Der Rücktritt im Strafrecht: Eine kritische Analyse von § 24 StGB de lege lata und Überlegungen de lege ferenda [1 ed.] 9783428541157, 9783428141159

Mareike Herrmann entwickelt in ihrer Arbeit ausgehend von der derzeitigen Fassung des § 24 StGB einen Reformvorschlag au

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German Pages 303 Year 2013

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Der Rücktritt im Strafrecht: Eine kritische Analyse von § 24 StGB de lege lata und Überlegungen de lege ferenda [1 ed.]
 9783428541157, 9783428141159

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Kölner Kriminalwissenschaftliche Schriften Band 57

Der Rücktritt im Strafrecht Eine kritische Analyse von § 24 StGB de lege lata und Überlegungen de lege ferenda

Von Mareike Herrmann

Duncker & Humblot · Berlin

MAREIKE HERRMANN

Der Rücktritt im Strafrecht

Kölner Kriminalwissenschaftliche Schriften Herausgegeben von C l a u s K r e ß, C o r n e l iu s Ne s t l e r Jü r g e n S e i e r, M i c h a e l Wa l t e r S u s a n n e Wa l t h e r, T h o m a s We i g e n d Professoren an der Universität zu Köln

Band 57

Der Rücktritt im Strafrecht Eine kritische Analyse von § 24 StGB de lege lata und Überlegungen de lege ferenda

Von Mareike Herrmann

Duncker & Humblot · Berlin

Die Hohe Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität zu Köln hat diese Arbeit im Wintersemester 2012/2013 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2013 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0936-2711 ISBN 978-3-428-14115-9 (Print) ISBN 978-3-428-54115-7 (E-Book) ISBN 978-3-428-84115-8 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meiner Familie

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2012 / 2013 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln als Dissertation angenommen. Sie entstand während meiner Zeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für deutsches und internationales Strafrecht. „Keine Schuld ist dringender als die, Dank zu sagen.“ Dies wusste schon Marcus Tullius Cicero und es ist mir ein besonderes Anliegen, meinen Wegbegleitern, ohne deren Unterstützung die Erstellung dieser Arbeit nicht möglich gewesen wäre, von Herzen zu danken. Zuvorderst möchte ich meinem Doktorvater und Lehrer, Herrn Professor Dr. Claus Kreß, LL.M. (Cambridge), danken – für die Erstellung des tiefgreifenden Erstgutachtens und weit darüber hinaus. Es wird mich immer mit Stolz erfüllen, Mitarbeiterin an seinem Lehrstuhl gewesen zu sein, und ich empfinde es als großes Glück, einen fachlich so brillanten wie auch menschlich wunderbaren Chef zu haben. Seine herausragende Lehre, sein Vertrauen und steter Rückhalt haben einen Beitrag von unschätzbarem Wert zum Gelingen dieser Arbeit, aber auch insgesamt zu meiner beruflichen wie persönlichen Entwicklung geleistet. Herrn Professor Dr. Jürgen Seier danke ich sehr herzlich für die beeindruckend zügige Erstellung des Zweitgutachtens sowie für die vortreffliche Förderung, die er mir hat zuteil werden lassen. Er war und ist mir ein besonders geschätzter Ansprechpartner, der sich durch eine besondere Aufmerksamkeit und inspirierende Gedanken auszeichnet. Ich bin glücklich, für einige Zeit als Mitarbeiterin auch an seiner Professur tätig gewesen zu sein. Nach seiner Pensionierung im Februar 2013 werden ihn nicht nur die Kölner Studenten vermissen; er wird im Institut für Strafrecht und Strafprozessrecht sehr fehlen. Dieses Vorwort möchte ich zudem nutzen, eines verehrten Lehrers zu gedenken und ihm posthum zu danken: Herrn Professor Dr. Dr. h. c. mult. Hans Joachim Hirsch. Ihn durfte ich während seiner Zeit als Emeritus im Institut für Strafrecht und Strafprozessrecht an der Universität zu Köln kennenlernen. Ich bedaure sehr, dass er die Fertigstellung dieser Arbeit nicht mehr miterleben konnte. Viele lehrreiche Gespräche mit ihm haben meine Arbeit bereichert. Aber auch darüber hinaus war der Austausch mit ihm stets einzigartig, lehrreich und kurzweilig. Dass die vorliegende Arbeit in der von ihm mitgegründeten Reihe der Kölner Kriminalwissenschaftlichen Schriften erscheinen darf, ist mir auch aus diesem Grund eine besondere Ehre. Hierfür danke ich ebenfalls den die Reihe herausgebenden Kölner Professoren.

8

Vorwort

An dieser Stelle darf ich auch dem großartigen Kollegenkreis des Instituts für Strafrecht und Strafprozessrecht danken. Hervorheben möchte ich hierbei das Team von Herrn Professor Kreß, das die Bezeichnung als meine Lehrstuhl-Familie wahrlich verdient. Nicht nur die hohe Fachkompetenz, die dieses Umfeld prägt und einen regen fachlichen Gedankenaustausch fördert, wusste und weiß ich sehr zu schätzen. Das kollegiale Miteinander und ein weit darüber hinausgehender starker freundschaftlicher Zusammenhalt trugen wesentlich zum Gelingen dieser Arbeit bei. Besonders danken möchte ich dem „Triumvirat“ des Lehrstuhls, bestehend aus Dr. Lars Berster, Nikolaos Gazeas, LL.M. (Auckland), und Dr. Björn Schiffbauer, an deren Seite zu arbeiten mir stets eine besondere Freude war. Sie waren und sind noch immer Garanten für juristische Diskussionen auf höchstem Niveau, begleitet von rhetorischen Finessen, wie wir sie auch von unserem Chef nicht anders gewohnt sind. Ihre fachliche wie auch menschliche Unterstützung sowie zahlreiche schöne gemeinsame Erlebnisse werde ich in allerbester Erinnerung behalten. Erwähnen möchte ich an dieser Stelle auch Dr. Till Gut und Felix Baenisch. Ihnen danke ich ebenfalls für einen wertvollen Erfahrungsaustausch und eine wunderbare gemeinsame Zeit am Lehrstuhl. Daneben möchte ich Frau Birgit Orth danken, die mit ihrem Engagement im Sekretariat des Lehrstuhls eine große Hilfe war und ist. Auch den Mitarbeitern der Professur für Strafrecht und Strafprozessrecht von Herrn Professor Seier, die mich herzlich willkommen geheißen und in ihr Team aufgenommen haben, gebührt mein Dank. Besonders danken möchte ich hier Dr. Diana Hembach für die hervorragende wie angenehme Zusammenarbeit insbesondere im Lehrbetrieb. Diese Arbeit ist meiner Familie gewidmet, die mich nicht nur während meiner Promotionszeit unterstützt hat, sondern mir in jeder Lage meines Lebens bedingungslos Rückhalt gibt. Meinen Eltern, Carmen Müller und Ralf Herrmann, danke ich herzlich dafür, dass sie mir vertrauensvoll sämtliche Freiheiten gegeben haben und stets an mich glauben. Auch meinen Geschwistern Dennis und Fabienne danke ich für den innigen Zusammenhalt. Mein lieber Freund Nikolaos Gazeas hat mir bei der Erstellung der Arbeit stets den nötigen Rückhalt geboten und mir geduldig größtes Verständnis entgegengebracht. Ihn an meiner Seite zu wissen, gab und gibt mir seit vielen Jahren Kraft und Sicherheit – hierfür danke ich ihm in Liebe. Schließlich möchte ich auch Andrea Boldan und Heike Schüler sowie Tim Thavisin, M.B.L., für die Unterstützung durch ihre treue Freundschaft und ihr besonderes Einfühlungsvermögen danken. Köln, im März 2013

Mareike Herrmann

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

15

Kapitel 1 Einführung in die Struktur des Rücktritts nach § 24 StGB

18

I. Einordnung des Rücktritts als Strafaufhebungsgrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

18

II. Die Auslegung des § 24 StGB im Lichte der ratio legis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

20

Kapitel 2 Die Bedeutung der einzelnen Tatbestandsmerkmale (mit Ausnahme der Freiwilligkeit)

27

I. § 24 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 StGB – Aufgabe der weiteren Tatausführung . . . . . . . . . . .

28

1. Anforderungen an den Rücktrittsvorsatz am Beispiel verschiedener Fallgestaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

34

a) Absichtliches Rücktrittsverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

34

b) Sicheres Wissen des Täters hinsichtlich der Erfolgsvermeidung . . . . . . . . . . . .

35

c) Möglichkeitsvorstellung hinsichtlich der Tatvollendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

37

d) „Aufgabeentschluss mit der vorsorglichen Bereitschaft zu späterer Rettungsaktivität“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

41

e) Fehlende Tätervorstellung bzgl. des Erfolgseintritts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

44

2. Endgültiges Aufgeben der Tat? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

49

3. Der fehlgeschlagene Versuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

50

4. Zwischenergebnis für das Merkmal der Tataufgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

52

II. § 24 Abs. 1 Satz 1 Var. 2 und § 24 Abs. 2 Satz 1 StGB – Verhindern der Tatvollendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

53

Zwischenergebnis zum Merkmal der Vollendungsvereitelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

70

III. § 24 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2 StGB – Ernsthaftes Bemühen um die Verhinderung der Tatvollendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

71

IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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10

Inhaltsverzeichnis Kapitel 3 Das Freiwilligkeitsmerkmal

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I. Zur Willensfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

76

1. Zur Frage, ob der Wille des Menschen frei ist – eine Betrachtung an der Schnittstelle zwischen Strafrecht, Neurowissenschaften und Philosophie . . . . . .

77

a) Der Determinismus und seine Folgen für das Strafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

78

b) Kritik am Determinismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

83

c) Deshalb jetzt Indeterminismus? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

89

2. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

97

II. Der Streit um die Freiwilligkeit im Sinne von § 24 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

97

1. Vergleich mit dem StGB von 1871 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

99

2. Die psychologische Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 a) „Autonom“ und „heteronom“ als Synonyme für „freiwillig“ und „unfreiwillig“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 b) Stärke psychischen Drucks als Abgrenzungskriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 c) Selbstkritik der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 d) Dogmatisch falsche Einordnung von Fallgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 e) Wertungswidersprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 f) Normativer Kern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 4. Die normativen Theorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 a) Rein normative Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 b) Vermittelnde Ansichten zwischen psychologischer und normativer Theorie

117

c) Insbesondere: Der Rückgriff auf die ratio legis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 aa) Die Goldene-Brücke-Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 bb) Die Gnaden- und Prämien-Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 cc) Die Strafzwecktheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 dd) Die Schulderfüllungstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 ee) Zurechenbare bzw. geltungsbestätigende Gefährdungsumkehr . . . . . . . . 125 (1) Jäger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 (2) Amelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 ff) Die Einheitstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 gg) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 d) Wortlautproblematik (für alle normativen Ansätze) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 aa) Geltung der Wortlautgrenze im Rahmen des § 24 StGB? . . . . . . . . . . . . . 129

Inhaltsverzeichnis

11

bb) Umgangssprachliches Verständnis von „freiwillig“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 cc) Kritische Analyse einzelner normativer Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 (1) Orientierung an der Qualität der Rücktrittsmotive . . . . . . . . . . . . . . . . 132 (a) Esoterische Moral des Rechts? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 (b) Rückkehr in die Legalität und rechtstreue Gesinnung . . . . . . . . 135 (c) Erforderlichkeit des endgültigen und vorbehaltlosen Aufgebens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 (d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 (2) Orientierung an einer fiktiven Vergleichsperson . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 (a) „Rechtstreue Vergleichsperson“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 (b) „Deliktische Vergleichsperson“ (Roxin) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 (3) Qualifizierte Zurechenbarkeit der Erfüllungsleistung (Herzberg) . 144 (a) § 35 StGB als Maßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 (aa) Wortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 (bb) Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 (b) § 240 StGB als Maßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 (aa) Wortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 (bb) Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 (c) § 20 StGB als Maßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 (aa) Wortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 (bb) Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 (d) Wegfall der Geschäftsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 (e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 (4) Parallele zu Kriterien mittelbarer Täterschaft (Jäger) . . . . . . . . . . . . 156 (a) Wegfall des Handlungssinns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 (b) Irrtum über die Ausführbarkeit der Tat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 (5) Freiwilligkeit als Unabhängigkeit von situations- und konstitutionsgeprägten Zwängen (Amelung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 (a) Situationsgeprägte Zwänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 (b) Konstitutionsgeprägte Zwänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 (c) Gesamtbetrachtung der Konzeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 e) Zwischenergebnis zu den normativen Auslegungsansätzen . . . . . . . . . . . . . . . . 164 5. Ergebnis zum Streit um psychologisierende und normative Ansätze . . . . . . . . . . . 165 III. Weitere Überlegungen zum Merkmal der Freiwilligkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 1. Zur Funktion des Freiwilligkeitsmerkmals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 a) Freiwilligkeit und Aufgabe der Tat (§ 24 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 StGB) . . . . . . . 167

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Inhaltsverzeichnis b) Freiwilligkeit und Vollendungsverhinderung (§ 24 Abs. 1 Satz 1 Var. 2 und § 24 Abs. 2 Satz 1 StGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 c) Freiwilligkeit und ernsthaftes Bemühen um die Vollendungsverhinderung (§ 24 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2 StGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 2. Problematische Fallgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 a) Wegfall des Handlungssinns, insbesondere Rücktritt vom bedingt vorsätzlichen Versuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 aa) Das Handlungsziel ist nicht mehr erreichbar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 bb) Außertatbestandliche Zielerreichung I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 cc) Außertatbestandliche Zielerreichung II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 b) Entdeckung der Tat /„wesentlich geänderte, mit einem erhöhten Risiko verbundene Sachlage“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 c) Gewissensbisse, Scham, innere Hemmungen, seelische Erschütterung – „emotioneller Zwang“? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 d) Aufgabe oder Verhindern der Vollendung der Tat zugunsten der Begehung oder Verdeckung einer anderen Tat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 e) Schutz eigener Rechtsgüter oder von Rechtsgütern nahestehender Personen

185

f) „Erhebliche Schwierigkeiten, die Tat zu vollenden“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 g) Eintritt einer zuvor gesetzten Bedingung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 Kapitel 4 Zur Rechtsfolge des Rücktritts

189

I. Der Strafgrund des Versuchs im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 II. Die ratio legis einer Rücktrittsnorm (unter Anknüpfung an die Ansichten zur Konzeption de lege lata) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 1. Die isolierte Betrachtung des Rücktritts – Die Theorie von der „goldenen Brücke“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 2. Kombinationslösungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 a) Gnaden- bzw. Prämientheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 b) Strafzwecktheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 c) Einheitstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 d) Schulderfüllungstheorie (Herzberg) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 e) Zurechenbare Gefährdungsumkehr (Jäger) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 III. Die Straflosigkeit als Rechtsfolge des Rücktritts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 1. Alternativen zur Straflosigkeit als Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207

Inhaltsverzeichnis

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2. Das Absehen von Strafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 a) Verhältnis des Absehens von Strafe zu verfahrensrechtlichen Einstellungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 b) Sinn und Zweckmäßigkeit des Schuldspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 c) Rechtsstaatliche Bedenken gegen die Ermöglichung des Absehens von Strafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 d) Weitere Nebenfolgen der Rechtsfolgeänderung, insbesondere die Kostenfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 3. Obligatorische Strafmilderung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 4. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 Kapitel 5 Die Rücktrittskonzeptionen, insbesondere ihre Rechtsfolgen, in anderen Rechtsordnungen

228

I. Dänemark . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 II. Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 III. Italien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 IV. Korea . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 V. Österreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 VI. Polen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 VII. Schweden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 VIII. Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 IX. Spanien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 X. Türkei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 XI. Corpus Juris (2000; „Florenz-Entwurf“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 XII. IStGH-Statut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 XIII. Common-law-Systeme: England und USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 1. Überblick über das englische Straftatsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 2. Der Rücktritt im englischen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 3. Der Rücktritt im US-Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 XIV. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 Exkurs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251

14

Inhaltsverzeichnis Kapitel 6 Eigene Konzeption

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I. Sinn und Zweck einer Rücktrittsnorm und die Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 1. Strafzwecktheoretische Überlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 2. Normative Gesichtspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 3. Traditionelle Auffassungen zur ratio legis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 II. Die einzelnen Voraussetzungen der Rücktrittsnorm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 1. Objektiv-subjektive Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 2. Die Freiwilligkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 a) Rückkehr in die Legalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 b) Zwangslagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 3. Der Rücktritt bei Beteiligung Mehrerer an der Straftat, § 24 Abs. 2 StGB . . . . . 265 Schlusswort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 Personen- und Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301

Einleitung Alles Gescheite ist schon gedacht worden; man muß nur versuchen, es noch einmal zu denken. Johann Wolfgang von Goethe1

Eine weitere Monographie zum Rücktritt vom Versuch nach § 24 StGB! Gibt es zu dieser Thematik überhaupt noch etwas zu sagen? So lautete auch die Reaktion auf die an die Verfasserin gerichtete Frage nach ihrem Dissertationsthema oftmals: „Was will man denn dazu noch schreiben?“ und „Das ist aber ein weites und umfangreiches Thema – übernimmt man sich dabei nicht?“ Beide Aussagen sind mit ihren geäußerten Zweifeln in gewisser Weise verständlich – aber nur auf den ersten Blick. Man könnte meinen, alle de lege lata im Zusammenhang mit § 24 StGB bestehenden neuralgischen Punkte sind vor dem Hintergrund einer enormen Literaturfülle und Jahrhunderte alter Wissenschaftsdebatten ausdiskutiert. Auch steht die Rechtsprechung jedenfalls bei der Anwendung der Rücktrittsregel nicht vor unlösbaren Schwierigkeiten. Und dennoch: Dass etwas in der Praxis irgendwie funktioniert, muss nicht unbedingt heißen, dass man sich mit einer Problematik nicht mehr auseinandersetzen sollte oder gar muss. Die Tatsache, dass es hierzu eine Flut an Literatur gibt, die es zu bewältigen gilt, könnte zwar zunächst abschreckend wirken – man kann dies indes als eine Herausforderung betrachten, derer man sich annimmt. Zu bedenken ist hierbei nicht zuletzt, dass bei einem so alten Thema wie dem Rücktritt vom Versuch über die Jahre ältere Schriften selbst bei gründlicher Auswertung leicht übersehen werden können. Zudem kann es passieren, dass bedeutsame Aspekte „überlesen“ und deshalb nicht mehr weiter überliefert und aufgegriffen werden oder dass einzelne Gedanken schlicht nicht wahrgenommen werden – etwa weil der Fokus auf eine bestimmte Fragestellung gelegt wurde. Schon aus diesem Grunde lohnt eine erneute Sichtung des vorhandenen Materials. Freilich kann im Rahmen dieser Arbeit nicht jede umstrittene Frage umfassend dargestellt werden. Dies wäre weder weiterführend noch nötig. Dort, wo es sinnvoll erscheint, wird auf bestehende gute Darstellungen zu jeder wichtigen Problematik verwiesen. Die vorliegende Arbeit untersucht die de lege lata in § 24 StGB enthaltenen Tatbestandsmerkmale und wird vieldiskutierte Problempunkte benennen. Hierbei sol1

Maximen und Reflexionen, Betrachtungen im Sinne der Wanderer.

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Einleitung

len allerdings nicht derzeit bestehende Meinungsstreitigkeiten um jeweils eine weitere Ansicht bereichert werden – dies wäre kein sinnvolles Erkenntnisziel. Es geht nicht darum, bei der Analyse des geltenden Rechts das Rad neu zu erfinden. Vielmehr soll die Erörterung der derzeitigen Rücktrittskonzeption den Blick für Überlegungen de lege ferenda öffnen. Solche Erwägungen werden nicht nur in dieser Arbeit für geboten gehalten. So meint Geilen2, die Anwendung der aus seiner Sicht zu weiten Rücktrittsregelung führe zu einem „strafrechtlichen Lotteriespiel“; Schmidhäuser3 sieht „manche unbefriedigenden Zufallsergebnisse“, und Ulsenheimer4 hält im Anschluss an diese beiden Autoren die Ausgestaltung und Anwendung der Rücktrittsvorschrift sogar „aus rechtsstaatlicher Sicht“ für beängstigend. Freund5 schließlich bezeichnet die Regelung des § 24 StGB als „missraten“ und fordert eine Reform. Dies leitet über zu der nächsten kritischen Frage: Können Gedanken de lege ferenda zu diesem Thema Folgen haben? – Es sind derzeit keine Reformen im dogmatischen Teil des Allgemeinen Teils in Sicht, und das gilt auch für den Rücktritt vom Versuch. Doch wäre es unangebracht, allein deshalb eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Verbesserungsmöglichkeiten zu unterlassen, weil deren zeitnahe Umsetzung nicht zu erwarten ist. Wissenschaftliche Überlegungen finden im Übrigen nicht nur im nationalen Recht Beachtung, sondern sie können auch rechtsvergleichend herangezogen werden. So sei bereits an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass der Rücktritt etwa im englischen Recht bis heute als Rechtsfigur weder anerkannt noch normiert ist.6 Sollte sich die Tendenz im englischen Recht im Laufe der Zeit ändern, würde sich sicher der Blick auch auf Rechtsordnungen richten, die seit jeher oder seit langem eine Rücktrittsregelung vorsehen. Spätestens dann dürften neuere Erwägungen zu einer Änderung tatbestandlicher Voraussetzungen oder der Rechtsfolgen interessant und von Relevanz werden. Kritische Analysen zum geltenden deutschen Rücktrittsrecht könnten sich schließlich auch im Zuge der Europäisierung des Strafrechts und bei der Praxis des Völkerstrafrechts als hilfreich erweisen. Nach einer kurzen Einführung zum dogmatischen Standort der Rücktrittsregelung in § 24 StGB werden im zweiten Kapitel die Voraussetzungen des Aufgebens und des Verhinderns der Tatvollendung sowie des ernsthaften Bemühens um die Tatverhinderung untersucht. Das dritte Kapitel widmet sich dem Freiwilligkeitsmerkmal, dessen Auslegung besonders umstritten ist. Das vierte Kapitel beleuchtet die Rechtsfolge des Rücktritts, wobei kritische Überlegungen zu der Straflosigkeitsanordnung angestellt werden. Im Anschluss hieran werden in Kapitel 5 Rücktrittskonzeptionen ausländischer Rechtsordnungen aufgezeigt. Das Hauptaugenmerk 2 3 4 5 6

JZ 1972, 335 (343). Strafrecht AT, 1970, S. 498, Rn. 15 / 75. Grundfragen, S. 3. GA 2005, 321 (331). Hierzu unten Kapitel 5 XIII. 2.

Einleitung

17

wird dabei auf England und die Vereinigten Staaten von Amerika gelegt. Sämtliche Überlegungen bilden die Grundlage dafür, im sechsten Kapitel die eigene Konzeption vorzustellen.

Kapitel 1

Einführung in die Struktur des Rücktritts nach § 24 StGB I. Einordnung des Rücktritts als Strafaufhebungsgrund § 24 StGB ist nach derzeit herrschender7 und richtiger Auffassung de lege lata als persönlicher Strafaufhebungsgrund anzusehen, der Unrecht und Schuld der Tat unberührt lässt. Dies ergibt sich erstens aus der Feststellung, dass sich § 24 StGB schon dem Wortlaut nach mit seiner Rechtsfolge der „Nicht-Bestrafung“ auf den Zurücktretenden bezieht. Damit wirkt der Rücktritt persönlich.8 Zweitens ist der Rücktritt nicht – wie etwa im französischen Recht oder im IStGH-Statut9 – schon Teil des Versuchstatbestandes, sondern separat geregelt. Dies spricht dafür, dass er nicht schon als Tatbestandsausschluss in Form eines negativen Tatbestandsmerkmals angesehen werden kann.10 Vielmehr entsteht mit der Begehung des Versuchs 7 Statt Vieler RGSt 6, 341 (342); BGHSt 1, 152 (155 f.), seitdem ständig; Eser, in: Schönke / Schröder, StGB, § 24 Rn. 4; Fischer, StGB, § 24 Rn. 2; Kühl, AT, § 16 Rn. 8 jeweils m. w. N.; differenzierend zwischen § 24 Abs. 1 S. 1 Var. 2 und S. 2 StGB auf der einen Seite (Strafaufhebungsgrund) und § 24 Abs. 1 S. 1 Var. 1 StGB auf der anderen Seite (bereits Tatbestandsaufhebungsgrund) Frister, AT, 24. Kap. Rn. 6 f. Vgl. auch schon für § 46 StGB a. F. Spohr, Rücktritt (1926), S. 1 f., 67 ff. m. w. N.; kritisch aber Amelung, ZStW 120 (2008), S. 205 (210). Gegen das Verständnis des § 24 StGB als Strafaufhebungsgrund, s. Wege, Rücktritt und Normgeltung (2011), S. 80 ff., mit der Begründung, es handle sich hierbei um einen „dogmatisch und systematisch haltlosen Bereich“ (a. a. O., S. 80). Inwieweit ihre Einordnung des Rücktritts als „positives Nachtatverhalten“, das als eigenständige Kategorie angesehen wird, der h. M. überlegen ist, bleibt unklar und der Sache nach zweifelhaft. 8 Mit dem Hinweis darauf, dass § 24 StGB damit der Regelung des § 28 Abs. 2 StGB entspreche Kudlich / Schuhr, in: Satzger / Schmitt / Widmaier, StGB, § 24 Rn. 4; Mitsch, in: Baumann / Weber / Mitsch, AT, § 27 Rn. 4. 9 Zu diesen beiden Regelungen noch eingehend später in Kapitel 5 II. und XII. 10 Vgl. auch Stratenwerth / Kuhlen, AT I6, § 11 Rn. 72; a. A. aber Reinh. v. Hippel, Untersuchungen (1966), S. 58 ff., insbes. S. 68; Köhler, AT, S. 468 f.; Lang-Hinrichsen, in: FS Engisch (1969), S. 353 (374); v. Scheurl, Rücktritt (1972), S. 27 f.; Heckler, Rücktrittsleistung (2002), S. 135; Ulsenheimer, Grundfragen (1976), S. 88 ff.; jedenfalls für § 24 Abs. 1 S. 1 Var. 1 StGB Frister, AT, 24. Kap. Rn. 6 f. Gedanken in Richtung einer einheitlichen Betrachtung finden sich im Übrigen auch bei Jakobs, AT, 26. Abschn. Rn. 2.; vgl. auch dens., ZStW 104 (1992), S. 82 ff. Jakobs sieht in einem Rücktritt ein „zurechenbares Versuchsende“, das den zuvor durch den Versuch erfolgten Normbruch auf allen Deliktsstufen minimiere und deshalb eine „Tatänderung“ darstellte. Haas, ZStW 123 (2011), S. 226 (245 ff., 256) begrüßt diesen Ansatz und bezeichnet den Rücktritt weitergehend als „Tatvernichtung“. Dies setze

I. Einordnung des Rücktritts als Strafaufhebungsgrund

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gem. §§ 22, 23 Abs. 1 StGB in Verbindung mit einem Tatbestand des Besonderen Teils des StGB bereits dem Grunde nach der staatliche Strafanspruch gegen den jeweiligen Täter. Normiert der Gesetzgeber in einer eigenständigen Regelung, dass die betreffende Person unter gewissen Voraussetzungen doch nicht bestraft werden soll, obwohl Unrecht und Schuld schon positiv festgestellt wurden, so stellt dies eine Ausnahme von der grundsätzlichen Rechtsfolge der Bestrafung dar.11 Teilweise findet sich eine Gegenansicht, die den Rücktritt als einen Entschuldigungsgrund12 oder Schuldaufhebungsgrund13 einstuft.14 Dies kann jedoch nicht überzeugen, denn die Schuld zur Zeit der Versuchstatbegehung (§ 8 StGB) war und ist gegeben. Der Rücktritt stellt ein nachträgliches Verhalten dar, welches die Schuldhaftigkeit, d. h. die persönliche Vorwerfbarkeit, zur Zeit der Begehung des Versuchs nicht rückwirkend beeinflussen kann. Der Befund, dass der Versuchstäter seinen Tatentschluss fasste und unmittelbar zur Tat ansetzte, obwohl er anders hätte handeln können15 bzw. obwohl er normativ ansprechbar war16, kann nicht durch das Nachtatverhalten in Form der Verwirklichung des Rücktritts nachträglich ausgeräumt werden.17 aber voraus, dass ein Geschehen überhaupt noch abänderbar ist und noch nicht als Tat gewertet werde. Beide Ansätze sind durchaus beachtlich. Gerade Haas dürfte aber vorzuhalten sein, dass er – wie er selbst auch andeutet – dann Schwierigkeiten bekommen wird, wenn die Frage nach dem Vorliegen einer Tat beantwortet werden muss (s. Haas, a. a. O., S. 247). An diesem Punkt dürfte man unweigerlich wieder dazu kommen, dass man das einem (potentiellen) Rücktrittsverhalten vorgelagerte Versuchsgeschehen sehr wohl isoliert betrachtet. 11 Jäger, Gefährdungsumkehr (1996), S. 126 f.; Krey / Esser, AT, Rn. 1263; Mitsch, in: Baumann / Weber / Mitsch, AT, § 27 Rn. 5; Weinhold, Rettungsverhalten (1990), S. 37; Vgl. auch die Darstellung bei Herzberg / Hoffmann-Holland, in: MüKo-StGB2, § 24 Rn. 3, 6 f. Die Autoren stimmen der h. M. zu, wollen aber freilich ein besonderes Augenmerk darauf gelegt wissen, dass das Rücktrittsverhalten ein Nachtatverhalten sei („Strafbemessungsvorschrift“), das im Wege der Strafzumessung zu berücksichtigen sei. § 24 StGB „übertrumpfe“ als Bestrafungsverbot die im Übrigen gültigen §§ 46 Abs. 2 und 46a StGB. De lege lata spricht hiergegen, dass der Richter gar nicht erst zur „Zumessung“ der Strafe kommt; er hat keine Wahlmöglichkeit. 12 Haft, AT, S. 240; ders., JA 1979, 306 (312); Klöterkes, Rücktritt und Irrtum (1995), S. 99 ff., 132; Roxin, AT II, § 30 Rn. 29 f.; ders., Kriminalpolitik (1973), S. 35 f.; ders., in: FS Heinitz (1972), S. 251 (273 ff.); Rudolphi, in: SK-StGB, § 24 Rn. 6 jeweils m. w. N.; Ulsenheimer, Grundfragen (1976), S. 103 mit Übersicht über den Meinungsstand S. 105 ff. 13 Streng, ZStW 101 (1989), S. 273 (324 f.); auch bereits Kemsies, Tätige Reue (1929), S. 27 ff.; s. auch Zaczyk, in: NK-StGB, § 24 Rn. 5 f., der Versuch und Rücktritt als eine Einheit betrachtet. 14 Für eine Unrechts- und Schuldminderung Wolter, in: Wolter / Freund (Hrsg.), Straftat (1996), S. 1 (2, 21), der den Rücktritt deshalb als „Verantwortungsaufhebungsgrund“ bezeichnet. 15 So der herrschende Schuldbegriff, vgl. BGHSt 2, 194 (200); Hirsch, in: FS Otto (2007), S. 307 (326 ff.); Wessels / Beulke, AT, Rn. 401. 16 s. Roxin, AT I, § 19 Rn. 36 ff. m. w. N. 17 Mitsch, in: Baumann / Weber / Mitsch, AT, § 27 Rn. 5: „Einen Schuldausschluß ex tunc gibt es nicht.“; in diesem Sinne auch Herzberg / Hoffmann-Holland, in: MüKo-StGB2, § 24

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Kap. 1: Einführung in die Struktur des Rücktritts nach § 24 StGB

Einige Autoren18 verorten die Auswirkungen des Rücktritts bereits auf der Ebene des Unrechts der Tat. Dies ist schon aus den o. g. Gründen der verschiedenen zeitlichen Anknüpfungspunkte nicht einleuchtend. Die derzeitige Regelung des § 24 StGB ist deshalb aufgrund seiner zwingenden Rechtsfolge der Straflosigkeit als persönlicher Strafaufhebungsgrund ausgestaltet. Eine Strafzumessungsvorschrift steckt hierin nicht, da eine solche nur dann vorliegt, wenn der Richter über die Auferlegung einer Strafe und ggf. deren Höhe disponieren kann.19 Vorschriften über die tätige Reue wie z. B. § 306e StGB und § 314a StGB können danach als „Zwittervorschriften“ bezeichnet werden. Während § 306e Abs. 2 StGB und § 314a Abs. 1 und Abs. 2 StGB jeweils im Rahmen der Strafzumessung relevant werden, führen § 306e Abs. 1 StGB und § 314a Abs. 3 bzw. 4 StGB zwingend zur Nichtbestrafung, wobei aber auch – wie in den Fällen des § 24 StGB – zuvor die grundsätzlich verwirkte Strafbarkeit wegen eines Brandstiftungsdelikts bzw. eines Delikts nach den §§ 307 ff. StGB festgestellt wurde. So zutreffend die Einordnung der Rücktrittsvorschrift als Strafaufhebungsgrund demnach de lege lata ist, so wenig folgt daraus, dass die starre Rechtsfolge der Straflosigkeit kriminalpolitisch überzeugt. Hierauf wird im Laufe der Untersuchung noch zurück zu kommen sein.

II. Die Auslegung des § 24 StGB im Lichte der ratio legis Rudolf von Jehring erklärte: „Der Zweck ist der Schöpfer allen Rechts.“20 Damit wird zutreffend dargestellt, dass sich in jeder Rechtsnorm ein Werturteil und Gestaltungswille des Gesetzgebers widerspiegelt21 und dass letztlich mit einer gesetzlichen Vorschrift über die Kombination der einzelnen Tatbestandsmerkmale ein bestimmtes Ziel erreicht werden soll. Kennt man also den Sinn und Zweck, so kann man diesen heranziehen, um den Bedeutungsumfang und die Grenze gewisser Begrifflichkeiten zu ermitteln. Idealiter ist davon auszugehen, dass jedem einzelnen Element der Norm, d. h. jedem Tatbestandsmerkmal eine eigenständige Funktion zukommt, es also weder überflüssig ist noch dem Sinn und Zweck der Norm entgegensteht. In Umkehrung zu dem soeben aufgezeigten Verstehensprozess ergibt sich Rn. 3 ff., 34; Kudlich / Schuhr, in: Satzger / Schmitt / Widmaier, StGB, § 24 Rn. 5; Weinhold, Rettungsverhalten (1990), S. 36 f.; s. auch schon Allfeld, in: FG Frank (1930), S. 74 (75 f.). 18 Bloy, Dogmatische Bedeutung (1976), S. 147 ff. (175); Kolster, Qualität der Rücktrittsbemühungen (1993), S. 12 ff., 56 ff.; hierzu kritisch Amelung, ZStW 120 (2008), S. 205 (211). 19 Vgl. Mitsch, in: Baumann / Weber / Mitsch, AT, § 27 Rn. 6. 20 So zitiert bei Rüthers / C. Fischer, Rechtstheorie, Rn. 136. 21 Rüthers / C. Fischer, Rechtstheorie, Rn. 136, 718; auf den Streit darüber, ob ein Gesetz einen eigenen Willen entwickeln kann, der über den seines Verfassers hinausgeht (sog. „objektive Theorie“, vgl. zu ihr Hoeren / Stallberg, Rechtsphilosophie, Rn. 398 f; Wank, Auslegung, S. 32; kritisch auch Rüthers / C. Fischer, Rechtstheorie, Rn. 722) kommt es hier nicht an.

II. Die Auslegung des § 24 StGB im Lichte der ratio legis

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dann die ratio legis aus der Zusammenschau der Tatbestandsvoraussetzungen.22 Hieraus entsteht eine Wechselwirkung, die man als zirkelhaft bezeichnen kann: Jedes Merkmal kann (nur) als Teil der ratio legis, diese kann jedoch ihrerseits nur aus den Merkmalen erschlossen werden. Ein solches Verstehen und Erfassen der Materie wird auch als „hermeneutischer Zirkel“23 oder „hermeneutische Spirale“24 bezeichnet. Problematisch an einem solchen Vorgang ist, dass jeder Interpretationsakt bereits ein umfassendes Verständnis von Sinn und Zweck voraussetzt.25 Schwierig ist daher – und dies wird sich auch im Laufe der Auslegung(sversuche) einzelner Merkmale des § 24 StGB zeigen – insbesondere die Situation, in der gerade die ratio legis nicht eindeutig festzulegen und somit erst im Wege einer Gesamtschau zu ermitteln ist, und sie zugleich herangezogen werden soll, um wiederum ein Merkmal auszulegen, das Gegenstand dieser Gesamtschau ist. Man kann mit Hoeren / Stallberg26 sagen, es ergibt sich dann „die paradoxe Situation, daß das, was wir verstehen wollen, bereits verstanden sein muß, um es zu verstehen“. In diese Richtung weist auch Schlehofer27, wenn er feststellt, dass Sinn und Zweck das Ergebnis der Auslegung, nicht aber gleichzeitig ihr Mittel sein kann, da sonst das zu Beweisende vorausgesetzt würde. Ihm ist Recht zu geben, soweit man auf eine Situation stößt, in der sowohl die ratio legis nicht eindeutig bekannt ist als auch die Auslegung mindestens eines (normativen) Tatbestandsmerkmals Schwierigkeiten bereitet. Formuliert(e) also der Gesetzgeber während des Gesetzgebungsverfahrens selbst nicht ausdrücklich und präzise den von ihm verfolgten Willen – und genau dies ist bei der Rücktrittsnorm des § 24 StGB der Fall28 –, so müsste dieser anhand einer Gesamtschau der Tatbestandsmerkmale (unter Einschluss der von der Norm angeordneten Rechtsfolge!) zunächst ermittelt werden. Wie sämtliche Bearbeitungen zur Rücktrittsdogmatik kommt auch diese Abhandlung nicht umhin, einige Ausführungen zur ratio legis des § 24 StGB anzubringen. Sie müssen dieser Arbeit zugrunde gelegt werden, denn die Diskussion über Anwendung und Reichweite der einzelnen Tatbestandsmerkmale ist stark von der Heranziehung des Normtelos geprägt. In der Literatur haben sich im Laufe der Diskus22 Ähnlich Ostermeier, StraFo 2008, 102 (105): „[Die teleologische Auslegung] ist nur schlicht als letzte vorzunehmen […], da die Ratio ohnehin erst dann erkannt sein kann.“ 23 Hoeren / Stallberg, Rechtsphilosophie, Rn. 385 ff.; Vesting, Rechtstheorie, Rn. 210; ferner Schleiermacher, Hermeneutik und Kritik, S. 95; andeutend bezogen auf § 24 StGB auch Amelung, ZStW 120 (2008), S. 205 (213). 24 Hoeren / Stallberg, Rechtsphilosophie, Rn. 388. 25 Vesting, Rechtstheorie, Rn. 210. 26 Rechtsphilosophie, Rn. 386. 27 JuS 1992, 572 (576); zust. Herzberg, JuS 2005, 1 (8) und Scheinfeld, JuS 2006, 397 (399). 28 Vgl. auch die Ausführungen von Haas, ZStW 123 (2011), S. 226 ff., der instruktiv offenlegt, „dass die Vorstellungen des Gesetzgebers [scil.: über den Rechtsgrund des Rücktritts] nicht tragfähig oder unvollständig sind“ (a. a. O., S. 226). s. für die Vorgängernorm des § 46 RStGB schon Ruchner, Strafwegfall (1928), S. 16.

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Kap. 1: Einführung in die Struktur des Rücktritts nach § 24 StGB

sion um § 46 StGB a. F. und später um § 24 StGB mehrere Erklärungen zu Sinn und Zweck der Rücktrittsvorschrift entwickelt. Es kann hier vorweggenommen werden, dass es der Wissenschaft bislang nicht gelungen ist, sich über die ratio legis zu verständigen; vielmehr werden hierzu nach wie vor mehrere verschiedene Ansätze vertreten. Die folgende Übersicht erhebt keinen Anspruch auf eine (erneute) vollständige, alle Facetten dieses alten Streits erfassende Darstellung und Auswertung; von allen vertretenen Meinungen sollen jedoch die prominentesten hier vorgestellt und hinterfragt werden.29 Ob eine Argumentation über die ratio legis stets weiterführend ist oder nicht sogar über das eigentliche Ziel hinausschießen kann, sei an dieser Stelle noch dahingestellt. Nach der auf Feuerbach30 zurückgehenden sogenannten kriminalpolitischen Theorie sollte es einen Anreiz für den Täter darstellen, seine bereits versuchte Tat vor ihrer Vollendung aufzugeben und nötigenfalls den Erfolg abzuwenden. Man spricht davon, dem Täter eine „goldene Brücke“ zurück in die Straffreiheit zu bauen und ihn an dem „Rückweg in die Legalität“31 nicht dadurch zu hindern, dass er davon ausgehen müsse, an seiner Strafbarkeit lasse sich ohnehin nichts mehr ändern.32 Das Reichsgericht33 argumentierte häufig in Übereinstimmung mit dieser Lehre, in der Literatur34 wird sie meist als eine von mehreren Begründungselementen angesprochen. Auch der BGH35 folgte ihr anfangs, gab sie jedoch 1956 in BGHSt 9, 48 auf und spricht sich seitdem für die sogenannte Strafzwecktheorie aus, die später noch näher zu erörtern sein wird. Oftmals angeführt wird das Argument des Opferschutzes, in welchem der BGH und einige Literaten einen Teilaspekt der Begründung der Straffreiheit sehen.36 Danach sei es zweckmäßig, dem Täter einen Rücktritt mit strafbefreiender Wirkung zu ermöglichen, um das von ihm durch die Versuchstat bereits gefährdete Rechtsgut zu schützen.37 Dieser Ansatz ist von seinem 29 S. nur die ausführliche Übersicht bei Lilie / Albrecht, in: LK-StGB12, § 24 Rn. 5 ff.; jüngst erst Wege, Rücktritt und Normgeltung (2011), S. 16 ff. 30 Kritik des Kleinschrodischen Entwurfs (1804), S. 101 ff. 31 Wessels / Beulke, AT, Rn. 626. 32 Amelung, ZStW 120 (2008), S. 205 (210); Grünwald, in: FS Welzel (1974), S. 701 (709); Jakobs, AT, 26. Abschn. Rn. 2; Jescheck, AT3, S. 436; Puppe, NStZ 1984, 488 (490); vgl. auch Corves, in der 88. Sitzung des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform am 29. 11. 1967, Deutscher Bundestag, 5. Wahlperiode, Stenographischer Dienst, S. 1745, sowie Meyer, Müller-Emmert und Schlee, a. a. O., S. 1762 f. 33 RGSt 17, 243 (244); 63, 158 (159); 72; 349 (350); 73, 52 (60). 34 Jescheck, AT3, S. 436; Kudlich, JuS 1999 (I), 240 (241); Puppe, NStZ 1984, 488 (490); Stratenwerth, AT 14, § 11 Rn. 70. 35 BGHSt 6, 85 (87). 36 BGHSt (GS) 39, 221 (232); BGH NStZ 1989, 317; Fischer, StGB, § 24 Rn. 2; Jäger, NStZ 1999, 608; Weinhold, Rettungsverhalten (1990), S. 30 ff., 39; zum Teil auch Eser, in: Schönke / Schröder, StGB, § 24 Rn. 2b; Roxin, JZ 1993, 896 (897); Stratenwerth / Kuhlen, AT I6, § 11 Rn. 70; differenzierend v. Heintschel-Heinegg, ZStW 109 (1997), S. 29 (41). 37 BGHSt (GS) 39, 221 (232); zust. Hassemer, JuS 1989, 936 (937); 1990, 420 f.; Kudlich, JuS 1999 (I), 240 (241); s. auch Kühl, AT, § 16 Rn. 7.

II. Die Auslegung des § 24 StGB im Lichte der ratio legis

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Grundgedanken her ähnlich wie die zuvor erläuterte Theorie von der „goldenen Brücke“. Beiden geht es primär um die Verhinderung der Tatvollendung. Weinhold38 sieht in dem Bild der goldenen Brücke eine „Verzerrung d[ies]es Konzeptes“, den staatlichen Strafanspruch hinter dem Opferinteresse zurückzustellen. Der Täter werde zu stark in den Fokus gerückt, obgleich allein die Interessen des Opfers beachtlich seien. Das zusätzliche Argument, die einmal begangene Versuchstat sei nicht mehr ungeschehen zu machen39, ist zwar richtig; es kann aber nicht übersehen werden, dass die Goldene-Brücke-Theorie auch das Ziel des Opferschutzes verfolgt und damit der nach ihr zu schaffende Anreiz für den Täter letztlich das Mittel zum Zweck darstellt. Die Gnaden- bzw. Prämientheorie stellt dagegen mehr den Täter und dessen „Leistung“ in den Vordergrund und sieht in der von § 24 StGB vorgesehenen Strafbefreiung eine Belohnung, die dem freiwillig Zurückgetretenen zugute kommen soll.40 Derjenige, der durch („teilweise“41) Aufhebung des rechtserschütternden Eindrucks der Versuchstat einen gewissen Ausgleich schaffe, verdiene sich Nachsicht. Damit ist die Rechtsfolge in Gestalt einer „Prämie“ begründet. In der heutigen Rechtsprechung42 und einem großen Teil der Literatur43 wird die sogenannte Strafzwecktheorie befürwortet. Hiernach soll bei einem Rücktritt das Bedürfnis nach Bestrafung entfallen. Als Strafzwecke werden hier die Gedanken der Spezial-44 und Generalprävention45 vorangestellt, zum Teil wird auch das Verlangen nach gerechter Vergeltung46 erwähnt. Was das Erfordernis der Spezialprä-

Rettungsverhalten (1990), S. 31 f. So auch Jakobs, AT, 26. Abschn. Rn. 2; vgl. auch Herzberg, in: FS Lackner (1987), S. 325 (345). 40 Allfeld, in: FG Frank (1930), S. 74 (76); Bockelmann, NJW 1955, 1417 (1421); Busch, in: LK-StGB9, § 46 Rn. 4; Jescheck / Weigend, AT5, S. 539; H. Mayer, Strafrecht, S. 294 f.; Otto, GA 1967, 144 (150); H. Schröder, MDR 1956, 321 (322); ders., JuS 1962, 81; J. Seeger, Freiwilligkeit (1949), S. 25 ff.; vgl. ferner A. P. Gutmann, Freiwilligkeit (1963), S. 79, 119 f.; zum Teil wohl auch Welzel, Strafrecht, S. 196. Zum Gnadengedanken auch schon Baumgarten, Lehre vom Versuche (1888), S. 468 f.; R. Schmidt, Grundriß, S. 158; Schütze, Lehrbuch, S. 141. 41 Jescheck / Weigend, AT5, S. 539. 42 BGHSt 9, 48 (52); 14, 75 (80); so auch schon BGHSt 6, 85 (87). 43 Vgl. nur Berz, Tatbestandsverwirklichung (1986), S. 51; Eser, in: Schönke / Schröder, StGB, § 24 Rn. 2b; Freund, AT, § 9 Rn. 17; Kühl, AT, § 16 Rn. 5 f.; Krauß, JuS 1981, 883 (888); Lackner / Kühl, StGB, § 24 Rn. 2; Mezger / Blei, AT, S. 262; Mitsch, in: Baumann / Weber / Mitsch, AT, § 27 Rn. 8, 17; Muñoz-Conde, ZStW 84 (1972), S. 756 (761); Roxin, AT II, § 30 Rn. 4 ff.; Rudolphi, in: SK-StGB, § 24 Rn. 4; Schmidhäuser, AT, 15 / 69; Streng, ZStW 101 (1989), S. 273 (323 f.); ders., NStZ 1993, 581 (583); Wege, Rücktritt und Normgeltung (2011), S. 35 ff. 44 Besserung des Täters und Sicherung der Gesellschaft vor ihm; vgl. schon § 2 StVollzG; ferner Wessels / Beulke, AT, Rn. 12a. 45 Stärkung des Rechtsbewusstseins der Allgemeinheit und ihres Vertrauens in die Rechtsordnung und sowie Abschreckung vor Straftaten; vgl. Wessels / Beulke, AT, Rn. 12a. 38 39

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Kap. 1: Einführung in die Struktur des Rücktritts nach § 24 StGB

vention anbelangt, habe der Täter mit dem Rücktritt belegt, dass er das Recht akzeptiere.47 Trete er freiwillig zurück, so zeige er damit, dass sein rechtsfeindlicher Wille zur Durchführung der Tat nicht ausreichend gewesen sei. Er habe sein soziales Fehlverhalten selbständig korrigiert, und es erscheine daher nun nicht mehr nötig, spezialpräventiv eine Strafe zu verhängen, um ihn von weiteren Straftaten in Zukunft abzuhalten48; seine „etwaige Labilität“ allein sei kein ausreichender Grund.49 Aus generalpräventiver Sicht sei keine Wiederherstellung des Normvertrauens nötig50, da sich die „Anforderungen des Rechts gegenüber dem Deliktsplan des Täters“ letzten Endes durchgesetzt hätten51. Er liefere kein schlechtes Beispiel52, sodass es einer Abschreckung Anderer nicht bedürfe. Soweit das Verlangen nach Vergeltung als Strafzweck anerkannt wird, habe der Täter mit einem Rücktritt die Tat selbst wieder aus der Welt geschaffen, mit der Folge, dass es eines Ausgleichs nicht mehr bedürfe.53 Roxin54 spricht in diesem Zusammenhang auch von „Schuldausgleich“. Einen anderen Ansatz verfolgte die sogenannte Einheitstheorie. Nach ihr sollen nicht Versuchshandlung und Rücktritt jeweils für sich genommen betrachtet werden, sondern beide Verhaltensweisen sollen in einer Gesamtbetrachtung gewürdigt werden.55 Der Rücktritt wird dabei als „actus contrarius“ zur Versuchshandlung angesehen.56 Dogmatisch betrachtet steht dahinter die oben bereits behandelte und abgelehnte Integration der Rücktrittsregelung in den Versuchstatbestand in Form eines negativ gefassten Unrechtsmerkmals57: Strafbar ist derjenige, der eine Tat versucht und nicht zurücktritt58; das unmittelbare Ansetzen beginnt somit erst mit Verstreichen der letzten Rücktrittsmöglichkeit. Ähnlich verläuft die Argumentation nach

46 BVerfGE 28, 264 (278); 32, 98 (109); 45, 187 (253 f.); s. auch den Hinweis bei Roxin, AT II, § 30 Rn. 366. 47 Roxin, AT II, § 30 Rn. 380; so i. E. auch Boß, Rücktritt (2002), S. 27. 48 BGHSt 9, 48 (52); Bloy, Dogmatische Bedeutung (1976), S. 159; Jescheck / Weigend, AT5, S. 539; Kühl, AT, § 16 Rn. 5. 49 Roxin, in: FS Heinitz (1972), S. 251 (270). 50 BGHSt 9, 48 (52); Bloy, Dogmatische Bedeutung (1976), S. 159; Roxin, in: FS Heinitz (1972), S. 251 (270); Rudolphi, in: SK-StGB, § 24 Rn. 4. 51 Roxin, AT II, § 30 Rn. 380; so i. E. auch Boß, Rücktritt (2002), S. 27. 52 Roxin, in: FS Heinitz (1972), S. 251 (270). 53 Wie Fn. 46. Vgl. auch Spohr, Rücktritt (1926), S. 4 f. 54 Roxin, in: FS Heinitz (1972), S. 251 (270). 55 Binding, Abhandlungen I, S. 125 ff.; Köhler, AT, S. 469; Lang-Hinrichsen, in: FS Engisch (1969), S. 353 (370 ff.); Zaczyk, in: NK-StGB, § 24 Rn. 5. 56 Grünwald, in: FS Welzel (1974), S. 701 (715); Schall, JuS 1990, 623 (630); zust. Heckler, Rücktrittsleistung (2002), S. 121. 57 Reinh. v. Hippel, Untersuchungen (1966), S. 78; v. Scheurl, Rücktritt (1972), S. 28. Eine solche Regelung findet sich z. B. de lege lata im französischen Recht, Art. 121-5 Code Pénal. Der Rücktritt ist hier direkt in den Versuchstatbestand integriert; näher hierzu in Kapitel 5 II.

II. Die Auslegung des § 24 StGB im Lichte der ratio legis

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dem Kompensationsgedanken, wie er etwa bei Kolster59 zu finden ist: Hiernach kompensiert der Rücktritt die Wirkungen des Versuchs zwar nicht derart, dass das Vorverhalten beseitigt wird, aber doch zumindest so, dass das Negative des Versuchsunrechts neutralisiert wird. Im Rahmen einer Gesamtbetrachtung wird dann eine Strafe gar nicht erst verwirkt. Herzberg will mit seiner Schuld(erfüllungs)theorie den Grund des Rücktrittsprivilegs mit Rechtsfiguren erklären, die dem Zivil- und Verwaltungsrecht entlehnt sind. Dort sei es üblich, dass ein bestimmtes Fehlverhalten eine gesetzliche Zwangsandrohung erzeuge. Werde jedoch der sie auslösende Anlass durch eigene Leistung des Schädigers beseitigt, entfalle diese Androhung wieder („Erledigungsgrundsatz“).60 Übertrage man diese Überlegung auf Versuch und Rücktritt im Strafrecht, ergebe sich Folgendes: Der Versuch bringe eine Rechtsschuld in Form des Rücktritts zum Entstehen.61 Darauf beziehe sich dann eine staatliche Zwangs- (das heißt Straf-)Androhung. Der „Schuldner“ (= Delinquent) stehe nun in der Pflicht, mit einer ihm zurechenbaren Leistung die entstandene Schuld zum Erlöschen zu bringen.62 Mit anderen Worten: Durch den Versuch entstehe die Primärpflicht des Täters zurückzutreten. Werde diese nicht erfüllt, so setze sich der sekundäre staatliche Strafanspruch durch.63 Straffreiheit wird also demjenigen zugesprochen, der seine Pflicht zurechenbar erfüllt. Jäger setzt mit seiner Konzeption früher an: Er sieht in dem Versuch noch keine Schädigung, die zum Ersatz verpflichtet. Vielmehr erblickt er im Rücktritt eine freiwillige Umkehr der Rechtsgutsgefährdung64: Der Täter breche die Gefährdung ab bzw. verhindere die durch sie drohende tatsächliche Schädigung.65 Eine nähere Begründung dafür, dass eine Strafbefreiung zwingend die Rechtsfolge sein müsse, liefert Jäger jedoch nicht.66

58 Reinh. v. Hippel, Untersuchungen (1966), S. 58 ff., 68; v. Scheurl, Rücktritt (1972), S. 27 f.; eine solche Konzeption findet sich beispielsweise im französischen Recht sowie im Völkerstrafrecht nach Art. 25 III lit. f), S. 1, 2. HS des IStGH-Statuts. 59 Qualität der Rücktrittsbemühungen (1993), S. 40 ff. Kolsters Sicht von der ratio legis führt dazu, dass er den Rücktritt schon als „persönlichen Tatbestandsausschließungsgrund“ ansieht, vgl. a. a. O. S. 56 ff. 60 Herzberg, in: FS Lackner (1987), S. 325 (345 ff.). 61 Herzberg, NJW 1991, 1633 (1634). 62 Herzberg, in: FS Lackner (1987), S. 325 (349 f.); ders., NStZ 1989, 49 (50); für die Qualifikation als Pflichterfüllung auch Jakobs, AT, 26. Abschn. Rn. 2; ders., JZ 1988, 519. 63 Herzberg, NStZ 1990, 172; Einteilung und Deutung nach Jäger, Gefährdungsumkehr (1996), S. 8. 64 Jäger, Gefährdungsumkehr (1996), S. 63; ders., ZStW 112 (2000), S. 783 (800). Vgl. in Anlehnung an Jäger auch Amelung, ZStW 120 (2008), S. 205 (216 ff., 220): Rücktritt als „gefährdungsumkehrende Geltungsbestätigung“ bzw. „geltungsbestätigende Gefährdungsumkehr“; hierzu später unter Kapitel 3 II. 4. c) ee) (2). 65 Jäger, Gefährdungsumkehr (1996), S. 63.

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Kap. 1: Einführung in die Struktur des Rücktritts nach § 24 StGB

Aufgrund der vielen unterschiedlichen Ansätze, die jeweils durchaus etwas für sich haben, gleichwohl aber auch angreifbar erscheinen, mehren sich Stimmen, die verschiedene Gedanken der einzelnen Theorien heranziehen und miteinander verbinden wollen.67

66 Vgl. darüber hinaus zur Kritik an der Ansicht Jägers (a. a. O. S. 128), dass allein die Strafbefreiung die Rechtsfolge eines Rücktritts sein könne, Kapitel 4 II. 2. e). 67 Eser, in: Schönke / Schröder, StGB, § 24 Rn. 2b; Jakobs, AT, 26. Abschn. Rn. 4; Jescheck / Weigend, AT5, S. 539 f.; Maurach / Gössel, AT 26, § 41 Rn. 120 f.; Spohr, Rücktritt (1926), S. 2 ff.; Stratenwerth / Kuhlen, AT I6, § 11 Rn. 71.

Kapitel 2

Die Bedeutung der einzelnen Tatbestandsmerkmale (mit Ausnahme der Freiwilligkeit) Im Folgenden soll der Inhalt der einzelnen Tatbestandsmerkmale des § 24 StGB näher erläutert werden. Namentlich sind dies die Aufgabe der weiteren Tatausführung und die Verhinderung der Vollendung der Tat sowie das ernsthafte Bemühen um die Vollendungsverhinderung. Der Freiwilligkeit, die jede Rücktrittsvariante voraussetzt, soll im Anschluss daran ein eigenständiges Kapitel gewidmet werden. Es ist jedoch schon hier vorauszuschicken, dass de lege lata die Freiwilligkeit als das subjektive Moment des Rücktritts angesehen wird.68 Diese Sichtweise ist naheliegend aufgrund des Wortlauts dieses Merkmals, der auf den Willen des Täters verweist. Hiermit muss jedoch die subjektive Seite des Rücktritts noch nicht abschließend erfasst sein. Wichtig für das Verständnis der derzeitigen Auslegungsansätze zu § 24 StGB ist nicht nur die Beobachtung, dass – nach herrschender Auffassung – zwischen unbeendetem und beendetem Versuch unterschieden wird, sondern auch diejenige, dass diese Abgrenzung anhand der Tätervorstellung vorgenommen werden soll. Damit sind subjektive Komponenten jeder einzelnen Rücktrittsvariante auch unabhängig vom Freiwilligkeitsmerkmal immanent. So soll es schon für die Frage nach dem erforderlichen Verhalten des Täters darauf ankommen, ob dieser sich vorstellt, der Erfolg könne bereits eintreten oder nicht. Im Rahmen dieser Abhandlung wird die subjektive Theorie als der de lege lata richtige Ansatz zugrunde gelegt.69

68 Eser, in: Schönke / Schröder, StGB, § 24 Rn. 42, 44; Jescheck / Weigend, AT5, S. 544; Maiwald, in: GS Zipf (1999), S. 255; Maurach / Gössel, AT 26, § 41 Rn. 135. Soweit ersichtlich findet man allein bei Spohr, Rücktritt (1926), S. 50, den Hinweis darauf, dass die Freiwilligkeit die „zweite subjektive Voraussetzung“ ist. 69 Ihn zu diskutieren würde hier zu weit führen und ist auch inhaltlich nicht erforderlich: Wie eine Auslegung der einzelnen Tatbestandsmerkmale im Folgenden zeigen wird, beinhalten die einzelnen Begriffe ohnehin subjektive Elemente. Einen Überblick über den Streitstand hinsichtlich der für die Rücktrittsleistung maßgeblichen Beurteilungsgrundlage findet man bei Knörzer, Fehlvorstellungen (2008), S. 54 ff., die i. E. ebenfalls die Tätervorstellung als maßgeblich erachtet (a. a. O., S. 87).

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Kap. 2: Die Bedeutung der einzelnen Tatbestandsmerkmale

I. § 24 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 StGB – Aufgabe der weiteren Tatausführung Straffrei soll nach der ersten Rücktrittsvariante derjenige sein, der die weitere Ausführung der Tat aufgegeben hat. Hiermit wird der sogenannte Rücktritt des Einzeltäters vom unbeendeten Versuch umschrieben, der nach h. M. dann vorliegen soll, wenn nach der Vorstellung des Täters noch weitere Handlungen erforderlich sind, um den tatbestandsmäßigen Erfolg des versuchten Delikts herbeizuführen.70 Befinde sich der Täter in der Situation des unbeendeten Versuchs, müsse er die Tat aufgeben, wobei eine bloß vorübergehende Unterbrechung oder Modifizierung der konkreten Handlung hierfür nicht genüge.71 Maßgebend für den Zeitpunkt, in dem die Tätervorstellung im o. g. Sinne vorliegen muss, sei nach der sogenannten Lehre vom Rücktrittshorizont der Zeitpunkt des Abschlusses der letzten Ausführungshandlung.72 Ein beendeter Versuch soll dagegen vorliegen, wenn der Täter zu diesem Zeitpunkt davon ausgeht, der Erfolgseintritt sei bereits möglich.73 Nach Ansicht des BGH sollen an das Fürmöglichhalten nicht allzu hohe Anforderungen gestellt werden, und es soll nicht darauf ankommen, ob der Erfolg noch gewollt oder gebilligt werde.74 Wie hierdurch bereits ersichtlich wird und wie auch schon oben angedeutet wurde, beinhaltet das Tatbestandsmerkmal „aufgeben“ sowohl ein objektives als auch ein subjektives Element: Objektiv umfasst es bei einem Handlungsdelikt das „Nichtweiterhandeln“, das heißt ein Unterlassungsmoment.75 Subjektiv verlangt das „Aufgeben“ die bewusste und ernsthafte76 Entscheidung des 70 Vgl. nur BGHSt 4, 180 (181); 31, 170 (175 f.); 33, 295 (297 ff.); 35, 90 (91 f.); 36, 224 (225 f.); BGH NStZ-RR 1998, 134; BGHR StGB § 24 Abs. 1 Satz 1, Versuch, unbeendeter 12 – 25; Fischer, StGB, § 24 Rn. 14; Jescheck / Weigend, AT5, S. 540; Krauß, JuS 1981, 883 (885); Roxin, AT II, § 30 Rn. 152 ff.; gegen das alleinige Abstellen auf die subjektive Vorstellung Maurach / Gössel, AT 26, § 41 Rn. 125 ff.; vgl. zur Gegenauffassung, die eine Unterscheidung zwischen beendetem und unbeendetem Versuch ablehnt, Heckler, Rücktrittsleistung (2002), S. 148; Ulsenheimer, Grundfragen (1976), S. 148 ff., 217; auch Frister, AT, 24. Kap. Rn. 56 f. äußert sich kritisch zur schematischen Frage nach der (Un-)Beendetheit des Versuchs. 71 Eser, in: Schönke / Schröder, StGB, § 24 Rn. 37; Fischer, StGB, § 24 Rn. 26; Lilie / Albrecht, in: LK-StGB12, § 24 Rn. 208. Auch das Abstandnehmen von der „konkreten Tatausführungshandlung“ kann nicht genügen; anders aber Heinitz, JR 1956, 248 (252). 72 BGHSt 31, 170 (175 ff.).; 33, 295 (297 ff.); 35, 90 (91 f.); 36, 224 (225 f.); 39, 221 (228); BGH NStZ-RR 2008, 335 f.; 2009, 42 f.; NStZ 2011, 35; Kudlich / Schuhr, in: Satzger / Schmitt / Widmaier, StGB, § 24 Rn. 34; Wörner, Der fehlgeschlagene Versuch (2009), S. 94 ff. m. w. N. Zur problematischen Frage, ob für das Vorstellungsbild des Täters jeweils der vorgenommene Einzelakt oder aber eine Gesamtbetrachtung des Geschehens maßgeblich ist, s. etwa die ausführlichen Darstellungen bei Herzberg, NJW 1988, 1559; Puppe, AT2, § 21 Rn. 1 ff.; kritisch insgesamt Frister, AT, 24. Kap. Rn. 17. 73 Zu den verschiedenen vorgeschlagenen Maßstäben für diese Möglichkeit s. nur Zaczyk, in: NK-StGB, § 24 Rn. 39 m. w. N. 74 BGHSt 33, 295 (300). 75 Zaczyk, in: NK-StGB, § 24 Rn. 49.

I. Aufgabe der weiteren Tatausführung

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Täters zum Nichtweiterhandeln.77 Teilweise wird dies nicht ganz deutlich herausgestellt, sondern vorgegeben, es genüge das bloße Aufhören; mitunter ist lediglich vage von einem „Nichtweiterhandelnwollen“78 die Rede. Jedoch wird darauf abgestellt, dass der Täter die Möglichkeit haben muss, über das Aufhören zu entscheiden, und dass er den Tatentschluss fallen lassen muss.79 Dies ergibt sich nicht zuletzt auch daraus, dass darüber Streit herrscht, ob nun ein ernsthaftes und endgültiges Abstandnehmen des Täters von seinem Vorhaben erforderlich ist80 – diese Frage betrifft rein subjektive Aspekte. Wörner81 hält einem subjektiven Gehalt des Aufgabemerkmals entgegen, dass der Wortsinn selbst hierauf nicht hinweise. Als Beleg führt sie an, dass dem Begriff der Aufgabe in dem Synonymwörterbuch Duden82 sinnverwandte Wörter wie „Abbruch, Beendigung, Einstellung, Ende, Niederlegung“ und Verzicht“ zugeordnet werden. Auch aus dem Begriff des Verzichts lasse sich nicht die Voraussetzung einer Wahlmöglichkeit herleiten, da dies lediglich bedeute, „auf etwas nicht länger zu bestehen“.83 Vielmehr sei erst dann der Verzicht auf etwas Bestimmtes gemeint, wenn der Begriff mit dem Wort „freiwillig“ verknüpft werde.84 Dem kann indes nicht gefolgt werden. Denn man kann erst dann auf eine Position verzichten, wenn ihre Preisgabe überhaupt in Rede steht. Die Verknüpfung mit dem Wort „freiwillig“ dürfte schon nach allgemeinem Sprachgebrauch, d. h. ohne konkret an den Freiwil76 Lilie / Albrecht, in: LK-StGB12, § 24 Rn. 198, 207; vgl. bzgl. § 46 StGB a. F. RGSt 68, 381, wo hervorgehoben wird, dass kein Rücktritt vorliegen kann, wenn der Aufgabewille nur vorgetäuscht wird. 77 So schon RGSt 68, 381; BGHSt 39, 221 (230); BGH NStZ 2006, 685; Bottke, JZ 1994, 71 (73); A. P. Gutmann, Freiwilligkeit (1963), S. 80 f.; Köhler, AT, S. 474; Kühl, AT, § 16 Rn. 42, 49; Lackner / Kühl, StGB, § 24 Rn. 8; Zaczyk, in: NK-StGB, § 24 Rn. 52; s. auch bereits J. Seeger, Freiwilligkeit (1949), S. 30. Greeve, Zielerreichung (2000), S. 148, will erkennen, dass sowohl Rspr. als auch Lehre weitergehen: „Nötig ist ein Entschluß, der nach außen hin eine deutliche Distanzierung von der Tat und den zugrunde gelegten Motiven erkennbar macht.“ [Hervorhebung im Original]. Gegen einen subjektiven Einschlag beim Aufgabemerkmal Wörner, Der fehlgeschlagene Versuch (2009), S. 52 f.; vgl. auch Gropp, AT, § 9 Rn. 79. 78 A. P. Gutmann, Freiwilligkeit (1963), S. 82 (bzgl. § 46 StGB a. F.); an späterer Stelle, S. 104, aber konkreter: Es komme auf den Entschluss an, die konkrete Tat aufzugeben bzw. den Erfolg abzuwenden. 79 Mitsch, in: Baumann / Weber / Mitsch, AT, § 27 Rn. 25; Roxin, AT II, § 30 Rn. 152, 158 f.; Rudolphi, in: SK-StGB, § 24 Rn. 18a; Streng, JZ 1990, 212 (214); vgl. auch Herzberg / Hoffmann-Holland, in: MüKo-StGB2, § 24 Rn. 90, die auf das „Verzichten“ abstellen. Besonders hervorgehoben wird die Beachtlichkeit des Rücktrittsentschlusses bei Borchert / Hellmann, GA 1982, 429 (442; 448); deutlich auch Küpper, Grenzen (1990), S. 191. 80 Hierzu unten Kapitel 2 I. 2. 81 Der fehlgeschlagene Versuch (2009), S. 52 f., 117. 82 Synonymwörterbuch unter „Aufgabe“, 2a, b. 83 Wörner, Der fehlgeschlagene Versuch (2009), S. 53 mit Verweis auf Duden, Universalwörterbuch, jeweils unter „Verzichten“. 84 Wörner, a. a. O., S. 53.

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Kap. 2: Die Bedeutung der einzelnen Tatbestandsmerkmale

ligkeitsbegriff in § 24 StGB anzuknüpfen, auf den noch einzugehen sein wird, lediglich dann relevant werden, wenn es um die Frage geht, inwieweit der Verzicht vielleicht unliebsam ist und unter Umständen aus einer Drucksituation heraus entsteht. Dies betrifft dann gerade die Motivlage und die innere Einstellung zu dem Verzicht bzw. zu der Aufgabe. Der Aufgabewille ist somit ein wesentlicher subjektiver Bestandteil des Tatbestandsmerkmals. Es reicht deshalb nicht aus, wenn der Täter diesen Willen nur vortäuscht oder wenn er die Vollendung der Tat versehentlich oder unbewusst selbst verhindert.85 Festgehalten werden kann bis hierhin: Der Täter muss davon ausgehen, dass der Erfolgseintritt noch nicht möglich ist, sondern es noch weiterer Maßnahmen zur Verwirklichung des Erfolges bedarf, und er muss sodann objektiv sämtliche Handlungen einstellen, die zur Herbeiführung der Deliktsvollendung beitragen könnten, und zwar weil er sich subjektiv für die Erhaltung des von ihm angegriffenen Rechtsguts entschieden hat.86 Letzteres kennzeichnet den Rücktrittsvorsatz.87 Anderenfalls, d. h. wenn der Täter davon ausginge, dass auch ohne weiteres Zutun der Erfolg schon einträte, würde ein bloßes „Aufgeben“ nicht auf Nichtvollendung der Tat gerichtet sein.88 Danach kommt es auf eine kategorische Unterscheidung zwischen beendetem und unbeendetem Versuch – zumal sich diese Terminologie nicht im Gesetzestext wiederfindet89 – im Grunde so nicht an.90 Vielmehr wird durch die Abgrenzung dieser beiden „Versuchsstadien“ der Aspekt mit eingebracht, dass der Täter den Vorsatz zur Nichtvollendung haben muss, was durch die Frage nach der Unbeendetheit bzw. Beendetheit des Versuchs nicht ganz deutlich wird.91 Man sollte daher die Prüfung 85 Vgl. schon RGSt 63, 158 (159); 68, 381; Lilie / Albrecht, in: LK-StGB12, § 24 Rn. 207; Mitsch, in: Baumann / Weber / Mitsch, AT, § 27 Rn. 15. 86 Zutreffend auch H.-W. Mayer, Privilegierungswürdigkeit (1986), S. 191 f.: „‚Aufgeben‘ und bloßes ‚Aufhören‘ sind zwar in der objektiven Auswirkung identisch, unterscheiden sich aber im subjektiven Bereich. So ist unter Rücktrittsentschluß das Fallenlassen des Vorsatzes und das Nicht-mehr-Wollen des Taterfolges zu verstehen.“ 87 So schon Bockelmann, JZ 1954, 468 (473). 88 Nicht gemeint ist hiermit das Bestehen eines Motivationszusammenhangs dergestalt, dass der Täter zurückgetreten sein müsse, weil er den Erfolg für möglich gehalten habe; vgl. zum Erfordernis eines solchen Motivationszusammenhangs kritisch Küper, JZ 1983, 264 (267). Die Verknüpfung besteht vielmehr darin, dass der Täter einen Rücktrittsentschluss fassen und diesen durch entsprechendes Verhalten zum Ausdruck bringen muss. 89 So auch kritisch Heckler, Rücktrittsleistung (2002), S. 148 ff.; v. Scheurl, Rücktritt (1972), S. 44; Ulsenheimer, Grundfragen (1976), S. 149, 217. Auch Jäger, Gefährdungsumkehr (1996), S. 65, spricht sich gegen die Unterscheidung unbeendeter – beendeter Versuch aus, will aber aufgrund seines Rücktrittsverständnisses zwischen versuchter und vollendeter Gefährdungsumkehr differenzieren. 90 A. A. Knörzer, Fehlvorstellungen (2008), S. 50 ff.; ferner Wörner, NStZ 2010, 66 ff., die sogar eine „doppelte Unterscheidung“ in unbeendete und beendete sowie in „gelungene“ und „ungelungene“ Versuche vornehmen will (a. a. O., S. 68).

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der Rücktrittsvoraussetzungen umkehren: Wird festgestellt, dass objektiv ein bloßes Nichtweiterhandeln des Täters vorliegt, so ist im Anschluss daran zu fragen, ob dies auch auf einem entsprechenden Willen zur Erfolgsvermeidung basierte. Voraussetzung ist, dass der Täter davon ausgeht, durch objektives Untätigbleiben werde das Delikt nicht vollendet. Doch darf auch diese Feststellung nicht über das Problem hinwegtäuschen, dass es hierbei nach wie vor auf ein subjektives Element ankommt, das dem Beweis oft nur schwer oder kaum zugänglich ist. Wie bei allen subjektiven Merkmalen wird es hier entscheidend auf die Einlassung des Täters ankommen bzw. auf Indizien, die sich aus dem Täterverhalten nach außen hin ermitteln lassen. Gerade Letzteres bereitet bei dem Tatbestandsmerkmal des „Aufgebens“, in dem ein Unterlassungsmoment liegt, Schwierigkeiten; denn ein bloßes Nichtstun als solches hat keinen Erklärungswert und kann als „neutrale“ Verhaltensweise bezeichnet werden. Wie hiermit umzugehen ist, wird noch zu diskutieren sein. Zunächst ist zu klären, welche Anforderungen an den Rücktrittsvorsatz zu stellen sind. Aus dem soeben Gesagten lässt sich entnehmen, dass der Täter eine Vorstellung davon haben muss, ob der Erfolg bereits eintreten kann oder nicht. Aber sind an die subjektive Seite noch weitergehende Anforderungen zu stellen? Indem bislang die Möglichkeitsvorstellung des Täters herangezogen wurde, betrafen die Ausführungen allein die kognitive Seite, das Wissen des Täters. Wie verhält es sich aber mit der voluntativen Komponente? Inwieweit ist eine solche beachtlich? Dass es auf den Willen des Täters ankommen soll, klingt teilweise dann an, wenn postuliert wird, dass derjenige, der im Rücktrittszeitpunkt mit Eventualvorsatz bzgl. der Erfolgsverwirklichung handle, nicht den ursprünglichen Tatentschluss habe fallen lassen.92 Wenn es um die Frage nach dem Rücktrittsvorsatz geht, liegt es in der Tat nahe, die allgemeine Vorsatzdogmatik heranzuziehen, nach der es drei verschiedene rechtlich relevante Vorsatzarten gibt: die Absicht (dolus directus ersten Grades), das sichere Wissen (dolus directus zweiten Grades) und den bedingten Vorsatz (dolus eventualis), bei dem nach Rechtsprechung93 und (wohl noch) h. M.94 ein voluntatives Element zu fordern ist. Es finden sich in dieser Richtung durchaus Ansätze in der Rechtsprechung wie auch in der Literatur, die Parallelen zwischen der Vorsatz91 Dies klingt auch bei Borchert / Hellmann, GA 1982, 429 (441) an: „Glaubt jedoch der Täter im Augenblick des Absehens von weiteren Ausführungshandlungen, der ursprünglich angestrebte Erfolg werde (möglicherweise) aufgrund seines bisherigen Tuns eintreten, so tangiert diese Vorstellung keineswegs die nach der Erfolgstauglichkeit vorzunehmende objektive Abgrenzung der Versuchsstadien, sondern es fehlt ihm der Rücktrittsentschluß.“ In diesem Zusammenhang sei auch verwiesen auf die Feststellung bei Miebach / Feilcke, NStZ 2007, 496 (498 f.), Tatsachengerichten unterliefen nicht selten Fehler bei der Abgrenzung zwischen unbeendetem und beendetem Versuch; vgl. auch Miebach / Heim, NStZ-RR 2009, 129 ff. 92 Borchert / Hellmann, GA 1982, 429 (441). 93 s. nur BGHSt 7, 363 (368 f.); 51, 100 (119); BGH NStZ-RR 2011, 177. 94 Fischer, StGB, § 15 Rn. 3, 9a ff.; Sternberg-Lieben, in: Schönke / Schröder, StGB, § 15 Rn. 11, 60, 80 ff. m. w. N.; Wessels / Beulke, AT, Rn. 203, 205; vgl. auch Roxin, AT I, § 12 Rn. 23 ff.

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Kap. 2: Die Bedeutung der einzelnen Tatbestandsmerkmale

dogmatik und der Abgrenzung unbeendeter – beendeter Versuch aufzeigen.95 Allerdings wird insbesondere die Frage, ob es auf den Maßstab ankommen soll, der üblicherweise das Vorliegen von dolus eventualis markiert, von der Rechtsprechung ablehnend beantwortet.96 Schon in BGHSt 22, 330 (333) heißt es für die alte Fassung der Rücktrittsnorm: „[D]ie Abgrenzung der beiden Fälle des § 46 StGB steht in keinerlei innerem Zusammenhang mit der Abgrenzung zwischen bedingtem Vorsatz und bewußter Fahrlässigkeit.“

Es sollen also an den Rücktrittsvorsatz andere Maßstäbe anzulegen sein als an den Tatbestandsvorsatz. Ähnliches liest man auch bei Küper97: „[D]eliktssystematisch [geht es] nicht mehr um die Frage des Vorsatzes […]. Dies würde bedeuten, daß der Täter im Zeitpunkt des Rücktritts nicht nur mit der Möglichkeit des Erfolgseintritts ernstlich ‚rechnen‘, sondern sich zugleich mit ihr ‚abfinden‘ muß (daß er den Erfolg sogar ‚billigt‘ ist sicher ein ungeeignetes Kriterium). Umgekehrt wäre das Stadium des beendeten Versuchs noch nicht erreicht, wenn das Gefahrbewußtsein vom ‚Vertrauen‘ darauf begleitet wird, daß der Erfolg letztlich doch ausbleiben werde. Über das Problem, ob die Abgrenzung der Versuchsstadien in dieser Weise zu der Unterscheidung von bedingtem Vorsatz und bewußter Fahrlässigkeit in Parallele gesetzt werden kann, wird sicher noch intensiver nachgedacht werden müssen […]. Es hat jedoch den Anschein, daß mehr gegen als für eine solche Parallele spricht.“

Zwingend ist diese Argumentation nicht. Bereits aus dem Wortlaut des Begriffes „Aufgeben“ ergibt sich das subjektive Element im Sinne eines zielgerichteten Verhaltens, was entgegen Küper sehr wohl dafür spricht, Vorsatz im Sinne des Wissens und Wollens der Verwirklichung aller objektiven Rücktrittsmerkmale zu fordern, d. h. (beim Handlungsdelikt) ein Nichtweiterhandeln in Kenntnis und mit dem Willen zur Nichtvollendung des Delikts. Zu beachten ist an dieser Stelle zudem, dass in der Rechtsprechung abweichend von der oben genannten Äußerung die Relevanz des Willens des Zurücktretenden in einer Art Negativformulierung angedeutet wird: „Erforderlich ist […], dass der Täter seinen Vollendungsvorsatz vollständig aufgibt, und im Fall bedingten Vorsatzes also den als weiterhin möglich erkannten Taterfolg nicht mehr billigt, […].“98

Ob die Maßstäbe für den Rücktrittsvorsatz dieselben sind wie die für den Tatbestandsvorsatz, bleibt sonach weiterhin zu klären. Doch bevor dies erörtert werden kann, ist auf einen weiteren Aspekt einzugehen: Die These, es gebe keinen fortdauernden Tatentschluss und der an die Handlung angekoppelte Vorsatz könne die Handlung nicht zeitlich überdauern99, ist so nicht überzeugend bzw. verleitet zu fal-

s. etwa BGH JZ 1983, 262 m. Anm. Küper, JZ 1983, 264 (267). A. A. Fischer, StGB, § 24 Rn. 16a und Roxin, JR 1986, 424 (426), der einen beendeten Versuch dann annehmen will, wenn der Täter ernsthaft mit dem Erfolgseintritt aufgrund der Ersthandlung rechnet. 97 JZ 1983, 264 (267) [Hervorhebungen im Original]. 98 BGH NJW 2002, 3719. 95 96

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schen Annahmen. Es ist richtig, dass für die Feststellung des Deliktsvorsatzes allein der Zeitpunkt der Ausführung der Tathandlung maßgebend ist (§ 16 Abs. 1 S. 1, § 8 StGB). Zutreffend ist auch, dass ein sogenannter dolus subsequens, d. h. nachträglich erlangtes Wissen bzw. eine sich im Nachfolgenden ändernde Einstellung zur Tat, nach Abschluss der Tathandlung unbeachtlich ist und der einmal festgestellte Vorsatz nachträglich nicht anders bewertet werden kann.100 Aber: Dies bedeutet nicht, dass der Täter nach Vornahme seiner Tathandlung keine subjektive Einstellung zur Tatvollendung mehr hätte, solange der Erfolgseintritt noch auf sich warten lässt. Zwar ist dies i. S. d. §§ 8, 16 StGB für die Tatvorsatzfeststellung irrelevant. Jedoch kann eine Änderung des Wissens und Wollens des Täters in dem Moment an Bedeutung gewinnen, in welchem der Täter diese – wohl am deutlichsten etwa durch gegenläufiges Aktivwerden – nach außen hin manifestiert. Schließlich wurde bereits geklärt, dass von dem Täter eine Entscheidung zugunsten des Rechtsguts verlangt wird. Der geforderte Rücktrittsvorsatz kann daher von einem fortbestehenden Vollendungs„vorsatz“ nicht getrennt werden. Die Annahme, es gebe keinen fortdauernden „Vorsatz“ bzgl. der Erfolgsherbeiführung, kann deshalb nicht richtig sein: Zu jedem Zeitpunkt wird der Täter eine subjektive Einstellung zum Geschehen haben. Selbst wer den Vorsatzbegriff allein als zukunftsbezogen und mit einem Verhalten verknüpft sehen will, wird an dieser Stelle erkennen, dass das Anknüpfungsverhalten das Rücktrittsverhalten ist, zu dessen Zeitpunkt der Täter auf Nichtvollendung gerichtet handeln muss. Was aber könnte dennoch gegen die Parallele zwischen dem Tat- und dem Rücktrittsvorsatz sprechen? Küper101 macht geltend, dass insbesondere der Begriff des bedingten Vorsatzes die Funktion habe, eine bestimmte Unrechts- und Schuldhöhe der Tat zu bestimmen, welche die Bestrafung nach einem gegenüber dem Fahrlässigkeitsdelikt strengeren Vorsatzdelikt rechtfertige. Um dieses Problem gehe es jedoch im Rahmen des Rücktritts nicht mehr, denn hier habe sich der Täter durch den Eintritt ins Versuchsstadium ja bereits willentlich für die Begehung der Vorsatztat entschieden. Hiervon könne er sich dann nicht mehr schlicht dadurch distanzieren, dass er nunmehr diesen Entschluss nicht mehr durchhalte, sondern auf das Ausbleiben des Erfolges vertraue. Aufgegriffen sei das bei Küper ebenfalls anklingende Argument, dass die Relevanz verschiedener Vorsatzarten nicht überzeugt, weil diese nicht nur die Funktion haben, die Abgrenzung zur Fahrlässigkeit zu markieren, sondern darüber hinaus auch im Rahmen der Strafzumessung relevant werden.102 Dies ist zumindest inso-

99 So bspw. Knörzer, Fehlvorstellungen (2008), S. 68; Küper, JZ 1983, 264 (266) mit Fn. 12; Weinhold, Rettungsverhalten (1990), S. 161; vgl. auch Frisch, Vorsatz und Risiko (1983), S. 266. 100 Wessels / Beulke, AT, Rn. 206. 101 JZ 1983, 264 (267). 102 Zur Relevanz der Vorsatzarten für die Strafzumessung Vogel, in: LK-StGB12, § 15 Rn. 77; vgl. auch Jescheck / Weigend, AT5, S. 299 f.; Vest, Vorsatznachweis (1986), S. 207 f.

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weit zutreffend, als dass de lege lata die Rechtsfolge eines wirksamen Rücktritts die Straffreiheit ist und somit keine strafzumessungsrelevanten Spielräume bestehen. Doch muss sich aus diesen Gesichtspunkten nicht zwingend ergeben, dass sich Tatbestands- und Rücktrittsvorsatz gänzlich voneinander unterscheiden. Der strafzumessungsrechtliche Aspekt ist zwar eine durchaus gewichtige Komponente der verschiedenen Vorsatzgrade; jedoch darf nicht vergessen werden, dass es bei der Begründung der Strafbarkeit primär darauf ankommt, ob ein Täter überhaupt wegen eines vorsätzlichen Deliktes zu bestrafen ist. Der Tatsache, dass die Vorsatzstufen beim „Strafbefreiungsmaß“ aufgrund der starren Rechtsfolge beim Rücktritt keine Berücksichtigung mehr finden, kann allenfalls zu entnehmen sein, dass für Tatbestands- und Rücktrittsvorsatz unter Umständen verschiedene Anforderungen gelten sollten. Ob und in welchem Umfang dies der Fall ist, wird jetzt zu untersuchen sein.

1. Anforderungen an den Rücktrittsvorsatz am Beispiel verschiedener Fallgestaltungen Im Folgenden werden fünf denkbare Konstellationen mit Blick auf die subjektive Seite des Täters dargestellt. Ausgangspunkt ist jeweils eine Situation, in der ein Täter ins Versuchsstadium eingetreten, also bereits in Richtung der Rechtsgutsverletzung tätig geworden ist. a) Absichtliches Rücktrittsverhalten Beispiel (1): Der Täter handelt nicht weiter, weil er den Erfolgseintritt nicht mehr will und ihn auch nicht mehr für möglich hält. Beispiel (1a): T geht mit Tötungsabsicht mit einem Messer auf O los. Als er schon mit dem Messer ausgeholt hat, besinnt er sich eines Besseren und läuft davon. Beispiel (1b): T sticht mit Tötungsabsicht auf O ein und fügt ihm mehrere Stichwunden an den Armen zu, welche die Abwehr des O schwächen. Als T die Möglichkeit hat, O in den Hals zu stechen, bekommt er jedoch plötzlich Skrupel. Er lässt das Messer fallen und läuft davon. In diesen Fällen handelt der Täter jeweils in Kenntnis und mit Willen hinsichtlich der Nichtvollendung. Ordnet man dieses Verhalten einer der üblichen Vorsatzarten zu, so handelte er mit Absicht bzgl. des Rücktritts, während er zu der Herbeiführung des Taterfolges keinen Vorsatz mehr hatte. In diesem Fall sind sowohl Wissens- als auch Wollenskomponente zu bejahen, und ein Rücktrittsvorsatz liegt vor. Beispiel (1a) kennzeichnet den klassischen Rücktrittsfall, der keine Probleme aufwirft. Bei Beispiel (1b) ist dagegen festzustellen, dass T natürlich wegen vollen-

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deter Körperverletzungsdelikte strafbar ist. Hinsichtlich der Tötung, die ihm faktisch möglich war, ließ T jedoch seinen Tatentschluss fallen. Dass er davon ausging, der O werde an den Folgen der bereits zugefügten Stichwunden (etwa durch hohen Blutverlust) sterben, ist nicht ersichtlich. b) Sicheres Wissen des Täters hinsichtlich der Erfolgsvermeidung Beispiel (2): Der Täter handelt nicht weiter. Er geht sicher davon aus, dass der Erfolg infolgedessen nicht mehr eintreten kann und unterlässt weitere Maßnahmen zur Herbeiführung des Erfolges, obwohl er eigentlich die Vollendung gewünscht hätte. Chefarzt C will seinen Patienten P, der ihm aus Kindheitstagen bekannt und verhasst ist, beseitigen. Hierzu spritzt er dem P des Nachts heimlich Gift in seinen Tropf. Noch bevor er den kompletten Inhalt der Spritze beigegeben hat, unterbricht er sein Tun, obwohl er weiß, dass nur die ganze Dosis tödliche Wirkung hat. Ihm ist nämlich eingefallen, dass … Var. a): … die hübsche Krankenschwester K gerade Feierabend hat und er sie noch zum Essen einladen möchte. Var. b): … er die Gelegenheit auch nutzen kann, um wichtige Unterlagen seines Rivalen, des Oberarztes O, zu vernichten, die dieser zu einem beruflichen Aufstieg benötigt. In beiden Fällen wollte C die Gunst der Stunde nutzen und musste hierzu schnell handeln. Der Täter handelt hier bzgl. der Nichtvollendung mit dolus directus 2. Grades. An einer Nichtvollendungsabsicht fehlt es indessen. Vielmehr wünscht der Täter den Erfolg weiterhin, hat also den ursprünglichen Tatentschluss hinsichtlich der Wollenskomponente mithin keineswegs in Gänze aufgegeben. Diese Fallgestaltung betrifft insbesondere Konstellationen, in denen dem Täter die Verfolgung eines anderen Ziels wichtiger ist und er zugunsten dieses Ziels die Fortführung des Delikts, zu dem er bereits unmittelbar angesetzt hatte, zurückstellt. Hier fallen das Wissen und der Wille des Täters auseinander. Jedoch ist zu bedenken: Obgleich die voluntative Komponente hinsichtlich der Erfolgsherbeiführung nach wie vor ungeschmälert vorhanden ist, so steht sie doch hinter der Entscheidung des Täters zurück, das Rechtsgut zugunsten einer anderen Zielerreichung zu erhalten. In den Vordergrund tritt also hier, dass der Täter sich – aus welchem Grund auch immer – für die Erhaltung des Rechtsguts entschieden hat. Es genügt also, wenn der Täter mit sicherem Wissen hinsichtlich der Vermeidung der Rechtsgutsverletzung handelt; der tatsächliche Wille und der innerliche Wunsch des Täters ändern daran nichts. Damit sind die beiden oben genannten Beispiele im Ergebnis gleich zu bewerten: Während C in Variante (2a) aus moralisch nicht verwerflichen und strafrechtlich

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nicht relevanten Gründen die Beigabe des Spritzeninhalts unterbrach, ging es ihm in Variante (2b) um die Begehung einer anderen Straftat. In den Blick genommen werden darf hinsichtlich eines Rücktritts(vorsatzes) allerdings jeweils nur das Abstandnehmen vom Tötungsversuch und nicht der Beweggrund des Täters. Borchert / Hellmann103 leiten dieses Ergebnis mit anderer Argumentation her, indem sie die voluntative Komponente näher betrachten. Sie entnehmen das Erfordernis des Rücktrittsentschlusses nicht nur dem Wortlaut des § 24 StGB, sondern dem Grundgedanken, dass der strafbefreiende Rücktritt den Strafgrund des Versuchs entkräfte, und folgen somit der sogenannten Strafzwecktheorie in Bezug auf die ratio legis. Hieraus schließen sie weiter, dass das objektive und subjektive Rücktrittsverhalten das des Versuchs entkräften müsse: Gegenpol zur Versuchshandlung sei das Rücktrittsverhalten (im Fall von § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 StGB also das Unterlassen); parallel zum Tatentschluss sei es der Rücktrittsentschluss.104 Das Pendant zur Rechtsfeindlichkeit des Tatentschlusses sei die Freiwilligkeit. Soll nun der Rücktrittsentschluss den Tatentschluss negieren, müsse man dessen Voraussetzungen umkehren, was sich wie folgt darstelle: In Abgrenzung zur bloßen Tatgeneigtheit sei ein Tatentschluss dann anzunehmen, wenn „die zur Deliktsbegehung hindrängenden Motive das Übergewicht über die Hemmungsvorstellungen erlangt haben“.105 Demnach liege ein Entschluss zum Rücktritt dann vor, wenn „die eine Deliktsbegehung hemmenden Beweggründe wieder die Oberhand über die auf Vollendung zielenden gewinnen und der Täter sich so veranlaßt sieht, von der Ausführung der Tat Abstand zu nehmen bzw. den Erfolg zu verhindern.“ Soweit man die Willenskomponente für den Rücktrittsentschluss für beachtlich hält, kommen Borchert / Hellmann zu dem einleuchtenden Ergebnis, dass es maßgeblich ist, dass der auf Erfolgsvermeidung gerichtete Wille den Deliktswillen übertrifft und in den Hintergrund drängt. Dass ein gänzliches Fallenlassen des ursprünglichen Tatentschlusses gefordert wird, schadet dem nicht. Denn es lässt sich sagen, der Tatentschluss wurde nach Abwägung im Ergebnis vollumfänglich preisgegeben. De lege lata sind so gelagerte Fälle in der Regel Gegenstand der Diskussion um die Freiwilligkeit106, auf die im zweiten Kapitel noch näher eingegangen wird. An dieser Stelle sei aber darauf hingewiesen, dass die „Rechtsfeindlichkeit des Tatentschlusses“ als Kriterium des Versuchsunrechts keine Komponente ist, die üblicherweise bei der Frage nach der Verwirklichung des Versuchsunrechts eine Rolle spielt. Sie scheint daher allein GA 1982, 429 (448 f.). Vgl. auch Köhler, AT, S. 474; vgl. auch schon J. Seeger, Freiwilligkeit (1949), S. 30. 105 Borchert / Hellmann, GA 1982, 429 (449) in Heranziehung der Formel Roxins in: GS Schröder (1978), S. 145 (159); dess., JuS 1979, 1 (3); vgl. auch Rudolphi, in: SK-StGB, § 24 Rn. 18a zur Endgültigkeit der Tataufgabe; ablehnend gegenüber Rudolphi aber Zaczyk, in: NK-StGB, § 24 Rn. 50, der „kaum überwindbare Feststellungsschwierigkeiten“ in der Praxis sieht und die Tataufgabe dann zu sehr in den subjektiven Bereich verschoben sieht. Letzteres überzeugt ob des hohen subjektiven Gehalts dieses Merkmals nicht. 106 Vgl. Weinhold, Rettungsverhalten (1990), S. 145 ff. 103 104

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von Relevanz zu sein, wenn es darum geht, den Kompensationscharakter des Freiwilligkeitsmerkmals nachzuweisen.

c) Möglichkeitsvorstellung hinsichtlich der Tatvollendung Beispiel (3): Der Täter handelt nicht weiter. Er ist sich nicht sicher, ob das Rechtsgut hierdurch gerettet werden kann oder ob der Erfolg dennoch eintreten wird. Er entfernt sich vom Tatort und unternimmt nichts mehr zur Verhinderung des Erfolgseintritts. T sticht mit Tötungsabsicht auf O ein und verletzt ihn dadurch schwer. Als O stark blutend auf dem Boden liegt und T ihm ohne Weiteres ins Herz stechen kann, fühlt er sich zu diesem letzten Schritt plötzlich nicht mehr in der Lage. Er wirft das Messer in ein Gebüsch und läuft davon. Gleichwohl ist sich T bewusst, dass O sehr viel Blut verliert und möglicherweise verbluten könnte. Genügt es in diesem Fall, wenn der Delinquent weitere Tathandlungen schlicht unterlässt oder hat er aktiv Maßnahmen zur Verhinderung der Vollendung zu unternehmen? Der Täter selbst legt sich in diesem Fall hinsichtlich der Eintrittsmöglichkeit des Erfolges nicht fest, sondern hält sowohl den Erfolgseintritt als auch dessen Ausbleiben für möglich. Ob objektiv ein Aufgeben ausreicht, entzieht sich zunächst sicherer Beurteilung. Der BGH hatte Konstellationen wie diese bereits mehrfach zu entscheiden107 und äußert sich hierzu u. a. wie folgt: „[A]uch der Täter, der sich des Erfolges seines Handelns nicht sicher ist, aber es gerade wegen der Möglichkeit des Erfolgseintritts unterlässt, weiter auf den Erfolg hinzuwirken, läßt sich […] von der Vorstellung bestimmen, er habe das zur Erreichung seines Ziels Ausreichende getan.“108

In solchen Situationen ist man geneigt, wie dies allenthalben beim Rücktritt geschieht, auf die ratio legis des § 24 StGB zu rekurrieren. So geht auch der BGH vor und führt weiter aus: „Allein deshalb, weil er sich […] mit einer geringeren Erfolgsaussicht begnügt, anstatt sich durch weitere Tathandlung größere Erfolgsaussicht zu verschaffen, kann er die Vergünstigung […], Straflosigkeit durch bloßes Unterlassen (Rücktritt) zu erwerben, nicht beanspruchen. Andernfalls würde dem Sinn dieser Vorschrift nicht genügt, der dahin geht, daß eine Strafe sich deshalb erübrigt, weil der verbrecherische Wille des vom – unbeendeten – Versuch zurückgetretenen Täters nicht so stark gewesen ist, wie es zur Durchführung der Tat erforderlich gewesen wäre […]. Sowohl der nur mit dem Erfolgseintritt als möglich rech-

107 BGHSt 14, 75 (81); 22, 330 (332 ff.); 31, 46 (48 ff.); 170 (175 f.); 33, 295 (297 ff.); BGH MDR (D) 1975, 724; BGH NJW 1980, 195; vgl. auch BGH NStZ 1981, 342. 108 BGHSt 14, 75 (80).

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Kap. 2: Die Bedeutung der einzelnen Tatbestandsmerkmale nende wie der von ihm überzeugte Täter haben nach ihrer Vorstellung beide die Gefahr der Verwirklichung des strafbaren Erfolges gesetzt.“109

Das Problematische in dieser Argumentationskette liegt darin, dass die ratio legis, wie bereits gezeigt110, selbst fraglich ist. Unter Beachtung aller hierfür vorgeschlagenen Ansätze ergibt sich Folgendes: Stellt man auf den Opferschutz ab, so müsste man den größtmöglichen Opferschutz und somit von dem Täter eine Absicherung der Erhaltung des Rechtsguts verlangen. Bei Heranziehung der Strafzwecktheorie würde man wohl (wie der BGH) dazu kommen, dass sowohl unter generalals auch spezialpräventiven Gesichtspunkten eine Bestrafung Sinn machen würde. Denn durch die bleibende Unsicherheit des Täters kommt eine gewisse Gleichgültigkeit zum Vorschein, die zeigt, dass hier der Schutz von Rechtsgütern anderer Menschen erneut betont werden muss. Herzberg und Jäger müssten konsequenterweise nach ihrem Verständnis des Rücktrittsgrundes von dem Täter fordern, dass er die aus seiner Sicht geschaffene potentielle Gefährdung wieder zurücknimmt und so seine Schuld erfüllt, was ebenfalls voraussetzen dürfte, dass er tätig wird. Allein nach der Goldenen-Brücke-Theorie müsste man dem Täter den Rücktrittsweg so leicht wie möglich machen, sodass bloßes Aufhören hier genügen würde. Aber: Schließt das grundsätzliche Bereitstellen der Goldenen Brücke notwendig aus, wenigstens das Absichern des Ausbleibens des Erfolgs zu fordern? Hieran lässt sich mit Blick auf das großzügige Entgegenkommen des Gesetzes mit seiner strafbefreienden Wirkung zumindest stark zweifeln, sodass im Ergebnis die Versagung der völligen Strafbefreiung durch den BGH wertungsmäßig als richtige Lösung erscheint. Dogmatisch und somit überzeugender belegen lässt sich dieses Urteil, wenn man sich am Rücktrittsvorsatz orientiert. Zur Auslösung der Rechtsfolge des § 24 StGB bedarf es des Vorliegens aller Voraussetzungen dieser Norm, also auch der des Rücktrittsvorsatzes. Hinsichtlich der voluntativen Komponente wird hier im Nachhinein regelmäßig schwer feststellbar sein, ob der Täter den Erfolgseintritt zum Zeitpunkt des Nichtweiterhandelns noch wollte oder nicht. Es lässt sich aber vorliegend sagen, dass der Täter objektiv wie (aufgrund seiner eigenen Unsicherheit) subjektiv das Geschehen sich selbst und das Ausbleiben des Erfolges dem Zufall überlassen hat. Hinsichtlich des kognitiven Vorsatzelements ist also festzustellen, dass er die Möglichkeit des Erfolgseintrittes in Betracht gezogen hat. Hält man sodann an der schlichten Frage danach fest, ob der Täter in diesem Fall eine Entscheidung zugunsten der Erhaltung und gegen die Verletzung des Rechtsguts getroffen hat, so erkennt man, dass eine eindeutige Entscheidung nach außen hin nicht festzustellen ist. Dies ist aber nicht überraschend, da einem Unterlassen in der Regel kein solch eindeutiger Erklärungswert zukommt.111

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BGH a. a. O.; zust. Roxin, AT II, § 30 Rn. 166 f. s. Kapitel 1 II. Vgl. auch H.-W. Mayer, Privilegierungswürdigkeit (1986), S. 227.

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Es wäre jetzt zu erwägen, ob hier nicht vielleicht der Maßstab des bedingten Vorsatzes, insbesondere das nach herrschender Ansicht maßgebende Kriterium des Inkaufnehmens des Erfolges eine Rolle spielen kann. Schließlich könnte man argumentieren, der Täter könnte auf das Ausbleiben des Erfolges vertraut haben, sodass er lediglich noch bewusst fahrlässig im Hinblick auf den als möglich erkannten Erfolgseintritt handelte. In dieser Frage spiegelt sich die Unsicherheit wider, die der Tätervorstellung hinsichtlich des Erfolgseintritts zugrunde liegt. Wird nun doch die voluntative Komponente relevant, die hier nicht sicher festgestellt werden kann? Dann nämlich hätte man in dubio pro reo112 unter Umständen anzunehmen, dass der Täter auf das Ausbleiben des Erfolges vertraut hat. Es hat also den Anschein, als käme es für die Frage nach dem Rücktrittsvorsatz auf die Abgrenzung von dolus eventualis und bewusster Fahrlässigkeit an. Jedoch ist hier eines zu bedenken: Während diese Abgrenzung bei der Feststellung des Tatbestandsvorsatzes und somit bei der Frage nach dem vom Täter verwirklichten Unrecht entscheidend ist, geht es bei der Feststellung des Rücktritts darum, ob dem Täter attestiert werden kann, sich für die Erhaltung des Rechtsguts entschieden zu haben. Überlässt er das Geschehen bewusst dem Zufall, so ist Küper113 beizupflichten, der angesichts der zumindest aus Tätersicht geschaffenen Gefahr eine klare Entscheidung des Täters „für das Recht“ und deren Manifestation nach außen hin verlangt. Angemerkt sei hierbei allerdings, dass die Formulierung: „klare Entscheidung ‚für die Erhaltung des Rechtsguts‘“ vorzugswürdig ist. Gerade der oben angeführte Beispielsfall (3) schildert eine Konstellation, in der eben eine solche Täterentscheidung nicht erkennbar ist: T sah sich zwar zu einem abschließenden und in jedem Fall tötenden Stich nicht mehr in der Lage. Dass O aber ohne das Ergreifen rettender Maßnahmen verbluten könnte, war T bewusst. Gleichwohl entfernte er sich vom Tatort, ohne nach außen hin seinen Rechtsgutserhaltungsvorsatz zu manifestieren. Die Konstellation zeigt demnach, dass die Abgrenzung zwischen bedingtem Vorsatz und bewusster Fahrlässigkeit hier nicht nötig ist. Sie lehrt darüber hinaus, dass bei Fürmöglichhalten des Erfolgseintritts ein schlichtes Aufgeben allein niemals ausreichen kann – selbst dann nicht, wenn diese Möglichkeitsvorstellung so vage ist, dass bei gleichgelagerter Frage nach dem Tatbestandsvorsatz bewusste Fahrlässigkeit in Betracht kommt. Anders formuliert: Handelt der Täter im Zeitpunkt des Nichtweiterhandelns gleichzeitig mindestens mit der Möglichkeitsvorstellung hinsichtlich der Deliktsvollendung, schließt dies eine Entscheidung zugunsten des Rechtsguts und somit den Aufgabewillen aus.114 Erst Recht entfällt ein Rücktritt dann, wenn der Täter den Erfolg ernsthaft für möglich hält und nichts unternimmt, um ihn abzuwenden.115 Eine Befreiung des Täters von der einmal verwirkten Strafe 112 Eingehend zu dem in-dubio-Grundsatz im Rahmen des § 24 StGB sogleich unter Kapitel 2 I. 1. e). 113 JZ 1983, 264 (267). 114 So im Ergebnis auch Borchert / Hellmann, GA 1982, 429 (441).

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kann daher schon mangels Rücktrittsvorsatzes in der vorliegenden Konstellation nicht mehr in Betracht gezogen werden. Nun könnte eingewandt werden, dieses Ergebnis stünde nicht im Einklang mit der üblichen herrschenden Vorsatzlehre, die die Figur der bewussten Fahrlässigkeit anerkennt, und es sei darüber hinaus nicht konsequent, bewusste Fahrlässigkeit bei der Strafbegründung in Betracht zu ziehen, bei der Rücktrittsprüfung aber nicht. Dem lässt sich jedoch entgegenhalten, dass der Ausgangspunkt zwischen Tatbegehungs- und Rücktrittssituation ein anderer ist. Deshalb ist es sachgerecht, unterschiedliche Maßstäbe anzulegen. Denn während es bei der Frage nach der Tatbestandsverwirklichung und damit dem Vorsatz zur Rechtsgutsverletzung in Betracht kommen kann, dass der Täter im Vertrauen auf den guten Ausgang des Geschehens seine Möglichkeitsvorstellung nahezu verdrängt, verhält sich dies beim bereits versuchten Delikt anders. Hier wird dem Täter mit der vorangegangenen und positiv beantworteten Frage nach dem objektiven wie subjektiven Überschreiten der Versuchsschwelle bereits attestiert, vorsätzlich in Richtung Rechtsgutsverletzung tätig geworden zu sein; einen (bewusst) fahrlässigen Versuch gibt es bekanntlich nicht. Aufgrund des von ihm begangenen Versuchsunrechts wird regelmäßig die Möglichkeit des Erfolgseintritts auch für den Täter selbst noch realer, als sie es zum Zeitpunkt des unmittelbaren Ansetzens schon war. Dass der Täter nun fest darauf vertrauen kann, dass die Tatvollendung ausbleibt, ist nahezu undenkbar. Der im Vergleich zur Tatbegehung strengere Maßstab ist nach alldem überzeugend. Teilweise wird in diesem Zusammenhang gefragt, ob von dem Täter verlangt werden sollte, eine gewisse Sorgfältigkeit bei der Tataufgabe an den Tag zu legen. Herzberg116 bezeichnet ein bloßes Nichtweiterhandeln, wenn der Täter sich hinsichtlich der potentiellen Folgen seines Tuns nicht sicher ist und sich dennoch mit bloßem Nichtstun begnügt, als „sorgfaltswidrig-unvollkommene Leistung“. Eine solche könne die Versuchsstrafe nicht aufheben. Herzberg begründet dies damit, dass nach Versuchsbeginn in einer Situation, in welcher der Täter selbst nicht mehr davon ausgeht, der Erfolg werde in jedem Falle ausbleiben, eine neue Tat in Form eines versuchten Unterlassungsdelikts begangen werde und schon allein aus diesem Grunde ein Rücktritt nicht in Betracht komme.117 Diese Argumentation ist grundsätzlich einleuchtend; jedoch darf hierbei nicht unberücksichtigt bleiben, dass insbesondere der Vorsatz hinsichtlich des Unterlassungsdelikts, d. h. der Tatentschluss überprüft werden muss und zudem auch der Zeitpunkt des unmittelbaren Ansetzens 115 Vgl. auch Roxin, JR 1986, 424 (426): „ … [W]enn der Täter ernsthaft damit rechnet, daß der Erfolg schon durch seine Ersthandlung eintreten könne [und] er angesichts einer solchen Situation nichts tut, hat er sich für den einkalkulierten Fall eines unglücklichen Ausganges gegen das geschützte Rechtsgut entschieden […].“ 116 So noch ausführlich in: MüKo-StGB1, § 24 Rn. 113 ff.; zust. Fischer, StGB, § 24 Rn. 33. 117 Zur Verbindung zwischen Rücktritt und versuchtem Unterlassungsdelikt auch schon Geilen, JZ 1972, 335 (342) und zust. Blei, JA 1972, StR S. 139 (140). S. ferner Römer, MDR 1989, 945 (947).

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zu einem solchen Delikt nicht unproblematisch ist.118 Aus der Forderung nach der Sorgfalt des Täters hinsichtlich des Nichteintritts des Erfolges lässt sich aber jedenfalls entnehmen, dass ein Aufhören mit weiteren Tathandlungen nicht ausreichen soll, wenn der Täter sowohl das Ausbleiben als auch das Eintreten der Rechtsgutsverletzung für möglich hält. Auf gleicher Linie liegen im Übrigen Autoren, die für alle Fälle des § 24 StGB ein ernsthaftes Bemühen um Erfolgsverhinderung verlangen wollen.119 d) „Aufgabeentschluss mit der vorsorglichen Bereitschaft zu späterer Rettungsaktivität“ Beispiel (4): Der Täter handelt nicht weiter. Er will das Rechtsgut retten, ist sich aber nicht sicher, ob die bloße Aufgabe der Tat hierzu ausreichen wird. Er beobachtet das Geschehen weiter, denn für den Fall, dass sich bloßes Aufgeben als nicht ausreichend erweist, behält er sich aktive – aus seiner Sicht zur Erfolgsabwendung ihm mögliche und geeignete – Abwendungsmaßnahmen vor. Zum eigenhändigen Intervenieren kommt es aber nicht, da Dritte rettend eingreifen. Wie Beispiel (3). T versteckt sich diesmal aber selbst im Gebüsch und beobachtet O. Für den Fall, dass O sich nicht mehr selbst fortbewegen kann und auch Dritte nicht vorbeikommen, will T einen Notarzt rufen. Als fünf Minuten verstrichen sind, ohne dass O in der Lage war aufzustehen, schickt T sich an, den Notruf zu wählen. In diesem Moment kommt jedoch eine Polizeistreife zufällig des Weges. Die Polizisten sehen den verletzten O und fahren ihn schnell in das nächstgelegene Krankenhaus, wo O gerettet werden kann. Hier hätte nach dem oben Gesagten der Täter grundsätzlich Vermeidemaßnahmen vornehmen müssen, da ein bloßes Aufgeben aus seiner Sicht unsicher war. Im Gegensatz zu Fall (3) kann man indes feststellen, dass der Täter das Geschehen nicht dem Zufall überlassen, sondern notfalls rettend einschreiten wollte. Eine solche Situation wird insbesondere dann vorkommen, wenn der Täter die Gefahr sieht, sich selbst durch die Vornahme von Verhinderungstätigkeiten zu verraten. Es muss in Ansatz gebracht werden, dass der nemo-tenetur-Grundsatz zu beachten ist, nach dem sich niemand selbst belasten muss. Dieser ergibt sich aus dem verfassungsrechtlich verankerten allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 118 s. hierzu Ulsenheimer, Grundfragen (1976), S. 222 f.; zur Abgrenzung von Vorbereitung und Versuch bei unechten Unterlassungsdelikten in Verbindung mit der Abgrenzung unbeendeter – beendeter Versuch Roxin, in: FS Maurach (1972), S. 213 ff. 119 Z. B. Roxin, JR 1986, 424 (427); ders., in: FS Hirsch (1999), S. 327 (334). Herzberg, in: FS Kohlmann (2003), S. 37 ff., sieht die Merkmale „Aufgeben“ und „Verhindern der Vollendung“ ohnehin als deckungsgleich an (a. a. O., S. 38) und möchte einen Ausgleich zur Variante des „ernsthaften Bemühens“ herbeiführen (a. a. O., S. 44 ff.); s. auch Frister, AT, 24. Kap. Rn. 40 f.

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Abs. 1 GG) und dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG).120 Daher muss auch eine Rücktrittsnorm sensibel mit diesem Prinzip umgehen; insbesondere die Forderung nach einem Rücktrittsverhalten, durch das der Täter seine Identität preisgeben müsste, ist vor diesem Hintergrund kritisch zu hinterfragen. Auf der einen Seite leitet sich der nemo-tenetur-Grundsatz aus dem Verfassungsrecht ab und ist somit höherrangig als ein einfaches Strafgesetz.121 Dennoch stellt sich die Frage, ob an das Rücktrittsverhalten eines Täters, der sich hierauf beruft, geringere Anforderungen zu stellen sein können. Immerhin ist zu bedenken, dass der Staat seinen Schutzpflichten gegenüber den Bürgern nachzukommen hat (Gewaltmonopol des Staates); dies gilt umso mehr, je stärker ein Rechtsgut bereits durch eine Versuchstat bedroht wird. Reduziert der Staat die Anforderungen an das Rücktrittsverhalten zugunsten des Täters, so schwächt er zugleich den Schutz gegenüber dem Opfer. Es stehen sich somit die Rechtsposition des Täters und die des Opfers gegenüber. Gegen den Täter spricht fraglos, dass er selbst die Situation geschaffen hat. Aufgrunddessen könnte von ihm zu erwarten sein, Einbußen in seine Rechtsstellung hinzunehmen, zumal er eine Begünstigung des Gesetzes begehrt, die ihm seitens des Gesetzgebers nicht zwingend hätte eingeräumt werden müssen. Hinzugefügt sei, dass auch im Bereich der Unterlassungsdelikte anerkannt ist, dass es dem Täter in Fällen der §§ 138 und 323c StGB nicht als unzumutbar zugute zu halten ist, wenn er die von ihm geforderte Handlung unterlässt, um nicht selbst entdeckt oder festgenommen zu werden. H. Schneider122 weist in diesem Zusammenhang zutreffend auf eine „bemakelte Rechtsposition“123 des Betreffenden hin. Gleichwohl kann der verfassungsrechtliche Charakter des nemo-tenetur-Prinzips nicht gänzlich übergangen werden. Man wird dem Täter eine gestufte Vorgehensweise zumindest dann zubilligen können, wenn er das Geschehen nicht völlig aus den Augen lassen und vor allem nicht aus der Hand geben will.124 Hält er sich zum Eingreifen bereit, ist dies zu seinen Gunsten in Ansatz zu bringen. Das Risiko des Erfolgseintritts trägt er ohnehin. Beulke, Strafprozessrecht, Rn. 125 m. w. N. Dennoch gilt er nicht absolut, was insoweit auch die verfassungsrechtlich insoweit gebilligte Existenz des § 142 StGB zeigt, s. BVerfGE 16, 191. 122 Selbstbegünstigungsprinzip (1991), S. 50 ff. 123 A. a. O., S. 52. 124 Einen ähnlichen Ansatz findet man bei Sancinetti, Subjektive Unrechtsbegründung (1995), S. 281. Sancinetti definiert über das Kriterium des Inkaufnehmens des Kontrollverlusts über die Vollendungsverhinderung den Begriff der Versuchsbeendigung neu. Eine insgesamt so weitgehende subjektivistische Betrachtungsweise wird hier nicht vertreten. Darüber hinaus kann der Ausschluss eines Rücktritts ab einem Zeitpunkt, in dem der Täter die bloße Möglichkeit eines Kontrollverlusts über die Vollendungsverhinderung in Kauf nimmt, nicht überzeugen. Damit würde dem Täter zu früh die Rücktrittsmöglichkeit versagt, denn es ist immerhin denkbar, dass er – insbesondere dann, wenn bis zum Eintritt des Erfolges noch eine gewisse Zeit vergehen muss – den verbleibenden dolus eventualis hinsichtlich der Erfolgsherbeiführung fallen lässt und einen Rücktrittsvorsatz entwickelt. Vgl. auch jüngst Wege, Rücktritt und Normgeltung (2011), S. 87, 123, die die „ununterbrochene Nachtatherrschaft“ des Täters als einen Faktor für die Feststellung der „Glaubwürdigkeit der Normgeltungsdemonstration“ fordert. 120 121

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Wie wirkt es sich aber nun aus, dass Dritte helfend eingreifen, bevor der Täter selbst noch weitere Rettungsmaßnahmen ergriff? Auch hier hilft wieder die vorgeschlagene Betrachtung in zwei Schritten: Fragt man nach dem objektiven Rücktrittsverhalten, so stellt man die weitere Untätigkeit des Täters in Bezug auf die Rechtsgutsverletzung sowie sein Bereithalten für zusätzliche Vermeidemaßnahmen fest. Sodann ist der Rücktrittsvorsatz zu klären; es müsste eine Entscheidung zugunsten der Erhaltung des Rechtsguts vorliegen. Diese hat der Täter hier getroffen (er will das Rechtsgut retten) und sie auch durch sein Nichtweiterhandeln und darauffolgendes Beobachten der Situation sowie sein Bereithalten nach außen manifestiert. Hinsichtlich der Nichtvollendung wird man auch sagen können, dass mit Absicht gehandelt wurde. Selbst wenn die Wissenskomponente bezüglich der Erfolgsvermeidung aufgrund der eigenen Unsicherheit des Täters nur schwach ausgeprägt war, so trat das voluntative Element demgegenüber stark in den Vordergrund. Und: Auf die Entscheidung zum Rechtsgutserhalt kommt es maßgeblich an. Man könnte noch auf den Gedanken kommen, in der Situation eine Parallele zur Konstellation des „Tatentschlusses mit Rücktrittsvorbehalt“ zu sehen; so läge hier ein „Aufgabeentschluss mit Vermeidevorbehalt“ vor. Problematisch könnte an einer solchen Entsprechung sein, dass ein „Tatentschluss mit Rücktrittsvorbehalt“ tatbestandsmäßig ist, also die subjektive Voraussetzung der Versuchsstrafbarkeit erfüllt wäre. Dann könnte umgekehrt unter Umständen ein „Aufgabeentschluss mit ‚bloßem‘ Vermeidevorbehalt“ als nicht ausreichend für einen Rücktrittsvorsatz erachtet werden. Eine kurze Skizze erleichtert es, die im Ergebnis nur scheinbare Übereinstimmung aufzudecken: [1] Die Situation des „Tatentschlusses mit Rücktrittsvorbehalt“ ist gekennzeichnet durch [a] den Tatentschluss = Entscheidung zur Rechtsgutsverletzung und [b] den Vorbehalt (unter Umständen nach dem unmittelbaren Ansetzen) das Rechtsgut doch erhalten zu wollen. In diesem Fall beinhaltet der Vorbehalt des Täters also eine Veränderung im subjektiven Bereich, die sich auf die Erfolgsherbeiführung bezieht und die dann Auswirkungen auf das objektive Verhalten haben wird. [2] Die Situation des „Aufgabeentschlusses mit Vermeidevorbehalt“ ist gekennzeichnet durch [a] die Entscheidung, das Rechtsgut erhalten zu wollen, indem nicht weitergehandelt wird, wobei die Vorstellung besteht, dass dies ausreichend zur Erfolgsvermeidung ist und [b] den Vorbehalt, objektiv Vermeidemaßnahmen zu ergreifen, d. h. nach außen hin mehr zu tun. Nun erkennt man, dass der Vorbehalt des Täters sich im Gegensatz zu der erstgenannten Konstellation nicht auf die innere Einstellung zur Rechtsgutsverletzung

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bzw. -erhaltung bezieht. An dem Rücktrittsvorsatz ändert sich in Variante [2] nichts mehr, während in Variante [1] der Tatentschluss zunächst einmal fallen gelassen und ein gegenläufiger hinreichender Rücktrittsvorsatz (d. h. ein solcher ohne weiteren „Begehungsvorbehalt“) gefasst werden muss. In den Fällen des „Aufgabeentschlusses mit Vermeidevorbehalt“ wird die Zielrichtung des Vorsatzes nicht mehr geändert.

e) Fehlende Tätervorstellung bzgl. des Erfolgseintritts Beispiel (5)125: Der Täter handelt nicht weiter. Darüber, ob der Erfolg aufgrund der von ihm bereits vorgenommenen Tätigkeiten eintreten kann, macht er sich gar keine Gedanken. Die Brüder T und O hatten eine tätliche Auseinandersetzung in der Wohnung des T. Nachdem O die Wohnung bereits verlassen hatte, kehrt er noch einmal zurück, um seine Tasche, die er vergessen hatte, zu holen. Als er dem T hierbei erneut über den Weg läuft, geht dieser auf O zu und sticht ihm zweimal mit bedingtem Tötungsvorsatz mit einem Springmesser in den Oberbauch. Nach Durchführung der Stiche macht T sich keine Vorstellung darüber, ob die Stiche tatsächlich zum Tode führen würden. In einem solchen Fall urteilte der BGH126, dass von einem beendeten Versuch auszugehen sei und ein bloßes Untätigbleiben für einen Rücktritt nicht ausreichen könne; nach Entscheidungen aus jüngerer Zeit gilt dies jedenfalls dann, wenn der Täter besonders gefährliche Gewalthandlungen vorgenommen hatte127. Mit diesem Ansatz soll ersichtlich Schutzbehauptungen des Angeklagten, er habe die Annahme eines beendeten Versuchs noch nicht für möglich gehalten, kein Raum gegeben werden.128 Mangels Feststellbarkeit des Vorstellungsbildes wird diese Entscheidung im Schrifttum von seiner Begründung her abgelehnt, wenngleich das Ergebnis kriminalpolitisch als richtig eingestuft wird.129 Den Kritikern ist darin beizupflichten, dass seitens des BGH zielorientiert argumentiert wurde, als er dem Täter, der sich nun einmal gar keine Vorstellung gemacht hatte, unterstellte, er rechne gleichwohl

Nach BGHSt 40, 304. BGHSt 40, 304 (306); so auch BGH StV 1996, 86; NStZ 2009, 264 (265 f.); NStZ 2011, 90. 127 BGH StV 2005, 386; BGH NStZ-RR 2006, 6; s. hierzu auch Lackner / Kühl, StGB, § 24 Rn. 4 a. E. 128 Heger, StV 2010, 320 (323). 129 Vgl. nur Kudlich / Schuhr, in: Satzger / Schmitt / Widmaier, StGB, § 24 Rn. 37; Roxin, AT II, § 30 Rn. 169 ff. jeweils m. w. N.; Zaczyk, in: NK-StGB, § 24 Rn. 44; s. auch Brüning, ZJS 2011, 93 (96). 125 126

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mit der Möglichkeit des Erfolgseintritts.130 Ebenso ist auch die folgende gedankliche Verknüpfung bei Th. Fischer131 nicht zwingend: „Beendet ist ein Versuch […] auch dann, wenn [der Täter den Erfolgseintritt] – zutreffend oder irrtümlich – für möglich hält […]. Nicht erforderlich ist, dass er den Erfolg zu diesem Zeitpunkt noch will oder billigt […]. Daher liegt ein beendeter Versuch grds. auch dann vor, wenn der Täter sich nach der letzten Ausführungshandlung keine Vorstellungen über die Folgen seines Tuns macht […].“

Die letztgenannte Begründung ist nicht mehr als eine Scheinbegründung. Denn Th. Fischer erklärt zunächst allein das kognitive Element für maßgeblich und stellt klar, dass es für ihn auf das voluntative Element nicht ankomme. Die Irrelevanz des voluntativen Elements kann aber nicht als Argument dafür herangezogen werden, dass ein beendeter Versuch vorliegt, wenn sich der Täter gar keine Vorstellung über den Erfolgseintritt macht. Denn dies betrifft ja allein die kognitive Seite. Müsste man nicht stattdessen in dubio pro reo annehmen, dass der Täter mit Rücktrittswillen handelte, jedenfalls aber, dass er keinen Vollendungsvorsatz mehr hatte? Der Grundsatz in dubio pro reo gilt uneingeschränkt auch im Rahmen des § 24 StGB132. Er stellt eine Korrektur der richterlichen Freiheit der Beweiswürdigung dar, nach der der Richter nicht an gesetzliche Beweisregeln gebunden ist, was aber keinesfalls die Freistellung von Sachgebundenheit und rechtsstaatlicher Absicherung bedeutet.133 Die Feststellung des Vorsatzes bereitet bei der Beweiswürdigung nicht selten Schwierigkeiten134, da subjektive Vorstellungen im Inneren des Täters verborgen bleiben und man bei fehlender Einlassung des Täters letztlich nur über sein Verhalten nach außen darauf schließen kann, welchen Vorsatz er zu welchem Zeitpunkt seiner Handlung hatte. Bei der Frage nach der Begründung der Strafbarkeit des Täters werden regelmäßig im Hinblick auf die Vorsatzfeststellung Indizien herangezogen, wobei dem äußerlichen Vorgehen des Täters hohe Bedeutung zukommt. Hier steht man allerdings bei der Frage, ob Rücktrittsvorsatz vorlag oder nicht, vor dem Problem, dass ein schlichtes Unterlassen vorliegt, das keine Schlüsse auf innere Gegebenheiten zulässt. Im deutschen Strafprozess kann 130 Insoweit zutreffend Heckler, NJW 1996, 2490 (2491); Scheinfeld, JuS 2002, 250 (252); vgl. auch Knörzer, Fehlvorstellungen (2008), S. 117 f.; Kühl, AT, § 16 Rn. 31; ebenso Roxin, AT II, § 30 Rn. 171 m. w. N. Der Ansatz Roxins, AT II, § 30 Rn. 171, wonach die Differenzierung zwischen unbeendetem und beendetem Versuch danach vorzunehmen sei, „wie der Täter hätte handeln müssen, wenn er sich die Frage nach den Folgen seines Tuns gestellt hätte“, ist zu sehr verobjektiviert und von dem subjektiven Element des Tatbestandsmerkmals so weit entfernt, sodass dies nicht überzeugt. 131 StGB, § 24 Rn. 15. 132 BGH StV 1984, 328; NStZ 1999, 300; NStZ-RR 2002, 73 (74); NStZ 2006, 685; 2008, 508 (509); Kudlich / Schuhr, in: Satzger / Schmitt / Widmaier, StGB, § 24 Rn. 39, 81 und Lackner / Kühl, StGB, § 24 Rn. 16 jeweils m. w. N. 133 Peters, Strafprozeß, S. 303; Vest, ZStW 103 (1991), S. 584 (586). 134 Lüderssen, ZStW 85 (1973), S. 288 (300): „[Der Beweisnotstand fängt] bei den subjektiven Merkmalen erst richtig an […].“; Hruschka, in: FS Kleinknecht (1985), S. 191 ff.

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ein Täter wegen einer Vorsatztat jedoch nur dann verurteilt werden, wenn bewiesen werden kann, dass der Täter die Tat dolos begangen hat. Im Falle eines in Rede stehenden möglichen Rücktrittsverhaltens kann dementsprechend nur dann bestraft werden, wenn bewiesen wird, dass der Täter gerade keinen Rücktrittsvorsatz hatte. Hervorzuheben ist, dass ein Unterschied zwischen der Situation besteht, in der ein Vorsatz im Rahmen der Beweisaufnahme nicht festgestellt werden kann135, und einer solchen, in der positiv festgestellt wird, der Täter habe sich gar keine Vorstellung gemacht.136 Denn derjenige, der sich keine Vorstellungen macht, entwickelt keinerlei Vorsatz – weder für noch gegen einen Rücktritt. Hinsichtlich der Erfolgsvermeidung fehlt bereits das Wissenselement des zu bildenden (Rücktritts-)Vorsatzes, ganz zu schweigen von dem voluntativen Element, für dessen Vorliegen ebenfalls nichts ersichtlich ist.137 Richtigerweise kommt man also bei der schlichten Frage nach dem Rücktrittsvorsatz des Täters dazu, dass ein solcher nicht entwickelt wurde und dass daher ein Rücktritt ausscheiden muss. Es wird damit ganz besonders deutlich, dass die Abgrenzung zwischen beendetem und unbeendetem Versuch nicht nur überflüssig, sondern auch irreführend sein kann.138 So ist auch der Ansatz Knörzers139, die eine Obliegenheit des Täters annimmt, sich eine Vorstellung von der objektiven Gefährdungslage zu bilden, zwar im Ergebnis richtig, die Begründung über die ratio legis der Rücktrittsnorm indes umständlich und aus der hier dargelegten Perspektive nicht konsequent aus der Beurteilungsgrundlage der subjektiven Tätervorstellung hergeleitet.140 135 So verhielt es sich bspw. bei der Entscheidung des BGH in NStZ 2004, 324. Bei der Angeklagten war es infolge von Streitereien mit dem Opfer und ihrer starken Alkoholisierung zu einem „Impulskontrollverlust mit einem aggressiven Durchbruch“ gekommen; sie stach dreimal wild und kraftvoll auf das Opfer ein. Unklar blieb, ob die Angeklagte sich Vorstellungen von den Folgen ihres Tuns hatte machen können. 136 Mit diesem Hinweis auch Brüning, ZJS 2011, 93 (95 f.); Kudlich, StV 2009, 513 (514); Kudlich / Schuhr, in: Satzger / Schmitt / Widmaier, StGB, § 24 Rn. 37. 137 Ähnlich Zaczyk, in: NK-StGB, § 24 Rn. 44: Es fehle an einem „Urteil“ des Aufgebenden; vgl. auch Murmann, JuS 1996, 590 (593). Brüning, ZJS 2011, 93 (96), argumentiert bei einer Versagung des Rücktrittsprivilegs ebenfalls mit dem fehlenden Rücktrittsentschluss, verortet dies aber bei der Freiwilligkeit. 138 Kritisch zur Abgrenzung zwischen beendetem und unbeendetem Versuch auch v. Heintschel-Heinegg, ZStW 109 (1997), S. 29 (35); Herzberg, JZ 1989, 114 (120); ders., JuS 1990, 273 (275); ders., NJW 1991, 1633 f.; ders., in: MüKo-StGB1, § 24 Rn. 63 ff. (anders jetzt wohl Herzberg / Hoffmann-Holland, in: MüKo-StGB2, § 24 Rn. 79); Krauß, JuS 1981, 883 (885); Pahlke, Rücktritt (1993), S. 111 ff.; v. Scheurl, Rücktritt (1972), S. 44; M. Walter, Rücktritt (1980), S. 132; vgl. auch Ulsenheimer, Grundfragen (1976), S. 149 f.; nachhaltig aber für die Durchführung dieser Abgrenzung Küper, JZ 1983, 264 mit Fn. 1; Otto, Jura 1992, 423; Zaczyk, in: NK-StGB, § 24 Rn. 9. 139 Fehlvorstellungen (2008), S. 118 ff. 140 Hingewiesen sei auch auf die Ausführungen Knörzers zum Nichtbestehen der Obliegenheit, die Tatvollendung „aufgrund vorliegender oder erkannter gefahrbegründender Umstände“ für möglich zu halten, a. a. O., S. 159 ff., 167.

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Anders gelagert war ein erst jüngst entschiedener Fall, in dem es um die Frage ging, ob ein Mann, der ein Kleinkind derart geschüttelt hatte, dass dieses ein „Schütteltrauma“ davon trug, von dem mit dolus eventualis vorgenommenen Totschlagsversuch durch bloßes Untätigbleiben zurückgetreten ist.141 Hier konnten zur inneren Tatseite keine Feststellungen getroffen werden, da der Angeklagte sich hierzu nicht äußerte. Der BGH142 erklärte sodann Folgendes: „Allerdings ist der Zweifelssatz auch auf das Vorliegen von Rücktrittsvoraussetzungen anzuwenden, wenn bei einer Gesamtbeurteilung der Tatsachen keine eindeutigen Feststellungen getroffen werden können. Jedoch ist es – auch – in diesem Zusammenhang nicht zulässig, zu Gunsten des Angekl. Tatvarianten zu unterstellen, für die es keinerlei konkrete Anhaltspunkte gibt.“

Letzteres ist für sich genommen abstrakt durchaus nachvollziehbar: Es ist nicht an jede theoretisch mögliche Konstellation zu denken, wenn sich keinerlei Anlass hierfür bietet.143 Fragt man nach dem Rücktrittsvorsatz in diesem Fall, so wird sich ein solcher nicht feststellen lassen. Widerspricht es aber nun nicht dem in-dubioGrundsatz, dass man in tatsächlicher Hinsicht keine eindeutigen Feststellungen machen kann und deshalb (zulasten des Täters!) davon ausgeht, es habe ein solcher nicht vorgelegen? Zwar ist, wie bereits erwähnt, nicht jede auch nur irgendwie in Betracht kommende Konstellation zu bedenken, die – sei sie noch so abwegig – günstig für den Täter wäre, und auch führt die Unaufklärbarkeit der Tätervorstellungen nicht zwingend dazu, dass ein unbeendeter Versuch bzw. zugunsten des Täters angenommen werden muss, er habe nicht mit dem Erfolgseintritt gerechnet.144 Das Problem besteht jedoch darin, dass das potentielle Rücktrittsverhalten hier in einem Nichtweiterhandeln und somit in einem Unterlassen liegt, das letztlich eine „neutrale“ Verhaltensweise ist und damit mehrdeutig sein kann. So kann es durchaus – und dies ist keineswegs fernliegend – sein, dass er Täter dachte, das Kind sei nun endlich ruhig, er brauche es nicht mehr weiter zu schütteln und zugleich sei keine konkrete Todesgefahr entstanden. Das Beweisproblem nun damit zu klären, einen beendeten Versuch zu unterstellen, ist nicht befriedigend. Kriminalpolitische Aspekte in diesem Zusammenhang können ebenfalls nicht recht überzeugen: Im Rahmen von Delikten gegen Leib und Leben wird argumentiert, die Annahme eines beendeten Versuchs sei bei äußerlich nicht sofort erkennbaren Verletzungen aus Opferschutzgesichtspunkten vorzugswürdig, um den Täter zum Ergreifen von Rettungsmaßnahmen zu veranlassen.145 Die Intention, die dieser Auffassung zugrunde liegt, ist zwar mit Blick auf den Opferschutz verständlich. Hierbei wird jedoch übersehen, dass der Täter diesen von der Rücktrittsnorm ausBGH StV 2009, 511. BGH StV 2009, 511 (513); vgl. auch BGH StV 2001, 666 (667); NStZ-RR 2003, 166 (168); NStZ 2008, 508 (509); 2009, 630 (631). 143 So auch Wörner, NStZ 2010, 66. 144 Kudlich, StV 2009, 513 (514). 145 Kudlich, a. a. O. 141 142

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gehenden Normappell unter Umständen gar nicht wahrnehmen konnte, wenn er selbst – und dies ist in einem Fall wie dem vorliegenden gerade nicht nachweisbar! – diese konkret von ihm hervorgerufene Gefahr nicht sieht.146 Es sei zudem auf die richtige Bemerkung Th. Fischers147 hingewiesen – die interessanterweise an den BGH148 selbst angelehnt ist –, wonach es stets auf das tatsächliche Vorstellungsbild des Täters ankommt und nicht etwa darauf, was der Täter habe „für möglich halten müssen“.149 Letzteres wäre ein Fahrlässigkeitsvorwurf, um den es aber hier nicht gehen kann. Ebenfalls abzulehnen ist die Ansicht, es genüge die bloße Kenntnis von Tatsachen, aus denen sich die Möglichkeit des Erfolgseintritts ergebe.150 Denn es ist allein auf die tatsächliche Vorstellung des Täters in Bezug auf die Möglichkeit des Erfolgseintritts abzustellen; die Tatsachenkenntnis kann lediglich als Indiz herangezogen werden.151 Liegt also gerade bei schweren Verletzungen des Opfers die Möglichkeit des Todeseintritts aus objektiver Sicht „auf der Hand“152, so ist dennoch maßgebend, wie der Täter die Situation subjektiv erfasste und in sein Vorstellungsbild aufnahm. Es ist demnach festzuhalten, dass die Maßstäbe des BGH bei der Feststellung der Tätervorstellung im Hinblick auf die Möglichkeit des Erfolgseintritts nicht überzeugen können. Eine geringfügige Abwandlung des Falles bestätigt das Ergebnis: Angenommen, man hätte in dem „Schüttel-Fall“ dem Täter zum Zeitpunkt des Schüttelns keinen Eventualvorsatz, sondern allenfalls bewusste Fahrlässigkeit nachweisen können. Hätte man ihn dann wegen versuchten Totschlags durch Unterlassen bestrafen können, weil er das Kind nicht ärztlicher Behandlung zuführte, nachdem dieses aufgehört hatte zu schreien und er Grund zu der Annahme hätte haben können, das Kind massiv geschädigt zu haben? – Hier hätte ihm Unterlassungsvorsatz bewiesen werden müssen, und es drängen sich starke Zweifel dahingehend auf, dass er den Todeserfolg wirklich ernstlich für möglich gehalten hat. In dubio pro reo müsste man auch hier davon ausgehen, dass kein vorsätzliches Unterlassen vorlag.

In diese Richtung wohl auch Kudlich, StV 2009, 513 (514 f.). StGB, § 24 Rn. 15; so auch Kudlich / Schuhr, in: Satzger / Schmitt / Widmaier, StGB, § 24 Rn. 39; Zaczyk, in: NK-StGB, § 24 Rn. 39. 148 NStZ 2007, 634 f. 149 A. A. Eser, in: Schönke / Schröder, StGB, § 24 Rn. 18. 150 So aber BGHSt 33, 295 (299 f.); 39, 221 (231); BGH NStZ 1994, 76 (77); 1999, 299; BGH JR 2005, 382 (383) m. Anm. Puppe; BGHR StGB § 24 Abs. 1 Satz 1, Versuch, beendeter Nr. 5. 151 Zutreffend Zaczyk, in: NK-StGB, § 24 Rn. 43; s. auch Kudlich / Schuhr, in: Satzger / Schmitt / Widmaier, StGB, § 24 Rn. 38: „starkes Indiz“. 152 s. nur BGHSt 33, 295 (300); BGH NStZ 1994, 76 (77); 1999, 299 (301); 2005, 263 (264) sowie Eser, in: Schönke / Schröder, StGB, § 24 Rn. 17a m. w. N. 146 147

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2. Endgültiges Aufgeben der Tat? Nachdem anhand einiger Fallkonstellationen der Umgang mit dem AufgabeMerkmal dargestellt wurde, sei noch auf weitere Aspekte eingegangen. Teilweise wird gefordert, der Täter müsse endgültig darauf verzichten, sein Tatziel zu erreichen, sodass kein Rücktritt in Betracht komme, wenn der Täter sich vorbehalte, die Tat zu wiederholen. Zwar spiele eine gewisse weitere „Tatgeneigtheit“ keine Rolle; jedoch könne das Strafbedürfnis nicht entfallen, wenn der Täter vorhabe, das Delikt zu einem späteren Zeitpunkt wieder zu begehen.153 Dieser Ansatz ist abzulehnen, denn die endgültige Aufgabe des Tatziels zu fordern schränkt den Wortlaut des „Aufgebens“ zu sehr ein. Es ist nicht ausgeschlossen, dass ein Täter die Tat unter dem Vorbehalt, sie erneut vorzunehmen, abbricht und es dann – aus welchen Gründen auch immer – dennoch nicht mehr zu einer erneuten Begehung kommt.154 Seine Bestrafung lässt sich auch mit kriminalpolitischen Strafbedürfnissen nicht erklären, weil sonst die „rechtsfeindliche Gesinnung“ bestraft werden würde. Nicht zu vergessen sind auch die Beweisschwierigkeiten diesbezüglich; es wird wohl kaum nachweisbar sein, dass der Täter weitere Tatabsichten hat.155 Eine weitere Auffassung156, die lediglich die Aufgabe der „konkreten Tatausführungshandlung“ (z. B. der konkreten Tötungsmethode des Zustechens, Würgens o. ä.) verlangt, kann nicht überzeugen, da sie den Wortlaut des § 24 StGB („Tat“, nicht: „Ausführungshandlung“) nicht hinreichend erfasst und den Anwendungsbereich der Rücktrittsvorschrift unsachgemäß erweitert.157 Es ist der Rechtsprechung zuzustimmen, die verlangt, dass der Täter die „vorsätzlich begangene rechtswidrige Tat im Sinne eines materiellrechtlichen Straftatbestandes“158 – und 153 So noch BGHSt 7, 296 (297); Fahrenhorst, Rücktritt (1928), S. 29 f.; a. A. jetzt BGHSt 33, 142 (145); BGH NStZ 1985, 358 m. Anm. Streng; BGHR StGB § 24 Abs. 1 Satz 1, Rücktritt 4; Fischer, StGB, § 24 Rn. 26; Rudolphi, in: SK-StGB, § 24 Rn. 18 f., der auf die Abstandnahme vom Tatziel abstellt und die Tataufgabe bei dem Vorbehalt späterer Begehung verneinen will; de lege ferenda für § 46 StGB a. F. schon Loeb, Der Versuch (1913), S. 59. 154 Treffend v. Bar, Gesetz und Schuld II (1907), S. 556: „[D]as, was man im gewöhnlichen Leben Entschluß nennt, [hat] an sich rechtlich noch keine Bedeutung […]“; ähnlich Klee, Wille und Erfolg (1898), S. 48; vgl. auch Krey / Esser, AT, Rn. 1297 (zu Fall 159b). 155 Kühl, AT, § 16 Rn. 43 f.; Lilie / Albrecht, in: LK-StGB12, § 24 Rn. 211; s. auch Jescheck / Weigend, AT5, S. 543, Fn. 29; Roxin, AT II, § 30 Rn. 161: „Ob die zurückbleibenden Pläne zu einer späteren ‚Wiederaufnahme des Delikts‘, die an sich schon schwer zu beweisen sind, eine bloße Deliktsneigung oder einen Tatentschluß darstellen, entzieht sich forensischer Feststellung.“ 156 Bloy, JuS 1986, 986 (987); Heinitz, JR 1956, 248 (252); Köhler, AT, S. 474; Lenckner, in: FS Gallas (1973), S. 281 (303). 157 Hierzu Lilie / Albrecht, in: LK-StGB12, § 24 Rn. 211; Wessels / Beulke, AT, Rn. 641. 158 BGHSt 33, 142 (144 f.); (GS) 39, 221 (230); zust. Freund, AT, § 9 Rn. 49; Günther, in: GS Arm. Kaufmann (1989), S. 541 (543); Lackner / Kühl, StGB, § 24 Rn. 9; Lilie / Albrecht, in: LK-StGB12, § 24 Rn. 214; Wessels / Beulke, AT, Rn. 641 f.; vgl. i. E. auch Streng, NStZ 1985, 359 f.; ähnlich Eser, in: Schönke / Schröder, StGB, § 24 Rn. 39 f.: „Abstandnehmen von dem versuchten und einem etwaigen äquivalenten Angriff auf das gleiche Tatobjekt“.

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Kap. 2: Die Bedeutung der einzelnen Tatbestandsmerkmale

somit sämtliche Handlungen, die zur Verwirklichung des Tatbestandes geeignet sind – aufgeben muss.159 Es sei bereits hier darauf hingewiesen, dass die Diskussion über die Frage nach der Erforderlichkeit eines endgültigen Aufgebens später an anderer Stelle noch einmal erörtert werden wird: bei der Frage nach dem Inhalt des Freiwilligkeitskriteriums.160

3. Der fehlgeschlagene Versuch Diskutiert wird bei sämtlichen Rücktrittsvarianten die Figur des sogenannten fehlgeschlagenen Versuchs161. In einer Rücktrittsprüfung ist es üblich, gleich zu Beginn nach dem Fehlschlag zu fragen162. Wie bereits hervorgehoben, wird für das „Aufgeben“ verlangt, dass der Täter eine Entscheidung zugunsten der Erhaltung des Rechtsguts und damit des „Nichtweiterhandelns“163 trifft. Denklogisch ist dies dann unmöglich, wenn der Täter davon ausgeht, ohnehin den Erfolg nicht mehr oder nicht ohne größere Zäsur mit den ihm gerade zur Verfügung stehenden Mitteln herbeiführen zu können.164 Er kann in diesem Fall schlechterdings nicht mehr über das weitere Geschehen disponieren. Letzteres umschreibt nichts anderes als die Konstellation eines fehlgeschlagenen Versuchs.165 Wenn teilweise166 der Fehlschlag 159 Dafür, dass der Tatentschluss hinsichtlich der konkreten Tat aufgegeben werden muss, statt Vieler Frister, AT, 24. Kap. Rn. 23; Kudlich / Schuhr, in: Satzger / Schmitt / Widmaier, StGB, § 24 Rn. 30 m. w. N. 160 Hierzu noch in Kapitel 3 II. 4. d) cc) (1) (c). 161 Ausführlich hierzu Wörner, Der fehlgeschlagene Versuch (2009), u. a. mit einem Überblick zu den einzelnen Lehrmeinungen, a. a. O., S. 40 ff. 162 s. nur die Prüfungsschemata bei Rengier, AT, § 37 Rn. 14 und Wessels / Beulke, AT, Rn. 654a. 163 Bzw. beim Rücktritt vom Unterlassensdelikt entsprechend ein „Handeln“. 164 s. schon H.-W. Mayer, Privilegierungswürdigkeit (1986), S. 192; vgl. auch Borchert / Hellmann, GA 1982, 429 (447) darüber hinaus mit der Empfehlung, die Prüfung des Fehlschlags nicht „vor die Klammer“ zu ziehen, sondern entsprechende Fälle schlicht über die Voraussetzung des Rücktrittsentschlusses zu lösen. 165 s. nur Eser, in: Schönke / Schröder, StGB, § 24 Rn. 7 m. w. N.; Kindhäuser, AT, § 32 Rn. 5; Streng, JZ 1990, 212 (214). Anders sieht dies freilich Wörner, Der fehlgeschlagene Versuch (2009), S. 52 ff., 117 ff., die bereits das subjektive Element des Aufgabemerkmals verneint (hiergegen oben unter Kapitel 2 I). 166 BGHSt 33, 295 (297); 34, 53 (56 f.); 35, 90 (94); BGH MDR 1988, 245; Brockhaus, in: AnwKomm § 24 Rn. 15; Eser, in: Schönke / Schröder, StGB, § 24 Rn. 7; Roxin, JuS 1981, 1 ff.; vgl. auch Zaczyk, in: NK-StGB, § 24 Rn. 19 ff. Mylonopoulos, in: FS I. Roxin (2012), S. 165 (167 f.), will wohl ebenfalls zwischen dem Aufgabemerkmal und dem fehlgeschlagenen Versuch trennen. Seine Differenzierung vermag indes nicht zu überzeugen, zumal er selbst feststellt: „Die Aufgabe der weiteren Tatausführung setzt also einen Versuch voraus, der noch nicht endgültig fehlgeschlagen ist. […] So ist ein Versuch fehlgeschlagen, wenn der Täter mindestens davon überzeugt ist, dass er diesen weder weiterführen noch aufgeben kann.“ Mylono-

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als eigenständige Rechtsfigur zum Ausschluss eines Rücktritts dargestellt oder verstanden wird (bspw. als eine Art ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal), ist dies nicht richtig: Dass kein Rücktritt vorliegt, ergibt sich stets schon aus der fehlenden Möglichkeit zur Tataufgabe167 und somit aus der fehlenden Entscheidungsmöglichkeit zur Nichtherbeiführung bzw. Verhinderung des Erfolges. Soweit bestritten wird, dass es einen Fehlschlag als solchen gibt168, ist dem also nicht zu folgen.169 Es wird bekanntlich kontrovers diskutiert, auf welches Geschehen für die Bewertung des Täters, die Tat sei fehlgeschlagen, abgestellt werden soll.170 Der BGH171 und die h. M.172 folgen der sogenannten „Gesamtbetrachtungslehre“, nach der es darauf ankommen soll, ob der Täter davon ausgeht, den Erfolg nicht mehr oder nicht ohne größere Zäsur mit den ihm gerade zur Verfügung stehenden Mitteln herbeiführen zu können. Anders wollen dies die Vertreter der Einzelaktstheorie173 sehen, die poulos stellt im Weiteren für den Rücktrittszeitpunkt auf den „last act“, d. h. auf den Zeitpunkt ab, in dem der Täter die Kontrolle über den Kausalzusammenhang verliere, s. a. a. O., S. 172 f. 167 So zutreffend Frister, AT, 24. Kap. Rn. 20; Bottke, JZ 1994, 71 (72 f.); ders., Methodik (1979), § 18, S. 352 ff.; v. Heintschel-Heinegg, ZStW 109 (1997), S. 29 (36); Herzberg, in: MüKo-StGB1, § 24 Rn. 62 (nunmehr Herzberg / Hoffmann-Holland, in: MüKo-StGB2, § 24 Rn. 52 mit dem Verweis darauf, dass es sich um eine „eigenständige Fallgruppe“ handle); Lackner / Kühl, StGB, § 24 Rn. 10; Maurach / Gössel, AT 26, § 41 Rn. 154 ff., 161; Otto, AT, § 19 Rn. 14; ders., Jura 1992, 423 f.; ders., Jura 2001, 341 (342); Ranft, Jura 1987, 527 (529); Rudolphi, in: SK-StGB, § 24 Rn. 8. Zutreffend auch schon RGSt 63, 158 (159): „Aus demselben Grund ist für einen Rücktritt […] kein Raum, wenn der Täter – zutreffend oder fälschlich – sein Unternehmen für bereits gescheitert hält. Was immer er unter dieser Einwirkung dieser Vorstellung unterlassen oder vornehmen und was immer ihn dazu bewegen möge, mit dem Willen, das noch im Lauf befindliche Unternehmen aufzugeben oder rückgängig zu machen, kann er dabei nicht handeln.“ Missverständlich ist indessen das Eingehen auf die Freiwilligkeit, wenn das RG innerhalb desselben Urteils feststellt, es spiele keine Rolle, dass der Täter irrig von einem Scheitern seiner Tat ausgegangen sei, denn er tue es „solchenfalls unwissentlich, also nicht freiwillig.“ Dies darf nicht dahin verstanden werden, dass der Rücktritt erst an der Freiwilligkeit scheitere; vielmehr geht das RG an dieser Stelle auf das Urteil der vorherigen Instanz ein. Dass die Freiwilligkeit in diesem Fall auch abzulehnen sei, ist allein Folge der Tatsache, dass schon kein Rücktrittswille vorliegt. Deutlicher stellt dies RGSt 68, 381 heraus. Vgl. hierzu ebenso Roxin, JuS 1981, 1 (5) und Rudolphi, in: SK-StGB, § 24 Rn. 8, die sich gegen die Vermengung von Fehlschlag und Freiwilligkeit wenden. 168 So bspw. F.-C. Schroeder, NStZ 2009, 9 ff. 169 Überzeugend jüngst in einer Erwiderung auf den o. g. Aufsatz F.-C. Schroeders Roxin, NStZ 2009, 319 ff. 170 Kritisch Lackner / Kühl, StGB, § 24 Rn. 6. 171 s. nur BGHSt 31, 170 (176); 33, 295 (297 f.); 36, 224 (225 f.); (GS) 39, 221 (228). 172 s. nur Krey / Esser, AT, Rn. 1275 ff.; Kühl, AT, § 16 Rn. 27; Otto, Jura 2001, 341 (342 f.); Rengier, JZ 1986, 964 ff.; Roxin, JR 1986, 424 ff.; Streng, JZ 1990, 212 (213 f.); Rudolphi, in: SK-StGB, § 24 Rn. 12b; Wessels / Beulke, AT, Rn. 633 ff.; vgl. auch Puppe, NStZ 1986, 14 ff. 173 Eser, in: Schönke / Schröder, StGB, § 24 Rn. 20 f. m. w. N.; Paeffgen, in: FS Puppe (2011), S. 791; Ulsenheimer, Grundfragen (1976), S. 240 f.; s. auch jüngst Wege, Rücktritt und Normgeltung (2011), S. 134 ff.

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Kap. 2: Die Bedeutung der einzelnen Tatbestandsmerkmale

jeden Ausführungsakt isoliert bewerten wollen. Gegen Letztere wird zu Recht eingewandt, dass sie die „unstreitige“174 Handlungseinheit missachtet, um eine Bestrafung gerade in den Fällen zu ermöglichen, in denen ein Rechtsgut schon durch die erste Angriffs- bzw. Ausführungshandlung extrem gefährdet wurde.175 Auf die Problematik der beiden Ansichten wird später noch einmal näher einzugehen sein.176 Darüber hinaus ist festzustellen, dass für den Rücktrittsvorsatz zeitlich nicht anders anzuknüpfen sein sollte als für den Tatvorsatz. Nach § 16 Abs. 1 S. 1 StGB kommt es auf den Zeitpunkt der „Begehung der Tat“ an. Dieser ist in § 8 StGB näher gekennzeichnet als der Zeitpunkt, in dem der Täter gehandelt hat oder hätte handeln müssen. Deshalb muss es parallel dazu für den Rücktrittsentschluss auch ausreichen, wenn dieser zum Zeitpunkt des Rücktrittsverhaltens vorliegt.

4. Zwischenergebnis für das Merkmal der Tataufgabe Dem Aufgabe-Merkmal immanenten subjektiven Element ist – was auffällt – bislang (zu) wenig Beachtung geschenkt worden. Dies mag seinen Grund darin haben, dass das Tatbestandsmerkmal „freiwillig“, über das noch zu sprechen sein wird, dazu verleitet, alle Problemstellungen, die dem subjektiven Bereich angehören, in dieses Erfordernis zu verlagern. Dass jedoch auch der Tataufgabe als solcher der subjektive Aspekt des Rücktrittsentschlusses anhaftet, wird oft übersehen bzw. unterschätzt. Es stellten sich daher die Fragen, welche Maßstäbe an den für den Rücktritt erforderlichen Vorsatz des Täters anzulegen sind, und welche Bedeutung den drei verschiedenen Vorsatzarten der Absicht, Wissentlichkeit und des bedingten Vorsatzes zukommt. Grundlage für die Untersuchung war, dass die Entscheidung des Täters zum Rechtsgutserhalt festgestellt werden muss. In Fall (1) handelt der Täter nach der herkömmlichen Einordnung der Vorsatzform mit Absicht, sodass in jedem Falle vom Vorliegen des Rücktrittsvorsatzes auszugehen ist. Fall (2) bietet ein Beispiel dafür, dass die Vorsatzform des dolus directus 2. Grades ebenfalls herangezogen werden kann, da bei stark hervortretender Wissenskomponente der innere Wille des Täters am tatsächlichen Rücktrittsentschluss nichts zu ändern vermag. Problematischer liegen die Dinge in Fall (3), d. h. dann, wenn ein Täter sich hinsichtlich des Eintritts des Erfolges bzw. seines Ausbleibens nicht sicher ist. Im ErHerzberg, in: MüKo-StGB1, § 24 Rn. 87; jetzt ähnlich Herzberg / Hoffmann-Holland, in: MüKo-StGB2, § 24 Rn. 60. 175 Ausführlich zu Argumenten gegen die Einzelaktstheorie Ranft, Jura 1987, 527 (530) sowie Paeffgen, in: FS Puppe (2011), S. 791 ff. 176 s. unten Kapitel 3 III. 2. a). 174

II. Verhindern der Tatvollendung

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gebnis wird jedoch gerade nicht die übliche Abgrenzung zwischen dolus eventualis und bewusster Fahrlässigkeit vorgenommen, sondern festgestellt, dass bei bloßer Möglichkeitsvorstellung hinsichtlich des Erfolgseintritts die Entscheidung des Täters zum Rechtsgutserhalt deutlich nach außen treten muss. Dies zeigte sich noch einmal insbesondere bei einem Vergleich der Konstellationen (3) und (4). Einen bewusst fahrlässigen Rücktritt gibt es folglich nicht, was insbesondere darauf zurückzuführen ist, dass einem (weiteren) Untätigbleiben des Täters kein Erklärungswert zugeschrieben werden kann und für § 24 StGB die Manifestation des Rücktrittsentschlusses nach außen erforderlich ist. Daher darf und muss verlangt werden, dass ein Täter, der ernsthaft einen Rücktrittsentschluss fasst, etwaige Unsicherheiten vermeidet. Dies ist vom Wortlaut des Aufgebens auch gedeckt, denn dieser zwingt nicht dazu, es ausreichen zu lassen, dass der Täter „auf gut Glück“ dem Geschehen freien Lauf lässt.

II. § 24 Abs. 1 Satz 1 Var. 2 und § 24 Abs. 2 Satz 1 StGB – Verhindern der Tatvollendung § 24 Abs. 1 Satz 1 Var. 2 und § 24 Abs. 2 Satz 1 StGB erfassen die Fälle des Rücktritts beim beendeten Versuch des Einzeltäters (Abs. 1 S. 1 Var. 2) und des Rücktritts bei der Beteiligung Mehrerer am Versuch (Abs. 2 S. 1). Die Rechtsprechung177 verlangt hierfür jeweils die erfolgreiche und kausale Verhinderung der Tatvollendung durch eigene Tätigkeit178 des Täters, wobei dieser sich auch fremder Hilfe bedienen darf. Ob der Täter aktiv tätig werden muss179 oder ob auch unter Umständen ein Unterlassen ausreichen kann, wird kontrovers diskutiert. Obgleich aus traditioneller Sicht die Freiwilligkeit als das (alleinige) subjektive Moment des Rücktritts angesehen wird, ist bereits beim Merkmal des Aufgebens festgestellt worden, dass hiermit nicht nur ein objektives Unterlassen gemeint ist, sondern auch die innere Abstandnahme von der Tat. Dass auch die Vollendungsverhinderung mit subjektiven Anforderungen einhergehen muss, ergibt sich schon aus dem natürlichen Wortlaut des „Verhinderns“: Der Begriff „Verhindern“ beinhaltet ein bewusst gegenläufiges Aktivwerden und nicht nur die bloße Verursachung des Nichteintritts des Erfolges.180 So wird in der Regel in der Rechtsprechung wie auch im Schrifttum für die Verhinderung verlangt, dass der Täter „willentlich eine neue Kausalreihe in Gang setzt, die für die Nichtvollendung der Tat wenigstens mitursächlich wird.“181 Subjektiv ist also erforderlich, dass die Handlungen des Täters 177 s. nur BGH MDR (H) 1980, 453; StV 1981, 396 f.; a. a. O., 514; NStZ-RR 1997, 193; BGH NStZ 2004, 614. 178 Vgl. auch E 1962 Begr. S. 145. 179 Lackner / Kühl, StGB, § 24 Rn. 19; Mitsch, in: Baumann / Weber / Mitsch, AT, § 27 Rn. 27; Zaczyk, in: NK-StGB, § 24 Rn. 56 m. w. N.; a. A. Frister, AT, 24. Kap. Rn. 49. 180 Zutreffend Herzberg, NJW 1989, 862 (866); Zieschang, GA 2003, 353 (360).

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Kap. 2: Die Bedeutung der einzelnen Tatbestandsmerkmale

auf Vereitelung der Tatvollendung abzielen182. Der Täter müsse den Vollendungsvorsatz aufgeben und durch den Vorsatz zur Verhinderung des Erfolges ersetzen und sodann die bereits von ihm in Gang gesetzte Kausalkette bewusst und gewollt unterbrechen.183 Th. Fischer184 betont, es sei in der Rechtsprechung „nicht ganz klar“, ob die Forderung des „Abzielens“ mehr erfordere als das Bewusstsein, dass die Handlung geeignet sei, den Erfolgseintritt zu verhindern. Er selbst spricht sich aber dafür aus, dass es in keinem Falle ausreichen könne, wenn der Täter den Erfolgseintritt weiterhin „billigend in Kauf“ nehme. Damit zieht Th. Fischer die Terminologie der Abgrenzungskriterien des dolus eventualis heran und scheint auf die Willenskomponente abstellen zu wollen. Demnach könnte immerhin in den Fällen der Vollendungsverhinderung die Abgrenzung zwischen Eventualvorsatz und bewusster Fahrlässigkeit relevant werden. Hierzu kann bereits jetzt festgehalten werden, dass das Problem anders gelagert ist als beim Aufgabe-Merkmal. Genauer gesagt: Es sind insoweit zwei Ebenen zu untersuchen. Im Rahmen der Tataufgabe wurde gezeigt, dass ein objektives Untätigbleiben dann nicht ausreicht, wenn der Täter den Erfolgseintritt für möglich hält185, und dass es einen bewusst fahrlässigen Rücktritt nicht gibt. Lässt sich objektiv ein Tätigwerden des Täters feststellen, ist zu fragen, ob der Täter davon ausgeht, mit seiner Maßnahme den Erfolg vermeiden zu können, was zum einen bedeutet, dass er seinen ursprünglichen Tatentschluss fallen lässt, und zum anderen, dass er sein Tätigwerden für hinreichend erfolgsvermeidungstauglich hält. Nicht genügend für ein Rücktrittsverhalten ist jedenfalls ein Tätigwerden zum Schein, etwa zur Verschleierung der Täterschaft.186 Auch die Situation eines „fahrlässigen Rücktritts“, bei dem der Täter weder auf kognitiver noch auf voluntativer Ebene einen Entschluss zur Erhaltung des Rechtsguts fasst, kann nicht als Rücktritt im Sinne des § 24 StGB gewertet werden.187 In welcher Intensität der Verhinderungswille vorliegen muss, bedarf allerdings einer Klärung. 181 s. nur BGHSt 48, 147 (149 ff.); BGH NJW 1985, 813; s. auch Eser, in: Schönke / Schröder, StGB, § 24 Rn. 59; Rengier, AT, § 37 Rn. 118; Wessels / Beulke, AT, Rn. 644; Zaczyk, in: NK-StGB, § 24 Rn. 62. 182 BGHSt 31, 46 (49): 33, 301; 48, 147; BGH NJW 1989, 2068; BGH Beschl. v. 06. 07. 2004 – 5 StR 250 / 04: „Vereitelungswille“ (abrufbar unter www.bundesgerichtshof.de; Stand: 25. 11. 2012); Frister, AT, 24. Kap. Rn. 40; Kudlich / Schuhr, in: Satzger / Schmitt / Widmaier, StGB, § 24 Rn. 44; Maurach / Gössel, AT 26, § 41 Rn. 169; vgl. auch Rudolphi, in: SKStGB, § 24 Rn. 27a f.: „Rettungsentschluss“; s. auch Fischer, StGB, § 24 Rn. 30. 183 s. nur BGHSt 31, 46 (49); BGH MDR (H) 1978, 279; BGH NJW 1989, 2968; Eser, in: Schönke / Schröder, StGB, § 24 Rn. 59; Lilie / Albrecht, in: LK-StGB12, § 24 Rn. 282; Rengier, AT, § 37 Rn. 118 f. Nicht ausreichend ist es also, wenn etwa die Täterin ihren Ehemann mit einem Gifttrunk töten will und sie gerade in dem Moment, als sie ihm das Glas überreichen will, aus Unachtsamkeit stolpert und das Getränk vergießt. 184 StGB, § 24 Rn. 30. 185 Hierzu auch schon Ulsenheimer, Grundfragen (1976), S. 223 f. 186 BGHSt 48, 147 (149 f.); BGH NStZ 1999, 300 (301); NStZ-RR 1999, 327; NStZ 2008, 329 f.; Herzberg / Hoffmann-Holland, in: MüKo-StGB2, § 24 Rn. 136; Rengier, AT, § 37 Rn. 122.

II. Verhindern der Tatvollendung

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Umstritten ist insgesamt, welche Anforderungen an das Maß der Bemühungen des Täters zur Vollendungsverhinderung zu stellen sind.188 Während von manchen Autoren verlangt wird, der Täter habe von den Verhinderungsmaßnahmen, die ihm zur Verfügung stehen, die optimalen zu ergreifen189 (teils unter Heranziehung des „ernsthaften Bemühens“ nach § 24 Abs. 1 S. 2 StGB190), soll nach der Gegenauffassung191 („Chanceneröffungstheorie“192) ein kausales Tätigwerden zur Erfolgsverhinderung ausreichen. Schon aus dem oben Gesagten ergibt sich, dass das Handeln des Täters auch auf den Nichteintritt des Erfolges gerichtet sein muss, sodass es nicht allein auf die objektive Verursachung der Nichtvollendung ankommen kann. Zwar wird geltend gemacht, dass der Gesetzgeber eine Verhinderungsverursachung ausreichen lassen wollte und dass auch bei § 46 StGB a. F., der Vorgängernorm, Kausalität ausreichte.193 Dies – als richtig unterstellt – ist allenfalls für das objektive Element und für die Frage relevant, ob der Täter in objektiver Hinsicht optimale Maßnahmen zur Erfolgsverhinderung ergreifen muss. Dass subjektiv keine weitergehenden Anforderungen an den Täter gestellt werden können, ist hiermit noch nicht gesagt, zumal sich aus dem Wortlaut des Verhinderns eine subjektive Komponente durchaus herleiten lässt (s. o.). So fordern im Übrigen

187 Hierzu auch Greeve, Zielerreichung (2000), S. 150, die dies einem Umkehrschluss zur Strafbarkeit des Versuchs entnimmt: Wenn nur ein vorsätzlicher, nicht aber ein fahrlässiger Versuch möglich ist, soll dies für den Rücktritt auch gelten. 188 Einen guten Überblick liefert Boß, Rücktritt (2002), S. 46 ff. (Stand der Rechtsprechung) und S. 60 ff. (Meinungen des Schrifttums). Vgl. auch mit i. E. differenzierender Ansicht Roxin, in: FS Hirsch (1999), S. 327 ff. 189 s. nur Herzberg, NJW 1991, 1633 (1637); ders., NJW 1989, 862 (867); Jakobs, AT, 26. Abschn. Rn. 21; Mitsch, in: Baumann / Weber / Mitsch, AT, § 27 Rn. 28; Murmann, Versuchsunrecht und Rücktritt (1999), S. 61 ff.; Puppe, NStZ 1995, 403 (404); Weinhold, Rettungsverhalten (1990), S. 84 ff., 97 ff., 113. Zieschang, GA 2003, 353 ff. verlangt zwar „mehr als bloße Kausalität, nicht aber zwingend optimale Leistungen“ (a. a. O., 362). 190 So bspw. Herzberg, NJW 1989, 862 ff.; ders., NStZ 1989, 49 ff.; ders., NJW 1991, 1633 (1637).; ders., in: FS Kohlmann (2003), S. 37 (48): „sorgfältiges Bemühen“; Römer, Fragen des „ernsthaften Bemühens“ (1987), S. 49 ff., 54 f.; ders., MDR 1989, 945. Gegen die Heranziehung der Ernsthaftigkeit bei § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 StGB Rau, Ernsthaftes Bemühen (2002), S. 120 ff. 191 BGHSt 33, 295, (301); 44, 204 (207); 48, 147 (151 f.); BGH StV 1981, 514 f.; NJW 1985, 813; 1986, 1001; StV 1994, 304; NStZ-RR, 1997, 233; NStZ 1999, 128; NJW 2002, 3719 (3720); NStZ 2004, 614; 2006, 503 (505); 2008, 508; Bloy, JuS 1987, 528, 530 f.; Eser, in: Schönke / Schröder, StGB, § 24 Rn. 59; Kudlich / Schuhr, in: Satzger / Schmitt / Widmaier, StGB, § 24 Rn. 45; Kühl, AT, § 16 Rn. 67 ff.; Puppe, NStZ 1984, 488 (490); Rudolphi, NStZ 1989, 508 (511 f.); ders., in: SK-StGB, § 24 Rn. 27c; ferner Lilie / Albrecht, in: LK-StGB12, § 24 Rn. 289 m. w. N. Vgl. auch Boß, Rücktritt (2002), S. 143 ff., 196 f., der neben der bloßen Mitursächlichkeit die objektive Geeignetheit und Vorhersehbarkeit der Rücktrittshandlung für den Rücktrittserfolg verlangt; s. hierzu auch noch im Folgenden. 192 Bezeichnung nach Roxin, in: FS Hirsch (1999), S. 327 (328 ff.), der einen Überblick über diese Ansicht und ihre Argumente gibt. 193 Boß, Rücktritt (2002), S. 101 mit Verweis auf Busch, in: LK-StGB9, § 46 Rn 31 für weitere Nachweise.

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Kap. 2: Die Bedeutung der einzelnen Tatbestandsmerkmale

auch Vertreter der bloßen Kausalitätsthese das Vorliegen eines Rücktrittsvorsatzes.194 Richtigerweise wird man – und insoweit spielt hier das subjektive Element bereits eine Rolle – vom Täter fordern müssen, auf das Rettungsmittel zurückzugreifen, das aus seiner Sicht erforderlich und auch verlässlich ist. Er darf das Eintreten oder Ausbleiben des Erfolges nicht dem Zufall überlassen.195 Auch wenn beispielsweise die Rechtsprechung nicht verlangt, dass der Täter die objektiv optimale Maßnahme ergreift, so heißt es auch bei ihr dennoch: „Wer damit rechnet oder auch nur für möglich hält, daß der tatbestandsmäßige Erfolg auf Grund seines tatbestandsmäßigen Handelns eintritt, muß auf Verhinderung der Tatvollendung gerichtete Tätigkeiten entfalten. […] Er darf dem Zufall dort nicht Raum bieten, wo er ihn vermeiden kann.“196

Vielmehr müsse er seine Abstandnahme von der Tat nach außen hin manifestieren, indem er solche Handlungen vornimmt, die aus seiner Sicht zur Erfolgsvereitelung geeignet sind, und er darf sich nicht mit Maßnahmen begnügen, von denen er erkennt, dass sie unzureichend sind oder sein könnten.197 Unternimmt der potentiell Zurücktretende aus seiner Sicht Maßnahmen, die lediglich eine vage Chance für die Erhaltung des Rechtsguts eröffnen und trotz derer der Erfolgseintritt somit weiterhin möglich ist, so wird es darauf ankommen, ob er sich für den Fall, dass diese sich als 194 So schon die Rspr., die zwar die bloße Kausalität ausreichen lassen will, aber ein willentliches Handeln verlangt, s. nur BGHSt 31, 46 (49). 195 So überzeugend Eser, in: Schönke / Schröder, StGB, § 24 Rn. 59; Fischer, StGB, § 24 Rn. 35; Heckler, Rücktrittsleistung (2002), S. 187 ff.; Jakobs, ZStW 104 (1992), S. 82 (91 f.); Kolster, Qualität der Rücktrittsbemühungen (1993), S. 112 f.; Krey / Esser, AT, Rn. 1314; Lilie / Albrecht, in: LK-StGB12, § 24 Rn. 292 ff., 295; Murmann, Versuchsunrecht und Rücktritt (1999), S. 64 ff.; Zaczyk, in: NK-StGB, § 24 Rn. 61. Vgl. darüber hinaus auch Herzberg, in: MüKo-StGB1, § 24 Rn. 54 ff., 159 f., 218, der in einem neuen Gesetzesvorschlag für sämtliche Rücktrittskonstellationen ein sorgfältiges Bemühen des Täters um Vollendungsvermeidung verlangt (s. nunmehr Herzberg / Hoffmann-Holland, in: MüKo-StGB2, § 24 Rn. 134 f., 136). Insoweit kann auch der differenzierenden Ansicht bei Roxin, AT II, § 30 Rn. 243, nicht gefolgt werden, nach der zwischen eigenhändigen (dann Chanceneröffnungstheorie) und fremdhändigen Erfolgsverhinderungen getrennt werden soll: Auch wenn der Täter durch eigene Tätigkeit, d. h. mit eigenen Händen den Erfolgseintritt verhindert hat, wird man ein hierauf zielgerichtetes Handeln verlangen müssen (vgl. auch Herzberg, in: MüKo-StGB1, § 24 Rn. 163 f.). Hiergegen spricht auch nicht das von Roxin angeführte Wortlautargument, da dem Verhindern an sich eine Ausrichtung auf ein bestimmtes Ziel – eben die Verhinderung eines bestimmten Ereignisses – immanent ist. Wohl de lege ferenda auch Jakobs, AT, 26. Abschn. Rn. 21. M. Walter, Rücktritt (1980), S. 140, fordert ein ernsthaftes Bemühen, jedoch nicht unter Heranziehung des § 24 Abs. 1 S. 2 StGB, sondern im Rahmen seines Modells der „Normbefolgungsbereitschaft“. Walter verlangt danach keine Optimalleistungen des Täters, sondern ein Vorgehen, das aus Täterperspektive den Nichteintritt des Erfolges als hinreichend sicher und nicht lediglich als Zufallsergebnis erwarten lässt. 196 BGHSt 31, 46 (49 f.); BGH NStZ-RR 1997, 194. 197 BGH a. a. O.; dies bestätigend BGHSt 48, 151 ff.; BGH (1. Senat) NJW 2002, 3720; und zust. BGH (2. Senat) NJW 2002, 3719; vgl. auch Kühl, AT, § 16 Rn. 66. Zu der insgesamt wohl nicht einheitlichen Linie der Rechtsprechung Boß, Rücktritt (2002), S. 46 ff., 59.

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unzureichend erweisen, zur Absicherung bereit hält. Eine andere Sichtweise vertrüge sich nicht mit der Forderung nach einem Täterverhalten, das auf Erfolgsverhinderung gerichtet ist. Da hiernach auch unvermutete Erfolgsverhinderungen nicht für einen Rücktritt ausreichend sind, bedarf es neben dem Kausalitätserfordernis der Verhinderungshandlung für das Ausbleiben des Erfolges auch nicht mehr der Heranziehung der Kriterien der objektiven Zurechnung.198 De lege lata kommt es also schon bei der Verhinderungshandlung ganz maßgeblich auch auf die subjektive Sicht des Täters an. Die genauen Anforderungen an den „Verhinderungsvorsatz“ bedürfen allerdings noch der Festlegung. Keine Probleme bereiten die Fälle, in denen der Täter mit „dolus directus 1. Grades“ im Hinblick auf die Verhinderung der Vollendung handelt, ein aus seiner Sicht zu diesem Zweck verlässliches Mittel wählt, und den tatbestandlichen Erfolg nicht mehr in Kauf nimmt. Schwieriger zu beurteilen sind Konstellationen wie die des Gashahn-Falles in BGHSt 48, 147: Der Angeklagte hatte in Selbsttötungsabsicht zwei Gashähne in seiner im Erdgeschoß eines 12-Familien-Hauses gelegenen Wohnung geöffnet. Später wurde ihm bewusst, dass es durch das ausströmende Gas zu einer Explosion kommen könnte und dass hierdurch andere Hausbewohner verletzt oder getötet werden könnten. Nachdem er dies zunächst billigend in Kauf genommen hatte, änderte er seinen Willen. Er rief sowohl die Feuerwehr als auch die Polizei an, nannte seinen Namen und seine Anschrift und forderte die genannten Stellen auf, sogleich für eine Rettung der Hausbewohner zu sorgen. Dabei blieb er weiter bei seinem Entschluss, sich selbst durch eine Gasvergiftung zu töten. Der Aufforderung, das Gas abzudrehen, kam er nicht nach. Nach Beendigung des zweiten Telefongesprächs wurde der Angeklagte bewusstlos; wenige Minuten später traf die Feuerwehr ein, evakuierte etwa 50 Personen und drehte den Gashahn zu. Bei diesem Sachverhalt ist zu vermerken, dass der Angeklagte zum Zeitpunkt des Telefonats mit Feuerwehr und Polizei in der Absicht handelte, das Leben seiner Nachbarn zu erhalten. Gleichwohl wählte er nicht das optimale Mittel, das in dem Abdrehen der Gashähne gelegen hätte. Es ergibt sich also folgende Konstellation: Der Täter war zwar willens, die durch sein Tun aus seiner Sicht bereits gefährdeten Menschenleben zu retten, und er unterstrich dies auch durch das Setzen eines rettungskausalen Gegenfaktors (Anruf bei Feuerwehr und Polizei). Zugleich hielt er aber die von ihm geschaffene Gefahr in dem Bewusstsein aufrecht, dass sich diese noch immer realisieren konnte, ja, er vertiefte die Gefahr mit jedem Moment, in 198 So zutreffend Lilie / Albrecht, in: LK-StGB12, § 24 Rn. 302 ff., 307 f.; a. A. Bloy, JuS 1987, 528 (532 ff.); Herzberg / Hoffmann-Holland, in: MüKo-StGB2, § 24 Rn. 134 f.; Jäger, Gefährdungsumkehr (1996), S. 93 ff., Otto, AT, § 19 Rn. 46; Roxin, AT II, § 30 Rn. 213; Rudolphi, in: SK-StGB, § 24 Rn. 27c; ders., NStZ 1989, 508 (511); Stratenwerth / Kuhlen, AT I6, § 11 Rn. 92; vgl. auch Boß, Rücktritt (2002), S. 143 ff. Für eine Anpassung der Zurechnungsgrundsätze Rau, Ernsthaftes Bemühen (2002), S. 153 ff., 227.

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dem er das Gas weiter auströmen ließ – und das, obwohl er in der Lage gewesen wäre, die Gefahr zu beseitigen. Hierin liegt ein widersprüchliches Verhalten. Es fehlt hier, da der Täter eine Explosion und somit die Tötung der Menschen ernstlich für möglich hielt und in Kauf nahm, sowohl an dem vollständigen Fallenlassen des ursprünglichen Tatentschlusses als auch an einer hinreichenden Manifestation des Rettungswillens. Zwar setzte der Täter einen rettungskausalen Gegenfaktor, doch er war sich im Klaren darüber, dass er mehr hätte tun können und müssen, um zu vermeiden, dass das Schicksal seiner Nachbarn vom Zufall abhängt. Mit jedem Moment, in dem der Täter die Gashähne geöffnet hielt, vergrößerte er dagegen zusätzlich das Erfolgsrisiko. Abzugrenzen von der gerade genannten Konstellation sind Fälle, in denen der Täter mit Rettungsabsicht handelt, das optimale Rettungsmittel wählt, aber zugleich erkennt und ernstlich für möglich hält, dass der Taterfolg noch immer eintreten kann. Ein Beispiel für eine solche Konstellation wäre eine Abwandlung des Gashahn-Falls: Der Täter kommt der Aufforderung nach, die Gashähne abzudrehen. Er ist sich aber nicht sicher, ob nicht bereits genug Gas ausgeströmt ist, um eine Explosion herbeizuführen; vielmehr hält er eine solche weiterhin ernstlich für möglich. Auf den ersten Blick könnte man annehmen, es liege aufgrund des „ernstlichen Fürmöglichhaltens“ weiterhin ein dolus eventualis im Hinblick auf die Tatvollendung vor. Bei genauerer Betrachtung lässt sich indes feststellen, dass der Täter in der Absicht handelte, die Rechtsgüter doch zu erhalten und dass sich diese Intention auch in seinem äußeren Verhalten niederschlug. Dass dennoch ein Risiko des Erfolgseintritts verbleibt und der Täter sich dessen auch bewusst ist, kann ihn nicht belasten, wenn er zugleich nach seiner Vorstellung das optimale Mittel eingesetzt und sonstigen ausräumbaren Zufällen keinen Raum mehr gelassen hat. Seine Aktivität ist dann objektiv wie subjektiv auf die Erfolgsvermeidung gerichtet. Nun wurde gezeigt, dass nicht nur die voluntative Seite ausschlaggebend für die Bewertung des Rücktrittsvorsatzes ist, sondern auch die kognitive, und dass darüber hinaus das Rücktrittsverhalten mit dem Rettungsvorsatz korrespondieren muss. Weitere Fragen, die sich im Folgenden stellen, sind etwa: Reicht es für einen Rücktritt auch aus, wenn der Täter „wissentlich“ die Vollendung verhindert, obwohl er eigentlich den Erfolgseintritt weiterhin gewollt hätte? Und wie sind Fälle zu behandeln, in denen der Täter die Vollendung der Tat zwar verhindern will, jedoch die nach Lage der Dinge optimale Rettungshandlung nicht vornimmt und in der Folge die Vollendung des Delikts trotz seiner Gegenaktivität noch (ernstlich) für möglich hält? Zu klären sind also (1) Fälle, in denen der Täter zwar weiß, dass er mit seiner Tätigkeit den Erfolgseintritt verhindert, ihm dies aber eigentlich unerwünscht ist und er die Verhinderung lediglich zugunsten der Erreichung anderer Zwecke hinnimmt.199 199

Vgl. auch Fall (2) zur Tataufgabe.

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(2) Fälle, in denen der Täter zwar die Rettung des Rechtsguts beabsichtigt, er aber weiß, dass er selbst nicht alles ihm Mögliche unternimmt. Dies betrifft häufig Fälle, in denen der Täter seine Entdeckung befürchtet und deshalb nicht sämtliche Maßnahmen trifft, die er selbst für erforderlich und geboten hält.200 Herzberg201 ist der Ansicht, dass § 24 StGB allein den Vorsatz zur Nichtvollendung verlange, was bedeute, der Täter müsse ernsthaft mit der Möglichkeit rechnen, den Erfolgseintritt durch die von ihm gesetzten Gegenmaßnahmen abzuwenden. Damit kommt es ihm allein auf das kognitive Element an und nicht darauf, aus welcher Gesinnung heraus die Maßnahmen ergriffen würden und ob der Täter die Rettung auch innerlich wünsche. Während Herzberg im Hinblick auf die Unbeachtlichkeit der Gesinnung zuzustimmen ist, bestehen Zweifel daran, ob dies auch für die weitere These gilt, dass dem Täter die Nichtvollendung unerwünscht sein dürfe. Denn wie verträgt sich dies mit dem Erfordernis des inneren Abstandnehmens von der Tat? Nimmt man Letzteres ernst, so müsste man doch fordern, dass der Täter auch die voluntative Komponente des Vorsatzes aufgibt und sich in jeder Hinsicht von der Vollendung der Tat distanziert. Herzberg begründet seine Ansicht mit einer Parallele zu dem Vorsatzerfordernis beim Versuch, für welchen anerkannt ist, dass dolus eventualis ausreicht: Wenn nach h. M. ein Versuch auch dann vorliegen könne, wenn dem Täter der Eintritt des tatbestandlichen Erfolges von Anfang unerwünscht war, so müsse es umgekehrt beim Rücktritt auch ausreichen, wenn dem Täter der Erfolg seiner Vermeidetätigkeit (also die Nichtvollendung) unerwünscht sei.202 Was bereits oben im Rahmen des Merkmals „Aufgeben“ gezeigt wurde, muss auch bei der Vollendungsverhinderung gelten. Dass dem Täter die Nichtvollendung im Grunde unerwünscht ist, schadet ihm nicht, wenn er mit sicherem Wissen hinsichtlich des Ausbleibens des Erfolges handelt. Erforderlich ist eine Entscheidung für die Erhaltung des Rechtsguts unter Preisgabe des ursprünglichen Tatentschlusses. Wenn nun die voluntative Komponente weder entfällt noch geschmälert wird, dann muss das Wissenselement im Hinblick auf ein erfolgreiches Rücktrittshandeln derart dominieren, dass es den vorherigen Tatentschluss überragt.203 Doch sind nicht nur Fälle denkbar, in denen der Täter bei fortbestehendem Tatvollendungswunsch mit sicherem Rettungswissen handelt: Wie verhält es sich in einem Fall, in dem der Täter lediglich mit bedingtem Rettungsvorsatz handelt, aber das aus seiner Sicht bestgeeignete Mittel einsetzt?

Vgl. auch Fälle (3) und (4) zur Tataufgabe. NJW 1989, 862 (868). 202 Herzberg, a. a. O.; so auch Greeve, Zielerreichung (2000), S. 35, 231; Rudolphi, in: SKStGB, § 24 Rn. 27; Weinhold, Rettungsverhalten (1990), S. 162 ff.; s. auch Zaczyk, in: NKStGB, § 24 Rn. 62: „[E]in Verhalten analog dem bedingten Verletzungsvorsatz genügt […]“; ähnlich wohl auch Bloy, JuS 1987, 528 (532 f.); Boß, Rücktritt (2002), S. 103 f., 184. 203 Vgl. hierzu oben Kapitel 2 I. 1. b) [Beispiel (2) zur Tataufgabe]. 200 201

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Beispiel: Arzt A will den schwerkranken und dahinsiechenden O auf dessen Verlangen hin töten (§ 216 StGB). Er spritzt Gift in die Infusion des O, die zwei Stunden lang braucht, um vollständig in dessen Körper zu fließen. Krankenschwester K erfasst den Vorgang und redet auf A ein, er möge ein Gegengift in die Infusion geben; sie könne ihm sonst nie wieder vertrauen. K zuliebe gibt A das Gegengift zur Infusion. Ob dieses noch rechtzeitig wirkt, weiß A nicht; er hält sowohl die Rettung als auch den Tod des O ernstlich für möglich. Ein andere Maßnahme, um den O zu retten, gibt es nach Lage der Dinge nicht mehr, was A auch weiß. Obwohl er das Gegengift gespritzt hat, weiß A, dass O unendlich unter seiner unheilbaren Krankheit leidet. Deshalb wünscht er sich für seinen Patienten, dass das Gift wirkt und er doch stirbt. Diese Hoffnung erfüllt sich jedoch nicht; das Gegengift kam gerade noch rechtzeitig, um den Tod des O zu verhindern. Schaut man auf den ursprünglichen Tatentschluss des A, so wird man nicht umhin kommen festzustellen, dass dieser nicht gänzlich fallen gelassen wurde, sondern dass A nach wie vor den Erfolgseintritt wünschte. Zugleich aber setzte er eine taugliche Gegenmaßnahme und eröffnete damit – mit immerhin bedingtem Vorsatz – eine reelle Rettungschance. Man wird an dieser Stelle zu entscheiden haben, ob es ausreichen kann, wenn der Täter nach wie vor den Erfolgseintritt wünscht und sich zugleich auch nicht sicher ist, ob die Deliktsvollendung eintritt oder nicht. Entscheidend ist hier der Umstand, dass der Täter bewusst den einzigen Gegenfaktor setzt. Dies reicht für die Annahme eines hinreichenden Rücktrittsvorsatzes aus. Denn eine Schlechterstellung gegenüber dem Täter, der nolens volens eine Gegenmaßnahme in dem sicheren Wissen um ihre Wirksamkeit ergreift, obwohl er eigentlich den Erfolg noch wünscht, ist nicht gerechtfertigt. Ausreichend, aber auch zwingend erforderlich ist es, dass der Täter die Wirksamkeit seines bisherigen Tuns auf eine Art und Weise zur Disposition stellt, dass eine aus seiner Sicht nach Lage der Dinge reelle Rettungschance bereitgestellt wird. Das heißt nicht, dass das optimale Rettungsmittel einzusetzen ist, es ist lediglich, aber auch zwingend erforderlich, dass der Täter bei der Wahl seiner Maßnahmen insoweit sorgfältig vorgeht, als dass er einem zufälligen Erfolgseintritt keinen Raum lässt.204 Bei näherer Betrachtung ergibt sich bei den hier veranschlagten Kriterien eine Parallele zur Vorsatzbestimmung Puppes nach ihrer Lehre von der Vorsatzgefahr.205 Nach dieser soll von Vorsatz dann auszugehen sein, wenn der Täter bewusst eine „für sich betrachtet taugliche Methode zur Herbeiführung des Erfolgs“206 einsetzt. Das

204 Vgl. auch Zieschang, GA 2003, 353 (361); so auch Fischer, StGB, § 24 Rn. 30, 33, 35; vgl. auch Jakobs, AT, 26. Abschn. Rn. 21 und Roxin, AT II, § 30 Rn. 237 ff., der insbesondere zutreffend auch das Gegenargument Bloys (in: JuS 1987, 528 (532)) verwirft, mit erfolgreicher Rettungsmaßnahme manifestiere sich der Rettungswille, sodass der Verletzungsvorsatz ausgeschlossen sei. 205 Puppe, ZStW 103 (1991), S. 1 ff.; dies., GA 2006, 65 ff.; dies., AT1 1, § 16 Rn. 37 ff. 206 Puppe, GA 2006, 65 (74).

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Kriterium der Schaffung einer reellen Rettungschance für das Rechtsgut entspricht der Schaffung einer „qualifizierten“207 Vorsatzgefahr. Auch Puppe geht davon aus, dass in den Fällen, in denen es der Täter dem Zufall überlässt, ob es zum Erfolgseintritt kommt oder nicht, kein Vorsatz vorliegen kann.208 Dies steht nicht im Widerspruch zu dem Befund, dass ein Täter, der nach Versuchsbeginn den Eintritt des Erfolges dem Zufall überlässt nach der Lehre von der Vorsatzgefahr nunmehr keinen „anschließenden“ dolus eventualis im Hinblick auf den Erfolgseintritt hat. Vielmehr ist die Ansicht Puppes auf die Perspektive des Rücktrittsvorsatzes zu übertragen: Wer es dem Zufall überlässt, hat keinen hinreichenden Rücktrittsvorsatz gebildet. Indes verlangt Puppe für die Annahme einer Vorsatzgefahr eine Handlung, welche die Tatvollendung in hohem Maße wahrscheinlich macht; „geringe“ und „mittlere“ Gefahren sollen nicht genügen.209 An dieser Stelle ist zu fragen, ob eine derartige qualitative Anforderung auch an die objektive Rettungstauglichkeit des Mittels gestellt werden soll. Wäre dem so, so wäre eine „hohe Rettungschance“ zu fordern. Zum einen dürften sich hier Schwierigkeiten dahingehend ergeben, die „Höhe“ der „ex-ante-Rettungschance“ sowohl im Einzelfall festzustellen als auch abstrakt ein allgemeines Mindestmaß festzulegen. Ab wieviel prozentiger Rettungschance etwa soll dem Täter dann das Rücktrittsprivileg zugute kommen? Gerade in Fällen wie dem vorgenannten „Infusions-Fall“, in denen die Rettungschance aus einer ex-antePerspektive zunächst recht gering schien, sollte es doch aber dem Täter zugute gehalten werden, dass er sie überhaupt eröffnet und er sodann das Glück gehabt hat, dass sich die Chance verwirklicht. Damit lässt sich festhalten, dass Puppes Lehre von der Vorsatzgefahr hier nicht exakt spiegelbildlich auf die Anforderungen an den Rücktrittsvorsatz zu übertragen ist, sondern nur im Hinblick darauf, dass der Täter nicht sehenden Auges Zufällen Raum lassen darf. In objektiver Hinsicht genügt die Eröffnung einer reellen Rettungschance, mag sie auch aus der ex-ante-Perspektive zunächst gering sein. Ein bloßer „Verhinderungs-Eventualvorsatz“ in dem Sinne, dass sich der Täter im Hinblick auf die generelle Rettungsgeeignetheit des Mittels schon nicht sicher ist und es heranzieht, obwohl er zugleich eine in jedem Falle taugliche Gegenmaßnahme erkennt, kann nach alldem nicht ausreichend sein.210 Fälle derartiger „halbherziger“ Verhinderungshandlungen sind nicht von § 24 StGB erfasst.211 Denn in dem Moment, in dem der Täter den Eintritt des Erfolges für möglich hält und er lediglich ein Verhalten an den Tag legt, von dem er gleichsam meint, dass es den Eintritt des Erfolges doch nicht verhindern könnte, obwohl etwa noch weitere GegenPuppe, AT1 1, § 16 Rn. 38 ff., 48. Puppe, ZStW 103 (1991), S. 1 (19 f.). 209 Puppe, AT1 1, § 16 Rn. 41. 210 Vgl. auch Römer, MDR 1989, 945 (947). 211 Kolster, Qualität der Rücktrittsbemühungen (1993), S. 115; Mitsch, in: Baumann / Weber / Mitsch, AT, § 27 Rn. 28; i. E. wohl auch Frister, AT, 24. Kap. Rn. 40 f.; vgl. auch v. Heintschel-Heinegg, ZStW 109 (1997), S. 29 (52 f.). 207 208

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maßnahmen in Betracht kommen, liegt gerade keine ernsthafte Entscheidung für die Verhinderung des Erfolges und somit für die Erhaltung des Rechtsguts vor.212 Erst recht können versehentlich oder unwissentlich vorgenommene Vereitelungsmaßnahmen für einen Rücktritt nicht ausreichend sein,213 da sie nicht vom Wissen und Willen des Täters getragen und somit unter keinen Umständen zielgerichtet sind. Im Übrigen ist zu bedenken, dass der Täter, der bewusst eine weniger sichere Abwehrmaßnahme ergreift (und den Erfolgseintritt weiterhin in Kauf nimmt), sich nach zutreffender h. L. eines Versuchs durch Unterlassen bei Garantenstellung aus Ingerenz schuldig macht.214 Es erscheint dagegen nicht besonders einleuchtend, ein Rettungshandeln als Rücktrittsverhalten i. S. d. § 24 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 einzustufen, obwohl Ersteres so unzureichend ist, dass es einen Unterlassungsvorwurf begründet.215 Neubacher216 macht demgegenüber geltend, auch bei halbherzigem Rücktrittsverhalten könne der Rücktritt vom Begehungsdelikt bei kausaler Abwendung des Erfolgseintritts bejaht und sodann wegen eines versuchten Unterlassungsdelikts bestraft werden. Doch das überzeugt nicht. Zum einen ist das Ergebnis praktisch im Wesentlichen dasselbe. Denn der Täter wird auch Neubachers Vorschlag zufolge bestraft (wenn auch unter zusätzlicher Strafmilderungsmöglichkeit nach § 13 Abs. 2 StGB). Darüber hinaus erscheint die Kombination von Rücktritts- und Unterlassungslösung reichlich konstruiert, und sie steht quer zu dem Grundsatz, dass ein nachfolgendes Unterlassen im Hinblick auf denselben Unrechtserfolg grundsätzlich hinter das vorangegangene Handeln zurücktritt. Anders sind dagegen Fälle zu behandeln, in denen zum Zeitpunkt der Vornahme der Rücktrittshandlung ein Rücktrittsvorsatz festgestellt werden kann, dieser sich jedoch unmittelbar im Anschluss daran wieder dahingehend ändert, dass der Erfolgseintritt doch wieder angestrebt oder zumindest für möglich gehalten und vom Willen getragen wird. Ein Beispiel für eine solche Situation bildet der sogenannte „E-605-Fall“217: Die Täterin hatte ihrem Ehemann Gift verabreicht und sodann auf dessen Verlangen hin den Notarzt gerufen. Diesen informierte sie jedoch nicht über 212 213

A. A. Weinhold, Rettungsverhalten (1990), S. 168. So schon RGSt 63, 158 (159); 68, 381; s. auch A. P. Gutmann, Freiwilligkeit (1963),

S. 86. 214 v. Heintschel-Heinegg, ZStW 109 (1997), S. 29 (53); Jakobs, AT, 26. Abschn. Rn. 21; Puppe, NStZ 1984, 488 (489); dies., AT2, § 21 Rn. 24; Rudolphi, in: SK-StGB, § 13 Rn. 53; ähnlich Weinhold, Rettungsverhalten (1990), S. 84 ff., 92. Vgl. auch dies., a. a. O., S. 107, wonach jedenfalls das nachfolgende Unterlassen dann selbständig strafbar sein soll, wenn dieses vom positiven Tun in Unrecht und Schuld abweiche (was der Fall sein solle, wenn der Täter nicht den sichersten Weg zur Erfolgsvermeidung einschlage); vgl. auch Boß, Rücktritt (2002), S. 55, der dies im Zusammenhang mit dem Erfordernis eines „durchgängigen Rücktrittswillens“ anspricht sowie ablehnend gegenüber einer nachfolgenden Unterlassensstrafbarkeit ders., a. a. O., S. 118. 215 A. A. wohl Rau, Ernsthaftes Bemühen (2002), S. 130 f. 216 NStZ 2003, 576 (580). S. auch schon Rudolphi, NStZ 1989, 508 (509); ähnlich auch Jakobs, AT, 26. Abschn. Rn. 21. 217 BGH NStZ 1989, 525.

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die Giftbeigabe, sondern versuchte, ihre Tat durch Falschangaben zu verschleiern. Zwar ist es zutreffend, dass es auch für den Rücktrittsvorsatz auf den Zeitpunkt der Vornahme der Rücktrittshandlung ankommt und nicht darauf, ob der Delinquent danach erneut seinen Vorsatz wechselt. Nach Ansicht des BGH hatte die Täterin zum Zeitpunkt des Anrufes wahrscheinlich – wenn auch nur für einen kurzen Moment – ihren Mann retten wollen, sodass zunächst von ihrem Rettungswillen auszugehen war. Statt dann – wie der BGH es angeht – die Figur der sogenannten „Korrektur des Rücktrittshorizonts“ heranzuziehen, wäre es dogmatisch überzeugender gewesen, die nachfolgenden Verschleierungsversuche selbständig rechtlich zu würdigen.218 Hierfür kommt die Annahme eines versuchten Totschlags durch Verschleiern in Form der Falschangaben in Betracht, da diese eine neue Gefahr für das Rechtsgut heraufbeschwört haben. In diesem Fall erscheint also eine Zäsur des Geschehens sachangemessener.219 Die Schwierigkeit lag mangels näherer Angaben im vorliegenden Fall darin, dass aus dem objektiven Verhalten der Ehefrau Rückschlüsse auf ihren Rücktrittswillen zum Zeitpunkt des Notrufes gezogen werden mussten. Das Gericht führte hierzu aus: „Aus welchem Grunde sie den Arbeiter-Samariter-Bund angerufen hat, wenn sie damit nicht die Rettung ihres Ehemannes anstrebte, ist nicht ersichtlich. Eine Auseinandersetzung mit dieser Frage wäre aber erforderlich gewesen, wenn der Angeklagten bereits für diesen Zeitpunkt des Geschehens der Wille zur Rettung ihres Ehemannes abgesprochen werden sollte. Der Verneinung eines solchen Rettungswillens im Zeitpunkt des Anrufs bei den Rettungssanitätern stößt insbesondere auch deswegen auf Bedenken, weil die Angeklagte in diesem Augenblick objektiv das zur Rettung Erforderliche unternahm und insbesondere auch den (kritischen) Zustand ihres Ehemannes nicht beschönigte, sondern ihn so schilderte, daß sofortige Rettungsmaßnahmen in die Wege geleitet wurden.“

Will man der Ehefrau also zugute halten, dass das Absetzen des Notrufes keinen anderen Sinn und sie somit kein anderes Ziel gehabt haben kann, als eine Rettungschance für ihren Mann zu eröffnen, so muss man dieses Tätigwerden zunächst als potentielle Rücktrittshandlung ansehen. Man könnte hiergegen argumentieren, dass hierin nicht das optimale Rücktrittsverhalten lag, sondern dass daneben zu fordern ist, dass sie den Arzt auch vollständig aufklärt. Problematisch ist aber vorliegend, dass im Unklaren blieb, welche Vorstellung die Ehefrau hinsichtlich der Möglichkeit der Rettung hatte. Sollte sie der Ansicht gewesen sein, allein die Verständigung eines Arztes würde zur Rettung genügen, weil dieser in jedem Fall würde helfen 218 So auch Boß, Rücktritt (2002), S. 55, der in den Verschleierungsversuchen einen Versuch des Totschlags durch Unterlassen in Betracht zieht. Kritisch zur Argumentation des BGH auch Roxin, in: FS Hirsch (1999), S. 327 (341); s. auch Rau, Ernsthaftes Bemühen (2002), S. 91 f. 219 Kolster, Qualität der Rücktrittsbemühungen (1993), S. 117 f., unterteilt das Geschehen in dem hier besprochenen Fall hingegen nicht, sondern sieht das Verhalten der Täterin als für einen Rücktritt ungeeignet an, da sie das vermeidbare Risiko nicht beseitige und ihr Verhalten somit keine Kompensation darstelle; ein Rettungswille könne nicht unterstellt werden.

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können, so hätte sie aus ihrer Sicht bereits eine reelle Rettungschance geschaffen, die den Erfolgseintritt auch nicht mehr lediglich von einem Zufall abhängen ließ, den sie selbst hätte ausräumen müssen. Dass sie neben der bloßen Verständigung des Notarztes unter Nennung der Symptome, die ihr Mann zeigte, auch noch vollständig über die Gifteinnahme aufklären musste, dass sie also alles ihr Mögliche und somit objektiv optimale Rettungsmaßnahmen zu ergreifen hatte, ist zunächst nicht zu verlangen. Dies zeigt sich auch darin, dass ihr das Rücktrittsprivileg auch dann hätte zugute kommen müssen, wenn der Arzt tatsächlich von selbst sofort erkannt hätte, dass eine Vergiftung mit dem E-605 vorlag. Man denke an den Fall, dass der Arzt sofort die Ursache für den schlechten Gesundheitszustand des Mannes erkannt hätte und sofort die notwendigen Maßnahmen hätte treffen können. In diesem Fall der Ehefrau das Rücktrttsprivileg mit der Begründung zu versagen, sie hätte noch mehr tun können und müssen, wäre nicht überzeugend. Hier lag der Fall jedoch vielmehr so, dass der Ehefrau vorzuwerfen ist, durch zusätzliche irreführende Falschangaben, die der Verschleierung ihres eigenen Tuns dienten, ein neues, eigenständiges Risiko geschaffen haben.220 Ein Rücktritt mit fortbestehendem dolus eventualis hinsichtlich der Erfolgsverwirklichung ist nur möglich, wenn der Täter eine aus seiner Sicht reelle Rettungschance für das Rechtsgut in der Form eröffnet, dass er Zufällen, die er ausschließen kann, keinen Raum mehr lässt. Dass sich hieraus nicht ergeben muss, dass der Täter optimale Rettungsmittel zu ergreifen hat, steht auch nicht im Wertungswiderspruch zu den Anforderungen an Garantenpflichten. Einen solchen Widerspruch sieht aber Roxin221: Derjenige, der vorsätzlich sein Opfer verletzt habe, dürfe nicht besser stehen, als derjenige, der fahrlässig einen anderen überfahren und infolgedessen bestmögliche Rettungsmaßnahmen zu ergreifen habe. Diese Wertung ist sicher richtig. Denn grundsätzlich trifft es zu, dass der fahrlässig Handelnde die bestmöglichen Rettungsmaßnahmen vornehmen muss, weil er ansonsten für den Erfolgseintritt im Rahmen eines unechten Unterlassungsdeliktes haften würde. Man muss sich aber über eines klar werden: Wenn der zuvor fahrlässig Handelnde unter mehreren Maßnahmen eine solche wählt, die er zwar nicht für rettungsoptimal, dennoch aber für rettungsgeeignet hält, und die auch tatsächlich den Erfolg abwendet, dann reicht dies für die Nichtstrafbarkeit aus. Lehnt man einen Rücktritt bei fortbestehendem dolus eventualis ohne gleichzeitige Schaffung einer reellen Rettungschance unter Zufallsausschluss hinsichtlich des Erfolgseintritts ab, so hat dies im Übrigen zugleich den Vorteil, dass wertungsmäßig kein Unterschied mehr besteht zwischen einem Rücktrittsverhalten, das klassischerweise nach der Versuchshandlung erfolgt, und dem sogenannten antizipierten Rücktrittsverhalten222, das vor oder zugleich mit der Versuchshandlung vorgenommen wird. 220 Allerdings darf dann in dieser Konstellation der Grundsatz „nemo tenetur se ipsum accusare“ nicht außer Acht gelassen werden. Hier wäre im Einzelnen zu klären, inwieweit Verschleierungsmaßnahmen als Ausfluss dieses Grundsatzes die Grenze der Strafbarkeit überschreiten. 221 In: FS Hirsch (1999), S. 327 (337 f.).

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Auf eines sei noch der Vollständigkeit halber hingewiesen: Ein bedingter Rettungswille und ein bedingter Erfolgsherbeiführungswille (oder etwa nach Jakobs223: Unterlassungswille) schließen sich – entgegen anders lautender Behauptung insbesondere von Bloy224 – nicht aus. Das Gegenteil beweisen die zuvor genannten Beispielskonstellationen und die Fälle des halbherzig Handelnden, der sowohl die Möglichkeit des Erfolgseintritts als auch die der Nichtvollendung sieht und sich mit beiden Ergebnissen seines Handelns abfindet. Zudem unterliegen Weinhold 225 und gerade auch der ihr zustimmende Boß226 wohl einer Fehlvorstellung, wenn sie davon ausgehen, Jakobs könne zu seinem Ergebnis nur deshalb gelangen, weil er einem kognitiven Vorsatzverständnis folge. Denn sie übersehen, dass die rein kognitiven Vorsatzverständnisse im Sinne der Möglichkeits- oder Wahrscheinlichkeitstheorien in der Regel zu den gleichen Ergebnissen führen wie die herrschende Ernstnahmetheorie: Wer einen Erfolgseintritt ernstlich für möglich hält und dennoch handelt, wird ihn regelmäßig auch in Kauf nehmen. Auch das Argument, dass der Täter sich gerade mit dem Tod des Opfers nicht abfinde, wenn er aktiv wird, um es doch zu retten,227 und dass deshalb ein Unterlassungsvorsatz, wie Jakobs ihn annehmen wolle, nicht gegeben sei, kann nicht überzeugen. Wer sich mit dem Erfolgseintritt tatsächlich nicht abfinden mag, der wird tun, was er für notwendig und ausreichend hält, um das Rechtsgut zu retten und hierbei sorgfältig vorgehen. Verhält er sich bewusst halbherzig, so wird man ihm eine gänzliche Abstandnahme von der Tat nicht bescheinigen können.228 Als Beispiel hierzu kann der berühmte Krankenhaus-Fall BGHSt 31, 46 dienen: Der Ehemann hatte seine Frau körperlich schwer misshandelt und sie sodann – anstatt sie bis in die Hände des Klinikpersonals zu begleiten – nur bis vor das Portal eines Krankenhauses gefahren, wo die Frau bewusstlos zusammenbrach und erst von Passanten gefunden wurde, die sie ärztlicher Hilfe zuführten. Hier hängt die Richtigkeit des Ergebnisses des BGH – der Versagung des Rücktritts – davon ab, ob der Täter vom Ausbleiben des Todeserfolges ausging oder ob er vielmehr selbst daran zweifelte und den Erfolgseintritt nach wie vor für möglich hielt. Dies ist TatHierzu Herzberg, in: MüKo-StGB1, § 24 Rn. 165; Puppe, NStZ 1984, 488 (489); dies., AT , § 21 Rn. 49 f.; Roxin, AT II, § 30 Rn. 240; Wege, Rücktritt und Normgeltung (2011), S. 116 ff.; ausführlich auch Boß, Rücktritt (2002), S. 88 ff. sowie S. 113 ff. Scheinfeld, JuS 2006, 397 (399), stellt maßgeblich darauf ab, dass das Kriterium der Sorgfältigkeit bei Vornahme einer vorzeitigen Rücktrittshandlung nicht erfüllt sei; zust. Lackner / Kühl, StGB, § 24 Rn. 19a; vgl. auch v. Heintschel-Heinegg, ZStW 109 (1997), S. 29 (46). 223 Jakobs, AT, 26. Abschn. Rn. 21, nimmt einen Unterlassungsversuch an, wenn die vom Täter geleistete Hilfe nicht die „optimale Nutzung der ihm verfügbaren Abwendungschancen“ darstellt. 224 JuS 1987, 528 (532); vgl. aber Weinhold, Rettungsverhalten (1990), S. 110, 125, nach der Rettungsabsicht und Eventualvorsatz bzgl. des Erfolges miteinander vereinbar sind. 225 A. a. O., S. 108. 226 Rücktritt (2002), S. 109. 227 Weinhold, Rettungsverhalten (1990), S. 109; ähnlich Bloy, JuS 1987, 528 (532). 228 Vgl. auch Roxin, in: FS Hirsch (1999), S. 327 (333 f.). 222 2

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frage und lässt sich den Feststellungen in BGHSt 31, 46 (48) „Er [der Täter] unterbrach jedoch die Heimfahrt und kehrte noch einmal in die Nähe des Krankenhauses zurück, ‚um … seine anfänglichen Zweifel, ob seine Frau das Krankenhaus erreichte, zu beruhigen.‘“ nicht explizit entnehmen.229 Jedoch stand fest, dass der Angeklagte die Lebensbedrohlichkeit der Verletzungen erkannt hatte, und es kann nicht davon ausgegangen werden, dass er das bloße Absetzen seiner Frau in Krankenhausnähe für geeignet hielt, den Erfolg in jedem Falle abzuwenden. Bei lebensnaher Deutung des Geschehens spricht viel dafür, dass er zu jedem Zeitpunkt den Todeseintritt weiterhin für möglich hielt; dass er auf einen guten Ausgang fest vertraut hatte (sofern man dies überhaupt für die voluntative Komponente des Rücktrittsvorsatzes ausreichen lassen möchte230), ist fernliegend. Insbesondere die Tatsache, dass der Täter noch einmal zum Krankenhaus zurückkehrte, um sich davon zu überzeugen, dass seine Frau sich nunmehr in ärztlicher Behandlung befand, spricht dafür, dass er selbst noch mit dem Erfolgseintritt rechnete, als er seine Frau lediglich in die Nähe des Hospitals brachte. Weinhold231 stellt hierzu fest, dass der Täter mit der „Absicht“ zur Rettung des Rechtsguts (des Lebens seiner Frau) handelte. Dennoch darf nicht übersehen werden, dass er daneben die weiterhin bestehende Möglichkeit sah, seine Frau könnte es allein nicht bis zum Krankenhausgebäude schaffen und der Todeserfolg somit eintreten.232 Die Situation ist somit dadurch gekennzeichnet, dass hinsichtlich der Erfolgsvermeidung einem starken voluntativen Element eine nur sehr schwache kognitive Seite gegenübersteht. Zugleich ist bei der Frage nach dem fortbestehenden Tatentschluss zu vermerken, dass der Ehemann den Erfolg zwar eigentlich nicht mehr will, aber durchaus die Möglichkeit sieht, der Erfolg könne dennoch eintreten. Man könnte mit Weinhold zwar argumentieren, es liege ein Fall absichtlichen Handelns vor, da die Willenskomponente im Vergleich zu der Wissensebene sehr viel stärker ausgeprägt ist. Jedoch muss – mit Blick auf die oben angesprochenen zwei Ebenen! – auch in Ansatz gebracht werden, dass der Täter im gleichen Augenblick bewusst die weitere Gefährdung des Lebens seiner Frau hinnahm, indem er sie lediglich aus dem Auto aussteigen ließ, weil er sich selbst nicht verdächtig machen wollte. Daher lässt sich nicht sagen, es sei eine eindeutige Entscheidung zugunsten der Rettung des Rechtsguts gefallen.233 Zudem ließ er hier dem Zufall Raum, obwohl er ihn hätte vermeiden können.

Kritisch zur Begründung durch den BGH Jäger, Gefährdungsumkehr (1996), S. 33 f. Dagegen zumindest für das Merkmal des Aufgebens oben unter Kapitel 2 I. 1. c) am Ende [Beispiel (3) zur Tataufgabe]. 231 Rettungsverhalten (1990), S. 98. 232 Vgl. auch Herzberg / Hoffmann-Holland, in: MüKo-StGB2, § 24 Rn. 134, die für den Krankenhaus-Fall feststellen, dass der Täter „in keinster Weise“ auf das Ausbleiben des Todeserfolges vertrauen konnte und somit der BGH in konsequenterweise den Rücktritt aufgrund mangelnden Rücktrittsvorsatzes hätte ablehnen müssen. 233 Ähnlich wohl auch Kolster, Qualität der Rücktrittsbemühungen (1993), S. 117: Die Maßnahme des Täters lasse es nicht zu, einen Rettungswillen zu unterstellen. 229 230

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Zwar könnte man auch hier auf den Gedanken kommen, die Wahrung des nemotenetur-Grundsatzes lasse weitergehende Anforderungen nicht zu, da der Täter sich sonst der Gefahr der Entdeckung seiner Tat ausgesetzt hätte. Die Schwierigkeiten, die sich aus der Beachtlichkeit dieses Grundprinzips ergeben, wurden im Rahmen des Aufgebens der Tat erörtert.234 Hier ist nun erneut darauf hinzuweisen, dass natürlich niemand dazu gezwungen werden darf, sich selbst zu belasten und dass im Einzelfall abgewogen werden muss, welche Rücktrittsanforderungen an den Täter zu stellen sind. In casu befand sich der Ehemann in der Situation, entweder seine Frau selbst bis in die Hände ärztlicher Hilfe zu begleiten oder aber das Geschehen sich selbst zu überlassen, um den Tatverdacht nicht sofort auf sich zu lenken. Letzteres muss man ihm zugute halten, jedoch überragt hier seine Entscheidung, sich selbst nicht verdächtig zu machen, gegenüber seinem Rettungswillen. Zwar genießt der aus dem Verfassungsrecht abgeleitete Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit einen hohen Stellenwert. Es sind aber zwei Aspekte zu bedenken: Erstens war und ist der Gesetzgeber nicht verpflichtet, einem Täter, der bereits die Versuchsschwelle überschritten hat, die Möglichkeit eines Rücktritts mit strafbefreiender Wirkung einzuräumen. Und zweitens gibt es keinen Grundsatz, der besagt, dass dem Täter qua „Hinunterstufung der gesetzlichen Voraussetzungen“ die Verschleierung oder Verheimlichung seiner Täterschaft ermöglicht werden müsste – vielmehr wirkt gerade bei Tötungsdelikten die Verdeckungsabsicht sogar qualifizierend und strafschärfend (vgl. § 211 Abs. 2, Gruppe 3 Variante 2 StGB). Die Rücktrittsnorm des § 24 StGB ist daher nicht als Begrenzung der Selbstbelastungsfreiheit anzusehen, sondern ist in diesem Zusammenhang als eine Option zu deuten: Entweder entscheidet sich der Delinquent für den Erhalt bzw. die Rettung des Rechtsguts oder er entscheidet sich um der Verschleierung seiner Täterschaft Willen eben nicht eindeutig dafür und nimmt nach Abwägung den Erfolgseintritt in Kauf. Zurück zum Fall: Im Gegensatz zu Konstellation (4)235 lässt der Ehemann in dem Krankenhaus-Fall gänzlich den Zufall entscheiden und gibt das Geschehen gleichsam aus der Hand. Dass er sich später noch einmal zur Rückkehr entschloss, um zu sehen, ob seine Frau ärztlich behandelt wurde, ändert daran nichts: Es kommt für den Rücktrittsentschluss allein auf den Zeitpunkt der Vornahme der vermeintlichen Rücktrittshandlung an. Entschließt sich der Täter zu spät zum Rücktritt und kann er dann die „Opfersphäre“ nicht mehr erreichen, so kann darin kein taugliches Rücktrittsverhalten erblickt werden. Eine weitere denkbare Lösungsmöglichkeit wäre, in dem Sich-Entfernen vom Krankenhaus die Nichtvornahme weiterer erforderlicher Rettungsmaßnahmen und somit ein versuchtes Unterlassungsdelikt zu sehen.236 Allerdings wäre dies wiedes. o. Kapitel 2 I. 1. d) [Beispiel (4) zum Aufgabe-Merkmal]. s. unter Kapitel 1 I. 1.: Der Täter hatte sich nach seiner Messerattacke auf O im Gebüsch versteckt, um den Notarzt zu rufen, falls O sich selbst nicht mehr fortbewegen kann und auch helfende Dritte nicht erscheinen. 236 Es ist dann sogar an einen versuchten Mord durch Unterlassen in Verdeckungsabsicht zu denken. 234 235

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rum eine künstliche Trennung des Geschehensablaufs und würde letztlich auch zu keinem anderen Ergebnis führen: Auch hier würde bezüglich des Vorsatzes des Täters festzustellen sein, dass dieser den Todeserfolg ernstlich für möglich und in keinem Falle fest auf dessen Ausbleiben vertraut hatte. Nach alldem ist es richtig, eine vollständige Preisgabe des ursprünglichen Tatentschlusses zu fordern, wenn der Täter nach Abschluss seiner Tathandlung(en) den Erfolgseintritt (wenn auch nur vage) für möglich hält.237 Das heißt jedoch nicht, dass Optimalleistungen auch in objektiver Hinsicht von dem Täter verlangt werden müssten. Vielmehr ist es – wie schon oben gezeigt – denkbar, dass ein Täter unter mehreren ihm zur Verfügung stehenden Abwehrmaßnahmen eine solche auswählt, die er, wenn auch nicht für die beste, so doch für immerhin geeignet hält, den tatbestandlichen Erfolg abzuwenden, ohne es im Folgenden dem Zufall zu überlassen, ob das Delikt vollendet wird oder nicht.238 Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn er „schrittweise“ vorgehen will.239 Als Beispiel aus der Rechtsprechung lässt sich BGH NJW 1985, 813 anführen. Hier ging es um den Rücktritt vom Versuch der schweren Brandstiftung. Der Täter hatte ein Zimmer in einem Haus in Brand gesetzt, in dem sich schlafende Kinder aufhielten. Er bekam jedoch kurz darauf Gewissensbisse und rief in der Gaststätte an, in der sich die Mutter der Kinder aufhielt. Er sagte bloß „Ist Frau M da, die möchte bitte nach Hause kommen.“ Frau M hatte den Anruf selbst entgegen genommen, den Täter erkannt und sich besorgt umgehend zu ihrem Haus begeben, wo sie sofort die Feuerwehr alarmierte. Diese löschte den Brand, bevor er auf das Haus übergreifen konnte. Der Täter selbst, der sich nicht sicher war, ob Frau M der Aufforderung nachkommen würde, und der sich somit darüber im Klaren war, dass sein Verhalten nicht das bestmögliche zu Verhinderung des Erfolges war, begab sich (noch vor Eintreffen der Feuerwehr) zurück zum Haus, um zu kontrollieren, ob der Brand rechtzeitig entdeckt werden würde. Hier hatte der Täter eine geeignete Abwendungsmaßnahme ergriffen, wenn auch nicht die optimale, welche darin gelegen hätte, schnellstmöglich die Feuerwehr zu rufen oder aber, falls noch möglich, das Feuer selbst zu löschen. Ausschlaggebend ist hier, dass er das Geschehen auch nicht dem Zufall überlassen hatte und wollte. Denn dadurch kommt sein völliges Abstandnehmen von der Tatvollendung zum Ausdruck.240 237 Anders Roxin, in: FS Hirsch (1999), S. 327 (335 f.), der zwischen eigenhändiger und fremdhändiger Erfolgsverhinderung differenzieren will und bei eigenhändiger Verhinderung einen Rücktritt mit dolus eventualis ausreichen lassen möchte. 238 Vgl. auch Fischer, StGB, § 24 Rn. 35; in diese Richtung weisen wohl auch BGH (2. Senat) NJW 2002, 3719 und BGH (1. Senat) NJW 2002, 3720. 239 s. auch Kapitel 2 I. 1. d) [Beispiel (4) zum Aufgabe-Merkmal]. 240 Insoweit lag auch der BGH in NJW 1985, 813 richtig, einen Rücktritt zu bejahen. Soweit Boß, Rücktritt (2002), S. 51, diese Entscheidung als BGHSt 31, 46 widersprechend einstuft, ist dies daher unzutreffend. Kolster, Qualität der Rücktrittsbemühungen (1993),

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Der Unterschied zu dem zuvor genannten Krankenhaus-Fall BGHSt 31, 46 liegt also darin, dass der Täter das Rettungsgeschehen im Brand-Fall in der Hand behielt, während der Ehemann seine Frau vor dem Krankenhaus dem Zufall überließ und erst später zurückkehrte. Man könnte dessen Zurückkehren und Sich-Vergewissern allenfalls als neue Rücktrittshandlung ansehen, die aber in keinem Falle mehr für eine Vollendungsverhinderung ausreichen konnte, da sich das Opfer bereits in den Händen helfender Dritter befunden hatte. So wie es einem Täter, der zunächst vorsätzlich ein bereits vollendetes Delikt beging, ein späterer Vorsatzwegfall allein nicht zugute kommen kann, so kann es auch beim Rücktritt dem Täter nicht angerechnet werden, wenn er zu spät zielgerichtet gegen die Nichtvollendung tätig werden will. Gestützt wird dieses Ergebnis, wenn man es mit dem unmittelbaren Ansetzen zu einem Unterlassungsdelikt vergleicht: Dieses ist nach h. M.241 dann zu bejahen, wenn der Garant nach seiner Vorstellung entweder durch weitere Verzögerung der Rettungshandlung eine unmittelbare Gefahr für das Rechtsgut schafft oder aber den Kausalverlauf aus der Hand gibt. Hiervon kann der Täter dann ebenfalls nicht mehr zurücktreten, wenn er nichts mehr für das Opfer tun kann, weil er die „Opfersphäre“ nicht mehr erreicht. Nicht rücktrittsausschließend ist auch die Konstellation, dass dem Täter die Erfolgsvermeidung eigentlich unerwünscht ist, er aber auf kognitiver Ebene um den Erhalt des Rechtsguts weiß. Denn in einem solchen Fall lässt sich sagen, dass der Täter – aus welch missbilligenswertem Grunde auch immer – die Entscheidung getroffen hat, das Rechtsgut zu erhalten. Zielt er – wenn auch nicht primär, sondern als bloße Nebenfolge zur Erreichung eines anderen Ziels – genau hierauf ab, so darf allein berücksichtigt werden, dass er das ursprünglich angegriffene und gefährdete Rechtsgut vorsätzlich erhält. Treffend drückt dies Weinhold242 aus: „Wer mit dolus directus II handelt, trifft eine vollgültige Entscheidung, im Deliktsfalle gegen und im Rücktrittsfalle für das Rechtsgut.“ Dies sieht scheinbar auch Greeve243 so, die lediglich für den Täter keinen Rücktrittsentschluss mehr erkennen will, der sich auf kognitiver Ebene gar keine Gedanken über die Konsequenzen seines Handelns macht. Gleichwohl ist darauf hinzuweisen, dass Greeve wohl auch dolus eventualis hinsichtlich der Nichtvollendung ausreichen lassen will, wenn sie auf die Parallele zur Versuchsstrafbarkeit hindeutet. Wie schon ausgeführt, ist dies abzulehnen, zuS. 119 ff., stellt stets auf die objektive Geeignetheit der Rettungsmaßnahme ab und schließt bei objektiv nicht gänzlich geeignetem Verhalten auf das Nichtvorliegen des „zweifelsfreien“ Rettungswillens, da ein solcher sich dann nicht nach außen manifestiert habe. Dies greift indes zu kurz und steht auch dem Grundsatz in dubio pro reo entgegen: Der Richter muss bei einer Verurteilung davon überzeugt sein, dass der Täter keinen Rücktrittsvorsatz hatte. Nicht das Vorliegen des Rettungswillens muss zweifelsfrei sein, sondern sein Nichtvorliegen. s. im Übrigen auch Jakobs, ZStW 104 (1992), S. 82 (91), zum Kriterium der „Herrschaft über die Lage“. 241 Vgl. nur BGHSt 38, 356 (360); 40, 257 (271); Exner, Jura 2010, 276 (279); Wessels / Beulke, AT, Rn. 741 f. jeweils m. w. N. 242 Rettungsverhalten (1990), S. 157. 243 Zielerreichung (2000), S. 231.

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mal auffällt, dass die Autorin selbst verlangt, dass der Täter die Erhaltung des Rechtsguts „bewußt reflektiert“. Greeve geht also im Kern selbst nicht von einer solchen Situation des Zurücktretenden mit dolus eventualis, der nur die Möglichkeit des Erfolgseintritts sieht und diese in Kauf nimmt, aus. Vielmehr beschreibt sie einen Täter, der um die Erhaltung des Rechtsguts weiß – folglich einen Fall von dolus directus 2. Grades. Man könnte nochmals die Frage stellen, ob dem nicht entgegensteht, dass ein Täter, der wissentlich für die Nichtvollendung sorgt, eigentlich parallel dazu immer noch den Wunsch haben könnte, den Taterfolg eintreten zu lassen. Dieser Täter behält dann noch den Willen zur Tatvollendung bei, aber: Er weiß, dass er selbst dazu beiträgt, genau diesen Willen nicht in die Tat umzusetzen und dass er somit entgegengesetzt zu diesem Willen handelt. Es gibt in dieser Situation kein mit dem Deliktsverwirklichungswillen korrespondierendes Verhalten mehr. Und allein darauf kommt es dann an. Hieran zeigt sich, dass der Täter sich in einer Lage befindet, in der er selbst eine Abwägung zwischen der Erhaltung und der Verletzung des Rechtsguts zu treffen hat. Im Ergebnis ist also nicht zwingend ein Rücktrittswille in Form der Absicht erforderlich244; abzulehnen ist jedoch ein Rücktritt bei bedingtem Vorsatz hinsichtlich der Nichtvollendung. Abschließend seien einige kurze Ausführungen zur objektiven Seite erlaubt. Boß geht jedoch noch weiter und verlangt, dass objektiv das vom Täter eingesetzte Mittel geeignet und der Rettungserfolg objektiv vorhersehbar war.245 Ob es dieser Anforderungen als zusätzlicher Kriterien bedarf, ist jedoch zweifelhaft. Denn dass der Täter im Rahmen des § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 StGB kausal geworden sein muss, wird allgemein vorausgesetzt. Dann war aber sein Mittel ohnehin geeignet zur Erfolgsabwendung, und es lässt sich insbesondere auch im Nachhinein nicht sagen, es sei es nicht gewesen. Dem Täter, dessen Tätigkeit man ex ante rein objektiv wenig bis keine Erfolgschancen zugeschrieben hätte, kann der Rücktritt nicht versagt werden, wenn sich später herausstellt, dass es doch zur Erfolgsabwendung geeignet war. Darüber hinaus greift in Fällen, in denen der Erfolg vermieden wird, ohne dass der Täter für die Rettung selbst kausal geworden ist, unter Umständen § 24 Abs. 1 S. 2 StGB, wonach es darauf ankommt, ob der Täter ein ernsthaftes Bemühen um die Erfolgsverhinderung erkennen lässt.

Zwischenergebnis zum Merkmal der Vollendungsvereitelung Wichtig im Zusammenhang gerade mit dem subjektiven Element der Vollendungsverhinderung ist die Beachtung der beiden Ebenen: die des ursprünglichen Vorsatzes bezüglich der Erfolgsherbeiführung auf der einen und die des Vorsatzes hinsichtlich der Erhaltung des Rechtsguts auf der anderen Seite. Beide Perspektiven 244 245

Ausführlich Boß, Rücktritt (2002), S. 172 ff. Rücktritt (2002), S. 156 ff., 160 f.

III. Ernsthaftes Bemühen um die Verhinderung der Tatvollendung

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sind gerade in Fällen, in denen der Täter nicht das sicherste Mittel zur Vermeidung des Erfolges wählt, exakt zu beleuchten. Im Ergebnis ist es dann niemals ausreichend, wenn der Täter den Erfolg noch für möglich hält und das Geschehen bewusst dem Zufall überlässt, da man dem Täter dann weiterhin dolus eventualis hinsichtlich der Erfolgsherbeiführung und die bewusste Aufrechterhaltung des Erfolgseinrittsrisikos wird attestieren müssen. Seine Entscheidung für die Rechtsgutserhaltung und die Preisgabe des ursprünglichen Tatentschlusses müssen sich stets nach außen hin manifestieren.

III. § 24 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2 StGB – Ernsthaftes Bemühen um die Verhinderung der Tatvollendung Übrig bleiben noch die letzten Varianten des Rücktrittsparagraphen, die Fälle der Nichtvollendung ohne Zutun des Täters bzw. – im Fall der Tatbegehung durch Mehrere – der Nichteintritt des Erfolges unabhängig von dem früheren Tatbeitrag des Betreffenden. Zur Vollendungsverhinderung gelten die soeben angebrachten Erörterungen. Auf objektiver wie auf subjektiver Ebene werden hier nun höhere Anforderungen gestellt, indem ein „ernsthaftes Bemühen“ verlangt wird.246 Objektiv muss der Täter regelmäßig ein größeres Mindestmaß an Bemühungsaktivitäten entfalten247, subjektiv muss er gerade von seiner Intention der Erfolgsabwendung bestimmt sein.248 Dies bedeutet, dass wie zuvor ein Tätigwerden „nur zum Schein“ nicht ausreicht249 und der Täter alle ihm bekannten möglichen Maßnahmen zielgerichtet zur Verhinderung des Erfolgseintritts einleiten muss.250 Die konkreten Anforderungen an das Täterverhalten sind abhängig vom Vorstellungsbild des Täters im Einzelfall; maßgeblich sind dabei insbesondere die Gefährdung des Rechtsguts durch die bisherige(n) Tathandlung(en), die Dringlichkeit des Einschreitens sowie die tatsächlich möglichen Maßnahmen.251 Wesentlich ist auch hier, dass der Täter Maßnahmen ergreift, die aus seiner Sicht hinsichtlich der Vollendungsverhinderung hinreichend erfolgversprechend sind.252 Die „Ernsthaftigkeit“ des Bemühens muss Ausdruck nach 246 Weitergehend Frister, AT, 24. Kap. Rn. 40 f., der die Ernsthaftigkeit mit in die Variante der Vollendungsverhinderung hineinlesen will. 247 Kudlich / Schuhr, in: Satzger / Schmitt / Widmaier, StGB, § 24 Rn. 46. 248 Lilie / Albrecht, in: LK-StGB12, § 24 Rn. 340. 249 BGHSt 48, 147 (149 f.); BGH NStZ 2008, 329; Fischer, StGB, § 24 Rn. 36; Lilie / Albrecht, in: LK-StGB12, § 24 Rn. 358; Zaczyk, in: NK-StGB, § 24 Rn. 92. 250 BGH MDR (H) 1980, 453; 1992, 15 (16); NStZ 2008, 329; 508 (509); Fischer, StGB, § 24 Rn. 36. Steht „ein Menschenleben auf dem Spiel“ verlangt die Rspr. das Bemühen des Täters um die „bestmögliche Maßnahme“, s. BGH NStZ-RR 2010, 276 (277). 251 Kudlich / Schuhr, in: Satzger / Schmitt / Widmaier, StGB, § 24 Rn. 47. 252 Herzberg / Hoffmann-Holland, in: MüKo-StGB2, § 24 Rn. 145 f.

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Kap. 2: Die Bedeutung der einzelnen Tatbestandsmerkmale

außen finden. In der Regel wird gefordert, dass der Täter die ihm am sichersten erscheinende Maßnahme vornimmt, und dass er dem Zufall – wie oben bereits bei der Vollendungsverhinderung – keinen Raum lässt.253 Für die Feststellung der Ernsthaftigkeit des Bemühens um Vollendungsverhinderung verlangt man überdies, dass der Täter selbst die Tauglichkeit des von ihm gewählten Rettungsmittels überprüft254, insbesondere beim Einsatz von ihm herbeigerufener Hilfspersonen habe der Täter sich zu vergewissern, dass diese das Notwendige und Erforderliche veranlassen.255 Zwar ist nicht zu fordern, dass er auch solche Maßnahmen infrage stellt, die er für in jedem Falle tauglich hält, jedoch kann man von einem Täter, der zielgerichtet auf die Vereitelung des Erfolges hinwirken muss, verlangen, dass er mit einer gewissen, ihm zumutbaren Sorgfältigkeit256 vorgeht.257 Letztlich ist dies Zeichen dafür, dass er Zufälle ausschließen will. Hier ist noch hinzuzufügen, dass der BGH258 zutreffend an die Rücktrittsvoraussetzungen im Hinblick auf die Rettung von Menschenleben höhere Anforderungen an das Bemühen des Täters stellt. Jedoch wird man im Einzelfall darauf abstellen müssen, ob das Geschehen gänzlich dem Zufall überlassen wurde; zudem ist zu bedenken, dass die Verschleierungsabsicht nicht per se ein ernsthaftes Bemühen ausschließt.259 Im Übrigen ist es unschädlich, wenn der Täter nicht die optimale Verhinderungsmaßnahme ergreift, sondern eine ebenfalls als zur vermeintlichen Erfolgsvermeidung geeignet erkannte.260 Insoweit ist auch der BGH zu Recht der Auffassung, 253 BGHSt 33, 295 (301 f.); BGH MDR (H) 1978, 279; NStZ-RR 1997, 193; NStZ 2008, 329; 508 (509); Kudlich, JuS 1999 (II), 349 (351); Mitsch, in: Baumann / Weber / Mitsch, AT, § 27 Rn. 34; Roxin, AT II, § 30 Rn. 275; ausführlich Herzberg, NJW 1989, 862 ff.; differenzierend Lilie / Albrecht, in: LK-StGB12, § 24 Rn. 339; a. A. Grünwald, in: FS Welzel (1974), S. 701 (715) mit Fn. 38, der ausreichen lässt, wenn der Täter die Maßnahme zur Erfolgsabwendung für geeignet hält; Lenckner, in: FS Gallas (1973), S. 281 (297 f.). 254 Kudlich / Schuhr, in: Satzger / Schmitt / Widmaier, StGB, § 24 Rn. 46 insbesondere für den Fall der Einschaltung Dritter; ähnlich Jakobs, AT, 26. Abschn. Rn. 22; s. ferner Vogler, in: LK-StGB10, § 24 Rn. 140 f. 255 BGH NStZ-RR 2000, 41 (42); zuletzt BGH NStZ 2008, 329, wo es aber als ausreichend erachtet wurde, dass der Täter nicht befürchten musste, seine Ehefrau würde seiner Aufforderung, einen Krankenwagen für seine von ihm verletzte Tochter zu rufen, nicht nachkommen. 256 Vgl. ausdrücklich hierzu Herzberg, in: MüKo-StGB1, § 24 Rn. 174, der für die Ernsthaftigkeit auf die Erfüllung einer Sorgfaltspflicht, die bewusste Fahrlässigkeit im Hinblick auf den Erfolgseintritt trotz Verhinderungstätigkeit auszuschließen, abstellt (wohl ähnlich jetzt auch Herzberg / Hoffmann-Holland, in: MüKo-StGB2, § 24 Rn. 150 f.). 257 A. A. Lenckner, in: FS Gallas (1973), S. 281 (297 ff.); Rudolphi, in: SK-StGB, § 24 Rn. 30; wohl auch Eser, in: Schönke / Schröder, StGB, § 24 Rn. 72 und Römer, Fragen des „ernsthaften Bemühens“ (1987), S. 66. 258 BGHSt 33, 295 (302); BGH NStZ 2008, 329; 508 (509) jeweils zu § 24 Abs. 1 S. 2 StGB. 259 Zutreffend BGH NJW 1986, 1001 (1002) für den Fall, dass der Täter dem schwer verletzten Opfer ein Telefon überreicht und es anschließend diesem selbst überlassen hatte, den Notarzt zu rufen. 260 BGHSt 31, 46 (49 f.); Kudlich / Schuhr, in: Satzger / Schmitt / Widmaier, StGB, § 24 Rn. 47; vgl. auch Zaczyk, in: NK-StGB, § 24 Rn. 85 ff. M. Walter, Rücktritt (1980), S. 140,

IV. Zusammenfassung

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dass es der Annahme eines Rücktritts nicht entgegensteht, wenn der zur Erfolgsverhinderung entschlossene „Täter objektiv schon eher etwas und möglicherweise noch mehr hätte tun können“.261 Dies gilt freilich nur, solange sich hieraus nicht ergibt, dass es am Rücktrittsvorsatz mangelt. Hieran dürfte in Fällen zu zweifeln sein, in denen der Täter von ihm erkannte Rettungschancen ungenutzt lässt. Dies ist indes Frage des Einzelfalls.

IV. Zusammenfassung Die bisherige Untersuchung hat ergeben, dass nach allen Rücktrittsvarianten in subjektiver Hinsicht ein Rücktrittsvorsatz des Täters verlangt wird, der auf Erhaltung des Rechtsguts gerichtet ist. Es kommt hier insbesondere auf die zweistufige Betrachtung von Vollendungsvorsatz und der Entscheidung zum Rechtsgutserhalt an. Der Täter darf weiter Zufällen, die er vermeiden kann, keinen Raum lassen. Es wurde gezeigt, dass es auch ausreichen kann, wenn der Täter zunächst ein weniger „sicheres“ Erfolgsabwendungsmittel ergreift oder sich für ein „gestuftes“ Vorgehen entscheidet.262 Objektiv ist ein Unterlassungs- bzw. Verhinderungsverhalten zu verlangen, aus dem sich eine reelle Rettungschance für das Rechtsgut ergibt, ohne dass es sich dabei um das optimale Rettungsmittel handeln muss. Sprachlich werden diese Anforderungen an den Täter am besten mit dem Begriff des „Bemühens“ um die „Vermeidung“ des Erfolgseintritts erfasst, da hierdurch nicht mehr zwischen Unterlassungsverhalten und aktivem Tätigwerden differenziert werden muss.263 Erforderlich ist aber, dass der Täter mit der notwendigen Sorgfalt vorgeht, da nur dann von einem ernstlichen Bemühen auszugehen ist.264 Insgesamt wird durch das Abstellen auf den sogenannten Rücktrittshorizont, so wie die h. M. es praktiziert, verschleiert, worum es wirklich geht – nämlich um den Vorsatz des Täters zur Erfolgsvermeidung. Damit bedarf es auch nicht der Konstruktion der „Korrektur des Rücktrittshorizonts“.265 Handelte der Täter in dem Irrtum, durch das Aufgeben der Tat könne der Erfolg nicht eintreten, und bemerkt er (nach einer relevanten Zäsur im Geschehensverlauf) seinen Irrtum unmittelbar danach, so würde er bei Nichtvornahme geeigneter Rettungshandlungen wegen eines weist zu Recht darauf hin, dass das Ausbleiben der Vollendung aus Täterperspektive nicht lediglich als Zufallsergebnis zu erwarten sein dürfe. 261 BGH StV 1999, 211 (212); s. auch BGH StV 1982, 467; BGH NStZ 2008, 508 (509). 262 Zur Erinnerung: Dies muss (freilich in gewissen Grenzen) insbesondere auch deshalb möglich sein, um dem nemo-tenetur-Grundsatz hinreichend Rechnung zu tragen. 263 Vgl. auch Herzberg, in: MüKo-StGB1, § 24 Rn. 54 ff., 119; M. Walter, Rücktritt (1980), S. 129. 264 Vgl. auch Herzberg, in: MüKo-StGB1, § 24 Rn. 54, 113 ff.; M. Walter, Rücktritt (1980), S. 133; s. auch Jakobs, AT, 26. Abschn. Rn. 21 f. 265 s. zu dieser Figur nur BGHSt 36, 226; BGH NStZ-RR 2008, 335; Fischer, StGB, § 24 Rn. 15a m. w. N.; s. auch Wörner, NStZ 2010, 66 ff.

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Kap. 2: Die Bedeutung der einzelnen Tatbestandsmerkmale

versuchten Unterlassensdelikts strafbar sein. Nimmt der Täter umkehrt irrig an, er müsse zur Verhinderung des Erfolgs aktiv Gegenmaßnahmen einleiten und bemerkt er sodann, dass ein reines Aufgeben der weiteren Tatausführung ebenso den Erfolg nicht eintreten ließe, so führt dies für ihn so oder so zu einem wirksamen Rücktritt. Denn: Solange der Betreffende mit Rücktrittsvorsatz handelt, kann er selbstverständlich mehr tun, als das, wozu er gesetzlich verpflichtet wäre, und er kann sich auch jederzeit wieder auf das Minimum der gesetzlichen Anforderungen beschränken – dies freilich nur, solange hierdurch keine neue Gefahr für das Rechtsgut entsteht. Schließlich lässt sich mit Borchert / Hellmann266 festhalten, dass dem Rücktrittsentschluss eine größere Bedeutung zukommt, als ihm im Allgemeinen im Rahmen der bislang besprochenen Rücktrittsvoraussetzungen zugesprochen wird.

266

GA 1982, 429 (449).

Kapitel 3

Das Freiwilligkeitsmerkmal Nach der bisherigen Untersuchung haben sich folgende Anforderungen an das Rücktrittsverhalten ergeben: Objektiv ist ein Unterlassungs- bzw. Verhinderungsverhalten zu verlangen, subjektiv der Rücktrittsvorsatz. Sowohl bei der Voraussetzung des ernsthaften Bemühens, aber auch bei der Aufgabe der Tat sowie bei der „einfachen“ Vollendungsverhinderung kommt es darauf an, ob der Täter sich für die Erhaltung des Rechtsguts und gegen dessen Verletzung entschieden und diesen Entschluss nach außen hin manifestiert hat. Dieses Kapitel widmet sich dem wohl umstrittensten Merkmal der Rücktrittsnorm: der Freiwilligkeit. Alle Tatbestandsvarianten setzen freiwilliges Verhalten aus Sicht des Täters als subjektives Moment267 voraus. Aber was ist eigentlich „Freiwilligkeit“? Wann ist der Wille des Menschen frei, und wie ist dies festzustellbar? Es liegt in der Natur der Sache, dass der Wille eines Menschen und erst recht dessen „Freiheit“ nicht greifbar sind. Er verbleibt als subjektives und ganz individuelles Element im Inneren einer Person. Zudem zeigt bereits die Zusammensetzung des Wortes „Freiwilligkeit“ aus den Begriffen „Freiheit“ und „Willigkeit“, dass sich sein Inhalt nicht aus sich selbst heraus ergibt. Mit „Freiheit“ kann sowohl ein empirisch nachweisbarer Zustand gemeint sein oder ein subjektives Erleben. Ähnlich verhält es sich beim „Willen“ oder der „Willigkeit“: Einerseits kann er ein naturwissenschaftlich zugängliches Phänomen darstellen, andererseits eine rein subjektive Empfindung. Die Vereinigung beider schon für sich genommen extrem deutungsoffenen Begriffe führt deshalb zu komplexen Auslegungsproblemen. Das Gesetz verlangt in § 24 StGB den Nachweis, dass der Täter „freiwillig“ eine Tat aufgibt bzw. ihre Vollendung verhindert oder ernsthaft zu verhindern versucht. Es muss – wie auch für die bereits dargestellten Tatbestandsmerkmale – eine Definition gefunden werden; Kriterien, bei deren Vorliegen man einem Täter attestieren kann, er sei freiwillig zurückgetreten.

267 BGH MDR (H) 1986, 271; 1994, 127; 1995, 442; NStZ 1999, 395; Eser, in: Schönke / Schröder, StGB, § 24 Rn. 42, 44; Jäger, NStZ 2000, 415; Jescheck / Weigend, AT5, S. 544; Maiwald, in: GS Zipf (1999), S. 255; Maurach / Gössel, AT 26, § 41 Rn. 135; Ulsenheimer, Grundfragen (1976), S. 275; Vogler, in: LK-StGB10, § 24 Rn. 82.

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Kap. 3: Das Freiwilligkeitsmerkmal

I. Zur Willensfreiheit Die Welt hat nie eine gute Definition für das Wort Freiheit gefunden. A. Lincoln

Bevor die Suche nach Auslegungskriterien beginnen kann, seien vorab einige kurze Ausführungen zur Willensfreiheit im Allgemeinen erlaubt – denn die gesetzliche Forderung nach Freiwilligkeit macht nur Sinn, wenn es diese überhaupt gibt. Hier sei zunächst beispielhaft auf das Gedankengut von Aufklärern und Philosophen wie Thomas Hobbes268, John Locke269, und Jean Jaques Rousseau270, aber auch Samuel von Pufendorf271, Georg Wilhelm Friedrich Hegel272 und insbesondere Immanuel Kant273 verwiesen: Sie gingen davon aus, der Mensch sei von Natur aus in seinem Willen zunächst frei.274 Zwar sei von diesem Idealbild völliger Freiheit insofern nicht auszugehen, als dass sich für gewöhnlich ein Mensch in die Gesellschaft eingliedere275, indem er den allgemein sozial anerkannten Leitbildern folge und sich den Gesetzen unterwerfe. Jedoch soll dies auf der Basis einer freien Entscheidung des Menschen geschehen. Auch das RG betonte in St 48, 346 (347 f.), dass „das Wort ‚frei‘ […] seiner Sprachbedeutung nach einen Zustand einer Person [bezeichne], in dem sie die ihr als Mensch eignende und das Wesen der Persönlichkeit ausmachende natürliche Fähigkeit zur Selbstbestimmung und Selbstbeherrschung unbehindert zur Geltung bringen kann […].“276

Ähnlich erklärte 1952 auch der Große Senat des BGH277, der Mensch sei „auf freie, verantwortliche, sittliche Selbstbestimmung angelegt und deshalb befähigt […], sich für das Recht und gegen das Unrecht zu entscheiden, sein Verhalten nach den Normen des rechtlichen Sollens einzurichten und das rechtlich Verbotene zu vermeiden […].“

Danach geht der Freiwilligkeitsbegriff in § 24 StGB davon aus, dass jedermann sich aus freiem Willen dazu bereit erklären könne, die Gesetze und – wenn man so Bürger, S. 78 ff. Abhandlungen, 1. Buch, Kap. 3, § 15 (S. 79 ff.) und 2. Buch, Kap. 2, dort insbes. § 4 (S. 201 ff.). 270 Gesellschaftsvertrag, 1. Buch, insbes. Kap. 4. 271 Gesetz der Natur, 1. Buch, Kap. 1 insbes. §§ 8 ff. und 2. Buch, Kap. 1 § 8. 272 Grundlinien, Einl. § 4 ff., insbes. § 11 und § 33. 273 Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S. 71 ff.; s. auch die zusammenfassende Darstellung bei Herdegen, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 1 Abs. 1 Rn. 12 m. w. N. 274 So etwa auch Th. Gutmann, Rechtsbegriff (2001), S. 3, 29; Hohmann, Personalität (1993), S. 42 f. S. auch unten die Ausführungen unten zum Menschenwürdebegriff [Kapitel 3 I. 1. a)]. 275 Vgl. schon Rousseau, Gesellschaftsvertrag, 1. Buch, Kap. 6. 276 Hervorhebung nicht im Original. 277 BGHSt 2, 194 (200). 268 269

I. Zur Willensfreiheit

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will – die gesellschaftlichen Zwänge anzuerkennen; genauso gut könne sich jedermann jederzeit dafür entscheiden, dies nicht zu tun. In diesem Fall habe er dann mit entsprechenden Reaktionen und Sanktionen zu rechnen; dies tue jedoch der grundsätzlichen Freiheit seines Willens keinen Abbruch. Dass eine solche Sichtweise keineswegs zwingend ist, zeigt eine bereits Jahrhunderte lang andauernde und nie enden wollende Diskussion von Vertretern verschiedener Wissenschaften. Das menschliche Freiheitserleben ist Gegenstand zahlreicher Überlegungen und Untersuchungen von Philosophen, Juristen und Hirnforschern sowie von Psychologen und Psychiatern. Bei Burkhardt278 findet sich der Hinweis, dass wohl bereits unterschieden werden muss zwischen dem Empfinden, einen freien Willen zu haben, und dem tatsächlichen (In)Determinismus des menschlichen Willens. Nach Ansicht vieler namhafter Rechtswissenschaftler und Psychologen baue die Rechtsordnung darauf auf, dass der Mensch ein Freiheitsbewusstsein habe279, ohne dass dabei die tatsächliche Existenz der Willensfreiheit infrage gestellt wird. Dieser Arbeit geht es nicht darum, in die Diskussion um Determinismus und Indeterminismus vertieft „einzusteigen“.280 Vielmehr soll gezeigt werden, dass die Erfassung des Begriffes „freiwillig“ bereits im Ansatz dadurch erschwert wird, dass zum einen schon grundsätzliche Zweifel daran bestehen können, dass ein freiwilliges Verhalten überhaupt möglich ist, und dass zum anderen jeder Mensch ein höchst individuelles Freiheitserleben281 hat.

1. Zur Frage, ob der Wille des Menschen frei ist – eine Betrachtung an der Schnittstelle zwischen Strafrecht, Neurowissenschaften und Philosophie In den letzten Jahren wird aufgrund neurowissenschaftlicher282 Erkenntnisse wieder vermehrt über die Existenz des freien Willens diskutiert.283 Die Frage um Inde278 In: FS Eser (2005), S. 77 (78 f.) mit weiteren Nachweisen zu verschiedenen Wissenschaftsbereichen. 279 Hierzu näher Burkhardt, in: FS Eser (2005), S. 77 (79). 280 Vgl. zu einer ausführlichen Darstellung des Meinungsstandes den lesenswerten Aufsatz bei Burkhardt, a. a. O. 281 Vgl. Burkhardt, a. a. O., S. 83 f. mit dem Hinweis darauf, dass eine Überzeugung wahr oder falsch sein könne, ein Gefühl oder ein Erlebnis jedoch nicht. Der Autor selbst geht davon aus, dass das Freiheitserleben stets durch Überzeugungen konstituiert werde, die mit der Wirklichkeit übereinstimmen oder diese verfehlen können. 282 Ein kurzer Überblick über den Begriff der Neurowissenschaften, ihren Arbeitsbereich sowie die Leistungsmöglichkeit findet sich bei Spranger, JZ 2009, 1033. 283 Vgl. nur jüngst Herzberg, Willensunfreiheit (2010); dens., in: FS Achenbach (2011), S. 157 ff.; Lüderssen, in: FS Puppe (2011), S. 65 ff. und dens., in: Duncker (Hrsg.), Anthropologie (2006), S. 189 ff. sowie die Beiträge in v. Cranach / Foppa (Hrsg.), Freiheit (1996); Chr. Geyer (Hrsg.), Hirnforschung und Willensfreiheit (2004); Hillenkamp (Hrsg.), Neue Hirnforschung – Neues Strafrecht? (2006); vgl. auch die im Folgenden zitierten Quellen. Eine

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Kap. 3: Das Freiwilligkeitsmerkmal

terminismus und Determinismus284 ist weiterhin unbeantwortet285, und viel spricht dafür, dass ein Beweis für die eine oder die andere Seite wohl auch nie erbracht werden wird.286 a) Der Determinismus und seine Folgen für das Strafrecht Hirnforschern zufolge gibt es nach modernen Forschungserkenntnissen keine Willensfreiheit.287 Deutlich gibt dies Singer zu verstehen: „Ich kann bei der Erforschung von Gehirnen nirgendwo ein mentales Agens wie den freien Willen oder die eigene Verantwortung finden …“288 „Die Annahme zum Beispiel, wir seien voll verantwortlich für das, was wir tun, ist aus neurobiologischer Perspektive nicht haltbar. Neuronale Prozesse sind deterministisch.“ Gebe man der nichtsprachlichen Hirnhälfte einen Befehl, führe die Person diesen aus, ohne sich der Verursachung bewusst zu werden. Frage man dann nach dem Grund für die Aktion, erhalte man eine vernünftige Begründung, die aber mit der eigentlichen Ursache nichts zu tun habe.289 Signale, die durch ein komplexes Geflecht aus verschiedensten Determinanten auf den Menschen einwirken, veranlassten diesen zu einem bestimmten Verhalten. Da der Mensch sich zwar all der auf ihn einwirkenden Faktoren bewusst sei, er sie jedoch nicht überblicken könne, liege es nahe, dass der Mensch seinen Handlungen Absicht unterstelle, und damit Intentionalität und Freiheit.290 Die VorstelLiteraturauswahl findet man u. a. bei Fischer, StGB, Vor § 13 Rn. 11a; instruktiv zu Determinismus und Indeterminismus in verschiedenen Wissenschaftssparten Dreher, Die Willensfreiheit (1987). 284 Unter Determinismus wird hier allgemein die Vorherbestimmtheit des Weltgeschehens, insbesondere des menschlichen Entscheidens und Handelns aufgrund naturgesetzlicher Bedingtheit verstanden. Vgl. zum „geläufigen Alltagssinn“ des Begriffes R. Merkel, in: Lampe / Pauen / Roth (Hrsg.), Willensfreiheit (2008), S. 332 (338) sowie ders., Willensfreiheit und rechtliche Schuld (2008), S. 19 ff.; T. Walter, in: FS F.-C. Schroeder (2006), S. 131 (132 f.); zu weiteren (In)Determinismus-Ansätzen und ihren Inhalten R. Merkel, in: Lampe / Pauen / Roth (Hrsg.), Willensfreiheit (2008), S. 332 (341 ff.); Stuckenberg, Willensfreiheit (2009), S. 4 ff. Zur weiteren Differenzierung zwischen Determinismus und Prädeterminismus Mohr, in: Lampe / Pauen / Roth (Hrsg.), Willensfreiheit (2008), S. 72 (79 ff.). 285 So fragte sich auch Engisch, Willensfreiheit (1963), S. 65, am Ende seiner Monographie, zu welchem Ergebnis er nach seinen Ausführungen gekommen sei, und stellt fest: „Wir erklären unser Nichtwissen in bezug auf die Frage, ob ein konkreter Mensch in einer konkreten Situation anders hätte handeln können als er tatsächlich gehandelt hat.“ 286 Hirsch, ZIS 2010, 62 (63). 287 Allen voran seien hier Wolfgang Prinz, Gerhard Roth und Wolf Singer genannt; vgl. zu den jeweiligen Quellen die Angaben im Folgenden. 288 Menschenbild (2003), S. 12. 289 Singer, a. a. O., S. 20. Zu den neuronalen Abläufen s. Roth, in: FS Lampe (2003), S. 43 (50 ff.). Man wird an dieser Stelle derweil kritisch fragen dürfen und müssen, ob Singer denn meint, dass ein Mensch, dessen nicht-sprachlicher Hirnhälfte man etwa den Befehl gibt, sein Kind zu misshandeln oder gar zu töten, später eine vernünftige Begründung hierfür wird anführen können. 290 Singer, a. a. O., S. 21; so auch Roth, in: FS Lampe (2003), S. 43 (57).

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lung, frei zu sein, hält Singer für ein kulturelles Konstrukt, das inkompatibel mit der Funktion von Gehirnen sei. Dennoch beruhe die Vorstellung ihrerseits auf Vorgängen im Gehirn, woraus sich ergebe, dass sie sich im Laufe der kulturellen Evolution ausgebildet habe.291 Daneben geht Singer aber auch davon aus, dass der kulturelle Hintergrund eines Menschen Einfluss auf ihn habe.292 Die Ausbildung von Hirnfunktionen sei dynamisch und werde ganz wesentlich von Erfahrung und Lernen mitbestimmt.293 Kurz zusammengefasst sollen aus Sicht der Naturwissenschaft alle Vorgänge im Gehirn deterministisch sein.294 Man könne den freien Willen lediglich als ein Gefühl umschreiben, eine Erfahrung des Einzelnen aus seiner Perspektive295: „[Der freie Wille] wird von uns als Realität erlebt und wir handeln und urteilen so, als gäbe es ihn. Der freie Wille, oder besser, die Erfahrung, einen solchen zu haben, ist somit etwas Reales, extrem Folgenreiches.“ Mit ihren neueren wissenschaftlichen Forschungserkenntnissen führen Neurophysiologen und Hirnforscher wie Singer und seine Kollegen also gute Gründe für das Modell vom freien Willen als bloßem Gefühl und Erfahrung an. Sind ihre Ansätze richtig, so hätte dies unter Umständen weitreichende Folgen für das gesamte Rechtssystem. So könnte schon die im Grundgesetz verankerte Menschenwürdegarantie, der „oberste Wert“296 der Verfassung, infrage gestellt sein.297 Der Menschenwürdebegriff hat einen langen geistesgeschichtlichen Hintergrund und fußt originär neben der Zuschreibung eines Eigenwerts, der dem Menschen um seiner selbst willen zukommt, auf dem Grundgedanken, dass der Mensch vernunftbegabt und zur sittlichen Selbstbestimmung fähig sei.298 Legt man inhaltlich für den Würdebegriff die menschliche Fähigkeit zu freier Selbstbestimmung zugrunde299, so könnte – unSinger, a. a. O., S. 12 f., 58. Vgl. Singer, a. a. O., S. 15 ff. 293 Singer, a. a. O., S. 23. 294 Vgl. Singer, a. a. O., S. 24, 32 f. 295 Vgl. Singer, a. a. O., S. 58 f.; s. auch Roth, in: FS Lampe (2003), S. 43 (44, 55 ff.). 296 BVerfGE 6, 32 (41), seitdem st. Rspr.; s. auch Herdegen, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 1 Abs. 1 Rn. 4; Hillgruber, in: Epping / Hillgruber, GG, Art. 1 Rn. 1. 297 Diese Frage wirft Spranger, JZ 2009, 1033 ff., auf, betont aber, dass das Menschenwürdeverständnis in jedem Falle aufrecht erhalten werden müsse, da „anderenfalls ein Verlust der Grundrechtsrelevanz drohen würde“: Das Schuldprinzip fuße zwar auf der Menschenwürde, letztere aber nicht umgekehrt auf dem Schuldprinzip. Spranger sieht insgesamt weder Schuldprinzip noch das Menschenbild des Grundgesetzes ernsthaft erschüttert (a. a. O., 1035). 298 s. ausführlich zur geschichtlichen Entwicklung Baumgartner / Honnefelder / Wickler / Wildfeuer, in: Rager (Hrsg.), Beginn, Personalität und Würde des Menschen (1998), S. 161 (170 ff.); Herdegen, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 1 Abs. 1 Rn. 7 ff.; Zippelius, in: BK-GG, Art. 1 Abs. 1 u. 2, Rn. 2 ff., 14. Zur historischen Entwicklung des Freiheitsverständnisses auch Schapp, JZ 2006, 581 (582 ff.). 299 s. etwa Zippelius, in: BK-GG, Art. 1 Abs. 1 u. 2, Rn. 14, 31, 47; zu den Streitigkeiten um den heute in Art. 1 Abs. 1 GG verankerten Menschenwürdebegriff s. nur Herdegen, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 1 Abs. 1 Rn. 33 ff. Der heute in Art. 1 Abs. 1 GG enthaltene Begriff 291 292

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Kap. 3: Das Freiwilligkeitsmerkmal

abhängig davon, ob man die Würde des Menschen als einen ihm angeborenen Wert sieht300 oder ob man verlangt, dass der Mensch sich die Würde erwirbt301 – mit der Annahme des Determinismus diese ganz grundlegende Komponente der Menschenwürde entfallen. Soweit man den im Grundgesetz verankerten Freiheitsrechten mit dem Schutz von der Persönlichkeitssubstanz einen „Menschenwürdekern“ zuspricht302, würde sich zugleich ergeben, dass auch diesen bei einer Verneinung der grundsätzlichen Freiheit des Menschen nicht nur begrifflich, sondern auch inhaltlich die Grundlage genommen würde.303 Die Gedanken zur Bedeutung des Menschenwürdebegriffs und den übrigen Freiheitsgarantieren können hier nicht vertieft werden; dies würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Die Ausführungen sollen vielmehr zeigen, dass die Annahme der menschlichen Fähigkeit zur freien Willensentschließung von herausragender Bedeutung für elementare gesellschaftliche und rechtliche Werte ist. Die naturwissenschaftlichen Erkenntnisse um den Determinismus führen schließlich dazu, dass die Frage nach der individuellen Verantwortlichkeit304 und damit einhergehend einem veränderten Menschenbild gestellt wird.305 Dies betrifft nicht zuletzt auch die strafrechtliche und kriminologische Perspektive306.307 Eine weitreider Menschenwürde soll nicht mehr allein naturrechtlich zu verstehen sein, sondern vielmehr vor dem Hintergrund seiner Gewährleistung durch das positive Recht (hierzu Herdegen, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 1 Abs. 1 Rn. 19 f.; zur Negativabgrenzung Zippelius, in: BK-GG, Art. 1 Abs. 1 u. 2, Rn. 11). Jedoch zeigt nicht zuletzt die Feststellung einer Verletzung der Menschwürde bei Folter (s. nur BVerwGE 67, 184 [185]) und bei sonstigen Behandlungen eines Menschen, die seine freie Willensentschließung und -betätigung beeinträchtigen (hierzu Zippelius, in: BK-GG, Art. 1 Abs. 1 u. 2, Rn. 65), dass die freie Willensbestimmung wesentliche Komponente des Würdebegriffs ist. 300 So lag es nach der Auffassung Kants, in: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S. 58 ff. 301 So Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § XI, Sämtliche Werke, hrsg. von Glockner, Bd. XV, 1959, S. 323: „Würde hat der Mensch nicht dadurch, was er als unmittelbarer Wille ist, sondern nur indem er von einem An- und Fürsich seyenden, einem Substantiellen weiß und diesem seinem natürlichen Willen unterwirft und gemäß macht.“ 302 BVerfGE 6, 32 (36). Instruktiv zur Problematik Herdegen, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 1 Abs. 1 Rn. 21 ff., 26. 303 Vgl. auch Hirsch, ZIS 2010, 62 (65). 304 Zu den Begriffen der Verantwortung und der Verantwortlichkeit Lampe, ZStW 118 (2006), S. 1 (18 ff.). Die dort festgelegte strikte Differenzierung ist nicht deckungsgleich mit dem allgemeinen Sprachgebrauch, wie er von den gängigen Wörterbüchern Duden, Universalwörterbuch und Wahrig, Deutsches Wörterbuch angegeben wird; sie wird auch hier nicht übernommen. Unter Verantwortlichkeit ist im vorliegenden Text das Tragen der Verantwortung, das Verantwortlichsein zu verstehen. 305 Hierbei handelt es sich freilich nicht um eine neue Modeerscheinung. S. nur für Ansätze um 1900 Ferri, Das Verbrechen als sociale Erscheinung (1896), S. 22 ff.; vgl. auch Lacassagne, zitiert nach Hering, Der Weg der Kriminologie (1966), S. 99; F. v. Liszt, Zweckstrafe (1905), S. 25 (38 ff.); ders., Lehrbuch, S. 10 ff. 306 Einen Überblick über die kriminologischen Ansätze bietet Dölling, in: Lampe / Pauen / Roth (Hrsg.), Willensfreiheit (2008), S. 371 (373 ff.) m. w. N. Im Ergebnis ergebe sich nach

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chende Folge für das Strafrecht wäre etwa, dass dem traditionellen Schuldverständnis – dem persönlichen Vorwurf, sich nicht normgerecht verhalten zu haben, obwohl man hierzu in der Lage gewesen wäre – der Boden entzogen werden könnte.308 Die Verneinung der Willensfreiheit könnte dazu führen, dass insbesondere der Schuldbegriff abzuschaffen oder neu zu definieren wäre.309 Was also würde geschehen, wenn die Bestrafung von Delinquenten nicht mehr auf dem herkömmlichen Schuldprinzip beruhen könnte? Singer310 und Roth311 äußern sich zu derartigen Problemstellungen dahingehend, dass der Grund für unangepasstes Verhalten in Störungen im Gehirn liege. Der Schuldbegriff sei für sie verzichtbar, da man auch nach seinem Verständnis auf unangepasstes Verhalten nicht anders reagieren würde als bisher: nämlich mit erzieherischen Maßnahmen, Schulungs- und Therapiemaßnahmen – und daneben mit Freiheitsbegrenzungen, um die Gesellschaft vor gefährlichen Menschen zu schützen. Hervorgehoben werden also präventive Ziele der Besserung des Delinquenten, soweit eine solche möglich ist, und des Schutzes der Gesellschaft vor ihm. Anstelle von „Strafmaß“ solle man aber nach Singer von „Verwahrungsmaß“ oder „Schutzmaß“ sprechen, das sich dann nach der Schwere der Normverletzung richten solle und danach, wie niedrig die Schwelle zum Fehlverhalten eingeschätzt werde. In der Tat spricht einiges dafür, dass sich die staatlichen Reaktionen auf eine Straftat nicht wesentlich von denen unterscheiden würden, die ohnehin aus Präventionsgründen bereits angewendet werden und auf den Gedanken der positiven SpeDölling, a. a. O., S. 384, dass kriminelles Verhalten nicht deterministisch erklärt werden könne; vielmehr seien lediglich Wahrscheinlichkeitsaussagen darüber anzustellen, dass bestimmte Bedingungen das Risiko von Delinquenz erhöhten. 307 Zu den Folgen für das Zivilrecht und das öffentliche Recht im Überblick T. Walter, in: FS F.-C. Schroeder (2006), S. 131 (139); auch Fischer, StGB, Vor § 13 Rn. 9a weist darauf hin, dass von der Debatte das „Recht als solches“ betroffen sei [Hervorhebung im Original]. Vgl. auch Lüderssen, in: FS Puppe (2011), S. 65 (67); Schreiber, in: FS Laufs (2006), S. 1068 (1070). 308 Vgl. Jescheck / Weigend, AT5, S. 407 f.: „Der Schuldgrundsatz hat die Entscheidungsfreiheit des Menschen zur logischen Voraussetzung.“; vgl. auch G. Merkel, in: FS Herzberg (2008), S. 3 ff. (21 ff.); Roth, Fühlen, Denken, Handeln (2003), S. 554; Spilgies, ZIS 2007, 155 (156 f.) m. w. N. „Unabsehbare dekonstruktive, sozial und politisch destabilisierende Auswirkungen in fast allen Rechtsgebieten“ sieht F. Koch, ARSP 2006, 223, als Folgen der Aufgabe des Willensfreiheitskonzeptes: vgl. auch T. Walter, in: FS F.-C. Schroeder (2006), S. 131 (138 f.). Gegen die zentrale Bedeutung der Willensfreiheit für das Schuldstrafrecht Burkhardt, Das Magazin 2 / 2003, 21 ff. Zu der Bedeutung der Willensfreiheit für die Kriminologie Dölling, in: Lampe / Pauen / Roth (Hrsg.), Willensfreiheit (2008), S. 371 ff. 309 Singer, Menschenbild (2003), S. 64 ff.; Spranger, JZ 2009, 1033 (1034). Zusammenfassend zu einer Reihe von Vorschlägen für die Sanktionierung bzw. „Behandlung“ von Straftätern m. w. N. Herzberg, Willensunfreiheit (2010), S. 72 ff., 76 ff.; vgl. auch mit Überlegungen zum Schuldbegriff dens., in: FS Achenbach (2011), S. 157 ff. 310 Menschenbild (2003), S. 32 ff., 65. 311 Fühlen, Denken, Handeln (2003), S. 536 – 544, 554; ders., in: FS Lampe (2003), S. 43 (56 f.).

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Kap. 3: Das Freiwilligkeitsmerkmal

zialprävention, d. h. die Resozialisierung, aber auch der negativen Spezialprävention, des Schutzes der Allgemeinheit vor dem Täter sowie des Täters vor sich selbst, zurückgehen. Die staatlichen Reaktionen auf kriminelles Verhalten und die Strafzwecke sind indes an dieser Stelle nicht Thema, denn hier muss geklärt werden, ob die derzeitige Grundlage der staatlichen Reaktion überhaupt haltbar ist.312 Es sei jedoch bemerkt, dass die Sichtweise Singers eine zu stark vereinfachende ist. So weist Hirsch313 zu Recht darauf hin, dass ein rein präventionsrechtliches und damit ein von Prognosen über die potenzielle künftige Delinquenz geprägtes System mitunter zu unbilligen Konsequenzen führen würde, es sei denn, man kehrte zum Erfolgsstrafrecht zurück und bestrafe „nach dem Maß des angerichteten objektiven Erfolgs“.314 Die neurophysiologischen Thesen führen indes nicht nur dazu, dass das Schuldprinzip infrage zu stellen wäre, sondern auch bereits dazu, dass Strafbarkeitsvoraussetzungen wie der Kausalität und der Vermeidbarkeit bei der Fahrlässigkeitshaftung ganz oder teilweise315 das Fundament entzogen würde; dies gilt auch für den finalen Handlungsbegriff 316. Neben Rechtsfiguren des Allgemeinen Teils des Strafrechts wie der freiverantwortlichen Selbstgefährdung oder der Anstiftung – von der Freiwilligkeit beim Rücktritt vom Versuch einmal ganz zu schweigen – liefen aber auch Tatbestände des Besonderen Teils mangels Existenz einer Willensfreiheit leer.317 Insbesondere würde auch der heute herrschende Vorsatzbegriff zu verwerfen sein.318 Denn hier muss sich schon die Frage stellen: Gibt es überhaupt einen Willen, wenn dieser nicht frei ist? Was ist der Wille überhaupt?319 Wenn ich sage, ich 312 Vgl. zur Schuld als Maß für die Bestrafung mit Beispiel Hillenkamp, JZ 2005, 313 (316 f.); eingehend auch Pauen, in: Lampe / Pauen / Roth (Hrsg.), Willensfreiheit (2008), S. 41 (58 ff.); zu den „Konsequenzen des Determinismus für die Kriminalitätskontrolle“ Dölling, in: Lampe / Pauen / Roth (Hrsg.), Willensfreiheit (2008), S. 371 (388 ff.). s. zur Abkopplung der Sanktionierung von der Frage nach der Willensfreiheit Jakobs, AT, 17. Abschn. Rn. 23 ff. Roxin, in: FS Bockelmann (1979), S. 279 ff., 307 f., will eine Synthese zwischen Schuldprinzip und Prävention herstellen, wobei auf den Begriff der Willensfreiheit, den sittlichen Vorwurf sowie den Vergeltungsgedanken verzichtet werden soll. Kritisch zur Ersetzung des Strafrechts durch Therapie Mohr, in: Lampe / Pauen / Roth (Hrsg.), Willensfreiheit (2008), S. 72 (92 f.). Nicht überzeugen kann der Standpunkt Spilgies’, HRRS 2005, 43 (46), eine Prävention von Straftaten sei bei der Annahme von Willensfreiheit überflüssig. 313 ZIS 2010, 62 (64). 314 Vgl. hierzu und zur Ersetzung des Schuldstrafrechts durch ein „Schutzstrafrecht“ Hillenkamp, JZ 2005, 313 (316 ff.). 315 So befürwortet Prinz, ZPsychol 208 (2000), 32 (38 f.), „die Idee der psychischen Kausalität über Bord zu werfen“. 316 Lampe, ZStW 118 (2006), S. 1 (2); vgl. auch R. Merkel, Willensfreiheit und rechtliche Schuld (2008), S. 86 f. 317 So wäre beispielsweise eine Nötigung (§ 240 StGB) nicht mehr denkbar. Zum Ganzen Hillenkamp, JZ 2005, 313 (317 f.). 318 So auch Hillenkamp, JZ 2005, 313 (317). 319 Auf die bislang fehlende Klärung des Willensbegriffs weist auch F. Koch, ARSP 2006, 223 (234 f.), hin.

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will etwas, dann habe ich mich für etwas (für ein Ziel und / oder eine Handlung) entschieden320. Und mir ist häufig auch bewusst, mich frei für etwas entschieden zu haben. Der Begriff des Willens ist zwingend verknüpft mit dem Begriff der Freiheit und dem Gegenteil Unfreiheit. „Wille“ als Begriff allein ist ein Nullum.321 Gehen die Hirnforscher davon aus, dass das Handeln des Menschen determiniert sei, seine Entscheidungen nicht auf einem freien Willensentschluss beruhen, weil durch die Wahrnehmung bestimmter Umstände neurologische Reaktionen ausgelöst werden, die den Menschen zu einem bestimmten Handeln veranlassen, dann muss man daraus die Konsequenz ziehen, dass der Mensch nicht nur keinen „freien Willen“, sondern auch keinen „Willen“ als solchen hat. Folglich wäre nicht nur dem Schuldprinzip, sondern auch dem herrschenden Vorsatzbegriff, der ein voluntatives Element fordert, der Boden entzogen. Letztlich lautet aus diesem Grund die Antwort vieler Autoren auf die Frage, was Determinismus von unserem heutigen Strafrecht übrig lasse, schlicht: „Nichts.“322 b) Kritik am Determinismus Es gibt zahlreiche Stimmen, die sich gegen die These wenden, das menschliche Verhalten sei determiniert. Zumeist werden hierfür die oben genannten Nachteile angeführt, die diese Auffassung für das heutige Strafrecht hätte. Doch allein die Benennung von Negativfolgen ist nicht geeignet, die Ergebnisse der Neurophysiologen und ihrer Anhänger „hinweg zu argumentieren“. Denn wenn es erwiesenermaßen zutrifft, dass der Mensch keinen freien Willen hat und damit faktisch nicht freiverantwortlich handeln kann, lässt sich dies nicht ohne Weiteres beiseite schieben. Es wäre unbillig, das Strafrecht als schärfstes Schwert des Staates auf einer Fiktion menschlicher Freiheit aufzubauen.323 Den Indeterminismus seinerseits kann man jedenfalls nicht allein mit seiner positiven Auswirkung der Aufrechterhaltung unseres Strafrechtssystems verteidigen. Man kann der Determinismus-These selbst nur entgegentreten oder sie infrage stellen, indem man an ihrer Basis rüttelt. Von der Position des Indeterminismus unter320 R. Merkel, in: Lampe / Pauen / Roth (Hrsg.), Willensfreiheit (2008), S. 332 (336) hält es deshalb für zweckmäßig, den Begriff des Willens zu vermeiden und stattdessen von einer „Entscheidung“ zu sprechen; s. auch ders., Willensfreiheit und rechtliche Schuld (2008), S. 7, 15 f. 321 Anders sieht dies wohl Roth, in: FS Lampe (2003), S. 43 (45 f.): „Es wird Wille mit Willensfreiheit verwechselt. Der Wille ist ein energetisierender, das Spektrum möglicher Handlungen einschränkender und fokussierender psychischer Zustand.“ Überzeugen muss dies indes nicht. Es spricht mehr dafür, dass in dem Moment, in dem ein mögliches Handlungsspektrum eingeschränkt und fokussiert wird, dies schon ein Ergebnis des Willensbildungsprozesses ist und der – insoweit freie – Wille bereits aktiv geworden ist. 322 Hillenkamp, JZ 2005, 313 (318); vgl. auch schon v. Birkmeyer, Was lässt v. Liszt vom Strafrecht übrig? (1907), insbes. S. 92 ff.; Dreher, Die Willensfreiheit (1987), S. 29. 323 Vgl. auch Hillenkamp, JZ 2005, 313 (318).

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scheidet sie sich insoweit, als sie auf naturwissenschaftlich erfahrbare und greifbare Forschungsmethoden und deren Ergebnisse setzt. Geht man hingegen von einem freien Willen aus oder vorsichtiger ausgedrückt: von dem, was wir uns darunter vorstellen, ist dieser für uns – jedenfalls bislang – nicht in Form visualisierter gemessener Daten wahrnehmbar. So spitzt sich also die Diskussion auf die Frage zu: Ist es den Neurophysiologen und Hirnforschern bereits gelungen, in empirisch gesicherter Weise die Willensfreiheit zu widerlegen? Die Antwort hierauf muss lauten: Nein. In den 80er Jahren haben der Neurobiologe Benjamin Libet324 und ihm folgend 1999 Patrick Haggard und Martin Eimer325 Experimente zur menschlichen Willensfreiheit durchgeführt. Aus den Ergebnissen wurde geschlossen, dass der Willensakt erst auftrete, nachdem das Gehirn bereits entschieden habe, welche Bewegung es ausführen werde.326 Unterstellt man die Richtigkeit der naturwissenschaftlich erwiesenen Daten, so bleibt aber zu beachten, dass die Experimente daran kranken, dass sich die Probanden wissentlich in einer Experimentssituation befanden und damit schon grundsätzlich ein Bereitschaftspotential für das hatten, was ihnen jeweils als alternatives Verhalten zur Disposition gestellt wurde. Es handelt sich hierbei auch um die Entscheidung zu einfachsten Körperbewegungen, ohne dass weitere Einflüsse oder Emotionen auf die Versuchspersonen einwirkten.327 Die Entscheidungen, die ein Mensch im Alltag zu treffen hat – und erst recht die Entscheidung zur Verwirklichung von strafrechtlichem Unrecht – sind in wohl weitaus komplexerem Umfeld zu betrachten. Hierzu gehören nicht nur neuronale Faktoren, sondern auch genetische und psychologische sowie Umwelteinflüsse, Erfahrungen und Vorprägungen aus der Erziehung und dem Lebensumfeld des Einzelnen.328 In dieBehavioral and Brain Sciences 8 (1985), 529 ff. In: Exp Brain Res 126 (1999), 128 ff. 326 Vgl. zur deutschsprachigen Zusammenfassung Roth, Fühlen, Denken, Handeln (2003), S. 518 ff.; ders., in: FS Lampe (2003), S. 43 (48 ff.); s. auch F. Koch, ARSP 2006, 223 (226 f.). Zu weiteren wissenschaftlichen Experimenten s. die Zusammenfassung bei T. Walter, in: FS F.-C. Schroeder (2006), S. 131 (136 ff.). 327 Vgl. auch Lampe, ZStW 118 (2006), S. 1 (8), der darauf hinweist, dass es in den Experimenten Libets nicht um die Handlungsplanung als erste Stufe der Handlungsstruktur gegangen sei; die Komponente der Auswahl von Handlungsziel und -mittel sei vorgegeben gewesen. s. auch Roth, in: FS Lampe (2003), S. 43 (50), der einräumt, „dass die untersuchten Reaktionen […] außerordentlich eingeschränkt und zudem hoch eingeübt“ gewesen seien; so auch Helmrich, in: F.A.Z. vom 30. 12. 2003, S. 33. Kritisch auch Reinelt, NJW 2004, 2792 f.; T. Walter, in: FS F.-C. Schroeder (2006), S. 131 (140). 328 Vgl. auch Nedopil, in: FS Schöch (2010), S. 979 (989 ff.); Schreiber, in: FS Laufs (2006), S. 1069 (1076); Spranger, JZ 2009, 1033 (1035); s. Roth / Lück / Strüber, in: Lampe / Pauen / Roth (Hrsg.), Willensfreiheit (2008), S. 126 (130 ff.) für die Fülle an Einflüssen, die dazu führen, dass Personen zu chronischen Gewaltstraftätern werden (können). Gegen die Thesen der Naturwissenschaftler wird insgesamt geltend gemacht, ihre Forschungen und Experimente seien zu wenig aussagekräftig Hirsch, ZIS 2010, 62 (63) m. w. N.; s. auch Hillenkamp, JZ 2005, 313 (319); F. Koch, ARSP 2006, 223 (228 ff., 233 ff.); Rösler, in: Lampe / Pauen / Roth (Hrsg.), Willensfreiheit (2008), S. 140 (160 ff.). 324 325

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sem Zusammenhang ist auch folgender Einwand gegen die neurodeterministischen Vorstellungen bemerkenswert: Herzberg329 stellt fest, dass die Neurodeterministen „in einer unendlichen Kausalkette ein einziges winziges Glied“, nämlich die „kurze Phase der hirnaktiv-unbewussten Entschlussvorbereitung“ als maßgeblichen Ursprung des Handelns markieren. Er bezeichnet dies als „verzerrende Überschätzung“ und verweist sodann ebenfalls darauf, dass der „wirkliche Ursprung“ in der Persönlichkeit des Handelnden liegt, welche durch Erfahrungen „langer Jahre“ geprägt worden ist: „Man entscheidet sich, wie unter dem Druck der Motive Erziehung, Gewohnheit und Charakter es einem vorgeben.“330 Hirnforscher331 räumen selbst ein, dass bis heute längst noch nicht alle Einzelheiten des Entscheidungsprozesses erforscht worden sind. Singer332 beispielsweise bemerkt hierzu, dass für eine Analyse des dynamischen Systems der Hirnfunktionen noch nicht einmal alle Werkzeuge zur Verfügung stünden. „Auf einer höheren Ebene“ stünde man „wieder ganz am Anfang“. Interessant ist hierbei der Terminus „höhere Ebene“. Hieran anknüpfend sei darauf hingewiesen, dass Faktoren wie Intuition, Gefühle und Emotionen in der Naturwissenschaft regelmäßig keinen Eingang finden.333 Sie sind eben nicht greifbar und doch spürbar für den einzelnen Menschen, und bisweilen werden sie – wenn nicht explizit verbal geäußert – durch Mimik oder Gestik sichtbar für andere Menschen. Welche Bedeutung soll ihnen zukommen? Insgesamt werden die Gründe und Motive334 für eine Entscheidung regelWillensunfreiheit (2010), S. 5 ff. Herzberg, Willensunfreiheit (2010), S. 6. Ähnlich äußert sich auch Hochhuth, JZ 2005, 745 (748): „Freiheit besteht also darin, sich – gerade auch angesichts von Ursachen, Motiven, Gewohnheiten und Widerständen – selbst neu determinieren zu können. Einfacher gesagt heißt das: Seinem eigenen Gesetz folgen, und keinem fremden.“ Herzberg, a. a. O., S. 37, will gleichwohl der deterministischen Lehre folgen, wenngleich er eine sogenannte „kleine Willensfreiheit“ anerkennen will: „Man hat die Freiheit, sich so zu entscheiden, wie man sich entscheidet, und so zu handeln, wie man handelt. Unser Charakter und die Umstände des Falles machen uns das eine Wollen unmöglich und geben uns in die andere Richtung freie Bahn, einen Willen zu bilden. Indem wir es tun, erweist sich uns auf der freien Bahn eine wirkliche und nicht nur postulierte Willensfreiheit.“ s. zur Maßgeblichkeit des Charakters bzw. der Persönlichkeit eines Menschen auch dens., in: FS Achenbach (2011), S. 157 (184 ff.). 331 Vgl. bereits Libet, Mind Time (2005), S. 195: „Die Annahme, dass die deterministische Natur der physikalisch beobachtbaren Welt subjektive bewusste Funktionen und Ereignisse erklären kann, ist ein spekulativer Glaube und keine wissenschaftlich bewiesene Aussage.“; s. auch Roth, Fühlen, Denken, Handeln (2003), S. 524; sowie im Folgenden Singer. 332 Menschenbild (2003), S. 23. 333 Kritisch zu den neurologischen Experimenten deshalb Habermas, DZPhil 52 (2004), 871 (874). Vgl. aber zur Bedeutung von Affekten und Emotionen im „Abwägungsprozess“ Roth, in: FS Lampe (2003), S. 43 (53 ff.), der die Ansicht vertritt, dass der Unterschied zwischen „rationalem Abwägen“ und „affektiv-emotional bestimmtem Entscheiden“ lediglich anders erlebt werde; vgl. auch Schiemann, NJW 2004, 2056 (2057). T. Walter, in: FS F.-C. Schroeder (2006), S. 131 (137 f.), zeigt jedoch anhand eines Beispiels auf, dass Gefühle für das Treffen von Entscheidungen relevant werden. 334 Zur Bedeutung der Begriffe „Grund“ und „Motiv“, die mit immateriellen Sphären verknüpft seien, und zu deren Abgrenzung zum Begriff der „Ursache“ R. Merkel, in: Lampe / 329 330

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mäßig außen vor gelassen.335 Und dabei sind sie gerade wesentlich – oder wie Hochhuth336 bemerkt: „Freiheit kann nicht darin bestehen, ohne irgendwelche Gründe zu handeln. Sie besteht vielmehr darin, aus Gründen ja oder nein sagen zu können.“ Oder ist bereits dies lediglich eine Illusion? Können wir gar keine Motive fassen? Sind unsere Gedanken lediglich Abläufe im limbischen System, die uns bewusst, das heißt vor unser Auge projiziert werden? Es eröffnet sich ein ganzer Fragenkatalog, der nun nicht mehr nur die Frage der Willensfreiheit betrifft, sondern die Gedankenfreiheit mit einschließt. Sind wir gänzlich vorprogrammiert? Hillenkamp337 stellt fest: „[Man fragt] sich, ob man im Rahmen einer nach neuronalen Korrelaten und Verknüpfungen Ausschau haltenden Forschung, die Ursachen sucht und Gründe für menschliches Entscheiden ausblendet, auf ein Phänomen wie den freien Willen überhaupt stoßen kann.“ Dies erinnert an eine Aussage, die dem sowjetischen Kosmonauten Jurij A. Gagarin zugeschrieben wird: Bei seinen Ausflügen ins Weltall sei ihm Gott nicht begegnet. Dass Entscheidungen mit neuronalen Prozessen verknüpft seien, mag zwar belegbar sein, nicht aber, dass neuronale Prozesse Entscheidungen bestimmen. Hillenkamp weist damit zu Recht darauf hin, ein naturwissenschaftlichen Nachweis, dass der Mensch nicht frei entscheiden kann, stehe noch aus. Daneben deutet er zugleich auf einen nicht unwesentlichen Problempunkt hin: Man sollte sich einmal die Frage stellen, ob naturwissenschaftlich überhaupt alles erfassbar ist oder ob es nicht Dinge gibt, die für den Menschen niemals erfahrbar, d. h. greifbar sind – dies wird für die Willensfreiheit oftmals so gesehen.338 Nicht umsonst wird von Reinhard Merkel339, der sich umfassend zu den hier aufgeworfenen Problemen äußerte, die Debatte um Pauen / Roth (Hrsg.), Willensfreiheit (2008), S. 332 (345 ff.); ders., Willensfreiheit und rechtliche Schuld (2008), S. 39 ff. 335 Vgl. aber G. Merkel / Roth, in: Grün / Friedman / Roth (Hrsg.), Entmoralisierung des Rechts (2008), S. 54 (62 f.). Erfreulich intensiv befasst sich R. Merkel, Willensfreiheit und rechtliche Schuld (2008), S. 39 ff., mit der Frage nach der Verbindung von mentalen Phänomenen und neuronalen Vorgängen. 336 JZ 2005, 745 (747). 337 JZ 2005, 313 (319); zust. Hirsch, ZIS 2010, 62 (63); kritisch auch Mohr, in: Lampe / Pauen / Roth (Hrsg.), Willensfreiheit (2008), S. 72 (76); Schockenhoff, in: F.A.Z. vom 17. 11. 2003, S. 31. 338 Vgl. Mohr, in: Lampe / Pauen / Roth (Hrsg.), Willensfreiheit (2008), S. 72 (81): physiologischer Prädeterminismus als „metaphysische Position“; s. auch Schockenhoff, in: F.A.Z. vom 17. 11. 2003, S. 31 und Kempermann, in: F.A.Z. vom 02. 03. 2004, S. 37, die beide betonen, dass ein freier Wille naturwissenschaftlich nicht restlos zu erfassen sei. Goller, Rätsel (2003), S. 109, hält das Problem, dass das Erleben des freien Willens niemals aus objektiv beschreibbaren Hirnprozessen hervorgehe, für experimentell nicht zugänglich; vgl. auch schon Dreher, Die Willensfreiheit (1987), S. 379 ff., 396 (gegen Dreher: Herzberg, Willensunfreiheit (2010), S. 20 f.); Griffel, ZStW 98 (1986), S. 28 (34 ff.); ders., GA 1989, 193 (195 ff.); Lackner, in: FS Kleinknecht (1985), S. 245 (249); Nedopil, in: FS Schöch (2010), S. 979 (991). Pauen, in: Lampe / Pauen / Roth (Hrsg.), Willensfreiheit (2008), S. 41 (53), blendet die Existenz immaterieller Seelen und Eigenschaften aus. 339 Willensfreiheit und rechtliche Schuld (2008), S. 7.

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die Willensfreiheit als „besonders komplizierter Spezialfall eines allgemeinen Problems“, nämlich des „Verhältnisses von Gehirn und Geist“ bzw. „von Leib und Seele“ bezeichnet, die „hoffnungslos umstritten“ sei. Daran anknüpfend ist auf einen zwischen Geistes- und Naturwissenschaften bestehenden ganz maßgeblichen Unterschied hinzuweisen: Naturwissenschaftliche Lehren beruhen auf empirischen Forschungen und befassen sich mit sinnlich wahrnehmbaren Erscheinungen in der Außenwelt.340 Fruchtbar gemacht werden kann auch das Schichtenmodell Nicolai Hartmanns341: Die Naturwissenschaften widmen sich den Schichten des Leblosen, d. h. der bloße Materie (Physik, Chemie) sowie des Lebens (Biologie, Medizin). Demgegenüber erfassen die Geisteswissenschaften342 die Schichten des Geistes, des Seelischen, und haben damit Unräumliches zum Gegenstand. Die Ergebnisse der Naturwissenschaft können deshalb zwar für ihren Fachbereich als „Aussagen mit ausnahmsloser Allgemeingültigkeit“343 bezeichnet werden, was aber nicht heißt, dass sie zugleich zwingend Allgemeingültigkeit auch für andere Wissenschaftssparten beanspruchen könnten. Die hier gestellte Frage nach der Existenz der Willensfreiheit ist gut geeignet, dies zu verdeutlichen: Die Willensfreiheit ist nicht allein ein naturwissenschaftliches Phänomen, sondern zugleich ein theologisches und gesellschaftliches und im Kontext dieser Arbeit auch ein rechtswissenschaftliches. Dies wurde bereits im Rahmen der Ausführungen zum Inhalt des Menschenwürdebegriffs angedeutet und sei hier noch einmal hervorgehoben.344 Insoweit darf sie also durchaus als „gesellschaftlich real“345 angesehen werden.346 Jede Wissenschaft beleuchtet die Problemstellung jeweils mit ihren Methoden aus der ihr ganz eigenen Perspektive347 und mit bestimmten Zielen; 340 Potacs, Rechtstheorie 25 (1994), S. 191 (193); s. aber auch a. a. O., S. 193 ff. zur Theorieabhängigkeit der Interpretation sinnlicher Wahrnehmungen. 341 Der Aufbau der realen Welt (1964), S. 173 ff., 179 ff.; s. auch die Zusammenfassung bei Hochhuth, JZ 2005, 745 (750). 342 Hiervon werden sowohl die Psychologie und Philosophie als auch die „geistig-geschichtlichen“ Gebiete wie bspw. Sprach-, Kunst- und Literaturwissenschaften sowie Rechts-, Staats-, Sozialwissenschaften erfasst), vgl. Hartmann, Der Aufbau der realen Welt (1964), S. 174. 343 Potacs, Rechtstheorie 25 (1994), S. 191 (199, 210) m. w. N. Struck, JuS 1993, 992 (994 ff.), weist aber darauf hin, dass zwar in der Regel naturwissenschaftliche Gesetze aufgestellt werden, die dann sichere Prognosen über zukünftige Entwicklungen erlauben, dass aber dies – wie die Chaos-Theorie zeige – nicht zwingend immer der Fall sein müsse. 344 Eingehend hierzu Herdegen, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 1 Abs. 1 Rn. 7 ff. 345 Schünemann, in: Schünemann (Hrsg.), Grundfragen (1984), S. 153 (166). 346 So auch ausführl. Schünemann, in: Schünemann (Hrsg.), Grundfragen (1984), S. 153 (163 ff.). Krit. mit Blick auf die Anknüpfung Schünemanns an die Sprachstrukturen Stuckenberg, Willensfreiheit (2009), S. 13. 347 Hingewiesen sei auf die unterschiedlichen Blickrichtungen von Natur- und Rechtswissenschaften: Während die Naturwissenschaft aus ihren Erkenntnissen zukunftsgerichtete Prognosen erstrebt (s. Potacs, Rechtstheorie 25 (1994), S. 191 (202 f.); Struck, JuS 1993, 992 (993 ff.)), orientiert sich die Rechtswissenschaft häufig an Erkenntnissen aus bereits vergangenen Sachverhalten (Potacs, a. a. O.).

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die anderen Fachbereiche können hierzu lediglich Impulse für ein Weiterdenken liefern bzw. Kollisionen zwischen Wissenschaften und damit Grenzen aufzeigen.348 Um auf die Aussagekraft der naturwissenschaftlichen Thesen zurück zu kommen: Schon Libet selbst hatte die Tragweite seiner Untersuchungsergebnisse wieder relativiert, indem er darauf hinwies, dass es die Möglichkeit eines bewussten Vetos gebe: Die Ausführung einer Handlung könne noch vor Beginn ihrer Ausführung verhindert werden, wenn die Person eine (freie) Vetoentscheidung treffe349, bzw. sei stets noch eine positive Zulassung („allow“350 / „concious trigger“351) einer zur Durchführung bereitgehaltenen Handlung erforderlich. Damit ist auch nach Libet die Existenz eines freien Willens nicht ausgeschlossen352, vielmehr soll dieser später relevant werden, als das traditionelle Freiheitsempfinden des Menschen es annimmt.353 Natürlich drängt sich auch hier wieder die Frage auf, ob das Gebrauchmachen von dieser Vetomöglichkeit nicht ihrerseits auch durch neuronale Prozesse in Gang gesetzt wird, auf die der Mensch selbst keinen Einfluss hat, sondern ein weiteres Mal unfrei handelt.354 Doch auch diese Problematik ist bislang noch nicht gelöst worden. Damit lässt sich insgesamt festhalten: Es gibt zwar keinen endgültigen Beweis für die Existenz eines freien Willens, es wurden vielmehr Zweifel naturwissenschaftlicher Art gestreut. Die hieran anschließende Folgefrage lautet daher: Wie ist hiermit umzugehen?

348 Dass selbst zwischen zwei geisteswissenschaftlichen Disziplinen wie der Rechtswissenschaft und der Theologie deren jeweilige Besonderheiten Beachtung finden müssen, betonte schon Thoma, als im Parlamentarischen Rat über die verfassungsrechtliche Klausel zur Menschenwürde diskutiert wurde: „Das Verhältnis der ‚Menschenrechte‘ zur ‚Menschenwürde‘“ sei „eine den Theologen und Philosophen zu überlassende Aufgabe“, s. Matz, in: JöR n. F. 1 (1951), S. 49. 349 Behavioral and Brain Sciences 8 (1985), 529 (536 ff.); zust. Helmrich, in: F.A.Z. vom 30. 12. 2003, S. 33. G. Merkel / Roth, in: Grün / Friedman / Roth (Hrsg.), Entmoralisierung des Rechts (2008), S. 54 (62), verweisen dagegen auf die dem Veto vorangehende Veränderung des Bereitschaftspotentials. Kritisch auch F. Koch, ARSP 2006, 223 (233): „Ob ein bloßes Veto uns schon frei macht, erscheint zweifelhaft.“ Zweifelnd bzgl. der Existenz einer Veto-Möglichkeit Schiemann, NJW 2004, 2056 (2057 Fn. 15). 350 Libet, Mind Time. The Temporal Factor in Conciousness (2004), S. 138. 351 Libet, Behavioral and Brain Sciences 8 (1985), 529 (536, 538). 352 Libet, Behavioral and Brain Sciences 8 (1985), 529 (538), sei an dieser Stelle ob der besonderen Hervorhebung zitiert: „However, it is important to emphasize that the present experimental findings and analysis do not exclude the potential for ‚philosophically real‘ individual responsibility and free will.“ 353 F. Koch, ARSP 2006, 223 (227); vgl. auch Goller, Rätsel (2003), S. 107: „Der Wille ist kein Initiator, sondern ein Zensor.“ 354 Vgl. die kritischen Kommentare im Anschluss an Libets Artikel in Behavioral and Brain Sciences 8 (1985), 529 (539 ff.), von Nelson (a. a. O., S. 550), Rugg (a. a. O., S. 552), Underwood / Niemi (a. a. O., S. 554 f.) und Wood (a. a. O., S. 557 f.); in diese Richtung auch Mortensen (a. a. O., S. 548 f.).

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c) Deshalb jetzt Indeterminismus? Auch die Gegenauffassung vom Indeterminismus bietet keine naturwissenschaftlich fundierten Ergebnisse.355 Vielmehr beruht ihr Freiheitsverständnis auf kulturellen und gesellschaftlichen Entwicklungen.356 In unserem heutigen (Straf-)Rechtssystem wird der Mensch als freiverantwortlich handelndes Individuum angesehen, der sich frei für oder gegen das Unrecht entscheiden kann. Dies entspricht dem Schuldprinzip, das in Art. 1 und 2 GG seine Wurzeln hat.357 Der Große Senat hat dieses Freiheitsverständnis in seiner Entscheidung in St 2, 194 (200 f.), ausdrücklich hervorgehoben: „Strafe setzt Schuld voraus. Schuld ist Vorwerfbarkeit. Mit dem Unwerturteil der Schuld wird dem Täter vorgeworfen, daß er sich nicht rechtmäßig verhalten, daß er sich für das Unrecht entschieden hat, obwohl er sich rechtmäßig verhalten, sich für das Recht hätte entscheiden können. Der innere Grund des Schuldvorwurfes liegt darin, dass der Mensch auf freie, verantwortliche, sittliche Selbstbestimmung angelegt und deshalb befähigt ist, sich für das Recht und gegen das Unrecht zu entscheiden, sein Verhalten nach den Normen des rechtlichen Sollens einzurichten und das rechtlich Verbotene zu vermeiden, sobald er die sittliche Reife erlangt hat und solange die Anlage zur freien sittlichen Selbstbestimmung nicht durch die in § 51 StGB [a. F.] genannten krankhaften Vorgänge vorübergehend gelähmt oder auf Dauer zerstört ist.“

In diesem Zusammenhang ist aber die Erkenntnis wichtig, dass das Freiheitsdenken nicht auf dem Schuldprinzip basiert, sondern dass dieses vielmehr nur deshalb zum rechtlichen Leitprinzip aufsteigen konnte, weil der Mensch im Normalfall davon ausgeht, Entscheidungen frei zu treffen und sein Handeln freiverantwortlich zu gestalten.358 Der Umstand, dass unser Rechtssystem an das Verständnis des Indeterminismus anknüpft, heißt freilich noch nicht, dass dies auch richtig sein muss. Das sei den Kritikern aus Hirnforschung und Neurowissenschaften zugestanden. Unser Strafrechtssystem bedarf aber jedenfalls so lange keiner grundlegenden Änderung zugunsten der Determinismuslehren, wie nicht nachgewiesen ist, dass der freie Wille nicht existiert.359 Man darf wohl davon ausgehen, dass dieser Beweis in absehbarer 355 Pauen, in: Lampe / Pauen / Roth (Hrsg.), Willensfreiheit (2008), S. 41 (52); vgl. auch Roxin, AT I, § 19 Rn. 21; zusammenfassend zu Ansätzen „strafrechtsphilosophischer Determinismusabwehr“ kritisch Herzberg, Willensunfreiheit (2010), S. 19 ff. 356 Vgl. Hirsch, ZIS 2010, 62 (63) m. w. N.; Schünemann, in: Schünemann (Hrsg.), Grundfragen (1984), S. 153 (163 ff.), bezeichnet die Willensfreiheit als „gesellschaftliche Rekonstruktion der Wirklichkeit“. 357 BVerfGE 20, 323 (331); 25, 269 (285); 50, 205 (214 f.); 95, 96 (140). Zur Entwicklung der Herleitung des Schuldprinzips in der Rechtsprechung s. nur Spranger, JZ 2009, 1033 (1034). 358 Zum Freiheitserleben ausführlich Burkhardt, in: FS Eser (2005), S. 77 ff., s. insbes. auch a. a. O., S. 98 ff. 359 In diesem Sinne auch Hillenkamp, JZ 2005, 313 (319 f.); Spranger, JZ 2009, 1033 (1035).

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Zeit nicht gelingen wird.360 Libet361, dessen Experimente die Willensfreiheitsdebatte in hohem Maße vorangetrieben haben, hält „die Existenz eines freien Willens“ für „zumindest eine genauso gute, wenn nicht bessere wissenschaftliche Option als ihre Leugnung durch die deterministische Theorie.“ Teilweise wird ein Nachweis auch als nicht erforderlich angesehen, da das Schuldverständnis ohnehin ein normatives Konstrukt sei.362 An dieser Stelle drängt es, den Blick in eine andere Richtung zu öffnen: Die vorangegangenen Ausführungen beruhten auf der Prämisse, dass sich Determinismus und Indeterminismus gegenseitig ausschließen, dass also eine deterministische Weltsicht nicht mit der Willensfreiheit vereinbar sei und deshalb auch an der Zuschreibung von Schuld und Verantwortlichkeit gezweifelt werden könne.363 Dieser Standpunkt ist indes nicht zwingend, was die im Folgenden aufgeführten Ansätze zeigen.364 Spranger365 beispielsweise zeigt auf, dass Sanktionierungen an die Verantwortung des Einzelnen für sein Verhalten anknüpfen, um diesem die Abweichung von der Norm subjektiv zurechnen zu können. Der Vorwurf, die Person hätte anders handeln können, setze gar nicht deren indeterministische Freiheit voraus. Vielmehr werde im Rahmen der subjektiven Zurechnung ein generalisierender Maßstab angelegt, bei dem danach gefragt werde, ob das Verhalten des Täters hinter dem zurückbleibe, was von ihm als Bürger unter normalen Umständen zu erwarten gewesen sei.366 Einen anderen Ansatz liefert Pauen367, der davon ausgeht, dass es auch in einer deterministischen Welt Willensfreiheit und Verantwortung gebe. Er schlägt vor, für

360 Vgl. auch Arthur Kaufmann, Jura 1986, 225 (227): „So wenig es einen sicheren Beweis dafür gibt, daß der Mensch wirklich erkennen, wollen, autonom handeln kann, so unmöglich ist es, diese Fähigkeit prinzipiell zu bestreiten.“ 361 Mind Time (2005), S. 198. 362 Roxin, AT I, § 19 Rn. 36 ff.; zust. Mohr, in: Lampe / Pauen / Roth (Hrsg.), Willensfreiheit (2008), S. 72 (87 ff.); vgl. auch Lüderssen, FAZ vom 4. 11. 2003, S. 33; ferner bereits Kohlrausch, in: FG Güterbock (1910), S. 3 (22 ff.); s. auch Fischer, StGB, Vor § 13 Rn. 8; kritisch Roth / Lück / Strüber, in: Lampe / Pauen / Roth (Hrsg.), Willensfreiheit (2008), S. 126 (129). Lampe, ZStW 118 (2006), S. 1 (22 ff.), benennt ebenfalls die Problematik, dass niemals ganz eindeutig die Freiheit des Menschen festgestellt worden sei und zeigt sodann beispielhaft normative Lösungen auf. Vgl. auch jüngst Herzberg, Willensunfreiheit (2010), S. 92 f. sowie Stuckenberg, Willensfreiheit (2009), S. 16. 363 Diese Position wird bei R. Merkel, Willensfreiheit und rechtliche Schuld (2008), S. 21 ff., als „inkompatibilistische Position“ bezeichnet. 364 Hier kann freilich nur eine kleine Auswahl verschiedener Positionen wiedergegeben werden. Eine sehr instruktive zusammenfassende und abstrakte Darstellung findet sich bei R. Merkel, Willensfreiheit und rechtliche Schuld (2008), S. 21 ff.; s. mit einem Überblick auch Stuckenberg, Willensfreiheit (2009), S. 7 ff., 12 ff. 365 JZ 2009, 1033 (1035) in Anlehnung an Schreiber, in: FS Laufs (2006), S. 1069 (1074 f.). 366 Ähnlich auch schon zu Dohna, ZStW 66 (1954), S. 505 (511 ff.); Jescheck / Weigend, AT5, S. 410 f. 367 In: Lampe / Pauen / Roth (Hrsg.), Willensfreiheit (2008), S. 41 (44).

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den konkret zu untersuchenden Einzelfall die möglichen Handlungsoptionen zu betrachten und sodann zu fragen, ob die Entscheidung für die jeweilige Handlung auf die betreffende Person zurückzuführen ist. Wenn das bejaht werden könne, sei die Entscheidung frei.368 Verantwortlich sei die Person für ein bestimmtes Verhalten dann, wenn sie die Kontrolle hierüber ausübe.369 Lampe370 sucht nach einer Lösung, nach der das Strafrecht nicht die Willensfreiheit des Menschen voraussetzt, und versteht unter personalem Unrecht einen Verstoß gegen das Gebot, nach bestem Wissen und Gewissen zu handeln. Dieses appelliere nicht an den Willen des Menschen, sondern an sein „Funktionszentrum […], das dem Willen vorgelagert“371 sei und in dem Freiheit existiere. Dies sei das personale „Ich-Selbst“, welches sich zum Handeln bzw. Nichthandeln entschließe. „Die Definition des ‚Ich‘ lautet […]: In der Freiheit des Menschen liegt es, mit Hilfe seines Willens nicht verwirklichen zu müssen, wozu das Handlungspotential in ihm bereitsteht. […] Die ergänzende Definition des ‚Selbst‘ lautet dann: Es liegt in der Freiheit des Menschen, dem Sollen den Vorzug vor dem Wollen zu geben.“372 Die 368 Pauen, in: Lampe / Pauen / Roth (Hrsg.), Willensfreiheit (2008), S. 41 (47). Maßstab soll sein, inwieweit die Person beurteilen könne, welche Auswirkungen ihre Entscheidung für eine bestimmte Handlung oder ein bestimmtes Ziel habe. Nicht überzeugen kann die Konzeption Pauens, auf „personale Präferenzen“ abzustellen und Freiheit dann anzunehmen, wenn sich die Person über ihre eigenen Ziele und Präferenzen sowie die Auswirkungen einer Handlung hierfür im Klaren ist (S. 47 ff., 50). Überspitzt formuliert bedeutet das Postulat Pauens: Je schwerer einem Menschen die Entscheidung fällt, desto weniger ist er frei. Dagegen ist nicht ersichtlich, warum in einer Situation, in der ein Widerspruch zwischen verschiedenen Präferenzen einer Person besteht und die Person sich dessen bewusst wird, ein selbstbestimmtes Handeln und damit die Freiheit eingechränkt sein soll. Vielmehr spricht dies lediglich dafür, dass die Entscheidung schwerer fällt; es dürfte doch gerade dann offenbar werden, dass die Person die Wahl (zu treffen) hat und eben nicht jede Entscheidung schon per se im Menschen angelegt ist. Pauen scheint im Ausgangspunkt davon auszugehen, dass der Mensch hinsichtlich seiner Präferenzen grundsätzlich so ausgerichtet ist, dass diese in der Lage sind oder sein sollten, eine klare Entscheidung für oder gegen ein bestimmtes Verhalten begründen zu können. Dies kann aber allenfalls auf einfach gelagerte Entscheidungsfälle zutreffen, nicht aber auf Konstellationen, in denen eine Person die Option zwischen Handlungen hat, von denen jede Vor- und Nachteile mit sich bringen und jeweils für sich sowohl für als auch gegen die Präferenzen der Person spräche. Zur zirkelhaften Begründung bei Pauen kritisch Herzberg, Willensunfreiheit (2010), S. 42 ff.; T. Walter, in: FS F.-C. Schroeder (2006), S. 131 (133 f.). 369 Pauen, a. a. O., S. 51. Der Tendenz nach ähnlich gelagert ist die Auffassung Geislers, Zur Vereinbarkeit objektiver Bedingungen (1998), S. 95 ff., der eine „relative Freiheit des Willens“ annimmt. Diese frage nach dem Vorliegen „ganz bestimmter als erheblich erachteter Umstände (wie: psychischer Defekt, Notstandslage, Unreife usw.)“ und sei empirisch feststellbar und für die strafrechtliche Schuldzurechnung ausreichend (a. a. O., S. 97). 370 ZStW 118 (2006), S. 1 (27 ff.); ders., in: Lampe / Pauen / Roth (Hrsg.), Willensfreiheit (2008), S. 304 (310). 371 Lampe, ZStW 118 (2006), S. 1 (29); ders., in: Lampe / Pauen / Roth (Hrsg.), Willensfreiheit (2008), S. 304 (311). 372 Lampe, in: Lampe / Pauen / Roth (Hrsg.), Willensfreiheit (2008), S. 304 (312 f.) mit dem Hinweis, dies ähnele der von Libet erwähnten Vetomöglichkeit, welche ohne ein Bereitschaftspotential auskomme.

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Kap. 3: Das Freiwilligkeitsmerkmal

Freiheit, für die es im Strafrecht ankommen müsse, sei die „Freiheit des Sollens“: Freiheit sei zu bejahen, wenn „wir frei sind, uns in tatbestandlichen Situationen – also in Situationen, in denen wir töten, betrügen oder stehlen können – die Sollfrage zu stellen. Dabei sei davon auszugehen, dass grundsätzlich der Mensch in der Lage sei, seine natürlichen Neigungen auf die rechtlichen Pflichten abzustimmen.373 Lampe bietet insgesamt ein schlüssiges, aber abstraktes Konzept an; nachgewiesen (und nachweisbar?!) ist es freilich nicht. Schließlich sei noch die Auffassung Reinhard Merkels dargestellt, nach der Geist und Gehirn nebeneinander existieren sollen. Hierbei wird das Problem aufgegriffen, auf welche Weise mentale Vorgänge physische, d. h. neuronale Auswirkungen haben können.374 Die Anknüpfung Merkels an den Energieerhaltungssatz375 ist dabei an sich schlüssig, denn irgendwo müsste es ja nach den allgemeinen physikalischen Regeln einen physischen „Anfangspunkt“ geben.376 Merkel zieht für sein Modell den Begriff der Supervenienz heran und stellt die These auf, es gebe „keine Veränderung im Mentalen ohne Veränderung im Neuronalen“. Dies gelte aber nicht umgekehrt. Das folgende Postulat lautet sodann, dass „das Neuronale vorrangig vor dem supervenienten Mentalen“377 sei; es müssten also stets neuronale Grundlage, d. h. Vorgänge im Gehirn vorhanden sein, damit überhaupt Mentales entstehen könne. Ähnlich klingt dies auch schon bei Hartmann378 an, der von einem Schichtenmodell ausgeht: „So erhebt sich die organische Natur über der anorganischen. Sie schwebt nicht frei für sich, sondern setzt die Verhältnisse und Gesetzlichkeiten des physisch Materiellen voraus; sie ruht auf ihnen auf, wenn schon diese keineswegs ausreichen, das Lebendige auszumachen. Ebenso bedingt ist seelisches Sein und Bewußtsein durch den tragenden Organismus, an und mit dem allein es in der Welt auftritt. Und nicht anders bleiben die großen geschichtlichen Erscheinungen des Geisteslebens an das Seelenleben der Individuen gebunden, die seine jeweiligen Träger sind. Von Schicht zu Schicht, über jeden Einschnitt hinweg, finden wir dasselbe Verhältnis des Aufruhens, der Bedingtheit ‚von unten‘ her, und doch zugleich der Selbständigkeit des Aufruhenden in seiner Eigengeformtheit und Eigengesetzlichkeit.“ An dieser Stelle sei hervorgehoben, dass dies eine durchaus bemerkenswerte Sicht der Dinge ist, für die einiges spricht – insbesondere erscheint die gegenseitige Lampe, in: Lampe / Pauen / Roth (Hrsg.), Willensfreiheit (2008), S. 304 (325 f.). R. Merkel, Willensfreiheit und rechtliche Schuld (2008), S. 80 ff., 87 ff. 375 Dieser besagt, dass in einem energetisch abgeschlossenen System die Gesamtenergie stets konstant bleibt., s. Brockhaus in 15 Bänden. Leipzig, Mannheim: F. A. Brockhaus 2002 – 2006 (Online-Auflage) unter „Energieerhaltungssatz“ (Stand: 5. 10. 2011). 376 Vgl. hierzu auch Singer, in: Chr. Geyer (Hrsg.), Hirnforschung und Willensfreiheit (2004), S. 30 (38). 377 R. Merkel, Willensfreiheit und rechtliche Schuld (2008), S. 94 f. 378 Der Aufbau der realen Welt (1964), S. 182 f. Zu seinem Modell kurz auch schon oben unter Kapitel 3 I. 1. b). 373 374

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Abhängigkeit von Geist und neuronalen Vorgängen gut begründet, denn das Immaterielle kann schließlich nur über diese vermittelt nach außen treten.379 Zu hinterfragen ist aber weiterhin, ob es in der Tat Vorgänge im Gehirn sind, welche erst mentale Zustände auslösen können. Warum soll nicht denkbar sein, dass mentale Zustände (freilich als solche für den Menschen zunächst nicht wahrnehmbar) existieren, die – gleichsam in einer Art logischen Sekunde – unmittelbar neuronale Reaktionen auslösen? Selbstverständlich könnte das Gegenargument wieder lauten, dies verstoße gegen den Energieerhaltungssatz. Aber auch hier: Wer sagt, dass dieser der Weisheit letzter Schluss ist? Denn wenn Merkels These, Veränderungen im Neuronalen führten nicht zu Veränderungen im Mentalen380, richtig ist, darf gefragt werden, wie denn diese ganz plötzlich in Gang gesetzt werden können. Wo soll der Anfang in der neuronalen Reaktionskette sein? Auch nach Hartmanns Modell ist nicht dargelegt, dass zwingend neuronale Vorgänge die mentalen auslösen müssen – zumal Hartmann selbst neben der „Abhängigkeit von der tragenden niederen Schicht“ eine „gewisse kategoriale Selbständigkeit“ der jeweils höheren Schichten betont. Zugespitzt steht man also vor der Frage nach dem Ursprung – was war (oder ist) zuerst da: Die Henne oder das Ei?381 Zweifelhaft ist aber, ob man schlicht von der Freiheit des Willens jedenfalls so lange ausgehen kann, bis das Gegenteil nachhaltig bewiesen wurde.382 Nach F. Koch383 könnte man die „in der Philosophie […] formulierte ‚Beweisregel‘“ heranziehen, „nach der wir ein Recht haben, uns für frei zu halten, solange kein positiver Beweis des Gegenteils erbracht ist.“ Hirsch bemängelt an einem solch „fiktiven Befund“, dass sich das Strafrecht hiermit nicht begnügen könne, zumal „das Normensystem der Gesellschaft in seiner Gesamtheit berührt“ sei.384 Er weist darauf hin, dass man bei all der Diskussion um die Frage nach der Determiniertheit menschlichen Handelns den Bezugsgegenstand aus den Augen verliere. Tatsächlich scheint man zu vergessen, worum es im Strafrecht wirklich geht: Gerade das Strafrecht stellt Normen auf, die den Adressaten erreichen wollen, um ihn von gesellschaftlich unangepasstem Verhalten abzuhalten. „Sollen die Normen ihre Adressaten erreichen, müssen sie Menschen so nehmen, wie diese sich selbst verstehen. Sie gingen sonst ins Leere. Da der Mensch sich grundsätzlich frei bei seinen Handlungsentscheidungen empfindet, hat das Selbstverständnis den Anknüpfungspunkt

s. hierzu auch Habermas, DZPhil 52 (2004), 871 (886 ff.). R. Merkel, Willensfreiheit und rechtliche Schuld (2008), S. 93. 381 Zur Frage nach der „Reihenfolge“ auch Lüderssen, in: Duncker (Hrsg.), Anthropologie (2006), S. 189 (197). 382 Kritisch zum Ergebnis des „non liquet“ zur Frage nach der Willens(un)freiheit sowie zum Umgang mit diesem Postulat Herzberg, Willensunfreiheit (2010), S. 28; ders., in: FS Achenbach (2011), S. 157 (169 ff.); s. auch R. Merkel, Willensfreiheit und rechtliche Schuld (2008), S. 115. 383 ARSP 2006, 223 (235 f.) m. w. N. (i. E. aber kritisch). 384 ZIS 2010, 62 (65). 379 380

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Kap. 3: Das Freiwilligkeitsmerkmal

zu bilden.“385 Und damit greift Hirsch einen Aspekt auf, den die Deterministen aus ihren Untersuchungen ausblenden: Das Selbstverständnis des Menschen ergibt sich aus der ihm von Natur aus gegebenen Möglichkeit des Reflektierens, der Möglichkeit, Emotionen zu haben und diese wahrzunehmen, und schließlich Schuldgefühle und Gewissensbisse zu entwickeln.386 Das Strafrecht ist darauf angelegt, diese Bewusstseinsebene, das subjektive Freiheits- und damit Verantwortungserleben des Menschen zu berühren. Die strafrechtlichen Reaktionen setzen voraus, dass dem Straftäter das Gefühl der Verantwortlichkeit für sein eigenes Tun bewusst gemacht werden kann387: Der Täter, der sich selbst als verantwortlich für die Begehung einer Straftat sieht, wird die Strafe als Reaktion des Staates hierauf verstehen – und idealiter als gerecht empfinden388 und ist deshalb auch zugänglich für Präventionsfunktionen. Wenn die Hirnforscher von „Erziehungsprogrammen“ reden, ist dies hiervon letztlich nicht weit entfernt, wenngleich es sich weniger auf emotionaler (Gefühls-) Ebene abspielt als vielmehr auf der Auslösung von Lernmechanismen im Organismus389.

385 Hirsch, ZIS 2010, 62 (65) [Hervorhebung im Original]; ähnlich Burkhardt, in: FS Eser (2005), S. 77 (100). Vgl. auch Mosbacher, JR 2005, 61 f., der zwar das menschliche Handeln als vorherbestimmt versteht, aber feststellt, dass das Rechtssystem den Menschen so behandeln müsse, als sei er frei. Dagegen wohl Mohr, in: Lampe / Pauen / Roth (Hrsg.), Willensfreiheit (2008), S. 72 (86). 386 s. auch Schockenhoff, in: F.A.Z. vom 17. 11. 2003, S. 31; Müller-Dietz, GA 2006, 338 (341), verweist darüber hinaus auf die menschliche Sprechfähigkeit. 387 Vgl. auch Lampe, ZStW 118 (2006), S. 1 (2) sowie schon Welzel, Strafrecht, S. 147 ff. und dens., in: FS Engisch (1969), S. 91 (99 ff.), der auf die Verantwortungsübernahme aufgrund von Erkenntnissen abstellt. Wenn Herzberg, Willensunfreiheit (2010), S. 22 f., dagegen anführt, dass die Fähigkeit zu Erkenntnissen auch Tieren zugesprochen werden könne bzw. müsse, ist zu bedenken, dass dies insoweit zu kurz greift, als dass es Welzel um die Hervorhebung der Fähigkeit zur kritischen Reflexion und Bewertung des eigenen Handelns gegangen sein dürfte – schließlich geht es bei der Schuldfrage darum, das eigene Verhalten als Unrecht erkennen zu können. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang der Beitrag Roths, Fühlen, Denken, Handeln (2003), S. 544, die Gesellschaft müsse „sehr wohl in der Lage sein […], durch geeignete Erziehungsmaßnahmen ihren Mitgliedern das Gefühl der Verantwortung für das eigene Tun einzupflanzen, und zwar nicht aufgrund freier Willensentscheidung, sondern aus der durch Versuch und Irrtum herbeigeführten Einsicht heraus, dass ohne ein solches Gefühl der Verantwortung das gesellschaftliche Zusammenleben nachhaltig gestört ist.“ [Hervorhebung im Original.] Vgl. auch dens., in: FS Lampe (2003), S. 43 (57). In einem ähnlichen Sinne äußert sich auch R. Merkel, in: Lampe / Pauen / Roth (Hrsg.), Willensfreiheit (2008), S. 332 f.: „Selbst wenn Willens- und Handlungsfreiheit des Menschen nur Illusionen wären, verlöre eine Rechtsordnung […] nichts von ihrem Wert. […] Die Freiheit von externer Nötigung durch andere bliebe auch dann wertvoll für das individuelle Leben, wenn es eine Freiheit von interner Nötigung […] nicht geben sollte.“ 388 s. Burkhardt, Das Magazin 2 / 2003, 21 (23 f.). 389 Vgl. zu Letzterem Mohr, in: Lampe / Pauen / Roth (Hrsg.), Willensfreiheit (2008), S. 72 (90): „[D]ie in der rechtlichen Verfassung einer Gesellschaft sich artikulierende Normkultur [findet] mit ihren Ansprüchen, Verboten und Forderungen sowie mit ihrem impliziten und expliziten Selbstverständnis der beteiligten Personen einen ‚kausalen Niederschlag‘ in den Gehirnen […].“

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Der Schuldbegriff Roxins weist in eine ähnliche Richtung, wenn auf unrechtes Handeln trotz normativer Ansprechbarkeit abgestellt wird. Auch hier wird danach gefragt, ob der Täter in der geistigen und seelischen Verfassung war, dem Normappell zu folgen.390 Der Unterschied zu Hirsch dürfte wohl darin bestehen, dass Roxin nicht die Perspektive des Einzelnen anlegen will, sondern dass er „von außen“ auf den Menschen schaut und Kriterien und Maßstäbe der Psychologie und Psychiatrie heranzieht. Bei intakter Steuerungsfähigkeit werde die Person „als frei behandelt“ – dies sei eine „soziale Spielregel“.391 Roxins Ansicht klingt zunächst plausibel und es scheint, als könne man die Willensfreiheit von der normativen Ansprechbarkeit trennen.392 Dennoch ist zu bedenken, dass das Kriterium der normativen Ansprechbarkeit die Fähigkeit voraussetzt, den Willen zur Normeinhaltung zu bilden393 – und damit dürfte auch dieser Ansatz im Kern auf der (Willens-)Freiheit des Menschen basieren. Wie Frister394 nämlich einleuchtend erörtert, kommt es für die Schuldfähigkeit auf die Fähigkeit zur rationalen Entscheidung an, bei der die betreffende Person alle für die Entscheidung relevanten Umstände so erfasst, wie es allgemein von einem in unserer Gesellschaft lebenden erwachsenen Menschen erwartet werden darf. Es geht damit um die „kognitive Kontrolle des gesamten Motivationsprozesses“, bei dem alle Faktoren, welche die Motivationsbildung bestimmen, gleichartig sind. Da hiernach nicht unterschieden werden kann, ob ein Täter den Antrieb zu Tatbegehung nicht unterdrücken konnte oder wollte, sind die Steuerungsfähigkeit und Willensfreiheit nicht voneinander zu unterscheiden.395 Roxin will die „Möglichkeit zu rechtmäßigem Verhalten“ zwar normativ zuschreiben, sodass es auf ein Bekenntnis zum (In)Determinismus nicht ankommt396 – faktisch dürfte dies kaum einen Unterschied gegenüber der Annahme der Willensfreiheit bedeuten.397

390 Roxin, AT I, § 19 Rn. 36; s. auch Schünemann, in: Schünemann (Hrsg.), Grundfragen (1984), S. 153 (181). 391 Vgl. hierzu auch Geisler, Zur Vereinbarkeit objektiver Bedingungen (1998), S. 105. 392 Roxin, AT I, § 19 Rn. 37. 393 Vgl. Frister, AT, 18. Kap. Rn. 12 ff.; so wohl auch Arthur Kaufmann, Jura 1986, 225 (227): „Denn die existenzielle Freiheit des Menschen […] ist ja letzten Endes identisch mit seiner Befähigung zur geistigen Selbstbestimmung […], ist identisch mit seinem Erkenntnisund Willensvermögen, ist identisch mit seinem Personsein.“ 394 AT, 18. Kap. Rn. 12 f. 395 Ausführl. zum Ganzen Frister, Struktur (1993), S. 99 ff. (2. Kapitel unter A. und B.); ders., MschrKrim 1994, 316 (317 f., 320). 396 Roxin, AT I, § 19 Rn. 37, 46. 397 s. hierzu auch Arthur Kaufmann, Jura 1986, 225 (227). Kritisch auch Herzberg, Willensunfreiheit (2010), S. 85 ff. Gleiches gilt aber auch für die von Herzberg a. a. O., S. 92 f., geäußerte Auffassung, im Großen und Ganzen knüpfe der Schuldvorwurf an die Fähigkeit des Menschen zu einer moralischen Bewertung der Tat an. Diese habe nichts mit der Willensfreiheit des handelnden Menschen zu tun, sondern mit der Unterscheidung zwischen Gut (auf welches Lob folge) und Böse (auf welches Tadel bzw. Strafe folge). Jedenfalls widerlegt Herzberg nicht die folgende Überlegung: Wer fähig ist, zwischen Recht und Unrecht zu unterscheiden,

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Kap. 3: Das Freiwilligkeitsmerkmal

Wie aber ist Hillenkamps398 Einwand zu bewerten, das Gefühl, verantwortlich zu sein, könne ja trügen? Hirsch399 bemerkt hierzu, Hillenkamp verlasse mit dieser Aussage wieder den Bezugspunkt des subjektiven menschlichen Empfindens. Dies ist zutreffend, jedoch kann man nicht die Augen davor verschließen, dass der heutige Schuldbegriff nicht allein die subjektive Erlebenskomponente beinhalten muss. Hat Hirsch Recht, und ist der Schuldbegriff allein auf das subjektive Empfinden des Täters ausgerichtet, so wäre die gesamte neurowissenschaftliche Debatte von geringerer Relevanz und sie könnte der Grundlage des Strafrechts nichts anhaben. Ein Blick auf die §§ 17, 19, 20 und 35 StGB zeigt, dass zumindest das Strafgesetzbuch scheinbar keine eindeutige Antwort auf die Frage nach dem richtigen Bezugspunkt gibt. Die Anwendung dieser Normen führt dazu, dass man dem Täter zugute hält, er habe nicht anders handeln können. Befindet sich ein Täter im Zustand des § 20 StGB – weil er etwa volltrunken oder geisteskrank ist – so wird ihm Schuldunfähigkeit attestiert. Dies ist jedoch ein objektives Urteil, welches in dem einen Fall anhand von Blutwerten festgemacht wird, in dem anderen anhand psychologischer Untersuchungen. Natürlich ist die Betrachtung jeweils einzelfallbezogen, jedoch wird hier nicht gefragt, ob sich der Geisteskranke etwa selbst in seiner Handlung frei und für sein Tun verantwortlich gefühlt hat. Dies liegt im Ergebnis ganz auf der Linie der Deterministen, die bei solchen vom Normalzustand eines gesunden Menschen abweichenden Konstitutionen erst recht die Freiheit des Willens verneinen müssen. Im Fall des § 35 StGB dagegen stellen sich die Dinge anders dar. Zwar werden auch hier objektive Voraussetzungen geprüft, jedoch liegen der Konstellation des entschuldigenden Notstandes Situationen zugrunde, in denen der Täter sich nicht mehr gänzlich frei in seiner Handlung gefühlt hat, sondern in der er sich zu einem bestimmten Verhalten gezwungen sah. Einem im Notstand nach § 35 StGB Handelnden wird jedenfalls nicht attestiert, ihm fehle gänzlich die Fähigkeit, seine Verantwortlichkeit für das Unrecht einzusehen. Hier wird sehr stark angeknüpft an das subjektive Erleben des Täters, was sich auch in der Zumutbarkeitsklausel nach § 35 Abs. 1 S. 2 StGB sowie in der Normierung der Irrtumskonstellation nach § 35 Abs. 2 StGB widerspiegelt. Ebenfalls auf das subjektive Erleben des Täters stellt § 17 StGB ab. Nach alldem drängt sich die Frage auf, ob aus dem Dargelegten geschlossen werden kann, dass das Gesetz selbst an unterschiedliche Bezugspunkte anknüpft. Dies muss jedoch nicht zwangsläufig so sein. Zwar stellt man bei § 20 StGB nicht darauf ab, ob der Täter sich frei gefühlt habe, jedoch kann man § 20 StGB auch in dem Sinne interpretieren, dass der betreffenden Person nicht nur objektiv die Willensfreiheit abgesprochen wird, sondern dass eine unwiderlegbare Vermutung dafür besteht,

nimmt diese Wertung in sein Bewusstsein auf und entscheidet sich für das eine oder das andere. Dass der Wille hiermit nichts zu tun habe, ist wiederum lediglich eine Behauptung. 398 JZ 2005, 313 (320). 399 ZIS 2010, 62 (66 f.); kritisch zur Ansicht Hirschs Herzberg, Willensunfreiheit (2010), S. 66 ff.

II. Der Streit um die Freiwilligkeit im Sinne von § 24 StGB

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der Täter sei auch subjektiv nicht (mehr) Herr seiner Sinne – besser gesagt: seines Willens. Man kann von einem Zustand ausgehen, in der weder Freiheits- noch Unfreiheitsempfinden existiert. Das Anknüpfen an das subjektive menschliche Empfinden ist damit auch bei § 20 StGB immerhin nicht ausgeschlossen.400 § 19 StGB knüpft für die Feststellung der Schuldunfähigkeit des Kindes an eine Altersgrenze an, die zunächst als objektiv zu werten ist. Auch dies ist im Sinne einer Vermutungsregelung für das (noch) nicht (voll) ausgeprägte Verantwortungsbewusstsein zu verstehen.401 Hierfür spricht insbesondere auch § 3 JGG, welcher auf die sittliche und geistige Entwicklung, den Reifegrad des Jugendlichen abstellt. 2. Zwischenergebnis Nach alldem ist mit Hirsch davon auszugehen, dass das Strafrechtssystem insgesamt an das subjektive Freiheitsempfinden des Menschen anknüpft. Es darf Eines nicht übersehen werden: Zwar mag es wissenschaftliche Befunde geben, dass das limbische System bestimmte Prozesse im Inneren des Menschen steuert. Gleichwohl gibt es ebenso Erkenntnisse darüber, dass das Strafrecht über seine Normappelle und – bei deren Missachtung – über entsprechende Sanktionierungen als Steuerungsmittel im Hinblick auf soziale Verhaltensweisen Wirkung zeigt402. Selbst wenn sich eines Tages als zutreffend erweisen sollte, dass der Mensch faktisch keinen freien Willen hat, so würde hierdurch unser Strafrecht nicht in seinen Grundfesten erschüttert. Es ist nicht zu erwarten, dass die Erkenntnis, unser Freiheitsgefühl trüge uns, dazu führen würde, dass einjeder sämtliche Verantwortung von sich weisen würde. Denn was weiterhin bliebe, wäre das Bewusstsein, in Lernprozesse eingreifen und die eigene Steuerung auf diese Weise beeinflussen zu können. – Jedenfalls ist zu hoffen, dass der kulturell und gesellschaftlich geprägte Mensch dahingehend „programmiert“ wäre (oder ist).

II. Der Streit um die Freiwilligkeit im Sinne von § 24 StGB Gerade um den Begriff der Freiwilligkeit im Rahmen des § 24 StGB herrscht viel Streit; immer wieder wurden und werden403 neue Ansätze erörtert und Diskussionen entfacht, da das Urteil über das Rücktrittsverhalten oft von der Bejahung oder Verneinung gerade dieses Merkmals abhängt.404 Hin und wieder wird die Debatte auch 400 Instruktiv zur Reichweite des Schuldprinzips und § 20 StGB R. Merkel, Willensfreiheit und rechtliche Schuld (2008), S. 104 ff., 110 ff. 401 Vgl. Roxin, AT I, § 20 Rn. 50; Streng, in: MüKo-StGB2, § 19 Rn. 1, 5. 402 Vgl. Streng, in: Lösel / Bender / Jehle (Hrsg.), Kriminologie (2007), S. 65 ff. Zur strafrechtlichen Sozialkontrolle und Kriminalprävention Meier, Kriminologie, §§ 9, 10, sowie ders., Strafrechtliche Sanktionen, insbes. Teil 1 und 2. 403 s. jüngst Amelung, ZStW 120 (2008), S. 205 ff.

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Kap. 3: Das Freiwilligkeitsmerkmal

selbst kritisiert, so beispielsweise von Maiwald, der „gelegentlich den Eindruck“ hat, dass die sich zu dem Thema Äußernden „nicht immer bewusst machen, wofür und wogegen sie eigentlich streiten.“405 Hierbei spielt er auf die zwei Grundströmungen zur Erfassung des Freiwilligkeitsmerkmals an: die psychologische und die normative Betrachtungsweise. Zwischen ihren jeweiligen Vertretern, rügt Jäger, seien „die Fronten […] derart verhärtet […], daß von einer fruchtbaren Diskussion nicht mehr die Rede sein“ könne.406 Mittlerweile lässt sich den Abhandlungen in der Wissenschaft noch nicht einmal entnehmen, welcher Auslegungsansatz überwiegend befürwortet wird.407 Amelung408 äußerte erst jüngst seinen Eindruck, es sei „eine gewisse Resignation eingetreten, die wohl darauf beruht, dass man den Vorrat an strafrechtsdogmatischen Gesichtpunkten für ausgeschöpft hält.“ Ziel dieser Abhandlung ist es nicht, Wissenschaft und Praxis um eine weitere Auslegungsmöglichkeit anzureichern. Vielmehr soll im Folgenden gezeigt werden, dass die Vorschläge zur Konzeption de lege lata allesamt unbefriedigend sind. Mit Blick auf § 24 StGB ist die Bedeutung seiner Rechtsfolge hervorzuheben: Wovon der Täter profitiert, ist die Straffreiheit – doch auf der anderen Seite steht die Strafe, die lediglich nach § 23 Abs. 2 i. V. m. § 49 Abs. 1 StGB gemildert werden kann. Für den Täter kann es also bei der Frage, ob er alle Voraussetzungen eines Rücktritts erfüllt, um Alles oder Nichts gehen.409 Daher ist es besonders wichtig, sich der Anforderungen an das Rücktrittsverhalten bewusst zu werden und sich um einen stringenten Umgang mit sämtlichen Tatbestandsmerkmalen des § 24 StGB zu bemühen.410 Abgesehen von der Frage, ob der Täter bestraft wird oder nicht, ist schon jetzt auf eine weitere Konsequenz dieser Entscheidung hinzuweisen: Wird ein Rücktritt bejaht und der Täter deshalb freigesprochen, hat er nicht die Kosten 404 Maiwald, in: GS Zipf (1999), S. 255 (259): „[D]as Rücktrittsprivileg […] steht und fällt“ mit der Freiwilligkeit; M. Walter, GA 1981, 403 (404): „Spürbar und sichtbar werden diese Probleme bei der Entfaltung des zentralen Begriffs der Freiwilligkeit des Rücktritts“; vgl. ferner Grasnick, JZ 1989, 821; Jäger, ZStW 112 (2000), S. 783; Küper, GA 1982, 228 (229); Roxin, AT II, § 30 Rn. 354; Schünemann, GA 1986, 293 (321): „[Begriff,] dessen Diskussion trotz immenser wissenschaftlicher Bemühungen nicht zur Ruhe kommt“; Ulsenheimer, Grundfragen (1976), S. 243: „schneidige Konsequenzen [für den Täter]“; „außerordentlich praxisbezogenes Problem“. 405 Maiwald, in: GS Zipf (1999), S. 255 (256). 406 Jäger, Gefährdungsumkehr (1996), S. 99. 407 Eser, in: Schönke / Schröder, StGB, § 24 Rn. 43 und Wessels / Beulke, AT, Rn. 651 bezeichnen die psychologischen Ansätze als („wohl“) herrschend, Küpper, Grenzen (1990), S. 179, dagegen die normativen. 408 ZStW 120 (2008), S. 205 f. 409 Küper, GA 1982, 228 (229); M. Walter, GA 1981, 403 f.; s. auch insbesondere Neubacher, NStZ 2003, 576 mit dem Hinweis darauf, dass bspw. bei versuchten Tötungsdelikten eine Strafe nicht unter drei Jahren (§§ 23 Abs. 2 i. V. m. 49 Abs. 1 Nr. 1) dann der Straflosigkeit gegenüber stünde. 410 s. auch Ulsenheimer, Grundfragen (1976), S. 3, der darauf hinweist, dass „das Fehlen hinreichend klarer Richtlinien und Entscheidungskriterien“ bei dem Umgang mit der Rücktrittsnorm „doppelt schwer“ wiege.

II. Der Streit um die Freiwilligkeit im Sinne von § 24 StGB

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des Verfahrens zu tragen, und zudem besteht die Möglichkeit, dass er eine Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen erhält411 – § 2 Abs. 1 des Gesetzes über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen (StrEG) steht insoweit im Einklang mit der Unschuldsvermutung aus Art. 6 EMRK und unterscheidet deshalb auch nicht zwischen den Gründen des Freispruchs (z. B. Freisprüchen aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen)412.

1. Vergleich mit dem StGB von 1871 Gerade bei dem Merkmal der Freiwilligkeit lohnt sich ein Blick auf seine historische Entwicklung413, insbesondere auf die Vorgängernorm § 46 StGB a. F. Diese lautete wie folgt: § 46 Der Versuch als solcher bleibt straflos, wenn der Thäter 1. die Ausführung der beabsichtigten Handlung aufgegeben hat, ohne daß er an dieser Ausführung durch Umstände gehindert worden ist, welche von seinem Willen unabhängig waren, oder 2. zu einer Zeit, zu welcher die Handlung noch nicht entdeckt war, den Eintritt des zur Vollendung des Verbrechens oder Vergehens gehörigen Erfolges durch eigene Thätigkeit abgewendet hat.

Das Tatbestandsmerkmal „freiwillig“ war 1871 in § 46 StGB a. F. noch nicht im Gesetzeswortlaut enthalten. Die Straflosigkeit des Rücktritts war „aufs Objektive gerichtet“414 formuliert. Einigkeit bestand jedoch darüber, dass es dem Gesetzgeber um die freiwillige Abwendung des Erfolges ging.415 Dem Grunde nach sei dieses Erfordernis im Tatbestand enthalten und lediglich aufgrund der Beweisschwierigkeiten bezüglich der „Subjektivität des Täters“ vom Gesetzgeber in eine objektivierende Form gebracht worden.416 So stellte auch das Reichsgericht in RGSt 37, 402 darauf ab, ob sich der Angeklagte frei gefühlt oder „einer Notwendigkeit […] zu gehorchen geglaubt“417 habe. 411 Ulsenheimer, Grundfragen (1976), S. 7; zu Recht kritisch zu Entschädigungsansprüchen bei Freispruch aufgrund eines Rücktritts Willms, JZ 1970, 385; allgemein zur Entschädigungsentscheidung Wolters / Gubitz, JuS 1998, 737 (742). 412 Mit diesem Hinweis D. Meyer, StrEG, § 2 Rn. 24. 413 Zur historischen Entwicklung des Rücktritts an sich bis zurück ins römische Recht Müntzer, Rechtsgeschichtliche Beiträge (1912); mit einem kurzen historischen Überblick auch Küpper, Grenzen (1990), S. 179 f. 414 Berner, Lehrbuch, S. 151; vgl. auch v. Schwarze, RStGB, S. 107. 415 s. nur Allfeld, in: FG Frank (1930), S. 74 (83); Kohlrausch / Lange, StGB, § 46 VII; Lang-Hinrichsen, JR 1968, 278 (279); Meyer / Allfeld, Lehrbuch, S. 198 ff.; Niethammer, in: v. Olshausen, RStGB, § 46 B. 7., 9. ff.; v. Schwarze, RStGB, S. 109; mit diesem Hinweis auch E 1962 Begr. S. 145.

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Kap. 3: Das Freiwilligkeitsmerkmal

Doch gerade die verobjektivierte Form in § 46 Nr. 2 StGB a. F. wurde als problematisch angesehen. Unbefriedigend war, dass hierdurch in Fällen, in denen der Täter objektiv entdeckt worden war, er dies jedoch selbst nicht wahrgenommen hatte, die Straffreiheit automatisch versagt werden musste, auch wenn der Täter „aus freien Stücken“ zurückgetreten war.418 Es bestand dann eine unwiderlegbare Vermutung für die Unfreiwilligkeit des Rücktritts.419 Das Reichsgericht420 verneinte – was den objektiven Wortlaut zulasten des Täters weiter ausdehnt – die Freiwilligkeit in einem Fall, in dem der Täter die Entdeckung bloß befürchtete bzw. befürchten musste. 1962 wurde deshalb in dem Entwurf des StGB gefordert, auf die „Vorstellungen des Täters“ abzustellen421; die gesetzliche Vermutung der Unfreiwilligkeit bei Entdeckung der Tat sollte beseitigt werden422. Gesetzgeberisch intendiert war eine sprachlich knappere Fassung der Rücktrittsnorm. Grundlegend ändern wollte man die Überlegungen hierzu derweil nicht.423 Daher können bisherige Umschreibungen und Überlegungen zu dem Freiwilligkeitsmerkmal auch weiterhin als Leitlinie dienen. Erstaunlicherweise finden sich in den Gesetzesmaterialien keine näheren Bestimmungen zum Inhalt des Freiwilligkeitsbegriffs und zu seiner Auslegung. Der Entwurf von 1962 betont lediglich, mit der expliziten Einführung der Freiwilligkeit in den Gesetzeswortlaut werde „der Rechtsprechung der Weg geöffnet, auch auf dem Gebiet des Rücktritts nur nach den Vorstellungen des Täters zu bestimmen, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen für den Eintritt der Straffreiheit gegeben sind“424. Eine solche Formulierung allein ist für eine Konkretisierung des Merkmals nicht hilfreich, da hierdurch nicht weiter festgelegt wird, welche Voraussetzungen in subjektiver Hinsicht an den Täter zu stellen sind. Rechtsprechung und Lehre stehen mithin auch mit dem StGB von 1975 in seiner heutigen Form vor denselben

416 Berner, Lehrbuch, S. 151 f.; zu Dohna, ZStW 59 (1940), S. 541; Niethammer, in: v. Olshausen, RStGB, § 46 B. 7., C. 11. Zu Problemen richterlicher Feststellung ferner v. Bar, Gesetz und Schuld II (1907), S. 551 f. 417 RGSt 37, 402 (406). 418 Binding, Grundriss, S. 139; Finger, Lehrbuch I, S. 322 f.; Frank, StGB, § 46 III. 2. b) (S. 99 f.); v. Schwarze, RStGB, S. 107. Äußerst kritisch zum objektiven Gesetzeswortlaut Allfeld, in: FG Frank (1930), S. 74 (86 ff.).; v. Bar, Gesetz und Schuld II (1907), S. 559 und Loeb, Der Versuch (1913), S. 44 f. Berner, Lehrbuch, S. 152, verlangte für § 46 Nr. 2 StGB a. F. das Wissen um das Entdecktsein; so auch Spohr, Rücktritt (1926), S. 54 ff.; Welzel, Strafrecht, S. 198 f. 419 Kritisch Allfeld, in: FG Frank (1930), S. 74 (86 ff.). 420 RGSt 38, 402; 65, 145 (149 f.). 421 E 1962 Begr. S. 145. Die wichtigsten Entwürfe sind auch zu finden bei Herzberg / Hoffmann-Holland, in: MüKo-StGB2, § 24 Rn. 44. 422 So ausdrücklich auch die Große Strafrechtskommission, s. die Beiträge in den Niederschriften, 2. Bd. (1958), Anhang Nr. 37 III. 2. (S. 108). 423 E 1962 Begr. S. 145 mit dem Hinweis darauf, dass bisher eine „Umschreibung“ im Tatbestand enthalten sei; vgl. ferner Vogler, in: LK-StGB10, § 24 Rn. 82. 424 E 1962 Begr. S. 145; so auch schon die Gr. Strafrechtskommission, vgl. die Beiträge in den Niederschriften, 2. Bd. (1958), Anhang Nr. 37 III. 2. (S. 108).

II. Der Streit um die Freiwilligkeit im Sinne von § 24 StGB

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Problemen wie zuvor. Ausgeschlossen ist jedenfalls die direkte Berufung auf einen gesetzgeberischen Willen, da ein solcher nicht geäußert worden ist. 2. Die psychologische Theorie425 Insbesondere in der Rechtsprechung426 wird vertreten, dass der Begriff der Freiwilligkeit psychologisierend zu bestimmen sei. Danach handele derjenige freiwillig, der zum Zeitpunkt des Rücktritts bei eigener Entscheidung „Herr seiner Entschlüsse“427 geblieben sei. Entschließe sich der Täter dazu, die Tat nicht zu vollenden bzw. ihre Vollendung zu verhindern, so zeichne sich ein freiwilliges Handeln (bzw. Unterlassen) dadurch aus, dass es nicht durch zwingende Hinderungsgründe veranlasst worden sei.428 Freiwilligkeit soll danach dann zu verneinen sein, wenn der Täter durch Hinderungsgründe zum Rücktritt429 veranlasst werde, die von seinem Willen unabhängig seien und entweder unüberwindliche Hemmungen in ihm auslösten430 oder aber die Sachlage zu seinen Ungunsten so wesentlich veränderten, dass er die damit verbundenen Risiken oder Nachteile nicht mehr für tragbar halte oder sie nicht in Kauf nehmen wolle431. So will die Rechtsprechung wie folgt differenzieren: Gebe der Täter die bereits versuchte Straftat aufgrund eines „emotionalen Zwangs“432 auf bzw. sehe er sich aufgrund einer äußeren oder inneren Zwangslage außerstande, die begonnene Tat zur Vollendung kommen zu lassen433, so sei von Unfreiwilligkeit auszugehen. Handle es sich hingegen um eine autonome Entscheidung des Täters434, so liege ein freiwilliger Rücktritt vor. 425 Auch „psychologisierende“ Theorie genannt; die Termini werden nicht einheitlich verwendet. 426 s. die Nachweise im Folgenden. 427 BGHSt 7, 296 (299); 20, 279 (280); 35, 184 (186); BGH NStZ 1992, 536; 587; 1998, 510; 2005, 150 (151); jüngst: BGH StV 2007, 72; zust. Jescheck / Weigend, AT5, S. 544; Kühl, AT, § 16 Rn. 55; Wessels / Beulke, AT, Rn. 651. 428 BGHSt 35, 184 (186); BGH StV 1992, 224 (225); Eser, in: Schönke / Schröder, StGB, § 24 Rn. 45 f., soweit nicht Fehlschlag anzunehmen sei. 429 Der Einfachheit halber wird im Folgenden der Begriff „Rücktritt“ verwendet, um alle Varianten des § 24 StGB, d. h. sowohl die Tataufgabe als auch die Vollendungsverhinderung, zu erfassen – dass ein „Rücktritt“ im Sinne der Norm de lege lata erst dann vorliegen kann, wenn alle seine Voraussetzungen samt Freiwilligkeit gegeben sind, versteht sich von selbst. 430 BGH MDR (H) 1982, 969; NStZ 1994, 428 (429); Jescheck / Weigend, AT5, S. 544. 431 BGHSt 9, 48 (53); BGH NStZ 1992, 536 (537); BGH NStZ-RR 2006, 168 (169) mit i. E. zust. Anm. Satzger, JK 3 / 06, StGB § 24 / 35; s. auch Jescheck / Weigend, AT5, S. 544 f.; Lackner / Kühl, StGB, § 24 Rn. 17, Otto, AT, § 19 Rn. 38; Wessels / Beulke, AT, Rn. 652; s. auch so auch schon H. Schröder, JuS 1962, 81 (83); Vogler, in: LK-StGB10, § 24 Rn. 94. 432 BGHSt 21, 316; 35, 184 (186); 42, 158 (161). 433 BGHSt 7, 296 (299 f.); 35, 184; BGH JA 1989, 469 (470); StV 1992, 224 (225); Safferling, JuS 2005, 135 (138); vgl. auch Wessels / Beulke, AT, Rn. 651. 434 BGH NStZ 1993, 280; NStZ-RR 2003, 199; BGHR StGB § 24 Abs. 1 S.1, Freiwilligkeit 21.

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Kap. 3: Das Freiwilligkeitsmerkmal

Zusammengefasst soll nach der psychologischen Theorie der Grad, das heißt die Stärke des psychischen Drucks, der auf den Täter bzw. dessen Willen einwirke, entscheidend sein.435 Diese auf einer psychologisierenden Betrachtungsweise beruhende Feststellung der Freiwilligkeit findet auch Anhänger im Schrifttum.436 Hier sei zuvörderst Frank genannt, der schon im Hinblick auf § 46 StGB a. F. einen freiwilligen Rücktritt nur dann annahm, wenn dieser auf einem autonomen, selbst gesetzten Motiv beruhe. Hieraus leitete er weiter ab, dass dies dann der Fall sei, wenn der Täter sich selbst sage: „Ich will nicht zum Ziele kommen, selbst wenn ich es könnte“. Anders aber verhalte es sich, wenn der Täter zu dem Schluss komme, er könne nicht zum Ziele kommen, selbst wenn er es wolle.437 Ungeachtet der hiergegen geäußerten Kritik438, findet die Grundkonzeption Zustimmung, beim Täter das Vorliegen autonomer Motive vorauszusetzen, um auf dessen Freiwilligkeit schließen zu können.439 In der Folge entwickelte sich zur Ermöglichung einer Differenzierung zwischen Freiwilligkeit und Unfreiwilligkeit das Begriffspaar der „autonomen“ gegenüber den „heteronomen“440 Motiven. Liegen Letztere vor, so soll die Freiwilligkeit eines Rücktritts ausgeschlossen sein.441 Ganz nach dem Grundsatz „Alle Auslegung fängt bei Worte an“442 ist das Hauptargument, welches von den Vertretern des psychologischen Ansatzes geltend gemacht wird, dass der Wortsinn des Begriffes „freiwillig“ zu einer psychologischen Auslegung zwinge und zwar mit der Maßgabe, dass die Freiwilligkeit sich in einem Handeln ohne psychischen Zwang widerspiegele.443 Dagegen wird zunächst einge435 BGH MDR (H) 1993, 1038; so dargestellt bei Ulsenheimer, Grundfragen (1976), S. 275; kritisch Roxin, AT II, § 30 Rn. 370. 436 Frank, StGB, § 46 II (S. 97 ff.); Jescheck / Weigend, AT5, S. 544; Kühl, AT, § 16 Rn. 54; Lackner / Kühl, StGB, § 24 Rn. 18; Maurach / Gössel, AT 26, § 41 Rn. 136; Rengier, AT, § 37 Rn. 91. 437 Sog. Frank’sche Formeln, in: Frank, StGB, § 46 II. (S. 97); übernommen etwa von Maurach / Gössel, AT 25, S. 44; Vogler, in: LK-StGB10, § 24 Rn. 87; Welzel, Strafrecht, S. 197. 438 Dazu näher unten Kapitel 3 II. 2. d). 439 Z. B. Jescheck / Weigend, AT5, S. 544, vgl. auch Gropp, AT, § 9 Rn. 73 und Vogler, in: LK-StGB10, § 24 Rn. 87 sowie Maurach / Gössel, AT 26, § 41 Rn. 137, die die Formeln als „grobe Faustregel“ bezeichnen. 440 Der BGH selbst nutzte, soweit ersichtlich, den Begriff „heteronom“ bisher nur im Urt. v. 13. 05. 1975 – 1 StR 152 / 75 (juris). 441 Eser, in: Schönke / Schröder, StGB, § 24 Rn. 45; Heinitz, JR 1956, 248 (251); Otto, AT, § 19 Rn. 37; H. Schröder, JuS 1962, 81 (83); Wessels / Beulke, AT, Rn. 652. 442 BGHSt 3, 259 (262). 443 BGHSt 35, 184 (187); zust. Maurach / Gössel, AT 26, § 41 Rn. 136; einschränkend jetzt: Lackner / Kühl, StGB, § 24 Rn. 18: „Der Begriff ‚freiwillig‘ schließt die gänzliche Eliminierung dieses psychologischen Elements aus.“. Vgl. auch Herzberg, in: FS Lackner (1987), S. 325 (328 ff.); Lackner, NStZ 1988, 405; Otto, AT, § 19 Rn. 41, 43; jetzt auch Bottke, BGHFG IV (2000), S. 135 (169 ff.).

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wandt, dass der Begriff der Freiwilligkeit eben kein psychologischer sei. Manche Kritiker betonen dabei, er habe seine Grundlage in einer sittlichen Konzeption444, andere wiederum bezeichnen ihn als Rechtsbegriff.445 Bemerkenswert ist dabei die Zustimmung verdienende Vorgehensweise Esers, sich mit der Darstellung des Freiwilligkeitsbegriffs von Seiten psychologischer446 und psychiatrischer447 Wissenschaftler der Konkretisierung des Tatbestandsmerkmals anzunähern.448 Einen derartigen Begründungsweg lassen viele Anhänger der psychologischen Betrachtungsweise vermissen. Auf diese Weise wirkt es befremdlich, wenn sich ein Jurist ein psychologisches Vorgehen und Interpretieren zuschreibt, ohne je tiefergehend mit dieser Wissenschaftssparte in Berührung gekommen zu sein. Außer der Aufstellung von Thesen, wann ein Verhalten freiwillig sei und wann nicht, liefern weder die Rechtsprechung noch die mit ihr übereinstimmenden Autoren eine Begründung dafür, wie sie überhaupt zu ihrer vermeintlichen „Definition“ der Freiwilligkeit gekommen sind.449 Bereits die These, dass der Wortlaut zu einer psychologischen Auslegung zwingen soll, ist infrage zu stellen. Zwar stellt der BGH in St 35, 184 (187) jene Behauptung auf, liefert jedoch keine Erklärung dafür. Selbsterklärend ist eine solche Aussage gewiss nicht. Der 2. Senat450 berief sich zwar immerhin auf die Ausführungen Lackners in der 17. Auflage seiner Kommentierung zum StGB451, jedoch wird dort lediglich das Gleiche erwähnt – auch hier lässt sich ein Hinweis darauf, wie Lackner zu seiner Ansicht kommt, nicht finden. Zweifelhaft ist schon, ob der BGH die Aussage des Verfassers in dem von diesem gemeinten Sinne richtig deutete. Bei der näheren Betrachtung einer Anmerkung Lackners452 zu dem besagten Urteil betont der Autor, das „psychologisierende“ Element des Freiwilligkeitsbegriffs nicht eliminieren zu können453 und zu wollen. Auf jeden Fall freiwillig soll danach derjenige handeln, der „frei von psychischem Druck“ die Tat aufgebe. Habe der Täter jedoch unter psychischem Druck gehandelt, so sei die Wortlautschranke des § 24 StGB „gegenstandslos“ und der Weg zur teleologischen Auslegung frei. Wurde also einmal psychischer Druck festgestellt, so habe man das nach dem Wortlaut Erforderliche erfasst und könne dann – „methodisch einwandfrei“ – die Stärke des psychischen Drucks prüfen. Dies könne nur 444 Eser, in: Schönke / Schröder, StGB, § 24 Rn. 43; Lilie / Albrecht, in: LK-StGB12, § 24 Rn. 224; vgl. auch Grasnick, JZ 1989, 821 ff. 445 Lilie / Albrecht, in: LK-StGB12, § 24 Rn. 247; Zaczyk, in: NK-StGB, § 24 Rn. 65, 68. 446 Hofstätter, Psychologie (1957), S. 354 ff. 447 Witter, in: Göppinger / Witter (Hrsg.), Handbuch Psychiatrie (1972), S. 430 (446 ff.). 448 Vgl. Eser, in: Schönke / Schröder, StGB, § 24 Rn. 43. 449 In diesem Sinne rügen Lilie / Albrecht, in: LK-StGB12, § 24 Rn. 224, dass spezielle Abgrenzungs- und Konkretisierungsversuche der Rechtsprechung „im Vergleich zum Gesetzeswortlaut keine wirkliche Rechtsklarheit und -sicherheit“ bringen. 450 BGH a. a. O. 451 Lackner, StGB17, § 24, 3. b) bb). 452 Hier und im Folgenden: Lackner, NStZ 1988, 405 f. 453 So dann auch einschränkend in Lackner, StGB18, § 24, 3. b) bb).

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normativ (!) erfolgen. Die Formulierung „Das Gesetz zwingt zu der […] Abgrenzung nach psychologisierenden Kriterien“454 sollte also nach Lackner nicht so pauschal verstanden werden, wie es der BGH für angebracht hielt.455 Das „Wortlautargument“ ist also zunächst nicht mehr als eine bloße Behauptung. Unterstellt man gleichwohl, dass der Wortlaut eine „psychologisierende Betrachtung“ gebiete, so ist diese im Folgenden näher zu analysieren und auf ihre Tauglichkeit hin zu überprüfen. a) „Autonom“ und „heteronom“ als Synonyme für „freiwillig“ und „unfreiwillig“ In kritischer Auseinandersetzung mit der psychologisierenden Betrachtungsweise wird bestritten, dass die vornehmlich in der Literatur entwickelten und verwendeten Begriffe „autonom“ und „heteronom“ allein Aufschluss über die Abgrenzung zwischen freiwilligem und unfreiwilligem Handeln geben können. So kritisiert beispielsweise Schünemann456 diese Terminologie als bloße „Worthülse“, und Jäger457 rügt, dass das Begriffspaar lediglich eine Umschreibung des Gesetzestextes liefere, indem die Merkmale „freiwillig“ / „unfreiwillig“ schlicht durch zwei „nicht inhaltsreichere Begriffe“ ersetzt würden. Noch ablehnender äußerte sich jüngst Amelung458, der den Rückgriff auf die beiden Begriffe als „[…] trauriges Beispiel der Verbrämung gedanklicher Leere durch den Rückgriff auf eine anspruchsvolle Terminologie“ bezeichnet. Auch Roxin459 empfindet diese Unterscheidung als ungeeignet, da den Begriffen kein selbstständiger Aussagegehalt zukomme, und er belegt sein Monitum mit der Gegenüberstellung dessen, was einzelne Verwender des „Autonomie“-Begriffs unter dem Merkmal verstehen: Für Frank, der die Etablierung der Begrifflichkeiten maßgeblich voranbrachte, war ein Rücktritt wegen drohender Anzeige und Bestrafung autonom und damit freiwillig, solange der Täter sich in der Tatvollendung nicht gänzlich gehindert sehe.460 Selbst ein starker psychischer Druck sollte dabei die Freiwilligkeit nicht beeinträchtigen. Dagegen sieht dies die Rechtsprechung heute überwiegend differenzierter: Falls der Täter sich aufgrund der Entdeckung Lackner, StGB17, § 24, 3. b) bb). 455 Infolge dessen will Lackner, StGB18, § 24, 3. b) bb), eine „rein normative“ Deutung nicht zulassen; zust. Lackner / Kühl, StGB, § 24 Rn. 18; Otto, AT, § 19 Rn. 41. 456 Schünemann, GA 1986, 293 (323); zust. noch Herzberg, in: MüKo-StGB1, § 24 Rn. 141 mit Fn. 186; nunmehr aber unter Rückgriff auf das Begriffspaar Herzberg / HoffmannHolland, in: MüKo-StGB2, § 24 Rn. 116 ff. 457 Jäger, ZStW 112 (2000), S. 783 (785). 458 ZStW 120 (2008), S. 205. 459 Roxin, AT II, § 30 Rn. 433 f. 460 Frank, StGB, § 46 II (S. 97 f.). 454

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zwar nicht vollkommen an der Ausführung gehindert sehe, sich aber dennoch gezwungen fühle, es nicht zur Tatvollendung kommen zu lassen, sei ein Rücktritt eben nicht autonom, sondern vielmehr unfreiwillig.461 Der Begriff „autonom“ wird damit in derselben Konstellation sichtbar unterschiedlich ausgefüllt. Als Extremposition kann hier die Definition Schröders angeführt werden, nach der jeder äußere Druck die Freiwilligkeit ausschließen soll.462 Anders sieht dies wiederum die Rechtsprechung, die es unter Umständen auch für die Bejahung der Freiwilligkeit ausreichen lässt, wenn der Anstoß zum Rücktritt von außen kommt.463 Auch daran zeigt sich, dass sich hinter dem gleichen Begriff mehrere Deutungsmöglichkeiten verbergen464. Wenn Schünemann nun zu Recht davon spricht, bei Verwendung des „Autonomie / Heteronomie-Kriteriums“ sehe er ein „kriminalpolitisch geleitetes Judiz“ sich durchsetzen465, kann dies nur bedeuten, dass die Konkretisierungsversuche der Literatur gescheitert sind. Allein das Tatbestandsmerkmal durch ein Synonym zu ersetzen trägt nicht zu dessen Konkretisierung bei.

b) Stärke psychischen Drucks als Abgrenzungskriterium Die psychologisierende Betrachtungsweise erklärt – ungeachtet der oben festgestellten terminologischen Probleme – das Vorliegen „emotionalen Zwangs“ oder starken „seelischen“ bzw. „psychischen Drucks“ zum Abgrenzungskriterium.466 Sehe sich aufgrund dessen der Täter zum Rücktritt gezwungen, so handle er unfreiwillig. Dieser Bewertung wird zunächst entgegengehalten, dass die Stärke bzw. der Grad psychischen Drucks nicht messbar sei, da er sich nachträglich nicht forensisch rekonstruieren lasse. Die Markierung einer allgemeingültigen Zäsur lasse sich gar nicht erst anstellen, da es unzählig viele Nuancierungen psychischen Zwangs gebe.467 Nun liegt es – wie bereits eingangs erwähnt – in der Natur der Sache, dass subjektive Tatbestandsmerkmale ohnehin im Nachhinein schwerlich zu rekonstruieren und nachzuweisen sind. Da ihre Feststellung aber deshalb nicht völlig entbehrlich sein kann, bedarf ihre Existenz im konkreten Fall genauer Prüfung, um ein

BGH MDR (H) 1994, 127 (128); NStZ-RR 2003, 199. H. Schröder, MDR 1956, 321; ders., JuS 1962, 81 (83). 463 BGHSt 7, 296 (299); BGH NStZ-RR 2009, 366; Wessels / Beulke, AT, Rn. 651. 464 Zutreffend Roxin, AT II, § 30 Rn. 434: „Mit dem Autonomie / Heteronomie-Kriterium kann alles – und damit nichts – bewiesen werden.“ 465 Schünemann, GA 1986, 293 (323). 466 Nachweise s. o. bei Darstellung der Theorie Kapitel 3 II. 2. 467 Bockelmann, NJW 1955, 1417 (1418); Bottke, Methodik (1979), S. 126 ff., 139; ders., JR 1980, 441 (443); zu Dohna, ZStW 59 (1940), S. 541 (544); Roxin, AT II, § 30 Rn. 370; Rudolphi, in: SK-StGB, § 24 Rn. 24; Ulsenheimer, Grundfragen (1976), S. 301 f.; M. Walter, Rücktritt (1980), S. 60 f.; vgl. auch H.-W. Mayer, Privilegierungswürdigkeit (1986), S. 203 f.; gegen den Maßstab der Intensität von Motiven auch Bitzilekis, in: FS Hassemer (2010), S. 661 (665). 461 462

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Kap. 3: Das Freiwilligkeitsmerkmal

möglichst hohes Maß an Rechtssicherheit zu gewährleisten. Verlangt man aber nun über die bloße Feststellung des „Ob“ ihres Vorliegens hinaus noch ein „Wie“ in Form einer bestimmten Intensität, so dürfte man damit vor einem unlösbaren Problem stehen. Abgesehen davon stellt sich auch die Frage, wann überhaupt ein „innerer Zwang“ (in welcher Intensität auch immer) vorliegt. So stellt Roxin468 die Überlegung auf, dass ein Täter, der die Tat wegen des hohen Risikos der Festnahme, Anzeige oder Bestrafung nicht vollende, sich keinem inneren Zwang gebeugt, sondern schlicht eine Abwägung zwischen Chance und Risiko vorgenommen habe. Ein psychischer Druck sei zwar bei Rücktritten typischerweise der Fall, was aber nicht automatisch zum Ausschluss der Freiwilligkeit führen müsse. Stellt man also auf die Stärke des psychischen Zwangs ab, so müsste zunächst einmal geklärt werden, ob im konkreten Fall überhaupt von einem solchen zu sprechen ist. Da allein das – wie Roxin469 zutreffend bemerkt – keinesfalls selbstverständlich ist, sondern durchaus zweifelhaft sein kann, wird man schon vom Ausgangspunkt her mit einer schlicht psychologischen Betrachtungsweise nicht weiterkommen. Um dies aufzuzeigen, bedient sich Maiwald470 eines Fallbeispiels, in dem der Täter zum Abbruch eines Betrugsversuchs gebracht wird, weil ihm ein anderer ernsthaft droht, anderenfalls seine (des Täters) Ehefrau zu erschießen.471 Es stelle sich hierbei die Frage, ob diese Drohung einen Zwang in dem Versuchstäter auslöse oder ob von einem Zwang vielleicht gar nicht erst zu sprechen sei. Pauschal könne dies nicht beantwortet werden. Die Rechtsprechung werde in einem derart gelagerten Fall wohl zu dem Ergebnis kommen, dass der Täter eine entsprechend große Gefahr für das Leben seiner Ehefrau nicht riskieren könne und demgemäß zur Aufgabe gezwungen werde. Allerdings betont Maiwald, dass es sich genauso gut um eine – nach den Worten des BGH472 – „nüchterne Abwägung“ des Täters handeln könne. Dies sei hier etwa der Fall, wenn dieser zunächst für sich überlege, wieviel ihm das Leben seiner Frau gegenüber dem möglichen Gewinn aus seiner eigenen Tat wert sei. Dann nämlich treffe er selbst die Entscheidung, ohne von irgendjemandem oder irgendetwas dazu gezwungen worden zu sein.473 In dem Extremfall, dass es dem Versuchstäter des Betruges – horribile dictu – Recht wäre, seine Frau bei dieser Gelegenheit durch fremde Hand „loszuwerden“, wird dies noch offensichtlicher. Da der Zwang zum Rücktritt somit weder an sich noch in seiner Wirkungsrichtung eindeutig feststellbar ist, kann hierin kein taugliches Abgrenzungskriterium liegen. Roxin, AT II, § 30 Rn. 369 f. A. a. O. 470 Hier und im Folgenden: Maiwald, in: GS Zipf (1999), S. 255 (267). 471 Ein ähnliches Beispiel zieht auch Roxin, in: FS Heinitz (1972), S. 251 (264), heran; dort droht die Ehefrau für den Fall des Weiterhandels mit Selbstmord. 472 BGHSt 35, 184 (186). 473 Maiwald, in: GS Zipf (1999), S. 255 (267). 468 469

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Wie problematisch die Handhabung der Abgrenzungskriterien einer rein psychologischen Sichtweise ist, zeigt sich nur allzu deutlich in der Praxis. Dort werden in ähnlichen Fallkonstellationen unterschiedliche Ergebnisse erzielt, ohne dass etwaige sachliche oder indizielle Erwägungen dargeboten werden. Dies zeigen insbesondere vier Beispiele aus der Rechtsprechung, wie sie Roxin in seinem Beitrag in der Festschrift für E. Heinitz (1972) darstellt.474 Um die Schwankungen475 in der Bewertungsweise zu verdeutlichen, werden die Fälle, die RG und BGH zu beurteilen hatten, in chronologischer Reihenfolge aufgeführt: 1934 sprach sich das RG für die Unfreiwilligkeit eines Rücktritts aus, bei dem der Täter von einem „derartigen Schrecken erfasst“ worden war, „daß er den Mut verlor“ seinen Raubversuch fortzusetzen, als er sah, wie das Opfer infolge seines „ersten Schlages“ zusammenstürzte.476 Der BGH nahm 1952 dagegen Freiwilligkeit in einer Situation an, in welcher der Täter zurücktrat, da ihm beim Anblick des bewusstlosen, blutüberströmten Mädchens „die Folgen seiner Tat zum Bewusstsein gekommen waren“.477 Wiederum auf der Linie des Reichsgerichts argumentierend wurde 1957 der Rücktritt eines Täters als unfreiwillig bezeichnet, der durch den „brechenden Blick seines niedersinkenden Opfers an ein Tier auf der Schlachtbank erinnert“ und „in Angst und Schrecken versetzt“ wurde.478 Später, im Jahre 1967, sollte die Konstellation, dass ein Täter „einfach nicht mehr konnte“, da der Anblick der verletzten Frau „zu viel“ für ihn und er „seelisch erschüttert“ war, ein Fall von Freiwilligkeit sein.479 Schon diese Beispiele legen Zeugnis darüber ab, dass die Rechtsprechung in im Kern gleich gelagerten Fällen zu diametralen Ergebnissen kommt. Worin nun genau der Unterschied zwischen den jeweiligen Konstellationen liegen soll, ist nicht ersichtlich und wird auch nicht von RG und BGH dargelegt. Vogler480 erklärte dazu, die „Grenze zwischen schockbedingten ‚inneren Hemmungen‘ und seelischen Erschütterungen“ verlaufe „dort, wo der Täter nicht mehr Herr seiner Entschlüsse ist“. Doch führt dies nicht weiter, denn damit nutzte er die fragwürdige und ausfüllungsbedürftige Terminologie der Rechtsprechung selbst, ohne diese auf den konkreten Fall bezogen anzuwenden. Es ergibt sich aus der chronologischen Betrachtung vielmehr, dass sich der Rechtsprechungspraxis keine geradlinige Entwicklung entnehmen lässt, und es lässt sich der Vorwurf gegen ihre Vorgehens474 Roxin, in: FS Heinitz (1972), S. 251 (265 f.); Ulsenheimer, Grundfragen (1976), S. 10 ff., greift diese Fälle ebenfalls kritisch auf. 475 Diese monierend auch Schünemann, GA 1986, 293 (325). 476 RGSt 68, 238. 477 BGH MDR (D) 1952, 530 (531). 478 BGH MDR (D) 1958, 12. 479 BGHSt 21, 216 (217). 480 In: LK-StGB10, § 24 Rn. 92.

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Kap. 3: Das Freiwilligkeitsmerkmal

weise erheben, dass ergebnis- und gefühlsorientiert und somit willkürlich geurteilt wird.481 c) Selbstkritik der Rechtsprechung Dass das Vorliegen der Stärke psychischen Zwangs nicht messbar sei und sich darüber hinaus keine sichere Grenze zwischen Freiwilligkeit und Unfreiwilligkeit ziehen lasse und auch nicht gezogen werden könne, bestreitet der BGH auch nicht in toto. So räumt er in St 35, 184 (187) ein: „Der Senat verkennt nicht, daß die von der Rechtsprechung vertretene Auffassung nicht immer zu befriedigenden Ergebnissen führt. […] Jene [normativen] Lehren tragen zwar mehr als die von der Rechtsprechung vertretene Ansicht dem Grundgedanken der Rücktrittsregelung Rechnung. […].“482

Abgesehen davon, dass zwar hier den Erwägungen normativer Ansätze in der Richtigkeit ihrer Ergebnisse Zugeständnisse gemacht werden, ohne deren Vorzüge konkret zu nennen483, zeigt ein solcher Ausspruch das Eingeständnis von Zweifeln an der eigenen Auffassung. Und dies bedeutet, dass der immerhin prominenteste Vertreter der rein psychologisierenden Betrachtungsweise nicht ganz von deren Richtigkeit überzeugt ist. Zwar ist anerkennenswert, dass die Rechtsprechung ihre eigene Ansicht einer kritischen Reflexion unterzieht. Die Gelegenheit, sich intensiver mit der Streitfrage auseinanderzusetzen, nutzte der BGH jedoch bedauerlicherweise nicht. Er beschränkte sich darauf, das Problem in wenigen apodiktischen Sätzen abzuhandeln.484 So findet man lediglich den Hinweis, der Wortlaut des § 24 StGB erfordere eine Abgrenzung nach „psychologisierenden Kriterien“485, wogegen die normativen Theorien verstoßen würden. Hierbei verweist das Urteil auf die bereits oben erwähnte entsprechende Darstellung von Lackner486 (s. o.). Ohne hier auf die Richtigkeit dieses Wortlautarguments einzugehen, kann diese Bemerkung des BGH für sich genommen schon aufgrund ihrer Kürze nicht zur Lösung des Problems beitragen; sie dürfte vielmehr das Gegenteil bewirken. Dass 481 Ähnlich Bottke, Methodik (1979), S. 139; Ulsenheimer, Grundfragen (1976), S. 8 f., mit weiteren Beispielen im Bereich des Notzuchtsversuchs; vgl. auch Amelung, ZStW 120 (2008), S. 205 (213), der moniert, dass allenfalls „Formulierungen und Leitlinien für freies Argumentieren“ hervorgebracht worden seien (wenngleich er diese Äußerung im Rahmen der Verwerfung sämtlicher Auslegungsansätze für das Freiwilligkeitsmerkmal tätigt). 482 BGHSt 35, 184 (187). 483 So wäre hier wünschenswert gewesen, dass der BGH Stellung bezüglich des Inhaltes des Grundgedankens bezieht; i. Ü. stellt auch Lackner, NStZ 1988, 405, die fehlende Konkretisierung fest. 484 Ähnlich kritisch auch Bloy, JR 1989, 70 (71): „Insofern enthält sich die Begründung des Beschlusses gerade in einem Punkt von sehr grundsätzlicher Bedeutung einer Stellungnahme in der Sache selbst.“ 485 BGH a. a. O. 486 Lackner, StGB17, § 24 Anm. 3 b, bb.

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angeblich zugunsten des Wortlautarguments auf das vermeintlich geringere Übel in Form von teilweise wertungsmäßig unbefriedigenden Ergebnissen zurückgegriffen wird, ist gerade im Strafrecht als dem „schärfsten Schwert des Staates“ unbefriedigend.

d) Dogmatisch falsche Einordnung von Fallgruppen Die Probleme bei der stringenten Auslegung des Freiwilligkeitsmerkmals haben noch weitere Konsequenzen für die Auslegung der Rücktrittsnorm insgesamt. Nach Ansicht der psychologisierenden Theorie sei bei psychischen Hemmungen nicht grundsätzlich von Unfreiwilligkeit auszugehen. Durchaus möglich sei es, dass der Täter beispielsweise durch Gewissensbisse487, Scham488 oder Mitleid489 zum freiwilligen Rücktritt veranlasst werde. Unfreiwillig soll jedoch ein Täter handeln, wenn die ihn zum Rücktritt veranlassenden Umstände einen so starken Druck auf ihn ausgeübt haben, dass er nicht anders konnte als zurückzutreten. Liege ein zwingender Hinderungsgrund490 für den Täter vor, die Durchführung des Vorhabens aufzugeben, und sei er aufgrund der ihn überwältigenden Gemütsregung nicht mehr in der Lage, die Tat zu vollenden, handle er nicht freiwillig.491 In den Worten des BGH liest es sich wie folgt: „Ob der Täter freiwillig zurückgetreten ist, hängt nach ständiger Rechtsprechung davon ab, ob er noch ‚Herr seiner Entschlüsse‘ blieb und ob er die Ausführung seines Verbrechensplanes noch für möglich hielt.“492

Dem wird von vielen Kritikern entgegengehalten, eine solche Argumentation erfasse nicht Fälle der Freiwilligkeit, sondern vielmehr solche des fehlgeschlagenen Versuchs. Sehe der Täter die Verwirklichung eines Tatbestandes aufgrund innerer oder äußerer Zwänge als unmöglich an, so könne schon gar kein Rücktritt(sverhalten493) vorliegen.494 Mangels Entscheidungsalternative fehlt es dann richtigerweise

RGSt 14, 19 (22); Zaczyk, in: NK-StGB, § 24 Rn. 73. RGSt 47, 74 (79 f.); BGHSt 9, 48 (53); 39, 244 (247); OLG Düsseldorf StV 1983, 65. 489 BGHSt 4, 180; OLG Düsseldorf a. a. O. 490 BGH NStZ 2003, 265 (266). 491 BGH GA 1986, 418; NStZ 1994, 428. 492 BGH NStZ 1998, 510 [Hervorhebung nicht im Original.]. s. ferner BGH MDR (H) 1993, 1038; BGHR StGB § 24 Abs. 1 Satz 1 Freiwilligkeit 4, 21; zust. Fischer, StGB, § 24 Rn. 19, 21. 493 So Jakobs, AT, 26. Abschn. Rn. 33, bezüglich völliger seelischer Lähmung; vgl. auch A. P. Gutmann, Freiwilligkeit (1963), S. 87. 494 Herzberg, in: MüKo-StGB1, § 24 Rn 142 (jetzt wohl auch, aber weniger deutlich Herzberg / Hoffmann-Holland, in: MüKo-StGB2, § 24 Rn 116, 119); Maiwald, in: GS Zipf (1999), S. 255 (266); Roxin, AT II, § 30 Rn. 368; ders., NStZ 2009, 319 ff.; vgl. auch Eser, in: Schönke / Schröder, StGB, § 24 Rn. 46; Ulsenheimer, Grundfragen (1976), S. 303; s. auch schon Wimmer, Rücktritt (1929), S. 23; a. A. Wörner, NStZ 2010, 66 (69). 487 488

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bereits an der Entscheidung des Täters für die Erhaltung des Rechtsguts – die aber in jedem Fall in allen Varianten des § 24 StGB erforderlich ist495 – und somit fehlt es schon an einem tauglichen Rücktrittsverhalten. Erweitert wird dieser Einwand häufig auch auf die Frank’schen Formeln, welche genau aus diesem Grund für unbrauchbar erklärt werden.496 In der Tat hat der BGH497 selbst bereits anerkannt, dass ein Fehlschlag dann vorliegt, wenn aus objektiven oder subjektiven Gründen der Täter aus seiner Sicht den Taterfolg mit den bereits eingesetzten Mitteln nicht mehr erreichen kann. Insofern muss er sich vorwerfen lassen, dogmatisch inkonsequent vorzugehen.498 Puppe499 moniert, dass die Rechtsprechung bei der Feststellung eines Rücktritts im Ergebnis nicht nur aufgrund des Hinweggehens über einen Fehlschlag nicht stringent sei, sondern darüber hinaus – die Abgrenzung von Freiwilligkeit und Unfreiwilligkeit im Blick habend – die Unterscheidung zwischen beendetem und unbeendetem Versuch nicht zutreffend vornehme. Dabei nimmt sie Bezug auf das häufig als Beispiel zitierte Urteil BGHSt 35, 184 (hier vereinfacht): Der Angeklagte hatte den Geliebten seiner geschiedenen Frau angegriffen und lebensgefährlich verletzt. Er ließ nur von ihm ab, da er glaubte, die Frau sonst zu verpassen und nicht auch noch töten zu können. Der BGH diskutierte hier, ob der Angeklagte freiwillig vom Versuch der Tötung des Geliebten zurückgetreten sei, indem er weitere Verletzungs- / Tötungshandlungen unterließ.500 Puppe hingegen weist darauf hin, dass es zur Beantwortung der „Freiwilligkeitsfrage“ gar nicht erst hätte kommen sollen, da allein ein Aufgeben s. hierzu oben Kapitel 2. Fischer, StGB, § 24 Rn. 21; Jäger, Gefährdungsumkehr (1996), S. 21; Jescheck / Weigend, AT5, S. 544, Fn. 33; Lilie / Albrecht, in: LK-StGB12, § 24 Rn. 223; Otto, AT, § 19 Rn. 36; Puppe, AT2, § 21 Rn. 30; Roxin, in: FS Heinitz (1972), S. 251 (254); ders., AT II, § 30 Rn. 432; Rudolphi, in: SK-StGB, § 24 Rn. 19; Zaczyk, in: NK-StGB, § 24 Rn. 64. Notabene: Roxin, AT II, § 30 Rn. 432, weist darauf hin, dass damals der Fehlschlag noch keine erkannte Rechtsfigur in der heutigen Bedeutung war. 497 BGHSt 34, 53 (56); 35, 90 (94); 39, 221 (228); st. Rspr. 498 Roxin, JuS 1981, 1 (5); Rudolphi, in: SK-StGB, § 24 Rn. 8; vgl. auch Greeve, Zielerreichung (2000), S. 28 ff., die bei einigen Autoren eine nicht wünschenswerte Vermengung von Freiwilligkeitskriterien mit denen des Fehlschlags erkennt, aber gleichwohl sieht, dass das Abgrenzungsproblem bislang noch nicht gelöst wurde. 499 AT1 2, § 36 Rn. 46; s. auch Lackner, NStZ 1988, 405 (406). s. auch Mylonopoulos, in: FS I. Roxin (2012), S. 165 (167 ff.), der ebenfalls bemängelt, dass Fallgruppen, die eigentlich bei der Tataufgabe bzw. dem Fehlschlag des Versuches zu erörten wären, zu häufig zur Frage der Freiwilligkeit gemacht werden. 500 Vgl. auch Bloy, JR 1989, 70: Mit dem BGH wird ein unbeendeter Versuch angenommen, da der Täter geglaubt habe, auf weitere, zur Tötung des Geliebten erforderliche Maßnahmen „verzichten zu müssen“. Diese Aussage birgt aber nun wieder ein Problem in sich: Muss der Täter auf etwas verzichten, so könnte Versuch als fehlgeschlagen zu beurteilen ist, je nachdem, ob der Täter noch eine Entscheidungsmöglichkeit für sich sieht. Auch hier lassen sich also wieder Unstimmigkeiten im Hinblick auf die dogmatische Einordnung feststellen. 495 496

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der Tat im Sinne von § 24 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 StGB schon keine taugliche Rücktrittshandlung gewesen sei. Da ein beendeter Versuch – die Verletzungen des Opfers seien bereits lebensgefährlich gewesen, was der Angeklagte auch gewusst habe501 – vorgelegen habe, hätte es mindestens eines freiwilligen und ernsthaften Bemühens um die Vollendungsverhinderung bedürft. Das Urteil sagt in der Tat nichts darüber aus, ob der Täter zum Zeitpunkt des „Aufhörens“ von bereits tödlichen Verletzungen ausging, sodass man das Vorliegen eines beendeten Versuchs nicht mit Sicherheit annehmen kann. Grundsätzlich hätte dies der Überprüfung bedürft.502 Die von Puppe aufgezeigte Schwachstelle deutet darauf hin, dass die Rechtsprechung sich mit ihrer Formulierung den Blick für eine von ihr selbst anerkannte konsequente Überprüfung des Vorliegens eines Rücktritts verstellt. Daraus folgt, dass die Formel, es sei für die Freiwilligkeit entscheidend, ob der Täter „die Ausführung seines Verbrechensplanes noch für möglich hielt“, nicht überzeugen kann. Selbst wenn Puppe mit ihrer Lösung des Falles falsch liegen sollte (etwa weil der Angeklagte doch nicht die bereits bestehende Lebensgefahr kannte, was Tatfrage ist), so wäre es doch gerade in einem solchen Fall wünschenswert gewesen, vom BGH derartige Überlegungen im konkreten Fall gerade an den dogmatisch richtigen und problematischen Stellen angeführt zu bekommen. Auch in der Entscheidungssammlung des Reichsgerichts findet man Urteile, in denen die rechtliche Zuordnung eines Sachverhalts zum Freiwilligkeitsmerkmal nicht überzeugend ist: So wurde ein Rücktritt vom Schwangerschaftsabbruch als unfreiwillig bezeichnet, in dem der bereits eingesetzte Katheter aufgrund eines Unfalls wieder entfernt werden musste503 und Gleiches sollte für einen Rücktritt von einer versuchten Amtsunterschlagung gelten, bei der dem Täter ein abfärbender Fangbrief zugespielt worden war504. Im ersten Fall hatte die Täterin schon keine andere Wahl, als den Katheter wieder entfernen zu lassen; ihr Versuch dürfte vielmehr schon als gescheitert zu betrachten sein. Gleiches gilt für den Fall der Unterschlagung, da dem Täter schon von vornherein klar war, dass er die Beute zwar kurzzeitig in seinen Besitz bringen könnte, aber aufgrund seiner absehbaren Entdeckung den Eigentümer nicht dauerhaft würde aus seiner Eigentumsposition verdrängen können. e) Wertungswidersprüche Abgesehen von den Schwierigkeiten bei der Handhabung der psychologischen Theorie und ihrer Bedeutung für den Inhalt der jeweiligen Tatbestandsmerkmale Puppe, AT1 2, § 36 Rn. 46. Selbst wenn man – wie hier – davon ausgeht, dass die Differenzierung zwischen unbeendetem und beendetem Versuch nicht erforderlich ist (s. Kapitel 2 I.), hätte eine Feststellung des Rücktrittsvorsatzes erfolgen müssen. 503 RGSt 57, 272. 504 RGSt 65, 145. 501 502

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des Rücktritts und deren Zusammenspiel werden Zweifel an der kriminalpolitischen Richtigkeit der von ihr erzielten Ergebnisse laut. Roxin505 weist auf ein Paradoxon hin: Freiwilligkeit werde nach der psychologischen Theorie beispielsweise angenommen, wenn der Täter aufgrund innerer Hemmungen, die noch nicht zwingend auf ihn wirkten, die Vollendung der Tat aufgebe. Sei der Täter seelisch jedoch so erschüttert, dass er aufgrund der Gefühlsüberwältigung zur Tatausführung körperlich nicht mehr fähig sei, liege Unfreiwilligkeit vor.506 Durch eine solche Abgrenzung werde demjenigen die Strafbefreiung unter Hinweis auf mangelnde Freiwilligkeit versagt, der sich nicht lediglich aufgrund einer eigenständigen – möglicherweise auch kaltblütigen507 – Abwägung zum Rücktritt veranlasst sehe, sondern bei dem sich die „Rückkehr in die Legalität“ sogar körperlich äußere.508 Daraus lasse sich die Schlussfolgerung ziehen, dass der psychische Druck in kritischen Situationen umso geringer sein werde und dass umso eher freiwilliges Handeln angenommen werde, je erfahrener und abgebrühter ein Täter sei. Die Frage, ob der von Roxin hier angeführte Verweis auf die Bedeutung der ratio legis des Rücktrittsprivilegs, insbesondere der Strafzwecktheorie, richtig ist, sei an dieser Stelle noch dahingestellt. Es erscheint jedenfalls zweifelhaft, ob die von ihm aufgedeckte Bewertung gewollt sein kann. Gerade in einer solchen Konstellation scheint es doch vielmehr so, dass der Täter die Tatvollendung im tiefsten Inneren tatsächlich nicht will, und es kommt in einer solchen Reaktion seine größte Abneigung zum Ausdruck.509 – Die psychologisierende Ansicht müsste hierauf eingehen und erläutern, warum in casu der freie Wille nicht gegeben sein soll. Eine mögliche Begründung könnte das Vorliegen einer sich aus dem Inneren des Täters selbst ergebenden vis absoluta sein oder aber die (nicht ausdrücklich benannte) Voraussetzung, dass der Zurücktretende sich seiner eigenen Willensbildung und Willensfreiheit in jedem Moment bewusst sein muss. Doch vermisst man in der Regel Erklärungsansätze dieser Art. Zum Nachdenken regt die Monographie von Fahrenhorst510 an. In Anlehnung an WindelAT II, § 30 Rn. 371. Vgl. auch Bottke, Methodik (1979), S. 138, 361 ff.; Jäger, ZStW 112 (2000), S. 783 (792 f.); J. Schröder, Der bedingte Tatentschluß (1969), S. 52; Ulsenheimer, Grundfragen (1976), S. 330 ff. Nach Lackner / Kühl, StGB, § 24 Rn. 11, soll bei psychischer Schockwirkung nicht an der Freiwilligkeit, sondern am „Aufgeben“ gezweifelt werden. Dies ist indes nicht überzeugend, da schon nach allgemeinen Lehren ein seelischer Schock nicht bereits den Vorsatz ausschließt. 507 Roxin, ZStW 80 (1968), S. 694 (708). 508 Roxin, AT II, § 30 Rn. 371, zust. noch Herzberg, in: MüKo-StGB1, § 24 Rn. 144 (unklar jetzt Herzberg / Hoffmann-Holland, in: MüKo-StGB2, § 24 Rn 116, 119); s. auch M. Walter, Rücktritt (1980), S. 130. 509 Ähnlich H.-W. Mayer, Privilegierungswürdigkeit (1986), S. 204 ff.: Das Auftreten eines Schocks sei „regelmäßig Indiz für die Internalisierung sozialethisch wertvoller Verhaltensmuster“. Mayer sieht in diesen Fällen – die systematische Einordnung ist gleichwohl nicht ganz eindeutig – deshalb den Rücktrittsvorsatz nicht per se als ausgeschlossen an, will aber im Folgenden im Rahmen der Freiwilligkeitsprüfung die genaue Ursache näher untersuchen. Vgl. auch Bottke, Methodik (1979), S. 138, 361 ff. 510 Rücktritt (1928), S. 46. 505 506

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band511 schreibt er, bei Affekten sei das einzelne Wollen (bzw. auch umgekehrt das Nicht-Wollen), das auch überraschend über den Menschen gekommen ist, „im höchsten Grade frei und ungehemmt“. Dagegen sei aber „der Mensch als Ganzes in diesem Zustand unfrei“, da sein „eigentliches Wesen“ nicht zur Geltung kommen könne. Diese Unterscheidung zwischen dem ursprünglich freien Wollen und der Auswirkung einer starken Gefühlsregung auf die Gesamtkonstitution des Menschen ist zunächst feinsinnig. Nicht restlich zu überzeugen vermag allerdings die Feststellung, das „eigentliche Wesen“ des Menschen könne nicht zur Geltung kommen. Vielmehr ist doch in der starken Gefühlsregung gerade der Kern des Wesens der Person zu sehen. Genau dies kann dazu führen, dass der Körper des Menschen sodann nicht mehr frei sein mag, Handlungen weiter durchzuführen. Es lässt sich jedoch nicht sagen, die gesamte Psyche sei unfrei, wo der Ursprung des momentanen Zustands als größtmöglich freier anerkannt wurde.

f) Normativer Kern Nachdem bis hierhin festgestellt worden ist, dass eine rein psychologische Begriffsbestimmung der Freiwilligkeit nicht zu durchweg annehmbaren Ergebnissen führen kann, soll an dieser Stelle die Bemerkung Zaczyks aufgegriffen werden, dass „zumeist das (rechtliche) Judiz“ der Rechtsprechung „das psychologische Maß treffend“ bestimme.512 Das Judiz ist dem Grunde nach die Fähigkeit eines Juristen, einen Rechtsfall intuitiv, das heißt vom Gefühl her, zutreffend zu bewerten. Danach soll also die Feststellung der Freiwilligkeit davon abhängen, ob der oder die Richter das Gefühl haben, Freiwilligkeit habe vorgelegen?! Letztlich zeigt sich hier wohl, dass auch die Rechtsprechung wertende Elemente in ihre Beurteilungen einfließen lässt und auch lassen muss, ohne ausdrücklich darauf hinzuweisen513 – vielleicht auch ohne es selbst zu bemerken.514 Darauf, dass die Rechtsprechung in der Tat zwar vom theoretischen Ansatz her psychologisch ausgerichtet sei, aber dennoch einen normativen Kern beinhalte, wurde und wird in der Literatur schon vermehrt hingewiesen.515 Gern in diesem Zusammenhang zitiert werden Formulierungen des RG516 und des BGH517 wie die Folgende: Über Willensfreiheit (1923), S. 79. Zaczyk, in: NK-StGB, § 24 Rn. 65. 513 Jakobs, AT, 26. Abschn. Rn. 34: „unausgesprochene Leitlinie“. 514 Vgl. dahingehend Roxin, in: FS Heinitz (1972), S. 251 (270). 515 Roxin, ZStW 77 (1965), S. 60 (96); ders., in: FS Heinitz (1972), S. 251 (256); A. P. Gutmann, Freiwilligkeit (1963), S. 207; v. Scheurl, Rücktritt (1972), S. 61; Ulsenheimer, Grundfragen (1976), S. 275 f. 516 Hier: RGSt 65, 145 (149); ähnlich auch RGSt 37, 402 (406); 47, 74 (78); 57, 278 (279); 65, 145 (149); 75, 393 (395). [Hervorhebungen nicht im Original.] 517 s. BGHSt 9, 48 (50); BGH MDR 1966, 22; 892. [Hervorhebungen nicht im Original.] 511

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„[…]; ausschlaggebend war, vielmehr, daß der Angeklagte vernünftigerweise518 die Gefahr einer Entdeckung gar nicht auf sich nehmen konnte und durfte, sondern in diesem […] Umstand ein ernstes Hindernis und einen nach allgemeiner Lebensauffassung zwingenden Grund für den Rücktritt […] erblicken mußte.“

Hier werden wertende Kriterien519 wie die Vernunft und die allgemeine Lebensauffassung520 zugrunde gelegt und eben gerade nicht die Psyche des Täters. Verwirrend erscheint, dass hiermit ein Rückgriff auf Elemente stattfindet, die einer wertenden Sichtweise zuzuschreiben sind, während gleichzeitig die Terminologie der psychologisierenden Argumentation genutzt wird („ernstes Hindernis“ / „zwingender Grund“).521 Darüber hinaus meint Roxin feststellen zu können, dass die Rechtsprechung – in der Anwendung ihres eigentlichen Ansatzes inkonsequent – psychologische Kriterien dann außer Acht lasse, wenn dies „völlig unerträgliche Ergebnisse“ zur Folge hätte.522 Dies äußert er im Zusammenhang mit der Tatsache, dass der BGH in seinen Urteilsbegründungen zunehmend auf die ratio des Rücktrittsgrundes verweise – und damit auf ein besonders unter den normativen Ansichten immer wieder hervorstechendes Element.523 So heißt es in BGHSt 9, 48 (51 f.): „Wer die Fortführung der Tat aufgibt, weil diese Hoffnung [scil.: nicht ermittelt / überführt zu werden] getrogen hat, bleibt gefährlich und strafwürdig.“

In dem Resümee des BGH ist tatsächlich kein psychologisches Element zu entdecken, sondern im Gegensatz dazu erfolgt sogar ein direkter Rückgriff auf die ratio legis – wertend wird geprüft, ob im konkreten Fall dem Täter das Rücktrittsprivileg zugute kommen darf oder nicht.

3. Zwischenergebnis Das Vorgehen der Rechtsprechung nach vermeintlichen psychologischen Kriterien kann aufgrund der oben genannten Schwachstellen nicht überzeugen; insbesondere ergeben sich hieraus keine Abgrenzungskriterien für die Auslegung des Freiwilligkeitsmerkmals. Derweil wurden auch normative Züge festgestellt. Der zum Ausdruck gekommene Leitgedanke, dass der Grund des Rücktrittsprivilegs in die Betrachtung einzubeziehen ist, ist zugleich – freilich weitergeführt in verschiedenen Erscheinungsformen – auch in der Lehre ein viel diskutierter Ausgangspunkt. Vgl. auch Mezger / Blei, AT, S. 265 und Otto, AT, § 19 Rn. 38. Roxin, ZStW 77 (1965), S. 60 (96): „verkappte Wertung“; so auch ders., in: FS Heinitz (1972), S. 251 (259). 520 Vgl. hierzu auch schon Schaffstein, JW 1934, 2237. 521 Kritisch zur Vorgehensweise des BGH auch Amelung, ZStW 120 (2008), S. 205 (208). 522 Roxin, AT II, § 30 Rn. 375. 523 Hierzu unten unter Kapitel 3 II. 4. c). 518 519

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4. Die normativen Theorien a) Rein normative Ansätze Im Schrifttum wird unter Ablehnung einer (rein) psychologischen Bestimmung der Freiwilligkeit die Normativierung des Begriffes für „unumgänglich“524 gehalten.525 Hierbei kommt es den Befürwortern im Allgemeinen auf eine Bewertung der Motivationsänderung des Täters und seines Rücktrittsmotivs an.526 An welchen Maßstäben man sich für die Feststellung der Freiwilligkeit zu orientieren hat, wird nicht einheitlich beantwortet; die genaue Durchführung der Normativierung wird stattdessen unterschiedlich gehandhabt.527 Leitgedanke für die Annahme eines freiwilligen Rücktritts ist jedoch meist die Rückkehr des Täters „in die Bahnen des Rechts“528 bzw. „in die Legalität“.529 Hier sind insbesondere drei Vorgehensweisen hervorzuheben: Die sogenannte Lehre von der Verbrechervernunft, der direkte Rückgriff auf die Strafzwecke und das Abstellen auf die sittliche Qualität des Antriebs zum Rücktritt. Einen eigenen, sehr berühmt gewordenen und viel diskutierten Ansatz verfolgt Roxin mit der sogenannten Lehre von der Verbrechervernunft.530 Hiernach soll ein Rücktritt freiwillig sein, wenn der Täter nicht den Regeln der Vernunft eines „hartgesottenen, Risiko und Chancen des konkreten Tatplans kalt abwägenden Delinquenten“531 folge, sondern wenn er sich als Verbrecher in Anbetracht der konkreten Tat532 „unvernünftig“ verhalte. Als richtungweisend für die Normativierung gelte die ratio legis des Rücktrittsprivilegs. Grundlagen- und maßstabsbildend soll hierfür So Roxin, AT II, § 30 Rn. 379. s. nur Eser, in: Schönke / Schröder, StGB, § 24 Rn. 43; Jakobs, AT, 26. Abschn. Rn. 33; Maiwald, in: GS Zipf (1999), S. 255 (270); Mitsch, in: Baumann / Weber / Mitsch, AT, § 27 Rn. 17; Zaczyk, in: NK-StGB, § 24 Rn. 65. 526 Bloy, JR 1989, 70 (71); Maiwald, in: GS Zipf (1999), S. 255 (270); Roxin, AT II, § 30 Rn. 355; s. auch Jakobs, AT, 26. Abschn. Rn. 34. 527 Jakobs, AT, 26. Abschn. Rn. 34 m. w. N.; Roxin, AT II, § 30 Rn. 355. F.-C. Schroeder, JZ 2011, 187 (189), betont die „enorme Spannweite“ der Auslegungsansätze. 528 Küpper, Grenzen (1990), S. 182; Ulsenheimer, Grundfragen (1976), S. 314. 529 Bloy, JR 1989, 70 (72); Bottke, Methodik (1979), S. 469 ff.; ders., JR 1980, 441 (443); Eser, in: Schönke / Schröder, StGB, § 24 Rn. 56; Köhler, AT, S. 479; Ulsenheimer, Grundfragen (1976), S. 312 ff. 530 Roxin, ZStW 77 (1965), S. 60 (97); ders., ZStW 80 (1968), S. 694 (708); ders., in: FS Heinitz (1972), S. 251 (256); ders., Kriminalpolitik (1973), S. 36 f; ders., AT II, § 30 Rn. 366, 383 ff.; vgl. auch: Rudolphi, in: SK-StGB, § 24 Rn. 25. Unklar insoweit Wege, Rücktritt und Normgeltung (2011), z. B. S. 95, die für einen wirksamen Rücktritt verlangt, „dass der Täter sich auf die Geltung der zunächst verletzten Verhaltensnorm auch für sich selbst ‚besinnt‘“. Inwieweit diese Forderung neben dem Kriterium der Freiwilligkeit ihre Berechtigung hat, bleibt offen. Die Autorin äußert sich im Rahmen ihrer Abhandlung freilich nicht näher zur Bedeutung der Freiwilligkeit. 531 Roxin, in: FS Heinitz (1972), S. 251 (256); ders., AT II, § 30 Rn. 383. 532 Roxin, AT II, § 30 Rn. 413 f. 524 525

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Kap. 3: Das Freiwilligkeitsmerkmal

nach Roxin vornehmlich die Strafzwecktheorie sein.533 Es bedürfe danach stets einer wertenden Ermittlung der Frage, ob mit der Entscheidung des Täters eine Rückkehr auf den Boden des Rechts verbunden war.534 Ähnlich äußert sich Krauß unter Zugrundelegung der Strafzwecktheorie. Er erörtert jedoch den Rücktritt „aus verbrecherischer Vernunft“ lediglich als eine eigene Fallgruppe.535 Eine Orientierung an der ratio legis des Rücktrittsprivilegs wird vielfach für unerlässlich gehalten. Maiwald bezeichnet es explizit als zukünftige „Aufgabe von Rechtsprechung und Lehre“, Klarheit über den gesetzgeberischen Willen zu erlangen. Solange hierüber keine Einigkeit herrsche, bestehe weiterhin Unsicherheit darüber, wie das Merkmal der Freiwilligkeit auszulegen sei.536 Die Anerkennung dieses Grundgedankens führte dazu, dass beispielsweise Bottke, Schünemann und M. Walter bei der Konkretisierung des Freiwilligkeitsbegriffs – freilich je mit unterschiedlicher Akzentuierung – unvermittelt auf die Strafzwecke zurückgreifen. Freiwillig handle derjenige, dessen Rücktrittsantrieb für die Entbehrlichkeit spezialoder generalpräventiven Eingreifens spreche537 bzw. von „hinreichender Normverfolgungsbereitschaft“538 zeuge. So kommt es Schünemann darauf an, dass durch einen Rücktritt das Sicherheitsgefühl und Normvertrauen der Bevölkerung wieder hergestellt werden soll539, M. Walter verlangt von dem Täter eine „normkonforme Lösung“540 der Konflikte, die sich aus der konkreten Versuchstat ergeben. Zum Teil wird Bezug genommen auf die sittliche Qualität des Antriebs zum Rücktritt. Als Maßstab, an dem die Motive des Täters zu messen seien, müsse die „esoterische Moral des Rechts“ herangezogen werden.541 Ein derartiger Ansatz wird indes mit Blick auf seine Nähe zum Täterstrafrecht heute zu Recht nicht mehr vertreten. Zudem spielen Tatmotive grundsätzlich für die Strafbegründung keine Rolle, sodass sie auch für die Strafbefreiung nicht ausschlaggebend sein können.

533 Roxin, in: FS Heinitz (1972), S. 251 (269); ders., Kriminalpolitik (1973), S. 36; ders., AT II, § 30 Rn. 366; Rudolphi, in: SK-StGB, § 24 Rn. 25. 534 Roxin, in: FS Heinitz (1972), S. 251 (256). 535 Krauß, JuS 1981, 883 (888). 536 Maiwald, in: GS Zipf (1999), S. 255 (270). 537 Bottke, Methodik (1979), S. 211 ff., 222; ders., Rücktritt (1980), S. 35 ff.; ders., JR 1980, 441 ff.; ferner Schünemann, GA 1986, 293 (323), der auf Aufhebung des rechtserschütternden Eindrucks abstellt und somit die generalpräventive Seite erfasst. 538 M. Walter, Rücktritt (1980), S. 67 ff.; ders., GA 1981, 403 (406 ff). 539 Schünemann, GA 1986, 293 (324 f). 540 M. Walter, Rücktritt (1980), S. 70; ders., GA 1981, 403 (406). 541 Bockelmann, DR 1942, 431 (433); ders., NJW 1955, 1417 (1421); ders., Untersuchungen (1957), S. 164; hiergegen nachdrücklich A. P. Gutmann, Freiwilligkeit (1963), S. 45 ff.; Heinitz, JR 1956, 248 (251); H. Schröder, MDR 1956, 321 (323).

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b) Vermittelnde Ansichten zwischen psychologischer und normativer Theorie Eine ganze Reihe von Autoren legt sich bei der Bestimmung des Freiwilligkeitsbegriffs nicht eindeutig fest. Ihre Ansätze können als „vermittelnd“ bezeichnet werden542, da sie in Teilen sowohl auf eine der psychologischen Betrachtungsweise folgende Terminologie (insbesondere auf die Begriffe „autonom“ und heteronom“) als auch auf normative Grundsätze zurückgreifen. Hintergrund dessen ist nicht zuletzt das Wortlautargument, durch das sich viele Literaten zur Anwendung einer psychologischen Auslegung gezwungen sehen. Die vermittelnde Vorgehensweise soll hier anhand einiger Autoren skizziert werden, wodurch allein schon deutlich werden dürfte, wie problematisch sich zum Teil allein die Einordnung einzelner Autoren in den Diskussionsstand darstellt. Ein Beispiel liefert Eser, der ohne eine Differenzierung zwischen autonomen und heteronomen Gründen als Basis für die Inhaltsbestimmung der Freiwilligkeit nicht auszukommen meint, diese aber doch wertend vornehmen will.543 Während er sich in seinen Ausführungen auf die in der Rechtsprechung zugrunde gelegten Begrifflichkeiten544 und auch auf deren Beispiele545 stützt, ist Ausgangspunkt seines Ansatzes die Anlehnung an M. Walter546, dass eine autonom motivierte Umkehr auf die Verdienstlichkeit des Rücktritts bzw. die letztlich doch rechtstreue Gesinnung des Zurücktretenden verweise. Im Ergebnis besteht er darauf, dass eine normative Feststellung der Freiwilligkeit mit Blick auf die ratio des § 24 StGB stattzufinden habe.547 Lilie und Albrecht verlangen explizit eine „im Einzelfall auszugleichende Verbindung psychologisierender und normativer Elemente“.548 Sie verwenden die psychologisierenden Begriffe von „Autonomie“ und „Heteronomie“ zur Konkretisierung des Rücktrittsverhaltens, wollen aber normative Elemente einfließen lassen, um be-

542 Die Autoren legen sich in der Tat selbst nicht fest, welcher Tendenz sie in concreto folgen. Der Ausdruck findet sich im Schrifttum selbst nicht; vgl. auch Lilie / Albrecht, in: LKStGB12, § 24 Rn. 236. Explizit für einen vermittelnden Ansatz Amelung, ZStW 120 (2008), S. 205 (208). 543 Eser, in: Schönke / Schröder, StGB, § 24 Rn. 43; vgl. auch Streng, NStZ 1993, 581 (583); Vogler, in: LK-StGB10, § 24 Rn. 86. 544 So z. B. Eser, in: Schönke / Schröder, StGB, § 24 Rn. 45: „zwingendes Hindernis“; Rn. 46: „Herr seiner Entschlüsse“. 545 Vgl. jeweils die Verweise auf die Rechtsprechung bei Eser, in: Schönke / Schröder, StGB, § 24 Rn. 46 ff. 546 M. Walter, Rücktritt (1980), S. 67. 547 Eser, in: Schönke / Schröder, StGB, § 24 Rn. 56. 548 Lilie / Albrecht, in: LK-StGB12, § 24 Rn. 243; ähnlich auch schon Vogler, in: LKStGB10, § 24 Rn. 85, der den Ausgleich dadurch erreichen wollte, dass man den psychologisierenden Aspekt „nicht so sehr herausstellt“, sondern kriminalpolitische Erfordernisse voranstellt.

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weisrechtliche Schwierigkeiten auszugleichen.549 Normative Aspekte seien besonders gut erkennbar, wenn für heteronome Umstände das Vorliegen unvorhergesehener erheblicher Hemmnisse gefordert werden müsse.550 Mit Zaczyk stimmen sie darin überein, dass es sich bei der Freiwilligkeit um einen Rechtsbegriff handle.551 Während jener allerdings den Gegensatz zwischen psychologischer und normativer Betrachtung aufgehoben sehen will552, wollen Lilie / Albrecht beide Elemente nebeneinander553 zur Anwendung bringen. Nach Kühl soll der psychologische Aspekt einer psychischen Druck- oder Hemmungslage Indikator für unfreiwilliges Verhalten sein. Deren Mindestintensität sei normativ zu bewerten.554 Auch Th. Fischer555 spricht sich dem Grunde nach für eine Feststellung der Freiwilligkeit nach der Autonomie der Täterentscheidung aus. Dies gehe mit der Bewertung der Motivation, d. h. mit der Klärung der Frage einher, welche Vorstellung den Täter wesentlich „bestimmt“ habe. Die Feststellung der Stärke psychischen Drangs sei indes nicht möglich, andererseits verstoße eine rein normative Auslegung des Begriffs gegen die Wortlautgrenze des Art. 103 Abs. 2 GG. Einen eigenen Lösungsweg bietet der Verfasser jedoch nicht an. Einen anderen Ansatz verfolgt Jäger556, der eine normativ-faktische Lösung vorschlägt, die „zwischen psychologischem und normativem Ansatz hindurch“557 laufe. Da für ein strafbefreiendes Verhalten grundsätzlich nichts anderes gelten könne als für ein strafbegründendes, müsse denknotwendig der Rücktritt die objektiven und subjektiven Zurechnungskomponenten der allgemeinen Verbrechenslehre umfassen. Das Freiwilligkeitsmerkmal sei ein qualifiziertes subjektives Zurechnungselement und zwar in der Form, dass nicht nur der Wille zur Umkehr, sondern auch zusätzlich dessen freie Bildung vorhanden sein müsse.558 Jäger vergleicht die Situation des unfreiwilligen Rücktritts mit der der mittelbaren Täterschaft: Dieselben Gründe, die bei der mittelbaren Täterschaft zum Ausschluss der Autonomie des Vordermanns führen, sollen den Zurücktretenden zum Rücktritt bestimmen und somit dessen Freiwilligkeit ausschließen können. Als Freiwilligkeit ausschließende

549 Lilie / Albrecht, in: LK-StGB12, § 24 Rn. 243; ebenso Gropp, AT, § 9 Rn. 73; Kühl, AT, § 16 Rn. 55 ff.; Lackner / Kühl, StGB, § 24 Rn.18; Maurach / Gössel, AT 26, § 41 Rn. 136 ff. 550 Lilie / Albrecht, in: LK-StGB12, § 24 Rn. 245. 551 Lilie / Albrecht, in: LK-StGB12, § 24 Rn. 247; Zaczyk, in: NK-StGB, § 24 Rn. 65, 68; ausführlich zur „Freiwilligkeit als Rechtsbegriff“ das so betitelte Werk von Th. Gutmann (2001). 552 Zaczyk, in: NK-StGB, § 24 Rn. 68. 553 Lilie / Albrecht, in: LK-StGB12, § 24 Rn. 247. 554 Lackner / Kühl, StGB, § 24 Rn. 18. 555 StGB, § 24 Rn. 19 ff. 556 Hier und im Folgenden: Jäger, Gefährdungsumkehr (1996), S. 98 ff.; ders., ZStW 112 (2000), S. 783 (794 ff.). 557 Jäger, ZStW 112 (2000), S. 783 (795). 558 So auch Herzberg, in: FS Lackner (1987), S. 325 (352).

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Umstände werden namentlich genannt: ein mit § 35 StGB vergleichbarer Nötigungsdruck, Schuldunfähigkeit im Rücktrittszeitpunkt, der Wegfall des Handlungssinns, aber auch Irrtümer über die weitere Ausführbarkeit der Tat oder über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 35 StGB.559 Herzberg560 orientiert sich zur Bestimmung der Freiwilligkeit an den im Zivilrecht anerkannten Strukturen der Zurechenbarkeit. Nach seiner Schulderfüllungstheorie bilde die Verwirklichung einer rechtswidrigen Tat (§ 11 I Nr. 5 StGB) eine Strafe begründende Pflichtverletzung. Sei sie „Werk der Freiheit und Verantwortlichkeit des Täters“, werde sie diesem als „unverdienstliche“ („Schlecht“-)Leistung zugerechnet. Der Rücktritt sei nichts anderes als die Zurechnung einer verdienstlichen Leistung, welche von der zunächst durch die Pflichtverletzung entstandenen Strafe befreie. Über eine entsprechende Zurechnung soll nicht mit Hilfe vermeintlich psychologischer Gesichtspunkte entschieden werden, sondern unter Bezugnahme auf rechtliche Regeln.561 Als mögliche maßstabsbildende Normen für die Freiwilligkeit, die subjektive Zurechnung, diskutiert werden die §§ 35, 240 und 20 StGB.562 c) Insbesondere: Der Rückgriff auf die ratio legis Wie sich in der vorangegangenen Darstellung bereits angedeutet hat, wird von Befürwortern der normativen Betrachtungsweise vielfach auf das Verständnis von dem Grund für die Strafbefreiung des § 24 StGB zurückgegriffen, um das Merkmal der Freiwilligkeit auszulegen. In diesem Erfordernis spiegele sich die Überlegung wider, dass die Rechtsfolge der Strafbefreiung als keineswegs selbstverständlich anzusehen sei, sondern als eine kriminalpolitische Entscheidung.563 Da vor allem nicht schon bei jedem objektiven „Aufgeben der Tat“564 die Rechtsfolge der Strafbefreiung eintreten dürfe, verlagert das überwiegende Schrifttum die Problematik der Freiwilligkeit auf die Erfassung der ratio legis.565 Vor diesem Hintergrund ist zu untersuchen, ob und inwieweit ein Rückgriff auf Sinn und Zweck der Norm zur Auslegung des Begriffs beitragen kann.566 Jäger, ZStW 112 (2000), S. 783 (795 ff). Herzberg, in: MüKo-StGB1, § 24 Rn. 122 ff. 561 Herzberg, in: MüKo-StGB1, § 24 Rn. 122. 562 Herzberg, in: MüKo-StGB1, § 24 Rn. 125 ff. Ob Herzberg / Hoffmann-Holland, in: MüKo-StGB2, § 24 Rn. 120 ff., die jetzt das Begriffspaar der autonomen und heteronomen Motive heranziehen (a. a. O., Rn. 116 ff.), diese Ansicht zumindest in Teilen noch aufrecht erhalten wollen (§ 35 StGB „in Kombination“ mit § 240 StGB, s. Rn. 122), bleibt unklar. 563 s. nur Lang-Hinrichsen, in: FS Engisch (1969), S. 353 (372); Mitsch, in: Baumann / Weber / Mitsch, AT, § 27 Rn. 17 (mit Fn. 83); s. auch Roxin, AT II, § 30 Rn. 26 sowie die Hinweise in Kapitel 4 III. 564 Die Diskussion spielt häufig bei der 1. Variante des § 24 Abs. 1 Satz 1 StGB eine Rolle. 565 Statt Vieler Eser, in: Schönke / Schröder, StGB, § 24 Rn. 56; Lampe, JuS 1989, 610 (612, 614); Rudolphi, in: SK-StGB, § 24 Rn. 25; Zaczyk, in: NK-StGB, § 24 Rn. 66. 566 Zur Übersicht über die prominentesten Erklärungsansätze s. o. Kapitel 1 II. 559 560

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aa) Die Goldene-Brücke-Theorie Angenommen, der Täter wisse um die Rechtsfolge der Strafbefreiung eines alle Voraussetzungen erfüllenden Rücktritts. Dann stellt sich die Frage, inwiefern sich die Idee von der „goldenen Brücke“ auf die Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Freiwilligkeit auswirken kann. Nach Jescheck567 verfolgt diese Theorie allein den Zweck, Straftaten zu verhindern568. Dass ein freiwilliger Rücktritt des Täters erforderlich sein soll, lasse sich unter diesem Aspekt nicht erklären.569 Denn aus welcher Motivation heraus der Rücktritt erfolge, sei einerlei, solange nur die Vollendung der Tat verhindert werde. Es komme nur auf die Tatsache des Rücktritts an. In der Tat hat ein Vertreter der Goldene-Brücke-Theorie Schwierigkeiten, die Notwendigkeit des Freiwilligkeitsmerkmals zu begründen. Denn es widerspricht sich sogar, auf der einen Seite schlicht auf die Tatsache des Rücktritts an sich, d. h. auf das Aufgeben und die Vollendungsverhinderung, abstellen zu wollen und gleichzeitig bei inneren Hindernissen die Strafbefreiung aufgrund unfreiwilligen Verhaltens zu versagen.570 Jeschecks Conclusio ist im Hinblick auf den konsequenten Umgang mit der Theorie einleuchtend. Nicht überzeugend ist hingegen das von Boß571 vorgebrachte Argument, vor dem Hintergrund des psychologischen Verständnisses mache ein Anreiz nur Sinn, wenn der Täter freiwillig handle, da sich dann zeige, dass er die Entscheidung über Weiterhandeln und Erfolgsverhinderung selbst in der Hand habe. Denn Jescheck sagt entgegen des Verständnisses seines Kritikers nicht, dass es auf die Entscheidungsmöglichkeit des Täters grundsätzlich nicht ankomme. Er betont nur, dass sich der Täter nach den Anforderungen der Goldene-Brücke-Theorie (aus welchem Grunde auch immer) lediglich für einen Rücktritt entschieden und diesen durchgeführt haben müsse. Anderenfalls – und dies lässt sich Boß ebenfalls entgegenhalten – ist bei fehlender Entscheidungsmöglichkeit ohnehin eine Tataufgabe oder Vollendungsverhinderung nicht möglich. Überdies kann Jeschecks Erkenntnis sogar noch auf die Spitze getrieben werden: Folgt man konsequent der oben dargestellten Theorie, so darf man keine hohen Anforderungen an den Täter stellen, da man diese Theorie in ihren Ansätzen sonst aus zwei Gründen konterkarieren würde: Erstens ist nach dem Gedanken einer „goldenen Brücke“ das alleinige Ziel der Norm, dass ein Umkehrverhalten stattfindet – dies muss dann für jeden Täter und jede Motivation gelten. Zweitens würde die Freiwilligkeit als unbestimmtes Merkmal den Anreiz eher ab-

Jescheck, MDR 1955, 562 (563). So auch Bockelmann, in: Niederschriften, 2. Bd. (1958), S. 171 (178); mit Blick auf die im Sonderausschuss für die Strafrechtsreform geltend gemachten Argumente Grünwald, in: FS Welzel (1974), S. 701 (709 f.). 569 So auch Amelung, ZStW 120 (2008), S. 205 (210); i. E. auch Roxin, AT II, § 30 Rn. 20. 570 Bockelmann, in: Niederschriften, 2. Bd. (1958), S. 171 (178). 571 Rücktritt (2002), S. 20. 567 568

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schwächen, da jedenfalls ein juristisch ungebildeter Täter Schwierigkeiten hätte, die Grenzen freiwilligen Verhaltens zu bestimmen. Er könnte sich daher seiner Straffreiheit nie sicher sein, und ein Täter, der diesbezüglich Bedenken haben muss, würde wohl schneller zu dem Entschluss kommen, die Tat zu vollenden, um so immerhin „nicht ganz umsonst“ bestraft zu werden. Die Theorie der „goldenen Brücke“ liefert also keine Konkretisierung für das Freiwilligkeitsmerkmal, sondern kann ihm sogar widersprechen. Dies führt dazu, dass entweder die Geltung dieser Theorie angezweifelt werden kann – soweit man den Widerspruch hervorhebt – oder aber die Existenzberechtigung des Freiwilligkeitsmerkmals als solches. Denkbar sind nun zwei Ansätze: Entweder man legt sich hinsichtlich des Sinn und Zwecks der Rücktrittsnorm zugunsten der „goldenen Brücke“ fest. Dann gilt im Hinblick auf das oben Entwickelte, dass an die Freiwilligkeit keine weiteren (und erst recht keine hohen) Anforderungen zu stellen sind. Oder aber man überprüft im Wege einer Gesamtschau aller Tatbestandsmerkmale, ob die Interpretation der ratio legis stimmig ist. Dies würde natürlich gerade voraussetzen, dass das Merkmal „freiwillig“ bereits konkretisiert wurde. Bei der Suche nach einer Auslegungsmöglichkeit hilft die Goldene-Brücke-Theorie nach alldem nicht weiter. Dies gilt im Übrigen auch für den Opferschutz-Gedanken, nach welchem die Eröffnung der Rücktrittsmöglichkeit die Verhinderung der Rechtsgutsverletzung bezweckt. Weinhold formuliert hierzu, der staatliche Strafanspruch sei zurückzustellen, soweit er dem Interesse des Opfers entgegenstehe.572 Insgesamt spricht also auch diese Interpretation der ratio sogar eher gegen das Erfordernis der Freiwilligkeit. Denn das Fordern eines „freiwilligen“ Rücktritts ist mit diesem viktimologischen Gesichtspunkt nur schwer in Einklang zu bringen. bb) Die Gnaden- und Prämien-Theorie Bockelmann formuliert unmissverständlich, seiner Ansicht nach mache die Forderung der Freiwilligkeit des Rücktritts nur dann Sinn, wenn man in dem Rücktritt einen Verdienst sehe.573 Unterstellt man die Richtigkeit dieser Auffassung, wäre im Gegensatz zu der Theorie von der „goldenen Brücke“ damit zumindest schon geklärt, dass das die subjektive Seite qualifizierende Erfordernis der Freiwilligkeit de lege lata innerhalb des Rücktrittstatbestandes seine Berechtigung hat. Der Inhalt der Freiwilligkeit bleibt jedoch weiter offen, denn diese Theorie besagt lediglich, dass freiwillig gehandelt werden müsse. Bei Schröder ist dies noch deutlicher festzustellen. Er erkennt die Freiwilligkeit als „Maßstab für diese Verdienstlichkeit“ an, jedoch ergibt sich allein daraus nichts für deren Anforderungen.574 Man kann wohl auch daran zweifeln, dass ein faktisch nicht „greifbarer“ und somit nicht messbarer freier Wille überhaupt „Maßstab“ sein kann. Zudem ist zu bedenken, dass 572 573 574

Weinhold, Rettungsverhalten (1990), S. 31. Bockelmann, in: Niederschriften, 2. Bd. (1958), S. 171 (178). H. Schröder, JuS 1962, 81; ähnl. Bergmann, ZStW 100 (1988), S. 329 (334).

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Kap. 3: Das Freiwilligkeitsmerkmal

§ 24 StGB mit seiner Rechtsfolge der Straflosigkeit ein Alles-oder-Nichts-Prinzip verkörpert. Es macht daher keinen Sinn, nach einer Formel wie „je weniger freiwillig, desto weniger Verdienst, also desto weniger Strafbefreiung“ vorzugehen. Es könnte sich allenfalls um eine Art Maßstab dahingehend handeln, dass ab einem gewissen Grad von Freiwilligkeit die Strafbefreiung ausgelöst wird. Allerdings bliebe dann wieder unklar, wie dieser „Grad“ bestimmt werden und wie hoch dieser sein soll. Ein taugliches Kriterium wird also mit dem Verdienstgedanken nicht geliefert. Wenn Kudlich575 sowie Lilie / Albrecht576 also ebenfalls festsetzen, das Freiwilligkeitserfordernis sei anhand der Verdienstlichkeitstheorie leicht erklärbar, so kann das nur für die Erklärung der Existenz dieses Merkmals gelten.577 Somit vermag dieser Ansatz ebenfalls keine signifikante Bereicherung darzustellen. cc) Die Strafzwecktheorie Von den Vertretern der Strafzwecktheorie wird vereinfacht wie folgt argumentiert: Liegt ein freiwilliger Rücktritt vor, so erfordern die Strafzwecke keine Strafe. – Was aber ergibt sich daraus für den Inhalt des Freiwilligkeitsmerkmals, den es zu konkretisieren gilt? An dieser Stelle ist daran zu erinnern, dass die Auslegung eines Merkmals mithilfe von Sinn und Zweck der Norm nur gelingen kann, wenn die ratio legis bereits hinreichend bekannt und festgelegt ist; umgekehrt kann die ratio legis nur ermittelt werden, wenn sie entweder vom Gesetzgeber selbst benannt wurde oder sich aus einer Gesamtschau aller Tatbestandsmerkmale ermitteln lässt.578 Problematisch ist es dann, wenn die Freiwilligkeit mit dem Entfallen der Strafbedürfnisse, für die sie ja danach selbst Voraussetzung ist, begründet wird. Herzberg kritisiert die Folgen dieses Zirkelschlusses579 mit harten Worten: „Die meisten Verfechter der Strafzwecktheorie vergewaltigen, im Gewande ‚teleologischer‘ Auslegung, das Gesetz, indem sie Rücktritte […] einfach für unfreiwillig erklären.“580 Damit weist er darauf hin, dass das Freiwilligkeitsmerkmal gerade nicht konkretisiert wird, sondern vielmehr dazu dienen soll, einen Rücktritt ergebnisorientiert und nach Ge-

Kudlich, JuS 1999 (I), 240 (241). Lilie / Albrecht, in: LK-StGB12, § 24 Rn. 13. 577 Letzteres räumen zumindest Lilie / Albrecht, a. a. O., ein, indem sie an der Theorie bemängeln, keine inhaltlichen Kriterien für die Bestimmung einzelner Merkmale zu liefern577 – ergo auch nicht für das der Freiwilligkeit. Ähnlich Muñoz-Conde, ZStW 84 (1972), S. 756 (759). 578 Vgl. die Ausführungen zur Auslegung und zum hermeneutischen Zirkel, oben Kapitel 1 II. 579 Ähnlich Herzberg, NJW 1991, 1633 (1634): „[Es ist] Zirkelhaft, wenn man in die Bestimmung des Zweckes die richtige Gesetzesdeutung, die er leisten soll, schon hineindefiniert.“ 580 Herzberg, in: MüKo-StGB1, § 24 Rn. 37; Herzberg / Hoffmann-Holland, in: MüKoStGB2, § 24 Rn. 36 sprechen etwas abgeschwächt nun nicht mehr von einer „Vergewaltigung“, sondern von einer „Missdeutung“ des Gesetzes. 575 576

II. Der Streit um die Freiwilligkeit im Sinne von § 24 StGB

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rechtigkeits- und Strafzweckerwägungen zu bewerten. Es lässt sich festhalten, dass die ratio legis, selbst wenn man sie tatsächlich im Entfallen der Strafzwecke sehen mag, keinen Aufschluss über die Begriffsbestimmung der Freiwilligkeit gibt. Das zusätzlich Unbefriedigende an der Heranziehung dieser Theorie ist, dass alle Streitigkeiten und Probleme der Strafzwecklehre – die sich schon allein bei der Festlegung der Strafzwecke an sich ergeben – zwangsläufig in die Begriffsbestimmung der Freiwilligkeit des Rücktritts hineingetragen werden.581 dd) Die Schulderfüllungstheorie Nach der sogenannten Schuld(erfüllungs)theorie soll der Rücktritt de lege lata als Leistung in subjektiver Hinsicht dann zurechenbar sein, wenn er freiwillig veranlasst ist.582 Sympathien für die Vorgehensweise Herzbergs äußert Amelung583. Weiterführend seien die Herausarbeitung eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes in Form des „Erledigungsprinzips“ und der damit verbundene Rückgriff auf die staatlichen Belange. Hieraus ergebe sich ein „institutioneller Rahmen“, in den sich das Konzept der Freiwilligkeit einfügen müsse. Die zurücktretende Person dürfe nicht isoliert betrachtet werden, vielmehr müsse die Problematik im sozialen Kontext gesehen werden. Aus dem Vorgenannten ergebe sich, dass der Zurücktretende und der Staat mit seiner Strafandrohung denselben Zweck verfolgten. Diesen Schluss ziehe Herzberg als Kritiker der teleologischen Auslegung leider nicht.584 Doch fragt sich, ob eine teleologische Interpretation im Sinne des Herzbergschen Modells das Freiwilligkeitskriterium konkretisieren kann. Die Theorie gibt zunächst den Hinweis darauf, dass unter Umständen bereits anerkannte Zurechnungsregeln und -normen aus dem Strafrecht zur näheren Konkretisierung herangezogen werden können oder sogar müssen. Da ein direkter Vergleich mit dem Zivil- und Verwaltungsrecht angesprochen wird, wäre es sogar denkbar, dass Regelungen aus diesen Rechtsgebieten angewendet werden. An dieser Stelle liefert die ratio legis für sich allein genommen auch hier keine konkrete Ausgestaltung, sie gibt allenfalls erste Hinweise auf die Auslegungsmöglichkeit. Herzberg selbst wendet jedoch explizit keine speziellen Regelungen oder Methoden der beiden genannten Rechtsgebiete auf das Strafrecht an, sondern ermittelt den allgemeinen Rechtsgrundsatz der Schulderfüllung nach erfolgter Pflichtverletzung: Das Gesetz drohe für den Fall von Pflichtverletzungen staatliche Zwangsmaßnahmen an, die sich aber mit der Abstellung oder Wiedergutmachung durch eigene Leistung des 581 Ähnlich Küpper, Grenzen (1990), S. 188; vgl. auch Lilie / Albrecht, in: LK-StGB12, § 24 Rn. 241, zur Kritik an dem Versuch Strengs, NStZ 1993, 581 (583), die Freiwilligkeit unter Bezugnahme einer umfassenden Bestimmung der Strafzwecke zu bestimmen. 582 Zur Schulderfüllungstheorie Herzbergs schon oben Kapitel 1 II. 583 ZStW 120 (2008), S. 205 (212). 584 Amelung, a. a. O., S. 213.

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Kap. 3: Das Freiwilligkeitsmerkmal

Schädigers erledigen.585 Doch führt dies allein insbesondere vor dem Hintergrund des Bestimmtheitsgrundsatzes nicht weiter. Es müssen noch konkretere Ausgestaltungen stattfinden im Hinblick darauf, was als subjektiv zurechenbar anerkannt wird und was nicht.586 Ansonsten liegt hier wieder ein Zirkelschluss vor, denn dass die Freiwilligkeit als subjektives Element vorausgesetzt wird, sagt bereits das Gesetz. Insoweit ist nachvollziehbar, dass Herzberg – wie von Amelung587 moniert – den Schritt zur teleologischen Auslegung nicht gehen konnte. Herzbergs Ansatz erklärt aber auch nicht ohne Weiteres die Berechtigung des Freiwilligkeitsmerkmals an sich. Verlangt man allein die subjektive Zurechenbarkeit, könnte man es auch ausreichen lassen, einen Rücktrittswillen festzustellen, quasi ein „vorsätzliches Zurücktreten“. Als Argument für das Erfordernis der Freiwilligkeit könnte man vorbringen, der Gesetzgeber habe eben die kriminalpolitische Entscheidung getroffen, ein freiwilliges Verhalten zur Kompensation zu verlangen. Dann aber fragt sich bei einem Vergleich zum Zivilrecht doch Folgendes: Das Zivilrecht ist stets bestrebt, einen materiellen Ausgleich herbeizuführen, der Gedanke des Bestrafens ist ihm fremd. Dass einmal geschehene strafbare Versuchshandlungen in der Regel nicht in Gänze wieder zurückgenommen werden können, und dass deshalb der „Wiederherstellungsgedanke“ nur im übertragenen Sinne gelten kann, steht fest. Aber dies ist auch nicht das eigentliche Problem, denn auch im Zivilrecht ist häufig eine Naturalrestitution nicht möglich. Dennoch geht der zivilrechtliche Schadensersatz, der an dessen Stelle tritt, nicht über den tatsächlichen Schaden hinaus. Zieht man nun eine Parallele zum Rücktritt vom Versuch, so stellt sich im Anschluss an die bereits erwähnten Ausführungen von Borchert / Hellmann588 die Lage de lege lata wie folgt dar: Die objektive Versuchshandlung wird durch das Rücktrittsverhalten (Aufgeben, Vollendungsverhinderung, ernsthaftes Bemühen) kompensiert, der subjektive Tatentschluss durch den Rücktrittsentschluss. Danach drängt sich nun die Frage auf, ob die Freiwilligkeit als Merkmal nicht „überschießend“ ist und dem Gedanken der reinen Kompensation widerspricht. Nach den beiden gerade genannten Autoren sei die Freiwilligkeit Gegenpol zur Rechtsfeindlichkeit des Tatentschlusses. Diese ist ein Element wertender Natur und für sich genommen keine explizit festzustellende Komponente der Strafbarkeit. Die Rechtsfeindlichkeit eines Tatentschlusses ergibt sich schon allein daraus, dass er alle Voraussetzungen eines gesetzlichen Straftatbestandes beinhaltet und dass darüber hinaus weder die Rechtswidrigkeit noch die Schuldhaftigkeit eines mit ihm korrespondierenden Verhaltens entfällt. Die Freiwilligkeit an sich kann allenfalls 585 Herzberg, in: FS Lackner (1987), S. 325 (345 f.); diese Methode begrüßend Amelung, ZStW 120 (2008), S. 205 (212). 586 Dass es sich bei der Rücktrittspflicht um eine bereits bestehende Rechtspflicht handelt, ist wohl auch der Grund dafür, dass sich ein von Rudolphi, NStZ 1989, 508 (511), aufgezeigtes Problem ergibt: Es ist nicht eindeutig, ob nach Herzbergs Ansatz eine erfolgs- oder verhaltensbezogene Erfüllung geschuldet sein soll. 587 ZStW 120 (2008), S. 205 (213). 588 Hierzu Kapitel 2 I. 1. b).

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dazu dienen, die Rechtswidrigkeit des Handelns und die Schuld des Täters, die ja bei der Begründung der Strafbarkeit Beachtung finden, zu kompensieren. Sollte das so sein, so darf jedoch nicht vergessen werden, dass im Rahmen von Unrechts- und Schuldebene konkrete Rechtfertigungs-, Entschuldigungs- und Schuldausschließungsgründe entwickelt wurden, die entweder gesetzlich verankert oder aber, obgleich ungeschrieben (wie z. B. die Einwilligung des Opfers), in der Strafrechtsdogmatik etabliert sind.589 Dass nun ein einziges Merkmal wie die Freiwilligkeit als Umkehrung dies alles abdecken soll bzw. kann, erweckt Zweifel. Herzberg selbst diskutiert die Anwendung der §§ 35, 240 und 20 StGB als Maßstäbe für das Vorliegen freiwilligen Verhaltens. Ob dies inhaltlich überzeugen kann, sei an dieser Stelle noch dahingestellt. Während die Heranziehung dieser Normen durchaus plausibel erscheint, fragt sich, warum denn dann nicht auch schon § 34 StGB anwendbar sein soll, der immerhin auch von einer bestehenden Zwangslage ausgeht. Festzuhalten ist jedenfalls, dass das Freiwilligkeitskriterium mit der Schulderfüllungstheorie von seiner Existenz her gerechtfertigt werden könnte, wenn man es als Kompensationsfaktor ansieht. Problematisch bleibt aber weiter, ob die von Herzberg entwickelten Kriterien und Maßstäbe letztlich inhaltlich überzeugen können.

ee) Zurechenbare bzw. geltungsbestätigende Gefährdungsumkehr (1) Jäger Nach Jäger stellt der Rücktritt eine dem Täter zurechenbare Gefährdungsumkehr dar.590 Hieraus sollen nach dem selbstgesetzten Ziel des Autors Schlussfolgerungen hinsichtlich der Rücktrittsvoraussetzungen möglich sein. Jäger will für die Merkmale „Aufgeben“, „Verhindern der Vollendung“ und „ernsthaftes Bemühen um die Vollendungsverhinderung“ auf eine objektive Sichtweise abstellen. So sei zu fragen, ob objektiv eine Gefährdung für das Rechtsgut bestehe oder nicht; auf die Perspektive des Täters soll es hierbei nicht ankommen.591 Innerhalb dieser Konzeption soll also die Freiwilligkeit allein die subjektive Komponente des Rücktritts erfassen. Direkt ergibt sich aus dem Terminus „zurechenbare Gefährdungsumkehr“ zunächst kein deutlich zu erkennender Auslegungsmaßstab für die Freiwilligkeit. Die umzukehrende Gefährdung wurde durch die rechtswidrig und schuldhaft vom Täter verwirklichte Versuchstat herbeigeführt. Zur Umkehrung lässt sich wieder auf die Gegenpole Tatentschluss – Rücktrittsentschluss sowie unmittelbares Ansetzen – Rücktrittsverhalten rekurrieren, wobei Letzteres bereits durch die soeben genannten, nach Jäger rein objektiv zu verstehenden Merkmale abgedeckt wird. Es liegt nahe, in der Freiwilligkeit den Rücktrittsentschluss an sich 589 590 591

Ähnlich auch Herzberg selbst, in: MüKo-StGB1, § 24 Rn. 123. Hierzu oben Kapitel 1 II. Jäger, Gefährdungsumkehr (1996), S. 65 ff.

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Kap. 3: Das Freiwilligkeitsmerkmal

zu sehen. Doch stellt sich die Frage, ob und in welchem Umfang noch andere Aspekte hier einfließen. Die zusätzliche Forderung nach einer freien Bildung des Rücktrittswillens ist bei einem Vergleich mit den Anforderungen an strafbegründendes Verhalten nicht zwingend, denn hier kommt es zunächst nicht darauf an, ob der Täter seinen Vorsatz zur Tatbegehung unbeeinflusst gebildet hat. Für das Rücktrittsverhalten bedeutet das jedenfalls, dass strengere Anforderungen hieran nicht über ein Vergleichs- oder Kompensationsmodell gerechtfertigt werden können. Einflüsse auf die Willensbildung bei strafbegründendem Verhalten werden zum einen relevant auf Ebene der Rechtswidrigkeit oder Schuld, etwa beim Ausschluss des subjektiven Rechtfertigungselements oder dem sogenannten Nötigungsnotstand. Überträgt man derartige Zwangssituationen auf die Rücktrittssituation, so dürfte der Täter in der Regel schon keine wirkliche Entscheidungsalternative mehr sehen, sondern seinen Versuch als fehlgeschlagen betrachten. Zum anderen können Zwänge, die auf den Täter bei Tatbegehung eingewirkt haben, im Rahmen der Strafzumessung Berücksichtigung finden. Dies ist indes bei einem Rücktritt nicht möglich, da die Rechtsfolge des § 24 StGB dahingehend keinen Spielraum bietet. Die Interpretation von Zwangslagen wird deshalb häufig zulasten des Täters ausschlagen mit der Folge, dass diesem das Rücktrittsprivileg versagt wird. In der Tat hat Jäger nicht allein die Ebene der Vorsatzkonstitution im Blick. Wenn er den Rücktritt bei Sinnlosigkeit des Weiterhandelns problematisiert592 und die Freiwilligkeit ausschließen will, wenn der Täter sich in einer Nötigungslage nach § 35 StGB593 oder in einem Zustand der Schuldunfähigkeit594 befindet, betrachtet er offensichtlich nicht lediglich den herkömmlichen (Rücktritts-)Vorsatz. Daraus lässt sich wiederum schließen, dass die „zurechenbare Gefährdungsumkehr“ nicht allein die oben genannten Gegenpole erfassen soll. Es stellt sich also die Frage, ob durch die Rechtswidrig- und Schuldhaftigkeit der Versuchstat noch ein „Gefährdungsrest“ besteht, dessen Umkehrung über die Freiwilligkeit zum Ausdruck kommt, und woraus sich auf den Inhalt dieses Kriteriums schließen lässt. Das Problematische an dieser Sichtweise dürfte wie auch bei der Herzberg’schen Konzeption zum einen sein, dass nur ein Merkmal mehrere gerade auch gesetzlich verschiedenartig ausgestaltete Aspekte – Elemente, die eigentlich in der Schuld zu verorten sind, Irrtumskonstellationen und den Wegfall des ursprünglichen Motivs – in sich vereinen soll. Zum anderen ist auch hier zu bedenken, dass zur Gefährdungskompensation über den Rücktrittsentschluss hinaus ein subjektives Element herangezogen wird, was man zunächst als eben nicht-gefährlichen Willen bezeichnen kann. Dies birgt die Gefahr in sich, dass gesinnungsstrafrechtliche Aspekte in die Rücktrittsvoraussetzungen eingebracht werden. Für sich allein genommen bietet also die ratio legis der „zurechenbaren Gefährdungsumkehr“ keine nähere Auslegungshilfe. 592 593 594

Jäger, a. a. O., S. 77 ff. Jäger, a. a. O., S. 99 ff. Jäger, a. a. O., S. 105 ff.

II. Der Streit um die Freiwilligkeit im Sinne von § 24 StGB

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(2) Amelung Amelung greift auf das Konzept Jägers zurück und sieht in einem Rücktrittsverhalten die Erfüllung der Pflicht zur Gefährdungsumkehr.595 Gleichwohl sieht er, dass die Existenz des Freiwilligkeitsmerkmals durch dieses Grundprinzip allein nicht begründet wird, und zieht aus diesem Grunde die Gedanken der Strafzwecktheorie heran: „Das Erfordernis der Freiwilligkeit beschreibt eine Bewusstseinslage des Zurücktretenden, die in den Augen des Gesetzgebers die Verhängung einer Strafe überflüssig macht, […].“596 Überflüssig sei die Strafe in spezial- wie generalpräventiver Hinsicht dann, wenn der Zurücktretende die Geltung der von ihm verletzten Norm bestätige; der Rücktritt könne bezeichnet werden als „geltungsbestätigende Gefährdungsumkehr“.597 Freiwilligkeit wird hier also gleichgesetzt mit der Geltungsbestätigung, jedoch muss auch hier wieder hinterfragt werden, inwieweit dies für die Anwendung der Norm brauchbare Kriterien liefern kann. Auch der Autor selbst erwähnt, dass hiermit lediglich der Sinn des Freiwilligkeitsmerkmals gefunden sei, und sucht im Folgenden weiter nach einer Konkretisierung.598 ff) Die Einheitstheorie Die Einheitstheorie sieht den Rücktritt als bloßen Strafzumessungsaspekt an.599 Gegen die Heranziehung dieses Ansatzes zur Auslegung der Freiwilligkeit wird geltend gemacht, dass sie nicht besage, warum bei Freiwilligkeit von Strafe abgesehen wird. Entnehmen lässt sich der Einheitstheorie, dass sie von dem Täterverhalten eine „Kompensation“600 des bereits begangenen Versuchsunrechts erwartet. Hier könnte daran gedacht werden, dass das den Versuch begründende Unrecht, das heißt der sich im unmittelbaren Ansetzen manifestierte Tatentschluss, auf irgendeine Weise „umgekehrt“ werden müsste. Jedoch ergibt sich dies schon aus dem objektiven Nichtweiterhandeln bzw. der Vollendungsverhinderung (oder des Bemühens hierum) sowie dem Aufgabeentschluss an sich. Dass dieser freiwillig gefasst werden muss und wann dies der Fall sein soll, lässt sich dem Einheitsgedanken nicht entnehmen. Bei einem Vergleich mit den ähnlichen „Kompensations-Problemen“ innerhalb der Schulderfüllungstheorie und der Theorie der zurechenbaren Gefährdungsumkehr können die Vertreter der beiden Theorien immerhin argumentieren, dass ein „vollwertiges“ Versuchsunrecht, welches auch die rechtswidrige und schuldhafte Erfüllung beinhaltet, getilgt werden muss. Dies ist bei der Einheitstheo-

Amelung, ZStW 120 (2008), S. 205 (216 f.). Amelung, a. a. O., S. 218. 597 Amelung, a. a. O., S. 219 f.; oder aber: „gefährdungsumkehrende Geltungsbestätigung“. 598 Amelung, a. a. O., S. 219, 220 ff. 599 Burkhardt, Rechtsfolgebestimmung (1975), S. 118 ff.; Jäger, Gefährdungsumkehr (1996), S. 5; Jescheck / Weigend, AT5, S. 540. 600 Schünemann, GA 1986, 293 (325). 595 596

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Kap. 3: Das Freiwilligkeitsmerkmal

rie gerade nicht der Fall. Die Existenz des Freiwilligkeitsmerkmals lässt sich auf Grundlage der Einheitstheorie nach alldem nicht ohne Weiteres begründen; auch ist ein Rückschluss auf konkrete Ausgestaltung des Freiwilligkeitsmerkmals, etwa hinsichtlich der Intensität des Willens601 und seiner Feststellung überhaupt, nicht möglich. gg) Zwischenergebnis Nach Ermittlung der verschiedenen Ansichten zur Begründung der Straffreiheit, lässt sich in Bezug auf die Leitfrage im Ergebnis festhalten, dass für die Auslegung des Freiwilligkeitsbegriffs allein die ratio der Rücktrittsregelung nach dem Verständnis der meisten Ansätze nicht ausreichend ist. Einige Theorien können allenfalls die Existenz des Merkmals erklären; die Ansätze von Herzberg und Jäger lassen zumindest erkennen, dass eine verbleibende „Restschuld“ bzw. „Restgefährdung“ kompensiert werden soll. Bei allen anderen Ansätzen bedingen sich an vielen Stellen die Auslegung des Tatbestandsmerkmals und Sinn und Zweck des § 24 StGB wechselseitig: Je nachdem, was die Freiwilligkeit beinhaltet, lassen sich Rückschlüsse auf Sinn und Zweck der Norm ziehen; anders herum sind je nach Grund der Vorschrift bestimmte Anforderungen an die Freiwilligkeit zu stellen. Möchte man die ratio als Auslegungshilfe heranziehen, so darf in der Begründung des Rücktrittsprivilegs selbst die Freiwilligkeit nicht unmittelbar als Voraussetzung auftauchen. Anderenfalls kommt man zu einem Zirkelschluss; denn man würde etwas, wenn auch nur in Teilen, mit der Freiwilligkeit begründen, obwohl Ziel des Ganzen deren Begründung selbst ist. Für die Konkretisierung der Freiwilligkeit kann die ratio, wenn man sie vorher festlegt, eine Richtlinie sein. Dies könnte zum Beispiel die Festlegung von Maßstäben im Bezug darauf ermöglichen, ob man höhere oder niedrigere Anforderungen an die Freiwilligkeit stellen möchte. Somit ist auch Roxin in der Tat der Sache nach zuzustimmen, wenn er bei der Erfassung der Auslegungsprobleme hinsichtlich aller Tatbestandsmerkmale des § 24 StGB die ratio legis als Leitgedanken voranstellt.602 Näher zu betrachten sind nun also die (normativen) Ansätze, die sich dem Auslegungsproblem auf rechtlichem Wege nähern wollen.

601 Dies ist nicht als Appell zu verstehen, einen Intensitätsgrad festzulegen. Eine derartige Auffassung würde dieselben Probleme wieder hervorrufen, wie sie bei der psychologischen Theorie bestehen, und würde im Ergebnis nicht weiterhelfen. Betont sei hier, dass sich der Theorie überhaupt keine Konkretisierungshilfen entnehmen lassen. 602 Roxin, AT II, § 30 Rn. 2.

II. Der Streit um die Freiwilligkeit im Sinne von § 24 StGB

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d) Wortlautproblematik (für alle normativen Ansätze) Im Zusammenhang mit den Streitigkeiten um die richtige Auslegung zwischen psychologischer und normativer Betrachtungsweise ist der Gesetzeswortlaut ein viel umkämpfter Gegenstand der Diskussion. Denn ebenso wie sich der BGH auf das Argument stützt, eine psychologische Auslegung sei vom Wortsinn des Begriffes zwingend notwendig, liegt hierin eine oft angebrachte Kritik gegen die normativen Lehren. So wird bemängelt, eine normative Deutung überschreite die von Art. 103 Abs. 2 GG gezogene Wortlautgrenze und mache rechtspolitische Begründungen der Rücktrittsregelung zu tatbestandlichen Anwendungsvoraussetzungen.603 Grundlage dieser Beanstandungen ist der Grundsatz nullum crimen sine lege, dessen Ausflüsse das Analogieverbot und das Verbot der teleologischen Reduktion zulasten des Täters sind.604 Äußerste Grenze der Auslegung ist „der mögliche Wortsinn“.605 Angebracht wird, dass durch die normativen Auslegungen die Rücktrittsmöglichkeit für den Täter in malam partem eingeschränkt werde. aa) Geltung der Wortlautgrenze im Rahmen des § 24 StGB? Der Diskussion vorgeschaltet ist die Frage, ob im Rahmen des § 24 StGB der Wortlaut überhaupt die Grenze der Auslegung markiert. Teilweise wird nämlich schon bestritten, dass der Grundsatz der Gesetzesbestimmtheit und damit die Beschränkung der Auslegung auf den möglichen umgangssprachlichen Wortsinn für die Rücktrittsvoraussetzungen überhaupt gelte. Zu einer solchen Auffassung gelangen Autoren, welche die Wortlautgrenze nur innerhalb solcher Tatbestände zur Anwendung kommen lassen wollen, deren Adressat der „Normalbürger als potentieller Delinquent“606 sei. Dieser müsse sich unter zumutbarem Risiko vor der Tat über Begründung und Höhe der Strafe Kenntnis verschaffen können. Dies bedeute im Umkehrschluss, dass das Analogieverbot dann für § 24 StGB nicht gelte, da es hierbei nicht um Strafbegründung gehe und demgemäß auch nicht um die Information potentieller Krimineller.607 Mit dieser Begründung sei der Weg für eine normative Auslegung frei, die sich nicht am Gesetzeswortlaut orientieren müsse. Auch wird mit der systematischen Stellung der Rücktrittsregelung argumentiert, die eine An603 Fischer, StGB, § 24 Rn. 20; vgl. auch Lackner, NStZ 1988, 405 f.; Lackner / Kühl, StGB, § 24 Rn. 18; Lilie / Albrecht, in: LK-StGB12, § 24 Rn. 231; Schall, JuS 1990, 623 (629). 604 BVerfGE 47, 109 (121); 73, 206 (236): „Führt erst eine über den erkennbaren Wortsinn der Vorschrift hinausgehende Interpretation zu dem Ergebnis der Strafbarkeit des Verhaltens, so kann dies nicht zu Lasten des Bürgers gehen.“ 605 St. Rspr. s. nur BVerfGE 47, 109 (121 f.); 71, 108 (115); 73, 206 (235); 92, 1 (12); BGHSt 4, 144 (148): „Grenzen des sprachlich Möglichen“; BGHSt 37, 226 (230); zust. Grünwald, in: Lüderssen / Sack, Abweichendes Verhalten II (1975), S. 232. 606 Bottke, JR 1980, 441 (443). 607 Bottke, JR 1980, 441 (443); Lampe, JuS 1989, 610 (612) und zust. Greeve, Zielerreichung (2000), S. 240.

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Kap. 3: Das Freiwilligkeitsmerkmal

wendung des nullum-crimen-Grundsatzes ausschließe. Sehe man in dem Rücktritt einen persönlich wirkenden Unrechtsminderungs-608, Unrechtsausschluss-609 oder Schuldaufhebungsgrund610, erstrecke sich der Gesetzesvorbehalt nicht auf ihn, weil dies ein Merkmal sei, welches dem personalen Bereich des Täters angehöre und von vornherein verbaler Erfassung nur beschränkt zugänglich sei.611 Auch wenn man in dem Rücktritt einen Strafaufhebungsgrund612 erblicke, bestehe kein Anlass, einen solchen staatlichen Strafverzicht in dem Maße berechenbar zu machen, wie dies zu einer Strafbegründung erforderlich sei.613 Einer solchen Argumentation wird jedoch widersprochen.614 Roxin hält, obschon er selbst gerade wegen Überschreitens der Wortlautgrenze hinsichtlich der von ihm entwickelten „Lehre von der Verbrechervernunft“ angegriffen wird615, einen Ausschluss der Wortlautgrenze ebenfalls für grundsätzlich problematisch, da durch jede Überschreitung des Gesetzeswortlauts die Strafbarkeit zu Lasten des Täters erweitert werde.616 Dem ist mit Blick auf die Rechtssicherheit beizupflichten. Der nullum-crimen-Grundsatz darf nicht umgangen werden. So ist zu bedenken, dass sich eine Einschränkung des Wortlauts sehr wohl und nicht gerade unerheblich zulasten des Täters auswirkt. Schließlich entscheidet sich mit Bejahung oder Verneinung des Rücktritts, ob der Täter überhaupt bestraft wird oder nicht. Aus diesem Grunde ist mit einer Auslegung im Grenzbereich des Wortlauts stets sensibel umzugehen.

Lampe, JuS 1989, 610 (612). Bloy, Dogmatische Bedeutung (1976), S. 175 ff. 610 Haft, JA 1979, 306 (312); Roxin, in: FS Heinitz (1972), S. 251 (273); Rudolphi, in: SKStGB, § 24 Rn. 6; Ulsenheimer, Grundfragen (1976), S. 90 ff.; Zaczyk, in: NK-StGB, § 24 Rn. 5. 611 Lampe, JuS 1989, 610 (613). 612 s. nur Wessels / Beulke, AT, Rn. 626 sowie oben Kapitel 1 I. mit Fn. 7; ähnlich Herzberg / Hoffmann-Holland, in: MüKo-StGB2, § 24 Rn. 6: „Strafbemessungsvorschrift“; Jäger, Gefährdungsumkehr (1996), S. 126: „eigenständiger Strafbefreiungsgrund“. 613 Lampe, JuS 1989, 610 (613), der deutlich formuliert, die Garantiefunktion des Gesetzesvorbehalts beschränke sich darauf zu umschreiben, „was […] sein soll oder darf, nicht aber, welche schuldbefreienden Ausnahmen vom Gebot der Rechtstreue“ es gebe. 614 Die Vertreter der Einheitstheorie wie bspw. schon Reinh. v. Hippel, Untersuchungen (1966), S. 73, und v. Scheurl, s. Rücktritt (1972), S. 28, haben schon deshalb kein Problem mit der Geltung des Gesetzesvorbehalts, da nach ihrer Ansicht der Rücktritt ein zum Versuchstatbestand gehörendes negatives Unrechtsmerkmal ist. Der nicht erfolgte Rücktritt wirke danach strafbegründend, sodass der Gesetzesvorbehalt auch für § 24 StGB gelte. Der Einheitsgedanke wurde bereits oben in Kap. 1 I. (s. auch Fn. 10) abgelehnt. 615 Vgl. nur Amelung, ZStW 120 (2008), S. 205 (208); Kühl, AT, § 16 Rn. 54; Lackner, JR 1977, 260 (261); ders., NStZ 1988, 405 (406); s. auch J. Schröder, Der bedingte Tatentschluß (1969), S. 57 ff. 616 Roxin, AT II, § 30 Rn. 407. 608 609

II. Der Streit um die Freiwilligkeit im Sinne von § 24 StGB

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bb) Umgangssprachliches Verständnis von „freiwillig“ Wahrig617 und der Duden618 als gängige Bedeutungswörterbücher, definieren den Begriff „freiwillig“ mit „ohne Zwang“, „von selbst“, „aus eigenem Antrieb“, aus freien Stücken. Auch Herzberg betont, dass „freiwillig“ kein sinnleeres Wort sei, sondern einen „festen Kern des unzweifelhaft autonomen Entscheidens“ beinhalte.619 Wenn demgegenüber einige Autoren im Wege normativer Auslegung eine Definition wie beispielsweise „Rückkehr in die Legalität“, „hinreichende Normbefolgungsbereitschaft“ oder „Handeln entgegen der Verbrechervernunft“ liefern, so kommen durchaus Zweifel daran auf, ob diese Termini gleichsam als Synonyme für „Freiwilligkeit“ gebraucht werden können. Dass die psychologische Auslegung der Freiwilligkeit, die zumindest grob betrachtet auf ein Handeln „ohne zwingende Hindernisse“ abstellt, der umgangssprachlichen Deutung auf den ersten Blick näher steht als die vieler normativer Ansichten, ist nicht abzustreiten. Dies gestehen einige Vertreter normativer Ansätze auch selbst ein.620 Deshalb wird teilweise – hauptsächlich von Vertretern der „vermittelnden“ Ansicht – gerügt, dass der Wortlaut zumindest gegen die (rein) normativen Ansätze spreche, soweit diese gar keine Bestimmung des freien Willens, sondern lediglich seine Bewertung unternehmen.621 Bei eindeutigen Fällen freiwilligen Verhaltens, das nicht auf äußerem oder innerem Zwang beruhe, dürfe die Straffreiheit nicht aufgrund teleologischer Erwägungen versagt werden.622 Viele Vertreter normativer Theorien weisen diese Kritik zurück und argumentieren damit, dass der Begriff der Freiwilligkeit kein psychologisches, sondern ein philosophisches Problem darstelle, hinter dem sich eine sittliche Konzeption verberge623 und der somit von vornherein ein normatives Strukturelement enthalte. Somit könne nicht gegen das Wortlautprinzip verstoßen werden, indem man dieses „alltags-psychologische“ Verständnis überschreite.624 Ein solches Verständnis lehnen Roxin625 und Lackner626 jedoch mit der Begründung ab, man dürfe die Wortlautgrenze, die sich an der Umgangssprache, d. h. am „Sprachgebrauch des normalen Lebens“627 orientiere, nicht allein aufgrund rechtsphilosophischer und fachsprachlicher Aspekte aushebeln. Und dennoch wird trotz aller Zweifel an der Vereinbarkeit mit dem Wortlaut des Deutsches Wörterbuch, „freiwillig“. Universalwörterbuch und Synonymwörterbuch, jeweils unter „freiwillig“. 619 Herzberg, in: FS Lackner (1987), S. 325 (330). 620 Vgl. auch Bottke, JR 1980, 441 (443). 621 So Lilie / Albrecht, in: LK-StGB12, § 24 Rn. 231; Otto, JR 1991, 215; Zaczyk, in: NKStGB, § 24 Rn. 66, 68. 622 Herzberg, in: FS Lackner (1987), S. 325 (330, 335); Lackner / Kühl, StGB, § 24 Rn. 18. 623 Bloy, JR 1989, 70 (71); Eser, in: Schönke / Schröder, StGB, § 24 Rn. 43; Jakobs, JZ 1988, 519 (520). 624 Bloy, JR 1989, 70 (71). 625 AT II, § 30 Rn. 408. 626 NStZ 1988, 405 (406). 627 Vgl. Roxin, AT I, § 5 Rn. 37. 617 618

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Kap. 3: Das Freiwilligkeitsmerkmal

§ 24 StGB die Meinung vertreten, dass sich die normativen Konzeptionen mit einem Verständnis des Freiwilligkeitsbegriffs vereinbaren ließen, das eben nicht fachsprachlicher Natur sei.628 So ist Schünemann der Ansicht, die Grenze werde gar nicht erst überschritten, denn man dürfe von vornherein nicht nur an umgangssprachliche Bedeutungen anknüpfen. Ein Begriff wie die Freiwilligkeit weise einen sehr engen „Bedeutungskern“629, dafür jedoch einen „riesigen Bedeutungshof“630 auf. Die Wortlautgrenze sei erst dann überschritten, wenn der „Bedeutungshof“ verlassen werde, was praktisch bei dem Freiwilligkeitsmerkmal nicht geschehen könne.631 Was das Problem um den Wortlaut angeht, so scheiden sich an dieser Stelle die Geister. Denn selbst wenn man mit Schünemann und Roxin davon ausgeht, der Begriff der Freiwilligkeit habe einen sehr viel größeren Bedeutungsspielraum, als es die Alltagssprache annehme, so bleiben dennoch Unsicherheiten bestehen. Bedenklich ist jedenfalls die Aussage, dass das Merkmal einen solch weiten „Bedeutungshof“ habe, dass dieser so gut wie nie verlassen werden könne – denn damit ist einem völligen Verschwinden der Wortlautgrenze Tür und Tor geöffnet. So bleibt weiterhin die Frage, wo die Grenze von noch Zulässigem zu Unzulässigem zu ziehen und ab wann eine Auslegung als absolut unverträglich mit dem Wortlaut anzusehen ist. cc) Kritische Analyse einzelner normativer Ansätze Da eine eindeutige und allseits anerkannte Konzeption bislang nicht entwickelt wurde, wird es im Folgenden darum gehen, einzelne Kriterien, die von Vertretern normativer Ansätze aufgestellt werden, einer kritischen Betrachtung zu unterziehen. Von Interesse ist, ob die gefundenen Ergebnisse mit der jeweils zugrunde gelegten Vorstellung von dem Grund der Rücktrittsregelung in Einklang stehen und ob diese dann hervorgebrachte Gesamtkonzeption das Freiwilligkeitsmerkmal hinreichend konkretisiert. Dabei ist selbstverständlich ein besonderes Augenmerk auf die Vereinbarkeit des vorgefundenen Ergebnisses mit dem Wortlaut des § 24 StGB zu richten. (1) Orientierung an der Qualität der Rücktrittsmotive Viele Vertreter normativer Ansätze stellen auf die Bewertung des Rücktrittsmotivs ab, wenngleich dies nicht immer ganz deutlich benannt wird. Hier sollen drei Roxin, AT II, § 30 Rn. 409. Schünemann, in: FS Klug I (1983), S. 169 (177): „[Der Bedeutungskern wird] von allen Mitgliedern der Sprachgemeinschaft fraglos und eindeutig mit einem bestimmten umgangssprachlichen Terminus bezeichnet.“ 630 Schünemann, a. a. O.: „[Der Bedeutungshof] wird nicht von allen Mitgliedern der Sprachgemeinschaft (oder zumindest nicht von allen ohne Zweifel) mit diesem Terminus bezeichnet.“ 631 Schünemann, GA 1986, 293 (323). 628 629

II. Der Streit um die Freiwilligkeit im Sinne von § 24 StGB

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„Motivgruppen“ hervorgehoben und auf ihre Wortlautkonformität hin untersucht werden: die esoterische Moral des Rechts, die Rückkehr in die Legalität und die Erforderlichkeit endgültigen Aufgebens. Überwiegend wird von Vertretern sowohl der psychologischen als auch der normativen Theorien – zumindest offiziell – nicht verlangt, dass das den Täter zum Rücktritt veranlassende Motiv ein ethisch hochwertiges sein müsse.632 Dafür spreche schon der Gesetzeswortlaut, der für das Erfordernis einer bestimmten Qualität des Motivs nichts hergebe.633 Doch es wird sich zeigen, dass dieses Postulat bisweilen verschleiert, worum es wirklicht geht. (a) Esoterische Moral des Rechts? In der Tat gab es Autoren, die ganz ausdrücklich ethisch höherwertige Motive für den Rücktritt verlangten634; soweit ersichtlich, wird aber diese Position heute so nicht mehr vertreten. Für die Forderung eines ethisch hochstehenden Motivs steht insbesondere Bockelmann. Er ging von der Verdienstlichkeitstheorie aus und sah in der Straffreiheit eine Belohnung. Es wurde bereits festgestellt, dass sich aus dieser Theorie zur ratio legis nichts konkret Inhaltsfüllendes für das Freiwilligkeitskriterium entnehmen lässt.635 Sich an das Grundproblem des Streits – die Wortlautgrenze des Art. 103 Abs. 2 GG – erinnernd, sollen zunächst die von Bockelmann gestellten Anforderungen an die Freiwilligkeit auf ihre Vereinbarkeit mit dem Wortlaut untersucht werden. Bockelmann formulierte negativ, dass kein Verdienst in einem Willen zu sehen sei, der nicht frei gefasst wurde, und dass deshalb in einem solchen Fall keine Straf-

632 BGHSt 7, 296 (299); 9, 48 (49 f.); 35, 184 (186); BGH NJW 1980, 602; BGH NStZ 2005, 150 (151); Bloy, JR 1989, 70 (72); Bottke, JR 1980, 441 (443); Eser, in: Schönke / Schröder, StGB, § 24 Rn. 56; Fischer, StGB, § 24 Rn. 19b; Frister, AT, 24. Kap. Rn. 30; A. P. Gutmann, Freiwilligkeit (1963), S. 49 f., 79; Heinitz, JR 1956, 248 (251); Jescheck, MDR 1955, 562 (563); Jescheck / Weigend, AT5, S. 544; Lackner / Kühl, StGB, § 24 Rn. 18; Lilie / Albrecht, in: LK-StGB12, § 24 Rn. 246 f., 253; Mitsch, in: Baumann / Weber / Mitsch, AT, § 27 Rn. 17; Roxin, AT II, § 30 Rn. 381; H. Schröder, JuS 1962, 81; Rudolphi, in: SK-StGB, § 24 Rn. 25; Ulsenheimer, Grundfragen (1976), S. 276; M. Walter, Rücktritt (1980), S. 33; Wessels / Beulke, AT, Rn. 651; Zaczyk, in: NK-StGB, § 24 Rn. 68, 73; a. A. noch RGSt 75, 393 (395) mit zust. Anm. Bockelmann, DR 1942, 431 (432). Rechtsgeschichtlich interessant ist, dass das auf Feuerbach zurückgehende Bayrische Gesetzbuch von 1813 gem. Art. 58 nur dann Straffreiheit vorsieht, wenn der Täter „freiwillig, aus Gewissenserregung, Mitleid oder aus Furcht vor Strafe“ von dem Unternehmen abgestanden ist. Die Motive des Täters sollten irrelevant sein, Müntzer, Rechtsgeschichtliche Beiträge (1912), S. 60 f. 633 BGHSt 7, 296 (299); A. P. Gutmann, Freiwilligkeit (1963), S. 45 f.; Jescheck / Weigend, AT5, S. 539; Otto, JR 1991, 215; Wessels / Beulke, AT, Rn. 651. 634 Bockelmann, NJW 1955, 1417 (1421); vgl. auch Sauer, Strafrechtslehre, S. 116, der aber, a. a. O., S. 117, zugleich auch erwähnt, dass eine „Abstufung nach der Stärke der Motive […] nicht ohne gewisse Willkür möglich“ sei. s. auch H.-W. Mayer, Privilegierungswürdigkeit (1986), S. 351, nach dem Freiwilligkeit zu bejahen ist, wenn „allein ethisch anerkennenswerte Gründe den Täter zum Rücktritt bewegten.“ 635 s. oben Kapitel 3 II. 4. c) bb).

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Kap. 3: Das Freiwilligkeitsmerkmal

freiheit eintreten könne. Allerdings ließ er das Umgekehrte nicht gelten: Ein freier Wille sei nicht grundsätzlich verdienstlich, sondern erst dann, wenn dem Rücktrittsmotiv Anerkennung von der Rechtsordnung zukomme.636 Maßstab für das, was anerkannt werde, sei die „esoterische Moral des Rechts“. Der Täter dürfe sich durch sein Rücktrittsmotiv nicht wieder mit einem neuen Makel belasten – es müsse zwar nicht lobenswürdig, dürfe aber auch nicht tadelnswert sein.637 Dass Bockelmann zu Ergebnissen der von ihm aufgestellten Art kam, liegt schon daran, in dem Rücktrittsgrund an sich eine Verdienstlichkeit zu sehen. Eine solche Sichtweise birgt von vornherein die Gefahr, insbesondere wertende und moralische Aspekte in die Konkretisierung einfließen zu lassen. An den Ausführungen des Autors erkennt man den bereits im Wege der Prämientheorie erläuterten Zirkelschluss: Die Straffreiheit winke als Belohnung für einen Rücktritt. Ein unfreier Wille sei jedoch kein Verdienst und könne für den Täter nicht den Erhalt der „Prämie“ bedeuten. Dies ergibt sich indes nach § 24 StGB de lege lata schon daraus, dass bei „Unfreiwilligkeit“ kein Rücktritt vorliegt, da es dann an der Verwirklichung eines Tatbestandsmerkmals fehlt. Daher repetierte Bockelmann bis hierher das, was sich ohnehin aus dem Gesetz ergeben sollte, lediglich unter zusätzlicher Interpretation der Rechtsfolge. Dann aber schränkte er das Merkmal der Freiwilligkeit ein, indem er dem Täter ein Motiv abverlangte, dem Anerkennung von der Rechtsordnung zukommen müsse, und legte den Maßstab der „esoterischen Moral des Rechts“ an. Insoweit sind Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit mit dem Wortlaut anzumelden. Denn das Gesetz – selbst wenn man seine ratio in einer Belohnung sieht, die sich der Täter verdient hat – verlangt lediglich einen freien Willen. Und ein solcher kann auch vorliegen, wenn die ihn veranlassenden Motive nicht besonders hochwertig, sondern geradezu „tadelnswert“ sind. Das Kriterium Bockelmanns entspricht allein den kriminalpolitischen Vorstellungen, die der Autor über das Freiwilligkeitsmerkmal zur Geltung bringen möchte. Jedoch ist dem Wortlaut „freiwillig“ keine ethische Bewertung des Motivs zu entnehmen. Der Wortlaut des Tatbestandsmerkmals „freiwillig“ ist mithin überschritten, und die Rücktrittsmöglichkeit wird ohne Anhaltspunkte im Gesetz hierdurch zulasten des (Versuchs-)Täters eingeschränkt. Auch was die „esoterische Moral des Rechts“ darstellen soll, ist ungewiss. Unklar ist, um welchen Maßstab es sich handelt, wer diesen festlegt und was sich daraus in concreto für die Freiwilligkeit ergibt. Es erweist sich nunmehr also nicht nur die Auslegung der Freiwilligkeit, sondern auch die des anzulegenden Parameters als schwierig und unbestimmt. Damit ist niemandem geholfen, sondern ein zusätzliches Problem geschaffen. Eine These, die ähnlich klingt wie die gerade besprochene, ist die von Jakobs. Dieser statuiert, dass eine normative Theorie, die freies Verhalten dann annehme, Bockelmann, DR 1942, 431 (433); ders., NJW 1955, 1417 (1421). Bockelmann, NJW 1955, 1417 (1421) in Anlehnung an und mit Verweis auf Binding, Normen II.1, S. 3 ff., der die Grundsätze der „esoterischen Psychologie“ benennt. 636 637

II. Der Streit um die Freiwilligkeit im Sinne von § 24 StGB

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wenn es normgemäß sei638, einer „langen Tradition der praktischen Philosophie“ entspreche: Nicht, wer seinen Interessen nachkomme, sondern wer der Einsicht in das Richtige gehorche, sei frei.639 Ein freier Wille soll demgemäß nur dann vorliegen, wenn der Täter „dem Richtigen“, das heißt konkret „der Rechtsordnung“ folge. Eine solche Sichtweise ist jedoch abzulehnen, da sie von einer philosophischen Denkweise abhängt, die nicht als allgemeingültig bezeichnet werden kann. Erreicht wird sogar das Gegenteil: Da Freiwilligkeit nur dann zugesprochen werden soll, wenn ein Verhalten der Rechtsordnung entspricht, wird jedem Menschen somit eine bestimmte Verhaltensweise aufoktroyiert. Damit muss dann unfreiwilliges Verhalten angenommen werden, sobald jemand gegen eine Norm verstößt. Führt man diese Sichtweise konsequent fort, so wird die aufgestellte Maxime ad absurdum geführt: Handelt jemand gegen die Rechtsordnung, folgt er nicht „der Einsicht in das Richtige“ und handelt unfreiwillig.640 Dann ist jeder Gesetzesverstoß ein unfreiwillig begangener. – Wie steht es jetzt mit der subjektiven Seite bezüglich einer jeden Straftat? Man müsste dann infrage stellen, ob je nach systematischer Einordnung überhaupt Vorsatz bzw. schuldhaftes Handeln vorliegt. Dieser als abwegig zu bezeichnende Umkehrschluss zeigt, dass die von Jakobs angebrachte Interpretation nicht überzeugen kann; der freie Wille muss nicht zwingend in eine bestimmte Richtung zielen. (b) Rückkehr in die Legalität und rechtstreue Gesinnung Wie bereits erwähnt, bestehen die meisten Autoren, notabene aber auch seit jeher die Rechtsprechung641, darauf, keine sittlich hochwertigen Motive zu fordern.642 So unter anderem auch Eser643, der jedoch unmittelbar im Anschluss an diese Feststellung diese Aussage wieder einschränkt: Von Freiwilligkeit könne nur dann auszugehen sein, „wenn die Rücktrittsmotive den Schluss auf eine ‚Rückkehr zur Legalität‘ […] und damit eine letztlich doch rechtstreue Gesinnung“ zuließen. Zumindest das letzte Postulat steht nicht mit seinem Ausgangspunkt im Einklang, keine hochwertigen Motive zu verlangen. Denn wenn man die Rechtstreue und somit die Rechtsordnung als Maßstab anlegt, muss alles, was hiergegen verstößt, notwendigerweise als „minderwertig“ zu betrachten sein. Dass „freiwillig“ eine derart bestimmte Denkweise voraussetzt, ergibt sich nicht ohne Weiteres aus dem Wortlaut. Denn naZust. Rudolphi, in: SK-StGB, § 24 Rn. 25. Hier und im Folgenden Jakobs, JZ 1988, 519 (520); leider vermisst man dort Quellennachweise; ders., AT, 26. Abschn. Rn. 34 mit Fn. 62; mit diesem Hinweis auch Puppe, AT2, § 21 Rn. 31 ff. 640 Vgl. auch die Kritik bei Herzberg, JuS 2005, 1 (7). 641 s. nur RGSt 37, 402 (404); BGHSt 7, 296 (299); 35, 184 (186); BGH NStZ 1993, 398 (399); jüngst BGH StV 2007, 72. 642 Wie Fn. 632. 643 In: Schönke / Schröder, StGB, § 24 Rn. 56; vgl. auch Rudolphi, in: SK-StGB, § 24 Rn. 25. 638 639

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Kap. 3: Das Freiwilligkeitsmerkmal

turgemäß kann sich ein freier Wille auch gegen die Rechtsordnung richten. Zwar ist eine solche Bewertung, die sich explizit an der Rechtsordnung orientiert, bestimmter als die von Bockelmann vorgeschlagene Lösung, jedoch ist sie aufgrund ihrer Unvereinbarkeit mit dem Wortlaut ebenso abzulehnen. So bleibt noch zu klären, wie es sich mit dem Kriterium der „Rückkehr in die Legalität“ verhält. Dies ist ein nicht nur von Eser, sondern auch von vielen weiteren Autoren644 normativer Ansätze genutzter Topos, der jetzt einer Überprüfung seiner Konformität mit dem Wortlaut „freiwillig“ standhalten muss. Hintergrund ist, dass die Strafzwecktheorie als Grund für die Straffreiheit nach § 24 StGB angesehen wird und „im Hinblick auf die[se] ratio“ nur dann von Freiwilligkeit gesprochen werden könne, wenn die den Rücktritt veranlassenden Motive auf eine ‚Rückkehr in die Legalität‘ schließen lassen.645 Wie bereits erläutert646, liefert der Grundgedanke, dass bei einem Rücktritt vornehmlich die Strafzwecke der General- bzw. Spezialprävention entfallen, für sich genommen noch keine Inhaltsbestimmung des Freiwilligkeitsmerkmals. Diese „Lücke“ wird also nun zu schließen versucht, indem darauf abgestellt wird, ob der Täter in die Legalität zurückgekehrt sei – und zwar subjektiv (!), sodass eine bloße Rückkehr in die Legalität nach außen hin nicht ausreicht. Versagt wird demgemäß der Rücktritt beispielsweise demjenigen, der zwar äußerlich das Delikt aufgibt bzw. seine Vollendung verhindert, um dafür ein anderes Delikt begehen zu können, um sein Ziel risikoloser zu erreichen oder um eine andere Vortat nicht aufzudecken.647 Hier wird also verdeckt nach nichts anderem gefragt, als nach der Einstellung des Täters zur Rechtsordnung im konkreten Fall, das heißt nach einer Gesinnung. Widersprüchlich Anmutendes findet sich auch bei Bottke. Seiner Ansicht nach verlange das Merkmal „freiwillig“ zwar „keine Hochethik“, jedoch „sozial angepasstes Verhalten“ und „insbesondere strafrechtlich tadelsfreie Rücktrittsmotive“.648 Dahinter steckt im Grunde die Forderung nach einem der Rechtsordnung entsprechenden Verhalten, was bereits oben als nicht mit dem Wortlaut vereinbar abgelehnt wurde.649 Außerdem stellt sich die Frage, was für Bottke „sozial angepasstes Verhalten“ ist – dies wird wohl kaum eine empirisch feststellbare Größe sein können, denn je nach Lebensumfeld kann die soziale Angepasstheit schwanken. Ähnlich wie bei Bockelmann würde die Feststellung der Freiwilligkeit wiederum von einem Maßstab abhängen, dessen Grundlage und Reichweite für sich erst ausfüllungsbedürftig wäre, was keinesfalls zur Auslegung beiträgt.

644 645 646 647 648 649

zuvor.

Wie Fn. 529. Eser, in: Schönke / Schröder, StGB, § 24 Rn. 56. s. oben unter Kapitel 3 II. 4. c) cc). Eser, in: Schönke / Schröder, StGB, § 24 Rn. 56. Bottke, JR 1980, 441 (443). Dies erwähnt Bottke selbst in seiner Abhandlung in JR 1980, 441 (443), ein paar Zeilen

II. Der Streit um die Freiwilligkeit im Sinne von § 24 StGB

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Auch M. Walter650, der eine „hinreichende Normbefolgungsbereitschaft“ fordert, dürfte sich nicht mehr im Rahmen zulässiger Gesetzesauslegung bewegen. In dem Wortteil „Bereitschaft“ ist zwar ein Merkmal zu finden, das umgangssprachlich wohl vom Begriff der Freiwilligkeit umfasst ist: Wurde etwas aus freiem Willen getan, so kann man auch davon ausgehen, dass eine entsprechende Bereitschaft zum Handeln bei der Person vorhanden war. Jedoch bedeutet die geforderte „Normbefolgung“ wieder eine Bewertung des Versuchstäters am Maßstab der Rechtsordnung, die den Wortlaut unzulässig überschreitet.651 Im Übrigen ist diese Sichtweise mit der von Jakobs652 vergleichbar: Folgt man M. Walter, so würde stets nur derjenige frei handeln, der sich normgemäß verhält. Diese Wertung wurde bereits oben im Zusammenhang mit Jakobs’ philosophischem Aspekt als nicht haltbar entlarvt. Gössel653 befürwortet die Eindruckstheorie und will unter „freiwillig“ nur das subsumieren, was den durch die Versuchtat entstandenen rechtserschütternden Eindruck nachträglich wieder beseitige. Damit meint er den Wortsinn hinreichend erfasst zu haben. Doch lässt er eine konkrete Ausgestaltung dieses Kriteriums hinsichtlich dessen, was subjektiv dafür vorhanden sein muss, vermissen, und stimmt stattdessen der Theorie M. Walters zu, der die hinreichende Normbefolgungsbereitschaft fordert. Kurz darauf beklagt er aber dessen Wortlautverstoß und folgert daraus, dass dieser normative Ansatz nicht zur Anwendung kommen könne.654 Dies enthält einen Widerspruch in sich, da er den Wortsinn in der Theorie Walters erfasst sieht und zugleich eine Überschreitung der Wortlautgrenze annimmt. Im Ergebnis hat sich gezeigt, dass, obwohl vordergründig keine hohen Anforderungen an die Sittlichkeit und Ethik des Motivs gestellt werden sollen, eine derartige Bewertung sehr wohl stattfindet. Eine solche ist vom Wortlaut her so nicht gedeckt.655 Dies ist auch den Vertretern der vermittelnden Ansichten vorzuwerfen, die zwar zunächst auf die „Freiheit des Willens“ im Sinne von autonomen und heteronomen Beweggründen abstellen, jedoch nach dessen Feststellung eine Bewertung in der oben genannten Art und Weise vornehmen. Widersprüche dieser Art erkennend, stellt auch Ulsenheimer656 fest, dass „in der Literatur bei einem ethisch wertvollen Rücktrittsmotiv mit größter Selbstverständlichkeit die Freiwilligkeit bejaht Rücktritt (1980), S. 59 ff. Ähnlich Küper, GA 1982, 228 (232). Besonders deutlich wird die Bewertungsebene bei M. Walter, Rücktritt (1980), S. 67 f., wenn dieser „freiwillig“ mit dem Begriff „rechtswillig“ ausdrücken will. Dies sieht indes auch der Autor selbst: „Man wird eine mit dem Wortsinn harmonisierende Interpretation schwerlich finden können.“, (s. a. a. O., S. 68 Fn. 38 mit Verweis auf J. Schröder, Der bedingte Tatentschluß (1969), S. 61 ff.). 652 Hierzu soeben; s. Jakobs, JZ 1988, 519 (520). 653 In: Maurach / Gössel, AT 26, § 41 Rn. 142. 654 Maurach / Gössel, AT 26, § 41 Rn. 142. 655 Vgl. auch Lilie / Albrecht, in: LK-StGB12, § 24 Rn. 340, die monieren, „entgegen den rein normativen Theorien“ sei kein sittlich hochwertiger Beweggrund zu fordern. [Hervorhebung nicht im Original.] 656 Ulsenheimer, Grundfragen (1976), S. 290. 650 651

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wird, obwohl in diesem Zusammenhang regelmäßig nach Art einer ‚salvatorischen Klausel‘ der Hinweis vorangeht oder folgt, auf die sittliche Qualität des Beweggrundes zur Tataufgabe komme es nicht an.“ Gleiches wirft er auch der Rechtsprechung vor, die zumindest bei Feststellung sittlich positiver oder billigenswerter Motive dem Täter „regelmäßig die Straffreiheit“ zuspreche.657 Ulsenheimer selbst kommt im Wege seiner Ausführungen, in denen er sich für eine normative Betrachtung des Freiwilligkeitsmerkmals ausspricht, schließlich dazu, dass der Maßstab, an dem die Freiwilligkeit gemessen werde, ein sozialethisch geprägter sei.658 Ihm ist zwar zugute zu halten, dass er eingesteht, die von ihm vorgenommene Begriffsbestimmung beruhe auf einer Wertung der inneren Einstellung des Täters, und dass in der Freiwilligkeit ein positives Gesinnungsmerkmal659 verborgen sei. Dennoch ist seine Meinung mit denselben Argumenten, wie sie oben angeführt wurden, abzulehnen.660 Der Wortlaut „freiwillig“ gibt nichts für eine ethische Bewertung her – auch nicht, wie Ulsenheimer es vorschlägt, nach „positiven“ noch „negativen“ Motiven. Es könnten noch mehr Formulierungen von Vertretern normativer Ansichten angeführt werden, die auf die Qualität der Motive zum Rücktritt abstellen. Doch genügt es an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass sie alle unter dem Hinweis auf die Überschreitung der Wortlautgrenze zurückzuweisen sind. Es sollte mit den bisherigen Darlegungen gezeigt und nochmals betont werden, dass trotz der offiziellen Vorgabe, keine hochwertigen Motive zu fordern, dennoch eine qualitative Bewertung erfolgt.661 Diese wird stets nach der Rechtsordnung ausgerichtet, und damit ergibt sich eine Leitlinie, die dem Wortlaut „freiwillig“ nicht zu entnehmen ist. Jede Bewertung in diese Richtung und jedes Versagen des Rücktritts allein, weil er diesem Maßstab nicht zu genügen vermöge, bedeuten eine unzulässige teleologische Reduktion des § 24 StGB zulasten des Täters. (c) Erforderlichkeit des endgültigen und vorbehaltlosen Aufgebens Im engen Zusammenhang mit der „Rückkehr zur Legalität“ steht oft die Frage im Raume, ob ein endgültiges und vorbehaltloses Aufgeben der Tat erforderlich sei oder nicht.662 Konsequenterweise müssen eine solche Tataufgabe auch all die Vertreter verlangen, die auf eine „Rückkehr in die Legalität“ abstellen. Denn davon kann keine Rede sein, wenn jemand ein Delikt aufgibt, um dieses noch einmal zu begehen oder zu vollenden. Aber auch soweit geltend gemacht wird, eine Rückkehr Ulsenheimer, a. a. O., S. 276. Ulsenheimer, a. a. O., S. 314. 659 Ulsenheimer, a. a. O., S. 315. 660 Vgl. auch M. Walter, Rücktritt (1980), S. 34, der bei Ulsenheimer „abgeschwächte moralische Komponenten“ kritisiert. 661 Ganz offen Puppe, AT2, § 21 Rn. 32: „… ohne rechtsethische Maßstäbe [ist] nicht auszukommen.“, aber dies. a. a. O., Rn. 34: „… rechtsethisch hochstehend braucht das Motiv des Täters nicht zu sein.“ 662 BGHSt 39, 244 (247 f.); Bockelmann, NJW 1955, 1417 (1421). 657 658

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in die Legalität sei nur für den konkreten Fall erforderlich663, hilft dies nicht weiter. Denn gerade, wenn jemand unter dem Vorbehalt späterer Tatbegehung eine Tat nicht zur Vollendung kommen lässt, wird ihm nicht bescheinigt werden können, in die Legalität zurückgekehrt zu sein. Auf dieser Linie bewegt sich auch die Forderung Bloys664, das Rücktrittsmotiv dürfe keine „Bestätigung für die volle Aufrechterhaltung der gegen die Rechtsordnung gerichteten tätlichen Bestrebungen“ liefern. Ihm ist also wichtig, dass der Täter in die Legalität zurückgekehrt ist und nicht warum. Wie sich das eine vom anderen trennen lässt, ist indes fraglich. Gegen eine derartige Einschränkung des Freiwilligkeitsmerkmals wendet sich Jakobs. Nach seiner Ansicht gehe es darum, die Preisgabe des versuchten Delikts zu bewerten und eben nicht die neuen Pläne des Täters.665 Da ein Rücktritt stets bezüglich des konkreten Versuchs zu prüfen ist666, ist Jakobs hier zuzustimmen. Selbst wenn man – wie oben gezeigt: entgegen dem Wortlaut – eine „Rückkehr in die Bahnen des Rechts“ verlangt, so muss zumindest eine Abkehr von dem jeweiligen Delikt genügen. Die Versagung der Rücktrittsmöglichkeit würde überdies zu dem unbilligen Ergebnis führen, dass jemand nicht zurücktreten kann, weil er sich heute sagt, morgen werde er es erneut versuchen, obwohl dies realiter dann doch nicht mehr geschieht. Der erste Versuch könnte dem Betreffenden beispielsweise im Nachhinein „eine Lehre gewesen sein“ oder er könnte aus irgendwelchen Gründen das Interesse an der Tatbegehung verloren oder sich eines Besseren besonnen haben. Es gibt vielerlei Möglichkeiten; eine sichere Prognose wird sich nicht stellen lassen, da für die Zukunft geplante Unternehmungen des Täters einem Außenstehenden eben nicht zugänglich und ex ante nicht kalkulierbar sind. Deutlich äußert sich hierzu Roxin: „Dogmatische Differenzierungen in einem Tatstrafrecht“, um es mit seinen Worten zu sagen, dürften nicht auf der Grundlage „innerlich bleibender Gesinnungen“ des Täters erfolgen.667 Die Bestrafung einer solchen Person kann richtigerweise weder aus general- noch aus spezialpräventiven Gründen gerechtfertigt werden, sondern stellt Gesinnungsstrafrecht dar. Bestraft würde nämlich letztlich der „potentielle nächste Tatentschluss“ des Täters (der sich im Übrigen noch nicht einmal gegen das Schutzgut desselben Rechtsgutsträgers richten müsste). Versteht man „vorbehaltlos und endgültig“ jedoch – und dies wäre sachgerecht – auf die konkrete Tat bezogen, so würde dieses Erfordernis ganz ähnlich wie die Freiwilligkeit leer laufen, da es bereits in den jeweiligen Merkmalen „Aufgeben“, „Verhindern der Vollendung“ und „ernsthaftes Bemühen um VollendungsverhindeRoxin, AT II, § 30 Rn. 381, 413, 428. JR 1989, 70 (72). 665 Jakobs, AT, 26. Abschn. Rn. 34a; ähnlich auch Schmidhäuser, AT, 15 / 82, der in der Forderung endgültigen Aufgebens moralische Anforderungen erkennt und dies zurückweist. 666 Freund, AT, § 9 Rn. 49; Küper, JZ 1979, 775 (779); Lenckner, in: FS Gallas (1973), S. 281 (302 f.); Roxin, AT II, § 30 Rn. 381. 667 Roxin, AT II, § 30 Rn. 413; mit diesem Hinweis auch Boß, Rücktritt (2002), S. 27; Bottke, JR 1980, 441 (444); Heinitz, JR 1956, 248 (252). 663 664

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Kap. 3: Das Freiwilligkeitsmerkmal

rung“ enthalten ist. Denn gerade auch das „Aufgeben“ kann erst dann vorliegen, wenn der Täter seinen Versuch nicht lediglich kurzzeitig unterbrechen will. Auch hier ist festzustellen, dass die Freiwilligkeit ihrer umgangssprachlichen Bedeutung nach nicht auf den Ausschluss von Vorbehalten oder Zukunftsvorstellungen hinweist. Vielmehr gilt: Was man heute aus freiem Willen heraus unternimmt, kann man morgen schon – aus welchem Grund auch immer – gegen seinen Willen tun (müssen). § 24 StGB verlangt also lediglich, dass das konkrete Aufgeben bzw. die konkrete Vollendungsverhinderung freiwillig erfolgen muss. Es geht stets nur um den in Rede stehenden Rücktritt, nicht aber um weitere Delikte, die sich in der Planung befinden. Das Merkmal „freiwillig“ liefert keinen Anlass dazu, diesen Grundsatz zu durchbrechen, vielmehr wird bei Ausdehnung des zu beurteilenden Verhaltens die Rücktrittsmöglichkeit zulasten des Täters eingeschränkt. (d) Zwischenergebnis Wie die vorangegangene Untersuchung gezeigt hat, ist ein Abstellen auf die Qualität der Rücktrittsmotive mit dem Gesetzeswortlaut schlichtweg nicht vereinbar. Es sei im Rahmen dieses Zwischenfazits daran erinnert, dass diese Diskussion bereits zu Beginn dieser Abhandlung im Rahmen des Merkmals „aufgeben“ erörtert wurde.668 Dies legt erneut offen, dass die Freiwilligkeit, so wie sie de lege lata in § 24 StGB enthalten ist, die Gefahr zur recht beliebigen Auslegung in sich birgt. Hinzu kommt, dass das „Aufgeben“ ebenfalls eine subjektive Komponente beinhaltet (s. o.). Die kumulative Anhäufung zweier subjektiver Merkmale in nur einer Tatbestandsalternative lädt geradewegs dazu ein, in dogmatische Unsauberkeiten zu verfallen, zumal bei beiden Begriffen die Auslegung (bei der Freiwilligkeit freilich mehr) umstritten ist. Zudem fällt bei einem Vergleich der bisherigen Ergebnisse Folgendes auf: Im Rahmen der Merkmale „Aufgeben“, „Verhindern der Vollendung“ bzw. „ernsthaftes Bemühen um die Vollendungsverhinderung“ ist gezeigt worden, dass diese nicht nur eine objektive Komponente beinhalten, sondern auch eine subjektive, den Rücktrittsvorsatz. Verlangt man, dass der Täter sich ernsthaft für die Erhaltung des Rechtsguts entschieden haben muss, so ist schon darin der Gedanke erkennbar, dass der Täter – um es mit den Worten der normativen Ansichten zu umschreiben – insoweit in die Legalität zurückgekehrt sein muss. Ein weiteres einschränkendes Kriterium, das zusätzlich die Qualität der Rücktrittsmotive bewerten soll, ist dann nicht erforderlich und sorgt vielmehr dafür, dass ergebnisorientierte, ja willkürliche Beurteilungen ermöglicht werden. Denn es lässt sich nicht überzeugend erklären, dass ein „Aufgeben“ bejaht und im Anschluss daran die Freiwilligkeit deshalb verneint werden soll, weil der Tatentschluss nicht ernsthaft und endgültig aufgegeben wurde.

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s. oben unter Kapitel 2 I. 2.

II. Der Streit um die Freiwilligkeit im Sinne von § 24 StGB

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(2) Orientierung an einer fiktiven Vergleichsperson Zum Teil wird vorgeschlagen, eine fiktive Vergleichsperson zum Maßstab zu machen. Die genauere Ausgestaltung lässt im Wesentlichen zwei auf den ersten Blick gegenteilige, aber sich im Kern ähnelnde Entwürfe erkennen. Während der eine Ansatz auf eine „rechtstreue“ Vergleichsperson abstellt, nimmt der andere eine Person zum Maßstab, die sich deliktisch verhält. (a) „Rechtstreue Vergleichsperson“ Manche Autoren schlagen vor, nicht auf den konkreten Täter, sondern darauf abzustellen, unter welchen Umständen bei einer fiktiven Vergleichsperson von einem freien oder unfreien Willen auszugehen ist. Ausgangspunkt ist die Frage, wann ein Rücktritt für eine solche Person zwingend war. So empfiehlt Mezger, „nach der gewöhnlichen Lebensauffassung“ zu bewerten, ob ein zwingender Grund zum Rücktritt vorlag669. Ähnlich will Heinitz Unfreiwilligkeit dann annehmen, wenn dem Täter Bedenken bezüglich etwaiger Nachteile aufkommen, die er „vernünftigerweise“ nicht verdrängen könne.670 Prinzipiell geht es den Autoren also um die anschaulichere Feststellung eines freien Willens. Da man – wie oben bei der psychologisierenden Theorie gezeigt – Schwierigkeiten haben wird, den Willen des konkreten Täters zu einem bestimmten Zeitpunkt zu rekonstruieren, erstellt man also „Vergleichsgruppen“, anhand derer man den zugrunde liegenden Sachverhalt erfassen will. Eine derartige Vorgehensweise ist dem Grunde nach gut nachvollziehbar, und ein solches System würde, wenn es funktioniert, mehr Sicherheit bei der Einordnung eines bestimmten Täterverhaltens gewährleisten. Doch genau das ist der neuralgische Punkt: Die Heranziehung von Vergleichsgruppen ändert nichts daran, dass es sich bei der Freiwilligkeit um ein subjektiv-individuelles Tatbestandsmerkmal handelt. Als solches gehört es dem „psychisch-seelischen Bereich und der Vorstellungswelt des Täters“671 an. Nimmt man eine Kategorisierung des „freien Willens“ vor, so setzt man sich über dieses Spezifikum des Merkmals hinweg. Zudem steht ein solcher Ansatz sogleich wieder vor einem neuen Problem: Die im Vorfeld zu klärende Frage muss sein, welche Eigenschaften man einer entsprechenden Vergleichsperson zuschreiben möchte, um sie anschließend als Maßstab anzulegen.672 Schließlich muss festgelegt werden, was denn die „gewöhnliche Lebensauffassung“ bzw. „Vernunft“ beinhaltet. Hierin aber liegt eine normative Betrachtung, deren Ergebnis Maiwald673 in der Heranziehung einer „Person in ihren gesellschaftlichen Bezügen“ sieht, die „durch die in der Gesellschaft herrschenden Normen schon immer mitgeprägt“ sei. Genau dies zeigt die Schwäche des Versuchs, die Freiwilligkeit 669 670 671 672 673

Mezger, Strafrecht, S. 404. Heinitz, JR 1956, 248 (251); zust. Eser, in: Schönke / Schröder, StGB, § 24 Rn. 47. Wessels / Beulke, AT, Rn. 136. Maiwald, in: GS Zipf (1999), S. 255 (268). In: GS Zipf (1999), S. 255 (269).

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Kap. 3: Das Freiwilligkeitsmerkmal

so zu bestimmen: Es ist nicht davon auszugehen, dass der Täter dieselben grundlegenden Eigenschaften aufweist wie die fiktive Person.674 Selbst wenn man festlegen kann, wie sich eine Vergleichsperson in der konkreten Situation freiwillig verhalten hätte bzw. hätte verhalten sollen, so kann doch für den jeweiligen Täter daraus nichts geschlossen werden. Es ist gerade die subjektive Seite, die ein Individuum ausmacht und die eben nicht stereotyp ist. Misst man also den Täter starr an dem Bild einer Persönlichkeit, die sich gesellschaftskonform verhält, so übergeht man damit die Besonderheit des subjektiven Merkmals. Im Hinblick auf die Wortlautgrenze lässt sich feststellen, dass diese bei Anwendung der gerade aufgeführten Kriterien überschritten wird: Orientiert man sich an dem Maßstab einer „Person mit gesellschaftlichen Bezügen“, so steckt dahinter letztlich eine Bewertung der Grundeinstellung des Täters: Verstößt sein Rücktrittsmotiv gegen die für gewöhnlich erwartete soziale Angepasstheit, wird ihm Unfreiwilligkeit attestiert.675 Der Wortlaut gibt jedoch für die Vornahme einer derartigen Bewertung nichts her; vielmehr muss man konstatieren, dass ein Mensch auch aus freiem Willen gegen allgemein anerkannte soziale Maßstäbe handeln kann. (b) „Deliktische Vergleichsperson“ (Roxin) Einen ähnlichen Weg geht Roxin mit seiner Lehre von der Verbrechervernunft. Er nutzt als Vergleichsperson nicht einen sich nach der Rechtsordnung verhaltenden Menschen, sondern den „hartgesottenen, Risiko und Chancen des konkreten Tatplans kalt abwägenden Delinquenten“676. Unfreiwillig verhalte sich derjenige, der sich gemäß der „Verbrechervernunft“ verhalte, freiwillig dagegen derjenige, der eben nach diesem Maßstab unvernünftig handle. Damit ist sein Vernunftsmaßstab genau entgegengesetzt zu dem zuvor genannten. Insoweit stellt sich sogleich die Frage, ob Roxin davon ausgeht, ein freier Wille sei stets unvernünftig (im Sinne einer bestimmten Verbrechervernunft). Einerlei, ob nun die Freiwilligkeit an einem Verbrecher oder einer „rechtstreuen“ Person gemessen werden soll – es ist dem Wortlaut „freiwillig“ nicht zu entnehmen, dass vernunftgemäß gehandelt werden muss. Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass man aus freien Stücken heraus sowohl etwas sehr Unvernünftiges als auch Vernünftiges tun kann. Roxins Interpretation schränkt die mögliche Bedeutung des Begriffes „freiwillig“ daher stark zulasten des Täters ein. Ebd. s. auch jüngst ausdrücklich Mylonopoulos, in: FS I. Roxin (2012), S. 165 (176 f.): „Der Rücktritt ist dann freiwillig, wenn der positive Eindruck, den der Täter durch seinen Rücktritt hervorruft, das durch den Versuch erschütterte Sicherheitsgefühl der Gesamtheit und den dadurch hervorgerufenen verbrecherischen Eindruck wiederherstelle. […] Die Vernunft des gesetzestreuen Bürgers ist […] der Maßstab und niedrigste Grenze der Freiwilligkeit des Rücktritts.“ 676 Roxin, in: FS Heinitz (1972), S. 251 (256); ders., AT II, § 30 Rn. 383. 674 675

II. Der Streit um die Freiwilligkeit im Sinne von § 24 StGB

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Gegen seine Sichtweise wird des Weiteren zu Recht angebracht, es gebe keinen „typischen Verbrecher“, das heißt keine speziellen, festgelegten „Regeln der Verbrecherzunft“ und somit auch keinen „maßgerechten Räuber oder Mörder“677.678 Auch hier wird also die individuelle Täterpsyche nicht genügend beachtet. Denn der konkrete Täter ist ja nicht identisch mit dem als Maßstab angelegten Verbrecher; er muss ihm noch nicht einmal notwendig ähnlich sein. Gerade das Subjektive lässt sich auf diese Weise nicht ermitteln. Th. Fischer679 weist in diesem Zusammenhang noch auf einen weiteren Gesichtspunkt hin: Vergegenwärtigt man sich, was hinter dem Kriterium der „leges artis des Verbrecherhandwerks“680 steckt, so ist dies eine ethische Bewertung des Rücktrittsmotivs. Denn die Regeln der Verbrechervernunft gelten hier als unerwünscht und somit wird automatisch ein ihnen entsprechendes Verhalten missbilligt und als unfreiwillig angesehen. Was gegen eine solch ethische Bewertung einzuwenden ist, wurde oben681 bereits erörtert: Im Hinblick auf den Wortlaut des § 24 StGB ist eine solche Auslegung nicht haltbar682. Bei einer Bewertung der Theorie ist jedoch auch ihr zweiter Aspekt zu bedenken: Die Freiwilligkeit soll im Lichte der ratio legis des § 24 StGB ausgelegt werden, die Roxin in dem Entfallen der Strafzwecke durch den Rücktritt (Strafzwecktheorie) sieht.683 Ebenso wie viele andere „Normativisten“ verlangt er vom Täter eine „Rückkehr in die Legalität“. Nach der Forderung einer solchen Voraussetzung ist es durchaus nachvollziehbar, dass er einen Täter bestraft wissen will und ihm den Rücktritt versagt, wenn dieser lediglich aus verbrecherischem Kalkül eine Tat nicht zur Vollendung kommen lässt. Doch vermögen eingedenk des Wortlauts weder die Forderung einer „Rückkehr in die Bahnen des Rechts“ noch das Abstellen auf die Verbrechervernunft zu überzeugen.684 So wird in zweifacher Hinsicht die Grenze dessen, was sich dem Wortlaut entnehmen lässt, überschritten. Dies geschieht aus Sicht des Täters in malam partem, da dadurch seine Rücktrittsmöglichkeit eingeschränkt wird. Roxins Theorie der Hinzuziehung einer „deliktischen Vergleichsperson“ vermag daher nicht zu überzeugen. Der Vergleich des Versuchstäters mit einer „rechtstreuen“ oder „gemäß der Verbrechervernunft“ handelnden fiktiven Person, der unter dem Merkmal der Freiwilligkeit durchgeführt wurde, hat sich als zweifelhaft erwiesen. Eine solche KategoriSo aber wörtlich Roxin, in: FS Heinitz (1972), S. 251 (266). Bitzilekis, in: FS Hassemer (2010), S. 661 (669 ff.); Bottke, Methodik (1979), S. 200; Jäger, ZStW 112 (2000), S. 783 (789); Lampe, JuS 1989, 610 (614); Stratenwerth / Kuhlen, AT I6, § 11 Rn. 89; M. Walter, Rücktritt (1980), S. 63; ders., GA 1981, 403 (411). 679 StGB, § 24 Rn. 24. 680 Rudolphi, in: SK-StGB, § 24 Rn. 25 m. w. N. 681 Unter Kapitel 3 II. 4. d) cc) (1). 682 Vgl. auch Fischer, StGB, § 24 Rn. 20, 24. 683 Roxin, AT II, § 30 Rn. 4 ff., 366. 684 Vgl. zur Wortlautüberschreitung auch Amelung, ZStW 120 (2008), S. 205 (208 f.). 677 678

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Kap. 3: Das Freiwilligkeitsmerkmal

sierung, welche die Erstellung von Fallgruppen mit sich zieht, bereitet schon Schwierigkeiten, bei der Festlegung spezieller Merkmale und Eigenschaften der Vergleichsperson(en). Festzuhalten ist jedenfalls, dass im Hinblick auf die Frage, ob der Betreffende eine Entscheidung für den Rechtsgutserhalt trifft, kein neues Kriterium eingeführt wird. Soweit es um die Bewertung der Motive des Täters gehen soll, ist eine Erweiterung des Rücktrittstatbestandes um ein Merkmal „entgegen der Verbrechervernunft“ oder eine ähnliche Formulierung aus Strafzweck-Gesichtspunkten aus weder erforderlich noch angebracht. (3) Qualifizierte Zurechenbarkeit der Erfüllungsleistung (Herzberg) Erinnert sei daran, dass nach Herzbergs sogenannter Schulderfüllungstheorie685 die Verwirklichung einer rechtswidrigen Tat eine Strafe begründende Pflichtverletzung bildet und der Rücktritt sei nichts anderes sei als die Zurechnung einer verdienstlichen Leistung, welche von der zunächst durch die Pflichtverletzung entstandenen Schuld befreie (s. o.). Als mögliche maßstabsbildende Regelungen werden die §§ 35, 240 und 20 StGB angeführt.686 Dieser Ansatz ist im Folgenden genauer zu untersuchen. Herzberg sieht in dem Gesetzeswortlaut die Forderung, dass die Rücktrittsentscheidung dem Täter als eine Leistung seines Willens zuzurechnen sein müsse.687 Dass in der Rücktrittsentscheidung eine Leistung liegt, das heißt das Ergebnis einer Anstrengung688, ist soweit verständlich; sie ist in der Betätigung des Willens überhaupt zu sehen. Zurechenbar soll sie aber nur dann sein, wenn sie freiwillig erfolgte. Hier ist nicht ganz eindeutig, worauf Herzberg abstellt: Sieht er die Leistung in der Betätigung des Willens oder sieht er sie bereits in der Freiwilligkeit als solcher? Dies wirft Bedenken dahingehend auf, ob das bloße Vorhandensein eines freien Willens mit einer Leistung gleichgestellt werden kann und darf. Denn die Frage nach der Freiheit des Willens dürfte doch jeglicher Betätigung desselbigen vorgeschaltet sein. Wenn aber Herzberg meint, ein freier Wille sei erst eine Leistung, verkennt er diesen Aspekt und überschreitet dann den möglichen Wortlaut. Wie Herzberg seine vorgenannte Aussage verstanden wissen will, bleibt im Dunkeln. Insoweit soll mit dem Hinweis, dass die gerade angeführte Interpretation nicht haltbar ist, gleichsam einem „in dubio pro Herzberg“, darauf abgestellt werden, dass lediglich die Entscheidung des Täters zum Rücktritt als Leistung angesehen wird. Dann sind seine weiteren Kriterien näher zu beleuchten und insbesondere am Wortlaut zu messen. Soweit der Autor in seinem Beitrag in der Festschrift für LackHierzu schon oben unter Kapitel 1 II., Kapitel 3 II. 4. b) und c) dd). Herzberg, in: MüKo-StGB1, § 24 Rn. 125 ff. 687 Herzberg, in: FS Lackner (1987), S. 325 (354). 688 Wahrig, Deutsches Wörterbuch, „Leistung“. Man hätte hier ggf. auch § 241 BGB als Definitionsnorm zugrunde legen können, jedoch sollen die zivilrechtlichen Aspekte, auf denen die Konzeption Herzbergs beruht, an dieser Stelle bewusst ausgeblendet bleiben. 685 686

II. Der Streit um die Freiwilligkeit im Sinne von § 24 StGB

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ner (1987) pauschal darauf abstellt, dass „freiwillig“ mit „unbegründet-willkürlich“ zu umschreiben sei689, kann dem nicht gefolgt werden. Dass ein Handeln aus bestimmten Gründen die Freiheit des Willens aufheben soll, ist nicht nachzuvollziehen. Herzberg will zur genaueren Differenzierung zwischen Freiwilligkeit und Unfreiwilligkeit die §§ 35, 240 und 20 StGB als Bewertungsmaßstäbe heranziehen. Dabei wird die Freiwilligkeit nicht positiv festgestellt, sondern gefragt, wann sie gerade nicht vorliegen kann. Gegen eine solche negativ-abgrenzende Vorgehensweise ist zunächst nichts einzuwenden.690 Entscheidend ist dann, ob die oben genannten herangezogenen Regelungen (aa) je für sich genommen mit dem Wortlaut vereinbar sind und ob sie (bb) inhaltlich überzeugen können. (a) § 35 StGB als Maßstab (aa) Wortlaut Unter Zugrundelegung des § 35 StGB wird darauf abgestellt, ob sich der Täter zum Zeitpunkt des Rücktritts in einer Lage befunden hatte, welche der des entschuldigenden Notstands gleichkäme und deshalb von ihm den Verzicht auf die Tatvollendung forderte. In diesem Fall liege Unfreiwilligkeit vor. Hinsichtlich des Wortlauts ist dieser Maßstab als negative Umschreibung der Freiwilligkeit naheliegend, da die Situation nach § 35 StGB eine solche ist, in der die Entscheidungsfreiheit der betroffenen Person aufgrund seelischen Drucks stark beeinträchtigt wird.691 (bb) Inhalt Es ist zu überprüfen, inwieweit dieser Maßstab im Rahmen des § 24 StGB angewendet werden kann. Sowohl Herzberg692 als auch Jäger693 führen § 35 StGB, den entschuldigenden Notstand, zur Differenzierung zwischen Freiwilligkeit und Unfreiwilligkeit an694: Unfreiwillig trete derjenige zurück, der dadurch von sich, einem Angehörigen oder einer anderen ihm nahestehenden Person eine gegenwärtige Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit abwenden will. Dabei dürfe auch Satz 2 des § 35 Abs. 1 StGB nicht vergessen werden. Diesen berücksichtigend handelt derjenige freiwillig, dem nach den Umständen, namentlich weil er die Gefahr selbst verurSo Herzberg, in: FS Lackner (1987), S. 325 (357). Auch Lackner, NStZ 1988, 405, sieht in der Schulderfüllungstheorie die Ermöglichung einer wortlautnäheren Auslegung. 691 Roxin, AT I, § 22 Rn. 8. 692 In: MüKo-StGB1, § 24 Rn. 125 ff. Da unklar ist, ob sich Herzberg / Hoffmann-Holland, in: MüKo-StGB2, § 24 Rn. 120 weiterhin hierauf berufen wollen, sei hier und im Folgenden auf die Vorauflage des MüKo-StGB Bezug genommen. 693 ZStW 112 (2000), S. 783 (804). 694 Zust. Zaczyk, in: NK-StGB, § 24 Rn. 70. 689 690

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Kap. 3: Das Freiwilligkeitsmerkmal

sacht hat oder er in einem besonderen Rechtsverhältnis stand, die Hinnahme der Gefahr zugemutet werden kann. Die Heranziehung des Rechtsgedankens aus § 35 StGB zur Feststellung eigenverantwortlichen Handelns ist nicht neu. So dient er, folgt man der sogenannten Entschuldigungslösung, auch der Abgrenzung zwischen zurechenbarer Fremd- und eigenverantwortlicher „freiwilliger“ Selbstgefährdung, die beispielsweise bei den „Retterschäden“ im Rahmen von Brandstiftungsdelikten eine Rolle spielt. Danach nimmt der nötigende Druck einer Situation der Selbstgefährdung die „Freiwilligkeit“.695 Hierbei muss jedoch bedacht werden, dass § 35 StGB enumerativ die Rechtsgüter aufzählt, die eine Notstandslage auslösen können, und dass solche Personen aus dem Tatbestand herausgenommen werden, die in einer besonderen sozial-rechtlichen Pflichtenstellung zu dem Rechtsgut stehen.696 Für sogenannte Retterschäden ist dies ein ansehnliches Konstrukt, um dem Täter gewisse Schäden nicht unbilligerweise zuzurechnen.697 Es fragt sich nur, ob diese Grundsätze des § 35 StGB ebenso auf die Freiwilligkeit nach § 24 StGB anwendbar sind und zu sachgerechten Ergebnissen führen. Amelung äußert im Rahmen der Frage nach der Einordnung des Rücktritts als Schuldmerkmal zu Recht Bedenken dahingehend, die Wertungen von Entschuldigungsgründen auf die Rücktrittsregelung zu übertragen.698 Er weist darauf hin, dass nach § 35 StGB ein gewisses „Maß an Unfreiheit“ die strafrechtliche Haftung einer Person ausschließe, während – genau entgegengesetzt hierzu – ein bestimmtes Maß an Unfreiheit bei § 24 StGB die strafrechtliche Haftung gerade nicht entfallen lasse. Diese Erkenntnis veranlasst zu einer kritischen Überprüfung dieses Lösungsansatzes. Der Verdeutlichung eher fragwürdiger Konsequenzen dient folgendes Beispiel: A lässt das Opfer des Raubversuchs entwischen, weil er seinen Komplizen davon abhalten will, sich hinter seinem Rücken sexuell an der ihm unbekannten F zu vergehen. § 35 StGB greift in diesem Fall schon deshalb nicht ein, weil F keine dem A nahestehende Person ist, und somit liegt nach Herzberg und Jäger Freiwilligkeit vor. Wandelt man diesen Fall ab und lässt F keine dem A unbekannte Person, sondern seine ihm verhasste Schwägerin S sein, so ändert sich die Sachlage: S ist Angehörige des A im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 1 StGB und eine Notstandslage ist mit der Gefährdung ihrer sexuellen Integrität699 gegeben. Hier automatisch Unfreiwilligkeit 695 Vgl. nur Bernsmann / Zieschang, JuS 1995, 775 (779); Duttge, in MüKo-StGB2, § 15 Rn. 155; Otto, in: FS E.A. Wolff (1998), S. 395 (411); Renzikowski, Restriktiver Täterbegriff (1997), S. 168. 696 Rudolphi, in: SK-StGB, § 35 Rn. 2. 697 Ob es vollumfänglich überzeugen kann, sei hier dahingestellt, kritisch z. B. Kreß / Weißer, JA 2006, 115 (120). 698 Amelung, ZStW 120 (2008), S. 205 (211). 699 Hier wird angenommen, dass die sexuelle Integrität von § 35 StGB erfasst ist; vgl. Jakobs, AT, 20. Abschn. Rn. 8; Jescheck / Weigend, AT5, S. 481; Müssig, in: MüKo-StGB2, § 35

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anzunehmen, erscheint fragwürdig. Denn gerade in einer solchen Konstellation ist es gut vorstellbar, dass A sogar für sich abgewogen haben könnte, ob ihm die Beute oder die Hilfeleistung wichtiger war, dass er also durchaus bewusst eine eigene Entscheidung getroffen hat. Problematisch ist insgesamt, dass mit § 35 StGB eine Norm herangezogen wird, die innerhalb ihres eigentlichen Anwendungsbereichs – der Entschuldigung des Täters – Wirkung zugunsten des Täters entfalten soll: In bestimmten Situationen wird zugunsten des Täters unwiderlegbar vermutet, dass er sich nicht anders hätte verhalten können, als er es getan hatte. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die persönliche Nähebeziehung zwischen den Angehörigen tatsächlich besteht, d. h. zerrüttete Familienverhältnisse, so wie in der Abwandlung des Beispielsfalles geschildert, sind irrelevant. Im Rahmen des § 35 StGB kommt diese Wertung dem Täter zugute. Legt man diesen Maßstab jedoch im Rahmen des § 24 StGB an, zieht man diese Vermutung zu seinen Lasten heran, indem man ihm jegliche Willensfreiheit abspricht. Eine solche Pauschalität dürfte man hier jedoch insbesondere ob der Subjektivität des Freiwilligkeitsmerkmals nicht veranschlagen. Will man § 35 StGB heranziehen, so ist hier mindestens zu fordern, dass aus der „unwiderlegbaren“ Vermutung der Nähebeziehung aufgrund des Angehörigenverhältnisses eine widerlegbare gemacht würde. Dies dürfte freilich nicht dazu führen, dass der Täter das Nichtvorliegen der Nähebeziehung im Sinne einer Beweislastumkehr zu seinen Lasten darlegen müsste bzw. dass diese grundsätzlich infrage zu stellen wäre. Vielmehr wäre umgekehrt zulasten der Strafverfolgungsorgane zu fordern, dass die faktisch bestehende Nähebeziehung bewiesen würde. Wie vorstehend aufgezeigt, kann der Maßstab des § 35 StGB nicht „1:1“ übernommen werden, was insbesondere daran liegt, dass der Entschuldigungsgrund objektiv ausgestaltet ist (eine subjektive Konzeption wurde mit der ganz herrschenden Ansicht abgelehnt)700, während die Freiwilligkeit ein rein subjektives Merkmal ist. Diese schon konzeptionelle Unterscheidung bringt es mit sich, dass eine pauschale Anwendung von § 35 StGB zu (teilweise) unsachgerechten Ergebnissen führt und somit – insbesondere aufgrund der aufgezeigten Gefahr einer den Täter belastenden Analogie – nicht zu befürworten ist. Auch die Heranziehung von Satz 2 des § 35 StGB ist insgesamt nicht unproblematisch. Freiwilliges Verhalten soll dann angenommen werden, wenn der Täter die Gefahr selbst verursacht hatte, da er sich dann bereits bei Versuchsbeginn „sehenden Auges für [eine] bestimmte Einbuße entschieden“ habe. In solchen Konstellationen könne ihm dann auch zugemutet werden, über dieses Übel selbst zu entscheiden.701 Recht überzeugend ist die Wertung, der Täter handle unfreiwillig, wenn er die Gefahr nicht selbst hervorgerufen hatte, insgesamt nicht. Große Bedenken ergeben Rn. 14; Roxin, AT I, § 22 Rn. 28; Stratenwerth / Kuhlen, AT I6, § 10 Rn. 105; a. A. Perron, in: Schönke / Schröder, StGB, § 35 Rn. 6 / 7, 8; Rogall, in: SK-StGB, § 35 Rn. 15; Zieschang, in: LK-StGB12, § 35 Rn. 13, 15. 700 Hierzu ausführlich Zieschang, in: LK-StGB12, § 35 Rn. 4. 701 Herzberg, in: MüKo-StGB1, § 24 Rn. 129.

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sich schon daraus, dass Umstände im Sinne der Zumutbarkeitsklausel nach § 35 Abs. 1 S. 2 StGB nur in besonders gelagerten Fällen vorliegen sollen.702 Dies auf § 24 StGB übertragen bedeutet, dass nur in seltenen Fällen von freiwilligem Verhalten des Täters auszugehen wäre. Deutlich wird diese Fehlbewertung auch bei einem Blick auf den oben genannten Fall: § 35 Abs. 1 S. 2 StGB würde hier zu keinem anderen Ergebnis führen, denn A hatte die Gefahr (die mögliche Einbuße) für das bedrohte Rechtsgut „sexuelle Integrität der S“ nicht geschaffen, sodass überdies vor dem Hintergrund, dass von der Zumutbarkeitsklausel nur Ausnahmefälle erfasst werden sollen, von unfreiwilligem Verhalten auszugehen wäre – und dabei bestehen gerade im Beispiel der verhassten Schwägerin größte Zweifel hieran. Im Zusammenhang mit § 35 Abs. 1 Satz 2 StGB ist auch das Bombenleger-Beispiel erwähnenswert, das sowohl bei Herzberg703 als auch bei Jäger704 zu finden ist: Bombenleger B bemerkt kurz vor dem Entzünden einer Bombe, dass seine Eltern den Raum betreten haben. Er entschärft die Bombe daraufhin (bzw. zündet sie nicht). Bei Heranziehung des § 35 StGB käme man zunächst dazu, dass eine Lebensgefahr für dem Täter nahestehende Personen vorliegt. Hier war dem Täter wohl von Beginn an nicht bewusst, dass er eine Gefahr für seine Eltern schaffen würde, sodass sich nicht sagen lässt, er habe sich „sehenden Auges“ in die Situation begeben. Allerdings kann es nicht darauf ankommen, ob der Täter zunächst bewusst im Sinne eines vorsätzlichen Handelns („sehenden Auges“) eine potentielle Einbuße in Kauf genommen hat oder ob er diese erst nach Beginn der Versuchshandlung registriert. Hierfür gibt schon die Wertung des § 35 Abs. 1 S. 2 StGB nichts her, da danach eine objektive Pflichtwidrigkeit und somit sowohl eine vorsätzliche als auch fahrlässige Verursachung der Gefahr genügt.705 Legt man diesen Maßstab an, so käme man dazu, dass freiwilliges Verhalten durchaus möglich wäre. Die oben genannten Autoren vertreten demgegenüber, dass die oben beschriebene Situation den Täter so unter Druck setze, dass er bei seinem Nichtweiterhandeln bzw. Verhindern der Bombenexplosion unfreiwillig tätig werde. Aus welchem Grunde kann man jedoch – quasi standardisiert nach dem Maßstab des § 35 StGB – sagen, der Täter könne sich gar nicht mehr zwischen der Erhaltung aller Rechtsgüter (also sowohl der Leben seiner Eltern als auch der Leben aller anderen im Gefahrenbereich der Bombe befindlichen Personen) und der Vernichtung der Rechtsgüter entscheiden? So lässt sich nicht ausschließen, dass es sich bei dem Täter um einen die Vor- und Nachteile der Tatbegehung und des Rücktritts abwägenden Delinquenten handelt. Man denke nur an „Bombenleger-Fälle“ im Rahmen von TerrorismusZieschang, in: LK-StGB12, § 35 Rn. 47. In: FS Lackner (1987), S. 325 (352 f.). 704 ZStW 112 (2000), S. 783 (798). 705 Frister, AT, 20. Kap. Rn. 12; Müssig, in: MüKo-StGB2, § 35 Rn. 46; Rengier, AT, § 26 Rn. 19. 702 703

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straftaten: Hier ist es zumindest nicht abwegig, dass ein Täter zugunsten eines für ihn höherrangigen (weil etwa religiös motivierten) Ziels nochmals abwägt, ob er das Leben seiner Eltern erhalten oder dieses nicht auch opfern möchte. Betrachtet man zudem die Konstellation eines Selbstmordattentats, so würde dem Attentäter, der im letzten Moment vor Zündung der Bombe „kalte Füße“ bekommt und sein Leben nicht geben möchte, nach dem Maßstab des § 35 StGB generell die Möglichkeit eines strafbefreienden Rücktritts versagt. Das kann jedoch nicht richtig sein, denn die Frage, ob sich in dem Verhalten des Betreffenden sein freier Wille äußere, kann nur bejaht werden: Hier kommt gerade zum Ausdruck, dass die Person sich zwischen zwei realen Alternativen entscheiden konnte. Bei genauerer Betrachtung gerade dieser Konstellation zeigt sich, dass § 35 StGB eine andere Konzeption zugrunde liegt als dem Rücktritt: § 35 Abs. 1 S. 1 StGB ist ausgerichtet auf solche Situationen, in denen der Täter in das Rechtsgut eines Dritten eingreift, um ein anderes Rechtsgut zu retten. In dem oben genannten Beispiel geht es aber gerade darum, dass der Täter Rechtsgüter nahestehender Angehöriger bewahren will, die er selbst in Gefahr gebracht hat. Gerade in einer solchen Situation, in welcher der Täter selbst verantwortlich für die Gefahr ist, will § 35 Abs. 1 S. 2 StGB ohnehin Satz 1 nicht gelten lassen, sodass schon allein aus diesem Grunde § 35 Abs. 1 S. 1 StGB bei konsequenter Anwendung die Freiwilligkeit nicht ausschlösse. Darüber hinaus geht es innerhalb des üblichen Anwendungsbereichs von § 35 StGB um den Eingriff in das Rechtsgut eines Dritten, wobei dem Täter in seiner speziellen Situation zugute gehalten wird, diesen Eingriff nur aufgrund einer erheblichen Zwangslage vorgenommen zu haben. Dies zulasten des Täters auf Fälle zu übertragen, in denen es um die Erhaltung eines bereits von ihm angegriffenen Rechtsguts geht, kann nicht überzeugen. Vielmehr kann ein Täter, der die Bewahrung dieses Rechtsguts in der Hand hat, durchaus genau abwägen und somit entscheiden, wie wichtig ihm die Vollendung der Tat wirklich ist. Um noch ein weiteres dogmatisches Problem zu benennen, sei auf die eigentliche Einordnung des § 35 StGB als Entschuldigungsgrund hingewiesen. In der Situation des entschuldigenden Notstandes wird dem Täter zugute gehalten, dass für ihn aufgrund seines Selbsterhaltungstriebes bzw. seiner engen persönlichen Beziehung die Möglichkeit, sich rechtmäßig zu motivieren, stark eingeschränkt war.706 Stellt man dagegen in einer Rücktrittssituation die Frage nach der Freiwilligkeit des Täterverhaltens, so hat man doch vorangehend bereits den Rücktrittsvorsatz bejaht und festgestellt, dass der Täter sich zur Erhaltung des Rechtsguts entschieden hat. Dies kann man bereits ansehen als „rechtmäßige Motivation“; das genaue Motiv, d. h. die näheren Hintergründe für den Rücktritt dürfen in Ablehnung eines Gesinnungsstrafrechts dann keine Rolle spielen. Zudem ist zu kritisieren, dass der Anwendungsbereich des § 35 StGB durch die enumerativ aufgezählten Rechtsgüter – beispielsweise sind Gefährdungen des Ei706

Zieschang, in: LK-StGB12, § 35 Rn. 2.

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Kap. 3: Das Freiwilligkeitsmerkmal

gentums von existenzieller Art gar nicht erfasst – erheblich eingeschränkt ist,707 und dass hierdurch wertungsmäßige Unterschiede nicht erklärt werden können. So weist auch Bitzilekis708 darauf hin, dass es „Notstandsrücktritte“ auch in Fällen geben könne, in denen weder Leib oder Leben noch die Freiheit gefährdet seien. Insgesamt lässt sich nach einer näheren Untersuchung feststellen, dass der Grundansatz, § 35 StGB ist als Maßstab heranzuziehen, zwar nachvollziehbar sein mag – dogmatisch einwandfrei ist dies jedoch nicht. Insbesondere ist zu monieren, dass bei strikter Anwendung der Vorschrift eine täterbelastende Analogie naheliegt. (b) § 240 StGB als Maßstab709 (aa) Wortlaut Zieht man § 240 StGB als Maßstab für die Freiwilligkeit heran710, so ist auch dies vom Wortlaut her naheliegend. Es lässt sich auch in der Alltagssprache sagen, dass jemand, der zu einem Verhalten genötigt wird, eben nicht mehr freiwillig handelt. Umgangssprachlich ist unter „Nötigen“711 das Zwingen einer Person zu einem Tun oder Unterlassen zu verstehen712; Freiwilligkeit umschreibt wiederum ungezwungenes Verhalten.713 (bb) Inhalt Mit Anwendung der Kriterien des § 240 StGB würde die Freiwilligkeit nicht positiv, sondern negativ als „ungenötigt“ beschrieben werden. Nach den Befürwortern dieses Vorgehens handle der Täter dann unfreiwillig, wenn ihm bei Weiterführung bzw. Vollendung der Tat ein empfindliches Übel drohe, aufgrund dessen er sich zum Rücktritt veranlasst sehe. Die „Empfindlichkeit“ stelle also sicher, dass nicht jedes Übel, nicht jede Erschwerung zur Unfreiwilligkeit des Rücktritts führe.714 Von Vgl. auch Krey / Esser, AT, Rn. 1307. In: FS Hassemer (2010), S. 661 (668). 709 Vgl. zur Verknüpfung des Freiwilligkeitsmerkmals mit dem Nötigungsmerkmal auch Küpper, Grenzen (1990), S. 190 f. mit Verweis auf Goltdammer, Materialien I (1851), S. 257: Schon zur Zeit des preußischen StGB wurde diese benannt. 710 Küpper, Grenzen (1990), S. 190 ff.; Herzberg, in: MüKo-StGB1, § 24 Rn. 131 ff. schlägt vor, § 240 StGB als Kombinationselement zu § 35 StGB zu sehen und neben den dort genannten Gefahren auch ein drohendes „empfindliches Übel“ genügen zu lassen. Da die Heranziehung des Entschuldigungsgrundes nicht befriedigen konnte, wird die Nötigungsnorm hier isoliert betrachtet. 711 Wahrig, Deutsches Wörterbuch, „nötigen“. 712 Bottke, BGH-FG IV (2000), S. 135 (171); Köhler, in: FS Leferenz (1983), S. 511 (519); Küpper, Grenzen (1990), S. 190; Lackner / Kühl, StGB, § 240 Rn. 4; Wessels / Hettinger, BT / 1, Rn. 380. 713 Vgl. oben Kapitel 3 II. 2. sowie Kapitel 3 II. 4. d) bb). 714 Herzberg, in: MüKo-StGB1, § 24 Rn. 131. 707 708

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einem empfindlichen Übel ist auszugehen, wenn der Täter dem Drohenden nicht „in besonnener Selbstbehauptung standzuhalten“ vermag, weil „ein nicht unerhebliches Maß an Druck“ erreicht wird, das ihm gegenüber steht.715 Nicht besonders überzeugend erscheint zunächst der Aspekt, sich an dem Empfinden eines „besonnenen Menschen“ zu orientieren. Der Maßstab der „besonnenen Selbstbehauptung“ des Opfers ist ein verobjektivierter; er dient im Rahmen des Nötigungsparagraphen als ein Korrektiv, um es nicht in die Hand des Opfers zu legen, ob der Täter nun genötigt haben soll oder nicht.716 Bemerkenswert und insoweit zu begrüßen ist es jedoch, dass bei Anwendung des § 240 StGB stets auf den Bedrohten in seiner konkreten Lage abzustellen ist, und dass der Drohungscharakter nicht unbedingt deshalb entfallen soll, weil ein besonnener Dritter der Drohung standgehalten hätte.717 Die Nähe zum Freiwilligkeitsmerkmal ist auch daran erkennbar, dass sowohl bei der Empfindlichkeit als auch bei der Freiwilligkeit danach zu forschen sein soll, wie stark der auf die Person wirkende Druck gewesen sei.718 Dementsprechend geht es bei beiden Tatbestandsmerkmalen darum, die Intensität der Zwangswirkung festzustellen. Hierzu ist folglich zu vermerken, dass sich alle Probleme, die bei der Freiwilligkeit existieren, im Ergebnis genau hier wiederfinden werden. Denn das Empfindlichkeitskriterium ist seinerseits selbst normatives Merkmal.719 Es liegt daher die Befürchtung nahe, die Heranziehung des § 240 StGB könnte damit zu einer bloßen Verlagerung der Diskussion über den Freiwilligkeitsbegriff auf den Begriff der „Empfindlichkeit“ des Übels führen. Allerdings könnten anerkannte Wertungen, die im Rahmen der Nötigung bereits getroffen wurden, übertragen werden. Die Heranziehung der Wertungen des § 240 StGB, bei dem im Übrigen § 35 StGB als Maßstab für die besonnene Selbstbehauptung ausscheiden soll, da beide Normen von unterschiedlichen Motivationslage ausgehen720, erweist sich somit als diskutabler Ansatz. Eine Schwachstelle dürfte jedoch sein, dass § 24 StGB und § 240 StGB jeweils unterschiedliche „Nötigungsadressaten“ haben. Es darf daher nicht blind jedes bislang anerkannte Urteil übernommen werden, vielmehr ist eine Einzelfallbetrachtung geboten. So hat § 240 StGB die Opferperspektive im Blick, während § 24 StGB einen bereits tätig gewordenen Versuchsdelinquenten erfasst, der unter Umständen – je nach Wichtigkeit des mit dem begonnenen Delikt verfolgten Ziels – anders abwägen wird. Aber auch, wenn man sich für die Heranziehung des Nötigungsmaßstabs ausspricht, regt folgendes Beispiel zum Nachdenken an: 715 BGHSt, 31, 195 (201); 32, 165 (174); BGH NStZ 1992, 278; Träger / Altvater, in: LKStGB11, § 240 Rn. 57; dazu ausführlich Th. Gutmann, Rechtsbegriff (2001), S. 270 ff.; kritisch Amelung, GA 1999, 182 (192). 716 Zum Ganzen Sinn, Nötigung (2000), S. 258 ff. 717 Fischer, StGB, § 240 Rn. 32a. 718 Küpper, Grenzen (1990), S. 192 f. 719 Mit diesem Hinweis auch Küpper, Grenzen (1990), S. 192. 720 Gropp / Sinn, in: MüKo-StGB1, § 240 Rn. 80 m. w. N.

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Kap. 3: Das Freiwilligkeitsmerkmal

T ist hasserfüllt und will den O erstechen. Er geht mit einem Messer auf O los. Als T dem O gerade die Kehle aufschlitzen will, erscheint jedoch – für T unerwartet – eine Polizeieskorte und ermahnt ihn (ohne Waffengewalt) zur Aufgabe. T hält inne und lässt das Messer fallen. Sofern sich der Täter nicht schon an der weiteren Ausführung und somit an der Vollendung gehindert sieht (dann wäre kein Rücktrittsentschluss mehr möglich und damit ein Fehlschlag anzunehmen), kann man hier fragen, ob der Rücktritt wirksam war. Ein Rücktrittsvorsatz ist anzunehmen, da sich T – wohl auch nach Abwägung – für die Erhaltung des Rechtsguts des O entschieden hat. Legt man für das Merkmal der Freiwilligkeit den Maßstab des § 240 StGB zugrunde, müsste man in Ansatz bringen, dass der Täter sich der konkludenten Drohung ausgesetzt sieht, bei Weiterhandeln eine lebenslange Freiheitsstrafe verbüßen zu müssen. Letzteres ist sicher ein empfindliches Übel. Dem T aufgrund der Konkretheit der Strafandrohung automatisch den Rücktritt zu versagen, greift jedoch zu kurz. Zu bedenken ist zweierlei: – Erstens hatten nicht die (konkludent) drohenden Polizisten, sondern T selbst den Eintritt dieses Übels in der Hand. Dass T (zumindest vorerst) nach Auflösung der Situation sofort festgenommen wird, war ohnehin sicher, insoweit konnte T keine Entscheidung mehr treffen. Überträgt man die Maßstäbe des § 240 StGB wäre dies letztlich ein Fall der vis absoluta, gegen die der T sich nicht mehr effektiv wehren könnte. Beeinflussen kann T nur den sicheren Eintritt der lebenslangen Freiheitsstrafe. Fragwürdig ist hier aber die Situation de lege lata: Denn dem T würde nach fast allen Ansichten der Rücktritt mangels freiwilligen Handelns versagt und somit bliebe ihm allenfalls die bloße Möglichkeit einer Milderung der ihn erwartenden Versuchsstrafe gegenüber der Vollendungsstrafe nach § 23 Abs. 1 StGB. – Zweitens hat T, als er zunächst innehielt, für sich abgewogen, ob ihm die Tötung des O derart wichtig war, dass er hierfür den Preis einer lebenslangen Freiheitsstrafe zahlen würde, oder ob die Tötung des O dies nicht wert ist. Insoweit ist bei einer Beurteilung des Gesamtgeschehens zu bedenken, dass T faktisch noch die Möglichkeit hatte, O zu töten, und dass er diese Option auch sah. Muss hier nicht ein Unterschied zwischen demjenigen gemacht werden, der sich (wenn auch unter Druck) für die Aufgabe entscheidet, und dem, der dessen ungeachtet zur Tat schreitet? Natürlich wird der Zustechende aus vollendeter, der Aufgebende aus versuchter Tat bestraft. Und dennoch kann dies nicht als Argument dienen: Denn die Versuchsstrafbarkeit sieht nach § 23 Abs. 2 StGB nur vor, dass die Strafe gemildert werden kann. Somit ist hier auch das Argument Schünemanns entkräftet, wonach de lege lata schon bei Nichtanwendung des § 24 StGB eine bloße Strafmilderungsmöglichkeit gegeben sei, da § 23 StGB einen weit gespannten Versuchsstrafrahmen aufweise.721 Problematisch ist, dass der Täter sich einer Strafmilderung nicht einmal sicher sein kann. An dieser Stelle greifen die Gedanken

721

Schünemann, GA 1986, 293 (326).

II. Der Streit um die Freiwilligkeit im Sinne von § 24 StGB

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der „goldene Brücke“-Theorie und des Opferschutzes: Wenn der Täter davon ausgehen muss, unter Umständen – jedenfalls de iure – doch einer Bestrafung anheim zu fallen, die nahe an die der Vollendung heranreicht, kann er den geplanten Erfolg genauso gut tatsächlich realisieren. Gerade aus dem oben genannten Beispielsfall und seiner Abwandlung wird deutlich, dass nicht beide Täter in gleichem Maße strafwürdig sind – obwohl in beiden Konstellationen von einem Entschluss des Täters und somit nach der hier vertretenen Auffassung von einem Rücktritt auszugehen ist. Genau dies deckt die Schwierigkeit der Rücktrittskonzeption auf: Für den Täter geht es stets um ein „Alles oder Nichts“.722 Entweder wird er (zumindest bezüglich des in Rede stehenden Delikts) straffrei oder aber er wird wegen Versuchs bestraft und erhält damit unter Umständen dieselbe Strafe wie bei vollendeter Tat. Diese Sachlage vor Augen habend, verwundert es keineswegs, dass die Gerichte und Stimmen in der Literatur dazu verleitet werden, gefühlsmäßig zu beurteilen, ob dem Täter Straffreiheit zuteil werden soll oder aber ob er „leer ausgehen“ soll. Im Rahmen der Behandlung der Rechtsfolge723 wird hierauf noch einmal einzugehen sein. § 240 StGB liefert damit einen lediglich grundsätzlich geeigneten Maßstab, seine schematische Anwendung ist nicht zu empfehlen. (c) § 20 StGB als Maßstab (aa) Wortlaut Schließlich wird noch die Heranziehung von § 20 StGB vorgeschlagen, was nach dem Wortlaut der Norm grundsätzlich möglich ist. Befindet sich jemand in schuldunfähigem Zustand, so wird ihm nach § 20 StGB attestiert, er könne das Unrecht einer Tat nicht einsehen oder nicht nach dieser Einsicht handeln.724 Ein solcher Zustand führt dazu, dass sich der Mensch in seinem Verhalten und seiner geistigen Situation nicht so verhält, wie es einer „normalen“ Konstitution entspräche, bei der von der Fähigkeit zu normgemäßem Verhalten auszugehen ist.725 Es ist daher gut denkbar, dass die Möglichkeit einer freien Willensentschließung726 dann derart beeinträchtigt ist, dass man von unfreiwilligem Handeln im Sinne von § 24 StGB sprechen kann.727 Die Wortlautgrenze wird durch die entsprechende Anwendung des § 20 StGB folglich nicht per se in unzulässiger Weise überschritten.728 Schall, JuS 1990, 623 (628); monierend Bergmann, ZStW 100 (1988), S. 329. Kapitel 4. 724 Vgl. Fischer, StGB, § 20 Rn. 3 f. 725 Vgl. Fischer, StGB, § 20 Rn. 2. 726 In keinem Fall kann an das Vorliegen des Rücktrittsvorsatzes an sich angeknüpft werden. Denn verlangt wird auch hier Vorsatz im natürlichen Sinne, zu dessen Fassung auch derjenige in der Lage ist, der sich im Zustand des § 20 StGB befindet; vgl. hierzu Schlegl, NJW 1968, 25 (zu § 46 StGB a. F.). 727 s. Fischer, StGB, Vor § 13 Rn. 8, 11. 722 723

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Kap. 3: Das Freiwilligkeitsmerkmal

(bb) Inhalt Überträgt man die Kriterien des § 20 StGB auf § 24 StGB, soll unfreiwillig handeln, wer sich zur Zeit des Rücktritts im Zustand einer krankhaften seelischen Störung, einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung oder Schwachsinns oder einer schweren anderen seelischen Abartigkeit befindet.729 Mit Blick auf die Praxisrelevanz dürfte aber eine Anwendung des § 20 StGB keine größeren Fortschritte bei einer Konkretisierung des Freiwilligkeitsmerkmals liefern. Denn Fälle, in denen dieser Maßstab zur Anwendung gelangen könnte, werden selten sein.730 In Betracht kommen zum einen Konstellationen, in denen jemand in schuldfähigem Zustand ein Delikt beginnt und bis zum Erfolgseintritt in einen solchen der Schuldunfähigkeit fällt.731 Zum anderen ist an den Rücktritt vom Versuch einer Rauschtat nach § 323a StGB zu denken, bei dem nach h. M.732 § 24 StGB analog herangezogen werden soll. In allen anderen Fällen, in denen der Täter bereits bei Tatbegehung schuldunfähig ist, wird es auf eine Straffreiheit qua Rücktritts nicht mehr ankommen, denn dann wird schon der Schuldvorwurf bzgl. der Versuchsbegehung und damit die Strafbarkeit nach dem in Rede stehenden Tatbestand verneint. Der Heranziehung des § 20 StGB für die Feststellung unfreiwilligen Verhaltens wird überzeugend entgegengehalten, dass diese Regelung es einem schuldunfähigen Täter als eine Entschuldigung anrechne, wenn diesen der strafrechtliche Normappell nicht mehr erreiche. Durch einen Rücktritt widerlegt aber der Täter selbst diese gesetzliche Vermutung, was nicht zu seinen Lasten bewertet werden kann – ihm per se die Rücktrittsmöglichkeit zu verwehren, wäre nicht sachgerecht.733 Daneben ist 728 Hier kann auch eine Parallele zu der Geschäftsunfähigkeit nach § 104 Nr. 2 BGB gezogen werden, in welchem von einer „krankhaften Störung der Geistestätigkeit“, also einem dem in § 20 StGB ähnlichen Zustand, die Rede ist. Ein solcher schließt nach dem Gesetzeswortlaut die „freie Willensbestimmung“ aus. 729 Frister, AT, 24. Kap. Rn. 37; Jäger, ZStW 112 (2000), S. 783 (798 f.); Jakobs, AT, 26. Abschn. Rn. 42; Zaczyk, in: NK-StGB, § 24 Rn. 76; differenzierend Geilen, JuS 1972, 73 (74 f.). 730 Mit diesem Hinweis vor allem Beweisprobleme betreffend auch Jakobs, AT, 26. Abschn. Rn. 42. 731 Vgl. das Beispiel bei Herzberg, in: MüKo-StGB1, § 24 Rn. 138: Die F schüttet dem M Gift in sein Glas und weiß, dass er aus diesem jederzeit trinken und daran sterben kann. Um ihr Gewissen zu betäuben, betrinkt sie sich selbst und gerät in den Zustand der Schuldunfähigkeit. Dennoch entreißt sie dem M in letzter Sekunde das Glas. 732 BGH NStZ 1994, 131; MDR 1994, 434; NStZ-RR 2001, 15; Ranft, Jura 1983, 239 (243); Sternberg / Hecker, in: Schönke / Schröder, StGB, § 323a Rn. 19 m. w. N. 733 BGHSt 23, 356 (359 f. ) erkennt den Rücktritt unter „natürlichem Vorsatz“ als ausreichend an; vgl. ferner BGH NStZ 2004, 324 (325); Jerouschek, JuS 1997, 385 (388); Lackner / Kühl, StGB, § 24 Rn. 17; Lilie / Albrecht, in: LK-StGB12, § 24 Rn. 254 ff.; Roxin, AT II, § 30 Rn. 444; ähnlich auch Herzberg, in: MüKo-StGB, § 24 Rn. 138: „[D]er Rettungsakt beweist, dass [der Täter] beide Fähigkeiten, auf die es ankommt, besitzt: das Tatunrecht einzusehen sowohl wie einsichtsgemäß zu handeln.“

II. Der Streit um die Freiwilligkeit im Sinne von § 24 StGB

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auf das bereits im Rahmen der psychologisierenden Theorie genannte Paradoxon734 hinzuweisen, zu dem in ähnlicher Weise argumentiert wurde: Der psychische Zustand einer Person ist grundsätzlich nur schwer fassbar. Äußert sich nach außen hin eine bestimmte Einstellung, muss Raum sein für eine tätergünstige Interpretation des Geschehens. (d) Wegfall der Geschäftsgrundlage Herzberg erwägt, das Institut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage aus dem Zivilrecht auf die Abgrenzung zwischen Freiwilligkeit und Unfreiwilligkeit zu übertragen. Diese Idee hängt mit der von ihm vertretenen Schulderfüllungstheorie735 als ratio legis des § 24 StGB zusammen. Vom Wortlaut her ist dies bei erstem Augenschein nicht gerade naheliegend; vielmehr bedarf es hier eines näheren Blickes auf die Bedeutung, d. h. die Voraussetzungen dieser Rechtsfigur. Ein Wegfall der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB liegt vor, wenn – sich die Vorstellungen zweier Vertragsparteien über das Bestehen eines bestimmten Umstandes decken und dieser Umstand von Anfang an fehlt, sich schwerwiegend ändert oder später wegfällt, und – die Parteien bei Kenntnis vom Fehlen bzw. Wegfall dieses Umstandes den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten, und – das Festhalten am Vertrag für eine Partei unzumutbar wäre.736

Herzberg sieht eine Parallele zwischen dieser Ausnahme-Rechtsfigur und der Konstellation einer Anstiftung zu einem bestimmten Delikt, bei der ein „Vertrag“ zwischen Anstifter und Täter zustande kommen und der jeweilige Tatplan die Geschäftsgrundlage ausmachen soll. Führe der Täter nun entgegen der Abmachung die Tat nicht aus, obwohl er nach dem Tatplan dazu imstande gewesen wäre, sei hierin ein Vertragsbruch zu sehen und Freiwilligkeit anzunehmen. Dagegen handle es sich um einen für Unfreiwilligkeit sprechenden Wegfall der Geschäftsgrundlage, wenn die Tat aufgrund etwaiger Hindernisse nicht wie erwartet auszuführen sei.737 Diese Gleichstellung von Freiwilligkeit mit einem bewussten Vertragsbruch bzw. mit dem Fortbestehen einer „Geschäftsgrundlage“ geht jedoch fehl. Zum einen bereitet die Heranziehung des Zivilrechts hier gedanklich Schwierigkeiten, da schon kein „Vertrag“ über die Ausführung eines bestimmten Tatplanes vorliegen kann. Abgesehen davon, dass ein solcher nichtig wäre,738 müsste man zudem bei einem Alleintäter stets von einem Vertrag des Täters mit sich selbst, quasi einem Selbst734 735 736 737 738

Kapitel 3 II. 2. e). Hierzu oben Kapitel 1 II. Looschelders, Schuldrecht AT, Rn. 776 ff. Herzberg, in: FS Lackner (1987), S. 325 (359) mit entsprechendem Fallbeispiel. Zutr. Roxin, AT II, § 30 Rn. 439.

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Kap. 3: Das Freiwilligkeitsmerkmal

kontrahieren, ausgehen, was schon künstlich konstruiert erscheint. Zum anderen kann die Heranziehung des Rechtsinstituts im Hinblick auf den Wortlaut nicht überzeugen. Selbst im Zivilrecht bedeutet die Nichtdurchführung eines Vertrages gegen den eigenen Willen nicht sogleich den Wegfall der Geschäftsgrundlage. Es wird in § 313 Abs. 1 BGB explizit verlangt, dass ein „Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann“. Insofern erweist sich das Konzept als Scheinlösung: Letztlich wäre die Freiwilligkeit des Täters an der Zumutbarkeit des Festhaltens am „Vertrag“ zu messen – hier verlagern sich schlicht die Probleme. Herzberg selbst legt den Maßstab für die Zumutbarkeit nicht fest. Sieht man zudem „freiwillig“ mit „zumutbar“ gleichgesetzt, so trifft dies den Kern der Sache, den Wortlaut, nicht. Denn es ist durchaus möglich, dass jemand etwas unfreiwillig, das heißt gegen seinen Willen unternimmt, obwohl ihm unterstellt werden könnte, es sei ihm zumutbar. Um die Auffassung darüber hinaus mit ihrer eigenen Waffe „Zivilrecht“ zu schlagen: Wird ein „Festhalten am Vertrag“ vom Gericht für zumutbar erklärt, so heißt dies nicht, dass sich der Betroffene, der sich gern von ihm lösen würde, sich dem freiwillig fügt. Im Gegenteil: Er wird sich wohl allein der gerichtlichen Verbindlichkeit wegen an dem Vertrag festhalten lassen und ihn damit in diesem Sinne wohl eher „unfreiwillig“ hinnehmen. (e) Zwischenergebnis Herzbergs Theorie liefert also mit der Heranziehung der §§ 35, 240 und 20 StGB Maßstäbe, welche die Wortlautgrenze nicht in unzulässiger Weise überschreiten. Dogmatisch überzeugen kann allerdings allein § 240 StGB als Maßstab, dessen wertungsmäßige Richtigkeit fragwürdig blieb. In keinerlei Hinsicht kann jedoch dem Abstellen auf das zivilrechtliche Institut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage gefolgt werden. Geboten ist von daher eine weitere Suche nach passenden Abgrenzungskriterien für das Freiwilligkeitsmerkmal. (4) Parallele zu Kriterien mittelbarer Täterschaft (Jäger) Auch Jäger sieht in dem Freiwilligkeitsmerkmal ein qualifiziertes subjektives Zurechnungselement, das heißt das Vorhandensein eines Rücktrittswillens und dessen freie Bildung. Das Vorliegen der Kriterien will er anhand der bereits für die mittelbare Täterschaft anerkannten Grundsätze feststellen. Unfreiwillig handle danach derjenige, der fremdbestimmt zur Umkehr bewogen wurde.739 Liegen autonomieausschließende Umstände vor, unter denen die Tatherrschaft eines Hintermannes über sein Werkzeug begründet wäre, so könne ein Täter ebenso gut auf die gleiche Weise zur Unterlassung bzw. Verhinderung der Vollendung bestimmt werden.740 Allerdings müssten die bekannten Grundsätze unter Berücksichtigung der Besonder-

739 740

Jäger, Gefährdungsumkehr (1996), S. 99. Jäger, ZStW 112 (2000), S. 783 (794).

II. Der Streit um die Freiwilligkeit im Sinne von § 24 StGB

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heiten des Rücktritts741 modifiziert werden. So könne nicht nur ein Dritter den Rücktritt zurechenbar veranlassen, sondern insbesondere sei zu bedenken, dass auch und gerade der Täter selbst Veranlasser sein könne. Diesbezüglich handle es sich um eine „normative Übertragung der Täterschaftsgrundsätze“ auf die Eigenzurechnung. Um die Umstände herauszufiltern, unter denen die Freiwilligkeit ausgeschlossen ist, stellt Jäger einige Fallgruppen auf. Namentlich nennt er hierfür: einen mit § 35 StGB vergleichbaren Nötigungsdruck742, Schuldunfähigkeit im Rücktrittszeitpunkt, den Wegfall des Handlungssinns, aber auch den Irrtum über die weitere Ausführbarkeit der Tat. Hier wird die Freiwilligkeit also gleichgestellt mit „Freiheit von Fremdbestimmtheit“ bzw. bei Eigenzurechnung mit der Möglichkeit, den eigenen Willen zu bestimmen. Dies ist vom Wortlaut des zu erschließenden Begriffs umfasst, denn wer fremdbestimmt handelt, ist eben nicht frei; ebendies gilt für eine Person, der es nicht möglich ist, nach eigenem Willen zu handeln. Bezüglich der Maßstäbe von § 35 StGB und der Schuldunfähigkeit gem. § 20 StGB zum Zeitpunkt des Rücktritts wird daran erinnert, dass deren Anwendung nicht überzeugen konnte. (a) Wegfall des Handlungssinns Nach Jäger soll zudem auch beim Wegfall des Handlungssinns von Unfreiwilligkeit auszugehen sein, wenn dieser Wegfall „objekts- oder rechtsgutsbezogen“ ist.743 Ob dies noch vom Wortlaut umfasst ist, ist fragwürdig. Denn fällt für den Täter der Sinn seines Handelns weg, so ist er – soweit man nicht schon von einem Fehlschlag bzw. davon auszugehen hat, dass der Täter schon keinen Rücktrittsentschluss mehr fassen kann –, hinsichtlich der weiteren Tatausführung in Bezug auf das bereits begonnene Delikt frei. Er wird sich natürlich Gedanken darüber machen, ob ihm die Tat, so wie er sie vornehmen wollte, „noch etwas bringt“ und er wird sie gegebenenfalls abbrechen, falls dem nicht so sein sollte. Jedoch entscheidet er gerade hierüber aus freiem Willen. Je nach Sachlage könnte auch ein Fehlschlag744 bzw. eine Situation vorliegen, in der der Täter keinen Rücktrittsvorsatz mehr fassen kann; dies ist aber dann keine Frage der Freiwilligkeit mehr. Es erweckt vielmehr den Anschein, dass Jäger nach moralischen Aspekten bewerten will, mit der Maßgabe, dass dem Täter die Rücktrittsmöglichkeit versagt werden soll, wenn er „nur“ zurücktritt, weil er selbst keinen Profit aus der Sache

Jäger, a. a. O., S. 783 (795). Hier und im Folgenden Jäger, Gefährdungsumkehr (1996), S. 99 ff.; ders., ZStW 112 (2000), S. 783 (795 ff.). 743 Jäger, Gefährdungsumkehr (1996), S. 109 ff; i. E. auch Bitzilekis, in: FS Hassemer (2010), S. 661 (678). 744 Vgl. hierzu die Fallgestaltungen bei Bott, Jura 2008, 753 (755), der i. E. aber in Fällen der Sinnlosigkeit des Weiterhandelns in der Regel keinen Fehlschlag annehmen will; gegen die Annahme eines Fehlschlags auch Heger, StV 2010, 320 (321). 741 742

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Kap. 3: Das Freiwilligkeitsmerkmal

schlagen kann.745 Gegen eine solche Betrachtungsweise ist aus dogmatischer Warte einzuwenden, dass es stets allein auf die Erhaltung des bedrohten Rechtsguts ankommen sollte und nicht etwa darauf, welche Fernziele der Täter verfolgt hatte oder was sein Motiv für die (Versuchs-)Tatbegehung war. Anknüpfungspunkt darf allein die Tat an sich sein und nicht der Sinn, der aus Sicht des Täters hinter der Deliktsbegehung steckt. Der Wegfall des Handlungssinns bzw. die Sinnlosigkeit des Weiterhandelns ist aber nicht ein allein von Jäger erwähnter Grund zum Ausschluss der Freiwilligkeit; er wird auch von einer Reihe anderer Autoren und der Rechtsprechung herangezogen.746 Dabei sei hier klargestellt, dass es hier (noch) nicht darum geht, die kriminalpolitische Richtigkeit des vorgeschlagenen Kriteriums zu untersuchen, sondern vielmehr darum, ob es sowohl mit dem Wortlaut vereinbar als auch dogmatisch und systematisch einwandfrei in die Struktur des jetzigen § 24 StGB eingeordnet werden kann. Dies ist hier, wie gezeigt, nicht der Fall. (b) Irrtum über die Ausführbarkeit der Tat Zweifel an der Vereinbarkeit mit dem Wortlaut erweckt auch die Auffassung Jägers, dass derjenige unfrei handle, der sich im Irrtum über die weitere Ausführbarkeit der Tat befinde. Dahinter steckt seine Konzeption, dass der Rücktritt eine Gefährdungsumkehr sei, zu dem die Freiwilligkeit das subjektive Element bilde. Alle eventuellen Irrtümer seien dann dem Freiwilligkeitsmerkmal zuzuordnen.747 Im Vergleich mit dem zur Annahme mittelbarer Täterschaft führenden Tatbestandsirrtum beruhe in beiden Konstellationen das Handeln des Täters nicht auf einer autonomen Entscheidung.748 Während bei der mittelbaren Täterschaft der Vordermann ohne Tatbestandsvorsatz tätig werde, fehle bei dem Zurücktretenden, der irrtümlich meint, die Tat nicht mehr ausführen zu können, der Rücktrittsvorsatz, das heißt, er handle unfreiwillig.749 Mit anderen Worten: Jäger macht das Freiwilligkeitsmerkmal zum Vorsatzelement. Da Vorsatz nach der Kurzformel das „Wissen und Wollen der Tatbestandsverwirklichung“750 bedeutet, ist dem insoweit zuzustimmen, als dass

745 Vgl. insbesondere das Beispiel bei Jäger, Gefährdungsumkehr (1996), S. 112, bei dem der Täter den Habgiermord unterlässt, weil er im letzten Moment erfährt, dass sein Opfer durch einen Bankrott sein gesamtes Vermögen verloren hatte, und es damit nichts mehr zu erben gab. Jäger argumentiert, der Täter habe „eigentlich keine freie Wahl mehr zwischen Aufgabe und Fortsetzung der Tat, weil für ihn die gesamte Grundlage seines Handelns in Frage gestellt“ sei. 746 Hierzu näher später unter Kapitel 3 III. 2. a). 747 Jäger, ZStW 112 (2000), S. 783 (800). 748 Schon hinsichtlich der mittelbaren Täterschaft ist die Richtigkeit dieser Aussage fraglich. Denn jemand, der im Tatbestandsirrtum handelt, kann sich dennoch bewusst und aus freiem Willen für ein bestimmtes Handeln entscheiden. Dass er über Umstände wie z. B. den Taterfolg o. ä. irrt, ändert nichts an der Tatsache, dass er aus freiem Willen heraus handelte. 749 Jäger, ZStW 112 (2000), S. 783 (800).

II. Der Streit um die Freiwilligkeit im Sinne von § 24 StGB

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das Willenselement sowohl dem Vorsatz- als auch dem Freiwilligkeitsbegriff immanent ist. Doch eine direkte Gleichstellung beider Merkmale müsste konsequenterweise auch bedeuten, dass von Vorsatz nur die Rede sein könnte, wenn er auf einem freien Willen beruht. Hiergegen spricht aber die folgende Überlegung: Begeht jemand in der Situation eines entschuldigenden Notstands – in der typischerweise die Willensfreiheit immens beeinträchtigt ist – eine rechtswidrige Tat, so wird dies nach § 35 StGB nicht schon auf Vorsatz-, sondern erst auf Schuldebene gewürdigt.751 Dass er sich durchaus, vielleicht auch nur mit einer Restfreiwilligkeit, zur Tat entschlossen hatte, wird damit nicht abgestritten. Abgesehen davon ist auch nicht ganz nachvollziehbar, warum die irrige Annahme der Unausführbarkeit der Tat automatisch Rückschlüsse auf den freien Willen des Täters zulassen soll. In der Regel wird der Täter davon ausgehen, die Tat ohnehin nicht mehr durchführen zu können, sodass mangels Rücktrittsvorsatzes ein fehlgeschlagener Versuch vorliegt. Umgekehrt könnte der Täter aber auch gerade eine „nüchterne Abwägung“ zwischen den für und gegen die Weiterführung der Tat sprechenden Umständen vornehmen. Im ersten Fall würde man gar nicht erst zur Frage der Freiwilligkeit gelangen, im Fall der Abwägung dürfte gerade der freie Wille des Täters gegeben sein. Damit ergibt sich, dass die Auslegung der Freiwilligkeit als die „richtige Erfassung der Ausführungsmöglichkeit“ die mögliche Bedeutung des Merkmals gegen den Wortlaut zulasten des Täters einschränkt. Das Modell Jägers und seine Kriterien, so interessant sie auch konzipiert sein mögen, sind im Hinblick auf die Wortbedeutung „freiwillig“ letztlich nicht überzeugend und zudem inhaltlich angreifbar. (5) Freiwilligkeit als Unabhängigkeit von situationsund konstitutionsgeprägten Zwängen (Amelung) Bei Betrachtung von Amelungs Konzeption zur ratio legis, der geltungsbestätigenden Gefährdungsumkehr752, lässt sich schon der herangezogenen Terminologie nach erahnen, dass es dem Autor nicht allein darum geht, für die Freiwilligkeit lediglich den Vorsatz hinsichtlich der Gefährdungsumkehr zu fordern. Wichtiges Element bei der Konkretisierung des Freiwilligkeitsbegriffs ist bei Amelung zunächst die Feststellung, dass dieser Begriff nicht deckungsgleich mit der Willensfreiheit innerhalb der Schulddogmatik und der Einwilligungslehre sein kann. Vielmehr legt der Autor dar, dass das jeweilige Verständnis von Freiheit bzw. Freiwilligkeit stets von dem zugrundeliegenden Kontext abhängig sei.753 Zur Erfassung dessen, was

750 BGHSt 36, 1 (11); Fischer, StGB, § 15 Rn. 3; Kühl, AT, § 5 Rn. 6; Lackner / Kühl, StGB, § 15 Rn. 3; Rudolphi, in: SK-StGB, § 15 Rn. 1; Stratenwerth / Kuhlen, AT I6, § 8 Rn. 61; Weber, in: Baumann / Weber / Mitsch, AT, § 20 Rn. 7. 751 Hierzu auch schon oben unter Kapitel 3 II. 4. d) cc) (3). 752 s. oben Kapitel 1 II. sowie Kapitel 3 II. 4. c) ee) (2). 753 Amelung, ZStW 120 (2008), S. 205 (220 f.).

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Kap. 3: Das Freiwilligkeitsmerkmal

unter Freiheit und ihren Grenzen zu verstehen sei, müsse die zu bewertende Situation unter zwei Aspekten analysiert werden: (1) „Wovon“ muss Freiheit bestehen, d. h. welches sind die Faktoren, welche die Freiheit ausschließen können? (2) „Wozu“ muss Freiheit bestehen, d. h. welche Fähigkeit der betreffenden Person muss durch diese Faktoren eingeschränkt bzw. aufgehoben sein?754 Die Schwierigkeit bei § 24 Abs. 1 Satz 1 StGB bestehe darin, dass die „Freiheit wozu“ – nämlich zur Aufgabe oder zur Vollendungsverhinderung –, nicht aber „wovon“ umschrieben sei.755 Aus diesem Vorverständnis heraus bemüht sich Amelung im Folgenden um die Herausarbeitung von Faktoren mit freiheitseinschränkender Wirkung.756 Zunächst unterscheidet er zwischen (rechtserheblichen) situations- und konstitutionsgeprägten Zwängen. Während Erstere in einer Lage entstehen, in der ein Gut geopfert werden müsse, um ein anderes – nach Amelung: Rechtsgut757 – vor Schaden zu bewahren, sollen konstitutionsgeprägt solche Zwänge sein, die der Eigenschaft einer Person entspringen. Beizupflichten ist der Feststellung, dass in der Moral eines Menschen begründete Hinderungsgründe nicht freiwilligkeitsausschließend seien.758 Unklar ist, weshalb moralische Zwänge innerhalb der situationsgeprägten Faktoren angesprochen werden; vielmehr dürften diese bei konstitutionsgeprägten Zwangsfaktoren einzuordnen sein: „Zwingt“ das eigene Gewissen eine Person zu einem Rücktrittsverhalten, so ist dies doch eher ihrer inneren Veranlagung 754 s. Amelung, a. a. O., S. 222 am Beispiel des § 35 StGB: Freiheit „wovon“ fragt nach den in § 35 StGB umschriebenen Situationen, die der Person die Freiheit nehmen. Die Freiheit „wozu“ ergibt sich aus der Umkehrung der Rechtsfolge: Bei unfreiem Handeln i. S. d. § 35 StGB sei einer Person die Fähigkeit, abzusprechen, sich anders verhalten zu können, als sie es getan hat. 755 Amelung, a. a. O., S. 222 f. 756 Amelung, a. a. O., S. 224 ff. Inwieweit die Herausarbeitung des Grundproblems, die Freiheit „wovon“ sei nicht definiert, tatsächlich einen Fortschritt bei der Vorgehensweise bedeutet, bleibt freilich fraglich. Denn letztlich bemühen sich alle Autoren um die Benennung eines Kriteriums, das alle die Freiwilligkeit ausschließenden Faktoren erfasst. Dies setzt voraus, dass man sich zunächst einen Überblick über die Situationen verschafft, bei denen freiwilliges Verhalten wohl auszuschließen ist. 757 Amelung, a. a. O., S. 226 f. 758 Amelung, a. a. O., S. 226 f.: Der Schutz eines „moralischen Gutes“, so etwa des guten Gewissens, sei nicht freiwilligkeitsausschließend, was der Autor mit der liberalen Rechtsvorstellung verbindet, innere Überzeugungen als für das Strafrecht irrelevant anzusehen. Bei näherer Betrachtung lässt sich dem beipflichtend hinzufügen, dass die eigenen Prinzipien und Moralvorstellungen sich selbst aus der Freiheit des Menschen ableiten, da er sich diese selbst setzt und sie daher seinem tiefsten Inneren entspringen. Einer Person muss daher auch die Freiheit zugesprochen werden, sich jederzeit von diesen Prinzipien zu lösen bzw. ihnen zuwider zu handeln. Schließlich lässt sich nicht behaupten, eine einmal gefasste Moralvorstellung sei nicht mehr – wiederum aus selbstgefasstem Entschluss – änderbar und der Mensch handle stets wie auf eine bestimmte Grundeinstellung hin „programmiert“.

II. Der Streit um die Freiwilligkeit im Sinne von § 24 StGB

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zuzuschreiben als der Vorstellung (um nicht zu sagen: Konstruktion), die betreffende Person wolle das Gut „gutes Gewissen“ in einer bestimmten Situation schützen. Des Weiteren müsse differenziert werden zwischen absolutem (= unwiderstehlichem, aber die Willensfreiheit nicht ausschließendem) Zwang, bei dem bereits kein Rücktrittsverhalten vorliegt, und relativem (= willensbeugendem) Zwang, der eine Person zur Erhaltung eines (Rechts-)Guts zu einem bestimmten Verhalten auffordere, das sie sonst nicht an den Tag gelegt hätte. Eine weitere Kategorie soll schließlich die des „individuell unüberwindbaren Zwangs“ sein. Hierunter werden jedoch – soweit ersichtlich – wohl Situationen zu fassen sein, bei denen ohnehin ein Fehlschlag anzunehmen ist, sodass diese Fallgruppe keiner weiteren Erörterung bedarf.759 Indem Amelung jeweils den Umfang der freiheitsausschließenden Wirkung der vorgenannten Zwangsarten beleuchtet, will er eine allgemeine Formel zur Erfassung der Freiwilligkeit im Sinne des § 24 StGB entwickeln. (a) Situationsgeprägte Zwänge Als situationsgeprägter Zwang, der die Freiwilligkeit ausschließen könne, komme zunächst die Bedrohung eines Individualrechtsguts in Betracht, um dessen Erhaltung Willen der Betroffene aus Eigennutz bemüht ist. Zur weiteren Konkretisierung der erfassten Rechtsgüter, bei deren Bedrohung von einer freiwilligkeitsausschließenden Lage auszugehen sei, wird auf die Schutzobjekte des Notwehrrechts nach § 32 StGB verwiesen.760 Rücktrittsrelevant sei darüber hinaus nur konkreter oder direkter Rechtsdurchsetzungszwang durch eine konkrete Einzelperson gegen eine konkrete Einzelperson, nicht aber bloßer gesetzlicher Androhungszwang.761 Da aber nicht nur Situationen denkbar seien, in denen sich der Versuchstäter einem Rechtsdurchsetzungszwang ausgesetzt sehe, sondern vielmehr einem sogar illegal ausgeübten oder einem aus der Natur stammenden Zwang, erweitert Amelung seine Anforderungen dahingehend, einen dem Rechtsdurchsetzungszwang „vergleichbaren Zwang“ zu fordern. Allein mit dem Begriff „vergleichbar“ führt er einen unbestimmten Begriff ein, sodass sich die Frage stellt, inwieweit die Definition weiterführend ist. Sinnvoll ist sicher eine Begrenzung der Rechtsgüter, die in rücktrittsrelevanter Weise bedroht werden können; der Maßstab des § 32 StGB mitsamt seiner einschlägigen Kasuistik bietet sich hier in der Tat an. Weitergehend sollte man aber 759 s. Amelung, a. a. O., S. 225 f., mit dem Beispiel eines Einbrechers, der – im Gegensatz zu einem mit Schweißgerät ausgestatteten Delinquenten – nicht in der Lage ist, ein Eisengitter zu überwinden. 760 Amelung, a. a. O., S. 226 ff., 232 f. 761 Amelung, a. a. O., S. 228 ff. Als Beispiel werden genannt Zwangsmaßnahmen der Polizei, aber auch die Ausübung des Festnahmerechts nach § 127 Abs. 1 S. 1 StPO sowie des Notwehrrechts nach § 32 StGB. Im Einzelfall wird genauer zu prüfen sein, ob nicht ohnehin schon ein Fehlschlag vorliegt, der einen wirksamen Rücktritt ausschließt.

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Kap. 3: Das Freiwilligkeitsmerkmal

die Frage anschließen, ob allein die Bedrohung von Rechtsgütern des Versuchsdelinquenten die Freiwilligkeit ausschließen können soll oder ob dies nicht vielmehr auch bei der Bedrohung von Rechtsgütern nahestehender Personen der Fall sein kann (wobei das Bestehen des Näheverhältnisses tatsächlich festzustellen wäre). Weniger überzeugen kann dagegen ein Abstellen auf eine Analogie zum Rechtsdurchsetzungszwang. Amelung benennt als Fallbeispiel eine Situation, in der Einbrecher E1, den nach ihm eintreffenden Einbrecher E2 unter Vorhaltung einer Pistole zum Verlassen des Geländes auffordert, um selbst die Straftat zu vollenden. Der Verfasser stellt darauf ab, dass hier zwar keine Rechtsdurchsetzung vorliege, dies aber der Fall gewesen wäre, wenn anstelle des E1 der Eigentümer gehandelt hätte. Eine derartige analoge Betrachtung ist indes (zumal umständlich) nicht erforderlich: Denn es war eines der von § 32 StGB erfassten Schutzgüter, das Leben des E2, konkret bedroht. Welchem Zwecke die Bedrohung diente, kann nicht maßgebend sein, denn – wie auch Amelung selbst zutreffend betont – nach § 24 StGB ist die Ursache für die Zwangslage irrelevant. Erst recht wirkt der Vergleich zwischen aus der Natur stammenden Zwängen und Rechtsdurchsetzungszwang befremdlich.762 In allen Fällen kann vielmehr allein die konkrete Bedrohung des Rechtsguts maßgeblich sein, nicht aber deren Herkunft. Die Festlegung, dass es nicht auf den bloßen Androhungszwang ankommen soll, wird hierdurch im Übrigen nicht berührt, denn ein bloßer Androhungszwang beinhaltet noch keine konkrete Bedrohung. (b) Konstitutionsgeprägte Zwänge Unter konstitutionsgeprägten Zwängen sollen solche körperlicher oder seelischer Art zu verstehen sein. Ihre Feststellung erfolge aber nicht unter direktem Rückgriff auf Entschuldigungs- und Schuldausschließungsgründe, da diese andere Zwecke verfolgten.763 Nimmt man dies ernst, so bleibt indes unklar, welche Intensität ein körperlicher bzw. seelischer Zwang erreichen muss, um die Freiwilligkeit auszuschließen. Würde man etwa § 20 StGB heranziehen764, so hätte man immerhin einen Maßstab festgelegt, sodass weitere Unsicherheiten vermieden würden. Amelung bestätigt in seinen Ausführungen das schon oben765 aufgezeigte Paradoxon: Hinsichtlich der Geltungsbestätigung könne es nicht ausreichen, dass der Versuchstäter durch unbeherrschbare Reaktionen seiner selbst an der Deliktsvollendung gehindert wird, aber im Grunde sind solche Reaktionen mit Blick auf den Opferschutz geradezu wünschenswert. Amelung will nun zwischen beiden Zielrichtungen abwägen und stellt das Prinzip der Geltungsbestätigung in den Vordergrund, da die-

762 Vgl. das Beispiel bei Amelung, a. a. O., S. 234, bei der er das schwerkraftbedingte Davonrollen eines Autos mit der Vollstreckung einer Einziehung des Fluchtfahrzeugs durch die Polizei vergleicht. 763 Amelung, a. a. O., S. 236. 764 Näher hierzu s. o. unter Kapitel 3 II. 4. d) cc) (3) (c). 765 s. Kapitel 3 II. 4. c) ee) (2).

II. Der Streit um die Freiwilligkeit im Sinne von § 24 StGB

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ses das Freiwilligkeitsmerkmal trage.766 Diese Betrachtungsweise ist immerhin transparent und konsequent. Fraglich bleibt aber weiterhin, was sich aus diesem Gedankengang für die Suche nach Auslegungskriterien des Freiwilligkeitsmerkmals entnehmen lässt. Der Autor zieht dazu unmittelbar den Zweck der Geltungsbestätigung heran: Freiwillig sei nur eine Rücktrittshandlung, die geeignet sei, „das Vertrauen in die Befolgung der mit dem Versuch verletzten Norm wieder zu stabilisieren.“767 Dies sei bei konstitutionsbedingten Reaktionen, die der Täter nicht beherrschen könne, gerade nicht der Fall. Zweifel erweckt – und insoweit ist wieder an das von Roxin benannte paradoxe Vorgehen anzuknüpfen –, dass unbeherrschbare Schock- oder Angstreaktionen, die bei einem Versuchstäter aufgrund der Realisierung der Konsequenzen seines Tuns auftreten, den Rücktritt ausschließen sollen. Denn hierin offenbart sich letztlich eine aus dem tiefsten Inneren des Täters hervortretende Normgeltungsbestätigung: Es zeigt sich, dass der Täter dem Grunde nach die Norm anerkennt. Insoweit schlägt sich die Ansicht Amelungs, dass das Freiwilligkeitserfordernis auf dem Prinzip der Geltungsbestätigung basiert, mit ihren eigenen Waffen. Es bleibt daher fragwürdig, ob und (wenn ja:) welche konstitutionsgeprägten Zwänge die Freiwilligkeit sollen ausschließen können. Will man ein geringeres Maß an körperlichem bzw. seelischem Zwang ausreichen lassen, um die Freiwilligkeit zu verneinen, so ist dies ebenfalls nicht befriedigend. Denn ein freies, abwägendes Entscheidungsverhalten des Täters zwischen weiterer Tatbegehung und seelischem Druck ist in diesem Fall noch wahrscheinlicher. Zwar wird der Täter bei seinem Entscheidungsprozess unter Umständen eine Art „inneres Hin-und-Her“ wahrnehmen. Es ist jedoch geradezu wünschenswert, dass der Täter sich aufgrund innerer Hemmungen, die sich auch durch körperliche Blockaden äußern können, gegen die Tatvollendung entscheidet. Dass der Täter diese Hemmungen verspürt, sollte aber nicht zur Annahme von Unfreiwilligkeit und somit zur Versagung der Strafbefreiung führen. Dies bestätigt auch ein Blick auf die Situation eines unbeendeten Versuchs, bei dem der Betreffende aktiv die Vollendung verhindert hat: Knüpft man an Amelungs Gesamtkonzeption und somit auch an den Aspekt der Geltungsbestätigung als Teil der ratio legis des Rücktrittsprivilegs an, so spricht insbesondere eine solche Situation dafür, dass der Täter in jeder Hinsicht in der Lage war, die Entscheidung für die Erhaltung des Rechtsguts zu treffen. Gegenteiliges wird man ihm schwerlich nachweisen können. Dies muss aber – wenngleich die objektive Indizwirkung weniger stark sein mag – auch für den unbeendeten Versuch gelten, will man nicht einen Täter, der seinen Versuch noch nicht so weit getrieben hat, benachteiligen. (c) Gesamtbetrachtung der Konzeption Zusammenfassend tritt Amelungs Meinung zufolge freiwillig zurück, „wer einen Versuch unabhängig von Rechtsdurchsetzungszwang und vergleichbaren Zwängen 766 767

Amelung, a. a. O., S. 235 f. Amelung, a. a. O., S. 236.

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sowie ohne bestimmende Wirkung einer unbeherrschbaren Reaktion körperlicher oder seelischer Art abbricht“. Hinsichtlich der Einhaltung der Wortlautgrenze bestehen keinerlei Bedenken. Die Vorgehensweise hebt sich von der sonst üblichen dadurch ab, dass stringent ermittelt werden soll, ob bestimmte und ihrer Anzahl nach überschaubare Zwangsfaktoren ersichtlich sind. Damit sei negativ die Frage zu stellen, ob bestimmte Motive nicht vorliegen.768 Wie oben bereits erwähnt, kann allerdings die Voraussetzung des Vorliegens von Rechtsdurchsetzungszwang nicht recht überzeugen, wohl aber das Abstellen auf eine konkrete Gefährdung eines Individualrechtsguts, an dessen Erhaltung der Täter Interesse hat – sei es zu seinen eigenen Gunsten oder zugunsten einer nahestehenden Person. Bedenken bestehen gegenüber der Maßgeblichkeit sogenannter konstitutionsgeprägter Zwänge. Zu begrüßen ist insgesamt, dass innerhalb der Gesamtkonzeption der persönlichen Einstellung des Täters zur Tat ein geringerer Stellenwert eingeräumt wird, was wiederum einen geringeren Eingriff in die Persönlichkeitssphäre bedeutet.

e) Zwischenergebnis zu den normativen Auslegungsansätzen Nach näherer Betrachtung einzelner normativer und sogenannter vermittelnder Ansätze hat sich gezeigt, dass eine wirklich überzeugende Lösung bislang noch nicht gefunden wurde. Eine Orientierung an der (vermeintlichen) ratio legis kann zwar einen Ausgangspunkt für die Suche nach einem sachgerechten und handhabbaren Auslegungskriterium für das Freiwilligkeitsmerkmal sein, allerdings führt eine derartige Vorgehensweise nicht selten zu zirkelschlüssigen und damit in der Sache nicht weiterführenden Argumentationen. Eine „ratio-geleitete“ Konzeption hat zudem häufig zur Folge, dass die Wortlautgrenze überschritten wird und dass – wenn auch vielleicht eher unbewusst – die Bewertung von Rücktrittsmotiven in den Vordergrund gerückt wird. Der Rücktrittstatbestand wird durch kriminalpolitische Erwägungen teilweise derart erheblich eingeschränkt, dass die jeweiligen Ansätze die Bildung einer täterbelastenden Analogie bedeuten und deshalb zu verwerfen sind. Nicht überzeugen kann auch die Heranziehung rechtstreuer und sich deliktisch verhaltender Vergleichspersonen, da die Maßstäbe zum einen oft an sich schon nicht brauchbar sind und darüber hinaus der Individualitätsbezogenheit der Freiwilligkeit nicht hinreichend Rechnung getragen wird. Konkretisierungsmaßstäbe mit Anknüpfungspunkten im Gesetz selbst sind zwar insbesondere vor dem Hintergrund der Einhaltung der Wortlautgrenze durchaus diskutabel, jedoch auch nicht vollumfänglich sachgerecht. Bedenken bestehen insbesondere hinsichtlich der Übertragung von Wertmaßstäben sowie hinsichtlich einer unmodifizierten Anwendung einer Norm auf einen ihrer eigentlichen Zielrichtung nicht entsprechenden Kontext769. Einzig die Heranziehung des § 240 StGB erscheint hier als

768

Amelung, a. a. O., S. 238.

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denkbare Auslegungshilfe, freilich mit der Maßgabe, nicht eine rein äußere Nötigungswirkung ausreichen zu lassen, sondern den Blick auf den konkreten Täter im Einzelfall zu richten. Auch hierbei ist jedoch zu bedenken, dass die Ergebnisse nicht ganz zweifelsfrei sind.770 Der zuletzt angeführte Vorschlag Amelungs hat gegenüber den bisherigen Lösungen für sich, dass er weniger konstruiert gestaltet ist und eine weniger ergebnisorientierte Beurteilung ermöglicht. Dennoch sieht sich auch der zwischen verschiedenen Zwangsfaktoren unterscheidende Ansatz Kritik ausgesetzt. Mit der Forderung nach „dem Rechtsdurchsetzungszwang vergleichbaren Zwängen“ ist er nicht hinreichend bestimmt, und zudem erscheint auch die Forderung nach einer Analogiebildung zum Rechtsdurchsetzungszwang eher konstruiert als dogmatisch überzeugend.

5. Ergebnis zum Streit um psychologisierende und normative Ansätze Mit der Einführung des Merkmals „freiwillig“ in den Rücktrittstatbestand sollte einst die Gesetzesauslegung erleichtert werden. Der Inhalt des Begriffes schien klar zu sein, was man u. a. mit dem Rückgriff auf die Frank’schen Formeln begründete.771 Im Verlaufe der bisherigen Abhandlung wurde jedoch aufgezeigt, dass das Hauptproblem aller Auslegungsansätze bezüglich des Merkmals „freiwillig“ im Wortlaut liegt. So ist man sich schon nicht darüber einig, ob es sich um einen psychologischen, philosophischen oder sonstwie normativen Begriff handelt. Geht man von der umgangssprachlichen Bedeutung dieses Wortes aus – „ungezwungen“, „von selbst“, „aus eigenem Antrieb“ (s. o.772) –, so trifft diesen am ehesten die psychologisierende Theorie der Rechtsprechung. Diese ist jedoch aufgrund der Beweisschwierigkeiten unpraktikabel und führt zu unsicheren Ergebnissen. Hierüber helfen auch die zur Konkretisierung herangezogenen Begriffe „autonomer“ und „heteronomer“ Motive nicht hinweg, da sie im Kern lediglich synonym für „freiwillig“ und „unfreiwillig“ verwendet werden. Insbesondere innerhalb der Rechtsprechungspraxis fließen aber bei Beurteilungen eines Täterverhaltens Überlegungen ein, welche ratio legis hinter § 24 StGB stecke. Hierbei wird schnell vergessen, dass die Freiwilligkeit nicht die einzige tatbestandliche Voraussetzung der Vorschrift mitsamt ihrer Rechtsfolge ist. Auf diese Weise, so Lilie / Albrecht, „kann auch der Mehrschichtigkeit des Rechtsgrundes der strafbefreienden Wirkung des Rücktritts […] nicht 769 Vgl. hierzu das Problem der unmodifizierten Anwendung des § 35 StGB bei der Frage nach dem Erfordernis eines rein formalen oder eines tatsächlichen Näheverhältnisses, s. Kapitel 3 II. 4. d) cc) (3) (a). 770 Vgl. oben unter Kapitel 3 II. 4. d) cc) (3) (b). 771 Zur Zeit der Geltung des § 46 StGB a. F. de lege ferenda Spohr, Rücktritt (1926), S. 51 ff. 772 s. Fn. 617, 618.

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Kap. 3: Das Freiwilligkeitsmerkmal

Rechnung getragen werden.“773 Dass ein Abstellen auf die ratio legis nicht zwingend zu sachgerechten Ergebnissen führt, wurde soeben gezeigt. Im Übrigen bewegen sich einige Ansätze, welche die Vermeidung kriminalpolitisch unerwünschter Ergebnisse zum Ziel haben, nicht mehr im Rahmen der Wortlautgrenze. Die Folge sind teleologische Reduktionen zulasten des Täters, die zum Teil nah an ein Gesinnungsstrafrecht heranreichen. Um es mit der Ironie Goethes zu sagen: Hier wird – vielfach ganz sicher „frisch und munter“ – oftmals mehr unterals ausgelegt.774 Insgesamt ist bei einer umfassenden Betrachtung aller Lösungsvorschläge das unbefriedigende Fazit zu ziehen, dass der Inhalt des Freiwilligkeitsbegriffs noch immer nicht hinreichend erfasst und definiert wurde. Amelung775 formuliert diese Feststellung treffend wie folgt: „[K]aum eine der […] Lehrmeinungen [gelangt] zu einer Definition des Freiwilligkeitsbegriffs […]. An ihre Stelle tritt die Formulierung von Leitlinien für ein mehr oder weniger freies Argumentieren mit Strafwürdigkeitsgesichtpunkten.“

III. Weitere Überlegungen zum Merkmal der Freiwilligkeit Es soll nunmehr nach all der angeführten Kritik eigenen Gedanken Raum gegeben werden. Im Verlaufe der vorangegangenen Untersuchung wurde festgestellt, dass beim Umgang mit den Tatbestandsmerkmalen der Tataufgabe und der Vollendungsverhinderung die ihnen immanente subjektive Komponente bislang oftmals vernachlässigt wird. Demgegenüber erlangte das Freiwilligkeitsmerkmal aufgrund seiner Unbestimmtheit enorm große Aufmerksamkeit, ohne dass ein einheitliches und allgemein anerkanntes Auslegungskriterium bislang entwickelt worden wäre. Insbesondere ist daher erörterungsbedürftig, welche Funktion die Freiwilligkeit innerhalb des Rücktrittstatbestandes einnehmen sollte. Hierzu ist zunächst erforderlich, den Sinn und Zweck einer Rücktrittsregel zumindest in der Tendenz festzulegen. Diesbezüglich ist daran zu erinnern, dass jede Norm so ausgestaltet sein sollte, dass jede Voraussetzung derart sinnvoll in den Gesamtkontext eingegliedert ist, dass sich aus einer Gesamtschau des Tatbestandes die ratio legis selbst wieder erkennen lässt. Weit formuliert soll bei einem wirksamen Rücktritt das Bedürfnis nach Bestrafung vermindert sein bzw. ganz entfallen – dies dürfte allen Ansichten zur ratio legis des § 24 StGB de lege lata gemein sein. Zunächst ist deshalb zu untersuchen, welche Funktion dem Freiwilligkeitsmerkmal innerhalb der Rücktrittsnorm ausgeLilie / Albrecht, in: LK-StGB12, § 24 Rn. 232. In Anlehnung an Johann Wolfgang von Goethe, Zahme Xenien II: „Im Auslegen seid frisch und munter! / Legt ihrs nicht aus, so legt was unter.“ 775 ZStW 120 (2008), S. 205 (213). 773 774

III. Weitere Überlegungen zum Merkmal der Freiwilligkeit

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hend von der Konzeption de lege lata zukommen kann. Das hieraus zu entnehmende Ergebnis ist an solchen Konstellationen zu überprüfen, in denen das Freiwilligkeitsmerkmal typischerweise besonders problematisiert wird.

1. Zur Funktion des Freiwilligkeitsmerkmals a) Freiwilligkeit und Aufgabe der Tat (§ 24 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 StGB) Um willkürliche Schlüsse zu vermeiden und sachgerechte Ergebnisse zu erreichen, ist es zweckmäßig, zunächst das „Aufgeben der Tat“ verbindlich zu definieren und damit seine Reichweite zu bestimmen. Wie bereits erörtert776, verlangt das Aufgeben der Tat subjektiv eine bewusste und ernsthafte Entscheidung des Täters, die bereits ins Versuchsstadium gelangte rechtswidrige Tat eines materiellen Straftatbestandes nicht mehr fortzuführen, das heißt zu unterlassen. Wichtig ist hierbei vor allem die Erkenntnis, dass von einer Entscheidung des Täters nur ausgegangen werden kann, wenn dieser sich auch tatsächlich zwischen mindestens zwei Alternativen entscheiden konnte – dies setzt ein Stück weit die Freiheit voraus, überhaupt seinen Willen äußern zu können. Anderenfalls, gleichsam im Fall der „Unfreiwilligkeit“, würde der betreffenden Person durch jemand anderen oder durch die Situation diese Entscheidung abgenommen. In diesem Fall hätte sie die Tat vielleicht objektiv im Sinne eines Nicht-Weiter-Handelns aufgegeben, jedoch würde es subjektiv an seiner eigenen (freien) Entscheidung mangeln.777 Folglich decken sich insoweit die Merkmale „freiwillig“ und „Aufgeben der Tat“. Nicht unerwähnt soll bleiben, dass diese Widersprüchlichkeit bereits im Wege der Auslegung von § 46 Nr. 1 StGB a. F. bestand: Niethammer schreibt in seiner Kommentierung, von einer Aufgabe der Tatausführung „kann dann nicht die Rede sein, wenn überlegene Gewalt, die ein anderer Mensch oder eine Naturkraft ausübt, den Täter nötigt, die beabsichtigte Handlung nicht auszuführen.“778 Übersetzt man hier „Nötigen“ mit „Zwingen“, wird wieder evident, dass einem Menschen, der sich gezwungen fühlt, nach wohl allen bisher für die Freiwilligkeit zugrunde gelegten Definitionen keine freie Willensentscheidung zuzusprechen sein kann. Darüber hinaus fehlt es in den hier angesprochenen Fällen der vis absoluta bereits am objektiven Rücktrittsverhalten. Somit fehlt es bei konsequenter Betrachtung in diesem Fall schon an der „Aufgabe“ der Tat und nicht erst an der Freiwilligkeit.

776 777 778

Vgl. Kapitel 2 I. 1. Es würde sich somit um einen Fehlschlag handeln. Niethammer, in: v. Olshausen, RStGB, § 46 B. 8. [Hervorhebung nicht im Original.]

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Kap. 3: Das Freiwilligkeitsmerkmal

b) Freiwilligkeit und Vollendungsverhinderung (§ 24 Abs. 1 Satz 1 Var. 2 und § 24 Abs. 2 Satz 1 StGB) Auch bei der Vollendungsverhinderung fragt sich, wie diese zur Freiwilligkeit abzugrenzen ist. Verlangt wird bei der Verhinderung der Deliktsvollendung wie auch bei der Tataufgabe, dass der Täter sich für die Erhaltung des Rechtsguts entscheidet. Sorgt ein Täter gegen seinen Willen, also unfreiwillig für die Erfolgsverhinderung, so hat er seinen ursprünglichen Tatentschluss nicht fallen lassen und sich nicht für die Rechtsgutserhaltung entschieden. Er hat keine auf Verhinderung des Erfolges abzielenden Maßnahmen entfaltet. Bei dogmatisch strenger und konsequenter Prüfung der Vollendungsverhinderung scheitert der Rücktritt bereits an dieser Stelle. Die voluntative Komponente des ursprünglichen Tatvorsatzes entfällt gerade nicht in Fällen, in denen der Täter zwar Verhinderungsmaßnahmen einleitet, aber dennoch (insgeheim) den Erfolgseintritt wünscht. Auch in den beiden Varianten der Vollendungsverhinderung ist das Merkmal „freiwillig“ letztlich enthalten, da der Täter so frei sein muss, überhaupt eine Entscheidung treffen zu können. Erneut bestätigt ein Blick zurück auf § 46 Nr. 2 StGB a. F. das vorgenannte Ergebnis. Dort wurde in der Konstellation des beendeten Versuchs eine „eigene Tätigkeit“ des Täters verlangt. Darunter wurde bereits die Freiwilligkeit subsumiert: „Eine durch die Umstände dem Täter aufgezwungene Tätigkeit ist keine ‚eigene‘; Freiwilligkeit ist also auch hier erforderlich.“779 Das Kriterium der Freiwilligkeit sollte also schon im Tatbestand enthalten sein und nicht etwa zusätzlich hinzugedacht werden. Vergleicht man dies mit dem derzeitigen Verhindern der Vollendung nach § 24 StGB, so wird auch hier eine eigene aktive Tätigkeit des Täters verlangt. Überträgt man die Interpretation zu § 46 Nr. 2 StGB a. F. hierauf, erkennt man, dass das Merkmal des Verhinderns und das der Freiwilligkeit in weiten Teilen deckungsgleich sein müssen. Es bestehen deshalb Bedenken dahingehend, ob eine Einschränkung des Rücktritts durch die Voraussetzung „freiwillig“ noch einen eigenständigen Anwendungsbereich hat.

c) Freiwilligkeit und ernsthaftes Bemühen um die Vollendungsverhinderung (§ 24 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2 StGB) Übrig bleiben die letzten Varianten des Rücktrittsparagraphen, die Fälle der Nichtvollendung ohne Zutun des Täters, bzw. im Fall der Tatbegehung durch Mehrere unabhängig von seinem früheren Tatbeitrag. Hier muss dasselbe gelten wie gerade zuvor erörtert: Elemente freiwilligen Verhaltens sind bereits in dem Erfordernis der Vollendungsverhinderung (das ist doch nicht das objektive Rücktrittsverhalten) enthalten. Auf subjektiver Ebene werden hier sogar noch höhere Anforderungen an das Täterverhalten gestellt, indem ein „ernsthaftes Bemühen“ verlangt wird. Der Tä779

So schon 1922 Meyer / Allfeld, Lehrbuch, S. 200; s. auch H. Mayer, Strafrecht, S. 297.

III. Weitere Überlegungen zum Merkmal der Freiwilligkeit

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ter muss gerade von seiner Intention der Erfolgsabwendung bestimmt sein,780 was bedeutet, dass ein Tätigwerden „nur zum Schein“ nicht ausreicht781 und der Täter alle ihm bekannten möglichen und erforderlichen Maßnahmen zielgerichtet zur Verhinderung des Erfolgseintritts einleiten muss.782 Notwendigerweise muss der potentiell Zurücktretende hierzu eine – und auch hier: freie und ihm mögliche – Entscheidung zum Tätigwerden getroffen haben. d) Zwischenergebnis Mit der gerade durchgeführten Betrachtung zeigt sich, dass ein ganz wesentlicher Aspekt des Merkmals „freiwillig“ bereits in den übrigen Tatbestandsmerkmalen enthalten ist: die Möglichkeit, eine Entscheidung für oder gegen die Rechtsgutserhaltung treffen zu können, und somit mit Rücktrittsvorsatz zu handeln. Soweit in Bezug auf die Freiwilligkeit vorgebracht wird, in diesem Tatbestandsmerkmal sei das einzig subjektive Element der Rücktrittsanforderungen zu sehen, ist dem entschieden entgegenzutreten. Im Folgenden werden nun die Fallgruppen näher zu untersuchen sein, die im Rahmen der Freiwilligkeit für einen Rücktrittsausschluss sprechen sollen. Es wird sich zeigen, ob dieses problematische Merkmal überhaupt erforderlich ist und welche Fälle hiervon erfasst sein können.

2. Problematische Fallgruppen a) Wegfall des Handlungssinns, insbesondere Rücktritt vom bedingt vorsätzlichen Versuch Umstritten ist bisweilen die rechtliche Einordnung von Fällen der Sinnlosigkeit des Weiterhandelns. Zu nennen sind hierbei drei Konstellationen, die getrennt voneinander zu beurteilen sind. aa) Das Handlungsziel ist nicht mehr erreichbar Erstens sind Situationen denkbar, bei denen die Tatvollendung für den Täter sinnlos wird, weil er sein Handlungsziel nicht mehr erreichen kann. Beispiel hierfür ist die Verwechslung des als Diebesgut anvisierten Gegenstandes783 oder einer zu töLilie / Albrecht, in: LK-StGB12, § 24 Rn. 222. BGHSt 48, 147 (149 f.); Lilie / Albrecht, in: LK-StGB12, § 24 Rn. 234. 782 BGH MDR (H) 1980, 453; Fischer, StGB, § 24 Rn. 36. 783 So beispielsweise im berühmten Holzkugelfall RGSt 39, 37, in dem der Täter einen Gummiball stehlen wollte und das Tatobjekt nicht an sich nahm, weil er feststellen musste, dass es sich lediglich um eine Holzkugel handelte. Ähnlich gelagert war auch der Fall aus RGSt 45, 6, in dem die Täter von der Vollendung des Delikts abgesehen hatten, weil das anvisierte Diebesgut beim Diebstahlsversuch kaputt gegangen war. 780 781

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tenden Person, aber auch der Fall, dass der Täter aufgrund des geringen Werts seiner Beute von dem Diebstahl Abstand nimmt.784 Manche Autoren ordnen die Problematik bei der Frage nach dem Fehlschlag des Versuchs ein785, andere wiederum schließen in diesen Fällen die Freiwilligkeit aus786. Dies alles ist aber wiederum angreifbar, denn an einem Fehlschlag mangelt es schon deshalb, weil der Täter sich nicht gehindert sieht, den Erfolg des ins Auge gefassten Delikts dennoch herbeizuführen. Vielmehr kann er aus seiner Sicht lediglich das Ziel, dessen Erreichung seine Motivationsgrundlage war787, nicht mehr erreichen, sodass er das Tatinteresse verliert. Dies kann aber rechtlich nicht von Bedeutung sein; es muss allein die Möglichkeit einer Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes an sich (aus der Täterperspektive) maßgebend sein.788 bb) Außertatbestandliche Zielerreichung I Daneben gibt es Konstellationen, in denen der Täter sein außertatbestandliches Ziel bereits erreicht hat, etwa weil der Geldbote, auf den mit Tötungsvorsatz geschossen wurde, um die Geldbombe zu bekommen, diese bereits hat fallen lassen und unverletzt entkommen kann.789 In derartig gelagerten Fällen ist ein außertatbestandliches Handlungsziel vorzeitig eingetreten, sodass teilweise erwogen wird, einen Fehlschlag des Versuchs anzunehmen790; nach anderer Auffassung soll der Rücktritt mangels Freiwilligkeit abzulehnen sein791. Richtigerweise kann aber allein von Relevanz sein, ob der Täter von der Tat nach § 24 StGB, d. h. von der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes abgesehen hat. Das Erreichen außertatbestandlicher Ziele hindert einen Rücktritt grundsätzlich nicht.792 Eine Einordnung der 784 RGSt 70, 1; Brockhaus, in: AnwKomm, StGB, § 24 Rn. 18; Eser, in: Schönke / Schröder, StGB, § 24 Rn. 11; Kühl, AT, § 16 Rn. 15; Lilie / Albrecht, in: LK-StGB12, § 24 Rn. 134. 785 Fischer, StGB, § 24 Rn. 8; Herzberg / Hoffmann-Holland, in: MüKo-StGB2, § 24 Rn. 67; Hruschka, JZ 1969, 495 (497); Zaczyk, in: NK-StGB, § 24 Rn. 25 f.; s. auch Roxin, JR 1986, 425 (426). Vgl. auch jüngst Mylonopoulos, in: FS I. Roxin (2012), S. 165 (167 ff.). 786 BGHSt 4, 56 (59); 13, 156 (157); Jäger, Gefährdungsumkehr (1996), S. 109 ff., 113 f.; Mitsch, in: Baumann / Weber / Mitsch, AT, § 27 Rn. 17; a. A.: Fahrenhorst, Rücktritt (1928), S. 43. 787 Differenzierend zur Bildung der Motivation Krauthammer, Rücktritt (1932), S. 41 f., der Unfreiwilligkeit als „Ohnmacht des Willens gegenüber dem sich der Ausführung entgegenstellenden Motiv“ definiert. 788 Feltes, GA 1992, 395 (413). 789 Fischer, StGB, § 24 Rn. 9 mit weiteren Beispielen. 790 Freund, NStZ 2004, 326 (327); Kühl, AT, § 16 Rn. 40 f. sowie Lackner / Kühl, StGB, § 24 Rn. 12. 791 Jäger, ZStW 112 (2000), S. 783 (805 ff.) m. w. N.; differenzierend Streng, NStZ 1993, 257 (259). 792 Vgl. nur BGHSt (GrS) 39, 221, 231 f.; BGH NStZ-RR, 1996, 195 (196); NStZ-RR 1998, 134 (135); Fischer, StGB, § 24 Rn. 9; Hauf, MDR 1993, 929 ff.; Kindhäuser, AT, § 32 Rn. 18; Lilie / Albrecht, in: LK-StGB12, § 24 Rn. 259; Pahlke, GA 1995, 72 ff.; kritisch zur

III. Weitere Überlegungen zum Merkmal der Freiwilligkeit

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Problematik im Rahmen der Freiwilligkeit ist im Übrigen verfehlt, denn wie sonst könnte eine Person ihre Entscheidungsfähigkeit und somit ihren freien Willen eindrucksvoller äußern als durch die Anpassung des eigenen Verhaltens an die veränderte Situation. cc) Außertatbestandliche Zielerreichung II Problematischer erscheinen daneben Fälle, die einen mit Eventualvorsatz begangenen Versuch aufweisen und an der Grenze zu einem tatsächlichen Fehlschlag liegen. Exemplarisch zu nennen sei hier folgender Fall793: T will einer Polizeikontrolle entgehen und fährt hierzu mit bedingtem Tötungsvorsatz auf den ihm im Wege stehenden Polizisten P zu, der gerade noch beiseite springen kann. T hat hier sein Ziel bereits erreicht, indem er sich der Kontrolle entzogen hat, und es kam ihm nicht primär auf die Tötung des P an. Es lässt sich also feststellen, dass ein Weiterhandeln, d. h. ein Umkehren und erneutes Zufahren auf den P, für den T sinnlos wäre. Im Schrifttum wird geltend gemacht, derartige Konstellationen ähnelten dem Fehlschlag wegen Sinnlosigkeit794; andere Stimmen gehen von unfreiwilligem Rücktritt aus795. Die Tendenz zur Versagung des Rücktritts ist wohl darauf zurückzuführen, dass man in der außertatbestandlichen Zielerreichung und dem daraufhin entfallenen Motiv für die Tat keine Rücktrittsleistung und keine Rückkehr auf den Boden des Rechts mehr anerkennen will.796 Einen Fehlschlag anzunehmen ist indes nicht unproblematisch. So lässt sich argumentieren, der T hätte hier – auch aus seiner Sicht – in unmittelbarem zeitlichen und räumlichen Zusammenhang nach dem Vorbeifahren an P bremsen, wenden und diesen erneut attackieren können. Insoweit kann an die Gesamtbetrachtungslehre797 angeknüpft werden, die für die Frage, ob überhaupt noch ein Rücktritt in Betracht kommen kann, das Gesamtgeschehen in den Blick nimmt. Anders muss man dies sehen, wenn man der Einzelaktstheorie folgt oder aber ein Brems- und Wendemanöver als Zäsur ansehen würde, die ein Aufgeben der Tat ausschließen würde. Be-

Rechtsprechung des BGH Bauer, NJW 1993, 2590 ff.; Roxin, JZ 1993, 896. Zum Ganzen im Überblick Bott, Jura 2008, 753 ff.; s. auch Pahlke, Rücktritt (1993), S. 37 ff. 793 Übernommen von Roxin, JR 1986, 424 (426). 794 Roxin, a. a. O.; s. auch Seier, JuS 1989, 102 ff. 795 Jäger, Gefährdungsumkehr (1996), S. 77 ff., 109 ff.; Streng, JZ 1990, 212 (215). Vgl. auch Bauer, wistra 1992, 201 (204 ff.), der Berührungspunkte des sinnlosen Versuchs mit den Maßstäben der Verbrechervernunft nach dem Ansatz Roxins feststellt. Vgl. die Nachweise oben zur Unfreiwilligkeit wegen Sinnlosigkeit des Weiterhandelns unter Kapitel 3 III. 2. a) (Fn. 791). 796 Vgl. Roxin, a. a. O.; Puppe, NStZ 1986, 14 (17). 797 Hierzu schon in Kapitel 2 I. 3.

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Kap. 3: Das Freiwilligkeitsmerkmal

denklich erscheint, dass man bei Annahme eines fehlgeschlagenen Versuchs einem mit dolus eventualis handelnden Spontantäter die Rücktrittsmöglichkeit unmittelbar nach Vornahme der ersten Ausführungshandlung abschneiden würde – und somit zeitlich früher als einem mit direktem Vorsatz handelnden Täter, der sich etwa noch weitere Handlungsmethoden zur Erfolgsherbeiführung einfallen lässt.798 Faktisch wäre in solchen Fällen ein Rücktritt vom unbeendeten Versuch nicht möglich, sondern nur ein Rücktritt vom beendeten Versuch, wenn der Täter den Polizisten tatsächlich (und aus seiner Sicht) lebensgefährlich verletzt und sodann die Vollendung etwa durch Herbeirufen eines Arztes verhindert. Andererseits vermag man einen Täter, der mit Eventualvorsatz ein Rechtsgut angegriffen hat, um ein außertatbestandliches Ziel erreichen zu können, nicht schlichtweg deshalb aus der Haftung entlassen, weil er das Gut glücklicherweise doch nicht verletzt hat und nunmehr aufgrund der Zielerreichung mit den Angriffen nicht fortfährt. Beleuchtet man den Tatentschluss des Täters näher, so wird der Unterschied deutlich zwischen dem Täter, der auf die Tötung seines Opfers abzielt, und dem, der lediglich mit bedingtem Vorsatz den Tod des Opfers riskiert: In dem oben genannten Polizeisperren-Fall ist für den mit bedingtem Tötungsvorsatz handelnden Täter aus seiner Sicht die Tat vollzogen, wenn er sich über das Hindernis hinweggesetzt hat und weiterfahren kann. In dem Moment, in dem der Täter wenden und wieder auf den Polizisten zufahren würde, um diesen zu töten, wäre dies ein Tatentschluss, der auf direktem Vorsatz in Form von Absicht basiert. Festzustellen ist, dass eine wesentliche Steigerung des Tatvorsatzes vorläge, die für sich genommen als Zäsur im Geschehen ausreichen kann.799 Der Täter im vorliegenden Fall kann also keinen Tatentschluss mehr aufgeben, da dieser „verbraucht“ ist. Er kann es lediglich unterlassen, einen neuen Tatentschluss zur Tötung des Polizisten zu fassen. Einzuordnen ist die Problematik nach alldem also in der Tat bei der Frage des Aufgebens der Tat in subjektiver Hinsicht – kurzum: im Rahmen des Rücktrittsvorsatzes. Es gibt hier nichts mehr, was der Täter subjektiv aufgeben könnte.800 Es scheint, als bliebe nach alldem der oben angedeutete Wertungsunterschied zwischen den beiden „Tätertypen“ (Absichts- und Eventualvorsatz-Täter) bestehen. Dass dieser in Wirklichkeit nicht existiert, zeigt sich insbesondere dann, wenn man sich an den heute vornehmlich diskutierten Ansätzen zur ratio legis einer Rücktrittsnorm, namentlich der Strafzwecktheorie, orientiert: Die gesetzliche Strafandrohung 798 s. etwa die Entscheidung des 2. Senats in BGH NJW 1990, 522. Zu diesen Bedenken auch Kindhäuser, AT, § 32 Rn. 18; Lackner / Kühl, StGB, § 24 Rn. 12 m. w. N. Ähnlich kritisch auch Jäger, Gefährdungsumkehr (1996), S. 120. Nicht nachvollziehbar ist allerdings seine Wertung im Weiteren; hierzu sogleich. 799 s. auch Streng, JZ 1990, 212 (217), der von einer „Umorientierung in der Angriffsrichtung“ spricht. 800 s. auch Roxin, JZ 1993, 896: „… [E]inen Vorsatz kann man nicht aufgeben, wenn man ihn nicht mehr hat.“; im Ergebnis ähnlich Herzberg, NJW 1986, 2466 (2467); Puppe, NStZ 1986, 14 (17); dies., JZ 1993, 361 (362 f.); Ranft, Jura 1987, 527 (533); M. Walter, Rücktritt (1980), S. 107 ff.; vgl. auch Kühl, AT, § 16 Rn. 38; zum Ganzen auch Wege, Rücktritt und Normgeltung, S. 110 ff.

III. Weitere Überlegungen zum Merkmal der Freiwilligkeit

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richtet sich konkret gegen denjenigen, der zielgerichtet zur Erfolgsherbeiführung tätig wird. Dieser kann durch die Androhung von Strafe einerseits und die gleichzeitige Eröffnung der Rücktrittsmöglichkeit andererseits noch dazu motiviert werden, die Tat doch aufzugeben und das angegriffene Rechtsgut zu erhalten. Dies dient letztlich dem Opferschutz, und auch die Strafzwecke an sich, stellt man auf den Vergeltungsgedanken sowie auf General- und Spezialprävention ab, greifen gänzlich erst ein, wenn der Täter die Tat nicht aufgegeben oder deren Vollendung verhindert hat. Bei einem mit dolus eventualis tätig Gewordenen, dem es auf die Erreichung eines außertatbestandlichen Ziels ankam, verhält es sich aber wie folgt: Sobald er das anvisierte Ziel erreicht hat, kann er nicht mehr durch gesetzliche Strafandrohung bzw. deren Entfallen durch einen Rücktritt zur Aufgabe der konkreten Tat motiviert werden. Sie kann dann nur noch dahingehend auf den Täter einwirken, keinen neuen (direkten) Tatentschluss mehr zulasten des Rechtsguts zu entwickeln. Dass der zeitliche Rahmen für diesen Täter dann enger gesteckt sein mag, ändert an dieser Betrachtung nichts und führt auch nicht zu einer Schlechterbehandlung. Vielmehr erfüllen die Strafzwecke insbesondere general- und spezialpräventiv dahingehend ihren Sinn, dass die Geltung der Verbotsnorm bestätigt und dem Täter wie auch der Allgemeinheit das Verbot verdeutlicht wird, nicht zur außertatbestandlichen Zielerreichung Rechtsgüter anderer zu gefährden. Auch wer auf die (geltungsbestätigende801 bzw. zurechenbare802) Gefährdungsumkehr abstellt, gelangt zu diesem Ergebnis: Der bedingt vorsätzlich Handelnde hat eine Gefahr geschaffen, die er nicht mehr umkehren kann, da sie aus seiner Sicht nach Abschluss der Handlung und glücklichem Ausgang nicht mehr besteht. Er kann es nur unterlassen, eine Gefahr für das Rechtsgut erneut hervorzurufen. Dem gerade Ausgeführten stehen auch die sogenannten „Denkzettel-Fälle“ nicht entgegen. Beispielhaft zu nennen ist folgender Fall, der auch dem BGH803 vorlag: T will seinem Opfer einen Denkzettel erteilen und sticht ihm mit einem Messer in den Bauch. Hierbei handelt er mit bedingtem Tötungsvorsatz. Nach dem Stich zieht er das Messer aus dem Körper des Verletzten heraus und verlässt den Raum. Dieser Fall ähnelt dem vorangegangenen dahingehend, als dass T sein primäres Handlungsziel – das Erteilen des Denkzettels – erreicht hat. Der Große Senat ging davon aus, es komme nicht auf die außertatbestandsmäßigen Beweggründe, Absichten oder Ziele an, sodass ein Rücktritt grundsätzlich möglich bleibe. Zu kriminalpolitisch unerträglichen Ergebnissen führe dies nicht, da in der Regel in Fällen konkreter Gefährdung des Opfers oftmals beendete Versuche vorlägen, bei denen ein bloßes Aufgeben der Tat ohnehin nicht ausreiche.804 Argumentiert wird unter anderem

801 802 803 804

Amelung, ZStW 120 (2008), S. 205 (220). Jäger, Gefährdungsumkehr (1996), S. 93 ff. BGHSt (GrS) 39, 221. BGHSt (GrS) 39, 221 (231).

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Kap. 3: Das Freiwilligkeitsmerkmal

auch mit dem Aspekt des Opferschutzes: Es könne sinnvoll sein, dem Täter den Rücktritt in Aussicht zu stellen, damit dieser nicht etwa zur Sicherung seines Handlungsziels die Tat doch weiterverfolge.805 Dies überzeugt jedoch in der Sache nicht, denn in einem Fall, in dem der Täter sich beispielsweise entscheidet, sein Opfer doch zu töten, handelt er nunmehr mit Absicht und nicht mehr wie zuvor mit „bloßem“ Eventualvorsatz. Diese qualitative Änderung führt zum Vorliegen einer neuen Tat.806 In dem hier genannten Denkzettel-Fall wird man überdies annehmen dürfen, dass ein bloßes Aufgeben nicht ausreichen konnte. Selbst wenn der Täter sich keine Gedanken hinsichtlich des Erfolgseintritts macht, so ist ein Rücktritt schon mangels entsprechenden Rücktrittsvorsatzes zu verneinen.807 Jäger808 macht im Rahmen seiner Konzeption deutlich, dass man je nach Fallgestaltung809 oftmals sogar schon an der objektiven Tataufgabe Zweifel haben kann, da schon objektiv kein gefährdungsumkehrendes Verhalten erkennbar sei.810 Im Übrigen811 sei der Sinnwegfall dem Kriterium der Freiwilligkeit zuzuordnen. Weshalb die Freiwilligkeit allerdings zu verneinen sein soll, wenn der Täter nach weiterer Überlegung dazu kommt, dass ein Weiterhandeln für ihn keinen Sinn mehr macht bzw. er an der Erfolgsherbeiführung kein Interesse mehr hat, ist nicht nachvollziehbar. Denn gerade hierin kommt zum Ausdruck, dass der Täter sich frei entscheiden 805 Bott, Jura 2008, 753 (755): „Ist bereits mit dem ersten Schritt des Denkzettelhandelns die Tür zurück ins Recht zugeschlagen, spitzt sich die Situation für das Opfer dramatisch zu.“ S. auch Herzberg / Hoffmann-Holland, in: MüKo-StGB2, § 24 Rn. 86; vgl. hierzu auch Streng, JZ 1990, 212 (216). 806 Ähnlich Puppe, AT2, § 21 Rn. 11, die für Denkzettel-Fälle feststellt, dass der Täter, „um weiter tatbestandsmäßig zu handeln, einen neuen Tatentschluß aus einem neuen Motiv heraus fassen“ müsste. Für eine mittäterschaftliche Begehung, bei der die Beteiligten mit Eventualvorsatz handelten s. BGH NStZ 2010, 690. Der BGH nahm das Vorliegen eines Fehlschlags an, nachdem zwei von vier Mittätern Hilfsmaßnahmen zugunsten des Opfers vornahmen. Begründet wurde dies mit dem Verweis darauf, dass für die Weiterverfolgung der Tötung des Opfers ein ganz neuer Tatentschluss hätte gefasst werden müssen (a. a. O., 691). An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass der neue Tatentschluss nicht nur veränderte Tatumstände wie den Wegfall zweier Tatbeteiligter beinhaltet hätte, sondern dass sich auch die Vorsatzart – vom dolus eventualis zum dolus directus 1. Grades – und damit die Qualität des Entschlusses selbst wesentlich geändert hätte. 807 Hierzu schon oben unter Kapitel 2 I. 1. e). 808 Gefährdungsumkehr (1996), S. 116 f. 809 Als Beispiel dient Jäger der Fall, dass ein Autofahrer sich trotz der deutlichen Gefahr, ein fremdes Fahrzeug zu beschädigen, in eine Parklücke zwängt, was ihm auch gelingt, ohne dass etwas passiert. 810 Jäger folgt freilich einer Konzeption, die – anders als hier – in dem Merkmal der Tataufgabe ein rein objektives Merkmal sieht. Für den Denkzettelfall allerdings sind in der Tat Zweifel an einem objektiv ausreichenden Rücktrittsverhalten anzumelden. So ist dem BGH dahingehend zuzustimmen, dass für diesen Fall – hierzu bedarf es freilich der Feststellung – der Täter schon davon ausgegangen sein wird, dass er das Opfer bereits lebensgefährlich verletzt hat. In diesem Fall wären für einen wirksamen Rücktritt Verhinderungsmaßnahmen zu fordern gewesen. 811 Etwa in den Denkzettelfällen, vgl. Jäger, Gefährdungsumkehr (1996), S. 118 ff.

III. Weitere Überlegungen zum Merkmal der Freiwilligkeit

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kann, ob er die Tat dennoch vollenden möchte oder aber nicht. Weshalb er sich dagegen entscheidet, muss irrelevant bleiben; maßgebend kann allein Entscheidung gegen die Herbeiführung des tatbestandlichen Erfolges sein. Bedenkenswert hingegen erscheint der Einwand Jägers, dass ein solcher Täter, der zunächst mit bedingtem Vorsatz vorgeht und dessen Tatentschluss sich dann aber, weil er – wie Jäger formuliert: – „Blut geleckt“ hat, in Absicht umwandelt, schlechter gestellt wird.812 Diesbezüglich wird auf den oben benannten Wertungsunterschied angespielt und geltend gemacht, dass dann konsequenterweise ein eigenständiger Versuch mit dolus eventualis angenommen werden müsste und zusätzlich ein weiterer Versuch mit Tatentschluss in Form von Absicht. Ein solcher Täter steht jedoch nicht schlechter als jemand, der von Anfang an mit Absicht vorgegangen ist. Die qualitative Änderung des Tatentschlusses reicht für sich genommen aus, um eine solche Wertung zu rechtfertigen: Der mit dolus eventualis tätig Gewordene, der sein außertatbestandliches Ziel erreicht hat, könnte durch die Rücktrittsmöglichkeit allein nicht mehr motiviert werden, den Erfolg doch nicht herbeizuführen, da er von sich aus kein Interesse mehr daran hat.813 Er kann aber gleichwohl über die – insoweit erneute – Strafandrohung dazu angehalten werden, nicht nochmals in Richtung der Rechtsgutsverletzung tätig zu werden. Wird er dennoch erneut und diesmal mit Absicht tätig, so kann wiederum die Ermöglichung eines Rücktritts ihn davon abbringen, das Delikt tatsächlich zu vollenden. Auch in strafzumessungsrechtlicher Hinsicht ist der Täter nicht schlechter gestellt: Geht man von einem bedingt vorsätzlichen und von einem nachfolgenden Absichtsversuch aus, so ist der erstgenannte Versuch als mitbestrafte Vortat zu werten. Der Unrechtsgehalt des vorangegangenen Versuchs wird durch die Bestrafung des zweiten mit abgegolten. Hierfür sprechen mehrere Aspekte: Die diskutierte Konstellation ist Durchgangsdelikten, bei denen das auf eine bestimmte Rechtsgutsverletzung gerichtete Gesamtgeschehen verschiedene Stufen durchläuft814, sehr ähnlich: Der Versuch mit Eventualvorsatz ist Vorstufe des mit Absicht durchgeführten Versuchs der Verletzung desselben Rechtsguts.815 Zudem kann man auch den Gedanken übertragen, dass Gefährdungsdelikte gegenüber dem späteren Verletzungsdelikt ebenfalls als mitbestrafte Vortat gelten, 812 Jäger, a. a. O., S. 121; s. auch Herzberg / Hoffmann-Holland, in: MüKo-StGB2, § 24 Rn. 86. 813 A. A. wohl Pahlke, Rücktritt (1993), S. 171. 814 Zur konkurrenzrechtlichen Bedeutung v. Heintschel-Heinegg, in: MüKo-StGB2, Vor §§ 52 ff. Rn. 59; Rissing-van Saan, in: LK-StGB12, Vor § 52, Rn. 150. 815 Dieser Umstand wird auch durch die Dogmatik zur Verdeckungsabsicht nach § 211 StGB bestätigt. Hiernach handelt derjenige, der das zuvor mit bedingtem Tötungsvorsatz angegriffene Opfer schließlich tötet, um es mundtot zu machen, nicht mit Verdeckungsabsicht; in der zuvor begangenen bedingt vorsätzlich unternommenen Tat liegt (jedenfalls soweit keine deutliche Zäsur zwischen den Tötungshandlungen besteht) keine „andere“ Straftat, s. BGH NJW 1990, 2758; StV 2001, 553; Eser, in: Schönke / Schröder, StGB, § 211 Rn. 32a f.

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Kap. 3: Das Freiwilligkeitsmerkmal

wenn die Gefährdung sich als bloße Vorstufe derselben Rechtsgutsverletzung darstellt.816 Denn die Handlung des bedingt vorsätzlichen Versuchs ist in den Augen des Täters, der nicht auf die Verletzung des Rechtsguts abzielt, zunächst „nur“ eine bewusste Gefährdung des Rechtsguts, während sie bei geändertem Tatentschluss auf dessen tatsächliche Verletzung abzielt. Hervorgehoben sei an dieser Stelle, dass die hier vertretene Ansicht nicht für die Einzelaktstheorie und gegen die Gesamtbetrachtungslehre spricht. Vielmehr ist entgegen der Einzelaktstheorie, die auf eine ex ante-Perspektive abstellt, für die Frage nach der Abstandnahme von der Tat der Rücktrittshorizont nach Ausführung der letzten Handlung in Richtung auf die Rechtsgutsverletzung maßgeblich. In den erörterten Fallgestaltungen wäre überdies auch nicht zwingend von einer Handlungseinheit im Rahmen der Gesamtbetrachtungslehre auszugehen. Der BGH führt zum Vorliegen einer natürlichen Handlungseinheit aus, dass eine solche „und damit eine Tat im materiellrechtlichen Sinne […] bei einer Mehrheit gleichartiger strafrechtlich erheblicher Verhaltensweisen […] nur dann vor[liegt], wenn die einzelnen Betätigungsakte durch ein gemeinsames subjektives Element verbunden sind und zwischen ihnen ein derart unmittelbarer räumlicher und zeitlicher Zusammenhang besteht, dass das gesamte Handeln des Täters objektiv auch für einen Dritten als ein einheitliches zusammengehöriges Tun erscheint […]. Auch für die Beurteilung einzelner Versuchshandlungen als eine natürliche Handlungseinheit ist eine solche Gesamtbetrachtung vorzunehmen […].“817 Der Tatentschluss in den oben genannten Fällen kann als ein „Bindeglied“ angesehen werden; jedoch findet eine wesentliche Änderung statt, wenn sich die Vorsatzart ändert. Dies führt zu einer Zäsur, aufgrund derer von einem neuen, dem ursprünglichen Entschluss folgenden Tatentschluss auszugehen ist.818 Freilich ist dies bei den Polizeisperren-Fällen nach außen hin besser erkennbar als in den Denkzettel-Fällen, in denen der räumlich-zeitliche Rahmen noch enger gesteckt ist. Man kommt jedoch insbesondere in der Versuchs- und Rücktrittsdogmatik nicht umhin, der subjektiven Einstellung des Täters zur Tat entscheidende Bedeutung beizumessen. Man könnte allenfalls noch fragen, ob dies alles nicht doch – wenn auch entfernt – einen Schritt zurück zur Tatplantheorie bedeutet. Dies ist insoweit richtig, als dass der Tatplan darüber Aufschluss gibt, welche Einstellung der Täter zu seiner Tat insbesondere zum Zeitpunkt des Versuchsbeginns hat. Da für die Frage nach einem wirksamen Rücktrittsverhalten maßgeblich ist, wie sich der Tatentschluss vor und nach Beginn der Versuchshandlung darstellt, kann der Tatplan nicht gänzlich außer Acht gelassen werden. Dies lässt sich an folgendem Fallbeispiel aufzeigen, welches Herzberg819 heranzieht:

816 817 818 819

Lackner / Kühl, StGB, Vor § 52, Rn. 33. BGH NStZ 2005, 263. So auch Ranft, Jura 1987, 527 (533). In: FS Blau (1985), S. 97 (115).

III. Weitere Überlegungen zum Merkmal der Freiwilligkeit

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F wettet mit A, er könne eine Fensterscheibe mit nur einem Steinwurf zerstören. F wirft, aber er trifft nicht. Er unternimmt sodann nichts mehr. Nach Herzbergs Ausführungen käme die Gesamtbetrachtungslehre bei konsequenter Anwendung zu dem Ergebnis, dass der F vom Versuch der Sachbeschädigung gem. § 303 StGB zurückgetreten sei, da F etwa noch einen zweiten Stein hätte werfen können. Dies sei aber nicht sachgerecht, da der Täter allein die weitere Unrechtsvertiefung unterlassen habe und zudem die Wette ohnehin verloren habe und nunmehr keinen Sinn in einem erneuten Wurf sehe. Dieser Fall unterscheidet sich von den zuvor besprochenen dadurch, dass der Täter zum Zeitpunkt des Steinwurfs nicht „nur“ mit Eventualvorsatz, sondern mit direktem Vorsatz, d. h. mit Absicht in Bezug auf die Zerstörung der Scheibe gehandelt habe. Würde er die Möglichkeit, noch einen Stein zu werfen, erkennen und wahrnehmen, so läge hierin keine qualitative Änderung des Tatentschlusses mehr, wie sie in den anderen Fällen festgestellt wurde, sodass für die Feststellung einer Zäsur nicht auf diesen Indikator abgestellt werden kann. Dennoch fällt es schwer, hier einen Rücktritt vom Versuch anzunehmen, da ein erneuter Wurf für den F keinen Sinn mehr machen würde. Man könnte hier aber das Vorliegen eines antizipierten Rücktritts erwägen, wenn man darauf abstellt, dass der Täter sich bereits vor Versuchsbeginn dazu entschließt, im Fall des Nichteintritts des Erfolges dessen Verwirklichung nicht weiterzuverfolgen. Der Unterschied zu den klassischerweise im Rahmen antizipierten Rücktrittsverhaltens besprochenen Fallgestaltungen liegt jedoch zum einen darin, dass es sich bei diesen Konstellationen in der Regel um beendete Versuche handelt. Hierbei muss der Täter zur Rettung des Rechtsguts aktiv werden, und solange der Täter ernsthaft den Erfolg vermeiden will, ist irrelevant, ob er nach Ausführung der Versuchshandlung oder bereits vor Versuchsbeginn Vorkehrungen zur Erhaltung des Rechtsguts trifft. Zum anderen wird die Wirksamkeit eines antizipierten Rücktritts oftmals daran scheitern, dass der Täter den Tatentschluss nicht völlig fallen lässt und er weiterhin bedingten Vorsatz bzgl. des Eintritts des tatbestandsmäßigen Erfolges hat.820 Soweit man geltend machen wollte, der Täter im Fensterscheiben-Fall habe seinen Tatentschluss antizipiert entfallen lassen und mehr bedürfe es im Rahmen des Aufgebens der Tat nach § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 StGB nicht, sollten die Tatentschlüsse des Täters vor und nach dem Steinwurf einmal näher betrachtet werden. Der Täter müsste seinen ursprünglichen Tatentschluss aufgegeben haben zugunsten des bewussten und ernsthaften Entschlusses, das Rechtsgut nunmehr zu erhalten. Hier war jedoch der ursprüngliche Tatentschluss unmittelbar mit Ausführung der Handlung „verbraucht“.821 Man wird im Rahmen einer Gesamtbetrachtung des Geschehens auch sagen können und müssen, dass ein erneuter Wurf auf einem völlig neuen Tatentschluss basieren würde. Der Tatentschluss zur Zerstörung der Scheibe entfiel –

Vgl. hierzu auch oben Kapitel 2 II. Ähnlich auch Paeffgen, in: FS Puppe (2011), S. 791 (796): „Was sollte mir methodisch erlauben können, etwas subjektiv Abgeschlossenes – ex post – als unabgeschlossen zu bezeichnen?“ 820 821

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Kap. 3: Das Freiwilligkeitsmerkmal

sozusagen in einer logischen Sekunde – nämlich in dem Moment unmittelbar nach Vornahme der Ausführungshandlung; es bedürfte hierzu von vornherein gar keiner Aufgabe mehr. Hieraus ergibt sich nun, dass kein Rücktrittsvorsatz festzustellen ist: Der Täter kann nichts aufgeben, was er ohnehin von Anfang an weder wollte und noch in Betracht gezogen hat. Gut erkennbar ist dies in Abgrenzung zu folgendem Fall: T will seine Ehefrau E töten und glaubt, hierzu genüge ein Messerstich in den Unterleib. Nach Ausführung des Stichs geht T jedoch davon aus, dass die E noch nicht lebensgefährlich verletzt war. Weitere Stiche führt T nicht mehr aus, da er E jetzt doch nicht mehr töten will. Hier ist ein Rücktrittsentschluss besser erkennbar: Zwar ging T davon aus, dass ein Messerstich genüge, sodass man zunächst annehmen könne, sein Versuch sei bereits mit Ausführung des Stichs fehlgeschlagen oder beendet. Richtigerweise lässt sich hier aber der Rücktrittsvorsatz bejahen: T wollte die E töten und handelte somit absichtlich. Es war nicht von vornherein ausgeschlossen, dass der T sich unmittelbar nach der Erkenntnis der noch nicht lebensgefährlichen Verletzung zu weiteren Stichen „entschließen“ könnte. Diese würden dann auch nicht auf einem neuen Tatentschluss beruhen, da der Tatentschluss des T nicht sofort beim Zustechen entfallen war, sondern erst zu dem Zeitpunkt, als dieser erkannte, dass der Stich allein noch nicht ausreichend war, und er sich über das weitere Vorgehen Gedanken machte. Der Tatplan ist also hier im Ergebnis insoweit in Ansatz gebracht worden, als dass er die Einstellung des Täters zur Herbeiführung des Erfolgs aufzeigte: Im Fensterscheiben-Fall kam es dem Täter primär und allein auf das Gewinnen der Wette an, wobei die Zerstörung der Fensterscheibe Voraussetzung war – der Tatentschluss bezog sich einzig und allein auf die eine „Wurfchance“ des Täters. Würde man im Rahmen einer „Gesamtbetrachtung“ annehmen, der Täter hätte noch einmal werfen können, würde übersehen, dass ein maßgeblicher Aspekt hypothetischer Natur hinzuzudenken wäre: Der Täter müsste nämlich erst wieder zur Tatbegehung motiviert werden. Solange hierfür nichts ersichtlich ist, besteht kein Grund, mögliche weitere Tathandlungen zu fingieren. Demgegenüber ging es im Messerstich-Fall dem T nicht darum, den Stich auszuführen, um seine Frau lediglich zu verletzen, sondern es ging ihm um die Tötung der E. Einem hypothetischen „Weiterstechen“ würde hier aber nicht die Motivationsgrundlage fehlen; es wäre vielmehr von dem ursprünglichen Tatentschluss abgedeckt. Mithin gilt: Der ursprüngliche Tatplan, der auch die Motivation des Täters mit umfasst, gibt Aufschluss darüber, welche möglichen Folgehandlungen hypothetisch hinzugedacht werden dürfen. Im Rahmen der Problematik um den dolus-eventualis-Versuchstäter sei noch folgender Fall822 näher erörtert:

822 Zu finden bei Herzberg, NJW 1988, 1559 (1561); Paeffgen, in: FS Puppe (2011), S. 791 (816 f.).

III. Weitere Überlegungen zum Merkmal der Freiwilligkeit

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Zwei Mittäter, X und Y, schlagen O blutig zusammen. Während X mit Tötungsabsicht handelt, liegt bei Y „lediglich“ Eventualvorsatz vor; Y hoffte auf einen glimpflichen Ausgang. O überlebt, weil beide sich besinnen und weitere Schläge unterlassen. Dem X kann das Fallenlassen seines ursprünglichen Tatentschlusses zugunsten der Entscheidung für das Rechtsgut Leben des O attestiert werden. Bei Y müsste man sich in Anlehnung an die Ausführungen etwa zu dem Polizeisperren-Fall überlegen, ob er überhaupt seinen Eventualvorsatz hat preisgeben und einen Rücktrittsentschluss fassen können. Dies erscheint zunächst fraglich, da sein bloß bedingter Vorsatz unter Umständen bereits „verbraucht“ sein könnte, und man argumentieren könnte, dass Y es lediglich unterlassen hatte, einen neuen Tatentschluss zu fassen. Dann aber erschiene es wertungsmäßig unbillig, dass dem mit Absicht handelnden X ein Rücktritt möglich sein soll, während dem Y ein solcher bereits mit Ausführung der ersten unter dolus eventualis durchgeführten Tathandlung versagt wäre. Der Unterschied zu dem Polizeisperren-Fall liegt jedoch zunächst darin, dass der Y – anders als der auf den Polizisten zufahrende Täter – von vornherein nicht nur eine „Chance“ zur Erfolgsherbeiführung hatte, sondern dass mehrere Schläge auf das Opfer abgegeben wurden und sich damit der zeitliche Rahmen schon weiter streckte. Y konnte daher seinen Tatentschluss noch fallenlassen. Nach alldem ergibt sich, dass die Fallgruppe des Wegfalls des Handlungssinns nicht über das Merkmal der Freiwilligkeit, sondern bereits über das des Rücktrittsvorsatzes zu lösen ist. Der Freiwilligkeit kommt damit kein eigenständiger Anwendungsbereich zu. b) Entdeckung der Tat / „wesentlich geänderte, mit einem erhöhten Risiko verbundene Sachlage“823 Nach § 46 StGB a. F. wurde bei Entdeckung der Tat ein wirksamer Rücktritt abgelehnt. In der Literatur hieß es hierzu, dies sei ein eindeutiger Fall, in dem unfreiwilliges Handeln anzunehmen sei. Problematisch war allerdings die rein objektive Gesetzesfassung, nach der ein Rücktritt auch dann schon ausgeschlossen sein sollte, wenn der Täter keine Kenntnis von der Entdeckung hatte.824 Die Entdeckung der Tat als Ausschlussgrund für einen Rücktritt ist insgesamt vor dem Hintergrund zu sehen, dass ein Täter nicht straflos ausgehen soll, wenn er allein aus Angst vor (nach seiner Entdeckung sehr wahrscheinlicher) Bestrafung das Delikt nicht mehr vollendet. Dann aber ist es tatsächlich überzeugender, die Kenntnis des Täters vorauszusetzen. Zugleich liegt aber in der Angst vor Bestrafung auch ein Aspekt, der die Konstellation der Tatentdeckung zweischneidig erscheinen lässt, denn eben diese Angst wollte der Gesetzgeber mit dem Strafgesetz erzeugen.825 Es müsste da-

823 824

So Lilie / Albrecht, in: LK-StGB12, § 24 Rn. 266. s. oben Kapitel 3 II. 1. m. w. N.

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Kap. 3: Das Freiwilligkeitsmerkmal

her im Grunde seiner Intention entsprechen, wenn ein Täter aufgrund der nunmehr sehr konkret gewordenen Befürchtung, der „Entdecker“ könne ihn verraten, von der weiteren Tatausführung absieht bzw. den Taterfolg verhindert, um nicht bestraft zu werden. Dies sah für § 46 StGB a. F. auch schon Frank826: „Veranlasst [die Entdeckung] ihn aber nur deshalb zum Rücktritt, weil er Anzeige und Bestrafung voraussieht, so bleibt sein Rücktritt ein freiwilliger.“ Hierbei wies er kritisch auf Entscheidungen des Reichsgerichts hin, die den Einsatz der Strafdrohung als Zwangsmittel des Gesetzgebers bezeichnen und deshalb einen so motivierten Rücktritt versagen wollen.827 Häufig wird aus dieser Zweischneidigkeit heraus differenziert zwischen der Furcht vor Strafe „im Allgemeinen“ und der Furcht vor sofortiger oder alsbaldiger Entdeckung. Solange es sich bei der Furcht vor Strafe um eine allgemeine Furcht handle, sei die Freiwilligkeit des Täters noch nicht ausgeschlossen.828 Erst dann, wenn das Risiko für den Täter „beträchtlich erhöht“829 bzw. „unvertretbar hoch“830 erscheint, soll das Rücktrittsprivileg versagt werden. Indes darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Täter eine Abwägung zwischen der Deliktsvollendung und der eigenen Absicherung, keiner Strafverfolgung ausgesetzt zu werden, durchgeführt haben könnte. Die Entdeckung der Tat kann an sich lediglich ein erstes Indiz für den Rücktrittsausschluss sein, es reicht aber für sich genommen noch nicht aus. Dies ist de lege lata auch schon anerkannt, indem es beispielsweise der Annahme eines freiwilligen Verhaltens nicht entgegensteht, wenn der Täter erst zur Aufgabe bzw. Vollendungsverhinderung überredet werden muss, etwa durch beruhigendes Einreden Dritter etc.831 Auch soll Freiwilligkeit beispielsweise dann nicht ausgeschlossen sein, wenn das Opfer von vornherein von der Tat erfährt832 (bspw. im Fall einer Erpressung) oder wenn die Anwesenheit von Zeugen von vornherein mit einkalkuliert worden war833.

825 Kritisch auch Stangl, in: Lüderssen / Sack (Hrsg.), Vom Nutzen und Nachteil I (1980), S. 259 (267 f.). 826 StGB, § 46 II (S. 98). 827 RGSt 37, 402 ff.; 47, 74 (77 ff.). 828 BGH MDR 1951, 369 f.; NStZ 1992, 537; OLG Düsseldorf NJW 1999, 2911; v. Bar, Gesetz und Schuld II (1907), S. 551 f.; Krey / Esser, AT, Rn. 1302; Lilie / Albrecht, in: LKStGB12, § 24 Rn. 249; Zaczyk, in: NK-StGB, § 24 Rn. 70; vgl. auch Bitzilekis, in: FS Hassemer (2010), S. 661 (666). Amelung, ZStW 120 (2008), S. 205 (228 ff.), kategorisierte jüngst ähnlich, indem er zwischen bloßem Androhungszwang und konkret gewordenem Rechtsdurchsetzungszwang unterscheiden will; s. aber auch Roxin, AT II, § 30 Rn. 395 ff. 829 BGH NStZ 1993, 279; NStZ-RR 2006, 168. 830 BGH NStZ 1992, 536; 2007, 265; vgl. auch Lackner / Kühl, StGB, § 24 Rn. 17; Lilie / Albrecht, in: LK-StGB12, § 24 Rn. 271. Rengier, AT, § 37 Rn. 104, stellt darauf ab, ob der Täter die Gewissheit erlangt oder das hohe Risiko erkannt habe, bei Vornahme weiterer Handlungen angezeigt und bestraft zu werden. 831 BGH NStZ 1988, 69; BGH NStZ-RR 2009, 366; Lilie / Albrecht, in: LK-StGB12, § 24 Rn. 252, 253a m. w. N. 832 Lilie / Albrecht, in: LK-StGB12, § 24 Rn. 277. 833 Rengier, AT, § 37 Rn. 106.

III. Weitere Überlegungen zum Merkmal der Freiwilligkeit

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Man könnte den Ansatz verfolgen, es müsse darauf ankommen, wer die Tat entdeckt hat und unter welchen Umständen dies geschah.834 Doch ist zweifelhaft, ob man hierfür wiederum eigenständige Unterkategorien entwickeln sollte. Dass dies nicht erforderlich sein dürfte, zeigt folgendes Fallbeispiel: T geht mit einem Messer auf O los und will ihn erstechen. Er lässt sich nur davon abhalten, weil D hinzukommt, mit einer Pistole auf T zielt und ihm droht, ihn (den T) bei Weiterhandeln zu erschießen. Eine lebenslange Freiheitsstrafe hätte T für die Tötung des O in Kauf genommen; sein eigenes Leben will er aber nicht opfern. Hier wird wieder eine Abwägung und Entscheidung des T zwischen seinem eigenen Leben und der Tötung des O vorgelegen haben. Verletzt hat er den O noch nicht, sodass es bei Annahme eines strafbefreienden Rücktritts lediglich zu einer Bestrafung wegen Bedrohung aus § 241 StGB käme. Diese hat lediglich einen Strafrahmen von bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe, was in Anbetracht der Tatsache, dass der T „nur“ aufgrund des enormen Drucks des D aufgegeben hat, unangemessen wenig zu sein scheint. Beachtlich ist an der Gesamtsituation, dass es hier nicht allein die Entdeckung der Tat ist, die auf den Täter einwirkt, sondern vielmehr ein unmittelbarer Nötigungsdruck, der auch kausal wurde für den Entschluss des Täters und somit für die Tataufgabe. Insoweit ist weniger an die Entdeckung selbst als vielmehr an den Maßstab des § 240 StGB anzuknüpfen. So kommt es nicht auf eine Bildung von Kategorien potentieller Tatentdecker an, sondern vielmehr auf eine Betrachtung des Einzelfalls dahingehend, ob für den Täter eine Zwangslage nach § 240 StGB ausgelöst wird, der er nicht standhalten konnte. Zusätzlich führt auch ein an den Strafzwecken orientierter Blick auf die Sachlage weiter: T hat hier gerade nicht in spezialpräventiv relevanter Art und Weise die Rechtsordnung akzeptiert, sondern lediglich sein eigenes Leben bewahren wollen. Gerade jemand wie T, dem die Tötung des anderen so immens wichtig ist und der sogar eine lebenslange Freiheitsstrafe in Kauf genommen hätte, wird die Tat vermutlich erneut versuchen. Ihn komplett straffrei hinsichtlich des Tötungsversuchs zu stellen, vermag sowohl das spezial- als auch das generalpräventive Strafbedürfnis nicht zu befriedigen. Dieses beinhaltet immerhin auch die Sicherung der Allgemeinheit vor dem Täter, die Abschreckung des Täters selbst sowie seine Besserung.835

834 So kommen beispielsweise auch bei der Entdeckung der Tat im Rahmen des Ausschlusses einer strafbefreienden Wirkung der Selbstanzeige nach § 371 AO einige Personen als „Tatentdecker“ nicht in Betracht, vgl. Blumers, wistra 1985, 85 (88). Im Übrigen sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass bei § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO ein objektiv-subjektiver Maßstab angelegt wird und es ist allgemein anerkannt, dass das Merkmal der Entdeckung gerade nicht auf die Freiwilligkeit anspielt, insbesondere soll die Freiwilligkeit auch kein ungeschriebenes Merkmal sein. Hierzu Blumers, a. a. O., 85 und 86 f.; vgl. auch Franzheim, JR 1985, 526. 835 Roxin, AT I, § 3 Rn. 12 mit Verweis auf F. v. Liszt, ZStW 3 (1883), S. 1; vgl. auch § 2 Satz 2 StVollzG.

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Kap. 3: Das Freiwilligkeitsmerkmal

Insgesamt sollte also weiterhin danach gefragt werden, ob ein Nötigungsdruck im Sinne von § 240 StGB vorliegt. Die Entdeckung der Tat bzw. die Befürchtung des Täters, dass es dazu kommen kann, haben lediglich Indizwirkung, die aber im Einzelfall zu überprüfen ist. Es fragt sich allerdings, ob dies nur für Fälle gilt, in denen Personen am Tatort erscheinen oder zu erscheinen drohen, oder auch für Konstellationen, in denen sich die Sachlage derart verändert hat, dass der Täter das Entdeckungsrisiko höher einschätzt. Beispielhaft genannt sei hier das plötzliche Aufleuchten einer Straßenlaterne oder die Feststellung des Täters, erst unter lautem Krachen eine Glasscheibe zerstören zu müssen, um mit der Deliktsverwirklichung fortfahren zu können. In diesen Fällen soll von Unfreiwilligkeit auszugehen sein.836 Richtigerweise wird man auch hier fragen müssen, ob sich der Täter einem Nötigungsdruck der o. g. Form ausgesetzt gesehen hat. Das angedrohte Übel kann darin gesehen werden, dass sich der Täter entdeckt und einem in Anbetracht der konkreten Umstände erhöhten Risiko der Strafverfolgung ausgesetzt sieht.837 c) Gewissensbisse, Scham, innere Hemmungen, seelische Erschütterung – „emotioneller Zwang“? Im Zusammenhang mit dem Ausschluss des Rücktritts durch sogenannte emotionelle Zwänge sind zunächst die bereits dargestellten Bewertungsunterschiede in der Rspr. aufzugreifen, die daraus resultieren, dass man die Stärke psychischen Drucks nicht messen kann.838 Daher sollten i. E. solche Motive kein Grund sein, den Rücktritt per se zu versagen, zumal es ja gerade wünschenswert ist, dass der Täter die Folgen seiner Tat einsieht und ihnen gegenüber nicht emotionslos bleibt.839 Es ist auch nicht überzeugend, einerseits Freiwilligkeit anzunehmen, wenn der Täter von einem Dritten zum Rücktritt überredet wird840, und sie andererseits abzulehnen, wenn Unbeteiligte (wie z. B. die eigenen Kinder841) erscheinen und seelische Hemmungen auslösen.842 Die Annahme unbewussten Verhaltens kann schon deshalb nicht überzeugen, weil es einem Täter, der beim Hinzutreten seiner Kinder nicht Lilie / Albrecht, in: LK-StGB12, § 24 Rn. 269. Vgl. der Sache nach auch Heger, StV 2010, 320 (322), der von freiwilligem Verhalten jedenfalls so lange ausgehen will, wie der Täter trotz Risikoerhöhung eine realistische Chance zur Tatbestandsverwirklichung sieht. 838 s. o. unter Kapitel 3 II. 2. b). 839 Vgl. auch Krey / Esser, AT, Rn. 1304; Roxin, Höchstrichterliche Rspr. (1998), S. 194 f. zu Nr. 63; ders., AT II, § 30 Rn. 371. 840 s. schon oben im Zusammenhang mit der Entdeckung der Tat unter Kapitel 3 III. 2. b). 841 BGH NStZ 1994, 428 f. 842 Jäger, Gefährdungsumkehr (1996), S. 104, Fn. 465 und ders., ZStW 112 (2000), S. 783 (792 ff.). Lilie / Albrecht, in: LK-StGB12, § 24 Rn. 264, indes wollen diese Argumente nicht gelten lassen, da sie hierin kein bewusstes und ungezwungenes Verhalten erkennen. Dabei weisen sie selbst kurz zuvor darauf hin, dass es wohl gerade im Bereich rein psychischen Drucks Schwierigkeiten mit dem Grundsatz „in dubio pro reo“ geben kann, a. a. O., Rn. 262. 836 837

III. Weitere Überlegungen zum Merkmal der Freiwilligkeit

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mehr weiter gewillt ist, seine Frau zu erstechen, durchaus sehr bewusst sein kann, dass er sich seelisch hierzu nicht in der Lage fühlt, und er kann die Entscheidung zum Nichtweiterhandeln vor diesem Hintergrund auch ganz bewusst treffen. Auch bei Extremreaktionen sollte insgesamt nicht grundsätzlich von unfreiwilligem Verhalten ausgegangen werden. Es ist vielmehr zu bedenken, dass ein Handeln aus emotionalen Gefühlsregungen heraus seinen Ursprung im tiefsten Inneren einer Person und daher sehr individuelle und persönliche Wurzeln hat. Der Normappell erreicht daher den Betreffenden genau dort, wo die Rechtsgemeinschaft seine Wirkung erwartet: bei der inneren Einstellung des Täters zur Begehung krimineller Taten. Obgleich dies behaftet ist mit der Tatsache, dass der Versuchstäter unter Umständen erst gefährlich nahe an die Deliktsverwirklichung herantreten musste, um seine eigene Abneigung gegen die Tat zu erkennen, so muss dem Täter doch zugute gehalten werden, dass die Entscheidung zur Nichtvollendung von ihm selbst ausging.

d) Aufgabe oder Verhindern der Vollendung der Tat zugunsten der Begehung oder Verdeckung einer anderen Tat Der Aspekt der Freiwilligkeit wird auch diskutiert bei Fällen des Deliktswechsels, in denen der Täter eine Tat abbricht, um an ihrer Stelle eine andere Tat begehen oder verdecken zu können. Einer der bekanntesten Fälle ist der sogenannte Parkplatz-Fall aus BGHSt 35, 184, der sich hier zur Veranschaulichung gut eignet: A hatte den Geliebten G seiner geschiedenen Frau F angegriffen und lebensgefährlich verletzt. Er ließ von weiteren Tötungsmaßnahmen ab, da er glaubte, die F sonst zu verpassen und nicht auch noch töten zu können. Nachdem er die F getötet hatte, stellte er sich zu dem G zurück, ohne jedoch weitere Tötungsmaßnahmen zu ergreifen. Der BGH kam bei Anwendung seiner „psychologischen Theorie“ dazu, dass der A die Tat freiwillig aufgegeben habe.843 Er habe sich in freier Wahl für die Tötung der F entschieden und eine nüchterne Abwägung durchgeführt. Dagegen kommen die normativen Ansätze, die auf die Rückkehr des Täters in die Legalität bzw. das Handeln gemäß der Verbrechervernunft abstellen, zur Unfreiwilligkeit.844 Dass eine derartige, die Freiwilligkeit hervorhebende Prüfung des Rücktritts jedoch fraglich 843 BGHSt 35, 184 (186); so auch Jescheck / Weigend, AT5, S. 544; Kudlich / Schuhr, in: Satzger / Schmitt / Widmaier, StGB, § 24 Rn. 66; i. E. auch Amelung, ZStW 120 (2008), S. 205 (242). 844 Roxin, AT II, § 30 Rn. 366; vgl. auch Lackner / Kühl, StGB, § 24 Rn. 17. Bitzilekis, in: FS Hassemer (2010), S. 661 (673 ff.), will bei einem Deliktswechsel von Unfreiwilligkeit immer dann ausgehen, wenn der Täter zu einem anderen vorteilhafteren Delikt übergeht; Freiwilligkeit sei dagegen dann zu bejahen, wenn das Unrecht mit der nunmehr ins Auge gefassten Tat reduziert werde. Er möchte mit dieser Differenzierung die Qualität des Delikts entscheiden lassen und nicht die „Verbrecherlogik“ (vgl. dens., a. a. O., S. 672). Überzeugend ist dies indes nicht, da damit der subjektive Charakter der Freiwilligkeit nicht hinreichend Beachtung findet.

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Kap. 3: Das Freiwilligkeitsmerkmal

ist, wurde bereits aufgezeigt in dem Zusammenhang mit Puppes Argument, es liege bereits ein beendeter Tötungsversuch vor.845 Beide Ansichten können jedoch schon mit ihren eigenen Argumenten entkräftet werden. So kann man der psychologisierenden Sicht entgegenhalten, dass der A nach Maßgabe des eigenen Tatplanes gezwungen war, die Tötungshandlungen gegen den Geliebten nicht mehr fortzuführen, da er sonst die vorrangig geplante Tat nicht mehr hätte ausführen können.846 Nach dieser Ansicht ist es also der eigene Tatplan, der den Täter zum Aufhören zwingt bzw. schlicht ein „Zeitablauf“. Mit den Argumenten der normativen Ansicht lässt sich für eine Rückkehr in die Legalität anführen, dass die konkrete Tat (Tötung des G) und nicht die auf sie folgende zu bewerten ist. Und auch die Verbrechervernunft hätte in dem Sinne ausgelegt werden können, dass der A gegen G nach einer bloßen Unterbrechung weitere Tötungsmaßnahmen hätte ergreifen können. Nimmt man eine systematische Rücktrittsprüfung vor, so lässt sich Folgendes festhalten: Von einem fehlgeschlagenen Versuch ist hier nicht auszugehen, da der A aus seiner Sicht durchaus noch die Möglichkeit zur Tötung des G gehabt hätte. Dass er sich aufgrund seines anderweitigen Tatplanes zulasten der F daran gehindert gesehen haben könnte, ändert nichts. Denn es geht hier nur darum, ob er überhaupt irgendeine Möglichkeit zur Tötung des G für sich gesehen hat; und diese sah er im Grunde – wenn auch nur unter Preisgabe seines eigentlichen Planes. A hat schlicht weitere Tötungsmaßnahmen unterlassen und somit liegt objektiv ein Fall des Aufgebens vor. In subjektiver Hinsicht ist sodann zu untersuchen, ob A einen Rücktrittsvorsatz gefasst hat.847 Es bestehen Zweifel daran, ob A eine bewusste und ernsthafte Entscheidung getroffen hat, die Tat nicht mehr auszuführen. Geht man einmal davon aus, dass er lediglich die Tötung des G unterbrochen hatte, um die F zu töten, ist zu vermerken, dass er sich im Anschluss daran wieder zu dem Verletzten gestellt hatte – und zwar ohne weitere Tötungshandlungen vorzunehmen. Dies war seine Entscheidung. Selbst wenn man davon ausgeht, er sei aufgrund seines Tatplans bereits selbst so festgelegt gewesen, dass er gerade keine Wahl mehr zwischen einem Weiterhandeln und dem Unterlassen weiterer Maßnahmen gegen das Leben des G hatte, so beruhte auch dies auf seiner bewussten Entscheidung für den Vorrang der Tötung der F und seiner Zielsetzung.848 Wenn man so will, hätte er Vgl. oben unter Kapitel 3 II. 2. d). Ähnlich Maiwald, in: GS Zipf (1999), S. 255 (264), der auf den Tatplan als feste Bezugsgröße abstellt, aufgrund dessen der Täter gezwungen werde; vgl. auch Lilie / Albrecht, in: LK-StGB12, § 24 Rn. 260: Die Rücktrittsentscheidung beruhe nur scheinbar auf freiem Willen. 847 Nach der herkömmlichen Versuchsprüfung würde die Frage lauten, ob ein beendeter oder unbeendeter Versuch vorliegt. Vorliegend ist sodann jedoch schon ungeklärt, ob der A davon ausging, bereits alles zur Tötung Erforderliche getan zu haben. In dubio pro reo sollte daher ein unbeendeter Versuch angenommen werden. Der BGH ließ diese Frage dahinstehen und ging direkt zur Prüfung der Freiwilligkeit über. 848 So auch Rengier, AT, § 37 Rn. 97 ff. 845 846

III. Weitere Überlegungen zum Merkmal der Freiwilligkeit

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sich in diesem Fall die Entscheidung dann selbst abgenommen, aber sie stammt jedenfalls von ihm. Nichts und niemand nahm in irgendeiner Weise Einfluss auf ihn; seine Motive sind hierbei völlig außer Acht zu lassen. Somit hat der A auch subjektiv die Tat aufgegeben und ist vom Tötungs- bzw. Mordversuch zulasten des G zurückgetreten. Fraglich ist, ob dieses Ergebnis der möglichen ratio legis des § 24 StGB standhält. Die Theorie von der „goldenen Brücke“ versagt insoweit, als dass sie davon ausgeht, der Täter denke an den Anreiz seiner Rücktrittsmöglichkeit. Derartige Überlegungen hatte A sicher nicht angestellt. Allerdings ist es – nicht zuletzt auch aus Gründen des Opferschutzes – sachgerecht, ihm den Weg zurück nicht gänzlich zu versperren. Aus Strafzweckgesichtspunkten lässt sich festhalten, dass der Angeklagte trotz seines Rücktritts nicht straffrei ausgehen kann und wird. Nicht zu vergessen bleibt nämlich die verwirklichte vollendete gefährliche Körperverletzung gem. § 224 Abs. 1 Nr. 2, 3, 5 (!) StGB, die immerhin einen Strafrahmen von bis zu zehn Jahren zur Folge hat. Den Vertretern der Strafzwecktheorie sei empfohlen, einen solchen Aspekt in ihre Überlegungen mit einfließen zu lassen, bevor sie zu teleologischen Reduktionen des Rücktrittstatbestandes übergehen. Gerade in einem solchen Fall, in dem die Emotionen aufgrund der Schwere sowohl des versuchten als auch des verwirklichten Delikts „hochkochen“849, darf man sich nicht dazu verleiten lassen, dogmatisch falsche Schlüsse zu ziehen.850 Vorteil der Prüfung des Täterentschlusses beim Merkmal des „subjektiven Aufgebens“ der Tat ist, dass bei der schlichten Frage nach einer „Entscheidung“ des Täters kein Raum für teleologische Reduktionen bleibt. Ein Entschluss kann in sämtliche Richtungen gehen und auch verbrecherisch motiviert sein. Würde man über das Kriterium der Freiwilligkeit kriminalpolitische Erwägungen einfließen und gar nur „rechtstreue Entscheidungen“ für eine Strafbefreiung ausreichen lassen, so wäre die Einschränkung des Tatbestands in malam partem evident. Sie müsste als unzulässig abgelehnt werden. e) Schutz eigener Rechtsgüter oder von Rechtsgütern nahestehender Personen Soweit die Freiwilligkeit ausgeschlossen sein soll, wenn es um den Schutz eigener oder fremder Rechtsgüter geht, so ist wie sonst auch darauf abzustellen, ob der 849 Vgl. nur Roxin, AT II, § 30 Rn. 366, der recht pathetisch von „größter krimineller Energie“ spricht. 850 Freilich muss es noch nicht einmal zu einer vollendeten Körperverletzung gekommen sein und dennoch wäre ein Rücktritt anzunehmen. Dann verbleibt aber immer noch der Tatbestand der Bedrohung nach § 241 StGB. Wenngleich dieser einen recht geringen Strafrahmen hat, ist dies als gesetzgeberische Entscheidung – schließlich hätte der Gesetzgeber auch hier etwa noch eine qualifizierte Form etwa einer „tätlichen Bedrohung“ unter höherer Strafandrohung normieren können – hinzunehmen.

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Kap. 3: Das Freiwilligkeitsmerkmal

Täter sich in einer Nötigungslage i. S. d. § 240 StGB befindet. Sinn macht es hier, für die Frage nach den „schutzfähigen“ Rechtsgütern auf die von § 32 StGB erfassten Schutzobjekte abzustellen, da deren Gefährdung grundsätzlich geeignet ist, eine Not(hilfe)lage beim Täter auszulösen, durch die er unter Druck geraten könnte. Festzustellen ist daneben, dass sich das Übel – anders als bei der bloßen Tatentdeckung – auch aus einer bestimmten Situation heraus ergeben kann; es muss nicht zwingend von Menschenhand herbeigeführt bzw. angedroht werden. Wichtig allerdings ist, dass die Gefährdung hinreichend nahe, d. h. mit einer gewissen Unmittelbarkeit verknüpft ist. Das Drohen eines Nachteils kann als solches nicht ausreichen; es muss sich um einen erheblichen Nachteil reichen, was dadurch konkretisiert werden kann, dass man auf die Bedrohung eines Rechtsguts abstellt. Sehr zweifelhaft ist daher die Versagung eines Rücktritts vom Versuch eines Eingehungsbetruges, weil der Täter im Rahmen des Vertrages ihm wichtige Rechte nicht zugesprochen bekommen soll.851 Entweder ist die versuchte Tat dann schon fehlgeschlagen oder aber der Täter trifft die bewusste Entscheidung, den Betrug nicht zu vollenden – dass seine Motivation im letzteren Fall darauf beruht, sein Fernziel nicht mehr erreichen zu können, ist irrelevant. Derartige Konstellationen weisen überdies Parallelen zur Fallgruppe der Sinnlosigkeit des Weiterhandelns auf, sodass auf die dort genannten Ergebnisse zu verweisen ist. f) „Erhebliche Schwierigkeiten, die Tat zu vollenden“ Teilweise wird Unfreiwilligkeit angenommen, wenn die Tatvollendung aus Sicht des Täters zwar noch möglich, aber mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden erscheint.852 Dies vermag jedoch nicht zu überzeugen: Entweder ist die Bildung eines Rücktrittsvorsatzes ausgeschlossen die Tat somit fehlgeschlagen, oder aber der Täter wägt für sich ab, ob er die Schwierigkeiten in Kauf nehmen und meistern will oder ob er das Rechtsgut nunmehr erhalten will. Hat er einen „Rest-dolus eventualis“ hinsichtlich des Erfolgseintritts, scheidet ein Rücktritt mangels Rücktrittsvorsatzes – oder aber schon an dem dann nicht tauglichen objektiven Rücktrittsverhalten – ohnehin aus. g) Eintritt einer zuvor gesetzten Bedingung Teilweise wird der Rücktritt als unfreiwillig angesehen, wenn eine Bedingung nicht eintritt, von deren Vorliegen der Täter die Ausführung der Tat abhängig gemacht hatte. Als Beispiel wird etwa der Fall angeführt, dass der Wachhund die vergiftete Wurst nicht frisst.853 Richtigerweise muss hier wie folgt differenziert werden: 851 852 853

So aber BGH GA 1956, 355 (356); Lilie / Albrecht, in: LK-StGB12, § 24 Rn. 267. Lilie / Albrecht, a. a. O., Rn. 267. Lilie / Albrecht, a. a. O., Rn. 268.

III. Weitere Überlegungen zum Merkmal der Freiwilligkeit

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Handelt es sich um eine Bedingung, unter der der Täter die Tatvollendung ohnehin für nicht mehr realisierbar erachtet, liegt keine Entscheidung zur Rechtsgutserhaltung vor, sodass ein Rücktritt schon mangels Rücktrittsvorsatzes ausscheidet (Situation eines Fehlschlags).854 Handelt es sich dagegen nicht um ein derartiges Hindernis, so soll ein Rücktritt dennoch mangels Freiwilligkeit beim Eintritt zuvor gesetzter Bedingungen ausgeschlossen werden. Grund hierfür sei, dass dann Umstände vorlägen, die vom Willen des Täters unabhängig seien und Bedenken hinsichtlich der Zweckmäßigkeit der Tatvollendung beim Täter auslösten. Überzeugend ist diese Argumentation allerdings nicht: Gerade dann, wenn er Überlegungen zur Zweckmäßigkeit seines Vorgehens anstellt, trifft der Täter eine Entscheidung für oder gegen die Erhaltung des Rechtsguts. Irrelevant ist, zu welchem Zeitpunkt der Täter seine Überlegungen anstellt. Es kann nicht darauf ankommen, ob er sich im Vorfeld Gedanken hierzu macht. Denn zum Zeitpunkt des Eintritts der von ihm in Erwägung gezogenen Umstände muss der Täter seine bisherige Entscheidung noch einmal bestätigen und sie insoweit erneut in der konkret gewordenen Situation treffen.855 Auch die Tatsache, dass der Täter sich unter gewissen Umständen nur „wohl oder übel“ gegen die Deliktsvollendung entscheidet, ändert nichts daran, dass er gleichwohl eine Entscheidung im Hinblick auf die Rechtsgutserhaltung trifft. Die konkrete Motivationsgrundlage hat außer Betracht zu bleiben.

3. Ergebnis Betrachtet man all die Bemühungen, das sogenannte subjektive Merkmal der Freiwilligkeit „in den Griff“ zu bekommen, was vielfach entgegen dem Wortlaut und anhand teleologischer und kriminalpolitischer Erwägungen geschieht, so stellt sich die Frage, ob nicht mit dem Merkmal eine andere Intention verfolgt werden sollte. Bislang wird die Freiwilligkeit stets als Korrektiv genutzt, um Ergebnisse auszugleichen, die sonst als ungerecht und als mit der „als solcher veranschlagten“ ratio legis nicht vereinbar empfunden werden. Somit ist oftmals die Freiwilligkeit für den Täter, für den es immerhin um Bestrafung und Straffreiheit geht, das „Zünglein an der Waage“. Aufgrund des zum Teil stark auseinandergehenden Meinungsstands und der Schwierigkeiten in der Anwendung sind nicht selten uneinheitliche und deshalb fragwürdige Ergebnisse die Folge856, sodass hierdurch die Rechtssicherheit stark beeinträchtigt wird. Es handelt sich letztlich um ein kriminalpolitisches Problem, welches hier zum Vorschein kommt. Die Grundidee – oder vielleicht vielmehr das Grundgefühl – der wohl meisten Rechtspraktiker und -wissenschaftler ist, dass man einem (Versuchs-)Täter, der generell rechtsfeindlich gesonnenen ist 854

Auf die Möglichkeit eines Fehlschlags weisen Lilie / Albrecht, a. a. O., Rn. 268 auch

hin. 855 Vgl. aber auch die Konstellation eines antizipierten Rücktritts, hierzu oben Kapitel 3 III. 2. a). 856 Vgl. nur die Beispiele oben Kapitel 3 II. 2. b).

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Kap. 3: Das Freiwilligkeitsmerkmal

(oder dem man selbiges unterstellen will bzw. nachzuweisen glaubt), keine Straffreiheit zugute kommen lassen möchte. Jedoch kann und darf dies nicht zu Ergebniskorrekturen anhand eines unbestimmten Merkmals führen. Der auf den Nichteintritt des tatbestandlichen Erfolges gerichtete Wille des Täters wird schon dann hinreichend berücksichtigt, wenn man die übrigen Tatbestandsmerkmale zutreffend auslegt und insbesondere die Feststellung des Rücktrittsvorsatzes ernst nimmt. Die meisten derzeitigen Problemkonstellationen sind über die Feststellung des Rücktrittsvorsatzes zu lösen. Wie die hier dargestellten, üblicherweise im Rahmen des Freiwilligkeitsmerkmals diskutierten Fallgruppen zeigten, sollte aber richtigerweise ein Rücktritt in Konstellationen ausgeschlossen sein, in dem die Entscheidung des Täters nicht mehr als seine eigene bezeichnet werden kann. Der Maßstab des § 240 StGB ist hierfür der einzige, der als sachgerecht bezeichnet werden könnte.857 Ein darüber hinausgehendes Kriterium ist damit nicht erforderlich, insbesondere hat die Anlehnung an die Nötigung für sich, dass allein auf die Handlungsmöglichkeit des Täters abgestellt wird, ohne seine Motive zu bewerten und in die Nähe des Gesinnungsstrafrechts zu gelangen. So lässt sich schließlich auch mit Recht klarstellen, dass es nicht darauf ankommt, ob die Rücktrittsmotive des Täters sittlich besonders hochstehend sind.

857

s. oben Kapitel 3 II. 4. d) cc) (3) (b).

Kapitel 4

Zur Rechtsfolge des Rücktritts Einigkeit herrscht darüber, dass dem Täter ein Rücktrittsverhalten zugute gehalten werden muss – sei es in Form vollständiger Straflosigkeit, sei es in Form einer Strafmilderung.858 Jedoch muss man sich in einem ersten Schritt Klarheit darüber verschaffen, wodurch überhaupt ein Strafbedürfnis entstanden ist, um im Anschluss daran erkennen zu können, was wieder „kompensiert“ werden muss. Es gilt also, zu erschließen, warum ein bestimmtes Verhalten plötzlich gar nicht mehr oder weniger strafbar sein soll.859 De lege lata muss, da § 22 StGB den Versuch unter Strafe stellt, dieser Strafgrund später wieder entfallen sein oder erheblich an Bedeutung verloren haben, wenn im Nachhinein Straffreiheit angeordnet wird.860 Nur wenn feststeht, warum dem Täter eine Begünstigung zugute kommen soll, kann man auch festlegen, welche Anforderungen an das Täterverhalten (objektiv wie subjektiv) sinnvollerweise zu stellen sind. Während also bislang lediglich die Ansätze zur ratio legis einer Rücktrittsnorm wiedergegeben und zur Untersuchung des Freiwilligkeitskriteriums herangezogen wurden, ist es nunmehr geboten, hierzu Stellung zu nehmen. Ausgangspunkt muss der Strafgrund des Versuchs sein.

858 Zum Streitstand ausführlicher später unter Kapitel 4 III. s. auch Lilie / Albrecht, in: LKStGB12, § 24 Rn. 21, die nahezu beiläufig erwähnen, dass durch ein Rücktrittsverhalten „[…] im Einzelfall […] Strafbedürfnis bzw. Strafzweck hinsichtlich des einzelnen Delikts wegfallen bzw. reduziert sein“ können. [Hervorhebung nicht im Original.] 859 Vgl. auch Haas, ZStW 123 (2011), S. 226; v. Heintschel-Heinegg, ZStW 109 (1997), S. 29 (37). 860 Bergmann, ZStW 100 (1988), S. 329 (334); Berz, Tatbestandsverwirklichung (1986), S. 46; Bottke, JR 1980, 441; Gössel, ZStW 87 (1975), S. 3 (23 ff.); Gores, Rücktritt (1982), S. 154; Heckler, Rücktrittsleistung (2002), S. 17 f., 136 f.; v. Heintschel-Heinegg, ZStW 109 (1997), S. 29 (37); Jäger, Gefährdungsumkehr (1996), S. 62; Jerouschek, ZStW 102 (1990), S. 793 (814); Krauß, JuS 1981, 883 (888); Murmann, Versuchsunrecht und Rücktritt (1999), S. 27; Ranft, Jura 1987, 527 (532); Roxin, Kriminalpolitik (1973), S. 35; Rudolphi, in: SKStGB, § 24 Rn. 5; v. Scheurl, Rücktritt (1972), S. 27 f.; Schünemann, GA 1986, 293 (323 f.); Streng, ZStW 101 (1989), S. 273 (323); mit diesem Grundansatz auch jüngst Wege, Rücktritt und Normgeltung (2011), S. 58 ff.

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Kap. 4: Zur Rechtsfolge des Rücktritts

I. Der Strafgrund des Versuchs im Überblick Zunächst ist der grundsätzlichen Frage nachzugehen, was überhaupt den Strafgrund des Versuchs ausmacht. Hierzu werden verschiedene Auffassungen vertreten, von denen an dieser Stelle nur die wichtigsten dargestellt werden können, aber auch müssen.861 Nach der subjektiven Theorie soll der durch gefährliche oder auch ungefährliche Handlungen betätigte rechtsfeindliche Wille die Versuchsstrafbarkeit begründen, da hierdurch der allgemeine Rechtsfriede gestört werde.862 Ein so weites Verständnis des subjektiven Ansatzes ist jedoch abzulehnen, da durch das objektive Tatbestandsmerkmal des „unmittelbaren Ansetzens“ nach dem gesetzgeberischen Willen nicht schon jede (Vorbereitungs-)Handlung strafbar sein kann, die nach Tätervorstellung für die Erfolgsherbeiführung ursächlich sein soll. Vielmehr ist erforderlich, dass aus Tätersicht eine unmittelbare Gefährdung bevorsteht.863 Eine an diesen subjektiven Ansatz angelehnte Tätertheorie, zurückgehend auf Edmund v. Liszt864, hebt im Ergebnis mit Blick auf die „Gefährlichkeit des Täters“865 die Spezialprävention besonders hervor.866 Die beiden subjektiven Auffassungen müssen sich jedoch vorwerfen lassen, dass in einem geltenden Tatstrafrecht die reine Gefährlichkeit einer Person nicht zu deren Bestrafung ausreichen darf867; vielmehr laufen solche Ansätze auf ein Gesinnungsstrafrecht hinaus.868 Im Gegensatz dazu will die objektive Theorie den Täter nur bei konkreter Gefährdung des geschützten Handlungsobjekts bestrafen; der untaugliche Versuch ist danach nicht strafbar.869 Diesem Ansatz ist von Gesetzes wegen nicht zu folgen, denn aus dem Umkehrschluss zu § 23 Abs. 3 StGB ergibt sich, dass das StGB den untauglichen Versuch ausdrücklich anerkennt und mit Strafe bewehrt.870 Der Gesetzgeber hat sich damit, was auch der Wortlaut des § 22 StGB („nach seiner Vorstellung“) belegt, ausdrücklich gegen eine objektive Theorie entschieden.

861 Eine ausführliche Darstellung liefert Haas, ZStW 123 (2011), S. 227 ff., m. w. N. zu den jeweiligen Ansichten. 862 RGSt 1, 439 (441); 8, 198 (203); 47, 189 (190 f.); BGHSt 11, 324 (327); John, Entwurf (1868), S. 209, 218; Lackner / Kühl, StGB, § 22 Rn. 11; der subjektiven Theorie nahe stehend Otto, AT, § 18 Rn. 3 ff. 863 Jescheck / Weigend, AT5, S. 514; Roxin, AT II, § 29 Rn. 36. 864 E. v. Liszt, ZStW 25 (1905), S. 24 (27, 36). 865 Roxin, AT II, § 29 Rn. 40. 866 Roxin, AT II, § 29 Rn. 41 f. 867 Mitsch, in: Baumann / Weber / Mitsch, AT, § 26 Rn. 17; Roxin, AT II, § 29 Rn. 42. 868 Hirsch, in: FS Roxin (2001), S. 711 (722); Roxin, in: FS Nishihara (1998), S. 157 (168); Spendel, in: FS Stock (1966), S. 89 (92, 97 f.). 869 Rob. v. Hippel, Strafrecht II, S. 418; Spendel, NJW 1965, 1881 (1888); ders., in: FS Stock (1966), S. 89 (93 ff.). 870 Vgl. auch Eser, in: Schönke / Schröder, StGB, Vorbem. § 22 Rn. 20.

I. Der Strafgrund des Versuchs im Überblick

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Neben diesen beiden Ansichten gibt es noch weitere eigenständige Ansätze, die den Strafgrund zu umschreiben versuchen. Sie sehen beispielsweise in dem Versuch ein abstraktes Gefährdungsdelikt871 oder die zum Ausdruck gebrachte mangelnde Normanerkennung872, und heben dadurch jeweils die objektive oder die subjektive Komponente des Versuchs mehr hervor. Die vermittelnde sogenannte Eindruckstheorie sieht es als strafwürdig an, wenn die Betätigung des rechtsfeindlichen Willens geeignet ist, das Vertrauen auf die Geltung der Rechtsordnung und das Gefühl der Rechtssicherheit bei demjenigen zu erschüttern, der sie zur Kenntnis nimmt.873 Den Vertretern dieser Theorie wird vorgeworfen, das Kriterium eines „rechtserschütternden Eindrucks“ sei ein vages Werturteil, durch das die Grenzen zwischen Vorbereitung und Versuchsbeginn verschwimmen und die Ergebnisse Gefahr laufen, zum Gesinnungsstrafrecht überzugehen.874 Allerdings ist dieser Doktrin zugute zu halten, dass sie die wesentlichen Elemente zur Strafbegründung durch den Versuchstatbestand berücksichtigt: den rechtsfeindlichen Willen („Tatentschluss“) und dessen Betätigung („unmittelbares Ansetzen“). Die Befürworter dualistischer Theorien stellen für den Strafgrund des Versuchs vorrangig darauf ab, dass in ihm eine tatbestandsnahe Gefährdung zu sehen sei. Ausnahmsweise leiten sie den Strafgrund aber ebenfalls aus dem sich manifestierenden rechtserschütternden Normbruch her, namentlich in den Fällen der tatbestandsnahen Handlung bei untauglichen Versuchen. Zu unterscheiden sei zwischen gefährlichen und ungefährlichen Versuchen.875 Begründet wird diese Abweichung zur Eindruckstheorie damit, dass diese hinsichtlich der generalpräventiven Komponente das Erfordernis einer Bestrafung für objektiv ungefährliche Versuche nicht begründen könne.876 Gegen die dualistische Versuchstheorie ist anzuführen, dass gefährliche und ungefährliche Versuche oftmals nicht exakt voneinander zu unterscheiden Dicke, JuS 1968, 157 (161); Kratzsch, Verhaltenssteuerung (1985), S. 280 f. Jakobs, AT, 25. Abschn. Rn. 21; Kindhäuser, Gefährdung (1989), S. 113, 135; Zaczyk, Unrecht (1989), S. 326 ff. 873 BGHSt 11, 324 (328); Bottke, JR 1980, 441 (442); Eser, in: Schönke / Schröder, StGB, Vorbem. § 22 Rn. 22; Fischer, StGB, § 22 Rn. 40; Gores, Rücktritt (1982), S. 155; Gropp, AT, § 9 Rn. 48 f.; Grünwald, in: FS Welzel (1974), S. 701 (711 f.); Jescheck / Weigend, AT5, S. 514; Maurach / Gössel, AT 26, § 41 Rn. 22 ff.; J. Meyer, ZStW 87 (1975), S. 598 (618); Ranft, Jura 1987, 527 (532); Rudolphi, NStZ 1989, 508 (511); Schünemann, GA 1986, 293 (324); Stratenwerth / Kuhlen, AT I6, § 11 Rn. 21; Streng, ZStW 109 (1997), S. 862 (865); Vogler, in: LK-StGB10, § 22 Rn. 52, 55 f. 874 Hirsch, in: FS Roxin (2001), S. 711 (722 ff., 726); Köhler, AT, S. 454; Kühl, JuS 1980, 506 (507); ders., AT, § 15 Rn. 41; Roxin, AT II, § 29 Rn. 47 ff.; Rudolphi, NStZ 1989, 508 (511); kritisch auch Zaczyk, Unrecht (1989), S. 21 ff. sowie ders.; in: NK-StGB, § 22 Rn. 11 f., der deshalb in einem Versuch die Verletzung eines Rechtsverhältnisses sieht; in Anlehnung an diesen auch Wege, Rücktritt und Normgeltung (2011), S. 72. 875 Alwart, Strafwürdiges Versuchen (1982), S. 158 ff., insbes. S. 172 ff.; Hirsch, in: FS Roxin (2001), S. 711 (718, 721); Roxin, AT II, § 29 Rn. 10 ff.; Schmidhäuser, AT, 15 / 12, 18; wohl auch R. Schmidt, Grundriß, S. 157; vgl. auch Herzberg / Hoffmann-Holland, in: MüKo-StGB, § 22 Rn. 12 ff. 876 Roxin, AT II, § 29 Rn. 19. 871 872

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Kap. 4: Zur Rechtsfolge des Rücktritts

sind; vielmehr sind die Übergänge fließend. Gleichwohl spricht für sie, dass sie mit dem Gefährdungskriterium einen Anhaltspunkt insbesondere dafür bereitstellen kann, ab welchem Zeitpunkt sich der Täter nicht mehr im bloßen Vorbereitungsstadium befindet, sondern bereits zum Versuch unmittelbar angesetzt hat.877 Sowohl die Eindrucks- als auch die dualistische Gefährdungstheorie tragen der aktuellen Gesetzeslage Rechnung. Insbesondere überzeugt aber die Eindruckstheorie, da sie berücksichtigt, dass der Versuchstäter in objektiver sowie in subjektiver Hinsicht878 ein Verhalten an den Tag legt, das die Rechtsordnung zu verletzen geeignet ist879 und dadurch ein Strafbedürfnis insbesondere im Sinne der General- und Spezialprävention auslöst.880 Soweit ihr vorgeworfen wird, sie könne das generalpräventive Bestrafungsbedürfnis im Rahmen objektiv ungefährlicher Versuche nicht begründen, so ist dem zu widersprechen. Selbst wenn sich im Nachhinein herausstellt, ein Versuch war von Anfang an untauglich, so ist dennoch der Wille des Täters zur Normverletzung nach außen sichtbar geworden und es kann nicht darauf ankommen, wie nah er wirklich an die konkrete Rechtsgutsverletzung herangelangt ist. Denn aus generalpräventiver Sicht wird ein Rechtsgut angegriffen, das Schutz verdient,881 und die entsprechende Norm nimmt ihren Schutz nicht ohne Weiteres deshalb zurück, weil die Handlung nicht in eine konkrete Verletzung hätte münden können. Vielmehr ist die Normgeltung auch in diesen Fällen zu bestätigen. Wenn im Folgenden nach dem Grund des Rücktritts und der sich daraus ergebenden Anforderungen an die „Rücktrittsleistungen“ gefragt wird, darf dies nicht aus den Augen verloren werden.

II. Die ratio legis einer Rücktrittsnorm (unter Anknüpfung an die Ansichten zur Konzeption de lege lata) Zunächst werden nochmals die wesentlichen bisher in der Wissenschaft vorgeschlagenen Theorien zum Grund der Rücktrittsregelung aufgegriffen. Während bisher allein die jeweiligen Auswirkungen auf das Freiwilligkeitsmerkmal beleuchtet wurden, wird nunmehr generell ihr Für und Wider aufgezeigt, um zu ergründen, ob und inwieweit sie maßgebend für die ratio legis sein können.

Roxin, AT II, § 29 Rn. 49. Wichtig ist, dass beide Elemente vertreten sind und nicht eines der beiden zu stark gewichtet wird. Soweit solche Konzeptionen dazu neigen, einen Aspekt zu stark in den Vordergrund zu stellen, sind sie aus denselben Gründen abzulehnen wie die rein objektive bzw. subjektive Theorie. 879 Vgl. auch Wege, Rücktritt und Normgeltung (2011), S. 72, die von einem „drohenden Normgeltungsschaden“ spricht. 880 Vgl. auch v. Heintschel-Heinegg, ZStW 109 (1997), S. 29 (39). 881 Zum Rechtsgutsbezug s. Eser, in: Schönke / Schröder, StGB, Vorbem. § 22 Rn. 22. 877 878

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1. Die isolierte Betrachtung des Rücktritts – Die Theorie von der „goldenen Brücke“ Die Theorie von der „goldenen Brücke“ sieht den Rücktritt als eigenständigen Tatbestand neben der Versuchsregelung. Nach dieser Grundidee stellt die Möglichkeit der Straffreiheit einen Anreiz für den Täter zum Rücktritt dar. Zum Teil wird als Begründung angeführt, der Staat nötige im Falle der unter allen Umständen eintretenden Bestrafung den Bürger zur Tatvollendung.882 Dem wird zu Recht entgegengehalten, hieran sei allenfalls883 zutreffend, dass der Gesetzgeber dem Täter den Rückweg zumindest nicht abschneiden wolle.884 Eine ohne die Möglichkeit der Strafbefreiung bestehende Versuchsstrafbarkeit könne zwar die Auswirkung haben, dass die Gleichgültigkeitseinstellung des Täters gegenüber Tat und Opfer zumindest provoziert werde. Dass sich jedoch ein Täter „genötigt“, das heißt sich einem entsprechenden Druck zur Tatbegehung ausgesetzt fühlen könnte, ist tatsächlich eine überspitzte und rational so nicht zutreffende Formulierung. Hauptargument gegen die Theorie von der „goldenen Brücke“ ist, dass die Verheißung der Straflosigkeit im Falle eines Rücktritts vom Versuch der Bevölkerung selbst größtenteils unbekannt sei und daher in der Regel im entscheidenden Augenblick auf die Entscheidung des Täters keinen Einfluss habe.885 Teilweise wird die Theorie sogar als „wirklichkeits-“886 oder „lebensfremd“887 bezeichnet. Auf dieser Linie bewegt sich auch die Argumentation des BGH, wenn er feststellt: „[I]n den meisten Fällen denkt der Täter […] beim Versuch gar nicht an die strafrechtlichen Folgen.“888 Diese Feststellung beruht auf Erfahrungen langjähriger Rechtsprechungspraxis und muss den Gegnern dieses Ansatzes zugute gehalten werden. Jedoch muss dies nicht zwangsläufig heißen, dass die Idee des strafbefreienden Rücktritts als eines Anreizes völlig verfehlt ist. Denn sollte es in der Tat zutreffen, dass ein Täter um die Rücktrittsnorm und ihre Rechtsfolge weiß, so wird er vor Vollen882 So schon Feuerbach, Kritik des Kleinschrodischen Entwurfs (1804), S. 102 f.; s. auch Berner, Lehrbuch, S. 150; Finger, Lehrbuch I, S. 319 mit Fn. 406. 883 So Jescheck / Weigend, AT5, S. 539. 884 s. oben Kapitel 1 II. mit Fn. 32; vgl. auch Frister, AT, 24. Kap. Rn. 4; Stratenwerth / Kuhlen, AT I6, § 11 Rn. 71; ähnlich Amelung, ZStW 120 (2008), S. 205 (210). 885 Bergmann, ZStW 100 (1988), S. 329 (334); Bockelmann, NJW 1955, 1417 (1420); Boß, Rücktritt (2002), S. 19; Heinitz, JR 1956, 248 (249); Jescheck, MDR 1955, 562 (563); Lang-Hinrichsen, in: FS Engisch (1969), S. 353 (368); Lilie / Albrecht, in: LK-StGB12, § 24 Rn. 8; Mitsch, in: Baumann / Weber / Mitsch, AT, § 27 Rn. 7; Otto, GA 1967, 144 (150); Rudolphi, in: SK-StGB, § 24 Rn. 2; H. Schröder, JuS 1962, 81; Ulsenheimer, Grundfragen (1976), S. 69, 274; Welzel, Strafrecht, S. 196. 886 Bockelmann, NJW 1955, 1417 (1419 f.); A. P. Gutmann, Freiwilligkeit (1963), S. 40; Lang-Hinrichsen, in: FS Engisch (1969), S. 353 (368); Ulsenheimer, Grundfragen (1976), S. 69; M. Walter, Rücktritt (1980), S. 12 ff; ähnlich auch Amelung, ZStW 120 (2008), S. 205 (210): „wenig realistisch“. 887 Bockelmann / Volk, AT, S. 214; Welzel, Strafrecht, S. 196. 888 BGHSt 9, 48 (52).

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dung der Tat auch darüber nachdenken, ob er diese Möglichkeit nicht doch noch nutzen sollte. Bei einem solchen Täter haben sich dann die Strafandrohung des Staates und ihre „Wiederaufhebungsmöglichkeit“ bewährt und ihn gerade dazu bewogen, das Delikt nicht zur Vollendung kommen zu lassen.889 Herzberg / HoffmannHolland890 weisen darüber hinaus wohl mit Recht darauf hin, dass auch ein Nichtjurist die strafbefreiende Wirkung von Umkehr und Wiedergutmachung kenne. Ob dies hinsichtlich der Kenntnis von der Straflosigkeit als Rechtsfolge so pauschal richtig ist, mag dahingestellt bleiben. Aber es ist wohl anzunehmen, dass der Zurücktretende in der Regel von einer ihn begünstigenden Wirkung ausgehen wird.891 Ein bemerkenswerter, genau umgekehrt lautender Einwand ist der der „Optionenerhöhung“892. Gerade der Anreiz, mit strafbefreiender Wirkung zurücktreten zu können, stelle ein Lockmittel für den Täter dar, es überhaupt zu versuchen. Dieser Gesichtspunkt deutet eine mögliche Zweischneidigkeit des Grundgedankens der „goldenen Brücke“ an: Ihrer eigenen Argumentation zufolge soll die Strafbefreiung den Täter im letzten Moment davon abhalten können, die Tat zu vollenden, wohl wissend, dass das Gesetz ihm diese Möglichkeit der Strafbefreiung eröffnet. Auf der anderen Seite könnte sie dagegen – vor Allem bei zunächst nur tatgeneigten Personen – unter Umständen jedoch gerade den entscheidenden Anstoß liefern, den Versuch zu wagen. Diese Darlegung wirkt auf den ersten Blick zwar schlüssig. Es wird jedoch wiederum nicht bedacht, dass ein Täter gerade in Kenntnis der „Umkehrmöglichkeit“ vor Tatvollendung wahrscheinlich nochmals darüber nachdenken wird, ob er sich diesen Weg selbst tatsächlich abschneiden möchte oder nicht. Insofern greift dann wieder das die „Goldene Brücke“-Theorie kennzeichnende Argument: Ein Täter, der um seine Rücktrittsmöglichkeit weiß, bekommt wieder den Anreiz, das Delikt um der Straffreiheit Willen doch nicht zur Vollendung kommen zu lassen. Die sogenannte kriminalpolitische Theorie schließt also nicht an die Überlegungen des Strafgrundes des Versuchs an, sondern an die Existenz der Rücktrittsregelung selbst.893 Aufgrunddessen und in Anbetracht der Tatsache, dass sich die meisten Täter de facto keine Gedanken um die Möglichkeit der Straffreiheit durch einen Rücktritt machen, dürfte die Idee einer „goldenen Brücke“ allein nicht den Grund für die Rücktrittsvorschrift liefern. Allerdings wurde gezeigt, dass sie im Hinblick auf die Wirkung von Normappellen gegenüber dem Täter durchaus einen richtigen Ansatz verfolgt. Der Grundgedanke des Anreizes sollte daher bei den Überlegungen einfließen. 889 Ähnlich Puppe, AT2, § 21 Rn. 34, die dieses Argument im Hinblick auf die Motive „Angst des Täters vor Entdeckung und vor Strafe“ bringt. 890 In: MüKo-StGB2, § 24 Rn. 23 f. 891 Ähnlich Weinhold, Rettungsverhalten (1990), S. 33; vgl. auch Paeffgen, in: FS Puppe (2011), S. 791 (801) Fn. 41. 892 Treplin, ZStW 76 (1964), S. 441 (467). 893 Zaczyk, in: NK-StGB, § 24 Rn. 2.

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Überdies sei an das sehr ähnliche Opferschutzargument erinnert. Dagegen lässt sich abermals anführen, dass lediglich die Existenz der Rücktrittsmöglichkeit begründet wird, nicht aber die Tatsache, dass daran auch gewisse Voraussetzungen zu stellen sind. Als Ziel steht im Vordergrund, dem Täter die Option zum Rücktritt zu eröffnen, um das Opfer vor der Rechtsgutsverletzung zu schützen. Dieser Grundgedanke darf nicht vernachlässigt werden, denn einem Täter, der davon ausgeht, es gebe keinen Weg mehr zurück, wird es eher gleichgültig sein, ob es zum Erfolgseintritt oder zur Verhinderung desselben kommt. Allerdings ist wiederum zweifelhaft, ob Täter wirklich über ihre Rücktrittsmöglichkeit nachdenken, die gesetzliche Regelung des § 24 StGB überhaupt kennen und sich gegebenenfalls vor diesem Hintergrund für die eigene Straffreiheit und somit für den Opferschutz anstelle des Erfolgseintritts entscheiden.894 Somit erscheint es gerechtfertigt, auch den Opferschutzaspekt zwar nicht vollumfänglich, jedoch immerhin als einen Teilaspekt zur Begründung des Rücktrittsprivilegs zu berücksichtigen. Im Übrigen fällt bei Betrachtung der gesamten Rücktrittvorschrift de lege lata auf, dass sie auch einen Rücktritt vom untauglichen Versuch ermöglicht, sofern der Täter die Untauglichkeit nicht erkannt hat. Ist ein Versuch untauglich, besteht aber für das Rechtsgut, d. h. das Opfer keine entsprechende Gefahr, was wiederum bedeutet, dass der Opferschutz nicht die alleinige Erklärung für die Vorschrift des § 24 StGB sein kann.895 2. Kombinationslösungen Die sogenannten Kombinationslösungen sehen eine Strafe durch den Versuch zunächst als grundsätzlich begründet an. Diese könne dann im Wege eines Rücktritts wieder „entfallen“. a) Gnaden- bzw. Prämientheorie Aussage der Gnaden- bzw. Prämientheorie ist, dass die Strafbefreiung eine Belohnung in Form einer „Prämie“ oder dem Zukommen von „Gnade“ ist. Verwirrend ist auf den ersten Blick, dass diese Ansätze in der Regel gemeinsam genannt werden, obgleich sie terminologisch nicht in dieselbe Richtung weisen: Während nach dem allgemeinen Sprachgebrauch eine „Prämie“ eine allein positive Belohnung für gute Leistung896 darstellt, steht „Gnade“ für Schonung und Milde, sogar für Straferlass897, sodass ihr ein „negativer Beigeschmack“ anhaftet. Einer synoNeubacher, NStZ 2003, 576 (580); Puppe, NStZ 2003, 309 f. v. Heintschel-Heinegg, ZStW 109 (1997), S. 29 (40); Puppe, JZ 1993, 361 (362); s. auch Jakobs, ZStW 104 (1992), S. 82 ff.; allgemein zur „versuchsinternen“ Begründung der Strafbefreiung Sancinetti, Subjektive Unrechtsbegründung (1995), S. 70 ff. 896 Wahrig, Deutsches Wörterbuch, „Prämie“. 897 Wahrig, Deutsches Wörterbuch, „Gnade“. 894 895

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nymen Verwendung beider Begriffe steht damit ihr unterschiedlicher Wortsinn entgegen.898 Gleichwohl ist der Grundgedanke derselbe: Das Rücktrittsverhalten soll positiv als Verdienstlichkeit angesehen werden, die dem Täter zugute zu halten sei. Hinsichtlich des Inhalts dieser Verdienstlichkeitstheorien wird gerügt, dass ein Belohnungsgedanke innerhalb des Strafrechts wesensfremd sei.899 Die Straflosigkeit von Nicht-Straftätern werde schließlich auch nicht damit begründet, dass dies der „Lohn“ für die Wahrung der Rechtsordnung bzw. ihre Nichtdelinquenz sei. Man müsse vielmehr davon ausgehen, dass grundsätzlich jeder straflos ist, der keine Straftat versucht oder vollendet – darin sei kein Verdienst zu sehen, sondern eine Selbstverständlichkeit. Erst, wenn eine Person ein Delikt verwirkliche, erfolge darauf die Reaktion in Form der Bestrafung.900 Die Grundidee, den Rücktritt als eine „gute“ bzw. „verdienstliche Leistung“ zu verstehen, ist zu Recht als verfehlt zu erachten.901 Man sollte sich vor Augen halten, dass die betreffende Person „schon mit einem Bein in der Strafbarkeit“ stand, also eine, wenn man so will, „schlechte Leistung“ durch den Versuchsbeginn voranging, die lediglich nicht weitergeführt (im Fall des Aufgebens) und gegebenenfalls (im Fall der Vollendungsverhinderung) rückgängig gemacht wird. Im Hinblick auf die Festlegung der ratio legis des Rücktrittsprivilegs ist den Verdienstlichkeitstheorien entgegenzuhalten, dass sie keine Erklärung für den Erhalt der „Prämie“ in Form der Straffreiheit liefern. Vielmehr geben sie lediglich die Rechtsfolge des Rücktritts wieder, so wie sie im Gesetz steht.902 Die Auffassung, es handle sich um eine Gnade, ist im Übrigen prinzipiell abzulehnen. Als Gnade wird der Ausdruck einer reinen Billigkeit verstanden903, die in einem außerrechtlichen Hoheitsakt geäußert wird904 und nach „Gutdünken“905 ge898 Ähnlich kritisch zur Koppelung der Begriffe „Gnade“ und „Verdienstlichkeit“ Ulsenheimer, Grundfragen (1976), S. 76. 899 Schmidhäuser, AT, 15 / 73; zust. Roxin, in: FS Heinitz (1972), S. 251 (272); M. Walter, Rücktritt (1980), S. 9; vgl. auch BGHSt 7, 296 (299); Herzberg, NStZ 1989, 49; a. A. Boß, Rücktritt (2002), S. 23, der den Belohnungsgedanken aus dem Vergeltungsgedanken abgeleitet sieht. 900 Bloy, Dogmatische Bedeutung (1976), S. 157; Herzberg, in: FS Lackner (1987), S. 325 (343 f.); Lampe, JuS 1989, 610 (611); Lilie / Albrecht, in: LK-StGB12, § 24 Rn. 13; vgl. auch Eser, in: Schönke / Schröder, StGB, § 24 Rn. 2a; differenzierend A. P. Gutmann, Freiwilligkeit (1963), S. 70. 901 Ähnlich Jakobs, AT, 26. Abschn. Rn. 2; Roxin, in: FS Heinitz (1972), S. 251 (254). 902 A. P. Gutmann, Freiwilligkeit (1963), S. 70 Fn. 287; v. Heintschel-Heinegg, ZStW 109 (1997), S. 29 (40); Lilie / Albrecht, in: LK-StGB12, § 24 Rn. 13; Mitsch, in: Baumann / Weber / Mitsch, AT, § 27 Rn. 7; Roxin, in: FS Heinitz (1972), S. 251 (271); ders., AT II, § 30 Rn. 23; zust. Boß, Rücktritt (2002), S. 22. 903 Bassakou, Absehen von Strafe (1991), S. 129; Radbruch, Rechtsphilosophie, S. 329 ff., 333; v. Jhering, Zweck I (1893), S. 427 ff. bezeichnet das Begnadigungsrecht als „Correctur des als unvollkommen erkannten Gesetzes im einzelnen Falle“ (a. a. O., S. 428).

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währt wird.906 Diesen Grundsätzen steht schon die gesetzliche Verankerung des Rücktritts entgegen. Nach alldem ist die Gnaden- und Prämientheorie in keinerlei Hinsicht überzeugend. Das Argument, der Belohnungsgedanke im Strafrecht sei fehl am Platze, trifft zu. Jemand, der mit der Rechtsordnung schon in Konflikt geraten ist, kann nicht dafür belohnt werden, von der weiteren Tatausführung abgesehen oder die Vollendung verhindert zu haben. b) Strafzwecktheorie Der Strafzwecktheorie907 zufolge soll bei einem Rücktritt das einmal entstandene Strafbedürfnis entfallen. Dieses ist nach der hier befürworteten objektiv-subjektiven Konzeption zum Strafgrund des Versuchs dadurch entstanden, dass der Versuchstäter bereits einen rechtserschütternden Normbruch mittels (gefährlichen) Versuchs herbeigeführt hat. Der Betreffende hat durch die Manifestation („unmittelbares Ansetzen“) seines Tatentschlusses nach außen hin gezeigt, dass er willens war, die Tat zu begehen, sodass er in spezialpräventiver Hinsicht durch eine Bestrafung von künftigen Verfehlungen dieser Art abgehalten werden soll. Generalpräventiv ist Strafe nötig, da schon durch den Versuch einer Straftat die Rechtsordnung erschüttert wurde (positive Generalprävention) und auch Andere von derartigen Deliktsversuchen abgeschreckt werden sollen (negative Generalprävention). Dass für den Gesetzgeber offensichtlich bei einem Rücktritt vom Versuch kein Grund mehr zur Bestrafung besteht, ergibt sich eo ipso aus dem Gesetz, da ausdrücklich Straffreiheit angeordnet ist – einerlei, auf welcher dogmatischen Ebene dies geschieht. So ist es von der systematischen Vorgehensweise her durchaus sinnvoll, sich bei der Suche nach angemessenen Kriterien danach zu richten, wann die Strafzwecke entfallen sein könnten. Es wurde bereits erwähnt, dass insbesondere das Freiwilligkeitsmerkmal zur Klärung dieser Frage herangezogen werden sollte. In der vorangegangenen Untersuchung908 hat sich aber der in der Sache nicht weiterführende Zirkelschluss gezeigt, dass man die Freiwilligkeit mit dem Entfallen des Strafbedürfnisses und umgekehrt das Entfallen der Strafzwecke mit der Freiwilligkeit zu erklären versuchte. Insbesondere die normativen Auffassungen führen oftmals dazu, dass eine Bewer904 Vgl. Bassakou, Absehen von Strafe (1991), S. 129 ff. Zur Qualität des Absehens von Strafe als „echtes materielles Rechtsinstitut“ s. Kohlrausch / Lange, StGB, Vorbem. Vor §§ 23 – 26, I. 1 ff. 905 Bockelmann, NJW 1955, 1417 (1420). 906 Bloy, Dogmatische Bedeutung (1976), S. 155 f. mit Fn. 37, S. 206 ff.; vgl. auch Eb. Schmidt, Strafrechtspflege, § 56; J. Schröder, Der bedingte Tatentschluß (1949), S. 60. Zu der historischen Entwicklung der Begnadigung umfassend v. Bar, Gesetz und Schuld III (1909), S. 455 ff. 907 Zu ihr schon oben unter Kapitel 1 II. sowie Kapitel 3 II. 4. c) cc). 908 Kapitel 3 II. 4. c) cc).

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tung der Tätermotive vorgenommen wird. Ihre Formulierungen sind ähnlich: Verlangt werden beispielsweise eine „Rückkehr in die Bahnen des Rechts“ bzw. „in die Legalität“, eine „rechtstreue Gesinnung“, „sozial angepasstes Verhalten“ oder eine „hinreichende Normbefolgungsbereitschaft“. Auch wenn die Akzentuierungen jeweils ein wenig variieren, sind sich alle insofern einig, als dass sie von dem Täter verlangen, sich im maßgebenden Augenblick bewusst für oder zumindest nicht gegen die Rechtsordnung zu entscheiden. Dies geht oft mit der – wenngleich auch erst auf den zweiten Blick erkennbaren – Bewertung der Rücktrittsmotive einher, wenn zum Beispiel auf die „Rechtstreue“ des Täters abgestellt wird. Auf eine Bewertung der Tätermotive kommt es aber aus general- und spezialpräventiven Gründen nicht an. Alle Varianten des § 24 StGB verlangen, dass es nicht zur Tatvollendung kommt, und setzen mindestens die Tataufgabe voraus, das heißt eine Entscheidung des Täters für die Nichtvollendung bzw. Verhinderung der Tat. Hiermit tritt bereits – unabhängig von der Frage in welchem Maße – eine gewisse Kompensation im Hinblick auf die Stärke der Erschütterung der Rechtsordnung ein: Der tatbestandliche Erfolg ist ausgeblieben und zwar aufgrund einer Entscheidung des Täters bzw. zusätzlich aufgrund von Verhinderungsmaßnahmen des Täters, mittels derer er den Erfolgseintritt bewusst verhinderte bzw. sich ernsthaft darum bemühte. Es lässt sich demnach sagen, dass das Bedürfnis, andere potentielle Straftäter abzuschrecken oder spezialpräventiv gegen den Täter vorzugehen, herabgesetzt wird. Die Motive spielen hierbei auf Tatbestandsebene genauso wenig eine Rolle wie der Umstand, dass er gegebenenfalls dieselbe Tat ein anderes Mal wiederholen möchte. Darauf abzustellen würde nichts anderes bedeuten als die Bestrafung für eine bestimmte Denkweise – und sie würde somit letztlich zu einem Gesinnungsstrafrecht führen. Sofern die Anhänger der Strafzwecktheorie davon ausgehen, dass die Strafbedürfnisse bei „lobenswerten“ oder „rechtstreuen“ Motiven entfallen, so ist dem mit einem „Erst-Recht-Schluss“ zwar zuzustimmen. Jedoch darf man solche Beweggründe nicht zur Voraussetzung eines wirksamen Rücktritts machen. Sollen Motive des Täters Eingang in die Bewertung finden, so bleibt hierfür allein die Möglichkeit über eine flexiblere Rechtsfolgenregelung, weil sodann im Rahmen der Strafzumessung die Beweggründe des Täters in Ansatz gebracht werden können. Dies wird später aufzugreifen sein. Interessant ist es, einen Blick darauf zu werfen, was von den Vertretern der Strafzwecktheorie, vor allem von der Rechtsprechung, die im Regelfall auf eine psychologischen Betrachtungsweise setzt, gefolgert wird, wenn sie einem Täter Freiwilligkeit attestieren. Der 5. Strafsenat des BGH erklärte 1956 die „Gefährlichkeit und Strafwürdigkeit des verbrecherischen Willens“ als entscheidend für die Auslegung der Rücktrittsregelung – damals noch verankert in § 46 StGB a. F.909 Damit spielte 909 BGHSt 9, 48 (52). Hingewiesen sei aber auf Ruchner, Strafwegfall (1928), S. 17, der gerade die mangelnde Intensität bzw. Festigkeit des verbrecherischen Willens nicht für die Begründung der Straflosigkeit ausreichen lassen will. Er betont, dass dieses Argument allenfalls für eine Strafmilderung herangezogen werden könne.

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er auf den Strafzweck der Spezialprävention an und betonte, durch ein freiwilliges Abstehen von dem begonnenen Versuch erweise sich die Gefährlichkeit des Täters, „die im Versuch zunächst zum Ausdruck gekommen war, nachträglich als wesentlich geringer“.910 Dies zeigt den engen Zusammenhang zwischen dem Strafgrund des Versuchs, sofern dieser in der Erschütterung der Rechtsordnung durch Manifestation des gefährlichen Täterwillens gesehen wird, und dem Rücktrittstatbestand. Zum Ausdruck kommt der kriminalpolitische Wunsch, nur einem Täter den Rücktritt ermöglichen zu wollen, der weniger gefährlich erscheint. Diese uneingeschränkte Wertung hält Roxin911 für bedenklich, da die Gefährlichkeit eines Täters nicht allein aufgrund seiner Freiwilligkeit in dem Sinne pauschal eingeschätzt werden könne, dass man sie derart minimalisiere. Der Täter habe bereits durch den Versuchsantritt überhaupt gezeigt, dass er bezüglich der strafrechtlichen Normanforderungen ein „labiler Mensch“ sei und könne schließlich „beim nächsten Mal die Hemmungen verlieren“.912 Recht hat Roxin in dem Punkt, dass eine kriminologische Prognose über den weiteren Verlauf der verbrecherischen Karriere des Täters nicht allein aufgrund eines Rücktritts vorgenommen werden kann. Aus diesem Grund äußerten auch andere Autoren Zweifel an der Formulierung des BGH. H. Schröder913 und Ulsenheimer914 weisen in Abweichung zu der Aussage des BGH darauf hin, dass auch rein äußere Umstände den Rücktritt herbeiführen können, obwohl der „verbrecherische Wille“ des Täters an sich sehr wohl stark genug gewesen wäre.915 Ähnlich gibt Lampe zu bedenken, dass der Rücktritt an sich bezüglich der Frage, ob Strafe im konkreten Fall nach Grundsätzen der Spezial- und Generalprävention und auch nach dem Vergeltungsgedanken noch nötig ist, überhaupt nichts beweise. Ein Rücktritt für sich gesehen sage nichts darüber aus, wie stark oder schwach der Wille des Täters war und immer noch sei, ob er lediglich durch äußere Faktoren dazu gebracht worden sei oder ob er unter Umständen noch andere Pläne schmiede.916 Die Strafzwecktheorie scheint also den Bedarf an einer Prognose über das weitere kriminelle Täterverhalten decken zu wollen. Mit der Überlegung, über die Sanktionierung eines Täters dessen „Besserung“ bzw. künftig sozial angepasstes und der 910 BGH a. a. O.; zust. Boß, Rücktritt (2002), S. 27; Busch, in: LK-StGB9, § 46 Rn. 3; Vogler, in: LK-StGB10, § 24 Rn. 14. 911 AT II, § 30 Rn. 5. 912 Ähnlich Jescheck / Weigend, AT5, S. 539. 913 JuS 1962, 81. 914 Grundfragen (1976), S. 80 ff. 915 So auch A. P. Gutmann, Freiwilligkeit (1963), S. 19; Lang-Hinrichsen, in: FS Engisch (1969), S. 353 (369); v. Scheurl, Rücktritt (1972), S. 24; Treplin, ZStW 76 (1964), S. 441 (466). 916 Lampe, JuS 1989, 610 (611, 614). Er will beachtet wissen, dass zwar stets eine Bewertung im Hinblick auf die konkrete Tat zu erfolgen habe, jedoch werde im Hinblick auf die Spezialprävention, die sich nach dem Täterprinzip richte, dieser Grundsatz durchbrochen (vgl. S. 611: „Täterprinzip“). Ähnlich auch Weinhold, Rettungsverhalten (1990), S. 66.

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Rechtsordnung entsprechendes Verhalten erreichen zu können917, wird die Theorie genutzt, um insbesondere das Freiwilligkeitsmerkmal auszulegen. Dies führt indes zu weit. Im Ursprung sind derartige Gedanken sehr viel mehr der Strafzumessung zuzuordnen als der Tatbestandsauslegung.918 Es ist nach alldem nicht überzeugend, bei der Auslegung eines Merkmals uneingeschränkt zu prüfen, inwieweit der Täter strafwürdig ist und mit welcher Wahrscheinlichkeit er erneut ein Delikt begehen könnte. Die Grenzen zwischen den Voraussetzungen der Strafbarkeit und der Feststellung der Notwendigkeit staatlichen Eingreifens im Einzelfall verschwimmen auf diese Weise. Der Strafzwecktheorie ist von ihrer systematischen Argumentation her zuzustimmen, wenn sie die ratio legis der Rücktrittsregelung in dem Entfallen der Strafzwecke sieht. Denn nichts anderes sagt das Gesetz. Allerdings sind die unter ihrem Namen eingeführten Voraussetzungen abzulehnen, soweit sie auf eine Beurteilung der Motive des Täters oder aber seiner Gefährlichkeit hinauslaufen. Sofern sie lediglich die Autonomie oder das grundsätzliche Bestehen eines tätereigenen Entschlusses umschreiben wollen, tragen sie nicht zur Bereicherung des Tatbestandes bei, sondern geben – wie oben gezeigt – nur das wieder, was er ohnehin schon enthält: Nämlich, dass das „Aufgeben“ der Tat bzw. „(das ernsthafte Bemühen um) die Verhinderung der Tat“ sowohl eine objektive als auch eine subjektive Komponente enthalten muss. Dennoch kann man den Ausflüssen der Strafzwecktheorie entnehmen, dass ein wie auch immer geartetes Rücktrittsverhalten Anlass bietet, sich über die Strafwürdigkeit Gedanken zu machen. Es wird offenbar, dass eine größere Flexibilität innerhalb des Bewertungsspielsraums wünschenswert wäre. Dies führt nah an den Bereich von Strafzumessungserwägungen heran.

c) Einheitstheorie Die Einheitstheorie unterzieht Versuch und Rücktritt einer Gesamtbetrachtung. In der Freiwilligkeit sieht sie lediglich die auf den Täter zurückzuführende Umkehr des Versuchsgeschehens.919 Dieses Erfordernis erwies sich nach den vorangegangenen Ausführungen bereits als durch die Tatbestandsmerkmale des „Aufgebens“ bzw. der „Vollendungsverhinderung“ abgedeckt, sodass seitens der Einheitstheorie keine zusätzlichen Voraussetzungen aufgestellt werden.

Sog. „positive Spezialprävention“, Jescheck / Weigend, AT5, S. 69; Wessels / Beulke, AT, Rn. 12a; vgl. auch § 2 Satz 1 StVollzG. 918 Letzteres bestätigen auch die jüngsten Überlegungen von Haas, ZStW 123 (2011), S. 226 (237), der darauf hinweist, dass eine strafzweckorientierte Argumentation – insbesondere im Hinblick auf die Spezialprävention – nicht erklären kann, warum dem reuigen Täter, der die Folgen des von ihm bereits vollendeten Delikt beseitigt, lediglich eine Strafmilderung zugute kommen kann. 919 Zaczyk, in: NK-StGB, § 24 Rn. 5. 917

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Als widersprüchlich wird die Folgerung dieser Gesamtbetrachtung bezeichnet, wenn sie einen staatlichen Strafanspruch, der schon mit einem Versuchsbeginn entsteht, im Falle eines Rücktritts gar nicht erst entstehen lässt.920 Nach überwiegender und richtiger Ansicht hebt der Rücktritt den einmal entstandenen Strafanspruch aus der Versuchstat aber lediglich nachträglich wieder auf.921 Insoweit kann auch dem Modell von Haas922, der in der Rücktrittsregelung einen „integralen Bestandteil der durch die Versuchnorm ausgeübten Zurechnungsfunktion“ sehen will, nicht zugestimmt werden. Roxin923 bringt dies in aller Kürze und Deutlichkeit auf den Punkt: „Ein Versuch bleibt Versuch, auch wenn ihm ein Rücktritt folgt.“ Der Einheitstheorie kann von ihrem Grundgedanken her schon nicht gefolgt werden, sodass sie keine Basis für die Festlegung der ratio legis bietet.

d) Schulderfüllungstheorie (Herzberg) Nach Herzberg kommt durch den Versuch in Anlehnung an zivil- und verwaltungsrechtliche Grundsätze eine Rechtsschuld zustande. Demgemäß sei der Täter zum Rücktritt verpflichtet. Verlangt wird dazu eine ihm zurechenbare Rücktrittsleistung, was grundsätzlich überzeugend ist. Fragwürdig ist jedoch die Übertragung zivil- und verwaltungsrechtlicher Aspekte. So wird bestritten, dass eine Parallelisierung der strafrechtlichen Versuchskonzeption auf das Zivilrecht möglich sei. Das Strafrecht beabsichtige nicht, rechtmäßige Zustände wiederherzustellen, sondern kenne allenfalls die Option der Wiedergutmachung oder das fakultative Absehen von Strafe924.925 Auch die bereits oben926 aufgeführten Argumente sprechen wegen der Übertragungsprobleme der entsprechenden Rechtsinstitute auf das Rücktrittsverhalten des Täters gegen diese Konzeption. Zu klären ist, ob Herzbergs Ansatz bei der „Schuld“ des Täters zugestimmt werden kann. Der Schuldbegriff Herzbergs kann dabei nicht mit dem strafrechtlichen Verständnis im Sinne der persönlichen Vorwerfbarkeit gleichgesetzt werden. Vielmehr ist er in einem übertragenen Sinne dahingehend zu verstehen, dass durch eine Versuchstat eine „Schuld zur Pflichterfüllung“ ausgelöst wird. Zum Teil wird hiergegen eingewandt, die eigentliche Rechtsschuld bestehe nicht in dem freiwilligen Rücktritt, sondern bereits darin, den Versuch gänzlich zu unterlassen.927 Dies ist Boß, Rücktritt (2002), S. 30; M. Walter, Rücktritt (1980), S. 26. Jäger, NStZ 1998, 161 (164); Lang-Hinrichsen, in: FS Engisch (1969), S. 353 (367 f.). 922 ZStW 123 (2011), S. 226 (245 ff.). 923 AT II, § 30 Rn. 12; ähnlich Maurach / Gössel, AT 26, § 41 Rn. 117. 924 Vgl. §§ 46a, 60 StGB und Vorschriften zur tätigen Reue wie z. B. § 306e StGB; Näheres im Folgenden unter Kapitel 4 III. 2. 925 Roxin, AT II, § 30 Rn. 26. 926 s. Kapitel 3 II. 4. c) dd). 927 Rudolphi, NStZ 1989, 508 (511); zust. Jäger, Gefährdungsumkehr (1996), S. 8. 920 921

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Kap. 4: Zur Rechtsfolge des Rücktritts

deshalb richtig, weil § 22 StGB bereits vor Versuchsbeginn durch die Strafandrohung an den Täter appelliert, einen Versuch gar nicht erst zu begehen, und weil ein jeder diese Pflicht zu erfüllen hat. Stattdessen ist eine Verstärkung dieser Pflichterfüllung anzunehmen: Derjenige, der die Versuchsschwelle überschritten hat, ist dazu verpflichtet, den Erfolg nicht eintreten zu lassen und ggf. die entstandenen Schäden wieder zu beseitigen. Der Grundgedanke ist danach, die Rücktrittsnorm betreffend, nicht falsch. Gleichwohl ist zu bedenken, dass die gesetzliche Regelung des § 24 StGB die bereits entstandene und nunmehr verstärkte Pflicht lediglich ausdrücklich benennt, nicht aber zusätzlich schafft. Im Ergebnis ist also die Schulderfüllungstheorie ansatzweise eine mögliche Umschreibung des Rücktrittsgrundes; restlos überzeugen kann sie allerdings nicht. Dies wird durch den Hinweis von Haas928 bestätigt, dass die Schulderfüllungstheorie nicht zu erklären vermag, warum nicht auch in Fällen vollendeter Delikte die Strafe entfallen kann, wenn der Täter die von ihm verursachten Folgen wieder beseitigt – man denke an den Fall des Diebstahls, nach welchem der reuige Täter dem Eigentümer die Sache wieder zukommen lässt. Wieso sollte eine „Versuchsschuld“ dann kompensiert werden können, eine „Vollendungsschuld“ hingegen nicht? Man kann dies nur als kriminalpolitische Entscheidung ansehen, nicht aber als sich zwingend aus einem der Rücktrittsregelung vermeintlich zugrunde liegenden „Schulderfüllungsprinzip“. e) Zurechenbare Gefährdungsumkehr (Jäger) Jäger929 erklärt, das Rücktrittsverhalten müsse eine zurechenbare Gefährdungsumkehr darstellen, das heißt die vom Versuch herbeigeführte Gefährdung sei vom Täter abzubrechen bzw. die tatsächliche Schädigung sei abzuwenden. Eine genauere Bestimmung des Strafgrundes des Versuchs und einer sich gerade hieraus ergebenden ratio legis des Rücktritts nimmt er nicht vor930, obgleich er eine isolierte Betrachtung von Rücktritt und Versuch ablehnt. Der Überlegung, dass der Versuchstäter eine einmal von ihm geschaffene Gefahr selbst wieder abzuwenden hat, kann zugestimmt werden. Wie aber auch bei der Schulderfüllungstheorie sei vermerkt, dass diese „Pflicht“ zur Gefährdungsumkehr unmittelbar mit Überschreiten der Versuchsschwelle schon aus der Versuchsstrafbarkeit heraus entsteht und nicht erst durch die gesetzliche Festlegung eines Rücktrittsparagraphen. Immerhin wird durch die ausdrückliche Festsetzung der „Zurechenbarkeit“ der Gefährdungsumkehr deutlich darauf verwiesen, dass der Täter ursächlich hierfür geworden sein muss. Insoweit kann auch dieser Vorschlag in Teilen zur Ermittlung von Sinn und Zweck der Rücktrittsnorm beitragen. Gleiches gilt im Übrigen für die These Amelungs931, die 928 929 930 931

ZStW 123 (2011), S. 226 (238). Jäger, Gefährdungsumkehr (1996), S. 62. s. auch Heckler, Rücktrittsleistung (2002), S. 125. ZStW 120 (2008), S. 205 (216 ff.).

II. Die ratio legis einer Rücktrittsnorm

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dem Ansatz von Jäger im Hinblick auf eine geltungserhaltende Gefährdungsumkehr sehr ähnlich ist. Schließlich lässt sich mit Haas932 wie auch bei der Schulderfüllungstheorie vermerken, dass auch die Theorie von der Gefährdungsumkehr allein auf kriminalpolitischen Erwägungen fußen kann. Denn ihr Argument, der Täter hebe die Rechtsgutsbeeinträchtigung wieder auf und sei deshalb straffrei zu stellen, ist kein allein auf den vorangegangenen Versuch zu beziehendes, sondern ebenfalls auf vollendete Delikte übertragbares.

3. Ergebnis Die Untersuchung hat gezeigt, dass sich die Ermittlung von Sinn und Zweck einer Rücktrittsnorm äußerst schwierig gestaltet und sich nicht ohne Weiteres aus einer Auslegung der Tatbestandsmerkmale der Norm ergibt. Die Begründung für die gesetzliche Verankerung des Rücktritts dürfte nicht in einem Aspekt zu sehen, sondern vielschichtiger sein. Denn das Rücktrittsprivileg generiert sich im Wesentlichen aus zwei Komponenten: Zum einen aus dem generellen strafrechtlichen Normappell, die Vollendung einer Straftat zu unterlassen – und somit einem der Bestrafung vorgelagerten Element – und zum anderen aus dem Sinn und Zweck des Strafens, da die eigentlich verwirkte Versuchsstrafe nicht mehr (vollumfänglich) „durchschlägt“ – und somit einem der Tatbegehung nachgelagerten Element. Blickt man auf die oben aufgeführten Ansätze, so können diese in ihrer Tendenz jeweils einer dieser beiden Gruppierungen zugeordnet werden, sodass sich hieraus ihre teilweise Bedeutung für eine Rücktrittsnorm ergibt: Sowohl der Goldene-Brücke- als auch der Opferschutz-Gedanke sind solche, die auf die erstgenannte Komponente zugeschnitten sind: Der Täter soll zugunsten des Opferschutzes dazu gebracht werden, den Taterfolg nicht herbeizuführen. Auch der Ansatz Jägers von der zurechenbaren Gefährdungsumkehr mahnt zur Rechtsgutserhaltung und ist in Richtung des strafrechtlichen Normappells konzipiert. Die Tendenz der Schulderfüllungstheorie geht ebenfalls hin zum „Rückgängig-“ bzw. „Ungeschehen-Machen“ und somit zur Bestätigung des Normappells. Wie oben erläutert, wird die – sich aus dem Normappell ergebende – ohnehin bestehende Rechtspflicht, sich normgemäß zu verhalten, durch die Versuchstatbegehung verstärkt. Allenfalls soweit man in der Pflichterfüllung einen Vergeltungsaspekt sieht, könnte man dem Ansatz ein bestrafungsorientiertes Element entnehmen. Dies widerspräche jedoch dem Vergleich mit den anderen Rechtsgebieten, die nicht auf das Vergeltungsprinzip ausgerichtet sind.933 Dagegen richtet – ihrem Namen entsprechend – die Strafzwecktheorie ihren Blick auf die der Tatbegehung nachgelagerte Ebene der Bestrafung. Allein Ame932 933

ZStW 123 (2011), S. 226 (238). s. hierzu auch oben unter Kapitel 3 II. 4. c) dd).

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lungs Umschreibung der ratio legis als „geltungserhaltende Gefährdungsumkehr“ vereint die beiden Komponenten, indem sie mit der Geltungserhaltung auf spezialund generalpräventive Ziele abstellt und zugleich über die Gefährdungsumkehr den Rechtsgutserhalt anspricht. Mit Rücksicht darauf wird sie dem Sinn und Zweck einer Rücktrittsnorm am meisten gerecht. Eine Rücktrittsnorm muss beide oben herausgestellten Komponenten in sich vereinen können: Zum einen gilt der auf Opferschutz gerichtete Gefährdungsumkehrgedanke, zu dem der Täter angehalten werden soll. Zum anderen muss dem Umstand Rechnung getragen werden, dass beim Rücktritt die Strafe für eine versuchte Tat nicht sachangemessen erscheint. Ein Täterverhalten, welches zeigt, dass der Täter sich für den Nichteintritt des Erfolgs entschieden hat, muss sich begünstigend gegenüber einem Verhalten auswirken, mit dem keine Abstandnahme von der Deliktsbegehung einhergeht. Die nächste und im Folgenden zu klärende Frage wird sein, ob diese Aspekte allein und befriedigend durch die Anordnung der Straflosigkeit erreicht werden.

III. Die Straflosigkeit als Rechtsfolge des Rücktritts Die Anordnung der Straflosigkeit beruht auf Zweckmäßigkeitserwägungen und kriminalpolitischen Gründen; sie ist keinesfalls zwingend.934 Ein Rückblick auf die historische Entwicklung der Rücktrittsnorm935 belegt dies. Schon das Römische Recht936 sah sowohl Strafaufhebung als auch Strafmilderung vor, ebenso das kanonische Recht937. Das Allgemeine Landrecht für die Preußischen Staaten (ALR) von 1794 gewährte in ALR II 20, § 43 beim freiwilligen Rücktritt einen Anspruch auf Begnadigung.938 Dies ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass aufgrund des polizeistaatlichen Verständnisses nicht auf den Strafanspruch verzichtet werden sollte.939 Partikuläre Gesetze in Deutschland regelten die Rechts-

934 RGSt 6, 341 (342); Herzberg, in: FS Lackner (1987), S. 325 (349); so auch v. Heintschel-Heinegg, ZStW 109 (1997), S. 29 (43); Loos, in: FS Jakobs (2007), S. 347 ff., 359; M. Walter, Rücktritt (1980), S. 5. Paeffgen, in: FS Puppe (2011), S. 791 (802), bezeichnet die Rechtsfolge des § 24 StGB sogar als „hochgradig merkwürdigen völligen Strafverzicht“; vgl. auch Willms, JZ 1970, 385. 935 Umfassend hierzu Müntzer, Rechtsgeschichtliche Beiträge (1912), mit einer knappen Zusammenfassung auf S. 71 ff.; Schumann, Standort des Rücktritts (2006); s. auch Haas, ZStW 123 (2011), S. 226 (247 ff.); Herzog, Rücktritt (1889), S. 11 ff. 936 Müntzer, Rechtsgeschichtliche Beiträge (1912), S. 11 ff. 937 Müntzer, a. a. O., S. 34 ff., 72. 938 s. hierzu Küpper, Grenzen (1990), S. 179; Lang-Hinrichsen, in: FS Engisch (1969), S. 353 (372); Spohr, Rücktritt (1926), S. 10. 939 Hierzu A. P. Gutmann, Freiwilligkeit (1963), S. 10; vgl. auch Müntzer, Rechtsgeschichtliche Beiträge (1912), S. 59 f.

III. Die Straflosigkeit als Rechtsfolge des Rücktritts

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folgen eines Rücktritts jeweils unterschiedlich.940 Während überwiegend941 Straflosigkeit angeordnet wurde, regelte das Criminalgesetzbuch für Sachsen942 von 1838 eine Strafbegrenzung auf eine höchstens einjährige Zuchthausstrafe. Das Badische Strafgesetzbuch von 1845 sah bei unbeendigtem Versuch Straflosigkeit vor, bei beendigtem Versuch und bei tätiger Reue eine Strafmilderung. Ebenso verfuhr auch das Herzogtum Braunschweig im Jahre 1840. Das Großherzogtum Hessen ordnete in seinem Strafgesetzbuch von 1841 ebenfalls Straflosigkeit nur bei unbeendigtem Versuch an.943 Auch im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum heutigen StGB wurde über andere Möglichkeiten der Rechtsfolge als die der zwingenden Straflosigkeit diskutiert. Gegen deren Anordnung wendete sich beispielsweise von Buri944, auch Cohn945 und Klein946 lehnten sie ab. Welzel947 sprach sich in der Großen Strafrechtskommission für die „bloße“ Möglichkeit eines Absehens von Strafe aus. In der 89. Sitzung des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform 1967 äußerte Dreher948 Überlegungen in Richtung der Einführung einer Strafmilderungsmöglichkeit oder eines Absehens von Strafe; dies wurde jedoch nicht weiter aufgegriffen. In einer Entscheidungsbesprechung von 1969949 kritisierte Dreher sodann, dass hinter der „so schrecklichen Problematik der Freiwilligkeit“ letztlich der Umstand stehe, dass der Rücktritt eben die starre Rechtsfolge der Straflosigkeit zur Konsequenz habe.950 Teilweise wurde und wird also moniert, die völlige Straflosigkeit bei freiwilligem Rücktritt lasse sich grundsätzlich nicht rechtfertigen.951 Vielmehr genüge eine MilHier und im Folgenden: Müntzer, a. a. O., S. 68 ff. s. das Bayrische Strafgesetzbuch von 1813 (hierzu Müntzer, a. a. O., S. 60 ff.), das St.G.B. für das Königreich Sachsen, das Criminalgesetzbuch für das Königreich Hannover von 1840, das Strafgesetzbuch für das Königreich Württemberg von 1839, das Thüringische Strafgesetzbuch und das St.G.B. für das Großherzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach von 1850 (mit Einschränkungen, vgl. Müntzer, a. a. O., S. 70). 942 Großherzogtum Sachsen-Weimar; Sachsen-Altenburg; Sachsen-Meiningen; Fürstentum Schwarzburg-Sondershausen; näher Müntzer, a. a. O., S. 68 f. 943 s. dazu Nachw. in Fn. 940. 944 GS 37 (Beilage), S. 141; kritisch auch in GA 25 (1877), S. 291. 945 Cohn, Zur Lehre vom versuchten und unvollendeten Verbrechen (1880), Bd. I, S. 611 ff., 621 ff.; ders., Revisionsbedürftigkeit (1916), S. 148 ff. 946 Grundsätze (1796), § 153. 947 In: Niederschriften, 2. Bd. (1958), S. 198; hiergegen ohne nähere Begründung Koffka, a. a. O., S. 198. 948 In der 89. Sitzung des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform am 30. 11. 1967, Deutscher Bundestag, 5. Wahlperiode, Stenographischer Dienst, S. 1771. 949 JR 1969, 105 (107). Die Rechtsfolge der Straflosigkeit wird als „Übel“ bezeichnet. 950 Vgl. auch schon W. E. Wagner, Umfang der Strafvergünstigung (1939), S. 13: „[Man müßte] den Kreis der Fälle, in denen Straflosigkeit gewährt werden soll, durch andere Kriterien bestimmen als lediglich die Freiwilligkeit des Rücktritts.“ 951 Lackner / Kühl, StGB, § 24 Rn. 6, sprechen etwa von einer „sachwidrigen Alternative voller Versuchsstrafbarkeit oder Straffreiheit“. 940 941

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Kap. 4: Zur Rechtsfolge des Rücktritts

derung der Strafe, über welche die Unterschiede zwischen freiwilligem und unfreiwilligem Rücktritt gerecht zu bewerten seien.952 John953, der diese These ganz maßgeblich bereits 1868 vertrat, berief sich unter anderem954 darauf, dass Grund der Strafbarkeit nicht unbedingt der eingetretene schädliche Erfolg sei, sondern der böse Wille.955 Dies zeige sich daran, dass auch beim vollendeten Verbrechen schließlich eine Schadenswiedergutmachung möglich sei, sodass der böse Wille maßgeblich sein müsse. Somit dürften der Versuch und das vollendete Delikt im Hinblick auf die Rücktrittsmöglichkeit nicht unterschiedlich behandelt werden.956 Dem hält Gutmann entgegen, dass sowohl der Wille als auch der Erfolg, die Veränderung der Außenwelt als Konkretisierung dieses Willens, im deutschen Strafrecht nebeneinander Faktoren für das Strafbarkeitsurteil seien.957 Eine unterschiedliche Behandlung zwischen Vollendung und Versuch sei daher aufgrund des Nichteintritts des Erfolges sachgerecht. Dem ist zwar von der Grundidee her zuzustimmen, jedoch bedeutet dies nicht per se, dass der Unterschied zwischen den beiden Erscheinungsformen der Straftat gerade über die auf einen Rücktritt folgende zwingende Straflosigkeit des Versuches zum Ausdruck kommen muss. Gleiches gilt auch für die beispielsweise von Gutmann958 geforderte Differenzierung zwischen (de lege lata) unfreiwilligem und freiwilligem Rücktritt: Die unterschiedliche Wertung kann sich auch in einem unterschiedlichen Strafmaß äußern und muss nicht zwingend in der Alternative Strafe – Straflosigkeit bestehen.

952 Die Einführung einer Strafmilderungsmöglichkeit erwägen etwa Bergmann, ZStW 100 (1988), S. 329 (353 ff.); Lang-Hinrichsen, in: FS Engisch (1969), S. 353 (372); Schmidhäuser, AT, 15 / 70; H. Schröder, MDR 1956, 321 (324); Ulsenheimer, Grundfragen (1976), S. 346 f.; Jakobs, NJW 1977, 670 hält den Vorschlag Ulsenheimers für „bedenkenswert“. Vgl. auch Eser, in: Schönke / Schröder, StGB, § 24 Rn. 108; Schünemann, GA 1986, 293 (326); vgl. auch jüngst Haas, ZStW 123 (2011), S. 226 (239, 258). Wege, Rücktritt und Normgeltung (2011), S. 124 ff., 142 ff., will für die Rechtsfolgeanordnungen zwischen den verschiedenen Versuchsstufen des geltenden § 24 StGB differenzieren. Kritisch äußert sich insgesamt Streng, JZ 1990, 212 (220), der in der Einführung einer Strafzumessungslösung eine Entwertung der Rücktrittsmöglichkeit sieht. 953 Entwurf (1868), S. 220 ff., 222 f. 954 Für weitere Argumente und hiergegen vorzubringende Kritik s. A. P. Gutmann, Freiwilligkeit (1963), S. 7 f. 955 S. zur Maßgeblichkeit des „bösen Willens“ für die Strafbarkeit auch Schwarze, GA 2 (1854), 429 (430 ff.); E. v. Liszt, ZStW 25 (1905), S. 24 (36 ff.). A. A. Seeger, GA 18 (1870), 227 (232; s. zu weiteren Argumenten gegen John a. a. O., 233 f.); A. Geyer, in: Harburger (Hrsg.), Kleinere Schriften (1889), S. 263 (292 f.); im Hinblick auf das österreichische Strafrecht s. A. Geyer, Erörterungen (1862), S. 87. 956 John, Entwurf (1868), S. 220 ff. 957 A. P. Gutmann, Freiwilligkeit (1963), S. 8 f. 958 A. P. Gutmann, a. a. O., S. 9.

III. Die Straflosigkeit als Rechtsfolge des Rücktritts

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1. Alternativen zur Straflosigkeit als Rechtsfolge Eine Möglichkeit der Rechtsfolgeanordnung wäre eine Regelung auf Strafzumessungsebene in Gestalt einer Strafmilderung, wie dies in einigen ausländischen Rechtsordnungen – teilweise im Rahmen einer Verteidigungseinrede – der Fall ist. Hierauf wird später noch einzugehen sein.959 Zu denken ist auch an eine Lösung, die eine obligatorische oder fakultative Strafmilderung neben einem fakultativen Absehen von Strafe vorsieht.960 Im geltenden Recht greifen derzeit eine Reihe von Normen aus dem Besonderen Teil hierauf zurück, namentlich die Vorschriften über die tätige Reue, welche Rücktrittsmöglichkeiten bei formell vollendetem Delikt vorsehen.961 Beispielhaft genannt seien hier die §§ 83a, 129 Abs. 6, 142 Abs. 4, 149 Abs. 2, 158, 239a Abs. 4, 261 Abs. 10, 306e, 314a, 320, 330b StGB.962 Diesen Regelungen liegt zwar kein erkennbares systematisches Prinzip zugrunde963; jedoch ist es durchaus lohnend, die dort angeordneten Rechtsfolgen näher zu betrachten. Zu Recht als unbefriedigend wird von einigen Autoren die Unstimmigkeit der Rechtsfolgen angesehen: Auch die tätige Reue gilt als eine Art Rücktritt, und der Gesetzgeber ist in diesen Fällen dazu übergegangen, dem Richter sowohl die Möglichkeit des Absehens von Strafe als auch

s. Kapitel 5. Kolster, Qualität der Rücktrittsbemühungen (1993), S. 129 ff., schlägt zusätzlich zu der de lege lata normierten Straflosigkeit eine zusätzliche obligatorische Strafmilderung vor für alle Fälle, in denen der Täter willentlich kausal für das Ausbleiben der Vollendung geworden ist, aber nicht alle Voraussetzungen eines wirksamen Rücktritts erfüllte. Auch dies dürfte ein gangbarer Weg sein, wenngleich die Möglichkeit eines bloß fakultativen Absehens von Strafe mehr Spielraum für einzelfallgerechte Entscheidungen eröffnet. Schon Siegert, Grundzüge (1934), S. 58, machte den Vorschlag, statt der Straflosigkeit eine Strafmilderungspflicht neben der Möglichkeit, von Strafe abzusehen, zu schaffen. Dieser Vorschlag ist zwar zeitlich, aber – soweit ersichtlich – nicht ideologisch der Epoche des Nationalsozialismus zuzuordnen; er wird nicht näher begründet und auch in der Folgezeit (etwa durch Gesetzesänderungen) nicht aufgegriffen. Siegert verweist auf die Ausführungen bei Schaffstein, ZStW 53 (1934), S. 603 (612), der aber ebenfalls für die Rechtsfolge nicht näher mit spezifisch nationalsozialistischem Gedankengut argumentiert, sondern sich auf den Goldene-Brücke-Gedanken stützt. 961 Obgleich die tätige Reue aus diesem Grund oftmals als „rücktrittsähnlich“ bezeichnet wird, wird teilweise darauf hingewiesen, dass der Rücktritt keine Form der Wiedergutmachung sei und ihm deshalb ein anderes Prinzip zugrunde liege, s. Freund, GA 2005, 321 (331). Hiergegen zeigt Eser, in: FS Maurach (1972), S. 257 (259 f.), richtig auf, dass sich beide Rechtsinstitute konstruktiv dahingehend ähnlich sind, als dass sie ein den Erfolgseintritt hinderndes bzw. wiedergutmachendes Verhalten verlangen. Zu den „unterschiedlichen Strukturprinzipien“ innerhalb der „Rücktrittsregelungen“ Eser, in: Schönke / Schröder, StGB, § 24 Rn. 117 sowie H. Schröder, in: FS H. Mayer (1966), S. 377 (389); mit einer Übersicht zu den „Rücktrittsvorschriften“ und ihren Rechtsfolgen mit Blick auf das gesamte Straftatsystem Wolter, in: Wolter / Freund (Hrsg.), Straftat (1996), S. 1 (21 ff.). 962 Für eine vollständige Aufzählung s. Blöcker, Tätige Reue (2000), S. 80 f. 963 Lilie / Albrecht, in: LK-StGB12, § 24 Rn. 504 f.; Zaczyk, in: NK-StGB, § 24 Rn. 132; kritisch auch H. Schröder, in: FS H. Mayer (1966), S. 377 (389); vgl. auch Blöcker, Tätige Reue (2000), 151 ff. 959 960

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Kap. 4: Zur Rechtsfolge des Rücktritts

die einer Strafmilderung zu eröffnen. Aus diesem Grund schlagen einige Vertreter im Schrifttum eine Anpassung der Rechtsfolgen auch für die §§ 24 und 31 StGB vor.964 Die Voraussetzungen, welche jeweils an das Verhalten tätiger Reue gestellt werden, sind vergleichbar mit den Voraussetzungen des Rücktritts nach § 24 StGB, insbesondere beinhalten sie allesamt das Merkmal der Freiwilligkeit. Hinsichtlich der Auslegung der Freiwilligkeit wird stets auf den allgemeinen Rücktrittsparagraphen verwiesen965, sodass ihre Auslegung nichts Neues zu diesem problematischen Merkmal beitragen kann. Interessanter ist dagegen ein Blick auf die Rechtsfolge des Absehens von Strafe, die der Gesetzgeber im Laufe der Zeit immer öfter eingeführt hat. So wurde bspw. neben der Einfügung des Freiwilligkeitsmerkmals966 die Rechtsfolge der Straflosigkeit in § 310 StGB a. F. im Jahr 1998 geändert und in § 306e Abs. 1 StGB n. F. die Möglichkeit des Gerichts normiert, von Strafe abzusehen oder sie zu mildern. Lediglich für die fahrlässige Brandstiftung nach § 306d StGB wird der Täter bei tätiger Reue nicht bestraft.967 Auffällig ist allerdings, dass die Vorschriften über die tätige Reue nicht immer allein die Möglichkeit des Absehens von Strafe in Kombination mit einer Strafmilderung vorsehen. Zwar ist diese eine beliebte Rechtsfolge, jedoch differenzieren die Regelungen nach verschiedenen Konstellationen und ordnen diesen jeweils verschiedene Rechtsfolgen zu. Ein gutes Beispiel bildet § 314a StGB, welcher in Abs. 1 eine Strafmilderungsmöglichkeit eröffnet, in Abs. 2 daneben auch ein Absehen von Strafe ermöglicht und in Abs. 3 schließlich die Straflosigkeit anordnet. Es fällt auf, dass lediglich bei tätiger Reue nach Fahrlässigkeitsdelikten zwingend Straflosigkeit eintreten soll. Nur diese Konstellation ist also an den geltenden § 24 StGB angenähert. Vor dem Hintergrund, dass bei § 24 StGB ein vorsätzliches Verhalten vorliegen muss968, ist das wenig überzeugend.969 964 Burkhardt, Rechtsfolgebestimmung (1975), S. 184 ff.; Eser, in: Schönke / Schröder, StGB, § 24 Rn. 108, 117; Haas, ZStW 123 (2011), S. 226 (239); H. Schröder, in: FS H. Mayer (1966), S. 377 (389); s. auch noch Stree, in: Schönke / Schröder, StGB27, Vorbem. §§ 38 ff. Rn. 54. Vgl. ferner Schünemann, GA 1986, 293 (326). Umgekehrt forderte im Übrigen Oersted, Abhandlungen, 1. Bd. (1818), S. 161, die Einführung des Rücktritts vom vollendeten Delikt: Wenn der Rücktritt vom Versuch Straflosigkeit nach sich ziehe, sei es inkonsequent, nicht auch denjenigen von Strafe zu befreien, der „freiwillig den Erfolg der bereits vollbrachten That wieder vernichtet“. 965 Vgl. nur Radtke, in: MüKo-StGB1, § 306e Rn. 17 f.; Wolff, in: LK-StGB12, § 306e Rn. 7; ders., in: LK-StGB12, § 314a Rn. 5; kritisch Blöcker, Tätige Reue (2000), S. 105 ff. 966 Hierzu Radtke, in: MüKo-StGB1, § 306e Rn. 2; vgl. auch Eser, in: Schönke / Schröder, StGB, § 24 Rn. 117. 967 Kritisch Radtke, a. a. O., Rn. 3, der die Rechtsfolgenseite des § 306e StGB nicht als fakultativ, sondern obligatorisch verstanden wissen möchte. 968 Zum Rücktrittsvorsatz s. Kapitel 2. 969 Kritisch bei einem Vergleich zwischen den Tätige-Reue-Vorschriften und § 24 StGB auch Wolter, in: Wolter / Freund (Hrsg.), Straftat (1996), S. 1 (33).

III. Die Straflosigkeit als Rechtsfolge des Rücktritts

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Bei der unterschiedlichen Ausgestaltung der Rechtsfolgen handelt es sich insgesamt um ein Problem, das nicht nur innerhalb des § 314a StGB eine Rolle spielt, sondern vielmehr bei allen Tatbeständen, welche die tätige Reue normieren – dies sowohl innerhalb einzelner Regelungen als auch im Vergleich mehrerer Normen miteinander. Die Anordnung unterschiedlicher Rechtsfolgen beruht auf kriminalpolitischen Entscheidungen des Gesetzgebers und wird vielfach aufgrund des fehlenden inneren Systems kritisiert.970

2. Das Absehen von Strafe Das Absehen von Strafe steht gewissermaßen zwischen einer zwingend eintretenden Straflosigkeit und der Anordnung einer (obligatorischen oder fakultativen) Strafmilderung. Es war im Strafgesetzbuch bis 1871 nicht verankert; erst im Vorentwurf zum StGB im Jahre 1909 wurde es benannt. Eingeführt wurde diese Rechtsfolge aber erst 1935. Bis heute erfährt dieses Rechtsinstitut zwar ständig zunehmende, aber nur vereinzelte und – so die Kritik – konzeptionslose Ausweitung.971 Es ist in der Regel ausgestaltet als eine fakultative gesetzliche Strafbefreiung.972 Der Gesetzgeber hat dem Richter diese Möglichkeit über Normen des Allgemeinen Teils (z. B. §§ 23 Abs. 3, 60 StGB) und über solche des Besonderen Teils eingeräumt, insbesondere über die soeben erwähnten Vorschriften über die tätige Reue. Nicht eindeutig geklärt ist der Charakter des Absehens von Strafe.973 Überwiegend974 wird dies als Grenzfall der Strafzumessung angesehen, was insbesondere dann gilt, wenn das Absehen von Strafe neben eine Strafmilderung gestellt wird. § 60 StGB, bei dem das nicht der Fall ist975, soll deshalb schwer in das Strafrechtssystem zu integrieren sein.976 Die systematische Einordnung wird hier ebenso diskutiert 970 Ausführlich zur Legitimation des Gesetzgebers sowie zur Kritik an der unterschiedlichen Ausgestaltung der Rechtsfolgen Blöcker, Tätige Reue (2000), S. 149 ff. 971 Burkhardt, Rechtsfolgebestimmung (1975), S. 185 f.; zur geschichtlichen Entwicklung s. H. Wagner, GA 1972, 33 (35) und ausführlich v. Weber, MDR 1956, 705 ff.; zum Reformwandel im Rechtsfolgenbereich in 60er- und 70er-Jahren Hassemer, in: FS Sarstedt (1981), S. 65 (69 ff., 74 ff.). 972 Hierzu sowie zu Fällen obligatorischer gesetzlicher Strafbefreiung Naucke, Jura 1979, 426 (428). 973 Hierzu näher Blöcker, Tätige Reue (2000), S. 165 ff.; Burkhardt, Rechtsfolgebestimmung (1975), S. 187 ff. 974 BGHSt 16, 399 (400 f.); Bruns, Strafzumessung, S. 4 f., 114; Burkhardt, Rechtsfolgebestimmung (1975), S. 187 ff.; Streng, Strafrechtliche Sanktionen, Rn. 458, 552; vgl. auch Bottke, Methodik (1979), S. 650; ähnlich Wolter, in: Wolter / Freund (Hrsg.), Straftat (1996), S. 1 (42); kritisch insgesamt Blöcker, Tätige Reue (2000), S. 171 ff. 975 Kritisch zu diesem „Alles-oder-Nichts-Prinzip“ und mit dem Vorschlag der Einführung einer Strafmilderungsmöglichkeit in § 60 StGB Maiwald, ZStW 83 (1971), S. 663 (684 f., 696); kritisch wiederum hierzu Müller-Dietz, in: FS Lange (1976), S. 303 (314). 976 Bassakou, Absehen von Strafe (1991), S. 16 m. w. N.

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wie die des Rücktrittstatbestandes nach § 24 StGB; die wohl h. M. ordnet § 60 StGB zutreffend als Strafzumessungsnorm ein.977 Mit v. Weber978 ist zu betonen, dass Strafzumessung und das Absehen von Strafe nicht generell wesensverschieden sind. Die dem Rechtsinstitut zugrundeliegenden Gedanken sind unterschiedlicher Natur und lassen sich grob wie folgt zusammenfassen: Zum einen gibt es die Kategorie des Rücktritts bzw. rücktrittsähnlicher Konstellationen der tätigen Reue. Daneben kann in Fällen des Bagatellcharakters des Unrechtsgehalts979 oder bei geringer Schuld980 des Täters von Strafe abgesehen werden. Wiederum andere Regelungen knüpfen an Irrtümer oder die Unzumutbarkeit normgemäßen Verhaltens an.981 Ein weiterer Fall ist die schon erwähnte Ausnahmeregelung982 des § 60 StGB, nach der das Gericht von Strafe absieht, „wenn die Folgen der Tat, die den Täter getroffen haben, so schwer sind, daß die Verhängung einer Strafe offensichtlich verfehlt wäre“. In diesen Fällen wird darauf verwiesen, dass die Bestrafung des die Voraussetzungen erfüllenden reuigen Täters nicht ihren Zweck erfüllen würde.983 Die Bezugnahme darauf, ob Strafe in der konkreten Konstellation ihren Zweck erreichen würde, findet sich in den Anwendungsbereichen des Absehens von Strafe durchgängig wieder.

a) Verhältnis des Absehens von Strafe zu verfahrensrechtlichen Einstellungsmöglichkeiten Auch für die prozessualen Einstellungsmöglichkeiten sind Art und Schwere des Tatvorwurfs und somit die Tat Anknüpfungspunkt.984 In praktischer Hinsicht stellt 977 s. nur Albrecht, in: NK-StGB, § 60 Rn. 1; Bassakou, Absehen von Strafe (1991), S. 17, 29 f.; Jung / Kunz, NStZ 1982, 409 (411); Kett-Straub, JA 2009, 53 (54); Stree / Kinzig, in: Schönke / Schröder, StGB, § 60 Rn. 1. Gegen die anderen Einordnungsansätze überzeugend Bassakou, a. a. O., S. 17 ff.; vgl. auch Eser, in: FS Maurach (1972), S. 257 (273). Unter anderem wird die Einordnung des § 60 StGB als Strafzumessungsnorm mit dem Hinweis abgelehnt, der Richter habe hier schon keinen Strafzumessungsspielraum, da in Fällen des § 60 StGB eine Strafe schon nicht in Betracht komme (H. Wagner, GA 1972, 33 [36]; vgl. auch BGHSt 16, 399 [401 f.]). Dies ist indes in praktischer Hinsicht deshalb nicht überzeugend, weil dem Richter gerade bei der in Rede stehenden Norm über das Merkmal des „offensichtlichen“ Verfehltseins von Strafe ein Wertungsspielraum eröffnet wird (Bassakou, a. a. O., S. 22, mit dem zutreffenden Hinweis, dass der Autor sich sogar selbst widerspreche, vgl. H. Wagner, a. a. O., S. 52 f.). 978 MDR 1956, 705 (706); s. auch H. Wagner, GA 1972, 33 (36); ferner H. Schröder, Gutachten zum 41. DJT (1955), Bd. I / 2, S. 57 (98). 979 Z.B. § 174 Abs. 4 StGB; hierzu Jung / Kunz, NStZ 1982, 409 ff. 980 Z.B. § 84 Abs. 4, § 85 Abs. 3; § 86 Abs. 4, § 129 Abs. 5; aber auch §§ 153, 153a StPO. 981 § 113 Abs. 4, vgl. auch § 157 Abs. 1. 982 Zum Ausnahmecharakter des Absehens von Strafe Jung / Kunz, NStZ 1982, 409 (410). 983 Burkhardt, Rechtsfolgebestimmung (1975), S. 186; vgl. zu § 60 Hassemer, in: FS Sarstedt (1981), S. 65 (67 f.); zu den verschiedenen Konstellationen im Überblick auch Eser, in: FS Maurach (1972), S. 257 (258 ff.); vgl. auch Jung / Kunz, NStZ 1982, 409 (410 f.). 984 Eser, in: FS Maurach (1972), S. 257 (261).

III. Die Straflosigkeit als Rechtsfolge des Rücktritts

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sich daher die wichtige Frage, in welchem Verhältnis die gesetzlich eingeräumte Möglichkeit eines Absehens von Strafe zu der Möglichkeit der Verfahrenseinstellung nach der Strafprozessordnung steht. Die Bedenken, die sich bei einer gleichzeitigen Existenz der hier gegenüber gestellten Reaktionsmöglichkeiten ergeben, sind schnell auf den Punkt gebracht: Teilweise wird geltend gemacht, das Rechtsinstitut des Absehens von Strafe sei neben Normen wie insbesondere §§ 153, 153a StPO überflüssig, da in der Praxis das Verfahren in den einschlägigen Fallkonstellationen ohnehin eingestellt werde.985 Wäre dies der Fall, so würde sich eine Diskussion über eine Änderung der Rechtsfolge bei § 24 StGB erübrigen, denn es wäre widersinnig, sehenden Auges eine neue Norm zu schaffen, deren Rechtsfolge nicht angewendet werden würde. Zu bedenken ist, dass die Einstellungsmöglichkeiten de facto schon jetzt bestehen. Denn beim Absehen von Strafe kann vor Erhebung der Anklage bzw. vor Beginn der Hauptverhandlung nach § 153b StPO das Verfahren eingestellt werden.986 Dies ist im Gegensatz zur obligatorischen Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO bzw. §§ 203, 204 StPO eine insoweit „schwächere“, weil fakultative Möglichkeit der Verfahrenseinstellung. Folglich wäre, will man das Argument der „Überflüssigkeit“ geltend machen, dies erst recht de lege lata gegen § 24 StGB vorzubringen. Darüber hinaus besteht ein Unterschied zwischen der Rechtsfolgeanordnung und den verfahrensrechtlichen Einstellungsgründen nach §§ 153 f. StPO darin, dass die jeweilige Entscheidung von unterschiedlichen Prozessbeteiligten abhängig ist. Die Möglichkeit von Strafe abzusehen, liegt allein in der Hand des Gerichts, während es zur Einstellung des Strafverfahrens – je nach einschlägiger Norm der StPO – (zusätzlich) der Zustimmung der Staatsanwaltschaft und / oder des Beschuldigten bedarf. Zwar ist bei der Entscheidung über die Einstellung maßgeblich auf den Tatvorwurf abzustellen, jedoch liegt sie in der Hand verschiedener Personen, sodass sie mit einer weiteren Unsicherheit behaftet ist. Es macht deshalb aus dieser Perspektive durchaus Sinn, dem Gericht die alleinige abschließende Entscheidung über Strafe und Straffreiheit zu ermöglichen. Die strafprozessualen Regelungen sind daneben als Ergänzung und Erweiterung der im StGB eingefügten fakultativen Strafbefreiungsmöglichkeiten anzusehen.987 985 Lange, in: Materialien zur Strafrechtsreform, 1. Bd. (1954), S. 69 (80); H. Wagner, GA 1972, 33 (36); vgl. auch Bassakou, Absehen von Strafe (1991), S. 2 f., die problematisiert, ob bestimmte Fallkonstellationen dann nicht einmal mehr verfolgt würden (freilich für die Rechtslage vor Einführung des § 60 StGB, der ein Absehen von Strafe ermöglicht, wenn den Täter selbst schwere Folgen seiner Tat trafen und deshalb die Bestrafung offensichtlich verfehlt wäre). Mit ähnlicher Überlegung in Bezug auf § 354 I Alt. 5 StPO Junker, Sachentscheidung (2002), S. 32, der aber darauf hinweist, dass sich ein Absehen von Strafe im Einzelfall als „nützliches Instrument“ zur gerechten Entscheidung darstellen kann. Gegen die Überflüssigkeit der Rechtsfolge des Absehens von Strafe H. Schröder, Gutachten zum 41. DJT (1955), Bd. I / 2, S. 57 (94). 986 Zu § 153b StPO näher noch sogleich.

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Kap. 4: Zur Rechtsfolge des Rücktritts

Ein weiterer Gesichtspunkt, der für ein Nebeneinander von Einstellungs- und Strafverzichtsmöglichkeiten spricht, sei hinzugefügt. Gerade im Gegensatz zu einer Verfahrenseinstellung nach § 153 StPO hat das Absehen von Strafe den Vorteil, dass ein Schuldspruch ergeht.988 Der Angeklagte wird auf diese Weise mit der Unrechtmäßigkeit und persönlichen Vorwerfbarkeit seines Verhaltens direkter konfrontiert. Bei einer Einstellung nach § 153 StPO wird nämlich keine konkrete Antwort auf die Tat gegeben. Insoweit kommt der im StGB verankerten Rechtsfolge eines Absehens von Strafe auch eine Klarstellungsfunktion zu mit der Nebenfolge, dass mehr Transparenz erzeugt wird.989 Aus präventiven Strafgesichtspunkten ist dies sicherlich ein nicht unwesentlicher Aspekt.990 Ein Einstellungstatbestand, auf den bislang noch nicht näher eingegangen wurde, ist § 153b StPO. Diese Vorschrift ist das prozessuale Pendant zum Absehen von Strafe. Liegen die Voraussetzungen vor, unter denen das Gericht von Strafe absehen könnte, kann die Staatsanwaltschaft mit Zustimmung des Gerichts vor Klageerhe987 Naucke, Jura 1979, 426 (429); für eine „Differenzierung zwischen materieller Strafbarkeit, prozessualer Verfolgbarkeit […] und ‚strafbemessender‘ Bestrafbarkeit […]“ Wolter, in: Wolter / Freund (Hrsg.), Straftat (1996), S. 1 (11 f., 25 ff.). Th. Weigend, ZStW 109 (1997), S. 103 (106 f.), geht ausführlich auf die Vorteile einer materiellrechtlichen Ausgestaltung des Strafverzichts ein. Er weist zu Recht darauf hin, dass die übermäßige Reichweite der Strafvorschriften das Kernproblem ist, wodurch das Bedürfnis nach einer solchen Entscheidungsmöglichkeit erst hervorgerufen werde. Deshalb sollte auch im materiellen Recht ein Ausgleich geschaffen werden. Überzeugend kennzeichnet Weigend es als widersprüchlich, einerseits ein Verhalten materiellrechtlich mit Strafe zu bedrohen und andererseits mit der verfahrensrechtlichen Einstellung als fest eingeplantem Korrektiv zu rechnen. Der Rückgriff auf ein solches Korrektiv sollte die Ausnahme bleiben. Die verfahrensrechtlichen Normen sind dazu bestimmt, das materielle Recht durchzusetzen und das Verfahren abzusichern. Es kann deshalb nicht sein, dass aufgrund der Existenz von prozessrechtlichen Regelungen materiellrechtliche Normen zurückgedrängt bzw. ausgehebelt werden. Vielmehr haben sich das Prozessrecht und seine tatsächliche Anwendung umgekehrt am materiellen Recht zu orientieren. Folglich wäre also primär an eine einschränkende Auslegung des Prozessrechts zu denken als an eine „per se-Beschneidung“ der Rechtsfolgen. Kritisch zur Existenz des § 153b StPO de lege lata Ruckdäschel, Verhältnis (2006), S. 109 ff. 988 Vgl. BGHSt 4, 172 (176); 10, 320 (321). Näher hierzu unten Kapitel 4 III. 2. b). 989 Vgl. Eser, in: FS Maurach (1972), S. 257 (269); zur Klarstellungsfunktion auch Freund, GA 2005, S. 321 (329). 990 Zuzustimmen ist daher Eser, in: FS Maurach (1972), S. 257 (269), der die prozessuale Einstellung nach § 153 StPO auf solche Fälle beschränkt wissen will, „in denen sie aus rein prozeßökonomischen Gründen notwendig erscheint (und es daher gar nicht zur Schuldaufklärung kommt), daß dagegen bei feststehendem Verschulden (und davon geht § 153 StPO jedenfalls seinem Wortlaut nach aus), allenfalls ein Schuldspruch unter Strafverzicht in Betracht kommt.“ In diese Richtung zielt auch das Argument Freunds, GA 2005, S. 321 (329), dass bei solchen Straftaten, die eine Hauptverhandlung rechtfertigen, ein Schuldspruch erfolgen solle und allenfalls von Strafe abgesehen werden könne. Insoweit kommt es stets maßgeblich auf das Schuldfeststellungsbedürfnis an. Sowohl die Entscheidung über eine Verfahrenseinstellung als auch das Schuldfeststellungsbedürfnis sind geprägt von der Frage nach general- und spezialpräventiven Erfordernissen, s. zum Ganzen näher H. Wagner, GA 1972, 33 (44 ff.). Die knappen Justizressourcen, die heute oftmals zu prozessualen Schnelllösungen verleiten, ändern an dieser Feststellung nichts.

III. Die Straflosigkeit als Rechtsfolge des Rücktritts

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bung das Verfahren einstellen (Abs. 1) oder das Gericht kann – mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und des Angeschuldigten – seinerseits nach Klageerhebung bis zum Beginn der Hauptverhandlung das Verfahren einstellen (Abs. 2). Würde die Rechtsfolge eines Absehens von Strafe tatsächlich durch die Einstellungsgründe nach §§ 153, 153a StPO unterlaufen, so müsste dies auch für § 153b StPO gelten, der dann obsolet wäre.991 Dies kann jedoch nicht gewollt sein. Die Anwendung von § 153b StPO ist nur möglich, wenn zum maßgeblichen Zeitpunkt bereits hinreichend sicher darüber entschieden werden kann, ob die Voraussetzungen für das Absehen von Strafe vorliegen. Bedarf es noch weiterer Ermittlungen und ggf. auch der Durchführung der Hauptverhandlung, so scheidet eine Verfahrenseinstellung aus.992 Auch kann eine Einstellung nach § 153b StPO nicht erfolgen, wenn ein öffentliches Interesse an der Herbeiführung eines Schuldspruchs besteht993 oder aber wenn weitere staatliche Reaktionen angeordnet werden sollen wie bspw. Maßregeln der Besserung und Sicherung.994 Hierüber hat das Gericht zu entscheiden. Weiterhin möglich bleibt im Falle einer Einstellung die Erhebung der Privatklage995, sodass die Anwendung des § 153b StPO nicht in jedem Fall die endgültige Beendigung der Strafverfolgung bedeutet. Wenn auch sicher in der Praxis ein Großteil der einschlägigen Fallkonstellationen nach § 153b StPO eingestellt wird,996 so ist die Anordnung der Rechtsfolge nicht gänzlich überflüssig. In Fällen, in denen ein öffentliches Interesse am Erlass eines Schuldspruchs besteht, bleibt dieser – wenn auch mit der Rechtsfolge des Absehens von Strafe – notwendig. Soweit kein öffentliches Interesse hieran besteht, ist eine vorherige Verfahrenseinstellung hinzunehmen und mit Blick auf die Entlastung der Strafverfolgungsbehörden zweckmäßig.997 Das materielle Recht schafft insoweit die Grundlage. Freilich geht § 153b StPO zugunsten des Beschuldigten weiter als das materielle Recht: Dem Beschuldigten wird zum einen die Hauptverhandlung erspart, und zum anderen bleibt der Schuldvorwurf offen mit der Folge, dass der Beschuldigte sich weiterhin auf die Unschuldsvermutung berufen kann.998 Insbesondere aus dem letztgenannten Grund sind die Justizbehörden aufgerufen, ihr Ermes-

991 Mit Vorschlägen für Kriterien zur Abgrenzung zwischen Verfahrenseinstellung und Absehen von Strafe durch das Gericht Wolter, in: Wolter / Freund (Hrsg.), Straftat (1996), S. 1 (37 ff.). 992 Beulke, in: LR-StPO, § 153b Rn. 4, 13. 993 Meyer-Goßner, StPO, § 153b Rn. 1. 994 Beulke, in: LR-StPO, § 153b Rn. 4. 995 Meyer-Goßner, StPO, § 153b Rn. 2. 996 Beulke, in: LR-StPO, § 153b Rn. 1; kritisch hierzu insgesamt Ruckdäschel, Verhältnis (2006), S. 109 ff., 118, der moniert, dass § 153b StPO dem Sinn und Zweck des Absehens von Strafe zuwiderlaufe. Hirsch, ZStW 102 (1990), S. 534 (548), sieht aufgrund der Existenz des § 153b StPO die Funktion der Rechtsfigur eines Absehens von Strafe nicht erfüllt. 997 Beulke, in: LR-StPO, § 153b Rn. 2. 998 Beulke, in: LR-StPO, § 153b Rn. 2.

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Kap. 4: Zur Rechtsfolge des Rücktritts

sen im Hinblick auf die Verfahrenseinstellung pflichtgemäß und an den Strafzwecken orientiert auszuüben.999 b) Sinn und Zweckmäßigkeit des Schuldspruchs Die vorangegangenen Ausführungen leiten zu der grundsätzlichen Frage über, welchen Sinn ein Absehen von Strafe überhaupt hat. Wie bereits gesagt, verbirgt sich dahinter konkret ein Schuldspruch unter Strafverzicht. Am Sinn eines Absehens von Strafe kann man deshalb zunächst mit gutem Grund zweifeln. So steht für den Täter am Ende des Verfahrens weder ein Freispruch noch die Verhängung einer Strafe. Man kann aber den Zweck darin sehen, dass der Schuldspruch – wenngleich er auch die Rechtsfolge des Absehens von Bestrafung benennt – die soziale Missbilligung des Verhaltens zum Ausdruck bringen soll.1000 Dass bei einer Durchführung eines Strafverfahrens mit abschließender Verurteilung eine den Täter belastende Stigmatisierung erfolge, die „eine Selbstresozialisierung ohne Not in Frage“ stelle1001, ist indes nicht mehr als eine übertrieben wirkende Hypothese. Dem Täter wird – und dies soll und muss in der Urteilsbegründung zum Ausdruck kommen – sein Rücktrittsverhalten deutlich zugute gehalten. Sowohl der Schuldspruch als auch die Durchführung eines Strafverfahrens sind für den Täter spürbare Reaktionen des Staates.1002 Sie sind aber nicht allein als eine Übelszufügung anzusehen; vielmehr kommt ihnen eine general- wie spezialpräventive Wirkung zu: Dem Täter wird sein Fehlverhalten und die persönliche Vorwerfbarkeit vor Augen geführt und damit auf sein künftig rechtmäßiges Verhalten hingewirkt.1003 An dieser Stelle sei ergänzend vermerkt, dass bereits bei Feuer999 Ob § 153b StPO eine Ermessensnorm darstellt, ist umstritten, vgl. kritisch Beulke, in: LR-StPO, § 153b Rn. 4 m. w. N. 1000 Eser, in: FS Maurach (1972), S. 257 (268); Freund, in: Wolter / Freund (Hrsg.), Straftat (1996), S. 43 (49); Eb. Schmidt, Lehrkommentar I, Nr. 318; H. Wagner, GA 1972, 33 (37 f.); Waiblinger, in: FS Pfenninger (1956), S. 157 (167). 1001 So H.-W. Mayer, Privilegierungswürdigkeit (1986), S. 367. 1002 Jescheck / Weigend, AT5, S. 862. 1003 Waiblinger, in: FS Pfenninger (1956), S. 157 (167): „Repressivwirkung“; so auch Bergmann, Milderung (1988), S. 77 f.; Eb. Schmidt, Lehrkommentar I, Nr. 318; G. Schmidt, JZ 1966, 89 (92 ff.); Wolter, in: Wolter / Freund (Hrsg.), Straftat (1996), S. 1 (37); zuletzt Wege, Rücktritt und Normgeltung (2011), S. 90; differenzierend H. Wagner, GA 1972, 33 (36), der in dem Schuldspruch ein Unwerturteil des Richters über die Tat des Täters erblickt, gerade nicht aber eine repressiv wirkende Übelszufügung; H. Wagner, a. a. O., 41 ff., betont aber gleichwohl, dass nicht nur den Strafen general- und spezialpräventive Wirkung zukomme, sondern auch dem Schuldspruch. Blöcker, Tätige Reue (2000), S. 174 ff., der im Ergebnis eine spezialpräventive Wirkung des Schuldspruchs nicht anerkennen will, macht geltend, repressive Wirkung sei dem Schuldspruch nur dann zuzurechnen, wenn dieser über die Bestimmung der Tatschuld hinausginge und den Täter unzulässigerweise als Person disqualifiziere. Gegen Letzteres spricht aber, dass dies weder Sinn eines Schuldspruchs ist noch eine ihm zwingend inhaltlich immanente Komponente. Vielmehr – und dies macht der Autor sogar selbst geltend! – handelt es sich hierbei um eine Nebenfolge in Form eines individuellen Emp-

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bach1004 ähnliche Überlegungen anklangen: Er sprach sich dafür aus, dem Versuchsdelinquenten bei „freiwillig unvollendeten Versuchen“ einen richterlichen Verweis zu erteilen, „wobey ihm der Richter (nach Befinden der Umstände, unter Mitwirkung eines Geistlichen) die Strafbarkeit der Missethat, ihre Abscheulichkeit und ihre Folgen darzustellen hat.“ Hierdurch solle der Neigung zur Deliktsbegehung entgegengewirkt werden. Aber auch Außenstehenden wird signalisiert, dass, obgleich von Bestrafung abgesehen wird, das Verhalten des Täters – die Versuchstat – grundsätzlich strafbar ist und es allein aufgrund eines Ausnahmesachverhalts nicht weiter sanktioniert wird.1005 Generalpräventive Zwecke sind insgesamt keinesfalls zu unterschätzen. Mit Bockelmann / Volk1006 ist jedoch festzuhalten, dass ein Absehen von Strafe nur dann erfolgen darf, wenn eine Bestrafung nichts „zur Stützung des Vertrauens in die Ernstlichkeit der staatlichen Rechtspflege“ beitragen könne und ihre „Verhängung vielmehr den Eindruck mißbilligenswerter Prinzipienreiterei machen würde“. Somit ist ein Absehen von Strafe, das aus den oben genannten Gründen teilweise auch als mildes Mittel der Sanktionierung1007 gesehen wird, keinesfalls unbedeutend, sondern tatsächlich zweckmäßig.1008 H. Wagner1009 stellt treffend fest: „Die findens des Täters selbst, dem sein nicht der rechtlichen und sozialen Ordnung entsprechendes Verhalten vorgehalten wird. 1004 Kritik des Kleinschrodischen Entwurfs (1804), S. 104 ff. Feuerbach betont darüber hinaus, es sei nicht unwahrscheinlich, dass ein Zurückgetretener die Tat noch einmal versuchen werde. Nehme er dann wieder Abstand von der Deliktsvollendung, solle aber nicht erneut ein Verweis, sondern eine (wenn auch noch milde) Strafe erteilt werden, soweit es sich um schwereres Verbrechen handelte. Wer sodann zum dritten Male einen unvollendeten Versuch freiwillig aufgebe, sei dann nach den Regeln des „unfreywillig nicht vollendeten Verbrechens“ zu bestrafen. 1005 Blöcker, Tätige Reue (2000). S. 179 f.; H. Wagner, GA 1972, 33 (37, 42 f.); vgl. auch Schmidhäuser, in: FS Eb. Schmidt (1961), S. 510 (521 f.). Anders muss dies wohl Kolster, Qualität der Rücktrittsbemühungen (1993), S. 40 ff., sehen, der vertritt, dass eine Strafe gar nicht erst verwirkt werde. Freund, in: Wolter / Freund (Hrsg.), Straftat (1996), S. 43 (53), sieht bei einem Rücktritt kein relevantes Strafunrecht mehr. 1006 AT, S. 277, freilich bezogen auf § 60 StGB; vgl. zust. auch Müller-Dietz, in: FS Lange (1976), S. 303 (309 f.). 1007 s. Eser, in: FS Maurach (1972), S. 257 (268); Jescheck / Weigend, AT5, S. 862; vgl. auch Ruckdäschel, Verhältnis (2006), S. 117. Vorsichtiger Burkhardt, Rechtsfolgebestimmung (1975), S. 184: Schuldspruch als „Beschwer“. Burkhardt, a. a. O., benennt aber die Auferlegung der Verfahrenskosten als „praktisch ganz empfindliche Sanktion“. Vgl. zur Repressivwirkung auch Fn. 1003. Der Begriff „Sanktionierung“ kann freilich allenfalls im übertragenen Sinne – d. h. im Sinne einer „gefühlten“ Sanktionierung – verstanden werden. Blöcker, Tätige Reue (2000), S. 179, weist zutreffend darauf hin, dass ja gerade von „Strafe“ abgesehen wird und zudem nach 40 Abs. 1 StGB die niedrigste Strafe, die verhängt werden kann, eine Geldstrafe von mindestens fünf Tagessätzen ist. 1008 Maiwald, ZStW 83 (1971), S. 663 (680); H. Wagner, GA 1972, 33 (36 ff., 42 f.); Waiblinger, in: FS Pfenninger (1956), S. 157 (167); Schütz, Jura 1995, 460 (462), spricht von einem „symbolischen Akt“. 1009 GA 1972, 33 (38).

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Kap. 4: Zur Rechtsfolge des Rücktritts

Skala strafrechtlicher Reaktionsmöglichkeiten ist durch das Institut des Absehens von Strafe in Richtung auf ein Strafrecht ohne Strafe, aber mit Schuldfeststellung erweitert worden […].“1010 Dagegen spricht im Übrigen auch nicht, dass eine die Tatfolgen verhindernde oder wiedergutmachende Handlung bereits gezeigt habe, dass die soziale Missbilligung des vorangegangenen Verhaltens einem Zurücktretenden oder „reuigen“ Täter bereits bewusst sei und es deshalb keines weiteren Hinweises in Form des Schuldspruchs mehr bedürfe.1011 Denn ein solches Verhalten des Täters muss nicht unbedingt durch die Einsicht, Falsches getan zu haben, motiviert sein.

c) Rechtsstaatliche Bedenken gegen die Ermöglichung des Absehens von Strafe Soweit gegen die Möglichkeit eines Absehens von Strafe geltend gemacht wird, dies stehe den Grundsätzen der Gleichbehandlung, der Gewaltenteilung1012 und des Schuldprinzips1013 entgegen1014, so ist dem zu widersprechen: Auf Strafzumessungsebene wird die Höhe der Strafe für den jeweiligen Täter individuell bestimmt. Dies betrifft sowohl das „Wie“ als auch das „Ob“ der Bestrafung, soweit das Gesetz die Möglichkeit der Disposition hierüber eröffnet.1015 Dies wird gerade durch das Schuldprinzip selbst verlangt, und entspricht auch der vorgesehenen Funktion des Richters im System der Gewaltenteilung.1016 Durch die Verankerung der Option eines Absehens von Strafe im Gesetz wird dem Gewaltenteilungsprinzip erst recht Genüge getan. Im Rahmen der Strafzumessung fließen insbesondere Aspekte der Schuld des Täters und seiner Motive sowie der Gesamtumstände der Tat in das Urteil mit ein.1017 Der Richter hat hierbei den verfassungsrechtlichen1018 Grundsatz der Verhältnismäßigkeit1019 – insbesondere vor dem Hintergrund der Strafs. auch v. Weber, MDR 1956, 705. So aber Blöcker, Tätige Reue (2000), S. 178 f. 1012 Zum Gleichbehandlungsgrundsatz und zur Gewaltenteilung Eb. Schmidt, in: Niederschriften, 1. Bd. (1956), S. 133; Lange, in: Materialien zur Strafrechtsreform, 1. Bd. (1954), S. 69 (80). 1013 Krille, in: Niederschriften, 1. Bd. (1956), S. 132. 1014 Zum Ganzen auch Hassemer, in: FS Sarstedt (1981), S. 65. 1015 s. Bassakou, Absehen von Strafe (1991), S. 30. 1016 Vgl. auch Bassakou, a. a. O., S. 29 f., die zutreffend darauf hinweist, dass hinsichtlich Strafandrohung und Schuldspruch der Richter zwar stark gebunden ist, sein Ermessensspielraum sich jedoch hinsichtlich der Strafverhängung erweitert. Vgl. auch Hassemer, Einführung, S. 175. 1017 Nach Bassakou, a. a. O., S. 24, liegt die Strafzumessung daher „näher an der Wirklichkeit des Falles“; vgl. auch Schlapp, Theorienstrukturen (1989), S. 23 f.; ferner Paeffgen, in: FS Puppe (2011), S. 791 (814); kritisch Hörnle, JZ 1999, 1080 (1085 f.). 1018 St. Rspr., s. nur BVerfGE 6, 389 (439); 19, 342 (348 f.); 50, 205 (214) m. w. N. 1019 Zur Bedeutung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im Strafrecht s. nur Bassakou, Absehen von Strafe (1991), S. 97 ff.; Noltenius, HRRS 2009, 499 ff. 1010 1011

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zwecke1020 – zu berücksichtigen.1021 Dass dann in einigen Fällen die Möglichkeit besteht, von Strafe abzusehen, ist gerade Ausfluss des Verhältnismäßigkeitsprinzips. Zudem wird auch der Gleichheitsgrundsatz nicht verletzt. Denn jeder Täter hat einen Anspruch darauf, dass die Strafe, mit der er überzogen wird, verhältnismäßig ist. Das Urteil des Richters ist bei der Entscheidung für oder gegen das Absehen von Strafe zwar – je nach Ausgestaltung der konkreten Regelung – mehr oder weniger mit einem Ermessensspielraum verbunden. Es wird daher teilweise eingewandt, dem Richter würde ein zu großes Maß an Entscheidungsbefugnis zugesprochen, was zur Rechtsunsicherheit beitrage.1022 Diese Sorge ist jedoch unbegründet. Zum einen wird im Gesetz oftmals die Möglichkeit des Absehens von Strafe mit einer fakultativen oder obligatorischen Strafmilderungsmöglichkeit verbunden, sodass der Entscheidungsspielraum zumindest im zweitgenannten Fall durch die Verpflichtung zur Strafmilderung bereits eingeschränkt ist. Zum anderen ist zu bedenken, dass dem Richter regelmäßig1023 ein Entscheidungsspielraum hinsichtlich der konkreten Strafzumessung zukommt, der maßgeblich von der Verpflichtung zur Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes geprägt ist. Basis der im Einzelfall zu treffenden Entscheidung ist das Ziel der Erreichung der Strafzwecke. Jedem Richter ist die Fähigkeit zuzusprechen, im Hinblick hierauf eine richtige Entscheidung zu treffen. – Sieht man dies anders, so stellt man die Befähigung der Richterschaft zu gerechtem Urteilen und damit die Funktionalität unseres rechtsstaatlichen Systems insgesamt infrage. Zudem stellt man auf eine Missbrauchsmöglichkeit ab, die nicht nur dem hier in Rede stehenden Fall, sondern grundsätzlich jedem erweiterten richterlichen Ermessensspielraum immanent ist.1024 Die Problematik des richterlichen Entscheidungsspielraums wird insbesondere im Bereich des § 60 StGB angesprochen.1025 Hier wird gerügt, dass zusätzlich das 1020 Bassakou, a. a. O., S. 24: In der Strafzumessung finde eine „unmittelbare Wechselwirkung zwischen Strafzwecken und Rechtsfolge“ statt. 1021 s. BVerfGE 120, 224 (241): „Im Bereich staatlichen Strafens folgt aus dem Schuldprinzip und aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, dass die Schwere einer Straftat und das Verschulden des Täters zu der Strafe in einem gerechten Verhältnis stehen müssen.“ 1022 Vgl. Eser, in: FS Maurach (1972), S. 257 (267); s. auch schon E 1927 Begr. S. 57 zu § 76; Lange, in: Materialien zur Strafrechtsreform, 1. Bd. (1954), S. 69 (79 f.); krit. auch W. E. Wagner, Umfang der Strafvergünstigung, S. 11. S. auch H. Schröder, Gutachten zum 41. DJT (1955), Bd. I / 2, S. 57 (93 f.), zur Einräumung einer generellen Möglichkeit im Einzelfall nach richterlichem Ermessen die Strafe zu mildern oder von Strafe abzusehen. 1023 Ausnahme ist die Regelung des § 211 Abs. 1 StGB, in dem lebenslange Freiheitsstrafe anzuordnen ist. Allerdings hat selbst für diesen klaren Fall der BGH über seine sogenannte „Rechtsfolgenlösung“ (s. hierzu nur BGHSt 30, 105 [110 ff.]; Fischer, StGB, § 211 Rn. 46 m. w. N.) unter Rekurs auf BVerfGE 45, 187 einen Weg gefunden, von der (vermeintlich) starren Rechtsfolge des § 211 Abs. 1 StGB abzuweichen. 1024 Ähnlich wohl Eser, in: FS Maurach (1972), S. 257 (267). 1025 s. Bassakou, Absehen von Strafe (1991), S. 99. Im Rahmen des § 60 StGB wird im Übrigen ebenfalls das Alles-oder-Nichts-Prinzip gerügt und teilweise die Einfügung einer Straf-

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Merkmal der „Offensichtlichkeit“ derart unbestimmt sei, dass dem Richter ein unkontrollierbares Maß an Entscheidungsgewalt zukomme, welches nicht akzeptabel sei. Hält man dies für zutreffend, kann man dieses Argument indes – unabhängig davon, ob die Kritik an dieser Stelle berechtigt ist – auf § 24 StGB de lege lata übertragen. Hier ranken sich die Auslegungsschwierigkeiten, wie bereits aufgezeigt1026, um die Freiwilligkeit. Im Einzelfall wird hier über das Vorliegen dieses Merkmals in wertender Betrachtung und nicht selten unter Heranziehung der ratio legis entschieden. Soweit geltend gemacht wird, infolge eines größeren Strafzumessungsspielraums werde das Ermessen des Richters (zu sehr) ausgedehnt, ist also zu vermerken, dass diese Ausweitung auf einen bereits bestehenden Spielraum trifft. Dies geschieht jedoch keinesfalls in unverträglicher Art und Weise. Wie auch in anderen Vorschriften, welche die Rechtsfolge des Absehens von Strafe (ggf. in Verbindung mit einer obligatorischen Strafmilderung) vorsehen, werden die normativen Voraussetzungen, die der Entscheidung zugrunde liegen müssen, benannt;1027 diese sind im Wege der Auslegung auf den konkreten Fall anzuwenden. Es ist zu bedenken, dass gerade zweifelhafte Grenzfälle durch eine flexiblere Rechtsfolgenlösung gerechteren Ergebnissen zugeführt werden können als durch ein Alles-oder-NichtsPrinzip. Was die Kontrollierbarkeit angeht, ist zudem zu bemerken, dass der Richter sein Ermessen fehlerfrei ausüben und seine Entscheidung, von Strafe abzusehen – oder eben nicht –, im Urteil begründen muss.1028 An dieser Stelle ist auch dem Einwand, die Richterschaft werde durch die flexible Rechtsfolgenlösung mit der Argumentationslast beschwert1029, zu widersprechen: Die Argumentationslast obliegt dem Richter bereits de lege lata, im Hinblick auf das (Nicht-)Vorliegen der Tatbestandsmerkmale – was insbesondere bei der Freiwilligkeit nicht selten problematisch ist. Im Rahmen der rechtlichen Bedenken gegen die Einführung des Absehens von Strafe als Rechtsfolge sei schließlich noch auf das Argument von Brand / Wostry1030 eingegangen, es sei unbefriedigend, dass das geltende Sanktionensystem in bestimmten Fällen kein vollständiges Absehen von Strafe zulasse. Dies kann freilich milderungsmöglichkeit vorgeschlagen, s. Maiwald, ZStW 83 (1971), S. 663 (684 f., 696); kritisch hierzu Müller-Dietz, in: FS Lange (1976), S. 303 (314). 1026 s. Kapitel 3. 1027 Anders verhält sich dies bei § 18 IV TPG, vgl. Schroth, JZ 1997, 1149 (1151), der hierin einen Verstoß gegen das Gesetzlichkeitsprinzip sieht. 1028 Kett-Straub, JA 2009, 53 (54); vgl. auch H. Wagner, GA 1972, 33 (42), mit dem weitergehenden Hinweis, dass es nicht nur Grenzen der Strafe, sondern auch Grenzen des Schuldspruchs gibt; vgl. in diesem Zusammenhang im Übrigen auch Bassakou, Absehen von Strafe (1991), S. 129 ff., welche die Gegensätze zwischen dem Absehen von Strafe und einer Gnadenentscheidung aufzeigt. 1029 So wohl H.-W. Mayer, Privilegierungswürdigkeit (1986), S. 368. 1030 GA 2008, 611 (618); vgl. hierzu mit dem Hinweis, die Regelung eines Absehens von Strafe über die engen Grenzen des § 60 StGB hinaus widerspreche § 49 Abs. 2 StGB MüllerDietz, in: FS Lange, (1976), S. 303 (321).

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nur gelten, wenn die Autoren hierin eine „Strafreduzierung auf Null“ erblicken. Denn selbst bei Anwendung von § 49 Abs. 2 StGB bliebe es dann bei dem gesetzlichen Grundsatz, dass die Strafe bei einer Strafmilderung allenfalls bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgesetzt werden oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkannt werden kann. Die denkbar niedrigste Strafe ist hierbei ausweislich des § 40 Abs. 1 StGB Geldstrafe in Höhe von fünf Tagessätzen. Würde aber die Möglichkeit, von Strafe abzusehen, explizit im Gesetz verankert, ergäbe sich dieses Problem nicht.

d) Weitere Nebenfolgen der Rechtsfolgeänderung, insbesondere die Kostenfolgen Auf einen Schuldspruch beim Absehen von Strafe folgen keine Eintragungen ins Bundeszentralregister, denn es liegt dann keine der in § 4 BZRG genannten Entscheidungen vor, insbesondere nicht eine solche nach § 4 Nr. 1 BZRG.1031 Somit ist der Verurteilte in dieser Hinsicht nicht belastet. Ein Vorteil einer Rechtsfolgeänderung liegt aber darin, dass trotz Absehens von Strafe die Möglichkeit bestünde, Maßregeln der Besserung und Sicherung gegen den Verurteilten zu verhängen.1032 Dies ist bei einem wirksamen Rücktritt, auf den de lege lata ein Freispruch folgt, nicht der Fall.1033 Je nach Einzelfall bietet die Anordnung von Maßregeln die Möglichkeit, auch einen als besonders gefährlich eingeschätzten Straftäter zu erfassen, der de lege lata freigesprochen und somit auf freien Fuß gesetzt werden müsste, weil er – aus welchem Grunde auch immer – noch von der Vollendung der Straftat abgesehen hat. Wenn auch eine solche Notwendigkeit in der Praxis eher die Ausnahme bleiben dürfte, würde diese Option immerhin eröffnet. Eine weitere, unmittelbar mit dem Schuldspruch zusammenhängende Folge ist die der Kostentragungspflicht. Während bei einem Freispruch gem. § 467 Abs. 1 StPO die Staatskasse ihre eigenen sowie die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten trägt, ist es bei einem Absehen von Strafe nach § 465 Abs. 1 S. 2 StPO der Angeklagte, dem die Kosten des Verfahrens ebenso wie seine eigenen notwendigen Auslagen zur Last fallen.1034 Burkhardt1035 weist zutreffend darauf hin, dass dies 1031 Blöcker, Tätige Reue (2000), S. 170; Burkhardt, Rechtsfolgebestimmung (1975), S. 185; Stree / Kinzig, in: Schönke / Schröder, StGB, Vorbem. §§ 38 ff. Rn. 60. 1032 Blöcker, Tätige Reue (2000), S. 170; Kett-Straub, JA 2009, 53 (54). Dies betrifft auch eine Maßregel wie den Führerscheinentzug nach § 69 StGB. Zu den Auswirkungen des Rücktritts auf die Anordnung freiheitsentziehender Maßregeln s. Geilen, JuS 1972, 73 (78 f.); Schlegl, NJW 1968, 25 f. 1033 Brockhaus, in: AnwKomm, StGB, § 24 Rn. 69; Kudlich / Schuhr, in: Satzger / Schmitt / Widmaier, StGB, § 24 Rn. 77. 1034 Blöcker, Tätige Reue (2000), S. 170; Jescheck / Weigend, AT5, S. 553 Fn. 8; Ruckdäschel, Verhältnis (2006), S. 117. 1035 Rechtsfolgebestimmung (1975), S. 184.

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eine „praktisch ganz empfindliche Sanktion“1036 darstellen kann, und fordert deshalb eine flexiblere Regelung der Kostenfolge. Ob diese Art der Sanktionierung erforderlich ist, ist zweifelhaft. Aber es spricht nichts dagegen, dem trotz Rücktritts Verurteilten die Kosten aufzuerlegen, da sein ursprüngliches Versuchsverhalten erst dazu geführt hat, dass ein Strafverfahren überhaupt durchgeführt werden musste. Seine Schutzwürdigkeit im Hinblick auf den Erlass der Kostentragungspflicht ist als eher gering zu bewerten. Ein wenig anders scheint sich die Kostentragungsfrage de lege lata bei einer Verfahrenseinstellung nach § 153b StPO zu verhalten: Der Angeschuldigte hat hierbei grundsätzlich weder die Verfahrenskosten noch seine eigenen Auslagen zu tragen. Vielmehr fallen diese nach § 467 Abs. 1 StPO der Staatskasse zur Last, es sei denn, das Gericht sieht ausnahmsweise davon ab.1037 Allerdings dürfte im Zusammenhang mit § 153b StPO insbesondere § 467 Abs. 4 StPO relevant werden1038, wonach das Gericht entscheiden kann, dass die Staatskasse nicht auch die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten trägt – bei einem Absehen von Strafe im Zusammenhang mit einem Rücktrittsverhalten kann das Gericht in diesem Punkt einzelfallgerecht sein Ermessen ausüben. Zudem ist die Vorschrift des § 472 Abs. 2 StPO zu berücksichtigen, nach der das Gericht entscheiden kann, dass dem Angeschuldigten die dem Nebenkläger erwachsenen notwendigen Auslagen ganz oder teilweise aufzuerlegen sind. Zwar erblickt das BVerfG1039 in der Kostenentscheidung des Gerichts zulasten des Angeschuldigten keine Strafe oder strafähnliche Sanktion, was insbesondere vor dem Hintergrund bedeutsam ist, dass solche nur bei positiver Feststellung strafrechtlicher Schuld zulässig wären.1040 Bei einer Einstellung nach § 153b StPO aufgrund eines Rücktritts mit der hier diskutierten Rechtsfolge wäre diese Feststellung des BVerfG weniger entscheidend, da ja in den einschlägigen Fallgestaltungen die Versuchsstrafbarkeit und damit die Schuld des Betreffenden bereits feststünde und lediglich fraglich wäre, ob das Gericht von Strafe absieht oder nicht. Nichtsdestotrotz bleibt festzuhalten, dass die Auferlegung von Kosten bzw. die Versagung des Ersatzes von Auslagen den Angeschuldigten in tatsächlicher Hinsicht trifft, da er Einbußen in finanzieller Hinsicht erleidet. Dies kann – auch wenn dies formal in der Rechtsprechung nicht so gesehen wird – im Grunde sanktionsähnlichen Charakter für den Angeschuldigten haben. Dies gilt einmal mehr, wenn nach § 472 Abs. 2 StPO entschieden wird, dass er dem Nebenkläger die notwendigen Auslagen zu erstatten hat. H. Schröder1041 bemängelt, dass die unterschiedlichen Rechtsfolge-Regelungen bei Rücktrittstatbeständen zu unterschiedlichen Kostenfolgen führen. Die Anord1036 s. freilich zur Frage der Sanktionierung trotz Absehens von Strafe auch oben unter Kapitel 4 III. 2. b) (mit Fn. 1003). 1037 Beulke, in: LR-StPO, § 153b Rn. 18; Ruckdäschel, Verhältnis (2006), S. 117. 1038 Schoreit, in: KK-StPO, § 153b Rn. 8. 1039 BVerfGE 82, 106 (119). 1040 EGMR NJW 1988, 3257; Gieg, in: KK-StPO, § 467 Rn. 11. 1041 In: FS H. Mayer (1966), S. 377 (390 f.).

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nung eines Freispruchs auf der einen und die des Schuldspruchs mit bloßem Absehen von Strafe auf der anderen Seite sei reine Willkür des Gesetzgebers und folge keinem Regelprinzip. Der Sache nach ist H. Schröder beizupflichten, und wenngleich eine Rechtsfolgenänderung bei § 24 und § 31 StGB nicht zu einer Beseitigung aller Widersprüchlichkeiten und zur Einführung einer durchweg stringenten Systematik führen würde, so würde die hier vorgeschlagene Rechtsfolge doch immerhin ein Stück näher an die Kostenfolgen der besonderen Rücktrittsbestimmungen rücken. 3. Obligatorische Strafmilderung? Es wurde bereits gezeigt, dass die Eröffnung der Möglichkeit eines Absehens von Strafe eine vernünftige Option ist und alle dagegen angeführten Bedenken nicht durchschlagen. In Anlehnung an die bei der tätigen Reue vorzufindenden Rechtsfolgen stellt sich die Frage, ob allein das fakultative Absehen von Strafe normiert werden oder ob nicht auch eine fakultative oder obligatorische Strafmilderung1042 hinzutreten sollte. Wenn man davon ausgeht, dass ein (Versuchs-)Täter durch eine Rücktrittsnorm dazu motiviert werden kann von der Vollendung der Straftat abzustehen, würde eine zwingende Strafmilderung den größeren Anreiz verschaffen. Eine bloße Kann-Vorschrift böte eine schwächere Motivationsgrundlage. An dieser Stelle ist aber weiter auszuholen. So wird der Anreizgedanke nicht nur im Zusammenhang mit der Einführung einer Strafmilderung diskutiert, sondern auch bereits bei der des „bloß“ fakultativen Absehens von Strafe. Kritisiert wird, dass die bloße Möglichkeit einer Strafbefreiung keine hinreichende Motivationsgrundlage für einen Rücktritt schaffe und in der Folge der Opferschutz zu kurz komme.1043 Diese Argumentation ist indes nicht schlüssig. De lege lata ist schon nicht klar, inwieweit der Täter überhaupt um die konkrete Rechtsfolge (Strafbefreiung) des Rücktritts weiß.1044 So wird im englischen Strafrecht beispielsweise überzeugend das Gegenteil vertreten: Schon die Aussicht auf eine Strafmilderung kann Anreiz dafür sein, die Tat (sei es durch Aufgabe, sei es durch Vollendungsverhinderung) nicht zu vollenden.1045 Hierbei darf 1042 Für die Eröffnung einer bloßen Strafmilderungsmöglichkeit jüngst Paeffgen, in: FS Puppe (2011), S. 791 (805 f.). 1043 Brand / Wostry, GA 2008, 611 (618); in eine ähnliche Richtung weist auch H.-W. Mayer, NJW 1988, 2589 (2590), der im Zusammenhang mit der Frage, ob man de lege ferenda § 24 StGB als Strafzumessungsregel ausgestalten sollte, befürchtet, die „friedenstiftende Funktion“ der Regelung würde preisgegeben. 1044 Hierzu oben im Rahmen der Kritik um die Goldene-Brücke-Theorie, unter Kapitel 4 II. 1. sowie zutreffend Freund, GA 2005, 321 (330). 1045 s. unten Kapitel 5 XIII. 2. mit Fn. 1169 für Nachweise zum englischen Strafrecht. Dort ist freilich nicht einmal sicher, ob es überhaupt zu einer mitigation, einer Milderung der Strafe, kommt. Vgl. aber auch Ulsenheimer, Grundfragen (1976), S. 66; Weinhold, Rettungsverhalten (1990), S. 33.

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nicht vergessen werden, dass der Versuchstäter in der konkreten Situation üblicherweise keine Kenntnis von den konkreten Merkmalen und somit von der Rechtsfolge des § 24 StGB hat. Ein Laie wird nicht unbedingt damit rechnen, bei einem Rücktritt völlig straflos zu bleiben, während es ihm eher einleuchtet, dass die Strafhöhe geringer sein wird, wenn die Tatfolgen ausbleiben und dies auf seiner Entscheidung und seinem Verhalten beruht. So bemerkte schon A. P. Gutmann1046 zutreffend, dass allenfalls davon auszugehen ist, dass „im Volke […] nur das unbestimmte Gefühl vor[herrscht], dass man dann, wenn man ein Delikt nicht vollendet, doch besser wegkommen müsse.“1047 Anknüpfend daran würde eine zwingende Strafmilderung letztlich auch dem Rechtsgefühl des Laien und somit des allgemeinen Bürgers entgegenkommen; das fakultative Absehen von Strafe wird daneben sicher als ein willkommener „Bonus“ empfunden werden. Der hier vertretenen Auffassung lässt sich noch hinzufügen, dass die Rechtsfolge der Straflosigkeit bei einem Rücktritt sogar als kriminalpolitisch schädlich angesehen wird, da sie dazu führen könne, die Begehung von Verbrechen zu fördern.1048 Besonders pathetisch drückte dies einst Breidenbach1049 aus, der die Frage aufwarf, „[…] ob nicht durch eine solche unbegrenzte Bestimmung das Verbrechen zur zauberischen Schönen wird, die da sagt: komm heran und umarme mich, du kannst ja wieder von mir ablassen, wenn es dir nicht behagt …“. Diesen Befürchtungen dürfte indes nicht allzu viel Gewicht beigemessen werden, da die konkrete Rücktrittsregelung – wie soeben erwähnt – den meisten Menschen ohnehin unbekannt oder zumindest nicht in ihrer Gesamtheit vertraut ist.1050 Schließlich soll nach Blöcker1051 eine obligatorische Strafmilderung Auswirkungen auf das Verständnis der Tatbestandsmerkmale haben und in der Tendenz zu ei1046 Freiwilligkeit (1963), S. 12 f., insbesondere sei die Annahme unrealistisch, ein Täter kenne die verschiedenen Stadien einer Straftat und deren Abgrenzungen und mache sich kurz vor Vollendung Gedanken, ob er nicht doch lieber noch zurücktreten solle. 1047 Vgl. auch schon Ruchner, Strafwegfall (1928), S. 22 f., der aber weitergehend meint, dass sich aus diesem Grundgefühl die Erwartung der Straflosigkeit ergebe. s. ferner W. E. Wagner, Umfang der Strafvergünstigung (1939), S. 10 f. 1048 So schon Feuerbach, Kritik des Kleinschrodischen Entwurfs (1804), S. 102 f.: „Der Staat muß unter gewissen Voraussetzungen auf Strafdrohung völlig Verzicht thun, wenn er nicht, um den Versuch zu verhüten, das Verbrechen selbst befördern will. […] Läßt der Staat den Menschen nicht ungestraft die schon unternommene That bereuen, so nöthigt er gewissermaßen das Verbrechen zu vollenden.“ Vgl. auch Baumgarten, Lehre vom Versuche (1888), S. 468; Dahlmann, Rücktritt (1911), S. 91; A. Geyer, in: von Holtzendorff (Hrsg.), Encyclopädie (1870), S. 522 und GS 21, S. 1 (3); Köstlin, System I (1855), S. 238; Schütze, Lehrbuch, S. 141 Fn. 37; s. auch O. Meyer, Rücktritt (1914), S. 63 f., der aber gleichwohl annimmt, der „verbrechensverhütenden“ Wirkung der Straflosigkeit komme die größere Bedeutung zu. Gegen die zum Verbrechen anreizende Wirkung der Straflosigkeit des Rücktritts nachdrücklich Krauthammer, Rücktritt (1932), S. 13 f. 1049 Commentar, S. 202. 1050 Zur „Zweischneidigkeit“ des Opferschutzarguments vgl. auch Puppe, AT2, § 21 Rn. 13 (im Zusammenhang mit dem Streit zwischen die Einzelakts- und Gesamtbetrachtungslehre). 1051 Tätige Reue (2000), S. 96.

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ner engeren Auslegung führen. Inwieweit dies im Vergleich zu einer fakultativen Milderungsmöglichkeit zutrifft, ist zwar fraglich. Jedoch wäre dies – die Richtigkeit der These unterstellt – eine begrüßenswerte Folgeerscheinung. Schließlich sollten sowohl das Absehen von Strafe als auch die teilweise Milderung der Strafe die Ausnahme von der Regel bleiben, dass der Eintritt in das Versuchsstadium zunächst strafbar ist.

4. Fazit Nach dem bisher Angeführten spricht viel für die Einführung einer flexibleren Rechtsfolge in Form des fakultativen Absehens von Strafe in Verbindung mit einer obligatorischen Strafmilderung. Zwar mag man gegen die hier vorgeschlagene Lösung einwenden, für den Täter sei der Unterschied zwischen Freispruch und einem Schuldspruch unter Strafverzicht unbedeutend. Jedoch stellt ein Schuldspruch unter Strafverzicht immerhin klar, dass eine Versuchstat zunächst ins Werk gesetzt wurde.1052 A. P. Gutmann1053 erinnert daran, dass Ziel der Rechtsordnung nicht nur der Schutz des im jeweiligen Tatbestand angesprochenen Rechtsguts ist, sondern auch die Verhinderung sozialer Gefahren wie das Auftreten einer allgemeinen Beunruhigung der Bevölkerung und einer tatsächlich gestörten Sicherheitslage – man denke an Maßnahmen zur Selbstjustiz oder der Selbstverteidigung, aber auch daran, dass sich andere ein schlechtes Beispiel nehmen könnten oder die „Macht der Gewöhnung“ eintritt. Durch den Versuch eines Deliktes werden diese Funktionen angegriffen und gestört. Dies ist auch im Nachhinein nicht wieder gänzlich zu beseitigen. Zugleich ist mit Blick auf den Täter festzustellen, dass dieser immerhin die Schwelle zum unmittelbaren Ansetzen zum Versuch überschritten und somit seine Hemmungen zur Deliktsbegehung überwunden hat. Es ist nicht auszuschlie1052 So auch Burkhardt, Rechtsfolgebestimmung (1975), S. 197: „Sie ist etwas in der Zeit und der Gesellschaft Gewordenes und weiter Wirkendes und muss als solches gesehen werden.“ Der Autor liefert im Folgenden einen Formulierungsvorschlag für die Rücktrittsvorschrift. Vgl. auch A. P. Gutmann, Freiwilligkeit (1963), S. 25 f. (für die subjektive Komponente), S. 27 f. (für die objektive Komponente). Ähnlich auch Freund, GA 2005, S. 321 (329), der einen Freispruch jedenfalls für Fälle, in denen der Täter ein „für sich genommen vollendungstaugliches Verhalten gezeigt hat“, für inakzeptabel hält. Dies soll insbesondere für Tötungsdelikte gelten. Im Bereich der Tätige-Reue-Vorschriften plädiert Blöcker, Tätige Reue (2000), S. 162 f., freilich dafür, bei vollständiger Rücknahme der zunächst verwirklichten Rechtsgutsbeeinträchtigung eine obligatorische Strafmilderung eintreten zu lassen. Diese Überlegung ist so allerdings nicht ohne Weiteres auf den Rücktritt zu übertragen, da das Versuchsunrecht in der Welt ist und nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. Zudem ist diese Ansicht auch für die Regelungen der Tätigen Reue nicht unbedingt überzeugend: Zwar wurde dann nicht das vollständige Erfolgsunrecht des zunächst begangenen Delikts erfüllt. Jedoch bleibt auch hier ein „Unrechtsrest“ – und sei es auch die zwischenzeitlich eingetretene abstrakte oder konkrete Gefährdung eines oder mehrerer Rechtsgüter – bestehen, der nicht rücknehmbar ist. Das Argument, auch der Rücktritt sehe eine Strafbefreiung vor, greift zu kurz. 1053 Freiwilligkeit (1963), S. 27 m. w. N.

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ßen, dass dies bereits zu einem gewissen „Dammbruch“ bei dem Täter selbst geführt haben kann. Dieses Erlebnis ist für den Täter durchaus auch bei Vornahme einer anschließenden Rücktrittshandlung nicht zu beseitigen und bleibt für ihn als Faktum bestehen. Eine flexiblere Rechtsfolge bietet die Möglichkeit, auf die Störung der Rechtsordnung insbesondere spezial- und generalpräventiv angemessener reagieren zu können. Je größer der Entscheidungsspielraum des Richters ist, umso mehr Raum bleibt für eine individuelle Reaktion auf Tat und Täter. Bedenklich in diesem Zusammenhang ist, dass der BGH bei einem Rücktritt auf eine geringere Tätergefährlichkeit schließt.1054 Dies muss nicht immer zutreffend sein. Man bedenke nur, dass die Freiwilligkeit des Täterverhaltens auch auf kühn abwägendem Vorgehen basieren kann. G. Koch1055 vertritt beispielsweise die Ansicht, der Rücktritt solle keine Straflosigkeit zur Folge haben, da er die Gefährlichkeit des Täters nicht beseitige und die Strafzwecke nicht entfielen. Die Prognose, der Täter sei weniger gefährlich, sollte somit so pauschal nicht getroffen werden.1056 An dieser Stelle ist noch einem weiteren möglichen Einwand entgegenzutreten: Es liegt das Monitum nahe, die Frage nach der Tätergefährlichkeit gehöre in den Bereich des Täterstrafrechts. Hiergegen sei mit Eser1057 und dem ihm zustimmenden Burkhardt1058 angeführt, dass der Begriff des Tatschuldstrafrechts kein statischer, sondern vielmehr ein dynamischer ist. Es wäre zu kurz gegriffen und – wie beide Autoren hervorheben: – wirklichkeitsfremd, würde man allein den Zeitpunkt der Tatbegehung „einfrieren“ und bewerten. Vielmehr ist die Begehung einer Tat auch in Bezug auf das Vorleben, das unmittelbare Nachtatverhalten und ein mögliches Zukunftsverhalten zu beurteilen und die Strafzumessung danach auszurichten.1059 Letztlich haben spezialpräventive Überlegungen stets in die Strafzumessungsüberlegungen einzufließen; und hierum geht es, wenn die Persönlichkeit des Täters insgesamt wie auch deren Entwicklung in den Blick genommen werden.1060

BGHSt 9, 48 (52); hierzu ausführlich auch oben Kapitel 4 II. 2. b). Rücktritt (1939), S. 43 f. Vertritt man wie A. P. Gutmann, Freiwilligkeit (1963), S. 10 f., der sich vehement gegen die Bestrafung aufgrund eines Gefährlichkeitsurteils wendet, die Vergeltungstheorie, so mag man sich freilich schon aus diesem Grunde gegen die Straflosigkeit aussprechen. 1056 Lang-Hinrichsen, in: FS Engisch (1969), S. 369 f., rügt, dass der Indizienschluss in seiner zwingenden Form auf eine „Fiktion“, eine „unwiderlegliche Präsumption“ bzw. eine „äußerst kühne kriminologische Prognose“ hinauslaufe; zust. Burkhardt, Rechtsfolgebestimmung (1975), S. 197. 1057 In: FS Maurach (1972), S. 257 (272 f.). 1058 Rechtsfolgebestimmung (1975), S. 193 f. 1059 Vgl. zu maßgebenden Faktoren auch Wolter, in: Wolter / Freund (Hrsg.), Straftat (1996), S. 1 (7). 1060 BGHSt 4, 8 f.; BGH NJW 1960, 1869; 1966, 894; Eisenhuth, Jura 2004, 81 (85); Streng, Strafrechtliche Sanktionen, Rn. 448 ff., 454 ff. s. ferner Hassemer, in: GS Radbruch (1968), S. 285 ff. 1054 1055

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In systematischer Hinsicht ist darüber hinaus zu bedenken, dass eine Ausgestaltung des Rücktritts als Rechtsfolgeregelung eine begrüßenswerte Annäherung an die Regelungen der tätigen Reue darstellen würde.1061 Auch wenn sich diesen kein durchgängiges System entnehmen lässt, so ist doch – wie Blöcker1062 richtig bemerkt – auf der Ebene der Strafzumessung kein stringentes System erforderlich. Eser1063, der eine Anpassung der Rechtsfolge von § 24 StGB an die der Vorschriften über die tätige Reue für sachgerecht hält, plädiert im Übrigen dafür, schon de lege lata in Fällen teilweise vorliegender Rücktrittsvoraussetzungen bei erkennbarer „Verdienstlichkeit“ den „Rechtsgedanken anderer Rücktrittsvorschriften“ anzuwenden und die Strafe zumindest zu mildern. Der Sache nach ist dieser Vorschlag für die derzeitige Rechtslage zu begrüßen, auch wenn er dogmatisch angreifbar erscheint. Daher sollte diese Möglichkeit gesetzlich festgeschrieben und ihre Anwendung durch die Einführung einer obligatorischen Strafmilderung abgesichert werden. Es wäre eine Überlegung wert, ob man nicht für Rücktrittsfälle Kategorien entwickeln und diese als Regelbeispiele für einen wirksamen Rücktritt normieren sollte. Bezugspunkt ist bei der Anwendung von Regelbeispielen stets die Erreichung der Strafzwecke. Jedoch ist zu bedenken, dass schon eine Strafzumessungslösung ein differenziertes Urteilen ermöglicht, ohne dass es der gesetzlichen Verankerung ausdrücklich benannter Fallgruppen bedarf.1064 Ein besonders wichtiger Aspekt bei allen Überlegungen über eine sachgerechte Rechtsfolgenlösung ist, dass eine Änderung der Rechtsfolge zu einer erheblichen Entlastung der Freiwilligkeitsdiskussion führen würde.1065 Die derzeit unbefriedigende Rechtslage im Hinblick insbesondere auf das Freiwilligkeitsmerkmal hat bereits Schröder1066 aufgezeigt, der deutlich auf die Vorzugswürdigkeit einer flexibleren Rechtsfolgelösung hinweist. Zutreffend legt er dar, dass je nach Sachlage auf1061 So auch Jescheck / Weigend, AT5, S. 867 f.: Der Unterschied zwischen den Rechtsfolgen in Fällen des nachträglichen Abstandnehmens von der Tat sollte „de lege ferenda eingeebnet werden.“ Für eine Rechtsfolgenänderung de lege ferenda auch Wolter, in: Wolter / Freund (Hrsg.), Straftat (1996), S. 1 (33). Freund, GA 2005, 321 (332), sieht in den Regelungen über die Tätige Reue „ein Rechtsfolgenprogramm, das sinnvolle Differenzierungen und vor allem auch gleitende Übergänge ermöglicht“, während er die zwingende Straflosigkeit nach § 24 StGB als willkürlich und im Ergebnis zu starr kritisiert. Dem kann jedoch nur im Hinblick auf die Kombination von Strafmilderung und Absehen von Strafe zugestimmt werden, denn eine willkürliche Unterscheidung in Normen wie § 306e oder § 314a StGB ist nicht erstrebenswert. 1062 Tätige Reue (2000), S. 153: „Als im Einzelfall dem Tatrichter zur Hand gegebenes Schuldquantifizierungsmaß bedürften die Rechtsfolgebestimmungen tätiger Reue daher keines feststehenden Systems.“ 1063 In: Schönke / Schröder, StGB, § 24 Rn. 115 mit Verweis auch auf Lilie / Albrecht, in: LK-StGB12, § 24 Rn. 501. 1064 Zum Vergleich mit der Regelbeispielstechnik Blöcker, Tätige Reue (2000), S. 153. 1065 So auch ausdrücklich Burkhardt, Rechtsfolgebestimmung (1975), S. 200; vgl. auch Dreher, JR 1969, 105 (107). 1066 In: FS H. Mayer (1966), S. 377 (389).

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Kap. 4: Zur Rechtsfolge des Rücktritts

grund unterschiedlich starker äußerer, heteronomer Motive eine Strafmilderung die angemessenere staatliche Reaktion sein könnte.1067 Wie bereits erwähnt, beinhalten auch die Vorschriften über die tätige Reue das Merkmal der Freiwilligkeit. Allerdings dürften hier Wertungsunsicherheiten schon jetzt besser handhabbar sein: Während § 24 StGB ein Alles-oder-Nichts-Prinzip beinhaltet, besteht bei einer mit Option zum Absehen von Strafe gekoppelten Strafzumessungslösung die Möglichkeit, flexibler auf jeden Einzelfall zu reagieren. Gerade in Zweifelsfällen, die bei der Frage nach dem freiwilligen Verhalten durchaus nicht untypisch sind, wird es hier leichter fallen, Freiwilligkeit anzunehmen und sie nicht mit ergebnisorientierten und zweifelhaften Begründungen abzulehnen. Darüber hinaus wird die derzeitige Diskussion um die Einzelakts- und Gesamtbetrachtungslehre entlastet.1068 Denn ein Absehen von Strafe wird schon dann nicht in Betracht kommen, wenn der Täter lediglich eine konkret mögliche Wiederholung eines grundsätzlich erfolgsgeeigneten, aber fehlgeschlagenen „Einzelakt-Versuchs“ unterlässt.1069 Besteht die Möglichkeit einer obligatorischen Strafmilderung, so kommt diese auch dem Täter zugute, der zuvor mehrere „einzeln fehlgeschlagene Handlungen“ vorgenommen hat.1070 Zugleich aber bleibt ihm, auch ohne mit dem Prinzip der Handlungseinheit in Konflikt zu geraten, immerhin das Absehen von Strafe versagt.

IV. Ergebnis Nach all den genannten Vorteilen, die eine Änderung der Rechtsfolge für sich hat, ist abschließend darauf hinzuweisen, dass eine Reform auch den oben aufgezeigten Elementen der ratio legis entspräche. Die einer Bestrafung vorgelagerte Komponente wird erfasst, indem man dem Täter in jedem Falle eine Strafmilderung in Aussicht stellt und ihm zugleich die Möglichkeit des Absehens von Strafe auf-

1067 Vgl. H. Schröder, in: FS H. Mayer (1966), S. 377 (390). Schröder formuliert bereits vorsichtig, die angeordnete Straflosigkeit möge noch hinzunehmen sein bei Tatbeständen, in denen die Freiwilligkeitskriterien verobjektiviert wurden. „Eindeutig vorzuziehen“ sei aber bei Normen, bei denen der Richter über die Freiwilligkeit zu entscheiden hat, eine „variable Regelung“. Zur praktischen Richtigkeit vgl. das Beispiel insbesondere des schweizerischen Strafrechts, s. im Folgenden Kapitel 5 VIII. 1068 Vgl. das Beispiel bei Freund, GA 2005, S. 321 (330). 1069 Burkhardt, Rechtsfolgebestimmung (1975), S. 199; zur Abgrenzung von Absehen von Strafe und Strafmilderung s. Wolter, in: Wolter / Freund (Hrsg.), Straftat (1996), S. 35 f. 1070 Vgl. auch Paeffgen, in: FS Puppe (2011), S. 791 (805): „Das vom Täter – unwiderruflich – ins Werk gesetzte Geschehen sollte dem Richter hinsichtlich dessen eine Grenze ziehen, was er als eine noch aufgabefähige ‚Tat‘ feststellen kann. Ab hier stellt sich nachtatliches Nicht-mehr-weiterhandeln-Wollen oder gar ein Bemühen, die Schadensintensivierung zu verhindern, lediglich als ein unter § 46 fallender, mildernder Strafzumessungsaspekt dar.“ [Hervorhebung im Original.]

IV. Ergebnis

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zeigt. Den Anreiz- und Opferschutzgedanken wird hierdurch Rechnung getragen. Zugleich wird ganz maßgeblich auch die zweite Komponente – die Frage nach den Strafzwecken – bedient, indem strafzumessungsrechtliche Erwägungen transparent in die Entscheidung einfließen. Insbesondere wird hier auch ein verstärktes Augenmerk auf die general- und spezialpräventiven Bedürfnisse gelegt, die sich schon allein daraus ergeben, dass der Täter eine Versuchstat in die Welt gesetzt hat. Sowohl für den Täter als auch für die Allgemeinheit und nicht zuletzt für das Opfer wird auf diese Weise das Unrecht gekennzeichnet und auf die Geltung der Rechtsordnung verwiesen. Ingesamt sind auf diese Weise in weitaus größerem Umfang einzelfallgerechte Entscheidungen möglich.

Kapitel 5

Die Rücktrittskonzeptionen, insbesondere ihre Rechtsfolgen, in anderen Rechtsordnungen In diesem Kapitel soll der Blick auf die Rücktrittskonzeptionen in verschiedenen ausländischen Rechtsordnungen gerichtet werden. Es darf vorweggenommen werden, dass in den Strafrechtssystemen, welche den Rücktritt anerkennen, keine so ausgeprägte dogmatische Diskussion stattfindet wie hierzulande. Oftmals orientiert sich sowohl die Ausgestaltung der entsprechenden Normen als auch die Auslegung der Tatbestandsmerkmalen am deutschen Modell, auf welches kurzerhand verwiesen wird. Vorausgeschickt sei noch, dass die folgende Darstellung keineswegs tiefgreifenden rechtsvergleichenden Charakter haben kann und soll. Es soll vielmehr ein grober Überblick über die Rechtslage in anderen Ländern gegeben werden.

I. Dänemark Im dänischen Strafrecht ist für den Versuch eine fakultative Strafmilderung in § 21 Abs. 2 Straffeloven (Strl.) vorgesehen, sodass der Grundstrafrahmen des vollendeten Delikts gilt.1071 § 80 Strl. erkennt das Vorliegen eines Versuchs im Rahmen der Strafzumessung als Strafmilderungsgrund an. Eine Strafrahmenreduktion gegen Null ist nicht möglich.1072 Für ein wirksames Rücktrittsverhalten sieht § 22 Strl. Straffreiheit vor: „Der Versuch wird nicht bestraft, wenn der Täter freiwillig und nicht aufgrund zufälliger Hindernisse, die sich der Ausführung der Tat oder der Erreichung des mit ihr beabsichtigten Zweckes entgegenstellen, die Ausführung aufgibt oder die Vollendung verhindert oder Handlungen vornimmt, die die Vollendung verhindert haben würden, wenn diese nicht ohne sein Wissen missglückt oder auf andere Weise abgewendet worden wäre.“1073

Cornils / Greve, Das dänische Strafgesetz (2009), S. 19. Brockhaus, Europäischer Vergleich (2006), S. 411 f. 1073 Forsøg straffes ikke, når gerningsmanden frivilligt og ikke på grund af tilfældige hindringer for gerningens udførelse eller for opnåelsen af det ved denne tilsigtede øjemed afstår fra iværksættelsen eller hindrer fuldbyrdelsen eller foretager handlinger, som ville have hindret fuldbyrdelsen, hvis denne ikke, ham uafvidende, var mislykkedes eller ad anden vej var afværget. Übersetzung nach Cornils / Greve, Das dänische Strafgesetz (2009), S. 50. 1071 1072

II. Frankreich

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Die Norm weist starke Bezugspunkte zu § 24 StGB auf; die Unterscheidung zwischen unbeendetem und beendetem Versuch als Anknüpfungspunkt für die Anforderungen an das objektive Rücktrittsverhalten erfolgt auch hier1074. Im Rahmen der Anwendung der Rücktrittsnorm wird u. a. oftmals darauf abgestellt, dass ein Rücktritt immer dann vorliegt, wenn der Täter aus einem ethisch hochstehenden Motiv handelt.1075 Insoweit ist die Auslegung transparenter als die im Rahmen des deutschen Rechts.

II. Frankreich Im französischen Strafrecht ist der Rücktritt ein Teil des Versuchstatbestandes welcher wie ein vollendetes Delikt bestraft wird1076; es herrscht hier also eine Einheitskonzeption vor. So bestimmt Art. 121-5 Code Pénal (CP) „Ein Versuch liegt vor, sobald er, kundgetan durch den Beginn der Ausführung, nur aufgrund von Umständen aufgegeben wird oder erfolglos ist, die vom Willen des Täters unabhängig sind.“1077

Zur Erfassung des Freiwilligkeitskriteriums, welches im letzten Halbsatz der Norm verankert sein soll, wird der Rücktritt in drei Gruppen unterteilt: Es gibt den „spontanen Rücktritt“ (désistement libre bzw. spontané), den „erzwungenen Rücktritt“ (désistement contraint) und den „beeinflussten Rücktritt“ (désistement influencé).1078 Nur die erstgenannte Form wird als freiwillig anerkannt und hat die Straflosigkeit zur Rechtsfolge. Es kommt hierbei maßgeblich auf die Spontaneität an, d. h. darauf, ob der Täter unbeeinflusst zurückgetreten ist. Dagegen soll gleichgültig sein, ob das Motiv des Täters Reue oder Furcht vor Entdeckung oder Strafe ist, solange der Rücktritt aus inneren Gründen erfolgt.1079 Als unfreiwillig und damit nicht strafbefreiend soll ein „erzwungener Rücktritt“ gelten. Beispielhaft hierfür ist die Gegenwehr oder körperliche Überlegenheit des Opfers, das Erkanntwerden durch das Opfer sowie das plötzliche Einschreiten der Polizei oder eines Dritten. Schwieriger zu beurteilen sind dagegen die Konstellationen des „beeinflussten Rücktritts“, bei dem der Täter aufgrund eines Anstoßes von außen nicht weiter handelt, gleichwohl aber auch nicht zum Aufhören gezwungen ist. Sich insoweit ergebende Probleme sind etwa die Suche nach den Abgrenzungskriterien und danach, wessen Vgl. Langsted / Greve / Garde, Criminal Law in Denmark, Rn. 161. Langsted / Greve / Garde, Criminal Law in Denmark, Rn. 162. 1076 Brockhaus, Europäischer Vergleich (2006), S. 106. 1077 „La tentative est constituée dès lors que, manifestée par un commencement d’exécution, elle n’a été suspendue ou n’a manqué son effet qu’en raison de circonstances indépendantes de la volonté de son auteur.“ Übersetzung nach Bauknecht / Lüdicke, Das französische StGB (2009), S. 28. 1078 Hier und im Folgenden Brockhaus, Europäischer Vergleich (2006), S. 112 ff., sowie Schubert, Versuch (2005), S. 194 f. 1079 Schubert, Versuch (2005), S. 194 m. w. N. 1074 1075

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Kap. 5: Die Rücktrittskonzeptionen in anderen Rechtsordnungen

Sichtweise entscheidend sein soll. Die wohl herrschende Ansicht stellt darauf ab, was den Täter überwiegend beeinflusst hat („Schwerpunkt“; la cause prépondérante). Hier ergeben sich häufig dieselben Fragestellungen wie auch im deutschen Recht bei der Bestimmung der Freiwilligkeit.1080 Bei einer Konzeption wie der im französischen Code Pénal ist die Wirkung der Versagung des Rückrittsprivilegs für den Täter aufgrund seiner direkten Einbindung in das Versuchsunrecht noch sehr viel einschneidender als nach der deutschen Regelung. Der Täter kann nicht einmal auf die Strafmilderung hoffen, die der deutsche Versuchstatbestand immerhin grundsätzlich ermöglicht. Obgleich sich in der richterlichen Praxis die Tendenz erkennen lassen soll, dass der Versuch regelmäßig milder bestraft wird als das vollendete Verbrechen1081, ist eine gesetzliche Festlegung zugunsten der Rechtssicherheit sicher wünschenswert. Die Voraussetzung insbesondere der „vom Willen des Täters unabhängigen Umstände“ ist ein Faktor, der für einige Unsicherheiten sorgt und für den Täter ein nicht unerhebliches Maß an Unberechenbarkeiten bedeutet, zumal das Alles-oder-Nichts-Prinzip noch empfindlichere Wirkungen haben kann als bei § 24 StGB.

III. Italien Im italienischen Strafrecht sind die Versuchs- und Rücktrittsregelungen in Art. 56 des codice penale (c.p.) normiert: „Wer geeignete Handlungen ausführt, die in eindeutiger Weise auf die Begehung eines Verbrechens abzielen, ist für den Versuch des Verbrechens verantwortlich, wenn die Tat nicht zur Ausführung gelangt oder der Erfolg nicht eintritt. Der Täter eines versuchten Verbrechens wird bestraft: […]. Tritt der Täter freiwillig von der Tat zurück, unterliegt er nur der Strafe für die ausgeführten Handlungen, wenn diese für sich eine strafbare Handlung darstellen. Verhindert er freiwillig den Erfolg, unterliegt er der für den Versuch des Verbrechens angedrohten Strafe, die um ein Drittel bis zur Hälfte herabgesetzt wird.“1082

1080 Ausführlicher zu den Ansätzen im französischen Recht Brockhaus, Europäischer Vergleich (2006), S. 114 ff. 1081 Brockhaus, a. a. O., S. 108 m. w. N. und mit dem Hinweis darauf, dass diese Aussage wohl mehr Behauptung von Vertretern des Schrifttums sei und sich nicht durch Rechtsprechungsbeispiele belegen lasse. 1082 „Chi compie atti idonei, diretti in modo non equivoco a commettere un delitto, risponde di delitto tentato, se l’azione non si compie o l’evento non si verifica (c.p.49 n.2). Il colpevole di delitto tentato è punito: (con la reclusione da ventiquattro a trenta anni se dalla legge è stabilita per il delitto la pena di morte); con la reclusione non inferiore a dodici anni, se la pena stabilita è l’ergastolo e, negli altri casi, con la pena stabilita per il delitto, diminuita da un terzo a due terzi. Se il colpevole volontariamente desiste dall’azione, soggiace soltanto alla pena per gli atti compiuti, qualora questi costituiscano per sé un reato diverso.

III. Italien

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Unterschieden wird insgesamt – überträgt man im Ansatz die deutsche Terminologie – zwischen unbeendetem (vgl. Abs. 3) und beendetem Versuch (vgl. Abs. 4).1083 In der ersten Variante besteht das Rücktrittsverhalten schlicht darin, die geplante Tat nicht zu Ende zu bringen. Beim beendeten Versuch soll hingegen erforderlich sein, dass der Täter zur Vollendungsverhinderung aktiv tätig wird. Im Gegensatz zur deutschen Rücktrittskonzeption ist allerdings eine Betrachtung ex-post maßgeblich für die Feststellung, welche Art von Rücktritt vorliegen soll. Teilweise wird dann darauf abgestellt, ob der Täter das Geschehen noch unmittelbar beherrscht und in einer zeitlichen Kontinuität kontrolliert (dann unbeendeter Versuch) oder ob dies nicht der Fall ist. Der beendete Versuch soll durch einen „Bruch der Ereignisse“ gekennzeichnet sein. Es ergeben sich damit wesentliche Unterschiede zur deutschen Rücktrittsdogmatik, denn bei § 24 StGB ist eine ins Subjektive gerichtete Konzeption herrschend.1084 Zwar ist das Kriterium des „in den Händen Haltens“ auch nach deutschem Recht ein maßgebliches Kriterium; es ist jedoch lediglich in bestimmten Konstellationen heranzuziehen, in denen der Rücktrittsvorsatz aufgrund eines „gestuften Vorgehens“ des Zurücktretenden fragwürdig erscheinen kann.1085 Gleichwohl bestätigt die italienische Konzeption das hier bereits gefundene Ergebnis, dass das Kriterium des „in den Händen Haltens des Geschehens“ als Indiz für den Rücktritt von Relevanz ist. Art. 56 Abs. 3 c.p. ordnet für den unbeendeten Versuch Straflosigkeit unter der Bedingung an, dass die bereits ausgeführten Handlungen keine andere Straftat verwirklichen. Dies entspricht im Ergebnis auch dem deutschen Recht, da der Täter nur Straffreiheit in Bezug auf die versuchte Straftat erlangen kann; die Strafbarkeit wegen der Vollendung eines anderen Delikts berührt ein Rücktritt freilich nicht. Art. 56 Abs. 4 c.p. ordnet für den „beendeten“ Versuch eine obligatorische Strafmilderung an. Diese Systematik wird teilweise als ungerechtfertigte Ungleichbehandlung kritisiert.1086 Für die vorliegende Untersuchung lässt sich im Hinblick auf die Ausgestaltung der Rechtsfolge aufgrund der grundlegend unterschiedlichen Regelungen entnehmen, dass eine Strafbefreiung keineswegs zwingend ist. Es kann also durchaus ein Strafbedürfnis bestehen, und auch eine obligatorische Strafmilderung ist geeignet, dem Betreffenden sein Rücktrittsverhalten hinreichend zugute zu halten.

Se volontariamente impedisce l’evento, soggiace alla pena stabilita per il delitto tentato, diminuita da un terzo alla metà.“ Übersetzung nach Jarvers, in: Sieber / Cornils (Hrsg.), Nationales Strafrecht, S. 849. 1083 Hier und im Folgenden vgl. Jarvers, in: Sieber / Cornils (Hrsg.), Nationales Strafrecht, S. 857 f. 1084 So wird auch die Feststellung eines Fehlschlags als problematisch empfunden, da nicht hinreichend geklärt sei, ob dies eher aus einer objektiven oder subjektiven Perspektive zu bestimmen sein soll; vgl. Jarvers, in: Sieber / Cornils (Hrsg.), Nationales Strafrecht, S. 857. 1085 Hierzu oben unter Kapitel 2 I. 1. d). 1086 Vgl. Jarvers, in: Sieber / Cornils (Hrsg.), Nationales Strafrecht, S. 859.

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Kap. 5: Die Rücktrittskonzeptionen in anderen Rechtsordnungen

IV. Korea Im koreanischen Strafgesetzbuch wird der Rücktritt in § 26 geregelt: „Hat der Täter freiwillig die unmittelbar angesetzte Handlung aufgegeben oder die Vollendung verhindert, so wird die Strafe gemildert oder ist von Strafe abzusehen.“1087

Die Konzeption ähnelt stark der des § 24 Abs. 1 StGB; die Rechtsfolgeanordnung entspricht jedoch der hier vorgeschlagenen. Ob von Strafe abgesehen oder die Strafe (obligatorisch) gemildert wird, stellt das Gesetz ins Ermessen des Richters. Aufgrund der hierdurch geschaffenen Transparenz ist es zu begrüßen, dass Motive des Täters sowie der durch den Versuch verursachte Schaden1088 ohne Weiteres offen in die Strafzumessung einfließen können. Für die Begründung des Rücktrittsprivilegs werden dieselben Erwägungen angeführt wie für die deutsche Regelung. Allerdings wird in der Literatur vorgeschlagen, die Theorie von der „Goldenen Brücke“ umzubenennen in die Theorie von der „Silbernen Brücke“, da die Rechtsfolge nicht so weitgehend ist wie die in § 24 StGB.1089

V. Österreich Für den Versuch ordnet § 15 Abs. 1 öStGB an, dass die Strafandrohung grundsätzlich der des vollendeten Delikts entspricht. Jedoch findet sich in § 34 Nr. 13 öStGB ein fakultativer Milderungsgrund für versuchte Delikte, sodass im Rahmen der Strafzumessung zu beurteilen ist, ob der Täter eine Versuchstat begangen hat, die einem vollendeten Delikt gleichwertig ist.1090 § 16 öStGB, welcher den Rücktritt normiert, sieht Straflosigkeit vor: „(1) Der Täter wird wegen des Versuches oder der Beteiligung daran nicht bestraft, wenn er freiwillig die Ausführung aufgibt oder, falls mehrere daran beteiligt sind, verhindert oder wenn er freiwillig den Erfolg abwendet. (2) Der Täter wird auch straflos, wenn die Ausführung oder der Erfolg ohne sein Zutun unterbleibt, er sich jedoch in Unkenntnis dessen freiwillig und ernstlich bemüht, die Ausführung zu verhindern oder den Erfolg abzuwenden.“

Die Norm ist verwandt mit § 24 StGB, und in der Wissenschaft verweist man zur Legitimation deshalb häufig auf das deutsche Recht, sodass man bei Auslegungsfra-

Ausführlich hierzu Son, in: Sieber / Cornils (Hrsg.), Nationales Strafrecht, S. 875 ff. Mit „Schaden“ dürfte wohl der Schaden an der Rechtsordnung sowie die mit dem Versuch hervorgerufene Gefährdung gemeint sein. Unklar insoweit Son, in: Sieber / Cornils (Hrsg.), Nationales Strafrecht, S. 878. 1089 Son, in: Sieber / Cornils (Hrsg.), Nationales Strafrecht, S. 878. 1090 Zerbes, in: Sieber / Cornils (Hrsg.), Nationales Strafrecht, S. 887. 1087 1088

VII. Schweden

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gen weitgehend zu ähnlichen Ergebnissen gelangt.1091 Zerbes1092 weist darauf hin, dass der Rücktrittswille im Sinne der Aufgabe des Tatvorsatzes neben der Rücktrittshandlung und der Freiwilligkeit (!) eine eigene Komponente ist. Diese ausdrückliche Hervorhebung ist – insbesondere bei der praktischen Anwendung – auch für § 24 StGB wünschenswert.

VI. Polen Art. 15 des polnischen kodeks karny (k.k) lautet: „§ 1. Wegen Versuchs wird nicht bestraft, wer freiwillig von der Tatvollendung abgesehen oder den tatbestandsmäßigen Erfolg verhindert hat. § 2. Hat sich der Täter freiwillig bemüht, den tatbestandsmäßigen Erfolg zu verhindern, so kann das Gericht die außerordentliche Strafmilderung anwenden.“

Mit seiner Unterscheidung zwischen unbeendetem und beendetem Versuch und auch mit der Rechtsfolge der Nichtbestrafung entspricht Art. 15 § 1 k.k inhaltlich § 24 Abs. 1 S. 1 StGB. Dagegen wird in § 2 des Art. 15 k.k für den Fall des freiwilligen Bemühens um die Vollendungsverhinderung lediglich eine fakultative Strafmilderung vorgesehen. Dieser Differenzierung liegen kriminalpolitische Erwägungen zugrunde1093, sodass sich einmal mehr zeigt, dass die Anordnung der Straflosigkeit keineswegs selbstverständlich ist.

VII. Schweden Das schwedische Strafgesetzbuch sieht in Kap. 23 § 3 Satz 1 Brottsbalken (BrB) ein Rücktrittsprivileg vor: „Wegen des Versuchs, der Vorbereitung oder der Verabredung einer Straftat ist derjenige nicht zu verurteilen, der durch Abbruch der Tatausführung oder in anderer Weise freiwillig bewirkt hat, dass die Straftat nicht vollendet wurde. […].“1094

Diese Regelung sieht eine obligatorische Strafbefreiung vor. Eine Besonderheit besteht allerdings darin, dass bei einigen Delikten diese Rechtsfolge nicht gelten soll.1095 So scheidet nach Kap. 9 § 11 Abs. 1 BrB bei versuchter Erpressung die 1091 Brockhaus, Europäischer Vergleich (2006), S. 252 ff.; ein Überblick über die Voraussetzungen nach österreichischem Strafrecht ist auch zu finden bei Schubert, Versuch (2005), S. 209 ff. 1092 In: Sieber / Cornils (Hrsg.), Nationales Strafrecht, S. 888. 1093 E. Weigend, in: Sieber / Cornils (Hrsg.), Nationales Strafrecht, S. 901. 1094 Übersetzung nach Cornils, in: Sieber / Cornils (Hrsg.), Nationales Strafrecht, S. 926. 1095 Hier und im Folgenden Cornils, in: Sieber / Cornils (Hrsg.), Nationales Strafrecht, S. 927 f.

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Kap. 5: Die Rücktrittskonzeptionen in anderen Rechtsordnungen

Straflosigkeit als Rechtsfolge aus; stattdessen wird hier nur die Möglichkeit einer Strafmilderung eröffnet. Auch bei gemeingefährlichen Straftaten1096, Fälschungs-1097 und Aussagedelikten1098 erwartet den Täter allenfalls eine (fakultative) Strafmilderung; lediglich in leichten Fällen ist Straflosigkeit möglich. Diese Differenzierung bestätigt, dass es sinnvoll ist, in bestimmten Fällen nicht das Alles-oder-Nichts-Prinzip zur Anwendung zu bringen, sondern eine differenzierende Beurteilung anzulegen. Dass der Gesetzgeber eine mehr einzelfallorientierte Entscheidung bei einigen Delikten bzw. Deliktsgruppen ermöglicht, ist wiederum eine kriminalpolitische Entscheidung. Sie belegt jedenfalls, dass es aus Gründen des bereits stark beeinträchtigten Opferleidens1099, aus Gründen der aus gemeingefährlichen Straftaten hervorgehenden Gefährdung oder aber aus weiteren anderen Erwägungen heraus geboten sein kann, die sehr weitgehende Rechtsfolge der Straflosigkeit gar nicht oder nicht in jedem Fall zu eröffnen.

VIII. Schweiz Das schweizerische Strafgesetzbuch sieht in Art. 22 Abs. 1 für den Versuch eine fakultative Strafmilderung vor.1100 Rücktritt und tätige Reue werden in Art. 23 schwStGB normiert, welcher lautet: „(1) Führt der Täter aus eigenem Antrieb die strafbare Tätigkeit nicht zu Ende oder trägt er dazu bei, die Vollendung der Tat zu verhindern, so kann das Gericht die Strafe mildern oder von einer Bestrafung absehen. (2) Sind an einer Tat mehrere Täter oder Teilnehmer beteiligt, so kann das Gericht die Strafe dessen mildern oder von der Bestrafung dessen absehen, der aus eigenem Antrieb dazu beiträgt, die Vollendung der Tat zu verhindern. (3) Das Gericht kann die Strafe auch mildern oder von der Bestrafung absehen, wenn der Rücktritt des Täters oder des Teilnehmers die Vollendung der Tat verhindert hätte, diese aber aus anderen Gründen ausbleibt. (4) Bemüht sich einer von mehreren Tätern oder Teilnehmern aus eigenem Antrieb ernsthaft, die Vollendung der Tat zu verhindern, so kann das Gericht seine Strafe mildern oder von seiner Bestrafung absehen, wenn die Tat unabhängig von seinem Tatbeitrag begangen wird.“ Kap. 13 § 11 BrB. Kap. 14 § 11 BrB. 1098 Kap. 15 § 14 BrB. 1099 So im Fall der Erpressung, vgl. Cornils, a. a. O. 1100 Art. 22 schwStGB lautet: (1) Führt der Täter, nachdem er mit der Ausführung eines Verbrechens oder Vergehens begonnen hat, die strafbare Tätigkeit nicht zu Ende oder tritt der zur Vollendung der Tat gehörende Erfolg nicht ein oder kann dieser nicht eintreten, so kann das Gericht die Strafe mildern. (2) Verkennt der Täter aus grobem Unverstand, dass die Tat nach der Art des Gegenstandes oder des Mittels, an oder mit dem er sie ausführen will, überhaupt nicht zur Vollendung gelangen kann, so bleibt er straflos. 1096 1097

IX. Spanien

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Hinsichtlich der ratio legis der Rücktrittsnorm wird neben der Strafzwecktheorie der Goldene-Brücke-Gedanke geltend gemacht. Anders als im deutschen Strafrecht wird aber nicht erst die völlige Straflosigkeit als ausreichend für die zu schaffende Rücktrittsmotivation gesehen. Vielmehr hält man eine Kombination aus fakultativer Strafmilderung und fakultativem Absehen von Strafe für genügend. Insbesondere geht man davon aus, dass sich feste Regeln angeben lassen, „auf welche Weise das Gericht von der ihm eingeräumten Ermächtigung Gebrauch machen sollte“.1101 Inhaltlich unterscheidet Art. 23 schwStGB zwischen beendetem und unbeendetem Versuch (wobei dem Tatplan des Täters entscheidende Bedeutung zukommen soll)1102 und kommt damit der Regelung des § 24 StGB nahe; Gleiches gilt im Wesentlichen auch für die Freiwilligkeitsdogmatik1103. Bei dieser ist gleichwohl auf einen gewichtigen Unterschied hinzuweisen: Die Eröffnung richterlichen Ermessens im Hinblick auf die Festlegung der Rechtsfolge im konkreten Einzelfall entschärft die oftmals auftretenden Abgrenzungsschwierigkeiten im Hinblick auf die Motivlage des Täters.1104 Zu erwähnen ist allerdings in diesem Zusammenhang der Umstand, dass nach verbreiteter Auffassung die sittliche Qualität der Rücktrittsmotive als Maßstab herangezogen werden soll: Der Täter soll nur dann straflos sein, wenn seine Rücktrittsmotive achtenswert oder gar ethisch hochstehend seien.1105 Dies allein ist für sich gesehen nachvollziehbar und zudem auf der Strafzumessungsebene richtig verortet. Dennoch ist mit Jenny1106 kritisch zu bemerken, dass es für eine die Rechtssicherheit gewährleistende Anwendung der Rücktrittsnorm an handfesten Kriterien und Orientierungsmaßstäben fehlt. An dieser Stelle wird man daher nicht umhin kommen, auf die richterliche Fähigkeit zu verhältnismäßigem Urteilen zu vertrauen. Bedenkt man die Alternative, die Problematik gänzlich auf das Freiwilligkeitskriterium und damit auf die Tatbestandsebene zu verlagern, so sind die möglichen negativen Konsequenzen für den betreffenden (Versuchs-)Täter noch weitreichender.

IX. Spanien Die Rücktrittsdogmatik im spanischen Strafrecht ist wenig ausgeprägt. Art. 16 Abs. 2 CP ähnelt in seine Grundzügen § 24 StGB: „Wegen versuchter Straftat bleibt straflos, wer entweder durch Aufgabe der schon begonnenen Ausführung der Straftat oder durch Verhinderung des Erfolgseintritts die Vollendung der Straftat freiwillig verhindert, unbeschadet der möglicherweise eingetretenen Verant-

1101 1102 1103 1104 1105 1106

Jenny, in: Basler-Komm, Art. 23 Rn. 1. Hierzu Jenny, a. a. O., Rn. 3 ff. Jenny, a. a. O., Rn. 9 ff. So ausdrücklich Jenny, a. a. O., Rn. 12. Jenny, a. a. O., Rn. 17 m. w. N. In: Basler-Komm, Art. 23 Rn. 17.

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Kap. 5: Die Rücktrittskonzeptionen in anderen Rechtsordnungen

wortlichkeit für die bereits ausgeführten Handlungen, wenn diese schon eine andere Straftat oder Übertretung darstellen.“1107

Ein Aspekt lässt sich jedoch im Zusammenhang mit der Frage nach der anzustrebenden Rechtsfolge herausheben: Art. 62 CP normiert eine obligatorische Strafrahmenverschiebung beim Versuch. Hierbei richtet sich der Strafrahmen nach dem Grad der Gefahr, die der Versuch in sich birgt, und der Gefahr, die bei der Ausführung erreicht wurde.1108 Nach dem Vorbild des deutschen Modells sieht der Rücktritt in Art. 16 Abs. 2 CP Strafbefreiung vor.1109 Silva Sánchez erachtet dies als konsequent im Hinblick darauf, dass die Versuchsstrafe obligatorisch zu mildern sei.1110 Er sieht hierin eine Art Stufenverhältnis, was durchaus nachvollziehbar ist. Diese Überlegung kann indes nicht auf das deutsche Strafrecht übertragen werden, da § 23 Abs. 1 StGB lediglich eine fakultative Strafmilderung des Versuchs anordnet. Somit fehlt die Zwischenstufe einer obligatorischen Strafmilderung; es gibt bei der Konzeption nach deutschem Recht lediglich eine Stufe. Vergleicht man das Verhältnis zwischen einem versuchten Delikt ohne nachfolgendem Rücktrittsverhalten und einem solchen mit anschließendem Rücktrittsverhalten, so bleibt aber festzuhalten, dass ein Rücktritt dem Täter zugute kommen muss. Hierbei ist die diesseits vorgeschlagene obligatorische Strafmilderung, die für den Täter sicher ist, ein guter Weg, um der Vielgestaltigkeit der Lebenssachverhalte Rechnung zu tragen. Dies gilt umso mehr auch für die zusätzliche Möglichkeit, von Strafe abzusehen. Insoweit spiegelt sich in dem Gedanken von Silva Sánchez die zutreffende Ansicht wieder, dass dem jeweiligen Einzelfall mehr gerecht wird, wenn auf ein Stufenmodell zurückgegriffen wird.

X. Türkei Im türkischen Strafgesetzbuch findet man die Rücktrittsvorschrift in Madde 36 (1) Türk Ceza Kanunu (TCK): „Wegen Versuchs wird nicht bestraft, wer freiwillig von der Ausführung der Straftat zurücktritt oder die Vollendung der Straftat oder den Eintritt ihrer Folgen mit eigener Anstrengung

1107 Quedará exento de responsabilidad penal por el delito intentado quien evite voluntariamente la consumación del delito, bien desistiendo de la ejecución ya iniciada, bien impidiendo la producción del resultado, sin perjuicio de la responsabilidad en que pudiera haber incurrido por los actos ejecutados, si éstos fueren ya constitutivos de otro delito o falta. Übersetzung nach Hoffmann, Das spanische Strafgesetzbuch (2002), S. 23. 1108 Brockhaus, Europäischer Vergleich (2006), S. 191; zur Kritik an dieser Wertung s. a. a. O., S. 192. 1109 Brockhaus, a. a. O., S. 193. 1110 Brockhaus, a. a. O., S. 194, mit Verweis auf Silva Sánchez, in: Cinco cuestiones (1997), S. 121 (144, 147).

XI. Corpus Juris (2000; „Florenz-Entwurf“)

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verhindert. Stellt der vollendete Teil in sich eine Straftat dar, so wird er nur mit der Strafe für diese bestraft.“1111

Hierbei ergeben sich keine Besonderheiten, die im Vergleich zur deutschen Konzeption von Relevanz wären. Die Ähnlichkeit mit der deutschen Regelung resultiert daraus, dass das türkische Strafgesetzbuch nicht nur durch Einflüsse des italienischen und französischen, sondern in nicht geringem Maße auch durch solche des deutschen Rechts geprägt ist.1112

XI. Corpus Juris (2000; „Florenz-Entwurf“)1113 Der Corpus Juris der strafrechtlichen Regelungen zum Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Union von 2000 regelte Versuch und Rücktritt in Art. 11bis III: Artikel 11bis – Versuch „Der Versuch der in den Artikeln 1 bis 3 und 5 bis 8 genannten Taten ist ebenso strafbar wie die Beteiligung an dem Versuch. Die für den Versuch verhängte Strafe ist auf drei Viertel der Strafe zu mildern, die für das vollendete Delikt angedroht ist (Artikel 14). Eines Versuches ist schuldig, wer den Vorsatz hat, eine der in den Artikeln 1 bis 3 und 5 bis 8 genannten Taten zu begehen, und mit diesem Vorsatz eine Handlung vornimmt, die den Beginn der Tatausführung bedeutet. Wegen Versuchs wird nicht bestraft, wer von der Durchführung des Delikts freiwillig zurücktritt oder sie freiwillig verhindert. Wenn die Tat nicht aus anderen Gründen durchgeführt wird, genügt es zur Straflosigkeit, dass sich eine Person freiwillig und ernsthaft bemüht, von der Durchführung zurückzutreten oder sie zu verhindern.“

Die Regelung war hiermit eng an das deutsche, österreichische und spanische Modell angelehnt.1114 Im Hinblick auf die tatbestandlichen Voraussetzungen und die Rechtsfolge des Rücktritts ergeben sich keine Besonderheiten.

1111 „Madde 36 (1) Fail, suçun icra hareketlerinden gönüllü vazgeçer veya kendi çabalarıyla suçun tamamlanmasını veya neticenin gerçekleşmesini önlerse, teşebbüsten dolayı cezalandırılmaz; fakat tamam olan kısım esasen bir suç oluşturduğu takdirde, sadece o suça ait ceza ile cezalandırılır.“ Übersetzung nach Tellenbach, Das türkische Strafgesetzbuch (1998), S. 32. 1112 Zur Entwicklung des türkischen Strafgesetzbuchs Tellenbach, Das türkische Strafgesetzbuch (1998), S. 1 ff. 1113 Umfassend zur Entwicklung des Europäischen Strafrechts Sieber, in: Delmas-Marty (Hrsg.), Corpus Juris (1998), S. 2 ff.; zum Erfordernis eines Allgemeinen Teils Tiedemann, in: Freiburg-Symposium, S. 3 ff. 1114 Brockhaus, Europäischer Vergleich (2006), S. 426 ff; vgl. auch Tiedemann, in: Freiburg-Symposium, S. 18, zum inoffiziellen Vorentwurf zu der EG-Verordnung.

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Kap. 5: Die Rücktrittskonzeptionen in anderen Rechtsordnungen

XII. IStGH-Statut Im IStGH-Statut ist der Rücktritt in Art. 25 III lit. f), S. 1, 2. HS, S. 2 geregelt; das Modell ähnelt ebenfalls den deutschen1115, österreichischen und spanischen Konzeptionen1116: „In Übereinstimmung mit diesem Statut ist für ein der Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs unterliegendes Verbrechen strafrechtlich verantwortlich und strafbar, wer […] f) versucht, ein solches Verbrechen zu begehen, indem er eine Handlung vornimmt, die einen wesentlichen Schritt zum Beginn seiner Ausführung darstellt, wobei es jedoch aufgrund von Umständen, die vom Willen des Täters unabhängig sind, nicht zur Tatausführung kommt. Wer jedoch die weitere Ausführung des Verbrechens aufgibt oder dessen Vollendung auf andere Weise verhindert, ist aufgrund dieses Statuts für den Versuch des Verbrechens nicht strafbar, wenn er das strafbare Ziel vollständig und freiwillig aufgegeben hat.“

Im Kern ist in dieser Norm die auch in § 24 StGB enthaltene Differenzierung zwischen unbeendetem und beendetem Versuch enthalten.1117 Eser1118 merkt an, dass die Situation eines „supposedly accomplishable attempt“, d. h. einer solchen wie § 24 Abs. 1 S. 2 StGB keinen expliziten Eingang in die Regelung gefunden habe. Zu Recht spricht er sich dafür aus, den Versuchstäter in solchen Fällen so zu behandeln, als habe er die Vollendung verhindert.1119 Die Begründung der ratio legis einer Rücktrittsnorm entspricht den für das deutsche Recht unterbreiteten Ansätzen: Es wird darauf verwiesen, der Rücktritt hebe die bewirkte Rechtserschütterung und den Eindruck der Tätergefährlichkeit wieder auf; daneben wird der Anreizgedanke erwähnt.1120 Der Rücktritt hat im Völkerstrafrecht – obgleich er als general principle of international law angesehen wird1121 – bislang keine nennenswerte praktische Bedeutung erlangt und wird vermutlich auch aus diesem Grunde in der bisherigen Literatur nicht näher erörtert.1122 Dies zeigt sich insbesondere daran, dass die Freiwilligkeit anhand der Abgrenzung zwischen autonomen und heteronomen Motiven be-

1115 Vgl. Ambos, AT Völkerstrafrecht (2002), S. 709; Satzger, Internationales und Europäisches Strafrecht, § 15 Rn. 71. 1116 Ausführlicher Brockhaus, Europäischer Vergleich (2006), S. 440 f. 1117 Satzger, Internationales und Europäisches Strafrecht, § 15 Rn. 71; Schubert, Versuch (2005), S. 244. 1118 In: Cassese / Gaeta / Jones (Hrsg.), The Rome Statute I, S. 816. 1119 Eser, a. a. O., schlägt weitergehend eine vollständige Anlehnung an das deutsche Rücktrittsmodell – einschließlich auch des Rücktritts Mehrerer – vor. 1120 Ambos, AT Völkerstrafrecht (2002), S. 712 f. mit Verweis auf American Law Institute, MPC I (1985), S. 359 f. und Duff, Attempts (1996), S. 70 ff. 1121 Ambos, in: Triffterer (Hrsg.), Rome Statute, Art. 25 Rn. 39. 1122 Ambos, AT Völkerstrafrecht (2002), S. 709; Brockhaus, Europäischer Vergleich (2006), S. 442 (Fn. 1988).

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stimmt werden soll, ohne dass ein derartiger Streit um dieses Kriterium herrscht wie in der deutschen Rücktrittsdogmatik.1123 Die Lösung sämtlicher dogmatischer Rücktrittsprobleme ist demnach bei dem gegenwärtigen Diskussionsstand dem Internationalen Strafgerichtshof überlassen.1124 Vor allem vor dem Hintergrund, dass der Versuch wie ein vollendetes Delikt bestraft werden kann, ist festzuhalten, dass das Alles-oder-Nichts-Prinzip nach dem IStGH-Statut deutlicher hervortritt.1125 Art. 25 III lit. f des IStGH-Statuts ist im Übrigen bereits im Hinblick auf die fundamentale Weichenstellung zwischen einer Einheitslehre und einer dualistischen Konzeption von Versuch und Rücktritt zutiefst unklar gefasst. Denn einem ersten Satz der Regelung auf eine französisch inspirierte Einheitslösung hindeutet, folgt ein zweiter, der sich dualistisch liest.1126 Diese Rücktrittsregelung macht keinen Sinn.1127 Vermutlich liegt ein „Redaktionsversehen besonderer Art“ vor, das der Gerichtshof bei sich bietender Gelegenheit zu bereinigen hätte.1128

XIII. Common-law-Systeme: England und USA Nachdem durchgängig Rechtssysteme benannt wurden, welche auf Strafgesetzen basieren, sei nunmehr mit den Beispielen Englands und der Vereinigten Staaten von Amerika das common law in den Blick genommen.1129

1. Überblick über das englische Straftatsystem Bei einer Auseinandersetzung mit dem englischen Strafrecht muss man sich im Rahmen des Verbrechensbegriffs der Unterschiede zum deutschen Recht bewusst sein. Die Unterteilung in die drei Ebenen von Tatbestand, Rechtswidrigkeit und Schuld gibt es in dieser Form im englischen Recht nicht. Vielmehr wird unterteilt in die Kategorien von actus reus und mens rea. Ambos, AT Völkerstrafrecht (2002), S. 712. Ambos, in: Triffterer (Hrsg.), Rome Statute, Art. 25 Rn. 41; vgl. auch Eser, in: Cassese / Gaeta / Jones (Hrsg.), The Rome Statute I, S. 817, der die Bedeutung von Einzelfallentscheidungen hervorhebt; eine abstrakte Definition insbesondere der Freiwilligkeit gebe es nicht. 1125 Kritisch zu dieser Gleichstellung von Versuch und Vollendung Eser, a. a. O., S. 817. 1126 Hierzu Ambos, AT Völkerstrafrecht (2002), S. 709 ff. 1127 Ambos, AT Völkerstrafrecht (2002), S. 715. 1128 Ambos, AT Völkerstrafrecht (2002), S. 715; Brockhaus, Europäischer Vergleich (2006), S. 442; Werle, Völkerstrafrecht, Rn. 594; Schubert, Versuch (2005), S. 244 f. Zur Verhandlungssituation auch Ambos, in: Triffterer (Hrsg.), Rome Statute, Art. 25 Rn. 39. 1129 Das common law stützt sich grundsätzlich nicht auf kodifiziertes Recht, s. hierzu ausführlich Mansdörfer, Straftatlehre des common law (2005), S. 10. Insgesamt zu den Methoden des englischen Rechts instruktiv Fikentscher, Methoden des Rechts II (1975), S. 1 ff, 7 ff. 1123 1124

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Hierbei meint der actus reus die objektive Seite einer Straftat („event, behaviour or state of affairs“)1130 und ist in etwa mit dem objektiven Tatbestand im deutschen Recht vergleichbar: Die Voraussetzungen, die an eine strafbare Handlung in objektiver Hinsicht gestellt werden, sind der Erfolgseintritt, ein Handeln bzw. Unterlassen sowie der Kausalzusammenhang zwischen diesen beiden Elementen. Ferner gehören alle objektiven Merkmale hierzu, die aus der Deliktsdefinition1131 zu entnehmen sind.1132 Der Inhalt des Begriffs der mens rea ist dagegen umstritten. Grundsätzlich sind nach traditioneller Ansicht hierunter die subjektiven Voraussetzungen zu fassen, sodass der Begriff insoweit Parallelen zum subjektiven Tatbestand des deutschen Strafrechts aufweist.1133 Die hierzulande anerkannten weiteren Deliktsstufen der Rechtswidrigkeit und Schuld sind als solche nicht im englischen System verankert, sodass sich ein zweistufiger Aufbau ergibt. Dies bedeutet freilich nicht, dass das englische Strafrecht die uns bekannten Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe nicht kennt. Vielmehr werden diese als sogenannte „defences“ (Verteidigungseinreden)1134 eingeordnet, bei deren Vorliegen die Strafbarkeit entfällt. Nach englischem Strafrecht soll eine Straftat dann verwirklicht sein, wenn actus reus und mens rea erfüllt sind – diese Betrachtung ist abschließend.1135 Bei Vorliegen eines Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgrundes wurde und wird deshalb stets nach einer Begründung dafür gesucht, entweder den actus reus oder die mens rea auszuschließen.1136 Dies ist indes nicht immer möglich, sodass teilweise das Eingreifen einer Verteidigungseinrede dazu führt, dass der Täter freizusprechen ist, obwohl er actus reus und mens rea erfüllt.1137 In jüngster Zeit wird daher vertreten, dass über die subjektiven Elemente hinaus sämtliche Aspekte von der mens rea erfasst sein sollen, welche die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Täters begründen und nicht schon vom actus reus erfasst wurden – dies betrifft insbesondere die defences, die im deutschen Strafrecht als Entschuldigungs- und Rechtfertigungsgründe eingeordVgl. Smith / Hogan / Ormerod, Criminal Law, 4.1 (S. 42). Die Definition einer Straftat kann sich sowohl aus dem Gesetzesrecht als auch aus dem common law ergeben, s. Watzek, Rechtfertigung und Entschuldigung (1997), S. 39. 1132 Watzek, Rechtfertigung und Entschuldigung (1997), S. 39. 1133 Anerkannte Formen der mens rea sind intention (Absicht), recklessness („Rücksichtslosigkeit“ / „Gefährlichkeit“) und negligence (Fahrlässigkeit), s. Watzek, Rechtfertigung und Entschuldigung (1997), S. 41. 1134 Zum Unterschied zwischen den defences „im engeren Sinne“ und der „failure of proof defence“ näher Watzek, a. a. O., S. 58 f. 1135 Watzek, Rechtfertigung und Entschuldigung (1997), S. 42. 1136 Nach dem Straftatsystem von Glanville Williams sind alle defences als negative Merkmale des actus reus anzusehen, s. Williams, General Part, S. 19. Diese Ansicht fand allerdings aufgrund ihrer Pauschalität nur wenige Unterstützer; zur Kritik s. Smith / Hogan / Ormerod, Criminal Law, 4.1.7 (S. 49) sowie Watzek, a. a. O., S. 71. 1137 Beispielhaft zu nennen ist die defence des Handelns im Nötigungsnotstand, von dem anerkannt ist, dass sowohl der actus reus vorliegt als auch die erforderliche mens rea, s. Watzek, Rechtfertigung und Entschuldigung (1997), S. 42 f. 1130 1131

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net werden. Es ist allerdings nicht zu erwarten, dass sich diese Ansicht durchsetzen wird.1138 Die Verteidigungseinreden sind damit – zurückgehend auf das System von David Lanham – als eine eigenständige (negative) Zurechnungskategorie aufzufassen.1139 2. Der Rücktritt im englischen Recht Wie bereits erwähnt, ist das materielle Strafrecht im englischen Recht bislang nicht im Ganzen kodifiziert. Es existieren für die meisten Einzeldelikte des Besonderen Teils zwar Einzelgesetze, aber es gibt keine Gesamtkodifikation in Form eines Strafgesetzbuches und auch keinen Allgemeinen Teil, sodass hier größtenteils auf das Gewohnheitsrecht zurückgegriffen wird.1140 Die Versuchsstrafbarkeit wurde erstmals teilweise geregelt in sec. 1 Abs. 1 des Criminal Attempts Act (CAA)1141 von 1981 und ist im Wesentlichen geschriebenes Gewohnheitsrecht.1142 Der CAA gilt für sämtliche Delikte im geschriebenen Recht wie auch im Gewohnheitsrecht. Der Rücktritt findet hierin keine Erwähnung. Anders als im deutschen Strafrecht bildet der Rücktritt vom Versuch keinen anerkannten Strafausschließungsgrund. Er könnte allenfalls angeführt werden als defence of withdrawal, die aber keine „typische“ Verteidigungseinrede ist1143, sondern erst auf Strafzumessungsebene Berücksichtigung finden und strafmildernde Wirkung entfalten kann1144, wobei jedoch derzeit ungesichert ist, ob sie allgemein anerkannt werden sollte. 1138 Watzek, Rechtfertigung und Entschuldigung (1997), S. 41 f., zur Kritik an dieser neueren Ansicht a. a. O., S. 43 f. 1139 Hierzu Lanham, 1976 Crim.L.R. 276. 1140 Ashworth, ZStW 110 (1998), S. 461. 1141 Der CAA ist abrufbar in Internet unter http: // www.statutelaw.gov.uk / (The UK Statute Law Database, Stand: 12. 09. 2011). Nach Auffassung der mit fünf Strafrechtswissenschaftlern besetzten Law Commission, deren Aufgabe es ist, das geltende Recht zu überprüfen und das common law zu kodifizieren, sollte der CAA lediglich provisorischer Natur sein und seine Regelung in eine angestrebte Gesamtkodifikation eingefügt werden. Allerdings wurde bislang keiner von zwei Entwürfen einer Gesamtkodifikation (1985 und 1989) anerkennt und umgesetzt. Dies ist wohl darauf zurückzuführen, dass das Interesse an einer Kodifizierung in Politik und Strafrechtspraxis eher weniger verbreitet ist (hierzu Ashworth, ZStW 110 [1998], S. 461 [472]). So verbleibt allenfalls, aber auch immerhin, die Auswirkung der Entwürfe auf eine Befruchtung der Strafrechtsdiskussionen sowohl im Schrifttum als auch innerhalb der Rechtsprechung. Vgl. hierzu Ashworth, ZStW 110 (1998), S. 461 f. sowie Brockhaus, Europäischer Vergleich (2006), S. 282 f. m. w. N. 1142 Zur geschichtlichen Entwicklung des Versuchsunrechts Baltes, Strafbarkeit des Versuchs (1953), S. 7 ff.; Brockhaus, Europäischer Vergleich (2006), S. 280 ff. m. w. N. 1143 Statt Vieler Clarkson / Keating / Cunningham, Criminal Law, S. 452: „It is clear that there is no ‚defence‘ of abandonment in English law.“ 1144 s. nur Stuart, 1970 Crim.L.R. 505 (520); ferner Card, Cross and Jones, Criminal Law, 14.139 (S. 624): „[…], voluntary abandonment may mitigate the sentence imposed.“ Ash-

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Einige Autoren sprechen sich dafür aus, dass eine solche Verteidigungseinrede grundsätzlich im Gesetz verankert werden sollte. Allerdings zeigen sie im unmittelbaren Zusammenhang das zentrale Problem auf: Das Problem werde im Kern darin bestehen, unfreiwilliges von freiwilligem Verhalten zu unterscheiden.1145 Damit legen sie den Finger auf die Wunde, die auch im deutschen Rücktrittstatbestand klafft: die Unbestimmtheit der Freiwilligkeit. Die Autoren denken aus diesem Grunde darüber nach, ob die Beweislast im Hinblick auf die Verteidigungseinrede dem Beschuldigten auferlegt werden könnte. Zwar liege diese grundsätzlich bei den Strafverfolgungsorganen, jedoch bedeute eine Beweislastumkehr keine unbillige Härte für den Betroffenen und könnte sogar für eine größere Akzeptanz der Rücktrittseinrede sorgen.1146 Duff1147 schlägt demgegenüber vor, dem Beschuldigten einen „evidential burden“ aufzuerlegen, nicht aber einen „probative burden“. Bei Ersterem wäre der Beschuldigte verpflichtet, entlastende Tatsachen so vorzutragen, dass nach diesen eine Entscheidung zu seinen Gunsten möglich wäre.1148 Anders als beim „probative burden“ wirkt sich hierbei ein non liquet nicht zulasten des Täters aus. Dass sich einige Täter auf die Freiwilligkeit berufen können und es der Strafverfolgung unter Umständen nicht gelingt, dies zu widerlegen, sei Folge des Rechtssystems, das die Unschuldsvermutung ernst nehme.1149 Auf die Beweisprobleme hinsichtlich des Rücktritts wird in der Literatur zum englischen Recht vermehrt hingewiesen1150. Diese scheinen der Akzeptanz einer Rücktritts-defence neben der Angst vor einer zu „einfachen“ Entlastungsmöglichkeit für den Täter wohl das größte Hindernis zu sein.1151 worth, 19 Rutgers L. J. 1987 – 1988, 740 sieht in der faktischen Möglichkeit, dass der Täter beim unbeendeten Versuch („incomplete attempt“) noch zurücktreten kann, ein Argument dafür, dass generell für unbeendete Versuche die Strafe herabzusetzen ist. Herring, Criminal Law, S. 794 Fn. 37, und Jefferson, Criminal Law, S. 430, weisen darauf hin, dass bei einem reuigen Rücktrittsverhalten der Crown Prosecution Service (= nicht-ministerielle Regierungsorganisation für England und Wales, die direkt dem Parlament verantwortlich ist) unter Umständen von einer Anklage absieht. 1145 Simester / Spencer / Sullivan / Virgo, Criminal Law, S. 343. Auf die Problematik um das Merkmal der Freiwilligkeit weist auch Duff, Attempts (1996), S. 68 f., 395 ff. hin. 1146 Simester / Spencer / Sullivan / Virgo, Criminal Law, S. 343. 1147 Attempts (1996), S. 72. 1148 Vgl. zum evidential und probative burden im Allgemeinen Benzing, Beweisrecht (2010), S. 591 f. Instruktiv zur Beweislast im englischen Strafrecht Roberts, 1995 Crim.L.R. 783 ff. 1149 Duff, Attempts (1996), S. 72; vgl. auch im Allgemeinen Roberts, 1995 Crim.L.R. 783 (797). 1150 Ashworth, Principles6, S. 463 f.; Wasik, 1980 Crim.L.R. 785 (791). Vgl. auch Law. Com. No. 102, Attempt … (1980), 2.133 (zitiert nach Clarkson / Keating / Cunningham, Criminal Law, S. 452), die bei einer Anerkennung des Rücktritts als defence Schwierigkeiten bei der praktischen Handhabung befürchtet. 1151 Dies zeigt nicht zuletzt auch die Bemerkung, den Richtern sei eine Bewertung der Motivlage des Täters nicht zuzumuten, vgl. Christie, Inchoate Crimes (2001), Rn. 4-25; vgl. auch Stuart, 1970 Crim.L.R. 505 (521).

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Es wird ferner die Frage gestellt, welche sonstigen Anforderungen an ein Rücktrittsverhalten zu stellen sein sollten. Hier wird erwogen, eine Differenzierung zwischen „completed“ und „incompleted attempts“ durchzuführen, wonach nur der letztgenannte Versuch ein rücktrittsfähiger sei.1152 Der Sache nach ähnelt dieser Gedanke wohl dem unbeendeten Versuch in der deutschen Rücktrittslehre. Der Unterschied scheint jedoch darin zu liegen, dass objektiv auf den final act abgestellt werden soll, wobei die Schwierigkeit in der Kennzeichnung des letzten Ausführungsakts liegen dürfte: Unklar ist, ob auf das Verhalten des Täters selbst abzustellen sein sollte oder ob auch daran angeknüpft werden kann, dass das Opfer die letzte Handlung vornehmen muss. Aber auch in allgemeinerer „dogmatischer“ Hinsicht werden Bedenken dahingehend geäußert, ob man den Rücktritt als defence ausgestalten könnte. Grundsätzlich ist festzuhalten: Sobald ein Täter actus reus und mens rea erfüllt, hat er ein Delikt vollumfassend verwirklicht – freilich nur, soweit er sich nicht auf einen anerkannten Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgrund berufen kann – und er kann dies nicht mehr ungeschehen machen: „… [H]e has reached the point of no return.“1153 Dies sah auch die Law Commission und verwies darauf, dass sich durch den begangenen Versuch die vom Täter ausgehende Gefahr manifestiert habe.1154 Es werden an dieser strikten Sichtweise aber Bedenken dahingehend geäußert, dass in Fällen freiwilligen Rücktritts ein Sinneswandel („change of heart“ / „change of mind“) in Bezug auf die Verursachung einer Rechtsgutsverletzung beim Täter stattgefunden habe, der die culpability1155 des Täters mindere. An dem freiwilligen Abstehen von der Deliktsvollendung zeige sich die mangelnde Entschlossenheit des Täters und letztlich, dass dieser nicht wirklich gefährlich gewesen sei.1156 Darüber hinaus wird auf die Kompensationswirkung hingewiesen, die von einer Gegentätigkeit ausgeht.1157 Auch wird zugestanden, dass in Fällen eines eindeutig freiwilligen

Smith, 1983 Anglo-Am. L.Rev. 200 (206). Simester / Spencer / Sullivan / Virgo, Criminal Law, S. 343. Vgl. auch Lord Hailsham in Haugthon v Smith [1975] A.C. 476 (House of Lords): „[…] there is both mens rea and an act immediately connected with the completed offence. … It follows that there is a criminal attempt.“ (zitiert bei Clarkson / Keating / Cunningham, Criminal Law, S. 452). Baltes, Strafbarkeit des Versuchs (1953), S. 73, sieht in der Tatsache, dass der Versuch im englischen Recht als „selbständige Straftat“ angesehen werde, die nicht mehr rückgängig zumachen sei, den Grund für die wesentliche Ablehung des Rücktritts. 1154 Law. Com. No. 102, Attempt … (1980), 2.132 (zitiert nach Clarkson / Keating / Cunningham, Criminal Law, S. 452). 1155 Der Begriff der culpability ist nicht ganz eindeutig etwa mit „Schuld“ (i. S. v. persönlicher Vorwerfbarkeit) oder „Strafbarkeit“ zu übersetzen. Die culpability setzt sich zusammen aus den verwirklichten Komponenten actus reus und mens rea und dem Nichtvorliegen einer anerkannten defence. Gemeint ist also die Strafbarkeit des Täters, die auch die Schuldkomponente („guilt“) beinhaltet. 1156 Hierzu Christie, Inchoate Crimes (2001), Rn. 4-28; Duff, Attempts (1996), S. 71, 72 f.; Stuart, 1970 Crim.L.R. 505 (521); vgl. auch Ashworth, Principles6, S. 464. 1152 1153

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Rücktritts („in case of ‚perfect‘ voluntary and complete abandonment“) die Strafzwecke nicht erfüllt würden und eine Bestrafung wohl nicht erforderlich sei.1158 Glanville Williams1159 vertritt dazu die Ansicht, einem zurücktretenden Täter sei nicht die volle Strafe aufzuerlegen. Zwar werde die Schuld des Täters nicht „ausgelöscht“, aber die für die Versuchsstrafbarkeit erforderliche mens rea sei nicht in ausreichendem Maß gebildet worden („only half-formed or provisional“). Auch Christie1160 knüpft an die mens rea an und ist der Ansicht, dass von einem Zurücktretenden gerade nicht behauptet werden kann, er habe einen festen und anhaltenden Tatentschluss („fixed and continuing intend“) gefasst, wie er für die Begehung einer Straftat erforderlich ist. Hiergegen wird eingewandt, dass eine solche Sichtweise die Versuchsstrafbarkeit aushöhle. Insbesondere wird darauf verwiesen, dass die Gefährlichkeit der Versuchstat und die Gefährlichkeit des Täters nicht identisch seien, und dass das Versuchsunrecht nicht aus der Welt geschaffen werden könne, wenngleich der Täter auch tiefste Reue empfinden möge.1161 In diesem Zusammenhang wird auch auf die Opferperspektive verwiesen: Die Furcht des Opfers sei ein Übel, das nicht wieder zu beseitigen sei.1162 Auch die gesellschaftliche Beunruhigung (social alarm) sei nicht wieder zu beseitigen.1163 R. A. Duff schlägt vor, die Strafbarkeit des Versuchs differenzierter zu betrachten und einem Rücktrittsverhalten schon auf früherer Ebene Relevanz zuzusprechen.1164 Dieser Vorschlag wurde indes – soweit ersichtlich – nicht mehr weiterverfolgt.1165 Ein gegenläufiges Aktivwerden des Täters, insbesondere individuell-psychologische Aspekte und die sich aus dem Rücktritt ergebende geringere Gefährlichkeit seien vielmehr innerhalb der Strafzumessungsebene über eine Strafmilderung zu würdigen.1166 Das Argument dagegen, dass 1157 Vgl. Duff, Attempts (1996), S. 395 – 396: „[A voluntary abandonment] turns what would otherwise have been a criminal attempt into something that is not after all a criminal attempt. […] Once she abandons the attempt it ceases to be one.“ Vgl. auch Ashworth, Principles6, S. 464, sowie für den Rücktritt eines Teilnehmers Smith, 2001 Crim.L.R. 769 (772). 1158 Card, Cross and Jones, Criminal Law, 14.139 (S. 623 f.); Stuart, 1970 Crim.L.R. 505 (521); vgl. auch Wasik, 1980 Crim.L.R. 785 ff., der aber gleichwohl die Strafzumessungslösung bevorzugt; s. auch Ashworth, Principles6, S. 464: „To punish D none the less would be needless, and the case should be regarded as a success for the law rather than a failure.“ 1159 General Part, S. 620 f.; ähnlich Ashworth, Principles6, S. 464: „[…] the criminal purpose was not sufficiently firm.“; vgl. auch Stuart, 1970 Crim.L.R. 505 (520); zu diesen Grundgedanken auch LaFave, Criminal Law, S. 561 f. 1160 Inchoate Crimes (2001), Rn. 4-25, 4-28; mit Blick auf das schottische Recht de lege ferenda 9-45. 1161 Wasik, 1980 Crim.L.R. 785 (792). 1162 Duff, Attempts (1996), S. 73. 1163 Smith, 1983 Anglo-Am. L.Rev. 200 (206). 1164 Attempts (1996), S. 395 f. 1165 Kritisch gegenüber Duffs Vorschlag Clarkson / Keating / Cunningham, Criminal Law, S. 454. 1166 Wasik, 1980 Crim.L.R. 785 (793 ff.); Law Com. No. 102, Attempt … (1980), 2.132 (zitiert nach Clarkson / Keating / Cunningham, Criminal Law, S. 452).

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eine defence of withdrawal den Täter zur Tataufgabe motivieren soll1167 – so wie es auch von der Goldene-Brücke-Theorie und dem Opferschutzgedanken im deutschen Recht geltend gemacht wird –, wird zumeist mit dem Hinweis zurückgewiesen, die Annahme, ein Täter werde hierüber nachdenken, sei lebensfern.1168 Im Übrigen wird geltend gemacht, auch eine Strafmilderung könne einem potentiellen Täter Anreiz zu rechtzeitigem Abstandnehmen sein1169 bzw. ein Rücktritt belege, dass die beabsichtigte abschreckende Wirkung von Strafandrohungen Erfolg zeige1170. Der Anreiz- oder Motivationsgedanke spielt also auch in der englischen Rechtswissenschaft bei der Forderung nach der Anerkennung einer Rücktritts-defence eine Rolle; Smith, Hogan und Ormerod1171 weisen jedoch darauf hin, dass es unwahrscheinlich ist, dass die betreffende Person von der Möglichkeit, sich auf die Einrede zu berufen, weiß.1172 Noch ein weiterer interessanter Aspekt sei benannt: Ein Teilnehmer soll sich – anders als ein Täter – auf die defence of withdrawal berufen können1173, wenngleich hieran strenge Anforderungen gestellt werden; Gleiches gilt für den Beteiligten an einer Verschwörung (conspiracy).1174 Voraussetzung ist, dass die anvisierte Haupttat nicht ins Versuchsstadium gelangt ist. Hiermit ist folglich nur eine Tataufgabe im Vorbereitungsstadium erfasst. Ashworth1175 stellt fest, dass jemand, der zunächst zur Tatbegehung eines anderen beiträgt und bei dem dann aber ein freiwilliger Sinneswandel („voluntary change of mind“) stattfindet, noch bevor das Delikt vollständig verwirklicht wird, deutlich weniger schuldig sei als derjenige, der bis zum Ende mitwirkt. Jemand, der eher zurücktrete, sei zwar für das verantwortlich zu machen, was bis zu dem Zeitpunkt seines Rücktrittsverhaltens verwirklicht wurde, nicht aber für das, was danach noch geschieht. 1167 s. etwa Jefferson, Criminal Law, S. 430; für den Rücktritt eines Teilnehmers an der Tat Smith, 2001 Crim.L.R. 769 (772). 1168 Smith / Hogan / Ormerod, Criminal Law, 13.2.6 (S. 398 f.); Stuart, 1970 Crim.L.R. 505 (521): „[…] somewhat unreal […] argument […]“; Wasik, 1980 Crim.L.R. 785 (793); kritisch auch Duff, Attempts (1996), S. 70 f., der darauf hinweist, dass eine solche Anreiz-Funktion das Merkmal der Freiwilligkeit nicht erklären könne. 1169 Wasik, 1980 Crim.L.R. 785 (793); Williams, General Part, S. 621; vgl. auch Ashworth, Principles4, S. 468, der sich dahingehend äußert, es sei zumindest nicht eindeutig, dass der Täter sich von der Aussicht auf eine komplette Strafbefreiung mehr beeinflussen lasse als von einer Strafmilderung; kritisch hierzu Brockhaus, Europäischer Vergleich (2006), S. 384. 1170 Ashworth, Principles6, S. 464; vgl. auch Christie, Inchoate Crimes (2001), Rn. 4-25, 9-45. 1171 Criminal Law, 13.2.6 (S. 398 f.). 1172 Differenzierend Smith, 1983 Anglo-Am. L.Rev. 200 (203 f.). 1173 Ausführlich Smith, 2001 Crim.L.R. 769. 1174 Einen Überblick geben Mansdörfer, Straftatlehre des common law (2005), S. 157 f. sowie Brockhaus, Europäischer Vergleich (2006), S. 394 ff. m. w. N.; s. auch zum Rücktritt bei „conspiracy and incitement“ Smith, 1983 Anglo-Am. L.Rev. 200 (201 ff.); Wasik, 1980 Crim.L.R. 785 (788 f.). 1175 Principles6, S. 430 f.

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Insgesamt lässt sich festhalten: Wenn man von einer Rücktrittsmöglichkeit bei Beteiligungsformen ausgeht, so sollte man eine solche auch bei täterschaftlichen Versuchsdelikten in Erwägung ziehen. So weist Smith1176 darauf hin, dass der Versuch einer Tat einer Anstiftung bzw. Verschwörung insoweit ähnle, als dass sie jeweils die vollständige Begehung eines Delikts zum Ziel habe. Leider herrscht jedoch, wie sich den hier dargelegten Argumenten entnehmen lässt, nicht nur bei Smith die Ansicht vor, es hafteten dem Versuch Besonderheiten an, welche die Argumentation für die Einführung einer defence of withdrawal schwieriger gestalteten.

3. Der Rücktritt im US-Recht Das US-amerikanische Strafrecht basierte lange Zeit wie auch das englische allein auf den Grundsätzen des common law. 1962 wurde vom American Law Institute der Model Penal Code (MPC) veröffentlicht, welcher als bedeutsame Leitlinie bezeichnet werden kann. Auf dem MPC basierende Strafgesetzbücher haben das common law weitgehend abgelöst.1177 Aber nicht nur gesetzliche Regelungen wurden durch den MPC beeinflusst, auch die Gerichte greifen hierauf vermehrt zurück. Wie auch im englischen Strafrecht setzt strafbares Verhalten voraus, dass actus reus und mens rea vorliegen, die Tatbestandsmerkmale des jeweiligen Delikts erfüllt sind und keine Verteidigungseinreden (defenses) greifen. In der Dogmatik der Tötungsdelikte werden die defenses in Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe unterteilt, sodass sich ein vierstufiger Aufbau der Straftat ergibt: 1. Handlung (actus reus und mens rea); 2. Tatbestandsmäßigkeit; 3. fehlende Rechtfertigung; 4. fehlende Entschuldigung.1178 Ein Versuch ist nach dem MPC bei jedem Delikt strafbar, da unvollständige Delikte (inchoate offenses) als eigenständige Deliktskategorie angesehen werden.1179 Im Gegensatz zum englischen Recht erkennen der MPC sowie viele Strafgesetzbücher von Einzelstaaten1180 die Möglichkeit eines Rücktritts an1181, was in der Literatur1182 begrüßt wird. § 5.01 (4) MPC lautet: 1983 Anglo-Am. L.Rev. 200 (205). Hier und im Folgenden Dubber, US-Recht (2005), S. 1 ff., 16 ff. Ausführlich zu den Grundlagen des MPC Dubber, a. a. O., S. 17 ff. 1178 Dubber, a. a. O., S. 34 ff. 1179 Dubber, a. a. O., S. 115; ausführlich zum Versuch a. a. O., S. 116 ff. 1180 So beispielsweise die Strafgesetzbücher von Connecticut, Colorado, Delaware, New York, Pennsylvania und Texas. (Genauere Gesetzesangaben sind zu finden bei Fletcher, Rethinking, S. 185 Fn. 138; vgl. auch LaFave, Criminal Law, S. 563 Fn. 107–109 m. w. N.) 1181 Einige Staaten erkennen den Rücktritt gleichwohl nicht als defense an, so bspw. Kalifornien, s. Dubber, US-Recht (2005), S. 136 Fn. 332; in einigen Staaten ist die Rechtsprechung uneinheitlich, s. Rotenberg, 1962 Wis. L.Rev. 596 f. 1176 1177

XIII. Common-law-Systeme: England und USA

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„Renunciation of Criminal Purpose: When actor’s conduct would otherwise constitute an attempt, it is affirmative defense that he abandoned his effort to commit crime or otherwise prevented its commission, under circumstances manifesting a complete and voluntary renunciation of his criminal purpose i. Renunciation of criminal purpose is not voluntary if motivated by circumstances, not present / apparent at inception of actor’s course of conduct, which increase probability of detection / apprehension or which make more difficult the accomplishment of criminal purpose. ii. Renunciation is not complete if motivated by decision to postpone criminal conduct until more advantageous time or to transfer criminal effort to another but similar objective / victim.“

Danach handelt es sich beim Rücktritt um eine affirmative defense. Dies bedeutet, dass der Angeklagte zwar nicht die Beweislast trägt, aber Indizien vorbringen muss, die auf einen Rücktritt schließen lassen.1183 Das primäre Argument hierfür ist, dass der Angeschuldigte am ehesten um die Umstände weiß, die ein Rücktrittsverhalten möglich erscheinen lassen.1184 Der zweite Grund für die Anerkennung dieser affirmative defense liegt darin, dass der Täter als weniger gefährlich erscheint und somit die Gefährlichkeitsvermutung, die sein Versuch ausgelöst hatte, widerlegt ist.1185 Dem Anreiz-Gedanken tritt man dagegen eher skeptisch gegenüber.1186 Über die strafmildernde Wirkung1187 soll der Gegensätzlichkeit zweier dem Rücktritt immanenten Faktoren Rechnung getragen werden: zum einen der Tatsache, dass ein Rücktrittsverhalten entlastende Wirkung haben muss, zum anderen aber auch der Tatsache, dass (versuchs-)deliktisches Unrecht verwirklicht wurde.1188

1182 Fletcher, Rethinking, S. 185; LaFave, Criminal Law, S. 564; Wechsler / Jones / Korn, 61 Col.L.R. [1961], 571 (614 ff.); vgl. auch Perkins, Criminal Law, S. 588 – 590; kritisch Skilton, 3 U. Pitt. L.Rev. (1937), 308 (310). 1183 Dubber, US-Recht (2005), S. 137; Wechsler / Jones / Korn, 61 Col.L.R. [1961], 571 (618). Dies entspricht auch den Vorschlägen, die für das englische Strafrecht gemacht wurden, s. oben unter Kapitel 5 XIII. 2. 1184 Hierzu schon American Law Institute, MPC I, S. 360 f. 1185 Dubber, US-Recht (2005), S. 137; Wechsler / Jones / Korn, 61 Col.L.R. [1961], 571 (617 f.); vgl. auch vgl. auch American Law Institute, MPC I (1985), S. 359 f.; LaFave, Criminal Law, S. 562. 564; kritisch Fletcher, Rethinking, S. 186 f. 1186 Fletcher, Rethinking, S. 186; a. A. aber LaFave, Criminal Law, S. 564, und Wechsler / Jones / Korn, 61 Col.L.R. [1961], 571 (617 f.; s. aber auch S. 619), die darüber hinaus das Argument, eine Rücktritts-defense motiviere sogar zur Begehung des Versuchs (so Skilton, 3 U. Pitt. L. Rev. 308, 310 n. 4 [1937]) ablehnen; vgl. auch Rotenberg, 1962 Wis. L.Rev. 596 (599) sowie American Law Institute, MPC I (1985), S. 360. LaFave, a. a. O., verweist zudem darauf, dass die motivierende Wirkung einer Rücktrittsnorm insbesondere in solchen Fällen zum Tragen kommen dürfte, in denen sie am meisten benötigt würde: in Fällen, in denen der Täter den letzten Akt zur Herbeiführung des Taterfolges bereits vorgenommen hat; vgl. auch American Law Institute, MPC I (1985), S. 359 f. 1187 Rotenberg, 1962 Wis. L.Rev. 596. 1188 Rotenberg, a. a. O., 596 (599 ff.).

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Kap. 5: Die Rücktrittskonzeptionen in anderen Rechtsordnungen

Fletcher1189 setzt sich intensiv mit der These aus BGHSt 9, 48 (52) auseinander, ein Rücktritt belege, dass der „verbrecherische […] Wille nicht so stark war, wie es zur Durchführung der Tat erforderlich gewesen wäre.“ Er sieht das Problem darin, dass unter dieser Prämisse eine Verantwortlichkeit für die Versuchstat nur dann gegeben sei, wenn kein Zweifel daran bestehe, dass der Täter seinen Plan bis zum Ende ausführen würde. Dies sei letztlich nur der Fall, wenn der Täter alles in seiner Macht Stehende zur Vollendung der Tat getan und das Geschehen aus der Hand gegeben habe, und betreffe Fälle des fehlgeschlagenen beendeten Versuchs. In Konstellationen, in denen äußere Faktoren (wie etwa eine polizeiliche Festnahme oder der Widerstand des Opfers) für den Abbruch des Versuchs sorgten, könne man dagegen niemals feststellen, ob der verbrecherische Wille des Täters stark genug gewesen wäre, um bis zur Vollendung des Delikts durchzuhalten. Dennoch würden die Gerichte den Täter wegen Versuchs bestrafen, was wie ein Bruch mit dem indubio-Grundsatz scheine. Fletcher sieht im Ergebnis einen Kompromiss darin, die Versuchsstrafbarkeit dennoch anzuerkennen, wenngleich sich sagen ließe, der Täter hätte noch zurücktreten können. Die Überlegungen des Autors sind zwar auf den ersten Blick nachvollziehbar, im Ergebnis aber nicht überzeugend. Es ist schon fraglich, ob die Interpretation der Entscheidung BGHSt 9, 48 (52) gelungen ist. Fletcher hat mit seinem Zitat lediglich einen Satz herausgestellt, der im Gesamtkontext betrachtet werden sollte. An benannter Stelle folgen der These von der Schwäche des verbrecherischen Willens nämlich folgende Aussagen im Urteil: „Seine Gefährlichkeit, die im Versuch zunächst zum Ausdruck gekommen war, erweist sich nachträglich als wesentlich geringer. Aus diesem Grunde sieht das Gesetz davon ab, den ‚Versuch als solchen‘ zu ahnden. Denn eine Strafe erscheint ihm nicht mehr nötig, um den Täter für die Zukunft von Straftaten abzuhalten, um andere abzuschrecken und die verletzte Rechtsordnung wiederherzustellen.“

Zwar bezieht sich der BGH hier auch auf die Versuchsstrafbarkeit als solche. Jedoch liegt sein Hauptaugenmerk auf der Feststellung der Tätergefährlichkeit – und damit einem Argument, welchem Fletcher selbst eher kritisch entgegensteht – und auf den Strafzwecken. Dogmatische Rückschlüsse auf den Tatentschluss bzw. auf den verbrecherischen Vollendungswillen des Täters zum Zeitpunkt der Versuchstatbegehung sollen nicht unmittelbar gezogen werden. Insgesamt stellt der BGH also auf die ratio legis der Rücktrittsnorm selbst ab und orientiert sich dabei primär an den Strafzwecken. Die grundsätzliche Versuchsstrafbarkeit wird daher nicht berührt; auch ist ein Versagen des Rücktritts bei vorzeitig ausgeschlossener Aufgabe- oder Verhinderungsmöglichkeit kein Verstoß gegen den Grundsatz, dass niemand bei bestehenden Zweifeln verurteilt werden sollte. Denn es bestehen keine Zweifel in tatsächlicher Hinsicht, sondern sie sind allein hypothetischer Natur. Auf zukunftsgerichtete, hypothetische und damit einem Beweis nie zugängliche Überlegungen 1189 Rethinking, S. 188 ff. Schließlich erkennt er die folgende These als Grund für die Anerkennung des Rücktritts als defense an, s. S. 194.

XIII. Common-law-Systeme: England und USA

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kann sich ein Täter aber zu seinen Gunsten nicht berufen. Er hat durch den Eintritt in das Versuchsstadium bereits Unrecht verwirklicht, welches auch durch einen faktischen Rücktritt nicht wieder gänzlich rückgängig gemacht werden kann. Das Risiko für den Erfolgseintritt wie auch das vorzeitige Scheitern seines Versuchs trägt er selbst, und er ist nicht schutzwürdig dahingehend, dass ihm die Rücktrittsmöglichkeit bis zum letztmöglichen Zeitpunkt offengehalten werden müsste. Beizupflichten ist dagegen der kritischen Haltung Fletchers1190 gegenüber der Differenzierung danach, welche Person einen Versuchstäter zum Rücktritt überredet bzw. welche Reaktion ihn hierzu veranlasst hat. Nachdem er das Beispiel zweier Einbrecher nennt, bei dem der eine den anderen zur Aufgabe überredet, und auf den Fall des BGH verwies, in welchem der Täter eine versuchte Vergewaltigung abbrach, nachdem das Opfer ihm versprach, den Geschlechtsverkehr später mit ihm auszuführen, fragt er: „Is it so different if a rape victim persuades the aggressor to stop? And why should it matter whether the technique of persuasion is an appeal to the defendant’s moral sensibility or to the promise of a later assignation?“1191

Hiermit wird dem in der deutschen Rücktrittsdogmatik oftmals wiederholten Standpunkt beigepflichtet, dass es auf die Hochwertigkeit der Rücktrittsmotive nicht ankomme. Gleichwohl gesteht Fletcher ein, dass sich eine solch ausdifferenzierte Dogmatik wie die deutsche im amerikanischen Recht nicht wird entwickeln können, da schon das Prozessrechtssystem, welches auf einem Jury-Trial basiert, dies nicht zulasse.1192 Zudem zweifelt er – und dies ist weitaus interessanter – daran, dass in Fällen, bei denen im deutschen Recht unter den komplex entwickelten Kriterien ein wirksamer Rücktritt anerkannt wurde, amerikanische Gerichte auf Freispruch erkennen würden. Denn insbesondere vor dem Hintergrund, dass oftmals die Tätergefährlichkeit als ratio des Rücktritts herangezogen wird und auch der Anreizgedanke eine Rolle spielt, sollten von den „Vätern“ des MPC wohl nur solche Fälle als Rücktritts-defense angesehen werden, in denen beim Täter aus sich heraus ein Sinneswandel („a sudden and overwhelming change of character in the course of committing a crime“1193) erfolgt. Das American Law Institute1194 wies in seiner Kommentierung zum MPC im Übrigen darauf hin, dass zwar von einer dem Zurücktretenden in Aussicht gestellten Strafmilderung ein gewisser Anreiz ausgehen kann, letztlich aber nur völlige Straflosigkeit Einfluss auf den Entschluss des Betreffenden haben würde. Indes kam das American Law Institute aber auch nicht umhin zu sehen, dass die Tätergefährlichkeit, auf die mit Sanktionen „neutralisierend“ eingewirkt werden soll und kann, nicht in jedem Fall gleich liegt und dass eine per se

1190 1191 1192 1193 1194

A. a. O., S. 194. Ebd. Näher hierzu a. a. O., S. 195 f. A. a. O., S. 197. MPC I (1985), S. 362.

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Kap. 5: Die Rücktrittskonzeptionen in anderen Rechtsordnungen

greifende Strafbefreiung deshalb nicht sachangemessen sei. In der Tat: Ein Freispruch, d. h. vollkommene Straflosigkeit, erscheint in vielen Fällen als nicht angemessen. Während sich dies im amerikanischen Strafrecht in der weniger ausdifferenzierten Tatbestandsauslegung äußert, wäre für das deutsche Recht eine Lösung auf Strafzumessungsebene wünschenswert.

XIV. Fazit In vielen Rechtsordnungen wie auch im supranationalen Recht ist der Rücktritt ein anerkanntes Rechtsinstitut. Die Vorstellungen von den Anforderungen, die an den Versuchstäter zu stellen sind, ähneln sich in vielen Punkten. Das Freiwilligkeitskriterium wird oftmals als problematisch angesehen, so tiefgründig wie in der deutschen Strafrechtswissenschaft wird es aber eher selten diskutiert.1195 Die vorangegangene Darstellung offenbart, dass die Rechtsfolgeanordnung eine kriminalpolitische Entscheidung ist, die durchaus unterschiedlich ausfiel. Der hier vertretenen Auffassung kommt die Regelung des schweizerischen StGB recht nah; ausdrücklich wurden dort auch die praktischen Vorzüge benannt.1196 Für die weitere Untersuchung ist insbesondere die Diskussion im englischen Recht interessant, die im Gegensatz zum verwandten amerikanischen Recht nicht besonders weit vorangeschritten ist. Das englische Strafrecht kommt derzeit völlig ohne die Anerkennung des Rücktritts als Strafmilderungs- oder Strafaufhebungsgrund aus, was jedoch nicht ohne Kritik bleibt. Zu vermerken ist allerdings, dass die herangezogenen Argumente denen in der deutschen Strafrechtsdiskussion sehr ähnlich sind. Wie Smith1197 feststellt, ist die für eine weitere Debatte erforderliche Festlegung der ratio einer Rücktrittseinrede im englischen Strafrecht noch nicht erfolgt. Allerdings lassen sich auch keine größeren Bemühungen um eine Klärung dieser Frage erkennen; vielmehr wird darauf hingewiesen, dieses Problem resultiere daraus, dass die für einen wirksamen Rücktritt angemessenen Voraussetzungen nicht festgelegt seien.1198 Dass damit im übertragenen Sinne die Gleichung zu viele unbekannte Variablen beinhaltet, um sie als geschlossenes System zu lösen, ist somit keine Überraschung. Das Freiwilligkeitsmerkmal wird häufig als das zentrale Problem bei der Feststellung eines Rücktrittsverhaltens herausgestellt. Wohl aus diesem Grund sieht man davon ab, eine defence of withdrawal einzuführen und anzuerkennen. Dennoch

1195 Ein wenig ausführlichere Erläuterungen zur Voraussetzung der Freiwilligkeit des Zurücktretenden im common law finden sich aber bei Wechsler / Jones / Korn, 61 Col.L.R. [1961], 571 (615 ff.). 1196 Zum Ganzen s. o. unter Kapitel 5 VIII. 1197 1983 Anglo-Am. L.Rev. 200 (214). 1198 Smith, 1983 Anglo-Am. L.Rev. 200 (214 f.).

Exkurs

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hat – soweit ersichtlich – noch niemand den Verzicht auf dieses Kriterium oder die Ersetzung erwogen.

Exkurs Schließlich sei noch auf die im Rahmen des englischen Rechts angesprochene Beweisproblematik eingegangen. Diese lässt die Frage aufwerfen, ob und inwieweit etwa Beweiserleichterungen oder gar eine Umkehrung der Beweislast1199 in Betracht kommen könnte. Die Einführung einer ausdrücklichen Pflicht des Beschuldigten bzw. Angeklagten, den Rücktritt vom Versuch zu beweisen, ist im deutschen Recht problematisch.1200 Schon der verfassungsrechtlich1201 verankerte Untersuchungsgrundsatz spricht dagegen, und dieser ist nicht zuletzt Ausfluss der sich aus Art. 6 Abs. 2 EMRK ergebenden Unschuldsvermutung.1202 Für eine Durchbrechung dieses Grundsatzes in Form einer Darlegungspflicht bezüglich entlastender Umstände besteht kein bzw. nur wenig Raum. Denkbar wäre, das „Nichterfolgen eines Rücktritts“1203 in Anlehnung an das Konstrukt der objektiven Bedingung der Strafbarkeit als (objektive-subjektive) Bedingung der Versuchsstrafbarkeit zu normieren. Zweifel würden damit zulasten des Täters ausschlagen. Es wird denn auch vertreten, in dem „schuldlosgelösten Bereich“1204 der materiellen Strafvoraussetzungen seien dem Angeklagten nachteilige Beweis- oder Beweislastregeln mit dem Schuldprinzip vereinbar und verfassungs1199 Zu den Begriffen der Beweislast im Strafrecht sowie den zugrunde liegenden Normen Bock, Beweislastumkehr (2000), S. 34, sowie S. 39 ff. und 59 ff., zur Funktion des Grundsatzes in dubio pro reo im Rahmen der Beweislast(regeln). 1200 Allgemein zur „Möglichkeit einer Beweisbelastung des Angeklagten“ Feigen, Beweislastumkehr (1998), S. 67 ff.; gegen die Einführung einer Beweislastumkehr durch materielles Recht Vest, ZStW 103 (1991), S. 584 (618 f). 1201 Teilweise wird die Begründung der Unschuldsvermutung im Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 GG gesehen, so die st. Rspr. des BVerfG, s. nur BVerfGE 19, 342 (347); 22, 254 (265), jüngst BVerfG NJW 2009, 3569; ebenso st. Rspr. des BGH, jüngst BGH NStZ 2009, 401 (402); Krey, JA 1983, 638 (639); Rüping, JR 1974, 135 (138); Schubarth, Unschuldsvermutung (1978), S. 2. Andere Vertreter verorten die Wurzeln der Unschuldsvermutung in Art. 1 Abs. 1 S. 1 GG, der Menschenwürdegarantie, so Köster, Rechtsvermutung der Unschuld (1979), S. 140 ff.; K. Meyer, in: FS Tröndle (1989), S. 61 (62); vgl. auch Franke, Unschuldsvermutung (1965), S. 1 f., 46 ff. Das BVerfG wie auch einige Vertreter des Schrifttums greifen auf beide Quellen zurück, vgl. BVerfGE 74, 358 (371); Haberstroh, NStZ 1984, 289 (290 f.); Krauß, in: Müller-Dietz, Strafrechtsdogmatik (1971), S. 153 f. Fn. 5, 165 ff.; Vogler, in: FS Kleinknecht (1985), S. 429 (436); s. auch Feigen, Beweislastumkehr (1998), S. 109 ff. T. Walter, JZ 2006, 340 (347) rekurriert bei der Begründung des Untersuchungsgrundsatzes unmittelbar auf die Sicherung des Schuldprinzips, welches Verfassungsrang hat. 1202 s. ausführlich zum Zusammenhang Feigen, Beweislastumkehr (1998), S. 85 ff., 115 ff. 1203 s. zu einer Negativ-Formulierung der Beweisfrage beim Rücktritt schon Hatzig, Rücktritt (1897), S. 68 f. 1204 Bock, Beweislastumkehr (2000), S. 239.

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Kap. 5: Die Rücktrittskonzeptionen in anderen Rechtsordnungen

rechtlich auch zulässig.1205 Es kann jedoch nicht außer Acht gelassen werden, dass der Rücktritt ein objektiv-subjektiver Umstand ist, sodass schon die Grundkonzeption den übrigen objektiven Strafbarkeitsbedingungen nicht entspräche. Eine Diskussion um die Vereinbarkeit mit dem Schuldprinzip würde hierdurch zwar nicht aufkommen. Indes wäre die Strafbarkeitsbedingung dann letztlich ausgestaltet wie ein gewöhnliches Tatbestandsmerkmal, nur mit dem Unterschied, dass sein Vorliegen objektiv wie subjektiv von dem Beschuldigten bewiesen werden müsste. Die Geltung des Grundsatzes in dubio pro reo würde somit zulasten des Täters eingeschränkt. Dies ist insbesondere deshalb nicht befriedigend, weil es hierbei häufig um den Nachweis innerer Tatsachen geht, die dem Beweis besonders schwer zugänglich sind. Zwar besteht das Problem des schweren Zugangs zu subjektiven Tatsachen ganz generell auch für das Gericht1206, welches deshalb vielfach darauf angewiesen ist, dass der Angeklagte zumindest Anhaltspunkte dafür liefert, dass ein wirksames Rücktrittsverhalten vorgelegen haben kann. Dies betrifft je nach Situation aber nicht nur die subjektiven, sondern auch die objektiven Voraussetzungen.1207 Die Bedenken gegen eine faktische Beweislastumkehr sind schwerwiegend. Die besondere Sensibilität hierfür im Zusammenhang mit der Rücktrittsregelung zeigte sich im Übrigen schon im Jahre 1813, als das Bayrische Strafgesetzbuch bei seiner Einführung regelte, dass ein freiwilliges Abstehen von der Tat nicht vermutet werde: Aufgrund des sich hiergegen richtenden Widerstandes wurde 1848 die Beweislastumkehr wieder beseitigt.1208 Hinzu kommt schließlich, dass bei Ausgestaltung des Rücktritts als Strafbarkeitsbedingung Versuch und Rücktritt als eine Einheit anzusehen wären. Hiergegen

1205 Graul, Abstrakte Gefährdungsdelikte und Präsumtionen im Strafrecht (1991), S. 346 m. w. N. Wie Stree, In dubio pro reo (1962), S. 29 ff., 32, zutreffend bemerkt, ist jedoch nicht jede objektive Bedingung der Strafbarkeit dem schuldlosgelösten Bereich zuzuordnen. 1206 s. etwa zur Problematik des Vorsatz-Beweises Hruschka, in: FS Kleinknecht (1985), S. 191; Vest, ZStW 103 (1991), S. 584 (604 ff.); vgl. auch Schünemann, in: Schünemann (Hrsg.), Grundfragen (1984), S. 153 (177). 1207 Ausdrücklich äußerte sich dahingehend bereits Niethammer, in: v. Olshausen, RStGB, § 46 B. 7. (S. 215) im Rahmen der Feststellung eines wirksamen Rücktrittsverhaltens bereits zu Zeiten des RStGB; zust. Herbst, GA 32 (1884), 109 (116). 1208 Müntzer, Rechtsgeschichtliche Beiträge (1912), S. 61; a. A. noch im Jahre 1844 Breidenbach, Commentar, S. 206: „An dem Verbrecher ist es […], solche Thatsachen anzugeben und wahr zu machen, die geeignet sind, in Richter oder Jury die volle Ueberzeugung von der wirklichen Existenz der behaupteten Sinnesänderung zu begründen, Thatsachen, die je nach der Natur des vorliegenden Falls in positiven Handlungen, oder auch in Unterlassungen, oder aus der Vereinigung beider, bestehen können.“ Teilweise wurde später unter Glaser, Lehre vom Beweis (1883), S. 85 ff., 98, von der Existenz einer materiellen Beweislast ausgegangen: Die Anklage sollte die Tatsachen darzulegen haben, der Angeklagte dagegen die Strafaufhebungsgründe, zu denen auch der Rücktritt vom Versuch zählte. Aufgrund der Wahrheitsermittlungspflicht der Staatsanwaltschaft bzw. des Gerichts wurde die Existenz einer formellen, d. h. subjektiven Beweislast abgelehnt (Glaser, a. a. O., S. 99 f.). Diese Ansicht wird heute nicht mehr vertreten, vgl. Feigen, Beweislastumkehr (1998), S. 43.

Exkurs

253

spricht das gegen die Einheitstheorie geltend gemachte Argument, dass Lücken in der Teilnahmestrafbarkeit entstünden.1209 Zudem liegt auch kriminalpolitisch kein gewichtiger Grund für eine Beweislastumkehr vor.1210

Lilie / Albrecht, in: LK-StGB12, § 24 Rn. 6. 1210 Für die Situation des § 186 StGB, nach dem die Nichterweislichkeit der Wahrheit der behaupteten Tatsache objektive Bedingung der Strafbarkeit ist, verhält sich dies anders: Für das Opfer einer diffamierenden Äußerung hat die Unschuldsvermutung dergestalt zu gelten, dass es den Vorwurf erst hinnehmen muss, wenn dieser sich als berechtigt, d. h. als wahr erweist. Zu diesem Zeitpunkt steht aber zumindest nach Überzeugung des Gerichts bereits fest, dass der Angeklagte sich bewusst in diffamierender Weise geäußert hat. Es handelt sich bei der Konzeption des § 186 StGB um eine Art „Risikodelikt“: Wer eine Behauptung aufstellt, dessen Wahrheitsgehalt nicht nachweisbar ist, muss auch das Risiko tragen, s. zutreffend Feigen, Beweislastumkehr (1998), S. 130 f. Demgegenüber liegt es bei Nachweisproblemen im Hinblick auf einen Rücktritt anders: Hier wird schon ein bestimmtes Verhalten des Beschuldigten in objektiver wie subjektiver Hinsicht infrage gestellt. 1209

Kapitel 6

Eigene Konzeption I. Sinn und Zweck einer Rücktrittsnorm und die Rechtsfolge Nach den bisherigen Untersuchungen ist es an der Zeit, eine eigene Konzeption de lege ferenda vorzustellen. Zunächst ist zu erörtern, welche Stellung der Rücktrittsnorm zukommen soll. Dies macht es erforderlich, sich bezüglich der ratio legis des Rücktritts festzulegen, was wiederum eng mit Ausführungen zur vorzugswürdigen Rechtsfolge des Rücktritts zusammenhängt. Nimmt ein Täter von der Vollendung eines Delikts Abstand, so entspricht es einem weit verbreiteten Gerechtigkeitsempfinden, dass dieser Täter besser gestellt werden muss, als derjenige, der die Erfolgsherbeiführung weiter vorantreibt. Auch, dass hiervon nur der jeweilig Zurücktretende und nicht gleichzeitig auch etwaige Mittäter oder Teilnehmer an der Tat profitieren sollen, dass also die für den Täter günstigen Folgen eines Rücktritts nur für diesen persönlich wirken sollen, ist sachgerecht. Obgleich die Abstandnahme von der Tat dem Täter zugute zu halten ist, bleibt zu berücksichtigen, dass die Begehung des strafbaren Versuchs und damit dessen Unrecht gleichwohl nicht gänzlich wieder aus der Welt geschaffen werden kann. Die Eigenständigkeit von Versuch und Rücktritt soll deshalb beibehalten und das dualistische System nicht ingesamt infrage gestellt werden. Ein Einheitsmodell, welches das Nichtvorliegen eines Rücktritts als Tatbestandsmerkmal des Versuchs vorsieht, soll deshalb im Folgenden außer Betracht bleiben. Der folgende Vorschlag soll behutsam auf der Grundlage der hierzulande inzwischen vorherrschenden dualistischen Konzeption entwickelt werden. In Kapitel 41211 wurde bereits dargelegt, dass die Versuchsstrafbarkeit Anknüpfungspunkt für den Rücktrittsgrund sein muss. Zu fragen ist, inwieweit das einmal entstandene Strafbedürfnis durch das Abstandnehmen von der Tat wieder entfallen oder gemildert sein kann. Dies entspricht im Kern den Gedanken der Strafzwecktheorie.

1211

s. oben Kapitel 4 I.

I. Sinn und Zweck einer Rücktrittsnorm und die Rechtsfolge

255

1. Strafzwecktheoretische Überlegungen Es ist allerdings zweifelhaft, ob ein Abstandnehmen von der Versuchstat in jedem Falle zur Folge hat, dass die Strafzwecke eine Bestrafung nicht länger erfordern. In positiv-generalpräventiver Hinsicht wird sicher durch einen Rücktritt die Normgeltung durch den Täter bestätigt. Und doch sind Fälle denkbar, in denen der rechtserschütternde Eindruck der Versuchstat durch den Rücktritt nicht ganz getilgt worden ist, weshalb es sinnvoll ist, dass der Staat ein geltungsbestätigendes Signal in Gestalt der Strafe aussendet. Hierbei ist insbesondere an Tötungsversuche zu denken, in denen das Opfer bereits einer konkreten Gefahr ausgesetzt war. Es kann allerdings nicht allein Zweck des Strafens sein, Wirkung auf die Allgemeinheit zu entfalten; der Verurteilte würde anderenfalls zum Objekt reduziert. Vielmehr sind in besonderem Maße auch spezialpräventive Aspekte in die Überlegungen mit einzubeziehen. Im Hinblick auf das spezialpräventive Element der Strafe könnte man einwenden, dass der Täter durch seinen Rücktritt gezeigt hat, dass er der strafenden Einwirkung durch den Staat im Hinblick auf sein zukünftiges rechtstreues Verhalten nicht bedarf. Doch greift eine solche These zu kurz. Weil die Rücktrittsmotive des Täters unterschiedlicher Natur sein können, kann es durchaus Fälle geben, in denen die Bestrafung des Zurückgetretenen aus spezialpräventiver Warte Sinn macht.1212 Sowohl die Antwort auf die Frage nach general- als auch die nach spezialpräventiven Reaktionsbedürfnissen wird maßgeblich von den betroffenen angegriffenen Rechtsgütern und der Intensität ihrer Gefährdung (wenn nicht sogar schon deren – teilweisen – Verletzung) abhängen. Man denke an folgendes Beispiel: T hat O mit Tötungsvorsatz lebensgefährliche Stichwunden zugefügt. Als O bewusstlos zu Boden sinkt, besinnt T sich jedoch eines Besseren und ruft den Krankenwagen. Dem Arzt A im Krankenhaus gelingt es zwar, das Leben des O zu retten; dies aber nur, weil er ein Spezialist auf seinem Gebiet ist und damit über besondere fachliche Fähigkeiten verfügt. Zwar sind die Körperverletzungen für sich selbst bereits zu bestrafen, da diese vollendet und somit nicht mehr rücktrittsfähig sind. Jedoch wird sich insbesondere am Ausmaß der Verletzungen gezeigt haben, wozu der Täter in der Lage ist und wie nah er unter Umständen bereits an die Tatbestandsverwirklichung des Totschlags herangetreten ist. In dem soeben genannten Beispiel hatte O seine Rettung dem Zufall zu verdanken, dass der Spezialist A in dem Krankenhaus zugegen war. In diesem Zusammenhang zeigt sich, dass – hierauf wurde bereits verweisen1213 – die Opferperspektive nicht vergessen werden darf: Das Opfer steht im gerade ge1212 Schon Oersted, Abhandlungen, 1. Bd. (1818), S. 160, wies darauf hin, dass der Bayrische Straf-Codex in § 59 die „Anordnung besonderer persönlicher Polizei-Aufsicht“ vorgesehen habe. Dies sollte für die Fälle des strafbefreienden Rücktritts vom Versuch (§ 58 des Codex) eines Verbrechens, „auf welche[s] Todes-, Ketten- oder Zucht- oder Arbeitshausstrafe gesetzt ist“, gelten. 1213 s. Kapitel 5 XIII. 2.

256

Kap. 6: Eigene Konzeption

nannten Beispiel nicht nur unter dem Eindruck, dass der Täter seine körperliche Unversehrtheit vorsätzlich verletzt hat, sondern auch unter dem, dass sein Rechtsgut Leben vorsätzlich angegriffen wurde. Insbesondere bei Delikten gegen höchstpersönliche Rechtsgüter kann das Sicherheits- und Integritätsgefühl des Opfers nachhaltig in Mitleidenschaft gezogen sein, sodass nicht selten auch bei einem erfolgten Rücktritt ein deutlich spürbares Unrecht in der Welt bleibt. Dieses „Plus“, welches über den Angriff auf das Schutzgut der §§ 223 ff. StGB hinausgeht, wird auch nicht immer über eine Bestrafung wegen Körperverletzung abgegolten. Allenfalls soweit der Täter wegen qualifizierter Körperverletzung nach § 224 StGB zu bestrafen wäre, würde das „überschießende“ Unrecht teilweise auch für das Opfer und die Allgemeinheit ersichtlich im Schuldspruch offengelegt, so bei der Feststellung einer „das Leben gefährdenden Behandlung“ nach § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB. Gleichwohl ist das Schutzgut der §§ 211 ff. StGB das Leben, das der §§ 223 ff. StGB „lediglich“ das der körperlichen Unversehrtheit. Bestätigt wird dies im Übrigen auch durch die Tatsache, dass zwischen vollendeter Körperverletzung und versuchtem Mord oder Totschlag Tateinheit angenommen wird.1214 Lässt man den Angriff auf das Leben aufgrund eines Rücktritts gerade in Fällen, in denen bereits eine hohe Gefahr geschaffen wurde, im Schuldspruch unberücksichtigt, so ist dies nicht nur der Öffentlichkeit, sondern insbesondere auch dem Opfer nur schwer zu vermitteln.1215

2. Normative Gesichtspunkte Gerade in Bezug auf Fälle versuchter Tötungen ist auf eine weitere Konstellation hinzuweisen: Es gibt Fallgestaltungen, in denen über einen längeren Zeitraum noch nicht klar ist, ob das Opfer überleben wird. Als Beispiel sei an folgende Situation gedacht: A hat seinen Feind B mit Tötungsabsicht verletzt. Erschüttert hiervon schafft er den schwer verletzten B ins Krankenhaus, wo die Ärzte fortan wochenlang um sein Leben ringen. Man kann dem Staatsanwalt keine genaue Auskunft über die Überlebenschancen geben; der Tod des B droht nach wie vor und vielleicht noch wochenlang.1216 Würde das Opfer sterben, wäre ein vollendeter Totschlag anzunehmen, während bei Ausbleiben des Todes ein Rücktritt vom versuchten Totschlag mit der Folge der 1214 s. nur BGHSt 44, 196 (anders aber noch BGHSt 16, 122; 21, 265; 22, 248); Fischer, StGB, § 211 Rn. 107 sowie § 212 Rn. 22. 1215 Vgl. in diesem Zusammenhang auch Herzberg, NJW 1991, 1633 (1636), wenngleich auch mit einem Lösungsvorschlag über die Einordnung in der Versuchslehre (§ 23 Abs. 3 StGB analog): „Wer mit Steinen beworfen oder gar mit Gewehrkugeln beschossen worden ist, wird dem Täter allemal massives Gefährdungsunrecht vorwerfen und Strafe auch dann verlangen, wenn er unverletzt geblieben ist und dies außer seinem Glück auch einem freiwilligen Aufgaben des Angreifers verdankt.“ 1216 Fall nach Herzberg, NJW 1991, 1633 (1637).

I. Sinn und Zweck einer Rücktrittsnorm und die Rechtsfolge

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Straflosigkeit vorläge und der Täter lediglich wegen des Körperverletzungsdelikts zu bestrafen wäre. Muss das Urteil in einer Phase gefällt werden, in der der genaue Ausgang des Geschehens noch unklar ist oder in der die Überlebenschancen des Opfers eher als gering prognostiziert werden, könnte man den Täter während dieses Schwebezustandes nur wegen versuchten Totschlags bestrafen.1217 Dies erscheint jedoch jedenfalls dann ex post betrachtet zweifelhaft, wenn das Opfer doch überlebt. Denn man hätte den Täter trotz seines Rücktritts wegen versuchten Totschlags bestraft. Zwar könnte man argumentieren, dass man das Überleben des Opfers und damit den Rücktritt des Täters im Rahmen einer Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 359 Nr. 5 StPO berücksichtigen könnte und müsste. Dies hätte aber zur Folge, dass der Täter hier mit der zwingenden Folge der Straflosigkeit freigesprochen werden würde. Mit einer flexibleren Rechtsfolge sind derartige Problemgestaltungen gerechter zu lösen. Hierüber kann nämlich von vornherein berücksichtigt werden, dass der Täter immerhin die Voraussetzungen eines Rücktritts an sich erfüllt hat. Zugleich lässt sich in Ansatz bringen, dass durch sein Handeln eine so enorme Gefahr für das angegriffene Rechtsgut geschaffen wurde, dass ein völliges Absehen von einer Bestrafung für das versuchte Tötungsdelikt nicht mehr geboten erscheint. Eine Wiederaufnahme des Verfahrens wäre dann nicht mehr erforderlich, weil sämtliche Umstände bereits berücksichtigt worden sind. Diese Sichtweise (gerade im Hinblick auf Tötungsdelikte) macht bereits deutlich, wie wichtig der Schuldspruch und die Wirkung eines Urteils nach außen sein können – sowohl für die Allgemeinheit als auch für Täter und Opfer. Im Rahmen der Diskussion um die Rechtsfolge des Rücktritts wurde dies ebenfalls erörtert und aufgezeigt, dass eine obligatorische Strafmilderung und die gleichzeitige Einräumung der Möglichkeit, von Strafe abzusehen, überzeugen.1218 Die Strafzwecke entfallen nicht zwingend bei jedem Zurücktretenden; die Vorteile eines größeren Entscheidungsspielraums für den Richter sind bereits dargetan worden. Indem die Vorschrift von dem Spezialtypus des Strafaufhebungsgrundes zu einem Strafzumessungsgrund „umgestuft“ wird, eröffnet sich insbesondere Raum für die Einbeziehung von Motiven des Täters. Während bei einem Täter, der erwiesenermaßen aus ehrlicher Reue und Abscheu vor der eigenen Tat zurückgetreten ist, in general- und spezialpräventiver Hinsicht die Erforderlichkeit staatlicher Reaktion als eher gering anzusehen sein wird, ist dies bei einem Versuchsdelinquenten, welcher ersichtlich zwischen Erfolgsherbeiführung und Abbruch der Tat kühn abgewogen hat, keineswegs der Fall. Anstelle einer Verortung dieser Erwägungen auf Tatbestandsebene – in Form einer bisweilen bedenklich weiten und inhaltlich nicht überzeugenden Auslegung des Freiwilligkeitsmerkmals – können sie über die Begründung der Strafzumessung einfließen. Dies sorgt für mehr Transparenz und Gerechtigkeit. In systematischer Hinsicht wäre Verdienst der Änderung der Rechtsfolge, dass die allgemeine Rücktrittsregelung den Vorschriften der tätigen Reue angepasst 1217 1218

Herzberg, NJW 1991, 1633 (1637). Zum Ganzen vgl. die Zusammenfassung in Kapitel 4 III. 4.

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würde. Nicht umsonst geht die Tendenz in jüngerer Zeit hin zu einer solchen flexibleren Entscheidungsmöglichkeit.1219

3. Traditionelle Auffassungen zur ratio legis Richtet man den Blick sodann auf die traditionellen Erklärungen der Rücktrittsregelung, so lässt sich festhalten, dass diese durch die hier vorgeschlagene Rechtsfolge von ihren Grundgedanken her abgedeckt werden: Der Gnaden- oder auch Prämiengedanke fließen insoweit ein, als dass sich ein Rücktrittsverhalten positiv für den Täter auswirkt. Dass ein Entgegenkommen des Staates keineswegs zwingend ist – was dem Gnadengedanken im weiteren Sinne entspricht – wird durch die bloße fakultative Möglichkeit eines Absehens von Strafe verdeutlicht. Die Goldene-Brücke-Theorie sieht in der Normierung einer Rücktrittsmöglichkeit einen Anreiz für den Täter, das Delikt nicht zu vollenden; dies kommt nicht zuletzt auch dem Opferschutz entgegen. Einen Anreiz zur Nichtvollendung kann indes nicht nur eine Strafbefreiung, sondern auch eine zwingende Milderung der zu erwartenden Strafe sein – soweit man überhaupt davon ausgehen kann, dass ein Täter um die Existenz einer Rücktrittsnorm und deren Voraussetzung mitsamt der Rechtsfolge weiß. Auch die Deutungen des Rücktritts als die Erfüllung einer Schuld (Herzberg1220) bzw. als zurechenbare (geltungsbestätigende) Gefährdungsumkehr (Jäger bzw. Amelung1221), lassen sich mit der hier vorgeschlagenen Rechtsfolgeanordnung vereinbaren: In einer Strafmilderung bis hin zu einem Absehen von Strafe ist die Antwort auf die Kompensationsleistung des Täters zu sehen. In enger Verbindung hierzu stehen wiederum Strafzweckerwägungen: Inwieweit hat der Täter das Versuchsunrecht, welches Strafe erforderlich macht, durch seine Rücktrittsleistung kompensiert? Die Bewertung obliegt im Einzelfall den Feststellungen des Richters. Soweit kritisiert wird, dass die Bestrafung des Zurückgetretenen einen Widerspruch der strafenden Gewalt mit sich selbst bedeuten würde1222, so ist dem entgegenzuhalten, dass der Täter nicht für die Verhinderung des Erfolges bestraft wird, sondern dafür, dass dieser überhaupt erst durch sein Handeln hätte eintreten können.

Zuletzt ist die tätige Reue bei § 89a Abs. 7 StGB im August 2009 eingeführt worden. s. Kapitel 1 II., Kapitel 3 II. 4. c) dd). 1221 s. die Ansichten Jägers und Amelungs, hierzu Kapitel 1 II; Kapitel 3 II. 4. c) ee). 1222 So Jäger, Gefährdungsumkehr (1996), S. 128, in Anlehnung an Feuerbach, Kritik des Kleinschrodischen Entwurfs (1804), S. 103 f. 1219 1220

II. Die einzelnen Voraussetzungen der Rücktrittsnorm

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4. Zwischenergebnis Zusammengefasst ergibt sich aus alldem Folgendes: Sinn und Zweck einer Rücktrittsnorm ist die Motivation des Täters zu einem Umkehrverhalten zugunsten des Opferschutzes bzw. der Normgeltung. Ein solches Verhalten ist ihm zugute zu halten, jedoch nicht zwingend durch Zubilligung von Straffreiheit. Ob und in welchem Maße ein Schuldspruch bzw. eine Strafe sachgerecht bleiben, sollte der richterlichen Entscheidung im jeweiligen Einzelfall vorbehalten bleiben. Eine obligatorische Strafmilderung in Verbindung mit einem fakultativen Absehen von Strafe stellt hierzu eine sachgerechte Rechtsfolge dar. Freund1223 möchte darüber hinaus in seinem Gesetzesvorschlag ein Absehen von Strafe dann ausschließen, „wenn ohne das Nachtatverhalten Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr verwirkt wäre.“ Sein Vorschlag ist angelehnt an die Vorschrift des § 60 S. 2 StGB.1224 Die Notwendigkeit einer solchen Einschränkung der Möglichkeit des Absehens von Strafe dürfte indes nicht bestehen. Denn neben einer obligatorisch eintretenden Strafmilderung ist diese Rechtsfolge bereits an besonders strenge Anforderungen geknüpft, und es kann davon ausgegangen werden, dass die Gerichte das Straferfordernis zutreffend einzuschätzen und den ihnen eingeräumten Entscheidungsspielraum angemessen anzuwenden in der Lage sind; im Übrigen ist die Entscheidung des Tatgerichts im Rechtsmittelweg voll überprüfbar (in der Berufung ohnehin, in der Revision kraft Sachrüge).

II. Die einzelnen Voraussetzungen der Rücktrittsnorm Die Ziele, welche eine Rücktrittsnorm verfolgt, und die Rechtsfolge, die einen Zurückgetretenen erwartet, stellen die ersten Eckpunkte auf dem Weg zu einer Gesamtkonzeption dar. Nunmehr gilt es, die übrigen Voraussetzungen festzulegen.

1. Objektiv-subjektive Voraussetzungen De lege lata wird vorausgesetzt, dass der Täter objektiv die Tat aufgegeben, die Vollendung verhindert hat oder aber sich ernsthaft um die Vollendungsverhinderung bemüht hat. Dem liegt die Differenzierung zwischen unbeendetem (§ 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 StGB) und beendetem Versuch (§ 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 StGB) zugrunde sowie der Situation, dass der Täter ohne sein Wissen nicht mehr kausal für den Rücktritt werden konnte (§ 24 Abs. 1 S. 2 StGB). Dass es der Unterscheidung zwischen GA 2005, 321 (332). Kritisch hierzu bzgl. § 60 und für Anhebung auf 2 Jahre und mit entsprechendem Gegenargument, dass dies nur zur Problemverlagerung führen würde, Kett-Straub, JA 2009, 53 (55). 1223 1224

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diesen drei Rücktrittsvarianten nicht bedarf, wurde dargelegt.1225 Für einen Rücktritt sollte verlangt werden, dass das Versuchsverhalten umgekehrt wird. Die Versuchskonzeption ist objektiv-subjektiv ausgerichtet; die Rücktrittsvoraussetzungen sollten sich hieran orientieren. Konkret bedeutet dies Folgendes: (1) Der Tatentschluss, d. h. der Vorsatz zur Erfolgsherbeiführung muss vollständig entfallen; es muss ein Rücktrittsvorsatz im Sinne einer Entscheidung für die Rechtsgutserhaltung vorliegen. Dies bedeutet nicht, dass stets ein Rücktrittsvorsatz im Sinne eines dolus directus 1. Grades erforderlich ist. Vielmehr ist zu verlangen, dass der Täter den Tatentschluss zur Durchführung der konkreten Tat fallen lässt und dies nach außen hin durch sein Verhalten kenntlich macht. Erkennt der Täter, dass es trotz seiner Gegenmaßnahme noch zu einem Erfolgseintritt kommen kann, so muss er seinen Rücktrittsvorsatz hineichend manifestieren. Dies setzt voraus, dass er bewusst eine reelle Rettungschance für das Rechtsgut bereitstellt. (2) Der Rücktrittsvorsatz muss nach außen sichtbar werden, d. h. er muss sich im äußeren Verhalten des Täters manifestieren. Der Versuchstäter muss dazu nicht sogleich die zuverlässigste Maßnahme zur Erfolgsverhinderung ergreifen. Solange ersichtlich ist, dass er mit der notwendigen Sorgfalt handelt und zu weiteren Abwendungsmaßnahmen bereit steht, ist auch ein „gestuftes“ Vorgehen denkbar. Voraussetzung ist in diesem Fall, dass der Täter das Geschehen nicht aus der Hand gibt.1226 (3) Die Vorstellung des Täters von der Sachlage bestimmt die Anforderungen an das objektive Erfolgsvermeidungsverhalten: Der Täter muss sich in äußerlich erkennbarer Weise hinreichend um die Nichtvollendung bemühen und hierbei sorgfältig vorgehen.1227 Das Geschehen darf nicht dem Zufall überlassen werden. Je näher der Erfolgseintritt aus Sicht des Versuchsdelinquenten liegt, desto höher sind die Anforderungen an das objektive Täterverhalten. De lege lata lässt sich der Gedanke des Sorgfaltserfordernisses dem Begriff „ernsthaft“ in § 24 Abs. 1 S. 2 StGB entnehmen. Dieses Kriterium sollte beibehalten werden, da darin die entscheidende Bedeutung des Rücktrittsvorsatzes betont wird. (4) Nach alldem ist – wie bereits gezeigt – die Differenzierung zwischen unbeendetem und beendetem Versuch nicht geboten. Auch die Frage nach dem Bestleistungserfordernis stellt sich nicht mehr, wenn auf die Feststellung der Manifestation des Rücktrittsvorsatzes nach außen und somit auf die Ernsthaftigkeit des jeweiligen Rücktrittsverhaltens abgestellt wird. Der derzeit gesetzlich verankerten Unterteilung in Fallkonstellationen nach § 24 Abs. 1 S. 1 Var. 1, § 24 Abs. 1 S. 1 Var. 2 und § 24 Abs. 1 S. 2 StGB bedarf es somit nicht.1228 1225 1226 1227

s. Kapitel 2 I., IV. s. Kapitel 2 I. 1. d). s. Kapitel 2 II.

II. Die einzelnen Voraussetzungen der Rücktrittsnorm

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(5) Herzberg1229 hat ähnliche Überlegungen bereits angeführt und gelangte über die sprachliche Ebene zu diesem Ergebnis: Jedes Aufgeben, welches die Erfolgsherbeiführung vermeide, sei zugleich ein Verhindern der Tatvollendung. Damit zeigt sich, dass das mangelnde Erfordernis der Differenzierung bereits de lege lata in § 24 Abs. 1 StGB angelegt ist. Zwar assoziiere man mit einer „Aufgabe“ zunächst den Regelfall des Untätigbleibens, jedoch sei hiervon auch das Aufgeben eines Unterlassens – was in einem aktiven Tätigwerden liegt – erfasst. Wenn also die Aufgabe immer schon in einem Verhindern enthalten sei, so sei diese Variante überflüssig. Als Oberbegriff wählt Herzberg das „Vermeiden“. Darüber hinaus schlägt er vor, das „Bemühen“ um die Vermeidung des Erfolgseintritts ausreichen zu lassen. Dieser Vorschlag stimmt mit der hier verlangten Manifestation des Rücktrittsvorsatzes überein. Es muss genügen, dass der Täter ein ernsthaftes Vermeideverhalten an den Tag legt, aus dem heraus ersichtlich wird, dass der ursprüngliche Tatentschluss nicht mehr weiter verfolgt wird, und dass der Täter das Rechtsgut nunmehr erhalten möchte. Bedenken dahingehend, dass diese Anforderung gegenüber dem Erfordernis einer kausalen Erfolgsverhinderung nicht streng genug wäre, bestehen aufgrund des Ernsthaftigkeitserfordernisses nicht. Zudem lässt sich über die Strafzumessungsentscheidung durchaus unterscheiden, inwieweit der Täter vielleicht noch mehr hätte tun können. Hierbei verbleibt für die Anwendung des nemo-tenetur-Grundsatzes hinreichend Raum.1230 In solchen Fällen, in denen der Täter gestuft vorgehen wollte und nicht kausal für die Vollendungsvermeidung wurde, weil ihm etwa inzwischen Dritte zuvor kamen, würde dann eine Strafmilderung die Rechtsfolge sein; ein Absehen von Strafe wäre in derartigen Konstellationen wohl nur selten angezeigt. Zugleich kann die Art des Rücktrittsvorsatzes Berücksichtigung finden: So wie direkter Vorsatz in der Regel schärfer zu bestrafen ist als bedingter1231, wäre hinsichtlich des Rücktrittsvorsatzes bei Rettungsabsicht und entsprechendem zielgerichteten Verhalten ein Mehr an Strafmilderung in Ansatz zu bringen als bei einem Täter, der – etwa um nicht selbst „aufzufliegen“ – zunächst einmal auf weniger sichere erfolgsabwendende Maßnahmen zurückgreift und zur Verfügung stehende bessere Rettungsoptionen nicht wahrnimmt. (6) Im Hinblick auf den Rücktritt von einem versuchten Unterlassungsdelikt führt die hier vertretene Ansicht auch zu einer Beilegung des Streits, ob es bei diesem überhaupt die Stadien eines beendeten und unbeendeten Versuches geben kann1232. 1228 A. A. Rau, Ernsthaftes Bemühen (2002), S. 138 ff., 148, der insbesondere zwischen § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 StGB und § 24 Abs. 2 StGB keine Wertungsgleichheit sieht. 1229 In: MüKo-StGB1, § 24 Rn. 55, 188. 1230 Zur Problematik s. Kapitel 2 I. 1. d). 1231 Vogel, in: LK-StGB12, § 15 Rn. 77. 1232 Zu diesem Streit s. nur Exner, Jura 2010, 276 (280); Wessels / Beulke, AT, Rn. 743 f. mit Fn. 147 jeweils m. w. N.

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Somit lautet der Vorschlag für einen neu zu formulierenden § 24 StGB zunächst wie folgt: Das Gericht mildert die Strafe und kann von Strafe absehen, wenn der Täter sich ernsthaft um die Vermeidung der Tatvollendung bemüht. 2. Die Freiwilligkeit Die Bedeutung des Merkmals „freiwillig“ in einer Rücktrittsnorm ist nicht ganz leicht zu erfassen. Dies ergibt sich schlicht schon daraus, dass auf ein Freiheitsempfinden der betreffenden Person und somit auf einen höchst subjektiven Faktor abgestellt wird, der von niemandem außer der betreffenden Person wahrnehmbar ist, und dessen Existenz nicht zuletzt sogar angezweifelt wird1233. Es wurde bereits erörtert, welche Schwierigkeiten bei der Frage nach der Definition bestehen. Dennoch ist die Freiwilligkeit de lege lata Voraussetzung von § 24 StGB und aller Tatbestände der tätigen Reue. Für solche Regelungen, die dieses Merkmal nicht explizit beinhalten, wird vertreten, dass es durch ein anderes Kriterium indiziert werde.1234 Aufgrund der Auslegungsprobleme – ganz abgesehen von den Beweisschwierigkeiten1235 – ist aber zweifelhaft, ob die Freiwilligkeit weiterhin Teil der Rücktrittsregelung sein sollte.1236 Bei einem Vergleich verschiedener Rechtsordnungen1237 ist festgestellt worden, dass nahezu alle untersuchten Länder freiwilliges Rücktrittsverhalten voraussetzen; viele benennen das Merkmal „freiwillig“ explizit.1238 Einige Rechtsordnungen umschreiben diese Voraussetzung, so beispielsweise die Schweiz („aus eigenem Antrieb“)1239 und Frankreich („Umstände […], die vom Willen des Täters unabhängig sind“)1240. Im Kern besteht Einigkeit darüber, dass der Täter aus eigener Motivation heraus von der Deliktsbegehung Abstand genommen haben muss. Dies klingt a prima vista nachvollziehbar und einfach, jedoch offenbart insbesondere die deutKapitel 3 I. So bspw. durch das Kriterium der Rechtzeitigkeit in §§ 158, 162 Abs. 2 StGB, s. Blöcker, Tätige Reue (2000), S. 82; zu § 158 StGB auch H. Schröder, in: FS H. Mayer (1966), S. 377 (382). 1235 Diese bezeichnet Oersted, Abhandlungen, 1. Bd. (1818), S. 161, als „äußerst schwierig und mißlich“. 1236 An dieser Stelle sei auf die Argumentation bei Lampe, GA 1993, 485 (489 f.), hingewiesen, der die Voraussetzung der Freiwilligkeit im Rahmen der Wiedergutmachung als „dritter Spur“ im Rahmen des Sanktionensystems für kriminalpolitisch verfehlt hält. Gegen eine „Eliminierung des Dispositionsbegriffs ‚freiwillig‘“ Hassemer, in: Lüderssen / Sack (Hrsg.), Vom Nutzen und Nachteil I (1980), S. 245 ff. 1237 s. hierzu Kapitel 5. 1238 s. nur Dänemark „frivilligt“ (Kapitel 5 I.); Italien: „volontariamente“ (Kapitel 5 III.); Österreich (Kapitel 5 V.); Spanien: „voluntariamente“ (Kapitel 5 IX.). 1239 s. Kapitel 5 VIII. 1240 s. Kapitel 5 II. 1233 1234

II. Die einzelnen Voraussetzungen der Rücktrittsnorm

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sche Rücktrittsdogmatik, dass dies keineswegs der Fall ist. Die Entwicklung im englischen Strafrecht zeigt sogar, dass das Freiwilligkeitsmerkmal eines der größten Hindernisse auf dem Weg zur Anerkennung einer Rücktritts-defence ist. Mit Th. Gutmann1241 lässt sich festhalten, dass es sich bei der Freiwilligkeitsproblematik in hohem Maße um eine rechtspolitische Frage handelt. Die hier vorgenommene Untersuchung der Auslegungsansätze im deutschen Recht hat ergeben, dass über das Merkmal „freiwillig“ Erwägungen angestellt wurden, welche – oftmals verschleiert – auf eine Bewertung der Rücktrittsmotive hinausliefen.1242 Dies führte zu ergebnisorientierten Entscheidungen, die von der Argumentationsweise nicht überzeugen konnten. Knüpft man daneben an die grundlegende Debatte zum (In)Determinismus an, so zeigen sich hier interessante Parallelen: Wenn der freie Wille aus Sicht der Deterministen nur ein Gefühl sein soll, sich „frei“ für oder gegen etwas entscheiden zu können, dann kommt dies immer mehr dem Inhalt des Vorsatzbegriffs nahe. Denn das, was den freien Willen ausmacht, ist letztlich die Kenntnis bestimmter Umstände und das Gefühl, man habe die Wahl, diese Umstände so zu belassen wie sie sind, oder sie zu ändern. Dies spricht für die hier bereits angeführte Forderung nach einer gründlichen Untersuchung des Rücktrittsvorsatzes, d. h. der Entscheidung des Täters zum Rechtsguterhalt. Doch soll die bloße Existenz einer Wahlmöglichkeit nicht genügen, um den Begriff der Freiwilligkeit voll auszufüllen. Wie man insbesondere an den Ansätzen der psychologisierenden Theorie erkennen kann, werden zwei Komponenten in die Überlegung mit einbezogen: Erstens Intentionen1243 und Motive, welche die Person zu ihrer Entscheidung gebracht haben, und zweitens die Frage nach äußeren Faktoren, die auf die Person eingewirkt haben. Es wird typischerweise nach dem Ursprung der Entscheidung gesucht. Beide Komponenten sind indes, wie bereits erörtert, Strafzumessungserwägungen zuzuordnen und nicht der Frage nach objektiven oder subjektiven Tatbestandselementen. Die Möglichkeit, die Motive des Täters in die Bewertung seines Gesamtverhaltens einfließen zu lassen, wird nunmehr durch die Änderung der Rechtsfolge eröffnet. Die hierdurch erzeugte Transparenz ist zu begrüßen. Es fragt sich, welche Funktion dem Freiwilligkeitsmerkmal dann noch zukommen kann. a) Rückkehr in die Legalität Befasst man sich mit den normativen Ansätzen, so findet man Kriterien wie die „Rückkehr des Täters in die Legalität“1244; verlangt wird dem Grunde nach eine in1241 1242 1243 1244

Rechtsbegriff (2001), S. 330. Hierzu ausführlich Kapitel 3. Singer, Menschenbild (2003), S. 24. s. nur Kapitel 3 II. 4. d) bb) sowie cc).

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Kap. 6: Eigene Konzeption

nere Umkehr des Täters. Diese Forderung wird durch die hier vorgeschlagene Konzeption aufgegriffen und in den Tatbestand integriert, indem der Täter eine Entscheidung zugunsten des Rechtsgutserhalts zu treffen und sich dementsprechend zu verhalten hat. Eine Bewertung der Motive ist dann Frage der konkreten Entscheidung über das Ob und ggf. das Maß der Strafe. Als Beispiel möge eine Abwandlung des Parkplatz-Falls1245 dienen: T hatte den Geliebten seiner geschiedenen Frau angegriffen und mit einem Messer verletzt. Er erkannte, dass es zur Tötung weiterer Messerstiche bedurfte, ließ aber dennoch von seinem Opfer ab, weil er glaubte, sonst seine Ex-Frau zu verpassen, die er vorrangig töten wollte. Einem derartig Abwägenden wird wohl kaum eine Rückkehr in die Legalität bescheinigt werden können. Den Täter in Bezug auf die versuchte Tötung des Geliebten straffrei ausgehen zu lassen, würde sicher als unbefriedigend angesehen werden, und es ist davon auszugehen, dass vielfach die Freiwilligkeit des Täters infrage gestellt werden würde. Indes ist gerade an diesem Fall erkennbar, dass eine Entscheidung des Täters zugunsten der Erhaltung des Rechtsguts stattgefunden hat, und sei es auch zum Nachteil eines anderen Rechtsguts, namentlich des Lebens der Frau. Dem Täter einen Rücktritt gänzlich zu versagen, erst Recht unter Berufung auf dessen vermeintliche Unfreiwilligkeit, überzeugt nicht. Vielmehr muss seine vorsätzliche Abstandnahme hinsichtlich der Tötung des Geliebten gesehen werden. Nach der hier vorgeschlagenen Rücktrittsregelung kommt ihm nun in jedem Fall im Hinblick auf den Totschlags- bzw. Mordversuch eine Strafmilderung zugute; ein Absehen von Strafe aufgrund der deliktisch motivierten Abwägung scheidet aus. Das konkrete Strafbedürfnis wäre im Einzelfall vom Gericht zu klären.

b) Zwangslagen Weiter finden sich Ansichten, die einen Rücktritt ausschließen wollen, wenn sich der Täter in einer Zwangslage – nach § 35 StGB oder § 240 StGB – befand und aufgrund dessen die Tat nicht vollendet hat.1246 Verständlicherweise soll einem Täter seine Abstandnahme von der Erfolgsherbeiführung nicht zugute gehalten werden, wenn diese allein aufgrund eines erheblichen Drucks erfolgte. Inwieweit sind derartige Rücktrittshindernisse bereits von der hier vorgeschlagenen Formulierung erfasst? Maßgeblich für das Eingreifen des Rücktrittsprivilegs ist die Entscheidung des Täters, das angegriffene Rechtsgut zu erhalten. Wird der Täter zur Abstandnahme gezwungen, so lässt sich bereits daran zweifeln, ob es seine Entscheidung 1245 BGHSt 35, 184. Eine Abwandlung ist es insoweit, als dass in der Originalentscheidung die Vorstellung des Angeklagten nicht eindeutig festgestellt worden war: „[Der Angeklagte] ließ von M. ab […] – sei es, weil er meinte, M. werde die ihm zugefügte schwere Verletzung ohnehin nicht überleben, sei es, weil er fürchtete, infolge des eingetretenen Zeitablaufs seine geschiedene Ehefrau zu ‚verpassen‘ […].“ 1246 Kapitel 3 II. 4. d) cc) (3) (a) und (b).

II. Die einzelnen Voraussetzungen der Rücktrittsnorm

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ist. Ist festzustellen, dass der Täter sich aufgrund der Zwangslage bereits zur weiteren Tatausführung außerstande sieht, so liegt (wie bisher de lege lata) ein fehlgeschlagener Versuch vor und ein Rücktritt kommt mangels Entscheidungsmöglichkeit schon nicht mehr in Betracht. In allen anderen Fällen verbleibt dem Täter ein – wenn auch geringer – Entscheidungsspielraum. Gerade in Zwangs-Konstellationen wird deutlich, dass der Abstandnahme des Täters eine Abwägung zwischen Deliktsvollendung und Rücktritt voranging. Die Verortung der Erwägungen in die Auslegung des Freiwilligkeitskriteriums wäre sodann gleichbedeutend mit der Bewertung der Motivation des Täters. Es ist sachgerechter, diese nicht über ein Tatbestandsmerkmal anzuführen, sondern im Rahmen der Strafzumessung zu berücksichtigen.

c) Zwischenergebnis Mit der hier vorgeschlagenen Änderung der Rücktrittsnorm sind die bisher unter dem Merkmal der Freiwilligkeit geführten Diskussionen nunmehr unter den Aspekten der Entscheidung des Täters im Sinne des Rücktrittsvorsatzes, und der Strafzumessungserwägungen zu verorten. Bestätigt wird insbesondere die Gleichsetzung von „Willensfreiheitsbetätigung“ und „Entscheidung“ durch die (In)Determinismus-Debatte, bei der die Begriffe häufig nebeneinander verwendet werden.1247 Einer zusätzlichen Normierung der Freiwilligkeit auf Ebene des Tatbestands bedarf es nicht; vielmehr ist aus Gründen der Rechtsklarheit auf dieses Merkmal zu verzichten.1248 3. Der Rücktritt bei Beteiligung Mehrerer an der Straftat, § 24 Abs. 2 StGB De lege lata ist der Rücktritt bei mehreren Beteiligten in § 24 Abs. 2 StGB geregelt: § 24 StGB Rücktritt (1) […] (2) 1Sind an der Tat mehrere beteiligt, so wird wegen Versuchs nicht bestraft, wer freiwillig die Vollendung verhindert. 2Jedoch genügt zu seiner Straflosigkeit sein freiwilliges und 1247 s. nur Reinelt, NJW 2004, 2792 (2793): „Viele der Missverständnisse, die an diese Thematik [scil.: Determinismus versus Indeterminismus] geknüpft werden, hängen für mein Verständnis auch damit zusammen, dass man fälschlich vom ‚freien Willen‘ statt von der ‚freien Entscheidung‘ spricht.“ 1248 Gleiches gilt für die von Wege, Rücktritt und Normgeltung (2011), S. 87, 106 ff., de lege ferenda zusätzlich zum Merkmal der Freiwilligkeit hinzugefügten Forderung der „Unbedingtheit“. Diese ist im Übrigen bereits de lege lata schon dadurch Voraussetzung, dass der Täter einen Rücktrittsvorsatz – unter vollumfänglichem Fallenlassen des Tatentschlusses – gefasst haben muss: Bedingter Vorsatz in Bezug auf die Herbeiführung des tatbestandlichen Erfolges, und somit auch in Bezug auf den Angriff auf die Normgeltung, schadet.

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Kap. 6: Eigene Konzeption

ernsthaftes Bemühen, die Vollendung der Tat zu verhindern, wenn sie ohne sein Zutun nicht vollendet oder unabhängig von seinem früheren Tatbeitrag begangen wird.

Die Rückgängigmachung allein des eigenen Tatbeitrages genügt bei einem Rücktritt vom Versuch Mehrerer nicht, stattdessen setzt § 24 Abs. 2 S. 1 StGB die Verhinderung der Tatvollendung voraus.1249 Die Vorgängerregelung des § 46 StGB a. F. hatte den Rücktritt bei der Tatbeteiligung Mehrerer gar nicht gesondert geregelt1250; es genügte danach, wenn der Beteiligte seinen Tatbeitrag aufgehoben hatte. Die gesonderte Normierung in § 24 Abs. 2 StGB bedeutet deshalb im Vergleich hierzu eine Verschärfung der Rücktrittsanforderungen. Nach Roxin1251 sei dies als Entscheidung des Gesetzgebers hinzunehmen, da dieser nicht verpflichtet sei, überhaupt für den Rücktritt die völlige Straffreiheit anzuordnen.1252 Die hier vorgeschlagene Konzeption sieht indes keine Strafbefreiung mehr vor, sodass sich – angenommen, das „Verschärfungs-Argument“ hätte grundsätzlich seine Berechtigung1253 – die Frage stellt, ob diese Voraussetzung aufrecht erhalten bleiben sollte. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die gerade erwähnten strengen Anforderungen an den Rücktritt durch die Regelung in § 24 Abs. 2 S. 2 StGB abgeschwächt werden: Es wird danach das freiwillige und ernsthafte Bemühen um die Verhinderung verlangt. Letzteres entspricht dem hier vorgeschlagenen Wortlaut. Die Eliminierung des Merkmals „freiwillig“ ist aus den bereits vorgetragenen Gründen ebenfalls zu übernehmen. Damit ist nun zu entscheiden, ob zusätzlich zur Rücknahme des eigenen Tatbeitrages von dem zurücktretenden Beteiligten die Verhinderung der Tatvollendung durch den oder die anderen Beteiligten verlangt werden sollte. De lege lata ist derjenige straffrei, der die Tatvollendung verhindert. Unproblematisch straflos ist danach der Beteiligte, der die Deliktsvollendung vollständig verhindert. Ob die Verhinderung in einem aktiven Tun oder einem Unterlassen (etwa des eigenen unentbehrlichen Beitrags)1254 liegt, ist nach richtiger Ansicht irrelevant, solange dies den Nichteintritt des tatbestandlichen Erfolges bewirkt.1255 Mit einem Überblick über mögliche Fallgestaltungen Kölbel / Selter, JA 2012, 1 ff. Ein Überblick zum Meinungsstand bei § 46 StGB a. F. findet sich bei v. Scheurl, Rücktritt (1972), S. 69 ff. 1251 AT II, § 30 Rn. 335. 1252 Kritisch dagegen Herzberg, in: MüKo-StGB1, § 24 Rn. 196 ff. 1253 Die h. M. bestreitet dies indes zu Recht, näher Roxin, AT II, § 30 Rn. 331; s. auch Grünwald, in: FS Welzel (1974), S. 701 (708); Lenckner, in: FS Gallas (1973), S. 281 (305 f.); Lilie / Albrecht, in: LK-StGB12, § 24 Rn. 363 f.; differenzierend Mitsch, in: FS Baumann (1992), S. 89 (97 ff.). 1254 Roxin, AT II, § 30 Rn. 337. 1255 Herzberg, in: MüKo-StGB1, § 24 Rn. 188; Lilie / Albrecht, in: LK-StGB12, § 24 Rn. 400; Maurach / Gössel, AT 26, § 50 Rn. 81; Stratenwerth / Kuhlen, AT I6, § 12 Rn. 111; v. Scheurl, Rücktritt (1972), S. 77 f., vertritt die Ansicht, dass ein Unterlassen jedenfalls in analoger Anwendung des § 24 Abs. 1 S. 1 StGB denkbar sei; a. A. Lenckner, in: FS Gallas (1973), S. 281 (295), der ein aktives Eingreifen fordert. 1249 1250

II. Die einzelnen Voraussetzungen der Rücktrittsnorm

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Die Konstellation, in welcher der Beteiligte seinen Tatbeitrag vollständig zurücknimmt und die darauf folgende Tat ihm nicht mehr zurechenbar ist, wird von § 24 Abs. 2 S. 2 StGB erfasst. Diese Regelung setzt voraus, dass der Beteiligte sich ernsthaft um die Verhinderung der Tatvollendung bemüht. Wie oben bereits erwähnt, wird das Verhinderungserfordernis vielfach als nicht akzeptabel empfunden1256. Zu Recht wird darauf verwiesen, dass das Argument der erhöhten Gefährlichkeit bei einer Tatbegehung durch mehrere1257 nicht greift: Mit Rücknahme des eigenen Tatbeitrages wird die hierdurch begründete „gesteigerte Gefährlichkeit“ wieder aufgehoben. Allenfalls dann, wenn der Tatbeitrag etwa in psychischer Hinsicht weiter fortwirkt, muss sich der Betreffende dies zurechnen lassen – mit der Folge, dass dann ein Rücktritt gar nicht mehr in Betracht kommt.1258 Sollte es sich dagegen um eine neue Tat handeln, so ist das Geschehen dem vormals Beteiligten konsequenterweise auch nicht mehr zuzurechnen. Für den Beteiligten an einem Versuch Mehrerer sollten keine strengeren Regeln gelten als für den Einzeltäter. Auch für ihn muss ausreichen, dass er sich gegen die ihm zurechenbare Tatvollendung entschieden hat und dies auch durch ernsthaftes Bemühen um deren Verhinderung nach außen sichtbar wird. Sollten die übrigen Tatbeteiligten bzw. der andere Beteiligte die Tat auch ohne den Beitrag des Zurücktretenden ausführen, so darf Letzterem dies mangels Zurechenbarkeit nicht mehr zur Last fallen. § 24 Abs. 2 StGB sollte daher nicht beibehalten werden; die Verschärfung der Haftung bei mehreren Beteiligten ist nicht überzeugend. Vielmehr sind die Anforderungen für derartige Fälle an die des Rücktritts eines Einzeltäters anzupassen. Sinnvoll ist es, de lege ferenda § 24 StGB – für Einzeltäter sowie für mehrere Beteiligte einheitlich – wie folgt zu formulieren: Das Gericht mildert die Strafe oder kann von Strafe absehen, wenn der Täter oder Teilnehmer sich ernsthaft um die Vermeidung der Tatvollendung bemüht. Durch diese Formulierung werden sämtliche Täter- und Teilnahmeformen erfasst. Der zur lex lata herrschende Streit über den Beteiligtenbegriff des § 24 StGB1259 wäre damit beigelegt. Das ernsthafte Bemühen setzt hierbei in aller Regel die Rücknahme des eigenen Tatbeitrages voraus, soweit eine solche – aus Sicht des BeteiligHerzberg, in: MüKo-StGB1, § 24 Rn. 196 ff.; Grünwald, in: FS Welzel (1974), S. 701 (708 ff.); J. Meyer, ZStW 87 (1975), S. 598 (619 ff.); Roxin, AT II, § 30 Rn. 331 ff.; M. Walter, JR 1976, 100 (102); a. A. Blei, JA 1976, StR 81; Maurach / Gössel, AT 26, § 50 Rn. 62, 84 f. 1257 s. nur die Begründung des Sonderausschusses in BT-Drs. V / 4095, S. 12, sowie das Protokoll zur 88. Sitzung des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform am 29. 11. 1967, Deutscher Bundestag, 5. Wahlperiode, Stenographischer Dienst, S. 1759 ff.: Der Ausschuss (a. a. O., S. 1766) stimmte bei einer Probeabstimmung mit einer Mehrheit von einer Stimme dafür, dass die Anforderungen an den Rücktritt bei einer Tatbeteiligung mehrerer Personen verschärft werden sollten (a. A. hierbei ausdrücklich Meyer, a. a. O., S. 1764 f., mit Verweis auf eigene Untersuchungsergebnisse); kritisch auch Dreher, StGB35, § 24 Anm. 6) A.; vgl. auch v. Scheurl, Rücktritt (1972), S. 148 f. 1258 Instruktiv hierzu M. Walter, JR 1976, 100 (101). 1259 Ausführlich Mitsch, in: FS Baumann (1992), S. 89 (92 ff.). 1256

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Kap. 6: Eigene Konzeption

ten – möglich ist. Nicht mehr erforderlich ist aber die Verhinderung der Tat, wenn diese dem Beteiligten ohnehin nicht mehr zurechenbar wäre, weil etwa der oder die andere(n) Beteiligte(n) die Tat derart modifiziert haben, dass diese nunmehr vom Tatbeitrag des Zurücktretenden unabhängig ist. Es bleibt schließlich die Frage zu klären, wie es sich auswirkt, wenn ein Tatbeitrag psychisch kausal weiter fortwirkt. Eine Möglichkeit wäre, dass sich derjenige, der den Beitrag (etwa in Form psychischer Beihilfe oder des Bestimmens im Sinne des § 26 StGB) geleistet hat, dessen Fortwirken zurechnen lassen muss, und dass ein Rücktritt per se ausscheiden muss. Eine weitere Option wäre die de lege lata in § 24 Abs. 2 StGB geregelte: Der Beteiligte müsste für die Verhinderung der Tatvollendung insgesamt sorgen. Eine weniger strenge Sichtweise würde genügen lassen, dass der Betreffende sich ernsthaft um die Rücknahme dieses psychisch wirkenden Beitrags bemüht, bspw. in Form der gegenläufigen Einwirkung auf den Täter. Mit Blick auf die Trennung der Verantwortungsbereiche sollte Letzteres genügen: Hat der Beteiligte seinen physisch wirkenden Tatbeitrag bereits zurückgenommen und bleibt allein der psychisch wirkende Teil übrig, so ist zu berücksichtigen, dass Letzterer auf mindestens eine weitere, für sich voll verantwortlich handelnde Person einwirkt. Selbst wenn bei dem weiterhandelnden Beteiligten erst durch den Anstoß durch den Rücktrittswilligen der Tatentschluss hervorgerufen wurde, so liegt doch die endgültige Realisierung dieses Entschlusses allein in der Hand des unmittelbaren Täters. Hat der Anstifter diesem gegenüber seinen gegenläufigen Entschluss auf eine Weise kundgetan, durch die der Haupttäter davon ausgehen konnte und musste, dass er nunmehr allein für sich selbst und nicht mehr auch für den Anstifter handeln würde, so muss dies für einen Rücktritt des Anstifters ausreichen. Bemüht sich der Anstifter ernsthaft darum, die psychische Kausalkette zu unterbrechen, muss dies genügen. Hat der Gehilfe seinen Tatbeitrag zurückgenommen, könnte man auch hier allenfalls von fortwirkender psychischer Beihilfe ausgehen. Eine solche nachzuweisen dürfte schon oft kaum möglich sein, zumal dem oder den anderen Beteiligten das Fehlen des Gehilfenbeitrages wohl bewusst sein wird.1260 Die Annahme einer psychischen Wirkung hat vielfach „Auffangfunktion“, um physisch nicht kausal gewordene Tatbeiträge jedenfalls über ihre psychischen Bestärkungseffekte erfassen zu können. Insoweit kann schon das Kriterium der psychischen Beihilfe als diffus bezeichnet werden; erst Recht muss dies gelten, wenn es um die Frage der tatsächlichen Fortwirkung bei nach außen tretender Abstandnahme durch den Beteiligten geht.1261 M. Walter1262 wies bereits kurz nach der Neufassung des § 24 StGB darauf hin, dass man einen Tatbeteiligten wegen des bloßen Verdachts der Beteiligung am vollendeten Delikt nicht bestrafen dürfe, wenn sich nicht widerlegen lasse, dass 1260 Zur Problematik bei der Feststellung der Rücknahme psychischer Tatbeiträge Lenckner, in: FS Gallas (1973), S. 281 (305). 1261 Vgl. auch – im Ergebnis differenzierend – v. Scheurl, Rücktritt (1972), S. 98 ff., 110 f. 1262 JR 1976, 100 (102).

II. Die einzelnen Voraussetzungen der Rücktrittsnorm

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dieser seinen Tatbeitrag vollends „annulliert“ habe. Zu Recht betonen Lilie / Albrecht1263 zudem, dass die Rücktrittsmöglichkeit leer liefe, wenn man die Fortwirkung eines einmal erbrachten Tatbeitrages immer schon damit begründen würde, dass hierdurch der Wille der anderen Beteiligten an der Tat bestärkt worden sei. Wie soeben festgestellt, muss für die Aufhebung der psychischen Wirkung ausreichen, wenn sich der Rücktrittswillige für den oder die übrigen Beteiligten erkennbar von der weiteren Tatausführung zurückzieht und eventuell geleistete Tatbeiträge annulliert.

1263

In: LK-StGB12, § 24 Rn. 443 f. m. w. N.

Schlusswort Es ist schwieriger, eine vorgefasste Meinung zu zertrümmern als ein Atom. Albert Einstein

Das Gericht mildert die Strafe oder kann von Strafe absehen, wenn der Täter oder Teilnehmer sich ernsthaft um die Vermeidung der Tatvollendung bemüht. Die Auseinandersetzung mit der Thematik des Rücktritts war nach Ansicht der Verfasserin eine in jeder Hinsicht lohnende. Dies zeigt der aus der vorangegangenen Untersuchung hervorgegangene Vorschlag für eine Neufassung der Rücktrittsregelung.1264 Im Kern sind die einzelnen Überlegungen, die zu diesem Ansatz geführt haben, jeweils nicht neu – dies war auch nicht anders zu erwarten. Neu ist hingegen ihre Kombination. Der für den unbefangenen Leser wohl überraschendste Aspekt dürfte hierbei die vorgeschlagene Streichung des Freiwilligkeitsmerkmals sein. Die Gründe hierfür sind ausführlich dargelegt worden.1265 Insbesondere dieser Punkt wird sicher auf Widerstand stoßen. Schließlich ist die Idee, dass ein Täter „freiwillig“ von der versuchten Tat Abstand nehmen muss, seit Jahrhunderten in der Rücktrittsdogmatik verankert, und es ist schwer, von einer derart gefestigten Vorstellung wieder abzuweichen. Mit dem Ergebnis dieser Abhandlung sollen nicht drastisch „Meinungen zertrümmert“ werden. Die Verfasserin schließt jedoch mit der Hoffnung, behutsam den Blick für Neues im Rahmen einer so alten dogmatischen Frage geöffnet zu haben.

1264 Eine Zusammenfassung der Ergebnisse dieser Untersuchung ist bereits im Rahmen der eigenen Konzeption angestellt worden. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird an dieser Stelle hierauf verwiesen. Die Ergebnisse von Kapitel 2 sind zu finden unter Kapitel 6 II. 1. 1265 s. Kapitel 6 II. 2.

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Personen- und Sachverzeichnis Absehen, von Strafe 201, 205, 207 ff., 218, 221, 223, 235, 257 ff., 264, 267, 270 Absicht 34, 37, 43, 52, 57 ff., 66, 70, 78, 99, 172 ff., 256, 261 abzielen 54, 69, 168, 172, 176, 230 Amelung, Knut 98, 104, 123 f., 127, 146, 159 ff., 165 f., 202 f., 258 Anreiz 22 f., 120, 185, 193 f., 221, 227, 238, 245, 247, 249, 258 Ansetzen, unmittelbares 24, 40, 43, 69, 125, 127, 190 f., 197, 223 Aufgeben, endgültiges 29, 49, 133, 138 f.

Gnadentheorie 23, 195, 197, 258 Goldene Brücke 22 f., 38, 120 f., 153, 185, 193 f., 203, 232, 235, 245, 258

Bemühen, ernsthaftes 41, 55, 70 ff., 75, 111, 124 f., 139 f., 168, 200, 259 ff. Beweislast 147, 242, 247, 251 f. Bloy, René 65, 139

Jäger, Christian 25, 38, 98, 104, 118, 125 ff., 145 ff., 156 ff., 174 f., 202, 258 Jakobs, Günther 65, 134, 137, 139 Jescheck, Hans-Heinrich 120

Deliktswechsel 183 Denkzettel 173, 176

Krankenhaus-Fall 65 ff.

halbherziger Rücktritt 61 f., 65 Handlungssinn, Wegfall des 119, 157 f., 179 hermeneutisch 21 Herzberg, Rolf Dietrich 25, 38, 40, 59, 85, 119, 122 ff., 131, 144 ff., 155 f., 176, 194, 201, 258, 261 Hillenkamp, Thomas 86, 96 Hirsch, Hans Joachim 82, 93 ff.

Libet, Benjamin 84, 88, 90 E-605-Fall 62 Einheitstheorie 24, 127, 200, 253 Einzelaktstheorie 51, 171, 176, 226 Eser, Albin 103, 117, 135 f., 224 f., 238 Feuerbach, Paul Johann Anselm von 22, 214 Fischer, Thomas 45, 48, 54, 118, 143 Frank, Reinhard 102, 104, 180 Frank’sche Formeln 110, 165 Freund, Georg 16, 259 Gashahn-Fall 57 f. Gefährdungsumkehr 125 ff., 158 f., 173 f., 202 ff., 258 Gesamtbetrachtungslehre 51, 171, 176 f., 226 Gesinnungsstrafrecht 126, 139, 149, 166, 188, 190 f., 198

Maiwald, Manfred 98, 106, 116, 141 Menschenwürde 79 f., 87 Merkel, Reinhard 86, 92 f. Normbefolgungsbereitschaft 131, 137, 198 Opferschutz 22 f., 38, 47, 121, 153, 162, 173, 185, 195, 203 f., 221, 227, 245, 258 f. Parkplatz-Fall 183, 264 Polizeisperren-Fall 171 f., 176, 179 Puppe, Ingeborg 60 f., 110 f., 184 Rettungschance 60 ff., 73, 260 Roxin, Claus 24, 64, 95, 104, 106 f., 112, 114 f., 128, 131 ff., 139, 142 f., 163, 199, 201, 266

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Personen- und Sachverzeichnis

Rückkehr, in die Legalität 22, 112, 115, 131, 133, 135 ff., 143, 183 f., 198, 263 f. Rücktrittshorizont 28, 63, 73, 176 Schulderfüllungstheorie 119, 123 f., 127, 144, 155, 201 ff. Schuldspruch 212 ff., 219, 221, 223, 256 f., 259 Schünemann, Bernd 104 f., 116, 132, 152 Strafaufhebungsgrund 18, 20, 130, 250, 257 Strafmilderung 152, 189, 204 ff., 217 ff., 244, 249, 257 ff., 264 Strafzumessung 20, 33, 126 f., 175, 198, 200, 207, 209, 216 ff., 224 ff., 228, 232, 235, 241, 244, 250, 257, 261, 263, 265 Strafzweck 23 f., 82, 115 f., 123, 143 f., 173, 181, 185, 197 ff., 214, 216 f., 224 ff., 244, 248, 255 ff. Strafzwecktheorie 22 f., 36, 38, 112, 116, 122, 127, 136, 172, 185, 197 ff., 203, 235, 254 Tatentschluss, verbrauchter 171 f., 177 f. Tätertheorie 190 Tätige Reue 20, 205, 207 ff., 221, 225 f., 234, 257, 262 Ulsenheimer, Klaus 16, 137 f., 199 Unterlassungsdelikt 40, 42, 48, 62, 64, 67, 69, 261 Verbrechervernunft 115, 120, 130 f., 142 f., 183 f.

Vermeidung 31, 35 f., 43, 46, 66, 69, 71 ff., 260 ff., 267 Versuch – beendeter 27 f., 30, 32, 44 ff., 53, 110 f., 168, 172 f., 177 f., 229, 231, 235, 238, 260 – fehlgeschlagener 50 f., 109 f., 126, 157 ff., 161, 170 f., 186 f., 226, 248, 265 – unbeendeter 27 f., 30, 32, 37, 46 f., 110, 163, 229, 231, 235, 238, 260 Vorsatz – bedingter 31 ff., 39, 44, 47 f., 53 f., 58 ff., 64 ff., 171 ff., 186, 261 – Rücktritts- 30 ff., 38 ff., 52 f., 56 ff., 73 f., 140, 149, 152, 157 ff., 169, 172 ff., 184, 186, 188, 231, 260 f., 263, 265 Vorsatzgefahr 60 f. Walter, Michael 116 f., 137, 268 Wegfall – der Geschäftsgrundlage 119, 155 ff., 179 – des Handlungssinns 157 Weinhold, Ina Elisabeth 23, 65 f., 69, 121 Willensfreiheit 76, 112, 147, 159, 161, 265 Zufall 38 ff., 56, 58, 61, 64, 66 ff., 255, 260 Zwang 106, 131, 149, 161, 181, 264 – emotionaler, seelischer 101 f., 105 f., 108, 162 f., 182 – konstitutionsgeprägter 160 ff. – Rechtsdurchsetzungs- 161 ff. – situationsgeprägter 161