters.
__________ 1 2 3 4 5
BFH v. 13.4.1994 – II R 93/90, BStBl. II 1994, 817. BFH v. 8.3.2007 – IV R 41/05, BFH 2007, 1813. Vgl. BFH v. 13.4.1994 – II R 93/90, BStBl. II 1994, 817. Seer in Tipke/Kruse, § 115 FGO Rz. 148; Gräber/Ruban, § 120 FGO Rz. 81. BFH v. 20.9.1999 – III R 33/97, BStBl. II 2000, 208 m. w. N.
329
III Rz. 182
Beschwerde
182 Es muss sich um eine Entscheidung des Finanzgerichts handeln. Hierzu rechnen Beschlüsse und Verfügungen, nicht aber Anfragen, formlose Mitteilungen und rechtliche oder tatsächliche Hinweise. So ist z. B. die formlose Mitteilung einer Rechtsansicht des Gerichts keine Entscheidung und damit nicht mit der Beschwerde angreifbar1. Anfechtbar sind z. B. – Entscheidungen des Finanzgerichts über die Gewährung von Akteneinsicht2, – Verhängung eines Ordnungsgelds gegen einen Zeugen oder Sachverständigen durch das Finanzgericht3, – die Aussetzung des Verfahrens gem. § 74 FGO4, – der Beschluss über eine Beiladung5. 183 Eine sog. Untätigkeitsbeschwerde gibt es nicht. Die FGO sieht kein Rechtsmittel gegen die Untätigkeit des Gerichts vor. Mit der Beschwerde kann daher ein Tätigwerden des Gerichts nicht erzwungen werden6. 184 Gem. § 128 Abs. 2 FGO sind folgende Entscheidungen allerdings nicht mit der Beschwerde angreifbar: – prozessleitende Verfügungen, – Aufklärungsanordnungen, – Beschlüsse über Vertagung oder Fristbestimmung, – Beweisbeschlüsse, – Beschlüsse nach §§ 91a und 93a FGO (Videokonferenz), – Beschlüsse über die Ablehnung von Beweisanträgen, – Beschlüsse über die Verbindung und Trennung von Verfahren, – Beschlüsse über die Ablehnung von Gerichtspersonen, Sachverständigen und Dolmetschern, – Einstellungsbeschlüsse nach Klagerücknahme sowie – Beschlüsse in Prozesskostenhilfeverfahren. 185 Eine weitere Einschränkung der Beschwerdemöglichkeit enthält § 128 Abs. 3 und 4 FGO. Danach ist die Beschwerde nicht gegeben gegen die Entscheidung über die Aussetzung der Vollziehung und über einstweilige Anordnungen, es sei denn, die Beschwerde ist in dem Beschluss ausdrücklich zugelassen. Für die Zulassung gilt § 115 Abs. 2 FGO (Zulassung der Revision) entsprechend. Eine Zulassung durch den Bundesfinanzhof und daher eine darauf gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht statthaft. Ferner scheidet eine Beschwerde gegen eine Entscheidung des Finanzgerichts in Streitigkeiten über Kosten und über die Festsetzung des Streitwerts aus (§ 128 Abs. 4 FGO). Zu den Kostensachen gehören Beschlüsse gem. § 138 FGO (Kosten-
__________ 1 2 3 4 5 6
Vgl. BFH v. 28.8.2002 – IX B 38/02, BFH/NV 2002, 1610. Vgl. BFH v. 19.7.2000 – III B 46/99, BFH/NV 2001, 53. Vgl. BFH v. 25.7.2000 – V B 121/00, BFH/NV 2001, 177. BFH v. 1.12.2004 – VII B 245/04, BFH/NV 2005, 711. BFH v. 2.12.1999 – II B 17/99, BFH/NV 2000, 679. BFH v. 30.6.2000 – VII K 1/00, BFH/NV 2000, 1490.
330
Einlegung
Rz. 188 III
entscheidung nach Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache) und § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO (Beschluss über die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren). Eine Beschwerde ist auch dann unzulässig, wenn jemandem als vollmachtlosem Vertreter Kosten in einem Einstellungsbeschluss auferlegt worden sind und dieser sich ausschließlich gegen die ihn betreffende Kostenentscheidung wendet1. Außerdem sind aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Einzelbestimmungen folgende Entscheidungen nicht beschwerdefähig: – sitzungspolizeiliche Anordnungen (§ 177 GVG i. V. m. § 52 Abs. 1 FGO), – Verweisungen an das örtlich oder sachlich zuständige Gericht (§ 70 Satz 2 FGO), – Ablehnung der Aufnahme bestimmter Vorgänge oder Äußerungen in die Sitzungsniederschrift (§ 94 FGO i. V. m. § 160 Abs. 4 Satz 3 ZPO), – Berichtigung des Urteilstatbestandes (§ 108 Abs. 2 Satz 2 FGO). Gegen die Festsetzung der einem Zeugen oder Sachverständigen zu gewährenden Entschädigung durch das Finanzgericht kann nach Inkrafttreten des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes (JVEG) zum 1.7.2004 nunmehr gem. § 4 Abs. 3 JVEG Beschwerde eingelegt werden, wenn der Beschwerdewert 200 Euro übersteigt oder das Finanzgericht die Beschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen hat. Ob eine an sich nicht zulässige Beschwerde ausnahmsweise als sog. außerordent- 186 liche Beschwerde statthaft ist, wenn die Entscheidung des Finanzgerichts wegen „greifbarer Gesetzwidrigkeit“ jeglicher Grundlage entbehrt, war zunächst nach Einführung der Anhörungsrüge (vgl. II Rz. 739 ff.) in § 133a FGO umstritten. Inzwischen lässt der BFH eine solche außerordentliche Beschwerde nicht mehr zu. Dieser Auffassung hat sich nunmehr auch der IV. Senat des BFH, der eine andere Auffassung vertreten hatte, angeschlossen2. Eine Umdeutung einer von einem fachkundigen Prozessvertreter ausdrücklich als 187 solche erhobenen außerordentlichen Beschwerde in eine von der Rechtsprechung neben der Anhörungsrüge als statthaft erachtete, gesetzlich freilich nicht geregelte Gegenvorstellung (vgl. I Rz. 49 f.) kommt regelmäßig nicht in Betracht3.
II. Einlegung Die Beschwerde ist gem. § 129 Abs. 1 FGO beim Finanzgericht schriftlich4 oder 188 zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle innerhalb einer Frist von zwei Wochen nach Bekanntgabe der Entscheidung einzulegen (zur Wahrung der Schriftform vgl. II Rz. 57 ff.). Die Zwei-Wochen-Frist wird auch dann gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist beim Bundesfinanzhof eingeht (§ 129 Abs. 2 FGO).
__________
1 BFH v. 7.12.2000 – VII B 303/00, n. v., und v. 15.4.1994 – IIIB 97/93, BFH/NV 1995, 148. 2 BFH v. 14.3.2007 – IV B 13/06 (PKH), BStBl. II 2007, 1041 m. w. N.; Gräber/Ruban, § 128 FGO Rz. 16. 3 BFH v. 30.6.2005 – III B 63/05, BFH/NV 2005, 2019. 4 Zur Wahrung der Schriftform vgl. II Rz. 57 ff.
331
III Rz. 189
Beschwerde
Hinweis: Die Einlegung beim Finanzamt wahrt die Frist nicht. In diesem Fall ist die Frist nur dann gewahrt, wenn die Beschwerde nach Weiterleitung durch das Finanzamt rechtzeitig beim Gericht eingeht. Die Beschwerde kann nur durch eine gem. § 62 Abs. 4 FGO1 vor dem Bundesfinanzhof vertretungsberechtigte Person wirksam eingelegt werden. Insoweit gilt derselbe Vertretungszwang wie für Revisionen2. 189 Der Inhalt der Beschwerdeschrift ist gesetzlich nicht festgelegt. Da mit der Beschwerde aber eine Entscheidung des Finanzgerichts angegriffen wird, ist in jedem Fall die angefochtene Entscheidung genau zu bezeichnen, möglichst mit Datum und Aktenzeichen3. Zwar besteht für die Beschwerde kein Begründungszwang4, gleichwohl muss erkennbar sein, was konkret mit der Beschwerde begehrt wird5. Deshalb empfiehlt es sich, das mit der Beschwerde geltend gemachte Begehren anzugeben sowie die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel anzuführen. Denn eine Beschwerde ist unzulässig, wenn nicht erkennbar ist, was mit dem Rechtsmittel begehrt wird, z. B. wenn sie sich in keiner Weise mit der Begründung des angegriffenen Beschlusses auseinandersetzt. Empfehlung: In jedem Fall muss mit der Beschwerde erkennbar gemacht werden, was mit dem Rechtsmittel begehrt wird; dies erfordert in der Regel, dass sich die Beschwerde mit der Begründung des angefochtenen Beschlusses auseinander setzt6. Eine fehlende Begründung führt nur dann nicht zur Unzulässigkeit, wenn das mit der Beschwerde verfolgte Begehren erkennbar ist7. 190 Ebenso wie die Klage hat auch die Beschwerde grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung. Das bedeutet: Das Verfahren geht auch nach Einlegung der Beschwerde entsprechend dem angefochtenen Beschluss weiter (vgl. § 131 Abs. 1 FGO)8. Eine Ausnahme gilt allerdings dann, wenn die angefochtene Entscheidung die Festsetzung eines Ordnungs- oder Zwangsmittels zum Gegenstand hat (§ 131 Abs. 1 Satz 1 FGO). In einem solchen Fall hat die Beschwerde aufschiebende Wirkung mit der Folge, dass der entsprechende Beschluss nicht vollzogen werden kann. 191 In den Fällen, in denen die Beschwerde keine aufschiebende Wirkung hat, können der Senat, der Vorsitzende oder der Berichterstatter, dessen Entscheidung angefochten wird, die Vollziehung der Entscheidung einstweilen aussetzen (§ 131 Abs. 1 Satz 2 FGO). Die Aussetzung setzt allerdings eine vollziehbare Entscheidung voraus. Wird lediglich ein Antrag abgelehnt, liegt keine vollziehbare Entscheidung vor, kommt eine einstweilige Aussetzung der Vollziehung auch nicht in Betracht.
__________ 1 2 3 4 5 6 7 8
Bis zum 30.6.2008: § 62a FGO. Gräber/Ruban, § 129 FGO Rz. 3; vgl. hierzu im Einzelnen III Rz. 5 ff. Vgl. Gräber/Ruban, § 129 FGO Rz. 6; Seer in Tipke/Kruse, § 129 FGO Rz. 10. Vgl. BFH v. 24.11.1998 – V B 89/98, BFH/NV 1999, 653. BFH v. 14.1.1999 – IX B 137/98, BFH/NV 1999, 821. BFH v. 14.1.1999 – IX B 137/98, BFH/NV 1999, 821. BFH v. 6.11.1997 – V B 92/97, BFH/NV 1998, 602. Gräber/Ruban, § 131 FGO Rz. 1.
332
Verfahren
Rz. 195 III
III. Verfahren Über die Beschwerde entscheidet zunächst das Finanzgericht, dessen Entschei- 192 dung angefochten wird. Es kann ihr abhelfen, wenn es sie für begründet hält. Dann ergeht ein entsprechend begründeter schriftlicher Beschluss (§ 130 Abs. 1 FGO). Hält das Finanzgericht die Beschwerde nicht für begründet, so hilft es der Be- 193 schwerde nicht ab. Auch diese Entscheidung ergeht in Form eines Beschlusses. In der Regel wird der Beschluss nicht weiter begründet. Vielmehr wird in den Akten dann folgende Beschlussformel festgehalten: Der Beschwerde wird nicht abgeholfen. Das Finanzgericht kann der Beschwerde auch nur teilweise abhelfen. In diesem Fall erlässt es einen entsprechend begründeten Beschluss. Hilft das Finanzgericht der Beschwerde ganz oder teilweise nicht ab, so übersendet es die Beschwerde nach entsprechender Beschlussfassung nebst Gerichtsakten an den Bundesfinanzhof. Anders als der Abhilfebeschluss ist der Beschluss über die Nichtabhilfe der Beschwerde den Beteiligten nicht zuzustellen (vgl. § 53 Abs. 1 FGO). Die Beteiligten erhalten vielmehr lediglich eine Mitteilung darüber, dass die Beschwerde dem Bundesfinanzhof vorgelegt wird (§ 130 Abs. 2 FGO). Dabei handelt es sich allerdings bloß um eine Ordnungsvorschrift. Ein Verstoß hat keine prozessualen Folgen. Der Beschluss des Finanzgerichts, der Beschwerde nicht abzuhelfen, kann nicht 194 mit der Beschwerde angefochten werden1. Anders als im Revisionsverfahren kann im Beschwerdeverfahren neues Vorbrin- 195 gen erfolgen. Dies ergibt sich aus § 155 FGO i. V. m. § 571 Abs. 2 ZPO. Auch eine Änderung oder Erweiterung des ursprünglich beim Finanzgericht gestellten Antrags ist im Beschwerdeverfahren zulässig2. Allerdings dürfen neue Anträge keine wesentliche Änderung des Streitgegenstands enthalten3. Der Bundesfinanzhof muss die angefochtene Entscheidung des Finanzgerichts in vollem Umfang, also nicht nur in rechtlicher, sondern auch in tatsächlicher Hinsicht nachprüfen und kann ggf. auch Beweis erheben4. Allerdings ist es in erster Linie Aufgabe des Bundesfinanzhofs als Beschwerdegericht, die Entscheidung des Finanzgerichts zu überprüfen. Deshalb kann er die Sache auch an das Finanzgericht zurückverweisen, z. B. wenn nicht feststellbar ist, von welchem Sachverhalt das Finanzgericht ausgegangen ist5. Der Bundesfinanzhof ist als Beschwerdegericht Tatsacheninstanz und deshalb gehalten, bei Ermessensentscheidungen des Finanzgerichts das Ermessen des Finanzgerichts nicht nur zu überprüfen, sondern eigenes Ermessen auszuüben6.
__________
1 BFH v. 22.10.1998 – X B 164/98, BFH/NV 1999, 505. 2 Seer in Tipke/Kruse, § 132 FGO Rz. 12. 3 BFH v. 16.3.1995 – VIII B 158/94, BFH/NV 1995, 680; Seer in Tipke/Kruse, § 132 FGO Rz. 12. 4 BFH v. 22.11.2001 – V B 124/01, BFH/NV 2002, 549. 5 BFH v. 22.11.2001 – V B 124/01, BFH/NV 2002, 549. 6 BFH v. 31.8.1993 – XI B 31/93, BFH/NV 1994, 187; Gräber/Ruban, § 132 FGO Rz. 6.
333
III Rz. 196
Beschwerde
196 Der Bundesfinanzhof prüft als Erstes die Zulässigkeit der Beschwerde. Hält er die Beschwerde für unzulässig, so wird sie als unzulässig verworfen1. Soweit die Beschwerde nicht begründet ist, weist der Bundesfinanzhof sie als unbegründet zurück. Dabei gilt das Verbot, die angefochtene Entscheidung zum Nachteil des Beschwerdeführers zu ändern, auch im Beschwerdeverfahren2. Hält der Bundesfinanzhof die Beschwerde für begründet, wird ihr stattgegeben. Dabei hat der Bundesfinanzhof in entsprechender Anwendung des § 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO auch die Möglichkeit, in den Fällen, in denen er die Sache nicht für spruchreif hält, unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung das Verfahren an das Finanzgericht zurückzuverweisen (vgl. III Rz. 151). 197 Der Bundesfinanzhof entscheidet durch Beschluss. Dieser Beschluss ist zu begründen und den Beteiligten zuzustellen.
__________ 1 BFH v. 4.7.2006 – X B 17/06, BFH/NV 2006, 1868. 2 Gräber/Ruban, § 132 FGO Rz. 8; Seer in Tipke/Kruse, § 132 FGO Rz. 10.
334
IV. Teil Anrufung des Bundesverfassungsgerichts I. Organisation des Bundesverfassungsgerichts Das Bundesverfassungsgericht besteht aus sechzehn Richterinnen und Richtern 1 (§ 2 BVerfGG). Die eine Hälfte wählt der Bundestag, die andere der Bundesrat, jeweils mit Zweidrittelmehrheit (Art. 94 Abs. 1 GG; § 5 BVerfGG). Die Amtszeit beträgt gem. § 4 Abs. 1 BVerfGG zwölf Jahre. Eine Wiederwahl ist ausgeschlossen. Das Gericht entscheidet durch einen Senat oder eine Kammer. Das Gericht setzt sich aus zwei Senaten mit jeweils acht Mitgliedern zusammen (§ 2 Abs. 1, 2 BVerfGG). Die Zuständigkeit für Verfassungsbeschwerden und Normenkontrollen ist auf beide Senate verteilt. Sie ergibt sich aus. § 14 BVerfGG. In den beiden Senaten gibt es derzeit je drei Kammern mit jeweils drei Mitgliedern (§ 15a BVerfGG). Der Senat beschließt vor Beginn eines Geschäftsjahres die Zahl und die Zusammensetzung der Kammern, die Vertretung ihrer Mitglieder und die Verteilung der Verfassungsbeschwerden auf die einzelnen Berichterstatter (§ 15a Abs. 2 BVerfGG). Die Kammern befinden vor allem darüber, ob eine Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung angenommen wird (vgl. §§ 93a, 93b BVerfGG). Im Falle der Nichtannahme ist das Verfahren beendet. Die Kammer kann einer Verfassungsbeschwerde stattgeben, wenn sie offensichtlich begründet ist (§ 93c Abs. 1 BVerfGG). In Verfahren von grundsätzlicher Bedeutung entscheidet jedoch stets der Senat.
II. Verfassungsbeschwerde 1. Allgemeines Grundrechtsverletzungen werden wie alle anderen Rechtsverletzungen grund- 2 sätzlich in dem Rechtsmittelverfahren gerügt, das gegen die betreffende staatliche Maßnahme nach den allgemeinen verfahrensrechtlichen Grundsätzen und Regelungen jeweils zulässig ist. So können im finanzgerichtlichen Verfahren Grundrechtsverstöße der Finanzverwaltung im Rahmen einer Klage gegen die entsprechende Maßnahme, meist ein Steuerbescheid gerügt werden. Das Gericht prüft auch, ob die betreffende gesetzliche Ermächtigungsgrundlage mit dem Grundgesetz im Einklang steht. Kommt es zu der Überzeugung, dass insoweit ein Verfassungsverstoß vorliegt, muss es das Verfahren allerdings aussetzen und gem. Art. 100 GG eine Entscheidung des BVerfG einholen (vgl. IV Rz. 31 ff.). Der Steuerpflichtige kann sich unter bestimmten Voraussetzungen allerdings auch 3 selbst mit der Verfassungsbeschwerde an das BVerfG wenden, wenn er meint, durch die öffentliche Gewalt, das heißt eine Entscheidung der Finanzverwaltung, des Finanzgerichts oder des Bundesfinanzhofs, in einem seiner Grundrechte oder in einem seiner in Art. 101 GG (gesetzlicher Richter) oder Art. 103 GG (recht335
IV Rz. 4
Anrufung des Bundesverfassungsgerichts
liches Gehör) enthaltenen Rechten verletzt zu sein (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG; §§ 13 Nr. 8a, 90 ff. BVerfGG). Die Verfassungsbeschwerde ist ein außerordentlicher Rechtsbehelf, der nur unter ganz engen Voraussetzungen zur Verfügung steht. Sie ist gem. § 90 Abs. 1 BVerfGG gegen jeden Akt öffentlicher Gewalt möglich, grundsätzlich auch gegen Urteile und Rechtsnormen. Sie ist allerdings keine Superrevision. Entscheidungen der zuständigen Fachgerichte sind deshalb nicht schlechthin einer verfassungsgerichtlichen Überprüfung zugänglich. Die Gestaltung des Verfahrens, die Feststellung und Würdigung des Tatbestandes, die Auslegung des einfachen Rechts und seine Anwendung auf den Einzelfall sind einer Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht grundsätzlich nicht zugänglich. Nur bei einer Verletzung spezifischen Verfassungsrechts kann das Bundesverfassungsgericht aufgrund einer Verfassungsbeschwerde eingreifen1.
2. Zulässigkeitsvoraussetzungen a) Rechtsweg zum Bundesverfassungsgericht 4 Gem. Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG i. V. m. § 90 ff. BVerfGG ist die Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht gegen jeden Akt öffentlicher Gewalt zulässig. Gerügt werden muss allerdings die Verletzung von Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten wie Art. 20 Abs. 4, 33, 101, 103 und 104 GG. Eine Verfassungsbeschwerde, mit der ein Verstoß gegen Völkerrecht, Landesverfassungsrecht oder einfaches Gesetzesrecht gerügt wird, ist deshalb unzulässig. Dies gilt auch für einen gerügten Verstoß gegen Europäisches Gemeinschaftsrecht (vgl. hierzu V Rz. 1 ff.). 5 Öffentliche Gewalt in diesem Sinne ist die hoheitliche Eingriffstätigkeit durch Gesetzgebung, Rechtsprechung oder Verwaltung2. Akte öffentlicher Gewalt sind deshalb auch Urteile (sog. Urteilsverfassungsbeschwerde) und Rechtsnormen (sog. Rechtssatzverfassungsbeschwerde).
b) Beschwerdefähigkeit und Beschwerdebefugnis 6 Verfassungsbeschwerde kann jedermann erheben, der behaupten kann, in einem seiner Grundrechte oder grundrechtsgleichen Rechte verletzt zu sein (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG, § 90 BVerfGG). Beschwerdefähig ist damit jeder, der Träger des geltend gemachten Grundrechts ist. 7 Da auch die Verfassungsbeschwerde dem Individualrechtsschutz dient, ist beschwerdebefugt nur, wer durch die gerügte Maßnahme selbst, gegenwärtig und unmittelbar betroffen ist3. Die behauptete Grundrechtsverletzung muss darüber hinaus nach dem Vortrag des Beschwerdeführers möglich sein. Damit sollen
__________ 1 BVerfG v. 7.12.1976 – 1 BvR 460/72, NJW 1977, 799. 2 Maunz in Maunz/Dürig, Art. 93 GG Rz. 69. 3 BVerfG v. 20.12.1979 – 1 BvR 385/77, NJW 1980, 759; Maunz in Maunz/Dürig, Art. 93 GG Rz. 67.
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Verfassungsbeschwerde
Rz. 10 IV
gänzlich haltlose Verfassungsbeschwerden, bei denen auf der Grundlage gefestigter Rechtsprechung kein Grundrechtsverstoß in Betracht kommt, ausgesondert werden.
c) Rechtswegerschöpfung und Subsidiarität Gem. § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG kann in den Fällen, in denen gegen die behaup- 8 tete Grundrechtsverletzung der Rechtsweg zulässig ist, die Verfassungsbeschwerde erst nach Erschöpfung des Rechtswegs erhoben werden. Das bedeutet: Der Steuerpflichtige kann sich mit der Verfassungsbeschwerde gegen eine Entscheidung der Finanzverwaltung nicht unmittelbar an das Bundesverfassungsgericht wenden. Vielmehr muss er zunächst den Rechtsweg ausschöpfen; das heißt, er muss z. B. gegen einen Steuerbescheid zunächst Einspruch, dann Klage, Revision, falls sie zugelassen ist, sonst Nichtzulassungsbeschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision einlegen, um eine mögliche Grundrechtsverletzung überprüfen zu lassen. Die Anrufung des Bundesverfassungsgerichts ist insoweit subsidiär. Unter den Begriff „Rechtsweg“ fällt jede gesetzlich vorgesehene Möglichkeit, ein 9 Gericht im Geltungsbereich des Grundgesetzes anzurufen mit Ausnahme der Einlegung der Landesverfassungsbeschwerde und der Individualrechtsbeschwerde zum EGMR1. Das bedeutet, dass grundsätzlich alle im Einzelfall zulässigen, durch alle für den Einzelfall vorgesehenen Instanzen einschließlich eines gesetzlich vorgeschriebenen Vorverfahrens vorgesehenen Rechtsbehelfe und Rechtsmittel durchlaufen sein müssen. Besteht auch nur die Möglichkeit, in einem gerichtlichen oder außergerichtlichen Verfahren die Beseitigung des Bescheides zu erreichen, dessen Grundrechtswidrigkeit behauptet wird, ist der Rechtsweg nicht erschöpft2. Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts erfasst die Rechtswegausschöpfung auch solche Rechtsbehelfe, deren Zulässigkeit in der bisherigen fachgerichtlichen Rechtsprechung nicht eindeutig geklärt ist. Dabei ist es unerheblich, ob jener Rechtsbehelf an eine Frist gebunden ist und der Beschwerdeführer durch die Verwerfung einer Verfassungsbeschwerde in aller Regel endgültig seine Rechtsschutzmöglichkeiten verlieren würde oder ob der Rechtsbehelf keiner Frist unterliegt und der Beschwerdeführer ihn deshalb nach der Verwerfung seiner Verfassungsbeschwerde noch ergreifen kann3. Der Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde erfordert darüber 10 hinaus, dass ein Beschwerdeführer alle nach Lage der Sache zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten ergreift, um eine Korrektur der behaupteten Grundrechtsverletzung durch die Fachgerichte zu erwirken bzw. eine Grundrechtsverletzung zu verhindern4. Das bedeutet, dass z. B. in den Fällen, in denen der Instanzenzug im Eilrechtsverfahren erschöpft ist, gleichwohl das Bundesverfassungsgericht nicht mit der Verfassungsbeschwerde angerufen werden kann, weil regelmäßig das Hauptsacheverfahren ausreichende Möglichkeiten bietet, den
__________
1 Vgl. BVerfG v. 23.6.1981 – 2 BvR 1107/77, 1124/77, 195/79, NJW 1982, 507; Maunz in Maunz/Dürig, Art. 93 GG Rz. 70. 2 BVerfG v. 9.10.2001 – 1 BvR 622/01, NJW 2002, 741; Maunz in Maunz/Dürig, Art. 93 GG Rz. 70. 3 BVerfG v. 25.4.2005 – 1 BvR 644/05, NJW 2005, 3059. 4 BVerfG v. 18.12.1996 – 1 BvR 748/93, NJW 1997, 1147.
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IV Rz. 11
Anrufung des Bundesverfassungsgerichts
behaupteten Grundrechtsverletzungen abzuhelfen und dieser Weg meist auch zumutbar sein wird1. Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn die Verfassungsbeschwerde auf eilrechtsspezifische Besonderheiten gestützt wird, die nicht Gegenstand des Hauptsacheverfahrens sein können. 11 Im finanzgerichtlichen Verfahren rechnen zum Rechtsweg das Einspruchsverfahren, die Klage vor dem Finanzgericht, ggf. die Revision bzw. die Nichtzulassungsbeschwerde2, Erinnerung, Beschwerde oder ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Fristversäumnis3. Auch die Anhörungsrüge (§ 133a FGO) in Bezug auf eine Verletzung des rechtlichen Gehörs fällt hierunter4. 12 Ausnahmsweise kann das Bundesverfassungsgericht über eine vor Erschöpfung des Rechtswegs erhobene Verfassungsbeschwerde sofort entscheiden, wenn sie von allgemeiner Bedeutung ist oder wenn dem Beschwerdeführer ein schwerer und unabwendbarer Nachteil entstünde, falls er zunächst auf den Rechtsweg verwiesen würde. d) Frist und Form 13 Die Verfassungsbeschwerde ist gem. § 93 Abs. 1 BVerfG binnen eines Monats zu erheben und zu begründen. Die Frist beginnt mit der Zustellung oder der formlosen Mitteilung der in vollständiger Form abgefassten Entscheidung, wenn sie nach den maßgebenden verfahrensrechtlichen Vorschriften von Amts wegen vorzunehmen ist. In anderen Fällen beginnt die Frist mit der Verkündung der Entscheidung oder, wenn diese nicht zu verkünden ist, mit ihrer sonstigen Bekanntgabe an den Beschwerdeführer. 14 Die Verfassungsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nicht nur einzulegen, sondern auch zu begründen. Die Begründung hat schriftlich zu erfolgen (§ 23 Abs. 1 BVerfGG). Das heißt: Die Monatsfrist gilt auch für die schriftliche Begründung der Verfassungsbeschwerde. 15 Nicht zu unterschätzen sind die Begründungsanforderungen an eine – zulässige – Verfassungsbeschwerde: Gem. § 92 BVerfGG sind in der Begründung der Beschwerde das Recht, das verletzt sein soll, und die Handlung oder Unterlassung des Organs oder der Behörde zu bezeichnen, durch die der Beschwerdeführer sich verletzt fühlt. Das Bundesverfassungsgericht soll durch die Begründung in die Lage versetzt werden, den angegriffenen Akt ohne eigene weitere Nachforschungen einer verfassungsrechtlichen Überprüfung zu unterziehen. Richtet sich die Verfassungsbeschwerde gegen eine Gerichtsentscheidung, muss die Entscheidung ihrem wesentlichen Inhalt nach mitgeteilt bzw. in einer Weise wiedergegeben werden, die dem Bundesverfassungsgericht eine Beurteilung erlaubt, ob die Entscheidung mit dem Grundgesetz in Einklang steht oder nicht5.
__________ 1 2 3 4
BVerfG v. 9.10.2001 – 1 BvR 622/01, NJW 2002, 741. BVerfG v. 26.4.2004 – 1 BvR 138/04, NJW 2004, 3029. BVerfG v. 2.12.1987 – 1 BvR 1291/85, NJW 1988, 1255. BVerfG v. 25.4.2005 – 1 BvR 644/05, NJW 2005, 3059; Zuck, NJW 2006, 1703 (1705); Desens, NJW 2006, 1243; Klein/Sennekamp, NJW 2007, 945 (950). 5 BVerfG v. 7.4.2005 – 1 BvR 1333/04, NJW 2005, 2140.
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Verfassungsbeschwerde
Rz. 17 IV
Empfehlung: Richtet sich die Verfassungsbeschwerde gegen eine gerichtliche Entscheidung, sollte die Entscheidung der Verfassungsbeschwerde möglichst beigefügt werden, um dem Begründungserfordernis zu genügen. Bei einer sog. Urteilsverfassungsbeschwerde muss der Beschwerdeführer nicht 16 nur die Grundrechtsverletzung und den die Verletzung enthaltenen Vorgang schlüssig darlegen. Er muss darüber hinaus substantiiert vortragen, inwieweit das geltend gemachte Grundrecht durch die betreffende Entscheidung verletzt ist und die Entscheidung auf der Grundrechtsverletzung beruht. Dies setzt eine rechtliche Auseinandersetzung mit den tragenden Entscheidungsgründen der angegriffenen Entscheidung voraus1. Empfehlung: Der Beschwerdeführer muss in jedem Fall darauf achten, dass er innerhalb der Monatsfrist die substantiierte Begründung, die angegriffene Entscheidung oder ein sonstiges für die Begründung notwendiges Dokument beim Bundesverfassungsgericht einreicht, andernfalls ist die Verfassungsbeschwerde nicht innerhalb der Frist begründet und damit unzulässig.
e) Annahme zur Entscheidung Die Verfassungsbeschwerde muss gem. § 93a Abs. 1 BVerfGG vom Bundesverfas- 17 sungsgericht zur Entscheidung angenommen werden. Dies geschieht in den wenigsten Fällen. Die Annahme eines großen Teils der Verfassungsbeschwerden wird durch die aus drei Richtern bestehenden Kammern durch einstimmigen Beschluss, der ohne mündliche Verhandlung ergeht, unanfechtbar ist und keiner Begründung bedarf (§ 93d Abs. 1 BVerfGG), abgelehnt. Die Verfassungsbeschwerde ist anzunehmen, – soweit ihr grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zukommt (§ 93a Abs. 2a BVerfGG), – wenn es zur Durchsetzung der subjektiven Rechte des Beschwerdeführers angezeigt ist; dies kann auch der Fall sein, wenn dem Beschwerdeführer durch die Versagung einer Entscheidung zur Sache ein besonders schwerer Nachteil entstehen würde (§ 93a Abs. 2b BVerfGG). Eine grundsätzliche Bedeutung i. S. des § 93a Abs. 2a BVerfGG sieht das Bundesverfassungsgericht nur dann als gegeben an, wenn die Verfassungsbeschwerde eine über den Einzelfall hinausgehende entscheidungserhebliche verfassungsrechtliche Frage aufwirft, die sich nicht ohne weiteres aus dem Grundgesetz beantworten lässt und noch nicht durch die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung geklärt oder durch veränderte Verhältnisse erneut klärungsbedürftig geworden ist2. Eine Annahme zur Durchsetzung subjektiver Rechte des Beschwerdeführers (§ 93a Abs. 2b BVerfGG) ist dann geboten, wenn die geltend gemachte Verletzung von Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten besonderes Gewicht hat oder den Beschwerdeführer in existenzieller Weise betrifft. Besonders gewichtig
__________ 1 BVerfG v. 27.4.2000 – 2 BvR 75/94, NJW 2000, 3557. 2 BVerfG v. 8.2.1994 – 1 BvR 1693/92, NJW 1994, 993.
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IV Rz. 18
Anrufung des Bundesverfassungsgerichts
ist eine Grundrechtsverletzung, die auf eine generelle Vernachlässigung von Grundrechten hindeutet oder wegen ihrer Wirkung geeignet ist, von der Ausübung von Grundrechten abzuhalten. Die geltend gemachte Verletzung hat ferner dann besonderes Gewicht, wenn sie auf einer groben Verkennung der des durch ein Grundrecht gewährten Schutzes oder einem geradezu leichtfertigem Umgang mit grundrechtlich geschützten Positionen beruht oder rechtsstaatliche Grundsätze krass verletzt1.
f) Vertretungszwang 18 Es besteht ein beschränkter Anwaltszwang (§ 22 BVerfGG), und zwar muss sich der Kläger in der mündlichen Verhandlung durch einen bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt oder einen Lehrer des Rechts an einer deutschen Hochschule vertreten lassen, während er im schriftlichen Verfahren selbst verhandeln kann. 19–27 Einstweilen frei.
III. Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts 28 Ist die Verfassungsbeschwerde zulässig, insbesondere zur Entscheidung angenommen, so entscheidet über ihre Begründetheit grundsätzlich der Senat in seiner Besetzung mit 8 Richtern. Ausnahmsweise ist die Kammer berechtigt, nicht nur über die Annahme der Verfassungsbeschwerde, sondern auch über deren Begründetheit zu entscheiden. Sie kann in den Fällen des § 93a Abs. 2b BVerfGG (vgl. IV Rz. 17) der Verfassungsbeschwerde stattgeben, wenn die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgebliche verfassungsrechtliche Frage durch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden ist und die Verfassungsbeschwerde offensichtlich begründet ist (§ 93c Abs. 1 BVerfGG). 29 Das Bundesverfassungsgericht ist keine Superrevisionsinstanz. Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts ist lediglich die Kontrolle, ob ein Akt öffentlicher Gewalt – eine behördliche oder fachgerichtliche Entscheidung bzw. eine gesetzliche Vorschrift – Verfassungsrecht verletzen. Auch im Fall einer mittelbar gegen ein Gesetz gerichteten Verfassungsbeschwerde kann der Verstoß einer Norm gegen das Grundgesetz entweder zur Nichtigerklärung oder dazu führen, dass das Bundesverfassungsgericht die Verfassungswidrigkeit oder, gleichbedeutend, die Unvereinbarkeit der Norm mit dem Grundgesetz feststellt (vgl. §§ 13 Nr. 8a, 31 Abs. 2 Satz 2, 79 Abs. 1, 95 Abs. 3 BVerfGG). Eine bloße Feststellung der Verfassungswidrigkeit ist insbesondere geboten, wenn der Gesetzgeber verschiedene Möglichkeiten hat, den verfassungswidrigen Zustand zu beseitigen2. In diesem Fall erstreckt sich die Verpflichtung des Gesetzgebers, – rückwirkend – eine der
__________ 1 BVerfG v. 8.2.1994 – 1 BvR 1693/92, NJW 1994, 993. 2 BVerfG v. 4.12.2002 – 2 BvR 400/98, 2 BvR 1735/00, BStBl. II 2003, 534.
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Konkrete Normenkontrolle
Rz. 31 IV
Verfassung entsprechende Rechtslage herzustellen, grundsätzlich auf den gesamten von der Unvereinbarkeitserklärung betroffenen Zeitraum. Wird eine Norm für mit dem Grundgesetz unvereinbar erklärt, folgt daraus in der Regel, dass sie im Umfang der festgestellten Unvereinbarkeit von Gerichten und Verwaltungsbehörden nicht mehr angewendet werden darf1. Wird einer auf die Verfassungswidrigkeit einer Norm gestützten Verfassungsbeschwerde gegen finanzgerichtliche Entscheidungen – Urteil des Finanzgerichts und Urteil/Beschluss des Bundesfinanzhofs über eine Nichtzulassungsbeschwerde – durch das Bundesverfassungsgericht stattgegeben, so trifft das Bundesverfassungsgericht folgende Entscheidungen: Die Nichtigkeit bzw. Unvereinbarkeit der betreffenden Norm mit dem Grundgesetz wird festgestellt. Außerdem wird festgestellt, dass das Urteil des Finanzgerichts und die Entscheidung des Bundesfinanzhofs den Beschwerdeführer in bestimmten Grundrechten verletzen. Darüber hinaus wird die Entscheidung des Bundesfinanzhofs aufgehoben und die Sache an den Bundesfinanzhof zurückverwiesen (vgl. Muster VIII Rz. 28). Eine Nichtigkeitserklärung wird meist nur dann ausgesprochen, wenn der Gesetzgeber für die entsprechende gesetzliche Regelung nicht zuständig war oder aus anderen Gründen eine rückwirkende verfassungskonforme Änderung der betreffenden gesetzlichen Vorschrift nicht möglich ist2. Gerade im Bereich des Steuerrechts ist das Bundesverfassungsgericht weitgehend dazu übergegangen, eine Norm lediglich für mit der Verfassung unvereinbar zu erklären und dem Gesetzgeber unter Gewährung von Übergangsfristen zur verfassungskonformen Regelung zu verpflichten3. Die Senatsentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts haben nach §§ 31 30 Abs. 2, 93c Abs. 1 BVerfGG Gesetzeskraft. Sie wirken deshalb nicht nur zwischen den Beteiligten, sondern haben wie Gesetze generelle Wirkung. Allerdings bleiben Steuerbescheide, die auf einer nichtigen oder mit der Verfassung für unvereinbar erklärten Vorschrift beruhen, in ihrem Bestand gem. § 79 Abs. 2 BVerfGG unberührt. Sie dürfen allerdings grundsätzlich nicht mehr vollstreckt werden (§ 79 Abs. 2 BVerfGG). Dies gilt allerdings dann nicht, wenn die verfassungswidrige Vorschrift für eine Übergangszeit weiter anzuwenden ist4.
IV. Konkrete Normenkontrolle 1. Verfahren Hält das Finanzgericht eine gesetzliche Norm, auf deren Gültigkeit es bei seiner 31 Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig, so setzt es nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG das Verfahren aus und legt die Frage selbst dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vor.
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BVerfG v. 4.12.2002 – 2 BvR 400/98, 2 BvR 1735/00, BStBl. II 2003, 534. Vgl. Seer in Tipke/Lang, § 22 Rz. 285. Vgl. Seer in Tipke/Lang, § 22 Rz. 287; Seer, NJW 1996, 285 ff. Vgl. Seer in Tipke/Lang, § 22 Rz. 290.
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IV Rz. 32
Anrufung des Bundesverfassungsgerichts
32 Diese Vorlage an das Bundesverfassungsgericht geschieht ohne Antrag der Beteiligten. Allerdings sollte ein sich durch eine gesetzliche Vorschrift in seinen Grundrechten verletzt fühlender Steuerpflichtiger oder dessen Berater die Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG anregen und versuchen, das Gericht von der Verfassungswidrigkeit der Norm zu überzeugen, um eine Stellungnahme des Finanzgerichts zu erreichen. Dies dient der Vorbereitung der Verfassungsbeschwerde, für die er seine verfassungsrechtlichen Argumente frühzeitig einbringen muss, um deren Verwerfung als unzulässig zu vermeiden1. 33 Gem. § 81a BVerfGG wird die Zulässigkeit eines Vorlagebeschlusses durch die Kammer beim Bundesverfassungsgericht vorgeprüft. Sie kann durch einstimmigen Beschluss die Unzulässigkeit einer Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG feststellen. Ansonsten und bei Vorlagen durch den Bundesfinanzhof bleibt die Entscheidung gem. § 81a Satz 2 BVerfGG dem Senat vorbehalten. 34 Wesentliche Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Vorlage an das Bundesverfassungsgericht ist die Begründung der Entscheidungserheblichkeit in dem Vorlagebeschluss. Das vorlegende Gericht muss gem. § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG selbst darlegen, warum es die betreffende Norm für verfassungswidrig hält und weshalb davon der Ausgang des Rechtsstreits abhängt. Deshalb ist eine Vorlage zur Normenkontrolle unzulässig, wenn der Vorlagebeschluss nicht mit hinreichender Deutlichkeit erkennen lässt, dass das vorlegende Gericht im Falle der Gültigkeit der betreffenden Vorschrift zu einer anderen Entscheidung gelangen würde als im Falle ihrer Ungültigkeit2. Der Vorlagebeschluss muss aus sich heraus – ohne Beiziehung der Akten – verständlich sein; denn der Begründungszwang dient der Entlastung des Bundesverfassungsgerichts3. Das vorlegende Gericht ist allerdings nicht gehindert, die Vorlage mit neuer Begründung zu wiederholen, da es sich um einen behebbaren Mangel handelt4. 35 Den Vorlagebeschluss fasst das Gericht in derselben Besetzung und in demselben Verfahren, wie sie für die Entscheidung vorgeschrieben sind. Will das Finanzgericht eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einholen, so hat hierüber also der Senat zu entscheiden in der Besetzung mit ehrenamtlichen Richtern. Eine Entscheidung durch den Einzelrichter (§ 6 FGO) oder den Berichterstatter gem. § 79a Abs. 3, 4 FGO ist unzulässig5. In dem Vorlagebeschluss ist gleichzeitig auszusprechen dass das Ausgangsverfahren ausgesetzt wird (Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG). 36 Das Bundesverfassungsgericht gibt dem Bundestag, Bundesrat, der Bundesregierung sowie den Landesregierungen Gelegenheit zur Stellungnahme zum Vorlagebeschluss (§ 82 Abs. 1 i. V. m. § 77 BVerfGG). Es gibt auch den Beteiligten des Verfahrens vor dem Gericht, das den Antrag gestellt hat, Gelegenheit zur Äußerung; sie werden auch zur mündlichen Verhandlung geladen und können sich durch ihre Prozessbevollmächtigten äußern (§ 82 Abs. 3 BVerfGG).
__________ 1 2 3 4 5
Vgl. Seer in Tipke/Lang, § 22 Rz. 274, 283. Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, § 80 BVerfGG Rz. 280. Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, § 80 BVerfGG Rz. 293. Ulsamer in Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, § 81 BVerfGG Rz. 28. BVerfG v. 5.8.1998 – 1 BvL 23/97, NJW 1999, 274.
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Konkrete Normenkontrolle
Rz. 40 IV
2. Entscheidung Liegen die Voraussetzungen für eine Sachentscheidung des Bundesverfassungsge- 37 richts nicht vor, z. B. weil der Vorlagebeschluss nicht hinreichend begründet ist, so erklärt das Bundesverfassungsgericht die Vorlage durch Beschluss für unzulässig. Über die Unzulässigkeit kann die Kammer durch einstimmigen Beschluss entscheiden (§ 81a Satz 1 BVerfGG). Die Entscheidung bleibt allerdings dem Senat vorbehalten, wenn der Antrag von einem Landesverfassungsgericht oder einem obersten Gerichtshof des Bundes gestellt wird (§ 81a Satz 2 BVerfGG). Ist die Vorlage zulässig und gelangt das Bundesverfassungsgericht zu einer Sach- 38 prüfung, so legt es die in Frage gestellte Vorschrift – anders als bei der Zulässigkeitsprüfung – ohne Bindung an die Rechtsauffassung des vorlegenden Gerichts selbständig aus. Deshalb ist es durchaus möglich, dass das Bundesverfassungsgericht bei der Zulässigkeitsprüfung die Rechtsauffassung des vorlegenden Gerichts zu Grunde legt, hiervon aber bei der Sachentscheidung abweicht und zu einem anderen Auslegungsergebnis kommt1. Gelangt das Bundesverfassungsgericht aufgrund des Vorlagebeschlusses zu dem 39 Ergebnis, dass entgegen der Auffassung des vorlegenden Gerichts die betreffende Norm mit dem Grundgesetz vereinbar ist, die Vorlage also unbegründet ist, wird die Vorlage nicht etwa verworfen oder als unbegründet abgewiesen. Das Bundesverfassungsgericht spricht vielmehr ausdrücklich aus, dass die Norm mit dem Grundgesetz vereinbar ist2. Hält das Bundesverfassungsgericht hingegen die im Vorlagebeschluss genannte 40 Vorschrift für mit dem Grundgesetz nicht vereinbar, so erklärt es die betreffende Vorschrift grundsätzlich für nichtig (§ 82 Abs. 1 i. V. m. § 78 BVerfGG). Diese vom Gesetz als Regel gedachte Entscheidung ist allerdings mittlerweile in der Entscheidungspraxis des Bundesverfassungsgerichts die Ausnahme. Eine Nichtigkeitserklärung wird meist nur dann ausgesprochen, wenn der Gesetzgeber für die entsprechende gesetzliche Regelung nicht zuständig war oder aus anderen Gründen eine rückwirkende verfassungskonforme Änderung der betreffenden gesetzlichen Vorschrift nicht möglich ist3. Gerade im Bereich des Steuerrechts ist das Bundesverfassungsgericht weitgehend dazu übergegangen, eine Norm lediglich für mit der Verfassung unvereinbar zu erklären und den Gesetzgeber unter Gewährung von Übergangsfristen zur verfassungskonformen Regelung zu verpflichten4.
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Ulsamer in Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, § 81 BVerfGG Rz.11. Ulsamer in Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, § 81 BVerfGG Rz. 20 m. w. N. Vgl. Seer in Tipke/Lang, § 22 Rz. 285 m. w. N. Vgl. Seer in Tipke/Lang, § 22 Rz. 287; Seer, NJW 1996, 285 ff.; vgl. auch IV Rz. 21.
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IV Rz. 41
Anrufung des Bundesverfassungsgerichts
V. Einstweiliger Rechtsschutz 1. Allgemeines 41 Auch das Bundesverfassungsgericht hat die Möglichkeit, einstweiligen Rechtsschutz zu gewähren, um einen effektiven Verfassungsrechtsschutz zu gewährleisten. Gem. § 32 Abs. 1 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht in einem Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Diese Vorschrift gilt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts als allgemeine Verfahrensnorm für alle im BVerfGG vorgesehenen Verfahren1. Das Verfahren der einstweiligen Anordnung kann allerdings immer nur ein Nebenverfahren in einem Verfassungsstreit sein, für den das Bundesverfassungsgericht zuständig ist. Denn es ist seinem Rechtsschutzziel entsprechend auf die Sicherung und Umsetzbarkeit einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Hauptsacheverfahren gerichtet. Nur auf ein solches Verfahren bezieht sich die Sicherungsfunktion des § 32 BVerfGG2. 42 Eine einstweilige Anordnung ergeht grundsätzlich nur auf Antrag. Sie kann aber nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts auch in Sonderfällen von Amts wegen erlassen werden3. Eine von Amts wegen erfolgende einstweilige Anordnung spielt in der Praxis allerdings nur eine geringe Rolle4. Sie soll deshalb hier nicht weiter behandelt werden. Grundsätzlich kann der Antragsteller im einstweiligen Anordnungsverfahren keine Entscheidung über die im Hauptsacheverfahren angegriffene Maßnahme erreichen. Denn auch hier gilt der allgemein im einstweiligen Rechtsschutz geltende Grundsatz, dass das Ergebnis des Hauptsacheverfahrens nicht vorweggenommen werden darf5.
2. Zulässigkeit des Antrags a) Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts 43 Der Antrag ist nur dann zulässig, wenn das Bundesverfassungsgericht auch in der Hauptsache zuständig ist6. Er kann bereits gestellt werden, bevor das verfassungsgerichtliche Hauptsacheverfahren anhängig ist7. Allerdings muss die Verfassungs-
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Vgl. BVerfG v. BVerfGE 66, 39, NJW 1984, 1873. Vgl. Graßhof in Maunz/Schmidt-Bleibtreu, § 32 BVerfGG Rz. 16. Vgl. Graßhof Maunz/Schmidt-Bleibtreu, § 32 BVerfGG Rz. 28 ff. Vgl. Graßhof Maunz/Schmidt-Bleibtreu, § 32 BVerfGG Rz. 29. Vgl. Graßhof in Maunz/Schmidt-Bleibtreu, § 32 BVerfGG Rz. 48, 49. Vgl. BVerfG v. 7.4.1976 – 2 BvH 1/75, BVerfGE 42, 103 (119 ff.). Vgl. BVerfG v. 24.3.2001 – 1 BvQ 13/01, NJW 2001, 2069 und v. 23.4.2002 – 1 BvR 1412/97, 1 BvQ 14/02, BVerfGE 105, 235.
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Einstweiliger Rechtsschutz
Rz. 48 IV
beschwerde zum Bundesverfassungsgericht im Hauptsacheverfahren noch zulässig erhoben werden können1.
b) Antragsberechtigung Antragsberechtigt ist jeder, der im Hauptsacheverfahren Antragsteller, Antrags- 44 gegner oder sonst Beteiligter sein kann2. Betrifft das Hauptsacheverfahren eine Verfassungsbeschwerde, ist hiernach der Beschwerdeführer auch antragsbefugt für eine einstweilige Anordnung i. S. des § 32 BVerfGG.
c) Ordnungsmäßigkeit des Antrags Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Antrags auf eine einstweilige Anord- 45 nung sind Ordnungsmäßigkeit und Begründung des Antrags. Der Antrag muss das verfolgte Rechtsschutzziel, nämlich die Sicherung des mit dem Hauptsachverfahren verfolgten Begehrens benennen und einfordern3. Außerdem müssen die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen An- 46 ordnung substantiiert dargelegt werden4. Allerdings braucht ein konkreter Anordnungsinhalt nicht geltend gemacht zu werden, denn das Bundesverfassungsgericht ist ohnehin nicht an den gestellten Antrag gebunden, sondern kann das anordnen, was es zur vorläufigen Sicherung aus Gründen des Gemeinwohls für dringend geboten hält5.
d) Rechtsschutzinteresse Der Antrag setzt auch ein entsprechendes Rechtsschutzbedürfnis voraus. Es fehlt, 47 wenn Rechtsschutz auf andere Weise gewährt werden kann oder der Antragsteller sein Ziel durch eigene Maßnahmen erreichen kann6. Außerdem darf die Hauptsache nicht bereits entscheidungsreif sein7.
3. Begründetheit des Antrags Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist nur dann begründet, 48 wenn eine vorläufige Regelung zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist (§ 32 BVerfGG). An die Erfüllung dieser Voraussetzungen stellt das Bundesverfassungsgericht hohe Anforderungen, weil eine einstwei-
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Vgl. Graßhof in Maunz/Schmidt-Bleibtreu, § 32 BVerfGG Rz. 18. Vgl. Graßhof in Maunz/Schmidt-Bleibtreu, § 32 BVerfGG Rz. 26. BVerfG v. 31.3.1992 – 1 BvR 720/90, BVerfGE 86, 46. BVerfG v. 27.4.2000 – 2 BvR 801/99, NVwZ 2000, 789 ff.; Graßhof in Maunz/SchmidtBleibtreu, § 32 BVerfGG Rz. 45. 5 BVerfG v. 31.3.1992 – 1 BvR 720/90, BVerfGE 86, 46; Graßhof in Maunz/Schmidt-Bleibtreu, § 32 BVerfGG Rz. 46. 6 BVerfG v. 31.3.1992 – 1 BvR 720/90, BVerfGE 86, 46. 7 BVerfG v. 17.12.1960 – 2 BvQ 4, 7, 10, 11/60, BVerfGE 12, 36.
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IV Rz. 49
Anrufung des Bundesverfassungsgerichts
lige Anordnung in einem verfassungsgerichtlichen Verfahren meist weitreichende Folgen auslöst1. Ob die einstweilige Anordnung dringend geboten ist, richtet sich danach, welche tatsächlichen oder rechtlichen Entwicklungen sich ergeben, wenn eine einstweilige Anordnung derzeit nicht ergeht, und ob der so entstehende Zustand nur durch ein alsbaldiges Eingreifen des Bundesverfassungsgerichts verhindert werden kann2. Eine dringliche Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts besteht in der Regel dann nicht, wenn das erstrebte Ziel durch Anrufung der Fachgerichte erreicht werden kann3. Sie fehlt auch dann, wenn Beteiligte bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde im Hauptsacheverfahren zum Stillhalten bereit sind, also die für verfassungswidrig erachtete Norm vorläufig nicht anwenden4. 49 Im Rahmen der Prüfung, ob die Voraussetzungen des § 32 BVerfGG erfüllt sind (der sog. Folgenabwägung), haben die Gründe, die für die Verfassungswidrigkeit des angegriffenen Hoheitsakts vorgetragen werden, grundsätzlich außer Betracht zu bleiben, es sei denn, die Verfassungsbeschwerde erwiese sich von vornherein als unzulässig oder offensichtlich unbegründet. Kann dies nicht festgestellt werden, muss der Ausgang des Verfassungsbeschwerdeverfahrens also als offen angesehen werden, sind die Folgen, die eintreten würden, wenn die einstweilige Anordnung nicht erginge, die Verfassungsbeschwerde später aber Erfolg hätte, gegen die Nachteile abzuwägen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Verfassungsbeschwerde aber der Erfolg zu versagen wäre5. 50 Das Bundesverfassungsgericht ist bei der Festlegung des Inhalts einer einstweiligen Anordnung nicht an den Antrag des Antragstellers gebunden (vgl. IV Rz. 45). Sie kann sich allerdings nur auf das im Hauptsacheverfahren verfolgte Ziel beziehen6. 51 Die einstweilige Anordnung kann ohne mündliche Verhandlung ergehen (§ 32 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG), bei besonderer Dringlichkeit sogar ohne Gelegenheit zur Stellungnahme für die Verfahrensbeteiligten (§ 32 Abs. 2 BVerfGG). Die Form richtet sich nach § 25 Abs. 2 BVerfGG: Nach mündlicher Verhandlung ergeht ein Urteil, andernfalls ein Beschluss. Die einstweilige Anordnung tritt gem. § 32 Abs. 6 BVerfGG nach sechs Monaten außer Kraft, kann jedoch mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der Stimmen wiederholt werden. 52 Über den Eilantrag entscheidet gem. § 93d Abs. 2 BVerfGG die Kammer, wenn eine Verfassungsbeschwerde noch nicht zur Entscheidung angenommen ist bzw. noch nicht anhängig ist und keine grundsätzlichen Verfassungsfragen zu entscheiden sind. Die Kammer kann eine Entscheidung über den Eilantrag in diesen Fällen vermeiden, wenn sie die Annahme der Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung ablehnt. Dann ist das Hauptsacheverfahren beendet; der Antrag auf Er-
__________ 1 2 3 4 5 6
Vgl. BVerfG v. 10.7.1990 – 2 BvR 470/90, 2 BvR 650/90, 2 BvR 707/90, BVerfGE 82, 310. Vgl. BVerfG v. 27.4.2000 – 2 BvR 801/99, NVwZ 2000, 789 ff. BVerfG v. 23.6.1994 – 2 BvQ 27/94, NJW 1994, 3221. BVerfG v. 22.3.2005 – 1 BvR 2357/04, NJW 2005, 1179. BVerfG v. 22.3.2005 – 1 BvR 2357/04, NJW 2005, 1179. BVerfG v. 31.3.1992 – 1 BvR 720/90, BVerfGE 86, 46.
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Einstweiliger Rechtsschutz
Rz. 52 IV
lass einer einstweiligen Anordnung wird gegenstandslos1. Die Kammer entscheidet gem. § 93d Abs. 1 Satz 1 BVerfGG stets ohne mündliche Verhandlung. In den übrigen Fällen ist der Senat zur Entscheidung über den Eilantrag zuständig. Ist ein Senat nicht beschlussfähig, so kann die einstweilige Anordnung bei besonderer Dringlichkeit erlassen werden, wenn mindestens drei Richter anwesend sind und der Beschluss einstimmig gefasst wird (§ 32 Abs. 7 BVerfGG).
__________ 1 Vgl. Graßhof in Maunz/Schmidt-Bleibtreu, § 32 BVerfGG Rz. 198.
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V. Teil Anrufung des Europäischen Gerichtshofs I. Allgemeines 1 Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaft (EuGH)1 mit Sitz in Luxemburg soll gewährleisten, dass das EU-Recht in allen EU-Mitgliedstaaten auf die gleiche Weise ausgelegt und angewendet wird, so dass das Recht für alle gleich ist. Er ist befugt, in Rechtsstreitigkeiten zwischen EU-Mitgliedstaaten, EU-Organen, Unternehmen und Privatpersonen zu entscheiden2. Der Gerichtshof entscheidet in den Rechtssachen, mit denen er befasst wird. Die vier häufigsten Klagearten sind: 1. Vorabentscheidungsersuchen; 2. Vertragsverletzungsklagen; 3. Nichtigkeitsklagen; 4. Untätigkeitsklagen. Für den Rechtsschutz in Steuersachen ist nur das Vorabentscheidungsverfahren von Bedeutung (s. V Rz. 5 ff.). Die nationalen Gerichte jedes EU-Staats müssen für eine ordnungsgemäße Anwendung des EU-Rechts in ihrem Land sorgen. Es besteht aber die Gefahr, dass die Gerichte in den einzelnen Ländern die europäischen Rechtsvorschriften unterschiedlich auslegen. Um dies zu verhindern, wurde das „Ersuchen um Vorabentscheidung“ eingeführt. Wenn ein nationales Gericht Zweifel über die Auslegung oder Gültigkeit einer Rechtsvorschrift der EU hat, so kann es – und muss es in manchen Fällen – den Gerichtshof zu Rate ziehen. Dieser Rat wird in Form einer „Vorabentscheidung“ erteilt. 2 Die Finanzgerichte und der Bundesfinanzhof haben das europäische Gemeinschaftsrecht als Bestandteil des Bundesrechts anzuwenden (Art. 23 Abs. 1 i. V. m. Art. 25 Abs. 1 GG). Auf dem Gebiet der indirekten Steuern enthält Art. 93 EGV ein Harmonisierungsgebot, das zunächst durch die 6. EG-Richtlinie und seit dem 1.1.2007 durch die sog. Mehrwertsteuersystem-Richtlinie, die Anwendungsvorrang vor dem nationalen Recht hat, umgesetzt worden ist. Im Bereich der direkten Steuern haben die Steuergerichte zu beachten, dass die Anwendung der nationalen Rechtsvorschriften nicht gegen die Grundfreiheiten des EG-Vertrages (vor allem Arbeitnehmerfreizügigkeit gem. Art. 39 EGV, Niederlassungsfreiheit gem. Art. 43 EGV, Dienstleistungsfreiheit gem. Art. 49 EGV und Kapitalverkehrsfreiheit gem. Art. 56 EGV) verstößt.
__________ 1 Eingerichtet im Jahre 1952 durch den EGKS-Vertrag. 2 Damit der EuGH die große Menge der ihm vorgelegten Rechtssachen bewältigen kann und um den Rechtsschutz für die Bürger zu verbessern, wurde 1989 das Gericht erster Instanz geschaffen. Dieses (dem EuGH beigeordnete) Gericht ist für Entscheidungen in bestimmten Arten von Rechtsstreitigkeiten zuständig, insbesondere für Klagen von Privatpersonen, Unternehmen und bestimmten Organisationen sowie für Rechtssachen im Zusammenhang mit dem Wettbewerbsrecht.
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Die Besetzung des Europäischen Gerichtshofs
Rz. 4 V
Empfehlung: Es ist wichtig, dass der den Kläger beratende Steuerberater oder Rechtsanwalt mit dem Gemeinschaftsrecht vertraut sind. Unkenntnis auf dem Gebiet des Gemeinschaftsrechts kann zu haftungsrechtlichen Konsequenzen führen1. Die Verletzung von Gemeinschaftsrecht durch den nationalen Gesetzgeber und die Finanzverwaltung kann vom Steuerpflichtigen im Verfahren vor dem Finanzgericht und vor dem Bundesfinanzhof gerügt werden. Der Steuerpflichtige selbst hat insoweit kein eigenes Klagerecht zum EuGH2. Er hat auch keine Möglichkeit, die Anrufung des EuGH zu erzwingen.
II. Die Besetzung des Europäischen Gerichtshofs 1. Die Spruchkörper Die Richter in den Spruchkörpern stammen aus den einzelnen Mitgliedstaaten 3 der EU. Derzeit sind 27 Richter am EuGH tätig. Nach Art. 221 EGV stammt aus jedem Mitgliedstaat ein Richter. Die Regierungen ernennen sie (alle drei Jahre) im Einvernehmen für jeweils sechs Jahre; eine Wiederernennung ist möglich (Art. 223 EGV). In Deutschland erfolgt die Auswahl durch die Bundesregierung. Der Gerichtshof tagt grundsätzlich in Kammern zu drei oder fünf Richtern. Er tagt als Große Kammer, bestehend aus 13 Richtern einschließlich des Präsidenten des EuGH als Vorsitzenden, wenn ein am Verfahren beteiligter Mitgliedstaat oder ein am Verfahren beteiligtes Gemeinschaftsorgan dies beantragt (Art. 16 Abs. 2 der Satzung des EuGH). Der Gerichtshof tagt in seltenen Ausnahmefällen als Plenum. Der Berichterstatter für einen Fall wird jeweils durch den Präsidenten bestimmt (Art. 9 § 2 VerfO-EuGH). Eine feste Geschäftsverteilung gibt es nicht. In der Regel wird die Zuweisung an einen Berichterstatter aus dem Herkunftsland vermieden3.
2. Der Generalanwalt Der Gerichtshof wird von acht Generalanwälten unterstützt. In Deutschland gibt 4 es keine dem Generalanwalt vergleichbaren Rechtsinstitutionen4. Der Generalanwalt ist dem Gerichtshof insgesamt zugeordnet. Nach Art. 222 Abs. 2 EGV stellt der Generalanwalt in völliger Unparteilichkeit und Unabhängigkeit Schlussanträge in den Rechtssachen, in denen nach der Satzung des EuGH seine Mitwirkung erforderlich ist. Dies ist seine wesentliche Aufgabe, allerdings ist er schon
__________ 1 Ebenso Seer in Tipke/Kruse, EuRS, Rz. 1; Thömmes, StbJ. 05/06, 191 (210 ff.). 2 Seer in Tipke/Lang, § 23 Rz. 292 und 294; Seer in Tipke/Kruse, EuRS, Rz. 9. 3 So Kokott/Henze, Der Anwalt vor dem europäischen Gerichtshof, AnwBl. 2007, 309, 312 Fn. 27. 4 Kokott, Anwältin des Rechts – Zur Rolle der Generalanwälte beim Europäischen Gerichtshof, Bonn 2006.
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V Rz. 5
Anrufung des Europäischen Gerichtshofs
zuvor in das Verfahren eingeschaltet. So wird er aufgrund der Satzung und der Verfahrensordnung des EuGH1 vor allen Verfahrensentscheidungen angehört (z. B. Verbindung von Verfahren, Aussetzung). Er muss dem Bericht des berichterstattenden Richters zustimmen, der Grundlage für die Zuweisung einer Rechtssache an einen bestimmten Spruchkörper ist (Art. 221 Abs. 2 EGV, Art. 9 § 1 VerfO-EuGH). Auf diese Weise beeinflusst der Generalanwalt die Zuweisung einer Rechtssache an einen bestimmten Spruchkörper (z. B. Große Kammer, Plenum). Die Schlussanträge schließen die mündliche Verfahrensphase ab. Nach Vorlage der Schlussanträge schreibt der Berichterstatter seinen Urteilsentwurf. An der Beratung durch die zuständige Kammer nimmt der Generalanwalt nicht teil.
III. Das Vorabentscheidungsverfahren 5 Der Individualrechtsschutz gegen Verstöße gegen das EG-Recht wird durch das Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 234 EGV2 gewährt. Der EuGH entscheidet dabei nur über Fragen der Auslegung des Gemeinschaftsrechts und der Gültigkeit von Rechtsakten der Gemeinschaftsorgane und der Europäischen Zentralbank, nicht aber über die Auslegung oder Anwendung nationalen Rechts.
1. Vorlageberechtigung und Vorlageverpflichtung 6 Werden Normen entscheidungserheblich, bei denen Gemeinschaftsrecht verletzt sein könnte, so kann das Finanzgericht nach Art. 234 Abs. 2 EGV die Frage nach der Auslegung der maßgeblichen Normen des Gemeinschaftsrechts dem EuGH vorlegen. Das Finanzgericht als untere Instanz ist zur Vorlage nicht verpflichtet, auch wenn der Kläger oder sein Berater diese anregen3. Der Bundesfinanzhof muss aber als letztinstanzliches Gericht gem. Art. 234 Abs. 3 EGV das Vorabentscheidungsverfahren durch Vorlage an den EuGH einleiten, sofern Auslegungszweifel bestehen. Die Finanzgerichte sind also vorlageberechtigt, während der Bundesfinanzhof vorlageverpflichtet4 ist. Empfehlung: Sind der Kläger und/oder sein Berater der Auffassung, dass durch eine gesetzliche Vorschrift europäisches Recht verletzt ist, so empfiehlt es sich, schon beim Finanzgericht einen Antrag dahingehend zu stellen, dass die Rechtsfrage dem EuGH vorgelegt wird5. Der diesbezügliche Antrag lautet wie folgt:
__________ 1 Abzurufen im Internet unter www.curia.europa.eu. 2 Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft v. 7.2.1992 in der Fassung des Vertrages von Amsterdam v. 2.10.1997. 3 BFH v. 27.3.2007 – VIII B 152/05, BFH/NV 2007, 1335. 4 BFH v. 28.8.2003 – VII B 259/02, BFH/NV 2004, 68. 5 Ebenso Carlé, Der (Rechts-)Weg zum EuGH, AO-StB 2007, 243.
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Das Vorabentscheidungsverfahren
Rz. 9 V
Es wird beantragt, das Verfahren gem. § 74 FGO auszusetzen und dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften nach Art. 234 EGV folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen: „Steht Art. 56 EGV der Regelung eines Mitgliedstaates entgegen, … (z. B.: nach welcher ein Abzugsverbot von Gewinnminderungen im Zusammenhang mit der Beteiligung einer Kapitalgesellschaft an einer anderen Kapitalgesellschaft bezogen auf Auslandsbeteiligungen früher in Kraft tritt als für Inlandsbeteiligungen?1)“ Der BFH ist an die Vorlageverpflichtung nicht gebunden, wenn2
7
– die Rechtslage bereits in einem gleich gelagerten Fall Gegenstand eines Vorabentscheidungsverfahrens vor dem EuGH war, – eine gesicherte Rechtsprechung des EuGH existiert, wonach die betreffende Auslegungsfrage bereits entschieden ist, – die Anwendung des Gemeinschaftsrechts offenkundig zutreffend ist, so dass kein Raum für vernünftige Zweifel besteht.
2. Vorabentscheidungsersuchen Die Vorlage erfolgt durch Beschluss des vorlegenden Gerichts. Gleichzeitig wird 8 das anhängige Verfahren gem. § 74 (ggf. i. V. m. § 121 Satz 1) FGO bis zur Entscheidung des EuGH ausgesetzt, da es sich bei dem Verfahren vor dem EuGH um ein Zwischenverfahren handelt. An dem Beschluss, der zumeist aufgrund mündlicher Verhandlung ergeht, wirken beim Finanzgericht die ehrenamtlichen Richter mit. Auch nach Vorlage eines Vorabentscheidungsersuchens an den EuGH besteht die Dispositionsmaxime der Beteiligten fort. Sie können das anhängige Klage- oder Revisionsverfahren jederzeit durch Klagerücknahme (§ 72 FGO, s. II Rz. 537) oder beiderseitige Erledigungserklärungen (§ 138 FGO, s. II Rz. 640) beenden. Auf diese Weise erledigt sich auch das Verfahren vor dem EuGH. Die Beteiligten des Rechtsstreits, die sich auf die Vorlageverpflichtung berufen, 9 haben kein Rechtsmittel gegen die Entscheidung des nationalen Gerichts, den EuGH nicht anzurufen3. Insbesondere können sie nicht selbst den EuGH anrufen, um die Vorlage zu erreichen. Art. 226, 227 EGV sehen allerdings das Vertragsverletzungsverfahren als Sanktion vor. Hiervon ist bisher in Fällen der Nichtvorlage allerdings noch kein Gebrauch gemacht worden4. Im Übrigen kann die Verletzung der Vorlagepflicht ein Verstoß gegen die Garantie des gesetzlichen Richters gem. Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nur dann sein5,
__________ 1 2 3 4 5
Nach BFH v. 4.4.2007 – I R 57/06, BFH/NV 2007, 2028. S. dazu Carlé, a. a. O., AO-StB 2007, 242, 244. Einzelheiten hierzu s. bei Carlé, a. a. O., AO-StB 2007, 242, 245. Carlé, a. a. O., AO-StB 2007, 242, 245. BVerfG v. 9.11.1987 – 2 BvR 808/82, EuGRZ 1988, 109; v. 3.10.1989 – 2 BvR 440/87, HFR 1990, 446.
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V Rz. 10
Anrufung des Europäischen Gerichtshofs
wenn das Gericht den ihm in solchen Fällen zukommenden Beurteilungsrahmen in unvertretbarer Weise überschritten hätte, z. B. dann, wenn mögliche Gegenauffassungen zu der entscheidungserheblichen Frage des Gemeinschaftsrechts gegenüber der vom Gericht vertretenen Meinung eindeutig vorzuziehen sind1. 10 Das Verfahren vor dem EuGH ist ein objektives Zwischenverfahren, das dem Interesse an der einheitlichen Auslegung und Gültigkeitsprüfung des Gemeinschaftsrechts dient. Die Parteien des Ausgangsverfahrens können in diesem Verfahren Anregungen geben, haben aber keine eigenen Antragsrechte.
3. Amtssprache 11 Im Vorabentscheidungsverfahren ist Verfahrenssprache und damit Amtssprache ausnahmslos die Sprache des vorlegenden Gerichts (Art. 29 § 2 VerfO-EuGH). Mitgliedstaaten als Beteiligte dürfen sich mündlich oder schriftlich ihrer eigenen Amtssprache bedienen. Der Generalanwalt schreibt in seiner Muttersprache. Der Vorbericht und der Sitzungsbericht werden auf Französisch abgefasst. Die Beratungs- und Arbeitssprache des Gerichtshofs ist historisch bedingt Französisch2. Deshalb werden alle verfahrensrelevanten Schriftstücke in diese Sprache übersetzt.
4. Prozessvertreter 12 Im Verfahren vor dem EuGH herrscht für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens grundsätzlich Anwaltszwang (Art. 19 Abs. 4 der Satzung des EuGH). Dieser Grundsatz ist allerdings im Vorabentscheidungsverfahren gelockert. Insoweit sieht Art. 104 § 2 VerfO-EuGH vor, dass hinsichtlich der Vertretung und des persönlichen Erscheinens im Vorabentscheidungsverfahren den vor den nationalen Gerichten geltenden Verfahrensvorschriften Rechnung getragen wird. Das bedeutet, dass die Vorlage eines deutschen Finanzgerichts nicht dazu führt, dass der bis dahin nicht vertretene Kläger nunmehr einen Prozessbevollmächtigten bestellen muss. Er kann vielmehr selbst vor dem EuGH auftreten. Bei einer EuGH-Vorlage durch den BFH ist § 62 Abs. 4 FGO n. F. zu beachten (s. III Rz. 5 f.), das heißt, dass zwar Vertretungszwang besteht, die Vertretung aber nicht durch einen Rechtsanwalt erfolgen muss, sondern durch die auch vor dem BFH postulationsfähigen Prozessvertreter möglich ist. Die Bevollmächtigten der Mitgliedstaaten müssen keine Anwälte sein. Die Bevollmächtigten und Anwälte, die vor dem EuGH auftreten, genießen aufgrund von Art. 32 ff. VerfO-EuGH Immunität für ihre mündlichen und schriftlichen Äußerungen, die sich auf die Rechtssache beziehen, sowie andere Privilegien im Interesse der geordneten Durchführung des Verfahrens.
__________ 1 BFH v. 11.5.2007 – V S 6/07, BStBl. II 2007, 653. 2 Schima, a. a. O, S. 140.
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Das Vorabentscheidungsverfahren
Rz. 18 V
5. Verfahrensablauf Der Verfahrensablauf ist streng formalisiert und stellt sich im Einzelnen beim 13 Vorabentscheidungsverfahren grundsätzlich wie folgt dar1: 1. Jedes Ersuchen um Vorabentscheidung wird in der Kanzlei des EuGH behan- 14 delt: Hier erfolgen dessen Eintragung in das Register der Kanzlei des Gerichtshofes in der Sprache des vorlegenden Gerichts. Diese Sprache wird Verfahrenssprache. Es wird eine Mitteilung für das vorlegende Gericht über das eingegangene Vorabentscheidungsersuchen erstellt. Jede neu eingehende Rechtssache wird im Amtsblatt der EU veröffentlicht (Art. 16 § 6 VerfO-EuGH), wobei auch die Namen der Beteiligten angegeben werden. Das im deutschen Recht geltende Steuergeheimnis (§ 30 AO) hindert die Veröffentlichung der Namen nicht. Es erfolgt eine Vorlage an den Präsidenten des EuGH und gleichzeitig die Weiterleitung an den Übersetzerdienst des EuGH, der das Ersuchen in alle anderen Amtssprachen (Art. 29 § 1 VerfO-EuGH) übersetzt. 2. Zuweisung durch den Präsidenten an einen für die gesamte Verfahrensdauer 15 federführenden Berichterstatter (Art. 9 § 2 VerfO-EuGH: Ebenso weist der Generalanwalt die Rechtssache einem bestimmten Generalanwalt zu. Die Entscheidung über die Zuweisung ist nicht – wie im deutschen Verfahrensrecht – nach festen Kriterien vorzunehmen. Es steht nicht von vornherein fest, an welchen Richter ein bestimmtes Verfahren gelangen wird2. 3. Es findet dann eine Vorprüfung des Ersuchens durch einen Juristen des wissen- 16 schaftlichen Dienstes statt, der das nationale Rechtssystem kennt, aus dem die Vorlage kommt. Hierbei geht es vor allem um Zulässigkeitsprobleme. Gem. Art. 92 § 1 VerfO-EuGH kann der EuGH nach Anhörung des Generalanwalts ein Vorabentscheidungsersuchen durch begründeten Beschluss zurückweisen, wenn er offensichtlich unzuständig oder das Ersuchen offensichtlich unzulässig ist. Dies kann schon vor Zustellung des Vorabentscheidungsersuchens geschehen. 4. Zustellung des Vorabentscheidungsersuchens: Das Vorabentscheidungsersuchen 17 wird an die beteiligten Parteien, die Regierungen aller Mitgliedstaaten und an die Kommission sowie weitere im Einzelnen in Art. 104 § 1 VerfO-EuGH genannte Institutionen zugestellt (Art. 23 Absatz 1 Satzung des EuGH). Den Mitgliedstaaten wird die Originalfassung des Ersuchens zusammen mit einer Übersetzung in der Amtssprache des Empfängerstaats übermittelt (vgl. Art. 104 § 1 VerfO-EuGH). 5. Die Zustellung setzt eine Frist zur schriftlichen Stellungnahme von zwei Mo- 18 naten zzgl. einer pauschalen Entfernungsfrist von zehn Tagen in Lauf (Art. 81
__________
1 S. dazu im Einzelnen Schima, S. 131 ff. mit zahlreichen weiteren Nachweisen sowie Kokott/Henze, a. a. O., AnwBl. 2007, 309 ff.; s. auch im Internet unter www.curia. europa.eu „Der Gerichtshof, Praktische Anweisungen für Klagen und Rechtsmittel sowie Hinweise für Prozessvertreter sowie Satzung des Gerichtshofes und Verfahrensordnung des Gerichtshofes“. 2 Vgl. dazu Seer in Tipke/Kruse, EuRS Rz. 28.
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V Rz. 19
Anrufung des Europäischen Gerichtshofs
§ 2 VerfO-EuGH). Diese Frist ist nicht verlängerbar1; gem. Art. 45 Abs. 2 der Satzung des EuGH kann jedoch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Versäumung dieser Frist infolge höherer Gewalt oder eines Zufalls gewährt werden. 19 6. Die schriftlichen Erklärungen2 der Parteien, Organe und Mitgliedstaaten (vgl. Art. 23 Abs. 2 der Satzung des EuGH) sind im unterschriebenen Original sowie mit sieben beglaubigten Kopien einzureichen. Die Mitgliedstaaten dürfen ihre schriftlichen Erklärungen in ihrer eigenen Amtssprache abgeben (vgl. Art. 29 § 3 Abs. 4 VerfO-EuGH). Ein weiterer Schriftsatzaustausch ist nicht vorgesehen. Allein die mündliche Verhandlung gibt noch Gelegenheit, auf die Schriftsätze der anderen Beteiligten einzugehen3. Empfehlung: Zwar können die Parteien in ihren Stellungnahmen dem EuGH keine weiteren Vorlagefragen unterbreiten oder den Verfahrensgegenstand in sonstiger Weise erweitern, sie sind jedoch dazu berufen, dem EuGH zusätzliche Informationen über den Sachverhalt und die nationale Rechtslage zu liefern. Solche Beiträge sind in der Praxis ebenso wichtig wie Rechtsausführungen zum Gemeinschaftsrecht4. Dies sollte aber nicht dazu führen, dass die Schriftsätze übermäßig lang werden, denn sie müssen ins Französische, die interne Amtssprache des EuGH, übersetzt werden. Deshalb sollten Satzkonstruktionen oder Ausdrücke vermieden werden, die schwierig zu übersetzen sind und möglicherweise Missverständnisse oder Unklarheiten in der Übersetzung hervorrufen. Da grundsätzlich auch nur der Schriftsatz selbst übersetzt wird, nicht aber etwaige Anlagen, sollten wichtige Passagen aus Urkunden oder Gesetzestexten im Schriftsatz selbst wiedergegeben werden5. 20 7. Nach Abschluss des schriftlichen Verfahrens werden die eingegangenen Schriftsätze an die Parteien, Organe und Mitgliedstaaten zugestellt mit der Anfrage, ob eine mündliche Verhandlung beantragt werden soll (vgl. Art. 104 § 4 VerfOEuGH). Der Antrag muss begründet werden, wobei darzulegen ist, in Bezug auf welche Aktenbestandteile oder Ausführungen eine Partei eine eingehendere Darstellung oder Widerlegung in einer mündlichen Verhandlung für erforderlich hält. 21 8. Anschließend wird der Vorbericht durch den Berichterstatter in der internen Arbeitssprache (vgl. Art. 20 Abs. 4 der Satzung des EuGH; Art. 44 § 1a i. V. m. Art. 103 § 1 VerfO-EuGH) nach Abstimmung mit dem zuständigen Generalanwalt erstellt. Dieser Vorbericht ist ein internes Dokument und endet mit den Vorschlägen für den weiteren Ablauf des Verfahrens. 22 9. Auf der Grundlage des Vorberichts entscheidet nunmehr die Generalversammlung, bestehend aus allen Richtern und Generalanwälten des EuGH, ob die Rechtssache eine Beweisaufnahme erfordert, weitere Aufklärungsmaßnahmen
__________ 1 2 3 4 5
Schima, S. 140. Muster s. unter VIII Rz. 27. S. dazu Kokott/Henze, a. a. O., AnwBl. 2007, 309 (312). So ausdrücklich Kokott/Henze, a. a. O., AnwBl. 2007, 309 (312). So die ausdrückliche Empfehlung von Kokott/Henze, a. a. O., AnwBl. 2007, 309 (312).
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Das Vorabentscheidungsverfahren
Rz. 25 V
erforderlich sind, welchem Spruchkörper die Rechtssache zugewiesen wird und ob eine mündliche Verhandlung stattfindet, deren Termin der Präsident bestimmt. Ferner erfolgt durch die Generalversammlung die Zuweisung an einen Spruchkörper – je nach Bedeutung der Sache an die Dreier-, Fünfer- oder Große Kammer (13 Richter). Diese Zuweisung erfolgt unter Beibehaltung des Berichterstatters (Art. 11b, 11c § 1 VerfO-EuGH). Schließlich entscheidet sie nach Anhörung des Generalanwalts, wenn gem. Art. 20 Abs. 5 der Satzung des EuGH ohne Schlussanträge entschieden werden soll, weil die Rechtssache keine neuen Rechtsfragen aufwirft. 10. Anschließend erfolgt die Zustellung des vom Berichterstatter ebenfalls er- 23 stellten Sitzungsberichts in der Verfahrenssprache an die Parteien, Organe und Mitgliedstaaten. Der Öffentlichkeit wird dieser Bericht im Rahmen der mündlichen Verhandlung in der Verfahrenssprache zugänglich gemacht. 11. Die mündliche Verhandlung ist öffentlich. Sie ist streng formalisiert. Sämt- 24 liche Beiträge werden je nach Bedarf in die verschiedenen Amtssprachen der EU simultan übersetzt. Der Berichterstatter fasst in einem Sitzungsbericht das tatsächliche und rechtliche Vorbringen der Parteien zusammen. In der mündlichen Verhandlung tragen die Parteien ihre Ausführungen dem Spruchkörper und dem Generalanwalt vor. Die Redezeit beträgt normalerweise maximal 30 Minuten vor der Großen Kammer und der Fünfer-Kammer und 15 Minuten vor der Dreierkammer. Empfehlung: Da das Plädoyer simultan in mehrere Sprachen übertragen wird, sollte der Prozessvertreter deutlich und in angemessenem Tempo vortragen. Es erleichtert die Übersetzung, wenn unmittelbar vor der Verhandlung den Dolmetschern eine Kopie des Redemanuskripts überlassen wird1. Die Richter und der Generalanwalt können den Parteien die Fragen stellen, die sie für zweckdienlich erachten. Am Ende der Sitzung gibt der Generalanwalt in der Regel das Datum der Verkündung der Schlussanträge bekannt. 12. Einige Wochen später – wiederum in öffentlicher Sitzung – trägt der General- 25 anwalt dem Gerichtshof seine Schlussanträge vor, die er in seiner eigenen Sprache erstellt hat (vgl. Art. 29 § 5 VerfO-EuGH) und die in die Verfahrenssprache und die interne Amtssprache übersetzt worden sind. In diesen Schlussanträgen geht er insbesondere auf die rechtlichen Fragen des Rechtsstreits ein und schlägt dem Gerichtshof in völliger Unabhängigkeit die Entscheidung vor, die seiner Meinung nach in dem Rechtsstreit ergehen sollte. Damit ist das mündliche Verfahren abgeschlossen. Insbesondere können die Verfahrensbeteiligten jetzt nicht mehr Stellung nehmen. Es kann allenfalls nach Art. 61 VerfO-EuGH die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung angeordnet werden.
__________ 1 So das ausdrückliche Ersuchen des EuGH in seinen Praktischen Anweisungen für Klagen und Rechtsmittel unter Tz. 52.
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V Rz. 26
Anrufung des Europäischen Gerichtshofs
26 13. Anschließend erstellt der Berichterstatter in der internen Arbeitssprache einen Entscheidungsentwurf. Er ist dabei nicht an die Schlussanträge des Generalanwalts gebunden, folgt ihm in der Praxis aber häufig. 27 14. Die Richter beraten auf der Grundlage des vom Berichterstatter erstellten Urteilsentwurfs. Die Beratung ist geheim (Art. 35 der Satzung des EuGH). Es wird ohne Dolmetscher in einer gemeinsamen Sprache, herkömmlicherweise in Französisch, beraten. Jeder Richter des Spruchkörpers kann Änderungen vorschlagen. Die Entscheidungen des Gerichtshofes werden mit Stimmenmehrheit gefasst; etwaige abweichende Meinungen werden nicht aufgeführt. Die Einzelheiten der Beratung sind in Art. 27 VerfO-EuGH geregelt. Eine Kostenentscheidung wird im Vorabentscheidungsverfahren nicht getroffen. Das Verfahren vor dem Gerichtshof ist kostenfrei. Es bleibt dem vorlegenden Finanzgericht oder dem Bundesfinanzhof vorbehalten, über die Kosten des Vorabentscheidungsverfahrens mit zu entscheiden (Art. 104 § 6 VerfOEuGH). 28 15. Der Tenor des Urteils wird in öffentlicher Sitzung verkündet. Das Urteil wird mit der Verkündung rechtskräftig (Art. 65 VerfO-EuGH). Jeweils am Tag der Verkündung der Urteile und der Verlesung der Schlussanträge der Generalanwälte sind diese Dokumente nachmittags auf der Internetseite des Gerichtshofes verfügbar. Sie werden in den meisten Fällen später in der Sammlung der Rechtsprechung des Gerichtshofes veröffentlicht. 29 Die Entscheidung des EuGH bindet das vorlegende Gericht. Der EuGH entscheidet normalerweise über die ausgelegte Norm mit ex-tunc-Wirkung, also rückwirkend seit deren Inkrafttreten. Nur in Ausnahmefällen wird die Wirkung des Urteils auf die Zukunft beschränkt1.
__________ 1 S. EuGH v. 6.3.2007 – Meilicke (Rs. C-292/04, ABl. C 82 v. 14.4.2007, 2); Kokott/Henze, Die Beschränkung der zeitlichen Wirkung von EuGH-Urteilen in Steuersachen, NJW 2006, 177.
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VI. Teil Rechtsschutz im Vollstreckungs- und Insolvenzverfahren
A. Rechtsschutz im Vollstreckungsverfahren I. Allgemeines Beim Rechtsschutz gegen Vollstreckungsmaßnahmen ist vorab zu überlegen, 1 welches Rechtsschutzziel verfolgt werden soll: – Soll die Vollstreckung insgesamt verhindert werden? Oder – sollen Teilakte einer bereits durchgeführten Vollstreckungsmaßnahme nicht weiter betrieben werden? – Welche Art der Vollstreckung wird betrieben? – In welchem Verfahrensstadium befindet sich die Vollstreckung? Ausgangspunkt ist immer, dass es im Vollstreckungsverfahren nicht um die Rechtmäßigkeit der festgesetzten und beizutreibenden Steuer geht (§ 256 AO), sondern um die Rechtswidrigkeit der Vollstreckungsmaßnahme. Diese muss im Einzelnen dargelegt und nachgewiesen werden. Mit Einwendungen gegen die Rechtmäßigkeit des zu Grunde liegenden Steuerbescheids, dessentwegen vollstreckt wird, ist der Vollstreckungsschuldner grundsätzlich ausgeschlossen1. Als Einwendungen kommen z. B. in Betracht:
2
– Fehlen der Vollstreckungsvoraussetzungen (also: keine Fälligkeit, kein Leistungsgebot, § 254 AO2, keine Wirksamkeit des Steuerbescheides3), – Einwand des Erlöschens (mit entsprechenden Nachweisen! – vgl. § 257 Abs. 1 Nr. 3 AO), – Verbot der Überpfändung (§ 281 Abs. 2 AO), – Verbot der sog. zwecklosen Pfändung (§ 281 Abs. 3 AO), – Pfändung unpfändbarer Sachen (§ 295 AO i. V. m. §§ 811 ff. ZPO), – Unbilligkeit der Pfändung (§ 258 AO). Die Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO ist im Steuerrecht nicht zulässig4.
__________ 1 2 3 4
BFH v. 19.11.2002 – VII B 129/02, BFH/NV 2003, 334. BFH v. 22.10.2002 – VII R 56/00, BStBl. II 2003, 109. BFH v. 21.12.2001 – VII R 24/01, BFH/NV 2002, 660. BFH v. 1.8.2002 – VII B 352/00, BFH/NV 2002, 1547.
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VI Rz. 3
Rechtsschutz im Vollstreckungs- und Insolvenzverfahren
II. Aufteilungsbescheid 3 Wird gegen Gesamtschuldner vollstreckt, weil sie zusammen zur Einkommensteuer veranlagt worden sind (Zusammenveranlagung von Ehegatten), so bietet es sich zunächst an, zur Beschränkung der Vollstreckung einen Antrag nach § 268 AO auf Erteilung eines Aufteilungsbescheids zu stellen. Den Aufteilungsmaßstab i. S. v. § 270 Satz 1 AO bildet das Verhältnis der bei getrennter Veranlagung der beiden Ehegatten von jedem Steuerschuldner zu zahlenden Einkommensteuer. Das Verhältnis dieser unter Berücksichtigung der Einkommensteuer-Grundtabelle fiktiv errechneten Steuerbeträge ist der Aufteilung der Gesamtschuld zu Grunde zu legen1. Der Ansatz, die rückständige Steuerschuld nach dem Verhältnis der Einkünfte aufzuteilen, wurde vom Gesetzgeber bewusst nicht gewählt, weil dieses Verfahren den Gesamtschuldner mit dem niedrigeren Einkommen benachteiligt hätte; denn dieser wäre dann für einen höheren Betrag als bei getrennter Veranlagung in Anspruch genommen worden2. Der Aufteilungsbescheid ist ein Verwaltungsakt. Gegen den Aufteilungsbescheid ist der Einspruch und hiergegen die Anfechtungsklage gegeben. Wendet sich nur einer der Gesamtschuldner gegen den Aufteilungsbescheid, so ist der andere Gesamtschuldner zum Verfahren hinzuzuziehen bzw. notwendig beizuladen (s. I Rz. 166 ff. und II Rz. 546 ff.). Zur Begründung der Klage können nur Einwendungen gegen die Art der Aufteilung erhoben werden; Einwendungen gegen die Steuerfestsetzung selbst sind unzulässig. Da der Aufteilungsbescheid nicht vollziehbar ist, ist ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ist unzulässig3.
III. Einstweilige Einstellung der Vollstreckung 4 Soweit die Vollstreckung im Einzelfall unbillig ist, kann die Vollstreckungsbehörde sie gem. § 258 AO – einstweilen einstellen, – beschränken oder – eine Vollstreckungsmaßnahme aufheben.
1. Vorüberlegungen 5 Bevor ein Antrag nach § 258 AO gestellt wird, sollten Steuerpflichtiger und/oder Berater zunächst prüfen, ob die Vollstreckung nicht bereits nach § 257 AO einzustellen oder zu beschränken ist. Nach dieser Vorschrift ist die Vollstreckung einzustellen oder zu beschränken, wenn,
__________
1 BFH v. 9.8.2004 – VI S 4/04, BFH/NV 2004, 1624 m. w. N.; Müller-Eiselt in Hübschmann/ Hepp/Spitaler, § 270 AO Rz. 3; Geist in Beermann/Gosch, § 270 AO Rz. 3, mit Berechnungsbeispiel. 2 Vgl. Kruse in Tipke/Kruse, § 270 AO Rz. 1. 3 Vgl. für alle Kruse in Tipke/Kruse, § 279 AO Rz. 8 m. w. N.
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Einstweilige Einstellung der Vollstreckung
Rz. 8 VI
– die Vollstreckbarkeitsvoraussetzungen des § 251 Abs. 1 AO weggefallen sind (Nr. 1), – der Verwaltungsakt, aus dem vollstreckt wird, aufgehoben wird (Nr. 2), – der Anspruch auf die Leistung erloschen ist (Nr. 3), z. B. durch Zahlung, Verjährung, Aufrechnung oder Erlass (§ 47 AO), – die Leistung gestundet worden ist (Nr. 4). Ferner sollte vorab überprüft werden, ob sich der Vollstreckungsschuldner eigent- 6 lich gegen die Rechtswidrigkeit von Pfändungsmaßnahmen (z. B. Rechtswidrigkeit der Kontenpfändung) wenden will. Dann muss gegen die einzelne Pfändungsmaßnahme Einspruch eingelegt und ggf. ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gestellt werden. Dies sollte auch deutlich zum Ausdruck gebracht werden. Der häufig gestellte Antrag auf „sofortige Aufhebung der getroffenen Vollstreckungsmaßnahmen“ kann normalerweise nicht als Einspruch gegen die einzelne Pfändungsmaßnahme ausgelegt werden1. Erst wenn die Voraussetzungen des § 257 AO nicht vorliegen und auch keine spezielleren Vorschriften (z. B. § 297 AO für eine Aussetzung der Verwertung (s. VI Rz. 13 f.) in Betracht kommen, sollte ein Antrag nach § 258 AO gestellt werden.
2. Unbilligkeit Eine einstweilige Einstellung oder Beschränkung der Vollstreckung setzt gem. 7 § 258 AO voraus, dass die Vollstreckung im Einzelfall unbillig ist. Unbilligkeit liegt dann vor, wenn die Vollstreckung oder eine einzelne Vollstreckungsmaßnahme dem Vollstreckungsschuldner einen unangemessenen Nachteil bringen würde, der durch kurzzeitiges Zuwarten oder durch eine andere Vollstreckungsmaßnahme vermieden werden könnte. Dabei sind Nachteile, die üblicherweise mit der Vollstreckung oder der einzelnen Vollstreckungsmaßnahme verbunden sind, nicht als „Unbilligkeit“ i. S. des § 258 AO anzusehen2. Dies gilt auch für den Fall, dass die Ablehnung des Vollstreckungsaufschubes die Gefahr einer Insolvenz erhöht3. Eine einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung kommt nur in Betracht, 8 wenn zu erwarten ist, dass die Finanzbehörde in absehbarer Zeit – auch ohne die angegriffene Vollstreckungsmaßnahme – befriedigt werden kann4. Dies bedeutet nach der Rechtsprechung ein Zuwarten der Finanzbehörde über einen kurzfristigen Zeitraum von etwa sechs, in Ausnahmefällen bis zu maximal zwölf Mona-
__________ 1 Vgl. BFH v. 26.6.1990 – VII B 161/89, BFH/NV 1991, 393. 2 BFH v. 7.10.1992 – VII R 92/92, BFH/NV 1993, 513; vgl. auch Beermann in Hübschmann/ Hepp/Spitaler, § 258 AO Rz. 14 m. w. N. 3 BFH v. 31.5.2005 – VII R 62/04, BFH/NV 2005, 1743. 4 BFH v. 7.10.1993 – VII R 92/92, BFH/NV 1993, 513.
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VI Rz. 9
Rechtsschutz im Vollstreckungs- und Insolvenzverfahren
ten1. Bei Vereinbarung von Ratenzahlungen kommt eine einstweilige Einstellung der Vollstreckung in Betracht, wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit erwartet werden kann, dass der Vollstreckungsschuldner seine Zusage einhalten wird, und wenn nach der Höhe der angebotenen Raten mit einer zügigen und kurzfristigen Tilgung der Steuerschuld gerechnet werden kann. Von einem absehbaren Zeitraum kann jedenfalls dann nicht mehr ausgegangen werden, wenn der dem Finanzamt unterbreitete Tilgungsvorschlag eine vollständige Begleichung der Steuerrückstände erst nach mehreren Jahren erwarten lässt2. 9 Als Umstände, die zu einer unbilligen Härte führen können, kommen insbesondere in Betracht3: – vorübergehende Bedrohung der wirtschaftlichen oder persönlichen Existenz des Steuerpflichtigen, z. B. durch Verlust des Arbeitsplatzes, wahrscheinlich eintretende Insolvenz oder Verlust für seine Existenz notwendiger Aufträge4, wenn diese Nachteile durch Ratenzahlungen vermieden werden können; – Vorliegen von ausreichenden, jederzeit verwertbaren Sicherheiten5; – in Ausnahmefällen Krankheit, falls im Einzelfall bei Abwägung zwischen den widerstreitenden Interessen von Gläubiger und Schuldner die der Zwangsvollstreckung entgegenstehenden, unmittelbar der Erhaltung von Leben und Gesundheit dienenden Interessen des Schuldners im konkreten Fall wesentlich schwerer wiegen als die Gläubigerinteressen. Insoweit ist geklärt, dass eine längerfristige Einstellung der Vollstreckung ausnahmsweise dann in Betracht kommt, wenn die betreffende Vollstreckungsmaßnahme im konkreten Fall geeignet ist, Gefahr für das Leben oder die Gesundheit des Vollstreckungsschuldners auszulösen6; – eine gegen Treu und Glauben verstoßende unzulässige Rechtsausübung. Sie liegt z. B. dann vor, wenn eine Leistung im Vollstreckungswege erhoben wird, die alsbald zurückzuerstatten ist7. Deshalb kann eine behauptete Rechtswidrigkeit der der Vollstreckung zu Grunde liegenden Verwaltungsakte dann die Voraussetzungen des § 258 AO erfüllen, wenn der Steuerpflichtige rechtzeitig einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gestellt hat und dieser zwar noch nicht beschieden ist, aber mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass er Erfolg haben wird8.
__________ 1 BFH v. 5.10.2001 – VII B 15/01, BFH/NV 2002, 160; FG Berlin v. 21.9.2004 – 7 K 7295/04, EFG 2005, 9, bestätigt durch BFH v. 31.5.2005 – VII R 62/04, BFH/NV 2005, 1743, allerdings ohne Festlegung, was „kurzfristiges Zuwarten“ ist, jedenfalls nicht mehr als fünf Jahre; vgl. auch Hinweise bei Jesse, Rz. B 388. 2 BFH v. 12.12.2005 – VIII R 63/04, BFH/NV 2006, 900 m. w. N. 3 Vgl. dazu im Einzelnen Kruse in Tipke/Kruse, § 258 AO Rz. 6; Neumann in Beermann/ Gosch, § 258 AO Rz. 9. 4 BFH v. 4.2.1992 – VII B 119/91, BFH/NV 1992, 789. 5 Neumann in Beermann/Gosch, § 258 AO Rz. 9. 6 BVerfG v. 3.10.1979 – 1 BvR 614/79, BVerfGE 52, 214; BFH v. 8.7.2004 – VII B 35/04, BFH/NV 2004, 1621; v. 8.10.1998 – VII B 2/98, BFH/NV 1999, 443. 7 Vgl. BFH v. 12.6.1991 – VII B 66/91, BFH/NV 1992, 156. 8 BFH v. 12.6.1991 – VII B 66/91, BFH/NV 1992, 156.
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Einstweilige Einstellung der Vollstreckung
Rz. 12 VI
Einwendungen gegen die Rechtmäßigkeit der der Vollstreckung zu Grunde lie- 10 genden Steuerbescheide vermögen im Allgemeinen keine Unbilligkeit i. S. des § 258 AO zu begründen. Dies wird in der Praxis häufig verkannt. Diese Einwendungen sind außerhalb des Vollstreckungsverfahrens mit den hierfür zugelassenen Rechtsbehelfen (Einspruch gegen den Steuerbescheid und Antrag auf Aussetzung der Vollziehung) zu verfolgen (§ 256 AO). Die Verwaltung ist grundsätzlich berechtigt, auch aus noch nicht bestandskräftigen Steuerbescheiden zu vollstrecken, soweit ihre Vollziehung nicht ausgesetzt ist (§ 251 Abs. 1 AO). Empfehlung: Die für eine vorläufige Einstellung der Vollstreckung vorzutra- 11 genden Umstände müssen vorübergehender Natur sein. Hierauf sollten der Steuerpflichtige und sein Berater unbedingt achten. Beim Anerbieten von Ratenzahlungen müssen in jedem Fall konkrete Anhaltspunkte dafür vorgetragen werden, dass die Steuerschulden in absehbarer Zeit durch freiwillige Leistungen des Schuldners zurückgeführt werden können. Der bloße Hinweis auf die mit jeder Einleitung eines Insolvenzverfahrens drohende Vernichtung von wirtschaftlichen Existenzen und Arbeitsplätzen reicht zur substantiierten Darlegung außergewöhnlicher und damit die Unbilligkeit der Vollstreckungsmaßnahme i. S. v. § 258 AO begründender Umstände nicht aus1.
3. Rechtsfolgen und Rechtsschutz Sofern eine Unbilligkeit im vorgenannten Sinne vorliegt, kann die Vollstreckungs- 12 behörde die Vollstreckung einstweilen einstellen oder beschränken oder eine Vollstreckungsmaßnahme aufheben. Die Entscheidung ist nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen. Wird der beantragte Vollstreckungsaufschub oder die begehrte Vollstreckungsbeschränkung nicht gewährt, kann gegen die ablehnende Entscheidung Einspruch eingelegt und – sofern dieser erfolglos bleibt – Verpflichtungsklage erhoben werden. Als Maßnahme des einstweiligen Rechtsschutzes kommt ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Finanzgericht (§ 114 FGO) in Betracht (s. II Rz. 881 ff.). Empfehlung: Der Vollstreckungsschuldner bzw. Antragsteller hat in diesem Fall einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund glaubhaft zu machen. Ein Anordnungsanspruch in diesem Sinn kann der Anspruch nach § 258 AO auf Vollstreckungsaufschub wegen Unbilligkeit sein. Eine Unbilligkeit i. S. des § 258 AO ist nur gegeben, wenn die Vollstreckung oder eine einzelne Vollstreckungsmaßnahme dem Vollstreckungsschuldner einen unangemessenen Nachteil bringen würde, der durch kurzfristiges Zuwarten oder durch eine andere Vollstreckungsmaßnahme vermieden werden könnte. Ein Anordnungsgrund liegt vor, wenn die Vollstreckung mit schwerwiegenden Nachteilen für den Vollstreckungsschuldner verbunden ist, z. B. seine wirtschaftliche oder persönliche Existenz dadurch bedroht wird2.
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1 BFH v. 31.5.2005 – VII R 62/04, BFH/NV 2005, 1743. 2 BFH v. 15.1.2003 – V S 17/02, BFH/NV 2003, 738.
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VI Rz. 13
Rechtsschutz im Vollstreckungs- und Insolvenzverfahren
IV. Aussetzung der Verwertung 13 Nach § 297 AO kann die Vollstreckungsbehörde die Verwertung gepfändeter Sachen unter Anordnung von Zahlungsfristen zeitweilig aussetzen, wenn die alsbaldige Verwertung unbillig wäre. § 297 AO ist eine besondere Ausgestaltung des § 258 AO speziell für die Verwertung. Im Unterschied zu § 258 AO setzt § 297 AO voraus, dass die alsbaldige Verwertung unbillig ist. Ist die Verwertung schlechthin unbillig, ist die Pfändungsmaßnahme nach § 258 AO aufzuheben. 14 Lehnt die Finanzbehörde den Antrag auf Aussetzung der Verwertung ab, so ist hiergegen der Einspruch und nach abschlägiger Einspruchsentscheidung die Verpflichtungsklage gegeben. Als Maßnahme des einstweiligen Rechtsschutzes kommt neben der Einlegung des Einspruchs ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Finanzgericht (§ 114 FGO) in Betracht1. 15–25 Einstweilen frei.
V. Pfändungsmaßnahmen 1. Allgemeines 26 Nahezu alle Pfändungsmaßnahmen sind als Verwaltungsakte zu qualifizieren. Verwaltungsakte sind danach: bei der Vollstreckung in das bewegliche Vermögen – die Pfändung einer beweglichen Sache, – die Pfändungs- und Einziehungsverfügung bei der Forderungspfändung; bei der Vollstreckung in das unbewegliche Vermögen – der Antrag der Finanzamts (Vollstreckungsbehörde) an das Grundbuchamt auf Eintragung einer Sicherungshypothek, weil er die nach § 322 Abs. 3 Satz 2 AO erforderliche Bestätigung enthält, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die Vollstreckung vorliegen, weil nämlich das Vollstreckungsgericht oder das Grundbuchamt an diese Feststellung gebunden sind (§ 322 Abs. 3 Satz 3 AO)2; – der Antrag des Finanzamts auf Zwangsversteigerung eines Grundstücks3. Problematisch erweist sich in der Praxis häufig, dass der Verwaltungsaktcharakter einer solchen Maßnahme nicht rechtzeitig erkannt wird und diese Maßnahme dann bestandskräftig wird. Gegen solche Maßnahmen ist der Einspruch und anschließend die Anfechtungsklage und als vorläufiger Rechtsschutz die Aussetzung der Vollziehung (s. II Rz. 807 ff.) gegeben.
__________ 1 Vgl. BFH v. 26.6.1990 – VII B 161/89, BFH/NV 1991, 393. 2 Streitig, so aber ausdrücklich die Rechtsprechung, s. BFH v. 17.10.1989 – VII R77/88, BStBl. II 1990, 44; v. 15.12.1992 – VII B 132/92, BFH/NV 2003, 711. 3 BFH v. 25.1.1988 – VII B 85/87, BStBl. II 1988, 566.
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Pfändungsmaßnahmen
Rz. 27 VI
2. ABC des Rechtsschutzes und der Anträge im Vollstreckungsverfahren – Aufteilungsbescheid
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Der Aufteilungsbescheid dient der Beschränkung der Vollstreckung bei Gesamtschuldnern (s. VI Rz. 3). Wenn sich die Finanzbehörde weigert, überhaupt einen Aufteilungsbescheid zu erlassen, kommt eine Verpflichtungsklage in Betracht: Antrag: Es wird beantragt, unter Aufhebung der ablehnenden Verfügung vom … und der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung den Beklagten zu verpflichten, über die rückständigen Steuerbeträge einen Aufteilungsbescheid zu erlassen. Wenn die durchführte Aufteilung unrichtig ist, muss Einspruch und anschließend Anfechtungsklage erhoben werden: Antrag: Es wird beantragt, unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom … den Aufteilungsbescheid vom … dahin gehend zu ändern, dass … Vorläufiger Rechtsschutz: Solange über den Antrag auf Beschränkung der Vollstreckung nicht unanfechtbar entschieden ist, dürfen nach § 277 AO Vollstreckungsmaßnahmen nur soweit durchgeführt werden, als dies zur Sicherung des Anspruchs erforderlich ist. Ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Aufteilungsbescheides ist unzulässig, da der Aufteilungsbescheid kein vollziehbarer Verwaltungsakt ist1. Vollzogen wird der zu Grunde liegende Verwaltungsakt (z. B. Einkommensteuerbescheid). Empfehlung: In dem Rechtsbehelfsverfahren können nur Einwendungen gegen die Art der Aufteilung und die damit verbundenen Vollstreckungsbeschränkungen geltend gemacht werden, nicht aber Einwendungen gegen die zu Grunde liegende Steuerfestsetzung (§ 270 Satz 2 AO). – Auskunftserteilung im Vollstreckungsverfahren Die Aufforderung an den Vollstreckungsschuldner, die zur Geltendmachung einer gepfändeten Forderung notwendige Auskunft zu erteilen und die über die Forderung vorhandenen Urkunden herauszugeben (§ 315 Abs. 2 AO), ist ein Verwaltungsakt, der deshalb mit der Anfechtungsklage in Form der Aufhebungsklage angegriffen werden muss, sofern der Steuerpflichtige diese Maßnahmen für rechtswidrig hält. Antrag: Es wird beantragt, die Aufforderung zur Auskunftserteilung und zur Vorlage von Urkunden vom … und die Einspruchsentscheidung vom … aufzuheben. Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz: Es wird beantragt, die Aufforderung zur Auskunftserteilung und zur Vorlage von Urkunden vom … in Form der Einspruchsentscheidung vom … von der Vollziehung auszusetzen. Empfehlung: Zur Begründung der Klage und des Aussetzungsantrags kann im Wesentlichen nur vorgetragen werden, dass die begehrte Auskunft und Ur-
__________ 1 Ebenso Kruse in Tipke/Kruse, § 279 AO m. w. N.
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VI Rz. 27
Rechtsschutz im Vollstreckungs- und Insolvenzverfahren
kundenvorlage zur Geltendmachung der Forderung nicht notwendig sind. Einwendungen gegen die Einziehungsverfügung müssen gegen diese Verfügung vorgebracht werden, Einwendungen gegen die Steuerfestsetzung selbst gegen die entsprechenden Steuerbescheide. – Eidesstattliche Versicherung Die Anordnung zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung (§ 284 Abs. 2 Satz 2 AO) ist ein Verwaltungsakt. Eine solche Anordnung liegt, wenn sie nicht gesondert erteilt wird, in der Terminsladung1. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren kann die Anordnung mit der Anfechtungsklage in Form der Aufhebungsklage angegriffen werden. Antrag: Es wird beantragt, die Anordnung zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung vom … und die Einspruchsentscheidung vom … ersatzlos aufzuheben. Vorläufiger Rechtsschutz: Ein einstweiliger Rechtsschutz in Form der Aussetzung der Vollziehung kommt in den meisten Fällen nicht in Betracht, weil gem. § 284 Abs. 6 Satz 2 AO bei Einlegung und Begründung eines Rechtsbehelfs der Schuldner grundsätzlich erst nach Unanfechtbarkeit der Entscheidung über den Rechtsbehelf zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung verpflichtet ist. Der Rechtsbehelf gegen die Anordnung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung hat also grundsätzlich aufschiebende Wirkung, sofern er begründet wird (sog. qualifizierter Einspruch2) und die Einwendungen nicht bereits in einem früheren Verfahren unanfechtbar zurückgewiesen worden sind (§ 284 Abs. 6 Satz 3 AO). Ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ist deshalb bei einem qualifizierten Einspruch grundsätzlich unzulässig. Empfehlung: Gegen die Anordnung kann grundsätzlich nur geltend gemacht werden, dass die Voraussetzungen des § 284 AO für die eidesstattliche Versicherung nicht vorliegen, weil z. B. die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen des § 254 AO nicht gegeben sind, oder dass die Anordnung ermessensfehlerhaft ist. Da der Vollstreckungsschuldner grundsätzlich erst nach Unanfechtbarkeit der Entscheidung über den Rechtsbehelf zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung verpflichtet ist (Ausnahme: § 284 Abs. 6 Satz 3 AO), ist ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung in diesen Fällen regelmäßig mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Um den Termin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung möglichst weit hinauszuschieben, wird in der Praxis deshalb von Seiten des Vollstreckungsschuldners vielfach versucht, die endgültige Entscheidung des Gerichts möglichst lange hinauszuschieben. Der Vollstreckungsschuldner hat eine eidesstattliche Versicherung über den Verbleib von Urkunden abgeben (§ 315 Abs. 3 Satz 2 AO) und auch die von ihm zu erteilenden Auskünfte durch eidesstattliche Versicherung erhärten (§ 315 Abs. 3 Satz 2 AO). Auch die Aufforderung zur Abgabe der entsprechenden eidesstattlichen Versicherung ist ein Verwaltungsakt. Für die Klage gegen einen solchen Bescheid gelten deshalb die o. g. Grundsätze entsprechend.
__________ 1 BFH v. 27.2.2003 – VII B 232/02, BFH/NV 2003, 741. 2 BFH v. 7.12.2000 – VII B 170/00, BFH/NV 2001, 576.
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Pfändungsmaßnahmen
Rz. 27 VI
– Einstellung der Vollstreckung Wird die Einstellung oder Beschränkung der Vollstreckung nach § 257 AO begehrt, so erstrebt der Steuerpflichtige einen ihn begünstigenden Verwaltungsakt. Er muss deshalb, falls sein Antrag und sein Einspruch erfolglos bleiben, Verpflichtungsklage auf Erteilung eines Bescheides über die Einstellung oder Beschränkung der Vollstreckung erheben. Antrag: Es wird beantragt, unter Aufhebung der ablehnenden Verfügung vom … und der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom … den Beklagten zu verpflichten, die Vollstreckung aus dem Einkommensteuerbescheid … vom … einzustellen. Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz: Es wird beantragt, dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, die Vollstreckung aus dem Einkommensteuerbescheid … vom … einzustellen. Empfehlung: Zur Begründung der Klage und des Antrags auf einstweilige Anordnung muss im Einzelnen dargelegt werden, dass die Voraussetzungen des § 257 AO für eine Einstellung bzw. Einschränkung der Vollstreckung vorliegen. – Einstweilige Einstellung der Vollstreckung Begehrt der Steuerpflichtige die einstweilige Einstellung der Vollstreckung nach § 258 AO, so erstrebt er ebenfalls einen ihn begünstigenden Verwaltungsakt. Er muss deshalb ebenfalls, falls sein Antrag und sein Einspruch erfolglos bleiben, Verpflichtungsklage erheben. Im Unterschied zur Einstellung der Vollstreckung nach § 257 AO handelt es sich bei der einstweiligen Einstellung um eine Ermessensentscheidung. Daraus folgt: Das Gericht kann das Finanzamt nur dann zur einstweiligen Einstellung der Vollstreckung verurteilen, wenn das Ermessen des Finanzamts auf null reduziert ist, d. h. jede andere Entscheidung als die Einstellung rechtswidrig wäre. Im Übrigen kann das Gericht das Finanzamt lediglich verurteilen, den Steuerpflichtigen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Deshalb empfiehlt sich in der Regel folgender Antrag: Es wird beantragt, unter Aufhebung der ablehnenden Verfügung vom … und der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom … den Beklagten für verpflichtet zu erklären, die einstweilige Einstellung der Vollstreckung wegen rückständiger Steuerschulden aus den Steuerbescheiden … vom … auszusprechen, hilfsweise, den Beklagten für verpflichtet zu erklären, den Antrag des Klägers auf einstweilige Einstellung der Vollstreckung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz: Es wird beantragt, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung für verpflichtet zu erklären, die einstweilige Einstellung der Vollstreckung aus den Steuerbescheiden … vom … auszusprechen. Empfehlung: Mit der Klage und dem Antrag auf einstweilige Anordnung kann nur geltend gemacht werden, dass die Vollstreckung im Einzelfall unbillig ist (vgl. § 258 AO). Zu den Einzelheiten betreffend das Ersuchen um die Anordnung der Erzwingungshaft s. unter diesem Stichwort. 365
VI Rz. 27
Rechtsschutz im Vollstreckungs- und Insolvenzverfahren
– Einziehungsverfügung (§ 314 AO) Die Einziehungsverfügung ist ein Verwaltungsakt, der mit dem Einspruch angreifbar ist. Gegen diese Verfügung ist deshalb die Anfechtungsklage in Form der Aufhebungsklage gegeben. Antrag: Es wird beantragt, die Einziehungsverfügung des Beklagten vom … und die Einspruchsentscheidung vom … aufzuheben. Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz: Es wird beantragt, die Einziehungsverfügung des Antragsgegners vom … in Form der Einspruchsentscheidung vom … von der Vollziehung auszusetzen. Empfehlung: Die Einziehungsverfügung wird in der Praxis vielfach mit der Pfändungsverfügung verbunden (s. auch Stichwort „Pfändungsverfügung“), beide sind aber gleichwohl selbständig anfechtbare Verwaltungsakte, die in einem solchen Fall lediglich äußerlich zusammengefasst sind. Deshalb müssen beide Verfügungen gesondert mit dem Einspruch und der Anfechtungsklage angefochten werden. Die Klage gegen die Einziehungsverfügung und der entsprechende Antrag auf Aussetzung der Vollziehung können im Wesentlichen nur darauf gestützt werden, dass die Voraussetzungen für eine Einziehungsverfügung nicht gegeben sind (z. B. weil eine Pfändungsverfügung unterblieben ist) bzw. dass die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen des § 254 AO nicht vorliegen. – Erzwingungshaft (§ 284 Abs. 8 AO) Das Ersuchen der Vollstreckungsbehörde an das Amtsgericht, die Haft zur Erzwingung der eidesstattlichen Versicherung anzuordnen (§ 284 Abs. 8 AO), ist ein Verwaltungsakt, gegen den der Einspruch gegeben ist1. Das Ersuchen kann deshalb – nach erfolglosem Einspruchsverfahren – mit der Anfechtungsklage in Form der Aufhebungsklage angegriffen werden. Antrag: Es wird beantragt, das Ersuchen des Beklagten vom …, die Haft zur Erzwingung der eidesstattlichen Versicherung anzuordnen, und die Einspruchsentscheidung vom … aufzuheben. Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz: Es wird beantragt, das Ersuchen des Antragsgegners vom …, die Haft zur Erzwingung der eidesstattlichen Versicherung anzuordnen von der Vollziehung auszusetzen2. Empfehlung: Die Klagebegründung und der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung können im Wesentlichen nur darauf gestützt werden, dass die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen (§ 254 AO) bzw. die besonderen Voraussetzungen des § 284 Abs. 8 AO für das Ersuchen nicht vorliegen (z. B. ausreichende Entschuldigung für das Nichterscheinen u. Ä.).
__________ 1 So BFH v. 11.12.1984 – VII B 41/84, BStBl. II 1985, 197; Müller-Eiselt in Hübschmann/ Hepp/Spitaler, § 284 AO Rz. 81; a. A. Kruse in Tipke/Kruse, § 284 AO Rz. 32 m. w. N. unter Darstellung des Streitstands. 2 Vgl. BFH v. 25.11.1997 – VII B 188/97, BStBl. II 1998, 227; v. 25.1.1998 – VII B 85/87, BStBl. II 1998, 566.
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Pfändungsmaßnahmen
Rz. 27 VI
Dies gilt jedenfalls so lange, wie der Haftbefehl vom Amtsgericht noch nicht erlassen worden ist. Zur Überprüfung des Haftbefehls ist nach § 567 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 793 ZPO die sofortige Beschwerde gegeben. Gegen die Entscheidung des Beschwerdegerichts ist die Rechtsbeschwerde an den Bundesgerichtshof statthaft, sofern das Beschwerdegericht diese zugelassen hat1. Den Anforderungen an die in Art. 19 Abs. 4 GG festgelegte Rechtsweggarantie ist damit genüge getan2. – Kontenpfändung Die Fälle der Kontenpfändung werden häufig an das Finanzgericht herangetragen. Beispiel: Das Finanzamt hat wegen einer rückständigen Steuerforderung das Geschäftskonto des S bei der X-Bank gepfändet. S stellt bei Gericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Begehren, das Konto freizugeben. Das Gericht steht hier vor dem Problem und muss im Wege der Auslegung entscheiden, ob sich der Vollstreckungsschuldner gegen die Vollstreckung im Allgemeinen oder nur gegen die Rechtmäßigkeit der Kontopfändung wenden will und ob er gleichzeitig ein Hauptsacheverfahren anhängig machen will. Im letzteren Fall wären die Anfechtung der Pfändungs- und Einziehungsverfügung durch Einspruch und anschließende Anfechtungsklage und der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der richtige Rechtsbehelf. Zumeist werden dementsprechend auch nur Argumente vorgetragen, die die Rechtmäßigkeit der Pfändung betreffen (z. B. unverhältnismäßige Maßnahme, Ermessensfehler3), obwohl zum Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung die endgültige oder einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung als solcher (Verpflichtungsklage) „passen“ würde. Ein solcher Antrag ist aber normalerweise in diesen Situationen noch nicht einmal beim Finanzamt gestellt oder gar abschlägig beschieden worden. Empfehlung: Will sich der Vollstreckungsschuldner gegen eine Kontenpfändung wenden, so sollten er bzw. sein Berater genau überlegen, welches Rechtsschutzziel sie erreichen wollen, ob „nur“ die Aufhebung der Kontenpfändung als solcher oder aber die Einstellung der Vollstreckung insgesamt. Antrag: Es wird beantragt, die Pfändungsverfügung und Einziehungsverfügung vom … betr. das Konto Nr. … bei der X-Bank und die Einspruchsentscheidung vom … aufzuheben. Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz: Es wird beantragt, die Vollziehung der Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom … betr. das Konto Nr. … bei der X-Bank auszusetzen und das Konto freizugeben.
__________ 1 BFH v. 25.10.2004 – VII B 108/04, BFH/NV 2005, 659; vgl. Müller-Eiselt in Hübschmann/ Hepp/Spitaler, § 284 AO Rz. 103. 2 BFH v. 25.10.2004 – VII B 108/04, BFH/NV 2005, 659. 3 Vgl. dazu BFH v. 16.7.2007 – VII B 338/06, n. v.
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VI Rz. 27
Rechtsschutz im Vollstreckungs- und Insolvenzverfahren
– Leistungsgebot (§ 254 Abs. 1 AO) Das Leistungsgebot ist noch keine Maßnahme der Zwangsvollstreckung, sondern Voraussetzung für den Beginn der Vollstreckung. Es handelt sich um einen Verwaltungsakt und ist mit dem Einspruch bzw. nach erfolglosem Einspruchsverfahren mit der Anfechtungsklage in Form der Aufhebungsklage anfechtbar. Antrag: Es wird beantragt, das Leistungsgebot vom … und die Einspruchsentscheidung vom … aufzuheben. Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz: Es wird beantragt, das Leistungsgebot vom … in Höhe von … (oder: in voller Höhe) von der Vollziehung auszusetzen. Empfehlung: Mit der Klage und dem Aussetzungsantrag können nur das Leistungsgebot angegriffen werden, nicht auch die Rechtmäßigkeit des dem Leistungsgebot zu Grunde liegenden Bescheides (vgl. § 256 AO). Es muss eine selbständige Beschwer durch das Leistungsgebot geltend gemacht werden; andernfalls ist der Rechtsbehelf unzulässig1. – Pfändung beweglicher Sachen (§ 286 AO) Bei der Pfändung von beweglichen Sachen handelt es sich um Verwaltungsakte. Die Pfändungen sind deshalb mit Einspruch und Anfechtungsklage in Form der Aufhebungsklage angreifbar. Antrag: Es wird beantragt, die Pfändung der … (Bezeichnung der gepfändeten Sachen) lt. Pfändungsniederschrift vom … und die Einspruchsentscheidung vom … aufzuheben. Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz: Es wird beantragt, die Pfändung der … (Bezeichnung der gepfändeten Sachen) lt. Pfändungsniederschrift vom … von der Vollziehung auszusetzen. – Pfändungsverfügung betr. Forderungen und andere Vermögensrechte (§§ 309, 321 AO) Bei der Pfändungsverfügung, die sich auf die Pfändung von Forderungen und anderen Vermögensrechten bezieht, z. B. Kontenpfändung, handelt es sich ebenfalls um einen Verwaltungsakt (s. auch unter dem Stichwort „Kontenpfändung“). Antrag: Es wird beantragt, die Pfändungsverfügung vom … betr. die gegen den X bestehende Forderung … sowie die Einspruchsentscheidung vom … aufzuheben. Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz: Es wird beantragt, die Pfändungsverfügung vom … betr. die gegen den X bestehende Forderung … von der Vollziehung auszusetzen. Empfehlung: Neben der Pfändungsverfügung sollte auch die gleichzeitig ergangene Einziehungsverfügung angefochten werden (s. zum Stichwort „Einziehungsverfügung“).
__________ 1 BFH v. 13.11.2002 – I R 90/01, BFH/NV 2003, 397.
368
Pfändungsmaßnahmen
Rz. 27 VI
– Verwertung von Pfandsachen (§ 297 AO) Der Vollstreckungsschuldner kann gem. § 297 AO die zeitweilige Aussetzung der Verwertung gepfändeter Sachen verlangen, wenn die alsbaldige Verwertung unbillig wäre. Es handelt sich um einen speziellen Vollstreckungsaufschub (s. zum Stichwort „Einstweilige Einstellung der Vollstreckung“). Die Aussetzung ist ein begünstigender Verwaltungsakt, die Ablehnung der Verwertungsvoraussetzungen mit dem Einspruch angreifbar. Will der Vollstreckungsschuldner im Klagewege vorgehen, ist richtige Klageart die Verpflichtungsklage. Die Aussetzung der Verwertung nach § 297 AO ist eine Ermessensentscheidung. Daraus folgt: Das Gericht kann das Finanzamt nur dann zur Aussetzung der Verwertung verurteilen, wenn das Ermessen auf null reduziert ist, d. h. jede andere Entscheidung als die Aussetzung der Verwertung rechtswidrig ist. Im Übrigen kann das Gericht das Finanzamt lediglich verurteilen, den Vollstreckungsschuldner unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Deshalb empfiehlt es sich, in der Regel folgenden zweistufigen Antrag zu stellen: Antrag: Es wird beantragt, unter Aufhebung der ablehnenden Verfügung vom … und der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom … den Beklagten für verpflichtet zu erklären, gegen Einräumung einer Zahlungsfrist bis zum … die Verwertung folgender am … gepfändeter Sachen (Aufzählung der gepfändeten Sachen) zeitweilig bis zum … auszusetzen, hilfsweise, den Beklagten für verpflichtet zu erklären, den Antrag des Klägers auf zeitweilige Aussetzung der Verwertung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz: Es wird beantragt, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung für verpflichtet zu erklären, gegen Einräumung einer Zahlungsfrist bis zum … die Verwertung folgender am … gepfändeter Sachen (Aufzählung der gepfändeten Sachen) zeitweilig bis zum … auszusetzen. Empfehlung: Mit der Klage und dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung kann nur geltend gemacht werden, dass die alsbaldige Verwertung unbillig wäre, weil der Vollstreckungsschuldner kurzfristig in der Lage ist, die Steuerschuld zu begleichen. – Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung Der Antrag des Finanzamts an das Vollstreckungsgericht auf Anordnung der Zwangsversteigerung oder Zwangsverwaltung von Grundbesitz ist in der Regel als Verwaltungsakt anzusehen. Denn es handelt sich bei einem solchen Antrag um eine eigenständige behördliche Maßnahme, durch die das behördliche Vollstreckungsverfahren abgeschlossen wird. Das ist zumindest dann der Fall, wenn der Antrag die Feststellung enthält, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die Vollstreckung vorliegen. Denn das Finanzamt als Vollstreckungsbehörde hat die Verantwortung dafür zu tragen, dass die Voraussetzungen für die Vollstreckung vorliegen. Das Vollstreckungsgericht darf nicht prüfen, ob die der Vollstreckung zu Grunde liegende Forderung vollstreckbar ist und ob die Voraussetzungen vorliegen, die gegeben sein müssen, um Steueransprüche durch Vollstreckung in das
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VI Rz. 41
Rechtsschutz im Vollstreckungs- und Insolvenzverfahren
unbewegliche Vermögen beitreiben zu können1. Das bedeutet, dass solche Anträge mit dem Einspruch und der Anfechtungsklage angreifbar sind. Das Gleiche gilt für den Antrag des Finanzamts als Vollstreckungsgläubiger auf Eintragung einer Zwangshypothek2. Antrag: Es wird beantragt, den Antrag des Beklagten an das Vollstreckungsgericht vom … betr. die Anordnung der Zwangsversteigerung über das Grundstück … (genaue Bezeichnung) sowie die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom … aufzuheben. Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz: Es wird beantragt, den Antrag des Antraggegners vom … betr. die Anordnung der Zwangsversteigerung über das Grundstück … (genaue Bezeichnung) von der Vollziehung auszusetzen. Empfehlung: Neben den steuerverfahrensrechtlichen Mitteln ist zusätzlich an die Rechtsschutzmöglichkeiten nach dem ZVG zu denken. Nach § 30a ZVG kann an das Vollstreckungsgericht – also nicht an das Finanzgericht – ein Antrag gestellt werden, die Zwangsversteigerung einstweilen, für höchstens sechs Monate, einzustellen. Dieser Antrag ist nach § 30b ZVG binnen zwei Wochen nach Zustellung der Verfügung, in welcher der Schuldner auf das Recht zur Stellung des Einstellungsantrags, den Fristbeginn und die Rechtsfolgen eines fruchtlosen Fristablaufs hingewiesen wird, zu stellen. Dieser Hinweis wird regelmäßig zugleich mit dem Beschluss über die Anordnung der Zwangsversteigerung zugestellt. Nach § 30b Abs. 3 ZVG ist gegen den Beschluss über die Ablehnung eines Aufschubs die sofortige Beschwerde gegeben. Nach § 74a Abs. 5 ZVG ist schließlich die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss über die Wertfestsetzung zulässig, wenn der festgesetzte Wert zu niedrig sein sollte. Diese Möglichkeit sollte nicht unterschätzt werden, weil der vom Vollstreckungsgericht festgesetzte Wert des Grundstücks Bedeutung für das Meistgebot (die sog. 7/10-Grenze nach § 74b ZVG sowie die sog. 5/ -Grenze nach § 85a Abs. 1 ZVG) hat. 10 28–40 Einstweilen frei.
B. Rechtsschutz im Insolvenzverfahren I. Insolvenzantrag des Finanzamtes 41 Der an das Amtsgericht gerichtete Antrag des Finanzamtes auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist kein Verwaltungsakt3, sondern eine reine Prozesshandlung. Damit ist die richtige Klageart die allgemeine Leistungsklage auf Rücknahme des Antrags4, für die kein Vorverfahren erforderlich ist. Da der Insolvenzantrag des
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1 So ausdrücklich BFH v. 25.1.1988 – VII B 85/87, BStBl. II 1988, 566. 2 BFH v. 15.12.1992 – VII B 131/92, BFH/NV 1993, 460. 3 BFH v. 26.2.2007 – VII B 98/06, BFH/NV 2007, 1270; Beermann in Hübschmann/Hepp/ Spitaler, § 251 AO Rz. 107; Loose in Tipke/Kruse, § 251 AO Rz. 18. 4 Loose in Tipke/Kruse, § 251 AO Rz. 22 m. w. N.
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Eröffnung des Insolvenzverfahrens
Rz. 43 VI
Finanzamts eine Ermessensentscheidung darstellt, hat das Finanzgericht nur einen eingeschränkten Überprüfungsspielraum (§ 102 FGO)1. Vorläufiger Rechtsschutz gegen einen Insolvenzantrag des Finanzamtes kann daher nur in Form der einstweiligen Anordnung nach § 114 FGO erlangt werden2. Dieser ist auf Rücknahme des Insolvenzantrages gerichtet3. Deshalb ist der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung so frühzeitig zu stellen, dass das Finanzamt den Antrag überhaupt noch zurücknehmen kann. Der entsprechende Antrag muss wie folgt lauten: Antrag: Es wird beantragt, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den beim Amtsgericht X gestellten Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des S zurückzunehmen. Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens scheidet eine Rücknahme des Insolvenzantrags aus (§ 13 Abs. 2 InsO), das finanzgerichtliche Verfahren ist dann erledigt. In diesem Fall empfiehlt es sich, das Verfahren durch übereinstimmende Erledigungserklärungen oder durch Klagerücknahme zu beenden.
II. Eröffnung des Insolvenzverfahrens 1. Stellung des Insolvenzverwalters Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht das Verwaltungs- und Verfü- 42 gungsrecht auf den Insolvenzverwalter über (§§ 27, 80 InsO). Der Insolvenzverwalter ist damit verfahrensrechtlich als Rechtsnachfolger des Gemeinschuldners Partei bzw. Beteiligter des anhängigen Einspruchs- oder Klageverfahrens4. Ihm steht bereits vor Aufnahme des Prozesses das Recht zur Akteneinsicht i. S. v. § 78 FGO zu5. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens lässt die Rechtsstellung des Insolvenz- 43 schuldners als Steuerschuldner an sich unberührt6. Allerdings hat sie gem. § 117 Abs. 1 InsO das Erlöschen einer vom Schuldner erteilten Vollmacht, die sich auf das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen bezieht, zur Folge. Damit erlischt im finanzgerichtlichen Verfahren die dem Steuerberater oder Rechtsanwalt erteilte Prozessvollmacht. Zugleich erlischt der mit diesen Personen abgeschlossene Geschäftsbesorgungsvertrag, sofern nicht Gefahr im Verzug ist (§§ 116 Satz 1, 115 Abs. 1 InsO). Im Verfahren vor dem Finanzgericht, das durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens unterbrochen wird (s. VI Rz. 44), tritt allerdings der Insolvenzverwalter als Beteiligter an die Stelle des Insolvenzschuldners. Wird der
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S. hierzu BFH v. 26.2.2007 – VII B 98/96, BFH/NV 2007, 1270. BFH, Beschluss v. 26.4.1988 – VII B 176/87, BFH/NV 1988, 762. FG Rheinland-Pfalz v. 5.5.2000 – 5 V 3247/99, DStRE 2000, 1004. BFH v. 28.3.2007 – III B 10/07, BFH/NV 2007, 1182 unter Berufung auf BGH v. 16.1.1997 – IX ZR 220/96, NJW 1997, 1445. 5 BFH v. 23.5.2000 – IX S 5/00, BFH/NV 2000, 1134; v. 13.11.2003 – V B 131/01, BFH/NV 2004, 642. 6 Loose in Tipke/Kruse, § 251 AO Rz. 41; Beermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 251 AO Rz. 164.
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VI Rz. 44
Rechtsschutz im Vollstreckungs- und Insolvenzverfahren
Schuldner dennoch – etwa in der irrigen Annahme einer eigenen Prozessführungsbefugnis – in einem vom Insolvenzverwalter aufgenommenen Prozess tätig, so ist er durch Beschluss des Finanzgerichts aus dem Prozess zu weisen1. Das gilt grundsätzlich nicht für das Insolvenzeröffnungsverfahren2, wenn Sicherungsmaßnahmen angeordnet werden und ein sog. „schwacher“ vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt wird3. Denn die Eröffnung des Insolvenzverfahrens führt in der Regel nicht zu einem allgemeinen Verfügungsverbot, sondern nur zu einer Verfügungsbeschränkung in Form eines Zustimmungsvorbehalts des vorläufigen Insolvenzverwalters für Verfügungen des Schuldners (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2, § 22 Abs. 2 InsO). Wird allerdings schon im Insolvenzeröffnungsverfahren dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 Fall 1, § 22 Abs. 1 Satz 1 InsO) und damit ein sog. „starker“ vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt, so tritt zu diesem Zeitpunkt bereits eine Unterbrechung des finanzgerichtlichen Verfahrens ein mit der Folge, dass der Insolvenzverwalter an Stelle des Schuldners Beteiligter des Verfahrens wird.
2. Unterbrechung und Aufnahme des Verfahrens 44 Wird über das Vermögen des Schuldners ein Insolvenzverfahren eröffnet, so wird das finanzgerichtliche Klageverfahren, wenn es die Insolvenzmasse betrifft, nach § 155 FGO i. V. m. § 240 ZPO immer unterbrochen4. Dies gilt auch für das Einspruchsverfahren. Das heißt, das Verfahren darf bis zum Abschluss des Insolvenzverfahrens oder bis zur Aufnahme des Verfahrens durch den Insolvenzverwalter nicht weiter betrieben werden5. Insbesondere darf auch keine Einspruchsentscheidung6 bzw. kein Urteil ergehen. Die durch § 240 ZPO angeordnete Unterbrechung des von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Beteiligten betroffenen Prozesses dient u. a. dem Zweck, dem Insolvenzverwalter genügend Zeit zu geben, sich mit dem Prozessgegenstand zu befassen und zu entscheiden, ob es im Interesse der Masse sinnvoll ist, den schwebenden Rechtsstreit fortzuführen. Die hierzu notwendigen Erkenntnisse kann er durch Akteneinsicht gewinnen7. Das Verfahren betreffend die Aussetzung der Vollziehung wird durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht unterbrochen. Mit dessen Eröffnung entfällt das Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers für einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung, weil im Insolvenzverfahren eine Vollstreckung, die durch eine Aussetzung der Vollziehung gerade verhindert werden soll, gem. § 89 Abs. 1 InsO nicht zulässig ist.
__________ 1 BFH v. 7.3.2006 – VII R 11/05, BStBl. II 2006, 573. 2 BFH v. 24.6.2003 – I B 30/03, BFH/NV 2003, 1434; v. 26.11.2004 – VIII B 77/03, BFH/NV 2005, 331. 3 Vgl. Berscheid in Uhlenbruck, Insolvenzordnung, 12. Aufl., § 118 InsO Rz. 16. 4 BFH v. 15.3.2007 – III B 178/05, BFH/NV 2007, 1178. 5 BFH v. 26.7.2006 – X S 43/05, BStBl. II 2007, 55. 6 Birkenfeld in Hübschmann/Hepp/Spialer, § 363 AO Rz. 231. 7 BFH v. 28.3.2007 – III B 10/07, BFH/NV 2007, 1182.
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Eröffnung des Insolvenzverfahrens
Rz. 46 VI
Die Unterbrechung des Verfahrens hat die Wirkung, dass gem. § 155 FGO i. V. m. 45 § 249 Abs. 1 ZPO der Lauf einer jeden Frist aufhört und nach Beendigung der Unterbrechung die volle Frist von neuem zu laufen beginnt. Ferner sind nach § 155 FGO i. V. m. § 249 Abs. 2 ZPO die während der Unterbrechung von einem Beteiligten in Ansehung der Hauptsache vorgenommene Prozesshandlungen dem anderen Beteiligten gegenüber ohne rechtliche Wirkung. Hat das Finanzgericht in Unkenntnis eines Insolvenzverfahrens ein Urteil erlassen, ist dieses nach ständiger Rechtsprechung den Beteiligten gegenüber unwirksam1. Es kann mit einer auf den Verfahrensmangel gestützten Nichtzulassungsbeschwerde angegriffen werden2. Im Beschwerdeverfahren wird das Urteil entsprechend § 116 Abs. 6 FGO aufgehoben. Der Rechtsstreit ist weiter beim Finanzgericht anhängig. Nach § 85 Abs. 1 InsO können zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens für 46 den Schuldner anhängige Rechtsstreitigkeiten über das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen vom Insolvenzverwalter aufgenommen werden. Lehnt dieser die Aufnahme des Rechtsstreits ab, so können sowohl der Invsolvenzschuldner als auch das Finanzamt den Rechtsstreit aufnehmen3. Voraussetzung für die Aufnahmebefugnis des Schuldners ist jedoch das Vorliegen eines Aktivprozesses. Ein solcher ist dadurch gekennzeichnet, dass der Schuldner einen Anspruch verfolgt, der zur Insolvenzmasse gehört und im Falle seines Obsiegens die zur Verteilung anstehende Masse vergrößern würde. Nicht entscheidend ist dabei die formelle Parteirolle, sondern allein, ob in dem anhängigen Rechtsstreit über eine Pflicht zu einer Leistung gestritten wird, die in die Masse zu gelangen hat4. Wird dagegen vom Gläubiger ein Recht zu Lasten der Insolvenzmasse beansprucht, so dass ein Unterliegen des Schuldners zu einer Verringerung der Masse führen würde, liegt ein Passivprozess vor, der nur unter den Voraussetzungen des § 86 InsO aufgenommen werden kann. Beispiel: Das Finanzamt nahm den S mit Haftungsbescheid wegen rückständiger Steuerschulden der X-GmbH gem. §§ 34, 69 AO als Haftungsschuldner in Anspruch. Der Einspruch wurde als unbegründet zurückgewiesen. Der Betrag ist noch nicht bezahlt. Während des Klageverfahrens vor dem Finanzgericht wurde über das Vermögen des S das Insolvenzverfahren eröffnet und ein Insolvenzverwalter bestellt. Auf Anfrage erklärte der Insolvenzverwalter, den Rechtsstreit nicht aufnehmen zu wollen. Daraufhin erklärt S, dass er den Rechtsstreit nunmehr aufnehmen wolle. Eine Aufnahme durch den S ist hier nicht möglich. Es handelt sich nämlich nicht um einen Aktivprozess, sondern um einen Passivprozess zur Schuldenmasse, da das Finanzamt eine Insolvenzforderung, nämlich einen unerfüllten Haftungsanspruch nach §§ 34, 69 AO und somit ein Recht zu Lasten der In-
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1 BFH v. 31.5.2007 – IV B 127/06, BFH/NV 2007, 1908; v. 30.9.2004 – IV B 42/03, BFH/NV 2005, 365. 2 Gräber/Koch, § 74 FGO Rz. 36. 3 BFH v. 20.10.2003 – V B 67/03, BFH/NV 2004, 349; Bartone, AO-StB 2004, 145. 4 BFH v. 7.3.2006 – VII R 11/05, BStBl. II 2006, 573; BGH v. 14.4.2005 – IX ZR 221/04, ZIP 2005, 952, m. w. N.
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VI Rz. 47
Rechtsschutz im Vollstreckungs- und Insolvenzverfahren
solvenzmasse geltend macht, das der S bestreitet. Eine Aufnahmebefugnis des S nach § 85 Abs. 2 InsO kommt damit nicht in Betracht1.
3. Anmeldung der Forderung zur Insolvenztabelle 47 Ansprüche aus einem Steuerschuldverhältnis, die gem. § 174 InsO als Insolvenzforderungen zur Eintragung in die Tabelle anzumelden sind, dürfen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens von den Finanzämtern nicht mehr festgesetzt werden. Ein dennoch erlassener Steuerbescheid ist unwirksam2. Die Insolvenzgläubiger können gem. § 87 InsO ihre Forderungen nämlich nur nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren verfolgen. Um keine Rechtsnachteile zu erleiden, müssen sie somit ihre im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Vermögensansprüche gegen den Insolvenzschuldner nach den Vorschriften der §§ 174 ff. InsO verfolgen. Das Finanzamt hat also seine Insolvenzforderungen gem. §§ 174 Abs. 1 Satz 1, 175 Satz 1 InsO beim Insolvenzverwalter zur Eintragung in die Insolvenztabelle anzumelden. Im Prüfungstermin werden die angemeldeten Forderungen – so auch die Forderungen des Finanzamts – anschließend geprüft (§ 176 InsO). Das weitere Schicksal einer Forderung richtet sich danach, ob die Forderung bestritten wird oder nicht. Wird weder vom Insolvenzverwalter noch von einem Insolvenzgläubiger Widerspruch erhoben, gilt eine Forderung gem. § 178 Abs. 3 InsO als rechtskräftig festgestellt. Ein Widerspruch des Schuldners steht der Feststellung nicht entgegen (§ 178 Abs. 1 Satz 3 InsO). Ein Widerspruch des Schuldners ist allerdings in die Tabelle einzutragen (§ 178 Abs. 2 Satz 2 InsO). Die Eintragung der festgestellten Forderung in die Tabelle im Rahmen des Insolvenzverfahrens wirkt letztlich wie eine Steuerfestsetzung, weil die Finanzbehörde die Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis nach Beendigung des Insolvenzverfahrens aufgrund der Eintragung wie aus einem rechtskräftigen Urteil vollstrecken kann3. Durch die Rechtskraft des festgestellten Steueranspruchs ist ein anhängiges finanzgerichtliches Verfahren in der Hauptsache erledigt4. 48
Empfehlung: Da ein anhängiges finanzgerichtliches Verfahren durch die Eintragung der angemeldeten Forderung als festgestellt in die Tabelle in der Hauptsache erledigt ist, müssen die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklären, um das Verfahren zu beenden und eine Abweisung der Klage als unzulässig zu vermeiden. Für die Abgabe der Prozesserklärung ist nicht mehr der ursprüngliche Kläger, sondern der Insolvenzverwalter (§ 80 Abs. 1 InsO) zuständig.
__________ 1 BFH v. 7.3.2006 – VII R 11/05, BStBl. II 2006, 573. 2 BFH v. 18.12.2002 – I R 33/01, BStBl. II 2003, 630. 3 §§ 200, 201 InsO; vgl. BFH v. 7.3.2006 – VII R 11/05, BStBl. II 2006, 573; FG Berlin v. 17.3.2006 – 2 B 7048/04, EFG 2006, 1227; Beermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 251 AO Rz. 422; Loose in Tipke/Kruse, § 251 AO Rz. 64. 4 BFH v. 7.3.2006 – VII R 11/05, BStBl. II 2006, 573.
374
Eröffnung des Insolvenzverfahrens
Rz. 51 VI
Wird die angemeldete Forderung vom Insolvenzverwalter bestritten oder wider- 49 spricht ein anderer Insolvenzgläubiger der Feststellung, steht dem Insolvenzverwalter (§§ 179 Abs. 2, 180 Abs. 2 InsO), aber auch dem Finanzamt (§§ 179 Abs. 1, 180 Abs. 2 InsO) die Befugnis zur Aufnahme des Rechtsstreits zu. Ist die Steuerforderung bereits durch Bescheid festgesetzt, der vor Eröffnung des 50 Insolvenzverfahrens angefochten worden ist, kommt der Erlass eines Feststellungsbescheides nach § 251 Abs. 3 AO nicht mehr in Betracht. In diesem Fall ist das Rechtsbehelfsverfahren bzw. ein anhängiges Klageverfahren fortzuführen, so dass es an der Erforderlichkeit für den Erlass eines weiteren Feststellungsbescheides fehlt. Die Rechtmäßigkeit der Beanspruchung einer Steuerforderung als Insolvenzforderung ist im Einspruchs- bzw. Klageverfahren zu klären1. Nach Aufnahme des Rechtsstreits wandelt sich das Anfechtungsverfahren kraft Gesetzes um in ein Insolvenz-Feststellungsverfahren. Gegenstand dieses Verfahrens ist nicht die Rechtmäßigkeit des Steuerbescheides, sondern die Beseitigung des Widerspruchs durch Feststellung der im Prüfungstermin geltend gemachten Forderung zur Tabelle2. Der veränderten Prozesssituation (§§ 180, 183 InsO) haben die Beteiligten durch eine Umstellung ihrer Anträge Rechnung zu tragen. Empfehlung: Da sich das Anfechtungsverfahren nach Aufnahme des Rechtsstreits durch das Finanzamt in ein Insolvenz-Feststellungsverfahren umwandelt, ist eine Anpassung der bisherigen Klageanträge wie folgt geboten: Antrag: Es wird beantragt, festzustellen, dass der Widerspruch gegen die Feststellung der im Prüfungstermin geltend gemachten Forderung begründet ist. (Finanzamt) – Es wird beantragt, die im Prüfungstermin angemeldete Forderung auf … Euro festzustellen. Der obsiegenden Partei obliegt es dann, die Berichtigung der Tabelle beim Insolvenzgericht zu beantragen (§ 183 Abs. 2 InsO). Ist die Steuerforderung in diesem Fall noch nicht durch Steuerbescheid festge- 51 setzt, ist die Finanzbehörde gem. § 251 Abs. 3 AO berechtigt, das Bestehen einer auf einem Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis beruhenden und im Prüfungstermin geltend gemachten, aber vom Insolvenzverwalter bestrittenen Insolvenzforderung durch besonderen Feststellungsbescheid festzustellen. Dieser an den Insolvenzverwalter oder gegen den widersprechenden Gläubiger zu richtende Feststellungsbescheid kann mit dem Einspruch und der Klage vor dem Finanzgericht angefochten und daraufhin überprüft werden, ob die angemeldete, jedoch bestrittene Forderung besteht und ob die angemeldete mit der festgestellten Forderung übereinstimmt3. Insoweit handelt es sich um eine normale Anfechtungsklage. Der Klageantrag muss deshalb lauten: Antrag: Es wird beantragt, unter Änderung des Feststellungsbescheids vom … und Aufhebung der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung den festgestellten Betrag auf … Euro herabzusetzen.
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1 BFH v. 7.3.2006 – VII R 11/05, BStBl. II 2006, 573. 2 BFH v. 7.3.2006 – VII R 11/05, BStBl. II 2006, 573; MünchKommInsO-Breuer, § 87 InsO Rz. 21. 3 Vgl. Beermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 251 AO Rz. 199, sowie Loose in Tipke/ Kruse, § 251 AO Rz. 68.
375
VI Rz. 52
Rechtsschutz im Vollstreckungs- und Insolvenzverfahren
52 Hat der Insolvenzschuldner selbst allerdings die vom Finanzamt angemeldete Forderung bestritten, so ist dies für die Feststellung der Forderung ohne Bedeutung, wenn nicht zusätzlich der Insolvenzverwalter oder ein anderer Gläubiger widerspricht. Die Eintragung der Forderung hat dann gegenüber dem Insolvenzverwalter und allen anderen Gläubigern gegenüber die Wirkung eines rechtskräftigen Urteils (§ 178 Abs. 3 InsO). Der Widerspruch des Schuldners ist jedoch von Bedeutung für die Zeit nach Beendigung des Insolvenzverfahrens. Nach § 251 Abs. 2 Satz 2 AO i. V. m. § 201 Abs. 2 InsO ist die sofortige Vollstreckung gegen den Schuldner nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens bei einem Widerspruch des Schuldners ggf. beschränkt. Deshalb eröffnet § 184 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 185 Satz 2 InsO dem Finanzamt die Möglichkeit, das Einspruchsverfahren gegen den Schuldner fortzusetzen und eine Einspruchsentscheidung mit feststellendem Inhalt gegen den Schuldner zu erlassen, um den Widerspruch zu beseitigen, oder das von Schuldner vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingeleitete Klageverfahren mit dem Schuldner als Beteiligtem neben dem Insolvenzverwalter fortzusetzen. Der Schuldner selbst kann den Rechtsstreit nicht aufnehmen, da ihm hierfür das Rechtsschutzbedürfnis fehlt1. 53 Die Aufnahme eines anhängigen finanzgerichtlichen Verfahrens erfolgt gem. § 155 FGO i. V. m. § 250 ZPO durch die Zustellung eines Schriftsatzes. Allerdings handelt es sich dabei um Verfahrensvorschriften, deren Verletzung nach rügeloser Einlassung des Gegners geheilt ist (§ 155 FGO i. V. m. § 295 ZPO). 54 In der finanzgerichtlichen Praxis werden die Insolvenzfälle häufig wie folgt behandelt: Wird das Verfahren durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Klägers unterbrochen, so erscheint es zweckmäßig, das Verfahren in den Registern zu löschen, wenn aufgrund einer Anfrage beim Insolvenzverwalter mit einer Aufnahme des Verfahrens gegenwärtig nicht zu rechnen ist. Über die Löschung des Verfahrens in den Registern erhalten die Beteiligten vom Gericht eine Mitteilung. Es handelt sich hierbei um einen rein verwaltungstechnischen Vorgang ohne rechtliche Auswirkungen. Die Löschung des Verfahrens in den Registern hindert dessen Fortsetzung nach Beendigung der Unterbrechung durch eine spätere Aufnahme des Verfahrens oder durch Aufhebung des Insolvenzverfahrens nicht2. Wird nur über das Vermögen eines von zusammenveranlagten und gemeinsam klagenden Ehegatten das Insolvenzverfahren eröffnet, so ist die Abtrennung und Fortführung des von dem anderen Ehegatten geführten Verfahrens zulässig und im Hinblick auf den unterschiedlichen Verfahrensfortgang auch zweckmäßig3. Eine Löschung des Verfahrens des anderen Ehegatten in den Registern kommt in diesen Fällen bei subjektiver Klagehäufung nicht in Betracht.
__________ 1 BFH v. 17.11.1977 – IV R 131-134/77, BStBl. II 1978, 165. 2 BFH v. 22.2.2007 – IX B 186/04, BFH/NV 2007, 1514 unter Berufung auf BFH v. 16.9.1991 – VII B 46/91, BFH/NV 1992, 400 m. w. N. 3 BFH v. 23.8.2007 – X B 130/06, BFH/NV 2007, 2320.
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VII. Teil Kostenregelungen Kostenregelungen
I. Allgemeines 1. Kostentragung Die Kostenentscheidung wird im Urteil oder, wenn das Verfahren in anderer 1 Weise beendet wird, durch Beschluss gefasst (§ 143 Abs. 1 FGO). Hierbei gelten folgende Grundsätze für die Kostentragung: – Der nach dem endgültigen Ergebnis des Verfahrens unterlegene Beteiligte trägt grundsätzlich die Kosten des Verfahrens (§ 135 Abs. 1 FGO). Derjenige, der ohne Erfolg ein gerichtliches Verfahren verursacht hat, soll auch die Verfahrenskosten tragen. Auf den Grund des Unterliegens kommt es nicht an1. – Bei teilweisem Obsiegen und teilweisem Unterliegen der Beteiligten werden die Kosten verhältnismäßig geteilt oder können gegeneinander aufgehoben werden (§ 136 Abs. 1 Satz 1 FGO). Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last (§ 136 Abs. 1 Satz 2 FGO). Einem Beteiligten können die Kosten auch insgesamt auferlegt werden, wenn der andere Beteiligte nur zu einem geringen Teil unterlegen ist (§ 136 Abs. 1 Satz 3 FGO). – Trotz Obsiegens können einem Beteiligten die Kosten auferlegt werden, wenn er Tatsachen oder Beweismittel schuldhaft verspätet vorgebracht hat oder wenn ihn sonst ein Verschulden an der Entstehung von Verfahrenskosten trifft (§ 137 FGO). – Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen (§ 136 Abs. 2 FGO) ebenso wie ein Antragsteller, der durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand Kosten verursacht (§ 136 Abs. 3 FGO).
2. Kosten des Verfahrens Zu den Kosten des finanzgerichtlichen Verfahrens gehören die Gerichtskosten 2 (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens (§ 139 Abs. 1 FGO). Gem. § 139 Abs. 2 FGO sind die Aufwendungen der Finanzbehörden nicht zu erstatten. Auf die Gerichtskosten findet das Gerichtskostengesetz (GKG) Anwendung. Dies 3 ergibt sich aus § 1 Satz 1 Nr. 3 GKG.
__________ 1 Brandis in Tipke/Kruse, vor § 135 FGO Rz. 3.
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VII Rz. 4
Kostenregelungen
Von besonderer Bedeutung für das finanzgerichtliche Verfahren sind zunächst folgende allgemeine Regelungen des Gerichtskostengesetzes: – Gem. § 1 Abs. 1 GKG werden Kosten nur erhoben, wenn sie im Gerichtskostengesetz ausdrücklich vorgesehen sind. – Durch unrichtige Sachbehandlung entstandene Kosten werden nicht erhoben. Das Gleiche gilt für Auslagen, die durch eine von Amts wegen veranlasste Verlegung des Termins oder Vertagung einer Verhandlung entstanden sind (§ 21 Abs. 1 GKG). Als unrichtige Sachbehandlung kommen nur erkennbare, offensichtliche Versehen oder materielle Verstöße gegen eindeutige Rechtsnormen des materiellen oder formellen Rechts in Betracht1. Beispiel: Das Gericht ordnet durch Beschluss eine Beweisaufnahme an und führt die Beweisaufnahme durch. In der mündlichen Verhandlung stellt sich heraus, dass die Klage wegen mangelnder Klagebefugnis als unzulässig abzuweisen ist. In diesem Fall dürfen die Kosten für die Beweisaufnahme nicht erhoben werden, da sie durch eine unrichtige Sachbehandlung durch das Gericht veranlasst worden sind. Von der Erhebung von Gerichtskosten kann auch dann abgesehen werden, wenn das Finanzgericht eine unrichtige Rechtsmittelbelehrung erteilt hat2. Keine unrichtige Sachbehandlung liegt vor, wenn das Gericht mehrere bei ihm anhängige Verfahren desselben Klägers nicht verbindet, auch wenn dies zu einer günstigeren Kostenfolge geführt hätte3. – Für die Höhe der Gebühr ist wesentlich der Wert des Streitgegenstandes. Dies ergibt sich aus § 11 Abs. 2 GKG (zum Streitwert vgl. VII Rz. 36). – Wird ein Antrag zurückgenommen, kann von der Erhebung von Kosten abgesehen werden, wenn der Antrag auf unverschuldeter Unkenntnis der tatsächlichen oder rechtlichen Umstände beruhte (§ 21 Abs. 1 Satz 3 GKG).
II. Kostentatbestände 1. Verfahren vor dem Finanzgericht a) Gerichtskosten 4 Die im finanzgerichtlichen Verfahren entstehenden Kosten setzen sich gem. § 1 Satz 1 GKG aus Gebühren und Auslagen zusammen. In diesem Zusammenhang ist von Bedeutung, dass Gerichtskosten nur dann erhoben werden, wenn diese dem Kläger auferlegt werden, etwa weil er ganz oder zum Teil das Verfahren ver-
__________ 1 BFH v. 24.11.2000 – VI E 2/00, BFH/NV 2001, 623 und v. 4.2.2000 – II E 3/99, II E 4/99, BFH/NV 2000, 964. 2 BFH v. 9.11.2000 – VI B 11/99, BFH/NV 2001, 480. 3 BFH v. 13.6.2000 – VIII E 4/00, BFH/NV 2000, 1238.
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Kostentatbestände
Rz. 5 VII
loren hat. Denn die Finanzämter sind von der Verpflichtung, Kosten zu tragen, befreit. Dies ist ausdrücklich in § 2 Abs. 1 GKG festgelegt. Welche Gebühren bei einem finanzgerichtlichen Verfahren entstehen können, ist 5 im Kostenverzeichnis im Einzelnen festgelegt. Das Kostenverzeichnis ist als Anlage 1 zum Gerichtskostengesetz abgedruckt (s. Anhang II). Im Einzelnen sind folgende Gebührentatbestände im finanzgerichtlichen Verfahren von Bedeutung: – Mit der Anbringung der Klage entsteht eine allgemeine Verfahrensgebühr. Der Gebührensatz beträgt eine vierfache Gebühr (Nr. 6110 des Kostenverzeichnisses). Sie bemisst sich für den Gerichtskostenvorschuss allerdings gem. § 63 Abs. 1 Satz 4 GKG nur nach dem Mindeststreitwert von 1000 Euro (§ 52 Abs. 4 GKG) und beträgt exakt 220 Euro. Für die endgültige Abrechnung der Kosten ist der tatsächliche Streitwert maßgebend (vgl. VII Rz. 36). – Ausnahmsweise vermindert sich diese – vierfache – Gebühr, wenn der Kläger vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung oder, wenn eine solche nicht stattfindet (vgl. II Rz. 661 ff.) vor Ablauf des Tages, an dem das Urteil oder der Gerichtsbescheid der Geschäftsstelle übermittelt wird, die Klage zurücknimmt (vgl. Nr. 6111 des Kostenverzeichnisses). Dies gilt auch, wenn statt der Klagerücknahme der Rechtsstreit für in der Hauptsache erledigt erklärt wird und ein entsprechender Kostenbeschluss nach § 138 FGO ergeht. – Bei Anträgen auf Aussetzung der Vollziehung und auf einstweilige Anordnung entstehen Verfahrensgebühren in Höhe einer zweifachen Gebühr (Nr. 6210 Kostenverzeichnis). Allerdings ist dabei von einem Streitwert in Höhe von pauschal 10 v. H. des Streitwertes der Hauptsache auszugehen1. – Wird das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes durch Rücknahme des Antrags erledigt, so ermäßigt sich die Verfahrensgebühr auf 0,75 einer Gebühr, wenn die Rücknahme vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung oder, wenn eine solche nicht stattfindet – das ist der Regelfall –, vor Ablauf des Tages, an dem der Aussetzungs- oder Anordnungsbeschluss der Geschäftsstelle übermittelt wird (Nr. 6211 Kostenverzeichnis). Wird das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes für in der Hauptsache erledigt erklärt, tritt die Gebührenermäßigung ein, es sei denn, dass bereits ein Beschluss vorausgegangen ist (Nr. 6211 Kostenverzeichnis). – Das Gerichtskostengesetz sieht in § 38 unter bestimmten Voraussetzungen eine sog. Verzögerungsgebühr vor. Sie kommt in Betracht, wenn durch Verschulden eines Beteiligten oder seines Vertreters die Vertagung einer mündlichen Verhandlung notwendig wird oder wenn die Erledigung des Rechtsstreits durch nachträgliches Vorbringen von Angriffs- oder Verteidigungsmitteln, Beweismitteln oder Beweiseinreden verzögert wurde. Die Entscheidung trifft das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen durch besonderen Beschluss, der zu begründen ist. Zuvor ist dem betroffenen Beteiligten Gelegenheit zu geben, sich zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen zu äußern2. Die Höhe wird gem. Nr. 6600 Kostenverzeichnis vom Gericht bestimmt.
__________ 1 BFH v. 27.3.2000 – VII B 223/99, BFH/NV 2000, 1220; Brandis in Tipke/Kruse, vor § 135 FGO Rz. 165. 2 Gräber/Ruban, vor § 135 FGO Rz. 9.
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VII Rz. 6
Kostenregelungen
– Kostenfestsetzung 6 Die Gerichtskosten werden vom Kostenbeamten des betreffenden Gerichts festgesetzt, und zwar nach Anhörung der Beteiligten. Der Kostenbeamte erlässt eine sog. Kostenrechnung. Die Kostenrechnung ist ein Verwaltungsakt. Dem Kostenbeamten steht bei der Kostenfestsetzung kein Ermessensspielraum zu; er darf die Kosten deshalb nicht z. B. aus Billigkeitsgründen niedriger festsetzen1. 7 Die Kosten sind gem. § 13 Abs. 1 KostVfG festzusetzen, sobald sie fällig geworden sind. Die Fälligkeit tritt im finanzgerichtlichen Verfahren ein – für den Gerichtskostenvorschuss (vgl. VII Rz. 5) mit der Einreichung der Klageoder Antragsschrift (§ 6 GKG) und – im Übrigen mit der unbedingten Entscheidung des Gerichts über die Kosten (§ 9 Abs. 2 Nr. 1 GKG). Dabei muss die Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung nicht abgewartet werden2; oder – mit der Beendigung des Verfahrens durch Rücknahme oder Erledigung (§ 9 Abs. 2 Nr. 2 GKG). 8
Hinweis: Der in der Kostenrechnung enthaltene Kostenansatz kann im Verwaltungswege vom Kostenbeamten gem. § 19 Abs. 5 GKG berichtigt werden, und zwar solange keine gerichtliche Entscheidung ergangen ist.
9 – Erinnerung: Gegen den Kostenansatz bzw. die Kostenrechnung kann gem. § 66 Abs. 1 Satz 1 GKG Erinnerung eingelegt werden. Berechtigt zur Einlegung der Erinnerung ist der sog. Kostenschuldner, der in der Kostenrechnung benannt ist. Kostenschuldner ist für den Kostenvorschuss der Kläger bzw. Antragsteller (vgl. § 22 GKG), in den übrigen Fällen derjenige, dem durch die gerichtliche Entscheidung die Kosten auferlegt worden sind (§ 29 GKG). Die Erinnerung ist gem. § 66 Abs. 5 GKG schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle bei dem Gericht einzulegen, das über die Erinnerung zu entscheiden hat. 10 Eine Frist für die Erinnerung ist nicht vorgeschrieben; eine zeitliche Begrenzung ergibt sich aber aus den Verjährungsvorschriften. Die Verjährung tritt gem. § 5 GKG vier Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres ein, in dem das Verfahren durch rechtskräftige Entscheidung über die Kosten oder in sonstiger Weise beendet wurde. Nach Eintritt der Verjährung kann die Erinnerung nicht mehr eingelegt werden. 11
Hinweis: Die Erinnerung hat gem. § 66 Abs. 7 Satz 1 GKG keine aufschiebende Wirkung; d. h. die Kostenrechnung muss trotz Einlegung einer Erinnerung beglichen werden, andernfalls drohen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen der Gerichtskasse. Allerdings kann das Gericht auf entsprechenden Antrag oder von Amts wegen die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen.
12 Der Kostenbeamte kann der Erinnerung abhelfen, wenn er die Einwendungen des Kostenschuldners für begründet erachtet; andernfalls legt er die Erinnerung dem zuständigen Senat zur Entscheidung vor. Der Senat entscheidet gem. § 66 Abs. 6 Satz 1 GKG grundsätzlich durch den Einzelrichter. Der Einzelrichter kann das
__________
1 BFH v. 25.7.1989 – VII E 6/89, BFH/NV 1990, 185. 2 Gräber/Ruban, vor § 135 FGO Rz. 14.
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Rz. 16 VII
Kostentatbestände
Verfahren allerdings dem Senat übertragen, wenn die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist oder grundsätzliche Bedeutung hat (§ 66 Abs. 6 Satz 2 GKG). Das Gericht überprüft die Rechtmäßigkeit der Kostenrechnung in vollem Umfang, also auch über die vom Kostenschuldner erhobenen Einwendungen hinaus. Allerdings gilt auch im Erinnerungsverfahren der Grundsatz des Verbots der reformatio in peius, d. h. der Kostenansatz darf nicht zum Nachteil des Erinnerungsführers abgeändert werden1. Die Entscheidung des Gerichts ergeht durch begründeten Beschluss, gegen den gem. § 128 Abs. 4 FGO keine Beschwerde zum BFH gegeben ist. Die Entscheidung über die Erinnerung ergeht gerichtsgebührenfrei; es werden 13 allerdings auch keine Kosten erstattet (§ 66 Abs. 8 GKG). Überblick über die Gerichtskostenhöhe: Die nachfolgende Tabelle soll beispiel- 14 haft einen Überblick über die Höhe der Gerichtsgebühren bei bestimmten ausgewählten Streitwerten geben. Im Übrigen ergibt sich die Gebührenhöhe aus Anlage 2 zum GKG (s. Anhang II). Streitwert bis … Euro
Gebühr … Euro
300,–
25,–
900,–
45,–
1200,–
55,–
2000,–
73,–
3000,–
89,–
4000,–
105,–
6000,–
136,–
8000,–
166,–
10 000,–
196,–
30 000,–
340,–
50 000,–
456,–
b) Außergerichtliche Kosten Zu den gem. § 139 Abs. 1 FGO erstattungsfähigen Kosten gehören auch die 15 außergerichtlichen Kosten. Sie setzen sich zusammen aus den persönlichen eigenen Auslagen, die dem Kläger in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Verfahren entstanden sind, und den Gebühren und Auslagen für einen Prozessbevollmächtigten. Zu den erstattungsfähigen Kosten gehören nur diejenigen Aufwendungen, die als 16 zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig anzusehen sind. Dazu rechnen Reisekosten (zum Gericht oder zum Prozessbevollmächtigten) sowie ein
__________ 1 BFH v. 6.6.1989 – X E 3/88, BFH/NV 1990, 184.
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VII Rz. 17
Kostenregelungen
etwaiger Verdienstausfall, der nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz ermittelt wird1. 17 Auch die Gebühren eines Prozessbevollmächtigten sind Bestandteil der außergerichtlichen Kosten. Sie richten sich nach dem Streitwert. Dabei sind nach § 23 Abs. 1 Satz 1 RVG bei der Bemessung des Streitwerts für das gerichtliche Verfahren die Wertvorschriften für die Gerichtsgebühren heranzuziehen. Das bedeutet, dass die Streitwerte für die Gerichtsgebühren und die Gebühren der Prozessbevollmächtigten (Rechtsanwälte, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer) identisch sind. Es gilt also auch hier ein Mindeststreitwert von 1000 Euro2. 18 Im finanzgerichtlichen Verfahren kommen gem. Nr. 3200 ff. des Vergütungsverzeichnisses (Anlage 1 zum RVG) folgende Gebühren in Betracht: – Verfahrensgebühr (Nr. 3200 Vergütungsverzeichnis): Die allgemeine Verfahrensgebühr beträgt das 1,6-fache der Gebühr nach § 13 RVG. Sie entsteht, sobald der Bevollmächtigte in dem Verfahren tätig geworden ist. Für die Höhe der Gebühr ist nicht entscheidend, in welchem Umfang der Bevollmächtigte tätig geworden ist. Mit dieser Pauschalgebühr sind sämtliche Tätigkeiten abgegolten, es sei denn, es ist für eine bestimmte Tätigkeit eine besondere Gebühr vorgesehen, z. B. Teilnahme an einer Verhandlung oder Erörterung (Terminsgebühr), Mitwirkung bei einer Erledigung (Erledigungsgebühr). – Terminsgebühr (Nr. 3202 Vergütungsverzeichnis): Sie erhält der Prozessbevollmächtigte für die Vertretung in einem Erörterungstermin (vgl. II Rz. 527 ff.), Beweistermin oder in einer mündlichen Verhandlung. Sie entsteht auch, wenn das Gericht im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (vgl. II Rz. 661 ff.). Sie entsteht unabhängig von der Zahl der einzelnen Termine in jedem Rechtszug nur einmal3. Eine Terminsgebühr kann auch durch eine Telefon- oder Videokonferenzverhandlung ausgelöst werden. Denn das Gesetz sieht keine bestimmte Form vor, in der der Termin stattfinden muss. Daher ist es nicht erforderlich, dass beide Beteiligte bei der Besprechung in demselben Raum körperlich anwesend sein müssen. Angesichts der modernen Telekommunikationsmittel und deren Berücksichtigung in den Prozessordnungen (vgl. insbesondere § 91a FGO) kann eine Besprechung daher auch mittels Video- und Telefonkonferenz stattfinden4. – Erledigungsgebühr (Nr. 1002 Vergütungsverzeichnis): Sie entsteht, wenn sich die Rechtssache ganz oder teilweise durch Mitwirkung des Prozessbevollmächtigten erledigt. Die Erledigungsgebühr ist allerdings keine reine Erfolgsgebühr für eine allgemein auf die Förderung des Verfahrens gerichtete Tätigkeit. Deshalb reicht das allgemeine Betreiben des Geschäfts für ihre Entstehung nicht aus, da insoweit schon die allgemeine Verfahrensgebühr anfällt. Wegen der geforderten anwaltlichen Mitwirkung ist eine über die Begründung hinausgehende Verfahrensförderung mit dem Ziel der Erledigung der Rechtssache erforderlich. Es muss sich um eine besondere, über die allgemeine Prozessführung hinausgehende, auf die Herbeiführung der Erledigung gerichtete und nicht unwe-
__________ 1 2 3 4
Vgl. Gräber/Stapperfend, § 139 FGO Rz. 10; Brandis in Tipke/Kruse, § 139 FGO Rz. 28. So auch FG Niedersachsen v. 9.6.2005 – 11 KO 19/05, EFG 2005, 1804. Brandis in Tipke/Kruse, § 139 FGO Rz. 92. So auch FG des Saarlandes v. 14.11.2005 – 2 S 335/05, EFG 2006, 926.
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Kostentatbestände
Rz. 20 VII
sentliche Tätigkeit handeln1. Unwesentlich ist eine Mitwirkung z. B., wenn dem Antrag des Klägers zu mindestens 90 % entsprochen wurde2. Die Erledigungsgebühr kann auch neben der Terminsgebühr anfallen3. – Gesetzlich vorgesehene Gebühren und Auslagen eines Bevollmächtigten im Vorverfahren sind nach § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO erstattungsfähig, wenn das Gericht die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig erklärt. Im Hinblick auf die Kompliziertheit des Steuerrechts wird einem entsprechenden Antrag in aller Regel vom Gericht entsprochen4. Dabei gilt der Mindeststreitwert im Vorverfahren nur für Rechtsanwälte, nicht für Steuerberater5. – Besonderheiten: Tritt ein Rechtsanwalt oder Steuerberater in eigener Sache auf, sind ihm gem. § 155 FGO i. V. m. § 91 Abs. 2 Satz 3 ZPO die gesetzlichen Gebühren und Auslagen ebenfalls zu erstatten. Wird der Prozessbevollmächtigte in derselben Angelegenheit für mehrere Auftraggeber tätig (z. B. für zusammen veranlagte Eheleute bei einer Klage gegen einen Einkommensteuerbescheid), erhält er gem. § 7 Abs. 1 RVG die Gebühren nur einmal. Allerdings erhöhen sich die Gebühren um jeweils 0,3. Dabei dürfen mehrere Erhöhungen einen Gebührensatz von 2,0 nicht überschreiten. Zu den erstattungsfähigen Kosten gehört auch die Umsatzsteuer auf die Vergütung des Bevollmächtigten. Sie ist allerdings gem. § 155 FGO i. V. m. § 104 Abs. 2 Satz 3 ZPO bei der Kostenfestsetzung nur zu berücksichtigen, wenn der Antragsteller die Erklärung abgibt, dass er die Umsatzsteuer nicht als Vorsteuer abziehen kann. Hinweis: Für Steuerberater, Steuerbevollmächtigte und Steuerberatungsgesell- 19 schaften sind im finanzgerichtlichen Verfahren die für Rechtsanwälte geltenden Vorschriften des RVG sinngemäß anwendbar (§ 45 StBGebV). Dies gilt allerdings nicht für das außergerichtliche Vorverfahren. Hier richten sich die Gebühren eines Steuerberaters nach der StBGebV und weichen deshalb von den Gebühren eines Rechtsanwalts ab6. Für die Erstattung der außergerichtlichen Kosten gilt folgendes Verfahren: Die 20 von der beklagten Behörde zu erstattenden Kosten werden gem. § 149 Abs. 1 FGO auf Antrag vom Urkundsbeamten des Gerichts durch Kostenfestsetzungsbeschluss festgesetzt. Gegen diesen Beschluss können die Beteiligten gem. § 149 Abs. 2 FGO Erinnerung einlegen, und zwar innerhalb einer Frist von zwei Wochen nach Zustellung des Kostenfestsetzungsbeschlusses7. Hilft der Urkundsbeamte der Erinnerung nicht ab, so entscheidet das Gericht durch unanfechtbaren Beschluss. Auch hier gilt der Grundsatz der reformatio in peius, d. h. der Kostenfestsetzungsbeschluss darf nicht zum Nachteil des Erinnerungsführers geändert werden.
__________ 1 BFH v. 12.2.2007 – III B 140/06, BFH/NV 2007, 1109; FG Baden-Württemberg v. 27.8.2007 – 8 KO 1/07, EFG 2007, 1972. 2 FG Köln v. 28.6.2004 – 10 KO 1603/044, EFG 2004, 1642. 3 FG des Saarlandes v. 14.11.2005 – 2 S 335/05, EFG 2006, 926. 4 Vgl. Brandis in Tipke/Kruse, § 139 FGO Rz. 130. 5 FG Köln v. 26.2.2007 – 10 KO 1308/06, EFG 2007, 953. 6 Wegen der Einzelheiten vgl. Brandis in Tipke/Kruse, § 139 FGO Rz. 134 ff., 144 ff. 7 Brandis in Tipke/Kruse, § 149 FGO Rz. 18.
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VII Rz. 21
Kostenregelungen
2. Verfahren vor dem Bundesfinanzhof a) Gerichtskosten 21 In Revisionsverfahren fällt gem. Nr. 6120 Kostenverzeichnis für das Revisionsverfahren im Allgemeinen eine fünffache Gebühr an. Wird die Revision zurückgenommen, bevor die Schrift zur Begründung der Revision bei Gericht eingegangen ist, so ermäßigt sich die allgemeine Verfahrensgebühr auf eine einfache Gebühr. Erfolgt die Rücknahme hingegen erst vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung oder, wenn eine solche nicht stattfindet (vgl. III Rz. 149), vor Ablauf des Tages, an dem das Urteil, der Gerichtsbescheid oder der Beschluss in der Hauptsache der Geschäftsstelle übermittelt wird, so ermäßigt sich die Verfahrensgebühr auf das Dreifache. Das Gleiche gilt in den Fällen, in denen der Rechtsstreit für in der Hauptsache erledigt erklärt wird, es sei denn, dass bereits ein Urteil, ein Gerichtsbescheid oder ein Beschluss in der Hauptsache vorausgegangen ist.
b) Außergerichtliche Kosten 22 Wegen des vor dem Bundesfinanzhof geltenden Vertretungszwangs (vgl. III Rz. 5) fallen regelmäßig Kosten für Prozessbevollmächtigte an. Hier beträgt die allgemeine Verfahrensgebühr (vgl. VII Rz. 18) gem. Nr. 3206 des Vergütungsverzeichnisses das 1,6-fache der Gebühr nach § 13 RVG, bei vorzeitiger Beendigung des Auftrags nach Nr. 3207 des Vergütungsverzeichnisses das 1,1-fache dieser Gebühr. Die Terminsgebühr (vgl. VII Rz. 18) beläuft sich auf das 1,5-fache der Gebühr nach § 13 RVG. Sie entsteht auch dann, wenn die Beteiligten auf mündliche Verhandlung verzichtet haben oder durch Gerichtsbescheid entschieden wird1. Wird nach Erlass eines Gerichtsbescheides fristgerecht mündliche Verhandlung beantragt, entfällt allerdings die Terminsgebühr wegen der Wirkung dieses Antrags (vgl. II Rz. 724) rückwirkend. Hier löst aber die sich anschließende mündliche Verhandlung die Terminsgebühr wieder aus2. 23–35 Einstweilen frei.
III. Streitwert 36 Für die Höhe der Gebühren ist der Wert des Streitgegenstandes, der Streitwert maßgebend. Dies ergibt sich aus § 3 GKG. 37 Maßgebend für den Streitwert ist zunächst einmal der Antrag des Klägers: Betrifft sein Antrag eine bezifferte Geldleistung – wie regelmäßig im finanzgerichtlichen Verfahren – ist gem. § 52 Abs. 3 GKG deren Höhe maßgebend. Der Antrag ist in diesem Sinne ausreichend beziffert, wenn der Kläger beantragt, die Steuer auf
__________ 1 Brandis in Tipke/Kruse, § 139 FGO Rz. 94; Gräber/Stapperfend, § 139 FGO Rz. 85. 2 Brandis in Tipke/Kruse, § 139 FGO Rz. 94.
384
Streitwert
Rz. 41 VII
einen bestimmten Betrag festzusetzen oder die im angefochtenen Bescheid festgesetzte Steuer um einen bestimmten Betrag zu mindern. Fehlt es an den Voraussetzungen des § 52 Abs. 3 GKG, d. h. ist kein bezifferter 38 Antrag gestellt, ist der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers ergebenden Bedeutung der Sache zu bestimmen (§ 52 Abs. 1 GKG). Diese Regelung kommt insbesondere dann zur Anwendung, wenn Streitgegenstand ein Steuerbescheid ist, der nicht auf eine bezifferte Geldleistung gerichtet ist. Hierzu rechnen insbesondere Feststellungsbescheide. Auf der Grundlage des in § 52 Abs. 1 GKG eingeräumten und an der Bedeutung der Sache auszurichtenden Ermessens sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs für Verfahren der gesonderten und einheitlichen Gewinnfeststellung pauschalierende Regelsätze anzusetzen, die die einkommensteuerlichen Auswirkungen der streitigen Feststellung lediglich typisierend berücksichtigen. Dabei ist der Streitwert grundsätzlich mit 25 v. H. des streitigen Gewinns zu bemessen1. Dabei ist ohne Bedeutung, ob mit der Klage eine Gewinnminderung bzw. Verlusterhöhung oder aber eine Gewinnerhöhung bzw. Verlustminderung begehrt wird2. Wird über die Höhe des in einem Gewinnfeststellungsbescheid zu erfassenden Veräußerungsgewinns gestritten, ist im Regelfall von 15 % des streitigen Betrags auszugehen; bei sehr hohen (streitigen) Veräußerungsgewinnen ist der Prozentsatz in angemessenem Umfang anzuheben3. Der Streitwert bemisst sich nicht etwa nach dem geldwerten Interesse des Klä- 39 gers schlechthin. Vielmehr ist der Streitwertberechnung grundsätzlich nur der Steuerbetrag zu Grunde zu legen, um den unmittelbar gestritten wurde. Mittelbare steuerliche Auswirkungen bleiben außer Betracht, auch Auswirkungen auf Veranlagungszeiträume, die dem Streitjahr vor- oder nachgelagert sind4. Bietet der bisherige Sach- und Streitstand für eine Bestimmung des Streitwerts 40 keine genügenden Anhaltspunkte, ist gem. § 52 Abs. 2 GKG von einem Streitwert von 5000 Euro auszugehen, sog. Regelstreitwert. Grundsätzlich wird also der Streitwert aufgrund der im Verfahren gestellten 41 Sachanträge des Klägers berechnet, wobei in der Regel der weitest gehende Antrag maßgebend ist. Entscheidend für den Streitwert ist das finanzielle Interesse des Klägers an dem Ausgang des Rechtsstreits. Das bedeutet: Entscheidend kommt es auf die erstrebte Änderung der Steuerfestsetzung für den betreffenden Veranlagungszeitraum an. Beispiel 1: Will der Steuerpflichtige mit seiner Klage die ersatzlose Aufhebung eines Steuerbescheides erreichen, so beträgt der Streitwert die volle festgesetzte Steuer.
__________ 1 BFH v. 23.4.1999 – IV E 1/99, BFH/NV 1999, 1360; Gräber/Ruban, vor § 135 FGO Rz. 35 Stichwort „Einheitliche Gewinnfeststellung“. 2 BFH v. 23.4.1999 – IV E 1/99, BFH/NV 1999, 1360. 3 BFH v. 14.2.2007 – IV E 3/06, BFH/NV 2007, 1155. 4 BFH v. 8.7.1999 – VIII E 1/99, BFH/NV 1999, 1630.
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VII Rz. 42
Kostenregelungen
Beispiel 2: Wendet sich der Kläger gegen einen Berichtigungsbescheid, der zu seinen Ungunsten erlassen wurde, so ist als Streitwert die Differenz zwischen der im Berichtigungsbescheid festgesetzten Steuer und der ursprünglichen Steuer anzusehen. Beispiel 3: Begehrt der Kläger mit seiner Klage gegen einen Einkommensteuerbescheid eine Herabsetzung der Einkommensteuer, so errechnet sich der Streitwert aus dem Unterschied zwischen beantragter und vom Finanzamt festgesetzter Einkommensteuer. Beispiel 4: Bei Verfahren über die Höhe oder die Verteilung des einheitlich und gesondert festgestellten Gewinns ist grundsätzlich für die Höhe des Streitwerts die Auswirkung auf die Einkommensteuer zu Grunde zu legen. Aus Vereinfachungsgründen wird diese Auswirkung jedoch nicht individuell ausgerechnet, sondern im Regelfall mit pauschal 25 % des streitigen Gewinns angesetzt (vgl. VII Rz. 38). 42 Entscheidet das Gericht gem. § 138 FGO über die Kosten des Verfahrens, nachdem der Rechtsstreit von beiden Verfahrensbeteiligten für in der Hauptsache erledigt erklärt worden ist, ist für die Gerichtskosten der sog. Kostenstreitwert maßgebend. Er bemisst sich nach der Höhe der gerichtlichen und der erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten1. Dies gilt allerdings nur, wenn das Gericht nach § 138 FGO nur noch über die Kosten zu befinden hat Etwas anders gilt jedoch, wenn einer der Beteiligten der Erledigung der Hauptsache ausdrücklich widerspricht und Fortsetzung des Verfahrens mit den in der Hauptsache gestellten Anträgen begehrt. Dieser Klageantrag ist dann für die Streitwertberechnung maßgeblich2. 43–55 Einstweilen frei.
IV. Prozesskostenhilfe 1. Allgemeines 56 Kann der Kläger wegen seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen, so kann ihm auf seinen Antrag hin Prozesskostenhilfe bewilligt werden. Dabei gelten für das finanzgerichtliche Verfahren gem. § 142 Abs. 1 FGO die Vorschriften der Zivilprozessordnung, und zwar die §§ 114 ff. ZPO entsprechend. 57 Prozesskostenhilfe wird gem. § 119 ZPO für jede Instanz gesondert gewährt. Für jede Instanz ist deshalb ein gesonderter Antrag erforderlich, der bei dem Gericht
__________
1 Vgl. BFH v. 23.3.2000 – IV E 1/00, BFH/NV 2000, 1218; Gräber/Ruban, vor § 135 FGO Rz. 35 Stichwort“ Erledigung der Hauptsache“. 2 BFH v. 23.3.2000 – IV E 1/00, BFH/NV 2000, 1218.
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Prozesskostenhilfe
Rz. 60 VII
zu stellen ist, bei dem der Rechtsstreit anhängig ist oder anhängig gemacht werden soll1. Ein PKH-Antrag für ein Beschwerdeverfahren vor dem Bundesfinanzhof kann allerdings nach Ansicht des Bundesfinanzhofs auch beim Finanzgericht angebracht werden, weil auch das Finanzgericht Prozessgericht i. S. des § 117 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist2. Prozesskostenhilfe kann nicht nur für Verfahren vor den Finanzgerichten, sondern auch für Verfahren vor dem Bundesfinanzhof (Beschwerde einschließlich Nichtzulassungsbeschwerde, Revision) beantragt und gewährt werden. Dabei unterliegt der Antrag nicht dem beim Bundesfinanzhof grundsätzlich geltenden Vertretungszwang3. Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hat zur Folge, dass
58
– der Kläger, soweit nichts anderes bestimmt ist, von der Zahlung rückständiger und entstehender Gerichtskosten zunächst befreit ist, und – dem Kläger ein Steuerberater oder Rechtsanwalt beigeordnet werden kann, der von der Staatskasse zu bezahlen ist.
2. Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung Voraussetzung für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe ist als Erstes, dass die 59 beabsichtigte Rechtsverfolgung nicht mutwillig ist und eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht (§ 114 ZPO). Hinreichende Erfolgsaussichten bestehen dann, wenn bei summarischer Prüfung die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als aussichtslos erscheint, also eine gewisse Wahrscheinlichkeit für ein vollständiges oder zumindest teilweises Obsiegen des Steuerpflichtigen besteht. Hiervon ist auszugeben, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Steuerpflichtigen aufgrund seiner Sachdarstellung und der vorhandenen Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist4. Die Erfolgsaussichten sind in der Regel selbst dann als für die Gewährung von Prozesskostenhilfe hinreichend anzusehen, wenn die Gründe für und gegen einen Erfolg als gleichwertig zu bewerten sind; eine abschließende Prüfung darf bei der Abwägung nicht vorgenommen werden5. Hinreichende Erfolgsaussichten sind auch dann gegeben, wenn der Rechtsstreit schwierige Rechtsfragen aufwirft, die erst im Revisionsverfahren abschließend zu klären sind6. Eine Beweiserhebung findet im Prozesskostenhilfeverfahren nicht statt7. Bei 60 Zweifeln an den für einen Erfolg des Antragstellers im Hauptsacheverfahren maßgeblichen Tatsachen ist Prozesskostenhilfe zu gewähren, wenn das Gericht
__________ 1 2 3 4
Gräber/Stapperfend, § 142 FGO Rz. 57. BFH v. 16.5.2003 – V S 4/03 (PKH), BFH/NV 2003, 1339. BFH v. 20.10.2003 – VI S 4/03 (PKH), BFH/NV 2004, 356. BFH v. 12.4.1994 – VII B 39/94, BFH/NV 1995, 62 und v. 5.2.1993 – VIII B 103/92, BFH/ NV 1993, 351; Gräber/Stapperfend, § 142 FGO Rz. 39. 5 BFH v. 30.7.2004 – XI S 20/03 (PKH), BFH/NV 2005, 216. 6 BFH v. 17.1.2006 – VIII S 6/05 (PKH), BFH/NV 2006, 801. 7 BFH v. 6.12.2000 – VI B 99/00, BFH/NV 2001, 787.
387
VII Rz. 61
Kostenregelungen
von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist. Es darf allerdings im Prozesskostenhilfeverfahren das Ergebnis einer Zeugenvernehmung nicht vorwegnehmen. Ausnahmen von diesem Grundsatz kommen nur in engen Grenzen in Betracht, nämlich insbesondere wenn das angebotene Beweismittel von vornherein völlig ungeeignet ist, so dass eine Beweiserhebung im Hauptsacheverfahren, selbst wenn sie beantragt würde, nicht in Betracht käme, oder wenn nach Lage der Dinge das Ergebnis der Beweiserhebung – ausnahmsweise – mit einiger Sicherheit im vorhinein feststeht, z. B. weil ein Zeuge bereits im Verwaltungsverfahren eingehend vernommen worden ist1.
3. Persönliche Voraussetzungen 61 Weitere Voraussetzung für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist, dass der Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann (§ 114 Satz 1 ZPO). Zu den Kosten der Prozessführung zählen die rückständigen und die voraussichtlich noch entstehenden Kosten (§ 122 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Dazu gehören die Gerichtskosten und die Vergütung für einen Prozessbevollmächtigten. Insoweit ist das gesamte Prozesskostenrisiko zu berücksichtigen2. Zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen i. S. des § 114 Satz 1 ZPO gehören die Familienverhältnisse, Beruf, Vermögen, Einkommen und Lasten (§ 117 Abs. 2 ZPO). An Hand dieser Merkmale hat das Gericht zu prüfen, ob der Antragsteller außerstande ist, die Prozesskosten ganz oder teilweise zu tragen. 62 Bei der Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers ist in erster Linie vom Einkommen i. S. des § 115 ZPO auszugehen. Zum Einkommen gehören alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert, also auch Sachleistungen wie z. B. die kostenlose Überlassung eines PKW oder einer Wohnung durch den Arbeitgeber. Ist das monatliche Einkommen schwankend, so ist das Einkommen aufgrund eines repräsentativen Durchschnitts zu ermitteln3. 63 Da das Einkommen dem Antragsteller zur freien Verfügung stehen muss – nur dann kann er hieraus ggf. auch die Prozesskosten bezahlen –, sieht § 115 Abs. 1 ZPO bestimmte Abzüge vor. So sind vom Brutto-Einkommen neben Lohnsteuer, Pflichtbeiträgen zur Sozialversicherung, notwendigen Erwerbsaufwendungen und den Kosten für Unterkunft und Heizung auch ein pauschalierter Betrag für den Lebensunterhalt des Antragstellers und seines Ehegatten/Lebenspartners sowie weitere gesetzlich geschuldete Unterhaltsleistungen abzuziehen (§ 115 Abs. 1 Nrn. 1–3 ZPO). Außerdem können weitere Beträge abgezogen werden, wenn dies mit Rücksicht auf besondere Belastungen angemessen ist (§ 115 Abs. 1 Nr. 4 ZPO). Hierzu kann z. B. die Belastung aus einem Darlehen berücksichtigt werden,
__________ 1 BFH v. 31.8.2000 – VII B 181/00, BFH/NV 2001, 318. 2 BFH v. 12.5.1982 – II B 76/81, BStBl. II 1982, 598. 3 BFH v. 18.2.1992 – VII B 244/91, BFH/NV 1992, 691.
388
Prozesskostenhilfe
Rz. 66 VII
wenn dieses zur Finanzierung eines PKW aufgenommen wurde, der für Fahrten zur Arbeitsstätte eingesetzt wird1. Die Bedürftigkeit eines Verfahrensbeteiligten ist nicht nur nach seinen Einkom- 64 mensverhältnissen, sondern auch danach zu beurteilen, ob er im Rahmen des Zumutbaren die zur Prozessführung erforderlichen Kosten unter Einsatz seines gesamten verwertbaren Vermögens aufbringen kann (§ 115 Abs. 3 ZPO). Zum Vermögen gehört das gesamte verwertbare Vermögen, also auch Bargeld, Grundvermögen, Sparguthaben, Wertpapiervermögen2. Soweit die Verwertung aus bestimmten Gründen nicht oder nur schwer möglich sein sollte, muss der Antragsteller sich auf die Inanspruchnahme eines Kredits verweisen lassen. Besitzt der PKH begehrende Prozessbeteiligte einsatzpflichtiges Vermögen, so stellt eine Kreditaufnahme auf der Grundlage dieses Vermögens eine zumutbare (Teil-)Verwertung dieses Vermögens dar3. Die Frage der Zumutbarkeit des Einsatzes des eigenen Vermögens ist grundsätz- 65 lich in entsprechender Anwendung des § 90 Sozialgesetzbuch XII zu beurteilen (§ 115 Abs. 3 Satz 2 ZPO). Diese Vorschrift enthält in Abs. 2 Nrn. 1–9 einen Katalog nicht verwertbarer Gegenstände, sog. Schonvermögen. Hierzu rechnet z. B. Vermögen, das aus öffentlichen Mitteln zum Aufbau oder zur Sicherung einer Lebensgrundlage oder zur Gründung eines Hausstandes erbracht wird, Kapital einschließlich Erträge, das der zusätzlichen Altersvorsorge dient und dessen Ansammlung staatlich gefördert wurde, angemessener Hausrat, Gegenstände, die für die Aufnahme oder Fortsetzung der Berufsausbildung oder Erwerbstätigkeit unentbehrlich sind, sowie ein angemessenes Hausgrundstück. Eine inländische juristische Person oder parteifähige Vereinigung erhält nach 66 § 142 Abs. 1 FGO i. V. m. § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO nur dann Prozesskostenhilfe, wenn die Kosten weder von ihr noch von den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und wenn die Unterlassung der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung allgemeinen Interessen zuwiderlaufen würde. Auch eine Erbengemeinschaft, die gegen einen an sie gerichteten Umsatzsteuerbescheid klagt, gehört zu den in § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO bezeichneten inländischen parteifähigen Vereinigungen; sie muss deshalb im Verfahren wegen Prozesskostenhilfe darlegen, aus welchen Gründen die Unterlassung der erstrebten Rechtsverfolgung bzw. Rechtsverteidigung allgemeinen Interessen zuwiderlaufen würde4. In diesem Sinne sind allgemeine Interessen berührt, wenn die Antragstellerin ohne die Prozesskostenhilfe gehindert würde, eine der Allgemeinheit dienende Aufgabe zu erfüllen, oder wenn die Entscheidung größere Kreise der Bevölkerung oder das Wirtschaftsleben berührt und soziale Wirkungen hat oder haben könnte5. Dies ist z. B. der Fall, wenn von der Durchführung des Prozesses die Existenz eines Unternehmens abhängt, an dessen Erhaltung wegen
__________ 1 BFH v. 23.10.2000 – VI S 16/00, BFH/NV 2001, 469; vgl. zur Berechnung des Einkommens auch BFH v. 1.8.2000 – VII S 37/99, BFH/NV 2001, 457). 2 BFH v. 18.9.1997 – VIII B 37/97, BFH/NV 1998, 490 und v. 2.5.1988 – IV B 99/86, BFH/NV 1989, 123; vgl. auch Brandis in Tipke/Kruse, § 142 FGO Rz. 32 ff. 3 BFH v. 26.1.2001 – VI B 277/99, BFH/NV 2001, 809. 4 BFH v. 21.11.2000 – V B 143/00, BFH/NV 2001, 618. 5 Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, § 116 ZPO Rz. 20.
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VII Rz. 67
Kostenregelungen
der großen Zahl der dort beschäftigten Arbeitnehmer ein allgemeines Interesse besteht1.
4. Verfahren 67 Der Antrag auf Bewilligung der Prozesskostenhilfe ist beim Finanzgericht oder für Verfahren vor dem Bundesfinanzhof bei diesem oder ebenfalls beim Finanzgericht (s. VII Rz. 57) zu stellen. Er ist dort schriftlich oder mündlich zur Niederschrift bei der Geschäftsstelle vorzubringen. 68 In dem Antrag ist das Streitverhältnis unter Angabe der Beweismittel darzustellen. Dem Antrag sind eine Erklärung des Antragstellers über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (Familienverhältnisse, Beruf, Vermögen, Einkommen und Lasten) sowie entsprechende Belege beizufügen (§ 117 ZPO), und zwar gem. der Verordnung zur Einführung eines Vordrucks für die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bei Prozesskostenhilfe v. 17.10.19942 auf einem amtlichen Vordruck. Hinweis: Das Gericht muss aus dem Vorbringen des Antragstellers ersehen können, ob und in welchem Umfang die beabsichtigte Rechtsverfolgung Aussicht auf Erfolg hat. Insoweit muss der Antragsteller seiner Darlegungspflicht nachkommen3. Bei lediglich teilweisen Erfolgsaussichten einer beabsichtigten Rechtsverfolgung kann Prozesskostenhilfe auch nur anteilig gewährt werden4.
69
70 Der Erklärungsvordruck muss sorgfältig ausgefüllt werden. Werden in dem Vordruck zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen keine Angaben zu den „Einnahmen“ gemacht und die Frage nach den „sonstigen Vermögenswerten“ nicht beantwortet, kann keine Prozesskostenhilfe gewährt werden. Dasselbe gilt, wenn sich die Angaben im Erklärungsvordruck und die diesem beigefügten Anlagen widersprechen5. Wird für das Revisionsverfahren Prozesskostenhilfe beantragt, kann es genügen, wenn der Antragsteller auf die im Klageverfahren abgegebene Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse Bezug nimmt und versichert, dass sich die Verhältnisse insoweit nicht geändert haben6. Hinweis: Nach einer Ablehnung kann ein Prozesskostenhilfeantrag erneut gestellt werden, weil Entscheidungen hierüber nicht in materielle Rechtskraft erwachsen. Da die Gerichte allerdings in derselben Sache grundsätzlich nicht mehrfach bemüht werden sollen, erfordert eine solche Wiederholung ein besonderes Rechtsschutzinteresse. Dieses ist nur dann gegeben, wenn das erneute Begehren auf neue Gründe gestützt wird. Dabei sind neue Gründe nur solche, die in entscheidungserheblicher (tatsächlicher oder rechtlicher) Hinsicht die Sache in „einem neuen Licht“ erscheinen lassen7.
71
__________ 1 2 3 4 5 6 7
BGH v. 24.10.1990 – VIII ZR 87/90, NJW 1991, 703. BGBl. I 1994, 3001. BFH v. 8.11.2000 – X S 5/00, BFH/NV 2001, 614. BFH v. 24.10.2000 – VI B 14/99, BFH/NV 2001, 469. BFH v. 17.1.2001 – XI B 76 - 78/00, BFH/NV 2001, 803. BFH v. 17.8.2000 – VI S 29/99, BFH/NV 2001, 193. BFH v. 26.10.1995 – X B 126/95, BFH/NV 1996, 257.
390
Prozesskostenhilfe
Rz. 72 VII
Prozesskostenhilfe kann auch rückwirkend für eine bereits abgewiesene Klage 72 bewilligt werden, wenn sie vor der Entscheidung in der Hauptsache beantragt worden war und der Antrag bei summarischer Beurteilung hätte Erfolg haben müssen1.
__________ 1 BFH v. 28.8.2000 – V B 133/00, BFH/NV 2000, 1497.
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VIII. Teil Musterschriftsätze
Muster 1 Vorsorgliche Einspruchseinlegung zur Fristwahrung . . . . . . . . . . . . . . . . . Muster 2 Verspätete Einspruchseinlegung – Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Muster 3 Einspruchseinlegung mit Begründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Muster 4 Vorsorgliche Klageerhebung zur Fristwahrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Muster 5 Aufhebungsklage – Einkommensteuer, getrennte Veranlagung, Zusammenveranlagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Muster 6 Aufhebungsklage – Aufhebung einer Einspruchsentscheidung . . . . . . . . . . Muster 7 Aufhebungsklage – Aufhebung eines Berichtigungsbescheids . . . . . . . . . . Muster 8 Aufhebungsklage – Haftungsbescheid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Muster 9 Änderungsklage – Herabsetzung der Einkommensteuer . . . . . . . . . . . . . . Muster 10 Änderungsklage – Änderung eines einheitlichen und gesonderten Feststellungsbescheids . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Muster 11 Verpflichtungsklage – Erlass eines Änderungsbescheids . . . . . . . . . . . . . . Muster 12 Verpflichtungsklage – Ablehnung eines Erlassantrags . . . . . . . . . . . . . . . . Muster 13 Allgemeine Leistungsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Muster 14 Feststellungsklage – Feststellung der Nichtigkeit einer Prüfungsanordnung Muster 15 Fortsetzungsfeststellungsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Muster 16 Sprungklage bei Änderungsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Muster 17 Untätigkeitsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Muster 18 Aussetzung (Aufhebung) der Vollziehung eines Einkommensteuerbescheids . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Muster 19 Aussetzung (Aufhebung) der Vollziehung eines Haftungsbescheids . . . . . . Muster 20 Einstweilige Anordnung – Einstweilige Einstellung der Vollstreckung . . . Muster 21 Nichtzulassungsbeschwerde – Grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Muster 22 Nichtzulassungsbeschwerde – Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Muster 23 Nichtzulassungsbeschwerde – Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) Muster 24 Anhörungsrüge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Muster 25 Einlegung der Revision (ohne Begründung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Muster 26 Revisionsbegründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Muster 27 Schriftliche Erklärungen in einem Vorabentscheidungsverfahren . . . . . . . Muster 28 Verfassungsbeschwerde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Muster 29 Einstweilige Anordnung gegen Insolvenzantrag des Finanzamts gem. § 114 FGO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Vorsorgliche Einspruchseinlegung zur Fristwahrung
Rz. 1 VIII
Muster 1: Vorsorgliche Einspruchseinlegung zur Fristwahrung
1
Steuerberater S., Büroweg 8, K-Stadt An das Finanzamt K-Innenstadt Betr.: St.-Nr. …/…/…
Eheleute Max und Susi Bürger
Hier: Einkommensteuerbescheid 200… vom …, hier eingegangen am … Sehr geehrte Damen und Herren, hiermit lege ich für meine Mandanten gegen den o. g. Einkommensteuerbescheid vorsorglich Einspruch ein. Begründung folgt. Mit freundlichen Grüßen … Steuerberater S. (eigenhändige Unterschrift)
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VIII Rz. 2
Musterschriftsätze
2 Muster 2: Verspätete Einspruchseinlegung – Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand Steuerberater S., Büroweg 8, K-Stadt An das Finanzamt K-Innenstadt
Betr.: St.-Nr. …/…/…
Eheleute Max und Susi Bürger
Hier: Einkommensteuerbescheid 200… vom …, hier eingegangen am …
Sehr geehrte Damen und Herren, hiermit lege ich für meine Mandanten gegen den o. g. Einkommensteuerbescheid vorsorglich Einspruch ein. Es wird beantragt, den Einkommensteuerbescheid 200… vom 7.1.2008 unter Berücksichtigung zusätzlicher Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 3000 Euro zu ändern. Zugleich wird beantragt, wegen Versäumung der Einspruchsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
I. Der Einkommensteuerbescheid 200… vom 7.1.2008 wurde den Klägern am 10.1.2008 (Donnerstag) zugestellt. Die Einspruchsfrist lief somit am 11.2.2008. (Montag) ab. Am Vormittag des 11.2.2008. wurde das Einspruchsschreiben von mir gefertigt, unterschrieben und meiner Sekretärin, Frau S., mit der ausdrücklichen Weisung übergeben, den Einspruch umgehend zu kuvertieren und wegen des Fristablaufs noch am gleichen Abend auf dem Weg zur Bahn noch in den Hausbriefkasten des Finanzamtes zu werfen. Frau S., die stets sorgfältig und zuverlässig gearbeitet hat und die Bedeutung von Fristsachen kennt, hat leider den Einwurf in den Briefkasten vergessen und mir dies erst gestern mitgeteilt. Zur Glaubhaftmachung wird eine Kopie des Fristenkontrollbuchs und eine eidesstattliche Versicherung von Frau S. beigefügt.
394
Rz. 2 VIII
Verspätete Einspruchseinlegung
II. Es folgen die Ausführungen zum Sachverhalt und zur rechtlichen Beurteilung. Mit freundlichen Grüßen … Steuerberater S. (eigenhändige Unterschrift) Anlagen: 1. Kopie des Fristenkontrollbuchs 2. Eidesstattliche Versicherung der Frau S.
395
VIII Rz. 3
Musterschriftsätze
3 Muster 3: Einspruchseinlegung mit Begründung Steuerberater S., Büroweg 8, K-Stadt An das Finanzamt K-Innenstadt
Betr.: St.-Nr. …/…/…
Eheleute Max und Susi Bürger
Hier: Einkommensteuerbescheid 200… vom …, hier eingegangen am …
Sehr geehrte Damen und Herren, hiermit lege ich für meine Mandanten gegen den o. g. Einkommensteuerbescheid vorsorglich Einspruch ein. Es wird beantragt, 1. den Einkommensteuerbescheid 200… vom 10.1.2008 unter Berücksichtigung zusätzlicher Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 3000 Euro zu ändern, 2. die Vollziehung des angefochtenen Bescheids bis zum Ergehen des Änderungsbescheids in voller Höhe (oder: entsprechend) auszusetzen.
I. Der Kläger ist Eigentümer des Mehrfamilienhauses in X. Die Wohnungen sind an fremde Dritte vermietet. Im Winter 2005/2006 war eine umfangreiche Dachreparatur erforderlich. Die insoweit geltend gemachten Aufwendungen sind bereits als Werbungskosten anerkannt worden. Der Kläger hat leider in diesem Zusammenhang vergessen, einen weiteren Betrag in Höhe von 3000 Euro, der am 30.3.2006 an die Fa. F überwiesen worden ist, geltend zu machen.
II. Die Aufwendungen sind bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung gemäß §§ 9 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 21 EStG abzugsfähig. Eine neue Aufstellung über die angefallenen Aufwendungen für die Dachreparatur und die entsprechende Rechnung der Fa. F. vom 1.3.2006 sind als Anlage beigefügt.
396
Einspruchseinlegung mit Begründung
Rz. 3 VIII
Er wird gebeten, den Einkommensteuerbescheid entsprechend zu ändern. Mit freundlichen Grüßen … Steuerberater S. (eigenhändige Unterschrift) Anlagen: 1. Aufstellung der Kosten für die Dachreparatur 2. Rechnung der Fa. F. vom 1.3.2006
397
VIII Rz. 4
Musterschriftsätze
4 Muster 4: Vorsorgliche Klageerhebung zur Fristwahrung Steuerberater S., Büroweg 8, K-Stadt An das Finanzgericht K K-Stadt Klage der Eheleute Max und Susi Bürger, Lessingstraße 10, K-Stadt
– Kläger
Bevollmächtigter: Steuerberater S., Büroweg 8, K-Stadt gegen Finanzamt K-Stadt
– Beklagter
St.-Nr.: … RBL-Nr.: … wegen Einkommensteuer 200… Im Namen meiner Mandanten erhebe ich Klage gegen das Finanzamt K-Stadt. Anträge, Begründung und Vollmacht werden bis zum … nachgereicht. … Steuerberater S. (eigenhändige Unterschrift)
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Aufhebungsklage – Einkommensteuer, getrennte u. Zusammenveranlagung
Rz. 5 VIII
Muster 5: Aufhebungsklage – Einkommensteuer, getrennte Veranlagung, Zusammenveranlagung
5
Aufhebungsklage – Einkommensteuer, getrennte u. Zusammenveranlagung
Steuerberater S., Büroweg 8, K-Stadt An das Finanzgericht K K-Stadt Klage des Handelsvertreters Max Bürger, Lessingstraße 10, K-Stadt
– Kläger
Bevollmächtigter: Steuerberater S., Büroweg 8, K-Stadt gegen Finanzamt K-Stadt
– Beklagter
St.-Nr.: … RBL-Nr.: … wegen Einkommensteuer 200… Im Namen meines Mandanten erhebe ich unter Beifügung auf mich lautender Prozessvollmacht Klage gegen das Finanzamt K-Stadt und werde beantragen, 1. den Einkommensteuerbescheid 200… vom … in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom … aufzuheben, 2. dem Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, 3. die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären, 4. das Urteil wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar zu erklären, 5. im Unterliegensfalle die Revision zuzulassen. Begründung Alternative 1: Der Beklagte hat den Kläger und seine Ehefrau für das Streitjahr zusammenveranlagt. Die Zusammenveranlagung ist rechtswidrig, da der Kläger die Durchführung einer getrennten Veranlagung beantragt hatte. Dass die Ehefrau des Klägers gegenüber dem Beklagten auf einer Zusammenveranlagung bestanden hat, ist rechtlich ohne Bedeutung (vgl. § 26 Abs. 2 EStG). Der angefochtene Steuerbescheid und die Einspruchsentscheidung sind (in Abschrift) beigefügt. … Steuerberater S. (eigenhändige Unterschrift) 399
VIII Rz. 5
Musterschriftsätze
Anlagen: 1. Prozessvollmacht 2. Abschrift der Klage 3. Kopie des ESt.-Bescheids vom … 4. Kopie der Einspruchsentscheidung vom … Alternative 2: Der Beklagte hat für das Streitjahr … für den Kläger und seine Ehefrau eine getrennte Veranlagung durchgeführt. Die getrennte Veranlagung ist rechtswidrig, weil beide Eheleute die Zusammenveranlagung beantragt hatten. Zwar hatte die Ehefrau des Klägers zunächst die getrennte Veranlagung begehrt. Im Einspruchsverfahren hat sie dieses Begehren jedoch aufgegeben und sich ebenfalls für die Zusammenveranlagung entschieden. Die in der Einspruchsentscheidung zum Ausdruck gebrachte Auffassung des Beklagten, diese Änderung sei einkommensteuerlich unbeachtlich, da die Ehefrau des Klägers an die einmal getroffene Entscheidung gebunden sei, geht fehl. Die Wahl der Veranlagungsart kann bis zur Bestandskraft beider Bescheide geändert werden. Der angefochtene Steuerbescheid und die Einspruchsentscheidung sind (in Abschrift) beigefügt. … Steuerberater S. (eigenhändige Unterschrift) Anlagen: 1. Prozessvollmacht 2. Abschrift der Klage 3. Kopie des ESt.-Bescheids vom … 4. Kopie der Einspruchsentscheidung vom …
400
Aufhebungsklage – Aufhebung einer Einspruchsentscheidung
Rz. 6 VIII
Muster 6: Aufhebungsklage – Aufhebung einer Einspruchsentscheidung
6
Steuerberater S., Büroweg 8, K-Stadt An das Finanzgericht K K-Stadt
Klage des Handelsvertreters Max Bürger, Lessingstraße 10, K-Stadt
– Kläger
Bevollmächtigter: Steuerberater S., Büroweg 8, K-Stadt gegen Finanzamt K-Stadt
– Beklagter
St.-Nr.: … RBL-Nr.: … wegen Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom … betreffend EinkommensteuerVeranlagung 200…
Im Namen meines Mandanten erhebe ich unter Beifügung auf mich lautender Prozessvollmacht Klage gegen das Finanzamt K-Stadt und werde beantragen, 1. die Einspruchsentscheidung des Finanzamts K-Stadt vom … betreffend die Einkommensteuerveranlagung 200… aufzuheben, 2. dem Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, 3. die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären, 4. das Urteil wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar zu erklären. 5. im Unterliegensfall die Revision zuzulassen.
Begründung Das beklagte Finanzamt hat den Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid 200… vom … zu Unrecht als unzulässig verworfen. Der Kläger hat den Einspruch zwar verspätet eingelegt … Der Beklagte hätte dem Kläger jedoch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewähren müssen. Einen entsprechenden Antrag auf Wiedereinsetzung hatte der Kläger fristgerecht am … gestellt. Der Beklagte hat diesen Antrag in der Einspruchsentscheidung jedoch zu Unrecht zurückgewiesen. Denn die Voraussetzungen für
401
VIII Rz. 6
Musterschriftsätze
eine Wiedereinsetzung lagen vor. Denn der Kläger war ohne sein Verschulden verhindert, die Einspruchsfrist einzuhalten. – wird ausgeführt – … Steuerberater S. (eigenhändige Unterschrift) Anlagen: 1. Prozessvollmacht 2. Abschrift der Klage 3. Kopie des ESt.-Bescheids vom … 4. Kopie der Einspruchsentscheidung vom …
402
Rz. 7 VIII
Aufhebungsklage – Aufhebung eines Berichtigungsbescheids
Muster 7: Aufhebungsklage – Aufhebung eines Berichtigungsbescheids
7
Steuerberater S., Büroweg 8, K-Stadt An das Finanzgericht K K-Stadt
Klage des Handelsvertreters Max Bürger, Lessingstraße 10, K-Stadt
– Kläger
Bevollmächtigter: Steuerberater S., Büroweg 8, K-Stadt gegen Finanzamt K-Stadt
– Beklagter
St.-Nr.: … RBL-Nr.: … wegen Aufhebung des Berichtigungsbescheids vom … betr. Einkommensteuer 200…
Im Namen meines Mandanten erhebe ich unter Beifügung auf mich lautender Prozessvollmacht Klage gegen das Finanzamt K-Stadt und werde beantragen, 1. den Einkommensteuer-Änderungsbescheid vom … betr. Einkommensteuer 200… und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom … aufzuheben, 2. dem Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, 3. die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären, 4. das Urteil wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar zu erklären, 5. im Unterliegensfalle die Revision zuzulassen.
Begründung Das beklagte Finanzamt hat am … einen Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr 200… gegen den Kläger erlassen. Dieser Bescheid ist bestandskräftig geworden. Am … ging dem Kläger ein berichtigter Einkommensteuerbescheid für dieses Streitjahr zu, der eine um 1000 Euro höhere Einkommensteuerschuld ausweist: Der Beklagte stützt die Berichtigung auf § 129 AO. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift
403
VIII Rz. 7
Musterschriftsätze
liegen jedoch nicht vor. Denn bei dem dem Beklagten unterlaufenen Fehler handelt es sich nicht um eine offenbare Unrichtigkeit. – wird ausgeführt – … Steuerberater S. (eigenhändige Unterschrift) Anlagen: 1. Prozessvollmacht 2. Abschrift der Klage 3. Kopie des ESt.-Bescheids vom … 4. Kopie der Einspruchsentscheidung vom …
404
Rz. 8 VIII
Aufhebungsklage – Haftungsbescheid
Muster 8: Aufhebungsklage – Haftungsbescheid
8
Steuerberater S., Büroweg 8, K-Stadt An das Finanzgericht K K-Stadt
Klage des Handelsvertreters Max Bürger, Lessingstraße 10, K-Stadt
– Kläger
Bevollmächtigter: Steuerberater S., Büroweg 8, K-Stadt gegen Finanzamt K-Stadt
– Beklagter
St.-Nr.: … RBL-Nr.: … wegen Haftung für Umsatzsteuer für den Zeitraum … Im Namen meines Mandanten erhebe ich unter Beifügung auf mich lautender Prozessvollmacht Klage gegen das Finanzamt K-Stadt und werde beantragen, 1. den Haftungsbescheid für Umsatzsteuer für den Zeitraum vom … und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom … aufzuheben, 2. dem Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, 3. die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären, 4. das Urteil wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar zu erklären, 5. im Unterliegensfalle die Revision zuzulassen. Begründung Der Kläger war Geschäftsführer und Gesellschafter der A-GmbH. Am … wurde ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der A-GmbH mangels einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse abgelehnt. Kurz darauf wurde die Gesellschaft von Amts wegen im Handelsregister gelöscht. Nach einer Betriebsprüfung erließ das beklagte Finanzamt gegen den Kläger einen Haftungsbescheid wegen rückständiger Umsatzsteuer für die Zeit vom … bis … über … Euro, weil der Kläger als verantwortlicher Geschäftsführer nicht dafür Sorge getragen habe, dass die für die … erzielten Umsätze entsprechende Umsatzsteuer entrichtet wurde. Das beklagte Finanzamt hat den Kläger zu Unrecht für die rückständige Umsatzsteuer der GmbH in Anspruch genommen. Die Voraussetzungen für eine Haftung liegen nicht vor. Denn der Kläger hat nicht seine steuerlichen Pflichten gegenüber der Finanzverwaltung verletzt. Ihm standen keine Mittel zur Verfügung, die fällige 405
VIII Rz. 8
Musterschriftsätze
Umsatzsteuer zu entrichten … – wird ausgeführt –. Deshalb liegt auch keine Pflichtverletzung vor und ist der Haftungsbescheid ersatzlos aufzuheben. … Steuerberater S. (eigenhändige Unterschrift) Anlagen: 1. Prozessvollmacht 2. Abschrift der Klage 3. Kopie des Haftungsbescheids vom … 4. Kopie der Einspruchsentscheidung vom …
406
Änderungsklage – Herabsetzung der Einkommensteuer
Rz. 9 VIII
Muster 9: Änderungsklage – Herabsetzung der Einkommensteuer
9
Steuerberater S., Büroweg 8, K-Stadt An das Finanzgericht K K-Stadt
Klage des Handelsvertreters Max Bürger, Lessingstraße 10, K-Stadt
– Kläger
Bevollmächtigter: Steuerberater S., Büroweg 8, K-Stadt gegen Finanzamt K-Stadt
– Beklagter
St.-Nr.: … RBL-Nr.: … wegen Einkommensteuer 200…
Im Namen meines Mandanten erhebe ich unter Beifügung auf mich lautender Prozessvollmacht Klage gegen das Finanzamt K-Stadt und werde beantragen, 1. den Einkommensteuerbescheid 200… vom … in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom … zu ändern und die Einkommensteuer auf … Euro herabzusetzen (oder: die Einkommensteuer 200… unter Berücksichtigung weiterer Werbungskosten in Höhe von … Euro herabzusetzen). 2. dem Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, 3. die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären, 4. das Urteil wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar zu erklären, 5. im Unterliegensfalle die Revision zuzulassen.
Begründung: Der Kläger bezieht u. a. Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Zu seinen Aufgaben gehört … Der Kläger erhält neben einem geringen Fixum in größerem Umfang erfolgsabhängige Bezüge. Als Werbungskosten machte er Aufwendungen i. H. v. 3000 Euro geltend, die auf die Bewirtung von Kunden entfielen. Das beklagte Finanzamt hat die geltend gemachten Aufwendungen nicht als Werbungskosten berücksichtigt und berief sich auf § 9 Abs. 5 i. V. m. § 4 Abs. 5 Nr. 2 EStG. 407
VIII Rz. 9
Musterschriftsätze
Die Auffassung des Finanzamtes ist unzutreffend. Die Aufwendungen waren nach der allgemeinen Verkehrsanschauung sehr wohl als angemessen anzusehen. Anlass für die Bewirtung war … – wird ausgeführt –. … Steuerberater S. (eigenhändige Unterschrift) Anlagen: 1. Prozessvollmacht 2. Abschrift der Klage 3. Kopie des Einkommensteuerbescheids vom … 4. Kopie der Einspruchsentscheidung vom …
408
Änderung eines einheitlichen und gesonderten Feststellungsbescheids
Rz. 10 VIII
Muster 10: Änderungsklage – Änderung eines einheitlichen und gesonderten Feststellungsbescheids
10
Steuerberater S., Büroweg 8, K-Stadt An das Finanzgericht K K-Stadt Klage der Max Bürger & Sohn KG, Lessingstraße 10, K-Stadt, vertreten durch den persönlich haftenden Gesellschafter Max Bürger, Lessingstraße 10, K-Stadt
– Klägerin
Bevollmächtigter: Steuerberater S., Büroweg 8, K-Stadt gegen Finanzamt K-Stadt
– Beklagter
St.-Nr.: … RBL-Nr.: … wegen einheitlicher und gesonderter Gewinnfeststellung 200… Im Namen meiner Mandantin erhebe ich unter Beifügung auf mich lautender Prozessvollmacht Klage gegen das Finanzamt K-Stadt und werde beantragen, 1. den Gewinnfeststellungsbescheid 200… vom … in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom … zu ändern und den Gewinn auf … Euro herabzusetzen, 2. dem Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, 3. die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären, 4. das Urteil wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar zu erklären, 5. im Unterliegensfalle die Revision zuzulassen.
Begründung: Die Klägerin betreibt auf dem ihr gehörenden Grundstück Lessingstraße 10 ein Einzelhandelsgeschäft. Für den Ausbau der Fußgängerzone leistete die Klägerin einen freiwilligen Zuschuss an die Gemeinde in Höhe von … Euro. Die Klägerin behandelte diesen Betrag als sofort abzugsfähige Betriebsausgabe. Das beklagte Finanzamt erkannte diese Ausgabe jedoch nicht als Betriebsausgabe an, sondern aktivierte sie als nachträgliche Anschaffungskosten des Grund und Bodens. Entsprechend wurde der erklärte Gewinn um … Euro, abzüglich der entsprechenden Auflösung der Gewerbesteuerrückstellung, heraufgesetzt. Der hiergegen eingelegte Einspruch blieb ohne Erfolg.
409
VIII Rz. 10
Musterschriftsätze
Das beklagte Finanzamt hat zu Unrecht die Zahlung an die Gemeinde von … Euro als Anschaffungskosten des Grund und Bodens behandelt … – wird ausgeführt –. Damit sind die Zuschüsse sofort abzugsfähige Betriebsausgaben, und der Klage ist stattzugeben. … Steuerberater S. (eigenhändige Unterschrift) Anlagen: 1. Prozessvollmacht 2. Abschrift der Klage 3. Kopie des Gewinnfeststellungsbescheids vom … 4. Kopie der Einspruchsentscheidung vom …
410
Verpflichtungsklage – Erlass eines Änderungsbescheids
Rz. 11 VIII
Muster 11: Verpflichtungsklage – Erlass eines Änderungsbescheids
11
Steuerberater S., Büroweg 8, K-Stadt An das Finanzgericht K K-Stadt Klage des Handelsvertreters Max Bürger, Lessingstraße 10, K-Stadt
– Kläger
Bevollmächtigter: Steuerberater S., Büroweg 8, K-Stadt gegen Finanzamt K-Stadt
– Beklagter
St.-Nr.: … RBL-Nr.: … wegen Ablehnung der Berichtigung des Einkommensteuerbescheids 200… Im Namen meines Mandanten erhebe ich unter Beifügung auf mich lautender Prozessvollmacht Klage gegen das Finanzamt K-Stadt und werde beantragen, 1. den Beklagten unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom … und der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom … zu verpflichten, den Einkommensteuerbescheid 200… vom … zu ändern und die Einkommensteuer auf … Euro herabzusetzen (oder: die Einkommensteuer 200… unter Berücksichtigung weiterer Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von … Euro herabzusetzen), 2. dem Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, 3. die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären, 4. das Urteil wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar zu erklären, 5. im Unterliegensfalle die Revision zuzulassen. Begründung: Der Kläger ist Eigentümer eines Zweifamilienhauses. Bei der Abgabe seiner Einkommensteuererklärung für das Jahr 200… war ihm bei der Ermittlung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung insofern ein Rechenfehler unterlaufen, als er versehentlich die AfA für das Gebäude statt mit 9000 Euro mit 6000 Euro angesetzt hatte. Dieser Fehler war für das Finanzamt ohne weiteres erkennbar, da die Abschreibung in gleicher Höhe wie in den beiden Vorjahren hätte vorgenommen werden müssen. Das Finanzamt hat diesen Fehler jedoch in den Einkommensteuerbescheid 200… übernommen. Dieser Bescheid ist bestandskräftig geworden, da der Kläger den Fehler erst ein halbes Jahr nach Bekanntgabe des Bescheides bemerkt hatte. Er 411
VIII Rz. 11
Musterschriftsätze
hatte sogleich beim Finanzamt einen Antrag auf Berichtigung des Einkommensteuerbescheides gem. § 129 AO gestellt. Dieser Antrag wurde jedoch vom Finanzamt abgelehnt mit der Begründung, ein Rechtsfehler sei nicht auszuschließen. Die Rechtsauffassung des Beklagten trifft nicht zu. Ein Rechtsirrtum ist ausgeschlossen … (wird ausgeführt). … Steuerberater S. (eigenhändige Unterschrift) Anlagen: 1. Prozessvollmacht 2. Abschrift der Klage 3. Kopie des Einkommensteuerbescheids vom … 4. Kopie der ablehnenden Verfügung vom … 5. Kopie der Einspruchsentscheidung vom …
412
Verpflichtungsklage – Ablehnung eines Erlassantrags
Rz. 12 VIII
Muster 12: Verpflichtungsklage – Ablehnung eines Erlassantrags
12
Steuerberater S., Büroweg 8, K-Stadt An das Finanzgericht K K-Stadt Klage des Handelsvertreters Max Bürger, Lessingstraße 10, K-Stadt
– Kläger
Bevollmächtigter: Steuerberater S., Büroweg 8, K-Stadt gegen Finanzamt K-Stadt
– Beklagter
St.-Nr.: … RBL-Nr.: … wegen Erlass von Einkommensteuer 200… Im Namen meines Mandanten erhebe ich unter Beifügung auf mich lautender Prozessvollmacht Klage gegen das Finanzamt K-Stadt und werde beantragen, 1. den Beklagten unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom … und der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom … zu verpflichten, dem Kläger die Einkommensteuer 200… in Höhe von … Euro sowie Säumniszuschläge in Höhe von … Euro zu erlassen, hilfsweise, den Beklagten zu verpflichten, den Erlassantrag des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden, 2. dem Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, 3. die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären, 4. das Urteil wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar zu erklären, 5. im Unterliegensfalle die Revision zuzulassen. Begründung: Der Kläger war Inhaber eines Modegeschäfts, das er in 200… mit 87 Jahren veräußerte. … Der Beklagte veranlagte den Kläger zur Einkommensteuer, wobei er einen laufenden Verlust aus Gewerbebetrieb und einen Veräußerungsgewinn in Höhe von … Euro berücksichtigte … – wird ausgeführt –. Die Einkommensteuer wurde auf … Euro festgesetzt. Der Bescheid ist bestandskräftig. Der Kläger beantragte mit Schreiben vom … beim Beklagten den Erlass der Einkommensteuer, da er nicht in der Lage ist, den Betrag zu zahlen … – wird ausgeführt –. Der Erlass wurde vom Beklagten daraufhin zu Unrecht ablehnt. Die besondere finan-
413
VIII Rz. 12
Musterschriftsätze
zielle Situation des Klägers hätte hier zu einem Erlass aus persönlichen Billigkeitsgründen führen müssen … – wird weiter ausgeführt –. … Steuerberater S. (eigenhändige Unterschrift) Anlagen: 1. Prozessvollmacht 2. Abschrift der Klage 3. Kopie des Einkommensteuerbescheids vom … 4. Kopie der ablehnenden Verfügung vom … 5. Kopie der Einspruchsentscheidung vom …
414
Rz. 13 VIII
Allgemeine Leistungsklage
Muster 13: Allgemeine Leistungsklage
13
Steuerberater S., Büroweg 8, K-Stadt An das Finanzgericht K K-Stadt Klage des Handelsvertreters Max Bürger, Lessingstraße 10, K-Stadt
– Kläger
Bevollmächtigter: Steuerberater S., Büroweg 8, K-Stadt gegen Finanzamt K-Stadt St.-Nr.: …
– Beklagter
wegen Rückzahlung von doppelt entrichteter Einkommensteuer 200… Im Namen meines Mandanten erhebe ich unter Beifügung auf mich lautender Prozessvollmacht Klage gegen das Finanzamt K-Stadt und werde beantragen, 1. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger … Euro zu zahlen, 2. dem Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, 3. die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären, 4. das Urteil wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar zu erklären. 5. im Unterliegensfalle die Revision zuzulassen. Begründung Der Kläger hat die Einkommensteuernachzahlung für … am … durch Banküberweisung gezahlt. Da der Kläger hievon seiner Ehefrau versehentlich keine Mitteilung gemacht hat, überwies diese denselben Betrag noch einmal an den Beklagten. Beweis: Zeugnis der Frau Susi Bürger, ladungsfähige (Wohn-)Anschrift Der Kläger hat diesen Sachverhalt dem Beklagten mit Schreiben vom … mitgeteilt. Daraufhin erging ein Abrechnungsbescheid, aus dem sich die doppelte Zahlung eindeutig ergibt. Weder das Schreiben vom … noch ein Anruf beim Beklagten am … führten bisher zur Erstattung. Der Kläger sieht sich deshalb gezwungen, seinen Anspruch aus § 37 Abs. 2 AO nunmehr gerichtlich geltend zu machen. … Steuerberater S. (eigenhändige Unterschrift) Anlagen: 1. Prozessvollmacht 2. Abschrift der Klage 3. Kopie des Abrechnungsbescheids vom … 415
VIII Rz. 14
Musterschriftsätze
14 Muster 14: Feststellungsklage – Feststellung der Nichtigkeit einer Prüfungsanordnung Steuerberater S., Büroweg 8, K-Stadt An das Finanzgericht K K-Stadt Klage des Handelsvertreters Max Bürger, Lessingstraße 10, K-Stadt
– Kläger
Bevollmächtigter: Steuerberater S., Büroweg 8, K-Stadt gegen Finanzamt K-Stadt
– Beklagter
St.-Nr.: … wegen Feststellung der Nichtigkeit der Prüfungsanordnung vom … Im Namen meines Mandanten erhebe ich unter Beifügung auf mich lautender Prozessvollmacht Klage gegen das Finanzamt K-Stadt und werde beantragen, 1. festzustellen, dass die Prüfungsanordnung vom … nichtig ist, 2. dem Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, 3. die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären, 4. das Urteil wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar zu erklären, 5. im Unterliegensfalle die Revision zuzulassen. Begründung Der Kläger betreibt unter seinem Namen einen Getränkehandel. Mit Verfügung vom … ordnete der Beklagte beim Kläger und seiner Ehefrau, die in seinem Betrieb angestellt ist, eine Betriebsprüfung an. Die Prüfungsanordnung ist an „Herrn und Frau Max Bürger“ gerichtet. In der Anordnung heißt es: „Aufgrund § 193 Abs. 1, § 193 Abs. 2 Nr. 2 AO ordne ich an, dass bei Ihnen eine steuerliche Betriebsprüfung vorgenommen wird.“ Weitere Erläuterungen oder Hinweise sind in der Prüfungsanordnung nicht enthalten. Der Prüfer prüfte nur Vorgänge im betrieblichen Bereich des Klägers. Nach Abschluss der Prüfung übersandte der Beklagte dem Kläger einen Prüfungsbericht und erließ anschließend Änderungsbescheide hinsichtlich der Einkommensteuer und Umsatzsteuer für die Jahre …, nach deren Erhalt der Kläger Einspruch gegen die Prüfungsanordnung einlegte. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.
416
Feststellungsklage – Feststellung der Nichtigkeit einer Prüfungsanordnung
Rz. 14 VIII
Der Kläger ist der Auffassung, dass die Prüfungsanordnung nichtig ist. Sie entspricht nämlich nicht den Anforderungen, die an einen Verwaltungsakt zu stellen sind. Sie ist inhaltlich nicht hinreichend bestimmt, weil aus ihr nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit hervorgeht, welche Person in welcher Eigenschaft und in welchem Umfang geprüft werden soll … (wird ausgeführt). … Steuerberater S. (eigenhändige Unterschrift) Anlagen: 1. Prozessvollmacht 2. Abschrift der Klage 3. Kopie der Prüfungsanordnung vom …
417
VIII Rz. 15
Musterschriftsätze
15 Muster 15: Fortsetzungsfeststellungsklage Steuerberater S., Büroweg 8, K-Stadt An das Finanzgericht K K-Stadt Klage des Handelsvertreters Max Bürger, Lessingstraße 10, K-Stadt
– Kläger
Bevollmächtigter: Steuerberater S., Büroweg 8, K-Stadt gegen Finanzamt K-Stadt
– Beklagter
St.-Nr.: … RBL-Nr.: … wegen Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Pfändungsverfügung Im Namen meines Mandanten erhebe ich unter Beifügung auf mich lautender Prozessvollmacht Klage gegen das Finanzamt K-Stadt und werde beantragen, 1. die Rechtswidrigkeit der Pfändungsverfügung des Beklagten vom … festzustellen, 2. dem Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, 3. die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären, 4. das Urteil wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar zu erklären, 5. im Unterliegensfalle die Revision zuzulassen. Begründung Am … forderte der Beklagte den Kläger auf, rückständige Steuern und Säumniszuschläge zur Vermeidung von Vollstreckungsmaßnahmen zu überweisen. Die rückständigen Steuern waren bereits zuvor Gegenstand mehrerer Besprechungen zwischen dem Kläger und dem Beklagten gewesen … Der Kläger erklärte deshalb seine Bereitschaft, die rückständigen Steuern zu zahlen. Mit Pfändungsverfügung vom … nahm der Beklagte bei dem Kläger dann ohne weitere Mahnung und Fristsetzung wegen der rückständigen Steuern, Säumniszuschläge und Vollstreckungskosten eine Kontopfändung vor. Hiergegen erhob der Kläger Einspruch, der jedoch ohne Erfolg blieb. Kurze Zeit nach Zustellung der Einspruchsentscheidung sind die rückständigen Beträge durch Drittschuldnerzahlungen getilgt worden. Da sich die Pfändungsverfügung durch die Drittschuldnerzahlung erledigt hat, sieht sich der Kläger gezwungen, eine Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO zu erheben. Angesichts der geschäftsschädigenden Wirkung einer Kontopfändung ist ein berechtigtes Interesse des Klägers zu bejahen, die Rechtswid418
Fortsetzungsfeststellungsklage
Rz. 15 VIII
rigkeit der Pfändungsmaßnahme gerichtlich feststellen zu lassen … – wird ausgeführt –. Die durch Drittschuldnerzahlungen erledigte Pfändungsverfügung ist rechtswidrig. Sie verstößt nämlich gegen die Vorschrift des § 259 AO. Danach soll der Vollstreckungsschuldner in der Regel vor Beginn der Vollstreckung mit einer Zahlungsfrist von einer Woche gemahnt werden … – wird ausgeführt –. … Steuerberater S. (eigenhändige Unterschrift) Anlagen: 1. Prozessvollmacht 2. Abschrift der Klage 3. Kopie der Pfändungsverfügung vom … 4. Kopie der Einspruchsentscheidung vom …
419
VIII Rz. 16
Musterschriftsätze
16 Muster 16: Sprungklage bei Änderungsklage Steuerberater S., Büroweg 8, K-Stadt An das Finanzgericht K K-Stadt Sprungklage des Handelsvertreters Max Bürger, Lessingstraße 10, K-Stadt
– Kläger
Bevollmächtigter: Steuerberater S., Büroweg 8, K-Stadt gegen Finanzamt K-Stadt
– Beklagter
St.-Nr.: … wegen Einkommensteuer-Änderungsbescheid 200… vom … Im Namen meines Mandanten erhebe ich unter Beifügung auf mich lautender Prozessvollmacht Sprungklage gegen das Finanzamt K-Stadt und werde beantragen, 1. den Einkommensteuerbescheid 200… vom … zu ändern und die Einkommensteuer auf … Euro herabzusetzen, 2. dem Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, 3. die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären, 4. das Urteil wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar zu erklären, 5. im Unterliegensfalle die Revision zuzulassen. Begründung Der Kläger ist Eigentümer des Hauses Lessingstraße 10 in K-Stadt, das er in vorweggenommener Erbfolge erhalten hat. Der Vater des Klägers kümmerte sich weiterhin um die Verwaltung des Hauses, aus dem der Kläger Mieteinnahmen erzielt. U. a. beauftragte der Vater Handwerker für verschiedene Reparaturaufwendungen. Die Rechnungen wurden vom Vater bezahlt … – wird ausgeführt –1. Dieser Sachverhalt ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Im Einkommensteuerbescheid 200… berücksichtigte der Beklagte die Reparaturaufwendungen zunächst als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung. Aufgrund einer bei dem Kläger durchgeführten Betriebsprüfung ließ der Beklagte u. a. diese Aufwendungen nicht mehr zum Abzug zu, da sie vom Vater des Klägers gezahlt worden sind, und erließ am … einen gem. § 164 Abs. 1 AO geän-
__________ 1 Vgl. den Sachverhalt im Urteil des FG Hamburg v. 9.7.2007 – 2 K 243/06, n. v., und Mitteilung über anhängiges BFH-Verfahren IX R 45/07.
420
Sprungklage bei Änderungsklage
Rz. 16 VIII
derten Einkommensteuerbescheid. Streitig ist, wie diese Aufwendungen steuerlich zu behandeln sind … – wird ausgeführt –. Da der Sachverhalt unstreitig ist und zwischen dem Kläger und dem Beklagten lediglich unterschiedliche Rechtsauffassungen bestehen, ist die Durchführung eines Einspruchsverfahrens entbehrlich. Der Beklagte wird deshalb gebeten, die Zustimmung zur Sprungklage fristgerecht zu erteilen. … Steuerberater S. (eigenhändige Unterschrift) Anlagen: 1. Prozessvollmacht 2. Abschrift der Klage 3. Kopie des Einkommensteuer-Änderungsbescheids vom … 4. Kopie des Betriebsprüfungsberichts vom …
421
VIII Rz. 17
Musterschriftsätze
17 Muster 17: Untätigkeitsklage Steuerberater S., Büroweg 8, K-Stadt An das Finanzgericht K K-Stadt
Untätigkeitsklage des Handelsvertreters Max Bürger, Lessingstraße 10, K-Stadt
– Kläger
Bevollmächtigter: Steuerberater S., Büroweg 8, K-Stadt gegen Finanzamt K-Stadt
– Beklagter
St.-Nr.: … RBL-Nr.: … wegen Einkommensteuerbescheid 200… vom …
Im Namen meines Mandanten erhebe ich unter Beifügung auf mich lautender Prozessvollmacht Untätigkeitsklage gegen das Finanzamt K-Stadt und werde beantragen, 1. den Einkommensteuerbescheid 200… vom … in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom … aufzuheben, 2. dem Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, 3. die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären, 4. das Urteil wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar zu erklären, 5. im Unterliegensfalle die Revision zuzulassen.
Begründung: Der Beklagte hat den Kläger und seine Ehefrau für das Streitjahr zusammenveranlagt. Gegen den Einkommensteuerbescheid 200… vom … wurde fristgerecht am … Einspruch eingelegt. Bis heute liegt eine Einspruchsentscheidung des Finanzamts nicht vor. Da über sechs Monate seit der Einspruchseinlegung vergangen sind und Gründe für eine Verzögerung nicht ersichtlich sind, ist Untätigkeitsklage geboten. Wie bereits in der Einspruchsbegründung, auf die Bezug genommen wird, ausführlich dargelegt wurde, ist die Zusammenveranlagung rechtswidrig, da der Kläger die Durchführung einer getrennten Veranlagung beantragt hatte. Dass die Ehefrau des 422
Untätigkeitsklage
Rz. 17 VIII
Klägers gegenüber dem Beklagten auf einer Zusammenveranlagung bestanden hat, ist rechtlich ohne Bedeutung (vgl. § 26 Abs. 2 EStG). … Steuerberater S. (eigenhändige Unterschrift) Anlagen: 1. Prozessvollmacht 2. Abschrift der Klage 3. Kopie des Einkommensteuerbescheids vom … 4. Kopie des Einspruchsschreibens vom …
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VIII Rz. 18
Musterschriftsätze
18 Muster 18: Aussetzung (Aufhebung) der Vollziehung eines Einkommensteuerbescheids Steuerberater S., Büroweg 8, K-Stadt An das Finanzgericht K K-Stadt
Antrag auf Aussetzung (Aufhebung) der Vollziehung des Kaufmanns Max Bürger, Lessingstraße 10, K-Stadt
– Antragsteller
Bevollmächtigter: Steuerberater S., Büroweg 8, K-Stadt gegen Finanzamt K-Stadt
– Antragsgegner
St.-Nr.: … RBL-Nr.: … betr. den Einkommensteuerbescheid 200… vom … Im Namen meines Mandanten beantrage ich unter Beifügung auf mich lautender Prozessvollmacht, 1. die Vollziehung des Einkommensteuerbescheids 200… vom … in Höhe eines Teilbetrages von … Euro auszusetzen (aufzuheben), 2. dem Antragsgegner die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, 3. für den Fall des Unterliegens die Beschwerde zuzulassen.
Begründung Der Antragsteller betreibt in K-Stadt einen Gebrauchtwagenhandel. Am … erlitt er mit seinem PKW auf der Fahrt zu dem Kunden X, dem er einen gebrauchten PKW Marke … verkaufen wollte, einen Unfall. Hierdurch entstanden dem Antragsteller Reparaturkosten i. H. v. 3500 Euro, die der Antragsgegner nicht als Betriebsausgaben anerkannte. Über den gegen den Einkommensteuerbescheid 200… vom … eingelegten Einspruch vom … hat der Antragsgegner noch nicht entschieden. Den zusammen mit dem Einspruch gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung hat er durch Bescheid vom … abgelehnt mit der Begründung, es sei nicht glaubhaft gemacht, dass sich der Unfall auf einer betrieblich veranlassten Fahrt ereignet habe. Es sei vielmehr davon auszugehen, dass der Antragsteller Herrn X aus privatem Anlass aufgesucht habe.
424
Aussetzung (Aufhebung) der Vollziehung eines Einkommensteuerbescheids
Rz. 18 VIII
Diese Auffassung trifft nicht zu. Zum Nachweis für die betriebliche Veranlassung der Fahrt füge ich eine eidesstattliche Versicherung des Kunden X bei. … Steuerberater S. (eigenhändige Unterschrift) Anlagen: 1. Prozessvollmacht 2. Abschrift des Antrags 3. Kopie des Einkommensteuerbescheids 200… vom … 4. Kopie der ablehnenden Aussetzungsverfügung vom … 5. Kopie des Einspruchsschreibens vom … 6. Eidesstattliche Versicherung des X
425
VIII Rz. 19
Musterschriftsätze
19 Muster 19: Aussetzung (Aufhebung) der Vollziehung eines Haftungsbescheids Steuerberater S., Büroweg 8, K-Stadt An das Finanzgericht K K-Stadt Antrag auf Aussetzung (Aufhebung) der Vollziehung des Handelsvertreters Max Bürger, Lessingstraße 10, K-Stadt
– Antragsteller
Bevollmächtigter: Steuerberater S., Büroweg 8, K-Stadt gegen Finanzamt K-Stadt
– Antragsgegner
St.-Nr.: … RBL-Nr.: … betr. den Haftungsbescheid für Lohnsteuer vom … für den Zeitraum …. vom … Im Namen meines Mandanten stelle ich unter Beifügung auf mich lautender Prozessvollmacht folgende Anträge: 1. Die Vollziehung des Haftungsbescheids für Lohnsteuer vom … für den Zeitraum vom … in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom … in voller Höhe auszusetzen (oder: aufzuheben), 2. dem Antragsgegner die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, 3. im Unterliegensfalle die Beschwerde zuzulassen. Begründung I. Der Antragsteller war Geschäftsführer der X-GmbH. Am … wurde ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der X-GmbH mangels einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse abgelehnt. Zur gleichen Zeit war auch der Mitgesellschafter B Geschäftsführer der GmbH. Der Antragsgegner erließ gegen den Antragsteller am … einen Haftungsbescheid wegen rückständiger Lohnsteuer für den Zeitraum vom … bis … über … Euro, weil der Antragsteller als verantwortlicher Geschäftsführer nicht dafür Sorge getragen habe, dass die einbehaltene Lohnsteuer an das Finanzamt abgeführt worden sei … Der Antragsteller hat gegen den Haftungsbescheid erfolglos Einspruch eingelegt. Den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung hat der Antragsgegner abgelehnt. Das Klageverfahren ist beim Finanzgericht K unter dem Aktenzeichen … anhängig. II. Es bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtsmäßigkeit des angefochtenen Haftungsbescheids. 426
Aussetzung (Aufhebung) der Vollziehung eines Haftungsbescheids
Rz. 19 VIII
Der Antragsgegner hat bei der Inanspruchnahme des Antragstellers sein Auswahlermessen nicht betätigt. Der Geschäftsführer B kam nämlich vorrangig als Haftender in Betracht … – wird ausgeführt –. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Klagebegründung im Hauptsacheverfahren verwiesen. … Steuerberater S. (eigenhändige Unterschrift) Anlagen: 1. Prozessvollmacht 2. Abschrift des Antrags 3. Kopie des Haftungsbescheids vom … 4. Kopie der Einspruchsentscheidung vom … 5. Kopie der ablehnenden Aussetzungsverfügung vom … 6. Kopie der Klagebegründung im Verfahren … vom …
427
VIII Rz. 20
Musterschriftsätze
20 Muster 20: Einstweilige Anordnung – Einstweilige Einstellung der Vollstreckung Steuerberater S., Büroweg 8, K-Stadt An das Finanzgericht K K-Stadt Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung des Handelsvertreters Max Bürger, Lessingstraße 10, K-Stadt
– Antragsteller
Bevollmächtigter: Steuerberater S., Büroweg 8, K-Stadt gegen Finanzamt K-Stadt
– Antragsgegner
St.-Nr.: … RBL-Nr.: … wegen Vollstreckung Im Namen meines Mandanten beantrage ich unter Beifügung auf mich lautender Prozessvollmacht, 1. dem Antragsteller durch einstweilige Anordnung zu untersagen, bis zur Entscheidung über den Aussetzungsantrag aus den Umsatzsteuerbescheiden 200… bis 200… vom … zu vollstrecken, 2. dem Antragsgegner die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, 3. im Unterliegensfalle die Beschwerde zuzulassen. Begründung Der Antragsteller hat gegen die Umsatzsteuerbescheide 200… bis 200… vom … nach erfolglosem Einspruchsverfahren mit Schriftsatz vom … Klage erhoben. Die Klage ist beim Finanzgericht Köln unter dem Aktenzeichen … anhängig. Gleichzeitig hat er einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung nach § 69 Abs. 3 FGO gestellt, nachdem der Antragsgegner einen entsprechenden Antrag zurückgewiesen hatte. Über den Antrag, der das Aktenzeichen … trägt, ist noch nicht entschieden. Mit Schreiben vom … hat der Antragsgegner dem Antragsteller eine letzte Zahlungsfrist von einer Woche gesetzt und angekündigt, nach fruchtlosem Ablauf der Frist seien Beitreibungsmaßnahmen unvermeidlich, Vollstreckungsaufschub komme nicht in Betracht. Beweis: Beigefügte Kopie des Schreibens des Antragsgegners vom … Die beantragte einstweilige Einstellung der Vollstreckung ist geboten, weil der Antragsteller sonst bis zur Entscheidung über seinen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ohne gerichtlichen Rechtsschutz sein würde; zumal der Antragsteller nicht abzusehen vermag, wann das Gericht über seinen Aussetzungsantrag entscheiden wird. 428
Einstweilige Anordnung – Einstweilige Einstellung der Vollstreckung
Rz. 20 VIII
Es liegt ein Anordnungsgrund vor, weil durch die mit einer Vollstreckung verbundene Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung von Rechten des Antragstellers vereitelt bzw. wesentlich erschwert würde – wird näher ausgeführt –. Außerdem besteht ein Anordnungsanspruch. Die Vollstreckung vor der Entscheidung des Gerichts über den Aussetzungsantrag ist unbillig i. S. des § 258 AO. Denn der Aussetzungsantrag wird nach Auffassung des Antragstellers Erfolg haben, weil ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Umsatzsteuerbescheide bestehen … – wird näher ausgeführt –. … Steuerberater S. (eigenhändige Unterschrift) Anlagen: 1. Prozessvollmacht 2. Abschrift des Antrags 3. Kopie des Schreibens des Antraggegners vom …
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VIII Rz. 21
Musterschriftsätze
21 Muster 21: Nichtzulassungsbeschwerde – Grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) Steuerberater S., Büroweg 8, K-Stadt An den Bundesfinanzhof Ismaninger Straße 109 81675 München Nichtzulassungsbeschwerde des Handelsvertreters Max Bürger, Lessingstraße 10, K-Stadt
– Kläger und Beschwerdeführer
Bevollmächtigter: Steuerberater S., Büroweg 8, K-Stadt gegen Finanzamt K-Stadt, vertreten durch den Vorsteher
– Beklagter und Beschwerdegegner
St.-Nr.: … RBL-Nr.: … wegen Einkommensteuer 200… Hiermit lege ich im Namen meines Mandanten gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Finanzgerichts K vom … – Az. … – Beschwerde ein. Es wird beantragt, die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen. Begründung Der Kläger und Beschwerdeführer ist Eigentümer des Hauses Lessingstraße 10 in K-Stadt, das er in vorweggenommener Erbfolge erhalten hat. Der Vater des Beschwerdeführers kümmerte sich weiterhin um die Verwaltung des Hauses, aus dem der Beschwerdeführer Mieteinnahmen erzielt. U. a. beauftragte der Vater Handwerker für verschiedene Reparaturen. Die Rechnungen wurden vom Vater bezahlt … – wird ausgeführt –1. Im Einkommensteuerbescheid 200… vom … berücksichtigte der Beschwerdegegner die Reparaturaufwendungen nicht als Werbungskosten. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Im Urteil des Finanzgerichts vom … wurde die Revision nicht zugelassen.
__________ 1 Vgl. den Sachverhalt im Urteil des FG Hamburg v. 9.7.2007 – 2 K 243/06, n. v., und Mitteilung über anhängiges BFH-Verfahren IX R 45/07.
430
Nichtzulassungsbeschwerde – Grundsätzliche Bedeutung
Rz. 21 VIII
Die Revision ist zuzulassen, weil der Sache grundsätzliche Bedeutung i. S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zukommt. Es handelt sich hier um eine Rechtsfrage, an deren Beantwortung ein allgemeines Interesse besteht und die über den Einzelfall hinaus Bedeutung hat, weil ihre Klärung das Interesse der Allgemeinheit an der zutreffenden Handhabung des Rechts berührt. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen: Die Frage, bei der es um die Abzugsfähigkeit von Drittaufwand in Fällen des abgekürzten Vertragswegs geht, hat grundsätzliche Bedeutung. Ob Aufwendungen eines Dritten dem Steuerpflichtigen nicht nur im Fall des abgekürzten Zahlungswegs zurechenbar sind, sondern ebenso, wenn der Dritte im eigenen Namen für den Steuerpflichtigen einen Vertrag abschließt und aufgrund dessen die geschuldete Zahlung auch selbst leistet (im Streitfall hat der Vater des Klägers Erhaltungsarbeiten an einer dem Kläger gehörenden Wohnung mit den Handwerkern im eigenen Namen, aber im Interesse des Klägers und nach Rücksprache mit dem Kläger abgeschlossen und die vereinbarte Vergütung an die Handwerker entrichtet), ist bislang höchstrichterlich nicht entschieden und erscheint auch ihrer praktischen Bedeutung nach klärungsbedürftig. – Es folgen dann allgemeine Ausführungen rechtlicher Art und eine Auseinandersetzung mit Rechtsprechung und Literatur … – Von der Entscheidung der strittigen Frage hängt die Entscheidung im anhängigen Rechtsstreit ab. Sind die vom Vater gezahlten Aufwendungen beim Kläger als Werbungskosten abzugsfähig, ist der Klage stattzugeben. Eine Ausfertigung des Urteils ist als Anlage beigefügt. … Steuerberater S. (eigenhändige Unterschrift) Anlagen: 1. Prozessvollmacht 2. Abschrift der Nichtzulassungsbeschwerde 3. Ausfertigung des Urteils des FG K vom … Az.: …
431
VIII Rz. 22
Musterschriftsätze
22 Muster 22: Nichtzulassungsbeschwerde – Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) Steuerberater S, Büroweg 8, K-Stadt An den Bundesfinanzhof Ismaninger Straße 109 81675 München Nichtzulassungsbeschwerde In Sachen des Handelsvertreters Max Bürger, Lessingstraße 10, K-Stadt – Kläger und Beschwerdeführer Bevollmächtigter: Steuerberater S., Büroweg 8, K-Stadt gegen Finanzamt K-Stadt, vertreten durch den Vorsteher – Beklagter und Beschwerdegegner St.-Nr.: … RBL-Nr.: … wegen Einkommensteuer 200… lege ich für den Kläger und Beschwerdeführer gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Finanzgerichts K vom … – Az. … – Beschwerde ein. Ich beantrage, die Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung wegen Abweichung des finanzgerichtlichen Urteils von einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs zuzulassen. Begründung Der Kläger und Beschwerdeführer hatte auf einer Geschäftsreise zu einem Kunden mit seinem PKW einen Verkehrsunfall erlitten. Die Reparaturkosten betrugen … Euro. Das beklagte Finanzamt hat die Reparaturkosten nicht als Betriebsausgaben anerkannt, weil der Kläger den Unfall grob fahrlässig verursacht hatte. Der Kläger hatte nämlich die Vorfahrt missachtet und war deshalb mit einem anderen – vorfahrtsberechtigten – PKW zusammengeprallt. Das Finanzgericht hat sich der Auffassung des Finanzamts in seinem Urteil vom … angeschlossen. In seiner Entscheidung weicht das Finanzamt von dem Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhofs vom 28.11.1977 – GrS 2-3/77 –, BStBl. II 1978, 105 ab. Nach dieser Entscheidung sind Kosten eines Verkehrsunfalls, den ein Steuerpflichtiger bei einer betrieblich veranlassten Fahrt erlitten hat, nicht deshalb vom Abzug als
432
Nichtzulassungsbeschwerde – Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung Rz. 22 VIII
Betriebsausgaben ausgeschlossen, weil der Unfall darauf beruht, dass der Steuerpflichtige leichtfertig gegen Verkehrsvorschriften verstoßen hat. Das Urteil des Finanzgerichts beruht auf dieser Abweichung von dem Beschluss des Großen Senats. Hätte das Gericht diesen Beschluss berücksichtigt, wäre der Klage stattgegeben, der Abzug der Unfallkosten als Betriebsausgaben anerkannt und die Einkommensteuer entsprechend herabgesetzt worden. … Steuerberater S. (eigenhändige Unterschrift) Anlagen: 1. Prozessvollmacht 2. Abschrift der Nichtzulassungsbeschwerde 3. Ausfertigung des Urteils des FG K vom … Az. …
433
VIII Rz. 23
Musterschriftsätze
23 Muster 23: Nichtzulassungsbeschwerde – Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) Steuerberater S., Büroweg 8, K-Stadt An den Bundesfinanzhof Ismaninger Straße 109 81675 München Nichtzulassungsbeschwerde In Sachen des Handelsvertreters Max Bürger, Lessingstraße 10, K-Stadt – Kläger und Beschwerdeführer Bevollmächtigter: Steuerberater S., Büroweg 8, K-Stadt gegen Finanzamt K-Stadt, vertreten durch den Vorsteher – Beklagter und Beschwerdegegner St.-Nr.: … RBL-Nr.: … wegen Einkommensteuer 200… lege ich für den Kläger und Beschwerdeführer gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Finanzgerichts K vom … – Az. … – Beschwerde ein. Ich beantrage, die Revision wegen eines Verfahrensmangels zuzulassen. Begründung I. Mit Bescheid vom … setzte der Beschwerdegegner gegen den Beschwerdeführer die Einkommensteuer 200… im Schätzungswege fest, weil der Beschwerdeführer keine Steuererklärung abgegeben hatte. Der hiergegen eingelegte Einspruch blieb ohne Erfolg. Deshalb hatte der Beschwerdeführer Klage erhoben. Einem Verlängerungsantrag des Beschwerdeführers für die Abgabe der Klagebegründung wurde nicht entsprochen. Mit dem auf die mündliche Verhandlung vom … ergangenen Urteil wies das Finanzgericht die Klage als unbegründet ab. In der mündlichen Verhandlung war der Beschwerdeführer nicht anwesend. Er war fünf Tage vor dem Termin mit Postzustellungsurkunde vom … geladen worden. Am Terminstag war der Beschwerdeführer aber verhindert zu erscheinen, da ein schon ein seit längerer Zeit anberaumter Termin seine Anwesenheit verlangte. 434
Nichtzulassungsbeschwerde – Verfahrensmangel
Rz. 23 VIII
II. Die Revision ist zuzulassen, da das Urteil des Finanzgerichts auf einem wesentlichen Verfahrensmangel beruht. Nach § 91 Abs. 1 Satz 1 FGO sind zum Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen zu laden. Das bedeutet, dass zwischen dem Tag der Zustellung und der Ladung sowie dem Terminstag zwei Wochen liegen müssen. Diese Ladungsfrist ist nicht eingehalten worden. Von der gesetzlich vorgesehenen Möglichkeit, dass der Vorsitzende in dringenden Fällen die Frist abkürzt (§ 91 Abs. 1 Satz 2 FGO), ist kein Gebrauch gemacht worden. Durch die Nichteinhaltung der Ladungsfrist ist das rechtliche Gehör verletzt worden. Denn die gesetzlich vorgeschriebene Ladungsfrist soll gewährleisten, dass sich die Beteiligten auf den Termin vorbereiten können, damit sie imstande sind, sich in der Verhandlung zur Wahrung ihrer Belange angemessen zu äußern. Nur bei Beachtung der Mindestdauer der Ladungsfrist wird deshalb der Anspruch auf rechtliches Gehör in vollem Umfang gewährleistet. Wäre der Kläger fristgerecht geladen worden, hätte er die Klage in der mündlichen Verhandlung durch Abgabe der Steuererklärung begründet … – wird weiter ausgeführt –. … Steuerberater S. (eigenhändige Unterschrift) Anlagen: 1. Prozessvollmacht 2. Abschrift der Nichtzulassungsbeschwerde 3. Ausfertigung des Urteils des FG K vom …. Az. … 4. Kopie der Postzustellungsurkunde vom … betr. die Ladung vom …
435
VIII Rz. 24
Musterschriftsätze
24 Muster 24: Anhörungsrüge Steuerberater S., Büroweg 8, K-Stadt An den Bundesfinanzhof Ismaninger Straße 109 81675 München Anhörungsrüge In dem Rechtsstreit des Handelsvertreters Max Bürger, Lessingstraße 10, K-Stadt – Kläger und Beschwerdeführer sowie Antragsteller Bevollmächtigter: Steuerberater S., Büroweg 8, K-Stadt gegen Finanzamt K-Stadt
– Beklagter und Beschwerdegegner
St.-Nr.: … RBL-Nr.: … wegen Einkommensteuer 200… erhebe ich im Namen meines Mandanten Anhörungsrüge betr. das Verfahren wegen Nichtzulassungsbeschwerde. Ich rüge die Verletzung des rechtlichen Gehörs und beantrage, den Beschluss des BFH vom … Az. … aufzuheben und das Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde fortzuführen.
Begründung Mit Beschluss vom … hat der Senat die Beschwerde des Klägers, Beschwerdeführers und Antragstellers wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgericht K vom … als unzulässig verworfen. Gegen diesen Beschluss wird Anhörungsrüge erhoben. Der Senat hat nämlich bei seiner Entscheidung den verfassungsrechtlich verbürgten Anspruch des Antragstellers auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt. Insbesondere hat der Senat sich nicht mit der grundsätzlichen Bedeutung der zur Überprüfung gestellten Rechtsfrage auseinander gesetzt, dass … der Besteuerung unterworfen werden sollten – wird ausgeführt –. Dies widerspricht dem Zuflussprinzip und der Eigentumsgarantie gem. Art. 14 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG).
436
Anhörungsrüge
Rz. 24 VIII
Der Beschluss des BFH vom … ist daher aufzuheben. Das Verfahren ist fortzusetzen. … Steuerberater S. (eigenhändige Unterschrift)
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VIII Rz. 25
Musterschriftsätze
25 Muster 25: Einlegung der Revision (ohne Begründung) Steuerberater S., Büroweg 8, K-Stadt An den Bundesfinanzhof Ismaninger Straße 109 81675 München Revision In Sachen des Handelsvertreters Max Bürger, Lessingstraße 10, K-Stadt – Kläger und Revisionskläger Bevollmächtigter: Steuerberater S., Büroweg 8, K-Stadt gegen Finanzamt K-Stadt
– Beklagter und Revisionsbeklagter
St.-Nr.: … RBL-Nr.: … wegen Einkommensteuer 200… lege ich im Namen und kraft anliegender Vollmacht meines Mandanten gegen das Urteil des Finanzgerichts K vom … – Az. … – Revision ein. Eine Abschrift des Urteils ist beigefügt. Ich beantrage, die Revisionsbegründungsfrist bis zum … zu verlängern, weil … – erhebliche Gründe werden ausgeführt –. … Steuerberater S. (eigenhändige Unterschrift) Anlagen: 1. Prozessvollmacht 2. Abschrift der Revision 3. Ausfertigung des Urteils des FG K vom … Az. …
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Rz. 26 VIII
Revisionsbegründung
Muster 26: Revisionsbegründung
26
Steuerberater S., Büroweg 8, K-Stadt An den Bundesfinanzhof Ismaninger Straße 109 81675 München In dem Revisionsverfahren des Handelsvertreters Max Bürger, Lessingstraße 10, K-Stadt – Kläger und Revisionskläger Bevollmächtigter: Steuerberater S., Büroweg 8, K-Stadt gegen Finanzamt K-Stadt
– Beklagter und Revisionsbeklagter
St.-Nr.: … RBL-Nr.: … wegen Einkommensteuer 200… beantrage ich, 1. das Urteil des Finanzgerichts K vom … Az. … aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Finanzgericht K zurück zu verweisen, 2. die Entscheidung über die Kosten dem Finanzgericht K zu übertragen, und begründe die von mir am … eingelegte Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts K vom … Az. … wie folgt: Begründung Mit Bescheid vom … setzte der Revisionsgegner gegen den Revisionskläger die Einkommensteuer 200… im Schätzungswege fest, weil der Revisionskläger keine Steuererklärung abgegeben hatte. Der hiergegen eingelegte Einspruch blieb ohne Erfolg. Deshalb hatte der Revisionskläger Klage erhoben. Einem Verlängerungsantrag des Revisionsklägers für die Abgabe der Klagebegründung wurde nicht entsprochen. Mit dem auf die mündliche Verhandlung vom … ergangenen Urteil wies das Finanzgericht die Klage als unbegründet ab. In der mündlichen Verhandlung war der Revisionskläger nicht anwesend. Er war fünf Tage vor dem Termin mit Postzustellungsurkunde vom … geladen worden. Am Terminstag war der Revisionskläger aber verhindert zu erscheinen, da ein schon ein seit längerer Zeit anberaumter Termin seine Anwesenheit verlangte. Das Urteil des Finanzgerichts ist aufzuheben, da es auf einem Verfahrensmangel beruht. Nach § 91 Abs. 1 Satz 1 FGO sind zum Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei 439
VIII Rz. 26
Musterschriftsätze
Wochen zu laden. Das bedeutet, dass zwischen dem Tag der Zustellung und der Ladung sowie dem Terminstag zwei Wochen liegen müssen. Diese Ladungsfrist ist nicht eingehalten worden. Von der gesetzlich vorgesehenen Möglichkeit, dass der Vorsitzende in dringenden Fällen die Frist abkürzt (§ 91 Abs. 1 Satz 2 FGO), ist kein Gebrauch gemacht worden. Durch die Nichteinhaltung der Ladungsfrist ist das rechtliche Gehör verletzt worden. Denn die gesetzlich vorgeschriebene Ladungsfrist soll gewährleisten, dass sich die Beteiligten auf den Termin vorbereiten können, damit sie imstande sind, sich in der Verhandlung zur Wahrung ihrer Belange angemessen zu äußern. Nur bei Beachtung der Mindestdauer der Ladungsfrist wird deshalb der Anspruch auf rechtliches Gehör in vollem Umfang gewährleistet. Wäre die Klägerin fristgerecht geladen worden, hätte sie die Klage in der mündlichen Verhandlung durch die Abgabe der Steuererklärung begründet. Sie hätte im Einzelnen dargelegt, … – wird näher ausgeführt –. … Steuerberater S. (eigenhändige Unterschrift) Anlagen: 1. Abschrift der Revisionsbegründungsschrift 2. Postzustellungsurkunde vom … betr. die Ladung
440
Schriftliche Erklärungen in einem Vorabentscheidungsverfahren
Rz. 27 VIII
Muster 27: Schriftliche Erklärungen in einem Vorabentscheidungsverfahren1
27
Steuerberater S., Büroweg 8, K-Stadt An den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften – Kanzlei –
Datum
L-2925 Luxemburg
In der Rechtssache C. …/…, Vorabentscheidungsersuchen des Finanzgerichts K im Verfahren 2 K …/07 des Handelsvertreters Max Bürger, Lessingstraße 10, K-Stadt
– Kläger
Bevollmächtigter: Steuerberater S., Büroweg 8, K–Stadt gegen Finanzamt K–Stadt, vertreten durch den Vorsteher – St.-Nr.: … RBL-Nr.: …
– Beklagter
wegen Einkommensteuer 200… gibt der Kläger Herr Max Bürger, vertreten durch (Name des Anwalts oder:) den Steuerberater S., Büroweg 8, K-Stadt gem. Art. 23 Abs. 2 des Protokolls über die Satzung des Gerichtshofs folgende
Schriftlichen Erklärungen ab: I. Sachverhalt II. Rechtsausführungen A. Zur Zulässigkeit (wenn erforderlich) B. Zu den Vorlagefragen 1. Zur ersten Frage … 2. Zur zweiten Frage …
__________ 1
Nach Schima, S. 200.
441
VIII Rz. 27
Musterschriftsätze
C. Zu den zeitlichen Wirkungen der Vorabentscheidung (wenn erforderlich) D. … III. Vorschläge zur Beantwortung der Vorlagefragen … Steuerberater S. (eigenhändige Unterschrift)
442
Rz. 28 VIII
Verfassungsbeschwerde
Muster 28: Verfassungsbeschwerde1
28
Rechtsanwalt R., Büroweg 8, K-Stadt An das Bundesverfassungsgericht Schloßbezirk 3 76131 Karlsruhe Verfassungsbeschwerde des Handelsvertreters Max Bürger, Lessingstraße 10, K-Stadt
– Kläger
Bevollmächtigter: Rechtsanwalt R., Büroweg 8, K-Stadt 1. unmittelbar gegen a) den Beschluss des Bundesfinanzhofs vom … Az. … b) das Urteil des Finanzgerichts X vom … Az. … c) den Einkommensteuerbescheid 200… vom … und die Einspruchsentscheidung des Finanzamts Y vom … 2. mittelbar gegen § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 3 Einkommensteuergesetz in der Fassung des Art. 1 Nr. 14 Jahressteuergesetz 1996 v. 11.10.1995 (BGBl. I S. 1250). Im Namen meines Mandanten erhebe ich unter Beifügung auf mich lautender Prozessvollmacht (Anlage 1) Verfassungsbeschwerde und beantrage: 1. § 9 Absatz 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 3 Einkommensteuergesetz in der Fassung des Artikel 1 Nr. 14 Jahressteuergesetz 1996 vom 11.10.1995 (BGBl. I S. 1250) ist unvereinbar mit Artikel 3 Abs. 1 in Verbindung mit Artikel 6 Abs. 1 GG, soweit er beiderseits berufstätige Ehegatten erfasst. 2. Das Urteil des Finanzgerichts X vom …, Az. … und der Beschluss des Bundesfinanzhofs vom …, Az. … verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 Grundgesetz. 3. Die Entscheidung des Bundesfinanzhofs wird aufgehoben. 4. Die Sache wird an den Bundesfinanzhof zurückverwiesen.
__________ 1
Vgl. BVerfG v. 4.12.2002 – 2 BvR 400/98 und 1735/00, BStBl. II 2003, 534.
443
VIII Rz. 28
Musterschriftsätze
Begründung Gerügt wird eine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG und des Art. 6 Abs. 1 GG. Der Beschwerdeführer wendet sich dagegen, dass die in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 3 EStG vorgesehene Abzugsbeschränkung auf 2 Jahre auch für beiderseits berufstätige Ehegatten Geltung beansprucht. Der Beschwerdeführer ist Universitätsprofessor, seine Ehefrau arbeitet als selbständige Redakteurin und Lektorin. Die Eheleute leben seit 1980 in Frankfurt am Main, wo sie auch gegenwärtig ihren Hauptwohnsitz haben. Zum 1.3.1994 wechselte der Beschwerdeführer zu 1. von der Frankfurter Johann Wolfgang Goethe-Universität an die Humboldt-Universität in Berlin, wo er am … ein Zwei-Zimmer-Appartement bezog. Seine Ehefrau übte ihre ortsgebundene berufliche Tätigkeit weiter in Frankfurt am Main aus. – wird weiter ausgeführt – In seiner Einkommensteuererklärung 200… hatte der Beschwerdeführer die Berücksichtigung von Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung in Höhe von … geltend gemacht. Im Einkommensteuerbescheid 200… vom … wurden diese Aufwendungen unter Hinweis auf die Abzugsbeschränkung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 EStG nicht anerkannt. Der dagegen eingelegte Einspruch blieb erfolglos. Auch die vor dem FG X erhobene Klage blieb ebenso erfolglos wie die Nichtzulassungsbeschwerde. Beide wurden als unbegründet abgewiesen. a) Die streitige Abzugsbegrenzung genügt im Fall der beiderseits berufstätigen Ehegatten nicht den Maßstäben des Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 GG. Art. 6 Abs. 1 GG schützt die Ehe und Familie und garantiert zugleich eine Sphäre privater Lebensgestaltung, die staatlicher Einwirkung entzogen ist (ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht, … es folgen Zitate …). Der Gesetzgeber muss, wenn er dem Gebot des Art. 6 Abs. 1 GG gerecht werden will, Regelungen vermeiden, die geeignet sind, in die freie Entscheidung der Ehegatten über ihre Aufgabenverteilung in der Ehe einzugreifen (so Bundesverfassungsgericht v. … – es folgen Zitate…). Wie das Bundesverfassungsgericht schon früh hervorgehoben hat, fällt in diesen Bereich auch die Entscheidung darüber, ob eine Ehefrau sich ausschließlich dem Haushalt widmen oder beruflich tätig sein und eigenes Einkommen erwerben will; eine Einwirkung des Gesetzgebers dahin, die Ehefrau „ins Haus zurück zu führen”, wäre deshalb auch wegen eines Verstoßes gegen Art. 6 Abs. 1 GG verfassungswidrig (vgl. Bundesverfassungsgericht v. …). Gleiches gilt, wenn der Ehemann durch eine gesetzliche Regelung in seiner Entscheidungsfreiheit hinsichtlich einer eigenen Erwerbstätigkeit beeinträchtigt wird, weil oder solange seine Ehefrau erwerbstätig ist. Der besondere verfassungsrechtliche Schutz von Ehe und Familie erstreckt sich auf die „Alleinverdienerehe” ebenso wie auf die „Doppelverdienerehe” (vgl. Bundesverfassungsgericht v. …). b) Den gebotenen Schutz der „Doppelverdienerehe” verfehlt der Einkommensteuergesetzgeber, wenn er Aufwendungen, die für beiderseits berufstätige Ehegatten zwangsläufiger Aufwand für die Vereinbarkeit von Ehe und Beruf unter Bedingungen hoher Mobilität sind, nach Ablauf von zwei Jahren mit beliebig disponibler privater Einkommensverwendung gleichsetzt und für die Bemessung der wirtschaftlichen
444
Verfassungsbeschwerde
Rz. 28 VIII
Leistungsfähigkeit der Ehegatten unberücksichtigt lässt. Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 GG gebietet es, Aufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung bei der Bemessung der finanziellen Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen, soweit es sich um zwangsläufigen Mehraufwand beiderseits berufstätiger Ehegatten handelt, der dadurch entsteht, dass ein gemeinsamer Wohnsitz bei dem Beschäftigungsort des einen Ehegatten besteht und zugleich die Unterhaltung eines weiteren Wohnsitzes durch die Berufstätigkeit des anderen Ehegatten an einem anderen Ort veranlasst ist. Aus welchen Gründen sich einer der Ehegatten für eine Berufstätigkeit an einem vom gemeinsamen Wohnort abweichenden Beschäftigungsort entschlossen hat, ist dabei auch nach Ablauf von zwei Jahren doppelter Haushaltsführung nicht von Belang; es liegt im Rahmen der von Art. 6 Abs. 1 GG geschützten Sphäre privater Lebensgestaltung, ob dieser Ehepartner in Wahrnehmung seiner Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) einen solchen Entschluss fasst, um überhaupt eine Arbeitsstelle zu finden, oder ob er damit beispielsweise nur die Erwartung einer höheren Arbeitsplatzattraktivität oder besserer Karrierechancen verbindet. … Rechtsanwalt R. (eigenhändige Unterschrift) Anlagen: 1. Prozessvollmacht 2. Einkommensteuerbescheid 200… vom … 3. Einspruchsentscheidung des Finanzamts Y vom … 4. Urteil des Finanzgerichts X vom …, Az. … 5. Beschluss des Bundesfinanzhofs über die Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde vom …, Az….
445
VIII Rz. 29
Musterschriftsätze
29 Muster 29: Einstweilige Anordnung gegen Insolvenzantrag des Finanzamts gem. § 114 FGO1 Einstweilige Anordnung gegen Insolvenzantrag des Finanzamts
Steuerberater S., Büroweg 8, K-Stadt An das Finanzgericht K K-Stadt Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung des Unternehmers Max Bürger, Lessingstraße 10, K-Stadt
– Antragsteller
Bevollmächtigter: Steuerberater S., Büroweg 8, K-Stadt gegen Finanzamt K-Stadt
– Antragsgegner
St.-Nr.: … RBL-Nr.: … wegen Insolvenzantrag an das Amtsgericht K vom … Im Namen meines Mandanten beantrage ich unter Beifügung auf mich lautender Prozessvollmacht, 1. das Insolvenzverfahren einstweilen einzustellen, 2. dem Antragsgegner die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, 3. im Unterliegensfalle die Beschwerde zuzulassen. Begründung Der Antragsteller hat gegen den Antrag des Antragsgegners auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit Schriftsatz vom gleichen Tage Klage erhoben. Wegen der Einzelheiten wird auf die Begründung in der Klageschrift verwiesen. Das Unternehmen des Antragstellers verfügt über derzeit 80 Arbeitsplätze. Der Antrag wird wie folgt begründet: I. Es besteht ein Anordnungsanspruch gemäß § 114 Abs. 3 FGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO. – Ein Insolvenzgrund ist nicht gegeben. Der Antragsteller ist nicht zahlungsunfähig und hat seine Zahlungen nicht eingestellt … Eine Überschuldung liegt nicht vor … – wird ausgeführt –.
__________ 1
Begründungsbeispiel bei Boochs/Dauernheim, S. 289.
446
Einstweilige Anordnung gegen Insolvenzantrag des Finanzamts
Rz. 29 VIII
Oder: – Der Insolvenzantrag ist rechtsmissbräuchlich erfolgt. Er wurde vom Antragsgegner lediglich gestellt, um den Antragsteller unter Druck zu setzen … – wird ausgeführt –. Oder: – Dem Antrag fehlt das Rechtsschutzinteresse. Bei der angemeldeten Forderung handelt es sich um eine Kleinforderung, so dass der Antrag unverhältnismäßig ist … – wird ausgeführt –. Oder: – Der Antragsgegner hat bei der Stellung des Insolvenzantrags das ihm obliegende Ermessen nicht (oder fehlerhaft) ausgeübt … – wird ausgeführt –. Oder: – Der Antragsteller verfügt über folgende Sicherheiten, aus denen der Antragsgegner sich gemäß § 327 AO befriedigen kann: … – wird ausgeführt –. II. Es liegt auch ein Anordnungsgrund vor, weil durch die mit einer Eröffnung des Insolvenzverfahrens verbundenen Nachteile nicht mehr rückgängig zu machen sind. … – wird näher ausgeführt –. … Steuerberater S. (eigenhändige Unterschrift) Anlagen: 1. Prozessvollmacht 2. Abschrift des Antrags 3. Abschrift der Klageschrift vom … 4. … (weitere Anlagen je nach Argumentation)
447
Anhang I. Fristen im Steuerprozess Rechtsmittel
Fristdauer
Allgemeine Leistungsklage
keine Frist
Anfechtungsklage
1 Monat
Fristbeginn
Vorschriften vgl. II Rz. 232 f.
Bekanntgabe der Entscheidung § 47 Abs. 1 über den außergerichtlichen Satz 1 FGO; Rechtsbehelf, bei Sprungklage vgl. II Rz. 391 ff. und in den Fällen, in denen ein außergerichtlicher Rechtsbehelf nicht gegeben ist: Bekanntgabe des Verwaltungsaktes
Antrag auf Wieder- 2 Wochen, längsgrundsätzlich Wegfall des einsetzung in den tens 1 Jahr seit Hindernisses vorigen Stand Ende der versäumten Frist, es sei denn, es liegt höhere Gewalt vor
§ 56 FGO; vgl. II Rz. 403 ff.
Antrag auf Berichtigung des Urteils wegen offenbarer Unrichtigkeit
keine Frist
§ 107 FGO; vgl. II Rz. 764
Feststellungsklage
keine Frist
vgl. II Rz. 246 ff. (251)
Sprungklage
1 Monat
Bekanntgabe des angefochtenen § 47 Abs. 1 bzw. der Ablehnung des bean- FGO; tragten Verwaltungsaktes vgl. II Rz. 302 ff., 391
Untätigkeitsklage
regelmäßig 6 Monate, Ausnahmen möglich
Einlegung des außergerichtlichen Rechtsbehelfs
§ 46 FGO; vgl. II Rz. 313
Verpflichtungsklage 1 Monat
Bekanntgabe der Entscheidung § 47 Abs. 1 über den außergerichtlichen Satz 2 FGO; Rechtsbehelf; bei Sprungklagen vgl. II Rz. 391 und in den Fällen, in denen ein außergerichtlicher Rechtsbehelf nicht gegeben ist, mit der Bekanntgabe der Ablehnung des beantragten Verwaltungsaktes
Antrag auf Berich- 2 Wochen tigung des Tatbestandes des Urteils
Zustellung des Urteils
§ 108 FGO; vgl. II Rz. 770
Antrag auf Urteils- 2 Wochen ergänzung
Zustellung des Urteils
§ 109 FGO; vgl. II Rz. 775
448
Anh. I
Fristen im Steuerprozess
Rechtsmittel
Fristdauer
Fristbeginn
Vorschriften
Beschwerde
2 Wochen
Bekanntgabe der beschwerdefähigen Entscheidung
§ 129 FGO; vgl. III Rz. 188
Revision
1 Monat
Zustellung des vollständigen Urteils
§ 120 FGO; vgl. III Rz. 78
Begründung der Revision
2 Monate mit Zustellung des vollständigen mehrfacher Verlän- Urteils gerungsmöglichkeit auf Antrag
§ 120 Abs. 2 FGO; vgl. III Rz. 96 f.
Nichtzulassungsbeschwerde
1 Monat
§ 116 FGO; vgl. III Rz. 27
Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde
2 Monate mit Ver- Zustellung des vollständigen längerungsmöglich- Urteils keit um einen weiteren Monat auf Antrag
§ 116 Abs. 3 FGO; vgl. III Rz. 31 f.
Anschlussrevision
1 Monat
Zustellung oder Revisionsbegründung
§ 155 FGO i. V. m. § 554 Abs. 2 und 3 ZPO; vgl. III Rz. 167
Verfassungsbeschwerde Einlegung und Begründung
1 Monat
Zustellung der Entscheidung
§ 93 Abs. 1 BVerfGG; vgl. IV Rz. 13
EuGH: Stellung2 Monate zzgl. nahme zum Vorab- 10 Tage entscheidungsersuchen
Zustellung des vollständigen Urteils
Zustellung des Vorabentschei- Art. 81 § 2 dungsersuchens durch den VerfO-EuGH; EuGH vgl. V Rz. 18
449
Anh. II
Anhang
II. Gerichtskosten 1. Gebührentatbestände – Anlage 1 (zu § 3 Abs. 2 GKG) Kostenverzeichnis1 Teil 6 Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit Nr.
Gebührentatbestand
Gebühr oder Satz der Gebühr nach § 34 GKG
Hauptabschnitt 1 Prozessverfahren Abschnitt 1 Erster Rechtszug 6110 6111
Verfahren im Allgemeinen, soweit es sich nicht nach § 45 Abs. 3 FGO erledigt
4,0
Beendigung des gesamten Verfahrens durch 1. Zurücknahme der Klage a) vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung oder, b) wenn eine solche nicht stattfindet, vor Ablauf des Tages, an dem das Urteil oder der Gerichtsbescheid der Geschäftsstelle übermittelt wird, oder 2. Beschluss in den Fällen des § 138 FGO, es sei denn, dass bereits ein Urteil oder ein Gerichtsbescheid vorausgegangen ist: Die Gebühr 6110 ermäßigt sich auf
2,0
Die Gebühr ermäßigt sich auch, wenn mehrere Ermäßigungstatbestände erfüllt sind. Abschnitt 2 Revision 6120
Verfahren im Allgemeinen
6121
Beendigung des gesamten Verfahrens durch Zurücknahme der Revision oder der Klage, bevor die Schrift zur Begründung der Revision bei Gericht eingegangen ist: Die Gebühr 6120 ermäßigt sich auf
5,0
1,0
Erledigungen in den Fällen des § 138 FGO stehen der Zurücknahme gleich. 6122
Beendigung des gesamten Verfahrens, wenn nicht Nummer 6121 erfüllt ist, durch 1. Zurücknahme der Revision oder der Klage a) vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung oder,
__________ 1 BGBl. I 2004, 732–774, vgl. dazu im Einzelnen die Kommentierung bei Brandis in Tipke/ Kruse, FGO vor § 135 Rz. 15 ff. und oben VII Rz. 5.
450
Anh. II
Gerichtskosten
b) wenn eine solche nicht stattfindet, vor Ablauf des Tages, an dem das Urteil, der Gerichtsbescheid oder der Beschluss in der Hauptsache der Geschäftsstelle übermittelt wird, oder 2. Beschluss in den Fällen des § 138 FGO, es sei denn, dass bereits ein Urteil, ein Gerichtsbescheid oder ein Beschluss in der Hauptsache vorausgegangen ist: Die Gebühr 6120 ermäßigt sich auf
3,0
Die Gebühr ermäßigt sich auch, wenn mehrere Ermäßigungstatbestände erfüllt sind. Hauptabschnitt 2 Vorläufiger Rechtsschutz Vorbemerkung 6.2: (1) Die Vorschriften dieses Hauptabschnitts gelten für einstweilige Anordnungen und für Verfahren nach § 69 Abs. 3 und 5 FGO. (2) Im Verfahren über den Antrag auf Erlass und im Verfahren über den Antrag auf Aufhebung einer einstweiligen Anordnung werden die Gebühren jeweils gesondert erhoben. Mehrere Verfahren nach § 69 Abs. 3 und 5 FGO gelten innerhalb eines Rechtszugs als ein Verfahren. Abschnitt 1 Erster Rechtszug 6210
Verfahren im Allgemeinen
2,0
6211
Beendigung des gesamten Verfahrens durch 1. Zurücknahme des Antrags a) vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung oder, b) wenn eine solche nicht stattfindet, vor Ablauf des Tages, an dem der Beschluss (§ 114 Abs. 4 FGO) der Geschäftsstelle übermittelt wird, oder 2. Beschluss in den Fällen des § 138 FGO, es sei denn, dass bereits ein Beschluss nach § 114 Abs. 4 FGO vorausgegangen ist: Die Gebühr 6210 ermäßigt sich auf
0,75
Die Gebühr ermäßigt sich auch, wenn mehrere Ermäßigungstatbestände erfüllt sind. Abschnitt 2 Beschwerde Vorbemerkung 6.2.2: Die Vorschriften dieses Abschnitts gelten für Beschwerden gegen Beschlüsse über einstweilige Anordnungen (§ 114 FGO) und über die Aussetzung der Vollziehung (§ 69 Abs. 3 und 5 FGO). 6220
Verfahren über die Beschwerde
6221
Beendigung des gesamten Verfahrens durch Zurücknahme der Beschwerde: Die Gebühr 6220 ermäßigt sich auf
2,0
1,0
451
Anh. II
Anhang
Hauptabschnitt 3 Besondere Verfahren 6300
Selbständiges Beweisverfahren
6301
Verfahren über Anträge auf gerichtliche Handlungen der Zwangsvollstreckung gemäß § 152 FGO
1,0 15 EUR
Hauptabschnitt 4 Rüge wegen Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör 6400
Verfahren über die Rüge wegen Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 133a FGO): Die Rüge wird in vollem Umfang verworfen oder zurückgewiesen
50 EUR
Hauptabschnitt 5 Sonstige Beschwerden 6500
Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision: Soweit die Beschwerde verworfen oder zurückgewiesen wird
6501
2,0
Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision: Soweit die Beschwerde zurückgenommen oder das Verfahren durch anderweitige Erledigung beendet wird
1,0
Die Gebühr entsteht nicht, soweit die Revision zugelassen wird. 6502
Verfahren über nicht besonders aufgeführte Beschwerden, die nicht nach anderen Vorschriften gebührenfrei sind: Die Beschwerde wird verworfen oder zurückgewiesen
50 EUR
Wird die Beschwerde nur teilweise verworfen oder zurückgewiesen, kann das Gericht die Gebühr nach billigem Ermessen auf die Hälfte ermäßigen oder bestimmen, dass eine Gebühr nicht zu erheben ist. Hauptabschnitt 6 Besondere Gebühr 6600
452
Auferlegung einer Gebühr nach § 38 GKG wegen Verzögerung des Rechtsstreits
wie vom Gericht bestimmt
Anh. II
Gerichtskosten
2. Gebührentabelle – Anlage 2 zum GKG (zu § 34) Streitwert bis … EUR
Gebühr … EUR
Streitwert bis … EUR
Gebühr … EUR
300
25
40.000
398
600
35
45.000
427
900
45
50.000
456
1200
55
65.000
556
1500
65
80.000
656
2000
73
95.000
756
2500
81
110.000
856
3000
89
125.000
956
3500
97
140.000
1056
4000
105
155.000
1156
4500
113
170.000
1256
5000
121
185.000
1356
6000
136
200.000
1456
7000
151
230.000
1606
8000
166
260.000
1756
9000
181
290.000
1906
10.000
196
320.000
2056
13.000
219
350.000
2206
16.000
242
380.000
2356
19.000
265
410.000
2506
22.000
288
440.000
2656
25.000
311
470.000
2806
30.000
340
500.000
2956
35.000
369
453
Anh. III
III. Finanzgerichtsbarkeit Bundesfinanzhof Ismaninger Straße 109 81629 München Tel.: 089/9231-0 Telefax: 089/9231201 E-Mail: [email protected] Finanzgericht Baden-Württemberg Gutenbergstr. 109 70197 Stuttgart Tel.: 0711/66850 Telefax: 0711/6685166 E-Mail: [email protected] Außensenate Freiburg Gresserstraße 21 79102 Freiburg i. Br. Postfach 5280 79104 Freiburg i. Br. Tel.: 0761/20724-0 Telefax: 0761/20724-200 Außensenate Karlsruhe Moltkestraße 80 76133 Karlsruhe Postfach 10 01 08 76231 Karlsruhe Tel.: 0721/9260 Telefax: 0721/9263559 Finanzgericht Berlin-Brandenburg Von-Schön-Straße 10 03050 Cottbus Tel.: 0355/486440 Telefax: 0355/486442000 E-Mail: [email protected] Finanzgericht Bremen Am Wall 201 28195 Bremen Tel.: 0421/361-0 Telefax: 0421/3616079 E-Mail: [email protected]
454
Anhang
Finanzgerichtsbarkeit
Anh. III
Finanzgericht Düsseldorf Ludwig-Erhard-Allee 21 40227 Düsseldorf Postfach 102353 40014 Düsseldorf Tel.: 0211/77701-0 Telefax: 0211/77702600 E-Mail: [email protected] Finanzgericht Hamburg Haus der Gerichte Lübeckertordamm 4 20099 Hamburg Tel.: 040/428430 Telefax: 040/428437777 E-Mail: [email protected] Hessisches Finanzgericht Königstor 35 34117 Kassel Postfach 101740 34017 Kassel Tel.: 0561/72060 Telefax: 0561/7206111 E-Mail: [email protected] Finanzgericht Köln Appelhofplatz 50667 Köln Postfach 101344 50453 Köln Tel.: 0221/2066-0 Telefax: 0221/2066420 E-Mail: [email protected] Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern Lange Straße 2a 17489 Greifswald Postfach 3661 17461 Greifswald Tel.: 03834/7950 Telefax: 03834/795213 E-Mail: [email protected] Finanzgericht München Ismaninger Straße 95 81675 München 455
Anh. III Postfach 860360 81630 München Tel.: 089/92989-0 Telefax: 089/92989300 E-Mail: [email protected] Finanzgericht Münster Warendorfer Straße 70 48145 Münster Postfach 2769 48014 Münster Tel.: 0251/3784-0 Telefax: 0251/3784100 E-Mail: [email protected] Niedersächsisches Finanzgericht Hermann-Guthe-Straße 3 30519 Hannover Postfach 810462 30594 Hannover Tel.: 0511/8408-0 Telefax: 0511/8408499 E-Mail: [email protected] Finanzgericht Nürnberg Deutschherrnstraße 8 90429 Nürnberg Tel.: 0911/27076128 Telefax: 0911/27076290 E-Mail: [email protected] Finanzgericht Rheinland-Pfalz Robert-Stolz-Straße 20 67433 Neustadt/Weinstraße Postfach 101009 67404 Neustadt/Weinstraße Tel.: 06321/401-1 Telefax: 06321/401355 E-Mail: [email protected] Finanzgericht des Saarlandes Hardenbergstraße 3 66119 Saarbrücken Tel.: 0681/5015542 Telefax: 0681/5015595 E-Mail: [email protected]
456
Anhang
Finanzgerichtsbarkeit
Anh. III
Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt Justizzentrum Dessau-Roßlau Willy-Lohmann-Straße 29 06844 Dessau-Roßlau Postfach 1807 06815 Dessau Tel.: 0340/202-0 Telefax: 0340/2022304 E-Mail: [email protected] Sächsisches Finanzgericht Richterstraße 8 04105 Leipzig Tel.: 0341/702300 Telefax: 0341/7023099 E-Mail: [email protected] Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht Beselerallee 39–41 24105 Kiel Tel.: 0431/9880 Telefax: 0431/9883889 E-Mail: [email protected] Thüringer Finanzgericht Bahnhofstraße 3a 99867 Gotha Postfach 36 99851 Gotha Tel.: 03621/432-0 Telefax: 03621/432-203 E-Mail: [email protected]
457
.
Stichwortverzeichnis Die römischen Zahlen verweisen auf die Teile, die arabischen auf die Randziffern innerhalb der Teile. ABC der Klagebefugnis II 330 ABC der Klagemöglichkeiten II 266 ABC der Wiedereinsetzung II 398 Abgabe der Steuererklärung I 112; II 201 Abgabenangelegenheiten I 21; II 281, 285 Abhilfebescheid I 151, 169; II 311 – Teilabhilfebescheid I 152 – Vollabhilfebescheid I 151 Ablehnung eines Antrags durch die Finanzbehörde II 818 ff. – mündlich II 818 – objektive Beweislast II 819 – schriftlich II 818 Ablehnungsgründe – Äußerung von Rechtsansichten II 598 – enge persönliche Beziehung II 598 – freimütige Ausdrucksweise II 599 – Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse II 600 – gespanntes Verhältnis II 598 Abrechnungsbescheid II 231, 693, 810 Abschrift II 59, 136, 434, 488, 516, 518, 533; III 29 Absoluter Revisionsgrund II 593, 601; III 118 ff. – Befangenheit III 118 – Öffentlichkeit des Verfahrens III 118 – rechtliches Gehör III 118 Abwendung wesentlicher Nachteile II 848 – Regelungsanordnung II 890 Abwesenheit wegen Urlaubs-/Geschäftsreise II 398 Akteneinsicht II 284, 433, 482, 521 ff. – des Beigeladenen II 557 – des Insolvenzverwalters VI 42, 44 – schriftliche Vollmacht II 524 – Überlassung in Wohn- und Geschäftsräumen II 524 Aktenvorlage II 518 ff. Allgemeine Erfahrungssätze II 619; III 114, 117 Allgemeine Leistungsklage II 231 ff. – Muster VIII 13 – Rückzahlung zuviel gezahlter Steuern II 231
– Rechtsschutzbedürfnis II 232 Allgemeine Prozessvoraussetzungen II 883 Allgemeinkundige Tatsache II 619 Amtsermittlungsprinzip II 476 ff., 520, 612, 620; siehe auch Untersuchungsgrundsatz Anbringung der Klage beim Finanzamt I 76 Änderung der Prozesslage II 454, 662, 866 Änderung des Geschäftverteilungsplans III 120 Änderung eines Aussetzungsbeschlusses II 863 ff. – Änderung der Umstände II 866 – Nichtgeltendmachen von Umständen II 867 Änderungsbescheid I 50, 151 ff.; II 106, 155, 231, 266, 281, 533 ff., 696 – Einspruchsverfahren I 151 ff. – Erledigung der Hauptsache II 534 – Fortsetzung des Verfahrens II 533 ff. – Klagerücknahme II 534 – Übersendung einer Abschrift II 533 – Verböserung I 102 Änderungsklage II 204 f. – Muster VIII 9: Einkommensteuerherabsetzung – Muster VIII 10: Feststellungsbescheid – Muster VIII 7: Antragsveranlagung Änderung zu Ungunsten I 99, 101 Anfechtungsklage II 201 ff., 217, 232 f., 248 f., 253 f. 266, 281, 301, 806, 853, 901 – Änderungsklage II 204 f. – Muster VIII 9, 10 – Aufhebungsklage II 202 f.; VI 27 – Muster VIII 5–8 – Klagebegehren II 490 Angefochtene Entscheidung – Bezeichnung II 136 Anhörungsrüge II 739 – Muster VIII 24 Anordnung einer Außenprüfung II 810 Anordnungsanspruch II 885 ff. Anordnungsgrund II 888 ff. Anschlussrevision III 166 ff.
459
Stichwortverzeichnis – Akzessorietät III 172 – Begründung III 170 – selbständige A. III 167 – Statthaftigkeit III 166 – unselbständige A. III 167 Anspruch auf rechtliches Gehör siehe Rechtliches Gehör Anteilsbewertung II 266 Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung siehe einstweilige Anordnung Einstweilige Einstellung der Vollstreckung II 266; VI 4 ff., 27 Antrag auf Fristverlängerung I 113 f.; II 485 Antrag auf schlichte Änderung I 247 ff. Antragsgemäße Änderung II 253 Arbeitsüberlastung – der Behörde II 314 – des Bevollmächtigten II 398, 525 Arrest, dinglicher II 307 Äußerung von Rechtsansichten II 598 Aufforderung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung II 266 Aufhebung der Einspruchsentscheidung I 103 f., 132; II 137 Aufhebung der Vollziehung II 808; siehe auch Aussetzung der Vollziehung Abwendung wesentlicher Nachteile II 848 – Vorauszahlung II 809 Aufhebungsklage II 266 – Anfechtungsklage II 201 f. – Muster VIII 5: Einkommensteuerbescheid – Muster VIII 6: Einspruchsentscheidung – Muster VIII 7: Berichtigungsbescheid – Muster VIII 8: Haftungsbescheid – Nichtigkeit II 203 Auflage II 266 Aufrechnung II 810, 845 Aufrechnungserklärung II 810 Aufrechterhaltung der Ordnung II 458, 611 Aufruf der Sache II 602 Aufschiebende Wirkung II 808; III 190; VII 11 Aufsichtsbeschwerde I 296 ff. – Adressat I 297 – Bescheidungsanspruch I 298 Aufwendungen der Finanzbehörden VII 2 Augenscheinnahme II 525 f., 766, 772 Ausfertigungen II 525 f.; 766, 772
460
Ausgeschiedener Gesellschafter – Klagebefugnis II 330 Auskunftsverweigerungsrecht II 632 ff. Auslagen VII 2 ff., 15, 18 Ausland II 250, 437, 842 – erweiterte Mitwirkungspflicht II 479 – Sachaufklärungspflicht des Gerichts II 479 – Videokonferenz II 648 – Zeuge II 648, 736 Auslegung des Gemeinschaftsrechts V 5, 10 Auslegung revisiblen Rechts III 42 Auslegungsregeln III 110, 112, 117 Ausschließung von Gerichtspersonen II 591 ff. – absoluter Revisionsgrund II 598 – Äußerung von Rechtsansichten II 598 – enge persönliche Beziehung II 598 – freimütige Ausdrucksweise II 599 – Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse II 600 – gespanntes Verhältnis II 598 – vorausgegangenes Verwaltungsverfahren II 591 Ausschluss der Öffentlichkeit II 585 ff. – Beschluss II 587 – Verkündung des Urteils II 585 Ausschlussfrist – Anfechtbarkeit I 115 – Anhörungsrüge II 744 – Bezeichnung des Klagebegehrens I 123 ff. – Ermessensentscheidung I 114 – Fristbemessung I 114 – Fristverlängerung I 124 – gesetzliche Ausschlussfrist I 69 – Glaubhaftmachung I 124 – nach § 364b AO I 111 ff.; II 499 – nach § 79b FGO II 484 ff. – nachträgliche Klageerweiterung II 154 – Präklusion I 116 – Rechtmäßigkeit I 113 – Teilbestandskraft I 154 – Verlängerung I 69; II 124 – Vollmachtseinreichung II 435 – Vorlage von Urkunden I 111 ff. – Wiedereinsetzung in den vorigen Stand II 398; II 125 – zur Vorlage der Prozessvollmacht II 434 f.
Stichwortverzeichnis Außenprüfungsbericht I 23 Außerordentliche Beschwerde III 184 Aussetzung der Verwertung VI 13 ff. Aussetzung der Vollziehung I 184, 231 ff.; II 807 ff. – Ablehnung eines Antrags durch die Finanzbehörde II 818 ff. – Änderung des Beschlusses II 863 ff. – angefochtener Verwaltungsakt II 811 ff. – Antrag II 856 f. – Befristung II 820 f. – besondere Zulässigkeitsvoraussetzungen II 816 – drohende Vollstreckung II 827 – Einkommensteuerbescheid II 851 – Einspruch I 231 ff. – Ermessen II 840 ff. – ernstliche Zweifel II 829 – Folgebescheid II 849 ff. – Grundlagenbescheid II 849 ff. – Haftungsbescheid – Muster VIII 19 – keine zeitnahe Entscheidung der Finanzbehörde II 824 ff. – Klage auf A. II 859 – Lohnsteuerfreibetrag II 855 – Muster VIII 18 f. – Negativer Feststellungsbescheid II 854 – präsente Beweismittel II 832 – Rechtsbehelf II 860 ff. – Rechtsfolgen II 844 ff. – schlichter Änderungsantrag I 251 – Sicherheitsleistung II 842 ff. – Teilbetrag – Muster VIII 18 – teilweise Ablehnung II 818 ff., 823 – unbillige Härte II 838 ff. – unterschiedliche Auffassung der Finanzgerichte II 835 – verfassungsrechtliche Bedenken II 837 – Verlustfeststellungsbescheid II 853 – vollziehbarer Verwaltungsakt II 810 – Widerrufsvorbehalt II 823 – Zinsen I 234; II 808 – Zulassung der Beschwerde II 860 ff. Aussetzung des Verfahrens II 540 ff. – Einspruchsverfahren I 132 – Ermessen I 132; II 541 – Folgebescheid II 541 – Grundlagenbescheid II 541 – Klageverfahren II 540 ff.
– Musterverfahren beim Bundesverfassungsgericht II 542 Aussetzungszinsen II 37 Befangenheit II 594 ff.; III 44, 118, 121, 787 – Sachverständige II 624 Befristung II 820, 823 – angemessene Frist II 825 Begründetheitsprüfung II 476 – Finanzbehörde I 76, 96 Begründungsfrist III 31 ff. – Nichtzulassungsbeschwerde III 32 ff., 60 – Revision III 96 ff. – Verlängerung III 6, 27, 97 ff., 168 Behörde – Bezeichnung II 106 – Handlungsfähigkeit I 53 – Wahrung der Klagefrist II 76, 394 Beiladung II 546 ff.; II 151 – besondere Beiladung II 556 – einfache Beiladung II 547 ff. – Massenverfahren II 554 – nach § 174 Abs. 5 Satz 2 AO II 555 – notwendige Beiladung I 169; II 550 ff.; III 151 – Rechtsfolgen II 558 – unterlassene Beiladung II 549, 558 – Verfahren II 556 ff. – Verfahrensbeteiligter II 557 – Widerspruch II 548 – Zweck II 546 Beklagter – Bezeichnung II 106 ff. – fehlerhafte Bezeichnung I 108 – Organisationsakt II 106 – Wechsel der Zuständigkeit II 106 – Wohnsitzwechsel des Steuerpflichtigen II 106 Benennungsverlangen I 23 Beratung – im Senat II 606 Berichterstatter II 460 ff.; III 149; IV 1; V3 – Aufgaben II 460 f. – Beweisaufnahme II 613 – Erörterungstermin II 527 ff. – konsentierter Einzelrichter II 464 – Vorbereitung der mündlichen Verhandlung II 516 Berichtigungsanträge
461
Stichwortverzeichnis – Tatbestandsberichtigung II 662, 770 ff. – Urteilsberichtigung II 763 – Urteilsergänzung II 775 Berichtigungsbescheid II 266 Berufsrechtliche Streitigkeiten II 288 Berufsrichter II 589 – abgeordneter Richter II 589 – Richter auf Lebenszeit II 589 – Richter auf Probe II 589 – Richter kraft Auftrag II 589 – Überbesetzung II 589 Beschleunigung des Verfahrens I 112; II 530, 599, 697, 702, 707, 858 Beschwer I 6; II 330, 489 f., 723 – ABC der Klagebefugnis II 330 – Angaben II 490 – Begriff I 35 – Einspruch I 33 ff. – Ermessensfehler 70 – Geltendmachung I 43 – Steuerschuld auf Null I 38 – Tenor I 37, 39 – Verwaltungsakt 36 f. – Wegfall I 46, 151 Beschwerde 181 ff. – Abhilfe III 193 – Aussetzung der Vollziehung II 858, 860 ff. – aufschiebende Wirkung III 190 – außerordentliche B. III 186 – Einlegung III 188 – Einstweilige Anordnung II 899 – Frist III 188 – Inhalt der Beschwerdeschrift III 189 – Verfahren III 192 ff. – Vertretungszwang III 188 Besetzung – des Gerichts III 119 – der Senate II 451, 589, 596 Besetzungsfehler III 120 Besondere Zulässigkeitsvoraussetzungen – Aussetzung der Vollziehung II 816 ff. Besorgnis der Befangenheit siehe auch Befangenheit – Ablehnungsantrag II 594 ff. – Ablehnungsgründe II 598 ff. – Rechtsmissbräuchlichkeit II 595 f. – rügelose Einlassung zur Sache II 660 Bestandskraft I 50, 100, 184, 186, 203, 254, 294, 299; II 39
462
Besteuerungsgrundlagen I 4 f., 39 – Anfechtbarkeit II 18, 717 – Bindungswirkung I 51; II 330, 851 – tatsächliche Verständigung II 530 Bestimmende Schriftsätze II 516 Beteiligtenfähigkeit I 52; II 356 ff. – Beginn II 359 ff. – Begriff II 357 f. – Ende II 359 ff. – juristische Person II 361 – Sachentscheidungsvoraussetzung II 357 Beteiligtenvernehmung II 627 Betriebsprüfung II 266 Bevollmächtigter siehe auch Prozessbevollmächtigter – Erlöschen der Vollmacht I 56; II 436 – Vollmacht I 54; II 426 ff. – Zustellung I 57 Bevollmächtigter für das Vorverfahren II 536; VII 18 Beweisantrag II 614 ff. – Ablehnung II 615 – präsenter Zeuge II 617 – Rüge II 616 – Übergehen eines Beweisantrags II 616 – unsubstantiierter Beweisantrag II 616 – Zurückweisung II 616 Beweisaufnahme II 612 ff. – beauftragter Richter II 613 – Beweisantrag II 614 ff. – beweisbedürftige Tatsachen II 618 ff. – Beweisbeschluss II 613 – Beweismittel II 621 ff. – Durchführung II 628 ff. Beweisbedürftige Tatsachen II 618 ff. Beweisbeschluss II 613 – notwendiger Inhalt II 613 Beweisergebnisse anderer Gerichtsverfahren – Feststellung im Strafurteil II 482 – Urkundenbeweis II 482 Beweiserhebung II 612 ff. – Beweislast II 477, 500 ff., 819 – Beweismittel II 621 ff. – Beweisnähe II 483 – Beweisthema III 47, 55 – Feststellungslast II 500 ff., 834 – Parteivernehmung II 171 f., 405, 615, 627 – Unerreichbarkeit II 616
Stichwortverzeichnis – unsubstantiierter Beweisantrag II 615 f. – Untauglichkeit II 615 Beweisverfahren, selbständiges II 736 f. Beweiswürdigung III 45, 47, 117 Bezeichnung des Beklagten II 106 ff. Bezeichnung des Klägers II 91 f. Bezeichnung von Tatsachen zur Beschwer II 490 Bilanzansatz II 330 Billigkeitsmaßnahme II 852 Bindungswirkung I 49 ff.; II 17, 20, 327, 330, 549, 849 f. Briefbeförderung – Verzögerung II 397 Bundesfinanzhof III 146 ff. – vertretungsberechtigte Person II 379 Bundesrecht III 3, 109 ff., 118, 147 Bundesverfassungsgericht – einstweiliger Rechtsschutz IV 41 ff. – konkrete Normenkontrolle IV 31 ff. – Rechtswegerschöpfung IV 8 ff. – Verfassungsbeschwerde IV 2 ff. – Zulässigkeitsvoraussetzungen IV 4 ff. Büroorganisation II 396, 398 – Büropersonal II 398 – Fristenkontrollbuch II 398 – Postausgang II 398 – Wiedervorlagefrist II 398 Büropersonal II 398 Büroversehen II 396, 398, 403 Computerfax I 8, 59; II 58, 62; III 28, 79 Denkgesetze III 110, 112, 114, 117 Dienstanweisung III 111 Dienstaufsichtsbeschwerde I 296 ff. Divergenzrevision III 41 f. Doppelbesteuerungsabkommen I 186; III 110 – Verständigungs- oder Schiedsverfahren I 186 Dreitagevermutung I 70 Drohende Vollstreckung II 827 E-Mail I 7, 59; II 58, 63 ff., 517 Ehegatte II 330, 547, 591, 811 – Aufteilungsbescheid VI 3 – Einspruch I 43 – Insolvenzverfahren VI 54 – Klagebefugnis II 266
– Prozesskostenhilfe VII 63 Ehrenamtlicher Richter II 425, 456 f., 590 ff.; III 149 – Amtseid II 590 – Rechte II 590 – Urteilsergänzung II 784 Eidesstattliche Versicherung II 266, 405, 579, 832, 886; IV 27 Eidliche Vernehmung II 738 Einfache Beiladung II 547 ff. Eingangsstempel II 393 f. – Beweiskraft II 625 – Eingangstag II 394 einheitlicher Feststellungsbescheid siehe Feststellungsbescheid Einheitswertbescheid II 266 Einkommensteuerbescheid II 266, 330; VI 27 – Steuerfestsetzung auf Null II 815 Einschränkung – der Beschwerdemöglichkeiten III 185 – der Einspruchsmöglichkeiten I 50 f. – des Lebensstandards II 891 – des Revisionsantrags III 105 – der Vollmacht I 54; II 430 – der Vollstreckung VI 27 Einspruch I 2 ff. – Ausschlussfrist I 111 ff. – Aussetzung des Verfahrens I 132 ff. – Begründetheitsprüfung I 96 ff. – Beschwer I 6, 33 ff. – Beteiligtenfähigkeit I 52 – Bindungswirkung I 49 ff. – Ehegatte 43 – Einspruchsentscheidung 201 ff. – Erörterung I 105 ff. – Form I 58 f. – Frist I 7, 62 ff. – Grundlagenbescheid I 5 – Handlungsfähigkeit I 53 – Inhalt I 60 f. – Muster VIII 3 – Rechtsschutzbedürfnis I 80 ff. – Rücknahme I 181 ff. – Statthaftigkeit I 21 ff. – Teilrücknahme I 186 – Verböserung I 8, 101 ff., 253 – verspäteter Einspruch I 75 – Muster VIII 2 – Vertretung I 54
463
Stichwortverzeichnis – Verzicht I 77 ff. – vorsorgliche Einlegung zur Fristwahrung I7 – Muster VIII 1 – Vorüberlegungen I 2 ff. – Wiedereinsetzung I 74 ff. – Zuständigkeit I 29 ff. – Zuständigkeitswechsel I 30 – Zweckmäßigkeit I 8 Einspruchsbefugnis I 47 ff. – Rechtsnachfolge 48 – mehrere Personen I 47 – Grundlagenbescheid I 51 Einspruchsentscheidung II 201 ff. – Vorbehalt der Nachprüfung I 201 – Vorläufigkeitsvermerk I 201 Einspruchsfrist I 7, 62 ff.; II 203 – Beginn I 64 – Bekanntgabe I 64 – Fristenberechnung I 70 ff. – Steueranmeldung I 66 – Wiedereinsetzung in den vorigen Stand I 74 ff. Einspruchsverfahren – Änderungsbescheid I 151 ff. – Aussetzung I 132 ff. – Beteiligter I 52 – Hinzuziehung I 166 ff. – Kosten I 216 – Ruhen I 133 ff. – Stillstand I 131 ff. – Unterbrechung I 138 – Verwaltungsakt I 23 Einspruchsverzicht I 77 ff. Einstellung von Vollstreckungsnahmen I 881 Einstweilige Anordnung II 881 ff.; IV 41 ff.; VI 27; VII 5 – Anordnungsanspruch II 885 ff. – Anordnungsgrund II 888 ff. – Antrag II 882 f. – Muster VIII 20 – Bedeutung II 881 – Glaubhaftmachung II 892 – Inhalt II 895 ff. – Insolvenzantrag des Finanzamts VI 41 – Muster VIII 29 – Regelungsanordnung II 890 f. – Verfahren II 893 f. – Verlustfeststellungsbescheid II 901
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– negative Umsatzsteuerfestsetzung II 903 – negativer Feststellungsbescheid II 902 – Rechtsbehelfe II 899 Einstweilige Aussetzung der Vollziehung III 191 Einstweilige Einstellung der Vollstreckung II 266; VI 4 ff., 27 Einstweilige Regelung II 704, 890, 896 Einzelrechtsnachfolge I 48 Einzelrichter II 454 ff.; III 119 f.; VII 12 – konsentierter Richter II 457 – Rückübertragung II 454 f. – Übertragung II 454 f. Elektronisches Dokument II 63 ff., 517 Entscheidung ohne mündliche Verhandlung II 661 ff., 686 Entscheidungserhebliche Tatsache II 618, 864; III 115 Entscheidungsgründe II 642, 680 ff., 725; III 78 – Fehlen III 130 f. – Frist zum Absetzen II 642 Erben II 330, 364 Erbengemeinschaft – Klagebefugnis II 330 – Prozesskostenhilfe VII 60 Erfahrungssätze, allgemeine II 619; III 112, 114, 117 Erledigung der Hauptsache II 253, 534 ff.; VII 42 Erledigung des Rechtsstreits II 459, 461, 486, 492, 495, 499, 529; III 185; VII 5 Erledigungserklärung II 311, 531, 640 – übereinstimmende III 62, V 8; VI 41 – einseitige III 63 f. Ermessen II 607, 614, 617, 693, 713 f., 718, 840 f., 895; VI 12, 27; VII 5 – billiges Ermessen II 526; III 128 – Erörterung durch Finanzamt I 105 – Verfahren nach billigem Ermessen II 664 – Zurückweisung verspäteten Vorbringens II 498 f. Ermessensentscheidung II 266, 330, 500, 524, 677, 706; III 195 – Aussetzung der Verwertung VI 27 – Aussetzung des Verfahrens II 541 – Einfache Beiladung II 548 – Einstweilige Einstellung der Vollstreckung VI 27
Stichwortverzeichnis – Insolvenzantrag VI 42 – Videokonferenz II 644, 647 Ernstliche Zweifel II 828 ff. – Aussetzung der Vollziehung I 20, 232; II 828 Eröffnung des Insolvenzverfahrens VI 41 ff. Erörterung des Sach- und Rechtsstandes I 105 ff.; II 527 ff., 714 – Ablehnung des Antrags I 107 – Antrag I 106 – Ermessen I 105 – telefonische Erörterung I 110 – vor dem Berichterstatter siehe Erörterungstermin Erörterungstermin II 527 ff.; VII 18 – Befriedungsfunktion II 527 – Niederschrift II 532 – Öffentlichkeit II 528 – Ort II 528 – tatsächliche Verständigung II 530 – Videokonferenz II 528 – Vorschlag zur Erledigung II 529 Erstattung – von außergerichtlichen Kosten VII 20 – von Vorauszahlungen II 847 – vorläufige Erstattung II 848 Erteilung von Abschriften II 525 f. Erweiterte Mitwirkungspflicht – Auslandsbeziehungen II 479 Europäischer Gerichtshof V 1 ff. – Amtssprache V 11 – Besetzung V 3 – Generalanwalt V 4 – Klagerecht V 2 – Prozessvertreter V 12 – Spruchkörper V 3 – Verfahrensablauf V 13 ff. – Vorabentscheidungsverfahren V 5 ff. – Vorlageverpflichtung V 6 f. Existenzbedrohung II 848 Fälligkeit II 809, 827, 844; VI 2; VII 7 Fehlen der Entscheidungsgründe III 130 f. – Begründungserleichterung III 132 – Verkündung III 133 Fernschreiben I 59; III 79 Festlegung des Beginns einer Außenprüfung II 810 Festlegung des Ortes einer Außenprüfung II 810
Festsetzung des Streitwerts III 185 Festsetzung einer zu niedrigen Steuer II 330 Feststellungsbescheid I 5, 51, 63; II 266, 363 – Beiladung II 551 – Einspruchsbefugnis I 47 – Erbengemeinschaft II 330 – Insolvenzverwalter VI 51 – Klagebefugnis II 330 – Klagebevollmächtigter II 330 – Klageerweiterung II 154 – Liquidation II 330 – Miteigentümergemeinschaft II 330 – negativer F. II 854 – selbständig anfechtbare Feststellungen I 99 – Sonderbetriebseinnahmen II 330 – Sonderbetriebsvermögen II 330 Feststellungsbescheid mit dinglicher Wirkung I 48 – Einspruchsbefugnis I 48 Feststellungsinteresse II 250 ff. – Sachentscheidungsvoraussetzung II 250 – Schadensersatzansprüche II 254 – Verwertungsvebot II 254 – Wiederholungsgefahr II 254 Feststellungsklage II 246 ff. – Antrag II 157 – Feststellungsinteresse II 250 ff. – Fortsetzungsfeststellungsklage II 253 ff. – Muster VIII 14: Nichtigkeitsfeststellung – Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes II 249 – Rechtsverhältnis II 247 – Subsidiarität II 251 – Überprüfung von Vollstreckungsmaßnahmen II 252 – Vorläufiger Rechtsschutz II 806 Feststellungslast II 477, 500 ff., 834 Finanzrechtsweg II 281 ff. Folgebescheid I 5, 51; II 17, 266 – Aussetzung der Vollziehung II 849 ff. Form der Klage II 57 ff. – Computerfax II 62 – E-Mail II 63 – Schriftform II 57 ff. – Telefax II 61 Fortbildung des Rechts III 51 Fortsetzung des Verfahrens I 137; II 533, 749; VII 42
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Stichwortverzeichnis Fortsetzungsfeststellungsklage II 253 ff. – berechtigtes Interesse II 254 – Erledigung vor Klageerhebung II 255 – Fristverlängerung II 254 – Muster VIII 15 – Rehabilitierungsinteresse II 254 – Schadensersatzanspruch II 254 – Verwertungsverbot II 254 – Wiederholungsgefahr II 254 Fragerecht II 610 – Auskunftsverweigerungsrecht II 634 – Beweisaufnahme II 631 – Generalanwalt V 24 – mündliche Verhandlung II 606 – Verzicht 631 – Zurückweisung von Fragen II 630 Fristen – Anhörungsrüge II 743 – Beschwerde III 188 – Einspruchsfrist I 7, 62 – Erinnerung VII 20 – Klagefrist II 391 ff. – Ladungsfristen II 573 ff. – Nichtzulassungsbeschwerde III 27 ff. – Revision III 77 ff. – Stellungnahme vor dem EuGH V 18 – Urteilsergänzung II 775 – Verfassungsbeschwerde IV 13 ff. – Wiedereinsetzung in den vorigen Stand II 396 ff.; III 81 Fristenkontrollbuch II 398 Stichwort „Büroorganisation“ Fristenkontrolle II 396 Fristsetzung – Bezeichnung von Beweismitteln II 484 ff. – Einspruchsverfahren I 111 ff.; II 499 – Fristverlängerung I 113 f.; II 124, 231, 254, 330, 435, 485 – Präklusion I 116 – zum allgemeinen Tatsachenvortrag II 484 ff. – zur Bezeichnung des Klagebegehrens II 123 – zur Vorlage der Vollmacht 435 Gebührentabelle Anh. II Gebührentatbestände VII 5 Gegenstand des Klagebegehrens II 122 ff. Gegenvorstellung I 281 ff.; II 739, 774
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Gehör, rechtliches I 102 f.; II 608 ff.; 739 ff.; III 118, 122 ff.; IV 3 Gemeinschaftsrecht IV 2, 4, 6 Gerichtsakten – Akteneinsicht II 521 – Fotokopien II 525 – Vollmacht II 431, 434 – in Wohnung oder Geschäftsräumen II 525 Gerichtsbescheid II 720 ff. – durch den Bundesfinanzhof III 153 – mündliche Verhandlung II 727 – Rechtsschutzmöglichkeit II 725 – Zulassung der Revision II 724 Gerichtseigener Prüfungsbeamter II 621, 626 Gerichtskosten VII 1 ff. – Prozesskostenhilfe II 41; VII 58 Gerichtskundige Tatsachen II 686; III 117 Geringer Ermittlungsaufwand II 497 Gesamtrechtsnachfolge I 48, 138; II 330 Stichwort „Erben“ Geschäftsfähigkeit II 53, 377 Geschäftsmäßige Hilfeleistung in Steuersachen I 56; II 288; III 5 Geschäftsverteilung II 453; V 3 Geschäftsverteilungsplan II 451, 460, 588 ff., 738; III 119 f. Gesetzlicher Richter II 588 ff.; III 119, IV 3 – Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit II 594 ff., 787; III 44, 118, 121 – Ausschluss von der Ausübung des Richteramts II 591 ff. – Berufsrichter II 589 – ehrenamtlicher Richter II 590 – Geschäftsverteilungsplan II 588 Gewinnfeststellungsbescheid siehe Feststellungsbescheid Gewohnheitsrecht III 110 Glaubhaftmachung – Fristen II 124, 435, 496, 579, 581 – Mittel II 405 – Vorläufiger Rechtsschutz II 857, 886 – Wiedereinsetzung I 75; II 401 Greifbare Gesetzwidrigkeit II 497; III 42, 186 – Übertragung auf Einzelrichter II 455; III 120 Grunderwerbsteuer II 358
Stichwortverzeichnis Grundlagenbescheid II 266, 541 – Aussetzung der Vollziehung II 809, 849 f. – Bindungswirkung II 17 f. – Einspruchsbefugnis I 51 – Klagebefugnis II 330 Grundsätzliche Bedeutung II 861; III 36, 50 – Einzelrichter II 454 – Verfassungsbeschwerde IV 17 Grundsteuermessbescheid II 266 Gründungsgesellschaft II 360 Haftungsbescheid II 266, 285, 330 – Klagebegehren II 122 – Klagebefugnis II 330 Handakte des Betriebsprüfers II 519 Handlungsfähigkeit I 53 Haupt- und Hilfsantrag II 156, 203, 249, 716 Haupt- und Nebenintervention II 356 Hauptsacheerledigung II 534 ff. – Erklärung II 536; III 63 f. – Kostenentscheidung III 185; VII 18, 42 Hilfeleistung in Steuersachen I 56; II 288; III 5 Hilfsantrag siehe Haupt- und Hilfsantrag Hilfsperson des Klägers II 398 Hinweis III 182 – des Finanzamts I 23, 37 – Ladung II 574 – rechtliches Gehör II 609 – Verböserung I 8, 101 ff. Hinzuziehung I 166 ff. – einfache Hinzuziehung I 166 – Heilung unterlassener Hinzuziehung I 169; II 556 – Massenverfahren I 166 – notwendige Hinzuziehung I 166 – Rechte des Hinzugezogenen I 168 Insolvenzverfahren VI 41 ff. – Aktivprozess VI 46 – Anmeldung von Forderungen VI 47 – Antrag auf Eröffnung II 266; VI 41 ff. – Ehegatten VI 54 – Eröffnung VI 42 ff. – Insolvenz-Feststellungsverfahren VI 50 – Löschung in den Registern VI 54
– Stellung des Insolvenzverwalters VI 42 ff. – Unterbrechung des Verfahrens I 138; II 364, 545; VI 44, 55 Interessenverbände – Klagebefugnis II 330 Interne Unterlagen II 519 Irrtum II 398 Juristische Person – Beteiligtenfähigkeit II 361 – Prozessbevollmächtigte II 423 – Prozesskostenhilfe VII 66 – Unterschrift II 57 Kläger II 91 ff. – Parteivernehmung II 627 Klage – ABC der Klagebefugnis II 330 ff. – ABC der Klagemöglichkeiten II 266 – Bezeichnung des Beklagten II 106 ff. – Bezeichnung des Klägers II 91 ff. – Feststellung der Nichtigkeit II 249 – Form II 57 ff. – Fortsetzungsfeststellungsklage II 253 – Inhalt II 121 ff. – Klageantrag II 151 ff. – Klageerhebung II 76 ff. – Klagefrist II 391 ff. – Sprungklage II 302 ff. – unmissverständlicher Wille zur Klageerhebung II 80 – Untätigkeitsklage II 308 ff. – vorsorgliche Klageerhebung II 80 – Muster VIII 4 – Zulässigkeitsvoraussetzungen II 281 ff. – Zweckmäßigkeit II 36 ff. Klageantrag II 151 ff. – Anfechtungsklage II 157 – Erweiterung des Antrags II 154; III 105 – Feststellungsklage II 157 – Formulierung II 152 f. – Leistungsklage II 157 – Streitwert VII 42 – Untätigkeitsklage II 310 – Verpflichtungsklage II 157 Klagearten II 186 ff. – Allgemeine Leistungsklage II 231 f. – Änderungsklage II 204 – Anfechtungsklage II 201 ff.
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Stichwortverzeichnis – Aufhebungsklage II 202 f. – Aussetzung der Vollziehung II 859 – Europäischer Gerichtshof, vor V 1 – Feststellungsklage II 246 ff. – Fortsetzungsfeststellungsklage II 253 ff. – Verpflichtungsklage II 216 f. Klage auf Aussetzung der Vollziehung II 859 Klagebefugnis II 326 ff. – ABC der Klagebefugnis II 330 – Allgemeines II 326 – Ermessensentscheidungen II 328 – Grundlagenbescheid II 330 – notwendige Beiladung II 551 – Rechtsverletzung II 327, 329 Klagebegehren II 122 ff. – Bindung des Gerichts II 688 Klagebegründung II 171 ff. – Angabe von Beweismitteln II 172 – Rechtsausführungen II 174 Klageerhebung – Adressat II 76 – allgemeine Vorüberlegungen II 1 ff. – Bedingung II 80 – Erhebung per Computerfax II 62 – Erhebung per E-Mail II 63 ff. – Erhebung zur Niederschrift II 77 – Klageziel II 16 ff. – Kostenrisiko II 41 – Telebrief II 60 – Telefax II 61 – Telegramm II 60 Klageerweiterung II 154; III 105 Klagefrist II 391 – Anbringung bei der Behörde II 394 – Dauer II 391 f. – Nachtbriefkasten II 393 – Rechtsbehelfsbelehrung II 392 – Sprungklage II 391 – Verpflichtungsklage II 391 – Wiedereinsetzung in den vorigen Stand II 396 ff. Klagerücknahme II 537 f. – Beiladung II 546 Klageschrift – Auslegung II 92, 110 Klageverbindung II 156, 716 Klageziel II 16 ff. Kompensation II 39 Konkrete Normenkontrolle IV 31 ff.
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Konsentierter Richter II 457 Kontenpfändung II 810, VI 6, 26 Kontrollmitteilungen I 23 Korrektur – des Urteilstenors II 771 – des Verfahrens (Nichtigkeits- und Restitutionsklage) II 786 – des Verwaltungsakts I 96 Kosten – außergerichtliche Kosten VII 15 ff. – Einspruchsverfahren I 61, 162, 216 – Einvernehmen II 531 – Erinnerung VII 9 ff. – Erledigung der Hauptsache III 62, 64 – Europäischer Gerichtshof V 27 – Gerichtskosten VII 2 f.; 4 – Kosten des Vorverfahrens VII 2 – Kostenfestsetzung VII 6 ff. – Kostentragung VII 1 ff. – Prozesskostenhilfe VII 56 ff. – Streitwert VII 36 ff. – unrichtige Sachbehandlung VII 3 Kostenstreitwert VII 42 Kostentatbestand VII 4 ff. – Erledigungsgebühr VII 18 – Gerichtskostenvorschuss VII 5 – Terminsgebühr VII 18 – Verfahrensgebühr VII 5, 18 – vierfache Gebühr VII 5 Kostentragung VII 1 Kostenverteilung – Einvernehmen II 531 Kostenverzeichnis VII 5, 21, Anlage II Krankheit II 379, 398, 580 Kreditaufnahme II 848, 891; VII 64 Ladung II 573 ff. – Erörterungstermin I 108 ff. – Ladungsfrist II 575 f. – Mandatsniederlgung II 437 – ordnungsgemäße L. II 574 – Terminsänderung II 578 ff. Ladungsfrist II 575 f. – Abkürzung II 576 – Nichteinhaltung II 575 Leistungsklage, allgemeine II 231 ff. – Muster VIII 13 Liquidation II 361 – juristische Person II 361 – Klagebefugnis II 330
Stichwortverzeichnis – Personengesellschaft II 363 Lohnsteuerfreibetrag – Aussetzung der Vollziehung II 855 Mahnung I 23 Mandatsniederlegung II 437, 580; III 9 Mangelhafte Vertretung III 128 Massenverfahren I 41, 81, 166 Miteigentümerschaft II 330 Stichwort „Feststellungsbescheide“ Mitteilungen – rufgefährdende II 266 – vertrauliche II 519, 687 Mitunternehmer I 112; II 330 Mitwirkungspflichten II 266, 477, 483, 622 – Verletzung II 497, 482, 579, 826 Moderne Kommunikationsmittel I 58 Mündliche Verhandlung II 571 ff. – Ablauf II 602 ff. – Antrag nach Gerichtsbescheid II 725 ff. – Beweisaufnahme II 612 ff. – Europäischer Gerichtshof V 22, 24 – Fragerecht II 610 – Ladung II 573 – Öffentlichkeit II 584; III 129 – rechtliches Gehör II 608 – Sitzungspolizei II 611 – Terminbestimmung II 572 – Terminsgebühr VII 18 – Urteilsverkündung II 640 ff. – Verhandlungsniederschrift II 636 ff. – Verzicht II 661 ff.; III 149 – Videokonferenz 892 ff. – Wiedereröffnung II 607 Musterverfahren – Aussetzung des Klageverfahrens II 542 – Erledigung durch Allgemeinverfügung I 204 – Ruhen I 134 – Teilentscheidung I 134, 203 – vorläufiger Bescheid I 41, 81 Nachberatung II 606 Nachtbriefkasten II 393 f. Nachweis der Bevollmächtigung II 431 f. Nebenbestimmung – Beschwer I 40 – Vorbehalt der Nachprüfung II 266 – Vorläufigkeit II 266
– Widerrufsvorbehalt II 266 Nebenintervention II 356 Negativer Feststellungsbescheid – Aussetzung der Vollziehung II 854 Nichtabhilfe der Beschwerde III 193 Nichtigkeit II 249 ff. Nichtigkeitsklage II 786 ff. Nichtzulassungsbeschwerde III 21 ff.; III 26 ff. – Ausschlussfrist III 27 – Begründung III 32, 49 ff. – Begründungsfrist III 31 ff. – formelle Voraussetzungen III 27 ff. – Fortbildung des Rechts III 39, 51 – grundsätzliche Bedeutung III 36 ff., 50 – Muster VIII 21, 22, 23 – schriftliche Einlegung III 28 – Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung III 40 ff., 52 – Verfahren III 56 ff. – Verfahrensmangel III 43 ff., 53 – Vertretungszwang III 30 Niederlegung des Mandats II 437, 580; III 9 Niederschrift – Anhörungsrüge II 743 – Antrag auf einstweilige Anordnung II 882 – Antrag auf Prozesskostenhilfe VII 67 – Beweisaufnahme II 636 ff. – Beweiskraft II 637 – Einlegung der Beschwerde II 611; III 188 – Einspruch I 58 – Einspruchsverzicht I 78 – Erörterungstermin II 532 – Klageerhebung II 56, 77 – Protokollberichtigung II 639 – Rücknahme des Einspruchs I 182 Notwendige Beiladung II 550 ff. – Bundesfinanzhof III 151 – einheitliche Feststellungsbescheide II 551 – Massenverfahren II 554 – offensichtlich unzulässige Klage II 546 – Vollbeendigung einer Gesellschaft II 553 Objektive Beweislast II 500 ff., 819, 834 Offenbare Unrichtigkeit II 765, 770 ff. Öffentlichkeit II 584 ff.; III 129 – absoluter Revisionsgrund III 118
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Stichwortverzeichnis – Ausschluss II 585 – Erörterungstermine II 528 – Niederschrift II 636 – Saalöffentlichkeit II 584 – Verfahrensmangel II 584; III 44, 129 – Verkündung des Urteils II 585 – Videokonferenz II 643 Öffentlich-rechtliche Streitigkeit II 282, 285 Ordnungsgeld – gegen Beteiligten II 461, 611 – gegen Sachverständigen II 611 – gegen Zeugen II 611, 628 Ordnungshaft II 611, 628 Ordnungsmittel II 611, 628 Parteifähige Vereinigung – Prozesskostenhilfe VII 66 Parteivernehmung II 171 f., 405, 615, 627 Personengesellschaft II 330 – Beendigung II 330 Stichwort „Feststellungsbescheide“ – Beteiligtenfähigkeit II 363 – Löschung im Handelsregister II 363 – Steuersubjekt II 358, 363 – Vollbeendigung II 553 Petition I 266 ff. – Adressat I 267 – Bescheidungsanspruch I 268 Pfändung – beweglicher Sachen II 266; VI 26, 27 – Einwendungen VI 2 – Forderung II 266, 330 Stichwort „Pfändungsgläubiger“, 810; VI 27 Pfändungsgläubiger II 330 Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung II 477 f.; III 44 Postausgangsbuch II 398 Postulatfonsfähigkeit II 379; III 5 Postverkehr II 398 Präklusion I 115 f.; II 493 Präsente Beweismittel II 579, 832 Präsenter Zeuge II 617 Präsidium II 451, 453; III 119 f. Protokoll – Ausschluss der Öffentlichkeit II 587 – Berichtigung II 639 – Beweisantrag II 616 – Beweiskraft II 637 – Einigung II 531, 737
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– Inhalt II 636 – Klageerhebung II 56 – Ordnungsmittel II 611 Protokollberichtigung II 639 Prozessbevollmächtigter II 421 ff. – Person des Bevollmächtigten I 422 ff. – Prozessvollmacht II 426 – Verhinderung II 581 Prozesserklärung – Auslegung II 110, 141 ff. – Erledigung der Hauptsache II 534 ff. – Insolvenzverwalter VI 48 – Klagerücknahme II 537 Prozessfähigkeit II 376 ff. – Sachurteilsvoraussetzung II 376 – Verlust II 545 Prozessführungsbefugnis II 266, 330 – Insolvenzverwalter VI 43 – Vollbeendigung einer Personengesellschaft II 553 Prozesshandlungsvoraussetzung II 426 Prozesskostenhilfe VII 56 ff. – amtlicher Vordruck VII 68, 70 – Beweiserhebung VII 60 – hinreichende Erfolgsaussichten VII 59 – persönliche und wirtschaftliche Verhältnisse VII 61, 68 – rückwirkende Bewilligung VII 72 Prozessleitende Verfügung II 487, 644 Prozessökonomie II 698; III 713 Prozessstandschaft – Klagebefugnis II 330 Stichwort „Feststellungsbescheide“ Prozessverschleppung II 596 Prozessvollmacht II 426 ff.; siehe auch Vollmacht – Ausschlussfrist II 435 – Einreichung II 431 – Erlöschen II 436 ff. – Erteilung II 429 – Generalvollmacht II 433 – gesetzlicher Vertreter der juristischen Person II 433 – Insolvenzverfahren VI 43 – Prokura II 433 – Umfang II 430 Prozessvoraussetzungen II 435, 883 Prüfungsbeamte, gerichtseigene II 621, 626 Prüfungskompetenz der Finanzbehörde I 100
Stichwortverzeichnis Rasterfahndung II 885 Ratschläge I 19 Rechenfehler II 761 Recht der Europäischen Gemeinschaften III 110 Rechtliches Gehör II 486, 608 f.; III 122 ff. – Akteneinsicht II 521 – Anhörungsrüge II 739 ff. – Beteiligtenvernehmung II 627 – Beweisaufnahme II 610, 630 – Ladungsfrist II 575 – mündliche Verhandlung II 602, 663 – Rüge II 583; III 125 – Terminsverlegung III 127 – Überraschungsentscheidung II 609 – Verböserungshinweis I 102 f. – Verfahrensmangel III 48, 122 ff. – Vertagung II 573 – Videokonferenz II 645 Rechtsanwendungsfehler – qualifizierter III 42 Rechtsbehelfsbelehrung – Einspruchsfrist I 68, 201 – Klagefrist II 76, 392 Rechtsfehler III 3, 42 Rechtsfortbildung III 39 Rechtskraft – Beiladung II 546 – Betriebsprüfungsbericht, Erläuterungen II 20 – Klagerücknahme II 537 – Steuerbetragsberechnung II 695 f. Rechtsnorm – Feststellungsklage II 248 – Revisionsbegründung III 107 – Übersehen III 42 – Verfassungsmäßigkeit I 134; II 841 Rechtsschutzbedürfnis – AdV-Antrag II 814 – Bindungswirkung II 701 – Einspruchsverfahren I 41, 80 f. – Feststellungsklage II 251 – Insolvenzverfahren VI 44, 52 – Musterfahren beim Bundesverfassungsgericht I 41; II 341 – Nichtzulassungsbeschwerde III 56 – Prozesskostenhilfeantrag VII 71 – Revision III 105 – Urteilsberichtigung II 764, 766 – Verfassungswidrigkeit einer Norm II 341
Rechtsschutz im Vollstreckungsverfahren – einstweilige Einstellung der Vollstreckung II 266; VI 4 ff., 27 Rechtsschutzinteresse siehe Rechtsschutzbedürfnis Rechtsunkenntnis II 478; III 77 Rechtsverhältnis – Beiladung II 550 – einstweilige Anordnung II 806, 888 – Feststellungsklage II 247 ff. Rechtsverletzung – Geltendmachung II 329 f. – Klageerhebung II 122, 326 f. – Revisionsbegründung III 100, 106, 109 ff., 169 – Rüge III 127 Rechtsweg II 281 ff. – Abgrenzung zu den Strafgerichten II 283 – Akteneinsicht II 284 – Bundesverfassungsgericht, zum IV 4 f., 8 f., 11 f. – Einzelfälle II 284, 286 – Entschädigung I 290 – öffentlich-rechtliche Streitigkeit II 282 Regelungsanordnung – einstweilige Anordnung II 884 f. ff., 888, 890, 896 Restitutionsklage II 786, 789 f. Revision III 1 ff. – absoluter Revisionsgrund III 118 ff. – Anschlussrevision III 166 ff. – Begründung III 96 ff., 106 ff. – Muster VIII 26 – Begründungsfrist III 96 ff. – Bindung an tatsächliche Feststellungen III 114 ff. – Einlegung III 76 ff. – Muster VIII 25 – Form III 79 – Frist III 77 ff. – Gerichtsbescheid II 459, 463, 721 f. – Inhalt III 80, 100 ff. – Muster VIII 25 – Revisionsantrag III 101 ff. – Revisionsgründe III 109 ff. – Schriftform III 79 – Verfahren III 146 ff. – Vertretungszwang III 5 – Zulassung II 642, 742, 899; III 21 ff. – Zulassungsgründe III 34 ff.
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Stichwortverzeichnis – Zurückverweisung durch Beschluss III 150 – Zurückverweisung zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung III 151 Revisionsantrag 101 f. Revisionsbegründung III 96 ff., 106 ff. – Muster VIII 26 Revisionsbegründungsfrist III 96 ff. – Verlängerbarkeit 97 Revisionseinlegung III 76 f. – Muster VIII 25 Revisionsfrist III 76 ff. – Ausschlussfrist 81 Revisionsgrund III 118 ff. Richter, gesetzlicher II 588 ff.; III 119, IV 3 Rücknahme siehe Klagerücknahme Rücknahme des Einspruchs I 181 ff. – Form I 182 – Hinzuziehung I 167 – Unwirksamkeit I 181, 185 – Verböserung I 8, 101, 253 – Widerruf I 182 – Wirkungen I 184 – Zeitpunkt I 183 Rügelose Einlassung II 600 Rügerecht II 616, 662; III 44 – Anhörungsrüge II 739 ff. – mangelnde Sachaufklärung III 116 – rechtliches Gehör III 123 ff. – unterlassene Beweisaufnahme II 637 – Verfahrensmangel II 616; III 54 – Verzicht III 48, 126 f. Ruhen des Verfahrens I 133 ff.; II 544 – Allgemeinverfügung I 136 – Antrag II 544 – Fortsetzung des Verfahrens I 137; II 203 – Musterverfahren I 134; II 203 – Zustimmung des Einspruchsführers 196 – Zustimmung II 544 – Zweckmäßigkeitsgründe I 133 Ruhen wegen Musterverfahren I 134; II 203 Sachantrag II 253; III 63 Sachaufsichtsbeschwerde I 296 Sachentscheidungsvoraussetzungen II 330 – Beteiligtenfähigkeit II 357 – Feststellungsinteresse II 250 – Vollmacht II 426 Sachverhalt
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– Aufklärung siehe Sachverhaltsaufklärung – Auslandsbezug II 617 – Bindung des BFH an Feststellungen III 114 – Ermittlung II 476 ff., 614 – Ermittlung mit geringem Aufwand II 486, 493, 497, 499 – Erörterungstermin II 527 – streitiger S. II 618 – tatsächliche Verständigung 527 – unklarer S. II 498, 500 f.; III 195 – Vernehmung eines Zeugen im Ausland II 617 – Vortrag des Berichterstatters II 604 – Vortrag II 122; 171, 247, 482 Sachverhaltsaufklärung II 610, 614, 664, 697, 825; III 44, 55, 116 Sachverständigengutachten II 153, 497, 664 Sachverständige II 624 Saldierung I 8, 202; II 38, 121, 688 – schlichter Änderungsantrag I 250 – Teilrücknahme I 186 Säumniszuschläge II 844 Schadensersatzansprüche, zivilrechtliche I 311 ff. Schätzungsbescheide I 112; II 122 Schiedsverfahren II 186 Schlichte Änderung I 247 ff. Schreibfehler II 761 Schriftform I 58; II 57 ff. – Computerfax II 62 – Einspruch I 58 – E-Mail II 63 ff. – Erklärung zur Niederschrift II 77 – Telebrief II 60 – Telefax II 61 – Telegramm II 60 – Unterschrift II 58 Schriftliches Verfahren siehe Verzicht auf mündliche Verhandlung Schriftsätze II 516 ff.; 606 Selbständiges Beweisverfahren II 736 f. Senat II 451 ff., 589 Senatsinterner Geschäftsverteilungsplan II 453 Sicherheitsleistung II 842; 897 Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung III 52 ff. – Divergenzrevision III 52
Stichwortverzeichnis – Grundsatzrevision III 50 Sicherungsanordnung II 884 ff. Signaturgesetz II 63 ff. Sitzungsniederschrift II 636 Sitzungspolizei II 611 Sitzungsprotokoll II 636 Sonderbetriebseinnahmen – Klagebefugnis II 330 Sonderbetriebsvermögen – Klagebefugnis II 330 Sonstige Leistungsklage II 188, 266 – Muster VIII 13 Spruchkörper – Bundesfinanzhof III 119 – Bundesverfassungsgericht IV 1 – Europäischer Gerichtshof V 3 ff. – Finanzgericht II 45 Sprungklage II 302 ff. – Ablehnung der Zustimmung II 305 – mehrere Berechtigte II 302 – Muster VIII 16 – Zustimmung der Finanzbehörde II 303 ff. Statthaftigkeit – Anschlussrevision III 166 – Einspruch I 21 ff. Steueranmeldung I 66, 78; II 204 – Einspruchsfrist I 66 Steuerberater II 288, 422; III 5; VII 18 ff. Steuerberatungsangelegenheiten II 288 Steuerberatungsgesellschaft II 288, 422; III 5; VII 19 Steuerbevollmächtigter II 432; III 5; VII 18 ff. Steuerfahndungsakten II 284, 519 Steuerfahndungsmaßnahmen II 283 ff. Steuerfahndungsprüfung II 283 ff. Steuerfestsetzung auf Null I 38 Steuerrechtsfähigkeit I 52; II 357 Steuerstraf- und Bußgeldverfahren – Akteneinsicht II 284 Stillstand des Verfahrens II 539 ff. – Aussetzung II 540 ff. – Ruhen II 544 – Unterbrechung II 545 Strafgerichte II 283 ff. Streitgegenstand II 121 ff. – Saldierung II 121 – Teilurteil II 715 ff. – Untätigkeitsklage II 310 Streitverkündung II 356
Streitwert VII 5; VII 36 ff. – bezifferte Geldleistung VII 37 – finanzielles Interesse VII 38 Subsidiarität der Feststellungsklage II 251 Summarisches Verfahren II 831 Tatbestand eines Urteils II 680, 770 Tatbestandsberichtigung II 770 ff. – Berichtigungsbeschluss II 774 – Rechtschutzinteresse II 772 Tatsächliche Feststellung III 114 Tatsächliche Verständigung – Erörterungstermin I 105 ff.; II 530 Teiländerungsbescheid II 535 Teilanfechtung I 99 Teilbarkeit des Streitgegenstands II 716 Teilbestandskraft I 99, 186; II 154 Teilurteil II 715 ff. – Ermessen II 718 – Teilbarkeit des Streitgegenstands II 716 Telebrief I 59; II 60 Telefax I 7, 59; II 61 ff.; 399 – Betriebsstörung II 399 – Telegramm I 59; II 60 Tenor II 712, 750; III 23; V 28 Terminsänderung II 578 ff. Terminsverlegung II 578 ff.; III 128 Termin zur mündlichen Verhandlung II 572 Testamentsvollstrecker II 330 Tod des Prozessbevollmächtigten II 436 Tod eines Beteiligten II 364 Ton-, Fernseh- und Rundfunkaufnahmen II 584 Trennung von Verfahren II 452; III 185 Treu und Glauben – unzulässige Rechtsausübung VI 9 Überbesetzung II 589; III 120 Übereinstimmende Erledigungserklärungen II 531, 534 ff. Überraschungsentscheidung II 609; III 124 Übertragung auf Einzelrichter II 454 ff. – greifbare Gesetzwidrigkeit III 120 – Rückübertragung II 455 – Übertragung II 455 Umkehr der Beweislast II 522 Umsatzsteuer-Jahresbescheid – Gegenstand des Einspruchsverfahrens I 152 Umsatzsteuerbescheid II 266, 330
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Stichwortverzeichnis Umsatzsteuererstattung II 903 Umzug I 30 Unbeholfenheit II 478 Unbillige Härte II 838 ff. Ungebühr II 611 Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme II 647, 687 Unselbständige Nebenbestimmung – Beschwer II 266 – Vorbehalt der Nachprüfung II 266 – Vorläufigkeitsvermerk II 266 Untätigkeitsbeschwerde I 183 Untätigkeitseinspruch II 309 Untätigkeitsklage II 308 ff. – Abhilfebescheid II 311 – angemessene Frist II 313 – Mitteilung eines zureichenden Grundes II 314 – Muster VIII 17 – Streitgegenstand II 310 – Voraussetzungen II 312 Unterbrechung des Verfahrens I 138; II 361, 364, 539 – Eröffnung des Insolvenzverfahrens V 545; VI 44 ff. – Tod der Partei II 545 – Verlust der Prozessfähigkeit II 545 Unterschrift – Schriftform II 57 ff. Untersuchungsgrundsatz II 476 ff. – Begrenzung II 477 – Beweisanträge II 481 – Beweisergebnisse anderer Verfahren II 486 – Beweislast II 500 ff. – fehlende Klagebegründung II 480 – Mitwirkungspflichten II 477, 483 ff. – Zurückweisung verspäteten Vorbringens II 484 ff. Untervollmacht II 429, 431 Unverbindliche Auskünfte I 23 Unzulässige Rechtsausübung – Vollstreckung VI 9 Unzutreffender Sachverhalt II 480 Urkunde II 625 Urkundenbeweis II 621 – aus anderen Gerichtsverfahren II 482 Urlaubsabwesenheit – Wiedereinsetzung II 398 Urteil II 676 ff.
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– Darstellung der Entscheidungsgründe II 684 – Inhalt II 680, 690 – Übergabe an die Geschäftsstelle II 678, 681 – Unterschrift II 679 – Urteilsgrundlage II 685 ff. – Verkündung II 640 ff. – Zustellung II 677 Urteilsberichtigung II 761 ff. – Denkfehler II 762 – Kanzleiversehen II 769 – mechanischer Fehler II 762 – offenbare Unrichtigkeit II 762 – Rechtsanwendung II 762 – Tatsachenwürdigung II 762 – Verfahrensverstoß II 762 – von Amts wegen II 766 Urteilsergänzung II 775 – Antrag II 775 – Frist II 775 Urteilsformel II 676 Urteilsverkündung II 640; III 129, 133; V 28 Verböserung I 96 ff.; II 38 – Hinweis I 101 f. – Saldierung II 38 Verbot der Schlechterstellung siehe Verböserung Vereidigter Buchprüfer II 432 Verein – Beteiligtenfähigkeit II 360 Verfahren nach billigem Ermessen II 664 ff. Verfahrensbeitritt durch das Bundesministerium für Finanzen II 147 Verfahrensdauer II 37 Verfahrensfehler III 43 ff. Verfahrensgegenstand II 136 ff. – Rechtsbehelfsentscheidung II 137 Verfahrensmangel III 43 ff. – Beweisantrag II 614 – Bezeichnung des V. I 616 – Öffentlichkeit II 584 Verfahrensökonomie – Ruhen des Einspruchsverfahrens I 134 Verfahrensrevision III 43 ff. Verfahrenstrennung II 452 Verfahrensverbindung I 156 ff.
Stichwortverzeichnis Verfahren vor dem Bundesfinanzhof III 146 ff. Verfassungsbeschwerde IV 2 ff. – Annahme zur Entscheidung IV 17 – Anwaltszwang, beschränkter IV 18 – Begründungsanforderung IV 15 – Beschwerdefähigkeit IV 6 ff. – Form IV 13 ff. – Frist IV 13 ff. – Muster VIII 28 – Rechtsweg IV 4 – Subsidiarität IV 8 ff. Verfassungsmäßigkeit – Aussetzung des Verfahrens II 542 – Rechtsschutzbedürfnis I 41 – Rüge bei Einspruch I 41, 81, 139 Verhandlungsprotololl II 636 Verkündung II 640; III 129, 133; V 28 Verletzung der Aufklärungspflicht II 477 f.; III 48 Verletzung des Bundesrechts III 110 – absoluter Revisionsgrund III 118 Verletzung des rechtlichen Gehörs II 744 ff.; III 122 ff.; siehe auch Rechtliches Gehör – Anhörungsrüge II 744 – Nichtverlegung eines Termins III 127 – Rügeverzicht III 126 – überraschende Entscheidung III 124 Verletzung von Landesrecht III 109 Verletzung von Verfahrensvorschriften III 43 ff. Verlustfeststellungsbescheid I 38; II 853, 901 – Aussetzung der Vollziehung II 901 – einstweilige Anordnung II 901 Vernehmung – Beteiligtenvernehmung II 627 – schriftliche Zeugenaussage II 629 – Zeugenvernehmung II 628 ff. – Zeugnisverweigerungsrecht II 632 ff. Verpflichtungsklage II 216 ff.; II 266 – ABC der Klagemöglichkeiten II 266 – keine zusätzliche Anfechtungsklage II 217 – Klagefrist II 391 – Muster VIII 11: Erlass eines Änderungsbescheides – Muster VIII 12: Ablehnung eines Erlassantrags
Versäumnisverfahren II 602 Verschulden II 396 ff. – einfache Fahrlässigkeit II 396d – des gesetzlichen Vertreters I 74 – von Hilfspersonen II 398 – des Prozessbevollmächtigten II 396, 398 Verschulden des Prozessbevollmächtigten II 396 ff. Verspätetes Vorbringen I 111 ff.; II 484 ff. Vertagung II 578 ff. Vertragsauslegung III 112 Vertrauen in die Rechtsprechung III 42 Vertrauliche Mitteilungen II 519 Vertretungsberechtigte Person II 379; III 5 ff. Vertretungszwang II 379 – Bundesfinanzhof II 379; III 5 ff. – Finanzgericht II 379 – Heilung III 8 Verwaltungsakt I 21 ff. – Änderungsbescheid I 50, 152 – Bekanntgabe II 36, 64 – belastender II 35 – Beschwer I 35 ff. – fehlerhafte Bekanntgabe II 249 – Feststellungsinteresse II 249 f. – Nichtigkeit II 152, 188, 203, 249 Verwaltungsvollstreckungsgesetz II 287 Verwaltungsvorschrift II 327 f.; III 111 Verweisung siehe Zurückverweisung Verwertung von Aufzeichnungen II 885 Verzicht auf Beweiserhebung II 615 Verzicht auf mündliche Verhandlung II 661 ff. Verzinsung II 808 Videokonferenz II 643 ff. – Ermessensentscheidung II 644 – Erörterungstermin II 646 – mündliche Verhandlung II 644 – technischer Defekt II 645 – Videovernehmung II 647 Videovernehmung II 647 Vollbeendigung einer Gesellschaft II 553 Vollmacht II 426 ff. – Einreichung II 431 ff. – Erlöschen II 436 ff. – Erteilung II 429 – Form II 429 – Inhalt II 430 – Mangel II 428
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Stichwortverzeichnis – Rücknahme, zur II 430 – Vorlage der Vollmachtsurkunde II 431 Vollstreckung II 266 Vollstreckungsaufschub II 827, 881 Vollstreckungsmaßname I 9; II 252 Vollziehbarer Verwaltungsakt II 809 ff. Vorabentscheidungsverfahren V 5 ff. – Amtssprache V 11 – Prozessvertreter V 12 – schriftliche Erklärungen, Muster VIII 27 – Verfahrensblauf V 13 ff. – Vorabentscheidungsersuchen V 8 – Vorlageberechtigung V 6 – Vorlageverpflichtung V 6 f. Vorauszahlungsbescheid I 152; II 848 Vorbereitende Schriftsätze II 516 ff. – Abschriften II 516 – elektronisches Dokument II 517 Vorbereitendes Verfahren II 459, 461, 463, 478, 621 Vorlage der Prozessvollmacht II 426 ff. – Ausschlussfrist II 435 – Einreichung der Vollmacht II 431, 434 – Erlöschen der Vollmacht II 436 – Umfang II 438 Vorlage von Urkunden II 266, 461; VI 27 – Beweisaufnahme II 613, 621, 625 – Bezugnahme II 516; V 19 – Fristsetzung zur Vorlage I 113 f.; II 484, 489, 491 f. 495 – präsente Beweismittel II 832 f., 857 Vorläufige Erstattung II 848 Vorläufige Regelung II 890 Vorläufiger Rechtsschutz I 231 f.; II 806 ff.; VI 27 – Antrag beim Finanzgericht I 233; II 816 ff. – Einspruch I 231 ff. – Zinsanspruch I 234 Vorläufigkeit II 266 Vorläufigkeitsvermerk II 266 Vorschlag zur Erledigung des Rechtsstreits II 529 Vorsitzender II 458 ff. Vorverfahren I 2 ff.; II 301 ff. Wesentliche Verfahrensmängel III 43 ff., 53 ff., 134 Widerruf – Prozessvollmacht II 436
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Widerrufsvorbehalt II 266, 823 Wiederaufnahme des Verfahrens II 768 ff. – Nichtigkeitsklage II 768, 787 ff. – Restitutionsklage II 768, 789 ff. – Zuständigkeit II 791 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand I 74 ff.; II 396 ff. – ABC der Wiedereinsetzung II 398 ff. – Antrag I 75; II 402 ff. – Muster VIII 2 – Antragsfrist I 75; II 403 ff. – Glaubhaftmachung der Wiedereinsetzungsgründe I 75; II 405 – Verschulden I 74; II 396 ff. Wiedereinsetzungsgründe I 75; II 398 – Ergänzung II 404 Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung II 606 ff. Wiedervorlagefrist II 398 Wirtschaftliche Existenz II 838 Wirtschaftsprüfer II 422; III 5 Wirtschaftsprüfungsgesellschaft II 422; III 5 Zahlungsverjährung II 37 Zeuge II 623, 628 ff. – Videovernehmung II 697 ff. Zeugenvernehmung II 628 ff. Zeugnisverweigerungsrecht II 632 ff. Zulässigkeit der Klage II 281 ff. – Beteiligtenfähigkeit II 356 ff. – Klagebefugnis II 326 ff. – Klagefrist II 391 ff. – Postulationsfähigkeit II 376 ff. – Prozessfähigkeit II 376 ff. – Rechtsschutzinteresse II 341 – Rechtsweg II 281 ff. – Vorverfahren II 301 ff. – Zwischenurteil II 705 ff. Zulässigkeit des Finanzrechtswegs siehe Finanzrechtsweg – Verweisung II 290 Zulassung der Beschwerde III 185 Zulassung der Revision – Form III 22 ff. – Urteil III 21 ff. – Bundesfinanzhof III 26 ff. Zurückverweisung 1143 – durch Bundesfinanzhof III 58, 151 – durch Finanzgericht II 103, 700, 702 ff.
Stichwortverzeichnis Zurückweisung verspäteten Vorbringens II 484 ff. – Ausschluss II 493 – Entschuldigung der Verspätung II 496 – Ermessen II 498 – ordnungsgemäßes Verhalten des Gerichts II 498 – Verfügung II 484 ff., 488 ff. – Verzögerung der Erledigung des Rechtsstreits II 495 Zusammenveranlagung – Klagebefugnis II 330 Zuständigkeitswechsel – Einspruch I 30 Zustellung – an Prozessbevollmächtigten II 437 – Steuerbescheid I 70 ff.
– Urteil II 641, 677 Zustellungsvollmacht I 54, 57 – Einspruchsfrist I 64 Zustimmung bei Sprungklage – Ablehnung II 305 – Sprungklage II 303 – vor Klageerhebung II 304 Zwangsversteigerung II 266; VI 26 f. Zweckmäßigkeit – Einspruch I 8 – Klage II 58 ff. Zweifel, ernstliche II 829 ff. Zwischenurteil II 705 ff. – Grundurteil II 706 – Sachdienlichkeit II 709 – Widerspruchsrecht II 710 – Zulässigkeit der Klage II 711 ff.
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