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German Pages 272 Year 2013
Schriftenreihe der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer
Band 218
Der Staat als Wirtschaftssubjekt und -regulierer Vorträge auf dem 5. koreanisch-deutschen Symposium zum Verwaltungsrechtsvergleich 2012 am 24. August 2012 in Daegu
Herausgegeben von Jan Ziekow und Jong Hyun Seok
Duncker & Humblot · Berlin
JAN ZIEKOW/JONG HYUN SEOK (Hrsg.)
Der Staat als Wirtschaftssubjekt und -regulierer
Schriftenreihe der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer Band 218
Der Staat als Wirtschaftssubjekt und -regulierer Vorträge auf dem 5. koreanisch-deutschen Symposium zum Verwaltungsrechtsvergleich 2012 am 24. August 2012 in Daegu
Herausgegeben von Jan Ziekow und Jong Hyun Seok
Duncker & Humblot · Berlin
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, für sämtliche Beiträge vorbehalten © 2013 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0561-6271 ISBN 978-3-428-14168-5 (Print) ISBN 978-3-428-54168-3 (E-Book) ISBN 978-3-428-84168-4 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706
Internet: http://www.duncker-humblot.de
Vorwort Der vorliegende Band fasst die Beiträge zusammen, die im Rahmen des koreanisch-deutschen Symposiums zum Verwaltungsrechtsvergleich 2012 vorgetragen wurden. Das Symposium, das am 24. August 2012 in Daegu stattfand, hatte zum Ziel, den Bereichen „Staatliche Regulierung wirtschaftlicher Tätigkeit“ und „Wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand auf kommunaler Ebene“ in den beiden Ländern in ihren unterschiedlichen Facetten nachzugehen. Die wissenschaftliche Leitung der Veranstaltung, die in Kooperation mit der Korea Public Land Law Association durchgeführt wurde, lag bei Prof. Dr. Dr. Jong Hyun Seok, Dankook Universität, und Univ.-Prof. Dr. Jan Ziekow, Deutsches Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung Speyer. Die Fertigstellung des Bandes für den Druck lag in den bewährten Händen von Frau Ruth Nothnagel, Sekretärin am Lehrstuhl Ziekow. Die Veranstalter verknüpfen mit der Vorlage dieser Dokumentation die Hoffnung, dass die mit Veranstaltungen in Mannheim 2005, Seoul 2006 und Speyer 2007 begonnene sowie in Speyer 2009 fortgesetzte koreanisch-deutsche Kooperation auch in Zukunft ertragreich fortgeführt werden kann. Seoul und Speyer, im April 2013
Jong Hyun Seok Jan Ziekow
Inhaltsverzeichnis Staatliche Regulierung wirtschaftlicher Tätigkeit
Harte und weiche Regulierung – Instrumente der Regulierung Von Jan Ziekow und Alfred Debus, Speyer .............….......................................
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Tendenzen der koreanischen Wirtschaftsregulierung und deren Streitpunkte Von Hae Ryoung Kim und Seung Pil Choi, Seoul ………................................. .
25
Aktuelle Entwicklungen der Finanzmarktaufsicht in Europa Von Josef Ruthig, Mainz …….…………………………………………….. ......
43
Verfassungsrechtliche Grundlagen und Grenzen der Schutzgesetze für kleine Handelsgeschäfte Von Sung-Soo Kim, Seoul .......................................................... ........................
83
Die Ergänzung der staatlichen Beaufsichtigung von Wirtschaftsbetrieben durch Betriebsbeauftragte Von Hans-Werner Laubinger, Mainz .................................................................
99
Wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand auf kommunaler Ebene
Entwicklungen im Kommunalwirtschaftsrecht in Deutschland Von Peter Baumeister, Heidelberg ……............................................................. 149 Entwicklungen des kommunalen Unternehmensrechts in Korea Von Dongsoo Song, Dankook University ......................................................... . 167
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Inhaltsverzeichnis
Die Rekommunalisierung privatisierter Leistungen in Deutschland Von Annette Guckelberger, Saarbrücken …….................................................... 179 Eine kritische Betrachtung über die Rekommunalisierung privatisierter Leistungen in der Republik Korea – einschließlich rechtsvergleichender Bewertungen mit denen im deutschen Recht Von Kil Joon Kyu, Seoul …………………………………………………….. ... 223 Rechtsschutz Privater gegen eine wirtschaftliche Betätigung der Kommunen Von Wolf-Rüdiger Schenke, Mannheim ............................................................. 239 Rechtsschutz gegen wirtschaftliche Betätigung der kommunalen Selbstverwaltungskörperschaften in Korea Von Hyunho Kang, Seoul .......................................................……………. ....... 251 Verzeichnis der Autoren ........................................................................................... 271
Harte und weiche Regulierung – Instrumente der Regulierung Von Jan Ziekow und Alfred Debus
I. Begriff der Regulierung Der Begriff „Regulieren“ wird seit den 1970er Jahren in Bezeichnungen wie „regulative Politik“ in den deutschen Sozialwissenschaften verwendet.1 Mit dem § 2 des Gesetzes über die Regulierung der Telekommunikation und des Postwesens (PTRegG) vom 14.9.19942 wurden die Zwecke und Ziele – soweit ersichtlich – erstmalig im deutschen Recht normiert. Nach § 3 Nummer (Nr.) 3 des Telekommunikationsgesetzes vom 25.7.1996 (TKG 1996)3 „sind ‚Regulierung‘ die Maßnahmen, die zur Erreichung der in § 2 Absatz 2 genannten Ziele ergriffen werden und durch die das Verhalten von Telekommunikationsunternehmen beim Angebot von Telekommunikationsdienstleistungen, von Endeinrichtungen oder von Funkanlagen geregelt werden, sowie die Maßnahmen, die zur Sicherstellung einer effizienten und störungsfreien Nutzung von Frequenzen ergriffen werden“. Vom TKG 20044 wurde diese Begriffsbestimmung freilich nicht übernommen, so dass eine aktuell in Deutschland gültige Legaldefinition des Regulierungsbegriffs nicht ersichtlich ist. Nichtsdestoweniger verwenden die sektorspezifischen Regulierungsgesetze den Begriff immer noch instrumentell, indem sie die Regulierung als Mittel benennen, den jeweiligen Gesetzeszweck zu erreichen.5 Im Übrigen bleibt der Begriff der Regulierung umstritten.6 ___________ 1 Eberhard Bohne/Christian Bauer, Ansätze einer verhaltens- und vollzugsorientierten Regulierungstheorie unter besonderer Berücksichtigung der Energiemarktliberalisierung, Jahrbuch des Umwelt und Technikrechts 2011, Seite (S.) 209 (216). 2 Erlassen als Artikel (Art.) 7 des Gesetzes zur Neuordnung des Postwesens und der Telekommunikation (Postneuordnungsgesetz – PTNeuOG) vom 14.9.1994, Bundesgesetzblatt (BGBl.) I, S. 2325 (2371 folgende [ff.]). 3 BGBl. I, S. 1120 ff. 4 Telekommunikationsgesetz vom 22.6.2004 (BGBl. I, S. 1190). 5 Jan Ziekow, Öffentliches Wirtschaftsrecht, 2. Aufl. 2010, § 13 Randnummer (Rdnr.) 3. 6 Zum Streitstand: Bohne/Bauer (Fußnote [Fußn.] 1), S. 216 ff.; Alexander Proelß, Das Regulierungsermessen, Archiv des öffentlichen Rechts (AöR) 136 (2011), S. 402
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Bei einer etymologischen Betrachtung wird die sozialwissenschaftliche und rechtliche Verwendung des Regulierungsbegriffs vom englischen „to regulate“ im Sinne von „regeln“ abgeleitet. Daran anknüpfend wird der Begriff in wirtschafts-, politik- und rechtswissenschaftlichen Zusammenhängen je nach dem disziplinären Erkenntnisinteresse und Besonderheiten präzisiert. Dabei dienen die Regulierungsbereiche als Ausgangspunkt für eine Unterscheidung in einen engen, mittleren und weiteren Regulierungsbegriff: Ein enger – zumeist rechtlicher – Regulierungsbegriff beschränkt sich auf die staatliche Regelung der Netze netzbasierter Industrien (zum Beispiel [z.B.] Energiewirtschaft, Telekommunikation, Eisenbahnen). In der Wirtschaftswissenschaft wird häufig eine mittlere Reichweite zugrunde gelegt, die über Netzindustrien hinausgeht und staatliche Interventionen in Marktprozesse in allen Wirtschaftsbereichen umfasst. In den Politik- und Verwaltungswissenschaften dominiert schließlich ein weiter Regulierungsbegriff, der die staatliche Intervention in Marktprozesse und generell die Regelung gesellschaftlichen Handelns in allen Politikbereichen umfasst.7 In der Rechtswissenschaft wird dieser umfassende Regulierungsbegriff teilweise nur geringfügig verengt. Danach soll „unter Regulierung jede gewollte staatliche Beeinflussung gesellschaftlicher Prozesse verstanden werden, die einen spezifischen, aber über den Einzelfall hinausgehenden Ordnungszweck verfolgt und dabei im Recht zentrales Medium und Grenze findet.“8 Zur Konkretisierung ist das Spektrum unterschiedlicher Regulierungsformen zwischen den Regulierungsakteure Staat und Private zu berücksichtigen. So kann der Staat imperativ regulieren, bei der Regulierung Elemente privater Selbstregulierung aufnehmen, Selbstregulierung von Privaten regulieren oder private Selbstregulierung zulassen.9 In diesem Beitrag soll der Fokus auf den Typ der Regulierung durch den Staat unter Aufnahme von Elementen privater Selbstregulierung gelegt werden. Wenngleich die Übergänge zum Typus der „regulierten Selbstregulierung“, bei der der Staat nur einen Rahmen für die private Selbstregulierung setzt, fließend sind, belässt die staatliche Regulierung zwar Raum für privatautonome Gestaltung von Marktverhältnissen, sieht den Staat jedoch in der Rolle eines aktiven Gestalters des Wettbewerbs durch fortlaufende Korrektur partiellen Marktversagens und die Betonung von Gemeinwohlanforderungen.10 Oder anders formuliert: Spezifikum der Regulierung ist die Ermöglichung und ___________ (404 folgende [f.]); Matthias Ruffert, Begriff, in: Fehling/Ruffert ([Hrsg.]), Regulierungsrecht, 2010, § 7. 7 Dazu Bohne/Bauer, (Fußn. 1), S. 216 ff., mit weiteren Nachweisen. 8 Martin Eifert, Regulierungsstrategien, in: Baer et al., Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band 1, 2. Aufl. 2012, § 19 Rdnr. 5. 9 Ziekow, (Fußn. 5), § 13 Rdnr. 6. 10 Michael Fehling, in: Hill, Die Zukunft des öffentlichen Sektors, 2006, S. 91 (97); Ziekow, (Fußn. 5), § 13 Rdnr. 7.
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Sicherung von Wettbewerb in unvollkommenen Märkten unter gleichzeitiger Sicherung der Versorgungsfunktion.11 Als typische Fälle der unvollkommenen Märkte gelten öffentliche Güter, natürliche Monopole, externe Effekte, eine asymmetrische Informationsverteilung und moral hazard.12
II. Ziele von Regulierung Diese Korrektur partiellen Marktversagens ist das wichtigste Ziel der Regulierung. Auch wird an die Verantwortungsverlagerung vom staatlichen auf den privaten Sektor angeknüpft.13 Als Leitbild eines Regulierungsstaates gilt der Gewährleistungsstaat, dessen Ziel es ist, der Überforderung des Staates durch Vollzugs-, Informations- und Wissensdefizite mit privatwirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lösungen zu begegnen, die Sachverstand, Kapital und Flexibilität von privaten Leistungserbringen aktivieren.14 Die staatliche Regulierung wird zwar nicht als einzige, wohl aber als eine der charakteristischen Steuerungsformen des Gewährleistungsstaates verstanden.15 Das Konzept des Gewährleistungsstaats setzt an der aus der Privatisierungsdiskussion bekannten Entkoppelung von Aufgabenverantwortung und Aufgabenerfüllung an.16 Die Ausdifferenzierung der Verantwortungsstufung sollte dabei auf die drei Grundtypen der Erfüllungs-, der Gewährleistungs- und der Auffangverantwortung begrenzt werden:17 • Erfüllungsverantwortung setzt die Erfüllung öffentlicher Aufgaben durch den Staat selbst in alleiniger Verantwortung voraus. • Die Stufe der Gewährleistungsverantwortung betrifft die Situation, dass sich der Staat aus der ausschließlich eigenen Aufgabenerfüllung zurückzieht. Die Aufgabenerfüllung erfolgt dabei gemeinsam durch öffentliche Hand und Private oder allein durch gesellschaftliche Selbststeuerung, jedoch unter staatlicher Steuerung durch Rahmenvorgaben, Struktursetzungen und Spielregeln. ___________ 11 In diesem Sinne wohl Gabriele Britz, Energie, in: Fehling/Ruffert (Hrsg.), Regulierungsrecht, 2010, § 9 Rdnr. 6, die feststellt, dass die Zwecke des EnWG dazu quer liegen. 12 Eifert, (Fußn. 8), § 19 Rdnr. 17, mit Definitionen und Beispielen. 13 Ruffert, (Fußn. 6), § 7 Rdnr. 41. 14 Bohne/Bauer, (Fußn. 1), S. 295 f. 15 Gunnar Folke Schuppert, Staatswissenschaft, 2003, S. 588; Ziekow, (Fußn. 5), § 13 Rdnr. 8. 16 Ziekow, (Fußn. 5), § 13 Rdnr. 8. 17 Wolfgang Hoffmann-Riem, in: Kirchhof (Hrsg.), Staaten und Steuern: Festschrift für Klaus Vogel zum 70. Geburtstag, 2000, S. 47 (52 f.); Ziekow, (Fußn. 5), § 13 Rdnr. 9.
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•
Die Auffangverantwortung schließlich bezieht sich auf die Entwicklung von Instrumentarien zur Nachsteuerung, wenn der angestrebte Steuerungserfolg ausblieb. Steuerungsverantwortung wird mithin dadurch wahrgenommen, dass gleichsam ein „Auffangnetz“ gespannt wird, welches ein Entfallen der Aufgabenerfüllung verhindern soll.18
Daran anknüpfend ist das Ziel der Regulierung, dass der Staat seiner Gewährleistungsverantwortung gerecht wird.19 Daneben gibt es andere, nach politischen Präferenzen bestimmte Regulierungszwecke. Sie beziehen sich in erster Linie auf Umverteilungen zugunsten von Gruppen, die in der Funktionsrationalität der Märkte nicht in der politisch gewünschten Weise Berücksichtigung finden, oder auf die Nutzung gesellschaftlicher Handlungsressourcen (z.B. Förderung des Altruismus).20 In den sektorspezifischen Regulierungsgesetzen dient die Regulierung der Verfolgung der jeweiligen Gesetzeszwecke.21 Nach § 1 PostG22 besteht der Zweck beispielsweise darin, „durch Regulierung im Bereich des Postwesens den Wettbewerb zu fördern und flächendeckend angemessene und ausreichende Dienstleistungen zu gewährleisten.“ Weitergehend ist der Zweck gemäß § 1 TKG23, „durch technologieneutrale Regulierung den Wettbewerb im Bereich der Telekommunikation und leistungsfähige Telekommunikationsinfrastrukturen zu fördern und flächendeckend angemessene und ausreichende Dienstleistungen zu gewährleisten.“ Diese allgemeine Zwecksetzung wird dann durch die Benennung einzelner Ziele der Regulierung weiter konkretisiert. So sind nach § 2 Absatz (Abs.) 2 PostG die Ziele der Regulierung: „1. die Wahrung der Interessen der Kunden sowie die Wahrung des Postgeheimnisses, 2. die Sicherstellung eines chancengleichen und funktionsfähigen Wettbewerbs, auch in der Fläche, auf den Märkten des Postwesens, ___________ 18
Ziekow, (Fußn. 5), § 13 Rdnr. 10. In diesem Sinne: Christoph Reichard, in: Göbel (Hrsg.), Neue Institutionenökonomik – Public Private Partnership – Gewährleistungsstaat, 2004, S. 48 (52 ff.); Ziekow, (Fußn. 5), § 13 Rdnr. 10. Differenzierend Eifert, (Fußn. 8), § 19 Rdnr. 41: Im Rahmen der hoheitlichen Regulierung bleibt die staatliche Erfüllungsverantwortung regelmäßig unberührt; Rdnr. 52: im Bereich der hoheitlich regulierten gesellschaftlichen Selbstregulierung ist Gewährleistungsverantwortung bezweckt. 20 Eifert, (Fußn. 8), § 19 Rdnr. 18. 21 Ziekow, (Fußn. 5), § 13 Rdnr. 3. 22 Postgesetz (PostG), zuletzt geändert durch Art. 242 Verordnung vom 31.10.2006 (BGBl. I, S. 2407). 23 Telekommunikationsgesetz, zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 3.5.2012 (BGBl. I, S. 958). 19
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3. die Sicherstellung einer flächendeckenden Grundversorgung mit Postdienstleistungen zu erschwinglichen Preisen (Universaldienst), 4. die Wahrung der Interessen der öffentlichen Sicherheit, 5. die Berücksichtigung sozialer Belange.“ Noch weitergehend listet § 2 Abs. 2 TKG gar neun verschiedene Ziele der Regulierung auf. Die Bedeutung dieser ausdifferenzierten Regulierungsziele besteht darin, Maßgaben für eine zielorientierte Auslegung der übrigen Vorschriften des jeweiligen Regulierungsgesetzes zu setzen.24
III. Instrumente 1. Allgemeine Übersicht Fast keine Instrumente werden exklusiv in Regulierungssektoren verwendet.25 Die staatlicherseits zur Regulierung eingesetzten „harten“ Instrumente sind häufig aus anderen Bereichen des Öffentlichen (Wirtschafts-)Rechts bekannt. Beispiele sind die Pflichten, vor Aufnahme einer bestimmten Tätigkeit eine Genehmigung einzuholen (§§ 5 ff. PostG, § 4 EnWG26, § 6 AEG27), die Aufnahme einer Tätigkeit zu melden (§ 6 TKG) oder zur Unterbindung rechtswidrigen Handelns die notwendigen Maßnahmen durch Verwaltungsakt anordnen (§ 126 TKG, § 14c Abs. 1 AEG, § 65 EnWG), Auskünfte und andere Informationen verlangen (§ 127 Abs. 1 bis 3 TKG, § 45 Abs. 1 und 2 PostG, § 14c Abs. 3 AEG, § 69 Abs. 1 EnWG), sowie Betriebs- und Geschäftsräume betreten und durchsuchen (§ 127 Abs. 4 bis 6 TKG, § 14c Abs. 2 AEG, § 69 Abs. 2 bis 4 EnWG) zu können.28 Unter „harten“ Regulierungsinstrumenten verstehen wir dabei solche Instrumente, die entweder unmittelbar Anordnungen für das Verhalten privater Wirtschaftssubjekte enthalten oder es der Verwaltung ermöglichen, verbindli___________ 24 Peter Badura, in: Beck’scher PostG-Kommentar, 2. Aufl. 2004, § 2 Rdnr. 20; Fabian Schuster, in: Beck’scher TKG-Kommentar, 3. Aufl. 2006, § 2 Rdnr. 4; Ziekow, (Fußn. 5), § 13 Rdnr. 4. 25 Michael Fehling, Instrumente und Verfahren, in: Fehling/Ruffert (Hrsg.), Regulierungsrecht, 2010, § 20 Rdnr. 1; Hans-Werner Laubinger, Regulierungsrecht: Gibt’s das – und wenn ja: wie viele?, Verwaltungsblätter für Baden-Württemberg (VBlBW) 2010 S. 306 (309). 26 Gesetz über die Elektrizitäts- und Gasversorgung (Energiewirtschaftsgesetz – EnWG) zuletzt geändert durch Art. 2 Gesetz vom 16.1.2012 (BGBl. I, S. 74). 27 Allgemeines Eisenbahngesetz, zuletzt geändert durch Art. 5 Gesetz vom 5.4.2011 (BGBl. I, S. 554). 28 Ziekow, (Fußn. 5), § 13 Rdnr. 18.
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che Vorgaben für die Privaten zu machen. „Weiche“ Regulierungsinstrumente sind demgegenüber solche, die den staatlichen Organen keine Möglichkeit zum Tätigwerden gegenüber Privaten geben, sondern in anderer Weise verhaltensbeeinflussend wirken, beispielsweise durch Anreizsetzung oder dadurch, dass die öffentliche Hand ihr eigenes Verhalten an bestimmte Regeln bindet, die dadurch mittelbar Relevanz auch für private Wirtschaftssubjekte erlangen. Auch sind keine Instrumente im Regulierungsrecht sektorübergreifend auch nur annähernd gleich, vielmehr scheint eine bunte mehr oder minder zufällige Vielfalt vorzuherrschen, welche kaum die Konturierung eines eigenständigen Rechtsgebiets erlaubt.29 Nichtsdestoweniger sind spezifische Instrumente zur Regulierung abhängig vom regulierten Sektor zu beobachten. Als Ausprägung des Regulierungsrechts gelten Regelungen zur Gewährleistung eines bestimmten Mindestniveaus an Versorgung (Universaldienst[-leistungen] gemäß §§ 78 ff. TKG oder §§ 11 ff. PostG; Grundversorgung gemäß § 36 EnWG; Kontrolle von Abgabe und Stilllegung gemäß § 11 AEG).30 Weiter erforderlich ist die Ermöglichung des Zugangs zu einem Netz der Infrastrukturversorgung für Unternehmen, die dieses Netz nicht selbst betreiben (§§ 16 ff. TKG, §§ 20 ff. EnWG, § 14 AEG).31 Der diskriminierungsfreie Zugang zu den Netzen erfolgt durch gesetzliche Pflichten zur Unterbreitung konkreter Angebote zu privatrechtlichen Verträgen über die Nutzungsrechte.32 Der diskriminierungsfreie Netzzugang wird durch Vorgaben für die Verselbständigung des Netzbetriebs gegenüber anderen wirtschaftlichen Aktivitäten abgesichert („Unbundling“, vergleiche [vgl.] § 2 DBGrG33 und §§ 9 f. AEG, §§ 7 ff. EnWG, § 7, § 24 Abs. 1 TKG).34 Als notwendige Ergänzung der Zugangsregulierung gilt die Entgeltregulierung.35 Diese erfolgt für den Netzzugang oder die Lizenznahme (§§ 19 ff. PostG, §§ 30 ff. TKG, §§ 21 ff. EnWG) und – teilweise – für die vom Endverbraucher zu erbringenden Entgelte (§ 39 TKG, § 12 AEG, § 39 EnWG).36 Außerdem sind Verfahren zur Markterweiterung und -gestaltung wie Ausschreibungen (§ 14 PostG, §§ 61, 81 Abs. 3 Satz 1 TKG, § 53 EnWG) oder Versteigerungen (§ 61 TKG) vorgesehen.37 Schließlich können die Behörden ___________ 29
Fehling, (Fußn. 25), § 20 Rdnr. 159. Eifert, (Fußn. 8), § 19 Rdnr. 135; Ziekow, (Fußn. 5), § 13 Rdnr. 19. 31 Ziekow, (Fußn. 5), § 13 Rdnr. 19. 32 Eifert, (Fußn. 8), § 19 Rdnr. 131. 33 Gesetz über die Gründung einer Deutsche Bahn Aktiengesellschaft (Deutsche Bahn Gründungsgesetz – DBGrG), zuletzt geändert durch Art. 307 Verordnung vom 31.10.2006 (BGBl. I, S. 2407). 34 Eifert, (Fußn. 8), § 19 Rdnr. 133. 35 Fehling, (Fußn. 25), § 20 Rdnr. 10; Jürgen Kühling, Sektorspezifische Regulierung in den Netzwirtschaften, 2004, S. 284 ff. 36 Ziekow, (Fußn. 5), § 13 Rdnr. 19. 37 Ziekow, (Fußn. 5), § 13 Rdnr. 19. 30
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im Rahmen der Missbrauchsaufsicht gegenüber dem Unternehmen wegen des missbräuchlichen Ausnutzens einer marktmächtigen Stellung unmittelbar einschreiten (§ 42 Abs. 4 TKG, § 30 Abs. 2 EnWG) und die Gewinnabschöpfung anordnen (§ 43 TKG, § 33 EnWG).38 Eine übergreifende Ermächtigungsgrundlage enthält § 29 TKG, welche die Abhängigkeit von Informationen bei der Regulierung unterstreicht.39 Danach kann die Bundesnetzagentur vorbereitende und begleitende Anordnungen betreffend die Informationsübermittlung oder die Ausgestaltung der Kostenrechnung erlassen.40 Dabei kann für das derzeitige Regulierungsrecht als kennzeichnend angesehen werden, dass selbst im Bereich der „harten“ Regulierungsinstrumente die Art der Erfüllung der gesetzlichen Verpflichtungen häufig zunächst der privatautonomen Verhandlung der Beteiligten anheim gegeben wird. So sind die Netzzugangsbedingungen zunächst zwischen dem Netzbetreiber und dem zugangswilligen Unternehmen zu verhandeln. Erst wenn es dabei zu keiner Einigung kommt, kann die Regulierungsbehörde den Zugang anordnen und die Zugangsbedingungen festlegen. Derartige Formen privatrechtsgestaltender Verwaltungsakte und andere Instrumente des Regulierungsrechts führen zu einer engen Verschränkung von öffentlichem Recht und Privatrecht.41 Das „Paradox der Regulierung“ (Matthias Schmidt-Preuß) wird darin gesehen, dass die Marktfreiheit mit dem Mittel des Zwangs erreicht werden soll.42 Über die Marktfreiheit als solche hinaus wird häufig auch die Gleichheit im Markt gefördert (z. B. § 2 Abs. 2 Nr. 2 PostG). Im Zusammenhang mit dieser harten Form der Regulierung sollen im Folgenden zunächst die Vorgaben von Maßstäben für die inhaltliche Ausgestaltung ökonomischer Entscheidungen am Beispiel der Entgeltregulierungen betrachtet werden (2.). Im Anschluss daran werden die Probleme des Regulierungsermessens beim marktaufsichtlichen Einschreiten durch Regulierungsverfügung aufgezeigt (3.). Der harten Regulierung kann eine weiche Form zur Seite gestellt werde. Dabei soll eine Beeinflussung des Verhaltens von Marktakteuren durch gesetzliche Steuerung des ___________ 38 Zur Missbrauchsaufsicht im TKG oder EnwG siehe Ziekow, (Fußn. 5), § 14 Rdnrn. 50 f. beziehungsweise (bzw.) § 15 Rdnrn. 25 ff. 39 Jens-Peter Schneider, Telekomunikation, in: Fehling/Ruffert (Hrsg.), Regulierungsrecht, 2010, § 8 Rdnr. 59. 40 Ziekow, (Fußn. 5), § 14 Rdnr. 49. 41 Ziekow, (Fußn. 5), § 13 Rdnr. 19, unter Hinweis auf Franz Jürgen Säcker, Das Regulierungsrecht im Spannungsfeld von öffentlichem und privatem Recht, AöR 130 (2005), S. 180 ff. 42 Matthias Schmidt-Preuß, Regulierung – Reflexionen aus Anlass der Liberalisierung im Strom- und Gassektor, in: Bauer/Czybulka/Kahl/Voßkuhle (Hrsg.), Wirtschaft im offenen Verfassungsstaat: Festschrift für Reiner Schmidt zum 70. Geburtstag, 2006, S. 547 (551); zustimmend Proelß, (Fußn. 6), S. 405.
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Marktverhaltens der öffentlichen Hand erreicht werden (4). Dies wird am Beispiel der ökologischen und sozialen Zwecke im Vergaberecht untersucht. 2. Vorgaben von Maßstäben für die inhaltliche Ausgestaltung ökonomischer Entscheidungen: Entgeltregulierungen Ausgangspunkt des US-amerikanischen Regulierungsrechts war der Streit um Eisenbahntarife im 19. Jahrhundert,43 was die Bedeutung der Entgeltregulierung in historischer Hinsicht zeigt. Die Einmaligkeit von Netzen generiert nämlich Monopolstrukturen, so dass ökonomische Schieflagen durch Preisbildungsmechanismen entstehen können, insbesondere dass der Monopolist Monopolrenten abschöpft oder ein Neueinsteiger durch Kampfpreise (predatory pricing) vom Markt ferngehalten werden soll.44 Auch soziale und ökologische Vorgaben für Politik und Verwaltungshandeln können für eine Entgeltregulierung sprechen.45 Im Telekommunikationssektor orientiert sich die Entgeltregulierung bezüglich der Genehmigungsmaßstäbe46 grundsätzlich an den Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung, die sich aus den langfristigen zusätzlichen Kosten der Leistungsbereitstellung und einem angemessenen Zuschlag für leistungsmengenneutrale Gemeinkosten einschließlich einer angemessenen Kapitalverzinsung zusammensetzen (so genannter [sog.] Ramsey-Preis, wie in § 32 TKG oder § 20 Abs. 1 PostG).47 Ausnahmsweise sind Vergleichsmarktbetrachtungen unter Heranziehung von Preisen anderer Unternehmen im Wege eines Benchmarkings (§ 30 Abs. 1 Satz 2, § 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 TKG) zulässig.48 Dabei gilt für sämtliche Genehmigungstatbestände außerdem das allgemeine Missbrauchsverbot des § 28 TKG.49 Im Energiesektor sind für die Bildung der Entgelte für den Netzzugang drei Modelle vorgesehen: Der Regelfall ist die kostenorientierte Entgeltbildung, ___________ 43 Dazu Oliver Lepsius, Regulierungsrecht in den USA: Vorläufer und Modell, in: Fehling/Ruffert (Hrsg.), Regulierungsrecht, 2010, § 1 Rdnr. 11 ff.; Joachim Wieland, Die Entwicklung der Wirtschaftsregulierung in den Vereinigten Staaten von Amerika, Die Verwaltung 18 (1985), S. 84 ff. 44 Ruffert, (Fußn. 6), § 7 Rdnr. 51. 45 Johannes Masing, Grundstrukturen eines Regulierungsverwaltungsrechts, Die Verwaltung 36 (2003), S. 1 (25 ff.); Ruffert, (Fußn. 6), § 7 Rdnr. 51. 46 Hierzu im Einzelnen Bernd Holznagel/Christoph Enaux/Christian Nienhaus, Telekommunikationsrecht, 2. Aufl. 2006, Rdnr. 282 ff.; Raimund Schütz, Kommunikationsrecht, 2005, Rdnr. 685 ff. 47 Fehling, (Fußn. 25), § 20 Rdnr. 11; Ziekow, (Fußn. 5), § 14 Rdnr. 47. 48 Ziekow, (Fußn. 5), § 14 Rdnr. 47. 49 Ziekow, (Fußn. 5), § 14 Rdnr. 47. Zu den verschiedenen Arten der Missbrauchsaufsicht siehe Schneider, (Fußn. 39), § 8 Rdnr. 64.
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wonach die Kosten der einem effizienten und strukturell vergleichbaren Netzbetreiber entsprechenden Betriebsführung unter Berücksichtigung von Effizienzanreizen und einer angemessenen Kapitalverzinsung zugrunde gelegt werden (sog. Ramsey-Preis wie in § 21 Abs. 2 EnWG, §§ 3 ff. StromNEV50; § 3 Abs. 1 GasNEV51).52 Dazu kann die Regulierungsbehörde in regelmäßigen zeitlichen Abständen einen Vergleich der Entgelte für den Netzzugang, der Erlöse oder der Kosten der Betreiber von Energieversorgungsnetzen durchführen (Vergleichsverfahren).53 Als Variante der Kostenorientierung erfolgt eine anreizorientierte Entgeltbildung gemäß § 21a EnWG in Verbindung mit der Anreizregulierungsverordnung, wonach dynamische Obergrenzen für die Entgelte (oder für die Gesamterlöse aus den Entgelten) festgelegt werden, die sich aus unbeeinflussbaren und beeinflussbaren Kostenanteilen errechnen; hierbei werden bezüglich der beeinflussbaren Kosten diverse Effizienzvorgaben gemacht.54 Diese Effizienzvorgaben werden anstatt einer stetigen kostenorientierten Nachjustierung für eine (längere: 2 bis 5 Jahre) Regulierungsperiode gemacht.55 Die Anreizwirkung dieser Regulierung wird darin gesehen, dass die Entgelthöhe von der tatsächlichen Kostenentwicklung abgekoppelt wird und erzielte Effizienzgewinne im Unternehmen verbleiben.56 Dabei sollen die Effizienzsteigerungen in der nächsten Regulierungsperiode an alle Netznutzer weitergegeben werden können, indem sie bei der Ausgestaltung der Regulierungsvorgaben für die neue Regulierungsperiode berücksichtigt werden.57 Das kalkulatorische Grundproblem bleibt zumindest bei der ersten Festlegung der Entgelt-Obergrenze bestehen; während ein zu hoher Price-Cap für eine ganze Regulierungsperiode (bis der Cap nach unten angepasst werden kann) politisch kaum zu rechtfertigende Windfall-Profite generiert, macht ein zu niedriger Cap Investitionen in die Infrastruktur unattraktiv.58 Auch wird hinsichtlich der Effektivität und Effizienz der Anreizregulierung – mangels empirischer Vollzugsuntersuchungen – vermutet, dass diese nicht nur durch die verwendeten ökonometrischen Verfahren ___________ 50
Verordnung über die Entgelte für den Zugang zu Elektrizitätsversorgungsnetzen (Stromnetzentgeltverordnung – StromNEV), zuletzt geändert durch Art. 4 Gesetz vom 28.7.2011 (BGBl. I, S. 1690). 51 Verordnung über die Entgelte für den Zugang zu Gasversorgungsnetzen (Gasnetzentgeltverordnung – GasNEV), geändert durch Art. 5 Verordnung vom 3.9.2010 (BGBl. I, S. 1261). 52 Ziekow, (Fußn. 5), § 15 Rdnr. 20. 53 Britz, (Fußn. 11), § 9 Rdnr. 74. 54 Ziekow, (Fußn. 5), § 15 Rdnr. 20. 55 Britz, (Fußn. 11), § 9 Rdnr. 76. 56 Ziekow, (Fußn. 5), § 15 Rdnr. 20. 57 Britz, (Fußn. 11), § 9 Rdnr. 76. 58 Fehling, (Fußn. 25), § 20 Rdnr. 11.
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zur Bestimmung unternehmensindividueller Ineffizienzen, sondern auch durch die Verhandlungsressourcen und -situationen der beteiligten Akteure beeinflusst werden, was zu Vollzugsdefiziten führt.59 Abweichend von der Kostenorientierung kann durch Rechtsverordnung eine Festlegung auf ein marktorientiertes Verfahren oder eine Preisbildung im Wettbewerb erfolgen. Eine solche vergleichsmarktorientierte Entgeltbildung ist im Bereich der Gasfernleitungsnetze verwirklicht (§ 3 Abs. 2, § 19 GasNEV).60 Neben der Regulierung von Zugangsentgelten war früher auch eine präventive Regulierung der Endkundenentgelte aus sozialen Gründen und zur Verhinderung von Monopolrenten weit verbreitet. Diese ex-ante Kontrolle wurde aber im Telekommunikations- und im Energiesektor weitgehend zurückgedrängt, da man den durch die Netzzugangsregulierung ausgelösten Wettbewerb für hinreichend erachtet, um insoweit übermäßige Gewinnmargen zu verhindern.61 Eine Genehmigungsbedürftigkeit der Endkunden-Entgelte besteht aber weiterhin in den Sektoren, in denen sich Wettbewerb im Markt bislang nur ansatzweise entwickelt hat (zum Beispiel Postdienste, Bahn und öffentlicher Personennahverkehr).62 Für die Frage nach den Regulierungsinstrumenten wesentlich ist, dass trotz des Übergangs zu einer weitgehend auf ökonomischen Effizienzüberlegungen beruhenden und damit in Orientierung an Marktrationalitäten erfolgenden Bildung von Netzentgelten durch Anreizregulierung auf den Einsatz hoheitlicher Instrumente nicht verzichtet wird. Während die Regulierungsinstrumente bei der Entgeltregulierung im Telekommunikationsrecht recht konventionell sind und bei der Entgeltregulierung ex ante in der Statuierung einer Genehmigungspflicht und bei der Entgeltregulierung ex post in der einer Anzeigepflicht vergleichbaren Vorlagepflicht zur Ermöglichung einer Missbrauchskontrolle durch die Regulierungsbehörde besteht63, liegt das Regulierungsinstrument bei der Anreizregulierung in der durch die Regulierungsbehörde vorzunehmenden Festlegung der Erlösobergrenze, deren Umsetzung in Netzentgelte durch die Netzbetreiber selbst zu erfolgen hat64. Bei der Festlegung handelt es sich um ein besonderes Instrument des Regulierungsrechts, das dadurch gekennzeichnet ist, dass keine Einzelfallentscheidung, sondern eine abstrakt-generelle Methodenregulierung erfolgt. Nach der Bewertung soll die Festlegung Verwaltungsakt in Form einer Allgemeinverfü___________ 59 60 61 62 63 64
Bohne/Bauer (Fußn. 1), S. 246 f. Ziekow, (Fußn. 5), § 15 Rdnr. 20. Fehling, (Fußn. 25), § 20 Rdnr. 62. Fehling, (Fußn. 25), § 20 Rdnr. 63. Dazu Schneider, (Fußn. 39), § 8 Rdnrn. 55 ff. Dazu Britz, (Fußn. 11), § 9 Rdnr. 76.
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gung sein, ohne dass allerdings die Voraussetzungen des § 35 Satz 2 VwVfG erfüllt wären.65 3. Marktaufsichtliches Einschreiten durch Regulierungsverfügung Ein weiteres instrumentelles Spezifikum des Regulierungsrechts, und zwar des Telekommunikationsrechts, stellt die Regulierungsverfügung dar. Sie beruht auf dem Ausgangspunkt, dass es Märkte gibt, die einer Regulierung bedürfen, und solche, die keiner Regulierung bedürfen. Die Abgrenzung erfolgt in einem zweischrittigen Verfahren, der sog. Marktdefinition und der sog. Marktanalyse. In der Marktdefinition wird durch die Regulierungsbehörde festgelegt, welche Telekommunikationsmärkte nach bestimmten Kriterien für eine Regulierung in Betracht kommen. Die anschließende Marktanalyse besteht in der Prüfung, ob auf dem definierten Markt wirksamer Wettbewerb besteht, was zu verneinen ist, wenn ein oder mehrere Unternehmen auf diesem Markt über beträchtliche Marktmacht verfügen.66 Den dabei als marktmächtig identifizierten Unternehmen sind dann durch die Regulierungsbehörde bestimmte Maßnahmen aufzuerlegen, z. B. die Einhaltung eines Diskriminierungsverbots oder Transparenz- und Zugangsverpflichtungen.67 Diese Auferlegung von Pflichten erfolgt durch eine umfassende Regelung in Form einer Regulierungsverfügung, die ein Verwaltungsakt ist (vgl. § 13 Abs. 3 TKG). Die Regulierungsverfügung ist als der Planfeststellung vergleichbare Entscheidung ausgestaltet, die auf eine abschließende Gesamtregelung aller regulierungsbedürftigen Fragen durch die Regulierungsverfügung angelegt ist.68 Die Regulierungsverfügung basiert auf einer gesetzlich ausgeformten Gestaltungsfreiheit, die sich auf die Verwirklichung des gesetzlichen Regulierungsauftrags und die prospektive Bewältigung der damit zusammenhängenden Probleme erstreckt.69 Diese Gestaltung, insbesondere die Auferlegung von Regulierungsverpflichtungen, hat auf der Grundlage einer umfassenden Abwägung aller zu berücksichtigenden öffentlichen und privaten Belange zu erfolgen. Wegen dieser ganzheitlich zu treffenden Entscheidung kommt es auf eine Unterscheidung zwischen auf der Tatbestandsseite der betreffenden Normen verorteten Beurteilungsermächtigungen und die Rechtsfolgenseite betreffenden Ermessensspielräumen nicht an, sind doch beide Elemente Bestand___________ 65 Zum Meinungsstreit Britz, in: Britz/Hellermann/Hermes, EnWG, 2. Aufl. 2010, § 29 Rdnrn. 12 ff. 66 Schneider, (Fußn. 39), § 8 Rdnrn. 21 ff. 67 Schneider, (Fußn. 39), § 8 Rdnr. 19. 68 BVerwG, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (NVwZ) 2008, S. 575 (577); Ziekow, (Fußn. 5), § 14 Rdnr. 46. 69 BVerwG, NVwZ 2008, S. 575 (577); Ziekow, (Fußn. 5), § 14 Rdnr. 46.
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teile des abwägend auszuübenden umfassenden Regulierungsermessens.70 Eine relevante fehlerhafte Ausübung des Regulierungsermessens liegt wie bei der planerischen Abwägung71 nur vor, wenn eine Abwägung überhaupt nicht stattgefunden hat (Abwägungsausfall), in die Abwägung nicht an Belangen eingestellt worden ist, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden musste (Abwägungsdefizit), die Bedeutung der betroffenen Belange verkannt worden ist (Abwägungsfehleinschätzung) oder der Ausgleich zwischen ihnen in einer Weise vorgenommen worden ist, der außer Verhältnis zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange steht.72 Diese Rücknahme der verwaltungsgerichtlichen Kontrolldichte ist in der Literatur zunächst kritisiert worden. Gründe für diese Kritik sind vor allem die Auswirkungen der Regulierungsverfügung für die Grundrechte der betroffenen Unternehmen und die Verkürzung eines effektiven Rechtsschutzes sowie die Struktur der einfachgesetzlichen Normen, die kein offenes Entscheidungsprogramm enthalte; vielmehr werde die Entscheidung der Regulierungsbehörde durch zahlreiche gesetzliche Vorgaben inhaltlich gesteuert.73 Spätestens nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom Dezember 201174 dürfte fest stehen, dass die der Regulierungsbehörde von der Rechtsprechung eingeräumten gerichtlich nicht kontrollierbaren Entscheidungsspielräume tatsächlich und in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise bestehen, weil die Regulierungsbehörde wegen ihres Wissensvorsprungs in der Beurteilung der wirtschaftlichen und technologischen Zusammenhänge und aufgrund von EU-rechtlichen Vorgaben über einen eigenständigen Gestaltungsspielraum verfügen muss. 4. „Weiche“ Regulierung am Beispiel der ökologischen und sozialen Zwecke im Vergaberecht Noch weitergehende Freiräume bestehen bei der Beeinflussung des Verhaltens von Marktakteuren durch gesetzliche Steuerung des Marktverhaltens der öffentlichen Hand. Dies lässt sich am Beispiel der ökologischen und sozialen Zwecke im Vergaberecht aufzeigen. Nach neueren Schätzungen kaufen Bundesbehörden und die Institutionen der Länder und Kommunen jedes Jahr Produkte und Dienstleistungen im Wert von 200 bis 360 Milliarden Euro ein, was ___________ 70 BVerwG, NVwZ 2008, S. 575 (577); 2008, S. 1359 (1364); Ziekow, (Fußn. 5), § 14 Rdnr. 46. 71 Dazu Jan Ziekow, Verwaltungsverfahrensgesetz, 2. Aufl. 2010, § 74 Rdnr. 36. 72 BVerwG, NVwZ 2008, S. 1359 (1364); Ziekow, (Fußn. 5), § 14 Rdnr. 46. 73 In diesem Sinne Klaus Ferdinand Gärditz, „Regulierungsermessen“ und verwaltungsgerichtliche Kontrolle, NVwZ 2009, S. 1005 ff. 74 BVerfG, NVwZ 2012, S. 694, Rdnrn. 27 ff.
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etwa 8 bis 14 Prozent des Bruttoinlandsprodukts entspricht.75 Diese große Nachfragemacht durch die Vergabe öffentlicher Aufträge führt dazu, dass Vergabeverfahren nicht selten dazu genutzt werden sollen, um soziale oder ökologische Ziele durchzusetzen, die sich mit anderen Instrumenten nicht oder nur schwieriger erreichen ließen.76 Diese Ziele können nach deutschem Recht verwirklicht werden, aber eine Umsetzung ist nicht verpflichtend.77 Auch sind diese sozialen und ökologischen Ziele konfliktträchtig gegenüber den Zielsetzungen des Vergaberechts, eine transparente und wirtschaftliche Beschaffung benötigter Güter und Dienstleistungen sicherzustellen. Denn die an den Bieter oder sein Angebot gestellten zusätzlichen sozialen oder ökologischen Anforderungen können sowohl zu einer Verteuerung der Angebote als auch zu einer Verengung des Kreises potentieller Bieter führen.78 Dementsprechend ist die Einbeziehung sozialer und ökologischer Gesichtspunkte bei der Vergabe nur unter besonderen Voraussetzungen79 zulässig.80 Aktuelle Beispiele für derartige, in Vergabeverfahren berücksichtigte ökologische Zielsetzungen sind die Forderungen, dass das beauftrage Unternehmen eine bestimmte Gesamtemissionsmenge nicht überschreitet, bei der Herstellung der benötigten Ware oder bei der Durchführung der beauftragten Dienstleistung eine bestimmte Emissionsgrenze bzw. eine bestimmte umweltfreundliche Produktionsmethode eingehalten wird81, ein gelieferter Gegenstand bestimmten ökologischen Bedingungen genügt, z.B. ein Kraftfahrzeug nur eine bestimmte Menge Schadstoffe emittiert oder eine bestimmte ökologische Bilanz aufweist82. Als soziale Kriterien können etwa genannt werden, dass der gelieferte Gegenstand nicht aus Kinderarbeit stammt, das Unternehmen sich an Tarifver___________ 75
Uwe Kekeritz, weitere Abgeordnete und die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Große Anfrage, Öffentliche Beschaffung durch die Bundesregierung nach sozialen ökologischen und entwicklungspolitischen Kriterien, Deutscher Bundestag, 19.10.2011, Drucksache 17/7426, S. 1. 76 Ziekow, (Fußn. 5), § 9 Rdnr. 62. 77 Kekeritz et al., (Fußn. 75), S. 1. 78 Ziekow, (Fußn. 5), § 9 Rdnr. 62. 79 Dazu etwa Ingeborg Diemon-Wies, Soziale und ökologische Kriterien in der Vergabepraxis, Vergaberecht (VergabeR) 2010, S. 317 ff.; Thorsten Siegel, Sozial- und Umweltstandards im öffentlichen Beschaffungswesen, Zeitschrift für Landes- und Kommunalrecht Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland (LKRZ) 2011, S. 121 ff.; Jakob Steiff, Vergabefremde Aspekte – eine Zwischenbilanz, VergabeR 2009, S. 290 ff.; Zsófia Varga, Berücksichtigung sozialpolitischer Anforderungen nach dem neuen § 97 Abs. 4 Satz 2 GWB – europarechtskonform?, VergabeR 2009, S. 535 ff. 80 Ziekow, (Fußn. 5), § 9 Rdnr. 62. 81 Ziekow, (Fußn. 5), § 9 Rdnr. 63. 82 EuGH, Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (EuZW) 2012, 592, Rdnr. 61.
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träge hält, eine Mindestquote von Ausbildungsplätzen zur Verfügung stellt oder aktiv Maßnahmen zur Gleichstellung von Frauen und Männern ergreift.83 Die Einbeziehung solcher und anderer sozialer und ökologischer Gesichtspunkte bei der Vergabe ist nur unter besonderen Voraussetzungen zulässig, auf die hier nicht näher eingegangen werden kann.84 Vorliegend soll es vielmehr darum gehen, die Dimension als Instrument der Regulierung deutlich zu machen. Insoweit muss man zunächst darauf hinweisen, dass die Frage, ob die Berücksichtigung der genannten Kriterien überhaupt zulässig ist und wenn ja unter welchen Voraussetzungen, dominiert. Die Frage des Vorliegens einer Regulierung stellt sich überhaupt nur dann, wenn eine normative Verhaltenseinwirkung erfolgt. Eine solche Einwirkung erfolgt in den Landesvergabegesetzen, die die meisten Bundesländer mittlerweile erlassen haben. Soweit diese Gesetze die Klausel enthalten, dass die öffentlichen Auftraggeber soziale und ökologische Gesichtspunkte bei Beschaffungsentscheidungen berücksichtigen können (z. B. allgemein § 4 ThürVgG85), ist dies regulatorisch neutral. Denn diese Befugnis ergibt sich bereits aus dem europäischen Recht, das auch die Grenzen setzt. Anders ist es aber, wenn die Behörden durch den Landesgesetzgeber verpflichtet werden, ökologische und soziale Gesichtspunkte zwingend zu berücksichtigen. Dies ist z. B. der Fall, wenn der Auftrag nur an solche Unternehmen vergeben werden darf, die sich zur Zahlung von Tariflöhnen oder von bestimmten Mindestlöhnen oder zur Lieferung von nur solchen Waren verpflichten, die nicht unter Missachtung der sog. Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation,86 z. B. das Verbot ausbeuterischer Kinderarbeit, hergestellt wurden (so § 10 bzw. § 11 ThürVgG). Hinsichtlich nahezu aller der Aspekte, deren Beachtung bei der Vergabe öffentlicher Aufträge vorgeschrieben wird, liegen keine „harten“ Regulierungen vor, weil sie entweder praktisch oder politisch nicht realisierbar sind. Über den Umweg der Marktmacht des Staates wird hier versucht, einen zumindest dem mit einer „harten“ Regulierung ähnlichen Erfolg zu erzielen. Zwar hätten die Unternehmen theoretisch die Möglichkeit, keine Angebote auf Ausschreibungen, die solche Anforderungen stellen, abzugeben und sich dadurch einer Beachtung dieser Anforderungen zu entziehen. Doch ändert dies nichts daran, dass es sich bei der gesetzlichen Statuierung der genannten Anforderungen ___________ 83
Ziekow, in: Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 2011, § 97 GWB Rdnr. 110. Dazu Ziekow, (Fußn. 83), § 97 GWB Rdnrn. 108 ff. 85 Thüringer Gesetz über die Vergabe öffentlicher Aufträge (Thüringer Vergabegesetz – ThürVgG) vom 18.4.2011 (GVBl. S. 69). 86 Dazu Jan Ziekow, Faires Beschaffungswesen in Kommunen und die Kernarbeitsnormen, Rechtswissenschaftliches Gutachten, 3. Aufl. 2011. 84
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nach den vom Bundesverfassungsgericht87 entwickelten Maßstäben nicht um einen bloßen Reflex der Ausgestaltung des staatlichen Vergabeverfahrens, sondern um einen regulativen Eingriff in die Grundrechte der Unternehmen handelt. Hier gibt sich der Staat als Wirtschaftssubjekt im Sinne des einen Teils unseres Symposiumthemas für sein eigenes Vertragsgebaren handeln, die aber zwangsläufig die Handlungsmöglichkeiten Privater „weich“ regulieren. Noch deutlicher wird dies, wenn zur Durchsetzung einer „weichen“ Regulierung auf typische flankierende Instrumente einer „harten“ Regulierung zurückgegriffen wird. Beispiel ist das in diesem Jahr in Kraft getretene Tariftreue und Vergabegesetz des Landes Nordrhein-Westfalen. Zur Überwachung, ob die Unternehmen ihre vertraglichen Verpflichtungen zur Einhaltung bestimmter sozialer Kriterien einhalten, wird eine besondere Prüfbehörde eingerichtet. Diese Prüfbehörde hat u. a. die Befugnis, Auskünfte zu verlangen, Einsicht in Geschäftsunterlagen zu nehmen und sogar Durchsuchungen von Geschäftsräumen sowie Beschlagnahmen vorzunehmen. Rechtlich ist dies zwar zulässig. Sollte sich eine solche Ersetzung von „harten“ durch „weiche“ Regulierungsinstrumente allerdings auf breiterer Linie durchsetzen, dann hätten wir es durchaus mit einem Paradigmenwechsel zu tun. Unter dem Gesichtspunkt der Verantwortungsübernahme für Regulierungen erschiene das jedenfalls nicht völlig unproblematisch, weil das verfolgte Ziel mit Instrumenten der harten Regulierung eben gerade nicht durchsetzbar ist, die Übernahme politischer Verantwortung hierfür also unterbleibt.
IV. Folgerungen: ein System der Regulierungsinstrumente? Welches sind nun die Folgerungen aus diesen Überlegungen? Der Versuch, die regulative Tätigkeit des Staates anhand der verwendeten Regulierungsinstrumente zu kategorisieren, sieht sich einer großen Vielfalt von Instrumenten gegenüber. Eine Typisierung kann deshalb allenfalls auf einem hohen Abstraktionsniveau erfolgen. Die hier gewählte Unterscheidung zwischen „harten“ und „weichen“ Regulierungsinstrumenten bewegt sich sicherlich auf einer MetaEbene, die weiter auszudifferenzieren ist. Skeptisch wären wir bei der Frage, ob der Einsatz verschiedener Instrumententypen im Sinne einer Skalierung einer Abstufung zugänglich ist. Aus ökonomischer Perspektive könnte eine Rangfolge nach den Kriterien der Effektivität und/oder der Effizienz gebildet werden. Ergänzend wäre mit sozialwissenschaftlichen Methoden eine Regulierungsfolgenabschätzung durchzuführen. ___________ 87 Vgl. BVerfG, in: Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE) 106, S. 135 (152 f.).
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Daran anschließen könnte eine rechtliche Verhältnismäßigkeitsprüfung, die den Einsatz der verschiedenen Instrumententypen in Hinblick auf die üblicherweise erfolgende Eingriffsintensität bewertet. Allerdings zeigen die Erfahrungen mit derartigen, methodisch durchaus belastbaren Abschätzungsverfahren, dass der Gesetzgeber sich dem nur in Ausnahmefällen unterziehen mag. Es wäre aber nach wie vor wünschenswert, für Verantwortungsklarheit zu sorgen. Welchen Regulierungserfolg er um welchen Preis will, sollte der Gesetzgeber selbst klar deutlich machen. Es mag sicherlich sein, dass eine umfassende Regulierungsverfügung strukturelle Ähnlichkeiten mit einem Planfeststellungbeschluss aufweist. Doch darf darauf hingewiesen werden, dass – mit Ausnahme der Flughafenplanung – der Gesetzgeber bei allen wesentlichen planfeststellungsbedürftigen Vorhaben die wesentliche Frage, nämlich die Bedarfsfrage, selbst entscheidet, was weit über regulierungsrechtliche Zielkonsistenzgebote hinausgeht. Ansätze zum Weiterdenken in diese Richtung hat das Bundesverfassungsgericht mit seinem Beschluss zum Regulierungsermessen geliefert, wenn das Gericht verlangt, dass sich der fragliche Entscheidungsspielraum der Verwaltung „ausdrücklich aus dem Gesetz ergeben oder durch Auslegung hinreichend deutlich zu ermitteln sein“88 muss. Ähnliches gilt für das Ausweichen in Instrumente „weicher“ Regulierung, die dann mit hoheitlichem Zwang gehärtet werden. Kartellrechtlich wäre der Einsatz der eigenen Marktmacht durch ein Unternehmen mit dem Staat vergleichbarer Nachfragemacht zur Durchsetzung marktexterner eigener Ziele wohl kaum haltbar.
___________ 88
BVerfG, NVwZ 2010, S. 694, Rdnr. 24.
Tendenzen der koreanischen Wirtschaftsregulierung und deren Streitpunkte Von Hae Ryoung Kim1 und Seung Pil Choi2
I. Einleitung
Eine einheitliche Auffassung zum Begriff der Regulierung und deren Folgen existiert in Korea bis heute nicht. Im Allgemeinen wird allerdings davon ausgegangen, dass es sich hierbei um Regulierung des Verhaltens natürlicher oder juristischer Personen handelt. Dieses Verhalten steht unter Kontrolle des Staates, um die Interessen dieser Personen möglichst korrekt erfassen und um öffentliche Interessen schützen zu können. Solche Regulierungen setzen voraus, dass sie auf die von ihnen erfassten sozialen Phänomene angemessen reagieren. Jedoch kommt es nicht selten vor, dass dies in der Praxis nicht ausreichend beachtet wird. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn eine Regulierungsmaßnahme der gesellschaftlichen Situation und der technischen Entwicklung nicht (oder nicht mehr) entspricht, oder Beschränkungen und Verordnungen, durch die ein Gemeinzweck angestrebt wird, unverhältnismäßig sind. Ebenfalls keine angemessene Regulierung liegt vor, wenn dem Regulator ein Spielraum für intransparente und willkürliche Urteile eröffnet wird. Die heutzutage am meisten diskutierten Beschränkungen sind wirtschaftsbezogen. Da die Größe des Gewinns im wirtschaftlichen Bereich relativ genau messbar ist, kommt es sehr auf die Art der Festsetzung oder das Ausmaß der Regulierungen an. Dementsprechend gewinnen die Diskussionen über wirtschaftliche Regulierungen neben den bestehenden Diskussionen über die sozialen Regulierungen immer mehr an Bedeutung. In dieser Arbeit werden solche wirtschaftlichen Regulierungen anhand einiger Beispiele aus Korea beleuchtet. Dabei wird die Untersuchung auch einen Paradigmenwechsel bei den Regulierungsmaßnahmen offenlegen. ___________ 1 2
Prof. Dr., Law School, Hankuk University of Foreign Studies. Prof. Dr., Law School, Hankuk University of Foreign Studies.
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Da sich das rechtliche Regelwerk in Korea und Deutschland sowie dessen Handhabung nur sehr wenig unterscheiden (die Kontrolle staatlichen Handelns durch die Judikative ist weitgehend vergleichbar), kann diese Untersuchung für beide Rechtsordnungen hilfreich sein.
II. Konzept wirtschaftlicher Regulierung, deren Funktionen und Grenzen 1. Definition der Wirtschaftsregulierung Unter dem Begriff Wirtschaftsregulierung versteht man staatliche Interventionen in gewerbliche Tätigkeiten, die auf Gewinnerzielung ausgerichtet sind. Die bestehenden Gesetze kennen bezüglich der wirtschaftlichen Regulierungen keine gesetzliche Definition. Jedoch lässt sich der Begriff im Hinblick auf das allgemeine rechtliche System erklären. Im koreanischen Grundgesetz über Verwaltungsregulierung und im Gesetz über besondere Maßnahmen bei Lockerung der Unternehmenstätigkeitsregulierung ist der Begriff Regulierung folgendermaßen definiert: § 2 Abs.1 Nr.1 des Grundgesetzes über Verwaltungsregulierung definiert, dass eine Regulierung „Beschränkung der Rechte der Bürger durch eine Auferlegung von Pflichten seitens des Staates oder einer Verwaltungseinheit darstellt, um bestimmte Verwaltungszwecke zu realisieren, die im Gesetz oder in Rechtsverordnungen festgesetzt sind“. In § 2 Nr. 2 des Gesetzes über besondere Maßnahmen bei Lockerung der Unternehmenstätigkeitsregulierung ist eine Regulierung als „Ausübung der Verwaltungsrechte seitens des Staates oder einer Verwaltungseinheit oder gemäß einer Verordnung oder eine direkte oder indirekte Intervention einer juristischer Person, eines Verbandes oder von Einzelpersonen, die mit Verwaltungsbefugnisse bevollmächtigt sind, um einen bestimmten Verwaltungszweck zu verfolgen“, definiert. Wenn diese Definitionen im Wirtschaftsbereich angewendet werden, könnten sie auch als Definitionen über wirtschaftliche Regulierungen dienen. Die letztere Definition zeigt aber die Problematik, dass praktisch alle Personen als Objekt der Regulierung einbezogen werden können und somit das Regulierungsobjekt unendlich erweitert werden könnte. Demzufolge ist zu beachten, dass diese Definition als eine allgemeine Begriffsbestimmung geeignet ist, aber bei einer Verwendung über den direkten Anwendungsbereich hinaus je nach Situation Standards oder Aktivitäten existieren, die nicht in den Geltungsbereich einbezogen werden können.3 ___________ 3 Kim, Youhwan, Administrative Law and Regulation Policy, Beobmunsa, 2012, p. 124.
Tendenzen der koreanischen Wirtschaftsregulierung und deren Streitpunkte
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2. Funktion und Grenzen der Wirtschaftsregulierung Es gab schon lange die Diskussion, inwiefern der Staat bei der individuellen oder kommerziellen Geschäftstätigkeit mitreden darf. Das beste Beispiel ist Adam Smiths Unsichtbare Hand: Ohne staatliche Kontrolle kann sich ein autonomer Markt durch Eigenmechanismus selbst regulieren. Aber je komplexer ein Markt wird, desto unübersichtlicher wird die Struktur dieses Marktes und eine Eigenregulierung oder Anpassung ist so gut wie unmöglich. Nachhaltiges Wirtschaften kann ebenfalls nicht gewährleistet werden. Daher wurde immer über die Grenze und die Intensität staatlicher Intervention diskutiert. Am repräsentativsten sind die Behauptungen von Hayek und Keynes, wobei Keynes‘ Position oft als Grundlage der Staatsintervention dient. Aber selbst bei einem staatlichen Eingriff wird das Subsidiaritätsprinzip vorausgesetzt. D.h.: Falls sich ein Markt von seinem Marktversagen nicht mehr erholen kann oder selbst wenn eine eventuelle Erholung zu erwarten ist, aber ein erheblicher Schaden unvermeidlich ist, interveniert der Staat. Demnach legt das Subsidiaritätsprinzip den rechtlichen Rahmen der staatlichen Intervention fest. Dies kann genauso bei der Auslegung oder Anwendung des Gesetzes erfolgen. Die juristische Annäherung an das Regulierungssystem allgemein und an die Wirtschaftsregulierung im Besonderen stellt die Funktion der Regulierung heraus. Auf diese Weise werden die formellen und die materiellen rechtsstaatlichen Voraussetzungen der Regulierung herausgearbeitet. Durch diesen Prozess entsteht ein richtiges Regulierungssystem, das auch in die Praxis umgesetzt wird. Das gilt auch im Wirtschaftsbereich. Bezüglich der Grenze der wirtschaftlichen Regulierung wird über deren Zusammenhang mit der Gewährleistung der Grundrechte diskutiert. Die Grundrechtsgarantie sichert die Anwendung der verfassungsrechtlichen Grundsätze (wie des Grundsatzes der Gewährleistung einzelner Grundrechte an sich, der Verhältnismäßigkeit und der Gleichheit). Jedoch ist es sehr bedenklich, dass zur Begründung von Entschädigungsansprüchen die Grundrechte ohne gründliche Überlegungen oder ausreichende rechtliche Grundlage herangezogen wurden. Andererseits kann es im Zusammenhang mit wirtschaftlicher Regulierung zu einer Diskussion über das Versagen der Regierung kommen. Nicht nur die Märkte, sondern auch Regierungen können versagen. Daher muss eine Kontrolle seitens des Marktes über die staatliche Intervention vorgesehen werden. Dort, wo die Regierung versagt hat, muss ein Selbstmechanismus des Marktes in Kraft gesetzt werden, in dem die Interventionsregulierung nicht gilt. Schließlich wird erkennbar, dass die Wirtschaftsregulierung im Spannungsfeld zwischen Staat und Markt steht.
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III. Gesetzliche Grundlage der Wirtschaftsregulierung Nach dem koreanischen Verfassungsgesetz bestehen wirtschaftliche Grundrechte aus der Gewährleistung des Eigentumsrechts (Art. 23 VG), der Berufsfreiheit (Art. 15 VG) usw. Als die grundsätzliche Klausel der Wirtschaftsregulierung dient Art. 119 des Verfassungsgesetzes. Art. 119 Abs. 1 des Verfassungsgesetzes besagt, dass die südkoreanische Wirtschaftsordnung auf der Wahrung der wirtschaftlichen Freiheit und Kreativität der Einzelpersonen und Unternehmen basiert. Nach Absatz 2 strebt der Staat ein ausgeglichenes Wachstum, Stabilität der Volkswirtschaft und eine angemessene Gewinnverteilung an, beugt Missbräuchen ökonomischer Macht des Marktes vor, schafft wirtschaftliche Demokratie, in der ein Einklang zwischen den Wirtschaftsakteuren herrscht, und kann Regulierungs- und Koordinierungsmaßnahmen in der Wirtschaft vorsehen. „Die Wirtschaftsordnung der Republik Korea beruht auf dem Grundsatz der Achtung der wirtschaftlichen Freiheit des Individuums, der Unternehmen und deren schöpferischer Kraft“ (Art. 119 Abs. 1 VG). „Der Staat kann regulierend und koordinierend in die Wirtschaft eingreifen, um ein ausgewogenes Wachstum und die volkswirtschaftliche Stabilität aufrecht zu erhalten, eine ausgewogene Verteilung des Einkommens zu gewährleisten, die Marktmonopole und den Missbrauch wirtschaftlicher Macht zu verhindern, und um die Wirtschaft mittels Harmonie zwischen den wirtschaftlichen Kräften zu demokratisieren“ (Art. 119 Abs. 2 VG)4. Außerdem erklärt der Verfassungsgerichtshof, wie diese Wirtschaftsordnung, die Art. 119 Abs. 1 des Verfassungsgesetzes beschreibt, zu definieren ist: „Die südkoreanische Wirtschaftsordnung basiert sowohl auf dem Privateigentumssystem als auch auf dem freien Markt, der einen freien Wettbewerb respektiert. Gleichzeitig weist sie den Charakter einer Sozialen Marktwirtschaft auf, in der staatliche Regulierung und Koordinierung erlaubt sind, um die begleitenden Widersprüche zu beseitigen und die Sozialwohlfahrt und soziale Gerechtigkeit zu verwirklichen“. Diese Stellungnahme des Verfassungsgerichtshofs scheint mit der allgemeinen Behauptung des Wissenschaftskreises im Einklang zu stehen. Als noch konkretere Bestimmungen sind neben Gewährleistung eines angemessenen Gehaltes, Entsprechung der Arbeitsbedingungen mit Menschenwürde und besonderer Arbeiterschutzbestimmungen für Frauen und Minderjährige vom Art. 32 auch die drei primären Rechte der Arbeiter vom Art. 33 zu nennen. Außerdem behandelt Art. 35 Abs.1 die Umweltschutzpflicht der Unternehmer, die ___________ 4
KLRI, Einführung in das Koreanische Recht, 2008.12, S. 17.
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Wirtschaftsplanung im Art. 120 Abs.2 und Art. 123 Abs.1, Förderung der Verbraucherschutzbewegungen im Art. 124 und Regulierungs- und Koordinierungsbestimmungen im Handel von Art. 125 des Verfassungsgesetzes. Diese Artikel konkretisieren das Prinzip der sozialen Marktwirtschaft nach Art. 119 Verfassungsgesetz. Es gibt verschiedene Einzelverordnungen über die Wirtschaftsregulierung; im jeweiligen Gesetz sind entsprechende gesetzliche Grundlagen zu finden. Die grundsätzlichen Regelungen sind im Grundgesetz über Verwaltungsregulierung enthalten. Um durch Regulierungslockerung über Unternehmenstätigkeiten private Kreativität zu fördern und die Wirtschaftskräfte zu stärken, wurde extra das Gesetz über besondere Maßnahmen bei Lockerung der Unternehmenstätigkeitsregulierung erlassen.
IV. Beispiele für Wirtschaftsregulierung in Korea und Untersuchung der Streitpunkte 1. Missbrauch des Regulierungsrechts – Verfassungsgerichtshof vom 29.7.1993, 89 헌마31 Zum repräsentativsten Beispiel für einen Missbrauch der wirtschaftlichen Regulierungsbefugnis zählt man die Auflösung des Gukje-Konzerns, die im Militärregime durchgeführt wurde. Im Jahr 1984 befand sich der GukjeKonzern, der aus mehreren Tochterunternehmen bestand, in einer finanziellen Notlage. Damals war das Ziel des südkoreanischen Präsidenten eine Mahnung an andere Unternehmen, die erkennen sollten, dass sogar ein Großkonzern im Falle eines Fehlmanagements aufgelöst werden kann. Er plante somit eine Zwangsübergabe der jeweiligen Tochterunternehmen an eine dritte Person. Dieser Plan wurde von der Regierung heimlich durch die Jaeil-Bank, der Hauptgläubigerin dieses Konzerns, vorangetrieben, ohne den betreffenden Gukje-Konzern darüber zu informieren. Es dauerte insgesamt nur zwei Wochen, bis die genannten Tochterunternehmen tatsächlich aufgelöst wurden. Der damalige Finanzminister betonte darüber, dass dies eine normale Maßnahme eines Hauptgläubigers ist, die gegen ein aufgrund des mangelhaften Managements in Not geratenes Unternehmen ergriffen werden kann. Aber der Verfassungsgerichtshof sah hier eine Ausübung öffentlicher Gewalt, die über eine einfache Verwaltungsdirektion weit hinausging. Somit würde dieser Fall von Ausübung öffentlicher Gewalt handeln, was in den Geltungsbereich der Verfassungsbeschwerde fallen würde. Sein Urteil lautete, dass solche Ausübung öffentlicher Gewalt verfassungsrechtlich gegen das Prinzip eines Rechtsstaates und der Marktwirtschaft aus Art. 19 Abs. 1 Verfassungsgesetz und das Prinzip der Nichtintervention in das Recht auf Unternehmensführung gemäß Art. 126 Verfassungsgesetz verstößt. Außerdem weist der Verfassungs-
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gerichtshof bezüglich des Einsatzes öffentlicher Gewalt darauf hin, dass eine staatliche Intervention ohne eine gesetzliche Bestimmung unmöglich ist. Falls sich der Staat ausnahmsweise in einer finanziellen oder wirtschaftlichen Notsituation befindet und die staatliche Intervention für die öffentliche Ordnung vonnöten ist, muss sie durch eine verfassungsrechtliche präsidentielle Notfallshoheit erfolgen. 2. Änderung des Prinzips der Vertragsfreiheit – Verfassungsgerichtshof vom 18.1.2001, 2000헌바7 In Korea wurde das „Zinsgrenzegesetz“ mit dem Ziel, durch das Verbot eines unverhältnismäßig hohen Zinssatzes bei Finanztransaktionen eine optimale Geschäftsordnung auf dem Finanzmarkt zu gewährleisten, in Kraft gesetzt. Das Zinsgrenzegesetz aus dem Jahr 1999 verbot einen Zinssatz über 20% p.a. Das damals angeklagte Kreditkartenunternehmen forderte durch eine Vertragsklausel einen jährlichen Zinssatz von 29%. Die 9% wurden schließlich laut den Bestimmungen des Zinsgrenzegesetzes ungültig. Daraufhin reichte das Kreditkartenunternehmen eine Verfassungsbeschwerde ein, da die betreffenden Verordnungen gegen das Recht auf Wirtschaftstätigkeit oder das Prinzip der Vertragsfreiheit verstoßen würden. Der Verfassungsgerichtshof stellte es demnach erneut klar, dass das Parlament bei Gesetzgebung die Bestimmungen über Wahrung der Menschenwürde aller Bürger und Gewährleistung des Rechts auf Wohlfahrt gemäß Art. 10 Verfassungsgesetz, das Recht auf Menschenwürde gemäß Art. 34 Verfassungsgesetz und die Harmonisierung der Wirtschaftsakteure gemäß Art. 119 Verfassungsgesetz als Grundlage beachten muss und dem Gesetzgeber dabei in Hinsicht auf den Inhalt der Gesetzgebung ein Ermessensspielraum gegeben wird. Außerdem stellte er klar, dass dieses Gesetzes lediglich von einem gesetzgeberischen Mittel zum Schutz wirtschaftlich schlechter gestellter Bürger und nicht von einem Missbrauch des gesetzgeberischen Ermessensspielraums handelt. 3. Konflikt der wettbewerblichen Rechte bei Gewerbetätigkeiten – Seouler Verwaltungsgerichtshof 2012구합11676 Der südkoreanische Lebensmittelmarkt erfährt derzeit einen radikalen Umbruch in struktureller Hinsicht. Dies liegt im steigenden Marktanteil der Großsupermärkte (SSM: Super Supermarket), was aber mit Gewährleistung des Rechts auf Leben der Kleinhändler im engen Zusammenhang steht. Daher stellt § 12 Abs. 1 des Distributionsindustrieförderungsgesetzes fest, dass eine Beschränkung der Öffnungszeiten oder ein pflichtiger Ruhetag festgesetzt werden kann, falls dies für die Herstellung einer Distributionsordnung und für gemeinsames Wachstum der Großmärkte und Mittel- und Kleinhändler
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vonnöten ist. Beschränkung der Öffnungszeiten oder Bestimmung von Ruhetagen können von den Bezirken selbst festgesetzt werden. Demzufolge beschränkten die Seouler Bezirke Gangdong und Songpa die Öffnungszeiten der Großsupermärkte auf die Zeit von 0 bis 20 Uhr und setzten jeden zweiten Sonntag als pflichtigen Ruhetag fest. Die Großkonzerne erhoben dagegen einen Einspruch, worauf dem Kläger Recht gegeben wurde. Aber das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs handelte nicht von der Verfassungswidrigkeit und Gesetzwidrigkeit der betreffenden Bezirkssatzungen. Es wurde nur auf die prozeduralen Punkte nach Distributionsindustrieförderungsgesetz und Verwaltungsverfahrensgesetz hingewiesen. Das Distributionsindustrieförderungsgesetz selbst erlaubt den jeweiligen Bezirksmeistern Ermessensspielräume, selbst über konkretere Beschränkungsmaßnahmen entscheiden zu können. Die betreffenden Bezirkssatzungen erlauben jedoch nach Untersuchung des Verwaltungsgerichtshofes keine solchen Ermessensspielräume der Bezirksmeister und sehen pflichtige Beschränkungen vor, was gesetzwidrig wäre. Außerdem wurde auch darauf hingewiesen, dass bei Festsetzung der Öffnungszeiten und der Ruhetage nach Verwaltungsverfahrensgesetz die Betreffenden nicht vorher informiert und Meinungen der Betreffenden nicht eingeholt wurden. Aber es war umstritten, ob diese Bezirkssatzungen über die Beschränkung an sich gesetzwidrig sind, weshalb die betreffenden Bezirke diese Bestimmungen erneuern und darauf basierende gesetzmäßige Beschränkungsmaßnahmen ergreifen möchten. 4. Zugangsbeschränkung über bestimmte Gewerbetätigkeiten – Verfassungsgerichtshof vom 31.5.2001, 2000헌바43 Im Allgemeinen gilt, dass bei Wirtschaftsregulierung der Marktzugang jedem erlaubt ist, aber die Geschäftstätigkeiten dann auf dem Markt durch Beschränkungsmaßnahmen reguliert werden. Aber für bestimmte Verwaltungszwecke oder zum Schutz des Gemeinwohls werden auch manchmal bereits in der Markteintrittsphase starke Regulierungsmaßnahmen anhand verschiedener Arten von Bewilligungen oder Lizenzen ergriffen. Dies stellt ein sehr heftig diskutiertes Thema dar, weil dadurch das grundlegende Prinzip des freien Zugangs zum Markt verletzt wird. Der Verfassungsgerichtshof stellte in einem Fall im Zusammenhang mit dem Markteintritt der Kabelsender fest, dass Verwaltungsbehörden unter bestimmten Voraussetzungen Bewilligungen erteilen und somit das öffentliche Interesse schützen können, da im Kommunikations- und Medienbereich bestimmte Anlagenstandards unbedingt vonnöten sind. Gleichzeitig wurde auch im Hinblick auf die begrenzte Verbreitungsmöglichkeit der Information und den großen sozialen Einfluss auf die Notwendigkeit der Markteintrittsbewilligung für die gesamten Kabelsender hingewiesen. Bei Vollziehung der Verwaltungsregulierung
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sind den Verwaltungsbehörden durch bestimmte Voraussetzungen keine willkürlichen Aktivitäten erlaubt, was nicht als verfassungswidrig zu sehen ist. 5. Verwirklichung des Gemeinwohls durch Rücknahme des Raumplanungsgewinns – Verfassungsgerichtshof vom 29.9.2005, 2002헌바84, 2008.10.30, 2005헌마222 Auch bei Raumplanung ist staatliche Intervention zur Gewährleistung öffentlicher Interessen zulässig. Aber selbst hier kann keine unendliche Machtausübung des Staates erlaubt werden; sie muss auf ein vernünftiges Maß beschränkt werden. Die Ungültigkeitsbestimmung bei auf Dauer nicht ausgeführter Raumplanung ist ein gutes Beispiel dafür. Wenn ein Grundstück in die Raumplanung mit einbezogen wird, ist der Besitzer der Anlagen auf diesem Grundstück nicht befugt, beliebig Änderungen vorzunehmen. Aber wenn das geplante Projekt auf Dauer nicht ausgeführt wird, ist die Beeinträchtigung des Vermögensrechts zu massiv, weshalb eine angemessene Regulierung vorzusehen ist. Das Verfassungsgericht weist in diesem Zusammenhang mit notwendiger Regulierung auf den Ermessensspielraum des Gesetzgebers und dessen Grenze hin: Erstens ist die Ungültigkeitsbestimmung eine Entscheidung des Gesetzgebers. Zweitens ist der Besitzer des Grundstücks durch die geltenden Bestimmungen nicht ganz aus der Nutzungsmöglichkeit ausgeschlossen; das Vermögensrecht bleibt im gesetzlichen Geltungsbereich erhalten. Es handle immer noch von einer sozialen Beeinträchtigung. Drittens ist es so geregelt, dass die Ausübung des Vermögensrechtes möglich ist, indem dem Besitzer des Grundstücks bei umfassenderen Regulierungen das Verkaufsrecht auszuüben erlaubt wird. Aus diesen Gründen sei diese Raumplanung mit den damit verbundenen Maßnahmen nicht unverhältnismäßig.5 Jedoch sieht § 30 Abs. 2 des Altstadtsanierungsgesetzes vor, dass im Falle eines Neubaus alter Wohnungen nur innerhalb von 25% der eigentlichen Geschossflächenzahl eine Mietwohnung gebaut werden kann. Diesbezüglich brachte der damalige Verband des Neuaufbauprojekts eine Verfassungsbeschwerde ein, dass ihr Vermögensrecht durch solche Bestimmungen verletzt werde. Der Verfassungsgerichtshof stellte daraufhin fest, dass beim Bau von Mietwohnungen der ohne soziale Gegenleistung erzielte Gewinn durch den Staat wieder zurückgefordert werden muss, um das Spekulationspotenzial solcher Wohnungen zu beseitigen und die Wohnstabilität der Mieter vor einem eventuellen Fehlangebot an Wohnungen anzustreben. Daher würde eine solche Beschränkung den Prinzipien wie der Gesetzmäßigkeit des Zwecks, Angemessenheit der Mittel und des Gleichgewichtes dem Recht entsprechen. Dieses Ur___________ 5
Verfassungsgerichtshof vom 29.9.2005, 2002헌바84.
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teil ist von einem sozioökonomischen Standpunkt betrachtet eine grundlegende Auslegung der Verfassung und dient gleichzeitig als eine gute Maßregel vor Zerstörung der Marktordnung und des Gewinnverteilungssystems aufgrund spekulativer Nachfragen.6 6. Angemessene Harmonie der Wirtschaftskräfte – Koexistenzpolitik (Win-Win Policy) von Commission on Shared Growth for Large and Small Companies Die jetzige Regierung gründete im Dezember 2010 die Commission on Shared Growth for Large and Small Companies, um die Industrieordnung und ein gemeinsames Wachstum von Großkonzernen und Mittel- und Kleinunternehmen trotz unterschiedlicher Wirtschaftskräfte zu erreichen. Die gesetzliche Grundlage dieser Kommission ist § 20 Abs. 2 des Gesetzes über Förderung der Kooperation von Groß-, Mittel- und Kleinunternehmen. Dieses Gesetz setzt fest, dass die Kommission für folgende Zwecke gegründet wurde: Sie soll einen Konsens über das gemeinsame Wachstum von Groß-, Mittel- und Kleinunternehmen im zivilen Kreis erzielen und die Kultur der Koexistenz schaffen und verbreiten. Die Gründung der Kommission hat den Hintergrund, dass die Industrialisierung von Korea im Vergleich zu Deutschland mit Großkonzernen im Mittelpunkt als eine Staatsstrategie vorangetrieben und es daher zu einer übermäßigen Wirtschaftsdominanz der Großkonzerne kam. Besonders wird angestrebt, dass Mittel- und Kleinunternehmen nicht zu einfachen Teilproduktherstellern der Großkonzerne werden und die Struktur der koreanischen Industrie verbessert wird, da viele Großkonzerne in die traditionellen Hauptbereiche der Mittelund Kleinunternehmen eindringen. Als Ergebnis wurde im September 2011 von der Kommission Folgendes beschlossen: Im Waschmittelgeschäft wurde ein gänzlicher Rückzug, im Bereich Wellpappenkisten und Gussformen aus Plastik eine Eintrittsbeschränkung und im Bereich scharfer Bohnenpaste und Sojasoße Zurückhaltung bei Expansion empfohlen. In der Dienstleistungsindustrie werden momentan für Mittel- und Kleinunternehmen vorteilhafte Bereiche ausgewählt. Aber diese Empfehlungen sind nur eine Art von weichen Normen und daher auf freiwillige Kooperation der Großkonzerne angewiesen. Der Grund für diesen Empfehlungscharakter ist die Gewährleistung der Gewerbefreiheit.
___________ 6
Verfassungsgerichtshof vom 30.10.2008, 2005헌마222.
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7. Konflikt zwischen den Befugnissen der Verwaltungsbehörden und informelles Verwaltungshandeln – Fair Trade Commission vs Financial Services Commission a) Administrative Regulierung durch informelles Verwaltungshandeln Die Verwaltungsleitung (Gyoseishido, 行政指導) als informelles Verwaltungshandeln ist ein Instrument der wirtschaftlichen Regulierungen, das häufig genutzt wurde. Die ursprüngliche Definition des genannten Instruments ist, Wirtschaftstätigkeiten mit Zustimmung der Betroffenen in eine bestimmte, gewünschte Richtung zu lenken. Die Verwaltungsleitung ist formell nicht autoritativ, ihre Interventionsmaßnahmen weisen jedoch aufgrund der bestehenden Machtverhältnisse zwischen den Parteien de-facto einen verbindlichen Charakter auf. Die FSC (Financial Services Commission) forderte in diesem Fall von betreffenden Banken eine Zusammenarbeit für eine Höherstufung des Zinssatzes bei Haushypothekendarlehen. Allerdings betrachtete die FTC (Fair Trade Commission) dies als eine unfaire Handelspraktik, weil eine solche Zinssatzänderung nach Diskussionen zwischen den Banken erfolgte.7 Die Banken beschwerten sich aber, weil dies durch der Verwaltungsleitung der Financial Service Commission durchgeführt wurde und die Banken dabei nur ihre Zustimmungen abgaben. Die FTC jedoch sah ihr Handeln als gerechtfertigt, da § 19 Abs. 5 des Fair-Trade-Gesetzes die Annullierung der „Absprache“ allein wegen einer Verwaltungsleitung als Verwaltungsakt nicht anerkennt. Zudem erwies sich die Verwaltungsleitung als nicht anwendbar auf die vertretbaren Bedingungen gemäß § 58 desselben Gesetzes.8 Es ist nicht schwer, solche Beispiele zu finden. Als aufgrund des überhitzten Wettbewerbs zwischen den Versicherungsunternehmen die Marktordnung zerstört wurde, forderte die FSC von den Versicherungsunternehmen, Verbesserungsvorschläge abzugeben. Demzufolge einigten sich die Versicherungsunternehmen auf eine Beitragsanpassung, indem sie ihre Prämien auf einem bestimmten Niveau hielten. Nach diesem Beschluss wurden die Unternehmen aber sanktioniert. Sie beschwerten sich, weil dies nur ein Ergebnis der administrativen Leitung durch die FSC war. Der Oberste Gerichtshof aber lehnte diese Behauptung ab, da die Verwaltungsleitung lediglich eine grobe Empfehlung gab und dies keinen konkreten Verwaltungsakt darstellt. Daher wäre diese ___________ 7
FTC Fallnummer 2005조4247, 4248, 2005조기4249. Choi, Seung Pil, Relationship between Sectoral Regulator and General Regulator in Financial Industry Centring on Double Regulation, Journal of Legislation Research, 35th Issue, p. 306-321. 8
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Absprache nicht als rechtlich vertretbar und als eine gerechtfertigte Handlung zu betrachten.9 b) Konflikt zwischen Sonderregulierungs- und allgemeinen Regulierungsbehörden Wichtig ist in diesem Fall, dass hier ein Konflikt zwischen einer Sonderregulierungsbehörde und einer allgemeinen Regulierungsbehörde gegeben war. Während eine von der Regierung beauftragte Agentur in bestimmten Bereichen den Status einer spezialisierten Sonderregulierungsbehörde hat, spielt die FTC die Rolle einer allgemeinen Regulierungsbehörde für die Handelsordnung und besonders in Bereichen mit Wettbewerb. Hierdurch entsteht ein Konflikt in den überlappenden Bereichen. Die FSC hat die Aufgabe, „vernünftige Verhältnisse der Transaktionspraktiken herzustellen und faire Finanztransaktionen zu erreichen, sowie Verbraucher zu schützen...“, wie im § 1 des Gesetzes über die Financial Service Commission beschrieben ist. Außerdem ist sie befugt, den Wettbewerb im Finanzsektor zu überwachen. Dagegen argumentierte die FTC, als die zuständige Hauptbehörde auf Grundlage des Fair-Trade-Gesetzes befugt zu sein, gegen die betreffenden Banken Strafen zu verhängen. Letzten Endes wurde der Konflikt über Kompetenzbereiche nicht durch einen gesetzlichen Prozess gelöst. Es wurde nur eine Absichtserklärung unterschrieben, nach der die beiden Behörden künftig im Vorhinein um Kooperationen ersuchen werden. Im Regulierungsbereich hat eine Sonderregulierungsbehörde den Vorteil der Spezialisierung. Das Problem einer Sonderregulierungsbehörde ist jedoch, dass solche Behörden Gefahren wie „Capture-Phänomen“ oder „DrehtürenPersonalverwaltung“ ausgesetzt werden könnten. Daher ist es wichtig, die jeweiligen Kompetenzbereiche vorher genau festzulegen und diese Kompetenzen bei der Gesetzgebung klarzustellen, so dass der Umfang der Kompetenzen der jeweiligen Behörden vorweg deutlich dargestellt wird. Der Mangel an Transparenz kann durch eine doppelte Regulierung zu einer negativen Auswirkung führen.10
___________ 9
Der Oberste Gerichtshof vom 26.5.2011, 2008두20376. Goodhart/Hartmann/Lleewellyn/Rojas-Suárez/Wisbrod, Routledge, 1998, p. 156. 10
Financial
Regulation,
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8. Investitionsbeschränkung in Industriebereichen – Trennung von Finanz- und Industriesektoren In einigen Fällen sind Investitionstätigkeiten in bestimmten Industriebereichen beschränkt. Eines der tiefgreifendsten Beispiele hierfür wäre die Trennung des Finanz- vom Industriesystems. § 15 Abs. 2 des einschlägigen Gesetzes stellt fest, dass ein Unternehmen, das nicht auf den Finanzbereich fokussiert, ohne die Genehmigung der FSC kein kontrollierender Aktionär einer Bank (mit einer Ausnahme von regionalen Banken) werden oder durch Ernennung oder Entlassung von Führungskräften mehr als 4% der Aktien erwerben und so sich in die Unternehmensführung einmischen darf. Dies hat den Zweck, die Banken vor Missbrauch als ein „privates Sparschwein“ industrieller Metropolen zu schützen. Dies ist wiederum wesentlich für die Banken selbst, um die Solidität im Finanzsektor aufrecht zu erhalten. Dieser Fall stellt ein Beispiel für eine intensive Regulierung zum Zweck des Schutzes gravierender privater und öffentlicher Interessen an einem soliden Finanzsystem dar. 9. Standardsetzung im Handel auf Basis von zukunftsorientierten Entscheidungen – DTI, LTV Die DTI (Debt to Income)-Verordnung bezieht sich auf die Begrenzung des Kredits, sodass der Tilgungsbetrag einen bestimmten Anteil an Einkommen nicht übersteigen darf. Im Jahr 2007 stieg die Nachfrage nach Haushypothekendarlehen explosiv. Darauf stieg einerseits die spekulative Nachfrage nach Immobilien rasant, andererseits stieg die Nachfrage aus der Befürchtung um Preisanstieg. Das Ergebnis war eine negative Kettenreaktion, die die Immobilienpreise weiter nach oben drängte. Als Gegenmaßnahme wurde die DTI-Verordnung in den gesamten Immobilien-Hypotheken-Markt eingeführt. Dies war eine Intervention durch den Staat, um die Nebeneffekte erhöhter Preise zu verhindern. Heute wird die DTI positiv bewertet und gelobt, zur Stabilisierung des koreanischen Immobilienmarktes in der Subprime-Krise einen großen Beitrag geleistet zu haben. Die LTV (Loan to Valute ratio) wurde eingeführt, weil sich die Kredite, die auf Basis von überhöhten Immobilienpreisen von 2007 vergeben werden, künftig auf die Immobilien- und Finanzmärkte negativ auswirken könnten. Nach diesem System wird eine Hypothek nur von 50% bis 70% anerkannt, je nach Laufzeit und Immobilienpreis. Da solch zukunftsorientierte Wirtschaftsregulierungsmaßnahmen auf Prognosen zur nationalen Konjunktur basieren, unterscheiden sie sich von vergangenheitsorientierten Maßnahmen. Jedoch wurde auf die Problematik hingewiesen, dass diese Maßnahmen keine gesetzliche Grundlage haben und nur auf
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administrativen Überwachungsregeln der Banken basieren, obwohl sie Geschäftstätigkeiten der Finanzinstitute kontrollieren und bei Verstößen auch Sanktionen verhängen. Somit wurde kritisiert, dass diese Regulierungsmaßnahme das Gesetzmäßigkeitsprinzip der Verwaltung verletzt.
V. Veränderung des Wirtschaftsregulierungsumfeldes und Paradigmenwechsel 1. Lockerung der Eintrittsregulierung und Verstärkung nachträglicher Regulierung Die Regierung setzte sich zum Ziel, die Regulierung bei Markteintritt zu lockern. Dies wäre eine der Maßnahmen zur Konjunkturankurbelung. In dieser Legislaturperiode, in der ein ehemaliger Unternehmer als Präsident im Amt ist, wurde diese Bewegung der Regulierungslockerung von der Gesetzgebung beschleunigt. Als wichtigste Methoden zur Regulierungslockerung sind Abschaffung von Regulierungen, Entbürokratisierung doppelter Regulierung, Lockerung von Markteintritt, Verstärkung nachträglicher Regulierungen einschließlich von Sanktionen und Einführung von Sunset-Law zu nennen. Es gibt aber schon Befürchtungen, dass die Lockerung zu schnell erfolgt. Besonders wurde in letzter Zeit das von diversen Freihandelsabkommen abgeleitete Regulierungsniveau im Inland gültig, was aber selbst bei Problemen aufgrund der Ratchet Clause nicht rückgängig zu machen ist und sogar eine Gegenmaßnahme erschwert. 2. Aufhebung des Positivsystems und Wechsel zum Negativsystem Es sind grob zwei Systeme bei der Festsetzung von Regulierungen zu unterscheiden: Das Positivsystem und das Negativsystem. Das erstere erlaubt keinen Verstoß gegen Grundprinzip, aber eine Ausnahme sehr wohl. Das Letztere erlaubt hingegen Verstöße gegen das Grundprinzip, aber keine Ausnahmen. Die letztere Methode wird häufig bevorzugt, weil sie dem Zweck der Lockerung entspreche. Auch bei Investitions- oder Freihandelsabkommen (BIT: Bilateral Investment Treaty or FTA: Free Trade Agreement) wird diese Methode häufiger verwendet, um die Regulierung bei Geschäftstätigkeiten oder Warenhandel aus dem Partnerland zu lockern. Während dieses System den Vorteil der Förderung ziviler Kreativität hat, hat es auch den Nachteil, dass dies zu einer übermäßigen Lockerung führen könnte. Daher sollte die Größe des Gemeinwohls z.B. an Umwelt oder öffentliche Sicherheit genau gemessen und die anzuwendende Methode sorgfältig ausgewählt werden. Um eventuelle Risiken zu beseitigen, sollen die Betroffenen der nachträglichen Regulierung genau in der Verordnung festgesetzt und bei Verstößen Sanktionen verhängt werden.
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Das Negativsystem wird momentan in den folgenden Bereichen angewendet: § 3 des Kapitalmarktkonsolidierungsgesetzes setzt den Umfang des Finanzinvestitionsproduktes als Fälle mit Verlust am Investitionskapital fest. Ohne besondere Verbote sind alle Arten von Finanzinvestitionen möglich. § 4 des Gesetzes zur Förderung von Auslandsinvestitionen nennt Bereiche, in denen ausländische Investitionen verboten sind. Außer diesen genannten Ausnahmen darf beliebig investiert werden. Im § 11 des Gesetzes zur Förderung der Investitionsausbildung und Kooperation zwischen Industrie und Wissenschaft sind Bereiche genannt, in denen Schulunternehmen nicht gewerblich tätig werden dürfen. Ansonsten können die Universitäten beliebig Schulunternehmen führen. 3. Regulierung durch finanzielle Anreize – Zuschusszahlungen Regulierung durch finanzielle Anreize wurde als eine neue Form der Regulierung implementiert. Um wirtschaftliche Tätigkeiten in eine bestimmte Richtung zu lenken, werden bestimmte Kriterien vom Staat vorgeschlagen und Subventionen oder Zuschusszahlungen werden angeboten, wenn diese Kriterien erfüllt werden. Diese funktionieren jedoch als eine indirekte Regulierung, falls die Zuschüsse nicht gezahlt werden. Das wäre zum Beispiel bei Subventionen für Unternehmen mit umweltbezogenen Kriterien oder installierten Umweltanlagen der Fall. Oder um die Entwicklung neuer Technologien in Mittel- und Kleinunternehmen zu fördern, werden bei Technologieinvestitionen Zuschüsse gezahlt. Diese sind staatliche Subventionen mit staatlichen Fonds, Steuererlässen, langfristigen Darlehen mit niedrigem Zinssatz und Garantie-Systeme, usw. 4. Internationale Normen und Wirtschaftsregulierung – Globalisierung der Wirtschaftsregulierung Es gibt im Wirtschaftsbereich schon lange keine geographischen Grenzen zwischen den Staaten. Besonders bei multikulturellen Unternehmen macht es keinen Sinn, die Nationalität des Unternehmens zu definieren. Dies gilt genauso bei Wirtschaftsregulierung. Mit Intensivierung internationaler Transaktionen sollten die jeweiligen Normen auf internationaler Ebene im Einklang stehen. Ein unverhältnismäßig hohes Regulierungsniveau wird wegen Verletzung von Freihandelsabkommen sanktioniert. Die WTO und die Freihandelsabkommen bilden den Rahmen der globalisierten Wirtschaftsregulierung. In der WTO stellen das GATT und GATS den Kern für behördliche Regulierungsmaßnahmen in Bezug auf Handelstransaktionen im internationalen Waren- und Dienstleistungshandel. Solche internatio-
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nalen Normen kann man als Teil eines Norm-Systems betrachten, das den Rahmen der momentanen Wirtschaftsregulierung im In- und Ausland bildet.11 Besonders führt der intensivierte Markteintritt ausländischer Unternehmen in den inländischen Markt neue Veränderungen herbei. Mit ausländischen Unternehmen oder Betrieben im Inland muss das Regulierungsniveau nach dem Prinzip der Reziprozität, das von FHA abgeleitet wird, angepasst werden. Festsetzung einseitiger Regelungen könnte aufgrund der erhöhten Wahrscheinlichkeit des Vereinbarungsverstoßes zu einem Streit im ISD (Investor Staat Dispute-System) werden. 5. Verschmelzung und Vereinheitlichung der Regulierungssysteme zwischen Branchen Traditionell gab es für jeden Industriezweig ein entsprechendes Regulierungsgesetz. Mit dem Sturz der sogenannten ‚Iron Wall‘ wurden jedoch diese branchenorientierten Gesetze wieder funktionsorientiert umstrukturiert, wobei Konflikte zwischen den jeweiligen Regulierungsbestimmungen unvermeidlich waren. Die typischen Bereiche dafür sind das Finanzwesen und der Rundfunkund Kommunikationsbereich. Im Falle des Finanzsektors gab es drei Unterkategorien: Bank, Börse, Versicherung. Für jede Kategorie existierten jeweils ein anzuwendendes Regulierungsgesetz und spezialisierte Regulierungsorgane. Aber aufgrund der Interdependenzen der Finanzsektoren wurden alle Regulierungsorgane bereits im Jahr 1999 wie in den anderen Ländern zum jetzigen FSC (Financial Supervisory Commission) und FSS (Financial Supervisory Service) als Aufsichtsbehörde für Finanzmarkt zusammengeschlossen.12 Auch im Bereich Finanzprodukte verschwanden die Barrieren de facto aus dem Markt, da langsam neue Finanzprodukte wie „Bancasurance“ entstanden, „loan-deposit margin“ im Börsenbereich eingeführt und Investitionsarbeiten von Banken übernommen wurden. Das typische Beispiel ist das Kapitalmarktgesetz von 2009, das alle Branchenbarrieren bezüglich der Finanzinvestitionen abschaffte. Dieses Gesetz ist mit dem australischen „Financial Service Reform Act 2001“ und mit dem britischen „Financial Service and Market Act 2000“ vergleichbar. Dieses Gesetz ist auch auf die neue Zuordnung der Regulierung fokussiert: von einem produktorientierten zu einem funktionsorientierten System. ___________ 11 Kim, Haeryoung, The Scope and Limitation of economic regulation, Journal of KPLA, Vol. 30(No. 4), p. 358. 12 Während der Währungskrise in Korea in den Jahren 1997 und 1998 wurde der Finanzmarkt wesentlich liberalisiert und reorganisiert nach IWF (IMF) ‚Conditionality‘. Das ‚Conditionality‘ bedeutet eine Voraussetzung der Finanzierung in Korea.
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Gleiches gilt für den Rundfunk- und Kommunikationsbereich. Damals funktionierten die Rundfunkindustrie und die Informations- und Kommunikationsindustrie als zwei ursprünglich getrennte Bereiche. Aber seit Medieninhalte durch Internet verbreitet und im TV-Bereich internetbasierte IP-TV verwendet werden, werden die beiden Bereiche rasant integriert. Auch hier war mit Konflikten zu rechnen. Bei den ursprünglichen Aufsichtsbehörden waren die Ressorts getrennt: Das Kulturministerium war für den Rundfunkbereich, das Ministerium für Information und Kommunikation war für den Kommunikationsbereich zuständig. Im Jahr 2007 wurde aus diesen beiden Aufsichtsbehörden das unabhängige KCC (Korea Communication Commission) gegründet und die jeweiligen Regulierungsfunktionen wurden vereinheitlicht. Wie die genannten Beispiele ändern sich die Funktionen der Regulierungsorgane von der „polizeilichen“ Funktion zu der eines Regulators. Außerdem entstehen daraus auch neue Aufgaben für das Kartellamt, da die Marktintegration auch auf die Wirtschaftsregulierung einen Einfluss ausübt: Angesichts der Beschleunigung von Fusionen und Übernahmen werden die Fusionen von Großunternehmen im Hinblick auf einen möglichen Missbrauch der Marktposition oder auf mögliche Wettbewerbsbeschränkungen hin überprüft. All dies erfolgt nicht in zwei ungleichartigen Bereichen, sondern im integrierten Zustand
VI. Schlussbetrachtung Jedes Regulierungssystem entsteht vor dem historischen und kulturellen Hintergrund eines Landes, wie die historische Rechtsschule ihres Gründers von Savigny bereits im 19. Jahrhundert deutlich gemacht hat. Der Gesetzgeber bringt seinen Willen auf dieser Basis zum Ausdruck. Die Entstehung und Analyse des Regulierungssystems jedes Landes basiert also auf damaligen Situationen. Beispiele dafür wären Missbrauch des Regulierungsrechtes unter der Militärregierung, Bodennutzungsregulierung aufgrund kleiner Landflächen und Festsetzung der Regulierungsbestimmungen im integrierten Rundfunk- und Kommunikationsbereich. Nun erfährt das südkoreanische Regulierungssystem durch internationale Freihandelsabkommen, die für die flächenmäßig kleine koreanische Halbinsel essenziell sind, große Veränderungen. Manche nennen dies als eine Globalisierung des koreanischen Regulierungssystems. Aber das wichtigste Prinzip bei der Ausgestaltung des Regulierungssystems bleibt in jedem Land unverändert: Gewährleistung der Grundrechte, Sicherstellung der materiellen und formellen Legitimität bei staatlicher Intervention,
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Übereinstimmung mit verfassungsrechtlichen Grundprinzipien und der Marktwirtschaftsordnung. Daher ist es notwendig und sinnvoll, ein solches Regulierungssystem auf der Basis dieser grundlegenden Prinzipien zu überprüfen und es gemäß dem neuen Regulierungsumfeld anzupassen und aufzustellen.
Aktuelle Entwicklungen der Finanzmarktaufsicht in Europa Von Josef Ruthig* Krisen sind eine Herausforderung für das Recht, auf die es mit dynamischen, bisweilen revolutionären Entwicklungen reagiert. Die Finanzkrise belegt dies in besonderer Weise. Galt das Recht der Finanzmarktaufsicht zuvor als eher arkanes Betätigungsfeld weniger Praktiker und der öffentlich-rechtlichen Wissenschaft allenfalls als Randerscheinung des Gewerberechts, so hat sich dies seit 2009 grundlegend geändert. Spätestens die European Banking Authority, die am 1.1.2011 als eine der drei europäischen Aufsichtsbehörden (ESA – European Supervisory Authorities) ihre Tätigkeit aufgenommen hat1, katapultierte ___________ * Erweiterte und aktualisierte Fassung des Vortrags. Der Verfasser dankt den Rechtsanwälten Andreas Steck, Florentine Braun-Lorenz und Janis Petrowsky (Linklaters Frankfurt), den Studierenden des Schwerpunkts Wirtschaft und Verwaltung sowie Teilnehmern der dt-österr. Seminare zum europäischen Wirtschaftsrecht aus Mainz und Graz für vielfältige Anregungen. 1 Zur neuen Aufsichtsstruktur vgl. Ohler, in: Ruffert, Europäisches Sektorales Wirtschaftsrecht, 2012, § 10 Rn. 103 ff. sowie die Überblicksaufsätze von Rötting/Lang, EuZW 2012, 8; Kämmerer, NVwZ 2011, 1281; Hartig, EuZW 2012, 775; Weber, NJW 2012, 274; zur Entwicklung Hopt, NZG 2009, 1401 ff. Zur ökonomischen Analyse der Probleme wird im Folgenden vor allem auf den Larosière-Bericht Bezug genommen veröffentlicht von der Kommission unter: http://ec.europa.eu/internal_market/finances/docs/de_larosiere_report_de.pdf. Die im Oktober 2008 von Kommissionspräsident Barroso unter Leitung des früheren IWF-Präsidenten Jacques de Larosière eingesetzte Expertengruppe sollte Vorschläge entwickeln, um angesichts der in der Finanzkrise zu Tage getretenen Probleme die Finanzmärke effizienter zu ordnen. Sie hat am 25.2.2009 ihre ersten Ergebnisse vorgelegt, die seitdem die europäische Diskussion maßgeblich prägen. Die Kommissionsmitteilung KOM(2009) 252 vom 27.5.2009 stellte die Pläne für die Umsetzung des Larosière-Berichtes vor und griff insbesondere den Vorschlag auf, europäische Regulierungsagenturen zu errichten; ihr folgten im September 2009 entsprechende Gesetzesvorschläge; KOM(2009) 499: Vorschlag für eine Verordnung über die gemeinschaftliche Finanzaufsicht auf Makroebene und zur Einsetzung eines Europäischen Ausschusses für Systemrisiken; KOM(2009) 500: Vorschlag für eine Entscheidung des Rates zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Funktionsweise des Europäischen Ausschusses für Systemrisiken auf die Europäische Zentralbank; KOM(2009) 501-530: Vorschlag für die Verordnungen zur Einrichtung einer Europäischen Bankaufsichtsbehörde, einer Europäischen Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung sowie einer Europäischen Wertpapieraufsichtsbehörde. Die Kompetenzen dieser Agenturen wurden in den parlamentarischen Beratungen weiter gestärkt.
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es in die Tagespresse und das allgemeine Bewusstsein. Der eigentlich medizinische Begriff des Stresstests wurde denn auch von der Gesellschaft für deutsche Sprache zum Wort des Jahres 2011 gekürt, woran neben Bahnhöfen und Atomkraftwerken die EBA sicherlich den größten Anteil hatte. Auch aus juristischer Sicht verdienen die Stresstests gleich in mehrfacher Hinsicht besondere Aufmerksamkeit, zeigt sich doch an ihnen die zunehmende Europäisierung von Verwaltungskompetenzen, aber auch die Verschiebung des Steuerungsinstrumentariums. Die Stresstests waren freilich nur die Spitze des Eisbergs. Das Finanzmarktaufsichtsrecht wurde, so die Grundthese der folgenden Ausführungen, aus einer gewerberechtlich geprägten Aufsicht über einzelne Akteure und Transaktionen zur umfassenden Systemkontrolle umgebaut, innerhalb derer sich zugleich die Gewichte nach Europa verschieben, wie nicht erst die angestrebte „Bankenunion“ deutlich macht. Diese These soll im Folgenden näher begründet werden, wobei sich die angeführten Beispiele auf Bankaufsichtsrecht im engeren Sinn beschränken2. Zugleich versteht sich der Beitrag bewusst als spezifisch „öffentlichrechtlicher“ Blick auf diese Fragen. Die zu skizzierende Entwicklung ist keine nationale, nicht einmal eine europäische. Sie begann im Sommer 1988. Mit der Baseler Eigenkapitalübereinkunft (Basel I) wurde erstmals ein international einheitlicher Eigenkapitalgrundsatz für die mit Adressenausfallrisiken verbundenen Geschäfte festgelegt, der in über 100 Staaten der Welt zur Anwendung kam3. Die anschließende Harmonisierung von Aufsichtskulturen und -maßstäben war zunächst – wie die allgemeine öffentlichrechtliche Diskussion der 1990er Jahre auch – vom Streben nach Deregulierung geprägt, die nicht erst seit der Finanzkrise aus unterschiedlichen Gründen von einer verstärkten (Re)regulierung abgelöst wurde. ___________ 2 Ausgeklammert bleiben die Maßnahmen zur Bankenrettung, die für die nationalen Haushalte Risiken in bisher nicht gekanntem Ausmaß geschaffen und die Frage nach der Budgethoheit der Parlamente aufgeworfen haben. Schon begrifflich handelt es sich nicht um Aufsichtsmaßnahmen, auch wenn die Übergänge angesichts der mit den Rettungsmaßnahmen verbundenen Auflagen eher fließend sind und es das erklärte Ziel der Modernisierung des Aufsichtsrechts ist, solche staatlichen Garantien künftig zu vermeiden. Auf europäischer Ebene befasste sich die Kommission mit diesen Fragen vor allem in beihilferechtlichen Mitteilungen, vgl. insbes. die Mitteilung der Kommission v. 6.11.2011 über die Anwendung der Vorschriften für staatliche Beihilfen auf Maßnahmen zur Stützung von Banken im Kontext der Finanzkrise ab dem 1. Januar 2012, Abl: C 356/7. 3 Vgl. zur Entwicklung Kolassa, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, BankrechtsHandbuch, 4. Aufl. 2011, § 135 Rn. 14 ff. (insb. Rn. 25 ff.) m.w.N. Der Baseler Ausschuss besteht aus Mitgliedern aus Argentinien, Australien, Brasilien, China, Hongkong SAR, Indien, Indonesien, Japan, Kanada, Korea, Mexiko, Russland, Saudi Arabien, Singapur, Südafrika, der Schweiz, der Türkei, den Vereinigten Staaten und neun EUMitgliedstaaten: Belgien, Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg, den Niederlanden, Schweden, Spanien und dem Vereinigten Königreich.
Aktuelle Entwicklungen der Finanzmarktaufsicht in Europa
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Bei der durch die Krise angestoßenen Evaluierung der bisherigen Aufsichtsstruktur wurde nicht nur ein partielles Versagen der (nationalen) Aufsichtsbehörden, sondern vor allem auch eine entscheidende Aufsichtslücke ausgemacht: Selbst wenn alle Finanzinstitute isoliert betrachtet die Anforderungen der Finanzaufsicht erfüllen, können Systemrisiken entstehen4. Selbst dort, wo Systemrisiken erkannt wurden, fehlten die Instrumente zu ihrer Korrektur. Über die Notwendigkeit einer effektiven und europaweiten makroprudenziellen Aufsicht bestand spätestens seit den Anstrengungen um die Bewältigung der Finanzkrise Einigkeit5.In der EU ist diese Aufsicht Aufgabe des bei der EZB angesiedelten Europäischen Ausschusses für Systemrisiken (ESRB)6, ähnliche Gremien wurden in den G 20-Staaten eingerichtet, auch wenn die Zuständigkeiten etwa des US-amerikanischen Financial Stability Oversight Council (FSOC) oder des britischen Financial Policy Committee (FPC) divergieren. Der Europäische Ausschuss für Systemrisiken hat keine genuinen Entscheidungskompetenzen, kann zwar Stresstests durchführen, Warnungen und Empfehlungen abgeben, soll aber vor allem den politischen Entscheidungsprozess begleiten. Daher wird seine Bedeutung in erster Linie von der tatsächlichen Überzeugungskraft der Argumente abhängen. Die folgenden Ausführungen beschränken sich auf die sog. mikroprudenzielle Aufsicht, die sich mit der Geschäftstätigkeit eines konkreten Instituts befasst7 und konzentrieren sich dabei auf die sozusagen „allgemein-verwaltungsrechtliche“ Dimension dieser Aufsicht. Ausgeklammert werden also die „klassisch bankrechtliche“ Seite etwa der konkreten Ausgestaltung von Eigenkapitalanforderungen, in denen man eine der zentralen Auslöser der Finanzkrise sehen kann8 genauso wie die Frage der Regulierung bestimmter Finanzprodukte9 und weiterer Akteure, insbesondere der sog. Schatten- bzw. Parallelbanken10. ___________ 4 Den Begriff und seine Genese überblicksmäßig zusammenfassend de Band/Hartmann, Systemic Risk: A Survey, Working Paper der EZB Nr. 35 (2000), veröffentlicht unter http://www.ecb.int/pub/pdf/scpwps/ecbwp035.pdf. Zum damit zusammenhängenden Begriff der Systemrelevanz später. 5 s. nur die einführenden Bemerkungen von Mülbert, JZ 2010, 834 im Begleitaufsatz zum 68. DJT, die aus dem Programmheft zitieren. 6 Näher zur makroprudenziellen Aufsicht Baur/Boegl, BKR 2011, 177; Hartwig, EuZW 2012, 775. 7 Dazu Kämmerer, NVwZ 2011, 1281 f. 8 s. nur den Larosière-Bericht Rn. 25. 9 Die Beispiele sind Legion. S. nur die geplante Einführung EU-weit einheitlicher Basisinformationsblätter zu Anlageprodukten (PRIPs), die Kleinanlegern vor dem Kauf eines Anlageprodukts (z.B. einem Investmentfonds) zur Verfügung gestellt werden und einen standardisierten Aufbau haben sollen, vgl. den Vorschlag über eine Verordnung zu Basisinformationsblätter für Anlageprodukte vom 12.7.2012, KOM(2012) 352 oder den Referentenentwurf vom 27.7.2012 über ein Hochfrequenzhandelsgesetz, vgl. http:// www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Publikationen/Aktuelle_Gesetze/Referen
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Europäische Finanzmarktaufsicht vollzieht sich seit 2011 im Zusammenspiel zwischen den zuständigen nationalen Behörden und den drei Europäischen Aufsichtsbehörden (ESA), darunter der European Banking Authority (EBA). Alle genannten Institutionen zusammen bilden das sogenannte Europäische System für die Finanzaufsicht (ESFS), zu denen nach den derzeitigen Plänen ab 2014 die Europäische Zentralbank hinzu tritt, die außer ihren Aufgaben als Währungshüter auch solche der Bankenaufsicht übernehmen soll. Diese europäische Aufsichtsstruktur lässt sich aber nur angemessen beurteilen, wenn man sich zunächst die Grundprinzipien des geltenden (materiellen) Bankaufsichtsrechts vergegenwärtigt.
I. Grundlagen: Der aufsichtsrechtliche Paradigmenwechsel 1. Von punktueller Gewerbeaufsicht zur Systemkontrolle Während dieser Jahrzehnte seit dem Beginn des Basel-Prozesses vollzog sich ein grundlegender Paradigmenwechsel, der das Recht der Finanzmarktaufsicht schließlich zu einem zentralen Kernbereich eines – zugegebenermaßen weit verstandenen11 – Regulierungsrechts hat werden lassen12: Selbst die Kritiker eines solchen weiten Regulierungsrechtsbegriffes erkennen an, dass Finanzmarktaufsicht sich zu einer weit über die klassische Gewerbeaufsicht hinausreichenden Systemkontrolle entwickelt hat.
___________ tenentwuerfe/2012-07-27 hochfrequenzhandelsgesetz_anlage.pdf?_blob=publicationFile &v=3. 10 s. dazu insbes. das Grünbuch Schattenbankwesen der Kommission, KOM(2012) 102 endg.; aus der dt. Diskussion um die Hintergründe etwa Zeitler, WM 2012, 675. 11 Das hier zugrunde gelegte Verständnis von Regulierung basiert stark auf dem USamerikanischen Verständnis von regulation und deren Rechtfertigung nicht nur durch strukturelles Marktversagen (economic regulation), sondern auch durch bestimmte Allgemeininteressen (sog. social regulation), vgl. dazu Pierce/Gellhorn, Regulated Industries, 1999, S. 9 f.; Ruthig, in: Ruthig/Storr, Öffentliches Wirtschaftsrecht Rn. 18 f. s. auch die Diskussion um die Effizienz der Aufsicht über Finanzdienstleistungen (securities), zusammenfassend Posner, Economic Analysis of Law, 7. Aufl. 2007, S. 480 ff. 12 Die in der öffentlich-rechtlichen Diskussion aufgeworfene Frage um den Regulierungsbegriff und die (von der dort wohl h.M. verneinte) Möglichkeit einer Einbeziehung der Finanzmarktaufsicht soll hier nicht vertieft werden; vgl. etwa Ruthig, in: Gramlich/Manger-Nestler, Europäisierte Regulierungsstrukturen und -netzwerke, 2011, S. 11, 19 ff.; ders., in: Ruthig/Storr, Öffentliches Wirtschaftsrecht Rn. 25, 509 ff.; zur Gegenposition insbes. Röhl, in: Fehling/Ruffert, Regulierungsrecht § 18 Rn. 42 f.
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a) Marktzutritt und Marktverhalten Selbstverständlich baut diese Systemkontrolle auf die gewerberechtlichen Strukturen auf und kann diese Herkunft auch nicht verleugnen13. „Klassische“ Wirtschaftsaufsicht kontrolliert allenfalls (präventiv) den Marktzutritt, im Bankaufsichtsrecht etwa durch das Erfordernis einer vor allem an Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit (und hier vor allem Eigenkapitalanforderungen) geknüpften Bankerlaubnis nach § 32 KWG. Diese „klassischen“ Instrumente werden im Bereich der Bankenaufsicht kontinuierlich ausgebaut, indem weitere Finanzdienstleister der Genehmigungspflicht unterworfen und zugleich die Anforderungen erhöht werden. Ersteres zeigt schon ein Blick in den Katalog des § 1 KWG. Ein weiteres Beispiel ist die Regulierung der Rating-Agenturen14. Die zunehmende Regelungsdichte zeigen die immer strengeren, aber zugleich flexibilisierten Anforderungen an die Solvabilität. Zur Systemkontrolle15 wurden diese spätestens, als aus der Überprüfung des Gründungskapitals die laufende Überwachung der Kapitalausstattung wurde. Starre Mindestkapitalanforderungen wurden ersetzt durch immer komplexere Berechnungen, die versuchen die konkrete Risikostruktur einer Bank zugrunde zu legen16. Hinzu tritt eine intensive und kontinuierliche Kontrolle (auch) des Marktverhaltens17. Am deutlichsten zeigt sich dies an der Wertpapieraufsicht, wo die Verhaltenspflichten der Marktakteure nicht nur kontinuierlich ausgebaut, sondern immer stärker aufsichtsrechtlich sanktioniert werden. Ein aktuelles Beispiel hierfür ist das Verbot von Leerverkäufen nach § 30h WpHG und dessen ___________ 13 s. nur Schäfer, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kreditwesengesetz, 4. Aufl. 2012, § 6 Rn. 2; zum Aspekt der Gefahrenabwehr besonders deutlich die Begründung zur 2. KWG-Novelle, BT-Drs. 7/3657 sowie BVerfGE 14, 197 ff. 14 Vgl. Möllers/Wecker, ZRP 2012, 106. 15 s. auch Röhl, in: Fehling/Ruffert, Regulierungsrecht § 18 Rn. 14. 16 Grundlage der Regelungen ist die Aktualisierung der seit 1988 bestehenden Eigenkapitalvorschriften (Basel I) durch die Überarbeitung des Eigenkapitalakkords (Basel II), die in dem als „Capital Requirements Directive (CRD) bezeichneten Paket umgesetzt wurden, vom 14.6.2006 (ABl. L 177/1) und 201 vom 30.6.2006: Richtlinie 2006/48/EG über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute (Neufassung) und 2006/49/EG über die angemessene Eigenkapitalausstattung von Wertpapierfirmen und Kreditinstituten (Neufassung). Seitdem wurde der Rechtsrahmen mehrfach geändert. Die zentralen Änderungen enthielten die siebente Änderungsrichtlinie 2009/111/EG vom 16.9.2009 (CRD II – ABl. L 302/97) sowie die achte Änderungsrichtlinie 2010/76/EU vom 24.11.2010 zur Änderung der Richtlinien 2006/48/EG und 2006/49/EG im Hinblick auf die Eigenkapitalanforderungen für Handelsbuch und Wiederverbriefungen und im Hinblick auf die aufsichtliche Überprüfung der Vergütungspolitik (DRC III – ABl. L 329/3). Zu CRD IV vgl. unten. 17 Das Gewerberecht kann demgegenüber mittels des Begriffes der Unzuverlässigkeit nur dauerhafte und auch für die Zukunft zu erwartende Verstöße ahnden, indem es den unzuverlässigen Gewerbetreibenden vom Markt entfernt, vgl. nur das Grundmodell der Gewerbeuntersagung in § 35 GewO und dazu Ruthig, in: Ruthig/Storr, Rn. 247 ff.
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aufsichtsrechtliche Flankierung in § 4a Abs. 1 S. 1 WpHG. Danach kann die BaFin im Benehmen mit der Deutschen Bundesbank den Handel mit Finanzinstrumenten vorübergehend untersagen oder den Handel an Märkten, an denen solche Finanzinstrumente gehandelt werden, vorübergehend aussetzen, um „Missstände, die Nachteile für die Stabilität der Finanzmärkte bewirken oder das Vertrauen in die Funktionsfähigkeit der Finanzmärkte erschüttern können, zu beseitigen oder zu verhindern“. Dabei ging die Initiative von der BaFin aus. Mit diesen gesetzgeberischen Maßnahmen werden die zuvor durchaus berechtigten Bedenken nach einer Rechtsgrundlage „sozusagen weggeschwemmt“18. b) Geschäftsorganisation Regulierung befasst sich aber auch besonders intensiv mit der Geschäftsorganisation, wie im Zusammenhang mit der Netzregulierung die UnbundlingVorschriften im Energie- und nunmehr auch Telekommunikationsrecht illustrieren19. Bankaufsichtsrechtliche20 Beispiele sind die aufsichtsrechtlichen qualitativen Anforderungen an die Geschäftsorganisation des § 25a KWG in Verbindung mit ihrer Konkretisierung in den MaRisk. Zu nennen ist aber auch das Inhaberkontrollverfahren nach § 2c KWG, das keineswegs nur der Bekämpfung der Geldwäsche dient. Eine Untersagung des Erwerbs nach § 2c Abs. 1b KWG kann vielmehr auch erfolgen, wenn der Anzeigepflichtige nicht zuverlässig oder finanziell solide ist oder die Gefahr besteht, dass das betroffene Institut Tochterunternehmen einer Einrichtung wird, die keiner funktionierenden Aufsicht in einem Drittland unterliegt. Im Rahmen dieses Verfahrens muss der Anzeigepflichtige einen detaillierten Einblick in sein Unternehmen bzw. die Konzernstruktur geben und in erheblichem Umfang Informationen offenlegen. Selbstverständlich bleiben die Auswirkungen nicht punktuell. Man wird dem Einwand, die Konzernstrukturen würden eine wirksame Aufsicht gefährden, durch Umorganisation zuvorkommen wollen. Zugleich wird der Kreis der Beaufsichtigten über die der Bankenaufsicht unterfallenden Unternehmen hinaus auf ihre Eigner erweitert21. ___________ 18 Mülbert, JZ 2010, 834 , 841. Allgemein ist für das Bankaufsichtsrecht eine „Ausführungsgesetzgebung“ kennzeichnend; der Gesetzgeber reagiert regelmäßig und unverzüglich auf die angemeldeten Bedürfnisse der Aufsichtspraxis. 19 Dazu Ruthig, in: Ruthig/Storr, Rn. 519. 20 Nimmt man das Kapitalmarktrecht insgesamt in den Blick, lassen sich auch die Vorschriften des Wertpapierhandels- und vor allem des Börsenrechts als „Organisationsrecht“ im weiteren Sinne begreifen, die den Finanzplatz Deutschland und seine Funktionsfähigkeit sichern, s. auch Röhl, in: Fehling/Ruffert, Regulierungsrecht § 18 Rn. 24 ff. 21 Die Inhaberkontrolle betrifft nach dem Wortlaut der Vorschrift zwar (nur) den geplanten Erwerb einer bedeutenden Beteiligung; allerdings wird auch bei einer bestehenden Beteiligung dieses Verfahren Vorrang vor einem Entzug der Bankerlaubnis haben, vgl. zum Parallelproblem bei der nach dem Vorbild des § 2c KWG konstruierten Inha-
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Weiter intensiviert wurde der Zugriff auf die Geschäftsorganisation in der Krise. Die mit Art. 2 des Restrukturierungsgesetzes in das KWG eingefügten Vorschriften der §§ 48a ff. KWG geben der Aufsichtsbehörde das Recht zur Zerschlagung bestimmter Kreditinstituts. Ähnliche Regeln auf europäischer Ebene sollen bis 2015 in Kraft treten. Die Kommission hat am 12.6.2012 einen entsprechenden Richtlinienentwurf vorgelegt22, der ein europaweit einheitliches Restrukturierungsverfahren vorsieht, dieses aber in der Verantwortung der nationalen Behörden belässt23. Nach dem geltenden deutschen Recht kann im Rahmen dieses Verfahrens nach § 48a Abs. 1 KWG unmittelbar durch hoheitliche Anordnung das gesamte Vermögen eines Kreditinstitutes einschließlich seiner Verbindlichkeiten auf einen anderen Rechtsträger übertragen werden. Es handelt sich bei der Restrukturierungsanordnung also um einen privatrechtsgestaltenden Verwaltungsakt24. Sie setzt allerdings voraus, dass das Institut in seinem Bestand gefährdet ist25 und greift nur bei der „Gefahr eines insolvenzbedingten Zusammenbruchs des Kreditinstituts“, § 48b Abs. 1 S. 1 KWG. An dieser Stelle soll die Restrukturierungsentscheidung zunächst die These von der zunehmenden Regulierungsintensität belegen. Es geht ihr gerade nicht um die Rettung der betroffenen Bank. Werden bei einer partiellen Übertragungsanordnung, die wahrscheinlich den Regelfall darstellen wird26, dem übernehmenden Rechtsträger nach § 48k KWG die Vermögensgegenstände, Verbindlichkeiten und Rechtsverhältnisse nur teilweise übertragen, dürften dem bisherigen Rechtsträger vor allem Verbindlichkeiten verbleiben. Das Rumpfinstitut wird so zum Insolvenzfall. Beeinflussen können die Anteilseigner dies nicht. Die Übertragungsanordnung kann ohne ihre Zustimmung ergehen, weil die Folgen eines Zusammenbruchs eines systemrelevanten Instituts die gesamte Wirtschaft und nicht nur die Anteilseigner treffen würden. Ein intensiverer ___________ berkontrolle beim Börsenträger Gurlit/Mülbert, Der Börsenträger im Spannungsfeld von Gemeinwohlauftrag und Privatinteresse, 2012, S. 93 f.; dort auch zur Verfassungs- und Unionsrechtskonformität (S. 105 ff.). 22 KOM(2012) 280 endg. vom 12.6.2012. 23 Im Rahmen der gerade anstehenden weiteren Zentralisierung der Bankenaufsicht ist die Forderung nach einer europäischen Abwicklungsinstanz und die Übertragung dieser Aufgabe auf die EZB einer der zentralen Streitpunkte. Nach dem aktuellen Stand. 24 Vgl. § 48g Abs. 1 KWG: „Die Ausgliederung wird mit der Bekanntgabe der Übertragungsanordnung gegenüber dem Kreditinstitut und dem übernehmenden Rechtsträger wirksam“. Vgl. auch die Begründung, BT-Drucks. 17/3024 S. 108. 25 Die Bestandsgefährdung wird in § 48b Abs. 1 KWG näher definiert. Vor allem wird ihr Vorliegen in nicht wiederlegbaren Vermutungen konkretisiert, vgl. dazu Fridgen, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kreditwesengesetz, 4. Aufl. 2012, § 48b Rn. 6 ff. 26 Zwar geht der Wortlaut des § 48a Abs. 1 KWG zunächst davon aus, dass alle Vermögensgegenstände übertragen werden; aber schon die Verhältnismäßigkeitsprüfung nach § 48a Abs. 2 Nr. 2 KWG wird regelmäßig ergeben, dass nur eine Teilübertragung zur Abwendung der Systemgefährdung erforderlich ist.
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Grundrechtseingriff durch staatliche Aufsicht ist kaum vorstellbar: Nach Ansicht des Gesetzgebers stellt sie zwar schon deswegen keine Enteignung dar, weil die Anteile nicht auf den Staat übertragen werden27, dennoch müssen sie sich an den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Art. 14 GG messen lassen. Höfling prägte hierfür den Begriff des „systemrelevanten Eigentums”28. Ob sich daraus tatsächlich andere Maßstäbe entwickeln lassen, kann dahinstehen. Im Ergebnis wird eine solche Maßnahme auch nach allgemeinen verfassungsrechtlichen Maßstäben zur Beseitigung von Gefahren für den Finanzmarkt gerechtfertigt sein (dazu unter 3). Der europäische Vorschlag geht in seiner Intensität noch darüber hinaus. Nach diesem Vorschlag stehen den Behörden noch differenziertere Abwicklungsinstrumente zur Verfügung: Eine Unternehmensveräußerung, bei dem die Behörden die ausfallende Bank ganz oder teilweise an eine andere Bank verkaufen; die Übertragung „guter“ Vermögenswerte auf eine Brückenbank wie im deutschen Recht, die Ausgliederung „schlechter“ Vermögenswerte auf eine eigens für die Vermögensverwaltung errichtete Zweckgesellschaft (Bad Bank), das Bail in, bei dem die Bank durch die Forderungen von nicht abgesicherten Gläubigern eines ausfallenden Instituts reduziert oder in Eigenkapitalanteile umgewandelt werden. Intensivere Eingriffe in die Unternehmensstruktur (und die Rechte der Anteilseigner) sind kaum vorstellbar. Es verschiebt sich freilich auch der grundrechtliche Bezugspunkt: Wenn Restrukturierungsentscheidungen künftig auf Richtlinien beruhen, sind sie nur noch an den unionalen Grundrechten zu messen. Auf die materiellen Maßstäbe dürfte dies wenig Einfluss haben; möglicherweise jedoch auf die Kontrolldichte, wenn diese Fragen nicht mehr vom BVerfG sondern vom EuGH entschieden werden. In jedem Fall stehen Krisenbewältigungsmaßnahmen unter immensem Zeitdruck. Für eine Restrukturierung bleibt in der Praxis wohl nur ein „kurzes Wochenende“ zwischen dem Handelsschluss der letzten Börse und dem Öffnen der ersten Börse am Montagmorgen. Jedenfalls muss sich die Aufsichtsbehörde bereits vorher Kenntnis von der Organisations- und Geschäftsstruktur eines Institutes verschaffen. Hierzu dient das in den USA bereits 2010 eingeführte Instrument des „living will“. Danach müssen die erfassten Institute eine Erklä___________ 27 BT-Drs. 17/3024 S. 101; s. auch Fridgen, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kreditwesengesetz, 4. Aufl. 2012, § 48d Rn. 25 f. Zur (erneuten) Qualifikation der Enteignung als staatlichen Güterbeschaffungsvorgang BVerfGE 104, 1, 10 = NVwZ 2001, 1023; 115, 97, 112 = NJW 2006, 1191: am Beispiel des Squeeze out nach dem Finanzmarktstabilisierungsbeschleunigungsgesetz (FMStBG), das anders als die Restrukturierung mit einer Verstaatlichung der Anteile einherging, dazu ausf. Gurlit, NZG 2009, 601; anders noch BVerfGE 24, 367, 394 = NJW 1969, 309; 83, 201, 211 = NJW 1991, 1807. 28 Höfling, Gutachten F für den 68. DTJ, in: Verhandlungen des 68. DJT, Bd. I, 2010 S. 57 ff.; Kurzfassung: ders, NJW-Beil. H. 22/2010, S. 98.
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rung abgeben, wie sie im Krisenfall rasch und geordnet abgewickelt werden könnten29. In Deutschland gibt es (noch) keine Rechtsgrundlage für ein solches „Bankentestament“30. Zwar ermöglicht § 25a Abs. 1 S. 8 KWG Einzelfallanordnungen der BaFin, um eine geordnete Geschäftsorganisation sicherzustellen. Die gesamte Vorschrift des § 25a KWG bezieht sich aber, wie die systematische Auslegung ergibt, nur auf die ordnungsgemäße Organisation des laufenden Geschäftsbetriebs und gerade nicht auf die Vorbereitung eines möglichen Krisenfalls31. Dies bestätigten auch der vorgelegte Gesetzentwurf zur entsprechenden Erweiterung des § 25a KWG32. Auch diese Frage wird allerdings künftig europäisch geregelt. Die Kommission hat am 12.6.2012 einen Richtlinienentwurf vorgelegt, der diese Fragen regeln soll und in seinem Art. 9 den Abwicklungsplan näher konkretisiert33. Dabei zeigt sich vor allem, dass die Kontrolle der Geschäftsorganisation weiter zunimmt und man die Abwicklungspläne letztlich doch zu einem Teil der allgemeinen Risikomanagement-Standards macht34.
___________ 29 Vgl. Section 165 (a) (2) (A) Dodd-Frank Wall Street Reform and Consumer Protection Act (Pub.L. 111-203, H.R. 4173). 30 Weder erfüllt der Sanierungsplan nach § 2 Abs. 2 S. 1 KredReorgG diese Anforderungen, da er bereits eine bestehende Sanierungsbedürftigkeit voraussetzt, noch lässt sich ein solcher präventiver Plan in das Restrukturierungsregime der §§ 48a ff. KWG als „Minus-Maßnahme“ hineinlesen. 31 Allerdings sieht die BaFin in ihrer Ankündigung vom 2.11.2012 zur „Konsultation 12/2012 – Entwurf eines Rundschreibens zu Mindestanforderungen an die Ausgestaltung von Sanierungsplänen (MaSan)“ das Bankentestament als Teil eines „erweiterten“ Risikomanagements. Im künftigen Recht wird es wohl auch hierfür eine ausdrückliche Verordnungsermächtigung geben, vgl. den Referentenentwurf eines Gesetzes zur Abschirmung von Risiken und zur Planung der Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Finanzgruppen vom 6.2.2013. 32 Vgl. § 25a Abs. 4 KWG i.d.F. des Regierungsentwurfs zum CRD IV-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 17/10974 S. 107 ff.: Diese Vorschrift verlangt von Finanzkonglomeraten als ordnungsgemäße Geschäftsorganisation i.S.d. § 25a Abs. 1 KWG auch „geeignete Vorkehrungen, um bei Bedarf zu geeigneten Sanierungs- und Abwicklungsverfahren und -plänen beizutragen und solche Verfahren und Pläne zu entwickeln. Diese Vorkehrungen sind regelmäßig zu überprüfen und anzupassen“. Der Referentenentwurf ergänzt die Regelungen zur Abwicklungsplanung in den §§ 46g – 47j KWG. 33 Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung eines Rahmens für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Richtlinien 77/91/EWG und 82/891/EG des Rates, der Richtlinien 2001/24/EG, 2002/47/EG, 2004/25/EG, 2005/56/EG, 2007/36/EG und 2011/35/EG sowie der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010, KOM(2012) 280 vom 12.6.2012. Dazu Dohm, WM 2012, 2033. 34 Vgl. Art. 5 Abs. 1 S. 2 des Entwurfs: „Sanierungspläne sind als Instrument der Unternehmenssteuerung im Sinne von Artikel 22 der Richtlinie 2006/48/EG anzusehen“. Es wird also auf die Bankenrichtlinie verwiesen, auf deren Grundlage das aktuelle Regime des § 25a KWG beruht.
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Vom „Abwicklungsplan“ bis zur organisatorischen Vorbereitung seiner Umsetzung ist es nur ein kleiner Schritt. Dies bestätigt ein kurzer Blick in den Kommissionsvorschlag: „Stellen die Abwicklungsbehörden signifikante Hindernisse für die Abwicklungsfähigkeit eines Instituts oder einer Gruppe fest, können sie verlangen, dass das Institut bzw. die Gruppe Maßnahmen trifft, um die Abwicklungsfähigkeit zu verbessern. Derartige Maßnahmen könnten u. a. Folgendes umfassen: Verringerung der Komplexität durch Änderung der rechtlichen oder operationellen Strukturen, um sicherzustellen, dass kritische Funktionen rechtlich und wirtschaftlich von anderen Funktionen getrennt werden können; Aufsetzung von Dienstleistungsverträgen über die Bereitstellung kritischer Funktionen; Begrenzung der maximalen individuellen und aggregierten Risikopositionen; Auferlegung von Berichtspflichten; Einschränkung oder Einstellung bestehender oder geplanter Tätigkeiten; Beschränkung oder Untersagung der Entwicklung neuer Geschäftsbereiche oder Produkte und Ausgabe zusätzlicher konvertibler Kapitalinstrumente“35. Die entsprechenden Verfahren werden in Art. 14 f. des Entwurfes konkretisiert. Die Behörde kann also nicht nur unternehmerische Entscheidungen, sondern vor allem auch „Änderungen der rechtlichen oder operativen Strukturen des Instituts“ verlangen, um die Komplexität einer Abwicklung zu reduzieren. Sollten die Behörden davon intensiv Gebrauch machen, könnte am Ende vielleicht sogar ein „modifiziertes Trennbankensystem“ stehen, das jedenfalls die organisatorische Trennung bestimmter Geschäftsbereiche innerhalb des Instituts oder der Institutsgruppe vorschreibt36. Eine intensivere Kontrolle der Geschäftsorganisation ist kaum vorstellbar.
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Komm(2012) 280 S. 11. Das Trennbankensystem galt als Trennung von Einlagen- und Kreditgeschäft in den USA von 1933-1999 auf der Grundlage des „Glass-Stegall-Acts“, s. dazu und dem Vergleich mit dem deutschen Universalbankmodell den Überblick bei Rümker/Winterfeld, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl. 2011, § 124 Rn. 76 ff. Auf europäischer Ebene vgl. den Liikanen-Bericht vom Oktober 2012, http:// ec.europa.eu/internal_market/bank/docs/high-level_expert_group/report_en.pdf. Die Bundesregierung hat am 6.2.2013 einen Gesetzentwurf beschlossen, der sich an diesen Empfehlungen orientiert, vgl. den Entwurf eines Gesetzes zur Abschirmung von Risiken und zur Planung der Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Finanzgruppen, http://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Downloads/Abt_7/Gesetzentwurf-Abschirmung-Bankenrisiken.pdf?__blob=publicationFile&v=1. 36
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2. Bankenaufsicht und Bankenregulierung a) Regulierungsbegriffe Insgesamt hat die Aufsicht also nicht nur quantitativ zugenommen sondern sich vor allem auch qualitativ verändert37. Diese Entwicklung war keineswegs neu, sie trat nur im Zuge der Finanzkrise deutlicher zutage und wird sich bei der anstehenden strukturellen Reform wohl weiter beschleunigen. Aber schon in der Deregulierungsphase hat die Internationalisierung der Standards die Bedeutung der (nationalen) Aufsichtsbehörden gestärkt und damit zugleich eine Entwicklung befördert, die als „Publifizierung“ des Bankrechts bezeichnet werden soll38. Die Diskussion ist nicht nur angesichts der geschilderten Vielschichtigkeit einer solchen Systemkontrolle komplex und unübersichtlich. Sie wird zusätzlich belastet durch unterschiedliche Regulierungsbegriffe und damit zusammenhängende Missverständnisse. Die vor allem in Deutschland intensiv betriebene und in ihrer Bedeutung gern überschätzte, allgemeine (öffentlichrechtliche) Diskussion um Regulierungsrecht und die Einbeziehung des Bankaufsichtsrechts unter diesen Begriff (dazu schon oben) darf nicht gleichgesetzt werden mit dem im Ansatz ökonomischen Begriff der Regulierung (regulation), wie er vor allem seit dem Larosière-Bericht von 2009 in der bankrechtlichen Diskussion verwandt und von Aufsicht (supervision) abgegrenzt wird: „Regulierung bezeichnet die Gesamtheit der für Finanzinstitute geltenden Vorschriften und Standards; deren Ziel besteht hauptsächlich darin, die Finanzstabilität zu fördern und den Kundenschutz bei Finanzdienstleistungen sicherzustellen. Regulierung kann unterschiedliche Formen annehmen, von Informationspflichten bis hin zu durchgreifenden Maßnahmen wie Eigenkapitalanforderungen. Aufsicht hingegen ist die Ausübung von Kontrolle über die Finanzinstitute, um zu gewährleisten, dass die Vorschriften und Standards auch richtig angewandt werden. Allerdings lassen sich Regulierung und Aufsicht in der Praxis nicht ganz voneinander trennen ….“39. Regulierung als „Normsetzung“ umfasst gerade nicht in erster Linie die Tätigkeit der Aufsichtsbehörden, sondern insbesondere Gesetzgebung und auch Selbstregulierung: „Öffentliche Regulierung und Selbstregulierung sollten Hand in Hand gehen, und dort, wo es Selbstregulierung gibt, sollten die Aufsichtsbehörden über ihre korrekte Umsetzung wachen“40. „Regulation“ ließe sich daher wohl am besten „Marktordnung“ übersetzen. Zur Aufsicht in diesem ___________ 37 Einen guten Überblick liefern auf dem Stand von 2010 die Begleitaufsätze zum 68. DJT. Vgl. nur Mülbert, JZ 2010, 834; Ott/Liebscher, NZG 2010, 841. 38 Zum Begriff der Publifizierung Ruthig, in: Ruthig/Storr, Rn. 514. 39 Larosière-Bericht Rn. 38. 40 Larosière-Bericht Rn. 52.
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genauso weiten, „ökonomischen“ Sinn gehören nicht nur die behördliche Überwachung der Einhaltung der Standards, sondern vor allem Sanktionsinstrumente, gerade auch solche des Strafrechts41. Obwohl er angesichts dessen kaum für die juristische Systembildung taugt, enthält gerade dieser ökonomische Regulierungsbegriff einen juristischen Kern, die Unterscheidung von rulemaking und adjudication. Er knüpft also an die Handlungsformenlehre des US-amerikanischen Verwaltungsrechts an42. Gerade weil die Handlungsformenlehre wohl aller Rechtsordnungen eine solche Trennung zwischen generell-abstrakten und konkret-individuellen Handlungsformen kennt, ist Vorsicht bei der Gleichsetzung der Verfahren und vor allem ihrer jeweiligen „Produkte“ geboten. Noch problematischer ist es, wenn beim Verwenden solcher „legal transplants“ Bedeutungsgehalte suggeriert werden, die der Begriff im Herkunftsland gerade nicht hat. Gerade die Rechtsvergleichung kann daher helfen, den „Mythos Regulierungsrecht“ zu entzaubern43. Nach amerikanischem Verständnis ist regulation gerade nicht mit der (vermeintlichen) Dichotomie von Regelung und Regulierung verbunden, wie sie im deutschen Verständnis teilweise behauptet wird44. Man sollte deswegen bei den Detailanalysen besser auf die ökonomisch und juristisch „vorbelasteten“ Begriffe von Regulierung verzichten und zwischen Rechtssetzung und Rechtsdurchsetzung unterscheiden. Dennoch spricht nichts dagegen, auch weiterhin den allgemeinen und formalen (Ober)Begriff der Bankenaufsicht zu verwenden und in der Regulierung eine „intensive“ Form der Aufsicht zu sehen, so lange man aus diesen Begrifflichkeiten keine voreiligen Schlüsse zieht. Dies entspräche in etwa dem US-amerikanischen Verständnis von regulated industries. Dieser Begriff wiederum beschreibt auch für das deutsche Recht weniger eine tatsächliche Erscheinungsform von „besonderem Verwaltungsrecht“, sondern wird vor allem für die verfassungs- und europarechtliche Legitimation derart intensiver Grundrechtseingriffe relevant, die über das hinausgehen was andere „Branchen“ oder „Industrien“ an aufsichtsrechtlichem Zugriff hinzunehmen haben. Dies zeigen besonders deutlich die Ausführungen des BVerfG zur Homogenität der Gruppe der von der BaFin beaufsichtigten Finanzdienstleister45. Die Rechtfertigung liegt nach Auffassung des BVerfG in der besonde___________ 41
s. nur den Larosière-Bericht Rn. 83 f. Danach bedeutet formal rulemaking das Verfahren des Erlasses untergesetzlicher Rechtsvorschriften und formal adjudication den Erlass verbindlicher Einzelfallentscheidungen, jeweils in einem streng formalisierten Verfahren. Auch in den USA werden diese durch informelle Varianten ergänzt. 43 Ruthig, in: Ruthig/Storr, Rn. 24; zustimmend Ziekow, Öffentliches Wirtschaftsrecht,§ 13 Rn 1 (zur 1. Aufl. Rn 384). 44 Ebenso Masing, Die Verwaltung 2003, 1, 2. 45 Vgl. im Zusammenhang mit der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der als Sonderabgabe eingestuften Umlage nach § 16 FinDAG BVerfG, NVwZ 2010, 35, 36 f. 42
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ren gesamtwirtschaftlichen Bedeutung des Finanzsektors46 und zugleich, so das BVerfG, seiner Gestaltung als „vernetztes Marktsystem wechselseitiger Abhängigkeiten, das in besonderem Maß vom Vertrauen der Marktteilnehmer in hinreichende Kontrollmechanismen abhängig ist“47. Daher legitimiert, wie der EuGH im Zusammenhang mit der Kapitalverkehrsfreiheit herausgearbeitet hat, nicht ein konkretes Marktversagen oder gar eine Krise den regulatorischen Zugriff, sondern bereits die besondere Bedeutung bestimmter Infrastrukturen für Wirtschaft, Staat und Gesellschaft48. Zu diesen essentiellen Infrastrukturen gehören jedenfalls auch die Finanzmärkte. b) Corporate Governance für Banken als regulierte Selbstregulierung Eine ökonomische Erklärung für eine solche „gesteigerte Aufsicht“ liefert bankspezifisch die Diskussion um die Rechtfertigung spezieller bankspezifischer Corporate Governance Standards49. Dieser schillernde Begriff der „Corporate Governance“50 überlagerte zunächst die aufsichts- bzw. öffentlichrechtliche Dimension. Aus öffentlichrechtlicher Sicht könnte man ihn am ehesten als „regulierte Selbstregulierung“51 beschreiben. Denn in der Tat richten sich sol___________ 46 Dass es dabei keineswegs um die Rechtfertigung der Bankenumlage, sondern grundsätzlicher um die Bankenaufsicht insgesamt geht, belegt der Verweis des BVerfG auf die Begründung der ursprünglichen Fassung des KWG (BT-Dr 3/1114, S. 19). 47 BVerfG, NVwZ 2010, 35, 37. 48 Zu diesem Zusammenhang Ruthig, in: Ruthig/Storr, Rn. 89 f. Zur Anerkennung der Stabilität des Finanzmarkts als zwingendem Allgemeininteresse im Sinne der Cassis-Rechtsprechung EuGH vom 10.5.1995, Rs. C 384/93 – „Alpine Investments“, Rn. 42 ff., Slg. 1995, I-1141 = NJW 1995, 2541. Eine Entscheidung zu Art. 63 AEUV fehlt bisher. In EuGH vom 13.5.2003, Rs. C- 463/00 – Kommission/Spanien, Slg. 2003, I-4581= EuZW 03, 529 hielt der EuGH eine spanische Regelung nur aus tatsächlichen Gründen für mit Art. 63 AEUV unvereinbar. 49 s. nur den Beitrag von Mülbert, ECGI Law Working Paper N°.130/2009 S. 10 ff. m. ausf. Nachw.; ders. ZHR 173 (2009), 1. 50 Zum Begriff und dem Folgenden Mülbert, ECGI Law Working Paper N°.130/2009 S. 4 ff.; s. schon vorher ders., BKR 2006, 349; Hopt, FS Nobbe (2009), 853. Eine eigentliche Definition von Corporate Governance hat sich noch nicht entwickelt. Der europäisch häufig herangezogene (eher enge) Begriff umfasst eben nicht nur die gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse, sondern auch: „the structure through which the objectives of the company are set, and the means of attaining those objectives and monitoring performance are determined. Good corporate governance should provide proper incentives for the board and management to pursue objectives that are in the interests of the company and its shareholders, and should facilitate effective monitoring“, so die (neben der französischen) offizielle englische Fassung, OECD, Principles of Corporate Governance, 2004, 11; dazu und zu anderen Definitionen Mülbert, Working Paper a.a.O. 51 Dieser vor allem im Telekommunikationsrecht geprägte Begriff bezeichnet das komplexe Ineinandergreifen behördlicher Regulierung (bzw. Aufsicht) mit der privaten „Selbstregulierung“; s. dazu Ruthig, in: Ruthig/Storr, Öffentliches Wirtschaftsrecht, Rn. 596; Franzius, EuR 2002, 660, 669. Gegen die Charakterisierung der Finanzmarkt-
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che konkretisierungsbedürftigen Pflichten, wie sie § 25a KWG für die Geschäftsorganisation von Banken vorsieht, zunächst einmal an den betroffenen Privaten. Die von ihm zu erbringende Konkretisierungsleistung geht über einen bloßen Gesetzesvollzug hinaus und kann sehr wohl als „Element eigener Steuerung“52 verstanden werden. Damit sprengt sie die klassische Unterscheidung zwischen öffentlichrechtlichen und privatrechtlichen Pflichten: „Die mit ihm verbundenen Anforderungen stellen sich nämlich nicht allein als Elemente eines staatlich-genehmigenden Prüfprogramms dar, sondern haben eine eigenständige Verpflichtungsdimension, die über das Verwaltungsrechtsverhältnis … hinausgeht. Die Grundpflichten sind ihrer Struktur nach den Schutzgütern … und ihren jeweiligen Trägern geschuldet.“53 Allerdings ist das kein Spezifikum des Bankrechts, sondern ein verbreiteter Steuerungsansatz des modernen Wirtschaftsverwaltungsrechts. Immer dann wenn das Gesetz bestimmte Verhaltenspflichten begründet, die der Konkretisierung bedürfen, ist dies zunächst Aufgabe des Privaten (und verlangt von diesem vor allem auch organisatorische Vorkehrungen)54. Gleichzeitig aber unterliegt der Private selbstverständlich der staatlichen Überwachung, der im Zweifelsfall zugleich die Befugnis zur verbindlichen Konkretisierung der Verhaltenspflichten zukommt. Wohl bekanntestes Beispiel sind die immissionsschutzrechtlichen Betreiberpflichten des § 5 BImSchG55, auf die sich die zitierte Passage zur Bedeutung solcher Grundpflichten denn auch bezog. Ähnliche Strukturen finden sich beispielsweise im Energiewirtschaftsrecht56. Das Bank(aufsichts)recht folgte mit gewisser zeitlicher Verzögerung, vor allem aber ohne zunächst von der öffentlichrechtlichen Diskussion überhaupt zur Kenntnis genommen zu werden. Erst als die Finanzkrise das Vertrauen in die Selbstregulierungskräfte des Marktes wohl endgültig erschüttert hatte und einen gesetzgeberischen bzw. behördlichen „Regulierungstsunami“57 auslöste, trat die aufsichtsrechtliche Dimension kapitalmarktrechtlicher Verhaltenspflichten in das Bewusstsein einer breiteren Öffentlichkeit und des öffentlichen Rechts. Beson___________ aufsicht als Variante der Selbstregulierung aber Siekmann, Die Verwaltung 2010, 95, 109. 52 So am Beispiel des „Standes der Technik“ nach dem BImSchG Stoll, Sicherheit als Aufgabe von Staat und Gesellschaft, S. 87 ff. 53 Stoll, Sicherheit als Aufgabe von Staat und Gesellschaft, S. 73 bezogen auf das als Grundmodell bezeichnete Konzept der Grundpflicht im BImSchG. 54 s. etwa zu den Betriebsbeauftragen der Beitrag von Laubinger. 55 Dazu Dietlein, in: Landmann/Rohmer, § 5 BImSchG Rn. 51 ff. Grundlegend zur Strukturierung des besonderen Verwaltungsrechts und seiner neueren Regelungsansätze Di Fabio, Risikoentscheidungen im Rechtsstaat, 1994, S. 445 ff. 56 Dazu ausf. Ruthig, in: Baur/Salje/Schmidt-Preuß, Regulierung in der Energiewirtschaft, 2011, Kap 90 Rn. 17 ff. 57 So schon der Titel des Beitrages von Mülbert, ZHR 176 (2012), 369.
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ders deutlich wurde dies auf dem 68. DJT in der gemeinsamen Abteilung Öffentliches und Privates Wirtschaftsrecht. c) Von legislativer zu exekutiver Normsetzung Typische Konsequenzen dieses regelungstechnischen Konzepts der „Grundpflichten“ sind die Dynamisierung der auferlegten Pflichten und ihre Ausgestaltung als Vorsorgepflicht58. Letztlich folgt auch das Bankrecht diesem Modell, wie besonders deutlich die MaRisk zeigen59. Wenn dabei die behördliche60 Konkretisierungsbefugnis nicht durch Einzelfallentscheidungen ausgeübt wird, sondern in behördlichen Verwaltungsvorschriften, verstärkt sich das Dynamisierungspotential erheblich, da es eben keiner behördlichen Einzelfallentscheidung (etwa in Form nachträglicher Auflagen zu einer Genehmigung) bedarf. Wirken dann (die verschiedenen) Gesetzgeber und Regulierungsbehörden zusammen, wird Regulierung unter Umständen zum „Tsunami“. Eine spezifisch öffentlichrechtliche Dimension erhält sie mit der Frage, inwieweit das Instrument der „normkonkretisierenden Verwaltungsvorschrift“ überhaupt für derart intensive Eingriffe in die Rechte Privater taugt61. ___________ 58
Dazu Ruthig, in: Baur/Salje/Schmidt-Preuß, Regulierung in der Energiewirtschaft, 2011, Kap 90 Rn. 18, 20. 59 Besonders deutlich wird diese im vorliegenden Zusammenhang an der „zweiten Säule“ von Basel II, die die aufsichtsrechtlichen Verfahren zur Überprüfung der Einhaltung der aufgestellten Standards und Veröffentlichungspflichten (Supervisory Review Process) betrifft. Die konkrete Umsetzung der zentralen Vorgaben erfolgte in Deutschland durch die Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk), also in Verwaltungsvorschriften und „damit letztlich ohne direkte Gesetzgebung in deutsches Aufsichtsrecht“, so zu Recht Gann/Rudolph, Anforderungen an das Risikomanagement, in: Hopt/Wohlmannstetter, Handbuch Corporate Governance von Banken, 2011, S. 607; ausführlicher Braun/Wolfgarten, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kreditwesengesetz, § 25a Rn. 82 ff. Dass es sich um dynamisierte Pflichten handelt, zeigt der „Vorspann“, MaRisk2010 AT 1 Tz. 4: „Das Rundschreiben ist gegenüber der laufenden Fortentwicklung der Prozesse und Verfahren im Risikomanagement offen, soweit diese im Einklang mit den Zielen des Rundschreibens stehen. Für diese Zwecke wird die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht einen fortlaufenden Dialog mit der Praxis führen“. 60 Bei genauerer Betrachtung enthält dieses Konzept allerdings starke Aspekte von „Selbstregulierung“, indem die von den Regelungen betroffenen am „Normsetzungsverfahren“ beteiligt werden. Dies gilt für die TA Lärm und Luft genauso wie für die MaRisk. Zu deren Fortentwicklung wurde ein Fachgremium eingerichtet, in dem neben Vertretern der BaFin und der Deutschen Bundesbank insbesondere auch Vertreter der Institute und der betroffenen Verbände vertreten sind; die Beratungen und Diskussionsentwürfe werden auf der Homepage der BaFin veröffentlicht. 61 Hinsichtlich der MaRisk wurde diese Diskussion bisher kaum geführt; § 47h Abs. 4 i.d.F. des Referentenentwurfs sieht auch im Rahmen der Abwicklungsplanung eine Verordnungsermächtigung vor. Dass eine behördliche Normkonkretisierung jedenfalls nicht uneingeschränkt zulässig ist, belegt für das Bankaufsichtsrecht ein Blick in die Eigenkapitalvorschriften. Das Gesetz verlangt in § 10 Abs. 1 S. 1 KWG zunächst nur „angemessene“ Eigenmittel. Die Angemessenheit ergab sich anfangs nicht unmittelbar
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Insoweit wird die nationale Diskussion freilich durch die Europäisierung überlagert, wenn nicht obsolet, soweit die „exekutive“ Normsetzung auf die europäische Ebene verlagert wird. Der AEUV kennt in Art. 290 f. zwei – sehr unterschiedliche und sich gegenseitig ausschließende – Formen der Setzung von Tertiärrecht62. Die delegierte Rechtssetzung nach Art. 290 AEUV ist deutlicher normativ vorgeprägt und räumt der Kommission eine größere Unabhängigkeit von den Mitgliedstaaten ein als das Lamfalussy-Verfahren. Im Bereich der Finanzdienstleistungen hat die Kommission aber darauf hingewiesen, dass sie auch bei der delegierten Rechtssetzung nach Art. 290 AEUV weiterhin von den Mitgliedstaaten benannte Experten zu konsultieren beabsichtigt63. 3. Die Systemrelevanz als Einstieg in eine asymmetrische Bankenaufsicht? Je intensiver die Regelung wird, desto dringender stellt sich schon aus verfassungsrechtlichen Gründen die Frage des Aufsichtsadressaten. Gerade das Restrukturierungsregime, aber auch die Diskussion um die Reichweite einer zentralen europäischen Bankenaufsicht zeigen, wie im Anschluss an ökonomische Theorien, aber auch angesichts der erreichten Regulierungsdichte aus Gründen der Verhältnismäßigkeit immer mehr die aufsichtsrechtliche Gleichbehandlung aller Finanzmarktteilnehmer in Frage gestellt wird oder vielleicht auch werden muss. Insoweit könnte sich die Systemrelevanz als Differenzierungskriterium anbieten. Schon die Empfehlungen des Baseler Komitees von 200964 knüpften an die Systemrelevanz an. Schon das derzeitige Restrukturierungsregime be___________ aus dem Gesetz, sondern wurde nach dem sog. Grundsatz I bestimmt. Dieser hatte als „rechtsnormkomplettierende“ Verwaltungsvorschrift (Boos, in: Boos/Fischer/SchulteMattler, KWG, § 10 Rn. 4) keinen Rechtsnormcharakter und wurde später durch in sie SolvV überführt; zugleich wurde er dynamisiert, dazu Boos, in Boos/Fischer/SchulteMattler, KWG, § 10 Rn. 9. Eine europarechtliche Dimension enthält die Frage immer dann, wenn es sich um umgesetztes Richtlinienrecht handelt, da nach der Rechtsprechung des EuGH Verwaltungsvorschriften nicht zur Umsetzung von Richtlinien taugen, vgl. Ruthig, in: Ruthig/Storr Rn. 526. 62 Ohler, in: Ruffert, Europäisches Sektorales Wirtschaftsrecht, 2012, § 10 Rn. 58 ff. Ausf. zu den noch nicht abschließend geklärten Problemen Edenharter, DÖV 2011, 645, 649 f.; Möstl, DVBl. 2011, 1076, 1081; Sydow, JZ 2012, 157, 159. 63 Dazu Ohler, in: Ruffert, Europäisches Sektorales Wirtschaftsrecht, 2012, § 10 Rn. 58 unter Hinweis auf die Erklärung der Kommission zur Schlussakte der Regierungskonferenz zum Lissabon-Vertrag, ABl. 2010, C 83, S. 335, 350. 64 Bank for International Settlement, Basel Committee on Banking Supervision, Consultative Document, Report and Recommendations of the Crossboarder Bank Resolution Group September 2009, Endfassung März 2010, http://www.bis.org/publ/bcbs16 2.pdf, zuletzt abgerufen am: 18.12.2012.
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schränkt sich auf solche Institute, deren Bestandsgefährdung sich „in erheblicher Weise negativ auf andere Unternehmen des Finanzsektors, auf die Finanzmärkte oder auf das allgemeine Vertrauen der Einleger und anderen Marktteilnehmer in die Funktionsfähigkeit des Finanzsystems auswirkt“65; es geht also, so die Formulierung im Gesetzgebungsverfahren, um die Bekämpfung der von einem solchen Institut ausgehenden „Ansteckungsgefahr“66. Dabei wird aus der bisher ökonomischen Definition systemischer Risiken des Finanzmarkts ein Rechtsbegriff67. Die Unterscheidung systemrelevanter und nicht systemrelevanter Banken (bzw. Institutsteile) gestaltet sich schon in der ökonomischen Theorie und erst recht in der Aufsichtspraxis als fast undurchführbar. Erfasst werden nicht nur die Banken, die zu groß sind als dass man im Interesse der Finanzmarktstabilität das Risiko ihrer Insolvenz eingehen könnte (Too big to fail), sondern möglicherweise auch diejenigen, die wegen ihrer Vielzahl und Vergleichbarkeit zu viele sind, als dass man ihr Scheitern riskieren könnte (Too many to fail). Wenn der zunächst ökonomische Begriff nunmehr zu einem Rechtsbegriff wird, muss sich dieser von ökonomischen Theorien emanzipieren. Einen Versuch der Definition übernimmt § 48b Abs. 2 KWG68. Eine Systemgefährdung geht von Instituten aus, bei denen sich eine Bestandsgefährdung in erheblicher Weise negativ auf andere Unternehmen des Finanzsektors, auf die Finanzmärkte oder auf das allgemeine Vertrauen der Einleger und anderen Marktteilnehmer in die Funktionsfähigkeit des Finanzsystems auswirkt. Diese ___________ 65
So die Legaldefinition des § 48b Abs. 2 S. 1 KWG. Vgl. die Begründung des Regierungsentwurfes BT-Drucks. 17/3024 S. 103 67 Grundlegend Schuman, Georgetown LJ 97 (2008),193; Mülbert, FS Schneider (2011), 855; s. auch Heun, JZ 2012, 235, 236; Ohler, WiVerw 2010, 47. Ausführlicher zu den Tatbestandsvoraussetzungen der geltenden deutschen Regelung Fridgen, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kreditwesengesetz, 4. Aufl. 2012, § 48b Rn. 11 m.w.N. 68 (2) 1Eine Systemgefährdung liegt vor, wenn zu besorgen ist, dass sich die Bestandsgefährdung des Kreditinstituts in erheblicher Weise negativ auf andere Unternehmen des Finanzsektors, auf die Finanzmärkte oder auf das allgemeine Vertrauen der Einleger und anderen Marktteilnehmer in die Funktionsfähigkeit des Finanzsystems auswirkt. 2Dabei sind insbesondere zu berücksichtigen: 1. Art und Umfang der Verbindlichkeiten des Kreditinstituts gegenüber anderen Instituten und sonstigen Unternehmen des Finanzsektors, 2. der Umfang der von dem Institut aufgenommenen Einlagen, 3. die Art, der Umfang und die Zusammensetzung der von dem Institut eingegangenen Risiken sowie die Verhältnisse auf den Märkten, auf denen entsprechende Positionen gehandelt werden, 4. die Vernetzung mit anderen Finanzmarktteilnehmern, 5. die Verhältnisse auf den Finanzmärkten, insbesondere die von den Marktteilnehmern erwarteten Folgen eines Zusammenbruchs des Instituts auf andere Unternehmen des Finanzsektors, auf den Finanzmarkt und das Vertrauen der Einleger und Marktteilnehmer in die Funktionsfähigkeit des Finanzmarktes“. Auerbach/Donner, DB 2011, Beil. 4 (H. 13), S. 17, 22 sehen denn auch die Wirksamkeit und die Bedeutung des gesamten Verfahrens wegen der fehlenden des Begriffes der Systemrelevanz in Frage gestellt. Auch im Gesetzgebungsverfahren wurde die Frage der Systemrelevanz intensiv diskutiert, vgl. etwa Günther, WM 2010, 825; Ohler, WiVerw 2010, 47; Riethmüller, WM 2010, 2295; Zulauf, WM 2010, 1525; Zimmer, NJW-Beilage 2010, 101. 66
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wenig aussagekräftige Grundregel wird um Regelbeispiele ergänzt. Allein der Begriff der Systemrelevanz genügt allerdings nicht. Insbesondere bedarf er einer Ergänzung um Verfahrensanforderungen69. Die Entscheidung steht im Ermessen der Behörde, eine bestimmte „Eingriffsschwelle“ wurde im Gesetz nicht festgelegt70. Insgesamt wird also auch diese Diskussion in eine solche um ein „Regulierungsermessen“ und die hier nicht zu vertiefende gerichtliche Kontrolldichte einmünden71. Möglicherweise hat aber bereits der „regulatorische Abschied“ von der Systemrelevanz als Rechtsbegriff begonnen, bevor er sich überhaupt in der Praxis etablieren konnte. Der Anwendungsbereich der Restrukturierungsrichtlinie differenziert jedenfalls nicht nach der Systemrelevanz72. Bei näherer Hinsicht ist es allerdings kein Abschied, sondern lediglich ein anderes Konzept: Art. 4 Nr. 1 lit. a verlangt ein Verfahren, in dem die Behörden „Inhalt und Detaillierungsgrad der … zu erstellenden Sanierungs- und Abwicklungspläne“ und beizubringenden Informationen festlegen. Im Ergebnis wird es also sehr wohl einen differenzierten Ansatz, d. h. eine „asymmetrische“ Regulierung geben. Allerdings wird der Anknüpfungspunkt bzw. der Grad an Differenzierung zwischen den Marktteilnehmern nicht abschließend in der Norm festgelegt, sondern von der Behörde konkretisiert. Dies erinnert stark an das Marktregulierungsverfahren der §§ 9 ff. TKG, mit dem sichergestellt werden soll, dass sich Regulierungsmaßnahmen typischerweise nur an marktmächtige Unternehmen richten73. Ob der Ansatz der Restrukturierungsrichtlinie dazu geeignet ist, wird vor allem von diesen Differenzierungskriterien abhängen, aber auch dem zu seiner Konkretisierung zu betreibenden Verwaltungsaufwand abhängen. Einen weiteren Schub erhält diese Diskussion, wenn im Zusammenhang mit einem möglichen Trennbankensystem oder einer Übertragung von Aufsichtsbefugnissen auf zentrale europäische Instanzen Schwellenwerte diskutiert werden. ___________ 69 Hierzu gehört zum einen die Frage der Zuständigkeit zur Feststellung der Systemrelevanz; so entscheidet bei Gefahren für die Stabilität des Finanzsystems, die eine Übertragung des notleidenden Kreditinstituts ganz oder in Teilen zum Gegenstand haben (§§ 48a ff. KWG), die BaFin nach Anhörung der Deutschen Bundesbank (§ 48b Abs. 3 KWG). Zum anderen aber ist zu klären, ob diese Feststellung als separater Akt ergeht oder Teil der abschließenden Entscheidung ist, was Fragen des Rechtsschutzes aber auch der Praktikabilität eines auf zügige Durchführung angelegten Verfahrens aufwirft. 70 Dies wäre nach Ansicht von Teilen der Literatur sinnvoll gewesen, um der Gefahr eines zu nachsichtigen Verwaltungshandelns entgegen zu wirken, vgl. Riethmüller, WM 2010, 2295, 2299. 71 Vgl. nur Günther, WM 2010, 825, 827 f. 72 Vgl. Art. 1 des Kommissionsentwurfs; dazu auch Dohm, WM 2012, 2033, 2034. 73 Auch dort darf der (nationale) Gesetzgeber eine solche Entscheidung nicht selber treffen, sondern hat sie der Behörde zu überlassen, vgl. nur die Entscheidung des EuGH zu den Regulierungsferien nach § 9a TKG a.F., vgl. EuGH vom 3.12.2009 – C-424/07 Kommission/Deutschland, NVwZ 2010, 370.
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In der Sache ist diese kontinuierliche Ausweitung der Aufsicht und erst recht ihre Europäisierung keineswegs unumstritten. Dies verdeutlichte nicht nur die teilweise harsche und auch von Seiten nationaler Regulierungsbehörden ungewohnt offene Kritik an der EBA. Aus rechtlicher Sicht sind 3 Problemkreise zu unterscheiden: Fragen der eigentlichen Verwaltungsorganisation (dazu sogleich), aber auch der Rechtssetzung (dazu III.) und der Rechtsdurchsetzung durch Einzelfallmaßnahmen (dazu IV.).
II. Europäische Verwaltungskompetenzen 1. Von europäischen Rechtssetzungs- zu Rechtsdurchsetzungskompetenzen Regulierung im europäischen „Mehrebenensystem“ wirft immer auch die Kompetenzfrage auf. In der bisherigen Entwicklung auch des Finanzmarktaufsichtsrechts bedeutete Europäisierung vor allem eine Harmonisierung der nationalen Standards, typischerweise mittels des Instituts der Richtlinie. Die Verschiebungen betrafen zunächst die Kompetenz zur Rechtssetzung: Fast alle kapitalmarktrechtlichen Vorschriften stammen aus Brüssel bzw. mittelbar sogar aus „Basel“. Überall dort wo zusätzlicher Regelungsbedarf ausgemacht wird, wird dieser jedenfalls mittelfristig auf unionaler Ebene ausgefüllt. Nationale Alleingänge bleiben die Ausnahme. Dies zeigt sich etwa an dem gerade vorgestellten Restrukturierungsregime, wo europäisches Recht nationale Regelungen weitgehend verdrängen wird. Ähnliche Entwicklungen könnten hinsichtlich der Einführung eines Trennbankensystems zu verzeichnen sein, bei dem die deutsche Bundesregierung erneut eine Vorreiterrolle übernimmt. Die Verwaltungskompetenz blieb trotz der Angleichung des materiellen Aufsichtsrechts bisher bei den Mitgliedstaaten. Auf die Erfordernisse des Binnenmarktes reagierte man seit 1992 mit dem „europäischen Pass“, der aber gerade nicht auf europäischer Ebene, sondern von der Behörde des Sitz- bzw. Herkunftslandes ausgestellt wird74: die Bankerlaubnis einer nationalen Behörde berechtigt das zugelassene Institut zur Tätigkeit in allen Mitgliedstaaten der EU unter denselben Voraussetzungen wie im Herkunftsland und unter der europaweiten Aufsicht der Herkunftslandbehörde75. Es wurde keine europarechtliche Genehmigung geschaffen sondern der „räumliche Anwendungsbereich“ einer nationalen Behördenentscheidung erweitert und diese zum „transnationalen ___________ 74
Vgl. Ruthig, in: Ruthig/Storr, Rn. 568; Braun, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kreditwesengesetz 4. Aufl. 2012, § 24a KWG Rn. 1 ff. 75 Vgl. den Überblick bei Ruthig, in: Ruthig/Storr, Rn. 568. Ausführlich Schlag, Grenzüberschreitende Verwaltungsbefugnisse im EG-Binnenmarkt, 1998, S. 45 ff.
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Verwaltungsakt“. Schon weil es keine europäischen Behörden gab, gab es keine andere Alternative. Dies hat sich geändert. Unter dem Eindruck der Finanzkrise entwickelt der Prozess der Zentralisierung eine besondere Dynamik. 2. Die EBA als europäische Regulierungsagentur: Geklärte und ungeklärte Grundsatzfragen Mit dem europäischen System für Finanzaufsicht ESFS wurden auf Vorschlag des Larosière-Berichts die Level 3-Ausschüsse des LamfalussyVerfahrens76 durch europäische Regulierungsagenturen für die Banken-, Wertpapier- und Versicherungsaufsicht ersetzt. Für jede dieser Agenturen wurde eine eigene Verordnung erlassen, deren Regelungen sich allerdings bis in die Details hinein gleichen77. Alle drei sind unabhängige und weisungsfreie Unionsinstitutionen mit Rechtspersönlichkeit und eigenen finanziellen Mitteln. Zu ihren Aufgaben gehören nach Art. 1 der jeweiligen Verordnung vor allem die „Verbesserung des Funktionierens des Binnenmarkts, insbesondere mittels einer soliden, wirksamen und kohärenten Regulierung und Überwachung“, der „Ausbau der internationalen Koordinierung der Aufsicht“ sowie die „Verhinderung von Aufsichtsarbitrage und Förderung gleicher Wettbewerbsbedingungen“ gehören sollen. Die Verordnungen sprechen mehrfach, ohne dass durch die Wiederholung das Gemeinte deutlicher wird; von einer „Führungsrolle“, die die europäischen Behörden im europäischen Regulierungsverbund zu übernehmen hätten. Erst recht ist die Reichweite ihrer – von den Aufgaben zu unterscheidenden – Kompetenzen erst noch auszuloten. Wenn künftig auch noch die EZB als europäischer Akteur in der Finanzaufsicht hinzutreten sollte, werden sich diese Probleme weiter potenzieren. Jedenfalls aber scheint die Kommission in___________ 76 Zu diesem Verfahren, das seit 2001 die Vorstellungen von Finanzmarktregulierung entscheidend prägte Ohler, in: Ruffert, Europäisches Sektorales Wirtschaftsrecht, 2012, § 10 Rn. 56 f.: Selbstbeschränkung des EU-Gesetzgebers auf (ausfüllungsbedürftige) Rahmengesetzgebung auf der 1. Stufe, dann Konkretisierung durch die Kommission auf der 2. Stufe und auf der 3. Stufe Stellungnahmen und Empfehlungen „unabhängiger“ Ausschüsse, in denen vor allem die nationalen Aufsichtsbehörden vertreten sind. 77 Diese wurden am 24.11.2010 in einer Sammelrichtlinie um gezielte Änderungen an den bestehenden Finanzdienstleistungsrichtlinien ergänzt, um ein reibungsloses Funktionieren der neuen Aufsichtsstrukturen zu gewährleisten, vgl. Richtlinie 2010/78/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24.11.2010 zur Änderung der Richtlinien 98/26/EG, 2002/87/EG, 2003/6/EG, 2003/41/EG, 2003/71/EG, 2004/39/EG, 2004/109/EG, 2005/60/EG, 2006/48/EG, 2006/49/EG und 2009/65/EG im Hinblick auf die Befugnisse der Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Bankenaufsichtsbehörde), der Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung) und der Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde) – Abl. L 331/120 vom 15.12.2010; Grundlage war der Kommissionsvorschlag KOM(2009) 576 vom 26.10.2009.
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folge der Finanzkrise erreicht zu haben, was sie seit Jahren im Bereich der Telekommunikations- und Energieregulierung vergeblich versucht hatte, die Installation europäischer Verwaltungsbehörden mit originären Entscheidungsbefugnissen. Erstmals kann schon nach dem geltenden Recht eine europäische Regulierungsagentur Einzelfallmaßnahmen gegenüber einzelnen Finanzmarktteilnehmern treffen. Künftig könnte eine europäische Instanz über die Bankenzulassung entscheiden und so in das aufsichtsrechtliche Kerngeschäft der nationalen Aufsichtsbehörden eindringen. Erst das wäre ein echter Europäischer Pass. a) Der primärrechtliche Rahmen: die grundsätzliche Zulässigkeit europäischer Regulierungsagenturen So bedeutsam bereits die Gründung der EBA als der erste Schritt zu einer supranationalen Bankenaufsicht auch war, so verhalten blieb die juristische Kritik an der gewählten Organisationsform. Nur vereinzelt wurde die Errichtungskompetenz der Union und – vor allem in der deutschen Diskussion – auch die Vereinbarkeit von Regulierungsagenturen mit dem Demokratieprinzip des GG bezweifelt78. Die grundsätzliche Kompetenz Errichtung europäischer Agenturen dürfte geklärt sein79. Allenfalls die europarechtliche Zulässigkeit einer Delegation von Entscheidungsbefugnissen von der Kommission auf Agenturen wird problematisiert80. Im Ergebnis dürften sich diese als nicht durchschlagend erweisen. Hatte der EuGH in seiner sog. Meroni-Rechtsprechung81 aus dem institutionellen Gleichgewicht strenge Grenzen für die Übertragung von Kompetenzen von der Kommission auf Agenturen abgeleitet, so lässt sich deren Relevanz nicht allein mit dem Hinweis darauf bestreiten, dass die übertragenen Kompetenzen bei den ESA-Agenturen von den Mitgliedstaaten stammen. Allerdings hat sich seit dem Inkrafttreten des Lissabon-Vertrages die primärrechtliche Ausgangslage verschoben82. Damit nämlich hat das Modell einer „offe___________ 78
Krit. allerdings Kirchhof, in: Maunz/Dürig, Art. 83 GG, Rn. 75 ff.; Häde, EuZW 2011, 662; s. auch Hermes, Legitimationsprobleme unabhängiger Behörden, in: Bauer/Huber/Sommermann (Hrsg.), Demokratie in Europa, 2005, S. 457. 79 Gestützt wurde die Errichtung auf die allgemeine Rechtsangleichungskompetenz des Art. 114 AEUV; dies im Ergebnis trotz der ungeklärten Fragen für ausreichend erachtend Lehmann/Manger-Nestler, ZBB 2011, 2, 14; Michel, DÖV 2011, 728, 730; Rötting/Lang, EuZW 2012, 8, 13. 80 s. insb. auch Michel, DÖV 2011, 728 ff. m.w.N. 81 EuGH vom 13.6.1958, Rs. C-9/56, Slg. 1958, 1, 36 ff. (Meroni I); EuGH vom 13.6.1958, Rs. 10/56, Slg. 1958, 51, 75 ff. (Meroni II). 82 Grundlegend zur Bedeutung des Lissabon-Vertrages für das Eigenverwaltungsrecht der EU Gärditz, DÖV 2010, 453; Griller/Orator, ELRev. 35 (2010), 3. Vgl. zuvor Kahl, FS Wimmer (2008), S. 245; Kühling, EuZW 2008, 129; Remmert, EuR 2003, 134; Ruffert, Verselbständigte Verwaltungseinheiten: Ein europäischer Megatrend im Vergleich, in: Trute/Groß/Röhl/Möllers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht – zur Trag-
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nen, effizienten und unabhängigen europäischen Verwaltung“ (vgl. Art. 298 Abs. 1 AEUV) seine ausdrückliche Anerkennung gefunden83. Zugleich stehen die Grundrechte Einzelner und der nunmehr in Art. 47 GrCh ausdrücklich verankerte Grundsatz effektiven Rechtsschutzes84 einer Verortung von Befugnissen bei europäische Verwaltungsbehörden (anstelle der Kommission) nicht (mehr) entgegen, da mit einer solchen Übertragung eine Rechtsschutzverkürzung gerade nicht verbunden sein kann. Der Rechtsschutz ist vielmehr durch die Änderung des Art. 263 AEUV auch gegenüber europäischen Agenturen eröffnet. Nach Art. 263 Abs. 4 AEUV kann „jede natürliche oder juristische Person … gegen die an sie gerichteten oder sie unmittelbar und individuell betreffenden Handlungen sowie gegen Rechtsakte mit Verordnungscharakter, die sie unmittelbar betreffen und keine Durchführungsmaßnahmen nach sich ziehen, Klage erheben“. Indem der AEUV ganz allgemein von Handlungen spricht, wird – im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung von EuGH und EuG – klargestellt, dass eine Klage gegen sämtliche (verbindlichen) Rechtsakte der Union möglich ist85. Verwaltungsinterne Kontrollverfahren dürfen diesem Rechtsschutz zwar als Vorverfahren vorangestellt werden, können ihn aber nicht ersetzten. Dennoch sind zentrale Fragen ungelöst und muss das Grundmodell einer europäischen Regulierungsagentur erst noch konkretisiert werden. Immerhin haben sich die europäischen Akteure auf einen gemeinsamen Standpunkt verständigt86. ___________ fähigkeit eines Konzepts, 2008, S. 431; Vetter, DÖV 2005, 721; Wittinger, EuR 2008, 609. Eine parallele Diskussion fand statt zu Europol (als Teil der früheren 3. Säule). Durch die Abschaffung der Säulenstruktur und die Überführung von Europol in eine Regulierungsagentur münden beide in die Grundsatzfrage nach einem Grundmodell einer europäischen Verwaltungsbehörde ein; s. dazu Ruthig, in: Böse (Hrsg.), Europäisches Straf- und Polizeirecht (Enzyklopädie des Europarechts Bd. 9) – im Erscheinen, § 20 Rn. 21 ff. 83 s. zum Typus der Regulierungsagentur Ruffert, in: Calliess/Ruffert, AEUV Art. 298 Rn 5 ff. 84 Dazu etwa R.P. Schenke, FS Schenke (2011), 305. 85 Vgl. Thiele, EuR 2010, 30, 39 f. Ferner am Beispiel von Europol Ruthig, in: Böse (Hrsg.), Europäisches Straf- und Polizeirecht (Enzyklopädie des Europarechts Bd. 9) – im Erscheinen, § 20 Rn. 79 ff.; ders., in FS Wolter (2013) – im Erscheinen. 86 Vgl. den gemeinsamen Standpunkt, auf den sich Vertreter des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission am 12.07.2012 geeinigt haben, http://europa.eu/agencies/documents/joint_statement_and_common_approach_2012_de.pdf. Dieser enthält allerdings nur organisatorische Vorgaben zur Vereinheitlichung. Die Grundsatzfrage der Unabhängigkeit einer solchen Agentur ist dort nicht enthalten und wird sich angesichts ihrer Vielgestaltigkeit auch weniger aus der Organisationsform als solcher, sondern aus dem jeweiligen Gründungsrechtsakt ableiten lassen; s. zum Zusammenhang zwischen der Zulässigkeit europäischer Agenturen und den jeweiligen Aufgabennormen auch Krajewski/Rösslein, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, AEUV Art. 298 Rn. 16.
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b) Die Unabhängigkeit europäischer Regulierungsagenturen Vor allem die Frage der „Unabhängigkeit“, wie sie Art. 298 AEUV fordert, also die Frage von Aufsichts- und Weisungsbefugnissen der Kommission gegenüber den Agenturen bedarf der Klärung87. Sämtliche ESA-Organe sind in dreifacher Hinsicht unabhängig: Sie dürfen Weisungen von EU-Organen oder Einrichtungen, von mitgliedstaatlichen Regierungen sowie von sonstigen öffentlichen oder privaten Stellen weder annehmen noch anfordern88. Insoweit gelten in der Tat entsprechende Grundsätzen, wie sie etwa die Telekommunikations- und Energierechtsrichtlinien für politisch unabhängige nationale Behörden enthalten89. Der EuGH hat auch bisher schon in anderem Zusammenhang ein vergleichbares „Regulierungsermessen“ anerkannt, das aus der unabhängigen Stellung (wie sie in einem konkreten Rechtsakt ausgestaltet ist) resultiert90. Soweit hinter diesen Vorstellungen der Glaube an den technischen Sachverstand der Akteure steht, wiederholt sich eine Diskussion, die besonders das USamerikanische Verwaltungsrecht der 1960er Jahre, aber auch die Diskussion um Unabhängigkeit und Regulierungsermessen der Bundesnetzagentur prägte91. Gerade wegen der zunehmenden Kompetenzen stellt sich auf Ebene der EU in bisher unbekannter Schärfe die Frage nach einer demokratischen Kontrolle europäischer Behörden. Allerdings dürfen nicht ohne weiteres die deutschen Denkmuster herangezogen werden: Das zuständige Kontrollorgan ist – anders als im deutschen Verwaltungsorganisationsrecht – nicht die Kommission (als „europäische Exekutive“), sondern nach Art. 3 der jeweiligen Verordnung, das Parlament, gegenüber dem die Agenturen Rechenschaftsberichte abgeben müssen. Ob diese Kontrolle ausreicht, kann nicht nur im Bereich der Finanzmarkt___________ 87 s. dazu ausf. Ohler, in: Ruffert, Europäisches Sektorales Wirtschaftsrecht, 2012, § 10 Rn. 111 ff. 88 Vgl. Art. 42 EBA-VO: Bei der Wahrnehmung der ihnen durch diese Verordnung übertragenen Aufgaben handeln der Vorsitzende und die stimmberechtigten Mitglieder des Rates der Aufseher unabhängig und objektiv im alleinigen Interesse der Union als Ganzes und dürfen von Organen oder Einrichtungen der Union, von der Regierung eines Mitgliedstaats oder von öffentlichen oder privaten Stellen keine Weisungen anfordern oder entgegennehmen. 89 Vgl. dazu Ruthig, in: Ruthig/Storr, Rn. 191. 90 Vgl. EuGH vom 22.12.2010 – C-77/09 – Gowan, LMRR 2010, 69 zur Zulassung eines Pflanzenschutzmittels durch die Kommission; vgl. auch Krajewski/Rösslein, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, AEUV Art. 298 Rn. 26: allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts. 91 s. aber auch für die Finanzmarktaufsichtsagenturen Meloney, CMLRev. 2010, 1317, 1349 f.; Peuker, Bürokratie und Demokratie in Europa, 2011, S. 222 ff.; zu Recht ablehnend Ohler, in: Ruffert, Europäisches Sektorales Wirtschaftsrecht, 2012, § 10 Rn. 117.
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aufsicht bezweifelt werden92. Allerdings lassen sich diese Lücken auf europäischer Ebene schließen. Wenn in diese Kontrolle auch die nationalen Parlamente eingeschaltet werden93, wäre auch dem Anliegen nach von den Mitgliedstaaten abgeleiteter demokratischer Legitimation gedient. c) Europäische Regulierungsagenturen unter nationalem Einfluss Europäische Regulierungsagenturen sind jedenfalls nicht nur auf Kooperation mit den mitgliedstaatlichen Behörden im Mehrebenenverbund angelegt94, sie verfügen im Bereich der Finanzmarktaufsicht auch intern über kooperative Entscheidungsstrukturen. Die eigentlichen, bisher allerdings wenig beachteten verwaltungsorganisationsrechtlichen Probleme ergeben sich aus dieser Binnenorganisation: Zentrales Entscheidungsgremium ist der „Rat der Aufseher“, in dem lediglich die Leiter der nationalen Bankaufsichtsbehörden stimmberechtigt sind95 und in der Regel mit einfacher Mehrheit entscheiden, während die übrigen Mitglieder – ein Vorsitzender und je ein Vertreter von EZB, ESRB, Europäischer Kommission und den beiden anderen Regulierungsagenturen eine nur beratende Funktion haben. Insoweit wurden also weniger genuin europäische Kompetenzen geschaffen, als die Organisation der Level 3-Ausschüsse für die Agenturen übernommen. Indem allerdings deren Kompetenzen viel weiter reichen, werden komplexe Fragen der Zulässigkeit einer solchen „Mischverwaltung“ aufgeworfen, die die neue Aufsichtsstruktur als Entnationalisierung, aber gerade nur bedingt als „echte“ Zentralisierung erscheinen lässt. Insoweit bleibt das Finanzmarktaufsichtsrecht also deutlich hinter anderen Bereichen, insbesondere dem Telekommunikationsrecht zurück, wo zentraler Akteur auf europäischer Ebene die Kommission und der mitgliedstaatliche Einfluss insoweit sogar erheblich geringer ist, obwohl nach außen die nationalen Behörden entscheiden96.
___________ 92 s. zu den parallelen Problemen bei Europol als einer weiteren europäischen Regulierungsagentur Ruthig, in: Böse (Hrsg.), Europäisches Strafrecht (Enzyklopädie Europarecht Band 9), 2013, § 20 Rn. 21 ff.; ders., in: FS Wolter (2013) – im Erscheinen. 93 Zur Diskussion um Europol vgl. Ruthig, in: Böse (Hrsg.), Europäisches Strafrecht (Enzyklopädie Europarecht Band 9) § 20 Rn. 32 ff. 94 Dazu Ruffert, in: Calliess/Ruffert, AEUV Art. 298 Rn 8; grundlegend Groß, EuR 2005, 54 mit umfangreichen Beispielen aus dem Kreis damals schon vorhandener Regulierungsagenturen. 95 Vgl. Art. 40 Abs. 1 lit. b VO. 96 s. insoweit nur den Überblick bei Ruthig, in: Ruthig/Storr Rn. 517 f.
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d) Verwaltungskooperation im Mehrebenenverbund: Aufsicht über die Aufsicht Bei näherer Hinsicht ist der Kompetenzverlust weit geringer ausgefallen, als es die den europäischen Behörden neu zugewiesene Befugnis zu Einzelanordnungen gegenüber einzelnen Kreditinstituten auf den ersten Blick vermuten lässt. Originäre Aufsichtsbefugnisse wurden lediglich in der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 über Ratingagenturen begründet97. Danach ist die ESMA unmittelbar für die Registrierung und Überwachung von Ratingagenturen zuständig. Sie erteilt und widerruft nicht nur die Zulassung, sie kann auch die Abgabe von Ratings verbieten, Fehlverhalten öffentlich bekannt machen („naming and shaming“) sowie Bußgelder verhängen. Die in den Gründungsverordnungen insoweit gleichlautend vorgesehenen Einzelfallmaßnahmen unterscheiden sich davon ganz grundsätzlich. Betrachtet man das ihnen vorgeschaltete Verfahren nach Art. 17 EBA-VO genauer, so erinnern diese Befugnisse strukturell an das Selbsteintrittsrecht einer Aufsichtsbehörde. In einem Drei-Stufen-Mechanismus stellt die ESA auf der ersten Stufe Nachforschungen zu etwaigen Fehlern bei der Anwendung des EU-Aufsichtsrechts durch nationale Behörden an und stellt die gefundenen Mängel dann innerhalb von zwei Monaten mittels einer Empfehlung an die betroffene nationale Behörde fest. Wird den in der Empfehlung formulierten Abhilfemaßnahmen binnen eines Monats nicht nachgekommen, kann die EU-Kommission die nationale Behörde auf einer zweiten Stufe mit einer so genannten „förmlichen Stellungnahme“ zur Abhilfe auffordern. Erst wenn die nationale Behörde auch darauf nicht reagiert, ist die europäische Behörde auf der dritten Stufe zum Erlass von Abhilfemaßnahmen in Gestalt von Beschlüssen befugt98. Es handelt sich also um eine „Aufsicht über die Aufsicht“99, die sogar hinter dem telekommunikationsrechtlichen Veto-Verfahren nach Art. 7 der Rahmenrichtlinie zurückbleibt, da die europäische Behörde nicht in jedem Fall zu beteiligen ist, sondern selbst initiativ werden muss100.
___________ 97
Ausf. Deipenbrock, WM 2011, 1829; Möllers/Wecker, ZRP 2012, 106. s. auch Erwägungsgrund 29. Entsprechendes gilt für die Maßnahmen im Krisenfall nach Art. 18 VO. 99 Walla, BKR 2012, 265, 266. 100 Das Verfahren selbst zeigt, dass es an die Stelle eines Vertragsverletzungsverfahrens tritt. Ob es tatsächlich weniger schwerfällig ist, wird sich erweisen müssen. 98
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3. Ausblick: Die Rolle der EZB in der geplanten europäischen Bankenunion Allerdings steht bereits die nächste Reform vor der Tür, die den Regulierungsverbund um einen weiteren Akteur bereichern soll101. Auf der Grundlage von Art. 127 Abs. 6 AEUV) sollen „besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute und sonstige Finanzinstitute (mit Ausnahme von Versicherungsunternehmen) auf die Europäische Zentralbank (EZB)“ übertragen werden. Damit stellt sich als neues Problem, wie auf europäischer Ebene natürlich gesehen wird, die Grundsatzfrage nach der Möglichkeit der Übertragbarkeit solcher Aufgaben auf die EZB überhaupt und zur Umsetzung der zwingend erforderlichen Trennung von ihren Aufgaben als Währungshüterin. Selbst wenn man in Art. 127 Abs. 6 AEUV einen ausreichenden Kompetenztitel sieht102, dürfte die erforderliche Trennung zwischen den Aufgaben in doppelter Hinsicht scheitern: Art. 129 Abs. 1 AEUV sieht als Beschlussorgane nur den EZB-Rat und das Direktorium vor. In der Tat steht deswegen die Arbeit des neu zu schaffenden Aufsichtsgremiums unter der „Überwachung und Verantwortung“ (Art. 19 Abs. 3 VO-E) des EZB-Rates. Eine zur Vermeidung interner Interessenkonflikte sicher wünschenswerte Trennung von geldpolitischen und aufsichtsrechtlichen Tätigkeiten durch „Chinese Walls“ und die für das Modell der unabhängigen Regulierungsbehörde typische Ausstattung mit Letztentscheidungsbefugnissen für das konkret entscheidende Gremium sind mit dem geltenden EZB-Primärrecht nicht vereinbar. Andererseits soll die EZB Unabhängigkeit nach außen haben; Art. 282 Abs. 3 AEUV gewährleistet Unabhängigkeit der EZB für alle ihre Aufgaben. Umso bemerkenswerter ist daher der Vorschlag, die EZB genauso wie die nationalen Auf103 sichtsbehörden der Rechts- und Fachaufsicht der EBA zu unterstellen . Der derzeitige Vorschlag bedarf insoweit dringend der Modifikation. ___________ 101
Deren Details stehen noch nicht fest; vgl. zu den Beratungen im Rat die Pressemitteilung vom 12.12.2012 http://www.consilium.europa.eu/uedocs/cms_data/docs/pres sdata/de/ecofin/134712.pdf. Grundlage dieser Beratung war der Vorschlag für eine Verordnung der Europäischen Kommission an den Rat zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute auf die Europäische Zentralbank vom 12.09.2012, KOM(2012) 511 endg. 102 Die Formulierung „besondere“ Aufgaben in Art. 127 Abs. 6 AEUV ist missverständlich. Die französische und englische Fassung sprechen von „missions spécifiques“ und „specific tasks“, verlangen also eher nur klar umschriebene Konsequenzen, als dass es sich um wie auch immer von den allgemeinen unterschiedene „besondere“ Aufgaben handelt, wie es die deutsche Übersetzung nahe legt. Andererseits nach Art. 127 Abs. 5 AEUV die Aufgabe des Europäischen Systems der Zentralbanken gerade nur darin „zur reibungslosen Durchführung der von den zuständigen Behörden auf dem Gebiet der Aufsicht über die Kreditinstitute […] ergriffenen Maßnahmen“ beizutragen. 103 Vgl. dazu den Vorschlag zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Bankenaufsichtsbehörde) hinsichtlich ihrer Wechselwirkungen mit der Verordnung (EU) Nr. …/… des Rates zur
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Jedenfalls betritt nicht nur ein weiterer Akteur die Bühne des geplanten „einheitlichen Aufsichtsmechanismus“ (Single Supervisory Mechanism) sondern wird vor allem der Einstieg in originär europäische Aufsichtskompetenzen vollzogen. Zu regeln sind deswegen nicht nur dessen konkrete Kompetenzen sondern vor allem die Zuständigkeitsfragen im europäischen Verwaltungsverbund: Der Verordnungsentwurf vom September verfolgte das ehrgeizige Ziel, die Zuständigkeit der EZB auf sämtliche in den Mitgliedstaaten zugelassenen Banken zu erstrecken. Dies wird sich jedenfalls kurzfristig als undurchführbar erweisen, so dass die Aufsicht zwischen nationaler und zentraler Aufsichtsbehörde aufzuteilen ist. Hierbeiläge nach dem Gesagten eigentlich eine Anknüpfung an die Unterscheidung zwischen systemrelevanten und sonstigen Banken nahe. Andererseits bedarf die Verwaltungszuständigkeit klarer Abgrenzungskriterien, so dass man stattdessen auf die Größe eines Instituts, die grenzüberschreitende Ausrichtung seiner Geschäftstätigkeit und andere vermeintlich leicht fassbare Kriterien abstellen könnte. Die Abgrenzung und zugleich die Konkretisierung der Binnenstruktur des einheitlichen Aufsichtsmechanismus setzen allerdings zunächst auf politischer Ebene die Konkretisierung der Ratsvorschläge aus dem Dezember voraus. Die letztlich entscheidende Schwierigkeit bei der normativen Umsetzung der politischen Vorgaben dürfte angesichts des ehrgeizigen Zeitplans darin bestehen, dass man für die Aufsichtsaufgaben der EZB erst die erforderlichen Rechtsgrundlagen schaffen muss. Aufgabennormen sind auch in Europa keine Befugnisnormen. Die Begründung des Kommissionsvorschlags enthält hierzu folgenden sybillinischen Passus104: „Im Hinblick auf die Erfüllung ihrer Aufgaben gilt die EZB als zuständige Behörde der teilnehmenden Mitgliedstaaten und verfügt daher über die diesen Behörden im Bankenrecht der EU übertragenen Aufsichtsbefugnisse. Dazu zählen Aufsichtsbefugnisse wie die Befugnis zur Zulassung von Kreditinstituten und zum Entzug von Zulassungen sowie zur Absetzung von Mitgliedern des Leitungsorgans eines Kreditinstituts“. Das erste Problem liegt darin, dass im bisherigen „Bankenrecht der EU“ gerade keine konkreten Aufsichtsbefugnisse begründet werden. Vielmehr werden die Mitgliedstaaten in den Richtlinien zur Schaffung der Rechtsgrundlagen verpflichtet. Es kann schon aus Praktikabilitäts-, vor allem aber aus Rechtsgründen nicht gemeint sein, dass die EZB dann auf der Grundlage der unterschiedlichen nationalen Rechtsgrundlagen tätig wird. Sie bedürfte vielmehr eigener europäischer Rechtsgrundlagen in einer Verordnung. Die Art. 13 ff. des Verordnungsentwurfes bleiben vage und erfüllen diese Anforderungen gerade nicht, wie allein der Vergleich mit dem beeindruckend angewachsenen nationalen Auf___________ Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute auf die Europäische Zentralbank, KOM(2012) 512 vom 12.9.2012. 104 KOM(2012) 511 S. 6.
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sichtsrecht im KWG verdeutlicht. Selbst wenn man hierin einen rechtsstaatlichen Anforderungen genügenden Verweis der Verordnung auf die Richtlinien sehen wollte, so würde ein solcher nur dann als Rechtsgrundlage taugen, wenn die Richtlinie an der entsprechenden Stelle jedenfalls hinreichend bestimmt formuliert wäre, mit anderen Worten auch einer unmittelbaren Anwendung zugänglich wäre. Angesichts der Richtlinienflut kann ein solches Verfahren keine effektive Aufsicht gewährleisten. Damit zusammenhängend bleibt zu berücksichtigen, dass das bisherige Bankaufsichtsrecht auf dem Grundsatz einer weitgehenden verfahrensrechtlichen Autonomie der Mitgliedstaaten beruht. Schon die Rechtsgrundlage für die Genehmigungserteilung und den Widerruf einer Genehmigung, das Rechtsinstitut des Verwaltungsakts und das gesamte Verwaltungsverfahrensrecht einschließlich der Beteiligungsrechte, Anhörungs- und Begründungserfordernisse finden sich im nationalen Recht, dass zwar europäischen Mindestanforderungen genügen muss, aber gerade nicht harmonisiert wurde. Bleibt es bei dem avisierten Modell, sind Ermächtigungsgrundlagen (einschließlich allgemeiner Vorschriften über „europäische Verwaltungsakte“ und deren Widerruf, Beteiligungsrechte etc. erst noch zu schaffen. Die europäische Bankenaufsicht bedarf also genauso wie die europäische Fusions- und Beihilfekontrolle eines (allgemeinen oder besonderen) Verfahrensrechts. Als Alternative wäre ein „Konsolidierungsverfahren“ nach dem Vorbild von Art. 7 der telekommunikationsrechtlichen Rahmenrichtlinie105 vorstellbar (gewesen), bei dem im Außenverhältnis die nationalen Behörden tätig werden, ihr Handeln aber sehr weit reichend europäisch determiniert ist, im Telekommunikationsrecht durch die Kommission, im Bankaufsichtsrecht eher durch EBA oder EZB. Die Entwicklung ist über solche alternativen Modelle allerdings wohl schon hinweggegangen. Das zweite Problem liegt darin, dass schon der Verordnungsentwurf eine problematische Form der Mischverwaltung schafft. Auch dies zeigt bereits das rechtstechnisch einfachste Beispiel der Erteilung einer Bankerlaubnis. Da die Tätigkeit einer Bank außer dem harmonisierten Recht auch nationalem Sonderrecht unterliegt106, schaltet der Vorschlag der europäischen Genehmigungserteilung ein nationales Prüfverfahren vor, in dem die Frage der Erteilung umfassend geprüft, aber gerade nicht rechtsverbindlich entschieden wird. Für die europarechtlichen Anforderungen an die Erlaubnis ist dies unproblematisch; das Vorbild für ein solches Verfahren ist das Einvernehmen nach § 36 BauGB. Wenn die Rechtsauffassung der nationalen Behörde insoweit überhaupt rechtlich relevant ist, so kann ihr „Einvernehmen“ zumindest ersetzt werden. Die Schwierigkeiten liegen im Nebeneinander europäischer und rein nationaler Ge___________ 105
RL 2002/21/EG zuletzt geändert am 25.11.2009 durch RL 2009/140/EG. Beispiele sind in Deutschland die Vorschriften für Pfandbriefanstalten und Bausparkassen. 106
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nehmigungsanforderungen im nicht harmonisierten Bereich. Die künftige europäische Banklizenz soll auch über diese rein nationalen Fragen im Außenverhältnis entscheiden. Schon verwaltungsrechtlich bedarf die Konstruktion einer gewissen Kreativität. Wie aber beeinflusst das den Rechtsschutz? Wenn die Genehmigung selbst ein europäischer Rechtsakt ist, muss dagegen Rechtsschutz auf europäischer Ebene gewährt werden. Aber entscheiden dann die europäischen Gerichte auch verbindlich über nationales, genauer nicht harmonisiertes Recht, etwa die Vorschriften des deutschen Bausparkassenrechts? Das derzeitige Rechtsschutzsystem ist auf diese Konstellationen in keinster Weise vorbereitet. Weitaus einfacher lösbar sind die vielfältigen Folgeprobleme, etwa auch die notwendige Einräumung von Untersuchungsbefugnissen, wenn man dabei dem kartell- und beihilferechtlichen Vorbild folgt und die Vollstreckung der entsprechenden Maßnahmen den mitgliedstaatlichen Behörden und Gerichten überantwortet107. Aber auch insoweit müssten europäische Verfahrensregeln erst einmal geschaffen werden108.
III. Europäische Rechtssetzung: der langsame Abschied von der Richtlinie 1. Von der Richtlinie zur Verordnung Auch wenn Bankaufsichtsrecht schon lange richtliniengeprägtes Recht ist, so verblieb jedenfalls die Gesetzgebungs- bzw. Rechtssetzungsbefugnis im Außenverhältnis bisher bei den Mitgliedstaaten. In der Sache waren angesichts des Standes der Harmonisierung die mitgliedstaatlichen Spielräume freilich stark eingeschränkt. Allenfalls zeitlich begrenzt konnten sie, wie etwa jüngst einige Mitgliedstaaten109 bei der Bankenrestrukturierung eine Vorreiterrolle übernehmen und nationale Modellgesetze entwickeln, die anschließend in ein harmonisiertes europäisches Rechtsregime münden. Wie in anderen Bereichen auch wird das auf Umsetzung durch die Mitgliedstaaten angewiesene Instrument der Richtlinie zunehmend durch die unmittelbar wirkende Verordnung ersetzt. Ak___________ 107 Zu diesem Modell bereits Ruthig, in: Wolter/Schenke/Hilger/Ruthig/Zöller, Alternativentwurf Europol und europäischer Datenschutz, 2008, S. 113 f. 108 Art. 5 des Verordnungsentwurfes sieht eine weitreichende Übertragung von Ermittlungen auf die nationalen Behörden vor, die insoweit den Weisungen der EZB unterstehen, KOM(2012) 511. 109 Außer im anglo-amerikanischen Bereich wurden etwa die Bankentestamente bereits sehr früh in Portugal eingeführt, vgl. http://www.agenciafinanceira.iol.pt/geral/banca-planos-de-recuperacao-bancos-banco-de-portugalprazos-ultimas-noticias/1384431-52 38.html.
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tuelles Beispiel ist die sich ebenfalls gerade im Gesetzgebungsprozess befindende Verordnung über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen110, die insbesondere die Eigenkapitalanforderungen in unmittelbar anwendbare und nicht der Umsetzung zugängliche Rechtsvorschriften gießen wird. Diese Entwicklung ist zu begrüßen. Europäisch einheitliche (und wahrscheinlich auch stärker einheitlich interpretierte) Anforderungen verhindern, dass Finanzmarktakteure ihren Sitz in vermeintlich günstige Jurisdiktionen verlegen. Tatsächliche Kompetenzverluste für die Mitgliedstaaten sind damit nicht verbunden. Umsetzungsspielräume gibt es kaum und schon die Spielräume des Richtliniengesetzgebers sind durch den Baseler Prozess beschränkt111. Der Verzicht auf eine „doppelte“ Umsetzung zunächst durch Richtlinien und dann nationale Normen fördert und beschleunigt daher die Implementation der Baseler Vorgaben, ohne selbst die nationale Souveränität weiter zu beschränken. Überdies hängt die Frage mitgliedstaatlicher Spielräume gerade nicht von der auf europäischer Ebene gewählten Sekundärrechtsform ab. Auch das Instrument der Verordnung ließe zugunsten nationaler Spielräume „bewusste Regelungslücken“ zu. Die Ergänzung von Bundesgesetzen durch Ausführungsgesetze der Länder wäre das – freilich auch in der deutschen Praxis nicht allzu intensiv genutzte – Vorbild. Unverzichtbar wird das Instrument der Verordnung überall da, wo künftig eine europäische Behörde tätig wird. So können sich künftig sowohl nationale Behörden wie EZB bei einer wie auch immer geteilten Aufsicht gemeinsam auf die materiellen Vorgaben einer Verordnung stützen. Die Idee eines europäischen „Single Rulebooks“, d. h. eines in sich konsistenten europäischen Regelwerks steht im Raum112. Die Schwierigkeiten bei der Verwirklichung sind im ___________ 110 Das CRD IV-Paket vom 20.7.2011 soll die gegenwärtigen Eigenkapitalrichtlinien (2006/48/EG und 2006/49/EG) durch eine Richtlinie und eine Verordnung ersetzen. Die vorgeschlagene Richtlinie über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Richtlinie 2002/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über die zusätzliche Beaufsichtigung der Kreditinstitute, Versicherungsunternehmen und Wertpapierfirmen eines Finanzkonglomerats (KOM/2011/452) regelt die Zulassung zum Einlagengeschäft, während die Verordnung die für die Institute geltenden Aufsichtsanforderungen festlegen soll, vgl. KOM/2011/452 (Teil 1-3) und aus der dt. Literatur Schulter-Mattler/Manns, WM 2011, 2069. Parallel dazu wurde bereits auf der Grundlage der Vorschläge ein Gesetzgebungsverfahren zu seiner Umsetzung eingeleitet (CRD IVUmsetzungsgesetz, BT-Drs. 17/10974). 111 Zugleich herrscht Einigkeit, dass gerade im Bereich der Eigenkapitalvorschriften eine weitere Vereinheitlichung der Grundsätze und vor allem der Aufsichtsstandards erforderlich ist, vgl. nur die Stellungnahme der EZB vom 25.1.2012 zum CRD IV-Paket, ABl. C 105/1. 112 Der Entwurf der CRD IV-Richtlinie sieht in Art. 73 Abs. 3 vor, dass die EBA in Bezug auf die geschäftsorganisatorischen Vorgaben des Art. 73 Abs. 1 CRD IV techni-
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Bankrecht weniger auf eine mangelnde Bereitschaft der politischen Akteure zurückzuführen als vielmehr der Komplexität der Materie geschuldet. Eine weitere, möglicherweise bedeutsamere Kompetenzverschiebung vollzieht sich auf der Ebene des delegierten Rechts. Auch insoweit kann die Umsetzung der Basel-Vereinbarungen künftig unmittelbar durch die Kommission erfolgen. Die europäischen Behörden bereiten lediglich die – anschließend von der Kommission nach dem im Art. 290 f. AEUV vorgesehenen Verfahren erlassen – Rechtsakte vor. Dieses Verfahren könnte für die betroffenen Banken sogar einen Vorteil haben, sind die delegierten Rechtsakte doch nicht nur unmittelbar verbindlich, sondern vor allem auch unter erleichterten Voraussetzungen dem Rechtsschutz zugänglich. Die von der Kommission nach Art. 290 Abs. 1 AEUV erlassenen delegierten Rechtsakte113 sowie die auf der Grundlage von Art. 291 Abs. 2 AEUV erlassenen Durchführungsrechtsakte stellen Rechtsakte mit Verordnungscharakter im Sinne von Art. 263 Abs. 4 3. Alt. AEUV dar114. Bei diesen muss nur noch die „unmittelbare Betroffenheit“ und nicht mehr, was angesichts der Plaumann-Formel bei Rechtsnormen kaum gelingen konnte115, zusätzlich die individuelle Betroffenheit geltend machen. Insoweit entwickelt sich bei delegierten Rechtsakten eine „europäische Normenkontrolle“ bezüglich des Tertiärrechts, die dem deutschen § 47 VwGO entspricht, der auf bundesrechtliche untergesetzliche Normen allerdings nicht anwendbar ist. In einem solchen Verfahren lassen sich – allgemeinverbindlich für die gesamte EU – die Detailfragen viel besser einer gerichtlichen Klärung zuführen als auf nationaler Ebene. Es ist auch nicht zu erwarten, dass auf europäischer Ebene die Banken die gleiche Zurückhaltung hinsichtlich des Rechtsschutzes üben würden wie in Deutschland. ___________ sche Standards entwickeln muss. Darin könnte ein entscheidender Schritt zu einem solchen Single Rulebook (d.h. eines vereinheitlichten materiellen Aufsichtsrechts) liegen. 113 s. dazu auch v. Danwitz, Europäisches Verwaltungsrecht, S. 271 f. 114 s. auch für eine Kommissionsverordnung zum Lebensmittelrecht EuG vom 25.10.2011 – T-262/10; dazu Everling, EuZW 2012, 376. 115 Danach ist eine natürliche oder juristische Person nur dann von einer Maßnahme individuell betroffen, wenn diese sie „wegen bestimmter persönlicher Eigenschaften oder besonderer, sie aus dem Kreis aller übrigen Personen heraushebender Umstände berührt und sie daher in ähnlicher Weise individualisiert wie einen Adressaten“, st. Rspr. seit EuGH, Urt. vom 15.7.1963 – Rs. 25/62, Slg. 1963, 211, 238 – Plaumann. Es fehlt also an der individuellen Betroffenheit dort, wo der Kläger auf Grund objektiver Eigenschaften in gleicher Weise wie jeder andere Marktteilnehmer behandelt wird, der sich rechtlich oder potentiell in einer vergleichbaren Situation befindet. Aufgrund dieser engen Interpretation lehnte der EuGH im Fall Plaumann die individuelle Betroffenheit bei einer an Kaufleute adressierten Vorschrift mit dem Hinweis ab, diese Tätigkeit könne von jedermann ausgeübt werden. In Konsequenz dieser Rechtsprechung ist eine Klage gegen Verordnungen und Richtlinien mit abstrakt-generellem Inhalt regelmäßig ausgeschlossen.
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2. Europäisches Soft Law: Guidelines der europäischen Aufsichtsbehörden a) Rechtsnatur der Guidelines Während die europäischen Verordnungen ohne weiteres dem Rechtsschutz zugänglich sind, steht das europäische Prozessrecht an anderer Stelle vor großen Herausforderungen. Die Aufsichtsbehörden selbst können nach Art. 16 der jeweiligen VO, „Leitlinien und Empfehlungen“ erlassen. Bei diesen, im europäischen Sprachgebrauch als Guidelines bezeichneten Handlungsformen handelt es sich nach der Konzeption der VO um abstrakt-generelle Vorgaben an die nationalen Aufsichtsbehörden und die Marktteilnehmer. Es sind weder Verordnungen noch Beschlüsse, sie sind rechtlich unverbindlich. Allerdings normiert Art. 16 Abs. 3 folgende Pflicht: „Die zuständigen Behörden und Finanzinstitute unternehmen alle erforderlichen Anstrengungen, um diesen Leitlinien und Empfehlungen nachzukommen“. Wenn sie von den Empfehlungen abweichen wollen, haben die nationalen Behörden nach dem sog. comply or explainPrinzip die Gründe für eine Abweichung darzulegen. Obwohl ihnen die Regelungswirkung fehlt, werden sie auch von den Privaten befolgt, um Aufsichtsmaßnahmen zu vermeiden. Durch die Koppelung rechtlicher Unverbindlichkeit mit einer faktischen Beachtenspflicht sind sie die europäische Entsprechung zu den in der bundesdeutschen Aufsichtspraxis allenthalben anzutreffenden Rundschreiben und Mitteilungen der BaFin, die man als Verwaltungsinnenrecht qualifiziert. Nicht anders verhält es sich mit den Guidelines116. Der einzige aus der Natur der Sache folgende Unterschied liegt darin, dass diese sich nicht nur an die Finanzmarktteilnehmer sondern zugleich auch an die mitgliedstaatlichen Aufsichtsbehörden richten. b) Rechtsschutz Die fehlende Rechtsverbindlichkeit der Guidelines wirft demgegenüber erhebliche Rechtsschutzprobleme auf. Der Rechtsschutz im Bereich der europäischen Bankenaufsicht ist zweigeteilt. Wie die Gründungsrechtsakte anderer europäischer Agenturen auch117 sehen die ESA-Verordnungen in den Art. 58 ff. ___________ 116
In der Tat kennt das Primärrecht in Art. 288 Abs. 5 AEUV den Begriff der Leitlinie nicht. Es handelt sich nach europäischem Sprachgebrauch um intern wirkende Akte der Kommission zur Konkretisierung primärrechtlicher Spielräume, so dass sie auch in ihrer „Standardvariante“ den Verwaltungsvorschriften des deutschen Rechts entsprechen; s. dazu Ohler, in: Ruffert, Europäisches Sektorales Wirtschaftsrecht, 2012, § 10 Rn. 112; v. Danwitz, Europäisches Verwaltungsrecht, 2008, 247; Möstl, DVBl. 2011, 1076, 1083. 117 Vgl. Sauer, EuR 2010, 51, 57 ff.; ausf. Siegel, Entscheidungsfindung im Verwaltungsverbund, 2009, 142 ff.
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die Einrichtung eines Beschwerdeausschusses als spezifischer Rechtsschutzinstanz vor. Seit Lissabon kann dieser den gerichtlichen Rechtsschutz nicht mehr verdrängen. Er kann ihm – vergleichbar dem Widerspruchsverfahren nach deutschem Recht – als behördeninterner Rechtsschutz lediglich vorgeschaltet werden118. Allerdings ergibt sich dessen Zuständigkeit aus der Aufzählung der tauglichen Beschwerdegegenstände in Art. 60 EBA-VO. Dieser Katalog ist abschließend und umfasst die hier gegenständlichen Leitlinien und Empfehlungen somit gerade nicht. Dagegen ist nichts einzuwenden. Da Art. 60 VO seinem Wortlaut nach versperrt ist, ist über die unmittelbare Öffnung der Nichtigkeitsklage nachzudenken. Die Rechtsschutzgarantie des Art. 47 Abs. 1 GrCh verlangt auch hier die Schließung eventuell bestehender Rechtsschutzlücken. Ähnlich wie es der in Deutschland herrschenden Meinung zur parallelen Problematik der BaFin-Rundschreiben entspricht119, kann den Finanzmarktteilnehmern regelmäßig nicht zugemutet werden, ein Rundschreiben zu ignorieren, Aufsichtsmaßnahmen zu riskieren und dann im dagegen angestrengten Rechtsschutzverfahren die Rechtmäßigkeit der Empfehlung überprüfen zu lassen. Allerdings ist die Nichtigkeitsklage nach Art. 263 Abs. 1 S. 1 2. HS AEUV bei den rechtlich unverbindlichen Mitteilungen und Stellungnahmen ausgeschlossen. Die Reichweite dieser Aussage ist allerdings näher zu beleuchten. Der Wortlaut des Art. 263 Abs. 1 S. 2 AEUV knüpft den Rechtsschutz gegenüber „Handlungen“ in Art. 263 AEUV an das Vorliegen von „Rechtswirkungen gegenüber Dritten“, was es ausreichen ließe, nicht auf die Rechtsverbindlichkeit abzustellen und faktische Wirkungen genügen zu lassen. Ungeachtet der Frage, inwieweit die dort nicht genannten Leitlinien überhaupt unter Art. 263 Abs. 1 S. 1 2. HS AEUV fallen120, darf jedenfalls nicht vorschnell auf die Unzulässigkeit des Rechtsschutzes geschlossen werden. Jedenfalls hat der EuGH auch bisher schon die Unzulässigkeit einer Klage nicht auf die Unverbindlichkeit der Handlungsform, sondern die davon unterschiedene Frage der „rechtlichen Verbindlichkeit“ gestützt und deswegen in bestimmten Fällen eine Klage für zulässig erachtet. Dies betraf etwa die Klage eines Mitgliedstaates gegen einen als Mitteilung bezeichneten Akt, der nicht lediglich bereits geltendes Recht erläutert, sondern den Anspruch erhebt oder jedenfalls den Anschein erweckt, dass eine (vermeintliche) unionsrechtliche Pflicht bestehe121. Aus demselben Grund hat der EuGH auch gegen eine Empfehlung nach ___________ 118
Vgl. Art. 263 Abs. 5 AEUV. Dazu ausf. Ruthig, in: Ruthig/Storr, Öffentl. Wirtschaftsrecht, Rn. 530. 120 Teilweise wird diese auf die ausdrücklich als Empfehlung bezeichneten Maßnahmen beschränkt. 121 EuGH vom 20.3.1997 – Rs C-57/95, Slg. 1997, I-1627, Rn. 13 ff. (Frankreich/Kommission); Rs. C-325/91, Slg. 1993, I-3283, Rn. 20 ff. (Frankreich/Kommission). 119
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Art. 126 Abs. 7 AEUV die Nichtigkeitsklage zugelassen122. Entsprechendes gilt im Beihilferecht für Gemeinschaftsrahmen, Mitteilungen und Leitlinien, in denen die Kommission auf der Grundlage von Art. 108 Abs. 1 AEUV für verschiedene Arten von staatlichen Beihilfen ihre Aufsichtspraxis transparent macht123. Überträgt man diese Grundsätze auf Guidelines der Finanzmarkaufsichtsbehörden, so muss man auch diese als zulässigen Klagegegenstand ansehen. Nicht in Widerspruch dazu steht es, wenn das EuG gegen eine Auslegungsmitteilung im Vergaberecht den Rechtsschutz nicht zuließe124, da es dieser eine entsprechende Wirkung absprach. Während also bloß norminterpretierende Empfehlungen (wie im Fall des Vergaberechts) nicht angegriffen werden können, ist dies bei „normkonkretisierenden“ Empfehlungen anders, weil gerade in dieser Normkonkretisierung die erforderliche Rechtswirkung zu sehen ist. Es bleibt abzuwarten, ob diese rechtlichen Möglichkeiten entgegen der deutschen Tradition im Bankaufsichtsrecht auch tatsächlich genutzt werden. Möglicherweise könnte die Europäisierung zu einer Intensivierung des Rechtsschutzes führen. Immerhin fiel die bereits erwähnte Kritik der Verbände an Maßnahmen der europäischen Behörden von Anfang an ungewöhnlich harsch aus. Zugleich könnte die Furcht vor dem mit einer Klage gegen die Aufsichtsbehörde verbundenen Imageschaden und dessen ökonomischen Konsequenzen beim Kampf gegen einen europäischen Regulator weniger stark ausgeprägt sein. Erst recht wenn möglicherweise nationale Regulierungsbehörde und Banken gemeinsam gegen Maßnahmen europäischer Behörden vorgehen.
IV. Europäische Rechtsdurchsetzung: Weiche Steuerungsmittel als Indiz für eine neue Aufsichtskultur? Auf dem Gebiet der Rechtsdurchsetzung sind die Kompetenzen der europäischen Behörden (noch) beschränkt. Sie sind, wie bereits dargestellt, zwar zu verbindlichen Einzelfallmaßnahmen in Form von Beschlüssen befugt, fungieren insoweit aber derzeit lediglich als Aufsicht über die Aufsicht. Für eine Bewertung potentieller „Verwaltungsaktsbefugnisse“ der EZB ist es noch zu früh, solange nicht einmal ihre Zuständigkeit geklärt ist und es sich abzeichnet, dass in einer ersten Stufe lediglich Genehmigungsverfahren und Inhaberkontrolle ___________ 122 EuGH, Rs. C-27/04, Slg. 2004, I-6649, Rn. 50 (Kommission/Rat); dazu Häde, EuR 2004, 750, 757 ff.; Kotzur, JZ 2004, 1072, 1072 f. 123 EuGH, Rs. C-135/93, Slg. 1995, I-1651, Rn. 29 – Spanien/Kommission; dazu Cremer, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 4. Aufl. 2011, Art. 263 Rn. 17. Die unterschiedliche Bezeichnung dieser rechtlich nicht unmittelbar verbindlichen Handlungen ist insoweit nicht von Relevanz, vgl. Jestaedt/Häsemeyer, EuZW 1995, 787, 789. 124 EuG NZBau 2010, 510; so auch Knauff/Schwensfeier, EuZW 2010, 611, 614.
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auf die EZB verschoben werden, die übrigen Fragen und damit wohl insbesondere die Rechtsdurchsetzung in der laufenden Geschäftsüberwachung aber weiter in der Kompetenz der Mitgliedstaaten verbleiben. Schon jetzt ist aber auch bei der Rechtsdurchsetzung eine – teilweise kritisch zu betrachtende – Zentralisierung auf europäischer Ebene erfolgt, wie die Befugnis zu Warnungen und vor allem die bereits erwähnten Stresstests belegen. Allerdings handelt es sich dabei um informelle und vermeintlich weiche Steuerungsinstrumente. Es scheint sich ein genuin europäisches Aufsichtsrecht durch „soft law“ zu entwickeln. 1. Warnungen der europäischen Aufsichtsbehörden Nach Art. 9 Abs. 3 ihrer jeweiligen VO können die Aufsichtsbehörden eine Warnung aussprechen. Noch spielen diese in der Praxis keine Rolle. Die ESMA hat lediglich eine allgemeine Warnung vor Devisengeschäften mit nicht zugelassenen Händlern herausgegeben und in dieser vor allem auf die Gefahren für Kleinanleger hingewiesen. Immerhin konnte sie sich auf eine ausdrückliche Kompetenz stützen, deren Regelungsgehalt freilich übersichtlich ist: Nach Art. 9 Abs. 3 der jeweiligen Verordnung können die Wertpapieraufsichtsbehörde ESMA und die Bankaufsichtsbehörde EBA „Warnungen herausgeben, wenn eine Finanztätigkeit eine ernsthafte Bedrohung für die in Artikel 1 Absatz 5 festgelegten Ziele darstellt“. Mehr regelt die VO nicht. Die Voraussetzungen einer Warnung bleiben genauso im Dunkeln wie das einzuhaltende Verfahren. Selbstverständlich besteht eine Verpflichtung zur Sachaufklärung und gilt das Verhältnismäßigkeitsprinzip125. Dennoch genügt die Regelung nicht den rechtsstaatlichen Anforderungen an eine Befugnisnorm. Es ist nicht einmal klar, inwiefern diese Vorschrift konkrete Warnungen vor „gewissen Kapitalmarktteilnehmern oder -Praktiken“126 bzw. vor einzelnen Produkten127 deckt. Ja die Vorschrift regelt nicht einmal explizit, inwieweit sich eine solche Warnung überhaupt an die Marktöffentlichkeit128 und nicht nur an die Aufsichtsbehörden richten darf. Auch die Frage der Verhältnismäßigkeit einer Warnung wäre zu konkretisieren. Der – im Übrigen in anderem Zusammenhang auch vom EuGH strenger geprüfte129 – Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wird es beispielsweise auch gebieten, vor konkreten Warnungen dem betroffenen Institut die Gelegenheit zur Abhilfe zu geben. Insoweit ist der europäische Gesetzgeber zur Nach___________ 125
Ohler, in: Ruffert, Europäisches Sektorales Wirtschaftsrecht, 2012, § 10 Rn. 129. So Walla, BKR 2012, 265, 267. 127 So Rötting/Lang, EuZW 2012, 8, 11. 128 Für eine solche Auslegung Walla, BKR 2012, 265, 267 und Rötting/Lang, EuZW 2012, 8, 11. 129 EuGH vom 9.11.2010, Rs. C-92/09 u. C-93/09 – Schecke und Eifert/Hessen. 126
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besserung der Ermächtigungsgrundlagen aufgerufen130; erst recht werden die Ermächtigungsgrundlagen für die künftige Aufsichtstätigkeit der EZB sich an diesen Maßstäben messen lassen müssen. Auch die Fragen des Rechtsschutzes sind zu klären. Während Warnungen nach deutschem Recht den Realakten zugeordnet und insoweit von Verwaltungsakten unterschieden werden, kennt das Unionsrecht als Einzelfallmaßnahme den verbindlichen Beschluss. Schlichthoheitliches Handeln auf EUEbene bedarf also auch an dieser Stelle noch der rechtlichen Aufarbeitung. Vor allem aber bestünde Gelegenheit, die – nicht nur rechtspolitische – Frage der Eignung solcher Warnungen in einem auf Vertrauen und Stabilität angelegten Markt noch einmal näher zu überdenken, zumindest aber ihre Zulässigkeit näher zu regeln und zu begrenzen. 2. Stresstests Als noch problematischer stellen sich die Stresstests dar, wie sie die EBA in einer von Seiten der nationalen Aufsichtsbehörden und Banken kritisierten Art und Weise durchgeführt hat. Bereits deren Zulässigkeit ist rechtlich höchst problematisch. Zu den Kompetenzen der EBA äußert sich in diesem Zusammenhang Art. 23 Abs. 1 S. 1 EBA-VO wie folgt: „Die Behörde entwickelt in Abstimmung mit dem ESRB Kriterien für die Ermittlung und Messung des Systemrisikos sowie ein geeignetes Verfahren zur Durchführung von Stresstests, mit denen sich auch beurteilen lässt, wie hoch das Potenzial ist, dass sich das von Finanzinstituten ausgehende Systemrisiko in Stresssituationen erhöht“. Dies berechtigt also zur Entwicklung der anzuwendenden Verfahren. Hinsichtlich konkreter Stresstests heißt es in Art. 21 Abs. 2 lit. b, dass die Behörde „die Durchführung unionsweiter Stresstests veranlassen und koordinieren kann. Soweit sie nach Art. 32 zur Bewertung der in ihren Zuständigkeitsbereich fallenden Marktentwicklungen wohl sogar verpflichtet ist, dient dies lediglich der Unterrichtung im Rahmen des ESFS und gegenüber Kommission, Rat und Parlament. Nimmt man diese Vorgaben ernst, war die EBA wohl schon gar nicht zur Durchführung der Stresstests befugt. Jedenfalls aber hätte man die Öffentlichkeit weder über die Ergebnisse noch die in den Stresstest einbezogenen Banken informieren dürfen. Letztlich bestätigt also die Interpretation der einschlägigen ___________ 130 Ähnliche Konkretisierungsschwierigkeiten zeigten sich auch in anderen Bereichen behördlicher Warnungen und haben beispielsweise im Lebensmittelrecht dazu geführt, dass der deutsche Gesetzgeber die Befugnis zur behördlichen Warnung in einer Verordnung – systemwidrig – durch nationale „Umsetzungsvorschriften“ konkretisiert hat, vgl. Streinz, in: Meyer/Streinz, LFBG – BasisVO, 1. Aufl. 2007, Einführung Rn. 73 ff.
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Vorschriften auch für das informelle Verwaltungshandeln die oben aufgestellte These, dass die aufsichtsrechtliche Tätigkeit im konkreten Einzelfall grundsätzlich Sache der mitgliedstaatlichen Behörden ist. Diese haben nach derzeitigem Recht die Stresstests durchzuführen, europaweite Warnungen der europäischen Behörden müssten auf eine tragfähigere rechtliche Grundlage gestellt werden. Das von der EBA gewählte Verfahren (Vorabveröffentlichung der Ergebnisse durch die Institute auf „freiwilliger“ Basis) bestätigt diese Bedenken genauso wie die Tatsache, dass die nächste Runde von Stresstests mehrfach verschoben wurde. Vor allem aber wurde im Verordnungsentwurf zur Übertragung von Aufgaben auf die EZB ein solcher ausdrücklicher Kompetenztitel zur Durchführung der Stresstests aufgenommen131.
V. Bewertung und Ausblick Für ein abschließendes Resümee ist es, erst recht am Beginn einer weiteren Unionisierung zu früh. Gerade von der deutschen Bundesregierung wird eine weitere Stärkung der europäischen Aufsicht gefordert. Wenn diese Vorschläge mit einer institutionellen Verortung bei der EZB verbunden sind, bedarf es erst noch der Prüfung, inwieweit die Übertragung von Aufsichtsbefugnissen auf die EZB mit deren primärrechtlicher Stellung überhaupt vereinbar und angesichts der Trennung von Finanzmarkt- und Geldwertstabilität erstrebenswert wäre. Vergleichbare Schwierigkeiten hatten auch in Deutschland schon dazu geführt, dass die Bundesregierung von einer Verlagerung von Aufsichtskompetenzen auf die Bundesbank Abstand genommen hatte. 1. Ein vorläufiges Fazit Primär kommt den europäischen Behörden nach bisherigem Recht eine Koordinierungsfunktion zu, die als Aufsicht über die Aufsicht durch bestimmte Kompetenzen zum „Selbsteintritt“ ergänzt wird, deren praktische Relevanz sich erst noch wird erweisen müssen. Jedenfalls darf der rechtlich unverbindliche Charakter nicht mit mangelnder Effektivität gleichgestellt werden. Der bei Einleitung eines Aufsichtsverfahrens drohende Image-Verlust wird nicht nur die Finanzmarktteilnehmer sondern auch die nationalen Aufsichtsbehörden häufig zur „freiwilligen“ Befolgung der europäischen Vorgaben bewegen. Genau das ist gewollt. Andererseits ist das Verfahren keineswegs schneller als ein Vertragsverletzungsverfahren. ___________ 131
Vgl. Art. 4 Abs. 1 lit. h des Entwurfes, KOM(2012) 511.
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Selbst wenn die rechtlichen Befugnisse derzeit beschränkt sind, wird der tatsächliche Einfluss der europäischen Behörden weiter zunehmen und den „Regulierungsverbund“ auch im Finanzmarktaufsichtsrecht prägen. Wenn in Krisenzeiten eine Einigkeit der nationalen Behörden untereinander nicht zu erreichen ist, kommt die Stunde der europäischen Behörden. Dies gilt nicht nur dann, wenn bei Meinungsverschiedenheiten zwischen nationalen Aufsichtsbehörden die EBA in grenzüberschreitenden Sachverhalten nach Art. 19 zu verbindlichen Maßnahmen berechtigt ist. Freilich entscheidet dort dann in der Sache im Rat der Aufseher die Majorität der nationalen Behörden zu Lasten der Minorität. Wie weit die Europäisierung nur Zentralisierung wird, hängt nicht nur von der Frage einer Kompetenzverlagerung auf EBA oder EZB ab. Dies zeigt die Beteiligung in grenzüberschreitenden Restrukturierungsfällen nach dem bereits vorgestellten Richtlinienentwurf132. Da bei systemrelevanten Banken eine grenzüberschreitende Tätigkeit den Normalfall darstellen wird, wird der EBA auch dort eine führende Rolle zukommen, selbst wenn formal die Entscheidungsbefugnis bei den nationalen Behörden verbleibt. 2. Zentrale Herausforderungen aus öffentlich-rechtlicher Sicht Der Einstieg in europäisches Eigenverwaltungsrecht wird eine Herausforderung, für die Verwaltungsrechtswissenschaft aber auch eine Chance darstellen. Ein europäisches Verwaltungsverfahrensrecht muss entwickelt und der Rechtsschutz an die gewandelten Bedürfnisse angepasst werden. Es geht vor allem darum der Organisationsform der „unabhängigen Regulierungsagentur“ des Unionsrechts ein rechtliches „Korsett“ anzulegen. Die zentrale Herausforderung der kommenden Jahre liegt deswegen – unabhängig von der Frage der Zentralisierung – in der Kompetenzverschiebung zwischen Legislative und Exekutive. Gerade angesichts der Finanzkrise wurde die Steuerungsfähigkeit des Gesetzes (und seines europäischen Pendants, der im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren erlassenen Verordnung) in Frage gestellt und die Rolle der Aufsichtsbehörden gestärkt. Die neuen europäischen Restrukturierungsvorschriften werden diese Entwicklung verstärken. Auch dies ist keine spezifisch europäische Entwicklung. Ein australischer Verwaltungsrechtler fasste sie treffend so zusammen: „Banking legislation is transferring to government authorities huge powers to decide the future of any bank that looks like wobbling; this includes power to make subordinate legislation that overrides ___________ 132
Richtlinie zur Festlegung eines Rahmens für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen, abrufbar unter http://ec.europa.eu/internal_market/bank/docs/crisis-management/2012_eu_framework/COM_2012_280_de.pdf.
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private property and contractual rights, that overrides other statutes, and that can even be retrospective. In effect, this legislative activity decides nothing, but delegates all decisional powers to government“133. Es handelt sich freilich nicht um eine Besonderheit der Finanzmarktaufsicht, sondern eine Entwicklung die sich im gesamten Regulierungsrecht beobachten lässt, das die Stellung der Verwaltungsbehörden immer mehr der independent regulatory agency des US-amerikanischen Verwaltungsrechts annähert und die Regelungsdichte der Gesetze zurücknimmt.134. Insoweit ist die europäische Diskussion er deutschen bankaufsichtsrechtlichen sogar voraus. Obwohl die Politikwissenschaft im Kontext der Finanzmarktaufsicht den Begriff der „Agencification“ verwendet135, wird die Frage einer möglicherweise europarechtlich geforderten stärkeren Unabhängigkeit der BaFin kaum thematisiert136. Gleiches gilt für die damit verbundenen Verschiebungen im Verhältnis von Exekutive und Judikative137. Wenn dann noch innerhalb der Exekutive die Weisungsbefugnisse der Regierung gegenüber nachgeordneten Verwaltungsbehörden eingeschränkt werden, entwickelt sich die Regulierungsbehörde zur „4. Gewalt“. Bevor wir allerdings eine solche Entwicklung vorschnell mit den Erfordernissen einer effektiven Aufsicht und dem technischen Sachverstand von Verwaltungsbehörden zu legitimieren versuchen, sollten wir noch einmal in die USA blicken. Dort hat man ein solches uneingeschränktes Vertrauen in die Technokratie spätestens seit den 1960er Jahre aufgegeben und die gerichtliche Kontrolle der Verwaltung kontinuierlich ausgebaut. Es besteht kein Anlass, dies bei nationalen Regulierungsbehörden und der Eurokratie anders zu halten. Vor allem auf europäischer Ebene muss freilich der rechtliche Rahmen erst noch konturiert werden. Insoweit kommt die Übertragung von Aufsichtsaufga___________ 133
Aronson, The Great Depression, This Depression, And Administrative Law, http://www.fd.uc.pt/~pgon/PDF/aulas/THEDEPRESSIONANDADMINISTRATIVELA W.pdf. 134 Dass auch das Unionsrecht diesem Konzept folgt, zeigt nicht nur die Novellierung von Art. 3 der telekommunikationsrechtlichen Rahmenrichtlinie, sondern eindrucksvoll die Entscheidung des EuGH zu den „Regulierungsferien“ im Telekommunikationsrecht, vgl. EuGH vom 3.12.2009 – C-424/07 Kommission/Deutschland, NVwZ 2010, 370. Dazu Körber, MMR 2010, 123; Ufer, K&R 2010, 100. Zur Diskussion um die Unabhängigkeit von (nationalen) Regulierungsbehörden Ruthig, in: Ruthig/Storr, Öffentliches Wirtschaftsrecht Rn. 191. Zum Unionsrecht bereits oben. 135 Frach, Finanzmarktregulierung in Deutschland, 2010, S. 230 in der Überschrift, ohne allerdings im Text auf den verwaltungsorganisationsrechtlichen Hintergrund einzugehen. 136 s. nur Höfling, Gutachten F zum 68. DJT, 2010, S. 43 ff.; H. Schäfer, Bankenaufsichtsrecht in Deutschland, dem Vereinigten Königreich und den Vereinigten Staaten, 2011, S. 130 ff. 137 Zu dieser Dimension der (vor allem telekommunikationsrechtlichen) Diskussion um das sog Regulierungsermessen zusammenfassend Ruthig, in: Ruthig/Storr, Öffentliches Wirtschaftsrecht Rn. 542.
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ben auf die EZB auch für die europäische Verwaltungsrechtswissenschaft zu früh. Ein rechtsdogmatisches Fazit lässt sich folglich ziehen: Obwohl die Finanzkrise den Anlass für die Änderung der normativen Rahmenbedingungen lieferte, zeigen sich interessante Parallelen zu anderen Bereichen des (europäischen) öffentlichen Wirtschaftsrecht, ja sogar des allgemeinen Verwaltungsrechts, die bei einer Bewertung der aktuellen Entwicklung nicht vernachlässigt werden dürfen, gerade weil sie angesichts der Regulierungsflut in diesem Bereich leicht verdeckt werden. Die Finanzkrise war sicherlich der Motor der Entwicklung, die Richtung, in der sie sich vollzog, aber wohl schon vorgegeben durch den Wandel bzw. die Europäisierung des Verständnisses von den Funktionen der Verwaltung und damit einhergehend der behördlichen Kontrolle und Steuerung privater Wirtschaftstätigkeit.
Verfassungsrechtliche Grundlagen und Grenzen der Schutzgesetze für kleine Handelsgeschäfte Von Sung-Soo Kim
I. Problemstellung Vor kurzem trat auf dem koreanischen Markt ein Angebot namens „billige Hühner“ vom großen Handelskonzern „Lotte“ in Erscheinung, das im Verhältnis zu den kleinen und mittelständischen Händlern deutlich preisgünstiger gestaltet war. Dies löste sowohl innerhalb der allgemeinen Bevölkerung als auch in der davon unmittelbar betroffenen Wirtschaftsbranche große Empörung aus. Während die Verbraucher und Verbraucherverbände die preisgünstigen Angebote von Lotte im Großen und Ganzen unterstützten1, leisteten die kleinen und mittelständischen Unternehmen dagegen heftigen Widerstand mit dem Vorwurf, dass der große Konzern Lotte im Namen des „fairen Wettbewerbs“ und des Verbraucherschutzes den gerechten Wettbewerb im Markt verzerre und infolgedessen die kleinen und mittelständischen Unternehmen aus dem Markt vertreibe. Damit entstehe letzten Endes ein Marktmonopol zugunsten der großen Unternehmen im Markt und man forderte die Regierung auf, geeignete Interventionsmaßnahmen zur Korrektur der Wettbewerbsverzerrung nach dem koreanischen Wettbewerbsgesetz2 sofort vorzunehmen, und auch das Parlament forderte man auf, die in den letzten Jahren in der Öffentlichkeit diskutierten Gesetzesänderungsentwürfe – wie Verteilungsindustrieentwicklungsgesetz (VIEG) und Nebeneinandergesetz (NEG)3 – noch in der Legislaturperiode 2010 ___________ 1
Nach Meinungsumfrage eines Internet-Magazins befürworten etwa 84 % der Verbraucher die sog. „billige Hühner“. Ist preisgünstiger Verbrauch ein Problem? Korean Financial News vom 15. Juni 2011. 2 Der offizielle Name des Gesetzes ist „Antitrust und faire Geschäfte“, dessen Hauptziele nach § 1 dieses Gesetzes in der Bekämpfung des Missbrauchs wirtschaftlicher Machtstellung, der ungerechten gemeinschaftlichen Geschäfte, des unlauteren Wettbewerbs, in der Förderung des freien Wettbewerbs, der kreativen unternehmerischen Tätigkeiten, im Verbraucherschutz und schließlich in der gleichgewichtigen Entwicklung der Volkswirtschaft liegen. Zur Geschichte dieses Gesetzes Oh-Seung Kwon, Wirtschaftsrecht, 7. Aufl., S. 82 ff.; Ho-Yuhl Jung, Wirtschaftsrecht, 3. Aufl., S. 53 ff. 3 Der offizielle Name des Nebeneinandergesetzes ist „Gesetz für die Förderung des Nebeneinander und der Kooperation zwischen großen und kleinen bzw. mittelständi-
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zu verabschieden. Der Gesetzgeber ist diesen Forderungen weitgehend nachgekommen und hat seit 2010 einige Schutzregelungen im VIEG und im NEG für die kleinen und mittelständischen Unternehmen noch verstärkt. Die oben erwähnten Gesetzesentwürfe resultieren aus dem Schutzbedürfnis der Tante-Emma-Läden in verschiedenen Orten Koreas, die durch das Auftreten der sog. SSM (Super Super Markt) von großen Unternehmen wie Samsung und Lotte rasch an die Wand gedrückt worden sind. VIEG und NEG sehen Schutzmaßnahmen für die traditionellen Märkte und eine Beschränkung der Gewerbebereiche der großen Unternehmen zugunsten der kleinen und mittelständischen Unternehmen vor, die damit durch direkte und indirekte Interventionen des Staates gleichgestellt werden können.4 Nach jahrelangem Ringen hat das Nationale Parlament Koreas das VIEG und das NEG jeweils geändert, und zwar mit dem Zweck, dass die Regierung zum Schutz der kleinen und mittelständischen Unternehmen verschiedene Interventionsmaßnahmen vornehmen kann. Damit stellt sich die klassische Rechtsfrage, ob und inwieweit der Staat dazu befugt ist, zugunsten der wirtschaftlich Schwachen den fairen Wettbewerb auf dem betroffenen Markt global zu steuern. Mit dieser Fragestellung hängt jedoch auch die kritische Meinungsäußerung eng zusammen, dass die staatliche Steuerung zur Wiederherstellung eines gerechten Wettbewerbs und Vorbeugung von sog. Marktversagen („market failure“) in die Freiheit der Unternehmen übermäßig eingreifen und infolgedessen umgekehrt ein Staatsversagen („government failure“) verursachen darf. In dieser Hinsicht wird die Auslegung der Wirtschaftsverfassung bzw. der Wirtschaftsordnung der koreanischen Verfassung als von entscheidender Bedeutung angesehen. Im Mittelpunkt steht der Art. 119 der koreanischen Verfassung, durch den einerseits in Abs. 1 die wirtschaftliche Freiheit und Initiative der Unternehmen und Einzelnen gewährleistet wird, aber andererseits in Abs. 2 die staatliche Interventionsmöglichkeit aus verschiedenen sozial- und wirtschaftspolitischen Gesichtspunkten, wie z. B. zur Verhütung der Marktoligarchisierung und des Machtmissbrauchs der marktbeherrschenden Unternehmen sowie eine demokratische Teilhabe der wirtschaftlich Tätigen vorsieht. ___________ schen Unternehmen“, dessen Ziele nach § 1 dieses Gesetzes die Festlegung des kooperativen Nebeneinanders zwischen großen und kleinen bzw. mittelständischen Unternehmen, die Erhöhung ihrer Wettbewerbsfähigkeit auf dem internationalen Markt, die Bewältigung ihrer Unterschiede, ihres gemeinschaftlichen Wachstums und schließlich die Bereitstellung der Grundlage von dauerhafter Volkswirtschaft sind. 4 Zu der staatlichen Globalsteuerung gehören im Allgemeinen Finanzpolitik, Geldpolitik und auch Wettbewerbs- und Ordnungspolitik, Sung-Soo Kim, Besonderes Verwaltungsrecht – kooperative Rechtsstaatlichkeit und Verwaltungsrechtslehre, 1. Aufl., S. 136.
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In diesem Zusammenhang sind die Zielsetzung und die Inhalte des Art. 119 der koreanischen Verfassung in die Rechtsprechung des koreanischen Verfassungsgerichts einzubeziehen,5 wobei allerdings die Regel-Ausnahmebeziehung zwischen Abs. 1 und Abs. 2 des Art. 119 nicht immer deutlich war.6 Im Hinblick auf die neue Ausbalancierung beider Absätze wird eine Änderung des Art. 119 vorgeschlagen, die den Unternehmen und Einzelnen mehr wirtschaftliche Freiheit als staatliche Regulierung zulässt.7 Für diese neue Akzentsetzung sind die wichtigen Regelungen von VIEG und NEG kritisch zu beobachten, die insbesondere zum Schutz der kleinen und mittelständischen Unternehmen unmittelbar direkte Verwaltungsmaßnahmen gegenüber den großen Unternehmen vorsehen. Vorzugswürdig sind hingegen indirekte Schutzmaßnahmen zugunsten der wirtschaftlich schwachen Unternehmen, die den durch die rechtswidrige Erweiterung der Gewerbebereiche der großen Unternehmen in ihren Rechten verletzten kleinen Unternehmen mehr effektiven und wirksamen gerichtlichen Schutz gewährleisten. Dafür kommt in erster Linie sowohl die Anfechtungsmöglichkeit gegen die Eintragung der großen Unternehmen nach VIEG und NEG als auch die Klagebefugnis der konkurrierenden kleinen Unternehmen als Dritte in Betracht. Ob die Eintragung der großen Unternehmen im Register der zuständigen Behörden als eine Verwaltungsverfügung und dementsprechend als Gegenstand einer Anfechtungs- bzw. Nichtigkeitsfeststellungsklage zu qualifizieren ist, entscheidet sich weitgehend nach der neuen Tendenz der Rechtsprechung des koreanischen obersten Gerichtshofs, das den Begriff der Verwaltungsverfügung möglichst weit fasst. Im Verhältnis dazu wird die Klagebefugnis der kleinen Unternehmen, deren subjektive Rechte mit der Eintragung der großen Unternehmen verletzt sind, nach der Rechtsprechung als Konkurrentenklage ohne weiteres bejaht. Im letzten Teil dieser Abhandlung wird die grundlegende Frage behandelt, ob der vom Staatsinterventionismus verwaltungsrechtlich gelenkte Wettbewerb wirklich und effektiv dem Verbraucherschutz und der sozialen Gerechtigkeit dient. Wäre es andererseits nicht wünschenswert, statt der direkten staatlichen ___________ 5 Hierbei spricht das koreanische Verfassungsgericht von einer sozialen Marktwirtschaft, wobei einerseits die wirtschaftliche Freiheit des Einzelnen garantiert, andererseits die staatliche Einwirkung auf den Markt zur Herstellung der gesellschaftlichen Gleichheit erlaubt werden. Entscheidungen des koreanischen Verfassungsgerichts, 92 Hun-Ba 47; 94 Hun-Ba 113. Das ist auch die herrschende Meinung im koreanischen Schrifttum. Vgl. Young-Huh, koreanische Verfassungsrechtslehre, S. 158; Chul-Soo Kim, Grundzüge des Verfassungsrechts, S. 200; Young-Sol Kwon, Verfassungslehre, S. 167. 6 Sung-Soo Kim, Die Bemerkung der Rechtsprechung des koreanischen Verfassungsgerichts zur Frage der Wirtschaftsordnung und des Eigentums, Forschung des öffentlichen Rechts Bd. 33 Nr. 4, koreanische Staatsrechtslehrergesellschaft, S. 144. 7 Sung-Soo Kim, Zur Änderung der Wirtschaftsverfassung, Änderung der Verfassung vom Volk, Das koreanische Nationalparlament, Bd. 2, September 2010, S. 823 ff.
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Regulierung gesetzliche Rahmenbedingungen zu schaffen, bei denen den kleinen Unternehmen gegen die ihre Rechte verletzenden Maßnahmen der zuständigen Behörde genügende Einwendungsmöglichkeiten gewährleistet werden und letzten Endes die Justiz, also nicht die Verwaltung, den Streit beilegen sollte? Diesem Ansatz liegt der Grundsatz des Vorrangs der wirtschaftlichen Freiheit zugrunde, gemäß dem die staatliche Verwaltungsregulierung zum Schutz der wirtschaftlich Schwachen auf keinen Fall die Wesensinhalte der unternehmerischen Kreativität erdrosseln darf.8
II. Verfassungsrechtliche Grundlage Das grundlegende Verhältnis zwischen Verfassung und Wirtschaft wird in Korea unter dem Stichwort der „Wirtschaftsverfassung“ diskutiert. So abgestanden auch manche der Streitpunkte dieser Auseinandersetzung erscheinen mögen, so ist doch andererseits nicht zu verkennen, dass der Inhalt einer Wirtschaftsverfassung – verstanden als die Summe der verfassungsrechtlichen Gestaltungselemente für die Ordnung innerhalb der Wirtschaft – auch heute noch von praktischer Bedeutung ist.9 Dies wird umso wichtiger, als sich – je nach der Charakterisierung der Wirtschaftsverfassung – der Umfang und die Intensität der staatlichen Intervention auf die Wirtschaft richten. Beim Regelungskomplex der koreanischen Wirtschaftsverfassung steht, wie bereits erwähnt, der Art. 119 der koreanischen Verfassung im Mittelpunkt, der „die Verfassung der Wirtschaftsverfassung“ darstellt. Nach Art. 119 Abs. 1 der koreanischen Verfassung beruht die Wirtschaftsordnung in Korea auf der Beachtung der wirtschaftlichen Freiheit und Kreativität der Unternehmen und der Einzelnen. Damit ist die liberale Marktwirtschaft im Sinne von Adam Smith gemeint. Im Verhältnis dazu bestimmt Art. 119 Abs. 2 der koreanischen Verfassung, dass der Staat zum Zwecke eines angemessenen Wachstums und der Stabilität der Volkswirtschaft, der gerechten Verteilung der Einkommen, der Verhütung der Marktoligarchisierung und des Missbrauchs der wirtschaftlichen Macht sowie der demokratischen Teilhabe durch Koordinierung der Wirtschaftstätigen zur Regulierung sowie Lenkung der Wirtschaft berechtigt ist.
___________ 8
Vgl. Kyung-Kuk Min, Zur Problematik der Wirtschaftsverfassung und Verfassungsänderung, Änderung der Verfassung vom Volk, Das koreanische Nationalparlament, Bd. 2, September 2010, S. 857 (860 ff.). 9 Sung-Soo Kim, a.a.O. (FN 4), S. 104.
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III. Verfassungsrechtliche Auslegung des koreanischen Verfassungsgerichts zur Wirtschaftsverfassung – Verfassungsänderungsvorschläge Nach der Rechtsprechung des koreanischen Verfassungsgerichts beruht zwar die Wirtschaftsordnung der koreanischen Verfassung einerseits auf der Grundlage des Privateigentums, auf der freien Marktwirtschaft und auf dem freien Wettbewerb. Zur Verhinderung der mit der freien Marktwirtschaft verbundenen gesellschaftlichen Widersprüche und zur Verwirklichung der sozialen Wohlfahrt und Gerechtigkeit ist jedoch andererseits die soziale Marktwirtschaft ein Vorbild, das die staatliche Regulierung und Koordinierung auf die Wirtschaft in gewissem Umfang zulässt. Bei der tatsächlichen Anwendung in konkreten Streitfällen neigt das Verfassungsgericht aber dazu, dem sozialstaatlichen Auftrag den Anwendungsvorrang gegenüber der freiheitlichen Marktwirtschaft zu geben, damit eine Umkehrung zwischen freier Marktwirtschaft bzw. freiem Wettbewerb als Regel und der staatlichen Einwirkung auf die Wirtschaft als Ausnahme stattfindet.10 Also soll es sich hierbei eigentlich um eine sog. RegelAusnahme-Formel zwischen der liberalen und sozialen Marktwirtschaft als einem asymmetrischen Modell handeln.11 In der Tat erfährt also der sozialstaatliche Auftrag durch die Rechtsprechung aus vielfältigen sozial-wirtschaftspolitischen Gründen gegenüber der liberalen Marktwirtschaft einen Anwendungsvorrang. Berücksichtigt man allerdings, dass VIEG und NEG zwar die staatliche Steuerung der Wirtschaft nach Art. 119 Abs. 2 der koreanischen Verfassung zugrunde liegt, so lassen sich jedoch nicht alle staatlichen Maßnahmen nach VIEG und NEG als verfassungsgemäß rechtfertigen, weil sie übermäßig die wirtschaftliche Freiheit und den freien Wettbewerb der Unternehmen und der Einzelnen verletzen und demzufolge deren wirtschaftliche Kreativität erdrosseln. Dies gilt insbesondere für den Fall, dass beispielsweise die zuständige Verwaltungsbehörde mit wirtschaftsverwaltungsrechtlichen Anordnungen die Öffnungszeiten und -tage der großen Unternehmen beschränken sowie pflichtwidrige Handlungen der Unternehmer mit Bußgeld ahnden kann. Vielmehr ist die Schaffung von gesetzlichen Rahmenbedingungen vorzuziehen, dass man anstatt mit direkten Verwaltungsmaßnahmen den kleinen Unternehmen, deren Rechte mit der Erlaubnis der Erwerbstätigkeit der großen Unternehmen verletzt wurden, die Klagebefugnis einräumt, und dass damit die Justiz, nicht die Verwaltung, den Streit beilegt. Dies entspricht dem Grundgedanken des freiheitlichen Wettbewerbs und der wirtschaftlichen Freiheit nach Art. 119 Abs. 1 der ___________ 10
Sung-Soo Kim, a.a.O., (FN 6), S.148. Deuk-Yeon Lee, Die unternehmerische Freiheit in der Wirtschaftsordnung, Forschung des öffentlichen Rechts Bd. 33 Nr. 2, koreanische Staatsrechtslehrergesellschaft, S. 144. 11
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koreanischen Verfassung, der als eine Grundsatzentscheidung für freiheitliche Marktwirtschaftsordnung den staatlichen Interventionismus mit verschiedenen Arten von globalen Steuerungsinstrumenten nur subsidiär und sekundär zulässt.12
IV. Aktuelle Rechtslage in Korea 1. Verteilungsindustrieentwicklungsgesetz (VIEG) Aus der heftigen Auseinandersetzung innerhalb der koreanischen Gesellschaft mit dem Markteingriff der großen Unternehmen gegenüber den kleinen und mittelständischen Unternehmen wie beim Beispiel der „billigen Hühner“ vom Großkonzern „Lotte“ resultierten die Reformvorschläge, die durch VIEG und NEG ihren gesetzlichen Niederschlag zum Schutz der kleinen Unternehmen fanden. Dabei wird den § 8 und § 13-3 des VIEG eine erhebliche Bedeutung beigemessen, weil sie hauptsächlich in einem sog. „Schutzgebiet des traditionellen Handels“ die Erwerbstätigkeit der großen Unternehmen beschränken. Nach § 8 Abs. 1 VIEG sind diejenigen bei den zuständigen Behörden eintragungspflichtig, die nach § 13-3 VIEG in einem Schutzgebiet des traditionellen Handels ein großes Handelsgeschäft eröffnen wollen. Die zuständigen Behörden können nach § 8 Abs. 2 VIEG den eintragungspflichtigen großen Handelsgeschäften Nebenbestimmungen auferlegen, wenn sie sich in einem Schutzgebiet des traditionellen Handels nach § 13-3 VIEG befinden. Das Nähere zu den Nebenbestimmungen wird durch Satzungen der betreffenden Gebietskörperschaften geregelt (§ 8 Abs. 3 VIEG). Nach § 13-3 VIEG können die zuständigen Behörden zum Zwecke der Beibehaltung der Geschichte und der Tradition einer traditionellen Handelsbranche eine Schutzzone für den traditionellen Handel festlegen, die nach den Satzungen der Gebietskörperschaften durch einen Umfang von 1 Kilometer ab der Grenze der traditionellen Handelsgeschäfte bestimmt wird. Wird ein großes Unternehmen oder Handelsgeschäft innerhalb eines Schutzgebiets des traditionellen Handels nach § 13-3 VIEG von der zuständigen Behörde genehmigt bzw. eingetragen, sind die bereits in dem Schutzgebiet sich befindenden kleinen und mittelständischen Unternehmen als schutzwürdige Dritte nach § 12 des ___________ 12 In diesem Sinne sind drei Grundsätze festzustellen. Erstens spielt der sozialstaatliche Auftrag in der Wirtschaftsverfassung nur eine begleitende Rolle. Zweitens soll sich der mit Wertneutralität ausgestattete Begriff der Wirtschaft von einer bestimmten Ideologie trennen. Drittens stellen die öffentlichen Aufgaben wie der Schutz der wirtschaftlich Schwachen, die Umverteilung der Einkommen und die Verwirklichung der sozialen Gerechtigkeit weniger die wirtschaftliche Verfassung, als vielmehr sozialstaatliche Aufträge dar. Sung-Soo Kim, a.a.O., (FN 7), S. 828.
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koreanischen Verwaltungsprozessgesetzes zu einer Anfechtungs- oder Nichtigkeitsfeststellungsklage berechtigt. Ob ihre Klage tatsächlich erfolgreich sein wird, hängt von der mit einer rechtswidrig erteilten Genehmigung oder Eintragung zusammenhängenden Verletzung ihrer rechtlich geschützten Interessen ab. Anders ausgedrückt, bezwecken diese gesetzlichen Regelungen, dass die Justiz den Konflikt zwischen großen und kleinen Unternehmen auf dem Markt beilegt. Also kann hier von einer justiziellen Lösungsweise geredet werden. Diese Rechtslage wurde durch die neue Einführung des § 12-2 VIEG vom 17.1.2012 geändert, und zwar in der Weise, dass die zuständigen Behörden gegenüber großen Unternehmen oder Handelsgesellschaften die Öffnungszeiten und die Tage, an denen die Geschäfte geschlossen bleiben müssen, anordnen können. Das Nähere wird durch Satzungen der betreffenden Gebietskörperschaften geregelt (§ 12-2 Abs. 4 VIEG). Damit geht auch das VIEG teilweise davon aus, dass die Verwaltung mit der anordnenden Verwaltungsverfügung in die Erwerbstätigkeiten von Unternehmen unmittelbar eingreift.13 2. Nebeneinandergesetz (NEG) Im Verhältnis zum VIEG, dessen Schwerpunkt in dem relativ indirekten Schutz der kleinen traditionellen Handelsgeschäfte – beispielsweise mit der zonenrechtlichen Regulierung – liegt, orientiert sich NEG vielmehr an der Koordinierungsfunktion der zuständigen Behörde zwischen den Konflikt-Parteien. Nach § 32 Abs. 1 NEG können die kleinen und mittelständischen Unternehmen einschließlich ihrer Verbände dem Minister für kleine und mittelständische Unternehmen einen Koordinierungsantrag stellen, insoweit ihre Erwerbschance ___________ 13 Tatsächlich haben einige große Handelsgeschäfte Anfechtungsklagen gegen die Verwaltungsverfügungen der Begrenzung der Öffnungszeiten sowie -tage bei den zuständigen Verwaltungsgerichten erhoben. Am 22. Juni 2012 hat das Verwaltungsgericht von Seoul entschieden, dass diese Verwaltungsverfügungen rechtswidrig seien, und zwar insofern, als sie auf den rechtswidrigen und deshalb nichtigen Satzungen beruhten. Dabei vertrat das Verwaltungsgericht die Auffassung, dass die betroffenen Satzungen der Gebietskörperschaften gegen den Regelungszweck des VIEG verstießen. Das VIEG räume den zuständigen Behörden im Hinblick auf die Begrenzung der Öffnungszeiten und die Ausführung der Pflicht zur Schließung der großen Handelsgeschäfte ein weitgehendes Ermessen bzw. einen Beurteilungsspielraum ein und ermögliche damit die Abwägung zwischen den verletzbaren privaten wirtschaftlichen Interessen und den öffentlichen Belangen. Dagegen missachteten die unter dem VIEG stehenden Satzungen der Gebietskörperschaften das durch das VIEG eingeräumte Ermessen der zuständigen Behörden, denn die Satzungen ordneten die Begrenzung der Öffnungszeiten und -tage der großen Handelsgeschäfte ohne Ausnahmen an (2012 Gu Hap 11676). Nach einigen ähnlichen Entscheidungen der Verwaltungsgerichte nahmen die meisten großen Handelsgeschäfte ohne gesetzliche Begrenzung der Öffnungszeiten ihre Tätigkeiten auch am Wochenende wieder auf.
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durch die Gewerbetätigkeit von großen Unternehmen und Handelsgeschäften entweder gefährdet oder erheblich gemindert werden. Der Minister für kleine und mittelständische Unternehmen ist dazu berechtigt, den großen Unternehmen die Eröffnung oder die Erweiterung ihrer Erwerbstätigkeiten für einen Zeitraum von drei Jahren aufzuschieben bzw. sie zu beraten, wie sie Art, Menge und Einrichtung ihrer Produkte verringern sollten, wenn ein Koordinierungsantrag nach § 32 Abs. 1 NEG gestellt wird. Folgen die großen Unternehmen und Handelsgeschäfte den oben genannten Ratschlägen des Ministers für kleine und mittelständische Unternehmen nicht, ist er in der Lage, die Inhalte und Gegenstände der Beratungen öffentlich bekannt zu machen (§ 32 Abs. 2 NEG). Darüber hinaus kann der Minister für kleine und mittelständische Unternehmen aber auch den großen Unternehmen und Handelsgeschäften seine Vorschläge durch eine Verwaltungsverfügung anordnen, solange sie diese ohne Rechtfertigungsgründe nicht ordnungsgemäß durchführen (§ 32 Abs. 3 NEG). Trotz der Tatsache, dass der Minister für kleine und mittelständische Unternehmen als zuständige Behörde von der Beratung über die öffentliche Bekanntmachung bis hin zur unmittelbaren Anordnung verschiedene Koordinierungsinstrumente stufenweise und verhältnismäßig anwenden kann, versucht das NEG hauptsächlich eine verwaltungsrechtliche Konfliktlösungsweise, bei der also die Verwaltung eher als die Justiz die Hauptrolle für die Beilegung der betroffenen Rechtsstreitigkeiten spielt.
V. Rechtsschutz der kleinen und mittelständischen Unternehmen 1. Rechtliche Charakterisierung der Eintragung nach § 8 Abs. 1 VIEG Wie bereits dargestellt sind diejenigen Unternehmen bei den zuständigen Behörden eintragungspflichtig, die nach § 13-3 VIEG in einem Schutzgebiet des traditionellen Handels ein großes Handelsgeschäft eröffnen wollen. Was die rechtliche Qualifizierung der Eintragung anbelangt, ist sie als eine Verwaltungsverfügung im Sinne des § 2 des koreanischen Verwaltungsprozessgesetzes anzusehen. Dementsprechend können die kleinen und mittelständischen Unternehmen gegen die Eintragung der großen Handelsgeschäfte eine Anfechtungsbzw. Nichtigkeitsfeststellungsklage nach §§ 12, 35 des koreanischen Verwaltungsprozessgesetzes erheben, wenn sie durch eine im § 13-3 VIEG vorgeschriebene Entfernungsregelung verstoßende Eintragung in ihren Rechten verletzt sind. Nach der neueren Rechtsprechung des obersten Gerichtshofes ist der
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rechtliche Charakter der Eintragung als ein Verwaltungsakt zu qualifizieren,14 der ohne weiteres den Streitgegenstand einer Anfechtungs- bzw. Nichtigkeitsfeststellungsklage darstellt. 2. Klagebefugnis Die Frage, ob die kleinen und mittelständischen Unternehmen gegen eine rechtswidrige Eintragung nach § 13-3 VIEG klagebefugt sind, entscheidet sich nach dem § 12 des koreanischen Verwaltungsprozessgesetzes. Der § 12 des koreanischen Verwaltungsprozessgesetzes bestimmt, dass derjenige zu einer Anfechtungsklage befugt ist, der dazu ein rechtlich schutzwürdiges Interesse hat. Als Dritte haben Konkurrenten, die bereits kleine oder mittelständische Unternehmen betreiben, nur dann ein rechtlich schutzwürdiges Interesse, wenn der § 13-3 VIEG ihnen einen subjektiv-rechtlichen Status verleiht. Allerdings hat nicht jede Norm des öffentlichen Rechts, die in die Interessensphäre des einzelnen hineinreicht, über ihren objektiv-rechtlichen Geltungsbereich hinaus subjektiv-rechtlichen Charakter. Vielmehr muss hinzutreten, dass der einzelne mit einer entsprechenden Rechtsmacht ausgestattet ist. Es muss sich also um eine Norm handeln, die nicht nur ein Interesse der Allgemeinheit, sondern auch ein Individualinteresse schützt. Der jeweilige Inhalt ist durch Auslegung zu ermitteln.15 Das gilt auch für die Rechtsstellung von Konkurrenten und sonst schutzwürdigen Dritten im Wirtschaftsverwaltungsrecht. Die Bedeutung subjektiver Rechte der Wirtschaftsbürger besteht darin, dass sie Voraussetzungen für prozessuale Geltendmachung und damit für die Rechtsdurchsetzung sind. Subjektive Rechte können materiellen und verfahrensrechtlichen Inhalt besitzen. a) Konkurrentenklage Normalerweise ist die Rechtsstellung von Konkurrenten als schutzwürdige Dritte nach § 12 des koreanischen Verwaltungsprozessgesetzes in der Rechtsprechung anerkannt, wenn durch die teleologische Auslegung der Schutznorm zugunsten Dritter ein subjektiv-rechtlicher Charakter ermittelt wurde. Die Rechtsprechung in Korea differenziert zwei Arten der Konkurrentenklage, also ___________ 14 Früher hat das koreanische oberste Gericht der Eintragung den rechtlichen Charakter eines Verwaltungsaktes abgesprochen. Entscheidungen des koreanischen obersten Gerichtshofs, 79 Nu 439; 2003 Du 9015. Neuerdings hat das oberste Gericht die Ablehnung der Eintragung des Grundstücks als einen Verwaltungsakt qualifiziert, und zwar insofern, als sie sowohl bei der Besteuerung als auch bei der Entschädigung im Falle der Enteignung auf die Rechtsverhältnisse des Einzelnen einwirke. 2003 Du 9015. 15 Sung-Soo Kim, Allgemeines Verwaltungsrecht – Verfassungsrechtliche Grundlagen des Verwaltungsrechts, 5. Aufl., S. 144.
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einerseits die normale Konkurrentenklage und andererseits die sog. Konkurrentenklage zwischen den gleichen Antragstellern, die gleichzeitig mehrere Anträge zur Erlangung einer Erlaubnis oder Bewilligung bei der zuständigen Behörde stellen. Im Allgemeinen werden die beiden Arten von Konkurrenten als klagebefugt nach § 12 des koreanischen Verwaltungsprozessgesetzes bewertet, die ein rechtlich geschütztes Interesse gegen die dem anderen Konkurrenten erteilte Erlaubnis haben. Bei den normalen Konkurrentenklagen ist nach der Rechtsprechung der Betreiber, der aufgrund einer Genehmigung ein Gewerbe ausübt, dazu befugt, eine neue Gewerbegenehmigung anzufechten, soweit sich die betroffenen Gesetze nicht bloß an der Verwirklichung öffentlicher Interessen, sondern auch an dem Schutz gegen den mit dem übermäßigen Wettbewerb zwischen den Konkurrenten verbundenen entgangenen Gewinn zulasten des Klägers orientieren. Aus der Tatsache, dass die Konkurrenten in derselben Gewerbebranche tätig sind und mit der Genehmigung für den neuen Gewerbebetreiber sich die Gewinnchance des bestehenden Gewerbebetriebes vermindern könnten, folge die Klagebefugnis des Letzteren.16 Was die Konkurrentenklage zwischen den gleichen Antragstellenden anbelangt, hat der koreanische oberste Gerichthof festgestellt, dass die Konkurrenten ein rechtlich geschütztes Interesse gegen die zugunsten anderer Konkurrenten erteilte Erlaubnis und demgemäß die Klagebefugnis hätten, und zwar insofern, als die Erteilung einer Erlaubnis von der zuständigen Behörde zugunsten eines bestimmten Konkurrenten notwendigerweise zur Versagung der Erlaubnis gegenüber den anderen Konkurrenten führe. Dies gelte allerdings aber nicht für den Fall, bei dem der Kläger aus rechtlichen Gründen nicht in Betracht komme.17 b) Das baurechtliche Nachbarrecht Dass auch eine nicht unmittelbar betroffene Partei eines verwaltungsrechtlichen Rechtsverhältnisses klagebefugt sein könnte, gilt für den Fall eines benachbarten Dritten, also einer baurechtlichen Nachbarklage. Die Klage ist allerdings nur zulässig, wenn der klagende Nachbar geltend machen kann, die Baugenehmigung verstoße gegen eine ihn als Nachbarn schützende Rechts___________ 16
Entscheidung des koreanischen obersten Gerichtshofs vom 10. Juni 2010, 2009 Du 10512. 17 Entscheidung des koreanischen obersten Gerichtshofs vom 10. Dezember 2009, 2009 Du 8359. Die 41 Universitäten konkurrierten um die Erlangung der Anerkennung als Law School mit der rechtlich begrenzten Studentenzahl von 2.000. In dieser Hinsicht wurden die von mehreren Universitäten gestellten Anträge zur Erlangung der Law School Erlaubnis abgelehnt, während einige davon genehmigt wurden. Deshalb wurde die Klagebefugnis des Klägers anerkannt, soweit er selber den Antrag gestellt hatte, sein Antrag dennoch abgelehnt wurde.
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norm; und sie ist nur begründet, wenn die Baugenehmigung tatsächlich gegen eine solche Norm verstößt. Es genügt also nicht, dass die Baugenehmigung rechtswidrig ist; es ist vielmehr erforderlich, dass (1) die Baugenehmigung gegen eine Rechtsnorm verstößt und zwar (2) gegen eine Norm, die gerade für ihn nachbarschützenden Charakter hat. Liegt kein Verstoß gegen eine solche Norm vor, dann muss der Nachbar das rechtswidrig genehmigte und errichtete Gebäude klaglos hinnehmen, auch wenn es ihn tatsächlich stört. Die entscheidende Frage ist daher, ob das Bauvorhaben eines benachbarten Bauherrn gegen eine nachbarschützende Rechtsnorm verstößt. Da die einschlägigen Rechtsvorschriften nur selten eine ausdrückliche Regelung über den Nachbarschutz enthalten, kommt es maßgeblich auf die Auslegung an. Das hat zu einer umfangreichen und kaum noch überschaubaren Judikatur geführt, die sich im Laufe der Zeit auch geändert hat. Voraussetzung und Indiz der nachbarschützenden Wirkung ist, dass sich aus individualisierenden Tatbestandsmerkmalen der Norm ein Personenkreis entnehmen lässt, der sich von der Allgemeinheit unterscheidet. Beispielhaft hat die koreanische Rechtsprechung im Baunachbarrecht als teleologische Auslegung angeführt, dass die baurechtlichen Regelungen zwar hauptsächlich der Verwirklichung des von ihnen verfolgten Gemeinwohls, aber doch zugleich auch der angenehmen Wohnlage und der Lebensumwelt von Nachbarn dienten. Demzufolge seien diejenigen Interessen nicht bloße Rechtsreflexe bzw. tatsächliche Interessen, sondern seien vielmehr rechtlich geschützte Interessen, die den Nachbarn die Klagebefugnis nach § 12 des koreanischen Verwaltungsprozessgesetzes verleihen würden.18 Im Übrigen hat die Rechtsprechung im Baunachbarrecht die Klagebefugnis der Nachbarn im Zusammenhang mit dem Schutzbedürfnis der umweltrechtlichen Interessen in den letzten Jahren weitgehend erweitert. Ein typischer Fall ist die Rechtsprechung des koreanischen Oberstgerichtshofs vom 16.03.2006,19 bei der er davon ausgegangen war, dass die betroffenen Rechtsvorschriften das individuelle Interesse von Nachbarn für eine angenehme Lebensumwelt schützen sollten, sie also ein Recht auf im Verhältnis zu den bisherigen Umständen ungestörter und zugleich nicht unzumutbarer natürlicher Umwelt haben. In diesem Sinne hätten die Bewohner ein individuelles, unmittelbares und konkretes Interesse gegen den die natürliche Umwelt verletzenden Verwaltungsakt, womit sie in der Lage seien, die Klagebefugnis zum oben genannten Verwaltungsakt eingeräumt zu bekommen, soweit sie sich innerhalb einer Umweltverträglichkeitsprüfungszone befänden. Darüber hinaus sollten auch denjenigen Bewohnern eine Klagebefugnis eingeräumt werden, die außerhalb einer Umweltverträglichkeitsprüfungszone wohnten, wenn sie dennoch beweisen könnten, dass aufgrund eines ___________ 18 19
Dazu ausführlich Sung-Soo Kim, a.a.O., (FN 15), S. 146. Die sog. Saemankeum Entscheidung, 2006 Du 330.
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die Umwelt beeinträchtigenden Verwaltungsakts ein ihnen gegenüber nicht zumutbarer Zustand der Umwelt geschaffen würde bzw. die Möglichkeit dazu bestünde. c) Zwischenergebnis Trotz der im allgemeinen positiven Feststellung, dass nach der Rechtsprechung in Korea die Klagebefugnis der dritten Nachbarn und Konkurrenten zwar weitgehend erweitert wird, ist jedoch von einer differenzierenden Betrachtungsweise zwischen Konkurrentenklage und Nachbarklage im Hinblick auf das mit der Klage verfolgte Schutzbedürfnis der betroffenen Interessen auszugehen. Bei der Nachbarklage wird der Rechtsprechung insofern grundlegend zugestimmt, als die durch die Nachbarklage zu schützenden Interessen wie Leben, körperliche Sicherheit, Umwelt und Gesundheit der Nachbarn von enormer Bedeutung sind. Obwohl es bei den betroffenen Normen an einem unmittelbaren Schutzzweck für Nachbarn fehlt, ist aufgrund der teleologischen Auslegung der betroffenen Normen die Klagebefugnis den Nachbarn einzuräumen. Wird die Klagebefugnis der Nachbarn durch teleologische Auslegung nicht angenommen, bezieht man sich letzten Endes auf das Grundrecht auf Umwelt nach Art. 35 Abs. 1 der koreanischen Verfassung. Im Verhältnis dazu scheint die Rechtsprechung im Bereich der Konkurrentenklage deswegen bedenklich zu sein, weil es sich hierbei bloß um den Schutz der wirtschaftlichen Interessen eines bereits vorhandenen Gewerbebetreibers handelt. Aus der teleologischen Auslegung zugunsten eines bereits vorhandenen Gewerbebetreibers ergibt sich unverhältnismäßig die Verletzung der nicht geringfügigen verfassungsrechtlichen Interessen, beispielsweise hinsichtlich des freien Wettbewerbs, des Verbraucherschutzes sowie der Berufsfreiheit der neu angesiedelten Betriebe. Wird der Schutz des bereits vorhandenen Gewerbebetreibers für notwendig gehalten, hat der Gesetzgeber die oben genannten im Konflikt stehenden Interessen in die betroffenen Normen in praktischer Weise zu berücksichtigen, nicht aber die Judikatur dazu zu berechtigen, ohne bestimmte Schutznormen für Konkurrenten durch einseitige Auslegung zu ihren Gunsten die anderen wichtigen verfassungsrechtlichen Schutzgüter zu vernachlässigen. Ein typisches Beispiel dafür ist der § 13-3 VIEG, wobei der Gesetzgeber die unmittelbaren Schutzregelungen für bereits vorhandene kleine und mittelständische Unternehmen getroffen hat.
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VI. Schlussfolgerung – Dient der vom Staatsinterventionismus verwaltungsrechtlich gelenkte Wettbewerb dem Verbraucherschutz und der sozialen Gerechtigkeit? 1. Kooperationsprinzip, Anhörung Im Hinblick auf die beratende Funktion des Koordinationsverfahrens nach § 33 Abs. 1 NEG ist strukturell ein Kooperationsprinzip zu verankern, und zwar in der Weise, dass die Gleichberechtigung der Beteiligten gewährleistet sein muss. Also hat jeder der Partner die gleichen Rechte, ein Argument vorzubringen; die Zustimmung oder Ablehnung eines Jeden wirkt sich in der gleichen Weise auf den Ausgang von Verhandlungen aus.20 Der Schwerpunkt liegt in der Verfolgung der komplementären Ziele, insbesondere zur Verfolgung öffentlicher Interessen durch ein Nebeneinander von kleinen bzw. mittelständischen Unternehmen und großen Unternehmen. Im Koordinationsverfahren bei der zuständigen Behörde fehlt es jedoch an einer auf dem Kooperationsgedanken fundierten Verhandlung von Beteiligten, so dass die Vorschläge bzw. Empfehlungen der zuständigen Behörde den großen Unternehmen einseitig und nachträglich bekannt gemacht werden. Vor den Vorschlägen findet zwar eine Beratung nach § 33 Abs. 1 NEG beim Koordinationsausschuss statt, dessen Zusammensetzung ist aber nach § 21 Abs. 1, 2 NEG-Staatspräsidentenverordnung überwiegend der zuständigen Behörde übertragen, womit seine funktionelle Neutralität nicht garantiert werden kann.21 Noch problematischer scheint das Unterlassen der Anhörung nach § 22 Abs. 1 des koreanischen Verwaltungsverfahrensgesetzes zu sein, denn die Anhörung findet nur dann statt, wenn die betroffenen Gesetze ausdrücklich die Anwendung der Anhörung nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz verlangen. Nach §§ 32 ff. NEG ist weder vor der öffentlichen Bekanntmachung noch vor der Anordnung die Anhörung der von derartigen Maßnahmen in ihren Rechten betroffenen Beteiligten auszuführen, wobei ihnen allerdings auch nur die Meinungsäußerung nach § 22 Abs. 3 des koreanischen Verwaltungsverfahrensgesetzes erlaubt wird. Dies könnte die Rechtfertigung der Anordnungsverfügung der Verwaltung in nicht geringem Maße schädigen und ist so bald wie möglich änderungsbedürftig.22 ___________ 20
Sung-Soo Kim/Hiroshi Nishihara, Vom paternalistischen zum partnerschaftlichen Rechtsstaat – Entwicklungen im öffentlichen Recht Koreas und Japans an der Schwelle zum 21. Jahrhundert, Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden, 2000, S. 49. 21 Der Präsident des Koordinationsausschusses, der dabei die Hauptrolle spielt, ist ein Beamter und wird vom Minister für die kleinen und mittelständischen Unternehmen ernannt. 22 In der oben erwähnten Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Seoul (2012 Gu Hap 11676) hat das Gericht ausgeführt, dass die zuständige Behörde vor dem Erlass der belastenden Verwaltungsverfügungen wie die Begrenzung der Öffnungszeiten und -tage
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2. § 33 Abs. 3, § 41 Abs. 3 Nr. 3 NEG und das Verhältnismäßigkeitsprinzip Wie oben dargelegt beobachtet man einen nicht unwesentlichen Unterschied in der Regelungsweise zwischen § 32 Abs. 1 NEG und § 13-3 VIEG, insofern beim ersten mehr oder weniger ein unmittelbar wirtschaftsverwaltungsrechtliches Instrumentarium angewendet wird, bei dem letzten aber vielmehr die Justiz als neutrale Gewalt mit einer Konkurrentenklage den Rechtsstreit zwischen den kleinen bzw. mittelständischen und den großen Unternehmen beilegt. Allerdings sind nach § 8 Abs. 1 VIEG diejenigen bei den zuständigen Behörden eintragungspflichtig, die nach § 13-3 VIEG in einem Schutzgebiet des traditionellen Handels ein großes Handelsgeschäft eröffnen wollen. Die zuständigen Behörden können nach § 8 Abs. 2 VIEG den eintragungspflichtigen großen Handelsgeschäften Nebenbestimmungen auferlegen, wenn sie sich in einem Schutzgebiet des traditionellen Handels nach § 13-3 VIEG befinden. All diese Regelungen sind aber darauf gerichtet, sich nicht unmittelbar verwaltungsrechtlich in die wirtschaftlichen Tätigkeiten der Unternehmen einzumischen, sondern vielmehr die Rahmenbedingung zu schaffen, innerhalb deren die kleinen und mittelständischen Unternehmen, beispielsweise mit Konkurrentenklage, geschützt werden sollen. Hingegen sieht § 33 NEG gegenüber den großen Unternehmen stufenweise Regelungsinstrumente vor, wie etwa den Vorschlag für Beschränkung ihrer wirtschaftlichen Tätigkeiten oder die öffentliche Bekanntmachung der Pflichtverletzungen bis hin zu einer direkten verwaltungsrechtlichen Anordnung, womit die Verwaltung unmittelbar in die Wirtschaft eingreift. Diese direkte Verhaltensweise der Verwaltung beruht in erster Linie auf Art. 119 Abs. 2 der koreanischen Verfassung, wonach der Staat zum Zwecke eines angemessenen Wachstums und der Stabilität der Volkswirtschaft, der gerechten Verteilung der Einkommen, zur Verhütung der Marktoligarchisierung und des Missbrauchs der wirtschaftlichen Macht und zum Zwecke der demokratischen Teilhabe ___________ der großen Handelsgeschäfte nach § 21 Abs. 1 und § 22 Abs. 3 des koreanischen Verwaltungsverfahrensgesetzes den betroffenen großen Handelsgeschäften im Voraus hätte mitteilen und die Gelegenheit zur Stellungnahme geben müssen und dass demzufolge diese verfahrenswidrige Verwaltungsverfügungen rechtswidrig seien. Im Verhältnis zur Anhörung, die nach § 22 Abs. 1 des koreanischen Verwaltungsverfahrensgesetzes nur im Falle der gesetzlichen Verankerung stattfindet, schreibt § 22 Abs. 3 des koreanischen Verwaltungsverfahrensgesetzes als ein vereinfachtes Anhörungsverfahren die Stellungnahme der Betroffenen jedenfalls vor, wenn eine belastende Verwaltungsverfügung erlassen und dennoch gesetzlich keine Anhörung vorgesehen wird. In diesem Sinne wird das Stellungnahmeverfahren als eine „minimale Forderung des Verwaltungsverfahrensgesetzes“ bei belastenden Verwaltungsakten bewertet. Nach alldem ist festzustellen, dass sowohl im NEG als auch im VIEG beim Erlass belastender Verwaltungsakten rechtspolitisch die gesetzliche Pflicht zur Anhörung nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz geschaffen werden soll.
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durch Koordinierung der Wirtschaftstätigen zur Regulierung sowie Lenkung der Wirtschaft berechtigt ist. Trotz der Feststellung, dass §§ 32 ff. NEG entsprechend der Pflichtverletzungen der großen Unternehmen nur stufenweise Sanktionsmaßnahmen vorsieht, kommt auf jeden Fall der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als Prüfungsmaßstab der Verfassungsmäßigkeit der oben genannten Regelungen in Betracht. In dieser Hinsicht stellt sich die Frage, ob der § 33 Abs. 3 NEG einer Verhältnismäßigkeitsprüfung standhalten kann. Wie bereits dargestellt kann der Minister für die kleinen und mittelständischen Unternehmen als zuständige Behörde den großen Unternehmen und Handelsgeschäften seine Beratungen anordnen, solange sie diese ohne rechtfertigende Gründe nicht ordnungsgemäß durchführen. Wenn sie die Anordnung nicht befolgen, sind sie entweder mit einjähriger Freiheitsstrafe oder mit einer Geldstrafen bis zu etwa 3.300 Euro zu bestrafen (§ 41 Abs. 2 Nr. 3 NEG). Eigentlich steht der Verwaltung als neutralem Dritten die Kompetenz zu, die Rechtskonflikte zwischen den Privaten zu koordinieren, also nicht einseitig zugunsten bestimmter Beteiligter im Namen des öffentlichen Interesses den Anderen belastende Maßnahmen aufzuerlegen, soweit es sich hier um den freien Wettbewerb und die wirtschaftliche Freiheit der Beteiligten handelt. Im Hinblick auf den gerechten Regelungszweck und die Geeignetheit des § 33 Abs. 3 NEG ist es positiv zu beurteilen, dass die Schutzbedürftigkeit von kleinen und mittelständischen Unternehmen und ihr Nebeneinander mit großen Unternehmen Priorität bei der Verwaltung genießt. Was jedoch den Grundsatz des geringsten Eingriffs der Beteiligten anbelangt, wird die unmittelbare Anordnung der Verwaltung zur Gewährleistung der wirksamen Ausführung der Vorschläge bzw. öffentlicher Bekanntmachungen als verfassungsrechtlich problematisch angesehen. Mit Blick auf die Interessenkonflikte der am Markt Beteiligten und ihrem gerechten Ausgleich sind bereits die Vorschläge und als nächste Stufe die öffentliche Bekanntmachung vorgesehen, die als Eingriffsinstrumente geringer als die direkten Anordnungen angesetzt werden können. Noch schwerer zu rechtfertigen ist die Anordnung als geringstes Mittel, weil damit zwangsläufig Strafregelungen nach § 41 Abs. 2 Nr. 3 NEG verbunden sind, bei denen die am Markt frei Wettbewerbstätigen gegebenenfalls als Straftäter behandelt werden. Aus der Tatsache, dass der Art. 119 Abs. 2 der koreanischen Verfassung dem Staat weitgehende Einmischungen in die wirtschaftlichen Tätigkeiten von Einzelnen und Unternehmen erlaubt, ergibt sich aber trotzdem keine Verfassungsmäßigkeit der staatlichen Regulierungsinstrumente, wenn sie übermäßig in deren Rechte eingreifen. Der von kleinen und mittelständischen Unternehmen gestellte Antrag nach § 32 Abs. 1 NEG bezieht sich bloß auf die Koordination mit den großen Unternehmen, wobei allerdings die Verhandlungspartner aus dem Koordinationsverfahren jederzeit zurücktreten können. Erst danach kommt dann der Vorschlag bzw. die Empfehlung der Verwaltung in Betracht, wonach die großen Unter-
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nehmen in einem begrenzten Zeitraum vorübergehend für das friedliche Nebeneinander mit kleinen und mittelständischen Unternehmen die Einbuße von Gewinnen und Erwerbstätigkeiten freiwillig hinnehmen müssen. Die über den Vorschlag bzw. die Empfehlung hinausgehenden Instrumente, wie zwangsweise Anordnung und Bestrafung einschließlich der Freiheitsstrafe, verletzen dann den Grundsatz der Erforderlichkeit und sind dementsprechend verfassungswidrig. Im Verhältnis zum öffentlichen Interesse, das sowohl dem Schutz der kleinen und mittelständischen Unternehmen als auch im koordinierten Nebeneinander mit den großen Unternehmen dient, werden die wirtschaftliche Freiheit und vor allem der freie Wettbewerb im Markt nach Art. 119 Abs. 1 der koreanischen Verfassung unangemessen verletzt und damit verstoßen § 33 Abs. 3 und § 41 Abs. 2 Nr. 3 NEG gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne. Aus diesen verfassungsrechtlich höchst problematischen Regulierungsinstrumenten des Staates resultiert so oft ein Staatsversagen („government failure“), das gegenüber dem Marktversagen („market failure“) zur Wiederherstellung eines freien Wettbewerbs und Marktes mehr Zeit und gesellschaftliche Kosten erfordern könnte. Mit einer derartig ehrgeizigen Mission des Staates lässt sich metaphorisch eine berühmte Aufgabe von Herkules vergleichen. Zwangsläufig kommt einem die bekannte griechische Sage von dem Ausmisten der seit vielen Jahren nicht gesäuberten Ställe des Augias in den Sinn. Herkules löste die ihm aufgetragene Aufgabe auf einfache Weise. Er flutete die Stallungen und ließ den Mist wegspülen. Mit einem derart schlichten und gleichermaßen wirksamen Patentkonzept könnte selbst Herkules die Wettbewerbsproblematik des Wirtschaftsverwaltungsrechts in Korea nicht therapieren. Mit der Arbeitsweise von Herkules könnte ein freier Markt auf einen Schlag verschwinden, so dass die kleinen und großen Marktteilnehmer gleichzeitig ohne ihren schützenden Stall ertränken.
Die Ergänzung der staatlichen Beaufsichtigung von Wirtschaftsbetrieben durch Betriebsbeauftragte∗ Von Hans-Werner Laubinger
I. Das Beauftragten(un)wesen in Deutschland Mein Referat widmet sich einem Rechtsinstitut, das sich in Deutschland bewährt hat, in Korea hingegen meines Wissens bisher unbekannt ist: dem Betriebsbeauftragten. Bevor ich darauf des Näheren eingehe, möchte ich versuchen, die Betriebsbeauftragten in das Panorama der Beauftragten einzuordnen. Unter einem Beauftragten verstehe ich eine Person, die damit betraut ist, eine bestimmte Aufgabe eigenverantwortlich zu erfüllen. Schon die Zahl der Arten von Beauftragten in Deutschland ist unüberschaubar groß, und noch viel größer ist die Zahl der Beauftragten1. Einige von ihnen gibt es nur einmal (z.B. den Wehrbeauftragten des Bundestages), während von anderen Arten Hunderte oder Tausende von Exemplaren auftreten, wie etwa die Gleichstellungs- und die Betriebsbeauftragten. Überspitzt könnte man sagen, Deutschland sei das „Land der Beauftragten“. Wegen der unüberschaubaren Vielzahl und Vielgestaltigkeit wird gelegentlich auch vom Beauftragtenunwesen gesprochen2. Eine Vorschriftensammlung über Betriebsbeauftragte bezeichnet sich im Untertitel als „Lotse durch den Beauftragtendschungel“3.
___________ ∗ Erweiterte Fassung des Referats, das ich am 22.8.2012 mündlich vorgetragen habe. Dank schulde ich meinem geschätzten Kollegen Professor Dr. Dr. Seok für die Aufnahme des Beitrages in die Zeitschrift Public Land Law Review sowie den Herren Dipl.Biologe Uwe-Jürgen Eggert, Dipl.-Ing. Klaus-Peter Gerten und Dipl.-Ing. Erich Bamberger für hilfreiche Auskünfte und Hinweise. 1 Die nordrhein-westfälische Landesregierung räumte von ein paar Jahren ein, die Zahl der Beauftragten lasse sich nur mit erheblichem Aufwand ermitteln. LT-Drs. 13/5933 S. 5. Zitiert nach Peter J. Tettinger, Die Beauftragten, in: Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, hrsg. von Isensee/Kirchhof, 3. Aufl., Bd. V, Heidelberg 2007, S. 601 ff., 630 Fn. 147. 2 Steffen Heitmann, Für jedes Problem ein Beauftragter? – Zum Beauftragtenunwesen in der Bundesrepublik Deutschland, NJW 1996, 904 ff. 3 Peter Pulte, Betriebsbeauftragte, 2. Aufl., Köln 1982.
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Die Riesenschar von Beauftragten lässt sich in zwei Gruppen unterteilen: staatliche Beauftragte (Staatsbeauftragte) und private Beauftragte (Privatbeauftragte). 1. Staatliche Beauftragte Zum einen gibt es solche Beauftrage, die in die Organisation der öffentlichen Verwaltung eingebunden sind und bestimmte administrative Aufgaben wahrnehmen. Dazu zählen unter anderem4 – der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, er ist ein Hilfsorgan des Parlaments und dient dem Schutz der Grundrechte der Soldaten5, – die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder, sie sollen den Einzelnen davor schützen, in seinem Persönlichkeitsrecht dadurch beeinträchtigt zu werden, dass andere mit seinen personenbezogenen Daten umgehen6, – der Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR, kurz: Stasi-Beauftragter, er ist der Leiter einer oberen Bundesbehörde gleichen Namens, die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (Stasi) verwaltet7. Der erste Inhaber dieses Amtes war der heutige Bundespräsident Joachim Gauck, –
die Bürgerbeauftragten einiger Bundesländern (Rheinland-Pfalz, Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein und Thüringen) und der Europäischen Union, die Gleichstellungsbeauftragten, die dafür Sorge tragen sollen, dass die Frauen nicht gegenüber Männern diskriminiert werden.
–
Die Beauftragten dieser Art werden von den Regierungen des Bundes und der Länder, von Behörden, seltener vom Parlament berufen. Man kann sie als „staatliche Beauftragte“ oder auch als „Staatsbeauftragte“ bezeichnen. Von ihnen wird im Folgenden nicht mehr die Rede sein. ___________ 4
Siehe die Zusammenstellungen bei Tettinger (Fn. 1), S. 601 ff. (§ 111), und bei Michael Fuchs, „Beauftragte“ in der öffentlichen Verwaltung, Berlin 1985, S. 58 ff. 5 Art. 45b GG, Wehrbeauftragtengesetz (Gesetz zu Art. 45b des Grundgesetzes) vom 16.6.1982 (BGBl. I S. 677). 6 Bundesdatenschutzgesetz i.d.F. vom 14.1.2003 (BGBl. I S. 66) und Datenschutzgesetze der Länder. 7 § 35 des Gesetzes über die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (Stasi-Unterlagen-Gesetz – StUG) i.d.F. vom 18.2.2007 (BGBl. I S. 162).
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2. Privatbeauftragte, insbesondere Betriebsbeauftragte Die zweite Kategorie von Beauftragten bilden die Personen, die von Privatpersonen oder Behörden bestellt werden und keine administrativen, sondern private Aufgaben wahrnehmen. Von Interesse sind hier nur die Betriebsbeauftragten. a) Vorbemerkung Vor etwas mehr als 20 Jahren schrieb eine junge Wissenschaftlerin8, Betriebsbeauftragte gehörten zu den am wenigsten bekannten umweltpolitischen Institutionen in der Bundesrepublik Deutschland. Das ist verwunderlich, weil die Geschichte der Betriebsbeauftragten bis ins 19. Jh. zurückreicht9. An dem Befund hat sich seither nicht viel geändert. Das juristische Schrifttum ist – abgesehen von der Kommentarliteratur – spärlich. Die Zahl der gerichtlichen Entscheidungen lässt sich an den Fingern abzählen. Noch rarer sind empirische Untersuchungen, die zudem viele Jahre zurückliegen10. Das hat mich dazu bewogen, einige Fachleute zu konsultieren, um mir einen Eindruck vom Wirken der Betriebsbeauftragten in der Praxis zu verschaffen. Am 25. Juli 2012 habe ich ein Gespräch mit dem Diplom-Biologen UweJürgen Eggert geführt. Er ist Mitarbeiter der Abteilung Nachhaltigkeitsmanagement und stellvertretender Leiter des Umweltmanagements der Firma Werner & Mertz GmbH mit Hauptsitz in Mainz. Das Unternehmen beschäftigt etwa 500 festangestellte Mitarbeiter und produziert Wasch-, Putz- und Reinigungsmittel, die weltweit (einschließlich Korea) vertrieben werden. In dem Betrieb werden zwei Anlagen betrieben, die nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) genehmigungsbedürftig sind. Der Betrieb in Mainz hat ein „Umweltteam“ unter der Leitung eines „Umweltmanagement-Beauftragten“ aufgebaut, das sich aus 13 Personen zusammensetzt; dem „Erweiterten Umweltteam“ gehören weitere sieben Personen an. ___________ 8
Antje Theißen, Betriebliche Umweltschutzbeauftragte, Wiesbaden 1990, S. VII. Siehe Frank Fischer, Der Betriebsbeauftragte im Umweltrecht, Baden-Baden 1996, 16 ff.; Hans Rudolf Hammann, Der Beauftragte für die Biologische Sicherheit, Tübingen 1999, S. 11 ff. Einen wichtigen Anstoß zur gesetzlichen Einführung von Betriebsbeauftragten im Umweltrecht gaben Eckart Rehbinder, Hans-Gerwin Burgbacher und Rolf Knieper mit ihrer Schrift „Ein Betriebsbeauftragter für Umweltschutz?“, Berlin 1972. 10 Dazu Monika Böhm, in: Koch/Pache/Scheuing (Hrsg.), GK-BImSchG – Gemeinschaftskommentar zum Bundes-Immissionsschutzgesetz, Köln, Stand: 30. AL/Dez. 2011, Vorbem. zu §§ 53-58d, Rn. 12-17; Theißen (Fn. 8), passim; Fischer (Fn. 9), S. 5763; Wolfgang Föste, Umweltschutzbeauftragte und präventiver Umweltschutz in der Industrie, München und Mering 1994, S. 28 ff. 9
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Mitglieder dieser Teams sind u.a. elf Betriebsbeauftragte, nämlich drei Immissionsschutzbeauftragte, ein Abfallbeauftragter, eine Fachkraft für Arbeitssicherheit, ein Brandschutzbeauftragter11, zwei Gefahrgutbeauftragte, zwei Gewässerschutzbeauftragte, ein Gefahrstoffbeauftragter und ein Strahlenschutzbeauftragter. Sie alle nehmen nicht nur das Amt des Betriebsbeauftragten wahr, sondern haben gleichzeitig auch andere Funktionen in dem Betrieb; zumeist sind sie in dieser Eigenschaft Vorgesetzte anderer Betriebsangehöriger, was besonders bedeutsam ist, wie ich noch darlegen werde. Am 30. Juli 2012 habe ich dann ein Gespräch mit dem Diplom-Ingenieur Klaus-Peter Gerten, dem Leiter der Regionalstelle Gewerbeaufsicht Mainz der Struktur- und Genehmigungsdirektion (SGD) Süd, und dessen Mitarbeiter Diplom-Ingenieur Erich Bamberger geführt. Diese Regionalstelle ist Aufsichtsbehörde für die Gewerbe- und Industriebetriebe der Region Rheinhessen des Landes Rheinland-Pfalz. Zu den von der Behörde beaufsichtigten Betrieben gehört auch die Firma Werner & Mertz. Die Erkenntnisse, die ich in den beiden Gesprächen und aufgrund der Materialien, die mir die drei Herren zur Verfügung gestellt haben, gewonnen habe, werde ich im weiteren Verlauf meiner Ausführungen mitteilen. Zunächst möchte ich einen Überblick über die verschiedenen Arten von Betriebsbeauftragten geben. b) Arten von Betriebsbeauftragten Außer den vier Umweltschutzbeauftragten (s. u. II) gibt es eine ganze Anzahl weiterer Betriebsbeauftragter. Sie unterscheiden sich von einander vor allem durch ihre Aufgaben, die ich kurz skizzieren will, ohne auf Einzelheiten einzugehen12. ___________ 11
Bestellt aufgrund von Nr. 5.12.3 der rheinland-pfälzischen Richtlinie über den baulichen Brandschutz im Industriebau (Industriebaurichtlinie – IndBauRL) vom 16.1.2002 (MinBl. S. 255). Sie verpflichtet den Betreiber eines Industriebaus mit einer Summe der Geschossflächen von insgesamt mehr als 5.000 m2, einen Brandschutzbeauftragten zu bestellen. Dieser hat die Aufgabe, die Einhaltung der betrieblichen Brandschutzanforderungen, die sich insbesondere aus dieser Richtlinie sowie der Baugenehmigung einschließlich der Bauunterlagen ergeben, zu überwachen und dem Betreiber festgestellte Mängel zu melden. Die Aufgaben des Brandschutzbeauftragten sind im Einzelnen schriftlich festzulegen. Der Name des Brandschutzbeauftragten und jeder Wechsel sind der für den Brandschutz zuständigen Dienststelle auf Verlangen mitzuteilen. 12 Zusammenstellungen der Arten von Betriebsbeauftragten finden sich u.a. bei Klaus Hansmann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, München, Stand: 64. ErgLfg./Febr. 2012, Vor § 53 BImSchG Rn. 9-14; Monika Böhm (Fn. 10), Vorbem. zu §§ 53-58d, Rn. 26-30; Kathrin Knebusch, Die umweltschutzsichernde Betriebs- und Unternehmensorganisation, Diss. jur. Mainz 2003, S. 106 ff.; Hammann (Rn. 9), S. 11 ff.; Pulte (Fn. 3), passim.
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aa) Strahlenschutzbeauftragte Strahlenschutzbeauftragte sollen dafür sorgen, dass die Vorschriften zum Schutz vor ionisierenden Strahlen, die von radioaktiven Stoffen ausgehen, beachtet werden. Ihre Position ist stärker als die der anderen Betriebsbeauftragten. Dazu später mehr (s. u. IV.). bb) Gefahrgutbeauftragte Der Gefahrgutbeauftragte13 hat unter der Verantwortung des Unternehmers oder des Inhabers eines Betriebes die Aufgabe, Maßnahmen zu veranlassen, die die Einhaltung der Vorschriften zur Beförderung gefährlicher Güter für den jeweiligen Verkehrsträger erleichtern. Er überwacht alle Vorgänge die mit der Abwicklung der Gefahrguttransporte einhergehen14. cc) Beauftragte für die Biologische Sicherheit Der Betreiber einer gentechnischen Anlage hat gemäß § 8 Abs. 2 der Gentechnik-Sicherheitsverordnung (GenTSV)15 die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um die Gefahr, dass Beschäftigte oder die Umwelt gentechnisch veränderten Organismen ausgesetzt sind, so gering wie möglich zu halten. Der Betreiber hat einen oder, wenn dies erforderlich ist, mehrere Beauftragte für die Biologische Sicherheit schriftlich zu bestellen16. Werden mehrere Beauftragte für die Biologische Sicherheit (Ausschuss für Biologische Sicherheit) bestellt, sind die dem einzelnen Beauftragten für die Biologische Sicherheit obliegenden Aufgaben genau zu bezeichnen (§ 16 Abs. 1 GenTSV). 1.
Der Beauftragte ist gemäß § 18 GenTSV berechtigt und verpflichtet, die Erfüllung der auf die Sicherheit gentechnischer Arbeiten oder der Freisetzungen bezogenen Aufgaben des Projektleiters zu überwachen, insbesondere durch Kontrolle der gentechnischen Anlage oder der Freisetzungsorte in regelmäßigen Abständen, durch Mitteilung festgestellter Mängel und durch Überprüfung der Beseitigung dieser Mängel,
___________ 13 Zu ihm s. Christian Springmann, Der Betriebsrat und die Betriebsbeauftragten, Frankfurt a.M. 2004, S. 213 f. 14 § 8 Verordnung über die Bestellung von Gefahrgutbeauftragten in Unternehmen (Gefahrgutbeauftragtenverordnung – GbV) vom 25.2.2011 (BGBl. I S. 341). 15 Verordnung über die Sicherheitsstufen und Sicherheitsmaßnahmen bei gentechnischen Arbeiten in gentechnischen Anlagen (Gentechnik-Sicherheitsverordnung – GenTSV) i.d.F. vom 14.3.1995 (BGBl. I S. 297). 16 Eingehend Hammann (Fn. 9). Ferner Springmann (Fn. 183), S. 218 f.
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2.
den Betreiber, den Betriebs- oder Personalrat auf dessen Verlangen und die verantwortlichen Personen zu beraten. dd) Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit
§ 1 des Arbeitsicherheitsgesetzes (ASiG)17 verpflichtet den Arbeitgeber bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen, Betriebsärzte18 und Fachkräfte für Arbeitssicherheit19 zu bestellen. Diese sollen ihn beim Arbeitsschutz und bei der Unfallverhütung unterstützen. Sie sind bei der Anwendung ihrer arbeitsmedizinischen und sicherheitstechnischen Fachkunde weisungsfrei. Sie dürfen wegen der Erfüllung der ihnen übertragenen Aufgaben nicht benachteiligt werden (§ 8 Abs. 1 ASiG). „Fachkräfte für Arbeitssicherheit“ gibt es in jedem Betrieb, in dem der Unternehmer nach einer besonderen Schulung nicht selbst diese Aufgabe wahrnimmt (sog. Unternehmermodell). Ihre Anzahl bemisst sich nach der Unternehmensgröße und der Branche. Sie dürften die größte Gruppe der Betriebsbeauftragten darstellen. ee) Sicherheitsbeauftragte § 22 SGB VII20 verpflichtet Unternehmen, die regelmäßig mehr als 20 Personen beschäftigen, Sicherheitsbeauftragte21 unter Berücksichtigung der im Unternehmen für die Beschäftigten bestehenden Unfall- und Gesundheitsgefahren und der Zahl der Beschäftigten zu bestellen. In Unternehmen mit besonderen Gefahren für Leben und Gesundheit kann der Unfallversicherungsträger anordnen, daß Sicherheitsbeauftragte auch dann zu bestellen sind, wenn weniger als 20 Personen beschäftigt werden. Für Unternehmen mit geringen Gefahren für Leben und Gesundheit kann der Unfallversicherungsträger in seiner Unfallverhütungsvorschrift festlegen, dass die Bestellung eines Sicherheitsbeauftragten erst bei einer höheren Anzahl von Beschäftigten als 20 erforderlich ist. Die Sicherheitsbeauftragten haben den Unternehmer bei der Durchführung der Maßnahmen zur Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten zu ___________ 17 Gesetz über Betriebsärzte, Sicherheitsingenieure und andere Fachkräfte für Arbeitssicherheit (Arbeitssicherheitsgesetz – ASiG) vom 12.12.1973 (BGBl. I S. 1885). 18 Zur Rechtsstellung der Betriebsärzte s. Christian Springmann (Fn. 13), S. 23 ff. 19 Zur Rechtsstellung der Fachkräfte für Arbeitssicherheit s. Springmann (Fn. 183), S. 27 ff. 20 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Unfallversicherung – (Artikel 1 des Gesetzes vom 7.8.1996, BGBl. I S. 1254). Die Vorgängervorschrift war § 719 Reichsversicherungsordnung (RVO). 21 Zur Rechtsstellung der Sicherheitsbeauftragten s. Springmann (Fn. 183), S. 19 ff.
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unterstützen, insbesondere sich von dem Vorhandensein und der ordnungsgemäßen Benutzung der vorgeschriebenen Schutzeinrichtungen und persönlichen Schutzausrüstungen zu überzeugen und auf Unfall- und Gesundheitsgefahren für die Versicherten aufmerksam zu machen. ff) Laserschutzbeauftragte Gemäß § 5 Abs. 2 der Arbeitsschutzverordnung zu künstlicher optischer Strahlung22 hat der Arbeitgeber, sofern er nicht selbst über die erforderliche Sachkunde verfügt, vor der Aufnahme des Betriebs von Lasern der Klassen 3R, 3B und 4 einen sachkundigen Laserschutzbeauftragten zu bestellen. Bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben soll der Laserschutzbeauftragte mit der Fachkraft für Arbeitssicherheit und dem Betriebsarzt zusammenarbeiten. Zufolge der von der zuständigen Berufsgenossenschaft erlassenen Unfallverhütungsvorschrift BGV B2 muss der Unternehmer dem Beauftragten folgende Aufgaben übertragen: 1. die Mitwirkung bei der Erstellung der Gefährdungsbeurteilung betreffend den Betrieb der Laseranlage, insbesondere die Ermittlung und Bewertung der auftretenden Expositionen durch künstliche optische Strahlung am Arbeitsplatz, 2. die Überwachung des Betriebs der Laseranlage, 3. die Unterstützung des Unternehmers hinsichtlich des sicheren Betriebs und der notwendigen Schutzmaßnahmen sowie 4. die Zusammenarbeit mit den Fachkräften für Arbeitssicherheit bei der Erfüllung ihrer Aufgaben einschließlich Unterrichtung über wichtige Angelegenheiten des Laserstrahlenschutzes. gg) Brandschutzbeauftragte Brandschutzbeauftragte sollen dafür sorgen, dass im Betrieb Vorsorge gegen die Entstehung von Bränden getroffen wird. Sie nehmen regelmäßig Kontrollen innerhalb des Betriebes vor. Eine für das gesamte Bundesgebiet geltende Regelung, die die Bestellung von Brandschutzbeauftragten vorschreibt, fehlt. Als Grundlage für die (freiwillige) Bestellung kommt jedoch § 13 Abs. 2 ArbSchG23 in Betracht. Dieses Ge___________ 22 Verordnung zum Schutz der Beschäftigten vor Gefährdungen durch künstliche optische Strahlung (Arbeitsschutzverordnung zu künstlicher optischer Strahlung – OStrV) vom 19.7.2010 (BGBl. I S. 960). 23 Gesetz über die Durchführung von Maßnahmen des Arbeitsschutzes zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Beschäftigten bei der Arbeit (Arbeitsschutzgesetz – ArbSchG) vom 7.8.1996 (BGBl. I S. 1246).
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setz dient dem Zweck, Sicherheit und Gesundheitsschutz der Beschäftigten bei der Arbeit durch Maßnahmen des Arbeitsschutzes zu sichern und zu verbessern (§ 1 Abs. 1). Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes unter Berücksichtigung der Umstände zu treffen, die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit beeinflussen (§ 3 Abs. 1). Gemäß § 13 Abs. 2 ArbSchG kann der Arbeitgeber zuverlässige und fachkundige Personen damit beauftragen, ihm obliegende Aufgaben nach diesem Gesetz in eigener Verantwortung wahrzunehmen. Dazu zählt auch die Aufgabe, für den notwendigen Brandschutz zu sorgen. Einschlägige Regelungen finden sich ferner im Landesrecht24. c) Gemeinsamkeiten der Rechtsstellung der Betriebsbeauftragten Die wichtigsten Merkmale, die die Rechtsstellung aller Betriebsbeauftragten aufweisen, sind die folgenden: Die Funktion des Beauftragten besteht darin, den Inhaber und die anderen Angehörigen des Betriebs zu beraten. Ihnen Anweisungen erteilen, kann er nicht. Er hat also – betriebswirtschaftlich und verwaltungswissenschaftlich gesprochen – eine Stabsstelle (im Gegensatz zur Linienstelle) inne. Bei Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Beauftragten und dem Betriebsinhaber hat dieser das letzte Wort. Um seine Beratungsaufgabe erfüllen zu können, muss der Betriebsbeauftragte durch seinen Sachverstand überzeugen. Das wiederum setzt voraus, dass er fachlich qualifiziert ist; deshalb stellen die Gesetze hohe Anforderungen an die Fachkunde und die Zuverlässigkeit der Beauftragten. Durch die Bestellung von Beauftragten wird der Betriebsinhaber nicht von seiner Verantwortung als Betreiber befreit. Die Bestellung soll es ihm vielmehr erleichtern, dieser Verantwortung gerecht zu werden. Bei der Wahrnehmung der ihm übertragenen Aufgaben ist der Betriebsbeauftragte grundsätzlich weisungsfrei25. Der Beauftragte ist Gehilfe des Betriebsinhabers, nicht Hilfsorgan der Aussichtbehörde, nicht deren „verlängerter Arm“. Diese kann ihm weder Anweisungen erteilen noch von ihm Auskünfte verlangen. Verantwortlich und rechenschaftspflichtig ist der Beauftragte ausschließlich dem Betriebsinhaber. Zu diesem kann er zugleich in einem Arbeitsverhältnis stehen, notwendig ist das ___________ 24 So ermächtigt § 54 Abs. 2 Nr. 18 der Landesbauordnung Nordrhein-Westfalen i.d.F. vom 1.3.2000 die Bauaufsichtsbehörde, die Bestellung eines Brandschutzbeauftragten für den Betrieb eines Gebäudes zu verlangen. Siehe auch oben Fn. 11. 25 Eingehend Fischer (Fn. 9), S. 187 ff.; ferner Hammann (Fn. 9), S. 65 f.; Gerhard Feldhaus, in: Feldhaus (Hrsg.), Bundes-Immissionsschutzgesetz, 2. Aufl., Heidelberg u.a., Stand: 169. AL/Juli 2012, § 54 Rn. 10.
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jedoch nicht. Es gibt betriebsangehörige und betriebsfremde (externe) Betriebsbeauftragte. Ersteres ist in mittelständischen und großen Betrieben die Regel. Der Betriebsbeauftragte hat keine „Außenfunktion“. Er ist nicht befugt, ohne Einverständnis des Betriebsinhabers die Aufsichtsbehörde über die Ergebnisse seiner Überwachungstätigkeit zu informieren, ihr beispielsweise festgestellte Mängel mitzuteilen26. Die Beauftragten haben keinerlei hoheitliche Befugnisse; sie sind deshalb auch keine Beliehenen27; darüber besteht heute nach anfänglichem Streit Einigkeit. Das werde ich im Folgenden anhand der Vorschriften zu dem Immissionsschutzbeauftragten des Näheren erläutern und dabei zugleich dartun, dass die Praxis diesen gesetzlichen Regelungen nicht immer entspricht.
II. Die Umweltschutzbeauftragten und die ihre Rechtsstellung regelnden Vorschriften In der Literatur ist häufig von den „Umweltschutzbeauftragten“ die Rede. Das Gesetz kennt diese Bezeichnung nicht. Unter ihr werden die Betriebsbeauftragten für Immissionsschutz (die Immissionsschutzbeauftragten), für Gewässerschutz (die Gewässerschutzbeauftragten) und für Abfall (die Abfallbeauftragten) zusammengefasst. Ob auch die Störfallbeauftragten zu den Umweltschutzbeauftragten zu rechnen sind, ist deshalb umstritten28, weil ihnen weniger der Schutz der Umwelt als vielmehr die Verbesserung der Anlagensicherheit obliegt, die dem Schutz der Nachbarschaft und der Allgemeinheit vor Schäden dient. Der Streit darüber ist müßig. Geregelt ist die Rechtsstellung des Immissionsschutzbeauftragten und des Störfallbeauftragten im Bundes-Immissionsschutzgesetz29 (§§ 53 bis 58 bzw. 58a bis 58d), die des Gewässerschutzbeauftragten im Wasserhaushaltsgesetz30 ___________ 26
Feldhaus (Fn. 25), § 54 Rn. 43. Grundlegend Peter J. Tettinger, Der Immissionsschutzbeauftragte – ein Beliehener?, DVBl. 1976, 752 ff.; s. ferner Hansmann (Fn. 12), Vor § 53 Rn. 17; Hans D. Jarass, BImSchG, 9. Aufl., München 2012, § 53 Rn. 3. 28 Georg Kaster, Die Rechtsstellung der Betriebsbeauftragten im Umweltschutz, GewArch. 1998, 129 ff., 129. 29 Gesetz zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen und ähnliche Vorgänge (Bundes-Immissionsschutzgesetz – BImSchG) i.d.F. vom 4.10.2002 (BGBl. I S. 3830). 30 Gesetz zur Ordnung des Wasserhaushalts (Wasserhaushaltsgesetz – WHG) vom 31.7.2009 (BGBl. I S. 2585). 27
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(§§ 64 bis 66) und die des Abfallbeauftragten im Kreislaufwirtschaftsgesetz31 (§§ 59 bis 61). 1. Die Immissionsschutzbeauftragten Die umfangreichste Normierung enthalten die Bestimmungen über die Immissionsschutzbeauftragten: § 53 regelt ihre Bestellung, § 54 ihre Aufgaben, § 55 die Pflichten des Betreibers, § 56 die Stellungnahme des Immissionsschutzbeauftragten zu Entscheidungen des Betreibers, § 57 das Vortragsrecht des Immissionsschutzbeauftragten sowie § 58 das Benachteiligungs- und Kündigungsverbot. Diese Bestimmungen werden konkretisiert und ergänzt durch die 5. BImSchV32. 2. Die Störfallbeauftragten Die Bestellung und die Aufgaben der Störfallbeauftragten sind in den §§ 58a und 58b BImSchG normiert, die Pflichten und Rechte des Betreibers gegenüber dem Störfallbeauftragten in § 58c, dessen Abs. 1 auf die §§ 55 und 57 verweist. Der § 58d verweist wegen des Benachteiligungs- und Kündigungsverbots auf § 58. Dem Störfallbeauftragten33 obliegt es, auf die Verbesserung der Sicherheit von Anlagen hinzuwirken, von denen bei einer Störung des bestimmungsgemäßen Betriebs eine Gefahr für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft ausgehen kann (§ 58b BImSchG)34. Seine Aufgabe besteht darin, den Betreiber in
___________ 31
Gesetz zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und Sicherung der umweltverträglichen Bewirtschaftung von Abfällen (Kreislaufwirtschaftsgesetz – KrWG) vom 24.2.2012 (BGBl. I S. 212). 32 Fünfte Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung über Immissionsschutz- und Störfallbeauftragte – 5. BImSchV) vom 30.7.1993 (BGBl. I S. 1433). 33 Zur Rechtsstellung der Störfallbeauftragten s. Uwe Müller, Der Störfallbeauftragte, Berlin 1994, sowie die Erläuterungen zu den §§ 58a bis 58d in den Kommentaren zum Bundes-Immissionsschutzgesetz. 34 Die Zahl der sog. Störfallbetriebe ist wesentlich geringer als die Zahl der Betriebe, die Immissionsschutzbeauftragte bestellen müssen. In ganz Rheinland-Pfalz belief sich die Anzahl der Störfallbetriebe im Jahre 2010 auf 112 (Jahresbericht der Gewerbeaufsicht Rheinland-Pfalz für das Jahr 2010, S. 9). Zur selben Zeit betrug die Anzahl der genehmigungsbedürftigen Anlagen nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz 2.870 (a.a.O.). Um Missverständnisse zu vermeiden, muss hinzugefügt werden, dass längst nicht für jede immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftige Anlage ein Immissionsschutzbeauftragter bestellt werden muss.
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Angelegenheiten, die für die Sicherheit35 der Anlage bedeutsam sein können, zu beraten. Er hat insbesondere – auf die Verbesserung der Sicherheit der Anlage hinzuwirken, – dem Betreiber Betriebsstörungen mitzuteilen, – die Einhaltung der immissionsschutzrechtlichen Vorschriften im Hinblick auf die Verhinderung von Störungen des bestimmungsgemäßen Betriebs der Anlage zu überwachen sowie – dem Betreiber Mängel zu melden, die den Brandschutz sowie die technische Hilfeleistung betreffen. Über das für Immissionsschutzbeauftragte Geltende hinausgehend, bestimmt § 58c Abs. 3 BImSchG, dass der Anlagenbetreiber dem Störfallbeauftragten Entscheidungsbefugnisse übertragen kann (nicht muss!), und zwar für die Beseitigung und die Begrenzung der Auswirkung von Störungen des bestimmungsgemäßen Betriebs der Anlage. In der Literatur wird die Ansicht vertreten, dieser Bestimmung hätte es nicht bedurft, weil es dem Anlagenbetreiber ohnehin freistehe, dem Störfallbeauftragten (wie auch anderen Betriebsbeauftragten) Entscheidungsbefugnisse einzuräumen36. Dabei wird jedoch übersehen, dass die Weisungsbefugnisse in einem derartigen Fall nicht zum Aufgabenkreis des weisungsfreien Betriebsbeauftragten zählen, sondern zu dem des (einfachen) Betriebsangehörigen, der Weisungen unterworfen ist. In der Praxis scheint von dieser Möglichkeit nur selten Gebrauch gemacht zu werden. Nach Mitteilung von Müller37 hatte 1991 keiner der Störfallbetriebe Entscheidungsbefugnisse übertragen. Begründet wurde dies damit, die Übertragung von Entscheidungsbefugnissen sei nicht empfehlenswert. § 12 Abs. 1 Nr. 2 Störfallverordnung verpflichtet den Betreiber von Betriebsbereichen mit erweiterten Pflichten, eine Person oder Stelle mit der Begrenzung der Auswirkungen von Störfällen zu beauftragen und diese Person der zuständigen Behörde zu benennen. Diese Person hat eine andere Funktion als der Störfallbeauftragte. Die Aufgabe kann dem Störfallbeauftragten allerdings (zusätzlich) übertragen werden, was auch häufig geschieht. ___________ 35 Sicherheit im Sinne dieser Vorschrift bedeutet den Ausschluss solcher Betriebsstörungen, die die Nachbarschaft oder die Allgemeinheit gefährden könnten (Hansmann [Fn. 12], § 58b Rn. 3). Die Sicherheit der Anlage ist betroffen, wenn eine Störung des bestimmungsgemäßen Betriebs eintritt oder eintreten kann, sofern damit Gefahren für die Nachbarschaft oder die Allgemeinheit verbunden sind. Einen besonders wichtigen Unterfall bilden die Störfälle bzw. schwere Unfälle (Jarass [Fn. 27], § 58b Rn. 4). 36 Michael Kotulla, in: Kotulla (Hrsg.), Bundes-Immissionsschutzgesetz, Stuttgart, Stand: 17. Lfg./Juni 2011, § 58c Rn. 22; Böhm (Fn. 10), § 58c Rn. 2; Hansmann (Fn. 12), § 58c Rn. 9. 37 Müller (Fn. 33), S. 132.
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3. Die Gewässerschutzbeauftragten Die Bestellung und die Aufgaben der Gewässerschutzbeauftragten regeln §§ 64 und 65 WHG. Auf das Verhältnis zwischen dem Gewässerbenutzer und den Gewässerschutzbeauftragten finden gemäß § 66 WHG die §§ 55 bis 58 BImSchG entsprechende Anwendung. Gewässerschutzbeauftragte haben die Funktion, den Gewässerbenutzer und die Betriebsangehörigen in Angelegenheiten, die für den Gewässerschutz bedeutsam sein können, zu beraten. Sie sind unter anderem berechtigt und verpflichtet, die Einhaltung von Vorschriften, Nebenbestimmungen und Anordnungen im Interesse des Gewässerschutzes zu überwachen, insbesondere durch regelmäßige Kontrolle der Abwasseranlagen im Hinblick auf die Funktionsfähigkeit, den ordnungsgemäßen Betrieb sowie die Wartung (§ 65 WHG). 4. Die Abfallbeauftragten Die Bestellung und die Aufgaben der Abfallbeauftragten sind in den §§ 59 und 60 KrWG geregelt. Gemäß § 60 Abs. 3 Satz 1 KrWG finden auf das Verhältnis zwischen dem Abfallbeauftragten und dem zu seiner Bestellung Verpflichteten § 55 Absatz 1, 2 Satz 1 und 2, Absatz 3 und 4 sowie die §§ 56 bis 58 BImSchG entsprechende Anwendung. Betriebsbeauftragte für Abfall haben die Aufgabe, den Betreiber und die Betriebsangehörigen in Angelegenheiten, die für die Abfallvermeidung und Abfallbewirtschaftung bedeutsam sein können, zu beraten. Sie sind unter anderem berechtigt und verpflichtet, – den Weg der Abfälle von ihrer Entstehung oder Anlieferung bis zu ihrer Verwertung oder Beseitigung zu überwachen sowie – die Einhaltung der Vorschriften des Kreislaufwirtschaftsgesetzes und der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen sowie die Erfüllung erteilter Bedingungen und Auflagen zu überwachen (§ 60 Abs. 1 und 2 KrWG). Viele der Vorschriften über die Immissionsschutzbeauftragten gelten also sinngemäß auch für die drei anderen Umweltschutzbeauftragten. Was in Folgenden zum Immissionsschutzbeauftragten ausgeführt wird, trifft deshalb weitgehend auch auf die Störfall-, Gewässerschutz- und Abfallbeauftragten zu. Innerhalb der Betriebe genießen die Immissionsschutzbeauftragten nach den Beobachtung der beiden Aufsichtsbehördenvertreter faktisch eine hervorgehobene Stellung im Verhältnis zu den anderen Betriebsbeauftragten; teilweise sei der Immissionsschutzbeauftragte eine Art Vorgesetzter anderer Betriebsbeauftragter.
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III. Der Immissionsschutzbeauftragte 1. Zu den Begriffen Betrieb, Betriebsbeauftragter, Betriebsinhaber und Anlage Die Gesetze sprechen von „Betriebsbeauftragten“38. Das könnte missverstanden werden. Denn sie werden nicht für einen Betrieb bestellt, sondern für eine Anlage (so die Immissionsschutzbeauftragten und die Abfallbeauftragten), für einen Konzern39 oder für einen Betriebsbereich (so die Störfallbeauftragten)40. So verpflichtet z.B. § 55 Abs. 1 Satz 1 BImSchG den Betreiber der Anlage (und nicht etwa den Inhaber des Betriebes, in dem die Anlage aufgestellt ist), den Immissionsschutzbeauftragten zu bestellen. Was eine „Anlage“ ist, definiert § 3 Abs. 5 BImSchG, was ein „Betriebsbereich“ ist, ergibt sich aus § 3 Abs. 5a BImSchG. Unter den Begriff der Anlage fallen unter anderem Betriebsstätten, Maschinen sowie Grundstücke, auf denen Stoffe gelagert oder Arbeiten verrichtet werden, die Emissionen verursachen können. Zu den Anlagen zählen die verschiedenartigsten Gegenstände. Um nur einige Beispiele für Anlagen zu nennen: Altglas- und Altpapiercontainer, Autowaschhallen, Biergärten, elektrische Fensterjalousien, Getränkeautomaten, Hotels, Kinderspielplätze, Kirchenglocken, Kraftfahrzeugwerkstätten, Schank- und Speisewirtschaften, Schweinemastbetriebe und Werksgebäude. Es liegt auf der Hand, dass für viele dieser Anlagen die Bestellung eines Immissionsschutzbeauftragten von vornherein nicht in Betracht kommt. Typischerweise werden Immissionsschutzbeauftragte für sog. genehmigungsbedürftige Anlagen bestellt. Welche Anlagen hierzu gehören, regelt die 4. BundesImmissionsschutzverordnung (4. BImSchV) im Einzelnen. Beispiele hierfür sind: Anlagen zur Erzeugung von Strom durch den Einsatz von Brennstoffen ab einer bestimmten Größenordnung, Verbrennungsmotorenanlagen, Windkraftanlagen mit einer Gesamthöhe von mehr als 50 Metern, Steinbrüche, Zementfabriken, Eisengießereien, Chemiefabriken, Anlagen zum Halten von Geflügel, Rindern oder Schweinen ab einer bestimmten Größe, Anlagen zum Schlachten von Tieren. ___________ 38 Diese Wortwahl wird gelegentlich damit begründet, sie solle zum Ausdruck bringen, dass der Betriebsbeauftragte nicht von einer staatlichen Stelle, sondern von dem Inhaber eines Betriebes bestellt und nur ihm verantwortlich ist. 39 § 4 der 5. BImSchV. Dazu Feldhaus (Fn. 25), § 53 Rn. 46 ff. 40 Das hebt auch Franz Joseph Dreyhaupt, Handbuch für Immissionsschutzbeauftragte, Köln 1978, S. 37, hervor.
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In vielen Fällen tritt die Genehmigungsbedürftigkeit einer Anlage erst dann ein, wenn eine bestimmte Größe erreicht oder überschritten wird. Das Verhältnis der Kategorien Betrieb und Anlage zueinander ist also recht kompliziert. Ein Betrieb kann zugleich eine Anlage sein; das trifft beispielsweise auf einen Schweinemastbetrieb zu. In einem Betrieb kann aber auch eine Anlage oder können mehrere Anlagen aufgestellt sein. Obwohl also das Gesetz an den Begriff des Betreibers der Anlage41 anknüpft und ihm die Verpflichtungen auferlegt, von denen noch die Rede sein wird, verwende ich stattdessen im Folgenden in der Regel den anschaulicheren Terminus Betriebsinhaber. 2. Funktion des Immissionsschutzbeauftragten Die betriebliche Tätigkeit ruft fast zwangsläufig Gefahren hervor – sei es für die in dem Betrieb Beschäftigten, sei es für die Nachbarschaft, sei es für die gesamte Umwelt. Die Gefahr kann darin bestehen, dass Personen verletzt werden, Sachgüter beschädigt werden oder die Natur geschädigt wird. Verantwortlich dafür, dass derartige Schäden nicht eintreten, ist in erster Linie der Betreiber der Anlage, also der Inhaber des Betriebes. So bestimmt beispielsweise § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG, dass genehmigungsbedürftige Anlagen so zu errichten und zu betreiben sind, dass zur Gewährleistung eines hohen Umweltschutzes insgesamt schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können. Dafür zu sorgen hat der Betreiber der Anlage. Über diese Verpflichtung zur Verhinderung von Gefahren hinaus obliegt es ihm Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erheblich Nachteile und erhebliche Belästigungen zu treffen (§ 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BImSchG). Maßnahmen zur Abwehr von Gefahren und zur Vorsorge kosten Geld. Der Inhaber eines Betriebes bemüht sich verständlicherweise, die Kosten so niedrig wie möglich zu halten. Das führt nicht selten dazu, dass Betriebsinhaber die ihnen obliegenden Pflichten zur Gefahrenabwehr und Vorsorge vernachlässigen. Immer wieder ist ein Vollzugsdefizit beklagt worden, also der Umstand, dass umweltrechtliche Vorschriften von den Betriebsinhabern missachtet werden – sei es bewusst, sei es aus Unkenntnis der rechtlichen oder tatsächlichen Situation. ___________ 41
Der Gewässerschutzbeauftragte ist von dem „Gewässerbenutzer“ zu bestellen.
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Aus diesem Grunde unterliegen die Betriebe der behördlichen Überwachung. So bestimmt § 52 Abs. 1 Satz 1 BImSchG, dass die zuständigen Behörden (welche das sind, regelt das Landesrecht) die Durchführung des BundesImmissionsschutzgesetzes und der auf dieses Gesetz gestützten Rechtsverordnungen zu überwachen haben. Stellt die Überwachungsbehörde fest, dass jene Vorschriften nicht eingehalten werden, kann sie gegen den Inhaber des Betriebes mit Anordnungen vorgehen (§§ 17, 24) und in Extremfällen sogar den Betrieb stilllegen (§§ 20, 25 BImSchG). Es hat sich jedoch gezeigt, dass die behördliche Überwachung oft versagt und nicht in der Lage ist, die Einhaltung der immissionsschutzrechtlichen Verpflichtungen zu gewährleisten. Die Gründe dafür sind mannigfaltig. So sind die Behörden oft nicht personell hinreichend ausgestattet, um die zahlreichen Betriebe, die sie überwachen sollten, auch tatsächlich im Auge zu behalten, so dass Inspektionen oftmals in viel zu großen Zeitabständen stattfinden. Außerdem fehlt den Behörden das notwendige Insider-Wissen, um Gefahren erkennen zu können. Andererseits können die Behördenvertreter ihr bei der Überwachung von ähnlichen Anlagen in anderen Unternehmen gewonnenes Wissen weitergeben und erkennen eingefahrene falsche Verfahrensweisen manchmal eher als ein Unternehmensmitarbeiter (Stichwort: „Betriebsblindheit“). Wie mir die Beamten der Aufsichtsbehörde mitteilten, kann diese selbst große Betriebe höchstens einmal im Jahr ohne besonderen Anlass inspizieren; bei kleineren Anlagen finde eine Betriebsbesichtigung – wenn überhaupt – nur alle paar Jahre statt. Zu Betriebsbesichtigungen komme es im Wesentlichen nur dann, wenn es einen Störfall oder Unfall gegeben hat, wenn sich Nachbarn über Lärm, Gerüche oder ähnliche Einwirkungen beschwert haben oder wenn die Anlage wesentlich geändert worden ist. Das deckt sich mit der Feststellung des Sachverständigenrates für Umweltfragen, in vielen Bundesländern finde eine systematische und regelmäßige Überwachung von Anlagen kaum noch statt42. Diese Einsicht hat dazu geführt, die Fremdkontrolle seitens der Überwachungsbehörden zu ergänzen durch eine Eigenkontrolle der Betriebe. Die Betriebe sollen auch selber kontrollieren, ob sie die ihnen obliegenden Verpflichtungen tatsächlich erfüllen. ___________ 42 SRU-Sondergutachten „Umweltverwaltung unter Reformdruck“, Februar 2007. Zitiert nach Manfred Rebentisch, Neuere Entwicklungen in der immissionsschutzrechtlichen Anlagenüberwachung – Staatsentlastung durch Betreiberbelastung, in: Festschrift für Kühne, Frankfurt a.M. 2009, S. 633 ff., 633.
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Der betrieblichen Eigenkontrolle dienen unterschiedliche Instrumente. So kann die zuständige Behörde anordnen, dass der Betriebsinhaber die Emissionen und Immissionen misst, die von seiner Anlage ausgehen, und dass er die Messergebnisse der Behörde mitteilt (§§ 26-29 BImSchG). Die Behörde kann ferner anordnen, dass der Betriebsinhaber einen Sachverständigen mit der Durchführung bestimmter sicherheitstechnischer Prüfungen beauftragt und das Ergebnis dieser Prüfung der Behörde mitteilt (§ 29a BImSchG). Das wichtigste Instrument zur Eigenkontrolle aber sind die Betriebsbeauftragten. 3. Die Rechtsnatur der §§ 53 bis 58 BImSchG sowie das Verhältnis von Aufsichtsbehörde, Betriebsinhaber und Immissionsschutzbeauftragtem a) Die herrschende Anschauung und ihre Fragwürdigkeit Nach der in der Literatur vorherrschenden Auffassung43 regeln die §§ 53 bis 58 BImSchG ausschließlich das Verhältnis von Betriebsinhaber und Aufsichtsbehörde, hingegen weder das Verhältnis des Immissionsschutzbeauftragten zu dem Betriebsinhaber noch das Verhältnis des Immissionsschutzbeauftragten zu der Aufsichtsbehörde. Die genannten Vorschriften, mit Ausnahme des § 58, seien rein öffentlich-rechtlicher Natur. Der Immissionsschutzbeauftragte könne aus den §§ 53 bis 57 keine Ansprüche gegen den Betriebsinhaber herleiten, diesem oblägen nur Verpflichtungen gegenüber der Aufsichtsbehörde, nicht auch gegenüber dem Immissionsschutzbeauftragten. Das bedeutet – erläutert anhand eines Beispieles – folgendes: § 55 Abs. 4 BImSchG bestimmt: „Der Betreiber hat den Immissionsschutzbeauftragten bei der Erfüllung seiner Aufgaben zu unterstützen und ihm insbesondere, soweit dies zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich ist, Hilfspersonal sowie Räume, Einrichtungen, Geräte und Mittel zur Verfügung zu stellen und die Teilnahme an Schulungen zu ermöglichen.“ Nach herrschender Meinung ist diese Vorschrift öffentlich-rechtlicher Natur. Die sich aus ihr ergebenden Verpflichtungen oblägen dem Betriebsinhaber („Betreiber“) nicht (auch) gegenüber dem Immissionsschutzbeauftragten, son___________ 43 Matthias Nöthlichs, Immissionsschutz, Berlin, Stand: Mai 2012, § 54 Erl. 3, § 56 Rn. 2. Erl. zu § 57; Hansmann (Fn. 12), Vor § 53 Rn. 15, § 54 Rn. 2 und 22, § 55 Rn. 67, § 56 Rn. 16, § 57 Rn. 12; Böhm (Fn. 10), § 56 Rn. 17 und § 57 Rn. 9 (zweifelnd jedoch § 55 Rn. 56 in Hinblick auf § 55 Abs. 4); Kotulla (Fn. 36), § 54 Rn. 1 und 55, § 55 Rn. 98, § 56 Rn. 4 und 20, § 57 Rn. 12, § 58 Rn. 2 und 38; Jarass (Fn. 27), § 53 Rn. 6, § 54 Rn. 14, § 55 Rn. 23 f., § 56 Rn. 7, § 57 Rn. 1 und 7.
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dern (ausschließlich) gegenüber der Aufsichtsbehörde44. Das hat zur Konsequenz, dass der Immissionsschutzbeauftragte nicht auf die Erfüllung dieser Verpflichtungen gegen den Betriebsinhaber klagen kann. Stattdessen könne die Aufsichtsbehörde den Betriebsinhaber auffordern, dem Immissionsschutzbeauftragten die notwendige Unterstützung zu gewähren und dies notfalls im Wege des Verwaltungszwanges durchsetzen. Das Problem ist jedoch, dass nach herrschender Anschauung die dem Immissionsschutzbeauftragten obliegende Treuepflicht es ihm verbietet, die Aufsichtsbehörde davon zu unterrichten, dass der Betriebsinhaber die erbetene Unterstützung verweigert. Dadurch wird die Vorschrift weitgehend entwertet. Um den Betriebsbeauftragten nicht rechtsschutzlos dem Betriebsinhaber auszuliefern, empfehlen Vertreter der herrschenden Anschauung dem Betriebsbeauftragten, sich auf den Arbeitsvertrag zu berufen; mit dessen Abschluss habe der Betriebsinhaber dem Betriebsbeauftragten die Rechte eingeräumt, die in den §§ 53 bis 57 BImSchG enthalten sind; diese Rechte (z.B. auf Unterstützung seiner Tätigkeit) könne er vor den Arbeitsgerichten geltend machen. Eine waghalsige Konstruktion, die die Unterscheidung von Arbeitsverhältnis und Beauftragtenverhältnis (dazu sogleich unter b) missachtet. Ein zweites Beispiel. § 54 Abs. 2 bestimmt: „Der Immissionsschutzbeauftragte erstattet dem Betreiber jährlich einen Bericht über die nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 1 bis 4 getroffenen und beabsichtigten Maßnahmen.“ Diese Vorschrift verpflichtet – so die herrschende Meinung – keineswegs den Immissionsschutzbeauftragten zur Erstattung des Jahresberichts, sondern sie verpflichte den Betriebsinhaber (Betreiber) dazu, seinerseits dem Immissionsschutzbeauftragten die Pflicht zur Berichterstattung aufzuerlegen. Eine Ausnahme bilden der herrschenden Meinung zufolge lediglich die Vorschriften, die den Betriebsbeauftragten vor Benachteiligungen wegen seiner Tätigkeit und vor der ordentlichen Kündigung seines Arbeitsverhältnisses schützen (§ 58 BImSchG). Diese Bestimmungen regeln nach einhelliger Ansicht unmittelbar das Rechtsverhältnis zwischen Betriebsinhaber und Betriebsbeauftragtem45. Die herrschende Ansicht ist keineswegs unbestritten und vermag schwerlich zu überzeugen46, was hier nicht im Einzelnen dargelegt werden kann. Schon der ___________ 44 So u.a. Bert Axel Szelinski, Der Umweltschutzbeauftragte, WiVerw. 1980, 266 ff., 281 f.; Kotulla (Fn. 36), § 55 Rn. 98; Jarass (Fn. 27), § 55 Rn. 23 f. 45 Fischer (Fn. 9), S. 106; Kotulla (Fn. 36), § 58 Rn. 38. 46 Carl Hermann Ule, in: Ule/Laubinger/Repkewitz, Bundes-Immissionsschutzgesetz – Kommentar/Rechtsvorschriften/Rechtsprechung, Köln, Stand: 185. AL/Aug. 2012, § 55 Rn. 5 (Dem Immissionsschutzbeauftragten würden „mit der Bestellung“ die
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Wortlauf legt die Annahme nahe, dass jedenfalls einige Vorschriften, darunter der § 55 Abs. 4 BImSchG, nicht öffentlich-rechtlicher, sondern privatrechtlicher Natur sind und dass sie nicht die Rechtsbeziehungen zwischen Betriebsinhaber und Aufsichtsbehörde, sondern zwischen Betriebsinhaber und Immissionsschutzbeauftragtem regeln mit der Konsequenz, dass die Vorschriften unmittelbar Rechte und Verpflichtungen im Verhältnis zwischen Betriebsinhaber und Immissionsschutzbeauftragtem begründen. Diese Rechte und Verpflichtungen können – entgegen der herrschenden Ansicht – von dem Immissionsschutzbeauftragten gegen den Betriebsinhaber oder umgekehrt von diesem gegen den Immissionsschutzbeauftragten notfalls gerichtlich geltend gemacht werden, und zwar nicht vor den Verwaltungsgerichten, sondern vor den Zivilgerichten. Dabei darf allerdings nicht aus den Augen gelassen werden, dass der Betriebsinhaber den Immissionsschutzbeauftragten nach herrschender Meinung47 jederzeit seines Amtes entheben kann; deshalb muss dieser es sich sehr gut überlegen, ob er den Betriebsinhaber vor Gericht ziehen will. Nach einhelliger Ansicht ergeben sich aus den §§ 53 bis 58 BImSchG weder Rechte noch Verpflichtungen des Immissionsschutzbeauftragten gegenüber der Aufsichtsbehörde. Zwischen ihnen besteht weder ein öffentlich-rechtliches noch ein privatrechtliches Rechtsverhältnis48. b) Beauftragtenverhältnis Diejenigen Vorschriften, die nach der von mir vertretenen Auffassung unmittelbar die Rechtsbeziehungen zwischen Betriebsinhaber und Immissionsschutzbeauftragtem regeln (wie der § 55 Abs. 4 BImSchG), gestalten das Rechtsverhältnis aus, das durch die Bestellung des Immissionsschutzbeauftragten ins Leben gerufen wird. Man kann dieses Rechtsverhältnis als Beauftragtenverhältnis (oder Beauftragungsverhältnis oder Bestellungsverhältnis) bezeichnen. Die Bestellung erfolgt durch den Betriebsinhaber, nicht etwa durch die Aufsichtsbehörde. Nach einhelliger Meinung ist die Bestellung eine privat___________ in § 54 Abs. 1 niedergelegten Initiativ- und Kontrollbefugnisse übertragen), § 56 Rn. 2 und § 57 Rn. 2; Udo Steiner, Technische Kontrolle im privaten Bereich – insbesondere Eigenüberwachung und Betriebsbeauftragte, DVBl. 1987, 1133 ff., 1137 (Die Rechte und Pflichten des Betriebsbeauftragten entständen kraft Gesetzes mit der wirksamen Vornahme des Bestellungsaktes.); Tettinger (Fn. 27), DVBl. 1976, 752 ff., 757 f.; Hanns Engelhardt/Johannes Schlicht, BImSchG, 4. Aufl., Köln/Berlin/Bonn/München 1997, § 55 Rn. 8 (Anspruch auf Unterstützung); Hammann (Fn. 9), S. 246 (Betriebsbeauftragte könnten Unterstützung, Anhörung und Beteiligung verlangen). Eingehend Springmann (Fn. 18), S. 123-129. Weitere Nachw. bei Fischer (Fn. 9), S. 105-110. 106 in Fn. 309, der wohl ebenfalls dieser Ansicht zuneigt. 47 Nachweise in Fn. 76. 48 Michael Reinhardt, Die Überwachung durch Private im Umwelt- und Technikrecht, AöR 118 (1993), 617 ff., 636; Kaster (Fn. 28), GewArch. 1998, 129 ff., 134.
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rechtliche, keine öffentlich-rechtliche Maßnahme49. Da die Bestellung nicht gegen den Willen des Beauftragten erfolgen darf, bedarf sie allerdings dessen Zustimmung50; das gilt auch dann, wenn der zu Bestellende Arbeitnehmer des Betriebes ist. Trotz der erforderlichen Zustimmung des Beauftragten ist die Bestellung nach herrschender Meinung kein Vertrag51, sondern eine einseitige Willenserklärung des Betriebsinhabers52. c) Beauftragtenverhältnis und Grundverhältnis Von dem Beauftragtenverhältnis strikt zu unterscheiden ist das sog. Grundverhältnis. In den allermeisten Fällen ist der Immissionsschutzbeauftragte Arbeitnehmer (Angestellter) des Betriebes – sei es, dass er dies bereits ist, wenn er zum Immissionsschutzbeauftragten bestellt wird, sei es, dass mit ihm gleichzeitig mit der Bestellung zum Immissionsschutzbeauftragten durch Abschluss eines Arbeitsvertrages ein Arbeitsverhältnis begründet wird. Dieses Grundverhältnis in Gestalt eines Arbeitsverhältnisses ist rechtlich unabhängig von dem Beauftragtenverhältnis. Die Beendigung des einen hat nicht automatisch auch die Beendigung des anderen zur Folge. Außer den betriebsangehörigen gibt es auch betriebsfremde Immissionsschutzbeauftragte. Mit derartigen externen Immissionsschutzbeauftragten schließt der Betriebsinhaber in der Regel einen bürgerlichrechtlichen Dienstvertrag (§ 611 BGB) oder Geschäftsbesorgungsvertrag (§ 675 BGB), durch den das Grundverhältnis ins Leben gerufen wird. Auch hier sind Grund- und Beauftragtenverhältnis strikt zu unterscheiden und in ihrer Existenz von einander unabhängig.
___________ 49 BAG, Urt. vom 26.3.2009; Ule/Laubinger/Repkewitz (Fn. 46), Rechtsprechung, § 58 Nr. 3 S. 5; Hammann (Fn. 9), S. 193 f.; Ule (Fn. 46), § 55 Rn. 2. 50 BAG, Urt. vom 26.3.2009; Ule/Laubinger/Repkewitz (Fn. 46), Rechtsprechung, § 58 Nr. 3 S. 5. 51 So aber Engelhardt/Schlicht (Fn. 46), § 55 Rn. 2. Damit verträgt es sich nicht, wenn sie fordern, der Beauftragte müsse der Bestellung zustimmen (a.a.O.). Wenn die Bestellung tatsächlich durch Vertrag erfolgen sollte, wäre eine zusätzliche Zustimmung des Beauftragten unnötig. 52 Böhm (Fn. 10), § 55 Rn. 7; Jarass (Fn. 27), § 55 Rn. 1; Kotulla (Fn. 36), § 55 Rn. 4. Hansmann (Fn. 12), § 55 Rn. 25, definiert den Bestellungsakt als die formgebundene und unmittelbar mit Rechtsfolgen verknüpfte einseitige Willenserklärung des Anlagenbetreibers, dem Betroffenen die gesetzlich umschriebenen Rechte und Pflichten eines Immissionsschutzbeauftragten zu übertragen.
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4. Der Immissionsschutzbeauftragte in der betrieblichen Praxis Über die gängige Praxis habe ich von den beiden Gewerbeaufsichtsbeamten Folgendes erfahren. Externe Immissionsschutzbeauftragte spielen eine ganz untergeordnete Rolle53. Ganz überwiegend sind sie (gleiches gilt für die übrigen Betriebsbeauftragten) Angestellte des Betriebes; die Fachkräfte für Arbeitssicherheit und die Betriebsärzte dagegen sind überwiegend Externe. Die Zahl der Betriebsbeauftragten hängt entscheidend von der Größe des Betriebes und der in ihm vorhandenen Anlagen ab. Bei kleineren Betrieben nimmt der Immissionsschutzbeauftragte zugleich die Aufgaben der anderen Betriebsbeauftragten wahr, insbesondere des Abfall- und des Gewässerschutzbeauftragten sowie der Fachkraft für Arbeitssicherheit. Mit ganz wenigen Ausnahmen haben die Betriebsbeauftragten nicht nur das Amt des Immissionsschutzbeauftragten (und anderer Betriebsbeauftragter) inne, sondern üben gleichzeitig Funktionen in der Linie des Betriebes aus; oft sind sie Vorgesetzte anderer Betriebsangehöriger, denen sie deshalb Weisungen erteilen können, was dem Betriebsbeauftragten gerade verwehrt ist. 5. Bestellung des Immissionsschutzbeauftragten a) Form der Bestellung Die Bestellung wird in aller Regel durch eine besondere Bestellungsurkunde vorgenommen, die der Betriebsinhaber dem zu Bestellenden aushändigt; mit der klaglosen Entgegennahme der Urkunde erklärt der zu Bestellende sein Einverständnis; damit wird die Bestellung wirksam54, sofern nicht ein späterer Zeitpunkt festgelegt ist. Eine rückwirkende Bestellung ist nicht möglich. Die Bestellung kann auch in den Arbeitsvertrag eingebettet werden; gedanklich sind jedoch beide von einander zu unterscheiden. Die Bestellung bedarf der Schriftform (§ 55 Abs. 1 Satz 1 BImSchG); eine nur mündlich vorgenommene Bestellung ist unwirksam55. In der Bestellungsur___________ 53 Der Anteil der nicht betriebsangehörigen Immissionsschutzbeauftragten in der nordrhein-westfälischen Chemieindustrie blieb im Jahre 1991 deutlich unter 10 v.H. (90 von 1158 Immissionsschutzbeauftragten): Müller (Fn. 33), S. 130 f. 54 Nöthlichs (Fn. 43), § 55 Erl. 2.1. 55 Hansmann (Fn. 12), § 55 Rn. 29: § 125 BGB; Ule (Fn. 46), § 55 Rn. 2; Kaster (Fn. 28), GewArch. 1998, 129 ff., 132; Kotulla (Fn. 36), § 55 Rn. 10; Jarass (Fn. 27), § 55 Rn. 4; Szelinski (Fn. 44), WiVerw. 1980, 266 ff., 272 f.
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kunde sind die Aufgaben, die der Beauftragte erfüllen soll, genau zu bezeichnen (§ 55 Abs. 1 Satz 1 BImSchG). Auch wenn dies nicht geschieht, ist die Bestellung wirksam56. Die Überwachungsbehörde kann jedoch von dem Betriebsinhaber die Nachholung der Aufgabenbezeichnung verlangen. Aus welchem Grunde das Gesetz den Betriebsinhaber dazu verpflichtet, in der Bestellungsurkunde die Aufgaben des Immissionsschutzbeauftragten genau zu bezeichnen, ist nicht ohne weiteres einsichtig angesichts des Umstandes, dass § 54 BImSchG die Pflichten detailliert umschreibt. Der Grund dürfte in folgendem zu finden sein: In seinem Bericht an das Plenum des Bundestages schrieb dessen Innenausschuss, auf dessen Initiative die §§ 53 bis 58 in das Gesetz eingefügt wurden, dem Unternehmer solle Spielraum gelassen werden, um den Aufgabenbereich des Betriebsbeauftragten auf die individuellen Betriebsverhältnisse zuzuschneiden. In Großbetrieben werde es notwendig sein, mehrere Beauftragte zu bestellen57. In derartigen Fällen ist es notwendig, deren Felder gegeneinander abzugrenzen, so dass eine konkrete Aufgabenbeschreibung für die einzelnen Beauftragten notwendig ist. Freilich gilt die Verpflichtung zur Spezifizierung der Aufgaben auch dann, wenn nur ein Immissionsschutzbeauftragter bestellt wird. Das 3. Gesetz zur Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes gab § 55 Abs. 1 eine neue Fassung. In der Begründung dazu führte die Bundesregierung aus, der Betreiber habe nunmehr die dem Immissionsschutzbeauftragten obliegenden Aufgaben genau zu bezeichnen; „bisher galt diese Verpflichtung nur bei der Bestellung mehrerer Immissionsschutzbeauftragter. Die Pflicht zur Bezeichnung der Aufgaben erfolgt im Hinblick darauf, dass die in § 54 genannten Aufgaben des Immissionsschutzbeauftragten betriebsspezifisch konkretisiert werden müssen, um wirksam wahrgenommen werden zu können“58. Die Bezeichnung der Aufgaben kann dadurch geschehen, dass der Inhalt des § 54 in der Bestellungsurkunde wiederholt und zu der konkreten Anlage in Bezug gesetzt wird oder dass – noch kürzer – auf § 54 verwiesen wird59. Nach Angaben der beiden Gewerbeaufsichtsbeamten beschränkt sich die Bestellungsurkunde in der Regel darauf, dass die gesetzliche Aufgabenbeschreibung des § 54 BImSchG mit etwas anderen Worten wiedergegeben wird, ange___________ 56 BAG, Urt. vom 26.3.2009, Ule/Laubinger/Repkewitz (Fn. 46), Rechtsprechung, § 58 Nr. 3 S. 6. 57 BT-Drs. 7/1513, S. 4. 58 BT-Drs. 11/4909, S. 24. 59 Hansmann (Fn. 12), § 55 Rn. 27; Kotulla (Fn. 36), § 55 Rn. 16, verlangt „eine differenzierte Auflistung der Aufgaben des Beauftragten …, wobei jede einzelne Aufgabe detailliert und präzise in der Urkunde zu beschreiben ist“. Einen bloßen Verweis auf den Inhalt des § 54 BImSchG hält Fischer (Fn. 9), S. 102, für nicht ausreichend.
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reichert durch einige Angaben zu der Anlage, für die der Beauftragte bestellt wird Der Betriebsinhaber muss die Bestellung und die zu erfüllenden Aufgaben der Überwachungsbehörde unverzüglich anzeigen60; dies geschieht in aller Regel durch Übermittlung einer Kopie der Bestellungsurkunde. Die Behörde kann weitere Angaben verlangen, falls dies erforderlich ist, um ihr die Prüfung zu ermöglich, ob die Bestellung des Betriebsbeauftragten die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt61. Dem Beauftragten ist eine Abschrift der Anzeige auszuhändigen (§ 55 Abs. 1 Satz 2 und 3 BImSchG). Die Verletzung dieser Anzeigepflichten berührt die Wirksamkeit der Bestellung nicht62. Einer behördlichen Genehmigung bedarf die Bestellung nicht; diese ist nur anzeige-, nicht genehmigungspflichtig. Dem Personal- bzw. Betriebsrat63 ist die beabsichtigten Bestellung lediglich zur Kenntnis zu geben (§ 55 Abs. 1a Satz 1 BImSchG); ein Mitwirkungs- oder gar Mitbestimmungsrecht steht jenen Mitarbeitervertretungen nicht zu. b) Mehrfachbeauftragte, gemeinsame Beauftragte, Ausschuss für Umweltschutz Grundsätzlich steht es im Ermessen des Betriebsinhabers, ob er für eine Anlage einen oder mehrere Beauftragte bestellt (§ 53 Abs. 1 Satz 1 BImSchG). Die Aufsichtsbehörde kann allerdings anordnen, dass mehrere Beauftragte bestellt werden (§ 2 der 5. BImSchV). Geschieht dies, hat der Betriebsinhaber für die Koordinierung ihrer Tätigkeit zu sorgen64. Zu diesem Zweck soll ein Ausschuss für Umweltschutz gebildet werden (§ 55 Abs. 3 Satz 1 BImSchG). Gleiches gilt, wenn neben dem Immissionsschutzbeauftragten auch solche Betriebsbeauftragten tätig sind, die aufgrund anderer gesetzlicher Vorschriften bestellt worden sind, z.B. ein eigener Störfall- oder Gewässerschutzbeauftragter (§ 55 Abs. 3 Satz 2 BImSchG). Der Ausschuss ist ein Informations- und Bera___________ 60
Zu den Anforderungen an die Anzeige Feldhaus (Fn. 25), § 55 Anm. 2; Hansmann (Fn. 12), § 55 Rn. 46; Nöthlichs (Fn. 43), § 55 Erl. 5. 61 Hansmann (Fn. 12), § 55 Rn. 47; Nöthlichs (Fn. 43), § 55 Erl. 5. 62 BAG, Urt. vom 26.3.2009, Ule/Laubinger/Repkewitz (Fn. 46), Rechtsprechung, § 58 Nr. 3 S. 6 f.; Hansmann (Fn. 12), § 55 Rn. 44; Fischer (Fn. 9), S. 104; Böhm (Fn. 10), § 55 Rn. 11; Kotulla (Fn. 36), § 55 Rn. 21. 63 Personalräte werden aufgrund der Personalvertretungsgesetze des Bundes und der Länder bei Behörden, Betriebsräte aufgrund des Betriebsverfassungsgesetzes bei privatwirtschaftlichen Betrieben eingerichtet. Ihre Aufgabe besteht darin, die Interessen der Beschäftigten gegenüber der Behörden- bzw. Betriebsleitung zu vertreten. 64 Dazu Knebusch (Fn. 12), S. 140 ff.
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tungsgremium, dem von Gesetzes wegen keine Entscheidungsbefugnisse zustehen65; Mehrheitsentscheidungen sind mithin ausgeschlossen. Für mehrere Anlagen, die demselben Betreiber gehören, kann ein gemeinsamer Immissionsschutzbeauftragter bestellt werden (§ 3 der 5. BImSchV). Ferner kann ein und dieselbe Person sowohl zum Immissionsschutzbeauftragten als auch zum Störfallbeauftragten bestellt werden (§ 3 der 5. BImSchV). § 64 Abs. 3 WHG und § 59 Abs. 3 KrWG lassen es ausdrücklich zu, dass auch die Ämter des Immissionsschutzbeauftragten, des Gewässerschutzbeauftragten und des Abfallbeauftragten einer Person übertragen werden. Von dieser Möglichkeit wird in der Praxis häufig Gebrauch gemacht. In Großunternehmen sind die Betriebsbeauftragten häufig in Stabsabteilungen zusammengefasst66. c) Betriebsangehörige und externe Beauftragte Grundsätzlich soll der Immissionsschutzbeauftragte dem Betrieb angehören. Die Behörde soll jedoch die Bestellung eines oder mehrerer nicht betriebsangehöriger Personen gestatten, wenn dadurch die Aufgabenerfüllung nicht gefährdet wird (§ 5 der 5. BImSchV). Für die Bestellung externer Beauftragter scheint zunächst zu sprechen, dass sie dem Betriebsinhaber nicht arbeitsrechtlich untergeordnet sind und deshalb nicht seinem Direktionsrecht unterstehen, sodass er „furchtloser“ an die Dinge herangehen kann. Die von Rechts wegen bestehende größere Unabhängigkeit des externen Betriebsbeauftragten von dem Betriebsinhaber erscheint jedoch in einem anderen Licht, wenn man bedenkt, dass er das Amt nicht kostenlos ausübt, sondern gegen ein im Dienst- oder Geschäftsbesorgungsvertrag festgelegtes Entgelt. Er wird deshalb bestrebt sein, das Amt zu behalten bzw. erneut bestellt zu werden. Deshalb wird er leicht in Versuchung geraten, einmal „ein Auge zuzudrücken“. Ein wesentlicher Nachteil des externen Beauftragten besteht darin, dass er weniger gut mit den Betriebsinterna vertraut ist. Hingewiesen wird ferner darauf, bei externen Betriebsbeauftragten bestehe die Gefahr, dass sie Industriespionage betreiben und Geschäftsgeheimnisse verraten könnten67. Der Verordnungsgeber gibt deshalb den betriebsangehörigen Beauftragten zu Recht den Vorzug68. ___________ 65
Hansmann (Fn. 12), § 55 Rn. 53. Knebusch (Fn. 12), S. 127 f. 67 Knebusch (Fn. 12), S. 126. 68 Zu den Vor- und Nachteilen betriebsinterner und externer Betriebsbeauftragten s. auch Theißen (Fn. 8), S. 9 f. 66
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Von der Möglichkeit, externe Beauftragte einzusetzen, machen wohl in erster Linie kleinere oder mittlere Unternehmen Gebrauch, die über keine Mitarbeiter mit der erforderlichen Fachkunde verfügen. Aber auch Großunternehmen bedienen sich gelegentlich Externer, um die Personalkosten zu senken69. d) Stellung des Betriebsbeauftragten in der betrieblichen Ämterhierarchie In der Literatur sind Überlegungen darüber angestellt worden, ob es für die erfolgreiche Arbeit des Betriebsbeauftragten von Bedeutung ist, wo seine Position in der betrieblichen Ämterhierarchie ist70. So wird behauptet, dem Betriebsinhaber falle möglicherweise ein Organisationsverschulden zur Last, wenn der Betriebsbeauftragte auf einer unteren Ebene angesiedelt werde71. Denn der höherrangige Beauftragte werde eher gehört werden und habe mehr Macht, notwendige Veränderungen herbeizuführen. Dem wird widersprochen mit dem Argument, der Betriebsbeauftragte solle nach der gesetzlichen Konzeption gerade nicht selbst Entscheidungen treffen und die erforderlichen Maßnahmen treffen, sondern lediglich beraten. Deshalb komme es auf die Stellung in der betrieblichen Hierarchie nicht an. Entscheidende Faktoren für die Durchsetzungskraft des Betriebsbeauftragten seien vielmehr seine fachliche Kompetenz und persönliche Überzeugungskraft72. Ich neige zu der Ansicht, dass die hierarchische Position des Betriebsbeauftragten durchaus ein wichtiger Faktor für seine erfolgreiche Arbeit ist. Dies gilt vor allem – aber keineswegs nur – dann, wenn er zugleich eine Linienposition mit Weisungsbefugnissen innehat. 6. Beendigung des Beauftragtenverhältnisses Das Amt des Immissionsschutzbeauftragten endet mit seinem Tode, im Falle der Befristung mit Ablauf der Zeit, für die er bestellt worden ist, mit seiner Abberufung durch den Betriebsinhaber oder mit der Niederlegung des Amtes durch den Immissionsschutzbeauftragten73. Die Beendigung des Beauftragtenverhältnisses hat nicht automatisch die Beendigung auch des Arbeitsverhältnisses zur Folge (s. o. III 3 c). ___________ 69
So jedenfalls Knebusch (Fn. 12), S. 124 f. Fischer (Fn. 9), S. 43 f., 56, 62; Knebusch (Fn. 12), S. 129 ff.; Dreyhaupt (Fn. 40), S. 45 (Der Immissionsschutzbeauftragte sei in der Regel auf der Ebene der Abteilungsleiter einzugliedern). 71 Fischer (Fn. 9), S. 44. 72 So Knebusch (Fn. 12), S. 129 ff. 73 Kotulla (Fn. 36), § 55 Rn. 26. 70
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a) Abberufung des Immissionsschutzbeauftragten Ebenso wie die Bestellung ist auch die Abberufung des Betriebsbeauftragten eine einseitige74 empfangsbedürftige privatrechtliche Willenserklärung, die – anders als die Bestellung – der Zustimmung des Betriebsbeauftragten nicht bedarf75. Zuvor ist der Betriebs- oder Personalrat von der beabsichtigten Abberufung zu unterrichten (§ 55 Abs. 1a Satz 2 BImSchG); der Zustimmung dieser Mitarbeitervertretungen bedarf es nicht. Ob der Betriebsinhaber die Abberufung jederzeit76 oder nur bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen77 vornehmen kann, ist umstritten; sie hat keinen Einfluss auf den Bestand des Arbeitsvertrages, falls ein solcher besteht78. Als actus contrarius zur Bestellung bedarf auch die Abberufung der Schriftform und muss der Behörde sowie dem Betriebs- oder Personalrat angezeigt werden79. Falls der Betriebsinhaber zur Bestellung eines Immissionsschutzbeauftragten verpflichtet ist, muss er unverzüglich eine andere Person bestellen, wenn er den Beauftragten abberuft. b) Anordnung, einen anderen Immissionsschutzbeauftragten zu bestellen Die Aufsichtsbehörde kann den Beauftragten nicht abberufen. Sie kann jedoch verlangen, dass der Betreiber eine andere Person zum Beauftragten bestellt, wenn ihr Tatsachen bekannt werden, aus denen sich ergibt, dass der Be___________ 74 BAG, Urt. vom 22.7.1992, Ule/Laubinger/Repkewitz (Fn. 46), Rechtsprechung, § 58 Nr. 2 S. 2 f.; Nöthlichs (Fn. 43), § 55 Erl. 2.1. 75 BAG, Urt. vom 22.7.1992, Ule/Laubinger/Repkewitz (Fn. 46), Rechtsprechung, § 58 Nr. 2 S. 3; Hansmann (Fn. 12), § 55 Rn. 40; Nöthlichs (Fn. 43), § 55 Erl. 2.2. Anders jedoch Szelinski (Fn. 44), WiVerw. 1980, 266 ff., 285: Soweit es sich um eine Entbindung lediglich von der Beauftragtenfunktion handele, sei entweder die Zustimmung des Beauftragten oder eine Änderungskündigung erforderlich, da der Beauftragte einen besonders herausgehobenen Arbeitsplatz verliere. 76 So Jarass (Fn. 27), § 55 Rn. 8; Fischer (Fn. 9), S. 182; Engelhardt/Schlicht (Fn. 46), § 55 Rn. 15; Hammann (Fn. 9), S. 215; Nöthlichs (Fn. 43), § 55 Erl. 2.2; Böhm (Fn. 10), § 55 Rn. 42; Szelinski (Fn. 44), WiVerw. 1980, 266 ff., 285. Wohl auch Springmann (Fn. 18), S. 98-102. Nach Meinung des LAG Hamm (Urt. vom 9.2.2012 – 16 Sa 1195/11, Rn. 20, juris), ist der Betriebsbeauftragte nur durch das Benachteiligungsverbot gegen seine Abberufung geschützt. 77 Kotulla (Fn. 36), § 55 Rn. 25, verlangt einen sachlichen Grund für die Abberufung. 78 Jarass (Fn. 27), § 55 Rn. 8. 79 Jarass (Fn. 27), § 55 Rn. 8.
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auftragte nicht die zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderliche Fachkunde oder Zuverlässigkeit besitzt (§ 55 Abs. 2 Satz 2 BImSchG). Nicht ausdrücklich geregelt ist die Frage, ob sich der Betriebsinhaber darauf beschränken kann, einen weiteren Beauftragten zu bestellen, oder ob er den disqualifizierten Beauftragten abberufen muss. Man wird wohl letzteres annehmen müssen. Denn wenn dem Betriebsbeauftragten die vom Gesetz verlangte Fachkunde oder Zuverlässigkeit fehlt, hätte er gar nicht erst bestellt werden dürfen; wird der Mangel erst später erkannt oder tritt er später ein, kann die Konsequenz nur lauten, dass er abzuberufen ist80. Die behördliche Anordnung, einen anderen Betriebsbeauftragten zu bestellen, ist ein Verwaltungsakt, den der Betriebsinhaber verwaltungsgerichtlich anfechten kann. Ob auch der Betriebsbeauftragte klagebefugt ist, ist umstritten; die herrschende Meinung bejaht dies81. Kommt der Betriebsinhaber der Aufforderung nicht nach, kann die Aufsichtsbehörde die Abberufung des untauglichen Betriebsbeauftragten mit den Instrumenten des Verwaltungszwangs durchsetzen, und zwar mittels Androhung und notfalls Festsetzung eines Zwangsgeldes82. Die beiden Beamten der Aufsichtsbehörde teilten mir mit, ihres Wissens habe ihre Behörde noch nie einen Betriebsinhaber aufgefordert, einen Betriebsbeauftragten abzuberufen. c) Niederlegung des Amtes durch den Immissionsschutzbeauftragten Der Beauftragte kann seinerseits jederzeit sein Amt durch empfangsbedürftige Willenserklärung gegenüber dem Betriebsinhaber niederlegen83, und zwar ___________ 80
Im Ergebnis ebenso Hansmann (Fn. 12), § 55 Rn. 34, mit dem wenig überzeugenden Argument, von einem „anderen“ Beauftragten könne nur dann gesprochen werden, wenn der neue an die Stelle des alten tritt. 81 Hansmann (Fn. 12), § 55 Rn. 66, m.w.N.; Ule (Fn. 46), § 55 Rn. 3; Tettinger (Fn. 27), DVBl. 1976, 752 ff., 758 ff.; Böhm (Fn. 10), § 55 Rn. 56; Kotulla (Fn. 36), § 55 Rn. 87 und 109; Engelhardt/Schlicht (Fn. 46), § 55 Rn. 5. A.M. jedoch Fischer (Fn. 9), S. 99, mit beachtlichen Erwägungen. 82 Hansmann (Fn. 12), § 55 Rn. 60; Böhm (Fn. 10), § 55 Rn. 45. 83 BAG, Urt. vom 22.7.1992, Ule/Laubinger/Repkewitz (Fn. 46), Rechtsprechung, § 58 Nr. 2 S. 3; Böhm (Fn. 10), § 55 Rn. 46; Nöthlichs (Fn. 43), § 55 Erl. 3 und Erl. zu § 58. Inzwischen überholt LAG Köln, Urt. vom 8.1.1992, Ule/Laubinger/Repkewitz (Fn. 46), Rechtsprechung, § 58 Nr. 1 S. 2: Eine „Amtsniederlegung“ des Betriebsbeauftragten kenne das Bundes-Immissionsschutzgesetz nicht. Hansmann (Fn. 12), § 55 Rn. 39, meint, der Immissionsschutzbeauftragte müsse den Betriebsinhaber bitten, ihn abzuberufen. Lehne dieser ab, so ende das Amt des Betriebsbeauftragten gleichwohl, sobald dieser seine Zustimmung zur Bestellung endgültig entziehe – eine sehr eigenwillige Konstruktion.
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auch dann, wenn er dadurch seine arbeitsvertraglichen Verpflichtungen verletzt. Auch in diesem Fall ist die Amtsniederlegung wirksam, der Beauftragte jedoch möglicherweise zur Leistung von Schadensersatz verpflichtet. d) Benachteiligungsverbot und Kündigungsschutz Ist der Immissionsschutzbeauftragte Arbeitnehmer des Betriebsinhabers, genießt er einen besonderen Kündigungsschutz (§ 58 Abs. 2 BImSchG)84. Seine Kündigung ist unzulässig, es sei denn, dass Tatsachen vorliegen, die den Betriebsinhaber nach arbeitsrechtlichen Grundsätzen zur Kündigung aus wichtigem Grunde ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen. Das ist dann der Fall, wenn es dem Betriebsinhaber nicht zuzumuten ist, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen. Den gleichen Kündigungsschutz genießt der Beauftragte auch noch ein Jahr lang nach seiner Abberufung („nachwirkender Kündigungsschutz“)85, nicht aber dann, wenn er sein Amt freiwillig niedergelegt hat86. Zweck des Kündigungsschutzes ist es, die Stellung des Beauftragten gegenüber dem Betriebsinhaber zu stärken, d.h. ihn zu ermutigen, die Belange des Immissionsschutzes auch seinem Arbeitgeber gegenüber nachdrücklich zu vertreten. Aus demselben Grund darf der Beauftragte nicht deshalb benachteiligt werden, weil er die ihm übertragenen Aufgaben ordnungsgemäß erfüllt hat (§ 58 Abs. 1 BImSchG)87. Dieses Maßregelungsverbot gilt auch nach Beendigung der Tätigkeit als Beauftragter88. Ein „Begünstigungsverbot“ kennt das Gesetz hingegen nicht89; dem Betriebsinhaber ist es also nicht verwehrt, dem Betriebsbeauftragten wegen seiner Tätigkeit besondere Vorteile einzuräumen. Gegen eine Kündigung oder Benachteiligung, die gegen § 58 BImSchG verstößt, kann der Beauftragte nach einhelliger Meinung die Arbeitsgerichte anru-
___________ 84
Eingehend Fischer (Fn. 9), S. 174 ff. Dazu BAG, Urt. vom 22.7.1992, Ule/Laubinger/Repkewitz (Fn. 46), Rechtsprechung, § 58 Nr. 2. 86 BAG, Urt. vom 22.7.1992, Ule/Laubinger/Repkewitz (Fn. 46), Rechtsprechung, § 58 Nr. 2 S. 7. Das Gericht ließ offen, ob dem Betroffenen ausnahmsweise dann der nachwirkende Kündigungsschutz zusteht, wenn er „zwar formal sein Amt selbst niedergelegt hat, hierzu aber durch ein Verhalten des Arbeitgebers veranlasst worden ist, etwa durch Kritik an seiner Amtsführung oder Behinderung in der Erfüllung seiner Aufgaben“. Vgl. dazu auch Fischer (Fn. 9), S. 179. 87 Zum Benachteiligungsverbot eingehend Fischer (Fn. 9), S. 140 ff. 88 Fischer (Fn. 9), S. 141. 89 Springmann (Fn. 18), S. 112 ff. 85
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fen90. In der Tat sind die meisten gerichtlichen Auseinandersetzungen aus dem Bereich der Betriebsbeauftragten arbeitsgerichtliche Streitigkeiten. 7. Pflicht zur Bestellung eines Immissionsschutzbeauftragten Jeder Betriebsinhaber kann aus freien Stücken einen Immissionsschutzbeauftragten bestellen; ob in einem solchen Fall die gesetzlichen Vorschriften über Betriebsbeauftragte anwendbar sind, kann ich hier nicht untersuchen91. Der Betriebsinhaber kann dazu aber auch gesetzlich dazu verpflichtet sein – sei es unmittelbar kraft Gesetzes, sei es kraft behördlicher Anordnung. a) Pflicht zur Bestellung unmittelbar kraft Gesetzes (§ 53 Abs. 1 Satz 1 BImSchG) aa) Gemäß § 53 Abs. 1 Satz 1 BImSchG haben die Betreiber genehmigungsbedürftiger Anlagen einen oder mehrere Immissionsschutzbeauftragten zu bestellen, sofern dies aus einem der folgenden drei Gründe erforderlich ist: (1) Von der Anlage gehen erhebliche Emissionen aus. (2) Die Begrenzung der Emissionen wirft technische Probleme auf. Oder (3) Die Erzeugnisse der Anlage sind bei bestimmungsgemäßer Verwendung geeignet, schädliche Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche oder Erschütterungen hervorzurufen. Welche Anlagen hierunter fallen, ist im Anhang I der 5. BImSchV abschließend festgelegt. Dazu zählen z.B. Kraftwerke, Feuerungsanlage ab einer bestimmten Größe und Anlagen zur Herstellung bestimmter Produkte (etwa von Zement, Glas oder Stahl) Gehört eine Anlage zu den dort genannten, bedarf es keines Rückgriffs auf die in § 53 Abs. 1 Satz 1 BImSchG genannten Gründe. Die beiden Beamten der Aufsichtsbehörde teilten mir mit, ihres Wissens habe ihre Behörde noch nie einen Betriebsinhaber per Verwaltungsakt auffordern müssen, einen Immissionsschutzbeauftragten zu bestellen. Die Bestellung anderer Beauftragter (z.B. von Fachkräften für Arbeitssicherheit, Gefahrgutbeauftragten und Betriebsärzten) habe man dagegen schon mal einfordern müssen. ___________ 90
Hansmann (Fn. 12), § 58 Rn. 18; Böhm (Fn. 10), § 58 Rn. 13; Kotulla (Fn. 36), § 58 Rn. 38 f.; Jarass (Fn. 27), § 58 Rn. 9; Engelhardt/Schlicht (Fn. 46), § 58 Rn. 2; Nöthlichs (Fn. 43), Erl. zu § 58; Ule (Fn. 46), § 58 Rn. 2. 91 Feldhaus (Fn. 25), § 53 Rn. 14, verneint das rundweg.
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bb) Kommt der Betriebsinhaber der gesetzlichen Pflicht zur Bestellung eines Beauftragten nicht nach, kann die Aufsichtsbehörde ihn dazu durch Erlass einer Anordnung auffordern. Dass die Behörde zum Erlass einer solchen Anordnung befugt, u.U. sogar verpflichtet ist, ist unstreitig. Streit besteht jedoch darüber, welches die richtige Rechtsgrundlage dafür ist: § 52 Abs. 1 oder § 17 Abs. 1 Satz 1 BImSchG oder die ordnungsbehördliche Generalklausel des jeweiligen Bundeslandes92. Darauf kann ich hier nicht näher eingehen. Ist der Betriebsinhaber der Ansicht, er sei nicht zur Bestellung eines Beauftragten verpflichtet, kann er die behördliche Anordnung – u.U. nach erfolgloser Durchführung eines Widerspruchsverfahrens – mittels der Anfechtungsklage verwaltungsgerichtlich angreifen. cc) Befolgt der Betriebsinhaber die Anordnung nicht, obwohl sie unanfechtbar geworden ist, kann die Behörde ihn im Wege des Verwaltungszwanges dazu zwingen93. Rechtsgrundlage hierfür ist das Verwaltungsvollstreckungsgesetz des jeweiligen Bundeslandes. In Betracht kommt (nur) die Verhängung eines Zwangsgeldes, das schon bei Erlass der Anordnung angedroht werden kann. Die Androhung und die Festsetzung des Zwangsgeldes sind ebenfalls verwaltungsgerichtlich anfechtbare Verwaltungsakte. b) Pflicht zur Bestellung kraft behördlicher Anordnung (§ 53 Abs. 2 BImSchG) Aber auch dann, wenn die Anlage nicht unter den Katalog des Anhangs I der 5. BImSchV fällt, kann die Aufsichtsbehörde ihn hierzu verpflichten, soweit sich die Notwendigkeit hierzu aus einem der drei Gesichtspunkte ergibt, die in § 53 Abs. 1 Satz 1 (s.o.) genannt sind. Der Erlass einer solchen Anordnung kommt beispielsweise dann in Betracht, wenn sich mehrfach Nachbarn bei der Aufsichtsbehörde darüber beschwert haben, die von dem Betrieb ausgehenden Belästigungen durch Lärm, Luftverunreinigungen oder Gerüche überschritten das zumutbare Maß. Auch eine solche Anordnung ist ein den Betriebsinhaber belastender Verwaltungsakt, der von jenem mittels der verwaltungsgerichtlichen Anfechtungsklage angegriffen werden und notfalls im Wege des Verwaltungszwanges durch Androhung und Festsetzung eines Zwangsgeldes durchgesetzt werden kann.
___________ 92 93
Näheres bei Hansmann (Fn. 12), § 53 Rn. 23 m.w.N. Hansmann (Fn. 12), § 53 Rn. 24.
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8. Anforderungen an die Person des Beauftragten Die Bestellung eines Betriebsbeauftragten erfüllt nur dann ihren Zweck, wenn er für das Amt hinreichend qualifiziert ist. Deshalb schreibt das BundesImmissionsschutzgesetz vor, dass nur ein Person bestellt werden darf, die die für die Erfüllung der Aufgaben erforderliche Fachkunde und Zuverlässigkeit besitzt (§ 55 Abs. 2 Satz 1 BImSchG)94. a) Fachkunde (§§ 7-9 der 5. BImSchV) Die Anforderungen an die Fachkunde setzen sich aus drei Komponenten zusammen: (1) Die Fachkunde besitzt grundsätzlich nur, wer ein Hochschulstudium auf den Gebieten der Ingenieurwissenschaften, der Chemie oder der Physik erfolgreich abgeschlossen hat. Die Praxis sah früher großenteils anders aus. Zahlreiche Betriebsbeauftragte haben sich in ihren Betrieben ohne vorheriges Studium zu Betriebsbeauftragten „hochgearbeitet“. In neuerer Zeit wird von den Aufsichtsbehörden jedoch verstärkt darauf geachtet, dass die gesetzlichen Vorbildungsvoraussetzungen erfüllt sind. (2) Der zu Bestellende muss an Lehrgängen teilgenommen haben, in denen bestimmte Kenntnisse vermittelt worden sind, die für Beauftragte von Bedeutung sind; diese Kenntnisse sind im Anhang II zur 5. BImSchV aufgeführt. – – – – –
Dazu zählen Kenntnisse über Anlagen- und Verfahrenstechnik unter Berücksichtigung des Standes der Technik, Überwachung und Begrenzung von Emissionen, Verfahren zur Ermittlung und Bewertung von Immissionen und schädlichen Umwelteinwirkungen, vorbeugenden Brand- und Explosionsschutz, Vorschriften des Umweltschutzes.
(3) Drittens muss der Beauftragte in einer zweijährigen praktischen Tätigkeit Kenntnisse über diejenige Art von Anlagen erworben haben, für die er bestellt werden soll.
___________ 94
Ob das Vorliegen dieser Bestellungsvoraussetzungen Voraussetzung für die Wirksamkeit der Bestellung ist, hat das BAG in seinem Urteil vom 26.3.2009, Ule/Laubinger/Repkewitz (Fn. 46), Rechtsprechung, § 58 Nr. 3 S. 12, offengelassen.
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Um zu verhindern, dass die Kenntnisse des Beauftragten veralten, hat der Betriebsinhaber dafür Sorge zu tragen, dass der Beauftragte regelmäßig, mindestens alle zwei Jahre, an Fortbildungsveranstaltungen teilnimmt (§ 9 der 5. BImSchV). Nota bene: Der Verordnungsgeber verpflichtet nicht etwa den Beauftragten, an Fortbildungsveranstaltungen teilzunehmen, sondern den Betriebsinhaber dazu, dass dies geschieht. In dieser Formulierung drückt sich aus, dass nie der Beauftragte, sondern stets der Betriebsinhaber (der Anlagenbetreiber) der Behörde gegenüber verpflichtet ist (s. o. III 3 a). b) Zuverlässigkeit (§ 10 der 5. BImSchV) Der Beauftragte muss nicht nur fachkundig, sondern auch zuverlässig sein95. Zuverlässigkeit ist ein Schlüsselbegriff des deutschen Gewerbe- und Berufsrechts, der vom Gesetzgeber allenthalben verwendet wird. Ob jemand „zuverlässig“ ist, setzt eine Prognose voraus, die aus bestimmten Tatsachen abzuleiten ist. § 10 Abs. 1 der 5. BImSchV drückt dies dahingehend aus, dass der Beauftragte dann als zuverlässig anzusehen ist, wenn er aufgrund seiner persönlichen Eigenschaften, seines Verhaltens und seiner Fähigkeiten geeignet ist, die ihm obliegenden Aufgaben bestmöglich zu erfüllen. Der § 10 Abs. 2 der 5. BImSchV führt eine Reihe von Faktoren auf, bei deren Vorliegen der Beauftragte als unzuverlässig gilt. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn er wegen des Verstoßes gegen bestimmte Vorschriften bestraft oder mit Geldbuße belegt worden ist oder wenn er seine Verpflichtungen als Betriebsbeauftragter verletzt hat. c) Unvereinbarkeit des Amtes des Betriebsbeauftragten mit anderen Ämtern innerhalb des Betriebes Der Betriebsinhaber kann sich nicht selbst zum Immissionsschutzbeauftragten bestellen96. Dieses Amt kann auch nicht von dem Betriebsleiter oder von einer anderen Person wahrgenommen werden, die für die Leitung des Betriebes letzten Endes verantwortlich ist97. Gleiches gilt für die Ämter des Abfall-, des Gewässerschutz- und des Störfallbeauftragten. ___________ 95 Dazu s. OVG NRW, Urt. vom 14.11.2000, Ule/Laubinger/Repkewitz (Fn. 46), Rechtsprechung, § 55 Nr. 1 S. 2 f. 96 OVG NRW, Urt. vom 14.11.2000, Ule/Laubinger/Repkewitz (Fn. 46), Rechtsprechung, § 55 Nr. 1 S. 5; BAG, Urt. vom 26.3.2009, ebenda § 58 Nr. 3 S. 9 (Rn. 31). Ferner Hansmann (Fn. 12), § 55 Rn. 10 und 11; Ule (Fn. 46), § 55 Rn. 2. 97 Eingehend OVG NRW, Urt. vom 14.11.2000, Ule/Laubinger/Repkewitz (Fn. 46), Rechtsprechung, § 55 Nr. 1 S. 7.
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Anders verhält es sich mit der Fachkraft für Arbeitssicherheit und dem Betriebsarzt. In Betrieben mit bis zu 50 Beschäftigten kann der Unternehmer diese Aufgaben selbst wahrnehmen, wenn er dafür qualifiziert ist und sich regelmäßig fortbildet. d) Ausschluss juristischer Personen vom Amt des Betriebsbeauftragten Nach heute ganz herrschender Auffassung kann nur natürlichen Personen dieses Amt übertragen werden98. Dies hat dazu geführt, dass die Technischen Überwachungsvereine einzelne ihrer Mitarbeiter im Internet als Betriebsbeauftragte anpreisen. 9. Aufgaben, Befugnisse und Rechte des Immissionsschutzbeauftragten Die dem Betriebsbeauftragten obliegenden Aufgaben werden üblicherweise unter vier Schlagworten zusammengefasst: Beratungsfunktion, Initiativfunktion, Kontrollfunktion und Aufklärungsfunktion. Bei der Erfüllung dieser Aufgaben ist der Immissionsschutzbeauftragte weisungsunabhängig, d.h. es dürfen ihm keine Weisungen erteilt werden99. a) Beratungsfunktion und Vortragsrecht des Immissionsschutzbeauftragten Der Immissionsschutzbeauftragte hat den Betriebsinhaber und die Betriebsangehörigen in allen Angelegenheiten, die für den Immissionsschutz bedeutsam sein könnten, zu beraten100 (§ 54 Abs. 1 Satz 1 BImSchG)101. Anweisungen erteilen kann er ihnen nicht. Er ist nicht Vorgesetzter der anderen Betriebsangehörigen. Er muss sich deshalb darum bemühen, den Betriebsinhaber und die ___________ 98 Hansmann (Fn. 12), § 55 Rn. 15; Ule (Fn. 46), § 55 Rn. 3; Feldhaus (Fn. 25), § 53 Rn. 43; Böhm (Fn. 10), § 55 Rn. 27; Jarass (Fn. 27), § 55 Rn. 17; Fischer (Fn. 9), S. 52. 99 Nachweise in Fn. 25. 100 Zur Beratungsfunktion s. Feldhaus (Fn. 25), § 54 Rn. 8 ff.; Jarass (Fn. 27), § 54 Rn. 4 f.; Kotulla (Fn. 36), § 54 Rn. 17 ff.; Hansmann (Fn. 12), § 54 Rn. 2a; Dreyhaupt (Fn. 40), S. 40. 101 Ob die Beratungsfunktion tatsächlich eine eigenständige Aufgabe (neben der Initiativ- Kontroll- und Aufklärungsfunktion) ist, kann man bezweifeln. Es spricht einiges für die Annahme, dass sie lediglich regelt, auf welche Art und Weise (nämlich durch Beratung, nicht durch Anweisungen) der Betriebsbeauftragte die (anderen) Aufgaben zu erfüllen hat. Darauf deutet u.a. hin, dass die Beratungsfunktion nicht in den Katalog des § 54 Abs. 1 Satz 2 eingestellt, sondern ihm als Satz 1 vorangestellt ist. Dieser dürfte also – anders formuliert – die Modalitäten der Aufgabenerfüllung normieren.
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Betriebsangehörigen von seinen Vorschlägen zu überzeugen. Scheitert er dabei, kann er sich zunächst an den Betriebsleiter wenden, um diesen zum Eingreifen zu veranlassen. Weigert sich dieser, kann der Betriebsbeauftragte seine Vorschläge oder Bedenken unmittelbar der Geschäftsleitung102 vortragen; dieses Vortragsrecht des Betriebsbeauftragten muss vom Betriebsinhaber sichergestellt werden (§ 57 BImSchG). Es stellt das notwendige Korrelat zu der Entscheidung des Gesetzgebers dar, dem Betriebsbeauftragten keine eigenständigen Entscheidungsbefugnisse einzuräumen103. Über die Form des Vortragens besagt die Vorschrift nichts. In der Literatur wird darüber gestritten, ob der Betriebsbeauftragte einen Anspruch darauf hat, seine Vorstellungen mündlich vortragen zu dürfen, oder ob er darauf verwiesen werden darf, sie schriftlich vorzulegen104. M.E. muss die Wahl der Form dem Betriebsbeauftragten überlassen bleiben105. Kann sich der Betriebsbeauftragte auch bei der Geschäftsleitung mit seinen Vorschlägen oder Bedenken nicht durchsetzen, muss die Geschäftleitung den Beauftragten umfassend über die Gründe für ihre Ablehnung unterrichten (§ 57 Abs. 2 BImSchG). Für die Durchsetzung der sich aus § 57 BImSchG ergebenden Pflichten ist nach herrschender Meinung nur die Aufsichtbehörde zuständig, die aufgrund des § 52 oder des § 17 BImSchG entsprechende Anordnungen erlassen kann, die mittels Verwaltungszwangs durchgesetzt werden können. Der Betriebsbeauftragte hingegen könne weder auf Einräumung der Gelegenheit zum Vortrag vor der Geschäftsleitung noch auf Erteilung einer Begründung für die Ablehnung seiner Vorschläge klagen, es sei denn, er habe sich dieses Recht in seinem Arbeitsvertrag zusichern lassen106.
___________ 102 Geschäftsleitung ist die Person (z.B. der Geschäftsführer einer GmbH) oder das Gremium (z.B. der Vorstand einer AG), der die letzte Entscheidung zusteht: Hansmann (Fn. 12), § 57 Rn. 5. 103 So zutreffend Fischer (Fn. 9), S. 34. 104 Vgl. Hansmann (Fn. 12), § 57 Rn. 7. 105 So auch Fischer (Fn. 9), S. 34; Kotulla (Fn. 36), § 57 Rn. 8; Feldhaus (Fn. 25), § 57 Anm. 2; Böhm (Fn. 10), § 57 Rn. 6 f.; Ule (Fn. 46), § 57 Rn. 2; Jarass (Fn. 27), § 57 Rn. 3; Szelinski (Fn. 44), WiVerw. 1980, 266 ff., 284. 106 Hansmann (Fn. 12), § 57 Rn. 23; Jarass (Fn. 27), § 57 Rn. 7.
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b) Initiativfunktion und Pflicht zur Einholung einer Stellungnahme des Immissionsschutzbeauftragten Die Initiativfunktion107 hat ihren Niederschlag in § 54 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1 und 2 BImSchG gefunden. Danach ist der Immissionsschutzbeauftragte berechtigt und verpflichtet, auf die Entwicklung und Einführung umweltfreundlicher Verfahren und Erzeugnisse hinzuwirken und dabei mitzuwirken. Der Gesetzgeber hat diese Aufgabe bewusst vorangestellt, um Fortschritte im Umweltschutz zu fördern. In der Praxis spielt diese Aufgabe aber wohl nur eine untergeordnete Rolle, wenn man empirischen Untersuchungen, die freilich schon länger zurückliegen, Glauben schenken darf. Die Initiativfunktion wird ergänzt durch die Pflicht des Betriebsinhabers, eine Stellungnahme des Beauftragten einzuholen, wenn er beabsichtigt, neue Verfahren oder Erzeugnisse einzuführen oder Investitionen zu tätigen, die für den Umweltschutz von Bedeutung sein könnten (§ 56 Abs. 1 BImSchG). Das ist beispielsweise der Fall, wenn die Anlage geändert werden soll oder wenn neuartige Produkte erzeugt werden sollen. Welchen Inhalt die Stellungnahmen des Betriebsbeauftragten haben sollten, sagt das Gesetz nicht. Es ist jedoch naheliegend anzunehmen, dass der Betriebsbeauftragte in seiner Stellungnahme darlegen sollte, welche Konsequenzen für die Umwelt sich aus der beabsichtigen Entscheidung ergeben könnten und welche Alternativen es möglicherweise gibt. Der Betriebsinhaber ist verpflichtet, die Stellungnahme entgegenzunehmen und zur Kenntnis zu nehmen. An sie gebunden ist er nicht. Der Betriebsinhaber kann sich also über vom Beauftragten vorgetragene Bedenken und Vorschläge hinwegsetzen. Denn die letzte Verantwortung für unternehmerische Entscheidungen trifft stets den Betriebsinhaber, und zwar auch dann, wenn Belange des Umweltschutzes berührt sind. Umstritten ist, ob der Pflicht des Betriebsinhabers, die Stellungnahme des Betriebsbeauftragten einzuholen, ein Anspruch des Betriebsbeauftragten korrespondiert. Die herrschende Meinung verneint das mit der Begründung, die Verpflichtung zur Einholung der Stellungnahme obliege dem Betriebsinhaber nicht gegenüber dem Betriebsbeauftragten, sondern gegenüber der Aufsichtsbehörde108. Eine Klage des Betriebsbeauftragten gegen den Betriebsinhaber scheide deshalb aus. Hingegen könne die Aufsichtsbehörde den Betriebsinhaber ___________ 107 Dazu Hansmann (Fn. 12), § 54 Rn. 3 ff.; Kotulla (Fn. 36), § 54 Rn. 21 ff.; Böhm (Fn. 10), § 54 Rn. 5 ff.; Feldhaus (Fn. 25), § 54 Rn. 13 ff.; Jarass (Fn. 27), § 54 Rn. 6 ff.; Ule (Fn. 46), § 54 Rn. 2. 108 Hansmann (Fn. 12), § 56 Rn. 10; Böhm (Fn. 10), § 56 Rn. 17; Jarass (Fn. 27), § 56 Rn. 7; Szelinski (Fn. 44), WiVerw. 1980, 266 ff., 283. Anders jedoch Ule, (Fn. 46) § 56 Rn. 2; Engelhardt/Schlicht (Fn. 46), § 56 Rn. 5.
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dazu anhalten, in einem konkreten Fall oder in künftig auftretenden Fällen eine Stellungnahme des Beauftragten einzuholen109. Das mag zunächst etwas weltfremd anmuten, ist es aber nicht. Die Beamten der Aufsichtbehörde erinnerten sich zweier Fälle, in denen sie bei dem Betriebsinhaber darauf hingewirkt haben, Betriebsbeauftragte in die innerbetrieblichen Entscheidungsprozesse einzubinden. c) Kontrollfunktion Die für die Praxis wichtigste ist die Kontrollfunktion110. Gemäß § 54 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 BImSchG obliegt es dem Immissionsschutzbeauftragten zu überwachen, ob die Anlagengenehmigung eingehalten wird und ob die immissionsschutzrechtlichen Vorschriften beachtet werden, soweit dies nicht Aufgabe der Störfallbeauftragten ist, wenn denn ein solcher bestellt worden ist. An diesem Punkt überschneiden sich die Aufgaben des Betriebsbeauftragten am stärksten mit denen der Überwachungsbehörde. Sehr unterschiedlich sind allerdings die Erkenntnismöglichkeiten und die Mittel zur Abstellung von Mängeln: Der Betriebsbeauftragte sieht – jedenfalls dann, wenn er Betriebsangehöriger ist – wesentlich mehr als die Aufsichtsbehörde, die oftmals nur alle paar Jahre den Betrieb inspiziert und im übrigen auf Zufallserkenntnisse angewiesen ist. Anderseits kann die Behörde Anordnungen treffen, die nötigenfalls mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden können, während dem Betriebsbeauftragten nur seine Überzeugungskraft zu Gebote steht – es sei denn, er hat zugleich eine Vorgesetztenposition in der Linie inne, was – wie gesagt – in kleinen und mittleren Betrieben häufig der Fall ist. Zur Wahrnehmung seiner Kontrollfunktion soll der Betriebsbeauftragte insbesondere111 – die Betriebsstätte in regelmäßigen Abständen kontrollieren, – Emissionen und Immissionen messen, – festgestellte Mängel dem Betriebsinhaber melden und – Maßnahmen vorschlagen, wie die Mängel beseitigt werden können. Im Rahmen der Kontrolle der Betriebsstätte hat der Betriebsbeauftragte die Anlage nicht nur zu besichtigen, sondern ihre Funktionsweise zu überprüfen112. ___________ 109
Hansmann (Fn. 12), § 56 Rn. 14 f. Zu ihr s. Jarass (Fn. 27), § 54 Rn. 9 f.; Feldhaus (Fn. 25), § 54 Rn. 23 ff.; Ule (Fn. 46), § 54 Rn. 3; Kotulla (Fn. 36), § 54 Rn. 31 ff.; Hansmann (Fn. 12), § 54 Rn. 9 ff. 111 Die Aufzählung ist nicht abschließend. Als weitere Mittel kommen in Betracht die Analyse der hergestellten Erzeugnisse und die Überprüfung der Betriebsangehörigen (Hansmann (Fn. 12), § 54 Rn. 11; Knebusch (Fn. 12), S. 115; Kaster (Fn. 28), GewArch. 1998, 129 ff., 136). 110
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Die Pflicht zur Meldung festgestellter Mängel besteht nur gegenüber dem Betriebsinhaber, nicht auch gegenüber der Überwachungsbehörde113. Gleiches gilt für die Verpflichtung, Maßnahmen zur Beseitigung von Mängeln vorzuschlagen. d) Aufklärungsfunktion Die Einhaltung der umweltrechtlichen Vorschriften hängt entscheidend vom Verhalten der Betriebsangehörigen ab114. Deshalb gehört es zu den Pflichten des Immissionsschutzbeauftragten, die Betriebsangehörigen aufzuklären – über die von der Anlage verursachten schädlichen Umwelteinwirkungen sowie – über die Einrichtungen und Maßnahmen zu ihrer Verhinderung (§ 54 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 BImSchG). Als Mittel hierfür kommen beispielsweise Gespräche mit einzelnen Mitarbeitern, die Organisation von Lehrgängen, die Anbringung von Plakaten oder die Verteilung von Broschüren in Betracht115. e) Erstattung eines Jahresberichts Ferner hat der Immissionsschutzbeauftragte dem Betriebsinhaber jährlich116 einen Bericht über die getroffenen und die beabsichtigten Maßnahmen zu erstatten (§ 54 Abs. 2 BImSchG)117. Obwohl dies nicht ausdrücklich festgelegt ist, dürfte der Bericht schriftlich vorzulegen sein. Welche Konsequenzen der Betriebsinhaber aus dem Bericht zieht, ist ihm überlassen und orientiert sich an den Betreiberpflichten. Denn auch der Bericht soll dem Betriebsinhaber dabei helfen, die ihm gesetzlich auferlegten Betreiberpflichten zu erfüllen. Gesetzlich nicht vorgeschrieben ist, dass der Betriebsbeauftragte oder der Betriebsinhaber den Bericht der Überwachungsbehörde vorlegt. Ohne das Ein___________ 112
Hansmann (Fn. 12), § 54 Rn. 12. Hansmann (Fn. 12), § 54 Rn. 14. 114 Die Bedeutung der Aufklärungsfunktion betont auch Fischer (Fn. 9), S. 27 f. und 136 f. Zur Aufklärungsfunktion ferner Jarass (Fn. 27), § 54 Rn. 11; Feldhaus (Fn. 25), § 54 Rn. 48 ff.; Kotulla (Fn. 36), § 54 Rn. 42 ff.; Hansmann (Fn. 12), § 54 Rn. 15 ff. 115 Hansmann (Fn. 12), § 54 Rn. 15; Feldhaus (Fn. 25), § 54 Rn. 50. 116 Selbstverständlich können Betriebsinhaber und Betriebsbeauftragter vereinbaren, dass dieser in kürzeren Intervallen Bericht erstattet (Nöthlichs [Fn. 43], § 54 Erl. 2). Die im Gesetz genannte Jahresfrist stellt lediglich eine Höchstfrist dar. 117 Dazu Hansmann (Fn. 12), § 54 Rn. 16-18; Böhm (Fn. 10), § 54 Rn. 22-25; Feldhaus (Fn. 25), § 54 Rn. 44-47; Kotulla (Fn. 36), § 54 Rn. 47-51; Jarass (Fn. 27), § 54 Rn. 12. 113
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verständnis des Betriebsinhabers ist der Betriebsbeauftragte dazu nicht einmal befugt. Nicht geregelt ist auch, ob die Überwachungsbehörde den Jahresbericht anfordern kann. Dafür könnte sprechen, dass nur auf diese Weise sichergestellt werden kann, dass der Betriebsbeauftragte seine Berichtspflicht erfüllt. Dagegen spricht aber, dass der Bericht – wie es im Gesetz heißt – „dem Betreiber“ zu erstatten ist118. Entscheidend ist jedoch folgende Erwägung: Der Betriebsbeauftragte soll in seinem Jahresbericht offen alle Schwachpunkte benennen, die er festgestellt hat. Müsste er gewärtigen, dass sein Bericht in die Hände der Aufsichtsbehörde gerät, würde er sich dabei möglicherweise zurückhalten, um den Betriebsinhaber nicht in Schwierigkeiten zu bringen. Die beiden Gewerbeaufsichtsbeamten bestätigten, sie hätte noch nie den Jahresbericht eines Immissionsschutzbeauftragten zu Gesicht bekommen und ihn auch noch nie angefordert. Anders sei die Situation beim Gefahrgutbeauftragten. Gemäß § 12 Gefahrgutbeauftragtenverordnung habe der Unternehmer den Jahresbericht nach § 8 Absatz 5 GbV fünf Jahre nach dessen Vorlage durch den Gefahrgutbeauftragten aufzubewahren und der zuständigen Behörde auf Verlangen vorzulegen. 10. Unterstützungspflicht des Betriebsinhabers Damit der Immissionsschutzbeauftragte in der Lage ist, die ihm obliegenden Pflichten zu erfüllen, verpflichtet § 55 Abs. 4 BImSchG den Betriebsinhaber, den Immissionsschutzbeauftragten bei der Erfüllung seiner Aufgaben zu unterstützen und ihm insbesondere – sofern das erforderlich ist – Hilfspersonal sowie Räume, Einrichtungen, Geräte und Mittel zur Verfügung zu stellen und ihm darüber hinaus die Teilnahme an Schulungen zu ermöglichen119. Ob dem Betriebsbeauftragten ein Anspruch gegen den Betriebsinhaber auf Gewährung der Unterstützung zusteht, ist umstritten120 (s. dazu schon o. III 3 a).
___________ 118
Kotulla (Fn. 36), § 54 Rn. 49: Weder der Beauftragte noch der Anlagenbetreiber hätten das Recht oder die Pflicht, den Bericht an die Überwachungsbehörde weiterzuleiten. Die Behörde dürfe keine Einsichtnahme anordnen. 119 Näheres dazu bei Fischer (Fn. 9), S. 36 ff.; Feldhaus (Fn. 25), § 55 Rn. 10; Kotulla (Fn. 36), § 55 Rn. 97 ff.; Hansmann (Fn. 12), § 55 Rn. 54 ff. 120 Verneinend Hansmann (Fn. 12), § 55 Rn. 67; Kotulla (Fn. 36), § 55 Rn. 98; Jarass (Fn. 27), § 55 Rn. 24; Dreyhaupt (Fn. 40), S. 44. Bejahend Ule (Fn. 46), § 55 Rn. 5: Engelhardt/Schlicht (Fn. 46), § 55 Rn. 8.
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IV. Der Strahlenschutzbeauftragte – der etwas andere Betriebsbeauftragte Auch der Strahlenschutzbeauftragte121 wird zu den Betriebsbeauftragten (aber nicht auch zu den Umweltschutzbeauftragten) gezählt. Er hat jedoch eine wesentlich stärkere Position inne als die „klassischen“ Betriebsbeauftragten, also die Betriebsbeauftragten für Immissionsschutz, für Gewässerschutz, für Abfall und der Störfallbeauftragte. Die Rechtsstellung des Strahlenschutzbeauftragten, die ich im Folgenden nur knapp umreißen kann, ist in der Strahlenschutzverordnung122 und der Röntgenverordnung123 geregelt, zwei Rechtsverordnungen, die aufgrund des Atomgesetzes erlassen worden sind. Die zentralen Bestimmungen über den Strahlenschutzbeauftragten finden sich in den §§ 31-33 StrlSchV, doch ist die gesamte Strahlenschutzverordnung förmlich durchsetzt mit Vorschriften, die Aufgaben und Pflichten des Strahlenschutzbeauftragten regeln; schon darin zeigt sich die große Bedeutung dieses Rechtsinstituts. Gemäß § 31 Abs. 2 Satz 1 StrlSchV muss der Strahlenschutzverantwortliche (er hat im Strahlenschutzrecht eine ähnliche Funktion inne wie der Anlagenbetreiber im Immissionsschutzrecht) die erforderliche Anzahl von Strahlenschutzbeauftragten bestellen, soweit dies für die Gewährleistung des Strahlenschutzes notwendig ist. Bei der Bestellung sind die Aufgaben des Strahlenschutzbeauftragten sowie „dessen innerbetrieblicher Entscheidungsbereich und die zur Wahrnehmung seiner Aufgaben erforderlichen Befugnisse“ schriftlich festzulegen (§ 31 Abs. 2 Satz 2 StrlSchV). Die Bestellung des Strahlenschutzbeauftragten, seine Aufgaben und Befugnisse sind der zuständigen Behörde mitzuteilen (§ 31 Abs. 4 Satz 1 StrlSchV). Derartige Entscheidungsbefugnisse stehen den „klassischen“ Betriebsbeauftragten nicht zu. Die Bestellung der erforderlichen Anzahl von Strahlenschutzbeauftragten ist Genehmigungsvoraussetzung. Zum besseren Verständnis: Das deutsche Atomgesetz124 und die Strahlenschutzverordnung stellen fast jeden Umgang125 mit ___________ 121
Zu seiner Rechtsstellung s. Wilfried Roth/Freimut Schröder, Der Strahlenschutzbeauftragte, Landsberg/Lech 1994; Springmann (Fn. 18), S. 216 f. 122 Verordnung über den Schutz vor Schäden durch ionisierende Strahlen (Strahlenschutzverordnung – StrlSchV) vom 20.7.2001 (BGBl. I S. 1714; 2002 I S. 1459). 123 Verordnung über den Schutz vor Schäden durch Röntgenstrahlen (Röntgenverordnung – RöV) i.d.F. vom 30.4.2003 (BGBl. I S. 604), insbesondere §§ 13 bis 15a. 124 Gesetz über die friedliche Verwendung der Kernenergie und den Schutz gegen ihre Gefahren (Atomgesetz) i.d.F. vom 15.7.1985 (BGBl. I S. 1565), zuletzt geändert durch Art. 5 Abs. 6 des Gesetzes vom 24.2.2012 (BGBl. I S. 212). 125 Unter „Umgang mit radioaktiven Stoffen“ versteht § 3 Abs. 1 Nr. 34 StrlSchV „Gewinnung, Erzeugung, Lagerung, Bearbeitung, Verarbeitung, sonstige Verwendung und Beseitigung von radioaktiven Stoffen im Sinne des § 2 des Atomgesetzes, soweit es
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radioaktiven Stoffen126 unter Genehmigungsvorbehalt. Das Atomgesetz unterscheidet zwischen Kernbrennstoffen und sonstigen „radioaktiven Stoffen“. Wer mit solchen Stoffen „umgehen“ will, bedarf gemäß § 7 Abs. 1 StrlSchV einer Genehmigung. Diese darf nur dann erteilt werden, wenn – keine Tatsachen vorliegen, aus denen sich Bedenken gegen die Zuverlässigkeit der Strahlenschutzbeauftragten ergeben, und sie die erforderliche Fachkunde im Strahlenschutz besitzen, und wenn – die für eine sichere Ausführung des Umgangs notwendige Anzahl von Strahlenschutzbeauftragten vorhanden ist und ihnen die für der Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Befugnisse eingeräumt sind (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 und 3 StrlSchV). Das Vorhandensein qualifizierter Strahlenschutzbeauftragter ist hier also schon Voraussetzung für die Erteilung der Genehmigung. Weitere Genehmigungsvoraussetzung ist, dass den Strahlenschutzbeauftragten die Befugnisse eingeräumt worden sind, deren sie bedürfen, um ihre Aufgaben erfüllen zu können. Ferner kann die Aufsichtsbehörde in dringenden Fällen Anordnungen auch an den Strahlenschutzbeauftragten adressieren (§ 113 Abs. 2 Satz 2 StrlSchV). Und schließlich kann gegen den Strahlenschutzbeauftragten ein Bußgeld verhängt werden, wenn er bestimmte Pflichten vernachlässigt (§ 116 Abs. 3 und 4 StrlSchV). Auch das unterscheidet den Strahlenschutzbeauftragten von den „klassischen“ Betriebsbeauftragten.
V. Bewertung der Institution des Betriebsbeauftragten Lässt man das von mir soeben Vorgetragene noch einmal Revue passieren, muss man feststellen, dass die Rechtsstellung des Immissionsschutzbeauftragten recht schwach ist; gleiches gilt für den Gewässerschutz-, den Abfall- und den Störfallbeauftragten. Etwas stärker ist die Position des Strahlenschutzbeauftragten. Die der Fachkraft für Arbeitssicherheit und des Betriebsarztes ist im Vergleich zu anderen Betriebsbeauftragten dadurch aufgewertet, dass festgelegt ist, wie hoch der Anteil ihrer Arbeitszeit ist, die sie auf diese Ämter verwenden ___________ sich nicht um Arbeiten handelt, sowie der Betrieb von Bestrahlungsvorrichtungen; als Umgang gilt auch die Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung von radioaktiven Bodenschätzen im Sinne des Bundesberggesetzes“. 126 Radioaktive Stoffe sind nach der Legaldefinition des § 2 Abs. 1 Satz 1 AtG „alle Stoffe, die ein Radionuklid oder mehrere Radionuklide enthalten und deren Aktivität oder spezifische Aktivität im Zusammenhang mit der Kernenergie oder dem Strahlenschutz nach den Regelungen dieses Gesetzes oder einer auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnung nicht außer Acht gelassen werden kann“.
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müssen; dadurch wird verhindert, dass sie zu sehr mit anderen Aufgaben „eingedeckt“ werden. Eine derartige Einsatzzeitenregelung wäre aus Sicht der Aufsichtsbehörden auch für die anderen Betriebsbeauftragten wünschenswert127. Der Betriebsbeauftragte ist zwar durch den Benachteiligungs- und Kündigungsschutz persönlich abgesichert, vermag sich aber gegen einen widerspenstigen Betriebsinhaber nur schwer durchzusetzen. Er hat keine Möglichkeit, diesen im Wege der Klage zur Akzeptanz seiner Bedenken oder Vorschläge zu zwingen. Soweit die Rechtslage. Die Wirklichkeit scheint weitgehend anders auszusehen, wie meine Gespräche ergeben haben: Die tatsächlichen Ansprechpartner der Aufsichtsbehörde sind in der Regel nicht die Betriebsinhaber oder die Betriebsleiter, sondern die Betriebsbeauftragten. Sie sind es, die Anträge und Messergebnisse vorlegen. In der Lebenswirklichkeit haben die Personen, die das Amt eines Betriebsbeauftragten bekleiden, auch eine Repräsentanzfunktion: Sie repräsentieren den Betrieb gegenüber der Aufsichtsbehörde. Die von mir befragten Gewerbeaufsichtsbeamten äußerten sich zur Institution des Betriebsbeauftragten äußerst positiv und erklärten, sie entlasteten die Aufsichtbehörde ganz erheblich. In Gestalt der Betriebsbeauftragten fänden sie in den Betrieben stets kompetente Gesprächspartner, die dieselbe Sprache sprächen (anders als viele Betriebsinhaber, die oftmals nicht verständen, was von ihnen erwartet wird). Es komme gelegentlich sogar vor, dass Betriebsbeauftragte der Aufsichtsbehörde einen Wink geben, sie möge doch bestimmte Forderungen, die sie intern nicht hatten durchsetzen können, an den Betriebsinhaber heranzutragen. Sie schaffen so eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Behörde und Betriebsbeauftragten, die manchmal zu Unrecht als „Kumpanei“ oder „Kungelei“ diffamiert werde. Die Bewertung der Institution des Betriebsbeauftragten in der Literatur ist zwiespältig, aber überwiegend positiv128. Gleichwohl hat es immer mal wieder ___________ 127
Für die Störfallbeauftragten wird diese Forderung auch von Müller (Fn. 33), S. 117 ff., erhoben. 128 Böhm (Fn. 10), Vorbem. vor §§ 53-58d Rn. 12-17; Knebusch (Fn. 12), S. 146 („recht erfolgreiche Bilanz“); Fischer (Fn. 9), S. 57 (Die Einrichtung des Betriebsbeauftragten habe in Lehre und Praxis umfassende Akzeptanz erfahren. In vielen Unternehmen sei der Betriebsbeauftragte zur Drehscheibe aller für die Umwelt relevanten Informationen geworden. Bestellungspflichtige Unternehmen seien oftmals bereit, über die bestehende Verpflichtung hinaus freiwillig weitere Betriebsbeauftragte einzusetzen); Steiner (Fn. 46), DVBl. 1987, 1133 ff., 1139 („Der Betriebsbeauftragte hat sich also bewährt.“); Reinhardt (Fn. 48), AöR 118 (1992), 617 ff., 647 (Wasser-, Immissionsschutzund Abfallrecht verfügten über ein differenziertes und in der Praxis bewährtes System der Beteiligung Privater im öffentlich-rechtlichen Normenvollzug, ohne dessen Leistung die umweltverwaltungsrechtliche Überwachung sicher nicht auf dem gegenwärtigen Niveau gehalten werden könne); Michael Kloepfer, Umweltrecht, 3. Aufl., München 2004, S. 378 (§ 5 Rn. 428: „Die Figur des Umweltbeauftragten hat sich rechtspolitisch bewährt.“). Dagegen gelangte Theißen (Fn. 8), S. 229, zu dem Ergebnis, die Umwelt-
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Vorschläge gegeben, die Position des Betriebsbeauftragten zu stärken, und zwar auf unterschiedliche Weise: durch Zuerkennung von betriebsinternen Entscheidungskompetenzen, wie sie dem Strahlenschutzbeauftragten zustehen129, oder durch das Recht, an die Aufsichtsbehörde zu appellieren, wenn sich der Betriebsbeauftragten innerhalb des Betriebs mit seinen Vorschlägen nicht durchzusetzen vermag130. Davon dürfte eher abzuraten sein, weil dadurch das Vertrauen untergraben werden könnte, das der Betriebsbeauftragten für eine gedeihliche und wirkungsvolle Wahrnehmung seiner Aufgaben benötigt131.
VI. Umweltaudit (EMAS – Eco-Management and Audit Scheme) 1. Zielsetzung und Rechtsgrundlagen Das Umweltaudit (Öko-Audit)132 verfolgt das gleiche politische Ziel wie das Institut des Betriebsbeauftragten: Es soll die Eigenverantwortung der Betriebe für die Bewältigung der Umweltprobleme stärken und dadurch zugleich die Aufsichtsbehörden entlasten. Umweltaudit und Betriebsbeauftragten schließen sich nicht gegenseitig aus. So hat das Unternehmen Werner & Mertz ab dem ___________ schutzbeauftragten könnten die ihnen gestellten Aufgaben größtenteils nicht erfüllen; das gelte insbesondere für die Initiativfunktion; lediglich in Teilbereichen ihrer Überwachungsfunktion lasse sich ein fördernder Einfluss auf die Schadstoffüberwachungsaktivitäten der Betriebe feststellen. 129 So schlug der Bundesrat anlässlich der Beratungen des Dritten BImSchGÄnderungsgesetzes vor, dem § 53 folgenden Abs. 3 anzufügen: „(3) Der Betreiber hat dem Betriebsbeauftragten für Immissionsschutz die zur Wahrnehmung seiner Aufgaben erforderlichen Befugnisse zu übertragen. Insbesondere hat er ihn zu ermächtigen, im Rahmen seines Aufgabenbereichs die unaufschiebbaren Maßnahmen zur Verhinderung oder Beseitigung von schwerwiegenden Verstößen gegen Rechtsvorschriften zu treffen. Bei der Bestellung des Betriebsbeauftragten für Immissionsschutz ist der innerbetriebliche Entscheidungsbereich schriftlich festzulegen. …“ (BT-Drs. 11/4909, S. 37). Die Bundesregierung widersetzte sich dieser Änderung mit der Begründung, die Übertragung von Entscheidungsbefugnissen auf den Immissionsschutzbeauftragten würde nicht zu Verbesserungen des betrieblichen Umweltschutzes führen (a.a.O., S. 46). 130 Zu solchen Neuregelungsvorschlägen s. etwa Steiner (Fn. 46), DVBl. 1987, 1133 ff., 1139 ff.; Bernd Renken, Der Betriebsbeauftragte im Umweltrecht, KJ (Kritische Justiz) 1994, 218 ff., 224 ff. 131 So auch Steiner (Fn. 46), DVBl. 1987, 1133 ff., 1140, und Kloepfer (Fn. 128), S. 377 (§ 5 Rn. 425), der aber zugleich für eine Stärkung der Stellung des Betriebsbeauftragten innerhalb des Betriebes plädiert (S. 378 f., § 5 Rn. 429 f.). 132 Gute Darstellungen bei Knebusch (Fn. 12), S. 216 ff.; Jochen Ritter, Die rechtliche Stellung des Umweltgutachters, Diss. jur. Mainz 1998, S. 3 ff.; Kloepfer (Fn. 128), S. 384 ff. (§ 5 Rn. 444 ff.). Knapper: Sparwasser/Engel/Vosskuhle, Umweltrecht, 5. Aufl., Heidelberg 2003, S. 179 ff.
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Jahre 2002 ein Umweltmanagementsystem aufgebaut und dabei die damals schon vorhandenen Betriebsbeauftragten in das System integriert133. Der Betriebsbeauftragte ist wohl eher ein typisch deutsches Rechtsinstitut. Anders verhält es sich mit dem Umweltaudit. Es wurde in den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts in den USA entwickelt und ist auf dem Weg über Großbritannien134 von der damaligen Europäischen Gemeinschaft (EG, heute Europäische Union, EU) übernommen worden. Seine Rechtsgrundlage in Deutschland bildet das Umweltauditgesetz (UAG)135, zu dessen Durchführung der Bund fast ein Dutzend Rechtsverordnungen erlassen hat136. Zweck jenes Gesetzes ist es, die wirksame Durchführung der Umwelt-Audit-Verordnung der EU137 sicherzustellen. Diese hat das „Gemeinschaftssystem für Umweltmanagement und Umweltprüfung“ ins Leben gerufen; dessen englische Bezeichnung „Eco-Management and Audit Scheme“ lautet; deshalb wird die UmweltAudit-Verordnung meistens als „EMAS-Verordnung“ bezeichnet. Was es mit dem Umweltaudit auf sich hat, ergibt sich weniger aus dem deutschen Umweltauditgesetz, das im wesentlichen nur organisatorische Fragen regelt, als vielmehr aus der EMAS-Verordnung, die viel umfangreicher als das Gesetz ist. Sie gilt unmittelbar in den Mitgliedstaaten der EU, bedarf also nicht der Umsetzung durch nationales Recht. Das Ziel von EMAS ist es gemäß Art. 1 Abs. 2 der EMAS-Verordnung, die kontinuierliche Verbesserung der Umweltleistungen von Organisationen zu fördern, indem diese – ein Umweltmanagementsystem einrichten, – die Leistung dieses Systems einer systematischen, objektiven und regelmäßigen Bewertung unterziehen, ___________ 133 Feldhaus (Fn. 25), § 54 Rn. 52, führt aus, auf nahezu jeder Verfahrensstufe des Umweltaudit-Systems ergäben sich wichtige Aufgaben für die Immissionsschutzbeauftragten, was er alsdann spezifiziert (Rn. 53-57). 134 Knebusch (Fn. 12), S. 219. 135 Gesetz zur Ausführung der Verordnung (EG) Nr. 1221/2009 vom 25.11.2009 über die freiwillige Teilnahme von Organisationen an einem Gemeinschaftssystem für Umweltmanagement und Umweltbetriebsprüfung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 761/2001, sowie der Beschlüsse der Kommission 2001/681/EG und 2006/193/EG (Umweltauditgesetz – UAG) i.d.F. vom 4.9.2002 (BGBl. I S. 3490), seither mehrfach geändert. Abgedruckt bei Ule/Laubinger/Repkewitz (Fn. 46), Rechtsvorschriften, D 11. 136 Abgedruckt bei Ule/Laubinger/Repkewitz (Fn. 46), Rechtsvorschriften, D 11.1 bis D 11.9. 137 Verordnung (EG) Nr. 1221/2009 über die freiwillige Teilnahme von Organisationen an einem Gemeinschaftssystem für Umweltmanagement und Umweltbetriebsprüfung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 761/2001, sowie der Beschlüsse der Kommission 2001/681/EG und 2006/193/EG vom 25.11.2009 (ABl. EU Nr. L 342 S. 1), abgedruckt bei Ule/Laubinger/Repkewitz (Fn. 46), Rechtsvorschriften, E 74.
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Informationen über die Umweltleistung vorlegen, einen offenen Dialog mit der Öffentlichkeit und anderen interessierten Kreisen führen und
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die Arbeitnehmer der Organisation aktiv beteiligen und angemessen schulen.
Die Beteiligung an EMAS ist freiwillig. Die Mitgliedstaaten der EU sind allerdings verpflichtet, für die Beteiligung zu werben (Art. 33-35 EMASVerordnung). Die Beteiligung steht allen „Organisationen“ offen. Darunter versteht die Verordnung nicht nur Betriebe, Unternehmen und Gesellschaften der Privatwirtschaft, sondern auch Behörden (Art. 2 Nr. 21). 2. Der Aufbau des Umweltaudits in der Organisation Der Aufbau des Öko-Audit in einer Organisation vollzieht sich in mehreren auf einander folgenden Schritten: a) Durchführung einer Umweltprüfung Als erstes muss die Organisation eine Umweltprüfung vornehmen (Art. 3 Abs. 2 Buchst. a). Das ist eine Art Bestandsaufnahme. Was dabei zu prüfen ist, ist in einem umfangreichen Katalog im Anhang I der EMAS-Verordnung zusammengestellt. So sind u.a. die für die Organisation geltenden umweltrechtlichen Rechtsvorschriften zusammenzustellen und der Nachweis zu führen, dass diese Vorschriften eingehalten werden (Nr. 1). Ferner müssen alle direkten und indirekten Einwirkungen der Organisation auf die Umwelt zusammengestellt werden (Nr. 2). Außerdem muss die Organisation Kriterien festlegen, anhand deren die Bedeutung der Umweltaspekte ihrer Tätigkeiten, Produkte und Dienstleistungen beurteilt wird, um zu bestimmen, welche davon bedeutende Umweltauswirkungen haben (Nr. 3). Zu prüfen sind weiter alle angewandten Praktiken und laufenden Verfahren des Umweltmanagements (Nr. 4). Und schließlich ist die Reaktion auf frühere Vorfälle zu bewerten (Nr. 5). b) Aufbau eines Umweltmanagementsystems Auf der Grundlage dieser Umweltprüfung soll dann ein Umweltmanagementsystem aufgebaut werden, das einen ständig fortlaufenden Prozess darstellt (siehe Anhang II der EMAS-Verordnung).
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aa) Festlegung der Umweltpolitik der Organisation Der Aufbau dieses Systems beginnt damit, dass die Leitung der Organisation (z.B. der Geschäftsführer der GmbH, der Vorstand der AG oder der Leiter der Behörde) die zukünftige Umweltpolitik der Organisation festlegt (EMASVerordnung Anhang II Teil A unter A.2. Umweltpolitik). Sie wird allen Mitarbeitern der Organisation und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. In ihrer Umweltpolitik muss sich die Organisation u.a. dazu verpflichten, sich ständig zu verbessern, Umweltbelastungen zu vermeiden sowie die geltenden rechtlichen Verpflichtungen einzuhalten (a.a.O. A.2.b und c). Ferner muss die Organisation nachweisen, dass sie alle geltenden rechtlichen Verpflichtungen im Umweltrechtsbereich ermittelt hat, dass sie für die Einhaltung der Umweltvorschriften und der in der Betriebsgenehmigung festgelegten Grenzwerte sorgt und dass sie über Verfahren verfügt, die es ihr ermöglichen, diesen Verpflichtungen dauerhaft nachzukommen (EMAS-Verordnung Anhang II Teil B unter B.2). bb) Beschluss des Umweltprogramms der Organisation Im Anschluss daran beschließt die Leitung der Organisation ein Umweltprogramm, das festlegt, wer welche Maßnahmen treffen soll, damit die Umweltpolitik verwirklicht werden kann (EMAS-Verordnung Anhang II Teil A unter A.3.3.). cc) Bestellung eines Umweltmanagementbeauftragten Die Leitung der Organisation muss einen Umweltmanagementbeauftragten bestellen, der die erforderlichen Befugnisse hat, um sicherstellen zu können, dass das Managementsystem eingeführt, verwirklicht und aufrechterhalten wird (EMAS-Verordnung Anhang II Teil A unter A.4.1). Er zählt nicht zu den Betriebsbeauftragten. Von diesen unterscheidet er sich vor allem dadurch, dass ihm Entscheidungsbefugnisse eingeräumt werden müssen, nämlich diejenigen Befugnisse, deren er bedarf, um zu gewährleisten, dass das Managementsystem in Übereinstimmung mit den Vorschriften der EMAS-Verordnung funktioniert; darüber hat er regelmäßig der Unternehmensleitung zu berichten138. c) Durchführung der internen Umweltbetriebsprüfung Nach Einrichtung des Umweltmanagementsystems findet eine interne Umweltbetriebsprüfung statt (EMAS-Verordnung Art. 3 Abs. 2 Buchst. b und An___________ 138
Knebusch (Fn. 12), S. 263.
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hang III). Sie dient der Feststellung, ob die Organisation die von ihr festgelegten Verfahren einhält und ob dabei Probleme auftauchen oder Verbesserungsmöglichkeiten bestehen. d) Formulierung und Publizierung der Umwelterklärung Nach Abschluss der internen Umweltbetriebsprüfung formuliert die Organisation eine für die Öffentlichkeit bestimmte Umwelterklärung, in der sie einerseits Rechenschaft darüber ablegt, was sie im Berichtszeitraum für den Umweltschutz geleistet hat, und andererseits darlegt, welche Ziele sie für das nächste Jahr ansteuert. Auch hier spielt die Dokumentation, dass die geltenden Umweltschutzvorschriften eingehalten werden, eine maßgebliche Rolle. Die Mindestanforderungen an den Inhalt der Umwelterklärung legt Anhang IV der EMAS-Verordnung unter B. fest. – – – – – –
–
Danach muss die Umwelterklärung mindestens folgendes enthalten: Eine Beschreibung der Organisation, ihrer Tätigkeiten, Produkte und Dienstleistungen, eine Darstellung der Umweltpolitik der Organisation und ihres Umweltmanagementsystems, eine Beschreibung der Auswirkungen der Organisation auf die Umwelt, eine Beschreibung der Umweltzielsetzungen, eine Zusammenfassung der Daten über die Umweltleistungen der Organisation, sonstige Faktoren der Umweltleistungen einschließlich der Einhaltung von Rechtsvorschriften im Hinblick auf ihre wesentlichen Umweltauswirkungen, eine Bezugnahme auf die für die Organisation maßgeblichen Umweltvorschriften. e) Begutachtung des Umweltmanagementsystems durch einen Umweltgutachter, Validierung
Die Umwelterklärung bildet eine wichtige Grundlage für die Begutachtung des Umweltmanagementsystems durch einen akkreditierten oder zugelassenen Umweltgutachter. Dieser überprüft, ob die zu Beginn durchgeführte Umweltprüfung, das Umweltmanagementsystem, das Verfahren für die Umweltbetriebsprüfung und die Umwelterklärung den Anforderungen der EMASVerordnung entsprechen. Ist dies der Fall, „validiert“ er die Umwelterklärung der Organisation (Art. 4 Abs. 5 EMAS-Verordnung).
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f) Registrierung der Organisation Nach erfolgter Validierung (Gültigkeitserklärung, Bestätigung, Beglaubigung) der Umwelterklärung kann die Organisation bei der zuständigen Stelle – das ist die örtlich zuständige Industrie- und Handelskammer – den Antrag stellen, sie zu registrieren. Mit dieser Registrierung ist die Einrichtung des Umweltmanagementsystems abgeschlossen. Nach der Registrierung ist die Organisation befugt, das EMAS-Logo zu führen (Art. 10 und Anhang V EMAS-Verordnung), das sie als besonders umweltfreundliches Unternehmen ausweist. 3. Maßnahmen zur Erhaltung der Registrierung Mit der Registrierung findet zwar das Registrierungsverfahren seinen Abschluss, das bedeutet jedoch nicht, dass die Organisation EMAS-Verordnung sich auf diesem Erfolg ausruhen kann. Denn gemäß Art. 6 EMAS-Verordnung muss eine registrierte Organisation mindestens alle drei Jahre – ihr gesamtes Umweltmanagementsystem und das Programm für die Umweltbetriebsprüfung und deren Umsetzung begutachten lassen sowie – eine neue Umwelterklärung erstellen und von einem Umweltgutachter validieren lassen. In den dazwischen liegenden Jahren muss die Organisation – eine Betriebsprüfung ihrer Umweltleistungen und der Einhaltung der geltenden Umweltvorschriften vornehmen und – eine sog. aktualisierte Umwelterklärung erstellen und von einem Umweltgutachter validieren lassen. An den Inhalt der aktualisierten Umwelterklärung werden weniger hohe Anforderungen gestellt als an eine „normale“ Umwelterklärung (siehe Anhang IV der EMAS-Verordnung unter B). Die Organisation muss die Umwelterklärungen und die aktualisierten Umwelterklärungen veröffentlichen, indem sie diese beispielsweise ins Internet stellt oder Links zu Internetseiten einrichtet (Art. 6 Abs. 3 EMAS-Verordnung). Kommt die Organisation diesen Verpflichtungen nicht nach, wird ihre Registrierung ausgesetzt oder gestrichen (Art. 15 Abs. 3 EMAS-Verordnung). Die Registrierung wird ferner dann ausgesetzt, wenn die Aufsichtsbehörde der Registrierungsstelle, also der Industrie- und Handelskammer, schriftlich mitteilt, dass die Organisation gegen Umweltvorschriften verstoßen hat.
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4. Register der EMAS-Organisationen Alle EMAS-Organisationen werden sowohl in einem nationalen als auch in einem europäischen Register aufgeführt, die im Internet139 von jedermann eingesehen werden können. EMAS zielt nicht nur darauf ab sicherzustellen, dass die geltenden Umweltvorschriften eingehalten werden, sondern auch darauf, dass die Betriebe fortlaufend Anstrengungen unternehmen, um die Emissionen und Immissionen sowie den Energieverbrauch so weit wie möglich zu reduzieren. Dem deutschen EMAS-Register ist zu entnehmen, dass im Mai 2012 in Deutschland nur 1621 Organisationen registriert waren, in Mainz waren es lediglich drei, nämlich das Unternehmen Werner & Mertz und zwei städtische Unternehmen140. Das mit Abstand größte Unternehmen mit Sitz in RheinlandPfalz, die BASF, ist nicht registriert. Gleiches gilt für das große Pharmaunternehmen Boehringer Ingelheim. 5. Anreize zur Teilnahme am Umweltaudit, EMAS-Privilegierungsverordnung Die Teilnahme an EMAS ist, wie bereits gesagt, freiwillig. Angesichts dessen mag man sich fragen, weshalb ein Betrieb die mannigfachen Anforderungen auf sich nehmen sollte, die EMAS verlangt und die mit nicht unerheblichen Kosten verbunden sind. Betriebe versprechen sich zum einen von der Teilnahme einen Werbeeffekt. Nur registrierte Betriebe dürfen das EMAS-Logo verwenden, das im Anhang V der Verordnung dargestellt ist (Art. 10). Es darf allerdings nicht verwendet werden auf Produkten oder ihrer Verpackung, was den Wert des Logos erheblich vermindern dürfte. Daneben genießen EMAS-registrierte Betriebe gewisse rechtliche Vorzugsbehandlungen. So ermächtigt § 58e BImSchG die Bundesregierung, durch Rechtsverordnung Erleichterungen zum Inhalt der Antragsunterlagen im Genehmigungsverfahren sowie bei der Anlagenüberwachung vorzusehen. Von dieser Ermächtigung hat die Bundesregierung Gebrauch gemacht durch den Erlass der EMAS-Privilegierungs-Verordnung (EMAS-PrivilegV)141. Ihr § 3 sieht unter anderem vor, dass die Überwachungsbehörde auf die Anordnung, einen ___________ 139
Abrufbar unter http://www.emas-register.de/ bzw. http://www.emasregister.eu/. Der Wirtschaftsbetrieb Mainz (eine Anstalt des öffentlichen Rechts der Stadt Mainz) und die Stadtwerke Mainz (eine Aktiengesellschaft der Stadt Mainz). 141 Verordnung über immissionsschutz- und abfallrechtliche Überwachungserleichterungen für nach der Verordnung (EG) Nr. 761/2001 registrierte Standorte und Organisationen vom 24.6.2002 (BGBl. I S. 2247), abgedruckt bei Ule/Laubinger/Repkewitz (Fn. 46), Rechtsvorschriften, D 11.9. 140
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Betriebsbeauftragten nach § 53 Abs. 2 BImSchG142 zu bestellen, bei einer EMAS-Anlage verzichten soll. Mein Gesprächspartner in der Firma Werner & Mertz erklärte, in RheinlandPfalz machten die Behörden von den Privilegierungsmöglichkeiten, die zudem nur marginale Erleichterungen bewirkten, kaum Gebrauch. Wesentlich weiter gehe die Privilegierung von EMAS-Organisationen in anderen EU-Ländern, z.B. in Österreich, wo Organisationen, die sich an EMAS beteiligen, die Möglichkeit hätten, einen konsolidierten Genehmigungsbescheid zu erhalten. So seien für den seit 1953 bestehenden österreichischen Standort von Werner & Mertz über 100 Einzelbescheide in einer einzigen Genehmigung zusammengefasst worden. 6. Bewertung des Umweltaudit Die Bewertung von EMAS durch die Praxis ist – ähnlich wie die der Institution des Betriebsbeauftragten – zwiespältig. Das von mir konsultierte Mainzer Unternehmen lobt das System als sehr effektiv. Ein anderer Fachmann, der mit dem System ebenfalls vertraut ist, äußerte sich eher skeptisch und meinte, EMAS befinde sich „auf dem absteigenden Ast“; in vielen anderen EU-Staaten sei EMAS nahezu unbekannt. Skeptisch äußerten sich auch die beiden Beamten der Aufsichtsbehörde: EMAS werde häufig nur zu Werbezwecken eingeführt oder deshalb, weil die Kunden es wünschten („Green Production“). Der Aufwand für EMAS sei zu hoch, der Werbeeffekt außerhalb von Europa, wo EMAS kaum bekannt sei, nur gering. Werbewirksamer sei die Europäische Norm EN ISO 14001, die weltweit bekannt und anerkannt sei und die deshalb von den großen deutschen Unternehmen werde. Viele Betriebe hätten ein integriertes Managementsystem (Qualitätssicherung + Arbeits- und Gesundheitsschutz + Umwelt + Energie + Nachhaltigkeit + …) installiert. Eine Entlastung für die Aufsichtsbehörden bewirke EMAS – im Gegensatz zu den Betriebsbeauftragten – allenfalls mittelbar, weil sich das Unternehmen intensiv mit den Umweltstandards und deren Erfüllung beschäftige.
VII. Schlussbemerkung Die voraufgehenden Ausführungen haben – so hoffe ich – einen Eindruck davon vermittelt, wie in Deutschland durch den Einsatz von Betriebsbeauftrag___________ 142
Diese Vorschrift ermächtigt die Aufsichtsbehörde, auch von solchen Betrieben die Bestellung eines Immissionsschutzbeauftragten zu verlangen, die dazu eigentlich nicht verpflichtet sind, weil sie nicht im Anhang I der 5. BImSchV aufgeführt sind.
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ten und das Umweltaudit versucht wird, die Eigenkontrolle der Unternehmen zu stärken und die Aufsichtsbehörden zu entlasten (nicht zu ersetzen!). Die bisherigen Erfahrungen sind – jedenfalls was die Betriebsbeauftragten angelangt – ermutigend. Ob sich diese Instrumente auch für Korea eignen könnte, vermag ich nicht zu beurteilen.
Entwicklungen im Kommunalwirtschaftsrecht in Deutschland Von Peter Baumeister
I. Einleitung Fragen der wirtschaftlichen Betätigung der Gemeinden sind in Deutschland ein Dauerthema der juristischen und der rechtspolitischen Diskussion. Das verwundert nicht angesichts der immensen Möglichkeiten zur Einnahmenerzielung vor allem auf den Feldern der Energieversorgung, die zu den „klassischen“ Tätigkeitsbereichen von Kommunen zählen. Obwohl zahlreiche Bereiche der sogenannten Daseinsvorsorge in den vergangenen Jahrzehnten materiell privatisiert wurden, hatten die kommunalen öffentlichen Unternehmen im Jahr 2009 Erträge in Höhe von 283,7 Mrd. € zu verzeichnen, was einem Anteil am Bruttoinlandsprodukt Deutschlands im selben Jahr von 11,8 % entspricht1. Im Vergleich dazu hat die gesamte Samsung Gruppe laut Angabe bei Wikipedia im Jahr 2010 einen Konzernumsatz von 220,1 Mrd. USD erzielt, also etwas mehr als die Hälfte der Umsätze der kommunalen Unternehmen in Deutschland. Angesichts dieser ökonomischen Bedeutung der kommunalen Unternehmen verwundert es nicht, dass sich die Themen des kommunalen Wirtschaftsrechts in Deutschland auch in der Rechtswissenschaft erheblicher Beliebtheit erfreuen. Im Zentrum steht seit jeher die Frage der Grenzen der Zulässigkeit kommunalwirtschaftlichen Handelns. Gerade in den letzten 15 Jahren ist für Deutschland dazu eine intensive wissenschaftliche Erörterung zu verzeichnen. Neben allgemeinen Erörterungen der Zulässigkeit finden sich zuletzt gerade auch solche zur Zulässigkeit der wirtschaftlichen Tätigkeit außerhalb der Gemeindegrenzen, speziell auch im Ausland2. ___________ 1
Eigene Berechnung anhand der Zahlen des Statistischen Bundesamts über das BIP 2009 (2404,4 Mrd. €) und den Erträgen der – kommunalen – öffentlichen Fonds, Einrichtungen und Unternehmen (FEU) 2009 (283,7 Mrd. €); vgl. https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesellschaftStaat/OeffentlicheFinanzenSteuern/OeffentlicheFin anzen/FondsEinrichtungenUnternehmen/Tabellen/Jahresabschluesse_Eigner.html (Stand 29.7.2012). 2 s. nur J. Kühling, NJW 2001, 177; W. Löwer, VVDStRL 60 (2001), 416; F. W. Held, NWVBl. 2000, 201; D. Ehlers, DVBl. 1998, 497; A. Gern, NJW 2002, 2593;
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Der nachfolgende Überblick zum Kommunalwirtschaftsrecht wird nach der Eingrenzung des Themas (unter II) und der Klärung des Begriffs der wirtschaftlichen Betätigung (III) mit einem Bericht über die Rechtslage in den deutschen (Flächen-)Bundesländern beginnen (IV). Daran schließt sich ein Überblick zum Stand der Diskussion zu den verfassungsrechtlichen Vorgaben für die wirtschaftliche Betätigung der Kommunen an (V), bevor abschließend die zentralen Thesen formuliert werden (VI).
II. Eingrenzung des Themas Der hier angestrebte Überblick zu den Entwicklungen des Kommunalwirtschaftsrechts wird sich auf die Entwicklungen des Rechts der wirtschaftlichen Betätigung der Kommunen beschränken. Aus dem Themenkreis des Gemeindewirtschaftsrechts wird es nicht um das Haushaltsrecht und nicht um das Vermögensrecht gehen. Im Fokus stehen allein die Fragen der Voraussetzungen für eine kommunale wirtschaftliche Betätigung. Entsprechend bleiben auch die kommunalrechtlichen Bestimmungen zu den Möglichkeiten und Grenzen der Betätigung in Privatrechtsform einschließlich der Vertretung der Gemeinde in den Organen wie auch zur Prüfung und zu den Offenlegungs- und Informationspflichten hier unberücksichtigt. Keine eigenständige Erörterung erfahren die Regelungen zu Gemeindeverbänden und Landkreisen, für die regelmäßig auch die Normen zum Gemeindewirtschaftsrecht entsprechende Anwendung finden. Schließlich bleibt das Recht der deutschen Stadtstaaten Berlin, Bremen und Hamburg, in denen es an einer Trennung zwischen Land und Gemeinde fehlt, unberücksichtigt. Dargestellt wird die Rechtslage in den 13 übrigen Bundesländern. Dabei muss von vornherein klar sein, dass der vorliegende Beitrag nicht den Versuch unternehmen kann, einen vollständigen Überblick zum Recht der kommunalen Wirtschaftstätigkeit zu geben. Dieses Rechtsgebiet wird schließ___________ F. Becker, DÖV 2000, 1032; A. Schink, NVwZ 2002, 129; H.-J. Papier, DVBl. 2003, 686; J. Hellermann/J. Wieland, Die wirtschaftliche Betätigung der Kommunen außerhalb ihres Gebiets, in: G. Püttner (Hrsg.), Zur Reform des Gemeindewirtschaftsrechts, 2002, S. 117; R. Grawert, Zuständigkeitsgrenzen der Kommunalwirtschaft, in: K. Grupp/M. Ronellenfitsch (Hrsg.), FS für Willi Blümel, 1999, S. 119; H. D. Jarass, DVBl. 2006, 1; M. Burgi, Neuer Ordnungsrahmen für die energiewirtschaftliche Betätigung der Kommunen, 2010; F. Brosius-Gersdorf, AöR 130 (2005), 392; C. Scharpf, NVwZ 2005, 148; R. Northoff, Zulässigkeit kommunaler unternehmerischer Tätigkeit im Ausland, 2008; M. Schmidt-Leithoff, Gemeindewirtschaftsrecht im Wettbewerb, 2011; J. Wolff, DÖV 2011, 721; Meßmer, Kommunalwirtschaftliche Schrankentrias und Konkurrentenschutz unter besonderer Berücksichtigung von § 102 Abs. 1 der Gemeindeordnung für Baden-Württemberg, 2006.
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lich nicht allein durch die länderspezifischen Regelungen der wirtschaftlichen Betätigung der Kommunen in den Gemeindeordnungen und weiteren Bestimmungen des Kommunalverfassungsrechts normiert. Darin enthalten sind lediglich die allgemeinen Vorgaben. Zu diesen treten die bereichsspezifischen Regelungen hinzu, die für einzelne Tätigkeitsbereiche oder einzelne Verhaltensweisen spezielle Anforderungen aufstellen. In diesem Zusammenhang sind beispielsweise das Kreislaufwirtschaftsgesetz für die wirtschaftliche Betätigung auf dem Gebiet der Abfallbeseitigung oder das Energiewirtschaftsgesetz für die Betätigung bei der Energieversorgung zu nennen. Überaus aktuelle interessante Fragen wirft auch die Regulierung der Wasserwirtschaft auf. Gerade die bereichsspezifischen Regelungsbereiche werden zudem zunehmend durch europarechtliche Vorgaben geprägt. Das gilt selbstverständlich auch für das Vergaberecht, das sich mittlerweile als ein zentraler Bestandteil des Rechts der kommunalen Wirtschaftstätigkeit darstellt. Alle diese überaus interessanten Themenbereiche, ohne die das Kommunalwirtschaftsrecht im Grunde nicht vollständig erfasst werden kann, müssen hier dennoch ausgeblendet werden.
III. Wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden 1. Begriff Der zentrale Begriff des Kommunalwirtschaftsrechts ist der der wirtschaftlichen Tätigkeit bzw. Betätigung. Eine wirtschaftliche Betätigung von Gemeinden findet in der Praxis in sehr unterschiedlichen Organisationsformen statt. So sind sowohl Einrichtungen und Unternehmen in öffentlichrechtlicher Rechtsform (Eigenbetrieb, Zweckverband und Anstalt des öffentlichen Rechts) als auch in privatrechtlicher Rechtsform (vor allem GmbH oder AG) möglich und verbreitet3. ___________ 3 Statistisch wird die wirtschaftliche Tätigkeit der Gemeinden unter „Öffentliche Fonds, Einrichtungen und Unternehmen“ erfasst, s. die Grundlage dazu in § 2 Abs. 1 Nr. 10 und Abs. 3 Finanz- und PersonalstatistikG (FPStatG). Zur Erläuterung heißt es dazu: „Öffentliche Fonds, Einrichtungen und Unternehmen (kurzgefasst: Öffentliche Unternehmen) sind Einheiten, deren Eigner mehrheitlich – unmittelbar oder mittelbar – die Gebietskörperschaften (Bund, Länder, Gemeinden/Gemeindeverbände) sind. Öffentliche Unternehmen entstehen durch Aufgabenauslagerungen aus den Kernhaushalten, durch Neugründungen oder durch Beteiligungserwerb und können in öffentlichrechtlicher oder privatrechtlicher Form organisiert sein. Aus finanzstatistischer Sicht wird bei den öffentlichen Fonds, Einrichtungen und Unternehmen zwischen Extrahaushalten und sonstigen öffentlichen Fonds, Einrichtungen und Unternehmen unterschieden.“ (Statistisches Bundesamt, abrufbar unter https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/ GesellschaftStaat/OeffentlicheFinanzenSteuern/Begriffserlaeuterungen/Oeffentliche
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Die exakte Bestimmung der Begriffsbedeutung bereitet gleichwohl Schwierigkeiten. Wird man die Stadtwerke AG, die die privaten Haushalte der Stadt und der umliegenden Gemeinden mit Strom, Gas und Fernwärme gegen Entgelt versorgt, oder die städtischen Verkehrsbetriebe GmbH, die den Straßenbahnund Busverkehr sicherstellt, ohne jeden Zweifel als Fälle wirtschaftlicher Betätigung begreifen können, so wird die Zuordnung der städtischen Kindergärten und Schulen, des Krankenhauses, der städtischen Gärten oder des Zoos, der Sportanlagen und des Schwimmbades, der Stadtbücherei, des Seniorenheims, des Stadttheaters, der Stadtentwicklung, der Abfallentsorgung oder den städtischen Messebetrieb usw. unabhängig von der Rechtsform, in der diese Einrichtungen betrieben werden, nicht mehr mit derselben Eindeutigkeit erfolgen können. Die Unsicherheit bei der Verwendung des Begriffs der wirtschaftlichen Betätigung von Gemeinden hängt vor allem mit zwei Punkten zusammen: Zum einen fehlt bei vielen der genannten Einrichtungen und Unternehmen von vornherein die Möglichkeit einer Gewinnerzielung oder zumindest die Absicht dazu. Zum anderen enthalten die meisten kommunalrechtlichen Regelungen der Bundesländer Ausnahmen im Hinblick auf den Anwendungsbereich der Vorschriften über die kommunale wirtschaftliche Betätigung4. Darin sind in mehr oder weniger großem Umfang kommunale Betätigungen ganz oder teilweise von den kommunalrechtlichen Vorgaben zur Zulässigkeit ausgenommen worden, indem diese Betätigungen nicht als wirtschaftlich qualifiziert werden. Beide Erwägungen (fehlende Gewinnerzielungsmöglichkeit oder Gewinnerzielungsabsicht und die Ausnahmevorschriften im Kommunalrecht) sollten jedoch nicht dazu führen, die betreffenden Tätigkeiten aus dem Kreis der wirtschaftlichen Betätigungen von vornherein auszuklammern. So sind die Ausnahmen in den Bundesländern durchaus unterschiedlich und zumeist nur das eher zufällige Ergebnis einer Regelungstechnik. Manche Länder verfügen nur über einen kleinen Katalog von Ausnahmen im Hinblick auf die Annahme einer wirtschaftlichen Betätigung, schließen dann aber die Anwendbarkeit mancher Zulässigkeitsvoraussetzung eigens aus. Andere reduzieren den Anwendungsbereich der kommunalrechtlichen Vorschriften über die wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden von vornherein in wesentlichem Umfang. In einem Fall zählen dann etwa die städtischen Entsorgungsbetriebe für Abfall und Abwasser zu den wirtschaftlichen Unternehmen, im anderen Fall werden sie aus diesem ___________ EUs.html – Stand 29.07.2012); s. zudem etwa I. Dietrich/H. G. Strohe, Statistik der öffentlichen Unternehmen in Deutschland – Die Datenbasis, 2011, S. 3 ff. 4 Eine gewisse Kombination beider Elemente findet sich in der brandenburgischen Regelung des § 91 Abs. 1 S. 1 BbgKVerf, wonach als wirtschaftliche Betätigung nur Leistungen erfasst werden, „die ihrer Art nach auch mit der Absicht der Gewinnerzielung erbracht werden können“.
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Kreis ausgenommen. Im praktischen Ergebnis wirkt sich dieser Unterschied häufig dennoch nicht aus, da in den meisten Ländern, die derartige Tätigkeiten im Anwendungsbereich belassen, diese Betätigungen an anderer Stelle von zentralen Anforderungen freigestellt werden. Angesichts der überaus unterschiedlichen Länderregelungen hat es auch keinen Sinn, auf die Regelung mit dem größten oder die mit dem kleinsten Umfang an Betätigungen abzustellen. Gleichfalls erhebliche Probleme wirft eine Abgrenzung über das Kriterium der Gewinnerzielungsmöglichkeit oder das der Gewinnerzielungsabsicht auf. Auf ein solches Kriterium kann schon deshalb nicht abgestellt werden, weil sich sowohl die technischen und praktischen Möglichkeiten zu einem marktgerechten Angebot mit Gewinnerzielungschancen als auch die rechtlichen Rahmenbedingungen ständig verändern. Aus diesem Grund unterliegt das Urteil über die Gewinnerzielungsmöglichkeit einem permanenten Wandel. In Abhängigkeit dazu steht auch die Möglichkeit, dass bestimmte Leistungen am Markt mehr oder weniger stark nachgefragt werden und private Wettbewerber auftreten oder wieder verschwinden. Jede Zuordnung einer Tätigkeit zum Kreis der wirtschaftlichen Tätigkeiten, bei denen Gewinne erzielt werden können, ist lediglich eine Momentaufnahme unter den derzeit geltenden rechtlichen und tatsächlichen Rahmenbedingungen, die sich schon in kürzester Zeit wieder ändern können. Im Ergebnis soll daher hier als wirtschaftliche Betätigung der Kommunen jede kommunale Leistungserbringung in rechtlich oder zumindest organisatorisch und betriebswirtschaftlich von der Gebietskörperschaft getrennter Form verstanden werden. Wichtig ist es noch darauf hinzuweisen, dass die Leistung nicht gegen Entgelt bzw. – bei öffentlichrechtlicher Rechtsform – gegen Beiträge oder Gebühren erbracht zu werden braucht, sondern den Leistungsempfängern auch ohne Gegenleistung zur Verfügung gestellt werden kann, ohne dass dadurch die wirtschaftliche Betätigung entfiele. Hintergrund der kommunalwirtschaftlichen Regelungen ist neben der Gewährleistung eines soliden Haushalts, der im öffentlichen Interesse von der Kommunalaufsicht überwacht wird, die Sicherstellung eines fairen Wettbewerbs mit privaten Mitbewerbern. Soweit die kommunale Betätigung in Konkurrenz zu privaten Wettbewerbern tritt, sollen die Regelungen über die Zulässigkeit der Tätigkeit – bei allen Meinungsverschiedenheiten im Detail – grundsätzlich auch sicherstellen, dass die Gemeinde einen funktionierenden Markt nicht beeinträchtigt oder zerstört. Und ein solcher Wettbewerb kann auch dort bestehen, wo der Empfänger der Leistung keine Gegenleistung zu erbringen braucht, solange die Leistung zumindest mittelbar von einem Dritten finanziert wird. Auf diese Weise funktionieren etwa weite Teile der sog. Sozialwirtschaft, in der es umfangreiche Konkurrenzsituationen um die staatliche Finanzierung gibt.
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2. Typische Betätigungsfelder der Kommunalwirtschaft Die Kommunalwirtschaft wird regelmäßig mit den Aufgaben der Daseinsvorsorge in Verbindung gebracht. Ohne hier näher auf diesen überaus schillernden Begriff näher eingehen zu wollen, umschreibt der Begriff die staatliche Verantwortung dafür, dass die für ein menschliches Dasein in unserer Gesellschaft notwendigen Leistungen in ausreichendem Umfang zur Verfügung stehen. Im Ergebnis handelt es sich um die Bereitstellung der für den Einzelnen verfügbaren Infrastruktur. Nicht wenige dieser Infrastrukturleistungen, zu denen vor allem Energie- und Wasserversorgung, Entsorgung von Abfall und Abwasser, Post und Telekommunikationsdienstleistungen, Straßenreinigung, Verkehrswege und Verkehrsdienstleistungen, Erziehungs-, Bildungs- und Kultureinrichtungen, Einrichtungen des Gesundheits- und Sozialwesens, Sport- und Erholungsanlagen zählen, werden durch die kommunale Wirtschaftstätigkeit erfüllt. Da die Gemeinden bei einer wirtschaftlichen Betätigung in Konkurrenz zu privaten Marktteilnehmern stehen oder stehen könnten, unterliegt diese Tätigkeit seit jeher Schranken. In Anlehnung an § 67 Abs. 1 Deutsche Gemeindeordnung (DGO)5 werden regelmäßig drei Voraussetzungen für die Betätigung verlangt: Die wirtschaftliche Tätigkeit muss durch einen öffentlichen Zweck getragen sein (bzw. der Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe dienen), sie darf die Leistungsfähigkeit der Gemeinde nicht überfordern, und der Zweck der Tätigkeit darf nicht ebenso gut durch Private erfüllt werden können. Ausgenommen von diesen Voraussetzungen wurden solche Tätigkeiten, zu denen die Gemeinde gesetzlich verpflichtet ist, sowie solche, die zum Unterrichts-, Erziehungs-, Bildungs- und Gesundheitswesen zählen.
IV. Entwicklung des Kommunalrechts 1. Ausgangsnorm in der Deutschen Gemeindeordnung Der aktuelle Stand des Rechts der wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit wird am besten deutlich, wenn die aktuellen Regelungen mit denen nach Gründung der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1949 verglichen werden. Als Ausgangspunkt sämtlicher heutiger Regelungen kann die bis in die 50er Jahre geltende und soeben erwähnte Vorschrift des § 67 der Deutschen Gemeindeordnung (aus dem Jahre 1935) angesehen werden. Diese Bestimmung enthielt in Absatz 1 folgende Ausgangsregelung: ___________ 5
Gesetz vom 30.1.1935, RGBl. I S. 49.
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(1) Die Gemeinde darf wirtschaftliche Unternehmen nur errichten oder wesentlich erweitern, wenn 1. der öffentliche Zweck das Unternehmen rechtfertigt, 2. das Unternehmen nach Art und Umfang in einem angemessenen Verhältnis zu der Leistungsfähigkeit der Gemeinde und zum voraussichtlichen Bedarf steht, 3. der Zweck nicht besser und wirtschaftlicher durch einen anderen erfüllt wird oder erfüllt werden kann. Die darin enthaltene dreifache Schranke für die wirtschaftliche Tätigkeit der Gemeinden bildet bis heute das Grundmodell aller Landesgesetze. Auf die Vorgaben zum öffentlichen Zweck, zur Angemessenheit der Tätigkeit im Hinblick auf die Leistungsfähigkeit der Gemeinde und die Subsidiarität der kommunalen wirtschaftlichen Tätigkeit gegenüber der wirtschaftlichen Tätigkeit durch Private gehen die landesrechtlichen Bestimmungen bis heute zurück. Allerdings haben die meisten Landesgesetzgeber – vermehrt in den letzten Jahren – jeweils eine Vielzahl von Änderungen dieses Grundmodells vorgenommen. Neben der Regelung betreffend die Zulässigkeit der wirtschaftlichen Betätigung sind zusätzlich die Normen zur Anwendbarkeit der Zulässigkeitsregelungen zu beachten. Die Ausgangsnorm des § 67 Abs. 2 DGO sah nur in begrenztem Umfang Ausnahmen vom Anwendungsbereich der dreifachen Schranke vor: (2) Wirtschaftliche Unternehmen im Sinne dieses Abschnittes sind nicht 1. Unternehmen, zu denen die Gemeinde gesetzlich verpflichtet ist, 2. Einrichtungen des Unterrichts-, Erziehungs- und Bildungswesens, der körperlichen Ertüchtigung, der Kranken-, Gesundheits- und Wohlfahrtspflege. Auch diese Unternehmen und Einrichtungen sind nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu verwalten. 2. Aktuelle Länderregelungen Die aktuelle Rechtslage ist durch eine erhebliche Rechtszersplitterung aufgrund vielfach individueller Landesregelungen gekennzeichnet, die auch den hier unternommenen Versuch eines Überblicks nicht unwesentlich erschwert. Um zu einer allgemeinen und nicht nur zu einer landesspezifischen Einschätzung gelangen zu können, ist der Überblick an einem Vergleich zur Ausgangsnorm des zitierten § 67 der Deutschen Gemeindeordnung orientiert. Zentraler Gegenstand des Vergleichs sind die Zulässigkeitsvoraussetzungen für die kommunalwirtschaftliche Betätigung. Vorweg soll aber der Anwendungsbereich der Vorgaben im Vergleich zur DGO dargestellt werden.
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a) Anwendungsbereich Im Verhältnis zur DGO weniger Einschränkungen im Anwendungsbereich der Zulässigkeitsvoraussetzungen für die kommunale wirtschaftliche Betätigung enthalten die Regelungen in insgesamt vier Bundesländern. Drei von ihnen enthalten keinerlei Ausnahmen für den Anwendungsbereich ihrer Zulässigkeitsvoraussetzungen6; in einem Bundesland werden nur die Unternehmen ausgenommen, zu denen die Gemeinde gesetzlich verpflichtet ist und die Hilfsbetriebe zur ausschließlichen Deckung des Eigenbedarfs darstellen7. In fünf weiteren Bundesländern decken sich die Ausnahmen im Anwendungsbereich ganz oder weitgehend mit denen der DGO. Ergänzt ist jeweils nur der Fall der Hilfsbetriebe, die ausschließlich der Deckung des Eigenbedarfs der Gemeinde dienen8. Zusätzliche Erweiterungen der Ausnahmen vom Anwendungsbereich kennen drei Bundesländer. Einmal werden neben den Einrichtungen des Umweltschutzes noch das Wohnungswesen und die Stadtentwicklung ausgenommen9. Im zweiten Fall werden in einem umfänglichen Katalog beispielsweise die Abfallentsorgung, die Abwasserbeseitigung, das Messe- und Ausstellungswesen, die Straßenreinigung, die Wirtschaftförderung oder die Wohnraumversorgung zu nicht wirtschaftlichen Betätigungen erklärt10. Schließlich wird im dritten Fall der ökonomisch besonders relevante Bereich der „Einrichtungen zur Erzeugung von Energie“ auf diese Weise nicht den Zulässigkeitsvoraussetzungen unterworfen11. Eine Sonderstellung nimmt schließlich die Regelung in Brandenburg (§ 91 Abs. 1 S. 1 BbgKVerf) ein. Danach wird als wirtschaftliche Betätigung nur angesehen die Erbringung von „Leistungen, die ihrer Art nach auch mit der Absicht der Gewinnerzielung erbracht werden könnten“. Diese Norm eröffnet erheblichen Interpretationsspielraum und dürfte in besonderem Maße dem Wandel der Zeit unterworfen sein.
___________ 6 Bayern (Art. 87 BayGO), Sachsen-Anhalt (§ 116 GO LSA) und Thüringen (§ 71 ThürKO). 7 Sachsen (§ 97 Abs. 2 SächsGemO). 8 Baden-Württemberg (§ 102 Abs. 4 BW GemO); mit kleineren Erweiterungen auch Hessen (§ 121 Abs. 2 S. 1 HGO – Abfall- und Abwasserbeseitigung), Niedersachsen (§ 136 Abs. 3 – Einrichtungen des Umweltschutzes), Saarland (§ 108 Abs. 2 SaarKSVG – Abfall- und Abwasserbeseitigung), Schleswig-Holstein (§ 101 Abs. 4 S. 1 SH GO – Abfall- und Abwasserbeseitigung). 9 Rheinland-Pfalz (§ 85 Abs. 4 S. 1 Rh-Pf GemO). 10 Nordrhein-Westfalen (§ 107 Abs. 2 GO NRW). 11 So in Mecklenburg-Vorpommern (§ 68 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 KV M-V).
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b) Zulässigkeitsschranken Erhebliche Differenzen zu dem Vergleichsmaßstab der DGO finden sich gerade auch bei den Zulässigkeitsschranken. aa) Zweckbindung Differenzen im Hinblick auf das Erfordernis der Bindung an einen öffentlichen Zweck zwischen der Deutschen Gemeindeordnung und dem heutigen Kommunalrecht bestehen in zweierlei Hinsicht: Zum einen verlangt das Landesrecht in wenigen Einzelfällen nicht nur, dass das Unternehmen durch den öffentlichen Zweck „gerechtfertigt“ wird12. Ausnahmsweise muss ein öffentlicher Zweck das Unternehmen erfordern13, was eine Verschärfung der Zweckbindung zumindest indiziert. Zum anderen stellen einzelne Landesregelungen klar, dass „die Gewinnerzielung allein keinen ausreichenden öffentlichen Zweck darstellt“14 oder – enger – dass Tätigkeiten oder Tätigkeitsbereiche, mit denen die Gemeinde oder ihre Unternehmen an dem vom Wettbewerb beherrschten Wirtschaftsleben teilnehmen, um Gewinn zu erzielen, … keinem öffentlichen Zweck“ entsprechen15. Soweit ersichtlich haben diese vereinzelten zusätzlichen Anforderungen gegenüber der einfachen Zweckbindung in der Praxis allerdings keine Rolle gespielt. Sie stammen im Übrigen aus Zeiten, in denen die Gesetzgeber eher restriktiv bei der Zulassung kommunaler Wirtschaftstätigkeit vorgegangen sind. bb) Angemessenheit Praktisch keine Änderung erfahren hat die zweite Schranke, das Erfordernis der Angemessenheit, nach dem „das Unternehmen nach Art und Umfang in einem angemessenen Verhältnis zu der Leistungsfähigkeit der Gemeinde und ___________ 12 So in Übereinstimmung mit der DGO aber in Baden-Württemberg (§ 102 Abs. 1 Nr. 1 BW GemO), Brandenburg (§ 91 Abs. 2 Nr. 1 BbgKVerf), Hessen (§ 121 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 HGO), Mecklenburg-Vorpommern (§ 68 Abs. 1 Nr. 1 KV M-V), Niedersachsen (§ 136 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 NKomVG), Rheinland-Pfalz (§ 85 Abs. 1 Nr. 1 Rh-Pf GemO), Saarland (§ 108 Abs. 1 Nr. 1 Saar KSVG), Sachsen (§ 97 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SächsGemO), Sachsen-Anhalt (§ 116 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 GO LSA) und Schleswig-Holstein (§ 101 Abs. 1 Nr. 1 SH GO mit dem Zusatz, dass die Erfüllung des öffentlichen Zwecks „im Vordergrund der Unternehmung stehen muss“). 13 s. in Bayern (Art. 87 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BayGO), Nordrhein-Westfalen (§ 107 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 NRW GO) und Thüringen (§ 71 Abs. 1 Nr. 1 ThürKO). 14 § 91 Abs. 2 Nr. 1 BbgKVerf. 15 Art. 87 Abs. 1 S. 2 BayGO; i. E. übereinstimmend auch § 68 Abs. 1 S. 2 KV M-V; ebenso – aber eingeschränkt um den Zusatz „ausschließlich“ – § 116 Abs. 1 S. 2 GO LSA.
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zum voraussichtlichen Bedarf steht“16. Lediglich in Nordrhein-Westfalen wurde der Vergleichsmaßstab des voraussichtlichen Bedarfs gestrichen17, ohne dass diese Abweichung – soweit ersichtlich – bisher praktische Konsequenzen zur Folge gehabt hätte. cc) Subsidiarität Die größten Differenzen zwischen den Regelungen der einzelnen Bundesländer bestehen heute im Hinblick auf die dritte Schranke, die Subsidiarität. Die Deutsche Gemeindeordnung hatte in § 67 Abs. 1 Nr. 3 gefordert, dass „der Zweck nicht besser und wirtschaftlicher durch einen anderen erfüllt wird oder erfüllt werden kann“. Danach kann die Gemeinde die Tätigkeit also ausüben, soweit und solange sie zumindest ebenso gut und wirtschaftlich wie andere Anbieter den Zweck erfüllen kann. Da die gemeindliche wirtschaftliche Tätigkeit dadurch gleichberechtigt neben die private Tätigkeit treten kann, liegt keine Subsidiarität des gemeindlichen Handelns vor. Entsprechend wird diese Form der Subsidiaritätsschranke als „unechte Subsidiaritätsklausel“18 oder als „einfache Subsidiaritätsklausel“19 bezeichnet. Derartige unechte bzw. einfache Subsidiaritätsklauseln finden sich – mit einzelnen Abweichungen zur Deutschen Gemeindeordnung – heute in sechs Bundesländern20. Sog. echte oder strikte Subsidiaritätsklauseln, die die früheren Anforderungen der Deutschen Gemeindeordnung verschärft haben, finden sich demgegenüber in sieben Ländern21. Die prinzipiell durch echte Subsidiaritätsklauseln bewirkten höheren Hürden für die Zulässigkeit der kommunalen wirtschaftlichen ___________ 16
In Übereinstimmung mit der DGO § 102 Abs. 1 Nr. 2 BW GemO, Art. 87 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BayGO, § 91 Abs. 2 Nr. 2 BbgKVerf, § 121 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 HGO, § 68 Abs. 1 Nr. 2 KV M-V, § 136 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 NKomVG, § 85 Abs. 1 Nr. 2 Rh-Pf GemO, § 108 Abs. 1 Nr. 2 Saar KSVG, § 97 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SächsGemO, § 116 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 GO LSA, § 101 Abs. 1 Nr. 2 SH GO, § 71 Abs. 1 Nr. 2 ThürKO. 17 s. § 107 Abs. 1 S. 1 Nr. , § 107a Abs. 1 GO NRW. 18 Vgl. T. Jungkamp, NVwZ 2010, 546 (547); Leder, DÖV 2008, 173 (175); Mann, DVBl. 2009, 817 (818). 19 s. etwa Danner/Theobald, Energierecht, Loseblatt Stand 2012, Rn. 29. 20 Brandenburg (§ 91 Abs. 3 BbgKVerf), Mecklenburg-Vorpommern (§ 68 Abs. 1 Nr. 3 KV M-V), Nordrhein-Westfalen (§ 107 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 NRW GO), Sachsen (§ 97 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SächsGemO), Sachsen-Anhalt (§ 116 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 GO LSA) und Schleswig-Holstein (§ 101 Abs. 1 Nr. 3 SH GO). 21 Baden-Württemberg (§ 102 Abs. 1 Nr. 3 BW GemO), Bayern (Art. 87 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 BayGO), Hessen (§ 121 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 HGO), Niedersachsen (§ 136 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 NKomVG), Rheinland-Pfalz (§ 85 Abs. 1 Nr. 3 Rh-Pf GemO), Saarland (§ 108 Abs. 1 Nr. 3 Saar KSVG) und Thüringen (§ 71 Abs. 1 Nr. 4 ThürKO).
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Betätigung in den genannten sieben Bundesländern sind allerdings in den vergangenen Jahren auf andere Weise erheblich abgesenkt worden, um den Kommunen in einigen Tätigkeitsbereichen weitgehenden Spielraum zu eröffnen. So gelten die Klauseln in drei der sieben Länder mit echten Klauseln nicht für die Bereiche, die unter die kommunale Daseinsvorsorge fallen. Im praktischen Ergebnis vergleichbar sind Regelungen in zwei weiteren Ländern, in denen für die Energieversorgung, die Wasserversorgung, den öffentlichen Personennahverkehr auch keine Subsidiarität gegenüber privaten Anbietern gefordert wird22. Schließlich existiert in Hessen noch eine Ausnahme vom Anwendungsbereich der Subsidiaritätsklausel für den Bereich erneuerbarer Energie sowie der Verteilung hieraus gewonnener thermischer Energie23. Zusätzlich zu diesen Einschränkungen im Anwendungsbereich der echten Subsidiaritätsklauseln schließen drei Bundesländer mit einer unechten Klausel deren Anwendbarkeit in praktisch allen relevanten Fällen der Daseinsvorsorge aus24. Im Ergebnis besitzt damit nur noch das kleinste Flächenbundesland, das Saarland, eine echte Subsidiaritätsklausel, die für alle Bereiche, die vom Gesetz als wirtschaftliche Betätigungen angesehen werden, Geltung beansprucht. c) Zusammenfassende Bewertung Wie der Versuch eines Überblicks deutlich machen sollte, weisen die Landesregelungen so erhebliche Unterschiede auf, dass ein Vergleich oder ein zusammenfassendes Urteil nur schwer möglich ist. Gleichwohl lassen sich bestimmte Tendenzen ausmachen. So weisen gerade die Aktivitäten der Landesgesetzgeber aus der jüngeren Vergangenheit allesamt die Zielsetzung der Erweiterung der kommunalrechtlichen Spielräume zugunsten einer wirtschaftlichen Betätigung auf. An vorderster Stelle ist in dieser Hinsicht Nordrhein-Westfalen, das größte Bundesland in Deutschland, zu nennen. Durch das „Gesetz zur Revitalisierung des Gemeindewirtschaftsrechts“ vom 21.12.201025 wurde eine Rechtslage geschaffen, in der sich die Gemeinden in allen zentralen Bereichen im praktischen Ergebnis nahezu voraussetzungslos wirtschaftlich betätigen können. Nach der ___________ 22 So die Regelungen in Niedersachsen (§ 136 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 NKomVG) und Rheinland-Pfalz (§ 85 Abs. 1 Nr. 3 Rh-Pf GemO). In Niedersachen wird zusätzlich der Betrieb von Telekommunikationsleitungsnetzen und -dienstleistungen ausgenommen. 23 § 121 Abs. 1a HGO. 24 Mecklenburg-Vorpommern (§ 68 Abs. 2 S. 3 KV M-V), Nordrhein-Westfalen (§ 107 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, § 107a Abs. 1 NRW GO) und Sachsen-Anhalt (§ 116 Abs. 2 GO LSA). 25 GV NRW S. 685.
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Regelungstechnik des Gesetzgebers ist schon nicht mehr erkennbar, auf welche Fälle die Subsidiaritätsklausel überhaupt noch Anwendung finden könnte: Weite Bereiche der sog. Daseinsvorsorge werden von vornherein aus dem Anwendungsbereich der Norm ausgenommen (§ 107 Abs. 2 GO NRW). Für den ökonomisch lukrativsten Teil der Kommunalwirtschaft, die energiewirtschaftliche Betätigung, besteht seither eine Sonderregelung (§ 107a GO NRW), nach der diese Tätigkeit schon nach gesetzlicher Definition einem öffentlichen Zweck dient und für die keine Subsidiaritätsregelung gilt. Einzige Voraussetzung ist damit die Angemessenheit im Verhältnis zur Leistungsfähigkeit der Gemeinde, eine angesichts des darin enthaltenen Beurteilungsspielraums für die Gemeinde praktisch bedeutungslose Anforderung. Schließlich stellt auch die zumindest formal für die verbliebenen Bereiche anwendbare Subsidiaritätsklausel nur eine sog. unechte Klausel dar, weil die kommunale Tätigkeit nur dann ausgeschlossen wird, wenn der öffentliche Zweck der Tätigkeit durch andere Unternehmen besser und wirtschaftlicher erfüllt werden kann. Auch wenn zahlreiche Bundesländer ihren Kommunen bisher noch keinen derart offensichtlich weiten Handlungsspielraum wie in Nordrhein-Westfalen eingeräumt haben, so ist die dort vorhandene Zielsetzung als allgemeine Tendenz in den allermeisten Bundesländern in gleicher Weise vorhanden. Dies wirft sogleich die Frage nach dem gesetzgeberischen Handlungsspielraum nach dem Verfassungsrecht auf.
V. Verfassungsrechtliche Beurteilung der kommunalen Wirtschaftstätigkeit Vor dem Hintergrund der einfachgesetzlichen Ausgestaltung der wirtschaftlichen Betätigung der Kommunen, die gerade in den letzten fünf bis sieben Jahren durch eine zunehmende Erweiterung der Handlungsspielräume der Gemeinden gekennzeichnet ist, stellt sich die Frage nach den verfassungsrechtlichen Grenzen derartiger landesgesetzlicher Bestrebungen. Unter Vorgriff auf die nachfolgende Übersicht kann schon vorab festgestellt werden, dass die verbreitete Erweiterung der Kompetenzen für die Kommunen auch eine Reaktion auf die in der Rechtsprechung herrschende Überzeugung von der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit kommunalen Wirtschaftshandelns auch in bestehenden Wettbewerbssituationen darstellt. Die verfassungsrechtliche Lage im Kontext der wirtschaftlichen Betätigung von Kommunen wird maßgeblich durch zwei Rechtspositionen geprägt, die den Rahmen für die Ländergesetzgebung vorgeben. Auf der einen Seite gilt es, die Selbstverwaltungsgarantie der Gemeinden nach Art. 28 Abs. 2 GG zu erfassen. Andererseits bedürfen die Grundrechte der privaten Wirtschaftsakteure entsprechende Beachtung. Die kommunalrechtlichen Vorgaben für die wirtschaftliche
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Betätigung der Gemeinden sind folglich in zweierlei Hinsicht zu prüfen: Sie dürfen sich weder als rechtswidrige Beschränkungen der gemeindlichen Selbstverwaltungsgarantie noch als rechtswidrige Grundrechtseingriffe in die Rechte privater Marktteilnehmer darstellen. 1. Vereinbarkeit des Kommunalrechts mit der grundgesetzlichen kommunalen Selbstverwaltungsgarantie26 Dass die kommunale Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 GG auch die Freiheit zur wirtschaftlichen Betätigung der Gemeinden umfasst, wird zumeist für unbestritten erklärt27. Die Bedeutung dieser ersten Einschätzung erweist sich bei näherer Hinsicht aber alles andere als geklärt. So bezieht sich der verfassungsrechtliche Schutz nach überwiegender Ansicht etwa nur auf solche Tätigkeiten, mit denen ein öffentlicher Zweck verfolgt wird, der über die reine Gewinnerzielung hinausgeht28. Weiter wird auch nicht etwa jede kommunalrechtliche Beschränkung der wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit der Kommunen als Eingriff in die Selbstverwaltungsgarantie betrachtet. So soll die kommunalwirtschaftliche Betätigung nicht als solche als Selbstverwaltungsbetätigung anzusehen, sondern nur „als ein Instrument zur Wahrnehmung von Selbstverwaltungsaufgaben geschützt“ sein29. Diese Ansicht erscheint überzeugend, da die wirtschaftliche Betätigung keinen Eigenzweck besitzt, sondern nur ein Mittel zur Erfüllung eines (anderen) öffentlichen Zwecks darstellt, also der Erfüllung von gemeindlichen Aufgaben dient. Soweit dieser Betätigung nach dem Kommunalrecht Grenzen auferlegt werden, sind diese erst dann rechtfertigungsbedürftig, wenn die Gemeinde dadurch in der Erfüllung ihrer Aufgaben eingeschränkt wird. Insoweit kann auch nicht der Auffassung zugestimmt werden, die in der sogenannten echten Subsidiaritätsklausel eine verfassungswidrige Beschränkung der Selbstverwaltungsgarantie erkennen will. Eine Regelung, die für die wirtschaftliche Betätigung verlangt, dass die Gemeinde den verfolgten Zweck besser und wirtschaftlicher erreichen kann als private Anbieter, mag als Eingriff in
___________ 26
Nicht untersucht werden kann hier die Beachtung der jeweiligen landesverfassungsrechtlichen Vorgaben. 27 Vgl. etwa J. Hellermann, in: BeckOK GG, Art. 28 Rdnr. 41.5; S. Schmahl, LKV 2000, 47 (48) m.w.N. 28 s. z.B. Nierhaus, in: Sachs (Hrsg.), GG, 5. Aufl., 2012, Art. 28 Rdnr. 49; J. Hellermann, in: BeckOK GG, Art. 28 Rdnr. 41.5; für die Anerkennung auch der reinen Gewinnerzielungsabsicht als öffentlichem Zweck, aber ohne ausdrückliche Bezugnahme auf Art. 28 Abs. 2 GG J. Wolff, DÖV 2011, 721 (725). 29 J. Hellermann, in: BeckOK GG, Art. 28 Rdnr. 41.5 m.w.N.
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den Randbereich der Selbstverwaltungsgarantie angesehen werden30; unzulässig ist dieser Eingriff deshalb noch nicht. Die Subsidiaritätsklausel dient zumindest dem Schutz öffentlicher Interessen – wie auch dem Schutz vor der Gefahr der Selbstüberforderung der Gemeinde – und dem freien Wettbewerb31. Diese Gründe rechtfertigen den Eingriff in ausreichendem Maße. Sehr streitig ist weiter die Frage, ob aus Art. 28 Abs. 2 GG nicht umgekehrt auch Kompetenzgrenzen der Gemeinde abgeleitet werden können. Insbesondere im Hinblick auf eine Tätigkeit außerhalb der Gemeindegrenzen ist der Aussagegehalt des Art. 28 Abs. 2 GG umstritten. Eine Ansicht geht davon aus, dass Art. 28 Abs. 2 GG eine Wirtschaftsbetätigung jenseits der Gemeindegrenzen ausschließe, sofern dazu nicht eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung bestehe32. Dieser Auffassung vorzugswürdig erscheint jedoch die Annahme, dass auch solche Tätigkeiten von der Selbstverwaltungsgarantie geschützt werden, die zwar außerhalb des eigenen Gemeindegebietes ausgeübt werden, die aber einen direkten sachlichen Bezug zu den gemeindlichen Aufgaben, etwa bei der Versorgung der eigenen Bevölkerung, aufweisen33. Insoweit entsprechen die heutigen Landesregelungen, sofern sie für eine Tätigkeit im Geltungsbereich einer anderen Gemeinde die Wahrung der berechtigten Interessen der betroffenen Gemeinden verlangen34, auch den aus Art. 28 Abs. 2 GG resultierenden Rechtspositionen aller betroffenen Gemeinden. 2. Vereinbarkeit des Kommunalrechts mit den Grundrechten Gleichfalls überaus umstritten sind die Rechte der vorhandenen oder potentiellen Wettbewerber im Verhältnis zu den wirtschaftlich tätigen Kommunen. Mit Blick auf die vorausgehend vorgestellten kommunalrechtlichen Bestimmungen zu den Voraussetzungen einer wirtschaftlichen Betätigung der Gemeinden sind hier nun die grundrechtlichen Anforderungen an die Landesregelungen zu prüfen. So kommen die Grundrechte als Grenze für die Landesgesetzgeber bei der Ausgestaltung der Voraussetzungen für eine kommunalwirtschaftliche Betätigung in Betracht. Gerade angesichts der vorausgehenden Bewertung des Kommunalrechts mit seiner teilweise sehr weitgehenden Freistellung von einschränkenden Voraussetzungen (insbesondere im Hinblick auf die ___________ 30
Der Verf. übernimmt hier die verbreitete Dogmatik, nach der zwischen Kernbereich und Randbereich der Selbstverwaltungsgarantie zu unterscheiden sein soll, ohne sich damit zur Überzeugungskraft dieser Ansicht äußern zu wollen. 31 Vgl. zur hier nicht zu untersuchenden Frage, ob die Subsidiaritätsklausel auch drittschützenden Charakter aufweist, den Beitrag von W.-R. Schenke. 32 Vgl. etwa D. Ehlers, DVBl. 1998, 497 (504); Löwer, NWVBl. 2000, 241 (244). 33 s. J. Hellermann, in: Beck-OK GG, Art. 28 Rdnr. 41.6 m.w.N. 34 s. stellv. § 102 Abs. 7 S. 1 BW GemO.
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Subsidiarität gegenüber privaten Anbietern) stellt sich die Frage der Vereinbarkeit mit den Grundrechten der privaten Wettbewerber. Da die Eigentumsgarantie in der Praxis nur in Ausnahmefällen betroffen sein wird, liegen insoweit keine Anhaltspunkte für eine mögliche Grundrechtsverletzung vor. Eine etwas engere Grenze könnte sich aus der Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG ergeben. Nach Auffassung der Rechtsprechung schützen die Grundrechte jedoch nicht vor dem Auftreten eines neuen, in öffentlicher Trägerschaft stehenden Konkurrenten35. Der neue kommunale Konkurrent soll lediglich Teil des marktwirtschaftlichen Konkurrenzdrucks sein, den jeder Mitbewerber hinzunehmen habe. Erst wenn durch die kommunale wirtschaftliche Betätigung ein Verdrängungswettbewerb stattfinde und damit die privaten Konkurrenten in ihrer Wettbewerbsfreiheit unzumutbar beeinträchtigt werden, könne ein Anspruch auf Unterlassung der wirtschaftlichen Betätigung seitens der öffentlichen Hand begründet sein36. Überzeugend erscheint diese Auffassung freilich nicht. Jenseits der Diskussion um die zutreffende grundrechtliche Verortung der Freiheit von staatlichen Eingriffen in den Wettbewerb (Art. 2 Abs. 1 GG oder Art. 12 GG), die richtigerweise zugunsten des Art. 12 GG zu entscheiden ist, führt die kommunale wirtschaftliche Betätigung zu einer einem Hoheitsträger zuzurechnenden Veränderung des Marktes und einer Verminderung der Erwerbsaussichten der Marktteilnehmer. Auch wenn Art. 12 Abs. 1 GG zweifellos nicht vor Konkurrenz schützt und auch keinen wirtschaftlichen Erfolg sichern will, so schützt er doch vor dem einem Hoheitsträger zuzurechnenden Eingriff in die bestehende Konkurrenzsituation. Das heißt zwar nicht, dass eine kommunale wirtschaftliche Betätigung stets einen Eingriff in die Berufsfreiheit darstellt; und es heißt auch nicht, dass die Eingriffe regelmäßig nicht gerechtfertigt sind. In den Fällen von Eingriffen bedarf es aber einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage und eines tragenden Rechtfertigungsgrundes. Die gegenteilige Ansicht, die sich maßgeblich darauf stützt, dass nur Erwerbschancen betroffen sind, die in keiner Weise gesichert seien, verkennt den Unterschied zwischen privater und hoheitlicher Konkurrenz. Auch hat die Anerkennung des Grundrechtsschutzes nichts damit zu tun, dass der Privatwirtschaft damit die Ausschließlichkeit des wirtschaftlichen Handelns garantiert werde37. Die Anerkennung des Grundrechtsschutzes führt – lediglich – dazu, ___________ 35
BVerwGE 39, 329 (336) – kommunales Bestattungswesen; BVerwG, NJW 1978, 1539 – kommunale Wohnraumvermittlung; NJW 1995, 2938 – Immobilienmakler. 36 OVG Münster, NJW 1986, 1045 (1046) m.w.N.; OVG Magdeburg, LKV 2009, 91 (93); s. auch S. Schmahl, LKV 2000, 47 (51 f.). 37 So aber BVerwGE 39, 329 (337).
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dass die kommunale Teilnahme am Wettbewerb regelmäßig rechtfertigungsbedürftig ist. Die Auffassung der Rechtsprechung hat demgegenüber die Konsequenz, dass es praktisch keine gerechtfertigten Eingriffe in die Wettbewerbsfreiheit gibt, denn in den Fällen, in denen auch die Rechtsprechung von einem Eingriff ausgeht (Verdrängungswettbewerb, Auszehrung der Konkurrenz oder Schaffung eines gesetzlich nicht gesicherten Monopols), kann es im Grunde keine Rechtfertigungsgründe geben. Im Ergebnis liegt der Rechtsprechung eine grundrechtsdogmatisch fehlerhafte Bestimmung sowohl des Schutzbereiches der Berufsfreiheit als auch des Eingriffs vor38. Die wirtschaftliche Betätigung der Gemeinde betrifft infolge der mit ihr regelmäßig verbundenen Wettbewerbsverzerrung den Schutzbereich der Berufsfreiheit. Wenn dann die Betätigung auch noch eine individuell erhebliche Beeinträchtigung des Grundrechtsinhabers in Bezug auf sein berufliches Handeln vorliegt, ist ein mittelbarer Eingriff in die Berufsfreiheit zu befürworten. Zur Rechtfertigung bedarf es in diesen Fällen einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage und einer Zweckbestimmung der wirtschaftlichen Betätigung, die dem Übermaßverbot Rechnung trägt. Im Hinblick auf die kommunalrechtlichen Regelungen zur wirtschaftlichen Betätigung sind gesetzliche Ermächtigungsgrundlagen vorhanden. Das gilt auch für die Bereiche von Betätigungen, bei denen es sich nach den kommunalrechtlichen Regelungen nicht um wirtschaftliche Betätigungen handelt. In diesen Ausnahmevorschriften ist zugleich auch eine grundsätzlich ausreichende Ermächtigung zu sehen. Weiter müssen die Betätigungen durch einen legitimen Zweck gerechtfertigt sein. Diese Anforderung entspricht weitgehend dem im Kommunalrecht typischerweise für die Betätigung geforderten öffentlichen Zweck. Problematisch könnten in verfassungsrechtlicher Hinsicht daher allenfalls die Fälle sein, in denen der Landesgesetzgeber für eine bestimmte Betätigung keinen öffentlichen Zweck fordert oder einen öffentlichen Zweck fingiert. Hier stellt sich die Frage, welchem Zweck im verfassungsrechtlichen Sinne die Betätigung dienen könnte. Insoweit kann auch die schlichte Gewinnerzielungsabsicht grundsätzlich ein legitimes Ziel darstellen, sofern dadurch Finanzmittel für den kommunalen Haushalt generiert oder bestimmte im öffentlichen Interesse bestehende gemeindliche Aufgaben erfüllt oder gefördert werden sollen. Natürlich kann dann aber die Abwägung im Einzelfall dazu führen, dass das schlichte Gewinnstreben keine angemessene Grundlage für die Rechtfertigung des Eingriffs liefert, da die Verfolgung des Ziels im Verhältnis zur Schwere des durch die wirtschaftliche Tätigkeit ausgelösten Eingriffs in die Berufsfreiheit angemessen sein muss. Je nach vorhandener Konkurrenzsituation auf dem betroffenen ___________ 38
Ähnlich wie hier etwa auch H. Pünder, NJW 2010, 263 (267).
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Markt kann die schlichte Gewinnerzielungsabsicht unter Umständen gerade nicht ausreichen. Daraus lässt sich allerdings die Verfassungswidrigkeit einzelner kommunalrechtlicher Regelungen nicht ableiten. Auf dieser Basis sind etwa Betätigungen, mit denen Waren und Dienstleistungen am Markt angeboten werden, die in vollem Umfang bereits von privaten Mitbewerbern erbracht werden und die in keiner Weise zu den kommunalen Aufgaben zählen, unabhängig von der konkreten fachgesetzlichen Ausgestaltung als verfassungsrechtlich unzulässig anzusehen. Bietet die Gemeinde etwa Bauleistungen an, die mit den Ressourcen des nicht ausgelasteten Bauhofs erbracht werden, so handelt es sich um einen unzulässigen Eingriff in die Berufsfreiheit der privaten Mitbewerber. Hier kann die Gemeinde anders als jeder private Mitbewerber kalkulieren und trägt praktisch kein finanzielles Risiko. Entsprechendes gilt etwa für Leistungen von „Grünflächenämtern“, die für Private Grünanlagen herstellen oder pflegen39. Soweit die kommunalrechtlichen Bestimmungen beispielsweise eine Anhörung von Handwerk, Industrie und Handel vor der Entscheidung über die Aufnahme einer entsprechenden wirtschaftlichen Tätigkeit vorsehen40, haben die Gesetzgeber die Problematik jedenfalls richtig erkannt. Im Rahmen der energiewirtschaftlichen Betätigung, ein Feld, auf dem zahlreiche kommunalrechtliche Regelungen die Gemeinden weitgehend von Zulässigkeitsvoraussetzungen freigestellt haben und insbesondere das Subsidiaritätsprinzip nicht gelten soll, erweist sich Rechtslage regelmäßig als komplexer. Auch insoweit verlangt das Verfassungsrecht das Vorliegen eines rechtfertigenden Zwecks, der allerdings – vorbehaltlich abweichender gesetzlicher Regelungen – auch in der reinen Gewinnerzielungsabsicht bestehen kann. Allerdings wird ein solcher Zweck kaum einen schweren Eingriff in die Berufsfreiheit legitimieren können. Trifft die Gemeinde auf einen Markt, in dem in der Hauptsache wenige große Anbieter tätig sind (Oligopol), wie dies typischerweise auf dem Strommarkt zutrifft, dürfte ein Markteintritt der Gemeinde selbst dann legitimiert sein, wenn die Gewinnerzielungsabsicht eindeutig im Vordergrund steht. In anderen Konstellationen mit erheblichen Auswirkungen für die einzelnen Mitbewerber bedarf es für die Rechtfertigung schon zusätzlicher eigenständiger Zwecksetzungen. Solche im Einzelfall zu konkretisierenden Anforderungen lassen sich allerdings durchaus auch im Kontext der einfachgesetzlichen Bestimmungen gewährleisten, solange beachtet wird, dass die kommunalrechtlichen Anforderungen nicht als abschließende Regelungen der Zulässigkeit der wirtschaftlichen Betätigung anzusehen sind.
___________ 39 40
s. auch Dyllich/Lörnicz/Neubauer, LKV 2012, 151 (156). Vgl. stellv. § 102 Abs. 2 BW GemO.
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Wird das beachtet, erscheint auch die Freistellung diverser Betätigungen vom Erfordernis der Subsidiarität weit weniger problematisch, als dies auf den ersten Blick der Fall zu sein scheint. Nach den kommunalrechtlichen Bestimmungen, die einzelne oder eine Vielzahl kommunaler Betätigungen als nicht wirtschaftlich erklären und diese damit aus dem Anwendungsbereich der Voraussetzungen ausnehmen, scheint die Gemeinde in den betreffenden Bereichen auch dann selbst tätig werden zu können, wenn die angebotenen Leistungen besser und wirtschaftlicher von anderen erbracht werden können. Auch wenn solche Fälle in der Praxis nicht allzu häufig auftreten werden, verstieße die Tätigkeit in Fällen eines Eingriffs in die Berufsfreiheit jedoch gegen das Übermaßverbot, speziell gegen die Angemessenheit des Eingriffs.
VI. Ergebnis Das Thema der wirtschaftlichen Betätigung der Gemeinden beschäftigt die Landesgesetzgeber seit vielen Jahren sehr intensiv. Die aktuellen länderspezifischen Erweiterungen und Erleichterungen zur Verbesserung der Kommunalfinanzen erweisen sich als durchaus problematisch, solange die Wettbewerbsfreiheit der privaten Mitbewerber in derart geringem Umfang wie bislang von der Rechtsprechung Beachtung erfährt. Um eine Ausweitung der kommunalen wirtschaftlichen Betätigung ohne tragfähigen öffentlichen Zweck und ohne Rücksicht auf die Folgen gerade für die lokale Wirtschaft so zu vermeiden, wie es verfassungsrechtlich erforderlich ist, erscheint eine Aktivierung des Grundrechtsschutzes der Marktteilnehmer durch die Rechtsprechung dringend geboten.
Entwicklungen des kommunalen Unternehmensrechts in Korea Von Dongsoo Song
I. Einleitung In den zurückliegenden Jahrzehnten entwickelte sich eine Tendenz, immer mehr Leistungen der Daseinsvorsorge auf Private zu übertragen. Dahinter stand die weit verbreitete Auffassung, private Unternehmer seien letztlich leistungsfähiger und effizienter als es eine Behörde je sein könnte. In den letzten Jahren scheint sich diese Entwicklung umzukehren. Vor allem im kommunalen Bereich weiten nach vielen Jahren der Privatisierung von Leistungen der Daseinsvorsorge kommunale Unternehmen ihre Wirtschaftstätigkeit aus und erschließen neue Geschäftsfelder. Ein kommunales Unternehmen ist ein kommunales öffentliches Unternehmen, d.h. ein wirtschaftlicher Betrieb, der von einer Gemeinde oder einem Landkreis betrieben wird. Kommunale Unternehmen orientieren sich an den Bedürfnissen der Bürgerschaft. Sie sind ein herausragender kommunaler Wirtschaftsfaktor und präsentieren sich vor Ort als bedeutender Arbeitgeber, Sponsor und Wirtschaftsunternehmen. Nach Angaben des Innenministeriums gab es 2011 in Korea insgesamt 373 Unternehmen, die ausschließlich oder zumindest mehrheitlich unmittelbar oder mittelbar durch die Kommunen gehalten werden. Angesichts der Vielfalt der Erscheinungen gibt es keine gemeinsame Vorstellung über die Führung dieser ausgegliederten Aufgaben in den kommunalen Unternehmen. Kommunale Unternehmen haben eine lange Tradition. Trotzdem stehen sie gerade in der heutigen Zeit zunehmend unter Rechtfertigungsdruck.1 Verstärkte Aufmerksamkeit hat dabei die Kontrolle dieser Unternehmen gefunden. Die kommunalen Unternehmen werden kontrolliert durch die Städte und Gemeinden, also letztlich durch die Bürgerinnen und Bürger, die bei den Kommunalwahlen demokratisch bestimmen können, ob sie mit dem vor Ort Geleisteten zufrieden sind oder einen Wechsel wünschen. ___________ 1 Joon-Kyu Kil, Die Tendenz und der Ausblick des koreanischen Kommunalwirtschaftsrechts, Public Law Journal, Vol. 9 No. 2, 2008, S. 47.
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Nicht verschwiegen werden darf allerdings auch, dass in Korea die Verschuldung kommunaler Unternehmen insgesamt höher ist als ihr Eigenkapital. 2011 arbeiteten 183 kommunale Unternehmen (50%) mit Defizit. Die Gründe für die finanziellen Schieflagen sind vielfältigster Natur. Dazu gehören etwa Managementfehler, die Anwendung von noch nicht markttauglichen Technologien, die demografische Entwicklung und die daraus resultierende nachlassende Nachfrage, Baumängel oder fehlerhafte Finanz- und Kreditüberwachung.
II. Begriff und Tätigkeitsfelder kommunaler Unternehmen 1. Begriff In einem ersten Schritt ist das kommunale Unternehmen zu definieren. Man versteht unter einem Unternehmen „jede eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einheit, unabhängig von ihrer Rechtsform und der Art ihrer Finanzierung“. Ein kommunales Unternehmen ist ein öffentliches Unternehmen der Gemeinde, d.h. ein wirtschaftlicher Betrieb, der von einer Gemeinde oder einem Landkreis betrieben wird.2 Abzugrenzen sind kommunale Unternehmen von den öffentlichen Einrichtungen. Der Zweck der kommunalen Unternehmen ist in § 1 des Gesetzes der kommunalen Unternehmen (GkU) geregelt. Der Primärzweck eines kommunalen Unternehmens ist das Gemeinwohl (sog. öffentlicher Zweck). Erst sekundär spielen wirtschaftliche Faktoren eine Rolle.3 Den Kommunen ist also die reine Gewinnerwirtschaftung untersagt. Es sind außerdem nur noch kommunale Unternehmen zulässig, die der Wirtschaftskraft der Kommune angemessen sind und unkalkulierbare Haftungsrisiken ausschließen. Es verbleibt die Frage, wann denn ein kommunales Unternehmen ein öffentliches Unternehmen ist. Öffentliche Unternehmen sind Unternehmen, die ganz oder teilweise vom Staat oder einer seiner Untergliederungen getragen werden. Hier wird regelmäßig ein weiter Begriff zugrunde gelegt. Demnach werden hierunter solche Unternehmen verstanden, die ganz oder teilweise im Eigentum der Kommune stehen oder von ihr verwaltet oder betrieben werden. Bei einer Beteiligung von Privaten wird teilweise auch vom „Dritten Sektor“ gesprochen.
___________ 2
Sung Kyu Cho, Die rechtliche Regulierung der kommunalen Wirtschaftsunternehmen, Sogang Law Review, Vol. 1 No. 1, 2012, S. 57. 3 Joon-Kyu Kil, Die Tendenz und der Ausblick des koreanischen Kommunalwirtschaftsrechts, Public Law Journal, Vol. 9 No. 2, 2008, S. 50.
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2. Tätigkeitsfelder Hinsichtlich der wirtschaftlichen Betätigung der kommunalen Unternehmen ist eine große Aufgabenvielfalt erkennbar, die jedoch auf die öffentliche Daseinsvorsorge begrenzt ist. Die typischen Aufgabenfelder liegen im Versorgungs- bzw. Entsorgungsbereich im sozialen Bereich. Weiterhin sind öffentlicher Personennahverkehr sowie kommunale Wohnungsgesellschaften zu nennen, die einen breiten Raum im öffentlichen Bewusstsein haben. Kommunale Betriebe werden häufig gegründet, um die den Kommunen gesetzlich zugewiesenen Aufgaben zu erledigen. § 2 GkU regelt mögliche Aufgabenfelder der kommunalen Unternehmen. – – – – – – –
Wasserversorgung Wasserversorgung für den industriellen Einsatz Eisenbahn (einschließlich S-Bahn) Kraftverkehr Lokale Straßen Abwasserentsorgung Wohnungsbau.
III. Betriebsformen kommunaler Unternehmen 1. Grundlagen Nach dem GkU sind kommunale Unternehmen wie folgt in 3 Typen eingeteilt: – – –
lokale direkte Unternehmen, lokale Anstalt (oder lokale Körperschaft) des öffentlichen Rechts Dritter Sektor.
Als Hauptform der kommunalen Unternehmen haben sich vielfach die lokalen direkten Unternehmen (Regiebetriebe) als zweckmäßig erwiesen. Die lokalen direkten Unternehmen sind von den Gemeinden direkt betrieben (Wasserversorgung, Abwasserentsorgung). Kommunen ist es auch gestattet, Unternehmen im Dritten Sektor (AG) zu gründen. Der Anteil der Kommune an den Unternehmen des dritten Sektors beträgt weniger als die Hälfte. In neuerer Zeit ist der Stellenwert der privatrechtlichen AG stark gestiegen. Die Wahl der Rechtsform liegt originär im Entscheidungsbereich der Gemeinde. Hierbei muss man die Vor- und Nachteile der einzelnen Betriebsformen gegeneinander abwägen. Ein Regiebetrieb hat erfahrungsgemäß geringe wirtschaftliche Kompetenzen, während die AG ein hohes wirtschaftliches Entscheidungspotential übertragen bekommt. Bei einem Regiebetrieb ist der Ein-
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fluss der Kommune (Gemeinderat, Verwaltung) dagegen sehr hoch, was dem Gemeinwohl wiederum zugutekommt. Eine Zwischenstellung hat hier die lokale Anstalt des öffentlichen Rechts oder lokale Körperschaft des öffentlichen Rechts. Selbst hier gibt es einen großen Spielraum. Die Betriebssatzung einer lokalen Anstalt des öffentlichen Rechts kann durchaus großzügiger gefasst sein als der Gesellschaftsvertrag einer AG. Es ist also wichtig, einen angemessenen Einfluss der Gemeinde auf die Tätigkeit des kommunalen Unternehmens zu sichern. Nur dadurch kann das Prinzip der Daseinsvorsorge (öffentlicher Zweck) mit Leben erfüllt werden. Ziel jeder Ausgliederung ist es, eine größere Handlungsfreiheit außerhalb des engen Rahmens einer öffentlichen Verwaltung zu schaffen. Es geht also um Deregulierung. Aber da es sich nach wie vor um eine öffentliche Aufgabe handelt, die zu erledigen ist, ist neben Deregulierung auch Reregulierung erforderlich.4 Gleichzeitig ist zwischen unterschiedlichen öffentlichen Aufgaben zu differenzieren. 2. Lokale direkte Unternehmen Es gibt Bereiche, die nach dem Willen des Gesetzgebers ausdrücklich nicht dem Wettbewerb unterfallen sollen. Dazu gehören die Pflichtaufgaben der Daseinsvorsorge, die von der Kommune hoheitlich erfüllt werden, wie insbesondere die Wasserversorgung und Abwasserentsorgung.5 Hierfür eignet sich besonders das „lokale direkte Unternehmen“. Ein solches ist vollständig in die Verwaltung integriert und besitzt fast keine rechtliche Selbständigkeit.6 Von den insgesamt 241 lokalen direkten Unternehmen in Korea sind 113 Unternehmen im Bereich der Wasserversorgung, 79 im Bereich Abwasserentsorgung, 33 im Bereich öffentliche Entwicklung und 16 Unternehmen im Bereich lokale Entwicklungsfonds tätig. Pan-Gyo Techno Valley ist ein Beispiel für den Bereich öffentliche Entwicklung. Bei diesen Dienstleistungen steht das Wohl der Allgemeinheit im Vordergrund: Wasserversorgungspflicht für die Kommune und Abwasserentsorgungssicherheit für alle Bürger, auch dort wo es möglicherweise unwirtschaftlich ist. Der Bürger ist nicht frei, was er mit seiner Abwasserentsorgung oder seinem Wasser anfängt: Es besteht aus Gründen des Gemeinwohls ein öffentlich___________ 4 Sung Kyu Cho, Die rechtliche Regulierung der kommunalen Wirtschaftsunternehmen, Sogang Law Review, Vol. 1 No. 1, 2012, S. 61. 5 Joon-Kyu Kil, Rechtsdogmatische Betrachtung auf die Rechtsform der kommunalen Unternehmen, Law and Policy Review, Vol. 4 No. 2, 2004, S. 469. 6 Sung Kyu Cho, Die rechtliche Regulierung der kommunalen Wirtschaftsunternehmen, Sogang Law Review, Vol. 1 No. 1, 2012, S. 63.
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rechtlicher Anschluss- und Benutzungszwang. Bei diesen Hoheitsaufgaben ist die Kommune nicht gewinnorientiert tätig. Es handelt sich um gebührenfinanzierte Einrichtungen, die kostendeckend zu arbeiten haben und nicht auf Gewinnerzielung gerichtet sind. Gemäß § 7 GkU setzt die Gemeinde einen Administrator ein, der die Geschäfte der lokalen direkten Unternehmen führt. Der Administrator kann als Beamter der Gemeinde vom Bürgermeister auf Zeit ernannt werden. § 10 GkU regelt die Aufsicht durch den Bürgermeister. 3. Lokale Anstalt (lokale Körperschaft) des öffentlichen Rechts Anstalt bzw. Körperschaft werden von der Gemeinde indirekt betrieben, um Know-how und Manpower zu sichern und gleichzeitig die Autonomie der Gemeinde zu gewährleisten.7 Es gibt landesweit in Korea insgesamt 55 lokale Anstalten des öffentlichen Rechts und 77 lokale Körperschaften des öffentlichen Rechts. Seoul Metropolitan Facilities Management Corporation ist typische lokale Anstalt. Seoul Metro, Seoul Subway und SH Corporation sind typische lokale Körperschaften. Beide Rechtsformen können eigene Rechtspersönlichkeit haben. In Korea ist vor allem die lokale Anstalt des öffentlichen Rechtes (AöR) als Organisationsform erfolgreich eingeführt worden. Im Gegensatz zur lokalen Körperschaft wird der Tätigkeitsbereich einer lokalen Anstalt auf einen besonderen Anstaltszweck beschränkt. Außerdem wird sie ausschließlich von der Kommune betrieben, eine Beteiligung privaten Kapitals ist verboten. Als selbstständige juristische Person des öffentlichen Rechtes können ihr Hoheitsrechte wie z.B. das Satzungsrecht einschließlich der Gebührenerhebung übertragen werden. Zugunsten der AöR kann ein Anschluss- und Benutzungszwang angeordnet werden.8 Den Kommunen wird durch die Organisationsform der AöR weitgehende Satzungsgestaltungsfreiheit eingeräumt. Die AöR kann bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben als Erfüllungsgehilfe der Kommune eingesetzt werden, ihr können aber auch Aufgaben oder Aufgabenteilbereiche zur eigenverantwortlichen Erledigung ganz oder teilweise übertragen werden. In diesen Fällen übt die Kommune als Anstaltsträger nur noch Kontrolle durch Wahrnehmung von Einwirkungsmöglichkeiten auf die AöR aus. ___________ 7
Seung-Gye Lee, Problems and Innovation Measures of Management in Local Public Enterprise, Management Law Review, Vol. 18 No. 3, 2008, p. 54. 8 Joon-Kyu Kil, Rechtsdogmatische Betrachtung auf die Rechtsform der kommunalen Unternehmen, Law and Policy Review, Vol. 4 No. 2, 2004, S. 472.
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Differenz der kommunalen Anstalt und kommunalen Körperschaft Lokale Körperschaft
Persönlichkeit
Gründung
Betriebskosten
Art von Unternehmen
Gemeinde allein oder öffentlich-private Partnerschaften
Umsatz
Lokale Anstalt Art von öffentlichen Institutionen Gemeinde allein (nicht öffentlich-private Partnerschaften) Einlagen Bonds von Anstalt, Kapitaler-
Finanzierung
Bonds, Kapitalerhöhung (u.U.
höhung
vollständig privat finanziert)
(kann nicht privat finanziert werden)
Geschäfts-
Präsident, Vizepräsident,
Vorsitzender, stellvertretender
leitung
Direktor
Vorsitzender, Direktor
4. Dritter Sektor Es gibt landesweit in Korea insgesamt 35 Unternehmen im Dritten Sektor. Die Rechtsform der AG ist nur zulässig, wenn der öffentliche Zweck „nicht ebenso gut in einer anderen Rechtsform“ erfüllt werden kann.9
IV. Grundsatz der kommunalen Unternehmen Nach § 3 GkU sind kommunale Unternehmen dem Gemeinwohl verpflichtet und müssen die wirtschaftliche Leistung erhöhen.10 Die Errichtung kommunaler Unternehmen darf also nicht zu Lasten der Privatwirtschaft gehen oder den Wettbewerb behindern. ___________ 9
Ho-Shin Song, The Local Public Enterprise type of Stock Corporation, Law and Policy Review, Vol. 4 No. 2, 2004, p. 438. 10 Snag-Chul Lee/Do-Kzung Sung, Problems and Revision of Local Public Enterprises Act in Korea, The Yeungnam journal of politics, Vol. 8, 1998, p. 308.
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1. Gemeinwohl Jegliche Form staatlichen Handelns muss durch einen öffentlichen Zweck gerechtfertigt sein. Dies folgt bereits aus dem Rechtsstaatsprinzip. Der Staat darf nicht zum Selbstzweck tätig werden, muss vielmehr seine Tätigkeit am Gemeinwohl ausrichten. Das Gemeinwohl beinhaltet Gedanken wie Versorgungs- und Entsorgungssicherheit, Erschwinglichkeit einer Leistung für breite Bevölkerungsschichten, Nachhaltigkeit, Transparenz sowie Erhalt von Qualitäts-, Umwelt- und Sozialstandards. Der „öffentliche Zweck“ der unternehmerischen Betätigung der Gemeinden ist ferner nur dann gewährleistet, wenn die Aufgabenträger von den Gliederungen der Kernverwaltung über die Regiebetriebe bis zu den privatrechtlich organisierten kommunalen Unternehmen in eine kommunale Strategie eingebunden sind. Gemeinwohl steht zwar im Widerspruch zu dem Ziel reiner Profitmaximierung, nicht aber im Widerspruch zu betriebswirtschaftlichem Denken oder Gewinnerzielung.11 Würde ein kommunales Unternehmens ausschließlich auf Gewinnerzielung gerichtet sein, würde der öffentliche Zweck entfallen und damit auch eine Rechtfertigung für die Beteiligung der Kommune an diesem Unternehmen fehlen. Das Kriterium des „öffentlichen Zwecks“ dient darüber hinaus dem Selbstschutz der Kommunen vor wirtschaftlicher Überforderung. 2. Prinzip der Wirtschaftlichkeit Die kommunalen Unternehmen unterliegen dem Prinzip der Wirtschaftlichkeit. Kommunale Unternehmen sind daher gehalten, das Vorsorgeziel mit möglichst geringem Aufwand zu verwirklichen. Daher halten in der kommunalen Wirtschaft verstärkt unternehmerische Verhaltensmaximen Einzug.12 Vor allem Spar- und Rationalisierungszwänge veranlassen kommunale Unternehmen zunehmend, wie „normale“ privatwirtschaftliche Unternehmen zu agieren. Sie versuchen ihre Kapazitäten gewinnbringend auszulasten und erschließen sich zwecks Effizienzsteigerung und Gewinnmaximierung neue Geschäftsfelder, um so im Wettbewerb mit den privatwirtschaftlichen Unternehmen bestehen zu können.13 Es verwundert daher nicht, dass man in dieser Form der wirtschaftlichen Betätigung von Kommunen häufig eine Verletzung des Wettbewerbsgedankens ___________ 11 Joon-Kyu Kil, Die Tendenz und der Ausblick des koreanischen Kommunalwirtschaftsrechts, Public Law Journal, Vol. 9 No. 2, 2008, S. 59. 12 Ho-Shin Song, The Local Public Enterprise type of Stock Corporation, Law and Policy Review, Vol. 4 No. 2, 2004, p. 440. 13 Seung-Gye Lee, Problems and Innovation Measures of Management in Local Public Enterprise, Management Law Review, Vol. 18 No. 3, 2008, p. 50.
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sieht. In der Tat, Gesetzgebung, Rechtsprechung und Rechtswissenschaft haben einige Mühe, die zunehmende Ausrichtung kommunaler Unternehmen an marktgerechten Verhaltensmaximen rechtlich in den Griff zu bekommen. Nach meiner Ansicht sind Markt und Wettbewerb keine Ziele oder Werte an sich. Sie sollen Mittel sein, nachgefragte Leistungen für den Kunden möglichst preiswert und effizient anbieten zu können. Dabei ist selbstverständlich, dass dort, wo sich kommunale Unternehmen im freien Wettbewerb befinden, dieser fair, transparent und nach den Regeln des Marktes erfolgen muss.
V. Management und Evaluation der kommunalen Unternehmen 1. Manager Der Bürgermeister verfügt über die rechtlichen Möglichkeiten, um seine Vorstellungen bei der Personalauswahl durchzusetzen. Gemäß § 58 Abs. 2 GkU bestellt der Bürgermeister den Vorstand der lokalen Anstalt und Körperschaft. Die Manager der kommunalen Unternehmen müssen spezielle Einstellungen und Verhaltensweisen herausbilden, die personelle Besetzung des Managements erfolgt daher weniger durch Kooptation als im privaten Sektor. Faktisch haben Geschäftsführer großer kommunaler Unternehmen in der Kommune eine Position, die einem Dezernenten, zumindest aber einem Amtsleiter vergleichbar ist. Die Besetzung dieser Positionen vollzieht sich aber in einem Prozess, der nicht denselben Regeln unterliegt wie die Einstellung bei Positionen in der Kernverwaltung. Allerdings sind die Entscheidungsspielräume der Geschäftsführer größer als bei einem leitenden Mitglied der Kommunalverwaltung. Dies ist gewollt, schafft aber Ungleichgewichte, die vom Personellen ins Sachliche herüberspielen, etwa wenn kommunale Unternehmen als Sponsoren auftreten und dabei nicht offen legen, dass sie zu Lasten des an den Gemeindehaushalt abzuführenden Gewinns handeln. 2. Kontrolle Kommunale Unternehmen unterliegen einer gesteigerten öffentlichen Kontrolle und kommunalrechtlichen Anzeige- und Genehmigungspflichten. Kommunale Unternehmen unterliegen im besonderen Umfang der Transparenz bei der Leistungserbringung und Preisgestaltung. Kommunale Unternehmen unterliegen dem Rechtsstaatsprinzip und dem Demokratieprinzip. Kommunale Unternehmen unterliegen auch dem Sozialstaatsprinzip und den aus dem örtlichen Bezug resultierenden politischen Zwängen. Es gelten insoweit gesetzlich geregelte Gewährleistungs- und Sicherstellungsansprüche etwa im Bereich des öf-
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fentlichen Personennahverkehrs, des sozialen Wohnungsbaus und der flächendeckenden Wasserversorgung. Eine angemessene Vertretung der Gemeinde in den Organen des Unternehmens ist auch deswegen von zentraler Bedeutung, weil nur so verhindert werden kann, dass sich das Unternehmen durch Gründung von Tochterunternehmen und mittelbare Beteiligungen von der öffentlichen Zwecksetzung, welche der gesamten Kommunalwirtschaft zugrunde liegt, still und leise entfernt. 3. Evaluation Der Innenminister kann gemäß den Bestimmungen des § 3 GkU gegen die kommunalen Unternehmen eine Evaluierung durchführen und die erforderlichen Maßnahmen in Übereinstimmung mit den Ergebnissen treffen. In die Evaluation müssen die Erreichung der Betriebsziele, der wirtschaftlichen Effizienz und der Kundenservice einbezogen werden. Der Innenminister kann auch die Business Performance von Geschäftsführern auswerten.14 In diesem Fall sollte das öffentliche Interesse berücksichtigt werden. Auf der Grundlage der Evaluation kann eine Empfehlung für die effiziente Verwaltung abgegeben werden (§ 78 GkU). Der Innenminister kann in folgenden Fällen eine separate Untersuchung des Managements durchführen und die Ergebnisse bekanntmachen: – – –
wenn sich aus der Tätigkeit für mehr als drei Geschäftsjahre ein Nettoverlust ergeben hat, wenn eine signifikante Abnahme ohne besonderen Grund gegenüber dem Vorjahr stattgefunden hat, wenn Umstrukturierungen wie Betriebsreduktion, Liquidation oder Privatisierung notwendig sind.
Der Innenminister kann gegenüber dem Bürgermeister, dem Präsidenten der lokalen Körperschaft oder dem Vorsitzenden der lokalen Anstalt die erforderlichen Maßnahmen verfügen (§ 78-2 GkU). 4. Verschuldung der kommunalen Unternehmen Eine zentrale kommunalpolitische Herausforderung besteht darin, die Aufgabenerfüllung durch die kommunalen Unternehmen als strategische wie operative Aufgabe der Kommunalpolitik und -verwaltung zu betrachten. Wenn von der Steuerung dieser kommunalen Unternehmen gesprochen wird, dann wird ___________ 14 In-Sub Han, The Evolution of the Evaluation System of Local Public Enterprise, KOREAN GOVERNANCE REVIEW, Vol.18 No.1, 2011, p. 284.
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der Blick allerdings insbesondere auf die finanziellen Aspekte gelenkt.15 Nach Angaben des Innenministeriums stellt Insolvenz eine ernste Bedrohung für viele kommunale Unternehmen dar. Die gesamte öffentliche Verschuldung erreicht 50 Billionen Won. Die Schuldenquote (Gesamtschulden im Verhältnis zum Eigenkapital) beträgt im Durchschnitt 138%. Im Vergleich zu vor vier Jahren hat sie sich verdoppelt. Daher müssen im Rahmen der Aufsicht des Innenministeriums entsprechende Haushaltmaßnahmen ergriffen werden. Zunächst müssen die verschuldeten kommunalen Unternehmen einen SchuldenManagement-Plan erstellen. Um die Verschuldung zu reduzieren, müssen Kosten reduziert, die Rentabilität gesteigert und die Kapitaldecke gegebenenfalls durch den Verkauf von Vermögenswerten erhöht werden. Auch der Gesetzgeber hat mit der Reform des GkU im vergangenen Jahr reagiert und die Möglichkeit kommunaler Unternehmen zur Erschließung neuer Geschäftsfelder und damit die Voraussetzungen für die wirtschaftliche und nichtwirtschaftliche Tätigkeit der Kommunen deutlich eingeschränkt. Dies soll vor allem auch durch eine engere Anbindung der Unternehmen an den Gemeinderat erreicht werden, dem damit zugleich eine stärkere Verantwortung für die kommunale Unternehmensentwicklung zugewiesen wird.
VI. Schlussbemerkung Es müssen Strategien gefunden werden, um einzelne Teilbereiche der Kommunalwirtschaft erfolgreich weiter zu entwickeln. Auch kommunale Unternehmen müssen frühzeitig zukunftsweisende Strategien entwickeln, um in den einzelnen Betätigungsfeldern erfolgreich zu sein. Korea braucht leistungsfähige kommunale Unternehmen: im Interesse der Volkswirtschaft, im Interesse der Gemeinden, vor allem aber im Interesse der Bürgerinnen und Bürger. Kommunale Unternehmen sind nicht nur häufig für die Region wichtige Arbeitgeber. Sie haben über die Erledigung ihrer eigentlichen Aufgaben hinaus häufig eine wichtige Funktion für die Entwicklung der Stadt und der Region. Dies wird aber zu selten zum Bestandteil kommunaler Politik gemacht.
___________ 15
Gu-Hwan Won, Productivity Analysis of the Korean Local Public Enterprises Using a Malmquist Approach, The Korean Journal of Local Government Studies, 2006, Vol. 10 No. 4, p. 57.
Entwicklungen des kommunalen Unternehmensrechts in Korea 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44
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Literatur Cho, Sung-Kyu, Die rechtliche Regulierung der kommunalen Wirtschaftsunternehmen, Sogang Law Review, Vol. 1 No. 1, 2012. Ennuschat, Jörg, Kommunalwirtschaftsrecht – Prüfungsmaßstab im Vergaberechtsschutz, NVwZ 2008, 966 ff. Han, In-Sub, The Evolution of the Evaluation System of Local Public Enterprise, KOREAN GOVERNANCE REVIEW, Vol. 18 No. 1, 2011 Kil, Joon-Kyu, Die Tendenz und der Ausblick des koreanischen Kommunalwirtschaftsrechts, Public Law Journal, Vol. 9 No. 2, 2008. – Rechtsdogmatische Betrachtung auf die Rechtsform der kommunalen Unternehmen, Law and Policy Review, Vol. 4 No. 2, 2004. Lee, Snag-Chul/Sung, Do-Kzung, Problems and Revision of Local Public Enterprises Act in Korea, The Yeungnam journal of politics, Vol. 8, 1998. Lee, Seung-Gye, Problems and Innovation Measures of Management in Local Public Enterprise, Management Law Review, Vol. 18 No. 3, 2008. Song, Ho-Shin, The Local Public Enterprise type of Stock Corporation, Law and Policy Review, Vol. 4 No. 2, 2004. Won, Gu-Hwan, Productivity Analysis of the Korean Local Public Enterprises Using a Malmquist Approach, The Korean Journal of Local Government Studies, 2006, Vol. 10 No. 4. Scharpf, Christian, Kommunales Unternehmensrecht in Bayern, Herbert Utz Verlag, München, 2004. Schink, Alexander, Wirtschaftliche Betätigung kommunaler Unternehmen, NVwZ 2002, 129 ff. Sollondz, Frank, Neues kommunales Unternehmensrecht im Freistaat Sachsen, LKV 2003, 297 ff. Stober, Rolf, Neuregelung des Rechts der öffentlichen Unternehmen?, NJW 2002, 2357 ff.
Die Rekommunalisierung privatisierter Leistungen in Deutschland Von Annette Guckelberger*
I. Einführung Erst seit geraumer Zeit stößt die Rekommunalisierung privatisierter Leistungen auf vermehrtes Interesse. Nachdem vor allem in den vergangenen zwei Jahrzehnten in Deutschland viele Leistungen der kommunalen Daseinsvorsorge in diversen Formen privatisiert wurden,1 mehren sich neuerdings Berichte, wonach einzelne Gemeinden und Städte dazu übergehen, z. B. Aufgaben der Abfallentsorgung, der Energie- oder Wasserversorgung wieder selbst wahrzunehmen oder sich stärker in diesen Bereichen zu engagieren.2 Nachdem seit 1999 der RWE-Konzern und das französische Unternehmen Veolia jeweils einen Anteil von 24,95 % an den Berliner Wasserbetrieben halten, hat sich der Berliner Senat im Juli 2012 zum Rückkauf der RWE-Anteile an den Wasserbetrieben durch das Land Berlin entschlossen.3 Dem Veolia-Konzern hat der Senat ebenfalls Verhandlungen über einen Rückzug aus den Wasserbetrieben zu denselben Konditionen wie gegenüber dem RWE-Konzern angeboten.4 Weil in den nächsten Jahren tausende mit Privaten abgeschlossene Konzessionsverträge, insbesondere im Strom- und Gasbereich, auslaufen, stehen viele Gemeinden vor der Prüfung, ob sie die Leistungserbringung weiterhin Dritten überlassen ___________ * Die Verfasserin ist Inhaberin des Lehrstuhls für Öffentliches Recht an der Universität des Saarlandes. 1 s. nur Naumann, in: Sandberg/Lederer, Corporate Social Responsibility in kommunalen Unternehmen, 2011, S. 67 f. 2 s. die Beispiele aus der Praxis bei Bauer, in: ders./Büchner/Hajasch, Rekommunalisierung öffentlicher Daseinsvorsorge, 2012, S. 11 (13 ff.); Gottschalk, in: Schaefer/Theuvsen, Renaissance öffentlicher Wirtschaft, 2012, S. 291 (297); Hanisch, in: Sander, Öffentliche Dienstleistungen in Deutschland und Ostmitteleuropa im Spannungsfeld von Daseinsvorsorge und Wettbewerb, 2012, S. 63 (65); Naumann (Fn. 1), S. 72 ff.; Renck, RaumPlanung 2011, 243 (246 f.); BT-Drucks. 17/7181, S. 25. 3 Die Entscheidung des Abgeordnetenhauses steht noch aus, s. BerlLT-Drucks. 17/0379. 4 s. den Artikel „Berlin kauft Anteil an den Wasserbetrieben zurück“ in: Der Tagesspiegel v. 16.7.2012.
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Annette Guckelberger
oder diese nicht wieder in eigener Regie anbieten wollen.5 Nach manchen Stimmen besteht momentan in Deutschland ein „Trend zur Rekommunalisierung“.6 Ob sich diese Aussagen bestätigen werden, bleibt angesichts belastbarer empirischer Studien abzuwarten.7 Nach Naumann sollte keinesfalls von einer „völligen Trendwende“ gesprochen werden. Denn nach seiner Einschätzung sei lediglich mit einer Verschiebung der Gewichte weg von den Privaten hin zu einer vermehrten Aufgabenwahrnehmung durch die öffentliche Hand zu rechnen.8 Aus geschichtlicher Perspektive gab es immer wieder Zeiten, in denen Daseinsvorsorgeleistungen vermehrt durch den Staat erbracht wurden, und solche, in denen er deren Erbringen stärker dem privaten Sektor überlassen hat.9 Die jüngeren Entwicklungen gehören deshalb zu diesen Pendelbewegungen.10 Angesichts der im politischen Raum häufiger anzutreffenden Forderungen nach Rekommunalisierungen dürfte zurzeit das Pendel wieder etwas mehr in Richtung staatliche Daseinsvorsorge ausschwingen.11 Nachfolgend soll zunächst auf den Begriff der Rekommunalisierung sowie die dafür und dagegen sprechenden Gründe eingegangen werden. Anschließend werden die rechtlichen Rahmenbedingungen für Rekommunalisierungen erläutert.
II. Begriff der „Rekommunalisierung“ Bislang existiert keine gesetzliche Definition dazu, was eine „Rekommunalisierung“ ist.12 Das Wort setzt sich aus zwei Komponenten zusammen. Durch das aus dem Lateinischen stammende Präfix „re“ wird ausgedrückt, „dass etwas rückgängig gemacht, in den Ausgangszustand zurückgeführt oder von Neuem ___________ 5 Bauer (Fn. 2), S. 20; Libbe/Hanke/Verbücheln, Rekommunalisierung – Eine Bestandsaufnahme, 2011, S. 6 f.; zum Abfallrecht Thimm AbfallR 2008, 289 (290). 6 BT-Drucks. 17/7181, S. 24; Klug, in: ders., Daseinsvorsorge durch Re-Kommunalisierung, 2011, S. 29 (30); Libbe/Hanke/Verbücheln (Fn. 5), S. 4; Hill NordÖR 2009, 469 (472) für die Bereiche Infrastruktur und Wirtschaft; Hüting/Hopp RdE 2011, 255 für die Energieversorgung; Menges/Müller-Kirchenbauer ZfE 2012, 51 für die Energieversorgung; Schmidt, Kommunalrecht, 2011, Rn. 266. 7 Dazu auch Burgi NdsVBl. 2012, 225 (226); Schaefer/Theuvsen, in: dies., Renaissance der öffentlichen Wirtschaft, 2012, S. 11. 8 Naumann (Fn. 1), S. 74. 9 Libbe/Hanke/Verbücheln (Fn. 5), S. 3 f.; s. auch Gottschalk (Fn. 2), S. 291 ff. sowie den Beitrag von Ambrosius, in: Schaefer/Theuvsen, Renaissance öffentlicher Wirtschaft, 2012, S. 71 (73 ff.). 10 Bauer (Fn. 2), S. 22; Naumann (Fn. 1), S. 68; Röber VM 2009, 227 f. 11 Bauer (Fn. 2), S. 22; Heinze, Die Rückkehr des Staates?, 2009, S. 33. 12 Zur fehlenden genauen Begriffsbestimmung Schaefer/Theuvsen (Fn. 7), S. 11.
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hervorgerufen wird.“13 „Kommunalisieren“ bedeutet, dass etwas in den Gemeindebesitz oder in die Gemeindeverwaltung überführt wird.14 Mangels konkreterer Benennung eines Bezugsgegenstands der Kommunalisierung ist der Begriff „Rekommunalisierung“ mehrdeutig. Einerseits kann damit gemeint sein, dass gewisse Zuständigkeiten, die von den Kommunen auf staatliche Behörden übergegangen sind, wieder auf die Gemeinde zurückverlagert werden.15 Wenn andererseits und so auch hier von Rekommunalisierung „privatisierter Leistungen“ die Rede ist, umschreibt dieser Begriff Veränderungen oder Verschiebungen in der Aufgabenverteilung weg von den Privaten hin zu den Kommunen.16 Dürfte noch Einigkeit bestehen, dass es bei der Rekommunalisierung um die Umkehrung kommunaler Privatisierungsentscheidungen geht,17 weichen die Erläuterungen dieser Begrifflichkeit in Nuancen voneinander ab. Laut dem Artikel „Rekommunalisierung“ in der Internet-Enzyklopädie Wikipedia werden damit Prozesse umschrieben, bei denen vormals aus der kommunalen Verwaltung ausgegliederte Aufgaben und Vermögen wieder „in Organisationsformen des öffentlichen Rechts“ zurückgeführt werden.18 Richtigerweise ist die Umschreibung vorzuziehen, die der Rekommunalisierung einen größeren Anwendungsbereich verleiht.19 Angesichts der Formenwahlfreiheit der Kommunen erledigen diese ihre Aufgaben auch dann „staatlich“, wenn sie vollumfänglich (= zu 100 %) oder zumindest in wesentlichem Maße (etwa zu 70 %) hinter einem Unternehmen in Privatrechtsform stehen, etwa einer Aktiengesellschaft oder einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Dies korrespondiert mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, wonach bei öffentlich beherrschten Unternehmen „staatliche Aktivitäten unter Beteiligung von Privaten“ wahrgenommen werden. Deshalb gelten für sie die allgemeinen Bindungen staatlicher Aufgabenwahrnehmung, insbesondere an die Grundrechte.20 Im ___________ 13 s. dazu Duden, Rechtschreibung, „re-“, abgerufen über www.duden.de/rechtschreibung/re am 9.7.2012. 14 Duden, Die deutsche Rechtschreibung, 2006, S. 592; s. auch den Beitrag von Sack, in: Blanke/Nullmeier/Reichard/Wewer, Handbuch zur Verwaltungsreform, 4. Aufl. 2011, S. 118 (121 ff.). 15 s. auch Burgi Die Verw. 42 (2009), 144 ff. 16 Burgi NdsVBl. 2012, 225. 17 So Brüning VerwArch 100 (2009), 453 (454); Menges/Müller-Kirchenbauer ZfE 2012, 51 (53); Schmidt (Fn. 6), Rn. 266; s. auch Bauer DÖV 2012, 329 (334); Lenk/Rottmann/Hesse, in: Schaefer/Theuvsen, Renaissance öffentlicher Wirtschaft, 2012, S. 163 (164). 18 Artikel „Rekommunalisierung“, abgerufen über Wikipedia am 21.6.2012; s. auch die Wiedergabe bei Riegler, in: Klug, Daseinsvorsorge durch Re-Kommunalisierung, 2011, S. 71. 19 Wie hier auch Libbe/Hanke/Verbücheln (Fn. 5), S. 4. 20 BVerfG NJW 2011, 1201 (1202 f.).
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Bereich des Vergaberechts wird schon seit Längerem bei der Rückverlagerung einer von einem Privaten wahrgenommenen Aufgabe auf eine eigene Dienststelle oder eine eigene Tochtergesellschaft des öffentlichen Auftragebers von einer „Rekommunalisierung“ gesprochen.21 Unter diesen Begriff fallen deshalb Vorgänge, bei denen eine privatisierte Tätigkeit durch die Kommune selbst oder ein von ihr ganz oder überwiegend beherrschtes Unternehmen übernommen werden soll.22 Am gelungensten erscheint mir die Begriffsumschreibung von Budäus. Nach ihm bedeutet „Rekommunalisierung“ die vollständige oder partielle Reintegration ehemals vollständig oder partiell privatisierter Aufgaben in das unmittelbare Gestaltungsregime kommunaler Gebietskörperschaften.23
III. Aufgabenfelder und Formen der Rekommunalisierung Da Privatisierungsentscheidungen in diversen Bereichen vorgenommen wurden, sind die für eine Rekommunalisierung in Betracht kommenden Aufgabenfelder vielfältig.24 Sie reichen von der Abfallentsorgung und Abwasserbeseitigung über die Wasser- und Energieversorgung bis hin zu den Verkehrsbetrieben, Krankenhäusern und anderen öffentlichen Einrichtungen.25 Die Wissenschaft steht erst am Anfang der Herausbildung verschiedener Rekommunalisierungstypen.26 Für die aufgabenbezogene Rekommunalisierung wird es als kennzeichnend angesehen, dass eine kommunale Gebietskörperschaft eine vormals materiell privatisierte Aktivität in die kommunale Trägerschaft überführt oder einen von einem Privaten bei ihrer Aufgabenerledigung erbrachten funktionalen Teilbetrag wieder selbst wahrnimmt.27 Als Beispiel für eine organisationsformbezogene Rekommunalisierung sei die „Umwandlung“ einer Kapitalgesellschaft in eine öffentlich-rechtliche Organisationsform genannt.28 Schließen sich mehrere Kommunen zusammen, um eine privatisierte Leistung künftig in Kooperation zu erbringen, wird dies als Rekommunalisierung im ___________ 21
Ziekow/Siegel VerwArch 96 (2005), 119 (127). Burgi NdsVBl. 2012, 225; Richter, Die Bedeutung von Strategie für die Umsetzung einer (Re-)Kommunalisierung in der Elektrizitätswirtschaft, 2011, S. 75 f.; i. E. Libbe/Hanke/Verbücheln (Fn. 5), S. 4; wohl auch Thimm AbfallR 2008, 289 (290). 23 Budäus, Folie 3 zum Workshop Rekommunalisierung und Dezentralisierung. 24 Bauer DÖV 2012, 329 (334). 25 Bauer DÖV 2012, 329 (334); s. auch Burgi NdsVBl. 2012, 225 (226); zum Abfallrecht Frenz WRP 2008, 73 ff.; Libbe/Hanke/Verbücheln (Fn. 5), S. 6 ff. 26 Zur „Balkanisierung“ der Rechtsdiskussion um verschiedene Typen der Privatisierung Burgi, Verhandlungen des 67. Deutschen Juristentags, 2008, Gutachten D 28; zur Rekommunalisierungstypologie auch Bauer (Fn. 2), S. 29. 27 s. auch Bauer DÖV 2012, 329 (337). 28 s. auch Bauer DÖV 2012, 329 (337); Schmidt (Fn. 6), Rn. 266 spricht insoweit von „formeller Rekommunalisierung“. 22
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weiteren Sinne bezeichnet.29 Nach den Erfahrungen mit der Privatisierungstypologie darf der Aussagewert derartiger Rekommunalisierungsformen nicht überschätzt werden.30 Die Herauskristallisierung einzelner Rekommunalisierungstypen mag zwar gewisse erste Anhaltspunkte für ihre Einordnung liefern.31 Weil Rekommunalisierungen in unterschiedlichsten Bereichen und diversen Ausprägungen erfolgen können, muss sich ihre rechtliche Beurteilung letztlich an den Rechtsvorschriften für das konkret ins Auge gefasste Vorhaben ausrichten.32
IV. Gründe für Rekommunalisierungen Im Normalfall werden kommunale Gebietskörperschaften Privatisierungen nicht ohne Anlass rückgängig machen. Als ein gängiges Argument für die Einleitung von Rekommunalisierungen wird häufig genannt, dass sich bei weitem nicht alle Erwartungen, die man sich von einer Privatisierung versprochen hat, erfüllt worden seien.33 Zwar hätten manche Private durchaus eine höhere Kosteneffizienz erzielt, diese aber nicht stets an die Gemeindeeinwohner weitergereicht.34 Nicht in allen den Privaten überlassenen Tätigkeitsfeldern hätte sich ein funktionierender Wettbewerb mit der Folge sinkender Preise entwickelt.35 So gab es Fälle, in denen die infrage stehende Leistung trotz Privatisierung für die Endabnehmer deutlich teurer wurde.36 Mancherorts wurden private Dienstleistungen, z. B. im Bereich der Abfallwirtschaft, viel zu teuer eingekauft.37 Teilweise ging mit einer Übernahme der Tätigkeit durch die Privaten eine Qualitätsverschlechterung einher.38 Gemeinden hätten sich angesichts leerer Kassen ___________ 29
BT-Drucks. 17/1781, S. 24. So auch Bauer (Fn. 2), S. 29. 31 Bezogen auf die Privatisierung Burgi (Fn. 26), D 29. 32 So auch Bauer (Fn. 2), S. 29. 33 Bauer DÖV 2012, 329 (335); Libbe/Hanke/Verbücheln (Fn. 5), S. 5; Röber, in: Schaefer/Theuvsen, Renaissance öffentlicher Wirtschaft, 2012, S. 179 (195); Schmidt (Fn. 6), Rn. 265. 34 Institut für den öffentlichen Sektor, Rekommunalisierung in der Energieversorgung, 2011, S. 8; Lenk/Rottmann/Hesse (Fn. 17), S. 167. 35 Schmidt (Fn. 6), Rn. 265; s. auch Schachner, in: Klug, Daseinsvorsorge durch ReKommunalisierung, 2011, S. 43 (54). 36 Röber, in: Bauer/Büchner/Hajasch, Rekommunalisierung öffentlicher Daseinsvorsorge, 2012, S. 81 (84); s. auch Felber, in: Klug, Daseinsvorsorge durch Re-Kommunalisierung, 2011, S. 17 f.; Lenk/Rottmann/Hesse (Fn. 17), S. 167. 37 Börner, Rekommunalisierung durch vergaberechtliche In-house-Geschäfte, 2004, S. 5. 38 Röber (Fn. 36), S. 84; s. auch Bauer (Fn. 2), S. 23; Libbe/Hanke/Verbücheln (Fn. 5), S. 5. 30
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vorschnell für Privatisierungen entschieden und nicht hinreichend in ihre Überlegungen einbezogen, was mittelfristig günstigster ist.39 Retrospektiv hat sich herausgestellt, dass in den Anfangszeiten der letzten Privatisierungswelle die Transaktionskosten von Privatisierungen, etwa was die Kontrollen der Leistungserbringung anbetrifft, unterschätzt wurden.40 Mit den Worten von Voßkuhle dürfte zwischenzeitlich die „naive Vorstellung“, Privatisierungen müssten automatisch zu Staatsentlastungen führen, einer differenzierten Haltung gewichen sein.41 Schließlich hat die Zusammenarbeit zwischen mancher Kommune und ihrem privatwirtschaftlichem Partner angesichts teilweise gegenläufiger Interessen nicht immer gut funktioniert.42 Infolgedessen geht man heute überwiegend davon aus, dass die Privatwirtschaft im Vergleich zur öffentlichen Hand nicht zwangsläufig besser, effizienter und kostengünstiger sein muss.43 Auch kommunale Unternehmen könnten über effiziente Strukturen verfügen.44 Infolge des New Public Managements würden heute viele Kommunen über ein besseres betriebswirtschaftliches Know-how verfügen als früher.45 Durch die Zusammenarbeit mit den Privaten hätten manche Kommunen Erfahrungen mit dem Wettbewerb gemacht und würden diesen nicht länger scheuen.46 Je nach zugrunde gelegtem Effizienzmaßstab kann die Vergleichsbeurteilung zwischen öffentlichen und privaten Unternehmen schwanken.47 Laut Mühlenkamp gehört es aus wohlfahrtsökonomischer Sicht nicht zur Aufgabe öffentlicher Unternehmen, sich wie gewinnorientierte private Unternehmen zu gerieren, sondern sie sollen u. a. Marktunvollkommenheiten durch eine andere Preispolitik korrigieren.48 Außerdem ist seit der internationalen Finanz- und Wirtschaftskrise das allgemeine Vertrauen in die Leistungsfähigkeit der Märkte gesunken und in den ___________ 39
s. auch Burgi NdsVBl. 2012, 225 (226); Meidlinger, in: Klug, Daseinsvorsorge durch Re-Kommunalisierung, 2011, S. 57. 40 Voßkuhle, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. 1, 2. Aufl. 2012, § 1 Rn. 61; s. auch Börner (Fn. 37), S. 5. 41 Voßkuhle (Fn. 40), § 1 Rn. 61; s. auch Klug (Fn. 6), S. 29 (31). 42 s. auch Kramer, in: Klug, Daseinsvorsorge durch Re-Kommunalisierung, 2011, S. 14. 43 So Bauer DÖV 2012, 329 (335); Schäfer, in: Bauer/Büchner/Hajasch, Rekommunalisierung öffentlicher Daseinsvorsorge, 2012, S. 73 (75); ausführlich mit empirischen Befunden zu Vergleichen zwischen öffentlichen und privaten Unternehmen setzt sich Mühlenkamp, in: Schaefer/Theuvsen, Renaissance öffentlicher Wirtschaft, 2012, S. 21 (30 ff.) auseinander. 44 Heinze (Fn. 11), S. 40; Schäfer (Fn. 43), S. 75. 45 Röber (Fn. 36), S. 85; ders. VM 2009, 229 (232). 46 Bernd Kaiser, Der kommunale Querverbund, 2011, S. 158. 47 s. Mühlenkamp (Fn. 43), S. 26. 48 Mühlenkamp (Fn. 43), S. 21 f.
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Staat gestiegen.49 Mehrere erfolgreiche Bürgerbegehren und -entscheide,50 aber auch entsprechende Umfragen bestätigen, dass Daseinsvorsorgeleistungen durch öffentliche Unternehmen bei der Bevölkerung momentan großes Vertrauen genießen. Dies gilt insbesondere für die Kriterien der Zuverlässigkeit, Sicherheit, Nachhaltigkeit oder Gemeinwohlverträglichkeit.51 Eine erst kürzlich publizierte Studie des Bundeskartellamts bestätigt die Existenz eines „Stadtwerkefaktors“. Haushaltskunden bringen kommunalen Gasverteilernetzbetreibern eine höhere Loyalität als privaten Handelsunternehmen entgegen.52 Nicht jeder möchte mit Energieleistungen von einer weit entfernten Konzernzentrale versorgt werden, ohne einen lokalen Ansprechpartner zu haben.53 Die Rekommunalisierung der Berliner Wasserversorgung dürfte zudem mit mangelnder Transparenz zusammenhängen. Die ausgehandelten Vertragsbedingungen zwischen den Berliner Wasserwerken und Privatinvestoren, insbesondere zu Gewinngarantien, wurden lange Zeit geheim gehalten. Erst nach erfolgreichem Volksentscheid vom 13.2.2011 über die Offenlegung der Teilprivatisierungsverträge bei den Berliner Wasserbehörden wurden die Vereinbarungen über die Zusammenarbeit vollumfänglich publik gemacht.54 Wegen der bei Privatisierungen eingeschränkten Steuerungsmöglichkeiten der Kommunen55 erhoffen sich viele von einer Rekommunalisierung eine Verbesserung ihrer kommunalen Gestaltungsmöglichkeiten.56 So heißt es etwa in einem Antrag zur Rekommunalisierung der Energienetze: „Die Rekommunalisierung der Gas- und Stromnetze bedeutet also mehr als die Rückgewinnung der kommunalen Selbstbestimmung über die Entwicklung einer nachhaltigen, ___________ 49
Bauer DÖV 2012, 329 (334 f.); Röber (Fn. 36), S. 84. Dazu Oebbecke, in: Mann/Püttner, Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, Bd. 2, 2011, § 41 Rn. 3; s. auch Theobald/Templin, Strom- und Gasverteilnetze im Wettbewerb, 2011, S. 88 ff. 51 Reck RaumPlanung 2011, 243; Röber VM 2009, 229, (231 f.); dazu eingehend Schulz-Nieswandt, in: Schaefer/Theuvsen, Renaissance öffentlicher Wirtschaft, 2012, S. 119 (127 ff.). 52 Bundeskartellamt, Untersuchung Gas-/Konzessionsabgaben für die Belieferung von Haushaltskunden, April 2012, S. 41; s. auch Held LKV 2010, 19 (21). 53 Gottschalk (Fn. 2), S. 293. 54 s. dazu Bauer DÖV 2012, 329 (331) sowie den Artikel „Volksentscheid über die Offenlegung der Teilprivatisierungsverträge bei den Berliner Wasserbetrieben“, abgerufen über Wikipedia am 23.6.2012; s. zu Problemen im Zusammenhang mit Informationsanforderungen an die Beteiligungsberichterstattung Papenfuß/Schaefer, in: Schaefer/Theuvsen, Renaissance öffentlicher Wirtschaft, 2012, S. 205 (207); zur Transparenz von Aufsichtsratssitzungen kommunaler Unternehmen Bettenburg/Weirauch DÖV 2012, 352 ff. 55 Artikel Rekommunalisierung (Fn. 16); s. auch Graf KommP Bay 2011, 214 f.; Lenk/Rottmann/Hesse (Fn. 17), S. 167. 56 Hill NordÖR 2009, 469 (472); s. auch Bauer DÖV 2012, 329 (335); Gottschalk (Fn. 2), S. 295; Held LKV 2010, 19 (21); Röber (Fn. 33), S. 195. 50
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lokalen Energieversorgungsstruktur als einen wesentlichen Teil der kommunalen Daseinsvorsorge. Die Entscheidungen werden wieder vor Ort getroffen und müssen auch vor Ort politisch verantwortet werden.“57 Anders als die an reinen Gewinnmaximierungsstrategien ausgerichteten privaten Energieversorgungsunternehmen könnten öffentliche Unternehmen die Gemeinwohlinteressen forcieren.58 „Somit ist es möglich, eine regionale Wertschöpfung vor Ort zu generieren, Steuern werden vor Ort bezahlt, Arbeitsplätze und Investitionen sind regional wirksamer.“59 In den kommunalen Unternehmen könnten Arbeitsplätze erhalten bzw. neu geschaffen werden.60 Die Vergabe von Aufträgen an heimische Betriebe sei gut für den lokalen Arbeitsmarkt.61 Als Argument für Rekommunalisierungen im Energiesektor wird vor allem genannt, dass kommunale Stadtwerke den Klimaschutz fördern. Umweltfreundliche Energien, z. B. aus Wind oder Fotovoltaik, werden meistens an dezentralen Standorten gewonnen.62 Die Kommunen wollen durch eigene Stadtwerke Einfluss auf die Umsetzung ressourcen- und umweltpolitischer Ziele sowie die Preisgestaltung nehmen.63 Weiterhin wird geltend gemacht, dass die Stadtwerke ihren Kunden günstige Tarife anbieten könnten. Außerdem erhofft man sich, dass sie Gewinne einfahren.64 Man setzt auf den kommunalen Querverbund. Bei diesem wird z. B. die Energieversorgung mit permanent defizitären Leistungen der Daseinsvorsorge, wie dem Bäderbetrieb, kombiniert.65 Dadurch lassen sich Synergieeffekte und Ressourceneinsparungen erzielen.66 Die Verrechnung der Gewinne aus der Stromversorgung mit den Defiziten der Bäder ist ___________ 57 Antrag der SPD-Fraktion NdsLT-Drucks. 16/3479, S. 1; s. auch Reck RaumPlanung 2011, 243 f. 58 NdsLT-Drucks. 16/3479, S. 1; s. auch Gottschalk (Fn. 2), S. 295 f. 59 NdsLT-Drucks. 16/3479, S. 1; s. auch Bauer DÖV 2012, 329 (335); Graf KommP Bay 2011, 214 (215 f.); Libbe/Hanke/Verbücheln (Fn. 5), S. 5; zu Bürgerwindparks Kruse/Leger ZUR 2012, 348, 354; dazu, dass auch private Vorhaben durchaus positive Effekte für die Kommunen haben können, Fest, Die Errichtung von Windenergieanlagen in Deutschland, 2010, S. 60 f. 60 Gottschalk (Fn. 2), S. 296; Reck RaumPlanung 2011, 243 (244); s. auch Lenk/Rottmann/Hesse (Fn. 17), S. 168. 61 Gottschalk, in: Schaefer/Theuvsen, Renaissance öffentlicher Wirtschaft, 2012, S. 291 (296); Reck RaumPlanung 2011, 243 (244); Richter (Fn. 22), S. 80. 62 Gottschalk (Fn. 61), S. 293; Held LKV 2010, 19 (21); Libbe/Hanke/Verbücheln (Fn. 5), S. 6; Reck RaumPlanung 2012, 243; Richter (Fn. 22), S. 76; s. auch NdsLTDrucks. 16/4855, S. 1. 63 Richter (Fn. 22), S. 78; Theobald/Templin (Fn. 50), S. 90 f. 64 Kaiser (Fn. 46), S. 159; Libbe/Hanke/Verbücheln (Fn. 5), S. 7; Richter (Fn. 22), S. 81; allgemein Burgi NdsVBl. 2012, 225 (226). 65 Kaiser (Fn. 46), S. 2; s. auch Gottschalk (Fn. 61), S. 296; Lenk/Rottmann/Hesse (Fn. 17), S. 170; Richter (Fn. 22), S. 80. 66 Danner, Der kommunale Querverbund, 2011, S. 44; Eversberg/Baldauf DStZ 2010, 358 (359); Theobald/Templin (Fn. 50), S. 91.
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steuerrechtlich günstig.67 Auch wird von Überlegungen bezüglich eines Wechsels zum öffentlich-rechtlichen Rechtsregime berichtet, um der kartellrechtlichen Missbrauchsaufsicht bei den Entgelten zu entgehen.68
V. Abwägung mit den Argumenten gegen eine Rekommunalisierung Die soeben für eine Rekommunalisierung genannten Gründe sind nur tragfähig, wenn sie sich innerhalb der rechtlichen Vorgaben bewegen. Dabei ist einzustellen, dass der europäische sowie der deutsche Normgeber die Stellschrauben für die Betätigung der öffentlichen Hand lockern, aber auch enger ziehen können.69 Soweit die Kommunen innerhalb der vom Recht gezogenen Grenzen über einen Entscheidungsspielraum verfügen, ob und inwieweit sie Leistungen der Daseinsvorsorge selbst, zusammen mit anderen Kommunen oder unter Einbeziehung Privater erbringen wollen, ist davon abzuraten, einfach pauschal auf die Argumente für eine Rekommunalisierung zu verweisen. Vielmehr bedarf es sorgfältiger Prüfung, inwieweit diese im konkreten Einzelfall zutreffen, sowie einer Abwägung mit etwaigen Nachteilen der Rekommunalisierung.70 Hat eine Kommune mit einer Privatisierung gute Erfahrungen gemacht, spricht Einiges für deren Fortführung. Wie die Vergangenheit gezeigt hat, gibt es ein ganzes Motivbündel, um kommunale Aktivitäten zu privatisieren. So kann die Einbeziehung Privater die öffentlichen Haushalte entlasten und gleichzeitig kann die Eigenverantwortung von Wirtschaft und Bürgern gestärkt werden; es kann für die öffentliche Hand sinnvoll sein, sich das Wissen Privater nutzbar zu machen; viele private Unternehmen sind in der Personalpolitik flexibler.71 Auch wenn die private Leistungserbringung gegenüber der öffentlichen Daseinsvorsorge nicht zwangsläufig besser sein muss, gilt Vergleichbares ___________ 67 Dazu Bauer DÖV 2012, 329 (335); Danner (Fn. 66), S. 44; Eversberg/Baldauf DStZ 2010, 358 (359); Held LKV 2010, 19 (21); Kaiser (Fn. 46), S. 21, 101; Stadtwerke der Zukunft IV, Konzessionsverträge. Handlungsoptionen für Kommunen und Stadtwerke, S. 65 ff. 68 Nachweise bei Libbe/Hanke/Verbücheln (Fn. 5), S. 9. 69 s. auch Bauer (Fn. 2), S. 24. 70 So auch Bauer (Fn. 2), S. 31; Dickertmann, in: Schaefer/Theuvsen, Renaissance öffentlicher Wirtschaft, 2012, S. 307 (314); Menges/Müller-Kirchenbauer ZfE 2012, 51; Röber (Fn. 36), S. 97. 71 Zu den diversen Motiven Brehme, Privatisierung und Regulierung der öffentlichen Wasserversorgung, 2010, S. 29 ff.; Erbguth, Allgemeines Verwaltungsrecht, 4. Aufl. 2011, § 29 Rn. 17; Schulze-Fielitz, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. 1, 2. Aufl. 2012, § 12 Rn. 93 f.; s. auch Kramer, in: Klug, Daseinsvorsorge durch Re-Kommunalisierung, 2011, S. 14.
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in die umgekehrte Richtung.72 Weil es gute Argumente für (eine Beibehaltung der) Privatisierungen, aber auch für Rekommunalisierungen gibt, müssen die demokratisch legitimierten Entscheidungsträger die Pro- und Contra-Argumente gegeneinander abwägen.73 Angesichts der diversen Bereiche für mögliche Rekommunalisierungen kann die Gewichtung der Argumente bereichsspezifisch unterschiedlich ausfallen.74 Beispielsweise hat die Monopolkommission Bedenken gegenüber mehreren Argumenten für Rekommunalisierungen im Energiebereich: Stadtwerke würden tendenziell nicht zu den günstigsten Anbietern gehören. Auch müssten sich die Kommunen bewusst sein, dass sich durch den Atomausstieg und die Forcierung der erneuerbaren Energien die Wettbewerbssituation eher verschärfen werde. Angesichts der Entgeltregulierung durch die Bundesnetzagentur seien ihre Gewinnmöglichkeiten begrenzt.75 Durch eine entsprechende Ausgestaltung der Rahmenbedingungen könne man private Betreiber durchaus in die Verfolgung politisch gewollter Ziele einbinden, etwa zur vermehrten Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien.76 Auch muss jede Kommune abklären, ob sie über die erforderlichen Finanzmittel für den Rückkauf der Netze – alleine oder zusammen mit anderen Gemeinden – verfügt.77 Selbst wenn es gute Beispiele für gelungene kommunale Zusammenarbeiten gibt und diese durchaus vorteilhaft sein können,78 müssen derartige Kooperationen nicht stets gelingen. Hat sich eine Kommune infolge der Privatisierung aus dem Energiebereich „verabschiedet“, muss sie sich die zwischenzeitlich verlorene Vertrautheit mit diesem Betätigungsfeld entsprechend zurückkaufen.79 Da es in der Vergangenheit immer wieder Kommunen gegeben hat, welche die Unternehmenssteuerung überfordert hat,80 sollte in einem möglichst ehrlichen Diskussionsprozess abgeklärt werden, was leistbar ist.81 ___________ 72
Röber (Fn. 36), S. 89. Ähnlich auch Libbe/Hanke/Verbücheln (Fn. 5), S. 22. 74 So auch Libbe/Hanke/Verbücheln (Fn. 5), S. 12. 75 BT-Drucks. 17/7181, S. 28; s. auch Gottschalk (Fn. 61), S. 296. 76 BT-Drucks. 17/7181, S. 28 f. 77 Dazu auch Gottschalk (Fn. 36), S. 299; zum Risiko der Gemeinden Richter (Fn. 22), S. 77 f.; zur massiven Verschuldung als Rekommunalisierungshindernis Naumann (Fn. 1), S. 77. 78 Näher zur Zusammenarbeit Gottschalk (Fn. 2), S. 302 unter Betonung der Gleichläufigkeit der Interessen; Röber VM 2009, 229 (237). 79 Libbe/Hanke/Verbücheln (Fn. 5), S. 22; dazu auch Meidlinger (Fn. 39), S. 57, 62; Stieger, in: Klug, Daseinsvorsorge durch Re-Kommunalisierung, 2011, S. 95 (97). 80 Naumann (Fn. 1), S. 77; Röber VM 2009, 229 (237). 81 Dazu, dass die Koordination und Kontrolle gerade kleine Kommunen überfordern könnte, Libbe/Hanke/Verbücheln (Fn. 5), S. 18 f. 73
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Aufgrund der vorhergehenden Ausführungen dürfte deutlich geworden sein, dass sich die Frage nach dem Ja oder Nein der Rekommunalisierung einer privatisierten Leistung nur unter eingehender Analyse der Bedingungen, denen sich die Kommune im Falle einer eigenen Betätigung in diesem Bereich ausgesetzt sieht, sowie der Anforderungen vor Ort treffen lässt.82 Auch muss sich die jeweilige Kommune über die mit der Rekommunalisierung verfolgten Ziele, wie etwa die steuerrechtliche Ausnutzung des kommunalen Querverbunds oder die von ihr erhoffte Senkung der Preise für eine Daseinsvorsorgeleistung, klar werden.83 Derartige Überlegungen benötigen ausreichend Zeit.84 In der Regel beschränkt sich die Rekommunalisierung nicht auf eine einmalige Entscheidung. Mit ihr wird ein Prozess eingeleitet, der sich von den ersten Überlegungen bis zum Abschluss über Jahre erstrecken kann.85 Damit nicht auch bei einer Rekommunalisierung später Erwartungen enttäuscht werden, sollten die mit der Entscheidung verfolgten Ziele möglichst in die Tat umgesetzt werden. Will eine Gemeinde durch die Rekommunalisierung mehr kommunale Akzente setzen, muss sie ihre Einfluss- und Steuerungsmöglichkeiten tatsächlich nutzen. Die Existenz eines Stadtwerks ist für sich allein kein Garant für mehr Klimaschutz.86 Dafür bedarf es einer an den erneuerbaren Energien ausgerichteten Unternehmenspolitik, der konkrete Maßnahmen folgen müssen. Mit den Worten von Röber ist für den Erfolg von Rekommunalisierungen die Qualität des öffentlichen Managements entscheidend. Es müsse auf jeden Fall vermieden werden, dass es wieder zu solchen Zuständen in den öffentlichen Unternehmen kommt, welche einst maßgeblich zu den Privatisierungsforderungen beigetragen haben.87
VI. Rechtliche Rahmenbedingungen für Rekommunalisierungen Ähnlich wie bei den Privatisierungen ist auch bei der Rekommunalisierung ein Geflecht von Rechtsvorschriften diverser Rechtsebenen zu beachten.88 Die Entscheidungsträger müssen abklären, ob ihr Vorhaben mit den Vorgaben des ___________ 82 Libbe/Hanke/Verbücheln (Fn. 5), S. 22; für die Notwendigkeit von Vergleichsanalysen im Einzelfall auch Bauer (Fn. 2), S. 31. 83 Diskussionsbeitrag von Peter Baumeister während der Tagung. 84 Held LKV 2010, 19 (22). 85 Menges/Müller-Kirchenbauer ZfE 2012, 51 (57). 86 s. auch Naumann (Fn. 1), S. 78, wonach die Unternehmen der öffentlichen Hand nicht per se der Corporate Social Responsibility verpflichtet sind. 87 Röber VM 2009, 229, 232 f.; zur früher unzulänglichen Steuerung ders. (Fn. 33), S. 188. 88 Bauer (Fn. 2), S. 24.
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Unionsrechts, des nationalen Verfassungsrechts sowie den einfachgesetzlichen Bestimmungen von Bund und Ländern vereinbar ist.89 Soll die Rekommunalisierungsmaßnahme in einem bestimmten Sachbereich erfolgen, können sich aus dem Fachrecht bedeutende Grenzen für die Aufgabenwahrnehmung ergeben.90 Beispielsweise kommt im Energiesektor § 46 EnWG hervorgehobene Bedeutung zu. Im Abfallrecht enthält § 17 KrWG eine detaillierte und komplizierte Regelung zur Überlassung von Abfällen an die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger aufgrund überwiegender öffentlicher Interessen.91 Da Rekommunalisierungen in verschiedenen Formen geschehen können, die Leistungserbringung z. B. durch eine öffentlich-rechtliche Anstalt, ein gemischtwirtschaftliches Unternehmen oder im Wege der interkommunalen Zusammenarbeit erfolgen kann, werden die rechtlichen Parameter für die Rekommunalisierung einschließlich des sog. Rekommunalisierungsfolgenrechts je nach konkret ins Auge gefasster Option anders ausfallen.92 1. Verfassungsrecht Die staatsleitenden Organe verfügen nach dem Grundgesetz über eine weite wirtschaftspolitische Gestaltungsfreiheit.93 Zwar lassen sich aus der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG sowie der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG die grundlegende Anerkennung von Privatinitiative und unternehmerischer Eigenverantwortung als Grundlage der Wirtschaftsordnung entnehmen.94 Nach ständiger Rechtsprechung vermitteln diese Grundrechte aber keinen Konkurrenzschutz gegen die öffentliche Hand. „In dem Hinzutreten des Staates oder wie hier einer Eigengesellschaft der Gemeinde als Konkurrent kann lediglich eine weitgehende systemimmanente Verschärfung des marktwirtschaftlichen Konkurrenzdrucks gesehen werden, vor der das Grundrecht der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) nicht bewahrt, solange dadurch nicht private Konkurrenz unmöglich gemacht wird.“95 Sieht man wie das Schrifttum in mancher wirt___________ 89
Bauer (Fn. 2), S. 24; ders. DÖV 2012, 329 (335); Gottschalk (Fn. 2), S. 294. Brüning, in: Bauer/Büchner/Hajasch, Rekommunalisierung öffentlicher Daseinsvorsorge, 2012, S. 59 (64); s. auch Bauer DÖV 2012, 329 (335); Gottschalk (Fn. 2), S. 295. 91 Dazu Bickenbach LKRZ 2012, 222 (224 ff.); Klement VerwArch 103 (2012), 218 ff. 92 Burgi NdsVBl. 2012, 225 (227). 93 BVerfGE 4, 7 (17 f.); 30, 292 (319); 50, 290 (338); Ziekow, Öffentliches Wirtschaftsrecht, 2. Aufl. 2010, § 3 Rn. 7. 94 Ziekow (Fn. 93), § 3 Rn. 7. 95 OVG Lüneburg GewArch 2008, 490 (491); s. auch BVerwGE 39, 329 (336 f.); BVerwG NJW 1995, 2938 (2939); Ziekow (Fn. 93), § 7 Rn. 61; zu den dogmatischen Bedenken an dieser Rechtsprechung Nierhaus, in: Mann/Püttner, Handbuch der kom90
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schaftlichen Betätigung einer Kommune einen Grundrechtseingriff in Art. 12 Abs. 1 GG, kann dieser jedenfalls aufgrund einer gesetzlichen, den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsprinzips genügenden Regelung gerechtfertigt sein.96 Nur selten finden sich im Grundgesetz Vorgaben, bei denen man wie bei Art. 87f Abs. 2 S. 1 GG zur Erbringung von Dienstleistungen im Bereich des Postwesens und der Telekommunikation durch private Anbieter ernsthaft diskutieren kann, ob sie einer Rückverstaatlichung bzw. Rekommunalisierung Grenzen setzen.97 Wollen sich die Kommunen wieder vermehrt selbst im Bereich der Daseinsvorsorge engagieren, können sie dabei grundsätzlich die Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG sowie die korrespondierenden Regelungen in den Landesverfassungen98 für sich in Anspruch nehmen.99 Durch diese wird den Gemeinden ein grundsätzlich alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft umfassender Aufgabenbereich zur eigenverantwortlichen Führung der Geschäfte in diesem Bereich zugestanden.100 Zu den örtlichen Angelegenheiten gehören gemäß ständiger Rechtsprechung „diejenigen Bedürfnisse und Interessen, die in der örtlichen Gemeinschaft wurzeln oder zu ihr einen spezifischen Bezug haben. Sie sind den Gemeindeeinwohnern gemeinsam, indem sie das Zusammenleben und das Zusammenwohnen der Menschen in der politischen Gemeinschaft betreffen.“101 Aufgrund der von der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie geschützten Organisationshoheit sind die Kommunen befugt, ihre Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft nicht nur einzeln, sondern auch gemeinsam mit anderen Gemeinden in den für die kommunale Zusammenarbeit zur Verfügung stehenden Formen zu erledigen („Kooperationshoheit“).102
___________ munalen Wissenschaft und Praxis, Bd. 2, 2011, § 40 Rn. 48 f.; Pünder/Dittmar Jura 2005, 760 (762 f.). 96 s. eingehend dazu die Abhandlung von Peter Baumeister in diesem Tagungsband. 97 Näher dazu Burgi NdsVBl. 2012, 225 (228); für eine Zulässigkeit des Marktzutritts Möstl, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz Kommentar, 64. Erg.-Lfg. Jan. 2012, Art. 87f Rn. 59; Uerpmann-Wittzack, in: von Münch/Kunig, Grundgesetz Kommentar, Bd. 2, 6. Aufl. 2012, Art. 87f Rn. 13; ablehnend Ruge, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, Grundgesetz Kommentar, 12. Aufl. 2011, Art. 87f Rn. 4; wohl auch Remmert, in: Epping/Hillgruber, Beck’scher Online-Kommentar zum Grundgesetz, Ed. 14 Std. April 2012, Art. 87f Rn. 6. 98 Siehe etwa Art. 71 Abs. 1 LVerf BW; Art. 78 Abs. 1 LVerf NRW; Art. 49 Abs. 3 Rh.-Pf. Verf; Art. 117 Abs. 3, 2 SaarlVerf. 99 Dazu Bauer (Fn. 2), S. 26; Burgi NdsVBl. 2012, 225 (227). 100 BVerwG NVwZ 2009, 1305 (1306). 101 BVerwG NVwZ 2009, 1305 (1306); s. auch BVerfGE 79, 127 (151 f.); BVerwGE 122, 350 (355). 102 BVerwGE 122, 350 (355); s. auch Burgi NdsVBl. 2012, 225 (227).
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Nach der nicht unumstrittenen Entscheidung des BVerwG zur Privatisierung eines Weihnachtsmarkts103 verbietet es die Selbstverwaltungsgarantie den Kommunen, ihre Handlungsspielräume zur wirksamen Wahrnehmung des ihnen zum Wohle der Gemeindeangehörigen anvertrauten örtlichen Wirkungskreises völlig aufzugeben. Damit die Gemeinden ihren Aufgabenbereich nicht aushöhlen, müssten sie sich bei einer Übertragung der Angelegenheiten des örtlichen Wirkungskreises auf andere zumindest Steuerungs- und Einwirkungsmöglichkeiten vorbehalten.104 Da die Rekommunalisierung die Gestaltungsmöglichkeiten der Kommunen verbessern soll, wird es bei derartigen Maßnahmen kaum Konflikte mit Art. 28 Abs. 2 GG geben. Im Übrigen darf die soeben zitierte BVerwG-Rechtsprechung nicht überinterpretiert werden. Denn das BVerwG brachte selbst zum Ausdruck, dass bei einer wirtschaftlichen Betätigung der Gemeinde, bei der von vornherein zweifelhaft sein kann, ob es sich um eine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft handelt, die Beantwortung der Frage nach einer Pflicht zur Wahrung und Sicherung des gemeindlichen Aufgabenbestandes anders ausfallen kann als bei einer schon lange in der bisherigen kommunalen Alleinverantwortung liegenden öffentlichen Einrichtung mit kulturellem, sozialem und traditionsbildendem Hintergrund.105 Zwar können sich die Kommunen bei einer Rekommunalisierungsentscheidung gegenüber staatlichen Maßnahmen zugunsten der Privatisierung – beispielsweise „sollen“ die saarländischen Gemeinden nach § 108 Abs. 6 S. 1 KSVG in regelmäßigen Zeitabständen die Möglichkeit materieller Privatisierungen wirtschaftlicher Unternehmen prüfen – auf die verfassungsrechtliche Selbstverwaltungsgarantie berufen.106 Da diese aber nur „im Rahmen der Gesetze“ gewährleistet wird und im Interesse anderer verfassungsrechtlicher Belange einschränkbar ist, lässt sich aus Art. 28 Abs. 2 GG keine zwingende Privilegierung in Richtung Privatwirtschaft ableiten.107 Des Weiteren kann bei der Entscheidung über eine Rekommunalisierung der unter anderem im Rechtsstaatsprinzip zu verortende Grundsatz der funktionsgerechten Organisation Bedeutung erlangen.108 Auf einen vereinfachenden Nenner gebracht sollen Tätigkeiten bzw. Entscheidungen grundsätzlich von denjenigen Organen, „die dafür nach ihrer Organisation, Zusammensetzung, ___________ 103 BVerwG NVwZ 2009, 1305 (1306 f.); s. dazu auch VGH Kassel LKRZ 2010, 184 ff.; Kahl/Weißenberger LKRZ 2010, 81 ff.; Katz NVwZ 2010, 405 ff. 104 BVerwG NVwZ 2009, 1305 (1307). 105 BVerwG NVwZ 2009, 1305 (1307). 106 Burgi NdsVBl. 2012, 225 (227). 107 Burgi NdsVBl. 2012, 225 (227), wonach Art. 28 Abs. 2 GG keinen Rekommunalisierungsimpuls vermittelt; Rh.-Pf. VerfGH DVBl 2000, 992 (996); ähnlich Libbe/Hanke/Verbücheln (Fn. 5), S. 14; s. auch Pogoda LKV 2012, 159 (162). 108 Bauer (Fn. 2), S. 26; Brüning VerwArch 100 (2009), 453 (464); Libbe/Hanke/Verbücheln (Fn. 5), S. 16.
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Funktion und Verfahrensweise über die besten Voraussetzungen verfügen.“109 Sofern keine gesetzgeberischen Festlegungen getroffen wurden,110 müssen die zuständigen Stellen ihre Befugnisse unter Berücksichtigung dieses Grundsatzes ausüben und die für die Befriedigung des jeweiligen öffentlichen Interesses am besten geeignete Form auswählen.111 Da die Kommunen auf Seiten des Staates stehen, müssen ihre Entscheidungen hinreichend demokratisch legitimiert sein.112 Nach einer erst vor kurzem ergangenen BVerfG-Entscheidung darf die Beleihung eines Privaten nicht zu einer Flucht aus der staatlichen Verantwortung für die Wahrnehmung staatlicher Aufgaben führen und bedingt deshalb eine entsprechende Beobachtungsund Kontrollpflicht des Privaten.113 Will eine Kommune eine privatisierte Leistung im Wege der Rekommunalisierung wieder an sich ziehen, ermöglicht ihr dies eine weitergehende Einflussnahme auf die zu erbringende Aufgabe. Eine Rekommunalisierung wird deshalb unter dem Gesichtspunkt des hier im Zusammenhang mit der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie zu sehenden Demokratiegebots in aller Regel keine Probleme bereiten.114 Völlig zu Recht wird jedoch hervorgehoben, dass der bloße Vorgang der Rekommunalisierung als solcher kein Garant für ein ausreichend demokratisches Legitimationsniveau ist. Deshalb müssen kommunale Unternehmen, insbesondere wenn sie in privatrechtlicher Rechtsform organisiert sind, durch die Gebietskörperschaften tatsächlich wirksam gesteuert und kontrolliert werden.115 Schließlich unterliegen die staatlichen Stellen bei ihrem Handeln dem Wirtschaftlichkeitsgebot,116 welches indirekt aus der Maßstabsnorm des Art. 114 Abs. 2 S. 1 GG für den Bundesrechnungshof117 sowie vergleichbaren Vor___________ 109
BVerfGE 68, 1 (86); dazu auch Hoffmann-Riem, in: ders./Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. 1, 2. Aufl. 2012, § 10 Rn. 39, 50. 110 Zur begrenzten Operationalisierbarkeit dieses Grundsatzes Hoffmann-Riem (Fn. 109), § 10 Rn. 50. 111 Brüning VerwArch 100 (2009), 453 (464); s. auch BVerwG NJW 1993, 2695 (2697 f.). S. auch Libbe/Hanke/Verbücheln (Fn. 5), S. 16, wonach dieser Grundsatz unter dem Vorbehalt des Möglichen und der vorhandenen Erkenntnisse steht. 112 s. auch Bauer (Fn. 2), S. 26; Brüning VerwArch 100 (2009), 453 (463 f.). 113 BVerfG NJW 2012, 1563 (1568 ff.); zu den kommunalen Kontroll- und Einwirkungspflichten auch VGH Kassel NVwZ-RR 2012, 566 (568 ff.). 114 Burgi NdsVBl. 2012, 225 (227). 115 Libbe/Hanke/Verbücheln (Fn. 5), S. 16; s. auch Brüning VerwArch 100 (2009), 453 (470 f.); Pitschas/Schoppa, in: Mann/Püttner, Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, Bd. 2, 2011, § 43 Rn. 12, 16, 30 ff.; zu den Steuerungsmöglichkeiten bei kommunalen GmbHs Pauly/Schüler DÖV 2012, 339 ff. 116 Bauer DÖV 2012, 329 (336). 117 Zur Bindungswirkung dieser Norm für die Exekutive Gröpl, in: ders., BHO/LHO, 2011, § 7 Rn. 15; zu den Befugnissen des Bundesrechnungshofs gegenüber den Ländern im Hinblick auf deren Haushaltsautonomie BVerfGE 127, 165 (208 ff.).
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schriften in den Landesverfassungen118 entnommen werden kann. Es wird in den Vorschriften des kommunalen Haushaltsrechts einfachgesetzlich ausgestaltet.119 Nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot muss ein angemessener Ausgleich zwischen Aufwand und Nutzen bestehen.120 Auch wenn die Rechtsverbindlichkeit des Wirtschaftlichkeitsprinzips außer Frage steht, verlangt dieser unbestimmte Rechtsbegriff eine Prognose von Seiten der staatlichen Stellen und lässt nicht stets eindeutige Schlussfolgerungen zu.121 Deswegen herrscht weitestgehend Konsens, dass die staatlichen Stellen bei ihren Entscheidungen über einen gewissen Spielraum verfügen.122 Weil der Wirtschaftlichkeitsgrundsatz nicht per se gegenüber anderen verfassungsrechtlichen Belangen vorrangig ist, hat der Gesetzgeber ihn mit und gegen andere Aufträge der Gemeinwohlverwirklichung abzuwägen.123 Insgesamt gibt die Verfassung für Entscheidungen über Rekommunalisierungen nur eine Rahmenstruktur vor.124 Primär sind die einfachgesetzlichen Vorschriften maßgeblich. Bei deren Handhabung sind selbstverständlich die verfassungsrechtlichen Vorgaben zu berücksichtigen. 2. Kommunalwirtschaftsrechtliche Vorschriften Ob und inwieweit sich eine Gemeinde im Energiesektor oder in der Daseinsvorsorge betätigen darf, ist dem Gemeindewirtschaftsrecht zu entnehmen. Da die Länder für das Gemeinderecht gesetzgebungsbefugt sind, kann die Rechtslage von Bundesland zu Bundesland variieren. Die Vorschriften über die wirtschaftliche Betätigung der Kommunen bezwecken einerseits den Schutz der Gemeinde und sollen andererseits einen angemessenen Ausgleich zwischen dem kommunalen Interesse an der Übernahme gewisser Tätigkeiten mit den grundrechtlichen Belangen privater Wettbewerber herstellen.125 Regelmäßig wird die Errichtung, der Betrieb oder die Erweiterung eines wirtschaftlichen Unternehmens der Gemeinden von drei Voraussetzungen abhängig gemacht ___________ 118 s. etwa Art. 83 Abs. 2 S. 1 LVerf BW; Art. 95 Abs. 3 S. 1 BerlVerf; Art. 70 Abs. 1 S. 1 NdsVerf; Art. 106 Abs. 2 S. 3 SaarlVerf. 119 s. etwa Art. 90 BayHO; § 90 LHO BW; § 90 HessLHO; § 90 NdsLHO. 120 Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 11. Aufl. 2011, Art. 114 Rn. 7; Libbe/Hanke/Verbücheln (Fn. 5), S. 16; näher dazu Brüning VerwArch 100 (2009), 453, (464 f.). 121 Gröpl (Fn. 117), § 7 Rn. 19. 122 Gröpl (Fn. 117), § 7 Rn. 19; Heintzen, in: von Münch/Kunig, Grundgesetz Kommentar, 6. Aufl. 2012, Art. 114 Rn. 24; Seewald, in: Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, 8. Aufl. 2006, I Rn. 306. 123 Gröpl (Fn. 117), § 7 Rn. 17. 124 s. auch Burgi NdsVBl. 2012, 225 (227). 125 Burgi, Kommunalrecht, 3. Aufl. 2010, § 17 Rn. 37; Geis, Kommunalrecht, 2. Aufl. 2011, § 12 Rn. 60 ff.; Schmidt (Fn. 6), Rn. 945.
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(sog. Schrankentrias):126 Zunächst muss ein öffentlicher Zweck das Unternehmen rechtfertigen bzw. erfordern.127 Weitere Voraussetzung ist, dass das jeweilige Unternehmen nach seiner Art und seinem Umfang in einem angemessenen Verhältnis zur Leistungsfähigkeit der Gemeinde und ihrem voraussichtlichen Bedarf steht. Dadurch soll verhindert werden, dass sich die Gemeinden mit einem Vorhaben in finanzieller und/oder politischer Hinsicht übernehmen.128 Auch wenn diese Schranke für leicht überwindbar gehalten wird, weil die Tatsachengrundlagen selten eindeutig feststehen würden und die Gemeinden bei der vorzunehmenden Bedarfs- und Finanzprognose über einen Beurteilungsspielraum verfügen,129 bildet sie zumindest in extremen Grenzfällen eine beachtliche Hürde für die kommunale Betätigung.130 Da mit dem Rückkauf der Energienetze erhebliche finanzielle Verbindlichkeiten für die Kommunen entstehen, wird mancherorts die Hoffnung geäußert, dass insbesondere die Kommunalaufsicht derartige Vorgänge kritisch prüfen möge und gegenüber evident abenteuerlich kreditfinanzierten Aktionen Vorbehalte anbringen bzw. diese unterbinden müsse.131 Die sog. Subsidiaritätsklauseln regeln, wann die Gemeinden eine Tätigkeit, die grundsätzlich auch von einem Privaten erbracht werden könnte, durch ein eigenes Unternehmen erbringen dürfen. Während viele Bundesländer lange Zeit das Regelungsmodell bevorzugt haben, wonach ein Tätigwerden der Kommune bereits dann ausgeschlossen ist, wenn ein privates Unternehmen den verfolgten Zweck „ebenso gut und wirtschaftlich“ wie sie erbringen kann (sog. echte oder qualifizierte Subsidiaritätsklausel),132 sind einzelne Bundesländer zwischenzeitlich wieder zur unechten bzw. einfachen Subsidiaritätsklausel133 zurückgekehrt. Bei dieser ist den Kommunen ein Tätigwerden erst dann verwehrt, wenn ein privates Unternehmen den verfolgten Zweck „besser und wirtschaftlicher“ als sie erfüllt bzw. erfüllen wird.134 ___________ 126 s. nur Nierhaus (Fn. 95), § 40 Rn. 7; Pogoda LKV 2012, 159; Schmidt (Fn. 6), Rn. 945. 127 Näher dazu Sodan/Ziekow, Grundkurs Öffentliches Recht, 5. Aufl. (2012), § 84 Rn. 8. 128 Dazu Burgi (Fn. 125) § 17 Rn. 45; Geis (Fn. 125), § 12 Rn. 79; Kruse/Leger ZUR 2012, 348 (355); Libbe/Hanke/Verbücheln (Fn. 5), S. 17. 129 Burgi (Fn. 125), § 17 Rn. 45; Geis (Fn. 125), § 12 Rn. 79. 130 s. auch Geis (Fn. 125), § 12 Rn. 79. 131 Pielow, in: Mann/Püttner, Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, Bd. 2, 2011, § 54 Rn. 23. 132 Z. B. § 108 Abs. 1 Nr. 3 SaarlKSVG; s. dazu Berghäuser/Gelbe KommJur 2012, 47; Nierhaus (Fn. 95), § 40 Rn. 13; Pogoda LKV 2012, 159. 133 Dazu Bauer (Fn. 2), S. 25; Berghäuser/Gelbe KommJur 2012, 47; Nierhaus (Fn. 95), § 40 Rn. 12; Pogoda LKV 2012, 159. 134 § 136 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 KSVG.
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Infolge des Gesetzes zur Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung wird in § 91 Abs. 3 BbgKVerf nur noch bestimmt, dass die Gemeinden im Interesse einer sparsamen Haushaltsführung dafür „sorgen“, dass Leistungen, die von privaten Anbietern „wirtschaftlicher“ erbracht werden können, auf diese übertragen werden. Sofern die Gemeindevertretung bzw. der Hauptausschuss aber eine eigene wirtschaftliche Betätigung „im öffentlichen Interesse für erforderlich“ hält, kann diese dennoch beschlossen werden, selbst wenn die private Leistungserbringung wirtschaftlicher wäre. Weil eine solche Entscheidung im öffentlichen Interesse ein Verzicht auf eine wirtschaftlichere Aufgabenerledigung bedeutet, müssen die Beschlussorgane ihre Entscheidung begründen.135 Im Schrifttum werden zum Teil Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit dieser neuen Ausgestaltung geäußert, weil sie die Berufsfreiheit unverhältnismäßig einschränke.136 Zwischenzeitlich haben manche Bundesländer die Energieversorgung, Wasserversorgung, den öffentlichen Personennahverkehr (§ 136 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 NdsKSG, § 85 Abs. 1 Nr. 3 Rh.Pf. GemO, s. auch § 107 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 GemO NRW ohne Herausnahme der Energieversorgung) sowie den Betrieb der Telekommunikationsleitungsnetze aus dem Anwendungsbereich der Subsidiaritätsklausel herausgenommen (§ 136 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 NdsKSG).137 Hier können sich die Gemeinden in den genannten Bereichen ohne Prüfung betätigen, wie sie im Leistungsvergleich mit privaten Anbietern abschneiden.138 Etwas zurückhaltender fällt die Neuregelung in § 121 Abs. 1a S. 1 HessGemO aus. Danach dürfen sich Gemeinden unabhängig von dem Subsidiaritätserfordernis ausschließlich auf dem Gebiet der Erzeugung, Speicherung und Einspeisung erneuerbarer Energien sowie der Verteilung von hieraus gewonnener thermischer Energie wirtschaftlich betätigen, wenn die Betätigung „innerhalb des Gemeindegebiets oder im regionalen Umfeld“ in Formen „interkommunaler Zusammenarbeit“ und „unter Beteiligung Privater“ erfolgt. Im Anwendungsbereich dieser Norm werden die Kommunen also von der Prüfung der ___________ 135 s. auch BbgLT-Drucks. 5/3023, S. 5; dazu auch Pogoda LKV 2012, 159 (161). Eine ähnliche Regelung findet sich in § 118 Abs. 2 SaarlKSVG, wonach das Ministerium auf Antrag der Gemeinde aus Gründen „überwiegenden öffentlichen Interesses“ eine Befreiung von den einschränkenden Anforderungen des § 108 Abs. 1-5 KSVG für die wirtschaftliche Betätigung erteilen kann. 136 So Pogoda LKV 2012, 159 (162 f.); ausführlich und differenzierend hinsichtlich der Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit der konkret in Rede stehenden Bereichsregelung die Abhandlung von Peter Baumeister in diesem Tagungsband. 137 Eine ähnliche Privilegierung findet sich in § 116 Abs. 2 GemO LSA; dazu LTDrucks. LSA 6/345, S. 4, s. zur niedersächsischen Regelung Freese NdsVBl. 2011, 299 (302). 138 Näher zur Frage der Verfassungsmäßigkeit dieser Regelungen die Abhandlung von Peter Baumeister in diesem Tagungsband.
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Nachrangigkeit ihrer Betätigung befreit.139 Die einengenden Anforderungen sollen dazu beitragen, dass sich die Kommunen auf ihre Kernaufgaben vor Ort konzentrieren.140 Die obligatorisch vorgesehene Beteiligung Privater mit der Vorgabe, dass der Anteil der Gemeinden 50 % nicht übersteigen „soll“, wurde zur Begrenzung des mit der Betätigung verbundenen finanziellen Risikos und der haushaltswirtschaftlichen Auswirkungen aufgenommen und soll insbesondere für bereits am Markt agierende Unternehmen eine Anreizfunktion für eine Zusammenarbeit mit der öffentlichen Hand ausüben.141 Zugleich möchte man so eine unerwünschte Konkurrenzsituation zwischen Privaten und Kommunen vermeiden.142 Unter den Voraussetzungen des Satzes 4 wird es den Gemeinden erlaubt, ihren Anteil an der neuen Gesellschaft entsprechend zu steigern.143 In Nordrhein-Westfalen wurde durch das Gesetz zur Revitalisierung des Gemeindewirtschaftsrechts eine separate Regelung zur Zulässigkeit energiewirtschaftlicher Betätigung eingeführt, um dadurch den kommunalen Energieversorgern überregionale Wettbewerbsmöglichkeiten zu sichern.144 Nach § 107a Abs. 1 S. 1 GemO NRW dient die wirtschaftliche Betätigung der Gemeinde in den Bereichen der Strom-, Gas- und Wärmeversorgung kraft Gesetzes einem öffentlichen Zweck. Gemäß Absatz 3 ist eine „überörtliche“ energiewirtschaftliche Betätigung zulässig, wenn sie in einem angemessenen Verhältnis zur Leistungsfähigkeit der Gemeinde steht und die berechtigten Interessen der von der Betätigung betroffenen kommunalen Gebietskörperschaften gewahrt sind. Will sich die Kommune im Ausland betätigen, ist eine Genehmigung der Aufsichtsbehörde einzuholen. Letztlich beruht die Balancierung des Verhältnisses zwischen der wirtschaftlichen Betätigung der Kommunen und der beruflichen Betätigung Privater auf einer (politischen) Abwägungsentscheidung des Landesgesetzgebers zwischen den verschiedenen konfligierenden verfassungsrechtlichen Gütern, insbesondere der Berufsfreiheit auf der einen und der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie auf der anderen Seite. Wie man bereits an der Benennung der Gesetze einzelner Bundesländer sehen kann, haben verschiedene Landesgesetzgeber zwischenzeitlich Maßnahmen zur Stärkung oder Revitalisierung der kommunalen Selbstverwaltung und damit auch der wirtschaftlichen Betätigung der Kommunen ergriffen. In diesen Ländern bestehen daher günstigere Rahmenbedingungen für Rekommunalisierungen im Daseinsvorsorgebereich. Nach Bauer ___________ 139
HessLT-Drucks. 18/4816, S. 3; s. auch Risch/Schweitzer LKRZ 2012, 173 (177). HessLT-Drucks. 18/4816, S. 3. 141 HessLT-Drucks. 18/4816, S. 3. 142 HessLT-Drucks. 18/4816, S. 3. 143 s. auch Risch/Schweitzer LKRZ 2012, 173 (178). 144 LT-Drucks. NRW 15/27, S. 2; dazu auch Burgi NdsVBl. 2012, 225 (229); s. zur wirtschaftlichen Betätigung im Ausland auch Wolff DÖV 2011, 721 ff. 140
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dokumentieren derartige Änderungen eine gesetzgeberische Umsteuerung in Richtung Kommunalwirtschaft.145 Ist nach den gemeinderechtlichen Vorschriften die wirtschaftliche Betätigung der Kommune möglich oder zulässig, muss sie sich Gedanken machen, welche Organisationsform dafür am besten in Betracht kommt. Ausgehend von den gemeinderechtlichen Vorschriften etwa zu den Eigenbetrieben oder Unternehmen in Privatrechtsform146 haben die Kommunen das ihnen regelmäßig auch bei dieser Entscheidung zukommende Ermessen ordnungsgemäß unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Vorgaben auszuüben.147 Für die Wahl einer privatrechtlichen Organisationsform werden regelmäßig die Schlagworte der Wirtschaftlichkeit und Effizienz genannt.148 Andererseits sind die kommunalen Kontrollmöglichkeiten bei den kommunalen Unternehmen in Privatrechtsform geringer,149 wobei je nach in Erwägung zu ziehender öffentlich-rechtlicher Organisationsform auch bei diesen die Steuerungsmöglichkeiten mehr oder minder groß ausfallen. 3. § 46 EnWG als Rekommunalisierungsmaßstab im Energiesektor Nach § 46 Abs. 2 S. 1 EnWG dauern Verträge der Gemeinden mit privatwirtschaftlichen Unternehmen über die Nutzung öffentlicher Verkehrswege für die Verlegung und den Betrieb von Leitungen, die zu einem Energieversorgungsnetz der allgemeinen Versorgung im Gemeindegebiet gehören, maximal 20 Jahre. Da viele Verträge zu Beginn der 1990er Jahre abgeschlossen wurden, steht eine große Anzahl von ihnen vor dem Auslaufen.150 Deshalb prüfen im Moment zahlreiche Gemeinden, ob die Energieversorgung auch künftig durch das bisherige bzw. ein neues Privatunternehmen oder durch die Gemeinde selbst fortgesetzt werden soll.151 Der gesetzlich vorgegebene 20-JahresRhythmus fördert zur Ermöglichung verbesserter Versorgungsbedingungen den Wettbewerb um die geschlossenen Versorgungsgebiete.152 Nach § 46 Abs. 3 ___________ 145
Bauer (Fn. 2), S. 26; ders. DÖV 2012, 329 (335). Zu den Eigenbetrieben § 114 GemO NRW; § 86 Rh.-Pf. GemO; § 109 SaarlKSVG; § 95 SächsGemO; § 106 GemO S-H; zu den Unternehmen in Privatrechtsform Art. 92 BayGemO; § 108 GemO NRW; § 87 Rh.-Pf. GemO, § 110 SaarlKSVG, § 96 SächsGemO. 147 Brüning VerwArch 100 (2009), 453 (461 ff.); Burgi NdsVBl. 2012, 225 (228). 148 Näher dazu Pitschas/Schoppa (Fn. 115), § 43 Rn. 10. 149 s. nur Pitschas/Schoppa (Fn. 115), § 43 Rn. 30. 150 Bauer DÖV 2012, 329 (333); Graf KommP Bay 2011, 214 (216). 151 Bauer DÖV 2012, 329 (333). 152 BGHZ 143, 128 (146); BGH NJW-RR 2010, 1070 (1071). 146
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S. 1 EnWG müssen die Gemeinden spätestens zwei Jahre vor Ablauf der Verträge ihr Auslaufen mit den näher umschriebenen Daten im Bundesanzeiger, unter den Voraussetzungen des Satzes 2 zusätzlich im Amtsblatt der Europäischen Union, bekannt machen. Soll ein Vertrag vor Ende der Vertragslaufzeit verlängert werden, sind die bestehenden Verträge vorzeitig zu beenden und ist dies ebenfalls öffentlich bekannt zu geben (§ 46 Abs. 3 S. 3 EnWG). Damit interessierte Personen sich über ihre Bewerbung für die Tätigkeit Klarheit verschaffen können, benötigen sie ausreichende Informationen über die technische und wirtschaftliche Situation des Netzes. Weil sich in der Vergangenheit die bisherigen Netzbetreiber nicht immer informationsbereit gezeigt haben,153 wird deren Informationspflicht nunmehr in § 46 Abs. 2 S. 4 EnWG explizit geregelt. Erwägt die Gemeinde eine Rekommunalisierung, muss sie sich im Vorfeld überlegen, welche Kosten mit einer solchen für sie verbunden sind. Gem. § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG hat der bisherige Energieversorger dem neuen die notwendigen Verteilungsanlagen zu übereignen. Trotz gewisser gesetzlicher Modifizierungen in § 46 EnWG wurde bedauerlicherweise von einer Präzisierung des Begriffs der „notwendigen“ Verteilungsanlagen abgesehen. Nach der neueren Rechtsprechung ist es für die Annahme solcher nicht nötig, dass diese ausschließlich von dem bisherigen Versorger genutzt werden. Angesichts des Wortes „notwendig“ lassen sich darunter auch gemischt genutzte Netze subsumieren.154 Überdies deutet der Gesetzestext nicht darauf hin, dass damit nur Stromleitungen für die Erfüllung der allgemeinen Anschlusspflicht für die Niederspannung gemeint sind.155 Die nunmehr vom Gesetzgeber explizit vorgesehene Übereignungslösung macht den Netzbetreiberwechsel praktisch handhabbarer.156 Sie vermeidet das Entstehen eines unübersichtlichen Flickenteppichs hinsichtlich der Eigentumsverhältnisse an den Netzbestandteilen nach mehreren zwanzigjährigen Konzessionsperioden.157 Anstelle der Übereignung kann der neue Energieversorger, wenn er es denn möchte, die Einräumung des Besitzes an den notwendigen Verteilungsanlagen verlangen (§ 46 Abs. 2 S. 3 EnWG). Im Gegenzug für die Übereignung kann der bisherige Energieversorger eine wirtschaftlich angemessene Vergütung verlangen (§ 46 Abs. 2 S. 2 EnWG). Obwohl der Gesetzgeber auch insoweit eine Klarstellung hätte vornehmen können, wird in den Gesetzesmaterialien das Ertragswertverfahren lediglich als eine geeignete Methode zur Wertbestimmung angesehen.158 Nach der KauferingEntscheidung des BGH wird das Abstellen auf den Sachwert, also den Wert, ___________ 153 154 155 156 157 158
BT-Drucks. 17/6072, S. 88. So OLG Frankfurt ZNER 2012, 188 (189); LG Hannover ZNER 2011, 203 (204). So LG Hannover ZNER 2011, 203 (204). LG Hannover ZNER 2011, 203 (204). LG Hannover ZNER 2011, 203 (204). BT-Drucks. 17/6072, S. 88.
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den ein gebrauchtes Wirtschaftsgut unter Berücksichtigung des aktuellen Neuwerts eines gleichwertigen Guts, seines Alters und seines Erhaltungszustands noch hat, nicht immer zu sachgerechten Ergebnissen führen. Denn eine nach kaufmännischen Grundsätzen handelnde Person wird nur dann an der Übernahme des Netzes interessiert sein, wenn die Übernahme der Stromversorgung unter Berücksichtigung der Anschaffungskosten für die Versorgungseinrichtungen, der sonstigen Kosten für die Stromversorgung einschließlich der zu erwartenden Einnahmen in absehbarer Zeit einen Einnahmeüberschuss erwarten lässt.159 Weil es bei einem Zurückbleiben des Ertragswerts hinter der Höhe des Substanzwerts regelmäßig kein Interesse an der Übernahme der Stromversorgung geben wird, tendiert die jüngere Rechtsprechung grundsätzlich dahin, in dem nach objektiven Kriterien zu bestimmenden Ertragswert die angemessene wirtschaftliche Vergütung zu sehen.160 Wie die Monopolkommission in ihrem Sondergutachten zutreffend hervorgehoben hat, unterliegen die Konzessionsverträge momentan nicht dem GWBVergaberecht. Denn sie haben keinen öffentlichen Auftrag über die Beschaffung von Liefer-, Bau- oder Dienstleistungen zum Gegenstand (s. § 99 Abs. 1 GWB).161 Die Gemeinden müssen lediglich die sich unmittelbar aus dem Primärrecht ergebenden Vergabeprinzipien beachten (s. dazu unter VI 5 a).162 Während bis vor kurzem keine Regelung zu den Auswahlkriterien für die Gemeinden existierte,163 sind sie nach dem neuen § 46 Abs. 3 S. 5 EnWG an die Ziele des § 1 EnWG gebunden. Sie müssen sich also bei ihrer Entscheidung an einer preisgünstigen, verbraucherfreundlichen, effizienten und umweltfreundlichen Energieversorgung ausrichten.164 Angesichts der Entflechtung von Vertrieb und Erzeugung beschränken sich diese Kriterien auf Aspekte des Netzbetriebs.165 Abgesehen von den ebenfalls zu beachtenden verfassungsrechtlichen Bindungen, respektive dem Gleichbehandlungsgrundsatz sowie den aus dem europäischen Primärrecht zu entnehmenden Vergabeanforderungen166 spricht die Ausgestaltung des § 46 Abs. 3 S. 5 EnWG dafür, dass der Bundesgesetzgeber die Entscheidungskriterien für die Kommunen abschließend vorgeben wollte.167 Denn es heißt nicht, dass die Gemeinden sich bei ihrer Auswahl „insbesondere“ von den Zielen des § 1 EnWG leiten lassen sollen. Deshalb entspricht ___________ 159
BGHZ 143, 128 (153). OLG Frankfurt ZNER 2012, 188 (190); LG Hannover ZNER 2011, 205. 161 BT-Drucks. 17/7181, S. 27. 162 Jasper/Biemann IR 2011, 50. 163 s. OVG Münster NVwZ-RR 2012, 415. 164 BT-Drucks. 17/6072, S. 88. 165 BT-Drucks. 17/6072, S. 88. 166 Burgi NdsVBl. 2012, 225 (231); dazu, dass nun eine Ergänzung um weitere Aufgaben wohl nicht mehr möglich sein wird, Jasper/Biemann IR 2012, 50 (51). 167 So auch Burgi NdsVBl. 2012, 225 (231). 160
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das für eine Rekommunalisierung genannte Argument, dem eigenen kommunalen Unternehmen eine Konzession allein zur Erzielung finanzieller oder politischer Vorteile zu verschaffen, nicht mehr der aktuellen Rechtslage.168 Mit den Worten von Burgi ist die Vergabe der Konzession „deutlich mehr als eine freie ‚Angelegenheit der Lokalpolitik‘“.169 Aus Gründen einer gesetzmäßigen Auswahlentscheidung sollten die Gemeinden frühzeitig ein an den Zielen des § 1 EnWG ausgerichtetes Konzept ausarbeiten.170 Möchte ein kommunales Unternehmen verstärkt auf die erneuerbaren Energien setzen, trägt dies zu einer umweltverträglichen und, wenn bei Vertriebsproblemen ein für alle gut greifbarer Ansprechpartner vor Ort sein wird, überdies zu einer verbraucherfreundlichen Energieversorgung bei. 4. Grenzen im Hinblick auf die Höhe der zu erbringenden Gegenleistung In letzter Zeit ist hinsichtlich der Höhe der von den Kunden der Daseinsvorsorgeleistung zu erbringenden Gegenleistung vermehrt die Frage in den Fokus der Aufmerksamkeit gerückt, ob und inwieweit Wasserversorgungsunternehmen im Falle des öffentlich-rechtlichen Rechtsregimes der kartellrechtlichen Missbrauchsaufsicht unterliegen. Da mancher Entscheidungsträger davon ausgeht, bei einem öffentlich-rechtlichen Agieren keiner derartigen Kontrolle zu unterliegen, sei auf die Unsicherheiten in Bezug auf die aktuelle Rechtslage hingewiesen. Gem. § 130 Abs. 1 S. 1 GWB unterliegen Unternehmen, die ganz oder teilweise im Eigentum der öffentlichen Hand stehen oder von ihr verwaltet oder betrieben werden, dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen.171 Bislang war jedoch die Ansicht vorherrschend, dass die öffentlich-rechtlich ausgestalteten Leistungsbeziehungen zu den Abnehmern grundsätzlich nicht dem Anwendungsbereich des GWB unterfallen.172 Begründet wurde dies u. a. damit, dass bei Wahl des öffentlich-rechtlichen Rechtsregimes die Gebühren und Beiträge gemäß landesrechtlicher Vorschriften nur unter Wahrung des Äquivalenzprinzips erhoben werden dürfen und ihre Kalkulation sowie Abrechnung der Kontrolle durch die Kommunalaufsicht und ggf. durch die Verwaltungsgerichte unterliegen.173 ___________ 168
Burgi NdsVBl. 2012, 225 (231). Burgi NdsVBl. 2012, 225 (231). 170 Burgi NdsVBl. 2012, 225 (231). 171 s. auch BGHZ 110, 371 (380 f.); BGH NJW 2012, 1150 (1151). 172 BGH NJW 1962, 196 (199); NJW 1964, 2208 (2209 f.); s. auch BT-Drucks. 17/9852, S. 47; Säcker NJW 2012, 1105 (1107). 173 BT-Drucks. 17/9852, S. 47; Säcker NJW 2012, 1105 (1107 f.). 169
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In seiner Entscheidung vom 18.11.2011 hat der BGH jedoch offen gelassen, ob er nicht in Zukunft sozusagen eine „doppelte“ Kontrolle auch durch die Kartellbehörden in Fällen befürworten wird, in denen die öffentlich-rechtliche und privatrechtliche Ausgestaltung der Leistungsbeziehungen wie bei der Wasserversorgung weitgehend austauschbar sind.174 Angesichts dieser Unsicherheiten ist deshalb der Bundesrat im Zuge des zurzeit diskutierten Entwurfs eines 8. GWB-Änderungsgesetzes für eine Klarstellung dahingehend eingetreten, dass öffentlich-rechtliche Gebühren und Beiträge keiner kartellrechtlichen Missbrauchskontrolle unterliegen.175 Die Bundesregierung hat dieses Ansinnen zum einen unter Berufung auf eine bereits früher erfolgte Stellungnahme zu einem Gutachten der Monopolkommission abgelehnt.176 Diese lautete: „Ebenso wie die Monopolkommission sieht die Bundesregierung mögliche Probleme, soweit in den derzeit nebeneinander existierenden Systemen von Gebühren und Preisen sowie den entsprechenden Aufsichtsgremien unterschiedliche Kriterien und Maßstäbe herangezogen werden. Die Gründe für die verschiedenen Aufsichtssysteme sind für den Bürger nur wenig transparent und unterschiedliche Kontrollmaßstäbe nur schwer vermittelbar.“177 Zum anderen will die Bundesregierung erst einmal die künftige BGH-Rechtsprechung abwarten.178 Die Rechtsentwicklung in diesem Bereich bleibt also spannend. Im Übrigen wird im Schrifttum vor Fehlvorstellungen hinsichtlich des öffentlich-rechtlichen Gebührenrechts gewarnt. Es handle sich bei diesem um ein reguliertes, ausgereiftes, bürgerfreundliches, kompliziertes und ebenfalls kontrolliertes Rechtsgebiet.179 Die Höhe der landesrechtlich zu erhebenden Gebühren darf nicht beliebig festgesetzt werden, sondern muss sachlich gerechtfertigt sein. Anerkannte Gebührenzwecke sind vor allem das Kostendeckungsprinzip,180 der Vorteilsausgleich und soziale Belange.181 Hinsichtlich des Auskunftsverlangens der Kartellbehörden nach § 59 GWB hat der BGH auch öffentlich-rechtliche Wasserversorgungsunternehmen als auskunftspflichtig betrachtet, damit die Behörden den nötigen Aufschluss über ___________ 174
BGH NJW 2012, 1150 (1151). BT-Drucks. 17/9852, S. 47. 176 BT-Drucks. 17/9852, S. 53. 177 BT-Drucks. 17/4305, S. 4. 178 BT-Drucks. 17/9852, S. 32; demnächst wird sich der BGH unter dem Az. KVZ 53/11 mit dieser Frage in Bezug auf die Entscheidung des OLG Frankfurt ZNER 2012, 194 ff. auseinanderzusetzen haben. Das OLG entschied, dass im Übergang von der bislang privatrechtlich organisierten Wasserversorgung im Wege der sog. Rekommunalisierung zu einem in hoheitlicher Regie betriebenen Eigenbetrieb die legitime Wahl einer von mehreren gesetzlich zugelassenen Rechtsformen der Versorgungstätigkeit liegt und darin nicht ohne Weiteres eine Umgehung des Kartellrechts gesehen werden kann. 179 Thimet KommP spezial 3/2010, 150 (155). 180 Näher dazu z. B. Thimet KommP spezial 3/2010, 150 (151). 181 BVerfGE 108, 1 (18 ff.). 175
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die Erlöse und Kosten von Wasserversorgungsunternehmen erhalten. Insoweit gehe es nicht darum, die Angemessenheit der Wasserpreise der öffentlichrechtlich tätigen Wasserversorger zu überprüfen; außerdem werde ihre öffentlich-rechtliche Tätigkeit durch derartige Verlangen nicht beeinträchtigt.182 An dieser Rechtslage soll ausweislich der Entwurfsbegründung des 8. GWB-ÄndG festgehalten werden. Als Adressat derartiger Auskünfte werden deshalb alle Wasserversorger unabhängig von ihrer Rechtsform und der Ausgestaltung der Leistungsbeziehungen zum Kunden angesehen. Denn für die tatsächliche Tätigkeit der Wasserversorgungsunternehmen sei es unerheblich, ob diese Gebühren oder privatrechtliche Entgelte verlangen würden.183 Auf diese Weise könnten die Kartellbehörden für ihre Prüfungen wichtige Informationen erlangen, wobei sie im Rahmen ihrer Vergleichsbetrachtungen durchaus der anderen Besteuerung oder Entgeltkalkulation Rechnung tragen könnten.184 Da der Bundesrat im Gesetzgebungsverfahren sich für die Länderinteressen stark macht, verwundert es nicht, dass er in seiner Stellungnahme zu diesem Gesetzgebungsprojekt u.a. um eine Klarstellung gebeten hat, dass die Zusammenlegung kommunaler Betriebe im Zuge einer kommunalen Gebietsreform keine kartellrechtliche Fusionskontrolle auslösen soll185 sowie allein die Trägerschaft mehrerer Unternehmen durch kommunale Gebietskörperschaften noch nicht zu einem kartellrechtlich relevanten Zusammenschluss oder Konzern führe.186 Nur am Rande sei erwähnt, dass das Bundeskartellamt in seiner „Untersuchung Gas-Konzessionsabgaben für die Belieferung von Haushaltskunden“ vom April 2012 zu dem Ergebnis gelangte, dass viele Stadtwerke gegenüber durchleitenden Drittlieferanten in den Fällen des § 2 Abs. 6 KAV hohe Konzessionsabgaben mit behindernder Wirkung erheben würden.187 Nach § 48 Abs. 1 EnWG müssen die Energieversorgungsunternehmen den Gemeinden für die Einräumung des Rechts zur Benutzung öffentlicher Verkehrswege für die Verlegung und den Betrieb von Leitungen zur unmittelbaren Energieversorgung der Letztverbraucher im Gemeindegebiet ein Entgelt bezahlen. Dabei kann die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Zulässigkeit und Bemessung dieser sog. Konzessionsabgaben regeln (§ 48 Abs. 2 EnWG). Nach § 1 Abs. 1 KAV ergibt sich die Zulässigkeit und Bemessung der Zahlung von Konzessionsabgaben der Energieversorgungsunternehmen i.S.d. § 3 Nr. 18 EnWG an Gemeinden und Landkreise aus der Verord___________ 182
BGH NJW 2012, 1150 (1151 f.). BT-Drucks. 17/9852, S. 26. 184 BT-Drucks. 17/9852, S. 26. 185 BT-Drucks. 17/9852, S. 41. 186 BT-Drucks. 17/9852, S. 41. 187 Bundeskartellamt, Untersuchung Gaskonzessionsabgaben für die Belieferung von Haushaltskunden, Bericht: April 2012, S. 9, 41. 183
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nung über Konzessionsabgaben für Strom und Gas (KAV). Während manche Kommune davon ausgegangen ist, dass sie im Falle des Betriebs des Netzes durch ein eigenes Unternehmen für Durchleitungen Dritter, die mit ihren Kunden Sonderverträge abgeschlossen haben, die erhöhte Konzessionsabgabe für Tarifvertragskunden erheben darf, kam vor geraumer Zeit das OLG Düsseldorf zu dem Ergebnis, dass der Netzbetreiber nach der Struktur der KAV nur die niedrigere Konzessionsabgabe für Sondervertragskunden gem. § 2 Abs. 3 Nr. 2 KAV erheben dürfe.188 Diese Entscheidung wird, sofern sie vom BGH gehalten wird,189 aller Voraussicht nach zu einem Rückgang der erwarteten Einnahmen führen. Zur Beurteilung der Rentabilität einer Rekommunalisierung ist deshalb unbedingt auf richtige Kalkulationsgrundlagen zu achten.190 5. Probleme mit unionsrechtlichem Hintergrund Das Unionsrecht überlässt die Festlegung der Trennlinie zwischen Staat und Wirtschaft grundsätzlich den Mitgliedstaaten.191 Wollen sich Kommunen wirtschaftlich betätigen, unterliegen sie dabei im Ausgangspunkt denselben Anforderungen wie Private. So hält Art. 106 Abs. 1 AEUV die Mitgliedstaaten dazu an, in Bezug auf öffentliche Unternehmen keine den Verträgen, insbesondere Art. 18, 101-109 AEUV widersprechenden Maßnahmen zu ergreifen. Nach Art. 107 Abs. 1 AEUV sind staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Begünstigungen, die den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, unzulässig. Nach Art. 119 Abs. 1 AEUV ist die Union dem Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb verpflichtet. Zunehmend wird man sich aber auch auf Unionsebene der Bedeutung der sog. Dienste von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse bewusst,192 die – so die EU-Kommission – „von staatlichen Stellen im Interesse der Allgemeinheit erbracht und von ihnen daher mit spezifischen Gemeinwohlverpflichtungen verknüpft werden.“193 So erlaubt Art. 14 S. 2 AEUV dem Europäischen Parlament und Rat die Festlegung bestimmter Grundsätze und Bedingungen in Bezug auf die Ausführung und Finanzierung dieser Dienste, um das allgemeine Interesse und die Einhaltung der Wettbewerbsvorschriften bei der Verwaltung der Dienste von allgemeinem Interesse miteinander in angemessenen Ausgleich ___________ 188
OLG Düsseldorf KommJur 2012, 61 (64). Im Moment ist diesbezüglich beim BGH eine Rechtsbeschwerde unter dem Aktenzeichen KVR 54/11 anhängig. 190 Zur realistischen Einschätzung der Markterwartung Renck RaumPlanung 2011, 243 (245). 191 Burgi (Fn. 26), D 73. 192 Libbe/Hanke/Verbücheln (Fn. 5), S. 13. 193 KOM(2003) 270 endg., S. 7 f. 189
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zu bringen.194 Nach Art. 36 GRCh anerkennt und achtet die Union den Zugang zu Dienstleitungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse. Im Protokoll Nr. 26 über Dienste von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse werden „insbesondere“ die wichtige Rolle und der weite Ermessensspielraum der nationalen Behörden hinsichtlich dieser Dienste, die Vielfalt der jeweiligen Dienstleistungen sowie die Unterschiede bei den Bedürfnissen und Präferenzen der Nutzer, einschließlich eines hohen Niveaus in Bezug auf Qualität, Sicherheit und Bezahlbarkeit, Gleichbehandlung und Förderung des universellen Zugangs und der Nutzungsrechte anerkannt. a) Rekommunalisierung und Vergaberecht Zugunsten einer Eigenerbringung gewisser Leistungen durch die Kommunen wird zudem genannt, dass im Unterschied zur Aufgabenübertragung auf Private kein kompliziertes Vergabeverfahren durchzuführen sei.195 Das „Vergaberecht“ umfasst die Gesamtheit der Regelungen, durch welche dem Staat, seinen Untergliederungen und Institutionen beim Kauf von Gütern oder der Inanspruchnahme von Leistungen auf dem Markt eine bestimmte Vorgehensweise vorgeschrieben wird.196 Es wird heute wesentlich durch sekundärrechtliche Vorgaben des EU-Rechts geprägt, die ab Erreichen bestimmter Auftragssummen, sog. Schwellenwerte, greifen.197 Zu den wichtigsten Regelungen des europäischen Vergaberechts zählen momentan die Richtlinie 2004/18/EG über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträge (nachfolgend VKR)198 sowie die Sektorenrichtlinie mit Sonderregelungen für die Auftragsvergabe im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste.199 Die europäischen Vergabeanforde___________ 194 Wernicke, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der EU, 2011, Art. 14 AEUV Rn. 12; zur Bedeutung von Art. 16 EGV Danner (Fn. 66) S. 84 ff. 195 I.d.R. Hüting/Hopp RdE 2011, 255; s. auch Pitschas/Schoppa (Fn. 115), § 43 Rn. 42. 196 Siegel, Europäisierung des Öffentlichen Rechts, 2012, Rn. 381; Ziekow (Fn. 93), § 9 Rn. 1. 197 Siegel (Fn. 196), Rn. 382 ff.; Ziekow (Fn. 93), § 9 Rn. 1; die ab 2012 maßgeblichen Schwellenwerte ergeben sich aus § 2 der Vergabeverordnung (BGBl. 2012 I 488) sowie aus Art. 1 Verordnung 1251/2011 zur Änderung der Richtlinie 2004/17/EG und 2009/81/EG im Hinblick auf die Schwellenwerte für die Auftragsvergabeverfahren, ABl. 2012 Nr. L 319, S. 43. 198 Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31.3.2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge, ABl. EG Nr. L 134, S. 114 ff. zuletzt geändert durch die Verordnung (EU) Nr. 1251/2011 der Kommission v. 30.11.2011, ABl. EU Nr. L 319, S. 43 ff. 199 Richtlinie 2004/17/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 31.3.2004 zur Koordinierung der Zuschlagserteilung durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-,
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rungen wollen der Bevorzugung einheimischer Bewerber bei der Auftragsvergabe entgegenwirken. Außerdem soll der Auftraggeber dem „wirtschaftlichsten“ Angebot den Zuschlag erteilen.200 Das sekundärrechtliche europäische Vergaberecht wird auf nationaler Ebene bei Erreichen der Schwellenwerte durch die §§ 97 ff. GWB, die Vergabeverordnung sowie die VOL/A-EG bzw. die VOB/A umgesetzt.201 Voraussetzung für die Anwendbarkeit dieser detaillierten Vergaberechtsregelungen ist das Vorliegen eines öffentlichen Auftrags i.S.d. § 99 GWB. Nach der Legaldefinition in § 99 Abs. 1 GWB fallen darunter entgeltliche Verträge von öffentlichen Auftraggebern mit Unternehmen über die Beschaffung von Leistungen, die Liefer-, Bau- oder Dienstleistungen zum Gegenstand haben, Baukonzessionen und Auslobungsverfahren, die zu Dienstleistungsaufträgen führen sollen. Da gem. Art. 17 VKR Dienstleistungskonzessionen nicht dieser Richtlinie unterliegen, beanspruchen die §§ 97 ff. GWB für sie keine Geltung. Allerdings hat die EU-Kommission Ende 2011 einen Vorschlag für eine Richtlinie über die Konzessionsvergabe vorgelegt,202 wonach künftig auch bei Dienstleistungskonzessionen EU-weite Ausschreibungen zwingend sind. Die geplante Richtlinie soll Verzerrungen des Binnenmarkts entgegenwirken sowie etwaige Unsicherheiten bei der Vergabe von Konzessionen im Interesse der Auftraggeber und Wirtschaftsteilnehmer vermindern.203 Art. 16 des Richtlinienvorschlags enthält eine Regelung zur „Laufzeit der Konzession“ und Art. 42 zur „Änderung von Konzessionen während ihrer Laufzeit“. Ob und wie dieses Regelungsvorhaben seinen Fortgang nehmen wird, bleibt abzuwarten. Die Monopolkommission hat in ihrem Sondergutachten dem Gesetzgeber die Prüfung der Aufnahme von Konzessionen zum Betrieb von Energieversorgungsnetzen in den Kreis der nach §§ 97 ff. GWB ausschreibungspflichtigen Sachverhalte angeraten.204 Demgegenüber hat der Bundesrat gegen den von der Kommission vorgelegten Richtlinienvorschlag die Subsidiaritätsrüge erhoben. Denn sie habe bislang nicht ausreichend die Notwendigkeit einer europäischen Regelung zu den Dienstleistungskonzessionen belegt.205 Auch der Ausschuss für Wirtschaft ___________ Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste, ABl. EG Nr. L 134, S. 1 ff. zuletzt geändert durch die Verordnung (EU) Nr. 1251/2011 der Kommission v. 30.11.2011, ABl. EU Nr. L 319, S. 43 ff. 200 EuGH NZBau 2008, 130 (132) Rn. 39; ZfBR 2010, 392 (396) Rn. 97; Ziekow, in: ders./Völlink, Vergaberecht, 2011, GWB Einl. Rn. 1; s. auch Burgi NdsVBl. 2012, 225 (230). 201 s. nur Burgi NdsVBl. 2012, 225 (230); Siegel (Fn. 196), Rn. 385 f.; Ziekow (Fn. 93), § 9 Rn. 6 ff. 202 KOM(2011) 897 endg. 203 KOM(2011) 897 endg., S. 2; s. auch den Erwägungsgrund (2) auf S. 10. 204 BT-Drucks. 17/7181, S. 28. 205 BR-Drucks. 874/11, S. 1 ff.
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und Technologie hat Bedenken, da eine solche Regelung gerade im Bereich der Trinkwasserversorgung letztlich mehr Bürokratie und Kosten für die Verbraucher bedeute.206 Deshalb solle die Bundesregierung bei den Verhandlungen auf die Wahrung der staatlichen Organisationshoheit, insbesondere des kommunalen Selbstverwaltungsrechts, sowie die praktische Handhabbarkeit des Richtlinienvorschlags achten.207 Bei Aufträgen mit grenzübergreifender Bedeutung unterhalb der Schwellenwerte oder Herausnahme aus den Vergaberichtlinien kommen die Grundfreiheiten der Art. 28 ff. AEUV sowie die daraus abgeleiteten Grundsätze der Gleichbehandlung, Nichtdiskriminierung, der gegenseitigen Anerkennung, Verhältnismäßigkeit und Transparenz zur Geltung.208 Auch wenn sich aus dem primärrechtlichen Transparenzgebot nicht immer eine Pflicht zur Ausschreibung ergibt, müssen die nationalen Stellen nach dem EuGH zugunsten der potenziellen Bewerber einen angemessenen Grad an Öffentlichkeit sicherstellen, der eine Öffnung der Konzessionen für den Wettbewerb einschließlich der Nachprüfung der unparteiischen Durchführung der Vergabeverfahren eröffnet.209 Der Ermessensausübung der nationalen Behörden sind insoweit Grenzen gesetzt, als die Konzessionsvergabe auf objektiven, nicht diskriminierenden und im Voraus bekannten Kriterien beruhen muss.210 Wegen des Grundsatzes der Gleichbehandlung müssen alle potenziellen Bieter die gleichen Chancen haben und somit denselben Bedingungen unterliegen.211 Um eine Annäherung an die Rechtslage oberhalb der Schwellenwerte zu vermeiden, bedürfen die primärrechtlichen Grundsätze einer restriktiven Auslegung.212 Angesichts dieser Reichweite der europarechtlich induzierten Vergabekriterien ist sorgfältig zu untersuchen, unter welchen Voraussetzungen ein Rekommunalisierungsvorgang vergaberechtsfrei ist. Da es für das Vorliegen eines öffentlichen Auftrags i.S.d. EU-Rechts unerheblich ist, ob zwischen den Parteien ein zivil- oder öffentlich-rechtlicher Vertrag geschlossen wird,213 und die öffentliche Hand nach § 98 GWB zu den öffentlichen Auftraggebern sowie in Art. 1 Abs. 8 VKR zu den sich um einen Auftrag bewerbenden Unternehmen gehören kann,214 geht der EuGH davon aus, dass allein der Umstand, dass der ___________ 206
BT-Drucks. 17/9069, S. 3. BT-Drucks. 17/9069, S. 3. 208 Erwägungsgrund (2) des Richtlinienvorschlags KOM(2011) 897 endg., S. 10; Losch VergabeR 2010, 163; Siegel (Fn. 196), Rn. 391 f. 209 EuGH EuZW 2010, 503 (505) Rn. 40 f.; EuZW 2012, 275 (277) Rn. 55. 210 EuGH EuZW 2010, 821 (824) Rn. 55; EuZW 2012, 275 (277) Rn. 56. 211 EuGH EuZW 2012, 275 (278) Rn. 57. 212 Siegel (Fn. 196), Rn. 393. 213 s. nur SEK(2011) 1169 endg., S. 4 f.; Ziekow (Fn. 93), § 9 Rn. 13. 214 Ziekow (Fn. 200), § 99 GWB Rn. 90. 207
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Dienstleistungserbringer eine vom Dienstleistungsempfänger verschiedene Körperschaft des öffentlichen Rechts ist, der Anwendung des EU-Vergaberechts nicht entgegensteht.215 Daher kann „im Fall von Aufträgen zwischen öffentlichen Auftraggebern nicht automatisch davon ausgegangen werden, dass sie vom Geltungsbereich des EU-Vergaberechts ausgenommen sind“.216 Andererseits will das Unionsrecht die öffentlichen Auftraggeber und Vergabestellen nicht in ihrer Freiheit beschränken, Aufgaben ihres Zuständigkeitsbereichs mithilfe eigener Ressourcen zu erfüllen.217 Der dem Rekurs auf die Grundfreiheiten zugrunde liegende Gleichbehandlungsgrundsatz wird lediglich betroffen, wenn es um die Tätigkeit eines Dritten für eine öffentliche Stelle, nicht jedoch um die Aufgabenerledigung mit Eigenmitteln der öffentlichen Stelle geht.218 Bei einer Aufgabenerledigung mit den eigenen Ressourcen der Verwaltung wird kein privates Unternehmen gegenüber seinen Wettbewerbern besser oder schlechter gestellt.219 Nimmt ein öffentlicher Auftraggeber eine öffentliche Aufgabe mit seinen eigenen Mitteln wahr und wird kein entgeltlicher Vertrag geschlossen, kommt demzufolge das EU-Vergaberecht nicht zur Anwendung, weil es sich um eine interne Angelegenheit einer einzigen juristischen Person handelt.220 Vergleichbar gestaltet sich die Rechtslage, wenn sich mehrere öffentliche Auftraggeber zur Wahrnehmung ihrer öffentlichen Aufgaben mit ihren Mitteln zusammentun.221 Laut der EU-Kommission haben öffentliche Auftraggeber, die eine Zusammenarbeit intendieren, oft große Schwierigkeiten bei der Unterscheidung, wann diese dem EU-Vergaberecht unterfällt und wann nicht.222 Im Laufe der Zeit haben sich zwei Konstellationen herausgebildet, bei denen die öffentlichen Stellen das Vergaberecht beiseite lassen können, weil sie eine öffentliche Aufgabe „mit ihren eigenen Mitteln“ erfüllen.223
___________ 215
EuGH, Rs. C-480/06, Slg. 2009, I-4747 Rn. 33; SEK(2011) 1169 endg., S. 5. SEK(2011) 1169 endg., S. 5; s. auch EuGH, Rs. C-107/98, Slg. 1999, I-8121 Rn. 50; Wagner/Piesbergen NVwZ 2012, 653 (654). 217 So explizit der Richtlinienvorschlag KOM(2011) 897 endg., S. 2; s. auch VG Saarland, Gerichtsbescheid vom 12.3.2008, Az. 11 K 246/05, Rn. 27; Ziekow (Fn. 200), § 99 GWB Rn. 93. 218 Ziekow (Fn. 200), § 99 GWB Rn. 94; s. auch Losch NSt-N 2011, 241 (242). 219 Ziekow (Fn. 200), § 99 GWB Rn. 94. 220 SEK(2011) 1169 endg., S. 6. 221 SEK(2011) 1169 endg., S. 6. 222 SEK(2011) 1169 endg., S. 3. 223 So die Bezeichnung in SEK(2011) 1169 endg., S. 6. 216
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aa) Ausschreibungsfreiheit von „vertikalen“ Inhouse-Geschäften Eine vertikale Zusammenarbeit zwischen zwei juristischen Personen der öffentlichen Hand ist vergaberechtsfrei, wenn der öffentliche Auftraggeber einen Auftrag an eine andere Stelle erteilt, die nur formal, jedoch nicht im Wesentlichen unabhängig von ihm ist.224 In der Teckal-Entscheidung hat der EuGH herausgearbeitet, dass Rechtsgeschäfte dann vergaberechtsfrei sind, wenn sie sich sozusagen „innerhalb eines Hauses“ (In-House-Geschäfte) vollziehen. Dazu muss (1.) der öffentliche Auftraggeber über die andere Stelle eine Kontrolle ausüben, die derjenigen über seine eigenen Dienststellen gleichkommt („Kontrollkriterium“). Außerdem muss (2.) diese Person zugleich ihre Wirtschaftstätigkeit „im Wesentlichen“ für den Auftraggeber, also die Kommune(n), erbringen („Wesentlichkeitskriterium“).225 Als Beispiel dafür sei genannt, dass eine Stadt in ihrem Gebiet Verkehrsdienste durch ein in ihrem Besitz und unter ihrer Kontrolle befindliches Unternehmen erbringt.226 Später hat der EuGH klargestellt, dass diese Kriterien auch gelten, wenn beide Teckal-Kriterien von zwei verschiedenen öffentlichen-Auftraggebern gemeinsam erfüllt werden.227 Sobald eine Privatperson an dem kommunalen Unternehmen beteiligt ist, gilt das Vergaberecht.228 Dies lässt sich u.a. damit erklären, dass die Anlage von privatem Kapital in einem Unternehmen auf mit privaten Interessen zusammenhängenden Überlegungen beruht und andersartige Ziele als öffentliche Interessen verfolgt.229 Möchte ein öffentlicher Auftraggeber mit einem öffentlich beherrschten Unternehmen zusammenarbeiten, dem – wenn auch nur in geringem Maße – ein Privater mit seinem Kapital angehört, sind folglich die unionsrechtlichen Vergaberechtsanforderungen maßgeblich.230 Ist der öffentliche Auftraggeber Alleineigentümer der „In-House“Einrichtung, kann dies ein Indiz dafür sein, dass er über sie die Kontrolle wie über eine eigene Dienststelle ausüben kann.231 In jedem Einzelfall ist zu klären, ob der öffentliche Auftraggeber gegenüber der aufgabenerledigenden Stelle tatsächlich über eine der administrativen innerorganisatorischen Fähigkeit ähnli___________ 224
SEK(2011) 1169 endg., S. 6 f. EuGH, Rs. C-107/98, Slg. 1999, I-8121 Rn. 50. 226 Beispiel nach SEK(2011) 1169 endg., S. 8. 227 EuGH, Rs. C-324/07, Slg. 2008, I-8457 Rn. 50; Rs. C-537/07, Slg. 2009, I-8127 Rn. 59; SEK(2011) 1169 endg., S. 8; s. auch OLG Frankfurt KommJur 2011, 462 (463); HansOLG NZBau 2011, 185 (186). 228 EuGH, Rs. C-26/03, Slg. 2005, I-1 Rn. 49; Hüting/Hopp RdE 2011, 255. 229 EuGH, Rs. C-26/03, Slg. 2005, I-1 Rn. 50; dazu auch Wagner/Piesbergen NVwZ 2012, 653 (655); Ziekow (Fn. 200), § 99 GWB Rn. 102. 230 Kaiser (Fn. 46), S. 93. 231 EuGH, Rs. C-340/04, Slg. 2006, I-4137 Rn. 37; SEK(2011) 1169 endg., S. 6. 225
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chen Fähigkeit zu ihrer Steuerung verfügt.232 Laut dem EuGH muss die beaufsichtigende Stelle dafür über die Möglichkeit verfügen, sowohl die strategischen Ziele als auch die wichtigen Entscheidungen der Einrichtung ausschlaggebend zu beeinflussen.233 Ist dies der Fall, ist es gleichgültig, ob die Kontrolle mit den Befugnissen des privaten oder öffentlichen Rechts ausgeübt wird.234 Im Coditel-Urteil judizierte der EuGH, dass die Kontrolle über die „In-House“Einrichtung im Falle ihrer Wirksamkeit auch gemeinsam durch mehrere öffentliche Auftraggeber ausgeübt werden kann.235 Selbst bei Mehrheitsbeschlüssen unter den öffentlichen Auftraggebern kann eine gemeinsame Kontrolle der Einrichtung gegeben sein.236 Trotz Alleinbeteiligung kann es an einer Kontrolle wie der über eine eigene Dienststelle fehlen, wenn der Verwaltungsrat der zu betrauenden Einrichtung mit sehr weitgehenden Vollmachten ausgestattet wurde, die er selbständig ausüben kann, und der Tätigkeitsbereich der Einrichtung auf das gesamte Land einschließlich des Auslands ausgeweitet wurde.237 Des Weiteren ist für die „In-House“ Ausnahme erforderlich, dass die kontrollierte Einrichtung ihre Wirtschaftstätigkeit im Wesentlichen für die kontrollausübende Einrichtung erbringt.238 Sobald eine von einer oder mehreren Körperschaften kontrollierte Einrichtung auf dem Markt agiert und sich im Wettbewerb mit anderen Unternehmen befindet, bleibt das EU-Vergaberecht anwendbar.239 Zur Erfüllung des Wesentlichkeitskriteriums muss jede andere Tätigkeit der kontrollierten Einrichtung „nebensächlich“ sein.240 Nach der EUKommission ist für die Beurteilung auf alle Tätigkeiten abzustellen, welche die kontrollierte Einrichtung für den öffentlichen Auftraggeber verrichtet.241 Infolgedessen sind bei einer „In-House“-Einrichtung, deren Anteile von mehreren Körperschaften gehalten werden, die für alle von ihnen erbrachten Tätigkeiten zu berücksichtigen.242 ___________ 232
Ziekow (Fn. 200), § 99 GWB Rn. 115; s. auch Hüting/Hopp RdE 2011, 255. EuGH, Rs. C-458/03, Slg. 2005, I-8612 Rn. 65; SEK(2011) 1169 endg., S. 10; Hüting/Hopp RdE 2011, 255; Ziekow (Fn. 200), § 99 GWB Rn. 114. 234 EuGH, Rs. C-107/98, Slg. 1999, I-8121 Rn. 50; SEK(2011) 1169 endg., S. 10. 235 EuGH, Rs. C-324/07, Slg. 2008, I-8457 Rn. 50; SEK(2011) 1169 endg., S. 10. 236 EuGH, Rs. C-573/07, Slg. 2009, I-8127 Rn. 63; SEK(2011) 1169 endg., S. 11. Näher zu den Konsequenzen der gewählten Rechtsform für die gewählte Kontrolle der Einrichtung SEK(2011) 1169 endg., S. 11 f. 237 EuGH, Rs. C-458/03, Slg. 2005, I-8612 Rn. 70; SEK(2011) 1169 endg., S. 10; s. auch Ziekow (Fn. 200), § 99 GWB Rn. 115 f. 238 SEK(2011) 1169 endg., S. 13. 239 SEK(2011) 1169 endg., S. 13. 240 EuGH, Rs. C-340/04, Slg. 2006, I-4137 Rn. 63 ff.; Ziekow (Fn. 200), § 99 GWB Rn. 132. 241 SEK(2011) 1169 endg., S. 13. 242 SEK(2011) 1169 endg., S. 14. 233
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bb) Ausschreibungsfreiheit bei einer horizontalen interkommunalen Zusammenarbeit Bislang gibt es kaum Entscheidungen des EuGH zur Beurteilung der horizontalen Zusammenarbeit von öffentlichen Auftraggebern. Im Schrifttum werden derartige Rechtsgeschäfte, bei denen keine gemeinsam kontrollierte Einrichtung zur Aufgabenwahrnehmung geschaffen wird, aufgrund ihres in der staatlichen Sphäre verbleibenden Charakters auch als In-State-Geschäfte bezeichnet.243 In seinem Urteil zur Stadt Hamburg, in dem es um einen Vertrag zur Zusammenarbeit bei der Abfallversorgung zwischen vier niedersächsischen Landkreisen und der Hansestadt Hamburg ging, stellte der EuGH fest, dass den öffentlichen Stellen für die gemeinsame Wahrnehmung ihrer öffentlichen Aufgaben vom Unionsrecht keine spezielle Rechtsform vorgeschrieben werde.244 Zugleich könne eine solche Zusammenarbeit öffentlicher Stellen das Hauptziel der europarechtlichen Vergaberechtsvorschriften nicht infrage stellen, „solange die Umsetzung dieser Zusammenarbeit nur durch Überlegungen und Erfordernisse bestimmt wird, die mit der Verfolgung von im öffentlichen Interesse liegenden Zielen zusammenhängen“.245 Aus dieser EuGH-Entscheidung ergibt sich mit aller Deutlichkeit, dass bei der rechtlichen Beurteilung zwischen der Begründung der Kooperation und ihrem Vollzug zu unterscheiden ist.246 Obgleich diese EuGH-Entscheidung nach Meinung der EU-Kommission auf vielen individuellen, für die Einzelfallentscheidung maßgeblichen Umständen beruhte und hier noch Vieles im Unklaren ist, hält sie unter folgenden drei Voraussetzungen eine vergaberechtsfreie interkommunale Zusammenarbeit für möglich: Erstens dürfe sich die Vereinbarung nur auf öffentliche Auftraggeber ohne – und dies ist vergleichbar mit der In-House-Rechtsprechung – Beteiligung von privatem Kapital beziehen.247 Zweitens müsse die Vereinbarung im Unterschied zu einem gewöhnlichen öffentlichen Auftrag auf einer echten Zusammenarbeit mit dem Ziel einer gemeinsamen Erfüllung einer gemeinsamen Aufgabe beruhen.248 Nach Meinung der EU-Kommission zeichnet sich diese gemeinsame Wahrnehmung von Aufgaben durch Beteiligungen und gegenseitige Pflichten aus, so dass gegenseitige Synergiewirkungen entstehen könnten.249 Daraus folge aber nicht, dass sich jeder der Kooperationspartner in gleichem Maße in die tatsächliche Aufgabenwahrnehmung einbringen müsse. ___________ 243 244 245 246 247 248 249
s. Ziekow/Siegel VerwArch 96 (2005), 119 (126); s. auch Kaiser (Fn. 46), S. 93. EuGH, Rs. C-480/6, Slg. 2009, I-4747 Rn. 47; SEK(2011) 1169 endg., S. 15. EuGH, Rs. C-480/6, Slg. 2009, I-4747 Rn. 47. Ziekow (Fn. 200), § 99 GWB Rn. 139. SEK(2011) 1169 endg., S. 15. SEK(2011) 1169 endg., S. 15; s. auch Losch NSt-N 2011, 241 (243). SEK(2011) 1169 endg., S. 16.
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Vielmehr könne die Zusammenarbeit „auf einer Aufgabenverteilung oder einer bestimmten Spezialisierung“ basieren.250 Folglich könnten bei einer Zusammenarbeit im Interesse einer gemeinsamen Abfallverwertung die Aufgaben durchaus so verteilt werden, dass der eine Kooperationspartner für die Abfallsammlung und der andere für die Abfallverbrennung verantwortlich sei.251 Schließlich müsse sichergestellt sein, dass die Zusammenarbeit nur durch Überlegungen im Zusammenhang mit dem öffentlichen Interesse bestimmt wird.252 Demnach wäre eine vornehmlich durch finanzielle Interessen geleitete interkommunale Zusammenarbeit nicht vergaberechtsfrei.253 cc) Zwischenfazit Heute gilt es als gesichert, dass die vertikale bzw. horizontale kommunale Zusammenarbeit unter Beachtung der vom EuGH dafür entwickelten Kriterien vergaberechtsfrei ist. Sofern keine Privaten in die Aufgabenerfüllung involviert werden, kann sich deshalb eine ganze Reihe von Rekommunalisierungsvorgängen außerhalb des Vergaberechts vollziehen.254 Insbesondere wenn eine Aufgabe in den kommunalen Raum zurückverlagert und zu diesem Zweck ein kommunales Unternehmen gegründet wird, über das die Gemeinde/n eine Kontrolle wie über eine eigene Dienststelle ausübt/ausüben, braucht kein Vergabeverfahren durchgeführt zu werden.255 Wegen der Vielgestaltigkeit denkbarer Rekommunalisierungen ist in jedem Einzelfall zu klären, ob es sich dabei um ein vergaberechtspflichtiges Vorhaben handelt.256 Auch wenn manche Landesgesetzgeber den kommunalen Unternehmen die überörtliche Betätigung erleichtern, ist stets im Blick zu behalten, dass der EuGH in zwei Rechtssachen das Vorliegen eines In-House-Geschäfts verneint hat, wenn bei der kontrollierten Einrichtung wegen ihrer Marktausrichtung und ihres Maßes an Selbständigkeit die Kontrolle durch die öffentlichen Auftraggeber nicht mehr gesichert erscheint.257 Nach dem von der EU-Kommission erstellten Leitfaden über die Anwendung des Vergaberechts bei der öffentlich-öffentlichen Zusammenarbeit wird in aller Regel die Marktorientierung fehlen, wenn sich der geographische Wirkungsbereich der kontrollierten Tätigkeit auf das Gebiet der öffentlichen ___________ 250
SEK(2011) 1169 endg., S. 16. SEK(2011) 1169 endg., S. 16. 252 SEK(2011) 1169 endg., S. 16. 253 SEK(2011) 1169 endg., S. 16; s. auch Losch NSt-N 2011, 241 (243). 254 So auch Burgi NdsVBl. 2012, 225 (230); zur Vorsicht mahnend bei der Rekommunalisierung der Energieversorgung Hüting/Hopp RdE 2011, 255 ff. 255 s. auch OLG Sachsen-Anhalt NZBau 2006, 58 (61). 256 s. auch OLG Frankfurt KommJur 2011, 462 (463). 257 EuGH, Rs. C-324/07, Slg. 2008, I-8457 Rn. 36; Rs. C-573/07, Slg. 2009, I-8127 Rn. 37. 251
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Auftraggeber beschränkt, in deren Besitz die Einrichtung steht und nur Aufgaben für den Auftraggeber wahrgenommen werden.258 Bei der überörtlichen Betätigung eines kommunalen Unternehmens besteht also die Gefahr der Verneinung des für die Annahme eines In-House-Geschäfts nötigen Kontrollkriteriums wegen der Marktausrichtung.259 Obwohl inzwischen mehrere EuGH-Entscheidungen zur Vergabefreiheit vorliegen, fehlt der Rechtsprechung noch in einzelnen Punkten die nötige Konturenschärfe.260 Dies gilt insbesondere für die Frage, wann eine „In-House“Einrichtung im Wesentlichen für ihre öffentlichen Auftraggeber tätig wird. So ist streitig, ob der auf dem Markt erzielte Umsatz unter 10 % liegen muss oder bis zu 10 % betragen darf.261 Zu mehr Klarheit könnten hier mögliche Änderungen in den EU-Vergaberichtlinien führen. Beispielsweise sieht Art. 15 Abs. 1 des Richtlinienvorschlags der Kommission über die Konzessionsvergabe unter bestimmten Voraussetzungen vor, dass eine Konzession, die von einem öffentlichen Auftraggeber oder einer Vergabestelle an eine andere juristische Person vergeben wird, nicht der Richtlinie unterfällt. Namentlich ist dies der Fall, wenn (1) der öffentliche Auftraggeber bzw. die Vergabestelle über die betreffende juristische Person eine Kontrolle ausübt, die derjenigen gleichkommt, die er bzw. sie über eine eigene Dienststelle ausübt, (2) mindestens 90 % der Tätigkeiten der juristischen Person für den öffentlichen Auftraggeber bzw. die Vergabestelle erbracht werden, der bzw. die die Kontrolle ausübt, oder für andere von ihm bzw. ihr kontrollierte juristische Personen geführt wird und (3) keine private Beteiligung an der kontrollierten juristischen Person besteht.262 Während nach der bisherigen EuGH-Rechtsprechung bei der Beurteilung des Wesentlichkeitskriteriums über den Umsatz hinaus alle quantitativen und qualitativen Aspekte zu berücksichtigen sind,263 soll gemäß Art. 11 Abs. 3 lit. d des Richtlinienentwurfs bei einem verbundenen Unternehmen nur noch der durchschnittliche Umsatz ausschlaggebend sein.264 Nach Art. 15 Nr. 4 des Richtlinienvorschlags soll eine Vereinbarung zwischen zwei oder mehreren öffentlichen Auftraggebern keine Konzession darstellen, wenn diese eine echte Zusammen___________ 258
(655). 259
SEK(2011) 1169 endg., S. 12; s. auch Wagner/Piesbergen NVwZ 2012, 653
Ziekow (Fn. 200), § 99 Rn. 124. Näher dazu Wagner/Piesbergen NVwZ 2012, 653 (656 f.). 261 Nachweise zur divergierenden Rechtsprechung bei HansOLG NZBau 2011, 185 (187); dazu auch Hüting/Hopp RdE 2011, 256; Losch NSt-N 2011, 241 (242 f.); Ziekow (Fn. 200), § 99 Rn. 132. 262 KOM(2011) 897 endg., S. 39. 263 EuGH, Rs. C-340/04, Slg. 2006, I-4137 Rn. 64; s. auch HansOLG NZBau 2011, 185 (186). 264 KOM(2001) 897 endg., S. 37; dazu auch Wagner/Piesbergen NVwZ 2012, 653 (655). 260
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arbeit der Beteiligten mit dem Ziel der gemeinsamen öffentlichen Aufgabenwahrnehmung begründet und wechselseitige Rechte und Pflichten umfasst. Des Weiteren darf die Vereinbarung nur durch Überlegungen im Zusammenhang mit dem öffentlichen Interesse bestimmt werden. Drittens dürfen die Beteiligten umsatzbezogen nicht mehr als 10 % ihrer im Zusammenhang mit der Vereinbarung relevanten Tätigkeiten auf dem offenen Markt ausüben. Außerdem darf die Vereinbarung keine anderen Finanztransfers zwischen den beteiligten öffentlichen Auftraggebern oder Vergabestellen als jene umfassen, welche die Erstattung der tatsächlichen Kosten der Bauarbeiten, Dienstleistungen oder Lieferungen betreffen. Letztlich darf keine private Beteiligung an den involvierten öffentlichen Auftraggebern oder Vergabestellen bestehen. Alles in allem bietet der Leitfaden der EU-Kommission über die Anwendung des EU-Vergaberechts bei einer öffentlich-öffentlichen Zusammenarbeit den Entscheidungsträgern zur Beurteilung der Vergaberechtsfreiheit von Rekommunalisierungsvorhaben eine wichtige Arbeitshilfe. Nichtsdestotrotz sollte man sich bewusst sein, dass dem EuGH hinsichtlich der Reichweite des Vergaberechts das letzte Wort zukommt. Wie die momentan diskutierten Vorschläge der Vergaberichtlinien zeigen, können sich im Zeitverlauf die Stellschrauben des EU-Vergaberechts für die Beurteilung von Rekommunalisierungen ändern. b) Kommunaler Querverbund und europäisches Beihilferecht Gem. § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG sind juristische Personen des öffentlichen Rechts und damit auch Kommunen hinsichtlich ihrer „Betriebe gewerblicher Art“ (BgA) unbeschränkt körperschaftssteuerpflichtig.265 Diese Besteuerung der öffentlichen Hand erfolgt im Interesse des Wettbewerbs, da die Nichtbesteuerung öffentlicher Unternehmen für diese zu einem Wettbewerbsvorteil gegenüber privatwirtschaftlichen Unternehmen führen würde.266 Nach den Festlegungen in § 4 KStG zu den Betrieben gewerblicher Art von juristischen Personen des öffentlichen Rechts gehören dazu auch solche Betriebe, die der Versorgung der Bevölkerung mit Wasser, Gas, Elektrizität oder Wärme sowie dem öffentlichen Verkehr dienen (§ 4 Abs. 3 KStG).267 Während im Normalfall das Einkommen für jeden einzelnen BgA ermittelt und davon ausgehend pro BgA die Körperschaftsteuer gegenüber der jeweiligen juristischen Person des öffentlichen Rechts gesondert festgesetzt wird, zielt der sog. kommunale Querverbund auf die Überwindung der auf den einzelnen BgA bezogenen Gewinner___________ 265
s. auch Droege VBlBW 2011, 41. Kaiser (Fn. 46), S. 95, 100; s. dazu auch Heinze/Kretz KStZ 2009, 208; Hüttemann FR 2009, 308 f. 267 Näher dazu Droege VBlBW 2011, 41 (42 f.); Kaiser (Fn. 46), S. 98 ff. 266
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mittlung ab.268 Hinter dem steuerlichen Querverbund steht der Gedanke, einzelne BgA zu einem einheitlichen BgA zusammenzufassen, um zwischen ihnen einen Verlustausgleich zu ermöglichen. Mit den Worten von Eversberg/Baldauf ist die Zusammenführung gewinn- und verlustbringender Betriebe vorteilhaft, „weil sich durch die Ergebnissaldierung die steuerliche Bemessungsgrundlage für die Festsetzung der Körperschaft- und Gewerbesteuer reduziert“.269 Durch das Jahressteuergesetz (JStG) 2009 wurde erstmals in § 4 Abs. 6 KStG explizit geregelt, unter welchen Voraussetzungen ein BgA mit einem oder mehreren BgAs zusammengefasst werden kann.270 Eine solche Zusammenfassung kommt in Betracht, wenn die BgAs gleichartig sind, z. B. bei zwei selbständig verwalteten Bädern.271 Eine Zusammenfassung ist auch möglich, wenn zwischen den BgAs nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse objektiv eine enge wechselseitige technisch-wirtschaftliche Verflechtung von einigem Gewicht besteht (z. B. bei einem Wärmekraftwerk, das über eine Rohrleitung zu einem Bad führt).272 Des Weiteren können die in § 4 Abs. 3 KStG aufgezählten BgAs zusammengefasst werden. Nachdem der BFH im Jahre 2007 entschieden hatte, dass die Übernahme einer dauerdefizitären Tätigkeit durch eine Eigengesellschaft einer juristischen Person des öffentlichen Rechts bei dieser zu einer bei der Einkommensermittlung zu berücksichtigenden verdeckten Gewinnausschüttung führt,273 sah sich der Gesetzgeber zur Reaktion veranlasst. Nach dem jetzigen § 8 Abs. 7 KStG wird auch durch verdeckte Gewinnausschüttungen das Einkommen des BgA eines Dauerverlustgeschäfts gemindert, soweit die wirtschaftliche Betätigung aus verkehrs-, umwelt-, sozial-, kultur-, bildungs- oder gesundheitspolitischen Gründen ohne kostendeckendes Entgelt erfolgt. Allerdings gilt dies bei Kapitalgesellschaften nur, wenn die Mehrheit der Stimmrechte unmittelbar oder mittelbar auf juristische Personen des öffentlichen Rechts entfällt und nachweislich ausschließlich diese Gesellschafter Verluste aus Dauerverlustgeschäften tragen. Ausweislich der Gesetzesbegründung ist eine solche Ergebnisverrechnung im Rahmen von Eigengesellschaften und auch in Betrieben gewerblicher Art für juristische Personen des öffentlichen Rechts vielfach ein wichtiger Gesichtspunkt bei der Finanzierung insbesondere der Daseinsvorsorgeleistungen.274 „Die Bereithaltung derartiger Leistungen fällt in den Aufgabenbereich der öffentlichen Hand und es besteht eine fakti___________ 268 Droege VBlBW 2011, 41 (44); Kaiser (Fn. 46), S. 101; zum grundsätzlichen Bezug des KStG auf den einzelnen Betrieb auch Rengers, in: Blümich, EStG, KStG, GewStG-Kommentar, 114. Erg.-Lfg. 2012, § 1 KStG Rn. 122. 269 Eversberg/Baldauf DStZ 2010, 358 (359). 270 Eversberg/Baldauf DStZ 2010, 358 (359). 271 Näher dazu Pinkos DStZ 2010, 96 (97). 272 Pinkos DStZ 2010, 96 (97). 273 BStBl 2007 II S. 961 ff. 274 BT-Drucks. 16/10189, S. 69.
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sche Erwartungshaltung seitens des Bürgers, dass solche Leistungen angeboten werden.“275 Bei einer Zusammenfassung mehrerer BgAs beurteilt sich der Verlustabzug nach § 10d EStG (§ 8 Abs. 8 S. 1 KStG). Da bei Kapitalgesellschaften sämtliche wirtschaftliche Tätigkeiten ohne Beschränkung auf die Kriterien des § 4 Abs. 6 KStG zusammengefasst werden können, wird für den Verlustausgleich eine Spartenrechnung vorgeschrieben (§ 8 Abs. 9 KStG). Demnächst wird der BFH zu klären haben, ob diese gesetzlichen Regelungen, wonach Gewinne aus einer wirtschaftlichen Betätigung eines BgA zur Finanzierung einer verlustreichen Tätigkeit eines anderen BgA verwendet werden dürfen, mit dem europäischen Beihilferecht kompatibel sind.276 Das europäische Beihilferecht soll einer Verfälschung des Wettbewerbs durch staatliche Unterstützung von Unternehmen entgegengetreten.277 Aus diesem Grund bestimmt Art. 107 Abs. 1 AEUV, dass mangels anderweitiger Bestimmungen in den Verträgen staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art mit dem Binnenmarkt unvereinbar sind, wenn durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige der Wettbewerb verfälscht wird oder zu verfälschen droht. Ein Unternehmen i.S.d. Art. 107 Abs. 1 AEUV ist bei jeder eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübenden Einheit unabhängig von ihrer Rechtsform und/oder der Art ihrer Finanzierung gegeben.278 Nach der Mitteilung der EU-Kommission vom 20.12.2011 ist es für Art. 107 Abs. 1 AEUV unerheblich, wie das mitgliedstaatliche Recht das jeweilige Unternehmen nach seinem Status einstuft.279 Ebenso wenig sei für das EU-Beihilferecht entscheidend, ob die zur Debatte stehende Einheit zur Erzielung von Gewinnen gegründet wurde.280 Da die Einstufung einer Einheit stets in Bezug auf eine bestimmte Tätigkeit erfolge, sei eine sowohl wirtschaftliche als auch nichtwirtschaftliche Tätigkeiten ausübende Einheit immer nur in Bezug auf Erstere als Unternehmen anzusehen.281 Deshalb ist dem FG Köln in seiner Annahme zuzustimmen, dass auch Städte und Gemeinden Unternehmen i.S.d. Art. 107 Abs. 1 AEUV sein können.282 Al___________ 275
BT-Drucks. 16/10189, S. 69. Das Verfahren wird unter BFH, Az. I R 58/11 geführt. 277 Bungenberg, in: Terhechte, Verwaltungsrecht der Europäischen Union, 2011, § 21 Rn. 14; Siegel (Fn. 196), Rn. 376 f.; Ziekow (Fn. 93), § 6 Rn. 17. 278 s. nur EuGH, Rs. C-67/96, Slg. 1999, I-5751 Rn. 77; EuZW 2006, 306 (310) Rn. 107 f.; K(2011) 9404 endg., S. 4; Bungenberg (Fn. 277), § 21 Rn. 35; Koenig/Busch GewArch 2011, 181 (183). 279 K(2011) 9404 endg., S. 4. 280 EuGH, Rs. C-49/07, Slg. 2008, I-4863 Rn. 27 f.; K(2011) 9404 endg., S. 4. 281 KOM(2011) 9404 endg., S. 4; dazu auch Danner (Fn. 66), S. 74. 282 FG Köln EFG 2010, 1345 (1350); s. auch Danner (Fn. 66), S. 213. 276
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lerdings gilt dies nur für wirtschaftliche Tätigkeiten, die im Angebot von Gütern und Dienstleistungen auf einem Markt bestehen.283 Ob für eine bestimmte Dienstleistung ein Markt (nicht) existiert, ist nicht immer einfach festzustellen. Obwohl mancher die Hoffnung hegte, die EU-Kommission würde in ihrer neuen Mitteilung einen Katalog beihilfeunverdächtiger Betätigungen des kommunalen Sektors definieren,284 hat sie hiervon abgesehen. Weil die Unterscheidung zwischen wirtschaftlichen und nichtwirtschaftlichen Tätigkeiten in engem Zusammenhang zu den politischen und wirtschaftlichen Gegebenheiten in den einzelnen Mitgliedstaaten steht,285 hat sich die EU-Kommission im Wesentlichen auf die Zusammenfassung der diesbezüglichen Rechtsprechung beschränkt. Bei einer Beihilfe i.S.d Art. 107 Abs. 1 AEUV werden dem begünstigten Unternehmen direkt oder indirekt Vorteile aus staatlichen Mitteln gewährt.286 Mithin muss die Beihilfe dem Staat oder einer seiner Untergliederungen zurechenbar sein.287 Dafür wird es als ausreichend erachtet, wenn die öffentliche Hand die Geschäftsführung eines Unternehmens beeinflusst und dieses mittels staatlicher Kontrolle hinsichtlich der Vorteilsgewährung steuert.288 Weil die Übertragung der dem Staat zurechenbaren Vorteile in vielfältigen Formen geschehen kann, fallen darunter nicht nur positive Leistungen, etwa durch direkte Zuschüsse oder Sachleistungen, sondern auch Maßnahmen, welche die Belastungen eines Unternehmens vermindern, z. B. Steuerbegünstigungen.289 Da nach Art. 106, 345 AEUV öffentliche Unternehmen grundsätzlich genauso wie private Unternehmen zu behandeln sind, darf deren unternehmerische Freiheit durch die Anwendung der beihilferechtlichen Vorschriften nicht mehr eingeschränkt werden, als dies aufgrund ihrer Sonderbeziehung zur öffentlichen Hand geboten ist.290 Aus diesem Grund werden vor allem solche Quersubventionierungen einen finanziellen Vorteil durch den Staat darstellen, die ein privater Unternehmer so nicht tätigen würde, z. B. bei dauerdefizitären Leistun___________ 283
EuGH, Rs. C-35/96, Slg. 1998, I-3851 Rn. 36; K(2011) 9404 endg., S. 5. Abgerufen über www.derenergieblog.de/alle-themen/energie/novelle-des-„monti“- pakets-für-eine-beihilfenrechtskonforme-finanzierung-von-kommunalen-daseinsvors orgeaufgaben-tritt-bereits-am-31-januar-2012-in-kraft (9.7.2012). 285 K(2011) 9404 endg., S. 5. 286 s. z. B. EuGH, Rs. C-53/00, Slg. 2001, I-9067 Rn. 16; K(2011) 9404 endg., S. 11. 287 Bungenberg (Fn. 277), § 21 Rn. 34; Danner (Fn. 66), S. 153; eingehend zur Zurechenbarkeit bei öffentlichen Unternehmen Koenig/Busch GewArch 2011, 181 (182 f.). 288 EuGH, Rs. C-482/99, Slg. 2002, I-4397 Rn. 37 f.; Danner (Fn. 66), S. 154 f. 289 Z. B. EuGH EuZW 2006, 306 (311) Rn. 132; K(2011) 9404 endg., S. 11; speziell zum Querverbund Kaiser (Fn. 46), S. 103 f.; Koenig/Busch GewArch 2011, 181 (182); Danner (Fn. 66), S. 157 f. 290 Danner (Fn. 66), S. 161. 284
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gen.291 Die Annahme einer Beihilfe setzt weiterhin voraus, dass durch den Vorteil eine Wettbewerbsverfälschung zumindest droht und der Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigt wird oder werden kann.292 Letzteres ist vor allem beim Bestehen einer Wettbewerbssituation zwischen dem begünstigten Unternehmen und solchen aus anderen Mitgliedstaaten möglich.293 Nach der EuGH-Rechtsprechung existiert keine fixe Größe für eine generelle Nichtbeeinträchtigung des Handels.294 Wie die Kommission in ihrer jüngsten Mitteilung hervorhob, hat sie schon mehrmals bei Tätigkeiten rein lokaler Natur eine Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten verneint, etwa wenn ein Schwimmbad überwiegend von den örtlichen Einwohnern genutzt wird oder bei einem ausschließlich für die örtliche Bevölkerung bestimmten Krankenhaus.295 Ob eine Quersubvention eines dauerdefizitären Schwimmbads den Wettbewerb verzerren oder den Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigen kann, richtet sich somit erheblich nach den Umständen des Einzelfalls.296 Der Tatbestand des Art. 107 Abs. 1 AEUV, nämlich der Beihilfecharakter einer staatlichen Maßnahme für eine öffentliche Dienstleistung wird heute verneint, wenn ihr eine marktgerechte Gegenleistung des Unternehmens gegenübersteht.297 Dafür müssen nach dem Altmark-Trans-Urteil des EuGH mehrere Kriterien erfüllt sein:298 Erste Voraussetzung ist, dass das Unternehmen tatsächlich mit der Erfüllung klar definierter gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen betraut sein muss. Des Weiteren müssen die Parameter für die Berechnung des Ausgleichs zuvor objektiv und transparent aufgestellt worden sein. Drittens darf der Ausgleich nicht über das hinausgehen, das erforderlich ist, um die Kosten der Erfüllung der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtung unter Berücksichtigung der dabei erzielten Einnahmen sowie eines angemessenen Gewinns aus der Erfüllung dieser Verpflichtung ganz oder zum Teil zu decken. Sollte die Auswahl des betrauten Unternehmens nicht in einem Vergabeverfahren erfolgen, ist die Höhe des erforderlichen Ausgleichs aufgrund einer Kos___________ 291
Test. 292
Danner (Fn. 66), S. 161, mit anschließenden Ausführungen zum Private Investor
K(2011) 9404 endg., S. 12; Bungenberg (Fn. 377), § 21 Rn. 33; Koenig/Busch GewArch 2011, 181 (183); Ziekow (Fn. 93), § 6 Rn. 37. 293 K(2011) 9404 endg., S. 12; Ziekow (Fn. 93), § 6 Rn. 37. 294 EuGH, Rs. C-280/00, Slg. 2003, I-7747 Rn. 81; K(2011) 9404 endg., S. 13. 295 K(2011) 9404 endg., S. 13. 296 So auch Kaiser (Fn. 46), S. 104 und S. 107, wonach die geografische Lage und das Tätigkeitsfeld separat betrachtet werden müssten. 297 Bungenberg (Fn. 277), § 21 Rn. 33; Ziekow (Fn. 93), § 6 Rn. 25. 298 EuGH, Rs. C-280/00, Slg. 2003, I-7747 Rn. 88 ff.; Rs. C- 206/06, Slg. 2008, I5497 Rn. 80 ff.; eingehend zur Tragweite dieser Neuausrichtung des Beihilfenbegriffs Danner (Fn. 66), S. 178 ff. und auf S. 192 ff. zur Bedeutung der einzelnen Kriterien.
Die Rekommunalisierung privatisierter Leistungen in Deutschland
219
tenanalyse zu bestimmen, die ein durchschnittlich geführtes Unternehmen bei der Erfüllung entsprechender Verpflichtungen hätte. Dabei dürfen die erzielten Einnahmen sowie ein angemessener Gewinn aus der Erfüllung dieser Verpflichtungen berücksichtigt werden. Diese Anforderungen werden in der Mitteilung der Kommission vom 20.12.2011 erläutert.299 Soweit die EU-Vorschriften keine Festlegungen zu Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse treffen, kommt den Mitgliedstaaten bei deren Festlegung und der Gewährung von Ausgleichsleistungen ein Ermessensspielraum zu.300 Nach Auffassung der EU-Kommission sollen sich Dienstleistungen, „die von unter normalen Marktbedingungen handelnden Unternehmen unter Bedingungen, die sich – z. B. im Hinblick auf den Preis, die objektiven Qualitätsmerkmale, die Kontinuität und den Zugang zu der Dienstleistung – mit dem öffentlichen Interesse, wie vom Staat definiert, decken, bereits zufriedenstellend erbracht werden oder erbracht werden können,“ nicht auf die Verpflichtung zur Erbringung öffentlicher Dienstleistungen abstützen lassen.301 In einer weiteren Mitteilung der EU-Kommission wird geregelt, unter welchen Voraussetzungen staatliche Beihilfen in Form von Ausgleichsleistungen für die Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse nicht nach Art. 108 Abs. 3 AEUV anmeldepflichtig sind, weil bei ihnen von einer Vereinbarkeit mit Art. 106 Abs. 2 AEUV ausgegangen werden kann (sog. Freistellungsbeschluss).302 In der Mitteilung der EU-Kommission über den Rahmen der Europäischen Union für staatliche Beihilfen in Form von Ausgleichsleistungen für die Erbringung öffentlicher Dienste werden die materiellen Kriterien präzisiert, unter denen sie Beihilfen für defizitäre Daseinsvorsorgeleistungen, die nicht unter den Freistellungsbeschluss fallen, als nach Art. 106 Abs. 2 AEUV mit dem Binnenmarkt vereinbar erklären kann.303 Was den kommunalen Querverbund anbetrifft, ist insbesondere die Ziffer 44 hinsichtlich der Buchführung hervorzuheben, wenn ein Unternehmen mehrere Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse oder daneben eine weitere ohne ein solches Interesse erbringt.304 Nach Nr. 46 kann der Mitgliedstaat entscheiden, dass Gewinne aus Tätigkeiten, bei denen es sich nicht um die betreffende Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse handelt, insbesondere aus Tätigkeiten, die von der erforderlichen Infrastruktur für die Erbringung der Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichen Inte___________ 299
K(2011)9404 endg., S. 15 ff. K(2011)9404 endg., S. 16; s. auch Danner (Fn. 66), S. 78 f. 301 K(2011)9406 endg., S. 5. 302 K(2011)9380 endg., S. 4. 303 K(2011)9406 endg., S. 4. 304 Zur Kürzung der bereitgestellten Mittel zur Quersubvention in der Praxis wegen des hohen administrativen Aufwands Kaiser (Fn. 46), S. 109 f.; näher zur Buchführung Koenig/Busch GewArch 2011, 181 (183 ff.). 300
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resse abhängen, ganz oder teilweise der Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse zuzuweisen sind.305 Schließlich wurde in der Verordnung (EU) Nr. 360/2012 der Kommission vom 25.4.2012306 festgelegt, dass der Gesamtbetrag einer De-minimis-Beihilfe an ein Unternehmen, das Dienstleistungen im allgemeinen Interesse erbringt, in drei Steuerjahren 500.000.- Euro nicht übersteigen darf (Art. 2 Abs. 2 UAbs. 1). Alles in allem ist bei der Beurteilung, ob eine Quersubventionierung eine unionsrechtlich unzulässige Beihilfe enthält, ein komplexes Prüfprogramm zu bewältigen. Ob die jüngst ergangenen Mitteilungen der EU-Kommission tatsächlich zu einer einfacheren und besseren Beurteilung der unter die Art. 107 ff. AEUV fallenden Vorgänge beitragen werden, 307 wird die Praxis zeigen. Auch wenn der Bundesgesetzgeber durch das JStG 2009 mit den neuen KStG-Normen zum Querverbund eher einen für Rekommunalisierungen günstigen rechtlichen Rahmen aufgestellt hat, bleibt abzuwarten, ob dieser dem unionsrechtlichen Beihilferecht standhalten wird. Die unteren Finanzgerichte sind bislang von der Unionsrechtskonformität der Regelungen ausgegangen, da es sich bei § 8 Abs. 7 KStG um keine neue Beihilfe i.S.d. Art. 108 Abs. 3 AEUV handle.308 Der EuGH hat jedenfalls in einer Reihe spezifischer Verfahren, die jedoch nicht den kommunalen Querverbund zum Gegenstand hatten, eine Quersubventionierung öffentlicher Unternehmen durch den Staat gebilligt.309 Beispielsweise urteilte der EuGH in der Rechtssache Ambulanz Glöckner, dass bei der Prüfung der Erforderlichkeit einer Beschränkung des Wettbewerbs davon auszugehen ist, „dass die Verpflichtung des mit dieser Aufgabe Betrauten, seine Dienstleistungen unter wirtschaftlich ausgewogenen Bedingungen sicherzustellen, die Möglichkeit eines Ausgleichs zwischen den rentablen und den weniger rentablen Tätigkeitsbereichen voraussetzt und daher eine Einschränkung des Wettbewerbs von Seiten einzelner Unternehmen in wirtschaftlich rentablen Bereichen rechtfertigt.“310 Im Moment sind beim EuGH mehrere Verfahren zu der Frage anhängig, ob die mit dem Gesetz über den unabhängigen Netzbetrieb verfolgten Ziele einer Unterbindung der Quersubventionierung im weiteren Sinne rein wirtschaftliche Interessen sind oder auch als Interessen nicht-wirtschaftlicher Art Beschränkungen des freien Kapitalverkehrs als zwingende Gründe des Allgemeininteresses rechtfertigen können.311 ___________ 305
K(2011) 9406 endg., S. 12. ABl. EU 2012 Nr. L 114, S. 8 ff. 307 Zweifelnd Kaiser (Fn. 46), S. 112. 308 FG Köln EFG 2010, 1345 (1349); SächsVG, Urt. vom 9.12.2010 – 1 K 184/07. 309 EuGH, Rs. C-320/91, Slg. 1991, I-2533 Rn. 17; Rs. C-340/99, Slg. 2001, I-4109 Rn. 52 ff.; Rs. C-83/01, Slg. 2003, I-6993 Rn. 33 ff. 310 EuGH, Rs. C-475/99, Slg. 2001, I-8089 Rn. 57. 311 Nachweise zu diesen Verfahren in ABl. EU 2012 Nr. C 151, S. 16. 306
Die Rekommunalisierung privatisierter Leistungen in Deutschland
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VII. Fazit Nach zwei Jahrzehnten, die sehr vom Thema der Privatisierung staatlicher Leistungen geprägt waren, erfährt seit geraumer Zeit die Rekommunalisierung privatisierter Leistungen vermehrt Aufmerksamkeit. Zutreffend wird vor einer „unreflektierten Rekommunalisierungseuphorie“ gewarnt, weil sowohl die Privatisierung als auch die Rekommunalisierung komplementäre Strategien zur Modernisierung des Gemeinwesens darstellen.312 In jedem Einzelfall ist nach einer sorgfältigen Analyse der Anforderungen vor Ort und Gewichtung der Pround Contra-Argumente zu entscheiden, ob eine einmal privatisierte Leistung rekommunalisiert werden und, wenn ja, in welcher Organisationsform dies geschehen soll.313 Mit den Worten von Pitschas/Schoppa gehören zu den entscheidungsrelevanten Faktoren nicht nur haushalts-, gesellschafts-, steuer-, personal- und haftungsrechtliche Entwicklungen, sondern z. B. auch sozialpolitische Belange der Daseinsvorsorge oder der Gewährleistungsverantwortung.314 Je nachdem, um welche zu rekommunalisierende Leistung es geht, können diverse Rechtsvorschriften verschiedener Rechtsebenen einschlägig sein. Auch wenn mancher Landesgesetzgeber die Rahmenbedingungen im Gemeindwirtschaftsrecht gelockert hat, kann daraus keinesfalls geschlossen werden, dass auch die bundes- oder europarechtlichen Vorschriften zum jeweiligen Daseinsvorsorgebereich gemeindefreundlich sind. Dies wird durch die Regelung in § 46 Abs. 3 S. 5 EnWG deutlich. Wie man an dem momentan im Gesetzgebungsverfahren befindlichen 8. GWB-ÄndG gut verfolgen kann, können sich einzelne Stellschrauben für die Betätigung der Kommunen schnell ändern. Bei den Entscheidungen über Rekommunalisierungen sollten deshalb die aktuelle und richtige Rechtsgrundlage zugrunde gelegt sowie absehbare Entwicklungen berücksichtigt werden. Dem jeweils zuständigen Gesetzgeber obliegt es, sowohl für Privatisierungen kommunaler Aktivitäten als auch für deren Rekommunalisierung adäquate Rahmenbedingungen zu schaffen.
___________ 312
Bauer (Fn. 2), S. 31; ders., DÖV 2012, 329 (337 f.). Bauer DÖV 2012, 329 (338); Libbe/Hanke/Verbücheln (Fn. 5), S. 21; Schäfer (Fn. 43), S. 77 f. 314 Pitschas/Schoppa (Fn. 115), § 43 Rn. 11. 313
Eine kritische Betrachtung über die Rekommunalisierung privatisierter Leistungen in der Republik Korea – einschließlich rechtsvergleichender Bewertungen mit denen im deutschen Recht Von Kil Joon Kyu
I. Weltweite Finanzkrise und kommunales Wirtschaftsrecht Seit dem Zusammenbruch des Ostblocks, bei dem auch das frühere Eis vom sog. kalten Krieg zwischen Westen und Osten relativ schnell geschmolzen ist, glaubt man generell, dass die Marktwirtschaft im Wirtschaftsleben eindeutig effizienter als die Wirtschaft unter den Einwirkungen des Staates ist und dass nicht diese, sondern jene wohl zur möglichst optimalen Allokation der knappen Ressourcen führen kann. Aufgrund dieser weltweiten Entwicklungen wird die sog. Globalisierung bis fast in jeden Bereich der Wirtschaft übermäßig ausgedehnt, indem sich die Entstaatlichung auch dementsprechend in so verschiedenen Bereichen und so tief ausbreitet. Das gilt für die meisten Industrieländer. Damit erlebt und erreicht die Welt eine hohe Blüte der Privatisierung inklusive Public Private Partnership. Sogar in Korea beherrscht die Privatisierung in dieser Regierungszeit die Staats- und Kommunalebene. Aber hat man im Zuge des Neoliberalismus fast vergessen, dass Menschen nicht nur ökonomisch als Homo oeconomicus, sondern auch egoistisch und nicht in allen Fällen rational sind.1 Die Handlungen der egoistischen, nicht sozialen Menschen erscheinen ohne genügende institutionelle Kontrolle oft als eine Korruption. Später ist noch eine Wende eingetreten. Die amerikanische Finanzkrise im Jahre 2008, die erst mit der Insolvenz einer US-amerikanischen Investmentbank, Lehman Brothers Holdings Inc., im Zuge der Subprime-Krise begonnen hat, wirkt sich unmittelbar auf der Weltwirtschaft aus, indem insbesondere die schon globalisierten Länder wie eine Reihe von Dominosteinen in denselben Krisen „umgefallen“ sind. In diese Finanzkrisen sind also nicht nur die Vereinigten Staaten geraten, sondern auch viele andere Länder einschließlich Euro___________ 1
Kil Joon Kyu, Die ökonomische Analyse des Rechts – Die Rezeption und die Anwendungen dieser Theorie in Deutschland, Han Yang Law Review, Vol. 9, 1998, S. 203 ff., S. 211.
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pa.2 Eine ihrer Ursachen ist klar herauszufinden: die Deregulierungen im Finanzwesen nach den früheren, zügellosen Globalisierungen bzw. Entstaatlichungen. Dieser Bankenkrise folgten ohne Pause die Finanzkrise und die Wirtschaftskrise. Die Lösungen sind dennoch schwer zu finden. In dieser Zeit haben die meisten Länder verzweifelt ihre verschiedenen Bemühungen fortgesetzt, um aus dieser Krise herauszukommen. Um die Wirtschaftskrise zu überwinden und dabei noch Arbeitsplätze sicherzustellen, haben die Staaten meistens ihre Ausgaben drastisch erweitert, wobei sie – wie nicht anders zu erwarten – direkt danach ihre Staatsverschuldung schneller als sonst vergrößerten. Fast alle Bemühungen und Versuche zur Verbesserung der krisenhaften Zustände führten konsequent zu den Verschlechterungen des staatlichen Finanzwesens. Hinzu kam noch das Marktversagen, angesichts dessen jedem Staat nichts blieb, als seinen Einfluss zu verstärken.3 Vor und nach den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts erfolgten häufig Privatisierungen in ganz Europa. Im Bereich des deutschen Kommunalwirtschaftsrechts werden auch viele Kommunalunternehmen privatisiert und ihre Märkte schneller liberalisiert. Vor allem in den 1990er Jahren in Deutschland wurden fast alle öffentlichen Unternehmen auf der Ebene des Staates und der Kommunen privatisiert. Zurzeit gibt es deshalb fast gar kein Staatsunternehmen. Also heutzutage in Deutschland bedeuten öffentliche Unternehmen meistens nur Kommunalunternehmen, denen sich Bürger nur bei Versorgung mit den Leistungen für die Daseinsvorsorge bedienen. Auch wenn die bisherigen Privatisierungen in Deutschland sehr eifrig und umfassend waren, ist die Rekommunalisierung wieder umstritten, was seit den Änderungen der Gemeindeordnung NW 1998 darauf zurückzuführen ist, dass aus anderen Gründen als einfachen Finanzkrisen bzw. wegen der knappen kommunalen Finanzen die Erweiterungen der wirtschaftlichen Betätigungen der Kommunen schon in Betracht zu ziehen sind. Die Situation der Kommunalunternehmen und die Spannungsverhältnisse zwischen Kommunal- und Privatunternehmen sind also in ganz umgekehrter Weise gewandelt. Während man bisher den öffentlichen Unternehmen der Kommunen Beschränkungen so leicht auferlegt hatte, um die Privatunternehmen im Wettbewerb unter Schutz zu stellen,4 halten Kommunen jetzt mehr Kommunalisierung für richtig. Die öffentlichen Unternehmen in der Republik Korea finden eine andere Situation als die in der Bundesrepublik Deutschland vor. Anders ausgedrückt ___________ 2
Joachim Wieland, Die Zukunft Europas – Krise als Chance, JZ 2012, S. 214 ff. Hartmut Bauer, Zukunftsthema „Rekommunalisierung“, DÖV 2012, S. 329 ff. 4 Anstatt vieler Joon Kyu Kil, Der Schutz Privater im Wettbewerb mit der öffentlichen Hand nach deutschem und koreanischem Recht, Diss. Köln, 1999. 3
Die Rekommunalisierung privatisierter Leistungen in Korea
225
kann man sagen, dass sie vor allem zu ziemlich anderen Entwicklungsphasen gehören.5 Also versucht die vorliegende Arbeit, den koreanischen Zustand der Kommunalunternehmen insbesondere in Verbindung mit Public Private Partnership und im Vergleich mit denen in deutschem Recht praktisch und theoretisch zu erörtern.
II. Begriff, Voraussetzungen und Hintergründe der (Re)kommunalisierung 1. Begriff und Bereiche der Rekommunalisierung Die Rekommunalisierung eines schon einmal privatisierten Unternehmens bzw. die der privatisierten Dienstleistungen ist begrifflich im Allgemeinen eine solche Behandlung bzw. ein solcher Prozess, wobei die privatisierten Dienstleistungen von Kommunen bzw. Kommunalunternehmen wieder betrieben werden. Die schon privatisierten Dienstleistungen werden wieder durch eine öffentliche Hand erbracht. Das ist die Rekommunalisierung i.e.S. Dabei wird ohne weiteres die Privatisierung der von Kommunen bzw. Kommunalunternehmen betriebenen Dienstleistungen vorausgesetzt. Aber wenn man die Kategorie der Privatisierung erweitert, reicht die Rekommunalisierung auch weiter. Dabei soll es sich um den Begriff und den Bereich der Privatisierung handeln, nach dem die Voraussetzungen und die Hintergründe der Rekommunalisierung erst genauer und ausführlicher verstanden werden können. Wenn Kommunalunternehmen in einem Staat gar nicht oder wenig privatisiert sind, handelt es sich nicht oder nicht ernsthaft um eine Rekommunalisierung der privatisierten Dienstleistung. Dann hängt der Begriff bzw. die Kategorie der Rekommunalisierung erstens von dem Begriff bzw. der Kategorie der Privatisierung ab. Wenn out-sourcing, die Beteiligung der Kommunen an den privaten Unternehmen und Public Private Partnership in die Kategorie der Privatisierung eingeschlossen wird oder sie als Privatisierung i.w.S. verstanden wird, weil beispielsweise Public Private Partnership unter der funktionalen Privatisierung verstanden6 und gegebenenfalls als öffentliche Unternehmen des Privatrechts i.w.S. eingeordnet werden
___________ 5
Zu den vier Wirtschaftsphasen im Zusammenhang mit öffentlichen Unternehmen Joon Kyu Kil, a.a.O., S. 18 f. 6 Kil Joon Kyu, A study on the Reform of private Finance Initiative Law (III) – Operation Regulation Policy, Korean Legislation Research Institute, 2009.10, S. 31.
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kann,7 kann die so weitreichende Bedeutung der Rekommunalisierung erfasst werden. 2. Voraussetzungen der Rekommunalisierung Zweitens ist das Konzept der Rekommunalisierung von dem Kommunalwirtschaftsrecht und der -praxis des jeweiligen Staates abhängig. Die Geschichte und die Situation des Kommunalwirtschaftsrechts einschließlich der Kommunalunternehmen entwickeln sich in den jeweiligen Staaten auseinander. Sind in einem Staat Kommunalunternehmen beispielsweise mehr privatisiert und in einem anderen Staat umgekehrt von Anfang an nur wenige Kommunalunternehmen vorhanden, können Unterschiede zwischen dem jeweiligen Verständnis augenfällig sein. Aus diesen Gründen wird in vorliegender Untersuchung nur über die koreanische Rekommunalisierung der privatisierten Leistungen im Vergleich mit denen im deutschen Recht berichtet.
III. Zustand der erwerbswirtschaftlichen Betätigungen der öffentlichen Hand in Korea 1. Koreanischer Zustand Vor der Diskussion über die Rekommunalisierung sollen wir zuerst den Zustand und die Entwicklungen der Wirtschaftsbetätigungen der öffentlichen Hand in Korea betrachten, so dass wir uns dieser ganz anderen Voraussetzungen der Rekommunalisierung als in Deutschland bewusst sein können. Zuerst ist der öffentliche Sektor in Korea, anders als in Europa und vor allem in Deutschland, von Anfang an nicht so groß gewesen. Daher sind Dienstleistungen zur Daseinsvorsorge in allen Bereichen, die in Deutschland meistens durch Kommunen erfüllt werden, dadurch nicht ganz, sondern nur teilweise abgedeckt. Sie werden in Korea in den Bereichen Autobahn, Staatsbahn, U-Bahn, Wasser, Landentwicklung usw. von der öffentlichen Hand betrieben. In Bereichen der Energieversorgung wird beispielsweise der Strom durch das Staatsunternehmen versorgt, allerdings erfolgt die Versorgung mit Gas dennoch durch die von Staatsunternehmen privatisierten Unternehmen. In Bereichen der Verund Entsorgung werden die Aufgaben bezüglich Wasser und Abwasser meistens durch Stadtwerke erfüllt, Müllabfuhr dennoch durch Privatunternehmen als ___________ 7
Kil Joon Kyu, Rechtsdogmatische Betrachtungen auf die Organisationsform der kommunalen Unternehmen, The Journal of Law & Politics Research, Vol. 4 No. 2, 2004.12, S. 476 ff.
Die Rekommunalisierung privatisierter Leistungen in Korea
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out-sourcing und die Kreislaufwirtschaft durch Kommunen. Im Verkehrsbereich wird die Staatsbahn durch Staatsunternehmen betrieben, die U-Bahn durch Kommunalunternehmen und die Busse durch Privatunternehmen. Die sonstigen Bereiche (kulturelle und soziale Tätigkeiten) werden meistens durch Privatunternehmen besorgt. Anders als in Deutschland sind die öffentlichen Sektoren in Korea ziemlich beschränkt. Das liegt hauptsächlich daran, dass sich die Republik Korea seit ihrer Gründung in fast jedem Bereich an den Vereinigten Staaten von Amerika orientiert hat. Zweitens herrschen in Korea die Globalisierung und damit der Neoliberalismus. Auch die heutige Regierung bekennt offen „unternehmensfreundlich!“ zu sein. Wegen der Auseinandersetzung zwischen Süd- und Nord-Korea gibt es in Süd-Korea nur einen schwachen linken Flügel. Aus diesem Grunde herrscht immer noch die Privatisierungsdebatte. Unter diesen Umständen wird nur die einseitige Vermehrung der Privatisierungsfälle in der öffentlichen Wirtschaft als die politische Tugend angesehen. Im Gegensatz dazu wird die Rekommunalisierung gar nicht diskutiert und ist sogar fremd. Nur teilweise werden die Meinungen gegen die Privatisierung bzw. eine Kommunalisierung vertreten. Drittens ist das faktische Übergewicht vom deutschen Recht im koreanischen Recht mit dem Fortschritt der praktischen Rezeption schon verwirklicht, obwohl die koreanische Politik und Wirtschaft an den Vereinigten Staaten von Amerika orientiert sind. Daher gibt es Kommunalunternehmen im Bereich von Wasser und Abwasser, Müllabfuhr usw. Trotz der heftigen Privatisierungen nach dem Neoliberalismus hat und entwickelt sich in der koreanischen öffentlichen Wirtschaft jedoch eine sehr ähnliche rechtliche Betrachtungsweise wie in Deutschland. Das kompliziert den Fall außerordentlich, der zum koreanischen Recht, vor allem zum Kommunalwirtschaftsrecht gehört. 2. Koreanisches öffentliches Wirtschaftsrecht In Korea unterscheidet man hinsichtlich der erwerbswirtschaftlichen Tätigkeiten des Staates i.w.S. bzw. des sog. öffentlichen Unternehmens, zwei Arten, d.h. Staatsunternehmen und Kommunalunternehmen. Auf der Ebene der Staatsunternehmen, im Zuge der Industrialisierung bzw. Modernisierung wie in der deutschen Entwicklungsperiode der öffentlichen Unternehmen, hat die koreanische Regierung als neu im Jahre 1945 gegründete Republik neben den Metallunternehmen in verschiedenen Bereichen der Industrie viele Staatsunternehmen betrieben. Die Staatsunternehmen erfüllten die Staatsaufgaben in den Bereichen der Metallindustrie, Autobahn, Bergwerk, Landentwicklung, Eisenbahn, Gas, Strom, Wohnungsbau, Versand, Telekomunikation usw. Einesteils waren sie später wegen des Wachstums der Privatwirtschaft oder des Handelsdrucks aus Amerika privatisiert und anderenteils sind sie bisher noch als Staatsunternehmen betrieben. Die Staatsunternehmen wer-
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den meistens aufgrund des speziellen Gesetzes als öffentliche Unternehmen des öffentlichen Rechts geregelt, die zurzeit jedoch teils in Aktiengesellschaften umgewandelt werden. Die Staatsunternehmen unterliegen dem Gesetz über das Betreiben der öffentlichen Institution. Ferner war auch ein Privatisierungsgesetz in Kraft eingetreten, das Gesetz über die Verbesserung der ManagementStruktur und Privatisierungen der öffentlichen Unternehmen. Dieses Gesetz setzte konkret sein Ziel fest, fünf öffentliche Unternehmen zu privatisieren. Die Kommunalunternehmen hatten sehr verschiedene Tätigkeitsbereiche, z. B. Wasser, Abwasser, Müllabfuhr, U-Bahn usw. Zu deren Regelung gilt in Korea nur das Gesetz über öffentliche Kommunalunternehmen. Da es in Deutschland nach meiner Beobachtung kein einheitliches Gesetz über Kommunalunternehmen gab, hatte Japan die Eigenbetriebsverordnung von Deutschland übernommen, die ohne direkte Verbindung mit der Gemeindeordnung ihre eigenen Artikel hatte, und unmittelbar bzw. umgehend das Gesetz über öffentlich betriebene Unternehmen in Kommunen im Jahre 1952 in Kraft gesetzt. Danach wurde das Gesetz auch in Korea 1969 verabschiedet. Zurzeit haben sich die Kommunalunternehmensrechte in beiden Ländern ziemlich verschieden entwickelt.8 Bei den koreanischen Kommunalunternehmen wurde dennoch nicht hauptsächlich die Privatisierung gewählt, sondern meistens eine neue Errichtung oder die Abschaffung der Kommunalunternehmen. Noch ein anderer Aspekt ist bei der Unterscheidung zwischen koreanischen und deutschen öffentlichen Unternehmen zu erkennen. Der Rechtsvergleich hat einen Ausgangspunkt wahrscheinlich in der Ordnungspolitik bzw. wie öffentliche und private Wirtschaft in die Volkswirtschaft eines Staates eingeordnet waren und sind. Es ist zu beachten, dass sich Deutsche traditionell aufgrund der Daseinsvorsorge an der öffentlichen Wirtschaft orientieren. Tatsächlich gab und gibt es gar keine offensichtliche Konzeption der Ordnungspolitik im Bereich der Verhältnisse zwischen Privatwirtschaft und öffentlicher Wirtschaft in Korea. Die Republik Korea hat sich im Allgemeinen fast nur an den Trends aus den Vereinigten Staaten von Amerika orientiert, so dass ihre Politik auch meistens wirtschaftswissenschaftlich analysiert wurde und sich gebildet hat. Dann dürfte die Privatisierung in Korea nur eine Mode bedeuten. Dritter Ansatzpunkt für die Rekommunalisierung ist die Public Private Partnership, die ursprünglich im Jahr 1992 als „Private Finance Initiative“ (PFI) in
___________ 8
Zum Unterschied zwischen koreanischen und japanischen Gesetzen Kil Joon Kyu, Die Tendenz und der Ausblick des koreanischen Kommunalwirtschaftsrechts, Public Law Journal, Vol. 13 No. 1, 2008. 5, S. 54 f.
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England entstand.9 Seit Ende der 1990er Jahre war auch in Korea die Public Private Partnership aktiv angewendet worden und wird aber jetzt sehr problematisch. Wegen der übermäßigen Einführung des Sicherungssystems der Minimalen Betrieblichen Erträge (Minimum Revenue Guarantee, MRG) für die Investmentunternehmer muss die koreanische Regierung zu viele Kompensationen gewähren. Sie betragen jährlich ca. 1 Milliarde Euro. Eine Kommune (namentlich In-cheon-City) bezahlt jährlich sogar fast 100 Mio. Euro. Bei der Privatisierung in Korea entwickelte und entwickelt sich die Praxis anders als in Deutschland. Privatisiert sind schon viele staatliche Unternehmen nach dem Wachstum der Privatwirtschaft, aber nur wenige Kommunalunternehmen. Am Anfang hatte die koreanische Regierung nur formell privatisiert, also öffentliche Unternehmen in Aktiengesellschaften umgewandelt, danach tatsächlich die vom Staat gehaltenen Aktien verkauft und dann endlich ihren Markt liberalisiert. Im Jahre 2012 sind in Korea 379 Kommunalunternehmen vorhanden.10 Kommunale Eigenbetriebe machen fast zwei Drittel der gesamten Kommunalunternehmen aus und erzielen im Allgemeinen wenige Überschüsse trotz der großen Defizite der Kommunalgesellschaft und -stiftung. Seit dem Jahr 2008 hat die neue Regierung zur Verkleinerung der Defizite oder Verbesserung des Betriebs die „Fortschrittspolitik der Kommunalunternehmen“ geplant, damit 26 Kommunalunternehmen verkauft, integriert und der Betrieb verbessert wird. Daher werden sie teilweise privatisiert.11 Inzwischen haben sich die Defizite der Kommunalunternehmen nur im Zeitraum dieser Regierung fast verdoppelt.12 Wenn man die Privatisierung der Kommunalunternehmen i.w.S. berücksichtigt, wird im Allgemeinen die Dienstleistung der Müllabfuhr als out-sourcing durch Private bereitgestellt. Zurzeit werden Schulen, Autobahnen usw. mit Public Private Partnership durch Private eingerichtet und gegebenenfalls betrieben. Wenn Public Private Partnership in die Privatisierung einbezogen werden, kann es sich in Korea dabei auch um die (Re)kommunalisierung handeln.
___________ 9
Anstatt vieler Kil Joon Kyu, A study on the Reform of private Finance Initiative Law (III) – Operation Regulation Policy, Korean Legislation Research Institute, 2009, S. 55 f. 10 1.8.2012 Newsshare. http://www.newsshare.co.kr/sub_read.html?uid=42844§ion=sc1. 11 Ministerium für Innen und Sicherheit, Aktionsplan für Fortschrittspolitik der Kommunalunternehmen, 2009. 12 13. 8. 2012 von Seoul ShinMun. http://www.seoul.co.kr/news/newsView.php?id= 20120813011009&spage=1.
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IV. Rechtsgrundlage und Grenze für die (Re)kommunalisierung der Dienstleistungen? 1. Daseinsvorsorge, Pflichten des Staates? Was ist das Wesen der öffentlichen Unternehmen? Eine Gewinnerzielung durch erwerbswirtschaftliche Betätigungen? Wegen der Finanzkrise der öffentlichen Hand versteht man meistens darunter die neue Tätigkeit oder die Erweiterung der Wirtschaftsbetätigungen. Nur mit einer Gewinnerzielung dürfte man theoretisch aber nicht diese Tätigkeiten der öffentlichen Hand legitimieren, da seit dem Steuerstaatsurteil eine reine erwerbswirtschaftliche Tätigkeit der öffentlichen Hand absolut verboten ist. Neben den kaufmännischen Tätigkeiten soll sie hauptsächlich öffentliche Zwecke verfolgen. Seit der deutschen Industrialisierung liegt der Schwerpunkt der öffentlichen Zwecke in der Daseinsvorsorge. In der Tat schreiben koreanische Kommunalunternehmen keine roten Zahlen, abgesehen von der städtischen Bodenentwicklung. Was ist dann die Daseinsvorsorge?13 Was sind Leistungen der Daseinsvorsorge? Sie sind nicht immer einheitlich festzustellen, weil sie sich historisch gewandelt haben. Aber man kann im Allgemeinen sich darunter vorstellen, dass Kommunen zur Daseinsvorsorge der Einwohner verschiedene Dienste mit der Hilfe von Kommunalunternehmen erbringen sollen. Als einen Ansatzpunkt für Dienstleistungen der Daseinsvorsorge kann man die Bestimmungen der Kommunalaufgaben bzw. kommunalen Angelegenheiten aufgrund des Kommunalverwaltungsgesetzes ansehen. Nach der allgemeinen Meinung bedeutet sie, dass der Staat den Bürgern zu ihrer Daseinsvorsorge die Dienstleistungen erbringen soll. Wenn dies einmal bejaht ist, stellen sich folgende Fragen: Erstens kann eine staatliche Pflicht daraus abgeleitet werden? Zweitens kann man eine rechtliche Grundlage der (Re)kommunalisierung in einer solchen staatlichen Schutzpflicht bzw. dem die Daseinsvorsorge verankerten Sozialstaatsprinzip finden? Drittens kann man eine staatliche Pflicht auch unter einem Aspekt des Rechtsvergleichs für möglich halten, dass die Daseinsvorsorge als ein universales Rechtsinstitut, -gedanke oder -prinzip weltweit gültig wäre? In den Vereinigten Staaten von Amerika ist es nur zum Teil richtig z. B. im Bereich von Wasser, Abwasser oder Müllabfuhr, zum Teil falsch z. B. im Bereich vom Telekommunikation, Energie, Medien oder Banken. Dann ist sie nur eine deutsche oder westeuropäische Tradition? ___________ 13
Zur deutschen Daseinsvorsorge Kil Joon Kyu, Das Leben von Ernst Forsthoff und Gedanken der Daseinsvorsorge – Das Leben und Gedanken eines NS-Rechtswissenschaftlers, Public Law Vol. 37 No. 4, 2009.6, S. 257 ff.; ders., Der Wandel der Daseinsvorsorge unter der Globalisierung, Public Law Journal, Vol. 7 No. 5, 2006. 12, S. 343 ff.
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Ob eine Dienstleistung durch eine öffentliche Hand erfüllt wird, ist abhängig von der Rechtspolitik und -tradition des jeweiligen Staates. Auch in Korea denkt man überhaupt nicht daran, dass aus der Daseinsvorsorge eine absolute Pflicht der Dienstleistungen des Staates abgeleitet werden muss, weil das Sozialstaatsprinzip in Korea noch nicht so beherrschend ist. Ferner können Dienstleistungen der Daseinsvorsorge trotz der Privatisierung durch Privatunternehmen bereitgestellt werden. Dabei bleibt die Verantwortung für die Dienstleistungen bei dem Staat; das ist die Gewährleistungsverwaltung. Aus diesem Grunde können die Grundlagen der (Re)kommunalisierung nicht unbedingt unmittelbar aus der Daseinsvorsorge abgeleitet werden. 2. Alternative zur Privatisierung? Seit der Finanz- und Wirtschaftskrise, die vor allem aus Marktversagen besteht, denkt man als eine Alternative zur Privatisierung an eine Verstaatlichung. Umgekehrt darf man dabei nicht vergessen, dass die Privatisierungswelle als eine der Folgen des Staatsversagens erscheint. Damals war die Regierung unfähig, die Leistung effizienter zu erbringen, weil sie einerseits die Bürokratie nicht vermeiden und andererseits wegen der demokratischen Legitimation nicht schnell entscheiden konnte. Aus diesem Grunde setzt der Politikrat seine Hoffnung auf schnellere und effizientere Dienstleistungen und mindere Haushaltslast bzw. die Entlastung des Haushalts. Als Vorteile der Privatisierung hoffte man damals auf schnellere Dienstleistungen, günstigere Preise, bessere Qualität, bessere Dienstleistungen durch privates Know-How und flexible Organisation. Aber man dachte vor der Privatisierung gar nicht daran, dass sich private Unternehmen grundsätzlich an dem Gewinn orientieren und daher immer wirtschaftlich betätigen. Ferner können sie nicht die Unterstützungen der öffentlichen Hand bekommen, die die Stellen der öffentlichen Hand in ganzen Bereichen genießen. Wenn sie nicht transparent und verfahrensrechtlich vollständig kontrolliert sind, kann auch das Problem der Korruption oder Privilegierung erscheinen. Aus diesem Grunde sind manche Privatisierungen ernüchtert und im Laufe der Zeit allmählich gescheitert. Vor allem ist es zurzeit weltweit sehr umstritten, ob die privaten Dienstleistungen nach der Privatisierung tatsächlich preiswerter und besser erbracht werden. Zur diesen Fragen kommt noch eine koreanische Besonderheit hinzu, dass sich die Privatwirtschaft in Korea schon überflüssig betätigt. Die heutige Regierung ist schon so unternehmerfreundlich und hat von Anfang an viel mehr Privatisierungen geplant. In diesem Kontext kann man rechtsvergleichend zwischen Korea und Deutschland einen Fall der Wasserversorgung untersuchen. Der in Deutschland bezüglich der Rekommunalisierung häufig genannte Fall „Potsdam“ stellt die
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Privatisierung der Wasserversorgung durch Public Private Partnership dar.14 Deren Folgen sind ganz anders als die dahinein gesetzten Hoffnungen. Da die Wassergebühr von 6,85 DM/m³ im Jahr 1998 auf 10,18 DM/m³ im Jahr 2010 gestiegen war, war die Privatisierung gescheitert.15 In der Wasserversorgung war weltweiter Boom die Privatisierung vom Anfang der 1990er Jahre seit der englischen Privatisierung 1989. Aber die Folgen der Privatisierung in England erscheinen sehr schlecht, weil die Preise doppelt höher sind und die Qualität doppelt schlechter geworden ist. In dem Bereich der Wasserversorgung hat Korea auch keine besseren Erfahrungen gemacht. In Korea gab es traditionell das Monopol im Bereich der Wasserversorgung für die kommunalen Unternehmen, die das Wasserwerk (Stadtwerk) als einen Eigenbetrieb aufgrund des Kommunalunternehmensgesetzes vor dem Jahr 1998 betrieben. Kleine Kommunen (koreanisch: „Gun“) können dennoch wegen des knappen Haushalts nicht selbst eigene Wasserunternehmen betreiben. Damals wollten private Unternehmen und das Staatsunternehmen „K-water“ ein Wasserunternehmen errichten, um die Wasserversorgung zu betreiben. Aus diesem Grunde war das Wassergesetz im Jahr 1998 geändert und daher begann K-water, die Dienstleistungen zu erbringen. Aber es ist noch umstritten, ob die Wasserversorgung privatisiert werden soll. Für ihre Privatisierung sprechen sich die rechte Partei und für ihre Kommunalisierung die linke Partei und die Bürgerinitiative aus. Als Gründe der (Re)kommunalisierung bzw. für Kommunalunternehmen kann man an die stabile Versorgung, an den niedrigen Preis, an den offenen und demokratischen Betrieb usw. denken. Daher kann man im Allgemeinen behaupten, welcher Versorger – öffentliche Hand oder Privater – besser ist. 3. Rechtsgrundlage der öffentlichen Unternehmen Als erster Ansatzpunkt sind ihre rechtlichen Grundlagen zu erörtern, d.h. betroffene Gesetzesvorschriften zur Errichtung und zum Betreiben der öffentlichen Unternehmen der Kommunen. Wenn eine Kommune aufgrund der Errichtungsregel für die erwerbswirtschaftliche Betätigung in einem beliebigen Bereich sie errichten und betreiben kann, könnte sie auch eine privatisierte Dienstleistung wieder aufgrund der gleichen Regelung rekommunalisieren. Jedoch kann die Rekommunalisierung neuer, zusätzlicher Vorschriften im Kommunalwirtschaftsgesetz bedürfen, wie die neuen Gesetzesvorschriften in der Gemeindeordnung NW zeigen, die für das Betreiben im Bereich der Tele___________ 14 15
Hartmut Bauer, Zukunftsthema „Rekommunalisierung“, DÖV 2012, S. 330. Hartmut Bauer, a.a.O., S. 331.
Die Rekommunalisierung privatisierter Leistungen in Korea
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kommunikation schon vorhanden waren. Davon abgesehen könnte man vielleicht die Rechtsgrundlage der Rekommunalisierung in den betroffenen Gesetzesvorschriften zur Errichtung und zum Betreiben der öffentlichen Unternehmen der Kommunen finden. Weiterer Anhaltspunkt ist das koreanische Kommunalwirtschaftsrecht. Anders als die Gemeindeordnungen des jeweiligen deutschen Bundeslandes hat das koreanische Kommunale Selbstverwaltungsgesetz als das Rahmengesetz nur einen Artikel, aber es gibt außerdem noch das Gesetz über Kommunalunternehmen auf Ebene des einfachen Gesetzes. Deshalb kann es noch konkreter die Einrichtung der Kommunalunternehmen regeln. Weiter kann man auf die Bestimmung der Betriebsbereiche der Kommunalunternehmen aufgrund des Kommunalunternehmensgesetzes zurückgreifen. Gemäß dem Art. 2 I dieses Gesetzes sind Geschäftsbereiche der Kommunalunternehmen die „Wasserversorgung“ (ohne „Dorfleitungswasser“), die „industrielle Wasserversorgung“, die Straßenbahn (einschließlich der Stadt-Bahn), der Automobil-Transport, die Ortsstraßen (begrenzt auf die Mautstraßen), das Abwasser, die Wohnungswirtschaft und die Grundstücksentwicklung. Aber diese Bestimmungen sind keine genauen Geschäftsbereiche der Kommunalunternehmen, sondern die Wirkungsbereiche des Kommunalunternehmensgesetzes, die dafür gelten, wenn ein Kommunalunternehmen die Geschäfte in solchen Bereichen betreibt. Als Grund dafür gibt es andere Geschäftsbereiche in Art. 2 II dieses Gesetzes. Danach können Kommunen dieses Gesetz aufgrund der kommunalen Satzungen weiter auf eines der folgenden Unternehmen anwenden, wenn (1) die kommunalen Eigenbetriebe, die von Kommunen investierten öffentlichen Unternehmen oder die Kommunale Stiftung des öffentlichen Rechts (2) solche Geschäfte, die als von privaten Unternehmern schwer zu betreibende Geschäfte zur Förderung der Wohlfahrt der Bewohner, der regionalen Wirtschaft oder der regionalen Entwicklung beitragen, (3) die Geschäfte, die im Absatz 1 genannt sind oder unter den Standard nach der Ausführungsverordnung fallen, die die Sportstätten-Geschäfte aufgrund des Gesetzes über die Errichtung und die Nutzung von Sporteinrichtungen oder die das Tourismus-Geschäft (mit Ausnahme der Reise- und Business-Casino-Geschäft) im Rahmen des Gesetzes für Promotion der Tourismus regeln, betreiben (4) und nicht weniger als 50 Prozent ihrer Betriebskosten von ihren ordentlichen Einnahmen gedeckt werden.
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4. Organisationsrecht der Kommunen Als Grundlage der Rekommunalisierung wird in Deutschland das Organisationsrecht der Gemeinde berücksichtigt.16 Nach der Gewährleistung der kommunalen Selbstverwaltung gemäß Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG sollen alle Gemeinde alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft eigenverantwortlich ausführen. Aber das Organisationsrecht einer Gemeinde ist abhängig davon, ob und wie eine Dienstleistung zur Daseinsvorsorge durch die Gemeinde selbst, ein Kommunalunternehmen oder Private erfüllt wird. Obwohl eine Angelegenheit einer Gemeinde ausdrücklich oder traditionell zu kommunalen Pflichtaufgaben gehört, bedeutet diese Pflicht nicht unbedingt, dass die Gemeinde selbst oder durch das eigene Kommunalunternehmen diese Angelegenheit erledigen soll.17 Diese Begründungen gelten gleichfalls für koreanische Kommunalunternehmen, weil beide Staaten ähnliche Normen im Kommunalrecht haben. Dafür könnte sie im koreanischen Recht weiter begründet werden. Eine Kommune kann ein Kommunalunternehmen grundsätzlich nur in bestimmten Geschäftsbereichen einrichten und betreiben. Ferner kann sie gemäß Art. 77c des Kommunalunternehmensgesetzes ein Unternehmen des Privatrechts mit einer außerhalb der Gemeinde tätigen Person zusammen einrichten. Das sind sog. „dritte Sektor Unternehmen“, die in Deutschland „gemischt-wirtschaftliche Unternehmen“ genannt werden. Aber diese öffentlich-privat gemischten Unternehmen sind in Korea nicht so aktiv, weil die Verantwortung für ihren Betrieb den Kommunen oder den Privaten nicht genau zugeordnet werden kann. 5. Public Private Partnership Handelt es sich in Korea um eine Rekommunalisierung einschließlich der Etatisierung, wird fast immer die Form der Public Private Partnership verwendet. Dabei spricht man üblicherweise von Privaten Investitionen bzw. „Geschäft mit der privaten Investition” (auf Koreanisch: Min Gan Tu Ga Sa Up). Grundsätzlich wird sie durch das Gesetz über die Private Investition für die Infrastruktur geregelt. Ihr Ziel ist es, eine öffentliche mit der privaten Investition zu verbinden, einfacher gesagt, die Infrastruktur mit der Hilfe der privaten Unternehmen zu erweitern. Als die Arten von Public Private Partnership regelt das Gesetz18 Build-Transfer-Lease (BTL)19, Build-Transfer-Operation (BTO)20, ___________ 16 Christoph Brüning, (Re-)Kommunalisierung von Aufgaben aus privater Hand – Maßstäbe und Grenzen, VerwArch 100 (2009), S. 455 ff. 17 Christoph Brüning, a.a.O., S. 460. 18 Art. 4 des Gesetzes der Public Private Partnership. 19 Deutsch: Bauen, Übertragen, Mieten. 20 Deutsch: Bauen, Übertragen, Betreiben.
Die Rekommunalisierung privatisierter Leistungen in Korea
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Build-Operation-Transfer (BOT)21 und Build-Own-Operate (BOO)22. Tatsächlich handelt es sich meistens um BTL und BTO. Korea boomt seit der Finanzkrise im Jahr 1998. In der Tat ist Public Privat Partnership sehr problematisch, da die Geschäfte der privaten Investition dreimal mehr kosten als die öffentlichen Finanzgeschäfte. In Hinblick auf die Kosten ist es schon erwiesen, dass der Staat selbst die Infrastruktur einrichten und betreiben sollte. Sogar ein australisches Unternehmen namentlich „Macquarie Korea Infrastructure Fund (MKIF)“ beherrscht den koreanischen Markt der Public Private Partnership. Aus diesem Grunde wird es sehr heftig kritisiert. Zur Reform oder als die Alternative zur Public Private Partnership werden erstens die Kündigung bzw. Änderung des gesetz- oder rechtswidrigen Durchführungsvertrags zwischen Kommunen und betreibenden Privatunternehmern (PPP-Unternehmer) diskutiert. In diesem Jahr hat Kwangju die Kündigung des Durchführungsvertrags angeordnet, wogegen die Privatunternehmen den Widerspruch erhoben haben, der aber abgewiesen worden ist. Das ist natürlich eine Rekommunalisierung. Zweitens beteiligen sich andere öffentliche Träger (öffentliche Körperschaften oder Stiftungen) mit Kapital an Public Private Partnership.23 Das ist sog. Public Public Partnership. 6. Grundsatz der Wirtschaftlichkeit Das koreanische Kommunalunternehmensgesetz regelt den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit. Aber er fordert nur die Kostendeckung. Das Gesetz über die Kommunalunternehmen hat sie daher neben dem Gemeinwohl noch mit zwei wichtigen Betriebsprinzipien geregelt.24 Es ist es schwer für das öffentliche Unternehmen, mehr Gewinne als Kostendeckung ohne staatliche Hilfe zu erzielen. Aus diesem Grunde steht in Korea die Betriebsauswertung für Kommunalunternehmen bereit. Diese Rechtsinstitution wird durch das Ministerium für Innen und Sicherheit ausgeführt. Einfach gesagt funktioniert sie als eine Art von Staatsaufsicht. Die Wirtschaftlichkeit der Dienstleistungen spielt in der Privatisierung auch eine wichtige Rolle. Paradoxerweise haben in Korea manche Privatisierungen, vor allem Public Private Partnerships, sie nicht erreicht. In englischen Public Private Partnerships darf die Regierung die Dienstleistung nicht beauftragen, ___________ 21
Deutsch: Bauen, Betreiben, Übertragen. Deutsch: Bauen, Besitzen, Betreiben. 23 An Tae Hoon, Probleme und Verbesserungsvorschläge nach der Beteiligung der öffentlichen Hand an Public Private Partnership, National Assembly Budget Office 2012. 5. 24 Art. 3 des Gesetzes der Kommunalunternehmen. 22
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wenn die Dienstleistung durch den Privaten nicht wirtschaftlicher als die von der Regierung selbst betriebenen Geschäfte ist. Konsequent kann die Wirtschaftlichkeit der Dienstleistung einen wichtigen Standard zur Entscheidung zwischen der Privatisierung und Rekommunalisierung sein. Daher ist sie ein wichtiges Element zur Rekommunalisierung.
V. Schluss Welche Dienstleistung zur Daseinsvorsorge durch Kommunen selbst oder Private erfüllt wird, ist nicht wichtig. Wie ein öffentliches Interesse bzw. ein öffentlicher Zweck durch die Dienstleistung erhalten werden soll, ist aber von Bedeutung. Wer sie erfüllt und welche zu erfüllen ist, ist also abhängig jedenfalls von dem Wesen der betroffenen Dienstleistung. Ist sie einmal den Privaten übertragen, bleibt noch die Frage der Korruption oder der Willkür ungelöst. Bei der Entscheidung der Anbieter zwischen Kommunal- und Privatunternehmen sollen Kommunen immer die Stabilität der Lieferung, die Preise, die Schnelligkeit der Dienstleistung usw. betrachten. Ferner soll bei Entscheidung über die Privatisierung einer Dienstleistung gleichfalls nur das Verhältnis zur Privatwirtschaft im getroffenen Bereich berücksichtigt werden. In Korea ist die Debatte um eine Rekommunalisierung i.e.S. bis vor kurzem überhaupt nicht eröffnet gewesen, da die Dienstleistung der Daseinsvorsorge früher auf gar keinen Fall privatisiert war. Nimmt man an, dass sie Public Private Partnership einschließe, ist sie auch umstritten sogar im beschränkten Bereich. Die rechtliche Grundlage der Rekommunalisierung von den durch Public Private Partnerships geführten Dienstleistungen kann man jedoch im Kommunalunternehmensgesetz finden. In der Wirklichkeit kann aber eine kleine Kommune in Korea selbst eine solche Dienstleistung nicht leicht erbringen, weil sie meistens schwache Finanzen hat und daher unfähig ist, die Einrichtungskosten der Dienstleistung (z.B. Autobahn, Brücke usw.) selbst zu tragen. „Große Kommunen“ können gleichfalls diese Infrastruktur nicht selber einrichten, weil sie schon andere alltägliche Kommunalgeschäfte leisten sollen und daher nur ihren dadurch beschränkten Haushalt für Dienstleistungen der Daseinsvorsorge nutzen können. Die zu betreibende Public Private Partnership bedarf zur Reform bzw. Entlastung des kommunalen Haushalts unbedingt der Rekommunalisierung. Aber die Rekommunalisierung privatisierter Dienstleistungen ist auch nicht die einzige Lösung. Ferner kann die Kooperation zwischen Kommunen und Privaten, die als akzeptabler Vorschlag in Deutschland aufgetreten ist, dennoch nicht so leicht in Korea angewendet werden, da die koreanischen Kommunen im Bereich von Public Private Partnership von Grund auf schlechte Erfahrungen gemacht haben.
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Rechtsschutz Privater gegen eine wirtschaftliche Betätigung der Kommunen Von Wolf-Rüdiger Schenke
I. Einführung in die Problematik Der Rückzug des Staates und sonstiger Hoheitsträger aus der Wahrnehmung von Aufgaben mit wirtschaftlichem Bezug ruft zwangsläufig die Frage auf, wie dieser Rückzug rechtlich sichergestellt werden kann. Nur durch entsprechende Kontrollmechanismen lässt sich diese Sicherstellung in effektiver Weise verwirklichen. Staatsinternen Kontrollmechanismen durch staatliche Aufsicht kommt dabei erfahrungsgemäß nur eine sehr begrenzte Wirkungskraft zu. Einmal ist das Ergreifen staatsaufsichtlicher Maßnahmen grundsätzlich in das Ermessen der staatlichen Behörden gestellt, zum anderen bestehen für Private keine oder nur sehr begrenzte Möglichkeiten ein staatsaufsichtliches Einschreiten gegenüber einer rechtswidrigen staatlichen Tätigkeit zu veranlassen. Die Staatsaufsicht erfolgt – wie auch sonst allgemein anerkannt wird – nur im öffentlichen Interesse. Sie verbaut damit Privaten von vorneherein die Möglichkeit im Klagewege auf ein staatsaufsichtliches Einschreiten hinzuwirken. Formlose Rechtsbehelfe wie die Gegenvorstellung und die Aufsichtsbeschwerde geben nur ein Recht auf Bescheidung und sind damit in aller Regel frucht- und nutzlos. Ein gewisser gerichtlicher Rechtsschutz wurde früher durch die ordentlichen Gerichte gewährt. Sie sorgten dort, wo die wirtschaftliche Betätigung von Hoheitsträgern gesetzlich begrenzt wurde, durch die Anwendung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) wenigstens in gewissem Umfang dafür, dass die gesetzlichen Beschränkungen eingehalten wurden1. Diese Rechtsprechung war auch für die wirtschaftliche Betätigung von Gemeinden bedeutsam. Die Gemeindeordnungen beschränken nämlich die wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden. Sie lehnen sich dabei mehr oder weniger stark an die ___________ 1 s. hierzu Schenke, Rechtswegabgrenzung, in: Festschrift zum 50jährigen Bestehen des BGH, 2000, Bd. III, S. 45, 53 ff.
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1935 erlassene, seinerzeit für ganz Deutschland geltende Deutsche Gemeindeordnung an. Diese sah in § 67 DGO vor: „(1) Die Gemeinde darf wirtschaftliche Unternehmen nur errichten oder wesentlich erweitern, wenn 1. der öffentliche Zweck das Unternehmen rechtfertigt, 2. das Unternehmen nach Art und Umfang in einem angemessenen Verhältnis zu der Leistungsfähigkeit der Gemeinden und zum voraussichtlichen Bedarf besteht, 3. der Zweck nicht besser und wirtschaftlicher durch einen anderen erfüllt wird oder erfüllt werden kann. (2) Wirtschaftliche Unternehmen im Sinne dieses Abschnitts sind nicht 1. Unternehmen, zu denen die Gemeinde gesetzlich verpflichtet ist 2. Einrichtungen des Unterrichts-, Erziehungs- und Bildungswesens, der körperlichen Ertüchtigung, der Kranken-, Gesundheits- und Wohlfahrtspflege.“ Eine Reihe von Bundesländern schränken heute in ihren Gemeindeordnungen die wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden sogar noch weiter ein als § 67 DGO. Sie enthalten mit Unterschieden im Einzelnen2 eine sogenannte echte Subsidiaritätsklausel3. Danach ist den Gemeinden eine wirtschaftliche Betätigung außerhalb der kommunalen Daseinsvorsorge grundsätzlich bereits dann untersagt, wenn der Zweck der kommunalen wirtschaftlichen Betätigung ebenso gut und ebenso wirtschaftlich durch andere erfüllt werden kann. Inwieweit die Einhaltung dieser echten Subsidiaritätsklauseln durch private Konkurrenten gerichtlich erzwungen werden kann, soll im Folgenden behandelt werden. Ein Beispiel für eine echte Subsidiaritäsklausel enthält z. B. § 102 Abs. 1 der Gemeindeordnung für Baden-Württemberg (BWGO). Er lautet: „Die Gemeinde darf ungeachtet der Rechtsform wirtschaftliche Unternehmen nur errichten, übernehmen, wesentlich erweitern oder sich daran beteiligen, wenn ___________ 2 s. zu den Regelungen in den einzelnen Gemeindeordnungen näher in diesem Heft Baumeister, Entwicklungen im Kommunalwirtschaftsrecht in Deutschland. 3 So § 102 Abs. 1 Nr. 3 der Gemeindeordnung für Baden-Württemberg in der Fassung vom 24. Juli 2000; Art. 87 Abs. 1 Nr. 2 der Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. August 1998; § 121 Abs. 1 Nr. 3 der Hessischen Gemeindeordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. März 2005; § 136 Abs. 1 Nr. 3 des Niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetzes vom 17.12.2010; § 85 Abs. 1 Nr. 3 der Gemeindeordnung von Rheinland-Pfalz in der Fassung vom 31. Januar 1994 und § 108 Abs. 1 Nr. 3 des Kommunalselbstverwaltungsgesetzes des Saarlandes vom 15. Januar 1964 in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. Juni 1997.
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1. der öffentliche Zweck das Unternehmen rechtfertigt, 2. das Unternehmen nach Art und Umfang in einem angemessenen Verhältnis zur Leistungsfähigkeit der Gemeinde und zum voraussichtlichen Bedarf besteht und 3. bei einem Tätigwerden außerhalb der kommunalen Daseinsvorsorge der Zweck nicht ebenso gut und wirtschaftlich durch einen privaten Anbieter erfüllt wird oder erfüllt werden kann.“ Art. 87 Abs. 1 der Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern (BayGO) stimmt hiermit inhaltlich weitgehend überein. Die Formulierung der Subsidiarität in Art. 87 Abs. 1 Nr. 4 BayGO weicht nur insoweit von § 102 Abs. 1 Nr. 3 BWGO ab, als sie nicht darauf abstellt, ob der Zweck durch einen privaten Anbieter ebenso gut und wirtschaftlich erfüllt wird oder erfüllt werden kann, sondern – neutraler formuliert – auf die Erfüllung „durch einen anderen“ abhebt. Der Rechtsschutz durch die ordentlichen Gerichte (Zivilgerichte) bezieht sich nach der neueren zivilgerichtlichen Rechtsprechung nicht mehr auf die Frage, ob die Gemeinden sich wirtschaftlich betätigen dürfen (also das „Ob“ der wirtschaftlichen Betätigung durch die Gemeinden), sondern nur noch auf die Frage, wie sie ihre wirtschaftliche Betätigung ausüben dürfen (also das „Wie“ der wirtschaftlichen Betätigung). So führt der BGH in den Leitsätzen 1 bis 3 seines Grundsatzurteils vom 25.4.20024 aus: „1. Ein Verstoß gegen die Vorschrift des Art. 87 BayGO, die der erwerbswirtschaftlichen Tätigkeit der Gemeinden Grenzen setzt, ist nicht zugleich sittenwidrig i. S. des § 1 UWG. 2. Es ist nicht Sinn des § 1 UWG, den Anspruchsberechtigten zu ermöglichen, Wettbewerber unter Berufung darauf, dass ein Gesetz ihren Marktzutritt verbiete, vom Markt fernzuhalten, wenn das betreffende Gesetz den Marktzugang nur aus Gründen verhindern will, die den Schutz des lauteren Wettbewerbs nicht berühren. 3. Die Vorschrift des § 1 UWG bezweckt nicht den Erhalt bestimmter Marktstrukturen. Auch in den Fällen, in denen aus ihr Ansprüche zum Schutz des Bestands des Wettbewerbs auf einem bestimmten Markt hergeleitet werden können, geht es nicht darum, bestimmte Marktstrukturen zu erhalten, sondern darum, wettbewerbliche Verhaltensweisen zu unterbinden, die nach den Gesamtumständen unter Berücksichtigung ihrer Auswirkungen auf die Marktstruktur gerade auch als Wettbewerbsmaßnahmen unlauter sind.“ Mit dieser Entscheidung, die eine neue ständige zivilgerichtliche Rechtsprechung begründet hat, schied ein zivilgerichtlicher Rechtsschutz bei Verstößen ___________ 4
BGH NJW 2002, 2645.
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gegen die Vorschriften der Gemeindeordnungen aus, die die wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden beschränken. Im Ergebnis war dies zutreffend, da die Entscheidung über das „Ob“ der wirtschaftlichen Tätigkeit sich nach Sonderrecht richtete, damit aber unter Zugrundelegung der heute herrschenden modifizierten Subjektstheorie5 dem öffentlichen Recht zuzuordnen war. Früher hatte der BGH6 versucht, der Aufnahme einer wirtschaftlichen Tätigkeit, die gegen das Verbot wirtschaftlicher Betätigung verstieß, eine Doppelnatur zuzuerkennen7, um auf diese Weise die Zulässigkeit des ordentlichen Rechtswegs zu begründen. Dieser Versuch vermochte aber aus rechtstheoretischen wie auch rechtsdogmatischen Gründen nicht zu überzeugen.
II. Verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz 1. Die tradierte Auffassung: Kein Rechtsschutz für private Konkurrenten Weil damit ein zivilgerichtlicher Rechtsschutz für private Konkurrenten in Bezug auf das „Ob“ der gemeindlichen wirtschaftlichen Betätigung ausscheidet, kommt nur noch ein verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz in Betracht, um die Einhaltung des Verbots wirtschaftlicher Betätigung für Gemeinden durchzusetzen. Die Verwaltungsgerichte lehnten allerdings jahrzehntelang einen solchen Rechtsschutz grundsätzlich ab. Als Begründung hierfür diente insbesondere den Oberverwaltungsgerichten der Länder8 der Hinweis, dass die Vorschriften der Gemeindeordnung, welche die wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden einschränkten, nur öffentliche Interessen schützten. Deswegen begründeten sie keine subjektiven Rechte privater Konkurrenten, mit deren Hilfe eine kommunale wirtschaftliche Betätigung hätte unterbunden werden können. Das BVerwG9 sah sich aus kompetenzrechtlichen Gründen daran gehindert, im Rahmen eines Revisionsverfahrens Stellung zu der Frage zu nehmen, ob die landesrechtlichen Vorschriften der Gemeindeordnungen subjektive Rechte privater Konkurrenten begründeten. Es verwies nur darauf, dass das Berufungsgericht diese Frage in Auslegung des nicht revisiblen Landesrechts verneint hatte, und befasste sich lediglich mit der Problematik, ob sich aus den Grundrechten ___________ 5
s. zu dieser Schenke, Verwaltungsprozessrecht, 13. Aufl. 2012, Rdnrn. 104 ff. BGHZ 66, 239, 258. 7 s. hierzu kritisch Schenke, in: Festschrift zum 50jährigen Bestehen des BGH, Bd. III, S. 45, 53 ff. 8 So z. B. früher VGH Mannheim, NJW 1995, 274; ebenso noch heute OVG Magdeburg, NVwZ-RR 2007, 347. 9 BVerwG, NJW 1995, 2938, 2939. 6
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Abwehrrechte privater Konkurrenten ableiten ließen. Insoweit sei in der Rechtsprechung geklärt, „daß im Grundsatz das Hinzutreten des Staates oder wie hier einer Gemeinde als Konkurrent lediglich eine weitgehend systemimmanente Verschärfung des marktwirtschaftlichen Konkurrenzdrucks beinhaltet (BVerwGE 71, 183, [193]), vor der Art. 12 Abs. 1 GG nicht bewahrt, solange dadurch die private Konkurrenz nicht unmöglich gemacht wird (BVerwG 39, 329, 336)“. Das BVerwG knüpfte damit an seine frühere Aussage an, nach der „Art. 12 Abs. 1 GG nicht vor Konkurrenz, auch nicht vor dem Wettbewerb der öffentlichen Hand“, schütze10. Auch Art. 14 GG und Art. 2 Abs. 1 GG sah das BVerwG nicht als verletzt an. Es führte hierzu aus: „Art. 14 Abs. 1 GG schützt ebenfalls nicht vor dem Auftreten einer neuen, auch in öffentlicher Trägerschaft stehenden Konkurrenten, es sei denn, daß dieser durch eine behördliche Maßnahme eine unerlaubte Monopolstellung erlangt (BVerwGE 17, 306 [314]; BVerwGE 39, 329 [337]; BVerwG NJW 1978, 1539). Die Wettbewerbsfreiheit darf durch die Konkurrenz eines durch eine Gemeinde gegründeten Betriebs nicht in unerträglichem Maße eingeschränkt werden; der Privatunternehmer darf in seinen Wettbewerbsmöglichkeiten nicht unzumutbar geschädigt werden (BVerwGE 30, 191 [198])“11. 2. Grundrechtlich geforderter Konkurrentenschutz Diese Ausführungen des BVerwG zum Grundrechtsschutz privater Konkurrenten bedürfen einer kritischen Überprüfung. Diese ist deshalb erforderlich, weil die Problematik, ob und gegebenenfalls wie private Konkurrenten einen Grundrechtsschutz genießen, von wegweisender Bedeutung für die Frage ist, ob den einfachgesetzlichen Bestimmungen der Gemeindeordnungen subjektive Rechte zu entnehmen sind. Die einfachgesetzlichen Vorschriften sind nämlich im Licht der Grundrechte zu interpretieren. Abhängig davon, wie weit die Grundrechte privater Anbieter durch eine wirtschaftliche Betätigung von Gemeinden betroffen werden, ergeben sich von hierher mehr oder weniger weitreichende Impulse für die Auslegung einfachgesetzlicher Bestimmungen. Wenn private Konkurrenten grundrechtlich betroffen wären, legte dies nahe, dieser Betroffenheit durch eine grundrechtlich fundierte norminterne Auslegung einfachgesetzlicher Bestimmungen Rechnung zu tragen und jene zu diesem Zweck subjektivrechtlich anzureichern. Eine solche verfassungsorientierte Auslegung einfacher Gesetze ist heute grundsätzlich anerkannt. Erst wenn sie scheitert, ___________ 10 11
BVerwGE 39, 329, 336; BVerwG, NJW 1978, 1539, 1540. BVerwG, NJW 1995, 2938, 2939.
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kommt eine normexterne Wirkung von Grundrechten in Betracht, von der freilich nur sehr restriktiv Gebrauch gemacht werden kann12. Wie im Folgenden zu zeigen sein wird, erwecken die Ausführungen des BVerwG zum Grundrechtsschutz privater Konkurrenten Bedenken. Sie legen es deshalb nahe, die Frage nach dem subjektivrechtlichen Gehalt der kommunalrechtlichen Bestimmungen, welche die wirtschaftliche Betätigung von Gemeinden einschränken, neu zu beantworten. Richtigerweise erkennt das BVerwG allerdings zunächst an, dass die wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden unmittelbar grundrechtsgebunden ist. Daran kann kein Zweifel bestehen, wenn man mit der heute h. M. auch die fiskalische Tätigkeit des Staates als durch Art. 1 Abs. 3 GG unmittelbar grundrechtsgebunden ansieht. Aber selbst wenn man dieser Ansicht nicht folgt, ist hier von einer unmittelbaren Anwendung der Grundrechte auszugehen. Diese ergibt sich daraus, dass die Entscheidung einer Gemeinde, wirtschaftlich tätig zu werden (also das „Ob“ der wirtschaftlichen Betätigung), durch die Sonderrechtsnormen der Gemeindeordnungen determiniert wird, die eine kommunale wirtschaftliche Betätigung nur unter sehr eingeschränkten Voraussetzungen erlauben. Die Entscheidung ist damit auf der Grundlage der heute herrschenden modifizierten Subjektstheorie öffentlich-rechtlicher Natur. Für eine Tätigkeit, die sich nach öffentlichem Recht richtet, gilt aber unbestrittenermaßen eine unmittelbare Grundrechtsbindung. Das gilt selbst dann, wenn das „Wie“ der wirtschaftlichen Betätigung als privatrechtlich zu bewerten ist und damit zwei Stufen des gemeindlichen Handelns zu unterscheiden sind13. Auch sonst ist schließlich allgemein anerkannt, dass jedenfalls für die erste, öffentlich-rechtlich ausgestaltete Stufe eine unmittelbare Grundrechtsbindung zu befürworten ist. Die Gemeinde wird insoweit als vollziehende Gewalt i. S. des Art. 1 Abs. 3 GG tätig. Dass eine unmittelbare Grundrechtsbindung der Gemeinde bei der Entscheidung über das „Ob“ ihrer wirtschaftlichen Betätigung zu bejahen ist, trifft allerdings noch keine Aussage darüber, welche Freiheitsgrundrechte hier einschlägig sind. In Betracht kommen drei Grundrechte, nämlich die Berufsfreiheit, das Eigentumsgrundrecht sowie eine in Art. 2 Abs. 1 GG verankerte allgemeine Wettbewerbsfreiheit. Das BVerwG scheint in seiner Entscheidung vom 21. 3. 1995 von einem Nebeneinander aller drei Grundrechte auszugehen. So erwähnt es ausdrücklich zwar nur Art. 12 und 14 GG. Sein hiervon getrennter Hinweis auf die Wettbewerbsfreiheit und die von ihm in diesem Zusammenhang in Bezug genommene Entscheidung BVerwGE 30, 191 [198] indizie___________ 12
Zur norminternen und zur normexternen Wirkung der Grundrechte bei der Begründung subjektiver Rechte s. näher Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, 18. Aufl. 2012, § 42, Rdnrn. 117 ff. 13 s. hierzu Schenke, Verwaltungsprozessrecht, Rdnr. 122.
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ren aber, dass es auch das von ihm in Art. 2 Abs. 1 GG angesiedelte Grundrecht der Wettbewerbsfreiheit für einschlägig hielt. Diese Trias des Grundrechtsschutzes vermag allerdings nicht zu überzeugen. Der grundrechtliche Konkurrentenschutz dürfte bereits durch Art. 12 und 14 GG abgedeckt sein. Diese Grundrechte gehen als leges speciales dem in Art. 2 Abs. 1 GG verankerten Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit vor14. Ein Rückgriff auf ein in Art. 2 Abs. 1 GG angesiedelten Grundrecht der Wettbewerbsfreiheit war allenfalls so lange vertretbar, als noch nicht anerkannt war, dass die Freiheitsgrundrechte auch vor mittelbaren (faktischen) Grundrechtsbeeinträchtigungen schützen. Auf dieser Grundlage bereitete eine Heranziehung der der Art. 12 GG und 14 GG konstruktive Schwierigkeiten, da diese durch die kommunale wirtschaftliche Betätigung nicht unmittelbar beeinträchtigt wurden. Diese dogmatischen Probleme stellten sich nicht bei einem Grundrecht der Wettbewerbsfreiheit, dass vor staatlichem Wettbewerb schützen sollte und das man in Art. 2 Abs. 1 GG verankerte. Deshalb sah das BVerwG in seiner früheren Rechtsprechung zunächst sogar nur Art. 2 Abs. 1 GG als betroffen an und erwähnte Art. 12 und 14 GG gar nicht. Seitdem ein Grundrechtsschutz auch gegen faktische Beeinträchtigungen anerkannt wird15, besteht aber keine Notwendigkeit mehr, auf das im Vergleich zu speziellen Freiheitsgrundrechten schwächere Auffanggrundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit zurückzugreifen. Das gilt umso mehr, als die Verankerung eines Grundrechts der Wettbewerbsfreiheit in Art. 2 Abs. 1 GG gedanklich auf der heute nicht mehr vertretenen, auf Nipperdey zurückgehenden Auffassung basiert, das Grundgesetz garantiere als Wirtschaftsverfassung die soziale Marktwirtschaft. Damit verbleiben als Grundrechte, die durch die wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden betroffen sind, nur noch Art. 12 und Art. 14 GG. Beide sind nebeneinander einschlägig und stehen in keinem Spezialitätsverhältnis. Art. 14 GG schützt den vorhandenen Bestand von Gütern, Art. 12 GG die zukünftige berufliche Betätigung. Art. 14 GG, der das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb umfasst, gewährleistet dabei aber in der Tat – in Übereinstimmung mit dem BVerwG – im vorliegenden Zusammenhang nur einen relativ schwachen Schutz. Er verbietet nur eine existenzvernichtende Beeinträchtigung eines bestehenden Gewerbetriebs durch kommunale wirtschaftliche Betätigung. Er gewährleistet hingegen nicht Erwerbschancen Privater, die durch eine wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand beeinträchtigt werden. ___________ 14
s. hierzu näher Schenke, WiVerw. 1978, 226, 234 f. s. hierzu Gallwas, Faktische Beeinträchtigungen im Bereich der Grundrechte, 1970; Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, 18. Aufl. 2012, § 42, Rdnrn. 118 ff.; Ramsauer, Die faktischen Beeinträchtigungen des Eigentums, 1980; W. Roth, Faktische Eingriffe in Freiheit und Eigentum, 1994. 15
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Ein weiterreichender Schutz ergibt sich für private Konkurrenten insoweit hingegen aus Art. 12 GG. Die Auffassung des BVerwG, Art. 12 GG schütze nicht vor Konkurrenz und deshalb auch nicht vor einem Wettbewerb der öffentlichen Hand, überzeugt nicht. Richtig ist zwar, dass ein Unternehmer nicht vor der Konkurrenz durch andere private Unternehmen geschützt wird. Dies ergibt sich daraus, dass die Grundrechte im Verhältnis zwischen Privaten keine unmittelbare Drittwirkung entfalten und dass sich überdies alle privaten Teilnehmer am unternehmerischen Wettbewerb auf Art. 12 GG berufen können. Beide Voraussetzungen liegen jedoch bei einer wirtschaftlichen Betätigung der öffentlichen Hand gerade nicht vor. Diese ist unmittelbar grundrechtsgebunden, kann sich aber ihrerseits nicht auf Grundrechte berufen. Von daher kommt gegenüber einer kommunalen wirtschaftlichen Betätigung sehr wohl ein Grundrechtsschutz durch Art 12 Abs. 1 GG in Betracht. Dies bedeutet zwar nicht, dass jede wirtschaftliche Betätigung einer Gemeinde bereits einen Eingriff in Art. 12 GG beinhaltet. Wohl aber ist Art. 12 GG dann betroffen, wenn dadurch die wirtschaftliche Betätigung eines privaten Anbieters empfindlich beeinträchtigt wird16. Das noch weiterreichende, vom BVerwG aufgestellte Erfordernis, dass die Beeinträchtigung des Konkurrenten unzumutbar sein und dessen wirtschaftliche Existenz gefährden müsse, lässt sich hingegen nicht auf Art. 12 GG stützen. Es beruht nicht nur auf einer unzulässigen Gleichsetzung von Grundrechtseingriff und Grundrechtsverletzung, sondern auch auf einer unzulässigen Verkürzung des Schutzbereichs des Art. 12 GG, der auf den Schutz der Berufswahl reduziert wird17. Damit wird der grundrechtliche Schutz der in Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG ausdrücklich genannten Berufsausübung im Ergebnis – zu Unrecht – verneint. Dass letztere durch eine empfindliche Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Betätigung eines privaten Anbieters betroffen wird, liegt auf der Hand. Die Bejahung eines faktischen Grundrechtseingriffs in die grundrechtlich geschützte Berufsausübung fügt sich im Übrigen nahtlos in die Dogmatik faktischer (mittelbarer) Grundrechtseingriffe ein. Der auf diese Weise ermöglichte Grundrechtsschutz setzt – wie sonst allgemein anerkannt wird – nicht erst dann ein, wenn eine Grundrechtsausübung durch die faktische Grundrechtsbeeinträchtigung unmöglich gemacht wird.
___________ 16
Ehlers, DVBl. 1998, 497, 502; ders., in: Verhandlungen des 64. Deutschen Juristentags, Bd. I, 2002, E 1, 39 ff.; Schenke, Verwaltungsprozessrecht, Rdnr. 523; Schlette, Jura 2004, 90, 94; Schliesky, DVBl. 2009, 78, 82; Wernsmann, DV 2003, 67, 94 ff. 17 So auch Ehlers, Verhandlungen des 64. DJT, E 41.
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3. Die Subjektivierung einfachgesetzlicher Beschränkungen kommunaler Wirtschaftstätigkeit als Konsequenz einer norminternen Wirkung des Art. 12 Abs. 1 GG Die durch Art. 12 Abs. 1 GG veranlasste grundrechtliche Weichenstellung muss zwangsläufig auch die Auslegung kommunalrechtlicher Bestimmungen beeinflussen. Dies erklärt mühelos, dass kommunalrechtliche Bestimmungen, die wie § 102 Abs. 1 Nr. 3 BWGO eine kommunale wirtschaftliche Betätigung ausdrücklich daran binden, dass deren Zweck nicht ebenso gut und wirtschaftlich durch einen privaten Anbieter erfüllt wird oder erfüllt werden kann, nicht nur objektivrechtliche Bedeutung besitzen. Sie räumen vielmehr privaten Anbietern zugleich das Recht ein, auf die Einhaltung der Beschränkung der wirtschaftlichen Betätigung hinzuwirken18. Diese grundrechtskonforme Auslegung ist jedenfalls dann zwingend und unabdingbar, wenn private Anbieter durch die wirtschaftliche Betätigung einer Gemeinde erheblich beeinträchtigt werden. Von einer Subjektivierung kommunalrechtlichen Bestimmungen ist selbst dann auszugehen, wenn diese nicht auf eine ebenso gute und wirtschaftliche Erfüllung des Zwecks kommunaler wirtschaftlicher Betätigung durch private Anbieter, sondern auf die Erfüllung dieses Zwecks durch „andere“ abstellen. Das muss jedenfalls dann gelten, wenn diese „Anderen“ private Anbieter sind, die den Schutz des Art. 12 GG genießen. Nur auf diese Weise lässt sich die gesetzliche Verschärfung der Voraussetzungen für eine kommunale wirtschaftliche Betätigung effektiv durchsetzen. Der Umstand, dass sich aus der Entstehungsgeschichte solcher Normen teilweise keine Hinweise für ihre Subjektivierung ergeben und eine Subjektivierung ihrer Vorgängervorschrift, des früheren § 67 DGO, sogar einhellig abgelehnt wurde, steht diesem Ergebnis nicht im Wege. Der Entstehungsgeschichte einer Norm kommt nach der heute herrschenden objektiven Auslegungstheorie19 allenfalls ein geringer Stellenwert zu. Sie ist jedenfalls nicht in der Lage, die grundrechtlichen Impulse in Frage zu stellen, die sich aus Art. 12 GG für eine verfassungsorientierte Auslegung der einschlägigen kommunalrechtlichen Vorschriften ergeben. Das gilt umso mehr, als eine derartige Interpretation eine zusätzliche Schubwirkung durch grundrechtliche Schutzpflichten erfährt20, die den Gesetzgeber zum Erlass von Normen verpflichten, die einen Grundrechtsschutz sicherstellen. Dessen effektive Verwirklichung erfordert regelmäßig eine Subjektivierung der erlassenen Schutznormen. Die Grundrechte waren es denn auch, die die Rechtsprechung bei einer strukturell vergleichbaren Problematik im Polizeirecht dazu veranlassten, subjektive Rechte der Bürger auf ein ihrem ___________ 18 19 20
So nunmehr auch VGH Mannheim, DÖV 2006, 831. Für sie bereits BVerfGE 1, 299, 312. s. hierzu näher Berger, DÖV 2010, 118, 121 ff.
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Schutz dienendes polizeiliches Handeln zu befürworten21 – und dies, obwohl die polizeirechtlichen Vorschriften nach ihrem ursprünglichen, – auch von den Gesetzgebern zunächst geteiltem Verständnis – nur öffentliche Interessen schützen sollten. Die Bejahung subjektiver Rechte privater Anbieter bezüglich kommunalrechtlicher Bestimmungen, die die wirtschaftliche Betätigung von Gemeinden beschränken, erfährt eine zusätzliche Stütze durch die Elfes-Rechtsprechung des BVerfG22. Nach dieser Rechtsprechung führt jeder rechtswidriger Eingriff in Freiheitsgrundrechte einer Person zu einer Verletzung der betroffenen Freiheitsgrundrechte. Dabei spielt es keine Rolle, ob die unmittelbar verletzte Norm ihrerseits subjektive Rechte begründet oder nur objektivrechtliche Bedeutung hat. Diese durch die Freiheitsgrundrechte bewirkte mittelbare Subjektivierung objektiven Rechts, wie sie erstmals im Elfes-Urteil erfolgte, gilt nicht nur für das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit, sondern wie das BVerfG später wiederholt entschieden hat, ebenso für alle anderen Freiheitsgrundrechte23. Dies muss also auch für Art. 12 GG gelten. Geht man davon aus, dass die Gemeinde bereits dann in die Berufsausübung von Konkurrenten eingreift, wenn deren wirtschaftliche Betätigung empfindlich beeinträchtigt wird, so liegt eine Verletzung des Art. 12 GG auf der Grundlage der Elfes-Rechtsprechung selbst dann vor, wenn man Vorschriften wie § 102 Abs. 1 Nr. 3 BWGO nur objektivrechtliche Bedeutung beimisst. Dass § 67 DGO als der „Ahnherr“ von § 102 BWGO und entsprechenden Vorschriften anderer Bundesländer nur objektives Recht beinhaltete, ist für das heutige Verständnis ohne Bedeutung. Der grundlegende Wandel der Verfassungslandschaft verbietet insoweit jede Anknüpfung an die im Jahre 1935 bestehende Rechtslage, der die heutige Grundrechtsgeltung unbekannt war. Mochte es früher vertretbar sein, den privaten Konkurrenten der Gemeinde nur als Objekt staatlichen Schutzes zu behandeln, so ist ein solches Verständnis heute unangebracht und muss zwangsläufig in Konflikt mit Art. 12 GG geraten. Die heutigen kommunalrechtlichen Bestimmungen, die echte Subsidiaritätsregelungen beinhalten, erweitern damit den Schutz privater Anbieter nicht nur objektivrechtlich, sondern ergänzen ihn zugleich um eine subjektivrechtliche Komponente.
___________ 21
s. hierzu näher Dietlein, DVBl. 1991, 685 ff.; Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, 7. Aufl. 2011, Rdnrn. 103 ff. mit eingehenden Nachweisen; in der Rspr. z. B. BVerwGE 11, 95 ff.; 37, 112, 113; OVG Münster, NVwZ 1983, 101 f. 22 BVerfGE 6, 32, 37 ff. 23 s. hierzu näher Kopp/Schenke, VwGO, § 42, Rdnr. 124.
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4. Die Verwirklichung des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes a) Die zulässige Klageart Die Anerkennung subjektiver Rechte privater Konkurrenten, die auf die Einhaltung kommunalrechtlicher Subsidiaritätsregelungen gerichtet sind, macht schon wegen Art. 19 Abs. 4 GG in Verbindung mit § 40 VwGO einen verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz zwingend notwendig. Zweifelhaft kann nur sein, ob dieser über eine allgemeine Leistungsklage, die auf Unterlassung der kommunalen wirtschaftlichen Betätigung gerichtet ist, oder über eine Anfechtungsklage zu gewähren ist. Letzteres wäre nur dann der Fall, wenn man in der Aufnahme der wirtschaftlichen Tätigkeit der Gemeinde – in Anlehnung an die Zweistufentheorie – einen Verwaltungsakt sähe. Eine solche Konstruktion erscheint aber entbehrlich und wirkt überdies gekünstelt. Deshalb sprechen praktische Erwägungen für eine Unterlassungsklage als Unterfall einer allgemeinen Leistungsklage. Besonderheiten ergeben sich, wenn die Gemeinde nur an einem gemischtwirtschaftlichen Unternehmen beteiligt ist und durch private Konkurrenten geltend machen, dass diese Beteiligung kommunalrechtlich untersagt ist. Hier muss die verwaltungsgerichtliche Leistungsklage darauf gerichtet sein, dass die Gemeinde ihre Beteiligung aufgibt. b) Die Begründetheit von Klagen Im Rahmen der Prüfung der Begründetheit verwaltungsgerichtlicher Klagen, die sich gegen die wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden oder ihre Beteiligung an gemischtwirtschaftlichen Unternehmen richten, stellt sich die Frage, inwieweit die Einhaltung der echten Subsidiaritätsklausel uneingeschränkt gerichtlich überprüft werden kann. Die überwiegende Meinung räumt den Gemeinden bei der Beurteilung der Frage, ob der Zweck der kommunalen wirtschaftlichen Betätigung nicht ebenso gut und wirtschaftlich durch erfüllt wird oder erfüllt werden kann, einen gerichtlich nur begrenzt überprüfbaren Beurteilungsspielraum ein24. Die Verwaltungsgerichte können demgemäß nur überprüfen, ob die Beurteilung der Gemeinde an einem Beurteilungsfehler leidet25. Ein solcher liegt dann vor, wenn die Gemeinde, die die echte Subsidiaritätsklausel ___________ 24 So z. B. Ade/Böhmer u. a., Kommunales Wirtschaftsrecht in Baden-Württemberg, 8. Aufl. 2011, Rdnr. 839; Schmidt-Aßmann/Röhl, in: Schmidt-Aßmann/Schoch, Besonderes Verwaltungsrecht, 14. Aufl. 2008, 1. Kapitel, Rdnr. 120; Püttner, Kommunalrecht Baden-Württemberg, 3. Aufl. 2004, Rdnr. 302. 25 s. zur gerichtlichen Überprüfung bei Beurteilungsspielräumen der Verwaltung näher Schenke, Verwaltungsprozessrecht, Rdnrn. 772 ff.
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prägenden unbestimmten Rechtsbegriffe verkannt (sogenannte Beurteilungsüberschreitung) oder von ihrem Beurteilungsspielraum in fehlerhafter Weise Gebrauch gemacht hat (Beurteilungsfehlgebrauch). Von einem Beurteilungsfehlgebrauch ist dann auszugehen, wenn die Gemeinde bei der Ausübung ihres Beurteilungsspielraums nicht alle entscheidungsrelevanten Belange berücksichtigt hat oder sie fehlgewichtet hat, ebenso wenn sie von einem unvollständigen oder unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist oder für ihre Bewertung sachfremde Erwägungen maßgeblich waren. Um eine Überprüfung der gemeindlichen Entscheidung über eine wirtschaftliche Betätigung anhand der genannten Grundsätze zu ermöglichen, muss die Gemeinde die Gründe, aus denen heraus sie wirtschaftlich tätig werden will, darlegen. Das erfordert in der Regel die Einholung einer Marktanalyse. Die Einschätzung der Gemeinde, dass private Unternehmen die Tätigkeit nicht ebenso gut und wirtschaftlich wahrnehmen können, muss sich auf jeden Fall als vertretbar darstellen26.
III. Resümee Am Rechtsschutz privater Anbieter gegen eine wirtschaftliche Betätigung der Gemeinde, die das Subsidiaritätsprinzip verletzt, werden die grundrechtlichen Ausstrahlungen auf das einfache Gesetzesrecht besonders deutlich. Die Grundrechte entfalten hier eine norminterne Wirkung und fordern eine Subjektivierung der Vorschriften, welche die wirtschaftliche Betätigung von Gemeinden davon abhängig machen, dass ihr Zweck nicht ebenso gut und wirtschaftlich durch private Anbieter erfüllt wird oder erfüllt werden kann. Damit wird die Einhaltung der gesetzlichen Regelungen, welche die wirtschaftliche Tätigkeit der Gemeinde beschränken, wesentlich effektiviert.
___________ 26 s. auch Burgi, Kommunalrecht, 3. Aufl. 2010, § 17, Rdnr. 46; Geis, Kommunalrecht, 2. Aufl. 2011, § 12, Rdnr. 82.
Rechtsschutz gegen wirtschaftliche Betätigung der kommunalen Selbstverwaltungskörperschaften in Korea Von Hyunho Kang
I. Einleitung Die kommunale Selbstverwaltung wird bezeichnet als „Blumen- oder Lernplatz der Demokratie“. Dies bedeutet, dass der Geist der Demokratie durch die kommunale Selbstverwaltung sehr gut praktiziert oder ausgeübt wird.1 An den Angelegenheiten der nationalen Ebene haben die Einwohner kein großes Interesse und auch Schwierigkeiten, sich darüber konkrete Vorstellungen zu machen. Im Gegensatz dazu können sie viel Interessantes und Berührendes über die örtlichen Angelegenheiten der Kommunen auf einer täglichen Basis erleben und auch daran leicht teilhaben. Durch die gewissenhafte Durchführung der kommunalen Aufgaben können sie sich als deren wahre Inhaber fühlen und können auch mit Nachbarn zusammenarbeiten, um die gemeinsamen Probleme zu bewältigen und das kommunale Gemeinwohl zu fördern. Durch diese Aktivitäten können sie Charakter und Lebensstile entwickeln, die zu der demokratischen Gesellschaft passen. In unserem Land hat die echte kommunale Selbstverwaltung erst am 27. Juni 1995 begonnen, als die kommunalen Regierungspräsidenten zum ersten Mal durch direkte Wahl der Einwohner gewählt wurden.2 Zur ordnungsgemäßen Durchführung der kommunalen Selbstverwaltung benötigen die kommunalen Selbstverwaltungskörperschaften (SVK) am dringendsten eine ausreichende finanzielle Leistungsfähigkeit, mit der sie verschiedene Aufgaben für das Wohl der Einwohner erledigen können. Bis jetzt ist aber die finanzielle Unabhängigkeit der SVK in unserem Land verhältnismäßig gering. Die durchschnittliche Finanzselbstständigkeit der SVK betrug im Jahre 2011 nur 51.9%.3 Um ihre finanzielle Unabhängigkeit erhöhen zu können, müssen die SVK eine Vielzahl von Einnahmequellen finden. In der Realität betreiben SVK selbst ihre eigenen ___________ 1 2 3
Hong, Jeongseon, Koreanisches Kommunalrecht, S. 14 f. Kang, Hyunho, Besonderes Verwaltungsrecht, S. 58. Vgl. www.mopas.go.kr.
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Handelsgesellschaften, Maschinenverkaufsgeschäfte, entgeltlichen Parkplätze, Autohäuser, Skigelände oder Golfplätze etc. Hier ist der Begriff der wirtschaftlichen Betätigung der SVK mit dem der gewinnerzielender Betätigung gleichzusetzen, in der die Wirtschaftssubjekte auf dem Markt Güter und Dienstleistungen produzieren, verkaufen, liefern oder erwerben. Die Wirtschaftlichkeit in der wirtschaftlichen Betätigung bedeutet, dass die Aktivität der SVK den Prinzipien der Wirtschaft entspricht und die verfolgten Gewinne monetären Charakter besitzen. Diese wirtschaftliche Betätigung der SVK ist auch als Wirtschaftsunternehmen im engeren Sinne zu bezeichnen. Im Gegensatz dazu bezeichnet das Wirtschaftsunternehmen im weiteren Sinne alle wirtschaftlichen Betätigungen, welche die SVK durchführen. Da dieser Begriff zu weit ist, ist die Betrachtung in dieser Studie auf Wirtschaftsunternehmen im engeren Sinne, nämlich nur die direkt gewinnerzielende Betätigung der SVK, zu begrenzen. Durch die wirtschaftliche Betätigung der SVK kann in die Rechte der Einwohner eingegriffen werden sowie in die Rechte der Bürger, die mit ihren Geschäftsfeldern in der Konkurrenz zu den SVK stehen. Schließlich können auch Rechte der allgemeinen Bürger eingeschränkt werden. Um diesen Situationen entgegenzutreten, geht diese Untersuchung folgendermaßen vor: Erstens erfolgt eine grundlegende Untersuchung des Systems der koreanischen Selbstverwaltungskörperschaften, zweitens werden verschiedene wirtschaftliche Betätigungen der SVK in Korea sowie drittens der Rechtschutz gegen wirtschaftliche Betätigungen der SVK dargestellt.
II. Grundlagen der kommunalen Selbstverwaltungskörperschaften in Korea In Bezug auf die Selbstverwaltung stand in Art. 10 der sog. „Yoo-Shin Verfassung“ geschrieben, dass die kommunalen Kongresse der Verfassung bis zur Wiedervereinigung Koreas nicht gegründet werden. Durch die Änderung der koreanischen Verfassung (KV) im Jahre 1987 wurden mit dem Kapitel 8 „Kommunale Selbstverwaltung“ zwei Artikel, nämlich Art. 117 und Art. 118, eingefügt, welche die kommunale Selbstverwaltung regeln. Art. 117 KV hat folgenden Inhalt: 1. Die kommunalen Selbstverwaltungskörperschaften (SVK) behandeln die Angelegenheiten der Wohlfahrt der Einwohner, verwalten Vermögen und erlassen Vorschriften bezüglich der örtlichen Selbstverwaltung im Rahmen der Gesetze und Verordnungen. 2. Die Arten der kommunalen Selbstverwaltungskörperschaften (SVK) werden durch Gesetz bestimmt. Art. 118 KV lautet wie folgt: 1. Eine kommunale Selbstverwaltungskörperschaft hat einen Rat. 2. Organisation und Kompetenz der kommunalen Räte, die Wahl ihrer Mitglieder, das Verfahren für die Wahl der Leiter kommunaler Selbstverwal-
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tungskörperschaften sowie andere Angelegenheiten der Organisation und Verwaltung der örtlichen Selbstverwaltungskörperschaften werden durch Gesetz bestimmt. Diese Regelungen der koreanischen Verfassung garantieren die Institution der Selbstverwaltung. Die wichtigen Inhalte der institutionellen Garantie umfassen die Garantie der Existenz der SVK, die Sicherstellung der objektiven Inhalte der Selbstverwaltung und auch die subjektiv-rechtliche Position. Unter anderem können die SVK unter der objektiv-rechtlichen Garantie der Selbstverwaltung sowohl in der Durchführung der Angelegenheiten der Wohlfahrt der Einwohner als auch in der Verwaltung des Eigentums ohne Aufsicht oder Anweisungen vom Staat alle Angelegenheiten unter eigener Verantwortlichkeit selbst erledigen.4 In Korea gibt es das Selbstverwaltungsgesetz (SVG), das die Selbstverwaltung der kommunalen Selbstverwaltungskörperschaften (SVK) regelt. Gemäß § 3 Abs. 1 des Selbstverwaltungsgesetzes (SVG) können die SVK grob in 1. ‚Tukbyul-Si‘, ‚Kwangyuk-Si‘, ‚Tukbyuljachi-Si‘, ‚Do‘ und ‚Tukbyuljachi-Do‘ und 2. ‚Si‘, ‚Gun‘ und ‚Gu‘ unterteilt werden. ‚Tukbyul-Si‘, ‚Kwangyuk-Si‘, ‚Tukbyuljachi-Si‘, ‚Do‘ und ‚Tukbyuljachi-Do‘ sind als „Kwang-yuk SVK“ und ‚Si‘, ‚Gun‘ und ‚Gu‘ als „Gi-cho SVK“ zu nennen. Gemäß § 3 Abs. 1 SVG sind die SVK als juristische Personen zu qualifizieren. Die gegenwärtige Lage und Anzahl der koreanischen SVK verteilt sich wie folgt: Nach dem jetzigen Stand der Verwaltungsbezirke beträgt die Zahl der „Gi-cho SVK“ insgesamt 228 Bezirke und davon ‚Si‘ 74, ‚Gun‘ 86 und ‚Gu‘ 69. Als unterrangige Verwaltungsbezirke existieren ‚Eub‘, ‚Myun‘ und ‚Dong‘, deren Gesamtzahl 3.477 beträgt. Die genaue Zahl von ‚Eub‘, ‚Myun‘ und ‚Dong‘ ist jeweils 213, 1.201 und 2.061. Die Anzahl der „Kwang-yuk SVK“ unterteilt sich wie folgt: ‚Tukbyul-Si‘ 1, ‚Kwangyuk-Si‘ 6, ‚Tukbyuljachi-Si‘ 1, ‚Do‘ 8 und ‚TukbyuljachiDo‘ 1. Bezüglich „Gi-cho SVK“ liegt die Größe von ‚Gu‘ zwischen 2.82 km2 und 182.00 km2 und die Einwohnerzahl zwischen 49.000 und 607.000. Die Einwohnerzahl von ‚Si‘ ‚Gun‘ reicht von 40.000 bis zu 1.000.000. Die durchschnittliche Zahl der Einwohner in ‚Gun‘ beträgt 56.050 und die Größe von ‚Gun‘ ist 666.24 km2. Die durchschnittliche Zahl der Einwohner in ‚Si‘ beträgt 241.240 und die durchschnittliche Größe 686.69 km2.5 Es gibt große Unterschiede unter den SVK in Korea sowohl in ihren Einwohnerzahlen als auch in ihren Größen. Mit Blick auf Größe und Bevölkerung besteht ein großer Unterschied zwischen den koreanischen SVK und den deut___________ 4 KVerfE 2001. 6. 28. 2000HUNMA735: Das koreanische Verfassungsgericht sah als wichtige Inhalte der institutionellen Garantie i.S.v. Art. 117 und 118 KV die Garantie der Existenz der SVK, die Sicherstellung der objektiven Inhalte der Selbstverwaltung und die subjektiv-rechtliche Position an. S. auch Hong, Jeongseon, Koreanisches Kommunalrecht, S. 38 ff.; Kang, Hyunho, Besonderes Verwaltungsrecht, S. 63. 5 Vgl. www.mopas.go.kr.
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schen Gemeinden. Die Gemeinden in Deutschland sind viel kleiner als die in Korea. Sie könnten vielleicht in Bezug auf die koreanischen Regierungsbezirke mit ‚Eub‘, ‚Myun‘ und ‚Dong‘ vergleichbar sein. Daraus ist zu erkennen, dass die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der koreanischen SVK viel größer als die der deutschen ist. Als „Kwang-yuk SVK“ ist die Bevölkerung von Seoul 10.312.545 bei einer Größe von 605.28 km2. Unter „Kwang-yuk SVK“ ist ‚Ulsan‘ die kleinste SVK. Ihre Einwohnerzahl beträgt 1.126.298 bei einer Fläche von 1,058.95 km2. In der Tat ist diese „Kwang-yuk SVK“ nach Größe und Leistungsfähigkeit mit einem Bundesland von Deutschland zu vergleichen. Weil der Umfang der SVK in Korea sehr groß ist, ist ihre wirtschaftliche Tätigkeit für die Einwohner oder andere Mitbürger bedeutsam. Wenn die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Kommunen verhältnismäßig klein bleibt, ist es nicht erforderlich, ihre Zulässigkeit en détail zu regeln. Vielmehr kann man in gewissem Umfang auf untergesetzliche Normen oder Satzungen zurückgreifen. Weil die SVK in Korea viel größer als deutsche Gemeinden sowie ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und ihre Einflüsse auf die kommunale Wirtschaft sehr groß sind, ist es notwendig, ihre wirtschaftliche Betätigung streng gesetzlich zu reglementieren.
III. Die wirtschaftliche Betätigung der kommunalen Selbstverwaltungskörperschaften nach dem Gesetz der kommunalen Unternehmen Die SVK unternehmen heutzutage verschiedene wirtschaftliche Betätigungen, um Angelegenheiten der Wohlfahrt der Einwohner durchzuführen, das Eigentum zu verwalten und ihre Einnahmequellen zu erweitern. Diese Aktivitäten zum Wohl der Einwohner sind aus Sicht der koreanischen Verfassungsordnung garantiert. Darum ist die Aussage zu überdenken, wonach die wirtschaftliche Tätigkeit der SVK im Verhältnis zu der Aktivität des privaten Marktes nur eine ergänzende Rolle zu spielen hat, da diese Aussage die Selbstverwaltungsbefugnis der SVK in starkem Maße einzuschränken vermag. Um die jetzige Situation der SVK zu reflektieren, schreibt § 146 Abs. 1 und 2 des Gesetzes der kommunalen Unternehmen (GkU) vor: 1. Die SVK können kommunale Unternehmen errichten und betreiben, um die Wohlfahrt der Einwohner zu fördern und Vorhaben effektiv durchzuführen. 2. Die Angelegenheiten bezüglich der Errichtung und des Betriebes der kommunalen Unternehmen sind gesetzlich zu regeln. Diese Regelung bietet den SVK die gesetzliche Grundlage für die Errichtung und den Betrieb kommunaler Unternehmen. Die koreanische Verfassung schreibt die Institution der Selbstverwaltung als eine verfassungsrechtliche institutionelle Garantie vor. Aber diese Regelung hat nicht direkt die wirtschaftliche Betätigung der SVK zum Gegenstand. Sie be-
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sagt nichts über die Art und Weise der Betätigung der kommunalen Unternehmen. Wie man z.B. an Art. 119 Abs. 1 der koreanischen Verfassung erkennen kann, beruht die Wirtschaftsordnung der Republik Korea auf dem Grundsatz der Achtung der wirtschaftlichen Freiheit des Individuums, der Unternehmen und deren schöpferischer Kraft. Die Wirtschaftsordnung ist in der koreanischen Verfassung sehr offen geregelt und ihre konkreten Inhalte sind weitgehend auf die Legislative und Exekutive delegiert. Darum ist die wirtschaftliche Tätigkeit der SVK von der Entscheidung der Legislative und den untergesetzlichen Vorschriften abhängig. Die koreanische Legislative regelt die Aktivität der SVK durch das Gesetz der kommunalen Unternehmen (GkU).6 Nach dem GkU kann die wirtschaftliche Betätigung der SVK in die folgenden drei Typen eingeteilt werden: Den Regiebetrieb, den Betrieb durch eine öffentlich-rechtliche Anstalt oder eine öffentlich-rechtliche Gesellschaft sowie den dritten Sektor, d.h. die finanzielle Teilnahme an einer privatrechtlichen Gesellschaft. Diese Gestalt kann in der folgenden Tabelle wie folgt abgebildet werden:7 Kapitalteilnahmequote
Betriebsart
Typen der kU
Regiebetrieb
Direktes Unternehmen
100%
Verwaltungseinheit
Indirekter Betrieb
Öffentlichrechtliche Anstalt
100%
Volle Investition
Indirekter Betrieb
Öffentlichrechtliche Gesellschaft
100%
Volle Investition
Indirekter Betrieb
Öffentlichrechtliche Gesellschaft
mehr als 50%
Dritter Sektor iwS
Indirekter Betrieb
Dritter Sektor
unter 50%
Eigenart
Dritter Sektor ieS (Aktiengesellschaft)
Nach § 2 GkU sind die kommunalen Unternehmen (kU) als Regiebetrieb anzusehen, wenn sie die folgenden Aktivitäten durchführen: 1. Wasserversorgung mit Ausnahme von Stadtwasser-Projekten, 2. Wasserversorgung für den indus___________ 6 Lee, Deokyeon, Die rechtliche Grenze der gewinnerzielenden Aktivitäten der lokalen Regierung, Staatsexamen Zeitschrift, Nr. 147 (1996), S. 107 f. 7 http://www.mopas.go.kr.
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triellen Einsatz, 3. Eisenbahn-Projekte einschließlich S-Bahn-Projekte ,4 . AutoTransport-Geschäfte, 5. lokale Straßenprojekte, 6. Abwasser-Projekte, 7. Wohnungsbau-Projekte sowie 8. Bodenentwicklungsprojekte. Man kann diese Aktivitäten als „pflichtmäßige Anwendungsaktivitäten des GkU“ bezeichnen. Diese Geschäftsfelder umfassen auch die Nebengeschäfte der oben genannten Hauptgeschäfte, die in der Rechtsverordnung des GkU vorgeschrieben sind. Gemäß § 5 GkU zur Errichtung von kU müssen die SVK die wichtigen Inhalte über die Errichtung sowie den Betrieb der kU durch Satzung regeln, wenn sie die kU errichten und betreiben wollen. Das GkU gilt ohne weiteres für diejenigen Unternehmen, die unter eine der jeweiligen Nummern des § 2 Abs. 1 GkU fallen. Zu diesen Unternehmen kann das kU auch Nebengeschäfte weiterführen. Soweit die SVK einen kommunalen Regiebetrieb, eine kommunale Anstalt oder die kommunale Gesellschaft betreiben wollen, können die SVK gemäß § 2 Abs. 2 GkU über den Geltungsbereich von Geschäftsprozessen das GkU nach Regelung der kommunalen Satzung dann anwenden, wenn die Unternehmen einer der folgenden Nummern angehören und gleichzeitig bei den Unternehmen mehr als 50 Prozent der laufenden Ausgaben durch die laufenden Einnahmen gedeckt werden können: 1. ein Projekt, das dem Wohl der Allgemeinheit dienen kann und an dem die Bürger stark teilnehmen und das gleichzeitig zur Förderung der kommunalen Wirtschaft oder zur Beförderung der regionalen Entwicklung nützlich sein kann, 2. ein Projekt, das zu einem Projekt der Projekte gemäß § 2 Abs. 1 GkU gehört, aber das den Standard der Rechtsverordnung nicht erfüllen kann, 3. ein Sporteinrichtungsprojekt gemäß dem „Gesetz über die Errichtung und Nutzung von Sporteinrichtungen“, 4. ein Reiseprojekt gemäß dem „Gesetz über Tourismusförderung“, wobei Tourismus und Casino Geschäfte ausgeschlossen sind. Diese Geschäfte lassen sich als „freiwillige Anwendungsprojekte des GkU“ bezeichnen. Denn das Gesetz schreibt vor, dass dieses Gesetz gemäß der Regelung der kommunalen Satzung angewandt werden kann. Seine Anwendung hängt mithin von der Regelung der kommunalen Satzung ab. Das GkU kann demzufolge nicht angewandt werden, wenn die Satzung der SVK etwas anderes vorschreibt. Das GkU enthält des Weiteren Regelungen in § 5 zur Errichtung der kU, in § 49 zur Errichtung einer kommunalen öffentlich-rechtlichen Gesellschaft und in § 76 zur Errichtung und zum Betrieb kommunaler öffentlich-rechtlicher Anstalten. Aber die grundlegenden Angelegenheiten über Errichtung und Betrieb
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der kU sind durch kommunale Satzung zu regeln. Diese Delegation an die Satzung zur Regulierung von Errichtung und Betrieb der kU lässt sich einerseits mit dem Respekt gegenüber dem Selbstverwaltungsrecht der SVK erklären. Andererseits stellt sich die Befugnis aus Sicht des Ermächtigungsprinzips als weitgehend dar, da die Delegation sogar die Errichtung der kU umfasst. Gemäß § 3 Abs. 1 GkU sollen Regiebetriebe, kommunale öffentlich-rechtliche Gesellschaften sowie Anstalten (im Folgenden kU) zur Steigerung der Wirtschaftlichkeit der Unternehmen sowie zum Wohl der Allgemeinheit betrieben werden. Demgemäß soll nach dem GkU die Wirtschaftlichkeit der Unternehmen sowie das Allgemeinwohl der Einwohner gleichzeitig berücksichtigt werden. Natürlich ist es nicht einfach, die kU nach beiden Zielen zu betreiben. Aber nach dem gesetzgeberischen Willen sollen die kU nicht ausschließlich nach gewinnbringender Tätigkeit trachten, sondern auch das Allgemeinwohl fördern. Gemäß § 3 Abs. 2 GkU soll die SVK danach streben, durch die Errichtung oder den Betrieb der kU nicht die private Ökonomie einzuschränken, die faire und freie Wirtschaftsordnung nicht zu beschädigen und die Umwelt nicht zu verunreinigen. Diese Vorschriften zwingen die SVK zur Berücksichtigung der privaten Ökonomie und Marktsituation. Es ist zwar nicht leicht, die Urteilsmaßstäbe für die Zulässigkeit der wirtschaftlichen Tätigkeit der SVK aus diesen Vorschriften herauszulesen. Aber diese Regelungen können als Indizien für die Subsidiarität der Markteintritte der kU aufgefasst werden. § 77.3 GkU über die Errichtung schreibt die Gründung der kU durch Zusammenarbeit zwischen der SVK und Dritten vor. Gemäß § 77.3 Abs. 2 GkU hat die SVK die Einflüsse der kU auf das Wohle der Einwohner, den Effekt für die örtlichen Wirtschaft, die Wirtschaftlichkeit sowie die Angemessenheit der Unternehmen zu prüfen.
IV. Rechtsschutz gegen wirtschaftliche Betätigung der kommunalen Selbstverwaltungskörperschaft Durch die wirtschaftlichen Aktivitäten der SVK können die Einwohner in ihren Rechten verletzt werden. Die Rechte der Konkurrenten gegen die kU und auch die Rechte der allgemeinen Bürger können durch die wirtschaftliche Betätigung der SVK sowie der kU ebenfalls verletzt werden. Darum kann die Darstellung des Rechtsschutzes gegen die kU wie folgt eingeteilt werden. 1. Rechtsschutz der kommunalen Einwohner Die Einwohner der SVK haben folgende Rechte nach dem koreanischen Selbstverwaltungsgesetz (SVG): Der Leiter der SVK kann eine Einwohnerabstimmung gemäß § 14 SVG für solche Angelegenheiten einleiten, die eine unzumutbare Belastung für die Einwohner darstellen oder einen starken Einfluss auf die kommunale Ebene ausüben. Wenn die Betriebe der kU die Vorausset-
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zungen einer Einwohnerabstimmung erfüllen, dann können die Einwohner eine Einwohnerabstimmung aufgrund der schwierigen finanziellen Situation der Kommunen einleiten und gegebenenfalls die Errichtung der kU stoppen. Jedoch können die Einwohner diese Verhinderung der Errichtung der kU grundsätzlich nicht gerichtlich beanspruchen. Denn die Vorschriften des SVG gewähren dem Leiter der SVK einen Ermessensspielraum, außer dieser ist ausnahmsweise auf Null reduziert. Gemäß § 15 SVG können die Einwohner von dem Leiter der SVK einen Neuerlass, eine Änderung oder Aufhebung der kommunalen Satzung beanspruchen. Darum können die Einwohner der SVK durch diesen Anspruch ihre Rechte gegen die kU durchsetzen, wenn die wirtschaftliche Tätigkeit der kU die Rechte der Einwohner wesentlich beeinträchtigt, weil die Errichtung oder der Betrieb der kU nach dem SVG durch die kommunale Satzung geschehen soll. § 16 SVG regelt den Auditanspruch der Einwohner. Danach können die Einwohner der SVK, die älter als 19 Jahre sind, einen Audit einfordern, wenn die Durchführung der kommunalen Aufgaben gegen Gesetze verstößt oder die öffentlichen Interessen nachträglich beeinträchtigt, die der Befugnis der SVK und deren Leiter unterliegen. Dieser Auditanspruch kann angewandt werden und zum Rechtsschutz der Einwohner beitragen, wenn die wirtschaftliche Tätigkeit der SVK gegen Gesetze verstößt oder die öffentlichen Interessen wesentlich beeinträchtigt. Diejenigen, die diesen Auditanspruch geltend gemacht haben, können gemäß § 17 SVG eine gerichtliche Klage gegen den Leiter der SVK erheben, wenn sich infolge der Überprüfung der gewonnenen Informationen eine illegale Aktivität oder nachlässige Aufgabenerledigung auftut. Gemäß § 16 SVG sind die wichtigen Angelegenheiten des Auditanspruchs wie folgt: Ausgabe der öffentlichen Mittel, Angelegenheiten betreffend Erwerb, Verwaltung und Veräußerung des Eigentums, Verwaltungsangelegenheiten, bei denen die SVK Partei ist, kommunale Steuerangelegenheiten, Gebühren, Abgaben, Bußgelder etc. Der Auditanspruch bezüglich dieser Angelegenheiten kann auch zu dem Rechtsschutz der Einwohner gegen die wirtschaftliche Betätigung der kU beitragen, weil dieser Anspruch in engem Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Betätigung der kU steht. Gemäß § 20 SVG können die Einwohner den Leiter der SVK oder die Abgeordneten des kommunalen Rates (mit Ausnahme der Abgeordneten des Gemeinderates nach dem Verhältniswahlrecht) abberufen, wenn die wirtschaftliche Tätigkeit der kU große Probleme verursacht. Derartige Bestimmungen des SVG können dazu beitragen, die Rechte der Einwohner gegen die wirtschaftliche Betätigung der kU sowohl direkt als auch indirekt zu schützen.
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2. Rechtsschutz der konkurrierenden Bürger a) Die Voraussetzung des Rechtsschutzes Die Einwohner der SVK sind gleichzeitig auch ein Mitglied der Nation. Darum können sie als konkurrierende Bürger gegen die wirtschaftliche Betätigung der kU Rechtsbehelfe für ihren Rechtsschutz ersuchen. Wenn sich die wirtschaftliche Aktivität der Bürger mit der Tätigkeit der kU überschneidet und somit die Bürger infolge der Konkurrenz durch die kU Einnahmeverluste erleiden, ist zu fragen, ob diesen Bürgern Schadensersatzansprüche oder Unterlassungsansprüche gegen die kU zuerkannt werden können. Diese Ansprüche können auf der Berufsfreiheit, Eigentumsgarantie und dem Verfolgungsrecht auf Glück in der koreanischen Verfassung beruhen, welche die konkurrierenden Bürger gegen die kU genießen. Dazu könnten die Bürger gemäß dem „Gesetz über Monopol-Regulierung sowie Fairen Handel (GMRFH)“ einen Rechtsschutz beanspruchen, wenn die wirtschaftliche Tätigkeit der SVK den Kriterien des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung oder unfairen Handelspraktiken entspricht. Die Bürger können auch aufgrund der Vorschriften des GkU, insbesondere durch die für die Errichtung oder den Markteintritt der kU relevanten Vorschriften, um Rechtsschutz ersuchen. Die Bürger können beim Rechtsweg zwischen einer Zivilklage und einer Verwaltungsklage wählen, wenn sie durch die wirtschaftliche Betätigung in ihren Rechten beeinträchtigt sind. Jedoch ist § 2 Abs. 1 des koreanischen Gerichtsorganisationsgesetzes über die Befugnis des Gerichts zu beachten: Danach beurteilt ein Gericht sämtliche Rechtsstreitigkeiten und besitzt die Befugnisse, die dieses Gesetz oder andere Gesetze dem Gericht zuteilen, außer dass die koreanische Verfassung etwas anderes regelt. Darum kann das Gericht nur rechtliche Streitigkeiten überprüfen, d. h. Streitigkeiten über konkrete Rechte und Pflichten. Die Bürger können keinen gerichtlichen Anspruch erheben, wenn sie durch die wirtschaftliche Tätigkeit nicht in ihren Rechten beeinträchtigt, sondern nur reflexartig betroffen sind.8 Wenn die Bürger eine Zivilklage erheben, können sie entweder Schadensersatz oder Unterlassung der Handlung der kU verlangen. Beim Schadensersatzanspruch gemäß § 750 KBGB sollen die wichtigen Voraussetzungen wie Fahrlässigkeit, Rechtswidrigkeit, Schaden und Kausalität erfüllt sein. In Bezug auf die Kausalität zwischen Eingriff und Schaden ist zu fragen, ob diese Kausalität bejaht werden kann, wenn die Schäden dadurch entstehen, dass die wirtschaftliche Betätigung der SVK gegen das GkU verstößt. ___________ 8
Kang, Hyunho, Verwaltungsrecht für Staatsführung (I), S. 545 f.
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Der Unterlassungsanspruch gegen die wirtschaftliche Tätigkeit der kU kann den Bürgern dann zugesprochen werden, wenn die Bürger unzumutbare Schäden erleiden und die Eingriffe in die Rechte der Bürger rechtswidrig sind. Um eine Unterlassung in der Rechtspraxis in Anspruch nehmen zu können, ist ein gesetzlicher Grund erforderlich. Wenn dieser Grund aus dem Gesetz ausdrücklich hervorgeht, kann der Unterlassungsanspruch leicht bejaht werden. Ansonsten sollte dieser Anspruch sich auf eine theoretische Basis stützen. Als nächstes können die Bürger eine Verwaltungsklage erheben. Bei der Verwaltungsklage können die Bürger gegen Verwaltungsakte einschließlich einer Unterlassung des beantragten Verwaltungsaktes eine Einspruchsklage oder Anfechtungsklage erheben. Gegen andere Verwaltungshandlungen kommt eine Parteiklage bzw. eine allgemeine Leistungsklage in Betracht. Bezüglich der wirtschaftlichen Tätigkeit der SVK wird eine Anfechtungsklage nur selten greifen, weil bei den kU Realakte vorherrschen. Darum haben die Bürger eher eine öffentliche Parteiklage vor dem Verwaltungsgericht zu erheben. b) Rechtsschutz durch Verwaltungsklage aa) Einspruchsklage Wenn die wirtschaftliche Betätigung der SVK durch Verwaltungsverfügung durchgeführt wird, kann man eine Einspruchsklage einschließlich Anfechtungsklage gegen solche Verwaltungsverfügungen erheben. Nach dem koreanischen GkU sind die grundlegenden Inhalte in Bezug auf Errichtung und Betriebe der kU durch kommunale Satzungen zu bestimmen. Gemäß dem geltenden GkU basiert die wirtschaftliche Tätigkeit der kU auf kommunalen Satzungen. Darum können die Bürger gegen solche Satzungen dann eine Anfechtungsklage erheben, wenn die Satzungen in die Rechte der Bürger direkt eingreifen, weil in diesem Fall der Verfügungscharakter der Satzungen bejaht werden kann.9 Ansonsten unterliegen die kommunalen Satzungen nur einer gerichtlichen Inzidentkontrolle, weil die koreanische Gerichtskontrolle keine abstrakte Normenkontrolle kennt. bb) Unterlassungsanspruch durch öffentlich-rechtliche Parteiklage Es ist nicht einfach, eine Anfechtungsklage gegen die betriebliche Tätigkeit der kU zu erheben. Denn diese Tätigkeiten sind hauptsächlich als Realakt zu qualifizieren. In Korea gibt es zwei Möglichkeiten gegen Realakte gerichtlich vorzugehen, nämlich durch eine Zivilklage und (auch) eine öffentlichrechtliche Parteiklage. Wollen die Bürger die Betriebe der kU stoppen, ist ihnen ___________ 9
Großgericht, Urteil vom 20.9.1996, 95NU8003.
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die öffentlich-rechtliche Parteiklage zu empfehlen, weil die SVK sowie die kU dann in die Streitigkeiten miteinbezogen sind, die als öffentlich-rechtliches Subjekt zu qualifizieren sind. Gemäß § 2 Nr. 2 des Verwaltungsprozessgesetzes wird eine öffentlichrechtliche Parteiklage wie folgt definiert: Eine öffentlich-rechtliche Parteiklage ist eine Klage gegen eine Partei desjenigen Rechtsverhältnisses, das aufgrund einer Verwaltungsverfügung oder eines sonstigen öffentlichen Rechtsverhältnisses besteht. Diejenigen, die wegen der wirtschaftlichen Tätigkeit der kU Schäden erlitten haben, können einen Schadensersatzanspruch oder einen Unterlassungsanspruch gegen die kU erheben. Das Hauptproblem liegt aber darin, dass die öffentlich-rechtliche Parteiklage in der koreanischen Rechtspraxis kaum Verwendung findet. Anstelle der öffentlich-rechtlichen Parteiklage wird vielmehr bis jetzt vor allem die Zivilklage verwendet. Diese Erscheinung zeigt, dass in Korea eine öffentlich-rechtliche Denkweise noch nicht fest verwurzelt ist.10 Ein anderes schwieriges Problem bei der öffentlich-rechtlichen Schadensersatzklage liegt in der Anerkennung der Kausalität zwischen Eingriff und Schaden. Obwohl Schäden dadurch entstehen, dass die wirtschaftliche Tätigkeit der kU gegen die Vorschriften des GkU verstößt, ist nach der Rechtsprechung der drittschützende Charakter der verletzten Normen für die Anerkennung der Kausalität notwendig.11 Ohne klare Aussage der betroffenen Normen für den Schutz der Bürger ist bis jetzt der drittschützende Charakter der Normen zu verneinen, obwohl es Versuche gibt, den Umfang der betroffenen Normen zu erweitern. Bezüglich der wirtschaftlichen Betätigung der kU können die Bürger einen Unterlassungsanspruch als eine Form der öffentlich-rechtlichen Parteiklage erheben. In diesem Fall ist zu klären, woher dafür eine rechtliche Basis hergeleitet werden kann. Zur Bejahung des Unterlassungsanspruchs ist in erster Linie eine Anspruchsgrundlage notwendig. Wenn es keine Anspruchsgrundlage gibt, ist es grundsätzlich schwer, zu einem solchen Anspruch zu gelangen. Denn es gibt noch keinen Fall in der koreanischen Rechtsprechung, in dem ein solcher Anspruch ohne konkrete Normen anerkannt wurde. Wenn man dieser Frage theoretisch näher zu kommen versucht, kann man sich die folgenden drei Wege vorstellen, um einen Unterlassungsanspruch anzuerkennen. Erstens könnte der Unterlassungsanspruch aus den Grundrechten der koreanischen Verfassung, insbesondere aus der Berufsfreiheit und der Eigentumsgarantie abgeleitet werden. Zweitens könnte der Unterlassungsanspruch sich auf die Regelungen des Wettbewerbsrechts stützen. Drittens könnte ___________ 10 11
Kang, Hyunho, Verwaltungsrecht für Staatsführung(I), S. 649. Großgericht, Urteil vom 9.9.2010, 2008DA77795 Schadensersatz.
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der Unterlassungsanspruch aufgrund der Vorschriften der GkU anerkannt werden, die insbesondere in engem Zusammenhang mit den Zulässigkeitsvoraussetzungen der wirtschaftlichen Betätigung der kU stehen. (1) Grundrechte in der koreanischen Verfassung – Berufsfreiheit und Eigentumsgarantie Die Berufsfreiheit schützt die Ausübung des Berufes. Zu ihrem wesentlichen Inhalt gehört die Freiheit der Berufswahl und der Berufsausübung. Die Berufsfreiheit schützt nicht vor Konkurrenz. Mit anderen Worten bedeutet die Berufsfreiheit im Prinzip kein Freisein von Konkurrenz, insbesondere NichtKonkurrenz seitens der öffentlichen Hand.12 Die Berufsfreiheit schützt die Bürger nur in einem begrenzten Maße in Bezug auf die Art und Weise der Konkurrenz, nämlich wenn diese eine Einschränkung der Berufsfreiheit herbeiführt. Wenn die Art und Weise der Konkurrenz durch die wirtschaftliche Betätigung der kU in einer Weise geschieht, dass die Berufsfreiheit der Bürger völlig ausgehöhlt, in unerträglichem Maße eingeschränkt oder ihre Ausübung unzumutbar erschwert wird, dann kommt ein auf dieses Grundrecht gestützter Abwehranspruch gegen solche Eingriffe in Betracht. Bezüglich der Begrenzung der Berufsfreiheit wurde die Drei-Stufen-Theorie durch die Rechtsprechung des deutschen Bundesverfassungsgerichtes entwickelt und (auch) von dem koreanischen Verfassungsgericht in seiner Entscheidung übernommen.13 Die Berufswahlfreiheit selbst wird durch die wirtschaftliche Betätigung der kU nicht berührt. In die Freiheit der Berufsausübung kann jedoch viel leichter eingegriffen werden. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Begrenzung der Freiheit der Berufsausübung abgesehen von extremen Fällen geduldet werden soll. Extreme Fälle sind zu bejahen, wenn eine Auszehrung der Konkurrenz vorliegt oder eine Monopolstellung der kU besteht. Aber es gibt einen anderen Versuch, um bei der Beurteilung der Eingriffe in die Freiheit der Berufsausübung die faktischen Auswirkungen der kU auf die wirtschaftliche Sphäre einzubeziehen.14 Wenn man diese Richtung weiter verfolgt, gelangt man zu einer Interessenabwägung zwischen den wirtschaftlichen Interessen der kU sowie Interessen der Selbstverwaltung auf der einen Seite und der Berufsfreiheit der Bürger auf der anderen Seite. Durch die gerichtliche Rechtsprechung ist dann zu bestimmen, in welchem Grad der Interessenabwägung ein Unterlassungsanspruch zu gestatten ist. ___________ 12
Faßbender, Rechtsschutz privater Konkurrenten gegen kommunale Wirtschaftsbetätigung, DÖV 2005, S. 97. 13 Vgl. KVerfG, Entscheidung vom 30.10.2003, 2001HUNMA700. 14 Lee, Deokyeon, Die rechtliche Grenze der gewinnerzielenden Aktivitäten der lokalen Regierung, Staatsexamen Zeitschrift, Nr. 147 (1996), S. 113.
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Das Eigentumsrecht schließt alle eigentumswerten Rechte mit ein. Die Eigentumsgarantie schützt die Rechte des erworbenen Eigentums. Die Eigentumsgarantie beinhaltet hauptsächlich die Akquisition, Benutzung und Entäußerung des erworbenen Eigentums. Darum schließt die Eigentumsgarantie die Chance des Eigentumserwerbs nicht mit ein.15 Durch die wirtschaftliche Betätigung der kU sowie ihre Teilnahme am Markt können die Einwohner bzw. die Bürger nur die Chance verlieren, Eigentum erwerben zu können. Darum ist es schwierig, mit der Eigentumsgarantie die wirtschaftliche Tätigkeit der kU zu bremsen. (2) Gesetz über Monopolregulierung sowie Fairen Handel (GMRFH) Gemäß § 1 GMRFH bezweckt das Gesetz in Bezug auf Unternehmen die Verhinderung des Missbrauches einer marktbeherrschenden Stellung und eine übermäßige Konzentration wirtschaftlicher Macht, die Regulierung der unlauteren und unfairen Handelspraktiken sowie die Förderung von freien und kreativen unternehmerischen Aktivitäten durch die freie und faire Konkurrenz. Außerdem dient das Gesetz dem Schutz der Verbraucher und der Förderung einer ausgewogenen Entwicklung der nationalen Wirtschaft. Gemäß den Vorschriften des GMRFH haben die kU als Unternehmen im Sinne des GMRFH die betroffenen Vorschriften einzuhalten.16 Bei Verstößen gegen die Vorschriften des GMRFH kann die Kommission des fairen Handels (KfH) dem verletzenden Unternehmen Korrekturmaßnahmen (§ 5 GMRFH) sowie Bußgelder (§ 6 GMRFH) auferlegen. Gemäß § 48.6 Abs. 1 GMRFH kann der Verletzte bei der KfH einen Antrag auf Vermittlung stellen, wenn er wegen der Aktivitäten eines anderen Unternehmens, welche die Vorschriften des GMRFH verletzen, Verluste erleidet. Nach § 56 Abs. 1 GMRFH sind Unternehmer oder Unternehmensverbände für diejenigen verantwortlich, die Schäden wegen der Verletzung der Vorschriften dieses Gesetzes erlitten haben. Allerdings ist der erste Satz dann nicht anzuwenden, sofern Unternehmer oder Unternehmensverbände die Abwesenheit von Vorsatz oder Fahrlässigkeit bewiesen haben. Gemäß § 5 GMRFH kann die KfH dem Unternehmer benötigte Korrekturmaßnahmen wie Preissenkung, Einstellung derartiger Handlungen oder die Veröffentlichung der Tatsachen der Verletzung aufgeben, wenn es verletzende Handlungen gegen § 3.2 GMRFH (Verbot des Missbrauches einer marktbeherrschenden Stellung) gibt. ___________ 15
KVerfG, Entscheidung vom 29.4.2010, 2007HUNBA40. Lee, Wonwoo, Die rechtliche Untersuchung über wirtschaftliche Regulierung, S. 786 f.: Durch die 7. Revision des GMRFH im Jahre 1999 wurde das GMRFH auch auf die öffentliche Verwaltung einschließlich der kU erstreckt. 16
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Deshalb ist zu prüfen, ob die Bürger aufgrund dieser Regelung gegen die Unternehmer einschließlich der kU eine Unterlassung beantragen können. Die KfH kann gegenüber den Unternehmern einschließlich der kU die Unterlassung derartiger Handlungen anordnen, wenn die Unternehmer einschließlich der kU gegen die Vorschriften des GMRFH verstoßen haben und ihre Tat als ein Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung zu qualifizieren ist. Das eigentliche Problem liegt nun darin, wie man die wirtschaftliche Tätigkeit der kU mit dem Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung sowie unlauteren Handlungen verbinden bzw. identifizieren kann und ob man einen Verstoß der kU gegen die kommunalrechtlichen Marktzugangsvorschriften als Erfüllung der Tatbestände des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung sowie der unlauteren Handlung betrachten kann. Im Augenblick verfolgen die beiden Gesetze jeweils andere Zwecke. Darum sind die Zusammenhänge zwischen den Verstößen der jeweiligen Gesetze schwer abzuleiten. Wenn die wirtschaftliche Tätigkeit als Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung oder unlautere Handlung zu qualifizieren sein mag, kommt es auf das Problem des Einschreitens der KfH an, weil die Vorschriften des GMRFH der KfH einen Ermessenspielraum verleihen. Nun ist zu fragen, ob die Bürger ein Einschreiten der KfH beanspruchen können, falls die KfH im obigen Fall nicht eingreift. Bislang gibt es noch keine Rechtsprechung zu einer solchen Klage. Nach der wissenschaftlichen Lehre können die Bürger sich den Anspruch auf Einschreiten der Verwaltungsbehörde zunutze machen, wenn diese Lehre bejaht wird: Dann können sie gegen die KfH eine Verpflichtungsklage bzw. eine Leistungsklage erheben. Aber als Voraussetzung für diesen Anspruch müsste zuerst der betroffenen Norm drittschützende Wirkung zukommen. Die Bejahung des drittschützenden Charakters einer Norm hängt davon ab, ob diese Norm unmittelbar dazu dient, einen bestimmbaren Personenkreis zu schützen, der sich von der Allgemeinheit unterscheidet, in anderen Worten, ob die Norm die Interessen eines gesonderten Personenkreises schützt. Der Charakter der drittschützenden Wirkung einer Norm ist auch mit der Rechtsfolge der betroffenen Normen zusammen zu sehen.17 Ich hoffe, dass auch Korea in absehbarer Zeit einen solchen Rechtsstreit erfahren wird. (3) Regelungen des Gesetzes kommunaler Unternehmen Zu diskutieren ist, ob man einen Unterlassungsanspruch gegen die wirtschaftliche Betätigung der kU aus den Vorschriften des GkU herzuleiten vermag. Es könnte hier mit der Frage zu beginnen sein, ob das Subsidiaritätsprinzip aus dem GkU in dem Sinne hergeleitet werden kann, dass die wirtschaftli___________ 17 Faßbender, Rechtsschutz privater Konkurrenten gegen kommunale Wirtschaftsbetätigung, DÖV 2005, S. 93.
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che Tätigkeit der SVK bzw. der kU gegen die private marktwirtschaftliche Tätigkeit subsidiär sein soll, d.h. die wirtschaftliche Tätigkeit der kU nicht besser oder wirtschaftlicher durch einen anderen erfüllt werden kann.18 Im gesamten Zusammenhang ist das Subsidiaritätsprinzip in Korea schwer zu bejahen. Denn es gibt keine Vorschriften, welche die Subsidiarität der wirtschaftlichen Betätigung der kU gegen die privaten Tätigkeiten aufzeigen.19 Darum ist es nicht klar, ob in Konkurrenz mit der öffentlichen Hand stehende Bürger gegen die wirtschaftliche Tätigkeit der kU eine Unterlassungsklage erheben können, wenn die Tätigkeit der kU in die Sphäre der privaten Marktwirtschaftsfelder eintritt. Sollte das Subsidiaritätsprinzip im koreanischen GkU anerkannt werden, stellt sich als Folgefrage diejenige nach dem für die Klageerhebung notwendigen drittschützenden Charakter der das Subsidiaritätsprinzip beinhaltenden Normen. Wenn diese Rechtsnormen nicht nur den Schutz der öffentlichen Interessen, sondern auch den Schutz der privaten Interessen bezwecken, dann sind die Bürger klagebefugt. Deshalb müsste geklärt werden, ob die Rechtsvorschriften des GkU, auf denen die Subsidiarität der kU basiert, nur den Schutz der SVK vor übermäßigen Handlung der kU bezwecken oder auch den Schutz der privaten Interessen. Jedoch lässt sich nicht einfach beantworten, ob den Vorschriften des GkU, auf denen die Subsidiarität der kU basiert, ein drittschützender Charakter zukommt, weil diese Regelungen in erster Linie den Schutz der SVK bezwecken.20 Betrachtet man aber die folgenden Regelungen des GkU, kann man einen anderen Schluss ziehen. Denn diese Regelungen scheinen einen Drittschutz zu bezwecken. Zum Beispiel schreibt § 2 Abs. 2 Nr. 1 GkU Folgendes vor: Die SVK kann dieses Gesetz nach der Regelung der kommunalen Satzung für die Fälle anwenden, in denen die SVK ein Unternehmen betreibt, das mehr als 50 Prozent der laufenden Ausgaben des Unternehmens mit den laufenden Einnahmen deckt und einer der folgenden Fälle vorliegt: 1. ein Projekt, an dem eine Betriebsbeteiligung von Privatpersonen schwierig ist, 2. das zur Förderung des Gemeinwohls der Einwohner und 3. zur Aktivierung der kommunalen Wirtschaft und zur Förderung der regionalen Entwicklung beiträgt. Nach § 3 Abs. 2 GkU (Grundprinzip des Betriebes) hat die SVK bei der Errichtung und Betreibung der kU danach zu streben, die private Wirtschaft nicht zu mindern, die freie und faire Wirtschaftsordnung nicht zu verletzen und die Umwelt nicht zu schädigen. Außerdem hat die SVK gemäß § 49 GkU über die Zulässigkeit ___________ 18
Hong, Jeongseon, Koreanisches Kommunalrecht, S. 579. Lee, Wonwoo, Die rechtliche Untersuchung über wirtschaftliche Regulierung, S. 785. s. auch Schink, Alexander, NVwZ 2002, S. 137; Attendorn, Thorsten, KommJur 2010, S. 364; Tettinger, Peter J., NJW 1998, S. 3474. 20 Hong, Jeongseon, Koreanisches Kommunalrecht, S. 579. 19
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des öffentlichen Unternehmens die Auswirkungen auf das Wohlergehen der Einwohner und auf die regionale Wirtschaft sowie die Wirtschaftlichkeit zu prüfen, wenn sie die kommunale öffentlich-rechtliche Gesellschaft errichtet. Es ist hiermit zu fragen, ob die Bürger gegen die Tätigkeit der kU einen Unterlassungsanspruch geltend machen können, wenn sie in ihrer Wirtschaftstätigkeit durch ein kU eine Umsatzreduzierung erleiden, wenn ein kU der SVK die wirtschaftliche Tätigkeit in der Weise durchführt, dass es gegen diese Regelungen, z.B. die Grundprinzipien des Betriebes, verstößt oder wenn die Prüfung der SVK gemäß § 49 GkU nicht erfolgt oder nicht genügend erscheint. Eine solche Klage kam in Korea bislang noch nicht vor, wird wohl aber in absehbarer Zeit erhoben werden. Während des Klageverfahrens wird in erster Linie über den drittschützenden Charakter des GkU gestritten werden. Mit großer Wahrscheinlichkeit wird eine wissenschaftliche Lehre entstehen, die den drittschützenden Charakter des GkU bejahen wird. Auf jeden Fall wird m.E. die Auslegung des § 3 Abs. 2 GkU (Grundprinzip des Betriebes) sehr wichtig für die Anerkennung des drittschützenden Charakters des GkU sein. Nach meiner Ansicht ist wegen dieser Bestimmung die Bejahung des drittschützenden Charakters der Vorschriften des GkU leichter als in Deutschland zu bestimmen. Denn § 3 Abs. 2 GkU schreibt klar vor, dass die SVK bei der Errichtung und dem Betrieb der kU die private Wirtschaft berücksichtigen soll. Diese Regelung zeigt deutlich auf, dass sie einen Ausgleich zwischen der Gewährleistung der kommunalen Wirtschaftstätigkeit und den privaten Marktteilnehmern bezweckt.21 Wird der drittschützende Charakter der Regelungen des GkU anerkannt, bleibt noch ein anderes Problem bei der Sachentscheidung wegen des kommunalpolitischen Beurteilungsspielraumes bzw. der Einschätzungsprärogative, welche die richterliche Überprüfung in großem Maße erschwert. Aber die koreanische Rechtsprechung wird einen harmonischen Weg durch eine gerechte Abwägung der betroffenen Interessen finden. c) Rechtsschutz durch Zivilklage Die Rechtsdurchsetzung kann auch mittels Zivilklage geschehen, wenn die SVK ihre wirtschaftliche Tätigkeit im dritten Sektor durchführt, soweit es keine besonderen Gründe für eine Abweichung gibt. Es wird bislang kaum davon berichtet, dass die wirtschaftliche Tätigkeit der SVK die Bürger und ihre Verkehrsfelder unzumutbar beeinträchtigt. Wenn aber unzumutbare Schäden für die Bürger entstehen, dann können sie einen Unterlassungsanspruch geltend machen. Wenn dieser Anspruch erhoben wird, sind seine Erfolgsaussichten ge___________ 21
Hong, Jeongseon, Koreanisches Kommunalrecht, S. 582 f.
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ring einzuschätzen, sofern es keinen rechtlichen Grund für den Unterlassungsanspruch gibt. Wie oben erwähnt, gibt es dazu bislang keine Rechtsprechung. Zwar nimmt man die verfassungsrechtlichen Grundrechte für den Unterlassungsanspruch als Basis an. Allerdings ist es nicht einfach, den Unterlassungsanspruch zu bejahen, weil es – wie bereits erörtert wurde – sehr schwierig ist, die Grundrechte der Bürger direkt durch die wirtschaftliche Tätigkeit zu beeinträchtigen. Normalerweise beeinflusst die wirtschaftliche Betätigung der SVK die Bürger nur indirekt oder faktisch, z. B. in der Form von Umsatz- oder Chancenverlust(en). Dennoch gibt es einige Möglichkeiten, den Unterlassungsanspruch auch anzuerkennen, wenn die privaten Personen gar keine wirtschaftliche Tätigkeit leisten, keine Möglichkeit für die Berufsausübung haben oder unzumutbare Schäden erleiden. Wann dies der Fall ist, wird noch zu untersuchen sein. 3. Rechtsschutz der allgemeinen Bürger Wenn die Angestellten der kU bei der wirtschaftlichen Betätigung den Bürgern Schäden beibringen, können die Bürger gemäß § 2 des Staatshaftungsgesetzes (SHG) einen Schadensersatzanspruch sowohl gegen die Angestellten als auch gegen die SVK erheben. Wenn die öffentlichen Einrichtungen der kU durch die Fehler bei ihrer Errichtung oder Verwaltung den Bürgern Schäden zufügen, dann können die Bürger auch gemäß § 5 SHG einen Schadensersatzanspruch erheben.22 In diesem Fall ist zu berücksichtigen, dass die wirtschaftliche Tätigkeit unter die Kategorie der Amtsausübung fallen soll. Nach der geltenden Lehre und Rechtsprechung ist eine private gewinnorientierte Tätigkeit der öffentlichen Hand von der Amtsausübung ausgeschlossen. Im Gegensatz dazu sind die verwaltenden Tätigkeiten der öffentlichen Einrichtungen oder die befehlenden Tätigkeiten umfasst.23 Wenn die wirtschaftliche Tätigkeit der kU nicht in die Kategorie des SHG fällt, dann müssen die verletzten Bürger eine Zivilklage gegen die Angestellten erheben. Nach dem koreanischen bürgerlichen Gesetz kann es auch auf die Haftung der Aufsichtspflichtigen ankommen. Eine zusätzliche Frage könnte sein, ob die Bürger einen Schadensersatzanspruch geltend machen können, wenn sie durch die Unterlassung der kU Schäden erlitten haben. Nach der Rechtsprechung ist die Unterlassung auch eine Art von Amtsausübung. Aber die Vorschriften, welche die Haftung für Unterlassen begründen, sollen eine drittschützende Wirkung haben, wenn die Bürger aufgrund der Vorschriften einen Anspruch erheben können.24 ___________ 22 23 24
Kang, Hyunho, Verwaltungsrecht für Staatsführung(I), S. 432 ff. Großgericht, Urteil vom 9.4.2004, 2002DA10691. Großgericht, Urteil vom 24.9.2009, 2006DA82649.
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V. Schlussbemerkungen Bis jetzt ist das Problem des Rechtsschutzes gegen die wirtschaftliche Betätigung der SVK unter den Aspekten von Rechtsschutz der kommunalen Einwohner, Rechtsschutz der Bürger als Konkurrenten und Rechtsschutz der allgemeinen Bürger zu sehen. Der Rechtsschutz der kommunalen Einwohner kann zuerst durch verschiedene rechtliche Instrumente verwirklicht werden, die im koreanischen Selbstverwaltungsgesetz geregelt sind. Die Bürger als Konkurrenten zu den öffentlichen kommunalen Unternehmen (kU) können zwischen dem öffentlich-rechtlichen Verwaltungsrechtsweg und dem zivilrechtlichen Rechtsweg wählen. Dabei ist der Rechtsschutz vom drittschützenden Charakter der betroffenen Rechtsnormen abhängig, auf denen die Eingriffe basieren. Diesbezüglich kann m.E. der drittschützende Charakter vor allem aus § 3 Abs. 2 GkU hergeleitet werden. Nach der Erfüllung des Erfordernisses der Klagebefugnis liegt das vorrangige Interesse für die konkurrierenden Bürger in der Möglichkeit der Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs, um ihre Rechte gegen die Eingriffe der kU zu schützen. Jedoch gibt es keine konkreten Regelungen in den koreanischen gesetzlichen Vorschriften, die den Unterlassungsanspruch begründen. Auch erging diesbezüglich bis jetzt noch kein Urteil. Darum wurde eine empirische Untersuchung in Bezug auf die Berufsfreiheit und die Eigentumsgarantie der koreanischen Verfassung durchgeführt. Dazu sind einige koreanische Gesetze einschließlich GMRFH, GkU mit einbezogen worden, um die Möglichkeit der Unterlassungsansprüche zu analysieren. Zum Schluss ist der Rechtsschutz von den allgemeinen Bürgern betrachtet worden und in diesem Fall können die allgemeinen Bürger ggf. gegen die SVK, die kU oder gegen die Angestellten einen Schadensersatzanspruch geltend machen.
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Verzeichnis der Autoren Dr. Peter Baumeister, Univ.-Prof., SRH Fachhochschule Heidelberg Dr. Annette Guckelberger, Univ.-Prof., Universität des Saarlandes Saarbrücken Dr. Hyunho Kang, Prof., Sungkwunkwan Universität Seoul Dr. Hae Ryoung Kim, Univ.-Prof., Hankook University of Foreign Studies Seoul Dr. Sung-Soo Kim, Univ.-Prof., Yonsei Universität Seoul Dr. Kil Joon Kyu, Univ.-Prof., Ajou University Korea Dr. Hans-Werner Laubinger, Univ.-Prof., Johannes-Gutenberg-Universität Mainz Dr. Josef Ruthig, Univ.-Prof., Johannes-Gutenberg-Universität Mainz Dr. Wolf-Rüdiger Schenke, Univ.-Prof., Universität Mannheim Dr. Dongsoo Song, Univ.-Prof., Dankook Universität Chungchongnamdo Dr. Jan Ziekow, Univ.-Prof., Direktor des Deutschen Forschungsinstituts für öffentliche Verwaltung Speyer