Der Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung [1 ed.] 9783428553488, 9783428153480

Felix Ries geht der Frage nach, ob und in welchem Umfang die Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarun

147 24 2MB

German Pages 315 Year 2018

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD PDF FILE

Recommend Papers

Der Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung [1 ed.]
 9783428553488, 9783428153480

  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 478

Der Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung

Von

Felix Ries

Duncker & Humblot · Berlin

FELIX RIES

Der Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung

Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 478

Der Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung

Von

Felix Ries

Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Eberhard Karls Universität Tübingen hat diese Arbeit im Jahre 2017 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

D 21 Alle Rechte vorbehalten © 2018 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: L101 Mediengestaltung, Fürstenwalde Druck: buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 0720-7387 ISBN 978-3-428-15348-0 (Print) ISBN 978-3-428-55348-8 (E-Book) ISBN 978-3-428-85348-9 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

„The idea of awarding damages for breach of a choice-of-court agreement has its genesis in the common law system. Whether the seed growing in the common law field can be transplanted onto the civil law ground remains to be seen.“ Koji Takahashi1

1  Takahashi,

YPIL 2009, S. 73, 76.

Vorwort Die Eberhard Karls Universität Tübingen hat diese Arbeit im Jahr 2017 als Dissertation angenommen. Literatur und Rechtsprechung habe ich bis Juli 2017 berücksichtigen können. Allen Menschen, die an der Erstellung dieser Dissertation Anteil gehabt haben, möchte ich meinen herzlichen Dank aussprechen. In erster Linie gilt mein Dank meinem Doktorvater, Prof. Dr. Martin Gebauer, der mir von der ersten Idee für die Dissertation bis zur Drucklegung mit Rat und Tat beiseite stand und bei dem ich mich mit meiner „Fernpromotion“ so gut betreut gefühlt habe, als wäre ich am Lehrstuhl in Tübingen gewesen. Ferner möchte ich dem Zweitgutachter, Prof. Dr. Jens Binder, für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens danken. Ferner gilt mein Dank meinen Eltern, die in mir bereits als Kind ohne Druck, aber dafür mit umso größerer Selbstverständlichkeit das Interesse am eigenständigen Denken geweckt und damit einen wichtigen Grundstein nicht nur für diese Arbeit gelegt haben. Besonders danken möchte ich auch meiner Schwester Leonie für ihre Unterstützung, nicht zuletzt bei der Suche nach dem ein oder anderen schwierig zu erhaltenen Aufsatz oder exotischen Urteil. Mein besonderer Dank gilt meiner Lebensgefährtin Alexandra für ihre stete Zuneigung und Unterstützung, ohne die mir nicht nur diese Arbeit sicherlich schwerer gefallen wäre. Zudem möchte ich Andrew und Saara Scheuermann für ihre Gastfreundschaft während meinen Recherchen in den USA und das gelegentliche Tennisspiel in Standford am Ende meiner Recherchetage danken. Schließlich bedanke ich mich bei Olivier Alinat für seine Unterstützung bei der Suche nach französischer Rechtsprechung und Literatur. Frankfurt am Main, im September 2017

Felix Ries

Inhaltsverzeichnis Einleitung 

15

A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 B. Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 C. Gang und Methodik der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 1. Teil

Abgrenzung der Prozessverträge 

22

A. Gerichtsstandsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 B. Schiedsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 C. Mediationsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 D. Rechtswahlvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 E. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 2. Teil

Außervertraglicher Schadensersatz wegen der Missachtung einer internationalen G ­ erichtsstandsvereinbarung 

37

A. § 826 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Entscheidung des RG von 1938 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die neuere Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Rechtsvergleichender Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Anwendung auf Gerichtsstandsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

38 39 41 43 45 50

B. § 823 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Gewerbebetrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Das right not to be sued abroad . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

50 51 53 56

C. § 823 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 D. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59

10 Inhaltsverzeichnis 3. Teil

Vertraglicher Schadensersatz wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung 

61

A. Gerichtsstandsvereinbarungen nach der EuGVVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 I. Reichweite des Schadensersatzanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 1. Anwendungsbereich der EuGVVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 2. Abgrenzung zu anderen Regelungsregimen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 3. Wirksame Gerichtsstandsvereinbarungen nach Art. 25 EuGVVO . . . 68 a) Formelle Wirksamkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 b) Materielle Wirksamkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 4. Die Ausschließlichkeit der Gerichtsstandsvereinbarung . . . . . . . . . . . 74 5. Gläubiger und Schuldner des Schadensersatzanspruchs . . . . . . . . . . . 77 6. Rügelose Einlassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 7. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 II. Schuldverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 1. Materiellrechtliche Verpflichtungen aus Gerichtsstands­ vereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 2. Der Primäranspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 3. Gerichtsstandsvereinbarungen und ausschließliche Zuständigkeiten . 95 4. Argumente für den Schadensersatzanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 5. Auslegung der Willenserklärungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 a) Ausdrückliche Vereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 b) Konkludente Vereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 c) Einschränkungen bei der Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 6. Die Rechtsprechung in anderen Ländern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 a) Vereinigtes Königreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 b) Australien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 c) USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 d) Spanien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 7. Das Prinzip des gegenseitigen Vertrauens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 a) Rechtshängigkeit der Klage vor dem forum derogatum   . . . . . . . 122 b) Das forum derogatum erklärt sich für unzuständig . . . . . . . . . . . . 123 c) Das forum derogatum erklärt sich für zuständig Zwischen­ ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 d) Das forum derogatum entscheidet nicht über die Gerichtsstandsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 8. Die Anerkennung des Urteils des forum derogatum . . . . . . . . . . . . . . 130 9. Die Rechtskraft des Urteils des forum derogatum . . . . . . . . . . . . . . . 131

Inhaltsverzeichnis11 a) Die Rechtskraft der Zuständigkeitsentscheidung . . . . . . . . . . . . . b) Die Rechtskraft des Sachurteils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Rechtskraft der Kostenentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Pflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die pflichtwidrige Klage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Missverständnisse und Unkenntnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Prozessaufrechnung und Widerklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Verhalten des forum derogatum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Art. 31 Abs. 2 EuGVVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Art. 25 Abs. 1 Satz 1 HS 2 EuGVVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Vertretenmüssen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die BGH-Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsvergleichender Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Modifizierung von § 276 Abs. 1 Satz 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Darlegungs- und Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Schaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Außergerichtliche Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verzögerungs- und Zinsschäden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Das auf den Schadensersatzanspruch anwendbare Recht . . . . . . . . . . . . 1. Die lex fori . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die lex causae des Hauptvertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die lex fori prorogati . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Das Statut der Gerichtsstandsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Die Zuständigkeit für die Schadensersatzklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Alternative Absicherungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vereinbarung eines Kostenerstattungsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vereinbarkeit mit der EuGVVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vereinbarung in AGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Anwendbares Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vereinbarung einer Vertragsstrafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

133 134 134 137 137 139 139 140 142 146 146 153 156 157 158 161 162 166 166 167 167 170 172 172 173 174 176 178 179 179 181 182 183 186 190 190 193 194

B. Internationale Gerichtsstandsvereinbarungen außerhalb der EuGVVO . . . . . . I. Reichweite des Schadensersatzanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anwendungsbereich des LugÜ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anwendungsbereich des HGÜ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

196 196 197 200

12 Inhaltsverzeichnis 3. Anwendungsbereich des autonomen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Wirksame Gerichtsstandsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. LugÜ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. HGÜ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Autonomes Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Schuldverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. LugÜ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. HGÜ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Autonomes Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Pflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Prozessaufrechnung und Widerklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Verhalten des forum derogatum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) LugÜ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Außerhalb von Abkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Abredewidrige Klagen in den USA nach derzeitigem Recht . . . . d) Änderungen durch das HGÜ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Schaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Prozessurteil des forum derogatum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Sachurteil des forum derogatum zugunsten des Beklagten . . . . . . . . . 3. Sachurteil des forum derogatum zugunsten des Klägers . . . . . . . . . . 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Alternative Absicherungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

202 204 205 205 207 210 213 214 215 219 222 225 226 226 230 231 234 236 243 251 252 253 254 255 259 260 262

4. Teil

Schadensersatz wegen der Missachtung vergleichbarer Verträge 

A. Schiedsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Reichweite des Schadensersatzanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Schuldverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Schaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Alternative Absicherungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

264 264 265 266 273 274 274

B. Mediationsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 I. Reichweite des Schadensersatzanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 II. Schuldverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277

Inhaltsverzeichnis13 III. Alternative Absicherungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 IV. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 C. Rechtswahlvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Reichweite des Schadensersatzanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Schuldverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

282 283 284 286

D. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286

Abschließende Betrachtung 

288

A. Zusammenstellung der wesentlichen Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 B. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311

Einleitung A. Einführung „Schadensersatz wegen der Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung? Diese Frage stellt sich doch gar nicht. Man kann bei einer abredewidrigen Klage doch einfach die Zuständigkeit rügen“. Solche Aussagen kann man zuweilen in Gesprächen unter Juristen – auch unter außerordentlich Prozesserfahrenen1 – hören und auch in einigen wissenschaftlichen Stellungnahmen lesen.2 Mit Bedacht lautet das Thema „Der Schadenersatzanspruch wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung“. Die soeben zitierte Sichtweise unterschätzt die Internationalität von Gerichtsstandsvereinbarungen. Das Recht der internationalen Zuständigkeit unterscheidet sich von Staat zu Staat, weswegen Gerichtsstandsvereinbarungen in einem Staat wirksam und in einem anderen unwirksam sein können. Diesen Umstand nutzen manche Parteien gezielt zu ihrem Vorteil aus. Im Arbeitspapier der Kommissionsdiensstelle vom 14. Dezember 2010 zitiert diese eine Untersuchung, laut der gegen 7,7 % der befragten europäischen Unternehmen in den vorangegangenen fünf Jahren mindestens eine Klage unter Verstoß gegen eine internationale Gerichtsstandsvereinbarung erhoben wurde.3 Einen Prozess vor einem ausländischen Gericht zu führen, ist mit beachtlichen Kosten und Risiken behaftet, die typischerweise höher als im Inland ausfallen.4 Die Gründe hierfür sind vielfältig: Man benötigt üblicherweise einen ortsansässigen Anwalt, es treten Sprachschwierigkeiten auf, man kennt Verfahrensablauf und Verfahrensrecht nicht und ist auch materiell häufig mit einer ungewohnten Rechtsordnung konfrontiert.5 Um das Risiko eines Prozesses im Ausland zu minimieren beziehungsweise die Kosten hierfür vor1  Der Verfasser erlebte dies in der Anwaltsstation seines Referendariats in der Dispute-Resolution-Abteilung einer internationalen Großkanzlei. 2  Schack, RabelsZ 1994, S. 40, 56; Matscher, Zuständigkeitsvereinbarungen, S. 23. 3  Commission Staff Working Paper Impact Assessment Accompanying document to the Proposal for a Regulation of the European Parliament and of the Council on jurisdiction and the recognition and enforcement of judgments in civil and commercial matters, SEC (2010) 1547 final. 4  de Lousanoff, ZZP 1992, S. 118. 5  Gottschalk/Breßler, ZEuP 2007, S. 56.

16 Einleitung

hersehbar zu machen, enthalten Verträge im internationalen Wirtschafts- und Handelsrecht beinahe immer Regelungen für den Streitfall.6 Dies fußt auf der Erkenntnis, dass Streitfallregelungen am besten vor dem Entstehen des Konflikts abzuschließen sind, da hinterher die Kommunikationsbereitschaft zwischen den Parteien deutlich abnimmt und verfahrensgestaltende Absprachen schwieriger werden.7 Das entscheidende Mittel, den Streitfall vor seinem Entstehen zu gestalten, ist der Prozessvertrag.8 Während die Parteien beziehungsweise ihre Bevollmächtigten in internationalen Wirtschafts- und Handelsgeschäften typischerweise sehr präzise Regelungen für eine Vielzahl hypothetischer Entwicklungen treffen, erfahren die Regelungen für den Konfliktfall häufig einen Umgang, der ihrer ökonomischen und juristischen Bedeutung nicht gerecht wird.9 Bezeichnend ist die leicht überspitzte Formulierung, dass die Anwälte noch schnell die Regelungen für den Konfliktfall niederschrieben, während im Nebenzimmer bereits die Sektkorken zum gelungenen Geschäftsabschluss knallten.10 Diese stiefmütterliche Behandlung der Regelungen zur Streitfallvorsorge mündet häufig in schlecht formulierten Klauseln und begünstigt dadurch Missverständnisse und abredewidrige Klagen. Prozessverträge sind Vereinbarungen, die ihre Wirkung hauptsächlich in prozessualer Hinsicht entfalten und die eine oder mehrere Parteien zu einem bestimmten verfahrensrechtlichen Verhalten verpflichten.11 Nach der Rechtsprechung können sich die Parteien eines – auch zukünftigen – Rechtsstreits durch Prozessverträge zu jedem prozessualen Verhalten verpflichten, dem nicht Unmöglichkeit, ein gesetzliches Verbot oder die guten Sitten entgegenstehen.12 Der Vorteil von Prozessverträgen liegt auf der Hand: Sie ermöglichen es den Parteien, durch privatautonome Gestaltung auf das Prozessgeschehen einzuwirken.13 Dabei kommen jedem in dieser Arbeit thematisierten Prozessvertrag spezifische Vorteile zu, die bei internationalen Sachverhalten regel6  Behrens, RabelsZ 1974, S. 590; Böttcher/Laskawy, DB 2004, S. 1247; Risse, Wirtschaftsmediation, S. 90; Cuniberti/Requejo, ERA 2010, S. 7 f. 7  Eidenmüller, Wirtschaftsmediation, S. 8; Böttcher/Laskawy, DB 2004, S. 1247, 1248. 8  Neuenhahn/Neuenhahn, NJW 2007, S. 1851, 1855; Dutson, Arbitration International 2000, S. 89. 9  Gottschalk/Breßler, ZEuP 2007, S. 56. 10  Risse, Wirtschaftsmediation, S. 90. 11  Musielak, in: Musielak, ZPO, Einl., Rn. 66; Teubner/Künzel, MDR 1988, S. 720; Gottwald, in: FS Henckel, S. 295, 296. 12  BGH, NJW 1958, 1397; 1963, 243; 1982, 2072, 2073; 1986, 198. 13  Reichold, in: Thomas/Putzo, ZPO, Einl. III, Rn. 6.



B. Fragestellung17

mäßig umso deutlicher in Erscheinung treten. So kann die vorherige Festlegung eines Gerichtsstands sowie des anzuwendenden Rechts für die Parteien in internationalen Verfahren zeit- und kostensparend sein.14 Durch eine Schiedsvereinbarung können die Parteien das Verfahren in besonderem Maß entsprechend ihren Bedürfnissen gestalten, etwa indem sie selbst Ort, Zeit, Sprache, Verfahrensablauf und die Schiedsrichter bestimmen15 und das Verfahren unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden lassen.16 Mediationsvereinbarungen haben den Vorteil, dass sie eine vertrauliche und ebenfalls schnelle und kostengünstige Klärung des Rechtsstreits bewirken.17

B. Fragestellung Die Achillesferse des Prozessvertrags ist, dass er von den Parteien weitgehend sanktionslos gebrochen werden kann. Der abredewidrig Verklagte kann sich gegen eine Klage unter Missachtung einer Gerichtsstands-, Schiedsoder Mediationsvereinbarung frühestens durch die Zuständigkeitsrüge wehren. Dadurch entstehen ihm bereits Kosten, die ihm häufig nicht (vollends) erstattet werden.18 Man muss sich also die Frage stellen, wie Prozessverträge mit all ihren Vorteilen auch effektiv durchgesetzt werden können. Im Mittelpunkt der Arbeit sollen Gerichtsstandsvereinbarungen stehen. Auf diesen Prozessvertrag haben sich Rechtsprechung und Literatur bisher konzentriert, sodass hier das Meinungsbild am weitesten ausdifferenziert ist. Ferner gibt es zu Gerichtsstandsvereinbarungen im Gegensatz zu anderen Prozessverträgen eine Vielzahl von EuGH-Urteilen, mit denen sich die Untersuchung auseinandersetzen kann. So ist sicherzustellen, dass der Schadensersatzanspruch europarechtskonform ist. Die Fragestellung ist bei allen Prozessverträgen ähnlich, wenn auch bei der Gerichtsstandsvereinbarung durch den Einfluss der EuGVVO19 am komplexesten, sodass sich die Ergebnisse zu Gerichtsstandsvereinbarungen im Wesentlichen auf andere Prozess14  Eichel, RIW 2009, S. 289, 290; Geimer, IZPR, Rn. 1597, 1599; Graf v. Westphalen, NJW 1994, S. 2113. 15  Raeschke-Kessler/Berger, Schiedsverfahren, Kap. 1, II; Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 1, Rn. 8. 16  Münch, in: MüKo-ZPO, vor § 1025 ff., Rn. 71. 17  Dendorfer/Krebs, MittBayNot 2008, S. 85, 87 f. 18  Maire du Poset, Versailles Int. Arbitration 2012, S. 33, 48; Sievi, DRJ 2012, S. 56, 58; Yeo/Tan, in: Worthington, Commercial Law, S. 403, 412; vgl. auch Joseph, Agreements, Rn. 14.06. 19  Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen.

18 Einleitung

verträge übertragen lassen. Mit einer solchen Übertragung auf Schieds- und Mediationsvereinbarungen sowie einem Vergleich zur Rechtswahlvereinbarungen soll die Untersuchung schließen. Gerichtsstandsvereinbarungen lassen sich auf drei Arten stärken. Erstens kann der Gesetzgeber durch Gesetzesänderungen oder die Schaffung neuer internationaler Abkommen die gesetzliche Grundlage der Gerichtsstandsvereinbarung effizienter gestalten. Beides ist in der jüngeren Vergangenheit geschehen: Am 10. Januar 2015 trat die EuGVVO-Novelle, die das europäische Zuständigkeitsrecht bezüglich Gerichtsstandsvereinbarungen unter anderem in Art. 31 Abs. 2 EuGVVO reformierte, und am 1. Oktober 2015 das Haager Übereinkommen über Gerichtsstandsvereinbarungen (HGÜ)20 innerhalb der Europäischen Union in Kraft. Die zweite Möglichkeit wären die aus dem Common Law stammenden anti-suit injunctions, mittels derer das prorogierte Gericht der abredewidrig am forum derogatum klagenden Partei die Prozessführung untersagen kann.21 Dabei handelt es sich um eine Art Primäranspruch des abredewidrig Verklagten gegen den abredewidrig Klagenden, die Prozessführung am derogierten Gericht zu unterlassen. Der EuGH erteilte allerdings im Jahr 2004 in der Turner-Entscheidung anti-suit injunctions im Anwendungsbereich der EuGVVO eine klare Absage.22 Daher erscheinen anti-suit injunctions jedenfalls aus europäischer Perspektive wenig erfolgversprechend. Drittens sind, da der Primäranspruch ausscheidet, Sekundäransprüche das zentrale Mittel, sowohl um Klagen vor dem forum derogatum zu verhindern (Abschreckungsfunktion) als auch um dadurch entstandene Schäden zu kompensieren (Restitutionsfunktion). Die Idee des Schadensersatzanspruchs wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung stammt wie die der anti-suit injunctions aus dem Common Law. Die Absicherung von Gerichtsstandsvereinbarungen durch Schadensersatzansprüche wurde in Deutschland wie im – insbesondere englischsprachigen – Ausland zwar wiederholt thematisiert, dennoch gibt es kaum umfangreichere Untersuchungen.23 Eine solche vertiefte Betrachtung ist aber erforderlich, wenn der Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung auch in Deutschland die abstrakt-theoretische Ebene verlassen und in der Praxis angewendet werden soll.

20  Haager

Übereinkommen über Gerichtsstandsvereinbarungen vom 30. Juni 2005. Dutson, Arbitration International 2000, S. 89, 94; Ho, ICLQ 2003, S. 697, 706; E. Pfeiffer, Forum derogatum, S. 433; Ambrose, ICLQ 2003, S. 401. 22  EuGH, 27.04.2004, RS. C-159/02, Turner/Grovit u. a., Rn. 34, EuZW 2004, 468, 470. 23  Vgl. Takahashi, YPIL 2008, S. 58. 21  Vgl.



C. Gang und Methodik der Untersuchung19

Die Untersuchung des Schadensersatzanspruchs erfolgt unter der Prämisse, dass deutsches Recht anwendbar ist. Dabei ist auch auf Regelungen und Entscheidungen aus anderen Rechtsordnungen einzugehen, gerade wenn diese bereits präzisere Kriterien für den Schadensersatzanspruch vorgeben als das deutsche Recht. Insbesondere der Vergleich zum britischen und zum US-amerikanischen Recht ist wichtig, weil sich Gerichte in diesen Staaten bereits seit Jahrzehnten mit einigen Fragestellungen zum Schadensersatzanspruch beschäftigen. Ausschlaggebend sind allerdings die Tatbestandsvoraussetzungen der vertraglichen und außervertraglichen Schadensersatzansprüche nach §§ 280, 823 und 826 BGB. Gegen diese Beschränkung auf das deutsche Recht könnte man einwenden, dass es ja gerade um internationale Gerichtsstands­ vereinbarungen geht und sich viele der zu behandelnden Schwierigkeiten – insbesondere in Hinblick auf die EuGVVO – auch in anderen Staaten stellen. Die Beschränkung auf eine Rechtsordnung ist allerdings notwendig, weil es für das Schadensrecht – jedenfalls außerhalb des UN-Kaufrechts24 – kein internationales oder europäisches Rechtssystem gibt, nach dem sich der Anspruch richten könnte. Der Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung muss also zwingend einem nationalen Recht unterliegen. Die Arbeit widmet sich auch der Frage, welches Recht unter welchen Voraussetzungen nach den Regeln des internationalen Privatrechts auf den Schadensersatzanspruch anzuwenden ist.

C. Gang und Methodik der Untersuchung Die Arbeit gliedert sich in vier Teile. Der erste Teil hat die Abgrenzung der verschiedenen in dieser Arbeit thematisierten Prozessverträge sowie der Rechtswahlvereinbarung zum Gegenstand. Wenigstens kursorisch ist jeweils die historische Herkunft und Entwicklung zu betrachten und dann auf die gegenwärtige Bedeutung sowie die jeweiligen Vor- und Nachteile einzugehen. Der Schwerpunkt liegt darauf, was die Gerichtsstandsvereinbarung auszeichnet und wie sie sich von anderen Prozessverträgen unterscheidet. Wichtig ist neben den juristischen Charakteristika der Prozessverträge auch ihre wirtschaftliche Bedeutung. Nur wenn man sich vor Augen führt, warum die Parteien eine Gerichtsstandsvereinbarung oder einen anderen Prozessvertrag schließen, kann man auch der im dritten Teil zu untersuchenden Frage nachgehen, warum manche Parteien die Abrede brechen.

24  Übereinkommen der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf vom 11.04.1980.

20 Einleitung

Der zweite Teil widmet sich den außervertraglichen Schadensersatzansprüchen wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung. Dieser Aufbau weicht zwar von der typischen Prüfungsreihenfolge ab, rechtfertigt sich aber damit, dass sich die deutsche Rechtsprechung bisher ausschließlich mit außervertraglichen Schadensersatzansprüchen wegen des Missbrauchs von Verfahrensrechten befasst hat. Der Teil dient der Darstellung der Rechtsprechung, sofern es sie gibt, und geht der Frage nach, in welchem Umfang die Rechtsprechung zum Missbrauch von Verfahrensrechten auf den Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung übertragbar ist. Dabei sind die drei in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen § 826, § 823 Abs. 1 und § 823 Abs. 2 BGB jeweils in der Reihenfolge ihrer Tatbestandsvoraussetzungen zu prüfen. Der dritte Teil hat vertragliche Ansprüche wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung zum Gegenstand. Vertragliche Ansprüche sind in der internationalen Diskussion um den Schadensersatzanspruch von erheblich größerer Bedeutung als außervertragliche. Auch für die Parteien ist der vertragliche Anspruch attraktiver, weil er eine größere Reichweite als außervertragliche Ansprüche hat und dem Geschädigten die Vermutung des Vertretenmüssens – im deutschen Recht gem. § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB – zugutekommt. Dabei gliedert sich der dritte Teil in Schadensersatzansprüche wegen der Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung nach der EuGVVO einerseits sowie nach dem Lugano-Übereinkommen (LugÜ)25, dem HGÜ und dem autonomen Recht andererseits. Zunächst ist zu prüfen, welche Reichweite der Schadensersatzanspruch hat. Dabei sind das anwendbare Regelungsregime, die Kriterien für die Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung sowie der Einfluss der rügelosen Einlassung zu bestimmen. Im Folgenden sind die Tatbestandsvoraussetzungen des vertraglichen Schadensersatzanspruchs gem. § 280 Abs. 1 BGB zu prüfen. Insbesondere ist zu eruieren, ob die Gerichtsstandsvereinbarung ein Schuldverhältnis begründen kann und welche Einschränkungen die EuGVVO vorgibt. Bei der Pflichtverletzung ist zu untersuchen, welches Verhalten von Kläger und Gericht zur Pflichtverletzung beitragen. Auf diese Weise lässt sich der rechtlich-wirtschaftliche Zusammenhang der abredewidrigen Klage nachvollziehen. Anschließend sind Vertretenmüssen und Schaden zu prüfen, insbesondere beim Schadensumfang ist die Vereinbarkeit mit der EuGVVO zu untersuchen.

25  Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Lugano-Übereinkommen) vom 30. Oktober 2007.



C. Gang und Methodik der Untersuchung21

Des Weiteren ist zu prüfen, welches Recht aus der Perspektive des deutschen internationalen Privatrechts auf den Schadensersatzanspruch anzuwenden ist. Danach ist das für die Schadensersatzklage zuständige Gericht zu bestimmen. Abschließend ist der Frage nachzugehen, ob sich manche dogmatischen Schwierigkeiten des Schadensersatzanspruchs durch einen vertraglich vereinbarten Kostenerstattungsanspruch oder eine Vertragsstrafe umgehen lassen. Der zweite Abschnitt des dritten Teils widmet sich mit demselben Aufbau dem Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung von Gerichtsstandsvereinbarungen nach LugÜ, HGÜ und autonomem Recht. Dabei stehen die Gesichtspunkte im Vordergrund, die vom Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung nach der EuGVVO abweichen. Der vierte Teil der Arbeit geht der Frage nach, ob die Missachtung anderer Prozessverträge beziehungsweise anderer Verträge, die typischerweise in Kontext einer Gerichtsstandsvereinbarung stehen, ebenfalls Schadensersatzansprüche begründen kann. Aufgrund ihrer Bedeutung für den internationalen Handels- und Wirtschaftsverkehr soll sich dieser Teil mit einem Überblick zu Schieds-, Mediations- und Rechtswahlvereinbarungen befassen. Dieser letzte Teil verfolgt eine doppelte Zielsetzung: Zum einen soll der Stand der – wenig fortgeschrittenen – Diskussion bei diesen Verträgen beleuchtet werden, zum anderen soll der Vergleich mit anderen Prozessverträgen und der Rechtswahlvereinbarung die zu Gerichtsstandsvereinbarungen gefundenen Ergebnisse abschließend bestätigen.

1. Teil

Abgrenzung der Prozessverträge Bevor die Frage nach Schadensersatzansprüchen beantwortet werden kann, ist zunächst zu untersuchen, welche Besonderheiten die zu untersuchenden Prozessverträge und die Rechtswahlvereinbarung aufweisen und welche juristische und wirtschaftliche Bedeutung ihnen zukommt. Dabei sei die umstrittene dogmatische Frage nach der Rechtsnatur von Prozessverträgen an dieser Stelle zunächst ausgeklammert.

A. Gerichtsstandsvereinbarung Gerichtsstandsvereinbarungen sind das zentrale Gestaltungsinstrument für Parteien, die die internationale Zuständigkeit des Gerichts festlegen wollen, vor dem sie ihre eventuellen Streitigkeiten austragen.1 Bei der Gerichtsstandsvereinbarung handelt es sich nach ganz herrschender Meinung um einen Prozessvertrag.2 Die Gerichtsstandsvereinbarung ist hinsichtlich ihrer Wirkung in zweifacher Weise zu un­ter­schei­den: Zum einen danach, ob sie ausschließlich sein soll und zum anderen danach, ob sie unzuständige Gerichte zuständig oder zuständige unzuständig machen soll. Durch eine ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung verpflichten sich mindestens zwei Parteien, einen bestimmten bestehenden oder zukünftigen Rechtsstreit nur an dem oder den in der Vereinbarung bezeichneten Gericht beziehungsweise Gerichten auszutragen.3 Eine nicht ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung hingegen ermöglicht es den Parteien, an dem vereinbarten, an sich unzuständigen Gericht Klage zu erheben, ohne dabei die anderen gesetzlichen Zuständigkeiten auszuschließen.4 Ob eine Gerichtsstandsvereinbarung ausschließlich ist, ist im Zweifel durch Auslegung zu ermitteln.5 Bei Gerichtsstandsvereinbarungen nach Art. 25 EuGVVO besteht gem. Abs. 1 Satz 2 EuGVVO eine gesetzliche Vermutung da1  Mankowski,

RIW 2015, S. 17. in: Thomas/Putzo, ZPO, vor § 38, Rn. 2; Vollkommer, in: Zöller, ZPO, § 38, Rn. 4; Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 37, Rn. 2. 3  Cuniberti/Requejo, ERA 2010, S. 7, 8; Maire du Poset, Versailles Int. Arbitration 2012, S. 33, 34; Tan, Texas Int. Law Journal 2005, S. 623, 626 f. 4  Merrett, ICLQ 2006, S. 315, 316; Patzina, in: MüKo-ZPO, § 38, Rn. 42. 2  Hüßtege,



A. Gerichtsstandsvereinbarung23

für, dass die Gerichtsstandsvereinbarung ausschließlich ist. Ferner ist bei Gerichtsstandsvereinbarungen zwischen Prorogation und Derogation zu unterscheiden: Soll sie die Zuständigkeit eines an sich unzuständigen Gerichts begründen, spricht man von einer Prorogation. Wenn hingegen ein an sich zuständiges Gericht unzuständig werden soll, liegt eine Derogation vor.6 Eine Gerichtsstandsvereinbarung ermöglicht es den Parteien, sich auf das Verfahren, den Ort des Verfahrens, die zu erwartenden Kosten und das anwendbare Kollisionsrecht einzustellen.7 Die privatautonome Festlegung der gerichtlichen Zuständigkeit steigert die Planbarkeit und Vorhersehbarkeit eines Rechtsgeschäfts, weil sie die Unsicherheiten des internationalen Zuständigkeitsrechts reduziert.8 Eine Gerichtsstandsvereinbarung kann sich auch positiv auf die Verfahrensdauer und -kosten auswirken, weil sie eine aufwendige Prüfung der möglichen Gerichtsstände vermeidet.9 Ferner können Gerichtsstandsvereinbarungen eine bedeutende Rolle bei Vertragsverhandlungen spielen.10 Die Ortswahl für einen möglichen Rechtsstreit kann das finanzielle Risiko eines Rechtsgeschäfts erheblich beeinflussen. Insbesondere wenn ein Gerichtsstand in den USA in Betracht kommt, können pre-trial discovery11, punitive damages12 sowie Anwaltskosten nach der American Rule13 drohen und die Kosten für einen möglichen Gerichtsstand in die Höhe treiben.14 Manche Parteien reichen auch erpresserische Klagen in den USA ein, um vor dem Hintergrund des beschriebenen Kostenrisikos ihre Position für Vergleichsverhandlungen zu verbessern.15 5  Hüßtege, in: Thomas/Putzo, ZPO, § 38, Rn. 32; Patzina, in: MüKo-ZPO, § 38, Rn. 42. 6  Sancho-Villa, YPIL 2010, S. 399; Heinrich, in: Musielak, ZPO, § 38, Rn. 1; Schiedermair, Vereinbarun­gen, S.  97. 7  Eichel, RIW 2009, S. 289, 290; Geimer, IZPR, Rn. 1597, 1599; Tan, Texas Int. Law Journal 2005, S. 623, 638; Dinelli, Melbourne U. L. Rev. 2015, S. 1023, 1024; Gottwald, in: FS Henckel, S. 295; Saenger, ZZP 1997, S. 477. 8  Eichel, RIW 2009, S. 289, 290; Mankowski, IPRax 2009, S. 23; O’Connel, Fordham L.R. 1974, S. 424, 429. 9  Mankowski, in: Rauscher, EuZPR, Art. 25 EuGVVO, Rn. 57; ders., IPRax 2009, S. 23; Eichel, RIW 2009, S. 289, 290. 10  Sánchez Fernández, YPIL 2010, S. 377, 378. 11  Vgl. Antomo, Schadensersatz, S. 135 ff.; Schlosser, in: FS Lindacher, S. 111, 116. 12  Koch, NJW 1992, S. 3074; Sandrock, RIW 2004, S. 809, 815. 13  Vgl. T. Pfeiffer, in: FS Lindacher, S. 77, 78. 14  Eichel, AGB-Gerichtsstandsklauseln, S. 224; Sandrock, RIW 2004, S. 809, 815; zu den Ursachen: Koch, NJW 1992, S. 3074. 15  Althammer/Löhnig, ZZP Int. 2004, S. 23, 30; Eichel, RIW 2009, S. 289, 292; Mankowski, in: Rauscher, EuZPR, Art. 25 EuGVVO, Rn. 57; Gebauer, in: FS Kaissis, S. 267, 274.

24

1. Teil: Abgrenzung der Prozessverträge

Bereits im römischen Recht hielt man Gerichtsstandsvereinbarungen für grundsätzlich zulässig16, traf allerdings keine Aussage über die Zulässigkeit von internationalen Gerichtsstandsvereinbarungen. Letztere waren wohl aufgrund des an die römische Gerichtsbarkeit gebundenen römischrechtlichen Aktionendenkens schlicht nicht vorstellbar.17 Der Gesetzgeber der CPO von 1877 hatte eine liberale Auffassung gegenüber Gerichtsstandsvereinbarungen und ließ sie in § 38 CPO18 in großem Umfang zu. Nach seiner Vorstellung sollten „die Vorschriften des dritten Teils der prorogatio fori einen weiten Spielraum“ gewähren, wobei er von der Prämisse ausging, dass „die Parteien der Regel nach sich mit Misstrauen begegnen und in dem gegenseitigen Anerbieten Gefahr für sich erblicken“.19 Der aktuelle § 38 Abs. 1 ZPO postuliert seit der ZPO-Novelle von 197420 ein grundsätzliches Abschlussverbot für Gerichtsstandsvereinbarungen, lässt aber für die in der Norm enumerierten Personengruppen – unter den weiteren einschränkenden Voraussetzungen des § 40 ZPO – die Prorogation zu. Für diese Personengruppen erlaubt § 38 ZPO trotz seines nur auf die Prorogation zielenden Wortlauts sowohl die Prorogation als auch die Derogation.21 Art. 25 Abs. 1 EuGVVO ist rechtstechnisch als generelle Erlaubnisnorm aufgebaut und lässt sowohl die Prorogation als auch die Derogation dem Grunde nach zu, sofern die Formvoraussetzungen gewahrt sind und die Gerichtsstandsvereinbarung nicht ausnahmsweise nichtig ist. Allerdings ist es durch Abs. 4 für weite Anwendungsbereiche (Versicherungs-, Arbeitnehmerund Verbrauchersachen) de facto weitestgehend ausgeschlossen, Gerichtsstandsvereinbarungen zu treffen.22 Die Vorschrift verfolgt dabei bereits seit ihrer ursprünglichen Fassung in Art. 17 EuGVÜ23 eine dualistische Zielsetzung: Sie soll „einerseits den Handelsgebräuchen Rechnung tragen, anderer-

16  Ulp. D. 5.1.1: Si se subiciant aliqui iurisdictioni et consentiant, inter consentientes ciuiusve iudicis, qui tribunali praeest vel aliam iurisdictionem habet, est iurisdictio. Zitiert nach Behrends u. a., Corpus Iuris Civilis, Bd. II, S. 467. 17  Weller, Ordre-public-Kontrolle, S. 24. 18  Dieser lautete: „Ein an sich unzuständiges Gericht erster Instanz wird durch ausdrückliche oder stillschweigen­de Vereinbarung der Parteien zuständig“. 19  Hahn, Materialien CPO Bd. 2, S. 160. 20  Gesetz zur Änderung der ZPO vom 21. März 1974 (BGBl. I S. 753). 21  G. Wagner Prozessverträge, S. 558; Heinrich, in: Musielak, ZPO, § 38, Rn. 1; Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 37, Rn. 18. 22  Dörner, in: Saenger, ZPO, Art. 25 EuGVVO, Rn. 17; Nagel/Gottwald, IZPR, § 3, Rn. 16. 23  Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27.09.1968.



B. Schiedsvereinbarungen25

seits aber solchen Gerichtsstandsklauseln die Wirkung […] nehmen, die unbemerkt in das Vertragsverhältnis eingeführt werden können“.24 Art. 23 LugÜ entspricht Art. 23 EuGVVO a. F.25 Rechtstechnisch ist die Norm wie der heutige Art. 25 EuGVVO aufgebaut. Sie gestattet ebenfalls die Pro- und Derogation und macht – allerdings in Abs. 5 – Ausnahmen für dieselben schutzwürdigen Personengruppen wie Art. 25 Abs. 4 EuGVVO. Art. 3 HGÜ lässt Gerichtsstandsvereinbarungen grundsätzlich zu, sofern sie die materiellen Anforderungen des Art. 3 lit. a, b und d HGÜ und die formellen Voraussetzungen des Art. 3 lit. c HGÜ wahren. Allerdings sind vom Anwendungsbereich des HGÜ nach Art. 2 Abs. 1 insbesondere Verbrauchersachen (einschließlich Verbraucherversicherungsverträgen26) und Arbeitsverträge ausgenommen. Eine Gerichtsstandsvereinbarung nach dem HGÜ hat nach Art. 5 Abs. 1, Art. 6 HGÜ die Wirkung, dass ein prorogiertes Gericht den Rechtsstreit grundsätzlich verhandeln und ein derogiertes Gericht sich grundsätzlich für unzuständig erklären muss.

B. Schiedsvereinbarungen Unter einer Schiedsvereinbarung ist ein Vertrag zu verstehen, in dem sich die Parteien dazu verpflichten, einen bestimmten oder alle spezifisch bestimmbaren Streitigkeiten, egal ob gegenwärtig oder zukünftig, einem bestimmten Schiedsgericht zu unterstellen.27 Die Schiedsvereinbarung enthält eine Derogationskomponente, da sie die Zuständigkeit der an sich zuständigen staatlichen Gerichte für die Parteien privatautonom aufhebt und eine nur eingeschränkt von staatlichen Gerichten überprüfbare Entscheidung des Schiedsgerichts ermöglicht.28 Im deutschen Recht hat die Entscheidung des Schiedsgerichts zwischen den Parteien die Wirkung eines rechtskräftigen gerichtlichen Urteils (§ 1055 ZPO) und stellt materielle Rechtsprechung29 beziehungsweise Rechtsprechung im weiteren Sinne30 dar. Das Schiedsverfahren ist im nationalen wie internationalen Wirtschaftsverkehr von großer 24  Jenard,

Bericht EuGVÜ, Art. 17, S. 37. Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen. 26  R. Wagner, RabelsZ 2009, S. 100, 115. 27  Sievi, DRJ 2011, S. 57; Achterberg, in: FS Menger 1985, S. 125, 139. 28  Saenger, in: Saenger, ZPO, vor § 1025, Rn. 1. 29  BGH, NJW 1969, 750; 1971, 139; 1986, 3077, 3078. 30  BGH, NJW 2004, 2226, 2227; NJW 2005, 1125, 1126; Ramm, ZRP 1989, S. 136. 25  EG-Verordnung

26

1. Teil: Abgrenzung der Prozessverträge

Bedeutung, insbesondere bei großen Unternehmen.31 Eine Schiedsabrede kann – abhängig von den entsprechenden Schiedsparteien – in beinahe jedem Rechtsgebiet wirksam geschlossen werden.32 Die Schiedsgerichtsbarkeit reicht zurück bis in die älteste menschliche Epoche, die Urgeschichte, und ist damit älter als die staatliche Gerichtsbarkeit.33 Man geht aufgrund von Rekonstruktionen philosophischer und dramatischer Werke davon aus, dass es im klassischen Griechenland ein relativ weit entwickeltes Schiedsgerichtswesen gab.34 Die Parteien konnten die staatliche Gerichtsbarkeit wie im heutigen Sinn vollständig derogieren.35 Im antiken Rom hingegen war eine Schiedsvereinbarung nur wirksam, wenn die Parteien im Rahmen des receptum arbitri zu ihrer Absicherung eine Vertragsstrafe (pecunia compromissa) stipulierten.36 Aber auch dann war die Zuständigkeit des iudex nicht ausgeschlossen. Die den iudex anrufende Partei musste allerdings die in der Schiedsvereinbarung vereinbarte Vertragsstrafe zahlen.37 In vielen europäischen Ländern waren Schiedsgerichte auch im Mittelalter und der frühen Neuzeit verbreitet, etwa in Großbritannien38, der Schweiz und Österreich39. In Frankreich billigte bereits Art. 1006 Code de Procédure Civile von 180640 den Schiedsgerichten eine echte Kompetenz zur rechtskräftigen Entscheidung zu. Die CPO von 1877 hingegen erkannte den Schiedsrichter nicht als dem staatlichen Richter gleichwertig an und deutete den Schiedsspruch als privatrechtlichen Akt.41 Erst die ZPO-Novelle von 199742, die sich maßgeblich am Uncitral Model Law orientierte43, stellte durch die Einführung von § 1055 ZPO den Schiedsrichter dem staatlichen Richter 31  Bechte, ZJS 2011, S. 307; Dutson, Arbitration International 200, S. 89; Saenger, in: Saenger, ZPO, vor § 1025, Rn. 1. 32  Kröll, NJW 2007, S. 743. 33  Bucher, in: FS Schlosser, S. 97, 105. 34  Roebuck, Ancient Greek Arbitration, S. 37 ff. 35  Gal, Haftung Schiedsrichter, S. 8. 36  Vgl. Edikt Tit. XI, § 48: „Qui arbitrium pecunia compromissa reciperit, eum sentenciam dicere cogam“. Zit. nach Lenel, Edictum Perpetuum (1927), S. 130 f. 37  Ulp. D. 4. 8. 2: „Ex compromisso placet exceptionem non nasci, sed poenae petitionem“. Zitiert nach Behrends u. a., Corpus Iuris Civilis, Bd. II, S. 433. 38  Zur Geschichte der Schiedsgerichtsbarkeit in England: Noussia, Arbitration, S.  11 ff. 39  Bucher, in: FS Schlosser, S. 97, 105. 40  Er lautete: „Le compromis désignera les objets en litige et les noms des arbitres choisis, à peine de nullité“. 41  Vgl. § 1042 ZPO a. F. gegenüber § 1055 ZPO n. F. 42  Gesetz zur Änderung der ZPO vom 22. Dezember 1997 (BGBl. I S. 3224). 43  Bucher, in: FS Schlosser, S. 97, 113.



B. Schiedsvereinbarungen27

gleich, indem sie dem Schiedsspruch die Wirkung eines rechtskräftigen gerichtlichen Urteils beimaß. Heute sind die materiellen Anforderungen an Schiedsvereinbarungen gering. Sie sind nur unwirksam, wenn sich selbst durch ergänzende Vertragsauslegung nicht zweifelsfrei eruieren lässt, ob und welches Schiedsgericht zuständig sein soll.44 Zu den Vorteilen der Schiedsgerichtsbarkeit, die diese gerade im internationalen Wirtschaftsverkehr beliebt machen, zählen die Möglichkeit, den Schiedsrichter zu wählen, die kurze Entscheidungsdauer, die Vollstreckungsaussichten und unter Umständen auch die Kosten. Die Parteien können den Schiedsrichter als „Richter nach Maß“ bestimmen, etwa weil sie den Richter kennen (anders als beim a priori unbekannten staatlichen Richter) und zu ihm Vertrauen haben oder weil er über besondere kaufmännische, technische oder rechtliche Expertise verfügt.45 Ferner sind Verhandlungen vor Schiedsgerichten grundsätzlich im Gegensatz zur staatlichen Gerichtsbarkeit nicht öffentlich, sodass Geschäftsgeheimnisse nicht an die Öffentlichkeit gelangen.46 Während bei niedrigeren Streitwerten das Schiedsverfahren typischerweise teurer als das staatliche Verfahren ist47, ist es bei hohen Streitwerten regelmäßig günstiger als die staatliche Gerichtsbarkeit, da der Instanzenzug entfällt48. Aus demselben Grund entfalten schiedsgerichtliche Entscheidungen schneller ihre einem rechtskräftigen Urteil gleichstehende Wirkung.49 Aufgrund der weiten Verbreitung und Akzeptanz des New Yorker Übereinkommens (NYÜ)50 sind Schiedsurteile in vielen Staaten leichter zu vollstrecken als Urteile oder andere gerichtliche Vollstreckungstitel eines ausländischen Staates.51 Die Schiedsvereinbarung ist von mehreren anderen Verträgen abzugrenzen. Zunächst ist sie vom Schiedsrichtervertrag zu unterscheiden. Bei Letzterem handelt es sich um einen eigenständigen schuldrechtlichen Vertrag, den die Schiedsparteien auf der einen Seite und der oder die Schiedsrichter auf der 44  OLG

Frankfurt, NJOZ 2003, 3559, 3560 f. in: MüKo-ZPO, vor § 1025, Rn. 68; Stumpf, in: FS Bülow 1981, S. 217,

45  Münch,

221.

46  Joseph, Agreements, Rn. 14.16; Nagel, Durchsetzung, S. 22; Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, Einl., Rn. 8. 47  Maire du Poset, Versailles Int. Arbitration 2012, S. 33, 34. 48  Raeschke-Kessler/Berger, Schiedsverfahren, Rn. 109; Stumpf, in: FS Bülow 1981, S. 217, 219. 49  Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, Einl., Rn. 8. 50  New Yorker Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 10. Juni 1958. 51  Mezger, in: Eisemann/Mezger/Schottelius, S. 20 ff.; Stumpf, in: FS Bülow 1981, S.  217, 218 f.; Dutson, Arbitration International 2000, S. 89; Sandrock, in: FS Stiefel, S.  625, 628 f.

28

1. Teil: Abgrenzung der Prozessverträge

anderen Seite schließen, um das Schiedsgericht ins Leben zu rufen.52 Während die Schiedsvereinbarung nur die Parteien bindet und diese abstrakt für den Fall eines Konflikts an das Schiedsgericht verweist, verpflichtet der Schiedsrichtervertrag auch den Schiedsrichter und betrifft darüber hinaus die konkrete Konstituierung des Schiedsgerichts.53 Die Abgrenzung zur Gerichtsstandsvereinbarung ist anhand des zur Entscheidung berufenen Gremiums zu treffen: Während die Gerichtsstandsvereinbarung ein an sich unzuständiges staatliches Gericht für zuständig oder ein an sich zuständiges staatliches Gericht für unzuständig erklärt, dient die Schiedsvereinbarung dazu, den Rechtsstreit anstelle der staatlichen Gerichtsbarkeit einem privaten Gericht zuzuweisen.54 Inhaltlich sind beide Verfahren allerdings weitgehend ähnlich, auch vor Schiedsgerichten gilt etwa das Recht auf rechtliches Gehör, faires Verfahren und auf Ablehnung des Schiedsrichters (vgl. in Deutschland §§ 1042 Abs. 1 Satz 2, 1036 ZPO). Daneben ist die Schiedsgerichtsbarkeit von den Verfahren der alternativen Streitbeilegung („Alternative Dispute Resolution“) wie der Schlichtung, dem Gutachten, dem Schiedsgutachten und der Mediation abzugrenzen. Die Gemeinsamkeit der Verfahren zur alternativen Streitbeilegung besteht darin, dass sie nicht auf eine abschließende Entscheidung des Konflikts gerichtet sind, sondern eine Einigung der Parteien bewirken sollen.55 Im Unterschied dazu zielen das gerichtliche und das Schiedsverfahren auf eine rechtskräftige und damit endgültige Entscheidung eines Konflikts durch einen außenstehenden Dritten.56 Eine Schlichtung ist ein Verfahren, in dem die Parteien Beratung von außen durch den Schlichter wahrnehmen, der die verschiedenen Positionen bewertet und am Ende einen Lösungsvorschlag ausarbeitet. Diesen können die Parteien annehmen, müssen es aber nicht, sofern sie nichts anderes vereinbart haben.57 Am häufigsten kommen Schlichtungen in den Fällen von § 15a EGZPO i. V. m. den Landesschlichtungsgesetzen und im kollektiven Arbeitsrecht vor.58 Auch wenn der Schlichter im Schlichtungsverfahren im Gegensatz zur Mediation59 konkrete Regelungen zur Beendigung des Konflikts vorschlägt, binden diese – anders als bei gerichtlichen oder schiedsge52  Bucher,

in: FS Schlosser, S. 97, 101. Saenger, in: Saenger, ZPO, vor § 1025, Rn. 10 ff. 54  Walter, ZZP 1990, S. 114, 144. 55  Walter, ZZP 1990, S. 114, 146. 56  Böttcher/Laskawy, DB 2004, S. 1247. 57  Wiedemann, ZUM 2004, S. 779, 780; Ramm, ZRP 1989, S. 136, 137. 58  Ramm, ZRP 1989, S. 136, 137; Wiedemann, ZUM 2004, S. 779. 59  Zum Wesen der Mediation: 1. Teil, C. 53  Vgl.



C. Mediationsvereinbarungen29

richtlichen Entscheidungen – die Parteien grundsätzlich nicht und können auch nicht in Rechtskraft erwachsen.60 Bei einem Gutachten vereinbaren die Parteien, den gesamten Konflikt oder auch nur einzelne Aspekte einem Dritten zur Begutachtung vorzulegen. Dieses Gutachten entscheidet den Rechtsstreit genauso wenig wie der Schlichtungsspruch des Schlichters, sondern stellt für die Parteien nur eine weitere Grundlage dar, aufgrund derer sie den Konflikt beenden können.61 Wie bei der Schlichtung unterscheidet sich demnach das Gutachten dahingehend von staatlicher oder Schiedsgerichtsbarkeit, dass die Entscheidung nicht bindend ist, sondern nur durch freiwillige Annahme der Parteien verbindlich werden kann. Bei einem Schiedsgutachten legen die Parteien dem Schiedsgutachter einen bestimmten Teil des Streits vor, den dieser endgültig und für die Parteien bindend entscheidet.62 Der Unterschied zum Gutachten besteht demnach in der bindenden Entscheidung durch den Schiedsgutachter. Der hier besonders interessierende Unterschied zur Schiedsvereinbarung liegt nach herrschender Meinung darin, dass beim Schiedsgutachten der Schiedsgutachter nur einen Teilaspekt des Streits entscheidet, der Schiedsrichter bei der Schiedsvereinbarung hingegen den gesamten Rechtsstreit anstelle der ordentlichen Gerichte endgültig entscheidet.63 Der wichtigste Anwendungsfall für Schiedsgutachten sind Streitigkeiten im Rahmen großer Bauprojekte.64

C. Mediationsvereinbarungen Nach der Legaldefinition des § 1 Abs. 1 MediationsG65 handelt es sich bei der Mediation um „ein vertrauliches und strukturiertes Verfahren, bei dem Parteien mithilfe eines oder mehrerer Mediatoren freiwillig und eigenverantwortlich eine einvernehmliche Beilegung ihres Konflikts anstreben“. Definitionen in der Literatur sehen die Mediationsvereinbarung als eine Abrede von mindestens zwei Personen – den Konfliktparteien oder Medianten – darüber, im Konfliktfall hinsichtlich eines bestimmten Konfliktgegenstandes mit Unterstützung einer dritten Person selbstbestimmt eine Lösung zu erarbeiten.66 Ramm, ZRP 1989, S. 136, 143. ZZP 1990, S. 141, 148. 62  BGH, NJW 1983, 2244, 2245; NJW-RR 1994, 1314. 63  BGH, NJW 1967, 1804, 1805; 1975, 1556 f.; 1982, 1878; OLG München, NJOZ 2005, 289; Schlosser, Schiedsgerichtsbarkeit, Rn. 26; Würdinger, in: MüKo-BGB, § 317, Rn. 32; Geimer, in: Zöller, ZPO, § 1029, Rn. 4. 64  Vgl. BGH, IBR 2010, 556; Pauly, MDR 2008, S. 777. 65  Mediationsgesetz vom 21. Juli 2012 (BGBl. I S. 1577). 66  Eidenmüller, Wirtschaftsmediation, S. 8; Töben, RNotZ 2013, S. 321; Dendorfer/Krebs, MittBayNot 2008, S. 85. 60  Vgl.

61  Walter,

30

1. Teil: Abgrenzung der Prozessverträge

Um dem Mediationsverfahren zu einer realen Chance zu verhelfen, verpflichten sich die Parteien regelmäßig dazu, den ordentlichen Gerichtsweg oder ein Schiedsverfahren erst nach Ende des Mediationsverfahrens durchzuführen.67 Bei diesem so genannten pactum de non petendo handelt es sich um einen dilatorischen Klageverzicht68, dessen Wirksamkeit die ganz herrschende Meinung – jedenfalls hinsichtlich der prozessualen Wirkung – anerkennt69. Ob ein bindendes pactum de non petendo oder eine bloße Absichtserklärung vorliegt, ist durch Auslegung zu ermitteln.70 Die Idee der Mediation stammt ursprünglich aus den Vereinigten Staaten, fasste aber schnell weltweit und in Deutschland etwa seit den 1970er Jahren Fuß.71 Internationale Organisationen wie die internationale Handelskammer in Paris (ICC) oder die Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) verfügen bereits seit vielen Jahren über eigene formalisierte Mediationsordnungen.72 In Deutschland finden sich seit 2012 durch die Einführung des Mediationsgesetzes und des § 278a ZPO rudimentäre gesetzliche Rahmenbedingungen zur Mediation. Der Begriff Mediation leitet sich vom lateinischen „mediare“ (vermitteln) ab.73 Dementsprechend kommt dem Mediator nicht die Funktion zu, den Konflikt zwischen den Parteien auf Antrag zu entscheiden. Seine Aufgabe besteht vielmehr darin, zwischen den Parteien zu vermitteln und die Verfahrensabläufe sicherzustellen. Er ist also „Katalysator der eigenen Bemühungen der Parteien“.74 Dabei ist es die Zielsetzung der Mediation, die Interessen hinter einem Konflikt zu ermitteln und eine für alle Parteien sachgerechte Lösung zu finden. Diese ist nicht allein auf rechtliche Aspekte beschränkt, sondern kann auch wirtschaftliche oder persönliche Aspekte eines Konflikts berücksichtigen.75 Hierin besteht der erste und deutlichste Unterschied von Mediations- gegenüber Gerichtsstands- und Schiedsvereinbarungen. Bei Letzteren steht mit dem Richter beziehungsweise Schiedsrichter eine autoritäre, außenstehende 67  Böttcher/Laskawy,

DB 2004, S. 1247, 1249. MittBayNot 2008, S. 85, 90. 69  Greger, in: Zöller, ZPO, vor § 253, Rn. 19; Reichold, in: Thomas/Putzo, ZPO, vor § 253, Rn. 33; Sandrock, in: FS Schlosser, S. 821. BGH NJW 1984, 669 f; 1999, 647 f. zu Schlichtungsklauseln dürfte übertragbar sein. 70  Eidenmüller, Wirtschaftsmediation, S. 13. 71  Gottwald, WM 1998, S. 1257, 1260. 72  Risse, NJW 2000, S. 1614. 73  Böttcher/Laskawy, DB 2004, S. 1247. 74  Gottwald, WM 1998, S. 1257, 1260. 75  Dendorfer/Krebs, MittBayNot 2008, S. 85. 68  Dendorfer/Krebs,



C. Mediationsvereinbarungen31

Person im Mittelpunkt. Aufgabe des Richters ist es, den Lebenssachverhalt unter abstrakt-generelle Normen zu subsumieren und sein Subsumtionsergebnis als für die Parteien bindende Entscheidung festzusetzen.76 Dabei ist er verpflichtet, seine Entscheidung auf keine anderen Kriterien zu stützen als das geltende materielle und Prozessrecht, andernfalls macht er sich wegen Rechtsbeugung nach § 339 StGB strafbar. Dies gilt für die Schiedsgerichtsbarkeit ebenso, denn die Schiedsgerichtsbarkeit stellt in Anbetracht ihrer Funktion und Wirkungsweise ebenfalls Rechtsprechung dar.77 § 339 StGB gilt ausdrücklich auch für Schiedsrichter. Das gerichtliche und schiedsrichterliche Verfahren kann sich dabei zwangsläufig nur mit dem in der Vergangenheit liegenden, abgeschlossenen Sachverhalt beschäftigen.78 Gegenstand des Verfahrens sind in der Vergangenheit liegende Tatsachen und Rechtstatsachen und die Frage, ob und mit welchen Mitteln der Beweis über diese Tatsachen gelingen kann.79 Für die betroffenen Parteien in wirtschaftsrechtlichen Streitigkeiten ist häufig nicht die Vergangenheit, sondern die zukünftige Gestaltung der rechtlichen Beziehung entscheidend.80 Das Mediationsverfahren ist nicht an die Formenstrenge des Gerichtsprozesses und tendenziell auch des Schiedsverfahrens gebunden. In der Mediation können die Konfliktparteien Konflikte aus der Vergangenheit bewältigen und gleichzeitig Regelungen für die Zukunft treffen.81 Eine solche umfängliche Lösung kann leichter alle bestehenden Konflikte aufarbeiten und gleichzeitig die Konfliktparteien dauerhaft zufrieden stellen als eine gerichtliche Entscheidung oder ein Schiedsspruch, mit denen häufig keine Partei vollkommen zufrieden ist.82 Etwa zwei Drittel aller Wirtschaftsmediationsverfahren führen zum Erfolg und ersparen den Parteien einen Prozess vor einem staatlichen Gericht.83 Bei einer gerichtlichen oder schiedsrichterlichen Entscheidung kann selbst ein Obsiegen leicht einen Pyrrhussieg darstellen. Der durch den Konflikt entstehende Schaden durch das Misstrauen zwischen den Parteien fällt – gerade wenn langjährige Geschäftsbeziehungen ins Stocken geraten oder gar 76  Böttcher/Laskawy, DB 2004, S. 1247; Walter, ZZP 1990, S. 141, 146; Ponschab/Schweizer, Kooperation, S. 27. 77  BGH NJW 1969, 760; 1976, 109, 110; 2004, 2226, 2227; Walter, ZZP 1990, S. 141, 147. 78  Risse, NJW 2000, S. 1614. 79  Weitz, Mediation, S. 27. 80  Ponschab/Schweizer, Kooperation, S. 76. 81  Mähler/Mähler, in: Breidenbach/Henssler, Mediation für Juristen, S. 13, 25 ff.; Duve, Mediation, S. 87. 82  Vgl. Böttcher/Laskawy, DB 2004, S. 1247. 83  Risse, Wirtschaftsmediation, § 3, Rn. 26.

32

1. Teil: Abgrenzung der Prozessverträge

abgebrochen werden – leicht deutlich höher als der vor Gericht erstrittene Gewinn aus.84 Bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise ist der im Urteil oder Schiedsspruch ausgesprochene Gewinn des einen zugleich der Verlust des anderen.85 Diesen Nullsummenkonflikt versucht die Mediation zu vermeiden, indem ihre Methodik nicht auf Ansprüche, sondern die Ermittlung der zugrundeliegenden Interessen gerichtet ist.86 In der Literatur findet sich hierzu ein anekdotenhaftes Beispiel.87 Zwei Geschwister streiten sich um eine Orange. Die Mutter teilt diese vermeintlich salomonisch in zwei Hälften und gibt jedem Kind eine. Da ein Kind nur das Fruchtfleisch essen wollte, das andere die Schale als Backzutat verwenden wollte, ist keines zufrieden. Hätten die Kinder hier nicht ihre Forderungen geltend gemacht, sondern ihre Interessen dargelegt, hätte jeder statt der unbefriedigenden Teilung das bekommen, was er bekommen wollte. Auch wenn derartige Win-Win-Situationen, die sich nur hinter einem Kommunikationsproblem verbergen, nicht die Regel sind, sind sie im Wirtschaftsverkehr nicht selten.88 Beruft sich etwa eine Partei aufgrund von Liquiditätsproblemen auf tatsächlich nicht bestehende Mängelrechte, kann ein im Rahmen der Mediation ausgehandelter verzinster Zahlungsaufschub der einen Partei über die Liquiditätsschwierigkeiten hinweghelfen und der anderen Steuervorteile, etwa in Form des Steuerstundungseffekts, bescheren.89 Ein weiterer Unterschied zu Verfahren vor staatlichen Gerichten besteht in der Freiwilligkeit und Vertraulichkeit des Verfahrens. Während sich im gerichtlichen Verfahren der Beklagte gegen den Prozess grundsätzlich nicht wehren kann, beruht das Mediationsverfahren auf einer entsprechenden autonomen Entscheidung aller beteiligten Parteien.90 Das Vertraulichkeitsprinzip bedeutet, dass das Mediationsverfahren im Gegensatz zum gerichtlichen Verfahren in der Regel unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindet. Die Parteien vereinbaren typischerweise, dass die besprochenen Aspekte, insbesondere Geschäftsgeheimnisse, -strategien und -pläne, nicht an die Öffentlichkeit gelangen dürfen.91 Ferner beinhaltet die Vertraulichkeitsmaxime, 84  Böttcher/Laskawy,

DB 2004, S. 1247. WM 1998, S. 1260. 86  Duve u. a., BB 1998 Beil. 10, S. 15. 87  Zitiert nach Kracht/Rüssel, JA 2003, S. 725 f. 88  Risse, NJW 2000, S. 1614, 1619. 89  Ponschab/Schweitzer, Kooperation, S.  124 f. 90  Weitz, Mediation, S. 28; Duve, in: Henssler/Koch, Mediation, § 5, Rn. 94 f. 91  Duve, in: Henssler/Koch, Mediation, § 5, Rn. 96 ff.; Kracht/Rüssel, JA 2003, S. 725, 730; Risse/C. Wagner, in: Haft/von Schlieffen, Handbuch Mediation, 2. Aufl. (2009), § 23, Rn. 40 ff. 85  Walter,



D. Rechtswahlvereinbarungen33

dass die Parteien darüber schweigen, dass überhaupt eine Mediation stattfand. In Hinblick auf die Freiwilligkeit und Vertraulichkeit besteht eine Parallele zu Schiedsverfahren, weil dieses ebenfalls nur durch privatautonome Entschließung ins Leben gerufen wird und dort ebenfalls Verhandlungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden.92 Im Gegensatz zum staatlichen und schiedsgerichtlichen Verfahren kann der Mediator auch mit jeder Partei getrennt verhandeln (sog. Caucus).93

D. Rechtswahlvereinbarungen Eine Rechtswahlvereinbarung ist ein Vertrag, durch den die Parteien das auf ein Rechtsgeschäft anwendbare Recht festlegen.94 Aufgrund der universellen Anwendbarkeit der Rom-I-VO95 findet aus europäischer Perspektive stets Art. 3 Rom-I-VO Anwendung, auch wenn ein Sachverhalt mit ausschließlichem Drittstaatenbezug vorliegt, vgl. Art. 2 Rom-I-VO.96 Aufgrund des Anwendungsbereichs der Verordnung, vgl. Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Rom-IVO, gilt Art. 3 Rom-I-VO ausschließlich für vertragliche Schuldverhältnisse. Eine Rechtswahl ist im Bereich der außervertraglichen Schuldverhältnisse nach Art. 14 Rom-II-VO unter den dort genannten Einschränkungen möglich. Die Rechtswahlvereinbarung ist kein Prozessvertrag, da sie nicht unmittelbar eine bestimmte prozessuale Wirkung herbeiführt. Der Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer Rechtswahlvereinbarung ist dennoch im Anschluss an die Prozessverträge der Gerichtsstands-, Schieds- und Mediationsvereinbarung zu analysieren, weil die Rechtswahlvereinbarung typischerweise im Kontext einer Gerichtsstandsvereinbarung steht. Bei historischer Betrachtung stellt die unmittelbare Rechtswahl im heutigen Sinne ein modernes Phänomen dar.97 Zwar sind Beispiele indirekter Rechtswahl aus der hellenistischen Zeit überliefert, als griechisch-ägyptische Vertragsparteien durch die Wahl des Notariats die Vertragssprache festlegen und über die Sprache das anwendbare Recht bestimmen konnten.98 Die Pra92  Siehe

1. Teil, B. Mediation, S. 28. 94  Ferrari, in: Ferrari u. a., Int. Vertragsrecht, Art. 3 Rom-I-VO, Rn. 1. 95  Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf vertragliche Schuld­verhältnisse anzuwendende Recht vom 17. Juni 2008 (ABl. (EU) 2008 L 177/6). 96  Weller/Nordmeier, in: Spindler/Schuster, elektr. Medien, Art.  2 Rom-I-VO, Rn. 2. 97  Rühl, Statut und Effizienz, S. 325. 98  Hierzu: Wicki, Dogmengeschichte, S. 3. 93  Weitz,

34

1. Teil: Abgrenzung der Prozessverträge

xis der Rechtswahl über die Sprachwahl war im römischen Recht jedenfalls in den oströmischen Provinzen ebenfalls anerkannt.99 Als sich im 19. Jahrhundert die Privatautonomie bereits durchgesetzt hatte, waren die Rechtswahl und die gesamte Parteiautonomie noch großen Schranken unterworfen, die vielfach auch auf Überlegungen zur staatlichen Souveränität basierten.100 Erst mit dem politischen und wirtschaftlichen Liberalismus des späten 19. Jahrhunderts setzte sich die Rechtswahl durch101. Die Rechtsprechung in England102, den USA103, Frankreich104 und Deutschland105 erkannte die Rechtswahlfreiheit in der Folgezeit an, während dies in anderen europäischen Ländern wie der Schweiz noch bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts dauerte106. Die endgültige Anerkennung in Europa fand die Rechtswahl 1980 mit der Einführung von Art. 3 EVÜ.107 Die rechtstheoretische Grundlage für die Rechtswahl ist die Parteiautonomie, die in diesem Zusammenhang auch treffend als „kollisionsrechtliche Parteiautonomie“ bezeichnet wird.108 Der Verordnungsgeber der Rom-I-VO geht davon aus, dass die Parteien ihre Beziehungen dem Recht unterstellen, dass ihnen für das konkrete Rechtsverhältnis am vorteilhaftesten erscheint.109 Ähnlich wie bei Gerichtsstands- oder Schiedsvereinbarungen steigert auch die Rechtswahl die Vorhersehbarkeit der mit dem Rechtsgeschäft einhergehenden Kosten und Unwägbarkeiten110 und führt damit zu größerer Rechtssicherheit für die Parteien111. 99  Niederer,

in: FS Fritzsche, S. 115, 127; Wicki, Dogmengeschichte, S. 6. Parteiautonomie, S. 24 ff.; Henry, Rechtswahl, § 2 B 1. 101  Rühl, Statut und Effizienz, S. 326. 102  Greer v. Poole [1880] 5 Q. B. D. 272, 274; Chamberlain v. Napier [1880] 15 Ch.D. 614, 630 f.; Missouri Steamship Company [1889] 42 Ch.D. 321, 326; Spurrier v. La Cloche [1902] A.C. 446, 447; Montgomery v. Zarifi [1918] 2 S.L.T. 110, 113. 103  London Assurance v. Companhia de Moagens do Barreior [1897] 167 U.S. 149, 17 S. Ct 785, 790; Mutual Life Insurance Company of New York v. Tine Cohen [1900] 179 U.S. 262, 21 S. Ct. 106, 109; Mutual Life Insurance Company of New York v. Hills, [1904] 193 U.S. 551, 24 S. Ct 538, 540. 104  Cour de Cassation, 05.12.1910, Clunet 1912, 1156. 105  RGZ 108, 241, 243 (1923); RGZ 120, 70, 72 (1928). 106  BGE 78 II 74, 85 f. (1952). 107  Übereinkommen 80/934/EWG von Rom über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht vom 19. Juni 1980 (ABl. (EWG) 1980 L 266). 108  Junker, IPRax 1993, S. 1 ff. 109  Diedrich, RIW 2009, S. 378, 379; Ferrari, in: Ferrari u. a., Int. Vertragsrecht, Art. 3 Rom-I-VO, Rn. 5; Junker, IPRax 1993, S. 1, 2; Siehr, in: FS Keller, S. 485, 498. 110  Ferrari, in: Ferrari u. a., Int. Vertragsrecht, Art. 3 Rom-I-VO, Rn. 5. 111  Jayme, in: Gottwald/Jayme/von Hoffmann, Gerechtigkeit im IPR, S. 31, 32 f.; Kropholler, RabelsZ 1978, S. 634, 644 f.; Diedrich, RIW 2009, S. 378, 379. 100  Püls,



D. Rechtswahlvereinbarungen35

Die Rechtswahl ist von mehreren anderen Rechtsinstituten abzugrenzen. Sie ist deutlich zu unterscheiden von der kautelarjuristischen Gestaltung eines möglichst abschließenden Vertragswerks für die Parteien. Die Gestaltung eines Vertragswerks für die Parteien ist stets nur innerhalb des dispositiven Rechts einer Rechtsordnung möglich. Die Rechtswahl hingegen erlaubt es im Grundsatz, das eigentlich anwendbare Recht einschließlich des zwingenden Rechts zugunsten einer anderen Rechtsordnung – allerdings einschließlich deren zwingender Normen – abzuwählen.112 Art. 3 Abs. 3 Rom-I-VO besagt aber, dass an den zwingenden Inlandsbestimmungen festzuhalten ist, sofern kein hinreichender Auslandsbezug besteht. Des Weiteren ist die Rechtswahl- von der Gerichtsstandsvereinbarung zu unterscheiden. Die Unterscheidung fällt hinsichtlich der Funktion der Vereinbarung leicht: Während Gerichtsstandsvereinbarungen die Zuständigkeit eines Gerichts und damit im Fall einer Klage deren Zulässigkeit betreffen113, regelt die Rechtswahlvereinbarung das anwendbare Recht und damit Aspekte der Begründetheit einer Klage114. Mit anderen Worten treffen im Grundsatz Gerichtsstandsvereinbarungen keine Aussage über das anwendbare Recht und Rechtswahlvereinbarungen keine Aussage über das zuständige Gericht.115 Dennoch gibt es gewisse Wechselwirkungen zwischen diesen beiden Verträgen, die in der Praxis typischerweise zusammen vorkommen. Vereinbaren die Parteien etwa einen ausschließlichen Gerichtsstand in Deutschland, gilt dies als widerlegbares Indiz für eine konkludente Wahl zugunsten des deutschen Rechts.116 Auch Erwägungsgrund 12 der Rom-I-VO bestimmt die Gerichtsstandsvereinbarung als „zu berücksichtigenden Faktor“ für eine konkludente Rechtswahl. Eine Vermutung stellt der Erwägungsgrund allerdings nicht auf.117 Treffen die Parteien eine Schiedsvereinbarung, besteht ebenfalls eine widerlegliche Vermutung für eine konkludente Wahl des Rechts am Sitz des Schiedsgerichts.118 Diese Vermutung ist auch international weitgehend anerkannt.119 112  Rauscher,

IPR, Rn. 1144. Hüßtege, in: Thomas/Putzo, ZPO, vor § 38, Rn. 1. 114  Vgl. Ferrari, in: Ferrari u. a., Int. Vertragsrecht, Art. 3 Rom-I-VO, Rn. 1. 115  Vgl. Takahashi, YPIL 2009, S. 73, 101 f. 116  BGH, WM 1969, 1140 f.; RIW 1981, 194, 195; NJW-RR 1990, 183; NJW 1991, 1420; NJW-RR 2005, 206, 208; Martiny, in: Reithmann/Martiny, Int. Vertragsrecht, Rn. 116; Thorn, in: Palandt, BGB, Art. 3 Rom-I-VO, Rn. 7; Kropholler, IPR, § 52 II 1; Martiny, in: MüKo-BGB, Art. 3 Rom-I-VO, Rn. 48. 117  Martiny, in: MüKo-BGB, Art 3 Rom-I-VO, Rn. 48. 118  BGH ZUM 1998, 61; WM 2004, 2066; NJW-RR 2005, 206, 208. 119  Egon Oldendorff v. Liberia Corporation, 1996, 1 Lloyds Rep. 380; Hartley, in: FS Jayme, Bd. I, 2004, S. 297, 298 ff. 113  Vgl.

36

1. Teil: Abgrenzung der Prozessverträge

E. Ergebnis Die Gerichtsstandsvereinbarung ist ein Prozessvertrag, durch den die Parteien privatautonom die Zuständigkeit eines unzuständigen staatlichen Gerichts begründen oder eines zuständigen staatlichen Gerichts ausschließen. Mit einer Schiedsvereinbarung stipulieren die Parteien hingegen, dass alle staatlichen Gerichte unzuständig sein sollen und ausschließlich das Schiedsgericht den Rechtsstreit entscheiden darf. Die Mediationsvereinbarung schließt jedenfalls im Fall des pactum de non petendo die staatliche Gerichtsbarkeit vorübergehend aus, damit die Parteien mit Hilfe des Mediators den Konflikt eigenständig und einvernehmlich beenden können. Mit einer Rechtswahlvereinbarung bestimmen die Parteien das anwendbare Recht. Anders als bei Gerichtsstands-, Schieds- und Mediationsvereinbarungen treffen sie hierbei keine Aussage über die Zuständigkeit des staatlichen Gerichts oder des Schiedsgerichts.

2. Teil

Außervertraglicher Schadensersatz wegen der Missachtung einer internationalen ­Gerichtsstandsvereinbarung In Hinblick auf die Tatbestandsvoraussetzungen und den Umfang des Schadensersatzanspruchs wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung ist die Frage der Anspruchsqualifikation eine entscheidende Weichenstellung. Handelt es sich um einen vertraglichen oder einen außervertraglichen Schadensersatzanspruch? Im deutschen Recht ist die Frage deshalb wichtig, weil der vertragliche Schadensersatzanspruch eine größere Reichweite als die deliktischen Schadensersatzansprüche hat (vgl. insbesondere die strengen Tatbestandsvoraussetzungen des § 826 BGB sowie die Beweislastumkehr des § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB).1 Einige Autoren sehen den außervertraglichen Schadensersatzanspruch als eine Möglichkeit, die beim vertraglichen Schadensersatzanspruch bestehenden Schwierigkeiten mit der EuGVVO zu umgehen.2 Andere Autoren gehen davon aus, dass Schadensersatz wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung ausschließlich über den außervertraglichen Schadensersatzanspruch gewährt werden kann.3 Dennoch hat der deliktische Schadensersatzanspruch bisher in der internationalen Literatur und Rechtsprechung weniger Beachtung als sein vertragliches Pendant gefunden. In den angelsächsischen Ländern dürfte der deliktische Schadensersatzanspruch vor allen Dingen deshalb wenig thematisiert worden sein, weil die Rechtsprechung den vertraglichen Anspruch grundsätzlich anerkennt.4 Dennoch behandeln auch hier einige Autoren den außervertraglichen Schadensersatzanspruch.5 1  Siehe

2. Teil, A. IV. LMCLQ 2004, S. 46, 60; zweifelnd Knight, JPIL 2008, S. 501, 509. 3  G. Wagner, in: Stein/Jonas, Art. 23 EuGVVO a. F., Rn. 151; Kropholler, Handbuch IZVR, Bd. I, Kap. III, Rn. 170 ff., 586; Spickhoff, in: FS Deutsch, S. 327, 336 ff.; Gottwald, in: MüKo-ZPO, Art. 23 EuGVVO a. F., Rn. 97; Geimer, IZPR, Rn. 1122; wohl auch von Bar, IPR, 1. Aufl. (1987), Rn. 392, Fn. 379. 4  Vgl. E. Pfeiffer, Forum derogatum, S. 443. 5  Tham, LMCLQ 2004, S. 46, 56 ff.; Knight, JPIL 2008, S. 501, 510. 2  Tham,

38

2. Teil: Außervertraglicher Schadensersatz

Entgegen der klassischen Prüfungsreihenfolge und der Bedeutung in Lehre und Rechtsprechung soll die Untersuchung mit dem deliktischen Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung beginnen, bevor es um den mit ungleich mehr Schwierigkeiten behafteten vertraglichen Anspruch gehen soll. Dass die Qualifikation als vertraglicher Anspruch näherliegend erscheint, sofern man sich darauf einlässt, der Gerichtsstandsvereinbarung eine gewisse vertragliche Komponente zuzuerkennen6, kann jedenfalls in den Rechtsordnungen dahinstehen, die wie die deutsche dem Konzept der Anspruchskonkurrenz beziehungsweise Anspruchsnormenkonkurrenz folgen.7 Nach dieser im deutschen Recht ganz herrschenden Auffassung kann ein Anspruch parallel auf mehrere Normen gestützt werden. Jeder Anspruch ist grundsätzlich unabhängig vom anderen nach der für ihn maßgebenden Rechtsgrundlage zu beurteilen.8 Nach der Konzeption des deutschen Rechts kommt der deliktische Schadensersatzanspruch daher neben dem vertraglichen in Betracht. Hinsichtlich der deliktischen Schadensersatzansprüche wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung sind im deutschen Recht §§ 826, 823 Abs. 1 BGB und auch § 823 Abs. 2 BGB zu untersuchen.

A. § 826 BGB Die Reichweite des Schadensersatzanspruchs wegen vorsätzlicher, sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB ist durch seine strengen Tatbestandsvoraussetzungen beschränkt.9 Die nach § 826 BGB erforderliche Sittenwidrigkeit muss nach ständiger Rechtsprechung das „Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden“ verletzen.10 Diese normative und deshalb auch dem gesellschaftlichen Wandel unterliegende11 Wertung berücksichtigt keine Moralvorstellungen, sondern bezieht sich auf die rechtsethischen MindestbedinTakahashi, YPIL 2008, S. 73, 81. Unterscheidung zwischen beiden im Ergebnis im Wesentlichen ähnlichen Theorien siehe Bachmann, in: MüKo-BGB, § 241, Rn. 40. 8  Anders etwa des französische Recht, das dem Konzept des non-cumul folgt. Nach dieser Regel kann wegen einer unerlaubten Handlung im Rahmen einer Vertragsbeziehung nur ein vertraglicher und nicht gleichzeitig auch ein deliktischer Schadensersatzanspruch geltend gemacht werden (vgl. Cour de Cassation, Bull. civ., Bulletin 1993 II n° 204, S. 110)a. 9  Vgl. Teichmann, in: Jauernig, BGB, § 826, Rn. 1; Staudinger, in: Schulze u. a., BGB, § 826, Rn. 1. 10  Siehe u. a. RGZ 48, 114, 124; 56, 271, 279; 73, 107, 113; BGHZ 10, 228, 232; BGH, NJW 2004, 2668, 2670; NJW-RR 2013, 1448, 1449; NJW 2014, 1380. 11  Staudinger, in: Schulze u. a., BGB, § 826, Rn. 6; G. Wagner, in: MüKO-BGB, § 826, Rn. 10; Teichmann, in: Jauernig, BGB, § 826, Rn. 4. 6  Vgl. 7  Zur



A. § 826 BGB39

gungen der Gesellschaft, deren Einhaltung von der Gesamtheit ihrer Mitglieder zu erwarten ist.12

I. Die Entscheidung des RG von 1938 Sofern nicht besondere Umstände vorliegen, begründet eine im Ausland entgegen einer Gerichtsstandsvereinbarung erhobene Klage kein sittenwidriges Verhalten. Die – soweit ersichtlich – einzige höchstrichterliche Entscheidung in Deutschland zum Thema der missbräuchlichen Klage im Ausland stammt aus dem Jahr 1938.13 Sie verdeutlicht, auf welchem Stand sich die deutsche Rechtsprechung zu diesem Themenkomplex noch immer befindet. Ferner gibt sie Anlass, die – vom RG teilweise übersehenen – Schwierigkeiten des Schadensersatzanspruchs wegen einer missbräuchlichen Klage im Ausland aufzuzeigen. Das Urteil von 1938 betrifft die Scheidungsklage eines „großdeutschen“ (eigentlich österreichischen14) Ehemannes vor den Gerichten des damaligen „Scheidungsparadieses“15 Lettland. Hintergrund war das in den 1930er Jahren noch strenge deutsche Scheidungsrecht, das dem ehebrüchigen Ehegatten die Scheidung gegen den unschuldigen anderen Ehegatten versagte.16 Der Ehemann begründete einen Zweitwohnsitz in Riga, wo die nach lettischem internationalen Zivilverfahrensrecht zuständigen Gerichte die Scheidung aussprachen. Kurios ist dabei, dass die vor dem lettischen Obersten Gerichtshof anhängige Kassationsklage zum Zeitpunkt, als das Urteil des RG erging, noch nicht entschieden war. Das RG sprach in letzter Instanz der Ehefrau die zur Rechtsverteidigung in Lettland aufgewendeten Kosten nach § 826 BGB zu und verurteilte den Ehemann dazu, die Klage in Lettland zurückzunehmen. Es begründete die Entscheidung damit, dass deutsches Deliktrecht anwendbar sei, da der Ehefrau die Klage in Deutschland zugestellt worden sei. Die Reglung des § 328 ZPO 12  Larenz/Canaris, Schuldrecht, Bd. II/2 § 78 II 1b; Staudinger, in: Schulze u. a., BGB, § 826, Rn. 6. 13  RGZ 157, 136. 14  Bei den Parteien soll es sich um den österreichischen Theater- und Filmregisseur Max Reinhardt und seine erste Frau Else Heins gehandelt haben (so Schröder, in: FS Kegel, S. 523, 529; Coester-Waltjen, Annales Univ. Sci. Budapest. 2011, S. 225), was dem Urteil allerdings nicht zu entnehmen ist. 15  Schröder, in: FS Kegel, S. 523, 529. 16  § 1568 Abs. 1 BGB lautete von 1900 bis 1938: „Ein Ehegatte kann auf Scheidung klagen, wenn der andere Ehe­gatte durch schwere Verletzung der durch die Ehe begründeten Pflichten oder durch ehrloses oder unsittlic­hes Verhalten eine so tiefe Zerrüttung des ehelichen Verhältnisses verschuldet hat, daß dem Ehegatten die Fort­ setzung der Ehe nicht zugemuthet werden kann“.

40

2. Teil: Außervertraglicher Schadensersatz

stehe dem Anspruch aus § 826 BGB nicht entgegen, da auch unabhängig von der Frage der Anerkennung gem. § 328 ZPO die Ehefrau durch das lettische Scheidungsurteil „eine weitere Verschlechterung“ ihrer Rechtslage erfahren würde.17 Diese Entscheidung ist dogmatisch zweifelhaft.18 Ob man in Anbetracht des rein wirtschaftlichen Schadens den Sachverhalt tatsächlich familienrechtlich qualifizieren sollte19, mag dahinstehen. Jedenfalls führt aber die Zustellung der lettischen Scheidungsklage in Deutschland nicht zur Anwendbarkeit des deutschen Rechts. Das zeigt das folgende argumentum ad absurdum: Wäre die Zustellung trotz ihrer hohen Bedeutung für ein faires Verfahren (vgl. § 328 Abs. 1 Nr. 2 ZPO) unterblieben, wäre nach dieser Logik deutsches Recht nicht anwendbar gewesen.20 Die Quintessenz des Urteils ist dennoch richtig. Es zeigt, dass nach deutschem Recht derjenige, der rechtsmissbräuchlich ein ausländisches Gericht anruft, nicht nur damit rechnen muss, dass sein Urteil im Inland nicht anerkannt wird, sondern sich auch potenziell schadensersatzpflichtig macht. Gleichzeitig verdeutlich die Entscheidung aber auch die Schwierigkeiten, ein im Ausland legales Prozessverhalten als vorsätzliche sittenwidrige Schädigung im Inland zu qualifizieren. Das RG begründete die Sittenwidrigkeit damit, dass nach deutschem Recht kein Scheidungsgrund des Ehemanns bestanden habe und er sich den Scheidungsgrund nach lettischem Recht durch gesetzes- und pflichtwidriges Getrenntleben von der Ehefrau erschlichen habe. Obwohl der Ehegatte damit das deutsche Recht bewusst umging, erscheint es zweifelhaft, das Vorgehen als sittenwidrig zu werten.21 §§ 1567, 1568 BGB zeigten in der Fassung von 1900 bis 1938 ja gerade, dass eine Scheidung wegen Getrenntlebens möglich war, wenn auch nur auf Antrag des verlassenen Ehegatten.22 Jedenfalls aber sind präzise Kriterien erforderlich, um eine Haftung nach § 826 BGB nicht ausufern zu lassen. Dementsprechend entwickelte der BGH in mehreren Entscheidungen in den folgenden Jahrzehnten präzisere Kriterien, um festzustellen, ob ein Prozessverhalten als sittenwidrig gem. § 826 BGB zu qualifizieren ist. Diese Entscheidungen beziehen sich alle auf reine Inlandssachverhalte, dürften hinsichtlich ihrer dogmatischen Wertungen al17  RGZ

157, 136, 140 f. ZfRV 1984, S. 123, 136; Schröder, in: FS Kegel, S. 523, 536 f. 19  So Schröder, in: FS Kegel, S. 523, 536. 20  Schröder, in: FS Kegel, S. 523, 536 f.; Siehr, ZfRV 1984, S. 123, 136. 21  Dem RG zustimmend allerdings Mößmer, JW 1938, S. 1333 f.; Zur Kritik an der Konstruktion des „Zuständigkeitserschleichens“: Paulus, RIW 2006, S. 258, 259. 22  § 1567 Abs. 1 BGB lautete: „Ein Ehegatte kann auf Scheidung klagen, wenn der andere Ehegatte ihn böslich verlassen hat“. 18  Siehr,



A. § 826 BGB41

lerdings im Wesentlichen auf Sachverhalt mit Auslandsberührung zu übertragen sein, soweit deutsches Recht anwendbar ist.23

II. Die neuere Rechtsprechung Die – soweit ersichtlich – erste grundlegende Entscheidung des BGH zum Missbrauch von Ver­fahrens­rechten im Inland stammt aus dem Jahr 1961.24 Die Klägerin, ein Sanitärunternehmen, bezahlte mehre­re höhere Rechnungen der Beklagten nicht. Nach mehreren Mahnungen und einer entsprechenden Warnung stellte die Beklagte fahrlässig einen unzutreffenden Konkursantrag. Nachdem die Klägerin die Forderungen beglichen hatte, nahm die Beklagte den Konkursantrag zurück. Die Klägerin forderte Schadensersatz wegen des unberechtigten Konkursantrags. Der BGH betonte in dieser Entscheidung, dass Schadensersatzansprüche wegen der Nutzung von staatlichen eingerichteten Verfahren nur ausnahmsweise in Betracht kämen. Ein rechts- oder sittenwidriger Eingriff in den Rechtskreis des Schuldners lege auch bei einem inhaltlich nicht gerechtfertigten Antrag grundsätzlich nicht vor. „Der Gläubiger ist deshalb nicht verpflichtet, zuvor mit Sorgfalt zu prüfen, ob er sich zur Ingangsetzung des Verfahrens für berechtigt halten darf, oder gar seine Interessen gegen die des Schuldners abzuwägen. Den Schutz des Schuldners, gegebenenfalls auch durch Interessenabwägung, übernimmt vielmehr das Verfahren selbst nach Maßgabe seiner gesetzlichen Ausgestaltung“25, wie etwa durch die Schadensersatzansprüche nach §§ 717 Abs. 2, 945 ZPO. Die Grenze zur Sittenwidrigkeit ist nach dem BGH erst überschritten, wenn eine Partei „das staatliche Verfahren zur Schädigung der Gegenpartei oder Dritter missbraucht“ und mit unlauteren Mitteln betreibt, die als Prozessbetrug oder Erschleichen gerichtlicher Handlungen zu werten sind.26 So handelt eine Partei etwa sittenwidrig, wenn sie im Prozess entgegen § 138 Abs. 1 ZPO bewusst unwahre Angaben macht.27 Es ist ebenfalls sittenwidrig, wenn eine Partei bewusst falsche Entscheidungen herbeiführt, etwa wenn ein Rechtskundiger einen offensichtlich nicht bestehenden Anspruch „leichtfertig und gewissenlos“ geltend macht.28 Sittenwidrig handelt auch 23  Paulus,

RIW 2006, 258, 259. NJW 1961, 2254. Frühere Entscheidungen wie BGH, NJW 1958, 826 setzten sich nicht im selben Umfang mit der Frage auseinander, inwiefern eine Partei ein rechtstaatliches Verfahren rechts- beziehungsweise sittenwidrig betreiben kann. 25  BGH, NJW 1961, 2254, 2255. 26  BGH, NJW 2003, 1934, 1935; 2004, 446, 447. 27  Sprau, in: Palandt, BGB, § 826, Rn. 50. 28  OLG Düsseldorf, NJW-RR 2003, 566. 24  BGH,

42

2. Teil: Außervertraglicher Schadensersatz

eine mittellose Partei, die in „grob leichtfertiger Weise“ einen aussichtlosen Rechtsstreit in dem Wissen betreibt, dass sie den gegnerischen Kostenerstattungsanspruch nicht erfüllen kann. Eine solche grobe Leichtfertigkeit ist allerdings nach dem BGH erst anzunehmen, wenn der Kläger den Rechtsstreit „ins Blaue hinein, ohne jede Prüfung des Anspruchs in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht“ vom Zaun bricht.29 Ähnliches gilt für das Erstatten einer Strafanzeige30, für die Eintragung im Schuldnerverzeichnis31, für den bereits geschilderten Fall des unberechtigten Konkursantrags32 und die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung33. In allen Fällen stellt die Rechtsprechung auf die Redlichkeit desjenigen ab, der sich des staatlichen Verfahrens bedient. Sofern er keine Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis davon hat, dass sein Antrag unbegründet oder sein Vorgehen nicht gerechtfertigt ist, ist die Grenze zur Sittenwidrigkeit nicht überschritten.34 Die vom BGH aufgestellten Kriterien verselbständigte Deutsch zur so genannten Überwindungsfunktion (in Abgrenzung zur Entwicklungsfunktion), die es einer Partei aufgrund höherer Gerechtigkeitsbewertungen ausnahmsweise untersage, sich auf eine formal bestehende Rechtsposition zu berufen.35 Der praktisch bedeutendste Anwendungsfall der Überwindungsfunktion des § 826 BGB im Rahmen von Prozesshandlungen ist die Durchbrechung rechtskräftiger Entscheidungen.36 Diese Fallgruppe soll hier allerdings außen vor bleiben, da die Konstruktion nicht auf die Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung zu übertragen ist.37 In subjektiver Hinsicht sind bei § 826 BGB Schädigungsvorsatz und Kenntnis der die Sittenwidrigkeit begründenden Umstände erforderlich. Für den Schädigungsvorsatz genügt es, wenn der Schädigende den Schaden als 29  BGH,

NJW 2001, 3187, 3189. NJW 1987, 1929, 1930. 31  BGH, NJW 1979, 1351, 1352. 32  BGH, NJW 1961, 2254, 2255. 33  BGH, NJW 1985, 1959, 1961 f. 34  Vgl. G. Wagner, in: MüKo-BGB, § 826, Rn. 190 f. 35  Deutsch, JZ 1963, S. 385, 389 f. 36  Vgl. u. a. RGZ 155, 55, 58 ff.; BGH, NJW 1964, 349; 1987, 3256, 3257; 2006, 154, 156; Deutsch, JZ 1963, S. 385, 389 f. 37  Der Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung soll den durch die abredewidrig erhobene Klage entstandenen Schaden ersetzen. Die Frage nach der Durchbrechung der Rechtskraft stellt sich nicht, weil das Urteil eines forum derogatum in Deutschland entweder nicht anzuerkennen ist oder aber nach den Maßgaben der EuGVVO beziehungsweise des LugÜ nicht überprüft werden darf (siehe 2. Teil, A. IV. und 3. Teil, A. II. 7. und A. II.9.). 30  BVerfG,



A. § 826 BGB43

möglich erkennt und billigend in Kauf nimmt (dolus eventualis)38, das gilt auch für Angaben „ins Blaue hinein“39. Nicht ausreichend ist es hingegen, wenn der Schädigende darauf vertraut, der Schaden werde nicht eintreten (bewusste Fahrlässigkeit).40 In Bezug auf die Sittenwidrigkeit hingegen muss der Schädiger nur die Umstände erkennen, aus denen sich die Sittenwidrigkeit ergibt. Würde man das Vorsatzerfordernis auch auf die Sittenwidrigkeit erstrecken, würde man im Ergebnis den Anwendungsbereich von § 826 BGB zulasten des Opfers verkleinern und zugleich den besonders gewissenlosen Schädiger belohnen.41 Die Rechtsprechung des BGH zum Missbrauch von Verfahrensrechten im Inland lässt sich dergestalt zusammenfassen, dass inhaltlich falsche Anträge oder Prozesshandlungen grundsätzlich nicht als rechts- oder sittenwidriger Eingriff in den Rechtskreis des Schuldners zu werten sind. Den Schutz des Schuldners vor belastenden Verfahrenshandlungen nimmt das Prozessrecht grundsätzlich selbst vor, etwa durch die Schadensersatzansprüche nach §§ 717 Abs. 2, 945 ZPO. Der Schadensersatzanspruch wegen vorsätzlich sittenwidriger Schädigung kommt nur in Betracht, wenn eine Partei das Verfahren zur Schädigung der Gegenseite missbraucht, etwa durch betrügerisches Verhalten. In subjektiver Hinsicht ist Vorsatz einschließlich von „Angaben ins Blaue hinein“ zu verlangen.

III. Rechtsvergleichender Überblick Das französische und das englische, tendenziell aber auch das US-amerikanische Recht stellen ähnlich strenge Anforderungen wie das deutsche Recht an den Schadensersatzanspruch wegen Missbrauchs von staatlich eingerichteten Verfahren. Das House of Lords hatte in dem Rechtsstreit British Airways Board v. Laker Airlines Limited42 darüber zu entscheiden, ob die Klage der Laker Airlines Limited in den USA eine rechtsmissbräuchliche 38  RGZ 55, 60; BGH, NJW 1991, 634, 636; DStR 2004, 1490, 1492; Geimer, IZPR, Rn. 1122; vgl. auch Mößmer, JW 1938, S. 1333, laut dem der Schädiger „einen irgendwie gearteten Einfluß auf die Herbeiführung der unrichtigen Entscheidung genommen“ haben muss. Dies meint wohl eine vorsätzliche Einflussnahme. 39  BGH, NJW 1991, 3282, 3283. 40  Vgl. BGH, NJW 1992, 3167, 3174. 41  BGH, NJW 1986, 1751, 1754; 1987, 3256, 3268; Deutsch, JZ 1963, S. 385, 389 f.; Hönn, in: Soergel, BGB, § 826, Rn. 61; G. Wagner, in: MüKo-BGB, § 826, Rn. 32; Staudinger, in: Schulze u. a., BGB, § 826, Rn. 10. 42  British Airways Board v. Laker Airlines Limited [1985] AC 58. Dass das staatliche Verfahren aus Sicht des englischen Rechts im Ausland (in den USA) stattfand, war für das House of Lords offensichtlich unbeachtlich. Das erscheint überzeugend. In welchem Staat der Kläger klagt, ändert grundsätzlich nichts an der Frage, ob er ein

44

2. Teil: Außervertraglicher Schadensersatz

Zuständigkeitsbegründung darstellte. Als Maßstab für den Rechtsmissbrauch prägte das House of Lords dabei die Formel: „The conduct […] should fit the generic description of conduct that is ‚unconscionable‘ in the eye of English law“. „Unconscionable“ ist im juristischen Kontext als „sittenwidrig“ oder „skrupellos“ zu übersetzen.43 Nach englischem Recht handelt eine Partei, die sich eines staatlichen Verfahrens bedient, wie im deutschen Recht erst dann rechtswidrig, wenn ihr Vorgehen sittenwidrig ist. Die Zuständigkeitsbegründung könne „unconscionable“ sein, wenn sie der forum-non-conveniens-Lehre zuwiderlaufe. In der Lakers-Entscheidung sei dies nicht der Fall, weil der materielle Anspruch nur vor amerikanischen, nicht den britischen Gerichten bestehe. Das englische Recht gewährt bei unberechtigt eingeleiteten Strafverfahren unter weniger strengen Voraussetzungen einen Schadensersatzanspruch (tort of malicious prosecution), erstreckt diesen aber ausdrücklich nicht auf unberechtigte Zivilverfahren.44 Die französische Cour de Cassation entschied in mehreren Verfahren zur außervertraglichen Haftung nach Art. 1382 Code Civil beinahe inhaltsgleich wie der BGH: „L’exercice d’une action en justice, de même que la défense à une telle action, constitue, en principe, un droit, et ne dégénère en abus pouvant donner naissance à une dette de dommages-intérêts que dans le cas de malice, de mauvaise foi ou d’erreur grossière équipollente au dol“.45 Auch in Frankreich stehen staatlich eingerichtete Verfahren grundsätzlich jedem ohne vorherige Prüfung der Rechtslage offen, außer eine Partei betreibt das Verfahren rechtsmissbräuchlich in Fällen des Schädigungsvorsatzes, der Bösgläubigkeit oder durch arglistige oder grob fahrlässige Fehleinschätzung der Rechtslage. Ähnliche Regelungen trifft auch Sec. 674 des US-bundesstaatlichen Restatement (Second) of Law of Torts46: „One who takes an active part in the initiation, continuation or procurement of civil proceedings against another is subject to liability to the other for wrongful civil proceedings if: (a) he acts without probable cause, and primarily for a purpose other than that of securing the adjudication of the claim in which the proceedings are based; and (b) except when they are ex parte, the proceedings have terminated in favor staatliches Verfahren missbraucht (davon geht wohl auch Schröder, in: FS Kegel, S. 523, 540 aus). 43  Romain/Bader/Byrd, Wörterbuch Teil I, S. 845. 44  Siehe zum Ganzen Tham, LMCLQ 2004, S. 46, 61; E. Pfeiffer, Forum derogatum, S.  445 f. 45  Cour de Cassation, Bull civ. 1963 n° 396; 1973 n° 17. 46  American Law Institute, Restatement (Second) of Law of Torts (1977), Bd. 2d, § 674.



A. § 826 BGB45

of the person against whom they are brought“. Auch hier macht der unberechtigte Anspruchssteller sich schadensersatzpflichtig, wenn er das staatliche Verfahren zu einem anderen als dem vorgesehenen Zweck missbraucht. Auffällig ist allerdings, dass die Anforderungen an die missbräuchliche Nutzung des staatlichen Verfahrens augenscheinlich weniger streng sind als in den anderen betrachteten Rechtsordnungen. Anders als im deutschen und französischen Recht erfordert das US-amerikanische Recht keine qualifizierten Umstände. Insbesondere verlangt Sec. 674 weder Schädigungsabsicht noch grobe Fahrlässigkeit bezüglich des nicht bestehenden Anspruchs. Allerdings dürften die Fälle, die § 826 BGB unterfallen, auch einen „purpose other than that of securing the adjudication of the claim“ darstellen, da § 826 BGB strengere Voraussetzungen stellt als Sec. 674. Die weitere Fassung von Sec. 674 ist auch dadurch zu erklären, dass nach der American Rule dem Obsiegenden eines Zivilprozesses grundsätzlich kein Kostenerstattungsanspruch gegen den Unterlegenen zusteht. Um dies zu kompensieren, gewährt Sec. 674 ausnahmsweise einen Schadensersatzanspruch, dessen Voraussetzungen weniger streng als in anderen Rechtsordnungen sind.47 Vor diesem Hintergrund ist auch verständlich, warum Sec. 674 lit. b anders als § 826 BGB keine Überwindungsfunktion zukommt, sondern nur Anwendung findet, wenn die Klage des zu Unrecht Schädigenden abgewiesen wurde.

IV. Anwendung auf Gerichtsstandsvereinbarungen Überträgt man die Erkenntnisse zum rechtsmissbräuchlichen Verfahren im Inland und des rechtsvergleichenden Überblicks auf die Missachtung internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen, ist die zentrale Frage, welche Anforderungen an die Sittenwidrigkeit zu stellen sind.48 Ein Argument für eine zurückhaltende Anwendung von § 826 BGB ist, dass die Klage am derogierten Gericht nicht sittenwidrig sein könne, wenn das derogierte Gericht nach der lex fori derogati zuständig ist.49 Dem Urteil des RG von 1938 ist bei aller berechtigten Kritik eine zentrale Prämisse für die Anwendung von § 826 BGB zu entnehmen: Der Anspruch wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung ist nicht davon abhängig, ob das forum derogatum sich selbst für zuständig erklärt hat oder nicht. Auch 47  Vgl. Alyeska Pipeline Service Co. v. Wilderness Society [1975] 421 U.S. 240, 270; Schack, US-Zivilpro­zessrecht, Rn. 22 f. 48  An dieser Stelle sollen nur die spezifischen Argumente gegen den Anspruch aus § 826 BGB Beachtung finden, eine Auseinandersetzung mit generellen Erwägungen gegen den Schadensersatzanspruch findet im 3. Teil, A. II. statt. 49  Paulus, RIW 2006, S. 258, 259; vgl. Kurth, Rechtsschutz, S. 96.

46

2. Teil: Außervertraglicher Schadensersatz

wenn – wie im Fall des RG – das ausländische Gericht nach seinem internationalen Verfahrensrecht zuständig ist, schließt das den Anspruch nach § 826 BGB nicht zwangsläufig aus. Andererseits muss man der Tatsache Rechnung tragen, dass sich das internationale Zuständigkeitsrecht – insbesondere außerhalb vereinheitlichender Abkommen – von Staat zu Staat unterscheidet. Dass nicht jeder Fall von divergierenden internationalen Zuständigkeiten über § 826 BGB zu korrigieren ist, liegt auf der Hand. Es ist daher zu klären, welche Gerichtsstandswahl noch zulässiges Prozessverhalten und welche bereits rechtsmissbräuchliche Zuständigkeitserschleichung ist, die zum Schadensersatzanspruch nach § 826 BGB führen kann.50 Schröder stellt darauf ab, ob das ausländische Urteil nach § 328 ZPO in Deutschland anzuerkennen wäre.51 Dabei berücksichtigt er § 328 Abs. 1 Nr. 3 ZPO in der Fassung bis 1986.52 Begründet sei der Anspruch nach § 826 BGB, wenn es durch die Verhandlung des Streitgegenstands im Ausland zu einem so genannten materiellrechtlichen Rechtsumschwung („unfavorable change in the law“) komme, der im Widerspruch zu den Vorstellungen des deutschen materiellen Rechts stehe. Der Grund für die Entscheidung des RG sei darin zu sehen, dass man ein hinkendes Eheverhältnis zwischen den Parteien – verheiratet nach deutschem und geschieden nach lettischem Recht – habe verhindern wollen. Eine solche Spaltung sei jedenfalls dann sittenwidrig, wenn das ausländische Urteil nach § 328 Abs. 1 Nr. 3 ZPO a. F. nicht in Deutschland anzuerkennen sei.53 Ergänzend zu Schröders Überlegungen könnte man dem Gedanken verfallen, auf § 328 Abs. 1 Nr. 1 ZPO abstellen. Nach dieser Vorschrift sind ausländische Urteile nicht anzuerkennen, wenn die Gerichte des das Urteil erlassenden Staates nach deutschem internationalen Zivilverfahrensrecht unzuständig sind. Hierzu vertritt die ganz herrschende Auffassung, dass ein Urteil, das unter Verstoß gegen eine ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung er50  Hau, Kompetenzkonflikte, S. 206; Kropholler, Handbuch IZVR, Bd. I, Kap. 3, Rn. 170; Kurth, Rechtsschutz, S. 96. 51  Schröder, in: FS Kegel, S. 523, 538 f. 52  Dieser lautete: „Wenn in dem Urteil zum Nachteil einer deutschen Partei von den Vorschriften des Artikels 13 Abs. 1, 3 oder der Artikel 17, 18, 22 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch oder von der Vorschrift des auf den Artikel 13 Abs. 1 bezüglichen Teiles des Artikels 27 desselben Gesetzes oder im Falle des § 12 Abs. 3 des Gesetzes über die Verschollenheit, die Todeserklärung und die Feststellung der Todeszeit vom 4. Juli 1939 (Reichsgesetzbl. I S. 1186) zum Nachteil der Ehefrau eines für tot erklärten Ausländers von der Vorschrift des Artikels 13 Abs. 2 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch abgewichen ist“. Er wurde allerdings schon 1986 in die heutige Fassung geändert, bevor der Artikel Schröders 1987 erschien. 53  Schröder, in: FS Kegel, S. 523, 538 f.



A. § 826 BGB47

ging, in Deutschland nicht anerkennungsfähig ist.54 Der Vorteil einer Lösung über § 328 ZPO ist ohne Frage, dass diese Vorschrift klare Kriterien vorgibt und damit zu größerer Rechtssicherheit führt.55 Dennoch stellen weder § 328 Abs. 1 Nr. 1 noch Nr. 3 ZPO einen geeigneten Beurteilungsmaßstab dar. Schließlich bezweckt der am forum derogatum Klagende nicht den „Erlaß einer im Inland nicht anerkennungsfähigen Ent­ scheidung“56, was sich nach § 328 Abs. 1 ZPO bewerten ließe, sondern er bezweckt die sittenwidrige Schädigung der anderen Partei. Die Anerkennung im Inland dürfte ihm egal sein, wenn er nicht im Inland vollstrecken möchte. Die prozessuale Vorschrift des § 328 Abs. 1 ZPO kann nicht ohne Weiteres Kriterien für die materiellrechtliche Sittenwidrigkeit aufstellen.57 Das ergibt sich bereits daraus, dass § 826 BGB eine vorsätzliche, sittenwidrige Schädigung erfordert, also Voraussetzungen, die bereits begrifflich nicht die Frage betreffen, ob ein ausländisches Gericht die Gerichtsstandsvereinbarung der Parteien beachtet hat. Der mit dem Schadensersatzanspruch erhobene Vorwurf des sittenwidrigen Fehlverhaltens ist nur gegenüber der Partei zu erheben, die die Gerichtsstandsvereinbarung gebrochen hat. Diese Partei provoziert für die Beteiligten Kosten, die nicht entstanden wären, wenn sie die Gerichtsstandsvereinbarung eingehalten hätte. Dem ausländischen Gericht ist hingegen kein Vorwurf zu machen: Erkennt es die Gerichtsstandsvereinbarung als wirksam an und weist die Klage ab, entstehen zwar Kosten für die Parteien, das Gericht handelte jedoch rechtsfehlerfrei. Ist die Gerichtsstandsvereinbarung nach der lex fori derogati unwirksam und entscheidet das forum derogatum in der Sache, entstehen noch viel höhere Kosten für die Parteien. Dem Gericht ist jedoch wiederum kein Vorwurf zu machen, da es in beiden Fällen nach seinem Recht rechtmäßig handelte.58 Genau wie bei den thematisierten Inlandsfällen ist auf das Verhalten des Klägers abzustellen. Das spricht dafür, die vom BGH für Inlandsfälle aufge54  RG, Leipziger Zeitschrift 1914, Sp. 774, 775; BGH, NJW 1969, 1536, 1537 f.; Antomo, Schadensersatz, S. 264 ff.; Bläsi, HGÜ, S. 297; Coester-Waltjen, Annales Univ. Sci. Budapest. 2011, S. 225, 238; Gebauer, in: FS Kaissis, S. 267, 280; Hüßtege, in: Tho­mas/Putzo, ZPO, § 328, Rn. 8a; Köster, Forum Shopping, S. 80; Krop­ holler/von Hein, EuZPR, Art. 23 EuGVVO a. F., Rn. 97; Linke/Hau, IZVR, Rn. 13.14; Mankowski, IPRax 2009, S. 23, 31 f.; ders., MDR 2002, S. 1352, 1356; Nagel/Gottwald, IZPR, § 12, Rn. 153, 157; Schütze, Rechtsverfolgung im Ausland, Rn. 121; ders., in: Wieczorek/Schutze, ZPO, § 328, Rn. 34; Stadler, in: Musielak, ZPO, § 38, Rn. 10; offen: Martiny, Handbuch IZVR, Bd. III/1, Rn. 652. 55  de Lousanoff, ZZP 1992, S. 111, 115. 56  So de Lousanoff, ZZP 1992, S. 111, 115. 57  Vgl. Kurth, Rechtsschutz, S. 97. 58  Im Ergebnis auch gegen die Anwendung von § 328 ZPO: Hau, Kompetenzkonflikte, S. 205; Schack, IZVR, Rn. 862.

48

2. Teil: Außervertraglicher Schadensersatz

stellten Grundsätze auch auf Auslandskonstellationen zu übertragen, in denen eine Partei eine ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung bricht.59 Auch der rechtsvergleichende Überblick unterstützt eine solche strenge Lesart der Tatbestandsvoraussetzungen des Schadensersatzanspruchs. Das gilt sowohl für den Fall, dass das forum derogatum sich trotz der entgegenstehenden Gerichtsstandsvereinbarung für zuständig erklärt, als auch für den Fall, dass es sich aufgrund der Gerichtsstandsvereinbarung für unzuständig erklärt. In beiden Fällen nutzt der Kläger ein staatlich eingerichtetes Verfahren der Rechtsdurchsetzung. Ob das angerufene Gericht nur die Zulässigkeit oder auch die Begründetheit der Klage prüft, ist beim Schadensersatzanspruch nach § 826 BGB unerheblich. Die Prämisse ist beim inländischen Missbrauch von Verfahrensrechten und der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung beinahe gleich: Ob eine Partei im Inland ein nach inländischem Recht zulässiges Verfahren oder ob sie am forum derogatum ein nach dem dortigen Recht zulässiges Verfahren missbraucht, kann keinen Unterschied bedeuten. Da beide Konstellationen so ähnlich sind, sollte man sie auch gleichbehandeln. Es spricht nichts dafür, § 826 BGB in Auslandfällen extensiv handzuhaben60, noch dafür, den ohnehin beschränkten Anwendungsbereich über die vom BGH aufgestellten Kriterien hinaus auf „eindeutige Missbrauchsfälle“ zu beschränken61. § 826 BGB kommt die Funktion zu, in besonders schwerwiegenden Ausnahmefällen die Rechtskraft von Entscheidungen zu durchbrechen.62 Da der Anwendungsbereich aufgrund der strengen Tatbestandsvoraussetzungen des § 826 BGB außerordentlich begrenzt ist, gibt es keinen Anlass, bei grenzüberschreitenden Sachverhalten hiervon abzuweichen.63 Genau wie beim Inlandsfall ist also entscheidend, warum der am forum derogatum Klagende die Gerichtsstandsvereinbarung missachtet.64 Aus § 826 BGB ist kein Schadensersatzanspruch für jeden Fall abzuleiten, in dem 59  Vgl. Paulus, RIW 2006, S. 258, 259; im Ansatz auch Kurth, Rechtsschutz, S. 97. 60  So anscheinend Paulus, RIW 2006, S. 258, 260; ders., in: FS Georgiades 2005, S. 511, 523, der den Anwendungsbereich in „praktisch jedem Fall“ eröffnet sieht, wenn eine Partei an einem derogierten US-amerikanischen Gericht klagt. 61  So Kropholler, Handbuch IZVR, Bd. I, Kap. 3, Rn. 175. 62  U. a. RGZ 155, 55, 58 ff.; BGH, NJW 1964, 349; 1987, 3256, 3257; 2006, 154, 156; Deutsch, JZ 1963, S. 385, 389 f. 63  Auch der englische High Court ließ die Durchbrechung der Rechtskraft einer ausländischen Entscheidung zu, die die Beklagten unter Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung mit Mitteln des Prozessbetrugs im Ausland erhoben hatten: A/S D/S Svendborg and D/S af 1912 A/S (Trading as Maersk Sealand) v. Ali Hussein Akar and others [2003] E.W.H.C. 797. 64  Kurth, Rechtsschutz, S. 97 f.



A. § 826 BGB49

eine internationale Gerichtsstandsvereinbarung gebrochen wird. Es sind nach den oben dargestellten Grundsätzen besondere Umstände erforderlich, die das Verhalten einer Partei als sittenwidrig qualifizieren, etwa dass eine Partei „das staatliche Verfahren zur Schädigung der Gegenpartei oder Dritter missbraucht“ oder mit unlauteren Mitteln betreibt.65 Ferner sind – genau wie bei Inlandsfällen – Schädigungsvorsatz (mindestens Eventualvorsatz einschließlich von Angaben „ins Blaue hinein“) und Kenntnis der die Sittenwidrigkeit begründenden Umstände erforderlich.66 Der Schädigungsvorsatz muss sich dabei nicht auf die einzelnen Schadenspositionen beziehen – dies wäre auch nicht möglich, da der Kläger nicht wissen kann, wie das forum derogatum entscheiden wird –, sondern darauf, dass ein irgendwie gearteter Schaden eintritt.67 Der Schadensersatzanspruch nach § 826 BGB wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung ist also beschränkt auf Fälle, in denen der am forum derogatum Klagende die Gerichtsstandsvereinbarung vorsätzlich bricht oder die Klage „ins Blaue hinein“ erhebt, ohne jegliche Prüfung, ob eine Gerichtsstandsvereinbarung besteht. Ferner sind Fälle der (arglistigen) Täuschung erfasst, etwa wenn der Kläger sich in den Vertragsverhandlungen Vorteile für den Abschluss einer Gerichtsstandsvereinbarung versprechen lässt und diese später vorsätzlich bricht.68 Wenn man nach der hiesigen Lösung die subjektiven Erfordernisse ernst nimmt, ist die Reichweite des Schadensersatzanspruchs gem. § 826 BGB wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung sehr begrenzt. Auch wenn der Kläger entgegen der Gerichtsvereinbarung in den USA Klage erhebt, dürften die Voraussetzungen des § 826 BGB nur selten erfüllt sein.69 Nur eine solche strenge Lesart wird den Anforderungen des § 826 BGB gerecht, verhindert eine ausufernde Haftung und beeinträchtigt den internationalen Entscheidungseinklang nicht übermäßig. Das deutsche Deliktsrecht erlaubt den Schadensersatzanspruch gerade nicht für jeden erlittenen Schaden, sondern nur unter speziellen Tatbestandsvoraussetzungen (vgl. §§ 823 Abs. 1, Abs. 2, 826). Wenn diese nicht vorliegen, besteht auch kein Schadensersatzanspruch, sondern der Geschädigte muss den Schaden 65  BGH, NJW 2003, 1934, 1935; 2004, 446, 447. Für diese Übertragung Grunwald, Forum Shopping, S. 201 f. 66  RGZ 55, 60; BGH, NJW 1991, 634, 636; DStR 2004, 1490, 1492; ebenfalls für die Übertragung auf Auslandsfälle: Paulus, in: FS Georgiades 2005, S. 511, 523. 67  Paulus, RIW 2006, S. 258, 260; ders., in: FS Georgiades 2005, S. 511, 523; Grunwald, Forum Shopping, S. 202 f. 68  Vgl. Hönn, in: Soergel, BGB, § 826, Rn. 54. 69  Anders Paulus, RIW 2006, S. 258, 260, der die Voraussetzungen des § 826 BGB bei abredewidrigen Klagen in den USA regelmäßig als erfüllt ansieht.

50

2. Teil: Außervertraglicher Schadensersatz

selbst tragen.70 Gerechtigkeitsgesichtspunkte stehen der beschränkten Reichweite des § 826 BGB in Hinblick auf die Missachtung internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen nicht entgegen, da nach der hier vertretenen Lösung in Konkurrenz zu § 826 BGB auch ein vertraglicher Schadensersatzanspruch in Betracht kommt.71

V. Zwischenergebnis Der Schadensersatzanspruch gem. § 826 BGB wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung hat strenge Voraussetzungen. Bereits das Urteil des RG von 1938 zeigt die Schwierigkeiten, prozessual zulässiges Verhalten im Ausland als sittenwidrige Schädigung im Inland aufzufassen. Die neuere Rechtsprechung des BGH zum Rechtsmissbrauch bei inländischen Verfahren illustriert, dass der Anspruch aus § 826 BGB restriktiv zu handhaben ist. Er kommt nur in Betracht, wenn eine Partei das Verfahren, zum Beispiel im Rahmen eines Prozessbetrugs, vorsätzlich zur Schädigung der Gegenseite missbraucht. Der Vergleich insbesondere mit dem englischen und französischen Recht bestätigt diese Lesart. Auch nach diesen Rechtsordnungen macht sich der Kläger nur dann schadensersatzpflichtig, wenn er die andere Partei durch das staatliche Verfahren vorsätzlich schädigt. Diese Erkenntnisse lassen sich auf den Schadensersatzanspruch gem. § 826 BGB wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung übertragen. Der Vorschrift des § 328 ZPO sind die Maßstäbe für eine sittenwidrige Schädigung nicht zu entnehmen. Vielmehr ist wie beim inländischen Anspruch gem. § 826 BGB darauf abzustellen, ob eine Partei das Verfahren vorsätzlich zur Schädigung der Gegenseite missbraucht.

B. § 823 Abs. 1 BGB Ein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB setzt voraus, dass eines der enumerierten Rechtsgüter einschlägig ist, wobei hier nur ein „sonstiges Recht“ in Betracht kommt. Nach ganz herrschender Meinung können nur mit den anderen in Abs. 1 genannten Rechtsgütern vergleichbare absolute Rechte, die als solche durch Zuweisungsgehalt und Ausschlussfunktion von der Rechtsordnung besonders hervorgehoben sind, sonstige Recht sein.72 Als „sonstiges Recht“ kommen bei der Missachtung einer internationalen Ge70  Teichmann,

in: Jauernig, BGB, vor § 823, Rn. 2. ab dem 3. Teil. Vgl. dort auch die Ausführungen zum Schadensumfang unter 3. Teil, A. V. 72  Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, Rn.  1568  ff.; Grunwald, Forum Shopping, S. 184; Larenz/Canaris, Schuldrecht, Bd. II/2 § 76 II 4a; Staudinger, in: Schulze, 71  Hierzu



B. § 823 Abs. 1 BGB51

richtsstandsvereinbarung das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb und das right not to be sued abroad in Betracht.

I. Gewerbebetrieb Das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb ist eine Schöpfung des RG73, wobei dieses sich auf den vom UWG gewährten Schutz des Unternehmers vor Beeinträchtigungen im Wettbewerb stützte74. Der Begriff des Gewerbes ist weit gefasst, er umfasst nach herrschender Meinung jede gegenwärtige, selbständige und gewerbliche Tätigkeit.75 Geschützt sind neben den klassisch handelsrechtlich Gewerbetreibenden auch Angehörige freier Berufe76 und gemeinnützige Organisationen77. Auch der in einer vergleichbar angreifbaren Position stehende Angestellte ist erfasst.78 Ob der zukünftige, sich noch in der Planungsphase befindende Gewerbebetrieb ebenfalls geschützt ist, ist streitig.79 Ein Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb liegt nur vor, wenn der Eingriff betriebsbezogen und unter Abwägung der betroffenen Interessen vermeidbar ist. Der Eingriff ist betriebsbezogen, wenn er sich gegen den Betrieb als solchen richtet und nicht nur ohne Weiteres ablösbare Rechte und Rechtsgüter betrifft.80 Nach alternativer Formulierung des BGH ist ein Eingriff betriebsbezogen, wenn er sich „nach seiner objektiven Stoßrichtung gegen den betrieblichen Organismus oder die unternehmerische Entscheidungsfreiheit“ richtet und eine Gefahr hervorruft, die „über eine bloße Belästigung oder sozialübliche Behinderung hinausgeht und geeignet ist, den Betrieb in empfindlicher Weise zu beeinträchtigen“.81 u. a., BGB, § 823, Rn. 28; Medicus, AcP 1965, S. 115, 116 f.; Teichmann, in: Jauernig, BGB, § 823, Rn. 12; G. Wagner, in: MüKo-BGB, § 823, Rn. 205. 73  RGZ 58, 24, 29 ff; 65, 210, 213 f.; 73, 107, 111; 94, 248, 249. 74  RGZ 51, 369, 374; 56, 271, 275 f.; 58, 24, 29 ff. 75  Teichmann, in: Jauernig, BGB, § 823, Rn. 96; Beyerbach, Unternehmensinformation, S. 164. 76  OLG Köln VersR 1996, 234, 235; LG Berlin, NJW 2002, 2569, 2570; Staudinger, in: Schulze u. a., BGB, § 823, Rn. 121; Hager, in: Staudinger, BGB, § 823, D 6. 77  Spindler, in: Bamberger/Roth, BGB, § 823, Rn. 107; G. Wagner, in: MüKoBGB, § 823, Rn. 255. 78  LG Münster NJW 1978, 1329: Platzverbot für Sportredakteur; Staudinger, in: Schulze u. a., BGB, § 823, Rn. 121. 79  Dagegen: BGH NJW 1969, 1207, 1208. Dafür: Teichmann, in: Jauernig, BGB, § 823, Rn. 96; Hager, in: Staudinger, BGB, § 823, D 10. 80  Grundlegend BGH, NJW 1959, 479, 480 f.; vgl. ferner BGH, NJW 1952, 660; Hager, in: Staudinger, BGB, § 823, D 11; G. Wagner, in: MüKo-BGB, § 823, Rn. 256. 81  BGH, NJW 1985, 1620; 1998, 2141, 2143.

52

2. Teil: Außervertraglicher Schadensersatz

Weiter ist der Anspruch aus dem Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb dadurch gekennzeichnet, dass die Rechtswidrigkeit nicht durch die Tathandlung indiziert82, sondern im Einzelfall nachzuweisen ist83. Dies geschieht durch eine „Interessen- und Güterabwägung mit den im Einzelfall konkret kollidierenden Interessenssphären“.84 Genau wie die Sittenwidrigkeit bei § 826 BGB sind die Betriebsbezogenheit und die Interessenabwägung funktional in Hinblick auf die Konturierung und Beschränkung des Schutzbereichs zu verstehen.85 Aufgrund der dargestellten funktionellen Parallele zwischen Betriebsbezogenheit und Interessenabwägung einerseits und Sittenwidrigkeit andererseits ist der Anwendungsbereich für den Anspruch nach § 823 Abs. 1 BGB vergleichbar beschränkt wie der des § 826 BGB. In Hinblick auf die Missachtung von internationalen Gerichtsstandsvereinbarungen muss die Klage am forum derogatum zunächst einmal betriebsbezogen, also gegen den betrieblichen Organismus oder die unternehmerische Entscheidungsfreiheit als solche gerichtet, sein. Das dürfte jedenfalls in Fällen der Existenzgefährdung der Fall sein.86 Auch wenn dieses Kriterium eher selten erfüllt sein dürfte, ist es nicht abwegig, dass abredewidrige Klagen – insbesondere in den USA – für den Beklagten Kosten in existenzgefährdender Höhe hervorrufen können.87 Des Weiteren liegt ein Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb in Fällen der Schädigungsabsicht vor, wenn etwa eine Partei die Gerichtsstandsvereinbarung vorsätzlich mit dem Ziel bricht, dem Gewerbebetrieb der anderen Partei Schaden zuzufügen.88 Bricht eine Partei die Gerichtsstandsvereinbarung fahrlässig, besteht hingegen kein Schadensersatzanspruch. Der fahrlässigen Beeinträchtigung eines Gewerbebetriebs fehlt gerade das betriebsbezogene, finale Element der Schädigungshandlung.89 82  Sog. Lehre vom Erfolgsunrecht, vgl. BGH, NJW 1957, 785, 786; 1996, 3205; Teichmann, in: Jauernig, BGB, § 823, Rn. 48; Sprau, in: Palandt, BGB, § 823, Rn. 24. 83  Staudinger, in: Schulze u. a., BGB, § 823, Rn. 72; Sprau, in: Palandt, BGB, § 823, Rn. 25; G. Wagner, in: MüKo-BGB, § 823, Rn. 258. 84  BGH, NJW 1966, 1617, 1619; 1972, 1366, 1368; 1976, 620, 621; 1998, 2141, 2143. 85  Vgl. G. Wagner, in: MüKo-BGB, § 823, Rn. 256. 86  Vgl. BGH NJW 1983, 812, 813: „Als „betriebsbezogen“ in diesem Sinne kommen dabei nur solche Beein­trächtigungen in Betracht, die die Grundlagen des Betriebes bedrohen oder gerade den Funktionszusammenhang der Betriebsmittel auf längere Zeit aufheben oder seine Tätigkeit als solche in Frage stellen“. Für die Anwendung dieser Fallgruppe auf missbräuchliche Auslandsklagen: Spickhoff, in: FS Deutsch 1999, S. 327, 337. 87  Vgl. Paulus, RIW 2006, S. 258, 260; Eichel, AGB-Gerichtsstandsklauseln, S. 224; Sandrock, RIW 2004, S. 809, 815. 88  Vgl. Staudinger, in: Schulze u. a., BGB, § 823, Rn. 122. 89  BGH GRUR 1959, 282, 283; NJW 1976, 1740, 1741; r + s 2005, 40, 41.



B. § 823 Abs. 1 BGB53

Nach den zu § 826 BGB aufgestellten Grundsätzen kommen auch Täuschungshandlungen bei Vertragsschluss oder bei der Zuständigkeitserschleichung als Eingriff in den Gewebebetrieb in Betracht. Erforderlich ist aber wiederum, dass diese Handlungen vorsätzlich und betriebsbezogen sind. Das ist der Fall, wenn sich die Täuschung nicht nur reflexhaft gegen den Betrieb richtet, sondern nach ihrer objektiven Stoßrichtung diesen schädigen soll. Wenn in diesen Fällen der Tatbestand des Eingriffs in den Gewerbebetrieb erfüllt ist, ist weiterhin die Rechtswidrigkeit zu prüfen. Wie oben dargestellt, ist bei Rahmenrechten wie dem Recht am Gewerbebetrieb die Rechtswidrigkeit durch eine Güter- und Interessenabwägung im Einzelfall zu prüfen.90 Bei der Missachtung von Gerichtsstandsvereinbarungen besteht in Hinblick auf die Rechtswidrigkeit das Problem, dass der Kläger ein staatlich eingerichtetes Verfahren – im Inland wie im Ausland – grundsätzlich in Anspruch nehmen darf. Entsprechend den zu § 826 BGB aufgestellten Grundsätzen ist eine Klage vor dem forum derogatum nur rechtswidrig, wenn besondere Umstände sie als rechtsmissbräuchlich qualifizieren.91 Wenn dies nach den zu § 826 BGB entwickelten Kriterien der Fall ist, fällt die Güter- und Interessenabwägung zugunsten des Geschädigten aus.

II. Das right not to be sued abroad Als reines Gedankenspiel könnte man einen Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB erwägen, bei dem man das right not to be sued abroad als „sonstiges Recht“ betrachtet. Dieses Recht entstammt der englischen Rechtsprechung.92 Das House of Lords behandelte sie prominent in dem bereits zitierten Urteil British Airways Board v. Laker Airlines Ltd., in welchem es sie als „a right not to be sued upon a particular cause of action in a particular foreign court“ beschrieb. Es dient nach Ansicht des House of Lords dazu, Ungerechtigkeiten zu verhindern, die durch die Verhandlung und Entscheidung einer zivilrechtlichen Streitigkeit im Ausland entstünden.93 Im englischen Recht kann ein solches right not to be sued abroad auch aus einer ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung resultieren.94 Im 90  Staudinger, in: Schulze u. a., BGB, § 823, Rn. 72; Sprau, in: Palandt, BGB, § 823, Rn. 25; G. Wagner, in: MüKo-BGB, § 823, Rn. 258. 91  Zu den Kriterien siehe 2. Teil, A. IV. 92  Das House of Lords erkennt sie seit 1834 an: Portarlington v. Soulby [1834] 3 My. & K. 104, 108; in jüngerer Zeit: Castanho v. Brown & Root (U.K.) Ltd [1981] A.C. 557, 574; British Airways Board v. Laker Airlines Limited [1985] AC 58, 81, 95; E.D. & F. Man (Sugar) Ltd. v. Haryanto (No. 2) [1991] 1 Lloyd’s Rep. 429. 93  British Airways Board v. Laker Airlines Limited [1985] AC 58, 81, 95. 94  Mike Trading and Transport Ltd. v. R. Pagnan & Fratelli („The Lisboa“) [1980] 2 Lloyd’s Rep. 546; Dutta/Heinze, ZEuP 2005, S. 428, 438.

54

2. Teil: Außervertraglicher Schadensersatz

Rahmen der EuGVVO und des LugÜ ist es allgemein anerkannt, dass es ein right not to be sued abroad nicht geben kann.95 Im Anwendungsbereich der EuGVVO und des LugÜ darf sich ein mitgliedstaatliches Gericht nicht über die dort abschließend geregelten Zuständigkeits- und Rechtshängigkeitsvorschriften hinwegsetzen und einer Partei die Prozessführung im Ausland verbieten.96 Im Verhältnis zu Drittstaaten hingegen kommt es nach wie vor in Betracht.97 Vereinzelt haben auch deutsche Autoren ein solches right not to be sued abroad thematisiert oder seine Existenz im deutschen Recht schlicht vorausgesetzt.98 Derartige Versuche, ein bestimmtes Recht aus der englischen Dogmatik als „sonstiges Recht“ nach § 823 Abs. 1 BGB zu behandeln, sind im Ergebnis nicht überzeugend. Allein die Existenz des right not to be sued abroad im englischen Recht bedeutet noch nicht, dass dieses Recht auch in Deutschland ein „sonstiges Recht“ i. S. d. § 823 Abs. 1 BGB begründet.99 Ein „sonstiges Recht“ i. S. d. § 823 Abs. 1 BGB kann nur ein solches absolutes Recht sein, das den anderen in Abs. 1 genannten Rechtsgütern gleichwertig und durch Zuweisungsgehalt und Ausschlussfunktion von der Rechtsordnung besonders hervorgehoben ist.100 Das right not to be sued abroad begründet kein absolutes Recht und scheidet damit als „sonstiges Recht“ aus. Das entscheidende Charakteristikum eines absoluten Rechts ist, dass der 95  Kurth, Rechtsschutz, S. 29; de Lousanoff, ZZP 1992, S. 111, 112 f.; T. Pfeiffer, Zuständigkeit, Gerechtigkeit, S. 778 ff.; Spickhoff, in: FS Deutsch, S. 327, 331; L. J. Smith, RIW 1993, 802, 808; Hau, Kompetenzkonflikte, S. 216; Schlosser, Justizkonflikt, S. 37. 96  Insofern besteht eine gewisse Parallele zu anti-suit injunctions, die der EuGH für unvereinbar mit dem Vertrauensgrundsatz der EuGVVO erklärt hat (EuGH, 27.04.2004, RS. C-159/02, Turner/Grovit u. a., Rn. 34, EuZW 2004, 468, 470). Siehe hierzu im Detail unter 2. Teil, B. II. 97  Dicey & Morris, Conflicts of Laws, Bd. I, Rn. 12-057 f.; Hau, Kompetenzkonflikte, S. 216; L. J. Smith, RIW 1993, S. 802, 808; vgl. auch Dutta/Heinze, ZEuP 2005, S. 428, 438. 98  Insbesondere Kurth, Rechtsschutz, S. 101 sieht ohne nähere Begründung das englische right not to be sued abroad im deutschen § 826 BGB verortet; anders hingegen Spickhoff, in: FS Deutsch, S. 327 ff, der das right not to be sued abroad als Aufhänger verwendet, dann aber die Dogmatik des Deliktsrechts im BGB untersucht. Siehe ferner Schröder, in: FS Kegel, S. 523, 524 ff.; G. Wagner, Prozessverträge, S. 269. 99  Vgl. Antomo, Schadensersatz, S. 231 ff. 100  Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, Rn. 1568  ff.; Grunwald, Forum Shopping, S. 184; Larenz/Canaris, Schuldrecht, Bd. II/2 § 76 II 4a; Staudinger, in: Schulze, u. a., BGB, § 823, Rn. 28; Medicus, AcP 1965, S. 115, 116 f.; Teichmann, in: Jauernig, BGB, § 823, Rn. 12; G. Wagner, in: MüKo-BGB, § 823, Rn. 205.



B. § 823 Abs. 1 BGB55

Rechtsinhaber gegenüber jedermann einen Anspruch darauf hat, dass er seine Rechtsposition schütze beziehungsweise beachte.101 Am besten verdeutlichen dies die in § 823 Abs. 1 BGB ausdrücklich enumerierten absoluten Rechtsgüter Leben und Gesundheit. Selbstverständlich ist jedermann verpflichtet, diese Rechtspositionen zu beachten und nicht zu verletzen. Relative Rechte hingegen sind dadurch gekennzeichnet, dass der Rechtsinhaber sie nur gegen bestimmte Personen – und gerade nicht gegen jedermann – geltend machen kann.102 Eine Gerichtsstandsvereinbarung gewährt den Parteien allenfalls gegeneinander einen Anspruch, nicht vor einem derogierten Gericht verklagt zu werden – wobei auch dies von den Umständen des Einzelfalls abhängt. Eine Gerichtsstandsvereinbarung gewährt hingegen keinen Anspruch gegenüber Dritten. Eine Partei einer Gerichtsstandsvereinbarung kann von Dritten, die nicht Partei der Gerichtsstandsvereinbarung sind, grundsätzlich jederzeit vor jedem Gericht verklagt werden. Da die Gerichtsstandsvereinbarung somit – nach den Umständen des Einzelfalls – allenfalls ein relatives Recht verleiht, scheidet sie beziehungsweise ein aus ihr abgeleitetes right not to be sued abroad als „sonstiges Recht“ i. S. d. § 823 Abs. 1 BGB aus. Die Übertragung des englischen right not to be sued abroad auf das deutsche Deliktsrecht ist auch unter dem Gesichtspunkt wenig überzeugend, dass eine Verletzung dieses Rechts im englischen Recht einen vertraglichen Schadensersatzanspruch begründet.103 In Deutschland allerdings diskutiert man das right not to be sued abroad – soweit ersichtlich – ausschließlich im Rahmen des außervertraglichen Schadensersatzanspruchs.104 Wenn man das right not to be sued abroad überträgt, müsste es in Deutschland konsequenterweise ebenfalls einen vertraglichen Schadensersatzanspruch begründen. Es spricht aus der Dogmatik des deutschen Schuldrechts nichts dagegen, dass die Parteien einer Gerichtsstandsvereinbarung ein right not to be sued abroad als ausdrückliche vertragliche Pflicht stipulieren. Eine Verletzung 101  RGZ 57, 353, 356  f.; Medicus/Petersen, BGB-AT, Rn. 62; Staudinger, in: Schulze, u. a., BGB, § 823, Rn. 28; Teichmann, in: Jauernig, BGB, § 823, Rn. 12; Wagner, in: MüKo-BGB, § 823, Rn. 268. 102  RGZ 57, 353, 356 f.; Medicus/Petersen, BGB-AT, Rn. 63; Wagner, in: MüKoBGB, § 823, Rn. 268. 103  Vgl. nur Doleman & Sons v. Ossett Corp. [1912] 3 K.B. 257; Ellermann Lines Ltd. v. Read [1928] All ER Rep 415; British Airways Board v. Laker Airlines Limited [1985] AC 58, 81; Union Discount v. Zoller [2002] 1 W.L.R. 1517. Ausführliche Besprechung unter 3. Teil, A. II. 6. a). 104  Vgl. Kurth, Rechtsschutz, S. 101, Spickhoff, in: FS Deutsch, S. 327 ff.; Schröder, in: FS Kegel, S. 523, 524 ff.; G. Wagner, Prozessverträge, S. 269.

56

2. Teil: Außervertraglicher Schadensersatz

dieser vertraglichen Pflicht würde dann einen vertraglichen Schadensersatzanspruch begründen.

III. Zwischenergebnis Ein außervertraglicher Schadensersatzanspruch gem. § 823 Abs. 1 BGB wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung kommt nur in Betracht, wenn die Verletzungshandlung in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des Geschädigten eingreift. Hierfür muss der Eingriff betriebsbezogen und unter Abwägung der betroffenen Interessen vermeidbar sein. Der Eingriff ist bei existenzgefährdenden abredewidrigen Klagen sowie bei vorsätzlicher Schädigung betriebsbezogen. Er ist vermeidbar, wenn der Eingriff rechtsmissbräuchlich erfolgte. Einen Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB i. V. m. dem right not to be sued abroad gibt es nicht. Das deutsche Recht kennt diese Rechtsfigur nicht. Im deutschen wie im englischen Recht ist es eine Frage der Auslegung der individuellen Gerichtsstandsvereinbarung, ob die Klage vor einem derogierten Gericht die Schadensersatzpflicht auslöst oder nicht. Das right not to be sued abroad kann keinen weiterreichenden Anspruch verleihen als die zugrundeliegende Gerichtsstandsvereinbarung.

C. § 823 Abs. 2 BGB Ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. einem Schutzgesetz ist im Zusammenhang mit der Missachtung internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen eher fernliegend und entsprechend bisher nicht thematisiert worden. Seine Reichweite ist noch enger als bei den Ansprüchen nach §§ 823 Abs. 1, 826 BGB. Da einige der zu §§ 823 Abs. 1, 826 BGB thematisierten Konstellationen jedoch das Schutzgesetz des § 263 Abs. 1 StGB verletzen, kommt der Anspruch durchaus in Konkurrenz zu den anderen beiden deliktischen Ansprüchen in Betracht. Schutzgesetze können nicht nur formelle Gesetze sein, sondern jede Rechtsnorm i. S. d. Art.  2 EGBGB.105 Die Norm muss allerdings jedenfalls auch den Schutz eines einzelnen bezwecken.106 Der Schaden muss gerade 105  RGZ 135, 242, 245; BGH NJW 1965, 2007; Grunwald, Forum Shopping, S. 193; Sprau, in: Palandt, BGB, § 823, Rn. 56a; Teichmann, in: Jauernig, BGB, § 823, Rn. 43; Schiemann, in: Erman, BGB, § 823, Rn. 154. 106  BGH, NJW 1976, 1740; DNotZ 1994, 638, 642; Staudinger, in: Schulze u. a., § 823, Rn. 146 ff.; Sprau, in: Palandt, BGB, § 823, Rn. 57; G. Wagner, in: MüKoBGB, § 823, Rn. 405.



C. § 823 Abs. 2 BGB57

durch die Verletzung des Schutzgesetzes entstanden sein.107 Wenn eine Partei etwa bewusst oder „ins Blaue hinein“ im Prozess wahrheitswidrige Angaben über eine Gerichtsstandsvereinbarung macht oder bei ihrem Abschluss täuscht, liegen die Voraussetzungen des Prozessbetrugs vor. § 263 StGB ist ein Schutzgesetz i. S. d. § 823 Abs. 2 BGB.108 In subjektiver Hinsicht ist auf den subjektiven Tatbestand des Schutzgesetzes abzustellen, bei § 263 Abs. 1 StGB ist daher Vorsatz erforderlich, vgl. § 15 StGB. Allerdings sind Schutzgesetze nach herrschender Meinung nur nationale sowie solche internationalen Rechtsnormen, die im Inland unmittelbar gegenüber dem Bürger gelten.109 So kommen beispielsweise unmittelbar gegenüber den Mitgliedstaaten und ihren Bürgern geltende EU-Verordnungen (vgl. Art. 288 Abs. 2 AEUV) als Schutzgesetz i. S. d. § 823 Abs. 2 BGB in Betracht, nicht aber EU-Richtlinien (vgl. Art. 288 Abs. 3 AEUV).110 Ausländische Strafvorschriften über den (Prozess-)Betrug entfalten keine Wirkung gegenüber den Bürgern im Inland, sind also keine Schutzgesetze i. S. d. § 823 Abs. 2 BGB. Demnach besteht selbst bei einem offensichtlichen Prozessbetrug im Ausland nur dann ein Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 263 Abs. 1 StGB, wenn auf diesen Betrugsfall nach dem deutschen Strafanwendungsrecht das StGB Anwendung findet. Strafrechtliche Normen entfalten grundsätzlich nur auf dem Territorium des normsetzenden Staates Wirkung (Territorialitätsprinzip).111 Auch das deutsche Strafrecht unterliegt dem Territorialitätsprinzip gem. § 3 StGB mit den Erweiterungen der §§ 4 bis 9 StGB.112 Deutsches Strafrecht ist gem. § 3 StGB folglich anwendbar, wenn die Tat im Inland begangen wird oder die Vorschriften der §§ 4 bis 9 StGB einschlägig sind. In Bezug auf den Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung kommen ein inländischer Handlungs- oder Erfolgsort gem. § 9 Abs. 1 StGB in Betracht. Ferner wäre deutsches Strafrecht anwendbar, wenn Täter oder Opfer Deutsche sind, § 7 StGB. 107  BGH, NJW 2005, 3721, 3722; Sprau, in: Palandt, BGB, § 823, Rn. 58; Teichmann, in: Jauernig, BGB, § 823, Rn. 42. 108  Generell: BGH, NJW 1972, 36, 37; 2002, 1643; speziell zum Prozessbetrug: OLG Oldenburg, NJOZ 2012, 287, 288. 109  BGH, NJW-RR 2013, 48, 49; Förster, in: Bamberger/Roth, BGB, § 823, Rn. 147; von Bar, IPR, Bd. II, Rn. 714, Fn. 402; Spindler, RabelsZ 2002, S. 633, 661 ff. 110  Sprau, in: Palandt, BGB, § 823, Rn. 57. 111  Spindler, RabelsZ 2002, S. 633, 661. 112  Ambos, in: MüKo-StGB, § 3, Rn. 1; Eser, in: Schönke/Schröder, StGB, § 3, Rn. 1; Heger, in: Lackner/Kühl, StGB, § 3, Rn. 1.

58

2. Teil: Außervertraglicher Schadensersatz

Die Anwendung des deutschen Strafrechts über die Vorschrift des § 9 Abs. 1 StGB scheidet aus. Deutsches Strafrecht ist nicht über § 9 Abs. 1 Var. 1 StGB – die inländische Tathandlung – anzuwenden. Die Tathandlung des Prozessbetrugs ist die Täuschung des Richters113 und diese findet bei der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung typischerweise im Ausland statt. Die Anwendung des deutschen Strafrechts über § 9 Abs. 1 Var. 3 – den im Inland eingetreten Taterfolg – kommt ebenfalls nicht in Betracht, wenn das abredewidrig angerufene Gericht im Ausland liegt. Der Taterfolg tritt dann mit Erlass des Urteils im Ausland ein. Wenn bei einem im Ausland begangenen Betrug nur die Vermögensschädigung im Inland eintritt, handelt es sich insgesamt um eine Auslandstat, sodass deutsches Recht nicht anwendbar ist.114 Ferner ist deutsches Strafrecht anwendbar, wenn entweder das Opfer (passives Personalitätsprinzip, § 7 Abs. 1 StGB) oder der Täter (aktives Personalitätsprinzip, § 7 Abs. 2 StGB) Deutscher sind. Dabei greift das passive Personalitätsprinzip, wenn entweder am Tatort keine Strafgewalt besteht – wobei es dann vermutlich auch keine zu täuschenden Gerichte gibt – oder wenn die Tat am Tatort mit einer Strafe bedroht ist. Letzteres ist der Fall, wenn die konkrete Tat i. S. d. § 264 StPO unter irgendeinem Gesichtspunkt strafbar und dafür eine Sanktion angeordnet ist.115 Nach herrschender Meinung sind juristische Personen nicht vom passiven Personalitätsprinzip erfasst.116 Da im Wirtschafts- und Handelsverkehr beinahe ausschließlich juristische Personen Oper von abredewidrigen Klagen werden, kommt die Anwendung des deutschen Strafrechts über § 7 Abs. 1 StGB typischerweise nicht in Betracht. Ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 263 Abs. 1 StGB kann daher nur bestehen, wenn der Prozessbetrug vor einem derogierten deutschen Gericht begangen wird oder Täter beziehungsweise Opfer deutsche natürliche Personen sind.117 Ein Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung nach § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 1 UWG kommt 113  Kühl, in: Lackner/Kühl, § 263, Rn. 17; Perron, in: Schönke/Schröder, StGB, § 263, Rn. 69. 114  OLG Frankfurt, wistra 1990, 271; vgl. auch BayObLG, NJW 1992, 1248. 115  RGSt 5, 424, 425; 40, 402, 404; BGH, NJW 1954, 1086; 1997, 951, 952; NStZ 1997, 89. 116  KG, NJW 2006, 3016, 3017; OLG Stuttgart, NStZ 2004, 402, 403; Fischer, StGB, § 7, Rn. 4; Lackner/Kühl, StGB, § 7, Rn. 3; Eser, in: Schönke/Schröder, StGB, § 7, Rn. 6. 117  A. A.: Götz, Ersatzansprüche bei Rechtsverfolgung, S. 134, der den Anspruch bejaht, ohne sich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob das deutsche Strafrecht Anwendung findet.



D. Ergebnis59

nicht in Betracht118, denn § 1 UWG stellt kein Schutzgesetz i. S. d. § 823 Abs. 2 BGB dar.119 Das UWG begründet gerade keine Ansprüche des Ein­zelnen, sondern soll die Allgemeinheit vor „Wettbewerbsauswüchsen“ schützen.120

D. Ergebnis Die außervertragliche Qualifikation des Schadensersatzanspruchs wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung hat bedeutende Konsequenzen für die Tatbestandsvoraussetzungen und den Umfang des Anspruchs. Schon 1938 entschied das RG, dass die (sittenwidrige) Klage vor einem ausländischen Gericht auch dann ausnahmsweise zum Schadensersatz verpflichten kann, wenn dieses Gericht aus der Sicht seines internationalen Zivilverfahrensrechts zuständig ist. Der BGH und auch die Gerichte insbesondere in Frankreich und England fordern bei einem Schadensersatzanspruch wegen der unberechtigten Nutzung eines staatlich eingerichteten Verfahrens im Inland, dass der Schädigende das Verfahren vorsätzlich oder „ins Blaue hinein“ anstrengt oder das Verfahren zur Schädigung der Gegenpartei oder Dritter missbraucht. Diese Wertung lässt sich auf den Bruch einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung übertragen. Ein Schadensersatzanspruch nach § 826 BGB wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung kommt nur in Betracht, wenn eine Partei das Verfahren, zum Beispiel im Rahmen eines Prozessbetrugs, vorsätzlich zur Schädigung der Gegenseite missbraucht. Nicht überzeugend sind hingegen Versuche, § 328 Abs. 1 ZPO als Maßstab heranzuziehen. Der mit dem Schadensersatzanspruch erhobene Vorwurf der sittenwidrigen oder gegen den Gewerbebetrieb gerichteten Schädigung ist nur gegenüber der Partei zu erheben, die die Gerichtsstandsvereinbarung gebrochen hat, nicht gegenüber dem forum derogatum. An den Anspruch nach § 823 Abs. 1 BGB wegen Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb sind die gleichen strengen Anforderungen zu stellen. Ein solcher liegt nur vor, wenn der Eingriff betriebsbezogen und unter Abwägung der betroffenen Interessen vermeidbar ist. Diese wertungsgeprägten Kriterien sind genauso wie die Sittenwidrigkeit bei § 826 BGB auszulegen. Das right not to be sued abroad ist kein „sonstiges Recht“ i. S. d. § 823 Abs. 1 BGB. Es stellt keine eigene Fallgruppe der Missachtung aber Kurth, Rechtsschutz, S. 101. die ganz herrschende Meinung: LG Frankfurt a. M., NJW 1964, 501; Sos­ nitza, Ohly/Sosnitza, UWG, § 1, Rn. 11; Köhler/Bornkamm, UWG, § 1, Rn. 39; Köhler, GRUR 2003, S. 265, 271; Teplitzky, Wettbewerbsrecht, Kap. 4, Rn. 6. 120  LG Frankfurt a. M., NJW 1964, 501. 118  So 119  So

60

2. Teil: Außervertraglicher Schadensersatz

einer Gerichtsstandsvereinbarung dar, vielmehr ist die Gerichtsstandsvereinbarung eine Kategorie des right not to be sued abroad. Der Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. einem Schutzgesetz hat einen noch engeren Anwendungsbereich. Als Schutzgesetz kommt nur Betrug gem. § 263 Abs. 1 StGB in Betracht und dies nur unter den einschränkenden Voraussetzungen, dass der Prozessbetrug vor einem derogierten Gericht in Deutschland begangen wird oder Täter beziehungsweise Opfer deutsche natürliche Personen sind.

3. Teil

Vertraglicher Schadensersatz wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung Da außervertragliche Schadensersatzansprüche aus den dargelegten Gründen nur eine begrenzte Reichweite haben und vertragliche Schadensersatzansprüche eine umfassendere Restitution bieten, ist der vertragliche Anspruch für die betroffenen Parteien von großem Interesse. Gleichzeitig stellen sich bei einer vertraglichen Qualifikation deutlich mehr Probleme, die es im Folgenden anhand der Tatbestandsvoraussetzungen von § 280 Abs. 1 BGB zu untersuchen gilt.

A. Gerichtsstandsvereinbarungen nach der EuGVVO I. Reichweite des Schadensersatzanspruchs Welche Reichweite ein möglicher Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung hat und wer von ihm profitieren könnte, hängt entscheidend davon ab, welches Regelungsregime auf die Gerichtsstandsvereinbarung Anwendung findet. Das anwendbare Regelungsregime gibt unter anderem vor, welche Anforderungen an die formelle und materielle Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung zu stellen sind und in welchem Umfang das Gericht der Schadensersatzklage an die Zuständigkeits-, Sach- und Kostenentscheidung gebunden ist. Daher ist es erforderlich, sich den Anwendungsbereich von Gerichtsstandsvereinbarungen nach der EuGVVO vor Augen zu führen, um darüber zu bestimmen, in welchen Fällen die Vorgaben der EuGVVO zur Bindung an die Entscheidung des forum derogatum zu beachten sind. 1. Anwendungsbereich der EuGVVO Der Anwendungsbereich von Art. 25 EuGVVO kann nur eröffnet sein, sofern die EuGVVO selbst anwendbar ist. Der sachliche Anwendungsbereich der EuGVVO ist nach Art. 1 Abs. 1 Satz 1 für Zivil- und Handelssachen eröffnet, sofern er nicht nach Art. 1 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 EuGVVO ausgeschlossen ist. Was eine Zivil- und Handelssache ist, ist durch autonome Auslegung unter

62

3. Teil: Vertraglicher Schadensersatz

Berücksichtigung von Systematik und Telos der Verordnung sowie der allgemeinen Rechtsgrundsätze der Mitgliedstaaten zu bestimmen.1 Dabei kommt es nach Art. 1 Abs. 1 Satz 1 EuGVVO nicht darauf an, vor welcher Gerichtsbarkeit der Rechtsstreit zu führen wäre, sodass etwa Verfahren, die in Deutschland der freiwilligen Gerichtsbarkeit unterfallen, nicht vom Anwendungsbereich ausgenommen sind.2 Neben den bürgerlich-rechtlichen Ansprüchen fallen auch gesellschafts-, kartell- und patentrechtliche sowie Streitigkeiten des gewerblichen Rechtsschutzes in den Anwendungsbereich der Verordnung.3 Vom sachlichen Anwendungsbereich der EuGVVO sind nach Art. 1 Abs. 1 Satz 2 EuGVVO Steuer-, Zoll-, Verwaltungs- und staatshaftungsrechtliche Streitigkeiten ausgenommen. Das Abgrenzungskriterium zu den erfassten Zivil- und Handelssachen ist die Frage, ob die Streitigkeit aus der Ausübung hoheitlicher Befugnisse resultiert. Ist dies der Fall, ist der Anwendungsbereich der EuGVVO nicht eröffnet.4 Zu den vom Anwendungsbereich der EuGVVO ausgenommenen Materien zählen nach Art. 1 Abs. 2 lit. b auch „Vergleiche“. Dies umfasst allerdings nur Maßnahmen im Insolvenzverfahren, die die Vermögensliquidation vermeiden sollen. Nicht ausgeschlossen ist hingegen der gleichnamige Prozessvertrag, der auf privatautonomer Rechtsgestaltung beruhende außergerichtliche Vergleich oder Prozessvergleich.5 Gem. Art. 1 Abs. 2 lit. d EuGVVO ist auch die Schiedsgerichtsbarkeit vom sachlichen Anwendungsbereich der EuGVVO ausgenommen, denn die EU-Mitgliedstaaten sahen als Mitglieder des NYÜ sowie mehrheitlich auch des Europäischen Übereinkommens über die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit6 keine Notwendigkeit für eine weitere europäische Regelung.7 1  St. Rechtsprechung des EuGH: EuGH, 14.10.1976, RS. 29/76, Eurocontrol, NJW 1977, 489, 490; EuGH, 21.04.1993, RS. C-172/91, Sonntag/Waidmann, Rn. 18, NJW 1993, 2091, 2092; EuGH, 15.05.2003, RS. C-266/01, Rn. 20, BeckEuRS 2003, 277867; EuGH, 15.02.2007, RS. C-292/05, Lechouritou u. a./Bundesrepublik Deutschland, Rn. 29, EuZW 2007, 252, 253. 2  Vgl. EuGH, 18.10.2011, RS.  C-406/09, Realchemie Nederland BV/Bayer CropScience AG, Rn. 44, NJW 2011, 3568, 3569; Gottwald, in: MüKo-ZPO, Art. 1 EuGVVO a. F., Rn. 1. 3  Hüßtege, in: Thomas/Putzo, ZPO, Art. 1 EuGVVO, Rn. 6; Stadler, in: Musielak, ZPO, Art. 1 EuGVVO, Rn. 1. 4  EuGH, 14.10.1976, RS.  29/76, Eurocontrol, NJW 1977, 489, 490; EuGH, 21.04.1993, Rs C-172/91, Sonntag/Waidmann, Rn. 22, NJW 1993, 2091, 2092; BGH NJW 2003, 3488. 5  Kropholler/von Hein, EuZPR, Art.  1 EuGVVO a.  F., Rn. 34; Gottwald, in: MüKo-ZPO, Art. 1 EuGVVO a. F., Rn. 21. 6  Europäisches Übereinkommen über die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit vom 21. April 1961. 7  Jenard, Bericht EuGVÜ, 3. Kapitel, S. 13; Bülow, RabelsZ 1965, S. 473, 476.



A. Gerichtsstandsvereinbarungen nach der EuGVVO63

Der Anwendungsbereich der EuGVVO ist in räumlich-persönlicher Hinsicht grundsätzlich eröffnet, wenn der Beklagte seinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates hat, Art. 4 Abs. 1 EuGVVO. Wo ein Wohnsitz besteht, regeln Art. 62 und 63 EuGVVO. Nach der EuGVVO-Novelle ist es in Bezug auf Gerichtsstandsvereinbarungen nicht mehr erforderlich, dass mindestens eine der Parteien ihren Wohnsitz in einem Mitgliedstaat hat.8 Einzige Voraussetzung in Hinblick auf die räumlich-persönliche Anwendbarkeit von Art. 25 EuGVVO ist, dass ein mitgliedstaatliches Gericht prorogiert wird.9 In zeitlicher Hinsicht ist der Anwendungsbereich der EuGVVO für Verfahren eröffnet, die nach dem 9. Januar 2015 stattfinden, vgl. Art. 66 Abs. 1 EuGVVO. Für Verfahren zwischen dem 1. März 2002 und dem 9. Januar 2015 gilt gem. Art. 66 Abs. 2 EuGVVO die EuGVVO a. F. Nach der Rechtsprechung des EuGH noch zu Art. 23 EuGVVO a. F. war die EuGVVO a. F. auf Gerichtsstandsvereinbarungen auch dann anzuwenden, wenn diese vor Inkrafttreten der EuGVVO a. F. abgeschlossen worden waren. Demnach waren Gerichtsstandsvereinbarungen wirksam, wenn sie den Anforderungen von Art. 23 EuGVVO a. F. genügten, auch wenn sie nach vorherigem Recht unwirksam waren.10 Diese Regelung dürfte auch auf die EuGVVO-Novelle übertragbar sein, mit der Folge, dass auch für Gerichtsstandsvereinbarungen, die vor Inkrafttreten der EuGVVO n. F. abgeschlossen worden sind, die EuGVVO n. F. Anwendung findet. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der sachliche Anwendungsbereich der EuGVVO eröffnet ist, wenn eine Zivil- oder Handelssache in Rede steht und keine vom Anwendungsbereich ausgeschlossene Materie betroffen ist. Ausgeschlossen sind in den hier interessierenden Fällen insbesondere Schiedsvereinbarungen. In räumlich-persönlicher Hinsicht ist grundsätzlich zu fordern, dass der Beklagte seinen Wohnsitz innerhalb eines Mitgliedstaats hat. In Hinblick auf Gerichtsstandsvereinbarungen ist dies allerdings nach Art. 25 EuGVVO nicht erforderlich. Es genügt die Prorogation eines mitgliedstaatlichen Gerichts, auch wenn sämtliche Parteien ihren Wohnsitz außerhalb der EU haben. Der zeitliche Anwendungsbereich ist grundsätzlich für Verfahren nach Inkrafttreten der EuGVVO eröffnet. 8  Siehe hierzu Domej, RabelsZ 2014, S. 508, 525; Schlosser, in: Schlosser/Hess, EuZPR, Art. 25 EuGVVO, Rn. 5. 9  Stadler, in: Musielak, ZPO, Art. 25 EuGVVO, Rn. 3. Zur Frage, ob auch die Derogation eines mitgliedstaatlichen Gerichts für die Anwendbarkeit von Art. 25 ­EuGVVO genügt, siehe 3. Teil, A. I. 2. 10  EuGH, 13.11.1979, RS. C-25/79, Sanicentral v.Collin, RIW 1980, 285, 286; Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 66 EuGVVO a. F., Rn. 3; Staudinger, in: Rauscher, EuZPR, 3. Aufl. (2010), Art. 66 EuGVVO a. F., Rn. 6.

64

3. Teil: Vertraglicher Schadensersatz

2. Abgrenzung zu anderen Regelungsregimen Das Nebeneinander von EuGVVO, LugÜ, HGÜ und nationalem Recht wirft die Frage auf, welche Fälle welchem Regelungsregime unterliegen. An dieser Stelle ist der Anwendungsbereich des Art. 25 EuGVVO von dem des Art. 23 LugÜ, dem HGÜ und dem nationalen Recht abzugrenzen. Der Anwendungsbereich von Art. 25 EuGVVO ist eröffnet, wenn ein mitgliedstaatliches Gericht prorogiert ist.11 Wenn dies der Fall ist, der Sachverhalt allerdings keinerlei Auslandsbezug aufweist, ist das autonome Recht anwendbar.12 Der Begriff des Auslandsbezugs ist weit auszulegen. Es genügt etwa, wenn Fragen bezüglich der internationalen Zuständigkeit eines Gerichts bestehen13 oder wenn eine Partei eine Leistung im Ausland zu erbringen hat14. Nur reine Inlandssachverhalte erfasst Art. 25 EuGVVO nicht.15 Sobald ein mitgliedstaatliches Gericht prorogiert ist und ein Auslandsbezug besteht, verdrängt Art. 25 EuGVVO als lex specialis die nationalen Vorschriften über Gerichtsstandsvereinbarungen.16 Während unter Art. 23 EuGVVO a. F. die Reichweite des reinen Inlandssachverhalts streitig war17, ließ die Neufassung in Art. 25 EuGVVO jedenfalls einige Probleme entfallen. Die umstrittene Frage etwa, ob Art. 23 EuGVVO a. F. für rein inländische Parteien galt, die einen Gerichtsstands im EU-Ausland wählten18, dürfte sich durch die Neufassung mit der Formulierung „unabhängig von ihrem Wohnsitz“ erübrigt haben.19 Nach wie vor ist allerdings die Frage umstritten, ob Art. 25 EuGVVO Anwendung findet, wenn die Parteien ein drittstaatliches Gericht prorogie11  Siehe

3. Teil, A. I. 1. 01.03.2005, RS. C-281/02 Owusu/Jackson u. a., Rn. 26, EuZW 2005, 345, 347; EuGH, 17.11.2011, RS. C-327/10, Hypotecní banka a. s./Lindner, Rn. 30, EuZW 2012, 103, 104. 13  EuGH, 01.03.2005, RS. C-281/02 Owusu/Jackson u. a., Rn. 26, EuZW 2005, 345, 347. 14  OLG Saarbrücken, NJOZ 2012, 923, 924; Kropholler/von Hein, EuZPR, Art. 23 EuGVVO a. F., Rn. 3; Stadler, in: Musielak, ZPO, Art. 25 EuGVVO, Rn. 1. 15  OLG Saarbrücken, NJOZ 2012, 923, 924; Mankowski, in: Rauscher, EuZPR, Art. 25, Rn. 21 f.; Schlosser, in: Schlosser/Hess, EuZPR, Art. 25 EuGVVO, Rn. 6; E. Pfeiffer, Forum derogatum, S. 112; Saenger, ZZP 1997, S. 477, 479. 16  Bork, in: Stein/Jonas, ZPO, § 38, Rn. 22; E. Pfeiffer, Forum derogatum, S. 88; T. Pfeiffer, in: Prütting/Gehrlein, ZPO, Art. 25 EuGVVO, Rn. 3; Stadler, in: Musielak, ZPO, Art. 25 EuGVVO, Rn. 1. 17  Stadler, in: Musielak, ZPO, Art. 23 EuGVVO a. F., Rn. 1. 18  Dagegen OLG Hamm, IPRax 1999, 244, 245; Patzina, in MüKo-ZPO, § 38, Rn. 25. 19  So auch Schlosser, in: Schlosser/Hess, EuZPR, Art. 25 EuGVVO, Rn. 6, Fn. 1. 12  EuGH,



A. Gerichtsstandsvereinbarungen nach der EuGVVO65

ren – was unstreitig nicht nach Art. 25 EuGVVO zu beurteilen ist –, dadurch allerdings gleichzeitig ein mitgliedstaatliches Gericht derogieren. Das Argument dafür, diese Derogation Art. 25 EuGVVO zu unterstellen, ist eine EUweit einheitliche Beurteilung der Derogationswirkung.20 Gegen diese Auffassung spricht jedoch, dass Art. 25 Abs. 1 Satz 1 EuGVVO auch nach der EuGVVO-Novelle ausdrücklich nur Gerichte eines Mitgliedstaats erfasst. Neben dem Wortlaut sprechen aber auch Sinn und Zweck der Norm dafür, diesen Fall als nicht erfasst anzusehen: Art. 25 EuGVVO soll – wie die gesamte EuGVVO – die Zuständigkeit von Gerichten innerhalb der Mitgliedstaaten regeln und trifft keine Aussage über die Zuständigkeit drittstaatlicher Gerichte. Aus diesem Grund sind die Vorschriften der EuGVVO nicht auf Gerichtsstandsvereinbarungen anzuwenden, die vor einem nicht mitgliedstaatlichen Gericht Wirkung entfalten sollen.21 Das LugÜ gilt aufgrund des 2007 unterzeichneten Abkommens zwischen den EU-Mitgliedstaaten, Island, Norwegen und der Schweiz.22 Es spiegelt in Art. 23 LugÜ den Stand von Art. 23 EuGVVO a. F. wider.23 Die EuGVVO trifft in Bezug auf das LugÜ nur die Regelung in Art. 73, dass sie die Anwendung des LugÜ unberührt lässt. Auch Art. 64 Abs. 1 LugÜ stellt zunächst klar, dass das LugÜ die Anwendung der EuGVVO unberührt lässt. Aufschlussreich ist erst Art. 64 Abs. 2 LugÜ, der in lit. a festlegt, dass das LugÜ Vorrang vor der EuGVVO in Fragen der gerichtlichen Zuständigkeit genießt, wenn der Beklagte seinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Staates hat, in dem das LugÜ, nicht aber die EuGVVO gilt. Ferner ist das LugÜ anzuwenden, wenn die Gerichte eines solchen Staates nach Artikel 22 oder 23 LugÜ zuständig sind. Generell lässt sich für das Verhältnis zwischen EuGVVO und LugÜ demnach festhalten, dass das LugÜ Anwendung findet, wenn der Beklagte seinen Wohnsitz in einem Staat hat, der nicht EU-Mitgliedstaat-, zugleich aber LugÜ-Vertragsstaat (derzeit also Island, Norwegen oder die Schweiz) ist.24 Hat der Beklagte hingegen seinen Wohnsitz in einem EU-Mitgliedstaat, findet – soweit nicht das HGÜ anwendbar ist – die EuGVVO Anwendung.25 20  Geimer, in: Zöller, ZPO, Art. 23 EuGVVO a. F., Rn. 12; Stadler, in: Musielak, ZPO, Art. 25 EuGVVO, Rn. 3. 21  Im Ergebnis genauso: Patzina, in MüKo-ZPO, §  38, Rn. 25; Grundmann, IPRax 1985, 249, 250 ff. 22  EuGVVO, Erwägungsgrund 8. 23  Dörner, in: Saenger, ZPO, Vorbemerkung EuGVVO, Rn. 19; Mankowski, in: Rauscher, EuZPR, Art 25 EuGVVO, Rn. 280. 24  Kropholler/von Hein, EuZPR, Einl., Rn. 101; Hausmann, in: Simons/Hausmann, Brüssel I, Einl., Rn. 97. 25  Vgl. Hausmann, in: Simons/Hausmann, Brüssel I, Einl., Rn. 97.

66

3. Teil: Vertraglicher Schadensersatz

Sofern eine ausschließliche Zuständigkeit nach Art. 22 LugÜ besteht, hat das LugÜ ebenfalls Vorrang. Zuletzt regelt Art. 64 Abs. 2 lit. a LugÜ auch die hier besonders interessierende Frage nach der Zuständigkeit im Fall von Gerichtsstandsvereinbarungen. Bezeichnet die Gerichtsstandsvereinbarung ein Gericht in einem Staat, der nicht EU-Mitglied-, aber LugÜ-Vertragsstaat ist, findet das LugÜ Anwendung.26 Art. 25 EuGVVO ist auch von den Vorschriften des HGÜ abzugrenzen. Bei der Abgrenzung ist zunächst eine leicht verschiedene inhaltliche Zielsetzung festzustellen: Wie der Umkehrschluss aus Art. 25 Abs. 1 Satz 2 EuGVVO zeigt, ist die Norm auch für nicht ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarungen anzuwenden, während nach Art. 1 Abs. 1 HGÜ dieses nur für ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarungen gilt. Zu einem Konflikt zwischen Art. 25 EuGVVO und dem HGÜ kann es also nur bei ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarungen kommen. Dass die Abgrenzung nicht nur rein formaler Natur ist, sondern auch zu unterschiedlichen Rechtsfolgen führen kann, zeigt das Beispiel des Versicherungsvertrags: Während die EuGVVO in Art. 25 Abs. 4 i. V. m. Art. 15 für Versicherungsverträge die Möglichkeit ausschließt, eine Gerichtsstandsvereinbarung – jedenfalls vor Entstehen der Streitigkeit und zulasten des Versicherungsnehmers – abzuschließen, sieht das HGÜ keine entsprechende Regelung vor. Verbraucherversicherungsverträge sind allerdings als Verbrauchersache vom Anwendungsbereich ausgenommen.27 Die Prämisse für die Abgrenzung zwischen Art. 25 EuGVVO und dem HGÜ ist, dass dem HGÜ – soweit sein Anwendungsbereich eröffnet ist – Vorrang vor der EuGVVO zukommt. Wichtig ist dabei, dass das HGÜ keinen generellen Vorrang vor der EuGVVO beansprucht, sondern diese nur dann verdrängt, wenn die Vorschriften der EuGVVO dem HGÜ zuwiderlaufen.28 Dabei ist es unerheblich, ob man hierfür dogmatisch Art. 67 EuGVVO heranzieht29 oder auf die Spezialität als allgemeine Rangkollisionsnorm abstellt.30 Das HGÜ nimmt die Abgrenzung zwischen beiden Regelungsregimen – etwas versteckt31 – in Art. 26 Abs. 6 HGÜ vor. Nach dem hier interessierenden Art. 26 Abs. 6 lit. a HGÜ lässt das HGÜ die Anwendung der Vorschriften einer Organisation der regionalen Wirtschaftsintegration, die Vertragspartei des HGÜ ist, unter der Voraussetzung unberührt, dass keine der Parteien ihren Aufenthalt in einem Vertragsstaat dieses Übereinkommens 26  Berger,

in: Oetiker/Weibel, LugÜ, Art. 23, Rn. 12. Wagner, RabelsZ 2009, S. 100, 115. 28  Eichel, GPR 2014, S. 159, 162; Usunier, Rev. Crit. DIP 2010, S. 37, 59. 29  So R. Wagner/Schüngeler, ZVglRWiss 2009, S. 399, 432. 30  So Mankowski, in: Rauscher, EuZPR, Art. 25 EuGVVO, Rn. 267. 31  R. Wagner, RabelsZ 2009, S. 100, 137. 27  R.



A. Gerichtsstandsvereinbarungen nach der EuGVVO67

hat, der nicht Mitgliedstaat der Organisation der regionalen Wirtschaftsintegration ist. Die EU stellt eine solche „Organisation der regionalen Wirtschaftsintegration“ dar.32 Zu beachten ist, dass Art. 26 Abs. 6 lit. a HGÜ nicht wie die EuGVVO auf den Wohnsitz, sondern auf den Aufenthalt der Parteien, abstellt.33 Nach Art. 4 Abs. 2 HGÜ liegt bei juristischen Personen der Aufenthalt in dem Staat, in dem sich ihr satzungsmäßiger Sitz befindet, sie gegründet wurde oder sie ihre Hauptverwaltung oder -niederlassung hat. Mit diesen Maßgaben lässt sich die Abgrenzung nach Art. 26 Abs. 6 lit. a HGÜ wie folgt vornehmen: Wenn sämtliche Parteien der Gerichtsstandsvereinbarung ihren Aufenthalt in einem EU-Mitgliedstaat haben, ist die EuGVVO anwendbar.34 Ferner kommt die EuGVVO zur Anwendung, wenn sämtliche Parteien ihren Aufenthalt in Drittstaaten haben, die weder EUMitglied- noch HGÜ-Vertragsstaaten sind, und eine Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten eines Gerichts in einem EU-Mitgliedstaat vereinbart haben.35 Sobald jedoch mindestens eine Partei ihren Aufenthalt außerhalb eines EUMitgliedstaats, aber innerhalb eines HGÜ-Vertragsstaats hat, ist das HGÜ anzuwenden.36 Auch wenn alle Parteien ihren Aufenthalt in der EU haben, aber in der Gerichtsstandsvereinbarung die Zuständigkeit eines Gerichts in einem Nicht-EU-Staat vereinbaren, der HGÜ-Vertragsstaat ist, gilt das HGÜ.37 Hier liest man aus der Formulierung „dieses Übereinkommen lässt […] unberührt“ zu Beginn von Art. 26 Abs. 6 HGÜ, dass die Norm nur anzuwenden ist, wenn 32  Hartley/Dogauchi, Bericht HGÜ, Rn. 295; Eichel, GPR 2014, S. 159, 162; Fricke, Vers 2006, S. 476, 477; Kruger, ICLQ 2006, S. 447. 454; Nanda, Texas Int. Law Journal 2007, S. 773, 778; E. Pfeiffer, Forum derogatum, S. 103. 33  Dieser Begriff ist nicht mit dem des Wohnsitzes in der EuGVVO (Legaldefinition in Art. 63) zu verwechseln, siehe Eichel, AGB-Gerichtsstandsklauseln, S. 271, Fn. 1451. 34  Eichel, RIW 2009, S. 289, 293; Hausmann, in: Simons/Hausmann, Brüssel I, Einl., Rn. 100; Kruger, ICLQ 2006, S. 447, 452; Luginbühl/Wollgast, GRUR Int. 2006, S. 208, 219; Magnus, in: Magnus/Mankowski, Brussels Ibis, Art. 25, Rn. 10; Nanda, Texas Int. Law Journal 2007, S. 773, 785; Sancho Villa, YPIL 2010, S. 399, 412; Usunier, Rev. crit. 2010, S. 37, 58; R. Wagner, RabelsZ 2009, S. 100, 138. 35  Eichel, AGB-Gerichtsstandsklauseln, S. 271; ders., GPR 2014, S. 159, 163; Hausmann, in: Simons/Haus­mann, Brüssel I, Einl., Rn. 100; Kruger, ICLQ 2006, S. 447. 452; Nanda, Texas Int. Law Journal 2007, S. 773, 785; E. Pfeiffer, Forum derogatum, S. 104; Sancho Villa, YPIL 2010, S. 399, 413. 36  Eichel, AGB-Gerichtsstandsklauseln, S. 271; ders., RIW 2009, S. 289, 293; Kruger, ICLQ 2006, S. 447. 452; Luginbühl/Wollgast, GRUR Int. 2006, S. 208, 219; Sancho Villa, YPIL 2010, S. 399, 413 f.; R. Wagner/Schüngeler, ZVglRWiss 2009, S. 399, 431. 37  Mankowski, in: Rauscher, EuZPR, Art. 25 EuGVVO, Rn. 276; E. Pfeiffer, ­Forum derogatum, S.  104 f.

68

3. Teil: Vertraglicher Schadensersatz

ein anderes Abkommen überhaupt Anwendung beansprucht. Das ist bei der EuGVVO nicht der Fall, wenn die Gerichtsstandsvereinbarung ein Gericht außerhalb des räumlichen Anwendungsbereichs prorogiert.38 Dieses Problem ist letztlich das gleiche, wie wenn rein inländische Parteien die Zuständigkeit eines Gerichts in einem Nicht-EU-Staat vereinbaren.39 Sieht man diese Regel im Rahmen der weiten Aufenthaltsdefinition nach Art. 4 Abs. 2 HGÜ, ist der Anwendungsbereich der EuGVVO bereits ausgeschlossen, wenn sich zum Beispiel die Hauptverwaltung innerhalb eines EUMitgliedstaats, die Hauptniederlassung jedoch außerhalb der EU in einem HGÜ-Vertragsstaat befindet.40 Vereinfachend lässt sich zusammenfassen, dass Art. 25 EuGVVO im Rahmen seines Anwendungsbereichs die nationalen Regelungen über Gerichtsstandsvereinbarungen verdrängt. Im Verhältnis zum LugÜ ist grundsätzlich auf den Wohnsitz des Beklagten abzustellen: Hat der Beklagte seinen Wohnsitz in einem Staat des LugÜ, der nicht der EU angehört, ist das LugÜ anwendbar, andernfalls ist die EuGVVO anzuwenden. Prorogiert die Gerichtsstandsvereinbarung ein Gericht in einem EU-Mitgliedstaat ist die EuGVVO anwendbar, prorogiert sie Gerichte in einem LugÜ-Vertragsstaat ist das LugÜ anwendbar. Die Abgrenzung zum HGÜ ist anhand des Aufenthalts der Parteien vorzunehmen. Wenn eine Partei ihren Aufenthalt außerhalb eines EUMitgliedstaats, aber innerhalb eines HGÜ-Vertragsstaats hat, ist das HGÜ anzuwenden. Nur wenn sämtliche Parteien der Gerichtsstandsvereinbarung ihren Aufenthalt in einem EU-Mitgliedstaat haben, ist die EuGVVO anzuwenden. Haben alle Parteien ihren Aufenthalt weder in EU-Mitglied- noch in HGÜ-Vertragsstaaten, bestimmen aber ein Gericht in einem EU-Mitgliedstaat für zuständig, ist die EuGVVO anzuwenden. 3. Wirksame Gerichtsstandsvereinbarungen nach Art. 25 EuGVVO Es versteht sich von selbst, dass ein Verstoß gegen eine Gerichtsstandsvereinbarung nur in Betracht kommt, wenn überhaupt eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung besteht.41 Demzufolge ist zu untersuchen, welche formellen und materiellen Wirksamkeitsanforderungen an eine Gerichtsstandsvereinbarung nach Art. 25 EuGVVO zu stellen sind. 38  Hartley/Dogauchi,

Bericht HGÜ, Rn. 267. 3. Teil, A. I. 2. 40  R. Wagner, RablesZ 2009, S. 100, 138. 41  Dies benennt etwa der United States District Court for the District of Arizona als Voraussetzungen für den Schadensersatzanspruch in der Entscheidung Taylor v. Bevinco Bar Systems Ltd. [1997] No. CV 95-764 TUC NF (RMB) U.S. Dist. Arizona. 39  Siehe



A. Gerichtsstandsvereinbarungen nach der EuGVVO69

a) Formelle Wirksamkeit Der sachliche Anwendungsbereich von Art. 25 EuGVVO ist neben der Aussage, dass die Pro- und die Derogation grundsätzlich zulässig sind, auf den ersten Blick auf Formfragen beschränkt.42 Diese sind zunächst zu untersuchen, bevor es anschließend um die materiellen Aspekte des Art. 25 Abs. 1 EuGVVO gehen soll. Hinsichtlich der formellen Wirksamkeit verlangt Art. 25 Abs. 1 Satz 3 lit. a EuGVVO die Schriftform oder die schriftliche Bestätigung der mündlichen Vereinbarung. Diese Anforderungen sind wenig streng: Art. 25 Abs. 2 EuGVVO lässt elektronische Vertragsschlüsse zu, etwa per E-Mail oder Fax.43 In diesen Fällen ist eine handschriftliche Unterschrift nicht erforderlich.44 Die Parteien können Gerichtsstandsvereinbarungen in AGB schriftlich i. S. v. Art. 25 Abs. 1 Satz 3 lit. a Var. 1 EuGVVO vereinbaren, wenn der schriftliche Hauptvertrag auf die AGB hinweist. Es ist nicht erforderlich, die Gerichtsstandsklausel eigens in den Hauptvertrag aufzunehmen.45 Ein schriftlicher Hinweis in diesem Sinn liegt auch vor, wenn der Hinweis in der Vertragssprache gehalten ist und auf AGB in einer anderen als der Vertragssprache verweist.46 Allerdings müssen die AGB bei Vertragsschluss vorliegen. Es ist nicht ausreichend, wenn der Verwender die AGB später zusendet.47 Wenn eine Partei die AGB ohne Hinweis im Hauptvertrag beifügt, vereinbart sie nicht wirksam die in den AGB enthaltene Gerichtsstandsvereinbarung mit der anderen Partei.48 Fehlt es an einem Verweis auf die AGB oder erfolgte der Verweis nur mündlich, wurden die Gerichtsstandsvereinbarung nicht schriftlich getroffen49, möglich bleibt aber eine Einbeziehung der AGB unter den besonderen Voraussetzungen von Art. 25 Abs. 1 Satz 3 lit. b und c EuGVVO. Nach Art. 25 Abs. 1 Satz 3 lit. b EuGVVO ist auch die Form wirksam, die den Gepflogenheiten zwischen den Parteien entspricht. Dies soll den Abschluss von Gerichtsstandsvereinbarungen innerhalb bestehender Geschäftsbeziehungen erleichtern.50 Neben der tatsächlichen Übung zwischen den 42  Schlosser,

in: Schlosser/Hess, EuZPR, Art. 25 EuGVVO, Rn. 3. in: Schlosser/Hess, EuZPR, Art. 25 EuGVVO, Rn. 19. 44  BGH NJW 2001, 1731; NJW-RR 2005 150, 151. 45  Dörner, in: Saenger, ZPO, Art. 25 EuGVVO, Rn. 25. 46  BGH, IPRax 1991, 326; 1992, 373, 376; OLG Hamm, IPRax 1991, 324, 326; Kaye, Civil Jurisdiction, S. 1062. 47  OLG Düsseldorf, RIW 2001, 63, 64; OLG Oldenburg, IHR 2008, 112; Gottwald, in: MüKo-ZPO, Art. 23 EuGVVO a. F., Rn. 34; vgl. auch BGH, WM 2002, 442, 444 zum UN-Kaufrecht. 48  Gottwald, in: MüKo-ZPO, Art. 23 EuGVVO a. F., Rn. 34. 49  EuGH, 14.12.1976, RS. 24/76, Colzani/Rüwa, NJW 1977, 494. 50  Dörner, in: Saenger, ZPO, Art. 25 EuGVVO, Rn. 22. 43  Schlosser,

70

3. Teil: Vertraglicher Schadensersatz

Parteien51 ist auch eine tatsächliche Einigung52 erforderlich. Die Vorschrift erfasst im Wesentlichen drei Anwendungsfälle: das Schweigen auf ein Bestätigungsschreiben, die stillschweigende Verlängerung einer ausgelaufenen Gerichtsstandsvereinbarung53 und die Einbeziehung von AGB-Klauseln, die nicht von lit. a erfasst sind. Letzteres begründet etwa dann eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung, wenn die AGB bei Vertragsschluss nicht vorlagen oder die Parteien auf sie nur mündlich Bezug nahmen. In diesen Fällen fehlt es zwar an der Schriftform, sofern aber eine entsprechende Übung besteht, beziehen die Parteien die AGB über Art. 25 Abs. 1 Satz 3 lit. b EuGVVO ein.54 Art. 25 Abs. 1 Satz 3 lit. c EuGVVO lässt weitere Formerleichterungen für die im internationalen Handel bestehenden Bräuche zu. Ein autonom zu bestimmender55 Handelsbrauch ist zu bejahen, wenn diesbezüglich eine tatsächliche Übung in dem Geschäftszweig des internationalen Handelsverkehrs besteht, in dem die Parteien tätig sind, die von einiger Dauer und bei den betroffenen Kaufleuten anerkannt ist.56 Dabei obliegt es dem erkennenden nationalen Gericht festzustellen, ob ein solcher Handelsbrauch tatsächlich besteht.57 Art. 25 Abs. 1 Satz 3 lit. c EuGVVO erfasst ebenfalls das kaufmännische Bestätigungsschreiben, wobei allerdings die Voraussetzungen umstritten sind. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist eine Gerichtsstandsvereinbarung durch kaufmännisches Bestätigungsschreiben möglich, wenn dies in dem Bereich des internationalen Handelsverkehrs, in dem die Parteien tätig sind, einen anerkannten Handelsbrauch darstellt und die Parteien den Brauch kennen oder kennen müssen.58 Die nationalstaatliche Rechtsprechung59 und die 51  BGH, IPRax 2005, 338, 339; Gottwald, in: MüKo-ZPO, Art. 23 EuGVVO a. F., Rn. 47. 52  EuGH, 20.02.1997, RS. C-106/95, Mainschiffahrts-Genossenschaft/Les Gravières Rhénanes, Rn. 17, NJW 1997, 1431, 1432; BGH, IPRax 2005, 338, 339. 53  Kilias, in: Dasser/Oberhammer, LugÜ, Art. 23, Rn. 121 f.; Gottwald, in: MüKoZPO, Art. 23 EuGVVO a. F., Rn. 47. 54  Schlosser, in: Schlosser/Hess, EuZPR, Art. 25 EuGVVO, Rn. 23. 55  Dörner, in: Saenger, ZPO, Art. 25 EuGVVO, Rn. 35; Hüßtege, in: Thomas/ Putzo, ZPO, Art. 25 EuGVVO, Rn. 16. 56  EuGH, 16.03.1999, RS. C-159/97, Trasporti Castelletti/Trumpy, Rn. 23, EuZW 1999, 441, 442; Gottwald, in: MüKo-ZPO, Art. 23 EuGVVO a. F., Rn. 48. 57  EuGH, 20.02.1997, RS. C-106/95, Mainschiffahrts-Genossenschaft/Les Gravières Rhénanes, Rn. 21, NJW 1997, 1431, 1432; EuGH, 16.03.1999, RS. C-159/97, Trasporti Castelletti/Trumpy, Rn. 23, EuZW 1999, 441, 442. 58  EuGH, 20.02.1997, RS.  C-106/95, Mainschiffahrts-Genossenschaft/Les Gra­ vières Rhénanes, Rn. 20, NJW 1997, 1431, 1432. 59  OLG Köln NJW 1988, 2182, 2183; LG Essen RIW 1992, 227, 228 f; LG Münster, RIW 1992, 230; Cour d’appel Paris, Recueil Dalloz Sirey 1989, Bd. 2, Inf.



A. Gerichtsstandsvereinbarungen nach der EuGVVO71

herrschende Lehre60 erkennen das kaufmännische Bestätigungsschreiben überwiegend als internationalen Handelsbrauch an. Viele fordern allerdings einschränkend, dass der Handelsbrauch des kaufmännischen Bestätigungsschreibens nach dem Wohnsitzrecht der Partei, zu deren Lasten die Gerichtsstandsvereinbarung geltend gemacht wird, anerkannt ist.61 Nach anderer Auffassung ist darauf abzustellen, ob das Vertragsabschlussstatut nach Art. 10 Abs. 1 Rom-I-VO das kaufmännische Bestätigungsschreiben anerkennt.62 Von Art. 25 Abs. 1 Satz 3 lit. c EuGVVO sind ferner Aufdrucke auf Rechnungen erfasst, wenn ein Handelsbrauch besteht, dass auf diese Weise Gerichtsstandsvereinbarungen getroffen werden können.63 Im Verhältnis zwischen Verfrachter und Befrachter ist die Vereinbarung einer Gerichtsstandsvereinbarung in einem einseitig ausgestellten Konnossement zulässig.64 Die englische Praxis, von einer Rechtswahl- auf eine Gerichtsstandsvereinbarung zu schließen, ist hingegen nicht erfasst.65 Bloße Vereinbarungen über den Erfüllungsort nach Art. 7 Nr. 1 EuGVVO begründen keine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung.66 b) Materielle Wirksamkeit Art. 25 EuGVVO regelt auch Fragen der materiellen Wirksamkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen. Unter Art. 23 EuGVVO a. F. berücksichtigte man über den verordnungsautonom auszulegenden Begriff der „Vereinbarung“ Aspekte der materiellen Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarap. S. 11; Cour d’appel Paris, Recueil Dalloz Sirey 1989 Bd. 1, S. 549, Bd. 2, Inf. rap. S. 52. 60  Kaye, Civil Jurisdiction, S. 1062; Kropholler/von Hein, EuZPR, Art. 23 EuGVVO a. F., Rn. 61; Hausmann, in: Reithmann/Martiny, Int. Vertragsrecht, Rn. 8.77; Schack, IZVR, Rn. 534. 61  OLG Köln, NJW 1988, 2182, 2183; OLG Düsseldorf, RIW 1990, 577, 579; Kropholler/von Hein, EuZPR, Art. 23 EuGVVO a. F., Rn. 61; Hausmann, in: Reithmann/Martiny, Int. Vertragsrecht, Rn. 8.93. 62  So Schlosser, in: Schlosser/Hess, EuZPR, Art. 25 EuGVVO, Rn. 27, der allerdings die Frage der Anwendbarkeit der Rom-I-VO vor dem Hintergrund von Art. 1 Abs. 2 lit. e offen lässt. 63  Simotta, in: Fasching/Konecny, ZPR, Art. 23 EuGVVO, Rn. 231; Gottwald, in: MüKo-ZPO, Art. 23 EuGVVO a. F., Rn. 52. 64  Girsberger, IPRax 2000, S. 87, 89 f.; Mankowski, in: Rauscher, EuZPR, Art. 25 EuGVVO, Rn. 123; Simotta, in: Fasching/Konecny, ZPR, Art. 23 EuGVVO, Rn. 228; Kropholler/von Hein, EuZPR, Art. 23 EuGVVO a. F., Rn. 62. 65  Schlosser, Bericht BeitrittsÜ 1979, Rn. 175; Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 23 EuGVVO a. F., Rn. 13. 66  EuGH, 17.01.1980, RS. 56/79, Zelger/Salinitri, RIW 1980, 726, 727; Geimer/ Schütze, EuZVR, Art. 23 EuGVVO a. F., Rn. 52.

72

3. Teil: Vertraglicher Schadensersatz

rung.67 Dies ergibt sich nach der Rechtsprechung des EuGH aus der Systematik der EuGVVO. Nur wenn man die „Vereinbarung“ verordnungsautonom und nicht nach dem nationalstaatlichen Recht auslege, könne man der Zielsetzung der EuGVVO Rechnung tragen, den betroffenen Parteien einheitliche Rechten und Pflichten unabhängig von ihrem Wohnsitz und dem entscheidenden Gericht aufzuerlegen.68 In welchem Umfang sich der Begriff der „Vereinbarung“ auch auf materiellrechtliche Fragen bezieht, war bereits früher umstritten69 und ist nach der EuGVVO-Novelle zusätzlich vom neu eingefügten Halbsatz in Art. 25 Abs. 1 Satz 1 EuGVVO abzugrenzen. In welchem Umfang man die EuGH-Rechtsprechung zur Auslegung der „Vereinbarung“ weiterhin für erforderlich hält, hängt davon ab, welche Reichweite man dem neu eingefügten Halbsatz beimisst. Art. 25 Abs. 1 Satz 1 HS 2 EuGVVO bestimmt, dass die materielle Nichtigkeit nach dem Recht des in der Gerichtsstandsvereinbarung bestimmten Gerichts zu prüfen ist. Die Art. 5 Abs. 1 HGÜ nachgebildete Regelung70 ist hinsichtlich ihrer Reichweite nicht eindeutig und hat in der Literatur bereits deutlich divergierende Auslegungen hervorgebracht. Da der Wortlaut von materieller Nichtigkeit spricht, könnte man davon ausgehen, dass hiervon nur wenige, besonders schwere Fehler beim Abschluss der Gerichtsstandsvereinbarung erfasst sind, etwa Drohung, arglistige Täuschung, Gesetzes- oder Sittenwidrigkeit.71 Der Wortlaut scheint Gründe auszuschließen, die nur zur Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts führen können wie Irrtümer, Geschäftsunfähigkeit oder Vertretung ohne Vertretungsmacht.72 Die Systematik ist ebenfalls wenig aufschlussreich: Allenfalls ließe sich überlegen, dass aus der Formulierung „es sei denn“ ein eher eng gefasster Anwendungsbereich für den Halbsatz folgen muss. Dem stehen allerdings Sinn und Zweck der Regelung entgegen. Der neu eingefügte Halbsatz soll die Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit bei Gerichtsstandsvereinbarungen gerade dadurch stärken, dass einheitliche Entscheidungskriterien entstehen.73 67  EuGH, 19.06.1984, RS. C-71/83, Partenreederei Russ, RIW 1984, 909, 910; EuGH, 10.03.1992, RS. C-214/89, Duffryn plc/Petereit, Rn. 21, NJW 1992, 1671, 1672; BGH, NJW 2007, 2036, 2037. 68  EuGH, 10.03.1992, RS. C 214/89, Duffryn plc/Petereit, Rn. 14, NJW 1992, 1671 f. 69  Gebauer, in: FS von Hoffmann, S. 577. 70  Heinze, RabelsZ 2011, S. 581, 584; Mankowski, in: Rauscher, EuZPR, Art. 25 EuGVVO, Rn. 28; Pohl, IPRax 2013, S. 109, 111. 71  Domej, RabelsZ 2014, S. 508, 527; Mankowski, in: Rauscher, EuZPR, Art. 25 EuGVVO, Rn. 40. 72  Daher auch gegen eine Zuordnung zu Art. 25 EuGVVO: Magnus, in: FS von Hoffmann, S. 664, 674 f. 73  Dickinson, YPIL 2010, S. 247, 300.



A. Gerichtsstandsvereinbarungen nach der EuGVVO73

Dies spricht dafür, die Regelung extensiv auszulegen.74 Der Ausschluss bezieht sich bei Berücksichtigung von Sinn und Zweck wohl eher auf die materielle Nichtigkeit als auf die materielle Nichtigkeit. Er ist also von der formellen Nichtigkeit abzugrenzen, da diese ohnehin von Art. 25 Abs. 1 EuGVVO geregelt ist und auch schon vor der EuGVVO-Novelle geregelt war.75 Auch die Harmonisierung mit dem HGÜ spricht für eine solche weite Auslegung. Der erläuternde Bericht zum HGÜ verdeutlicht, dass von der gleichlautenden Vorschrift in Art. 5 Abs. 1 HGÜ die Gründe formeller Unwirksamkeit ausgeschlossen sein sollen. Von den Gründen der materiellen Nichtigkeit sollen aber neben Drohung und arglistiger Täuschung auch Geschäftsfähigkeit, Irrtum und Stellvertretung erfasst sein.76 Da Art. 25 Abs. 1 Satz 1 EuGVVO gezielt Art. 5 Abs. 1 HGÜ nachgebildet ist, ist dessen Auslegung auf Art. 25 Abs. 1 Satz 1 EuGVVO zu übertragen.77 Daher findet die lex fori prorogati auf alle Fragen der materiellen Wirksamkeit Anwendung, die nicht schon anderweitig vom europäischen Recht geregelt sind.78 Auch nach der EuGVVO-Reform ist aber die Frage, ob eine Einigung vorliegt, weiterhin verordnungsautonom zu bestimmen, weil sich diese Frage unmittelbar aus dem in Art. 25 Abs. 1 Satz 1 EuGVVO verwendeten Begriff der „Vereinbarung“ ergibt.79 Es ist zu ermitteln, ob sich die Parteien der Gerichtsstandsvereinbarung tatsächlich auf eine Pro- oder Derogation geeinigt haben und ob diese Einigung mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck gekommen ist.80 Hierfür genügt es nach der Rechtsprechung des EuGH bereits, wenn die Gerichtsstandsvereinbarung die objektiven Kriterien nennt, nach denen sich die Zuständigkeit eines Gerichts ergeben soll. Dafür müssen 74  So

124.

auch Domej, RabelsZ 2014, S. 508, 527; Queirolo, YPIL 2013/2014, S. 113,

Heinze, RabelsZ 2011, S. 581, 585. Bericht HGÜ, Rn. 126; vgl. auch Queirolo, YPIL 2013/2014, S. 113, 124. 77  Herranz-Ballestros, JPIL 2014, S. 291, 302. 78  So im Ergebnis auch Schlosser, in: Schlosser/Hess, EuZPR, Art. 25 EuGVVO, Rn. 31. 79  T. Pfeiffer, in: Hess/T. Pfeiffer/Schlosser, Heidelberg-Bericht, Rn. 376; Dickinson, YPIL 2010, S. 248, 285; Dörner, in: Saenger, ZPO, Art. 25 EuGVVO, Rn. 10; Gebauer, in: FS von Hoffmann, S. 577 ff.; Magnus, in: FS von Hoffmann, S. 664, 673; Mankowski, in: Rauscher, EuZPR, Art. 25 EuGVVO, Rn. 44; Queirolo, YPIL 2013/2014, S. 113, 119; vgl. Saenger, ZZP 1997, S. 477, 483 f. 80  EuGH, 14.12.1976, RS.  24/76, Colzani/Rüwa, NJW 1977, 494; EuGH, 20.02.1997, RS. C-106/95, Mainschif­fahrts-Genossenschaft/Les Gravières Rhénanes, Rn. 15, NJW 1997, 1431, 1432; EuGH, 09.11.2000, RS. C-387/98, Coreck Maritime GmbH/Handelsveem BV u. a., Rn. 13, NJW 2001, 501, 502; Gottwald, in: MüKoZPO, Art. 23 EuGVVO a. F., Rn. 22; Magnus, in: Magnus/Mankowski, Brussels Ibis, Art. 25, Rn. 75; Mankowski, in: Rauscher, EuZPR, Art. 25 EuGVVO, Rn. 44. 75  Vgl.

76  Hartley/Dogauchi,

74

3. Teil: Vertraglicher Schadensersatz

die Kriterien präzise genug sein, dass das angerufene Gericht feststellen kann, welches Gericht unter welchen Umständen zuständig sein soll. Das zuständige Gericht muss hingegen nicht wortwörtlich benannt werden.81 Die besonderen Wirksamkeitserfordernisse nach Art. 25 Abs. 4 EuGVVO für Versicherungs-, Verbraucher und Arbeitssachen sind verordnungsautonom und ohne Rückgriff auf das nationale Recht zu bestimmen. Auch das Verhältnis von Gerichtsstandsvereinbarung und Hauptvertrag ist allein nach Art. 25 Abs. 5 EuGVVO zu bestimmen.82 Bei dem Verweis auf das Recht des angerufenen Gerichts handelt es sich um eine Gesamtverweisung, sodass das internationale Privatrecht des betroffenen Staats anwendbar ist (vgl. Erwägungsgrund 20).83 Darlegungs- und beweisbelastet für das Bestehen einer wirksamen Gerichtsstandsvereinbarung sind der Kläger vor dem vereinbarten Gericht84 und der Beklagte vor dem abredewidrig angerufenen Gericht.85 Abschließend lässt sich zur Wirksamkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen nach Art. 25 EuGVVO das Folgende festhalten: Die formellen Anforderungen sind wenig streng. Die Vereinbarung durch AGB und kaufmännisches Bestätigungsschreiben ist weitgehend möglich. In materieller Hinsicht schreibt Art. 25 Abs. 1 Satz 1 HS 2 EuGVVO nach der Novelle nunmehr eindeutig vor, dass wesentliche Aspekte der materiellen Wirksamkeit nach dem Recht des prorogierten Gerichts zu beurteilen sind. Eine wichtige Ausnahme hiervon ist die Frage der Einigung über den Abschluss der Gerichtsstandsvereinbarung, die nach wie vor verordnungsautonom zu bestimmen ist. 4. Die Ausschließlichkeit der Gerichtsstandsvereinbarung Der Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung kommt nur in Betracht, wenn es sich bei der zu brechenden Gerichtsstandsvereinbarung um eine ausschließliche handelt. Nur bei ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarungen einigen sich die Parteien 81  EuGH, 09.11.2000, RS. C-387/98, Coreck Maritime GmbH/Handelsveem BV u. a., Rn. 15, NJW 2001, 501, 502; E. Pfeiffer, Forum derogatum, S. 87; Kropholler/ von Hein, EuZPR, Art. 23 EuGVVO a. F., Rn. 71. 82  Beide Beispiele bei Dörner, in: Saenger, ZPO, Art. 25 EuGVVO, Rn. 17 f. 83  Heinze, RabelsZ 2011, S. 581, 585; Kindler, in: FS Coester-Waltjen, S 485, 486; Mankowski, in: Rauscher, EuZPR, Art. 25 EuGVVO, Rn. 33 ff.; Schlosser, in: Schlosser/Hess, EuZPR, Art. 25 EuGVVO, Rn. 3; Stadler, in: Musielak, ZPO, Art. 25 EuGVVO, Rn. 5; so auch Hartley/Dogauchi, Bericht HGÜ, Rn. 125, Fn. 158 zum gleichlautenden Art. 5 Abs. 1 HGÜ. 84  Österreichischer OGH, ZfRV 2001,113; Stadler, in: Musielak, ZPO, Art. 25 EuGVVO, Rn. 2. 85  Stadler, in: Musielak, ZPO, Art. 25 EuGVVO, Rn. 2; Schlosser, in: Schlosser/ Hess, EuZPR, Art. 25 EuGVVO, Rn. 16.



A. Gerichtsstandsvereinbarungen nach der EuGVVO75

darauf, vor keinem anderen Gericht als dem forum prorogatum zu klagen.86 Diese Erkenntnis wirkt auf den ersten Blick so banal, dass die meisten Autoren sich gar nicht mit einer Begründung aufhalten, sondern nur beiläufig erwähnen, die Vereinbarung müsse ausschließlich sein.87 Tham ist allerdings der Auffassung, auch die Missachtung einer nicht ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung könne einen Schadensersatzanspruch begründen. Sein zentrales Argument ist, dass jedenfalls eine Klage vor einem nicht prorogierten Gericht mit dem Ziel, das Verfahren vor dem nicht ausschließlich prorogierten Gericht zu verhindern, schadensersatzpflichtig mache. Dabei beruft sich Tham auf das Urteil Sabah Shipyard (Pakistan) v. The Islamic Republic of Pakistan, in welchem der Court of Appeal ausführte: „If proceedings were commenced in Pakistan simply to attempt to frustrate the jurisdiction clause, such conduct would be contrary to the spirit of the jurisdiction clause and vexatious“88. Sofern eine Partei tatsächlich ein Gerichtsverfahren mit Schädigungsvorsatz einleitet, wäre auch nach deutschem Recht ein Schadensersatzanspruch gem. § 826 BGB zu gewähren.89 Allerdings wäre in diesem Fall – jedenfalls nach deutschem Recht – der die Sittenwidrigkeit begründende Vorwurf wohl auf die mit Schädigungsvorsatz vorgenommene Verfahrenshandlung und nicht auf die Missachtung der Gerichtsstandsvereinbarung zu stützen. Es gibt also in dieser speziellen Konstellation kein Bedürfnis für einen Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer nicht ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung. Aber auch darüber hinaus kann die Auffassung Thams nicht überzeugen. Es ist offensichtlich, dass nicht ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarungen bereits deshalb keine Pflicht statuieren können, nur an einem Gericht zu klagen, weil sie ja nur die ohnehin bestehenden Zuständigkeiten erweitern und gerade keine Beschränkung vorsehen. Wer aber die bestehenden gesetzlichen Zuständigkeiten ausnutzt, die bei einer nicht ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung eben nicht ausgeschlossen sind, handelt nicht entgegen der Gerichtsstandsvereinbarung.90 Es fehlt an der 86  Maire du Poset, Versailles Int. Arbitration 2012, S. 33, 34; Tan, Texas Int. Law Journal 2005, S. 623, 626 f. 87  So Briggs, Agreements, Rn. 8.13; Cuniberti/Requejo, ERA 2010, S. 7, 8; Joseph, Agreements, Rn. 14.12; Sánchez Fernández, YPIL 2010, S. 377, 385; Sandrock, RIW 2004, S. 809, 813; Shantar, Boston Univ. Law Review 2002, S. 1063, 1081; Yeo/Tan, in: Worthington, Commercial Law, S. 403. 88  Sabah Shipyard (Pakistan) v. The Islamic Republic of Pakistan [2002] APP.L.R. 11/14, Rn. 38. 89  RGZ 55, 60; BGH, NJW 1991, 634, 636; DStR 2004, 1490, 1492; Geimer, IZPR, Rn. 1122; Mößmer, JW 1938, S. 1333; E. Pfeiffer, Forum derogatum, S. 437. Siehe zum Ganzen 2. Teil, A. IV. 90  Vgl. Merrett, ICLQ 2006, S. 315, 316; Takahashi, YPIL 2008, S. 57, 59.

76

3. Teil: Vertraglicher Schadensersatz

Derogationskomponente der Gerichtsstandsvereinbarung, die eine Pflichtverletzung in Form der abredewidrigen Klage erst ermöglicht. Ein genauerer Blick auf die Frage der Ausschließlichkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen ist erforderlich, jedenfalls um klare Begrifflichkeiten zu verwenden. Der Unterschied zwischen einer ausschließlichen und einer nicht ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung liegt nicht in der Prorogations-, sondern in der Derogationskomponente. Der Sinn einer ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung ist, alle anderen als das vereinbarte Gericht oder die vereinbarten Gerichte unzuständig werden zu lassen. Für eine ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung ist also nicht entscheidend, ob nur eines oder eventuell mehrere Gerichte zuständig sind, sondern ob mindestens ein Gericht – typischerweise aber die Gerichte mindestens eines Staates – unzuständig sind.91 Demzufolge kann auch die Vereinbarung eines Wahlgerichtsstands eine ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung darstellen, bei deren Missachtung ein Schadensersatzanspruch in Betracht kommt. Eine Wahlgerichtsstandsvereinbarung liegt vor, wenn die Parteien zwei Gerichte als ausschließlich zuständig bestimmt und sich die Wahl zwischen beiden Gerichtsständen offenlassen. Die Vereinbarung von Wahlgerichtsständen ist nach herrschender Meinung zulässig.92 Wenn etwa nur die Gerichte in Paris und Frankfurt am Main zuständig sein sollen, liegt darin eine ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung, weil alle anderen in Betracht kommenden Gerichtsstände derogiert sind.93 Auch asymmetrische Gerichtsstandsvereinbarungen sind – jedenfalls für eine Partei – ausschließlich. Eine Gerichtsstandsvereinbarung ist asymmetrisch, wenn Partei A Partei B nur am forum prorogatum verklagen darf, Partei B aber gegen Partei A vor dem forum proro­gatum sowie jedem weiteren Gerichtsstand klagen darf.94 Eine asymmetrische Gerichtsstandsvereinbarung verstößt nicht gegen den heutigen Art. 25 EuGVVO.95 Merrett, ICLQ 2006, S. 315, 317. YPIL 2008, S. 57, 59; Patzina, in: MüKo-ZPO, § 38, Rn. 41; Merrett, ICLQ 2006, S. 315, 317; E. Pfeiffer, Forum derogatum, S. 87; Kropholler/von Hein, EuZPR, Art. 23 EuGVVO a. F., Rn. 72. 93  Vgl. Tan, Texas Int. Law Journal 2005, S. 623, 626 f.; Patzina, in: MüKo-ZPO, § 38, Rn. 41 f. 94  Beispiel aus einem Urteil der Cour de Cassation, Rev. crit. DIP 2013, 256, 257: „Les litiges éventuels entre le client et la banque seront soumis à la juridiction exclusive des tribunaux de Luxembourg. La banque se réserve toutefois le droit d’agir au domicile du client ou devant tout autre tribunal compétent a défaut de l’élection de juridiction qui précède“. 95  Eichel, AGB-Gerichtsstandsklauseln, S. 41; Freitag, in: FS Magnus, S. 419, 423; Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 23 EuGVVO a. F., Rn. 168; Kropholler/von Hein, 91  Vgl.

92  Takahashi,



A. Gerichtsstandsvereinbarungen nach der EuGVVO77

5. Gläubiger und Schuldner des Schadensersatzanspruchs Gläubiger und Schuldner des Schadensersatzanspruchs wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung können nur die Parteien sein, die an die nach den obigen Kriterien wirksam geschlossene Gerichtsstandsvereinbarung gebunden sind.96 Das betrifft zunächst die Parteien, die die Gerichtsstandsvereinbarung abgeschlossen haben. Es ist aber auch möglich, dass Dritte an Gerichtsstandsvereinbarungen gebunden sind und dementsprechend Gläubiger oder Schuldner eines möglichen Schadensersatzanspruchs wegen der Missachtung der Gerichtsstandsvereinbarung werden können. Eine Gerichtsstandsvereinbarung nach Art. 25 EuGVVO setzt eine Einigung von mindestens zwei verschiedenen Parteien voraus.97 Im Gegensatz zu Art. 23 EuGVVO a. F. und dessen Vorgängervorschriften ist es nach der EuGVVO-Reform nicht mehr erforderlich, dass mindestens eine der Parteien ihren Wohnsitz in einem Mitgliedstaat hat.98 Die erste Begrenzung hinsichtlich der Parteien einer Gerichtsstandsvereinbarung ergibt sich aus Art. 25 Abs. 1 Satz 1 EuGVVO: Nur Parteien einer bereits entstandenen oder einer zukünftigen, einem bestimmten Rechtsverhältnis entstammenden Rechtsstreitigkeit können eine Gerichtsstandsvereinbarung treffen. Zu dem Zeitpunkt, in dem die Parteien die Gerichtsstandsvereinbarung schließen, muss das Rechtsverhältnis daher noch nicht bestehen.99 Allerdings muss zu diesem Zeitpunkt das der Streitigkeit zugrundeliegende Rechtsverhältnis nach Art und Gegenstand hinreichend bestimmbar sein.100 Das ist der Fall, wenn der Rechtsboden der zukünftigen Streitigkeit bereits feststeht, etwa bei Vereinbarungen in einem Rahmenvertrag für wiederkehrende Geschäfte.101 Ausgeschlossen sind hingegen Gerichtsstandsvereinbarungen, die keinen Bezug zu dem Vertragsverhältnis zwischen den Parteien aufweisen.102 EuZPR, Art. 23 EuGVVO a. F., Rn. 94; Linke/Hau, IZVR, Rn. 6.5; Saenger, ZZP 1997, S. 477, 482; a. A.: Cour de Cassation, Rev. crit. DIP 2013, 256, 258. 96  Coester-Waltjen, Annales Univ. Sci. Budapest. 2011, S. 225, 233. 97  EuGH, 20.02.1997, RS. C-106/95, Mainschiffahrts-Genossenschaft/Les Gravières Rhénanes, Rn. 17, NJW 1997, 1431, 1432; BGH, IPRax 2005, 338, 339; Maire du Poset, Versailles Int. Arbitration 2012, S. 33, 34. 98  Siehe hierzu 3. Teil, A. I. 1. 99  Gottwald, in: MüKo-ZPO, Art. 23 EuGVVO a. F., Rn. 64. 100  OLG Oldenburg, IPRax 1999, 458, 459; Kropholler/von Hein, EuZPR, Art. 23 EuGVVO a. F., Rn. 70. 101  G. Wagner, in: Stein/Jonas, ZPO, Art. 23 EuGVVO a. F., Rn. 111 ff.; Hausmann, in: Reithmann/Martiny, Int. Vertragsrecht, Rn. 8.103; Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 23 EuGVVO a. F., Rn. 158. 102  EuGH, 10.03.1992, RS. C 214/89, Duffryn plc/Petereit, Rn. 32, NJW 1992, 1671,1672; G. Wagner, in: Stein/Jonas, ZPO, Art. 23 EuGVVO a. F., Rn. 111.

78

3. Teil: Vertraglicher Schadensersatz

Eine wesentliche Einschränkung hinsichtlich der Parteien einer Gerichtsstandsvereinbarung findet sich in Art. 25 Abs. 4 EuGVVO. Hiernach sind zum einen Gerichtsstandsvereinbarungen unwirksam, die die ausschließlichen Zuständigkeiten nach Art. 24 EuGVVO umgehen sollen, und zum anderen solche, die den Regeln der Art. 15, 19 oder 23 EuGVVO zuwiderlaufen. Aufgrund von Art. 25 Abs. 4 i. V. m. Art. 24 EuGVVO sind demnach Gerichtsstandsvereinbarungen ausgeschlossen zwischen Parteien, deren Streitigkeit aus dinglichem Recht über unbewegliche Sachen, der Auflösung und Beschlüsse juristischer Personen, der Eintragung in öffentliche Register oder der Zwangsvollstreckung aus Entscheidungen resultiert. Vom Personenkreis, die eine Gerichtsstandsvereinbarung abschließen können, sind praktisch auch Versicherte, Arbeitnehmer und Verbraucher ausgenommen.103 Die drei Vorschriften Art. 15, 19 und 23 EuGVVO lassen – abweichend vom generellen Verbot – Gerichtsstandsvereinbarungen für diese Personengruppen dennoch zu, wenn sie nach Beginn der Streitigkeit abgeschlossen wurden. In diesem Fall sind dem Versicherten, Arbeitnehmer oder Verbraucher die Folgen einer Gerichtsstandsvereinbarung im konkreten Fall bewusst und sie sind nicht schutzbedürftig.104 Diese Konstellation ist in Hinblick auf den Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung zu vernachlässigen. Es liegt in diesem Fall gerade nicht die Situation vor, in der eine Partei eine vor Ausbruch der Streitigkeit geschlossene Gerichtsstandsvereinbarung bei Ausbruch der Streitigkeit bricht. In Versicherungssachen ist neben zwei Sonderkonstellationen (Art. 15 Nr. 4 und 5 EuGVVO) nur eine nicht ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung nach Art. 15 Nr. 2 EuGVVO zulässig.105 Auch in dieser Konstellation droht keine Missachtung der Gerichtsstandsvereinbarung, weil dies logisch zwingend nur bei ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarungen in Betracht kommt.106 Ferner ist nach Art. 15 Nr. 3 EuGVVO eine Gerichtsstandsvereinbarung in Versicherungssachen wirksam, wenn sie zugunsten der Gerichte des Wohnsitzstaates beider Parteien erfolgt. Wenn man die in dieser Konstellation fernliegende Vorstellung einer Torpedoklage107 einer der beiden Parteien beiseitelässt, droht hier ebenfalls keine Missachtung einer Gerichts103  Nagel/Gottwald, IZPR, § 3, Rn. 16; Dörner, in Saenger, ZPO, Art. 25 EuGVVO, Rn. 17. 104  Vgl. Gottwald, in: MüKo-ZPO, Art. 13 EuGVVO a. F., Rn. 2; Art. 17 EuGVVO a. F., Rn. 1; Art. 21 EuGVVO a. F., Rn. 1. 105  Dörner, in: Saenger, ZPO, Art. 15 EuGVVO, Rn. 3. 106  Takahashi, YPIL 2008, S. 57, 59. Ausführlich dazu unter 3. Teil, A. I. 4. 107  Ausführlich dazu unter 3. Teil, A. III. 1. a).



A. Gerichtsstandsvereinbarungen nach der EuGVVO79

standsvereinbarung, weil keine der Parteien ihren Heimvorteil zulasten der anderen Partei ausschöpfen könnte.108 Diese Ergebnisse gelten ebenso für die weitgehend gleich aufgebauten Art. 19 und 23 EuGVVO. Auch hier droht der Bruch einer Gerichtsstandsvereinbarung nicht, da ebenfalls nur eine nicht ausschließliche oder in Art. 19 Nr. 3 EuGVVO auch eine Gerichtsstandsvereinbarung für die Gerichte des Wohnsitzstaates von Verbraucher und Unternehmer wirksam sind. Unter bestimmten Umständen sind durch Gerichtsstandsvereinbarungen nicht nur die Parteien der Vereinbarung, sondern auch Dritte gebunden. Grundsätzlich sind Gerichtsstandsvereinbarungen zulasten Dritter wie jede andere Vereinbarung zulasten Dritter unwirksam.109 Von diesem Grundsatz gibt es jedoch mehrere Ausnahmen. Eine besteht in den Fällen, in denen die materiellrechtliche Stellung des Dritten von der rechtlichen Beziehung der an die Gerichtsstandsvereinbarung gebundenen Parteien unmittelbar abhängt. So entfaltet die Gerichtsstandsvereinbarung etwa gegenüber Erben und sonstigen Gesamtrechtsnachfolgern sowie im Grundsatz auch gegenüber Einzelrechtsnachfolgern Wirkung.110 Als Begründung hierfür lassen sich im deutschen Recht materiell §§ 398 Satz 2, 401, 404, 1922 BGB und prozessual §§ 265, 325, 727 ZPO heranziehen.111 Persönlich haftende Gesellschafter einer Gesellschaft (vgl. im deutschen Recht § 128 HGB direkt, analog und i. V. m. § 161 Abs. 2 HGB) sind an eine Gerichtsstandsvereinbarung der Gesellschaft gebunden.112 Fälle der Rechtsnachfolge hat der EuGH bereits mehrfach am Beispiel des Konnossements entschieden: Sofern zwischen den ursprünglichen Parteien eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung zustande gekommen ist, muss sie auch der Rechtsnachfolger gegen sich gelten lassen. Allerdings ist die Einschränkung zu machen, dass das anwendbare nationale Recht den Eintritt des Dritten in die Rechte des Befrachters anerkennen muss.113 Eichel, RIW 2009, S. 289, 290; Mankowski, IPRax 2009, S. 23, 24. NJW 1985, S. 533, 534; Gottwald, in: MüKo-ZPO, Art. 23 EuGVVO a. F., Rn.  60; Rauscher, IPRax 1992, S. 143, 146; G. Wagner, in: MüKo-ZPO, Art. 23 EuGVVO a. F., Rn. 95. 110  Bork, in: MüKo-ZPO, § 38 ZPO, Rn. 50; Mankowski, in: Rauscher, EuZPR, Art. 25 EuGVVO, Rn. 230. 111  Bork, in: MüKo-ZPO, § 38 ZPO, Rn. 50; G. Wagner, Prozessverträge, S. 317. 112  Gottwald, in: MüKo-ZPO, Art. 23 EuGVVO a.  F., Rn. 62; Geimer, IZPR, Rn. 1723. 113  EuGH, 19.06.1984, RS.  C-71/83, Partenreederei Russ, Rn. 24, BeckEuRS 1984, 111878; EuGH, 16.03.1999, RS. C-159/9, Trasporti Castelletti/Trumpy, Rn. 41, EuZW 1999, 441, 443; EuGH, 09.11.2000, RS. C-387/98, Coreck Maritime GmbH/ Handelsveem BV u. a., Rn. 23, NJW 2001, 501, 502; Kropholler/von Hein, EuZPR, Art. 23 EuGVVO a. F., Rn. 66. 108  Vgl.

109  Geimer,

80

3. Teil: Vertraglicher Schadensersatz

Der bloße Eigentumserwerb in der Folge eines Kaufvertrags macht den Erwerber nicht zum Rechtsnachfolger des ersten Käufers. Bei einer Erwerbskette ist daher ein späterer Käufer nicht an die Gerichtsstandsvereinbarung zwischen Verkäufer und erstem Käufer gebunden.114 Eine solche Bindung besteht nur, wenn der spätere Käufer dem ausdrücklich zugestimmt hat.115 Eine Gerichtsstandsvereinbarung bindet Dritte auch in den Fällen, in denen die Bindung – wie bei der Stellvertretung – bereits im ursprünglichen Vertrag angelegt war116 oder wenn Parteien kraft Amtes wie der Insolvenzverwalter an die Stelle der ursprünglich durch die Gerichtsstandsvereinbarung gebundenen Partei treten.117 Bei einem echten Vertrag zugunsten Dritter ist eine Gerichtsstandsvereinbarung zulasten des Dritten zulässig, wenn das anwendbare Recht diese Rechtsfigur kennt.118 Die Parteien des Vertrags zugunsten Dritter können vereinbaren, dass der Dritte den zu seinen Gunsten begründeten Anspruch nur vor einem bestimmten Gericht einklagen darf. Diese Regelung erfolgt nicht zulasten des Dritten, weil sie dem Dritten einen Anspruch mit von Vornherein begrenzten Klagemöglichkeiten und damit eine Verbesserung gegenüber seiner vorherigen Rechtsstellung verschafft.119 Bei Streitverkündung und Streitgenossenschaft entfaltet die Gerichtsstandsvereinbarung hingegen keine Drittwirkung gegenüber dem Streitverkündeten beziehungsweise dem Streitgenossen.120 Auch ein Bürge oder ein Schuldbeitretender ist nach herrschender Ansicht nicht an eine zwischen dem Gläubiger und dem Schuldner getroffene Gerichtsstandsvereinbarung gebunden.121 Bürge und Schuldbeitretender übernehmen im Gegensatz zum Rechtsnachfolger nicht eine bestehende, fremde 114  Mankowski, in: Rauscher, EuZPR, Art. 25 EuGVVO, Rn. 232; Rosenberg/ Schwab/Gottwald, ZPR, § 66, Rn. 18 ff; G. Wagner, in: Stein/Jonas, Art. 23 EuGVVO a. F., Rn.  94 ff.; ders., Prozessverträge, S. 321. 115  EuGH, 07.02.2013, RS. C-543/10, Refcomp SpA/Axa Corporate Solutions Assurance SA u. a., Rn. 29, EuZW 2013, 316; Kropholler/von Hein, EuZPR, Art. 23 EuGVVO a. F., Rn. 63. 116  Bork, in: MüKo-ZPO, § 38 ZPO, Rn. 49. 117  Gebauer, in: FS Schütze 2015, S. 95. 118  Mankowksi, in: Rauscher, EuZPR, Art. 25 EuGVVO, Rn. 43b; Simotta, in: Fasching/Konecny, ZPR, Art. 23 EuGVVO, Rn. 288; Jungermann, Drittwirkungen, S.  84 f.; Dörner, in: Saenger, ZPO, Art. 25 EuGVVO, Rn. 38. 119  RG, JW 1901, 207; RG, Warn. 1908 Nr. 361; Geimer, NJW 1985, S. 533, 534; Jungermann, Drittwirkungen, S. 84 f. 120  Magnus, in: Magnus/Mankowski, Brussels Ibis, Art. 25, Rn. 158, 159; Krop­ holler/von Hein, EuZPR, Art. 23 EuGVVO a. F., Rn. 102. 121  BGH, NJW 1977, 1397, 1398; Bork, in: MüKo-ZPO, § 38 ZPO, Rn. 50; Mankowski, in: Rauscher, EuZPR, Art. 25 EuGVVO, Rn. 230; G. Wagner, Prozessverträge, S. 316; ders., in: MüKo-ZPO, Art. 23 EuGVVO a. F., Rn. 95.



A. Gerichtsstandsvereinbarungen nach der EuGVVO81

Schuld, sondern begründen eine neue, eigenständige Schuld.122 Es bleibt dem Gläubiger jedoch unbenommen, eine Gerichtsstandsvereinbarung unter den Voraussetzungen des Art. 25 EuGVVO auch mit dem Bürgen oder Schuldbeitretenden zu schließen.123 Umstritten ist die Frage, ob ein Vertreter ohne Vertretungsmacht (falsus procurator) ebenfalls an eine zwischen dem fälschlich Vertretenen und dessen Vertragspartner geschlossene Gerichtsstandsvereinbarung gebunden ist. Die Literatur geht hier überwiegend von einer Bindung aus, sofern das anwendbare nationale Recht sie anerkennt.124 Zusammenfassend ist festzuhalten, dass als Gläubiger und Schuldner des Schadensersatzanspruchs wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung nach Art. 25 EuGVVO im Wesentlichen Parteien aus dem Wirtschafts- und Handelsverkehr in Betracht kommen. Verbraucher, Arbeitnehmer und Versicherte sind praktisch als Parteien ausgeschlossen. Dritte können nur ausnahmsweise Gläubiger und Schuldner des Schadensersatzanspruchs sein. Sie sind grundsätzlich nicht an Gerichtsstandsvereinbarungen gebunden, außer sie sind Rechtsnachfolger einer Partei der Gerichtsstandsvereinbarung geworden, sind persönlich haftende Gesellschafter oder nach umstrittener Ansicht auch falsi procuratores. Bei Lieferkettenverträgen entfaltet die Gerichtsstandsvereinbarung keine Drittwirkung. 6. Rügelose Einlassung Der Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung nach Art. 25 EuGVVO erfasst nicht Fälle der rügelosen Einlassung vor dem forum derogatum.125 Der Begriff der rügelosen Einlassung ist verordnungsautonom auszulegen.126 Er schließt jedes Verhalten des Beklagten ein, das auf Abweisung der Klage aus anderen Gründen als der Unzuständigkeit des Gerichts zielt.127 Tätigkeiten, die nur 122  G. Wagner, Prozessverträge, S. 317; ders., in: MüKo-ZPO, Art. 23 EuGVVO a. F., Rn.  95; Bork, in: MüKo-ZPO, § 38 ZPO, Rn. 50. 123  Mankowski, in: Rauscher, EuZPR, Art. 25 EuGVVO, Rn. 230; G. Wagner, in: MüKo-ZPO, Art. 23 EuGVVO a. F., Rn. 95. 124  Geimer, IZPR, Rn. 1731a.; Rauscher, IPRax 1992, S. 143, 146; a.  A.: OLG Koblenz, NJOZ 2004, 246, 248. 125  Gottwald, in: FS Henckel, S. 295, 307; Mankowski, IPRax 2009, S. 23, 31; Yeo/Tan, in: Worthington, Commercial Law, S. 403, 415, 423; mit Einschränkungen zustimmend: Antomo, Schadensersatz, S. 378 ff. 126  Dörner, in: Saenger, ZPO, Art. 26 EuGVVO, Rn. 5; Leible/Sommer, IPRax 2006, S. 568. 127  Hüßtege, in: Thomas/Putzo, ZPO, Art. 26 EuGVVO, Rn. 3; Dörner, in: Saenger, ZPO, Art. 26, Rn. 5.

82

3. Teil: Vertraglicher Schadensersatz

der Vorbereitung der Verteidigung dienen – im deutschen Recht etwa die Anzeige der Verteidigungsbereitschaft gem. § 276 Abs. 1 ZPO – stellen hingegen keine rügelose Einlassung dar.128 Auch eine nur hilfsweise erklärte Einlassung zur Hauptsache ist keine rügelose Einlassung.129 Wenn der Schadensersatzkläger im Primärprozess vor dem an sich derogierten Gericht die Unzuständigkeit dieses Gerichts nicht rügt, lässt er sich gem. Art. 26 EuGVVO rügelos ein. Da die rügelose Einlassung eine stillschweigende Prorogation ist, ist sie als vorrangig gegenüber einer Gerichtsstandsvereinbarung anzusehen.130 Wenn der Beklagte sich wissentlich auf ein anderes als das in der Gerichtsstandsvereinbarung bestimmte Gericht einlässt, erklärt er sich mit der Missachtung der Gerichtsstandsvereinbarung jedenfalls konkludent einverstanden.131 Wenn die Parteien gemeinschaftlich (konkludent) die Gerichtsstandsvereinbarung aufheben beziehungsweise beschließen, sich für den konkreten Fall über sie hinwegzusetzen, fehlt es an einer Pflicht, die der Klagende durch die Klage vor dem an sich derogierten Gericht verletzen könnte. Macht der Beklagte später die aus der Anrufung des an sich unzuständigen Gerichts entstandenen Kosten geltend, setzt er sich zu seinem eigenen Verhalten in Widerspruch (venire contra factum proprium). 7. Zwischenergebnis Die Reichweite des Schadensersatzanspruchs wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung nach Art. 25 EuGVVO ist von mehreren Faktoren abhängig: Die EuGVVO muss anwendbar sein, es muss eine wirksame, den Anforderungen von Art. 25 EuGVVO entsprechende Gerichtsstandsvereinbarung bestehen, die Parteien müssen prorogationsbefugt sein, es muss sich um eine ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung handeln und der Beklagte darf sich auf das Verfahren vor dem forum derogatum nicht rügelos eingelassen haben. Sofern der Anwendungsbereich von Art. 25 EuGVVO eröffnet ist, verdrängt er als lex specialis die nationalen Vorschriften über Gerichtsstandsver128  LG Frankfurt EuZW 1990, 581; Hüßtege, in: Thomas/Putzo, ZPO, Art. 26 EuGVVO a. F., Rn. 5. 129  EuGH, 22.10.1981, RS. C-27/81, Établissements Rohr S.A./Ossberger, Rn. 8, BeckEuRS 1981, 90023; BGH, NJW 2004, 1456, 1457; 2009, 148, 149. 130  EuGH, 24.06.1981, RS.  150/80, Elefantenschuh GmbH/Jacqmain, Rn.  10, BeckRS 2004, 71745; EuGH, 07.03.1985, RS. 48/84, Spitzley/Sommer Exploitation, Rn. 13, NJW 1985, 2893, 2894; EuGH, 20.05.2010, RS. C-111/09, ČPP/Bilas, Rn. 21, EuZW 2010, 678, 697; Stadler, in: Musielak, ZPO, Art. 25 EuGVVO, Rn. 1; Mankowski, in: Rauscher, EuZPR, Art. 25 EuGVVO, Rn. 3. 131  Mankowski, IPRax 2009, S. 23, 31.



A. Gerichtsstandsvereinbarungen nach der EuGVVO83

einbarungen. Die EuGVVO tritt gegenüber dem LugÜ zurück, wenn der Beklagte seinen Wohnsitz in einem Staat des LugÜ-Übereinkommens hat, der nicht der EU angehört, oder die Gerichte eines LugÜ-Staats prorogiert sind. Das HGÜ genießt Anwendungsvorrang gegenüber der EuGVVO, wenn eine Partei ihren Aufenthalt außerhalb eines EU-Mitgliedstaats, aber innerhalb eines HGÜ-Vertragsstaats hat. Die Parteien müssen eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung treffen. Dies kann weitestgehend auch durch AGB und kaufmännisches Bestätigungsschreiben erfolgen. In materieller Hinsicht ist für viele wesentliche Aspekte nach der EuGVVO-Novelle gem. Art. 25 Abs. 1 Satz 1 HS 2 EuGVVO auf das Recht des prorogierten Gerichts abzustellen. Der Begriff der „Vereinbarung“ ist allerdings weiterhin verordnungsautonom zu bestimmen. Ein Schadensersatzanspruch ist nur wegen der Missachtung von ausschließlichen Gerichts­standsvereinbarungen möglich, hierzu zählen aber auch Wahl- und asymmetrische Gerichts­ standsvereinbarungen. Gläubiger und Schuldner des Schadensersatzanspruchs können grundsätzlich nur die Parteien der Gerichtsstandsvereinbarung sein. Dies sind Parteien aus dem Wirtschafts- und Handelsverkehr, nicht aber Verbraucher, Arbeitnehmer und Versicherte. Dritte können Gläubiger oder Schuldner des Schadensersatzanspruchs sein, wenn die Gerichtsstandsvereinbarung ihnen gegenüber Wirkung entfaltet, was bei Rechtsnachfolgern, persönlich haftenden Gesellschafter und falsi procuratores, grundsätzlich aber nicht bei Bürgen und Schuldbeitretenden der Fall ist. Der Beklagte, der sich rügelos auf den Prozess vor einem derogierten Gericht einlässt, ist für den Schadensersatzanspruch präkludiert.

II. Schuldverhältnis Eine der am meisten umstrittenen Fragen in Hinblick auf den vertraglichen Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung ist, ob der Gerichtsstandsvereinbarung eine materiellrechtliche Wirkung zukommt, sie also für die Parteien Rechte und Pflichten begründet. 1. Materiellrechtliche Verpflichtungen aus Gerichtsstandsvereinbarungen Die traditionelle deutsche Dogmatik des 20. Jahrhunderts spricht Gerichtsstandsvereinbarungen jegliche materiellrechtliche Folge aufgrund einer vermeintlich strikten Trennung zwischen materiellem Recht und Prozessrecht ab.132 132  Grundlegend

Schiedermair, Vereinbarungen, S.  39 f., 98 ff.

84

3. Teil: Vertraglicher Schadensersatz

Bis heute teilt die herrschende Lehre – allerdings nur in Deutschland – diese Auffassung.133 Nach dieser Auffassung können Verträge grundsätzlich nur auf jeweils einem der beiden Rechtsgebiete Geltung entfalten. Wenn die Willenserklärungen bei Vertragsschluss darauf gerichtet seien, prozessuale Rechtsfolgen hervorzurufen, handele es sich um einen prozessrechtlichen Vertrag, solle sie jedoch materielle Folgen begründen, liege ein materiellrechtlicher Vertrag vor. Eine Gerichtsstandsvereinbarung bewirke nur, dass ein an sich unzuständiges Gericht zuständig beziehungsweise ein an sich zuständiges Gericht unzuständig werde. Die Parteien versprächen sich nicht etwa ein bestimmtes Verhalten im Prozess, also eine Leistung, sondern begründeten einen unmittelbaren prozessualen Erfolg, die Zuständigkeit des prorogierten Gerichts. Die Gerichtsstandsvereinbarung habe daher keinen Verpflichtungscharakter, ihre Wirkung ähnele vielmehr einer dinglichen Verfügung.134 Der Wortlaut des Art. 25 EuGVVO gibt keinen Hinweis darauf, ob die Gerichtsstandsvereinbarung nur prozessuale oder auch materiellrechtliche Folgen haben soll. Dies wird zum Teil als Argument gegen die Verpflichtungswirkung gesehen.135 Dieses Argument ist nicht überzeugend. Da der Wortlaut neutral ist, schließt er materiellrechtliche Wirkungen einer Gerichtsstandsvereinbarung nicht aus. Die europäische Kommission erwog vor der EuGVVO-Reform im Grünbuch, die Effektivität von Gerichtsstandsvereinbarungen durch die Anerkennung des Schadensersatzanspruchs wegen der Missachtung von Gerichtsstandsvereinbarungen zu stärken.136 Auch der Heidelberg-Bericht sieht den Schadensersatzanspruch als eine Möglichkeit an, um Gerichtsstandsvereinbarungen abzusichern.137 Zu einer ausdrücklichen Regelung kam es auch durch die EuGVVO-Reform nicht. Die Überlegungen im Grünbuch verdeutlichen jedoch, dass auch 133  Bork, in: Stein/Jonas, ZPO, § 38, Rn. 47; Gottwald, in: MüKo-ZPO, Art. 23 EuGVVO a. F., Rn. 97; Klöpfer, Missbrauch Zivilverfahrensrecht, S. 363 ff.; Kropholler, IZVR, Kap. III, Rn. 168, 586; de Lousanoff, ZZP 1992, S. 111, 114; Matscher, Zuständigkeitsvereinbarungen, S. 23; Nagel/Gottwald, EuZPR, § 3, Rn. 230; T. Pfeiffer, in: FS Lindacher, S. 77; Rosenberg/Schwab/Gott­wald, ZPR, § 37, Rn. 24; Schack, IZVR, Rn. 861, 863; ders., RabelsZ 1994, S. 40, 55 f.; Spickhoff, in: FS Deutsch, S.  327, 334 f., Vollkommer, in: Zöller, ZPO, § 38, Rn. 4; G. Wagner, Prozessverträge, S.  256 ff.; ders., in: Stein/Jonas, ZPO, Art. 23 EuGVVO a. F., Rn. 147 ff. 134  Siehe u. a. Gottwald, in: MüKo-ZPO, Art. 23 EuGVVO a. F., Rn. 97; Klöpfer, Missbrauch Zivilverfahrensrecht, S. 363 ff.; Schack, IZVR, Rn. 861 ff.; Vollkommer, in: Zöller, ZPO, § 38, Rn. 4; G. Wagner, Prozessverträge, S. 256 ff. 135  G. Wagner, in: Stein/Jonas, ZPO, Art. 23 EuGVVO a. F., Rn. 148. 136  Green Paper on the Review of Council Regulation (EC) No 44/2001 on Jurisdiciton and the Enforcement of Judgements in Civil and Commercial Matters der Europäischen Kommission vom 21. April 2009 (COM (2009) 175 final), S. 5. 137  Weller, in: Hess/T. Pfeiffer/Schlosser, Heidelberg-Bericht, Rn. 462.



A. Gerichtsstandsvereinbarungen nach der EuGVVO85

die Kommission den Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung – jedenfalls de lege ferenda – nicht als unvereinbar mit den Prinzipien der EuGVVO erachtete. Weder das Grünbuch noch der Heidelberg-Bericht beziehen allerdings Stellung dazu, ob die EuGVVO geändert werden müsste, wenn man den Schadensersatzanspruch anerkennen wollte. De lege lata ist dem Wortlaut von Art. 25 EuGVVO zwar keine eindeutige Auslegung zu entnehmen, die Ausführungen im Grünbuch und im Heidelberg-Bericht sprechen jedoch tendenziell für die Zulässigkeit des Schadensersatzanspruchs. Die historische Auslegung unterstützt die Hypothese, der Gerichtsstandsvereinbarung auch eine materiellrechtliche Verpflichtungswirkung beizumessen. Noch in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts war die Auffassung verbreitet, dass der Schadensersatzanspruch die natürliche Alternative zur Realerfüllung in Form des Verfahrens vor dem forum prorogatum sei.138 Endemann etwa führte im Jahr 1868 aus, Gerichtsstandsvereinbarungen gewährten ein „obligatorisches Recht auf Erfüllung der übernommenen Verpflichtung, sich vor dem betreffenden Gericht zu stellen, oder auf das Interesse“139. Dem ist zu entnehmen, dass Endemann davon ausging, die Gerichtsstandsvereinbarung könne sowohl die materiellrechtliche Pflichten zwischen den Parteien begründen, nur vor dem prorogierten Gericht zu klagen, als auch – bei Verletzung dieser Pflicht – einen Schadensersatzanspruch begründen.140 Die Annahme, dass die Gerichtsstandsvereinbarung eine ausschließlich prozessuale Wirkung besitze, setzte sich erst im 20. Jahrhundert mit der grundlegenden Arbeit von Schiedermair durch.141 Gegen eine rein prozessuale Zuordnung der Gerichtsstandsvereinbarung spricht auch der systematische Vergleich mit anderen Prozessverträgen, die ebenfalls die vermeintlich strikte Trennung zwischen materiellem Recht und Prozessrecht durchbrechen.142 Schiedermair selbst führt etwa den Prozessvergleich an, der offensichtlich eine materiell- und prozessrechtliche „Doppelnatur“ besitze.143 Schiedermair erklärt nicht, warum der Prozessvergleich sowohl materielle als auch prozessuale Wirkung habe, die Gerichtsstandsvereinbarung aber nicht. 138  Endemann, Das deutsche Civilprozeßrecht, Bd. 1, S. 234; Planck, Lehrbuch des Deutschen Civilprozeßrechts, Bd. 1, S. 79. Siehe zur gesamten Entwicklung Gebauer, in: FS Kaissis, S. 267, 268 ff. 139  Endemann, Das deutsche Civilprozeßrecht, S. 234. 140  Gebauer, in: FS Kaissis, S. 267, 270 f. 141  Schiedermair, Vereinbarungen, S.  39 f., 98 ff. 142  Siehe zu Schieds-, Mediations- und Rechtswahlvereinbarungen den 4. Teil. 143  Schiedermair, Vereinbarungen, S. 40.

86

3. Teil: Vertraglicher Schadensersatz

Das deutsche Recht kennt eine Vielzahl von Prozessverträgen mit materiell verpflichtender Wirkung. Zu denken ist hier etwa an den Klagerücknahmevertrag, die Vereinbarung über die Rechtsmittelrücknahme oder den Verzicht auf künftige Rechtsmittel sowie die Vereinbarung, ein Verfahren als Musterprozess zu führen.144 Solche Verträge werden allgemein als zulässig erachtet und ihr Verpflichtungscharakter ist in Rechtsprechung145 und Literatur146 anerkannt. Diese Prozessverträge sind mit der Gerichtsstandsvereinbarung vergleichbar. Ob die Parteien vereinbaren, im Fall des Prozesses nur vor einem bestimmten Gericht zu klagen, oder zum Beispiel nach Abschluss des Prozesses keine weiteren Rechtsmittel mehr einzulegen beziehungsweise bereits eingelegte Rechtsmittel zurückzunehmen, bedeutet für die Parteien keinen großen Unterschied. Auch dogmatisch gibt es zwischen solchen Fällen keine relevanten Unterschiede: Die Parteien vereinbaren jeweils – typischerweise im Vorhinein – für eine bestimmte prozessuale Situation ein bestimmtes prozessuales Verhalten und schließen damit andere, an sich zulässige Handlungsalternativen durch privatautonome Rechtsgestaltung aus. Daher ist es widersprüchlich, dass manche Prozessverträge unstreitig eine schuldrechtliche Verpflichtungswirkung besitzen, für die Gerichtsstandsvereinbarung hingegen eine Ausnahme gelten soll. Eine sachliche Rechtfertigung für eine solche Unterscheidung ist nicht ersichtlich. Bestünde tatsächlich eine strikte Trennung zwischen materiellem und Prozessrecht, gäbe es von dieser Trennung nicht so viele Ausnahmen.147 Das verdeutlicht auch das folgende argumentum a maiore ad minus: Der vertragliche Klageverzicht besitzt verpflichtende Wirkung148 und seine Folgen sind offensichtlich erheblich weitreichender als die einer Gerichtsstandsvereinbarung. Während die Parteien einer ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung alle Gerichte bis auf eines als Gerichtsstand ausschließen, vereinbaren die Parteien einer Klageverzichtsvereinbarung, dass alle in Betracht kommenden Gerichte unzuständig sein sollen. Wenn also sogar der Klageverzicht eine verpflichtende Wirkung besitzt, spricht nichts dagegen, dies auch für die weniger weitreichende Gerichtsstandsvereinbarung anzunehmen.149 144  Köster, 145  RGZ

Forum Shopping, S. 85. 123, 84, 85; 159, 186, 190 f.; BGHZ 2, 112, 117; 28, 45, 48; BGH NJW

1984, 805. 146  Leipold, in: Stein/Jonas, vor § 128 ZPO, Rn. 300 ff.; Musielak, in: Musielak, ZPO, Einl., Rn. 67; Rauscher, in: MüKo-ZPO, Einl., Rn. 414; G. Wagner, Prozessverträge, S.  48 ff.; Zeiss/Schreiber, ZPR, Rn. 211. 147  Köster, Forum Shopping, S. 85. 148  RGZ 123, 84, 85; 159, 186, 190 f.; BGHZ 20, 198, 206; 41, 3, 5. 149  Antomo, Schadensersatz, S. 459.



A. Gerichtsstandsvereinbarungen nach der EuGVVO87

Dass die Gerichtsstandsvereinbarung nur eine verfügende, aber keine verpflichtende Komponente enthalten soll, überzeugt auch mit Blick auf andere Rechtsgeschäfte nicht. Bei anderen Rechtsgeschäften fallen verfügender und verpflichtender Teil auch häufig zusammen.150 Das praktisch wichtigste Beispiel hierfür ist die Veräußerung. Zwar gebietet das Trennungsprinzip – allerdings auch nur in Deutschland – die rechtstechnische Trennung zwischen dem Verpflichtungsteil (zum Beispiel dem Kaufvertrag) und dem entsprechenden Verfügungsteil (der Übereignung), dennoch fallen bei Kaufverträgen des täglichen Lebens beide Teile regelmäßig zusammen. Typischerweise ist das Trennungsprinzip den Parteien nicht einmal bekannt. Dennoch erfüllen sie sowohl den verpflichtenden als auch den verfügenden Aspekt des Rechtsgeschäfts, ohne dies ausdrücklich aussprechen zu müssen. Das gleiche gilt für die Verpflichtungswirkung der Gerichtsstandsvereinbarung, die die Parteien ebenfalls nicht nur ausdrücklich151, sondern auch konkludent vereinbaren können.152 Als Beispiel dafür, dass materielles Recht und Prozessrecht nicht streng voneinander getrennte Rechtsgebiete sind, sondern in manchen Bereichen sogar eine „wesensmäßig geradezu untrennbare Verwobenheit“153 aufweisen, ist das Zwangsvollstreckungsrecht anzuführen. Nach § 721 ZPO etwa kann ein Gericht noch im Räumungsverfahren eine angemessene Räumungsfrist bestimmen, obwohl es bereits bei der Prüfung der Kündigung eine Interessenabwägung vorgenommen hat (Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls nach § 543 Abs. 1 BGB und das berechtigte Interesse des Vermieters an der Kündigung nach § 573 BGB). Das Gericht muss also, obwohl es eigentlich die materiellrechtliche Prüfung bereits abgeschlossen hat, im Rahmen der prozessualen Vorschrift des § 721 ZPO erneut eine materiellrechtliche Wertung vornehmen.154 Diese Wertung ist als materiellrechtlich zu qualifizieren, weil sie nicht den Ablauf der Zwangsvollstreckung betrifft, sondern dazu dient, Vorstellungen materieller Gerechtigkeit zu realisieren.155 Dieser Mechanismus findet sich im Zwangsvollstreckungsrecht etwa auch in § 811 ZPO, der aus Gründen der materiellen Gerechtigkeit bestimmte Gegenstände aus dem ansonsten streng formalisierten (und damit sehr prozessualen) Verfahren der Zwangsvollstreckung ausnimmt.156 150  Huber, in: Jayme, Kulturelle Identität, S. 51, 64; Schröder, in: FS Kegel, S. 523, 531. 151  So aber Kropholler, Handbuch IZVR, Bd. I, Kap. III, Rn. 168, Fn. 348; Joseph, Agreements, Rn. 4.07; Sandrock, RIW 2004, S. 809, 814. 152  Schröder, in: FS Kegel, S. 523, 532; G. Wagner, Prozessverträge, S. 257; Mankowski, IPRax 2009, S. 23, 27. 153  Zöllner, AcP 1990, S. 471, 479. 154  Zöllner, AcP 1990, S. 471, 479. 155  Zöllner, AcP 1990, S. 471, 477.

88

3. Teil: Vertraglicher Schadensersatz

Die Lehre von der vermeintlich strengen Trennung zwischen materiellem und Prozessrecht überzeugt demnach nicht. Die Diskussion um den prozessualen oder vertraglichen Charakter der Gerichtsstandsvereinbarung ist zudem auch nicht zielführend, denn sie liefert keine Anhaltspunkte dafür, ob die Parteien die Verpflichtungswirkung vereinbart haben oder nicht.157 Es gilt vielmehr zu untersuchen, welche Kriterien man heranziehen kann, die dafür oder dagegen sprechen, dass die Parteien der Gerichtsstandsvereinbarung eine verpflichtende Wirkung beimessen wollten.158 Die rechtsvergleichende Untersuchung bestätigt die Ausnahmestellung der deutschen Gerichtsstandsvereinbarungsdogmatik des 20. Jahrhunderts ebenso wie die historische. Es ist hinlänglich bekannt, dass andere Rechtsordnungen einen vertraglichen Schadensersatzanspruch für die Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung relativ problemlos gewähren. Dies gilt insbesondere für die angelsächsischen Länder, wo Rechtsprechung159 und Literatur160 nahezu unisono den Schadensersatzanspruch anerkennen. Der spanische Tribunal Supremo gewährte in einer bekannten Entscheidung aus dem Jahr 2009161 als – soweit ersichtlich – erstes höchstinstanzliches Gericht in Kontinentaleuropa Schadensersatz wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung.162 In diesem Urteil be156  Hüßtege, in: Thomas/Putzo, ZPO, § 811, Rn. 1; Becker, in: Musielak, ZPO, § 811, Rn. 1; Kemper, in: Saenger, ZPO, § 811, Rn. 1 ff.; Zöllner, AcP 1990, S. 471, 477 f. 157  Kurth, Rechtsschutz, S. 68 ff.; Mankowski, IPRax 2009, S. 23, 27; Hau, Kompetenzkonflikte, S. 203. 158  Hierzu 3. Teil, A. II. 5. 159  Vgl. für England nur Doleman & Sons v. Ossett Corp. [1912] 3 K.B. 257; Ellermann Lines Ltd. v. Read [1928] All ER Rep 415; Union Discount v. Zoller [2002] 1 W.L.R. 1517; Donohue v. Armco Inc. [2002] 1 Llloyd’s Rep 425; für die USA Laboratory Corp. of America v. Upstate Testing Laboratories [1997] 967 F. Supp. 295; Allendale Mutual Insurance Co. v. Excess Insurance Co. [1998] 992 F. Supp. 271; Indosuez International Finance, B.V. v. National Reserve Bank [2002] 98 N.Y.2d 238; für Australien Anderson v. G.H. Mitchell & Sons Ltd. [1941] 65 CLR 543; Compagnie des Messageries Maritimes v. Wilson [1954] 94 CLR 577; Adelaide Steamship Industries Pyt Ltd. v. Commonwealth of Australia [1974] 8 SASR 425. Ausführliche Besprechung unter 3. Teil, A. II. 6. a) – c). 160  Baatz, LMCLQ 2004, S.  25, 28; Briggs, Agreements on Jurisdiction, Rn.  8.13 ff.; ders., LQR 2004, S. 529, 532; Dinelli, Melbourne U. L. Rev. 2015, S.  1023, 1026 ff.; Merrett, ICLQ 2006, S. 315, 319; Shantar, Boston Univ. Law Review 2002, S. 1063 ff.; Tan, Texas Int. Law Journal 2005, S. 623, 637 ff.; Tan/Yeo, LMCLQ 2003, S. 435, 437; Tham, LMCLQ 2004, S. 46, 52; Yeo/Tan, in: Worthington, Commercial Law, S. 403, 408; a. A.: Ho, ICLQ 2003, S. 697, 707; Knight, JPIL 2008, S. 501, 508 ff.; unentschieden: Bříza, JPIL 2009, S. 537, 549 ff. 161  Sent. TS núm, 6//2009 vom 12 Januar 2009. Ausführliche Besprechung unter 3. Teil, A. II. 6. d). 162  Álvarez González, IPRax 2009, S. 529; Requejo Isidro, REEI 2009, S. 1.



A. Gerichtsstandsvereinbarungen nach der EuGVVO89

zeichnet der Tribunal Supremo die Missachtung der Gerichtsstandsvereinbarung wiederholt als „incumplimiento contractual“163, also als Vertragsbruch. Zudem führte es aus, es gebe keinen Unterschied zwischen einem materiellrechtlichen Vertrag und einem Prozessvertrag wie der Gerichtsstandsvereinbarung.164 Diese Auffassung teilt auch die spanische Literatur.165 Weniger bekannt ist hingegen, dass auch die französische Rechtsprechung der Gerichtsstandsvereinbarung eine materiellrechtliche Verpflichtungswirkung beimisst.166 In einem Urteil aus dem Jahr 2009 führte die Cour de Cassation aus, eine englische anti-suit injunction habe zur Durchsetzung einer Gerichtsstandsvereinbarung die Funktion „à sanctionner la violation d’une obligation contractuelle préexistante“167. Sie verdeutlichte damit, dass sie die durch eine Gerichtsstandsvereinbarung begründete Pflicht, am forum prorogatum zu klagen, als vertragliche Verpflichtung ansieht.168 Teilweise benennen Autoren aus dem europäischen Ausland sogar ausdrücklich die deutschen Kollegen als die einzigen, die die Verpflichtungswirkung von Gerichtsstandsvereinbarungen nicht anerkennen wollten.169 Insbesondere im Anwendungsbereich der EuGVVO ist nach diesem rechtsvergleichenden Überblick die deutsche Dogmatik deplatziert.170 Was eine Gerichtsstandsvereinbarung unter der EuGVVO ausmacht, ist autonom und gerade nicht unter Rückgriff auf die nationalstaatliche Dogmatik zu bestimmen. Da die Überlegungen zum rein prozessualen Charakter der Gerichtsstandsvereinbarung deutlich älter als Art. 25 EuGVVO und sämtliche Vorgängerbestimmungen sind171, übertragen anscheinend einige deutsche Autoren die deutsche 163  Sent.

TS núm, 6//2009 vom 12 Januar 2009, S. 10, 11, 13, 17, 27, 30. TS núm, 6//2009 vom 12 Januar 2009, S. 10: „La responsabilidad alcanzaba al actor en virtud de un incumplimiento contractual, pues la ley no distingue otros efectos derivados del incumplimiento y del pacto procesal“ und „los pactos de sumisión a jurisdicción territorial, han de producir, por su naturaleza contractual, los mismos efectos que el cumplimiento de las demás obligaciones“. 165  Virgós Soriano/Garcimartín Alférez, Derecho procesal int., Rn. 9.48; Requejo Isidro, REEI 2009, S. 1, 3 ff.; Jiménez Blanco, AEDIPr 2009, S. 225, 228. 166  Cour de Cassation, Bull. civ., n° 191 vom 9. Juni 1970; Arrêt n° 1017 vom 14. Oktober 2009. 167  Cour de Cassation, Arrêt n° 1017 vom 14. Oktober 2009. Hervorherbung durch den Verf. 168  Maire du Poset, Versailles Int. Arbitration 2012, S. 33, 38; Guez, L’élection de for, S. 8. 169  Jiménez Blanco, AEDIPr 2009, S. 225, 228; Requejo Isidro, REEI 2009, S. 1, 4; Maire du Poset, Versailles Int. Arbitration 2012, S. 33, 37, Fn. 13. 170  Vgl. Antomo, Schadensersatz, S. 441 f. 171  Vgl. die – soweit ersichtlich – erste Stellungnahme zugunsten der rein prozessuale Wirkung der Gerichts­standsver­einbarung von 1885: Wach, Handbuch Civilprozessrecht, Bd. 1, S. 502. 164  Sent.

90

3. Teil: Vertraglicher Schadensersatz

Dogmatik zu Gerichtsstandsvereinbarungen auf Art. 25 EuGVVO. Diese Herangehensweise ist europarechtlich unzulässig und auch von geringer Überzeugungskraft, da deutsche Autoren – wie dargestellt – rechtsvergleichend mit ihrer dogmatischen Auffassung weitgehend allein dastehen. Ein weniger dogmatisches, dafür praktisch aber beachtliches Argument für die vertragliche Qualifikation des Schadensersatzanspruchs führt Takahashi an: Bei einer vertraglichen Qualifikation ist es den Parteien möglich, das auf den Schadensersatzanspruch anwendbare Recht bereits bei Vertragsschluss zu bestimmen.172 Im Anwendungsbereich der Rom-Verordnungen ist zwar auch die vorherige Rechtswahl für außervertragliche Schuldverhältnisse möglich, wenn die Parteien einer kommerziellen Tätigkeit nachgehen, Art. 14 Abs. 1 lit. b Rom-II-VO. Allerdings dürften die Parteien in der Praxis die Rechtswahl für einen außervertraglichen Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung noch weniger bedenken, als für den vertraglichen Anspruch. Entscheidender ist noch, dass es bei einer vertraglichen Qualifikation des Schadensersatzanspruchs naheliegt, eine eventuelle Rechtwahlvereinbarung der Parteien für den Hauptvertrag auf den Schadensersatzanspruch zu erstrecken.173 Die vertragliche Qualifikation führt demnach auch dazu, dass die Schadensersatzklage durch die realistische Möglichkeit einer Rechtswahl für die Parteien vorhersehbarer wird. 2. Der Primäranspruch Manche Autoren ziehen den Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung mit der Überlegung in Zweifel, dass dem Schadensersatzanspruch ein durchsetzungsfähiger Primäranspruch fehle.174 Die Prämisse dieser Überlegung ist, dass der Schadensersatzanspruch nur ein Sekundäranspruch ist, der aus der Verletzung des Primäranspruchs erwächst.175 Wenn der Sekundäranspruch auf Schadensersatz wegen der Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung lautet, könnte man als Primäranspruch einen Unterlassungsanspruch annehmen, der darauf zielt, die Klage an einem anderen als dem prorogierten Gericht zu untersagen. Theoretisch könnte man einen solchen Anspruch im deutschem Recht wohl 172  Takahashi,

YPIL 2008, S. 57, 68. 3. Teil, A. VI. 2. 174  Diese Überlegung findet sich bei Mankowski, IPRax 2009, S. 23, 30; ders., in: Rauscher, EuZPR, Art. 25 EuGVVO, Rn. 250; Krophol­ler/von Hein, EuZPR, Art. 23 EuGVVO a. F., Rn. 97; Gebauer, in: FS Kaissis, S. 267, 278; Knight, JPIL 2008, S. 501, 503, 509. 175  Mankowski, IPRax 2009, S. 23, 30. 173  Siehe



A. Gerichtsstandsvereinbarungen nach der EuGVVO91

nach §§ 890, 894 ZPO oder, wenn das ausländische Recht keine dem § 894 ZPO entsprechende Fiktionswirkung kennt, nach §§ 890, 888 ZPO durchsetzen.176 Klagegegner wäre dann die abredewidrig klagende Partei und nicht etwa das abredewidrig angerufene Gericht.177 Ein solcher Primäranspruch – seine Existenz einmal vorausgesetzt178 – wirft allerdings Probleme im Rahmen der EuGVVO auf. Der Unterlassungsanspruch ähnelt einer anti-suit injunction.179 Eine anti-suit injunction ist im Common Law eine von einem zuständigen Gericht erlassene Verfügung, die einer Partei die Klageerhebung oder die Fortsetzung eines Prozesses an einem unzuständigen Gericht untersagt. Sie kommt auch bei Klagen unter Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung in Betracht.180 Sowohl der Unterlassungsanspruch als auch die anti-suit injunction sind darauf gerichtet, den Prozess vor dem ausländischen Gericht zu untersagen, wobei jeweils der abredewidrig Klagende Klagegegner ist.181 Der EuGH hat im Jahr 2004 in der Turner-Entscheidung anti-suit injunctions für unvereinbar mit dem EuGVÜ erklärt, weil sie dem der Konvention zugrundeliegenden Vertrauensgrundsatz widersprächen.182 Aufgrund der dargestellten Parallele zwischen dem Unterlassungsanspruch und anti-suit injunctions könnte man davon ausgehen, dass auch der Unterlassungsanspruch unstatthaft ist, weil er den Prinzipien der heutigen EuGVVO zuwiderläuft. Die Überlegung dabei ist, dass der europarechtswidrige Primäranspruch den Sekundäranspruch – den Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung – „infiziere“.183 So käme man dazu, den Schadensersatzanspruch jedenfalls im Anwendungsbereich der EuGVVO als europarechtswidrig auszuschließen.184 176  G. Wagner, Prozessverträge, S. 271 f.; Huber, in: Jayme, Kulturelle Identität, S. 51, 64. 177  G. Wagner, Prozessverträge, S. 270. 178  Gebauer, in: FS Kaissis, S. 267, 278 und Schack, IZVR, Rn. 863, Fn. 3 sehen die aus der Gerichtsstandsvereinbarung begründete Pflicht, nicht am forum derogatum zu klagen, als Nebenleistungspflicht an. Dazu sogleich. 179  Schütze, in: FS Yessiou-Faltsi, S. 625, 629; T. Pfeiffer, in: FS Lindacher, S. 77, 82. 180  Dutson, Arbitration International 2000, S. 89, 94; Ho, ICLQ 2003, S. 697, 706; E. Pfeiffer, Forum derogatum, S. 433; Ambrose, ICLQ 2003, S. 401. 181  Adolphsen, EZVR, Kap. 3, § 1, Rn. 45 ff.; G. Wagner, Prozessverträge, S. 270; Linke/Hau, IZVR, Rn. 7.31. 182  EuGH, 27.04.2004, RS. C-159/02, Turner/Grovit u.  a., Rn. 34, EuZW 2004, 468, 470. 183  Mankowski, IPRax 2009, S. 23, 30. 184  So Mankowski, IPRax 2009, S. 23, 30; Kropholler/von Hein, EuZPR, Art. 23 EuGVVO a. F., Rn. 97.

92

3. Teil: Vertraglicher Schadensersatz

Diese Erwägungen sind jedenfalls insofern nicht zu unterschätzen, als man sicherstellen muss, dass der Schadensersatz wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung den Anforderungen des Europarechts entspricht. Dabei ist insbesondere die Rechtsprechung des EuGH in der Turner-Entscheidung zu beachten. Der Schadensersatzanspruch darf sich nicht derart einer anti-suit injunction nähern, dass er wie diese den Prinzipien der EuGVVO widerspricht und damit unstatthaft wird.185 Dies hat zur Folge, dass der eigentliche (Primär-)Anspruch, nicht vor einem derogierten Gericht verklagt zu werden, aufgrund seiner Nähe zu anti-suit injunctions jedenfalls im Anwendungsbereich der EuGVVO nicht durchsetzbar ist. In Bezug auf Schadensersatzansprüche, also Sekundäransprüche, ist die oben dargestellte Argumentation allerdings nicht überzeugend. Erstens ist die Art und Weise der Argumentation nicht zwingend, denn sie beruht auf einer langen Kette von teils wackeligen Prämissen. Schließlich lehnen die Vertreter der oben dargestellten Ansicht den Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung über den Vergleich zweier ähnlicher, aber eben nicht identischer Rechtsinstitute (Unterlassungsanspruch und anti-suit injunction) aus zwei verschiedenen Rechtskreisen (Common Law und kontinentaleuropäischer Rechtskreis) ab. Von diesen beiden Instituten hat der EuGH nur die anti-suit injunction für unvereinbar mit der EuGVVO erklärt. Auch wenn die Zielsetzung beider Rechtsinstitute vergleichbar ist, trennt sie formal ein erheblicher Unterschied: Eine anti-suit injunction ist eine formalisierte gerichtliche Entscheidung186, während der Unterlassungsanspruch als materiellrechtlicher Anspruch unabhängig von einer gerichtlichen Entscheidung existiert. Da ein Gericht, wenn es über den Schadensersatzanspruch befindet, nicht über den Primäranspruch entscheidet, ergeht – anders als bei der anti-suit injunction – keine gerichtliche Entscheidung über den Unterlassungsanspruch, sodass das Gericht nicht direkt sein Misstrauen gegenüber einem anderen europäischen Gericht ausspricht. Zweitens ist – jedenfalls aus der Perspektive des deutschen Rechts – die Prämisse nicht richtig, dass jeder Schadensersatzanspruch zwangsläufig einen durchsetzbaren Primäranspruch verlangt. Das beste Beispiel dafür ist im deutschen Recht die Pflicht zur ehelichen Lebensgemeinschaft nach § 1353 Abs. 1 Satz 2 BGB. Diese eherechtliche Generalklausel begründet verbindliche Rechte und Pflichten der Ehegatten, verleiht ihnen also (Primär-)Ansprüche gegeneinander.187 Nach § 120 Abs. 3 FamFG sind die Ansprüche jedoch 185  Siehe

hierzu 3. Teil, A. II. 7. c). EZVR, Kap. 3, § 1, Rn. 45 ff.; E. Pfeiffer, Forum derogatum, S. 433. 187  BGH, NJW 1962, 1244; Roth, in: MüKo-BGB, § 1353, Rn. 18; Brudermüller, in: Palandt, BGB, § 1353, Rn. 2, 5; Kremper, in: Schulze u. a., BGB, § 1353, Rn. 1a ff. 186  Adolphsen,



A. Gerichtsstandsvereinbarungen nach der EuGVVO93

nicht durchsetzbar. Verletzt einer der Ehegatten die Pflichten aus § 1353 Abs. 1 Satz 2 BGB, können dem anderen Ehegatten aber Schadensersatzansprüche zustehen.188 Dieses Beispiel verdeutlicht, dass es sehr wohl Schadensersatzansprüche gibt, deren Primäranspruch nicht durchsetzbar ist, ohne dass dadurch der Schadensersatzanspruch „infiziert“ und damit unstatthaft würde. Ein weiteres Beispiel hierfür sind die Naturalobligationen aus §§ 656 und 762 BGB. Verletzt eine Partei Schutz- und Sorgfaltspflichten bei Ehevermittlung, Spiel oder Wette, stehen der anderen Partei vertragliche Schadensersatzansprüche (neben der Leistung) zu.189 Wie § 656 Abs. 1 Satz 1 und § 762 Abs. 1 Satz 1 BGB zeigen, besteht allerdings kein Primäranspruch, geschweige denn, dass ein solcher durchsetzbar wäre. Auch die Naturalobligationen zeigen also, dass ein Schadensersatzanspruch nicht zwangsläufig einen (durchsetzbaren) Primäranspruch erfordert. Drittens ist auch die Annahme nicht zwingend, dass es sich bei der Pflicht, nicht vor einem derogierten Gericht Klage zu erheben, überhaupt um einen Hauptleistungsanspruch nach § 241 Abs. 1 BGB handelt. Qualifiziert man diese Pflicht als Nebenleistungspflicht nach § 241 Abs. 2 BGB, erübrigen sich die Diskussion um den nicht durchsetzbaren Primäranspruch.190 Der spanische Tribunal Supremo sah in dem Urteil aus dem Jahr 2009 in der abredewidrigen Klage eine vertragliche Nebenpflichtverletzung.191 In der Literatur ist das Bild gespalten: Während einige Autoren davon ausgehen, der Schadensersatzanspruch beruhe auf der Verletzung einer Hauptleistungspflicht aus § 241 Abs. 1 BGB192, nehmen andere – genauso wie der spanische Tribunal Supremo – eine Nebenpflichtverletzung nach § 241 Abs. 2 BGB an193. Zum Inhalt der einzelnen Pflichten siehe Brudermüller, in: Palandt, BGB, § 1353, Rn.  5 ff. 188  BGH, NJW 1988, 2032; Brudermüller, in: Palandt, BGB, § 1353, Rn. 15.; Roth, in: MüKo-BGB, § 1353, Rn. 19; Kremper, in: Schulze u. a., BGB, § 1353, Rn. 8. 189  Zu § 656 BGB: BGH, NJW 1957, 1356, 1357; OLG München, NJW-RR 1986, 796; Mansel, in: Jauernig, BGB, § 656, Rn. 5. Zu § 762 BGB: BGH, NJW 2006, 362, 363; 1981, 1440 f.; Janoschek, in: Bamberger/Roth, BGB, § 762, Rn. 6; a. A.: Habersack, in: MüKo-BGB, § 762, Rn. 23. 190  Gebauer, in: FS Kaissis, S. 267, 278 f. 191  Sent. TS núm, 6//2009 vom 12 Januar 2009, S. 38: „El pacto de sumisión a fuero […] genera un deber, aun­que pueda entenderse accesorio, cuyo incumplimiento, a efectos de determinar su trascendencia desde el punto de vista de la responsabilidad contractual“. 192  Geimer, IZPR, Rn. 1716; Mankowski, IPRax 2009, S. 23, 30; Huber, in: Jayme, Kulturelle Identität, S. 51, 64. 193  Gebauer, in: FS Kaissis, S. 267, 278; Grunwald, Forum Shopping, S. 176 ff.; Schack, IZVR, Rn. 863, Fn. 3.

94

3. Teil: Vertraglicher Schadensersatz

Die Abgrenzung zwischen Haupt- und Nebenleistungspflichten ist danach vorzunehmen, ob die Pflicht die vertraglich geschuldete Leistung betrifft (dann Hauptleistungspflicht) oder die Rechte, Rechtsgüter und Interessen der Gegenseite schützen soll (dann Nebenleistungspflicht).194 Hauptleistungspflichten nach § 241 Abs. 1 BGB verleihen dem Schuldverhältnis sein charakteristisches Gepräge und stellen bei den Vertragsverhandlungen ein essentialium negotii dar, müssen also ausdrücklich vereinbart werden.195 Es hängt vom Einzelfall ab, ob die Parteien durch die Gerichtsstandsvereinbarung eine Haupt‑, eine Neben- oder überhaupt keine Leistungspflicht begründen wollen.196 Unter der Prämisse, dass die Parteien der Gerichtsstandsvereinbarung eine verpflichtende Wirkung beimessen wollen, ist nach den obigen Kriterien zu fragen, ob die Gerichtsstandsvereinbarung dem Vertrag sein Gepräge gibt und ein essentialium negotii darstellt. Damit kommen bei nicht ausdrücklich vereinbarten Gerichtsstandsvereinbarungen, etwa in AGB oder im Fall des Schweigens auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben, das eine Gerichtsstandsvereinbarung enthält, nur Nebenleistungspflichten gem. § 241 Abs. 2 BGB in Betracht. Schließen die Parteien hingegen einen eigenen, vom Hauptvertrag getrennten Vertrag über die Gerichtsstandsvereinbarung, ist die Gerichtsstandsvereinbarung für diesen Vertrag prägend, sodass es sich bei der Pflicht, nicht vor einem forum derogatum zu klagen, um eine Hauptleistungspflicht nach § 241 Abs. 1 BGB handelt. Insgesamt darf man die Frage, ob es sich bei der Pflicht, nicht am forum derogatum zu klagen, um eine Haupt- oder Nebenleistungspflicht handelt, nicht überschätzen. Die praktische Bedeutung dieser Unterscheidung ist gering.197 Für den Schadensersatzanspruch ist es weitestgehend unerheblich, ob der am forum derogatum Klagende gegen eine Pflicht aus § 241 Abs. 1 oder aus § 241 Abs. 2 BGB verstößt, weil die Rechtsfolge die gleiche ist. In beiden Fällen kommt ein Schadensersatzanspruch in Betracht, dessen Umfang in beiden Fällen identisch ist. Als Zwischenergebnis ist festzuhalten, dass die Diskussion um den Primäranspruch dem Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung nicht entgegensteht.198 Der Pri194  Schulze,

in: Schulze u. a., BGB, § 241, Rn. 8. Schuldrecht AT, Rn. 118; Bachmann, in: MüKo-BGB, § 241, Rn. 29; Mansel, in: Jauernig, BGB, § 241, Rn. 9. 196  Die Gerichtsstandsvereinbarung besitzt nicht in jedem Fall eine Verpflichtungswirkung, auch dies hängt von der Abrede der Parteien im Einzelfall ab. Siehe hierzu 3. Teil, A. II. 5. 197  Vgl. Bachmann, in: MüKo-BGB, § 241, Rn. 30; Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 241, Rn. 6, 8. 198  So im Ergebnis auch Antomo, Schadensersatz, S. 448 ff. 195  Medicus/Lorenz,



A. Gerichtsstandsvereinbarungen nach der EuGVVO95

märanspruch darauf, nicht vor einem derogierten Gericht verklagt zu werden, ist – als Haupt- wie als Nebenleistungspflicht – aufgrund seiner Nähe zu anti-suit injunctions im Anwendungsbereich der EuGVVO unter Berücksichtigung der Turner-Entscheidung des EuGH nicht durchsetzbar. Dies „infiziert“ aber nicht den Sekundäranspruch auf Schadensersatz. Auch andere Vertragstypen kennen Schadensersatzansprüche, obwohl der Primäranspruch nicht besteht oder nicht durchsetzbar ist. Ob die Klage am forum derogatum eine Haupt- oder eine Nebenpflicht verletzt, ist eine Frage des Einzelfalls. Ein Schadensersatzanspruch kommt in beiden Fällen in Betracht. 3. Gerichtsstandsvereinbarungen und ausschließliche Zuständigkeiten Ein weiteres Argument gegen den Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung zielt auf den Vergleich mit den gesetzlichen ausschließlichen Zuständigkeiten. Die ausschließlichen Zuständigkeiten im Anwendungsbereich der EuGVVO sind in Art. 24 EuGVVO geregelt. Der Regelung liegen Überlegungen der Verfahrensökonomie zugrunde. Es soll in bestimmen Fällen das Gericht zuständig sein, das zu dem Rechtsstreit eine besondere Sachnähe aufweist.199 Wenn eine ausschließliche Zuständigkeit nach Art. 24 EuGVVO besteht, können die Parteien hiervon weder durch eine Gerichtsstandsvereinbarung (Art. 25 Abs. 4 EuGVVO) noch durch eine rügelose Einlassung abweichen (Art. 26 Abs. 1 Satz 2 EuGVVO). Manche Autoren sprechen sich mit dem Argument gegen den Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung aus, dass dieser, wenn man ihn anerkenne, effektiver geschützt sei als die gesetzlichen ausschließlichen Zuständigkeiten.200 Schließlich lasse sich die Missachtung von ausschließlichen Zuständigkeiten nicht mittels eines Schadensersatzanspruchs absichern.201 Wenn ein Verstoß gegen die gesetzlichen ausschließlichen Zuständigkeiten nur zur Folge habe, dass das Urteil nicht anerkannt werde (Art. 45 Abs. 1 lit. e Ziff. ii EuGVVO), könne für die Gerichtsstandsvereinbarung nichts anderes gelten. Es spreche nichts dafür, 199  Dörner, in: Saenger, ZPO, Art. 24 EuGVVO, Rn. 1; Gottwald, in: MüKo-ZPO, Art. 22 EuGVVO a. F., Rn. 1; Mankowski, in: Rauscher, EuZPR, Art. 24 EuGVVO, Rn. 3; Stadler, in: Musielak, ZPO, Art. 24 EuGVVO, Rn. 1. 200  Spickhoff, in: FS Deutsch, S. 327, 335; T. Pfeiffer, Zuständigkeit, Gerechtigkeit, S.  770 f.; G. Wagner, Prozessverträge, S. 258; Althammer/Löhnig, ZZP 2004, S. 23, 29. 201  G. Wagner, Prozessverträge, S. 258.

96

3. Teil: Vertraglicher Schadensersatz

dass der Gesetzgeber die Gerichtsstandsvereinbarung gegenüber den ausschließlichen Zuständigkeiten habe privilegieren wollen.202 Diese Auffassung kann aus mehreren Gründen nicht überzeugen. Zunächst muss man die Prämisse dieser Auffassung wohl umdrehen: Es ist nicht etwa so, dass nichts für eine Ungleichbehandlung spreche, sondern vielmehr so, dass nichts für eine Gleichbehandlung zwischen ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarungen und ausschließlichen Zuständigkeiten spricht. Die Verfechter einer solchen Gleichbehandlung bleiben dementsprechend auch die Begründung schuldig, warum der Gesetzgeber einen Gleichlauf zwischen Gerichtsstandsvereinbarungen und ausschließlichen Zuständigkeiten bezweckt haben sollte. Die einzige Gemeinsamkeit zwischen Gerichtsstandsvereinbarungen und ausschließlichen Zuständigkeiten besteht darin, dass beide Aussagen über die Zuständigkeit eines Gerichts treffen. Darüber hinaus sind aber der Regelungszweck und die Wirkung vollkommen verschieden. Gerichtsstandsvereinbarungen werden privatautonom zwischen den Parteien abgeschlossen, wohingegen die ausschließlichen gesetzlichen Zuständigkeiten ohne Zutun der Parteien vom Gesetzgeber vorgegeben werden. Das Charakteristikum der Regeln über die ausschließliche Zuständigkeit ist, dass die Parteien hiervon privatautonom nicht abweichen können (vgl. Art. 25 Abs. 4, 26 Abs. 1 Satz 2 EuGVVO). Demgegenüber ist es gerade Sinn und Zweck von Art. 25 Abs. 1 EuGVVO, den Parteien die privatautonome Wahl des Gerichtsstands zu ermöglichen, jedenfalls sofern keine ausschließliche Zuständigkeit entgegensteht. Dass Gerichtsstandsvereinbarungen und ausschließliche Zuständigkeiten so andersartig sind, dass sie sich gegenseitig ausschließen, verdeutlicht Art. 25 Abs. 4 EuGVVO ausdrücklich. Eine unterschiedliche Handhabung von Gerichtsstandsvereinbarungen und ausschließliche Zuständigkeiten ist daher nicht nur problemlos möglich, sondern auch unter Wertungsgesichtspunkten zu begrüßen: Die Rechtfertigung für den Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung liegt darin, dass eine Partei eine zuvor getroffene, privatautonome Vereinbarung bricht.203 Ein solcher Bruch, welcher dem von den Parteien in der Gerichtsstandsvereinbarung erklärten Willen diametral widerspricht, ist im Verhältnis zwischen den Parteien als gewichtiger einzustufen als die Verletzung einer ausschließlichen Zuständigkeitsvorschrift, weil die Parteien über diese ohnehin nicht disponieren können. 202  Spickhoff,

in: FS Deutsch, S. 327, 335. Schadensersatz, S. 456 f.; Gebauer, in: FS Kaissis, S. 267, 275; Mankowski, IPRax 2009, S. 23, 27 f.; ders., in: Rauscher, EuZPR, vor Art. 4 EuGVVO, Rn. 59; Schlosser, in: FS Lindacher 2007, S. 111, 119. 203  Antomo,



A. Gerichtsstandsvereinbarungen nach der EuGVVO97

Im Übrigen ist auch die Prämisse, dass der Verordnungsgeber Gerichtsstandsvereinbarungen und ausschließliche Zuständigkeiten gleichbehandeln wollte, systemimmanent gewissen Zweifeln ausgesetzt: Selbst wenn man unterstellt, der Gesetzgeber wollte beides gleichbehandeln, schließt das den Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung keineswegs zwingend aus. In Bezug auf den Schadensersatzanspruch ist zwar die Gerichtsstandsvereinbarung gegenüber den ausschließlichen Zuständigkeiten privilegiert. Im Gegenzug sind aber die ausschließlichen Zuständigkeiten bevorzugt, wenn es um die Frage der Urteilsanerkennung geht. Einem Urteil, das unter Verstoß gegen eine ausschließliche gesetzliche Zuständigkeit erging, ist nach Art. 45 Abs. 1 lit. e Ziff. ii EuGVVO auf Antrag die Anerkennung zu versagen, während ein Urteil, das unter Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung erging, im Anwendungsbereich der EuGVVO anzuerkennen ist.204 Insgesamt wirken die ausschließlichen gesetzlichen Zuständigkeiten daher nicht weniger gut geschützt als die Gerichtsstandsvereinbarung. 4. Argumente für den Schadensersatzanspruch Die bisherige Untersuchung hat gezeigt, dass die Dogmatik der Gerichtsstandsvereinbarung dem Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung nicht entgegensteht. Darüber hinaus sprechen aber auch viele rechtliche und wirtschaftliche Gründe für den Schadensersatzanspruch. Sie lassen sich gut anhand eines zentralen Arguments gegen die Verpflichtungswirkung der Gerichtsstandsvereinbarung darstellen, nämlich ihrer vermeintlichen Wirkung auf das forum derogatum. Einige Gegner des Schadensersatzanspruchs wegen der Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung sind der Auffassung, es gebe für den Anspruch kein praktisches Bedürfnis. Auch wenn man der Gerichtsstandsvereinbarung eine Verpflichtungswirkung zugestehe, lasse sich das forum derogatum nicht von der Durchführung des Prozesses abbringen, wenn es die Gerichtsstandsvereinbarung nach seinem Recht – der lex fori derogati – als unwirksam ansehe. Halte es die Gerichtsstandsvereinbarung hingegen für wirksam, bestehe keine Notwendigkeit dafür, die Verpflichtungswirkung der Gerichtsstandsvereinbarung anzunehmen. Der Beklagte könne die Unzuständigkeit des forum derogatum einfach rügen, sodass der Schadensersatzanspruch überhaupt nicht erforderlich sei.205

204  Art

45 Abs. 1 lit. e EuGVVO verweist nicht auf Art. 25 EuGVVO. RabelsZ 1994, S. 40, 56; Matscher, Zuständigkeitsvereinbarungen,

205  Schack,

S. 23.

98

3. Teil: Vertraglicher Schadensersatz

Dass diese Auffassung im internationalen Zivilverfahrensrecht nicht überzeugt, verdeutlicht ein Beispiel: Insbesondere außerhalb vereinheitlichter Regelungsregimes ist es möglich, dass sich ein an sich derogiertes Gericht für zuständig erklärt, weil es die Gerichtsstandsvereinbarung nach der lex fori derogati für unwirksam hält.206 In diesem Fall kann der Beklagte die Unzuständigkeit des forum derogatum nicht erfolgreich rügen. Das Beispiel führt zu drei Schlüssen: Erstens zeigt es, dass die oben genannte Prämisse falsch ist. Es gibt sehr wohl ein erhebliches praktisches Bedürfnis für den Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung, weil es – wie das Beispiel zeigt – nicht in jedem Fall möglich ist, die Zuständigkeit des forum derogatum erfolgreich zu rügen.207 Gleiches gilt auch für das Argument, für den Schadensersatzanspruch bestehe deshalb kein Bedürfnis, weil dem Urteil eines derogierten Gerichts die Anerkennung versagt werden könnte.208 Jedenfalls im Anwendungsbereich der EuGVVO besteht diese Möglichkeit nicht: Art. 45 Abs. 1 lit. e EuGVVO verweist nicht auf Art. 25 EuGVVO. Die Tatsache, dass ein derogiertes Gericht unter Missachtung einer ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung entschieden hat, führt demzufolge im Anwendungsbereich der EuGVVO nicht zur Anerkennungsverweigerung.209 Auch außerhalb der EuGVVO ist dieses Argument unrichtig. Mit der Nichtanerkennung des Urteils des forum derogatum sind die Folgen des abredewidrigen Prozesses nicht aus der Welt geschafft: Der abredewidrig Klagende kann auch im Ausland vollstrecken

206  Schröder, in: FS Kegel, S. 523, 532; Tan/Yeo, LMCLQ 2003, S. 435, 437; Coester-Waltjen, Annales Univ. Sci. Budapest. 2011, S. 225, 231. Die meisten arabischen Staaten etwa erkennen eine Gerichtsstandsvereinbarung, die ihnen die Zuständigkeit entzieht, nicht an, vgl. Lenenbach, Loyola L.A. ICLR 1998, S. 257, 285. Auch US-amerikanische Gerichte erkennen z. T. bis in die Gegenwart Gerichtsstandsvereinbarungen nicht als wirksam an, wenn sie US-amerikanischen Parteien den Gerichtsstand innerhalb der USA entziehen, vgl. Shantar, Boston Univ. Law Review 2002, S.  1063, 1068 f. 207  So auch G. Wagner, Prozessverträge, S. 270. 208  Zur entsprechenden Diskussion – außerhalb des Anwendungsbereichs der EuGVVO – im Rahmen von § 328 Abs. 1 Nr. 1 ZPO siehe RG, Leipziger Zeitschrift 1914, Sp. 774, 775; BGH, NJW 1969, 1536, 1537 f.; Antomo, Schadensersatz, S.  264 ff.; Bläsi, HGÜ, S. 297; Coester-Waltjen, Annales Univ. Sci. Budapest. 2011, S. 225, 238; Gebauer, in: FS Kaissis, S. 267, 280; Hüßtege, in: Tho­mas/Putzo, ZPO, § 328, Rn. 8a; Köster, Forum Shopping, S. 80; Kropholler/von Hein, EuZPR, Art. 23 EuGVVO a. F., Rn. 97; Linke/Hau, IZVR, Rn. 13.14; Mankowski, IPRax 2009, S. 23, 31 f.; ders., MDR 2002, S. 1352, 1356; Nagel/Gottwald, IZPR, § 12, Rn. 153, 157; Schütze, Rechtsverfolgung im Ausland, Rn. 121; ders., in: Wieczorek/Schutze, ZPO, § 328, Rn. 34; Stadler, in: Musielak, ZPO, § 38, Rn. 10; offen: Martiny, Handbuch IZVR, Bd. III/1, Rn. 652. 209  Linke/Hau, IZVR, Rn. 6.22.



A. Gerichtsstandsvereinbarungen nach der EuGVVO99

und der Beklagte bleibt häufig auf den für das abredewidrige Verfahren aufgewendeten Kosten sitzen. Zweitens – und das ist ein entscheidendes Argument für den Schadensersatzanspruch – verdeutlicht die geschilderte Konstellation, dass es in diesem Fall nur dem Parteiinteresse entsprechen kann, eine Verpflichtungswirkung der Gerichtsstandsvereinbarung jenseits der Verfügungswirkung anzunehmen. Nur der Schadensersatzanspruch setzt Anreize, die abgeschlossene Gerichtsstandsvereinbarung auch dann einzuhalten, wenn die Klage vor dem derogierten Gericht nach der lex fori derogati möglich ist.210 Besonders relevant ist die Anreizsetzung durch die Gerichtsstandsvereinbarung in Ländern, in denen das Gericht die Gerichtsstandsvereinbarung annehmen oder bei der Beurteilung der Vereinbarung eine Ermessensentscheidung treffen muss.211 Drittens zeigt dieser Fall, dass das Argument fehlgeht, auch durch die Gewährung von Schadensersatzansprüchen wegen der Missachtung einer Gerichtsstandvereinbarung lasse sich das forum derogatum nicht davon abbringen, den Prozess durchzuführen. Zwar ist es richtig, dass der Richter, nach dessen Recht die Gerichtsstandsvereinbarung unwirksam ist, sich nicht contra legem für unzuständig erklären wird. Die Funktion des Schadensersatzanspruchs liegt aber auf einer anderen Ebene: Er soll nicht – und kann auch nicht – den Richter davon abhalten, einen Prozess am forum derogatum zu führen, sondern natürlich die Parteien. Wenn die Parteien durch das Damoklesschwert des Schadensersatzanspruchs von der Prozessführung am forum derogatum abgehalten werden, erfüllt die Schadensersatzpflicht vollkommen ihre abschreckende Funktion und sanktioniert – wie Mankowski es treffend ausdrückte – den Ex-Post-Opportunismus der Parteien.212 Zu dieser Art von Opportunismus, den die Gerichtsstandsvereinbarung verhindern soll, zählt insbesondere auch das Forum Shopping.213 Forum Shopping ist die Wahl eines Gerichtsstands aufgrund des dort anwendbaren Verfahrens- und Sachrechts, wird aber typischerweise als missbräuchliche Gerichtsstandswahl verstanden.214 Abredewidrige Klagen sind häufig Fälle von Forum Shopping, weil der Klagende sich aus opportunistischen Motiven 210  Köster,

Forum Shopping, S. 84; Schröder, in: FS Kegel, S. 523, 532. in: FS Henckel, S. 295, 307. 212  Mankowski, IPRax 2009, S. 23, 25. 213  Requejo Isidro, REEI 2009, S. 1, 5; Maire du Poset, Versailles Int. Arbitration 2012, S. 33; Tan, Texas Int. Law Journal 2005, S. 623, 639; Jiménez Blanco, AEDIPr 2009, S. 225, 226. 214  Coester-Waltjen, Annales Univ. Sci. Budapest. 2011, S. 225, 226; Cornut, Clunet 2007, S. 27, 29; Kropholler, in: FS Firsching, S. 165; Lowenfeld, Am. Journal of Comparative Law 2007, S. 314; Maire du Poset, Versailles Int. Arbitration 2012, S. 33, 34; Schack, RabelsZ 1994, S. 40, 47. 211  Gottwald,

100

3. Teil: Vertraglicher Schadensersatz

über die Gerichtsstandsvereinbarung hinwegsetzt. Beim Forum Shopping sind die Nachteile von abredewidrigen Klagen besonders deutlich: Lässt man das Forum Shopping zu, kann es dazu führen, dass mehrere Gerichte oder ein Gericht, das kaum eine Verbindung zu dem Rechtsstreit aufweist, den Fall entscheidet, was die Ressourcen der Parteien und der Justiz unnötig belastet.215 Zudem bestärkt das Forum Shopping die Partei, die eine Gerichtsstandsvereinbarung bricht, und bestraft die andere Partei, die die Gerichtsstandsvereinbarung einhält, sich aber letztlich aufgrund des Verhaltens der anderen Partei nicht auf die Vereinbarung verlassen kann. Insbesondere die spanische Literatur sieht als zwei zentrale Argumente für den Schadensersatzanspruch dessen Fähigkeit, die Rechtssicherheit zu stärken und das wirtschaftliche Gleichgewicht zwischen den Parteien zu wahren. Die Autoren verweisen darauf, dass die Parteien Gerichtsstandsvereinbarungen träfen, um das Rechtsgeschäft planbarer und sicherer zu machen. Das entscheidende Argument betrifft wiederum die abschreckende Wirkung der Gerichtsstandsvereinbarung: Wenn die Parteien damit rechnen müssten, sich für ihre abredewidrige Klage zu verantworten, würde sie dies in vielen Fällen davon abhalten, überhaupt eine Klage am forum derogatum zu erheben.216 Das zweite Argument zielt auf das wirtschaftliche Gleichgewicht des Vertrags, das verschoben werde, wenn sich eine Partei nicht an die Gerichtsstandsvereinbarung halte. Die Prämisse hierbei ist, dass die Gerichtsstandsvereinbarung ein wichtiges Element bei den Vertragsverhandlungen sei und oft nur unter wirtschaftlichen Zugeständnissen getroffen werde. Der drohende Schadensersatzanspruch könne mit seiner abschreckenden Wirkung dafür sorgen, dass das wirtschaftliche Gleichgewicht nicht durch eine Klage am forum derogatum aus der Balance gerate.217 Schließlich darf man auch eine praktische Überlegung nicht außer Acht lassen: Die Parteien, typischerweise juristische Laien (wenn auch meistens mit viel Geschäftserfahrung), schließen eine ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung gerade mit dem Ziel, einen potentiellen Rechtsstreit vor dem forum prorogatum und nicht vor einem anderen Gericht auszutragen. Die Vorstellung, dass die Parteien die Vorteile einer Gerichtsstandsvereinbarung erkennen, eine solche abschießen und sich dann aber an diese Vereinbarung nicht gebunden sehen wollen, erscheint geradezu absurd.218 Natürlich schlie215  So ausdrücklich der US-Supreme-Court: Carnival Cruises Lines, Inc. v. Shute, [1991] 499 U.S. 585, 593 f.; vgl. ferner Tan, Texas Int. Law Journal 2005, S. 623, 639. 216  Requejo Isidro, REEI 2009, S. 1, 4; Jiménez Blanco, AEDIPr 2009, S. 225, 226; ähnlich auch Dutson, Arbitration International 2000, S. 89. 217  Álvarez González, IPRax 2009, S. 529, 531; Requejo Isidro, REEI 2009, S. 1, 4; vgl. auch Yeo/Tan, in: Worthington, Commercial Law, S. 403, 416. 218  Jasper, Forum Shopping, S. 127.



A. Gerichtsstandsvereinbarungen nach der EuGVVO101

ßen die Parteien – jedenfalls bei einer individualvertraglichen Vereinbarung – eine Gerichtsstandsvereinbarung, um daran auch gebunden zu sein.219 Der Sinn und Zweck einer Gerichtsstandsvereinbarung, nämlich für Rechtssicherheit und Planbarkeit zu sorgen, wird am besten erreicht, wenn man der Vereinbarung über die prozessuale Verfügungswirkung hinaus auch eine materielle Verpflichtungswirkung beimisst. Nur unter dieser Prämisse sind die Parteien gehalten, die Gerichtsstandsvereinbarung ihrem erklärten Willen entsprechend zu beachten.220 5. Auslegung der Willenserklärungen Nachdem nun feststeht, dass Gerichtsstandsvereinbarungen eine verpflichtende Wirkung haben können, ist zu erörtern, unter welchen Voraussetzungen dies der Fall ist. Da eine Gerichtsstandsvereinbarung auf zwei übereinstimmenden Willenserklärungen beruht, ist auf die allgemeinen Auslegungsregeln zu Willenserklärungen zurückzugreifen – im deutschen Recht also die §§ 133, 157 BGB.221 Dabei ist die Frage zu klären, ob die Parteien ausdrücklich oder konkludent die Gerichtsstandsvereinbarung mit einer Verpflichtungswirkung versehen und auf diese Weise einen Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung der Gerichtsstandsvereinbarung ermöglicht haben. Da die Parteien eine Gerichtsstandsvereinbarung nicht grundlos abschließen, sondern mit dem Abschluss der Vereinbarung auch deren Einhaltung bezwecken, wird 219  Für den Schadensersatzanspruch auch Baatz, LMCLQ 2004, S. 25, 28; Briggs, Agreements, Rn.  8.13 ff.; ders., LQR 2004, S. 529, 532; Cuniberti/Requejo, ERA 2011, S. 7, 13; Dinelli, Melbourne U. L. Rev. 2015, S. 1023, 1026 ff.; Eichel, AGBGerichtsstandsklauseln, S.  223 ff.; Fentiman, JIBFL 2006, S. 304, 305 f.; Geimer, IZPR, Rn.  1716 f.; Götz, Ersatzansprüche bei Rechtsverfolgung, S. 134 f.; Gebauer, in: FS Kaissis 2012, S. 267, 271 f.; Gottwald, in: FS Henckel, S. 295, 299, 307 f.; Grunwald, Forum Shopping, S. 167 f.; Hau, Kompetenzkonflikte, S. 203; Hellwig, Zivilprozeß­rechtlicher Vertrag, S.  60  f.; Huber, in: Jayme, Kulturelle Identität, S. 51, 64; Jasper, Forum Shopping, S. 126 f.; Jiménez Blanco, AEDIPr 2009, S. 225, 228 ff.; Joseph, Agreements, Rn. 14.03; Knight, JPIL 2008, S. 501, 508 ff.; Köster, Forum Shopping, S.  85 ff.; Kurth, Rechtsschutz, S. 63 ff.; Lenenbach, Loyola L.A. ICLR 1998, S. 257, 297, 301; Maire du Poset, Versailles Int. Arbitration 2012, S. 33, 36; Mankowski, IPRax 2009, S. 23, 26 f.; Merrett, ICLQ 2006, S. 315, 319; Peel, LMCLQ 1998, S. 182, 224 ff.; E. Pfeiffer, Forum derogatum, S. 331; Requejo Isidro, REEI 2009, S. 1, 3 ff.; Schlosser, in: FS Lindacher 2007, S. 111, 115 f.; ders., Justizkonflikt, S. 37; Schröder, in: FS Kegel, S. 523, 531 ff.; Shantar, Boston Univ. Law Review 2002, S. 1063 ff.; Tan, Texas Int. Law Journal 2005, S. 623, 637 ff.; Tan/Yeo, LMCLQ 2003, S. 435, 437; Tham, LMCLQ 2004, S. 46, 52; Yeo/Tan, in: Worthington, Commercial Law, S. 403, 408; unentschieden: Bříza, JPIL 2009, S. 537, 549 ff. 220  Vgl. Gottwald, in: FS Henckel, S. 295 f.; Jasper, Forum Shopping, S. 127. 221  Eichel, AGB-Gerichtsstandsklauseln, S. 224; Hau, Kompetenzkonflikte, S. 203; Mankowski, in: Rauscher, EuZPR, Art. 25 EuGVVO, Rn. 245; vgl. G. Wagner, Prozessverträge, S. 291.

102

3. Teil: Vertraglicher Schadensersatz

man in vielen Fällen eine Verpflichtungswirkung annehmen können.222 Eine Regel, dass die Verpflichtungswirkung stets und ohne weitere Voraussetzungen besteht, gibt es allerdings nicht.223 Es ist eine Frage der Auslegung im Einzelfall, ob die Parteien die Gerichtsstandsvereinbarung als verpflichtend ansehen oder nicht. a) Ausdrückliche Vereinbarungen Die Parteien können im Hauptvertrag ausdrücklich die Pflicht stipulieren, die Gerichtsstandsvereinbarung zu beachten und an keinem anderen als dem vereinbarten Gericht Klage zu erheben.224 Dies ist für die Parteien die effektivste Methode, die Gerichtsstandsvereinbarung abzusichern.225 Wenn die Parteien die materiellrechtliche Wirkung der Gerichtsstandsvereinbarung ausdrücklich im Hauptvertrag festlegen, kann keine Diskussion darüber entstehen, ob die konkrete Gerichtsstandsvereinbarung Verpflichtungscharakter besitzt oder nicht.226 Wenn sich die Parteien ausdrücklich dazu verpflichten, die Gerichtsstandsvereinbarung einzuhalten, handelt es sich bei einer abredewidrigen Klage unzweifelhaft um eine Pflichtverletzung. b) Konkludente Vereinbarungen Schwieriger als bei der ausdrücklichen Vereinbarung gestaltet sich der Fall der konkludenten Vereinbarung einer Verpflichtungswirkung. Ein Vertrag kann nur gebrochen werden, wenn die Parteien ihm bei Vertragsabschluss verpflichtende Wirkung beimessen. Da die Gerichtsstandsvereinbarung primär Fragen der Zuständigkeit klären soll, erscheint für Gerhard Wagner die Annahme einer konkludenten Vereinbarung der Verpflichtungswirkung der Gerichtsstandsvereinbarung fernliegend. Eine solche Verpflichtungswirkung sei vom Parteiwillen nicht gedeckt. Der gewünschte Effekt, die andere Partei von einer Klage am forum derogatum abzuhalten, ersetze nicht eine entsprechende Willenserklärung der Parteien bei Vertragsschluss. Nehme man leichtfertig eine Verpflichtungswirkung an, könne man letztlich jedes am forum derogatum ergangene Urteil mittels des Schadensersatzan222  So auch Eichel, AGB-Gerichtsstandsklauseln, S. 224; Huber, in: Jayme, Kulturelle Identität, S. 51, 64. 223  G. Wagner, Prozessverträge, S. 257; Mankowski, IPRax 2009, S. 27; Gebauer, in: FS Kaissis, S. 267, 278. 224  Joseph, Agreements, Rn. 4.07; Sandrock, RIW 2004, S. 809, 814; G. Wagner, Prozessverträge, S. 257. 225  Eichel, AGB-Gerichtsstandsklauseln, S. 224; Mankowski, IPRax 2009, S. 23, 27. 226  Mankowski, IPRax 2009, S. 23, 32 f.



A. Gerichtsstandsvereinbarungen nach der EuGVVO103

spruchs wieder aus der Welt schaffen, etwa um die Folgen der American Rule zu beseitigen.227 Dieser Auffassung ist insofern zuzustimmen, als man Ex-Post-Opportunismus bei einer Schadensersatzklage wegen der Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung genauso wenig zulassen darf, wie bei der die Gerichtsstandsvereinbarung brechenden Klage am forum derogatum. Man darf kein Hintertürchen entstehen lassen für die im Ausland unterlegene Partei, das unerfreuliche Urteil mittels des Schadensersatzanspruchs wieder aus der Welt zu schaffen. Dennoch ist diese Gefahr als eher gering einzuschätzen. Man darf nicht vergessen, dass die Prämisse für den Schadensersatzanspruch die Missachtung der Gerichtsstandsvereinbarung durch eine abredewidrige Klage ist. Der Vorwurf der Pflichtverletzung ist also gegenüber dem abredewidrig Klagenden zu erheben. Dass die andere, durch die Klage am forum derogatum geschädigte Partei sich im Schadensersatzprozess dann selbst pflichtwidrig verhält, erscheint als ein eher fernliegendes Risiko. Anders als beim Forum Shopping ist eine solche Prozesssituation überhaupt nicht planbar, weil sie auf einem vorherigen Fehlverhalten der anderen Partei – der abredewidrigen Klage – beruht, worauf die Klägerpartei des Schadensersatzprozesses keinen Einfluss hat. Zudem sind die Tatbestandsvoraussetzungen des Schadensersatzanspruchs sauber zu trennen: Ob die entsprechenden Willenserklärungen für eine verpflichtende Gerichtsstandsvereinbarung vorliegen, ist unter dem Tatbestandsmerkmal „Schuldverhältnis“ zu prüfen. Ob und in welchem Umfang ein ausländisches Urteil und seine Kostenfolge mittels des Schadensersatzanspruchs nachträglich in ihren Konsequenzen aufgehoben werden können, ist aber eine Frage des Umfangs des Schadensersatzanspruchs und weist keinen Bezug zur Auslegung der der Gerichtsstandsvereinbarung zugrundeliegenden Willenserklärungen auf. Die Parteien möchten durch die Gerichtsstandsvereinbarung erreichen, dass das vereinbarte Gericht auch tatsächlich über zukünftige Streitigkeiten entscheidet. Andernfalls würden sie keine Gerichtsstandvereinbarung abschließen.228 Wenn sich in bestimmten Konstellationen des internationalen Zivilverfahrensrechts die Gerichtsstandsvereinbarung am effektivsten durch einen Schadensersatzanspruch absichern lässt229, spricht das dafür, dass die Parteien der Gerichtsstandsvereinbarung konkludent eine verpflichtende Wirkung beimessen.230 227  G.

Wagner, Prozessverträge, S. 257 f. Forum Shopping, S. 126. 229  Vgl. Schröder, in: FS Kegel, S. 523, 532; Tan/Yeo, LMCLQ 2003, S. 435, 437. 230  Kurth, Rechtsschutz, S. 66. 228  Jasper,

104

3. Teil: Vertraglicher Schadensersatz

Letztlich ist die Auslegung natürlich eine Frage des Einzelfalls. Ob die Parteien der Gerichtsstandsvereinbarung eine verpflichtende Wirkung zukommen lassen, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.231 Als Indikatoren für die Annahme einer Verpflichtungswirkung können etwa die Gewichtung der Gerichtsstandsvereinbarung bei der Vertragsverhandlung und das finanzielle Risiko einer abredewidrigen Klage gelten. So ist etwa einer individualvertraglich vereinbarten Gerichtsstandsvereinbarung eine größere Bedeutung für die Parteien zu entnehmen als einer Gerichtsstandsvereinbarung, die durch eine AGB-Klausel oder durch Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben zustande gekommen ist.232 Das finanzielle Risiko einer abredewidrigen Klage wird größer, wenn ein Bezugspunkt zu den USA besteht.233 Erhebt eine Partei in den USA Klage, drohen dort pre-trial discovery, punitive damages sowie eine Kostenentscheidung nach der American Rule und können die Kosten in die Höhe treiben.234 Die unter Umständen ausgesprochen hohen Kosten eines Prozesses in den USA sprechen für einen starken Verpflichtungswillen der Parteien, nur an dem vereinbarten Gerichtsstand zu klagen, jedenfalls wenn dieser außerhalb der USA liegt. Das bedeutet aber nicht, dass eine Verpflichtungswirkung der Gerichtsstandsvereinbarung stets zulasten einer US-amerikanischen Partei anzunehmen ist. In vielen Fällen mit US-amerikanischen Parteien wird die Bedeutung eines vereinbarten Gerichts außerhalb der USA wohl schon bei den Vertragsverhandlungen offensichtlich werden. Eine systematische Benachteiligung der US-amerikanischen Partei droht entgegen Gerhard Wagner235 auch deshalb nicht ohne Weiteres, weil diese aus einem Rechtskreis kommt, der den vertraglichen Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung anerkennt. Dementsprechend müssten US-amerikanische Parteien damit vertraut sein, dass sie sich bei einer abredewidrigen Klage schadensersatzpflichtig machen können.236

231  Antomo, Schadensersatz, S. 463 f. sieht eine Vermutung dafür, dass die Parteien eine Verpflichtungswirkung der Gerichtsstandsvereinbarung bezwecken, sofern dies nicht dem übereinstimmenden Parteiwillen widerspricht. 232  Vgl. EuGH, 20.02.1997, RS. C-106/95, Mainschiffahrts-Genossenschaft/Les Gravières Rhénanes, Rn. 20, NJW 1997, 1431, 1432; Stadler, in: Musielak, ZPO, Art. 25 EuGVVO, Rn. 13. 233  Eichel, RIW 2009, S. 289, 290; G. Wagner, Prozessverträge, S. 256. 234  Antomo, Schadensersatz, S.  135  ff.; Eichel, AGB-Gerichtsstandsklauseln, S. 224; ders., RIW 2009, S. 289, 290; Sandrock, RIW 2004, S. 809, 815; Koch, NJW 1992, S. 3073, 3074. 235  G. Wagner, Prozessverträge, S. 257 f. 236  Vgl. Grunwald, Forum Shopping, S. 171.



A. Gerichtsstandsvereinbarungen nach der EuGVVO105

c) Einschränkungen bei der Auslegung Zwei wichtige Einschränkungen sind allerdings bei der Auslegung der Willenserklärungen zu machen: Erstens darf die Annahme einer ausschließlichen Prorogation nicht einer gesetzlichen Vermutungsregel entnommen werden und zweitens müssen beide Parteien einigermaßen gleichberechtigt am Abschluss der Gerichtsstandsvereinbarung beteiligt sein. Der Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung kommt nur bei ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarungen in Betracht.237 Art. 25 Abs. 1 Satz 2 EuGVVO gebietet, dass im Zweifelsfall das benannte Gericht oder die Gerichte des benannten Mitgliedstaats ausschließlich zuständig sind. Insofern stellt eine Vereinbarung wie „Gerichtsstand ist Frankfurt am Main“ unter Berücksichtigung der Zweifelsregel von Art. 25 Abs. 1 Satz 2 EuGVVO grundsätzlich eine ausschließliche Prorogation dar, die die anderen Gerichtsstände der EuGVVO ausschließt.238 Da der Schadensersatzanspruch weitgehende Konsequenzen für die Parteien hat, darf man die Frage nach der Verpflichtungswirkung der Gerichtsstandsvereinbarung nicht allein auf eine Vermutungsregel wie die des Art. 25 Abs. 1 Satz 2 EuGVVO stützen. Ob die Parteien der Gerichtsstandsvereinbarung bei Vertragsschluss eine verpflichtende Wirkung beigemessen haben oder nicht, ist nur durch eine eigenständige Auslegung der Willenserklärungen, nicht durch Rückgriff auf eine Zweifelsregel zu eruieren.239 Der Gerichtsstandsvereinbarung ist ferner nur dann eine Verpflichtungswirkung beizumessen, wenn alle Parteien in einigermaßen gleichen Umfang am Abschluss der Gerichtsstandsvereinbarung beteiligt waren. Gerichtsstandsvereinbarungen in AGB sind hier grundsätzlich problematisch, weil immer die Gefahr besteht, dass sie den Verwender unangemessen bevorteilen und die andere Partei dies nicht bemerkt.240 Im Anwendungsbereich von Art. 25 Abs. 1 EuGVVO können Gerichtsstandsvereinbarungen grundsätzlich durch AGB vereinbart werden. Die Gerichtsstandsklausel muss dabei nicht in den Hauptvertrag aufgenommen werden. Nach Art. 25 Abs. 1 Satz 3 lit. a Var. 1 EuGVVO genügt es, wenn der schriftliche Hauptvertrag auf die in den AGB geregelte Gerichtsstandsvereinbarung verweist.241 237  Siehe

3. Teil, A. I. 4. Gottwald, in: MüKo-ZPO, Art. 23 EuGVVO a. F., Rn. 82. 239  Vgl. Eichel, AGB-Gerichtsstandsklauseln, S.  224 f. 240  Vgl. EuGH, 14.12.1976, RS. 24/76, Colzani/Rüwa, NJW 1977, 494; OLG Düsseldorf, NJOZ 2004, 3118, 3124; Jenard, Bericht EuGVÜ, S. 37 (Art. 17); Schlosser, in Schlosser/Hess, EuZPR, Art. 25 EuGVVO, Rn. 1; Stadler, in: Jauernig, BGB, § 305, Rn. 1. 241  Siehe 3. Teil, A. I. 3. a). 238  Vgl.

106

3. Teil: Vertraglicher Schadensersatz

Nach herrschender Meinung werden AGB bereits dann Bestandteil eines Vertrags, wenn der Vertragspartner des Verwenders die Möglichkeit hat, vom Inhalt der AGB Kenntnis zu nehmen.242 Eine andere Auffassung fordert, dass die nicht die AGB verwendende Partei eine so genannte „qualifizierte Kenntnismöglichkeit“ haben muss.243 Nach dieser Ansicht vereinbaren die Parteien nur dann wirksam eine Gerichtsstandsvereinbarung durch AGB, wenn der Vertragspartner des Verwenders die AGB vollständig gelesen hat oder wenigstens von ihm erwartet werden kann, dass er die AGB vollständig gelesen hat.244 Wenn man nur die Frage der Einbeziehung einer Gerichtsstandsvereinbarung durch AGB berücksichtigt, ist der herrschenden Meinung der Vorzug zu geben. Die so genannte qualifizierte Kenntnisnahmemöglichkeit erschwert die Verwendung von AGB über Gebühr und berücksichtigt die Bedürfnisse des Wirtschafts- und Handelsverkehrs nicht ausreichend.245 Beim Schadensersatzanspruch geht es allerdings nicht um die bloße Vereinbarung eines Gerichtsstands in AGB, sondern um die Frage, wann die Willenserklärungen der Parteien dahingehend auszulegen sind, dass sie der Gerichtsstandsvereinbarung einen verpflichtenden Charakter beimessen wollen. Einer Partei, die nur Kenntnis nehmen konnte, dies aber nicht zwangsläufig getan hat, kann man schwerlich den Willen unterstellen, einen eventuellen Schadensersatzanspruch zu erfüllen. Ein solcher Verpflichtungswille kommt überhaupt nur in Betracht, wenn der Vertragspartner des Verwenders die AGB gelesen hat oder dies von ihm hätte erwartet werden können. Es ist daher in Hinblick auf die Verpflichtungswirkung der Gerichtsstandsvereinbarung mit dem restriktiveren Ansatz eine „qualifizierte Kenntnismöglichkeit“ zu fordern.246 Zusätzlich ist es nach den obigen Grundsätzen erforderlich, die Willenserklärungen auszulegen. Wenn die Gerichtsstandsvereinbarung durch AGB vereinbart wurde, dürfte ein entsprechender Verpflichtungswille regelmäßig weniger leicht nachzuweisen sein als bei einer individualvertraglichen Vereinbarung. Auch das ist allerdings nicht prinzipiell ausgeschlossen, sondern von den Umständen des Einzelfalls abhängig. 242  EuGH, 14.12.1976, RS. C-25/76, Segoura/Bonakdarian, NJW 1977, 495; BGH NJW 1996, 1819; OLG Hamm, NJOZ 2015, 1369, 1371; Kropholler/von Hein, ­EuZPR, Art. 23 EuGVVO a. F., Rn. 36; Koch, IPRax 1997, S. 405. 243  Eichel, AGB-Gerichtsstandsklauseln, S.  79, 225; Hau, in: Wolf/Lindacher, AGB-Recht, Rn. G 163; Lindac­her, in: FS Schlosser, S. 491, 495, 497 f.; ders., JZ 1981, S. 131, 133; H. Schmidt, ZZP 1990, S. 91, 97 f. 244  Hau, in: Wolf/Lindacher, AGB-Recht, Rn. G 163; Lindacher, in: FS Schlosser, S. 491, 495; H. Schmidt, ZZP 1990, S. 91, 97 f. 245  Vgl. Schlosser, in Schlosser/Hess, EuZPR, Art. 25 EuGVVO, Rn. 1. 246  Eichel, AGB-Gerichtsstandsklauseln, S. 225.



A. Gerichtsstandsvereinbarungen nach der EuGVVO107

d) Zwischenergebnis Der Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung setzt voraus, dass die Parteien der Gerichtsstandsvereinbarung durch ausdrückliche oder konkludente Vereinbarung eine verpflichtende Wirkung beigemessen haben. Ob die Parteien konkludent eine Verpflichtungswirkung vereinbart haben, ist durch Auslegung der Willenserklärungen zu eruieren. Indizien hierfür sind etwa die Bedeutung der Gerichtsstandsvereinbarung bei den Vertragsverhandlungen sowie das finanzielle Risiko einer abredewidrigen Klage. Die verpflichtende Wirkung einer Gerichtsstandsvereinbarung darf nicht ausschließlich auf eine Zweifelsregel wie Art. 25 Abs. 1 Satz 2 EuGVVO gestützt werden. Bei einer durch AGB eingeführten Gerichtsstandsvereinbarung ist hinsichtlich der Verpflichtungswirkung zu fordern, dass die nicht die AGB verwendende Partei die Möglichkeit der qualifizierten Kenntnisnahme hatte. 6. Die Rechtsprechung in anderen Ländern Ein Überblick über die Rechtsprechung in anderen Ländern ist nicht nur aufschlussreich in Bezug auf die Ursprünge und die Entwicklung des Schadensersatzanspruchs wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung, sondern zeigt auch, auf welchem Stand sich die Diskussion derzeit befindet. Häufig wird der Vergleich zwischen Kontinentaleuropa und den Common-Law-Ländern auf die beiden Aussagen beschränkt, dass man in Kontinentaleuropa den Schadensersatzanspruch ablehne, während ihn die Gerichte des Common-Law-Rechtskreises anerkennen würden. Ein genauerer Blick zeigt aber, dass diese Darstellung verkürzt ist. Weder ist der Schadensersatzanspruch in den Common-Law-Ländern in vollem Umfang und unstreitig anerkannt, noch lehnen alle kontinentaleuropäischen Gerichte den Anspruch konsequent ab. a) Vereinigtes Königreich Die Ursprünge des Schadensersatzanspruchs wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung liegen in der anti-suit injunction.247 Die Parallele zwischen dem Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung und anti-suit injunctions besteht darin, dass beide dieselbe Zielsetzung haben, wenn auch zu verschiedenen Zeitpunkten. Die anti-suit injunction soll die Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung verhindern, bevor oder während sie geschieht, 247  Vgl.

Takahashi, YPIL 2008, S. 57, 82.

108

3. Teil: Vertraglicher Schadensersatz

während der Schadensersatzanspruch den durch die Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung entstandenen Schaden nach Abschluss des abredewidrigen Prozesses kompensieren soll.248 Frühe Urteile aus dem Vereinigten Königreich widmen sich vornehmlich der Frage von anti-suit injunctions beziehungsweise anti-enforcement injunctions im Fall der Missachtung von Prozessverträgen. In Doleman & Sons v. Ossett Corporation249 aus dem Jahr 1912 verwehrte die King’s Bench Division dem Kläger eine anti-suit injunction, die dieser gegen ein von der Gegenseite angestrengtes Schiedsverfahren begehrte, unter Verweis auf die zwischen den Parteien bestehende Schiedsvereinbarung. Die in diesem Urteil postulierte verpflichtende Wirkung von Schiedsvereinbarungen übertragen manche auf Gerichtsstandsvereinbarungen und schließen aus der Parallele zwischen Gerichtsstandsvereinbarungen und anti-suit injunctions, dass das Urteil den Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung stütze.250 In dem Urteil Ellerman Lines Limited v. Read251 aus dem Jahr 1928 hatte sich der Court of Appeal mit einer anti-enforcement injunction wegen der Missachtung einer internationalen Schiedsvereinbarung zu beschäftigen. Der Beklagte erwirkte in einem Vorprozess vor einem staatlichen Gericht in der Türkei ein Urteil gegen den Kläger, obwohl die Parteien eine Schiedsvereinbarung getroffen hatten. Der Court of Appeal gab dem Antrag auf Erlass einer anti-enforcement injunction mit der Begründung statt, britische Gerichte „can grant an injunction to restrain the British subject, who is fraudulently breaking his contract, and who is a party to an action before them, from making applications to a foreign court for the purpose of obtaining the fruits of a fraudulent breach of contract“. Nur inzidenter erwähnt der Court of Appeal, dass der erstinstanzliche Richter einer Schadensersatzklage wegen der in der Türkei aufgewendeten Prozesskosten stattgegeben hatte und hiergegen keine Berufung eingelegt worden sei. Bedenken gegen diese Entscheidung oder gegen den Schadensersatzanspruch an sich äußerte der Court of Appeal nicht. Die Entscheidung Ellerman Lines Limited v. Read ist in zweifacher Hinsicht bemerkenswert: Es handelt sich zum einen um die – soweit ersichtlich – weltweit mit Abstand älteste Entscheidung, die den Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung eines zuständigkeitsbezogenen Prozessver248  Tan/Yeo,

LMCLQ 2007, S. 435, 437 f. & Sons v. Ossett Corporation [1912] 3 K.B. 257. 250  Tan/Yeo, LMCLQ 2007, S. 435, 437 f.; kritisch: Tham, LMCLQ 2004, S. 46, 51. 251  Ellerman Lines Limited v. Read [1928] 2 KB 144. 249  Doleman



A. Gerichtsstandsvereinbarungen nach der EuGVVO109

trags (hier einer Schiedsvereinbarung) thematisiert, ohne ihn abzulehnen.252 Man darf allerdings nicht außer Acht lassen, dass der Court of Appeal über die Frage des Schadensersatzanspruchs nicht entschied, da der Beklagte hiergegen keine Berufung eingelegt hatte. Bedeutender erscheint daher, dass Ellerman Lines Limited v. Read auch die erste Entscheidung ist, die in der Missachtung einer Schiedsvereinbarung ausdrücklich eine vertragliche Pflichtverletzung sieht. Im Vereinigten Königreich dauerte es zwar noch Jahrzehnte, bevor die Gerichte in Fällen einer solchen Pflichtverletzung Schadensersatz gewährten. Dennoch ist der Schritt von einer vertraglichen Pflichtverletzung, die den Erlass einer anti-suit injunction rechtfertig, bis zum vertraglichen Schadensersatzanspruch aufgrund dieser Pflichtverletzung so kurz, dass Ellerman Lines Limited v. Read einen Meilenstein in Richtung des Schadensersatzanspruchs wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung bedeutete. Das erste englische Urteil, das sich direkt mit dem Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung beschäftigt, ist die bekannte Entscheidung Union Discount Co. Ltd. v. Zoller aus dem Jahr 2001.253 Die Parteien hatten eine Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten der englischen Gerichte getroffen. Dennoch rief Zoller ein Gericht in New York an, das sich nach der Zuständigkeitsrüge der Union Discount Co. Ltd. für unzuständig erklärte, ohne allerdings über die außergerichtlichen Kosten zu entscheiden. Der auf Ersatz der außergerichtlichen Prozesskosten gerichteten Klage der Union Discount Co. Ltd. gab der Court of Appeal statt. Er führte aus: „The claimant in the foreign proceedings brought those proceedings in breach of an express term, the EJC254, which, it is assumed for present purposes, has the effect of entitling the English claimant to damages for its breach“255. In diesem Urteil erkannte der Court of Appeal nicht etwa – wie gelegentlich behauptet – „den“ vertraglichen Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung an. Zwar handelt es sich um das erste englische Urteil, das einen entsprechenden Anspruch anerkennt, allerdings stellte der Court of Appeal ausdrücklich dar, dass es sich um eine besondere Konstellation handele, weil das New Yorker Gericht keine Kostenentscheidung getroffen habe und das New Yorker Recht nur in Ausnahmefällen überhaupt einen Kostenerstattungsanspruch vorsehe (Ameri252  Die erstinstanzliche Entscheidung ist natürlich noch älter, scheint aber nicht veröffentlicht zu sein. 253  Union Discount Co. Ltd. v. Zoller and others [2002] 1 WLR 1517. 254  EJC steht für Exclusive Jurisdiction Clause (Anmerkung des Verf.). 255  Union Discount Co. Ltd. v. Zoller and others [2002] 1 WLR 1517, 1524.

110

3. Teil: Vertraglicher Schadensersatz

can Rule).256 Diese Besonderheiten relativieren die Reichweite der Entscheidung Union Discount Co. Ltd. v. Zoller.257 Zu Friktionen mit dem internationalen Entscheidungseinklang konnte es in dieser speziellen Situation nicht kommen, da der englische Court of Appeal mit den Prozesskosten über einen Aspekt urteilte, den das New Yorker Gericht aufgrund seines Prozesskostenrechts nicht entscheiden konnte.258 Der Entscheidung Donohue v. Armco Inc.259, ebenfalls aus dem Jahr 2001, lag eine Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten englischer Gerichte zugrunde, deren Geltung allerdings nur einige der beteiligten Parteien vereinbart hatten. Einige Parteien klagten gemeinschaftlich in New York, wobei einige Parteien der Gerichtsstandsvereinbarung waren, andere hingegen nicht. Donohue legte hiergegen in England eine anti-suit injunction ein, der das House of Lords allerdings nicht stattgab, weil nicht alle (in England) Beklagten die Gerichtsstandsvereinbarung zwischen den Parteien brachen. Bemerkenswert sind in diesem Urteil die obiter dicta einiger Lords. Insbesondere Lord Hobhouse führte aus, dass Donohue ein Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung der Gerichtsstandsvereinbarung gegen die anderen Parteien der Gerichtsstandsvereinbarung zustehe, nicht aber gegen die übrigen Kläger (in New York), die nicht Parteien der Gerichtsstandsvereinbarung waren. Auch Lord Scott stimmte dieser Auffassung zu und gab an, er sehe keine Bedenken gegen einen Schadensersatzanspruch Donohues wegen der Kosten. Einige Autoren verstehen Donohue v. Armco Inc. als wegweisend für den Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung. Sie führen an, das House of Lords habe bewusst die Einschränkung aus Union Discount Co. Ltd. v. Zoller aufgegeben, dass der Schadensersatzanspruch nur in Betracht komme, wenn das forum derogatum keine Kostenentscheidung getroffen habe.260 Yeo und Tan interpretieren die Anmerkung Lord Scotts bezüglich der zu ersetzenden Kosten dahingehend, dass davon sämtliche Prozesskosten umfasst seien. Lord Scott habe nicht zwischen den Kosten für die Zuständigkeitsrüge und den übrigen Pro256  Union Discount Co. Ltd. v. Zoller and others [2002] 1 WLR 1517, 1524: „The rules of the foreign forum only permitted recovery of costs in exceptional circumstances; the foreign court made no adjudication as to costs“. 257  So auch Knight, JPIL 2008, S. 501, 509. 258  Briggs, Agreements, Rn. 8.16; Dinelli, Melbourne U. L. Rev. 2015, S. 1023, 1029; vgl. auch Tan, Texas Int. Law Journal 2005, S. 623, 635 f.; Tan/Yeo, LMCLQ 2007, S.  435 f. 259  Donohue v. Armco Inc. and others [2002] 1 Lloyd’s Rep. 425. 260  Cuniberti/Requejo, ERA 2011, S. 7, 11; Tan, Texas Int. Law Journal 2005, S. 623, 636.



A. Gerichtsstandsvereinbarungen nach der EuGVVO111

zesskosten unterschieden, weshalb sämtliche Prozesskosten, auch die über die Konstellation aus Union Discount Co. Ltd. v. Zoller hinausgehenden Kosten zur Verhandlung in der Sache selbst, zu ersetzen seien.261 Es erscheint zweifelhaft, ob das House of Lords tatsächlich eine vermeintlich gefestigte Rechtsprechung des Court of Appeal ändern wollte, da zwischen beiden Urteilen nur etwa drei Wochen liegen.262 Auch Yeos und Tans Interpretation von Lord Scotts Ausführungen zu den Prozesskosten im obiter dictum ist nicht zwingend. Ihnen ist aber zuzugeben, dass sich das obiter dictum durchaus so lesen lässt, dass das House of Lords den Schadensersatzanspruch auch für die Prozesskosten gewähren würde, die für die Verteidigung in der Sache vor dem forum derogatum angefallen sind. Dann würde er sich auch auf die Prozesskosten für die Verhandlung zur Sache erstrecken. Besondere Gewähr bieten die Ausführungen Lord Scotts, zumal in einem obiter dictum, allerdings nicht. Eindeutiger ist die Entscheidung A / S D / S Svendborg and D / S af 1912 A / S v. Ali Hussein Akar von 2003.263 Maersk Sealand verlangte von mehreren Parteien einer Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten englischer Gerichte Schadensersatz wegen der Missachtung dieser Gerichtsstandsvereinbarung durch Klagen in Hong Kong und Guinea. Diesen Klagen lagen Manipulationen der dortigen Kläger zugrunde, die einen Prozessbetrug nahelegten. Der High Court sprach Maersk Sealand die gesamten Prozesskosten (also für die Zuständigkeitsrüge wie für die Verhandlung zur Sache) für das bereits rechtskräftig abgeschlossene Verfahren in Guinea und einen Freistellungsanspruch hinsichtlich der Prozesskosten des noch nicht abgeschlossenen Verfahrens in Hong Kong zu. Mit dieser Entscheidung wich der High Court definitiv von den Voraussetzungen in Union Discount Co. Ltd. v. Zoller ab. Darin dürfte allerdings keine Erweiterung der englischen Rechtsprechung zu sehen sein. Die Entscheidung ist eher dergestalt einzuordnen, dass die englische Rechtsprechung weiterhin einen Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung grundsätzlich nur gewährt, wenn damit das Urteil des forum derogatum nicht in Frage gestellt wird (also die Konstellation von Union Discount Co. Ltd. v. Zoller). A / S D / S Svendborg and D / S af 1912 A / S v. Akar stellt hierzu eine Ausnahme dar. Nur wenn das Verhalten des Klägers am forum derogatum besonders verwerflich ist, in diesem Fall etwa 261  Yeo/Tan,

in: Worthington, Commercial Law, S. 403, 405. Entscheidung Union Discount Co. Ltd. v. Zoller erging am 21. November 2001, Donohue v. Armco Inc. am 13. Dezember 2001. Beide wurden erst 2002 ver­ öffentlicht. 263  A/S D/S Svendborg and D/S af 1912 A/S (Trading as Maersk Sealand) v. Ali Hussein Akar and others [2003] E.W.H.C. 797. 262  Die

112

3. Teil: Vertraglicher Schadensersatz

einen Prozessbetrug vermuten lässt, sind auch solche Prozesskosten zu ersetzen, die dem Urteil des forum derogatum widersprechen.264 Diese Voraussetzungen erscheinen vergleichbar streng wie die Voraussetzungen, die die deutsche Rechtsprechung für den Schadensersatzanspruch wegen missbräuchlichen Prozessverhaltens nach § 826 BGB aufstellt. Auch im deutschen Recht kann die Rechtskraft einer Entscheidung nur durchbrochen werden, wenn die strengen Voraussetzungen des § 826 BGB vorliegen. Sowie im deutschen Recht der Schadensersatzanspruch nach § 826 BGB strengere Kriterien erfüllen muss als der gem. § 280 Abs. 1 BGB, betrifft auch A / S D / S Svendborg and D / S af 1912 A / S v. Akar einen besonders verwerflichen Ausnahmefall, der nicht auf den allgemeinen vertraglichen Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung zu übertragen ist. Zusammenfassend lässt sich für die englische Rechtsprechung festhalten, dass sie zwar den Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung anerkennt, dessen Reichweite allerdings beschränkter ist, als es manche Darstellung in Kontinentaleuropa vermuten lässt. Prozesskosten sind grundsätzlich nur zu ersetzen, wenn hierdurch kein Widerspruch zu der Entscheidung des forum derogatum entsteht, was etwa bei den Kosten für die Zulässigkeitsrüge der Fall ist. Einen darüber hinausgehenden Anspruch erkennt die englische Rechtsprechung grundsätzlich nicht an, Ausnahmen sind in Fällen besonders schwerwiegender Pflichtverletzungen einer Partei möglich, die im deutschen Recht von § 826 BGB erfasst wären. Zudem hat die englische Rechtsprechung – soweit ersichtlich – den Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung bisher nur gewährt, wenn das forum derogatum in einem Staat lag, der weder Mitgliedstaat der EuGVVO noch des LugÜ ist. b) Australien Australische Gerichte beschäftigten sich ebenfalls bereits relativ früh mit der Frage der Schadensersatzpflicht, wobei die erste Entscheidung den Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer Schiedsvereinbarung betrifft. Dieser Entscheidung, Anderson v. G. H. Mitchell & Sons Ltd. des High Court of Australia von 1941265, lag ein Kaufvertrag zugrunde, bei dessen Ausführung der Käufer die Annahme der Ware verweigert. Trotz der im schriftlichen Kaufvertrag bestimmten Schiedsvereinbarung erhob der Verkäufer Klage vor einem staatlichen Gericht. Der High Court führte aus, dass der 264  So

auch Tan, Texas Int. Law Journal 2005, S. 623, 636. v. G. H. Mitchell & Sons Ltd. [1941] 65 CLR 543.

265  Anderson



A. Gerichtsstandsvereinbarungen nach der EuGVVO113

Partei, deren Vertragspartner unter Missachtung einer Schiedsvereinbarung klagt, ein Schadensersatzanspruch zustehen könne. Dies komme jedoch nur in Betracht, wenn die Parteien eine ausschließliche Schiedsvereinbarung getroffen hätten. Da es an dieser Voraussetzung fehlte, gewährte der High Court dem abredewidrig Verklagten nicht den Schadensersatzanspruch.266 Vereinzelt wird diese Entscheidung als Begründung für den Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung herangezogen.267 Besonders überzeugend erscheint das allerdings nicht. Das Urteil setzt sich mit einem ganz spezifischen Phänomen der Schiedsvereinbarung im australischen Schiedsrecht des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts268 auseinander, nämlich der nicht ausschließlichen Schiedsvereinbarung. Die Entscheidung bestätigt allenfalls das zur nicht ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung gefundene Ergebnis, dass deren Missachtung keine Schadensersatzpflicht begründet.269 Bemerkenswert ist an dieser Entscheidung allerdings die Selbstverständlichkeit, mit der der High Court in einem obiter dictum den Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer Schiedsvereinbarung bejaht, offensichtlich ohne an seiner Berechtigung auch nur geringste Zweifel aufkommen zu lassen. Ähnlich verhält es sich mit der Entscheidung Compagnie des Messageries Maritimes v. Wilson von 1954.270 Die Parteien hatten eine Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten der Gerichte Frankreichs getroffen, die Wilson durch eine Klage vor australischen Gerichten brach. Der High Court of Australia wies die Zuständigkeitsrüge der Compagnie des Messageries Maritimes mit der Begründung zurück, dass die Gerichtsstandsvereinbarung unwirksam sei, da sie den australischen Gerichten die Zuständigkeit entziehe (ousting of jurisdiction).271 Wiederum in Form des obiter dictum führte der High Court aus, dass sich derjenige, der unter Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung Klage erhebe, grundsätzlich schadensersatzpflichtig mache. Unter Verweis auf die Entscheidung Anderson v. G. H. Mitchell & Sons Ltd. bezeich266  Anderson

v. G. H. Mitchell & Sons Ltd. [1941] 65 CLR 543, 550 f. LMCLQ 1998, S. 182, 225. 268  Der Australian Arbitration Act von 1891 galt bis 1935. 269  Siehe 3. Teil, A. I. 4. 270  Compagnie des Messageries Maritimes v. Wilson [1954] 94 CLR 577. 271  Dies ergab sich zum Zeitpunkt der Entscheidung aus Sect. 9 Abs. 2 des australischen Sea-Carriage of Goods Act von 1924. Er trat am 31. Oktober 1991 außer Kraft und lautete: „Any stipulation or agreement, whether made in the Commonwealth or elsewhere, purporting to oust or lessen the jurisdiction of the Courts of the Commonwealth or of a State in respect of any bill of lading or document relating to the carriage of goods from any place outside Australia to any place in Australia shall be illegal, null and void, and of no effect“. 267  Peel,

114

3. Teil: Vertraglicher Schadensersatz

nete der High Court das Risiko, durch eine solche Klage zum Schadensersatz verurteilt zu werden, sogar ausdrücklich als hoch.272 Australische Entscheidungen aus dem 21. Jahrhundert sind zurückhaltender als die zitierten Entscheidungen aus dem 20. Jahrhundert. In dem Urteil Incitec Ltd v. Alkimos Shipping Corp.273 aus dem Jahr 2004 hörte der Federal Court of Australia den australischen Kläger an, der unter Verstoß gegen eine Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten englischer Gerichte klagte. Der Federal Court wies allerdings ausdrücklich auf die Missachtung der Gerichtsstandsvereinbarung hin, die er als vertraglich qualifizierte, und hörte die Parteien nur bezüglich der Kosten an.274 Hieraus mag man den Schluss ziehen, der Federal Court habe die Missachtung der Gerichtsstandsvereinbarung im Rahmen der (nicht veröffentlichten) Kostenentscheidung berücksichtigt.275 Das würde eine indirekte Anerkennung des Schadensersatzanspruchs bedeuten, jedenfalls aber der Prämisse, dass die Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung einen Kostenerstattungsanspruch des abredewidrig Verklagten begründen kann. Die Entscheidungen der australischen Gerichte lassen sich dergestalt zusammenfassen, dass man sich in Australien zwar früh auf den Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung bezogen hat, dies allerdings stets nur in obiter dicta. Im Gegensatz zu den englischen Gerichten haben die australischen Gerichte bisher nie eine Partei, die eine Gerichtsstandsvereinbarung gebrochen hat, auch tatsächlich zum Schadensersatz verurteilt. Auch wenn australische Gerichte das Thema gelegentlich in obiter dicta aufgreifen, hat eine wirkliche Auseinandersetzung hiermit in Australien bisher noch nicht stattgefunden.276 c) USA Als erste Entscheidung in den USA wird vereinzelt bereits Nute v. Hamilton Mutual Insurance Co. aus dem Jahr 1856277 herangezogen.278 Das Urteil 272  Compagnie des Messageries Maritimes v. Wilson [1954] 94 CLR 577, 587: „If one party proceeded before a tribunal other than the designated tribunal, they would entertain an action for damages at the suit of the other party – a risk which, having regard to the measure of damages, „the claimant could lightly encounter““. 273  Incitec Ltd v. Alkimos Shipping Corp. [2004] FCA 698. 274  Incitec Ltd v. Alkimos Shipping Corp. [2004] FCA 698, Rn. 67: „I am mindful that my conclusion is one which permits the owner to undertake a course contrary to its contract. […] I will hear the parties on costs“. 275  So Takahashi, YPIL 2008, S. 57, 74. 276  So auch Dinelli, Melbourne U. L. Rev. 2015, S. 1023, 1028. 277  Nute v. Hamilton Mutual Insurance Co [1856] 72 Mass. 174. 278  Peel, LMCLQ 1998, S. 182, 225.



A. Gerichtsstandsvereinbarungen nach der EuGVVO115

gibt allerdings nur in einem Nebensatz des Tatbestands wieder, dass die Parteien über Schadensersatzansprüche wegen der Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung diskutiert hätten, ohne jedoch einen entsprechenden Antrag zu stellen.279 Der Supreme Judicial Court of Massachusetts musste daher zur Frage des Schadensersatzanspruchs wegen der Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung nicht Stellung beziehen. In der Entscheidung Wells v. Entre Computer Centers, Inc. von 1990280 äußerte sich der United States Court of Appeals of the Fourth Circuit in einer Fußnote zum Thema Schadensersatz wegen der Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung. Er führt aus, er kenne keinen entsprechenden Präzedenzfall281, was wohl nicht als Argument gegen den Anspruch, sondern eher als Beschreibung des damaligen Stands der Rechtsprechung zu werten ist. Auch die Entscheidung Omron Healthcare Inc. v. MacLaren Exports Ltd. von 1994282 beschäftigte sich nur inzidenter mit dem Schadensersatzanspruch, dürfte aber immerhin das früheste US-amerikanische Urteil sein, das den Anspruch – wenn auch in einem obiter dictum – ausdrücklich bejaht.283 Der United States Court of Appeals for the Seventh Circuit führte aus: „Omron signed a contract promising to litigate in the High Court of Justice, or not at all. It broke that promise. Instead of seeking damages for breach of contract, MacLaren is content with specific performance“284. Damit drückte das Gericht aus, dass es den Schadensersatzanspruch in Fällen der Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung dem Grunde nach anerkennt. Das erste US-amerikanische Urteil, in dem ein Gericht tatsächlich einer Partei Schadensersatz wegen der Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung zusprach, war Laboratory Corp. of America Inc. v. Upstate Testing Laboratory aus dem Jahr 1997.285 Der Entscheidung lag eine Klage der Laboratory Corp. zugrunde, mit der diese Schadensersatz verlangte, weil die Upstate Testing Laboratory entgegen einer Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten der Gerichte von Illinois Klage vor einem New Yorker Gericht erhoben 279  Nute v. Hamilton Mutual Insurance Co [1856] 72 Mass. 174, 178: „The plaintiff takes issue with them on the question of breach and damages; no question is presented to this court on the subject“. 280  Wells v. Entre Computer Centers, Inc. [1990] 915 F.2d 1566. 281  Wells v. Entre Computer Centers, Inc. [1990] 915 F.2d 1566, Fn. 3: „Entre knows of no case, however, nor do we, in which a court has awarded damages because a plaintiff brought suit in a forum other than the one to which it had contractually agreed“. 282  Omron Healthcare Inc. v. MacLaren Exports Ltd. [1994] 28 F.3d 600. 283  Vgl. Tan, Texas Int. Law Journal 2005, S. 622, 633. 284  Omron Healthcare Inc. v. MacLaren Exports Ltd. [1994] 28 F.3d 600, 604. 285  Laboratory Corp. of America Inc. v. Upstate Testing Laboratory [1997] 967 F.Supp. 295.

116

3. Teil: Vertraglicher Schadensersatz

hatte. Das Gericht in New York wies die Klage aufgrund der Gerichtsstandsvereinbarung ab. Das Urteil ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert. Zunächst ist die Begründung für den Schadensersatz äußert lakonisch, obwohl das Urteil das erste seiner Art in den Vereinigten Staaten ist. Die Einzelrichterin am United States District Court for the Northern District of Illinois begründete den Anspruch mit nur zwei Sätzen: „Upstate’s initiation of a lawsuit in New York violated the forum selection clause. LabCorp has a right to enforce that provision and recover damages for its breach“. Ferner verweist das Urteil zur Begründung auf die bereits zitierte Entscheidung Omron Healthcare Inc. v. MacLaren Exports Ltd. als Präzedenzfall, obwohl diese Entscheidung den Schadensersatzanspruch nicht gewährte und sich mit ihm nur ganz beiläufig befasste. Die weitere, zur Begründung zitierte Entscheidung Northwestern National Insurance Co. v. Donovan286 setzt sich überhaupt nicht mit der Frage nach Schadensersatzansprüchen wegen der Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung auseinander.287 Zuletzt darf man nicht übersehen, dass es sich bei einem District Court um ein erstinstanzliches Gericht handelt288, das Urteil also nicht das Gewicht einer ober- oder höchstinstanzlichen Entscheidung besitzt. Trotz des geringen Begründungsaufwands und der „niedrigen“ Stellung des erkennenden Gerichts im Instanzenzug verweisen viele amerikanische Entscheidungen der Folgejahre auf Laboratory Corp. v. Upstate Testing Laboratory. In der Entscheidung Allendale Mutual Insurance Co. v. Excess Insurance Co., Ltd., ebenfalls von 1997289, gab der United States District Court for the Southern District of New York unter Verweis auf Laboratory Corp. of America Inc. v. Upstate Testing Laboratory einer Schadensersatzklage wegen der Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten US-amerikanischer Gerichte durch eine Klage in England statt. Das englische Gericht hatte die Klage aufgrund der Gerichtsstandsvereinbarung abgewiesen. Der District Court verurteilte die Beklagte, der Klägerin die „still uncompensated expenses it incurred defending the English action“ zu ersetzen.290 Der Formulierung „still uncompensated“ lässt sich entnehmen, dass die Kostenentscheidung des englischen Gerichts bei der Schadenshöhe als Abzugsposten zu berücksichtigen ist.291 286  Northwestern 287  Ausführlich

National Insurance Co. v. Donovan [1990] 916 F.2d 372. zur Kritik an der Entscheidung: Tan, Texas Int. Law Journal 2005,

S.  622, 633 f. 288  Eichel, RIW 2009, S. 289, 291; Halberstam, RabelsZ 2002, S. 216, 224; Niehoff, Compulsory counterclaims, S. 13. 289  Allendale Mutual Insurance Co. v. Excess Insurance Co., Ltd. [1997] 992 F. Supp. 271. 290  Allendale Mutual Insurance Co. v. Excess Insurance Co., Ltd. [1997] 992 F. Supp. 271, 286. 291  Siehe hierzu ausführlich unter 3. Teil, A. V. 1.



A. Gerichtsstandsvereinbarungen nach der EuGVVO117

Sowohl Allendale Mutual Insurance. Co. v. Excess Insurance Co., Ltd. als auch Laboratory Corp. v. Upstate Testing Laboratory ähneln der Konstellation der englischen Entscheidung Union Discount Co. Ltd. v. Zoller, weil in den drei Fällen das jeweilige derogierte Gericht nicht in der Sache entschied. Damit stellt sich jeweils nicht die Frage, inwiefern die Schadensersatzentscheidung dem Urteil des forum derogatum widerspricht. Auch weitere Entscheidungen, in denen US-Gerichte den Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung gewährten, betrafen jeweils nicht die komplizierte Frage des Verhältnisses zwischen dem Urteil des forum derogatum und des Gerichts der Schadensersatzklage, weil jeweils kein Sachurteil des forum derogatum erging. Beispiele hierfür sind die Entscheidungen Caribbean Wholesales & Service Corp. v. US JVC Corp. von 1997292, Taylor v. Bevinco Bar Systems, ebenfalls von 1997293, und Indosuez International Finance, B.V. v. National Reserve Bank294 aus dem Jahr 2002. d) Spanien Das – soweit ersichtlich – erste und einzige Urteil eines obersten kontinentaleuropäischen Gerichts295 zum Thema Schadensersatz wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung ist das bereits erwähnte Urteil des spanischen Tribunal Supremo aus dem Jahr 2009.296 Die Parteien hatten eine Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten der Gerichte in Barcelona getroffen, die eine Partei, die Planet Barcelona S.L., durch eine Klage in Höhe von 455.000.000 € vor dem United States District Court for the Southern District of Florida brach. Ähnlich wie das New Yorker Gericht in der Entscheidung Union Discount v. Zoller konnte das floridianische Gericht, als es die Klage angesichts der Gerichtsstandsvereinbarung abwies, aufgrund seines Verfahrensrechts der Beklagten, der Usa Sogo Inc., keinen Kostenerstattungsanspruch zubilligen. Der Beklagten entstanden Anwaltskosten in Höhe von beinahe 850.000 €. Diese Kosten machte sie mittels einer Schadensersatzklage wegen der Missachtung der Gerichtsstandsvereinbarung in Barcelona geltend, der der Tribunal Supremo letztinstanzlich stattgab. Der Tribunal Supremo griff dabei – im Gegensatz zu den zitierten angelsächsischen Gerichten – auch die Frage auf, ob die Gerichtsstandsvereinba292  Caribbean Wholesales & Service Corp. v. US JVC Corp. [1997] 963 F. Supp. 1342 (S.D.N.Y). 293  Taylor v. Bevinco Bar Systems Ltd. [1997] No. CV 95-764 TUC NF (RMB) U.S. Dist. Arizona. 294  Indosuez International Finance B.V. v. National Reserve Bank [2002] 98 N.Y.2d 238. 295  Álvarez González, IPRax 2009, S. 529; Requejo Isidro, REEI 2009, S. 1. 296  Sent. TS núm, 6//2009 vom 12 Januar 2009.

118

3. Teil: Vertraglicher Schadensersatz

rung eine materiellrechtliche Verpflichtungswirkung erzeuge. Die ersten beiden Instanzen nahmen eine Missachtung der Gerichtsstandsvereinbarung an, sahen hiergegen allerdings allein die Zuständigkeitsrüge als einschlägig an.297 Der Tribunal Supremo hingegen wertete die Gerichtsstandsvereinbarung als eine Abrede, die materielle Verpflichtungen erzeuge. Es war der Auffassung, dass eine Gerichtsstandsvereinbarung eine Nebenpflicht (deber accesorio298) begründe, bei deren Verletzung ein vertraglicher Schadensersatzanspruch bestehe.299 Eine tiefergehende Begründung für diese Behauptung nannte der Tribunal Supremo allerdings nicht.300 Stattdessen griff es das auch in der spanischen Literatur301 verbreitete Argument auf, der Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung habe die Funktion, das wirtschaftliche Gleichgewicht des Hauptvertrags wiederherzustellen. Da die Parteien eine Gerichtsstandsvereinbarung oft nur nach längeren Verhandlungen und gewissen Konzessionen einer Seite abschlössen, sei durch die abredewidrige Klage das wirtschaftliche Gleichgewicht des Hauptvertrags gestört.302 e) Zwischenergebnis Der Überblick über die Rechtsprechung in den Ländern, die den Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung kennen, ist eher ernüchternd. Auch wenn die Frage alt ist und in den USA bereits Mitte des 19. Jahrhunderts303 und in England Anfang des 20. Jahrhunderts304 thematisiert wurde, hat die Dogmatik in der Rechtsprechung keine nennenswerten Fortschritte gemacht. Eine vertiefte Auseinandersetzung fand 297  Sent. TS núm, 6//2009 vom 12 Januar 2009, S. 11: „En línea con la sentencia apelada, entendió el demandado, que la única consecuencia del incumplimiento del pacto de jurisdicción ha de ser el rechazo de la demanda, al no ser aplicable la normativa del incumplimiento de las obligaciones contractuales, ya que se trata de una cláusula de carácter procesal autónoma“. 298  Daum/Sánchez López/Becher, Rechtswörterbuch Spanisch, S. 526. 299  Sent. TS núm, 6//2009 vom 12 Januar 2009, S. 38: „El pacto de sumisión […] incorporado a la relación contractual como una más de las reglas de conducta a que han de atenerse las partes, genera un deber, aunque pueda entenderse accesorio, cuyo incumplimiento, a efectos de determinar su trascendencia desde el punto de vista de la responsabilidad contractual“. 300  Kritisch demgegenüber: Álvarez González, IPRax 2009, S. 529, 530. 301  Siehe 3. Teil, A. II. 4. 302  Sent. TS núm, 6//2009 vom 12. Januar 2009, S. 28. 303  Nute v. Hamilton Mutual Insurance Co [1856] 72 Mass. 174, 178. 304  Ellerman Lines Limited v. Read [1928] 2 KB 144.



A. Gerichtsstandsvereinbarungen nach der EuGVVO119

in der Rechtsprechung bei vielen kritischen Fragen noch nicht statt. Offen blieben etwa die Fragen, ob der Gerichtsstandsvereinbarung eine materielle Verpflichtungswirkung zukommt, ob der Schadensersatzanspruch vertraglicher oder außervertraglicher Natur ist und wie sich die Rechtskraft der Entscheidung des forum derogatum auf das Schadensersatzurteil auswirkt. US-amerikanische Gerichte waren die ersten, die ab den 1990er Jahren Parteien zum Schadensersatz wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung verurteilten. Die erste, oft als Präzedenzfall herangezogene Entscheidung Laboratory Corp. v. Upstate Testing Laboratory ist allerdings wenig überzeugend, weil sie von einem erstinstanzlichen Gericht stammt und ihr eine Begründung oder eine Auseinandersetzung mit den dogmatischen Problemen des Anspruchs fehlt. Britische Gerichte gewährten den Schadensersatzanspruch erst im 21. Jahrhundert. Die maßgebliche Entscheidung ist Donohue v. Armco Inc., weil das House of Lords hier zum ersten Mal eine Partei zum Schadensersatz wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung verurteilte. In Australien gibt es zwar vereinzelt recht frühe Urteile, die sich bereits mit dem Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung befassen. Bisher haben australische Gerichte allerdings noch keine Partei tatsächlich zum Schadensersatz verurteilt. Das offensichtlich einzige kontinentaleuropäische Urteil zu diesem Thema, das Urteil des spanischen Tribunal Supremo von 2009, geht einigen Fragen etwas vertiefter nach und bezeichnet die Einhaltung der Gerichtsstandsvereinbarung etwa ausdrücklich als vertragliche Nebenpflicht. Auch hier bleibt allerdings eine Vielzahl von Fragen offen.305 Alle Urteile haben die Gemeinsamkeit, dass sie den offenen Konflikt mit der Entscheidung des derogierten Gerichts vermeiden. Sie beziehen sich ausschließlich auf Fälle, in denen das forum derogatum die Klage abgewiesen hat, häufig ohne eine Kostenentscheidung zu treffen. Eine Ausnahme hierzu stellt A / S D / S Svendborg and D / S af 1912 A / S v. Akar dar. In dieser Entscheidung gewährte der High Court den Schadensersatzanspruch, obwohl das forum derogatum in der Sache zulasten des späteren Schadensersatzklägers entschieden hatte, weil es das Verhalten der Beklagten als Prozessbetrug qualifizierte. Es finden sich auch keine Entscheidungen europäischer Gerichte, die den Schadensersatzanspruch gegen das Urteil eines in einem Mitgliedstaat der EuGVVO oder des LugÜ liegenden forum derogatum gewähren.

305  Siehe

hierzu Álvarez González, IPRax 2009, S. 529, 531 f.

120

3. Teil: Vertraglicher Schadensersatz

7. Das Prinzip des gegenseitigen Vertrauens Stammt die Entscheidung des derogierten Gerichts aus einem EU-Mitgliedstaat, stellt sich die Frage, ob der Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung mit dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens vereinbar ist.306 Generalanwalt Darmon war – soweit ersichtlich – der erste, der dieses heute zentrale Prinzip der justiziellen Zusammenarbeit innerhalb der Europäischen Union offiziell erwähnte.307 Darmon beschrieb das Vertrauen, das die Mitgliedstaaten ihren jeweiligen Rechtssystemen und Rechtspflegeorganen entgegenbrächten, als Grundlage für die Anerkennung von Entscheidungen aus anderen EU-Mitgliedstaaten. Dieses Vertrauen erlaube es, auf nationale Vorschriften zur Anerkennung und Vollstreckbarerklärung von Urteilen aus dem EU-Ausland zu verzichten.308 Eine Ausnahme hiervon sei nur in gravierenden Ausnahmefällen möglich wie etwa bei Verstößen gegen die öffentliche Ordnung, bei Verletzungen des Rechts auf rechtliches Gehör und bei Unvereinbarkeit mit einer anderen Entscheidung.309 Diese extensive Handhabung des Vertrauensgrundsatzes durch den EuGH ist überzeugend und steht im Einklang mit den Anforderungen des Europarechts, insbesondere des Art. 81 Abs. 1 Satz 1 AEUV. Nach dieser Vorschrift beruht die justizielle Zusammenarbeit der EU in Zivilsachen mit grenzüberschreitendem Bezug auf dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher und außergerichtlicher Entscheidungen. Die justizielle Zusammenarbeit – ein wesentlicher Pfeiler der europäischen Integration – ist nur zu bewerkstelligen, wenn die Mitgliedstaaten ihren Rechtssystemen gegenseitig das erforderliche Vertrauen schenken und mitgliedstaatliche Entscheidungen anerkennen. Die Anerkennungsverweigerung nach Art. 45 EuGVVO und das damit verbundene Misstrauen gegenüber mitgliedstaatlichen Entscheidungen ist auf ein Mindestmaß zu begrenzen, um eine effektive justizielle Zusammenarbeit zu ermöglichen. Die EuGVVO a. F. war der erste Rechtsakt, der sich in Erwägungsgrund 16 und 17 ausdrücklich auf das Vertrauensprinzip bezog. Inhaltlich orientierte sich die Formulierung eng an den Ausarbeitungen Darmons. Die EuG306  Dogmatisch ließe sich auch vertreten, die Einschränkungen des Schadensersatzanspruchs durch das Prinzip des gegenseitigen Vertrauens, die Anerkennung und die Rechtskraft unter dem Gesichtspunkt des Schadensumfangs zu prüfen. 307  Schlussantrag des Generalanwalts vom 02.12.1992, RS. C-172/91, BeckEuRS 1992, 190258. 308  Schlussantrag des Generalanwalts vom 02.12.1992, RS. C-172/91, Rn. 71  f., BeckEuRS 1992, 190258. 309  Schlussantrag des Generalanwalts vom 02.12.1992, RS. C-172/91, Rn. 72, BeckEuRS 1992, 190258.



A. Gerichtsstandsvereinbarungen nach der EuGVVO121

VVO n. F. erwähnt das Vertrauensprinzip in Erwägungsgrund 26. Der EuGH zieht das Prinzip seit der grundlegenden Gasser-Entscheidung von 2003 zur Begründung heran.310 Nach dem EuGH verbietet es das Prinzip des gegenseitigen Vertrauens den Gerichten eines Mitgliedstaats, die Zuständigkeit der Gerichte eines anderen Mitgliedstaats zu prüfen.311 Da für alle Mitgliedstaaten dieselben Zuständigkeitsregeln gälten, könne sie jedes Gericht mit der gleichen Sachkenntnis auslegen und anwenden.312 Von der ersten Erwähnung des Vertrauensgrundsatzes bis zur aktuellen Rechtsprechung des EuGH ist die Wirkungsweise des Prinzips gleichgeblieben: Das Vertrauensprinzip ist keine Aussage des Primärrechts, die das gesamte Unionsrecht überformen würde. Vielmehr ist in jedem Einzelfall zu prüfen, ob der Vertrauensgrundsatz bestimmte Anforderungen an die Anwendung des Sekundärrechts stellt.313 Wie jedes Prinzip ist auch das Prinzip des gegenseitigen Vertrauens – jedenfalls bei „außergewöhnlichen Umstän­ den“314 – gegen widerstreitende Prinzipien und Interessen abzuwägen. Der EuGH hat wiederholt klargestellt, dass der Vertrauensgrundsatz nicht unbedingt gilt, sondern durch wesentliche Ordnungsprinzipien und zentrale Aussagen des Rechtsstaatsgebots wie etwa das Recht auf rechtliches Gehör und eine effektive Verteidigung begrenzt ist.315

310  EuGH,

09.12.2003, RS. C-116/02, Gasser, Rn. 72, EuZW 2004, 188, 192. 27.06.1991, RS. C-351/89, Overseas Union Insurance, Rn. 26, NJW 1992, 3221, 3222; EuGH, 27.04.2004, RS. C-159/02, Turner/Grovit u. a., Rn. 26, EuZW 2004, 468, 469. 312  EuGH, 27.06.1991, RS. C-351/89, Overseas Union Insurance, Rn. 23, NJW 1992, 3221, 3222; EuGH, 09.12.2003, RS. C-116/02, Gasser, Rn. 48, EuZW 2004, 188, 191; EuGH, 27.04.2004, RS. C-159/02, Turner/Grovit u. a., Rn. 25, EuZW 2004, 468, 469. Siehe zur Entwicklung des Vertrauensprinzips Kaufhold, EuR 2012, S. 408, 410 ff. 313  Kaufhold, EuR 2012, S. 408, 428 f. 314  EuGH, 05.04.2016, RS. C-404/15, C-659/15, Aranyosi  und  Căldăraru, Rn. 82, NJW 2016, 1709, 1712. 315  Schlussantrag des Generalanwalts vom 02.12.1992, RS. C-172/91, Rn. 72, BeckEuRS 1992, 190258; Schlussantrag des Generalanwalts vom 14.12.2004, RS. C-281/02, Rn. 144, BeckEuRS 2004, 396280; EuGH, 06.09.2012, RS. C-619/10, Trade Agency, Rn. 42 ff., EuZW 2012, 912, 914; EuGH, 23.10.2014, RS. C-302/13, Lithuanian Airlines, Rn. 46 ff., GRUR Int. 2014, 1172, 1176; EuGH, 19.11.2015, RS. C-455/15 PPU, P/Q, Rn. 36  ff., NJW 2016, 307, 308; EuGH, 05.04.2016, RS. C-404/15, C-659/15, Aranyosi und Căldăraru, Rn. 82 ff., NJW 2016, 1709, 1712. Zum Verhältnis von Vertrauensgrundsatz und Verteidigungsrechten: Pluyette, Etudes Bellet, S. 427, 430 ff. 311  EuGH,

122

3. Teil: Vertraglicher Schadensersatz

a) Rechtshängigkeit der Klage vor dem forum derogatum In Hinblick auf die Frage, ob der Schadensersatzanspruch mit dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens vereinbar ist, sind mehrere Konstellationen zu unterscheiden. Zunächst ist die Konstellation auszuschließen, in der die Klage vor dem mitgliedstaatlichen forum derogatum noch anhängig ist316 und der am forum derogatum Beklagte währenddessen eine Schadensersatzklage an einem Gericht in einem anderen Mitgliedstaat erhebt.317 Diese Situation ist strenggenommen keine Frage des gegenseitigen Vertrauens, sondern der Rechtshängigkeitsregeln. Nach Art. 30 Abs. 1 EuGVVO kann ein später angerufenes Gericht das Verfahren aussetzen, wenn bei einem anderen mitgliedstaatlichen Gericht bereits ein hiermit in Zusammenhang stehendes Verfahren anhängig ist. Art. 30 Abs. 3 EuGVVO enthält eine Legaldefinition des Zusammenhangs zwischen zwei Verfahren. Ein solcher liegt vor, wenn eine so enge Beziehung zwischen beiden Verfahren besteht, „dass eine gemeinsame Verhandlung und Entscheidung geboten erscheint, um zu vermeiden, dass in getrennten Verfahren widersprechende Entscheidungen ergehen könnten“. Die Gefahr sich widersprechender Entscheidungen ist nach der Rechtsprechung des EuGH im Interesse einer effektiven Rechtspflege extensiv auszulegen.318 Es genügt ein zusammenhängender Lebenssachverhalt zwischen beiden Verfahren, der die irgendwie geartete Gefahr sich widersprechender Entscheidungen birgt.319 Da der Schadensersatzanspruch eine direkte Folge des abredewidrig angestrengten Prozesses ist und darauf abzielt, den aus dem Prozess vor dem forum derogatum resultierenden Schaden auszugleichen, liegt beiden Verfahren ein zusammenhängender Lebenssachverhalt zugrunde. Solange das Verfahren vor dem forum derogatum nicht abgeschlossen ist, stehen die einzelnen Schadenspositionen für den Schadensersatzanspruch noch nicht fest. Damit könnte eine Schadensersatzklage noch gar keine Kompensation für alle erlittenen Verluste bieten und zudem wäre das Risiko sich widersprechender Entscheidungen besonders hoch. 316  Unter welchen Voraussetzungen eine Klage vor dem forum derogatum im Anwendungsbereich der EuGVVO in Anbetracht von Art. 31 Abs. 2 noch möglich ist, ist unter 2. Teil, A. III. 2. a) dargestellt. 317  Dass es solche Konstellationen aus wirtschaftlich nachvollziehbaren Gründen wie Eilbedürftigkeit und Verhinderung weiterer Schäden gibt, verdeutlicht – wenn auch außerhalb des Anwendungsbereichs der EuGVVO – A/S D/S Svendborg and D/S af 1912 A/S v. Akar. 318  EuGH, 06.12.1994, RS.  C-406/92, Tatry/Maciej Rataj, Rn. 53, BeckEuRS 1994, 203930. 319  Gebauer, in: Gebauer/Wiedmann, Zivilrecht, Kap. 27, Art. 27 EuGVVO a. F., Rn. 146; Kropholler/von Hein, EuZPR, Art. 28 EuGVVO a. F., Rn. 3–5.



A. Gerichtsstandsvereinbarungen nach der EuGVVO123

Wenn der am mitgliedstaatlichen forum derogatum Beklagte den Schadensersatzanspruch vor Ende des abredewidrigen Verfahrens anhängig macht, kann das (als zweites) angerufene mitgliedstaatliche Gericht das Schadensersatzverfahren – auch von Amts wegen320  – nach Art. 30 Abs. 1 EuGVVO bis zum Ende des abredewidrigen Verfahrens aussetzen.321 Das gerichtliche Ermessen hinsichtlich der Aussetzung ist in einem solchen Fall auf null reduziert.322 b) Das forum derogatum erklärt sich für unzuständig Erhebt der Beklagte des abredewidrigen Verfahrens nach dessen rechtskräftigem Abschluss die Schadensersatzklage, bestehen Schwierigkeiten mit dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens. Hier gilt es zwischen den Fällen zu unterscheiden, in denen sich das mitgliedstaatliche forum derogatum für unzuständig erklärt, in denen es sich ausdrücklich für zuständig erklärt und in denen es von seiner Zuständigkeit ausgeht, sich aber nicht zur Gerichtsstandsvereinbarung äußert. Wenn sich das mitgliedstaatliche forum derogatum aufgrund der Gerichtsstandsvereinbarung für unzuständig erklärt hat, kann ein Gericht aus einem anderen Mitgliedstaat dem Schadensersatzanspruch stattgeben, ohne dabei gegen das Prinzip des gegenseitigen Vertrauens zu verstoßen.323 Hiergegen könnte man mit großer Spitzfindigkeit einwenden, das Vertrauensprinzip sei deshalb beeinträchtigt, weil das Gericht der Schadensersatzklage sich letztlich doch zur Zuständigkeit des forum derogatum äußere, wenn auch in Übereinstimmung mit dessen Entscheidung.324 Immerhin muss es ja im Rahmen des Schadensersatzanspruchs prüfen, ob das forum derogatum unzuständig ist und die abredewidrige Klage deshalb eine Pflichtverletzung darstellt. In der Turner-Entscheidung urteilte der EuGH, „die Prüfung der Zuständigkeit eines Gerichts durch das Gericht eines anderen Vertragsstaats“ sei im Anwendungsbereich der EuGVVO durch den Vertrauensgrund320  Stadler,

in: Musielak, ZPO, Art. 30 EuGVVO, Rn. 5. auch Joseph, Agreements, Rn. 14.13; Mankowski, IPRax 2009, S. 23, 30. 322  Vgl. Dörner, in: Saenger, ZPO, Art. 30 EuGVO, Rn. 5; Stadler, in: Musielak, ZPO, Art. 30 EuGVVO, Rn. 4; Hüßtege, in: Thomas/Putzo, ZPO, Art. 30 EuGVVO, Rn. 8. 323  Bříza, JPIL 2009, S. 537, 550; Cuniberti/Requejo, ERA 2010, S. 1, 17 f.; Jiménez Blanco, AEDIPr 2009, S. 225, 232; Joseph, Agreements, Rn. 14.19; Maire du Poset, Versailles Int. Arbitration 2012, S. 33, 48; E. Pfeiffer, Forum derogatum, S. 484; Sánchez Fernández, YPIL 2010, S. 377, 386; vgl. auch Briggs, Agreements, Rn. 8.17; Ambrose, ICLQ 2003, S. 401, 416. 324  Diese Überlegung deutet Fentiman, JIBFL 2006, S. 304, 306 an. 321  So

124

3. Teil: Vertraglicher Schadensersatz

satz verboten.325 Die hier thematisierte Konstellation verstößt dennoch nicht gegen Sinn und Zweck des Vertrauensprinzips. Erklärt sich das forum derogatum für unzuständig, stimmen seine Entscheidung und die des Gerichts der Schadensersatzklage hinsichtlich der Unzuständigkeit des forum derogatum überein. Dabei nimmt das Gericht der Schadensersatzklage keine eigene Prüfung vor, sondern greift die Zuständigkeitsentscheidung des derogierten Gerichts auf, an die es aus Gründen der Rechtskraft ohnehin gebunden ist.326 Hierin ist kein Misstrauensvorwurf des Gerichts der Schadensersatzklage gegenüber dem derogierten Gericht zu sehen. Es entspricht ja gerade der Regelung in Art. 31 Abs. 2 und 3 EuGVVO, wenn sich das unzuständige Gericht für unzuständig erklärt. Wenn das Gericht der Schadensersatzklage ausspricht, dass das forum derogatum sich nach den Vorschriften der EuGVVO richtig verhalten hat, ist das Prinzip des gegenseitigen Vertrauens nicht betroffen. Die Konstellation aus Union Discount Co. Ltd. v. Zoller327 führt nicht zu Problemen mit dem Vertrauensprinzip. Wenn das forum derogatum die Klage aufgrund der Gerichtsstandsvereinbarung abweist und keine Entscheidung über die Kosten trifft, ergeht ein Prozessurteil ohne weitere Kostenfolge. Das Gericht der Schadensersatzklage kann hier gar nicht sein Misstrauen gegenüber dem forum derogatum zum Ausdruck bringen, weil beide Entscheidungen sich in keiner Weise überschneiden. Das Urteil des forum derogatum äußert sich gar nicht zu den Kosten des Verfahrens vor dem forum derogatum, während das Schadensersatzurteil den durch das Verfahren vor dem forum derogatum entstandenen Schaden kompensiert. Etwas schwieriger wird die Frage, wenn das forum derogatum die Klage abweist und – anders als in Union Discount Co. Ltd. v. Zoller – eine Kostenentscheidung trifft. Hier ist zwar darauf zu achten, dass das Schadensersatzurteil sich nicht in Widerspruch zu der Kostenentscheidung des forum derogatum setzt, dies ist aber keine Frage des gegenseitigen Vertrauens, sondern möglicherweise entgegenstehender Rechtskraft.328 Das Prinzip des gegenseitigen Vertrauens verbietet es nur, dass sich ein Gericht über die Zuständigkeit des anderen äußert. Es spricht jedoch nichts dagegen, dass es – in Übereinstimmung mit der Entscheidung des forum derogatum über dessen Unzuständigkeit – einen Schadensersatzanspruch über die außergerichtlichen Prozess325  EuGH, 27.04.2004, RS. C-159/02, Turner/Grovit u.  a., Rn. 26, EuZW 2004, 468, 469. 326  Siehe zur Begründung 3. Teil, A. II. 9. a). 327  Union Discount Co. Ltd. v. Zoller and others [2002] 1 WLR 1517. Siehe 3. Teil, A. II. 6. a). 328  Siehe hierzu 3. Teil, A. II. 9. c).



A. Gerichtsstandsvereinbarungen nach der EuGVVO125

kosten gewährt.329 Für einen Anspruch auf Ersatz der Prozesskosten gibt es auch dann ein erhebliches praktisches Bedürfnis, wenn das forum derogatum die Klage abgewiesen hat. Selbst die Rechtsordnungen, die einen Kostenerstattungsanspruch kennen, gewähren meistens keinen Ersatz für alle tatsächlich aufgewendeten Kosten, sondern arbeiten mit Pauschalen, die häufig nicht alle Kosten abdecken.330 Ein gutes Beispiel hierfür stellt im deutschen Recht die Rechtsprechung des BGH dar, nach der der prozessuale Kostenerstattungsanspruch für einen ausländischen Korrespondenzanwalt nicht die Kosten für einen deutschen Anwalt nach dem RVG und seinen Anlagen überschreiten darf.331 Diese Begrenzung führt häufig dazu, dass der Obsiegende mittels des prozessualen Kostenerstattungsanspruchs nicht alle außergerichtlichen Kosten ersetzt bekommt. Art. 700 Abs. 2 des französischen Code de Procédure Civile gewährt dem Gericht bei der Kostenentscheidung Ermessen, in welcher Höhe es der obsiegenden Partei einen Kostenerstattungsanspruch zuerkennt.332 Die zuerkannten Beträge sind regelmäßig deutlich niedriger als die tatsächlich angefallenen Kosten.333 Auch Part 44.2 Abs. 1 der englischen und walisischen Civil Procedure Rules sieht vor, dass das Gericht Ermessen ausüben darf, ob und in welcher Höhe es einen Kostenerstattungsanspruch gewährt.334 Man muss nicht den drastischen Vergleich zur American Rule bemühen, um festzustellen, dass der am forum derogatum Beklagte – auch innerhalb des Anwendungsbereichs der EuGVVO – auf einem erheblichen Teil seiner vor dem forum derogatum aufgewendeten außergerichtlichen Kosten sitzenbleiben kann. c) Das forum derogatum erklärt sich für zuständig Zwischenergebnis Wenn sich das forum derogatum in einem Mitgliedstaat für zuständig hält, etwa weil es die Gerichtsstandsvereinbarung fälschlicherweise als unwirksam 329  Bříza,

JPIL 2009, S. 537, 550. Schadensersatz, S. 110 ff.; Maire du Poset, Versailles Int. Arbitration 2012, S. 33, 42; Sievi, DRJ 2012, S. 56, 58; Yeo/Tan, in: Wort­hington, Commercial Law, S. 403, 412. 331  BGH, NJW 2005, 1373, 1374. Siehe hierzu im Detail unter 3. Teil, A. V. 1. 332  Art. 700 Abs. 2 CPC lautet: „Dans tous les cas, le juge tient compte de l’équité ou de la situation économique de la partie condamnée. Il peut, même d’office, pour des raisons tirées des mêmes considérations, dire qu’il n’y a pas lieu à ces condamnations“. 333  Maire du Poset, Versailles Int. Arbitration 2012, S. 33, 42; Schlosser, in: FS Lindacher, S. 111, 116. 334  Part 44.2 Abs. 1 CPR lautet: „The court has discretion as to – (a) whether costs are payable by one party to another; (b) the amount of those costs“. 330  Antomo,

126

3. Teil: Vertraglicher Schadensersatz

erachtet, und das Gericht der Schadensersatzklage in einem anderen Mitgliedstaat dem Schadensersatzanspruch stattgibt, ist das Prinzip des gegenseitigen Vertrauens beeinträchtigt.335 Das Gericht der Schadensersatzklage müsste in einem solchen Fall die Zuständigkeitsentscheidung des derogierten Gerichts für falsch erklären, was mit der EuGH-Rechtsprechung unvereinbar wäre. Vereinzelt haben Autoren bezweifelt, dass in diesen Fällen das Prinzip des gegenseitigen Vertrauens verletzt ist. Sie führen an, das Gericht der Schadensersatzklage urteile die vertragliche Pflichtverletzung des Klägers am forum derogatum ab und nicht die Zuständigkeitsentscheidung des forum derogatum.336 Diese Begründung ähnelt der Dogmatik der anti-suit injunction im Common Law. Auch dort nimmt man traditionell an, die anti-suit injunction würde sich an den – abredewidrig oder anderweitig unzulässig – im Ausland Klagenden richten und nicht die Zuständigkeitsentscheidung des ausländischen Gerichts in Frage stellen.337 Es liegt allerdings auf der Hand, dass diese Auffassung dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens nicht gerecht wird und sicherlich genauso wenig Zuspruch durch den EuGH erfahren würde wie anti-suit injunctions.338 Die EuGVVO schafft ein einheitliches Zuständigkeitsregime für alle Mitgliedstaaten und trifft in Art. 25 und 31 EuGVVO auch Regelungen über Gerichtsstandsvereinbarungen und wie die mitgliedstaatlichen Gerichte mit diesen umzugehen haben. Da für alle Gerichte im Anwendungsbereich der EuGVVO dieselben Regeln gelten, ist im Prinzip von allen Gerichten die gleiche Entscheidung zu erwarten.339 Wenn das forum derogatum entgegen einer wirksamen Gerichtsstandsvereinbarung seine Zuständigkeit bejaht hat, 335  Bříza, JPIL 2009, S. 537, 549; Cuniberti/Requejo, ERA 2010, S. 1, 17 f.; Dutta/ Heinze, ZEuP 2005, S. 428, 461; Jiménez Blanco, AEDIPr 2009, S. 225, 231; Maire du Poset, Versailles Int. Arbitration 2012, S. 33, 48; Sánchez Fernández, YPIL 2010, S. 377, 387; vgl. auch Briggs, Agreements, Rn. 8.17; Ambrose, ICLQ 2003, S. 401, 416. 336  Ambrose, ICLQ 2003, S. 401, 415; Briggs, Doshisha Law Review 09/2005, S. 21, 50, Rn. 40; Takahashi, YPIL 2008, S. 57, 82. 337  Castanho v. Brown Root LTD [1981] AC 557, 572; Dicey & Morris, Conflicts of Laws, Bd. I, Rn. 12-067 ff.; Carducci, Arbitration International 2011, S. 171, 180; Fentiman, JIBFL 2006, S. 304, 306; Fernández Rozas, in: FS Carrillo Salcedo, S. 575, 578; Hartley, Am. Journal of Comparative Law 1987, S. 487, 506; Steinbrück, CJQ 2007, S. 358, 359, Fn. 8. 338  Fentiman, JIBFL 2006, S. 304, 306; Cuniberti/Requejo, ERA 2010, S. 1, 17 f.; Bříza, JPIL 2009, S. 537, 550. 339  EuGH, 27.06.1991, RS. C-351/89, Overseas Union Insurance, Rn. 26, NJW 1992, 3221, 3222; EuGH, 27.04.2004, RS. C-159/02, Turner/Grovit u. a., Rn. 26, EuZW 2004, 468, 469.



A. Gerichtsstandsvereinbarungen nach der EuGVVO127

würde ein entsprechendes Schadensersatzurteil zwangsläufig feststellen müssen, dass die Zuständigkeitsentscheidung des forum derogatum falsch war.340 Während also bei anti-suit injunctions ein Gericht entgegen den Anforderungen der EuGVVO341 darüber entscheidet, wo der Prozess zu führen wäre, befindet es im Rahmen der Schadensersatzklage darüber, wo der Prozess hätte geführt werden müssen.342 Man verschiebt die Zuständigkeitsentscheidung nur zeitlich um eine Stufe, beides widerspricht aber gleichermaßen dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens.343 Nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen würde das Vertrauensprinzip dem Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung nicht entgegenstehen. In allen Fällen, in denen ein Urteil nicht anerkennungsfähig ist (vgl. Art. 45 EuGVVO), ist auch das Vertrauensprinzip nicht beeinträchtigt, wenn das Gericht der Schadensersatzklage über die Zuständigkeit des derogierten Gerichts entscheidet. Der EuGH führte in der Turner-Entscheidung aus, das Vertrauensprinzip habe es ermöglicht, „auf die innerstaatlichen Vorschriften der Vertragsstaaten über die Anerkennung und die Vollstreckbarkeitserklärung ausländischer Urteile zu Gunsten eines vereinfachten Anerkennungs- und Vollstreckungsverfahrens zu verzichten“344. Ein nicht anerkennungsfähiges Urteil widerspricht derart den zentralen Vorstellungen der europäischen Wertegemeinschaft bezüglich Rechtstaatlichkeit und Gerechtigkeit. Dementsprechend genießt ein solches Urteil eben nicht das Vertrauen, das die Mitgliedstaaten ansonsten ihren Rechtssystemen und Rechtspflegeorganen entgegenbringen. Ein Beispiel für eine nicht anerkennungsfähige Entscheidung des forum derogatum wäre, wenn dem abredewidrig Verklagten das verfahrenseinleitende Schriftstück nicht rechtzeitig zugestellte wurde (Art. 45 Abs. 1 lit. b EuGVVO). Ferner kommen insbesondere Verstöße gegen den orde public gem. Art. 45 Abs. 1 lit. a EuGVVO in Betracht. Bei Entscheidungen von (derogierten) mitgliedstaatlichen Gerichten ist hier an einen Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 EUV i. V. m. Art. 47 Abs. 2 Grundrechtecharta EU zu denken beziehungsweise Art. 6 Abs. 3 EUV i. V. m. Art. 6 EMRK, etwa durch eine erhebliche Verletzung der Verteidigungsrechte oder durch ein Urteil eines 340  Dutta/Heinze, ZEuP 2005, S. 428, 461; Mankowski, IPRax 2009, S. 23, 29; Sánchez Fernández, YPIL 2010, S. 377, 387. 341  EuGH, 27.04.2004, RS. C-159/02, Turner/Grovit u.  a., Rn. 26, EuZW 2004, 468, 469. 342  Steinbrück, CJQ 2007, S. 358, 373, Fn. 100; Mankowski, IPRax 2009, S. 23, 30. 343  Mankowski, IPRax 2009, S. 23, 30. 344  EuGH, 27.04.2004, RS. C-159/02, Turner/Grovit u.  a., Rn. 25, EuZW 2004, 468, 469.

128

3. Teil: Vertraglicher Schadensersatz

parteiischen Gerichts.345 Auch der Prozessbetrug durch eine Partei wie in der Entscheidung A / S D / S Svendborg and D / S af 1912 A / S v. Akar widerspricht dem ordre public derart, dass der Vertrauensgrundsatz dem Schadensersatzanspruch nicht entgegensteht.346 d) Das forum derogatum entscheidet nicht über die Gerichtsstandsvereinbarung Es ist umstritten, ob die Konstellation, in der das mitgliedstaatliche forum derogatum in der Sache entscheidet, ohne dabei auf die Gerichtsstandsvereinbarung einzugehen, gegen das Prinzip des gegenseitigen Vertrauens verstößt. Einige Autoren gehen davon aus, dass in diesem Fall das Vertrauensprinzip dem Schadensersatzanspruch nicht entgegenstehe, weil es ja gerade an einer Entscheidung über die Gerichtsstandsvereinbarung fehle. Es gebe also gar keine Zuständigkeitsentscheidung des forum derogatum, zu der sich das Gericht der Schadensersatzklage in Widerspruch setzen könnte.347 Diese Auffassung versucht, die Anforderungen des Vertrauensgrundsatzes zu begrenzen. Der EuGH hat das Prinzip des gegenseitigen Vertrauens nicht auf Gerichtsstandsvereinbarungen beschränkt. Er sieht es vielmehr als eine der gesamten EuGVVO und anderen Regelungen zur justiziellen Zusammenarbeit zugrundeliegende Wertung.348 Er hat das Prinzip auch anhand anderer Gebiete des Prozessrechts entwickelt wie den Rechtshängigkeitsregeln349 und anti-suit injunctions.350 Man wird dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens nicht bereits dann gerecht, wenn das Gericht der Schadensersatzklage feststellt, dass das forum derogatum nicht über die Gerichtsstandsvereinbarung entschieden hat. Vielmehr verlangt der Vertrauensgrundsatz, dass sich das mitgliedstaatliche Gericht (der Schadensersatzklage) jeder Entscheidung über die Zuständigkeit des anderen mitgliedstaatlichen Gerichts (des forum derogatum) enthält. 345  Vgl. EuGH, 05.04.2016, RS. C-404/15, C-659/15,  Aranyosi  und  Căldăraru, Rn. 82, NJW 2016, 1709, 1712 für das Beispiel unmenschlicher und erniedrigender Haftbedingungen entgegen Art. 4 Grundrechtecharta EU. Siehe zur identischen Frage bei der Anerkennung von Entscheidungen: Walther, in: Dasser/Oberhammer, LugÜ, Art. 34, Rn. 6. 346  Vgl. Schlussantrag des Generalanwalts vom 02.12.1992, RS. C-172/91, Rn. 72, BeckEuRS 1992, 190258. 347  Briggs, Agreements, Rn.  8.69 f.; Jiménez Blanco, AEDIPr 2009, S. 225, 239 f. 348  EuGH, 09.12.2003, RS. C-116/02, Gasser, Rn. 48, EuZW 2004, 188, 191. 349  EuGH, 27.06.1991, RS. C-351/89, Overseas Union Insurance, Rn. 23, NJW 1992, 3221, 3222. 350  EuGH, 27.04.2004, RS. C-159/02, Turner/Grovit u.  a., Rn. 25, EuZW 2004, 468, 469.



A. Gerichtsstandsvereinbarungen nach der EuGVVO129

Das forum derogatum muss jedenfalls gedanklich von seiner eigenen Zuständigkeit ausgegangen sein, andernfalls hätte es sich für unzuständig erklären müssen. Möglicherweise erschien die Zuständigkeitsentscheidung dem forum derogatum so offensichtlich, dass es eine Begründung nicht für notwendig hielt. Im deutschen Recht etwa verlangt § 313 Abs. 3 ZPO ausdrücklich nur eine kurze Zusammenfassung der tragenden Erwägungen, sodass das Gericht möglicherweise Ausführungen zu einer vermeintlich offensichtlich bestehenden Zuständigkeit nicht für erforderlich hielt. Demnach liegt immer wenigstens eine implizite Zuständigkeitsentscheidung vor. Diese Zuständigkeitsentscheidung muss das Gericht der Schadensersatzklage für falsch befinden, wenn es dem Schadensersatzanspruch stattgeben möchte. Damit würde es zwangsläufig gegen das Prinzip des gegenseitigen Vertrauens verstoßen.351 Letztlich ist in dieser Konstellation der Schadensersatzanspruch aber nicht nur wegen Verstoßes gegen den Vertrauensgrundsatz ausgeschlossen. Der Schadensersatzkläger ist für den Schadensersatzanspruch regelmäßig auch wegen rügeloser Einlassung präkludiert. Es erscheint weitgehend ausgeschlossen, dass das forum derogatum sich mit der Frage der Gerichtsstandsvereinbarung überhaupt nicht auseinandersetzt, obwohl der Beklagte sie in den Prozess eingeführt und die Zuständigkeit gerügt hat. Dass ein mitgliedstaatliches Gericht auf die Gerichtsstandsvereinbarung nicht eingeht, ist praktisch nur denkbar, wenn der Beklagte sich nicht auf die Gerichtsstandsvereinbarung beruft.352 In einem solchen Fall hat sich der Beklagte gem. Art. 26 Abs. 1 Satz 1 EuGVVO rügelos eingelassen, was als stillschweigende Prorogation auch in Anbetracht einer Gerichtsstandsvereinbarung möglich ist.353 Damit ist der am forum derogatum Beklagte für die Schadensersatzklage präkludiert.354 e) Zwischenergebnis Das vom EuGH postulierte Prinzip des gegenseitigen Vertrauens steht der Anwendung des Schadensersatzanspruchs wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung immer dann entgegen, wenn sich auch Sánchez Fernández, YPIL 2010, S. 377, 387 f. Blanco, AEDIPr 2009, S. 225, 239 f. 353  EuGH, 24.06.1981, RS.  150/80, Elefantenschuh GmbH/Jacqmain, Rn.  10, BeckRS 2004, 71745; EuGH, 07.03.1985, RS. 48/84, Spitzley/Sommer Exploitation, Rn. 13, NJW 1985, 2893, 2894; EuGH, 20.05.2010, RS. C-111/09, ČPP/Bilas, Rn. 21, EuZW 2010, 678, 697; Stadler, in: Musielak, ZPO, Art. 25 EuGVVO, Rn. 1; Mankowski, in: Rauscher, EuZPR, Art. 25 EuGVVO, Rn. 3. 354  Vgl. Gottwald, in: FS Henckel, S. 295, 307; Mankowski, IPRax 2009, S. 23, 31; Yeo/Tan, in: Worthington, Commercial Law, S. 403, 415, 423. Siehe zum Ganzen 3. Teil, A. I. 6. 351  So

352  Jiménez

130

3. Teil: Vertraglicher Schadensersatz

das mitgliedstaatliche forum derogatum für zuständig erklärt hat. Dabei ist es unerheblich, ob es sich ausdrücklich trotz der Gerichtsstandsvereinbarung für zuständig erklärt hat, etwa weil es diese für unwirksam hielt, ob es sich ausdrücklich für zuständig erklärte, ohne auf die Gerichtsstandsvereinbarung einzugehen oder ob es sich gar nicht ausdrücklich zu seiner Zuständigkeit äußerte. Lässt der Beklagte sich rügelos ein, indem er es unterlässt, die Gerichtsstandsvereinbarung in den Prozess einzuführen und die Unzuständigkeit des forum derogatum geltend zu machen, ist er ohnehin vom Schadensersatzanspruch präkludiert. Der Schadensersatzanspruch ist hingegen mit dem Vertrauensprinzip vereinbar, wenn sich das mitgliedstaatliche forum derogatum für unzuständig erklärt hat. In diesem Fall widerspricht das Schadensersatzurteil nicht der Zuständigkeitsentscheidung des forum derogatum. Ob das forum derogatum eine Kostenentscheidung getroffen hat, ist unerheblich, sofern sich das Gericht der Schadensersatzklage nicht in Widerspruch zur Kostenentscheidung des forum derogatum setzt. 8. Die Anerkennung des Urteils des forum derogatum Aus den Vorschriften über die Urteilsanerkennung ergeben sich keine über das Prinzip des gegenseitigen Vertrauens hinausgehenden Einschränkungen für den Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung. Die Vorschriften über die Anerkennung von Urteilen sind in der EuGVVO im dritten Kapital ab Art. 36 geregelt. Nach der zentralen Regelung in Art. 36 Abs. 1 EuGVVO ist die Entscheidung eines mitgliedstaatlichen Gerichts in jedem anderen Mitgliedstaat ipso iure anzuerkennen, ohne dass es dafür eines besonderen Exequaturverfahrens bedürfte. Die Anerkennung einer mitgliedstaatlichen Entscheidung kann nur auf Antrag des Berechtigten versagt werden, wenn die Voraussetzungen des Art. 45 EuGVVO vorliegen.355 Aus Art. 45 EuGVVO lässt sich allerdings kein Argument gegen den Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung herleiten. Da Art. 45 Abs. 1 lit. e EuGVVO nicht auf Art. 25 EuGVVO verweist, ist im Anwendungsbereich der EuGVVO ein Urteil, das unter Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung zustande gekommen ist, anzuerkennen.356 Könnte man der Entscheidung des forum derogatum die Anerkennung versagen, wäre ein Widerspruch zwischen dieser Entscheidung und der Schadensersatzentscheidung ausgeschlossen.357 zum Ganzen Stadler, in: Musielak, ZPO, Art. 35 EuGVVO, Rn. 1. IZVR, Rn. 6.22. Siehe hierzu 3. Teil, A. II. 3. 357  Vgl. Mankowski, IPRax 2009, S. 23, 31. 355  Siehe

356  Linke/Hau,



A. Gerichtsstandsvereinbarungen nach der EuGVVO131

Dass Art. 45 Abs. 1 lit. e EuGVVO nicht auf Art. 25 EuGVVO verweist, bedeutet in diesem Zusammenhang nur, dass das Risiko widersprüchlicher Entscheidungen besteht, nicht hingegen, in welchen Fällen dieses Risiko den Schadensersatzanspruch ausschließt. Art. 45 Abs. 3 Satz 1 EuGVVO lässt sich ebenfalls kein Argument gegen den Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung entnehmen. Nach dieser Vorschrift ist es verboten, im Rahmen der Anerkennung die Zuständigkeit des Ursprungsgerichts zu prüfen. Die Ausnahme hiervon für die in Art. 45 Abs. 1 lit. e EuGVVO genannten Fälle ist – wie dargelegt – nicht einschlägig. Allerdings betrifft der Schadensersatzanspruch nicht die Anerkennung des Urteils des forum derogatum.358 Der Begriff der Anerkennung ist in der EuGVVO nicht definiert.359 Nach dem EuGH bedeutet die Anerkennung eines Urteils, dass diesem im anerkennenden Mitgliedstaat dieselben rechtlichen Wirkungen beizumessen sind wie in dem Staat, dessen Gerichte das Urteil erlassen haben (sog. Theorie der Wirkungserstreckung).360 Der Schadensersatzanspruch betrifft nicht die Frage, ob das Urteil des forum derogatum in dem Mitgliedstaat, in dem der Schadensersatzprozess stattfindet, dieselben Wirkungen wie im Ursprungsstaat hat, sondern die Frage, ob die vor dem forum derogatum aufgewendeten Kosten einen ersatzfähigen Schaden darstellen. Da sich Art. 45 Abs. 3 EuGVVO auf die Anerkennung bezieht, schließt er die Überprüfung der Zuständigkeit des forum derogatum nicht aus. Sie ist allerdings – wie soeben dargestellt361 – aufgrund des Prinzips des gegenseitigen Vertrauens ausgeschlossen. Daher kommt der Schadensersatzanspruch nur in den Fällen in Betracht, in denen das Gericht der Schadensersatzklage keine von der Zuständigkeitsentscheidung des forum derogatum abweichende Entscheidung treffen muss. Darüber hinausgehende Einschränkungen lassen sich weder Art. 45 Abs. 3 Satz 1 noch Art. 45 Abs. 1 lit. e EuGVVO entnehmen. 9. Die Rechtskraft des Urteils des forum derogatum Auch aus Überlegungen zur Rechtskraft lassen sich keine über das Prinzip des gegenseitigen Vertrauens hinausgehenden Einschränkungen in Bezug auf den Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer internationalen 358  So auch Klöpfer, Missbrauch Zivilverfahrensrecht, S. 365; Mankowski, IPRax 2009, S. 23, 31. 359  Dörner, in: Saenger, ZPO, Art. 36 EuGVVO, Rn. 2. 360  EuGH, 04.02.1988, RS. 145/86, Hoffmann/Krieg, Rn. 11, NJW 1989, 663, 664; ausführlich: T. Pfeiffer, ZZP 2014, 409, 427 f. 361  Siehe 3. Teil, A. II. 7.

132

3. Teil: Vertraglicher Schadensersatz

Gerichtsstandsvereinbarung gewinnen. Es sind drei Konstellationen zu unterscheiden: die Rechtskraft der Zuständigkeitsentscheidung, die Rechtskraft des Sachurteils und die Rechtskraft der Kostenentscheidung. Die Rechtskraft ist in formelle und materielle Rechtskraft unterteilt. Formelle Rechtskraft bedeutet, dass eine gerichtliche Entscheidung nicht mehr durch ein ordentliches Rechtsmittel anfechtbar ist.362 Die materielle Rechtskraft hingegen betrifft die inhaltliche Bindungswirkung der Entscheidung gegenüber Parteien und Gericht.363 In Hinblick auf den Schadensersatzanspruch kommen Einschränkungen ausschließlich aufgrund der materiellen Rechtskraft des Urteils des forum derogatum in Betracht. Der Begriff der Rechtskraft ist in der EuGVVO ebenso wenig definiert wird der der Anerkennung. Im Anwendungsbereich der EuGVVO war es daher lange Zeit umstritten, ob sich die Rechtskraft nach dem Recht des Staates richtet, dessen Gericht die Entscheidung erlassen hat, oder nach dem Recht des Staates, der die Entscheidung anerkennen oder vollstrecken soll.364 Diese Frage war von großer Bedeutung, weil sich die Regeln zur materiellen Rechtskraft in verschiedenen Staaten recht deutlich unterscheiden. Während nach deutscher Dogmatik grundsätzlich nur der Tenor einer Entscheidung in Rechtskraft erwächst365, erstreckt sich die Rechtskraft in England etwa auch auf die Tatsachenfeststellungen366.

362  Götz, in: MüKo-ZPO, § 705, Rn. 1; Hüßtege, in: Thomas/Putzo, ZPO, § 705, Rn. 1a; Lackmann, in: Musielak, ZPO, § 705, Rn. 1; Ulrici, in: Vorwerk/Wolf, ZPO, § 705, Rn. 1. 363  Dörner, in: Saenger, ZPO, Art. 36 EuGVVO, Rn. 5; Gruber, in: Vorwerk/Wolf, ZPO, § 322, Rn. 1; Hüßtege, in: Thomas/Putzo, ZPO, § 322, Rn. 8; Musielak, in: ­Musielak, ZPO, § 322, Rn. 1. 364  Vgl. Dörner, in: Saenger, ZPO, Art. 36 EuGVVO, Rn. 5; Stadler, in: Musielak, ZPO, Art. 36 EuGVVO, Rn. 2, Fn. 3. 365  BGH, NJW 1965, 693, 694; 1982, 2257; GRUR 2002, 915  f.; NJW 2008, 2716 f.; 2011, 2292, 2293; Gottwald, in: MüKo-ZPO, § 322, Rn. 86; Hüßtege, in: Thomas/Putzo, ZPO, § 322, Rn. 17; Musielak, in: Musielak, ZPO, § 322, Rn. 16 ff.; Saenger, in: Saenger, ZPO, § 322, Rn. 23. 366  Nach der sog. merger doctrine verschmilzt der Tatsachenvortrag auf das Urteil, hört als solcher auf zu existieren und besteht nur noch in der Rechtskraft des Urteils fort. Vgl. Andrews v. SBJ Benefit Consultants [2010] EWHC 2875 (Ch); Clark v. In Focus Asset Management, [2012] EWHC 3669 (QB). Siehe zusammenfassend ­Kocher, Funktionen der Rechtsprechung, S. 180.



A. Gerichtsstandsvereinbarungen nach der EuGVVO133

a) Die Rechtskraft der Zuständigkeitsentscheidung Im Jahr 2012 stellte sich der EuGH in einem – insbesondere in Deutschland vielfach kritisierten367 – Urteil368 zur Rechtskraft der Zuständigkeitsentscheidung bezüglich einer Gerichtsstandsvereinbarung auf den Standpunkt, der Begriff der Rechtskraft sei verordnungsautonom auszulegen. Wenn das forum derogatum sich aufgrund der Gerichtsstandsvereinbarung für unzuständig erklärt habe, erwachse die im Tenor enthaltene Entscheidung über die Unzuständigkeit in Rechtskraft. Darüber hinaus erstrecke sich die Rechtskraft aber auch auf die tatsächlichen und rechtlichen Feststellungen in Bezug auf die Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung.369 Entscheidend war für den EuGH, eine Nachprüfung der Zuständigkeitsentscheidung des ersten Gerichts durch ein zweites Gericht auszuschließen.370 Legt man die Maßgaben dieser EuGH-Entscheidung zugrunde, erübrigt sich die Frage, nach welcher Rechtsordnung sich die Rechtskraft der Zuständigkeitsentscheidung richtet. Auch die Frage nach der Auswirkung der Rechtskraftlehre auf den Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung ist so bereits zum Teil beantwortet: Erklärt sich das forum derogatum aufgrund der wirksamen Gerichtsstandsvereinbarung für unzuständig, ist das Gericht des Schadensersatzprozesses hieran gebunden. Da das mitgliedstaatliche Gericht der Schadensersatzklage in Hinblick auf das Prinzip des gegenseitigen Vertrauens ohnehin den Schadensersatzanspruch nur dann gewähren kann, wenn sich das mitgliedstaatliche forum derogatum für unzuständig erklärt hat371, steht die Rechtskraft der Zuständigkeitsentscheidung des forum derogatum dem Schadensersatzanspruch in diesem Fall nicht entgegen.372

367  Bach, EuZW 2013, S. 56; Dörner, in: Saenger, ZPO, Art. 36 EuGVVO, Rn. 5; Roth, IPRax 2014, S. 136; Stadler, in: Musielak, ZPO, Art. 36 EuGVVO, Rn. 2, Fn. 3. 368  EuGH, 15.11.2012, RS. C-456/11, Gothaer Allgemeine Versicherung, EuZW 2013, 60. 369  EuGH, 15.11.2012, RS. C-456/11, Gothaer Allgemeine Versicherung, Rn. 41, EuZW 2013, 60, 62. 370  EuGH, 15.11.2012, RS. C-456/11, Gothaer Allgemeine Versicherung, Rn. 31, EuZW 2013, 60, 61. 371  Siehe 3. Teil, A. II. 7. 372  So auch Sánchez Fernández, YPIL 2010, S. 377, 386; Mankowski, IPRax 2009, S. 23, 31, beide noch zur Rechtslage vor der Entscheidung des EuGH, 15.11.2012, RS. C-456/11, Gothaer Allgemeine Versicherung, EuZW 2013, 60. Mankowski geht noch 2016 in Rauscher, EuZPR, vor Art. 4 EuGVVO, Rn. 58 davon aus, dass die Zuständigkeitsentscheidung des forum derogatum nicht in Rechtskraft erwachse. In RIW 2015, S. 17, 21 berücksichtigt er allerdings die EuGH-Entschei­dung.

134

3. Teil: Vertraglicher Schadensersatz

Die EuGH-Rechtsprechung bedeutet in diesem Zusammenhang nur, dass das Gericht des Schadensersatzprozesses an die Entscheidung des forum derogatum über dessen Unzuständigkeit gebunden ist. Das dürfte den Schadensersatzanspruch eher fördern als hindern, denn es schließt die – ohnehin mit dem Vertrauensgrundsatz unvereinbare – Konstellation aus, dass sich das forum derogatum für unzuständig erklärt, das Gericht der Schadensersatzklage die Zuständigkeit des forum derogatum aber bejaht. b) Die Rechtskraft des Sachurteils Erklärt sich das forum derogatum für zuständig oder geht es implizit von seiner Zuständigkeit aus, ist der Schadensersatzanspruch bereits aufgrund des Prinzips des gegenseitigen Vertrauens ausgeschlossen.373 Aus der Rechtskraft lässt sich kein anderes Ergebnis herleiten. Die vom EuGH postulierte weite Rechtskrafterstreckung dürfte auch auf eine positive Zuständigkeitsentscheidung zu übertragen sein. Hierfür spricht, dass es auch das Vertrauensprinzip und Art. 45 Abs. 3 Satz 1 EuGVVO verbieten, die Zuständigkeit des Ursprungsgerichts zu überprüfen. Daher würde die Entscheidung des forum derogatum, in der es sich explizit oder implizit für zuständig erklärt, ebenso in Rechtskraft erwachsen wie die negative Zuständigkeitsentscheidung. Das Gericht der Schadensersatzklage wäre dann an die Feststellung gebunden, dass das forum derogatum zuständig und die Gerichtsstandsvereinbarung unwirksam war, womit die Schadensersatzklage abzuweisen wäre.374 Da sich dies bereits aus dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens ergibt, bedeutet die Rechtskraftlehre auch in dieser Konstellation keine weitere Einschränkung der Reichweite des Schadensersatzanspruchs wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung. c) Die Rechtskraft der Kostenentscheidung Problematisch ist das Verhältnis zwischen der Kostenentscheidung des forum derogatum, sofern es eine getroffen hat, und dem Schadensersatzurteil. In Rechtsordnungen, in denen es keine Kostenentscheidung gibt, kann deren Rechtskraft auch nicht den Schadensersatzanspruch hindern.375 Nach der 373  Siehe

3. Teil, A. II. 7. auch Sánchez Fernández, YPIL 2010, S. 377, 387; Schlosser, in: FS Lindacher, S. 111, 119 f.; Götz, Ersatzansprüche bei Rechtsverfolgung, S. 137. A. A.: Mankowski, IPRax 2009, S. 23, 31; ders., in: Rauscher, EuZPR, vor Art. 4 EuGVVO, Rn. 58. 375  Grunwald, Forum Shopping, S. 167. 374  So



A. Gerichtsstandsvereinbarungen nach der EuGVVO135

Konzeption des deutschen Rechts hingegen erwachsen die Kostengrundentscheidung und der darauf basierende Kostenfestsetzungsbeschluss in formelle und materielle Rechtskraft.376 Überträgt man die Ausführungen des EuGH zur Rechtskraft der Zuständigkeitsentscheidung377, muss man davon ausgehen, dass auch die Rechtskraft der Kostenentscheidung verordnungsautonom zu bestimmen ist. Legt man hier einen ähnlich weiten Maßstab wie in der zitierten Entscheidung an, kommt man im Anwendungsbereich der EuGVVO – genauso wie im deutschen Recht – dazu, dass die Kostenentscheidung in Rechtskraft erwächst. Das wiederum wirft die Frage auf, ob und in welchem Umfang die Rechtskraft der Kostenentscheidung einem Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung entgegensteht.378 Aus Erwägungen des Vertrauensprinzips und der Rechtskraft von Sachurteilen ist der Schadensersatzanspruch im Anwendungsbereich der EuGVVO ohnehin auf die Konstellation begrenzt, in der das forum derogatum die Klage mangels eigener Zuständigkeit abgewiesen hat. Sofern das forum derogatum in dieser Konstellation eine Kostenentscheidung erlässt, fällt sie zugunsten des Beklagten aus, im deutschem Recht gem. § 91 ZPO. Die Frage lautet also, ob der am forum derogatum Beklagte mit dem Schadensersatzanspruch einen über den im rechtskräftigen Kostenfestsetzungsbeschluss festgesetzten Betrag hinausgehenden Betrag geltend machen kann oder ob dies durch die Rechtskraft des Kostenfestsetzungsbeschlusses ausgeschlossen ist. Die Frage betrifft das Verhältnis zwischen prozessualem und materiellem Kostenerstattungsanspruch. Es wäre mit der Rechtskraft des Kostenfestsetzungsbeschlusses (und dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens) unvereinbar, wenn man die dort getroffene Kostenentscheidung im Rahmen des materiellen Kostenerstattungsanspruchs einer neuen Prüfung und Entscheidung unterzöge.379 Aufgrund der soeben getroffenen Einschränkungen stellt sich diese Frage für den Schadensersatzanspruch im Anwendungsbereich der Eu376  BGH NJW 2003, 1462; OLG Hamburg, MDR 1986, 243; OLG München, NJW-RR 2006, 1006; Schulz, in: MüKo-ZPO, vor § 91 ff., Rn. 23; § 104, Rn. 137; Flockenhaus, in: Musielak, ZPO, § 104, Rn. 39; Jaspersen, in: Vorwerk/Wolf, ZPO, § 104, Rn. 86. 377  EuGH, 15.11.2012, RS. C-456/11, Gothaer Allgemeine Versicherung, EuZW 2013, 60. 378  Diese Frage wirft auch Bříza, JPIL 2009, S. 537, 551 auf, der die Lösung davon abhängig macht, welchen Wortlaut das Gericht in der Kostenentscheidung wählt. Diese Differenzierung erscheint unvereinbar mit dem Gebot der Rechtssicherheit und ist daher abzulehnen. 379  BGH, NJW 1966, 1513, 1514 f.; 2002, 680; Schulz, in: MüKo-ZPO, vor § 91 ff., Rn. 23; § 104, Rn. 137; vgl. OLG Düsseldorf, NJW-RR 2006, 571, 572 (zum Beschluss gem. § 494a Abs. 2 Satz 1 ZPO).

136

3. Teil: Vertraglicher Schadensersatz

GVVO allerdings nicht, weil der Schadensersatzanspruch nur in Betracht kommt, wenn sich das derogierte Gericht für unzuständig erklärt hat. Die Rechtskraft des Kostenfestsetzungsbeschlusses steht einem materiellen Kostenerstattungsanspruch nicht entgegen.380 Sie kann nur soweit gehen, wie im Kostenfestsetzungsverfahren eine abschließende Entscheidung getroffen wird.381 Die Rechtskraft des prozessualen Kostenerstattungsanspruchs lässt es grundsätzlich zu, dass der materiellrechtliche Kostenerstattungsanspruch neben den Kostenfestsetzungsbeschluss tritt und diesen ergänzt. Das gilt insbesondere für Aspekte, die in der Kostenentscheidung nicht berücksichtigt werden dürfen oder schlicht übersehen worden sind.382 Der materiellrechtliche Kostenerstattungsanspruch findet seine Grundlage gem. § 280 Abs. 1 BGB in einer vertraglichen Pflichtverletzung, der ein vom rein prozessualen Kostenerstattungsanspruch abweichender Sachverhalt zugrunde liegt.383 Der prozessuale Kostenerstattungsanspruch hat, wie § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO für das deutsche Recht verdeutlicht, nur die Funktion, die Kosten des Rechtsstreits zu ersetzen. Er erfasst hingegen nicht die durch die Pflichtverletzung des Vertragspartners hervorgerufenen Kosten.384 Die Besonderheit des Schadensersatzspruchs wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung besteht nicht darin, dass der Kläger überhaupt eine Klage erhebt, sondern gerade darin, dass er unter Missachtung der getroffenen Vereinbarung an einem unzuständigen Gericht klagt. Der Schadensersatzanspruch besitzt also eine ganz andere Qualität als der prozessuale Kostenerstattungsanspruch. Das forum derogatum kann und darf der besonderen Qualität der abredewidrigen Klage in der Kostenentscheidung – jedenfalls nach deutschem Recht – gar nicht Rechnung tragen, weil die Abredewidrigkeit der Klage nicht Streitgegenstand der Kostenentscheidung ist.385 Der Schadensersatzanspruch kann daher als materiellrechtlicher Kostenerstattungsanspruch über den im Kostenfestsetzungsbeschluss festgesetzten Be380  BGH, NJW 1966, 1513, 1515; 1990, 1906, 1907; 1990, 2060; NJW-RR 1995, 495; NJW 2002, 680; Antomo, Schadensersatz, S. 370 ff.; Becker-Eberhard, Kostenerstattung, S.  92 f.; Bork, in: Stein/Jonas, ZPO, vor § 91, Rn. 19; Herget, in: Zöller, ZPO, vor § 91, Rn. 13; Manner/Mosimann, in: FS Schwenzer, S. 1197, 1203; E. Pfeiffer, Forum derogatum, S. 454; Schlosser, in: FS Lindacher, S. 111, 121 f.; Schulz, in: MüKo-ZPO, vor § 91 ff., Rn. 24. 381  Vgl. OLG Dresden, NJW 1998, 1872; Becker-Eberhard, JZ 1995, S. 814, 817. 382  BGH, NJW-RR 1995, 495; Flockenhaus, in: Musielak, ZPO, § 104, Rn. 39; Gierl, in: Saenger, ZPO, § 104, Rn. 23. 383  Vgl. OLG Dresden, NJW 1998, 1872, das einen unterschiedlichen Sachverhalt zwischen mittels des prozessualen Kostenerstattungsanspruchs zu ersetzenden Kosten und nach § 286 Abs. 1 BGB zu ersetzenden Verzögerungskosten annimmt. 384  E. Pfeiffer, Forum derogatum, S. 454. 385  Mankowski, in: Rauscher, EuZPR, vor Art. 4 EuGVVO, Rn. 58.



A. Gerichtsstandsvereinbarungen nach der EuGVVO137

trag hinausgehen. Dabei lässt er die rechtskräftige Kostenentscheidung des forum derogatum unberührt und bietet nur einen Anspruch auf Ersatz derjenigen Kosten, die inhaltlich vom Kostenfestsetzungsbeschluss nicht erfasst sind. Die Rechtskraft der Kostenentscheidung liefert daher keine Argumente dafür, die Reichweite des Schadensersatzanspruchs wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung über die vom Prinzip des gegenseitigen Vertrauens vorgegebenen Beschränkungen hinaus einzuschränken. d) Zwischenergebnis Überlegungen zur Rechtskraft der Entscheidung des forum derogatum schränken die Reichweite des Schadensersatzanspruchs wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung nicht über den vom Prinzip des gegenseitigen Vertrauens vorgegebenen Umfang hinaus ein. Nach umstrittener Rechtsprechung des EuGH wird die Zuständigkeitsentscheidung rechtskräftig und bewirkt damit dieselben Einschränkungen des Schadensersatzanspruchs wie das Vertrauensprinzip. Aufgrund von Überlegungen zur Rechtskraft der Entscheidung des forum derogatum kommt der Schadensersatzanspruch daher nur in Betracht, wenn sich das forum derogatum für unzuständig erklärt hat. Entscheidet das forum derogatum in der Sache, steht die Rechtskraft dieses Sachurteils dem Schadensersatzanspruch entgegen. Das gilt auch, wenn das derogierte Gericht die Klage als unbegründet abweist. Der Schadensersatzanspruch ist daneben aber auch aufgrund des Vertrauensprinzips ausgeschlossen. Der Kostenfestsetzungsbeschluss erwächst ebenfalls in Rechtskraft, die aber den Schadensersatzanspruch für den Fall nicht hindert, dass sich das forum derogatum für unzuständig erklärt. Ein materiellrechtlicher Kostenerstattungsanspruch kann über den prozessualen Kostenerstattungsanspruch hinausgehen, wenn letzterer den schadensverursachenden Sachverhalt nicht abdeckt. Das ist bei der abredewidrigen Klage der Fall, weil die Abredewidrigkeit nicht Streitgegenstand des Kostenfestsetzungsverfahrens ist. 10. Zwischenergebnis Eine internationale Gerichtsstandsvereinbarung kann ein Schuldverhältnis i. S. d. § 280 Abs. 1 BGB begründen. Die deutsche Dogmatik des 20. Jahrhunderts, die der Gerichtsstandsvereinbarung eine ausschließlich prozessuale Wirkung beimisst, ist historisch und rechtsvergleichend einzigartig und kann auch systematisch und teleologisch nicht überzeugen. Vielmehr sprechen die überzeugenderen Argumente für den Schadensersatzanspruch, so etwa, dass der Schadensersatzanspruch Anreize gegen missbräuchliches Forum Shop-

138

3. Teil: Vertraglicher Schadensersatz

ping setzt und dass der am forum derogatum Beklagte ansonsten auf den nicht vom Kostenfestsetzungsbeschluss des forum derogatum erfassten Kosten seiner Verteidigung sitzenbliebe. Auch das Argument, dem Schadensersatzanspruch fehle ein durchsetzungsfähiger Primäranspruch, ist nicht überzeugend. Einerseits ist diese Prämisse nicht zwingend (vgl. §§ 656 Abs. 1 Satz 1, 762 Abs. 1 Satz 1 und 1353 Abs. 1 Satz 1 BGB) und andererseits kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an, ob die Gerichtsstandsvereinbarung eine Hauptleistungspflicht (§ 241 Abs. 1 BGB) oder eine Nebenleistungspflicht (§ 241 Abs. 2 BGB) begründet. Dem Vergleich mit den ausschließlichen gesetzlichen Zuständigkeiten nach Art. 24 EuGVVO lassen sich keine Argumente gegen den Schadensersatzanspruch entnehmen. Es gibt keinen Grund für die Annahme, dass der Verordnungsgeber Gerichtsstandsvereinbarungen und ausschließliche gesetzliche Zuständigkeiten gleichbehandeln wollte. Das Spezifikum der Gerichtsstandsvereinbarung, nämlich die Klage entgegen einer von den Parteien getroffenen privatautonomen Abrede, ist bei ausschließlichen gesetzlichen Zuständigkeiten gerade nicht möglich. Der Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung besteht, wenn die Parteien ausdrücklich oder konkludent vereinbart haben, dass die Gerichtsstandsvereinbarung verpflichtend sein soll. Ob die Parteien eine konkludente Vereinbarung getroffen haben, ist nach den Umständen des Einzelfalls durch Auslegung zu bestimmen. Indizien hierfür sind etwa das Gewicht der Gerichtsstandsvereinbarung bei den Vertragsverhandlungen sowie das finanzielle Risiko einer abredewidrigen Klage. Rechtsvergleichend gewähren US-amerikanische, englische und spanische Gerichte den Schadensersatzanspruch. Entscheidungen zur Missachtung internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen finden sich ausschließlich zu Fällen, in denen sich das forum derogatum für unzuständig erklärt hat. Eine Ausnahme besteht nur in Fällen, die im deutschen Recht unter § 826 BGB zu subsumieren wären. Das Prinzip des gegenseitigen Vertrauens in der überzeugenden Lesart des EuGH386 schränkt den Schadensersatzanspruch im Anwendungsbereich der EuGVVO erheblich ein: Nur wenn sich das forum derogatum für unzuständig erklärt hat, kommt der Schadensersatzanspruch in Betracht. Die Anerkennungsvorschriften schränken den Schadensersatzanspruch hingegen nicht weiter ein, insbesondere Art. 45 Abs. 3 Satz 1 EuGVVO ist nicht betroffen. Die Rechtskraft der Entscheidung des forum derogatum begrenzt den Schadensersatzanspruch im Anwendungsbereich der EuGVVO ebenso wie das Vertrauensprinzip auf Fälle, in denen sich das derogierte Gericht für unzuständig erklärt hat. 386  Siehe

3. Teil, A. II. 7. am Anfang.



A. Gerichtsstandsvereinbarungen nach der EuGVVO139

III. Pflichtverletzung Wenn man der Annahme folgt, dass einer Gerichtsstandsvereinbarung unter den oben genannten Einschränkungen eine verpflichtende Wirkung zukommt, stellt die Klage am forum derogatum nach deutschem Recht eine Pflichtverletzung dar.387 Für den rechtlich-wirtschaftlichen Zusammenhang ist es wichtig, sich vor Augen zu führen, wie es zu solchen Pflichtverletzungen kommt. Das beinhaltet zum einen die Frage, warum eine Partei am forum derogatum klagt, ob dies etwa bewusst oder versehentlich geschieht. Zum anderen ist zu untersuchen, wie die Gerichte mit abredewidrigen Klagen verfahren. Hierfür sind insbesondere die durch die EuGVVO-Novelle eingetretenen Neuerungen in Art. 31 Abs. 2 und Art. 25 Abs. 1 Satz 1 HS 2 EuGVVO dahingehend zu begutachten, in welchem Umfang sie abredewidrige Klagen weiterhin zulassen. 1. Die pflichtwidrige Klage Es gibt eine Vielzahl von Gründen, die eine Partei zur Klage am forum derogatum entgegen einer vorher getroffenen Gerichtsstandsvereinbarung veranlassen. Ein bekannter und gefürchteter Fall ist die abredewidrige Klage aus Gründen des Forum Shoppings.388 In diesen Fällen bricht eine Partei vorsätzlich die Gerichtsstandsvereinbarung und erhebt Klage an einem derogierten Gericht, weil sie ein Verfahren vor diesem Gericht als für sich vorteilhafter einschätzt als ein Verfahren vor dem prorogierten Gericht.389 Zu den Vorteilen, die der Kläger am forum derogatum sieht, zählen das dort anwendbare internationale Privat- und Zivilverfahrensrecht, das Sachrecht und insbesondere die Regeln über die Beweiserhebung, Zeugenvernehmung, Kostenverteilung, die Gerichtsbesetzung (Berufsrichter, Schöffen, Geschworene) und die Höhe von Schadensersatzansprüchen (zum Beispiel: punitive damages). Diese Fälle des Ex-Post-Opportunismus sind besonders schwerwiegend, weil eine Partei die Gerichtsstandsvereinbarung mit dem Ziel

387  Gebauer, in: FS Kaissis 2012, S. 267, 271 f.; Götz, Ersatzansprüche bei Rechtsverfolgung, S.  134 f.; Gottwald, in: FS Henckel, S. 295, 299, 307 f.; Grunwald, Forum Shopping, S. 168; Hau, Kompetenzkonflikte, S. 203; Hellwig, Zivilprozeß­rechtlicher Vertrag, S.  60 f.; Jasper, Forum Shopping, S. 126 f.; Köster, Forum Shopping, S. 87; Kurth, Rechtsschutz, S. 63 ff.; Mankowski, IPRax 2009, S. 23, 26 f.; E. Pfeiffer, Forum derogatum, S. 435; Schlosser, in: FS Lindacher 2007, S. 111, 115 f.; ders., Justizkonflikt, S. 37; Schröder, in: FS Kegel, S. 523, 531 ff. 388  Siehe 3. Teil, A. II. 4. 389  Maire du Poset, Versailles Int. Arbitration 2012, S. 33; Tan, Texas Int. Law Journal 2005, S. 623, 639; Jiménez Blanco, AEDIPr 2009, S. 225, 226.

140

3. Teil: Vertraglicher Schadensersatz

bricht, das System der internationalen Zuständigkeiten zu ihrem Vorteil zu missbrauchen.390 Ein prägnantes Beispiel für diese Art von Ex-Post-Opportunismus ist der Fall des spanischen Tribunal Supremo, in dem eine Partei die Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten spanischer Gerichte brach, um in den USA Schadensersatz in Form von punitive damages zu verlangen.391 Hier erfolgte die Klage offensichtlich aus der Motivation heraus, dass viele US-amerikanische Rechtsordnungen höhere Schadensersatzansprüche vorsehen als europäische, in diesem Fall die spanische Rechtsordnung. a) Missverständnisse und Unkenntnis Nicht jede Klage vor einem forum derogatum erfolgt zwingend aus manipulativen oder opportunistischen Gründen. Auch Missverständnisse oder schlichte Unkenntnis können zu abredewidrigen Klagen führen.392 Im Wirtschafts- und Handelsverkehr geschieht es häufig, dass beide Parteien in ihren AGB Gerichtsstandsvereinbarungen zugunsten verschiedener Gerichte vorsehen.393 In diesem Fall liegt entweder ein offener Dissens vor, sodass es überhaupt keine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung gibt394, oder die Parteien vereinbarten eine ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten beider Gerichte, eine so genannte Wahlgerichtsstandsvereinbarung. Ob es sich um einen Dissens oder eine Wahlgerichtsstandsvereinbarung handelt, ist eine Frage der Auslegung im Einzelfall. Wenn die Parteien ausdrücklich nur eine Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten eines Gerichts vereinbaren wollten, liegt ein Dissens vor. Sofern sie nur die Gerichte eines bestimmten Staates, aber nicht zwingend alle anderen Gerichte ausschließen wollten, kommt eine Wahlgerichtsstandsvereinbarung in Betracht. Entscheidend ist, ob sich die AGB mit den Gerichtsstandsvereinbarungen vollständig widersprechen oder ob es Elemente der Übereinstimmung gibt.395 390  Cuniberti/Requejo, ERA 2010, S. 7, 13 f.; Mankowski, IPRax 2009, S. 23, 24; Tan, Texas Int. Law Journal 2005, S. 623, 638 f. 391  Sent. TS núm, 6//2009 vom 12 Januar 2009. 392  Briggs, YPIL 2010, S. 311, 319 führt eine umfangreiche Liste mit Beispielen an. 393  Vgl. von Hein, RIW 2013, S. 97, 105. Auf die Missbrauchsmöglichkeit, die dadurch entsteht, dass eine Partei eine weitere, der ersten Gerichtsstandsvereinbarung widersprechende Gerichtsstandsvereinbarung behauptet, ist unter 3. Teil, A. III. 1. a) einzugehen. 394  Mankowski, RIW 2015, S. 17, 24. 395  Vgl. allgemein zur Frage sich kreuzender AGB: BGH, BeckRS 1957, 31194780; Joost, in: Ebenroth u. a., HGB, § 346, Rn. 90; K. Schmidt, in: MüKo-HGB, § 346, Rn. 169.



A. Gerichtsstandsvereinbarungen nach der EuGVVO141

Im ersten Fall ist eine pflichtwidrige Klage unmöglich, da es keine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung gibt. Haben die Parteien hingegen eine wirksame Wahlgerichtsstandsvereinbarung getroffen, ist eine Pflichtverletzung durch eine Klage an einem anderen Gericht als den beiden prorogierten Gerichten möglich. Sofern aber nur eine von beiden AGB wirksam einbezogen wurde, zum Beispiel, weil die AGB bei Vertragsschluss nur einer Partei vorlagen396, besteht eine Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten nur eines Gerichts. In diesen Fällen kann es vorkommen, dass eine Partei versehentlich am forum derogatum klagt, weil sie dieses aufgrund der unerkannt unwirksamen Gerichtsstandsvereinbarung für zuständig hält.397 Das Gleiche gilt für einige andere Konstellationen, in denen die Parteien eine Gerichtsstandsvereinbarung nicht durch individualvertragliche Vereinbarung geschlossen haben. Wenn sich die Parteien gem. Art. 25 Abs. 1 Satz 3 lit. b EuGVVO der ihren Gepflogenheiten entsprechenden Form bedienen, können sie eine Gerichtsstandsvereinbarung auch durch Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben oder durch stillschweigende Verlängerung einer ausgelaufenen Gerichtsstandsvereinbarung treffen.398 Auch in diesen Fällen kann es leicht passieren, dass eine Partei gar nicht bemerkt, dass sie mit der anderen Partei eine Gerichtsstandsvereinbarung geschlossen hat und dass sie dementsprechend versehentlich am forum derogatum klagt.399 Auch bei Gerichtsstandsvereinbarungen nach Art. 25 Abs. 1 Satz 3 lit. c EuGVVO, etwa in Form von Aufdrucken auf Rechnungen400 oder – erneut – kaufmännischen Bestätigungsschreiben401, kann diese Konstellation entstehen.402 Wenn eine Partei als Dritte durch eine Gerichtsstandsvereinbarung gebunden ist, etwa bei der Rechtsnachfolge, ist es ebenfalls möglich, dass sie keine Kenntnis von der Gerichtsstandsvereinbarung hat und deshalb abredewidrig klagt. Schließlich sind Missverständnisse über die Wirksamkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung auch bei Fehlvorstellungen über Stellvertretung, Geschäftsfähigkeit, Sitten- und Gesetzeswidrigkeit sowie über die materielle Wirksamkeit möglich. Da solche Irrtümer aber bei jedem Vertrag und nicht 396  Vgl.

3. Teil, A. I. 3. a). Briggs, YPIL 2010, S. 311, 319. 398  Kilias, in: Dasser/Oberhammer, LugÜ, Art. 23, S. 121 f.; Gottwald, in: MüKoZPO, Art. 23 EuGVVO a. F., Rn. 47. Siehe zum Ganzen 3. Teil, A. I. 3. a). 399  Vgl. Briggs, YPIL 2010, S. 311, 319. 400  Simotta, in: Fasching/Konecny, ZPR, Art. 23 EuGVVO, Rn. 231; Gottwald, in: MüKo-ZPO, Art. 23 EuGVVO a. F., Rn. 52. 401  EuGH, 20.02.1997, RS. C-106/95, Mainschiffahrts-Genossenschaft/Les Gra­ vières Rhénanes, Rn. 20, NJW 1997, 1431, 1432. 402  Siehe 3. Teil, A. I. 3. a). 397  Vgl.

142

3. Teil: Vertraglicher Schadensersatz

nur bei Gerichtsstandsvereinbarungen auftreten können und ohnehin nur bei einer vertieften juristischen Prüfung des Vertrags auffallen, dürften sie relativ selten sein. b) Prozessaufrechnung und Widerklage Es stellt sich die Frage, ob auch die Prozessaufrechnung oder die Widerklage entgegen einer Gerichtsstandsvereinbarung eine Pflichtverletzung begründet. Eine Partei kann nur dann ihre Pflichten verletzen, wenn überhaupt eine Pflicht besteht, die Prozessaufrechnung oder Widerklage nur an dem in der Gerichtsstandsvereinbarung prorogierten Gericht geltend zu machen. Die Frage nach der abredewidrigen Prozessaufrechnung oder Widerklage stellt sich also nur, wenn bereits an einem anderen Gericht als dem forum prorogatum ein Verfahren zwischen den Parteien anhängig ist, dessen Streitgegenstand nicht der Gerichtsstandsvereinbarung unterliegt, und eine Partei in diesem Verfahren eine Forderung, die unter die Gerichtsstandsvereinbarung fällt, im Wege der Prozessaufrechnung oder Widerklage geltend macht. Bei der Prozessaufrechnung ist es umstritten, ob das Gericht, vor dem eine Partei aufrechnet, für die Forderung international zuständig sein müsste, wenn die aufrechnende Partei klagen würde, anstatt aufzurechnen. Wenn man dies annähme, könnte der Beklagte mit seiner Gegenforderung nur aufrechnen, wenn für sie ein eigener Zuständigkeitsgrund besteht. Wenn sich die andere Partei auf die Aufrechnung entsprechend Art. 26 Abs. 1 Satz 1 EuGVVO rügelos einlässt, ist die Aufrechnung unstreitig zulässig.403 Sofern sich die andere Partei nicht rügelos einließ, forderten die deutsche Rechtsprechung und Literatur im Anwendungsbereich der EuGVVO traditionell, dass das Gericht für die Aufrechnungsforderung international zuständig sein müsse.404 Der EuGH urteilte 1995, dass die Voraussetzungen der Widerklage gem. Art. 6 Nr. 3 EuGVÜ, der dem heutigen Art. 8 Nr. 3 EuGVVO entspricht, auf die Aufrechnung nicht anzuwenden seien. Vielmehr sei bei der Aufrechnung wie bei anderen Verteidigungsmitteln darauf abzustellen, ob das nationale Recht sie zulasse.405 403  EuGH, 07.03.1985, RS. 48/84, Spitzley/Sommer Exploitation, Rn. 20, NJW 1985, 2893, 2894; BGH, NJW 1993, 1399; 2753, 2754; Bork, in: FS Beys, S. 119, 127 f.; Heinrich, in: Musielak, ZPO, § 33, Rn. 26; Kropholler/von Hein, EuZPR, Art. 23 EuGVVO a. F., Rn. 100. 404  BGH, NJW 1973, 421 f.; 1993, 2753, 2755; OLG Celle, BeckRS 1998, 13414; LG Frankfurt a. M., NJW-RR 1994, 1264, 1265; LG Berlin, IPRax 1998, 97, 100; Dörner, in: Saenger, ZPO, Art. 25 EuGVVO, Rn. 21; Nagel/Gottwald, IZPR, § 3, Rn. 228, 482; Geimer, IPRax 1986, S. 208, 212; differenzierend: Gebauer, IPrax 1998, S. 79; Leipold, ZZP 1994, S. 216, 223 ff. 405  EuGH, 13.07.1995, RS. C-341/93, Danvaern, Rn. 18, NJW 1996, 42, 43.



A. Gerichtsstandsvereinbarungen nach der EuGVVO143

Nach der EuGH-Entscheidung lässt die deutsche Rechtsprechung die Frage bewusst offen406 beziehungsweise führt vereinzelt sogar ausdrücklich aus, dass die internationale Zuständigkeit bei der Aufrechnung nicht mehr erforderlich sei.407 Einzelne Autoren in der Literatur halten im Anwendungsbereich der EuGVVO die internationale Zuständigkeit für die Gegenforderung weiterhin mit der Begründung für erforderlich, dass nach dem EuGH gerade das nationale Recht entscheide und dieses in Deutschland die Zuständigkeit für die Aufrechnung erfordere.408 Die weit überwiegende Auffassung in der Literatur geht heute allerdings davon aus, dass die Prozessaufrechnung im Anwendungsbereich der EuGVVO stets zulässig ist, ohne dass es auf die internationale Zuständigkeit ankäme.409 Diese Auffassung ist überzeugend. Die Prozessaufrechnung ist keine Klage. Das ist unter anderem daran festzumachen, dass die Forderung des Aufrechnenden nicht rechtshängig wird.410 Auch der Vergleich mit der Widerklage spricht dafür, dass das Gericht bei der Aufrechnung nicht international zuständig sein muss. Die Vorschrift über die Widerklage (Art. 8 Nr. 3 EuGVVO) ist nicht auf die Aufrechnung anwendbar.411 Der Unterschied zwischen Aufrechnung und Klage beziehungsweise Widerklage besteht darin, dass die Aufrechnung nur ein Verteidigungsmittel ist, das akzessorisch vom Bestand der Klageforderung abhängig ist. Der Aufrechnende kann seine Gegenforderung nur geltend machen, wenn die Klageforderung besteht und er kann die Gegenforderung nur maximal in Höhe der Klageforderung geltend machen.412 Die Wi406  BGH,

NJW 2002, 2182, 2183; 2014, 3156. Hamburg, BeckRS 2011, 22905. 408  Gruber, IPRax 2002, S. 285, 287 ff.; Hausmann, in: Simons/Hausmann, Brüssel I, Art. 23 EuGVVO a. F., Rn. 155; Saenger, ZZP 1997, S. 477, 495. 409  Gebauer, in Gebauer/Wiedmann, Kap. 27, Art. 6 EuGVVO a. F., Rn. 65; ders., IPRax 1998, S. 79, 86; Hüßtege, in: Thomas/Putzo, ZPO, Art. 8 EuGVVO, Rn. 10; Kannengießer, Aufrechnung, S. 180, 183; Mankowski, in: Rauscher, EuZPR, vor Art. 4 EuGVVO, Rn. 67; ders., ZZP 1996, S. 376, 394; Nagel/Gottwald, IZPR, § 3, Rn. 228; Leible, in: Rauscher, EuZPR, vor Art. 29 EuGVVO, Rn. 8, 22; Rauscher, IPR, Rn. 1818; Reichold, in: Thomas/Putzo, ZPO, § 145, Rn. 20; Reischl, IPRax 2003, S. 426, 429; Roth, RIW 1999, S. 819, 823; Schlosser, in: Schlosser/Hess, EuZPR, Art. 29 EuGVVO, Rn. 4e; Slonia, IPRax 2009, S. 399, 407. 410  EuGH, 08.05.2003, RS. C-111/01, Gantner Electronic GmbH/Basch Exploitatie Maatschappij BV, Rn. 31, EuZW 2003, 542, 544; Kropholler/von Hein, EuZPR, Art. 23 EuGVVO a. F., Rn. 100; Leible, in: Rauscher, EuZPR, vor Art. 29 EuGVVO, Rn. 8, 22; Mankowski, in: Rauscher, EuZPR, vor Art. 4 EuGVVO, Rn. 67; Reichold, in: Thomas/Putzo, ZPO, § 145, Rn. 20; Reischl, IPRax 2003, S. 426, 429; Schlosser, in: Schlosser/Hess, EuZPR, Art. 29 EuGVVO, Rn. 4e. 411  EuGH, 13.07.1995, RS. C-341/93, Danvaern, Rn. 13, NJW 1996, 42, 43. 412  EuGH, 13.07.1995, RS. C-341/93, Danvaern, Rn. 11, NJW 1996, 42, 43; Mankowski, in: Rauscher, EuZPR, vor Art. 4 EuGVVO, Rn. 67; Reichold, in: Thomas/ Putzo, ZPO, § 145, Rn. 13 f. 407  OLG

144

3. Teil: Vertraglicher Schadensersatz

derklage hingegen ist unabhängig von Bestand und Höhe der Klage und der Widerkläger erhält, wenn seine Forderung besteht, einen eigenen rechtskräftigen Titel.413 Da die Aufrechnung andere Voraussetzungen hat als die Klage beziehungsweise Widerklage, da sie auch nicht mit denselben Vorteilen wie die Klage einhergeht (rechtskräftiger Titel, Unabhängigkeit von der Hauptforderung) und da die Gegenforderung nicht rechtshängig wird, muss das Gericht für die Gegenforderung nicht international zuständig sein.414 Die Gegenmeinung ist nicht überzeugend. Der EuGH dürfte mit dem Verweis auf das nationale Recht die materiellrechtliche Zulässigkeit der Aufrechnung gemeint haben. Die prozessualen Voraussetzungen einer Klage regelt die EuGVVO in ihrem Anwendungsbereich abschließend. Dass die EuGVVO keine Regelungen über die Aufrechnung trifft, bedeutet, dass sie selbst die Aufrechnung nicht als Klage oder als der Klage gleichwertig erachtet. Bei bloßen Verteidigungsmitteln wie der Aufrechnung, die nicht gesondert tituliert werden, ist eine Prüfung der internationalen Zuständigkeit daher entbehrlich.415 Wer also mit einer von der Gerichtsstandsvereinbarung umfassten Forderung vor einem forum derogatum aufrechnet, verletzt grundsätzlich keine aus der Gerichtsstandsvereinbarung begründete Pflicht. Eine Pflichtverletzung ist hingegen anzunehmen, wenn die Parteien übereinstimmend die Gerichtsstandsvereinbarung auf die Aufrechnungsforderung erstrecken wollten. Der BGH geht in Anlehnung an die Rechtsprechung des EuGH416 davon aus, dass eine Gerichtsstandsvereinbarung, die sich auch die Aufrechnungsforderung erfasst, ein Aufrechnungsverbot vor einem derogierten Gericht bezüglich der Aufrechnungsforderung begründet. Das entscheidende Kriterium dabei ist der Parteiwille: Wenn die Auslegung der Gerichtsstandsvereinbarung ergibt, dass sich diese auch auf die Aufrechnungsforderung erstrecken soll, ist die Klage ausschließlich vor dem prorogierten Gericht statthaft.417 Diese Auffassung ist überzeugend, weil sie den Parteien die größtmögliche Parteiautonomie gewährt.418 Es entspricht dem Willen der 413  EuGH, 13.07.1995, RS. C-341/93, Danvaern, Rn. 11, NJW 1996, 42, 43; Heinrich, in: Musielak, ZPO, § 33, Rn. 10; Patzina, in: MüKo-ZPO, § 33, Rn. 8. 414  Gottwald, in: MüKo-ZPO, Art. 23 EuGVVO a. F., Rn. 90; Hüßtege, in: Thomas/Putzo, ZPO, Art. 8 EuGVVO, Rn. 10; Kannengießer, Aufrechnung, S. 180, 183; Mankowski, in: Rauscher, EuZPR, vor Art. 4 EuGVVO, Rn. 67; Nagel/Gottwald, IZPR, § 3, Rn. 228; Rauscher, IPR, Rn. 1733. 415  Mankowski, in: Rauscher, EuZPR, vor Art. 4 EuGVVO, Rn. 67; Leipold, in: Stein/Jonas, ZPO, § 145, Rn. 44; Kannengießer, Aufrechnung, S. 182; Rauscher, IPR, Rn. 1818. 416  EuGH, 09.11.1978 – 23/78, BeckRS 2004, 72459. 417  BGH, NJW 1979, 2477, 2478. 418  Zustimmend Leipold, in: Stein/Jonas, ZPO, § 145, Rn. 47.



A. Gerichtsstandsvereinbarungen nach der EuGVVO145

Parteien, dass sie parteiautonom vereinbaren können, welche Forderungen der Gerichtsstandsvereinbarung unterliegen sollen und welche nicht. Wenn die Gerichtsstandsvereinbarung auch für die Aufrechnungsforderung gelten soll, stellt die Aufrechnung vor einem forum derogatum eine Pflichtverletzung dar. Im Anwendungsbereich der EuGVVO gelten jedoch die oben gemachten Einschränkungen durch das Prinzip des gegenseitigen Vertrauens und die Rechtskraft der Entscheidung des forum derogatum.419 Auch bei einer Aufrechnung entgegen der Gerichtsstandsvereinbarung kommt der Schadensersatzanspruch nur in Betracht, wenn sich das forum derogatum bezüglich der Aufrechnungsforderung für unzuständig erklärt hat. Der Schaden dürfte in diesen Fällen regelmäßig gering ausfallen. Wie oben dargestellt, ist die Widerklage eine besondere Art der Klage, die mit dieser viele wesentliche Charakteristika teilt.420 Insbesondere setzt sie voraus, dass das Gericht, vor dem der Widerkläger sie geltend macht, für die Widerklage zuständig ist.421 Da für Klage und Widerklage die gleichen Zuständigkeitsvoraussetzungen gelten, sind auch die Regelungen über die Gerichtsstandsvereinbarung auf die Widerklage zu übertragen. Wenn der mit der Widerklage geltend gemachte Anspruch von der Gerichtsstandsvereinbarung umfasst ist, darf der Widerkläger die Widerklage nur am forum prorogatum erheben.422 Eine anderweitige Abrede in der Gerichtsstandsvereinbarung ist allerdings zulässig.423 Demnach begeht der Widerkläger – vorbehaltlich einer rügelosen Einlassung – eine Pflichtverletzung, wenn er eine Widerklage an einem anderen als dem in der Gerichtsstandsvereinbarung prorogierten Gericht erhebt. 419  Siehe

3. Teil, A. II. 7. und A. II. 9. Meinung, siehe nur Hüßtege, in: Thomas/Putzo, ZPO, § 33, Rn. 8. 421  Stadler, in: Musielak, ZPO, Art. 8 EuGVVO, Rn. 7; Kropholler/von Hein, EuZPR, Art. 6 EuGVVO a. F., Rn. 36; Hüßtege, in: Thomas/Putzo, ZPO, Art. 8 EuGVVO, Rn. 7; Leible, in: Rauscher, EuZPR, Art. 8 EuGVVO, Rn. 44. Umstritten ist allerdings, ob auch die Klage in den Anwendungsbereich der EuGVVO fallen muss oder ob dies nur für die Widerklage gilt. Siehe hierzu Stadler, in: Musielak, ZPO, Art. 8 EuGVVO, Rn. 7 m. w. N. 422  OLG Saarbrücken, BeckRS 2007, 15076; Dörner, in Saenger, ZPO, Art. 25 EuGVVO, Rn. 21; Gottwald, in: MüKo-ZPO, Art. 23 EuGVVO a. F., Rn. 90; Hausmann, in: Simons/Hausmann, Brüssel I, Art. 23 EuGVVO a. F., Rn. 153; Mankowski, in: Rauscher, EuZPR, Art. 25 EuGVVO, Rn. 223; Nagel/Gottwald, IZPR, § 3, Rn. 227, 483; Saenger, ZZP 1997, S. 477, 496; Kropholler/von Hein, EuZPR, Art. 23 EuGVVO a. F., Rn. 98. Letztere wenden die Ausschließlichkeitsvermutung aus Art. 25 Abs. 1 Satz 2 EuGVVO auch auf Widerklagen an. 423  Gottwald, in: MüKo-ZPO, Art. 23 EuGVVO a. F., Rn. 90; Hausmann, in: Simons/Hausmann, Brüssel I, Art. 23 EuGVVO a. F., Rn. 153; McGuire, in: FS Kaissis, S. 671, 678. 420  Allg.

146

3. Teil: Vertraglicher Schadensersatz

2. Das Verhalten des forum derogatum Die pflichtwidrige Klage einer Partei ist oft nur eine Seite der Medaille bei der Entstehung des Schadens aufgrund einer abredewidrigen Klage. Oft erhebt der abredewidrig Klagende die Klage bewusst vor einem bestimmten forum derogatum, weil er sich von diesem ein bestimmtes Verhalten erhofft. Auf solche Bedrohungen wie insbesondere die so genannte Torpedoklage hat der Verordnungsgeber mit der EuGVVO-Novelle reagiert. Es ist im Folgenden zu untersuchen, wie sich die Änderungen der EuGVVO, besonders durch Art. 31 Abs. 2 und den Halbsatz zur materiellen Nichtigkeit der Gerichtsstandsvereinbarung in Art. 25 Abs. 1 Satz 1 HS 2 EuGVVO, auf den Schadensersatzanspruch auswirken. a) Art. 31 Abs. 2 EuGVVO Für viele war die größte Schwachstelle der EuGVVO a. F. das Phänomen der so genannten Torpedoklage, der negativen Feststellungsklage vor einem für seine Langsamkeit bekannten Gericht.424 Nach dem strengen Prioritätsprinzip des Art. 27 Abs. 1 EuGVVO a. F. (heute im Wesentlichen Art. 29 Abs. 1 EuGVVO) musste das zeitlich als zweites wegen desselben Anspruchs angerufene Gericht das Verfahren solange aussetzen, bis das erste Gericht über seine Zuständigkeit entschieden hatte. Wenn also eine Partei mit einer Klage gegen sich rechnete, konnte sie vor einem besonders langsamen Gericht, häufig in Italien, eine negative Feststellungsklage erheben. Dadurch war eine später erhobene Leistungsklage in einem anderen Mitgliedstaat blockiert, bis das langsame Gericht – oft erst nach Jahren – die negative Feststellungsklage aufgrund der Gerichtsstandsvereinbarung für unzulässig erklärt hatte.425 Die abredewidrig klagende Partei konnte das Drohpotenzial der Torpedoklage auch für Erpressungen nutzen.426 Dennoch entschied der EuGH in der umstrittenen Gasser-Entscheidung von 2004 zugunsten des Prioritätsprinzips, dass also das zweite Gericht auch in offensichtlich missbräuchlichen „Torpedokonstellationen“ das Verfahren 424  Weller, in: Hess/T. Pfeiffer/Schlosser, Heidelberg-Bericht, Rn. 441 bezeichnet die Prioritätsregel des Art. 27 Abs. 1 EuGV­VO a. F. in Anbetracht der Torpedoklage als „the first and most pressing […] question“ bei der EuGVVO-No­velle. Vgl. auch Mankowski, RIW 2015, S. 17. 425  Althammer/Löhnig, ZZP Int. 2004, S. 23, 31; Briggs, YPIL 2010, S. 311, 314; Coester-Waltjen, Annales Univ. Sci. Budapest. 2011, S. 225, 230; Hartley, ICLQ 2005, S. 813, 815 ff.; McGuire, in: FS Kaissis, S. 671, 672; Nuyts, Rev. crit. DIP 2013, S. 47, 51; Pohl, IPRax 2013, S. 109, 111. 426  Mankowski, IPRax 2009, S. 23; vgl. auch Althammer/Löhnig, ZZP Int. 2004, S. 23, 30.



A. Gerichtsstandsvereinbarungen nach der EuGVVO147

zugunsten des zuerst angerufenen Gerichts auszusetzen habe.427 Dementsprechend war die Torpedoklage ein viel diskutierter Einsatzbereich für den möglichen Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung.428 Aufgrund des Problems der Torpedoklagen fanden die Rechtshängigkeitsregeln besondere Beachtung in der Reformdiskussion429 und erfuhren in der EuGVVO-Novelle eine Modifizierung in Art. 31 Abs. 2 und 3 EuGVVO. Logische Prämisse für die Anwendbarkeit der Vorschrift ist, dass es mindestens zwei Verfahren gibt, deren Streitgegenstand denselben Anspruch zwischen denselben Parteien betrifft.430 Ferner darf der Beklagte sich nicht vor dem forum derogatum rügelos eingelassen haben gem. Art. 26 Abs. 1 Satz 1 EuGVVO.431 Zudem muss eine der beiden Parteien – typischerweise, aber nicht zwingend, der Beklagte vor dem forum derogatum432 – tatsächlich Klage vor dem forum prorogatum erhoben haben.433 In diesem Fall darf gem. Art. 31 Abs. 2 und 3 EuGVVO ausschließlich das prorogierte Gericht verbindlich über seine Zuständigkeit entscheiden. Jedes andere, vorher angerufene Gericht muss das Verfahren nach Art. 31 Abs. 2 EuGVVO solange aussetzen, bis das forum prorogatum über seine Zuständigkeit entschieden hat. Wenn sich das forum prorogatum für zuständig erklärt hat, muss sich das forum derogatum für unzuständig erklären, Art. 31 Abs. 3 EuGVVO. Erst wenn sich das prorogierte Gericht für unzuständig erklärt hat, weil die Gerichtsstandsvereinbarung unwirksam ist, darf das zuerst angerufene Gericht entscheiden. Nach Erwägungsgrund 22 Abs. 1 Satz 5 EuGVVO darf das forum prorogatum unabhängig davon entscheiden, ob das forum derogatum bereits das Verfahren ausgesetzt hat. Trotz der vermeintlich klaren Regelung in Art. 31 Abs. 2 EuGVVO sind auch durch die EuGVVO-Reform bei Weitem nicht alle Missbrauchsmög427  EuGH, 09.12.2003, RS. C-116/02, Gasser, Rn. 54, EuZW 2004, 188, 191. Siehe zur Kritik an dieser Entscheidung insbesondere aus dem Vereinigten Königreich: Hartley, ICLQ 2005, S. 813, 817 ff. 428  Vgl. Weller, in: Hess/T. Pfeiffer/Schlosser, Heidelberg-Bericht, Rn. 462; Briggs, YPIL 2010, S. 311, 315; Mankowski, IPRax 2009, S. 23, 24; McGuire, in: FS Kaissis, S. 671, 672; T. Pfeiffer, in: FS Lindacher, S. 77, 79. 429  Green Paper on the Review of Council Regulation (EC) No 44/2001 on Jurisdiciton and the Enforcement of Judgements in Civil and Commercial Matters der Europäischen Kommission vom 21. April 2009 (COM (2009) 175 final), S. 5 f.; Weller, in: Hess/T. Pfeiffer/Schlosser, Heidelberg-Bericht, Rn. 441. 430  Leible, in: Rauscher, EuZPR, Art. 31 EuGVVO, Rn. 6; Mankowski, RIW 2015, S.  17, 19 f.; Pohl, IPRax 2013, S. 109, 112; Queirolo, YPIL 2013/2014, S. 113, 130 f. 431  Queirolo, YPIL 2013/2014, S. 113, 131. 432  Mankowski, RIW 2015, S. 17, 19. 433  Klöpfer, Missbrauch Zivilverfahrensrecht, S. 361  f.; Mankowski, RIW 2015, S. 17, 19.

148

3. Teil: Vertraglicher Schadensersatz

lichkeiten ausgeschlossen. Viele Fragen im Umfeld von Art. 31 Abs. 2 EuGVVO sind noch nicht abschließend geklärt.434 Wenn eine Vereinbarung die formellen Voraussetzungen des heutigen Art. 25 Abs. 1 EuGVVO erfüllt und von beiden Parteien (einer zweiseitigen Vereinbarung) unterschrieben ist, besteht nach der Rechtsprechung des EuGH eine Vermutung für die Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung.435 In diesen Fällen liefert Art. 31 Abs. 2 EuGVVO ein effizientes Verfahren, wenn nur eine Gerichtsstandsvereinbarung besteht.436 Deutlich schwieriger sind hingegen Fälle zu beurteilen, in denen die Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung zwischen den Parteien streitig ist (also genau die Konstellation, die dem EuGH in der Gasser-Entscheidung vorlag) oder in denen sich gegenseitig widersprechende Gerichtsstandsvereinbarungen bestehen. Hier stellt sich die Frage, welchen Anforderungen die Gerichtsstandsvereinbarung genügen muss, damit die Regel des Art. 31 Abs. 2 EuGVVO Anwendung findet. Steht dem zuerst angerufenen Gericht, dem potentiellen forum derogatum, ein Prüfungsrecht zu und wenn ja, in welchem Umfang? Bereits wenn Dritte, wie etwa Rechtsnachfolger, an die Gerichtsstandsvereinbarung gebunden sein sollen, trifft Art. 31 Abs. 2 EuGVVO keine Aussage darüber, ob das zuerst angerufene Gericht die Rechtsnachfolge überhaupt prüfen darf.437 Diese Frage betrifft den Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung in folgender Hinsicht: Wenn man strenge Anforderungen an die Prüfung durch das forum derogatum stellt, drohen Kosten für die Zulässigkeitsprüfung. Eine solche Zulässigkeitsprüfung kann – je nach den Umständen des Einzelfalls – „langwierige und kostspielige Ermittlungen“ erfordern.438 Daneben droht der so genannte umgekehrte Torpedo, wenn man zu geringe Anforderungen an die Prüfung der Gerichtsstandsvereinbarung durch das potentielle forum derogatum stellt. Dann könnte eine Partei das ihr unliebsame Verfahren vor dem zuständigen, zuerst angerufenen Gericht dadurch blockieren, dass sie eine Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten eines Gerichts in einem anderen Mitgliedstaat be434  Ratko­vić/Zgrabljić Rotar, JPIL 2013, S. 245, 264; Heinze, RabelsZ 2011, S. 581, 590; Briggs, YPIL 2010, S. 311, 317 ff. 435  Vgl. EuGH, 20.02.1997, RS. C-106/95, Mainschiffahrts-Genossenschaft/Les Gravières Rhénanes, Rn. 19, NJW 1997, 1431, 1432. 436  Heinze, RabelsZ 2011, S. 581, 590. 437  Heinze, RabelsZ 2011, S. 581, 590. 438  EuGH, 09.12.2003, RS. C-116/02, Gasser, Rn. 26, EuZW 2004, 188, 189. Ähnlich bei Klöpfer, Missbrauch Zivilverfahrensrecht, S. 362 f.; Mankowski, RIW 2015, S. 17, 21; McGuire, in: FS Kaissis, S. 671, 678; Ratko­vić/Zgrabljić Rotar, JPIL 2013, S. 245, 264.



A. Gerichtsstandsvereinbarungen nach der EuGVVO149

hauptet.439 Diese Konstellation betrifft den Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung jedoch nur, wenn es mindestens zwei Gerichtsstandsvereinbarungen zwischen den Parteien gibt. Andernfalls kommt gegebenenfalls ein Schadensersatzanspruch wegen Prozessbetrugs in Betracht, etwa wenn eine Partei eine Gerichtsstandsvereinbarung fälscht, nicht aber wegen der Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung. Die Meinungen zum Prüfungsrecht des zuerst angerufenen Gerichts gehen recht weit auseinander. Während manche jedenfalls mehr als die unsubstantiierte Behauptung einer Gerichtsstandsvereinbarung fordern440, wollen andere dem zuerst angerufenen Gericht eine Missbrauchskontrolle zubilligen.441 Wieder andere gehen davon aus, das nicht prorogierte, zuerst angerufene Gericht müsse die Gerichtsstandsvereinbarung vollumfänglich auf seine Wirksamkeit hin prüfen, bevor es das Verfahren aussetze.442 Wortlaut und Entstehungsgeschichte der Vorschrift sind wenig aussagekräftig. Die Systematik spricht gegen ein umfängliches Prüfungsrecht des forum derogatum. Nach Art. 31 Abs. 4 EuGVVO gelten Art. 31 Abs. 2 und 3 EuGVVO nicht zulasten der dort genannten, besonders schutzwürdigen Personengruppen (Versicherte, Arbeitnehmer, Verbraucher). In diesen Fällen muss das zuerst angerufene, nicht prorogierte Gericht die Gerichtsstandsvereinbarung vollumfänglich prüfen, weil man es den genannten Personengruppen nicht zumuten möchte, vor ein anderes Gericht ziehen zu müssen.443 Da Art. 31 EuGVVO eine vollumfängliche Prüfung der Gerichtsstandsvereinbarung nur in Abs. 4 zulässt, bedeutet dies im Umkehrschluss, dass sie in den anderen Absätzen nicht zulässig ist.444 Auch der Sinn und Zweck der Vorschrift unterstützen diese Lesart: Schließlich soll die Vorschrift, wie Erwä439  Domej, RabelsZ 2014, S. 508, 535; von Hein, RIW 2013, S. 97, 104 f.; Klöpfer, Missbrauch Zivilverfahrensrecht, S. 361 ff.; Leible, in: Rauscher, EuZPR, Art. 31 EuGVVO, Rn. 11; Mankowski, RIW 2015, S. 17, 19; Ratko­vić/Zgrabljić Rotar, JPIL 2013, S. 245, 264; Stadler, in: Musielak, ZPO, Art. 31 EuGVVO, Rn. 6; Wilke, JPIL 2015, S. 128, 131. 440  Antomo, Schadensersatz, S. 99  ff.; Domej, RabelsZ 2014, S. 508, 535; vgl. Hilbig-Lugani, in: FS Schütze 2015, S. 195, 202 f. 441  Nuyts, Rev. crit. DIP 2013, S. 47, 52. 442  Hilbig-Lugani, in: FS Schütze 2015, S. 195, 203. Vgl. auch Weller, GPR 2012, S.  34, 40 f.; Heinze, RabelsZ 2011, S. 581, 594 f., allerdings noch zum Kommissionsentwurf zur EuGVVO-Novelle. 443  Dörner, in: Saenger, ZPO, Art. 31 EuGVVO, Rn. 4; Leible, in: Rauscher, EuZPR, Art. 31 EuGVVO, Rn. 14; Mankowski, RIW 2015, S. 17, 20; Stadler, in: Musielak, ZPO, Art. 31 EuGVVO, Rn. 6. 444  Domej, RabelsZ 2014, S. 508, 535; Leible, in: Rauscher, EuZPR, Art. 31 EuGVVO, Rn. 14; inhaltlich zustimmend, aber gegen den Umkehrschluss: Mankowski, RIW 2015, S. 17, 21.

150

3. Teil: Vertraglicher Schadensersatz

gungsgrund 22 Abs. 1 Satz 4 verdeutlicht, bewirken, dass vorrangig das prorogierte (und nicht das zuerst angerufene) Gericht über die Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung entscheidet.445 Demzufolge ist eine Wirksamkeitsprüfung durch das zuerst angerufene Gericht ausgeschlossen. Allerdings ist wenigstens eine gewisse Anfangswahrscheinlichkeit dafür zu fordern, dass es die Gerichtsstandsvereinbarung tatsächlich gibt, denn andernfalls würde man der umgekehrten Torpedoklage Tür und Tor öffnen.446 Nach allgemeinen Regeln ist derjenige, der sich auf die Gerichtsstandsvereinbarung beruft, hierfür darlegungs- und beweisbelastet (actori incumbit probatio).447 Es genügt die unsubstantiierte Behauptung einer wirksamen Gerichtsstandsvereinbarung, wenn die andere Partei nicht bestreitet. Wenn sie allerdings bestreitet, muss die Partei, die sich auf die Gerichtsstandsvereinbarung beruft, entsprechend substantiiert zur Gerichtsstandsvereinbarung vortragen.448 Wenn sich die Parteien darüber streiten, ob zwischen ihnen eine Gerichtsstandsvereinbarung besteht, kann es demzufolge trotz Art. 31 Abs. 2 EuGVVO zu Fehlentscheidungen des zuerst angerufenen Gerichts kommen. Es ist möglich, dass es dem am zuerst angerufenen Gericht Beklagten nicht gelingt, die Gerichtsstandsvereinbarung darzulegen und zu beweisen. Da er darlegungs- und beweisbelastet ist, würde ein Beweislasturteil – etwa bei einer schwierigen Beweislage zur Gerichtsstandsvereinbarung – zu seinen Lasten ausfallen. Daneben kann es aber nach Art. 31 Abs. 2 EuGVVO auch Fälle geben, in denen die Anfangswahrscheinlichkeit für eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung besteht, diese sich aber als unwirksam erweist. Dieses Risiko nimmt Art. 31 Abs. 2 EuGVVO in Kauf, wenn es das Prüfungsrecht dem forum prorogatum zuweist. Da in letzterer Konstellation ein Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung ohnehin ausscheidet, ist sie hier nicht weiter von Interesse. Die Regel des Art. 31 Abs. 2 EuGVVO kommt nicht zur Anwendung, wenn es zwei (oder mehr) Gerichtsstandsvereinbarungen gibt, die denselben 445  Leible, in: Rauscher, EuZPR, Art. 31 EuGVVO, Rn. 14; Mankowski, RIW 2015, S. 17, 21; Schlosser, in: Schlosser/Hess, EuZPR, Art. 31 EuGVVO, Rn. 2. 446  Briggs, YPIL 2010, S. 311, 317 f.; Domej, RabelsZ 2014, S. 508, 535; Hartley, LQR 2013, S. 309, 313; Leible, in: Rauscher, EuZPR, Art. 31 EuGVVO, Rn. 11, 15; Mankowski, RIW 2015, S. 17, 22; Schlosser, in: Schlosser/Hess, EuZPR, Art. 31 ­EuGVVO, Rn.  2; Stadler, in: Musielak, ZPO, Art. 31 EuGVVO, Rn. 6; Wilke, JPIL 2015, S. 128, 130. 447  Stadler, in: Musielak, ZPO, Art. 31 EuGVVO, Rn. 6; Mankowski, in: Rauscher, EuZPR, Art. 25 EuGVVO, Rn. 2; ders., in: Rauscher, EuZPR, vor Art. 4 EuGVVO, Rn. 8. 448  Leible, in: Rauscher, EuZPR, Art. 31 EuGVVO, Rn. 15; Stadler, in: Musielak, ZPO, Art. 31 EuGVVO, Rn. 6; ähnlich auch Antomo, Schadensersatz, S. 99 ff.



A. Gerichtsstandsvereinbarungen nach der EuGVVO151

Streitgegenstand umfassen und sich gegenseitig widersprechen.449 Dies ergibt sich aus Erwägungsgrund 22 Abs. 2, nach dem die Ausnahmevorschrift des Art. 31 Abs. 2 EuGVVO bei sich widersprechenden Gerichtsstandsvereinbarungen nicht anzuwenden ist. Da die lex specialis nicht eingreift, ist in diesen Fällen auf die lex generalis in Art. 29 Abs. 1 EuGVVO zurückzugreifen.450 Das hat zur Folge, dass in dieser Konstellation der Torpedo – wie unter Art. 27 Abs. 1 EuGVVO a. F. – weiterhin möglich ist. Wenn eine Partei mit einer Klage am vereinbarten Gericht rechnet, kann sie vor der Klage der Gegenseite an einem für seine Langsamkeit bekannten derogierten Gericht Klage erheben und dabei eine Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten dieses oder eines beliebigen anderen mitgliedstaatlichen Gerichts behaupten.451 Derjenige, der sich auf eine zweite Gerichtsstandsvereinbarung beruft, kann allerdings nur dann pflichtwidrig handeln, wenn es sie in Wirklichkeit nicht gibt oder sie unwirksam ist. Wenn sich zwei Gerichtsstandsvereinbarungen in AGB widersprechen, handelt es sich entweder um einen offenen Dissens, sodass es keine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung gibt452, oder um eine ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten beider Gerichte (Wahlgerichtsstandsvereinbarung). In letzterem Fall ist eine Pflichtverletzung nur möglich, wenn eine Partei vor einem anderen als den beiden prorogierten Gerichten Klage erhebt.453 Diese neue Form der Torpedoklage setzt gegenüber der klassischen Torpedoklage einen erhöhten Aufwand voraus, weil die abredewidrig klagende Partei eine Gerichtsstandsvereinbarung behaupten muss. Die folgenden Überlegungen relativieren den diesbezüglich erforderlichen Aufwand allerdings: Wie oben untersucht, kann es leicht passieren, dass Parteien nach den zwischen ihnen oder den in ihrem Geschäftszweig üblichen Gepflogenheiten in Form der AGB widersprüchliche Gerichtsstandsvereinbarungen abschließen, ohne sich dessen bewusst zu sein (zum Beispiel durch kaufmännisches Bestätigungsschreiben oder stillschweigende Verlängerung einer ausgelaufenen Gerichtsstandsvereinbarung).454 Bei sich kreuzenden AGB zwischen Handelsparteien kann es so leicht zu widersprüchlichen Gerichtsstandsvereinbarungen kommen.455 Hier genügt es, wenn eine der beiden Gerichts449  von Hein, RIW 2013, S. 97, 104 f.; Nuyts, Rev. crit. DIP 2013, S. 47, 53 f.; Leible, in: Rauscher, EuZPR, Art. 31 EuGVVO, Rn. 10; Wilke, JPIL 2015, S. 128, 130. 450  von Hein, RIW 2013, S. 97, 105; Mankowski, RIW 2015, S. 17, 24. 451  Nuyts, Rev. crit. DIP 2013, S. 47, 52. 452  Mankowski, RIW 2015, S. 17, 24. 453  Vgl. 3. Teil, A. I. 4. 454  Siehe 3. Teil, A. I. 3. a). 455  Hilbig-Lugani, in: FS Schütze 2015, S. 195, 203; Klöpfer, Missbrauch Zivilverfahrensrecht, S. 363; Mankowski, RIW 2015, S. 17, 24.

152

3. Teil: Vertraglicher Schadensersatz

standsvereinbarungen unwirksam ist. Dann handelt es sich weder um einen Dissens noch um eine Wahlgerichtsstandsvereinbarung und eine pflichtwidrige Klage entgegen der einen wirksamen Gerichtsstandsvereinbarung ist möglich. Der abredewidrig Klagende muss also nicht zwingend eine Gerichtsstandsvereinbarung fälschen. Nicht selten wird es tatsächliche eine zweite Gerichtsstandsvereinbarung geben, auf die sich eine Partei berufen kann. Selbst wenn diese unwirksam ist, findet Art. 31 Abs. 2 EuGVVO keine Anwendung mehr. Sobald die formellen Voraussetzungen von Art. 25 EuGVVO gewahrt sind, besteht die Anfangswahrscheinlichkeit für eine zweite Gerichtsstandsvereinbarung, was die Regel des Art. 31 Abs. 2 EuGVVO auch dann ausschließt, wenn die zweite Gerichtsstandsvereinbarung materiell unwirksam ist.456 Wenn die abredewidrig klagende Partei eine Gerichtsstandsvereinbarung behaupten möchte, die in Wirklichkeit nicht besteht, wird ihr das nicht schwerfallen.457 Der Mechanismus des Art. 31 Abs. 2 EuGVVO greift bereits bei einer Anfangswahrscheinlichkeit für eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung ein. Es sind keine Anzeichen ersichtlich, warum im Fall von zwei widersprüchlichen Gerichtsstandsvereinbarungen etwas anderes gelten sollte.458 Demnach genügt die Anfangswahrscheinlichkeit dafür, dass es zwei wirksame Gerichtsstandsvereinbarung gibt, um den Mechanismus des Art. 31 Abs. 2 EuGVVO auszuschließen. Regelmäßig dürfte es ausreichen, wenn die abredewidrig klagende Partei etwa ihre AGB mit einer zweiten Gerichtsstandsvereinbarung vorlegt, egal ob diese wirksam oder unwirksam ist.459 Ob sich die Parteien in AGB, durch kaufmännisches Bestätigungsschreiben oder einfach bei komplexen Verhandlungen tatsächlich auf eine Gerichtsstandsvereinbarung geeinigt haben, lässt sich auf den ersten Blick nicht feststellen.460 Eine umfangreichere Prüfung darf das forum prorogatum aber nicht anstellen. Die Anfangswahrscheinlichkeit für eine Gerichtsstandsvereinbarung liegt in diesen Fällen allemal vor. Ob die Parteien tatsächlich eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung abgeschlossen haben oder ob es sich 456  Hilbig-Lugani, in: FS Schütze 2015, S. 195, 203; Queirolo, YPIL 2013/2014, S. 113, 133. 457  Klöpfer, Missbrauch Zivilverfahrensrecht, S.  363; Mankowski, RIW 2015, S. 17, 22; Nuyts, Rev. crit. DIP 2013, S. 47, 52. 458  So wohl auch Klöpfer, Missbrauch Zivilverfahrensrecht, S. 363; Nuyts, Rev. crit. DIP 2013, S. 47, 52. 459  Queirolo, YPIL 2013/2014, S. 113, 133 lässt bereits die Behauptung einer Gerichtsstandsvereinbarung genügen. 460  Mankowski, RIW 2015, S. 17, 22.



A. Gerichtsstandsvereinbarungen nach der EuGVVO153

hierbei um eine Fälschung handelt, ist in Hinblick auf den Mechanismus des Art. 31 Abs. 2 EuGVVO unerheblich.461 Das Argument, eine Partei werde deswegen nicht eine tatsächlich nicht bestehende Gerichtsstandsvereinbarung vortäuschen, weil es anschließend im Prozess vor dem vermeintlich prorogierten Gericht verlieren werde462, ist nicht überzeugend. Schließlich wusste auch der Kläger der klassischen Torpedoklage, dass er diese verlieren würde. Das hielt ihn aber nicht von der Klage ab, weil für ihn der Vorteil des durch die Torpedoklage hervorgerufenen Zeitgewinns die Nachteile in Form der für die Torpedoklage aufgewendeten Kosten überwog.463 Zusammenfassend ist festzuhalten, dass Art. 31 Abs. 2 EuGVVO abredewidrige Klagen weiterhin zulässt. Hervorzuheben sind Fälle, in denen die Parteien über die Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung streiten und in denen es sich widersprechende Gerichtsstandsvereinbarungen gibt. Das gilt unabhängig davon, ob die zweite Gerichtsstandsvereinbarung versehentlich oder durch Manipulation entstanden ist. In diesen Fällen kommt weiterhin der Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung in Betracht, wenn der abredewidrig Klagende die Pflichtverletzung zu vertreten hat. Dass auch Art. 31 Abs. 2 EuGVVO keinen wirksamen Schutz vor diesen neuartigen Torpedoklagen bietet, ist ein weiteres starkes Argument für den Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung. Wenn die Gefahr abredewidriger Klagen nicht ex ante zu beseitigen ist, sollten wenigstens die durch sie hervorgerufenen Schäden ex post ersetzbar sein. b) Art. 25 Abs. 1 Satz 1 HS 2 EuGVVO Die mitgliedstaatlichen Gerichte ermöglichten abredewidrige Klagen auch insoweit, als sie verschiedene Anforderungen an die materielle Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung nach Art. 23 EuGVVO a. F. stellten. Das galt insbesondere für die Einigung. Bereits unter der EuGVVO a. F. war es praktisch unumstritten, dass die Einigung zum Abschluss der Gerichtsstandsver461  Klöpfer, Missbrauch Zivilverfahrensrecht, S. 363. Vgl. für den Fall nur einer Gerichtsstandsvereinbarung: Domej, RabelsZ 2014, S. 508, 535; Hartley, LQR 2013, S. 309, 313; Leible, in: Rauscher, EuZPR, Art. 31 EuGVVO, Rn. 11, 15; Schlosser, in: Schlosser/Hess, EuZPR, Art. 31 EuGVVO, Rn. 2; Stadler, in: Musielak, ZPO, Art. 31 EuGVVO, Rn. 6. 462  Mankowski, RIW 2015, S. 17, 22; Magnus/Mankowski, ZVglRWiss 2010, S. 1, 12 f.; auch Antomo, Schadensersatz, S. 99 ff. hält den umgekehrten Torpedo für „kaum besonders praxisrelevant“. 463  Domej, RabelsZ 2014, S.  508, 535; Klöpfer, Missbrauch Verfahrensrecht, S. 362.

154

3. Teil: Vertraglicher Schadensersatz

einbarung verordnungsautonom zu bestimmen ist.464 Dennoch griffen die mitgliedstaatlichen Gerichte gerade für die Frage der Einigung häufig auf nationalstaatliches Recht zurück.465 Dabei wendeten sie teilweise die lex fori, teilweise die lex causae an. Hierdurch konnten „hinkende“ Gerichtsstandsvereinbarungen entstehen, die in einem Mitgliedstaat wirksam und in einem anderen unwirksam waren.466 Bei Wirksamkeitsfragen, die nicht die Einigung betrafen, wendete die überwiegende Auffassung zu Art. 23 EuGVVO a. F. das vom internationalen Privatrecht des angerufenen Gerichts bestimmte Recht an.467 Die uneinheitliche Handhabung der Wirksamkeitsvoraussetzungen beflügelte abredewidrige Klagen, weil eine Partei darauf hoffen konnte, dass Gerichte in verschiedenen Mitgliedstaaten die Wirksamkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung tatsächlich verschieden bewerten würden. Darüber hinaus hinderten sie die Effektivität von Gerichtsstandsvereinbarungen, weil es für die Parteien deutlich weniger vorhersehbar war, ob die Gerichtsstandsvereinbarung wirksam war und in welchen Mitgliedstaaten die Gerichte nach welchen Regeln darüber entscheiden würden. Dieser Gefahr begegnet der bei der EuGVVO-Reform neu eingefügte Art. 25 Abs. 1 Satz 1 HS 2 EuGVVO („es sei denn, die Vereinbarung ist nach dem Recht dieses Mitgliedstaats materiell nichtig“). Die Vorschrift enthält eine Vermutung zugunsten der materiellen Wirksamkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen.468 Dadurch weist die Vorschrift die Darlegungs- und Beweislast für eine eventuelle Unwirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung demjenigen zu, der sich auf die Unwirksamkeit beruft.469 Diese Neuerung ist begrüßenswert, weil sie abredewidrige Klagen tendenziell erschwert. Die Wirkung dieser nunmehr verschriftlichten Vermutungsregel ist nicht zu unterschätzen. Durch den Halbsatz ist es auf den ersten Blick offensichtlich, 464  T. Pfeiffer, in: Hess/T. Pfeiffer/Schlosser, Heidelberg-Bericht, Rn. 376; Dickinson, YPIL 2010, S. 248, 285; Ge­bauer, in: FS von Hoffmann, S. 577 ff.; Mankowski, in: Rauscher, EuZPR, Art. 25 EuGVVO, Rn. 44; Dörner, in: Saenger, ZPO, Art. 25 EuGVVO, Rn. 10. 465  T. Pfeiffer, in: Hess/T. Pfeiffer/Schlosser, Heidelberg-Bericht, Rn. 376; Bříza, JPIL 2009, S. 537, 557. 466  T. Pfeiffer, in: Hess/T. Pfeiffer/Schlosser, Heidelberg-Bericht, Rn. 377; Bříza, JPIL 2009, S. 537, 557; Queirolo, YPIL 2013/2014, S. 113, 119, 124. 467  Domej, RabelsZ 2014, S. 508, 526; Droz, Compétence judiciaire, Rn. 214; Krop­holler/von Hein, EuZPR, Art. 23 EuGVVO a. F., Rn. 28; Magnus, in: FS von Hoffmann, S. 664, 667 f. 468  Alio, NJW 2014, S. 2395, 2396; Heinze, RabelsZ 2011, S. 581, 584; Herranz Ballesteros, JPIL 2014, S. 291, 294, Rn. 13; Mankowski, in: Rauscher, EuZPR, Art. 25 EuGVVO, Rn. 39. 469  Mankowski, in: Rauscher, EuZPR, Art. 25 EuGVVO, Rn. 39; Stadler, in: Musielak, ZPO, Art. 25 EuGVVO, Rn. 5.



A. Gerichtsstandsvereinbarungen nach der EuGVVO155

dass die EuGVVO Gerichtsstandsvereinbarungen grundsätzlich als wirksam erachtet und dass derjenige, der sich dennoch auf die Unwirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung beruft, hierfür darlegungs- und beweisbelastet ist. Damit verfügt die Vorschrift über eine gewisse Abschreckungswirkung gegenüber demjenigen, der über eine abredewidrige Klage nachdenkt.470 Ferner schlägt der neue Art. 25 Abs. 5 EuGVVO, der die Unabhängigkeit der Gerichtsstandsvereinbarung vom Hauptvertrag postuliert, demjenigen, der sich auf die Unwirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung berufen möchte, das Argument aus der Hand, die Unwirksamkeit des Hauptvertrags habe auch die Unwirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung zur Folge.471 Freilich war dies auch schon unter Art. 23 EuGVVO a. F. herrschende Meinung472, sodass der Vorschrift im Wesentlichen deklaratorische Funktion zukommt.473 Auch hier zählt allerdings das Argument der Klarstellung und Abschreckung. Auch die in Art. 25 Abs. 1 Satz 1 HS 2 EuGVVO enthaltene Verweisungsnorm ist als Fortschritt zu werten. Es handelt sich hierbei um eine Gesamtverweisung, sodass das internationale Privatrecht des Mitgliedstaats, zugunsten dessen Gerichte die Parteien die Gerichtsstandsvereinbarung getroffen haben, anwendbar ist (vgl. Erwägungsgrund 20).474 Die Gesamtverweisung erzielt sachgerechtere Lösungen als eine Sachnormverweisung und stärkt dadurch den internationalen Entscheidungseinklang.475 Bei einer Sachnormverweisung hingegen wären zwangsläufig viele Fragen außen vorgeblieben476, sodass die Gefahr hinkender Gerichtsstandsvereinbarungen weiter bestanden hätte.477 Mankowski, RIW 2015, S. 17, 18. in: Rauscher, EuZPR, Art. 25 EuGVVO, Rn. 77. 472  EuGH, 03.07.1997, RS. C-269/95, Benincasa/Dentalkit Srl., Rn. 32, RiW 1997, 775, 777 f.; BGH, NJW 2006, 1672, 1673; Mankowski, in: Rauscher, EuZPR, Art. 25 EuGVVO, Rn. 78; Merrett, ICLQ 2009, S. 545, 560 f.; von Hein, RIW 2013, S. 97, 105. 473  Mankowski, in: Rauscher, EuZPR, Art. 25 EuGVVO, Rn. 78. 474  Heinze, RabelsZ 2011, S. 581, 585; Kindler, in: FS Coester-Waltjen, S. 485, 486; Schlosser, in: Schlosser/Hess, EuZPR, Art. 25 EuGVVO, Rn. 3; Stadler, in: Musielak, ZPO, Art. 25 EuGVVO, Rn. 5. So auch Hartley/Dog­auchi, Bericht HGÜ, Rn. 125, Fn. 158 zum gleichlautenden Art. 5 Abs. 1 HGÜ. 475  Domej, RabelsZ 2014, S. 508, 526; Magnus, in: FS von Hoffmann, S. 664, 673 f. 476  Beispiele hierfür bei Gebauer, in: FS von Hoffmann, S. 577, 585 ff. 477  Vgl. Domej, RabelsZ 2014, S. 508, 526. Queirolo, YPIL 2013/2014, S. 113, 124 hingegen sieht es als großen Nachteil der Gesamtverweisung an, dass das internationale Privatrecht der Mitgliedstaaten aufgrund des Ausschlusses in Art. 1 Abs. 2 lit. e Rom-I-VO für das auf Gerichtsstandsvereinbarungen anwendbare Recht nicht harmonisiert ist. 470  Vgl.

471  Mankowski,

156

3. Teil: Vertraglicher Schadensersatz

Dennoch ist auch Kritik an Art. 25 Abs. 1 Satz 1 HS 2 EuGVVO angezeigt. So ist insbesondere zu beanstanden, dass die Vorschrift nicht klarstellt, ob auch Fragen der Einigung der Verweisungsnorm unterliegen.478 Es bleibt zu hoffen, dass die mitgliedstaatlichen Gerichte weiterhin nach der EuGHRechtsprechung die Einigung verordnungsautonom und daher ohne Rückgriff auf die Verweisungsregel in Art. 25 Abs. 1 Satz 1 HS 2 EuGVVO bestimmen werden.479 Die gegenteilige Auffassung würde einen erheblichen, vom Verordnungsgeber nicht intendierten Rückschritt bedeuten, weil dann Elemente der Gerichtsstandsvereinbarung, die bereits einheitlichem Recht unterlagen, wieder ins nationalstaatliche Recht zurückwandern würden.480 Dies würde die Gefahr hinkender Gerichtsstandsvereinbarungen wieder aufleben lassen. Bei richtiger Auslegung stellt Art. 25 Abs. 1 Satz 1 HS 2 EuGVVO weitgehend sicher, dass die Wirksamkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung stets nach demselben Recht zu beurteilen ist. Nach Art. 31 Abs. 2 EuGVVO darf grundsätzlich nur das prorogierte Gericht über die Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung entscheiden. Selbst wenn Art. 31 Abs. 2 EuGVVO nicht zur Anwendung kommt, entscheidet aufgrund der Kollisionsregel in Art. 25 Abs. 1 Satz 1 HS 2 EuGVVO stets dieselbe Rechtsordnung über die Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung. Dadurch sind hinkende Gerichtsstandsvereinbarungen ausgeschlossen. Torpedoklagen, wenn auch weiterhin unter bestimmten Voraussetzungen möglich, sind jedenfalls nicht mehr dadurch begründet, dass die Mitgliedstaaten die Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung nach verschiedenem Sachrecht beurteilen. 3. Zwischenergebnis Die Pflichtverletzung wird nicht nur durch abredewidrige Klagen einer Partei hervorgerufen, sondern auch durch die Entscheidung des forum derogatum und die Regelungen der EuGVVO begünstigt. Pflichtwidrige Klage am forum derogatum sind sowohl aus missbräuchlichen, opportunistischen Gründen als auch aufgrund von Missverständnisse oder Unkenntnis möglich. Missverständnisse resultieren häufig aus in AGB oder kaufmännischen Bestätigungsschreiben enthaltenen Gerichtsstandsvereinbarungen. Die Aufrechnung vor einem forum derogatum stellt nach vorzugswürdiger Ansicht grundsätzlich keine Pflichtverletzung dar, außer die Parteien vereinbarten Magnus, in: FS von Hoffmann, S. 664, 673 f. zum Ganzen 3. Teil, A. I. 3. b). 480  Vgl. T. Pfeiffer, in: Hess/T. Pfeiffer/Schlosser, Heidelberg-Bericht, Rn. 376; Dickinson, YPIL 2010, S. 248, 285; Magnus, in: FS von Hoffmann, S. 664, 673; Mankowski, in: Rauscher, EuZPR, Art. 25 EuGVVO, Rn. 44; Dörner, in: Saenger, ZPO, Art. 25 EuGVVO, Rn. 10. 478  Siehe 479  Siehe



A. Gerichtsstandsvereinbarungen nach der EuGVVO157

ausdrücklich, dass die Aufrechnungsforderung der Gerichtsstandsvereinbarung unterliegen solle. Die Widerklage vor einem derogierten Gericht begründet eine Pflichtverletzung. Die Neufassung der EuGVVO verringert die Gefahr abredewidriger Klagen nur in gewissem Umfang, Torpedoklagen bleiben weiterhin möglich. Art. 31 Abs. 2 EuGVVO trifft keine geeignete Regel für Fälle, in denen es sich widersprechende Gerichtsstandsvereinbarungen gibt. Es genügt, dass eine Partei – ob manipulativ oder versehentlich – eine zweite Gerichtsstandsvereinbarung darlegt, damit nicht Art. 31 Abs. 2 EuGVVO, sondern das Prioritätsprinzip des Art. 29 Abs. 1 EuGVVO mit all seinen bereits vor der EuGVVO-Novelle bekannten Nachteilen eingreift. Der neue Art. 25 Abs. 1 Satz 1 HS 2 EuGVVO reduziert – allerdings nur bei richtiger Auslegung – die Gefahr abredewidriger Klagen, weil er hinkende Gerichtsstandsvereinbarungen weitgehend ausschließt. Da abredewidrige Klagen auch nach der EuGVVO-Novelle weiterhin möglich sind, ist der Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung nach Art. 25 EuGVVO ein wichtiges Instrument, um mit seiner Abschreckungsfunktion abredewidrige Klagen zu verhindern und mit seiner Restitutionsfunktion erlittene Schäden auszugleichen.

IV. Vertretenmüssen Die Frage des Vertretenmüssens hat im Rahmen des Schadensersatzanspruchs wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung bisher wenig Beachtung gefunden. Stellungnahmen hierzu finden sich in der Literatur nur vereinzelt. Für den Schadensersatzanspruch sind zwei Aspekte des Vertretenmüssens von Bedeutung: erstens der Maßstab für das Vertretenmüssen und zweitens die Darlegungs- und Beweislast. Im deutschen Recht hat der Schuldner grundsätzlich Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten, § 276 Abs. 1 Satz 1 BGB. Aufgrund der Beweislastumkehr in § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB hat der Schuldner darzulegen und zu beweisen, dass er die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.481 Es stellt sich die Frage, ob diese Wertungen auch auf den Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung zu übertragen sind.

481  BGH, NW 2009, 2298, 2299; Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 280, Rn. 40; Schulze, in: Schulze u. a., BGB, § 280, Rn. 15; Stadler, in: Jauernig, BGB, § 280, Rn. 25.

158

3. Teil: Vertraglicher Schadensersatz

1. Die BGH-Rechtsprechung In der BGH-Rechtsprechung gibt es zwei Ansatzpunkte für das Vertretenmüssen beim Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung. Zum einen ist an die bereits zitierte Rechtsprechung zum Missbrauch von Verfahrensrechten zu denken, zum anderen an das Einklagen unplausibler Forderungen. Nach der Rechtsprechung des BGH zum deliktischen Schadensersatzanspruch wegen des Missbrauchs staatlicher Verfahren hat der Schädiger nur Vorsatz zu vertreten.482 Der Anspruch besteht nur, wenn eine Partei ein staatlich eingerichtetes Verfahren missbraucht, etwa um die andere Partei zu schädigen.483 Der Kläger müsse nicht überprüfen, ob er berechtigt sei, das Verfahren in Gang zu setzen. Die erforderliche Prüfung und Abwägung übernehme das Verfahren selbst, unter anderem auch durch verschuldensunabhängige Schadensersatzansprüche wie §§ 717 Abs. 2, 945 ZPO.484 Später übertrug der BGH seine Rechtsprechung auch auf den vertraglichen Schadensersatzanspruch mit der Folge, dass auch dieser nur bei Vorsatz in Betracht kommt.485 Die Rechtsprechung des BGH lässt sich nicht ohne Weiteres auf den vertraglichen Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen übertragen. Die Rechtsprechung des BGH ist ausschließlich zu Verfahrenshandlungen im Inland ergangen. Die Existenz der §§ 717 Abs. 2, 945 ZPO waren für den BGH ein entscheidendes Argument dafür, den Schadensersatzanspruch auf die vorsätzliche Schädigung zu beschränken.486 Diese Ansprüche kommen allerdings nur in Betracht, wenn das deutsche Zivilprozessrecht anwendbar ist. Ausländische Verfahrensordnungen kennen einen solchen Anspruch nicht zwangsläufig, sodass der Geschädigte bei einer abredewidrigen Klage im Ausland unter Umständen keinerlei Schadensersatz verlangen könnte.487 Auch die Entscheidung des BGH, die außervertraglichen Maßstäbe auf den vertraglichen Schadensersatzanspruch anzuwenden, ist nicht überzeugend. Dementsprechend findet sich in beiden Urteilen488 kein Wort der Be482  Siehe

hierzu ausführlich 2. Teil, A. II. 55, 60; BGH, NJW 1991, 634, 636; DStR 2004, 1490, 1492. 484  BGH, NJW 1961, 2254, 2255. 485  BGH, NJW 1956, 787, 788; NJW-RR 2005, 315, 316. 486  BGH, NJW 1961, 2254, 2255. 487  Das OLG Nürnberg, RIW 1993, 412, 413 hält dennoch, auch bei schädigender Verfahrenseinleitung im Ausland, (deliktische) Schadensersatzsansprüche für ausgeschlossen. 488  BGH, NJW 1956, 787, 788; NJW-RR 2005, 315, 316. 483  RGZ



A. Gerichtsstandsvereinbarungen nach der EuGVVO159

gründung, warum die zum Deliktsrecht entwickelten Wertungen auch auf den vertraglichen Schadensersatzanspruch zu übertragen sein sollen. Legt man einen deliktischen Maßstab beim vertraglichen Schadensersatzanspruch zugrunde, wird man den Besonderheiten einer vertraglichen Beziehung nicht gerecht. Die Rechte und Pflichten in einer vertraglichen Beziehung sind viel intensiver, ausdifferenzierter und weisen eine Vielzahl von für den jeweiligen Vertragstypus geltenden Besonderheiten auf. Für das Vertragsrecht ist in Abgrenzung zum Deliktsrecht die privatautonome, freiwillige Übernahme einer Verpflichtung kennzeichnend.489 Dass die Parteien ihre vertraglichen Verpflichtungen privatautonom steuern können, rechtfertigt weiterreiche, vertiefte Rechte und Pflichte zwischen ihnen als dies bei auf bloßen Zufallskontakten beruhenden deliktischen Pflichten der Fall ist.490 Regelungen wie die Beweislastumkehr in § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB oder das Vertretenmüssen in § 276 Abs. 1 Satz 1 BGB demonstrieren, dass vertragliche Beziehungen intensiver sind als deliktische. Bei Letzteren findet sich keine den Geschädigten begünstigende Beweislastumkehr. Ferner ist die deliktische Haftung auf Vorsatz und Fahrlässigkeit beschränkt und kennt kein Vertretenmüssen für Zufall, während § 276 Abs. 1 Satz 1 BGB mit der Garantie und der Übernahme eines Beschaffungsrisikos ausdrücklich zwei Regelbeispiele für Vertretenmüssen ohne Verschulden nennt. Das Argument des BGH, die Schadensersatzansprüche aus §§ 717 Abs. 2, 945 ZPO sperrten weitergehende Schadensersatzansprüche491, greift jedenfalls bei vertraglichen Schadensersatzansprüchen wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung zu kurz. Die Ansprüche aus §§ 717 Abs. 2, 945 ZPO sind nach (umstrittener) Meinung des BGH selbst solche aus unerlaubter Handlung, denn sie setzen keine vertragliche Beziehung zwischen Kläger und Beklagtem voraus.492 Sie haben einen anderen Regelungszweck als der vertragliche Schadensersatzanspruch nach § 280 Abs. 1 BGB. §§ 717 Abs. 2, 945 ZPO liegt der Gedanke zugrunde, dass derjenige, der aus einem nicht rechtskräftigen Titel vollstreckt, das wirtschaftliche Risiko tragen soll, wenn der Titel wieder aufgehoben wird.493 Die Ansprüche 489  EuGH, 17.06.1992, RS. C-26/91, Jakob Handte & Co. GmbH/Traitements mécano-chimiques des surfaces SA, Rn. 15, BeckRS 2004, 75771; Hess, Eur. Zivilprozessrecht, § 6, Rn. 48; Stadler, in: Musielak, ZPO, Art. 7 EuGV­VO, Rn. 2. 490  Vgl. Götz, Ersatzansprüche bei Rechtsverfolgung, S. 137. 491  BGH, NJW 1961, 2254, 2255. 492  BGH, NJW 2011, 2518, 2519; ebenso Vollkommer, in: Zöller, ZPO, § 945, Rn. 3; Huber, in: Musielak, ZPO, § 945, Rn. 1; Drescher, in: MüKo-ZPO, § 945, Rn. 1. 493  BGH, NJW 1970, 1459, 1460 ff.; 1974, 642; 1990, 122, 124; 1996, 198, 199; Baur, Studien zum einstweiligen Rechtsschutz, S. 110; Götz, in: MüKo-ZPO, § 717, Rn. 2; Drescher, in: MüKo-ZPO, § 945, Rn. 3.

160

3. Teil: Vertraglicher Schadensersatz

schützen das Vermögen der anderen Partei nur in Bezug auf einen bestimmten Streitgegenstand und innerhalb dieses Streitgegenstands nur in Bezug auf vorläufige Vollstreckungsmaßnahmen. Darüber hinausgehende Vermögensinteressen bleiben unberücksichtigt.494 Durch eine vertragliche Beziehung hingegen sind die Parteien jedenfalls nach § 241 Abs. 2 BGB verpflichtet, auf das gesamte Vermögen des Vertragspartners Rücksicht zu nehmen. Bestimmte Regelungen können nur dann eine Sperrwirkung gegenüber anderen Regelungen entfalten, wenn die sperrenden Regelungen spezieller sind und einen Sachverhalt abschließend regeln sollen. Davon kann bei §§ 717 Abs. 2, 945 ZPO keine Rede sein, weil sie – wie gezeigt – nur einen ganz spezifischen Ausschnitt der im weitesten Sinne durch einen Prozess hervorgerufenen Kosten regeln wollen. Sie lassen aber alle übrigen Kosten wie insbesondere Anwalts-, Korrespondenzanwalts- und Reisekosten unberührt. Aufgrund des verschiedenen Regelungsinhalts ist es nicht überzeugend, dass die §§ 717 Abs. 2, 945 ZPO den Schadensersatzanspruch sperren beziehungsweise auf Fälle der vorsätzlichen Schädigung begrenzen sollen. Die Rechtsprechung des BGH zum Missbrauch von Verfahrensrechten ist bezüglich des Vertretenmüssens nicht auf den vertraglichen Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung zu übertragen. Ein weiterer Ansatzpunkt ist die Rechtsprechung des BGH zum Schadensersatzanspruch in Fällen, in denen eine Partei unberechtigt eine unplausible Forderung einklagt. 2008 urteilte der BGH, dass eine Partei, die unberechtigt eine nicht bestehende Forderung geltend macht, gegen ihre Pflichten aus § 241 Abs. 2 BGB verstößt und sich daher schadensersatzpflichtig nach § 280 Abs. 1 BGB macht.495 Während der BGH in diesem Urteil als Maßstab für das Vertretenmüssen noch normale Fahrlässigkeit genügen ließ, führte er bereits in einer Entscheidung von 2009 aus, die den Anspruch geltend machende Partei habe den Schaden nur zu vertreten, wenn sie die geltend gemachte Forderung nicht als plausibel ansehen durfte (sog. Plausibilitäts­kontrolle).496 In beiden Entscheidungen bezog sich der BGH ausdrücklich auf seine Rechtsprechung zum Missbrauch von staatlich eingerichteten Verfahren.497 Im Urteil von 2009 führte er aber aus, seine Rechtsprechung zum Einklagen unplausibler Forderungen sei nicht auf den Missbrauch von Verfahrensrechten übertragbar. Anders als beim Schadensersatzanspruch wegen unberechtigt eingeklagter Forderungen böten §§ 717 Abs. 2, 945 ZPO beim Missbrauch von Verfahrensrechten grundsätzlich eine ausreichende Kompensation.498 Götz, Ersatzansprüche bei Rechtsverfolgung, S. 137. NJW 2008, 1147, 1148. 496  BGH, NJW 2009, 1262, 1263 f. 497  BGH, NJW 2008, 1147; 2009, 1262 f. 498  BGH, NJW 2009, 1263. 494  Vgl.

495  BGH,



A. Gerichtsstandsvereinbarungen nach der EuGVVO161

2. Rechtsvergleichender Überblick Ein dritter Anhaltspunkt für den Umfang des Vertretenmüssens ist der rechtsvergleichende Überblick über die Literatur in anderen Rechtssystemen. Obwohl die Rechtsprechung des Common Law in Hinblick auf den Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung am weitesten fortgeschritten ist, hat eine vertiefte Auseinandersetzung mit der Frage des Vertretenmüssens – soweit ersichtlich – auch dort noch nicht stattgefunden. In der Literatur finden sich nur vereinzelte Stellungnahmen, laut derer der Schadensersatzanspruch unabhängig vom Vertretenmüssen des abredewidrig Klagenden bestehe.499 Dieser Haftungsmaßstab ist allerdings nicht speziell dem Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung geschuldet. Vielmehr gilt im Schuldrecht des Common Law der Grundsatz der strict liability: Der Schädiger macht sich bei einer vertraglichen Pflichtverletzung stets schadensersatzpflichtig, auch wenn er die Pflichtverletzung – regelmäßig mangels Verschuldens – nicht zu vertreten hat.500 Im kontinentaleuropäischen Rechtskreis erfordert der vertragliche Schadensersatzanspruch grundsätzlich Verschulden beziehungsweise Vertretenmüssen des Schädigers.501 Entsprechend verlangen auch die wenigen kontinentaleuropäischen Autoren, die zum Vertretenmüssen bezüglich des Schadensersatzanspruchs Stellung nehmen, dass der Kläger am forum derogatum die Pflichtverletzung zu vertreten beziehungsweise schuldhaft gehandelt haben muss.502 Auffällig ist bei allen Stellungnahmen, dass die Autoren stets den Verschuldensmaßstab ihres eigenen Rechtssystems zugrunde legen, ohne genauer darauf einzugehen, ob dieser Maßstab den besonderen Anforderungen des Schadensersatzanspruchs wegen der Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung gerecht wird.503

499  E. Pfeiffer, Forum derogatum, S. 432, 435; Takahashi, YPIL 2008, S. 57, 70; Sánchez Fernández, YPIL 2010, S. 377, 392. Auch Yeo/Tan, in: Worthington, Commercial Law, S. 403, 412 befassen sich inzidenter mit dem Verschuldenserfordernis, wobei sie offensichtlich ein Verschulden des am forum derogatum Klagenden nicht für erforderlich halten. 500  Siehe hierzu allgemein S. Smith, Contract Theory, S. 376 ff. (England); Shahar/ Porat, Michigan Law Review 2009, S. 1341 (USA). 501  Siehe u. a. §§ 280 Abs. 1 Satz 2, 276 Abs. 1 Satz 1 BGB; § 1295 Abs. 1 i. V. m. § 1294 ABGB (Österreich); Art. 97 Abs. 1 i. V. m. Art. 99 Abs. 1 OR (Schweiz); Art. 1147 Code Civil (Frankreich, Belgien, Luxemburg); Art. 1101 Código Civil (Spanien); Art. 1218 Codice Civile (Italien). 502  Coester-Waltjen, Annales Univ. Sci. Budapest. 2011, S. 225, 231; Götz, Ersatzansprüche bei Rechtsverfolgung, S. 137; Maire du Po­set, Versailles Int. Arbitration 2012, S. 33, 39; Sánchez Fernández, YPIL 2010, S. 377, 392.

162

3. Teil: Vertraglicher Schadensersatz

3. Modifizierung von § 276 Abs. 1 Satz 1 BGB Der Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung befindet sich auf der Schnittstelle zwischen materiellem Recht und Prozessrecht. Dementsprechend erscheint es aus der Perspektive des deutschen Rechts überzeugend, bei §§ 280 Abs. 1 Satz 2, 276 Abs. 1 Satz 1 BGB anzusetzen, dabei aber den besonderen Wertungen des Prozessrechts Rechnung zu tragen. Der am forum derogatum Klagende hat also neben Vorsatz grundsätzlich auch Fahrlässigkeit zu vertreten. Wenn eine Partei die Gerichtsstandsvereinbarung vorsätzlich bricht, um sich das für ihre Zwecke am besten geeignete Gericht auszusuchen (Forum Shopping), macht sie sich aufgrund einer vorsätzlichen Pflichtverletzung schadensersatzpflichtig. Das entscheidende Kriterium hierbei ist, dass sich eine solche Partei absichtlich beziehungsweise wissentlich zu ihrem eigenen Vorteil über die in der Gerichtsstandsvereinbarung getroffene Abrede hinwegsetzt. Schwieriger ist die Frage, wann eine Partei fahrlässig handelt. Nach § 276 Abs. 2 BGB handelt fahrlässig, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt. Der Fahrlässigkeitsmaßstab ist objektiv-abstrakt.504 Der Schuldner muss die Umsicht und Sorgfalt aufwenden, die ein besonnener und gewissenhafter Angehöriger seines Verkehrskreises in der konkreten Situation zu beachten hat.505 Um den Sorgfaltsmaßstab zu bestimmen, ist zu beachten, dass bei Gerichtsstandsvereinbarungen der betroffene Verkehrskreis typischerweise der der geschäftserfahrenen Kauf- und Geschäftsleute ist. In Hinblick auf den Sorgfaltsmaßstab in der konkreten Situation sind die Besonderheiten von internationalen Gerichtsstandsvereinbarungen zu beachten. Wie gezeigt, kann es im internationalen Handelsverkehr, insbesondere durch AGB und kaufmännische Bestätigungsschreiben, Situationen geben, in denen es für die Parteien ungewiss ist, ob sie eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung abgeschlossen haben.506 Coester-Waltjen vertritt für solche Situationen, dass eine Partei, die ein forum derogatum zur Überprüfung der Gerichtsstandsvereinbarung anruft, nicht fahrlässig handelt. Immerhin hätten die Parteien ein Recht auf rechtliches Gehör (im deutschen Recht nach Art. 103 Abs. 1 GG). Zudem könnten auch Gerichtsstandsvereinbarungen 503  Die Ausnahme bildet Coester-Waltjen, Annales Univ. Sci. Budapest. 2011, S. 225, 231. Dazu sogleich unter 3. Teil, A. IV. 3. 504  Allgemeine Meinung, siehe nur BGH, NJW 1963, 1609; 2003, 2022, 2024; Grüneberg, in Palandt, BGB, § 276, Rn. 15; Grunwald, Forum Shopping, S. 167; Stadler, in: Jauernig, BGB, § 276, Rn. 29. 505  BGH, NJW 1972, 150, 151; OLG Köln, NJW-RR 1990, 793; Grunwald, Forum Shopping, S. 167; Stadler, in: Jauernig, BGB, § 276, Rn. 29. 506  Siehe 3. Teil, A. I. 3. a).



A. Gerichtsstandsvereinbarungen nach der EuGVVO163

missbräuchliche Vertragsbestimmungen sein, die es entsprechend zu überprüfen gelte.507 Jedenfalls im Anwendungsbereich der EuGVVO ist diese Argumentation nicht überzeugend. Der Verweis auf das Recht auf rechtliches Gehör ist in Anbetracht der Gerichtsstandsvereinbarung nicht durchschlagend. Der Argumentation ist zuzugeben, dass der drohende Schadensersatzanspruch nicht den freien Zugang zu den Gerichten beeinträchtigen darf. Es wäre mit dem Recht auf rechtliches Gehör unvereinbar, wenn die Parteien die Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung nicht prüfen lassen könnten, ohne sich dem Risiko des Schadensersatzanspruchs auszusetzen. Dieses Risiko droht bei einer Gerichtsstandsvereinbarung allerdings nicht, da den Parteien jedenfalls das prorogierte Gericht zur Klärung ihrer Rechtsfragen offensteht.508 Evgenia Pfeiffer führt hierzu den folgenden Vergleich an: Wenn eine Partei eines grenzüberschreitenden Kaufvertrags ohne Gerichtsstandsvereinbarung an einem Gericht klagt, welches sie für zuständig hält, macht sie sich nicht schadensersatzpflichtig, wenn das angerufene Gericht seine Zuständigkeit verneint. Andernfalls hätte die Partei keine Möglichkeit, ihre Ansprüche prüfen zu lassen, ohne sich der Gefahr eines Schadensersatzanspruchs auszusetzen. Bei Gerichtsstandsvereinbarungen hingegen besteht mit dem prorogierten Gericht stets wenigstens ein Gericht, an dem sich die klagende Partei nicht schadensersatzpflichtig macht, wenn sie die Gerichtsstandsvereinbarung überprüfen lässt.509 Sofern die prozessuale Möglichkeit besteht, die Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung am forum prorogatum mittels einer Feststellungsklage prüfen zu lassen, ist das Recht auf rechtliches Gehör daher nicht beeinträchtigt. Die Klage vor einem an sich derogierten Gericht begründet allerdings dann keine zu vertretende Pflichtverletzung, wenn eine Partei nach rechtlicher Beratung zu dem Ergebnis kommt, dass die Gerichtsstandsvereinbarung unwirksam ist.510 Die erste Fallkonstellation, in der es keine Gerichtsstandsvereinbarung gibt, liegt auch der BGH-Rechtsprechung zum Missbrauch von staatlichen 507  Coester-Waltjen, Annales Univ. Sci. Budapest. 2011, S. 225, 231  f.; ähnlich auch Grunwald, Forum Shopping, S. 171. 508  E. Pfeiffer, Forum derogatum, S. 441. Die Klage vor einem an sich derogierten Gericht macht dann nicht schadensersatzpflichtig, wenn eine Partei nach rechtlicher Beratung zu dem Ergebnis kommt, dass die Gerichtsstandsvereinbarung unwirksam ist (vgl. zu den Kriterien bezüglich des Vertrauens auf Rechtsrat BGH, NZG 2011, 1271, 1273). 509  E. Pfeiffer, Forum derogatum, S. 441. Ähnliche Erwägungen auch bei Antomo, Schadensersatz, S. 493 ff. und Sandrock, RIW 2004, S. 809, 815. 510  Zu den Kriterien bezüglich des Vertrauens auf Rechtsrat: BGH, NZG 2011, 1271, 1273.

164

3. Teil: Vertraglicher Schadensersatz

Verfahren zugrunde. Der Staat muss dem Bürger ein eingerichtetes Verfahren zur Durchsetzung von Ansprüchen als Gegenleistung dafür zur Verfügung stellen, dass er ihm im Rahmen seines Gewaltmonopols das Selbsthilferecht zur Durchsetzung seiner Ansprüche verweigert.511 Diese Überlegung trifft auch auf rechtsstaatlich eingerichtete Verfahren im Ausland zu.512 Die zweite Fallkonstellation, in der die Parteien eine Gerichtsstandsvereinbarung geschlossen haben, verdeutlicht allerdings erneut, warum diese Rechtsprechung nicht auf internationale Gerichtsstandsvereinbarun­ gen zu übertragen ist. Durch eine Gerichtsstandsvereinbarung beeinträchtigt nicht etwa der Staat den Zugang der Bürger zu den Gerichten. Vielmehr einigen sich die Parteien einer Gerichtsstandsvereinbarung ohne staatliches Zutun darauf, ihre Ansprüche nur vor einem bestimmten Gericht geltend zu machen. Der Zugang zu den Gerichten bleibt den Parteien dabei erhalten, er ist bloß durch privatautonome Gestaltung beschränkter als er es ohne eine Gerichtsstandsvereinbarung wäre. Die Wertungen der EuGVVO, insbesondere nach der Novelle, ergeben ebenfalls, dass das Recht auf rechtliches Gehör abredewidrige Klagen nicht rechtfertigen kann. Schließlich dient Art. 31 Abs. 2 EuGVVO dazu sicherzustellen, dass über die Wirksamkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung ausschließlich das prorogierte Gericht entscheidet.513 Diese bewusste Abkehr von der lex generalis, dem Prioritätsprinzip in Art. 29 Abs. 1 EuGVVO, unterstreicht, dass der Verordnungsgeber Klagen entgegen einer Gerichtsstandsvereinbarung als etwas qualitativ anderes ansieht als Klagen vor einem beliebigen unzuständigen Gericht, wenn es keine Gerichtsstandsvereinbarung gibt. Berücksichtigt man die Wertung von Art. 31 Abs. 2 EuGVVO, ist es demjenigen, der Zweifel an der Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung hat, zuzumuten, diese vor dem prorogierten Gericht klären zu lassen. Wenn zwischen den Parteien nur eine Gerichtsstandsvereinbarung besteht, handelt eine Partei daher auch dann fahrlässig, wenn sie bei Zweifeln an der Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung vor einem forum derogatum Klage erhebt.514 Auch eine Partei, die eine in AGB oder einem kaufmännischen Bestätigungsschreiben vereinbarte Gerichtsstandsvereinbarung übersieht, handelt fahrlässig. Von einem umsichtigen Kauf- oder Geschäftsmann kann man erwarten, dass er alle Vertragsunterlagen vor Klageerhebung E. Pfeiffer, Forum derogatum, S. 441. OLG Nürnberg, RIW 1993, 412, 413. 513  Dörner, in: Saenger, ZPO, Art. 31 EuGVVO, Rn. 2; Hartley, LQR 2013, S. 309, 312; Mankowski, RIW 2015, S. 17, 18. 514  Vgl. E. Pfeiffer, Forum derogatum, S. 441; Götz, Ersatzansprüche bei Rechtsverfolgung, S. 137. 511  Vgl.

512  Vgl.



A. Gerichtsstandsvereinbarungen nach der EuGVVO165

durchsieht und auch auf eine eventuell bestehende Gerichtsstandsvereinbarung hin überprüft.515 Von der Pflicht, die Wirksamkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung ausschließlich durch das forum prorogatum prüfen zu lassen, ist nur in zwei Konstellationen eine Ausnahme zu machen: Zum einen, wenn das forum prorogatum sich offensichtlich selbst nicht für zuständig hält beziehungsweise nach der lex fori prorogati nicht die Möglichkeit besteht, die Wirksamkeit der Gerichtssstandsvereinbarung durch eine Feststellungsklage prüfen zu lassen. Zum anderen, wenn die Gerichtsstandsvereinbarung evident unwirksam ist, etwa weil sie durch arglistige Täuschung oder widerrechtliche Drohung zustande gekommen ist. Stehen zwei oder mehr Gerichtsstandsvereinbarungen zwischen den Parteien in Rede, ist ein weniger strenger Maßstab anzulegen. Besteht (nur) eine Gerichtsstandsvereinbarung, ist im Zweifel stets das prorogierte Gericht zuständig. Für den Fall, dass es zwei Gerichtsstandsvereinbarungen gibt, lässt sich eine solche Regel nicht aufstellen. In diesem Fall ist es für die Parteien ohne eine umfangreiche rechtliche Prüfung nicht ersichtlich, welche Gerichtsstandsvereinbarung wirksam ist und vor welchem Gericht der Kläger dementsprechend klagen darf. Um die Haftung nicht ausufern zu lassen, ist dem potenziellen Kläger nur abzuverlangen, dass er eine Plausibilitätskontrolle durchführt, wie es der BGH von Parteien verlangt, bevor sie eine eventuell unberechtigte Forderung geltend machen.516 Ob eine Partei Zweifel an der Wirksamkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung oder am Bestehen einer Forderung hat, sollte nach den gleichen Maßstäben bewertet werden. In beiden Fällen überzieht eine Partei die andere mit einem Verfahren. Hiervor ist der Beklagte jedenfalls dann zu schützen, wenn die Forderung unplausibel oder das Gericht offensichtlich unzuständig ist. Überträgt man die Anforderungen des BGH zur Plausibilitätskontrolle auf Gerichtsstandsvereinbarungen, hat der Kläger bei zwei Gerichtsstandsvereinbarungen vor der Klage zu prüfen, ob es plausibel erscheint, dass die Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten desjenigen Gerichts, vor dem er die Klage erheben möchte, wirksam ist. Bleibt die Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung dabei ungewiss, darf der Kläger an diesem potentiellen forum proro­gatum erheben, ohne sich wegen pflichtwidriger Missachtung 515  Auf die – praktisch seltene – Konstellation einer (wirksamen) Gerichtsstandsvereinbarung zwischen zwei Verbrauchern ist diese Aussage hingegen nicht übertragbar. Von Verbrauchern kann man nicht dieselbe gründliche Prüfung sämtlicher Vertragsunterlagen erwarten wie von einem Unternehmer beziehungsweise Kaufmann. 516  BGH, NJW 2009, 1262, 1263 f.

166

3. Teil: Vertraglicher Schadensersatz

einer Gerichtsstandsvereinbarung schadensersatzpflichtig zu machen. Scheint es ihm hingegen unplausibel, dass eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten des avisierten Gerichts besteht, macht er sich schadensersatzpflichtig, wenn er dennoch vor diesem Gericht Klage erhebt. 4. Darlegungs- und Beweislast Die Darlegungs- und Beweislast für das Vertretenmüssen trägt nach deutschem Recht gemäß § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB der Schuldner. Im Fall der Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung ist dies derjenige, der die Klage am forum derogatum erhoben hat. Da die Rechtsprechung des BGH zum Missbrauch von staatlich eingerichteten Verfahren nicht auf Gerichtsstandsvereinbarungen übertragbar ist, besteht keine Vermutung für die Rechtmäßigkeit des Verfahrens.517 Demnach gibt es keinen Grund, von der durch § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB vorgegebenen Darlegungs- und Beweislastverteilung abzuweichen. Auch international gehen Autoren davon aus, dass der abredewidrig Klagende darzulegen und zu beweisen hat, warum er die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.518 5. Zwischenergebnis Das Vertretenmüssen unterliegt den leicht modifizierten Maßstäben von §§ 280 Abs. 1 Satz 2, 276 Abs. 1 Satz 1 BGB. Wer am forum derogatum klagt, hat Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten. Wenn der Kläger, etwa beim Forum Shopping, die Gerichtsstandsvereinbarung bricht, um das staatliche Verfahren zu seinem Vorteil zu missbrauchen, handelt es sich um eine vorsätzliche Pflichtverletzung. Wenn (nur) eine Gerichtsstandsvereinbarung besteht, erfolgt jede abredewidrige Klage fahrlässig. Wenn der Kläger Zweifel an der Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung hat, muss er diese vor dem forum prorogatum klären lassen. Die Klage vor einem forum derogatum begründet auch bei Zweifeln an der Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung eine fahrlässige Pflichtverletzung. Voraussetzung dafür ist aber, dass die Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung am derogierten Gericht 517  Dies überlegen Eichel, AGB-Gerichtsstandsklauseln, S. 225; Köster, Forum Shopping, S. 90 ff.; dagegen: Mankowski, IPRax 2009, S. 23, 26; E. Pfeiffer, Forum derogatum, S.  438 ff. 518  Sánchez Fernández, YPIL 2010, S. 377, 393; Yeo/Tan, in: Worthington, Commercial Law, S. 403, 412. Auch außerhalb des Anwendungsbereichs der EuGVVO ist diese Beweislastverteilung verbreitet, siehe für die USA: M/S Bremen and Unter­ weser Reederei, GmBH v. Zapata Offshore Company [1972] 407 US 1, 92 Sp.Ct. 1907, 1916.



A. Gerichtsstandsvereinbarungen nach der EuGVVO167

mittels einer Feststellungsklage geprüft werden kann und die Gerichtsstandsvereinbarung nicht auf Täuschung oder Drohung beruht. Wenn zwei oder mehr Gerichtsstandsvereinbarungen in Rede stehen, hat der Kläger eine Plausibilitätskontrolle durchzuführen. Sofern es plausibel erscheint, dass die Parteien für das Gericht, vor dem er Klage einreichen möchte, eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung geschlossen haben, stellt die Klage vor diesem Gericht keine fahrlässige Pflichtverletzung dar. Das gilt auch, wenn sich die Gerichtsstandsvereinbarung im Nachhinein als unwirksam und eine andere Gerichtsstandsvereinbarung als wirksam erweist. Erscheint es hingegen unplausibel, dass die Parteien für das Gericht eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung abgeschlossen haben, begründet die Klage vor diesem Gericht eine Pflichtverletzung.

V. Schaden Bei der Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung, die in den Anwendungsbereich der EuGVVO fällt, kommen als zu ersetzende Schäden im deutschen Recht gem. § 249ff. BGB insbesondere die außergerichtlichen Kosten (Anwalts-, Korrespondenzanwalts- und Reisekosten) sowie Verzögerungs- und Zinsschäden in Betracht.519 Gerichtskosten bleiben hingegen nach der hier vertretenen Lösung als Schadensposition außen vor, weil der Schadensersatzanspruch nur statthaft ist, wenn das forum derogatum die Klage abgewiesen hat.520 Dann dürfte die Gerichtskostenentscheidung in aller Regel zulasten des am forum derogatum Klagenden ausfallen, sodass dem Beklagten und potentiellen Schadensersatzkläger kein Schaden in Form von Gerichtskosten entsteht. Sofern im Einzelfall das forum derogatum dem obsiegenden am forum derogatum Verklagten einen Teil der Kosten aufbürdet, wird der Schadensersatzanspruch allerdings auch im Fall des Obsiegens relevant. 1. Außergerichtliche Kosten Auch unter den hier vertretenen Einschränkungen bezüglich der Reichweite des Schadensersatzanspruchs wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung stellen die außergerichtlichen Kosten einen ersatzfähigen Schaden dar. Wenn der am forum derogatum Beklagte die Zuständigkeit des forum derogatum rügen möchte, entstehen dadurch beinahe 519  Antomo, Schadensersatz, S. 511; Mankowski, IPRax 2009, S. 23, 29; E. Pfeiffer, Forum derogatum, S. 459; Takahashi, YPIL 2008, S. 57, 84. 520  Siehe 3. Teil, A. II. 7. und A. II. 9.

168

3. Teil: Vertraglicher Schadensersatz

zwangsläufig bereits Kosten. In wirtschafts- oder handelsrechtlichen Streitigkeiten lässt sich der Beklagte praktisch immer von einem Anwalt, eventuell auch einem Korrespondenzanwalt, vertreten, sodass Kosten für den Anwalt sowie eventuell Reisekosten für die Reise zur mündlichen Verhandlung anfallen. Ein umfangreicher rechtlicher Rat durch den Anwalt ist insbesondere dann erforderlich, wenn die lex fori derogati strenge Präklusionsnormen enthält, die bereits mit dem ersten Vorbringen eine hilfsweise Verteidigung zur Sache verlangen und andernfalls den Sachvortrag als präkludiert ansehen.521 Bei größeren Unternehmen kommt auch die durch die abredewidrige Klage hervorgerufene Mehrarbeit für die Rechtsabteilung als Schadensposten in Betracht, wenn sie der entstandene Schaden hinreichend genau berechnen lässt.522 Wie bereits dargestellt, deckt der prozessuale Kostenerstattungsanspruch in den Rechtsordnungen, die ihn gewähren, meistens nicht alle Kosten ab, sondern arbeitet häufig mit nur teilweise kostendeckenden Pauschalen.523 Die Rechtskraft der Kostenentscheidung steht dem materiellen Kostenerstattungsanspruch nicht entgegen.524 Auch die Rechtsprechung des BGH führt nicht zu Beschränkungen im Umfang des Schadensersatzanspruchs. Der BGH verneinte 2005 die umstrittene Frage, ob der prozessuale Kostenerstattungsanspruch für einen ausländischen Korrespondenzanwalt die hypothetischen Kosten für einen deutschen Anwalt nach dem RVG und seinen Anlagen überschreiten darf.525 Diese Entscheidung bezog sich allerdings ausdrücklich auf den prozessualen Kostenerstattungsanspruch nach §§ 91ff. ZPO. Der materielle Kostenerstattungsanspruch ist unabhängig von seinem prozessualen Pendant. Er kann diesen ergänzen und über den im Kostenfestsetzungsbeschluss festgesetzten Betrag hinausgehen.526 Während der prozessuale Kostenerstattungsanspruch nach bestimmten Regeln pauschaliert die Kosten oder Teile der Kosten der Prozessführung abdeckt, knüpft der materiellrechtliche Schadensersatzanspruch an eine vertragliche Pflichtverletzung oder eine deliktische Rechtsgutsverletzung an. Da beiden Kostenerstattungs521  Antomo, Schadensersatz, S. 108 f.; Mankowski, in: Rauscher, EuZPR, Art. 25, Rn. 253; Sánchez Fernández, YPIL 2010, S. 377, 396. 522  Vgl. Manner/Mosimann, in: FS Schwenzer, S. 1197, 1203. 523  Antomo, Schadensersatz, S. 110 ff.; Maire du Poset, Versailles Int. Arbitration 2012, S. 33, 48; Sievi, DRJ 2012, S. 56, 58; Yeo/Tan, in: Worthington, Commercial Law, S. 403, 412; vgl. auch Joseph, Agreements, Rn. 14.06. 524  Siehe hierzu 3. Teil, A. II. 9. c). 525  BGH, NJW 2005, 1373, 1374; ebenso OLG München, NJW-RR 1998, 1692, 1693; a. A.: OLG Celle, JurBüro 1986, 281; OLG Hamburg, JurBüro 1988, 1185. 526  BGH, NJW-RR 1995, 495; OLG Dresden, NJW 1998, 1872; Flockenhaus, in: Musielak, ZPO, § 104, Rn. 39; Gierl, in: Saenger, ZPO, § 104, Rn. 23.



A. Gerichtsstandsvereinbarungen nach der EuGVVO169

ansprüchen verschiedene Funktionen zukommen, sind die Einschränkungen des prozessualen nicht auf den materiellen Kostenerstattungsanspruch zu übertragen.527 Der am forum derogatum Beklagte kann mit dem Schadensersatzanspruch demnach die nicht bereits vom Kostenfestsetzungsbeschluss des forum derogatum umfassten außergerichtlichen Kosten geltend machen.528 Der nach dem Kostenfestsetzungsbeschluss zu erstattende Betrag wird damit zum Abzugsposten bei der Höhe des Schadensersatzanspruchs wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung.529 Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob auch die Kosten eines hypothetischen Prozesses vor dem prorogierten Gericht als Abzugsposten zu berücksichtigen sind. Man könnte nämlich einwenden, dass – wenn auch regelmäßig in geringerem Umfang – vor dem forum proroga­tum ebenfalls Anwaltskosten angefallen wären, wenn der am forum derogatum Klagende dort grundlos Klage erhoben hätte. Der genaue Schaden, der durch den abredewidrig angestrengten Prozess hervorgerufen wird, bestünde demnach in der Differenz zwischen den tatsächlich angefallenen und den hypothetisch vor dem prorogierten Gericht angefallenen Kosten.530 Praktisch ist es aber nicht möglich, die Kosten eines hypothetischen Prozesses vor dem prorogierten Gericht zu bestimmen, ohne den gesamten Prozess vor diesem erneut aufzurollen. Prozesse sind zu wenig vorhersehbar, als dass eine Verrechnung mit den hypothetischen Prozesskosten vor dem forum prorogatum ernsthaft in Betracht käme. Das gilt insbesondere für die Kosten der Beweisaufnahme. Es lässt sich hypothetisch kaum bestimmen, ob das forum prorogatum etwa ein kostspieliges Gutachten in Auftrag gegeben oder einen weit entfernt wohnenden Zeugen geladen hätte. Außerdem hat der abredewidrig Klagende die Ursache dafür gesetzt, dass der Prozess nicht vor dem prorogierten Gericht stattfindet. Dabei besteht der besondere Umstand darin, dass der Kläger am forum derogatum die Gerichtsstandsvereinbarung bricht, was bei einer Klage am forum prorogatum nicht der Fall gewesen wäre. Dass eine genaue Berechnung des Schadens kaum möglich ist, darf dem abredewidrig Klagenden nicht zum Vorteil gereichen. Der tatsächlich angefallene Schaden lässt sich immerhin genau beziffern und außerdem soll 527  So auch Mankowski, IPRax 2009, S. 23, 29; Schlosser, in: FS Lindacher, S. 111, 115 f. Siehe zum Ganzen 3. Teil, A. II. 9. c). 528  So auch Antomo, Schadensersatz, S. 512. 529  Dies deutet auch die Entscheidung Allendale Mutual Insurance Co. v. Excess Insurance Co., Ltd. [1997] 992 F.Supp. 271, 286 an. So auch Briggs, Agreements, Rn. 8.26; Joseph, Agreements, Rn. 14.06; E. Pfeiffer, Forum derogatum, S. 459; Stacher, Rechtsnatur Schiedsvereinbarung, Rn. 278; Takahashi, YPIL 2008, S. 57, 84; a. A.: Mankowski, IPRax 2009, S. 23, 29; ders., in: Rauscher, EuZPR, Art. 25 EuGVVO, Rn. 254. 530  Briggs, Agreements, Rn. 8.26; Merrett, ICLQ 2006, S. 315, 321.

170

3. Teil: Vertraglicher Schadensersatz

der Schadensersatzanspruch für die durch die abredewidrige Klage erhöhten Kosten abschreckend wirken.531 Die hypothetisch vor dem forum prorogatum angefallenen Kosten sind daher grundsätzlich nicht als Abzugsposten zu berücksichtigen. Für die Reisekosten hingegen sind Einschränkungen zu machen, wenn sie auch für den Prozess vor dem forum prorogatum angefallen wären. Die Differenz zwischen den Kosten für die Reise zum abredewidrig angerufenen einerseits und dem prorogierten Gericht andererseits lässt sich leicht bestimmen (etwa die Kosten für eine Bahnfahrt oder eine Flugreise) und der Schadensersatzanspruch für die Reisekosten besitzt aufgrund seiner vergleichsweise geringen Höhe nicht dieselbe Abschreckungswirkung wie der für die Anwaltskosten. Der Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung umfasst daher die gesamten außergerichtlichen Kosten des Schadensersatzklägers abzüglich des im Kostenfestsetzungsbeschluss zu seinen Gunsten festgesetzten Betrags. Unerheblich ist dabei, ob die Höhe des Schadensersatzanspruchs über die nach dem deutschen RVG abrechenbaren Anwaltskosten hinausgeht und grundsätzlich auch, welche Kosten bei einem hypothetischen Verfahren vor dem prorogierten Gericht angefallen wären. Die Kosten für eine hypothetische Reise zum forum prorogatum bilden den einzigen Abzugsposten. 2. Verzögerungs- und Zinsschäden Der Verzögerungsschaden ist nach §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 BGB der Schaden, den der Gläubiger aufgrund der Verzögerung der Leistung erleidet, während sich der Schuldner in Verzug befindet.532 Der bedeutendste Anwendungsfall des Verzögerungsschadens im Rahmen des Schadensersatzanspruchs wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung ist die Torpedoklage.533 Diese ist auch nach der EuGVVO-No­velle weiter möglich.534 Die abredewidrig verklagte Partei, die den Kläger durch eine Mahnung oder nach § 286 Abs. 2 BGB in Verzug gesetzt hat, kann die durch die Torpedoklage oder anderweitige Verzögerungstaktiken hervorgerufenen Verzugsschäden nach §§ 280 Abs. 1, 2, 286 BGB ersetzt verlangen.535 531  Mankowski, IPRax 2009, S. 23, 29; im Ergebnis auch zustimmend Antomo, Schadensersatz, S. 516. 532  Ernst, in: MüKo-BGB, § 286, Rn. 120; Schulze, in: Schulze u. a., BGB, § 286, Rn.  4 ff.; Stadler, in: Jauernig, BGB, § 286, Rn. 2. 533  Mankowski, IPRax 2009, S. 23, 29. 534  Siehe 3. Teil, A. III. 1. a). 535  Mankowski, IPRax 2009, S. 23, 29.



A. Gerichtsstandsvereinbarungen nach der EuGVVO171

Zinsschäden entstehen, weil die abredewidrig verklagte Partei das Geld aufgrund der Ausgaben für die Vorfinanzierung des Primärprozesses nicht anderweitig nutzen kann. Der Schadensersatzanspruch umfasst bei Zinsschäden diejenigen Zinsen, die dem Gläubiger nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge mit Wahrscheinlichkeit zugeflossen wären (§ 252 Satz 2 BGB).536 Selbst wenn das derogierte Gericht die Klage aufgrund der Gerichtsstandsvereinbarung abweist, können hohe außergerichtliche Kosten entstehen, in der Entscheidung des spanischen Tribunal Supremo etwa knapp 650.000 €.537 Selbst bei einem niedrigen Zinsniveau erreichen die Verluste, die dadurch entstehen, dass der am forum derogatum Beklagte sein Kapital nicht anderweitig nutzen kann, bei Klageforderungen wie im Fall des Tribunal Supremo leicht vier- oder fünfstellige Summen. Die Frage, ob Zinsschäden im Rahmen des Schadensersatzanspruchs wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung ersetzbar sind, hat – soweit ersichtlich – in der Rechtsprechung bisher keine und in der Literatur wenig Beachtung gefunden. Einzig das RG gewährte Schadensersatz für Zinsschäden an Kapital, das eine Partei zur Vorfinanzierung einer Zwangsvollstreckung aufwendete.538 Diese Entscheidung lässt sich auf den Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung übertragen. In beiden Fällen ist der Geschädigte ausschließlich durch ein Fehlverhalten der anderen Partei genötigt, Kapital für die Verfolgung seiner Rechte aufzuwenden, anstatt es gewinnbringend zu investieren. Im Prinzip ist keiner davor gefeit, im Rahmen eines rechtsstaatlichen Verfahrens verklagt zu werden. Hierbei handelt es sich um ein allgemeines Lebensrisiko, sodass grundsätzlich Zinsschäden an dem für die Vertei­digung aufgewendeten Kapital nicht zu ersetzen sind. Das Besondere beim Bruch der Gerichtsstandsvereinbarung ist allerdings, dass die Parteien d ­ ieses Lebensrisiko minimieren wollen, indem sie vereinbaren, eventuelle Streitigkeiten ausschließlich von dem prorogierten Gericht anhängig zu machen. Damit sind die Parteien für alle von der Gerichtsstandsvereinbarung erfassten Forderungen eigentlich davor geschützt, irgendwo anders als vor dem prorogierten Gericht verklagt zu werden. Diesen Schutz zerstört die abredewidrig klagende Partei. Sie kann und soll sich in Hinblick auf die Abschreckungsfunktion des Schadensersatzes nicht darauf einstellen, dass die andere Partei die Kosten der abredewidrigen Klage trägt. Die effektiven Kosten des abredewidrig Verklagten umfassen auch Zinsschäden, weil das ausgegebene Kapital für Investitionen ausfällt. Dies gilt umso mehr, als zwischen der Vorfinanzierung des Primärprozesses und dem Ersatz des Schadens Jahre liegen können. 536  BGH,

NJW 1988, 1967, 1669; 1993, 1260, 1261. TS núm, 6//2009 vom 12 Januar 2009, S. 42. 538  RGZ 145, 296, 300. 537  Sent.

172

3. Teil: Vertraglicher Schadensersatz

3. Zwischenergebnis Für den Ersatz der Gerichtskosten gibt es im Rahmen des Schadensersatzanspruchs wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung kein Bedürfnis. Demgegenüber umfasst der Schadensersatzanspruch die außergerichtlichen Kosten des Schadensersatzklägers. Die außergerichtlichen Kosten, die das forum derogatum dem Schadensersatzkläger bereits im Kostenfestsetzungsbeschluss zuerkannt hat, stellen einen Abzugsposten des Schadensersatzanspruchs dar. Weitere Abzugsposten ergeben sich nur hinsichtlich der Reisekosten. Die angefallenen Kosten der Reise zum forum derogatum sind um den Betrag einer hypothetischen Reise zum forum prorogatum zu kürzen. Verzögerungsschäden sind insbesondere zu ersetzen, wenn der abredewidrig Klagende das Verfahren durch eine Torpedoklage verzögert. Der abredewidrig Verklagte kann ferner Zinsschäden am zur Verteidigung gegen das abredewidrige Verfahren aufgewendeten Kapital geltend machen.

VI. Das auf den Schadensersatzanspruch anwendbare Recht Die Frage, welchem Recht der Schadensersatzanspruch unterliegt, hat für viele Detailfragen des Anspruchs große Bedeutung. Viele der bisher geprüften Voraussetzungen, etwa die Frage, ob der Bruch einer Gerichtsstandsvereinbarung eine vertragliche Pflichtverletzung darstellt sowie der Umfang des Vertretenmüssens und des zu ersetzenden Schadens, hängen vom anwendbaren Recht ab.539 Während die Untersuchung bisher unter der Prämisse erfolgte, dass deutsches Recht anwendbar ist, ist nun zu prüfen, welches Recht tatsächlich aus der Perspektive des in Deutschland beziehungsweise der EU geltenden internationalen Privatrechts Anwendung findet. Wegen Art. 1 Abs. 2 lit. e Var. 2 Rom-I-VO ist hinsichtlich des auf den Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung anwendbaren Rechts nicht unmittelbar auf die Rom-I-VO abzustellen. Da die entsprechenden Vorschriften im EGBGB aufgehoben worden sind, ist die Rom-I-VO dennoch analog heranzuziehen.540 Das anwendbare Recht lässt sich nicht analog Art. 4 Abs. 1 und 2 Rom-I-VO bestimmen. Keine der in Art. 4 Abs. 1 Rom-I-VO enumerierten Fallgruppen ist einschlägig und die Gerichtsstandsvereinbarung besitzt keine Gebauer, in: FS Kaissis, S. 267, 282; Mankowski, IPRax 2009, S. 23, 28. Schadensersatz, S. 384 ff.; Kieninger, in: Ferrari u. a., Int. Vertragsrecht, Art. 1 Rom-I-VO, Rn. 18; Martiny, in: MüKO-BGB, Art. 1, Rn. 61; Spickhoff, in: Bamberger/Roth, BGB, Art. 1 Rom-I-VO, Rn. 30. 539  Vgl.

540  Antomo,



A. Gerichtsstandsvereinbarungen nach der EuGVVO173

charakteristische Leistung gem. Art. 4 Abs. 2 Rom-I-VO. Sähe man die Klage vor dem forum prorogatum als charakteristische Leistung, stünde jedenfalls nicht bei Vertragsschluss fest, wer diese Leistung zu erbringen hat. Daher ist analog Art. 4 Abs. 4 Rom-I-VO auf das Recht abzustellen, das die engste Verbindung zur Gerichtsstandsvereinbarung aufweist. Zur Bestimmung des anwendbaren Rechts bieten sich fünf verschiedene Qualifikationen an: die lex fori, die deliktische Qualifikation, die lex causae des Hauptvertrags, die lex fori prorogati sowie das vom materiellen Statut der Gerichtsstandsvereinbarung berufene Recht. Die deliktische Qualifikation kommt nur bei deliktischen Schadensersatzansprüchen in Betracht. Deren Anwendungsbereich ist auf besonders schwerwiegende Fälle wie Prozessbetrug oder andere Formen der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung beschränkt.541 Sofern eine Partei die andere deliktisch geschädigt hat, sind die Ansprüche aus §§ 826, 823 Abs. 1 und eventuell auch § 823 Abs. 2 BGB deliktisch zu qualifizieren. Sie stehen im deutschen Recht in Anspruchskonkurrenz zu dem vertraglichen Schadensersatzanspruch. In allen übrigen Fällen ist eine vertragliche Qualifikation vorzunehmen. 1. Die lex fori Schröder führt für die Anwendung der lex fori einen vermeintlich erstrebenswerten Gleichlauf zwischen der formellen Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung und ihren materiellrechtlichen Wirkungen an.542 Im internationalen Zivilverfahrensrecht sei es anerkannt, dass die lex fori bestimme, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Gerichtsstandsvereinbarung abgeschlossen werden könne und welche Wirkung ihr beizumessen sei.543 Die lex fori müsse auch für die Frage nach der Verpflichtungswirkung der Gerichtsstandsvereinbarung und dem Schadensersatzanspruch für den Bruch der Vereinbarung gelten.544 Eine überzeugende Begründung für den Gleichlauf zwischen den Formvoraussetzungen und den materiellrechtlichen Wirkungen der Gerichtsstandsvereinbarung bleibt Schröder schuldig. Die Annahme, dass die lex fori das auf den Schadensersatzanspruch anzuwendende Recht sei, verlagert auch nur 541  Siehe

2. Teil, A. IV. in: FS Kegel, S. 523, 533. Auch für Tham, LMCLQ 2004, S. 44, 66 ist die lex fori der „point of departure“ für die Suche nach dem anwendbaren Recht. Für die Anwendung der lex fori auch Köster, Forum Shop­ping, S. 97 f. 543  BGHZ 57, 72; 59, 23, 26; Schröder, Int. Vertragsrecht, S. 93  f.; Matscher, Zuständigkeitsvereinbarun­gen, S.  57  f.; Schlosser, in: FS Lindacher, S. 111, 116 f. 544  Schröder, in: FS Kegel, S. 523, 533. 542  Schröder,

174

3. Teil: Vertraglicher Schadensersatz

das Problem: Statt des anwendbaren Rechts ist das zuständige Gericht, dessen lex fori anwendbar sein soll, zu bestimmen. Für die internationale Zuständigkeit bestehen zwar feste Regeln, etwa in der EuGVVO. Diese sollen aber die Verfahrenskoordinierung sicherstellen und nicht das anwendbare Recht bestimmen. Über das Recht der internationalen Zuständigkeit lässt sich nicht das sachnächste materielle Recht bestimmen. Seit der EuGVVONovelle schreibt Art. 25 Abs. 1 Satz 1 HS 2 EuGVVO i. V. m. Erwägungsgrund 20 nunmehr ausdrücklich vor, dass für die materielle Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung auf die lex fori prorogati abzustellen ist. Bei der Frage der Wirksamkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung gibt es keinen Raum mehr für die Anwendung der lex fori. Davon zu trennen ist die Frage nach der materiellrechtlichen Wirkung der Gerichtsstandsvereinbarung. Auch nach der EuGVVO-Novelle ist Art. 25 Abs. 1 Satz 1 HS 2 EuGVVO kein Argument für die Anwendung der lex fori prorogati, weil die Kollisionsnorm nur auf Fragen der materiellen Wirksamkeit, nicht aber der materiellen Wirkung anzuwenden ist.545 Hierfür spricht auch folgende Überlegung: Ob die Parteien zusätzlich zur Bestimmung eines Gerichtsstandes auch materiellrechtliche Verpflichtungen eingehen wollen, unterliegt ihrer privatautonomen Gestaltungsfreiheit. Da das internationale Privatrecht regelmäßig der Parteiautonomie in Form der Rechtswahl den Vorrang vor der gesetzlichen Regelung einräumt (vgl. nur Art. 3 Rom-I-VO, Art. 14 Rom-II-VO), ist nicht davon auszugehen, dass die Regel des Art. 25 Abs. 1 Satz 1 HS 2 EuGVVO auch für die materielle Wirkung von Gerichtsstandsvereinbarungen gilt. Es ist nicht ersichtlich, dass der Verordnungseber ausgerechnet bei dieser Frage die ansonsten sehr weitgehend garantierte Möglichkeit der Rechtswahl einschränken wollte. 2. Die lex causae des Hauptvertrags Die Ansicht, nach der die lex causae des Hauptvertrags auf den Schadensersatzanspruch anzuwenden ist, setzt bei der Rechtswahlklausel im Hauptvertrag an, sofern es eine solche gibt. Hätten die Parteien eine Rechtswahlvereinbarung für den Hauptvertrag getroffen, erstrecke sich diese Wahl auch auf die Gerichtsstandsvereinbarung und die aus ihr resultierenden materiellrechtlichen Ansprüche.546 Gebe es keine Rechtswahlklausel, könne nichts 545  Vgl. Mankowski, in: Rauscher, EuZPR, Art. 25 EuGVVO, Rn. 83; Heinze, RabelsZ 2011, S. 581, 586. 546  Álvarez González, IPRax 2009, S. 529, 531; Grunwald, Forum Shopping, S. 180; Mankowski, in: Rauscher, EuZPR, Art. 25 EuGVVO, Rn. 83; Sánchez Fernández, YPIL 2010, S. 377, 392; Tan, Texas Int. Law Journal 2005, S. 623, 626, Fn. 9; Takahashi, YPIL 2009, S. 73, 85. Das BAG, JZ 1979, 647 unterstellte die Wirksam-



A. Gerichtsstandsvereinbarungen nach der EuGVVO175

anderes gelten: Die lex causae des Hauptvertrags bestimme das auf den Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung der Gerichtsstandsvereinbarung anwendbare Recht.547 Auch dieser Ansicht fehlt eine zwingende Begründung. Die Annahme, dass eine Rechtswahlvereinbarung im und für den Hauptvertrag auch für den Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung der Gerichtsstandsvereinbarung gelten soll, ist allerdings überzeugend. Zwar sind der Hauptvertrag und die Gerichtsstandsvereinbarung rechtlich voneinander unabhängig (Art. 25 Abs. 5 EuGVVO)548, dennoch betreffen aus der Sicht der Parteien zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses Schadensersatzansprüche aus dem Hauptvertrag und der Gerichtsstandsvereinbarung denselben Lebenssachverhalt, nämlich die Verletzung vertraglicher Pflichten.549 Sofern die Parteien nicht ausnahmsweise ausdrücklich eine andere Rechtswahl für die materielle Wirkung der Gerichtsstandsvereinbarung getroffen haben, kann man ihnen unterstellen, dass sie jede vertragliche Pflichtverletzung dem von ihnen gewählten Recht unterstellen möchten. Es erscheint fernliegend, dass die Parteien die Trennung zwischen Hauptvertrag und Gerichtsstandsvereinbarung kennen und in Kenntnis dieser Trennung bewusst – aber nicht ausdrücklich – die Rechtswahl nur auf den Hauptvertrag beschränken. Das gilt auch deshalb, weil Gerichtsstandsvereinbarungen regelmäßig Bestandteil des Hauptvertrags sind, die rechtstechnische Trennung also optisch gar nicht sichtbar wird.550 Haben die Parteien keine Rechtswahl getroffen, sprechen allerdings gute Gründe gegen die Beurteilung des Schadensersatzanspruchs nach der lex causae des Hauptvertrags. Das zentrale Argument ist an dieser Stelle die Unabhängigkeit der Gerichtsstandsvereinbarung vom Hauptvertrag. Diese Trennung ist von großer Bedeutung in den Fällen, in denen der Hauptvertrag unwirksam ist. Dann kommt nicht etwa der Gedanke des § 139 BGB zur Anwendung. Vielmehr stellt Art. 25 Abs. 5 EuGVVO sicher, dass in jedem Fall – auch bei Unwirksamkeit des Hauptvertrags – das prorogierte Gericht über die Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung entscheidet.551 Wenn keit der Gerichtsstandsvereinbarung dem gewählten Recht, die Wirkungen der Gerichtsstandsvereinbarung jedoch der deutschen lex fori. 547  Álvarez González, IPRax 2009, S. 529, 531; Sánchez Fernández, YPIL 2010, S. 377, 392; Takahashi, YPIL 2009, S. 73, 85; Sandrock, in: FS Schlosser, S. 821, 835. 548  Geimer, IZPR, Rn. 1674a.; Mankowski, IPRax 2009, S. 23, 28. 549  Vgl. E. Pfeiffer, Forum derogatum, S. 432, Fn. 10; Sánchez Fernández, YPIL 2010, S. 377, 392. 550  Vgl. Dörner, in: Saenger, ZPO, Art. 25 EuGVVO, Rn. 18. 551  Dörner, in: Saenger, ZPO, Art. 25 EuGVVO, Rn. 18; Geimer, IZPR, Rn. 1674a; Mankowski, in: Rauscher, EuZPR, Art. 25 EuGVVO, Rn. 77; vgl. bereits EuGH, 03.07.1997, RS. C-269/95, Benincasa/Dentalkit Srl., Rn. 32, RiW 1997, 775, 777 f.

176

3. Teil: Vertraglicher Schadensersatz

man diese Trennung konsequent zu Ende denkt, erscheint es – sofern die Parteien keine Rechtswahl getroffen haben – wenig überzeugend, die materiellrechtlichen Wirkungen der Gerichtsstandsvereinbarung nach dem Recht des von ihr vollkommen unabhängigen Hauptvertrags zu bestimmen.552 Bei einer Rechtswahlklausel, die in entsprechender Anwendung von Art. 3 Abs. 1 Rom-I-VO den subsidiären gesetzlichen Regeln über das anwendbare Recht vorgeht553, setzen sich die Partien konkludent oder ausdrücklich über die Trennung zwischen Gerichtsstandsverein­ barung und Hauptvertrag hinweg.554 Haben die Parteien aber keine Rechtswahl getroffen, greift die Regel des Art. 25 Abs. 5 EuGVVO ein. Demzufolge sind Gerichtsstandsvereinbarung und Hauptvertrag als voneinander unabhängig zu betrachten. Zudem besitzt das Recht des Hauptvertrags eine weniger enge Verbindung zu dem Schadensersatzanspruch als das materielle Statut der Gerichtsstandsvereinbarung oder die lex fori prorogati, denn der Schadensersatzanspruch resultiert aus der Missachtung der Gerichtsstandsvereinbarung und nicht des Hauptvertrags. Die Gerichtsstandsvereinbarung unterliegt demnach nur dann der lex causae des Hauptvertrags, wenn dieser eine Rechtswahlklausel enthält. 3. Die lex fori prorogati Nach einer weiteren Ansicht unterliegen die materiellrechtlichen Wirkungen der Gerichtsstandsvereinbarung dem Recht des prorogierten Gerichts.555 So wie die Wirksamkeit der Prorogation dem Recht des prorogierten Gerichts unterliege (vgl. Art. 25 Abs. 1 Satz 1 HS 2 EuGVVO), müsse sich auch die materielle Wirkung der Gerichtsstandsvereinbarung nach diesem Recht richten. Schadensersatzansprüche wegen der Missachtung einer Gerichtsstands­ vereinbarung unterlägen damit ebenfalls der lex fori prorogati. Die Vertreter dieser Anknüpfung führen an, dass die aus der Gerichtsstandsvereinbarung resultierende Pflicht, nicht an einem derogierten Gericht zu klagen, die Prorogation ergänze und deren Wirksamkeit absichere. So könne gegebenenfalls auch eine Konzentration der Ansprüche aus dem Hauptvertrag und derjenigen aus der Gerichtsstandsvereinbarung am prorogierten Gericht erfolgen.556 Ferner sei es durch die Beurteilung nach der lex 552  Mankowski,

IPRax 2009, S. 23, 28. Álvarez González, IPRax 2009, S. 529, 531, Fn. 9; E. Pfeiffer, Forum derogatum, S. 431; Sánchez Fernández, YPIL 2010, S. 377, 392. 554  A. A.: Antomo, Schadensersatz, S. 393 f. 555  Antomo, Schadensersatz, S. 386 ff; E. Pfeiffer, Forum derogatum, S. 431  f.; Requejo Isidro, REEI 2009, S. 1, 8; Takahashi, YPIL 2009, S. 73, 85; wohl auch Kurth, Rechtsschutz, S. 70. 556  Köster, Forum Shopping, S. 97 f. 553  Vgl.



A. Gerichtsstandsvereinbarungen nach der EuGVVO177

fori prorogati zu vermeiden, dass das prorogierte Gericht ausländisches Recht anwenden muss.557 Der spanische Tribunal Supremo gelangte in der Entscheidung von 2009 auch zur Anwendung der spanischen lex fori prorogati, allerdings ohne sich mit der Frage des anwendbaren Rechts zu befassen.558 Auch wenn der Tribunal Supremo dies nicht ausdrücklich ausführt, dürfte es die Rechtswahlfrage wohl aufgrund einer stillschweigenden Rechtswahl für entbehrlich gehalten haben. Beide Parteien hatten ihre Anträge und Rechtsausführungen ausschließlich auf der Grundlage des spanischen Rechts gestellt.559 Auch in den englischen Urteilen zum Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung wendeten die Gerichte stets das englische Rechts an, das in den in dieser Arbeit untersuchten Fällen jeweils lex fori und lex fori prorogati war.560 Die Anwendung der lex fori prorogati erscheint im Ergebnis richtig. Die Beurteilung nach der lex fori etwa ist vom Klageort abhängig und kann zu willkürlichen Ergebnissen ohne jeden Bezug zur Gerichtsstandsvereinbarung führen. Die lex fori prorogati hingegen weist als Recht des von den Parteien vereinbarten Gerichtsstands einen engen Bezug zur Gerichtsstandsvereinbarung und damit auch zum Parteiwillen auf. Dennoch ist die methodische Begründung für das wünschenswerte Ergebnis zweifelhaft. Zwar haben die Parteien bei der Festlegung des Gerichtsstandes die lex fori prorogati jedenfalls in Kauf genommen, in den meisten Fällen das Gericht sogar unter anderem deswegen prorogiert. Allerdings haben die Parteien die lex fori prorogati als das auf prozessuale Fragen anwendbare Recht und nicht zwingend als materiell anwendbares Recht avisiert. Materiell kann ein anderes Recht zur Anwendung kommen, nicht zuletzt durch eine entsprechende Rechtswahl. Die lex fori prorogati ist das richtige Recht für prozessrechtliche Aspekte des Verfahrens vor dem forum prorogatum.561 Auch wenn der Schadensersatzanspruch in aller Regel vor dem forum prorogatum durchzusetzen ist562, handelt es sich dennoch um eine materiellrechtliche und eben nicht um eine prozessuale Frage. Insofern ist nicht ohne Weiteres die lex fori 557  Mankowski,

IPRax 2009, S. 23, 28. TS núm, 6//2009 vom 12 Januar 2009. 559  Von einer stillschweigenden Rechtswahl geht Álvarez González, IPRax 2009, S. 529, 531 aus. Ob die Parteien das für die Rechtswahl erforderliche Erklärungsbewusstsein hatten, lässt sich dem Urteil nicht entnehmen. 560  Union Discount Co. Ltd. v. Zoller and others [2002] 1 WLR 1517; Donohue v. Armco Inc. and others [2002] 1 Lloyd’s Rep. 425; A/S D/S Svendborg and D/S af 1912 A/S v. Ali Hussein Akar and others [2003] E.W.H.C. 797. 561  Mankowski, IPRax 2009, S. 23, 28. 562  Siehe 3. Teil, A. VII. 558  Sent.

178

3. Teil: Vertraglicher Schadensersatz

prorogati berufen. Es gibt aber eine andere Qualifikation, die im Ergebnis zur Anwendung der lex fori prorogati führt. 4. Das Statut der Gerichtsstandsvereinbarung Ob ein Schadensersatzanspruch besteht oder nicht, ist eine Frage, die sich aus der Auslegung der Gerichtsstandsvereinbarung ergibt. Das Problem des anwendbaren Rechts wiederum sollte möglichst nah an der Ausgangsfrage – der Auslegung der Gerichtsstandsvereinbarung – qualifiziert werden. Das Recht mit der bei weitem engsten Verbindung zum Schadensersatzanspruch ist das Recht, welches das Statut der Gerichtsstandsvereinbarung bildet, sodass dieses auch den Schadensersatzanspruch beherrschen sollte.563 Während die lex fori prorogati für Fragen der materiellen Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung zuständig ist, sind Fragen der materiellrechtlichen Wirkung der Gerichtsstandsvereinbarung – wie eben der Schadensersatzanspruch – dem Statut der Gerichtsstandsvereinbarung zu unterstellen.564 Das wirft die Frage auf, welches Recht das Statut der Gerichtsstandsvereinbarung stellt. Hier kommen erneut zwei der eben genannten Möglichkeiten in Betracht: die lex causae des Hauptvertrags und die lex fori prorogati.565 In vielen Fällen sind die lex causae des Hauptvertrags und die lex fori prorogati identisch.566 Ein Gleichlauf ist jedoch nicht zwingend. Die beiden Lösungsmöglichkeiten kommen zu verschiedenen Ergebnissen, wenn die Parteien für den Hauptvertrag ein anderes Recht als die lex fori prorogati gewählt haben.567 Da die Gerichtsstandsvereinbarung rechtlich unabhängig vom Hauptvertrag ist, ist die Anwendung der lex causae des Hauptvertrags abzulehnen.568 Für die Anwendung der lex fori prorogati hingegen sprechen gute Gründe, insbesondere dass die Parteien durch die Gerichtsstandsvereinbarung selbst die lex fori prorogati bestimmt haben.569 Die lex fori proro­gati ist daher das materielle Statut der Gerichtsstandsvereinbarung.

563  So auch Álvarez González, IPRax 2009, S. 529, 531; Gebauer, in: FS Kaissis, S. 267, 282; ders., in: FS von Hoffmann, S. 577, 581 f.; Mankowski, IPRax 2009, S. 23, 28; Schack, RabelsZ 1994, S. 40, 55; Virgós Soriano/Garci­mar­tín Alférez, Derecho procesal int., Rn. 9.48. 564  Mankowski, IPRax 2009, S. 23, 28. 565  Mankowski, IPRax 2009, S. 23, 28. 566  Gebauer, in: FS von Hoffmann, S. 577, 581; Takahashi, YPIL 2009, S. 73, 85. 567  Gebauer, in: FS von Hoffmann, S. 577, 581; Schack, RabelsZ 1994, S. 40, 55. 568  Siehe 3. Teil, A. VI. 2. 569  Siehe 3. Teil, A. VI. 3.



A. Gerichtsstandsvereinbarungen nach der EuGVVO179

5. Zwischenergebnis Haben die Parteien für den Hauptvertrag eine Rechtswahlvereinbarung getroffen, bestimmt sich das auf den Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung anwendbare Recht nach dieser Rechtswahlvereinbarung. Eine Ausnahme davon ist zu machen, wenn die Parteien ausdrücklich eine eigene Rechtswahlklausel für die Gerichtsstandsvereinbarung getroffen haben. Haben die Parteien keine Rechtswahl getroffen, ist der Schadensersatzanspruch dem materiellen Statut der Gerichtsstandsvereinbarung zu unterstellen. Dieses ist die lex fori prorogati. Somit ist in Fällen ohne Rechtswahlvereinbarung die lex fori prorogati das auf den Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung anwendbare Recht.

VII. Die Zuständigkeit für die Schadensersatzklage Die Frage nach dem zuständigen Gericht für den Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung ist relativ leicht zu beantworten: Es gibt kaum andere Vorschläge als den des forum prorogatum.570 Auch in den thematisieren spanischen571 und englischen Urteilen572 fand eine Diskussion über die internationale Zuständigkeit nicht statt. Dass es in diesem Punkt keinen Streit gibt, ist nicht verwunderlich. Schließlich handelt es sich bei dem forum prorogatum ja um genau das Gericht, welches die Parteien in ihrer Gerichtsstandsvereinbarung als zuständig bestimmt haben.573 Insbesondere bei einer ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung fiele es schwer, überhaupt ein anderes als das prorogierte Gericht vorzuschlagen. Trotzdem ist Takahashi der Auffassung, auch der Gerichtsstand am Wohnsitz des Beklagten gem. Art. 4 Abs. 1 EuGVVO stehe dem Schadensersatzkläger offen.574 Sofern sich der Beklagte nicht rügelos nach Art. 26 Abs. 1 570  Álvarez González, IPRax 2009, S. 529, 531; Antomo, Schadensersatz, S. 367 ff.; Joseph, Agreements, Rn. 14.08; Köster, Forum Shopping, S. 136; Mankowski, IPRax 2009, S. 23, 34; ders., in: Rauscher, EuZPR, Art. 25 EuGVVO, Rn. 245; E. Pfeiffer, Forum deroga­tum, S. 468; Virgós Soriano/Garcimartín Alférez, Derecho procesal int., Rn.  9.48; a. A.: Takahashi, YPIL 2009, S. 73, 92 f. 571  Sent. TS núm, 6//2009 vom 12 Januar 2009. 572  Union Discount Co. Ltd. v. Zoller and others [2002] 1 WLR 1517; Donohue v. Armco Inc. and others [2002] 1 Lloyd’s Rep. 425; A/S D/S Svendborg and D/S af 1912 A/S v. Ali Hussein Akar and others [2003] E.W.H.C. 797. 573  Álvarez-González, IPRax 2009, S. 529, 531; Antomo, Schadensersatz, S. 368. 574  Takahashi, YPIL 2009, S. 73, 93; ähnlich auch Köster, Forum Shopping, S. 136; differenzierend: Mankowski, in: Rauscher, EuZPR, Art. 25 EuGVVO, Rn. 245.

180

3. Teil: Vertraglicher Schadensersatz

Satz 1 EuGVVO auf die Schadensersatzklage an seinem Heimatgericht einlässt, ist diese Auffassung nicht überzeugend. In der Regel sind Gerichtsstandsvereinbarungen derart weit gefasst, dass sie sämtliche aus dem Hauptvertrag resultierenden oder mit diesem in Zusammenhang stehenden Ansprüche erfassen.575 Eine Schadensersatzklage aufgrund der Missachtung der Gerichtsstandsvereinbarung ist, wenn man die Trennung von Hauptvertrag und Gerichtsstandsvereinbarung gem. Art. 25 Abs. 5 EuGVVO berücksichtigt, kein aus dem Hauptvertrag stammender Anspruch. Er steht mit diesem allerdings in Zusammenhang, weil er auf der Missachtung einer typischerweise anlässlich des Hauptvertrags geschlossenen Vereinbarung, der Gerichtsstandsvereinbarung, beruht.576 Die Gerichtsstandsvereinbarung entfaltet ihre Wirkung daher regelmäßig auch für den Schadensersatzanspruch wegen ihrer Missachtung. Ferner wäre es widersprüchlich, wenn der Schadensersatzkläger mit seiner Klage den Bruch der Gerichtsstandsvereinbarung rügt, dabei aber selbst die Gerichtsstandsvereinbarung brechen darf.577 Takahashi selbst führt ein überzeugendes Argument für die ausschließliche Zuständigkeit des prorogierten Gerichts an: Würde ein anderes Gericht über den Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung entscheiden, könnte die absurde Situation entstehen, dass dieses andere Gericht die Gerichtsstandsvereinbarung für wirksam hält und daher Schadensersatz gewährt, das prorogierte Gericht aber – etwa in einem anderen Rechtsstreit – dieselbe Gerichtsstandsvereinbarung für unwirksam hält.578 Im Anwendungsbereich der EuGVVO ist dieses Risiko zwar ausgeschlossen, weil die Zuständigkeitsentscheidung des forum derogatum in Rechtskraft erwächst und alle anderen europäischen Gerichte bindet.579 Dennoch verdeutlicht dieses Beispiel, dass das forum prorogatum die größere Sachnähe für die Entscheidung aufweist, ob die Gerichtsstandsvereinbarung wirksam ist. Das zeigt sich auch, wenn man – entgegen der hier vertretenen Auffassung – der Ansicht folgt, die den Schadensersatzanspruch um die Kosten kürzen möchte, die für einen hypothetischen Prozess vor dem prorogierten Gericht angefallen wären.580 Auch hier kann das prorogierte Gericht am bes575  Mankowski, IPRax 2009, S. 23, 34; ders., in: Rauscher, EuZPR, Art. 25 EuGVVO, Rn. 245; E. Pfeiffer, Fo­rum deroga­tum, S. 468. 576  Im Ergebnis auch E. Pfeiffer, Forum deroga­tum, S. 468. 577  Vgl. Mankowski, IPRax 2009, S. 23, 34. 578  Takahashi, YPIL 2009, S. 73, 92. 579  EuGH, 15.11.2012, RS. C-456/11, Gothaer Allgemeine Versicherung, Rn. 41 ff., EuZW 2013, 60, 62. Siehe ausführlich 3. Teil, A. V. 1. 580  Siehe hierzu 3. Teil, A. V. 1. Dies ist nach der hier vertretenen Auffassung mit Ausnahme der Reisekosten zu verneinen.



A. Gerichtsstandsvereinbarungen nach der EuGVVO181

ten berechnen, welche hypothetischen Kosten für ein Verfahren angefallen wären.581 Regelmäßig entspricht es auch dem Interesse der Parteien, den Schadensersatzprozess am forum prorogatum stattfinden zu lassen. Die Vorteile von Gerichtsstandsvereinbarungen582 zeigen sich auch bei Schadensersatzklagen aufgrund der Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung. So kann auch in diesem Fall die Gerichtsstandsvereinbarung insbesondere zeit- und kostensparend sein, was den Parteien entgegenkommt.583 Demnach ist das forum prorogatum für die Schadensersatzklage zuständig. Nur wenn die Gerichtsstandsvereinbarung ausnahmsweise sehr eng gefasst ist und daher die Schadensersatzklage nicht erfasst, ist auf die übrigen Gerichtsstände wie insbesondere Art. 4 Abs. 1 und Art. 7 Nr. 1 EuGVVO zurückzugreifen. Der Ort, an dem die Verpflichtung aus der Gerichtsstandsvereinbarung zu erfüllen wäre i. S. d. Art. 7 Nr. 1 EuGVVO, ist der Ort des prorogierten Gerichts. Bei deliktischen Schadensersatzansprüchen kommt auch Art. 7 Nr. 2 EuGVVO in Betracht.584 Der Schadensersatzkläger kann innerhalb des Anwendungsbereichs der EuGVVO die Klage am forum prorogatum erst erheben, nachdem das forum derogatum die abredewidrige Klage rechtskräftig abgewiesen hat.585

VIII. Alternative Absicherungsmöglichkeiten Die bisherige Untersuchung hat verdeutlicht, dass der Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung im Anwendungsbereich der EuGVVO nicht alle durch die abredewidrige Klage hervorgerufenen Schäden umfassen kann. Das Vertrauensprinzip und die Rechtskraft der Entscheidung des forum derogatum schränken die Reichweite des Schadensersatzanspruchs ein. Daher drängt sich die Frage auf, ob die Parteien kraft privatautonomer Rechtsgestaltung Regelungen treffen können, die über den gesetzlich oder allgemein vertraglich fundierten Schadensersatzanspruch hinausgehen. Es kommen im Wesentlichen zwei Gestaltungsmöglichkeiten in Betracht: Die Parteien können im Hauptvertrag oder – sofern es diesen gibt – im gesonderten Vertrag über die Gerichtsstandsvereinbarung ausdrücklich einen Kostenerstattungsanspruch für die aufgrund einer abredewidrigen Klage hervorgerufenen Kosten vereinbaren. 581  Takahashi,

YPIL 2009, S. 73, 92. 1. Teil, A. 583  E. Pfeiffer, Forum deroga­tum, S. 468. 584  Mankowski, in: Rauscher, EuZPR, Art. 25 EuGVVO, Rn. 245. 585  Siehe 3. Teil, A. II. 7. a). 582  Siehe

182

3. Teil: Vertraglicher Schadensersatz

Die zweite Gestaltungsmöglichkeit ist eine zu vereinbarende Vertragsstrafe, die im Fall einer abredewidrig erhobenen Klage fällig wird. Daneben ist es möglich, ausdrücklich die vertragliche Pflicht in den Vertrag aufzunehmen, nicht an einem derogierten Gericht Klage zu erheben.586 Eine solche Klausel ist bei Bezugspunkten zum deutschen Recht besonders empfehlenswert, weil die Frage, ob einer Gerichtsstandsvereinbarung auch eine verpflichtende Wirkung zukommt, in Deutschland besonders umstritten ist. Wenn eine vertragliche Bestimmung diese Verpflichtung ausdrücklich stipuliert, kann es an der Verpflichtungswirkung der Gerichtsstandsvereinbarung keine Zweifel geben. Ein Gericht könnte eine Schadensersatzanklage dann jedenfalls nicht mit dem Argument abweisen, die Gerichtsstandsvereinbarung erzeuge keine Verpflichtungen.587 1. Vereinbarung eines Kostenerstattungsanspruchs Durch den Kostenerstattungsanspruch verpflichten sich die Parteien, im Fall einer abredewidrigen Klage der anderen Partei die entstandenen Kosten vollständig oder teilweise zu ersetzen. Insbesondere in England ist die Vereinbarung eines solchen Kostenerstattungsanspruchs anerkannt.588 Wenn die Parteien einen materiellrechtlichen Kostenerstattungsanspruch für den Fall vereinbaren, dass eine Partei abredewidrig klagt, können sie viele Probleme des Schadensersatzanspruchs wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung umgehen. Insbesondere erübrigen sich die beiden Fragen, ob der Gerichtsstandsvereinbarung eine materiellrechtliche Verpflichtungswirkung zukommt und ob die Klageerhebung an einem derogierten Gericht eine Pflichtverletzung darstellen kann.589 Bei einem vereinbarten Kostenerstattungsanspruch ist die Schadensersatzpflicht ausschließlich daran geknüpft, dass eine Partei vor einem derogierten Gericht Klage erhebt. Die abredewidrige Klage begründet damit eine Pflichtverletzung, ohne dass die Parteien dies vereinbaren oder die Willenserklärungen der Parteien zur Gerichtsstandsvereinbarung ausgelegt werden müssten.590 Ferner können Überlegungen dergestalt, dass die Inanspruchnahme eines staatlich eingerichteten Verfahrens grundsätzlich rechtmäßig ist, dem 586  Antomo, Schadensersatz, S. 400; Briggs, Agreements, Rn. 5.51 f. mit Formulierungsbeispiel unter Rn. 5.17 (h); Eichel, AGB-Gerichtsstandsklauseln, S.  224 f.; Mankowski, IPRax 2009, S. 23, 33; E. Pfeiffer, Forum derogatum, S. 496; Sandrock, RIW 2004, S. 809, 815. Siehe hierzu 3. Teil, A. II. 5. a). 587  Vgl. E. Pfeiffer, Forum derogatum, S. 496. 588  Mankowski, IPRax 2009, S. 23, 32. 589  Vgl. E. Pfeiffer, Forum derogatum, S. 498. 590  Mankowski, IPRax 2009, S. 23, 32; E. Pfeiffer, Forum derogatum, S. 498; vgl. auch Briggs, Agreements, Rn. 5.51.



A. Gerichtsstandsvereinbarungen nach der EuGVVO183

Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung nicht entgegenstehen, wenn die Parteien einen Kostenerstattungsanspruch privatautonom vereinbart haben. Allerdings stellen sich einige der zuvor untersuchten Schwierigkeiten im neuen Gewand, insbesondere das Verhältnis von prozessualem zu materiellem Kostenerstattungsanspruch sowie die Vereinbarkeit mit der EuGVVO. Wie bereits untersucht, schließen sich der prozessuale Kostenerstattungsanspruch nach §§ 91ff. ZPO und sein materiellrechtliches Pendant nicht gegenseitig aus. Selbst die Rechtskraft des Kostenfestsetzungsbeschlusses steht dem materiellrechtlichen Kostenerstattungsanspruch nicht entgegen.591 Im deutschen Recht ist es anerkannt, dass die Parteien einen materiellrechtlichen Kostenerstattungsanspruch auch entgegen der prozessualen Kostenentscheidung des Gerichts vereinbaren können.592 Die Vorschriften der §§ 91ff. ZPO unterliegen nicht der Disposition der Parteien. Sie können nicht verfügen, dass das Gericht die prozessuale Kostenentscheidung nach dem Willen der Parteien fällt. Von der Kostenentscheidung abweichende und sogar ihr widersprechende Vereinbarungen sind aber kraft privatautonomer Gestaltung möglich.593 Aus dem Verhältnis von prozessualem zu materiellem Kostenerstattungsanspruch ergeben sich somit keine Einschränkungen für den vertraglich vereinbarten Kostenerstattungsanspruch.594 a) Vereinbarkeit mit der EuGVVO Der materiellrechtliche Kostenerstattungsanspruch muss mit den Anforderungen der EuGVVO vereinbar sein. Weder Art. 25 noch andere Vorschriften der EuGVVO treffen Regelungen über das Prozesskostenrechtrecht. Soweit die EuGVVO keine Regelungen zum Verfahrensrecht trifft, beansprucht sie auch keine das nationale Recht verdrängende Geltung.595 Allerdings sind 591  BGH, NJW 1966, 1513, 1515; 1990, 1906, 1907; 1990, 2060; NJW-RR 1995, 495; NJW 2002, 680; Becker-Eberhard, Kostenerstattung, S. 92 f.; Bork, in: Stein/ Jonas, ZPO, vor § 91, Rn. 19; Herget, in: Zöller, ZPO, vor § 91, Rn. 13; E. Pfeiffer, Forum derogatum, S. 454; Schlosser, in: FS Lindacher, S. 111, 121 f.; Schulz, in: MüKo-ZPO, vor § 91 ff., Rn. 24. Siehe zum Ganzen 3. Teil, A. II. 9. c). 592  BGH, NJW 1952, 786, 787; LAG Hamm, NJW 1954, 1504; Becker-Eberhard, Kostenerstattung, S.  211 f.; E. Pfeiffer, Forum derogatum, S. 497 f.; T. Pfeiffer, in: FS Lindacher, S. 77, 80. 593  Becker-Eberhard, Kostenerstattung, S. 211  f.; T. Pfeiffer, in: FS Lindacher, S. 77, 80. 594  T. Pfeiffer, in: FS Lindacher, S. 77, 80; Mankowski, in: Rauscher, EuZPR, Art. 25 EuGVVO, Rn. 258; ders., IPRax 2009, S. 23, 33; Sandrock, RIW 2004, S. 809, 814. 595  T. Pfeiffer, in: FS Lindacher, S. 77, 81; vgl. Mankowski, in: Rauscher, EuZPR, Art. 25 EuGVVO, Rn. 13 ff.

184

3. Teil: Vertraglicher Schadensersatz

beim vertraglich vereinbarten ebenso wie beim nicht spezifisch vertraglich vereinbarten Schadensersatzanspruch die allgemeinen Prinzipien der EuGVVO zu beachten. Zum einen kann das Prinzip des gegenseitigen Vertrauens dem vertraglich vereinbarten Kostenerstattungsanspruch entgegenstehen, zum anderen ist der Einfluss der Rechtskraft der Entscheidung des forum derogatum zu beachten. Wie beim nicht spezifisch vertraglich vereinbarten Schadensersatzanspruch bereitet die Konstellation keine Schwierigkeiten, in der das forum derogatum die abredewidrige Klage aufgrund der Gerichtsstandsvereinbarung abgewiesen hat. In diesem Fall stimmen die Entscheidungen von forum derogatum und Gericht der Schadensersatzklage hinsichtlich der Unzuständigkeit des forum derogatum überein. Das Gericht der Schadensersatzklage spricht dem derogierten Gericht nicht sein fehlendes Vertrauen aus.596 Schwierigkeiten bestehen – wie beim nicht spezifisch vertraglich vereinbarten Schadensersatzanspruch – in der Konstellation, in der das derogierte Gericht sich für zuständig erklärt. Beim nicht spezifisch vertraglich vereinbarten Schadensersatzanspruch würde das Gericht der Schadensersatzklage gegen das Prinzip des gegenseitigen Vertrauens verstoßen, wenn es die Zuständigkeitsentscheidung des derogierten Gerichts nachprüfte.597 Bezüglich des vertraglich vereinbarten Kostenerstattungsanspruchs scheint sich dieses Problem auf den ersten Blick nicht zu stellen: Das Gericht der Schadensersatzklage prüft ja nur, ob eine Partei vor einem derogierten Gericht Klage erhoben hat. Es muss hingegen nicht prüfen, ob die Zuständigkeitsentscheidung des derogierten Gerichts in der Sache zutreffend war. Dennoch greift diese Sichtweise zu kurz. Zum einen dürfte sich ein vereinbarter Kostenerstattungsanspruch in aller Regel nur auf solche Kosten beziehen, die mit der gerichtlichen Entscheidung übereinstimmen beziehungsweise ihr jedenfalls nicht diametral widersprechen. Die Reichweite der Kostenerstattungsvereinbarung ist durch Auslegung im Einzelfall zu ermitteln. Typischerweise kann man nicht davon ausgehen, dass der Kostenerstattungsanspruch auch eine vom Gericht ausgeworfene Kostenentscheidung erfassen und diese in ihrer Wirkung vollständig revidieren soll. Die Parteien dürften bei Abschluss der Vereinbarung regelmäßig die Konstellation vor Augen haben, dass das angerufene Gericht keine Kostenentscheidung oder eine Kostenentscheidung nur über einen Teil der Kosten auswirft. In aller Regel dürften sie dabei nicht den Ersatz derjenigen Kosten bezwecken, die dadurch entstehen, dass eine Partei abredewidrig Klage erhebt, das derogierte Gericht 596  Siehe

3. Teil, A. II. 7. b). EuGH, 27.04.2004, RS. C-159/02, Turner/Grovit u. a., Rn. 29, EuZW 2004, 468, 469. Siehe 3. Teil, A. II. 7. c). 597  Vgl.



A. Gerichtsstandsvereinbarungen nach der EuGVVO185

die Kosten aber der anderen Partei zuweist. Allenfalls bei einer entsprechenden ausdrücklichen Vereinbarung käme dies theoretisch in Betracht. Zum anderen stehen im letzteren Fall die Anforderungen der EuGVVO einem entsprechend vereinbarten Kostenerstattungsanspruch entgegen. Erstens erwächst die Zuständigkeitsentscheidung des derogierten Gerichts nach der Rechtsprechung des EuGH in Rechtskraft.598 Wenn sich das derogierte mitgliedstaatliche Gericht für zuständig erklärt hat, bindet diese Entscheidung auch das mitgliedstaatliche Gericht der Schadensersatzklage. Da sich das derogierte Gericht nur für zuständig erklären kann, wenn es die Gerichtsstandsvereinbarung für unwirksam befindet, gebietet es die Rechtskraft dieser Entscheidung, dass das Gericht der Schadensersatzklage die Gerichtsstandsvereinbarung nicht für wirksam befinden darf. Nach der Rechtsprechung des EuGH erstreckt sich die Rechtskraft im Anwendungsbereich der EuGVVO jedenfalls bei negativen Zuständigkeitsentscheidungen nicht nur auf die im Tenor getroffene Entscheidung, sondern auch auf Vorfragen wie die Existenz einer Gerichtsstandsvereinbarung.599 Dies wird man bei Schadensersatzklagen wegen der Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung auch auf positive Zuständigkeitsentscheidungen übertragen können. Würde das Gericht der Schadensersatzklage die Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung anders beurteilen als das derogierte Gericht, drohen einander widersprechende Entscheidungen. Dies zu verhindern, ist nach der EuGH-Rechtsprechung eine entscheidende Aufgabe der Rechtskraft.600 Zweitens ist auch das Prinzip des gegenseitigen Vertrauens verletzt, wenn das Gericht der Kostenerstattungsklage die Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung anders beurteilt als das derogierte Gericht. Der vertraglich vereinbarte Kostenerstattungsanspruch baut implizit auf der Prämisse auf, dass die Gerichtsstandsvereinbarung wirksam ist. Bei einer unwirksamen Gerichtsstandsvereinbarung ist eine abredewidrige Klage logisch ausgeschlossen. In diesem Fall dürfen die Parteien an jedem Gericht Klage erheben. Das zweite Gericht kann der Schadensersatzklage nur stattgeben, wenn es die Zuständigkeitsentscheidung des derogierten ersten Gerichts für falsch befindet. Nach dem Vertrauensprinzip ist es mitgliedstaatlichen Gerichten jedoch untersagt, die Zuständigkeitsentscheidungen anderer mitgliedstaatlicher Gerichte zu überprüfen.601 598  EuGH, 15.11.2012, RS. C-456/11, Gothaer Allgemeine Versicherung, Rn. 41 ff., EuZW 2013, 60, 62. Zum Ganzen: 3. Teil, A. II. 9. a). 599  EuGH, 15.11.2012, RS. C-456/11, Gothaer Allgemeine Versicherung, Rn. 41, EuZW 2013, 60, 62. 600  EuGH, 15.11.2012, RS. C-456/11, Gothaer Allgemeine Versicherung, Rn. 31, EuZW 2013, 60, 61. 601  EuGH, 27.04.2004, RS. C-159/02, Turner/Grovit u.  a., Rn. 28, EuZW 2004, 468, 469.

186

3. Teil: Vertraglicher Schadensersatz

Es lässt sich auch nicht überzeugend argumentieren, dass die Kostenentscheidung von der Hauptsacheentscheidung unabhängig sei und deshalb die für die Hauptsacheentscheidung geltenden Einschränkungen durch die Rechtskraft und das Vertrauensprinzip nicht gelten würden. Die Kostenentscheidung hängt regelmäßig unmittelbar von der Hauptsacheentscheidung ab, wie der Umstand verdeutlicht, dass – jedenfalls in Deutschland und anderen europäischen Verfahrensordnungen – (grundsätzlich) die unterliegende Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat.602 In Hinblick auf die Rechtskraft von Zuständigkeitsentscheidung und das Vertrauensprinzip ist ein vertraglich vereinbarter Schadensersatzanspruch – genau wie der nicht spezifisch vertraglich Vereinbarte – nur statthaft, wenn das derogierte Gericht sich aufgrund der Gerichtsstandsvereinbarung für unzuständig erklärt hat.603 b) Vereinbarung in AGB Gerichtsstandsvereinbarungen finden sich häufig in AGB. Wenn sich die Praxis der Vereinbarung von vertraglichen Kostenerstattungsansprüchen weiter durchsetzt, werden auch diese häufig in AGB vereinbart werden. Es stellt sich daher die Frage, in welchem Umfang die Parteien vertragliche Kostenerstattungsansprüche in AGB vereinbaren können. Nach Art. 25 Abs. 4 EuGVVO sind Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten eines anderen als des Heimatgerichts von Verbrauchern, Arbeitnehmern und Versicherten faktisch ausgeschlossen, sodass für diese Personengruppen ein Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung ausscheidet.604 Als Parteien, die einen Kostenerstattungsanspruch in AGB vereinbaren können, kommen praktisch nur Unternehmer in Betracht. Ob eine AGB-Kontrolle von Gerichtsstandsvereinbarungen nach nationalem AGB-Recht im Anwendungsbereich der EuGVVO stattfinden darf, ist umstritten.605 Diese Frage bezieht sich allerdings nur auf die Prorogation und Derogation selbst, nicht hingegen auf schuldrechtliche Ansprüche, die die 602  Vgl. etwa § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO, Art. 700 Abs. 1 Code de Procédure Civile (Frankreich), Part 44.2 Abs. 2 lit. c Civil Procedure Rules (England und Wales). 603  So auch Mankowski, IPRax 2009, S. 23, 33; ders., in: Rauscher, EuZPR, Art. 25 EuGVVO, Rn. 258; E. Pfeiffer, Forum derogatum, S. 497 f., 508; T. Pfeiffer, in: FS Lindacher, S. 77, 81 ff. 604  Dörner, in Saenger, ZPO, Art. 25 EuGVVO, Rn. 17; Nagel/Gottwald, IZPR, § 3, Rn. 16. 605  Dagegen Kropholler/von Hein, EuZPR, Art. 23 EuGVVO a. F., Rn. 20; G. Wagner, in: Stein/Jonas, ZPO, Art. 23 EuGVVO a. F., Rn. 39; Wurmnest, in: MüKo-BGB, § 307, Rn. 256; für Gerichtsstandsvereinbarungen mit Verbrauchern bejaht der EuGH dies: EuGH, 27.06.2000, RS. C-240/98, Océano Grupo Editorial, Rn. 32, LMRR



A. Gerichtsstandsvereinbarungen nach der EuGVVO187

Gerichtsstandsvereinbarung absichern sollen.606 Solche Ansprüche sind, sofern sie in AGB vereinbart werden, einer AGB-Kontrolle zugänglich. Im deutschen Recht ist die Wirksamkeit solcher AGB am Maßstab der §§ 307, 310 Abs. 1 BGB zu prüfen. Nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB sind AGB wegen unangemessener Benachteiligung unwirksam, wenn sie mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der sie abweichen, nicht zu vereinbaren sind. Die als Vergleichsmaßstab dienenden gesetzlichen Regelungen sind die §§ 91ff. ZPO.607 Der wesentliche Grundgedanke der Regelungen in §§ 91ff. ZPO ist, dass jede Partei die Prozesskosten im Umfang ihres Unterliegens zu tragen hat.608 Im deutschen Recht ist es den Parteien grundsätzlich nicht möglich, durch eine Regelung in AGB von dieser Kostenverteilung abzuweichen. Genauer gesagt sind solche AGB-Klauseln nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam, die dem Verwender einen Kostenerstattungsanspruch gewähren, obwohl weder ein prozessualer noch ein materiellrechtlicher Kostenerstattungsanspruch besteht.609 Eine AGB-Regelung, die nur der am forum derogatum obsiegenden Partei einen Kostenerstattungsanspruch gewährt, verstößt hingegen nicht gegen wesentliche Grundgedanken von §§ 91ff. ZPO. Vielmehr greift sie gerade den von der gesetzlichen Regelung vorgesehenen Grundgedanken auf, dass die unterlegene Partei für die Prozesskosten haften soll. Bei grenzüberschreitenden Sachverhalten ist es umstritten, ob die gesetzliche Reglung, von deren Grundgedanke der Verwender durch AGB nicht abweichen darf, ausschließlich nach dem Recht des prorogierten Gerichts zu bestimmen ist610 oder ob neben diesem Recht auch das Recht des derogierten Gerichts heranzuziehen ist611. Für die zweite Ansicht spricht, dass der in den AGB vereinbarte Kostenerstattungsanspruch nur zur Geltung kommt, wenn es überhaupt eine Entscheidung des forum derogatum gibt. Andernfalls geht 2000, 52; EuGH, 04.06.2009, RS. C-243/08, Pannon GSM Zrt./Györfi, Rn. 32, EuZW 2009, 503, 504; so auch OLG Koblenz, NJW-RR 1988, 1334, 1336. 606  T. Pfeiffer, in: FS Lindacher, S. 77, 85. 607  Mankowski, IPRax 2009, S. 23, 34; E. Pfeiffer, Forum derogatum, S. 499; T. Pfeiffer, in: FS Lindacher, S. 77, 80. 608  Vgl. BVerfG NJW 1987, 2569; Hüßtege, in: Thomas/Putzo, ZPO, § 91, Rn. 1; Schulz, in: MüKo-ZPO, vor § 91 ff. ZPO, Rn. 1; T. Pfeiffer, in: FS Lindacher, S. 77, 85. 609  Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 307, Rn. 124; E. Pfeiffer, Forum derogatum, S. 500; T. Pfeiffer, in: FS Lindacher, S. 77, 85; vgl. BGH, NJW 1985, 320, 324 (allerdings zu AGB gegenüber Verbrauchern). 610  So Mankowski, IPRax 2009, S. 23, 34. 611  So E. Pfeiffer, Forum derogatum, S. 500; T. Pfeiffer, in: FS Lindacher, S. 77, 86.

188

3. Teil: Vertraglicher Schadensersatz

die AGB-Klausel ins Leere. Aufgrund dieser Abhängigkeit könnte man den Standpunkt einnehmen, die lex fori derogati müsse den vereinbarten Kostenerstattungsanspruch anerkennen.612 Hiergegen spricht allerdings der Parteiwille. Die Parteien wollten durch die Gerichtsstandsvereinbarung sicherstellen, dass weder ein forum derogatum noch eine entsprechende lex fori derogati über die zwischen ihnen bestehenden Ansprüche befinden. Hierfür soll ausschließlich das zwischen den Parteien vereinbarte Gericht zuständig sein. Es erscheint demzufolge inkonsequent, den von den Parteien vereinbarten Kostenerstattungsanspruch von der Anerkennung durch die lex fori derogati abhängig zu machen, weil sich auf diese Weise nicht ex ante bestimmen lässt, ob die AGB-Klausel wirksam ist. Schließlich steht das forum derogatum nicht bei Abschluss der Gerichtsstandsvereinbarung, sondern erst mit der abredewidrigen Klagen fest.613 In den meisten Fällen stellt sich die Frage nach der Vereinbarkeit des Kostenerstattungsanspruchs mit der lex fori derogati allerdings nicht. Der Grundsatz, dass der Unterlegene die Prozesskosten zu tragen hat, gilt in vielen Verfahrensordnungen. Auch Rechtsordnungen, die ein gerichtliches Ermessen bei der Kostenverteilung kennen, beruhen auf dem Grundsatz, dass der Unterlegene die Prozesskosten zu tragen hat.614 Genauso wie im deutschen Recht besteht in diesen Verfahrensordnungen kein Widerspruch zu den grundlegenden Wertungen der Kostenverteilung. Auch zu Verfahrensordnungen, die keinen prozessualen Kostenerstattungsanspruch kennen, besteht kein fundamentaler Widerspruch.615 Selbst in den US-amerikanischen Verfahrensordnungen sind Ausnahmen von dem strengen Grundsatz anerkannt, dass eine Prozesskostenerstattung nicht stattfindet (American Rule).616 In den USA ist es zulässig, dass die Parteien eine von der American Rule abweichende Kostenvereinbarung treffen, ohne dass es darauf ankäme, ob diese Vereinbarung in einem Individualvertrag oder in AGB geschlossen worden ist. Demnach ist in den USA eine Kostenvereinbarung zugunsten des Obsiegenden in einer Klausel möglich, die nach deutschem Recht als AGB zu qualifizieren wäre.617 Haben die Parteien die ausschließliche Zuständigkeit deutscher Gerichte vereinbart und erhebt eine Partei an einem ausländischen Gericht abredewidE. Pfeiffer, Forum derogatum, S. 500. im Ergebnis auch Mankowski, IPRax 2009, S. 23, 34. 614  Vgl. etwa Art. 700 Abs. 1 Code de Procédure Civile (Frankreich), Part 44.2 Abs. 2 lit. c Civil Procedure Rules (England und Wales). 615  Vgl. T. Pfeiffer, in: FS Lindacher, S. 77, 78. 616  Vgl. Rule 54 (d) Federal Rules of Civil Procedure, der vorsieht, dass der Obsiegende auf Antrag und unter bestimmten Umständen Prozesskosten, auch außergerichtliche, vom Unterlegenen ersetzt verlangen kann. 617  E. Pfeiffer, Forum derogatum, S. 500; T. Pfeiffer, in: FS Lindacher, S. 77, 87. 612  So 613  So



A. Gerichtsstandsvereinbarungen nach der EuGVVO189

rig Klage, ist in Hinblick auf die Wirksamkeit eines in AGB vereinbarten vertraglichen Schadensersatzanspruchs nur § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB i. V. m. §§ 91ff. ZPO zu prüfen. Wenn die AGB-Klausel einen Schadensersatzanspruch für abredewidrige Klagen nur für die Fälle vorsieht, in denen das forum derogatum sich für unzuständig erklärt hat, ist sie mit § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB vereinbar.618 Wie oben dargestellt, entspricht eine solche Klausel der von §§ 91ff. ZPO postulierten Wertung, dass der Unterlegene die Prozesskosten zu tragen hat. Eine AGB-Klausel, die einer Partei – typischerweise dem Verwender – einen Kostenerstattungsanspruch für jeden Fall der abredewidrigen Klage gewährt, also auch wenn der abredewidrig Klagende am forum derogatum obsiegt, widerspricht nach überwiegender Auffassung dem Leitbild der §§ 91ff. ZPO und ist daher gem. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam.619 Nach anderer Auffassung liegt im Fall der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung kein Verstoß gegen die Wertungen von §§ 91ff. ZPO vor. Der abredewidrig am ausländischen forum derogatum Klagende veranlasse die entstehenden Kosten dadurch, dass er pflichtwidrig die Klage im Ausland erhebe. Dies entspreche dem von §§ 91ff. ZPO postulierten Veranlasserprinzip.620 Diese Auffassung kann jedenfalls im Anwendungsbereich der EuGVVO nicht überzeugen. Wie dargestellt, scheitern bereits individualvertragliche Vereinbarungen, die einen Kostenerstattungsanspruch unabhängig vom Ausgang des Prozesses am forum derogatum vorsehen, am Prinzip des gegenseitigen Vertrauens sowie der Rechtskraft der Zuständigkeitsentscheidung des forum derogatum. Eine solche Vereinbarung können die Parteien daher erst recht nicht in AGB treffen. Zur Vereinbarung von Kostenerstattungsansprüchen in AGB lässt sich zusammenfassend festhalten, dass diese im Wesentlichen im selben Umfang wie entsprechende individualvertragliche Vereinbarungen zulässig sind. Der Erstattungsanspruch ist auch in AGB wirksam, wenn er nur für Fälle besteht, in denen sich das forum derogatum für unzuständig erklärt hat. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB i. V. m. §§ 91ff. ZPO steht dem Anspruch nicht entgegen. Soll die Klausel allerdings einer Partei auch dann einen Schadensersatzanspruch gewähren, wenn das derogierte Gericht sich für zuständig erklärt hat, ist sie unwirksam. Eine geltungserhaltende Reduktion der AGB-Klausel scheidet ebenfalls aus. 618  E. Pfeiffer,

Forum derogatum, S. 499; T. Pfeiffer, in: FS Lindacher, S. 77, 86 f. IPRax 2009, S. 23, 34; T. Pfeiffer, in: FS Lindacher, S. 77, 87 f. 620  E. Pfeiffer, Forum derogatum, S. 501, die von dieser Regel allerdings auf S. 508 f. eine Ausnahme im Anwendungsbereich der EuGVVO macht. 619  Mankowski,

190

3. Teil: Vertraglicher Schadensersatz

c) Anwendbares Recht Die Vereinbarung über einen materiellrechtlichen Kostenerstattungsanspruch unterliegt dem materiellen Statut der Gerichtsstandsvereinbarung.621 Gem. Art. 4 Abs. 4 Rom-I-VO ist, da Art. 4 Abs. 1 bis 3 Rom-I-VO nicht einschlägig sind622, auf das Recht abzustellen, das zu der Vereinbarung die engste Verbindung aufweist. Dieses Recht ist die lex fori prorogati, dem die Gerichtsstandsvereinbarung unterliegt. Alternativ ließe sich überlegen, die Vereinbarung dem Statut des Hauptvertrags zu unterstellen. Schließlich handelt es sich bei der Vereinbarung über den Kostenerstattungsanspruch um eine regelmäßig in den Hauptvertrag inkorporierte, materiellrechtliche Abrede, während die Gerichtsstandsvereinbarung vorrangig prozessual wirkt. Dennoch betrifft die Vereinbarung über den Kostenerstattungsanspruch trotz ihres materiellrechtlichen Charakters nicht den Hauptvertrag. Sie hat vielmehr ausschließlich die Funktion, die Effektivität der Gerichtsstandsvereinbarung zu schützen.623 Da die Vereinbarung über den Kostenerstattungsanspruch in einem Akzessorietätsverhältnis zur Gerichtsstandsvereinbarung steht, sollte sie demselben Recht unterstellt werden. Ein weiterer Vorteil dieser Zuordnung liegt darin, dass der vereinbarte Kostenerstattungsanspruch und der nicht spezifisch vertraglich vereinbarte Schadensersatzanspruch demselben Recht unterliegen und daher einheitlich beurteilt werden können.624 2. Vereinbarung einer Vertragsstrafe Die inhaltlich am weitesten reichende Möglichkeit, Gerichtsstandsvereinbarungen abzusichern, ist die Vereinbarung einer Vertragsstrafe. Treffen die Parteien eine solche Vereinbarung, hat im Fall der abredewidrigen Klage einer Partei die andere Partei einen Anspruch auf die ausbedungene Vertragsstrafe. Die Vertragsstrafe hat eine Vielzahl von Vorteilen gegenüber dem nicht spezifisch vertraglich vereinbarten und auch dem vertraglich vereinbarten Schadensersatzanspruch. Im deutschen Recht ist die Funktion der in §§ 339ff. BGB geregelten Vertragsstrafe zweiseitig: Einerseits soll sie als Druckmittel den Schuldner dazu anhalten, die geschuldete Leistung ordnungsgemäß zu erbringen.625 Andererseits soll es die Vertragsstrafe dem Gläubiger ermöglichen, sich im Fall der nicht ordnungsgemäßen Leistung 621  Mankowski, IPRax 2009, S. 23, 33; E. Pfeiffer, Forum derogatum, S. 501  f. Siehe 3. Teil, A. VI. 4. 622  Siehe 3. Teil, A.VI. 623  Mankowski, IPRax 2009, S. 23, 33; E. Pfeiffer, Forum derogatum, S. 501 f. 624  Mankowski, IPRax 2009, S. 23, 33.



A. Gerichtsstandsvereinbarungen nach der EuGVVO191

einfach schadlos zu halten, ohne die Schadenspositionen im Einzelnen darlegen und beweisen zu müssen.626 Daneben ist die Vertragsstrafe auch deshalb von besonderer Bedeutung, weil die Strafhöhe bereits bei Abschluss der Vertragsstrafe feststeht. Sowohl beim nicht spezifisch vertraglich vereinbarten als auch beim vertraglich vereinbarten Schadensersatzanspruch steht die Strafhöhe hingegen erst nach der Vertragsverletzung fest, sodass das Abschreckungspotenzial geringer ist.627 Der abredewidrig Klagende kann bei einer für den Bruch der Gerichtsstandsvereinbarung getroffenen Vertragsstrafenabrede nicht darauf hoffen, dass das Gericht der Schadensersatzklage der Gerichtsstandsvereinbarung keine Verpflichtungswirkung beimessen oder die Schadenspositionen zu seinen Gunsten fälschlich berechnen wird. Um ihrer Abschreckungsfunktion gerecht zu werden, kann die individualvertraglich vereinbarte Vertragsstrafe höher ausfallen als der ex ante erwartete oder ex post eingetretene Schaden.628 Dennoch muss die Höhe der Vertragsstrafe unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls angemessen sein und insbesondere Rücksicht auf den Zweck der Vertragsstrafe und die zu erwartenden Risiken nehmen.629 Auch bei Vertragsstrafen für die Missachtung von Gerichtsstandsvereinbarungen stellt sich die Frage, ob eine solche Abrede in individualvertraglicher oder AGB-Form mit den Prinzipien der EuGVVO vereinbar ist. Mankowski bejaht diese Frage mit der Begründung, dass Vertragsstrafen eigenständiger seinen als vertragliche Schadensersatzansprüche. Sie stellten keine Sekundäransprüche im engeren Sinne dar, weswegen sie nicht vom vermeintlich europarechtswidrigen Primäranspruch „infiziert“ seien. Zudem müsse das Gericht der Schadensersatzklage die am derogierten Gericht angefallenen Kosten nicht berechnen, sondern nur die pauschalierte Vertragsstrafe zusprechen.630 Diese Auffassung erscheint vor dem Hintergrund der EuGH-Rechtsprechung nicht überzeugend. Die zu vertraglich vereinbarten Kostenerstattungsansprüchen erarbeitete Differenzierung findet auch bei Vertragsstrafen An625  RGZ 103, 99; BGH, NJW 1961, 115, 116; 1968, 149, 150; 1976, 1886, 1887; 1977, 624, 626; 1983, 385, 387; Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 339, Rn. 1; Stadler, in: Jauernig, BGB, § 339, Rn. 5. 626  RGZ 103, 99; BGH, NJW 1975, 163, 164; 1979, 212, 213; 1981, 1509; 1983, 385, 387; Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 339, Rn. 1; Stadler, in: Jauernig, BGB, § 339, Rn. 5. 627  Mankowski, IPRax 2009, S. 23, 33. 628  Mankowski, IPRax 2009, S. 23, 33; E. Pfeiffer, Forum derogatum, S. 505. 629  BGH, NJW 1983, 941, 942; Larenz/Canaris, Schuldrecht, Bd. II/1, § 24 II a; Stadler, in: Jauernig, BGB, § 343, Rn. 6. 630  Mankowski, IPRax 2009, S. 23, 34; ders., in: Rauscher, EuZPR, Art. 25 EuGVVO, Rn. 261.

192

3. Teil: Vertraglicher Schadensersatz

wendung. Wenn das derogierte Gericht die Klage abweist, stehen das Prinzip des gegenseitigen Vertrauens und die Rechtskraft der Zuständigkeitsentscheidung des forum derogatum dem Anspruch auf die Vertragsstrafe nicht entgegen.631 Erklärt sich das forum derogatum aber für zuständig, kann nichts anderes gelten als bei vertraglich vereinbarten Kostenerstattungsansprüchen. Auch der Anspruch auf die Vertragsstrafe besteht nur, wenn die Gerichtsstandsvereinbarung wirksam ist. Hat sich das derogierte Gericht für zuständig und damit die Gerichtsstandsvereinbarung für unwirksam erklärt, erwächst diese Entscheidung nach der Rechtsprechung des EuGH in Rechtskraft und bindet das Gericht der Schadensersatzklage.632 Das prorogierte Gericht kann die Vertragsstrafe daher nicht zusprechen, weil es an die Entscheidung des forum derogatum gebunden ist, dass die Gerichtsstandsvereinbarung unwirksam ist. Das Gleiche ergibt sich aus dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens. Auch dieses steht der erneuten Überprüfung der Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts entgegen.633 Das Gericht der Schadensersatzklage kann die Vertragsstrafe dann nicht zusprechen, weil es an die Entscheidung des ersten Gerichts gebunden ist, dass die Gerichtsstandsvereinbarung unwirksam ist. Für in AGB vereinbarte Vertragsstrafen gilt im Wesentlichen das Gleiche. Die individualvertraglich unwirksame Vereinbarung über eine Vertragsstrafe auch für den Fall, dass sich das forum derogatum für zuständig erklärt, ist erst recht in AGB unwirksam. Eine in AGB vereinbarte Vertragsstrafe für den Fall, dass sich das forum derogatum für unzuständig erklärt, ist unter gewissen Einschränkungen wirksam. Die AGB-Kontrolle erfolgt im deutschen Recht wiederum am Maßstab von §§ 310 Abs. 1, 307 BGB. Die Regel des § 309 Nr. 6 BGB findet keine Anwendung, weil diese auf den Verbraucherschutz zugeschnittene Vorschrift im Verkehr zwischen Unternehmern auch nicht gem. § 310 Abs. 1 Satz 2 BGB anwendbar ist.634 Nach § 307 Abs. 1 BGB darf die Vertragsstrafe den Vertragspartner des Verwenders nicht unangemessen benachteiligen. Im Fall von Vertragsstrafen bedeutet dies, dass die Höhe der Vertragsstrafe in AGB nicht über das zu sichernde Interesse des Verwenders hinausgehen darf.635 Ferner darf die auch Bříza, JPIL 2009, S. 537, 552; E. Pfeiffer, Forum derogatum, S. 510. EuGH, 15.11.2012, RS. C-456/11, Gothaer Allgemeine Versicherung, Rn. 41, EuZW 2013, 60, 62. 633  So im Ergebnis auch Bříza, JPIL 2009, S. 537, 552; E. Pfeiffer, Forum derogatum, S. 510. 634  BGH, NJW 1976, 1886, 1887; Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 309, Rn. 38; Schulte-Nölke, in: Schulze u. a., BGB, § 309, Rn. 23; Stadler, in: Jauernig, BGB, § 309, Rn. 7. 635  BGH, NJW 1997, 3233, 3234; OLG Celle, NJW-RR 2013, 887, 888; SchulteNölke, in: Schulze u. a., BGB, § 309, Rn. 22; Stadler, in: Jauernig, BGB, § 309, Rn. 7. 631  So

632  Vgl.



A. Gerichtsstandsvereinbarungen nach der EuGVVO193

Höhe der Vertragsstrafe nicht außer Verhältnis zum Gewicht der Pflichtverletzung und ihren Folgen für die Parteien stehen.636 Anders als bei individualvertraglich vereinbarten Vertragsstrafen darf die Höhe einer durch AGB vereinbarten Vertragsstrafe also nicht das bei Vertragsschluss erwartete finanzielle Risiko einer abredewidrigen Klage überschreiten. Beachtet die AGBKlausel diese Einschränkungen und gilt sie nur für den Fall, dass das forum derogatum die Klage abweist, ist sie wirksam. Welches Recht auf die Vertragsstrafenvereinbarung anwendbar ist, hängt von der Funktion der Vertragsstrafe ab. Einzelne Autoren vertreten, die Vertragsstrafe unterstehe stets der lex causae des Hauptvertrags.637 Das erscheint allerdings nur richtig, wenn die Vertragsstrafe auch andere vertragliche Abreden als die Gerichtsstandsvereinbarung absichert.638 Dient die Vertragsstrafe ausschließlich dazu, die Gerichtsstandsvereinbarung abzusichern, ist sie entsprechend Art. 4 Abs. 4 Rom-I-VO dem materiellen Statut der Gerichtsstandsvereinbarung zu unterstellen. Wie bei vertraglich vereinbarten Kostenerstattungsansprüchen weist die zur Gerichts­ standsvereinbarung akzessorische Vertragsstrafenabrede den engsten Bezug zu dem Recht auf, das die Gerichtsstandsvereinbarung regiert.639 3. Zwischenergebnis Vereinbarungen über einen Kostenerstattungsanspruch oder eine Vertragsstrafe können kraft privatautonomer Rechtsgestaltung manche Schwierigkeiten des nicht spezifisch vertraglich vereinbarten Schadensersatzanspruchs wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung umgehen. Allerdings ist ihre Reichweite denselben Einschränkungen durch die EuGVVO unterworfen wie der nicht spezifisch vertraglich vereinbarte Schadensersatzanspruch selbst. Die Parteien können problemlos einen Kostenerstattungsanspruch für den Fall vereinbaren, dass eine Partei abredewidrig klagt und das forum derogatum die Klage abweist. Unwirksam ist jedoch eine Vereinbarung, die dem abredewidrig Verklagten einen Anspruch auch für den Fall gewährt, dass sich das forum derogatum für zuständig erklärt. In dieser Konstellation würden die Rechtkraft der Zuständigkeitsentscheidung des derogierten Gerichts sowie das Prinzip des gegenseitigen Vertrauens das zweite Gericht daran hindern, dem abredewidrig Verklagten aus der Kostenerstattungsabrede Ersatz für die ihm am derogierten Gericht entstan636  BGH,

NJW 1994, 1060, 1064; 1997, 3233, 3234; WM 2014, 1682, 1683. IPRax 2009, S. 23, 33. 638  E. Pfeiffer, Forum derogatum, S. 505. 639  So auch E. Pfeiffer, Forum derogatum, S. 505. Siehe zur Begründung bei vereinbarten Kostenerstattungsansprüchen 3. Teil, A. VIII. 1. c). 637  Mankowski,

194

3. Teil: Vertraglicher Schadensersatz

denen Kosten zuzuerkennen. Vereinbaren die Parteien den Kostenerstattungsanspruch in AGB, ist dies im selben Umfang zulässig wie bei individualvertraglicher Vereinbarung. Das materielle Statut der Gerichtsstandsvereinbarung bestimmt das auf den materiellen Kostenerstattungsanspruch anwendbare Recht. Für Vereinbarungen über eine Vertragsstrafe gilt im Wesentlichen das Gleiche. Die Vereinbarung ist ebenfalls nur zulässig, wenn sie den Anspruch auf die Vertragsstrafe nur für den Fall gewährt, dass das forum derogatum die abredewidrige Klage abweist. Während in individualvertraglichen Vereinbarungen die Vertragsstrafe das finanzielle Risiko der abredewidrigen Klage maßvoll überschreiten darf, beschränkt bei einer in AGB vereinbarten Vertragsstrafe das zu sichernde Risiko den Höchstbetrag der Vertragsstrafe. Das anwendbare Recht bestimmt ebenfalls das materielle Statut der Gerichtsstandsvereinbarung.

IX. Ergebnis Der Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung ist im Anwendungsbereich der EuGVVO deutlich durch deren Prinzipien und Grenzen geprägt. Grundvoraussetzung für den Schadensersatzanspruch ist, dass die EuGVVO anwendbar und die Gerichtsstandsvereinbarung wirksam ist. Die EuGVVO ist auf Gerichtsstandsvereinbarungen bei grenzüberschreitenden zivil- oder handelsrechtlichen Sachverhalten anwendbar, für die keine Ausnahme nach der EuGVVO oder speziellere Abkommen wie das HGÜ oder das LugÜ bestehen. Die Parteien können eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung auch etwa in AGB und kaufmännischen Bestätigungsschreiben schließen. Der Schadensersatzanspruch setzt ferner voraus, dass die Gerichtsstandsvereinbarung ausschließlich ist und sich der am forum derogatum Verklage nicht rügelos auf die Verhandlung eingelassen hat. Gläubiger und Schuldner des Schadensersatzanspruchs sind beinahe zwingend Parteien aus dem Wirtschafts- und Handelsverkehr. Insbesondere Verbraucher (allerdings mit Ausnahme von Gerichtsstandsvereinbarungen ausschließlich zwischen Verbrauchern („C2C“), Arbeitnehmer und Versicherte sind faktisch vom Schadensersatzanspruch ausgeschlossen. Dritte kommen als Gläubiger und Schuldner des Schadensersatzanspruchs nur ausnahmsweise in Betracht, wenn sie etwa als Rechtsnachfolger einer Partei oder als persönlich haftender Gesellschafter an die Gerichtsstandsvereinbarung gebunden sind. Die Gerichtsstandsvereinbarung begründet ein Schuldverhältnis. Die Dogmatik der EuGVVO steht dem nicht entgegen und auch der Vergleich mit



A. Gerichtsstandsvereinbarungen nach der EuGVVO195

anderen Rechtsordnungen bestätigt diese These. Erforderlich ist jedoch, dass die Parteien der Gerichtsstandsvereinbarung eine verpflichtende Wirkung beigemessen haben. Ob dies der Fall ist, ist durch Auslegung der Willenserklärungen zum Abschluss der Gerichtsstandsvereinbarung zu ermitteln. Vereinbaren die Parteien die Gerichtsstandsvereinbarung in AGB, kann sie nur dann eine Verpflichtungswirkung hervorrufen, wenn der Vertragspartner des Verwenders die Möglichkeit der qualifizierten Kenntnisnahme hatte. In angelsächsischen Ländern wird der Schadensersatzanspruch bereits seit Jahrzehenten diskutiert. Gerichte in England, den USA, Australien und darüber hinaus auch in Spanien gewährten den Schadensersatzanspruch bisher allerdings nur außerhalb des Anwendungsbereichs der EuGVVO und wenn das forum derogatum die Klage abgewiesen hatte.640 Im Anwendungsbereich der EuGVVO beschränken das Prinzip des gegenseitigen Vertrauens und die Rechtskraft der Zuständigkeitsentscheidung des forum derogatum den Schadensersatzanspruch. Er ist nur zu gewähren, wenn das derogierte Gericht die Klage abgewiesen hat. Erhebt eine Partei abredewidrig Klage, liegt darin eine Pflichtverletzung. Das gilt auch für die abredewidrige Widerklage, nicht jedoch für die Aufrechnung. Auch nach der Neufassung der EuGVVO besteht weiterhin die Gefahr von Torpedoklagen. Es genügt, dass eine Partei – ob manipulativ oder versehentlich – eine zweite Gerichtsstandsvereinbarung darlegt, damit nicht Art. 31 Abs. 2 EuGVVO, sondern das Prioritätsprinzip des Art. 29 Abs. 1 EuGVVO mit all seinen bereits vor der EuGVVO-Novelle bekannten Nachteilen eingreift. Der am forum derogatum Klagende hat gem. § 276 Abs. 1 Satz 1 BGB Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten. Wenn zwei oder mehr Gerichtsstandsvereinbarungen in Rede stehen, darf der Kläger nur dann Klage erheben, wenn es ihm plausibel erscheinen darf, dass die Parteien für das Gericht, vor dem er die Klage einreichen möchte, eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung geschlossen haben (Plausibilitätskontrolle). Der Schadensersatzanspruch umfasst die gesamten außergerichtlichen Kosten, die der Schadensersatzkläger am forum derogatum aufgewendet hat. Die außergerichtlichen Kosten, die das forum derogatum dem Schadensersatzkläger bereits im Kostenfestsetzungsbeschluss zuerkannt hat, stellen einen Abzugsposten dar. Weitere Abzugsposten ergeben sich nur hinsichtlich der Reisekosten. Der Schadensersatzanspruch erfasst auch Verzögerungs- und Zinsschäden. 640  Die – soweit ersichtlich – einzige Ausnahme hierzu stellt die Entscheidung A/S D/S Svendborg and D/S af 1912 A/S v. Akar dar, bei dem der High Court allerding das Verhalten des Beklagten als Prozessbetrug qualifizierte. Dies wäre nach deutschem Recht ein Anwendungsfall für § 826 BGB.

196

3. Teil: Vertraglicher Schadensersatz

Der Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstands­vereinbarung unterliegt dem von den Parteien für den Hauptvertag oder die Gerichtsstandsvereinbarung gewählten Recht. Haben die Parteien keine Rechtswahl getroffen, unterliegt der Schadensersatzanspruch dem materiellen Statut der Gerichtsstandsvereinbarung, sodass die lex fori prorogati Anwendung findet. Für die Schadensersatzklage ist das forum prorogatum zuständig. Vertraglich vereinbarte Kostenerstattungsansprüche oder eine Vertragsstrafe können manche Schwierigkeiten des Schadensersatzanspruchs umgehen, unterliegen hinsichtlich ihrer Reichweite jedoch denselben Einschränkungen. Auch bei solchen Vereinbarungen kann der abredewidrig Verklagte seine Kosten nur ersetzt verlangen, wenn das forum derogatum die Klage abgewiesen hat.

B. Internationale Gerichtsstandsvereinbarungen außerhalb der EuGVVO Außerhalb der EuGVVO sind einige Fragestellungen bezüglich des vertraglichen Schadensersatzanspruchs wegen der Missachtung internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen identisch, etwa die Frage, ob Gerichtsstandsvereinbarungen eine materiellrechtliche Verpflichtungswirkung erzeugen können. Andere Fragen, die spezifisch die EuGVVO betreffen, stellen sich hingegen nicht oder in anderem Umfang. Im Folgenden ist zu untersuchen, welche Anforderungen an den Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung zu stellen sind, wenn das LugÜ, das HGÜ oder das autonome Recht auf die Gerichtsstandsvereinbarung anzuwenden sind.

I. Reichweite des Schadensersatzanspruchs Wie die Untersuchung zur EuGVVO gezeigt hat, hängt die Reichweite des Schadensersatzanspruchs wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung entscheidend vom anwendbaren Regelungsregime ab. Dieses gibt unter anderem vor, welche Anforderungen an die formelle und materielle Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung zu stellen sind und in welchem Umfang das Gericht der Schadensersatzklage an die Zuständigkeits-, Sach- und Kostenentscheidung des derogierten Gerichts gebunden ist. Daher ist es erforderlich, sich den Anwendungsbereich von Gerichtsstandsvereinbarungen nach dem LugÜ zu verdeutlichen.



B. Internationale Gerichtsstandsvereinbarungen außerhalb der EuGVVO 197

1. Anwendungsbereich des LugÜ Das LugÜ wurde in seiner ursprünglichen Fassung 1988 unterzeichnet.641 Da das EuGVÜ den Vertragsstaaten der europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) nicht offenstand, diese aber ebenfalls von dem Übereinkommen profitieren wollten, schlossen sie zunächst mit den damaligen EG-Mitgliedstaaten das Luganer Parallelabkommen als völkerrechtlichen Vertrag.642 Das LugÜ 2007 schlossen Dänemark sowie die EFTA-Mitgliedstaaten Schweiz, Norwegen und Island hingegen mit der Europäischen Union.643 Aufgrund des Vertrags von Amsterdam hatte die EU in der Zwischenzeit die Kompetenz erlangt, derartige Verträge anstelle der Mitgliedstaaten zu schließen.644 Das LugÜ in der derzeitigen Fassung von 2007 spiegelt den Stand der EuGVVO vor der Novellierung wider.645 Der sachliche Anwendungsbereich des LugÜ unterscheidet sich nicht wesentlich von dem der EuGVVO.646 Nach Art. 1 Abs. 1 LugÜ ist der sachliche Anwendungsbereich des LugÜ für Zivil- und Handelssachen ausschließlich der in Art. 1 Abs. 2 LugÜ genannten Materien eröffnet, ohne dass es auf die Art der Gerichtsbarkeit ankäme.647 Der Anwendungsbereich des LugÜ ist in räumlich-persönlicher Hinsicht grundsätzlich eröffnet, wenn der Beklagte seinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates hat, Art. 2 Abs. 1 LugÜ. Gem. Art. 23 Abs. 1 Satz 1 LugÜ ist es in Hinblick auf Gerichtsstandsvereinbarung – im Gegensatz zu Art. 25 Abs. 1 Satz 1 EuGVVO – erforderlich, dass mindestens eine Partei der Gerichtsstandsvereinbarung ihren Wohnsitz in einem LugÜ-Vertragsstaat hat. Vertragsstaaten des LugÜ sind derzeit die Mitgliedstaaten der Europäischen Union sowie die Schweiz, Norwegen und Island.648 Ferner ist es – wie bei der EuGVVO – nach herrschender Meinung erforderlich, dass der in Rede stehende Sachverhalt einen Auslandsbezug auf641  ABl.

(EG) 1988 L 319, 9. in: Czernich/Tiefenthaler/Kodek, EuGVR, Einl. LugÜ, Rn. 1; Hausmann, in: Simons/Hausmann, Brüssel I, Einl., Rn. 81; Markus, in: Dasser/ Oberhammer, LugÜ, vor Art. 1, Rn. 1. 643  Unterschriften nach Art. 79 LugÜ; Erwägungsgrund 8 EuGVVO. 644  EuGH, Gutachten vom 07.02.2006, RS. C-1/03, Rn. 126, 173, BeckEuRS 2006, 421995; Hausmann, in: Simons/Haus­mann, Brüssel I, Einl., Rn. 82; Mansel/ Thorn/R. Wagner, IPRax 2009, S. 1, 10. 645  Dörner, in: Saenger, ZPO, vor EuGVVO, Rn. 19; Mankowski, in: Rauscher, EuZPR, Art 25 EuGVVO, Rn. 280. 646  Hausmann, in: Simons/Hausmann, Brüssel I, Einl., Rn. 83; Oetiker/Weibel, in: Oetiker/Weibel, LugÜ, Einl., Rn. 64 ff. 647  Siehe hierzu im Einzelnen 3. Teil, A. I. 1. 648  EuGVVO, Erwägungsgrund 8. 642  Czernich/Tiefenthaler,

198

3. Teil: Vertraglicher Schadensersatz

weist.649 Wie Art. 63 Abs. 1 EuGVVO regelt Art. 60 LugÜ, dass der Wohnsitz eines Unternehmens der satzungsmäßige Sitz, die Hauptverwaltung oder die Hauptniederlassung sind.650 Den zeitlichen Anwendungsbereich regelt Art. 63 LugÜ. Hiernach ist das LugÜ erst ab dem Zeitpunkt anzuwenden, zu dem das LugÜ im das Urteil erlassenden Staat in Kraft getreten ist. Das LugÜ trat für die Mitgliedstaaten der Europäischen Union am 1. Januar 2010 in Kraft.651 Für vorher erhobene Klagen ist das LugÜ in der Fassung von 1988 anwendbar, Art. 54 LugÜ 1988. Die Anforderungen an Gerichtsstandsvereinbarungen im Anwendungsbereich des LugÜ regelt Art. 23 LugÜ. Art. 23 LugÜ ist von Art. 25 EuGVVO und Art. 5 HGÜ abzugrenzen. Im Verhältnis zur EuGVVO findet das LugÜ nach Art. 64 Abs. 2 lit. a LugÜ Anwendung, wenn der Beklagte seinen Wohnsitz in einem Staat hat, der nicht EU-Mitglied-, zugleich aber LugÜVertragsstaat (derzeit also Island, Norwegen oder die Schweiz) ist.652 Wenn der Beklagte seinen Wohnsitz in einem EU-Mitgliedstaat hat, findet – soweit nicht das HGÜ anwendbar ist – die EuGVVO Anwendung.653 In Bezug auf Gerichtsstandsvereinbarungen gilt Folgendes: Bezeichnet die Gerichtsstandsvereinbarung ein Gericht in einem Staat, der nicht EU-Mitglied-, aber LugÜVertragsstaat ist, findet das LugÜ Anwendung. Im umgekehrten Fall gilt die EuGVVO.654 Da das LugÜ 2007 Teil des Unionsrechts ist655, erfolgt die Abgrenzung zwischen LugÜ und HGÜ wie die Abgrenzung zwischen EuGVVO und HGÜ nach Art. 26 Abs. 6 lit. a HGÜ.656 Die Abgrenzung ist anhand des Aufenthalts der Parteien vorzunehmen. Haben sämtliche Parteien der Gerichtsstandsvereinbarung ihren Aufenthalt in einem LugÜ-Vertragsstaat, ist das

649  Pocar, Bericht LugÜ, Rn. 104; Hausmann, in: Simons/Hausmann, Brüssel I, Einl., Rn. 84; Rohner/Lerch, in: Oetiker/Weibel, LugÜ, Art. 1, Rn. 19. 650  Siehe hierzu 3. Teil, A. I. 1. 651  R. Wagner/Schüngeler, ZVglRWiss 2009, S. 399, 428, Fn. 164. 652  Kropholler/von Hein, EuZPR, Einl., Rn. 101; Hausmann, in: Simons/Hausmann, Brüssel I, Einl., Rn. 97. 653  Vgl. Hausmann, in: Simons/Hausmann, Brüssel I, Einl., Rn. 97. Siehe zum Ganzen ausführlich unter 3. Teil, A. I. 2. 654  Berger, in: Oetiker/Weibel, LugÜ, Art. 23, Rn. 12; Rohner/Lerch, in: Oetiker/ Weibel, LugÜ, Art. 1, Rn. 24. 655  EuGH, Gutachten vom 07.02.2006, RS. C-1/03, Rn. 126, 173, BeckEuRS 2006, 421995; Hausmann, in: Simons/Haus­mann, Brüssel I, Einl., Rn. 82; Mansel/ Thorn/R. Wagner, IPRax 2009, S. 1, 10. 656  Hausmann, in: Simons/Hausmann, Brüssel I, Einl., Rn. 87; Mansel/Thorn/ R. Wagner, IPRax 2009, S. 1, 10; R. Wagner/Schüngeler, ZVglRWiss 2009, S. 399, 428, Fn. 164.



B. Internationale Gerichtsstandsvereinbarungen außerhalb der EuGVVO 199

LugÜ anwendbar.657 Wenn jedoch mindestens eine Partei ihren Aufenthalt außerhalb der LugÜ-Vertragsstaaten, aber innerhalb eines HGÜ-Vertragsstaats hat, ist das HGÜ anzuwenden.658 Auch wenn alle Parteien ihren Aufenthalt in einem LugÜ-Vertragsstaat haben, aber in der Gerichtsstandsvereinbarung die Zuständigkeit eines Gerichts in einem HGÜ-Vertragsstaat vereinbaren, der nicht LugÜ-Vertragsstaat ist, gilt das HGÜ.659 Für Gerichtsstandsvereinbarungen, die vor 2010 geschlossen worden sind, findet das LugÜ in der Fassung von 1988 Anwendung. In diesen Fällen ist Art. 26 Abs. 6 lit. a HGÜ nicht zur Abgrenzung heranzuziehen, weil das LugÜ 1988 keine Vorschriften einer Organisation der re­gionalen Wirtschaftsintegration enthält. Selbst wenn die europäische Freihandelsassoziation als solche in Betracht käme, war sie jedenfalls nicht die das LugÜ 1988 erlassende Organisation. Erstens waren mehr EG- als EFTA-Mitgliedstaaten Vertragsparteien des LugÜ 1988 und zweitens war das EFTA-Mitglied Liechtenstein nicht Vertragspartei. Zur Abgrenzung zwischen LugÜ 1988 und HGÜ sind Art. 26 Abs. 2 und 3 HGÜ heranzuziehen. Nach Art. 26 Abs. 2 HGÜ lässt das HGÜ die Anwendung eines anderen Übereinkommens durch einen HGÜ-Vertragsstaat unberührt, sofern keine der Parteien ihren Aufenthalt in einem HGÜ-Vertragsstaat hat, der nicht Vertragspartei des anderen Übereinkommens ist. Das LugÜ 1988 ist ein solcher anderer Vertrag nach Art. 26 Abs. 2 HGÜ.660 Schlossen zum Beispiel ein norwegisches und ein schweizerisches Unternehmen vor 2010 eine Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten eines Gerichts in der Schweiz, findet das LugÜ 1988 Anwendung, auch wenn diese LugÜ-Vertragsstaaten dem HGÜ beiträten.661 Sobald ein Unternehmen seinen Aufenthalt in einem HGÜ-Vertragsstaat hat oder ein Gericht in einem HGÜ-Vertragsstaat prorogiert ist, findet das HGÜ Anwendung.662 Auch Art. 26 Abs. 3 HGÜ findet auf das LugÜ 1988 Anwendung.663 Nach dieser Regel ist das

657  Hausmann, in: Simons/Hausmann, Brüssel I, Einl., Rn. 100; Luginbühl/Wollgast, GRUR Int. 2006, S. 208, 219; Magnus, in: Magnus/Mankowski, Brussels Ibis, Art. 25, Rn. 10; Usunier, Rev. crit. 2010, S. 37, 57; R. Wagner, RabelsZ 2009, S. 100, 138. 658  Eichel, GPR 2014, S. 159, 164; Usunier, Rev. crit. 2010, S. 37, 57; R. Wagner/ Schüngeler, ZVglRWiss 2009, S. 399, 431; Luginbühl/Wollgast, GRUR Int. 2006, S. 208, 219. 659  Vgl. Mankowski, in: Rauscher, EuZPR, Art. 25 EuGVVO, Rn. 276; E. Pfeiffer, Forum derogatum, S. 104 f. 660  R. Wagner, RabelsZ 2009, S. 100, 135. 661  Beispiel aus Hartley/Dogauchi, Bericht HGÜ, Rn. 277. 662  R. Wagner, RabelsZ 2009, S. 100, 135. 663  R. Wagner, RabelsZ 2009, S. 100, 136.

200

3. Teil: Vertraglicher Schadensersatz

LugÜ als das früher in Kraft getretene Abkommen auch insofern vorrangig, als es mit den Vorschriften des HGÜ unvereinbar ist. 2. Anwendungsbereich des HGÜ 1997 beauftragte die Haager Konferenz für internationales Privatrecht eine Sonderkommission, die ursprünglich ein multilaterales Abkommen über die gerichtliche Zuständigkeit sowie die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen erarbeiten sollte.664 Aufgrund von Meinungsverschiedenheiten zwischen den beteiligten Staaten wurde ein solches umfassendes Abkommen nicht erarbeitet.665 Um wenigstens einen Teil der Arbeit umzusetzen, einigte man sich darauf, ein Übereinkommen über Gerichtsstandsvereinbarungen zu schaffen.666 Die Vertragsstaaten beschlossen das HGÜ 2005 in Den Haag.667 Es gilt derzeit nur zwischen den EU-Mitgliedstaaten, Mexiko und Singapur. Die USA haben unterzeichnet, aber noch nicht ratifiziert.668 Der zukünftige Erfolg des HGÜ dürfte maßgeblich davon abhängen, ob ihm die USA beitreten werden. Vorbereitungen zur Umsetzung finden derzeit statt, stoßen aber noch auf Schwierigkeiten aufgrund des komplexen Systems föderaler und einzelstaatlicher Gerichtszuständigkeiten in den USA.669 Die Sonderkommission hegte die Hoffnung, mit dem HGÜ für das Gebiet der Gerichtsstandsvereinbarungen ein dem NYÜ über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche ebenbürtiges und vergleichbar renommiertes Regelungswerk zu schaffen.670 Das HGÜ entfaltet gegenüber § 38 ZPO Anwendungsvorrang. Aus der Perspektive des deutschen Rechts ist das HGÜ nicht etwa ein völkerrechtlicher Vertrag, der über Art. 59 Abs. 2 GG Vorrang vor dem deutschen § 38 ZPO entfalten würde.671 Die EU-Mitgliedstaaten ratifizierten das HGÜ nicht 664  Hausmann,

in: Simons/Hausmann, Brüssel I, Einl., Rn. 98. hierzu von Mehren, IPRax 2000, S. 465 ff. 666  Siehe hierzu Coester-Waltjen, in: FS Heldrich, S. 549, 554 f.; Huber/Antomo, Nihon University Comparative Law, S. 123 f.; Kruger, ICLQ 2006, S. 447; Luginbühl/Wollgast, GRUR Int. 2006, S. 208, 209; Nanda, Texas Int. Law Journal 2007, S. 773, 776; Rühl, IPRax 2005, S. 410; Usunier, Rev. crit. DIP 2010, S. 37, 39. 667  Ausführlich zur Geschichte des HGÜ: E. Pfeiffer, Forum derogatum, S. 89–94; R. Wagner, RabelsZ 2009, S. 100, 102–110. 668  Hausmann, in: Simons/Hausmann, Brüssel I, Einl., Rn. 98; Mankowski, in: Rauscher, EuZPR, Art. 25 EuGVVO, Rn. 268. Zum Vorgehen bei der Umsetzung des HGÜ in den USA: Nanda, Texas Int. Law Journal 2007, S. 773, 786 f. 669  Eichel, GPR 2014, S. 159, 160. 670  Hartley/Dogauchi, Bericht HGÜ, Rn. 1. 671  Vgl. Nettesheim, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 59, Rn. 183 ff. 665  Siehe



B. Internationale Gerichtsstandsvereinbarungen außerhalb der EuGVVO 201

selbst, dies nahm ausschließlich die EU vor. Daher nimmt das HGÜ am unionsrechtlichen Anwendungsvorrang nach Art. 216 Abs. 2 AEUV teil.672 Nach Art. 1 Abs. 1 ist das HGÜ bei internationalen Sachverhalten auf ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarungen anzuwenden, die in Zivil- oder Handelssachen geschlossen werden. Der Begriff der Zivil- oder Handelssache ist autonom auszulegen.673 Gem. Art. 3 lit. b HGÜ gilt eine Gerichtsstandsvereinbarung als ausschließlich, wenn die Parteien nicht ausdrücklich etwas anderes vereinbart haben. Eine Wahlgerichtsstandsvereinbarung zugunsten mehrerer Gerichte desselben Vertragsstaats stellt für die Zwecke des HGÜ ebenfalls eine ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung dar.674 Vom sachlichen Anwendungsbereich sind nach Art. 2 Abs. 1 lit. a HGÜ Verbrauchergeschäfte und nach lit. b Arbeitnehmersachen ausgenommen.675 Weitere umfangreiche Ausnahmen vom sachlichen Anwendungsbereich finden sich in Art. 2 Abs. 2 und 4 HGÜ. Nach letzterem Absatz sind Schiedsvereinbarungen vom Anwendungsbereich ausgeschlossen. Die Einschränkungen hinsichtlich des Deliktsrechts bei Sachschäden (Art. 2 Abs. 2 lit. k HGÜ) und Teilen des Wettbewerbsrechts (Art. 2 Abs. 2 lit. n und o HGÜ) betreffen den Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung nicht. Ein entsprechender deliktischer Schadensersatzanspruch rührt nicht aus Sachschäden und betrifft auch nicht das geistige Eigentum. Für den räumlichen Anwendungsbereich ist es zunächst erforderlich, dass der Sachverhalt international ist. Ein Sachverhalt ist gem. Art. 1 Abs. 2 HGÜ international, sofern nicht alle Parteien ihren Aufenthalt im selben HGÜVertragsstaat haben und alle anderen für den Rechtsstreit maßgeblichen Elemente nur zu diesem Staat eine Verbindung aufweisen.676 Der persönliche Anwendungsbereich ist nur für Unternehmer eröffnet, von denen grundsätzlich mindestens einer seinen Aufenthalt in einem HGÜ-Vertragsstaat haben muss. In diesem Fall beansprucht das HGÜ grundsätzlich Vorrang vor anderen Abkommen wie der EuGVVO und dem LugÜ.677

672  Eichel,

GPR 2014, S. 159, 160. Bericht HGÜ, Rn. 49; R. Wagner/Schüngeler, ZVglRWiss 2009, S. 399, 404. 674  Hartley/Dogauchi, Bericht HGÜ, Rn. 104; vgl. Eichel, RIW 2009, S. 289, 294. 675  Siehe hierzu im Einzelnen: Bläsi, HGÜ, S. 86–90. 676  Ausführlich zum Kriterium der Internationalität: Bläsi, HGÜ, S. 14–16; Usunier, Rev. crit. DIP 2010, S. 37, 49 ff. 677  R. Wagner/Schüngeler, ZVglRWiss 2009, S. 399, 432; Mankowski, in: Rauscher, EuZPR, Art. 25 EuGVVO, Rn. 267. Zur Abgrenzung von der EuGVVO siehe 3. Teil, A. I. 2. Zur Abgrenzung vom LugÜ siehe 3. Teil, B. I. 1. 673  Hartley/Dogauchi,

202

3. Teil: Vertraglicher Schadensersatz

Unklar ist, ob das HGÜ auch zur Anwendung gelangt, wenn Parteien mit Aufenthalt in verschiedenen Nicht-HGÜ-Vertragsstaaten ein Gericht oder die Gerichte eines HGÜ-Vertragsstaats ausschließlich prorogieren.678 Manche führen den Umkehrschluss aus Art. 1 Abs. 2 HGÜ dafür an, dass dieser Fall dem HGÜ unterfällt. Da das HGÜ jeden Fall als international ansehe, in dem die Parteien nicht ihren Aufenthalt in demselben Vertragsstaat haben, sei im Umkehrschluss auch der Fall international, in dem beide Parteien ihren Aufenthalt in einem Nicht-Vertragsstaat haben.679 Derzeit ist das HGÜ räumlich-persönlich nur anwendbar, wenn mindestens eine Partei ihren Aufenthalt in einem EU-Mitgliedstaat und mindestens eine andere Partei ihren Aufenthalt in Mexiko bzw. Singapur hat oder mindestens eine Partei ihren Aufenthalt in Mexiko und mindestens eine andere Partei ihren Aufenthalt in Singapur hat. Der Begriff des Aufenthalts ist in Art. 4 Abs. 2 HGÜ als Staat des satzungsmäßigen Sitzes, der Gründung, der Hauptverwaltung oder der Hauptniederlassung definiert. Der zeitliche Anwendungsbereich ist nach Art. 16 Abs. 1 HGÜ für Gerichtsstandsvereinbarungen eröffnet, die die Parteien geschlossen haben, nachdem das HGÜ für den Staat des prorogierten Gerichts in Kraft getreten ist.680 3. Anwendungsbereich des autonomen Rechts Wenn eine Gerichtsstandsvereinbarung die internationale Zuständigkeit eines deutschen Gerichts begründen oder ausschließen soll und der Anwendungsbereich von EuGVVO, LugÜ, HGÜ und multi- oder binationalen Staatsverträge nicht eröffnet ist, unterliegt die Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung § 38 ZPO.681 Das ist insbesondere bei reinen Inlandssachverhalten der Fall, weil diese nicht vor der EuGVVO erfasst sind.682 Gerichtsstandsvereinbarungen mit einem reinen Inlandssachverhalt sind allerdings nicht Gegenstand dieser Arbeit. Bei reinen Inlandssachverhalten Bläsi, HGÜ, S. 20–27. HGÜ, S. 27; E. Pfeiffer, Forum derogatum, S. 96. 680  Ausführlich zum zeitlichen Anwendungsbereich: Usunier, Rev. crit. DIP 2010, S. 37, 53–55. 681  BGH, NJW 1972, 1622, 1623; 1986, 1431, 1432; 1994, 262; OLG Köln, BeckRS 1996, 07459; Bork, in: Stein/Jonas, ZPO, § 38, Rn. 21; Brendsten, in: Saenger, ZPO, § 38, Rn. 2; Heinrich, in: Musielak, ZPO, § 38, Rn. 14; Hüßtege, in: Thomas/Putzo, ZPO, § 38, Rn. 14; Patzina, in: MüKo-ZPO, § 38, Rn. 25; Saenger, ZZP 1997, S.  477 f.; Schack, IZVR, Rn. 498. 682  OLG Saarbrücken, NJOZ 2012, 923, 924; Mankowski, in: Rauscher, EuZPR, Art. 25 EuGVVO, Rn. 21 f.; Patzina, in: MüKo-ZPO, § 38, Rn. 25; Schlosser, in: Schlosser/Hess, EuZPR, Art. 25 EuGVVO, Rn. 6; E. Pfeiffer, Forum derogatum, S. 112. 678  Hierzu 679  Bläsi,



B. Internationale Gerichtsstandsvereinbarungen außerhalb der EuGVVO 203

stellt sich die Frage nach der Schadensersatzpflicht typischerweise nicht. Bei einer abredewidrigen Klage kann der Beklagte einen Verweisungsantrag nach § 281 Abs. 1 Satz 1 ZPO stellen. Die Kosten hierfür hat in jedem Fall der abredewidrig Klagende zu tragen, § 281 Abs. 3 Satz 2 ZPO. Verzögerungsschäden sind, wenn der Beklagte den Antrag rechtzeitig stellt, ebenfalls fernliegend.683 Seit der EuGVVO-Novelle ist Art. 25 EuGVVO auch auf Fälle anwendbar, in denen keine der Parteien ihren Wohnsitz in einem EU-Mitgliedstaat hat, sie aber ein mitgliedstaatliches Gericht prorogiert haben.684 Im Anwendungsbereich der EuGVVO kommt § 38 ZPO bei internationalen Gerichtsstandsvereinbarungen zugunsten deutscher Gerichte praktisch nicht mehr zur Anwendung. § 38 ZPO gilt allerdings weiterhin für Fälle, die vom sachlichen Anwendungsbereich der EuGVVO, des LugÜ und des HGÜ nicht erfasst sind. Nach § 38 Abs. 1 ZPO sind für die hier interessierenden Fälle insbesondere Kaufleute einschließlich der formkaufmännischen Körperschaften nach § 6 Abs. 1 HGB – also unter anderem die OHG, KG, AG, KGaA, GmbH, eG und der wirtschaftliche Verein – prorogationsbefugt.685 Anknüpfungspunkt dieser Regelung ist, dass die in § 38 Abs. 1 ZPO Genannten typischerweise über Geschäftserfahrung verfügen.686 Alle Parteien der Gerichtsstandsvereinbarung müssen die subjektiven Voraussetzungen des § 38 Abs. 1 ZPO erfüllen.687 Für internationale Gerichtsstandsvereinbarungen, die nicht von vorrangigen internationalen Übereinkommen erfasst sind, stellt § 38 Abs. 2 ZPO eine Sonderregel auf. Anders als § 38 Abs. 1 ZPO, Art. 25 Abs. 4 EuGVVO, Art. 23 Abs. 5 LugÜ und Art. 2 Abs. 1 HGÜ können auch Verbraucher, Versicherte und Arbeitnehmer internationale Gerichtsstandsvereinbarungen nach § 38 Abs. 2 ZPO schließen.688 Voraussetzung ist nach § 38 Abs. 2 Satz 1 683  Gottwald, in: FS Henckel, S. 295, 307; Schlosser, in: FS Lindacher, S. 111, 114; Gebauer, in: FS Kaissis, S. 267, 272. 684  Stadler, in: Musielak, ZPO, Art. 25 EuGVVO, Rn. 3; Dörner, in: Saenger, ZPO, Art. 25 EuGVVO, Rn. 4; Hüßtege, in: Thomas/Putzo, ZPO, Art. 25 EuGVVO, Rn. 2. 685  Bork, in: Stein/Jonas, ZPO, § 38, Rn. 10; Hüßtege, in: Thomas/Putzo, ZPO, § 38, Rn. 9; Patzina, in: MüKo-ZPO, § 38, Rn. 15; Smid/Hartmann, in: Wieczorek/ Schütze, ZPO, § 38, Rn. 81 f. 686  Bork, in: Stein/Jonas, ZPO, § 38, Rn. 9; Heinrich, in: Musielak, ZPO, § 38, Rn. 9; Patzina, in: MüKo-ZPO, § 38, Rn. 17. 687  Heinrich, in: Musielak, ZPO, § 38, Rn. 9; Hüßtege, in: Thomas/Putzo, ZPO, § 38, Rn. 7; Patzina, in: MüKo-ZPO, § 38, Rn. 18. 688  BAG, NJW 1973, 727, 728; 1984, 1320; Heinrich, in: Musielak, ZPO, § 38, Rn. 15; Hüßtege, in: Thomas/Putzo, ZPO, § 38, Rn. 13.

204

3. Teil: Vertraglicher Schadensersatz

ZPO, dass mindestens eine der Parteien der Gerichtsstandsvereinbarung ihren allgemeinen Gerichtsstand nicht gem. §§ 12ff. ZPO im Inland hat. Allerdings schränkt § 38 Abs. 2 Satz 3 ZPO dies für inländische, nicht nach Abs. 1 prorogationsbefugte Parteien wieder ein: Nach dieser Vorschrift kann für inländische Parteien nur ein solches inländisches Gericht prorogiert werden, an dem auch nach §§ 12ff. ZPO ein gesetzlicher Gerichtsstand der inländischen Partei besteht. Sofern die Parteien eine Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten eines ausländischen Gerichts außerhalb der EU getroffen haben, gibt es weitaus mehr Konstellationen, in denen kein Abkommen einschlägig ist. Wenn zum Beispiel eine deutsche und eine US-amerikanische Partei eine Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten US-amerikanischer, kanadischer, australischer oder japanischer Gerichte getroffen haben, gelangen grundsätzlich – solange nicht einer dieser Staaten das HGÜ ratifiziert – die jeweiligen Vorschriften der lex fori prorogati über Gerichtsstandsvereinbarungen zur Anwendung. 4. Zwischenergebnis Der sachliche Anwendungsbereich des LugÜ entspricht im Wesentlichen dem der EuGVVO. Der räumlich-persönliche Anwendungsbereich des LugÜ ist in Abgrenzung zur EuGVVO eröffnet, wenn der Wohnsitzstaat des Beklagten ein LugÜ-Vertragsstaat, aber kein EU-Mitgliedstaat ist (derzeit Norwegen, Island und die Schweiz). Wenn es eine Gerichtsstandsvereinbarung gibt, die die Gerichte eines dieser drei Vertragsstaaten prorogiert, ist ebenfalls das LugÜ anwendbar. Vom HGÜ ist das LugÜ dergestalt abzugrenzen, dass das HGÜ anzuwenden ist, sobald eine Partei ihren Aufenthalt außerhalb der LugÜVertragsstaaten, aber innerhalb eines HGÜ-Vertragsstaats hat. Auch wenn alle Parteien ihren Aufenthalt in einem LugÜ-Vertragsstaat haben, aber in der Gerichtsstandsvereinbarung die Zuständigkeit eines Gerichts in einem HGÜ-Vertragsstaat vereinbaren, der nicht LugÜ-Vertragsstaat ist, gilt das HGÜ. Das HGÜ ist bei internationalen Sachverhalten auf ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarungen in Zivil- oder Handelssachen anwendbar. Nach Art. 3 lit. b HGÜ gilt eine Gerichtsstandsvereinbarung als ausschließlich, sofern die Parteien nicht ausdrücklich etwas anderes vereinbart haben.689 Vom sachlichen Anwendungsbereich des HGÜ sind insbesondere Verbraucher- und Arbeitnehmersachen ausgenommen. Der räumlich-persönliche Anwendungsbereich des HGÜ ist eröffnet, wenn mindestens eine Partei ihren Aufenthalt in einem HGÜ-Vertragsstaat hat. 689  Beispiele für ausschließliche und nicht ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarungen bei Hartley/Dogauchi, Bericht HGÜ, Rn. 108 f.



B. Internationale Gerichtsstandsvereinbarungen außerhalb der EuGVVO 205

Bei internationalen Gerichtsstandsvereinbarungen ist § 38 ZPO nur noch einschlägig, wenn der sachliche Anwendungsbereich der EuGVVO, des LugÜ und des HGÜ nicht eröffnet sind. Der sachliche Anwendungsbereich des § 38 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO ist grundsätzlich nicht beschränkt. § 38 Abs. 2 Satz 3 ZPO sieht jedoch Einschränkungen für inländische natürliche Personen vor.

II. Wirksame Gerichtsstandsvereinbarungen Die Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung kommt nur in Betracht, wenn die Parteien eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung geschlossen haben.690 Demnach ist zu untersuchen, welche formellen und materiellen Wirksamkeitsanforderungen an internationale Gerichtsstandsvereinbarungen außerhalb der EuGVVO zu stellen sind. 1. LugÜ Art. 23 LugÜ stellt im Wesentlichen dieselben Anforderungen an den wirksamen Abschluss einer Gerichtsstandsvereinbarung wie Art. 25 EuGVVO. Nach Art. 1 Abs. 1 des Protokolls Nr. 2 zum LugÜ haben alle vertragsstaatlichen Gerichte die parallele Auslegung des LugÜ 2007 und der EuGVVO zu beachten. Sie haben alle Entscheidungen zum LugÜ 1988, zum Parallelabkommen mit Dänemark von 2005, zum EuGVÜ und zur EuGVVO zu berücksichtigen. Dabei ist es unerheblich, auf welches Regelungsregime sich die Entscheidungen beziehen und ob sie vor oder nach Inkrafttreten des LugÜ ergangen sind.691 Diese Pflicht besteht gem. Art. 1 Abs. 1 des Protokolls Nr. 2 zum LugÜ ausdrücklich bereits, wenn die Vorschriften des LugÜ denen der EuGVVO ähnlich sind. Daher sind die Erkenntnisse zu Art. 25 EuGVVO im Wesentlichen auf Art. 23 LugÜ zu übertragen692, wobei allerdings den Änderungen durch die EuGVVO-Novelle Rechnung zu tragen ist. Ein bedeutender Unterschied des Anwendungsbereichs von Art. 23 LugÜ gegenüber Art. 25 EuGVVO ist, dass nach Art. 23 LugÜ mindestens eine Partei der Gerichtsstandsvereinbarung ihren Wohnsitz in einem Vertragsstaat haben muss. Diese Art. 23 EuGVVO a. F. entsprechende Vorschrift verlangt 690  Vgl.

691  BGE

3. Teil, A. I. 3. a). 135 III 185, 189; Hausmann, in: Simons/Hausmann, Brüssel I, Einl.,

Rn. 88. 692  Hausmann, in: Simons/Hausmann, Brüssel I, Einl., Rn. 90.

206

3. Teil: Vertraglicher Schadensersatz

allerdings nur, dass irgendeine Partei – nicht etwa zwingend der Beklagte – ihren Wohnsitz in einem Vertragsstaat hat.693 Die formellen Voraussetzungen einer Gerichtsstandsvereinbarung in Art. 23 Abs. 1 Satz 3 LugÜ sind mit denen in Art. 25 Abs. 1 Satz 3 EuGVVO identisch. Die entsprechenden Ausführungen zur EuGVVO finden insofern Anwendung. Wie in Art. 25 EuGVVO sind demnach im Anwendungsbereich des LugÜ Gerichtsstandsvereinbarungen auch in AGB möglich. Ferner können die Parteien sie durch stillschweigende Verlängerung, Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben oder Aufdrucke auf Rechnungen vereinbaren, sofern ein entsprechender Brauch zwischen ihnen oder in ihrem Geschäftszweig des internationalen Handels besteht.694 Wie Art. 25 Abs. 1 EuGVVO erfordert auch Art. 23 Abs. 1 LugÜ eine tatsächliche Einigung zwischen den Parteien. Eine solche Einigung muss die essentialia negotii beinhalten.695 Auch für Art. 23 Abs. 1 LugÜ ist die Einigung anhand des Begriffs der „Vereinbarung“ verordnungsautonom und nicht nach nationalstaatlichen Recht zu bestimmen.696 Bei Art. 23 Abs. 1 LugÜ stellt sich ebenfalls die Frage, welches Recht Anwendung findet auf Fragen, die nicht autonom auszulegen sind. Eine Art. 25 Abs. 1 Satz 1 HS 2 EuGVVO entsprechende Verweisung auf die lex fori prorogati gibt es in Art. 23 LugÜ nicht. Manche vertreten, für die nicht autonom auszulegenden Fragen sei auf das Statut des Hauptvertrags abzustellen.697 Andere führen die lex fori unter Einschluss ihres internationalen Privatrechts an.698 Sofern nicht die lex fori mit der lex fori prorogati identisch ist, entspricht die Anwendung des Vertragsstatuts eher dem Willen der Parteien. Die lex fori haben die Parteien – insbesondere im Fall einer abredewidrigen Klage – nicht gewählt, für den Hauptvertrag treffen die Parteien hingegen häufig eine Rechtswahlvereinbarung. Daher ist für nicht autonom zu qualifizierende Fragen der materiellen Wirksamkeit nach Art. 23 LugÜ auf das Vertragsstatut abzustellen.699

693  Berger, in: Oetiker/Weibel, LugÜ, Art. 23, Rn. 10; Mankowski, in: Rauscher, EuZPR, Art. 25 EuGVVO, Rn. 281. 694  Siehe im Einzelnen 3. Teil, A. I. 3. a). 695  Berger, in: Oetiker/Weibel, LugÜ, Art. 23, Rn. 29. Hausmann, in: Simons/ Hausmann, Brüssel I, Art. 23 EuGVVO a. F., Rn. 50 f. 696  BGE 131 III, 398, 400; Berger, in: Oetiker/Weibel, LugÜ, Art. 23, Rn. 27; vgl. EuGH, 10.03.1992, RS. C-214/89, Duffryn plc/Petereit, Rn. 21, NJW 1992, 1671, 1672; Hausmann, in: Simons/Hausmann, Brüssel I, Art. 23 EuGVVO a. F., Rn. 50. 697  Mankowski, in: Rauscher, EuZPR, Art. 25 EuGVVO, Rn. 283; Grunsky, RIW 1977, S. 1, 6. 698  Kropholler/von Hein, EuZPR, Art. 23 EuGVVO a. F., Rn. 28; Berger, in: Oetiker/Weibel, LugÜ, Art. 23, Rn. 30.



B. Internationale Gerichtsstandsvereinbarungen außerhalb der EuGVVO 207

2. HGÜ Die formellen Voraussetzungen für den Abschluss einer Gerichtsstandsvereinbarung regelt das HGÜ in Art. 3 lit. c. Hiernach sind Gerichtsstandsvereinbarungen entweder schriftlich oder durch jedes andere Kommunikationsmittel zu schließen, das es ermöglicht, auf die Information später wieder zuzugreifen. Die Voraussetzungen einer schriftlichen Vereinbarung sind wenig streng.700 Die englische und französische Fassung „documented in writing“ beziehungsweise „documenté par écrit“ verdeutlichen, dass jede beliebige Form der schriftlichen Dokumentation genügt.701 Keinesfalls stellt das HGÜ vergleichbar strenge Anforderungen an die Schriftlichkeit wie § 126 BGB im deutschen Recht. Selbst wenn die Gerichtsstandsvereinbarung nicht unterschrieben ist, führt dies nicht zwingend zur formellen Unwirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung nach dem HGÜ.702 Strengere Anforderungen als die in Art. 3 lit. c HGÜ normierten – wie es viele nationale Rechtsordnungen verlangen – dürfen die Gerichte der Vertragsstaaten nicht zu Grunde legen.703 Die zweite Variante, die Art. 6 Abs. 1 des UNCITRAL-Modellgesetzes über den elektronischen Geschäftsverkehr nachgebildet ist704, erfasst alle Formen der elektronischen Datenübermittlung und Datenspeicherung. Voraussetzung ist aber, dass sich die Daten speichern und zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufrufen lassen.705 Zu solchen Medien zählen neben E-Mail und Fax706 auch die telefonische Aufzeichnung707 oder Onlinevereinbarun-

699  Zur Frage, ob sich Art. 25 Abs. 1 Satz 1 HS 2 EuGVVO bei Art. 23 LugÜ berücksichtigen lässt, siehe 3. Teil, B. IV. 2. a). 700  Luginbühl/Wollgast, GRUR Int. 2006, S. 208, 210; Usunier, Rev. crit. DIP 2010, S. 37, 46. 701  Vgl. Hartley/Dogauchi, Bericht HGÜ, Rn. 113; E. Pfeiffer, Forum derogatum, S. 161. 702  Hartley/Dogauchi, Bericht HGÜ, Rn. 112, die allerdings ausführen, dass ohne Unterschrift der Nachweis ei­ner wirksamen Einigung erschwert sein kann. 703  Hartley/Dogauchi, Bericht HGÜ, Rn. 110; Bläsi, HGÜ, S. 66 f.; Usunier, Rev. crit. DIP 2010, S. 37, 45. 704  Bläsi, HGÜ, S. 69; E. Pfeiffer, Forum derogatum, S. 161; R. Wagner, RabelsZ 2009, S. 100, 118, Fn. 97. 705  Hartley/Dogauchi, Bericht HGÜ, Rn. 112. 706  Harley/Dogauchi, Bericht HGÜ, Rn. 112; Bläsi, HGÜ, S. 69  f.; Luginbühl/ Wollgast, GRUR Int. 2006, S. 208, 210; E. Pfeiffer, Forum derogatum, S. 162; Rühl, IPRax 2005, S. 410, 411; Schulz, ILSA JICL 2006, S. 433, 437; R. Wagner, RabelsZ 2009, S. 100, 118. 707  Eichel, AGB-Gerichtsstandsklauseln, S. 245; E. Pfeiffer, Forum derogatum, S. 162.

208

3. Teil: Vertraglicher Schadensersatz

gen wie click wrap agreements708. Die vielfältigen Möglichkeiten, Gerichtsstandsvereinbarungen zu treffen, lassen Gerichtsstandsvereinbarungen in AGB weitgehend zu.709 Eine Einbeziehungs- und Inhaltskontrolle von AGB anhand der lex fori prorogati ist gem. Art. 5 Abs. 1, Art. 6 lit. a HGÜ im Grundsatz möglich, darf aber keine strengeren Formerfordernisse als Art. 3 lit. c HGÜ zur Folge haben.710 Anders als Art. 25 Abs. 1 Satz 3 EuGVVO und Art. 23 Abs. 1 Satz 3 LugÜ lässt es Art. 3 lit. c HGÜ nicht zu, dass die Parteien die Gerichtsstandsvereinbarung in einer ihren Gepflogenheiten oder einem internationalen Handelsbrauch entsprechenden Form nicht schriftlich vereinbaren. Da aber im internationalen Handelsverkehr Gerichtsstandsvereinbarungen zu Beweiszwecken regelmäßig dauerhaft aufgezeichnet werden, sind die Voraussetzungen von Art. 3 lit. c i HGÜ in aller Regel erfüllt. Der Unterschied wirkt sich daher praktisch kaum aus.711 Für beide Varianten genügt es, wenn die Vereinbarung mündlich getroffen wurde und eine der Parteien sie schriftlich fixiert.712 Der erläuternde Bericht zum HGÜ führt mehrere Beispiele auf, die ausdrücklich der formellen Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung nicht entgegenstehen: Die Gerichtsstandsvereinbarung ist in einer fremden Sprache oder einer kleineren Schriftgröße abgefasst, sie sind nicht optisch hervorgehoben oder nicht getrennt von der Hauptvereinbarung unterschrieben.713 Das kaufmännische Bestätigungsschreiben ist allerdings nicht von Art. 3 lit. c HGÜ erfasst. Da das kaufmännische Bestätigungsschreiben einseitig ist, fehlt es an einer schriftlich dokumentierten Einigung beziehungsweise einer vorherigen mündlichen Einigung, die später dokumentiert werden könnte.714 Wenn die Gerichtsstandsvereinbarung die Formvorschriften des Art. 3 lit. c HGÜ nicht einhält, führt dies nicht zwingend zur Unwirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung. Ein Gericht eines HGÜ-Vertragsstaats darf einer 708  Click wrap agreements sind Vereinbarungen, die auf dem Bildschirm eines PC erscheinen und den Benutzer auffordern, den AGB des Verwenders zuzustimmen, bevor er z. B. ein Produkt kaufen kann. Vgl. Huber/Antomo, Nihon University Comparative Law, S. 123, 126, Fn. 15; Luginbühl/Wollgast, GRUR Int. 2006, S. 208, 210. 709  Eichel, AGB-Gerichtsstandsklauseln, S.  253 f.; ders., RIW 2009, S. 289, 294; Fricke, VersR 2006, S. 476, 479; Luginbühl/Wollgast, GRUR Int. 2006, S. 208, 210. 710  Bläsi, HGÜ, S. 74 ff.; Eichel, AGB-Gerichtsstandsklauseln, S.  253 ff.; E. Pfeiffer, Forum derogatum, S. 164. 711  Bläsi, HGÜ, S. 72 f.; Coester-Waltjen, in: FS Heldrich, S. 549, 555; E. Pfeiffer, Forum derogatum, S. 162. 712  Hartley/Dogauchi, Bericht HGÜ, Rn. 113. 713  Hartley/Dogauchi, Bericht HGÜ, Rn. 110. 714  Bläsi, HGÜ, S. 73 f.



B. Internationale Gerichtsstandsvereinbarungen außerhalb der EuGVVO 209

nach seinem Recht wirksamen Gerichtsstandsvereinbarung Wirkungen verleihen, auch wenn sie nicht die Voraussetzungen des Art. 3 lit. c HGÜ erfüllt.715 Allerdings ist in diesen Fällen der Anwendungsbereich des HGÜ nicht eröffnet, sodass ein derogiertes Gericht nicht nach Art. 6 HGÜ zur Aussetzung und andere HGÜ-Vertragsstaaten nach einer Entscheidung nicht zur Anerkennung nach Art. 8 HGÜ verpflichtet sind.716 Bezüglich der materiellen Wirksamkeit findet sich zunächst eine Regelung in Art. 3 lit. d Satz 1 HGÜ. Hiernach ist die Gerichtsstandsvereinbarung vom Hauptvertrag unabhängig. Art. 3 lit. d Satz 2 HGÜ verdeutlicht ausdrücklich, dass die Unwirksamkeit des Hauptvertrags sich nicht auf die Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung auswirkt. Diese Regelung entspricht Art. 25 Abs. 5 EuGVVO. Materiellrechtliche Anforderungen regelt das HGÜ nur an vereinzelter Stelle. Art. 3 lit. a HGÜ verlangt eine Vereinbarung zwischen mindestens zwei Parteien. Ferner muss die Vereinbarung nach Art. 3 lit. b HGÜ die Gerichte eines Vertragsstaats beziehungsweise mehrere bestimmte Gerichte eines Vertragsstaats benennen. Gem. Art. 3 lit. a HGÜ muss sich die Gerichtsstandsvereinbarung auf eine bereits entstandene oder eine künftige, aus einem bestimmten Rechtsverhältnis entspringende Rechtsstreitigkeit beziehen. Schließlich muss die Gerichtsstandsvereinbarung gem. Art. 3 lit. b HGÜ ausschließlich sein. Das HGÜ erfasst auch ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarungen zugunsten mehrerer Gerichte, allerdings nur, wenn diese Gerichte innerhalb desselben HGÜ-Vertragsstaats liegen.717 Im Gegensatz zu Art. 25 EuGVVO718 fallen asymmetrische Gerichtsstandsvereinbarungen nicht in den Anwendungsbereich des HGÜ.719 Weitere materiellrechtliche Anforderungen regelt das HGÜ nicht. Für Fragen wie Einigung, Geschäftsfähigkeit, Stellvertretung, arglistige Täuschung und widerrechtliche Drohung konnten sich die HGÜ-Vertragsstaaten nicht auf eine Harmonisierung einigen.720 Für diese Fragen ist das nationale Recht berufen. Art. 5 Abs. 1 HGÜ, der Pate stand für Schaffung von Art. 25 Abs. 1

715  Hartley/Dogauchi, Bericht HGÜ, Rn. 110, Fn. 141. Das dürfte allerdings selten der Fall sein, da die Vorschriften des Art. 3 lit. c HGÜ im internationalen Vergleich wenig streng sind. 716  Hartley/Dogauchi, Bericht HGÜ, Rn.  110, Fn. 141; Bläsi, HGÜ, S. 66  f.; E. Pfeiffer, Forum derogatum, S. 161. 717  Eichel, RIW 2009, S. 287, 294; Schulz, ILSA JICL 2006, S. 433, 436. 718  Siehe 3. Teil, A. I. 4. 719  Hartley/Dogauchi, Bericht HGÜ, Rn. 105 f.; Eichel, AGB-Gerichtsstandsklauseln, S. 244; ders.; RIW 2009, S. 287, 294. 720  Eichel, RIW 2009, S. 287, 295; R. Wagner, RabelsZ 2009, S. 100, 117.

210

3. Teil: Vertraglicher Schadensersatz

Satz 1 HS 2 EuGVVO721, und Art. 6 lit. a und b HGÜ enthalten Kollisionsregeln zugunsten der lex fori prorogati. Nach dem erläuternden Bericht und der ganz herrschenden Meinung ist die lex fori pro­rogati unter Einschluss ihres internationalen Privatrechts anzuwenden.722 Wenn ein derogiertes Gericht gem. Art. 6 lit. a und b HGÜ die Geschäftsfähigkeit der Parteien prüfen möchte, muss es allerdings sowohl die lex fori prorogati als auch seine eigene lex fori derogati anwenden. Die Frage, inwiefern Gerichtsstandsvereinbarungen Wirkung gegenüber Dritten beanspruchen, beantwortet das HGÜ nicht. Insofern wird – soweit ersichtlich – nur auf die lex fori abgestellt, allerdings nicht zwangsläufig auf die lex fori prorogati, da die Regel in Art. 5 Abs. 1 HGÜ die Wirkungserstreckung gegenüber Dritten nicht erfasst.723 Ob diese Beurteilung nach der lex fori der endgültige Stand zur Auslegung des HGÜ bleiben wird, ist allerdings noch offen. Es erscheint überzeugend, komplexere Fragen zur Wirkung einer Gerichtsstandsvereinbarung – wie in der EuGVVO724 – unter Rückgriff auf das Vertragsstatut zu beantworten. 3. Autonomes Recht Wenn aus der Perspektive des deutschen Rechts § 38 ZPO zur Anwendung kommt, ist zwischen den Anforderungen von § 38 Abs. 1 und § 38 Abs. 2 ZPO zu unterscheiden. Nach herrschender Meinung können die in § 38 Abs. 1 ZPO genannten Personengruppen eine internationale Gerichtsstandsvereinbarung schließen, ohne den Einschränkungen von § 38 Abs. 2 ZPO zu unterliegen.725 Die herrschende Meinung ist überzeugend. Es ist aus systematischen Gründen nicht nachvollziehbar, warum § 38 Abs. 1 ZPO mit seinen auf einen speziellen Personenkreis zugeschnittenen Anforderun721  Heinze, RabelsZ 2011, S. 581, 584; Mankowski, in: Rauscher, EuZPR, Art. 25 EuGVVO, Rn. 28; Pohl, IPRax 2013, S. 109, 111. 722  Hartley/Dogauchi, Bericht HGÜ, Rn. 125; Bläsi, HGÜ, S. 163, 183; Huber/ Antomo, Nihon University Comparative Law, S. 123, 127; Huber, in: FS Gottwald, S. 283, 286; Kruger, ICLQ 2006, S. 447, 451; E. Pfeiffer, Forum derogatum, S. 463; R. Wagner, RabelsZ 2009, S. 100, 118. 723  Bläsi, HGÜ, S. 84 f. Vgl. auch Hartley/Dogauchi, Bericht HGÜ, Rn. 97. 724  Vgl. zur EuGVVO: Gebauer, in: Gebauer/Wiedmann, Zivilrecht, Kap. 27, Art. 27 EuGVVO a. F., Rn. 114; Rauscher, in: Mankowski, EuZPR, Art. 25 EuGVVO, Rn.  146 ff.; Stadler, in: Musielak, ZPO, Art. 25, Rn. 5. 725  BGH, WM 1985, 1507, 1509; OLG Hamburg, RIW 1986, 462, 464; OLG Saarbrücken, NJW-RR 1989, 828, 829; NJW 2000, 670, 671; Bork, in: Stein/Jonas, ZPO, § 38, Rn. 19, 23; Heinrich, in: Musielak, ZPO, § 38, Rn. 13; Hüßtege, in: Thomas/Putzo, ZPO, § 38, Rn. 15; Patzina, in: MüKo-ZPO, § 38, Rn. 24; a. A.: OLG Nürnberg, NJW 1985, 1296 f.; Vollkommer, in: Zöller, ZPO, § 38, Rn. 25.



B. Internationale Gerichtsstandsvereinbarungen außerhalb der EuGVVO 211

gen durch den weiter gefassten § 38 Abs. 2 ZPO eingeschränkt werden sollte.726 Die nach § 38 Abs. 1 ZPO Prorogationsbefugten können Gerichtsstandsvereinbarungen formlos, ausdrücklich oder stillschweigend, im Rahmen des Hauptvertrags oder durch eine eigenstände Abrede treffen.727 Die Parteien können eine Gerichtsstandsvereinbarung durch kaufmännisches Bestätigungsschreiben728, andere handelsrechtliche Bräuche729 oder Bezugnahme auf externe Gerichtsstandsvereinbarungen730 abschließen. Eine Gerichtsstandsvereinbarung bindet auch den Einzel- oder Gesamtrechtsnachfolger, wobei umstritten ist, ob der Rechtsnachfolger prorogationsbefugt sein muss.731 Nicht erfasst sind jedoch selbständig akzessorisch Haftende wie Bürgen, falsi procuratores und nicht selbstschuldnerisch haftende Schuldbeitretende.732 Ob die Parteien eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung in AGB abschließen können, ist nach allgemeinen Regeln am Maßstab der §§ 305ff. BGB zu prüfen. Im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmern sind dabei gem. § 310 Abs. 1 Satz 1 BGB die §§ 305 Abs. 2, 308, 309 BGB nicht unmittelbar, sondern allenfalls über § 310 Abs. 1 Satz 2 BGB heranzuziehen.733 Im Geschäftsverkehr sind Gerichtsstandsklauseln in AGB verbreitet und sind daher regelmäßig nicht als überraschende Klausel nach § 305c BGB unwirksam.734 Gerichtsstandsvereinbarungen in AGB-Klauseln zugunsten des Gerichtsstands des Verwenders, des Erfüllungsorts oder des Ortes des Vertrags726  Vgl. Bork, in: Stein/Jonas, ZPO, § 38, Rn. 18; Heinrich, in: Musielak, ZPO, § 38, Rn. 13. 727  OLG Karlsruhe NJW-RR 1993, 567, 568; OLG Brandenburg, NJW 2006, 3444, 3445; Heinrich, in: Musie­lak, ZPO, § 38, Rn. 12; Hüßtege, in: Thomas/Putzo, ZPO, § 38, Rn. 25; Bork, in: Stein/Jonas, ZPO, § 38, Rn. 17. 728  BGH, NJW 1971, 323, 325; Bendtsen, in: Saenger, ZPO, § 38, Rn. 18, Heinrich, in: Musie­lak, ZPO, § 38, Rn. 12. 729  EuGH, 20.02.1997, RS. C-106/95, Mainschiffahrts-Genossenschaft/Les Gra­ vières Rhénanes, Rn. 20, NJW 1997, 1431, 1432; Heinrich, in: Musie­lak, ZPO, § 38, Rn. 12. 730  BGH, NJW 2004, 3706; Heinrich, in: Musie­lak, ZPO, § 38, Rn. 12. 731  Bendtsen, in: Saenger, ZPO, § 38, Rn. 13; Bork, in: Stein/Jonas, ZPO, § 38, Rn. 50; Patzina, in: MüKo-ZPO, § 38, Rn. 20; Vollkommer, in: Zöller, ZPO, § 38, Rn. 10. 732  Bendtsen, in: Saenger, ZPO, § 38, Rn. 13; Bork, in: Stein/Jonas, ZPO, § 38, Rn. 50; Vollkommer, in: Zöller, ZPO, § 38, Rn. 10. 733  Bork, in: Stein/Jonas, ZPO, § 38, Rn. 18; Heinrich, in: Musielak, ZPO, § 38, Rn. 12; Patzina, in: MüKo-ZPO, § 38, Rn. 22; Bendtsen, in: Saenger, ZPO, § 38, Rn. 14; Vollkommer, in: Zöller, ZPO, § 38, Rn. 22. 734  OLG Hamburg, NJW-RR 1999, 1506 f.; OLG Hamm, NJW 1995, 2499; Bork, in: Stein/Jonas, ZPO, § 38, Rn. 18; Patzina, in: MüKo-ZPO, § 38, Rn. 22.

212

3. Teil: Vertraglicher Schadensersatz

schlusses sind wirksam.735 In Hinblick auf § 305c BGB sind hingegen ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarungen in AGB zugunsten eines Drittstaats unwirksam, zu dem weder die Parteien noch das Vertragsverhältnis einen Bezug aufweisen.736 Eine Gerichtsstandsvereinbarung gem. § 38 Abs. 1 ZPO können unter anderem alle Kaufleute einschließlich der formkaufmännischen Körperschaften abschließen. Eine internationale Gerichtsstandsvereinbarung nach § 38 Abs. 2 ZPO steht allen nicht bereits nach Abs. 1 prorogationsbefugten Parteien offen. Dazu zählen auch Verbraucher, Versicherte und Arbeitnehmer.737 Für Inländer sind jedoch die Einschränkungen des § 38 Abs. 2 Satz 3 ZPO zu beachten.738 § 38 Abs. 2 Satz 2 ZPO schreibt eine deutlich strengere Form als Art. 25 Abs. 1 Satz 3 EuGVVO, Art. 23 Abs. 1 Satz 3 LugÜ, Art. 3 lit. c HGÜ oder § 38 Abs. 1 ZPO vor. Die Parteien müssen die Gerichtsstandsvereinbarung schriftlich oder mündlich mit schriftlicher Bestätigung treffen. An die Form des im Verfahrensrecht nicht unmittelbar geltenden § 126 BGB sind sie allerdings nicht gebunden. Vielmehr genügt die „halbe Schriftlichkeit“ nach § 127 Abs. 2 Satz 1 BGB durch telekommunikative Übermittlung oder Briefwechsel.739 Die Parteien können eine Gerichtsstandsvereinbarung auch durch AGB treffen, wenn der von beiden unterzeichnete Hauptvertrag ausdrücklich auf die AGB verweist.740 Eine schriftliche Bestätigung der mündlichen getroffenen Gerichtsstandsvereinbarung muss im zeitlichen Zusammenhang mit dem Vertragsschluss erfolgen und auf die mündliche Vereinbarung Bezug nehmen. Die schriftliche Bestätigung muss der Gegenseite zugehen und diese darf nicht widersprechen.741 735  OLG Frankfurt, BB 1998, 2230, 2231; OLG Karlsruhe, NJW 1996, 2041; OLG Hamburg, NJW-RR 1999, 1506, 1507; Bork, in: Stein/Jonas, ZPO, § 38, Rn. 18; Patzina, in: MüKo-ZPO, § 38, Rn. 22; Vollkommer, in: Zöller, ZPO, § 38, Rn. 22. Zum Wechsel vom Erfüllungsort zum Wahlgerichtsstand siehe OLG Koblenz, BB 1983, 1635. 736  OLG Karlsruhe, NJW 1982, 1950 f.; Bork, in: Stein/Jonas, ZPO, § 38, Rn. 18; Patzina, in: MüKo-ZPO, § 38, Rn. 22; Vollkommer, in: Zöller, ZPO, § 38, Rn. 22. 737  BAG, NJW 1973, 727, 728; 1984, 1320; Heinrich, in: Musielak, ZPO, § 38, Rn. 15; Hüßtege, in: Thomas/Putzo, ZPO, § 38, Rn. 13; Smid/Hartmann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 38, Rn. 98. 738  Siehe 3. Teil, B. II. 3. 739  Bendtsen, in: Saenger, ZPO, § 38, Rn. 18; Bork, in: Stein/Jonas, ZPO, § 38, Rn. 27; Heinrich, in: Musie­lak, ZPO, § 38, Rn. 17; Patzina, in: MüKo-ZPO, § 38, Rn. 32. 740  Heinrich, in: Musie­ lak, ZPO, § 38, Rn. 17; Patzina, in: MüKo-ZPO, § 38, Rn. 32; beide in Anlehnung an die EuGH-Rechtsprechung zum heutigen Art. 25 EuGVVO. 741  OLG Düsseldorf, NJW-RR 1998, 1145, 1147; Bork, in: Stein/Jonas, ZPO, § 38, Rn. 27; Heinrich, in: Musie­lak, ZPO, § 38, Rn. 17; Hüßtege, in: Thomas/Putzo, ZPO, § 38, Rn. 15; Patzina, in: MüKo-ZPO, § 38, Rn. 32 f.



B. Internationale Gerichtsstandsvereinbarungen außerhalb der EuGVVO 213

Fragen der materiellrechtlichen Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung sind, wenn ein deutsches Gericht pro- oder derogiert wird, aus Sicht des deutschen internationalen Privatrechts zu beantworten.742 Manche Autoren sehen auch in aktuellen Beiträgen noch Art. 27ff. EGBGB als die entscheidenden Kollisionsnormen an.743 Richtiger dürfte es sein, trotz Art. 1 Abs. 2 lit. e Rom-I-VO als Kollisionsnorm Art. 4 Abs. 4 Rom-I-VO in analoger Anwendung heranzuziehen.744 Einen inhaltlichen Unterschied gibt es nicht, da bei Gerichtsstandsvereinbarungen mangels charakteristischer Leistung ohnehin das Recht mit der engsten Verbindung zur Anwendung gelangt. § 38 ZPO verfügt anders als Art. 25 Abs. 1 Satz 2 EuGVVO, Art. 23 Abs. 1 Satz 2 LugÜ und Art. 3 lit. b HGÜ nicht über eine Vermutungsregel zugunsten der Ausschließlichkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung.745 4. Zwischenergebnis Die Anforderungen von Art. 23 LugÜ an eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung entsprechen im Wesentlichen denen von Art. 25 EuGVVO. Allerdings muss nach Art. 23 LugÜ mindestens eine der Parteien der Gerichtsstandsvereinbarung ihren Wohnsitz in einem Vertragsstaat haben. Ferner fehlt für Fragen der materiellen Wirksamkeit eine Kollisionsnorm wie in Art. 25 Abs. 1 Satz 1 HS 2 EuGVVO. Nach umstrittener Ansicht ist für die materielle Wirksamkeit der Vereinbarung, sofern sie nicht die abkommensautonom zu qualifizierende Frage der Einigung betrifft, auf das Statut des Hauptvertrags abzustellen. Die formellen Voraussetzungen des HGÜ betreffen nicht die Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung, sondern den Anwendungsbereich des Übereinkommens. Nach Art. 3 lit. c HGÜ sind Gerichtsstandsvereinbarungen entweder schriftlich oder durch jedes andere Kommunikationsmittel zu schließen, das es ermöglicht, auf die Information später wieder zuzugreifen. Das schließt auch AGB weitgehend ein. Gem. Art. 5 Abs. 1, Art. 6 lit. a und b HGÜ ist für Fragen der materiellen Wirksamkeit der Gerichtsstandsverein742  BGH, NJW 1989, 1431, 1432; 1997, 2885, 2886; NJW-RR 2005, 929, 931; OLG Köln, RIW 1998, 148, 149; OLG Nürnberg, NJW 1985, 1296; OLG Bamberg, NJW-RR 1989, 371; Bork, in: Stein/Jonas, ZPO, § 38, Rn. 21; Heinrich, in: Musie­lak, ZPO, § 38, Rn. 3; Saenger, ZZP 1997, S. 477; differenzierend: Smid/Hartmann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 38, Rn. 35. 743  Heinrich, in: Musie­lak, ZPO, § 38, Rn. 3. 744  Kieninger, in: Ferrari u. a., Int. Vertragsrecht, Art. 1 Rom-I-VO, Rn. 18; Martiny, in: MüKO-BGB, Art. 1, Rn. 61; Spickhoff, in: Bamberger/Roth, BGB, Art. 1 Rom-I-VO, Rn. 30. 745  RGZ 159, 254, 256; BGH, NJW 1972, 1671; OLG München NJW 1987, 2166; Patzina, in: MüKo-ZPO, § 38, Rn. 42.

214

3. Teil: Vertraglicher Schadensersatz

barung die lex fori prorogati unter Einschluss ihres internationalen Privatrechts berufen. Gerichtsstandsvereinbarungen nach § 38 Abs. 1 ZPO können unter anderem Kaufleute formlos, ausdrücklich, stillschweigend, durch kaufmännisches Bestätigungsschreiben oder Bezugnahme auf Gerichtsstandsvereinbarungen in AGB schließen. Nach § 38 Abs. 2 ZPO sind internationale Gerichtsstandsvereinbarungen einem breiteren Personenkreis möglich, erfordern allerdings die Schriftform oder die schriftliche Bestätigung. Für ersteres genügt die Form des § 127 Abs. 2 Satz 1 BGB, für letzteres der widerspruchslose Zugang der Bestätigung. Über die materielle Wirksamkeit entscheidet das internationale Privatrecht des angerufenen Gerichts.

III. Schuldverhältnis Auch Gerichtsstandsvereinbarungen nach dem LugÜ, dem HGÜ oder nach nationalem Recht können materiellrechtliche Verpflichtungswirkungen erzeugen. Dem stehen in Parallele zur EuGVVO weder Überlegungen zum vermeintlich unwirksamen Primäranspruch noch der Vergleich zu den gesetzlichen ausschließlichen Zuständigkeiten entgegen.746 Wie bei Gerichtsstandsvereinbarungen nach der EuGVVO ist es eine Frage der Auslegung im Einzelfall, ob die Parteien der Gerichtsstandsvereinbarung bei ihrem Abschluss eine verpflichtende Wirkung beigemessen haben. Dies ist bei individualvertraglicher Vereinbarung in vielen Fällen anzunehmen. Bei Gerichtsstandsvereinbarungen in AGB muss der Vertragspartner des Verwenders die Möglichkeit der qualifizierten Kenntnisnahme haben.747 Bei der Frage, ob und in welchen Fällen der Gerichtsstandsvereinbarung verpflichtende Wirkung zukommt, gibt es keine Unterschiede zu Gerichtsstandsvereinbarungen nach der EuGVVO. Unterschiede können sich jedoch bezüglich der Reichweite des Schadensersatzanspruchs ergeben, weil die EuGVVO spezielle Regeln zur Anerkennung und Rechtskraft von Urteilen vorsieht und im Unionsrecht das Prinzip des gegenseitigen Vertrauens zu beachten ist.748

746  Siehe

3. Teil, A. II. und A. II. 3. 3. Teil, A.II. 5. c). 748  Siehe 3. Teil, A. II. 7. und A. II. 9. 747  Siehe



B. Internationale Gerichtsstandsvereinbarungen außerhalb der EuGVVO 215

1. LugÜ Als das LugÜ geschaffen wurde, war es das erklärte Ziel der Vertragsstaaten, das LugÜ im Wesentlichen parallel zur EuGVVO auszulegen.749 In Detailfragen gibt es aber auch Unterschiede zwischen EuGVVO und LugÜ.750 Ob und welche Prinzipien der EuGVVO auf das LugÜ zu übertragen sind, ist daher von der einschlägigen Vorschrift beziehungsweise dem einschlägigen Prinzip abhängig. Diese Frage ist hier von Bedeutung, weil zu klären ist, ob die Einschränkungen des Schadensersatzanspruchs wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung durch die EuGVVO auf das LugÜ übertragbar sind oder ob das LugÜ eigenständige Anforderungen an den Schadensersatzanspruch stellt. Dies ist – wie bei der EuGVVO – für das Prinzip des gegenseitigen Vertrauens, für die Anerkennung und die Rechtskraft von Entscheidungen zu prüfen. Ob das Prinzip des gegenseitigen Vertrauens von der EuGVVO auf das LugÜ übertragen werden kann, haben Rechtsprechung und Literatur – soweit ersichtlich – noch nicht umfangreich untersucht. Die Kommission ist offensichtlich der Auffassung, das Vertrauensprinzip gelte auch für das LugÜ. In seinem Gutachten über die Zuständigkeit der EU für den Abschluss des LugÜ 2007 gibt der EuGH jedenfalls eine solche Position der Kommission wieder. Laut dem EuGH war die Kommission in der mündlichen Verhandlung der Ansicht, dass „der gesamte vereinfachte Mechanismus der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen, und zwar sowohl der mit der Verordnung Nr. 44 / 2001751 errichtete als auch der aus dem Übereinkommen von Lugano resultierende,“ darauf beruhe, dass „die Zuständigkeitsvorschriften harmonisiert würden und dass zwischen den Mitgliedstaaten ein hinreichendes gegenseitiges Vertrauen bestehe“752. Der EuGH selbst bezog zu der Frage – soweit ersichtlich – noch nicht Stellung. In der Literatur finden sich nur vereinzelte Ausführungen dazu, dass auch das LugÜ dem Vertrauensprinzip unterliege.753 749  Jenard/Möller, Bericht LugÜ, Rn. 112. Siehe auch Hausmann, in: Simons/ Hausmann, Brüssel I, Einl., Rn. 86 ff.; Oetiker/Weibel, LugÜ, Einl., Rn. 54 ff. 750  Siehe Hausmann, in: Simons/Hausmann, Brüssel I, Einl., Rn. 89 ff.; Jouebert/ Weller, in: Simons/Hausmann, Brüssel I, Art. 35 EuGVVO a. F., Rn. 2. 751  Diese Verordnung ist die EuGVVO (Anmerkung des Verf.). 752  EuGH, Gutachten vom 07.02.2006, RS. C-1/03, Rn. 106, BeckEuRS 2006, 421995. 753  Stacher, Rechtsnatur Schiedsvereinbarung, Rn. 244: „Die Konventionsstaaten [brachten] mit Abschluss des Lugano-Übereinkommens ihr gegenseitiges Vertrauens in ihre Rechtspflegesysteme zum Ausdruck“; Trzeciakowska, WiRO 2000, S. 404: „Beide Übereinkommen [EuGVVO und LugÜ] basieren auf dem funda­ mentalen Grundsatz gegenseitigen Vertrauens“; vgl. auch Bischoff, EuZW 2006, S. 295, 300; Schütze, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, §§ 1067–1109, IZVR, VI, Rn. 135.

216

3. Teil: Vertraglicher Schadensersatz

Es spricht im Grundsatz vieles dafür, das Vertrauensprinzip auch auf das LugÜ anzuwenden.754 Das LugÜ dient dazu, die Vorschriften der EuGVVO, so wie sie der EuGH und die EU-Mitgliedstaaten auslegen und handhaben, auf die EFTA-Staaten zu erstrecken. Vielen Regelungen des LugÜ lassen erkennen, dass die LugÜ-Vertragsstaaten – genau wie die EU-Mitgliedstaaten in Hinblick auf die EuGVVO – ihren Rechtssystemen gegenseitig Vertrauen schenken. Nur weil die Vertragsstaaten das Verfahren in den anderen Vertragsstaaten als gleichwertig erachteten, konnten sie ohne rechtstaatliche Bedenken für alle Vertragsstaaten einheitliche Regelungen etwa über die Rechtshängigkeit oder die vereinfachte Anerkennung und Vollstreckung von Urteilen treffen.755 Einige Regelungen im LugÜ indizieren jedoch, dass sich die LugÜ-Vertragsstaaten nicht ganz im selben Umfang gegenseitig Vertrauen schenken wie die EU-Mitgliedstaaten. So können die LugÜ-Vertragsstaaten nach Art. 35 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. Art. 64 Abs. 2 und Art. 67 Abs. 4 LugÜ – anders als die EU-Mitgliedstaaten bei der EuGVVO – Urteilen aus anderen Vertragsstaaten unter erweiterten Voraussetzungen die Anerkennung und Vollstreckung versagen. Beispielsweise können die LugÜ-Vertragsstaaten Vereinbarungen zur Einschränkung der Anerkennung und Vollstreckung von Urteilen aufgrund exorbitanter Gerichtsstände schließen (vgl. Anhang I LugÜ), was den EU-Mitgliedstaaten nicht möglich ist.756 Insgesamt sind aber die Abweichungen zwischen EuGVVO und LugÜ gering und häufig auch nur vorübergehender Natur. So wurden etwa viele Unterschiede, die durch die Einführung der EuGVVO a. F. gegenüber dem LugÜ 1988 entstanden waren, durch das LugÜ 2007 wieder behoben.757 Da sich die Auslegung des LugÜ gerade an der EuGVVO orientieren soll und Abweichungen hiervon nur in begründeten Ausnahmefällen gestattet sind, ist das Prinzip des gegenseitigen Vertrauens auf das LugÜ übertragbar.

754  Das Vertrauensprinzip ist eine der gesamten EuGVVO zugrundeliegende Wertung und entstammt nicht einer Entscheidung zu einer bestimmten Vorschrift. Art. 1 Abs. 1 des Protokolls Nr. 2 zum LugÜ ist daher nicht anwendbar. Er findet sogleich zur Frage der Rechtskraft Anwendung. 755  Vgl. Schütze, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, §§ 1067–1109, IZVR, VI, Rn. 135. Man beachte den Unterschied zum HGÜ, das weniger weitreichende Vorschriften zur Anerkennung und Vollstreckung und keine über die Rechtshängigkeit enthält. 756  Jouebert/Weller, in: Simons/Hausmann, Brüssel I, Art. 35, EuGVVO a.  F., Rn. 2; Dasser, in: Dasser/Oberhammer, LugÜ, Art. 3, Rn. 10 ff. 757  Siehe Hausmann, in: Simons/Hausmann, Brüssel I, Einl., Rn. 93; Markus, in: Dasser/Oberhammer, LugÜ, Art. 3, Rn. 10 ff.; Mayr, in: Czernich/Kodek/Mayr, Einl. LugÜ, Rn. 4; Oetiker/Weibel, in: Oetiker/Weibel, LugÜ, Einl., Rn. 26 ff.; Staudinger, in: Rauscher, EuZPR, 3. Aufl. (2011), Einl. LugÜ, Rn. 21.



B. Internationale Gerichtsstandsvereinbarungen außerhalb der EuGVVO 217

Der Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung nach dem LugÜ unterliegt daher denselben Einschränkungen durch das Prinzip des gegenseitigen Vertrauens wie der Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung nach der EuGVVO. Der Schadensersatzanspruch kommt im Anwendungsbereich des LugÜ aufgrund des Prinzips des gegenseitigen Vertrauens nur in Betracht, wenn sich das forum derogatum aufgrund der Gerichtsstandsvereinbarung für unzuständig erklärt hat. Er scheidet hingegen aus, wenn sich das derogierte Gericht für zuständig erklärt hat und zwar unabhängig davon, ob es sich ausdrücklich zur Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung geäußert hat oder nicht.758 Aus den Regelungen des LugÜ über die Anerkennung ausländischer Entscheidungen, insbesondere Art. 35 Abs. 3 und Art. 36 LugÜ, lassen sich keine Beschränkungen des Schadensersatzanspruchs wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung entnehmen. Der Schadensersatzanspruch betrifft nicht die Anerkennung des Urteils des derogierten Gerichts. Die in Art. 35 Abs. 3 Satz 1 LugÜ aufgestellte Regel, die es im Rahmen der Anerkennung verbietet, die Zuständigkeit des Ausgangsgerichts zu überprüfen, ergibt sich bereits aus dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens.759 Auch in Bezug auf die Rechtskraft der Entscheidung des forum derogatum ist zu prüfen, ob sich die zur EuGVVO entwickelten Ergebnisse auf das LugÜ übertragen lassen. Nach der Rechtsprechung des EuGH erwächst die Entscheidung eines derogierten Gerichts, das sich aufgrund einer Gerichtsstandsvereinbarung für unzuständig erklärt, mitsamt den zugrundeliegenden Tatsachen in Rechtskraft.760 Nach der hier vertretenen Auffassung hindert eine solche negative Zuständigkeitsentscheidung den Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung nicht. Erklärt sich das derogierte Gericht jedoch für zuständig oder entscheidet es ohne ausdrückliche Zuständigkeitsentscheidung in der Sache, steht die Rechtskraft der Zuständigkeitsentscheidung beziehungsweise des Sachurteils dem Schadensersatzanspruch entgegen.761 Gem. Art. 1 Abs. 1 des Protokolls Nr. 2 zum LugÜ ist den Entscheidungen des EuGH zur EuGVVO bei der Auslegung des LugÜ gebührend Rechnung zu tragen. Wie bereits die Formulierung „jedes Gericht […] trägt den Grundsätzen gebührend Rechnung“ illustriert, besteht keine zwingende Bindung 758  Siehe

3. Teil, A. II. 7. 3. Teil, A. II. 8. 760  EuGH, 15.11.2012, RS. C-456/11, Gothaer Allgemeine Versicherung, Rn. 41, EuZW 2013, 60, 62. 761  Siehe zum Ganzen 3. Teil, A. II. 9. 759  Siehe

218

3. Teil: Vertraglicher Schadensersatz

der Gerichte der EFTA-Staaten an die Rechtsprechung des EuGH. Das Schweizer Bundesgericht etwa behält sich ausdrücklich das Recht vor, von der Rechtsprechung des EuGH oder anderer mitgliedstaatlicher Gerichte abzuweichen, wenn diese sich an Zielen orientiert, die die Schweiz nicht mitträgt.762 Es sind allerdings keine Fälle bekannt, in denen schweizerische oder andere Gerichte aus LugÜ-Vertragsstaaten von der EuGH-Rechtsprechung abgewichen wären.763 Art. 1 Abs. 1 des Protokolls Nr. 2 zum LugÜ verpflichtet die Gerichte der Lug-Vertragsstaaten dazu, sich bei der Auslegung des LugÜ intensiv mit der Rechtsprechung des EuGH auseinanderzusetzen und auf die tragenden Gründe der relevanten Entscheidungen einzugehen. Will ein Gericht in einem LugÜ-Vertragsstaat von der Rechtsprechung des EuGH abweichen, muss es begründen, warum diese im Einzelfall nicht auf das LugÜ zu übertragen ist.764 Wie der Jenard / Möller-Bericht zum LugÜ erklärt, stand es „bei den Verhandlungen über den Abschluss des Lugano-Übereinkommens […] von Anfang an fest, dass die Bestimmungen des Brüsseler Übereinkommens, die inhaltlich in das Lugano-Übereinkommen übernommen werden, im Lichte der einschlägigen Urteile zu verstehen sind“765. Weiter führt der Bericht aus, man habe die Vorschriften des LugÜ, bei denen eine dem EuGVÜ entsprechende und an der EuGH-Rechtsprechung orientierte Auslegung erwünscht gewesen sei, bewusst identisch zum EuGVÜ formuliert. Die (wenigen) LugÜ-Vorschriften, bei den die Vertragsstaaten eine von der EuGH-Rechtsprechung abweichende Auslegung bezweckten, habe man dezidiert anders als die entsprechenden EuGVÜ-Regeln formuliert.766 Der EuGH knüpfte seine Entscheidung zur Rechtskraft von negativen Zuständigkeitsentscheidungen aufgrund von Gerichtsstandsvereinbarungen normativ an Art. 32 und 33 EuGVVO a. F. an. Diese sind mit Art. 32 und 33 LugÜ identisch. Nach den im Jenard / Möller-Bericht beschriebenen Grundsätzen gibt es jedenfalls bei in der EuGVVO und im LugÜ identischen Vorschriften keinen Anlass, von der EuGH-Rechtsprechung abzuweichen. Es ließe sich auch kaum begründen, warum die bewusst identisch gehaltenen Vorschriften verschieden ausgelegt werden sollten. Es ist auch nicht ersicht762  BGE 131 III 227, E.31. Zustimmend: Hartley, LQR 2013, S. 309, 313; Heerstrassen, RIW 1993, S. 179, 182; Hausmann, in: Simons/Hausmann, Brüssel I, Einl., Rn. 88; Staudinger, in: Rauscher, EuZPR, 3. Aufl. (2011), Einl. LugÜ, Rn. 52; kritisch: Domej, in: Dasser/Oberhammer, Präambel Protokoll Nr. 2, Rn. 23 ff. 763  Vgl. Oetiker/Weibel, in: Oetiker/Weibel, LugÜ, Einl., Rn. 59 f. 764  So auch Heerstrassen, RIW 1993, S. 179, 182. 765  Jenard/Möller, Bericht LugÜ, Rn. 112. 766  Jenard/Möller, Bericht LugÜ, Rn. 112.



B. Internationale Gerichtsstandsvereinbarungen außerhalb der EuGVVO 219

lich, dass die Rechtskraft der Zuständigkeitsentscheidung ein Ziel betrifft, den die EFTA-Staaten nicht mittragen würden. Demnach ist die EuGH-Entscheidung zur materiellen Rechtskraft einer Zuständigkeitsentscheidung bezüglich einer Gerichtsstandsvereinbarung auf das LugÜ zu übertragen. Der Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung gem. Art. 23 LugÜ kommt daher nur in Betracht, wenn sich das forum derogatum für unzuständig erklärt hat. 2. HGÜ Auch beim HGÜ stellt sich die Frage, ob der Schadensersatzanspruch Einschränkungen aus dem Übereinkommen unterliegt. Das Prinzip des gegenseitigen Vertrauens ist ein tragendes Prinzip des Unionsrechts. Es lässt sich nur durch die jahrzehntelange und in vielen Bereichen intensive Zusammenarbeit der EU-Mitgliedstaaten erklären. Es ist nicht auf das HGÜ zu übertragen, dessen Vertragsstaaten keine mit den EU-Mitgliedstaaten vergleichbare, besonders enge Zusammenarbeit pflegen. Der Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung ist daher im Anwendungsbereich des HGÜ nicht durch das Vertrauensprinzip begrenzt. Einschränkungen ergeben sich auch nicht durch die Anerkennungsvorschriften des HGÜ. Diese Vorschriften verbieten die révision au fond in Art. 8 Abs. 2 Satz 1 HGÜ und sehen in Satz 2 zudem eine Bindung an die vom Ausgangsgericht festgestellten Tatsachen vor. Allerdings betreffen die Vorschriften über die Anerkennung nicht unmittelbar den Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung. Gegenstand des Schadensersatzurteils ist gerade nicht die Anerkennung des Urteils des forum derogatum, sondern der Ausgleich der anlässlich dieser Entscheidung erlittenen Schäden.767 Mittelbar sind die Vorschriften über die Anerkennung dennoch von Bedeutung, denn die Anerkennung ist die Voraussetzung der Rechtskraft.768 Eine der Rechtskraft ähnliche Wirkung von Urteilen eines forum derogatum im Anwendungsbereich des HGÜ ließe sich Art. 8 Abs. 2 Satz 2 HGÜ nur entnehmen, wenn prorogierte Gerichte eines HGÜ-Vertragsstaats das Urteil eines forum derogatum anerkennen müssten. Nur unter dieser Prämisse könnte die Regelung in Art. 8 Abs. 2 Satz 2 HGÜ den Schadensersatzanspruch einschränken. Wenn das prorogierte Gericht hingegen nicht zur Anerkennung 767  Siehe

3. Teil, A. II. 8. Prinzip der Rechtskraft ist im HGÜ nicht normiert. Vgl. für das deutsche Recht § 723 Abs. 2 Satz 2 ZPO. 768  Das

220

3. Teil: Vertraglicher Schadensersatz

verpflichtet ist, erübrigt sich die Frage der Rechtskraft.769 Ob die Entscheidung eines derogierten Gerichts in einem anderen Vertragsstaat anzuerkennen ist beziehungsweise sogar in Rechtskraft erwächst, ist im HGÜ – anscheinend bewusst – nicht abschließend geregelt worden.770 Da es noch keine Urteile zum HGÜ gibt, ist noch nicht abzusehen, wie die Gerichte mit Entscheidungen derogierter Gerichte umgehen werden. Aufgrund der Entstehungsgeschichte und Systematik des HGÜ ist danach zu differenzieren, ob das forum derogatum in einem HGÜ-Vertragsstaat oder einem Drittstaat liegt. Erste Entwürfe zu Art. 8 HGÜ sahen vor, dass Urteile eines forum derogatum aus einem Drittstaat grundsätzlich nicht anzuerkennen sind.771 Dass diese Vorschrift nicht Eingang in die endgültige Fassung des HGÜ fand, kann nur bedeuten, dass ein Gericht in einem HGÜ-Vertragsstaat durch das Übereinkommen nicht verpflichtet ist, der Entscheidung eines forum derogatum aus einem Drittstaat die Anerkennung zu verweigern. Andernfalls hätten die Vertragsstaaten die ursprüngliche Regelung beibehalten. Andererseits ist das vertragsstaatliche Gericht auch nicht gezwungen, die Entscheidung eines drittstaatlichen forum derogatum anzuerkennen.772 Wenn die Vertragsstaaten diese Frage diskutiert, aber keine Regelung getroffen haben, kann das nur bedeuten, dass sowohl die Anerkennung als auch die Anerkennungsverweigerung in diesen Fällen möglich ist. Andernfalls hätten die Vertragsstaaten eine klarstellende Regelung getroffen. Für den Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung ist entscheidend, dass ein Gericht in einem HGÜ-Vertragsstaat nicht verpflichtet ist, die Entscheidung eines drittstaatlichen forum derogatum anzuerkennen. Dass das vertragsstaatliche Gericht das Urteil eines drittstaatlichen forum derogatum anerkennen darf, ist für den Schadensersatzanspruch hingegen ohne Bedeutung. Das Gericht, das dem Schadensersatzanspruch stattgeben möchte, wird das Urteil des forum derogatum nicht gleichzeitig anerkennen, wenn es hierzu nicht gezwungen ist. Das HGÜ trifft ebenfalls keine abschließende Regelung zur Frage der Anerkennung und Voll­streckung von Entscheidungen eines derogierten Gerichts 769  Vgl. Bach, in: Vorwerk/Wolf, ZPO, § 723, Rn. 9; Gottwald, in: MüKo-ZPO, § 723, Rn. 5; § 328, Rn. 164; Kindl, in: Saenger, ZPO, § 723, Rn. 9; Rosenberg/ Schwab/Gottwald, ZPR, § 157, Rn. 9; Stadler, in: Musielak, ZPO, § 38, Rn. 37. 770  Das liegt auch daran, dass die Vertragsstaaten sich nicht auf eine einheitliche Definition des Begriffs der Rechtskraft einigen konnten, siehe R. Wagner, RabelsZ 2009, S. 100, 124, Fn. 129. 771  Eichel, RIW 2009, S. 289, 296. 772  Eichel, RIW 2009, S. 289, 296; Teitz, Am. Journal of Comparative Law 2005, S. 543, 554.



B. Internationale Gerichtsstandsvereinbarungen außerhalb der EuGVVO 221

in einem HGÜ-Vertragsstaat. Die grundsätzliche Pflicht zur Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen vertragsstaatlicher Gerichte gem. Art. 8 Abs. 1 Satz 1 HGÜ erfasst ausdrücklich nur „Entscheidung eines in einer ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung benannten Gerichts“. Damit sind Entscheidungen eines forum derogatum nicht erfasst.773 Es besteht also – anders als bei EuGVVO und LugÜ – keine Pflicht, Entscheidungen eines derogierten Gerichts anzuerkennen.774 Es ist allerdings den vertragsstaatlichen Gerichten auch nicht verwehrt, dies zu tun.775 Für den Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung kann auch speziell Art. 9 lit. d HGÜ relevant werden. Diese Vorschrift sieht vor, dass die Anerkennung versagt werden kann, wenn die Entscheidung auf einem Prozessbetrug basiert. Für Fälle der Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung, die im deutschen Recht § 826 BGB beziehungsweise § 823 Abs. 2 i. V. m. § 263 StGB unterfallen würden, besteht daher im HGÜ ausdrücklich keine Pflicht der vertragsstaatlichen Gerichte, eine solche durch Prozessbetrug erlangte Entscheidung eines derogierten vertragsstaatlichen Gerichts anzuerkennen. Eine solche Pflicht besteht erst recht nicht bei Entscheidungen von derogierten, nicht vertragsstaatlichen Gerichten (argumentum a minore a maius). Daraus ergibt sich zusammenfassend, dass das in einem HGÜ-Vertragsstaat gelegene Gericht der Schadensersatzklage an die Zuständigkeitsentscheidung eines derogierten Gerichts nicht gebunden ist. Dabei ist es unerheblich, ob sich das derogierte Gericht in einem Vertragsstaat oder in einem Drittstaat befindet. Wenn das Gericht das Urteil nicht anerkennt, kann es auch nicht in Rechtskraft erwachsen.776 Demnach ergeben sich aus der Rechtskraft der Entscheidung des forum derogatum keine Einschränkungen für den Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung im Anwendungsbereich des HGÜ. Ob das forum derogatum sich für unzuständig erklärt oder in der Sache entschieden hat – mit oder ohne Berücksichtigung der Gerichtsstandsvereinbarung – ist für den Schadensersatzanspruch unerheblich.

773  Teitz, Am. Journal of Comparative Law 2005, S. 543, 554; R. Wagner, RabelsZ 2009, S. 100, 124 f. 774  R. Wagner/Schüngeler, ZVglRWiss 2009, S. 399, 416. 775  Eichel, RIW 2009, S. 289, 296; Teitz, Am. Journal of Comparative Law 2005, S. 543, 554; R. Wagner, RabelsZ 2009, S. 100, 125. 776  Vgl. Bach, in: Vorwerk/Wolf, ZPO, § 723, Rn. 9; Gottwald, in: MüKo-ZPO, § 723, Rn. 5; § 328, Rn. 164; Kindl, in: Saenger, ZPO, § 723, Rn. 9; Rosenberg/ Schwab/Gottwald, ZPR, § 157, Rn. 9; Stadler, in: Musielak, ZPO, § 38, Rn. 37.

222

3. Teil: Vertraglicher Schadensersatz

3. Autonomes Recht Im autonomen Recht findet das unionsrechtliche Prinzip des gegenseitigen Vertrauens ebenfalls keine Anwendung. Einschränkungen des Schadensersatzanspruchs wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung kommen daher nur durch die Vorschriften über die Anerkennung und die Rechtskraft ausländischer Entscheidungen in Betracht. Im autonomen deutschen Recht erfolgt die Anerkennung ausländischer Urteile nach § 328 ZPO. Die materielle Rechtskraft einer Entscheidung entfaltet im Inland nur ihre Wirkung, wenn die Entscheidung nach § 328 ZPO anzuerkennen ist, vgl. § 723 Abs. 2 Satz 2 ZPO.777 Nach ganz überwiegender Auffassung ist einer Entscheidung eines forum derogatum, das sich entgegen einer wirksamen internationalen Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten deutscher Gerichte für zuständig erklärt hat, gem. § 328 Abs. 1 Nr. 1 ZPO die Anerkennung zu versagen.778 § 328 Abs. 1 Nr. 1 ZPO liegt das so genannte Spiegelprinzip zugrunde. Das bedeutet, dass die Anerkennung einer ausländischen Entscheidung ausgeschlossen ist, wenn die Gerichte des Urteilsstaats aus der Perspektive des deutschen Rechts international nicht zuständig gewesen sind.779 Unerheblich sind hingegen die sachliche und örtliche Zuständigkeit des ausländischen Gerichts. Die Prüfung der internationalen Zuständigkeit dient als Indiz dafür, dass der ausländische Prozess rechtsstaatlichen Anforderungen genügt, insbesondere dem Grundsatz des fairen Verfahrens.780 777  Gottwald, in: MüKo-ZPO, § 328, Rn. 164; Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 157, Rn. 9; Stadler, in: Musielak, ZPO, § 38, Rn. 37. Ob die ausländische Entscheidung im Inland in materielle Rechtskraft erwächst oder ob sich für deutsche Gerichte nur ein Abweichungsverbot ergibt, das eine erneute Klage wegen fehlenden Rechtsschutzinteresses unzulässig macht, ist für diese Untersuchung unerheblich (siehe hierzu Stadler, in: Musielak, ZPO, § 38, Rn. 37). 778  RG, Leipziger Zeitschrift 1914, Sp. 774, 775; BGH, NJW 1969, 1536, 1537 f.; Antomo, Schadensersatz, S. 264 ff.; Bläsi, HGÜ, S. 297; Coester-Waltjen, Annales Univ. Sci. Budapest. 2011, S. 225, 238; Gebauer, in: FS Kaissis, S. 267, 280; Hüßtege, in: Tho­mas/Putzo, ZPO, § 328, Rn. 8a; Köster, Forum Shopping, S. 80; Krop­ holler/von Hein, EuZPR, Art. 23 EuGVVO a. F., Rn. 97; Linke/Hau, IZVR, Rn. 13.14; Mankowski, IPRax 2009, S. 23, 31 f.; ders., MDR 2002, S. 1352, 1356; Nagel/Gottwald, IZPR, § 12, Rn. 153, 157; Schütze, Rechtsverfolgung im Ausland, Rn. 121; ders., in: Wieczorek/Schutze, ZPO, § 328, Rn. 34; Stadler, in: Musielak, ZPO, § 38, Rn. 10; offen: Martiny, Handbuch IZVR, Bd. III/1, Rn. 652. 779  BGH, NJW 1999, 3198, 3199; OLG Frankfurt, NJW 1979, 1787; Linke/Hau, IZVR, Rn. 13.09; Schack, IZVR, Rn. 925; Hüßtege, in: Tho­mas/Putzo, ZPO, § 328, Rn. 8a. 780  Gottwald, in: MüKo-ZPO, § 328, Rn. 80; Martiny, Am. Journal of Comparative Law 1987, S. 721, 734.



B. Internationale Gerichtsstandsvereinbarungen außerhalb der EuGVVO 223

Da die autonome deutsche Rechtsordnung an sich selbst den Anspruch erhebt, Gerichtsstandsvereinbarungen nach § 38 ZPO zu beachten, kann sie dies auch von anderen Rechtsordnungen verlangen. Das gilt nach dem Spiegelbildprinzip jedoch nur für die Fälle, in denen die Gerichtsstandsvereinbarung nach § 38 ZPO wirksam ist. § 328 Abs. 1 Nr. 1 ZPO verlangt von einem ausländischen Gericht hingegen nicht, eine nach § 38 ZPO unwirksame Gerichtsstandsvereinbarung zu beachten.781 Demzufolge ist dem Urteil eines ausländischen forum derogatum nach § 328 Abs. 1 Nr. 1 ZPO die Anerkennung versagen, wenn sich das forum derogatum entgegen einer Gerichtsstandsvereinbarung, die das deutsche Recht als wirksam erachten würde, für zuständig erklärt hat. Ist die Gerichtsstandsvereinbarung hingegen nach den Maßstäben des § 38 ZPO unwirksam, ist das Urteil eines ausländischen forum derogatum anzuerkennen. Da das autonome deutsche Recht Entscheidungen unter Missachtung einer wirksamen Gerichtsstandsvereinbarung nicht anerkennt, lassen sich im Anwendungsbereich von § 38 ZPO aus der Anerkennung und Rechtskraft des Urteils des forum derogatum keine Einschränkungen des Schadensersatzanspruchs wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung ableiten. Solche Urteile können nicht in Rechtskraft erwachsen und den Schadensersatzanspruch dementsprechend nicht einschränken. Im Common Law werden Einschränkungen des Schadensersatzanspruchs durch das Prinzip der comity diskutiert. Auch hier gilt grundsätzlich die Regel, dass eine ausländische Entscheidung nicht anerkannt werden darf, wenn sie einer Gerichtsstandsvereinbarung oder einer anderen Vereinbarung zur Alternative Dispute Resolution widerspricht.782 Darüber hinaus führen einige Autoren und vereinzelt auch die Rechtsprechung im Common Law das comity-Prinzip als Argument gegen den Schadensersatzanspruch an.783 Der US-amerikanische Supreme Court fasste das Prinzip folgendermaßen zusammen: „Comity is not just a vague political concern favouring international co-operation when it is in our interest to do so. Rather it is a principle under which judicial decisions reflect the systematic value of reciprocal tolerance 781  Vgl. RG, JW 1906, 167, 168; BGH, NJW 1999, 3198, 3199; KG, OLGZ 1976, 38, 39. 782  Siehe Sec. 32 des englischen Civil Jurisdiction and Judgments Act 1982: „A judgment given by a court of an overseas country in any proceedings shall not be recognised or enforced in the United Kingdom if (a) the bringing of those proceedings in that court was contrary to an agreement under which the dispute in question was to be settled otherwise than by proceedings in the courts of that country“. 783  OT Africa Line Ltd v. Magic Sportswear Corp. [2005] WL 1363971; Knight, JPIL 2008, S. 501, 512. Gegen Einschränkungen durch das comity-Prinzip: Union Discount v. Zoller [2002] 1 W.L.R. 1517, Rn. 22; Tan, Texas Int. Law Journal 2003, S.  623, 656 f.; Takahashi, YPIL 2008, S. 57, 78 ff.

224

3. Teil: Vertraglicher Schadensersatz

and goodwill“784. Das Prinzip der comity soll die Gerichte im Common Law dazu anhalten, ausländische Urteile nicht ausschließlich am Maßstab des eigenen Rechts zu beurteilen, sondern ihnen ein gewisses Grundvertrauen entgegen zu bringen.785 Dabei verpflichtet comity die Gerichte nicht dazu, ausländische Urteile in jedem Fall anzuerkennen. Es soll allerdings die Gerichte zur vertieften Auseinandersetzung mit der ausländischen Entscheidung im Einzelfall anhalten.786 Autoren aus dem Common Law vertreten teilweise die Auffassung, das comity-Prinzip stehe dem Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung entgegenstehen beziehungsweise schränke ihn ein. Wollte man den Schadensersatzanspruch anerkennen, könnten ausländische Gerichte dies als Arroganz gegenüber ihren Entscheidungen ansehen. Es könnte für ausländische Gerichte so aussehen, als würden sich die inländischen Gerichte zur Entscheidungsfindung für besser geeignet halten. Dies könnte insgesamt das Vertrauen von Konfliktparteien in die internationale Verfahrenskoordinierung mindern.787 Die im Rahmen der comity genannten Argumente sind nicht zu vernachlässigen und sind insbesondere bei der Frage des Schadensumfangs von Bedeutung.788 Für die Wahrnehmung des ausländischen Gerichts ist es ein großer Unterschied, ob der Schadensersatzanspruch dazu dient, sein Urteil aus der Welt zu schaffen, oder ob er seiner Funktion nach neben das Urteil tritt und etwa Prozesskostenerstattungsansprüche beinhaltet, die die Rechtsordnung des forum derogatum unter Umständen gar nicht kennt.789 Darüber hinaus lassen sich aus dem Prinzip der comity keine Einschränkungen des Schadensersatzanspruchs wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung ableiten.790 Auch im Common Law selbst sieht man comity als ein wenig konturenscharfes, geradezu elastisches Prinzip, aus dem sich keine zwingenden Rechtsfolgen ableiten lassen.791 Dementsprechend ergeben sich aus dem Prinzip der comity keine Regelungen, die den Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinba784  Société Nationale Industrielle Aérospatiale v. US District Court [1987] 482 US 522, 555 unter Bezugnahme auf Maier, Am. Journal of International Law 1982, S.  280, 281 ff. 785  Knight, JPIL 2008, S. 501, 512. 786  Sim, ICLQ 2013, S. 703, 710. 787  Knight, JPIL 2008, S. 501, 512. 788  Siehe zum Schadensumfang unter 3. Teil, B. V. 789  Union Discount v. Zoller [2002] 1 W.L.R. 1517, Rn. 22; Tan, Texas Int. Law Journal 2003, S. 623, 657. 790  So auch E. Pfeiffer, Forum derogatum, S. 465. 791  Union Discount v. Zoller [2002] 1 W.L.R. 1517, Rn. 22; Dicey & Morris, Conflicts of Laws, Bd. I, Rn. 1-010.



B. Internationale Gerichtsstandsvereinbarungen außerhalb der EuGVVO 225

rung beschränken könnten. Die englische Rechtsprechung hat teilweise explizit ausgeführt, dass der Schadensersatzanspruch das comity-Prinzip nicht beeinträchtige.792 Für das deutsche Recht ist das Konzept der comity ohnehin ohne Bedeutung. Es gibt keinen normativen Anknüpfungspunkt für derartige Überlegungen. Hier zeigt sich ein bedeutender Unterschied zwischen dem Recht der internationalen Zuständigkeit im Common Law und im kontinentaleuropäischen Rechtskreis. Im Common Law beruhen die internationale Zuständigkeit sowie Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Urteile außerhalb von Übereinkommen häufig auf einer an einzelfallbezogenen Gerechtigkeitserwägungen orientierten Prüfung. Im kontinentaleuropäischen Rechtskreis hingegen sehen die EuGVVO und die nationalen Vorschriften starre, von Anfang an feststehende gesetzliche Regelungen für Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung vor.793 Prinzipien wie comity dienen im Common Law dazu, das a priori weniger vorhersehbare Zuständigkeitsrecht zu präzisieren und handhabbar zu machen.794 Im kontinentaleuropäischen Rechtskreis sind solche Prinzipien nicht erforderlich, weil das Gesetz die Abwägung in generalisierender Form anstelle des Prinzips vornimmt. Für den hier interessierenden Zweck der Anerkennung ausländischer Entscheidungen gibt § 328 ZPO im deutschen Recht die Kriterien für die Anerkennung beziehungsweise die Anerkennungsverweigerung vor. Der Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung besteht im autonomen Recht unabhängig davon, ob sich das forum derogatum für zuständig oder für unzuständig erklärt hat. Das gilt auch für Gerichtsstandsvereinbarungen nach dem HGÜ, da in dessen Anwendungsbereich – anders als bei EuGVVO und LugÜ – das Vertrauensprinzip und die Rechtskraft der Entscheidung des forum derogatum den Schadensersatzanspruch nicht einschränken. 4. Zwischenergebnis Der Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung unterliegt im Anwendungsbereich des LugÜ denselben Einschränkungen wie im Anwendungsbereich der EuGVVO. Das Prinzip des gegenseitigen Vertrauens und die Entscheidung des EuGH zur 792  Union

Discount v. Zoller [2002] 1 W.L.R. 1517, Rn. 22. Bläsi, HGÜ, S. 11; Eichel, RIW 2009, S. 289, 292; von Mehren, IPRax 2000, S. 465, 466 f. 794  Vgl. Eichel, RIW 2009, S. 289, 292. 793  Vgl.

226

3. Teil: Vertraglicher Schadensersatz

Rechtskraft von Zuständigkeitsentscheidungen bei Gerichtsstandsvereinbarungen sind auf das LugÜ übertragbar. Der Schadensersatzanspruch im Anwendungsbereich des HGÜ ist nicht durch die Dogmatik des HGÜ eingeschränkt. Das Vertrauensprinzip gilt hier nicht. Vertragsstaatliche Gerichte sind nicht verpflichtet, die Entscheidung eines vertrags- oder drittstaatlichen forum derogatum anzuerkennen. Diese Entscheidung kann, wenn sie nicht anerkannt wird, nicht in Rechtskraft erwachsen und daher den Schadensersatzanspruch nicht einschränken. Der Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer dem HGÜ unterliegenden internationalen Gerichtsstandsvereinbarung besteht unabhängig davon, ob sich das derogierte Gericht für zuständig oder für unzuständig erklärt hat. Das Gleiche gilt für den Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung nach autonomem Recht. Das Urteil eines forum derogatum ist, jedenfalls wenn die Gerichtsstandsvereinbarung ein deutsches Gericht prorogiert, gem. § 328 Abs. 1 Nr. 1 ZPO nicht anzuerkennen. Da diese Vorschrift klare Kriterien zur Anerkennung vorgibt, sind weitere Einschränkungen – etwa durch das angelsächsische comity-Prinzip – nicht zu beachten.

IV. Pflichtverletzung Die Klage vor einem forum derogatum stellt eine Pflichtverletzung dar, wenn die Parteien der Gerichtsstandsvereinbarung verpflichtende Wirkung beigemessen haben.795 Im Anwendungsbereich des LugÜ, des HGÜ und des autonomen Rechts kann es aus den gleichen Gründen zur abredewidrigen Klage kommen wie im Anwendungsbereich der EuGVVO: Klagen entgegen einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung erfolgen entweder aus opportunistischen Motiven796 oder versehentlich.797 Auch bei Gerichtsstandsvereinbarungen außerhalb der EuGVVO stellt sich die Frage, ob Prozessaufrechnung und Widerklage eine Pflichtverletzung begründen. 1. Prozessaufrechnung und Widerklage Bei Prozessaufrechnung und Widerklage im Anwendungsbereich des LugÜ sind im Wesentlichen die Erkenntnisse zur EuGVVO heranzuziehen. Zur Prozessaufrechnung findet sich im LugÜ ebenso wenig eine Vorschrift wie in 795  Vgl.

3. Teil, A. III. 3. Teil, A. III. 1. 797  Vgl. 3. Teil, A. III. 1. a). 796  Vgl.



B. Internationale Gerichtsstandsvereinbarungen außerhalb der EuGVVO 227

der EuGVVO. Aufgrund von Art. 1 Abs. 1 des Protokolls Nr. 2 zum LugÜ ist die EuGH-Rechtsprechung zur Aufrechnung798 auf das LugÜ zu übertragen. Demnach sind Prozessaufrechnungen nach dem LugÜ grundsätzlich zulässig, auch wenn für die Forderung eine Gerichtsstandsvereinbarung besteht. Eine Pflichtverletzung scheidet daher im Grundsatz aus. Etwas anderes gilt hingegen, wenn die Parteien das Verbot, vor einem derogierten Gericht aufzurechnen, ausdrücklich stipuliert haben oder dies der Auslegung der Gerichtsstandsvereinbarung zu entnehmen ist.799 Die LugÜ-Vorschrift zur Widerklage, Art. 6 Nr. 3 LugÜ, entspricht Art. 8 Nr. 3 EuGVVO, sodass beide Vorschriften parallel auszulegen sind.800 Widerklagen nach Art. 6 Nr. 3 LugÜ darf der Widerkläger – vorbehaltlich einer rügelosen Einlassung – nur am prorogierten Gericht erheben, wenn der mit der Widerklage geltend gemachte Anspruch von der Gerichtsstandsvereinbarung umfasst ist.801 Die Widerklage vor einem derogierten Gericht begründet demnach eine Pflichtverletzung. Das HGÜ trifft keine Regelungen darüber, ob sich Gerichtsstandsvereinbarungen nach dem HGÜ auch auf Aufrechnung und Widerklage erstrecken. Da das HGÜ ein „Minimalkonsens“ ist und nur das widergibt, worauf sich die Vertragsstaaten einigen konnten802, ist im Grundsatz davon auszugehen, dass im HGÜ nicht geregelte Fragestellungen von diesem auch nicht erfasst sein sollen. Das gilt jedenfalls für die Aufrechnung, die thematisch in einem Abkommen über Gerichtsstandsvereinbarungen ohnehin eher fernliegt. Bezüglich der Aufrechnung ist auf das autonome Recht zu verweisen.803 Die Widerklage hingegen ist im Gegensatz zur Aufrechnung eine echte Klage.804 Das spricht dafür, eine Widerklage dem HGÜ zu unterstellen, wenn für die mittels der Widerklage geltend gemachte Forderung eine dem HGÜ unterfal798  EuGH,

13.07.1995, RS. C-341/93, Danvaern, Rn. 11 ff., NJW 1996, 42, 43. zum LugÜ: Berger, in: Oetiker/Weibel, LugÜ, Art. 23, Rn. 64–66; Kilias, in: Dasser/Oberhammer, aLugÜ, Art. 23, Rn. 162 ff. 800  Siehe 3. Teil, A. III. 1. b). 801  Speziell zum LugÜ: Berger, in: Oetiker/Weibel, LugÜ, Art. 23, Rn. 67; Kilias, in: Dasser/Oberhammer, aLugÜ, Art. 23, Rn. 157 ff. Im Übrigen siehe 3. Teil, A. III. 1. b). 802  Coester-Waltjen, in: FS Heldrich, S. 549, 554 f.; Huber/Antomo, Nihon University Comparative Law, S. 123 f.; Kruger, ICLQ 2006, S. 447; Luginbühl/Wollgast, GRUR Int. 2006, S. 208, 209; Nanda, Texas Int. Law Journal 2007, S. 773, 776; Rühl, IPRax 2005, S. 410. 803  Da hier die prozessuale Seite der Aufrechnung betroffen ist, gelangt regelmäßig die lex fori zur Anwendung. Bläsi, HGÜ, S. 49 ff. sieht Aufrechnungen im Einzelfall – je nach Auslegung – als vom HGÜ erfasst an. Regelmäßig sei dies allerdings nicht der Fall. 804  Allg. Meinung, siehe nur Hüßtege, in: Thomas/Putzo, ZPO, § 33, Rn. 8. 799  Speziell

228

3. Teil: Vertraglicher Schadensersatz

lende Gerichtsstandsvereinbarung besteht.805 Dieses Ergebnis stimmt auch regelmäßig mit dem Parteiwillen überein. Durch die Gerichtsstandsvereinbarung möchten die Parteien typischerweise eine Konzentration sämtlicher Ansprüche vor dem prorogierten Gericht bewirken, egal ob die Ansprüche durch eine Klage oder eine Widerklage geltend gemacht werden.806 Daher begründet die Widerklage vor einem derogierten Gericht entgegen einer dem HGÜ unterfallenden Gerichtsstandsvereinbarung – vorbehaltlich einer rügelosen Einlassung – eine Pflichtverletzung. Im autonomen deutschen Recht ist es umstritten, ob der Beklagte mit einer von einer Gerichtsstandsvereinbarung umfassten Forderung nur vor dem prorogierten Gericht aufrechnen darf. Eine verbreitete Auffassung, die die traditionelle Rechtsprechung des BGH einschließt, bejaht dies.807 Die Vertreter dieser Auffassung stützen sich auf § 322 Abs. 2 ZPO sowie auf ein allgemeines Argument bei Gerichtsstandsvereinbarungen: Wenn die Parteien eine Gerichtsstandsvereinbarung geschlossen haben, widerspreche es ihrem erklärten Willen, von der Gerichtsstandsvereinbarung erfasste Forderungen an einem anderen als dem prorogierten Gericht zu verhandeln.808 Diese Auffassung kann nicht überzeugen.809 Es gibt keinen Grund dafür, im autonomen Recht anders zu entscheiden als im Anwendungsbereich der EuGVVO. Wenn es dem Kläger im Anwendungsbereich der EuGVVO zuzumuten ist, sich mit der zur Aufrechnung gestellten Gegenforderung vor dem nicht prorogierten, aber von ihm angerufenen Gericht auseinanderzusetzen, sollte dies auch im autonomen Recht gelten. Es wäre ein sachlich kaum zu begründender Wertungswiderspruch, wenn man – obwohl EuGVVO und ZPO die Frage jeweils nicht regeln – bei beiden Regelungsregimen verschieden entscheiden würde.810 Etwas anderes gilt selbstverständlich, wenn die Gerichtsstandsvereinbarung sich evident auch auf die Aufrechnungsforderung bezieht, etwa weil die Parteien dies ausdrücklich stipulierten.811 805  So auch Bläsi, HGÜ, S. 46. Auch Hartley/Dogauchi, Bericht HGÜ, Rn. 78 („Widerklage auf Widerruf“) setzen implizit voraus, dass Widerklagen in den Anwendungsbereich des HGÜ fallen können. 806  Bläsi, HGÜ, S. 46. 807  BGH, NJW 1973, 421 f.; 1993, 1399; 1993, 2753, 2755; OLG Celle, BeckRS 1998, 13414; LG Frankfurt a. M., NJW-RR 1994, 1264, 1265; LG Berlin, IPRax 1998, 97, 100; Bork, in: FS Beys, S. 119, 127 f.; Patzina, in: MüKo-ZPO, § 38, Rn. 45; Reichold, in: Thomas/Putzo, ZPO, § 145, Rn. 23; Stadler, in: Musielak, ZPO, § 145, Rn. 33; Wendtland, in: Vorwerk/Wolf, ZPO, § 145, Rn. 31; Wöstmann, in: ­Saenger, ZPO, § 145, Rn. 16. 808  BGH, NJW 1973, 421, 422; Patzina, in: MüKo-ZPO, § 38, Rn. 45. 809  So auch Leipold, in: Stein/Jonas, ZPO, § 145, Rn. 45; Kannengießer, Aufrechnung, S.  186 ff.; Piepenbrock, RIW 2000, S. 751, 755. 810  Leipold, in: Stein/Jonas, ZPO, § 145, Rn. 45. 811  Siehe 3. Teil, A. III. 1. b).



B. Internationale Gerichtsstandsvereinbarungen außerhalb der EuGVVO 229

Die gegenteilige Auffassung lässt sich auch nicht mit § 322 Abs. 2 ZPO begründen.812 Zwar ergeht nach dieser Vorschrift über die Gegenforderung eine in gewissem Umfang der Rechtskraft fähige Entscheidung. Allerdings ist zu beachten, dass die Vorschrift in Abs. 1 und Abs. 2 strikt zwischen Klage und Aufrechnung unterscheidet. Der Gesetzgeber hält offensichtlich die Klage und die Aufrechnung für derart wesensverschieden, dass er in zwei getrennten Absätzen verschiedene Regeln für beide aufstellt. Sähe der Gesetzgeber die Aufrechnung als eine Klageart an, wäre eine solche Aufteilung nicht nötig gewesen.813 Ferner unterstreicht die Vorschrift, wie wenig selbständig die Gegenforderung ist. Nach § 322 Abs. 2 ZPO erwächst nur die Entscheidung in Rechtskraft, dass die Gegenforderung nicht besteht. Den hier interessierenden Fall, dass die Gegenforderung besteht, erfasst § 322 Abs. 2 ZPO aber nur in dem Umfang, in dem die Hauptforderung besteht. Es ergeht also keine eigenständige rechtskräftige Entscheidung über die bestehende Gegenforderung.814 Aus einer Vorschrift mit einem so eng umgrenzten Anwendungsbereich815 lässt sich nicht das Erfordernis der internationalen Zuständigkeit ableiten.816 Daher begründet nach überzeugender Ansicht die Aufrechnung entgegen einer die Gegenforderung umfassenden Gerichtsstandsvereinba­rung im deutschen Recht keine Pflichtverletzung. Das gilt auch im Anwendungsbereich des HGÜ, sofern auf diese im HGÜ nicht geregelte Frage deutsches Recht anwendbar ist. Da es sich bei der Widerklage um eine echte Klage handelt817, können die Parteien hierfür bestimmte Gerichte per Gerichtsstandsvereinbarung prooder derogieren.818 Es sind allerdings relativ strenge Anforderungen an die Derogation von Widerklagegerichtsständen zu stellen.819 Es ist im Einzelfall durch Auslegung der Gerichtsstandsvereinbarung zu ermitteln, ob diese sich aber G. Wagner, in: MüKo-ZPO, § 145, Rn. 38. im Ergebnis auch Leipold, in: Stein/Jonas, ZPO, § 145, Rn. 49. 814  Vgl. Kannengießer, Aufrechnung, S.  187 f. 815  Reichold, in: Thomas/Putzo, ZPO, § 322, Rn. 44. 816  Vgl. Leipold, in: Stein/Jonas, ZPO, § 145, Rn. 49; Kannengießer, Aufrechnung, S.  187 f. 817  Allg. Meinung, siehe nur Hüßtege, in: Thomas/Putzo, ZPO, § 33, Rn. 8. 818  Bendtsen, in: Saenger, ZPO, § 33, Rn. 6; Heinrich, in: Musielak, ZPO, § 33, Rn. 26, 29; Hüßtege, in: Thomas/Putzo, ZPO, § 33, Rn. 3; Patzina, in: MüKo-ZPO, § 33, Rn. 35; Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, § 33, Rn. 6; Vollkommer, in: Zöller, ZPO, § 33, Rn. 2, 30. 819  BGH, NJW 1983, 1266, 1267; Heinrich, in: Musielak, ZPO, § 33, Rn. 29; Patzina, in: MüKo-ZPO, § 33, Rn. 35; Smid/Hartmann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 38, Rn. 133 ff.; Vollkommer, in: Zöller, ZPO, § 33, Rn. 30. 812  So 813  So

230

3. Teil: Vertraglicher Schadensersatz

auch auf die Widerklagezuständigkeit erstrecken soll.820 Die Widerklage steht, wie man etwa dem Umstand entnehmen kann, dass es eine eigene Widerklagezuständigkeit nur bei Konnexität gibt (§ 33 Abs. 1 ZPO), zwischen den Angriffs- und den Verteidigungsmitteln. Da Parteien, wenn sie eine Gerichtsstandsvereinbarung treffen, typischerweise Klagen und nicht die Verteidigung vor einem forum derogatum ausschließen wollen, ist im Einzelfall zu begründen, ob die Gerichtsstandsvereinbarung auch die Widerklage umfasst oder nicht.821 Sofern sich die Gerichtsstandsvereinbarung allerdings auf die Widerklage erstreckt, begründet die Widerklage entgegen einer die Widerklageforderung umfassenden Gerichtsstandsvereinbarung auch im Anwendungsbereich des autonomen deutschen Rechts eine Pflichtverletzung. Abschließend ist festzuhalten, dass abredewidrige Klagen im Anwendungsbereich des LugÜ, des HGÜ und des autonomen Rechts unter den gleichen Voraussetzungen eine Pflichtverletzung begründen wie im Anwendungsbereich der EuGVVO. Im Anwendungsbereich des LugÜ begründet die Aufrechnung mit einer Forderung, für die eine Gerichtsstandsvereinbarung besteht, keine Pflichtverletzung. Das Gleiche gilt nach überzeugender Auffassung auch im autonomen deutschen Recht. Das HGÜ erfasst Aufrechnungen nicht und überlässt sie dem autonomen Recht der Vertragsstaaten. Die Widerklage entgegen einer Gerichtsstandsvereinbarung ist nach dem LugÜ, dem HGÜ und dem autonomen deutschen Recht eine Pflichtverletzung. 2. Das Verhalten des forum derogatum Bereits im Anwendungsbereich der EuGVVO erhöhen verschiedene Gerichtssysteme, Rechtstraditionen und Schwachstellen der EuGVVO selbst das Risiko, dass sich ein forum derogatum entgegen einer Gerichtsstandsvereinbarung für zuständig erklärt.822 Dieses Phänomen ist außerhalb der EuGVVO umso ausgeprägter, als insbesondere das HGÜ weniger umfassende Regelungen enthält als die EuGVVO. Außerhalb vereinheitlichender Abkommen schließlich sind Klagen entgegen einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung noch leichter möglich. Divergierende Zuständigkeitssysteme begünstigen hier abredewidrige Klagen. Es ist zu untersuchen, wo Schwachstellen im LugÜ und HGÜ abredewidrige Klagen ermöglichen und in welchen Fällen dieses Risiko außerhalb von Abkommen besteht. Beim LugÜ ist insbesondere zu prüfen, welche Gefahren für die Effektivität von Gerichtsstandsvereinbarungen dadurch drohen, dass 820  Heinrich, in: Musielak, ZPO, § 33, Rn. 29; Patzina, in: MüKo-ZPO, § 33, Rn. 35; Vollkommer, in: Zöller, ZPO, § 33, Rn. 30. 821  Vgl. Patzina, in: MüKo-ZPO, § 33, Rn. 35. 822  Siehe 3. Teil, A. III. 1.



B. Internationale Gerichtsstandsvereinbarungen außerhalb der EuGVVO 231

das LugÜ noch nicht die Änderungen durch die EuGVVO-Novelle, insbesondere Art. 31 Abs. 2 und Art. 25 Abs. 1 Satz 1 HS 2 EuGVVO, übernommen hat. Diesbezüglich ist auch zu prüfen, ob die Änderungen der EuGVVO bei der Auslegung des LugÜ bereits dogmatisch vertretbar berücksichtigt werden können. Für das autonome Recht und das HGÜ ist insbesondere das US-amerikanische Recht in den Blick zu nehmen. Der Justizkonflikt mit den USA ist aufgrund des divergierenden Stellenwerts von Gerichtsstandsvereinbarungen sowie bestimmter Phänomene des materiellen und Prozessrechts in den USA (insbesondere Geschworenenverfahren, pre-trial discovery, punitive damages und American Rule) ein viel diskutierter Anwendungsfall für den Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung. Hier ist zu untersuchen, welche Gefahren für Gerichtsstandsvereinbarungen derzeit, also bevor die USA das HGÜ ratifiziert haben, bestehen und in welchem Umfang das HGÜ Abhilfe leisten kann, sobald es auch für die USA gilt. a) LugÜ Das LugÜ ist auf dem Stand der EuGVVO vor der 2015 in Kraft getretenen Novellierung.823 Daher finden sich im LugÜ noch nicht die beiden für Gerichtsstandsvereinbarungen bedeutsamen Änderungen durch die EuGVVO-Novelle, nämlich Art. 31 Abs. 2 und Art. 25 Abs. 1 Satz 1 HS 2 EuGVVO. Art. 27 Abs. 1 LugÜ sieht nach wie vor das im Rahmen von Art. 27 Abs. 1 EuGVVO a.  F. umstrittene strikte Prioritätsprinzip vor. Hiernach müsste im Anwendungsbereich des LugÜ auch bei Gerichtsstandsvereinbarungen das zeitlich als zweites wegen desselben Anspruchs angerufene Gericht das Verfahren solange aussetzen, bis die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts feststeht. Daher sind Torpedoklagen im Anwendungsbereich des LugÜ weiter möglich.824 Zwar sind die LugÜ-Vertragsstaaten nicht für die besondere Langsamkeit ihrer Gerichte bekannt. Das LugÜ findet aber auch bei abredewidrigen (Torpedo-)Klagen in EU-Mitgliedstaaten, etwa in Italien, Anwendung, wenn der Beklagte seinen Wohnsitz in einem LugÜVertragsstaat hat oder die Parteien ein Gericht oder die Gerichte eines LugÜVertragsstaats prorogiert haben.825 823  Dörner, in: Saenger, ZPO, vor EuGVVO, Rn. 14; Mankowski, in: Rauscher, EuZPR, Art 25 EuGVVO, Rn. 280. 824  Kilias, in: Dasser/Oberhammer, LugÜ, Art. 23, Rn. 154. Zu Torpedoklagen unter Art. 27 Abs. 1 EuGVVO a. F. siehe 3. Teil, A. III. 1. a). 825  Siehe 3. Teil, B. I. 1. Zum konkreten Beispiel siehe Hartley, LQR 2013, S. 309, 313.

232

3. Teil: Vertraglicher Schadensersatz

Aufgrund dieser Risiken stellt sich die Frage, ob Abweichungen vom unter der EuGVVO a. F. vielfach kritisierten und in der EuGVVO n. F. – wenn auch nicht mit vollem Erfolg826 – modifizierten Prioritätsprinzip nach Art. 27 Abs. 1 LugÜ möglich sind. Dies würde das Risiko von Torpedoklagen unter dem LugÜ deutlich senken. Anknüpfungspunkt für die Übertragung der durch die EuGVVO-Novelle eingeführten Regelungen auf das LugÜ ist Art. 1 Abs. 1 des Protokolls Nr. 2 zum LugÜ. Nach dieser Vorschrift haben alle vertragsstaatlichen Gerichte die parallele Auslegung des LugÜ und der EuGVVO zu beachten und dabei den Entscheidungen insbesondere des EuGH „gebührend Rechnung“ zu tragen. Nach den im Jenard / Möller-Bericht zum LugÜ 1988 niedergelegten Grundsätzen ist davon auszugehen, dass die LugÜ-Vertragsstaaten die Vorschriften im LugÜ immer dann identisch zu denen der EuGVVO ausgestalteten, wenn sie eine parallele Auslegung von EuGVVO und LugÜ bezweckten.827 Demnach ist grundsätzlich die Gasser-Rechtsprechung des EuGH zum strikten Prioritätsprinzip in Art. 27 Abs. 1 EuGVVO a. F. auf den beinahe gleichlautenden Art. 27 Abs. 1 LugÜ zu übertragen.828 Zu einem anderen Ergebnis kommt man jedoch, wenn man berücksichtigt, dass Art. 27 Abs. 1 EuGVVO a. F. in dieser Form nicht mehr existiert und seine Nachfolgevorschrift Art. 29 Abs. 1 EuGVVO durch Art. 31 Abs. 2 EuGVVO für Gerichtsstandsvereinbarungen eine bedeutende Änderung erfahren hat. Art. 1 Abs. 1 des Protokolls Nr. 2 zum LugÜ sieht für die LugÜ-Vertragsstaaten keine strenge Bindung an die Rechtsprechung des EuGH vor, so wie es für die EU-Mitgliedstaaten der Fall ist.829 Die LugÜ-Vertragsstaaten müssen sich mit der Rechtsprechung des EuGH auseinandersetzen, dürfen aber bei entsprechender Begründung von ihr abweichen.830 Mit der Begründung, dass Art. 31 Abs. 2 EuGVVO n. F. nunmehr bei Gerichtsstandsvereinbarungen eine Durchbrechung des strikten Prioritätsprinzips zulässt, kann ein LugÜ-vertragsstaatliches Gericht von der GasserRechtsprechung des EuGH abweichen.831 Ob dies den vertragsstaatlichen Gerichten schon vor der EuGVVO-Novelle möglich gewesen wäre,832 kann 826  Siehe

3. Teil, A. III. 1. a). Bericht LugÜ, Rn. 112. Siehe 3. Teil, B. III. 1. 828  EuGH, 09.12.2003, RS. C-116/02, Gasser, Rn. 54, EuZW 2004, 188, 191. 829  Hartley, LQR 2013, S. 309, 314; Heerstrassen, RIW 1993, S. 179, 182; Hausmann, in: Simons/Hausmann, Brüssel I, Einl., Rn. 88; Staudinger, in: Rauscher, EuZPR, 3. Aufl. (2011), Einl. LugÜ, Rn. 18; Oetiker/Weibel, in: Oetiker/Weibel, ­ LugÜ, Einl., Rn. 58 ff. 830  Siehe im Einzelnen 3. Teil, B. III. 1. 831  Hartley, LQR 2013, S. 309, 313 f.; Mankowski, in: Rauscher, EuZPR, Art. 31 EuGVVO, Rn. 20. 832  So Hartley, LQR 2013, S. 309, 313. 827  Jenard/Möller,



B. Internationale Gerichtsstandsvereinbarungen außerhalb der EuGVVO 233

dahinstehen. Jedenfalls nach der Novelle ist dies zulässig. Durch eine von der Gasser-Rechtsprechung abweichende und an Art. 31 Abs. 2 EuGVVO angelehnte Handhabung von Art. 27 Abs. 1 LugÜ lässt sich sogar die Parallelität zwischen LugÜ und EuGVVO wiederherstellen.833 Eine entsprechende Verpflichtung der vertragsstaatlichen Gerichte, Art. 27 Abs. 1 LugÜ unter Berücksichtigung von Art. 31 Abs. 2 EuGVVO auszulegen, besteht jedoch nicht. Die vertragsstaatlichen Gerichte können sowohl das strikte Prioritätsprinzip anwenden, als auch bei entsprechender Begründung und Würdigung der EuGH-Rechtsprechung das Prioritätsprinzip nach Maßgabe von 31 Abs. 2 EuGVVO durchbrechen.834 In Hinblick auf die Effektivität von Gerichtsstandsvereinbarungen ist dieses Ergebnis insofern begrüßenswert, als es den vertragsstaatlichen Gerichten ermöglicht, vom strikten Prioritätsprinzip in Art. 27 Abs. 1 LugÜ abzuweichen. Es wäre also für das prorogierte Gericht im Anwendungsbereich des LugÜ zulässig, sich auch dann für zuständig zu erklären, wenn es als zweites angerufen wurde und das zuerst angerufene Gericht noch nicht über seine Zuständigkeit entschieden hat. Bei einer Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten der Gerichte in Zürich wäre es zum Beispiel möglich, auch nach einer (zeitlich früheren) negativen Feststellungsklage in Rimini (zeitlich später) unter Vorlage der Gerichtsstandsvereinbarung in Zürich Leistungsklage zu erheben. Jedenfalls vor einer Zuständigkeitsentscheidung des Gerichts in Rimini könnte das Gericht in Zürich über die Leistungsklage entscheiden. Da der am prorogierten Gericht Klagende hierauf aber – anders als bei Art. 31 Abs. 2 EuGVVO – keinen Anspruch hat, besteht für ihn weiterhin erhebliche Rechtsunsicherheit. Das Risiko von abredewidrigen Klagen beziehungsweise Torpedoklagen besteht im Anwendungsbereich des LugÜ weiterhin und ist größer als im Anwendungsbereich der EuGVVO. Das LugÜ hat keine Art. 25 Abs. 1 Satz 1 HS 2 EuGVVO entsprechende kollisionsrechtliche Verweisungsnorm. Es beantwortet nicht ausdrücklich die Frage, welches Recht auf Fragen der materiellen Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung anzuwenden ist. Ob eine Einigung zum Abschluss einer Gerichtsstandsvereinbarung nach Art. 23 LugÜ besteht, ist abkommensautonom zu bestimmen.835 Bei nicht autonom zu bestimmenden Fragen der materiellen Wirksamkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen herrscht kein Einverneh833  Mankowski,

in: Rauscher, EuZPR, Art. 31 EuGVVO, Rn. 20. Hartley, LQR 2013, S. 309, 313. 835  BGE 131 III, 398, 400; Berger, in: Oetiker/Weibel, LugÜ, Art. 23, Rn. 27; vgl. EuGH, 10.03.1992, RS. C-214/89, Duffryn plc/Petereit, Rn. 21, NJW 1992, 1671, 1672; Hausmann, in: Simons/Hausmann, Brüssel I, Art. 23 EuGVVO a. F., Rn. 50. 834  Vgl.

234

3. Teil: Vertraglicher Schadensersatz

men darüber, welches Recht anzuwenden ist.836 Dies erhöht die Gefahr, dass Gerichtsstandsvereinbarungen „hinken“, also in einem Vertragsstaat wirksam und in einem anderen unwirksam sind, und beflügelt abredewidrige Klagen.837 Auch hier ist es den Gerichten eines LugÜ-Vertragsstaats bei nicht autonom zu qualifizierenden Fragen nicht verwehrt, in entsprechender Anwendung von Art. 25 Abs. 1 Satz 1 HS 2 EuGVVO auf die lex fori prorogati abzustellen. Die Parteien einer Gerichtsstandsvereinbarung haben hierauf jedoch keinen Anspruch. Das Risiko, dass sich ein vertragsstaatliches forum derogatum über eine Gerichtsstandsvereinbarung hinwegsetzt, weil es diese nach den Regeln einer fälschlicherweise angewendeten Rechtsordnung für unwirksam hält, besteht also nach wie vor im Anwendungsbereich des LugÜ. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass es den vertragsstaatlichen Gerichten methodisch möglich ist, die Änderungen durch die EuGVVO-Novelle im Rahmen des LugÜ zu berücksichtigen. Das prorogierte Gericht kann sich trotz Art. 27 Abs. 1 LugÜ für zuständig erklären, auch wenn es als zweites angerufen wurde. Auf nicht abkommensautonom zu qualifizierenden Fragen der materiellen Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung können vertragsstaatliche Gerichte die lex fori prorogati anwenden. Zu beidem sind sie jedoch nicht verpflichtet, was die Effektivität von Gerichtsstandsvereinbarungen nach Art. 23 LugÜ deutlich einschränkt. Torpedoklagen und andere abredewidrige Klagen sind im Anwendungsbereich des LugÜ nach wie vor eine reale Gefahr. Umso wichtiger ist im Anwendungsbereich des LugÜ der Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung, weil er mit seiner Abschreckungsfunktion abredewidrigen Klagen entgegenwirken und mit seiner Restitutionsfunktion erlittene Schäden kompensieren kann. b) Außerhalb von Abkommen Um zu verstehen, in welchem Umfang das HGÜ abredewidrige Klagen verhindern kann, muss man sich zunächst die Situation außerhalb von Abkommen mit Regelungen über internationale Gerichtsstandsvereinbarungen vor Augen führen. Deutschland beziehungsweise die EU hat mit der überwiegenden Anzahl außereuropäischer Staaten keine Abkommen zu Gerichtsstandsvereinbarungen geschlossen. Insbesondere im Verhältnis zu den USA gilt derzeit kein Abkommen, da diese das HGÜ bisher nicht ratifiziert haben. Wenn eine Partei vor einem forum derogatum in einem Staat klagt, in dem EuGVVO, LugÜ und HGÜ keine Anwendung finden, kann sich der abrede836  Siehe 837  Siehe

3. Teil, B. II. 1. 3. Teil, A. III. 1. b).



B. Internationale Gerichtsstandsvereinbarungen außerhalb der EuGVVO 235

widrig Verklagte ausschließlich auf die lex fori derogati verlassen. Wenn der abredewidrig Verklagte die Zuständigkeit des forum derogatum rügen möchte, hängt der Erfolg seiner Rüge maßgeblich davon ab, ob die Gerichtsstandsvereinbarung nach der lex fori derogati wirksam ist. Es gibt viele Gründe, warum das derogierte Gericht die Gerichtsstandsvereinbarung für unwirksam halten kann, obwohl sie nach der lex fori prorogati wirksam ist. Zunächst gibt es Rechtsordnungen, die Gerichtsstandsvereinbarungen – jedenfalls unter bestimmten Voraussetzungen – als grundsätzlich unwirksam erachten. Die arabischen Staaten sehen etwa traditionell Gerichtsstandsvereinbarungen als unwirksam an, wenn jene die Zuständigkeit eines inländischen, nach der lex fori zuständigen Gerichts ausschließen.838 Während nur wenige Rechtsordnungen Gerichtsstandsvereinbarungen per se als unwirksam erachten, sind die zwischen Rechtsordnungen divergierenden Anforderungen an Gerichtsstandsvereinbarungen eine verbreitete Ursache dafür, dass Gerichtsstandsvereinbarungen nicht beachtet werden. Häufig nimmt eine Rechtsordnung etwa bestimmte Personengruppen von Gerichtsstandsvereinbarungen aus, stellt die Anerkennung der Gerichtsstandsvereinbarung ins Ermessen des (derogierten) Gerichts oder stellt spezielle Anforderungen an die Einigung der Parteien.839 Für den ersten Fall lassen sich Beispiele aus der Asienkrise 1997 / 1998 finden: Infolge dieser Krise brachen manche asiatischen Parteien, die mit westlichen Parteien Gerichtsstandsvereinbarungen zugunsten westlicher Staaten geschlossen hatten, diese Gerichtsstandsvereinbarungen und klagten vor ihrem Heimatgericht. In einer Vielzahl von Fällen hielt das Heimatgericht die Gerichtsstandsvereinbarung wegen fehlender Geschäftserfahrung der inländischen Partei für unwirksam, auch wenn diese Kaufmann war.840 Ermessen bei der Anerkennung von Gerichtsstandsvereinbarungen sehen etwa die USamerikanischen Rechtsordnungen vor.841 Wann eine Einigung zwischen den Parteien über den Abschluss einer Gerichtsstandsvereinbarung besteht, beurteilt jede Rechtsordnung nach ihrem materiellen Recht verschieden.842 Daher 838  Lenenbach, Loyola L.A. ICLR 1998, S. 257, 285; Krüger, RIW 1979, S. 737, 740. Aktuell zur vergleichbaren Situation bei Schiedsvereinbarungen vor saudi-arabischen Gerichten siehe Opalko, Int. Gerichtsstandsvereinbarungen, S. 57. 839  Vgl. Gottwald, in: FS Henckel, S. 295. 840  Dutson, Arbitration International 2000, S. 89, 90. Hintergrund dieser abredewidrigen Klagen war, dass Verbindlichkeiten, die in westlichen Währungen zu leisten waren, für die asiatischen Parteien durch den Verfall ihrer Währung exorbitant teuer geworden waren und sie dieser Zahlungspflicht entgegen wollten. 841  Dazu sogleich unter 3. Teil, B. IV. 2. c). 842  Vergleiche hierzu nur die Schwierigkeiten der verordnungsautonomen Qualifikation in Art. 25 EuGVVO, die mitgliedstaatliche Gerichte häufig nicht beachten: T. Pfeiffer, in: Hess/T. Pfeiffer/Schlosser, Heidelberg-Bericht, Rn. 376.

236

3. Teil: Vertraglicher Schadensersatz

liegt es auf der Hand, dass ein derogiertes Gericht nach seinem Recht leicht zu einem anderen Ergebnis bezüglich der Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung kommen kann als das prorogierte Gericht. c) Abredewidrige Klagen in den USA nach derzeitigem Recht Aufgrund ihrer Bedeutung für den Handels- und Wirtschaftsverkehr ist die abredewidrige Klage in den USA das Paradebeispiel dafür, wie zwischen verschiedenen Staaten divergierende Anforderungen an Gerichtsstandsvereinbarungen einerseits und das gerichtlichen Ermessen hinsichtlich der Annahme von Gerichtsstandsvereinbarungen andererseits abredewidrigen Klagen zum Erfolg verhelfen. Zunächst ist zu prüfen, wieso es derzeit – im Anwendungsbereich der autonomen US-amerikanischen Rechtsordnungen – zu abredewidrigen Klagen in den USA kommt und warum diese mitunter erfolgreich sind. Auf diese Weise ist zu eruieren, welche Reichweite der Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung bei abredewidrigen Klagen in den USA derzeit besitzt. Dieses Ergebnis ist später mit dem HGÜ zu vergleichen, um zu untersuchen, in welchem Umfang es das Risiko abredewidriger Klagen in den USA verringern kann und welche Aufgabe dem Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung nach der Ratifikation des HGÜ zukommt. Die Schwierigkeit bei internationalen Gerichtsstandsvereinbarungen in den USA ist, dass US-amerikanische Gerichte Gerichtsstandsvereinbarungen leichter für unwirksam halten als europäische Gerichte. Wenn ein derogiertes US-Gericht die Gerichtsstandsvereinbarung für unwirksam hält, ist es regelmäßig international zuständig. Nach der Rechtsprechung des Supreme Court sind US-amerikanische Gerichte für Streitigkeiten mit ausländischen Unternehmen bereits zuständig, wenn minimum contacts zu den USA bestehen.843 Hierfür können neben dem Vertrieb von Produkten in den USA844 auch ein Vertrag mit einem US-Staatsangehörigen845 oder eine in den USA einsehbare Internetseite genügen846. 843  International

Shoe v. State of Washington [1945] 326 U.S. 310. v. American Radiator & Standard Sanitary Corp [1961] 22 Ill.2d 432, 176 N.E.2d 761; Peabody Holding Co., Inc. v. Costain Group PLC [1992] 808 F. Supp. 1425; May Department Stores Co. v. Wilansky [1995] 900 F.Supp. 1154, 1159 f. 845  McGee v. International Life Insurance Co. [1957] 355 U.S. 220. 846  Zippo Mfg. Co. v. Zippo Dot Com, Inc. [1997] 952 F. Supp. 1119; Twentieth Century Fox Film Corp. v. iCraveTV [2002] 53 U.S.P.Q.2d 1831; Boschetto v. Hansing [2008] 539 F.3d 1011; Attaway v. Omega, No. 11A01-0712-CV-608 (Ind. Ct. App. March 13, 2009). 844  Gray



B. Internationale Gerichtsstandsvereinbarungen außerhalb der EuGVVO 237

Die Gerichtsstandsvereinbarung hat eine belebte Geschichte in den USA. Die – soweit ersichtlich – älteste und vermutlich einflussreichste847 USamerikanische Entscheidung zu Gerichtsstandsvereinbarungen ist Nute v. Hamilton Mutual Insurance Co. von 1856.848 In einem Rechtsstreit zwischen Versicherung und Versichertem erhob der Versicherte entgegen einer in den Versicherungsbedingungen vorgesehenen Gerichtsstandsvereinbarung Klage an seinem Heimatgericht. Der Supreme Judicial Court of Massachusetts hob das klageabweisende erstinstanzliche Urteil mit der Begründung auf, die Gerichtsstandsvereinbarung sei unwirksam gewesen. Die Parteien könnten nur über Rechte (rights), nicht aber über Rechtsbehelfe (remedies) verfügen. Da die Gerichtsstandsvereinbarung (nach dem Recht von Massachusetts) ein remedy sei, sei sie mangels Dispositionsbefugnis unwirksam.849 Auch andere Gerichte in den USA sprachen sich in den folgenden Jahrzehnten gegen die Wirksamkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen aus. Diese Rechtsprechung galt allerdings stets nur für vor Entstehen der Streitigkeit abgeschlossene Gerichtsstandsvereinbarungen. Während manche Gerichte die Unterscheidung zwischen rights und remedies übernahmen850, begründeten andere ihre ablehnende Haltung zunehmend mit dem Argument des ousting of jurisdiction851 (sog. non-ouster doctrine). In dem Urteil Gaither v. Charlotte Motor Car Co. definierte der Supreme Court of North Carolina die so genannte non-ouster doctrine folgendermaßen: Dem Gericht würde „its jurisdiction of this particular action, its jurisdiction of a cause which it has the legal right to determine“ entzogen warden.852 Der Court of Appeal of New York beschrieb die Eingriffsmöglichkeiten des Gerichts bei ousting so-

847  Shantar,

Boston Univ. Law Review 2002, S. 1063, 1067. v. Hamilton Mutual Insurance Co. [1856] 72 Mass. (6 Gray) 174. 849  Nute v. Hamilton Mutual Insurance Co. [1856] 72 Mass. (6 Gray) 174, 180: „The court are of opinion that there is an obvious distinction between a stipulation by contract as to the time when a right of action shall accrue and when it shall cease, on the one hand; and as to the forum before which, and the proceedings by which an action shall be commenced and prosecuted. The one is a condition annexed to the acquisition and continuance of a legal right, and depends on contract and the acts of the parties; the other is a stipulation concerning the remedy, which is created and regulated by law“. 850  Eaton v. International Travelers’ Association of Dallas [1911] 136 S.W. 817, 818, das ausdrücklich die Nute-Rechtsprechung zitiert. 851  Insurance Co. v. Morse [1874] 20 Wall. 445, 451; Benson v. Eastern Building & Loan Association [1903] 174 N.Y. 83; Meachum v. Jamestown, Franklin, & Clearfield R.R. Co. [1914] 211 N.Y. 346, 354; Nashua River Paper Co. v. Hammermill Paper Co. [1916] 223 Mass. 8, 111 N.E. 678; Gaither v. Charlotte Motor Car Co. [1921] 182 N.C. 498, 500. 852  Gaither v. Charlotte Motor Car Co. [1921] 182 N.C. 498, 500. 848  Nute

238

3. Teil: Vertraglicher Schadensersatz

gar wie folgt: „If jurisdiction is to be ousted by contract, we must submit to the failure of justice that may result from these and like causes“853. Auch die Lehre vom forum non conveniens verhalf Gerichtsstandsvereinbarungen nicht zur Wirksamkeit. Diese Lehre gestattet es im Common Law einem angerufenen Gericht, sich zugunsten eines aufgrund bestimmter Gesichtspunkte (zum Beispiel: Belegenheit von Sachen oder Beweismitteln, Nationalität der Parteien, anwendbares Recht) sachnäheren Gerichts für unzuständig zu erklären.854 Sie gelangt nur in Ausnahmefällen zur Anwendung.855 Gerichtsstandsvereinbarungen begründeten zu Zeiten der non-ouster doctrine keinen Umstand von entsprechendem Gewicht, der es einem derogierten US-amerikanischen Gericht ermöglicht hätte, sich zugunsten des prorogierten Gerichts für unzuständig zu erklären.856 Die non-ouster doctrine wirkte sich auf zweifache Weise aus: Wenn eine US-amerikanische Partei, die eine ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten eines ausländischen Gerichts abgeschlossen hatte, abredewidrig in den USA Klage erhob, konnte die ausländische Partei die Unzuständigkeit des US-amerikanischen Gerichts nicht erfolgreich geltend machen. Daneben wurden aber auch die von einem ausländischen prorogierten Gericht erlassenen Urteile zulasten der US-amerikanischen Partei in den USA überwiegend nicht anerkannt und vollstreckt.857 Eine Gerichtsstandsvereinbarung mit einer US-amerikanischen Partei hatte demnach für diese praktisch keinerlei Verbindlichkeit. Erst 1972 änderte sich – motiviert durch die starke Zunahme internationaler Handelsverträge in den USA858 – die Rechtsprechung zu Gerichtsstandsvereinbarungen. In der Entscheidung The Bremen v. Zapata Off-Shore Company859 erklärte der Supreme Court eine Gerichtsstandsvereinbarung zwischen zwei Handelsparteien für wirksam. Aufgrund einer Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten der Gerichte von London hob der Supreme Court die Entscheidung eines abredewidrig angerufenen Gerichts aus Florida auf. Zur Begründung führte der Supreme Court die Bedeutung von Gerichtsstandsver853  Meachum

354.

v. Jamestown, Franklin, & Clearfield R.R. Co. [1914] 211 N.Y. 346,

854  Schack, US-Zivilprozessrecht, Rn. 83; Behrens, RabelsZ 1974, S. 590, 596 f.; vgl. Gulf Oil Corp. v. Gilbert [11974] 330 U.S. 501. Zur Verhältnis der Lehre vom forum non conveniens und der EuGVVO siehe Hartley, ICLQ 2005, S. 813, 824 ff. 855  Schack, US-Zivilprozessrecht, Rn. 85; Behrens, RabelsZ 1974, S. 590, 596 f. 856  Behrens, RabelsZ 1974, S. 590, 597. 857  Behrens, RabelsZ 1974, S. 590, 596. 858  Shantar, Boston Univ. Law Review 2002, S. 1063, 1071. 859  M/S Bremen and Unterweser Reederei, GmBH v. Zapata Offshore Company [1972] 407 US 1, 92 Sp.Ct. 1907, 1909.



B. Internationale Gerichtsstandsvereinbarungen außerhalb der EuGVVO 239

einbarungen für die Parteien an: „The clause was an effort to eliminate all uncertainty as to the nature, location, and outlook of the forum in which these companies of differing nationalities might find themselves“860. Seit der Bremen-Entscheidung des Supreme Court erkennen US-amerikanische Gerichte Gerichtsstandsvereinbarungen grundsätzlich an und zwar auch, wenn jene ausländische Gerichte prorogieren. Dennoch gibt es eine Vielzahl von Konstellationen, in denen US-amerikanische Gerichte Gerichtsstandsvereinbarungen unter den relativ unscharfen Ausnahmevorschriften als nicht wirksam erachten. Gerichtsstandsvereinbarungen unterliegen in den USA – wie in anderen Rechtsordnungen auch – Einschränkungen. Diese entstammen im Wesentlichen ebenfalls der Bremen-Entscheidung. Der Maßstab für die Wirksamkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung vor US-amerikanischen Gerichten ist, ob die Vereinbarung „reasonable“, „fair“ oder „convenient“ ist (sog. reasonableness doctrine).861 Darlegungs- und beweisbelastet für die reasonableness der Gerichtsstandsvereinbarung ist die Partei, die sich auf die Unwirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung beruft.862 Eine Voraussetzung der reasonableness doctrine ist, dass sich die Parteien „frei“ auf den Abschluss der Gerichtsstandsvereinbarung geeinigt haben müssen. Die Einigung ist „frei“, wenn sie ohne arglistige Täuschung, Betrug oder Ausnutzen wirtschaftlicher Überlegenheit zustande gekommen ist.863 Gerichtsstandsvereinbarungen sind nach der Rechtsprechung des Supreme Court ferner „unreasonable“, wenn sie der US-amerikanischen „public policy“ widersprechen.864 Schließlich entsprechen Gerichtsstandsvereinbarun860  M/S Bremen and Unterweser Reederei, GmBH v. Zapata Offshore Company [1972] 407 US 1, 92 Sp.Ct. 1907, 1920, Fn. 15. 861  M/S Bremen and Unterweser Reederei, GmBH v. Zapata Offshore Company [1972] 407 US 1, 92 Sp.Ct. 1907, 1916: „The correct approach would have been to enforce the forum clause specifically unless Zapata could clearly show that enforcement would be unreasonable and unjust, or that the clause was invalid for such reasons as fraud or overreaching“. 862  M/S Bremen and Unterweser Reederei, GmBH v. Zapata Offshore Company [1972] 407 US 1, 92 Sp.Ct. 1907, 1917: „It should be incumbent on the party seeking to escape his contract to show that trial in the contractual forum will be so gravely difficult and inconvenient that he will for all practical purposes be deprived of his day in court“. 863  M/S Bremen and Unterweser Reederei, GmBH v. Zapata Offshore Company [1972] 407 US 1, 92 Sp.Ct. 1907, 1914: „There are compelling reasons why a freely negotiated private international agreement, unaffected by fraud, undue influence, or overweening bargaining power […] should be given full effect“. 864  M/S Bremen and Unterweser Reederei, GmBH v. Zapata Offshore Company [1972] 407 US 1, 92 Sp.Ct. 1907, 1916: „A contractual choice-of-forum clause should be held unenforceable if enforcement would contravene a strong public policy of the forum in which suit is brought“.

240

3. Teil: Vertraglicher Schadensersatz

gen nicht der reasonableness doctrine, wenn das ausländische prorogierte Gericht seine Zuständigkeit nicht wahrnimmt865 oder zu befürchten ist, dass es den Grundsatz des fairen Verfahrens (zulasten der US-amerikanischen Partei) missachtet wird866. Die Kriterien der reasonableness doctrine hat die US-Rechtsprechung anhand von Einzelfällen in gewissem Umfang präzisiert. So führen etwa die mit einer Reise zum ausländischen forum prorogatum einhergehenden Unannehmlichkeiten sowie hierdurch begründete Kosten nicht bereits dazu, dass die Gerichtsstandsvereinbarung „unreasonable“ wird.867 Trotz gewisser Präzisierungen durch die Rechtsprechung verbleibt bei der Prüfung der reasonableness eine gewisse Konturenlosigkeit und dadurch bedingt ein Element der Unvorhersehbarkeit.868 In vielen Fällen erfüllen Gerichtsstandsvereinbarungen vor US-amerikanischen Gerichten zwar die von den Parteien intendierte Funktion. Das US-amerikanische Gericht, dessen Zuständigkeit derogiert wurde, erklärt sich in den meisten Fällen für unzuständig. Dennoch hat die US-amerikanische Rechtsprechung Gerichtsstandsvereinbarungen auch unter Anwendung der reasonableness doctrine in vielen Fällen für unwirksam erklärt, in denen die Gerichtsstandsvereinbarung aus der Perspektive der EuGVVO wirksam gewesen wäre.869 Die Ausnahmetatbestände der „public policy“ und der „freien“ Einigung waren nur in wenigen Fällen von Bedeutung und führen regelmäßig nicht dazu, dass ein Gericht eine Gerichtsstandsvereinbarung für unwirksam erklärt.870 Die US-amerikanischen Gerichte erklärten jedoch Gerichtsstandsvereinbarungen für unwirksam, wenn sie befürchteten, das ausländische prorogierte Gericht würde seine Zuständigkeit nicht wahrnehmen („denial of justice“)871 oder 865  Hoes of America, Inc. v. Hoes, 493 F. Supp. [1979] 1205, 1207; Abadou v. Trad [1981] 624 P.2d 287, 290, 293. 866  Copperweld Steel Company v. Demag-Mannesmann-Bohler [1978] 578 F.2d 953, 966. 867  Vgl. Smith, Valentino & Smith, Inc. v. Superior Court [1976] 17 Cal.3d 491: „Mere inconvenience or additional expense is not the test of unreasonableness since it may be assumed that the plaintiff received under the contract consideration for these things“. 868  Vgl. Sandrock, in: FS Stiefel, S. 625, 637; Schack, US-Zivilprozessrecht, Rn.  78 ff. 869  Leasewell, Ltd. v. Jake Shelton Ford, Inc. [1976] 423 F. Supp. 1011, 1015 f.; Morse Electro Products Corp. v. SS Great Peace [1977] 437 F. Supp. 474, 488; Copperweld Steel Company v. Demag-Mannesmann-Bohler [1978] 578 F.2d 953, 965. 870  Zur „public policy“: Hoes of America, Inc. v. Hoes, 493 F. Supp. [1979] 1205, 1208; Abadou v. Trad [1981] 624 P.2d 287, 290. Zur „freien“ Einigung: Union Insurance Socienty of Canton, Ltd. V. S. S. Elikon [1981] 642 F. 2d 721, 724. 871  Hoes of America, Inc. v. Hoes, 493 F. Supp. [1979] 1205, 1207; Abadou v. Trad [1981] 624 P.2d 287, 290, 293.



B. Internationale Gerichtsstandsvereinbarungen außerhalb der EuGVVO 241

den Grundsatz des fairen Verfahrens missachten872. Letztere Kategorie fand teilweise großzügige Anwendung, wobei zum Beispiel der Court of Appeals for the Third Circuit eine Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten der Gerichte in Essen für „unreasonable“ erklärte, weil die Parteien dort kein faires Verfahren erwarten könnten.873 Der Prorogation US-amerikanischer Gerichte stand die US-Rechtsprechung bereits vor der Bremen-Entscheidung deutlich weniger kritisch gegenüber als der Derogation.874 Schwierigkeiten können sich im Fall der Prorogation USamerikanischer Gerichte jedoch aus den Verweisungsmechanismen der USZivilprozessordnungen ergeben, insbesondere dem federal transfer und dem removal. Ein federal transfer ist die Verweisung von einem unzuständigen an ein zuständiges Bundesgericht.875 Erhebt eine Partei abredewidrig Klage vor einem derogierten US-Bundesgericht, hat die andere Partei mit ihrem Antrag auf Verweisung an das prorogierte US-amerikanische Gericht nicht zwangsläufig Erfolg. Die Gerichtsstandsvereinbarung ist nur ein, wenn auch bedeutender Faktor für die Zuständigkeitsentscheidung.876 Auch der Verweisungsmechanismus des removal kann die Effektivität von Gerichtsstandsvereinbarungen hindern. Mit einem removal kann der Beklagte verlangten, dass ein einzelstaatliches Gericht den Rechtsstreit an ein Bundesgericht verweist.877 Einen solchen removal kann der Beklagte auch aus taktischen Gründen beantragen, etwa um das Verfahren zu verzögern.878 Wenn der Beklagte aus taktischen Gründen vor dem forum prorogatum einen removal geltend macht, kann dies zu Verzögerungen führen und so die Gerichtsstandsvereinbarung weniger effektiv machen. Hinsichtlich seines Verzögerungseffekts ähnelt der removal in gewissem Umfang der europäischen Torpedoklage. Die föderale Gerichtsstruktur der USA erschwert die Durchsetzung von Gerichtsstandsvereinbarungen ebenfalls. An die Bremen-Rechtsprechung sind 872  Copperweld Steel Company v. Demag-Mannesmann-Bohler [1978] 578 F.2d 953, 966. 873  Copperweld Steel Company v. Demag-Mannesmann-Bohler [1978] 578 F.2d 953, 965: „The district court […] held that Copperweld might well have been prevented from receiving „a fair and complete hearing“ had the forum clause been enforced“. Diese Ausführungen beanstandete der Court of Appeal nicht. 874  National Equipment Rental, Ltd. v. Szukhent [1964] 375 U.S. 311, 315: „Parties to a contract may agree in advance to submit to the jurisdiction of a given court, to permit notice to be served by the opposing party, or even to waive notice altogether“. Siehe auch Behrens, RabelsZ 1974, S. 590, 591, 596; Bläsi, HGÜ, S. 273. 875  Eichel, RIW 2009, S. 289, 291; Schack, US-Zivilprozessrecht, Rn. 50, 83. 876  Eichel, RIW 2009, S. 289, 293. 877  Friedenthal/Kane/Miller, Civil Procedure, S. 59 ff.; Eichel, RIW 2009, S. 289, 291; Schack, US-Zivilprozess­recht, Rn. 50, 48. 878  Beispiele bei Friedenthal/Kane/Miller, Civil Procedure, S. 59, 64 ff.

242

3. Teil: Vertraglicher Schadensersatz

unmittelbar nur die Bundesgerichte gebunden.879 Die einzelstaatlichen Gerichte beachten die Rechtsprechung zwar im Wesentlichen, weichen allerdings im Detail oder im Fall von Spezialgesetzen ab.880 Daher kann die Wirksamkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung auch davon abhängen, ob Bundesrecht oder ob und welches einzelstaatliche Recht Anwendung findet. Das ist besonders misslich in so genannten diversity cases, bei denen Parteien aus verschiedenen US-Bundesstaaten oder Ausländer betroffen sind. In diesen Fällen ist es umstritten, ob Bundes- oder einzelstaatliches Recht Anwendung finden881, worunter die Planbarkeit bei der Prorogation USamerikani­scher Gericht leidet. Schließlich rühren aus europäischer Perspektive manche Schwierigkeiten im Umgang mit Gerichtsstandsvereinbarungen vor US-ame­rikanischen Gerichten auch aus den Anforderungen an die sprachliche Formulierung der Gerichtsstandsvereinbarung. Anders als etwa Art. 25 Abs. 1 Satz 2 EuGVVO, Art. 23 Abs. 1 Satz 2 LugÜ und Art. 3 lit. b HGÜ besteht in den US-amerikanischen Rechtsordnungen keine Vermutungsregel zugunsten der Ausschließlichkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen. Die häufig eher kurz formulierten Gerichtsstandsvereinbarungen europäischer Unternehmen (Beispiel: „Gerichtsstand ist München“) sind nach der US-amerikanischen Rechtsprechung nicht ausschließlich.882 Die Anforderungen an die sprachliche Formulierung einer ausdrücklichen Gerichtsstandsvereinbarung variieren zudem in den USA (für die Bundesgerichtsbarkeit) von Circuit zu Circuit.883 Wenn ein US-amerikanisches Gericht die Gerichtsstandsvereinbarung aufgrund der sprachlichen Formulierung für nicht ausschließlich hält, kann eine europäische Partei, wenn die andere Partei sie vor einem – aus europäischer Perspektive wirksam derogierten – US-amerikanischen Gericht verklagt, nicht erfolgreich die Zuständigkeit dieses Gerichts rügen.884 Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass das Risiko von abredewidrigen Klagen vor einem US-amerikanischen Gericht nicht zu unterschätzen ist. 879  Shantar,

Boston Univ. Law Review 2002, S. 1063, 1074. RIW 2009, S. 289, 293. 881  Für die Anwendung von Bundesrecht: Manetti-Farrow, Inc. v. Gucci Am., Inc. [1988] 858 F.2d 509, 512 (9th Cir.); Stewart Organization, Inc. v. Ricoh Corp. [1987] 810 F.2d 1066, 1068 (11th Cir.); für die Anwendung einzelstaatlichen Rechs: General Engineering Corp. v. Martin Marietta Alumina, Inc. [1986] 783 F.2d 352, 356 f. (3rd Cir.). 882  Dieses Beispiel stammt aus K&V Scientific Co., Inc. v. BMW [2002] 314 F.3d 494, 498 ff. Ebenso Eichel, RIW 2009, S. 289, 293; Kruger, ICLQ 2006, S. 447, 449; Nanda, Texas Int. Law Journal 2007, S. 773, 779; Schack, US-Zivilprozessrecht, Rn. 80; Schulz, YPIL 2005, S. 1, 8; Talpis/Krnjevic, S. W. Journal of Law and Trade 2006, S. 1, 9. 883  Nanda, Texas Int. Law Journal 2007, S. 773, 779. 884  Eichel, RIW 2009, S. 289, 293. 880  Eichel,



B. Internationale Gerichtsstandsvereinbarungen außerhalb der EuGVVO 243

Bei internationalen Gerichtsstandsvereinbarungen besteht immer eine gewisse Gefahr, dass sich das derogierte US-Gericht für zuständig erklärt. Während die traditionelle US-amerikanische Rechtsprechung Gerichtsstandsvereinbarungen zugunsten ausländischer Gerichte per se für unwirksam hielt, beachtet sie sie heute grundsätzlich. Allerdings sind die Kriterien für die Unwirksamkeit – insbesondere die unreasonableness – einer Gerichtsstandsvereinbarung wenig präzise und können im Einzelfall unvorhersehbare Ergebnisse hervorrufen. Bei Verweisungen von einem Bundesgericht an ein anderes (federal transfer) ist die Gerichtsstandsvereinbarung nur ein Indikator für die Zuständigkeit. Die einzelstaatlichen Gerichte beachten die Gerichtsstandsvereinbarungen grundsätzlich, weichen aber im Einzelfall von der grundsätzlich gerichtsstandsvereinbarungsfreundlichen Bundesrechtsprechung ab. Ferner steht bei internationalen Gerichtsstandsvereinbarungen nicht von Vornherein fest, ob Bundes- oder einzelstaatliches Recht zur Anwendung gelangt. US-Gerichte können sich auch nach der Bremen-Entscheidung im Einzelfall über die (wirksame) Prorogation eines ausländischen Gerichts aufgrund der Lehre vom forum non conveniens hinwegsetzen.885 Auch wenn US-amerikanische Gerichte Gerichtsstandsvereinbarungen überwiegend beachten, zeigen die aufgezählten Fallkonstellationen, dass sich ein abredewidrig angerufenes US-amerikanisches Gericht im Einzelfall für zuständig erklären kann. Das hat für den potentiell abredewidrig Verklagten zur Folge, dass er vor dem Hintergrund einer möglichen Klage in den USA erpressbar ist.886 Die Unsicherheit, ob sich das forum derogatum für unzuständig erklären wird, setzt auch für den potentiell abredewidrig Klagenden Anreize, sein Glück zu versuchen und die abredewidrige Klage tatsächlich zu erheben. Auch wenn diese Klage abgewiesen wird, was wahrscheinlich ist, können aufgrund der American Rule und der hohen Anwaltskosten in den USA für den abredewidrig Verklagten erhebliche Kosten entstehen.887 Das wird ihn in vielen Fällen zu einem für ihn ungünstigen Vergleich mit dem abredewidrig Klagenden drängen. d) Änderungen durch das HGÜ Nachdem nun feststeht, dass sich US-amerikanische Gerichte bei minimum contacts zu den USA unter Umständen entgegen einer internationalen Ge885  Blanco

v. Blanco Industrial de Venezuela, S.A. [1993] 997 F.2d 974, 978 ff. ZZP Int. 2004, S. 23, 30; Eichel, RIW 2009, S. 289, 292; Mankowski, in: Rauscher, EuZPR, Art. 25 EuGVVO, Rn. 57; Gebauer, in: FS Kaissis, S. 267, 274. 887  Das beste Beispiel hierfür ist der Fall des spanischen Tribunal Supremo: Sent. TS núm, 6//2009 vom 12 Januar 2009. 886  Althammer/Löhnig,

244

3. Teil: Vertraglicher Schadensersatz

richtsstandsvereinbarung für zuständig erklären, jedenfalls aber diese Gefahr als Drohkulisse für Erpressungen besteht, ist zu untersuchen, ob das HGÜ diese Gefahr minimieren und die Effektivität von Gerichtsstandsvereinbarungen stärken kann. Die US-Zuständigkeiten bei minimum contacts zu begrenzen und die Wirkung von Gerichtsstandsvereinbarungen vorhersehbarer zu machen, war ein erklärtes Ziel der Haager Konferenz bei der Schaffung des HGÜ.888 Die Untersuchung hat nun die Rechtslage zum Gegenstand, die nach der Ratifikation des HGÜ durch die USA bestehen würde. Im Einzelnen ist zu prüfen, ob die Fragen der Ausschließlichkeit und Wirksamkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung nach dem HGÜ nunmehr in allen Vertragsstaaten – also nach der aus heutiger Sicht ungewissen Ratifikation auch in den USA – nach denselben Maßstäben zu bestimmen sein würde. Daneben ist zu untersuchen, ob die Vorschriften des HGÜ derogierte amerikanische Gerichte dazu anhalten würden, das Verfahren auch tatsächlich auszusetzen, wenn sie abredewidrig angerufen werden sollten. Ein zentrales Problem, das die Effektivität von internationalen Gerichtsstandsvereinbarungen bei Bezugspunkten zu den USA beeinträchtigt, ist die Ausschließlichkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen. Wie soeben untersucht, besteht in den USA – anders als in der EuGVVO – keine Ausschließlichkeitsvermutung für Gerichtsstandsvereinbarungen. Die Vermutungsregel in Art. 25 Abs. 1 Satz 2 EuGVVO führt dazu, dass in Europa ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarungen häufig sehr knapp formuliert sind („Gerichtsstand ist Frankfurt am Main“), was US-amerikanische Gerichte regelmäßig nicht als ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung werten.889 Dieses Problem greift Art. 3 lit. b HGÜ auf. Nach dieser Vorschrift gilt eine Gerichtsstandsvereinbarung, die ein Gericht oder mehrere Gerichte eines Vertragsstaats prorogiert, als ausschließlich, sofern die Parteien nicht ausdrücklich etwas anderes vereinbart haben. Diese Regelung stärkt die Effektivität von Gerichtsstandsvereinbarungen, weil sie – im Rahmen ihres Anwendungsbereichs – weitgehend die Situation ausschließt, dass dieselbe Gerichtsstandsvereinbarung in einem Staat ausschließlich und im anderen nicht ausschließlich ist. Das verhindert, dass die Parteien in einem Vertragsstaat die Gerichtsstandsvereinbarung beachten müssen, in einem anderen jedoch auch vor derogierten Gerichten klagen können. Die Vermutungsregel in Art. 3 lit. b HGÜ ist bei internationalen Gerichtsstandsvereinbarungen auch deshalb besonders wichtig, weil das HGÜ nur auf 888  Schulz,

ILSA JICL 2006, S. 433, 434; Eichel, RIW 2009, S. 289. Scientific Co., Inc. v. BMW [2002] 314 F.3d 494, 498 ff.; Eichel, RIW 2009, S. 289, 293; Kruger, ICLQ 2006, S. 447, 449; Nanda, Texas Int. Law Journal 2007, S. 773, 779; Schulz, YPIL 2005, S. 1, 8; Talpis/Krnje­vic, S. W. Journal of Law and Trade 2006, S. 1, 9. 889  K&V



B. Internationale Gerichtsstandsvereinbarungen außerhalb der EuGVVO 245

ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarungen überhaupt Anwendung findet, Art. 1 Abs. 1 HGÜ. Zwei Wermutstropfen finden sich dennoch im Umfeld der Vermutungsregel: Zum einen ist es misslich, dass die Ausschließlichkeitsvermutung bei Wahlgerichtsstandsvereinbarungen890 nur Anwendung findet, wenn beide Wahlgerichtsstände im selben Vertragsstaat liegen. Diese Regelung rechtfertigt sich aus dem Umstand, dass andernfalls Regelungen zum Umgang mit Parallelverfahren notwendig geworden wären.891 Solche Regeln wären wünschenswert gewesen, denn nach der aktuellen Regelung im HGÜ besteht bei Wahlgerichtsstandsvereinbarungen zugunsten von Gerichten in mehreren Staaten die Gefahr abredewidriger Klagen, weil die Vermutungsregel zugunsten der Ausschließlichkeit keine Anwendung findet. Zum anderen ist zu beklagen, dass ein einheitlicher Lebenssachverhalt aufgrund des relativ beschränkten sachlichen Anwendungsbereichs des HGÜ „auseinandergerissen“ werden kann. Das HGÜ findet etwa keine Anwendung auf Gerichtsstandsvereinbarungen über kartell- beziehungsweise wettbewerbsrechtliche Ansprüche, Art. 2 Abs. 2 lit. h HGÜ. Wenn eine Partei neben – vom HGÜ erfassten – vertraglichen auch wettbewerbsrechtliche Ansprüche geltend macht, gelangt das HGÜ, insbesondere die Ausschließlichkeitsvermutung und das Procedere nach Art. 5 und 6 HGÜ, nicht zur Anwendung.892 Für den wettbewerbsrechtlichen Anspruch ist dann auf das nationale Recht abzustellen, sodass hier die benannten Probleme in den USA wieder auftreten können. Gerade in solchen Fällen ist es für die Parteien ratsam, sich nicht auf die Ausschließlichkeitsvermutung zu verlassen, sondern bei der Formulierung der Gerichtsstandsklausel ausdrücklich klarzustellen, dass sie ausschließlich sein soll.893 Wenn die Regel des Art. 3 lit. b HGÜ Anwendung findet, stärkt sie allerdings die Effektivität von Gerichtsstandsvereinbarungen und erschwert abredewidrige Klagen. Sofern eine Partei dennoch am forum derogatum Klage erhebt und die andere Partei daraufhin Schadensersatz begehrt, kommt die Vermutungsregel dem Schadensersatzkläger zugute. Unter Berücksichtigung der Wertung des Art. 3 lit. b HGÜ wird zu seinen Gunsten vermutet, dass die Gerichtsstandsvereinbarung ausschließlich ist, was eine Voraussetzung für den Schadensersatzanspruch ist.894 890  Zu

Wahlgerichtsstandsvereinbarungen siehe 3. Teil, A. I. 4. RIW 2009, S. 289, 294. 892  Vgl. Kruger, ICLQ 2006, S. 447, 450 zum analogen Beispiel bei außervertraglichen Schadensersatzansprüchen wegen Sachschäden (Art. 2 Abs. 2 lit. k HGÜ). Auch hier kann der Sachverhalt auseinanderreißen. 893  Eine typische Klausel wäre: „The Court of […] shall have jurisdiction, to the exclusion of any other court“. Siehe Eichel, RIW 2009, S. 289, 294. 894  Vgl. 3. Teil, A. I. 4. 891  Eichel,

246

3. Teil: Vertraglicher Schadensersatz

Derzeit besteht in den USA im Einzelfall nach wie vor das Risiko, dass sich aufgrund der Lehre vom forum non conveniens ein derogiertes USamerikanisches Gericht für zuständig erklärt oder dass sich ein prorogiertes US-amerikanisches Gericht für unzuständig erklärt.895 Sofern die USA das HGÜ ratifizieren sollten, werden prorogierte US-amerikanische Gerichte sich nach Art. 5 Abs. 1 HGÜ für zuständig erklären, sofern die Gerichtsstandsvereinbarung nicht ausnahmsweise nach der lex fori prorogati unwirksam ist. Klassische US-amerikanische Dogmatik wie die reasonableness doctrine und die Lehre vom forum non conveniens finden im Anwendungsbereich des HGÜ ebenso wenig Beachtung wie etwa die Rechtshängigkeitsregeln der EuGVVO.896 Bezüglich der Wirksamkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen nach Art. 5 Abs. 1 HS 2 HGÜ („es sei denn, die Vereinbarung ist nach dem Recht dieses Staates ungültig“) sind im US-amerikanischen Recht noch manche Fragen offen. Derzeit steht noch nicht einmal fest, ob die Frage der Ungültigkeit der Gerichtsstandsvereinbarung nach Bundes- oder einzelstaatlichem Recht zu beantworten ist.897 Nach dem erläuternden Bericht zum HGÜ bezieht sich Art. 5 Abs. 1 HS 2 HGÜ auf Gründe der materiellen Unwirksamkeit. Von der Vorschrift sollen „in erster Linie […] allgemein anerkannte Ungültigkeitsgründe wie Betrug, Irrtum, falsche Angaben, Nötigung und fehlende Fähigkeit“ erfasst sein.898 Sofern US-amerikanisches Bundesrecht Anwendung findet, stellt sich auch die Frage, ob Art. 5 Abs. 3 lit. b Satz 2 HGÜ den Problemen im Umkreis des federal transfer gerecht wird.899 Hier ist Satz 2 einschlägig, da der federal transfer im Ermessen des verweisenden Gerichts steht. Die Vorschrift postuliert keine echte Pflicht des derogierten Gerichts, das Verfahren an das prorogierte Gericht zu verweisen. Es verpflichtet das derogierte Gericht lediglich, die „von den Parteien getroffene Wahl gebührend zu berücksichtigen“. 895  Vgl.

978 ff.

Blanco v. Blanco Industrial de Venezuela, S.A. [1993] 997 F.2d 974,

896  Hartley/Dogauchi, Bericht HGÜ, Rn. 132  f.; Bläsi, HGÜ, S. 167 ff.; Huber/ Antomo, Nihon University Comparative Law, S. 123, 129; Nanda, Texas Int. Law Journal 2007, S. 773, 780 f.; Teitz, Am. Journal of Comparative Law 2005, S. 543, 550; Usunier, Rev. Crit. DIP 2010, S. 37, 59; R. Wagner, RabelsZ 2009, S. 100, 119. 897  Für eine Implementierung des HGÜ durch Bundesgesetz: Burbank, JPIl 2006, S.  287, 293 ff.; Bläsi, HGÜ, S. 245 ff.; für eine Implementierung durch uniformes Recht der Bundesstaaten („uniform state law“): Reitz, Loyola Law Review 2005, S. 301, 319 ff. Zum Meinungsstand siehe Nanda, Texas Int. Law Journal 2007, S. 773, 786 f. 898  Hartley/Dogauchi, Bericht HGÜ, Rn. 126. 899  Art. 5 Abs. 2 HGÜ steht der Anwendung von Art. 5 Abs. 3 lit. b HGÜ nicht entgegen, denn „Staat“ bezieht sich auf die Vertragsstaaten und nicht etwa die USBundesstaaten (so ausdrücklich Hartley/Dogauchi, Bericht HGÜ, Rn. 131).



B. Internationale Gerichtsstandsvereinbarungen außerhalb der EuGVVO 247

Ob die US-amerikanischen Gerichte bei dieser wenig verbindlich anmutenden Vorschrift von ihrer Praxis zum federal transfer abweichen und stets ans forum prorogatum verweisen würden, ist offen. Ebenfalls noch offen ist, ob für Gerichtsstandsvereinbarungen im Anwendungsbereich des HGÜ ein removal einschließlich der damit einhergehenden Verzögerungstaktiken möglich bliebe. Berücksichtigt man den erläuternden Bericht, dürfen US-amerikanische Gerichte die reasonableness doctrine nicht auf Art. 5 Abs. 1 HS 2 HGÜ übertragen. Nach dieser Vorschrift führen nur sehr erhebliche Umstände, die die freie Willensbildung ausschließen, zur Unwirksamkeit, nicht jedoch wertende Gesichtspunkte wie unreasonableness. Da sich diese Auslegung nach dem erläuternden Bericht jedoch der Vorschrift selbst nicht ansehen lässt, bliebe abzuwarten, wie die US-amerikanische Gerichtspraxis mit der Vorschrift verfahren würde. Es erscheint jedenfalls möglich, dass US-amerikanische Gerichte über die Hintertür des Art. 5 Abs. 1 HS 2 HGÜ die ihnen vertraute Prüfung der reasonableness vornehmen würden.900 Eine deutlichere Klarstellung der Unwirksamkeitsgründe in der Vorschrift wäre wünschenswert gewesen, um dieses Risiko zu minimieren. Die Anwendung von Art. 5 Abs. 1 HGÜ führt auch zu Problemen, wenn es mehr als eine Gerichtsstandsvereinbarung gibt. Anders als in der EuGVVO, in der Art. 31 Abs. 2 für den Normalfall einer Gerichtsstandsvereinbarung und Art. 29 Abs. 1 für atypische Fälle – etwa bei mehreren Gerichtsstandsvereinbarungen – gilt901, trifft das HGÜ für diese Fälle keine Regelung. Sobald mehr als eine Gerichtsstandsvereinbarung in Rede steht, was im internationalen Handels- und Wirtschaftsverkehr keine Seltenheit ist902, versagen die Regelungen in Art. 5 und 6 HGÜ. Auch in dieser Konstellation könnte bei entsprechenden Bezugspunkten zu den USA etwa die Lehre vom forum non conveniens wieder Anwendung finden. Auch ohne Bezugspunkte zu den USA eröffnet diese Konstellation Möglichkeiten zur Manipulation und zu abredewidrigen Klagen. Ein Vorteil der Regelung in Art. 5 Abs. 2 HGÜ ist allerdings, dass Torpedoklagen – anders als im Anwendungsbereich der EuGVVO – ausgeschlossen sind.903 Für den Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung ist Art. 6 HGÜ von besonderer Bedeutung, 900  US-amerikanische Autoren sprechen sich allerdings teilweise ausdrücklich dagegen aus, die reasonableness-Prüfung auf Art. 5 Abs. 1 Satz 2 HGÜ zu übertragen: Nanda, Texas Int. Law Journal 2007, S. 773, 780. 901  Siehe 3. Teil, A. III. 1. a). 902  Siehe 3. Teil, A. III. 1. a). 903  González de Castilla del Valle, S. W. Journal of Trade and Commerce 2006, S. 37, 56; Kruger, ICLQ 2006, S. 447, 453.

248

3. Teil: Vertraglicher Schadensersatz

wenn ein Bezug zu den USA besteht. Wie dargestellt, sind abredewidrige Klagen in den USA leichter möglich als in anderen Staaten, weil Gerichtsstandsvereinbarungen vor US-amerikanische Gerichten nicht denselben zwingenden Charakter besitzen wie etwa unter der EuGVVO und minimum contacts genügen, um die internationale Zuständigkeit eines derogierten USamerikanischen Gerichts, das die Gerichtsstandsvereinbarung für unwirksam hält, zu begründen.904 Art. 6 HGÜ regelt die Pflichten eines derogierten Gerichts, wenn eine Partei vor diesem Klage erhebt. Die Vorschrift stellt die Regel auf, dass das derogierte Gericht sich in diesem Fall für unzuständig erklären muss. Den europäischen Staaten war es bei den Verhandlungen zum HGÜ ein besonderes Anliegen, die Anzahl der Ausnahmen von dieser Regel möglichst gering zu halten. So wollten sie sicherstellen, dass außer in wenigen, eng umgrenzten Ausnahmefällen nur das prorogierte Gericht zu Entscheidung berufen ist.905 Art. 6 lit. d und e HGÜ nennen abseitige Ausnahmevorschriften. Sofern am forum prorogatum nicht gerade Bürgerkrieg herrscht oder dieses sich weigert, das Verfahren durchzuführen („denial of justice“), sind drei zentrale Ausnahmevorschriften von praktischer Bedeutung: Ein derogiertes Gericht darf nur dann selbst entscheiden, wenn die Gerichtsstandsvereinbarung nach der lex fori prorogati unter Einschluss von deren internationalen Privatrecht906 ungültig ist (Art. 6 li. a HGÜ), einer Partei nach der lex fori derogati die Fähigkeit fehlt, die Vereinbarung zu schließen (Art. 6 lit. b HGÜ), oder die Anwendung der Gerichtsstandsvereinbarung zu einer offensichtlichen Ungerechtigkeit führen oder dem ordre public des Staates des forum derogatum offensichtlich widersprechen würde (Art. 6 lit. c HGÜ). Art. 6 lit. a HGÜ bestimmt – in Übereinstimmung mit Art. 5 Abs. 1 und Art. 9 lit. a HGÜ – die lex fori prorogati zum auf die Frage der Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung anwendbaren Recht. Die Vorschrift stellt sicher, dass alle Wirksamkeitsfragen demselben Recht unterliegen und zwar sowohl vor dem prorogierten als auch dem derogierten Gericht.907 Die einzige Wirksamkeitsfrage, die das derogierte Gericht gem. Art. 6 lit. b HGÜ auch nach der lex fori derogati prüfen darf, ist die Geschäftsfähigkeit. Da die fehlende Geschäftsfähigkeit bereits gem. Art. 6 lit. a HGÜ anhand der lex fori prorogati zu messen ist, handelt es sich bei der Prüfung der lex fori de904  Siehe

2. Teil, B. IV. 2. d). RabelsZ 2009, S. 100, 121. 906  Hartley/Dogauchi, Bericht HGÜ, Rn. 149, Fn. 184. 907  Hartley/Dogauchi, Bericht HGÜ, Rn. 149; Huber/Antomo, Nihon University Comparative Law, S. 123, 131; R. Wagner, RabelsZ 2009, S. 100, 121 f. 905  R. Wagner,



B. Internationale Gerichtsstandsvereinbarungen außerhalb der EuGVVO 249

rogati nach Art. 6 lit. b HGÜ nur um eine zusätzliche Prüfung.908 Der Geschäftsunfähige ist durch die Anforderungen der lex fori prorogati und der lex fori derogati doppelt geschützt.909 Art. 6 lit. a und b HGÜ stellen einen bedeutenden Fortschritt für die Effektivität von Gerichtsstandsvereinbarungen im internationalen, besonders aber im europäisch-amerikanischen Handelsverkehr dar, sollte es zu einer Ratifikation kommen. Sie stellen sicher, dass das forum derogatum die Wirksamkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung nicht nach der lex fori prüft, sondern denselben Maßstab wie das prorogierte Gericht anlegt, nämlich die lex fori prorogati. Dadurch sollten beide Gerichte zu demselben Ergebnis gelangen und eine entsprechende Zuständigkeitsentscheidung treffen. In aller Regel dürften sich Kompetenzkonflikte, die derzeit noch keine Seltenheit sind zwischen europäischen und US-amerikanischen Gerichten, durch das HGÜ erübrigen.910 Allerdings kann es für die Prüfung der Geschäftsunfähigkeit zu ungewollten Doppelzuständigkeiten kommen. Es ist möglich, dass sich das prorogierte Gericht für zuständig erklärt, weil es die Parteien für geschäftsfähig und damit die Gerichtsstandsvereinbarung für wirksam hält, während das derogierte Gericht sich für zuständig erklärt, weil es eine Partei als geschäftsunfähig und die Gerichtsstandsvereinbarung demnach als unwirksam ansieht.911 Ein letzter relevanter Ausnahmetatbestand ist der offensichtliche Widerspruch zum ordre public beziehungsweise die offensichtliche Ungerechtigkeit durch die Anwendung der Gerichtsstandsvereinbarung. Bei dieser Vorschrift erscheint es zwar nicht völlig ausgeschlossen, dass US-amerikanische Gerichte Gesichtspunkte, die sie traditionell als Verstöße gegen „public policy“ oder reasonableness ansahen, als offensichtlichen ordre-public-Verstoß oder offensichtliche Ungerechtigkeit werten. Insgesamt ist diese Gefahr jedoch eher gering. „Public policy“ war bisher in den USA als Grund für die Unwirksamkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung nicht von großer Bedeutung.912 Ferner stellen die sprachliche Gestaltung der Vorschrift („offensichtliche Ungerechtigkeit“ und dem „ordre public […] offensichtlich widersprechen“) und der erläuternde Bericht klar, dass diese Vorschrift nur in besonderen Ausnahme908  Hartley/Dogauchi, Bericht HGÜ, Rn. 150; Huber/Antomo, Nihon University Comparative Law, S. 123, 131; R. Wagner, RabelsZ 2009, S. 100, 122. 909  Huber/Antomo, Nihon University Comparative Law, S. 123, 131. 910  Huber/Antomo, Nihon University Comparative Law, S. 123, 131; R. Wagner, RabelsZ 2009, S. 100, 122. 911  Rühl, IPRax 2005, S. 410, 413, Fn. 60; Bläsi, HGÜ, S. 185; González de Castilla del Valle, S. W. Journal of Trade and Commerce 2006, S. 37, 56; Huber/Antomo, Nihon University Comparative Law, S. 123, 131, Fn. 37. 912  Siehe 3. Teil, B. IV. 2. c).

250

3. Teil: Vertraglicher Schadensersatz

fällen die Unwirksamkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung begründen kann.913 Beispiele für offensichtliche Ungerechtigkeit sind etwa eine durch strafbare Handlung erwirkte Gerichtsstandsvereinbarung oder ein Verfahren in einem Land, in dem das Recht auf ein faires Verfahren nicht gewährleistet ist.914 Die Schwelle für den ordre public ist ähnlich streng. Ein offensichtlicher Verstoß gegen den ordre public liegt nur vor, wenn wesentlich Normen oder Grundwerte einer Rechtsgemeinschaft bedroht sind. Es ist insbesondere nicht ausreichend, wenn eine Gerichtsstandsvereinbarung nach innerstaatlichem Recht nicht bindend wäre.915 Abschließend ist festzuhalten, dass das HGÜ in seinem Anwendungsbereich viele Schwierigkeiten von Gerichtsstandsvereinbarungen im europäisch-amerikanischen Handelsverkehr beheben wird, sobald es die USA ratifiziert haben. Dadurch wird die Anzahl von Kompetenzkonflikten voraussichtlich abnehmen. Sofern eine Partei, nach der Ratifikation des HGÜ durch die USA, vor einem US-amerikanischen forum derogatum Klage erhebt, wird eine entsprechende negative Zuständigkeitsentscheidung vermutlich schneller und kostengünstiger ergehen als dies derzeit der Fall ist. Durch die Ausschließlichkeitsvermutung in Art. 3 lit. b HGÜ dürfte es weniger Fälle von Gerichtsstandsvereinbarungen geben, die US-amerikanische Gerichte aufgrund ihrer Formulierung für nicht ausschließlich halten. Damit entfiele eine zentrale Ursache dafür, dass europäische Gerichtsstandsvereinbarungen in den USA wirkungslos bleiben. Allerdings gilt die Ausschließlichkeitsvermutung nicht für vom sachlichen Anwendungsbereich des HGÜ ausgeschlossene Materien, sodass ein einheitlicher Lebenssachverhalt auseinandergerissen werden kann. Wie US-amerikanische Gerichte im Fall einer Ratifikation des HGÜ mit einer Prorogation zu ihren Gunsten umgehen werden, ist noch nicht vollends abzusehen. Es ist aber zu vermuten, dass US-amerikanische Gerichte nach der Ratifikation des HGÜ nur noch die Kriterien des Art. 5 Abs. 1 HGÜ heranziehen und auf die traditionelle Prüfung von reasonableness und forum non conveniens verzichten würden. Für den hier besonders interessierenden Fall, dass US-amerikanische Gerichte derogiert sind, sorgt Art. 6 HGÜ für bedeutend mehr Rechtssicherheit als zuvor. Ob eine Gerichtsstandsvereinbarung wirksam ist, haben das prorogierte und das derogierte Gericht jeweils nach der lex fori prorogati zu beurteilen. Eine Ausnahme gilt für die Geschäftsfähigkeit, die das derogierte Gericht auch nach seiner lex fori derogati prüfen kann. Das kann zu misslichen Doppelzuständigkeiten führen. Der or913  Bläsi,

HGÜ, S. 186 f. Bericht HGÜ, Rn. 152. 915  Hartley/Dogauchi, Bericht HGÜ, Rn. 153. 914  Hartley/Dogauchi,



B. Internationale Gerichtsstandsvereinbarungen außerhalb der EuGVVO 251

dre-public-Vorbehalt wird voraussichtlich die Effektivität der Gerichtsstandsvereinbarungen nicht einschränken, weil es sich um eine ausdrücklich als Ausnahmevorschrift konzipierte Regelung handelt. Insgesamt ist das HGÜ begrüßenswert, da es viele Unsicherheiten bei amerikanisch-europä­ ischen Gerichtsstandsvereinbarungen beseitigen wird. Bei minimum contacts zu den USA bestünde in den folgenden Fällen allerdings weiterhin die Gefahr, dass sich ein derogiertes US-amerikanisches Gericht für zuständig erklärt: Zweifel des derogierten Gerichts an der Geschäftsfähigkeit einer Partei, die das prorogierte Gericht nicht teilt; Wahlgerichtsstandsvereinbarungen zugunsten von Gerichten in verschiedenen HGÜVertragsstaaten; „auseinandergerissene“ Sachverhalte, bei denen das HGÜ nur auf einen Teil der Ansprüche anwendbar ist, und natürlich Sachverhalte, die nicht in den relativ eng umgrenzten sachlichen Anwendungsbereich des HGÜ fallen. Dadurch entstehenden Schäden könnte der Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung mit seiner Restitutionsfunktion kompensieren beziehungsweise mit seiner Abschreckungsfunktion auch entsprechende abredewidrige Klagen verhindern. Er ist ein wichtiges Instrument, auch wenn die USA das HGÜ ratifizieren sollten, weil dem Beklagten auch dann – nach der American Rule nicht zu ersetzende – außergerichtliche Kosten entstehen, wenn das forum derogatum die Klage abweist. Die Einsatzmöglichkeiten des Schadensersatzanspruchs für die Fälle, in denen sich das forum derogatum für zuständig erklärt, werden abnehmen, wenn die USA das HGÜ ratifizieren sollten. Aus den soeben genannten Schwachstellen des HGÜ wird der Schadensersatzanspruch allerdings auch in diesen Fällen von Bedeutung sein. 3. Zwischenergebnis Abredewidrige Klagen im Anwendungsbereich des LugÜ, des HGÜ und des autonomen Rechts begründen unter den gleichen Voraussetzungen eine Pflichtverletzung wie im Anwendungsbereich der EuGVVO. Im Anwendungsbereich des LugÜ und des autonomen deutschen Rechts begründet die Aufrechnung mit einer Forderung, für die eine Gerichtsstandsvereinbarung besteht, grundsätzlich keine Pflichtverletzung, es sei denn, die Auslegung ergibt ausnahmsweise etwas anderes. Das HGÜ beantwortet diese Frage nicht und verweist auf das autonome Recht. Die Widerklage entgegen einer Gerichtsstandsvereinbarung ist nach dem LugÜ, dem HGÜ und im autonomen deutschen Recht eine Pflichtverletzung. Die größte Bedrohung für die Effektivität von Gerichtsstandsvereinbarungen nach Art. 23 LugÜ ist die Torpedoklage. Vertragsstaatlichen Gerichten

252

3. Teil: Vertraglicher Schadensersatz

ist es jedoch methodisch möglich, die diesbezüglichen Fortschritte der EuGVVO durch die Novelle von 2015 im Rahmen des LugÜ zu berücksichtigen. Regelmäßig sind Gerichtsstandsvereinbarungen am wenigsten gegen abredewidrige Klagen geschützt, wenn auf sie autonomes Recht Anwendung findet. In diesem Fall bestehen nur die Möglichkeiten des autonomen Rechts zur Durchsetzung der Gerichtsstandsvereinbarung, insbesondere die Zuständigkeitsrüge. Da manche Rechtsordnungen Gerichtsstandsvereinbarungen per se für unwirksam erachten und andere dem derogierten Gericht Ermessen einräumen bei der Frage, ob es die Gerichtsstandsvereinbarung beachtet, kann der Zuständigkeitsrüge in diesen Rechtsordnungen der gewünschte Erfolg verwehr bleiben. Bei Bezugspunkten zu den USA ist die Gefahr abredewidriger Klagen besonders hoch. Die traditionell ablehnende Haltung der US-amerikanischen Gerichte gegenüber Gerichtsstandsvereinbarungen ist im letzten halben Jahrhundert einer Prüfung der reasonableness der Gerichtsstandsvereinbarung gewichen. Das föderale Gerichtssystem der USA, der für Verzögerungstaktiken einsetzbare Antrag auf removal und die Lehre vom forum non conveniens sind bis in die Gegenwart ein nicht zu unterschätzendes Hindernis für die Effektivität von Gerichtsstandsvereinbarungen. Das HGÜ würde, sofern es in den USA ratifiziert werden sollte, dazu beitragen, die Anzahl abredewidriger Klagen zu senken. Die Ausschließlichkeitsvermutung in Art. 3 lit. b HGÜ stärkt die Effektivität von Gerichtsstandsvereinbarungen mit Bezugspunkten zu den USA, weil US-Gerichte die Vereinbarung nicht mehr ohne Weiteres für nicht ausschließlich halten könnten. Die Prorogation US-amerikanischer Gerichte dürfte durch Art. 5 Abs. 1 HGÜ leichter werden, da die traditionelle Prüfung von reasonableness und forum non conveniens entfallen wird. Auch bezüglich der Derogation USamerikanischer Gerichte sorgt das HGÜ für mehr Vorhersehbarkeit. Die Wirksamkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung hat auch das derogierte Gericht grundsätzlich nach der lex fori prorogati zu prüfen. Aufgrund des engen Anwendungsbereichs des HGÜ würde es allerdings weiterhin viele Fälle geben, in denen die bekannten Probleme auftreten können.

V. Schaden Das Vertretenmüssen unterliegt denselben Maßstäben wie im Anwendungsbereich der EuGVVO.916 Der Umfang des Schadensersatzanspruchs hängt außerhalb der EuGVVO davon ab, welchem Regelungsregime die Gerichtsstandsvereinbarung unterliegt. Ist Art. 23 LugÜ auf die Gerichtsstandsverein916  Siehe

3. Teil, A. IV.



B. Internationale Gerichtsstandsvereinbarungen außerhalb der EuGVVO 253

barung anwendbar, bestehen dieselben Einschränkungen wie beim Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung nach Art. 25 EuGVVO. Der Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung gem. Art. 23 LugÜ kommt nur in Betracht, wenn sich das forum derogatum für unzuständig erklärt hat.917 Dementsprechend ist der Ersatz von Gerichtskosten in aller Regel ausgeschlossen, weil das forum derogatum sie ohnehin dem abredewidrig Klagenden auferlegt. Der Schadensersatzanspruch umfasst allerdings die gesamten außergerichtlichen Kosten des abredewidrig Verklagten abzüglich des dem abredewidrig Verklagten im Kostenfestsetzungsbeschluss zuerkannten Anspruchs. Daneben beinhaltet der Schadensersatzanspruch auch eventuelle Zins- und Verzögerungsschäden, zum Beispiel im Fall einer Torpedoklage.918 Finden das HGÜ oder autonomes Recht auf die Gerichtsstandsvereinbarung Anwendung, unterliegt der Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer solchen Gerichtsstandsvereinbarung keinen Einschränkungen aus dem HGÜ oder dem autonomen Recht immanenten Prinzipien. Insbesondere geben das HGÜ und das autonome Recht – anders als EuGVVO und LugÜ – keine Mechanismen wie das Vertrauensprinzip oder die Rechtskraft der Entscheidung des forum derogatum vor, die den Schadensersatzanspruch einschränken würden.919 Demnach erscheint es auf den ersten Blick unerheblich, ob sich das derogierte Gericht in Anbetracht der Gerichtsstandsvereinbarung für unzuständig oder für zuständig erklärt hat. Bevor man sich dieser Frage nähert, sollte man sich zunächst vor Augen führen, wie die Entscheidung des derogierten ausländischen Gerichts ausfallen kann und welche Schäden für den abredewidrig Verklagten entstehen können. Es sind drei Konstellationen zu unterscheiden: Erstens kann sich das forum derogatum für unzuständig erklären, zweitens kann es sich entgegen der Gerichtsstandsvereinbarung für zuständig erklären und zugunsten des abredewidrig Verklagten entscheiden und drittens kann es sich entgegen der Gerichtsstandsvereinbarung für zuständig erklären und zugunsten des abredewidrig Klagenden entscheiden. 1. Prozessurteil des forum derogatum Die erste Konstellation entspricht der Konstellation, in der auch nach EuGVVO und LugÜ ein Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung besteht. In diesem Fall stehen dem Schadenser917  Siehe

3. Teil, B. III. 2. 3. Teil, A. V. 2. 919  Siehe 3. Teil, B. III. 2 und B. III. 3. 918  Siehe

254

3. Teil: Vertraglicher Schadensersatz

satzanspruch keine Bedenken entgegen, da die Entscheidung des Gerichts der Schadensersatzklage mit der Entscheidung des forum derogatum zur Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung übereinstimmt. Eine Entscheidung des forum derogatum in der Sache gibt es nicht, sodass sich das Gericht der Schadensersatzklage hierzu nicht in Widerspruch setzen kann. Der Schadensersatzanspruch besteht, wenn sich das derogierte Gericht aufgrund der Gerichtsstandsvereinbarung für unzuständig erklärt, für die außergerichtlichen Kosten sowie Zins- und Verzögerungsschäden. Die Gerichtskosten hat ohnehin der abredewidrig Klagende zu tragen. 2. Sachurteil des forum derogatum zugunsten des Beklagten In der zweiten Konstellation, in der das forum derogatum zugunsten des Beklagten in der Sache entscheidet, wäre ein Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung nach der EuGVVO oder dem LugÜ nicht mehr statthaft. Die zur Begründung hierfür herangezogenen Argumente wie das Vertrauensprinzip und die Rechtskraft der Entscheidung des forum derogatum finden jedoch im HGÜ und im autonomen Recht keine Anwendung. Auch Aspekte der internationalen Verfahrenskoordinierung stehen dem Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung in dieser Konstellation nicht entgegen.920 Wenn das prorogierte Gericht in dieser Konstellation dem Schadensersatzanspruch stattgibt, setzt es sich zwar über die Entscheidung des derogierten Gerichts zur Unwirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung hinweg. Da die Zuständigkeitsentscheidung des derogierten Gerichts jedoch außerhalb von EuGVVO und LugÜ nicht der Rechtskraft fähig ist921, steht jedenfalls dieser Gesichtspunkt dem Schadensersatzanspruch nicht entgegen. Auch der internationale Verfahrenseinklang ist durch den Schadensersatzanspruch in dieser Konstellation nicht ernsthaft bedroht, weil der Schadensersatzanspruch die Entscheidung des derogierten Gerichts in der Sache unberührt lässt. Ein ernsthafter, den internationalen Verfahrenseinklang beeinträchtigender Widerspruch zwischen der Entscheidung des forum derogatum und dem Gericht der Schadensersatzklage ist nicht zu befürchten. Schließlich stimmen beide Gerichte in ihrer Auffassung überein, dass der abredewidrig Klagende vor dem forum derogatum keinen Anspruch geltend machen kann, wenn auch das fo920  So auch E. Pfeiffer, Forum derogatum, S. 461 ff. Die übrigen Befürworter des Schadensersatzanspruchs wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung äußern sich zu dieser Konstellation – soweit ersichtlich – nicht. 921  Siehe 3. Teil, B. II. 2. und B. III. 3.



B. Internationale Gerichtsstandsvereinbarungen außerhalb der EuGVVO 255

rum derogatum dies mit Erwägungen zur Begründetheit und das Gericht der Schadensersatzklage mit Erwägungen zur Zulässigkeit der Klage begründet. Die mittels des Schadensersatzanspruchs zu ersetzenden Positionen sind mit denen in der Konstellation identisch, in denen das derogierter Gericht aufgrund der Gerichtsstandsvereinbarung ein Prozessurteil erlässt. Es sind also ebenfalls die außergerichtlichen Kosten sowie Zins- und Verzögerungsschäden zu ersetzen. Die außergerichtlichen Kosten dürften allerdings typischerweise deutlich höher ausfallen als im Fall eines Prozessurteils, insbesondere weil das Verfahren länger dauert und etwa im deutschen Recht für den Anwalt eine oder mehrere Terminsgebühren anfallen.922 Die Gerichtskosten sind nicht zu ersetzen, da sie der abredewidrig Klagende zu tragen hat. Die Entscheidung des forum derogatum in der Sache kann für den abredewidrig Verklagten keinen Schadensposten darstellen, da sie in dieser Konstellation zu seinen Gunsten ergeht. 3. Sachurteil des forum derogatum zugunsten des Klägers Wenn das forum derogatum den abredewidrig Verklagten in der Sache verurteilt, stellt sich die Frage, ob das Sachurteil selbst einen Schadensposten darstellt. Ein solches Sachurteil ist regelmäßig ein Leistungsurteil, das den abredewidrig Verklagten dazu verpflichtet, eine bestimme Summe an den abredewidrig Klagenden zu zahlen. Besonders unerquicklich und im Einzelfall auch existenzbedrohend ist ein solches Urteil, wenn es etwa von einem US-amerikanischen Gericht stammt und den Beklagten zu punitive damages verurteilt. Es ist zu untersuchen, ob das Gericht der Schadensersatzklage, wenn es der Auffassung ist, der vor dem derogierten Gericht geltend gemachte Anspruch bestehe nicht, aussprechen kann, dass dem abredewidrig Verklagten ein Anspruch auf Ersatz des im Sachurteil des derogierten Gerichts festgesetzten Betrags zusteht. Dies hätte zur Folge, dass man über den Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung das Urteil des derogierten Gerichts de facto außer Kraft setzen würde.923 Anders als bei Gerichtsstandsvereinbarungen nach Art. 25 EuGVVO und Art. 23 LugÜ gibt es bei Gerichtsstandsvereinbarungen, auf die das HGÜ oder das autonome Recht Anwendung finden, keine dem Regelungsregime immanenten Einschränkungen für den Schadensersatzanspruch. Vielmehr entspricht es in Deutschland der ganz herrschenden Meinung, Entscheidun922  Vgl.

E. Pfeiffer, Forum derogatum, S. 461. in: Worthington, Commercial Law, S. 403, 416.

923  Yeo/Tan,

256

3. Teil: Vertraglicher Schadensersatz

gen, die entgegen einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung entgangen sind, gem. § 328 Abs. 1 Nr. 1 ZPO nicht anzuerkennen.924 Dass der abredewidrig am forum derogatum Klagende eine vertragliche Pflicht verletzt und dies zu einem Schaden beim Beklagten und Kläger der Schadensersatzklage in Form des Urteils geführt hat, spricht dafür, den Schadensersatzanspruch auch auf die im Urteil des forum derogatum festgesetzte Summe zu erstrecken. Voraussetzung dafür wäre allerdings, dass der abredewidrig Verklagte darlegen und beweisen kann, dass das forum prorogatum ein Urteil zu seinen Gunsten beziehungsweise ein Urteil erlassen hätte, in dem er zur Zahlung einer geringeren Summe als im Urteil des forum derogatum verurteilt worden wäre.925 Die entscheidende Frage für die Berechnung des Schadensumfangs lautet, ob man die lex fori derogati bezüglich des Sachurteils des forum derogatum mitberücksichtigt oder ob man allein auf die lex fori prorogati abstellt. Nach einer Auffassung muss das Gericht der Schadensersatzklage die Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung ausschließlich nach der lex fori prorogati beurteilen. Yeo und Tan führen mit großer Selbstverständlichkeit aus: „The local forum’s task is simply, as part of quantifying Y’s loss, to determine how much Y would have been liable for if X had complied with the local EJC926 and sued here. The local forum is not required to speculate about the effect of foreign law, or what a foreign court might do“927. Auch Schröder hält es für unbeachtlich, wenn der „Schadensersatz nur nach der […] lex fori prorogati, nicht nach der […] lex fori derogati besteht“928. Nach seiner Auffassung kann „im (wirksam) prorogierten Forum […] auf die abweichenden Rechtsvorstellungen der (unwirksam) derogierten Justiz keine Rücksicht genommen werden“929. Antomo bejaht den Ersatz des aus dem Urteil resultierenden Schadens unter anderem damit, dass in dem Schadensersatzanspruch 924  RG, Leipziger Zeitschrift 1914, Sp. 774, 775; BGH, NJW 1969, 1536, 1537 f.; Antomo, Schadensersatz, S. 264 ff.; Bläsi, HGÜ, S. 297; Coester-Waltjen, Annales Univ. Sci. Budapest. 2011, S. 225, 238; Gebauer, in: FS Kaissis, S. 267, 280; Hüßtege, in: Tho­mas/Putzo, ZPO, § 328, Rn. 8a; Köster, Forum Shopping, S. 80; Kropholler/von Hein, EuZPR, Art.  23 EuGVVO a.  F., Rn.  97; Linke/Hau, IZVR, Rn. 13.14; Mankowski, IPRax 2009, S. 23, 31 f.; ders., MDR 2002, S. 1352, 1356; Nagel/Gottwald, IZPR, § 12, Rn. 153, 157; Schütze, Rechtsverfolgung im Ausland, Rn. 121; ders., in: Wieczorek/Schutze, ZPO, § 328, Rn. 34; Stadler, in: Musielak, ZPO, § 38, Rn. 10; offen: Martiny, Handbuch IZVR, Bd. III/1, Rn. 652. 925  E. Pfeiffer, Forum derogatum, S. 465; Takahashi, YPIL 2008, S. 57, 85; Yeo/ Tan, in: Worthington, Commercial Law, S. 403, 417 f. 926  EJC steht für „exclusive jurisdiction clause“ (Anmerkung des Verf.). 927  Yeo/Tan, in: Worthington, Commercial Law, S. 403, 417. 928  Schröder, in: FS Kegel, S. 523, 534. 929  Schröder, in: FS Kegel, S. 523, 534.



B. Internationale Gerichtsstandsvereinbarungen außerhalb der EuGVVO 257

keine Bewertung der Entscheidung des forum derogatum nach dessen anwendbaren Recht liege und der Schadensersatzanspruch gegenüber Prozessführungsverboten eine geringere Belastung für die internationale Verfahrenskoordinierung bedeute.930 Nach anderer, überzeugender Auffassung ist es für den Schadensumfang des Sachurteils beachtlich, wenn die Gerichtsstandsvereinbarung nach der lex fori derogati unwirksam war. In diesem Fall würde der Schadensersatzanspruch nicht den im Sachurteil des derogierten Gerichts festgesetzten Betrag einschließen.931 Für die Berücksichtigung der Wertungen der lex fori derogati spricht der internationale Entscheidungseinklang. Anders als bei Prozesskostenentscheidungen, die einen Sachverhalt nicht inhaltlich festsetzen, führen sich widersprechende Sachentscheidungen zu untragbaren Konsequenzen für die Parteien. Ließe man dies zu, würde man zwischen den konkreten Parteien ein hinkendes Rechtsverhältnis schaffen und ganz generell Bemühungen um internationale Verfahrenskoordinierung gefährden.932 Das gilt insbesondere beim noch jungen HGÜ, das die Vertragsstaaten gerade mit dem Ziel geschlossen haben, für den Bereich der Gerichtsstandsvereinbarungen einheitliche Regelungen über die Zuständigkeit und die Anerkennung von Entscheidungen zu schaffen. Gerade weil die Vertragsstaaten des HGÜ noch nicht dasselbe Vertrauen eint wie die EU-Mitgliedstaaten hinsichtlich der EuGVVO, erscheint es ratsam, gegenüber den Entscheidungen von Gerichten aus anderen Vertragsstaaten ein gewisses Entgegenkommen, jedenfalls aber keine übertrieben kritische Haltung zu zeigen. Nähmen die HGÜ-Vertragsstaaten eine kritische Haltung gegenüber den jeweiligen Rechtssystemen der anderen Vertragssaaten ein, wäre der Erfolg des gesamten Abkommens gefährdet. Dann könnten weder Gerichte noch Parteien darauf vertrauen, dass eine Entscheidung aus einem Vertragsstaat in einem anderen Vertragsstaat anerkannt wird. Ob das Gericht der Schadensersatzklage in Bezug auf das Sachurteil die Unwirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung nach der lex fori derogati beachten muss, ist eine nicht ausschließlich dogmatisch zu beantwortende Wertungsfrage. Deshalb sollte man sich nicht nur vergegenwärtigen, welchen Einfluss die Frage auf den internationalen Entscheidungseinklang hat, sondern auch, wie sie sich auf den konkreten Schadensersatzanspruch auswirkt. Wie in der Konstellation, in der das forum derogatum sich trotz der Gerichtsstandsvereinbarung für zuständig erklärt, aber zugunsten des abredewidrig Verklagten entscheidet, erstreckt sich der Schadensersatzanspruch bei einer 930  Antomo,

Schadensersatz, S. 526 f. Gebauer, in: FS Kaissis, S. 267, 281. 932  Gebauer, in: FS Kaissis, S. 267, 282. 931  Vgl.

258

3. Teil: Vertraglicher Schadensersatz

Entscheidung zulasten des abredewidrig Verklagten auf die außergerichtlichen Kosten. Zusätzlich umfasst er, wenn das forum derogatum zulasten des abredewidrig Verklagten in der Sache entscheidet, auch die Gerichtskosten. Gerichts- und außergerichtliche Kosten über den Schadensersatzanspruch zu kompensieren, bedeutet keinen oder allenfalls einen geringen Affront gegen das Urteil des derogierten Gerichts. Das derogierte Gericht erlässt in manchen Rechtsordnungen überhaupt keine Kostenentscheidung zu den außergerichtlichen Kosten (zum Beispiel nach der American Rule), in vielen anderen erfolgt keine volle Kompensation der außergerichtlichen Kosten.933 Auch Zins- und Verzögerungskosten bezüglich des zur Finanzierung des Verfahrens vor dem forum derogatum aufgewendeten Kapitals betreffen den internationalen Verfahrenseinklang nicht. Sofern der abredewidrig Verklagte dem Zahlungsbefehl aus der zu seinen Lasten ausgeworfenen Kostenentscheidung des derogierten Gerichts nachkommt, wird dieses sich wenig daran stören, wenn der abredewidrig Verklagte die Gerichtskosten mittels des Schadensersatzanspruchs wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung vom abredewidrig Klagenden ersetzt bekommt. Das forum derogatum wird der Kostenentscheidung kaum denselben Stellenwert beimessen wie der Entscheidung in der Sache. Die Kostenentscheidung erwächst außerhalb von EuGVVO und LugÜ nicht in Rechtskraft und trifft keine Aussage über die materiellrechtliche Beziehung zwischen den Parteien.934 Aufgrund von Überlegungen zur internationalen Verfahrenskoordinierung ist daher nur das zulasten des abredewidrig Verklagten ergangene Urteil des forum derogatum in der Sache als Schadensposition vom Schadensersatzanspruch auszunehmen. Ergeht ein Sachurteil eines derogierten Gerichts außerhalb des Anwendungsbereichs von HGÜ und LugÜ zulasten des abredewidrig Verklagten, würde nach der hier vertretenen Lösung am prorogierten Gericht in Deutschland das Folgende geschehen: Das Urteil des derogierten Gerichts wird nach § 328 Abs. 1 Nr. 1 ZPO nicht anerkannt.935 Die Prozesskosten sowie Zins- und Verzögerungsschäden kann der abredewidrig Verklagte über den Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung der Gerichtsstandsvereinbarung ersetzt verlangen. Wenn man gemäß dem hier vertretenen Ansatz die im Sachurteil des derogierten Gerichts dem abredewidrig Verklagten auferlegte Zahlungspflicht nicht über den Schadensersatzanspruch kompensiert, droht im Inland kein Risiko. Da das Urteil in Deutschland nicht anerkannt wird, kann der abredewidrig Klagende aus ihm auch nicht vollstrecken, § 723 Abs. 2 Satz 2 933  Maire du Poset, Versailles Int. Arbitration 2012, S. 33, 48; Sievi, DRJ 2012, S. 56, 58; Yeo/Tan, in: Wor­thington, Commercial Law, S. 403, 412. 934  Siehe 3. Teil, B. III. 3. 935  Siehe 3. Teil, B. III. 3.



B. Internationale Gerichtsstandsvereinbarungen außerhalb der EuGVVO 259

ZPO. Es verbleibt für den abredewidrig Verklagten jedoch das Risiko, dass der abredewidrig Klagende das Urteil des forum derogatum im Staat des forum derogatum oder einem dritten Staat vollstreckt, der das Urteil anerkennt. Sofern der abredewidrig Verklagte im Vollstreckungsstaat Vermögen hat, wird er sich dort gegen die Vollstreckung kaum wehren können. Dieses Beispiel zeigt, dass der Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung in einer Vielzahl von Fällen den vollen Schaden kompensieren kann. Das gilt sogar für manche Fälle, in denen der abredewidrig Verklagte vom derogierten Gericht in der Sache verurteilt wird. Das verbleibende Risiko eines Schadens durch die Vollstreckung im Staat des forum derogatum oder einem Drittstaat ist bedauerlich, allerdings realisiert es sich in vielen Fällen nicht. Es rechtfertig keinesfalls, die internationale Verfahrenskoordinierung zu gefährden. Vielmehr sind gerade Instrumente der internationalen Verfahrenskoordinierung – wie das HGÜ oder vergleichbare Abkommen – das Mittel, um abredewidrigen Klagen und unerwünschten Vollstreckungen einen Riegel vorzuschieben. Demzufolge erstreckt sich der Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung nicht auf den Betrag, den zu leisten das forum derogatum den abredewidrig Verklagten in der Sache verurteilt hat. 4. Zwischenergebnis Der Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung nach Art. 23 LugÜ unterliegt denselben Einschränkungen wie bei Gerichtsstandsvereinbarungen nach Art. 25 EuGVVO. Er kommt nur für die außergerichtlichen Kosten sowie Zins- und Verzögerungsschäden in Betracht, die anlässlich der negativen Zuständigkeitsentscheidung des forum derogatum entstehen. Sind das HGÜ oder autonomes Recht auf die Gerichtsstandsvereinbarung anwendbar, besteht der Schadensersatzanspruch ebenfalls in der Konstellation, dass sich das derogierte Gericht für unzuständig erklärt. Daneben findet er auch Anwendung, wenn sich das derogierte Gericht entgegen der Gerichtsstandsvereinbarung für zuständig erklärt. Wenn das forum derogatum in der Sache zugunsten des abredewidrig Verklagten entscheidet, umfasst der Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung der Gerichtsstandsvereinbarung die außergerichtlichen Kosten sowie Zins- und Verzögerungsschäden. Wenn das forum derogatum den abredewidrig Verklagten in der Sache verurteilt, erstreckt sich der Schadensersatzanspruch auch auf die Gerichtskosten. Er schließt hingegen in keinem Fall die Summe ein, die der abredewidrig Verklagte nach dem Sachurteil des form derogatum an den Kläger zu zahlen hat.

260

3. Teil: Vertraglicher Schadensersatz

Das auf den Schadensersatzanspruch anwendbare Recht bestimmt sich nach dem von den Parteien gewählten Recht, sofern sie eine Rechtswahl getroffen haben, andernfalls nach dem materiellen Statut der Gerichtsstandsvereinbarung, das durch die lex fori prorogati gestellt wird.936 Der Schadensersatzanspruch ist bei Gerichtsstandsvereinbarungen nach LugÜ, HGÜ und dem autonomen Recht genauso wie bei Gerichtsstandsvereinbarungen nach der EuGVVO vor dem prorogierten Gericht geltend zu machen.937

VI. Alternative Absicherungsmöglichkeiten Auch bei Gerichtsstandsvereinbarungen außerhalb der EuGVVO stellt sich die Frage, ob die Parteien individualvertraglich oder in AGB einen materiellrechtlichen Kostenerstattungsanspruch oder eine Vertragsstrafe für den Fall einer abredewidrigen Klage vereinbaren können. Gerichtsstandsvereinbarungen nach Art. 23 LugÜ unterliegen in Bezug auf das Vertrauensprinzip und die Rechtskraft der Entscheidung des derogierten Gerichts denselben Einschränkungen wie solche nach Art. 25 EuGVVO.938 Die Parteien können also zur Absicherung von Gerichtsstandsvereinbarungen nach Art. 23 LugÜ einen Kostenerstattungsanspruch oder eine Vertragsstrafe individualvertraglich oder in AGB für den Fall vereinbaren, dass eine Partei abredewidrig klagt und das forum derogatum die Klage abweist. Unwirksam ist jedoch eine entsprechende Vereinbarung, die dem abredewidrig Verklagten einen Anspruch auch für den Fall gewährt, dass das forum derogatum sich für zuständig erklärt.939 Für die erstgenannte Konstellation, in der das derogierte Gericht die Klage abgewiesen hat, lassen sich problemlos auch für Gerichtsstandsvereinbarungen nach HGÜ oder autonomem Recht ein Kostenerstattungsanspruch oder eine Vertragsstrafe vereinbaren. Der prozessuale und der materiellrechtliche Kostenerstattungsanspruch schließen sich nicht gegenseitig aus.940 Auch eine Vereinbarung in AGB ist möglich, weil es gem. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB i. V. m. §§ 91ff. ZPO dem gesetzlichen Leitbild entspricht, wenn der Unterlegene die Prozesskosten zu tragen hat.941 Schwierigkeiten bereitet jedoch die Situation, in der das forum derogatum die Gerichtsstandsvereinbarung für unwirksam und sich selbst für zuständig 936  Siehe 937  Siehe 938  Siehe 939  Siehe 940  Siehe 941  Siehe

3. Teil, A. 3. Teil, A. 3. Teil, B. 3. Teil, A. 3. Teil, A. 3. Teil, A.

VI. 2. und 4. VII. III. 1. VIII. 1. VIII. 1. VIII. 2.



B. Internationale Gerichtsstandsvereinbarungen außerhalb der EuGVVO 261

erklärt. Bei Gerichtsstandsvereinbarungen nach dem HGÜ oder autonomem Recht ergeben sich keine Einschränkungen des Schadensersatzanspruchs aus der Rechtskraft und dem Vertrauensprinzip.942 Wenn die Parteien den Kostenerstattungsanspruch oder die Vertragsstrafe individualvertraglich vereinbaren, ist dies auch für den Fall möglich, dass sich das forum derogatum für zuständig erklärt. Insbesondere die Rechtskraft des Kostenfestsetzungsbeschlusses des forum derogatum steht dem nicht entgegen.943 Bei in AGB vereinbarten Kostenerstattungsansprüchen oder Vertragsstrafen ist nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB auf das gesetzliche Leitbild der §§ 91ff. ZPO abzustellen. Die zentrale Aussage dieser Vorschriften ist, dass „die unterliegende Partei […] die Kosten des Rechtsstreits zu tragen“ hat (§ 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Wie bereits zur Gerichtsstandsvereinbarung nach Art. 25 EuGVVO dargestellt944, ist es umstritten, ob sich ein in AGB vereinbarter vertraglicher Kostenerstattungsanspruch oder eine entsprechend vereinbarte Vertragsstrafe auch für den Fall, dass der abredewidrig Klagende am forum derogatum obsiegt, mit dem Leitbild der §§ 91ff. ZPO vereinbaren lassen. Evgenia Pfeiffer führt als Begründung für die Vereinbarkeit mit §§ 91ff. ZPO an, es entspreche dem von diesen Vorschriften postulierten Veranlasserprinzip, wenn der abredewidrig im Ausland Klagende aufgrund des vertraglichen Kostenerstattungsanspruchs oder der Vertragsstrafe auch die dort verursachten Kosten trage. Schließlich habe er durch die abredewidrige Klage die Kosten veranlasst.945 Auch außerhalb des Anwendungsbereichs der EuGVVO kann diese Auffassung nicht überzeugen. Das Veranlasserprinzip der §§ 91ff. ZPO wenden Rechtsprechung und Literatur an, um zu bestimmen, wer die Kosten der Beteiligung eines Dritten am Rechtsstreit zu tragen hat.946 Es sind keine Fälle ersichtlich, in denen das Veranlasserprinzip auf Konstellationen mit nur zwei am Rechtsstreit beteiligten Parteien angewendet worden wäre. Auch inhaltlich ist die Auffassung nicht überzeugend. §§ 91ff. ZPO geben unzweideutig vor, dass der Unterlegene die Prozesskosten zu tragen hat. Eine hiervon abweichende Regelung ist derart weit vom gesetzlichen Leitbild, entfernt, dass sie nur individualvertraglich, nicht jedoch in AGB möglich ist.947 942  Siehe

3. Teil, B. III. 2 und B. III. 3. 3. Teil, A. VIII. 1. 944  Siehe 3. Teil, A. VIII. 2. 945  E. Pfeiffer, Forum derogatum, S. 501. 946  BGH, NJW 1983, 883; 1993, 1865; OLG Brandenburg, NJW-RR 1996, 1214, 1215; Jaspersen/Wache, in: Vorwerk/Wolf, ZPO, § 91, Rn. 55; Schulz, in: MüKoZPO, § 91, Rn. 19; Hüßtege, in: Thomas/Putzo, ZPO, vor § 50, Rn. 5; Vollkommer, in: Zöller, ZPO, vor § 50, Rn. 8. 947  So im Ergebnis auch Mankowski, IPRax 2009, S. 23, 34; T. Pfeiffer, in: FS Lindacher, S. 77, 87 f. 943  Siehe

262

3. Teil: Vertraglicher Schadensersatz

Abschließend ist festzuhalten, dass die Parteien einen materiellrechtlichen Kostenerstattungsanspruch oder eine Vertragsstrafe individualvertraglich und in AGB auch im Anwendungsbereich von LugÜ, HGÜ und autonomem Recht für den Fall vereinbaren können, dass sich das forum derogatum für unzuständig erklärt. Individualvertraglich können die Parteien auch für die Konstellation, dass sich das forum derogatum für zuständig erklärt, einen Kostenerstattungsanspruch oder eine Vertragsstrafe für die Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung nach HGÜ oder autonomem Recht vereinbaren. In AGB oder für den Fall der Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung nach dem LugÜ ist dies nicht möglich.

VII. Ergebnis Der Umfang des Schadensersatzanspruchs wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung außerhalb der EuGVVO hängt wesentlich davon ab, welches Regelungsregime auf die Gerichtsstandsvereinbarung anzuwenden ist. Das LugÜ findet im Verhältnis zur EuGVVO Anwendung, wenn der Beklagte seinen Wohnsitz in einem Staat hat, der nicht EU-Mitglied-, zugleich aber LugÜ-Vertragsstaat ist, oder ein Gericht in einem LugÜ-Vertragsstaat prorogiert ist. Im Verhältnis zwischen HGÜ einerseits und EuGVVO und LugÜ andererseits gelangen letztere nur zur Anwendung, wenn sämtliche Parteien der Gerichtsstandsvereinbarung ihren Aufenthalt in einem EU-Mitglied- beziehungsweise LugÜ-Vertrags­staat haben. Andernfalls ist das HGÜ anwendbar. Gelangt kein Abkommen zur Anwendung, ist das autonome Recht berufen, in Deutschland § 38 ZPO. Der Schadensersatzanspruch kommt nur in Betracht, wenn die missachtete Gerichtsstandsvereinbarung wirksam war. Dies ist nach Art. 23 LugÜ beinahe unter denselben Voraussetzungen der Fall wie nach Art. 25 EuGVVO, sofern mindestens eine Partei der Gerichtsstandsvereinbarung ihren Wohnsitz in einem LugÜ-Vertragsstaat hat. Gerichtsstandsvereinbarungen nach dem HGÜ sind entweder schriftlich oder durch jedes andere Kommunikationsmittel zu schließen, das es ermöglicht, auf die Information später wieder zuzugreifen. Im autonomen deutschen Recht können nach § 38 Abs. 1 ZPO unter anderem Kaufleute Gerichtsstandsvereinbarungen formlos, ausdrücklich, stillschweigend, durch kaufmännisches Bestätigungsschreiben oder AGB abschließen. Der Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung unterliegt im Anwendungsbereich des LugÜ denselben Einschränkungen wie im Anwendungsbereich der EuGVVO durch das Vertrauensprinzip und die Rechtskraft der Zuständigkeitsentscheidung des forum derogatum. Im Anwendungsbereich des HGÜ und des autonomen



B. Internationale Gerichtsstandsvereinbarungen außerhalb der EuGVVO 263

Rechts besteht der Schadensersatzanspruch unabhängig davon, ob sich das derogierte Gericht für zuständig oder für unzuständig erklärt hat. Abredewidrige Klagen im Anwendungsbereich des LugÜ, des HGÜ und des autonomen Rechts begründen unter den gleichen Voraussetzungen eine Pflichtverletzung wie im Anwendungsbereich der EuGVVO. Vertragsstaatlichen Gerichten ist es methodisch möglich, der Missachtung von Gerichtsstandsvereinbarungen dadurch entgegenzuwirken, dass sie Art. 31 Abs. 2 und Art. 25 Abs. 1 Satz 1 HS 2 EuGVVO bei der Auslegung des LugÜ berücksichtigen. Besonders hoch ist die Gefahr abredewidriger Klagen nach wie vor bei Bezugspunkten zu den USA. Das HGÜ wird, sobald es die USA ratifiziert haben, die Gefahr abredewidriger Klagen senken. Der Erfolg des HGÜ wird im Einzelnen allerdings von der Art und Weise der Umsetzung in den USA sowie der Anwendung durch die Gerichte abhängen. Der Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung nach Art. 23 LugÜ besteht nur für die außergerichtlichen sowie Zins- und Verzögerungskosten und nur in dem Fall, dass sich das forum derogatum für unzuständig erklärt hat. Bei Gerichtsstandsvereinbarungen nach HGÜ oder autonomem Recht erfasst der Schadensersatzanspruch auch die Konstellation, in der sich das forum derogatum für zuständig erklärt hat. In letzterem Fall umfasst der Schadensersatzanspruch neben den außergerichtlichen auch die Gerichtskosten sowie Zins- und Verzögerungskosten. Das Urteil in der Sache ist keine mittels des Schadensersatzanspruchs zu ersetzende Schadensposition. Für die Konstellation, in der sich das forum derogatum bei einer abredewidrigen Klage für unzuständig erklärt, können die Parteien einen vertraglichen Kostenerstattungsanspruch oder eine Vertragsstrafe individualvertraglich und in AGB vereinbaren. Für den Fall, dass sich das forum derogatum für zuständig erklärt, sind solche Vereinbarungen nur individualvertraglich und nur für den Fall der Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung nach dem HGÜ oder autonomem Recht möglich.

4. Teil

Schadensersatz wegen der Missachtung vergleichbarer Verträge Auch wenn eine Partei einen anderen internationalen Prozessvertrag als eine Gerichtsstandsvereinbarung beziehungsweise Verträge bricht, die typischerweise im Kontext einer Gerichtsstandsvereinbarung stehen, stellt sich die Frage, ob sich diese Partei schadensersatzpflichtig macht. Erstaunlicherweise hat diese Fragestellung bisher in Rechtsprechung und Literatur deutlich weniger Aufmerksamkeit erregt als bei Gerichtsstandsvereinbarungen. Dieser letzte Teil soll einen Überblick über den Stand der Diskussion bei anderen vergleichbaren Verträgen, insbesondere wichtigen Prozessverträgen, vermitteln. Aufgrund ihrer Bedeutung für den internationalen Handels- und Wirtschaftsverkehr soll sich der Überblick Schieds-, Mediations- und Rechtswahlvereinbarungen widmen. Dabei ist auch auf die Ergebnisse zu Gerichtsstandsvereinbarungen im zweiten und dritten Teil der Arbeit zu rekurrieren. Viele der zum Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung gefundenen Ergebnisse lassen sich durch den Vergleich zu a­ nderen Prozessverträgen, teilweise auch zur Rechtswahlvereinbarung, bestätigen. Bei besonders umstrittenen Punkten im Rahmen des Schadensersatzanspruchs wegen der Missachtung einer internationalen Gerichts­stands­vereinbarung ist zu untersuchen, ob sich diese Punkte bei anderen Prozessverträgen oder Verträgen im Umfeld einer Gerichtsstandsvereinbarung leichter beantworten lassen. Dies dient dazu, die Ergebnisse zu Gerichtsstandsvereinbarungen bestätigen.

A. Schiedsvereinbarung In Hinblick auf den Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer internationalen Schiedsvereinbarung ist zu untersuchen, welche Reichweite der Anspruch hat, ob die Schiedsvereinbarung ein Schuldverhältnis begründen kann, welchen Umfang der Schadensersatzanspruch hat und ob es alternative Absicherungsmöglichkeiten gibt. Eine Partei bricht eine internationale Schiedsvereinbarung, wenn sie eine von der Schiedsvereinbarung erfasste Forderung vor einem staatlichen Gericht einklagt. Das Motiv für eine abredewidrige Klage wird immer sein, dass sich die Partei einen Vorteil davon



A. Schiedsvereinbarung265

verspricht. Neben den Gründen, die auch zur Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung verleiten1, kann bei Schiedsvereinbarungen auch die Schädigung der Gegenseite durch die Veröffentlichung von Betriebsgeheimnissen im öffentlichen Verfahren vor einem derogierten staatlichen Gericht ein Motiv für die abredewidrige Klage sein.

I. Reichweite des Schadensersatzanspruchs Gläubiger beziehungsweise Schuldner des Schadensersatzanspruchs wegen der Missachtung einer internationalen Schiedsvereinbarung kann nur sein, wer über einen schiedsfähigen Streitgegenstand (objektive Schiedsfähigkeit) wirksam eine Schiedsvereinbarung schließen konnte (subjektive Schiedsfähigkeit). Die objektive und subjektive Schiedsfähigkeit hängen vom anwendbaren Recht ab. Das NYÜ hat zwar eigentlich die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche zum Gegenstand. Art. 5 Abs. 1 lit. a NYÜ entnimmt man jedoch die Regelung, dass die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung dem Schiedsvereinbarungsstatut zu entnehmen und dieses nach dem von den Parteien gewählten Recht, hilfsweise nach dem Recht am vereinbarten Schiedsort, zu bestimmen ist.2 Da alle wichtigen Industrie- und Schwellenländer dem NYÜ beigetreten sind, gelangt dieses bei beinahe jeder internationalen Schiedsvereinbarung zur Anwendung.3 Die ZPO folgt in § 1025 Abs. 1 ZPO dem Territorialitätsprinzip.4 Die Vorschriften der ZPO über das schiedsrichterliche Verfahren (Zehntes Buch) sind nur dann anzuwenden, wenn der Schiedsort in Deutschland liegt. Wenn die Schiedsvereinbarung einen Schiedsort außerhalb Deutschlands bestimmt, statuieren §§ 1025 Abs. 2, 1032 ZPO die Pflicht deutscher Gerichte, die Derogationskomponente der Schiedsvereinbarung zu beachten. Objektiv schiedsfähig nach deutschem Recht ist gem. § 1030 Abs. 1 Satz 1 ZPO jeder vermögensrechtliche Anspruch. Ein Anspruch ist vermögensrechtlicher Natur, wenn ein wirtschaftliches Interesse daran besteht, den Anspruch geltend zu machen.5 Nach § 1030 Abs. 1 Satz 2 ZPO sind auch nicht vermögensrechtliche Ansprüche schiedsfähig, wenn die Parteien über sie einen Vergleich schließen könnten. Demnach ist ein Anspruch nur dann nicht 1  Siehe

3. Teil, A. III. 1. München, NJW-RR 1996, 1532; Geimer, in: Zöller, ZPO, § 1029, Rn. 113; Martiny, in: MüKo-ZPO, vor Band 10, Rn. 94; Hausmann, in: Reithmann/ Martiny, Int. Vertragsrecht, Rn. 8.251; Thorn, IPRax 1997, S. 98, 102. 3  Bechte, ZJS 2011, S. 307, 314; Böckstiegel, SchiedsVZ 2009, S. 3, 4. 4  Geimer, in: Zöller, ZPO, § 1025, Rn.  1; Saenger, in: Saenger, ZPO, § 1025, Rn. 1; Voit, in: Musielak, ZPO, § 1025, Rn. 3. 5  Bechte, ZJS 2011, S. 307, 309; Saenger, in: Saenger, ZPO, § 1030, Rn. 2. 2  OLG

266 4. Teil: Schadensersatz wegen der Missachtung vergleichbarer Verträge

schiedsfähig, wenn er der Dispositionsbefugnis Privater entzogene Rechtsgüter betrifft, über die allein der staatliche Richter entscheiden darf.6 Beispiele hierfür sind Ehe-, Lebenspartnerschafts- und Kindschaftssachen.7 Die subjektive Schiedsfähigkeit bestimmt sich mangels spezieller Regeln nach den allgemeinen Regeln zur Prozessfähigkeit, sodass über § 51 Abs. 1 ZPO die bürgerlich-rechtlichen Vorschriften anzuwenden sind. Parteien sind also subjektiv schiedsfähig, sofern sie nicht geschäfts- oder rechtsunfähig sind oder nicht wirksam vertreten wurden.8 Demnach kommen für den Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer internationalen Schiedsvereinbarung beinahe alle natürlichen und juristischen Personen und eine große Vielzahl von Ansprüchen in Betracht. Eine wirksame Schiedsvereinbarung setzt voraus, dass die Parteien die Schiedsabrede schriftlich, auch etwa durch Briefe oder Telegramme, getroffen haben (Art. 2 Abs. 1, 2 NYÜ, § 1031 Abs. 1 ZPO). Schiedsvereinbarungen binden auch den Einzel- oder Gesamtrechtsnachfolger, nicht aber den Bürgen, Schuldübernehmer oder Garanten.9 Der Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer Schiedsvereinbarung ist ausgeschlossen, wenn sich die abredewidrig verklagte Partei auf das Verfahren vor dem staatlichen Gericht rügelos eingelassen hat.10

II. Schuldverhältnis Wie bei der Gerichtsstandsvereinbarung stellt sich auch bei der Schiedsvereinbarung die Frage, ob diese die materiellrechtliche Pflicht begründen kann, vor keinem anderen als dem vereinbarten Schiedsgericht Klage zu er6  BGH, NJW 1991, 2215, 2216; Bechte, ZJS 2011, S. 307, 309; Saenger, in: Saenger, ZPO, § 1030, Rn. 5; Raeschke-Kessler/Berger, Schiedsverfahren, Rn. 178; Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 175, Rn. 12; Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 4, Rn. 1; Voit, in: Musielak, ZPO, § 1030, Rn. 2. 7  Geimer, in: Zöller, ZPO, § 1030, Rn. 6; Gilfrich, Schiedsverfahren im Scheidungsrecht, S.  36 ff.; Huber, SchiedsVZ 2004, S. 280, 281; Raeschke-Kessler/Berger, Schiedsverfahren, Rn. 178; Saenger, in: Saenger, ZPO, § 1030, Rn. 6; Voit, in: Musielak, ZPO, § 1030, Rn. 6; G. Wagner, Prozessverträge, S. 585. 8  Bechte, ZJS 2011, S. 307, 309; Geimer, IZPR, Rn. 3815  f.; Lachmann/Lachmann, BB 2000, S. 1633; Schmitz, RNotZ 2003, S. 591, 593 f.; Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 4, Rn. 3; Wolf/Eslami, in: Vorwerk/Wolf, ZPO, § 1029, Rn. 7, 9. 9  Geimer, IZPR, Rn. 3816; Hellwig, Zivilprozeß­ rechtlicher Vertrag, S. 112; Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 66, Rn. 19 ff.; Schlosser, Schiedsgerichtsbarkeit, Rn. 427; Teub­ner/Künzel, MDR 1988, S. 721, 723, 726. 10  Vgl. 3. Teil, A. I. 6. Zu Schiedsvereinbarungen siehe Stacher, Rechtsnatur Schiedsvereinbarung, Rn. 270.



A. Schiedsvereinbarung267

heben. Die Rechtsnatur der Schiedsvereinbarung ist seit jeher umstritten. Die traditionelle Rechtsprechung und Teile des Schrifttums bezeichnen die Schiedsvereinbarung als materiellrechtlichen Vertrag über prozessrechtliche Beziehungen.11 Heute charakterisieren der BGH und ein großer Teil der Lehre die Schiedsvereinbarung als Prozessvertrag.12 Dabei erkennen aber viele Vertreter der prozessualen Qualifikation an, dass Gerichtsstandsvereinbarungen auch materiellrechtliche Wirkungen erzeugen können.13 Die Rechtsprechung hält die Parteien etwa für verpflichtet, den Schiedsrichter zu benennen14, das Verfahren zu fördern15 und den Prozesskostenvorschuss zu zahlen16. Die Pflichten, das Verfahren zu fördern und den Prozesskostenvorschuss zu zahlen, betreffen bereits einen hinreichend konkreten Streitgegenstand und sind daher als prozessual zu qualifizieren. Die Pflicht, den Schiedsrichter zu benennen, trägt aber deutlich materiellrechtliche Züge, denn sie besteht bereits, bevor das Schiedsgericht sich überhaupt konstituiert hat, bevor also spezifisch prozessuale Pflichten überhaupt entstehen können. Daher kann es sich nur um eine materiellrechtliche Pflicht handeln.17 In der älteren Literatur qualifizieren einige Autoren die Schiedsvereinbarung als materiellrechtlichen Vertrag.18 11  RGZ 108, 194, 198; 144, 96, 98; 156, 101, 104; BGH NJW 1957, 589, 590; 1964, 591, 592; 1967, 2057, 2059; 1968, 1233; Baumbach, Schiedsgerichtsverfahren (1931), S. 37; Lachmann, Handbuch Schiedsgericht­spraxis, Rn. 193; Lionnet/Lionnet, Handbuch Schiedsgerichtsbarkeit, S. 180; Schütze, Schiedsgericht und Schiedsverfahren, Rn. 107; Schütze/Tscherning/Wais, Handbuch Schiedsverfahrensrecht, Rn. 126. 12  BGH, NJW 1987, 651, 652; DNotZ 2009, 938, 940; OLG Koblenz, SchiedsVZ 2005, 260, 261; OLG München, NJW-RR 2009, 417, 419; NJOZ 2011, 413, 416; Baumgärtel, Prozeßhandlungen, S. 230 ff.; Geimer, in: Zöller, ZPO, § 1029, Rn. 15; ders., IZPR, Rn. 3786; Hausmann, in: FS Lorenz, 1991, S. 359, 361; ders., in: Reithmann/Martiny, Int. Vertragsrecht, Rn. 8.184; Münch, in: MüKo-ZPO, § 1029, Rn. 13; Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 175, Rn. 7; Schmitz, RNotZ 2003, 591, 593; Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 7, Rn. 37; Jauernig/Hess, ZPR, § 92, Rn. 12; G. Wagner, Prozessverträge, S. 578 ff. 13  Münch, in: MüKo-ZPO, § 1029, Rn. 13: „Materiell etwa [besteht] die Pflicht, alles konkret Erforderliche zu tun, um das Zustandekommen des Schiedsspruches zu fördern“. Ähnlich auch Baumgärtel, Prozeßhandlungen, S. 235; Schmitz, RNotZ 2003, S. 591, 593. 14  RGZ 33, 265, 268; 74, 321, 322; BGH, NJW-RR 1986, 1059, 1060. 15  BGH, NJW 1980, 2136. 16  BGH, NJW 1985, 1903, 1904. 17  Schütze, Schiedsgericht und Schiedsverfahren, Rn. 107. Der BGH spricht in NJW-RR 1986, 1059, 1060 ausdrücklich von einer vertraglichen Pflicht, den Schiedsrichter zu benennen. 18  K. Blomeyer, in: FS Rosenberg, S. 51, 59 ff.; Lorenz, AcP 1958/1959, S. 265, 282 ff.; Niese, Doppelfunktionelle Prozeßhandlungen, S. 28 ff., 150 ff.; Rosenberg,

268 4. Teil: Schadensersatz wegen der Missachtung vergleichbarer Verträge

Da es unabhängig von der Qualifikation der Schiedsvereinbarung allgemein anerkannt ist, dass Schiedsvereinbarungen jedenfalls auch eine materiellrechtliche Wirkung hervorrufen können, spricht alles dafür, dass sie auch die materiellrechtliche Pflicht begründen können, nur vor dem vereinbarten Schiedsgericht zu klagen. Dennoch hat diese Frage bisher deutlich weniger Beachtung gefunden als bei Gerichtsstandsvereinbarungen. Es gibt allerdings eine Vielzahl von Autoren, die ausdrücklich von einer solchen Pflicht ausgehen19, und – soweit ersichtlich – keine Gegenstimmen. Gute Gründe sprechen dafür, der Schiedsvereinbarung jedenfalls auch eine materiellrechtliche Verpflichtungswirkung beizumessen. Einerseits wäre es inkonsequent, der Schiedsvereinbarung einige materiellrechtliche Pflichten zuzubilligen, etwa hinsichtlich der Konstituierung des Schiedsgerichts, andere Pflichten aber mit dem vermeintlich prozessualen Charakter der Schiedsvereinbarung abzulehnen.20 Auffällig ist auch die Ungleichbehandlung von Gerichtsstands- und Schiedsvereinbarungen, da bei Letzteren jedenfalls einige materiellrechtliche Wirkungen unstreitig sind, bei ersteren jedoch die herrschende Meinung jede materiellrechtliche Wirkung leugnet. Dass die herrschende Meinung an zwei so dogmatisch ähnliche Rechtsinstitute wie die Schieds- und die Gerichtsstandsvereinbarung sachgrundlos verschiedene Maßstäbe anlegt, offenbart die argumentative Schwäche dieser Auffassung. Zum anderen spricht ein starkes rechtspolitisches Bedürfnis dafür, von einer materiellrechtlichen Pflicht zur Klage vor dem vereinbarten Schiedsgericht auszugehen. Nur das Damoklesschwert des Schadensersatzanspruchs setzt auch dann Anreize für die Parteien der Schiedsabrede, nicht unnötige Kosten durch die Klage vor einem staatlichen Gericht zu provozieren, wenn das internationale Zivilverfahrensrecht dies zulässt.21 Ob die Parteien der Stellvertretung, S.  100 ff.; Teßmer, Schiedsverfahren, S. 19; Teub­ner/Künzel, MDR 1988, S. 721, 723, 726; Wach, Handbuch Civilprozessrecht, Bd. 1, S. 67. 19  Briggs, Agreements, Rn. 12.52; Gränicher, in: Honsell u.  a., IPR, Art. 178 IPRG, Rn. 4; Jasper, Forum Shop­ping, S. 127; Kaufmann-Kohler/Rigozzi, Arbitrage int., Rn.  21 f.; Kurth, Rechtsschutz, S.  74; Lalive/Poudret/Reymond, Droit de l’arbitrage, Intro Arb. int., Rn. 5; Manner/Mosi­mann, in: FS Schwenzer, S. 1197, 1200 f.; Sandrock, JIDR 2004, S. 106, 110; Sievi, DRJ 2011, S. 57, 59 ff.; Stacher, Rechtsnatur Schiedsvereinbarung, Rn.  73, 270  ff.; Teub­ner/Künzel, MDR 1988, S. 721, 723; Schlosser, Parteihandeln im Zivilprozeß, S. 66 ff.; Tan, Virginia JIL, S.  547, 597 ff.; Vischer/Huber/Oser, Int. Vertragsrecht, Rn. 1354; wohl auch Wessel/ North Cohen, Int. Arbitration Law Review 2001, S. 65 ff. Nach Ansicht des schweizerischen Bundesgerichts verstößt ein von einem Schiedsgericht ausgesprochenes Schadensersatzurteil aufgrund der Missachtung einer Schiedsvereinbarung nicht gegen den schweizerischen ordre public: Bundesgericht, 11.02.2010, RS. 4A 444/2009. 20  Kurth, Rechtsschutz, S. 74. Zur widersprüchlichen Behandlung weiterer Prozessverträge siehe 3. Teil, A. II. 1. und 4. Teil, A. II. und B. II. 21  Manner/Mosi­mann, in: FS Schwenzer, S. 1197, 1205. Vgl. Auch 3. Teil, A. II. 4.



A. Schiedsvereinbarung269

Schiedsvereinbarung im Einzelfall eine Verpflichtungswirkung beigemessen haben, ist – wenn sie diese nicht ausdrücklich bestimmt haben – durch Auslegung zu ermitteln.22 Auch der Vergleich mit dem Common Law bestätigt diese Position. USamerikanische Gerichte sprachen in älteren Fällen bereits mehrfach Schadensersatz für die Missachtung von Schiedsvereinbarungen zu.23 Aktuellere Entscheidungen sind nicht ersichtlich. Allerdings gewährten US-amerikanische Gerichte auch im 21. Jahrhundert anti-suit injunctions zur Durchsetzung von Schiedsvereinbarungen.24 Wie bei anti-suit injunctions zur Durchsetzung von Gerichtsstandsvereinbarungen kann man auch bei solchen zur Durchsetzung von Schiedsvereinbarungen die Parallele zum Schadensersatzanspruch ziehen. Wenn US-amerikanische Gerichte die anti-suit injunction zur Durchsetzung einer Schiedsvereinbarung als eine Art Primäranspruch gewähren, erscheint es naheliegend, dass sie – nach wie vor – auch den Schadensersatzanspruch aufgrund der Missachtung einer Schiedsvereinbarung als Sekundäranspruch anerkennen würden.25 Stimmen in der US-amerikanische Literatur halten den Schadensersatzanspruch auch für vereinbar mit dem Federal Arbitration Act.26 Dass US-amerikanische Gerichte Schadensersatz für die Missachtung internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen gewähren27, spricht dafür, den Schadensersatzanspruch auch bei der Missachtung der dogmatisch verwandten Schiedsvereinbarungen anzuerkennen.28 Englische Gerichte diskutierten den Schadensersatzanspruch für die Missachtung einer Schiedsvereinbarung bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts.29 Auch in der jüngeren Vergangenheit gewährten sie der abredewidrig vor einem staatlichen Gericht verklagten Partei Schadensersatz30 beziehungs22  Siehe

3. Teil, A. II. 5. Cross Line v. Atlantic Fruit Co. [1924] 264 U.S. 109, 118: „An agreement to arbitrate was legal in New York and damages were recoverable for a breach thereof“; Payton v. The Hurst Eye, Ear, Nose & Throat Hospital [1958] 318 S.W.2d 726; Kossick v. United Fruit Co. [1961] 365 U.S. 731, 740. 24  Paramedics Electromedicina Comercial v. GE Med. Sys. Info. Techs. [2004] 369 F.3d 645. 25  Tan, Virgina JIL 2007, S. 546, 603. 26  Tan, Virgina JIL 2007, S. 546, 597. 27  Siehe 3. Teil, A. II. 6. c). 28  Tan, Virgina JIL 2007, S. 546, 598 ff. 29  Doleman & Sons v. Ossett Corporation [1912] 3 K.B. 257, 267 f. 30  Mantovani v. Carapelli S.p.A. [1980] 1 Lloyd’s Rep. 375; Schiffahrtsgesellschaft Detlev von Appen GmbH v. Voest Alpine Intertrading GmbH [1997] 2 Lloyd’s Rep. 279, 285: „To fail to refer a dispute to arbitration and instead to commence litigation is a breach of contract“. 23  Red

270 4. Teil: Schadensersatz wegen der Missachtung vergleichbarer Verträge

weise anti-suit injunctions31. 2008 führte der High Court of England and Wales ausdrücklich zugunsten des abredewidrig Verklagten (HMD) aus: „HMD was entitled to recover damages for breach of the Arbitration Clauses, provided it could establish that it had suffered loss“32. Ähnlich wie bei Gerichtsstandsvereinbarungen äußern Rechtsprechung und Literatur im Common Law wenig bis keine Bedenken gegen den Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer internationalen Schiedsvereinbarung aufgrund von dogmatischen Überlegungen zur Natur des entsprechenden Prozessvertrags. In Hinblick auf die Einsatzmöglichkeiten des Schadensersatzanspruchs wegen der Missachtung einer internationalen Schiedsvereinbarung sind die Voraussetzungen günstiger als bei Gerichtsstandsvereinbarungen. Die abredewidrige Entscheidung stammt beim Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer Schiedsvereinbarung von einem staatlichen Gericht, die Schadensersatzklage findet jedoch vor dem vereinbarten Schiedsgericht statt.33 Schiedsvereinbarungen sind regelmäßig weit gefasst und sind auch im Zweifel weit auszulegen (in favorem iurisdictionis arbitri). Sie umfassen alle zwischen den Parteien aus einem bestimmten Rechtsverhältnis entstehenden Streitigkeiten.34 Das schließt auch die Schadensersatzklage wegen der Missachtung einer Schiedsvereinbarung ein.35 Das bedeutet, dass die EuGH-Rechtsprechung zum Vertrauensprinzip und der Rechtskraft von Entscheidungen den Schadensersatzanspruch nicht einschränken kann, da die EuGVVO gem. Art. 1 Abs. 2 lit. d auf das Schiedsverfahren nicht anzuwenden ist.36 Das Schiedsgericht ist also nicht durch die speziellen Anforderungen der EuGVVO gebunden. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der West-Tankers-Entscheidung des EuGH.37 Nach dieser Entscheidung ist es einem mitgliedstaatlichen – im Ausgangsfall englischen – Gericht aufgrund des Prinzips des gegenseitigen Vertrauens verwehrt, 31  Tracomin

S.A. v. Sudan Oil Seeds Co. Ltd. [1983] Lloyd’s Rep. 624. CGM S.A. v. Hyundai Mipo Dockyard Co. Ltd. [2008] EWHC 2791. 33  Manner/Mosimann, in: FS Schwenzer, S. 1197, 1202; Stacher, Rechtsnatur Schiedsvereinbarung, Rn. 266. 34  BGH, NJW 1964, 591, 592; SchiedsVZ 2004, 259, 260; OLG München, SchiedsVZ 2014, 262, 264; Geimer, IZPR, Rn. 3807; ders., in: Zöller, ZPO, § 1029, Rn. 78; Hanefeld, in: Weigand, Handbook Arbitration, Rn. 7.16; Karrer/Straub, in: Weigand, Handbook Arbitration, Rn. 12.21. 35  Vgl. 3. Teil, A. VII. Siehe speziell zu Schiedsvereinbarungen Joseph, Agreements, Rn. 14.18. 36  Vgl. Briggs, Agreements, Rn.  12.59 ff.; Stacher, Rechtsnatur Schiedsvereinbarung, Rn.  244. A. A.: Joseph, Agreements, Rn. 14.19, der ohne nähere Begründung davon ausgeht, die Prinzipien der EuGVVO würden auch das Schiedsgericht binden. 37  EuGH, 10.02.2009 – RS.  C-185/07, Allianz SpA u.  a./West Tankers Inc., EuZW 2009, 215. 32  CMA



A. Schiedsvereinbarung271

zur Verhinderung eines entgegen einer Schiedsvereinbarung vor einem anderen mitgliedstaatlichen Gericht begonnenen Verfahrens eine anti-suit injunction zu erlassen.38 Die Konstellation aus West Tankers ist allerdings nicht einschlägig, da das Gericht der Schadensersatzklage kein staatliches Gericht (eines EU-Mitgliedstaats) ist. Aus der West-Tankers-Entscheidung lassen sich also keine Einschränkungen des Schadensersatzanspruchs wegen der Missachtung einer Schiedsvereinbarung herleiten. Auch die Rechtskraft der Entscheidung des derogierten staatlichen Gerichts führt nicht zu einem anderen Ergebnis. Die Frage der Rechtskraft richtet sich weder nach dem NYÜ noch nach der EuGVVO. Das NYÜ wirkt sich nicht aus, da es nur auf Entscheidungen von Schiedsgerichten anzuwenden ist. Es erfasst nicht die Entscheidung eines staatlichen Gerichts unter Missachtung einer Schiedsvereinbarung und enthält dementsprechend weder Argumente für noch gegen den Schadensersatzanspruch.39 Aufgrund von Art. 1 Abs. 2 lit. d EuGVVO ist die EuGH-Rechtsprechung zur großzügigen Rechtskrafterstreckung bei Gerichtsstandsvereinbarungen40 nicht auf Schiedsvereinbarungen zu übertragen. Da die Frage der Rechtskraft eines staatlichen Urteils gegenüber einem Schiedsgericht nicht in vorrangigen Verordnungen oder Übereinkommen geregelt ist, ist auf das autonome Recht abzustellen. Das abredewidrig angerufene staatliche Gericht kann sich entweder für unzuständig oder für zuständig erklären. Erklärt es sich für unzuständig, erwächst die Entscheidung, dass die Klage aufgrund der Schiedsvereinbarung unzulässig ist, im autonomen Recht gem. § 322 Abs. 1 ZPO in Rechtskraft.41 In diesem Fall stellt die Rechtskraft des staatlichen Urteils keine Anforderungen an das Schiedsgericht. Das Schiedsgericht wird, wenn es die Schiedsvereinbarung für wirksam hält, eine mit der Entscheidung des derogierten staatlichen Gerichts übereinstimmende Entscheidung treffen, sodass sich die Frage der entgegenstehenden Rechtskraft nicht stellt.42 Wenn sich das abredewidrig angerufene ausländische Gericht für zuständig erklärt, ergeben sich ebenfalls keine Einschränkungen aus der Rechtskraft dieser Entscheidung. In diesem Fall ist die Entscheidung im autonomen 38  EuGH, 10.02.2009 – RS.  C-185/07, Allianz SpA u.  a./West Tankers Inc., Rn. 30, EuZW 2009, 215, 217. 39  Briggs, Agreements, Rn. 12.85. 40  EuGH, 15.11.2012, RS. C-456/11, Gothaer Allgemeine Versicherung, EuZW 2013, 60. 41  RGZ 159, 173, 176; BGH, NJW 1985, 2535  f.; Gottwald, in: MüKo-ZPO, § 322, Rn. 169; Musielak, in: Musielak, ZPO, § 322, Rn. 44; Vollkommer, in: Zöller, ZPO, § 322, Rn. 1a; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hart­mann, ZPO, § 322, Rn. 60. 42  Stacher, Rechtsnatur Schiedsvereinbarung, Rn. 272.

272 4. Teil: Schadensersatz wegen der Missachtung vergleichbarer Verträge

Recht nach § 328 Abs. 1 Nr. 1 ZPO direkt beziehungsweise analog nicht anzuerkennen.43 Wenn sich ein inländisches staatliches Gericht trotz der wirksamen Schiedsvereinbarung für zuständig erklärt und in der Sache entscheidet, ist die Rechtskraft dieser Entscheidung streitig. Unstreitig entfaltet das Urteil in der Sache Rechtskraft. Umstritten ist jedoch, ob die Rechtskraft auch die Zuständigkeitsentscheidung und damit die Frage der Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung erfasst.44 Dagegen spricht, dass die ZPO eine solche Regelung an keiner Stelle trifft und regelmäßig kein Bedürfnis dafür besteht, die Zulässigkeitsentscheidung isoliert in Rechtskraft erwachsen zu lassen. Vielmehr entspricht es dem Rechtsschutzbedürfnis der Parteien, nicht vor einem unzuständigen Gericht verklagt zu werden, wenn jedes Gericht seine Zuständigkeit selbst prüft.45 Demnach ist das Schiedsgericht auch nicht an die Entscheidung des abredewidrig angerufenen inländischen Gerichts gebunden, die Schiedsvereinbarung sei wirksam. Insgesamt ergeben sich also keine Einschränkungen des Schadensersatzanspruchs aus der Rechtskraft der Entscheidung des staatlichen Gerichts. Der Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer internationalen Schiedsvereinbarung besteht also unabhängig davon, ob sich das abredewidrig angerufene staatliche Gericht für zuständig oder für unzuständig erklärt hat. Neben dem vertraglichen kommt in besonders gelagerten Fällen auch der außervertragliche Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer internationalen Schiedsvereinbarung in Betracht. Die Anforderungen der §§ 826, 823 Abs. 1 und Abs. 2 BGB sind bei der Missachtung von Schiedsvereinbarungen mit denen bei der Missachtung von Gerichtsstandsvereinbarungen identisch. Erforderlich ist also, dass der abredewidrig Klagende das Verfahren in Schädigungsabsicht oder mit unlauteren Mitteln missbraucht, etwa in Form des Prozessbetrugs.46 Abschließend ist die Frage, ob die Schiedsvereinbarung die Pflicht begründet, ausschließlich vor dem vereinbarten Schiedsgericht zu klagen, unter der Einschränkung zu bejahen, dass die Parteien dies konkludent oder ausdrücklich so vereinbart haben.47 Der Schadensersatzanspruch wegen der Missach43  Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, § 328, Rn. 83; Sandrock, JIDR 2004, S. 106, 110; Schlosser, Rev. Arb. 1981, S. 371, 379 f.; ders., Schiedsgerichtsbarkeit, Rn. 883. Für die analoge Anwendung von § 328 Abs. 1 Nr. 1 ZPO: Bälz/Marien­feld, RIW 2003, S. 51, 54. 44  Dies bejahen A. Blomeyer, ZPR, § 40 II; Leipold, in: Stein/Jonas, ZPO, § 322, Rn. 134. 45  Geimer, in: Zöller, ZPO, § 328, Rn. 39; Gottwald, in: MüKo-ZPO, § 322, Rn. 171; Musielak, in: Musielak, ZPO, § 322, Rn. 45. Vgl. auch RGZ 159, 173, 176. 46  Vgl. 2. Teil, A. IV., B. und C. 47  Vgl. 3. Teil, A. II. 5.



A. Schiedsvereinbarung273

tung einer Schiedsvereinbarung kommt unabhängig davon in Betracht, ob sich das abredewidrig angerufene staatliche Gericht für zuständig oder für unzuständig erklärt hat. Einschränkungen ergeben sich weder aus dem Vertrauensprinzip noch aus der Rechtskraft der Entscheidung des abredewidrig angerufenen staatlichen Gerichts. In Bezug auf den außervertraglichen Schadensersatzanspruch und die Pflichtverletzung ergeben sich bei der Missachtung einer Schiedsvereinbarung keine Unterschiede zur Gerichtsstandsvereinbarung.48 Das Vertretenmüssen ist gem. § 276 Abs. 1 Satz 1 BGB bei Vorsatz und Fahrlässigkeit zu bejahen.49

III. Schaden Der Umfang des Schadensersatzanspruchs wegen der Missachtung einer internationalen Schiedsvereinbarung gleicht im Wesentlichen dem Umfang des Schadensersatzanspruchs wegen der Missachtung von Gerichtsstandsvereinbarungen außerhalb der EuGVVO.50 Allerdings tritt neben die dort thematisierten Schadenspositionen (außergerichtliche Kosten, Zins- und Verzögerungsschäden und bei einer Verurteilung in der Sache die Gerichtskosten) bei Schiedsvereinbarungen als gewichtiger Posten noch die Verletzung von Betriebsgeheimnissen hinzu.51 Für die Parteien einer Schiedsvereinbarung ist es häufig ein zentrales Motiv für den Abschluss der Vereinbarung, dass sie ihre Betriebsgeheimnisse vor dem öffentlichen Verfahren vor einem staatlichen Gericht schützen wollen.52 Den im Zweifel durch ein Sachverständigengutachten zu ermittelnden Schaden durch die Veröffentlichung von Betriebsgeheimnissen hat die abredewidrig klagende Partei zu ersetzen. Wie soeben untersucht, ist der Schadensersatzanspruch nicht aus Gründen des Vertrauensprinzips oder der entgegenstehenden Rechtskraft eingeschränkt. Er besteht, wenn sich das abredewidrig angerufene Gericht für unzuständig und auch wenn es sich für zuständig erklärt hat. Allerdings ist der Schadensersatzanspruch auf den Ersatz außergerichtlicher, Zins- und Verzögerungskosten sowie gegebenenfalls der Gerichtskosten und den durch die Verletzung von Betriebsgeheimnissen entstandenen Schaden begrenzt. Das Urteil des derogierten Gerichts in der Sache stellt – genau wie bei Gerichts48  Vgl.

3. Teil, A. III. 3. Teil, A. IV. 3. Siehe speziell zur Schiedsvereinbarung Stacher, Rechtsnatur Schiedsvereinbarung, Rn. 282 ff. 50  Siehe zum Schaden bei der Missachtung einer Schiedsvereinbarung auch Stacher, Rechtsnatur Schiedsverein­barung, Rn. 277 ff. 51  Joseph, Agreements, Rn. 14.16. 52  Nagel, Durchsetzung, S.  22; Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, Einl., Rn. 8; Joseph, Agreements, Rn. 14.16. 49  Vgl.

274 4. Teil: Schadensersatz wegen der Missachtung vergleichbarer Verträge

standsvereinbarungen – keinen ersatzfähigen Schadensposten dar. Zwar stünde die Rechtskraft des Urteils des derogierten Gerichts dem nicht entgegen, die Gefahr für den internationalen Entscheidungseinklang durch hinkende Rechtsverhältnisse schließt es jedoch aus, das Urteil des derogierten Gerichts in der Sache durch den Schadensersatzanspruch faktisch außer Kraft zu setzen.53 Das auf den Schadensersatzanspruch anwendbare Recht bestimmt sich wie bei Gerichtsstandsvereinbarungen nach dem Statut der Schiedsvereinbarung. Sofern die Parteien nicht für die Schiedsvereinbarung eine eigene Rechtswahl getroffen haben, unterliegt die Schiedsvereinbarung dem von den Parteien für den Hauptvertrag gewählten Recht54, andernfalls dem Recht am vereinbarten Schiedsort55. Zuständig für die Schadensersatzklage ist, wie bereits untersucht, das vereinbarte Schiedsgericht.

IV. Alternative Absicherungsmöglichkeiten Auch bei Schiedsvereinbarungen stellt sich die Frage, ob sich individualvertraglich oder in AGB ein materiellrechtlicher Kostenerstattungsanspruch oder eine Vertragsstrafe vereinbaren lassen. Hier ergeben sich keine wesentlichen Änderungen gegenüber Gerichtsstandsvereinbarungen. Unproblematisch können die Parteien einen materiellrechtlichen Kostenerstattungsanspruch oder eine Vertragsstrafe individualvertraglich und in AGB für den Fall vereinbaren, dass sich das abredewidrig angerufene staatliche Gericht für unzuständig erklärt.56 Ferner können die Parteien durch individualvertragliche Vereinbarung einen Kostenerstattungsanspruch oder eine Vertragsstrafe für den Fall vereinbaren, dass sich das staatliche Gericht für zuständig erklärt und in der Sache entscheidet. Eine entsprechende Regelung in AGB ist wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB i. V. m. §§ 91ff. ZPO unwirksam.57

V. Zwischenergebnis Der Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer internationalen Schiedsvereinbarung besteht unter ähnlichen Voraussetzungen wie der Scha53  Vgl.

3. Teil, B. V. 3. Rechtsnatur Schiedsvereinbarung, Rn. 267 f. 55  Vgl. 3. Teil, A. VI. 4. So zu Schiedsvereinbarungen ausdrücklich Stacher, Rechtsnatur Schiedsvereinbarung, Rn. 268. 56  Vgl. 3. Teil, A. VIII und B. VI. 57  Vgl. 3. Teil, B. VI. Siehe zum Ganzen auch Manner/Mosimann, in: FS Schwenzer, S. 1197, 1205 ff. 54  Stacher,



B. Mediationsvereinbarung275

densersatzanspruch bei Gerichtsstandsvereinbarungen. Gläubiger und Schuldner des Schadensersatzanspruchs können nur die Parteien sein, die wirksam eine Schiedsvereinbarung schließen können. Das ist bei allen rechts- und geschäftsfähigen natürlichen und juristischen Personen zu bejahen. Gegenstand einer Schiedsvereinbarung können alle vermögensrechtlichen und vergleichsfähigen Ansprüche sein, die nicht ausnahmsweise der Disposition Privater entzogen sind. Die Schiedsvereinbarung begründet ein Schuldverhältnis, dessen Verletzung schadensersatzpflichtig macht. Wie bei Gerichtsstandsvereinbarungen ist die Rechtsnatur der Schiedsvereinbarung umstritten. Ganz überwiegend misst man ihr aber jedenfalls auch einen materiellrechtlichen Charakter bei. Viele Stimmen sprechen sich dafür aus, dass die Schiedsvereinbarung dazu verpflichtet, nur vor dem vereinbarten Schiedsgericht zu klagen. Dies bestätigt das entsprechende Ergebnis zu Gerichtsstandsvereinbarungen, das erstaunlicherweise deutlich mehr Kritik ausgesetzt ist. Der Schadensersatzanspruch kann neben Prozess-, Zins- und Verzögerungskosten je nach Sachverhalt auch Schäden durch die Verletzung von Betriebsgeheimnissen infolge öffentlicher Verhandlung umfassen. Die Reichweite des Schadensersatzanspruchs unterliegt keinen Einschränkungen durch das Vertrauensprinzip oder die Rechtskraft der Entscheidung des abredewidrig angerufenen Gerichts. Allerdings umfasst der Schadensersatzanspruch nicht die Entscheidung des staatlichen Gerichts in der Sache. Auf die Schiedsvereinbarung ist das von den Parteien für den Hauptvertrag gewählten Recht, andernfalls das Recht am vereinbarten Schiedsort anwendbar. Zuständig für die Schadensersatzklage ist das vereinbarte Schiedsgericht. Einen materiellrechtlichen Kostenerstattungsanspruch oder eine Vertragsstrafe können die Parteien individualvertraglich und in AGB stets für den Fall vereinbaren, dass sich das abredewidrig angerufene staatliche Gericht für unzuständig erklärt. Für den Fall, dass es sich für zuständig erklärt, ist dies nur durch individualvertragliche Vereinbarung möglich.

B. Mediationsvereinbarung Auch bei internationalen Mediationsvereinbarungen stellt sich die Frage, ob die Missachtung eines solchen Vertrages einen Schadensersatzanspruch begründen kann. Es sind ebenfalls die Reichweite des Anspruchs, der verpflichtende Charakter der Mediationsvereinbarung, der Umfang des Schadensersatzanspruchs und die Frage nach alternativen Absicherungsmöglichkeiten zu untersuchen.

276 4. Teil: Schadensersatz wegen der Missachtung vergleichbarer Verträge

I. Reichweite des Schadensersatzanspruchs Der Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer internationalen Mediationsvereinbarung kommt nur für die Parteien in Betracht, die eine wirksame Mediationsvereinbarung schließen können. Die rudimentären Regelungen zur Mediation in der ZPO und dem Mediationsgesetz geben keine Voraussetzungen vor, welche Parteien sich des Mediationsverfahrens bedienen können. Ähnlich wie bei Schiedsvereinbarungen und im Gegensatz zu Gerichtsstandsvereinbarungen gibt es bei der gesetzlich nicht geregelten Mediationsvereinbarung grundsätzlich keine Beschränkungen des Personenkreises, der eine solche Vereinbarung abschließen kann. Grundsätzlich können daher alle rechts- und geschäftsfähigen natürlichen und juristischen Personen eine Mediationsvereinbarung abschließen.58 Manche Autoren machen situative Einschränkungen bezüglich des Personenkreises und nehmen die Konstellation einer Mediationsvereinbarung zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmer aus.59 Ob die Mediation dem Verbraucher im Einzelfall nicht eher nutzen kann und daher zulässig sein sollte60, kann dahinstehen, da die hier interessierenden Fallkonstellationen der Missachtung internationaler Mediationsvereinbarungen beinahe ausschließlich den Unternehmerverkehr betreffen. Umstritten ist ferner, ob Mediationsvereinbarungen in Anlehnung an § 1031 ZPO schriftlich abgeschlossen werden müssen.61 Da die Schriftform aus Beweisgründen ohnehin die Regel ist, wirkt sich diese Frage allerdings in der Praxis selten aus.62 Ferner ist es den Parteien zu raten, den gesetzlich nicht definierten Begriff der Mediation genauer zu definieren, um einen möglichen Dissens auszuschließen.63 Eine Mediationsvereinbarung in AGB ist unter Unternehmern möglich, unterliegt aber der Kontrolle nach §§ 305ff. BGB.64 Der Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer Mediationsvereinbarung kommt ferner nur in Betracht, wenn die Parteien die staatliche 58  Risse,

Wirtschaftsmediation, § 3, Rn. 13. Mediation, S.  252 ff.; Rafi, in: Haft/von Schlieffen, Handbuch Mediation, § 52, Rn. 49. 60  Engel/Hornuf, SchiedsVZ 2012, S. 26, 28. Argumente hierfür auch bei Rafi, in: Haft/von Schlieffen, Handbuch Mediation, § 52, Rn. 42 ff. 61  Siehe hierzu Risse, Wirtschaftsmediation, § 3, Rn. 14; Risse/C. Wagner, in: Haft/von Schlieffen, Handbuch Mediation, 2. Aufl. (2009), § 23, Rn. 65. 62  Risse/C. Wagner, in: Haft/von Schlieffen, Handbuch Mediation, 2.  Aufl. (2009), § 23, Rn. 65. 63  Risse, Wirtschaftsmediation, § 3, Rn. 13. 64  Böttcher/Laskawy, DB 2004, S. 1247, 1248; Risse, Wirtschaftsmediation, § 3, Rn.  16 ff.; Risse/C. Wagner, in: Haft/von Schlieffen, Handbuch Mediation, 2. Aufl. (2009), § 23, Rn. 65; Eidenmüller, Wirt­schaftsmediation, S.  16  ff. 59  Breidenbach,



B. Mediationsvereinbarung277

Gerichtsbarkeit wenigstens vorübergehend ausgeschlossen haben. Es muss sich bei der Mediationsvereinbarung also um einen dilatorischen Klageverzicht handeln.65 Andernfalls fehlt es an der Derogationskomponente der Vereinbarung, die erst die Pflicht begründet, (vorübergehend) nicht vor einem staatlichen Gericht zu klagen. Regelmäßig bezwecken die Parteien einen solchen Klageverzicht, da eine unverbindliche Mediationsvereinbarung im Streitfall nicht durchsetzbar wäre.66 Es ist aber eine Frage der Auslegung im Einzelfall, ob die Parteien einen bindenden pactum de non petendo oder eine bloße Absichtserklärung getroffen haben.67 Wenn die Parteien einen wirksamen pactum de non petendo vereinbart haben, muss ein angerufenes staatliches Gericht das Verfahren bis zum Ende des Mediationsverfahrens aussetzen.68 Die Partei, die dennoch vor einem staatlichen Gericht klagt, begeht eine Pflichtverletzung. Dieser Gesichtspunkt ähnelt in gewissem Umfang der Frage nach der Ausschließlichkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung. So wie nur die Missachtung einer ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung die Schadensersatzpflicht begründen kann69, kommt der Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer Mediationsvereinbarung nur in Betracht, wenn diese einen dilatorischen Klageverzicht für die Parteien begründet. Nur eine ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung und ein dilatorischer Klageverzicht im Rahmen der Mediationsvereinbarung beinhalten die für den Schadensersatzanspruch erforderliche Derogationskomponente.

II. Schuldverhältnis Wie zuvor bei Gerichtsstands- und Schiedsvereinbarungen stellt sich auch bei Mediationsvereinbarungen die Frage, ob diesen eine materiellrechtliche Wirkung zukommen kann. Obwohl diese Frage bei Gerichtsstandsvereinbarungen so umstritten ist, findet sich bei Mediationsvereinbarungen kein Widerstand gegen die Annahme einer materiellrechtlichen Verpflichtungswirkung der Abrede. Insgesamt ist die Frage bisher in der Literatur wenig und in der Rechtsprechung gar nicht behandelt worden. Die wenigen Ausführun65  Vgl. Dendorfer/Krebs, MittBayNot 2008, S.  85, 90; Eidenmüller, Wirt­ schaftsmediation, S.  12 ff. 66  Böttcher/Laskawy, DB 2004, S. 1247, 1249. 67  Eidenmüller, Wirtschaftsmediation, S. 13. 68  BGH, NJW 1984, 669 f.; 1977, 2263; BB 1999, 129 (je zu Streitschlichtungsklauseln); Eidenmüller, Wirt­schaftsmediation, S.  12  ff.; Hacke, ADR-Vertrag, S. 330; Risse, Wirtschaftsmediation, § 3, Rn. 22; Risse/C. Wagner, in: Haft/von Schlieffen, Handbuch Mediation, 2. Aufl. (2009), § 23, Rn. 63; Sandrock, in: FS Schlosser, S. 821, 830. 69  Siehe 3. Teil, A. I. 4.

278 4. Teil: Schadensersatz wegen der Missachtung vergleichbarer Verträge

gen in der Literatur70 konzentrieren sich eher auf die Frage der Schadensersatzpflicht, ohne dabei darauf einzugehen, ob auch ein Schuldverhältnis besteht. Da ein bestehendes Schuldverhältnis jedoch eine notwendige Voraussetzung des vertraglichen Schadensersatzanspruchs ist, müssen die betreffenden Autoren der Mediationsvereinbarung eine materiellrechtliche Wirkung beimessen. Es sprechen die gleichen Argumente für den verpflichtenden Charakter der Mediationsvereinbarung wie bei Gerichtsstands- und Schiedsvereinbarungen. Zentrale Argumente sind die Abschreckungswirkung durch den drohenden Schadensersatzanspruch sowie die Überlegung, dass die Rechtsordnung nicht die den Prozessvertrag brechende Partei für ihr Verhalten belohnen sollte.71 Bei Mediationsvereinbarung liegt ein Schwerpunkt der Diskussion um den Schadensersatzanspruch darauf, dass eine Partei nicht ordnungsgemäß am Mediationsverfahren teilnimmt, ohne allerdings Klage vor einem staatlichen Gericht zu erheben. Risse ist der Auffassung, dass die Mediationsvereinbarung die Pflicht begründe, am Mediationsverfahren konstruktiv teilzunehmen. Wer dieser Pflicht nicht nachkomme, befinde sich in Verzug und mache sich dementsprechend gem. §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 BGB schadensersatzpflichtig.72 Anders als bei der Schiedsvereinbarung, bei der die Pflichtverletzung nur in der Klage vor einem staatlichen Gericht liegen kann, ist bei einer Mediationsvereinbarung die Pflichtverletzung neben der abredewidrigen Klage auch durch nicht gehörige Teilnahme am Mediationsverfahren möglich. Wie Risse selbst ausführt, dürfte es dem Anspruchsberechtigten allerdings in aller Regel nicht gelingen, einen durch den Verzug bedingten Schaden darzulegen. Auch bei einer pflichtgemäß durchgeführten Mediation sind die Parteien nicht zur Einigung verpflichtet, sodass die Nichtteilnahme am Mediationsverfahren nicht kausal für den Schaden in Form von Prozesskosten ist.73 Auch die vergeblichen Aufwendungen für das Mediationsverfahren sind nicht ersatzfähig. Die im Verzug befindliche, nicht zum Mediationsverfahren erschienene Partei kann hiergegen den Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens mit der Begründung erheben, dass der anderen Partei dieselben Kosten für das Mediationsverfahren auch entstanden wären, wenn 70  Eidenmüller, Wirtschaftsmediation, S.  21 ff.; Hacke, ADR-Vertrag, S.  331 ff.; Risse, Wirtschaftsmediation, § 3, Rn. 24 ff.; Sandrock, in: FS Schlosser, S. 821 ff. 71  Vgl. 3. Teil, A.II.4 und 4. Teil, A. II. 72  Risse, Wirtschaftsmediation, § 3, Rn. 25, Fn. 39. Vgl. auch Risse/C. Wagner, in: Haft/von Schlieffen, Handbuch Mediation, 2. Aufl. (2009), § 23, Rn. 66, Fn. 59. 73  Eidenmüller, Wirtschaftsmediation, S. 22; Risse, Wirtschaftsmediation, § 3, Rn. 25.



B. Mediationsvereinbarung279

beide Parteien pro forma ergebnislos das Mediationsverfahren durchgeführt hätten.74 Eidenmüller und Hacke halten die Berufung auf rechtmäßiges Alternativverhalten nach dem Schutzzweck der verletzten Norm für ausgeschlossen.75 Das erscheint wenig überzeugend, da das Mediationsverfahren nicht gesetzlich geregelt ist. Es verfügt also nicht über Normen, die abweichend von der allgemeinen Regel die Berufung auf rechtmäßiges Alter­ nativverhalten ausschließen könnten. Auch in den Mediationsordnungen institutionalisierter Mediationseinrichtungen lassen sich keine Vorschriften finden, die die Berufung auf rechtmäßiges Alternativverhalten verhindern würden.76 Nur vereinzelt widmen sich Autoren der Frage, ob die Klage vor einem staatlichen Gericht entgegen der einen dilatorischen Klageverzicht enthaltenden Mediationsvereinbarung eine Pflichtverletzung darstellt. Die Autoren, nach deren Auffassung die nicht ordnungsgemäße Teilnahme am Mediationsverfahren einen vertraglichen Schadensersatzanspruch wegen Verzugs begründet, bestätigen immerhin, dass die Mediationsvereinbarung die materiellrechtliche Verpflichtung enthält, das Mediationsverfahren auch wie vereinbart durchzuführen. Wenn bereits die Verzögerung des Verfahrens – jedenfalls vorbehaltlich des Einwands des rechtmäßigen Alternativverhaltens – schadensersatzpflichtig macht, muss dies erst recht gelten, wenn eine Partei die Mediationsvereinbarung durch die Klage vor einem staatlichen Gericht völlig ignoriert (argumentum a minore ad maius). Ausdrücklich führt Hacke dies aus: „Die entgegen dem pactum de non petendo erhobene Klage stellte eine Vertragsverletzung dar und wird im Fall der Schuldhaftigkeit folglich den Tatbestand der pVV (§ 280 I BGB-E) erfüllen“77. Darüber hinaus gibt es nur wenige Stellungnahmen, die den Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer Mediationsvereinbarung durch eine Klage vor einem staatlichen Gericht bejahen.78 Erstaunlich ist, dass es im Gegensatz zu Gerichtsstandsvereinbarungen – soweit ersichtlich – keine Stimmen gibt, die den Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer Mediationsvereinbarung, etwa mit deren vermeintlich rein prozessualen Charakter, verneinen würden. Zwar gibt es auch insgesamt zu dieser Fragestellung bei Mediationsvereinbarungen deutlich weniger Stellungnahmen als bei Schieds- und besonders bei Gerichtsstandsvereinbarungen. Dennoch ist es auffällig, dass die so vehement vertretene herrschende 74  Risse,

Wirtschaftsmediation, § 3, Rn. 25. Wirtschaftsmediation, S. 22, Fn. 64; Hacke, ADR-Vertrag, S. 332. 76  Vgl. zum Beispiel die DIS-Mediationsordnung 2010 oder die Mediationsordnung des Bundesverbands Mediation e. V. von 2011. 77  Hacke, ADR-Vertrag, S. 331. 78  Sandrock, in: FS Schlosser, S. 821, 831 f.; Spencer/Brogan, Mediation, S. 423 ff. 75  Eidenmüller,

280 4. Teil: Schadensersatz wegen der Missachtung vergleichbarer Verträge

Meinung zu Gerichtsstandsvereinbarungen, die diesen jede materiellrechtliche Wirkung abspricht, bei Schieds- und Mediationsvereinbarungen nahezu inexistent ist. Wie bereits zu Schiedsvereinbarungen ausgeführt, erscheint es inkonsequent, dieselbe Fragestellung bei ähnlichen Prozessverträgen so unterschiedlich zu beantworten. Der Blick ins englische Common Law zeigt, dass es dort vollkommen anerkannt ist, dass die Missachtung einer Mediationsvereinbarung ein finanziell zu sanktionierendes Verhalten darstellt. Zwar wird der Schadensersatzanspruch für die Missachtung einer Mediationsvereinbarung auch hier nur selten diskutiert. Das mag aber auch daran liegen, dass den Gerichten andere Möglichkeiten zur Verfügung stehen, die eine weitere Diskussion entbehrlich machen. Englische Gerichte können einer Partei einen erheblichen Teil der Prozesskosten des staatlichen Verfahrens auferlegen, wenn sie sich dem Mediationsverfahren – auch einem vom Gericht angeordneten – widersetzt. Das gilt sogar, wenn die sich der Mediation widersetzende Partei das staatliche Verfahren gewinnt.79 Im englischen Recht haben Gerichte demnach die Möglichkeit, von Amts wegen eine Partei allein dafür zu sanktionieren, dass sie am Mediationsverfahren nicht teilnimmt. Das verdeutlich, dass im englischen Recht keine dogmatischen Bedenken gegen den verpflichtenden Charakter der Mediationsvereinbarung bestehen. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Mediationsvereinbarung – jedenfalls in Form des pactum de non petendo – die Pflicht begründet, am Mediationsverfahren konstruktiv teilzunehmen und nicht vor dessen Abschluss vor einem staatlichen Gericht Klage zu erheben. Verletzt eine Partei diese Pflicht, macht sie sich schadensersatzpflichtig. Da dem Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung der Teilnahmepflicht die Einrede des rechtmäßigen Alternativverhaltens entgegensteht, ist praktisch nur der Schadensersatzanspruch wegen der Klage vor einem staatlichen Gericht relevant. In Bezug auf den außervertraglichen Schadensersatzanspruch, die Pflichtverletzung und das anwendbare Recht ergeben sich bei der Missachtung einer Mediationsvereinbarung keine Unterschiede zur Gerichtsstandsvereinbarung.80

79  Frank Cowl v. Plymouth City Council [2001] EWCA Civ 1935: „If they turn down out of hand the chance of alternative dispute resolution when suggested by the court, as happened on this occasion, they may have to face uncomfortable costs consequences“. Mit leichten Einschränkungen auch Arthur J. S. Hall & Co.v. Simons [2002] 1 A.C. 615: „If mediation can have no real prospect of success a party may, with impunity, refuse to proceed to mediation on this ground“. Zur Entwicklung siehe Newmark, SchiedsVZ 2003, S. 23, 25 ff. 80  Vgl. 2. Teil, 3. Teil, A. III. und A. VI.



B. Mediationsvereinbarung281

Das Vertretenmüssen ist gem. § 276 Abs. 1 Satz 1 BGB bei Vorsatz und Fahrlässigkeit zu bejahen.81 Der Umfang des Schadensersatzanspruchs entspricht, wenn man den Schadensersatzanspruch wegen Verstoßes gegen die Pflicht zur konstruktiven Teilnahme am Mediationsverfahren ausklammert, dem von Gerichtsstandsvereinbarungen. Gelangen EuGVVO oder LugÜ zur Anwendung, bestehen die aus dem Vertrauensprinzip und der Rechtskraft der Zuständigkeitsentscheidung begründeten Einschränkungen für den Schadensersatzanspruch.82 Wie bei Schiedsvereinbarungen kommt auch die Verletzung von Betriebsgeheimnissen in Betracht, da auch das Mediationsverfahren grundsätzlich vertraulich und unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindet.83 Die Zuständigkeit des Gerichts der Schadensersatzklage bestimmt sich nach allgemeinen Regeln, da die Mediationsvereinbarung kein zuständiges Gericht bestimmt.

III. Alternative Absicherungsmöglichkeiten Die Absicherung der Mediationsvereinbarung durch einen materiellrechtlichen Kostenerstattungsanspruch oder eine Vertragsstrafe hat in Anbetracht der geringen Verbreitung der Diskussion um Schadensersatzansprüche wegen der Missachtung einer Mediationsvereinbarung vergleichsweise viel Beachtung gefunden.84 Zu bedenken ist bei solchen Vereinbarungen, dass das die Vertragsstrafe oder den Kostenerstattungsanspruch auslösende Verhalten genau beschrieben sein sollte, damit es für die Parteien ersichtlich ist, welches Verhalten sanktioniert werden soll.85 Bei Mediationsvereinbarungen empfiehlt es sich besonders, auch die Teilnahme am Mediationsverfahren durch einen Kostenerstattungsanspruch oder eine Vertragsstrafe abzusichern, weil dieser Schaden über den gesetzlichen Schadensersatzanspruch grundsätzlich nicht zu kompensieren ist.86 Darüber hinaus bestehen keine Unterschiede zu den alternativen Absicherungsmöglichkeiten bei Gerichtsstandsvereinbarungen. Insbesondere sind ein 81  Vgl. 4. Teil, A. II. So auch ausdrücklich zur Mediationsvereinbarung: Hacke, ADR-Vertrag, S. 331. 82  Vgl. 3. Teil, A. V. und BV. 83  Duve, in: Henssler/Koch, Mediation, § 5, Rn. 96 ff.; Kracht/Rüssel, JA 2003, S. 725, 730; Risse/C. Wagner, in: Haft/von Schlieffen, Handb. uch Mediation, 2. Aufl. (2009), § 23, Rn. 40 ff. 84  Eidenmüller, Wirtschaftsmediation, S.  22 f.; Hacke, ADR-Vertrag, S.  332 ff.; Manner/Mosimann, in: FS Schwenzer, S. 1197, 1205 ff.; Risse, Wirtschaftsmediation, § 3, Rn. 26. 85  Risse, Wirtschaftsmediation, § 3, Rn. 26. 86  Vgl. 4. Teil, B. II.

282 4. Teil: Schadensersatz wegen der Missachtung vergleichbarer Verträge

Kostenerstattungsanspruch oder eine Vertragsstrafe im Anwendungsbereich von EuGVVO und LugÜ nur zulässig, wenn sich das abredewidrig angerufene Gericht für unzuständig erklärt hat. Außerhalb von EuGVVO und LugÜ ist eine individualvertragliche Abrede auch für den Fall möglich, dass sich das abredewidrig angerufene Gericht für zuständig erklärt.87

IV. Zwischenergebnis Eine internationale Mediationsvereinbarung können jedenfalls alle Unternehmer problemlos schließen. Der Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer internationalen Mediationsvereinbarung kommt nur in Betracht, wenn die Mediationsvereinbarung einen dilatorischen Klageverzicht (pactum de non petendo) enthält. Es ist unter den Autoren, die sich zum Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer Mediationsvereinbarung äußern, unumstritten, dass die Nichtteilnahme an der Mediation und die Klage entgegen einer Mediationsvereinbarung schadensersatzpflichtig machen. Gegen die erstgenannte Schadensposition kann der nicht am Mediationsverfahren Teilnehmende den Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens erheben, sodass der Anspruch wenig praktischen Nutzen hat. Der Fall der Nichtteilnahme am Mediationsverfahren ist auch ein Anwendungsfall für einen materiellrechtlichen Kostenerstattungsanspruch oder eine Vertragsstrafe. Im Übrigen können die Parteien solche Abreden unter denselben Voraussetzungen wie bei Gerichtsstandsvereinbarungen treffen.

C. Rechtswahlvereinbarung Auch bei Rechtswahlvereinbarungen lässt sich diskutieren, ob die Missachtung einer solchen Abrede Schadensersatzpflichten auslösen kann. Im Ergebnis ist dies grundsätzlich zu verneinen. Dieser Überblick soll zeigen, warum bei Rechtswahlvereinbarungen ein Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung der Abrede grundsätzlich nicht in Betracht kommt. Er soll nicht nur die Rechtswahlvereinbarung selbst charakterisieren, sondern auch der Frage nachgehen, worin der entscheidende Unterschied zur Missachtung einer Gerichtsstands-, Schieds- oder Mediationsvereinbarung besteht.

87  Vgl.

3. Teil, B. VI.



C. Rechtswahlvereinbarung283

I. Reichweite des Schadensersatzanspruchs Der Kreis der Gläubiger und Schuldner des Schadensersatzanspruchs wegen der Missachtung einer Rechtswahlvereinbarung ähnelt dem bei Gerichtsstandsvereinbarungen nach Art. 25 EuGVVO, da die Rom-I-VO und die EuGVVO ähnliche Ausnahmen von der Rechtswahl- beziehungsweise Prorogationsbefugnis kennen. Nach Art. 3 Abs. 1 Satz 1 Rom-I-VO können die Parteien das anwendbare Recht grundsätzlich frei wählen. Das zugrundeliegende Rechtsgeschäft muss weder einen Bezug zur gewählten Rechtsordnung noch überhaupt einen Auslandsbezug aufweisen.88 Eine Teilrechtswahl (dépeçage) ist nach Art. 3 Abs. 1 Satz 3 Rom-I-VO möglich. Umstritten ist die Frage, ob die Parteien nur geltendes staatliches Recht wählen können oder ob auch die Wahl nicht staatlichen, nicht geltenden oder religiösen Rechts oder allgemeiner Rechtsgrundsätze möglich ist.89 Die Parteien können die Rechtswahl nicht nur ausdrücklich, sondern auch konkludent treffen, Art. 3 Abs. 1 Satz 2 Rom-I-VO.90 Bei einer konkludenten Rechtswahl muss die Wahl „eindeutig“ sein. Eine eindeutige Wahl ergibt sich aus den Vertragsbestimmungen, wenn ihnen eine hinreichende Indizwirkung zukommt.91 Allerdings ist die freie Rechtswahl zum Schutz bestimmter Personengruppen und Vertragsarten eingeschränkt, so etwa bei Verbrauchern und Arbeitnehmern, Art. 6 Abs. 2 und 8 Abs. 1 Rom-I-VO, und bei Personenbeförderungs- und Versicherungsverträgen, Art. 5 Abs. 2 und Art. 7 Abs. 3 Rom-I-VO. Art. 3 Abs. 2 Rom-I-VO ermöglicht die freie Rechtswahl auch in zeitlicher Hinsicht. Die Parteien können das anwendbare Recht zu einem nach dem Vertragsschluss liegenden Zeitpunkt wählen oder eine zu einem früheren Zeitpunkt getroffene Rechtwahl abändern. Die Wirksamkeit der Rechtswahlvereinbarung ist nach Art. 3 Abs. 5 i. V. m. Art. 10 Rom-I-VO nach dem gewählten Recht zu bestimmen. Hieraus ergibt sich, dass die Rechtswahlvereinbarung und der Hauptvertrag voneinander unabhängige Verträge sind.92 Nacht Art. 20 Rom-I-VO bezieht sich die Rechtswahl im Anwendungsbereich der Rom-I-VO zwingend nur auf das Sachrecht der gewählten Rechtsordnung.93

88  Staudinger, in: Schulze u.  a., BGB, Art. 3 Rom-I-VO, Rn. 2; Nordmeier, in: Gebauer/Wiedmann, Zivilrecht, Kap. 37, Rn. 25; Martiny, in: Reithmann/Martiny, Int. Vertragsrecht, Rn 93. 89  Zum Streitstand: Staudinger, in: Schulze u. a., BGB, Art. 3 Rom-I-VO, Rn. 2. 90  Hierzu Nordmeier, in: Gebauer/Wiedmann, Zivilrecht, Kap. 37, Rn. 26. 91  Martiny, in: MüKo-BGB, Art. 3 Rom-I-VO, Rn. 45; Staudinger, in: Schulze u. a., BGB, Art. 3 Rom-I-VO, Rn. 3; Thorn, in: Palandt, BGB, Art. 3 Rom-I-VO, Rn. 6. 92  von Hein, in: Rauscher, EuZPR, Art. 3 Rom-I-VO, Rn. 39; Martiny, in: MüKoBGB, Art. 3 Rom-I-VO, Rn. 104 ff. 93  Rauscher, IPR, Rn. 1147; Martiny, in: MüKo-BGB, Art. 3 Rom-I-VO, Rn. 115.

284 4. Teil: Schadensersatz wegen der Missachtung vergleichbarer Verträge

II. Schuldverhältnis Bei Rechtswahlvereinbarungen ist es bereits schwierig, die materiellrechtliche Pflicht zu benennen, gegen die eine Partei verstoßen und sich damit schadensersatzpflichtig machen könnte. Gerichtsstands-, Schieds- und Mediationsvereinbarungen enthalten jeweils eine Derogationskomponente. Bei Gerichtsstandsvereinbarungen ist die Klage vor bestimmten und bei Schiedsund Mediationsvereinbarungen vor allen staatlichen Gerichten ausgeschlossen, auch wenn dieser Ausschluss bei der Mediationsvereinbarung nur vorübergehend ist. Eine Rechtswahlvereinbarung trifft hingegen keine Aussage darüber, welches Gericht zuständig sein soll (qui elegit ius, non elegit iudicem).94 Damit ist eine abredewidrige Klage eigentlich unmöglich.95 Briggs ist – soweit ersichtlich als Einziger – dennoch der Auffassung, dass es den Parteien möglich ist, eine Rechtswahlvereinbarung zu missachten. Eine solche Missachtung sei zu bejahen, wenn eine Partei vor einem Gericht Klage erhebe, von dem sie wisse, dass es die Rechtswahlvereinbarung nicht beachten werde.96 Wie bei Gerichtsstandsvereinbarungen zieht Briggs als Argument für den Schadensersatzanspruch englische Fälle zu anti-suit injunctions zur Abwehr ausländischer Prozesse heran: In der Entscheidung Shell International Petroleum v. Coral Oil Company erließ die Queen’s Bench Division eine injunction, um ein Verfahren vor den zuständigen Gerichten im Libanon zu unterbinden, weil diese nach dem libanesischen internationalen Privatrecht zur Anwendung libanesischen Rechts verpflichtet seien.97 In der Entscheidung Banco Atlantico v. The British Bank of the Middle East erklärte sich der Court of Appeal trotz einer Zuständigkeitsrüge für zuständig und führte zur Begründung hierfür an, die an sich zuständigen Gerichte in Schardscha (Vereinigte Arabische Emirate) würden die Rechtswahl zugunsten des spanischen Rechts nicht beachten.98 Aus diesen Fällen schlussfolgert Briggs, dass die Klage im Wissen darum, dass das angerufene Gericht die Rechtswahl nicht beachten wird, schadens94  Geimer,

EuZVR, Art. 23 EuGVVO a. F., Rn. 13. Wechselwirkung zwischen Rechtswahlvereinbarung einerseits und Gerichtsstands- und Schiedsvereinbarung andererseits siehe 1. Teil, D. a. E. Aus diesen Wechselwirkungen lässt sich jedoch noch keine abredewidrige Klage konstruieren. Insbesondere lässt die Rechtswahl keinen Schluss auf eine Gerichtsstandsvereinbarung zu. 96  Briggs, Agreements, Rn. 11.52; ders., Doshisha Law Review 09/2005, S. 21, 46 f., Rn. 34. Andeutungsweise auch in LQR 2007, S. 18, 21. 97  Shell International Petroleum Co. Ltd. v. Coral Oil Company Ltd. [1999] 1 Lloyd’s Rep 72, 78. 98  Banco Atlantico S.A. v. The British Bank of the Middle East [1990] 2 Lloyd’s Rep. 504. 95  Zur



C. Rechtswahlvereinbarung285

ersatzpflichtig macht. Auch wenn die Rechtswahlvereinbarung keine Gerichtsstandsvereinbarung sei, beinhalte sie doch die Verpflichtung, nur vor Gerichten zu klagen, die die Rechtswahlvereinbarung respektieren.99 Diese Auffassung ist insgesamt nicht überzeugend. Es ist etwas anderes, ob die Parteien die ausschließliche Zuständigkeit eines bestimmten Gerichts stipulieren oder ein gewisses Recht für anwendbar erklären. Anders als bei einer Gerichtsstandsvereinbarung steht bei einer Rechtswahlvereinbarung das zuständige Gericht nicht a priori fest, sodass es nicht möglich ist, vor einem unzuständigen Gericht Klage zu erheben.100 Auch der Parteiwillen steht dem Schadensersatzanspruch entgegen. Anders als bei Gerichtsstandsvereinbarungen beinhaltet der Abschluss einer Rechtswahlvereinbarung keine Aussage wie „Zuständig sollen (nur) die Gerichte in … sein“. Man kann den Parteien daher nicht unterstellen, dass sie bei Abschluss der Rechtswahlvereinbarung den entsprechenden Geschäftswillen hätten, die möglichen Gerichtsstände auf solche zu beschränken, die die Rechtswahlvereinbarung akzeptieren werden. Vielmehr ist Sinn und Zweck einer Rechtswahlvereinbarung ausschließlich die Wahl des anwendbaren Rechts. Wollten die Parteien das zuständige Gericht bestimmen, träfen sie eine Gerichtsstandsvereinbarung. Der Unterschied zu den von Briggs angeführten Entscheidungen ist, dass bei diesen das andere Gericht bereits feststand. Es war also für das englische Gericht ersichtlich, ob das internationale Privatrecht des betreffenden Gerichts die Rechtswahl akzeptieren würde. Den Parteien hingegen ist, sofern sie keine Gerichtsstandsvereinbarung getroffen haben, bei Abschluss der Rechtswahlvereinbarung nicht bewusst, vor welchem Gericht sie später einmal Klage erheben werden. Eine Pflicht, zum Schutz der Rechtswahlvereinbarung nur vor ausgewählten Gerichten zu klagen, ließe sich nur konstruieren, wenn es einen Erfahrungssatz dahingehend gäbe, dass ausländische Gerichte Rechtswahlvereinbarungen prinzipiell oder jedenfalls in einer Vielzahl von Fällen nicht beachteten. Das ist aber nicht der Fall, da die meisten entwickelten Rechtsordnungen Rechtswahlvereinbarungen anerkennen. Demzufolge kann man nicht argumentieren, die Klage vor einem beliebigen (zuständigen) Gericht führe typischerweise zur Missachtung der Rechtswahlvereinbarung. Daher besteht keine Pflicht, aufgrund der Rechtwahlvereinbarung nur vor bestimmten Gerichten zu klagen.101 Sofern bestimmte Rechtsordnungen dafür bekannt sind, Rechtswahlvereinbarungen in keinem Fall zu beachten, und eine Partei dies mit Schädigungsvorsatz ausnutzt, ist an einen Schadensersatzanspruch nach § 826 BGB zu 99  Briggs,

Agreements, Rn. 11.52. Takahashi, YPIL 2009, S. 73, 101 f. 101  Vgl. Antomo, Schadensersatz, S. 458. 100  Vgl.

286 4. Teil: Schadensersatz wegen der Missachtung vergleichbarer Verträge

denken. Für den vertraglichen Schadensersatzanspruch fehlt es hingegen an einer von den Parteien zu beachtenden Pflicht. Auch das soweit ersichtlich einzige Urteil, das auf den Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer Rechtswahlvereinbarung eingeht – ein Urteil des Supreme Court of New South Wales – verneint den Anspruch.102 Im Licht der Privatautonomie steht es den Parteien selbstverständlich frei, eine Klausel in den Vertrag aufzunehmen, dass die Klage nur vor Gerichten erfolgen darf, die die Rechtswahlvereinbarung beachten werden.103

III. Zwischenergebnis Die Rechtswahl ist nach Art. 3 Abs. 1 Satz 1 Rom-I-VO im Prinzip frei möglich, Einschränkungen bestehen aber insbesondere für Arbeitnehmer und Verbraucher. Ein Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer Rechtswahlvereinbarung kommt vorbehaltlich einer ausdrücklichen vertraglichen Abrede nicht in Betracht. Die Rechtswahlvereinbarung ist keine Gerichtsstandsvereinbarung, denn sie gibt nicht vor, an welchem Gericht eine Klage zulässig und an welchem sie unzulässig sein soll. Ein unzuständiges Gericht, vor dem die Parteien nicht klagen dürften, gibt es daher bei Rechtswahlvereinbarungen nicht.

D. Ergebnis Schadensersatzansprüche kommen auch im Fall der Missachtung einer Schieds- oder Mediationsvereinbarung in Betracht, nicht jedoch bei der Missachtung einer Rechtswahlvereinbarung. Verletzt eine Partei eine Schiedsoder Mediationsvereinbarung, sind die Voraussetzungen und der Umfang des Schadensersatzanspruchs im Wesentlichen dieselben wie bei Gerichtsstandsvereinbarungen. Die Schieds- und die Mediationsvereinbarung begründen ein Schuldverhältnis, dessen Missachtung schadensersatzpflichtig macht. Bezeichnend ist, dass sich bei Schieds- und Mediationsvereinbarungen die ganz überwiegende Auffassung dafür ausspricht, dem jeweiligen Prozessvertrag jedenfalls auch eine materiellrechtliche Wirkung beizumessen. Dieser Ver102  Ace Insurance Ltd v. Moose Enterprise Pty Ltd [2009] NSWSC 724, Rn. 47: „The courts have long recognized that a choice of law clause is not a choice of jurisdiction clause, and does not have the effect of a choice of jurisdiction clause“. 103  Vgl. Takahashi, YPIL 2009, S. 73, 101; Ace Insurance Ltd v. Moose Enterprise Pty Ltd [2009] NSWSC 724, Rn. 47: „No doubt a contractual provision could be framed which unambiguously contained a promise to do no­thing that might result in some other system of law becoming applicable“.



D. Ergebnis287

gleich mit Schieds- und Mediationsvereinbarungen unterstreicht das hier vertretene Ergebnis für Gerichtsstandsvereinbarungen. Der Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer Schieds- oder Mediationsvereinbarung kann neben Prozess-, Zins- und Verzögerungskosten gegebenenfalls auch Schäden durch die Verletzung von Betriebsgeheimnissen in der öffentlichen Verhandlung vor einem staatlichen Gericht einschließen. Bei Mediationsvereinbarungen kann der Schadensersatzanspruch darüber hinaus auch Verzugsschäden umfassen, wenn eine Partei nicht am Mediationsverfahren teilnimmt. Regelmäßig führt der letztgenannte Anspruch wegen des Einwands des rechtmäßigen Alternativverhaltens jedoch nicht zum Erfolg. Bei der Missachtung einer Schiedsvereinbarung unterliegt der Schadensersatzanspruch keinen Einschränkungen durch das Vertrauensprinzip oder die Rechtskraft der Entscheidung des abredewidrig angerufenen Gerichts. Bei Mediationsvereinbarungen gelten dieselben Einschränkungen wie bei Gerichtsstandsvereinbarungen. Der Schadensersatzanspruch erfasst bei beiden Prozessverträgen nicht die Sachentscheidung des abredewidrig angerufenen Gerichts. Der Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer Rechtswahlvereinbarung ist nur denkbar, wenn die Parteien ausdrücklich die Pflicht vereinbart haben, nur vor einem Gericht zu klagen, das die Rechtswahl beachten wird. Die Rechtswahlvereinbarung enthält im Gegensatz zu Gerichtsstands-, Schieds- und Mediationsvereinbarungen keine Derogationskomponente, sodass eine Klage vor einem forum derogatum bereits begrifflich ausgeschlossen ist.

Abschließende Betrachtung A. Zusammenstellung der wesentlichen Ergebnisse Die Untersuchung hat in Bezug auf den Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung internationaler Gerichtsstandsvereinbarung, weiterer Prozessverträge sowie der Rechtswahlvereinbarung das Folgende ergeben: 1. Außervertragliche Schadensersatzansprüche wegen der Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung bestehen nur, wenn der Schädiger das Verfahren vorsätzlich oder „ins Blaue hinein“ anstrengt oder zur Schädigung der Gegenpartei oder Dritter missbraucht (2. Teil, A. IV., B. I. und C.). 2. Als „sonstiges Recht“ i. S. d. § 823 Abs. 1 BGB kommt bezüglich der Missachtung internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen nur der eingerichtete und ausgeübte Gewerbebetrieb in Betracht, nicht aber das right not to be sued abroad (2. Teil, B. I. und B. II.). 3. Als Schutzgesetz i. S. d. § 823 Abs. 2 BGB ist allenfalls § 263 Abs. 1 StGB zu berücksichtigen, allerdings nur, wenn der Prozessbetrug vor einem deutschen Gericht erfolgt oder Täter beziehungsweise Opfer deutsche natürlicher Personen sind (2. Teil, C). 4. Vertragliche Schadensersatzansprüche wegen der Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung setzen voraus, dass die Parteien eine wirksame ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung getroffen haben und sich der abredewidrig Verklagte nicht rügelos auf das Verfahren eingelassen hat (3. Teil, A. I.). 5. Die Gerichtsstandsvereinbarung begründet ein Schuldverhältnis mit materiellen Rechten und Pflichten, wenn die Parteien die Verpflichtungswirkung ausdrücklich oder konkludent vereinbart haben. Dies ist im Zweifel durch Auslegung zu ermitteln (3. Teil, A. II. 5.). 6. Im Anwendungsbereich der EuGVVO und des LugÜ kommt der Schadensersatzanspruch nur in Betracht, wenn sich das forum derogatum für unzuständig erklärt hat (3. Teil, A. II. 7., A. II. 9. und B. III. 1.). 7. Der Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung nach dem HGÜ oder dem autonomen Recht besteht auch, wenn sich das forum derogatum für zuständig erklärt hat (3. Teil, B. III. 2. und B. III. 3.).



A. Zusammenstellung der wesentlichen Ergebnisse289

  8. Wenn eine Partei abredewidrig Klage erhebt, begründet dies eine Pflichtverletzung. Auch die abredewidrige Widerklage stellt eine Pflichtverletzung dar, die Aufrechnung jedoch nur, wenn die Parteien dies entsprechend vereinbarten (3. Teil, A. III. 1. a)).   9. Auch nach der EuGVVO-Novelle sind Torpedoklagen nicht ausgeschlossen. Im Anwendungsbereich des LugÜ sind sie ebenfalls möglich. Wenn das HGÜ ratifiziert werden sollte, würde es die Gefahr abredewidriger Klagen senken, diese aber nicht vollständig ausschließen (3. Teil, A. III. 2, B. IV. 2. a) und B. IV. 2. d)). 10. Der am forum derogatum Klagende hat gem. § 276 Abs. 1 Satz 1 BGB Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten. Gibt es zwei oder mehr Gerichtsstandsvereinbarungen, darf der Kläger nur dann klagen, wenn es ihm plausibel erscheint, dass die Parteien für das Gericht, vor dem er die Klage erheben möchte, eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung geschlossen haben (3. Teil, A. IV. 3.). 11. Der Umfang des Schadensersatzanspruchs ist beschränkt auf die Prozesskosten, soweit sie nicht bereits vom Kostenfestsetzungsbeschluss erfasst sind, sowie auf Zins- und Verzögerungsschäden. Das Urteil in der Sache ist keine ersatzfähige Schadensposition (3. Teil, A. IV., B. IV.). 12. Der Schadensersatzanspruch unterliegt dem von den Parteien gewählte Recht, andernfalls der lex fori prorogati (3. Teil, A. IV.). 13. Für die Schadensersatzklage des abredewidrig Verklagten ist das forum prorogatum zuständig (3. Teil, A. VII.). 14. Gerichtsstandsvereinbarungen nach der EuGVVO und dem LugÜ können die Parteien durch einen vertraglichen Kostenerstattungsanspruch oder eine Vertragsstrafe individualvertraglich und in AGB absichern. Dies ist allerdings nur für den Fall möglich, dass sich das forum derogatum für unzuständig erklärt (3. Teil, A. VIII., B. VI.). 15. Bei Gerichtsstandsvereinbarungen nach dem HGÜ oder autonomem Recht sind individualvertraglich vereinbarte Kostenerstattungsansprüche oder Vertragsstrafen auch für den Fall zulässig, dass sich das derogierte Gericht für zuständig erklärt hat (3. Teil, B. VI.). 16. Auch Schieds- und Mediationsvereinbarungen können ein Schuldverhältnis begründen, dessen Verletzung schadensersatzpflichtig macht. Mediationsvereinbarungen müssen allerdings einen dilatorischen Klageverzicht (pactum de non petendo) enthalten (4. Teil, A. II. und B. II.). 17. Der Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer Schieds- oder Mediationsvereinbarung kann auch Schäden durch die Verletzung von Betriebsgeheimnissen infolge öffentlicher Verhandlung umfassen (4. Teil, A. III und B. II).

290

Abschließende Betrachtung

18. Die Vereinbarung eines Kostenerstattungsanspruchs oder einer Vertragsstrafe ist bei Mediationsvereinbarungen unter denselben Voraussetzungen wie bei Gerichtsstandsvereinbarungen zulässig (4. Teil, B. III.), bei Schiedsvereinbarungen unter denselben Voraussetzungen wie bei Gerichtsstandsvereinbarungen nach HGÜ oder autonomem Recht (4. Teil, A. IV.). 19. Rechtswahlvereinbarungen fehlt die erforderliche Derogationskomponente, sodass die Klage vor einem beliebigen Gericht, das die Rechtswahlvereinbarung missachtet, grundsätzlich keine Pflichtverletzung darstellt (4. Teil, C. II.).

B. Ausblick Der Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung ist ein wichtiger Beitrag zu mehr Verlässlichkeit und Gerechtigkeit im internationalen Zivilverfahrensrecht. Die vorliegende Arbeit hat versucht, den Schadensersatzanspruch so abzustecken, dass er mit den Anforderungen der EuGVVO und Bemühungen um die internationale Verfahrenskoordinierung kompatibel ist. Wünschenswert wäre eine gesetzliche Regelung, die die Tatbestandsvoraussetzungen und den Umfang des Schadensersatzanspruchs wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung definiert. Am besten wäre hierzu der europäische Gesetzgeber berufen, der die Übereinstimmung mit der EuGVVO herstellen und damit Gerichtsstandsvereinbarungen aufwerten könnte. Eine andere bedeutende Stellschraube ist die internationale Verfahrenskoordinierung. Wenn durch internationale Abkommen effektivere Regelungen für Gerichtsstandsvereinbarungen entstehen, nimmt die Anzahl abredewidriger Klagen ab. Dieses Ergebnis wäre für die Betroffenen gegenüber dem Schadensersatzanspruch vorzugswürdig, weil es ihrem in der Gerichtsstandsvereinbarung verkörperten Willen entspricht, nur vor dem prorogierten Gericht zu prozessieren. Zudem könnten sie sich dann die Mühen einer Schadensersatzklage ersparen.1 Aktuelle Entwicklungen zur Stärkung von Gerichtsstandsvereinbarungen wie die EuGVVO-Novelle und das HGÜ sind zwar begrüßenswert. Gerade beim HGÜ ist der Erfolg allerdings noch offen und hängt maßgeblich davon ab, welche Staaten es ratifizieren werden. Wie der Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU („Brexit“) zeigt, sind selbst sehr stabile Instrumente der Verfahrenskoordinierung wie die EuGVVO nicht vor dem Austritt von Mitglied- oder Vertragsstaaten gefeit. Insgesamt sind keine Projekte ersichtlich, die die internationale Verfahrenskoordi1  Vgl.

Bříza, JPIL 2009, S. 537, 552 f.



B. Ausblick291

nierung dauerhaft derart perfektionieren würden, dass man auf den Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung in absehbarer Zeit verzichten könnte.

Literaturverzeichnis Achterberg, Norbert: Der Begriff „Rechtsprechung im materiellen Sinne“, in: Hans U. Erichsen/Werner Hoppe/Albert von Mutius (Hrsg.), System des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes: Festschrift für Christian-Friedrich Menger zum 70. Geburtstag, München 1985, S. 125–141. Adolphsen, Jens: Europäisches Zivilverfahrensrecht, 2. Aufl., Heidelberg u. a. 2015. Akio, Tara: Die Neufassung der Brüssel-I-Verordnung, in: Neue Juristische Wochenschrift, 2014, S. 2395–2400. Althammer, Christoph/Löhnig, Martin: Zwischen Utopie und Realität: Der Vertrauensgrundsatz in der Rechtsprechung des EuGH zum europäischen Zivilprozessrecht, in: Zeitschrift für Zivilprozess International, 2004, S. 23–38. Álvarez González, Santiago: The Spanish Tribunal Supremo Grants Damages for Breach of a Choice-of-Court Agreement, in: Praxis des internationalen Zivil- und Verfahrensrechts 2009, S. 529–533. Ambrose, Claire: Can Anti-Suit Injunctions Survive European Community Law?, in: International and Comparative Law Quarterly 2003, S. 401–424. Baatz, Yvonne: Who decides on Jurisdiction clauses?, in: Lloyd’s Maritime and Commercial Law Quarterly 2004, S. 25–29. Bach, Ivo: Deine Rechtskraft? Meine Rechtskraft!, in: Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht 2013, S. 56–59. Bälz, Kilian/Marienfeld, Stephan: Missachtung einer Schiedsklausel als Anerkennungshindernis i. S. v. Art. 34–35 EuGVVO und § 328 ZPO?, in: Recht der internationalen Wirtschaft 2003, S. 51–55. Bamberger, Heinz Georg/Roth, Herbert (Hrsg.): Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 3. Aufl., München 2012. Bar, Christian von/Mankowski, Peter: Internationales Privatrecht, 2. Aufl., München 2003. Baumbach, Adolf: Das privatrechtliche Schiedsgerichtsverfahren, 1. Aufl., Berlin 1931. Baumbach, Adolf u. a. (Hrsg.): Zivilprozessordnung, 75. Aufl., München 2017. Baumgärtel, Gottfried: Wesen und Begriff der Prozeßhandlung einer Partei im Zivilprozeß, München 1957. Baur, Fritz: Studien zum einstweiligen Rechtsschutz, Tübingen 1967. Bechte, Diana: Einführung in das Schiedsverfahrensrecht, in: Zeitschrift für das juristische Studium 2011, S. 307–314.

Literaturverzeichnis293 Becker-Eberhard, Ekkehard: Zum Neben- und Gegeneinander von materiell-recht­ licher und prozessualer Kostenhaftung, in: Juristenzeitung 1995, S. 814–818. Behrends, Okko u. a. (Hrsg.): Corpus Iuris Civilis, Heidelberg 2006. Behrends, Peter: Internationale Gerichtsstandsvereinbarungen vor amerikanischen Gerichten, in: Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht 1974, S 590–613. Beyerbach, Hannes: Die geheime Unternehmensinformation, Tübingen 2012. Bischoff, Jan Asmus: Besprechung des Gutachtens 1/03 des EuGH vom 7.2.2006, in: Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht, S 295–301. Bläsi, Martin: Das Haager Übereinkommen über Gerichtsstandsvereinbarungen, Frankfurt a. M. 2010. Blomeyer, Arwed: Zivilprozeßrecht – Erkenntnisverfahren, 2. Aufl., Berlin 1985. Blomeyer, Karl: Betrachtungen über die Schiedsgerichtsbarkeit, in: Wolfgang Bernhardt u. a. (Hrsg.), Beiträge zum Zivilprozeßrecht – Festgabe für Leo Rosenberg, München 1949, S 51–71. Böckstiegel, Karl-Heinz: Die Schiedsgerichtsbarkeit in Deutschland – Standort und Stellenwert, in: Zeitschrift für Schiedsverfahren 2009, S 3–16. Böttcher, Bianca/Laskawy, Dirk Helge: Mediationsklauseln in Verträgen und Geschäftsbedingungen: Anregungen und Formulierungsvorschläge, in: Der Betrieb 2004, S. 1247–1251. Bork, Reinhard: Die Aufrechnung des Beklagten im internationalen Zivilverfahrensrecht, in: Hideo Nakamura u. a. (Hrsg.), Festschrift für Kostas E. Beys, dem Rechtsdenker in attischer Dialektik, Athen 2003, zum 70. Geburtstag am 25. November 2003, S. 119–140. Breidenbach, Stephan: Mediation – Struktur, Chancen und Risiken von Vermittlung im Konflikt, Köln 1995. Breidenbach, Stephan/Henssler, Martin: Mediation für Juristen – Konfliktbehandlung ohne gerichtliche Entscheidung, Köln 1997. Briggs, Adrian: Agreements on Jurisdiction and Chioce of Law, Oxford 2008. – Anti-Suit Injunctions and Utopian Ideals, in: Law Quarterly Review 2004, S. 529– 533. – Distinctive aspects of the conflict of laws in common law systems: Autonomy and agreement in the conflicts of laws, in: Doshisha Law Review 2005, S. 21–86. – The Further Consequences of a Choice of Law?, in: Law Quarterly Review 2007, S. 18–21. – What should be done about Jurisdiction Agreements?, in: Yearbook of Private International Law 2010, S. 311–332. Bříza, Petr: Choice-of-Court Agreements: Could the Hague Choice of Court Agreements Convention and the Reform of the Brussels I Regulation be the way out of the Gasser-Owusu Disillusion?, in: Journal of Private International Law 2009, S. 537–563.

294 Literaturverzeichnis Bucher, Eugen: Was macht der Schiedsrichter? – Abschied vom „Schiedsrichtervertrag“ und Weiteres zu Prozessverträgen, in: Birgit Bachmann u. a. (Hrsg.), Grenzüberschreitungen – Festschrift für Peter Schlosser zum 70. Geburtstag, Tübingen 2005, S 97–118. Bülow, Arthur: Vereinheitlichtes Internationales Zivilprozessrecht in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft – Der Entwurf des Abkommens über die internationale Zuständigkeit, die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen, in: Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht 1965, S 473–510. Burbank, Stephen B.: Federalism and Private International Law: Implementing the Hague Choice of Court Convention in the United States, in: Journal of Private International Law 2006, S. 287–309. Carducci, Guido: Arbitration, Anti-suit Injunctions and Lis Pendens under the European Jurisdiction Regulation and the New York Convention, in: Arbitration International 2011, S. 171–197. Coester-Waltjen, Dagmar: Parteiautonomie in der internationalen Zuständigkeit, in: Horst Eidenmüller u. a. (Hrsg.), Festschrift für Andreas Heldrich zum 70. Geburtstag, München 2005, S. 549–561. – Von der Fledermaus zum Torpedo? – Rechtsmissbrauch im internationalen Verfahrensrecht, in: Annales Universitatis Scientiarum Budapestinensis Rolando Eotvos 2011, S. 225–240. Cornut, Etienne: Forum shopping et abus du choix de for en droit international privé, in: Clunet – Journal du droit international 2007, S. 27–50. Cuniberti, Gilles/Requejo, Marta: La sanction des clauses d’élection de for par l’octroi de dommages et intérêts, Online-Publikation der Europäischen Rechtsakademie 2010, S. 7–18. Czernich, Dietmar/Tiefenthaler, Stefan/Kodek, Georg E. (Hrsg.), Europäisches Gerichtsstands- und Vollstreckungsrecht, 4. Aufl., Wien 2015. Dasser, Felix/Oberhammer, Paul (Hrsg.): Lugano-Übereinkommen (LugÜ), 2. Aufl., Bern 2011. Daum, Ulrich/Sánchez López, Celestino/Becher, Herbert Jaime: Wörterbuch Recht: Spanisch – Deutsch, Deutsch – Spanisch, München 2005. Dendorfer, Renate/Krebs, Thomas: Konfliktlösung durch Mediation bei Gesellschafterstreitigkeiten, in: Mitteilungen des Bayerischen Notarvereins 2008, S. 85–92. Deutsch, Erwin: Entwicklung und Entwicklungsfunktion der Deliktstatbestände, in: Juristenzeitung 1963, S. 385–391. Dicey, Albert Venn/Morris, John H. C. (Hrsg.): Conflicts of Laws, 15. Aufl., London 2012. Dickinson, Andrew: The Revision of the Brussels I Regulation, in: Yearbook of Private International Law 2010, S. 247–309. Diedrich, Frank: Rechtswahlfreiheit und Vertragsstatut – eine Zwischenbilanz angesichts der Rom-I-Verordnung, in: Recht der internationalen Wirtschaft 2009, S. 378–385.

Literaturverzeichnis295 Dinelli, Albert : The Limits on the Remedy of Damages for Breach of Jurisdiction Agreements: The Law of Contract Meets Private International Law, in: Melbourne University Law Review 2015, S. 1023–1040. Domej, Tanja: Die Neufassung der EuGVVO – Quantensprünge im europäischen Zivilprozessrecht, in: Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht 2014, S. 508–550. Droz, Georges A. L.: Compétence judiciaire et effets des jugements dans le marché commun, Paris 1972. Dutson, Stuart: Breach of an Arbitration or Exclusive Jurisdiction Clause: The Legal Remedies if it Continues, in: Arbitration International 2000, S. 89–100. Dutta, Anatol/Heinze, Christian A.: Prozessführungsverbote im englischen und europäischen Zivilverfahrensrecht, in: Zeitschrift für Europäisches Privatrecht 2005, S. 428–461. Duve, Christian: Mediation und Vergleich im Prozeß – eine Darstellung am Beispiel des Special Master in den USA, Köln 1999. Duve, Christian u. a.: Mediation und Recht – juristisches Neuland oder Modeerscheinung? in: Betriebsberater 1998, Beilage 10, S. 15. Ebenroth, Carsten u. a. (Hrsg.): Handelsgesetzbuch, 3. Aufl., München 2014. Eichel, Florian: AGB-Gerichtsstandsklauseln im deutsch-amerikanischen Handelsverkehr, Jena 2007. – Das Haager Übereinkommen über Gerichtsstandsvereinbarungen auf dem Weg zur Ratifikation und zum Inkrafttreten, in: Zeitschrift für das Privatrecht der Europäischen Union 2014, S. 159–169. – Das Haager Übereinkommen über Gerichtsstandsvereinbarungen vom 30.6.2005, in: Recht der internationalen Wirtschaft 2009, S. 289–297. Eidenmüller, Horst: Vertrags- und Verfahrensrecht der Wirtschaftsmediation, Köln 2001. Endemann, Wilhelm: Das deutsche Civilprozeßrecht, Heidelberg 1868. Engel, Martin/Hornuf, Lars: Mediation als Verbraucherschutz – oder Verbraucherschutz vor Mediation?, in: Zeitschrift für Schiedsverfahren 2012, S. 26–32. Erman, Walter/Westermann, Harm-Peter (Hrsg.): Bürgerliches Gesetzbuch, 14. Aufl., Köln 2014. Fasching, Hans Walther/Konecny, Andreas (Hrsg.): Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen, Teilband 5 – EuGVVO, 2. Aufl., Wien 2008. Fentiman, Richard: Jurisdiction Agreements and Forum Shopping in Europe, in: Butterworths Journal of International Banking and Financial Law 2006, S. 304–312. Fernández Rozas, José Carlos: Anti suit injunctions et arbitrage commercial international: mesures adressées aux parties et au tribunal arbitral, in: Jorge Branco de Sampaio/Federico Mayor Zaragoza/Marcelino Oreja Aguirre (Hrsg.), Soberanía del Estado y Derecho Internacional – Homenaje al profesor Juan Antonio Carrillo Salcedo, Sevilla 2005, S. 575–586.

296 Literaturverzeichnis Ferrari, Franco u. a. (Hrsg.): Internationales Vertragsrecht, 2. Aufl., München 2012. Fikentscher, Wolfgang/Heinemann, Andreas: Schuldrecht, 10. Aufl., Berlin 2006. Fischer, Thomas: Strafgesetzbuch, 64. Aufl., München 2017. Freitag, Robert: Halbseitig ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarungen unter der Brüssel-I-VO, in: Peter Mankowski/Wolfgang Wurmnest (Hrsg.), Festschrift für Ulrich Magnus zum 70. Geburtstag, München 2014, S. 419–431. Fricke, Martin: Das Haager Übereinkommen über Gerichtsstandsvereinbarungen unter besonderer Berücksichtigung seiner Bedeutung für die Versicherungswirtschaft, in: Versicherungsrecht 2006, S. 476–483. Friedenthal, Jack H./Kane, Mary Kay/Miller, Arthur R.: Civil Procedure, 4. Aufl., St. Paul (Minnesota) 2005. Gal, Jens: Die Haftung des Schiedsrichters in der internationalen Handelsschiedsgerichtsbarkeit, Tübingen 2009. Gebauer, Martin: Das Prorogationsstatut im Europäischen Zivilprozessrecht, in: Herbert Kronke/Karsten Thorn (Hrsg.), Grenzen überwinden – Prinzipien bewahren – Festschrift für Bernd von Hoffmann zum 70. Geburtstag, Bielefeld 2011, S. 577– 588. – Gerichtsstandsvereinbarung und Pflichtverletzung, in: Reinhold Geimer/Rolf A. Schütze (Hrsg.), Recht ohne Grenzen – Festschrift für Athanassios Kaissis zum 65. Geburtstag, München 2012, S. 267–285. – Internationale Zuständigkeit und Prozeßaufrechnung, in: Praxis des internationalen Zivil- und Verfahrensrechts 1998, S. 79–86. – Zur subjektiven Reichweite von Schieds- und Gerichtsstandsvereinbarungen – Maßstab und anwendbares Recht, in: Reinhold Geimer/Athanassios Kaisis/Roderich C. Thümmel (Hrsg.), Ars aequi et boni in mundo – Festschrift für Rolf A. Schütze zum 80. Geburtstag, München 2015, S. 95–107. Gebauer, Martin/Wiedmann, Thomas (Hrsg.): Zivilrecht unter europäischem Einfluss, 2. Aufl., Stuttgart u. a. 2010. Geimer, Reinhold: EuGVÜ und Aufrechnung: Keine Erweiterung der internationalen Entscheidungszuständigkeit – Aufrechnungsverbot bei Abweisung der Klage wegen internationaler Unzuständigkeit, in: Praxis des internationalen Zivil- und Verfahrensrechts 1986, S. 208–216. – Internationales Zivilprozessrecht, 7. Aufl., München 2014. Geimer, Reinhold/Schütze, Rolf A. (Hrsg.): Europäisches Zivilverfahrensrecht, 3. Aufl., München 2010. Gilfrich, Stephanie Uta: Schiedsverfahren im Scheidungsrecht, Tübingen 2007. Götz, Klaus-Jürgen: Zivilrechtliche Ersatzansprüche bei schädigender Rechtsverfolgung, Berlin 1989. González de Castilla del Valle, Emilio: The Hague Convention on Choice of Court Agreements of June 30, 2005: A Mexican View, in: Southwestern Journal of Law and Trade in the Americas 2006, S. 37–62.

Literaturverzeichnis297 Gottschalk, Eckart/Breßler, Steffen: Missbrauchskontrolle von Gerichtsstandsvereinbarungen im europäischen Zivilprozessrecht, in: Zeitschrift für Europäisches Privatrecht 2007, S. 56–80. Gottwald, Peter: Internationale Gerichtsstandsvereinbarungen – Verträge zwischen Prozessrecht und materiellem Recht, in: Walter Gerhardt u. a. (Hrsg.), Festschrift für Wolfram Henckel zum 70. Geburtstag am 21. April 1995, Berlin u. a. 1995, S. 295–309. Gottwald, Walther: Modelle der freiwilligen Streitschlichtung unter besonderer Berücksichtigung der Mediation, in: Wertpapiermitteilungen 1998, S. 1257–1264. Grundmann, Stefan: Zur internationalen Zuständigkeit der Gerichte von Drittstaaten nach Art. 16 EuGVÜ, in: Praxis des internationalen Zivil- und Verfahrensrechts 1985, S. 249–254. Grunsky, Wolfgang: EWG-Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen im deutsch-italienischen Rechtsverkehr, in: Recht der internationalen Wirtschaft 1977, S. 1–9. Grunwald, Marc: Forum Shopping mit amerikanischen Gerichten – Auswirkungen der Prozessführung in den USA auf den Beklagten und seine Abwehrmöglichkeiten in Deutschland, Münster 2008. Guez, Philippe : L’Election de for en droit international privé, Paris 2000. Hacke, Andreas: Der ADR-Vertrag – Vertragsrecht und vertragliche Gestaltung der Mediation und anderer alternativer Konfliktlösungsverfahren, Düsseldorf 2001. Haft, Fritjof/Schlieffen, Gräfin Katharina von (Hrsg.): Handbuch Mediation, 3. Aufl., München 2016. Hahn, Carl: Die gesamten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen, Zweiter Band – Materialien zur Civilprozeßordnung, Berlin 1880. Halberstam, Daniel: Gerichtliche Zusammenarbeit im föderalen System der USA: Ein rechtsvergleichender Beitrag zur Diskussion über die Gerichtsreform in der Europäischen Union, in: Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht 2002, S. 216–249. Hartley, Trevor: Choice-of-Court Agreements and the new Brussels I Regulation, in: Law Quarterly Review 2013, S. 309–317. – Comity and the Use of Antisuit Injunctions in International Litigation, in: The American Journal of Comparative Law 1987, S. 487–511. – The European Union and the Systematic Dismantling of the Common Law of Conflicts of Law, in: International and Comparative Law Quarterly 2005, S. 813– 828. – The Rome Convention in the English Courts, in: Heinz-Peter Mansell u. a. (Hrsg.), Festschrift für Erik Jayme, Bd. 1, München 2004, S. 297–303. Hartley, Trevor/Dogauchi, Masato: Erläuternder Bericht zum Übereinkommen vom 30. Juni 2005 über Gerichtsstandsvereinbarungen, Den Haag 2005.

298 Literaturverzeichnis Hau, Wolfgang Jakob: Gegenwartsprobleme internationaler Zuständigkeit, in: Herbert Kronke/Karsten Thorn (Hrsg.), Grenzen überwinden – Prinzipien bewahren – Festschrift für Bernd von Hoffmann zum 70. Geburtstag, Bielefeld 2011, S. 617–633. – Positive Kompetenzkonflikte im Internationalen Zivilprozeßrecht, Frankfurt a. M. 1996. Hausmann, Rainer: Einheitliche Anknüpfung internationaler Gerichtsstands- und Schiedsvereinbarungen?, in: Bernhard Pfister/Michael R. Will (Hrsg.), Festschrift zum siebzigsten Geburtstag von Werner Lorenz, Tübingen 1991, S. 359–378. Heerstrassen, Frank: Die künftige Rolle von Präjudizien des EuGH im Verfahren des Luganer Übereinkommens, in: Recht der internationalen Wirtschaft 1993, S. 179– 184. Hein, Jan von: Die Neufassung der Europäischen Gerichtsstands- und Vollstreckungsverordnung (EuGVVO), in: Recht der Internationalen Wirtschaft 2013, S. 97–111. Heinze, Christian: Choice of Court Agreements, Coordination of Proceedings and Provisional Measures in the Reform of the Brussels I Regulation, in: Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht 2011, S. 581–618. Hellwig, Hans-Jürgen: Zur Systematik des zivilprozeßrechtlichen Vertrages, Bonn 1966. Henry, David P.: Kollisionsrechtliche Rechtswahl – Eine Untersuchung ihrer Wirkungen und Grenzen, Zürich u. a. 2009. Henssler, Martin/Koch, Ludwig (Hrsg.): Mediation in der Anwaltspraxis, 2. Aufl., Bonn 2004. Hermann, Hans-Joachim/Basedow, Jürgen/Kropholler, Jan: Handbuch des internationalen Zivilverfahrensrechts, Tübingen 1982. Herranz-Ballestros, Monica: The Regime of Party Autonomy in the Brussels I Recast: The solutions adopted for Choice-of-court Agreements, in: Journal of Private International Law 2014, S. 291–308. Hess, Burkhard: Europäisches Zivilprozessrecht, Heidelberg 2010. Hess, Burkhard/Pfeiffer, Thomas/Schlosser, Peter: Report on the Application of Regulation Brussels I in the Member States (Study JLS/C4/2005/03), Heidelberg, September 2007. Hilbig-Lugani, Katharina: Der gerichtsstandsvereinbarungswidrige Torpedo – wird endlich alles gut? Ein Beitrag zur EuGVVO 1215/2012, in: Reinhold Geimer/ Athanassios Kaisis/Roderich C. Thümmel (Hrsg.), Ars aequi et boni in mundo – Festschrift für Rolf A. Schütze zum 80. Geburtstag, München 2015, S. 195–204. Ho, Look Chan: Anti-Suit Injunctions in Cross-Border Insolvency: A Restatement, in: International and Comparative Law Quarterly 2003, S. 697–735. Honsell, Heinrich u.  a. (Hrsg.): Internationales Privatrecht (Basler Kommentar), 3. Aufl., Basel 2013. Huber, Peter: Die Haager Konvention über Gerichtsstandsvereinbarungen und das (amerikanische) Ermessen, in: Burkhard Hess u. a. (Hrsg.), Festschrift für Peter Gottwald zum 70. Geburtstag, München 2014, S. 283–292.

Literaturverzeichnis299 – Kulturelle Identität von Rechtssystemen – Das Common Law und die deutsche Praxis, in: Erik Jayme (Hrsg.), Kulturelle Identität und Internationales Privatrecht, Heidelberg 2003 S. 51–69. – Schiedsvereinbarungen im Scheidungsrecht, in: Zeitschrift für Schiedsverfahren 2004, S. 280–288. Huber, Peter/Antomo, Jennifer: Internationale Gerichtsstandsvereinbarungen und das neue Haager Übereinkommen, in: Nihon University Comparative Law 2010, S. 123–134. Jasper, Dieter: Forum shopping in England und Deutschland, Berlin 1990. Jauernig, Othmar/Hess, Burkhard: Zivilprozessrecht, 30. Aufl., München 2011. Jauernig, Othmar/Stürner, Rolf (Hrsg.): Bürgerliches Gesetzbuch, 16. Aufl., München 2015. Jayme, Erik: Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit als Grundwerte des Internationalen Privatrechts – Betrachtungen zum Lebenswerk von Karl Firsching, in: Peter Gottwald/Erik Jayme/Bernd von Hoffmann (Hrsg.), Gerechtigkeit im Internationalen Privatrecht im Wandel der Zeit, Regensburg 1992, S. 31–44. Jenard, Paul: Bericht zum Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, in: Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 1979 (C 59/1). Jenard, Paul/Möller, Gustaf: Bericht zum Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, geschlossen in Lugano am 16. September 1988, in: Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 1990 (90/C 189/07). Jiménez Blanco, Pilar: Acciones de Resarcimiento por Incumplimiento de los Acuaerdos de Elección de Foro, in: Anuario Español de Derecho Internacional Privado 2009, S. 225–248. Joseph, David: Jurisdiction and arbitration agreements and their enforcement, London 2005. Jungermann, Julia: Drittwirkungen internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen nach EuGVÜ/EuGVO und LugÜ, Frankfurt a. M. 2006. Junker, Abbo: Die freie Rechtswahl und ihre Grenzen – Zur veränderten Rolle der Privatautonomie im Schuldvertragsrecht, in: Praxis des internationalen Zivil- und Verfahrensrechts 1993, S. 1–10. Kannengießer, Matthias N.: Die Aufrechnung im internationalen Privat- und Verfahrensrecht, Tübingen 1998. Kaufhold, Ann-Katrin: Gegenseitiges Vertrauen – Wirksamkeitsbedingung und Rechtsprinzip der justiziellen Zusammenarbeit im Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, in: Europarecht 2012, S. 408–432. Kaufmann-Kohler, Gabrielle/Rigozzi, Antonio (Hrsg.): Arbitrage international, 2. Aufl., Bern 2010. Kaye, Peter: Civil Jurisdiction and Enforcement of Judgements, Abingdon 1987.

300 Literaturverzeichnis Kindler, Peter: Gerichtsstandsvereinbarung und Rechtshängigkeitssperre: Zum Schutz vor Torpedo-Klagen nach der Brüssel-Ia-Verordnung, in: Katharina Hilbig-Lugani u. a. (Hrsg.), Zwischenbilanz – Festschrift für Dagmar Coester-Waltjen, München 2015, S. 485–500. Klöpfer, Matthias: Missbrauch im Europäischen Zivilverfahrensrecht, Tübingen 2016. Knight, Christopher: The Damage of Damages: Agreements on Jurisdiction and Choice of Law, in: Journal of Private International Law 2008, S. 501–513. Koch, Harald: AGB-Klauseln über Gerichtsstand und Erfüllungsort im europäischen Zivilrechtsverkehr: Größere Gerechtigkeit ohne Parteivereinbarung?, in: Praxis des internationalen Zivil- und Verfahrensrechts 1997, S. 405–407. – Ausländischer Schadensersatz vor deutschen Gerichten, in: Neue Juristische Wochenschrift 1992, S. 3073–3075. Köhler, Helmut: UWG-Reform und Verbraucherschutz, in: Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht 2003, S. 265–272. Köhler, Helmut/Bornkamm, Joachim (Hrsg.): Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 35. Aufl., München 2017. Köster, Thomas: Haftung wegen Forum-Shopping in den USA, Heidelberg 2001. Kracht, Stefan/Rüssel, Ulrike: Schlüsselqualifikation Mediation, in: Juristische Arbeitsblätter 2003, S. 725–728. Kröll, Stefan: Die Entwicklung des Rechts der Schiedsgerichtsbarkeit 2005/2006, in: Neue Juristische Wochenschrift 2007, S. 743–749. Kropholler, Jan: Das kollisionsrechtliche System des Schutzes der schwächeren Vertragspartei, in: Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht 1978, S. 634–661. – Das Unbehagen am forum shopping, in: Dieter Henrich/Bernd von Hoffmann (Hrsg.), Festschrift für Karl Fiersching zum 70. Geburtstag, München 1985, S. 165–173 – Internationales Privatrecht, 6. Aufl., Tübingen 2006. Kropholler, Jan/Hein, Jan von: Europäisches Zivilprozessrecht, 9. Aufl., Frankfurt a. M. 2011. Krüger, Hilmar: Verbot von Rechtswahl-, Schieds- und Gerichtsstandsklauseln nach saudi-arabischem Recht, in: Recht der internationalen Wirtschaft 1979, S. 737– 741. Kruger, Thalia: The 20th session of the Hague Conference: a new Choice of Court Convention and the issue of EC membership, in: International and Comparative Law Quarterly 2006, S. 447–455. Kurth, Jürgen: Inländischer Rechtsschutz gegen Verfahren vor ausländischen Gerichten, Berlin 1989. Lachmann, Jens-Peter: Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis, 3. Aufl., Köln 2008. Lachmann, Jens-Peter/Lachmann, Andreas: Schiedsvereinbarungen im Praxistest, in: Betriebsberater 2000, S. 1633–1640.

Literaturverzeichnis301 Lackner, Karl/Kühl, Kristian: Strafgesetzbuch, 28. Aufl., München 2014. Lalive, Pierre/Poudret, Jean-François/Reymond, Claude: Le droit de l’arbitrage interne et international en Suisse, Lausanne 1989. Larenz, Karl/Canaris, Claus-Wilhelm: Lehrbuch des Schuldrechts Band II – Besonderer Teil, 13. Aufl., München 1994. Leible, Stefan/Sommer, Erik: Tücken bei der Bestimmung der internationalen Zuständigkeit nach der EuGVVO: Rügelose Einlassung, Gerichtsstands- und Erfüllungsortvereinbarungen, Vertragsgerichtsstand, in: Praxis des internationalen Zivil- und Verfahrensrechts 2006, S. 568–572. Leipold, Dieter: Anmerkung zu BGH, Urteil vom 12.05.1993 – VIII ZR 110/92, in: Zeitschrift für Zivilprozess 1994, S. 216–227. Lenel, Otto: Das Edictum Perpetuum – Ein Versuch zu seiner Wiederherstellung, 3. Aufl., Leipzig 1927. Lenenbach, Markus: Antitrust Injunctions in Germany, England and the United States – Their Treatment under European Civil Procedure and the Hague Convention, in: Loyola of Los Angeles International and Comparative Law Review 1998, S. 257–323. Lindacher, Walter F.: Internationale Gerichtsstandsklauseln in AGB unter dem Geltungsregime von Brüssel I, in: Birgit Bachmann u. a. (Hrsg.), Grenzüberschreitungen – Festschrift für Peter Schlosser zum 70. Geburtstag, Tübingen 2005, S. 491– 501. – Kenntnisnahmemöglichkeit und Kenntnisnahmeobliegenheit bei Allgemeinen Geschäftsbedingungen, in: Juristenzeitung 1981, S. 131–133. Linke, Hartmut/Hau, Wolfgang: Internationales Zivilverfahrensrecht, 6. Aufl., Köln 2015. Lionnet, Klaus/Lionnet, Annette: Handbuch der internationalen und nationalen Schiedsgerichtsbarkeit, 3. Aufl., Stuttgart u. a. 2005. Lorenz, Werner: Die Rechtsnatur von Schiedsvertrag und Schiedsspruch, in: Archiv für die civilistische Praxis 1958/1959, S. 265–302. Lousanoff, Oleg de: Inländischer Rechtsschutz gegen Verfahren vor ausländischen Gerichten, in: Zeitschrift für Zivilprozess 1992, S. 111–118. Lowenfeld, Andreas: Forum Shopping, Antisuit Injunctions, Negative Declarations, and Related Tools of International Litigation, in: American Journal of International Law 1997, S. 314–324. Magnus, Ulrich: Gerichtsstandsvereinbarungen im Vorschlag zur Reform der EuGVO, in: Herbert Kronke/Karsten Thorn (Hrsg.), Grenzen überwinden – Prinzipien bewahren – Festschrift für Bernd von Hoffmann zum 70. Geburtstag, Bielefeld 2011, S. 664–682. Magnus, Ulrich/Mankowski, Peter: Brussels I on the Verge of Reform, in: Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft 2010, S. 1–41. – (Hrsg.): Brussels Ibis Regulation, München 2016.

302 Literaturverzeichnis Maier, Harold G.: Extraterritorial Jurisdiction at a Crossroads: An Intersection between Public and Private International Law, in: American Journal of Comparative Law 1982, S. 280–320. Maire du Poset, Julien: L’attribution de dommages et intérêts pour non-respect d’une clause attributive de jurisdiction, in: Versailles International Arbitration and Business Law Review 2012, S. 33–49. Mankowski, Peter: Anmerkung zu EuGH, 13.07.1995, RS.C-341/93, Danvaern, in: Zeitschrift für Zivilprozess 1996, S. 376–394. – Der Schutz von Gerichtsstandsvereinbarungen vor abredewidrigen Klagen durch Art. 31 Abs. 2 EuGVVO n. F., in: Recht der Internationalen Wirtschaft 2015, S. 17–24. – Ist eine vertragliche Absicherung von Gerichtsstandsvereinbarungen möglich?, in: Praxis des internationalen Zivil- und Verfahrensrechts 2009, S. 23–35. Manner, Simon/Mosimann, Olivier Luc: Damages and Fixed Sums for Breach of Arbitration Agreements, in: Andrea Büchler/Markus Müller-Chen (Hrsg.), Festschrift für Ingeborg Schwenzer zum 60. Geburtstag, Bern 2011, S. 1197–1211. Mansel, Heinz-Peter/Thorn, Karsten/Wagner, Rolf: Europäisches Kollisionsrecht 2008: Fundamente der Europäischen IPR-Kodifikation, in: Praxis des internationalen Zivil- und Verfahrensrechts 2009, S. 1–23. Martiny, Dieter: Recognition and Enforcement of Foreign Money Judgments in the Federal Republic of Germany, in: American Journal of Comparative Law 1987, S. 721–759. Matscher, Franz: Zuständigkeitsvereinbarungen im österreichischen und im interna­ tionalen Zivilprozeßrecht, Wien u. a. 1967. McGuire, Mary-Rose: Priorität versus Flexibilität? Zur Weiterentwicklung der Verfahrenskoordination im Rahmen der EuGVO-Reform, in: Reinhold Geimer/Rolf A. Schütze (Hrsg.), Recht ohne Grenzen – Festschrift für Athanassios Kaissis zum 65. Geburtstag, München 2012, S. 671–681. Medicus, Dieter: Besitzschutz durch Ansprüche auf Schadensersatz, in: Archiv für die civilistische Praxis 1965, S. 115–149. Medicus, Dieter/Lorenz, Stephan: Schuldrecht I – Allgemeiner Teil, 21. Aufl., München 2015. Medicus, Dieter/Petersen, Jens: Allgemeiner Teil des BGB, 11. Aufl., Heidelberg 2016. Mehren, Arthur T. von: The Hague Jurisdiction and Enforcement Convention Project Faces an Impasse – A Diagnosis and Guidelines for a Cure, in: Praxis des internationalen Zivil- und Verfahrensrechts 2000, S. 465–468. Merrett, Louise: Article 23 of the Brussels I Regulation: a comprehensive code for jurisdiction agreements?, in: International and Comparative Law Quarterly 2009, S. 545–564. – The enforcement of jurisdiction agreements within the Brussels regime, in: International and Comparative Law Quarterly 2006, S. 315–336.

Literaturverzeichnis303 Mößmer, Ferdinand: Besprechung von RGZ 157, 136, in: Juristische Wochenschrift 1938, S. 1333–1334. Musielak, Hans-Joachim/Voit, Wolfgang (Hrsg.): Zivilprozessordnung,14. Aufl., München 2017. Nagel, Heinrich: Durchsetzung von Vertragsansprüchen im Auslandsgeschäft: Klage vor d. Schieds- oder Staatsgericht im Inland oder Ausland, Berlin 1978. Nagel, Heinrich/Gottwald, Peter: Internationales Zivilprozessrecht, 7. Aufl., Köln 2013. Nanda, Ved P.: The Landmark 2005 Hague Convention on Choice of Court Agreements, in: Texas International Law Journal 2007, S. 773–788. Neuenhahn, Hans-Uwe/Neuenhahn, Stefan: Erweiterung der anwaltlichen Dienstleistung durch systematisches Konfliktmanagement, in: Neue Juristische Wochenschrift 2007, S. 1851–1856. Newmark, Christopher: Agree to mediate … or face the consequences – A review of the English courts’ approach to mediation, in: Zeitschrift für Schiedsverfahren 2003, S. 23–27. Niederer, Werner: Ceterum quaero de legum Imperii Romani conflictu, in: Max Guldener (Hrsg.), Fragen des Verfahrens- und Kollisionsrechts – Festschrift zum 70. Geburtstag für Prof Dr. Hans Fritzsche, Zürich 1952, S. 115–132. Niehoff, Gerritt Cornelius: Verfahrenskonzentration durch cumpulsory counterclaims in den US-amerikanischen Prozessordnungen, Tübingen 2014. Niese, Werner: Doppelfunktionelle Prozeßhandlungen, Göttingen 1950. Noussia, Kyriaki: Confidentiality in International Commercial Arbitration, Berlin u. a. 2010. Nuyts, Arnaud : La refonte du règlement Bruxelles I, in: Revue critique de droit international privé 2013, S. 47–63. O’Connel, Thomas J.: Arbitration and Forum Selection Clauses in International Business: The Supreme court Takes an Internationalist View, in: Fordham Law Review 1974, S. 424–440. Oetiker, Christian/Weibel, Thomas (Hrsg.): Lugano-Übereinkommen, 2. Aufl., Basel 2016. Ohly, Ansgar/Sosnitza, Olaf: Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 7. Aufl., München 2016. Opalko, Sebastian: Internationale Gerichtsstandsvereinbarungen und Schiedsgerichtsvereinbarungen, Hamburg 2010. Palandt, Otto u. a. (Hrsg.): Bürgerliches Gesetzbuch, 76. Aufl., München 2017. Paulus, Christoph G.: Abwehrstrategien gegen unberechtigte Klagen in den USA, in: Recht der Internationalen Wirtschaft 2006, S. 258–262. – Kann Forum Shopping sittenwidrig sein?, in: Michael P. Stathopulos u. a. (Hrsg.), Festschrift für Apostolos Georgiades zum 70. Geburtstag, München 2005, S. 511– 526.

304 Literaturverzeichnis Pauly, Holger: Die Erstattung von Privat- und Schiedsgutachterkosten im Bauprozess, in: Monatsschrift für deutsches Recht 2008, S. 777–779. Peel, Edwin: Exclusive jurisdiction agreements: purity and pragmatism in the conflict of laws, in: Lloyd’s Maritime and Commercial Law Quarterly 1998, S. 182–227. Pfeiffer, Evgenia: Schutz vor Klagen im forum derogatum, Tübingen 2013. Pfeiffer, Thomas: Die Absicherung von Gerichtsstandsvereinbarungen durch Vereinbarung eines materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruchs, in: Wolfgang Hau/ Hubert Schmidt (Hrsg.), Facetten des Verfahrensrecht – Liber amicorum Walter F. Lindacher zum 70. Geburtstag am 20. Februar 2007, Köln 2007, S. 77–88. – Die Fortentwicklung des Europäischen Prozessrechts durch die neue EuGVVO, in: Zeitschrift für Zivilprozess 2014, S. 409–431. – Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, Frankfurt a. M. 1995. Planck, Julius Wilhelm: Lehrbuch des deutschen Civilprozessrechts, Nördlingen 1887. Pluyette, Gérard: La Convention de Bruxelles et les droits de la défense, in: Etudes offertes à Pierre Bellet, Paris 1991, S. 427–458. Pocar, Fausto: Erläuternder Bericht zu dem am 30. Oktober 2007 in Lugano unterzeichneten Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, in: Amtsblatt der Europäischen Union 2009 (C-319). Pohl, Miriam: Die Neufassung der EuGVVO – im Spannungsfeld zwischen Vertrauen und Kontrolle, in: Praxis des internationalen Zivil- und Verfahrensrechts 2013, S. 109–114. Ponschab, Reiner/Schweizer, Adrian: Kooperation statt Konfrontation: Neue Wege anwaltlichen Verhandelns, 2. Aufl., Köln 2010. Prütting, Hanns/Gehrlein, Markus (Hrsg.): ZPO-Kommentar, 8. Aufl., Berlin 2016. Püls, Joachim: Parteiautonomie: Die Bedeutung des Parteiwillens und die Entwicklung seiner Schranken bei Schuldverträgen im deutschen Rechtsanwendungsrecht des 19. und 20. Jahrhunderts, Berlin 1995. Queirolo, Ilaria: Choice of Court Agreements in the New Brussels I-bis Regulation: A Critical Appraisal, in: Yearbook of Private International Law 2013/2014, S. 113–124. Raeschke-Kessler, Hilmar/Berger, Klaus Peter: Recht und Praxis des Schiedsverfahrens, 4. Aufl., Köln 2011. Ramm, Thilo: Schiedsgerichtsbarkeit, Schlichtung und Rechtsprechungslehre, in: Zeitschrift für Rechtspolitik 1989, S. 136–145. Ratković, Tena/Zgrabljić Rotar, Dora: Choice of Court Agreements under the Brussels I Regulation (Recast), in: Journal of Private International Law 2013, S. 245– 268. Rauscher, Thomas: Prorogation und Vertragsgerichtsstand gegen Rechtsscheinhaftende, in: Praxis des internationalen Zivil- und Verfahrensrechts 1992, S. 143–147.

Literaturverzeichnis305 – (Hrsg.): Europäisches Zivilprozess- und Kollisionsrecht, 4. Aufl., München ab 2015. – (Hrsg.): Internationales Privatrecht, 5. Aufl., Heidelberg 2017. Rauscher, Thomas/Krüger, Wolfgang (Hrsg.): Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung, 5. Aufl., München 2016. Reischl, Klaus: Verfahrenskonzentration durch Aufrechnungseinrede im europäischen Zivilprozess, in: Praxis des internationalen Zivil- und Verfahrensrechts 2003, S. 426–430. Reithmann, Christoph/Martiny, Dieter (Hrsg.): Internationales Vertragsrecht, 8. Aufl., Köln 2015. Reitz, Curtis R.: Globalization, International Legal Developments, and Uniform State Laws, in: Loyola Law Review 2005, S. 301–327. Requejo Isidro, Marta : Violación de Acuerdos de Elección de Foro y Derecho a Indemnización: Estado de la Cuestión, in: Revista Electrónica de Estudios Internacionales 2009, S. 1–13. Risse, Jörg: Wirtschaftsmediation, München 2003. – Wirtschaftsmediation, in: Neue juristische Wochenschrift 2000, S. 1614–1620. Roebuck, Derek: Ancient Greek Arbitration, Oxford 2001. Romain, Alfred/Bader, Hans Anton/Byrd, Sharon: Wörterbuch der Rechts- und Wirtschaftssprache (Englisch – Deutsch, Deutsch – Englisch), 5. Aufl., München 2000. Rosenberg, Leo: Stellvertretung im Prozess, Berlin 1908. Rosenberg, Leo/Schwab, Karl Heinz/Gottwald, Peter: Zivilprozessrecht, 17. Aufl., München 2010. Roth, Herbert: Aufrechnung und internationale Zuständigkeit nach deutschem und europäischem Prozeßrecht, in: Recht der internationalen Wirtschaft 1999, S. 819– 823. – Europäischer Rechtskraftbegriff im Zuständigkeitsrecht?, in: Praxis des internationalen Zivil- und Verfahrensrechts 2014, S. 136–139. Rühl, Gisela: Das Haager Übereinkommen über die Vereinbarung gerichtlicher Zuständigkeiten: Rückschritt oder Fortschritt?, in: Praxis des internationalen Zivilund Verfahrensrechts 2005, S. 410–415. – Statut und Effizienz, Tübingen 2011. Säcker, Franz Jürgen u. a. (Hrsg.): Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 7. Aufl., München 2015. Saenger, Ingo: Internationale Gerichtsstandsvereinbarungen nach EuGVÜ und LugÜ, in: Zeitschrift für Zivilprozess 1997 S. 477–498. – Zivilprozessordnung, 7. Aufl., Baden-Baden 2017. Sánchez Fernández, Sara: Choice-of-Court Agreements: Breach and Damages Within the Brussels I Regime, in: Yearbook of Private International Law 2010, S. 377– 398.

306 Literaturverzeichnis Sancho Villa, Diana: Jurisdiction over jurisdiction and choice of court agreements: Views on the Hague Convention of 2005 and the implications for the European Regime, in: Yearbook of Private International Law 2010, S. 399–418. Sandrock, Otto: Gerichtsstands- oder Schiedsklauseln in Verträgen zwischen USamerikanischen und deutschen Unternehmen: Was ist zu empfehlen?, in: Marcus Lutter u. a. (Hrsg.), Festschrift für Ernst C. Stiefel zu 80. Geburtstag, München 1987, S. 625–664. – Prorogierter Gerichtsstand in Deutschland, Kosten in den USA: Erstattungsfähigkeit in Deutschland?, in: Recht der internationalen Wirtschaft 2004, S. 809–816. – Schadensersatz wegen Verletzung von Mediationsvereinbarungen zwischen deutschen und angelsächsischen Unternehmen, in: Birgit Bachmann u. a. (Hrsg.), Grenzüberschreitungen – Festschrift für Peter Schlosser zum 70. Geburtstag, Tübingen 2005, S. 821–837. – Schiedsort in Deutschland, Gerichtskosten in den USA: Sind Letztere hier erstattungsfähig?, in: Journal of International Dispute Resolution 2004, S. 106–114. Schack, Haimo: Die Versagung der deutschen internationalen Zuständigkeit wegen forum non conveniens und lis alibi pendens, in: Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht 1994, S. 40–58. – Einführung ins US-Zivilprozessrecht, 4. Aufl., München 2011. – Internationales Zivilverfahrensrecht, 7. Aufl., München 2017. Schiedermair, Gerhard: Vereinbarungen im Zivilprozeß, Bonn 1935. Schlosser, Peter: Bericht zu dem Übereinkommen vom 9. Okt. 1978 über den Beitritt des Königreichs Dänemark, Irlands und des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland zum Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie zum Protokoll betr. die Auslegung dieses Übereinkommens durch den Gerichtshof, in: Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 1979 (C 59/71). – Conflits entre jugement judiciaire et arbitrage, in: Revue de l’arbitrage 1981, S. 371–393. – Das Recht der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, 2. Aufl., Tübingen 1989. – Der Justizkonflikt zwischen den USA und Europa, Berlin 1985. – Einverständliches Parteihandeln im Zivilprozeß, Tübingen 1968. – Materiell-rechtliche Wirkungen von (nationalen und internationalen) Gerichtsstandsvereinbarungen, in: Wolfgang Hau/Hubert Schmidt (Hrsg.), Facetten des Verfahrensrecht – Liber amicorum Walter F. Lindacher zum 70. Geburtstag am 20. Februar 2007, Köln 2007, S. 111–123. Schlosser, Peter/Hess, Burkhard: EU-Zivilprozessrecht, 4. Aufl., München 2015. Schmidt, Hubert: Anmerkung zu OLG München, Urteil vom 08.03.1989 – 15 U 5989/88, in: Zeitschrift für Zivilprozess 1990, S. 91–98.

Literaturverzeichnis307 Schmidt, Karsten (Hrsg.): Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, 3. Aufl., München 2013. Schmitz, Peter: Schiedsvereinbarungen in der notariellen Praxis, in: Rheinische NotarZeitung 2003, S. 591–612. Schönke, Adolf/Schröder, Horst (Hrsg.): Strafgesetzbuch, 29. Aufl., München 2014. Schröder, Jochen: Internationales Vertragsrecht, Köln 1984. – The Right not to be Sued Abroad, in: Hans-Joachim Musielak/Klaus Schurig (Hrsg.), Festschrift für Gerhard Kegel zum 75. Geburtstag am 26. Juni 1987, Stuttgart 1987, S. 523–548. Schütze, Rolf A.: Rechtsverfolgung im Ausland – Prozessführung vor ausländischen Gerichten und Schiedsgerichten, 5. Aufl., Berlin 2016. – Schiedsgericht und Schiedsverfahren, 6. Aufl., München 2016. – Zulässigkeit, Zustellung und Wirkungserstreckung von anti-suit injunctions in Deutschland, in: Nikolaos T. Nikas u. a. (Hrsg.), Studia in honorem Pelayia Yessiou-Faltsi, Athen 2007, S. 625–632. Schütze, Rolf A./Tscherning, Dieter/Wais, Walter: Handbuch des Schiedsverfahrens, 2. Aufl., Berlin 2010. Schulz, Andrea: The 2005 Hague Convention on Choice of Court Clauses, in: ILSA Journal of International and Comparative Law 2006, S. 433–457. – The Hague Convention of 30 June 2005 on Choice of Court Agreements, in: Journal of Private International Law 2005, S. 243–269. Schulze, Reiner u. a. (Hrsg.): Bürgerliches Gesetzbuch, 9. Aufl., Baden-Baden 2017. Schwab, Karl Heinz/Walter, Gerhard: Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl., München 2005. Shahar, Omri Ben/Porat, Ariel: Fault in American Contract Law, in: Michigan Law Review 2009, S. 1341–1348. Shantar, Nicholas A.: Forum Selection Clauses: Damages in lieu of Dismissal?, in: Boston University Law Review 2002, S. 1063–1088. Siehr, Kurt: Die Parteiautonomie im Internationalen Privatrecht, in: Peter Forstmoser u. a. (Hrsg.), Festschrift für Max Keller zum 65. Geburtstag, Zürich 1989, S. 485– 510. Sievi, Nino: The Availability of Damages in the European Union for Breach of the Arbitration Agreement, in: Dispute Resolution Journal 2011, S. 56–62. Sim, Cameron: Choice of Law and Anti-Suit Injunctions: Relocating Comity, in: International and Comparative Law Quarterly 2013, S. 703–726. Simons, Thomas/Hausmann, Reiner (Hrsg.): Unalex-Kommentar Brüssel-I-Verordnung, München 2012. Slonina, Michael: Aufrechnung nur bei internationaler Zuständigkeit oder Liquidität?, in: Praxis des internationalen Zivil- und Verfahrensrechts 2009, S. 399–408. Smith, Lesley Jane: Antisuit Injunctions, Forum non Conveniens und International Comity, in: Recht der internationalen Wirtschaft 1993, S. 802–809.

308 Literaturverzeichnis Smith, Stephen A.: Contract Theory, Oxford 2004. Spencer, David/Brogan, Michael: Mediation Law and Practice, Oxford 2006. Spindler, Gerald: Das Herkunftslandprinzip und seine Auswirkungen auf das Kollisionsrecht, in: Rabels Zeitung für ausländisches und internationales Privatrecht 2002, S. 633–709. Spindler, Gerald/Schuster, Fabian (Hrsg.): Recht der elektronischen Medien, 3. Aufl., München 2015. Stacher, Marco: Die Rechtsnatur der Schiedsvereinbarung, Zürich u. a. 2007. Staudinger, Julius von u. a. (Hrsg.): Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Berlin, Neubearbeitung ab 1993. Stein, Friedrich/Jonas, Martin (Hrsg.): Kommentar zur Zivilprozessordnung, 22. Aufl., Tübingen 2013. Steinbrück, Ben: The Impact of EU Law on Anti-suit Injunctions in aid of English Arbitration Proceedings, in: Civil Justice Quarterly 2007, S. 358–375. Stumpf, Herbert: Vor- und Nachteile des Verfahrens vor Schiedsgerichten gegenüber dem Verfahren vor Ordentlichen Gerichten, in: Karl-Heinz Böckstiegel/Ottoarndt Glossner (Hrsg.), Festschrift für Arthur Bülow zum 80. Geburtstag, Köln u. a. 1981, S. 217–227. Takahashi, Koji: Damages for breach of a choice-of-court agreement, in: Yearbook of Private International Law 2008, S. 57–91. – Damages for breach of a choice-of-court agreement: Remaining issues, in: Yearbook of Private International Law 2009, S. 73–105. Talpis, Jeffrey/Krnjevic, Nick: The Hague Convention on Choice of Court Agreements of June 30, 2005: The elephant that gave birth to a mouse, in: Southwestern Journal of Law and Trade in the Americas 2006, S. 1–35. Tan, Daniel: Damages for Breach of Forum Selection Clauses, Principled Remedies, and Control of International Civil Litigation, in: Texas International Law Journal 2005, S. 623–661. – Enforcing International Arbitration Agreements in Federal Courts: Rethinking the Court’s Remedial Powers, in: Virginia Journal of International Law 2007, S. 545– 618. Tan, Daniel/Yeo, Nik: Breaking Promises to Litigate in a Particular Forum: Are Damages an Appropriate Remedy?, in: Lloyd’s Maritime and Commercial Law Quarterly 2007, S. 435–444. Teitz, Louise Ellen: The Hague Choice of Court Convention: Validating Party Autonomy and Providing an Alternative to Arbitration, in: American Journal of Comparative Law 2005, S. 543–558. Teplitzky, Otto: Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 11. Aufl., Köln 2016. Teßmer, Hugo: Das Schiedsverfahren nach deutschem Recht, Leipzig 1915.

Literaturverzeichnis309 Teubner, Ernst/Künzel, Thomas: Prozeßverträge – Zulässigkeit, Abschluß und Wirkung, in: Monatsschrift für deutsches Recht 1988, S. 720–726. Tham, Chee Ho: Damages for Breach of English Jurisdiction Clauses: more than meets the eye, in: Lloyd’s Maritime and Commercial Law Quarterly 2004, S. 46– 71. Thomas, Heinz/Putzo, Hans u. a. (Hrsg.): Zivilprozessordnung, 38. Aufl., München 2017. Thorn, Karsten: Termingeschäfte an Auslandsbörsen und internationale Schiedsgerichtsbarkeit, in: Praxis des internationalen Zivil- und Verfahrensrechts 1997, S. 98–106. Töben, Jan: Mediationsklauseln, in: Rheinische Notar-Zeitschrift 2013, S. 321–345. Trzeciakowska, Hanna Magdalena: Das Lugano-Übereinkommen – Anerkennung und Vollstreckbarerklärung ausländischer Urteile in Polen, in: Wirtschaft und Recht in Osteuropa 2000, S. 404–407. Usunier, Laurence: La covention de La Haye du 30 juin 2005 sur les accords d’élection de for – Beaucoup de bruit pour rien?, in: Revue critique de droit international privé 2010, S. 37–81. Virgós Soriano, Miguel/Garcimartín Alférez, Francisco J.: Derecho procesal civil internacional, 2. Aufl., Cizur Menor (Navarra) 2007. Vischer, Frank/Huber, Lucius/Oser, David: Internationales Vertragsrecht, 2. Aufl., Bern 2000. Vorwerk, Volkert/Wolf, Christian (Hrsg.): Beck’scher Online-Kommentar ZPO, 20. Edition, Stand: 2016. Wach, Adolf: Handbuch des deutschen Civilprozessrechts, Leipzig 1885. Wagner, Gerhard: Prozeßverträge – Privatautonomie im Verfahrensrecht, Tübingen 1998. Wagner, Rolf: Das Haager Übereinkommen vom 30.6.2005 über Gerichtsstandsvereinbarungen, in: Rabels Zeitung für ausländisches und internationales Privatrecht 2009, S. 100–149. Wagner, Rolf/Schüngeler, Jan Michael: Das Haager Übereinkommen vom 30.6.2005 über Gerichtsstandsvereinbarungen und die Parallelvorschriften in der Brüssel I-Verordnung (EuGVVO), Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft 2009, S. 399–434. Walter, Gerhard: Dogmatik der unterschiedlichen Verfahren zur Streitbeilegung, in: Zeitschrift für Zivilprozeß 1990, S. 141–170. Weigand, Frank-Bernd (Hrsg.): Practitioner’s handbook on international commercial arbitration, 2. Aufl., Oxford 2009. Weitz, Tobias Timo: Gerichtsnahe Mediation in der Verwaltungs-, Sozial- und Finanzgerichtsbarkeit, Frankfurt a. M. 2008. Weller, Matthias: Der Kommissionsentwurf zur Reform der Brüssel I-VO, in: Zeitschrift für das Privatrecht der Europäischen Union 2012, S. 34–44.

310 Literaturverzeichnis – Ordre-public-Kontrolle internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen im autonomen Zuständigkeitsrecht, Tübingen 2005. Wessel, Jane/North Cohen, Sherri: In Tune with Mantovani: The „Novel“ Case of Damages for Breach of an Arbitration Agreement, in: International Arbitration Law Review 2001, S. 65–69. Westphalen, Friedrich Graf von: Fallstricke bei Verträgen und Prozessen mit Auslandsberührung, in: Neue Juristische Wochenschrift 1994, S. 2113–2120. Wicki, André Aloys: Zur Dogmengeschichte der Parteiautonomie im Internationalen Privatrecht, Winterthur 1965. Wiedemann, Rainer: Alternative Streitbeilegung neben staatlicher Gerichtsbarkeit, in: Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht 2004, S. 779–785. Wilke, Felix M.: The impact of the Brussels I Recast on important „Brussels“ case law, in: Journal of private International Law 2015, S. 128–142. Wolf, Manfred/Lindacher, Walter F. u. a. (Hrsg.): AGB-Recht, 6. Aufl., München 2013. Yeo, Nik/Tan, Daniel: Damages for Breach of Exclusive Jurisdiction Clauses, in: Sarah Wortington (Hrsg.), Commercial Law and Commercial Practice, 2003, S. 403– 431. Zeiss, Walter/Schreiber, Klaus: Zivilprozessrecht, 12. Aufl., Tübingen 2014. Zöller, Richard (Hrsg.): Zivilprozessordnung, 31. Aufl., Köln 2016. Zöllner, Wolfgang: Materielles Recht und Prozeßrecht, in: Archiv für die civilistische Praxis 1990, S. 471–495.

Stichwortverzeichnis A/S D/S Svendborg and D/S af 1912 A/S v. Ali Hussein Akar  111 ff., 119, 122, 128, 177, 179, 195 Abredewidrige Klage –– Autonomes Recht  228 ff. –– EuGVVO  139 ff. –– HGÜ  227 f. –– LugÜ  226 f. AGB  69 ff., 83, 94, 104 ff., 140 f., 151 ff., 186 ff., 208, 211 ff. Allendale Mutual Insurance Co. v. Excess Insurance Co., Ltd.  116 f. Alternative Absicherungsmöglichkeiten  181 ff., 260 ff, 274, 281 f. American Rule  23, 45, 103 f., 125, 188, 231, 243, 251, 258 Anderson v. G. H. Mitchell & Sons Ltd.  112 f. Anerkennung von Entscheidungen  40, 97, 130 f., 188, 200, 209 ff., 214 ff. Anfangswahrscheinlichkeit  150 ff. Anwendbares Recht –– Lex causae Hauptvertrag  174 ff. –– Lex fori  173 f. –– Lex fori prorogati  176 ff. –– Rechtswahl  175 –– Statut der Gerichtsstandsvereinbarung  178 f. Anwendungsbereich autonomes Recht  202 ff. Anwendungsbereich EuGVVO  61 ff. Anwendungsbereich HGÜ  200 ff. Anwendungsbereich LugÜ  197 ff. Asienkrise  235 Aufrechnung (s. Prozessaufrechnung) Auslegung Gerichtsstandsvereinbarung  102 ff. –– Ausdrückliche Willenserklärung  102

–– Konkludente Willenserklärung  102 ff. –– Einschränkung der Auslegung  105 f. Ausschließliche Gerichtsstandsverein­ barung  22, 46 ff., 66, 75 ff., 82, 100, 140, 151, 201, 204, 209, 238, 244 f. –– Auslegung EuGVVO  105 –– Auslegung HGÜ  244 f. –– Auslegung USA  238 ff., 244 –– Schadensersatzanspruch  74 ff. Ausschließliche Zuständigkeiten  66, 95 ff., 180, 180, 285 Außergerichtliche Kosten  167 ff., 253 ff. Australien (Rechtsprechung)  112 ff. Banco Atlantico v. The British Bank of the Middle East  284 Betriebsgeheimnis  265, 273 ff., 281, 287 Betrug (s. Prozessbetrug) Beweislast (s. Darlegungs- und Beweislast) Brüssel-Ia-Novelle (s. EuGVVO-­ Novelle) Comity  223 ff. Compagnie des Messageries Maritimes v. Wilson  113 f. Danvaern  142 ff. Darlegungs- und Beweislast  74, 150 ff., 166, 239 Denial of justice  240, 248 Derogationskomponente  25, 76, 265, 277 Doleman & Sons v. Ossett Corporation  108f Donohue v. Armco Inc.  110, 119

312 Stichwortverzeichnis Durchbrechung der Rechtskraft  42, 48, 85, 232, 239 Ellerman Lines Limited v. Read  108 f. England (s. Vereinigtes Königreich) EuGVVO –– Anerkennung von Entscheidungen  130 f. –– Anwendungsbereich  61 ff. –– Novelle  18, 63 ff., 72 ff., 83, 139 –– Rechtskraft  131 ff. –– Vertrauensprinzip  120 ff. EuGVVO-Novelle –– Art. 25 Abs. 1 Satz 1 HS 2 EuGVVO  153 ff. –– Art. 31 Abs. 2 EuGVVO  146 ff. Federal transfer  241 ff. Feststellungsklage (s. negative Feststellungsklage) Formelle Wirksamkeit Gerichtsstandsvereinbarung  69 ff., 206, 207 ff., 210 ff. Forum non conveniens  44, 238, 243 ff., 250 ff. Forum Shopping  99 f., 103, 139, 162, 166 Gaither v. Charlotte Motor Car Co.  237 f. Gasser  121, 146, 148, 232 f. Gegenseitiges Vertrauen (s. Prinzip des gegenseitigen Vertrauens) Geheimhaltung  32, 265, 273 ff., 281 Gerichtskosten  167, 172, 253 ff., 263, 273 Gerichtsstandsvereinbarung –– Historische Entwicklung  24 –– Pflichtverletzung  139 ff., 226 ff. Geschäftsfähigkeit (HGÜ)  73, 209 f., 248 ff. Gewerbebetrieb  51 ff. Gläubiger Schadensersatzanspruch  77 ff. Großbritannien (s. Vereinigtes Königreich)

Haager Gerichtsstandsübereinkommen (HGÜ), Geschichte  200 Haager Konferenz für IPR  200, 244 Hauptleistungspflicht  90 ff. High Court  48, 107 ff. House of Lords  43 f., 53, 110 f., 119 Incitec Ltd v. Alkimos Shipping Corp.  114 Indosuez International Finance, B.V. v. National Reserve Bank  117 Kostenerstattungsanspruch  21, 42, 45, 109, 114, 117 ff., 135 ff., 168 ff., 182 ff., 224, 260 ff., 274 f., 281 f. Laboratory Corp. of America Inc. v. Upstate Testing Laboratory  115 ff. Luganer Übereinkommen (LugÜ) –– Auslegung nach EuGVVO-Novelle  231 ff. –– EuGVVO a.F.  197, 231 Materielle Wirksamkeit Gerichtsstandsvereinbarung  71 ff., 206, 209, 213 Mediationsvereinbarung –– Historische Entwicklung  30 –– Pflichtverletzung  277 ff. Minimum contacts  236, 243 ff., 251 Missverständnis (als Ursache für abredewidrige Klage)  140 ff. Nebenpflicht  93 ff., 118 f. Negative Feststellungsklage  146, 163 ff. Nute v. Hamilton Mutual Insurance Co.  114, 237 Öffentlichkeit des Verfahrens  17, 27, 32 f., 281 Omron Healthcare Inc. v. MacLaren Exports Ltd.  115 f. Ordre public  128, 248 ff. Ousting of jurisdiction  113, 237

Stichwortverzeichnis313 Pactum de non petendo  30, 36, 277, 279 f. Plausibilitätskontrolle  160, 165 ff., 195 Primäranspruch  18, 90 ff., 138, 191, 214, 269 Prinzip des gegenseitigen Vertrauens  120 ff., 145, 184 ff., 192 ff., 215 ff. Prioritätsprinzip  146, 157, 164, 195, 231 ff. Prozessaufrechnung  142 ff., 226 ff. Prozessbetrug  41, 48, 57 f., 111 f., 119, 128, 149, 221, 272 Prozessvertrag  16 ff., 22-36, 62, 85 f., 264

Schiedsfähigkeit  265 f. Schiedsvereinbarung –– Historische Entwicklung  26 f. –– Pflichtverletzung  266 ff. Schuldner Schadensersatzanspruch  77 ff. Shell International Petroleum v. Coral Oil Company  284 Sittenwidrigkeit  38 ff., 72 Sonstiges Recht  50, 53 ff. Spanien (Rechtsprechung)  117 f. Strict liability  161 Supreme Court  223, 236 ff., 286

Reasonableness doctrine  239 ff., 246 f. Rechtshängigkeit  122 f., 147, 216, 246 Rechtskraft von Entscheidungen –– Formelle Rechtskraft  132 –– Kostenentscheidung  134 ff. –– Materielle Rechtskraft  132 ff. –– Sachurteil  134 –– Schiedsurteil  270 ff., 271 –– Zuständigkeitsentscheidung  133 f. Rechtswahlvereinbarung –– Historische Entwicklung  33 f. –– Pflichtverletzung  284 ff. Reichsgericht (Urteil von 1938)  39 ff. Reisekosten  160, 167 ff., 195 Right not to be sued abroad  53 ff., 59 f. Rügelose Einlassung  81 f.

Taylor v. Bevinco Bar Systems, ebenfalls von 1997  117 Territorialitätsprinzip  57, 265 The Bremen v. Zapata Off-Shore Company  238 Torpedoklage –– EuGVVO-Novelle  18, 63 ff., 72 f., 83, 139, 146 f. –– Umgekehrte Torpdeoklage  148 ff. Tribunal Supremo  88 ff., 117 ff., 140, 171, 177

Schaden –– Außergerichtliche Kosten  167 ff., 253 ff.  –– Gerichtskosten  167, 172, 253 ff., 263, 273 –– Lex fori prorogati  176 ff. –– Reisekosten  160, 167 ff., 195 –– Verzögerungsschäden  170 ff., 203, 253 ff., 258, 273 –– Zinsschaden  170 ff., 195 Schädigungsvorsatz  42 ff., 49 ff., 75, 285

Vereinigtes Königreich (Rechtsprechung  107 ff. Verpflichtungswirkung (der Gerichtsstandsvereinbarung)  84 ff., 97 ff., 118 f., 173, 182, 191, 195 f., 214, 268 f., 277 Vertragsstrafe  190 ff., 260 ff., 274 Vertrauen (s. Prinzip des gegenseitigen Vertrauens) Vertretenmüssen  157 ff., 252, 273, 281 Verzögerungsschäden  170 ff., 203, 253 ff., 258, 273

Umgekehrte Torpedoklage (s. Torpedoklage) Union Discount Co. Ltd. v. Zoller  109 ff., 117, 124 USA (Rechtsprechung)  114 ff.

314 Stichwortverzeichnis Vollstreckung  42, 78, 87, 127, 160, 171, 200, 215 ff., 220 f., 225, 259, 260 Wells v. Entre Computer Centers, Inc.  115 West Tankers  270 f.

Wettbewerbsrecht  51, 58 f., 201, 245 Wholesales & Service Corp. v. US JVC Corp. von 1997  117 Widerklage  145, 195, 227 f. Zinsschaden  170 ff., 195