Der sogenannte kleine Schadensersatz bei § 463 BGB [1 ed.] 9783428502288, 9783428102280

Von »kleinem Schadensersatz« wird in der Literatur im Zusammenhang mit vertraglichen Ersatzansprüchen oft gesprochen, oh

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Der sogenannte kleine Schadensersatz bei § 463 BGB [1 ed.]
 9783428502288, 9783428102280

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ULRIKE JAGGY

Der sogenannte kleine Schadensersatz bei § 463 BGB

Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 244

Der sogenannte kleine Schadensersatz bei § 463 BGB

Von Ulrike Jaggy

Duncker & Humblot · Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Jaggy, Ulrike: Der sogenannte kleine Schadensersatz bei § 463 BGB / von Ulrike Jaggy. - Berlin : Duncker und Humblot, 2001 (Schriften zum Bürgerlichen Recht ; Bd. 244) Zugl.: Tübingen, Univ., Diss., 2000 ISBN 3-428-10228-2

D 21 Alle Rechte vorbehalten © 2001 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Werner Hildebrand, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-7387 ISBN 3-428-10228-2 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier

entsprechend ISO 9706 θ

Meinen Eltern

Vorbemerkung Diese Untersuchung wurde im Wintersemester 1999/2000 von der Universität Tübingen als Dissertation angenommen. Sie befindet sich auf dem Stand September 1999. Die bis zur Drucklegung erschienene Literatur konnte vereinzelt noch in den Fußnoten berücksichtigt werden. Meiner Familie und meinen Freunden, die mich in der nicht einfachen Zeit bei der Erstellung der Arbeit unterstützt haben, danke ich herzlich. Ohne diese Unterstützung wäre die Arbeit nicht beendet worden. Meinem Onkel Karl Jaggy danke ich für das kritische und sorgfältige Korrekturlesen des Manuskripts. Mein Dank gilt auch Herrn Prof. Wolfgang Ernst für die Betreuung der Promotion und Herrn Prof. Gottfried Schiemann für die Erstellung des Zweitgutachtens. Stuttgart, im Mai 2000 Ulrike Jaggy

Inhaltsverzeichnis Α. Einführung

13

I.

Einleitung

13

II.

Der kleine Schadensersatz in der Rechtsprechung

15

III. Kritik der Rechtsprechung

17

B. Dogmatische Rechtfertigung und Inhalt des Anspruchs auf kleinen Schadensersatz 20 I.

Behebbare Mängel beim Stückkauf

20

1. Von § 463 BGB geschütztes Interesse

21

a) Konsequenzen des subjektiven Fehlerbegriffs

21

aa) Gegenstand des Kaufvertrages

21

bb) Funktion der Merkmale „Zusicherung" und „Arglist" im kaufvertraglichen Gewährleistungssystem

22

b) Folgerungen für das von § 463 BGB geschützte Interesse

26

c) Abgrenzung des Anspruchs aus § 463 BGB gegenüber Ansprüchen auf Ersatz des negativen Interesses

28

d) Zwischenergebnis

29

2. Mögliche Einwände gegen die direkte Anwendung der §§ 249 ff. auf den Anspruch auf kleinen Schadensersatz aus § 463 BGB

30

a) Einwände aus dem Kaufrecht: das Fehlen einer Nacherfüllungspflicht

30

b) Einwände aus der schadensrechtlichen Dogmatik

33

aa) Führt der Ausschluß des Erfüllungsanspruchs zwingend zum Ausschluß eines Anspruchs auf Naturalrestitution? . . .

34

bb) Gleichbehandlung von Eigentums- und Vertragsverletzung

38

(1) Grundsätzliches

38

(2) Bestätigung durch die Gesetzgebungsgeschichte

42

(3) Zwischenergebnis

43

cc) Dem „Integritätsinteresse" des Eigentümers vergleichbares Interesse des Käufers am konkreten Stück (1) Un verhältnismäßigkeit Eigentumsverletzungen

der

Naturalrestitution

43

bei 44

(a) Unersetzbarkeit der beschädigten Sache

46

(b) Besonderes subjektives Interesse, das kein Affektionsinteresse ist

46

(c). Schutz des Affektionsinteresse Integritätsinteresses

48

im Rahmen des

Inhaltsverzeichnis

10

(2) Vergleichbare Interessen des Käufers

48

(a) Unersetzbarkeit der Kaufsache

II.

49

(b) Besonderes subjektives Interesse an der Kaufsache

52

(c) Grenzen des Schutzes des Käuferinteresses konkreten Stück in der Rechtsprechung

53

am

dd) Naturalrestitution bei unbeeinträchtigten Kaufobjekten? . . .

56

(1) Fälle mit Sonderproblem eines Gewährleistungsausschlusses

56

(a) Abgrenzung von Zusicherung und bloßer Beschaffenheitsvereinbarung

58

(b) Übertragung auf die Beispielsfälle

61

(2) Fälle ohne Sonderproblem eines Gewährleistungsausschlusses

62

(3) Vergleich mit dem Werkvertragsrecht

65

Unbehebbare Mängel beim Stückkauf

66

1. Grundsatz

66

2. Abgrenzung zur Minderung

67

3. Starke Diskrepanz zwischen Realität und Vereinbarung

71

a) Unabhängigkeit der Frage vom Streit um den Fehlerbegriff . . . .

72

b) Die verschiedenen Interessen des Käufers

74

aa) Beschädigte Kaufobjekte

75

bb) Unbeeinträchtigte Kaufobjekte

75

4. Zusammenfassung

78

5. Folgerungen für eine fiktive Schadensberechnung im Rahmen des kleinen Schadensersatzes

79

III. Gattungskauf und Stückkauf über vertretbare Sachen 1. Vergleich mit der Ausgangslage beim Stückkauf über nicht vertretbare Sachen

82 82

2. Begründung der Beschränkung des Anspruchs des Gattungskäufers auf kleinen Schadensersatz

84

3. Interesse des Gattungskäufers am gelieferten Stück

85

4. Berechnung des kleinen Schadensersatzes

87

a) Reparaturkosten

87

b) Minderwert

88

5. Starke Diskrepanz zwischen Realität und Vereinbarung

88

C. Ersetzbarkeit entgangenen Gewinns im Rahmen eines Anspruchs auf kleinen Schadensersatz 92 I.

Entgangener Gewinn aus dem Verkauf des Kaufobjektes

92

II.

Entgangener Gewinn aus dem Einsatz des Kaufobjektes als Produktionsmittel, Verpacht- oder Vermietungsobjekt

93

D. Das Verhältnis von großem Schadensersatzes und kleinem Schadensersatz als Wahlschuld

98

Inhaltsverzeichnis I.

Abgrenzung zu anderen Rechtsfiguren

98

1. Elektive Konkurrenz

98

2. Unterschiedliche Berechnungsmethoden II.

99

3. Ersetzungsbefugnis

101

Sachgerechtigkeit der Bindung an die getroffene Wahl

102

III. Vereinbarkeit mit der bisherigen Rechtsprechung zum Wechsel zwischen kleinem und großem Schadensersatz 103 1. Rechte des Käufers bei verzögerter Schadensabwicklung

103

a) Interesse des Käufers in den entschiedenen Fällen

104

b) Schadensminderung

107

c) Rechtsgrundlage

109

2. Die Teilanspruchsthese

112

IV. Prozessuale Auswirkungen

114

1. Wechsel zwischen kleinem und großem Schadensersatz im Prozeß . 114 2. Zuständigkeitsstreitwert und Rechtsmittelbeschwer

E. Zusammenfassung

116

119

I.

Anspruch auf kleinen Schadensersatz nach § 463 BGB

119

II.

Schlußfolgerungen hinsichtlich der Begriff s Verwendung

120

Literaturverzeichnis

122

Sachverzeichnis

128

Α. Einführung Ι . Einleitung Mit dem Ausdruck „kleiner Schadensersatz" wird im Rahmen verschiedener Anspruchsgrundlagen (§§ 325, 326, 463, 480 Abs. 2 und 635 BGB sowie c.i.c.) eine Schadensabwicklungsform bezeichnet, bei welcher der Berechtigte die ihm gelieferte Sache behält und zusätzlich von seinem Vertragspartner einen Ausgleichsbetrag bekommt. Die dogmatische Rechtfertigung für diese Art des Schadensersatzes und daraus folgend ihre Berechnung ist in Literatur und Rechtsprechung nicht geklärt. 1 Diese Untersuchung konzentriert sich auf den kleinen Schadensersatz bei den kaufvertraglichen Gewährleistungsansprüchen nach § 463 und § 480 Abs. 2 BGB. Im Rahmen dieser Normen ist seit jeher - wie schon zuvor bei der römisch-rechtlichen Haftung des Verkäufers für ein dictum - anerkannt, daß der Käufer bei Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen, eine mangelhafte Sache behalten darf und unter ihrer Einbeziehung Schadensersatz vom Verkäufer verlangen kann. Die Problematik, wie ein Anspruch auf kleinen Schadensersatz zu berechnen ist, stellte sich damit für das kaufvertragliche Gewährleistungsrecht seit Bestehen der römisch-rechtlichen Dictumhaftung. 2 Das Bedürfnis zur Einführung des Begriffes „kleiner Schadensersatz" in Abgrenzung zum „großen Schadensersatz" ergab sich dagegen erst nach Erlaß des Bürgerlichen Gesetzbuches,3 als dem Käufer zugestanden wurde, zwischen einer Schadensabwicklung unter Rückgabe der mangelhaften Sache und einer Schadensabwicklung ohne deren Rückgabe an den Verkäufer zu wählen. Bei Erlaß des BGB war man noch überwiegend davon ausgegangen, daß dem Käufer im Rahmen der kaufvertraglichen Gewährleistungsansprüche kein Wahlrecht innerhalb des Schadensersatzanspruchs 1 Ansätze zu einer dogmatischen Einordnung lediglich bei Bulla, BB 1975, 445 ff.; Klein-Blenkers, AcP 194 (1994), 352 ff.; Derleder/Abramjuk, AcP 190 (1990), 640, 644 ff.; keine eingehende Behandlung der Problematik dagegen bei Krämer, Der „kleine" und der „große" Schadensersatz, vgl. insbesondere S. 195 ff. 2 Vgl. dazu Käser, Das Römische Privatrecht I, § 131 I I 2. 3 Soweit ersichtlich wird der Begriff erstmals von Erman, JZ 1959, 127 gebraucht. Seit den siebziger Jahren in allen gängigen Kommentaren und Lehrbüchern z.B. Palandt-Putzo, 39. Aufl. § 463 4b) aa; Songel-Huber, 11. Aufl. §463 Rdnr. 39; Larenz, SchuldR. Bnd. 2, 11. Aufl. § 41 3.

14

Α. Einführung

zustehe, sondern er - soweit er nicht Wandlung verlange - die mangelhafte Sache sogar behalten müsse.4 Schadensersatz unter Rückgabe der Sache wurde dem Käufer bloß zugestanden, soweit er wegen der Mangelhaftigkeit kein Interesse mehr an der Sache hatte.5 Im Leitsatz eines frühen Urteils des Reichsgerichtes 6 wurde diese Ansicht erstmals in Frage gestellt und eine Diskussion um den Inhalt des gewährleistungsrechtlichen Schadensersatzanspruchs in der Literatur entfacht. Bemerkensweiterweise war in dem Urteil des Reichsgerichts lediglich über das Verhältnis von Nachlieferungsanspruch und Schadensersatz unter Zurückweisung der gelieferten Sache beim Gattungskauf entschieden worden. Die heutige, endgültige Anerkennung des Käuferwahlrechts zwischen kleinem und großem Schadensersatz unabhängig vom Merkmal des Interessenwegfalls 7 beruht auf der Durchsetzung des subjektiven Fehlerbegriffs. Durch die Diskussion um den subjektiven Fehlerbegriff ist mittlerweile allgemein anerkannt, daß Rechtsgrund für die Gewährleistungsansprüche das kaufvertragliche Versprechen selbst ist. Aus diesem Verständnis des Sachmängelgewährleistungsrechts als einer Haftung wegen Nichterfüllung eines vertraglichen Versprechens ergibt sich folgerichtig, daß der Käufer nur eine Sache behalten muß, welche die vertraglich ausbedungenen Eigenschaften aufweist, unabhängig davon, ob er auch die vertragswidrige Sache für seine Zwecke nutzen könnte. In dieser Arbeit soll gezeigt werden, wie sich das Recht auf kleinen Schadensersatz vor dem Hintergrund der neueren Auffassung der Gewährleistungsrechte erklären läßt und welche Konsequenzen sich daraus für seine Berechnung ergeben. Gleichzeitig soll gezeigt werden, wie der kleine Schadensersatz in das allgemeine Schadensrecht des BGB (§§ 249 ff.) einzuordnen ist. Dabei wird sich herausstellen, daß ein nicht unbeträchtlicher Teil der Fälle, die von Literatur und Rechtsprechung unter dem Stichwort kleiner Schadensersatz abgehandelt werden, nichts mit einer eigenständigen Schadensabwicklungsform zu tun haben, sondern mit anderen Rechtsfiguren zu erklären sind. Dies führt zur Kritik an der Verwendung des Begriffes kleiner Schadensersatz in der Literatur insgesamt und einem Vorschlag zu dessen besserer Abgrenzung.

4 Pianck-Greiff, § 463, 4; Oertmann, BGB Bnd. 2 § 463, 5; Wolff, Ih. Jb. 56, 55, 79. 5 Planck-Gre/# § 463, 4; dagegen in der jüngeren Literatur Hensche, Der Schadensersatz wegen Nichterfüllung im Recht der Sachmängelgewährleistung S. 105 f. 6 RGZ 52, 352 ff. 7 Vgl. Soergel-Huber, § 463 Rdnr. 39, 42; MünchKomm-Westermann, § 463 Rdnr. 20; Staudinger-tfon.*?//, § 463 Rdnr. 61; Palandt-Pwizo, § 463 Rdnr. 18 f.; Schubert, JR 1986, 329.

II. Der kleine Schadensersatz in der Rechtsprechung

15

II. Der kleine Schadensersatz in der Rechtsprechung Zur Bestimmung des Umfangs eines kleinen Schadensersatzes stehen grundsätzlich drei Ansatzpunkte zur Verfügung: 1.

Berechnung nach den Kosten, die zur Beseitigung des Mangels erforderlich sind,

2.

Berechnung nach dem Minderweit der Sache im Vergleich zu einer mangelfreien und

3.

Berechnung nach der Differenz des geleisteten Kaufpreises zu dem Preis, der bei Kenntnis des Mangels gezahlt worden wäre.

Dabei kommt die unter erstens genannte Berechnungsmethode nur bei behebbaren Mängeln in Betracht. In der Rechtsprechung lassen sich Entscheidungen zu jedem der genannten Ansatzpunkte finden, 8 ohne daß klar würde, weshalb im einen Fall so und im anderen anders entschieden wurde. In einer ganzen Reihe von Urteilen, insbesondere in der Spruchpraxis des Bundesgerichtshofes, wird allerdings der Grundsatz entwickelt, daß der kleine Schadensersatz nach dem Minderweit der verkauften oder gelieferten Sache im Vergleich zu ihrem Wert im vertragsgemäßen Zustand zu berechnen sei, daß also stets die zweite Methode anzuwenden sei. 9 Bei näherer Betrachtung der Urteile, die vom Grundsatz der Berechnung nach Minderweit ausgehen, ist jedoch festzustellen, daß der theoretische Ansatz bei behebbaren Mängeln im Ergebnis nicht durchgehalten wird: Die Rechtsprechung hat es dem Gläubiger in den meisten der entschiedenen Fälle erlaubt, den Minderwert anhand der Reparaturkosten zu berechnen. 10 Ein Beispiel für diese Rechtsprechung liefert bereits die erste veröffentlichte Entscheidung des Bundesgerichtshofes zu einer Klage auf kleinen Schadensersatz aus dem Jahre 1965: 11 Ein Käufer, dem arglistig ein vom Holzbockkäfer befallenes Haus verkauft worden war, forderte Schadenser8

Berechnung nach Minderwert: BGH NJW 1965, 34; L G Bochum NJW 1980, 789; BGH NJW 1983, 1424; BGH NJW 1989, 2534; BGH NJW 1990, 42; K G NJW 1992, 1901; BGH NJW 1992, 566; BGH NJW 1993, 2103. Berechnung nach Reparaturkosten: RGZ 59, 150; RG JW 1931, 3270; OLGZ 1979, 431; OLG Frankfurt VRS 58, 330; OLG Koblenz DB 1990, 38; BGH NJW 1990, 975; BGH NJW 1991, 2900; BGH NJW 1995, 1549; BGH NJW 1996, 584. Berechnung nach gemindertem Kaufpreis: RG JW 1906, 330; RG Das Recht 1913 Nr. 1721; OLG Koblenz BB 1991, 722. 9 Vgl. die Zitate zur Berechnung nach Minderwert in der vorangehenden Fußnote. Ebenso RGRK-Mezger, § 463 Rdnr. 13. 10 BGH NJW 1965, 34; BGH NJW 1983, 1424; BGH NJW 1990, 42; BGH NJW 1989, 2534. 11 BGH NJW 1965, 34.

16

Α. Einführung

satz. Das Haus wollte er trotz des Mangels behalten. Der Bundesgerichtshof urteilte, ein Schadensersatzanspruch stehe dem Käufer nur in Höhe des Minderweites des mangelhaften Hauses zu. Den Minderweit könne der Käufer aber anhand der Kosten zur Beseitigung des Käfers berechnen: „Geltend gemacht wurde [...] vielmehr derjenige Schaden, der [...] aus der nicht gehörigen Erfüllung erwachsen war. Er bestand in dem Wertunterschied zwischen mangelfreier und mangelhafter Sache, und seine Höhe entsprach den Kosten, die erforderlich waren, um das verkaufte Haus wieder in einen mangelfreien Zustand zu versetzen." 12 Als weiterer Beleg für die beschriebene Vorgehensweise der Judikatur sei ein jüngeres Urteil angeführt: 13 Ein renoviertes Gebäude (Hausgrundstück) war in Eigentumswohnungen aufgeteilt worden, die nach und nach verkauft wurden. Erst während der Verkaufsphase erfuhr der Veräußerer, daß die Heizungsanlage des Gebäudes defekt war. Diesen, ihm nun bekannten, Mangel verschwieg er bei Veräußerung weiterer Wohnungen arglistig. Damit hatten nur die zeitlich letzten Käufer einen Schadensersatzanspruch aus § 463 S. 2 BGB. Der BGH sprach diesen Käufern als Schadensersatz die ihren Anteilen an der Wohnungseigentümergemeinschaft entsprechenden Kosten für die Heizungsreparatur zu. Zur Begründung dieser Entscheidung berief sich das Gericht nicht etwa darauf, daß dies der Betrag war, den die Käufer benötigten, um ihre Wohnungen instand zu setzen. Ein höherer Betrag als die anteiligen Reparaturkosten war von den Käufern nicht aufzubringen, da sie nach § 16 Abs. 2 i.V.m. § 22 Abs. 1 und 4 WEG gegen die anderen Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft einen Anspruch auf Beschluß und anteilige Bezahlung der Reparatur hatten. Der BGH begründete seine Entscheidung aber nicht (direkt) damit, daß der zugesprochene Betrag dem erforderlichen Reparaturaufwand entsprach, sondern wählte folgende Argumentation: „Er [der Käufer] kann die fehlerhafte Sache behalten und den Minderweit liquidieren. [...] Dieser letztgenannte (kleine) Schadensersatz zielt auf den Weitunterschied zwischen der mangelfreien und der mangelhaften Sache. [...] Der Käufer kann allerdings [...] im Rahmen des kleinen Schadensersatzes den Minderweit anhand der zur Mängelbeseitigung erforderlichen Kosten berechnen [...]. Dabei ändert sich aber grundsätzlich nichts am gedanklichen Ansatz oder an den daraus zu ziehenden Folgerungen. Es geht nicht etwa um die Minderung des Kaufpreises nach § 462 BGB, sondern um eine vereinfachte Form der Berechnung des mangelbedingten Minderweites." 14 Neben den Entscheidungen, die den Grundsatz „kleiner Schadensersatz gleich Minderwert" aufstellen, gibt es einige, vornehmlich neuere Entschei12 13 14

BGH NJW 1965, 34 f. BGH NJW 1989, 2534. BGH NJW 1989, 2535.

III. Kritik der Rechtsprechung

17

düngen, in denen direkt die Reparaturkosten als Schadensersatz zugesprochen wurden. 15 Weshalb von den bisherigen Entscheidungen abgewichen wurde und ob damit eine grundsätzliche Änderung der Rechtsprechung eingeleitet wurde, bleibt unklar.

III. Kritik der Rechtsprechung Die bestehende Rechtsprechungspraxis, die von der herrschenden Literaturmeinung einfach übernommen wird, 1 6 ist unbefriedigend. Der BGH äußert sich weder zu der dogmatischen Rechtfertigung eines Anspruchs auf kleinen Schadensersatz, noch verfolgt er bezüglich der Berechnung der Anspruchshöhe eine klare Linie. Die Annahme des BGH, die Abrechnung nach Reparaturkosten und jene nach Minderwert führten allgemein zu denselben Ergebnissen, ist wirtschaftlich unrichtig. 17 Die Reparatur eines Gegenstandes kann bei weitem höhere Kosten verursachen als den mangelbedingten Minderweit. Dieser Zusammenhang ist so offensichtlich, daß z.B. das LG Köln in einem Urteil zum Minderwert eines gebrauchten Kraftfahrzeugs ausführte, es sei „eine gerichtsbekannte Tatsache, daß ein neu eingebautes Teil, und sei es auch ein Austauschmotor, den Wert eines Gebrauchtwagens nicht in Höhe der mit dem Einbau verbundenen Kosten erhöht." 18 Noch deutlicher tritt die Unabhängigkeit der Größen mangelbedingter Minderwert und Kosten zur Beseitigung des Mangels bei Kaufobjekten zu Tage, die in verschiedener Weise genutzt werden können. Dies läßt sich eindrücklich anhand einer Abwandlung eines jüngst vom Bundesgerichtshof entschiedenen Falles zeigen: 19 Verkauft war ein Grundstück, das ehemals als Werksdeponie genutzt worden war. Streitig war, inwieweit der Verkäufer arglistig verschwiegen hatte, daß im Grund sowohl Reste chemischer Substanzen als auch große Spannbetonteile vorhanden waren. Der Käufer wollte das Grundstück bebauen. Für sein Bauvorhaben war es (zur Gründung des Gebäudes) erforderlich, die Spannbetonteile aus dem Gelände zu entfernen. Nun ist offensichtlich, daß es von der Art des Bauvorhabens abhängt, inwieweit die Spannbetonteile aus dem Boden geholt werden

15

Vgl. die Zitate zur Berechnung nach Reparaturkosten in Fn. 7. Krämer, Der „kleine" und „große" Schadensersatz, S. 199 f.; Kircher, Die Voraussetzungen der Sachmängelhaftung beim Warenkauf, S. 19; Soergel-Huber, § 463 Rdnr. 53; RGRK-Mezger, § 463 Rdnr. 12; MünchKomm-ttfcjtemuzwz, § 463 Rdnr. 22, 28. 17 So bereits Bulla, BB 1975, 446. 18 L G Köln MDR 1970, 1010. 19 Sachverhalt in Anlehnung an BGH NJW 1995, 1549. 16

2 Jaggy

18

Α. Einführung

mußten. Ob und in welchem Umfang die Durchsetzung des Erdreiches mit Abfällen einen Kaufinteressenten überhaupt stört, hängt gleichfalls von dessen konkreten Bauplänen ab. 2 0 Auch wenn die Verschmutzung des Erdreiches ein Umstand ist, den der Verkäufer gegenüber jedem Käufer zu offenbaren hat, weil er annehmen muß, daß die Beschaffenheit des Bodens für den Kaufentschluß von wesentlicher Bedeutung ist, und auch wenn die Beseitigung des Mangels, die allein in der vollständigen Reinigung des Bodens zu sehen ist, stets die gleichen Kosten verursacht, spiegeln diese Kosten nicht unbedingt den marktmäßigen Minderwert des Grundstückes wider: einen Interessenten mit anderen Bauplänen kann die Zusammensetzung des Grundes in wesentlich anderem Umfange stören bzw. nicht stören, so daß er bereit ist, einen wenig oder gar nicht ermäßigten Preis zu zahlen. 21 Die Annahme, die Abrechnung nach Minderweit und jene nach Reparaturkosten führten zu denselben Ergebnissen, verhindert nicht nur eine klare Stellungnahme des BGH zur Frage, welche Berechnungsmethode richtig ist, sondern verstellt auch den Blick auf die dogmatisch richtige Einordnung des kleinen Schadensersatzes. Die Abrechnung nach Minderweit und jene nach Reparaturkosten sind - richtig betrachtet - die Konsequenz verschiedener Ausgangspunkte: Die Abrechnung nach Reparaturkosten ist logische Folge einer Auffassung, die den kleinen Schadensersatz als Anspruch auf Naturalrestitution im weiteren Sinne ansieht: dem Käufer werden die Mittel gegeben, um die Kaufsache in den Zustand zu versetzen, der geschuldet war. Der Käufer erhält damit das Recht, sein mit dem Kaufvertrag verfolgtes Interesse „natural" mit der konkret verkauften oder gelieferten Sache zu befriedigen. Geht man dagegen davon aus, der Umfang des kleinen Schadensersatzes werde durch den Minderwert bestimmt, so erhält der Käufer lediglich einen vermögensmäßigen Kompensationsanspruch. 22 Hinsichtlich der tatsächlichen Zusammensetzung seines Vermögens ist dagegen nicht gesichert, daß er so gestellt wird, wie wenn er eine mangelfreie Sache erhalten hätte. Ob der Anspruch auf kleinen Schadensersatz, soweit möglich, ein Anspruch auf Naturalrestitution ist oder stets bloßer Kompensationsanspruch, entscheidet sich danach, ob es ein Recht des Käufers gibt, unter Einsatz der konkret verkauften oder gelieferten Sache Schadensersatz zu verlangen. Wie das Interesse des Käufers am Behalten der verkauften bzw. 20

Diesen Umstand hebt schon Jakobs, Gesetzgebung im Leistungsstörungsrecht S. 127 hervor. 21 So ist es dann auch nicht verwunderlich, daß der BGH in der betreffenden Entscheidung darauf verzichtete, den kleinen Schadensersatz wie üblich mit dem Minderwert gleichzusetzen, BGH NJW 1995, 1549. 22 So neuerdings ausdrücklich BGH ZIP 1998, 1313.

III. Kritik der Rechtsprechung

19

gelieferten Sache zu bewerten ist, hängt davon ab, ob ein Stück- oder ein Gattungskauf vorliegt, sowie davon, ob es sich um einen behebbaren oder einen unbehebbaren Mangel handelt. Diese Konstellationen sollen im folgenden näher untersucht werden.

Β. Dogmatische Rechtfertigung und Inhalt des Anspruchs auf kleinen Schadensersatz I. Behebbare Mängel beim Stückkauf In dieser Arbeit soll dargelegt werden, daß der Umfang des Anspruchs auf kleinen Schadensersatz beim Stückkauf, soweit behebbare Mängel vorliegen, richtig durch direkte Anwendung von § 249 S. 1 und 2 BGB bestimmt wird. Der Käufer kann deshalb vom Verkäufer sowohl verlangen, daß dieser für ihn die Instandsetzung des Kaufobjektes besorgt, als auch in Anwendung von § 249 S. 2 BGB den Geldbetrag beanspruchen, den er benötigt, um die Reparatur selbst zu veranlassen. Zu diesem Ergebnis gelangt man in drei Schritten. Erstens ergibt sich aus der Lehre vom subjektiven Fehlerbegriff - auch wenn man ihr nur in der abgeschwächten Form der subjektiv-objektiven Lehre folgt - , 1 daß das von § 463 geschützte Interesse das Interesse am Erhalt der verkauften Sache im mangelfreien Zustand ist. Auszugleichen ist damit der Schaden, den die Vorenthaltung der vertraglichen Eigenschaft, des vertraglich Versprochenen beim Käufer verursacht. Es handelt sich insofern um eine „gewöhnliche" Haftung für die Nichterfüllung eines vertraglichen Versprechens, die im Grundsatz keinen anderen Regeln folgt als die Haftung für Nichterfüllung vertraglicher Verpflichtungen, wie sie beispielsweise in den §§ 324 ff. BGB geregelt sind. Da sich (zweitens) der Schadensersatzanspruch bei Nichterfüllung einer Sachleistungspflicht nach dem allgemeinen Schuldrecht grundsätzlich auf die Herstellung eines der Erfüllung vergleichbaren Zustandes richtet, handelt es sich hierbei um einen Naturalerfüllungsanspruch, der § 249 BGB zuzuordnen ist. Die Besonderheit der Nichterfüllungshaftung gemäß § 463 BGB im Vergleich zur sonstigen vertraglichen Haftung besteht (drittens) lediglich darin, daß dem Käufer mit dieser Norm ein Schadensersatzanspruch auf das positive Interesse gegeben wird, dem keine einklagbare Primärverpflichtung des Schuldners auf vollständige Vertragserfüllung gegenübersteht. Daraus ergibt sich jedoch keine Einschränkung des Umfangs der (sekundären) Haftung des Verkäufers. Der Käufer hat im Gegenteil hier vielmehr noch die Mög1

Siehe dazu unten S. 26. MmchYjomm-Westermann

y

§ 463 Rdnr. 3, 19.

I. Behebbare Mängel beim Stückkauf

21

lichkeit, von seinem Vertragspartner selbst die Erfüllung des vertragsgemäßen Zustandes zu verlangen, da er diese ja anders als etwa in § 326 BGB nicht nach Fristsetzung abgelehnt hat. Diese Grundsätze sollen im folgenden zum Nachweis der These, daß § 249 BGB direkt auf den kleinen Schadensersatz anzuwenden ist, näher dargelegt werden.

1. Von § 463 BGB geschütztes Interesse a) Konsequenzen des subjektiven Fehlerbegriffs aa) Gegenstand des Kaufvertrages Es ist die Kernaussage der Lehre vom subjektiven Fehlerbegriff, daß die Haftungsgrundlage der kaufrechtlichen Rechtsbehelfe - Wandlung, Minderung und auch des Schadensersatzanspruchs aus § 463 BGB - das kaufvertragliche Versprechen ist. 2 Das kaufvertragliche Haftungssystem ist damit nichts anderes als eine im Vergleich zu den Regeln des allgemeinen Schuldrechts besonders ausgebildete Haftung für Nichterfüllung. 3 Diese Aussage, die auch von den Vertretern der etwas abgeschwächten sogenannten objektiv-subjektiven Fehlertheorie geteilt wird, 4 gehört zu den am meisten bestrittenen Thesen der deutschen Rechtswissenschaft des 20. Jahrhunderts. Lange Zeit ging die Literatur davon aus, daß die genannten Ansprüche des Käufers keine Nichterfüllungsansprüche seien, sondern lediglich „Gewährleistungsansprüche", i.S. einer Haftung, die neben dem eigentlichen Kaufversprechen besteht. Gemeint war damit folgendes: Inhalt der Erfüllungspflicht beim Stückkauf sei lediglich die Leistung der konkreten Sache, so wie sie bei Abschluß des Kaufvertrages tatsächlich vorhanden sei. Die Gewährleistungsrechte Wandlung und Minderung beruhten deshalb nicht auf der vertraglichen Vereinbarung einer Beschaffenheit des Kaufobjektes, sondern allein auf einer gesetzlich angeordneten Haftung, 5 die Schadensersatzhaftung auf einer neben der eigentlichen Kaufvereinbarung stehenden Garantieabrede 6 bzw. dem Fehlverhalten des arglistig handelnden Verkäufers. 2

Jakobs, Gesetzgebung im Leistungsstörungsrecht S. 85 ff.; für § 463 S. 2 BGB bereits Flume , Eigenschaftsirrtum und Kauf S. 52 ff. 3 Vgl. Flume , Eigenschaftsintum und Kauf S. 48 f., 51; Flume, AcP 193 (1993) S. 99. 4 MünchKomm-Mfcytermüwz, § 463 Rdnr. 3, 19. 5 Oertmann, Bürgerliches Gesetzbuch Bnd. 2 § 463 5; neuerdings Knöpfle, JZ 1978, 121 ff. 6 Wolff, Ih. Jb. 56, 55; Schollmeyer, Ih. Jb. 49, 98; neuerdings Knöpfle, JZ 1979, 13.

22

Β. Dogmatische Rechtfertigung

Ursprung dieser dogmatischen Sichtweise war die auf Zitelmann zurückgehende Ansicht, daß die Parteien nicht die Eigenschaften einer konkret bestimmten Sache festlegen könnten, sondern die Sache zu nehmen sei, wie sie nun einmal tatsächlich ist. Zitelmann kam 1879 zu dieser Annahme, indem er die Frage stellte, „ob Vorstellungen über Identität und Eigenschaften eines Objekts rücksichtlich des Erfolges, der sich an und mit diesem Objekt vollziehen soll, Element der Absicht sein können" und dies verneinte.7 Flume hat in seiner Schrift „Eigenschaftsirrtum und Kauf 4 die Behauptung widerlegt, die Einstandspflicht für das Nichtvorhandensein von Eigenschaften beim Stückkauf könne nicht auf dem Kaufvertrag beruhen, weil es logisch undenkbar sei, für eine konkrete Sache bestimmen zu wollen, was für Eigenschaften sie habe. Flume hat eindrücklich nachgewiesen, daß die Frage Zitelmanns falsch gestellt ist. 8 Es kann sehr wohl einen Willen geben, daß eine bestimmte Sache gewisse Eigenschaften haben soll, und dieser Wille kann sich in einer vertraglichen Vereinbarung niederschlagen. Nur ist, wie das Wort „soll" schon zeigt, streng zwischen der SollensEbene, d.h. zwischen dem, was die Parteien vertraglich vereinbaren können, und der Seins-Ebene, den tatsächlichen Eigenschaften der Sache, zu unterscheiden. 9 Der Wille kann nicht bewirken, daß eine Sache anders ist als sie ist, andere Eigenschaften hat. Es ist aber nach den Gesetzen der Logik möglich, willentlich festzulegen, was von einer bestimmten zum Verkauf anstehenden Sache erwartet wird, welche Eigenschaft die Sache nach dem Kaufvertrag haben soll. 1 0 Jeder Kaufvertrag ist, so die Kernaussage Humes, über eine konkrete Sache abgeschlossen, die die Beschaffenheit haben soll, welche die Parteien vereinbart haben. bb) Funktion der Merkmale „Zusicherung" und „Arglist" im kaufvertraglichen Gewährleistungssystem Mit der Erkenntnis, daß „Gegenstand der kaufvertraglichen Vereinbarung nicht ein raumzeitlich bestimmtes Etwas, sondern eine Sache von bestimmter Beschaffenheit ist", 1 1 sind die Besonderheiten des kaufvertraglichen Gewährleistungsrechtes noch nicht erklärt. Es ist damit noch nicht begrün7

Zitelmann, Irrtum und Rechtsgeschäft S. 435. Flume, Eigenschaftsirrtum und Kauf S. 18. 9 Flume, Eigenschaftsirrtum und Kauf S. 19. 10 Umfassende Darstellung der Problematik auch bei Gillig, Sachmängelgewährleistung S. 45 ff. 11 Jakobs y Gesetzgebung im Leistungsstörungsrecht S. 130. 8

Nichterfüllung und

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det, weshalb die Haftung für das Kaufversprechen nicht den allgemeinen Regeln des Schuldrechts unterliegt, sondern das Gesetz das abgestufte Haftungssystem der §§ 459 ff. BGB vorsieht. Erst die Erklärung, weshalb das Gesetz für den Schadensersatzanspruch auf die Merkmale von „Arglist" und „Zusicherung" zurückgreift, erlaubt die Einordnung der §§ 459 ff. BGB als Erfüllungshaftung. Mit den abweichenden Haftungsvoraussetzungen und -folgen im Vergleich zum allgemeinen Schuldrecht bringt das Gesetz keineswegs, wie teilweise in bewußter oder unbewußter Fortführung der Lehre Zitelmanns angenommen w i r d 1 2 , zum Ausdruck, daß beim Spezieskauf die Sache (nur) so geschuldet ist, wie sie ist. Das Gesetz trägt vielmehr dem mutmaßlichen Willen der Kaufvertragsparteien Rechnung und berücksichtigt daneben, daß die Kategorie des Verschuldens aus dem allgemeinen Schuldrecht nicht auf die Nichterfüllung des Versprechens der Lieferung eines mangelfreien Kaufobjektes paßt. 13 Das Verhältnis vom „einfachen" Kaufvertrag zum durch Zusicherung qualifizierten läßt sich auf der Basis des subjektiven Fehlerbegriffes wie folgt erklären: Mit den beschränkten Rechtsbehelfen der Wandlung und Minderung beim Kaufvertrag verwirklicht das BGB die typische Interessenlage des Verkäufers, der regelmäßig zur Vertragserfüllung beim Spezieskauf nur das konkrete Stück einsetzen will und seine Verpflichtung auf Übergabe und Übereignung dieser Sache beschränken will. Hinter den §§ 459 ff. BGB steht der Gedanke, daß der Verkäufer oft nur Händler ist, keine besondere Kenntnis von der Beschaffenheit der Sache hat und deshalb auch nicht für die Fehlerfreiheit bzw. das Vorhandensein einer Eigenschaft einstehen will. Auch wenn der Verkäufer kein Händler ist, sondern als Privatmann sein Eigentum verkauft, kann er im Hinblick auf versteckte Mängel oft keine sicheren Aussagen darüber machen, ob die Sache auch die Eigenschaften hat, von denen die Parteien ausgehen, ob sie fehlerlos i.S.d. Vertrages ist. Er weiß nicht, ob er das vertragliche Versprechen vollständig erfüllen kann. In beiden Fällen will der Verkäufer dennoch keinen weiteren Aufwand zur Vertragserfüllung schulden als die Hingabe der konkret versprochenen Sache. Allein insoweit hat der Satz, daß nur die konkrete Sache geschuldet ist, in dem Zustand, in dem sie sich bei Vertragsschluß befindet, 1 4 seine Berechtigung. Andererseits berücksichtigt das BGB mit den Rechtsinstituten der Wandlung und Minderung die Interessen des Käufers. Dieser hätte die Sache 12

Staudinger-//ö>we//, Vorbem. §§ 459 ff. Rdnr. 4. Zur Inadäquanz der Verschuldenshaftung im Zusammenhang mit dem kaufvertraglichen Gewährleistungsrecht Flume , AcP 193 (1993) S. 103 ff. 14 Staudinger -Honseil, Vorbem. §§ 459 ff. Rdnr. 4. 13

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Β. Dogmatische Rechtfertigung

möglicherweise in Kenntnis des Mangels nicht gekauft, deshalb gibt ihm das Gesetz das Recht zur Wandlung, also der Riickabwicklung des Kaufvertrages. Oder der Käufer hätte die Sache nur zu einem niedrigeren Preis gekauft; dieser Aspekt wird durch die Minderung als das Recht zur Kaufpreisanpassung erfaßt. 15 Obwohl der Kaufvertrag, wie sich aus diesen Käuferrechten ergibt, über eine mangelfreie Sache abgeschlossen wurde, ist der Verkäufer beim einfachen Kaufvertrag aufgrund der eingeschränkten Rechtsfolgen der Wandlung und Minderung nur verpflichtet, die Sache im bei Vertragsschluß gegebenen Zustand zu übergeben und zu übereignen. So betrachtet liegt die Besonderheit des Systems der §§ 459 ff. BGB entgegen einer verbreiteten Ansicht nicht darin, daß in § 459 BGB ohne Verschulden Wandlung und Minderung verlangt werden kann, 1 6 sondern darin, daß nicht aus jedem Kaufvertrag heraus auf Erfüllung, auf Leistung einer Sache mit den nach Vertrag angenommenen Eigenschaften, gehaftet wird, sofern dem Verkäufer die Leistung nicht nachträglich aus einem von ihm nicht zu vertretenden Umstand unmöglich wird. 1 7 Auf diese eingeschränkte Verpflichtung kann sich der Verkäufer jedoch nicht mehr berufen, wenn er eine bestimmte Eigenschaft zusichert. M i t der Zusicherung erklärt der Verkäufer, dafür einstehen zu wollen, daß die Sache so ist wie versprochen. 18 Die Zusicherung hat nach dem heutigem Verständnis des kaufvertraglichen Gewährleistungssystems als Haftungsvoraussetzung neben den sonstigen Beschaffenheitsangaben nur insofern eine eigenständige Bedeutung, als sie dazu führt, daß der allgemeine Grundsatz wieder zur Geltung kommt, daß der Verkäufer für das haftet, was er nach dem Vertrag versprochen hat: 1 9 die konkrete Sache in der vertraglich ver15

Ausführliche Darstellung der von den Verfassern des BGB getroffenen Zweckmäßigkeitserwägungen Jakobs, Gesetzgebung im Leistungsstörungsrecht S. 91 f. 16 Vgl. Palandt-Pwfzö, § 459 Rdnr. 4, der es für erwähnenswert hält, daß für die sich an § 459 BGB anknüpfenden Ansprüche kein Verschulden erforderlich ist; ebenso Staudinger-Honseil, Vorbem. zu §§ 459 ff. Rdnr. 3, der ebenfalls die Garantiehaftung des Verkäufers als Grundgedanken der §§ 459 ff. eigens hervorhebt und von einer „strengen" Haftung des Verkäufers spricht. 17 Flume , Eigenschaftsirrtum und Kauf S. 41; Medicus, SchuldR I I Rdnr. 40. 18 Diedrichsen, AcP 165 (1965), 150, 159: „Die Eigenschaftszusicherung enthält das Versprechen, für das Vorhandensein der versprochenen Eigenschaften einstehen zu wollen."; ebenso ist die Bezeichnung als „unselbständige Garantie" der h.A. aufzufassen, vgl. etwa Staudinger-//on^//, § 459 Rdnr. 125; MünchKomm-Wfcstermann, § 459 Rdnr. 56: „Als Inhalt der vertragsmäßigen Bindung [gemeint ist die zusätzliche Bindung durch Zusicherung] muß der Wille festgestellt werden, eine Leistungspflicht bezüglich einer Sache mit bestimmten Eigenschaften zu übernehmen." 19 Huber, Gutachten Leistungsstörungen S. 767 f. Flume, AcP 193 (1993) 89, 108: „ . . . Die Haftung auf das Erfüllungsinteresse [ist] bei Zusicherung oder arglisti-

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einbarten Beschaffenheit. Der Umstand, für den Schadensersatz zu leisten ist, ist damit nicht die falsche Zusicherung, sondern die Vorenthaltung des Versprochenen. Noch besser als bei der Zusicherung läßt sich am Arglistmerkmal verdeutlichen, daß die Schadensersatzhaftung des § 463 BGB nichts anderes ist als eine Nichterfüllungshaftung wie in §§ 325, 326 BGB. Der in § 463 S. 2 BGB angeordnete Haftungsumfang auf das positive Vertragsinteresse beim Vorliegen von Arglist ist nur verständlich, wenn Haftungsgrund die Vorenthaltung der verkauften Sache in vertraglicher Beschaffenheit ist und nicht nur das arglistige Verhalten an sich. 2 0 Ginge man davon aus, daß allein die Arglist der Umstand sei, für den gehaftet werde, dann hätte dies zur Folge, daß der Zustand, der ohne das schadensstiftende Ereignis bestünde und der nach den allgemeinen Regeln des Schadensersatzes wiederherzustellen ist, lediglich das Nichtbestehen des Kaufvertrages bzw. sein Bestehen mit einem geänderten Kaufpreis sein könnte. Mit diesem Argument wurde tatsächlich die Richtigkeit der in § 463 S. 2 BGB angeordneten Haftung auf das positive Interesse angezweifelt. 21 Auch diese Ansicht wurzelte in der widerlegten Vorstellung, daß Gegenstand des Kaufvertrages nur die Sache sein könne, so wie sie tatsächlich vorhanden sei. Heute, da erkannt ist, daß zwischen Realität und Vertragsebene unterschieden werden kann, ist diese Vorstellung als überholt anzusehen. Die Regelung des § 462 BGB ist damit eine Ausnahme von dem allgemeinen Grundsatz, daß für das vertraglich Versprochene gehaftet wird, wenn nicht außergewöhnliche Umstände nach Vertragsschluß die Leistung verhindern. Das BGB hat durch diese Regelung der dargelegten typischen Interessenlage der Vertragsparteien Rechnung getragen. Diese besondere Interessenlage besteht bei Vorliegen einer Zusicherung oder Arglist nicht mehr. Den Schadensersatzanspruch an das Merkmal des Verschuldens zu knüpfen, wäre dagegen nicht sachgerecht. Daß die Kaufsache anders ist, als im Vertrag vereinbart, ist kein Umstand, hinsichtlich dessen dem Verkäufer ein Verschulden angelastet werden kann. Schuldhaft kann gegen eine Pflicht, etwas zu tun oder zu unterlassen, verstoßen werden. Verschulden kann dagegen nicht im Blick auf das Bestehen eines bloßen Zustandes vorgeworfen werden. 22

gem Verschweigen die sachgerechte, keiner weiteren Begründung bedürftigen Lösung." 20 Flume , Eigenschaftsirrtum und Kauf S. 52 ff. 21 Hayman, RG-Festgabe III, 1929 S. 332. Neuerdings ähnlich Rust, NJW 1999, 340. 22 Vgl. dazu Flume, AcP 193 (1993) 103 ff.

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Β. Dogmatische Rechtfertigung

Inwieweit die §§ 459 ff. BGB auch eine Ausnahme von der Regel bilden, daß auf objektiv unmögliche Leistungen gerichtete Verträge nichtig sind (§ 306 BGB), 2 3 die ihrerseits eine Einschränkung des Prinzips pacta sunt servanda darstellt, kann an dieser Stelle, an der es allein um behebbare Mängel geht, unerörtert bleiben. Bei behebbaren Mängeln kann nicht von objektiver anfänglichen Unmöglichkeit gesprochen werden. Objektiv unmöglich ist die Leistung einer vertragsgemäßen Sache nicht; objektiv unmöglich ist lediglich die vollständige Vertragserfüllung allein durch Übergabe und Übereignung des Vertragsgegenstandes.

b) Folgerungen für das von § 463 BGB geschützte Interesse Folgt man der Lehre vom subjektiven Fehlerbegriff, so ist die Haftung aus § 463 BGB (vollumfängliche) Haftung für die Nichterfüllung des kaufvertraglichen Versprechens. Der Käufer hat wegen Nichterfüllung einen Ausgleichsanspruch für das positive Interesse, das er mit dem Kaufabschluß verfolgte. Dieses Interesse liegt im Erhalt der konkret verkauften Sache mit den versprochenen Eigenschaften. Denn sowohl das Recht auf die konkret verkaufte Sache als auch deren Mangelfreiheit sind Inhalt des kaufvertraglichen Versprechens beim Stückkauf. Auch wenn unseres Erachtens Flumes Deutung des Gewährleistungsrechtes Anspruch und Inhalt des § 463 BGB am besten erklärt, ist es nicht erforderlich, dieser Lehre in allen Einzelheiten zu folgen, um zu der hier vorgeschlagenen Bestimmung des vom kaufvertraglichen Schadensersatzanspruch geschützten Interesses zu gelangen. Für die Vertreter einer „reinen" Erfüllungstheorie, die im Unterschied zu Flume von einer Pflicht des Verkäufers zur Leistung einer mangelfreien Sache ausgehen, steht ohnehin außer Zweifel, daß der Anspruch des § 463 BGB das Korrelat zu den Schadensersatzansprüchen wegen Nichterfüllung aus dem allgemeinen Schuldrecht (§§ 325 ff. BGB) ist. 2 4 Wo vom subjektivem Fehlerbegriff insoweit abgewichen wird, als bestritten wird, daß ein Fehler anhand rein subjektiver, sich aus dem konkreten Vertrag ergebender Kriterien bestimmt werden kann (sog. subjektiv-objektiver Fehlerbegriff), 2 5 wird die entscheidende Verankerung der kaufvertraglichen Gewähr23 So das Verständnis des römischen Rechts, siehe Jakobs, Gesetzgebung im Leistungsstörungsrecht S. 91; Flume , Eigenschaftirrtum und Kauf S. 64 ff., der auf D. 18.1.9.2 (Ulpian) verweist. 24 Herberger, Rechtsnatur, Aufgabe und Funktion der Sachmängelhaftung nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch S. 76 ff.; Graue, Die mangelfreie Lieferung beim Kauf beweglicher Sachen S. 278 ff. 25 Dieser Fehlerbegriff wird beispielsweise von MünchKomm-Westermann § 459 Rdnr. 9 vertreten.

I. Behebbare Mängel beim Stückkauf

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leistungsansprüche im Vertrag selbst nicht insgesamt in Frage gestellt. Unterschiedliche Ergebnisse werden zwar im Bereich der Grenzziehung zwischen Fehler und zugesicherter Eigenschaft, 26 sowie bei der Abgrenzung der fehlerhaften von der gattungsfremden Lieferung beim Gattungskauf erzielt. 27 Steht aber die Haftung auf das Interesse nach § 463 BGB einmal fest, so gehen auch die Vertreter des subjektiv-objektiven Fehlerbegriffs davon aus, daß es sich „um eine Haftung für einen Verstoß gegen Vertragspflichten" 2 8 handele und der Käufer so zu stellen sei, „als wäre die Sache entsprechend dem vorgetäuschten Zustand fehlerfrei oder gemäß der Zusicherung bzw. der arglistigen Vorspiegelung beschaffen gewesen." 29 Geht man damit mit der herrschenden Ansicht vom Anspruch des Käufers auf Ersatz seines Interesses an der Kaufsache im vertragsgemäßen Zustand aus, so kann die Rechtsstellung des Käufers gegenüber seinem Vertragspartner bei Vorliegen von Zusicherung und Arglist keine andere sein als die eines Eigentümers gegenüber einem deliktischen Schädiger: Dem Eigentümer ist sein Interesse an seinem Eigentum ohne Beschädigung zu ersetzen. Er hat deshalb, soweit möglich und verhältnismäßig, Anspruch auf die Reparatur der Sache. 30 Dem Käufer ist sein Interesse an der verkauften Sache, so wie sie nach Vertrag ausbedungen war, zu ersetzen. Das geschützte Interesse von Eigentümer und Käufer ist mit Blick auf die zerstörte bzw. mangelhafte Sache damit identisch. Dieses Ergebnis liefert auch die Anwendung des allgemeinsten schadensrechtlichen Grundsatzes des BGB: Nach den §§ 249 ff. BGB ist der Zustand herzustellen, der ohne das zum Schadensersatz verpflichtende Ereignis bestehen würde. Das zum Schadensersatz verpflichtende Ereignis ist, wie dargelegt, die mangelhafte Erfüllung. Ohne mangelhafte Erfüllung wäre der Käufer Eigentümer einer mangelfreien Sache. Es ist deshalb richtig, die allgemeinen Schadensersatzvorschriften direkt für den Inhalt des Anspruchs auf kleinen Schadensersatz heranzuziehen. Für den Fall der hier erörterten behebbaren Mängel führt dies dazu, daß als kleiner Schadensersatz die Behebung des Mangels (§ 249 S. 1 BGB) sowie die Kosten für die Herstellung einer mangelfreien Kaufsache (§ 249 S. 2) verlangt werden können.

26 27 28 29 30

MünchKomm-Westermann, § 459 Rdnr. 9. Staudinger-Honseil, § 459 ff.; MünchKomm-Westermann, § 459 Rdnr. 21 ff. MünchKomm- Westermann, § 463 Rdnr. 3. MünchKomm-Westermann, § 463 Rdnr. 19. Für alle MünchKomm-Grunsky, § 249 Rdnr. 7.

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Β. Dogmatische Rechtfertigung

c) Abgrenzung des Anspruchs aus § 463 BGB gegenüber Ansprüchen auf Ersatz des negativen Interesses Der Ausgleich des unter b) erläuterten positiven Interesses an der Erfüllung des Kaufvertrages, das von § 463 BGB gewährt wird, kann nicht durch eine Anpassung des Kaufvertrages erfolgen. Darum sind die Auffassungen falsch, nach denen sich der Umfang des Anspruchs auf kleinen Schadensersatz gemäß § 463 BGB auf den Betrag beläuft, um den der Käufer in Unkenntnis des Mangels den Kaufgegenstand zu teuer erworben hat. 31 Die in der Einleitung unter „drittens" dargestellte Variante zur Berechnung eines Anspruchs auf kleinen Schadensersatz entfällt damit für § 463 BGB. Es ist allerdings zutreffend, daß ein Schadensersatzanspruch bestehen kann, der darauf gerichtet ist, den Kaufpreis auf das Niveau zu reduzieren, auf dem er ausgehandelt worden wäre, wenn der Verkäufer nicht arglistig getäuscht bzw. keine falsche Zusicherung abgegeben hätte. Bei diesem Anspruch handelt es sich aber nicht um einen Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung. Mit diesem Anspruch wird nicht das positive Interesse des Käufers an der Vertragserfüllung ausgeglichen: Das positive Interesse bestimmt sich allein danach, welchen Schaden die Vorenthaltung der vertraglich vereinbarten Beschaffenheit beim Käufer verursacht. Falsch sind deshalb Stellungnahmen wie die von Walter, der das positive Interesse folgendermaßen umschreibt: „Der Käufer ist demnach so zu stellen, als wäre die zugesicherte Eigenschaft vorhanden gewesen oder als sei der Mangel nicht verschwiegen worden." 33 Nach den bisherigen Ergebnissen dieser Untersuchung ist der Käufer sowohl bei einer Zusicherung als auch im Fall der Arglist so zu stellen, als wäre die zugesicherte bzw. arglistig verschwiegene Eigenschaft vorhanden gewesen. Ein Schadensersatzanspruch, der auf eine Kaufpreisreduzierung abzielt, verwirklicht das negative Interesse des Käufers, d.h. das Interesse daran, vom Verkäufer über die Beschaffenheit der Kaufsache richtig informiert zu werden. Einen entsprechenden Anspruch sieht das Gesetz mit der Kaufpreisreduzierung in Form der Minderung vor. Wie bereits dargelegt, ist die Minderung ein beschränkter Rechtsbehelf des Käufers dafür, daß er nicht das vertraglich Versprochene erhält. Mit ihr wird aber nicht das Erfüllungsinteresse ersetzt. 34 31 So aber OLG Koblenz NJW-RR 1991, 848 = BB 1991, 722. Eine Vermischung von Überlegungen zur Kaufpreisanpassung nach c.i.c. und schadensrechtlicher Mängelhaftung ebenfalls bei MünchKomm-Westermann, § 463 Rdnr. 28. 32 Vgl. S. 15. 33 Walter, Kaufrecht S. 211. 34 Vgl. die Ausführungen oben S. 23 ff.

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Soweit der Käufer eine Kaufpreisreduzierung über den Minderungsbetrag hinaus begehrt, handelt es sich um einen Anspruch, der richtigerweise auf culpa in contrahendo, § 823 Abs. 2 bzw. § 826 BGB zu stützen ist. Entsprechend den dort geltenden Beweisregeln hat der Käufer für diese Ansprüche allerdings nachzuweisen, daß tatsächlich bei Bekanntsein des Mangels zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses ein niedrigerer Preis ausgehandelt worden wäre. 35 Daher kann mit dem Anspruch auf kleinen Schadensersatz nach § 463 BGB keine Kaufpreisreduzierung um den Minderwert verlangt werden und gleichzeitig dem Verkäufer der Einwand versagt werden, zu dem niedrigeren Preis hätte er nicht verkauft. 36

d) Zwischenergebnis Die Unsicherheit über die Berechnung des kleinen Schadensersatzes in § 463 BGB erklärt sich folglich zum Teil dadurch, daß das geschützte Käuferinteresse nicht klar definiert wird. Die Unklarheiten werden im übrigen noch dadurch vergrößert, daß mit dem Begriff kleiner Schadensersatz der Haftungsumfang verschiedener Normen bezeichnet wird, die wiederum unterschiedliche Interessen ausgleichen: Ein kleiner Schadensersatzanspruch aus c.i.c. und aus § 463 BGB kann nicht den gleichen Umfang haben, da im ersten Fall das negative, im zweiten Fall das positive Interesse geschützt wird. Es trifft zwar zu, daß im Bereich der c.i.c.-Haftung unter dem Begriff kleiner Schadensersatz nur eine Kaufpreisanpassung und damit letztlich nichts anderes als eine Minderung gewährt wird. 3 7 Daraus Rückschlüsse auf den Umfang des kleinen Schadensersatzes bei § 463 BGB zu ziehen, verbietet sich aber aus den dargelegten Gründen. Für § 463 BGB bleibt es dabei, daß Ausgleich für das nicht erfüllte Versprechen der Übergabe und Übereignung der konkreten Sache mit den vertraglichen Eigenschaften zu leisten ist.

35 Vgl. eine der aufgezeigten Möglichkeiten der Schadensberechnung vom OLG Koblenz NJW-RR 1991, 848 = BB 1991, 722 allerdings ohne Bezug zu Haftung aus c.i.c.; für diese Beweislastverteilung bereits RG JW 1931, 3270. Zur Beweislastverteilung bei c.i.c bzw. §§ 823, 826 vgl. allgemein Baumgärtel, Handbuch der Beweislast im Privatrecht § 276 Rdnr. 23 bzw. § 823 Rdnr. 30 u. 38. 36 So aber MünchKomm-Westermann, § 463 Rdnr. 28. 37 Stoll, Haftung für fehlerhafte Erklärung beim Vertragsschluß S. 284 ff.

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Β. Dogmatische Rechtfertigung

2. Mögliche Einwände gegen die direkte Anwendung der §§ 249 ff. auf den Anspruch auf kleinen Schadensersatz aus § 463 BGB a) Einwände aus dem Kaufrecht: das Fehlen einer Nacherfüllungspflicht Aus der Systematik des Kaufrechts läßt sich gegen die Annahme einer Pflicht zur Reparatur des mangelhaften Kaufobjektes oder auch zum bloßen Ersatz der dafür erforderlichen Kosten aus § 463 BGB einwenden, daß im kaufvertraglichen Gewährleistungsrecht eine Pflicht zur Nachbesserung nicht vorgesehen ist. 3 8 Bereits oben wurde dargelegt, daß der Spezieskauf nach dem BGB dadurch gekennzeichnet ist, daß vom Verkäufer nur die Übergabe und Übereignung des konkreten Stückes geschuldet wird. Das BGB trägt der typischen Erwartungshaltung der Parteien Rechnung, daß der Verkäufer die Sache nur aus seinem Vermögen abgeben muß, indem es die eingeschränkten Rechtsbehelfe der Wandlung und Minderung vorsieht. 39 Der Verkäufer kann sich auf diese typische Interessenlage jedoch nicht mehr berufen, wenn die Tatbestandsmerkmale der Zusicherung oder der Arglist vorliegen. Minderung und Wandlung sind danach beschränkte Rechtsbehelfe wegen Nichterfüllung, die Schadensersatzhaftung des § 463 BGB ist nichts anderes als die „gewöhnliche" Sanktion einer zu vertretenden Nichterfüllung. Gegen die Deutung der Haftung aus § 463 BGB als gewöhnliche Nichterfüllungshaftung sowie gegen die Theorie, daß als Schadensersatz die Herstellung bzw. der Ersatz der Herstellungskosten verlangt werden können, läßt sich einwenden, daß dann beim Vorliegen einer Zusicherung oder Arglist im Gesetz auch eine Frist für die Nacherfüllung und somit eine Nacherfüllungspflicht des Verkäufers vorgesehen sein müßte, so wie bei jeder anderen Regelung einer behebbaren Nichterfüllung im BGB (§§ 283 Abs. 1 S. 1, 326 Abs. 1 S. 1, 542 Abs. 1 S. 2, 634 Abs. 1 S. 1, 651c Abs. 3 S. 1 BGB). Mit dem Hinweis auf die fehlende Nacherfüllungspflicht könnte deshalb bestritten werden, daß es sich bei § 463 BGB um eine Haftung für Nichterfüllung handelt, oder es ließe sich daraus zumindest der Schluß ziehen, daß die Haftung gegenüber der allgemeinen Nichterfüllungshaftung immer noch eingeschränkt ist, weil eine Schadensersatzhaftung nie weiter reichen kann als die Primärverpflichtung. 40

38 39 40

Vgl. die Bedenken von MünchKomm-Westermann, § 463 Rdnr. 23. Vgl. oben S. 23. Vgl. Todt, BB 1971, 681.

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Tatsächlich wird das Fehlen einer Verpflichtung des Verkäufers zur Nacherfüllung beim Vorliegen von Zusicherung und Arglist bereits ausführlich bei der Frage der Rechtsnatur der kaufvertraglichen Gewährleistungshaftung diskutiert. Um das Argument gegen eine Haftung für Nichterfüllung auszuräumen, wird gewöhnlich in diesem Zusammenhang auf die Vorstellungen des historischen Gesetzgebers verwiesen. Für die Verfasser des BGB war ausweislich der Protokolle der ersten Kommission Grund für das Absehen von einer Herstellungspflicht allein, daß der Verkäufer typischerweise als bloßer Händler gesehen wurde, der nicht besser zur Herstellung oder Reparatur befähigt sein mußte als der Käufer selbst. 41 Dieser Gedanke läßt sich entsprechend auf den Privatmann anwenden, der beispielsweise sein Haus oder Auto verkauft. Flume hat zum Fehlen einer Nacherfüllungspflicht lediglich festgestellt, daß es dem Gesetzgeber freistehe, für einen Fall der Nichterfüllung andere Rechtsfolgen als üblich zu wählen. 42 Die Schlagkraft des Arguments der fehlenden Befähigung des Verkäufers zur Reparatur kann bezweifelt werden 4 3 Dieses Argument erklärt ebensowenig wie die Feststellung, daß der Gesetzgeber frei sei, welche Rechtsfolgen er an eine Nichterfüllung knüpft, weshalb es richtig ist, von dieser „Nacherfüllungspflicht" im Kaufrecht abzusehen, ohne daß die Rechtsnatur der Haftung aus § 463 BGB verändert oder ihr Umfang beschränkt würden. Beim vom BGB als typisch gewerteten Kaufvertrag bleibt es trotz Vorliegens einer Zusicherung oder von Arglist dabei, daß sich der Käufer seinen Vertragspartner nicht wegen dessen Fähigkeit zur Reparatur entsprechender Gegenstände ausgesucht hat, sondern von diesem allein erwartet, daß er ihm den Kaufgegenstand übereignet und tatsächlich (vertragsgemäß) verschafft. Selbst wenn der Verkäufer eine Eigenschaft zusichert, wird üblicherweise nicht vereinbart, daß der Verkäufer diese Eigenschaft herstellt, 44 sondern die Parteien gehen dennoch davon aus, daß die konkrete Sache diese Eigenschaft hat. Der Fall, daß der Verkäufer neben der bloßen Abgabe der Sache darüber hinaus verspricht, die vertraglichen Eigenschaften oder die Fehlerfreiheit der Sache herzustellen, ist ein Sonderfall, sowohl nach der derzeit geltenden gesetzlichen Regelung als auch in der Praxis. Dieser Sonderfall ist 41

Protokolle I S. 697-698, ebenso Jakobs, Gesetzgebung im Leistungsstörungsrecht S. 98; Herberger, S. 76; Soergel-Huber, vor § 459 Rdnr. 16; weitere Verweise bei Graue, S. 276. 42 Flume, Eigenschaftsirrtum und Kauf S. 52. 43 Graue, S. 276. 44 Ebenso Diedrichsen, AcP 165 (1965), 159: „Der Käufer soll also nicht einen Anspruch auf Verschaffung der Eigenschaften bekommen; vielmehr hat die Zusicherung von vornherein nur den Sinn eines („bedingten") Schadensersatzversprechens."

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regelmäßig nur dann anzunehmen, wenn der Verkäufer zugleich Hersteller der verkauften Sache ist, bzw. innerhalb seiner beruflichen Tätigkeit auch die Leistungen anbietet, die zur Beseitigung des Mangels erforderlich sind. Zu diesen Sonderfällen sind etwa der Verkauf eines Gebrauchtwagens durch den entsprechenden Markenhändler bzw. ein Autohaus mit Reparaturwerkstatt zu zählen. Wenn bei diesen Verkäufen mit „Händlergarantien" für bestimmte Teile geworben wird, dann sind zwar diese Garantien regelmäßig so auszulegen, daß der Verkäufer die Versetzung des konkret verkauften Fahrzeuges in einen mangelfreien Zustand schuldet; aus dem Vertrag folgt aber auch, daß die erforderliche Reparatur vom Verkäufer (Händler) in dessen Werkstatt selbst auszuführen ist. 4 5 Eine solche Verpflichtung ist deshalb als eine weitere rechtsgeschäftliche Nebenpflicht zu qualifizieren, 46 durch die sich entsprechende Verträge vom im BGB typisierten Kaufvertrag und die Garantie darüberhinaus von der gewöhnlichen Zusicherung unterscheiden: 47 Es handelt sich um Kaufverträge mit der durch das Bestehen eines Mangels bedingten Vereinbarung einer weiteren Primärpflicht. Hingegen werden durch Zusicherung oder Arglist dem Käufer keine weiteren Primärverpflichtungen auferlegt, sondern eine bedingte Schadensersatzverpflichtung vereinbart. 48 Das Fehlen einer primären Herstellungsverpflichtung heißt jedoch nicht, daß auch die Schadensersatzverpflichtung fehlt. Diese Deutung wird durch einen Vergleich mit der Intention der Regelung des § 249 S. 2 BGB bestärkt. Das Recht des Geschädigten, unmittelbar die Herstellungskosten vom Schädiger zu verlangen, wird allgemein damit erklärt, daß es dem Geschädigten nicht zumutbar sei, sein Eigentum dem Schädiger erneut in die Hand zu geben. 49 Diese Interessenlage trifft ebenso auf den Käufer zu: Weshalb soll der arglistig Getäuschte gezwungen sein, den Gegenstand noch einmal dem Täuschenden anzuvertrauen? In abgeschwächter Form gilt dieses Argument auch für den Zusichernden. Dieser hat sich aufgrund der Unrichtigkeit seiner Zusicherung ebenfalls nicht als besonderer Spezialist für den verkauften Gegenstand ausgewiesen. Aus diesem Grunde ist eine Anwendung der Regelung des § 249 BGB sachgerecht, die dem Käufer das Wahlrecht beläßt, die Herstellung selbst 45

Reinking/Eggert, Der Autokauf, S. 526 Rdnr. 1693. Ebenso BGH, NJW 1975, 733: Verkauf eines Pelzmantels mit der zusätzlichen Vereinbarung, den Mantel passend zu machen. In diesem Fall sprach das Berufungsgericht, vom BGH unwidersprochen, ausdrücklich von einer lediglich entsprechenden Anwendung des § 463 BGB (S. 734). 47 Hinsichtlich der Primärverpflichtung ebenso SotTgei-Huber, § 462 Rdnr. 74, der allerdings diese Ansicht nicht konsequent weiterführt, in dem er Reparaturkosten im Rahmen der Minderungsberechnung für ersetzbar hält. A.a.O. Fn. 58. 48 Diedrichsen, AcP 165 (1965), 159. 49 Lange, Schadensersatz § 5 I V 2; MünchKomm-Grunsky, § 249 Rdnr. 13; Staudinger-Schiemann, § 249 Rdnr. 210. 46

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zu veranlassen bzw. vom Verkäufer veranlassen zu lassen. Eine Pflicht zur Nachfristsetzung und die damit automatisch verbundene Berechtigung des Verkäufers zur Nacherfüllung widerspricht dagegen dem soeben dargelegten Schutz des Käufers. Die richtige Bestimmung des Umfangs der Handlungspflichten des Verkäufers kann also das Fehlen einer Nachfristsetzung im Kaufvertragsrecht erklären. Obwohl der Verkäufer nicht primär dazu verpflichtet ist, die Kaufsache selbst in einen vertragsgemäßen Zustand zu versetzen, kann er doch, wenn er Schadensersatz zu leisten hat, auf Zahlung der Reparaturkosten bzw. auf die Veranlassung der Reparatur in Anspruch genommen werden. Gründe für das Fehlen einer Herstellungspflicht des Verkäufers in § 463 BGB sind einmal, daß der Verkäufer nicht als Vertragspartner in Hinblick auf seine besonderen Fähigkeiten zur Herstellung/Reparatur der Kaufsache ausgewählt wurde sowie der Schutz des Käufers davor, das Kaufobjekt noch einmal in die Hand des arglistig handelnden bzw. fehlerhaft zusichernden Verkäufers geben zu müssen. Dies ändert jedoch nichts daran, daß der Verkäufer bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 463 BGB zur Leistung einer mangelfreien Sache verpflichtet ist. Wird das Fehlen der Nacherfüllungspflicht in § 463 BGB auf diese Weise erklärt, so ist auch einer Argumentation der Boden entzogen, nach der das Fehlen der Nacherfüllungspflicht eine gewollte Haftungsbeschränkung des Verkäufers auf den Wert des mangelfreien Kaufobjektes zum Ausdruck bringt. Aus der Systematik des Kaufrechts spricht deshalb nichts gegen die Reparaturkosten als Inhalt des Anspruchs auf kleinen Schadensersatz. Der zu ersetzende Schadensumfang ist allein aufgrund allgemeiner schadensrechtlicher Überlegungen zu bestimmen.

b) Einwände aus der schadensrechtlichen Dogmatik In vielen Urteilen haben die Reparaturkosten nur als vereinfachte Berechnungsmethode für den Minderwert bei der Bestimmung des Umfanges eines kleinen Schadensersatzes Bedeutung. Dazu zählen die bereits zu Beginn dieses Kapitels angeführten Fälle, bei denen einmal der Minderwert eines vom Holzbockkäfer befallenen Hauses an Hand der Beseitigungskosten des Käfers, 50 das andere Mal der Minderwert einer defekten Heizungsanlage durch die Reparaturkosten 51 bestimmt wurden. Nach diesem Ansatz der Rechtsprechung bemißt sich der Schaden des Käufers nach dem rechnerischen Minderwert des Verkäufervermögens aufgrund der mangelhaften Erfüllung im Vergleich zur Vermögenslage bei vertragsgemäßer Erfüllung. 50 51

3 Jaggy

BGH NJW 1965, 34. BGH NJW 1989, 2534.

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Β. Dogmatische Rechtfertigung

Die tatsächliche Zusammensetzung des Käufervermögens, das Interesse des Käufers, den konkreten Vertragsgegenstand mit der versprochenen Eigenschaft zu erhalten, wird dagegen - zumindest nach dem theoretischen Ansatz - nicht geschützt. Diese Rechtsprechung behandelt folglich den Schadensersatzanspruch des Käufers aus § 463 BGB als reinen Kompensationsanspruch i.S.d. § 251 Abs. 1 BGB. Dies hat der BGH neuerdings ausdrücklich festgestellt, ohne jedoch eine Begründung für diese Einordnung zu liefern. 52 Von dem Kompensationsanspruch unterscheidet sich der Restitutionsanspruch des § 249 BGB dadurch, daß für den zu ersetzenden Schadensumfang nicht die reine Vermögensdifferenz entscheidend ist, sondern die tatsächliche Zusammensetzung des Vermögens bzw. der Güter des Geschädigten so, wie sie ohne das schädigende Ereignis bestünde. Ob die Veränderung der Vermögenszusammensetzung sich wertmäßig niedergeschlagen hat, ist nur in zweiter Linie, bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit des Anspruchs auf Naturalrestitution, entscheidend, also lediglich bei der Ermittlung der Grenzen des Anspruchs. 53 Der Wortlaut des BGB liefert keinen Anhaltspunkt dafür, daß ein Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung anders zu behandeln wäre als ein deliktischer Schadensersatzanspruch: Das Gesetzbuch sieht mit den §§ 249 ff. BGB nur einen Regelungskomplex für die Bestimmung eines Schadensumfanges vor, innerhalb dessen weder nach der Art des Verstoßes des Schädigers noch nach dem geschädigten Rechtsgut unterschieden wird. Dennoch wird die direkte Anwendbarkeit der §§ 249 ff. BGB auf einen Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung bezweifelt. aa) Führt der Ausschluß des Erfüllungsanspruchs zwingend zum Ausschluß eines Anspruchs auf Naturalrestitution? Die Entscheidung des BGB, alle Schadensersatzansprüche gleich zu behandeln, wurde bald nach Erlaß des Gesetzbuches mit dem Argument kritisiert, das Naturalrestitutionsprinzip passe nicht auf einen Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung. Einige der Anspruchsgrundlagen für einen Schadensersatz wegen Nichterfüllung sehen vor, daß der Schadensersatzanspruch an die Stelle des Erfüllungsanspruchs tritt, und schließen eine Geltendmachung des Erfüllungsanspruchs nach dem Übergang auf den Schadensersatzanspruch ausdrücklich aus. Entsprechende Regelungen enthalten die §§ 283, 326 Abs. 1 S. 2 und 634 Abs. 1 S. 1 i.V.m. 635 BGB. Daraus wurde der Schluß gezo52

BGH ZIP 1998, 1313. Lange, Schadensersatz § 1 I I I 3; Steudinger-Schiemann, MünchKomm-Grwn.s£y, § 251 Rdnr. 16. 53

§ 249 Rdnr. 3;

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gen, daß Naturalrestitution, d.h. der Anspruch auf Herstellung des Zustandes, der bei ordnungsgemäßer Erfüllung bestünde, nicht Inhalt des Schadensersatzanspruches sein könne, da ansonsten der Ersatzanspruch wiederum auf die gleiche Leistung gerichtet sei wie der Erfüllungsanspruch. 54 Darüber hinaus wurde die Auffassung vertreten, daß mit dem Übergang auf den Schadensersatzanspruch schon abschließend darüber entschieden sei, daß die Herstellung eines Zustandes wie bei vollständiger Vertragserfüllung nicht verlangt werden könne. Im Falle einer objektiven Unmöglichkeit der Leistung ergebe sich bereits aus § 251 Abs. 1 BGB, daß die Naturalerfüllung ausgeschlossen sei. 55 Bei subjektiver Unmöglichkeit würden ginge man von einem Recht auf Naturalerfüllung aus - nur die Erwägungen, die bereits zur Bejahung des Unvermögens geführt hätten, in Anwendung des § 251 Abs. 2 BGB zur Annahme eines bloßen Geldanspruchs führen. 56 Schließlich wird speziell für den Fall eines Stückkaufes eingewandt, daß ein Recht auf Naturalrestitution dazu führte, daß über den Umweg des Schadensersatzanspruchs wegen Nichterfüllung der Stückkauf in eine Beschaffungsschuld umgewandelt würde. 57 Keines der aufgezeigten Argumente ist jedoch stichhaltig. Der Einwand, soweit der Erfüllungsanspruch ausgeschlossen sei, könne nicht über die Hintertür der Naturalrestitution doch wieder Erfüllung vom Schuldner verlangt werden, greift nur, wenn man den Begriff „Naturalrestitution" auf den Fall des § 249 S. 1 BGB verengt. Die Tragweite des in § 249 BGB geregelten Prinzips der Naturalrestitution erschöpft sich jedoch nicht darin, daß der Schuldner mit eigenen Händen den Zustand herzustellen hat, wie er ohne schädigendes Ereignis bestünde. Ein Fall der Naturalrestitution liegt auch dann vor, wenn der Gläubiger die Mittel erhält, selbst diesen Zustand herzustellen. Dies zeigt § 249 S. 2 BGB. Es ist zwar zuzugestehen, daß es widersprüchlich wäre, vom Ausschluß des Erfüllungsanspruchs auszugehen und dann den Anspruch nach § 249 S. 1 BGB zu geben. Wird jedoch nur ausgeschlossen, vom Schuldner selbst zu verlangen, daß er tätig wird, ist damit noch nicht gesagt, daß kein Fall der Naturalrestitution vorliegt. Ob 54 Schöller, Schadensersatz wegen Nichterfüllung bei gegenseitigen Verträgen S. 531; Soergel-Wiedemann, vor § 275 Rdnr. 29; MünchKomm-Grunsky, § 251 Rdnr. 3; OLG Köln NJW 1960, 1256. 55 Kisch, Unmöglichkeit der Erfüllung bei gegenseitigen Verträgen S. 122. 56 Schöller, Schadensersatz wegen Nichterfüllung bei gegenseitigen Verträgen S. 532 f. 57 Soergel-Wiedemann, § 280 Rdnr. 21. Ob der Verkäufer beim Stückkauf wirklich lediglich zur Abgabe der Kaufsache verpflichtet ist, oder ob er sie beschaffen muß, wenn er sie nicht besitzt, ist allerdings streitig, vgl. in der neueren Literatur Brehm, JZ 1987, 1091.

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ein Restitutionsanspruch oder bloße Kompensation gewährt wird, entscheidet sich allein danach, ob der Gläubiger nur den Wert der nicht geleisteten Sache beanspruchen kann oder ob er die Kosten dafür verlangen kann, sich selbst die geschuldete oder zumindest eine vergleichbare Sache zu beschaffen. Entscheidend ist deshalb, ob es dem Gläubiger erlaubt ist, Aufwendungen zur Herstellung eines der Erfüllung vergleichbaren Zustandes zu machen. Ausgedrückt in der Terminologie des allgemeinen Schadensersatzrechtes, ist mit der Ablehnung der Naturalrestitution im engeren Sinne noch keine Entscheidung darüber getroffen, ob Geldersatz nach § 249 S. 2 BGB bzw. § 250 BGB oder § 251 Abs. 2 BGB geschuldet ist. 5 8 Bei einer Beschränkung des Naturalrestitutionsanspruchs beim Schadensersatz wegen Nichterfüllung auf den Kostenersatz zur Beschaffung einer vergleichbaren Sache wird lediglich eine Geldzahlung vom Schuldner verlangt, eine Identität von Erfüllungsanspruch und Schadensersatzanspruch besteht mithin nicht. 5 9 Für den hier erörterten Schadensersatzanspruch aus § 463 BGB führt es darüber hinaus selbst dann zu keinem Widerspruch zwischen bereits ausgeschlossenem Erfüllungsanspruch und dem Inhalt des Schadensersatzanspruchs, wenn letzterer nach § 249 S. 1 BGB bestimmt wird. Anders als beim Nichterfüllungsanspruch aus § 326 BGB gibt es eben gerade keine Primärverpflichtung des Verkäufers, den Kaufgegenstand in einen vertragsgemäßen Zustand zu versetzen. 60 Aus diesem Grunde stellt der Anspruch auf Naturalrestitution, auch wenn vom Verkäufer selbst die Reparatur verlangt wird, nicht die Wiederherstellung eines bereits ausgeschlossenen Erfüllungsanspruchs dar. Mit dem Schadensersatzanspruch wird erstmalig eine solche Verpflichtung geschaffen. Deshalb kann also - wie bereits oben bemerkt 61 - vom Verkäufer auch Herstellung in natura verlangt werden. Im Rahmen des kleinen Schadensersatzes findet der Anspruch aus § 249 S. 1 BGB anders als bei den Normen, die vor Übergang zum Schadensersatzanspruch die Ablehnung der Erfüllung fordern, direkte Anwendung. Auch das zweite Argument gegen eine Zulassung der Naturalrestitution als Inhalt des Schadensersatzanspruchs wegen Nichterfüllung läßt sich entkräften. Mit dem Übergang vom Erfüllungsanspruch zum Schadensersatzanspruch ist nicht immer schon entschieden, daß die Herstellung des vertrags58 Hinsichtlich des § 250 BGB ist umstritten, ob er lediglich den Ersatz des Wertinteresses oder die Kosten der Naturalrestitution gewährt. Für die Naturalrestitutionskosten: Pieper, JuS 1962, 410. Der Frage ist hier nicht weiter nachzugehen, da es uns auf die genaue Zuordnung der zu entscheidenden Sachproblematik zu einer Vorschrift nicht ankommt. 59 Bulla, BB 1975, 447. 60 Siehe oben S. 31 f. 61 Vgl. S. 27.

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gemäßen Zustandes für den Schuldner eine unverhältnismäßige Belastung bedeutet. Dies zeigt bereits ein Blick auf die Rechtslage beim Verzug in § 326 BGB: Der Eintritt des Verzugs setzt gerade voraus, daß der Schuldner zur Leistung noch verpflichtet ist. Das Institut der fruchtlosen Nachfrist einschließlich des Übergangs vom Erfüllungs- auf den Schadensersatzanspruch regelt deshalb lediglich, ab wann der Gläubiger sich nicht mehr auf Erfüllungsversuche des Schuldners einlassen muß und wieder selbst handeln darf, also etwa einen Deckungskauf tätigen kann. 62 Die ausdrückliche Festlegung des Zeitpunktes, zu dem der Erfüllungsanspruch in einen Schadensersatzanspruch übergeht, bietet also einerseits dem Schuldner Schutz davor, zu früh den Schadensersatzforderungen seines Vertragspartners ausgesetzt zu sein, andererseits stellt sie die Handlungsfreiheit des Gläubigers wieder her. Ausgeschlossen ist mit dem Übergang vom Erfüllungsanspruch zum Schadensersatzanspruch lediglich das Recht, vom Verpflichteten zu fordern, den Leistungsgegenstand zu erwerben, oder die Sache von ihm, sofern er sie selbst hat, herauszuverlangen63 Das Argument, Naturalrestitution könne beim Schadensersatz wegen Nichterfüllung im Hinblick auf § 251 Abs. 1 und 2 BGB nie verlangt werden, kann demnach allenfalls für einzelne Tatbestände, insbesondere §§ 325 Abs. 1 und 280 Abs. 1 BGB, zutreffen. Auch für diese Anspruchsgrundlagen hat es aber nur dann Gewicht, wenn man das Unvermögen hinsichtlich des Primäranspruchs zu den Voraussetzungen des Schadensersatzanspruchs zählt. Eine andere Meinung in der Literatur nimmt demgegenüber an, daß der Schadensersatzanspruch aus §§ 325 Abs. 1 bzw. 280 Abs. 1 BGB neben den fortbestehenden Primäranspruch tritt 6 4 . Nach dieser Auffassung ist im Fall der subjektiven Unmöglichkeit Voraussetzung des Schadensersatzanspruchs, daß der Schuldner zur Primärleistung noch verpflichtet ist. Danach stellt sich die Frage der Zumutbarkeit der Naturalleistung erstmals auf der Ebene des Schadensersatzes. Auch wenn man nicht soweit geht, generell das gleichzeitige Bestehen von Primär- und Sekundäranspruch anzunehmen, stellt sich das Problem einer Verdoppelung der Prüfung, ob die Naturalleistung für den Schuldner zumutbar ist, nur dann, wenn man für das Unvermögen die Unzumutbarkeit voraussetzt 65. Nimmt man hingegen an, daß Unvermögen schon dann vor62

Heck, Schuldrecht S. 56. Für § 326 BGB vgl. BGH NJW 1994, 3351; Heck, Schuldrecht S. 56. 64 Grundlegend Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfüllung S. 155 f. 65 So Palandt-Heinrichs, § 275 Rdnr. 12 f., Staudinger-Löw^c/z, § 275 Rdnr. 52; auf den Einzelfall abstellend: Soergel-Wiedemann, § 275 Rdnr. 53 f. 63

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liegt, wenn die geschuldete Sache nicht im Vermögen des Schuldners vorhanden ist 6 6 , so stellt sich die Frage der Zumutbarkeit der Beschaffung (= Naturalleistung) gleichfalls erst auf der Ebene des Schadensersatzes. Auf das letzte der aufgeführten Argumente (Umdeutung des Stückkaufes in eine Beschaffungsschuld durch das Recht des Käufers auf Naturalrestitution) ist hier nicht näher einzugehen. Eine Pflicht zur Beschaffung des Kaufobjektes entsteht im Rahmen des § 463 BGB nicht, wenn vom Verkäufer Reparatur oder Reparaturkosten verlangt werden können. In diesen Fällen ist der Kaufgegenstand beim Käufer vorhanden, es wurde die verkaufte Sache geleistet, ansonsten stünde dem Käufer erst einmal der Anspruch aus § 326 BGB zu und nicht der aus § 463 BGB. Aus dem Übergang vom Erfüllungs- zum Sekundäranspruch, selbst aus einem ausdrücklichen Ausschluß des Primäranspruchs, sind also generell keine Beschränkungen des Umfangs des zu ersetzenden Schadens zu rechtfertigen. 67 Es liegen deshalb keine Anhaltspunkte vor, für § 463 BGB von einer entsprechenden Beschränkung auszugehen. bb) Gleichbehandlung von Eigentums- und Vertragsverletzung (1) Grundsätzliches Rechtfertigt die Art des betroffenen Rechtsgutes, die Verletzung eines „bloßen" Leistungsanspruchs eine unterschiedliche schadensrechtliche Behandlung im Vergleich zur Eigentumsverletzung? In der Literatur findet man eine entsprechende Trennung: Teilweise wird zwischen einem sogenannten ,,reale[n], konkreten oder auch tatsächliche[n] Schaden, als tatsächliche Veränderung im Bestand der Rechtsgüter aufgrund eines Eingriffs in deren Integrität, und andererseits einem Schaden, der sich nur als berechenbare und in Geldwert ausgedrückte Schmälerung des gesamten Vermögens darstellt" 68 unterschieden. (Der Begriff „Vermögensschaden" wird hier im engeren Sinn verwandt, nicht zur Abgrenzung zwischen einem materiellen 66

So neben Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfüllung S. 126 ff. und 253 ff. auch MünchKomm-Emmerich, § 275 Rdnr. 96, Brehm, JZ 1987, 1091. Die Position des BGH zur Problematik ist uneindeutig, einerseits spricht er sich gegen das Vorliegen eines Unvermögens aus, allein aus dem Umstand, daß dem Schuldner die rechtliche und tatsächliche Verfügungsbefugnis über den Leistungsgegenstand fehlt (vgl. BGH NJW 1988, 700), andererseits vertritt er aber auch die Ansicht, daß der Gläubiger solange von Unvermögen ausgehen dürfe, wie der Schuldner nicht konkret seine Möglichkeit zur Wiederbeschaffung/Beschaffung der Sache darlege, NJW 1992, 3225; BGH W M 1973, 1202. Für die Beurteilung des Vorliegens von Unvermögen stellt der BGH ersichtlich nicht darauf ab, welchen Aufwand der Gläubiger zu betreiben hat, um an die Sache wieder heranzukommen. 67 Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfüllung S. 229 f.

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und einem immateriellen Schaden.) Allein der erstgenannte Schaden soll nach § 249 BGB auszugleichen sein, während der Schaden wegen Nichterfüllung als reiner Vermögensschaden dem Regime des § 251 Abs. 2 BGB unterstellt wird. 6 9 Er wird damit automatisch als bloßer Ausgleich eines Wertinteresses geweitet, ein Wertinteresse, das nach dem BGB weniger stark geschützt sein soll als das Integritätsinteresse. 70 Diese Zweiteilung des Schadensbegriffes, die grundsätzlich unterschiedliche Behandlung von Eigentumsverletzung und Verletzung „bloßer" schuldrechtlicher Ansprüche, ist in der schadensrechtlichen Literatur bestritten. 71 Insbesondere Keuk vertritt die Ansicht, der Umfang des Schadensersatzes wegen Verletzung einer Sachleistungspflicht sei nicht aus einer negativen Auswirkung im Gläubigervermögen heraus zu bestimmen, sondern aus der Vorenthaltung der zu leistenden Sache selbst. 72 Für Keuk kann es folglich keinen Unterschied zwischen einem stärker zu schützenden Integritätsinteresse hinsichtlich der Verletzung absoluter Rechte und einem „reinen" Vermögensschaden geben. 73 Keuk begründet ihre Ansicht unter anderem damit, daß mit einem Vertragsschluß regelmäßig eine Vermögenserweiterung bezweckt werde und es nicht das primäre Ziel der Parteien sei, Schaden zu verhindern. 74 Keuk behandelt folglich den Gläubiger im Verhältnis zu seinem Schuldner so, als gehöre die entsprechende Sache bereits zu seinem Vermögen. In letzter Konsequenz ist dann der gedankliche Ansatz für den Umfang der Schadenshaftung bei Nichterfüllung genau derselbe wie bei einer Eigentumsverletzung, „der Wert des Leistungsgegenstandes bemißt sich", laut Keuk, „nach den für den Gläubiger erforderlichen Kosten zur Beschaffung eines entsprechenden Gegenstandes."75 Überträgt man diese Überlegungen, die bei Keuk im wesentlichen den Schadensersatz wegen vollständiger Nichterfüllung betreffen, auf den Schadensersatz wegen mangelhafter Leistung, so ergibt sich folgendes: Der Schaden liegt für den Käufer in der Vorenthaltung der vertragsgemäßen Eigenschaft, also bestimmt sich der Umfang des zu leistenden Schadenser-

68 Pieper, Der Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung JuS 1962, 409. Ebenso wohl auch Schulze, NJW 1987, 3098 f., obwohl er selbst feststellt, daß der Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung beim Werkvertrag am treffendsten mit der Regelung des § 249 S. 2 BGB erfaßt wird. 69 Soergel-Huber, § 463 Rdnr. 50; Lange, Schadensersatz § 5 I I I 1. 70 Hagen in: Lange/Hagen, Wandlungen des Schadensersatzrechts S. 66 f. 71 Dagegen Keuk, Vermögensschaden und Interesse; Bardo, Die „abstrakte" Schadensberechnung S. 85 ff. 72 Keuk, Vermögensschaden und Interesse S. 111. 73 Keuk, Vermögensschaden und Interesse S. 23. 74 Keuk, Vermögensschaden und Interesse S. I l l f. 75 Keuk, Vermögensschaden und Interesse S. 112.

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Β. Dogmatische Rechtfertigung

satzes nach den Kosten, die erforderlich sind, die Eigenschaft herzustellen: dies sind die Reparaturkosten. 76 Keuks Schadensbegriff hat sich in der Diskussion zur Bestimmung eines Vermögensschadens nicht durchgesetzt. 77 Gegen ihren Schadensbegriff läßt sich insbesondere einwenden, daß es nicht für jeden Vermögensschaden ein konkretes Rechtsgut gibt, anhand von dessen Wert oder dessen Beschaffungskosten sich der Schadensumfang bemessen läßt. 78 Unabhängig davon ist festzustellen, daß ihre Sichtweise für den Schadensersatz wegen Nichterfüllung einer Sachleistungspflicht zutreffend ist. Dies zeigt sich daran, daß der Inhalt eines Anspruchs auf Schadensersatz wegen (vollständiger) Nichterfüllung einer Sachleistungspflicht allgemein einem Restitutionsanspruch entspricht: Betrachtet man den Umfang des gewährten Schadensersatzes, so stellt man fest, daß er sich nicht an der Vermögenseinbuße beim Gläubiger orientiert, sondern diesem erlaubt wird, Aufwendungen für die Herstellung eines der Erfüllung entsprechenden Zustandes zu machen. Also wird Restitution und nicht Kompensation gewährt, denn es kommt, wie bereits an früherer Stelle betont wurde, für die Einordnung, ob ein Kompensationsanspruch oder ein Restitutionsanspruch vorliegt, nicht darauf an, welcher Norm der Anspruch unterstellt wird, sondern darauf, ob der Geschädigte das Recht erhält, Aufwendungen zu machen und diese Aufwendungen mit in den Vermögensvergleich einbezogen werden. 79 Deutlich ist dies zunächst beim Gattungskauf. Für diesen ist anerkannt, daß Aufwandsersatz für einen tatsächlich durchgeführten Deckungskauf zu leisten ist. 8 0 Der Käufer hat, ganz wie bei der Zerstörung einer ihm gehörenden vertretbaren Sache, das Recht Aufwendungen zu machen, um einen vergleichbaren Gegenstand zu erwerben. In der Literatur ist lediglich streitig, inwieweit „abstrakt", d.h. ohne Nachweis eines Deckungskaufs der Wert der vorenthaltenen Sache als Schadensersatz verlangt werden kann. 81 Soweit aber unter Ablehnung der reinen Differenztheorie diese „abstrakte" 76

Insofern hält Keuk ihren eigenen Ansatz für den kleinen Schadensersatz nicht konsequent durch. Bei ihrem - allerdings sehr knappen - Verweis auf die Rechtslage bei § 463 BGB erwähnt sie nur den Minderwert als zu ersetzenden Schaden, S. 120 f. 77 Vgl. Lange, Schadensersatz § 1 I I 8. 78 Lange, Schadensersatz § 1 I I 8; Larenz, SchuldR Bnd. 1 § 29 I a. 79 Vgl. oben S. 35 f. 80 MünchKomm-Emmerich, § 325 Rdnr. 89; Soergel-Wiedemann, Vorbem. § 275 Rdnr. 45, Kabel, S. 168 ff. 81 Eine umfassende Untersuchung der „abstrakten" Schadensberechnung für den Bereich marktgängiger Ware liefert Bardo, Die abstrakte Berechnung des Schadensersatzes wegen Nichterfüllung beim Kaufvertrag; vgl. auch Rabel, S. 171.

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Schadensberechnung zugelassen wird, 8 2 geht eine breite Literaturmeinung davon aus, daß der Schadensbetrag nach den hypothetischen Kosten für einen Deckungskauf zu berechnen sei, also nach den Kosten einer Naturalrestitution im weiteren Sinne. 83 Ganz entsprechend kann der Inhalt des gewährten Schadensumfangs beim Stückkauf aufgefaßt werden. Im Ersatz des Wertes der vorenthaltenen Sache ist nicht allein ein Kompensationsanspruch gemäß § 251 BGB zu sehen, sondern der Geldbetrag, der für den Erwerb einer Ersatzsache oder auch des konkret verkauften Stückes erforderlich ist. 8 4 Gegen diese Deutung läßt sich nicht einwenden, daß es keine Fälle in der Rechtsprechung gibt, in denen bei vollständiger Nichterfüllung tatsächlich gerade das verkaufte Stück mit einem Deckungskauf erworben wurde. In Betracht gezogen werden muß, daß sich die Ausgangslage bei vollständiger Nichterfüllung von der bei mangelhafter Erfüllung unterscheidet. Bei vollständiger Nichterfüllung besteht eine Schadensersatzpflicht, entweder, weil die geschuldete Sache untergegangen ist oder weil der Schuldner nicht über sie verfügt, die Sache sich in der Hand eines Dritten befindet. Im erstgenannten Fall gibt es aufgrund der Unmöglichkeit der Herstellung eines der Erfüllung vergleichbaren Zustandes mit der konkreten Sache keine andere Möglichkeit, als den Schadensersatzanspruch mit dem Wert der untergegangenen Sache gleichzusetzen. Im zweiten Fall besteht die Gefahr, daß der Dritte in Kenntnis des Schadensersatzanspruchs des Käufers den Gegenstand nur zu einem Phantasiepreis herausgibt. Der Ansatz des Schadensersatzes in Höhe des Weites des Kaufobjektes bedeutet deshalb nichts anderes, als daß der wirtschaftlich sinnvolle Preis veranschlagt wird, bis zu dem ein Erwerb von einem Dritten als verhältnismäßig anzusehen ist, soweit beim Käufer nicht etwa weiterer Schaden in Form von bereits erfolgten Aufwendungen, die ohne den Erhalt der Kaufsache sinnlos werden, entstanden ist. Trifft letzteres zu, so müßte auch ein höherer Preis für einen Dekkungskauf zugestanden werden.

82 Zu den Gründen für eine „abstrakte" Schadensberechnung Bardo, S. 90 f. mit weiteren Nachweisen. 83 Vgl. Rabel, S. 171; Lange, Schadensersatz § 6 X 5 b; Soergel-Wiedemann, § 325 Rdnr. 46; Bardo, S. 68 mit weiteren Nachweisen. Ebenfalls bei Bardo findet sich eine Auflistung der neueren Literatur zur Gegenansicht, der „abstrakte" Schaden sei beim Kauf marktgängiger Ware nach dem Wiederverkaufswert zu berechnen, S. 28, 35 insbesondere S. 37 für die neuere Literatur. 84 So z.B. SoQTgel-Mertens, § 249 Rdnr. 128, der trotz der Hypothese, es werde beim Schadensersatz wegen Nichterfüllung ein § 251 BGB unterfallendes Wertinteresse ersetzt, zu dem Schluß kommt, der Wert des Interesses sei nach den Kosten der Beschaffung einer entsprechenden Ersatzsache zu bemessen.

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Β. Dogmatische Rechtfertigung (2) Bestätigung durch die Gesetzgebungsgeschichte

Das bisherige Ergebnis, daß der Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung als Naturalrestitutionsanspruch zu behandeln ist, wird auch durch die Vorstellung des historischen Gesetzgebers bestätigt. Gesetzgebungsgeschichtlich betrachtet ist die Ansicht, das in § 249 BGB geregelte Prinzip der Naturalrestitution gelte nur für deliktische Ansprüche, nicht haltbar. Die Materialien zur Entstehungsgeschichte des BGB belegen, daß § 249 BGB gleichermaßen auf deliktsrechtliche und auf vertragsrechtliche Schadensersatzansprüche angewendet werden sollte. In den Teilentwürfen von Kübels für das Schuldrecht wird in § 2 des Entwurfs über die Folgen der Nichterfüllung der Verbindlichkeit, dem Abschnitt, der den heutigen §§ 280 ff. BGB entspricht, für den Schadensersatz wegen Nichterfüllung ausdrücklich die entsprechende Anwendung gewisser Vorschriften aus dem Schadensersatzrecht der unerlaubten Handlung angeordnet. 85 Ausgenommen war jedoch der Grundsatz der Naturalrestitution, wie er in § 15 Abs. 1 des Entwurfs zum Recht der unerlaubten Handlungen formuliert war. 8 6 Verwiesen wurde lediglich auf den dritten Absatz der Norm mit folgendem Inhalt: „Soweit die Zurückerstattung oder Wiederherstellung einer widerrechtlich entzogenen oder beschädigten Sache dem Schadensersatzpflichtigen nicht möglich ist, hat derselbe den Werth der zerstörten Sache zur Zeit der zugefügten Beschädigung zu ersetzen .. . " 8 7

Anders sah die erste Kommission die Problematik: Auf Anregung Plancks wurde beschlossen, „die Allegate aus den Vorschriften über die unerlaubten Handlungen zu erweitern." 88 Es wurde ausdrücklich auf § 15 Abs. 1 der v. Kübeischen Vorlage zum Recht der unerlaubten Handlung, also auf das Prinzip der Naturalrestitution verwiesen. Begründet wurde diese Gleichstellung von Schadensersatz wegen Nichterfüllung und Schadensersatz wegen unerlaubter Handlung folgendermaßen: „Da sowohl im Falle des § 2 [unserem heutigen § 280 BGB], wenn der Normalfall, als welcher der eines Verschuldens des Schuldners erscheine, gewürdigt werde, als bei den unerlaubten Handlungen eine begangene Widerrechtlichkeit 85

Vgl. Schubert, Schuldrecht Bnd. I S. 849. Dieser Grundsatz der Naturalrestitution hatte noch nicht die allgemeine Formulierung des heutigen § 249 S. 1 BGB, sondern lautete konkreter: „Der Schadensersatzpflichtige hat dem Beschädigten Alles, was demselben durch die widerrechtliche Handlung oder Unterlassung entzogen worden ist, in Natur zurückzuerstatten, was zerstört oder verschlechtert worden ist, in den vorigen Zustand wiederherzustellen, auch allen weiteren demselben verursachten Schaden zu ersetzen."; Schubert, Schuldrecht Bnd. I S. 655. 87 Schubert, Schuldrecht Bnd. I S. 655. 88 Jakobs/Schubert, Schuld Verhältnisse Bnd. I S. 266. 86

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den Grund der Haftung bilde, so müßten für die vermögensrechtliche Vertretung in beiden Fällen die gleichen Regeln gelten. Unter den in dem Abschnitt über die unerlaubten Handlungen aufgestellten Regeln würden auf den vorliegenden Fall die Regeln über die Wirkung einer konkurrierenden Fahrlässigkeit, die Vorschrift, daß nicht nur der positive Schaden, sondern auch der entgangene Gewinn in Betracht zu ziehen sei, die Vorschrift, daß zunächst auf Naturalrestitution gehaftet werde, soweit solche möglich sei, entsprechende Anwendung finden [.. . ] " 8 9

(3) Zwischenergebnis In der Praxis wird mit dem Schadensersatz wegen Nichterfüllung einer Sachleistungspflicht dem Geschädigten Restitution gewährt, obwohl keine Verletzung eines absoluten Rechts, sondern nur der Verstoß gegen ein vertragliches Versprechen vorliegt. Diese Vorgehensweise entspricht dem Willen des historischen Gesetzgebers, wie er in den Materialien zur Entstehungsgeschichte des BGB zum Ausdruck kommt. Für den Anspruch auf kleinen Schadensersatz wegen Mängeln der Kaufsache, der wie aufgezeigt ebenfalls als Nichterfüllungsanspruch einzustufen ist, kann nichts anderes gelten. Aus der Systematik des Kaufrechtes ergibt sich jedenfalls kein Argument, den Schadensersatz auf den Minderwert zu begrenzen. 90 cc) Dem „Integritätsinteresse " des Eigentümers vergleichbares des Käufers am konkreten Stück

Interesse

Unabhängig von der Qualifikation des verletzten Rechtsgutes als absolutes Recht oder schuldrechtlicher Anspruch auf eine Sachleistung ist dem Verletzten Schadensersatz in der Form der Naturalrestitution zu gewähren. 91 Diese Feststellung hat zunächst für den Käufer den Vorteil, daß er seinen Schadensersatzanspruch anhand der Reparaturkosten berechnen darf, was für die Bestimm- und Beweisbarkeit in der Praxis eine wesentliche Erleichterung bedeutet. 92 89 Jakobs/Schubert, Schuldverhältnisse Bnd. I S. 266. Als einzige noch genannte Unterscheidung zum Schadensersatz aus unerlaubter Handlung verblieb damit lediglich die Bestimmung des maßgeblichen Zeitpunkts zur Berechnung des Schadens, die jedoch von der Vorkommission des Reichsjustizamtes gestrichen wurde: „Die Vorschrift, daß stets die Zeit der Leistung für die Wertberechnung maßgebend sein solle, führe unter Umständen für den Schuldner zu unbilligen und mit den allgemeinen Grundsätze über die Tragung der Gefahr und den Kausalzusammenhang nicht vereinigenden Resultaten. Es handelt sich um die Ziehung von Konsequenzen aus dem Begriff des Schadens, welche der Wissenschaft zu überlassen seien." Jakobs/ Schubert, Schuldverhältnisse Bnd. I S. 269. 90 S.o. S. 33 ff. 91 S.o. S. 38 ff.

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Β. Dogmatische Rechtfertigung

Mit der grundsätzlichen Einsicht, daß auch der Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung einer Sachleistungspflicht auf Naturalrestitution gerichtet ist, ist jedoch noch nicht geklärt, in welchem Ausmaß die Naturalrestitution verlangt werden kann bzw. wann diese unverhältnismäßig wird. Die Bedeutung des Anspruchs auf Naturalrestitution bei Eigentumsverletzungen zeigt sich gerade dann, wenn die Kosten der Herstellung die bloße Vermögenseinbuße übersteigen. Bei der Naturalrestitution kommt es eben primär nicht auf die erlittene Vermögenseinbuße an, sondern es ist der Zustand, der ohne das Schadensereignis bestehen würde, unabhängig von einer Vermögenseinbuße herzustellen. 93 Der Ausgleich eines über der bloßen Vermögenseinbuße liegenden Interesses wird im allgemeinen mit dem besonderen Interesse des Eigentümers am Erhalt der gegenständlichen Integrität seines Güterstandes begründet und mit dem Schlagwort „Integritätsinteresse" bezeichnet. 94 Rechtfertigt sich nun beim kleinen Schadensersatz wegen Mängeln der Kaufsache anders als bei der Eigentumsverletzung eine grundsätzliche Begrenzung auf den Minderweit dadurch, daß der Käufer nie ein schützenswertes Interesse an der konkreten Sache haben kann, das über deren bloßen Wert hinausgeht; ihm folglich kein Interesse an der konkreten Sache zuzugestehen ist, das dem „Integritätsinteresse" eines Eigentümers entspricht? Eine grundsätzliche Ungleichbehandlung von Eigentümer und Käufer ist auch in diesem Punkt nicht sachgerecht. Die nähere Analyse der Aspekte, aufgrund derer dem Eigentümer ein Integritätsinteresse eingeräumt wird, wird zeigen, daß diese gleichermaßen in der Person eines Eigentümers wie eines bloß schuldrechtlich Berechtigten auftreten können. (1) Un verhältnismäßigkeit der Naturalrestitution bei Eigentumsverletzungen Bei der Auslegung des § 251 Abs. 2 S. 1 BGB für Eigentumsverletzungen herrscht Einigkeit darüber, daß die Kosten einer Naturalrestitution für nicht vertretbare Sachen nicht allein deshalb unverhältnismäßig sind, weil sie über dem Wert der Sache in unbeschädigtem Zustand liegen. 95 Bei vertretbaren Sachen endet die Ersetzbarkeit von Herstellungskosten dagegen 92

Bulla, BB 1975, 445 f. Lange, Schadensersatz § 1 I I I 3; Staudinger-Schiemann, § 249 Rdnr. 3; M ü n c h K o m m - G r « « ^ , § 251 Rdnr. 16. 94 Steudmgtr-Schiemann, § 249 Rdnr. 233; MünchKomm-Grunsky, § 249 Rdnr. 7 a; Soergel-Mertens, § 249 Rdnr. 2. Schiemann und Grunsky sprechen auch von einem „Integritätszuschlag". 95 Lange, Schadensersatz § 5 V I I 1, MünchKomm-Grunsky, § 249 Rdnr. 7, § 251 Rdnr. 16; Oetker, NJW 1985, 346. 93

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beim Minderwert, da auch die Beschaffung einer Ersatzsache als Naturalrestitution anzusehen ist. 9 6 Jenseits dieser Grundregeln sind Bewertungsmaßstäbe für die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit einer Naturalrestitution in Literatur und Rechtsprechung dünn gesät. Konkrete Prozentsätze, bei deren Überschreitung die UnVerhältnismäßigkeit der Naturalrestitution anzunehmen ist, werden außer bei der Beschädigung von gebrauchten Kraftfahrzeugen nicht genannt. Bei der Beschädigung von Kraftfahrzeugen besteht die Faustregel, daß Kosten bis zu 30 % über dem Wert des Wagens vor Unfall noch verhältnismäßig sind, wenn die Reparatur auch tatsächlich durchgeführt wird. 9 7 Außerhalb des Kraftfahrzeug-Bereichs wird die Verhältnismäßigkeit deutlich über dem Wert der beschädigten Sache liegender Herstellungskosten ausdrücklich bei der Beschädigung von Bäumen 98 und der Verletzung von Tieren 99 diskutiert (bei letzteren auch schon vor der Einführung der Sonderregelung des § 251 Abs. 2 S. 2 im Jahre 1990), ohne daß sich jedoch feste Maßstäbe herausgebildet hätten. Aus den relativ wenigen Entscheidungen zu § 251 Abs. 2 Satz 1 BGB allgemein läßt sich allerdings die Tendenz ableiten, daß die Naturalherstellungskosten im Einzelfall selbst die für Kraftfahrzeuge entwickelte 130%-Grenze weit übersteigen können. So wurden beispielsweise Herstellungskosten in Höhe von 300% bei einem verletzten H u n d 1 0 0 und von über 130% bei einer zerstörten Grundstücksmauer 1 0 1 als noch verhältnismäßig angesehen. Gleichzeitig überstiegen die Kosten einer Naturalrestitution in den Entscheidungen, in denen der Schädiger mit seinem Einwand gemäß § 251 Abs. 2 S. 1 BGB durchdrang, den Wert der unbeschädigten Sache in hohem Maße: Als unverhältnismäßig wurden Kosten in Höhe von 10000 D M für die Pflanzung einer 40 Jahre alten Kastanie auf einem Grundstück als Ersatz eines gleichaltrigen Baumes angesehen, bei einer Wertminderung des Grundstückes um lediglich 3260 D M durch den Verlust des Baumes, 102 sowie 62400 D M für die Wie96 Jakob, Ersatz fiktiver Kosten nach Allgemeinem Schadensrecht? S. 155; RGRK-Kregel, § 91 Rdnr. 7; Palandt-Heinrichs, § 251 Rdnr. 3; MünchKommGrunsJcy, § 249 Rdnr. 3. 97 Grunsky, 25 Jahre Karlsruher Forum S. 101; MünchKomm-Grunsky, § 249 Rdnr. 7 a; Soergel-Mertens, § 251 Rdnr. 13; Palandt-Heinrichs, § 251 Rdnr. 7; Lange, Schadensersatz § 5 V I I 1; OLG Düsseldorf VersR 1977, 840; BGHZ 115, 364; OLG Celle VersR 1964, 519; OLG Nürnberg VersR 1969, 289; OLG Schleswig VersR 1969, 1100; OLG Oldenburg VersR 1973, 379; KG VersR 1976, 391; KG VersR 1979, 35; OLG Stuttgart VersR 1977, 88. 98 BGH NJW 1975, 2061. 99 LG München NJW 1978, 1862. 100 LG München NJW 1978, 1862. 101 L G Naumburg NJW-RR 1995, 1041. 102 BGH NJW 1975, 2061.

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derherstellung eines Dammes in einem Baggersee bei einem Grundstückswert von nur 600 D M . 1 0 3 Entscheidend für die Übertragbarkeit der für Eigentumsverletzungen entwickelten Verhältnismäßigkeitsgrenzen auf den kleinen Schadensersatzanspruch sind jedoch die hinter den bloßen Prozentzahlen stehenden Überlegungen. Nur sie geben Aufschluß darüber, was eigentlich das Integritätsinteresse des Eigentümers ausmacht, wodurch es gerechtfertigt ist, dem Schädiger Reparaturkosten über dem Wert der beschädigten Sache zuzumuten. Im wesentlichen beruht das sogenannte Integritätsinteresse auf drei, nicht immer streng voneinander abgrenzbaren, schutzwürdigen Positionen des Eigentümers. (a) Unersetzbarkeit

der beschädigten Sache

Das sogenannte „Integritätsinteresse" des Eigentümers ist zunächst und vor allem das Interesse an der weiteren Nutzung der beschädigten Sache. Mit einem am Wert orientierten Kompensationsanspruch ist nicht sichergestellt, daß der Gläubiger eine auch nur in ihrer Funktion vergleichbare Sache erwerben kann. Für den Ersatzerwerb ist es nämlich erst einmal erforderlich, daß eine entsprechende Sache überhaupt am Markt zu erhalten ist. Auf diesen Gedanken hat sich der BGH berufen, als er 54000 D M Reparaturkosten für einen Radschleppdampfer zusprach, der sowohl vor als auch nach dem schädigenden Ereignis einen Schrottwert von 100000 D M hatte: „Die Beklagten haben auch nicht dargetan, daß die Kläger in der Lage gewesen wären, einen entsprechend gebrauchten Schleppdampfer zu einem Betrag von weniger als 154000 D M (Schrottwert zuzüglich Instandsetzungskosten) zu erwerben." 104 (b) Besonderes subjektives Interesse, das kein Affektionsinteresse

ist

Zu einer Ersetzbarkeit von Reparaturkosten über dem Wert der beschädigten Sache kann es auch kommen, wenn die konkrete Sache gerade für den Eigentümer eine besondere Bedeutung hat und damit nicht auswechselbar ist. Zu denken ist beispielsweise an die Beschädigung des Geschäftshauses eines Optikers, das genau zwischen der Praxis zweier Augenärzte gelegen ist, oder die Zerstörung der Erdgeschoßwohnung eines Behinderten, dem es gerade auf diese Lage der Wohnung ankommt, obwohl Parterrewohnungen ansonsten günstiger als höher gelegene Wohnungen gehandelt werden. (Die Möglichkeit, daß die Herstellungskosten über dem Wert der 103 104

BGH NJW 1976, 235. BGH L M § 251 BGB Nr. 13.

I. Behebbare Mängel beim Stückkauf

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Gebäude liegen, ist bei einem Überschuß an Wohn- und Geschäftsräumen denkbar.) Der Verlust der bestimmten Sache führt in den Beispielsfällen zu Nachteilen der Geschädigten, die sich entweder als nur schwer nachweisbare Vermögensschäden darstellen (Auswirkung einer bestimmten Geschäftslage auf den Umsatz) bzw. sich materiell überhaupt nicht niederschlagen. Dennoch ist auch im letzten Fall nicht von einem bloßen Affektionsinteresse des Behinderten auszugehen, sondern im Verlust der Wohnung liegt ein Verlust an Lebensqualität. Nach den vom BGH vertretenen Grundsätzen zur Schadensermittlung ist sowohl das materielle Interesse des Optikers als auch das immaterielle Interesse des Behinderten zu berücksichtigen: „Bei der Schadensermittlung kommt es regelmäßig nicht darauf an, welchen Verkehrswert die beschädigte Sache hatte, sondern welchen Wert sie in den Händen des Geschädigten besaß." 105 Daß immaterielle Interessen in die Abwägung nach § 251 Abs. 2 S. 1 BGB eingehen können, ist auch in der Literatur anerkannt. 106 Ebenso ist die vom BGH postulierte Subjektsbezogenheit des Schadensbegriffs weniger bestritten, als es zunächst den Anschein hat. Wo der subjektive Schadensbegriff in Zweifel gezogen wird, geht es nicht darum, ob es möglich ist, aufgrund der besonderen Bedeutung des geschädigten Rechtsgutes für den Anspruchsberechtigten einen erhöhten Schadensersatzanspruch zuzulassen, sondern ob auch dann ein Schaden in Höhe des objektiven Wertes der Sache besteht, wenn das Vermögen des Geschädigten diese Differenz nicht aufweist. 107 Ein weiteres, besonderes subjektives Interesse des Geschädigten an seinem Eigentum, das sich nicht in einem Marktpreis, dem objektiven Wert der Sache widerspiegelt, kann sich daraus ergeben, daß der Geschädigte die Sache kennt. 1 0 8 Als Beispiel für ein entsprechendes Interesse kann wiederum der Kraftfahrzeug-Bereich dienen. Hier ist anerkannt, daß der Integritätszuschlag von 30% über dem Wert eines Fahrzeuges auch deshalb gegeben wird, weil dem Geschädigten das Risiko erspart werden soll, einen gebrauchten Ersatzwagen zu erwerben, dessen versteckte Mängel er nicht kennt. 1 0 9 Ohne diesen Aspekt wäre der hohe Zuschlag auf den Wert des beschädigten Fahrzeuges nicht erklärbar. Anders als in den im vorangegangen Absatz dargestellten Fällen ist die Funktion eines Autos im Vermögen des Geschädigten, nämlich sein Einsatz als Beförderungsmittel, bei einem funktionierenden Gebrauchtwagenmarkt beliebig durch den Erwerb eines Ersatzwagens auszugleichen. Der genannte Schutz vor den Risiken eines 105 106 107 108 109

BGH L M § 251 BGB N r . l l S. 1016. Grunsky, 25 Jahre Karlsruher Forum S. 101 ff. So die Feststellung von Lange, Schadensersatz § 1 I I I 2. MünchKomm-Grwjw&y, § 249 Rdnr. 7d). BGHZ 115, 364.

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Β. Dogmatische Rechtfertigung

unbeabsichtigten Gebrauchtwagenkaufes allein erklärt auch die Ausnahmen von der 130%-Grenze bei Kraftfahrzeugen. So berücksichtigt die Rechtsprechung, von welcher Restnutzungsdauer des Fahrzeuges noch auszugehen i s t . 1 1 0 Bei äußerst geringem Restwert eines Unfallwagens können auch einmal Reparaturkosten unter 130 % unverhältnismäßig sein, 1 1 1 hier muß der Geschädigte auch ohne das schädigende Ereignis in absehbarer Zeit einen Neukauf eingehen. Bei unproblematisch wiederbeschaffbaren neuwertigen Wagen ist das Integritätsinteresse ebenfalls niedriger zu bemessen als bei Autos mit geringerem Wiederbeschaffungswert, 112 da bei neu weitigen Wagen das mit dem Gebrauchtwagenkauf verbundene Risiko geringer ist als sonst. (c) Schutz des Affektionsinteresses

im Rahmen des Integritätsinteresses

Ein besonderes Affektionsinteresse des Eigentümers an der beschädigten Sache fließt anerkanntermaßen in die Bewertung der Verhältnismäßigkeit von Reparaturkosten e i n . 1 1 3 Ausgeschlossen ist nach allgemeiner Ansicht ein geldmäßiger Ausgleich für ein Affektionsinteresse nur, soweit die Herstellung des verletzten Rechtsgutes nicht mehr möglich ist, also im Rahmen eines Kompensationsanspruchs nach § 251 Abs. 2 Satz 1 B G B . 1 1 4 Klassische Beispiele, 115 in denen ein Affektionsinteresse zu berücksichtigen ist, sind die Beschädigung persönlicher Andenken, wie selbstgemalte Bilder ohne Marktwert, oder die marktgängige und damit jederzeit wiederbeschaffbare Uhr, wenn das konkrete Stück gerade ein Verlobungsgeschenk war. Auch das Affektionsinteresse ist damit ein Teil des sogenannten Integritätsinteresses und kann dazu führen, daß über dem Marktwert liegende Herstellungskosten erstattungsfähig sind. (2) Vergleichbare Interessen des Käufers Inwieweit verlangen die Weitungen, die hinter dem Schlagwort „Integritätsinteresse" stehen, daß es sich bei der betroffenen Sache um Eigentum des Geschädigten handelt?

110

Lange, Schadensersatzrecht § 6 X I V 5 c). Lange, Schadensersatzrecht § 6 X I V 5 c); OLG München VersR 1983, 468. 112 Lange, Schadensersatz § 6 X I V 5 c); L G Marburg ZfS 1982, 203. 113 Soergel-Mertens, § 251 Rdnr. 11; GrunsJcy, 25 Jahre Karlsruher Forum S. 102. 114 Grunsky, 25 Jahre Karlsruher Forum S. 103; derselbe in MünchKomm § 251 Rdnr. 20; Stmdingtt-Schiemann, § 251 Rdnr. 101. 115 Vgl. die Beispiele bei Oetker, NJW 1985, 347. 111

I. Behebbare Mängel beim Stückkauf

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Die Antwort darauf lautet: von wenigen Ausnahmen abgesehen überhaupt nicht. Die Analyse der hinter dem „Integritätsinteresse" verborgenen Wertungen zeigt, daß ein Integritätsinteresse in erster Linie aus der funktionellen Unersetzbarkeit der beschädigten Sache hergeleitet wird und die konkrete Zusammensetzung des Vermögens des Eigentümers eben nicht der letzte Grund für die Gewährung einer Naturalrestitution ist. Dies wird auch daran deutlich, daß die Beschaffung einer Ersatzsache bei vertretbaren Sachen 116 und unter Umständen sogar die Beschaffung einer funktional gleichwertigen Sache als Naturalrestitution angesehen wird. Wie dargelegt wird im Kraftfahrzeug-Bereich die Verschaffung eines gleichwertigen gebrauchten Fahrzeugs als Restitution geweitet. 1 1 7 Beim Schadensersatz für deliktische Eigentumsverletzungen gilt, daß für beliebig austauschbare Sachen Naturalrestitution der beschädigten Sache nur eingeschränkt verlangt werden kann, sich der Geschädigte mit dem Erwerb einer Ersatzsache zufrieden geben muß. 1 1 8 Andererseits können für Gegenstände, an die weitere Dispositionen geknüpft sind, Reparaturkosten weit über dem Minderwert begehrt werden. Diese Grundsätze bestimmen im wesentlichen die Verhältnismäßigkeitsüberlegungen. (a) Unersetzbarkeit

der Kauf sache

Beim verletzten Anspruch auf eine Sachleistung ist es wie bei einer Eigentumsverletzung denkbar, daß der Gläubiger ohne die Reparatur des verkauften Stückes einen vergleichbaren Gegenstand überhaupt nicht erhalten kann. Das Interesse eines Optikers an einem genau zwischen zwei Augenärzten gelegenen Geschäftsgebäude im oben angefühlten Beispielsfall ist gleich zu bewerten, unabhängig davon, ob es als sein Eigentum beschädigt wurde oder ob er einen schuldrechtlichen Anspruch auf das Gebäude hat und dieses mangelhaft ist. Weil es für die Ersatzfähigkeit eines über dem Minderwert liegenden Schadens auf die funktionelle Unersetzbarkeit der beschädigten Sache ankommt, ist es nicht überraschend, daß die Rechtsprechung gerade bei Kaufverträgen über (mangelhafte) Grundstücke die Berechnung des kleinen Schadensersatzes nach Reparaturkosten zugelassen hat. Dies geschah teils offen, teils auf dem Umweg über eine Bestimmung des Minderweites nach den Reparaturkosten. 116 RGRK-Kregel, § 91 Rdnr. 7; Palandt-Heinrichs, § 251 Rdnr. 3; MünchKomm-Grunsky, § 249 Rdnr. 3. 117 BGHZ 66, 247; BGHZ 115, 364, 378; Palandt-Heinrichs, § 249 Rdnr. 1. 118 MünchKomm-Grunsky, § 249 Rdnr. 7 d), vgl. für die Beschädigung von Kraftfahrzeugen Palandt-Heinrichs, § 249 Rdnr. 1. 4 Jaggy

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Β. Dogmatische Rechtfertigung

Zwei Urteile aus jüngerer Zeit mögen illustrieren, wie gut sich Entscheidungen zum kleinen Schadensersatz beim Kauf mit den für den deliktischen Schadensersatz entwickelten Grundsätzen erklären lassen. In einem Fall des Bundesgerichtshofes, 119 der 1991 entschieden wurde, hatte der Verkäufer eines Grundstückes arglistig verschwiegen, daß dieses in den zwanziger und dreißiger Jahren als wilde Müllkippe genutzt worden war. Dem Verkäufer war allerdings nur die Ablagerung von Hausmüll bekannt gewesen, die wilde Ablagerung von Sondermüll dagegen nicht. Die Müllablagerungen führten zu einer wesentlichen Verzögerung des Bauvorhabens der Käufer und zu einem erheblichen Mehraufwand wegen der aufgrund des Mangels notwendigen Unterkellerung des geplanten Bungalows. Die Käufer verlangten bei einem Grundstückskaufpreis von 250000 D M Schadensersatz in Höhe von 150000 DM, den das Gericht zusprach. Ein ähnlicher Sachverhalt liegt dem bereits oben geschilderten Urteil aus dem Jahre 1995 zugrunde: 120 Beim Verkauf eines in einem Gewerbegebiet gelegenen Grundstücks, das der Käufer bebauen wollte, war arglistig verschwiegen worden, daß das Grundstück zuvor als Werksdeponie genutzt worden war. Der Verkäufer hatte lediglich angegeben, er habe das Grundstück aufgeschüttet, und der Grund enthalte Beton und Bauschutt. Tatsächlich war der Boden mit Mineralöl und Chlorkohlenwasserstoff verunreinigt, darüber hinaus befanden sich darin großflächige Ausschußteile aus der Spannbetonherstellung. Der Kläger verlangte die Feststellung, daß der Verkäufer alle Kosten zu tragen habe, die durch die Beseitigung der Altablagerungen entstanden seien und noch entstünden. Die bisherigen Kosten beliefen sich auf rund 1200000 DM. Der BGH hob das Urteil des OLG, das der Klage stattgegeben hatte, auf und verwies zurück. Die Zurückverweisung beruhte jedoch lediglich darauf, daß nicht abschließend geklärt worden war, ob der Verkäufer bei Vertragsschluß angegeben hatte, daß sich im Grund auch große Betonfertigteile befanden. Im übrigen führte der BGH aus: „Nach § 463 BGB ist (nur) der Schaden zu ersetzen, der auf dem arglistig verschwiegenen Fehler beruht ... Die Haftung der Beklagten beruht hier darauf, daß sie eine Aufklärung über das Vorhandensein der früheren Müllkippe unterlassen habe. Ersatzpflichtig ist somit der Mehraufwand für die Entsorgung dieser Deponie." Bei der Begründung beider Entscheidungen fällt auf, daß keinerlei Bezug auf den Minderwert zur Begrenzung der Schadenshöhe genommen ist. Mit dem üblichen Kunstgriff der Rechtsprechung, Minderwert und Reparaturkosten einfach gleichzusetzen, sind die Sachverhalte auch nicht zu bewältigen, da die konkret zugesprochenen Schadenshöhen jeweils von der individuel119 120

BGH NJW 1991, 2900. BGH NJW 1995, 1549. Vgl. bereits die Erwähnung auf S. 17.

I. Behebbare Mängel beim Stückkauf

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len Nutzung der Käufer abhingen. Die Urteile lassen sich auch nicht unter dem Aspekt als Sonderfälle behandeln, daß es sich um die Beseitigung bereits eingetretener Schäden handelte und deshalb die Begrenzung auf den Minderwert nicht mehr möglich war. Wäre es allein auf diesen Aspekt angekommen, so hätte jeweils berücksichtigt werden müssen, welche Baukosten bis zur Entdeckung des Mangels aufgelaufen waren und welche erst danach entstanden sind. Dies zeigt der Vergleich mit einer weiteren BGH-Entscheidung, 121 bei der es ebenfalls um den Verkauf eines mangelhaften Grundstückes ging, eines Grundstückes mit mangelhafter Grundfestigkeit, aufgrund derer das vom Käufer errichtete Bauwerk tiefer gegründet werden mußte. Im Unterschied zu den beiden soeben erwähnten Grundstückverkaufsfällen hatten die Geschädigten jedoch nur einen Anspruch aus c.i.c. auf das negative Interesse. Der BGH unterschied deshalb genau zwischen den Schäden, die vor bzw. nach Entdeckung des Mangels entstanden sind: „ . . . die Notwendigkeit besonderer Gründungsarbeiten beruhte nicht darauf, daß dem Beklagten vor Vertragsschluß falsche Auskunft über die Bodenfestigkeit erteilt worden war, sondern erst auf dem Entschluß, trotz der falschen Auskunft am Vertrag festzuhalten und das Bauvorhaben unter den gegebenen Bedingungen fortzuführen." Konsequenterweise erhielten die Käufer als Schadensersatz nur den Minderwert, der - unterstellt man einen Verkauf zum Marktpreis - mit dem Minderungsweit identisch ist. Anders wurde in den Urteilen aus den Jahren 1991 und 1995 entschieden. Hier läßt sich der Schadensumfang nur mit dem Anspruch auf das positive Interesse erklären. Die Käufer wurden so gestellt, „als ob sie ein fehlerfreies Grundstück erhalten hätten." 1 2 2 Und dies erfordert eben nicht nur eine rein vermögensmäßige, sondern eine tatsächliche Gleichstellung, was der BGH im Urteil aus dem Jahre 1991 mit folgender Äußerung unterstreicht: „Hat der verschwiegene Mangel zu einer Wertminderung geführt, so hat sie [die beklagte Verkäuferin] diese auszugleichen. Mußte das als Müllkippe früher genutzte Grundstück vor einer Bebauung mit einem Wohnhaus entsorgt werden, müssen die dafür erforderlichen Aufwendungen ersetzt werden. Mußte das Bauwerk anders gegründet werden als bei einem mangelfreien Baugrund, so sind die dafür erforderlichen Mehraufwendungen zu ersetzen." 123 Ebenso wurde im BGH-Urteil aus dem Jahre 1995 nicht danach unterschieden, ob die Käufer Aufwendungen vor oder nach Entdeckung des Mangels tätigten. Andernfalls hätte die Feststellungsklage,

121 122 123

*

BGH NJW 1981, 1035. NJW 1991, 2900 f. NJW 1991, 2900 f.

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Β. Dogmatische Rechtfertigung

die auf den Ersatz eines noch nicht bezifferbaren und teilweise noch nicht entstandenen Schadens zielte, abgewiesen werden müssen. In beiden Fällen wurde die zu ersetzende Schadenshöhe in keinerlei Bezug zum Minderwert gesetzt, was sich einerseits durch die Individualität des Kaufobjektes, andererseits durch bereits auf das Grundstück getätigte Aufwendungen erklären läßt. Es kommt also auch hier bei der Verhältnismäßigkeit im Rahmen eines Anspruchs auf kleinen Schadensersatz auf die funktionelle Austauschbarkeit an, ganz wie sie auch bei Eigentumsverletzungen zum Tragen kommt. (b) Besonderes subjektives Interesse an der Kauf sache Auch ein besonderes subjektives Interesse an einem Kaufobjekt kann wie bei Verletzung von Eigentum vorhanden sein. Eine Parallele zum oben gebildete Fall der marktgängigen Uhr, die ein Verlobungsgeschenk war, gibt es beim kleinen Schadensersatz etwa dann, wenn ein Familienstück einmal aus der Hand gegeben wurde und später zurückerworben werden soll. Es ist allerdings zuzugestehen, daß entsprechende Konstellationen beim kleinen Schadensersatz wesentlich seltener vorkommen werden als bei Eigentumsverletzungen. Es ist ebenfalls anzuerkennen, daß Konstellationen, in denen der Käufer vor Kaufabschluß die Kaufsache bereits kennt und sich daraus ein besonders schützenswertes Interesse an der konkreten Sache ableiten läßt, die Ausnahme bilden. Dies führt dazu, daß die Obergrenze für mit dem kleinen Schadensersatz zu ersetzenden Schaden bei einer in der Praxis bedeutenden Fallgruppe, dem Verkauf mangelhafter Gebrauchtwagen, niedriger als bei deliktischer Beschädigung anzusetzen ist. Soweit - wie oben dargelegt 124 bei der Beschädigung von Kraftfahrzeugen dem Eigentümer über dem Wert liegende Reparaturkosten zu ersetzen sind, weil ihm das Risiko eines Gebrauchtwagenkaufes abgenommen werden soll, kann es dafür keine Entsprechung beim kleinen Schadensersatzanspruch geben. In diesen Fällen des kleinen Schadensersatzes ist der Käufer gerade das Risiko des Gebrauchtwagenkaufes eingegangen, das sich nun nicht erhöht, wenn er wegen UnVerhältnismäßigkeit der Reparatur des gekauften Fahrzeuges einen Ersatzkauf tätigen muß: Er trägt jeweils einmal das Risiko versteckter (nicht arglistig verschwiegener) Mängel. Zeigt sich ein Mangel erst nach einer gewissen Zeit und hat der Käufer wegen Arglist des Verkäufers einen Anspruch auf Beseitigung des Mangels, so können trotzdem nicht Reparaturkosten bis zu 130% des Wertes verlangt werden. Zwar ist mittlerweile das Auto dem Käufer in gewisser Hinsicht vertraut, aber es bleibt auch hier 124

S. S. 47.

I. Behebbare Mängel beim Stückkauf

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dabei, daß dem Käufer das Risiko eines Gebrauchtwagenkaufes, das er selbst eingegangen ist, nicht abgenommen werden muß. Vergleichsparameter ist, was der Käufer im Zeitpunkt des Verkaufs beanspruchen konnte. Schadensersatz über dem Wert des verkauften Gebrauchtwagens ist beim kleinen Schadensersatz anders als bei der Eigentumsverletzung deshalb nur in Ausnahmefällen wie dem folgenden denkbar: 125 Beim Verkauf eines gebrauchten Mercedes war zugesichert worden, der Wagen habe einen überholten Motor. Im Rahmen einer Auslandsreise nach Norwegen stellte der Käufer fest, daß der Motor defekt war und ließ ihn in Norwegen für 6000 D M reparieren. Eine Reparatur in Deutschland bei einem Mercedesvertragshändler wäre um ein vielfaches billiger gewesen, so daß die Reparaturkosten verglichen mit dem Wert des Wagens in Deutschland über dem Minderwert lagen (da dieser Minderwert bei einer nur zu einem Zwecke nutzbaren Sache eben doch mit den notwendigen Reparaturkosten eng zusammenhängt). Dennoch hat das OLG der Klage auf Ersatz der Reparaturkosten zu Recht stattgegeben. Der Kläger mußte sofort handeln, er stand in Norwegen und konnte deshalb nicht einfach das Auto zurückgeben und auf diese Weise Schadensersatz fordern. (c) Grenzen des Schutzes des Käuferinteresses in der Rechtsprechung

am konkreten Stück

Gegen die Reparaturkosten als richtige Berechnungsmethode für einen Anspruch auf kleinen Schadensersatz lassen sich auch nicht zwei jüngere Urteile anführen, bei denen Reparaturkosten nicht bzw. nur eingeschränkt zugesprochen wurden. Diese Urteile zeigen lediglich die Grenzen für die Ersetzbarkeit von Reparaturkosten auf. Das OLG Koblenz hatte im Jahre 1990 einen Fall zu entscheiden, in dem der Verkäufer einer in einem größeren Wohnkomplex gelegenen Eigentumswohnung arglistig verschwiegen haben soll, daß der Beton der Balkone und Fassaden des Gebäudes sanierungsbedürftig war. 1 2 6 Der Käufer verlangte mit seiner Klage die Feststellung, daß sein Vertragspartner die noch nicht bezifferbaren Sanierungskosten zu ersetzen habe. Das Gericht wies die Klage ab. Es begründete die Entscheidung damit, daß der Käufer hätte darlegen müssen, daß er in Kenntnis des Mangels einen billigeren Kaufpreis ausgehandelt hätte, ansonsten sei der Schaden allein nach dem Minderweit zu bestimmen. Dieser Minderweit, der sich aus dem Marktwert für Wohnungen mit sanierungsbedürftigen Fassaden ergebe, sei bereits heute

125 126

OLG Frankfurt VRS 1958, 330. OLG Koblenz BB 1991, 722 = NJW-RR 1991, 847.

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Β. Dogmatische Rechtfertigung

bestimmbar, so daß das Feststellungsinteresse als besondere Voraussetzung für eine Feststellungsklage fehle. Der Sachverhalt enthält eine ähnliche Konstellation wie der bereits erwähnte Heizungsfall. 127 Die Käufer waren aufgrund der Einbindung in eine Wohnungseigentümergemeinschaft verpflichtet, anteilige Sanierungskosten aufzubringen. Im Heizungsfall gestand der BGH im Ergebnis richtig, wenn auch mit der unzutreffenden Begründung über die Gleichsetzung mit dem Minderwert, die Reparaturkosten zu. Daß diese Kosten im Fall des OLG Koblenz nicht in vollem Umfang erstattungsfähig und deshalb auch nicht zuzusprechen waren, liegt allein daran, daß der geschuldete Zustand durch eine Sanierung nicht hergestellt werden konnte: Geschuldet war eine Altbauwohnung mit nicht sofort renovierungsbedürftiger Fassade. Bei Altbauten ist mit entsprechenden baulichen Maßnahmen in regelmäßigen zeitlichen Abständen zu rechnen. Nach erfolgter, vom Verkäufer bezahlter Sanierung hätten die Käufer deshalb mehr erhalten als vertraglich geschuldet war. Ihr Schaden bestand „lediglich" darin, daß sie zum Kaufzeitpunkt nicht mit sofortigen umfassenden Sanierungsarbeiten rechnen mußten, einem Zeitpunkt, in dem typischerweise aufgrund der erforderlichen Kaufpreisfinanzierung weitere außerplanmäßige Kosten nur schwer tragbar sind. Richtig wäre es deshalb gewesen, den Käufern als Schadensersatz die Sanierungskosten abzüglich eines nicht unbeträchtlichen Abschlags „neu für 1ΛΟ 1OQ alt" zuzusprechen bzw. die höheren Finanzierungskosten für eine Kreditaufnahme zum jetzigen ungelegenen Zeitpunkt. Im Ergebnis war also die Abweisung der Klage auf Ersatz der gesamten Reparaturkosten überwiegend zutreffend. Auch ein jüngeres BGH-Urteil zum Themenkomplex steht nicht im Widerspruch zu unserer These. 1 3 0 Die in diesem Rechtsstreit Beklagte hatte der Klägerin zum Preis von rund 89500 D M einen gebrauchten Drucktanklastwagen mit aufliegendem Druckkessel verkauft. Sie sicherte der Käuferin den einwandfreien technischen Zustand des Fahrzeugs und des Aufbaus zu; dennoch wurden verschiedene Reparaturen erforderlich, deren Kosten sich Käuferin und Verkäuferin teilten. Nach endgültiger Übernahme des Tanklasters unter Bestätigung seiner Mangelfreiheit durch die Klägerin stellte sich bei dessen erstem Einsatz heraus, daß der Druckkessel unbrauchbar und explosionsgefährdet war. Die Klägerin verlangte Wandlung, die von der Beklagten verweigert wurde. Die Käuferin ließ daraufhin einen neuen 127

BGH NJW 1989, 2534. Vgl. so zum Beispiel OLG Köln DB 1990, 38. 129 Höher etwa deshalb, weil eine zweite Kreditaufnahme neben der Kreditaufnahme zur Kaufpreisfinanzierung nur über eine zweitrangige Grundschuld gesichert werden kann. 130 BGH NJW 1996, 584. 128

I. Behebbare Mängel beim Stückkauf

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Druckkessel einbauen, was rund 94600 D M (83000 D M zuzüglich 11600 Mehrwertsteuer) kostete. Diesen Betrag zuzüglich der Kosten für die Reinigung und Begutachtung des Fahrzeuges forderte sie mit ihrer Klage. Der BGH sprach vom geforderten Betrag nur einen Bruchteil zu. Er billigte zwar den vom Berufungsgericht gewählten Berechnungsansatz Reparaturkosten; da der eingewechselte Druckbehälter jedoch neu war, führten die Richter einen Abzug „neu für alt" durch. Im Rahmen dieses Abzuges gelangte das Gericht zu der Feststellung, daß bei dem hier gegebenen Fall des Schadensersatzes nach § 463 BGB wegen des Fehlens einer zugesicherten Eigenschaft daher der nach der Schadensbehebung tatsächlich bestehende Zustand mit der hypothetischen Vermögenslage zu vergleichen sei, die bestünde, wenn der verkauften Sache die zugesicherte Eigenschaft nicht gefehlt hätte. 1 3 1 Das Abstellen auf die hypothetische Vermögenslage führte nicht nur dazu, daß der BGH vom zu erstattenden Preis für den neuen Druckbehälter 9/10, für die um diesen Quotienten zu erwartende längere Lebensdauer gegenüber dem verkauften gebrauchten Druckbehälter abzog, sondern den gleichen Abzug auch bei den Montagekosten in Ansatz brachte. Das Gericht begründete dies damit, daß der auf dem Fahrzeug ursprünglich vorhandene Druckkessel in mangelfreiem Zustand noch eine Lebensdauer von zwei Jahren gehabt hätte, nach Ablauf dieser Zeit auch hätte ausgewechselt werden müssen, und deshalb die jetzt angefallenen weiteren Material- und Einbaukosten sowieso entstanden wären. Die nur prozentual zugestandenen Montagekosten zeigen, daß die Berechnung des Schadensersatzanspruchs nach Reparaturkosten in diesem Einzelfall falsch ist. Richtigerweise hätte der BGH zuerst entscheiden müssen, ob es ein schützenswertes Interesse der Käuferin zur Verwirklichung ihres Vertragsinteresses mit dem konkret verkauften Stück aufgrund von dessen Individualität gab. Zuerst hätten also die Voraussetzungen für den Anspruch auf Naturalrestitution überprüft werden müssen. Hier unterscheidet sich der Drucktanklastwagenfall nämlich vom zuvor erörterten, wo trotz Mangelhaftigkeit der Wohnung ein Interesse an diesem individuellen Stück fortbestand. Im Hinblick auf das Alter des verkauften Druckkessels hätte das Gericht zu dem Ergebnis kommen müssen, daß die Herstellung des vertraglich Geschuldeten, also eines Drucktanklastwagens mit 18 Jahre altem Kessel, wirtschaftlich sinnlos und damit unverhältnismäßig war. Ein Restitutionsanspruch schied deshalb von vornherein aus. Das Urteil, bei dem im Ergebnis doch wieder ungefähr der Minderwert des mangelhaften Gefährts zugesprochen wurde, läßt sich nur durch den Umstand erklären, daß die

131

NJW 1996, 585.

Β. Dogmatische Rechtfertigung

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ursprünglich von der Käuferin begehrte Wandlung verweigert wurde. Auf entsprechende Konstellationen wird an späterer Stelle einzugehen sein. 1 3 2 dd) Naturalrestitution

bei unbeeinträchtigten

Kauf Objekten?

Den bisher erörterten Fällen zum Beweis der These, daß auf den kleinen Schadensersatz die Prinzipien der Naturalrestitution anwendbar sind, war gemeinsam, daß es sich jeweils um schadhafte Kaufobjekte handelte. Dabei ist hier unter einem schadhaften Kaufobjekt eine Sache zu verstehen, die irgendwann einmal in dem Zustand war, der vertraglich vereinbart wurde, bzw. die aufgrund eines Fehlers bei der Herstellung seit ihrem Bestehen beeinträchtigt war. Gebraucht man die alten Schlagwörter, so kann man auch von „objektiven" Fehlern sprechen. 133 Bei dieser Fehlerart leuchtet die Vergleichbarkeit des kleinen Schadensersatzes mit dem deliktischen Schadensersatz ein: Das Kaufobjekt ist irgendwann einmal in dem vertragsgerechten Zustand gewesen bzw. wäre bei gelungener Fabrikation in diesem Zustand gewesen, und der Verkäufer haftet aufgrund seiner Zusicherung oder seines arglistigen Verhaltens dafür, daß der Schaden am Kaufobjekt behoben wird gleich wie der deliktische Schädiger. Anders könnte die Sachlage bei nicht schadhaften Kaufobjekten bzw. bloßen subjektiven Fehlern sein. Hier gab es in der Realität nie das Kaufobjekt im vertragsgemäßen Zustand, bzw. es sollte auch nie in dieser Form hergestellt werden. Ist es nun möglich und sinnvoll, auch hier dem Käufer einen Naturalrestitutionsanspruch zu geben, mit der Folge, daß er das Kaufobjekt auf Kosten des Verkäufers in den Zustand versetzen darf, der im Vertrag ausbedungen ist? Oder muß bei diesen Fehlerarten von vornherein ausgeschlossen werden, daß die Realität an den Vertrag angepaßt wird? Es sind wohl gerade die Fälle eines objektiv tadellosen Kaufobjektes, das lediglich den vertraglichen Vorgaben nicht entspricht, die Zweifel daran wecken, ob es grundsätzlich richtig ist, den Verkäufer zur Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes zu verpflichten. Es fragt sich, ob im Hinblick auf derartige „Fehler" eines unbeeinträchtigten Kaufobjektes eine Pflicht zur Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes ausgeschlossen werden muß. (1) Fälle mit Sonderproblem eines Gewährleistungsausschlusses Zwei Fälle eines kleinen Schadensersatzes bei unbeeinträchtigten Kaufobjekten sind in der Rechtsprechung bekannt geworden. 132 133

32.

S. 103 ff. Vgl. die Begriffs Verwendung bei Soergel-Huber, vor § 459 Rdnr. 22 f. und

I. Behebbare Mängel beim Stückkauf

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Das LG Bochum hatte über den Schadensersatzanspruch des Käufers eines Gebrauchtwagens zu entscheiden. 134 Trotz Ausschlusses der Gewährleistung enthielt der Kaufvertrag die Bemerkung „Servo" unter der Rubrik Zubehör. Vom Landgericht wurde dies als Zusicherung gewertet. Der Käufer verlangte die Kosten für den Einbau einer entsprechenden Lenkung als Schadensersatz. Das Landgericht wies die Klage teilweise ab. Zur Begründung wurde angefühlt, der ersetzbare Schaden beim kleinen Schadensersatz beschränke sich auf den Minderwert. In einem vom OLG Köln entschiedenen Fall war die Fassade eines Wohnhauses, für das in der Zeitung mit dem Zusatz „verklinkert" geworben worden war, lediglich mit einer Kunststoffimitation verkleidet. 135 Verkauft wurde ebenfalls unter Ausschluß der Gewährleistung. Das Oberlandesgericht ging wiederum von einer Zusicherung und einem Anspruch auf kleinen Schadensersatz aus. Die ersetzbare Schadenshöhe bestimmte es auf den Minderwert, wobei der Minderwert mit der Hälfte der Kosten, die bei der Anbringung echter Klinker entstünden, gleichgesetzt wurde. In beiden Urteilen wurden ausdrücklich nur die jeweiligen Minderwerte und nicht die Reparaturkosten zugesprochen. Ist daraus zu folgern, daß ein Anspruch auf Naturalrestitution, d.h. auf Schadensersatz in Höhe der Reparaturkosten bei unbeeinträchtigten Kaufobjekten allgemein nicht verlangt werden kann? Unseres Erachtens rechtfertigen die Urteile kein Aufstellen einer entsprechenden Regel. Sie lassen sich vielmehr mit der Besonderheit der entschiedenen Fälle erklären. Die Gerichte gelangen in diesen Urteilen mit dem Minderwert als dem ersetzbaren Schaden zu den sachlich richtigen Ergebnissen. Diese Ergebnisse sind jedoch nicht über den Anspruch auf das positive Interesse aus § 463 BGB zu begründen, sondern auf ein Minderungsrecht des Käufers zu stützen. Der Minderwert als Anspruchsinhalt läßt sich einfach erklären, wenn tatsächlich nur ein Minderungsanspruch besteht und gleichzeitig davon ausgegangen wird, daß zum Marktpreis verkauft wurde. Dann ist der Minderungswert mit dem Minderwert identisch. Handelt es sich bei den entschiedenen Sachverhalten in Wahrheit um Minderungsfälle, so haben die Urteile keine Bedeutung für den Inhalt eines Anspruchs auf kleinen Schadensersatz nach § 463 BGB.

134 135

L G Bochum NJW 1980, 789 = DAR 1981, 15. OLG Köln NJW-RR 1995, 881.

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Β. Dogmatische Rechtfertigung

(a) Abgrenzung von Zusicherung und bloßer Beschaffenheitsvereinbarung Ein Anspruch aus § 463 BGB auf Schadensersatz und das positive Interesse besteht nur dann, wenn die Aussagen der Verkäufer zu den Eigenschaften der Kaufobjekte in den Beispielsfällen als Zusicherungen und nicht als bloße Beschaffenheitsangaben zu werten sind. Dies ist jedoch fraglich. Mit Humes Erkenntnis, daß sämtliche Rechtsbehelfe des Gewährleistungsrechts auf der vertraglich vereinbarten Sollbeschaffenheit beruhen, ist die Unterscheidung zwischen einfacher Beschaffenheitsvereinbarung, die nur Wandlung oder Minderung nach sich zieht, und einer Zusicherung, die zur Haftung auf das positive Interesse führt, zu einem Kernproblem des kaufvertraglichen Gewährleistungsrechts geworden. 136 Theoretisch lassen sich die Voraussetzungen der Zusicherung leicht fassen. Eine Zusicherung liegt vor, „wenn ein Vertragswille des Verkäufers erkennbar ist, die Gewähr für das Vorhandensein einer bestimmten Eigenschaft zu übernehmen und für die Folgen eines Fehlens dieser Eigenschaft einstehen zu wollen." 1 3 7 Die Annahme einer Zusicherung bereitet nach dieser Definition dort keine Probleme, wo der Verkäufer bei offen erörterten Zweifeln über die Beschaffenheit des Kaufobjektes ausdrücklich erklärt, er stehe für das Vorhandensein der Eigenschaft ein, er garantiere dafür. 1 3 8 Eine solche ausdrückliche Zusicherung liegt in unseren Fällen nicht vor. Vielmehr handelt es sich um die auch sonst in der Praxis häufige Konstellation, daß zwar eine Eigenschaft ausdrücklich im Vertrag genannt wird, jedoch unklar ist, ob eine bloße Beschaffenheitsvereinbarung vorliegt oder die Eigenschaft stillschweigend zugesichert wurde. Die oben angeführte Formel wird für solche Sachverhalte beträchtlich modifiziert, indem die Möglichkeit einer stillschweigenden Zusicherung angenommen wird. Auf einen Haftungswillen des Verkäufers soll es dabei nicht ankommen, sondern allein darauf, wie sein Verhalten und die Umstände, die zum Vertragsschluß geführt haben, nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte aufgefaßt werden durften. 1 3 9 Selbst ein möglicher Irrtum über die Beschaffenheit oder die Bedeutung der Wortwahl, wie er in unseren Fällen wahrscheinlich ist, schließt danach die Annahme einer Zusicherung nicht aus. Betrachtet man die Entscheidungen der Rechtsprechung, in denen eine stillschweigende Zusicherung bejaht wurde, so kann einer Beobachtung von Jakobs nur beigepflichtet werden. Nach Jakobs wird die Haftung des Ver136 Soergel-Huber, vor § 459 Rdnr. 79; Staudinger-Honsell, § 459 Rdnr. 134; Jakobs, Gesetzgebung S. 128 ff.; Knöpfle, Der Fehler beim Kauf S. 169 ff. 137 MünchKomm-Westermann, § 459 Rdnr. 56 unter Berufung auf BGHZ 48, 118; BGHZ 59, 158; BGH NJW 1983, 217; BGH NJW 1991, 1880. 138 SocTgcl-Huber, vor § 459 Rdnr. 80. 139 BGHZ 59, 158; BGH W M 1974, 1204; BGH W M 91, 519, 521.

I. Behebbare Mängel beim Stückkauf

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käufers nicht deshalb bejaht, weil eine willentliche Garantie seinerseits vorliegt, sondern weil die Haftung „den Umständen nach für angemessen gehalten w i r d . " 1 4 0 Eine stillschweigende Zusicherung wird bereitwillig vor allem in zwei Konstellationen angenommen: Die erste Konstellation betrifft Sachverhalte, in denen das mangelhafte Kaufprodukt Schäden an anderen Rechtsgütern des Käufers verursacht hat, beispielsweise bei der Weiterverarbeitung durch das Unbrauchbarwerden des Gesamtproduktes 141 oder gesundheitliche Schädigungen der damit betrauten Arbeiter. In diesen Fällen gelangt die Rechtsprechung mit der Annahme einer stillschweigenden Zusicherung zu einer Haftung des Verkäufer für diese Schäden, selbst wenn der Verkäufer den Mangel nicht kannte oder kennen konnte, also kein Verschulden seinerseits vorlag, und deshalb kein Anspruch aus positiver Vertragsverletzung gegeben ist. Die genannten Entscheidungen beziehen sich damit auf die Folgeschadenproblematik und liefern keine Präjudizien für die in dieser Arbeit untersuchte Frage, wie der Schaden am Kaufobjekt selbst (Mangelschaden) abzugleichen i s t . 1 4 2 Die zweite Fallgruppe, bei der entgegen dem sonstigen Regel-Ausnahmeverhältnis eine Zusicherung großzügig bejaht wird, sind Kaufverträge mit einem formularmäßigen Gewährleistungsausschluß, wie sie in den angeführten Urteilen vorlagen. Aus diesem Grunde ist hier näher darauf einzugehen, weshalb bei einem Gewährleistungsausschluß häufiger als sonst üblich eine Zusicherung angenommen wird und welche Folgen dies im Hinblick auf den Haftungsumfang des Käufers hat. Ausgangspunkt für die großzügige Annahme von Zusicherungen bei Gewährleistungsausschlüssen ist dabei § 11 Nr. 11 AGBG. Die Rechtsprechung entnimmt dieser Vorschrift, daß der formularmäßig vereinbarte Gewährleistungsausschluß nur durch die Konstruktion einer Zusicherung überwunden werden kann. 1 4 3 Bedeutung hat dieser Beweggrund für die Annahme einer stillschweigenden Zusicherung vor allen Dingen beim Gebrauchtwagenverkauf erlangt. Er hat dazu geführt, daß die Rechtsprechung entgegen dem sonstigen Regel-Ausnahmeverhältnis fast jede Aussage der Gebrauchtwagenhändler über Alter, Zustand, Kilometerleistung, 140

Jakobs, Gesetzgebung im Leistungsstörungsrecht S. 133. BGHZ 59, 158; BGHZ 48, 118; BGHZ 50, 200. 142 Motiv für die Annahme einer Zusicherung ist in diesen Fällen also das Bedürfnis nach einem verschuldensunabhängigen Anspruch auf Ersatz von Mangelfolgeschäden (vgl. auch Soerge\-Huber, vor § 459 Rdnr. 84 f). Diesem Bedürfnis ist inzwischen - zumindest teilweise - durch den Erlaß des Produkthaftungshaftungsgesetzes Rechnung getragen. 143 Soergel-Huber, vor § 459 Rdnr. 88, 92, § 459 Rdnr. 180; Eggert, NJW 1990, 552; Hager NJW 1975, 2277. 141

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Β. Dogmatische Rechtfertigung

Unfallfreiheit etc. als stillschweigende Zusicherung bewertet. 144 Gerade an Hand der Fälle zum Gebrauchtwagenkauf, läßt sich jedoch zeigen, daß es in diesem Bereich auf § 11 Nr. 11 AGBG gar nicht ankommt. Die genannte gerichtliche Praxis ist nichts anderes als eine an falscher Stelle durchgeführte Korrektur der grundsätzlichen Fehlentscheidung der Rechtsprechung, nach welcher der gewerbsmäßige Gebrauchtwagenhändler Ansprüche des Käufers auf Wandlung oder Minderung auch dann vollständig ausschließen kann, wenn er zugleich konkrete Aussagen über die Beschaffenheit des Kaufobjekts macht. 1 4 5 Als Lösung für Sachverhalte mit einem formularmäßigen Gewährleistungssausschluß ist eine differenzierende Behandlung der Aussagen des Verkäufers, welche die Ausgangslage beim gewerbsmäßigen Gebrauchtwagenhandel berücksichtigt, angebracht: Der gewerbsmäßige Gebrauchtwagenhändler nimmt aufgrund seiner Sachkunde ein erhöhtes Vertrauen bei seinen Kunden in Anspruch. Er hat aufgrund seines fachlichen Wissens die Möglichkeit zu überprüfen, ob der Gebrauchtwagen tatsächlich die Beschaffenheit hat, von der die Parteien ausgehen. Den Beschaffenheitsangaben des gewerblichen Händlers bringt der Käufer deshalb berechtigterweise ein größeres Vertrauen entgegen als den Erklärungen eines privaten Verkäufers. Der gewerbsmäßige Verkäufer handelt deshalb widersprüchlich, wenn er einerseits Aussagen über die Beschaffenheit des Gebrauchtwagens macht, andererseits aber eine Haftung formularmäßig vollständig ausschließt: 146 Unangemessen wäre es deshalb, wenn er einen aufgrund eines entsprechenden Mangels überhöhten Kaufpreis behalten könnte. Die konkreten Aussagen müssen als speziellerer Tatbestand dem Gewährleistungsausschluß vorgehen. Im Rahmen der gewöhnlichen Vertragsauslegung kommt man deshalb zu dem Ergebnis, daß sich der Gewährleistungsausschluß nicht auf die besonders hervorgehobenen Beschaffenheitsangaben bezieht. Soweit eine Zusicherung auch deshalb angenommen wird, weil man eine Haftung für Folgeschäden für angemessen hält, ist dies verfehlt. Eine Haftung für Folgeschäden ergibt sich gegebenenfalls aus dem Gesichtspunkt der culpa in contrahendo. Schuldhaftes Verhalten kann jedoch nicht in eine Zusicherung i.S. einer rechtsgeschäftlichen Erklärung umgedeutet werden, die Voraussetzung für einen Anspruch auf das positive Interesse ist. Dieser Zusammenhang ist in der Literatur bei der Thematik der sogenannten 144

BGH NJW 1975, 1694; BGH NJW 1978, 2241; BGH NJW 1979, 161; BGH NJW 1981, 1269; BGHZ 87, 302, 305. Rechtsprechungsnachweise sind nachzulesen bei Soergel-Huber, vor § 459 Rdnr. 92 Fn. 33; MünchKomm-Westermann, § 459 Rdnr. 62; Staudinger -Honsell, § 459 Rdnr. 159. 145 So auch Hager, NJW 1975, 2276 ff.; Eggert, NJW 1990, 549 ff. 146 Hager, NJW 1975, 2277.

I. Behebbare Mängel beim Stückkauf

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Anscheinsvollmacht im Vertretungsrecht herausgearbeitet worden. 1 4 7 In diesem Bereich wurde gezeigt, daß schuldhaftes Verhalten allenfalls eine Schadensersatzhaftung nach sich ziehen kann, aber nie in eine rechtsgeschäftliche Erklärung umgedeutet werden darf, da es am erforderlichen Vertragswillen fehlt. Für die Annahme einer Zusicherung kann nichts anderes gelten. Die fehlerhaften Beschaffenheitsangaben führen also - ungeachtet des Gewährleistungsausschlusses - zu einem Wandlungs- oder Minderungsanspruch. Außerdem kann eine Haftung für Folgeschäden aus c.i.c. bestehen. Hingegen besteht kein Schadensersatzanspruch wegen Zusicherung. (b) Übertragung auf die Beispielsfälle Überträgt man diese Überlegungen auf den „Servolenkungs"-Fall, 148 so hätte das Vorliegen einer Zusicherung mit der Folge der Haftung auf das positive Interesse verneint werden müssen. Auch beim Verkauf des nur kunststoffverkleideten Hauses 149 hätte keine Zusicherung angenommen werden dürfen. Denn auch in diesem Fall hätte die Anwendung der Regel, daß die speziellere Erklärung (über die Verklinkerung) die allgemeinere (über den Haftungsausschluß) verdrängt, dazu führen müssen, daß der Haftungsausschluß - soweit er die Verklinkerung betrifft - nicht greift. Überdies bleibt die Rechtsprechung bei Grundstücksverkäufen trotz der aufgezeigten Praxis zum Gebrauchtwagenverkauf auch bei Gewährleistungsausschlüssen grundsätzlich bei ihrer Zurückhaltung gegenüber stillschweigenden Zusicherungen, 150 wozu die vorliegende Entscheidung nicht paßt. Beide Sachverhalte hätten also als Minderungsfälle behandelt werden müssen. Die Gerichte sahen sich an dieser rechtlichen Einordnung aber gehindert, weil die Gewährleistung jeweils ausgeschlossen war und weil es für sie nur die Alternative zwischen Zusicherung oder gar keiner Haftung gab. 1 5 1 Den Gerichten fiel die Zweifelhaftigkeit der Haftung auf das positive Interesse wohl deshalb nicht auf, weil sie fälschlicherweise den kleinen Schadensersatz mit dem Minderwert gleichsetzten, so daß sie bei Annahme eines marktüblichen Preises über den Minderweit zu keinem anderen Scha147

Flume , Das Rechtsgeschäft § 49 Ziff. 4. L G Bochum NJW 1980, 789 = DAR 1981,15. 149 OLG Köln NJW-RR 1995, 881. 150 Dies gilt zumindest für alle Angaben außer der Grundstücksgröße, SoergelHuber, Vorbem. zu §§ 459 ff. Rdnr. 95. 151 Die entsprechende Praxis der Gerichte, daß mit der Bejahung oder Verneinung einer Zusicherung gerade bei Ausschluß der Gewährleistung nach dem „Alles oder Nichts"-Prinzip verfahren werde, kritisiert übrigens schon Huber, Gutachten Leistungsstörungen S. 767 f. und 769 f. 148

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Β. Dogmatische Rechtfertigung

densbetrag als bei einer Minderung kamen. Die Gerichte gelangen also aufgrund einer unrichtigen Auffassung vom Inhalt des kleinen Schadensersatzes zu den sachgerechten Rechtsfolgen einer Beschaffenheitsangabe, obwohl sie von einer Zusicherung ausgehen. Mit dem Minderwert als Inhalt eines kleinen Schadensersatzanspruches sprechen sie im Ergebnis das zu, was richtigerweise nach Minderungsgrundsätzen zu geben wäre. 1 5 2 Die Versagung des gewährleistungsrechtlichen Schadensersatzanspruchs in den dargestellten Fällen führt im übrigen auch dann nicht zu unangemessenen Ergebnissen, wenn die Käufer wegen der Mängel kein Interesse an den Kaufobjekten mehr gehabt hätten. Zwar müßte ihnen konsequenterweise auch der große Schadensersatzanspruch versagt werden, also auch das Anrecht auf den Wert der Sache in mangelfreiem Zustand, das für sie wichtigere negative Interesse erhalten sie aber aus culpa in contrahendo ersetzt. Darauf daß es in den meisten „Zusicherungs"-fällen nur um den Ersatz des negativen Interesses geht, das auch über die Annahme einer bloßen Beschaffenheitvereinbarung zugesprochen werden kann, hat bereits Flume hingewiesen. 1520 Die Sachverhalte zeigen, daß bei unbeschädigten Kaufobjekten Vorsicht gegenüber der Annahme einer Zusicherung geboten ist. Aber auch wenn die Ungewißheit über eine bestimmte Eigenschaft zwischen den Vertragsparteien offen erörtert wird und eine Aufklärung nicht problemlos möglich ist, ist bei unbeschädigten Kaufobjekten zuerst durch Auslegung zu ermitteln, ob tatsächlich eine Zusicherung im eigentlichen Sinne vorliegt. Gerade bei unbeschädigten Kaufobjekten können Minderwert und Reparatur sehr weit auseinanderliegen, so daß die Erklärung des Verkäufers oft nur dahin ausgelegt werden kann, daß er für mögliche Folgeschäden beim Fehlen der Eigenschaft einstehen will oder wiederum als bloße Bereitschaft zur Vertragsanpassung im Sinne einer Minderung. Als Argumentationsgrundlage gegen die grundsätzliche Ersetzbarkeit von Reparaturkosten als kleinem Schadensersatz bei unbeschädigten Kaufobjekten taugen entsprechende Sachverhalte jedenfalls nicht. (2) Fälle ohne Sonderproblem eines Gewährleistungsausschlusses Steht, anders als bei den soeben besprochenen Urteilen, also insbesondere bei arglistigem Verhalten, fest, daß der Käufer Schadensersatz nach § 463 BGB verlangen kann, so gilt für den Umfang des zu ersetzenden Schadens bei unbeschädigten Kaufobjekten nichts anderes als bei beschädigten: Dieser bestimmt sich grundsätzlich nach den Kosten, die zur Her152

Zum Unterschied von Minderung und Schadensersatz nach Minderwert siehe aber S. 67. l52a AcP 193 (1993), 89, 97 f.

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ehebbare Mängel beim Stückkauf

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Stellung des vertragsgemäßen Zustandes erforderlich sind. Auch bei diesem Fehlertyp haftet der Verkäufer dafür, daß der Käufer die konkrete Sache mit den versprochenen Eigenschaften erhält. Der Schaden des Käufers liegt wiederum in der Vorenthaltung dieser Sache. Eine Haftungsobergrenze kann nur der allgemeinen Regel des § 251 BGB Abs. 2 S. 1 BGB entnommen werden, da bereits oben festgestellt wurde, daß es eine sonstige allgemeine Haftungobergrenze beim Kaufvertrag nicht gibt. 1 5 3 Dabei spielt bei unbeschädigten Kaufobjekten allerdings eine entscheidende Rolle, daß es ökonomisch vielfach unsinnig ist, einen bestehenden funktionsfähigen Gegenstand entsprechend dem Inhalt eines konkreten Vertrages umzugestalten. Dies läßt sich noch einmal an unseren beiden Beispielsfällen 154 verdeutlichen, wobei das Bestehen der Haftungsvoraussetzungen jeweils unterstellt werden soll. Das Landgericht Bochum hätte im „Servolenkungs"-Fall, wenn es schon von einem Schadensersatzanspruch ausging, den begehrten Ersatz der Reparaturkosten nicht einfach deshalb abweisen dürfen, weil der kleine Schadensersatz grundsätzlich auf den Minderwert gerichtet sei und eine Abrechnung nach Reparaturkosten nur bei Mängeln möglich sei, deren Behebung zum Erhalt des Kaufobjektes erforderlich ist. 1 5 5 Das Gericht hätte überprüfen müssen, wie schützenswert das Interesse des Käufers daran war, daß gerade der verkaufte Gebrauchtwagen mit Servolenkung ausgestattet ist. Bei dem Wagen handelte es sich um einen Mercedes 200 zum Preis von 22300 DM. Der nachträgliche Einbau einer Servolenkung kostete 1953 DM. Es wurde von einem Minderwert des Fahrzeuges ohne Servolenkung in Höhe von 666 D M ausgegangen. Das Gericht hätte beachten müssen, daß bei Kraftfahrzeugen der Erwerb eines Ersatzfahrzeuges - wie oben bereits ausgeführt - als Naturalrestitution angesehen wird. Die Richter hätten deshalb in ihre Entscheidung mit einbeziehen müssen, ob ein Wagen vergleichbarer Qualität mit Servolenkung auf dem Markt erhältlich war. Darüberhinaus wäre zu bedenken gewesen, daß durch den Einbau einer Servolenkung ein funktionsfähiges Teil ausgebaut worden wäre (dies ist im Ansatz durch den Verweis auf ersatzfähige Reparaturen zum Erhalt des Objektes vom L G Bochum berücksichtigt worden). Stellt man diese Überlegungen an, so spricht vieles dafür, daß im Ergebnis die Entscheidung des Landgerichtes richtig war, da bei einem gängigen Modell wie einem Mercedes 200 Einbaukosten dreimal so hoch wie die Wertminderung als unverhältnismäßig anzusehen sind.

153

Vgl. oben S. 30 ff. LG Bochum NJW 1980, 789; OLG Köln NJW-RR 1995, 881. 155 LG Bochum NJW 1980, 789. Gegen die Unterscheidung nach Fehlerarten: MünchKomm-Westermann, § 463 Rdnr. 23 und Eggert, DAR 1981, 4 f. 154

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Β. Dogmatische Rechtfertigung

Im Fall des unecht verklinkerten Hauses 156 wäre - die tatbestandlichen Voraussetzungen des Schadensersatzanspruchs unterstellt - zu bewerten gewesen, wie hoch der tatsächliche Nutzen einer echten Verklinkerung zum Beispiel im Hinblick auf die Wärmedämmung ist; der Umstand, daß Häuser höchst individuelle, unauswechselbare Güter sind, führt dazu, daß das Interesse des Käufers am konkreten Stück als besonders schützenswert zu bewerten gewesen wäre. Es hätte aber auch in die Überlegung mit einbezogen werden müssen, daß durch das Abschlagen der unechten Verklinkerung ein bestehender hoher Vermögenswert zerstört würde. Der letzgenannte Aspekt gibt den Ausschlag dazu, die Herstellungskosten als unverhältnismäßig anzusehen, so daß die Entscheidung des OLG im Ergebnis richtig war. Aus den angeführten Urteilen darf nicht geschlossen werden, daß Herstellungskosten bei unbeschädigten Objekten nie erstattungsfähig sind. Als Gegenbeispiel sei eine Entscheidung aus dem Jahre 1990 angeführt. 157 Der Käufer einer in Rheinnähe gelegenen Doppelhaushälfte trug vor, ihm sei arglistig verschwiegen worden, daß eine gegen Hochwasser schützende Wannenabdichtung des Kellers fehlte. Der BGH wies den Rechtsstreit zur Entscheidung an die Unterinstanz zurück, da nicht hinreichend aufgeklärt worden war, ob tatsächlich Arglist vorlag. Hinsichtlich der Schadenshöhe erklärte das Gericht in einem obiter dictum, diese bestehe im Minderwert, der nach der Hälfte der Kosten für den Einbau einer Wannenabdichtung am gesamten Haus (für beide Haushälften) zu berechnen sei. Der Sachverhalt wird hier in die Kategorie der unbeeinträchtigten Kaufobjekte eingeordnet - was auf den ersten Blick zweifelhaft erscheinen mag - , weil nach den Einlassungen der Beklagten das Fehlen einer Wannenabdichtung im umliegenden Wohngebiet keine Besonderheit war: Auch die übrigen Eigentümer nutzten ihre Häuser sehr wohl. Die apriorische Gleichsetzung des kleinen Schadensersatzes mit dem Minderwert im obiter dictum des BGH ist wiederum falsch. Zuerst hätte entschieden werden müssen, ob der Käufer nicht ein Anrecht auf Ersatz der Kosten zum Einbau einer Wannenabdichtung hatte. Der Ersatz von Naturalrestitutionskosten hängt gemäß § 251 Abs. 1 BGB von der Möglichkeit der Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes ab. Diese Herstellungsmöglichkeit des Käufers ist hier der entscheidende Punkt des Sachverhaltes. Eine entsprechende Abdichtung war offensichtlich nur sinnvoll, wenn sie über beide Haushälften angebracht würde. Da die Doppelhaushälften in Wohnungseigentum standen, kam es für die Möglichkeit der Herstellung also darauf an, ob der Käufer gegenüber seinem Nachbarn gemäß § 16 Abs. 2 i. V. m. § 22 Abs. 1 und 4 WEG Anspruch auf Beschluß des Einbaus und 156 157

OLG Köln NJW-RR 1995, 881. BGH NJW 1990, 42.

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anteilige Bezahlung der Kosten hatte. Mit Blick darauf, daß die anderen Häuser im Wohngebiet auch nicht gegen Hochwasser abgedichtet waren, ist ein entsprechender Einbau nicht als Instandsetzung oder -haltung i.S.d. § 1 6 WEG einzustufen, womit der Anspruch gegen den Eigentümer der anderen Doppelhaushälfte entfällt. Damit war der Mangel des Hauses aus Rechtsgründen nicht behebbar und eine Naturalrestitution ausgeschlos1 58 sen. Allein aufgrund dieser, vom BGH nicht erörterten Sachlage, bestand im konkreten Fall nur ein Anspruch auf den Minderwert gemäß § 251 Abs. 1 BGB, der jedoch dann unabhängig von den Reparaturkosten zu ermitteln ist. Soweit der Nachbar dem Einbau zustimmt oder wenn keine Doppelhaushälfte betroffen ist, steht dem Ersatz der Reparaturkosten in der Höhe, wie sie der Käufer konkret tragen muß, aus Verhältnismäßigkeitsgründen nach den allgemeinen Regeln nichts entgegen. (3) Vergleich mit dem Werkvertragsrecht Die voranstehend geschilderte Art der Ermittlung einer Grenze für den Ersatz der Herstellungskosten wird beim Werkvertrag praktiziert, was die Praktikabilität dieses Lösungsweges bestätigt. Der Inhalt eines Anspruchs auf kleinen Schadensersatz ist im Werkvertragsrecht weniger umstritten als im Kaufrecht. Für das Werkvertragsrecht ist anerkannt, daß der kleine Schadensersatz in erster Linie nach den Mängelbeseitigungskosten zu berechnen i s t . 1 5 9 Erleichtert wird diese Sichtweise des kleinen Schadensersatzanspruchs dadurch, daß der Werkvertrag typischerweise nicht über eine bereits bestehende Sache abgeschlossen wird, sondern das Werk erst im Hinblick auf den konkreten Vertragsschluß erstellt wird und der Unternehmer eine primäre Herstellungspflicht hat. Die Problematik, ob es sinnvoll ist, eine bestehende Sache dem Vertrag anzupassen, stellt sich damit seltener als beim Kaufvertrag. Dennoch gibt es auch im Werkvertragsrecht Fälle, in denen zu klären ist, bis zu welcher Höhe Beseitigungsaufwand für Mängel geschuldet ist, die eine Nutzung des Werkes nicht verhindern. Hierzu äußert der BGH ohne Umschweife, „daß Wertminderung in aller Regel gewählt wird, wenn der Mangel nicht beseitigt werden kann oder die Kosten dafür

158

Bei Eingriff in Rechte Dritter ist eine Naturalrestitution aus Rechtsgründen unmöglich. RGRK-Alff, § 251 Rdnr. 12; Palandt-Heinrichs, § 251 Rdnr. 3; RGZ 166, 193, 206. 159 BGH NJW 1973, 139; BGH NJW-RR 1991, 1429; BGH NJW 1991, 2481. In der Literatur: MünchKomm-Soergel § 635 Rdnr. 31, 33; Soergel-Mühl, § 635 Rdnr. 19, 31; Staudinger -Peters, § 635 Rdnr. 35; Bulla, BB 1975, 447. Ebenso Schulze, NJW 1987, 3098, der aber zu Unrecht von einer Sonderkonstellation beim Werkvertrag ausgeht. 5 Jaggy

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unverhältnismäßig sind oder auch der Mangel aus anderen Gründen nicht beseitigt werden s o l l . " 1 6 0 Diese Aussage impliziert, daß in den entsprechenden Fällen der Ersatz der Reparaturkosten nicht in Betracht kommt. In Bauprozessen, in denen es darum ging, daß die Stockwerkstragfähigkeit eines gewerblich zu nutzenden Gebäudes geringer war als vertraglich versprochen 1 6 1 bzw. aufgrund der Verwendung eines ungewöhnlichen Wärmedämmungsmaterials die entfernte Gefahr von Tauwasserbildung an den Decken bestand, 162 spielten Überlegungen eine Rolle, die einbeziehen, daß ein bereits bestehender Vermögenswert wieder beseitigt werden müßte, wenn Herstellungskosten gewährt würden. So wird erklärt, daß sinnvollerweise ein Gebäude nicht abgerissen wird, weil die Tragfähigkeit einer Decke zu gering ist oder daß die nur entfernte Gefahr einer Tauwasserbildung kein Schaden ist, den ein Bauherr vernünftigerweise beseitigen läßt. 1 6 3 Die Haftungsgrenze wird damit anhand der Kriterien ermittelt, die hier für das Kaufrecht vorgeschlagen wurden.

II. Unbehebbare Mängel beim Stückkauf 1. Grundsatz Beim Stückkauf und behebbaren Mängeln folgt das Recht auf den kleinen Schadensersatz sowie der Umfang des zu ersetzenden Schadens aus dem kaufvertraglichen Versprechen, welches die Eigentums- und Besitzübertragung der konkreten Sache mit den vereinbarten Eigenschaften beinhaltet. Der Käufer erhält mit dem kleinen Schadensersatz in den Grenzen des § 251 Abs. 2 BGB vollen Ausgleich für seine mit dem Vertrag verfolgten Interessen. Ein vollständiger Interessenausgleich in natura ist für den Käufer beim Stückkauf über Objekte mit unbehebbaren Mängeln nicht möglich. Vertrag und Wirklichkeit lassen sich nicht in Einklang bringen, die vereinbarte Eigenschaft ist am konkret verkauften Stück nicht herstellbar. Dennoch gibt es auch hier ein eigenständiges, aus dem Vertragsanspruch ableitbares Recht auf kleinen Schadensersatz, das sich wiederum mit einer weitgehenden Parallelität von Vertrags- und Deliktshaftung erklären läßt. Der Käufer hat im Verhältnis zu seinem Vertragspartner Anspruch auf die konkrete Sache wie ein verletzter Eigentümer. Bei individuellen unvertretbaren Gegenständen 164 kann der Verkäufer auch dann noch ein Interesse am 160 161 162 163

BGH NJW 1991, 2482. BGH NJW-RR 1995, 591. OLG Celle NJW-RR 1991, 1175. So ausdrücklich das OLG Celle NJW-RR 1991, 1175.

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konkreten Stück haben, wenn die Sache teilweise nicht so ist, wie nach Vertrag vorausgesetzt. Unterstellt man beispielsweise im oben 1 6 5 erörterten Fall des in Rheinnähe gelegenen Hauses, daß ein nachträglicher Einbau einer Abdichtung nicht möglich ist, so ist es trotzdem denkbar, daß der Käufer an diesem Haus festhalten will. Vielleicht ist in der näheren Umgebung kein weiteres Objekt zu erwerben, der Käufer hat aber gerade in dieser Umgebung eine Arbeitsstelle gefunden. Ebenso wie der Eigentümer bei einer irreparablen Beschädigung seines Gutes nicht gezwungen werden kann, das geschädigte Stück gegen vollen Wertersatz zu verkaufen, weshalb er unabhängig von einer konkreten Verkaufsabsicht den merkantilen Minderwert erhält, 1 6 6 kann der Käufer nicht gezwungen werden, sein Recht auf das konkrete Stück aufzugeben. Der kleine Schadensersatz bei unbehebbaren Mängeln ist deshalb nichts anderes als ein Kompensationsanspruch gemäß § 251 Abs. 1 BGB, bei dem der Käufer vermögensmäßigen Ausgleich in Höhe des Minderwertes erhält, weil eine Naturalrestitution nicht möglich ist. Der Käufer erhält zwar gegenständlich nicht, was er sich vertraglich ausbedungen hat. Mit dem Recht, die mangelhafte Sache zu behalten und der vermögensmäßigen Gleichstellung wie bei vollständiger Erfüllung, besteht jedoch eine Ausgleichsform für das positive Interesse, die sich so weit wie möglich an die vollständige Erfüllung annähert. Für diesen kleinen Schadensersatz nach Minderwert stellen sich insbesondere zwei Fragen: (1.) Wie ist er zur Minderung abzugrenzen und (2.) gibt es Fehlertypen, bei denen das Kaufobjekt so stark von der vertraglich vorausgesetzten Eigenschaft abweicht, daß ein Ausgleich des positiven Interesses am ursprünglichen Vertrag unter Behalten des verkauften Objektes nicht erfolgen kann?

2. Abgrenzung zur Minderung Bei der Lektüre einzelner Urteile 1 6 7 oder auch mancher Äußerungen in der Literatur 1 6 8 entsteht leicht der Eindruck, kleiner Schadensersatz und Minderung seien identische Rechtsfiguren bzw. der kleine Schadensersatz 164

Auf vertretbare Sachen als Objekte des Stückkaufs wird unten S. 82 ff. eingegangen. 165 S. 64. 166 Vgl. Lange, Schadensersatz § 6 V I 2. Dieses Argument hat über den merkantilen Minderwert hinaus seine Richtigkeit für jeden Wertverlust aufgrund einer teilweise unmöglichen Naturalrestitution. 167 BGH W M 1965, 272; KG NJW 1992, 1901. In beiden Fällen wird ein kleiner Schadensersatz in Relation zum Kaufpreis errechnet. 168 Gutknecht, Das Nacherfüllungsrecht des Käufers bei Kauf- und Werklieferungsverträgen S. 186; Flume, JZ 1990, 551.

5*

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unterscheide sich von der Minderung nur insoweit, als er für den Käufer Beweiserleichterungen bringe. Teilweise wird im Minderungswert auch der im Rahmen des kleinen Schadensersatzes zu ersetzende Mindestschaden gesehen. 169 Diese mangelnde Unterscheidung zwischen Minderung und kleinem Schadensersatz beruht letztlich auch auf der - wie aufgezeigt - falschen Annahme, der kleine Schadensersatz berechne sich stets nach dem Minderwert, da Minderweit und Minderungswert oft betragsmäßig identisch sind. Doch auch dort, wo es richtig ist, daß als kleiner Schadensersatz nur der Minderweit verlangt werden kann, also bei unbehebbaren Mängeln oder soweit Reparaturkosten unverhältnismäßig sind, lassen sich Minderung und kleiner Schadensersatz dogmatisch scharf trennen. Die Minderung ist eine vom Gesetz vorgesehene Vertragsanpassung. Sie ist das Ergebnis einer ergänzenden Vertragsauslegung, bei der hypothetisch ermittelt wird, was die Parteien vereinbart hätten, wenn ihnen bewußt gewesen wäre, daß das konkrete Stück nicht den im Vertrag vorausgesetzten Erwartungen entspricht. Durch die Minderung wird bei Mangelhaftigkeit der Sache das Äquivalenzverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung wieder ins Lot gebracht. 170 Der Vertrag wird der tatsächlichen Beschaffenheit des Kaufobjektes angepaßt. Die Minderung ist damit eine Form des Ersatzes des negativen Interesses: Der Käufer wird so gestellt, als sei von vornherein die Sache mit Fehler bzw. ohne die fehlende Eigenschaft verkauft. Insofern kann man sagen, daß der Käufer, wenn er sich für die Minderung entscheidet, unter Festhalten am konkreten Kaufobjekt auf die fehlende Eigenschaft verzichtet. Aus der Zuordnung der Minderung zum negativen Interesse folgt auch, daß der zu ersetzende Betrag immer durch die Höhe des Kaufpreises beschränkt ist. Anders ist die Rechtslage beim kleinen Schadensersatz. Haftungsgrund ist hier das unerfüllte Versprechen der Sache in der versprochenen Beschaffenheit, für die der Verkäufer positiv einzustehen hat. Ziel des Anspruchs ist nicht eine Angleichung der Käuferleistung an die tatsächliche Beschaffenheit des Kaufobjektes. Dementsprechend sind nicht Leistung und Gegenleistung miteinander zu vergleichen, sondern die Sache im geschuldeten und im geleisteten Zustand, so daß sich der zu ersetzende Schaden aus dem absoluten Weitunterschied der beiden Berechnungsposten ergibt. 1 7 1 Wie weit Minderung und kleiner Schadensersatz auseinander liegen können, läßt sich an einer neueren BGH-Entscheidung verdeutlichen. 172 Ein 169

SocTgéì-Huber, § 463 Rdnr. 53. Jakobs, Gesetzgebung im Leistungsstörungsrecht S. 95. Flume, AcP 193 (1993), 89, 112. 171 Berechnungsbeispiele bildet Klein-Blenkers, AcP 194 (1994), 365. 170

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Gemälde wurde von einer Kunsthandlung als Bild des Malers Burra verkauft, obwohl es von einem weniger bekannten Künstler stammte. Streitig war, ob die Angaben der Verkäuferin zum Maler als Zusicherung zu werten waren. Unabhängig von der Frage, ob im konkreten Fall eine Zusicherung abgegeben worden war, hat der BGH entschieden, 173 daß beim Vorliegen der Voraussetzungen des Schadensersatzanspruchs folgende Schadensberechnung zugunsten des Käufers möglich sei: Bei einem geschätzten Wert eines vergleichbaren Bildes von Burra von 300000 D M und einem tatsächlichen Wert des verkauften Gemäldes von 10000 D M könne der Käufer 290000 D M als kleinen Schadensersatz verlangen, obwohl das konkrete Bild zu seinem tatsächlichen Wert von 10000 D M verkauft worden war. Der Minderungsbetrag hätte demgegenüber nur 9777 D M betragen. Der Unterschied zwischen Minderung und kleinem Schadensersatz zeigt sich also immer dann, wenn nicht zum Marktpreis verkauft wurde. Daß kleiner Schadensersatz und Minderung in der Praxis nicht auseinandergehalten werden, beruht nicht allein auf der Verkennung der soeben dargestellten dogmatischen Unterschiede, sondern auch auf tatsächlichen Schwierigkeiten. Bei höchstindividuellen Stücken läßt sich oft kein Marktwert für das konkrete Stück in mangelfreiem Zustand bestimmen, so daß aus Vereinfachungsgründen der Kaufpreis mit dem Marktpreis gleichgesetzt wird. Ebensowenig läßt sich objektiv ein Wert für die Sache in mangelhaftem Zustand ermitteln. Auch hier behilft man sich damit, einfach einen prozentualen Abschlag vom Kaufpreis zu machen. Manche Urteile lassen sich deshalb problemlos sowohl als Fälle eines kleinen Schadensersatzes als auch der Minderung deuten. Zur Illustration sei hier auf ein Urteil des Kammergerichts verwiesen. 174 Kaufobjekt war eine Eigentumswohnung. Der Verkäufer verschwieg arglistig, daß die Eigentümergemeinschaft heillos zerstritten war, was sich in einer ungewöhnlich hohen Anzahl von bereits über 65 geführten gerichtlichen Auseinandersetzungen niederschlug. In der Urteilsbegründung w i l l das Kammergericht genau zwischen (kleinem) Schadensersatzanspruch und Minderung unterscheiden. Es stellt fest, beide Ansprüche könnten nur wahlweise geltend gemacht werden. Das ursprüngliche Minderungsbegehren der Klägerin hält das Gericht mangels einer § 472 BGB genügenden Berechnung für unsubstantiiert. Einen davon zu unterscheidenden kleinen Schadensersatzanspruch spricht es dagegen zu. 172

BGH NJW 1993, 2103. Der BGH sah sich an die tatrichterliche Würdigung der Aussagen der Verkäuferin zur Echtheit des Gemäldes als Zusicherung gebunden. 174 KG NJW 1992, 1901. Neben dem Urteil des Kammergerichts lassen noch andere gerichtliche Entscheidungen eine Anbindung des kleinen Schadensersatzanspruchs an den Kaufpreis erkennen, beispielsweise BGH W M 1965, 272 sowie RG JW 1906, 330. 173

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Β. Dogmatische Rechtfertigung

Dieser Schadensersatzanspruch sei - so die Richter - grundsätzlich danach zu berechnen, wie der Käufer bei Mangelfreiheit der Sache stünde und bemesse sich deshalb nach dem merkantilen Minderwert der Wohnung. Diesen merkantilen Minderwert berechnet es aber nicht absolut, in Relation zu einem objektiven Wert der Wohnung, sondern als 10%igen Abschlag vom vereinbarten Kaufpreis. Damit wird der Wert bei Mangelfreiheit implizit mit dem vereinbarten Kaufpreis gleichgesetzt und der dogmatische Unterschied zwischen Minderung und kleinem Schadensersatz verwischt. Deutlich wird diese Annäherung von Minderung und kleinem Schadensersatz, wenn man sich vor Augen hält, daß die vom Kammergericht angestellte Berechnung zwar mit den derzeitigen Grundsätzen für die Minderung nicht in Einklang steht, dafür aber eindeutig als Minderung gemäß der von der Schuldrechtskommission vorgeschlagenen modifizierten Berechnungsmethode anzuerkennen wäre. Nach § 440 BGB-KE wird durch die Minderung „ . . . der Kaufpreis um den Preis herabgesetzt, um den der Mangel den Wert der Sache gemessen am Kaufpreis mindert." 1 7 5 Damit soll, ausweislich der Begründung des Reformentwurfs dem Umstand Rechnung getragen werden, daß der nach § 472 BGB für die Minderung erforderliche objektive Wert der Sache in mangelhaftem und mangelfreiem Zustand nur sehr schwer zu ermitteln i s t . 1 7 6 Die veränderte Vorschrift zur Minderung wurde folglich genau aus den Gründen von der Schuldrechtskommission vorgeschlagen, aus denen das Kammergericht glaubte, statt Minderung nur kleinen Schadensersatz zusprechen zu dürfen. Trotz der tatsächlichen Schwierigkeiten, Minderung und Minderwert auseinanderzuhalten, bleibt es dabei, daß beide Rechtsbehelfe verschiedene Grundlagen haben. Da es einmal um den Ausgleich des positiven und das andere Mal um den Ausgleich des negativen Interesses geht, ist weder im Minderungswert der zu ersetzende Mindestschaden beim kleinen Schadensersatz zu sehen 177 noch ist der kleine Schadensersatz lediglich eine Beweiserleichterung für den Minderungsanspruch. 178

175

Vgl. Abschlußbericht der Schuldrechtskommission, S. 217. Vgl. Abschlußbericht der Schuldrechtskommission, S. 219. Allerdings sind die Äußerungen der Schuldrechtskommission zur Minderung mit Vorsicht zu genießen. Wenn der Verkäufer, wie nach dem Vorschlag vorgesehen, immer für die Mangelfreiheit einzustehen hat und deshalb ein Herstellungsanspruch gegen ihn besteht, dann verliert das Rechtsinstitut der Minderung als Ausdruck einer beschränkten Verkäuferhaftung seinen Sinn. Bedeutung hat es nur noch dort, wo ein Minderungsbetrag über dem Minderwert liegt, also wenn der Käufer zu teuer gekauft hat. 177 So aber Soergel-Huber, § 463 BGB Rdnr. 53. Wie hier ausdrücklich Klein· Blenkers AcP 194 (1994), 365, 381. 178 Vgl. Soergei-Huber, § 463 BGB Rdnr. 53 Fn. 5, der diesen Beweiserleichterungseffekt im Vergleich zur Minderung hervorhebt. 176

II. Unbehebbare Mängel beim Stückkauf

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Dabei soll hier jedoch nicht auf die Frage eingegangen werden, inwieweit bei Vorliegen der Voraussetzungen des Schadensersatzanspruches neben der Minderung noch weitere außerhalb des Wertes des Kaufobjektes liegende Schadenspositionen geltend gemacht werden können, also Schäden an anderen Rechtsgütern des Käufers. Geht man von der Ersetzbarkeit entsprechender Schadenspositionen aus und bezeichnet den Gesamtanspruch wiederum als kleinen Schadensersatzanspruch, weil der Käufer das mangelhafte Objekt nun einmal behält, so ist insofern die Aussage richtig, daß der Minderungswert der Mindestschaden bei dieser Abwicklungsform ist. Festzuhalten bleibt, daß da, wo es um den Ausgleich für den Wert des Kaufobjektes an sich geht, Minderwerts- und Minderungsgesichtspunkte nicht vermischt werden dürfen. 1 7 9

3. Starke Diskrepanz zwischen Realität und Vereinbarung Beim kleinen Schadensersatz nach Minderweit wird ein Ausgleich für das positiven Interesse geleistet. Der Käufer verzichtet - anders als bei der Minderung - nicht auf die fehlende Eigenschaft, sondern verlangt Ausgleich für sein ursprüngliches, mit dem Vertrag verfolgtes Interesse. Weichen nun Kaufobjekt und Realität stark voneinander ab, so erscheint fraglich, ob mit dem fehlerhaften Kaufobjekt zuzüglich eines Geldbetrages überhaupt ein entsprechender Ausgleich zu schaffen ist. Zweifel an der unbeschränkten Möglichkeit einer Abrechnung nach den Grundsätzen des kleinen Schadensersatzes können Sachverhalte wie der im vorangehenden Abschnitt geschilderte Burra-Fall 1 8 0 erwecken: Ist das Bild eines anderen Malers zuzüglich eines bestimmten Geldbetrages tatsächlich der Ausgleich des positiven Interesses daran, daß das Bild von einem bestimmten Maler stammt? Man könnte sich auf den Standpunkt stellen, daß der Käufer mit dem Bild des anderen Malers zuzüglich Minderweit eben weder ein Bild des gewünschten Malers hat noch die Mittel erhält, ein entsprechendes Bild zu erwerben, sondern einfach ein anderes Bild zuzüglich eines Geldwertes. 1 8 1 Entsprechend läßt sich die Frage stellen, ob es bei zu starker Abweichung von Vereinbarung und Realität eine Grenze gibt, bei der ein Anspruch auf kleinen Schadensersatz von vornherein ausgeschlossen ist.

179

Vgl. hierzu bereits RG JW 1931, 3270. BGH NJW 1993, 2103. 181 Diese spezielle Problematik eines kleinen Schadensersatzes bei Kunstwerken bleibt in den neueren Arbeiten zur Haftung im Kunsthandel gänzlich unerörtert. Vgl. Goepfert, Haftungsprobleme im Kunst- und Auktionshandel, insbesondere S. 98 f.; Kühn, Die Sachmängelgewährleistung des Kunst- und Antiquitätenhandels. 180

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Β. Dogmatische Rechtfertigung

a) Unabhängigkeit der Frage vom Streit um den Fehlerbegriff Gegen oben angeführte Überlegungen zur Ermittlung einer abstrakten Grenze für den Anspruch auf kleinen Schadensersatz läßt sich der Einwand erheben, daß ein möglicher Ausschluß des Anspruchs auf kleinen Schadensersatz in Fällen krassen Auseinanderfallens von Vertrag und Realität letztlich wieder zur Abgrenzung zwischen objektivem Fehler und aliud führen könne und damit hinter den subjektiven Fehlerbegriff zurückführen würde. Es war ja gerade die Möglichkeit einer Subsumtion von an sich unbeeinträchtigten Kaufobjekten (alia) unter den Begriff des Fehlers, die als Argument gegen den subjektiven Fehlerbegriff ins Feld geführt wurde. 1 8 2 Dies ist jedoch nicht der Fall. Die hier aufgeworfene Problematik führt zu keinem Widerspruch zur subjektiven Fehlertheorie, auf deren Grundlage die bisherigen Ergebnisse der Arbeit beruhen. Selbst wenn man zu dem Ergebnis gelangen sollte, daß wegen zu großer Abweichung zwischen Vertrag und Realität gewisse Fehlertypen aus dem Anwendungsbereich eines Anspruchs auf kleinen Schadensersatz herausgenommen werden müssen, bleibt es dabei, daß auch hinsichtlich dieser Kaufobjekte die Tatbestände der §§ 459 ff. BGB Anwendung finden und nicht das allgemeine Schuldrecht. Auch für diese Kaufobjekte gilt weiterhin, daß „Verschulden" als Tatbestandsvoraussetzung für einen Schadensersatzanspruch nicht sachgerecht ist, da ein Abweichen von Vertrag und Realität mit der Kategorie eines Verschuldens des Verkäufers nicht zu erfassen ist. Durch die Anwendung der §§ 459 ff. BGB wird immer noch ausgeschlossen, daß § 306 BGB eingreift und der Vertrag wegen anfänglicher objektiver Unmöglichkeit für nichtig erklärt wird oder der Verkäufer gemäß § 119 Abs. 2 BGB das Recht zur Anfechtung wegen eines Irrtums über eine wesentliche Eigenschaft erhält. Damit bleibt die wichtigste Konsequenz der Lehre vom subjektiven Fehlerbegriff, die Einordnung der kaufvertraglichen Gewährleistungsansprüche als Nichterfüllungshaftung aus Vertrag, 183 gewahrt. Die Entwicklung des subjektiven Fehlerbegriffes beruhte umgekehrt gerade auf der Erkenntnis, daß zwischen Realität und Vertragsebene getrennt werden kann und daß deshalb Gegenstand des Kaufvertrages nicht nur ein „raumzeitlich bestimmtes Etwas" i s t . 1 8 4 Ohne weiteres kann nun

182

Eine umfassende Darstellung des Streitstandes liefern Medicus, BürgR. 12. Aufl. Rdnr. 320 ff. (in neueren Auflagen fehlt die ausführliche Darstellung); ebenso Bacher, Irrtumsanfechtung, vertragswidrige Leistung und Sachmängelgewährleistung beim Kauf S. 141 ff.; Fabricius, Jus 1964, 1 ff. Wiederaufnahme der Streitfrage bei Knöpfle, Der Fehler beim Kauf, passim. 183 Ygi pi ume> Eigenschaftsirrtum und Kauf S. 41. 184 Jakobs, Gesetzgebung im Leistungsstörungsrecht S. 130; Flume , Das Rechtsgeschäft § 24 Ziff. 2 i . V . m . Ziff. 3 a).

II. Unbehebbare Mängel beim Stückkauf

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bei dieser Trennung zwischen Sollens-Ebene und Realität die Gültigkeit und Unanfechtbarkeit eines Vertrages, der die Leistung einer konkreten Sache vorsieht und zugleich von dieser Sache Eigenschaften verlangt, die sie nicht hat und die ihr auch nicht nachträglich verliehen werden können, angenommen werden, solange im Rahmen des großen Schadensersatzanspruchs die Leistung der konkreten Sache einfach als vollständige Nichterfüllung behandelt wird. Der Käufer gibt die Sache zurück und erhält einen Kompensationsbetrag in Höhe des Wertes einer vertragsgemäßen Sache. Auch bei der Minderung gelingt es, Vertrag und Realität wieder in Einklang zu bringen: Mit der Minderung wird der Vertrag ja gerade an die Realität wieder angepaßt. Ausgeglichen wird nicht das positive Interesse an der fehlenden Eigenschaft, sondern der Kaufpreises wird im Hinblick auf die tatsächliche Beschaffenheit des Vertragsgegenstandes herabgesetzt. Verzichtet wird folglich auf die fehlende Eigenschaft unter Beibehaltung des konkreten Kaufobjektes. Auf diese Weise wird der Widerspruch, daß sich der Vertrag auf eine bestimmte Sache bezieht, die aber nie die vertraglich vorausgesetzten Eigenschaften haben kann, bewältigt. Ob es möglich ist, im Rahmen des Anspruchs auf das positive Interesse sowohl an der Identität des Kaufobjektes als auch an der konkreten Eigenschaft festzuhalten, ist damit innerhalb der Rechtsfolgen der §§ 459 ff. BGB ein Sonderproblem, das nur bei der Rechtsfolge kleiner Schadensersatz auftritt. Das Problem ist in dieser Form in der Literatur noch nicht hinreichend diskutiert worden. Üblicherweise wird mit Blick auf bestimmte Mängel an Kaufobjekten nur gefragt, ob diese insgesamt aus dem Regelungsbereich der §§ 459 ff. BGB fallen. So wird bei der Erörterung, ob „Fehler" i.S.d. § 459 BGB objektiv oder subjektiv auszulegen ist, teilweise die Angemessenheit der Rechtsfolgen des § 459 BGB in die Argumentation einbezogen. Einige Autoren stellen dabei hinsichtlich der Minderung fest, sie sei bei unbeeinträchtigten Kaufobjekten unangemessen185 bzw. nur schwer durchführbar, da bei bloß subjektiven Mängeln der Minderungsbetrag nicht berechenbar sei. 1 8 6 Die Vertreter dieser Auffassung gelangen jedoch zu der Schlußfolgerung, entsprechende Mängel fielen insgesamt nicht unter den Fehlerbegriff. Die Möglichkeit, für einzelne Fehlerarten nur bestimmte Rechtsfolgen abzulehnen, wird nicht erwogen. 187 So bleibt die 185

Knöpfle, JZ 1978, 125. Nach Ansicht Knöpfles ist es nicht einzusehen, weshalb der Käufer eine an sich tadellose Sache, die zum Marktpreis verkauft wurde, deshalb billiger erhalten soll, weil ihr eine vorausgesetzte Beschaffenheit fehlt. 186 Kühn, Die Sachmängelgewährleistung des Kunst- und Antiquitätenhandels S. 6 f. Als Beispiel dient gerade das von einem anderen Maler stammende Bild. 187 Knöpfle, JZ 1978, 125; Kühn, Die Sachmängelgewährleistung des Kunst- und Antiquitätenhandels S. 7. Auffallend ist hier, daß im Rahmen der Zusicherungshaftung, bei der nach Gesetz ebenfalls die Minderung vorgesehen ist und die sich nach Ansicht der Autoren sehr wohl auf Eigenschaften beziehen kann, deren Subsumtion

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Β. Dogmatische Rechtfertigung

spezielle Problematik im Hinblick auf die Rechtsfolge des kleinen Schadensersatzes gänzlich unerörtert. Außer acht gelassen wird auch, daß bei Anwendung des allgemeinen Schuldrechts ein Anspruch auf Schadensersatz bestehen kann (§§ 325, 326 BGB), für den dann wiederum zu entscheiden wäre, ob er als kleiner Schadensersatzanspruch geltend gemacht werden darf, 1 8 8 so daß sich die hier erörterte Problematik erneut stellt.

b) Die verschiedenen Interessen des Käufers Unseres Erachtens gibt es kaum Fälle, bei denen ein kleiner Schadensersatz aufgrund der starken Abweichung von Realität und Vertrag ausgeschlossen ist. Eine abstrakte Grenzziehung für den Anspruch auf kleinen Schadensersatz ist nicht möglich. Der kleine Schadensersatz dient wie jeder Ausgleichsanspruch der Befriedigung der Interessen des Geschädigten, also bei § 463 BGB der Befriedigung der Interessen des Käufers. Grundsätzlich sind beim Spezieskauf drei verschiedene Intentionen, die der Käufer mit dem Vertragsschluß verfolgt, denkbar und zu unterscheiden: das Interesse des Käufers am konkreten Stück, das Interesse des Käufers an der bestimmten Eigenschaft sowie das rein vermögensmäßige Interesse des Käufers an einem Wertzuwachs in seinem Vermögen durch das Kaufobjekt. Die Antwort auf die Frage, ob bei starker Abweichung von Realität und Vertrag ein Anspruch auf kleinen Schadensersatz gegeben werden soll, muß sich danach richten, ob es nach dem Inhalt des Kaufvertrages ausgeschlossen ist, daß der Käufer ein Interesse an der Sache trotz ihrer Mangelhaftigkeit haben kann. Ist ein entsprechendes Interesse nicht auszuschließen, so darf dem Käufer auch das Recht auf kleinen Schadensersatz nicht verwehrt werden. Verweist man ihn bei starker Abweichung von Realität und Vertrag auf die Möglichkeiten des großen Schadensersatzes oder der Minderung, so zwingt man ihn, zwischen seinem Interesse am konkreten Stück und seinen vermögensmäßigen Interessen zu wählen. Ein entsprechender Zwang zu wählen entspricht nicht der Intention des Gesetzes, das unter den besonderen Voraussetzungen der Zusicherung oder der Arglist die vollumfängliche Haftung des Verkäufers dafür festsetzt, daß die Sache so ist wie vertraglich vereinbart. Darauf, daß der Käufer sich widersprüchlich verhalte, wenn er das konkrete Stück verlange und gleichzeitig an seinem ursprünglichen Interesse an der Eigenschaft festhalte, kann der Verkäufer sich nicht berufen: Erst durch seine Aussagen zum Kaufobjekt (sei es durch Zusicherung

unter den Fehlerbegriff abgelehnt wurde, entsprechende Überlegungen nicht angestellt werden. Vgl. insbesondere Kühn S. 50. 188 Die Möglichkeit eines kleinen Schadensersatzanspruchs bei § 325 BGB wird in MünchKomm-Emmerich, § 325 Rdnr. 127 erwähnt; Beispiele aus der Rechtsprechung sind jedoch nicht bekannt.

II. Unbehebbare Mängel beim Stückkauf

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oder durch arglistiges Verhalten) wurden in der Realität nicht vereinbare Sachverhalte Inhalt des Kaufvertrages. Allein das Verhalten des Verkäufers hat dazu geführt, daß er entgegen der allgemeineren Regelung des § 459 BGB positiv für etwas real nicht Erfüllbares einzustehen hat, weshalb ihm konsequenterweise auch jetzt der Einwand versagt werden muß, das konkrete Stück könne niemals eine gewisse Eigenschaft haben. Allein daraus, daß der Käufer sich eine bestimmte Eigenschaft hat zusichern lassen, ist noch nicht zu schließen, daß es ihm allein auf diese Eigenschaft ankam und er bei ihrem Fehlen kein Interesse mehr an der Kaufsache hat. Eine Eigenschaft mag zum Beispiel lediglich deshalb zugesichert worden sein, weil gerade das Vorhandensein dieser Eigenschaft bei Vertragsschluß zweifelhaft erschien. Da - wie im folgenden zu zeigen sein wird - bei keiner denkbaren Fehlerart von vornherein feststeht, daß der Käufer aufgrund des Fehlers kein Interesse mehr am konkreten Stück haben kann, gibt es auch keine grundsätzlichen Einschränkungen für das Recht auf kleinen Schadensersatz. aa) Beschädigte Kaufobjekte Unter beschädigten Kaufobjekten sind wie bereits oben dargelegt 189 Gegenstände zu verstehen, die tatsächlich einmal in mangelfreiem Zustand existiert haben bzw. aufgrund eines Fehlers bei der Herstellung fehlerhaft sind. Bei entsprechenden Sachverhalten läßt sich die Parallele zum Delikt problemlos ziehen. Das Kaufobjekt wurde durch gewisse Umstände in einen minderwertigen Zustand versetzt. Wie bereits bei den behebbaren Mängeln erörtert, kommt es nicht darauf an, daß der Verkäufer den mangelhaften Zustand verursacht hat, sondern darauf, daß er dem Käufer dafür Schadensersatz zu leisten hat, daß dieser nicht erhalten hat, was ihm nach Vertrag versprochen war: Eigentümer einer unversehrten Sache zu werden. Ein Eigentümer darf - wie bereits in der Einführung zu diesem Abschnitt angedeutet - nicht gezwungen werden, die Sache gegen vollen Wertersatz zu verkaufen. 190 Soweit die Beschädigung des Kaufobjektes nicht zu beseitigen ist, kann also regelmäßig kleiner Schadensersatz in Höhe des Minderwertes als Kompensation i.S. des § 251 Abs. 1 S. 1 BGB gefordert werden. bb) Unbeeinträchtigte

Kauf objekte

Problematischer als bei beschädigten Kaufobjekten ist das Recht auf kleinen Schadensersatz erneut bei unbeeinträchtigten Kaufobjekten. Zwei 189 190

Vgl. oben S. 56. Für Eigentumsbeschädigungen vgl. Lange, § 6 V I 2.

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Β. Dogmatische Rechtfertigung

Urteile zu entsprechenden Sachverhalten sind bekannt: Der bereits geschilderte Burra-Fall 1 9 1 sowie eine Entscheidung, bei der es darum ging, daß sich mit einem verkauften Geschäftsgebäude nur geringere Mieteinnahmen erzielen ließen als nach Vertrag vorausgesetzt. 192 Die Parallele zum Delikt versagt insbesondere im Burra-Fall. Mit keiner unerlaubten Handlung läßt sich aus dem Bild eines gewissen Malers ein Gemälde eines anderen Künstlers machen. Das gleiche gilt für den Hausverkaufsfall, wenn das Mietniveau in der entsprechenden Gegend einfach unter dem nach dem Vertrag veranschlagten liegt. Dennoch darf auch in diesen Fällen dem Käufer der Anspruch auf kleinen Schadensersatz nicht versagt werden, da es das allein entscheidende Interesse am konkreten Stück trotz Mangelhaftigkeit auch hier geben kann. Offensichtlich ist dies zunächst beim Gebäudeverkaufsfall. Selbst wenn sich mit dem verkauften Haus nur ein geringerer Mietzins erzielen läßt, kann die Käuferin an dem Objekt aufgrund seiner Einzigartigkeit, der nicht unbeschränkten Möglichkeit zum Erwerb vergleichbarer Objekte, weiterhin ein Interesse haben, zum Beispiel, wenn sie - wie im entschiedenen Fall einen Weiterverkauf plant. Die Käuferin hat sich mit dem Kaufvertrag das Recht auf dieses Haus gesichert, allerdings als wertvolleres Objekt als es tatsächlich existierte. Die beiden Elemente des der Käuferin gegebenen vertraglichen Versprechens können in natura nicht gleichzeitig erfüllt werden. Die Interessenlage ist auch hier nicht anders zu beurteilen als bei einem beeinträchtigten Kaufobjekt. Für die nicht vorhandene Eigenschaft ist ein Kompensationsbetrag zu leisten. Dem BGH ist zuzustimmen, wenn er urteilt, „die Käuferin sei so zu stellen, wie sie gestanden hätte, wenn das Grundstück im Zeitpunkt der Vertragserfüllung den Wert gehabt hätte, wie er sich - unter Berücksichtigung aller wertbildenden Faktoren - bei Zugrundelegung eines der Marktlage entsprechenden Mietertrags in Höhe des im Kaufvertrag angegebenen Mietzinses, [...] ergibt." 1 9 3 Beim Burra-Fall ist ein Interesse des Käufers am Bild unabhängig von dessen Schöpfer ebenfalls nicht auszuschließen. Der Käufer kann das Bild in erster Linie erworben haben, weil es ihm gefiel, aufgrund besonderer Komposition oder Farbwahl. Die Zusicherung hat er sich möglicherweise nur deshalb geben lassen, um abzusichern, daß er für seinen Kaufpreis ein wertmäßiges Äquivalent erhält. So betrachtet unterscheidet sich der BurraSachverhalt nicht vom zuvor erörterten Gebäudekauf. Wie bei diesem Sachverhalt kann nicht gesagt werden, daß das Bild allein deshalb gekauft wurde, weil es von Burra stammte. 191 192 193

BGH NJW 1993, 2103. BGH NJW 1981, 45. BGH NJW 1981, 46 f.

II. Unbehebbare Mängel beim Stückkauf

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Die Entscheidung könnte anders ausfallen, wenn sich aus den Umständen des Falles ergäbe, daß die Sache nur mit der fehlenden Eigenschaft für den Käufer von Interesse war: wäre im Burra-Fall der Käufer ein Museum gewesen, das ausschließlich orginale Burra-Werke sammelte, so wäre zu vermuten gewesen, daß das Museum den Kauf in Kenntnis des wahren Urhebers des Bildes nicht getätigt hätte. An dieser Stelle ist nochmals daran zu erinnern, daß es im Burra-Fall nicht um den Kauf einer Fälschung eines existierenden Gemäldes von Burra ging, sondern darum, daß ein Bild in Burra-Manier in der Annahme gekauft wurde, es handele sich um ein Werk Burras. Beim Kauf der Fälschung eines existierenden Bildes spricht von vornherein mehr dafür, daß der Käufer ursprünglich am Kauf eine Fälschung kein Interesse hatte. Auch in einem entsprechenden Fall hängt es aber von den Umständen des Einzelfalles ab, ob ein solches Interesse bestand oder nicht. Wenn aufgrund der Umstände feststeht, daß der Käufer beim Kaufabschluß keinerlei Interesse am Erhalt der mangelhaften Sache hatte, so ist der Anspruch auf kleinen Schadensersatz aufgrund des allgemeinen Grundsatzes des Rechtsmißbrauchs i.e.S. gemäß § 242 B G B 1 9 4 abzulehnen: Ein schutzwürdiges Interesse des Käufers an der Fälschung ist nicht zu erkennen. Für den Burra-Fall, so wie er sich tatsächlich abgespielt hat, ist festzuhalten, daß a priori keine Vermutung dafür besteht, daß der Käufer das Bild nur deshalb erworben hat, weil er glaubte, es sei von Burra gemalt. Sieht man den Vertrag als gültig und nimmt man keine Nichtigkeit gemäß § 306 BGB an, so ist konsequenterweise dem Käufer auch der Anspruch auf kleinen Schadensersatz zuzugestehen. Ganz in diesem Sinne nimmt die in der Literatur geäußerte Kritik am Burra-Urteil nicht daran Anstoß, daß das Bild zuzüglich Minderwert kein schadensrechtliches Äquivalent für das Geschuldete sein könne, sondern am Umfang des Schadensersatzes an sich. 1 9 5 Stein des Anstoßes ist eine zu ersetzende Schadenshöhe, die den vom Käufer aufgewandten Kaufpreis um ein Vielfaches übersteigt. Alternative Lösungsvorschläge setzen deshalb am Inhalt der Zusicherung an, sowie am Umfang des zu ersetzenden Interesses, das auf Folgeschäden begrenzt werden soll. 1 9 6 Soweit jedoch vorgeschlagen wird, den Anspruch des Käufers auf Folgeschäden zu begrenzen, wäre die Konsequenz daraus auch für den großen Schadensersatz zu ziehen. Auf 194

Vgl. zu den Grundsätzen dieses Rechtsmißbrauchs im engeren Sinne: MünchKomm-Roth, § 242 Rdnr. 280. 195 MünchKomm- Westermann, § 463 Rdnr. 21. 196 Wolf, NJW 1994, 298; Grunsky, L M § 249 Nr. 17; dagegen aber Braun, Kurzkommentar EWiR 1993, 659 f.

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Β. Dogmatische Rechtfertigung

diese Art und Weise wird nur erneut in Frage gestellt, ob es möglich ist, ein Erfüllungsinteresse an einem so nicht existenten Gegenstand zu berechnen, 1 9 7 womit letztlich der Gedanke des § 306 BGB eingebracht wird. Es geht dann wieder um die Frage, ob nicht die Anwendung des Gewährleistungsrechtes insgesamt wegen objektiver Unmöglichkeit der Leistung abzulehnen i s t . 1 9 8 Folgeschäden wären schließlich auch nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB ersetzbar. Kein gangbarer Weg, um die Haftung des Verkäufers zu beschränken, ist in diesem Zusammenhang übrigens der Vorschlag von Grunsky, nur entgangenen Gewinn zu ersetzen. 199 Mit dem entgangenen Gewinn wird wiederum nichts anderes als der mutmaßliche Wert eines so nicht existenten Stückes ersetzt, zu einer effektiven Beschränkung der Verkäuferhaftung gelangt man auf diesem Wege nicht. Stellt man den Anspruch auf das positive Interesse insgesamt nicht in Frage, so kann bei unbeeinträchtigten Kaufobjekten ein Anspruch auf kleinen Schadensersatz allenfalls in Einzelfällen abgelehnt werden, wo nach dem Inhalt des Vertrages von vornherein ausgeschlossen ist, daß der Käufer auch ein Interesse am mangelhaften Stück haben kann. In entsprechenden Fällen handelt der Verkäufer rechtsmißbräuchlich, wenn er unter Berufung auf sein formales Recht an der konkreten Sache den kleinen Schadensersatz verlangt, obwohl das Objekt zu seinem mit dem Vertrag verfolgten Zweck in keiner Weise zu gebrauchen ist, so daß der Anspruch unter Verweis auf § 242 BGB abzulehnen wäre.

4. Zusammenfassung Beim Stückkauf lassen sich das Recht auf kleinen Schadensersatz sowie dessen Umfang durch eine direkte Anwendung der §§ 249 ff. BGB begründen. Ist der vertragsgemäße Zustand mit dem konkret verkauften Stück herstellbar, so hat der Käufer einen Anspruch auf Naturalrestitution gemäß § 249 BGB. Auch wenn der vertragsgemäße Zustand mit dem konkret verkauften Stück nicht herstellbar ist, darf der Käufer die Sache behalten und vermögensmäßige Kompensation in Höhe des Minderwertes gemäß § 251 Abs. 1 BGB verlangen. Beide Varianten eines Anspruchs auf kleinen Schadensersatz erklären sich aus dem mit dem Spezieskaufvertrag erworbenen Recht auf die konkrete Sache. Der Anspruch auf das konkrete Stück führt dazu, daß die Prinzipien des Schadensersatzes wegen deliktischer Eigentumsverletzungen entsprechende Anwendung auf den kleinen Schadensersatz beim Stückkauf finden. Damit ist auch die Lösung weiterer scheinbarer

197 198 199

Vgl. zum Themenkomplex Schmidt, JZ 1989, 973 ff. Diese Ansicht vertritt beispielsweise v. Gierke , ZHR 114, 73, 90. Grunsky, L M § 249 Nr. 17.

II. Unbehebbare Mängel beim Stückkauf

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Sonderprobleme des kleinen Schadensersatzes mit den allgemeinen schadensrechtlichen Grundsätzen möglich.

5. Folgerungen für eine fiktive Schadensberechnung im Rahmen des kleinen Schadensersatzes In Literatur und Rechtsprechung herrscht Unsicherheit darüber, ob der Käufer einer behebbar mangelhaften Sache einen Anspruch auf den Minderwert hat, wenn er den Gegenstand, ohne ihn zuvor zu reparieren, weiterveräußert und gegenüber seinem Abkäufer die Gewährleistung wirksam ausgeschlossen hat, also aufgrund der Mangelhaftigkeit keine weitere Vermögenseinbuße erleidet. 200 Teilweise wird für diese Fälle bestritten, daß der Käufer durch die Mangelhaftigkeit der Sache überhaupt einen Schaden, sei es auch nur in Höhe des Minderweites, erlitten habe. 201 Geht man - wie hier vertreten - vom Recht des Käufers auf die konkrete Sache aus, das gegenüber dem Verkäufer genau so stark geschützt ist wie Eigentum, so weifen entsprechende Sachverhalte keine anderen Schwierigkeiten auf als die Veräußerung einer durch Delikt beschädigten Sache vor Reparatur. Wie dort ist zu entscheiden, ob trotz Veräußerung ein Restitutionsanspruch und damit die Möglichkeit der Abrechnung auf Basis von Reparaturkosten fortbesteht oder ob wegen Unmöglichkeit der Naturalherstellung nur noch vermögensmäßige Kompensation verlangt werden kann. 2 0 2 Die Lösung der Problematik im Deliktsrecht ist umstritten. In ihren bisherigen Entscheidungen haben verschiedene Senate des BGH bei der Beschädigung von Kraftfahrzeugen Reparaturkosten bis zur Höhe des Wertes des beschädigten Objektes auch bei einer Veräußerung vor Reparatur zugesprochen, 203 während diese Art der Schadensberechnung bei der Beschädigung von Grundstücken versagt wurde. 2 0 4 Diese Rechtsprechung, die zu unterschiedlichen Ergebnissen je nach der Art des geschädigten Objektes führt, wird vom V. Zivilsenat, der die abweisenden Urteile zu 200 Vgl. die Erörterung der Problematik in OLG Hamm NJW 1974, 2091; OLG München NJW 1980, 1581; Büdenbender, JuS 1976, 153 ff.; Derleder/Abramjuk, AcP 190 (1990), 624, 645; Soergel-Huben § 463 Rdnr. 55. Eine neuere Entscheidung des BGH zu diesem Thema findet sich in ZIP 1998, 1313. 201 Ρ fister, JuS 1976, 374. Dagegen Büdenbender, JuS 1976, 156; StaudingerHonsell, § 463 Rdnr. 73; MünchKomm-Westermann, § 463 Rdnr. 25. 202 Ausführliche Darstellung des Themenkomplexes für den deliktischen Schadensersatz bei Steudinger-Schiemann, § 249 Rdnr. 221 ff.; Jakob, Ersatz fiktiver Kosten nach Allgemeinem Schadensrecht? 203 BGHZ 61, 56, 58; 66, 239, 242 f.; BGH NJW 1985, 2469; 1989, 3009. 204 BGHZ 81, 385; BGH NJW 1993, 1793.

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Β. Dogmatische Rechtfertigung

Grundstücken gefällt hat, wie folgt begründet: Bei Kraftfahrzeugen sei die Reparatur notwendige Voraussetzung für die einzig wirtschaftlich sinnvolle Nutzung der Sache als Beförderungsmittel, während bei Grundstücken durch einen Um- bzw. Neubau noch weitere wirtschaftlich sinnvolle Nutzungsmöglichkeiten bestünden. 205 In der Literatur wird die Rechtsprechung des BGH teils im Ergebnis, teils in der Begründung kritisiert. Einigkeit besteht darüber, daß eine Unterscheidung allein nach Art des verletzten Objektes dem BGB fremd und deshalb falsch i s t . 2 0 6 Unter Verweis darauf, daß der Geschädigte ausweislich der Materialien zur Entstehung des BGB grundsätzlich über den gemäß § 249 S. 2 BGB erhaltenen Betrag frei verfügen können soll (sog. Prinzip der Dispositionsfreiheit), wird von manchen Stimmen in der Literatur gefordert, die Ersatzfähigkeit fiktiver Reparaturkosten auf alle Objektarten auszudehnen. 207 Insbesondere Schiemann vertritt demgegenüber die These, daß es weder ein Prinzip der Dispositionsfreiheit noch einen Restitutionsanspruch nach Veräußerung der Sache gebe, sondern die BGH-Entscheidungen insgesamt schlüssig über § 251 S. 2 BGB zu erklären seien. 208 Schiemann hebt hervor, daß der BGH bei Beschädigung von Kraftfahrzeugen trotz der grundsätzlichen Anerkennung einer Schadensberechnung in Höhe der vom Gutachter bestimmten Reparaturkosten den Klägern nie einen „Integritätszuschlag" zuspricht und darüber hinaus den Restwert des beschädigten Fahrzeuges bei der Bestimmung der Obergrenze ersetzbarer Reparaturkosten in Anschlag bringt. Nach Ansicht Schiemanns billigt der BGH dem Geschädigten damit nichts anderes als einen Kompensationsbetrag für die Einbuße am konkreten Objekt zu, ohne die Auswirkungen des Schadensereignisses in dessen Gesamtvermögen zu berücksichtigen, d.h. den Gewinn aus dem Weiterverkauf anzurechnen. Ein Naturalrestitutionsanspruch nach Veräußerung werde also weder bei Grundstücken noch bei Kraftfahrzeugen zugestanden. Die oben angeführten älteren Urteile und Literaturäußerungen zum kleinen Schadensersatz 209 bei Veräußerung ohne Reparatur sehen den Zusammenhang mit der Problematik der Abrechnung nach fiktiven Reparaturkosten bei Delikt nicht. Sie übergehen die Problematik, indem sie wie üblich den kleinen Schadensersatz mit dem Minderwert gleichsetzen und den Minderwert sodann mit Hilfe der Reparaturkosten ermitteln. In der jüngsten 205

BGH NJW 1993, 1793. Stmding&r-Schiemann, § 249 Rdnr. 223; Lange, Schadensersatz § 5 I V 6; Grunsky, JZ 1997, 825. 207 MünchKomm-Grwwty, § 249 Rdnr. 17 a. 208 Staudinger-Schiemann, § 249 Rdnr. 222 ff.; derselbe FS Steffen S. 399 ff.; Jakob, Ersatz fiktiver Kosten nach Allgemeinem Schadensrecht? S. 266 ff. 209 OLG Hamm NJW 1974, 2091; OLG München NJW 1980, 1581. 206

II. Unbehebbare Mängel beim Stückkauf

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Äußerung des BGH zum Schadensersatzanspruch des Käufers bei Veräußerung des mangelhaften Objektes vor Instandsetzung 210 wird der dogmatische Kontext dagegen richtig erkannt, die Folgerungen des Gerichts sind jedoch um so weniger verständlich. Der BGH hatte darüber zu befinden, ob der Erwerber eines Gebäudes, der dieses - ohne den vorhandenen Mangel zu beheben - weiterverkauft hatte, (kleinen) Schadensersatz in Höhe der auf Gutachtenbasis berechneten Reparaturkosten verlangen kann. Der Bundesgerichtshof setzte sich inhaltlich mit dem oben dargestellten Meinungsstreit im Deliktsrecht nicht auseinander. Im Rahmen eines Nichtannahmebeschlusses äußerte er sich vielmehr auf der Basis der bisherigen Rechtsprechung zur Beschädigung von Grundstücken wie folgt: Die von der Beklagten vorgetragene Ansicht, daß bei Beschädigung von Gebäuden der Naturalersatzanspruch gemäß § 249 S. 2 BGB auf Ersatz der Herstellungskosten nach Veräußerung entfalle, sei richtig. Dennoch könne dies nicht dazu führen, daß der Käufer seinen Anspruch auf kleinen Schadensersatz nicht nach den durch Gutachten festgestellten Reparaturkosten berechnen dürfe. Beim kleinen Schadensersatzanspruch handele es sich eben nicht um einen Anspruch auf Naturalrestitution (der aufgrund der Unmöglichkeit der Herstellung nunmehr entfallen sei) sondern um einen Wertersatzanspruch, der lediglich anhand der Reparaturkosten berechnet werde. Deshalb dürfe der Käufer - das Bestehen des Anspruchs vorausgesetzt - die Schadenshöhe ungeachtet der Veräußerung nach den auf Gutachtenbasis errechneten Reparaturkosten bestimmen. Abgesehen davon, daß der BGH hier das grundsätzliche Wesen des Anspruchs auf kleinen Schadensersatz wiederum verkennt, führt er mit diesen Äußerungen die Streitfrage zur Ersetzbarkeit fiktiver Reparaturkosten bei durch Delikt beschädigten Gebäuden ad absurdum. Wenn nämlich beim kleinen Schadensersatz der Minderwert als Kompensationsbetrag nach Reparaturkosten berechnet werden darf, dann ist kein Grund ersichtlich, weshalb der Kompensationsanspruch des Eigentümers nach Veräußerung nicht ebenfalls anhand der Reparaturkosten berechnet werden kann. Eine unterschiedliche Behandlung von Käufer und Eigentümer könnte lediglich damit begründet werden, daß der Schaden des Eigentümers anders als der des Käufers anhand eines Gesamtvermögensvergleichs berechnet werden müsse und nicht aufgrund der Werteinbuße am konkreten Objekt. Weshalb sollte aber nur beim Käufer die Einbuße am konkreten Objekt entscheidend sein? Dafür gibt es zumindest dann keinen Grund, wenn man den kleinen Schadensersatzanspruch nicht mit dem Minderungsrecht des Käufers verwechselt und dem Käufer deshalb absolut den Wert eines mangelfreien Kaufobjektes zukommen lassen will, um so das gestörte Äquivalenzverhält210

6 Jaggy

BGH ZIP 1998, 1313.

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Β. Dogmatische Rechtfertigung

nis des Vertrages wiederherzustellen. Daß der Ausgleich des bloßen Äquivalenzinteresses von einem Anspruch auf kleinen Schadensersatz streng zu unterscheiden ist, wurde in dieser Arbeit bereits dargelegt. 211 Eine schlüssige Entscheidung hätte also die Einsicht vorausgesetzt, daß für den kleinen Schadensersatzanspruch die gleichen Grundsätze wie bei Schädigungen durch Delikt gelten. Für beide Fälle ist gleichermaßen zu überlegen, ob der Anspruch auf Schadensersatz in Höhe fiktiv bestimmter Reparaturkosten nach Veräußerung eines Grundstückes gegeben werden soll bzw. auf welche Rechtsgrundlage (§ 249 S. 2 oder § 251 Abs. 2 BGB) ein solcher Anspruch zu stützen ist.

I I I . Gattungskauf und Stückkauf über vertretbare Sachen 1. Vergleich mit der Ausgangslage beim Stückkauf über nicht vertretbare Sachen Glaubt man den Kommentierungen zu § 480 BGB, so gibt es keine Besonderheiten des Anspruchs auf kleinen Schadensersatz beim Gattungskauf im Vergleich zum Stückkauf. Üblicherweise wird in den Kommentaren bezüglich Voraussetzungen und Umfang des Schadensersatzanspruchs lediglich auf die Ausführungen zu § 463 BGB verwiesen. 212 Diese grundsätzliche Gleichsetzung ist falsch. Der Anspruch des Käufers auf kleinen Schadensersatz gründet sich darauf, daß der Käufer mit dem Stückkauf ein Recht auf das konkrete Stück erworben hat und daß er aufgrund von dessen Individualität ein fortdauerndes Interesse an diesem Stück haben kann, auch wenn der Mangel nicht behebbar ist. Diese Zusammenhänge wurden in den vorangehenden Kapiteln dieser Arbeit ausführlich dargestellt. Eine entsprechende Ausgangslage zur Begründung des Anspruchs auf kleinen Schadensersatz gibt es beim Gattungskauf nicht. Beim Gattungskauf wird durch den Vertragsschluß kein konkretes Stück dem Käufer zugeordnet und kein Anspruch auf ein konkretes Stück begründet. Darin unterscheidet sich der Gattungskauf gerade vom Stückkauf. 213 Die Zuordnung einer bestimmten Sache zum Gattungskaufvertrag erfolgt bei ordnungsgemäßer Vertragsausführung erst mit der Konkretisierung im 211

Vgl. oben S. 67. Vgl. die pauschalen Verweise von Soergel-Huber, § 480 Rdnr. 43; Staudinger-Honsell, § 480 Rdnr. 25. Im Ergebnis wohl auch MünchKomm-Westermann, § 480 Rdnr. 14, der die Problematik zumindest anspricht. 213 Esser-Weyers, Schuldrecht Bnd. 11,1 § 4 I I 4; Reinicke/Tiedke, Kaufrecht Rdnr. 513; Medicus, SchuldR I I Rdnr. 77. 212

III. Gattungskauf und Stückkauf über vertretbare Sachen

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Sinne des § 243 Abs. 2 BGB, wenn der Verkäufer „das zur Leistung einer Sache mittlerer Art und Güte erforderliche getan hat." Ab der Konkretisierung beschränkt sich das Schuldverhältnis auf das „ausgesonderte" Stück. Sinn und Zweck dieser Beschränkung des Schuldverhältnisses ist in erster Linie die Begrenzung der Leistungspflicht des Verkäufers auf dieses eine Stück. Ein Recht des Käufers an einem bestimmten Stück steht dagegen nicht im Vordergrund, was sich bereits daraus ergibt, daß die Auswahl der konkreten Sache für den Käufer zufällig ist. Die Sachlage beim Spezieskauf über eine vertretbare Sache ist der beim Gattungskauf vergleichbar. Zwar erwirbt hier der Käufer mit dem Vertrag ein Recht auf das konkrete Stück, ein Interesse des Käufers gerade an diesem Stück läßt sich daraus allerdings nicht ableiten. 214 Vielmehr erfolgt die Beschränkung auf die Spezies, um die Haftung des Verkäufers wegen zufälligen Untergangs oder Beschädigung auf das konkrete Stück zu reduzieren. 215 Schadensrechtlich ist der Verkauf von vertretbaren Sachen damit nicht anders zu beurteilen als ein Gattungskauf. 216 Aufgrund dieser Ausgangslage wäre es durchaus folgerichtig gewesen, wenn der Gesetzgeber dem Gattungskäufer (und auch dem Käufer einer vertretbaren Sache im Rahmen eines Spezieskaufs) bei Lieferung einer mangelhaften Sache lediglich einen Anspruch auf Lieferung eines vertragsgerechten Stückes zugestanden hätte: Mangels Leistung einer vertragsgerechten Sache (wie § 243 Abs. 1 BGB unter dem subjektiven Fehlerbegriff zu lesen i s t ) 2 1 7 ist keine Konkretisierung des Schuldverhältnisses eingetreten, die Verpflichtung des Verkäufers unerfüllt, weshalb der ursprüngliche Lieferanspruch des Käufers fortbesteht. Indes, das Gesetz hat sich anders entschieden und dem Gattungskäufer bei mangelhafter Erfüllung neben dem Anspruch auf Nacherfüllung (§ 480 BGB) in Anlehnung an die grundlegenden Ausführungen Goldschmidts 218 trotz anders lautender Literaturstimm e n 2 1 9 die ädilizischen Rechtsbehelfe zugestanden. Mit dem Minderungsanspruch hat der Gesetzgeber dem Gattungskäufers ein Recht auf die mangel214 Für den Sonderfall des Identitätsaliuds ebenso Medicus, BürgR 12. Aufl. Rdnr. 334; der selbe Gedanke mit Bezug auf den Nacherfüllungsanspruch Flume , AcP 193 (1993), 89, 100; Gutknecht, Das Nacherfüllungsrecht des Verkäufers bei Kauf- und WerklieferungsVerträgen S. 226. 215 Medicus, BürgR 12. Aufl. Rdnr. 334. 216 Flume, AcP 193 (1993), 89, 100. Entsprechend vertritt Gutknecht hinsichtlich der Frage der Einführung eines Ersatzlieferungsrechts des Verkäufers die Ansicht, daß bei vertretbaren Sachen nicht immer ein schützenswertes Interesse am konkreten Stück bestehen muß, Das Nacherfüllungsrecht des Verkäufers bei Kauf- und Werklieferungs Verträgen S. 226 f. 217 Staudinger-//ön^//, § 280 Rdnr. 1 f. 218 Goldschmidt, ZHR 19, 98 ff. 219 Windscheid in Windscheid/Kipp, § 394.

6*

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Β. Dogmatische Rechtfertigung

hafte Sache eingeräumt. Deshalb stellt sich insbesondere im Hinblick auf das Minderungsrecht des Gattungskäufers die Frage, ob dem Gattungskäufer auch das Recht auf kleinen Schadensersatz im gleichen Umfang zugestanden werden muß wie dem Stückkäufer.

2. Begründung der Beschränkung des Anspruchs des Gattungskäufers auf kleinen Schadensersatz Ist aufgrund der grundsätzlichen Gleichsetzung des Gattungs- mit dem Stückkauf in § 480 Abs. 1 BGB und insbesondere des aus dieser Vorschrift folgenden Rechtes zur Minderung nach geltendem Recht davon auszugehen, daß der Gattungskäufer stets ein Recht auf kleinen Schadensersatz hat? U. E. ist dies nicht der Fall. Der Gesetzgeber hat sich ausweislich der vorhandenen Materialien zum Gesetzgebungsverfahren 220 ebenso wie die einschlägige Literatur 2 2 1 ausschließlich mit der Anwendung der ädilizischen Rechtsbehelfe auch auf den Gattungskauf befaßt. Der Inhalt des Schadensersatzanspruchs und die hiermit verknüpfte Problematik des Behaltens der mangelhaften Sache wurde dagegen nicht diskutiert. Es lassen sich deshalb aus der grundsätzlichen Anwendbarkeit der ädilizischen Rechtsbehelfe keine Rückschlüsse auf den Inhalt des Schadensersatzanspruchs ziehen, für den im Gesetz ja nicht ausdrücklich niedergelegt ist, daß er stets in zwei Formen (großer und kleiner Schadensersatz) zur Verfügung steht. Bei der Bestimmung des möglichen Inhalts des Anspruchs aus § 480 Abs. 2 BGB sind vielmehr die allgemeinen Grundsätze und Schranken der Rechtsausübung nach dem BGB zu beachten. Es gehört zu den gefestigten Grundsätzen des § 242 BGB, daß dem Gläubiger wegen rechtsmißbräuchlichen Verhaltens ein Anspruch versagt werden kann. 2 2 2 Wendet man diesen Grundsatz auf den Schadensersatzanspruch des Gattungskäufers an, so führt er dazu, daß anders als bei der Minderung der Anspruch auf kleinen Schadensersatz grundsätzlich nicht geltend gemacht werden kann. Entscheidend für die unterschiedliche Behandlung von Minderung und kleinem Schadensersatz ist wiederum deren unterschiedliche dogmatische Ausgangslage. Wie bereits an früherer Stelle ausgeführt, 223 verzichtet der 220

Motive Bnd. I I S. 241 f.; Jakobs/Schubert, Schuldverhältnisse Bnd. II, S. 136. Vgl. oben S. 83 ff. Lediglich Goldschmidt erwähnt am Rande einen Fall der Schadensberechnung unter Behalten der mangelhaften Sache. Hier handelt es sich jedoch um einen Sonderfall, bei dem der Verkäufer die geforderte fehlerfreie Lieferung verzögert. ZHR 19, 115. Zu entsprechenden Fällen siehe S. 103. 222 MünchKomm-/?oi/i, § 242 Rdnr. 350 ff., insbesondere Rdnr. 352; PalandtHeinrichs § 242 Rdnr. 57, aber auch Rdnr. 75. 221

III. Gattungskauf und Stückkauf über vertretbare Sachen

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Käufer mit der Ausübung der Minderung auf seinen vertraglichen Anspruch auf Fehlerfreiheit bzw. Vorhandensein der versprochenen Eigenschaft. Durch die Minderung wird der Vertrag an die tatsächliche Beschaffenheit der gelieferten Sache angepaßt, es wird die gelieferte Sache zur vertragsgerechten Sache, so daß sie mit Rechtsgrund geleistet ist. Anders ist die Sachlage beim kleinen Schadensersatz. Hier wird Ausgleich für das positive Interesses des Käufers am ursprünglichen Vertrag gefordert. Der Käufer besteht also auf dem Vorhandensein der Eigenschaft bzw. der Fehlelfreiheit. Es ist deshalb grundsätzlich als widersprüchlich zu werten, wenn er darauf beharrt, die mangelhafte Sache zu behalten, und gleichzeitig dafür Geld verlangt, daß die Sache nicht vertragsgemäß ist. Mit dem Anspruch auf Nachlieferung bzw. großen Schadensersatz ohne irgendwelche weiteren Voraussetzungen hat er doch die Möglichkeit, eine vertragsgemäße Sache zu erwerben. Das den Stückkauf prägende Dilemma zwischen Interesse am konkreten Stück und der an diesem nicht herstellbaren Eigenschaft gibt es beim Gattungskauf in der Regel nicht. Wenn nicht die gesamte Gattung mangelhaft im Sinne des Vertrages ist, existieren ja Stücke, welche die vertraglich vorausgesetzte Beschaffenheit haben. Ein Interesse des Käufers an der individuellen Beschaffenheit des gelieferten Stückes, aus dem sich der Anspruch auf kleinen Schadensersatz ableiten könnte, kann deshalb nur bestehen, wenn die ganze Gattung mangelhaft ist. Allein dann ist es ausgeschlossen, daß der Käufer sein Interesse mit dem Erhalt einer Ersatzsache befriedigt, so daß eine dem Stückkauf vergleichbare Situation besteht: Trotz der Mangelhaftigkeit der Gattung kann der Käufer aufgrund ihrer sonstigen Eigenschaften noch immer ein Interesse an einem Stück aus der Gattung (und damit an dem gelieferten Stück) haben, so daß die für den Stückkauf entwickelten Grundsätze entsprechend anzuwenden sind. Abgesehen von diesem Ausnahmefall muß dagegen ein besonderes Interesse des Gattungskäufers am gelieferten Stück bestehen, um auszuschließen, daß sein Verlangen nach kleinem Schadensersatz als widersprüchlich und damit gemäß § 242 BGB unzulässig abgewiesen werden kann. Worin dieses Interesse bestehen kann, soll im folgenden dargelegt werden.

3. Interesse des Gattungskäufers am gelieferten Stück Ein Interesse des Gattungskäufers, die gelieferte mangelhafte Sache zu behalten, ist erst einmal in Konstellationen zu bejahen, in denen es wegen hoher Kosten, die bei einer Rückgabe des gelieferten Stückes gegen Erhalt eines Ersatzes anfallen (sei es im Rahmen des Nachlieferungsanspruchs oder beim großen Schadensersatz), aus Schadensminderungsgesichtspunkten 223

Vgl. oben S. 67 ff.

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Β. Dogmatische Rechtfertigung

geboten ist, das konkrete Stück gegen Ersatz des Minderwertes zu behalten. Dies wurde bereits von den Gegnern der Anwendbarkeit der ädilizischen Rechtsbehelfe auf den Gattungskauf zum Ende des 19. Jahrhunderts für die Minderung anerkannt. 224 Ebenfalls in diesem Zusammenhang zu nennen sind Sachverhalte, in denen nur der sofortige Einsatz einer, wenn auch mangelhaften Sache den Eintritt weiterer Schäden verhindert (zu denken ist etwa an den Einbau eines farblich fehlerhaften Teiles in ein Gebäude, ohne den sich der gesamte Bau kostenträchtig verzögern würde, das den Wert des Gesamtbaus aber mindert). In entsprechenden Fällen kommt der Schadensausgleich durch Behalten der Sache Käufer und Verkäufer entgegen, so daß mit einer einvernehmlichen Einigung zu rechnen ist und auf den Anspruch auf den kleinen Schadensersatz nicht zurückgegriffen werden muß. Inwieweit der Käufer im Rahmen seiner Schadensminderungspflicht gehalten sein kann, sich in derartigen Konstellationen auf einen kleinen Schadensersatz zu beschränken, ist wiederum eine andere Frage, der im Rahmen dieser Arbeit nicht nachgegangen werden soll. Auf den Anspruch auf kleinen Schadensersatz kommt es dagegen an, wenn der Verkäufer die gelieferte mangelhafte Sache zurückverlangt. Das Problem ist nicht nur akademischer Natur. Denkbar und in der Praxis nicht ausgeschlossen ist es, daß der Verkäufer Lieferungen verwechselt hat und deshalb die Falschlieferung zurück haben will, um sie dem richtigen Adressaten zugehen zu lassen, 225 oder daß die Nachlieferung im Rahmen des großen Schadensersatzes den Verkäufer günstiger kommt als Leistung des kleinen Schadensersatzes. Hier ist es entscheidend, ob der Käufer sich diesem Anliegen nur durch ein Minderungsbegehren - also unter Verzicht auf die fehlende Sacheigenschaft - oder auch im Rahmen des Anspruchs auf das positive Interesse widersetzen kann. Ein Anspruch auf kleinen Schadensersatz ist auch ohne die Gefahr konkret bezifferbarer weiterer Vermögensschäden (Fälle der Schadensminderung) beim Gattungskauf dann zu geben, wenn der Käufer die Ware weiterverkaufen wollte und es ihm darauf ankommt, seinen Abkäufern überhaupt irgendeine Ware anbieten zu können, sei es auch Ware anderer Qualität, als er sie sich ausbedungen hatte. Voraussetzung dafür ist, daß der Käufer zwingend darauf angewiesen ist, überhaupt Ware zu erhalten, und ein Ersatzerwerb beispielsweise wegen zu langer Lieferfristen nicht möglich ist. Denkbar ist der Fall eines Gastwirtes, der für ein heißes Sommerwochenende „San-Pellegrino"-Mineralwasser bestellt hat, aber entgegen ausdrückli224

Windscheid/Kipp, § 394. Diese Fallkonstellation erörtern auch Gutknecht, Das Nacherfüllungsrecht des Verkäufers bei Kauf- und Werklieferungsverträgen S. 238 und Knöpfte, NJW 1989, 872 . 225

III. Gattungskauf und Stückkauf über vertretbare Sachen

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eher Zusicherung nur Wasser der Marke „Bonaqua" erhält. Dieser Gastwirt muß das Recht haben, die Bonaqua-Lieferung zu behalten, um überhaupt Mineralwasser ausschenken zu können. Dennoch darf er nicht gezwungen werden, sein ursprüngliches Interesse an der Pellegrino-Lieferung aufzugeben, die er zu einem höheren Preis und mit höherer Gewinnspanne hätte ausschenken können. Geschützt wird damit der Ruf des Käufers bei seinen Kunden oder Abnehmern, seinerseits jederzeit leistungsfähig zu sein. Das Interesse eines Geschädigten an seinem Image als Geschäftsmann bzw. dem Erhalt seiner Marktpräsenz als schützenswerte Position ist in anderen Fällen von der Rechtsprechung bereits ausdrücklich anerkannt worden. So wurde einem Taxifahrer, dessen Fahrzeug beschädigt worden war, das Recht auf einen Ersatzwagen während der Zeit der Reparatur zugestanden, obwohl von vornherein feststand, daß die zu erwartenden Einnahmen im entsprechenden Zeitraum die Mietkosten nicht decken würden. 2 2 6 In der Urteilsbegründung wurde ausdrücklich das Recht des Taxifahrers anerkannt, seinen Geschäftsbetrieb weiterzuführen, um keine Marktanteile zu verlieren. Indirekt handelt es sich also auch hier um die Vermeidung künftiger Vermögensschäden. Im Unterschied zu den eingangs aufgeführten Sachverhalten sind Eintritt und Umfang des zu vermeidenden Schadens nicht genau bestimm- bzw. bezifferbar. Während der Anspruch auf kleinen Schadensersatz bei individuellen Stücken nur in Ausnahmefällen verwehrt werden kann (Bsp. Kauf einer Fälschung durch ein Museum, das nur Orginale sammelt), 227 ist es beim Verkauf vertretbarer Stücke oder beim Gattungskauf das Anrecht auf kleinen Schadensersatz, das nur ausnahmsweise zu begründen ist. Besteht jedoch ein Anrecht des Käufers auf den kleinen Schadensersatz aus einem der oben dargestellten Gründe, so ist insbesondere bei beseitigbaren Mängeln erneut zu klären, wie der zu ersetzende Schaden berechnet wird.

4. Berechnung des kleinen Schadensersatzes a) Reparaturkosten Mit der Entscheidung, daß der Käufer ein besonderes Interesse am konkreten Stück geltend machen darf, obwohl es andere vertragsgemäße Stücke derselben Gattung gibt, ist bereits präjudiziell, daß auch die Reparatur dieses konkreten Stückes bzw. deren Kostenersatz verlangt werden kann. 226 BGH NJW 1993, 3321, 3323; OLG Karlsruhe DAR 1989, 226; OLG Nürnberg NJW-RR 1990, 984; L G Nürnberg-Fürth DAR 1991, 186. 227 Vgl. oben S. 74.

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Β. Dogmatische Rechtfertigung

Daß der sonst im Schadensrecht bei vertretbaren Sachen übliche Verweis auf Ersatzstücke 228 nicht greift, war bereits Gegenstand der Prüfung des Bestehens des Anspruchs auf kleinen Schadensersatz. Damit scheidet auch die grundsätzliche Beschränkung der Reparaturkosten auf den Minderwert aus. Wie beim Stückkauf bildet nur die Verhältnismäßigkeit gemäß § 251 Abs. 2 S. 1 eine Grenze für die Ersetzbarkeit von Reparaturkosten.

b) Minderwert Ist eine Reparatur des gelieferten Kaufobjektes nicht möglich, so ist der Minderweit als Kompensationsbetrag zu leisten. Dient der Anspruch dem Schutz des Käufers in seiner eigenen Rolle als Händler im weitesten Sinne, so ist der Minderwert nichts anderes als der Ersatz des höheren Gewinns, den der Käufer mit einer vertragsgemäßen Lieferung hätte erzielen können. Der Minderwert ist deshalb nach dem Wert vertragsgerechter Ware auf dem Verkaufsmarkt zu berechnen, so wie es generell auch beim Schadensersatz für eine vollständige Nichterfüllung richtig ist, wenn der Weiterverkauf der Ware feststeht und ein Deckungskauf vom Geschädigten nicht verlangt werden kann. 2 2 9 Ein im Einzelfall höherer Schaden ist nicht ausgeschlossen.

5. Starke Diskrepanz zwischen Realität und Vereinbarung Ist der vertragsgemäße Zustand mit dem gelieferten Objekt nicht herstellbar, so läßt sich ebenso wie beim Stückkauf die Frage stellen, ob bei einer zu großen Diskrepanz zwischen gelieferter und vertragsgemäßer Sache der kleine Schadensersatz nach Minderweit ausgeschlossen ist. Beim Stückkauf war diese Frage - von Ausnahmefällen abgesehen - zu verneinen, da ein Restinteresse des Käufers an dem konkret ausbedungenen Stück trotz Mangelhaftigkeit stets weiterbestehen konnte. 2 3 0 Beim Gattungskauf gibt es das konkret ausbedungene Stück nicht, an dem ein besonderes Interesse des Käufers bestehen könnte. Vielmehr ist der Kreis der Stücke, die vom Verkäufer zur Erfüllung verwendet werden könnten, unbestimmt. Unabhängig von der Frage der Zulässigkeit eines kleinen Schadensersatzes bei diesen Kaufvertragsarten stellt dieser Umstand bereits ein Kernproblem für die Abgrenzung des Geltungsbereichs des allgemeinen Schuldrechts zum Gewährleistungsrecht beim Gattungskauf dar, die beim 228

Vgl. MünchKomm-Grunsky, § 249 Rdnr. 3; Palandt-Heinrichs, § 251 Rdnr. 3. Vgl. dazu Bardo, Die „abstrakte" Berechnung des Schadensersatzes wegen Nichterfüllung beim Kaufvertrag S. 141 ff. 230 Vgl. oben S. 74. 229

III. Gattungskauf und Stückkauf über vertretbare Sachen

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Stückkauf ansonsten ebenfalls über die Identität des Kaufobjektes erfolgt. 2 3 1 Eine breite Meinung in der Literatur geht davon aus, daß jede vertragswidrige Leistung mangelhaft i.S.d. § 480 BGB ist, und zwar sowohl beim Handelskauf als auch bei bürgerlich-rechtlichen Kaufverträgen. Sie stützt sich dabei, in Fortentwicklung des subjektiven Fehlerbegriffs, auf den Gedanken, daß es nicht möglich ist, objektiv Gattungen für Kaufobjekte zu bestimmen, und deshalb keine klaren Abgrenzungen zwischen Falschlieferung, Gattungsabweichung oder Artabweichung möglich sind. 2 3 2 Die Rechtsprechung ist restriktiver, indem sie für den bürgerlich-rechtlichen Gattungskauf auf der Unterscheidung zwischen aliud und peius beharrt und nur im Bereich des Handelskaufs auf den Rechtsgedanken des § 378 HGB zurückgreift und das Sachmängelgewährleistungsrecht anwendet, soweit keine genehmigungsfähige Falschlieferung vorliegt. 2 3 3 Angesichts dieses einerseits unklaren, tendenziell jedoch weiten Anwendungsbereichs des § 480 BGB scheint die Notwendigkeit der Eingrenzung des Anspruchs auf kleinen Schadensersatz dringlicher als beim Stückkauf. Dieser Eindruck täuscht jedoch. Um den Anspruch auf kleinen Schadensersatz geltend zu machen, sind, wie erörtert, besondere Voraussetzungen darzulegen. Mit den im Vergleich zum Stückkauf verschärften Voraussetzungen für den Anspruch auf kleinen Schadensersatz erfolgt bereits die Begrenzung seines Anwendungsbereichs. Der Anspruch besteht nur, wenn der Käufer zumindest einen Teil des mit der vertragsgemäßen Leistung verfolgten Interesses auch mit dem mangelhaften Stück verwirklichen kann. Es ist also nach dem Zweck gefragt, den der Käufer mit der erworbenen Sache verfolgte. Grundsätzlich kann damit für das Bestehen eines Anspruchs auf kleinen Schadensersatz das Kriterium herangezogen werden, auf das es auch bei der Abgrenzung des allgemeinen Schuldrechts zum Gewährleistungsrecht bzw. bei der Anwendbarkeit der besonderen handelsrechtlichen Untersuchungs- und Rügeobliegenheiten nach der Rechtsprechung ankommt: die Genehmigungsfähigkeit einer (Falsch-)lieferung. Nach den für § 378 HGB entwickelten Grundsätzen ist die Genehmigungsfähigkeit auszuschließen, wo mit dem Geleisteten der Vertragszweck nicht einmal teilweise erfüllt werden kann. 2 3 4 231 Ausführliche Darstellung der Problematik bei Soergel-Huber, vor § 459 Rdnr. 106 ff.; Staudinger-Honsell, § 459 Rdnr. 44 ff. 232 Soergel -Huber, vor § 459 Rdnr. 124 ff., Raape, AcP 150 (1949), 481, 492 f.; v. Caemmerer, Festschrift für Wolff S. 8 f., 17; a. Α. Knöpfle, JZ 1979, 1 ff. sowie NJW 1989, 871 ff. 233 BGH JZ 1967, 321; BGH NJW 1969, 787; BGH NJW 1986, 659; BGH NJW 1989, 218. Vgl. dazu: Staudinger-//on^//, § 459 Rdnr. 44.

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Β. Dogmatische Rechtfertigung

Aus der Deckungsgleichheit der Grundvoraussetzung für den Anspruch auf kleinen Schadensatz sowie der Abgrenzungskriterien zwischen allgemeinem Schuldrecht und Gewährleistungsrecht läßt sich schließen, daß immer dort, wo Gewährleistungsrecht anwendbar ist, auch der Anspruch auf kleinen Schadensersatz besteht. Diese im Kern richtige Aussage ist jedoch in Teilbereichen zu korrigieren: Lehre und insbesondere Rechtsprechung zur Frage der Genehmigungsfähigkeit sind durch das Anliegen geprägt, dem Käufer die Last der Untersuchungs- und Rügeobliegenheit sowie der kurzen Verjährungsfrist des Gewährleistungsrechts zu nehmen. 235 Aus diesem Grunde wird von Literatur und Rechtsprechung Genehmigungsunfähigkeit bereitwillig in Fällen angenommen, in denen es nicht auszuschließen ist, daß ein Käufer doch einen Teilzweck mit dem Vertrag erfüllen könnte. Genannt sei etwa der Verkauf von Kalbsfellen an einen Tornisterfabrikanten anstatt von Ziegenfellen. 236 Auch wird teilweise generell von einer Genehmigungsunfähigkeit beim Fehlen einer zugesicherten Eigenschaft ausgegangen,237 obwohl es grundsätzlich nicht auszuschließen ist, daß der Käufer ein Teilinteresse mit der Ware ohne die zugesicherte Eigenschaft verwirklichen könnte. Erinnert sei an den oben geschilderten Fall, indem statt des zugesicherten San Pellegrino ein anderes Mineralwasser geliefert wird, das sehr wohl als Ersatz an die Gäste ausgeschenkt werden kann. Außerdem bezieht sich die Rechtsprechung zur Genehmigungsfähigkeit und zur Abgrenzung des allgemeinen Schuldrechts vom Gewährleistungsrecht beim Gattungskauf nur auf Falschlieferungen. 238 Daher können aus dieser Rechtsprechung keine Abgrenzungskriterien für die Zulässigkeit eines kleinen Schadensersatzanspruchs bei Schlechtlieferung gewonnen werden. Für die Anwendbarkeit des Gewährleistungsrechtes auf mit Jauche verunreinigte Konserven soll es nicht auf die Genehmigungsfähigkeit ankommen. 239 Für den Bereich des Schadensersatzes ist dagegen in diesem Fall außer Zweifel, daß der Käufer sein vertraglich verfolgtes Interesse mit dieser Ware nicht einmal teilweise verwirklichen kann und deshalb ein Anspruch auf kleinen Schadensersatz ausgeschlossen ist.

234

Brüggemann-Brüggemann, HGB-Kommentar § 378 Rdnr. 37; Soergel-Huber, vor § 459 Rdnr. 112: „Wenn die Ware für die Zwecke des Käufers ungeeignet ist, ist sie nach der Rechtsprechung genehmigungsunfähig." 235 Soergel -Huber, vor § 459 Rdnr. 126; hinsichtlich der Verjährung MünchKommWestermann, § 459 Rdnr. 23; Jakobs, Gesetzgebung im Leistungsstörungsrecht S. 90. 236 RG JW 1917,710. 237 SoQTgd-Huber, vor § 459 Rdnr. 116; für die „zugesicherte" Gattung vgl. Nachweise bei Staudinger-Honsell, § 459 Rdnr. 45. 238 Soergel -Huber, vor § 459 ff. Rdnr. 113. 239 BGH L M § 377 HGB Nr. 19.

III. Gattungskauf und Stückkauf über vertretbare Sachen

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Die Grenzen für die Zulässigkeit eines Anspruchs auf kleinen Schadensersatz sind folglich nur bedingt in Anlehnung an Literatur und Rechtsprechung zu § 378 HGB zu bestimmen. Falsch ist es jedoch wie Gutknecht 2 4 0 bei der Frage, inwieweit der Käufer ein Recht hat, eine nicht geschuldete Sache als Teilerfüllung im Rahmen des kleinen Schadensersatzes anzunehmen, darauf abzustellen, ob für ihn offensichtlich war, daß eine Falschlieferung vorlag. Wie soll ein Interesse an einer Sache allein dadurch begründet werden, daß der Käufer nicht erkannte, daß eine offensichtliche Falschlieferung vorlag? Und weshalb soll umgekehrt der mangelhaft liefernde Verkäufer gegenüber dem Käufer bevorzugt werden, wenn es nicht möglich ist, die richtige Lieferung in angemessener Zeit herbeizuschaffen: Es ist ja gerade die zusätzliche Voraussetzung des Schadensersatzanspruchs, daß der Käufer auf die Falschlieferung angewiesen ist. Die generelle Anerkennung eines Käuferrechts auf Minderung im Gesetz zeigt gerade, daß die Interessen des Käufers hinsichtlich des konkreten Stückes über die des Verkäufers gestellt werden.

240 Gutknecht, Der Nacherfüllungsanspruch des Verkäufers bei Kauf- und Werklieferungs vertragen S. 242.

C. Ersetzbarkeit entgangenen Gewinns im Rahmen eines Anspruchs auf kleinen Schadensersatz Bisher wurde untersucht, inwieweit der Käufer Reparatur bzw. Reparaturkosten oder den Minderwert als Ersatz für die Mangelhaftigkeit der Kaufsache an sich gemäß § 463 BGB verlangen kann. Im folgenden soll näher darauf eingegangen werden, inwieweit mit dem kleinen Schadensersatz entgangener Gewinn zu ersetzen ist. Diese Frage wurde bisher lediglich im vorangehenden Abschnitt am Rande gestreift. 1 Bei der Ersetzbarkeit entgangenen Gewinns ist zwischen entgangenem Gewinn aus dem beabsichtigten Weiterverkauf des Kaufgegenstandes an sich und entgangenem Gewinn, der durch den Einsatz des Kaufgegenstandes als Produktionsmittel, Vermietungs- oder Pachtobjekt hätte erwirtschaftet werden sollen, zu unterscheiden.

I. Entgangener Gewinn aus dem Verkauf des Kaufobjektes Einen Anspruch auf entgangenen Gewinn wegen völligen Fehlschlagens der vom Verkäufer beabsichtigten Veräußerung, ohne daß die Sache zurückgegeben wird, kann es gegen den Willen des Verkäufers nicht geben. Dem Käufer würde ansonsten die gleichzeitige Verwirklichung widersprüchlicher Interessen erlaubt. Indem der Verkäufer den entgangenen Gewinn verlangt, bringt er zum Ausdruck, daß sein Interesse der Weiterverkauf der Sache war. Wenn dieser Weiterverkauf nun wegen des Sachmangels gescheitert ist, dann war das Kaufobjekt eben für den vom Käufer verfolgten Zweck insgesamt unbrauchbar. Deshalb ist - entgegen Hubers Auffassung 2 neben der Forderung des entgangen Gewinns aus dem beabsichtigten Weiterverkauf kein Platz mehr dafür, die Sache als immerhin teilweise Vertrags- und interessengerecht anzunehmen, was durch ein Behalten der Sache im Rahmen des kleinen Schadensersatzes oder auch durch eine Minderung zum Ausdruck gebracht würde. 3 1 2

640.

Vgl. oben S. 88. Soergel-Huber § 463 Rdnr. 59. Ebenso Derleder/Abramjuk,

AcP 190 (1990)

II. Entgangener Gewinn aus dem Einsatz des Kaufobjektes

93

W i l l der Käufer trotz vollständigen Fehlschlagens des geplanten Weiterverkaufs die Sache behalten, so bleibt ihm nur die Möglichkeit, unter Verzicht auf den entgangenen Gewinn den kleinen Schadensersatz nach den bisher erörterten Grundsätzen geltend zu machen. Anders ist die Rechtslage dagegen, wenn der Weiterverkauf nicht insgesamt scheitert, sondern der Abkäufer die Ware behält, der Weiterverkaufspreis sich aber wegen des Mangels reduziert, etwa in Folge einer vom Abkäufer ausgeübten Minderung. Hier spricht nichts dagegen, daß der Erstkäufer seinen konkret entgangenen Gewinn geltend machen kann. 4 Ist der Kaufgegenstand vom Erstkäufer also bereits konkret weiterverkauft, so ergibt sich aus dem konkreten Weiterverkauf ein Interesse und Recht, kleinen Schadensersatz in Form des entgangenen Gewinns zu verlangen, ohne daß es - wie im bisher Dargelegten - darauf ankäme, welche Kaufvertragsart (Stück- oder Gattungskauf) dem Geschäft zugrunde lag. Damit bestehen zwei Konstellationen für die Ersetzbarkeit entgangenen Gewinns aus der Weiterveräußerung des Kaufobjektes: Einmal die soeben geschilderte Variante, bei der das Kaufobjekt konkret weiterverkauft wurde, und daneben der beim Gattungskauf erörterte Fall, daß das Interesse des Käufers an seinem Ruf als Händler geschützt wird, indem er die mangelhafte Ware verkaufen darf, um überhaupt Ware anbieten zu können, ohne daß jedoch bereits konkrete Weiterverkaufsverträge abgeschlossen wären.

II. Entgangener Gewinn aus dem Einsatz des Kaufobjektes als Produktionsmittel, Verpacht- oder Vermietungsobjekt Im Hinblick auf entgangenen Gewinn, der durch Einsatz einer mangelfreien Kaufsache erwirtschaftet werden sollte, bildet Medicus 5 einen erstaunlichen Beispielsfall. Beim Verkauf einer Druckmaschine unter Zusicherung einer bestimmten Druckkapazität pro Stunde soll der Käufer, wenn die gelieferte Maschine die erwartete Leistung nicht bringt, das Recht haben, die mangelhafte Maschine zu behalten und Schadensersatz in Höhe des stündlich entgehenden Gewinns beanspruchen können. Medicus hat den Sachverhalt so kraß gebildet, daß die Maschine eine um 1/6 geringere Lei3 Deutung der Minderung als Anerkennung der Leistung als zumindest teilweise vertragsgerecht u.a. bei Stoll, FS Riesenfeld, S. 285. 4 Vgl. beispielsweise BGH NJW 1992, 90; für Leistung von Schadensersatz an den Abkäufer auch BGH NJW 1982, 435, 436; MünchKomm-Waterman«, § 463 Rdnr. 25; Soergel-Huber, § 463 Rdnr. 56 und Klein-Blenkers AcP 194 (1994), 367; wie hier wohl auch Derleder/Abramjuk, AcP 190 (1990) S. 642. 5 Medicus, SchuldR I I Rdnr. 71.

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C. Ersetzbarkeit entgangenen Gewinns

stungsfähigkeit als versprochen hatte. Der nach Medicus als entgangener Gewinn zu ersetzende Schaden kann damit bis zum Ende der zu erwartenden Lebensdauer der Maschine weit über dem Wert der Kaufsache im mangelfreien Zustand liegen. Zur Schadenshöhe merkt Medicus ausdrücklich an, dem zu ersetzenden Schaden stehe nicht entgegen, daß er den Betrag des Kaufpreises um ein Vielfaches übersteigen könne. Medicus verweist zur Bestätigung auf die auch hier erörterte Burra-Entscheidung,6 übersieht dabei aber, daß er über die Aussage des Urteils bei weitem hinausgeht: Beim Burra-Fall ist bei grundsätzlicher Anerkennung eines Anspruchs auf das positive Interesse sicher, daß der Verkäufer betragsmäßig in Höhe des Wertes der mangelfreien Sache haftet. Dieser Wert ist tatsächlich unabhängig vom Kaufpreis. 7 Es ist im Burra-Fall lediglich zweifelhaft, ob ein Ausgleich für das ursprüngliche Vertragsinteresse beim Behalten des andersartigen Gemäldes möglich ist. Beim Medicus-Beispiel ist dagegen erst einmal problematisch, ob Schadensersatz in dieser Höhe überhaupt zu leisten ist. Gegen Medicus Lösung ist deshalb nicht einzuwenden, daß der Schadensersatz den Kaufpreis übersteigt. Vielmehr ist zu kritisieren ist, daß nicht dargelegt wird, woraus sich ein schützenswertes Interesse des Käufers ergibt, auf dem mangelhaften Kaufobjekt zu beharren. Medicus geht nicht darauf ein, ob dem Geschäft ein Stück- oder Gattungskauf zugrunde liegt, ob es sich um ein individuelles Kaufobjekt handelt oder ob die Maschine durch ein beliebiges anderes Stück ersetzt werden kann, so daß bereits aus Schadensminderungsgründen vom Käufer ein Ersatzerwerb zu fordern wäre. Auch Schadensminderungsgesichtspunkte aufgrund hoher Einbaukosten für die Druckmaschine als Grund dafür, daß der Käufer die konkrete Maschine behalten durfte, werden nicht erörtert. Berücksichtigt man eine mögliche Austauschbarkeit des Kaufobjektes, so stellt sich die Frage, ob Gewinn, der mit dem Kaufobjekt hätte erwirtschaftet werden können, überhaupt nur bei individuellen Kaufobjekten, die nicht beliebig auswechselbar sind, zu ersetzen ist. Entsprechend dem in dieser Arbeit vertretenen Ansatz sind für die Lösung der dargelegten Problematik erst einmal vergleichbare Fälle bei deliktischen Eigentumsverletzungen heranzuziehen. Hier ist festzustellen, daß weder in der Rechtsprechung noch in der Literatur Konstellationen erörtert werden, in denen entgangener Gewinn bei Objekten ersetzt wurde, die irreparabel beschädigt wurden. Dies erklärt sich daraus, daß im Rahmen eines Wertersatzanspruchs entgangener Gewinn aus der Nutzung des Objektes nicht als selbständiger Schadensposten neben dem Wert der Sache steht, 6 7

BGH NJW 1993, 2103. Vgl. S. 67 zur Abgrenzung von Minderung und Schadensersatz.

II. Entgangener Gewinn aus dem Einsatz des Kaufobjektes

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sondern mit dem Kompensationsbetrag pauschal auch Ausgleich für den entgangenen Gewinn geleistet wird. Die infolge des Sachmangels geminderten Erwerbschancen gehen in die Berechnung der Wertminderung ein: Die Kaufsache ist weniger wert, weil mit ihr nur geringerer Gewinn erzielt werden kann. Neben der Wertminderung kann also entgangener Gewinn nicht verlangt werden, weil sonst das geminderte Erwerbspotential der Kaufsache doppelt berücksichtigt würde. Diese Grundsätze werden auch in einer BGH-Entscheidung zur Frage der Ersetzbarkeit entgangenen Gewinns aus der Vermietung eines Geschäftshauses beachtet.8 Die Verkäuferin des Gebäudes hatte zugesichert, alle Mietverträge vollständig vorgelegt zu haben. Nicht vorgelegt wurde indessen die Zusatzvereinbarung zu einem langfristigen Mietvertrag mit marktunüblich hoher Miete, nach der zehn Jahre lang auf die hohe Miete verzichtet wurde. Die Räumlichkeiten waren für diese Zeit an einen Dritten zu einem wesentlich geringeren Mietzins weitervermietet. Mit einem abstrakten Schuldanerkenntnis zugunsten der Käuferin hatte die erste Mieterin anerkannt, trotz Aussetzung ihres Mietvertrages die Differenz aus der ursprünglich mit ihr vereinbarten Miete zum Weitervermietungssatz zu zahlen. Streitig war, inwieweit die Käuferin trotz des Schuldanerkenntnisses noch weiteren Schaden in Form des Minderwerts des Hauses erlitten hatte. Hierzu hat der BGH ausgeführt: „Der Mietertrag ist aber nicht allein als obligatorischer Anspruch gegen den Mieter bedeutsam. Ein vertraglich vereinbarter Mietzins bildet sich in der Regel nach marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten als Marktpreis [...]. Der zur Zeit des Vertragsabschlusses tatsächlich aus dem Grundstück gezogene Nutzen gilt daher nach der Verkehrsanschauung als ein sicherer Maßstab und als eine der wichtigsten Grundlagen für die Ertragsfähigkeit und damit die Wertschätzung eines Hausgrundstückes [...]. Gibt der Mietvertrag aber als Sacheigenschaft des Grundstücks nach der Verkehrsanschauung über den Bestand eines bestimmten Mietvertrages hinaus auch Aufschluß über die Ertragsfähigkeit und damit über eine für die Bewertung eines Grundstückes üblicherweise verwendete Größe, dann war die Erstkäuferin durch das vom Berufungsgericht festgestellte abstrakte Schuldanerkenntnis oder -versprechen nicht so gestellt, wie sie durch den Erwerb des Kaufgrundstückes dann gestanden hätte, wenn der zugesicherte Mietertrag der marktübliche gewesen wäre. Eine solche Erklärung vermochte allenfalls dem kraft Mietvertrag nicht vorhandenen Mietzinsanspruch gegen die im Kaufvertrag genannte Mieterin gleichzukommen. Sie konnte aber nicht den in den Augen eines Käufers mit dem benannten Mietertrag verbundenen Wert des Grundstückes herstellen."

8

BGH NJW 1981, 45.

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C. Ersetzbarkeit entgangenen Gewinns

Der BGH hat neben dieser Aussage - wenn auch nicht mit der wünschenswerten Deutlichkeit - zu erkennen gegeben, daß die aus dem abstrakten Schuldanerkenntnis erbrachte Leistung auf den Schadensersatzanspruch anzurechnen sei. 9 Die isolierte Ersetzbarkeit entgangenen Gewinns im Rahmen des kleinen Schadensersatzes kommt neben dem sonstigen Ausgleich des Marktunwertes nur beim auf Restitution gerichteten Anspruch in Betracht. Soweit mit dem kleinen Schadensersatz Naturalrestitution, sei es gemäß § 249 S. 1 oder S. 2 BGB, verlangt wird, kann entgangener Gewinn für die Zeit bis zur Herstellung des Kaufobjekts verlangt werden, wie dies auch allgemein für Delikt anerkannt ist. 1 0 Für die Zeit danach kann dem Verkäufer kein Gewinn entgehen, denn mit der Herstellung des geschuldeten Zustandes hat er alle Erwerbschancen, die ihm durch den Kaufvertrag zugeordnet werden sollten. Auch hier gilt, daß der kleine Schadensersatz nicht auf die Höhe des Minderwertes begrenzt ist. Der entgangene Gewinn ist deshalb nur ein weiterer Schadensposten, der bei der Abwägung, ob eine Naturalrestitution noch verhältnismäßig ist, einfließt. Nur am Rande sei angemerkt, daß die Ersetzbarkeit entgangenen Gewinns aus der Nutzung des Objektes im Rahmen des kleinen Schadensersatzes bei Rechtsmängeln noch einmal anderen Regeln folgt. Hierzu findet sich ein Beispielsfall bei Ernst. 11 Beim vertragswidrigen Bestehen eines Nießbrauches an einem verkauften Grundstück soll der Käufer Schadensersatz in Form einer Geldrente für die nicht gezogenen Nutzungen bis zur Beendigung des Nießbrauchs erhalten, die jedoch in Höhe des Schadensersatzes, der bei (vollständiger) Nichterfüllung zu leisten gewesen wäre, begrenzt sein soll. Bei dem hier in Frage stehenden Schadensersatzanspruch handelt es sich weder um einen Restitutionsanspruch noch ist die Ausgangslage mit Sachmängelfällen bei irreparablen Objekten vergleichbar. Im Unterschied zu den letztgenannten Konstellationen wäre die Gewinnerwirtschaftung in der vom Käufer beabsichtigten Weise mit dem Objekt aufgrund dessen gegenständlicher Eigenart sehr wohl möglich gewesen, allein die dafür erforderliche Rechtszuständigkeit ist dem Käufer für ein gewisse Zeit vorenthalten. Der bis zum Rückfall des Nießbrauchs an den Käufer entgangene Gewinn ist damit letztlich ein Verzugsschaden, der bis zu dem Zeitpunkt aufläuft, in dem das vertragliche Versprechen vollständig erfüllt wird. Insofern ist Ernst zuzustimmen, daß als kleiner Schadensersatz eine Rente in Höhe der versäumten Nutzungen zu geben ist. Der BGH hat in einem vergleichbaren 9 10 11

BGH NJW 1981, 46. BGHZ 70, 199, 203; BGH NJW 1985, 793; BGH NJW 1985, 2471. Ernst, Rechtsmängelhaftung, S. 192 Fn. 5.

II. Entgangener Gewinn aus dem Einsatz des Kaufobjektes

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Fall, in dem die wahre Länge bestehender Mietverträge falsch angegeben war, dementsprechend den aus anderweitiger Weitervermietung entgangenen Gewinn als Schaden zugesprochen. 12 Kein Grund ist dagegen dafür ersichtlich, den Rentenanspruch betragsmäßig zu beschränken. Für zu ersetzende Vermögensschäden allgemein und damit auch für Verzugsschäden im besonderen besteht nach dem BGB keine Haftungsobergrenze. Darüberhinaus ist kein allgemeiner Rechtssatz bekannt, nach dem Schadensersatz wegen einer nur teilweisen Nichterfüllung den Schadensersatz wegen vollständiger Nichterfüllung nicht überschreiten kann. Dies kann schon im Hinblick auf mögliche Mangelfolgeschäden an anderen Rechtsgütern des Käufers bei mangelhafter (und damit teilweiser) Erfüllung nicht richtig sein.

12

7 Jaggy

BGH NJW 1992, 905.

D. Das Verhältnis von großem Schadensersatz und kleinem Schadensersatz als Wahlschuld Nachdem Voraussetzungen und Inhalt des Rechts auf kleinen Schadensersatz für die verschiedenen kaufvertraglichen Fallkonstellationen geklärt sind, bleibt die Frage, wie das Verhältnis zwischen großem und kleinem Schadensersatz dogmatisch einzuordnen ist. Unter Berufung auf zwei Urteile des Bundesgerichtshofes 1 wird in der Literatur allgemein die Ansicht vertreten, beim großen und kleinen Schadensersatz handele es sich um zwei verschiedene Berechnungsarten für denselben Anspruch. 2 Das Verhältnis zwischen großem und kleinem Schadensersatz bestimmt sich jedoch nach den Grundsätzen der Wahlschuld. Diese These soll im folgenden näher begründet werden. Insbesondere wird zu zeigen sein, daß die Rechtsprechung, auf die sich die herrschende Meinung beruft, dieser Auffassung nicht widerspricht.

I. Abgrenzung zu anderen Rechtsfiguren Die Annahme einer Wahlschuld setzt voraus, daß verschiedene Leistungen innerhalb eines Anspruchs geschuldet sind. 3 Dadurch unterscheidet sich die Wahlschuld von der Figur lediglich unterschiedlicher Berechnungsmethoden 4 und von der elektiven Konkurrenz. 5

1. Elektive Konkurrenz Sowohl der große als auch der kleine Schadensersatz gleichen das positive Interesse des Käufers an der vollständigen Erfüllung des Kaufvertrages aus. Beide Schadensersatzvarianten dienen dem gleichen Ziel und verwirk1

BGH NJW 1992, 568; BGH NJW 1983, 1424. Socrgd-Huber, § 463 Rdnr. 39; Palandt-Heinrichs, § 463 Rdnr. 18; StaudingerHonsell, § 463 Rdnr. 57; MünchKomm- Westermann, § 463 Rdnr. 20. 3 Soergel- Wolf, § 262 Rdnr. 3; Palandt-Heinrichs, § 262 Rdnr. 1; MünchKommKeller, § 262 Rdnr. 3; OLG Köln VersR 1993, 322. 4 Soergel- Wolf § 262 Rdnr. 5; MünchKomm-fo/ter, § 262 Rdnr. 5; PalandtHeinrichs, § 262 Rdnr. 1. 5 Soergel-Wolf § 262 Rdnr. 8; UünchKomm-Keller, § 262 Rdnr. 15; PalandtHeinrichs, § 262 Rdnr. 6. 2

I. Abgrenzung zu anderen Rechtsfiguren

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liehen deshalb einen Anspruch des Käufers. Dadurch unterscheiden sie sich von der Wahlmöglichkeit zwischen Wandlung und Minderung, dem Paradebeispiel für eine elektive Konkurrenz in der Rechtsordnung des BGB. 6 Wandlung und Minderung sind nicht auf das gleiche Ziel gerichtet: Mit dem einen Behelf wird der Vertrag insgesamt rückabgewickelt, mit dem anderen wird der Kaufpreis an den geringeren Wert der Sache angepaßt.

2. Unterschiedliche Berechnungsmethoden Wie in der Einleitung zu diesem Kapitel dargelegt, geht die Literatur davon aus, daß es sich bei kleinem und großem Schadensersatz „lediglich" um unterschiedliche Berechnungsmethoden für denselben Anspruchs handele. 7 Dies widerspricht den bisherigen Erkenntnissen dieser Arbeit. Für den Stückkauf über unvertretbare Sachen wurde aufgezeigt, daß der Anspruch auf kleinen Schadensersatz das Interesse des Käufers an einer Naturalrestitution verwirklicht, wenn die Reparaturkosten verlangt werden können bzw. das Interesse am konkreten Stück trotz Mangel berücksichtigt, soweit lediglich der Minderweit beansprucht werden kann. Der große Schadensersatz ist dagegen beim Stückkauf stets ein bloßer vermögensrechtlicher Kompensationsanspruch. Beim Gattungskauf wird der Käufer mit dem großen Schadensersatz in die Lage versetzt, ein Ersatzobjekt zu erwerben, erhält also die Möglichkeit zum naturalen Ersatz, während durch den kleinen Schadensersatz ein besonderes Interesse an dem konkret geleisteten Stück berücksichtigt wird. Es werden mit großem und kleinem Schadensersatz also jeweils verschiedene Interessen ausgeglichen, die sich in Geldbeträgen ganz unterschiedlicher Höhe niederschlagen. Allgemeiner, für jede Kaufvertragsart gültig, läßt sich formulieren, daß mit dem großen Schadensersatz der Käufer Ausgleich für eine vollständige Nichterfüllung begehrt, während beim kleinen Schadensersatz nur ein Teil des Erfüllungsinteresses ersetzt und die mangelhafte Leistung als Teilerfüllung des Vertrages akzeptiert wird. Damit fehlt es an der Grundvoraussetzung für die Annahme lediglich unterschiedlicher Berechnungsmethoden: der Ersatzleistung für ein identisches Interesse. Dies verdeutlicht ein Vergleich mit der dreifachen Berechnungsmethode zur Ermittlung des Schadens bei unbefugter Nutzung von Warenzeichen, dem Standardbeispiel für lediglich verschiedene Berechnungsformen eines Schadensersatzanspruchs. 8 Bei unbefugter Nutzung von Warenzeichen hat der Geschädigte folgende Möglichkeiten den Schadens6

Vgl. Staudinger-Se/fc, § 262 Rdnr. 6; MünchKomm-/te//er, § 262 Rdnr. 16; Palandt-Heinrichs, § 262 Rdnr. 6. 7 Soergel-Huber, § 463 Rdnr. 39; Vdmât-Heinrichs, § 463 Rdnr. 18; StaudingerHonsell, § 463 Rdnr. 57; MünchKomm-Westermann, § 463 Rdnr. 20.

100 D. Das Verhältnis von großem Schadensersatz und kleinem Schadensersatz umfang zu bestimmen: 1. Durch den Beweis eines konkret eingetretenen Schadens, 2. in Höhe einer angemessenen Lizenzgebühr und 3. durch den vom Schädiger mit dem Eingriff erzielten Gewinn. 9 Hier soll nun nicht der Frage nachgegangen werden, ob es richtig ist, daß mit den drei Berechnungsformen tatsächlich jeweils der von § 823 Abs. 1 gedeckte Schadensumfang ermittelt wird, was in der Literatur zu recht bezweifelt wird. 1 0 Wie im Ausgangsurteil des BGH zur Problematik angenommen, sei hier einmal unterstellt, daß alle drei Varianten Methoden zur Berechnung des Anspruchs aus § 823 Abs. 1 BGB darstellen. Dies vorausgesetzt, ist festzustellen, daß die gesuchte Größe bei allen drei Varianten der Schadensberechnung die Schadenshöhe für die „vollständige" ungerechtfertigte Nutzung des Immaterialgüterrechts ist. Unterschiedlich sind nicht die Eingriffe, für die Ausgleich zu leisten ist, sondern fraglich ist lediglich, wie hoch die durch den ungerechtfertigten Eingriff entstandene Bereicherung bzw. wie hoch der dem Berechtigten entstandene Schaden ist. Ausgangsproblem ist die betragsmäßige Bestimmung einer nur schwer meßbaren Größe. 11 Anders ist die Sachlage bei den Schadensersatzvarianten nach § 463 BGB: Die betragsmäßige Bestimmung der Schadenshöhen ist rechnerisch immer möglich. Klärungsbedürftig ist lediglich, wofür Ersatz zu leisten ist: Dafür, daß der Gläubiger die Sache wie eine vollständige Nichterfüllung behandelt oder dafür, daß er die Sache zumindest als Teilleistung auf die Vertragsschuld annimmt. Die zu berechnende Größe ist damit jeweils eine andere: einmal der Schaden bei einer nur teilweisen Nichterfüllung, das andere Mal der Schaden einer vollständigen Nichterfüllung. Zweifelhaft und unbestimmt ist also nicht die Festlegung der Schadenshöhe, sondern lediglich, ob der Gläubiger von einem bestehenden Recht zur Anerkennung der mangelhaften Sache als Teilerfüllung Gebrauch macht oder von seinem 8 Vgl. BGH NJW 1966, 823. Der BGH verwirft in seinem Urteil die Ansicht, die verschiedenen Methoden zur Ermittlung der Schadenshöhe stünden im Verhältnis einer Wahlschuld S. 826. 9 BGH NJW 1966, 823. 10 Soergel -Neuner, § 823 Rdnr. 280 und Palandt- Thomas, § 823 Rdnr. 161 bezeichnen die letztgenannte Berechnungsform als Herausgabepflicht entsprechend § 687 Abs. 2 BGB. 11 Vgl. Argumentation des BGH NJW 1966, 826: Gegen die Annahme einer Wahlschuld und für eine bloße unterschiedliche Berechnungsmethode wird hier angeführt, „daß ... [es den Verletzten] in eine unzumutbare Lage bringen [würde], wenn er bereits mit dem Verlangen nach Herausgabe des Verletzergewinns die Möglichkeit des Übergangs auf eine der beiden anderen Berechnungsmethoden verlieren würde; denn der Verletzer hat zumindest die Möglichkeit, einen Gewinn aus dem Vertrieb einer einzelnen Warengattung als nicht eingetreten darzutun; der Beweis, daß ein Gewinn in einer bestimmten Höhe dennoch erzielt worden sei, wäre erfahrungsgemäß nur schwer zu führen."

I. Abgrenzung zu anderen Rechtsfiguren

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Recht zu deren Behandlung als vollständige Nichterfüllung. Die Annahme der h.M., es handele sich bei den Schadensersatzarten um lediglich unterschiedliche Berechnungsmethoden, ist damit nicht haltbar.

3. Ersetzungsbefugnis Ebensowenig ist die Wahlmöglichkeit des Käufers in § 463 BGB als Ersetzungsbefugnis zu weiten. Die Annahme einer Ersetzungsbefugnis setzt voraus, daß eine Leistung primär geschuldet ist, die vom Verpflichteten mit erfüllender Wirkung erbracht werden kann, so lange der Gläubiger nicht tatsächlich die Ersetzung durch die andere Leistung verlangt hat. 1 2 Kennzeichnend für die Ersetzungsbefugnis ist auch, daß diese nur so lange besteht, wie auch der primäre Leistungsinhalt begehrt werden kann. 13 Anders ist es bei der Wahlschuld, wo zwei gleichrangige Leistungen in obligatione sind, 14 so daß bei anfänglicher Unmöglichkeit der einen die andere von Anfang an als allein geschuldet gilt (§ 265 BGB). Keine der Abwicklungsmodalitäten, die dem Käufer gemäß § 463 BGB zur Verfügung stehen, kann als der „normale", primäre Inhalt des Schadensersatzanspruchs bezeichnet werden. Es ist vor allen Dingen nicht zwingend vorrangig, daß der Gläubiger die vertragswidrige Leistung als vollständige Nichterfüllung ansieht. Besteht die Möglichkeit nach Reparaturkosten abzurechnen, kommt gerade der kleine Schadensersatz dem Interesse an vollständiger Erfüllung am nächsten. Auch beim Ersatz des Minderwerts sprechen gerade die Erwägungen, die zur Ersetzbarkeit des Minderwerts führen, gegen die Annahme eines primären Interesses des Gläubigers an der Rückgabe der mangelhaften Sache. Das Recht zur Annahme als Teilleistung wurde aus dem Interesse des Gläubigers am ursprünglichen Vertragsgegenstand entwickelt, ein Interesse, das nicht als zweitrangig gegenüber vollständiger Zurückweisung des Kaufobjektes bezeichnet werden kann. Die Erfassung der Schadensabwicklungsmodalitäten mit der dogmatischen Figur der Ersetzungsbefugnis verbietet sich deshalb schon wegen der Gleichrangigkeit der Leistungsinhalte von großem und kleinem Schadensersatz.

12

Soergel-Wolf, § 262 Rdnr. 20; MünchKomm-Keller, § 262 Rdnr. 12. Staudinger-Stf/fc, § 262 Rdnr. 8; für den Fall der Ersetzungsbefugnis nach § 249 S. 2 BGB MünchKomm-Grunsky, § 249 Rdnr. 14. 14 MünchKomm-fo//er, § 262 Rdnr. 9; Soergel -Wolf, § 262 Rdnr. 20; Staudinger-Selb, § 262 Rdnr. 7. 13

102 D. Das Verhältnis von großem Schadensersatz und kleinem Schadensersatz

II. Sachgerechtigkeit der Bindung an die getroffene Wahl Charakteristisch für die Figur der Wahlschuld ist, daß der Berechtigte an die einmal getroffene Wahl gebunden ist. Bei den übrigen Rechtsfiguren, die zur Beschreibung der Alternativität zwischen kleinem und großem Schadensersatz in Frage kamen, gibt es eine derartige Bindung entweder nicht, oder ihre Existenz ist umstritten. Soweit ein Anspruch auf unterschiedliche Art und Weise berechnet werden kann, ist unstreitig, daß keine Bindung an die gewählte Berechnungsmethode besteht; 15 das gleiche gilt für die elektive Konkurrenz. 16 Bei der Ersetzungsbefugnis ist die Rechtslage dagegen unklar. Teile der Literatur vertreten die Ansicht, daß auch, nachdem die Ersetzungsbefugnis ausgeübt wurde, jederzeit wieder auf den ursprünglichen Leistungsinhalt zurückgegriffen werden könne, 17 teilweise wird das genaue Gegenteil angenommen. 18 Die Rechtsprechung geht von einer ΒindungsWirkung aus, weicht bei Bedarf aber mit Berufung auf § 242 davon wieder ab. 1 9 Sofern eine Bindung des Käufers an die einmal gewählte Schadensersatzart sachgerecht ist, spricht die entsprechende Regelung in § 263 BGB als weiteres Argument für die Annahme einer Wahlschuld in § 463 BGB. Üblicherweise wird die Entscheidungsmöglichkeit des Käufers zwischen kleinem und großem Schadensersatz mit der Wahl zwischen Wandlung und Minderung verglichen und in Anlehnung an den dort möglichen Übergang von einem Rechtsbehelf zum anderen ebenfalls von einer Nichtbindung an die einmal getroffenen Entscheidung ausgegangen. Die Sachlage beim Wechsel zwischen Wandlung und Minderung ist jedoch eine völlig andere als beim kleinen und großen Schadensersatz. Bei Wandlung und Minderung liegt die jeweils zu fordernde Summe mit Entstehung des Anspruchs unveränderlich fest. Im Gegensatz dazu besteht beim Schadensersatzanspruch ein weit größeres Interesse des Verkäufers, den Käufer an die einmal gewählte Abwicklungsform zu binden, unabhängig davon, ob die grundsätzliche Pflicht zum Schadensersatz anerkannt wird. Der Umfang des zu ersetzenden Schadens kann nämlich mit Zeitablauf wachsen, wobei sich die Schadenshöhe für den kleinen und den großen Schadensersatz nicht parallel entwickeln muß. Reparaturkosten können aufgrund einer Verteuerung der

15

BGH NJW 1966, 826. MünchKomm-fo/Zer, § 263 Rdnr. 12; Soergel-Wo// § 263 Rdnr. 7. 17 Staudinger-Se/fc, § 262 Rdnr. 8; Soergel -Mertens, § 249 Rdnr. 1; differenzierend Palandt-Heinrichs, § 249 Rdnr. 3. 18 MünchKomm-fo/ter, § 262 Rdnr. 12 und § 263 Rdnr. 10. 19 BGHZ 121, 26; RG JW 1937, 1145. 16

III. Vereinbarkeit mit der bisherigen Rechtsprechung

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Arbeitskraft steigen, die Preise für vergleichbare Sachen können sich davon zunächst unabhängig entwickeln. Demnach sollte grundsätzlich eine Bindung an die getroffene Wahl bejaht werden. Dagegen könnte allerdings eingewandt werden, daß die Bindung für den Käufer nicht zumutbar ist, wenn der Verkäufer die Abwicklung verzögert. Bei einer Verzögerung der Schadensabwicklung durch den Verkäufer kann aber - wie unten noch ausführlich dargestellt werden w i r d 2 0 - ein neues, von der bisherigen Entscheidung für den großen Schadensersatz unabhängiges Zugriffsrecht entstehen. Die Ausübung dieses Zugriffsrechts ist aber - wie zu zeigen sein wird - kein Abgehen von der gewählten Schadensersatzart. Da dem Käufer mit diesem Zugriffsrecht im Fall verzögerter Rückabwicklung geholfen ist, ist kein Grund ersichtlich, weshalb er sich von der einmal getroffenen Wahl wieder lösen können sollte. Weiterhin geht mit der Annahme der mangelhaften Sache als Teilerfüllung - anders als bei der analog auf den großen Schadensersatz anwendbaren Regelung der §§ 467, 351 BGB - 2 1 die Gefahr des zufälligen Untergangs der Sache auf den Käufer über. Dieser Umstand spricht ebenfalls dafür, daß der Käufer die einmal getroffene Entscheidung für eine Schadensersatzform nicht mehr revidieren darf, da andernfalls eine mehrfache Verschiebung der Gefahr vom Käufer zum Verkäufer und zurück zu befürchten wäre.

III. Vereinbarkeit mit der bisherigen Rechtsprechung zum Wechsel zwischen kleinem und großem Schadensersatz 1. Rechte des Käufers bei verzögerter Schadensabwicklung Die herrschenden Literaturmeinung zitiert für ihre Auffassung zwei Urteile des Bundesgerichtshofes aus den Jahren 1983 und 1990. 22 Diese Urteile stützen die These, bei den Schadensersatzvarianten in § 463 BGB handele es sich lediglich um unterschiedliche Berechnungsmethoden eines Anspruchs, nicht in der Allgemeinheit, wie die Kommentierungen zu vermitteln suchen. Bei den zitierten Entscheidungen handelt es sich jeweils um Sonderfälle, in denen wegen eines besonderen Umstandes dem Käufer das Recht zugestanden wird, die mangelhafte Sache zu behalten: Beiden Fällen ist gemeinsam, daß der Käufer vom Verkäufer zuerst die Rücknahme der

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Sie sogleich unten. MünchKomm-Westermann, § 467 Rdnr. 3; Soergel-Huber, § 463 Rdnr. 45. BGH NJW 1983, 1424; BGH NJW 1990, 2683.

104 D. Das Verhältnis von großem Schadensersatz und kleinem Schadensersatz mangelhaften Sache verlangt und der Verkäufer diese Rücknahme verweigert hat. Dem BGH-Fall des Jahres 1983 lag folgender Sachverhalt zugrunde: 23 Vom Verkäufer eines gebrauchten Mercedes 230 SL war arglistig verschwiegen worden, daß das Kraftfahrzeug keinen typengerechten Motor hatte, was nach § 68 a I I Nr. 3 StVZO zum Erlöschen der Betriebserlaubnis führt. Der Motor war darüber hinaus auch defekt. Der Käufer hatte ursprünglich Schadensersatz unter Rückgabe der Kaufsache begehrt, während des erstinstanzlichen Verfahrens das Fahrzeug jedoch weiterverkauft und sodann nur noch Ersatz für die Kosten des Einbaus eines typengerechten Motors sowie angefallene Gutachterkosten verlangt. Das Landgericht gab der Klage statt, das Oberlandesgericht hielt dagegen den vereinbarten Gewährleistungsausschluß wegen der zusätzlich vorliegenden Funktionsunfähigkeit des Motors für durchgreifend. In der Revision gestand der BGH den Minderweit des defekten Fahrzeuges, den der Käufer anhand der Kosten für den Einbau eines funktionsfähigen Motors berechnete, zu. Auch das Urteil aus dem Jahre 1990 handelt von einem Gebrauchtwagenverkauf. 24 Der Käufer des Kraftfahrzeuges machte arglistiges Verschweigen eines Getriebeschadens sowie gemäß StVZO unzulässige unterschiedliche Bereifung der Vorder- und Hinterachse geltend. Das Landgericht wies die Klage auf Ersatz von Gutachterkosten und Rückzahlung des Kaufpreises gegen Rückgabe des Fahrzeugs wegen Ausschlusses der Gewährleistung ab. Der Käufer veräußerte nach diesem Urteil das mangelhafte Fahrzeug und ging in die Berufung, in der er weiterhin die Gutachterkosten von rund 700 D M sowie an Reparaturkosten berechneten Minderweit in Höhe von 1900 D M verlangte. Das Berufungsgericht wies das Rechtsmittel wegen zu geringer Beschwer als unzulässig zurück. Nach seiner Ansicht war der Käufer durch das erstinstanzliche Urteil lediglich in Höhe von 700 D M beschwert, über den jetzt verlangten Minderwert sei gar nicht befunden worden. Diese Entscheidung wurde vom Bundesgerichtshof mit der Begründung aufgehoben, daß der Käufer in der Berufung nicht einen neuen Anspruch geltend mache, hinsichtlich dessen er durch das erstinstanzliche Urteil nicht beschwert sein könne, sondern daß nur eine andere Berechnung des bereits in erster Instanz begehrten Schadensersatzanspruchs erfolgt sei.

a) Interesse des Käufers in den entschiedenen Fällen Untersucht man bei beiden Sachverhalten, welches Interesse die Käufer an den mangelhaften Kaufgegenständen geltend machen, so gelangt man zu 23 24

BGH NJW 1983, 1424. BGH NJW 1990, 2683.

III. Vereinbarkeit mit der bisherigen Rechtsprechung

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dem Ergebnis, daß keiner der im ersten Teil dieser Arbeit aufgezeigten Gründe für das Behalten einer mangelhaften Sache vorliegt. Die Käufer hatten offensichtlich weder ein besonderes Interesse an der gegenständlichen Eigenart der Kaufobjekte noch waren sie auf den Erhalt gerade dieser Gegenstände angewiesen. Nur so erklärt sich ihre ursprüngliche Forderung an die Verkäufer, das Kaufobjekt zurückzunehmen. Erst durch die Weigerung der Verkäufer, die mangelhafte Sache im Rahmen eines Schadensersatzanspruchs zurückzunehmen, entstand für die Käufer ein Bedürfnis, auf die Sache zuzugreifen, da sie sich in einem für den Gewährleistungsgläubiger nach § 463 BGB typischen Dilemma befanden: Üblicherweise hat der Käufer - wie hier - bei Geltendmachung des gewährleistungsrechtlichen Schadensersatzanspruchs das Kaufobjekt entgegengenommen und den Kaufpreis bezahlt. Er muß deshalb, will er mit seinem Schadensersatzanspruch durchdringen, beweisen, daß die Kaufsache nicht dem Vertrag entsprochen hat und daß eine Zusicherung bzw. ein arglistiges Verschweigen vorlag. 25 Dies gilt zumindest, wenn er es in Unkenntnis der Abweichung des Kaufobjekts von den vertraglichen Vereinbarungen versäumt hat, die Sache zurückzuweisen, und so verhindert hat, daß der Verkäufer seinerseits zum Beweis einer vertragsgemäßen Leistung verpflichtet bleibt. 2 6 Verweigert der Verkäufer in dieser Situation die Rücknahme des Kaufobjektes, so steht der Käufer vor dem Dilemma, daß er zwar die Kaufsache ablehnt, weil sie seinen Interessen nicht genügt, er aber darüber im ungewissen ist, ob er am Ende den Prozeß gewinnt oder ob er das Kaufobjekt doch behalten muß. Diese Situation ist für den Käufer besonders mißlich, wenn der Wert des Kaufobjekts mit Zeitablauf sinkt oder sich eine günstige Gelegenheit zur Veräußerung der ungewollten Sache bietet. Als Ausweg aus der oben beschriebenen Lage muß dem Käufer eine rechtliche Möglichkeit gegeben werden, den Kaufgegenstand vorsorglich zu verwerten, ohne sein Interesse an einer Schadensabwicklung nach den Grundsätzen des großen Schadensersatzes aufgeben zu müssen. Er muß deshalb das Recht erhalten, auf das mangelhafte Objekt zuzugreifen und dessen Wert auf seinen Schadensersatzanspruch anzurechnen. Anders als bei den bisher erörterten Fällen eines kleinen Schadensersatzes wird die vertragswidrige Sache also nicht auf den ursprünglichen Vertragsanspruch als Teilerfüllung angerechnet, sondern auf den Schadensersatzanspruch des Käufers, der sich bei Rückgabe des Kaufobjektes ergibt.

25

MünchKomm-Westermann, § 459 Rdnr. 99; Staudinger-Z/o/ue//, § 459 Rdnr. 184; Baumgärtel, Handbuch der Beweislast im Privatrecht § 459 Rdnr. 3 f. 26 Zu Institut und Rechtsfolgen der Zurückweisung vergleiche Ernst, NJW 1997, 896; Rieble, JZ 1997, 485.

106 D. Das Verhältnis von großem Schadensersatz und kleinem Schadensersatz Der Unterschied dieser beiden Sichtweisen wird deutlich, wenn man einen Fall bildet, in dem der Käufer den Kaufgegenstand günstig weiterverkaufen wollte und der Weiterverkauf aufgrund der Mangelhaftigkeit scheitert. Hier steht dem Käufer zunächst nur die Alternative offen entweder den entgangenen Gewinn unter Rückgabe der Sache zu verlangen oder kleinen Schadensersatz, d.h. Minderwert oder Reparaturkosten je nach Art des Mangels. Er könnte hier zunächst nicht unter Behalten der Sache seinen konkret entgangenen Gewinn einfordern. Eine solche Schadensberechnung wäre widersprüchlich, 27 da der Käufer einerseits mit Forderung des entgangenen Gewinns das Interesse daran geltend macht, daß die Sache für seine Zwecke völlig untauglich war und gleichzeitig dieselbe Sache als Teilerfüllung annimmt. Der Sachverhalt ist aber dann anders zu beurteilen, wenn sich der Verkäufer weigert, die Sache zurückzunehmen. Hier muß aus den oben beschriebenen Gründen der Käufer das Recht haben, die Sache zu verwerten, obwohl er zunächst kein Interesse an ihr hatte, und ohne daß sein Anspruch auf entgangenen Gewinn als widersprüchlich wegen des Behaltens des Kaufobjektes abzuweisen wäre. Vor diesem Hintergrund sind die Äußerungen des BGH im zweiten der angeführten Gebrauchtwagenfälle zu verstehen. 28 Der BGH hat erklärt, daß der Käufer in der Berufung nicht einen neuen Anspruch geltend mache, hinsichtlich dessen er durch das erstinstanzliche Urteil nicht beschwert sein könne, sondern daß nur eine andere Berechnung des bereits in erster Instanz begehrten Schadensersatzanspruchs erfolge. Diese Aussage ist für den konkret entschiedenen Fall aufgrund der Besonderheit, daß der Verkäufer sich weigerte, den Kaufgegenstand zurückzunehmen, zutreffend. Eine allgemeine Stellungnahme des Bundesgerichtshofes zum Thema des Verhältnisses großer und kleiner Schadensersatz ist in dieses Urteil jedoch nicht hereinzuinterpretieren. Der BGH hat es wohlweislich vermieden, die Begriffe kleiner und großer Schadensersatz zu verwenden. Damit beschränkte er selbst die Tragweite seiner Äußerungen auf den konkret entschiedenen Fall. Der Bundesgerichtshofs hat in beiden Gebrauchtwagenkauffällen Schadensersatz in Höhe des Minderwertes zugesprochen. Dieser Schadensumfang errechnet sich aus der Differenz des Wertes des Kaufobjektes in vertragsgemäßem Zustand, der als großer Schadensersatz zu ersetzen gewesen wäre, 29 und dem Wert der einbehaltenen mangelhaften Sache. Die Zuerkennung eines Anspruchs in Höhe der Reparaturkosten war in diesen Fällen wirklich nichts anderes als eine vereinfachte Methode zur Berechnung des 27

S. bereits o. S. 92. BGH NJW 1990, 2683. 29 Der große Schadensersatz wurde hier jeweils mit dem Kaufpreis gleichgesetzt, was bei einem Verkauf zum Marktpreis richtig ist. 28

III. Vereinbarkeit mit der bisherigen Rechtsprechung

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Minderwertes. Die Gleichsetzung von für die Nutzung des Fahrzeuges notwendigen Reparaturkosten mit dem Minderweit ist bei Kraftfahrzeugen sachgerecht, da ein Kraftfahrzeug normalerweise nur auf eine Art und Weise, nämlich als Beförderungsmittel, verwendet werden kann 3 0 und deshalb jeder Nutzer zuerst diese Kosten aufzubringen hat. Auch in der BGH-Entscheidung vom 06.12.1995 31 lassen sich das Interesse des Käufers an dem mangelhaften Kaufobjekt und sein ersatzfähiger Schaden nur durch die Weigerung des Verkäufers erklären, die Sache zurückzunehmen. Wie bereits an früherer Stelle berichtet, 32 handelte der Fall davon, daß ein Drucktanklastwagen mit defektem Druckbehälter verkauft worden war. Der BGH ging bei der Schadensberechnung von der Ersetzbarkeit der Kosten für den Aufbau eines neuen Behälters aus, zog von diesen Kosten jedoch so große Posten ab, daß am Ende nur ein dem Minderweit entsprechender Betrag ersetzt wurde, wodurch der Ansatz der Schadensberechnung nach Reparaturkosten wieder in Frage gestellt ist. Gewichtet man in diesem Sachverhalt den Umstand richtig, daß der Verkäufer die ursprünglich verlangte Rücknahme des Lastwagens ablehnte, so läßt sich auch hier der Ersatz des Minderwertes problemlos mit dem Prozeßrisiko des Käufers und dem daraus folgenden Zugriffsrecht auf die Sache erklären.

b) Schadensminderung Die soeben dargestellten Fälle ähneln einer anderen Form der Schadensberechnung, bei denen der Käufer das mangelhafte Objekt dem Verkäufer nicht zurückgibt und die sogar von Teilen der Literatur als Fälle des großen Schadensersatzes anerkannt werden. Derleder/Abramjuk haben herausgearbeitet, daß der Käufer aus Schadensminderungsgründen die Obliegenheit haben kann, den Kaufgegenstand auf Rechnung des Verkäufers zu verwerten, wenn dadurch die Entstehung weiteren Schadens vermieden wird. 3 3 Zur Veranschaulichung führen die Autoren den Verkauf eines Hausgrundstückes an, hinsichtlich dessen dem Erwerber die baurechtliche Zulässigkeit eines Ausbaus zugesichert wird und der deshalb mit einem bestimmten Mietertrag rechnen darf. Die Baugenehmigung wird verweigert. Der Käufer erzielt ohne Ausbau wesentlich geringere Mieteinnahmen und kann mit diesen seine Finanzierungskosten nicht bewältigen. Er verlangt Schadensersatz unter Rückgabe des Grund30 31 32 33

Vgl. BGHZ 66, 239, 244. BGH NJW 1996, 584. S. o. S. 54 ff. Derleder/Abramjuk, AcP 190 (1990), 625, 644 ff.

108 D. Das Verhältnis von großem Schadensersatz und kleinem Schadensersatz stückes, auf den sich der Verkäufer ohne Urteil nicht einläßt. Hier kann der Käufer zur Schadensminderung das Haus für Rechnung des Verkäufers veräußern, ohne daß dadurch von der Geltendmachung des kleinen Schadensersatzes auszugehen wäre. 34 Um Schadensminderung geht es ebenfalls in dem Sachverhalt, der dem BGH-Urteil vom 09.10.1991 zugrunde lag. 3 5 Einer Käuferin in Tunis wurde Polyethylen-Granulat mit falscher Dichte geliefert. Die Käuferin verlangte Rücknahme der Lieferung. Als dieser Forderung nicht nachgekommen wurde, warf sie das Granulat auf den Müll, machte aber weiterhin ihren Schadensersatzanspruch geltend, den sie nur mit der Maßgabe veränderte, das Granulat nicht mehr zurückgeben zu können. Während der BGH von einem Übergang vom großen zum kleinen Schadensersatz ausging, 36 hat Huber 37 richtigerweise dargelegt, daß es hier um einen Fall der Schadensbegrenzung ging. Die Käuferin machte keinerlei Interesse an dem Granulat geltend. Das Granulat wurde von der Käuferin entsorgt, um weitere Lagerungskosten zu sparen. Von einer Annahme der vertragswidrigen Lieferung zur eigenen Verwertung kann deshalb keine Rede sein. Dagegen spricht bereits der Umstand, daß der Wert des gelieferten Granulats von der Käuferin mit Null angesetzt wurde: Vor und nach angeblichem Wechsel zum kleinen Schadensersatz verlangte sie vom Verkäufer den gleichen Betrag als Schadensersatz. Die Prämisse des BGH, es läge ein Übergang zum kleinen Schadensersatz vor, ist folglich unrichtig. 38 Richtig ist dagegen, daß lediglich eine andere Berechnung des Schadensersatzanspruchs der Käuferin erfolgte. Aus dieser Feststellung können aber wiederum keine Schlußfolgerungen für das Verhältnis kleiner/großer Schadensersatz gezogen werden, da das Urteil keinen Fall des kleinen Schadensersatzes zum Gegenstand hatte. Die Fälle der Schadensminderung unterscheiden sich lediglich insoweit von dem oben unter a) dargestellten Zugriffsrecht des Käufers, als die Verwertung des Kaufobjektes nicht der Abwehr des für den Käufer bestehenden Prozeßrisikos dient, sondern einer letztlich dem Verkäufer zugute kommenden Schadensminderung. Dementsprechend gehen Derleder/Abramjuk davon aus, daß ein durch die Veräußerung erzielter Gewinn dem Verkäufer gutzuschreiben ist. 3 9 Die Rechtsprechung hat in den zuvor beschriebenen 34

Derleder/Abramjuk, AcP 190 (1990), 646. BGHZ 115, 286 = NJW 1992, 566 = JZ 1992, 588. 36 NJW 1992, 568. 37 Huber, ZIP 1993, 896, 900 f. 38 BGH NJW 1992, 568. Ebenso falsch ist der häufige Verweis in der Literatur auf dieses Urteil unter dem Stichwort kleiner Schadensersatz vgl. Staudinger-Z/onsell, § 463 Rdnr. 57; Altmeppen, ZIP 1992, 449 f.; Heinrichs, Kurzkommentar, EWiR 1992, 66. 35

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Zugriffsfällen anders entschieden und den Gewinn aus den Weiterverkäufen nicht bei der Schadenshöhe berücksichtigt, sondern das Kaufobjekt lediglich in Höhe seines Wertes angerechnet. Ob diese Differenzierung gerechtfertigt ist, läßt sich nur anhand der Rechtsgrundlagen entscheiden, auf die sich die Käufer für den Weiterverkauf des Objektes stützen können. Beiden Konstellationen gemeinsam ist aber auf jeden Fall die Einordnung als Form des großen Schadensersatzes.

c) Rechtsgrundlage Anders als in dem von Derleder/Abramjuk behandelten Fall sowie bei der Entsorgung des mangelhaften Polyethylens handelte der Käufer in den Fällen, die den BGH-Entscheidungen zugrunde liegen, die im übrigen für den jederzeitigen Übergang vom großen auf den kleinen Schadensersatz zitiert werden, 40 nicht zur Schadensminderung. Das Zugriffsrecht des Käufers, das unserer Ansicht nach die Entscheidungen im Ergebnis trägt, kann also nicht auf § 254 Abs. 2 S. 1 BGB gestützt werden. Es stellt sich die Frage, welche gesetzliche Grundlage zu seiner Rechtfertigung herangezogen werden kann. Nach herrschender Meinung hat der Käufer, wenn er großen Schadensersatz verlangt, die Verpflichtung, das mangelhafte Objekt analog §§ 346 ff. BGB dem Verkäufer zurückzugeben. Das Verlangen nach dem großen Schadensersatz stellt ein Angebot zur Rückgabe der Kaufsache dar. Daraus folgt, daß in den entschiedenen Fällen, in denen der Verkäufer die Rückabwicklung verweigerte, der Tatbestand des Annahmeverzugs erfüllt war (§ 295 BGB). Für die Situation des Annahme Verzuges bieten §§ 383 ff. BGB und - für den Handelskauf - § 373 Abs. 2 HGB Regelungen, die dem Schuldner die Veräußerung der geschuldete Sache gestatten. Über den Weg der §§ 383 ff. BGB könnten die vom BGH erzielten Ergebnisse folglich ebenfalls begründet werden, indem der für den Verkäufer gemäß diesen Vorschriften zu hinterlegende Veräußerungserlös mit dem Schadensersatzanspruch des Käufers aufgerechnet würde. Die genannten Vorschriften stützen daher die Auffassung, daß dem Käufer als Schuldner des Rückgewähranspruchs analog § 346 S. 1 BGB ein Recht zum Zugriff auf die Sache zusteht. Freilich liegt auf der Hand, daß die ergangenen Entscheidungen nicht unmittelbar aus §§ 383 BGB oder § 373 Abs. 2 HGB hergeleitet werden. Denn beide Vorschriften gestatten die Veräußerung des Schuldgegenstandes nur im Rahmen eines bestimmten Verfahrens (öffentliche Versteigerung oder Verkauf durch einen Handelsmakler). 39 40

Derleder/Abramjuk, AcP 190 (1990), 646. BGH NJW 1983, 1424; BGH NJW 1990, 2683.

110 D. Das Verhältnis von großem Schadensersatz und kleinem Schadensersatz Indes gehört die Regelung der § 383 ff. BGB zu den am wenigsten gelungenen Partien des Bürgerlichen Gesetzbuches. Das nach diesen Vorschriften zu beachtende Verfahren ist in der Praxis nur schwer zu handhaben. Der Selbsthilfeverkauf führt typischerweise zu einer Veräußerung der Sache unter Wert 4 1 und berücksichtigt damit nicht das beschriebene Dilemma des Käufers, der nicht weiß, für wessen Rechnung er am Ende veräußert. Die Vorschriften sehen lediglich das Interesse des Schuldners, sich der Sache zu entledigen. Die Problematik, daß dieser Schuldner seinerseits einen Gegenanspruch gegen seinen Vertragspartner haben könnte, hat in die Regelung keinen Eingang gefunden. 42 Die schwerwiegenden Mängel der Regelung der §§ 383 ff. BGB sind ein hinreichender Grund dafür, daß der BGH in den entschiedenen Fällen nicht auf diesen Weg verwies, sondern es dem Käufer gestattete, außerhalb des dort vorgesehenen Verfahrens auf das Kaufobjekt zuzugreifen. Der (denkbare) Einwand, die Mängel der §§ 383 ff. BGB kämen bei jeder Anwendung dieser Vorschriften auf einen gegenseitig Vertrag zum Tragen und rechtfertigten deshalb nicht die Annahme eines besonderen Zugriffsrechts für den Gläubiger eines großen Schadensersatzanspruches, ist unzutreffend. Allerdings wird die Ungewißheit, ob ein Verkauf gemäß §§ 383 ff. BGB rechtmäßig ist, d.h. ob tatsächlich eine Abnahmeverpflichtung des Gläubigers besteht, wohl in den meisten Hinterlegungs- oder Verkaufsfällen nach §§ 372 ff. BGB bestehen, zumindest insoweit als der Schuldner diese Rechte nicht nur deshalb wahrnimmt, weil ihm der Aufenthaltsort des Gläubigers unbekannt ist oder sonstige in der Person des Gläubiger liegende Gründe vorliegen (§ 372 S. 2 BGB). Nach der gegenwärtigen Rechts-praxis stehen einem Gläubiger in den praktisch wichtigsten Fällen eines Annahmeverzugs aus gegenseitigem Vertrag jedoch andere Rechtsbehelfe zur Verfügung, so daß er auf das schwerfällige Verfahren der §§ 383 ff. BGB nicht angewiesen ist. Ein Verkäufer, dessen Käufer seine Ware entgegen § 433 Abs. 2 BGB nicht abnimmt, hat beispielsweise die Möglichkeit sich über § 326 Abs. 1 S. 2 BGB durch Erklärung des Rücktritts vom Vertrag zu lösen und die Sache wieder in sein Vermögen einzubeziehen. 43 W i l l er seinen Gewinn aus dem betreffenden Geschäft behalten, was beim Rücktritt nicht möglich ist, so kann er ebenfalls über § 326 Abs. 1 S. 2 BGB Schadensersatz verlangen und diesen nach der sogenannten Differenzmethode berechnen, mit der Folge, daß er das Kaufobjekt gegen Anrechnung zum objektiven Wert behalten kann und seine Verpflichtung zur Gegenlei41

MünchKomm-//^i>znc/u, § 383 Rdnr. 1. Dies zeigt sich schon daran, daß das vorgeschriebene Verfahren nicht auf Grundstücke anzuwenden ist. Hier kann sich der Schuldner ja durch einfache Aufgabe des Besitzes der Sache entledigen. 43 Hierauf weist ausdrücklich Staudinger-Oten, § 383 Rdnr. 2 hin. 42

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stung in Höhe des Wertes der eigenen Leistung entfällt. 44 Im Rahmen der Differenztheorie gibt die herrschende Meinung dem Verkäufer des weiteren die Möglichkeit, seinen Schaden auf der Grundlage eines konkreten DekkungsVerkaufs geltend zu machen, 45 auf den das Verfahren der §§ 383 ff. BGB nach allgemeiner Ansicht keine Anwendung findet. 46 Bereits das Reichsgericht ging von einer Dualität der Verfahrensweisen nach §§ 383 ff. BGB und des Deckungsverkaufs aus. 47 Das dargestellte Zugriffsrecht des Käufers bei Weigerung seines Verkäufers, die mangelhafte Sache zurückzunehmen, fügt sich damit in die nach derzeitiger Rechtsprechung und herrschender Lehre bestehenden Rechtsbehelfe bei gestörten, gegenseitigen Austauschverhältnissen ein. Es ist das im Rahmen eines Rückgewährschuldverhältnisses bestehende Pendant zur Schadensabwicklung nach der Differenzmethode beim gestörten Austausch von Primärverpflichtungen. Bezeichnenderweise wird die Schadensberechnung nach der Differenzmethode in der Literatur vereinzelt auch als kleiner Schadensersatz bezeichnet. 48 Wenn das Zugriffsrecht nicht den Verfahrensregeln der § 383 ff. BGB untersteht, so ist auch die Lösung des Tankwagenfalles erklärbar: das Zugriffsrecht kann nicht nur durch Veräußerung, sondern auch durch eigene Nutzung der fraglichen Sache ausgeübt werden, so lange nur der Wert des Kaufobjektes auf den Schadensersatzanspruch angerechnet wird. 4 9 Im Verfahren nach §§ 383 ff. BGB und § 373 Abs. 2 HGB wird die Sache für Rechnung des Gläubigers verkauft. Muß in Analogie dazu auch der Käufer, der von seinem Zugriffsrecht bei verzögerter Rückabwicklung Gebrauch macht, einen etwaigen Gewinn aus der anderweitigen Weiterveräußerung an den Verkäufer auskehren? Während sich im Falle des defekten 44

Palandt-Heinrichs, § 325 Rdnr. 10; Soergel -Wiedemann, § 325 Rdnr. 31; Staudinger-Oito, § 325 Rdnr. 31. Otto ist der Ansicht, daß die Differenzmethode gerade deshalb berechtigt ist, weil, „der Gläubiger nicht gezwungen werden darf, seine Gegenleistung zu erbringen, obwohl der geplante Leistungsaustausch in vom Schuldner zu vertretender Weise gescheitert ist", Rdnr. 38. 45 Palzndt-Heinrichs, § 325 Rdnr. 3; Staudinger-Oito, § 325 Rdnr. 114; SoergelWiedemann, § 325 Rdnr. 57; BGH NJW-RR 1997, 654. 46 MünchKomm-Emmerich, § 325 Rdnr. 114. 47 RGZ 110, 155 ff. Ebenso MünchKomm-Emmerich, § 325 Rdnr. 111. 48 Staudinger-Oito, § 325 Rdnr. 44. Dies darf aber nicht darüber hinweg täuschen, daß hinter der Schadensberechnung nach der Differenzmethode etwas ganz anderes steht als hinter den Fällen, die im Rahmen dieser Arbeit als kleiner Schadensersatz bezeichnet werden. Während es beim kleinen Schadensersatz um das nach dem ursprünglichen Vertrag bestehende Recht des Käufers auf den Vertragsgegenstand geht, steht bei der Differenzmethode die Berücksichtigung der ausstehenden Gegenleistung bei der Schadensabwicklung im Vordergrund. 49 Vgl. für die Differenzmethode: Staudinger-Oito, § 325 Rdnr. 76.

112 D. Das Verhältnis von großem Schadensersatz und kleinem Schadensersatz Tanklastwagens diese Frage nicht stellte, da der Käufer das Objekt selbst nutzte und ein Mehrwert damit nicht erzielt wurde, wurde in den beiden anderen Fällen der aus dem Weiterverkauf erzielte Gewinn vom BGH ausdrücklich nicht auf den Schadensersatzanspruch angerechnet. Dies entspricht wiederum den Ergebnissen der Rechtsprechung bei der Schadensberechnung nach der Differenzmethode. Dort ist für den Deckungsverkauf anerkannt, daß der Verkäufer einen Mehrerlös behalten darf. 50 Die Vorgehensweise nach der Differenzmethode widerspricht im übrigen auch nicht der hinter den Verfahrensvorschriften der §§ 383 ff. BGB stehenden Intention des Gesetzes. Gerade der Vergleich zwischen § 383 und § 385 BGB zeigt, daß die Verfahrensvorschriften im wesentlichen den im Annahmeverzug befindlichen Gläubiger davor schützen sollen, daß „seine" Sache verschleudert wird und er so einen Schaden erleidet. 51 Da der Gläubiger jedoch nach der Differenzmethode den Wert der Sache erhält, ist diesem Interesse genüge getan. Analog zur Regelung des § 384 BGB, nach der eine Versteigerung dem Gläubiger anzudrohen ist, ist vom Käufer in den hier erörterten Fällen allerdings zu fordern, daß er seinen Zugriff auf die Sache dem Vertragspartner androht. Nach erfolgter Androhung der Veräußerung ist dem Verkäufer die Berufung darauf zu verwehren, er hätte durch eigenen Verkauf der Sache einen höheren Wert erzielt. Er muß sich nach Treu und Glauben daran festhalten lassen, daß er die Sache nicht wie angeboten - zurückgenommen hat. Es bleibt zusammenzufassen: Verkauft der Käufer den Kaufgegenstand eigenhändig weiter oder nutzt er die Sache selbst, ohne daß er aus Schadensminderungsgesichtspunkten handelt, so ist der Wert der Sache, unabhängig vom tatsächlichen Weiterverkaufspreis, mit seinem Anspruch auf großen Schadensersatz zu verrechnen. Ein über den Wert der Sache hinausgehender Weiterverkaufserlös verbleibt dem ursprünglichen Käufer. Das Recht zu einer entsprechenden Vorgehensweise ergibt sich allein aus dem Anspruch auf großen Schadensersatz des Käufers, der Weigerung des Verkäufers, die Sache zurückzunehmen sowie den Grundsätzen der Schadensberechnung nach der Differenzmethode. Die §§ 383 ff. BGB finden darüber hinaus keine Anwendung.

2. Die Teilanspruchsthese Mit der als falsch erkannten Vorstellung, bei kleinem und großen Schadensersatz handele es lediglich um zwei verschiedene Berechnungsmetho50 Soergel-Wiedemann, § 325 Rdnr. 57; Rdnr. 115; Staudinger-Oito, § 325 Rdnr. 76. 51 So auch Staudinger-O/zen § 383 Rdnr. 1.

MünchKomm-Emmerich,

§ 325

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den, eng verbunden ist die Lehre, der kleine Schadensersatzanspruch sei ein Teilanspruch des großen. Auf diese Weise gelangt man im übrigen zum Minderwert als Inhalt des Anspruchs auf kleinen Schadensersatz, indem man vom Wert des Kaufobjektes im mangelfreien Zustand, dem Inhalt des Anspruchs auf großen Schadensersatz, den Wert der behaltenen mangelhaften Sache einfach abzieht. Es ist zu vermuten, daß sich der Bundesgerichtshof in seiner ersten Äußerung zum kleinen Schadensersatz, 52 mit der die Minderwertsthese eingeführt wurde, von ähnlichen Überlegungen hat leiten lassen. In dieser Entscheidung stützt sich der BGH auf ein früheres Reichsgerichtsurteil. 53 Dieses Urteil wurde allerdings vom Bundesgerichtshof falsch interpretiert: Aus dem RG-Urteil ergibt sich keineswegs, daß der Anspruch auf kleinen Schadensersatz lediglich ein Teilanspruch des großen Schadensersatzes sei. Das Reichsgericht hatte über eine Klage zu befinden, mit der die Käuferin eines Hausgrundstückes dafür Ersatz verlangte, daß der Verkäufer einen Schwammbefall arglistig verschwiegen hatte. Die Besonderheit des Falles lag darin, daß die Käuferin das Grundstück unabhängig von der Mangelhaftigkeit zu teuer erworben hatte und deshalb versuchte, Minderungs- und Schadensersatzgedanken zu vermischen. Das Reichsgericht listet die verschiedenen der Käuferin zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfe auf und unterscheidet genau zwischen ihnen: „Für die Verwirklichung dieses Anspruches [des Anspruchs auf Schadenersatz] standen ihr [der Käuferin] drei Möglichkeiten offen. Einmal konnte sie eine angemessene Herabsetzung des Kaufpreises fordern, dies jedoch nur dann, wenn sie dartat, daß der Beklagte das Haus auch zu einem geringeren Preise hergegeben haben würde ... Ferner konnte sie die Annahme des Hauses ablehnen und den durch die Nichterfüllung des ganzen Vertrages entstehenden Schaden begehren ... Endlich durfte sie das Haus behalten und den Ausgleich dafür, daß das Haus Schwamm aufwies, in Geld verlangen, diesen beschränkten Schadensersatzanspruch [Hervorhebung der Verfasserin] hat sie in der Berufungsinstanz erhoben." Im Rahmen der umfangreichen Ausführungen zur Berechnung von Minderung und Schadensersatz streifte das Reichsgericht die Problematik, ob die Kosten für die Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes verlangt werden könnten. Das Gericht unterschied die Berechnung von Minder(verkaufs)wert (als Ansatzpunkt für die Minderung) und Schadensersatz streng. In Anknüpfung daran, daß das Berufungsgericht den für § 472 Abs. 1 BGB zu ermittelnden Minderwert nach den Beseitigungskosten für den Hausschwamm berechnet hatte, führte das Reichsgericht aus: 52 53

BGH NJW 1965, 34. RG JW 1931, 3270.

114 D. Das Verhältnis von großem Schadensersatz und kleinem Schadensersatz „Es kann hier dahingestellt bleiben, ob jene Berechnungsmethode (Ersatz der Kosten für die Beseitigung des Hausschwammes) einen geeigneten Weg für die Errechnung des Schadensersatzanspruchs der Klägerin bilden kann, nicht aber bietet sich ein solcher Weg für die Errechnung des seinem Wesen nach von dem Schadensersatzanspruch völlig verschiedenen Minderungsanspruchs. Nach § 472 Abs. 1 BGB ist unter anderem der wirkliche Wert der Sache, also ihr Verkäuflichkeitswert in dem mangelhaften Zustande, zu ermitteln. Danach war hier festzustellen, welchen Kaufpreis das Grundstück im Oktober 1926 in dem mit Schwamm behafteten Zustand erzielt haben würde. Das hing auch von der damaligen Marktlage für Grundstücke der hier fraglichen Art und Lage und vor allem davon ab, in welcher Weise die für den Ankauf solcher Grundstücke in Betracht kommenden Kreise damals schwammbehaftete Häuser zu bewerten pflegten."

Zwar ist zuzugestehen, daß aus der Umschreibung des kleinen Schadensersatzes als „Ausgleich dafür, daß das Haus Schwamm auswies, in Geld" geschlossen werden könnte, daß mit dem kleinen Schadensersatz nur ein Teilvermögensschaden im Vergleich zum großen auszugleichen sei. Wenn aber andererseits das Reichsgericht die Mangelbeseitigungskosten als zu ersetzenden Schaden beim Behalten des Hauses in Erwägung zog, kann aus dieser Stelle und der Bezeichnung des kleinen Schadensersatzes als „beschränkten" Schadensersatzanspruch nicht gefolgert werden, daß das Gericht von einem Teilanspruch im Vergleich zum großen Schadensersatzanspruch ausging. Unterstellte man dies, müßte man den Richtern Widersprüchlichkeit vorwerfen, denn sie hätten dann die Kosten für die Beseitigung des Schwamms mit der Differenz aus dem Wert des Hauses ohne Schwamm und jenem in seinem tatsächlichen Zustand gleichgesetzt, was zuvor jedoch gerade verworfen wurde. Mit dem Ausdruck „beschränkt" wurde nur verdeutlicht, daß die Käufer auf ihr Recht verzichtet hatten, das schwammbefallene Haus als vollständige Nichterfüllung zu behandeln. Das Reichsgerichtsurteil widerspricht damit ebenfalls nicht der hier aufgestellten These.

I V . Prozessuale Auswirkungen 1. Wechsel zwischen kleinem und großem Schadensersatz im Prozeß Kleiner und großer Schadensersatz sind im Prozeß zwei verschiedene Streitgegenstände. Diese Feststellung ist unabhängig von dem Theorienstreit um den ein- oder zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff 54 und auch von der Einordnung der Wahlmöglichkeiten des Käufers als Wahlschuld. Sie ergibt sich einfach daraus, daß der Klagantrag bei kleinem und großem Schadensersatz aufgrund der eingeklagten Schadenshöhe unterschiedlich ist 54

Thomas-Putzo, Einleitung I I Rdnr. 5 f; Zimmermann, Einleitung Rdnr. 16.

IV. Prozessuale Auswirkungen

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und damit eine Änderung des Klageantrages erfolgt, was kennzeichnend für eine Streitgegenstandsänderung ist. 5 5 Wegen des Vorliegens zweier Streitgegenstände ist der Übergang von einer Schadensersatzform auf die andere eine Klageänderung. Daraus folgt wiederum, daß ein Übergang vom kleinen zum großen Schadensersatz (und umgekehrt) grundsätzlich an § 263 ZPO zu messen ist. Er ist also nur bei Sachdienlichkeit oder Zustimmung des Gegners möglich. Eine solche sachdienliche Klagänderung liegt insbesondere dann vor, wenn der Anspruchsberechtigte eine Schadensersatzform einklagt und sich dann im Prozeß herausstellt, daß seine Klage unbegründet ist, weil er bereits vor Prozeßbeginn die andere Schadensersatzform gewählt hat. Die Vorschrift des § 264 Nr. 2 ZPO ist dagegen nicht auf den Übergang von großem zu kleinem Schadensersatz (oder umgekehrt auf den Übergang von kleinem zu großem Schadensersatz) im Prozeß anwendbar. Hinter den Anträgen auf kleinen bzw. großen Schadensersatz steht jeweils ein anderer Lebenssachverhalt/Klagegrund, was zum Ausschluß der Anwendbarkeit des § 264 ZPO führt. 56 Beim kleinen Schadensersatz ist vom Anspruchsberechtigten zusätzlich zu den sonstigen Anspruchsvoraussetzungen die Tatsache einer Annahme der mangelhaften Sache als Teilerfüllung geltend zu machen. Beim großen Schadenersatz wird dagegen Ersatz für eine vollständige Nichterfüllung begehrt, der geleistete Gegenstand insgesamt als erfüllungsuntauglich gewertet. Von einer bloßen Erweiterung oder Beschränkung des Klageantrags im Sinne von § 264 Nr. 2 ZPO kann deshalb keine Rede sein, was sich im übrigen bereits aus der Qualifikation der Schadensformen als Wahlschuld und nicht lediglich als unterschiedliche Berechnungsmethode ergibt. Die Änderung im Klagegrund wird von den Literaturmeinungen verkannt, die § 264 ZPO auf die beiden Schadensersatzvarianten für anwendbar halten. Ihre Einordnung beruht auf der falschen Qualifikation von kleinem und großem Schadensersatz als unterschiedlichen Berechnungsformen eines Anspruchs und führt deshalb hinsichtlich § 264 Nr. 2 ZPO zwingend zum falschen Ergebnis. 57 Die Ablehnung eines voraussetzungslos zulässigen Wechsels vom kleinen zum großen Schadensersatz im Prozeß sowie die Ablehnung einer Anwendbarkeit des § 264 Nr. 2 ZPO auf diesen Übergang scheint den BGH-Entscheidungen NJW 1983, 1424, NJW 1990, 2683 und BGHZ 115, 286 zu widersprechen. Bereits oben hatten wir jedoch festgestellt, daß bei diesen 55

Zöller, ZPO § 263 Rdnr. 2; Baumbach/Lauterbach-//arima>w, § 263 Rdnr. 4; Stein/Jonas-Schumann, § 264 Rdnr. 26. 56 Zöller, ZPO § 264 Rdnr. 1; Stein/Jonas-Schumann, § 264 Rdnr. 51; Baumbach/Lauterbach-/farfmajm, § 264 Rdnr. 3. 57 Stein/Joms-Schumann, § 264 Rdnr. 64; Thomas-Putzo, § 263 Rdnr. 4; Zöller, ZPO § 263 Rdnr. 8.

116 D. Das Verhältnis von großem Schadensersatz und kleinem Schadensersatz Urteilen kein Fall des kleinen Schadensersatzes in dem Sinne vorlag, daß ein originäres Interesse des Käufers am (wenn auch mangelhaften) Kaufgegenstand berücksichtigt wurde. Für die Käufer war jeweils der gelieferte Vertragsgegenstand insgesamt unbrauchbar, was sie durch die ursprüngliche Forderung nach großem Schadensersatz zum Ausdruck gebracht hatten. Lediglich aufgrund der Weigerung des Verkäufers, die mangelhafte Sache dennoch zurückzunehmen, war es ihnen gestattet, auf die geleistete Sache zuzugreifen und deren Wert auf ihren großen Schadensersatzanspruch anzurechnen. Ein Teilbetrag des ihnen im Rahmen des großen Schadensersatzanspruchs zustehenden Geldanspruches wurde damit durch die Anrechnung des Wertes der mangelhaften Sache erfüllt, so daß es für diesen Sonderfall richtig ist, von einer Klagebeschränkung - wegen teilweiser Erfüllung - 5 8 nach § 264 Nr. 2 ZPO zu sprechen. Die Möglichkeit eines generellen, voraussetzungslosen Wechsels zwischen kleinem und großem Schadensersatz folgt aus diesen Entscheidungen nicht, was sich im übrigen auch daran ablesen läßt, daß in keinem der genannten Fälle ein Übergang vom kleinen zum großen Schadensersatz zur Entscheidung stand, sondern immer nur der umgekehrte Fall.

2. Zuständigkeitsstreitwert und Rechtsmittelbeschwer Bei der Berechnung des Zuständigkeitstreitwertes und auch der Beschwer durch eine unterinstanzliche Entscheidung ergeben sich bei der Klage auf kleinen und großen Schadensersatz keine Besonderheiten. Zuständigkeitsstreitwert und Beschwer durch ein Instanzurteil bestimmen sich allein nach dem nominalen Wert des Anspruchs, der mit der Klage verlangt wird bzw. hinsichtlich dessen eine Klagabweisung erfolgte. 59 Besonderheiten sind wiederum lediglich in den Fällen zu beachten, in denen der Käufer im Rahmen des großen Schadensersatzes das Recht erhält, den Wert der mangelhaften Sache auf seinen Schadensersatzanspruch anzurechnen. Hier darf die Anrechnung des Wertes der mangelhaften Sache auf den Schadensersatzanspruch des Käufers nicht dazu führen, daß dieser prozessuale Nachteile erleidet. Auch nach Ausübung des Anrechnungsrechts ist immer noch die Rechtsfrage zu klären, ob der Käufer Anspruch auf großen Schadensersatz hat. Der Streitwert bleibt damit in ursprünglicher Höhe bestehen.

58 Dazu, daß eine teilweise Erfüllung zur Beschränkung des Klagantrags i.S.d. § 264 Nr. 2 ZPO führen kann Zöller, § 264 Rdnr. 4a i . V . m . § 91a Rdnr. 1; Stein/ Jonas-Schumann, § 264 Rdnr. 64. 59 Allgemein zur Leistungsklage, vgl. Zöller, ZPO § 3 Rdnr. 16; Zimmermann, ZPO § 3 Rdnr. 18; Baumbach-Lauterbach, Anh. § 3 Rdnr. 75.

IV. Prozessuale Auswirkungen

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Für die Beschwer durch ein vorinstanzliches Urteil gilt für die Ersetzungsbefugnis das zum Streitwert Gesagte entsprechend. Wird die Klage auf den Schadensersatz insgesamt abgewiesen, dann ist der Kläger nicht nur in Höhe des nominalen Wertes des am Ende noch geltend gemachten Anspruches beschwert (d.h. des Wertes des großen Schadensersatzes abzüglich des Wertes der mangelhaften Sache), sondern in Höhe seines Anspruchs auf großen Schadensersatz insgesamt. Denn über die Berechtigung der Anrechnung der mangelhaften Sache wird inzident mitentschieden. Vor diesem Hintergrund ist auch das BGH-Urteil vom 09.05.1990 verständlich. 60 Zur Erinnerung sei der Sachverhalt noch einmal zusammengefaßt. Der Käufer eines mangelhaften Gebrauchtwagens machte arglistiges Verschweigen der Mängel geltend und verlangte Schadensersatz gegen Rückgabe des Wagens, den er aus der Summe von Gutachterkosten und dem Kaufpreis errechnete. Das Landgericht wies die Klage wegen Ausschluß der Gewährleistung ab. Der Käufer veräußerte nach diesem Urteil das mangelhafte Fahrzeug und ging in Berufung, in der er weiterhin die Gutachterkosten in Höhe von 700 D M und 1900 D M Minderwert des Fahrzeuges verlangte. Das Berufungsgericht wies die Rechtsmittel wegen zu geringer Beschwer als unzulässig zurück, da über den Minderwert bisher noch nicht entschieden worden sei. Der BGH hat hier unter Aufhebung des Berufungsurteiles richtig entschieden, daß der Kläger durch das erstinstanzliche Urteil mit demselben jetzt wiederum geltend gemachten Anspruch beschwert sei. Allein die Begründung des Urteiles ist zu weitgehend, wenn für die Frage der Identität des Streitgegenstandes auf „den Kern des individualisierten Lebenssachverhaltes" abgestellt wird 6 1 und nicht darauf, daß immer noch eine Variante des großen Schadensersatzes begehrt wird. Inzident falsch entschieden wurde im Urteil damit die Frage, ob die Beschwer des Klägers 1900 D M oder den vollen großen Schadensersatz betrug. Berücksichtigt man, daß dem Geschädigten durch Ausübung seines Zugriffsrechts keine Nachteile entstehen dürfen, so muß die Antwort lauten, daß der Kläger noch mit der vollen Höhe des großen Schadensersatzes beschwert war. Selbst wenn der allein noch begehrte Minderwert unter der nach § 511a Abs. 1 ZPO erforderlichen Mindestbeschwer von 1500 D M

60

BGH NJW 1990, 2683. BGH NJW 1990, 2684. Der BGH wörtlich: „ In dem zusätzlichen Vorbringen, das Fahrzeug sei inzwischen verkauft worden, liegt keine Änderung des Klagegrundes i.S. von § 264 Nr. 2 ZPO - des den Klageantrag individualisierenden Lebenssachverhaltes - , weil dessen Kem (der Kaufvertrag und die - nach schlüssiger Darstellung des Kl. - vom Bekl. arglistig verschwiegene Fehlerhaftigkeit der Kaufsache) unverändert bleiben und lediglich um diejenigen Tatsachen ergänzt werden, die die Einschränkung des Klageantrages rechtfertigen." 61

8 Jaggy

118 D. Das Verhältnis von großem Schadensersatz und kleinem Schadensersatz gelegen hätte, der Wert einer vertragsgemäßen Sache aber darüber, wäre das Rechtsmittel zulässig gewesen: Beschwert ist der Gläubiger durch die Abweisung der Klage auf Schadensersatz wegen vollständiger Nichterfüllung. Das Zugriffsrecht auf die mangelhafte Sache wegen verweigerter Rücknahme ist insoweit einer zwischen den Instanzen ausgeübten Aufrechnung vergleichbar. Wurde der Anspruch eines Klägers in der ersten Instanz abgewiesen und rechnet dieser dennoch zwischen den Instanzen auf, so hat sich aus seiner Sicht - jedenfalls wenn die Aufrechnungslage erst nach Rechtshängigkeit der Klage entstanden ist - materiell der Rechtsstreit in Höhe der Aufrechnung erledigt, was prozessual zu einer einseitigen Erledigterklärung in der zweiten Instanz und der Reduktion des Klagebegehrens auf den noch ausstehenden Teil der Forderung führen muß. Beschwert ist der Kläger aber immer noch wegen der Abweisung seines Anspruchs in voller Höhe durch die erste Instanz, da die Aberkennung des Anspruchs ja auch der Wirksamkeit der Aufrechnung entgegensteht. Die teilweise Befriedigung des Anspruchs durch Aufrechnung kann deshalb bei unterlassener Erledigterklärung allenfalls dazu führen, daß die Klage als unbegründet abzuweisen wäre, sie führt dagegen nicht zur Unzulässigkeit des eingelegten Rechtsmittels62 Anders ist nur zu entscheiden, wenn der Schadensersatzanspruch dem Grunde nach anerkannt worden ist und die Klage lediglich hinsichtlich eines Teilbetrages abgewiesen worden wäre, etwa weil der Wert einer vertragsgemäßen Sache vom Kläger zu hoch angesetzt worden war. Hier bleibt es bei der Entscheidung des Gesetzes, daß es für eine Beschwer unter 1500 D M keine zweite Instanz gibt.

62

Stein-Jonas-Ztorfc § 91a Rdnr. 51. Die Gegenansicht (BGH FamRZ 1990,1225; Schellhammer, Zivilprozeß Rdnr. 1725; Rosenberg-Schwab-Göttwa/d, § 132 I I I le u. § 88 V I 2 h), die bei Erledigterklärung nur noch von einem Kosteninteresse ausgeht, verkennt die Besonderheit der Rechtslage bei Aufrechnung. Die Besonderheit der Rechtslage bei Aufrechnung hebt ausdrücklich Musielak-Wo/si § 91a Rdnr. 47 unter Berufung auf BFH BB 1989, 28 und OLG München JurBüro 1996, 368 hervor.

E. Zusammenfassung I. Anspruch auf kleinen Schadensersatz nach § 463 BGB Untersucht wurde die Frage, wie die Figur des kleinen Schadensersatzes dogmatisch zu begründen ist und welche Folgerungen sich aus der Dogmatik des Kauf- und Schadensrechtes für die Berechnung des kleinen Schadensersatzes ergeben. Die Arbeit konzentrierte sich auf den Schadensersatz aus § 463 BGB. Nach der Lehre vom subjektiven Fehlerbegriff handelt es sich bei § 463 BGB um den Normalfall einer Haftung für Nichterfüllung eines vertraglichen Versprechens. Daraus folgt für den Stückkauf, daß der Verkäufer dafür einzustehen hat, daß der Käufer nicht Eigentümer der konkret verkauften Sache in mangelfreiem Zustand bzw. mit den konkret versprochenen Eigenschaften geworden ist. Das zu ersetzende Interesse entspricht damit dem Interesse eines Eigentümers, dessen Sache durch Delikt verletzt wurde. Anders als überwiegend in der Rechtsprechung vertreten hat der Käufer deshalb einen Anspruch auf Reparatur der Sache bzw. nach seiner Wahl auf Ersatz der Reparaturkosten (§ 249 S. 1 bzw. S. 2 BGB). Der kleine Schadensersatz ist ein Anspruch auf Naturalrestitution, die Reparaturkosten sind nicht bloßes Mittel zur Bestimmung des Minderwertes. Wenn der vertragsgemäße Zustand mit dem konkreten Stück nicht hergestellt werden kann, hat der Käufer Anspruch auf vermögensmäßige Kompensation gemäß § 251 Abs. 2 BGB, da er am verkauften Stück trotz dessen Mangelhaftigkeit aufgrund seiner Individualität noch immer ein Interesse haben kann. Die Interessenlage ist dieselbe wie bei einer deliktischen Eigentumsverletzung: Auch dort kann der Eigentümer bei Unmöglichkeit der vollständigen Wiederherstellung seiner Sache nicht gezwungen werden, diese herzugeben, sondern er erhält einen Wertausgleich. Beim Gattungskauf gibt es keinen vertraglichen Anspruch auf ein konkretes Stück, aus dem sich der Anspruch auf kleinen Schadensersatz ableiten läßt. Der Käufer kann deshalb nur dann diese Art des Schadensausgleichs wählen, wenn er auf das gelieferte Stück zwingend angewiesen ist, z.B. um

120

E. Zusammenfassung

überhaupt Ware bei seinem Abkäufer anbieten zu können und so seinen Ruf als Händler zu wahren. Ist das Recht, Schadensersatz unter Behalten des konkreten Stückes verlangen zu können, aber einmal festgestellt, so gilt für die Berechnung das zum Stückkauf Gesagte entsprechend. Die Anwendung der allgemeinen schadensrechtlichen Grundsätze aus dem Deliktsrecht auf den kleinen Schadensersatz gilt auch für Fälle, in denen eine an sich unbeeinträchtigte Kaufsache einfach von den vertraglichen Vereinbarungen abweicht und deshalb mangelhaft i.S. des Vertrages ist (bloß subjektive Fehler). Insbesondere im Hinblick auf diese Fehlerarten wurde der Frage nachgegangen, ob generell bei zu großer Abweichung von Vertrag und Realität das Recht auf kleinen Schadensersatz ausgeschlossen ist. Mit abstrakten Kategorien ist jedoch nicht zu erfassen, aufgrund welcher Abweichungen vom vertraglich Versprochenen der Käufer kein Interesse am konkreten Stück mehr haben kann. Daher kann keine allgemeine Regel aufgestellt werden, daß bei Fehlern von einer bestimmten Art oder einem bestimmten Umfang kein kleiner Schadensersatz gefordert werden kann. Ein Anspruch auf kleinen Schadensersatz entfällt nur dort, wo ausgeschlossen ist, daß der Käufer auch nur ein Teilinteresse seines ursprünglich mit dem Vertrag verfolgten Interesses mit dem mangelhaften Stück verwirklichen kann. Dies gilt sowohl für den Anspruch aus Stückkauf als auch den aus Gattungskauf.

II. Schlußfolgerungen hinsichtlich der Begriffsverwendung Versteht man den Anspruch auf kleinen Schadensersatz in dem unter I. dargestellten Sinne, so handelt es sich um einen selbständigen, neben dem Anspruch auf Wandlung, Minderung und großem Schadensersatz bestehenden Rechtsbehelf aus § 463 BGB, der auf das positive Interesse gerichtet ist. Im Fortgang der Arbeit konnte gezeigt werden, daß diese an sich eindeutige Rechtslage in Rechtsprechung und Literatur dadurch verwischt wird, daß klare Fälle der Liquidation des negativen Interesses, die nach Minderungsgesichtspunkten zu lösen wären, ebenfalls mit dem Begriff kleiner Schadensersatz bezeichnet werden. Dies gilt nicht nur für die Schadensberechnung unter Behalten der mangelhaften Sache bei c.ic., bei der mehr oder weniger anerkannt ist, daß es sich um einen Fall des Ausgleichs des negativen Interesses und deshalb einen Minderungsfall handelt, sondern auch für Fälle, in denen ein Anspruch aus § 463 S. 1 BGB bejaht wurde, in denen aber bei genauer Auslegung eine Zusicherung zu verneinen ist und mit dem Minderwert nur eine unsauber berechnete Minderung zugesprochen wird. Eine weitere Begriffsvermengung mit dem großen Schadensersatz kann im prozessualen Bereich festgestellt werden, wo jeder Fall, in

II. Schlußfolgerung hinsichtlich der Begriffsverwendung

121

dem der Käufer wegen verweigertem großen Schadensausgleich auf die Sache zugreift, als kleiner Schadensersatz bezeichnet wird. Tatsächlich geht es oft darum, daß ein großer Schadensersatzanspruch gewährt wird, auf den der Wert der beim Käufer verbliebene Kaufsache angerechnet wird. Im Hinblick auf größere Rechtsklarheit wäre es deshalb wünschenswert, mit kleinem Schadensersatz nur solche Abwicklungsformen zu bezeichnen, in denen im Rahmen des Ersatzes eines positiven Interesses das ursprüngliche vertragliche Interesse des Käufers an der konkret verkauften (beim Stückkauf) bzw. gelieferten (beim Gattungskauf) Sache berücksichtigt wird.

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averzeichnis Affektionsinteresse

48

Heizung (Fall) 54

Annahme verzug 109 Integritätsinteresse 38 f., 43 ff.

Äquivalenzinteresse 82

Interesse, negatives 28 f., 68, 70

Arglist 22, 25 ff., 75, 105

Interesse, positives 26, 28 f., 70 f., 78, Berechnungsmethoden des Schadensersatzes 98 ff., 103, 108 Beschaffenheitsvereinbarung

Kompensationsanspruch 79, 99

58

Beschwer 104, 106, 116 Burra (Fall)

94, 98 18, 34, 67, 75,

Kraftfahrzeuge 45, 47, 49, 52 f., 59 ff., 79 f., 104, 107

69,76,94

culpa in contrahendo 28 f., 60 f.

Minderung 16, 21, 23, 28, 30, 57 f., 60 f., 67 ff., 73 f., 81 ff., 93, 99, 102

Deckentragfähigkeit (Fall) 66

Minderwert 64, 68, 70, 78 ff., 86, 88, 96, 106, 113

Differenzmethode

110 f.

Drucktanklastwagen (Fall) 54, 107

Nachbesserungspflicht lungspflicht

siehe Nacherfül-

Elektive Konkurrenz 98 ff., 102

Nacherfüllungspflicht

Entgangener Gewinn

Naturalerfüllungsanspruch ralrestitution

78, 88, 92 ff.,

106 Ersetzungsbefugnis

101 f.

30 ff. siehe Natu-

Naturalrestitution 18, 20, 34 ff., 44 ff., 56, 66, 78 f., 81, 96, 99

Fassadensanierung (Fall) 53

42,

Norwegenreise (Fall) 53

Fiktive Schadensberechnung 69 ff. Polyethylengranulat (Fall) 108 Gattungskauf 82 ff., 99 Gebrauchtwagenkauf auch Kraftfahrzeuge

32,

59,

siehe

Rechtsmängel 96 f. Reparaturkosten 87 f., 106 f.

15 ff., 20 ff., 79 ff.,

Gewährleistungsausschluß 56, 59 f. Schadensminderung 85 f., 94 ff., 107 ff.

Gewährleistungsrechte 21 f. Großer Schadensersatz 98 ff., 105 f., 116 f.

73 f.,

84 ff.,

Selbsthilfeverkauf

110

Servolenkung (Fall) 57, 61, 63

Sachverzeichnis Subjektiver Fehlerbegriff 72 ff., 89

14, 21 f., 23,

Tauwasser (Fall) 66 Teilerfüllung

106,115

129

Wandlung 21, 23, 30, 58, 60, 99, 102 Wannenabdichtung (Fall) 64 Warenzeichen, dreifache rechnung 99

Schadensbe-

Werksdeponie (Fall) 50 f. Unbeeinträchtigte Kaufobjekte 56, 75

Werkvertrag 65 Wertinteresse 39

Verhältnismäßigkeit tution

siehe Naturalresti-

Wilde Müllkippe (Fall) 50 f.

Verklinkerung (Fall) 57, 61, 64 Vermögensschaden 39 Verzögerte Schadensabwicklung 103 ff.

Zerstrittene Eigentümergemeinschaft (Fall) 69 ff. Zusicherung 22, 58 ff., 69, 74, 105

Wahlschuld 98, 101 f.

Zuständigkeitsstreitwert

116 f.