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German Pages 288 Year 1997
CHRISTOPH BRÜNING
Der Private bei der Erledigung kommunaler Aufgaben
Schriften zum Öffentlichen Recht Band 734
Der Private bei der Erledigung kommunaler Aufgaben insbesondere der Abwasserbeseitigung und der Wasserversorgung
Von Christoph Brüning
Duncker & Humblot * Berlin
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Brüning, Christoph: Der Private bei der Erledigung kommunaler Aufgaben insbesondere der Abwasserbeseitigung und der Wasserversorgung / von Christoph Brüning. - Berlin : Duncker und Humblot, 1997 (Schriften zum öffentlichen Recht ; Bd. 734) Zugl.: Bochum, Univ., Diss., 1996 ISBN 3-428-09123-X
Alle Rechte vorbehalten © 1997 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 3-428-09123-X Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 θ
Meinen Eltern
Vorwort Die vorliegende Untersuchung wurde im Sommersemester 1996 von der Juristischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum als Dissertation angenommen. Das Manuskript wurde im Juni 1996 abgeschlossen. Für diese Veröffentlichung konnten Rechtsprechung und Literatur in den Fußnoten noch bis Ende 1996 berücksichtigt werden. Ein besonderer Dank gebührt Professor Dr. Dr. h.c. Rolf Grawert, der durch zahlreiche Anregungen, rasche und detaillierte Würdigung meiner Entwürfe sowie persönliches Engagement das Zustandekommen der Arbeit entscheidend gefördert und mir inhaltlich zugleich alle Freiheiten gelassen hat. Die Idee, das Thema ausfuhrlich wissenschaftlich zu untersuchen, entstand im Umgang mit den Fragestellungen der kommunalen und privatwirtschaftlichen Entbzw. Versorgungspraxis. Insofern danke ich Herrn Dr. Mathias Dierkes aufrichtig, der die Initialzündung gab und auch den Fortgang der Arbeit mit interessierter Anteilnahme verfolgt und meine theoretischen Thesen mit dem kritischen Blick des Praktikers geprüft hat. Für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens danke ich Herrn Professor Dr. Peter J. Tettinger. Meinem Bruder Martin Brüning gilt Dank für seine Hilfe bei der Erstellung der Druckvorlage.
Castrop-Rauxel, im Mai 1997
Christoph Brüning
Inhaltsverzeichnis
Erster Teil Einleitung A. Anlaß der Untersuchimg I.
21
Die Situation der Abwasserbeseitigung 1. Die alten Länder 2. Die neuen Länder
Π. Rechtlicher Ansatz
21 21 24 26
B. Gang der Untersuchimg
28 Zweiter Teil Die Abwasserbeseitigung
A. Der organisationsrechtliche Rahmen I.
21
30 30
Die Abwasserbeseitigungspflicht der kommunalen Gebietskörperschaften . 30 1. Die bundesrechtliche Rahmenvorschrift 30 2. Die landesrechtlichen Regelungen 31 a) Beispiel Nordrhein-Westfalen 31 b) Beispiel Sachsen 33 3. Rechtsnatur der Aufgabenzuweisimg 33 4. Befristete Besonderheiten in den fünf neuen Ländern 34 a) Sach- und Rechtslage vor und nach dem Beitritt 35 b) Dasförmliche Überleitungsverfahren 36 c) Befristeter Widerspruch zu geltendem Recht 39
Π. Wasserrechtliche Rahmenbedingungen 1. Bezugspunkt und Umfang der Abwasserbeseitigungspflicht a) Nordrhein-Westfalen b) Sachsen 2. Die Abwasserbeseitigungslast 3. Abwasserüberlassungsgebot und -beseitigungsanspruch 4. Gewässerbenutzung durch Abwassereinleitung a) Nordrhein-Westfalen b) Sachsen 5. Nichterfüllung der Abwasserbeseitigungspflicht
41 41 41 43 44 46 48 49 49 50
nsverzeichnis
10
6. Strafrechtliche Verantwortlichkeit a) Gnmdfalle b) Ausweitungen der Rechtsprechung ΙΠ. Kommunalrechtliche Determinanten 1. Die öffentliche Einrichtung a) Die Widmung b) Zulassung zur Benutzung und Benutzung öffentlicher Einrichtungen c) Anschluß- und Benutzungszwang sowie Benutzungsentgelt d) Pflicht zur Schaffung öffentlicher Einrichtungen? e) Anspruch auf Schaffung öffentlicher Einrichtungen? 2. Wirtschaftliche und nichtwirtschaftliche Betätigung B. Die Organisationsmöglichkeiten I.
Typik staatlichen Handelns
Π. Öffentlich-rechtliche Organisationsformen der Abwasserbeseitigung. 1. Der Regiebetrieb a) Kommunales Organisationsrecht b) Haushalts-, Rechnungs- und Abgabenwesen c) Wasser- und strafrechtliche Verantwortlichkeit 2. Der Eigenbetrieb a) Kommunales Organisationsrecht b) Wirtschaftsfuhrungs-, Rechnungs- und Abgabenwesen c) Wasser- und strafrechtliche Verantwortung 3. Kommunale Zusammenarbeit 4. Die Anstalt des öffentlichen Rechts in Berlin und Bayern DI. Privatisierung der Abwasserbeseitigung 1. Die Aufgabenprivatisierung a) Abgrenzung zur Beleihung b) Grenzen der Aufgabenprivatisierung 2. Die Organisationsprivatisierung a) Abgrenzung zur Beleihung b) Tatsächlicher Hintergrund c) Zulässigkeit der Organisationsprivatisierung d) Grenzen der formalen Privatisierung aa) Verfassungsrecht bb) Einfachgesetzliche Schranken (1) Wasserrecht (2) Kommunalrecht (a) Kommunalwirtschaftsrecht (b) Haushaltsrecht e) Ausgestaltung der Rechtsbeziehungen aa) Erscheinungsformen bb) Rechtsverhältnis zwischen Bürger und Privatrechtsorganisation (1) Geltung des Verwaltungsprivatrechts (2) Beispiel Entgelterhebung
51 51 53 54 55 55 57 58 59 60 61 62 63 65 65 66 66 70 70 71 72 74 74 76 77 78 80 81 82 84 84 88 90 90 93 93 95 96 99 99 100 102 103 106
nsverzeichnis f)
Sicherstellung der Aufgabenverantwortung aa) Einwirkungspflicht der Gemeinde zur Steuerung und Kontrolle bb) Reichweite und Umfang der Einwirkung cc) Gesellschaftsrechtliche Voraussetzungen der Einwirkung dd) Gesellschafts- und konzemrechtliche Mittel und Grenzen der Ingerenz ee) Konflikt zwischen Organisationshoheit und Ingerenzpflicht?.... g) Die Haftung h) Divergenz zwischen Theorie und Praxis i) Restriktionen bei der Organisationshoheit? j) Kommunalrechtliche Besonderheiten aa) Organisation öffentlicher Einrichtungen bb) Ausgestaltung der Rechtsbeziehungen (1) Privatrechtliches Benutzungsverhältnis (2) Bindungen für öffentliche Einrichtungen in Privatrechtsform cc) Der Zulassungsanspruch (1) Anspruch gegen die Gemeinde (2) Anspruch gegen die Trägergesellschaft dd) Anschluß- und Benutzungszwang ee) Benutzungsentgelte ff) Haftung für Leistungsstörungen beim Betrieb öffentlicher Einrichtungen 3. Die Einschaltung privater Dritter a) Typik der Zuhilfenahme Privater aa) Staatsanteiliges Privathandeln bb) Staatsersetzendes Privathandeln b) Tatsächlicher Hintergrund c) Zulässigkeit der Einschaltung privater Dritter aa) Der Vorbehalt des Gesetzes bb) Die Ermächtigungsgrundlagen d) Grenzen der Einschaltung Privater aa) Verfassungsrecht bb) Wasserrecht (1) Abwasserbeseitigungspflicht und Befreiungstatbestände (2) Erlaubnis für die Gewässerbenutzung und Abwasserbeseitigungspflicht (3) Unternehmer i.S.d. Wasserrechts (4) Die Funktion des Privaten e) Ausgestaltung der Rechtsbeziehungen aa) Kein Außenrechtsverhältnis zwischen Benutzer und Betreiber. bb) Erfullungshilfevertrag zwischen Gemeinde und Betreiber f) Sicherstellung der Aufgabenverantwortung. aa) Einwirkungspflicht der Gemeinde bb) Reichweite der Ingerenz cc) Steuerung und Kontrolle durch Vertrag g) Die Haftung aa) Abgrenzungsprobleme bb) Die Werkzeugtheorie der Rechtsprechung
107 107 109 112 113 116 117 121 122 125 125 126 126 128 129 130 132 133 136 138 139 140 140 142 143 145 145 147 149 150 151 152 153 155 156 157 157 158 160 161 162 163 165 165 166
nsverzeichnis
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h) Praxismodelle der Einschaltung Privater indie Abwasserbeseitigung aa) Die Betriebsfuhrung ( 1 ) Die Ausgestaltung (2) Haushalts- und Steuerrecht (3) Das Wasserrecht (4) Wasser- und strafrechtliche Verantwortung bb) Das Betreibermodell (1) Die Zulässigkeit (2) Die Ausgestaltung (3) Haushalts- und Steuerrecht (4) Das Wasserrecht (5) Wasser- und strafrechtliche Verantwortung cc) Privatisierung kommunaler Leitungsnetze (1) Zivilrechtliche Determinanten (a) Die Sonderrechtsfahigkeit von Leitungen (b) Änderung der Bestandteilseigenschaft (2) Gebührenrechtliche Voraussetzungen i) Der tatsächliche gemeindliche Einfluß j ) Kommunalrechtliche Determinanten aa) Organisation öffentlicher Einrichtungen bb) Ausgestaltung der Rechtsbeziehungen (1) Benutzungsverhältnis und Zulassungsanspruch (2) Rechtsverhältnis zwischen Gemeinde und Einrichtungsträger (3) Öffentlich-rechtliche Inpflichtnahme des Verwaltungshelfers cc) Die Benutzungsgebühren dd) Haftung für Leistungsstörungen 3. Teil Die Wasserversorgung A. Der organisationsrechtliche Rahmen I.
Tatsächlicher Hintergrund
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198 198 198
Π. Wasserversorgung als kommunale Aufgabe
199
ΙΠ. Wasserrechtliche Determinanten
200
IV. Kommunalwirtschaftsrechtlicher Rahmen
201
B. Die Organisationsformen I.
Die Eigenversorgung
Π. Die Fremdversorgung 1. Die Zulässigkeit a) Organisationshoheit bei der Vorhaltung von Löschwasser b) Die Funktion des Privaten
203 203 204 205 205 205
nsverzeichnis 2. Ausgestaltung der Rechtsbeziehungen a) Rechtsverhältnis zwischen Fremdversorger und Benutzer b) Der Konzessionsvertrag aa) Zulässigkeit und Inhalt bb) Die Rechtsnatur c) Bindungen des Konzessionsnehmers aa) Geltung des Verwaltungsprivatrechts (1) Beispiel Entgelterhebung (2) Beispiel Allgemeine Versorgungsbedingungen bb) Grundrechtsfahigkeit gemischt-wirtschaftlicher Unternehmen.. 3. Sicherstellung der Aufgabenverantwortung
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ΙΠ. Kommunalrechtliche Ausgestaltung 1. Die Eigenversorgung a) Organisation und Benutzung öffentlicher Einrichtungen b) Anschluß- und Benutzungszwang c) Die Benutzungsgebühren 2. Die Fremdversorgung a) Organisation der öffentlichen Einrichtung b) Ausgestaltung der Rechtsverhältnisse aa) Zivilrechtliches Rechtsverhältnis zwischen privatem Träger und Benutzer bb) Konzessionsvertrag zwischen Gemeinde und Einrichtungsträger cc) Anwendung des Verwaltungsprivatrechts c) Der Zulassungsanspruch aa) Privatrechtlicher Anspruch gegen den Konzessionsnehmer bb) Umlenkung des kommunalrechtlichen Zulassungsanspruchs?... cc) Verschaffungsanspruch gegen die Gemeinde d) Anschluß-und Benutzungszwang sowie Benutzungsentgelt 3. Pflicht zur und Anspruch auf Schaffung öffentlicher Einrichtungen? a) Die Wasserversorgung b) Die Löschwasserversorgung
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Vierter Teil Neue Ansätze für die Organisation der Erledigung Pflichtiger Selbstverwaltungsaufgaben A. Spannungsverhältnis zwischen Autonomie und Kontrolle I.
Der Befund
Π. Lösungsmöglichkeiten 1. Trennung von Sacheigentum und Betriebsführung 2. Vertragliche Grundlage für die Aufgabendurchführung 3. Institutionelle Verknüpfung, insbesondere Einwirkungsverträge
223 224 225 225 226 227 229 230 233 233 235
237 237 237 238 238 239 239
nsverzeichnis
14 Β. Der Verwaltimgsmittler I.
Gegenüberstellung der Organisationsmodelle 1. Vergleich von Eigengesellschaft und Erfüllungsgehilfe 2. Parallelität von Abwasserbeseitigung und Wasserversorgung
Π. Das Abwasserrecht 1. Bedeutung der Erlaubnis zur Gewässerbenutzung für die Entsorgungspflicht 2. Unterscheidung von Pflicht und Erfüllung 3. Konzentrationswirkung der Verknüpfung 4. Die Rechtslage in Sachsen 5. Die Funktion des Privaten
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EL Ausgestaltung der Rechtsbeziehungen 1. Verwaltungsprivatrecht und Grundrechtsfahigkeit a) Abgrenzungsprobleme b) Rein privatrechtliche Außenrechtsbeziehung bei gemischt-wirtschaftlichen Unternehmen 2. Gemeindliche Garantenstellung gegenüber dem Bürger a) Die Rechtsposition des Bürgers b) Aufspaltung des Rechtsverhältnisses c) Fortbestehende Grundrechtsverpflichtung der Gemeinde aa) Der Einwirkungsanspruch bb) Geltung des Gesetzesvorbehalts 3. Verhältnis zwischen Kommune und Verwaltungsmittler
254 255 255
TV. Sicherstellung der Aufgabenverantwortung
263
V. Die Haftung
265
VI. Das Kommunalrecht
266
Zusammenfassung in Thesen
267
Literaturverzeichnis
279
256 258 258 259 259 260 261 263
Abkürzungsverzeichnis
a. Α. a.a.O. AbfG AbfKlärV Abs. Abschn. AbwAG AbWEinlBed
AbwHerkV AEBAbwasser a.F. AG AGBG AktG A11MB1. Ani. Anm. Art. AtG ATV Aufl. AVBWasserV BadWttbg/BW BauGB BauR Bay. Bbg. Bd. ber.
anderer Ansicht am angegebenen Ort Abfallgesetz v. 27.8.1986, BGBl. IS. 1410, ber. S. 1501 Klärschlammverordnung v. 15.4.1992, BGBl. IS. 912 Absatz/Absätze Abschnitt Gesetz über Abgaben für das Einleiten von Abwasser in Gewässer i.d.F.d.Bek.v. 3.11.1994, BGBl. IS. 3370 Anordnung über die allgemeinen Bedingungen für den Anschluß an und für die Einleitung von Abwasser in die öffentlichen Abwasseranlagen v. 22.12.1987, GBl. DDR 19881S. 27 Verordnung über die Herkunftsbereiche von Abwasser v. 3.7.1987, BGBl. IS. 1578 Allgemeine Bedingungen für den Anschluß an die Abwasseranlagen und deren Benutzung alte Fassung Aktiengesellschaft Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen v. 9.12.1976, BGBl. IS. 3317 Aktiengesetz v. 6.9.1965, BGBl. IS. 1089 Allgemeines Ministerialblatt Anlage/n Anmerkung/en Artikel Gesetz über diefriedliche Verwendung der Kernenergie und den Schutz gegen ihre Gefahren i.d.F.d.Bek.v. 15.7.1985, BGBl. I S. 1565 Abwassertechnische Vereinigung e.V. Auflage Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Wasser v. 20.6.1980, BGBl. I S. 750 Baden-Württemberg/baden-württembergisch Baugesetzbuch i.d.F.d.Bek.v. 8.12.1986, BGBl. I S. 2253 Baurecht Bayern/bayerisch Brandenburg/brandenburgisch Band/Bände berichtigt
16 BerlBG bes. BGB BGBL BGH Β GHZ BGW BMU BMWi Brem. BR-Drucks. BSeuchenG BT-Drucks. Buchst. BVerfG BVerfGE BVerwG BVerwGE DDR ders. DGO DÖV DStGB DVB1. DVP DWW ebd. EigenbetrVO NW Einl. Erl. EStG etc. e.V. f/flf FG FSHG NW Fßn. GBl. DDR
Abkürzungsverzeichnis Berliner Betriebegesetz, Hauptteil des Eigenbetriebsreformgesetzes v. 9.7.1993, GV Berlin S. 319 besonderes Bürgerliches Gesetzbuch v. 18.8.1896, RGBl. S. 195 Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bundesverband der deutschen Gas- und Wasserwirtschaft Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Bundeswirtschaftsministerium Bremen/bremisch Drucksachen des Bundesrates Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung übertragbarer Krankheiten beim Menschen i.d.F.d.Bek.v. 18.12.1979, BGBl. I S. 2262, ber. BGBl. 19801 S. 151 Drucksachen des Deutschen Bundestages Buchstabe Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts in der Amtlichen Sammlung Bundesverwaltungsgericht Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts Deutsche Demokratische Republik derselbe Deutsche Gemeindeordnung von 1935 Die Öffentliche Verwaltung Deutscher Städte- und Gemeindebund Deutsches Verwaltungsblatt Deutsche Verwaltungspraxis Deutsche Wohnungswirtschaft ebenda Eigenbetriebsverordnung i.d.F.d.Bek.v. 1.6.1988, GVNW S. 324 Einleitung Erläuterung/en Einkommensteuergesetz i.d.F.d.Bek.v. 7.9.1990, BGBl. I S. 1899, ber. BGBl. 19911 S. 808 und so weiter eingetragener Verein folgende/r Finanzgericht Gesetz über den Feuerschutz und die Hilfeleistung bei Unglücksfällen und öffentlichen Notständen v. 25.2.1975, GV NW S. 182 Fußnote/n Gesetzblatt der Deutschen Demokratischen Republik
Abkürzungsverzeichnis GemH GemHVO NW Gem. RdErl. GemS-OBG GewArch GG GkG NW GMB1. GmbH GmbHG GO NW GV/GVB1. GWB Hess. HkWP Hrsg. Hs. i.a.R./i.d.R. i.d.F.d.Bek.v. i.d.S. i.e. i.e.S. i.S.d./i.S.v. i.il i.V.m. i.w.S. JA JURA JuS JZ KA KAGNW Kap. KG KommVerf KommVermG KrW-/AbfG
2 Brüning
Der Gemeindehaushalt Verordnung über die Aufstellung und Ausführung des Haushaltsplans der Gemeinden v. 14.5.1995, GVNW S. 516 Gemeinsamer Runderlaß Gemeinsamer Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes Gewerbearchiv Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland v. 23.5.1949, BGBl. S. 1 Gesetz über kommunale Gemeinschaftsarbeit v. 1.10.1979, GVNW S. 621 Gemeinsames Ministerialblatt Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung i.d.F.d.Bek.v. 20.5.1898, RGBl. S. 846 Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen v. 14.7.1994, GVNW S. 666 Gesetz- und Verordnungsblatt Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen i.d.F.d.Bek.v. 20.2.1990, BGBl. IS. 235 Hessen/hessisch Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis Herausgeber Halbsatz in aller/der Regel in der Fassung der Bekanntmachung vom in diesem Sinn im einzelnen im engeren Sinn im Sinne des/von im übrigen in Verbindung mit im weiteren Sinn Juristische Arbeitsblätter Juristische Ausbildung Juristische Schulung Juristenzeitung Korrespondenz Abwasser Kommunalabgabengesetz für das Land Nordrhein-Westfalen v. 21.10.1969, GV NW S. 712 Kapitel Kommanditgesellschaft Gesetz über die Selbstverwaltung der Gemeinden und Landkreise in der DDR v. 17.5.1990, GBl. DDR I S. 255 Gesetz über das Vermögen der Gemeinden, Städte und Landkreise v. 6.7.1990, GBl. DDR I S. 660 Gesetz zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und Sicherung der umweltverträglichen Beseitigung von Abfallen (Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz) v. 27.9.1994, BGBl. I S. 2705
18 KStG
Abkürzungsverzeichnis
Körperschaftsteuergesetz i.d.F.d.Bek.v. 11.3.1991, BGBl. I S. 638 KStZ Kommunale Steuer-Zeitschrift Kz. Kennziffer/n 1 Liter LHONW Landeshaushaltsordnung v. 14.12.1971, GV NW S. 397, ber. GV NW 1972 S. 14 LKV Landes- und Kommunalverwaltung LOG NW Gesetz über die Organisation der Landesverwaltung v. 10.7.1962, GV NWS. 421 Ls. Leitsatz LWGNW Wassergesetz für das Land Nordrhein-Westfalen i.d.F. d.Bek.v. 25.6.1996, GVNW S. 926 M. Main M-V Mecklenburg-Vorpommern MinBl. Ministerialblatt Mio. Millionen MittNWStuGB Mitteilungen des Nordrhein-westfalischen Städte- und Gemeindebundes Mrd. Milliarden MüKo Münchener Kommentar zum BGB m.w.N. mit weiteren Nachweisen MwSt Mehrwertsteuer Nds Niedersachsen/niedersächsisch NJW Neue Juristische Wochenschrift Nr. Nummer/n N+R Natur und Recht NVwZ Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht NVwZ-RR NVwZ-Rechtsprechungsreport Verwaltungsrecht NW Nordrhein-Westfalen/nordrhein-westfalisch NWVB1. Nordrhein-westfölische Verwaltungsblätter o.ä. oder ähnliches OBG NW Gesetz über Aufbau und Befugnisse der Ordnungsbehörden i.d.F.d.Bek.v. 13.8.1980, GVNW S. 528 oHG offene Handelsgesellschaft OLG Oberlandesgericht OVG Oberverwaltungsgericht OVGE Entscheidungen der Oberverwaltungsgerichte für das Land Nordrhein-Westfalen sowie für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein in Münster und Lüneburg Rahmen-Abwasser-VwV Allgemeine Rahmen-Verwaltungsvorschrift über Mindestanforderungen an das Einleiten von Abwasser in Gewässer mit Anhang Analyse- und Meßverfahren v. 25.11.1992, GMB1. 1994 S. 498 rd. rund/ungefahr RdE Recht der Elektrizitätswirtschaft RG Reichsgericht RGZ Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen
Abkürzungsverzeichnis RGBL Rh.-Pf. Rn. R+S Rspr. s. S. Sachs. SächsGemO SächsKAG SächsKommZG SächsWG SchlH SchVGNW s.o. sog. SpkGNW Sri. 2. StaatsV/EinigungsV StGB StrWGNW StT StuGem StuGBund StuGR s.u. Thür TierKBG TreuhG TrinkwVO u. u.a. u.a.
2*
19
Reichsgesetzblatt Rheinland-Pfalz/rheinland-pfalzisch Randnummer/n Recht und Steuern im Gas- und Wasserfach Rechtsprechung siehe Seite/ bei Gesetzeszitaten Satz Sächsisch Gemeindeordnung für den Freistaat Sachsen v. 21.4.1993, Sächs.GVBl. S. 301, ber. S. 445 Sächsisches Kommunalabgabengesetz v. 16.6.1993, Sächs. GVB1. S. 502 Sächsisches Gesetz über kommunale Zusammenarbeit v. 19.8.1993, Sächs.GVBl. S. 815, ber. S. 1103 Sächsisches Wassergesetz v. 23.2.1993, Sächs.GVBl. S. 201 Schleswig-Holstein/schleswig-holsteinisch Schulverwaltungsgesetz i.d.F.d.Bek.v. 18.1.1985, GV NW S. 155, ber. S. 447 siehe oben sogenannte/n/er Gesetz über Sparkassen sowie die Girozentrale und Sparkassen· und Giroverbände i.d.F.d.Bek.v. 25.1.1995, GV NWS. 92 Saarland/saarländisch Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands v. 31.8.1990, BGBl. Π S. 889 u. 1360 Strafgesetzbuch v. 10.3.1987, BGBl. I S. 945, ber. S. 1160 Straßen- und Wegegesetz des Landes Nordrhein-Westfalen i.d.F.d.Bek.v. 23.9.1995, GVNW S. 1028 Der Städtetag Stadt und Gemeinde Städte- und Gemeindebund Städte- und Gemeinderat siehe unten Thüringen/thüringisch Gesetz über die Beseitigung von Tierkörpern, Tierkörperteilen und tierischen Erzeugnissen v. 2.9.1975, BGBl. I S. 2313 Gesetz zur Privatisierung und Reorganisierung des volkseigenen Vermögens v. 17.6.1990, GBl. DDR I S. 300 Verordnung über Trinkwasser und Wasser für Lebensmittelbetriebe i.d.F.d.Bek.v. 5.12.1990, BGBl. I S. 2612 und und andere/unter anderem und ähnliches
20 UStG v. v.a. VB1BW VEB WAB VeifGH VerfNW VermZuordnG VerwArch VG VGH vgl. VGS
Vorb. VR WDStRL VwVfGNW WAB-EntflechtungsG WG WHG WirtschVwR z.B. ZfK ZfW Ziff. ZMR ZögU z.T. ZustVO SächsWG
Abkürzungsverzeichnis Umsatzsteuergesetz i.d.F.d.Bek.v. 27.4.1993, BGBl. I S. 565, ber. S. 1160 vom vor allem Verwaltungsblätter für Baden-Württemberg Volkseigener Betrieb Wasserversorgung und Abwasserbehandlung Verfassungsgerichtshof Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen v. 18.6.1950, GVNW S. 127 Vermögenszuordnungsgesetz v. 22.3.1991, BGBl. I S. 784 Verwaltungsarchiv Verwaltungsgericht Verwaltungsgerichtshof vergleiche Ordnungsbehördliche Verordnung über die Genehmigungspflicht für die Einleitung von Abwasser mit gefahrlichen Stoffen in öffentliche Abwasseranlagen v. 25.9.1989, GV NW S. 564 Vorbemerkung/en Verwaltungsrundschau Veröffentlichungen der Vereinigung Deutscher Staatsrechtslehrer Verwaltungsverfahrensgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen v. 21.12.1976, GV NW S. 438 Gesetz zur Entflechtung der VEB WAB-Nachfolgegesellschaften und Kommunalisierung der Wasserversorgung v. 16.12.1993, Sächs.GVBl. S. 1253 Wassergesetz v. 2.7.1982, GBl. DDR I S. 467 Wasserhaushaltsgesetz i.d.F.d.Bek.v. 12.11.1996, BGBl. I S. 1695 Wirtschaftsverwaltungsrecht zum Beispiel Zeitung für kommunale Wirtschaft Zeitschrift für Wasserrecht Ziffer/n Zeitschrift für Miet- und Raumrecht Zeitschrift für öffentliche und gemeinwirtschaftliche Unternehmen zum Teil Verordnung des Sächsischen Staatsministeriums für Umwelt und Landesentwicklung über die Zuständigkeiten bei der Durchführung wasserrechlicher Vorschriften v. 22.4.1993, Sächs.GVBl. S. 416
Erster Teil
Einleitung A. Anlaß der Untersuchung Das Problem einer umweltverträglichen Abwasserentsorgung drängt sich derzeit sowohl in den alten als auch in den neuen Bundesländern in den Vordergrund. Es wird die beteiligten Interessengruppen, insbesondere Politik, Verwaltung und Wirtschaft, aber auch die Bevölkerung auf längere Sicht beschäftigen. Dabei offenbart eine wirtschaftliche und dem steigenden Umweltbewußtsein gerecht werdende Beseitigung des Abwassers vielfach die Schwierigkeit, daß die traditionellen rechtlichen Formen der Erledigung öffentlicher Aufgaben als unzureichend erscheinen.
I. Die Situation der Abwasserbeseitigung 1. Die alten Länder In den Ländern der alten Bundesrepublik wird die Abwasserbeseitigung heute noch den geltenden umweltrechtlichen Anforderungen gerecht. In naher Zukunft steht jedoch eine Grundsanierung des Abwasserbeseitigungssystems, insbesondere des Kanalnetzes, bevor 1 . Nach Einschätzung der Abwassertechnischen Vereinigung aus dem Jahre 1990 sind ca. 20 % der westdeutschen Leitungsnetze, in Ostdeutschland sogar bis zu 50 % der Abwasserkanäle defekt und müssen repariert werden 2 . Der erforderliche Finanzbedarf ist kaum zu kalkulieren; nach Schätzungen des IFO-Instituts sind rd. 150 Mrd. D M in den nächsten Jahren vor allem für die Erneuerung des Kanalnetzes und die Verbesserung der Regenwasserbehandlung notwendig 3 . Insgesamt werden im kommunalen Bereich bundesweit in den nächsten 15 Jahren für Abwasserbe-
1
Rahmann, S. 199; Dedy, S.245. Vgl. StT 1991, S.857; ebenso das Bundesforschungsministerium, s. Westdeutsche Allgemeine Zeitung v. 18.10.1994, S.2. 3 BMU, Erfahrungsbericht, S.ll. 2
1. Teil: Einleitung
22
seitigungsanlagen Investitionen von über 300 Mrd. D M anfallen 4 . Die Jahresrechnungsstatistik ergibt, daß die Gemeinden in Nordrhein-Westfalen in den Jahren 1980 bis 1986 für die laufende Abwasserbeseitigung Gesamtausgaben von ca. 23,2 Mrd. D M tätigten. Nach Abzug der in diesem Zeitraum eingenommenen Gebühren, Beiträge und Investitionszuweisungen verblieben noch rd. 7,6 Mrd. D M , die aus anderen Haushaltseinnahmen aufgebracht werden mußten 3 . Verursacht wird die Situation zum einen dadurch, daß der Wasserkonsum in Deutschland seit der Jahrhundertwende radikal von 401 auf heute ca. 1321 pro Kopf und Tag angestiegen ist. Damit liegt der durchschnittliche Wasserverbrauch derzeit wieder auf dem Niveau der siebziger Jahre 6. Entsprechende Mengen an entsorgungsbedürftigem Schmutzwasser fallen dadurch an. Hinzu kommt, daß infolge der zunehmenden Versiegelung der Oberfläche das Regenwasser vermehrt direkt in die Kanalisation abfließt, anstatt den Grundwasserhaushalt aufzufüllen. Bundesweit wird durchschnittlich eine Fläche von rd. 80 Hektar pro Tag versiegelt durch den Bau von Gebäuden, Straßen u.ä. 7 . In Baden-Württemberg z.B. muß die Kanalisation jährlich etwa 500-8001 Niederschlagswasser pro Quadratmeter Dachfläche bewältigen 8 . Neben diesen quantitativen Aspekt tritt ein qualitativer in Gestalt der steigenden Reinigungsanforderungen durch Änderungen der wasserrechtlichen Vorschriften: Vor allem die Einführung der dritten Klärstufe und die Verschärfung der Anforderungen in § 7a WHG verursachen zukünftig weitere Kosten auf kommunaler Ebene9 ; sodann spitzen die Entsorgung von Klärschlämmen und die diesbezüglichen Haftungsfreistellungswünsche der Landwirtschaft das Problem zu 1 0 . Außerdem hat die Abwasserbeseitigung eine hohe umweltpolitische Bedeutung erlangt 11 . Daß die Behandlung und Einleitung von Abwasser durch die Eingebundenheit in den von der Natur vorgegebenen Wasserkreislauf gekennzeichnet ist, erlangt nicht zuletzt infolge des gewachsenen Umweltbewußtseins der Bevölkerung Bedeutung und läßt die gängige Praxis im Umgang mit Abwasser in einem neuen Licht erscheinen. Das Abwasser aus öffentlichen Kanalisationen gelangt im wesentlichen in die fließenden Gewässer, in denen es eine der herausragenden Ursachen für die Was4
Krölls, S. 133; Schock, DVB1.1994, S.5, m.w.N. Gem. RdErl. des Innen- iL Umweltministers, MinBl. NW 1989, S.84. 6 Voss vom BGW in der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung v. 15.5.1996. 7 Westdeutsche Allgemeine Zeitung v. 28.12.1993, S.5. 8 Hamberger, S.246. 9 Bernrath, S.368, der insoweit die Einfuhrung eines strikten Konnexitätsprinzips fordert: „Wer Standards setzt, muß hierfür auch aufkommen." 10 Dedy, S.245. 11 Tiemann, S.77. 3
Α. Anlaß der Untersuchung
23
serverschmutzung darstellt. Die Folgen einer nicht hinreichend sorgfaltigen Abwasserentsorgung treffen damit nicht in erster Linie die Gemeinden, deren Gebiet entwässert wird, sondern vornehmlich die unterhalb an demselben Vorfluter gelegenen Kommunen. Das kann sich auch auf die Trinkwasserversorgung dieser Gemeinden auswirken, da nicht nur in Nordrhein-Westfalen ein erheblicher Teil des Trinkwassers aus den Flüssen gewonnen wird, sei es unmittelbar oder als Uferfiltrat 12 . Über den Zusammenhang mit dem Trinkwasser hinaus hat die Verschmutzung eines fließenden Gewässers durch die Abwasserbeseitigung Auswirkungen auf das ganze ökologische System. Um die Wasserqualität der Flüsse zu verbessern, sind wasserwirtschaftliche Maßnahmen geboten, die vor allem bei der Verbesserung der Abwasserentsorgung ansetzen müssen13. Die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen sieht darin einen der Schwerpunkte der kommunalen Aufgabenerfüllung bis zum Ende des Jahrhunderts 14. Die Steigerung der Reinigungsleistung fordert nicht zuletzt Art. 29a Abs.l Verf NW, der die natürlichen Lebensgrundlagen und die Umwelt unter den besonderen Schutz des Landes stellt 13 . Dieser Ausgangssituation steht die desolate Finanzlage der öffentlichen Haushalte gegenüber, verdeutlicht z.B. durch das Moratorium neuer Landesgesetze von der nordrhein-westfalischen Landesregierung zur Vermeidung zusätzlicher Belastungen der Kommunen und des Landes bis 1995. Bundesweit sahen sich 1995 40 % der Gemeinden außerstande, ihren Haushalt abzugleichen, und mußten daher ein Haushaltssicherungskonzept aufstellen. Die Zahl der Gemeinden mit strukturell unausgeglichenem Haushalt ist noch deutlich höher, wenn diejenigen Gemeinden hinzugezählt werden, die den Ausgleich nur durch Verkäufe oder Rücklageentnahmen erreichen konnten 16 . Dazu paßt, daß nach einer Berechnung der kommunalen Spitzenverbände das Finanzierungsdefizit der westdeutschen Kommunalhaushalte nach der bereits starken Zunahme von 5,34 Mrd. D M im Jahre 1994 auf 10,4 Mrd. D M im Jahre 1995 auch 1996 noch immer 7,6 Mrd. D M betragen wird 1 7 .
12
VeifGH NW, ZfW 1991, 220 (224). VeifGH NW, ZfW 1991, 220 (224). 14 Gem. RdErl. des Innen- u Umweltministers, MinBl. NW 1989, S.83. 15 Allerdings ist die originäre Wirkkraft dieses landesverfassungsrechtlichen Auftrags fraglich, da er unter dem Gesetzesvorbehalt aus Art. 29a Abs. 2 Verf NW steht, der eine Ausprägung im LWG NW erfahren hat. Vgl. zu den tatsächlichen Problemen der technischen und politischen Praxis i.ü Nisipeanu, Abwasserrecht, S.2ff 16 Schneider, S.99. 17 Schneider, S.100; s.i.e. Karrenberg/Münstermann, Gemeindefinanzbericht 1996, a.a.O. 13
1. Teil: Einleitung
24
Weiterhin ist der Umfang der Abwasserinvestitionspauschale nach 1995 infolge der Neugliederung des Länderfinanzausgleichs wegen des Beitritts der fünf neuen Länder verringert worden. Schließlich ist die Abgabenlast der Bürger in Nordrhein-Westfalen schon so hoch, daß weitere Erhöhungen politisch kaum durchsetzbar sind 18 . Verschärft wird der Druck auf die entsorgungspflichtigen Körperschaften noch dadurch, daß der Umfang der bereitzustellenden Mittel allein noch nicht die Verzögerung der erforderlichen Maßnahmen rechtfertigt. Entscheidender Maßstab ist statt dessen die Gefahrdung der durch die gemeindliche Abwasserbeseitigungspflicht geschützten Rechtsgüter, d.h. des Grundwassers und der sonstigen Gewässer 19. Wie immer in solchen Zeiten großer Aufgaben und leerer öffentlicher Kassen wird in allen erdenklichen Varianten überlegt, die Privatwirtschaft für Engagement und Investitionen zu gewinnen, verfügt sie doch angeblich über das erforderliche Wissen und Kapital 2 0 . In der Politik gilt „Privatisierung" als Gebot der Stunde 21 . So hat z.B. eine Reihe von Städten und Kreisen in Nordrhein-Westfalen bereits eine weitgehende Privatisierung von Verwaltungsaufgaben in den Bereichen des öffentlichen Nahverkehrs, der Wasserwirtschaft und der Abfallbeseitigung durchgeführt. Diese Tendenz dürfte sich auf der Grundlage der in mehreren Bundesländern zur Verabschiedung anstehenden „Privatisierungsklauseln" noch verstärken, mit denen den Kommunen die ausdrückliche Pflicht auferlegt werden soll, die Möglichkeit der Einführung privatwirtschaftlicher Organisationsformen bei bislang in kommunaler Regie betriebenen Einrichtungen zu prüfen 22 .
2. Die neuen Länder In den fünf neuen Ländern muß eine funktionierende Abwasserwirtschaft erst noch aufgebaut werden. So besaß 1993 ein Viertel der Bevölkerung des Freistaates Sachsen, d.h. 1,2 Mio. Menschen, keinen Anschluß an eine zentrale Abwasserentsorgung. Die vorhandenen Anlagen und Netze genügen in weiten Teilen nicht den nunmehr geltenden (ab-)wasserrechtlichen Regelungen, sondern befinden sich praktisch auf Vorkriegsniveau 23 . Auch hier ist der fi18
Dedy, S.245; Schneider, S.99f. Nisipeanu, Abwasserrecht, S.197, Fßn.5. 20 S. Schinlc, S.255. Unter der Formel „Entstaatlichung" wurde Mitte der siebziger Jahre angesichts der Rezession dieselbe Losung ausgegeben, vgl. Görgmaier, DÖV 1977, S.356. 21 Vgl. Schoch, DVB1.1994, S. 1 m.w.N. 22 Krölls, S.129f. 23 Bodanowitz, S.2. 19
Α. Anlaß der Untersuchung
25
nanzielle Rahmen kaum überschaubar. Nach einschlägigen Schätzungen beträgt das Investitionsvolumen zwischen 100 und 150 Mrd. DM, um die Abwasserentsorgungssysteme den Anforderungen entsprechend aufzubauen 24. Allein die Gemeinden im Regierungsbezirk Dresden haben für die Neugestaltung der Abwasserbeseitigung einen Finanzbedarf von rd. 8 Mrd. D M angemeldet, denen Fördermittel des Landes von 150 bis 180 Mio. D M gegenüberstehen, die zudem die Wasserversorgung mit abdecken sollen 23 . In Sachsen sind seit Oktober 1990 insgesamt 177 Kläranlagen mit einem Kostenaufwand von ca. 5 Mrd. D M neu errichtet oder modernisiert worden. Um westdeutschen Standard zu erreichen, sollen bis zum Jahr 2010 aber mindestens 30 Mrd. D M notwendig sein 26 . Im Unterschied zu den westlichen Ländern ist keine Zeit für lange Planungen; es besteht wegen der Bedeutung der Abwasserbeseitigung und Wasserversorgung für den wirtschaftlichen Aufbau im Beitrittsgebiet sofortiger Handlungsbedarf 27 . Die §§ 29ff BauGB statuieren eine enge Verflechtung zwischen Entwässerung und Bauen, weil danach jedes Bauvorhaben nur genehmigt werden darf, wenn die Erschließung gesichert ist. Erschließung bedeutet aber, daß Abwässer entsorgt werden können, also ein Kanalanschluß besteht, der an eine den rechtlichen Vorschriften genügende Kläranlage angebunden ist, und die Wasserversorgung gesichert ist, d.h., die Gemeinde ihr Gebiet mit qualitativ und quantitativ den neuen Bestimmungen entsprechendem Trinkwasser versorgt 28 . Verschärft wird die Situation dadurch zusätzlich, daß etliche andere, ebenso wichtige Aufgaben der öffentlichen Hand gleichzeitig zu erfüllen sind. Dabei ist die kommunale Finanzsituation in den neuen Ländern keineswegs besser: Das Finanzierungsdefizit in den Kommunalhaushalten betrug 1994 5,98 Mrd. DM, fiel im Jahre 1995 auf 3 Mrd. D M und wird 1996 wieder auf 4,3 Mrd. D M steigen 29 . Hinzu kommt, daß es neben den finanziellen Handlungspielräumen häufig an den erforderlichen Sachkenntnissen fehlt. So müssen beispielsweise Tiefbauämter in den Kommunalverwaltungen erst aufgebaut und mit Personal ausgestattet werden, das weiterer Qualifizierung bedarf. Insoweit verwundert es nicht, wenn in diesem Zusammenhang noch stärker als im Westen über die Einbindung privater Unternehmen, die über das nötige Kapital
24 23 26 27 28 29
a.a.O.
BMU, Erfahrungsbericht, S. 10. Venzmer, S.32. Auskunft des Sächsischen Umweltministeriums, vgl. LKV 1995, S. 151. BMU, Leitfaden, S.8. Hemeler, Abwasserrecht, S.227; BMU, Erfahrungsbericht, S.12. Schneider, S.106; s.i.e. Karrenberg/Münstermann, Gemeindefinanzbericht 1996,
1. Teil: Einleitung
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und Know-how verfügen, nachgedacht wird 3 0 . So standen den rund zwölf Fällen von privaten Betreibermodellen in Niedersachsen, das vor der Wiedervereinigung insoweit als führend galt, im Dezember 1992 schon ebenso viele Projekte in Sachsen und insgesamt ca. 50 (Teil-)Privatisierungen in den neuen Bundesländern gegenüber 31.
Π. Rechtlicher Ansatz Unabhängig von den kurz skizzierten faktischen Problemzusammenhängen der Abwasserbeseitigung stellt sich die Frage, ob und ggf. wie der Ruf nach der Privatwirtschaft überhaupt zu realisieren ist und welche Schranken der Privatisierung bislang staatlich wahrgenommener Aufgaben gesetzt sind 32 . Maßstab kann dafür ausschließlich diejenige Rechtslage sein, die seit der Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 in ganz Deutschland besteht. Das Recht stellt Formen für die Privatisierung zur Verfügung, setzt Bedingungen und zieht Grenzen; es gibt den normativen Rahmen vor, in dem auch Wirtschaftlichkeitsüberlegungen Platz haben. Das Recht kann aber nicht politische, ökonomische oder ökologische Entscheidungen ersetzen 33. Erstaunlicherweise wird diese Prämisse in den Diskussionsbeiträgen zur Privatisierung der Abwasserbeseitigung häufig außer acht gelassen. Viele Aussagen zu diesem Thema sind bestimmt vom Interesse der durch den jeweiligen Autor repräsentierten Gruppe und versuchen lediglich ein gewünschtes Ergebnis zu begründen 34. So verharren Interessenvertreter der Kommunen auf dem traditionellen Standpunkt, daß die Abwasserbeseitigung eine hoheitliche Aufgabe und daher von der Kommune selbst zu erledigen sei, ggf. in Formen des Privatrechts. Wirtschaftsrepräsentanten reden demgegenüber vielfach einer vollständigen Privatisierung i.S.e. echten Aufgabenübertragung das Wort, bei der sich die Kommune auf die Überwachung der Aufgabenerfüllung zurückziehen
30
Dierkes, S.269; vgl. allgemein zu den administrativen Querschnittsproblemen, insbesondere personal- undfinanzwirtschftliehen Folgeproblemen der Übertragung von Einrichtungen und Betrieben der kommunalen Daseinsvorsorge Krähmer, Probleme der Kommunalisierung von Verwaltungsvermögen und kommunalen Betrieben in den neuen Bundesländern, VR 1992, S.238ff, sowie zu den praktischen Defiziten der kommunalen Selbstverwaltung in den neuen Ländern Schmidt-Jortzig, LKV 1992, S.65ff. 31 BMU, Erfahrungsbericht, S.84ff („unvollständige Liste"). 32 So Krölls, S. 130, unter Bezugnahme auf dieselbe Fragestellung bei Grabbe bzw. Däubler, a.a.O. 33 Schoch, DVB1.1994, S.2; Osterloh, WDStRL 54, S.208, spricht vom „die Rechtswissenschaft verpflichtende(n) Ideologieverzicht". 34 Dierkes, S.270.
Α. Anlaß der Untersuchung
27
solle. Ideologie bestimmt anstelle von Reflexion, Argumentation und Differenzierung hauptsächlich das Bild 3 3 . Für die sich in der Rechtspraxis stellenden Fragen, welche sich aus der immer häufiger werdenden Einschaltung Privater ergeben, bieten solche Pauschalurteile keine Hilfe 3 6 . Insbesondere die Konfliktfalle in dem Dreiecksverhältnis zwischen Privatunternehmer, Kommune und Benutzer werden rechtsdogmatisch nicht ausgeleuchtet, sondern einer rein pragmatischen Lösung überlassen. Häufig findet sich in Rechtsprechung und Literatur der Hinweis auf die Figur des sog. Erfüllungsgehilfen". Gemäß § 278 BGB handelt es sich im Zivilrecht bei Erfüllungsgehilfen um Personen, die der Schuldner von sich aus bei der Erfüllung seiner Verbindlichkeiten und allen damit in Zusammenhang stehenden Tätigkeiten hinzuzieht. Voraussetzung ist, daß der Erfüllungsgehilfe im Auftrag oder doch mit Willen des Schuldners tätig wird 3 7 . Im öffentlichen Recht wird teilweise synonym der Begriff des „Verwaltungshelfers" verwandt. Ob es sich dabei nur um ein Bild handelt oder ob auch im öffentlichen Recht eine Rechtskonstruktion damit beschrieben wird, bleibt dunkel. Selbst wenn der Begriff des „Erfüllungsgehilfen" zur Charakterisierung rechtlicher Zusammenhänge benutzt wird, deckt er verschiedene Konstellationen ab. Zudem sollen unterschiedliche Rechtsbeziehungen entstehen, je nachdem, ob ein privatwirtschaftlicher Dritter als Erfüllungsgehilfe" oder eine privatrechtliche Gesellschaft in kommunaler Trägerschaft (z.B. die Stadtwerke AG) die Abwassereinrichtungen betreibt. Für beide Fälle wird aber gleichermaßen gefordert, daß die Gemeinde sich sog. „Einwirkungs- und Ingerenzrechte" vorbehält. Schließlich ist unabhängig von der konkreten Ausgestaltung fraglich, ob die Gemeinde im Rahmen der Abwasserbeseitigung auf die Beteiligung des Privaten als „Verwaltungshelfer" beschränkt ist. Der vergleichende Blick auf die Organisation der Wasserversorgung rückt den Privaten als „Konzessionsnehmer" in den Mittelpunkt. Daraus ergibt sich die Schwierigkeit der Abgrenzung beider Institute voneinander sowie die Frage, wer jeweils Bezugspunkt der Leistungsverhältnisse ist. Einen Versuch, Systematik in die zulässigen Privatisierungsmodelle zu bringen und zur Lösung der sich um den schillernden Begriff des Erfüllungsgehilfen" rankenden Fragen beizutragen, unternimmt diese Arbeit. Darüber
33
Schoch, DVB1.1994, S.962; DStGB, S.19ff, mit Beispielen aus dem politischen Raum für eine einseitige Bevorzugung der Privatisierung. 36 I.d.S. auch Schoch, DVB1.1994, S.2; ders., DVB1.1994, S.966f; Cronauge, Kommunale Unternehmen, Rn.519; vgl. These 5 des DStGB, S.14; Tettinger, DÖV 1996, S.764, spricht von einer Juristisch schwer faßbaren Modell-Diskussion". 37 Vgl. Larenz, S.297.
28
1. Teil: Einleitung
hinaus soll die Analyse der angesprochenen Organisationsformen den Ausgangspunkt für neue Lösungen - nicht nur im Bereich der Abwasserbeseitigung - bilden. Im besonderen wird die privatrechtliche Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses zwischen einer privaten Entsorgungsgesellschaft und den Abwasserkunden in den Blick genommen.
B. Gang der Untersuchung Die organisationsrechtlichen Möglichkeiten für die Erledigung der Aufgabe der Abwasserbeseitigung sind Gegenstand des zweiten Teils. Dabei ist zunächst die Aufgabenträgerschaft zu klären. Sodann werden die wasser- und kommunalrechtlichen Rahmenbedingungen für die Aufgabenerfüllung dargestellt, wobei die Entwicklung der Rechtslage in den fünf neuen Ländern besondere Beachtung findet. Hier entwickelten sich Abwasserbeseitigung und Wasserversorgung ursprünglich parallel in privatrechtlicher Form, bevor sie entsprechend dem Regelungsregime der alten Bundesländer unterschiedlich ausgestaltet worden sind. Bei der sich anschließenden Untersuchung der einzelnen Organisationsformen sind die maßgeblichen Kriterien, wie die Gemeinde ihrer Aufgabenverantwortung in den unterschiedlich gestalteten Rechtsverhältnissen gerecht werden und wie die Rechtsstellung des Bürgers gesichert werden kann. Begonnen wird mit einer knappen Erläuterung öffentlich-rechtlicher Organisationsformen. Danach werden die Arten der Privatisierung unterschieden, wobei die jeweiligen Voraussetzungen und Grenzen sowie die Bindungen der Beteiligten beschrieben werden. Im Rahmen der zulässigerweise in Betracht kommenden Modelle der Gründung, Beteiligung und Einschaltung privatrechtlicher Abwasserentsorgungsunternehmen haben wasser- und kommunalrechtliche Determinanten, vor allem das Recht der öffentlichen Einrichtung, besondere Bedeutung. Da der Bezugspunkt der Leistungsverhältnisse herausgearbeitet wird, gewinnt der Begriff des „Erfüllungsgehilfen" schärfere Konturen. Den rechtlichen Anforderungen an die gemeindliche Einwirkung auf das privatrechtliche Unternehmen wird sodann die teilweise divergierende tatsächliche Ausgestaltung gegenübergestellt. Im dritten Teil erfolgt die Analyse der (Lösch-)Wasserversorgung anhand desselben Prüfungsmaßstabs. Hier steht die Konzessionsvergabe an Privatunternehmer im Vordergrund. Wie diese mit der Aufgabenverantwortung und den kommunalrechtlichen Erfordernissen, insbesondere in Gestalt der öffentlichen Einrichtung, in Einklang zu bringen ist, wird untersucht. Obwohl die Ausgangsbedingungen gleich sind, findet sich bei den Leistungsbeziehungen eine andere Ausgestaltung als bei der Abwasserbeseitigung. Daraus folgt ei-
.
a
der Untersuchung
29
nerseits die Unterscheidung des „Konzessionsnehmers" vom „Verwaltungshelfer" und andererseits die Frage nach ihrer wechselseitigen Austauschbarkeit. Der vierte Teil nimmt diese Problematik auf und beinhaltet neue Ansätze für die Organisation der Abwasserbeseitigung, die aus einer Synthese der Modelle Eigen- bzw. Beteiligungsgesellschaft", „Verwaltungshelfer" und „Konzessionsnehmer" gewonnen werden. Den Hintergrund bildet auf der einen Seite das Problem der Sicherung und Reichweite einer gemeindlichen Kontrolle hinsichtlich der ihr obliegenden Aufgaben gegenüber einer Verselbständigung der Privatrechtsorganisationen. Andererseits ist der Schutz des Bürgers zu beachten. In demselben Spannungsfeld erfolgt eine Neuordnung der äußeren Leistungsbeziehungen, auf welcher der als „Verwaltungsmittler" bezeichnete Private basiert. Auf ordnungs- und finanzpolitische Gründe für und gegen eine Privatisierungsmaßnahme1 soll ebensowenig eingegangen werden wie auf die dem Bereich der Verwaltungslehre entstammende Problematik, ob und inwiefern neuere betriebswirtschaftliche Erkenntnisse für die Organisation kommunaler Verwaltung im allgemeinen und die Erfüllung kommunaler Ver- und Entsorgungsaufgaben im besonderen ausschlaggebend sein können.
1
S. zum Problemfeld „Privatisierung als Instrument staatlicher Ordnungs-/Finanzpolitik" ausführlich Osterloh, WDStRL 54, S.209ff bzw. 213ff.
Zweiter Teil
Die Abwasserbeseitigung A. Der organisationsrechtliche Rahmen Unabhängig von der speziellen Organisationsform determinieren vor allem wasser- und kommunalrechtliche Regelungen die gemeindliche Aufgabenerfüllung. Sie sollen daher vorab allgemein skizziert werden. Die Grundlage der Erörterungen bildet die Rechtslage in Nordrhein-Westfalen. Ein vergleichender Blick wird stellvertretend für die anderen (neuen) Bundesländer auf Sachsen geworfen, weil der Freistaat in bezug auf die Abwasserentsorgung eine „Vorreiterrolle" hat.
I. Die Abwasserbeseitigungspflicht der kommunalen Gebietskörperschaften 1. Die bundesrechtliche Rahmenvorschrift Die bundesgesetzliche Regelung des § 18a Abs.2 S.l WHG statuiert grundsätzlich eine staatliche Eigenregie für die Abwasserbeseitigung und überläßt den Ländern die Festlegung der Zuständigkeit einer Körperschaft des öffentlichen Rechts im einzelnen. Die Vorschrift läßt bereits erkennen, daß die Abwasserbeseitigung als eine Aufgabe eingestuft wird, zu deren sachgerechter Bewältigung grundsätzlich nur Körperschaften des öffentlichen Rechts in der Lage sind 1 . Seine Parallele findet dieses Regelungssystem im Abfallrecht: § 3 Abs.2 S.l AbfG verpflichtet die nach Landesrecht zuständigen Körperschaften des öffentlichen Rechts zur Abfallentsorgung der auf ihrem Gebiet anfallenden Abfälle 2 . Der alte Konflikt zwischen dem durch wasserrechtliche Vorschriften dokumentierten ökologischen Anspruch und der tatsächlichen Umsetzung war dem 1
Gieseke u.a., § 18a WHG, Rn. 12. Nach § 15 Abs.l S.l KrW-/AbfG ist die Abfallentsorgungspflicht der zuständigen öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger nunmehr auf Abfalle aus privaten Haushaltungen und Abfalle zur Beseitigung aus anderen Herkunftsbereichen reduziert. 2
Λ. Der organisationsrechtliche Rahmen
31
Gesetzgeber bekannt. Je mehr Personen ihre Abwässer unmittelbar ins Gewässer einleiten, desto größer ist das Risiko gänzlich unbefugter, vermeidbarer oder aber zumindest übermäßiger Gewässerbenutzungen. Zugleich wächst mit steigenden gesetzlichen Anforderungen an die Abwasserbehandlung die Gefahr, daß der Abwasserproduzent sie aus Unkenntnis, Unvermögen oder wegen der Kostenlast nicht zu erfüllen vermag. Die gesetzlichen Regelungen bezwekken also, die Gewässerüberwachung dadurch zu vereinfachen, daß die Anzahl der potentiellen Abwassereinleiter erheblich verringert wird. Als Mittel dient die Monopolisierung der Abwasserbeseitigung. Das führte in Nordrhein-Westfalen dazu, daß es lediglich ca. 1500 Direkteinleitungen in Oberflächengewässer gibt, die regelmäßig amtlich überwacht und Proben unterzogen werden müssen3.
2. Die landesrechtlichen Regelungen Dem jeweiligen Landesgesetzgeber obliegt die Entscheidung, welche Körperschaften des öffentlichen Rechts zur Abwasserbeseitigung verpflichtet sein sollen und unter welchen Voraussetzungen andere abwasserbeseitigungspflichtig sind.
a) Beispiel Nordrhein-Westfalen § 53 Abs. 1 S. 1 L W G N W füllt § 18a Abs.2 S. 1 WHG dahingehend aus, daß grundsätzlich die Gemeinden das auf ihrem Gebiet anfallende Abwasser zu beseitigen haben, soweit nicht nach §§ 53 Abs.2-6 und 53a LWG NW andere zur Abwasserbeseitigung verpflichtet sind oder ein für verbindlich erklärter Abwasserbeseitigungsplan andere Träger ausweist. Diese Regelung entspricht im wesentlichen denjenigen anderer Bundesländer 4. Die den Landesgesetzgeber bindende Rahmenvorschrift des § 18a WHG läßt auch Raum für andere Entscheidungen als allein zu Lasten der Gemeinden, so daß auch die gemäß § 54 LWG NW landesgesetzlich zugunsten der Abwasserverbände getroffene Zuständigkeit zulässig ist 5 . Ausnahmen von der gemeindlichen Abwasserbeseitigungspflicht enthält § 53 Abs.2 LWG NW für Maßnahmen der Indirekteinleiter, Abs.3 für den
3
Nisipeanu, Abwasserrecht, S. 198. Vgl. z.B. §§ 45b Abs.2 S.l BadWttbgWG; 41b Abs.l S.l BayWG; 149 Abs. 1 S.lNdsWG. 3 VerfGH NW, ZfW 91, 220 (222). 4
2. Teil: Die Abwasserbeseitigung
32
Träger der Straßenbaulast bezüglich des Niederschlagswassers von Straßen außerhalb im Zusammenhang bebauter Ortsteile, Abs.4 fiir Nutzungsberechtigte von Grundstücken außerhalb im Zusammenhang bebauter Ortsteile 6 . Im letztgenannten Fall bleibt die Gemeinde allerdings gemäß § 53 Abs.4 S.2, 3 LWG NW überwachungspflichtig mit der Option, sich dabei der Hilfe Dritter bedienen zu dürfen. Nach § 53 Abs.5 S.l, 2 LWG NW können auf Antrag der Gemeinde, eines Gewerbebetriebs oder Anlagenbetreibers diese gewerblichen Betriebe bzw. Betreiber anderer Anlagen abwasserbeseitigungspflichtig für das von ihnen produzierte Abwasser werden. Damit ist für die Gemeinde die Option eröffnet, besonders verschmutzte oder zur gemeinsamen Fortleitung und Behandlung in der öffentlichen Kanalisation ungeeignete Abwasser von der gemeindlichen Abwasserbeseitigung auszunehmen7. § 53 Abs.5 S.6 LWG NW eröffnet zudem die Möglichkeit, kommunales Abwasser gemeinsam mit Abwasser aus einem gewerblichen Betrieb durch eben diesen vollständig behandeln zu lassen mit der Folge, daß der Gewerbebetrieb auch die volle Abwasserbehandlungspflicht für das kommunale Abwasser trägt 8 . Nach §§55, 56 LWG NW können darüber hinaus abweichende Regelungen in einem Abwasserbeseitigungsplan getroffen werden 9 , der durch ordnungsbehördliche Verordnung von der oberen Wasserbehörde aufgestellt wird. Schließlich enthält § 53a LWG NW eine Übergangsregelung für private Abwasserproduzenten. Das Wasserrecht bietet also Raum für eine wasserbehördliche Einzelfallentscheidung mit entsprechender Ermessensausübung, nach der derjenige das Abwasser beseitigen soll, der dazu objektiv am besten in der Lage ist 1 0 . Die teilweise Freistellung kann sich dabei sowohl auf territoriale Belange (z.B. Außenbereiche, Einzelgrundstücke) als auch auf verschiedene Phasen der Abwasserbeseitigung (Fortleiten, Behandeln und Einleiten) erstrecken 11. Die Auslegung und Anwendung dieser landesrechtlichen Regelungen sind jedoch immer vor dem Hintergrund der Entscheidung des Bundesgesetzgebers zu sehen, der mit § 18a Abs.2 S.l WHG grundsätzlich Körperschaften des öffentlichen Rechts zur Abwasserbeseitigung verpflichtet hat 12 .
6
Vgl.i.e. Nisipeanu, § 53 Abs.4 LWG NW nach der Novellierung: Beginn oder Ende privater Klärschlammbeseitigung?, NWVB1.1992, S.348. 7 Vgl.i.e. Nisipeanu, Abwasserrecht, S.236ff; Honert/Rüttgers, § 53 LWG NW, Anm.10; Gieseke u.a., § 18a WHG, Rn.21. 8 Honert/Rüttgers, § 53 LWG NW, Anm. 10. 9 Honert/Rüttgers, § 53 LWG NW, Anm. 1. 10 Nisipeanu, KA 1992, S.930. 11 ATV-Fachausschuß 4.2, KA 1995, S.449. 12 Nisipeanu, Abwasserrecht, S.l99.
. Der organisationsrechtliche Rahmen
33
b) Beispiel Sachsen Die Pflicht zur zentralen wie zur dezentralen Beseitigung des Abwassers trifft gemäß § 63 Abs.2 S.l SächsWG die Gemeinden, in deren Gebiet das Abwasser anfallt, wenn nicht durch einen verbindlichen Abwasserbeseitigungsplan etwas anderes bestimmt ist. Diese Aufgabenverteilung stimmt mit den Landeswassergesetzen der alten Bundesländer überein. Weiterhin kann die Abwasserbeseitigung nach § 63 Abs.5 S.l SächsWG durch Entscheidung der höheren Wasserbehörde im Einzelfall übertragen werden. Voraussetzung ist, daß einer der Ausnahmetatbestände aus dem Katalog des § 63 Abs.5 S.l SächsWG gegeben ist 1 3 . Schließlich kommt nach § 63 Abs.3 S.2 SächsWG in Übereinstimmung mit §§ 45, 46 SächsKommZG die Bildung von Abwasserzweckverbänden in Betracht 14 .
3. Rechtsnatur der Aufgabenzuweisung Bei der Abwasserbeseitigungspflicht handelt es sich um eine kommunale Selbstverwaltungsaufgabe, die in Nordrhein-Westfalen als Pflichtaufgabe i.S. des § 3 Abs.l GO N W ausgestaltet ist 1 3 . Gleiches gilt gemäß § 63 Abs.2 S.l i.V.m. § 2 Abs.2 S.l SächsGemO für Sachsen. Entsprechende Regelungen finden sich in anderen Bundesländern 16. Die Rahmenvorschrift des § 18a WHG legt noch nicht ausdrücklich die Zuständigkeit für die Abwasserbeseitigung zugunsten oder zu Lasten der Gemeinden fest, sondern nimmt nur grundsätzlich Bezug auf Körperschaften des öffentlichen Rechts 17 . Schon vor der Normierung einer wasserrechtlichen Entsorgungspflicht in § 18a Abs.2 S.l WHG zählte die Abwasserbeseitigung zu den kommunalen Aufgaben. In den Blick rückt insbesondere § 8 Abs. 1 GO NW. Zu diesen Ein-
13
Vgl. dazu i.e. Dierkes, S.273E Vorherige Zweckverbandsgründungen erfolgten auf der Grundlage des übergangsweise als Landesrecht geltenden Zweckverbandsgesetzes v. 7.6.1939, BGBl. I S.979. 15 Gem. RdErl. des Innen- u. Umweltministers, MinBl. NW 1989, S.83; Honert/ Rüttgers, §53 LWG NW, Erl.l; Gieseke u.a., § 18a WHG, Rn.14; Rüttgers, ZfW 1987, S.2; entgegen Rahmarm, S.200, handelt es sich nicht um eine „Pflichtaufgabe nach Weisung" i.S.d. § 3 Abs.2 GO NW. 16 Vgl. § 45b Abs.2 S.l BadWttbgWG; Übertragung als Pflichtaufgabe „im eigenen Wirkungskreis" gem. Art. 41b Abs.l S.2 BayWG; § 149 Abs.l S.2 NdsWG. 17 VerfGH NW, ZfW 1991, 220 (222), unter Berufung auf die Begründung des Entwurfs der CDU-Fraktion zur 4. Novelle zum WHG, BT-Drucks. 7/1088, S. 16 - zu § 18a WHG 14
3 Brüning
2. Teil: Die Abwasserbeseitigung
34
richtungen der Daseinsvorsorge gehört auch die Abwasserbeseitigung. Jedoch enthält § 8 GO NW nur eine Ermächtigung zur Schaffung von Einrichtungen im Bereich der Daseinsvorsorge. Die Verpflichtung zur Beseitigung des Abwassers wurde erst durch §§ 18a WHG, 53 LWG NW konstituiert 18 , und zwar aus Gründen der Seuchenbekämpfung. Die Beseitigung flüssiger Abfall- und Schmutzstoffe ist so zu gewährleisten, daß keine Gefahren für die menschliche Gesundheit entstehen19. Aus der Pflichtenzuweisung folgt indes keine Verpflichtung, eine bestimmte Maßnahme im Rahmen der Abwasserbeseitigung durchzuführen. Insoweit entscheidet die Gemeinde selbst, in welcher Art und Weise und in welchem zeitlichen Rahmen sie Maßnahmen plant und durchführt 20 . Denn bei Pflichtaufgaben ohne Weisung bezieht sich die unbedingte gesetzliche Verpflichtung grundsätzlich nur auf das „Ob" der Aufgabenerfüllung, nicht auf das „Wie" 2 1 . Die Pflicht wird von der oberen Wasserbehörde überwacht, besteht aber nicht ihr gegenüber. Das folgt aus einem Vergleich der Vorschriften der §§ 53 Abs.7 und 53 Abs. 1 S.9 LWG NW. Nach der letztgenannten Regelung hält die obere Wasserbehörde die Gemeinde zur Erfüllung ihrer Pflicht an, kann ihr bei „Versäumnissen" Fristen zur Durchführung konkreter Maßnahmen setzen und Weisungen gemäß § 138 LWG NW i.V.m. OBG NW erteilen 22 . Die Abwasserbeseitigungspflicht wird im übrigen mit den Mitteln der Gewässeraufsicht erzwungen, d.h. bei den Gemeinden über die Kommunalaufsicht 23 . Daraus, daß eine Maßnahme von der Kommunalaufsicht überwacht wird, folgt aber nicht, daß diese den Bezugspunkt der Pflicht bildet. Die Kommunalaufsicht prüft nur im Rahmen ihrer Rechtsaufsicht, ob die Kommunen ihre gesetzliche Verpflichtung erfüllen. Der Selbstverwaltungscharakter bleibt unberührt 24 .
4. Befristete Besonderheiten in den fünf neuen Ländern Die Überführung der Ver- und Entsorgungsaufgaben vom Staat als alleinigem Aufgabenträger in der DDR auf die Gemeinden als dezentrale Aufgabenträger in der Rechtsordnung des Grundgesetzes bedingte einige Zwischen18 19 20 21 22 23 24
Rüttgers, ZfW 1987, S.2; Nisipeanu, Abwasserrecht, S.199f. Rauball/Pappermann/Roters, § 2 GO NW a.F., Rn.18. Rüttgers, ZfW 1987, S.2. Gern, Rn.234; Schmidt-Jortzig, Rn.530. OVG Münster, StuGR 1981, 355 (356); Rüttgers, ZfW 1987, S.2. Gieseke u.a., § 18a WHG, Rn.25; Nisipeanu, Abwasserrecht, S.201. Rüttgers, ZfW 1987, S.2.
Α. Der organisationsrechtliche Rahmen
35
schritte. Dieser Weg strahlt auf zukünftige Organisationsmodelle in den alten Bundesländern aus, weil er infolge der außergewöhnlichen Umstände neue Akzente setzte.
a) Sach- und Rechtslage vor und nach dem Beitritt In der DDR beseitigten die VEB Wasserversorgung und Abwasserbehandlung das Abwasser zentralisiert auf Bezirksebene auf der Grundlage des § 21 WG. Im Verhältnis zu den Bürgern und sonstigen Bedarfsträgern schlossen die VEB WAB Entsorgungsverträge, deren Inhalt sich aus den vom Staat durch Rechtsverordnung vorgegebenen AbWEinlBed ergab, und stellten die Rechnungen unmittelbar an die Kunden aus. Die im jeweiligen Entsorgungsgebiet des VEB WAB liegenden Gemeinden waren organisatorisch und finanziell an der Aufgabenerfüllung überhaupt nicht beteiligt 23 . Mit Wirksamwerden des Beitritts galt auch in den fünf neuen Ländern der Grundsatz der staatlichen Eigenregie für die Abwasserbeseitigung gemäß § 18a Abs.2 S.l WHG. Wasserrechtlich folgte daraus nicht zwingend eine alleinige Aufgabenträgerschaft der Kommunen, da diese Vorschrift auch eine landesrechtliche Bestimmung von „anderen" zu Beseitigungspflichtigen zuläßt. § 2 Abs.2 S.2 KommVerf nannte allerdings in einer beispielhaften Aufzählung der Aufgaben des eigenen Wirkungskreises der Gemeinden die „schadlose Abwasserableitung und -behandlung" Als die Kommunen der Beitrittsländer am 3.10.1990 in ihre neue Rechtsnatur eintraten, brachten sie aber überhaupt keine sächlichen Betriebsmittel, Ausrüstungsgegenstände u.ä. mit, die für die Aufgabenerfüllung notwendig sind. Mit der Wiederherstellung der kommunalen Selbstverwaltung in den Städten, Gemeinden und Kreisen der neuen Bundesländer und der Übertragung der Selbstverwaltungsrechte war daher zugleich die Notwendigkeit verbunden, ihnen wieder diese Vermögenswerte zu übertragen. Eine entsprechende Zielsetzung enthielten §2KommVerf sowie § 1 Abs.l S.2TreuhG. Das KommVermG und Art. 21, 22 i.V.m. Ani. I I Kap. I V Abschn. I I I Nr.2; Abschn. I Nr. 1-9 des 2. StaatsV/EinigungsV regelten die den Kommunen zustehenden Vermögenswerte 26. Danach waren alle ehemaligen volkseigenen Betriebe, Einrichtungen und Anlagen, die zur Erfüllung der kommunalen Selbstverwaltungsaufgaben benötigt wurden, den Gemeinden, Städten und Landkreisen kostenlos und unmittelbar zu übertragen, und zwar unabhängig von ihrer bisherigen Unterstellung. 25 26
*
Vgl. für das Beispiel Sachsen Dierkes, S.271. Schützenmeister, LKV 1991, S.214.
2. Teil: Die Abwasserbeseitigg
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Gleiches galt für volkseigene Betriebe, Immobilien und die explizit im KommVermG genannten kommunalwirtschaftlichen Betriebe und Einrichtungen, die der Rechtsträgerschaft der Räte der Städte, Gemeinden und Kreisen unterstellt waren. Betriebe, die öffentliche Versorgungsaufgaben i.S.v. § 2 Abs.2 KommVerf 27 wahrnahmen, waren gemäß §§ 6, 7 KommVermG als öffentliche Unternehmen in das Eigentum der jeweiligen Gebietskörperschaft zu überführen; dazu gehörten sowohl Betriebe und Anlagen zur Versorgung mit Energie und Wasser, wie beispielsweise Wasserwerke und gemeindliche Verteilernetze, als auch Betriebe und Anlagen zur schadlosen Wasserableitung und Abwasserbehandlung 28 . Die geplante Kommunalisierung wurde dadurch erschwert, daß die Aufgaben, welche nach der Zuständigkeitsverteilung des Grundgesetzes Sache der Länder, der Gemeinden oder sogar privater Träger sind, in der DDR bisher ausschließlich zentralistisch wahrgenommen wurden. Die vorhandene Struktur nahm daher auf kommunale Grenzziehungen keinerlei Rücksicht, so daß beispielsweise die Hauptkläranlage einer Großstadt auf dem Gebiet einer benachbarten kleinen Gemeinde liegen konnte, ohne deshalb Kompetenzschwierigkeiten zu begründen. M i t Wiederherstellung der Kommunalhoheit gewann die kleinere Kommune nun aber überproportional an politischem und wirtschaftlichem Gewicht, das sie nur höchst ungern freiwillig preisgeben wollte. Folgerichtig führte die Anwendung des KommVermG zu Kompetenzstreitigkeiten und Verteilungskämpfen bei der praktischen Zuordnung der rückzuübertragenden, früheren volkseigenen Immobilien 29 . Die danach erforderlichen neuen Zuordnungsregelungen wurden in Gestalt des VermZuordnG in die Bestimmungen der Art. 21, 22 EinigungsV eingebunden.
b) Das förmliche
Überleitungsverfahren
Nach Art. 21, 22 EinigungsV war nur das den kommunalen Verwaltungsaufgaben unmittelbar dienende Vermögen (Verwaltungsvermögen) zu übertragen, das sonstige Vermögen (Finanzvermögen) lediglich nach Maßgabe der beiden Vereinigungsstaatsverträge, weil es daneben zur Strukturanpassung der 27
Inzwischen haben die fünf neuen Länder die KommVerf durch Erlaß ihrer Gemeindeordnungen aufgehoben, vgl.z.B. § 132 Abs. 1 SächsGemO. Dieses Verfahren war gedeckt durch § 100 KommVerf, der vorsieht, daß „mit Bildung der Länder" die „weitere Ausgestaltung der Kommunalgesetzgebung in die Kompetenz der Landtage" übergeht. 28 Schützenmeister, LKV 1991, S.214. 29 Dierkes, S.272; Schützenmeister, LKV 1991, S.217.
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Wirtschaft und zur Sanierung des Staatshaushalts dienen sollte und deshalb auch Übernahmeansprüchen von Bund und Ländern ausgesetzt war 3 0 . Zwar gehörten auch die wasserwirtschaftlichen Vermögensgegenstände ursprünglich zum Verwaltungsvermögen nach Art. 21 EinigungsV, denn dieses Vermögen diente sowohl durch seinen Gebrauch als durch seine Zweckbestimmung unmittelbar Zwecken der Verwaltung i.S.d. Art. 135 GG. Zudem umfaßte das Verwaltungsvermögen auch das Betriebsvermögen der Gemeinden 31 . Der Übertragungstatbestand des Art. 21 EinigungsV forderte aber zusätzlich „Vermögen der DDR", woran es inzwischen fehlte, da die wasserwirtschaftlichen Vermögensgegenstände Bestandteile des Vermögens neu gebildeter Kapitalgesellschaften geworden und damit einem neuen Rechtssubjekt zugeordnet worden waren, das seinerseits nicht mit der DDR identisch war 3 2 . Schon vor dem Beitritt der neuen Länder und vor Inkrafttreten des KommVermG waren nämlich die VEB WAB gemäß § 11 Abs.l S.2TreuhG im Kapitalgesellschaften umgewandelt worden. Ähnlich den Energieversorgungskombinaten wurden die ehemaligen volkseigenen Wasserversorgungs- und Abwasserbeseitigungsbetriebe in Anlehnung an frühere Bezirksstrukturen jeweils landesbezogen in regional tätige Wasserversorgungs- und Abwasserentsorgungs-Kapitalgesellschaften umgewandelt. Diese Umwandlung geschah ex lege mit Wirkung zum 1.7.1990 33 . In § 11 Abs.2 S.2 TreuhG heißt es ergänzend: „Die Umwandlung bewirkt gleichzeitig den Übergang des Vermögens aus der Fondsinhaberschaft der bisherigen Wirtschaftseinheit sowie des in Rechtsträgerschaft befindlichen Grund und Bodens in das Eigentum der Kapitalgesellschaften." Durch diese Regelungen erfuhren die kommunalen Rechte eine starke materielle Einschränkung. Obwohl §§ 6, 7 KommVermG die sachliche und körperliche Übertragung von Anlagen der Energie- und Wasserversorgung an die Kommunen ausdrücklich festschrieben, wenn die früheren zentralistischen Kombinate entflochten waren, schränkten die zeitlich nachfolgenden Bestimmungen des Einigungsvertrages die Vermögensrechte und Versorgungsverantwortung der Städte und Gemeinden erheblich ein, indem sie die Umwandlung stillschweigend billigten 34 . Der zugleich eingefügte § 4 Abs.2 KommVermG trug der bereits vollzogenen Umwandlung in Kapitalgesellschaften Rechnung: „Sofern Betriebe und Einrichtungen, die nach den Grundsätzen dieses Gesetzes in kommunales Eigentum überführt werden müssen,
30 31 32 33 34
Schmidt-Jortzig, LKV 1992, S.66; s. auch Ait. 10 Abs.6, 26 Abs.4 l.StaatsV. Ossenbühl, DÖV 1991, S.303. Ossenbühl DÖV 1991, S.304. Ossenbühl, DÖV 1991, S.303. Schützenmeister, LKV 1991, S.218.
2. Teil: Die Abwasserbeseitigg
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bereits in Kapitalgesellschaften umgewandelt worden sind, gehen die entsprechenden volkseigenen Anteile in das Eigentum der Gemeinden über." Die vorhandenen Dinglichkeiten fielen demzufolge nicht automatisch in das Vermögen der Gebietskörperschaften, sondern erfuhren erst ein förmliches Überleitungsverfahren 35 . Damit blieb der Organisations- und Entwicklungsstand, der durch den Umwandlungsmechanismus des TreuhG geschaffen worden war, letztlich durch das KommVermG unberührt. Im Gegenteil schrieb es diesen Zustand teilweise auch für den Bereich fest, der nach den Vorschriften der Kommunalverfassung von Haus aus zum Selbstverwaltungsbereich der Gemeinden gehört. So wurden den Gemeinden insbesondere diejenigen Anlagen nicht wieder übertragen, die zur Versorgung der Gemeindemitglieder mit Strom, Gas und Fernwärme erforderlich waren. Der Zugriff auf einzelne wasserwirtschaftliche Vermögensgegenstände war versperrt. Vielmehr wurden die Vermögensgegenstände Gesellschaftsvermögen, das der Gesellschaft als Ganzes zustand. Eine rechtliche Teilhabe an der Kapitalgesellschaft war aber nur in Form von Gesellschaftsanteilen möglich, wie § 4 Abs.2 KommVermG belegte 36 . Gerechtfertigt wurde das einerseits mit der Notwendigkeit der Aufrechterhaltung und Fortführung einer gesicherten Versorgung durch die Rechtsnachfolger der Kombinate; andererseits unterblieb die Entflechtung und gegenständliche Übergabe öffentlicher Versorgungsanlagen insoweit, als eine betriebliche Trennung bei den die Gemeindegrenzen überschreitenden Leitungsnetzen schwierig und mit erheblichen Kosten verbunden war. Schließlich kam und kommt nach wie vor hinzu, daß die verfügbaren Anlagen extrem sanierungsbedürftig und wirtschaftlich derart ineffizient sind, daß sie durch einzelne Kommunen nicht finanziert werden können 37 . Gemäß § 1 Abs.4 TreuhG hielt die Treuhandanstalt zunächst die Geschäftsanteile der Kapitalgesellschaften. Die den Gemeinden nach § 4 Abs.2 KommVermG zustehenden Anteile wurden von der Treuhand sodann im Zuge der „Kommunalisierung" auf die beteiligten Städte und Gemeinden übertragen. Voraussetzung war, daß die jeweilige anspruchsberechtigte Gemeinde zuvor einem Anteilseignerverein beigetreten war. Die AG-Anteile der nicht so zusammengeschlossenen Gemeinden verblieben treuhänderisch bei der Treuhandanstalt. Der Zusammenschluß der im jeweiligen VEB WAB-Zuständigkeitsbereich gelegenen Gemeinden erfolgte in der Rechtsform des eingetragenen Vereins 38 . Darin bestimmten ausschließlich die betroffenen Gemeinden,
33 36 37 38
Schmidt-Jortzig, Ossenbühl, DÖV Schützenmeister, Schützenmeister,
LKV 1992, S.66. 1991, S.304f. LKV 1991, S.218. LKV 1991, S.218.
. Der organisationsrechtliche Rahmen
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welche künftige Betriebsstruktur sie unter Berücksichtigung der Gegebenheiten vor Ort für sinnvoll hielten. Der Eigentümerverein konnte Liegenschaften und Betriebsmittel auf Kommunen übertragen, die dann nach den Erfordernissen einer optimalen Betriebsstruktur in Abwasserzweckverbände oder eigene kommunale Betriebe eingebracht werden konnten 39 . Nur bei hundertprozentiger Organisation der Kommunen in den regionalen Wasser-/Abwasservereinen konnte erreicht werden, daß die oben beschriebenen Unzulänglichkeiten infolge der Erstarkung der Gemeindegrenzen kompensiert wurden. Durch Vereinbarungen im Vorfeld der dinglichen Rückübertragung war organisatorisch sicherzustellen, daß dort zusammengearbeitet wurde, wo anderenfalls die Verbzw. Entsorgungskapazitäten und die Bedürfiiisse auseinanderfielen.
c) Befristeter
Widerspruch
zu geltendem Recht
Ungeachtet der Aufgabenzuordnung in § 2 Abs.2 KommVerf und der Umwandlung in Kapitalgesellschaften beseitigten die regionalen Ver- und Entsorgungsunternehmen die Abwässer ihrer Kunden weiterhin, weil sie sämtliche Rechte und Pflichten ihrer Rechtsvorgänger übernommen hatten und so aufgrund bestehender Verträge dazu gegen Zahlung eines Entgelts verpflichtet waren. Zudem schlossen die VEB WAB-Nachfolgegesellschaften Verträge mit Neukunden im eigenen Namen ab 40 . Es ergab sich bei der Organisation der Ver- und Entsorgungsaufgaben also das bedenkliche Ergebnis, daß statt dezentraler wieder eine zentrale Versorgung, anstelle eigener die Fremdversorgung und statt Eigenbetrieb die Beteiligung an Beteiligungsgesellschaften durch die dem KommVermG nachfolgenden Regelungen statuiert wurden. Offen trat bei dieser Art der Reorganisation und Umwandlung der Versorgungsbetriebe der Widerspruch zu den in den Gemeindeordnungen der alten Bundesländer verbürgten Grundsätzen sowie zum KommVermG zutage. Letztlich ging es dabei um einen Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Prinzip der kommunalen Selbstverwaltung, wenn den Gemeinden in ihrem Zuständigkeitsbereich der kommunalen Versorgung nur die wertmäßige Beteiligung an einem überörtlichen Unternehmen anstelle der ursprünglich vorgesehenen Rückübertragung eigener Betriebe und Anlagen eingeräumt wurde 41 . Schon angesichts der eindeutigen Kompetenzverteilung gemäß § 2 Abs.2 KommVerf zugunsten der Gemeinden mußten die Bemühungen der Kreise scheitern, die Aufgabe der Wasserversorgung (und Abwasserbeseitigung) in Verbindung mit den Rechtsnachfolgern der VEB WAB für sich zu beanspru39 40 41
BMU, Leitfaden, S. 10. Vgl. FG Leipzig, R+S 1994, 4. Schützenmeister, LKV 1991, S.219; Dierkes, S.271f.
2. Teil: Die Abwasserbeseitigung
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chen 42 . Folgerichtig wurde die Abwasserbeseitigungspflicht nach § 63 Abs.2 S.l SächsWG den Gemeinden auferlegt. Der Einigungsvertrag räumte die Möglichkeit zur zeitweisen Einschränkung des Selbstverwaltungsrechts nur dergestalt ein, daß solche Rechtsvorschriften bis zum 31.12.1992 bzw. 31.12.1995 vom Grundgesetz abweichen durften, wenn in dieser Zeit die völlige Anpassung an die grundgesetzliche Ordnung erreicht werden konnte 43 . Damit übereinstimmend ordnete § 63 Abs.2 S.2 SächsWG an, daß die grundsätzliche Zuweisung der Abwasserbeseitigungspflicht an die Städte und Gemeinden den § 137 SächsWG unberührt ließ. Nach dieser Vorschrift konnte die Wasserversorgungspflicht aus § 57 Abs.l SächsWG und die Abwasserbeseitigungspflicht gemäß § 63 Abs.2 S.l SächsWG von den Nachfolgegesellschaften der VEB WAB bis zum 31.12.1993 erfüllt werden. Mit § 137 SächsWG entschied sich der sächsische Landesgesetzgeber wie zuvor die Treuhandanstalt bei der Zuordnung des WAB-Vermögens dafür, mit Beginn des Jahres 1994 endgültig die aus den alten Bundesländern in diesem Bereich bekannten Strukturen einzuführen. Bis dahin erfüllten die VEB WAB-Nachfolgegesellschaften aufgrund ihrer unverändert fortbestehenden Abwassereinleitungsverträge mit den Kunden die Entsorgungsaufgabe, ohne gegenüber den Gemeinden gesetzlich oder vertraglich dazu verpflichtet zu sein. Die alten Leistungsbeziehungen waren im fraglichen Zeitraum nicht auf die grundsätzlich entsorgungspflichtigen Gemeinden übergeleitet worden. Dazu wäre eine ausdrückliche Regelung in einer Satzung i.S. des § 63 Abs.2 S.2 SächsWG notwendig gewesen, die das Verhältnis der Kunden zur Gemeinde neu bestimmt hätte 44 . War also die weitere Entflechtung der Anteilseignervereine zum 31.12.1993 vorgesehen, so drängte die Zeit. Die Aufteilung der VEB WAB-Vermögensgegenstände, die im Eigentum der jeweiligen Mitglieder der kommunalen Anteilseigner e.V. standen, auf die gebildeten Zweckverbände, Städte und Gemeinden sollte im wesentlichen nach dem Belegenheitsprinzip erfolgen. Die aufgezeigte Stadt-Umland-Problematik lief jedoch mancherorts diesem Prinzip zuwider und verzögerte oder verhinderte dadurch die Bildung lebensfähiger Entsorgungsorganisationen, auf die die Betriebsführung der Anlagen rechtzeitig zum Ende der Übergangsfrist des § 137 SächsWG hätte übergehen können. Deshalb wurde in Sachsen das WAB-EntflG beschlossen, das gemäß § 1 WAB-EntflG sowohl die Sicherstellung der öffentlichen Trinkwasserversorgung als auch der öffentlichen Abwasserbeseitigung in den Fällen bezweckte, in denen bis zu seinem Inkrafttreten Ende 1993 keine freiwillige kommunale Zusammenarbeit zustande gekommen war. Im Bereich der Wasserversorgung 42 43 44
Cronauge, StuGR 1990, S.346. Schützenmeister, LKV 1991, S.219. FG Leipzig, R+S 1994,4.
. Der organisationsrechtliche Rahmen
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ordnete § 2 WAB-EntflG einseitig hoheitlich an, daß die in der Anlage genannten Körperschaften verpflichtet waren, den Betrieb der Versorgungseinrichtungen auch für die ihnen zugeordneten Aufgabenträger zu führen, die dieses dulden mußten und den entstehenden Aufwand zu ersetzen hatten, falls keine abweichende Vereinbarung getroffen wurde. Für den Bereich der Abwasserbeseitigung beauftragte § 6 WAB-EntflG die zuständigen Wasserbehörden, unverzüglich geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um entsorgungspflichtige Kommunen, in deren Zuständigkeitsgebiet sich Abwasseranlagen der Nachfolgegesellschaften der VEB WAB befanden, zu veranlassen, diese Einrichtungen durch Teilbetriebsüberlassungsverträge zu übernehmen und zu betreiben 43 . Die letzte Phase der „Entflechtung" ist mittlerweile nahezu abgeschlossen. Diejenigen Fälle, in denen die Gemeinden die erhaltenen Entsorgungsanlagen nebst Personal ohne Durchgangserwerb unmittelbar in eigene oder gemischt-wirtschafltiche Unternehmen eingebracht haben, treiben die Privatisierungsdiskussion voran. Denn es besteht dort keine Tradition gemeindebetrieblicher Aufgabenwahrnehmung; vielmehr reicht eine geschlossene Kette organisatorisch verselbständigter Abwasserbetriebe über die VEB WAB-Nachfolgegesellschaften bis zu eben diesen VEB WAB zurück 46 .
II. Wasserrechtliche Rahmenbedingungen 1. Bezugspunkt und Umfang der Abwasserbeseitigungspflicht a) Nordrhein-Westfalen § 51 Abs.l LWG NW enthält eine landesrechtliche Definition des Abwasserbegriffs: Danach ist zunächst zwischen Schmutz- und Niederschlagswasser zu unterscheiden. Die Begriffsbestimmungen im einzelnen sind identisch mit der bundesrechtlichen Abwasserdefinition bzgl. der Abwasserabgabe in § 2 Abs. 1 AbwAG. Für die beiden unterschiedlichen Abwasserarten bestehen teilweise der gemeindlichen Pflicht zur Abwasserbeseitigung vorgeschaltete Pflichten, etwa des Trägers der Straßenbaulast. Hinzu kommt als dritte Kategorie - jedenfalls in Nordrhein-Westfalen - das sog. (Deponie-)Sickerwasser, d.h. die aus Anlagen zum Behandeln, Lagern und Ablagern von Abfallen austretenden und gesammelten Flüssigkeiten. Gemeinsam ist allen Tatbeständen, daß das Umweltmedium Wasser durch menschliches Zutun, sei es zielgerichtet, zwangsläufig oder zufallig, in seinen wasserwirtschaftlichen Auswirkun43 46
S. dazu Dierkes, S.272f. Dierkes, S.273.
2. Teil: Die Abwasserbeseitigung
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gen so beeinflußt wird, daß dies fur die Gewässer nachteilig oder schädlich sein kann 47 . Verallgemeinernd kann man sagen, daß Abwasser im wasserwirtschaftlich interessanten Sinn entstanden ist, wenn das verunreinigte oder sonst in seinen Eigenschaften veränderte Wasser sich objektiv nicht mehr im Gebrauchs· oder Produktionsprozeß befindet und subjektiv zur Beseitigung bestimmt ist 4 8 . Die eigentliche Abwasserbeseitigung umfaßt grundsätzlich, das auf dem Gemeindegebiet anfallende Abwasser entgegenzunehmen, zu sammeln, fortzuleiten, zu behandeln und in ein Gewässer einzuleiten oder ausnahmsweise zu versickern, zu verregnen oder zu verrieseln 49 . Insbesondere gehört zur Abwasserbeseitigungspflicht, die zur ordnungsgemäßen Erfüllung notwendigen Abwasseranlagen den allgemein anerkannten Regeln der Technik entsprechend zu betreiben sowie die noch nicht vorhandenen, aber zur ordnungsgemäßen Abwasserbeseitigung notwendigen Abwasser(behandlungs)anlagen demselben Standard genügend, in angemessenen Zeiträumen neu zu bauen und zu unterhalten sowie schließlich vorhandene, aber unzureichende Anlagen so weit und so schnell wie erforderlich zu sanieren 30. Zur Abwasserbeseitigung wird auch die Aufbereitung von Klärschlämmen gerechnet, weil diese Maßnahme technisch mit der Behandlung des Abwassers zusammenhängt, so daß sie den abwasserrechtlichen Bestimmungen unterliegt 31 . Das stellt nunmehr § 53 Abs. 1 S.2 LWG NW ausdrücklich klar. Hinzu kommt die Entsorgung abflußloser Gruben 32 ebenso wie die Beseitigung des in vorhandenen oder zu errichtenden privaten Hauskläranlagen vorgereinigten Abwassers 33. Es ergibt sich somit die Verpflichtung der Gemeinde, den Fäkalschlamm aus den Kleinkläranlagen zu entnehmen, einzusammeln und in eine geeignete öffentliche Abwasseranlage zu verbringen, so daß er ebenso wie der Klärschlamm aus öffentlichen Abwasseranlagen für eine ordnungsgemäße Beseitigung aufbereitet werden kann 3 4 . Die Verwertung und endgültige Beseitigung der (aufbereiteten) Klärschlämme unterfallt dem abfallrechtlichen Re-
47
Nisipeanu, Abwasserrecht, S. 143f. So die an den Abfallbegriff des § 1 Abs.l S.l AbfG angelehnte Definition von Nisipeanu, S.197, Fßn.3. 49 Gem. RdErl. des Innen- u. Umweltministers, MinBl. NW 1989, S.84. 30 Nisipeanu, Abwasserrecht, S. 197. 31 Honert/Rüttgers, § 53 LWG NW, Anm.l; Nisipeanu, S.183f. 32 Cronauge, StuGR 1984, S.137; weiterführend ders. y Probleme der Klärschlammbeseitigung, StuGBund 1981, S.105 (107fi). 33 Honert/Rüttgers, § 53 LWG NW, Anm.l; Gieseke u.a.y § 18a WHG, Rn.14. 34 Gem. RdErl. des Innen- u. Umweltministers, MinBl. NW 1989, S.84. 48
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girne, vornehmlich dem § 15 AbfG, zählt also nicht mehr zur Abwasserbeseitigungspflicht 33 . § 18a Abs. 1 S.2 WHG gestaltet die Abwasserbeseitigungspflicht als Bündel verschiedener Rechtspflichten aus. Daraus läßt sich folgern, daß sie nicht nur eine einzige einheitliche Verpflichtung umfaßt, sondern verschiedene juristisch ebenso wie technisch trennbare (Teil-)Pflichten. Damit korrespondiert die Möglichkeit, verschiedene Rechtsträger für die unterschiedlichen Teilpflichten der Entsorgung zuständig und verantwortlich zu erklären (vgl. §§ 53 Abs.2, 4, 5; 53a, 54 LWG N W ) 3 6 . Fraglich ist, wie weit die Gemeinden ortsrechtlich bestimmen können, welche Abwässer in die öffentliche Kanalisation eingeleitet werden dürfen 37 . Jedenfalls ist den Gemeinden mit der Auferlegung der Entsorgungspflicht die Befugnis entzogen worden, über ihre Entwässerungssatzung die Zahl der Indirekteinleiter zu bestimmen 38 . Die Formulierung des § 53 Abs.5 LWG NW ist nur quantitativ und nicht qualitativ dahingehend zu verstehen, daß seitens der oberen Wasserbehörde eine Freistellung von der Pflicht zur Abwasserbeseitigung jeweils für den gesamten gewerblichen Betrieb oder Teile desselben erteilt werden kann. Diese Möglichkeit der ,ganzen oder teilweisen Befreiung" entfaltet mithin keine unzulässige Einschränkung des kommunalen Satzungsrechts in qualitativer Hinsicht 39 .
b) Sachsen § 62 Abs. 1 SächsWG stellt den landesrechtlichen Regelungen zur Abwasserbeseitigung eine Definition des Abwasserbegriffs voran und beschreibt in § 63 Abs.l S.l SächsWG in enger Anlehnung an § 18a Abs. 1 S.2 WHG die Tätigkeiten, die die Pflicht zur Abwasserbeseitigung im einzelnen umfaßt. Dabei erstreckt § 63 Abs.l S.2 SächsWG die Abwasserentsorgung explizit auf Kleinkläranlagen und abflußlose Gruben und wird insofern von § 63 Abs.4 S.4, 5 SächsWG ergänzt. Sächsische Besonderheiten im Hinblick auf den Umfang der Entsorgungspflicht oder die durch §§ 1 Abs.3; 15 AbfG i.V.m. der AbfKlärV vorgegebene Abgrenzung von Wasser- und Abfallrecht bei Fäkal-
33
Cronauge, StuGR 1984, S.137; zum Klärschlamm als Rückstand der Abwasserbeseitigung vgl. Wolf Müller, Gesetzgeberische Auflagen bei der Abwasserreinigung für Kommunen und Industrie, VR 1996, S.217ff. 36 Nisipeanu, Abwasserrecht, S.197. 37 Vgl. allgemein zu Ortsentwässerungssatzungen Nisipeanu, DVP 1996, S.235ff. 38 Hemeler, DVB1.1981, S.668; den., Abwasserrecht, S.232. 39 Honert/Rüttgers, § 53 LWG NW, Erl. 10.
2. Teil: Die Abwasserbeseitigung
44
und Klärschlämmen ergeben sich aus dieser ausdrücklichen Einbeziehung der nicht leitungsgebundenen dezentralen Abwasserbeseitigung nicht 6 0 . Weithin ungeklärt ist, ob und inwieweit die Kommunen die Abwasserbeseitigungspflicht im Satzungswege auf den Abwasserproduzenten übertragen können. Während Nordrhein-Westfalen und Brandenburg solche Einschränkungen der kommunalen Entsorgungspflicht durch die Entwässerungssatzug in den Landeswassergesetzen überhaupt nicht erwähnen, bezeichnet § 63 Abs.2 S.3 SächsWG solche Satzungen als Mittel zur Anordnung eines Anschluß- und Benutzungszwangs und der Bedingungen dafür. Dazu kann sowohl die in § 63 Abs.4 S.2 SächsWG genannte Bestimmung zählen, wie das angefallene Abwasser vom Produzenten der Gemeinde zu überlassen ist, als auch die nach § 63 Abs.4 S.3 SächsWG angesprochene Pflicht zur Vorbehandlung 61 . Die durch solche Satzungsregelungen bewirkte Entpflichtung der Gemeinde durch eine Übertragung der Vorbehandlungs- oder sogar der gesamten Beseitigungspflicht für das eigene Abwasser auf den Produzenten eröffnet privaten Dienstleistungsunternehmen die Möglichkeit, bei Planung, Finanzierung, Errichtung oder Betrieb der notwendigen Anlagen für den Abwasserproduzenten tätig zu werden. Nicht mehr die an sich verpflichtete Gemeinde, sondern der Abwasserbesitzer muß die Entsorgung organisieren und den privaten Dienstleister beauftragen. Diese „privatbeauftragte Fremdentsorgung" ist dadurch gekennzeichnet, daß die übernommene Tätigkeit auf Veranlassung des Abwasserproduzenten erfolgt, ohne daß der Beauftragte selbst Träger der Entsorgungspflicht würde 62 . Schließlich ist offen, ob - jedenfalls in Sachsen angesichts der Regelung des § 63 Abs.5 S.3 Hs.2 SächsWG - durch Ortssatzungen die Abwasserbeseitigungspflicht auch auf andere als die Abwasserproduzenten übertragen werden kann 6 3 .
2. Die Abwasserbeseitigungslast Notwendige Voraussetzung für die Erfüllung der Entsorgungspflicht ist, die dazu notwendigen Anlagen entsprechend den einschlägigen technischen Regeln zu betreiben und ggf. zu errichten, zu erweitern und nachzurüsten 64.
60
DierkeSyS.nO. Dazu s.i.e. Dierkes, S.276f. 62 So in bezug auf die parallele Konstellation im Abfallrecht gem. § 3 Abs. 3, 4 S.l AbfG Kloweit y S.74f, 84. 63 So wohl Dierkes y S.277f. 64 Gem. RdErl. des Innen- u. Umweltministers, MinBl. NW 1989, S.84. 61
. Der organisationsrechtliche Rahmen
45
Diese Abwasserbeseitigungslast ist in § 53 Abs.l S.l und 3 LWG NW ebenfalls grundsätzlich den Gemeinden übertragen und bildet somit die Kehrseite der Abwasserbeseitigungspflicht 63. Neben dem Betrieb der notwendigen Anlagen umfaßt die Abwasserbeseitigungslast zunächst alle Tätigkeiten, die gemäß § 18a Abs.l S.2 WHG Teil der Abwasserbeseitigung sind. Darüber hinaus gehören die Erstellung eines Abwasserbeseitigungskonzepts (vgl. § 53 Abs.l S.4 LWG NW), die Zahlung der Abwasserabgabe sowie die Beantragung und Einhaltung einer wasserrechtlichen Erlaubnis zur Einleitung des geklärten Abwassers dazu 66 . Schließlich ist § 53 LWG NW an die Kommunen gerichtet und nicht an die Abwasserproduzenten und -besitzer. Die Schaffung und Durchsetzung einer Überlassungspflicht ist daher Teil der Abwasserbeseitigungslast. Das Mittel, um sich das Abwasser zu verschaffen, ist dann, falls es an einer entsprechenden gesetzlichen Regelung fehlt, die Einführung bzw. Ausdehnung eines kommunaloder verbandsrechtlichen Anschluß- und Benutzungszwanges. Die entsprechende Entwässerungssatzung muß grundsätzlich jeden Abwasserbesitzer erfassen und auf die Inanspruchnahme der jeweiligen Sammelmethode erstrekken 67 . Im Abfallrecht stellt § 3 Abs. 1 AbfG bereits einen bundesrechtlichen Anschluß- und Benutzungszwang dar, der den Kommunen lediglich insoweit einen Handlungsspielraum einräumt, als es um die Regelung von Einzelheiten der Überlassung geht 68 . Die Verknüpfung der Einleitererlaubnis mit einer monopolisierten Abwasserbeseitigungspflicht zeigt die gesetzgeberische Intention, die Anzahl der Einleitungsberechtigten zu reduzieren und langfristig auf wenige zu beschränken. Dadurch gewinnt die Abwasserbeseitigungslast eine Dynamik, die darauf zielt, die Anlagen stetig auszudehnen, um bisher an Kleinkläranlagen angeschlossene Einwohner an die öffentliche Kanalisation anzuschließen. Diese Tendenz der Abwasserbeseitigungslast ist der Abwasserbeseitigungspflicht an sich fremd 69 . Die mit der Abwasserbeseitigung verbundenen Kosten haben die Beseitigungspflichtigen zu tragen. Wem sie letztlich zur Last fallen, bestimmt sich 63
Honert/Rüttgers, § 53 LWG NW, Erl.2; Rüttgers, ZfW 1987, S.5f. Honert/Rüttgers, § 53 LWG NW, Erl.2; Rüttgers, ZfW 1987, S.5f. 67 Nisipeanu, Abwasserrecht, S.197; Honert/Rüttgers, § 53 LWG NW, Erl.2; Rüttgers, ZfW 1987, S.5f; Hemeler, BauR 1982, S.4. 68 Kunig/Schwermer/Versteyl, § 3 AbfG, Rn.13; Hösel/v.Lersner, Kz.1130, Rn.4. Die grundsätzliche Überlassungspflicht der privaten Abfallerzeuger und -besitzer gem. § 13 Abs. 1 S. 1 KrW-/AbfG korrespondiert der gegenständlich beschränkten Entsorgungspflicht der Städte und Gemeinden. 69 Rüttgers, ZfW 1987, S.7; Gieseke u.a., § 18a WHG, Rn.12; Honert/Rüttgers, §53 LWG NW, Erl.2. 66
2. Teil: Die Abwasserbeseitigung
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nach allgemeinen Regeln 70 . Die Art der Abwälzung hängt von der jeweiligen Organisation ab. M i t der Abwasserbeseitigungspflicht geht die wasser-, d.h. sonderordnungsrechtliche Verantwortung einher. Das folgt aus § 138 LWG NW, der die Wasserbehörden als Sonderordnungsbehörden, mithin das Wasserrecht als Sonderordnungsrecht, ausweist.
3. Abwasserüberlassungsgebot und -beseitigungsanspruch Die sachgerechte Durchführung der Abwasserbeseitigung gebietet, daß das Abwasser von demjenigen, bei dem es anfallt, dem Beseitigungspflichtigen überlassen werden muß. Die Begründung der Überlassungspflicht bedarf einer Bestimmung, die den Abwasserbesitzer als Adressaten hat und diesem gegenüber durchsetzbar ist; sie folgt nicht schon aus der Übertragung der Abwasserbeseitigungspflicht an sich als deren Kehrseite 71 , es sei denn, die Abwasserbeseitigungspflicht leitet sich aus einem Abwasserbeseitigungsplan her 72 . Als Ausgestaltung staatsbürgerlicher Pflichten bedarf die Einführung eines Abwasserüberlassungsgebots der eindeutigen Normierung 73 . Eine solche, in den meisten Landeswassergesetzen74, so auch in § 63 Abs.4 S.l SächsWG enthaltene Regelung fehlt in Nordrhein-Westfalen. Daher ist es erforderlich, daß die Gemeinde selbst, z.B. über den Anschluß- und Benutzungszwang in ihrer Entwässerungssatzung, eine Pflicht des Abwasserproduzenten statuiert, der Gemeinde sein Abwasser zu überlassen 73. Die Befugnis zur Anordnung eines Anschluß- und Benutzungszwanges reicht nur so weit, wie die Abwasserbeseitigungspflicht nicht auf einen anderen übertragen ist 7 6 . Fraglich ist, ob mit Überlassungsgebot ein Entsorgungsanspruch des Abwasserbesitzers korrespondiert. Ein subjektiv-öffentliches Recht des einzelnen liegt vor, wenn eine zwingende Rechtsvorschrift (und damit die sich aus dieser Rechtsvorschrift ergebende Rechtspflicht der Verwaltung) nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern - zumindest auch - dem Interesse einzelner Bürger zu dienen bestimmt ist. Maßgeblich ist der gesetzlich bezweckte Inter-
70
Gieseke u.a., § 18a WHG, Rn.24. Hemeler, BauR 1982, S.4; Honert/Rüttgers, § 53 LWG NW, Erl.3. 72 Gieseke u.a., § 18a WHG, Rn.40. 73 OVG Münster, StuGR 1981, 355 (356). 74 Vgl.z.B. § 45b Abs.l S.l BadWttbgWG; Art. 41b Abs.7 BayWG; § 149 Abs.7 NdsWG. 73 Gieseke u.a., § 18a WHG, Rn.15; Nisipeanu, Abwasserrecht, S.197. 76 Rüttgers, ZfW 1987, S.7; Honert/Rüttgers, § 53 LWG NW, Erl.3. 71
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essenschutz77. Dritte haben also nur dann ein individuelles Recht auf Erfüllung von Pflichtaufgaben, falls die Aufgabenerfüllung auch im privaten Interesse angeordnet ist 7 8 . Die Pflicht zur Abwasserbeseitigung ist gemäß § 18a WHG aber eine der Allgemeinheit obliegende Last, die nur zum Gewässerschutz und nicht zum Schutz von Individualinteressen besteht. Damit übereinstimmend enthält § 53 Abs.l S.l LWG NW eine lediglich objektive Pflichtenzuweisung 79 , die demjenigen, bei dem das Abwasser anfallt, keinen Abwasserbeseitigungsanspruch vermittelt 80 . Das zeigt ein Vergleich der Neufassung des § 53 Abs. 1 LWG NW mit der ursprünglichen Gesetzeslage81. Zudem fehlt in der Vorschrift jeder Anknüpfungspunkt für eine drittschützende Funktion. Der Kreis der durch die Abwasserbeseitigung faktisch Begünstigten ist nicht sicher abgrenzbar, ein Bezug auf örtliche Besonderheiten ist nicht gegeben, insbesondere fehlt im Gegensatz zu anderen Landeswassergesetzen ein Überlassungsgebot. Insgesamt sind daher die Außenbeziehungen zu Dritten durch § 53 LWG NW nur insoweit geregelt, als das ausdrücklich geschehen ist 8 2 . Mithin resultiert aus der kommunalen Abwasserbeseitigungspflicht und -last keine allgemeine Übernahmeverpflichtung der Gemeinde, mit der ein Entsorgungsanspruch desjenigen korrespondiert, bei dem Abwasser anfallt. Dieser besteht nur im Rahmen eines individuell eingeräumten Benutzungsrechts der kommunalen Abwasseranlage aufgrund eines Anschluß- und Benutzungszwanges83. Da dessen Anordnung aber Teil der Abwasserbeseitigungslast ist, ergibt sich letztlich auch in Nordrhein-Westfalen regelmäßig ein Entsorgungsanspruch. Damit entspricht die Rechtslage in der Abwasserbeseitigung der bei der parallel geregelten Abfallentsorgung. Denn mit der in § 3 Abs.2 S.l AbfG statuierten Entsorgungspflicht der öffentlich-rechtlichen Körperschaften soll sichergestellt werden, daß der Abfallbesitzer, der nach § 3 Abs. 1 AbfG zur Überlassung der Abfalle verpflichtet ist, auch eine abnahmebereite Körperschaft vorfindet. Er hat dementsprechend einen Entsorgungsanspruch gegen die zuständige Kommune, die sich diesem Anspruch nur in begrenzten Ausnahmefallen (§ 3 Abs.3 AbfG) entziehen kann 84 . 77 78 79 80 81 82 83 84
Stellvertretend für diese sog. „Schutznormtheorie" Maurer, § 8, Rn.8. Gern, Rn.235. Nisipeanu, Abwasserrecht, S. 199. OVG Münster, ZfW 1983, 51 (52). Rüttgers, ZfW 1987, S.2. OVG Münster StuGR 1981, 355 (356); Nisipeanu, Abwasserrecht, S.201. Gieseke u.a., § 18a WHG, Rn.15; Honert/Rüttgers, § 53 LWG NW, Erl.3. Hösel/v.Lersner, Kz.1130, Rn.ll; Beckmann, S.10; Schink, S.258.
2. Teil: Die Abwasserbeseitigung
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Jedoch erwachsen aus der bloßen Aufgabenzuweisung an die Gemeinden grundsätzlich weder ein einklagbarer Anspruch des Abwasserbesitzers auf Herstellung der zur Erfüllung der Last erforderlichen Abwasseranlagen noch andere Rechte, etwa ein Anspruch auf Befreiung von der Beseitigungspflicht oder auf deren Übertragung 85 . Im Gegenteil ist eine bisher betriebene private Abwasserbeseitigung für die Zukunft zu verhindern, wenn jetzt die Voraussetzungen für einen Anschluß an die öffentliche Abwasserbeseitigungsanlage geschaffen worden sind. Dann darf die dem Betreiber eines privaten Klärwerks erteilte Erlaubnis zum Einleiten von Abwasser in ein Gewässer widerrufen werden, um die Abwasserbeseitigungspflicht auf eine Körperschaft des öffentlichen Rechts zu übertragen. Ein Widerruf, der dieses gesetzgeberische Konzept, wie es § l a Abs. 1 WHG betont, verwirklichen will, hält sich im Rahmen der vom WHG vorausgesetzten Widerrufsgründe 86.
4. Gewässerbenutzung durch Abwassereinleitung Das Wasserrecht ist gemäß § l a WHG vom Bewirtschaftungsgrundsatz geprägt. Die Gewässer- einschließlich der Grundwasserbenutzung ist einer vom Grundeigentum getrennten öffentlich-rechtlichen Benutzungsordnung unterstellt 87 ; zur erlaubnispflichtigen Benutzung zählt ausdrücklich gemäß §§ 1 Abs.l; 3 Abs.l Ziff.4 WHG das Einleiten von Wasser und Stoffen in Gewässer. Die Abwasserproduzenten lassen sich unter diesem Gesichtspunkt in zwei Gruppen einteilen, wobei nur die erste Gruppe in dem auf unmittelbare Gewässerbenutzung gerichteten Interesse des Wasserrechts liegt: Die Direkteinleiter verbringen nämlich das anfallende Abwasser unmittelbar in ein Gewässer; die Indirekteinleiter führen dieses demgegenüber zunächst der Abwasseranlage eines Dritten zu, über die es dann schließlich in die Vorflut (direkt) eingeleitet wird. Die Regelung der Rechtsbeziehungen zwischen dem Betreiber einer öffentlichen Kläranlage und den angeschlossenen Indirekteinleitern obliegt dem Kläranlagenbetreiber selbst. Diese Seite der Abwasserbeseitigungspflicht ist wasserrechtlich nicht determiniert 88 . Die rechtlichen und technischen Anforderungen der Einleitungen regeln für Direkteinleiter § 7a Abs.l S.3 WHG i.V.m. AbwHerkV sowie Abwasserverwaltungsvorschriften bzw. Anhänge zur Rahmen-Abwasser-VwV; für Indirekteinleiter ergeben sie sich aus §§ 7a Abs.3 WHG, 59 LWG NW i.V.m. VGS. 83
Nisipeanu, Abwasserrecht, S.201; Gieseke u.a., § 18a WHG, Rn.15, 25; Honert/ Rüttgers, § 53 LWG NW, Erl.l, 2; Rüttgers, ZfW 1987, S.4, 6. 86 BVerwG, NVwZ 1987, 789 (790). 87 Rahmann, S.200. 88 Henseler, DVB1.1981, S.668.
. Der organisationsrechtliche Rahmen
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An die Direkteinleitung knüpft die Abwasserabgabenpflicht nach § 9 Abs. 1 AbwAG an, wobei die entsorgungspflichtigen Gemeinden die Abwasserabgabe nach § 65 Abs.l L W G N W i.V.m. K A G NW als Kostenfaktor aus dem Betrieb der Entwässerungsanlagen vollständig auf die Kanalbenutzer abwälzen können 89 .
a) Nordrhein-Westfalen Die grundsätzliche Verknüpfung der Gewässerbenutzung mit der Abwasserbeseitigung zeigt sich in dem zwingenden Verbot des §52 Abs.l S.l Buchst, c LWG NW, wonach eine Gewässerbenutzung durch Einleiten von Abwasser nicht erlaubt werden darf, wenn und soweit sie „der ordnungsgemäßen Erfüllung der Abwasserbeseitigungspflicht" widerspricht. Adressat einer Einleitererlaubnis soll deshalb nur sein können, wer auch entsorgungspflichtig ist 9 0 . Allein aus der Übertragung der Entsorgungspflicht auf die Kommunen ergibt sich noch nicht deren Recht, Abwasser in ein Gewässer einzuleiten. Die dafür notwendige Erlaubnis ist vielmehr gemäß § 7 WHG i.V.m. § 25 LWG NW nach wasserrechtlicher und wasserwirtschaftlicher Prüfung bei der oberen Wasserbehörde gesondert einzuholen. Da sie die ordnungsgemäße Erfüllung der Abwasserbeseitigungspflicht voraussetzt, muß vor der Erlaubniserteilung feststehen, wer im einzelnen Träger der Abwasserbeseitigungspflicht ist 9 1 . Aus diesem Zusammenhang können sich bei einer Privatisierung Schwierigkeiten ergeben, weil ein privatrechtlicher Betreiber einer Kläranlage nicht abwasserbeseitigungspflichtig ist, so daß ihm auch die Einleitererlaubnis nicht erteilt werden können soll.
b) Sachsen Natürlich bedarf auch in Sachsen die Gewässerbenutzung einer Gestattung. Mit Ausnahme des am nordrhein-westfalischen Wasserrechts orientierten § 65 Abs.l Nr.3 BbgWG enthalten die Wassergesetze der neuen Bundesländer aber keine dem § 52 Abs.l S.l Buchst.c LWG NW entsprechende Regelung, so daß sich insofern die Frage nach der Begründbarkeit des angeblichen Zusammen-
89
S.i.e. Hengeler, DVB1.1981, S.672f. OVG Münster StuGR 1981, 355 (356); Gieseke u.a., § 18a WHG, Rn.13; ATVFachausschuß 4.2, KA 1995, S.449. 91 Honert/Rüttgers, § 53 LWG NW, Erl. 1; Rüttgers, ZfW 1987, S.4. 90
4 Brüning
2. Teil: Die Abwasserbeseitigung
50
hangs zwischen Einleitererlaubnis und Abwasserbeseitigungspflicht stellt. Dazu behauptet der ATV-Fachausschuß 4.2 lapidar, der Grundsatz gelte auch in Ländern ohne ausdrückliche Regelung, weil der Sinn der Bestimmung, nämlich den steigenden Anforderungen an die Abwasserbeseitigung gerecht zu werden, abwasserrechtlich landesübergreifend sei 92 . Das ist indes höchst fraglich und erfordert im Zusammenhang mit einzelnen Privatisierungsmodellen eine genauere Untersuchung 93 .
5. Nichterfüllung der Abwasserbeseitigungspflicht Entscheidendes Gewicht hat in Nordrhein-Westfalen §52 Abs.l S.l Buchst, c LWG NW, welcher nicht nur den Maßstab für die Versagung wasserrechtlicher Einleitererlaubnisse in Gewässer, sondern auch für deren Widerruf bildet, wie die §§ 7 Abs.l WHG, 25 Abs.2 S.l a LWG NW i.V.m. 48£f VwVfG NW zeigen. In Sachsen kann § 17 N r . l SächsWG, der auf entgegenstehende Gründe der Wasserwirtschaft Bezug nimmt, ähnliche Bedeutung zukommen. In jedem Fall verursacht die Aufhebung der Einleitergestattung für die betroffene Gemeinde faktisch einen Stillstand jeglicher städtebaulichen Entwicklung aufgrund des Zusammenhangs mit der Erschließung und erfordert eine anderweitige Abwasserentsorgung für die vorhandene Bausubstanz. Bei Zuwiderhandlungen gegen die nicht erteilte bzw. widerrufene Abwassereinleitererlaubnis drohen darüber hinaus ordnungswidrigkeiten- und strafrechtliche Konsequenzen, weil die stattfindenden Einleitungen zu unbefugten i.S.d. §§ 41 Abs.l N r . l WHG, 324 StGB werden 94 . Daneben besteht die haftungsrechtliche Verantwortung des § 22 WHG. Schließlich kann die ungenehmigte Abwassereinleitung durch Ordnungsverfügung und Mittel des Verwaltungszwangs unterbunden werden. Gegen entsorgungspflichtige Körperschaften steht daneben das Instrumentarium der Kommunalaufsicht gemäß §§ 116ff GO NW zur Verfügung, um die Erfüllung der Abwasserbeseitigungspflicht zu erreichen 93 .
92 93 94 93
ATV-Fachausschuß 4.2, KA 1995, S.449. S.u. 4.Teil. Β. Π. Nisipeanu, Abwasserrecht, S.205. Nisipeanu, Abwasserrecht, S.206.
Α. Der organisationsrechtliche Rahmen
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6. Strafrechtliche Verantwortlichkeit Den Amtswaltern der abwasserbeseitigungspflichtigen Körperschaft ist die Ordnungswidrigkeiten- (§ 41 WHG) und strafrechtliche (§ 324 StGB) Verantwortung für eine schadlose Abwasserbeseitigung zugewiesen.
a) Grundfälle Unter dem strafrechtlichen Gesichtspunkt lassen sich zwei Fallgruppen unterscheiden: Zu den sog. „Betreiberfallen" zählen alle Amtsträger, die im kommunalen Bereich für den Betrieb von öffentlichen Anlagen wie Kanalisation und Klärwerken zuständig und verantwortlich sind und dabei Abwässer in den Vorfluter einleiten, die das Gewässer verunreinigen. Sie sind dann wie jeder private Anlagenbetreiber unmittelbare Adressaten der Umweltstraftatbestände der §§ 324, 326 StGB. Eine Strafbarkeit aufgrund aktiven Tuns, z.B. durch Einleiten der von den Eigentümern in die kommunale Kanalisation übernommenen Abwässer, scheidet bis zur Herbeiführung eines verwaltungsrechtmäßigen Zustandes allerdings dann aus, falls eine rechtmäßige Verhaltensalternative fehlt 96 . Denn auch wenn ungenügende Reinigungskapazitäten der öffentlichen Kläranlagen bestehen, weil sich eine neue Anlage erst in Bau befindet, besteht die Abwasserbeseitigungspflicht der Gemeinde fort. Unterläßt sie zur Vermeidung der Gewässerverschmutzung die Einleitung in den Vorfluter, verstößt sie gegen die ihr auferlegte Handlungspflicht. Im Falle einer solchen Pflichtenkollision ist der zuständige Amtswalter über § 34 StGB gerechtfertigt 97 . Die für eine Unterlassungstäterschaft notwendige Garantenstellung wird aus der Sachherrschaft über gefahrliche Objekte und der Verantwortung für bestimmte Gefahrenquellen begründet (Überwachergarant) 98. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang die im einzelnen umstrittene Verwaltungsakzessorietät des (Umwelt-)Strafrechts. Was verwaltungsgesetzlich zulässig oder verwaltungsbehördlich gestattet und nicht nichtig ist, kann unabhängig von der Rechtmäßigkeit nicht zu einer Strafbarkeit i.S.d. §§ 324ff StGB führen. Das Verhalten des Empfangers einer verwaltungsbehördlichen begünstigenden Einzelfallentscheidung wird bis zur Rücknahme oder zum Widerruf der zu Unrecht ausgesprochenen oder fehlerhaft gewordenen Gestattung nicht unbefugt 99 . Der Adressat kann sich auf sie berufen, wenn er unter ihrem
96 97 98 99
4*
BGH, NJW 1992, 3247 (3249). Sc/w//, S.720. Michalke, S.1694. OLG Frankfurt/M., NJW 1987, 2753 (2756).
2. Teil: Die Abwasserbeseitigung
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Schutz strafrechtlich relevante Umweltbeeinträchtigungen verursacht, soweit nicht der Ausnahmefall des Rechtsmißbrauchs die Rechtfertigung aufhebt 100 . In die zweite Fallgruppe fallen im wesentlichen Amtsträger in den verwaltungsrechtlichen Genehmigungs- oder Überwachungsbehörden. Sie sollen für die rechtswidrigen Umweltverletzungen Dritter strafrechtlich verantwortlich sein, wenn sie wissentlich entweder eine rechtswidrige Genehmigung erteilen, eine solche nicht zurücknehmen oder es generell unterlassen, die Umweltbeeinträchtigungen Dritter zu verhindern 101 . In den beiden ersten Varianten scheidet eine Strafbarkeit allerdings immer dann aus, wenn sich die vom Amtsträger getroffene Entscheidung innerhalb des verwaltungsrechtlichen Beurteilungsspielraums hält, und zwar auch bei fehlerhafter Zuständigkeit, Form oder Begründung 102 . Eine Unterlassungstäterschaft ist vorliegend problematisch und kann nur entstehen, wenn diesen Amtsträgern der umfassende Schutz für die ihnen durch die Umweltgesetze anvertrauten Umweltgüter aufgebürdet wird, sie also Beschützergaranten sind 1 0 3 . Obwohl hier schon die mittelbare Täterschaft des Amtsträgers durch Erteilung einer fehlerhaften Genehmigung höchst problematisch ist 1 0 4 , hat der BGH in bezug auf die zweite Fallgruppe die strafrechtliche Verantwortlichkeit erheblich ausgeweitet, indem er einen nur verwaltungsintern beratend tätig gewordenen Amtsträger mit dem förmlich zur Entscheidung berufenen gleichgesetzt hat 1 0 3 . Das ist vor allem deshalb auf Kritik gestoßen, weil die zentrale Frage nach dem tatbeherrschenden Beitrag des Amtsträgers im Hinblick auf die bejahte umweltgefährdende Abfallablagerung nicht zureichend beantwortet worden ist 1 0 6 . Durch diese Entscheidung werden die bisher anerkannten Grenzen der Strafrechtsfiguren der mittelbaren Täterschaft und der Mittäterschaft gesprengt und das Tatherrschaftskriterium ausgehebelt. Trotzdem ist das Urteil für die Verwaltungspraxis von großer Bedeutung 107 .
100 101 102 103 104 103 106 107
So zusammenfassend Knopp, S.677 m.w.N. Schall, S.720. OLG Frankfurt/M., NJW 1987, 2753 (2756f). Dazu insgesamt kritisch Michalke, S. 1694. Vgl. insoweit ablehnend Schall, S.721 m.w.N. Vgl. BGH, DÖV 1994, 693f. Michalke, S. 1697; Knopp, S.682f, mit ausführlicher Begründung. Knopp, S.683f.
. Der organisationsrechtliche Rahmen
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b) Ausweitungen der Rechtsprechung Wenn die Gemeinde selbst Direkteinleiter ist und ihre Amtsträger für den Betrieb der Anlagen verantwortlich sind, stellte sich bislang regelmäßig die Frage strafrechtlicher Verantwortlichkeit nur in Verbindung mit der ersten Fallgruppe. Der BGH ist darüber jedoch hinausgegangen und hat einen Bürgermeister in Unterlassungstäterschaft wegen Nichteinschreitens gegen rechtswidrige Gewässerverunreinigungen Dritter verurteilt. Dieser Ansatz gehört systematisch in die zweite Fallgruppe. Im entschiedenen Fall hatte der verurteilte Amtsträger die noch nicht an die in Bau befindliche Kläranlage angeschlossenen Grundstückseigentümer nicht mit Verwaltungszwang daran gehindert, ihre widerrechtliche Zuführung von ungereinigten Abwässern in die alte gemeindliche Kanalisation aufzugeben, wodurch der Vorfluter verschmutzt wurde 108 . Die für den Unterlassungstatbestand notwendige (Beschützer-)Garantenstellung leitet das Gericht aus der Pflicht der Gemeinde zur Abwasserbeseitigung ab, die auch das in den Landeswassergesetzen normierte Minimierungsgebot, d.h. das Gebot einer schadlosen Entsorgung, umfasse. Im Rahmen ihrer besonderen Pflichtenstellung sei es insbesondere die Pflicht der Gemeinde, die Gefahrenquelle in Gestalt des in den Vorfluter fließenden Abwassers so zu beherrschen, daß der Schutz gegen Gewässerverunreinigungen soweit wie möglich gewährleistet sei. Diese verwaltungsrechtliche Pflicht zur Abwendung von Gefahren für die Gewässerbeschafifenheit finde ihren Niederschlag in den gesetzlichen Regelungen der §§ 18a Abs.l S.l; l a Abs.l, 2; 7a Abs.l S.l WHG sowie des LWG, diene zumindest auch dem Schutz des in § 324 StGB strafbewehrten Rechtsguts der Gewässerreinheit und stimme daher mit dem strafrechtlichen Normgebot überein. Die gemeindliche Pflicht reiche dabei so weit, wie die verunreinigenden Einwirkungen auf das Gewässer verwaltungsrechtlich unstatthaft, d.h. nicht durch eine entsprechende Erlaubnis der Wasserbehörde gedeckt seien, und könne sich zu einem Handlungsgebot verdichten 109 . Damit legt der BGH das Prinzip der Verwaltungsakzessorietät zugrunde und bestimmt danach den Umfang der gemeindlichen Pflicht 110 : Den Bürgermeister als Organ der zuständigen Gemeinde treffe eine Einstandspflicht zur Wahrung des aufgezeigten Pflichtenkreises. Denn ihm obliege die Dienstpflicht zur Wahrnehmung seines Amtes und damit zugleich die Verpflichtung, für die Erfüllung des Handlungsgebots zu sorgen, das die Stadt zu befolgen habe. Die dazu notwen-
108 109 110
BGH, NJW 1992, 3247 (3249). BGH, NJW 1992, 3247 (3249f). Knopp, S.678.
2. Teil: Die Abwasserbeseitigung
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digen Maßnahmen fielen in seine Zuständigkeit, weil er als Leiter der städtischen Verwaltung für den Vollzug der Abwassersatzung verantwortlich sei 111 . Damit wird der Bürgermeister in demselben Maße zu einem von Gesetzes wegen Verpflichteten für die Umwelt in Gestalt der Gewässer, wie dies bisher hauptsächlich für die Amtsträger der Aufsichts- und Genehmigungsbehörden gegolten hat 1 1 2 . Im Ergebnis führt die Entscheidung dazu, daß sich die kommunalen Amtsträger selbst bei der Abwasserbeseitigung in Eigenregie strafbar machen, wenn ein Bürger sich nicht an die der Gemeinde erteilte Einleitererlaubnis hält und die Amtsträger dagegen nicht einschreiten 113 . Anders als bei den Überwachungs- und erst recht den allgemeinen Polizei- und Ordnungsbehörden wird hier ausnahmsweise eine gesteigerte Pflichtenstellung für den Bestand und die Sicherheit des ökologischen Rechtsguts geschaffen, die den zuständigen Amtsträger als Beschützergaranten in die strafrechtliche Verantwortung nimmt 1 1 4 . Darüber hinaus hat diese Rechtsprechung Ausstrahlungswirkung auf Modelle, in denen die Gemeinde private Dritte mit der Durchführung der Entsorgung beauftragt. Unabhängig von der strafrechtlichen Verantwortung der privaten Betreiber bleiben die gemeindlichen Amtsträger Beschützergaranten. Diese auf Gesetz beruhende Garantenstellung für die schadlose Abwasserbeseitigung führt insbesondere dazu, daß sich die Amtsträger nicht darauf berufen können, die Aufgabe delegiert zu haben, wie dies bei Überwachergaranten möglich ist 1 1 3 . Das unterstreicht der BGH, wenn er betont, daß WHG und LWG eine umfassende Alleinzuständigkeit der Gemeinden für die Abwasserbeseitigung begründet hätten 116 .
ΠΙ. Kommunalrechtliche Determinanten Wie die bisherige Darstellung gezeigt hat, bedarf die Abwasserbeseitigung zur rechtmäßigen Wahrnehmung eines ortsrechtlichen Gestaltungsrahmens 117.
111
BGH, NJW 1992, 3247 (3250). Michalke, S.1694. 113 Michalke, S.1695. 114 Schall, S.723, der insgesamt dieser Lösung zustimmt. 113 Michalke, S.1695, mit einer ablehnenden Würdigung dieser Garantenstellung. 116 BGH, NJW 1992, 3247 (3249). 117 So Cronauge, StuGR 1984, S.136, bzgl. der Entsorgung von Grundstücksentwässerungsanlagen; Gieseke u.a., § 18a WHG, Rn.17. m
. Der organisationsrechtliche Rahmen
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1. Die öffentliche Einrichtung Das Kernstück der kommunalen Daseinsvorsorge bildet die im Anschluß an § 17 DGO von 1935 in § 8 Abs. 1, 2 GO NW bzw. §§ 2 Abs. 1,10 Abs.2 SächsGemO geregelte öffentliche Einrichtung. Da das sächsische Gemeinderecht insoweit (noch) keine Besonderheiten aufweist und das Kommunalsachenrecht insgesamt eine vergleichsweise homogene Ausgestaltung in den Ländern gefunden hat, wird hier exemplarisch das nordrhein-westfalische Einrichtungsrecht herangezogen.
a) Die Widmung Eine Einrichtung besteht aus einem bloßen Verwaltungsapparat, einer organisatorisch verfestigten Zusammenfassung von persönlichen und sächlichen Mitteln; umfaßt sind in der Regel viele einzelne Gegenstände, die für sich den Status öffentlicher Sachen haben können. Konstituierend für die öffentliche Einrichtung ist die Widmung, die den besonderen öffentlichen Zweck festlegt, dem die Personen-/Sachgesamtheit auf Dauer zu dienen bestimmt ist 1 1 8 , und die Einrichtung der allgemeinen Benutzung durch die Einwohner zugänglich macht, sei es aufgrund freier Entschließung, sei es im Rahmen eines Benutzungszwangs119 . Fehlt eine Widmung, liegt keine öffentliche Einrichtung, sondern eine Privateinrichtung der Gemeinde vor, die nicht dem kommunalrechtlichen Nutzungsanspruch der Einwohner ausgesetzt ist und nicht dem öffentlich-rechtlichen Regime unterliegt 120 . Die Wirksamkeit des Rechtsaktes der Widmung hängt nicht von der Einhaltung bestimmter Formen ab 1 2 1 . Vielmehr richtet sich das Verfahren aufgrund der Formfreiheit der Widmung nach der Rechtsform. So kann die Widmung durch Satzung oder (dinglichen) Verwaltungsakt i.S.d. § 35 S.2 VwVfG NW, ausdrücklich oder konkludent erfolgen. Indizien wie die bisherige Zulassungspraxis, die Gebührenerhebung oder die Benutzung in Formen des öffentlichen Rechts tragen den Schluß auf das Vorliegen einer Widmung durch schlüssiges Verhalten. Fehlt es auch an Indizien, spricht eine Vermutung für eine öffentliche Einrichtung, wenn sie für die Allgemeinheit nutzbar ist 1 2 2 . Durch eine zweifelhafte Rechtsformenwahl kann sich die Gemeinde nicht ihren öffentlichrechtlichen Bindungen entziehen; vielmehr gehen Zweifel daran, ob das kom118 119 120 121 122
Salzwedel, in: Erichsen (Hrsg.), § 40, Rn.l; Erichsen, JURA 1986, S.149. Gern, Rn.528. Axer,SA45. Tettinger, Bes. Verwaltimgsrecht, Rn. 122. Axer , S. 146; Ossenbühl, DVB1.1973, S.290.
2. Teil: Die Abwasserbeseitigg
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munalrechtliche Normenregime anwendbar ist nach den Regeln der materiellen Beweislast zu Lasten der Kommune 123 . Der zugrundeliegende Zweck ist stets die Daseinsvorsorge, d.h. die Befriedigung der menschlichen Bedürfnisse zu sozial angemessenen Bedingungen 124 . Die öffentliche Einrichtung dient der Daseinsvorsorge, doch findet diese nicht ausschließlich in der Form der öffentlichen Einrichtung statt 123 . Der Begriff der Einrichtungen i.S.d. § 8 Abs.l GO NW umfaßt sowohl Einrichtungen zu Erfüllung freier und Pflichtiger Selbstverwaltungsaufgaben als auch von Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung 126 . Demgemäß finden sich auf zahlreichen gemeindlichen Betätigungsfeldern öffentliche Einrichtungen, typische Beispiele sind die Wasserversorgung und die Abwasserbeseitigung 127. Der Begriff der „öffentlichen Abwasseranlage" im LWG NW hat vor allem eine abgrenzende Funktion gegenüber einer „privaten" Abwasseranlage und schafft die Verbindung zum öffentlichen Sachenrecht 128. § 51 Abs.3 S.2 LWG NW stellt insoweit klar, daß eine Abwasserbehandlungsanlage zur öffentlichen Anlage wird, wenn sie dem allgemeinen Gebrauch dient, d.h. dafür gewidmet ist. Diese öffentlich-rechtliche Zweckbestimmung i.S.v. Gemeinwohlbindung kann ausdrücklich, aber auch tatsächlich, d.h. unmittelbar durch den Gebrauch der Anlage erfolgen 129 . Zu den Abwasseranlagen i.S.d. § 51 Abs.3 S.l LWG NW zählen zunächst die Anlagen für Abwassersammlung und -transport, insbesondere die Grundstücksanschlüsse, das Kanalnetz (Haupt- und Nebensammler), Pumpwerke, Regenentlastungsanlagen sowie Regenrückhaltebecken. Sodann kommen die Anlagen für die Abwasserbehandlung hinzu, vor allem Regenwasserbehandlungsanlagen und Kläranlagen einschließlich der Schlammbehandlung. Dem nicht zuzuordnen sind Straßenentwässerungsanlagen des Eigentümers eines Straßengrundstücks und Hauskläranlagen, Vorbehandlungs- sowie Abwasserverrieselungs- bzw. Verregnungsanlagen 130. Alle diese Gegenstände für die Entwässerung der Grundstücke, auch die Entsorgung der Grundstücksentwässerungsanlagen sowie der Anschluß an die öffentliche Abwasseranlage mittels Kanalisation können demgemäß eine öf-
123 124 123 126 127 128 129 130
Spannowsky, GewArch 1995, S.269. Vgl. Forsthoff,; S.26f. Erichsen, JURA 1986, S.148. Kottenberg/Rehn/Cronauge, § 18 GO NW a.F., Erl.1.3. Raubali u.a., § 18 GO NW a.F., Rn.l. Nisipeanu, S.453. Nisipeanu, S.454. BMU, Leitfaden, S.28.
. Der organisationsrechtliche Rahmen
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feniliche Einrichtung darstellen 131 . Folgerichtig ist der Begriff „öffentliche Abwasseranlage" weiter als derjenige der „öffentlichen Kanalisation" in § 58 Abs.3 S.2 LWG NW, welcher nur die Kanalisationsanlagen umfaßt, die der Abwasserentsorgung der Allgemeinheit dienen, d.h. die das Abwasser von Grundstücken ableiten, deren Eigentümer oder Nutznießer jederzeit wechseln können 132 .
b) Zulassung zur Benutzung und Benutzung öffentlicher Einrichtungen Der Begriff der öffentlichen Einrichtung bildet die organisatorisch überhaupt nicht verfestigte Umschreibung aller Leistungsangebote der Kommunen im Bereich der Daseinsvorsorge für die Bevölkerung 133 . Von der Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses im einzelnen zu unterscheiden ist das subjektiv-öffentliche Recht auf die Zulassung zur öffentlichen Einrichtung, das nicht unmittelbar auf die Benutzung gerichtet ist 1 3 4 . Zwischen Anspruch und Benutzung durch den Einwohner steht ein Rechtsakt, die Zulassung, die meist in Form eines (konkludenten) Verwaltungsakts erfolgt. Dadurch ist es möglich, § 8 Abs.2 GO NW unabhängig von der Form der Benutzung und der rechtlichen Ausgestaltung der Benutzungsverhältnisse immer einheitlich als öffentlich-rechtliche Anspruchsgrundlage anzusehen133. Das Einrichtungsrecht räumt in § 8 Abs.2 GO NW den Einwohnern der Gemeinde eine lediglich obligatorische Rechtsposition ein: Ist der Benutzer einmal zugelassen, kann er die Einrichtung nach Maßgabe der Benutzungsordnung beanspruchen, ohne daß ihm ein unmittelbarer sachenrechtlicher Zugriff auf bestimmte Gegenstände verschafft wäre 136 . Die Widmung hat für die Nutzung der öffentlichen Einrichtung die Bedeutung einer Anspruchsvoraussetzung. Indem sie die Eigenschaft der Einrichtung als öffentlich festlegt, eröffnet sie den kommunalrechtlichen Benutzungsanspruch. Zugleich begrenzt sie ihn, da eine Einrichtung nur so weit öffentlich ist, wie der in der Widmung ausgedrückte Zweck reicht 137 . 131
Hamberger, S.247; Cronauge, StuGR 1984, S.137. Nisipeanu, S.455. 133 Cronauge, Kommunale Unternehmen, Rn.43. 134 Gern, Rn.536f; Kottenberg/Rehn/Cronauge, § 18 GO NW a.F., Erl.II.2. 133 So die „Zwei-Stufen-Theorie" der Rspr., vgl.z.B. BVerwG, NVwZ 1991, 59; dazu kritisch Axer, S. 170f; ν. Danwitz, S.2. 136 Salzwedel, in: Erichsen (Hrsg.), § 40, Rn.2. 137 Statt vieler: Herdegen, DÖV 1986, S.907. 132
2. Teil: Die Abwasserbeseitigg
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c) Anschluß- und Benutzungszwang sowie Benutzungsentgelt § 9 GO NW gibt den Gemeinden die Befugnis, für die Grundstücke ihres Gebietes durch Satzung einen Anschluß- und Benutzungszwang hinsichtlich bestimmter Einrichtungen zu statuieren; der Gesetzeswortlaut des § 9 S.l GO N W 1 3 8 nennt die Kanalisation ausdrücklich. Tatbestandlich setzt die Anordnung eines Anschluß- und Benutzungszwanges unabhängig von der Organisationsform der öffentlichen Einrichtung voraus, daß sie der Volksgesundheit dient. Der Anschlußzwang beinhaltet, daß jeder, für dessen Grundstück das Gebot des Anschlusses besteht, die zu seiner Herstellung notwendigen Vorkehrungen auf seine Kosten treffen muß 1 3 9 . Die Benutzung der öffentlichen Einrichtung setzt eine besondere Zulassung voraus. Das subjektiv-öffentliche Recht ist nicht unmittelbar auf Benutzung, sondern auf deren Zulassung gerichtet 140 . Der Benutzungszwang schließt aber einen entsprechenden Rechtsanspruch ein, wenn die Benutzungsbedingungen erfüllt sind 1 4 1 , d.h. er berechtigt und verpflichtet zur tatsächlichen Inanspruchnahme der Einrichtung und verbietet zugleich die Benutzung anderer ähnlicher Einrichtungen 142 . Die Abwasserbeseitigung stellt eine kostenrechnende Einrichtung dar, d.h. sie wird ganz oder teilweise aus Entgelten finanziert („Kostendeckungsgebot") 1 4 3 . Die voraussichtlichen Kosten der Einrichtung stellen für die Gebührenkalkulation die absolute Obergrenze dar („Kostenüberschreitungsverbot"); insofern bildet aber nicht die Höhe der konkreten Einzelgebühr den Bezugspunkt, sondern deren Summe im Vergleich zu den kalkulatorisch zu erfassenden Kosten der Einrichtung insgesamt 144 . Prinzipiell bleibt es dem öffentlichrechtlichen Einrichtungsträger überlassen, ob die öffentliche Einrichtung gegen Entrichtung einer Benutzungsgebühr auf der Grundlage des jeweiligen Kommunalabgabenrechts oder gegen Zahlung eines vergleichbaren privatrechtlichen Entgelts den Benutzern zur Verfügung gestellt wird 1 4 3 .
138
Ebenso z.B. §§ 14 Abs.l SächsGO, 11 Abs.2 GO BW, 8 NdsGO, Art. 24 Bay-
GO. 139
Gern, Rn.599. Kottenberg/Rehn/Cronauge y § 18 GO NW a.F., Rn.n 3. 141 Salzwedel, in: Erichsen (Hrsg.), § 41, Rn.10; Krieger, S.71. 142 Krieger, S.71; Gern, Rn.599. 143 Wais, S.184, Fßn.17. 144 Tettinger, NWVB1.1996, S.88. 143 Cronauge, Kommunale Unternehmen, Rn.54; Tettinger, NWVB1.1996, S.88; vgl. i.e. zu den Rechtsfragen der Gebühren und Entgelte für Entsorgungsleistungen Wiesemann, in: Tettinger, Public-Private-Partnerships, S. 8 Iff. 140
. Der organisationsrechtliche Rahmen d) Pflicht zur Schaffung öffentlicher
59
Einrichtungen?
Im Bereich der freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben haben die Gemeinden ein Recht zur Schaffung und Unterhaltung von Einrichtungen zur Daseinsvorsorge, sind aber dazu nicht verpflichtet 146 . Die Regelung des § 8 Abs. 1 GO NW beschreibt angesichts des Vorbehalts der Leistungsfähigkeit und Erforderlichkeit eine Aufgabe der Gemeinde und beläßt zugleich die Entscheidung über deren Wahrnehmung in der gemeindlichen Verantwortung 147 . Eine Verpflichtung zur Errichtung oder Beibehaltung öffentlicher Einrichtungen besteht nur, wenn es spezialgesetzlich vorgeschrieben ist, wie für die Durchführung gemeindlicher Pflichtaufgaben gemäß § 3 Abs. 1 GO NW, zu denen beispielsweise Kanalisation und Brandschutz zählen 148 . Dann hat die Gemeinde kein Ermessen, sondern muß diese Aufgaben notfalls unter Zurückstellung anderer für wichtig befundener Projekte und unter äußerster Anspannung der Gemeindefinanzen erfüllen 149 . Denn das Selbstverwaltungsrecht enthält für die Gemeinden zugleich die gesetzliche Pflicht, jedenfalls die Einrichtungen zu schaffen, die eine hinreichende Erfüllung ihrer Aufgaben sichern 130 . Ihre Schaffung kann aufsichtsbehördlich erzwungen werden 131 . Die Beseitigungspflicht der Gemeinden schließt ihre Verpflichtung ein, alle Möglichkeiten zu nutzen, sich auf legale Weise in den Besitz des zu entsorgenden Abwassers zu bringen. Einerseits setzt die Besitzverschaffung die Existenz kommunaler Einrichtungen voraus, die das Einsammeln des angefallenen Abwassers ermöglichen. Andererseits müssen die Abwasserbesitzer durch die Anordnung eines Anschluß- und Benutzungszwanges angehalten werden, diese vorhandenen Sammeleinrichtungen tatsächlich zu benutzen. Das Ausmaß des Anschluß- und Benutzungszwangs wird in bezug auf den persönlichen Anwendungsbereich vom Umfang der Abwasserbeseitigungspflicht bestimmt. Satzungsrechtlich hat das LWG NW der Gemeinde keinerlei Möglichkeit zur Steuerung der Benutzerzahl kommunaler Entwässerungseinrichtungen eingeräumt 132 . Umgekehrt sind die Gemeinden in Nordrhein-Westfalen nicht berechtigt, einen bestehenden Anschluß- und Benutzungszwang aufzuheben, soweit sie noch zur Entsorgung von Abwasser verpflichtet sind 1 3 3 . 146
Wolff/Bachof, Bd.3, Rn.60; Rauball u.a., § 18 GO NW a.F., Rn.2. Erichsen, Kommunalrecht, S.217. 148 OVG Rh-Pf., DVB1.1985, 176 (177); Rauball u.a., § 18 GO NW a.F., Rn.2; Erichsen, JURA 1986, S.152; ders., Kommunalrecht, S.217; Axer, S. 147. 149 Gern, Rn.533; Tettinger, Bes. Verwaltungsrecht, Rn.126. 130 Kottenberg/Rehn/Cronauge, § 3 GO NW a.F., Erl.IL2. 131 Kottenberg/Rehn/Cronauge, § 3 GO NW a.F., Erl.1.2. 132 Henseler, Abwasserrecht, S.232; Nisipeanu, S.200. 133 Henseler, Abwasserrecht, S.241. 147
2. Teil: Die Abwasserbeseitigung
60
Somit ergibt sich der zwingende Schluß von der Aufgabenpflicht auf die Pflicht zur Schaffung öffentlicher Einrichtungen, für die in Nordrhein-Westfalen ein Anschluß- und Benutzungszwang angeordnet werden muß 1 3 4 . Schließlich bestätigt § 107 Abs.2 N r . l GO NW, daß aus der Aufgabenpflicht die Pflicht zur Errichtung einer öffentlichen Einrichtung folgt. Wenn in dieser Vorschrift auf den Betrieb von „Einrichtungen, zu denen die Gemeinde gesetzlich verpflichtet ist," rekurriert wird, kann damit nur Bezug auf gesetzliche Aufgabenzuweisungsnormen genommen sein, da es kein Gesetz gibt, das ausdrücklich die Schaffung einer öffentlichen Einrichtung verlangt. § 107 Abs.2 Nr.3 GO NW hat insoweit nur klarstellenden Charakter, da beispielsweise die Abwasserbeseitigung dem § 88 Abs.2 Nr. 1 GO NW a.F. subsumiert wurde, der § 107 Abs.2 Nr. 1 GO NW entspricht.
e) Anspruch auf Schaffung öffentlicher
Einrichtungen?
Das Benutzungsrecht des Einwohners hat zur Voraussetzung, daß in der Gemeinde eine bestimmte öffentliche Einrichtung überhaupt vorhanden ist. Der Gemeinde steht als Ausfluß ihrer Selbstverwaltungshoheit aber grundsätzlich frei, ob sie eine bestimmte öffentliche Einrichtung schaffen will, so daß nicht auf ein subjektiv-öffentliches Recht des Einwohners auf Errichtung einer bestimmten Einrichtung rückgeschlossen werden kann 1 3 5 . An einem klagbaren Anspruch der einzelnen Bürger auf Schaffung und Erweiterung öffentlicher Einrichtungen durch die Gemeinde fehlt es auch, soweit es sich um Pflichtaufgaben handelt. Etwas andere gilt nur bei Pflichten, die ausnahmsweise auch im Interesse des einzelnen Einwohners liegen. Die Einzelfallprüfung wird regelmäßig ergeben, daß das entsprechende Pflichtgesetz dem Einwohner kein subjektiv-öffentliches Recht einräumen w i l l 1 3 6 . So besteht die gemeindliche Abwasserbeseitigungslast nicht im Interesse der Abwasserproduzenten und -besitzer 137 . Vielmehr schließt § 53 Abs.l S.l LWG NW als Aufgabenübertragungsnorm i.S.d. § 3 Abs. 1 GO NW nur die Lücke in § 8 Abs.l GO NW, wonach der Gemeinde allein aus der Ermächtigung zur Schaffung von Einrichtungen im Bereich der Daseinsvorsorge noch keine entsprechende Verpflichtung erwächst 138 . Es bleibt damit bei dem Anspruch auf Benutzung, der das Pendant zum Anschluß- und Benutzungszwang bildet.
134 133 136 137 138
So auch Cronauge, StuGR 1984, S.137. OVGRh.-Pf., DVB1.1985, 176 (177); Tettinger, Bes. Verwaltungsrecht, Rn.126. Gern, Rn.534; Rauball u.a., § 18 GO NW a.F., Rn.3. Vgl.o. 2.Teil. Α. Π. 3. Rüttgers, StuGR 1981, S.348.
. Der organisationsrechtliche Rahmen
61
2. Wirtschaftliche und nichtwirtschaftliche Betätigung Die Begriffe „Einrichtung", „Betrieb", „Unternehmen" sind zunächst rechtlich neutral und erhalten kommunalrechtliche Relevanz erst durch Zusätze wie „öffentlich" oder „(nicht)wirtschaftlich". Öffentliche Einrichtungen können auch wirtschaftliche Unternehmen sein; die Begriffe schließen sich nicht gegenseitig aus. Gemeindliches Leistungsrecht und gemeindliches Wirtschaftsrecht betrachten die kommunalen Aktivitäten nur aus unterschiedlichen Perspektiven139 . Die Abwasserbeseitigung stellt kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung des §107 Abs.2 S.l Nr.3 GO NW keine wirtschaftliche Betätigung i.S.d. Kommunalwirtschaftsrechts oder - wie die alte einrichtungsbezogene Betrachtungsweise formulierte - kein wirtschaftliches Unternehmen dar. In Abgrenzung zum Begriff des „Unternehmens" wird sie auch als „Einrichtung" bezeichnet 160 . Bei letzteren geht die GO NW davon aus, daß die begriffsbestimmenden Merkmale der wirtschaftlichen Betätigung, insbesondere das Handeln mit dem Ziel der Produktion und des Umsatzes von Gütern mit Gewinnerzielungsabsicht, nicht vorliegen, weshalb die Regeln über wirtschaftliche Betätigung nicht bzw. nur eingeschränkt gelten sollen. Allerdings sind auch diese Betriebe unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsmaßstabs zu führen 161 . § 97 Abs.2 N r . l SächsGemO teilt die Qualifizierung der Abwasserbeseitigung als nichtwirtschaftliches Unternehmen, weil und soweit die Gemeinde zu seinem Betrieb gesetzlich verpflichtet ist. Diese Zuordnung stellt eine Fiktion dar, die angesichts der Tatsache, daß die Wasserversorgung gemeinderechtlich als wirtschaftliche Betätigung eingestuft wird, anachronistisch anmutet. Die entgegengesetzte Qualifizierung der Abwasserbeseitigung als Hoheitsbetrieb ist nur noch aus der Tradition zu erklären und bedarf nicht zuletzt wegen der Parallelität der Bereiche einer Überarbeitung 162 . Bemerkenswert ist insoweit vor allem die betriebswirtschaftliche, technische und organisatorische Zusammenfassung von Wasserversorgung und Abwasserentsorgung in VEB WAB-Nachfolgegesellschaften. Die kommunalrechtliche Gleichbehandlung ist aber bei der Neufassung der GO NW bewußt unterblieben. Für die Einordnung der städtischen Kanalisation, Kläranlagen, Müllabfuhr oder Abfallbeseitigungseinrichtungen als hoheitliche Veranstaltung spricht
139
Schmidt-Aßmann, in: Schmidt-Aßmann (Hrsg.), l.Abschn., Rn.118; Gern, Rn.726. 160 Vgl. den Wortlaut des § 108 Abs. 1 Nr. 1 u. 2 GO NW. 161 Gern, Rn.726. 162 Krölls, S.139, Fßn.83; Schoch, DÖV 1993, S.379; Cronauge, StuGR 1995, S.45.
2. Teil: Die Abwasserbeseitigung
62
allein, daß sie nicht mit bürgerlich-rechtlichen Ansprüchen zum Erliegen gebracht werden können. Es bleibt dann allerdings nach wie vor die Frage offen, warum Einrichtungen des kommunalen Bereichs wie die Wasser- oder Energieversorgung gegenüber zivilrechtlichen Ansprüchen ungeschützt sind. Ein Argument ist möglicherweise, daß die Gefahren für die Volksgesundheit, zu deren Beherrschung die Entsorgungseinrichtungen geschaffen werden, besonders groß sind 1 6 3 . Mit der Einteilung in wirtschaftliche und nichtwirtschaftliche Betätigung ist noch nichts über deren Organisationsform gesagt. Umgekehrt ist die Rechtsform, in der das wirtschaftliche Unternehmen betrieben wird, für diese Qualifikation ohne Bedeutung. Wirtschaftliche Unternehmen können demgemäß auch Regiebetriebe ohne selbständige rechtliche Organisation sein, die von Bediensteten mit hoheitlichem Funktionsbereich mitverwaltet werden 164 . Jedoch hat die unterschiedliche Qualifikation organisationsrechtliche Auswirkungen, da beispielsweise das nordrhein-westfalische Landesrecht für die Errichtung und den Betrieb nichtwirtschaftlicher Einrichtungen offenbar geringere Zulässigkeitsanforderungen aufstellt als für wirtschaftliche Unternehmen 163 .
B. Die Organisationsmöglichkeiten Innerhalb der zwingenden Zulässigkeitsschranken besteht die Kunst der gestaltenden öffentlichen wie privaten Verwaltungsführung darin, die für eine sachgerechte Aufgabenerledigung am besten geeignete Form zu finden und anzuwenden1. Um das Ziel einer ökonomisch und ökologisch erfolgreichen Erfüllung der Abwasserbeseitigungspflicht zu erreichen, bedarf es einer Organisationsform, die fachkompetente Entscheidungen in möglichst kurzer Zeit zuläßt2. Die Rechtsform beeinflußt sowohl die Steuerung und Kontrolle der Organisation als auch deren innere Ordnung. Darüber hinaus hat sie gleichzeitig erheblichen Einfluß auf den Inhalt der zu treffenden Entscheidungen, d.h. also auf die materiellen Rechte und Pflichten der Einwohner, die mit dieser Orga-
163
Salzwedel, in: Erichsen (Hrsg.), § 42, Rn.29. BVerwGE 39, 329 (333); Gern, Rn.726; Rehn/Cronauge, Erl.n.3. 163 Schoch, DÖV 1993, S.379; Erichsen, Kommunalrecht, S.238. 1 Wolff/Bachof/Stober, Bd. 1, § 23, Rn. 13. 2 Bodanowitz, S.68f. 164
§107 GO NW,
Β. Die Organisationsmöglichkeiten nisation in Kontakt kommen 3 . Schließlich wirkt die Wahl eines bestimmten Organisationsmodells auf die Qualität der Leistung in besonderem Maße ein 4 . Als eines von mehreren Mitteln zur optimalen Sachaufgabenerledigung ist die richtige Organisationsform zwar nicht die hinreichende, wohl aber eine notwendige Voraussetzung 3.
L Typik staatlichen Handelns Wenn die mit Sammlung, Reinigung und Ableitung des Abwassers verbundenen Maßnahmen, z.B. Unterhaltung einer Kanalisation, Bau einer Kläranstalt und die Einleitung des geklärten Wassers in einen Vorfluter, als „schlicht-hoheitliche Verwaltungstätigkeit" charakterisiert werden 6 , fragt sich, was daraus folgt. Insbesondere ist wichtig, ob es sich dabei bloß um die Beschreibung von Erscheinungsformen öffentlicher Verwaltung handelt oder ob damit auch schon etwas über die Grenzen einzelner Organisationsmöglichkeiten gesagt ist. Das Merkmal „hoheitlich" wird nicht immer einheitlich verstanden. In den meisten Fällen deckt sich die Bedeutung aber mit der von „obrigkeitlich". Wenn Träger öffentlicher Verwaltung einseitig verbindlich regelnd, d.h. aufgrund ihrer Staatsgewalt abstrakt oder konkret verbietend, gebietend, entscheidend, Zwang androhend oder anwendend in die Freiheitssphäre der Verwalteten eingreifen, handeln sie obrigkeitlich 7 . Obrigkeitlich ist seinerseits nicht deckungsgleich mit Eingriffsverwaltung im Gegensatz zur Leistungsverwaltung. Denn auch wenn sie in der Hauptsache gewährend tätig wird, können Akte der Leistungsverwaltung einseitig regeln 8 . Beispielhaft ist die Gewährung entgeltlicher Leistungen, zu deren Empfang der Begünstigte durch einen Anschluß- und Benutzungszwang verpflichtet ist 9 . Der Bezugspunkt der Begriffe ist unterschiedlich: Während die Gegenüberstellung von Eingriffs- und Leistungsverwaltung die Funktion der Tätigkeit betrifft, zielt das Merkmal hoheitlich auf die Rechtsqualität des Handlungsaktes. Demzufolge ist die Dif3
Erbguth/Stollmann, S.801. Gem. RdErl. des Innen- u Umweltministers, MinBl. NW 1989, S.83; Cronauge, Kommunale Unternehmen, Rn. 119. 3 Schock, Abfallentsorgung, S.29. 6 BGH, NJW 1970, 2208 (2209); NJW 1977, 197; DVB1.1978, 108; Gieseke UM., § 18a WHG, Rn.14; Honert/Rüttgers, § 53 LWG NW, Erl.2; Rauball/Pappermann/Roters, § 2 GO NW a.F., Rn. 18. 7 Wolff/Bachof/Stober, Bd. 1, § 23, Rn.39. 8 Ehlers, in: Erichsen (Hrsg.), § 1, Rn.44. 9 Grabbe, S.24. 4
. Teil: Die Abwasserbeseitigung ferenzierung nach diesem Begriffspaar für eine Beschreibung öffentlich-rechtlichen Handelns nur begrenzt geeignet 10 . Trennschärfer ist insoweit der Begriff der Obrigkeit. Schlichte Hoheitsverwaltung umfaßt diejenige Tätigkeit der Subjekte öffentlicher Verwaltung, die zwar aufgrund öffentlichen Rechts, nicht aber obrigkeitlich erfolgt, wie z.B. die Errichtung und Unterhaltung von Einrichtungen. Schließlich kann davon noch schlichtes Verwaltungshandeln unterschieden werden, was rein tatsächliche Verwaltungstätigkeit beinhaltet. Jedenfalls ergehen auch schlicht-hoheitliche Maßnahmen in Ausübung öffentlicher Gewalt i.S.d. Art. 19 Abs.4 GG. Die öffentliche Verwaltung wird zur Gewährleistung der in schlichter Weise verfolgten Zwecke häufig mit obrigkeitlichen Befugnissen ausgestattet. Dazu zählt beispielsweise der Benutzungszwang kommunaler Einrichtungen. Auch wenn es der schlicht-hoheitlichen Verwaltung am Regelungscharakter fehlt, kann sie eingreifend wirken und einer Befugnisnorm bedürfen 11 . Das wesentliche Tatbestandsmerkmal der (schlicht-)hoheitlichen Verwaltung ist also das öffentlich- bzw. verwaltungsrechtliche Rechtsregime. Daneben steht die fiskalische Verwaltung, welche das Spektrum privatrechtlicher Erscheinungsweisen der öffentlichen Verwaltung abdeckt. Beide sind nicht isoliert zu betrachten, sondern können als die zwei Seiten derselben Medaille verstanden werden. Der Vollzug öffentlich-rechtlicher Maßnahmen kann auch nach privatrechtlichen Grundsätzen erfolgen 12 . D.h., wenn der Betrieb der von der Gemeinde errichteten und unterhaltenen Kanalisation eine Betätigung schlicht-hoheitlicher Verwaltung darstellt, steht die Gemeinde dem Grundstückseigentümer öffentlich-rechtlich handelnd gegenüber 13. Damit ist aber nicht gesagt, daß die Gemeinde schlicht-hoheitlich handeln muß. Eine Ausnahme gilt nur für die obrigkeitliche Verwaltung, weil ihr Charakteristikum die Ausübung staatlichen Zwanges ist, welche auf die Formen des öffentlichen Rechts beschränkt ist. Zwar steht hinter der Unterscheidung zwischen hoheitlicher und fiskalischer Verwaltung der klassische Unterschied zwischen der rechtlich übergeordneten Eingriffs- und Vorsorgeverwaltung ohne eigentliche Vermögensinteressen des Staates und dem scheinbar gleichgeordneten Einsatz staatlicher und kommunaler Finanzkraft für die Bedarfsverwaltung 14. Die Einordnung einer Maßnahme läßt aber tatsächlich keinen Rückschluß auf die Aufgabe zu, da
10 11 12 13 14
Wolff/Bachof/Stober, Bd.l, § 23, Rn.39. Wolff/Bachof/Stober, Bd. 1, § 23, Rn.40. Wolff/Bachof/Stober, Bd.l, § 23, Rn.41. So BGH, NJW 1970, 2208 (2209). Wolff/Bachof/Stober, Bd.l, § 23, Rn.2.
Β. Die Organisationsmöglichkeiten nur Vorhandenes beschrieben wird. Die Unterscheidung zwischen hoheitlicher und privatrechtlicher Verwaltung bezieht sich weder auf die Rechtsqualität der Aufgaben noch auf die Zulässigkeit der Mittel zu ihrer Erfüllung. Daseinsvorsorge kann theoretisch in beiden Formen betrieben werden, zu Dienstleistungen können nach Hoheitsrecht Beamte oder nach Privatrecht Angestellte herangezogen werden. Sowohl schlicht-hoheitliche Akte als auch privatrechtliche Geschäfte können mit gleichen tatsächlichen Mitteln ausgeführt werden 13 .
Π. Öffentlich-rechtliche Organisationsformen der Abwasserbeseitigung Juristische Personen des öffentlichen Rechts, d.h. rechtsfähige Körperschaften, Anstalten und Stiftungen, können gemäß §§ 18, 21 LOG NW nur durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes errichtet werden. Da es - mit Ausnahme des GkG NW - in Nordrhein-Westfalen an solchen gesetzlichen Bestimmungen zugunsten der Gemeinden fehlt, hat die einzelne Kommune in bezug auf die Abwasserbeseitigung keine Möglichkeit, juristisch verselbständigte Verwaltungsträger zu schaffen 16. Als unselbständige Verwaltungsträger kommen Regie- und Eigenbetrieb in Betracht, die große praktische Relevanz haben.
1. Der Regiebetrieb Die Urform kommunalwirtschaftlicher Betätigung ist der Regiebetrieb. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gab es praktisch keine andere Organisationsform 17 . Auch heute organisieren ca. 80 % der Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen die Abwasserbeseitigung traditionell 18 . Aufgrund ihrer Struktur werden Regiebetriebe in der Praxis regelmäßig nur für kleine Betriebseinheiten geschaffen, die keiner besonderen Selbständigkeit und Flexibilität sowie nicht der Anwendung betriebswirtschaftlicher Erkenntnisse bedürfen 19.
13
Wolff/Bachof/Stober, Bd.l, § 23, Rn.2. Ehlers, DÖV 1986, S.898; Mann, ZögU 1996, S.61. 17 Vogelsang u. α., Rn. 645. 18 Cronauge, StuGR 1995, S.46; zur Zulässigkeit des Regiebetriebs in den übrigen Bundesländern s. Bodanowitz, S.7. 19 Gern, Rn.747. 16
5 Brüning
2. Teil: Die Abwasserbeseitigung a) Kommunales Organisationsrecht Als Amt der kommunalen Gebietskörperschaft ist der Regiebetrieb in die allgemeine Verwaltung eingebunden und unterliegt den Entscheidungs- und Steuerungsmechanismen der Gemeindeordnung, insbesondere den Weisungen des Hauptverwaltungsbeamten 20. Regiebetriebe sind rechtlich, organisatorisch, personell, haushalts- und rechnungstechnisch unselbständige Unternehmen der Gemeinde, die durch verwaltungsinterne Anordnung der zuständigen Gemeindeorgane entstehen. Für die Personalwirtschaft ist beispielsweise der allgemeine Stellenplan maßgebend. Die Einflußnahme der (entsorgungspflichtigen) Kommune ist bei dieser Organisationsform jederzeit umfassend gewährleistet 21 . Fast alle Führungs- und Leitungsaufgaben obliegen der Vertretungskörperschaft und können nicht delegiert werden. Im übrigen ist der Bürgermeister bzw. der entsprechende Dezernent zuständig. Der Bürgermeister leitet und verteilt gemäß § 62 Abs. 1 GO NW uneingeschränkt die Geschäfte und bestimmt durch Dienstanweisung deren Ablauf 22 .
b) Haushalts-, Rechnungs- und Abgabenwesen Als unselbständiger Teil der Gemeindeverwaltung ist der Regiebetrieb strikt an kommunales Haushalts- und Rechnungwesen gebunden23. Für den Regiebetrieb gelten also kameralistische Haushaltsgrundsätze 24: Die mit der Durchführung der Abwasserbeseitigung verbundenen Einnahmen und Ausgaben sind vollständig in die Haushaltswirtschaft der betreffenden Kommune eingebunden; gleiches gilt auch für Kredite 23 . Die Kosten der Abwasserbeseitigung können mangels Trennung von den übrigen Haushaltstiteln kaum exakt beziffert werden; das Fehlen eines Sonderabschlusses bedingt diese Unübersichtlichkeit 26 . Wegen § 20 Abs.4 GemHVO NW kommt eine Sonderrücklagenbildung nicht in Betracht 27 . Die Veranschlagung im kommunalen Haushalt führt damit zur Anwendung des haushaltsrechtlichen Gesamtdeckungsprinzips mit der Folge, daß die erzielten Erlöse nicht der konkreten Verwaltungsaufgabe verbleiben, sondern für jedweden Zweck im Rahmen des Haushalts eingesetzt 20 21 22 23 24 23 26 27
BMU, Erfahrungsbericht, S.24; Dedy, S.246; Rahmann, S.200. Gern, Rn.747; Müller, S.436. SchinKS.im. Hauser, S.95. Vogelsang u.a., Rn.645; Gern, Rn.747. BMU, Leitfaden S. 11; Dedy, S.247. Rahmann, S.200; Bodanowitz, S.77. Tiemann, S.78; Dedy, S.249.
Β. Die Organisationsmöglichkeiten werden können 28 . Umgekehrt sind bereitgestellte Mittel grundsätzlich nicht in das nächste Haushaltsjahr übertragbar, was praktisch meistens zu einer Ausnutzung der verfügbaren Mittel unabhängig von Wirtschaftlichkeitserwägungen führt 29 . Aufgrund notwendig werdender Investitionen in die Abwasserbeseitigungsanlagen erhöht sich die gemeindliche Gesamtverschuldung ggf. erheblich. Auf den Kreditspielraum zur Finanzierung der Abwasserbeseitigung wirkt sich die Organisationsform in der Praxis nur begrenzt aus, denn infolge des geltenden kommunalabgabenrechtlichen Kostendeckungsprinzips handelt es sich um rentierliche Kreditaufnahmen, die über die Abwassergebühren gedeckt werden 30 . Zudem spielt für die Investitionsfahigkeit über Kredite nicht vorrangig die Gesamtverschuldung, sondern hauptsächlich die Verschuldenskapazität, die sog. freie Spitze, eine Rolle, d.h. der Teil der Zuführungsmittel zum Vermögenshaushalt, der die Ausgaben einer ordentlichen Tilgung übersteigt und der Gemeinde noch zur Disposition steht. Welche Auswirkung auf den Kreditspielraum die Einbindung der Abwasserbeseitigung in den allgemeinen Haushalt hat, hängt also maßgeblich von der jeweiligen Einnahmen- und Ausgabensituation der Gemeinde ab 31 . Demzufolge hindert die Organisation als Regiebetrieb an sich nicht die Durchführung angezeigter Investitionen. Die Kostendeckung durch das veranschlagte Gebührenaufkommen ist in §§10 Κ AG NW vorgeschrieben. § 6 Abs.l S.3 K A G NW beinhaltet demgegenüber ein Kostenüberschreitungsverbot. Die Kosten sind im vollen Umfang nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen zu ermitteln; maßgebend ist § 6 Abs.2 K A G NW, der ausdrücklich Abschreibungen und eine Verzinsung des aufgewandten Kapitals zu den ansatzfahigen Kosten zählt 32 . Die Einhaltung dieser Prinzipien wird bei den Regiebetrieben häufig vernachlässigt und ist nur schwer zu kontrollieren, da es sich nicht um ein Sondervermögen i.S.d. § 95 Abs. 1 GO NW handelt 33 . Darüber hinaus kann der Kostenumfang von den Kommunen beeinflußt werden, denn der betriebswirtschaftliche Kostenbegriff bietet die Möglichkeit, die kalkulatorischen Kosten (= Abschreibungen und Zinsen) sowohl auf der Basis des Anschaffungs- bzw. Herstellungs- als auch des Wiederbeschaffimgszeit- oder sogar des Wiederbeschaffungswertes zu berechnen 34. Selbstverständlich hat das Auswirkungen auf den allgemeinen 28
Cronauge, Kommunale Unternehmen, Rn.57; Bodanowitz, S.76f. Schink, S.276. 30 Dedy, S.247. 31 Bodanowitz, S.91f. 32 Gem. RdErl. des Innen- i l Umweltministers, MinBl. NW 1989, S.85. 33 Hess.VGH, DÖV 1993, 206. 34 Dedy, S.247; s.i.e. Driehaus/Dahmen, § 6 KAG, Rn.l61ff, und Tettinger, VB1.1996, S.82ff. 29
5*
NW-
2. Teil: Die Abwasserbeseitigung Haushalt. Unter Umständen ist eine zweckentfremdete Verwendung von Abschreibungsüberschüssen möglich, die zu einer Subventionierung des allgemeinen Haushalts durch Teile des Abwassergebührenaufkommens anstelle einer an sich erforderlichen Reinvestition führt 33 . Als Nachteil des Kostendekkungsprinzips kann sich ergeben, daß es haushaltsrechtlich unzulässig ist, Kostenunterdeckungen einer vergangenen Leistungsperiode als Kosten der Folgeperiode anzusetzen36. Nicht zuletzt wegen der vermeintlichen Erwirtschaftung erheblicher Überschüsse im Entwässerungsgebührenhaushalt mußte die Rechtsprechung zum Problem der Abschreibungen und Zinsen Position beziehen. Danach legt gerade der Gedanke der Substanzerhaltung, der die Abschreibungen ihrerseits legitimiert, nahe, sie nicht nach dem Anschaflungswert, sondern nach dem jeweiligen aktualisierten Wiederbeschaffungswert zu bemessen. Denn bei einer Erneuerung der Anlagen müssen die Mittel für eine Wiederbeschaffung verfügbar sein 37 . Unter dem Wiederbeschaflungszeitwert ist der Preis zu verstehen, der zum Bewertungszeitpunkt für die Erneuerung eines vorhandenen Vermögensgegenstandes durch einen solchen gleicher Art und Güte gezahlt werden müßte. Damit ist nicht der Preis gemeint, der für die Wiederbeschaffung einer gleichermaßen abgenutzten Anlage zu zahlen wäre. Die Einschränkung „gleicher Art und Güte" bezieht sich ausschließlich darauf, daß der Wiederbeschaffungspreis für eine neue Anlage gleichen Standards maßgeblich sein soll, und zwar auch dann, wenn tatsächlich heute eine höherwertige Anlage angeschafft werden würde 38 . Zinsen in die Kalkulation einzubeziehen ist auch bei einer Eigenfinanzierung der Anlagen gerechtfertigt, da diese Art der Finanzierung gegenüber der zunächst vorgestellten Fremdfinanzierung nicht benachteiligt werden darf. Bei einer Fremdfinanzierung werden Darlehenszinsen nicht vom Wiederbeschaffungswert, sondern vom Darlehensbetrag gezahlt, der zur erstmaligen Anschaffung aufgenommen wurde. Eingebunden und für andere Zwecke nicht verwendbar ist demnach allein das für diese erste Anschaffung eingesetzte Kapital. Die Wiederbeschaffung bei einer erforderlich werdenden Erneuerung wird von den Gebührenschuldnern schon über die Abschreibungen finanziert, so daß insoweit kein gemeindliches Kapital eingebunden wird. Eine Berechnung der kalkulatorischen Zinsen nach dem Wiederbeschaffungszeitwert ist
33
OVG Münster, GemH 1994, 233 (236); Rahmann, S.200; BMU, Erfahrungsbericht, S.52; vgl.i.e. Bodanowitz, S.85ff. 36 Dedy, S.248. 37 VG Gelsenkirchen, DWW 1993, 266f. 38 OVG Münster, GemH 1994, 233 (235), mit ausfuhrlicher Begründung; s.i.e. Tettinger, NWVB1.1996, S.85f, der dem Ergebnis zustimmt.
Β. Die Organisationsmöglichkeiten folglich rechtswidrig 39 . Im Ergebnis ist das aufgewandte Kapital i.S.d. Anschaffungs- bzw. Herstellungswertes der Anlage auszulegen und die auf dieser Basis ermittelten Zinsen sind als betriebswirtschaftlich ansatzfahige Kosten zu betrachten 40. Das Rechnungswesen des Regiebetriebs folgt ebenfalls kameralistischen Grundsätzen, d.h., es wird kein Sonderabschluß gefertigt. Die Buchführung dient nur der Kontrolle, ob Einnahmen und Ausgaben der Verwaltung den Ansätzen des Haushaltsplanes entsprechen 41. Steuerlich ist die Abwasserbeseitigung durch die hierzu verpflichtete Körperschaft hoheitliche Tätigkeit i.S.d. § 4 Abs.5 KStG, die bei der Organisation als Regiebetrieb weder zu steuerlichen Pflichten (z.B. Körperschaft-, Gewerbeoder Umsatzsteuerpflicht) noch zu steuerlichen Rechten (z.B. Vorsteuerabzug) führt 42 . Es gibt Überlegungen der Bundesregierung, die daraus resultierende Ungleichbehandlung öffentlicher und privater Aufgabenerledigung durch eine Gesetzesänderung aufzuheben, so daß die Abwasserentsorgung nicht mehr als Hoheitsbetrieb, sondern - wie die Wasserversorgung - als Betrieb gewerblicher Art i.S.d. § 4 Abs. 1-3 KStG anzusehen ist. So heißt es in der Koalitionsvereinbarung von CDU/CSU und F.D.P. für die 13. Legislaturperiode des Deutschen Bundestages: „Die Möglichkeiten von Privaten zum Bau und Betrieb von Wasserver- und -entsorgungsanlagen sowie von Abfallanlagen werden verbessert. Insbesondere werden die privatrechtlichen Organisationsformen im Umweltschutz den öffentlich-rechtlichen Organisationsformen steuerlich gleichgestellt. Dazu streben wir einen gemeinsamen ermäßigten Steuersatz an 4 3 ." Das könnte aufgrund der Mehrbelastung der Körperschaften mit Umsatz-, Vermögen-, Körperschaft- und Gewerbesteuer zu einem erheblichen Anstieg der Gebühren führen 44 . Auf der anderen Seite stehen vielfaltige Synergieeffekte durch eine einheitliche Betriebsführung und die Vorsteuerabzugsberechtigung sowie die Möglichkeit des bisher unzulässigen Verlustausgleichs im Querverbund. Diese steuerrechtlichen Saldierungsmöglichkeiten ergeben sich nur bei der Zusammenfassung von Betrieben gewerblicher Art und setzen 39 40
VG Gelsenkirchen, DWW 1993, 266f. OVG Münster, GemH 1994, 233 (238); zustimmend Tettingen NWVB1.1996,
S.86f. 41 42
Hauser, S. 107 u. 113. Bay. Staatsministerium des Innern, Ziff.4.5 des Hinweises, Bay.A11MB1.1992,
S.59. 43
Zitiert nach Cronauge, StuGR 1995, S.43. Cronauge, StuGR 1995, S.49, der deshalb einen Katalog flankierender Maßnahmen aufstellt, um Kostenneutralität für den Bürger zu gewährleisten; vgl. auch die beispielhaften Berechnungen von Brod, Die Besteuerung von Abwasser und Abfall, in: DStGB, S.113ff. 44
2. Teil: Die Abwasserbeseitigung
0
aufgrund der derzeit unterschiedlichen Qualifikation von Ver- und Entsorgung die beschriebene Änderung der Rechtslage voraus 43 .
c) Wasser- und strafrechtliche
Verantwortlichkeit
Das wasserrechtliche Haftungsrisiko aus § 22 WHG trägt die Gemeinde allein; gleiches gilt für die strafrechtliche Verantwortung des § 324 StGB. Die gesetzlich auferlegte Abwasserbeseitigungspflicht bedingt, daß die zuständigen Personen der Gemeinden innerhalb dieses Aufgabenbereichs zum Schutz der Gewässerreinheit tätig werden müssen. Wegen ihrer besonderen Nähe zum Schutzgut Wasser sind die Kommunalbediensteten (Beschützer-)Garanten für das Rechtsgut des § 324 StGB, so daß auch eine Erfüllung des Straftatbestandes durch Unterlassen in Betracht kommt 4 6 . Neben den unmittelbar bei den Abwasserbeseitigungseinrichtungen Beschäftigten besteht für die Verwaltungsspitzen die Gefahr eines strafrechtlich relevanten Organisationsverschuldens47 .
2. Der Eigenbetrieb Wie der Regiebetrieb bildet der Eigenbetrieb eine unselbständige öffentlichrechtliche Organisationsform der gemeindlichen Abwasserentsorgung. Zwar gehört die Abwasserbeseitigung gemäß § 107 Abs.2 S.l Nr.3 GO NW nicht zu den wirtschaftlichen Unternehmen i.S.d. Gemeinderechts. Aufgrund der Klarstellung des § 107 Abs.2 S.2 GO NW dürfen aber auch nichtwirtschaftliche Unternehmen nach den Vorschriften über die Eigenbetriebe, also § 114 GO NW, der EigenbetrVO NW und einer Betriebssatzung, geführt werden (sog. eigenbetriebsähnliche Betriebe oder Einrichtungen) 48 . Im Unterschied zum verwaltungsintegrierten Regiebetrieb besitzt der Eigenbetrieb einerseits den Vorteil, durch eine rechnungsmäßige Verselbständigung die Transparenz der wirtschaftlichen Ergebnisse zu verbessern und damit das Kostenbewußtsein zu stärken sowie durch die kaufmännische dop-
43
DStGB, S.39 m.w.N.; Cronauge, StuGR 1995, S.43 u 46. Kamphausen u.a., S.218. 47 Dedy, S.248. 48 Fraglich ist allerdings, ob mit der Formulierung eine umfassende Inbezugnahme der eigenbetrieblichen Vorschriften gemeint ist. I.d.S. wohl Rehn/Cronauge, § 107 GO NW, Erl. VI. 7. ; zur Zulässigkeit des Eigenbetriebs in den übrigen Bundesländern s. Bodanowitz, S.9ff. 46
Β. Die Organisationsmöglichkeiten
1
pelte Buchführung die wirtschaftlichen Vergleichsmöglichkeiten zu anderen Betrieben zu verbessern. Zugleich ist andererseits durch die Ausgestaltung des Eigenbetriebsrechts die demokratische Einflußnahme und Kontrolle durch die aufgabenpflichtige Gemeinde sowie seine rechtsstaatliche Einbindung gewährleistet49 . Der Eigenbetrieb ist das Produkt des Strebens nach Ausgleich zwischen organisatorischer und wirtschaftlicher Selbständigkeit einerseits sowie politischer Kontrolle und Einflußnahme durch die zuständigen Organe der Gemeinde andererseits 30.
a) Kommunales Organisationsrecht Der Eigenbetrieb ist ein Sondervermögen i.S.d. §§ 95 Abs.l Nr.3, 114 GO NW mit eigenständiger Buchführung und ohne eigene Rechtspersönlichkeit 31, das zwar Teil des Gemeindevermögens bleibt, aber einer besonderen Zweckbindung unterliegt 32 . Die Handlungen des Eigenbetriebs werden rechtlich ausschließlich der Trägergemeinde zugerechnet, von der er in organisatorischer und finanzwirtschaflticher Sicht getrennt ist 3 3 . Die Steuerungsmöglichkeiten der Gemeindeorgane sind eingeschränkt durch Werksausschuß und Werkleitung 34 . Insbesondere weil die Volksvertretungen nach § 114 Abs.2 S.2 GO NW gehalten sind, ihre Zuständigkeiten so weit wie möglich auf den nach § 5 EigenbetrVO NW gebildeten Werksausschuß des Rates zu übertragen, kommt dem Eigenbetrieb grundsätzlich eine erhebliche Entscheidungsfreiheit zu 3 3 . Für den Eigenbetrieb ist in der Regel eine Werkleitung zu bestellen, deren Aufgaben anderenfalls die Verwaltungsleitung der Gemeinde wahrnimmt. Nach § 2 Abs. 1 EigenbetrVO NW ist die Werkleitung für die wirtschaftliche Führung des Eigenbetriebes sowie vor allem die laufende Betriebsführung verantwortlich. Sie hat insoweit eine Art Organstellung, zu der nicht die im Einzelfall zu treffende Entscheidung über die Anordnung eines Anschluß- und Benutzungszwanges zählt 36 . Allerdings besitzt die Verwaltungsleitung gemäß § 6 Abs.2 EigenbetrVO NW gegenüber
49
Gern, Rn. 741. Erichsen, Kommunalrecht, S.239; Scholz/Pitschas, S.27. 31 BMU, Leitfaden S. 11; Rahmann, S.200; Müller, S.445. 32 Tiemann, S.77; Dedy, S.248f. 33 Gern, Rn.741; BMU, Erfahrungsbericht, S.26; Cronauge, Kommunale Unternehmen, Rn.148, 233. 34 Vgl.i.e. zur Organisation des Eigenbetriebs Scholz/Pitschas, S.36ff. 33 Ehlers, DÖV 1986, S.901; R.Schmidt, S.510. 36 Gern, Rn.742; Cronauge, Kommunale Unternehmen, Rn.237ff. 30
2. Teil: Die Abwasserbeseitigung
72
der Werkleitung ein Auskunfts- und Weisungsrecht, um die Einheitlichkeit der Verwaltungsführung zu gewährleisten. Weil zudem in der Regel der Werksausschuß die allgemeinen Lieferbedingungen festsetzt, dem Rat alle grundlegenden unternehmerischen Entscheidungen vorbehalten sind und er die Zuständigkeit für die Personal- und Finanzwirtschaft des Eigenbetriebs besitzt, liegt die wirtschaftliche Führung des Eigenbetriebs in der Praxis letztlich doch bei der Gemeindevertretung. Eine eigene Leitungsfunktion verbleibt der Werkleitung hauptsächlich für die einfachen Geschäfte der laufenden Betriebsführung. Im übrigen ist sie in die Kommunalpolitik eingebunden37. Nur soweit der Werkleitung für die Angelegenheiten des Eigenbetriebes die Entscheidungsbefugnis zusteht, vertritt sie gemäß § 3 Abs. 1 EigenbetrVO NW den Eigenbetrieb, d.h. die Gemeinde. Im übrigen vollzieht sie die Beschlüsse des Gemeinderates und des Werksausschusses. Die erforderliche Betriebssatzung wird vom Gemeinderat erlassen und beinhaltet vor allem die Vertretung des Eigenbetriebs, die Zuständigkeiten des Werksausschusses, die Übertragung der Kompetenzen auf die Werkleitung sowie die Festlegung des erforderlichen Stammkapitals i.S.d. § 9 Abs.2 EigenbetrVO N W 3 8 .
b) Wirtschafisfiihrungs-,
Rechnungs- und Abgabenwesen
Die im Eigenbetriebsmodell geführten Einrichtungen sind in haushaltsrechtlicher Sicht verselbständigt, weil sie als Sondervermögen aus der allgemeinen Haushaltswirtschaft der Trägerkommune ausgegliedert werden und damit auch nicht dem Gesamtdeckungsprinzip unterliegen 39 . Es erfolgt somit keine Vermischung mit anderen Haushaltsmitteln 60 . Kredite können ohne Beachtung der Verschuldensobergrenze beschafft werden 61 . Rücklagen dürfen gebildet werden. Nur Eigenkapitalbewegungen und voraussichtliche Gewinne und Verluste gehen in den Haushaltsplan der Kommune ein 6 2 . Anstelle des Haushaltsplanes tritt beim Eigenbetrieb der Wirtschaftsplan gemäß § 10 Abs. 3 EigenBetrVO NW, der nicht Bestandteil des Haushaltsplanes ist, sondern diesem nur als Pflichtanlage beigefügt wird. Er ist mithin einfacher Beschluß und partizipiert nicht an der Satzungsqualität des Haushalts-
37 38 39 60 61 62
Graf Vitzthum, S.609; Müller, S.447; Schink, S.217. Gern, Rn.745. Bodanowitz, S.71. Dedy, S.249. BMU, Leitfaden, S.ll. S chink, S.277f.
Β. Die Organisationsmöglichkeiten planes als Bestandteil der Haushaltssatzung63. Der Wirtschaftsplan ist für jedes Haushalts-/Wirtschaftsjahr von der Werkleitung aufzustellen und vom Gemeinderat zu beschließen; er besteht gemäß §§ 15-17 EigenBetrVO NW aus Erfolgsplan, Vermögensplan und Stellenübersicht. Da im Erfolgsplan keine detaillierte Gliederung erforderlich ist, bleibt die Werkleitung bei der Durchführung von Einzelmaßnahmen weitgehend frei und selbständig. Gleiches gilt für den Vermögensplan: Zwar müssen die Ausgaben und Verpflichtungsermächtigungen bzgl. Erneuerung, Erweiterung, Neubau, Veräußerung von Anlagen nach Vorhaben getrennt ausgewiesen werden. Jedoch enthält § 16 Abs.4 u. 5 EigenbetrVO NW Regelungen für die Übertragbarkeit der einzelnen Ausgabensätze und die gegenseitige Deckungsfähigkeit 64 . Die Einrichtung eines Sondervermögens gemäß § 9 EigenbetrVO NW erfordert eine handelsrechtliche Eröffnungsbilanz, wobei sich das Problem der Bewertung des Anlagen- und Umlaufvermögens und der Festsetzung der Abschreibungssätze stellt. Über die EigenbetrVO NW greifen die Abschreibungsgrundsätze des Handelsrechts, so daß nur eine Abschreibung auf der Grundlage der Anschaffungswerte, nicht der Wiederbeschaffungswerte zulässig ist, mit der Folge, daß keine Überdeckung wie beim Regiebetrieb eintreten kann 6 3 . Abschreibungsvorteile werden ausschließlich für zukünftige Investitionen in den Eigenbetrieb verwendet. Das gewährleistet die Substanzerhaltung 66. Gemäß § 10 Abs. 3 EigenBetrVO NW ist hier zudem eine Rücklagenbildung aus dem Jahresgewinn zulässig. Das an der kaufmännischen Buchführung orientierte Rechnungswesen erlaubt eine ständige Kontrolle der Wirtschaftlichkeit der Abwasserbeseitigung 67 . Für den Schluß eines jeden Wirtschaftsjahres hat die Werkleitung einen Jahresabschluß i.S.d. § 21 EigenBetrVO NW, der die Bilanz, eine Gewinn- und Verlustrechnung nebst Erfolgsübersicht umfaßt, sowie einen Lagebericht gemäß § 25 EigenBetrVO NW aufzustellen. So eröffnet der vorgeschriebene Jahresabschluß Einblick in die Vermögens- und Kapitalverhältnisse und weist den Jahresüberschuß/-verlust aus. Für Schulden haftet die Gemeinde68 . Aufgrund des eigenen Haushalts ist es im Gegensatz zum Regiebetrieb nachvollziehbar, ob dem Gebührenzahler die realen Kosten auferlegt werden 69 .
63 64 63 66 67 68 69
Gern, Rn.744. Schink, S.277. Tiemann, S.80; Dedy, S.249. Dedy, S.249. Bodanowitz, S.88. Vogelsang u. α., Rn. 647f. Rahmann, S.201.
2. Teil: Die Abwasserbeseitigung
Abgabenrechtlich bietet der Eigenbetrieb keine Besonderheiten; steuerrechtlich ist der Eigenbetrieb vollständig freigestellt, weil er mit der Abwasserbeseitigung keinen Betrieb gewerblicher Art i.S.d §§ 1 Abs.l Nr.6, 4 Abs.l KStG; 2 Abs.3 UStGführt 7 0 .
c) Wasser- und strafrechtliche
Verantwortung
Hinsichtlich der wasser-, ordnungswidrigkeiten- und strafrechtlichen Verantwortlichkeit der Bediensteten des Eigenbetriebs ergeben sich gegenüber dem Regiebetrieb keine Besonderheiten. Es findet jedoch eine Verlagerung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit von Ratsmitgliedern und dem Hauptverwaltungsbeamten in dem Maße auf die Mitglieder von Werkleitung und Werksausschuß statt, in dem diesen durch die jeweilige EigenbetrVO und die Betriebssatzung Kompetenzen übertragen werden. Hauptverwaltungsbeamter und Rat sind nur noch im Fall einer Verletzung ihrer Beschützergarantenpflicht hinsichtlich der Ordnungsgemäßheit des Betriebs strafrechtlich verantwortlich 71 .
3. Kommunale Zusammenarbeit Indem das Wasserrecht eine Aufgabenverantwortung der Gemeinden begründet, folgt daraus zugleich eine Beschränkung der Kompetenzen, weil der öffentliche Aufgabenträger prinzipiell nur in seinen Zuständigkeitsgrenzen tätig sein darf 2 . § 53 Abs.6 LWG NW eröffnet den öffentlich-rechtlichen Körperschaften sowie anderen Beseitigungspflichtigen die Möglichkeit, einen Zweckverband i.S.d. §§ 4 ff GkG NW zu gründen oder eine Zusammenarbeit aufgrund einer allgemeinen öffentlich-rechtlichen Vereinbarung gemäß §§ 23ff GkG NW zu schaffen 73. Dadurch kann die „Inselentsorgung" überwunden werden, so daß die Gemeindegrenze nicht mehr in fachlicher, personeller und letztlich wirtschaftlicher Hinsicht gleichzeitig die Entsorgungsgrenze ist 7 4 . Eine geordnete Wasserbewirtschaftung ist sowohl für die Bevölkerung als auch für die Gesamtwirtschaft lebensnotwendig. Diese Zielsetzung spricht gegen eine an den Gemeindegrenzen orientierte Zuständigkeit für die Abwas70
Tiemann, S.78; Cronauge, Kommunale Unternehmen, Rn.285. Bodanowitz, S.94. 72 Spannowsky, RdE 1995, S.137. 73 Gieseke u.a., § 18a WHG, Rn.22; vgl. zur öffentlich-rechtlichen Vereinbarung Cronauge, Kommunale Unternehmen, Rn.215ff. 74 Dedy, S.251. 71
Β. Die Organisationsmöglichkeiten serbehandlung und -einleitung und für eine Konzentration der Abwasserbeseitigung auf eine Körperschaft, deren Zuständigkeit im wesentlichen mit dem Entsorgungsbereich des Vorfluters kongruent ist 7 3 . Erstaunlicherweise haben sich in Nordrhein-Westfalen bislang keine Gemeinden freiwillig zu Zweckverbänden zusammengeschlossen. Hiervon zu unterscheiden sind die sondergesetzlich errichteten Abwasserverbände mit Aufgaben nach § 54 LWG NW. Auch ihr Zweck ist die überörtliche Abwasserbeseitigung. Der Zweckverband ist gemäß § 5 Abs. 1 GkG NW eine öffentlich-rechtliche Körperschaft, in der die zusammengeschlossenen Gemeinden primäre Mitglieder sind 76 . Ungeeignet ist der Zweckverband für die Zusammenarbeit mit Privaten, da diese die öffentlich-rechtliche Mitgliedschaft zwar nach § 4 Abs.2 S.2 GkG NW als sekundäre Mitglieder erwerben können, in aller Regel aber nicht erwerben wollen 77 . Der Grund liegt darin, daß der Zweckverband nach den gleichen Prinzipien und Kriterien verwaltet und geführt wird wie eine Kommune und nicht wie ein privatwirtschaftliches Unternehmen, d.h. die öffentliche Aufgabe nach wie vor im Vordergrund steht 78 . Verfassung und Verwaltung des Zweckverbandes richten sich im Rahmen des zwingenden Landesrechts nach der vom Zweckverband zu erlassenden Verbandssatzung, die von der Aufsichtsbehörde zu genehmigen ist (vgl. §§7, 9ff GkG NW). Als Organe treten gemäß § 14 GkG NW die Verbandsversammlung und der »Vorsteher in Erscheinung 79 . Der Verbandsvorsteher führt die laufenden Geschäfte; die grundlegenden Aufgaben obliegen der Verbandsversammlung 80. Der Zweckverband arbeitet grundsätzlich wie ein kommunaler Regiebetrieb 81. Nach § 18 Abs.3 S.l GkG NW ist es ebenfalls zulässig, den Zweckverband nach den Vorschriften des Eigenbetriebsrechts zu führen. In jedem Fall ist er als hoheitlich tätiger Zusammenschluß steuerrechtlich neutral 82 . Bestimmt das Zweckverbandsrecht, wie die kooperative Aufgabenerfüllung durch die Verbandsmitglieder gestaltet ist, so entscheidet es auch darüber, ob ein Zuständigkeitsübergang vom Verbandsmitglied auf den Zweckverband er-
73
VerfGH NW, ZfW 1991, 220 (225); vgl. zur Zweckverbandslösung Abschn.IV.5. der Erklärung DStGB zur Ver- und Entsorgung in den neuen Bundesländern, in: DStGB, S.109ff. 76 BMU, Leitfaden, S.l0. 77 Ehlers, DÖV 1986, S.902. 78 Schink, S.275. 79 Vgl. dazu Cronauge, Kommunale Unternehmen, Rn.211, i.e. Rn.397ff. 80 Schink, S.271. 81 Rahmann, S.201. 82 Dedy, S.251.
2. Teil: Die Abwasserbeseitigung folgt. Ob eine solche Erfüllungsgemeinschaft oder lediglich eine Selbsthilfegemeinschaft gegründet wird, hängt maßgeblich von der Funktion des Zweckverbandes ab 83 . Im vorliegenden Zusammenhang hat der interkommunale Verband regelmäßig bzgl. der besonderen Aufgabe eine überörtliche Zuständigkeit, d.h. es findet eine echte Delegation mit Pflichtbefreiung auf Seiten der Gemeinde statt 84 . Der Zweckverband tritt in dem in der Zweckverbandssatzung festgelegten Umfang gemäß § 6 Abs. 1 GkG NW an die Stelle der Verbandsmitglieder und nimmt die ihm übertragenen Aufgaben kraft originärer gesetzlicher Zuständigkeit wahr. Mit der Übertragung der Zuständigkeit geht ein Verlust derselben bei den Mitgliedern einher, die infolgedessen unfähig sind, die Aufgabe weiterhin wahrzunehmen. Als Rest der übergegangenen Zuständigkeit für die Aufgabenerledigung verbleibt den Verbandsmitgliedern nur noch die Kompetenz zur Wahrnehmung der Kontrollpflicht gegenüber dem Zweckverband, der sie durch ihre Teilnahme in der Verbandsversammlung genügen85 .
4. Die Anstalt des öffentlichen Rechts in Berlin und Bayern Mangels einschlägiger Errichtungsgesetze haben die Kommunen in Nordrhein-Westfalen grundsätzlich nicht die Möglichkeit, ihre kommunalen Unternehmen kraft eigener gemeindlicher Regelungen als rechtsfähige öffentliche Anstalten zu organisieren. Eine Ausnahme gilt nach § 2 SpkG NW für kommunale Sparkassen. Demgegenüber sind im Land Berlin mit Wirkung zum 1.1.1994 auf der Grundlage des Berliner Betriebegesetzes alle bestehenden Eigenbetriebe in rechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts umgewandelt worden, weil sich der Landesgesetzgeber von dieser Rechtsform einen freieren Gestaltungsrahmen versprach, als privatrechtliche Gesellschaften ihn bieten 86 . Durch § 1 BerlBG werden die selbständigen Anstalten errichtet und das Sondervermögen der bisherigen Eigenbetriebe im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die jeweils zuständige Anstalt übertragen; § 2 BerlBG weist den Anstalten die Aufgaben zu. Nach § 4 BerlBG haftet das Land Berlin als Gewährsträger uneingeschränkt, wenn Verbindlichkeiten der Anstalten entstehen und die Befriedigung aus deren Vermögen nicht möglich ist. Die innere Organisationsstruktur 83
Spannowsky, RdE 1995, S.137, Fßn.12. Rahmann, S.201. Dies gilt v.a. in Sachsen, wo §§ 63 Abs.3 S.2 SächsWG i.V.m. §§ 45, 46 SächsKommZG diese Form des automatischen Aufgabenübergangs infolge der Zweckverbandsbildung ausdrücklich statuieren, so Dierkes, S.271. 83 Spannowsky, RdE 1995, S. 137 sowie dort Fßn. 12; Dierkes, S.271. 86 Vgl. zu den Motiven i.e. Mann, ZögU 1996, S.55f. 84
Β. Die Organisationsmöglichkeiten der Anstalten wird vom Zusammenwirken von Vorstand, Aufsichtsrat, Beirat und Gewährsträgerversammlung gekennzeichnet. Insgesamt sind die Regelungen an aktienrechtliche Verhältnisse angelehnt 87 . Um den Kommunen in Nordrhein-Westfalen die Errichtung rechtsfähiger öffentlicher Anstalten zu ermöglichen, müßte zuvor ein Errichtungsgesetz geschaffen werden. Fraglich ist, ob überhaupt ein praktisches Bedürfnis für die zusätzliche Rechtsform der selbständigen öffentlichen Anstalt besteht. Sinnvoll erscheint neben den bereits möglichen Organisationsformen allenfalls die Eröffnung des freiwilligen Zugriffs auf diese Rechtsform, so daß sich deren Errichtung „aufgrund eines Gesetzes" vollzöge. Denn die Vielzahl und -gestaltigkeit der kommunalen Unternehmen in einem Flächenland lassen eine einheitliche Organisationsform wie im Berliner Modell von vornherein ausscheiden 88 . Bayern hat genau diesen Weg gewählt und durch das Gesetz zur Änderung des kommunalen Wirtschaftsrechts vom 26.7.1995 den Gemeinden, Landkreisen und Bezirken ermöglicht, ihre wirtschaftlichen und nichtwirtschaftlichen Unternehmen in der Rechtsform der Anstalt des öffentlichen Rechts zu errichten oder bestehende unselbständige Betriebe im Wege der Gesamtrechtsnachfolge in solche, als „Kommunalunternehmen" bezeichnete rechtsfähige Anstalten zu überführen. Zugleich ist mit § 7 der Neuregelung der traditionelle Eigenbetriebsvorrang in Bayern aufgehoben worden. Das bayerische Gesetz zur Änderung des kommunalen Wirtschaftsrechts stellt nunmehr den Selbstverwaltungskörperschaften den anstaltsrechtlichen Organisationsrahmen mit aus dem Aktienrecht abgeleiteten Maßstäben zur inneren Organisation der Anstalten fakultativ zur Auswahl 89 .
ΙΠ. Privatisierung der Abwasserbeseitigung So vergleichsweise wenig Fragen die Erfüllung der Abwasserbeseitigungspflicht in öffentlich-rechtlichen Organisationsformen aufwirft, so problematisch wird es, wenn zivilrechtlich verfaßte Anlagenbetreiber in die gemeindliche Aufgabenerledigung einbezogen werden, sei es, daß das Unternehmen sich in kommunaler Trägerschaft befindet, sei es, daß ein privatwirtschaftlicher Unternehmer es trägt. In der Diskussion, die in gleicher Weise im Abfall-
87
S. zur Ausgestaltung Mann, ZögU 1996, S.56ff. Mann, ZögU 1996, S.61ff, beurteilt das Modell insoweit als bedenkenswert. 89 Vgl.i.e., auch im Hinblick auf Unterschiede zum Berliner Modell Mann, NVwZ 1996, S.557f. 88
2. Teil: Die Abwasserbeseitigung recht stattfindet, gehen vielfach schon die Begriffe zur Beschreibung einzelner Ausgestaltungen durcheinander. Hinsichtlich der Erscheinungsformen privatrechtsformiger Verwaltung ist stets zwischen deren Aufgabenbereichen, Organisationsformen und Handlungsformen zu unterscheiden 90. Deshalb sind von vornherein zwei verschiedene Privatisierungsbegrifife auseinanderzuhalten, nämlich formale und materielle Privatisierung, die auf unterschiedlichen Ebenen ansetzen. Denn Privatisierung ist nicht nur als Überführung bislang staatlich wahrgenommener öffentlicher Aufgaben in die Hände von Privatunternehmen, verbunden mit der gleichzeitigen Unterstellung unter die privatwirtschaftliche Zwecksetzung der Gewinnerzielung zu verstehen 91. Auch die öffentliche Hand kann sich privatrechtlicher Formen bedienen, und zwar durch Beteiligung, externe Einflußsicherung oder durch Verbindung von beidem 92 . Beinhaltet danach nicht jede Privatisierungsmaßnahme zugleich schon die Einbeziehung privatnütziger Unternehmen in die Erfüllung öffentlicher Aufgaben, so bildet den Oberbegriff für die vielfaltigen Kooperationen und Koordinationen öffentlich-rechtlicher Verwaltungsträger und privatwirtschaftlicher Rechtssubjekte auf allen Ebenen die ,Public-private-partnership". Deren Wesensmerkmal ist es, einen solchen organisierten Funktionszusammenhang herzustellen sowie öffentliche und private Interessen zu einer speziellen Zweckgemeinschaft zu verknüpfen 93 . Sie dienen vornehmlich der Schaffung einer modernsten Anforderungen genügenden Infrastruktur und können alle oder nur einzelne Schritte zu ihrer Bereitstellung umfassen 94.
1. Die Aufgabenprivatisierung Die weitreichendste Form der Privatisierung bezeichnet die Aufgaben- oder materielle Privatisierung. Darunter ist die vollständige Überantwortung der Aufgabe in den privaten Sektor zu verstehen, d.h. die vollständige Entledigung einer Aufgabe durch den Verwaltungsträger, die zu einem Abbau des kommunalen Aufgabenbestandes führt 93 . Nicht nur der Vollzug der bisher öffentlichen Leistung wird aus der unmittelbaren öffentlichen Entscheidung und
90
Achterberg, § 12, Rn.2. Krölls, S.130. 92 So die Einteilung von Ehlers, Privatrechtsform, S.7. 93 Grawert, S.164f; Große-Wilde, S.165, am Beispiel der Stadtentwicklung und des Städtebaus. 94 Tettingen DÖV 1996, S.764f. 93 Schock, DÖV 1993, S.378; Müller, S. 111. 91
Β. Die Organisationsmöglichkeiten Verantwortung entlassen, sondern die Aufgabe selbst96. Diese Verlagerung berührt das Außenverhältnis zwischen Staat und Bürger 97 . Sie kann erfolgen im Wege (1.) der Veräußerung öffentlicher Unternehmen oder Unternehmensbeteiligungen an die private Wirtschaft, (2.) der Kommerzialisierung der Leistungsverwaltung zuzurechnender öffentlicher Unternehmen unter Beibehaltung der Eigentümerposition des Staates, (3.) der Vergabe von bislang durch Träger öffentlicher Gewalt mit eigenem Personal wahrgenommener Aufgaben an Privatfirmen oder schließlich (4.) der Abschaffung von staatlichen Verwaltungsmonopolen 98. Ersterenfalls entsteht dann, wenn ein Teil der Anteile bei der öffentlichen Hand verbleibt, ein gemischt-wirtschaftliches Unternehmen. Beispiel für die zweite Variante ist die Verpachtung der nach wie vor staatseigenen Sachsubstanz an einen Privaten zum Zwecke einer unternehmerischen Nutzung. Die beiden letzten Fälle sind gekennzeichnet durch den vollständigen Verzicht auf eine unternehmerische Tätigkeit bzw. durch den Verzicht auf einzelne Teilfunktionen zugunsten der Heranziehung privater Vorlieferanten oder Dienstleister z.B. bei Planleistungen 99 . Dabei verliert die Aufgabe nicht notwendig ihren Charakter als öffentliche Aufgabe. Denn öffentliche Aufgaben sind ganz allgemein solche, an deren Erfüllung die Öffentlichkeit maßgeblich interessiert ist 1 0 0 . Die Bezeichnung als öffentliche Aufgabe bezieht sich nicht auf die Aufgabenverteilung zwischen Verwaltung und Privaten 101 . Sie sind deshalb von kommunalen bzw. staatlichen Aufgaben zu unterscheiden. Letztere setzen eine nach der geltenden Verfassungsordnung zulässige hoheitliche Entscheidung zugunsten der staatlichen oder kommunalen Befassungskompetenz voraus 102 . Aus der Vielzahl öffentlicher Aufgaben wird eine Angelegenheit zu einer förmlichen Verwaltungskompetenz erst durch objektiven Rechtsakt 103 . Dieser zugrundeliegende Übertragungsrechtsakt kann dem Verfassungs-, Gesetzes- oder Gewohnheitsrecht entstammen; er kann zur Aufgabenerfüllung verpflichten oder nur ermächtigen, 96 97 98 99 100
Graf Vitzthum, S.588. Görgmaier, S.358. Krölls, S.131. Püttner, LKV 1994, S.195. Löwer, S.138; v.Heimburg,
S.14; Müller,
S.6; Klein, S.759; vgl.i.e. Martens,
S.81ff. 101
Osterloh, WDStRL 54, S.224. Schoch, Abfallentsorgung, S.37; Löwer, S.138; Ossenbühl, WDStRL 29, S.153; s. zur Schwierigkeit der Definition von Aufgabentypen die Aussprache zum Beratungsgegenstand „Die Erfüllung von Verwaltungsaufgaben durch Private", WDStRL 29, S. 249-25 7. 103 Schmidt-Jortzig, Rn.738. 102
2. Teil: Die Abwasserbeseitigung
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für die Begründung einer staatlichen Zuständigkeit ist dieser Rechtssatz aber unerläßlich 104 .
a) Abgrenzung zur Beleihung Zu unterscheiden ist die Aufgabenprivatisierung von der förmlichen Übertragung der Ausübung obrigkeitlicher Gewalt auf Privatrechtssubjekte, d.h. der Beleihung 103 . Bei ihr werden privaten Trägern bestimmte Verwaltungsaufgaben zur selbständigen hoheitlichen Wahrnehmung übertragen; der konkrete Beleihungsakt findet seine Grundlage in einer gesetzlichen Ermächtigung. Der Beliehene tritt in dem Umfang in die Position des ursprünglichen Aufgabenträgers ein, wie es der Beleihungsakt vorsieht 106 . Er bleibt - statusmäßig - Privatsubjekt, ist aber - funktionell - Verwaltungsträger, soweit sein hoheitlicher Kompetenzbereich reicht 107 . Die Beleihung privater Dritter durch die entsorgungspflichtige Körperschaft hätte für die Kommunen den Vorteil einer weitgehenden Pflichtenübertragung. Denn dort, wo die ordnungsgemäße Erfüllung öffentlicher Aufgaben durch beliehene Private gewährleistet ist, kann sich der Staat - die Kommune auf deren Kontrolle beschränken 108 . Zwar ermächtigt der neu geschaffene § 18a Abs. 2a WHG die Länder dazu, die Voraussetzungen einer vollständigen oder teilweisen Übertragung der Entsorgungspflicht auf einen Dritten zu regeln. Fraglich ist indes, ob damit überhaupt auf eine Beleihung abgezielt wird 1 0 9 . Jedenfalls ist die entsprechende landesrechtliche Regelung bislang unterblieben, so daß es an Ermächtigungsrundlagen für eine Beleihung im Bereich der Abwasserbeseitigung nach wie vor fehlt. Das Wesen der Beleihung liegt darin, daß der Staat unter seiner Aufsicht von einer natürlichen oder juristischen Person einzelne Hoheitsaufgaben ohne eigene Behörden wahrnehmen läßt. Der Aufgabenträger begibt sich eines ihm kraft Gesetzes vorbehaltenen Betätigungsrechts, ohne es der Privatinitiative zu
104
Klein, S.758; Osterloh, WDStRL 54, S.222f. Zur Kritik am Institut der Beleihung s. Ossenbühl, WDStRL 29, S. 140ff, der im wesentlichen diefrühere Konturlosigkeit der Beleihung rügt. 106 Spannowsky, DVB1.1992, S.1076. 107 Maurer, § 23, Rn.56. 108 Görgmaier, S.358. 109 So Kummer/Giesberts, S.l 170; ebenso wohl Dierkes, S.280, u Kummer/Giesberts, S.l 168, unter Bezugnahme auf die kongruente Regelung des § 16 Abs.2 KrW-/ AbfG. 103
Β. Die Organisationsmöglichkeiten
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überlassen und damit aufzugeben 110. Folglich kann bei der Beleihung gerade nicht von materieller Privatisierung gesprochen werden kann.
b) Grenzen der Aufgabenprivatisierung Wegen des Vorbehalts des Gesetzes als Ausprägung des in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Rechtsstaatsprinzips ist der Bürger vor einer Kompetenzverschiebung mit Außenwirkung geschützt, so daß die Übertragung der Entsorgungsaufgabe auf Dritte einer Rechtsgrundlage bedarf 111 . Die materielle Privatisierung bildet den actus contrarius zur Konstituierung und Wahrnehmung einer Verwaltungsaufgabe; steht eine gesetzliche Pflichtaufgabe in Rede, liegt die Privatisierungskompetenz beim Gesetzgeber 112. Eine Delegation der Gemeindezuständigkeit ist mithin nur zulässig, wenn die in Rede stehende Kompetenz nicht durch einen höherrangigen Rechtsakt im Vergleich zum Entäußerungsbeschluß der Gemeinde begründet worden ist 1 1 3 . Durch das den bundesgesetzlichen Rahmen ausfüllende LWG NW wird die Abwasserbeseitigung zur Pflichtigen Selbstverwaltungsaufgabe bestimmt 114 . Über diese gesetzliche Zuweisung darf nicht zwischen kommunalen Gebietskörperschaften und Privaten im Wege niederrangiger Rechtsakte disponiert werden 113 . Schon § 18a WHG läßt erkennen, daß die Abwasserbeseitigung als eine Aufgabe angesehen werden muß, zu deren Bewältigung im allgemeinen nur Körperschaften des öffentlichen Rechts imstande sind. Demzufolge können sich die zur Abwasserbeseitigung verpflichteten Gemeinden dieser öffentlich-rechtlichen, wassergesetzlichen Entsorgungspflicht nicht durch gemeindlichen Beschluß mit befreiender Wirkung entziehen 116 . Denn gesetzliche Pflichten stehen nicht zur Disposition des Adressaten 117. Denkbar erscheint, die landesgesetzlich normierten temporären und dauerhaften Ausnahmen von der grundsätzlichen gemeindlichen Pflichtenzuweisung als Fälle der materiellen Privatisierung zu verstehen 118 . Dagegen spricht 110
Fertig, S.105. Cronauge, StuGR 1984, S.137. 112 Osterloh, WDStRL 54, S.223. 113 Schmidt-Jortzig, Rn.740. 114 Schmidt-Jortzig, Rn.533. 113 Schoch, DÖV 1993, S.378; Hofmann, S.122. 116 Gieseke u.a., § 18a WHG, Rn.12; Dedy, S.246; Nisipeanu, DVP 1996, S.238; Haverkämper, S.224. 117 Osterloh, WDStRL 54, S.230. 118 So Dierkes, S.270ff. 111
6 Brüning
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2. Teil: Die Abwasserbeseitigg
jedoch, daß die Befreiung von der Pflicht nur befristet und zudem nicht eigenhändig von der Kommune, sondern der Wasserbehörde entschieden wird. Auch der in die Pflicht genommene Private kann nicht frei über den weiteren Vollzug entscheiden - er muß die Entsorgungspflicht erfüllen. Dahinter bleibt eine subsidiäre Beseitigungspflicht der Gemeinde bestehen, die wieder aktualisiert wird, wenn die Befreiung endet. Die hoheitliche Entscheidung für eine staatliche Kompetenz wird also nicht aufgegeben, sondern allenfalls dispensiert 119 . Für eine Aufgabenprivatisierung ist demgegenüber charakteristisch, daß die staatliche Aufgabe in die volle Eigenverantwortung Privater gegeben wird, weil sie sich für den Staat erledigt hat. An diesem Ergebnis ändert auch die Qualifizierung der Abwasserbeseitigung als Teil der Daseinsvorsorge nichts; dieser Begriff steht nach seiner Entstehung und Entwicklung eher für die Beschreibung eines soziologischen Sachverhalts als für die Begründung einer rechtlichen Kompetenzzuweisung1 2 0 . Denn die Ableitung aus diesem Begriff läßt nahezu jede beliebige Aufgabenverteilung zu, da die Daseinsvoraussetzungen heute individuell-eigenverantwortlich nicht mehr zu leisten sind. Die freiheitssichernde Zuständigkeitsverteilung zwischen Staat und Gesellschaft würde nachhaltig gefährdet, wenn anstelle formellgesetzlicher Grundlage ein derart konturloser Begriff die Grenze zwischen beiden Bereichen kennzeichnete 121 . Eine materielle Privatisierung scheidet also in bezug auf die kommunale Abwasserbeseitigungspflicht nach geltendem Recht aus.
2. Die Organisationsprivatisierung Die Organisations- oder formale Privatisierung bedingt keine Entledigung der Aufgabenverantwortung seitens der Gemeinde, sondern lediglich eine privatrechtliche Erledigung durch eine juristische Person des Privatrechts, d.h., es findet ein Austausch der Rechtsform statt 122 . Nicht die Aufgabe selbst wird privatisiert, sondern nur deren Erfüllung 123 . Da die Kommunen eine umfassende Privatrechtssubjektivität besitzen, sind sie prinzipiell zur Gründung von Privatrechtsorganisationen fähig 1 2 4 . Dabei sind die verwaltungsgesteuerten 119 Das räumen auch Kummer/Giesberts, S.l 172, im Hinblick auf den neuen § 18a Abs. 2a WHG ein. 120 Löwer, S.136; Schock, Abfallentsorgung, S.38; Krieger, S.9f; Nesselmüller, S.83. 121 Löwer, S. 137, mit ausfuhrlicher Begründung. 122 Schock, DÖV 1993, S.378. 123 Graf Vitzthum, S.587; Stober, in: Tettinger, Public-Private-Partnerships, S.29, bezeichnet sie als verwaltungsinteme Privatisierung. 124 Grawert, S.168.
Β. Die Organisationsmöglichkeiten juristischen Personen des Privatrechts nicht auf Aufgaben im Vorfeld der Verwaltungskompetenzen oder auf die Ausführung von Aufgaben der Leistungsverwaltung beschränkt. Entsprechende Schwerpunkte haben sich lediglich aus Tradition gebildet 123 . Regelmäßig in Privatrechtsform erbracht werden die kommunalen Aufgaben der Daseinsvorsorge, welche die Bereitstellung von Diensten beinhaltet, die sowohl für die Allgemeinheit als auch für den einzelnen Bürger notwendig sind, wie z.B. Gas-, Wasser- bzw. Stromversorgung oder Abfallbeseitigung 126 . Ebensowenig wie der Übergang der Aufgabenzuständigkeit ist die Ablösung der gemeinwirtschaftlichen Orientierung durch das Gewinnprinzip begriffsnotwendiges Merkmal der formalen Privatisierung. Auch die zunehmende Umsetzung betriebswirtschaftlicher Grundsätze sowie der Einsatz moderner Managementtechniken im Rahmen kommunaler Privatrechtsvereinigungen lassen deren gemeinwirtschaftliche Ausrichtung unberührt 127 . Diese aus dem Kompetenzbereich des öffentlich-rechtlichen Gründers stammenden juristischen Personen des Privatrechts werden auch als privatrechtlich organisierte Verwaltung oder Verwaltung in Privatrechtsform bezeichnet 128 . Die Verwaltungsaufgabe verbleibt im Einflußbereich des öffentlich-rechtlichen Verwaltungsträgers. Demnach handelt es sich bei solcherart organisierter öffentlicher Verwaltung um von der öffentlichen Hand durch Innehabung oder partielle Beteiligung beherrschte Rechtssubjekte, die unmittelbar oder mittelbar bestimmte Verwaltungsaufgaben in Organisations- und Handlungsformen des bürgerlichen Rechts erfüllen. Mittelbar geschieht das dann, wenn die öffentlichen oder gemischt-öffentlichen Privatrechtsvereinigungen ihrerseits neue Privatrechtssubjekte errichten bzw. sich an bestehenden beteiligen 129 . Die einem formal privatisierten Verwaltungsträger allein zur Verfügung stehenden Handlungsformen sind rechtsgeschäftliche, rechtsgeschäftsähnliche Handlungen und Realakte des Privatrechts 130 . Notwendig ist stets eine Abgrenzung von der bloßen Privatisierung der Handlungsformen der Verwaltung. Der Übergang von öffentlich-rechtlichen zu privatrechtlichen Gestaltungsformen des Verwaltungshandelns kann sich nämlich auch auf der Grundlage fortbestehender öffentlich-rechtlicher Organisationsformen vollziehen. Dann werden
123 126 127 128 129 130
6*
Wolff/Bachof/Stober, Bd.2, § 104a, Rn.ll. Achterberg, § 12, Rn.5. KröUs, S.l3Of. So Wolff/Bachof/Stober, Bd.l, § 34, Rn.4. Wolff/Bachof/Stober, Bd.2, § 104a, Rn.6. Achterberg, § 12, Rn.9.
2. Teil: Die Abwasserbeseitigung beispielsweise öffentlich-rechtliche Benutzungsverhältnisse in privatrechtliche entgeltliche Leistungsbeziehungen umgewandelt 131 .
a) Abgrenzung zur Beleihung Entscheidendes Merkmal des Beliehenen ist die Ausübung hoheitlicher Kompetenzen im eigenen Namen der natürlichen oder juristischen Person des privaten Rechts 132 . Bei allen Formen der formalen Privatisierung handelt es sich nicht um die Einbeziehung Privater in materiell öffentliche Verwaltung, sondern um Verwaltung der öffentlichen Hand selbst - allerdings in privatrechtlichen Organisationsformen-, ohne daß hoheitliche Zuständigkeiten übertragen werden. Das schließt nicht aus, daß Hoheitsträger zur Wahrnehmung bestimmter Verwaltungsaufgaben Privatrechtsgesellschaften errichten, um sie durch die Übertragung spezieller Hoheitsbefugnisse zu beleihen 133 . Wesenseigen ist das einer Privatisierungsmaßnahme jedoch nicht. Die Organisationsprivatisierung erschöpft sich in der Konstituierung einer privatrechtlich verfaßten Vereinigung.
b) Tatsächlicher Hintergrund Verbleibt es in der Abwasserbeseitigung bei der gängigen öffentlichen Eigenregie, soll aufgrund des großen Sanierungsbedarfs ein starker Anstieg der Gebühren zu erwarten sein 134 . Neben dem Versuch, dem entgegenzuwirken, ist ein maßgebendes Ziel der aktuellen Privatisierungswelle auf kommunaler Ebene die Kostenreduzierung bzw. Kostenentlastung der gemeindlichen Haushalte, wobei die (langfristige) Senkung der Personalkosten der öffentlichen Verwaltung einen zentralen Bestandteil des Privatisierungskalküls bildet. Vor allem die Abschaffung des mit dem Privileg der Unkündbarkeit verbundenen Beamtenstatus' zusammen mit der Absenkung der Eingangstarife für neu eingestellte Mitarbeiter soll dazu beitragen, die Personalkosten zu dämpfen 133 . Der schon jetzt sehr hohe und ohne grundlegende Änderungen der Verwaltungsstruktur weiter steigende Anteil fixer Personalkosten an den Kommunal131 132 133 134
Krölls, S.131. Müller, S.251. Wolff/Bachof/Stober, Bd.2, § 104a, Rn.7. Rahmann, S.199; vgl. zur Gebührensteigerung bei der Abfallentsorgung Schink,
S.253f. 133
bahn.
Krölls,
S.133, unter Bezugnahme auf die Bahnreform der Deutschen Bundes-
Β. Die Organisationsmöglichkeiten haushalten begrenzt den als unbedingt notwendig erachteten politischen Handlungsspielraum immer mehr 1 3 6 . Die Gemeinden sehen in Privatrechtsvereinigungen weiterhin den Vorteil, bei Sicherung ihrer Einwirkungsmöglichkeiten die vorgeblich höhere Flexibilität und Effizienz privatrechtlicher Organisationsformen nutzen zu können. Gerade das öffentliche Recht soll nach dem Urteil der öffentlich wirtschaftenden Praxis kaum brauchbare Formen für eine dynamische Unternehmensführung und für die Zusammenarbeit gemeindlicher Unternehmen mit Privaten anbieten. Sodann wird die gesellschaftsrechtlich eingeräumte binnenorganisatorische Gestaltungsfreiheit hervorgehoben, die schnellere und beweglichere Entscheidungsprozesse ermöglichen und dadurch eine bessere Integration in den Wettbewerb erwarten lassen soll 1 3 7 . Motive sind also insbesondere die Umgehung des öffentlichen Dienstrechts (einschließlich des Besoldungs- bzw. Vergütungsrechts) und des öffentlichen Vergabewesens138 sowie des Personalvertretungsrechts 139. In öffentlich-rechtlichen Organisationsformen wird zudem die Rekrutierung geeigneten Personals, insbesondere von Führungskräften, durch das starre Besoldungssystem aufgrund der Stellenobergrenzenverordnung und die Laufbahnverordnungen determiniert 140 . Wegen der Transparenz und Selbständigkeit des Haushalts soll schließlich ein höherer Zwang zur
136
Hofmann, S.121. Erbguth/Stollmann, S.802; R.Schmidt, S.513. I.e. untersuchen Ehlers, Privatrechtsform, S.293ff, sowie Erbguth/Stollmann, S.802ff, folgende Argumente für bzw. gegen eine Privatisierungsmaßnahme: - größere Flexibilität bei Gründung und Auflösung; - größere Flexibilität des Dienst- und Besoldungsrechts; - größere Flexibilität der Haushaltsgebarung - höhere Kreditwürdigkeit, d.h. größere Bereitschaft privater Geldgeber zur Unterstützung privatrechtlicher Organisationen; - steuerliche Gründe; - größere Flexibilität bei der Ausgestaltung der internen Aufbau- und Ablauforganisation (Entbürokratisierung); - größere Flexibilität bei einer Kooperation mit anderen Rechtssubjekten; - Entpolitisierung einzelner Aufgaben durch die Ausklammerung aus dem staatsunmittelbaren Bereich; - Möglichkeit der Haftungsbeschränkung. 138 Schoch, DÖV 1993, S.381. 139 Schink, S.269f. 140 Schink, S.268f. 137
2. Teil: Die Abwasserbeseitigg Wirtschaftlichkeit bestehen, der die Entlastung der öffentlichen Haushalte vorantreibt 141 . Steuerrechtlich bieten formal privatisierte kommunale Kapitalgesellschaften keine Besonderheiten, sondern unterliegen der Besteuerung nach Substanz, Ertrag und Leistung (vgl. § 1 Abs.l N r . M K S t G ) 1 4 2 . Als Vorteil wird insbesondere die Vorsteuerabzugsberechtigung ins Feld geführt 143 . Steuerrechtliche Synergieeffekte im Querverbund sind darüber hinaus derzeit allerdings nicht zu erzielen. Denn dazu genügt die Zusammenführung der Sparten Ver- und Entsorgung in einer Kapitalgesellschaft nicht, weil es sich bei der Wasserversorgung um einen Betrieb gewerblicher Art und bei der Abwasserbeseitigung um einen Hoheitsbetrieb handelt. Die Überleitung des Hoheitsbetriebs in eine Kapitalgesellschaft bedingt zwar die volle rechtsformabhängige Besteuerung des Hoheitsbetriebs. Es findet jedoch trotz dieser rechtsformabhängigen Steuerpflichtigkeit keine Behandlung der Kapitalgesellschaft als einheitliches Steuersubjekt statt. Das hat zur Folge, daß Gewinne und Verluste der beiden Sparten nicht miteinander verrechnet werden und nur der verbleibende Saldo das steuerpflichtige Einkommen bildet, sondern ein solcher Ergebnisverbund ausscheidet144. Zu beachten ist, daß entgegen dem Wortlaut „Privatisierung" im Bereich der Abwasserbeseitigung regelmäßig weder mehr Markt noch Wettbewerb geschaffen werden, da es der Kommune primär auf die Verselbständigung ankommt und das Investitionsvolumen oftmals so groß ist, daß es kaum Konkurrenzanbieter zuläßt 145 . Im übrigen kann ein chronisch defizitär arbeitender Betrieb auch nach einer Privatisierung nur überleben, wenn die öffentliche Hand regelmäßig Betriebsmittel- und Investitionszuschüsse leistet 146 . Hinzu kommt, daß die gebildeten Gesellschaften privaten Rechts nicht gewinnorientiert, sondern gemeinwohlorientiert arbeiten müssen, weil sie nicht nur dem Unternehmenszweck verpflichtet sind, sondern der Befriedigung verschiedenster Inter-
141 Vgl. auch die Gegenüberstellung von Vor- und Nachteilen bei Müller, S.409ff; Cronauge, Kommunale Unternehmen, Rn.ll2fif. Haus er, S.19, unterscheidet alle möglichen öffentlich- und privatrechtlichen Organisationsformen anhand folgender Aspekte: Personalwirtschaft, Entscheidungsstruktur, Zweckmäßigkeit der Vertretungsregelung, Haushalts-, Rechnungs- und Prüfungswesen, Steuerrecht, Kapital und Haftung, Aufwand der Gründung sowie interkommunale Zusammenarbeit; ähnlich Schink, S.267ff 142 Cronauge, Kommunale Unternehmen, Rn.63. 143 Dazu insgesamt kritisch Schoch, Abfallentsorgung, S.98f m.w.N. 144 Cronauge, StuGR 1995, S.47. 143 Ehlers, DÖV 1986, S.897. 146 Wais, S.186.
Β. Die Organisationsmöglichkeiten essen sowie der Verwirklichung von Grundrechten und Staatszielen dienen 147 . Das Kommunalrecht schreibt das ausdrücklich vor. Wenn damit auch keine hohe Hürde aufgebaut wird, so scheidet doch ein reines Erwerbsunternehmen ohne jeden Gemeinwohlbezug aus 148 . Dennoch wirtschaftet ein solcher Betrieb mit (quasi-)unternehmerischen Strukturen; zumindest Teilleistungen müssen unter Wettbewerbsbedingungen erbracht werden 149 . Als erfolgreich kann eine Privatisierung nur dann qualifiziert werden, wenn langfristig betrachtet das Leistungsangebot nach Qualität und Quantität im wesentlichen aufrechterhalten wird, ohne daß die Entgelte einen zumutbaren Rahmen sprengen, und gleichzeitig die vor der Privatisierung geleisteten Betriebsmittel- und Investitionszuschüsse der öffentlichen Hand wegfallen oder zumindest deutlich reduziert werden 130 . Ersteres betrifft die Position des Bürgers, zweiteres den gemeindlichen Haushalt. Zwar stellt das Wirtschaftlichkeitskriterium ein beachtenswertes Element zur Beurteilung von Privatisierungsmaßnahmen dar. Jedoch kennt die Rechtsordnung zahlreiche gleichrangige Kriterien, die einen Zielkonflikt begründen, welcher jedes eindimensionale Lösungskonzept als unzureichend scheitern läßt. Insofern kommen als weitere Belange in Betracht: Versorgungs-, Entsorgungs- und Nachsorgesicherheit; Zuverlässigkeit und Umweltverträglichkeit der Aufgabenwahrnehmung; Sozialverträglichkeit des Entgelts; Wettbewerb, Verhinderung von Monopolen und, soweit unvermeidbar, deren Kontrolle 151 . Die Wahl der Organisationsform im Hinblick auf eine möglichst erfolgreiche Aufgabenerfüllung ist von derart situationsbezogenen Faktoren abhängig, daß eine Präjudizierung der Wahl der Rechtsform ausscheidet und eine genaue Prüfung im Einzelfall anhand der zuvor genannten Maßstäbe nötig ist 1 3 2 . Es ist nicht das Anliegen dieser Untersuchung, Präferenzen zu begründen, sondern die Organisationsmöglichkeiten weiterzuentwickeln.
147
Görgmaier, S.357; Spannowsty, RdE 1995, S.138. Püttner, DÖV 1993, S.699. 149 Rahmann, S.201. 130 Wais, S.184; Görgmaier, S359, Müller, S.l 19. m Schoch, DVB1.1994, S.968; vgl. auch die ähnlichen Kriterien von Grabbe, S. 149f. 132 Erbguth/Stollmann, S.809, unter Bezugnahme auf ihre Kriterienauswahl; ebenso Ottmann, S.584; DStGB, S.26, der eine Checkliste für die Einzelfallentscheidung entwickelt hat, S.75ff. 148
2. Teil: Die Abwasserbeseitigung c) Zulässigkeit der Organisationsprivatisierung Angesichts der Unterscheidung von fiskalischer und hoheitlicher Verwaltung fragt sich, ob das Subjekt öffentlicher Verwaltung prinzipiell zwischen den Formen frei wählen kann. Die Rechtsprechung nimmt das mit dem Hinweis an, aus der öffentlich-rechtlichen Zielsetzung dürfe nicht ohne weiteres auf die öffentlich-rechtliche Erledigung geschlossen werden 133 . Bestritten wird das für den Fall, daß die Verwaltung staatliche oder kommunale Aufgaben gegenüber Dritten erfüllt 1 3 4 . Jedenfalls enthalten Verfassungs- und Verwaltungsrecht keinen numerus clausus der Handlungs- und Organisationsformen. Dieses ist aufgrund einer fehlenden Kodifikation lückenhaft 133 . Aus der dem Staat und den sonstigen Verwaltungsträgern zuerkannten Organisations-, Finanz- und Personalhoheit läßt sich das Prinzip der Wahlfireiheit folgern, welches grundsätzlich sowohl die Organisations- als auch auf die Handlungsformen einbezieht 136 . Das privatrechtliche Handeln bedarf daher keiner speziellen gesetzlichen Grundlage 137 . Zwar steht der Verwaltung keine echte Privatautonomie zu, jedoch hat sie eine verfassungsrechtlich angelegte Verwaltungsautonomie i.S.v. Verwaltungsvorbehalt, Organisationsgewalt und Auswahlermessen 138. Gerade weil die Exekutive auch bei privatrechtlichem Handeln zahlreichen öffentlich-rechtlichen Bindungen unterliegt, besteht kein Bedürfnis für eine ausschließlich öffentlich-rechtliche Beurteilung. Denn allein aus der Wahl der Rechtsform entsteht für den Bürger kein Rechtsnachteil 1 3 9 . Umgekehrt hat der Bürger keinen Anspruch darauf, daß der Staat oder die Verwaltung eine bestimmte Organisationsform hat 1 6 0 . Zudem gebietet das deutsche Verfassungsrecht nicht, die Form hoheitlicher Maßnahmen so zu wählen, daß der einzelne dagegen einen möglichst umfassenden Rechtsschutz hat. Ein solches Gebot folgt insbesondere nicht aus Art. 19 Abs.4 GG 1 6 1 . Da aber der Rechtsschutz des Bürgers nach den prozeßrechtlichen Zulässigkeits-
133
BVerwG, DVB1.1990, 712f. Ossenbühl, DVB1.1974, S.541. 133 Wolff/Bachof/Stober, Bd.l, § 23, Rn.5. 136 Erbguth/Stollmann, S.799; Wolff/Bachof/Stober, Bd.2, § 104a, Rn.3; Erichsen, Kommunalrecht, S.238f; Püttner, Wahl der Privatrechtsform, S.19; Ossenbühl DVB1. 1974, S.541; Tettinger, DÖV 1996, S.768. 137 Püttner, Öffentliche Unternehmen, S.81f. 138 Wolff/Bachof/Stober, Bd.l, § 23, Rn.7. 139 Wolff/Bachof/Stober, Bd.l, § 23, Rn.7; ders. y Bd.2, § 104a, Rn.21. 160 Ossenbühl, WDStRL 29, S.164. 161 BVerfGE 10, 89 (105). 134
Β. Die Organisationsmöglichkeiten Voraussetzungen an die Form des Staatshandelns anknüpft, werden dem Staat so Dispositionsbefiignisse eingeräumt 162 . Die weitere Frage, ob die nicht nur privatrechtlich handelnde, sondern auch so organisierte Verwaltung den Gesetzesvorbehalt auslöst, kann für den kommunalen Bereich dahingestellt bleiben 163 . Das folgt aus der gemäß Art. 28 Abs.2 S.l GG verfassungsrechtlich gewährleisteten gemeindlichen Organisationshoheit 164 . Bei der Erbringung kommunaler Selbstverwaltungsleistungen kommt der Kommune grundsätzlich weitgehende Freiheit bei der Wahl der Organisations- und Handlungsformen zu, so daß die Verwaltung auch das Recht hat, ihr obliegende Aufgaben in privater Rechtsform zu erledigen 163 . Das Wahlrecht beinhaltet ebenfalls das Recht zu Organisationsänderungen, d.h. die Freiheit, einen bisher in die Verwaltung eingegliederten Regie- oder Eigenbetrieb rechtlich zu verselbständigen 166. Seinen positivrechtlichen Ausdruck hat dieses Prinzip z.B. in § 95 Nr.3 SächsGemO gefunden, wonach Unternehmen der Gemeinde grundsätzlich in einer Rechtsform des privaten Rechts geführt werden dürfen. Von den drei in Art. 28 Abs.2 S.l GG enthaltenen Garantien - Rechtssubjekts-, Rechtsinstitutions- und Rechtstellungsgarantie 167 - ist hier vor allem die zweite wichtig, deren Tatbestand die Allzuständigkeit (Universalität) und die Eigenverantwortlichkeit bilden 1 6 8 . Der vorliegend bedeutsame Kern der gemeindlichen Selbstverwaltung ist die Eigenverantwortlichkeit, d.h. das Recht, die überlassenen Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft als eigene, frei von staatlichen Weisungen, insbesondere hinsichtlich der Zweckmäßigkeit, dezentral, also nur unter der Rechtsaufsicht des Staates, zu verwalten 169 . Dabei umfaßt die Organisationshoheit den Bereich der Pflichtigen Selbstverwaltungsaufgaben ebenso wie den Bestand an freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben 170 . Weil es sich bei der Abwasserbeseitigung um eine Pflichtige Selbstverwaltungsangelegenheit handelt, gelten für sie insoweit keine Beson-
162
Tettinger, Rechtsanwendimg, S.293f. Vgl. dazu Stober, NJW 1984, S.453 m.w.N.; Püttner, Öffentliche Unternehmen, S.122ff. 164 Statt vieler: Ossenbühl, WDStRL 29, S.174f; Schock, DÖV 1993, S.381; R. Schmidt, S.513; Graf Vitzthum, S.581. 163 Scholz/Pitschas, in: HkWP, Bd.5, S.128ff; Herdegen, S.906; Ehlers, DÖV 1986, S.898; Krieger, S.49; Müller, S.269. 166 Püttner, Wahl der Privatrechtsform, S.20. 167 Schmidt-Aßmann, in: Schmidt-Aßmann (Hrsg.), l.Abschn., Rn.l3ff. 168 Hofmann, S.123. 169 Wolff/Bachof Bd.3, § 138, Rn.50. 170 Schoch, Abfallentsorgung, S.44. 163
2. Teil: Die Abwasserbeseitigung
0
derheiten. Da sich die Kommune im Rahmen der Verwendung privatrechtlicher Handlungs- und Organisationsformen vorliegend nicht wie ein wirtschaftlicher Unternehmer, der primär auf Gewinnerzielung bedacht ist, betätigen will, kann die Zulässigkeit rein erwerbswirtschaftlichen Verhaltens hier dahinstehen.
d) Grenzen der formalen Privatisierung Die Verwaltung als staatliches Organisations- und Handlungswesen wird durch das Grundgesetz und die Landesverfassungen konstituiert. Infolgedessen darf keine Verwaltungstätigkeit und mithin auch nicht das organisatorische Eindringen der Verwaltung in den Privatrechtssektor der verfassungsmäßigen Ordnung widersprechen 171 . Die Wahlfreiheit stellt sich als Ermessensentscheidung der Exekutive dar und muß somit den Anforderungen an eine pflichtgemäße Ermessensausübung genügen 172 .
aa) Verfassungsrecht Der sog. „Funktionsvorbehalt" des Art. 33 Abs.4 GG gebietet, daß die „Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen ist, die in einem öffentlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen". Hoheitsrechtlich ist im Sinne der Typik staatlichen Handelns hier als obrigkeitlich zu verstehen 173 . Wenn auch Einzelheiten umstritten sind, so besteht damit doch ein Kriterium, um festzustellen, ob und in welchem Umfang Teilbereiche der Leistungsverwaltung unter den Funktionsvorbehalt fallen. Zunächst sind demzufolge die Bereiche der Eingrififsverwaltung nicht privatisierungsfahig; ausnahmsweise könnte nur eine Beleihung stattfinden 174 . Die gesamte Ordnungs- und Abgabenverwaltung ist auf Zwangsmittel angewiesen und kann deshalb nicht auf die hoheitlichen Befugnisse des öffentlichen Rechts verzichten. Aber auch die Leistungsverwaltung ist weitgehend durch öffentlich-rechtliche Vorschriften geregelt. Nur soweit diese nicht ausdrücklich die Verwendung bestimmter Handlungs- und Organisationsformen
171 172
Erbguth/Stollmann, S.799, unter Bezugnahme auf BGH, NJW 1985, 197 (200). Püttner, Wahl der Privatrechtsform, S.19f; ders., Öffentliche Unternehmen,
S.85. 173 174
Vgl.o. 2.Teil. Β. I. Statt vieler: Görgmaier, S.357; Gr abb e, S.145f; Hauser, S.5.
Β. Die Organisationsmöglichkeiten
1
vorschreiben, kommt der Verwaltung die Wahlfreiheit bzgl. der Organisationsform der Einrichtung und der Ausgestaltung des Leistungs- oder Benutzungsverhältnisses zu 1 7 3 . Wenn im Rahmen der Ver- und Entsorgung obrigkeitliche Mittel, z.B. ein Anschluß- und Benutzungszwang, eingesetzt werden, ist deren Ausübung an die Beamteneigenschaft gebunden. Für eine anstaltliche Zwangsbeziehung ist öffentlich-rechtliches Handeln vorgeschrieben, die Wahlfreiheit also eingeschränkt auf die Möglichkeit der Beleihung 176 . Damit ist noch nichts darüber gesagt, ob die Maßnahmen der Leistungsverwaltung, die nicht des obrigkeitlichen Zwanges bedürfen, dem privatrechtlichen Betätigungsfeld entzogen sind. Das wäre der Fall, wenn der Funktionsvorbehalt dazu führte, daß über den Bereich der Ausübung obrigkeitlicher Staatsgewalt hinaus bestimmte Aufgaben zu den notwendig staatlichen Aufgaben zählen. Zwar fehlt es nach wie vor an einer exakten Definition des jeder Privatisierung vorenthaltenen Kernbereichs staatlichen Handelns. Jedoch gehören die dem Bereich der Daseinsvorsorge zugehörigen kommunalen Aufgaben der Wasserversorgung und Abfall- sowie Abwasserbeseitigung nicht dazu, auch wenn sie vornehmlich durch die Vorschriften des besonderen Verwaltungsrechts geregelt werden 177 . Denn dadurch wird den Gemeinden nur die Pflicht der Aufgabenerfüllung auferlegt, ohne zugleich die Modalitäten der tatsächlichen Wahrnehmung einzuschränken, auf die allein sich die Organisationsprivatisierung bezieht. Im übrigen enthält schon das Grundgesetz selbst mit der Formulierung „ i n der Regel" eine Einschränkung, so daß selbst bei Aufgaben, die ganz oder teilweise als Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse zu charakterisieren sind, in begründeten Ausnahmen eine Übertragung auf Private verfassungsrechtlich zulässig sein kann 1 7 8 . Weiterhin scheitert es nicht am Demokratieprinzip, eine Privatrechtsvereinigung als besondere Erscheinungsform der vollziehenden Gewalt ansehen zu können. Es gebietet nur, prinzipiell für jede Instanz der vollziehenden Gewalt eine demokratische Legitimation und Kontrolle 179 . Auch wenn im Zuge der ,.Rastede-Entscheidung" des BVerfG 180 die Funktion der kommunalen Selbstverwaltung als demokratisches Prinzip des bürgerlichen Selbstverwaltens stärker hervorgetreten ist, bedingt das keine Sperre für eine Privatisierung, da die-
173 176 177 178 179 180
Maurer, § 3, Rn.9; Kloweit, S.125; Ehlers, in: Erichsen (Hrsg.), § 2, Rn.33ff. Grabbe, S.25 u. 54. Hofmann, S.122; Kloweit, S.129f; vgl. auch Krieger, S.42. Schoch, DVB1.1994, S.969; Hofmann, S.123. Ossenbühl, WDStRL 29, S.159f. BVeifGE 79, 127 (149f).
2. Teil: Die Abwasserbeseitigung
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se immer eine entsprechende Entscheidung der demokratisch legitimierten Gemeindevertretung voraussetzt 181 . Wenn man der verfassungsrechtlichen Selbstverwaltungsgarantie nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten entnimmt, welche die Gemeinde erfüllen muß, kann man zu einem Primat öffentlich-rechtlicher Organisationsformen gelangen: Falls die Kommunen juristische Personen errichten oder sich an ihnen beteiligen, liege darin nur dann eine rechtmäßige Ausübung des Organisationsermessens, wenn andere Formen der Verselbständigung (also durch Regie-, Eigenbetriebe) nicht ausreichten. Anderenfalls sei sie entgegen Art. 28 Abs.2 S.l GG, 78 Abs.2 Verf NW nicht mehr alleiniger Träger der Verwaltung in ihrem Gebiet, was eine unrechtmäßige Beeinträchtigung der Selbstverwaltung beinhalte 182 . Dem ist entgegenzuhalten, daß gerade mit der Entscheidung für eine Privatisierungsmaßnahme das Selbstverwaltungsrecht ausgeübt wird und damit keine vollständige Ausgliederung aus dem gemeindlichen Verantwortungsbereich verbunden ist. Vielmehr ist es das Wesen der Organisationsprivatisierung, daß die Aufgabenverantwortung bei der Körperschaft verbleibt und sich nur die Modalitäten der Wahrnehmung verändern. Der Zulässigkeit privatrechtlicher Organisationsformen soll das Rechtsstaatsprinzip mit seinen Geboten der Rechtssicherheit und -klarheit entgegenstehen, die eine Berechenbarkeit des staatlichen Handelns für den betroffenen Bürger zum Ziel hätten. Aufgrund der Abgrenzungsschwierigkeiten bzgl. Rechtsweg und Haftung sei den Geboten nur im Falle eines einheitlichen Handlungsregimes für ein einheitliches Rechtsverhältnis genügt 183 . Geschützt ist der Bürger jedoch nur vor einer Kompetenzverschiebung mit Außenwirkung 184 , die bei der formalen Privatisierung nicht stattfindet, weil die Gemeinde nur ihre Rechtsform austauscht. Die rechtsstaatlichen Garantien i.S.d. Art. 19 Abs.4 GG gelten im gerichtlichen Verfahren gleichermaßen für den ordentlichen und den Verwaltungsrechtsweg. Die Besonderheiten des Systems verwaltungsgerichtlicher Klagen bieten der Durchsetzung der Rechtsposition des Bürgers keine anderen Möglichkeiten als die ordentlichen Gerichte. Ebensowenig, wie der Bürger einen Anspruch auf eine Leistungserbringung in bestimmten Organisationsformen hat, gewährt die Individualrechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs.4 GG gerade den Verwaltungsrechtsweg, sondern nur Zugang zu, Verfahren vor und Entscheidung irgendeiner Gerichtsbarkeit. Die
181 182 183 184
Kloweit, S.141; Hofmann, S.123. So Ehlers, DÖV 1986, S.903. So Bodanowitz, S.33f. Krieger, S.54.
Β. Die Organisationsmöglichkeiten Ausgestaltung obliegt dem Prozeßrechtsgesetzgeber 183. Hinsichtlich der Haftung ist anzumerken, daß es für die Gemeinden wegen der Subsidiarität des § 839 Abs.l S.2 BGB und des Haftungsauschlusses des § 839 Abs.3 BGB besser ist, Einrichtungen öffentlich-rechtlich zu betreiben 186 . Schließlich stellen die Art. 83ff GG aufgrund ihres fragmentarischen Charakters keine umfassende Regelung der Verwaltungsorganisation dergestalt dar, daß Verwaltung nur durch Behörden zu verwirklichen ist 1 8 7 . Im übrigen sprechen die Übernahme des Altbesitzes in Gestalt von verwaltungsgesteuerten juristischen Personen des Privatrechts, die aus der Zeit vor Inkrafttreten des Grundgesetzes stammen, durch den Verfassunggeber (Art. 134, 135 GG) sowie das Schweigen der Verfassung im übrigen für die grundsätzliche Zulässigkeit der öffentlichen Verwaltung durch privatrechtlich organisierte Einrichtungen 188 .
bb) Einfachgesetzliche Schranken Da die Abwasserbeseitigung den Gebietskörperschaften ausdrücklich als Pflichtige Selbstverwaltungsaufgabe zugewiesen ist und im übrigen zahlreiche gesetzliche Vorgaben existieren, besitzen Ableitungen aus übergeordneten Verfassungsprinzipien nur einen untergeordneten Stellenwert 189 . Sie dienen aber zur Konkretisierung von unbestimmten Rechtsbegriffen und des Organisationsermessens im Rahmen des einfachen Rechts 190 .
(1) Wasserrecht Nicht zu folgen ist dem Ansatz, eine Heranziehung der Gemeinde über eine Kapitalgesellschaft sei hinsichtlich der Pflicht zur Abwasserbeseitigung schon vor dem Hintergrund des § 18a Abs.2 S.l WHG rechtswidrig, der ausdrücklich eine öffentlich-rechtliche Körperschaft verpflichte 191 . Träfe das zu, wäre eine formale Privatisierung nur bei freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben der 185 Pieroth/Schlink, Rn.1091; Krebs, in: v.Münch/Kunig, Art. 19 GG, Rn.62; Krieger, S.20. 186 Krieger, S.21. 187 Däubler, S.73; Ehlers, Privatrechtsform, S.l 16. 188 Erbguth/Stollmann, S.800; Stober, NJW 1984, S.452. 189 So Kloweit, S.138, zur Abfallbeseitigung; Schoch, Abfallentsorgung, S.47. 190 Schoch, Abfallentsorgung, S.57. 191 So Peine, S. 150 (152); Honert/Rüttgers, § 53 LWG NW, Rn.13.
2. Teil: Die Abwasserbeseitigung Kommune zulässig und die Organisationshoheit liefe nahezu leer. Zwar weist die bundesrechtliche Vorschrift dem Staat die Aufgabenträgerschaft zu, sie enthält aber keine Verpflichtung zu spezifisch öffentlich-rechtlichen Organisationsformen der Aufgabenerfüllung. Zu trennen sind die Pflichtenzuweisung und deren organisatorische Erfüllung. Auch der Betrieb der Abwasserbeseitigungsanlagen durch eine kommunale Kapitalgesellschaft berührt die Aufgabenträgerschaft der Gemeinde nicht. Darin, daß die Gemeinde hier entsorgungspflichtig bleibt, liegt gerade der Unterschied zwischen formaler und materieller Privatisierung 192 . Der Wortlaut des § 18a Abs.2 WHG enthält selbst weder eine konkrete Pflichtenzuweisung an die Gemeinden noch eine Beschränkung auf öffentlichrechtliche Organisationformen, sondern räumt sogar ausdrücklich die Befugnis für eine landesrechtliche Regelung hinsichtlich der Voraussetzungen ein, unter denen „anderen" die Abwasserbeseitigung obliegt 193 . Daß die bloße Verrichtung auch Private leisten können, beweisen neben dem neu eingefügten § 18a Abs.2 S.3 WHG die §§ 45b Abs.3 Bad-WttbgWG, 6 Abs.5 Bad-WttbgAbfG, welche spezialgesetzlich zur Organisationsprivatisierung im Bereich der Abfall- und Abwasserentsorgung ermächtigen. Etwas anderes könnte sich aus den landesrechtlichen Regelungen ergeben, in denen eine ausdrückliche Aussage zur Zulässigkeit privatrechtlicher Organisationsformen fehlt. Anknüpfungspunkt für ein Verbot einer formalen Privatisierung der kommunalen Abwasserbeseitigungsanlagen soll die Pflicht der Gemeinde sein, im Verhältnis zu den Benutzern der Entsorgungseinrichtungen öffentlich-rechtlich zu handeln. Diese folge schon aus dem Umstand, daß die kommunalen Abwasserbeseitigungsanlagen öffentliche Einrichtungen mit Anschluß- und Benutzungszwang seien. Zudem bewiesen Regelungen wie z.B. § 65 Abs.l S.l L W G NW, daß die Gemeinden gegenüber den Benutzern öffentlich-rechtlich handeln müßten, wenn dort gesetzlich bestimmt werde, daß die Gemeinden die von ihnen zu entrichtende Abwasserabgabe „durch Gebühren nach §§6 und 7 Kommunalabgabengesetz" abwälzen 194 . Da aber eine Beleihung der privatrechtlich verfaßten Anlagenbetreiber mangels gesetzlicher Ermächtigungsgrundlage ausscheide, komme diesen keine Hoheitsgewalt zu, so daß sie nur unzulässigerweise zivilrechtlich auftreten könnten. Von der Pflicht zum öffentlich-rechtlichen Handeln ist der Schluß nicht weit auf die alleinige Zulässigkeit öffentlich-rechtlicher Organisationsformen 193.
192 193
Bodanowitz, S.27; Schink, S.258. Das räumen an anderer Stelle auch Honert/Rüttgers,
ein. 194 193
So Bodanowitz, S.29f. So Bodanowitz, S.31f.
§ 53 LWG NW, Anm.10,
Β. Die Organisationsmöglichkeiten Dem ist zunächst entgegenzuhalten, daß der Verweis auf Gebühren i.S.d. Kommunalabgabengesetzes" keineswegs nur öffentlich-rechtliche Entgelte betrifft. Denn § 6 Abs.l S.l K A G NW setzt privatrechtliche Entgelte explizit voraus. Die Verwendung des Wortes „können" verdeutlicht, daß es sich bei dieser Vorschrift nicht um zwingendes Recht handelt. Die Kommunen sind lediglich berechtigt, Gegenleistungen gegenüber den Benutzern ihrer Einrichtungen hoheitlich geltend zu machen, was die Erhebung privatrechtlicher Entgelte nicht ausschließt 196 . Darüber hinaus ist die Notwendigkeit einer ganzheitlichen öffentlich-rechtlichen Regelung nur behauptet. Insoweit wird die Möglichkeit der Aufspaltung der Rechtsverhältnisse zu den Benutzern verkannt. Birgt daher allein die zivilrechtliche Ausgestaltung keine Nachteile, so ist auch eine Abgrenzung trennscharf möglich, da nur das Abwasserüberlassungsgebot hoheitlich, und zwar in Nordrhein-Westfalen über die satzungsrechtliche Anordnung des Anschluß- und Benutzungszwangs, erfolgen muß und alles andere zivilrechtlich lösbar ist. Von der Zulässigkeit der privatrechtlichen Organisationsformen geht schließlich auch das kommunale Organisationsrecht aus, das eingedenk der notwendigen Anordnung eines Anschluß- und Benutzungszwanges der Gemeinde gestattet, nach § 108 Abs.l S.l Nr.2 GO NW Unternehmen und Einrichtungen in einer Rechtsform des privaten Rechts zu gründen oder sich daran beteiligen. Ebenso deutlich wird dies am Zusammenspiel von §§ 96, 97 SächsGemO mit § 63 Abs.2 SächsWG. Aus der Verknüpfung von der Gewässerbenutzungserlaubnis mit der Abwasserbeseitigungspflicht ergeben sich hier im übrigen keine Einschränkungen. Bei der Eigengesellschaft ist davon auszugehen, daß sich die Aufgabenpflicht und die Sachherrschaft über die zur Erfüllung erforderlichen Anlagen nach wie vor in der Hand der Gemeinde befinden 197 .
(2) Kommunalrecht Weiterhin ist im Bereich der Kommunalverwaltung für die als Ausfluß der Selbstverwaltungsgarantie gewährleistete Organisationshoheit der Städte und Gemeinden die Schrankenregelung aus Art. 28 Abs.2 S.l GG zu beachten, die eine gesetzliche Befugnis zur Einengung des Wahlrechts enthält 198 . Demgemäß steht die Aufgabenzuweisung des § 2 GO NW unter dem Vorbehalt ab-
196 So OVG Koblenz, NVwZ-RR 1991, 322 (323), für die vergleichbare Regelung der §§ 8, 11 Abs.l RhPfKAG. 197 ATV-Fachausschuß 4.2, KA 1995, S.450. 198 Schoch, DÖV 1993, S.381; Hofmann, S.123.
2. Teil: Die Abwasserbeseitigung weichender gesetzlicher Regelungen. Gerade für die Durchführung der Pflichtigen Selbstverwaltungsaufgaben kann der Gesetzgeber sehr detaillierte Bestimmungen treffen. Hierdurch wird dann zulässigerweise die Eigenverantwortlichkeit der Kommunen bei der Ausführung dieser Aufgaben erheblich eingeschränkt 199 .
(a) Kommunalwirtschaftsrecht Die Voraussetzungen des Kommunalwirtschaftsrechts stellen weder für wirtschaftliche noch für nichtwirtschaftliche Betätigungen der Gemeinden hohe Hindernisse dar 2 0 0 . Weil die Abwasserbeseitigung gemäß § 107 Abs.2 S.l Nr. 3 GO NW eine nichtwirtschaftliche Betätigung darstellt, darf die Gemeinde nach § 108 Abs. 1 S. 1 Nr.2 GO NW „Unternehmen und Einrichtungen in einer Rechtsform des privaten Rechts nur gründen oder sich daran beteiligen, wenn bei Einrichtungen (§ 107 Abs.2) die Voraussetzungen des § 8 Abs.l gegeben sind und ein wichtiges Interesse der Gemeinde an der Gründung oder der Beteiligung vorliegt". Neben den weiteren Voraussetzungen des § 108 Abs.2 u. 3 GO NW wird damit das Kommunalwirtschaftsrecht für die Frage einer formalen Privatisierung mit dem Kommunalsachenrecht verknüpft. Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 GO NW sind insbesondere die Beachtung der Grenze der Leistungsfähigkeit sowie die Erforderlichkeit im Einzelfall, wobei der Gemeinde hinsichtlich dieser Merkmale ein erheblicher Einschätzungsspielraum zugebilligt wird 2 0 1 . Fehl geht in diesem Zusammenhang die Meinung, eine Eigengesellschaft der Gemeinde sei aus kommunalrechtlichen Gründen unzulässig, weil Einrichtungen der Abwasserbeseitigung ausdrücklich aus der Gruppe der wirtschaftlichen Unternehmen ausgenommen seien 202 . Erledigen juristische Personen des Privatrechts die Abwasserbeseitigung, so ist ihr Betrieb zwar auf den einer nichtwirtschaftlichen Einrichtung gerichtet; aber die Gründung einer solchen Privatrechtsorganisation oder die Beteiligung an ihr ist zulässig, wenn - ungeachtet der übrigen Voraussetzungen des § 108 Abs.l GO NW - ein „wichtiges Interesse" der Kommune dafür besteht 203 . Darüber hinaus unterliegt diese nichtwirtschaftliche Betätigung nicht der Zweckbindung des §§108 Abs.l S.l N r . l , 107 Abs.l S.l Nr. 1 GO NW, weil für sie immer ein dringender öf199 200
201 202
Vogelsang u.a., Rn.276f. Schock, DVB1.1994, S.6; Schink, S.263.
Rehn/Cronauge, § 108 GO NW, Erl.m. 1.
So aber Honert/Rüttgers, § 53 LWG NW, Rn.13. 203 Ehlers, DÖV 1986, S.898f, im Hinbück auf §§ 89 Abs.2, 92 GO NW a.F.; Rehn/ Cronauge, § 107 GO NW, Erl. VI. 7.
Β. Die Organisationsmöglichkeiten fentlicher Zweck vorausgesetzt wird. Er muß nicht im Einzelfall nachgewiesen werden, weil die gesetzliche Aufgabenpflicht ihn impliziert 204 . Damit können die Anforderungen hinter denen zurückbleiben, die an die Gründung wirtschaftlicher Unternehmen gestellt werden 203 . Der Rückgriff des Gesetzgebers auf den unbestimmten Rechtsbegrifif des wichtigen Interesses ist verfassungsrechtlich geprägt vom Kompromiß zwischen kommunalwirtschaftlicher Selbstverwaltungsfreiheit und rechtlicher Bindung 2 0 6 . Fraglich ist, wann im Einzelfall ein wichtiges Interesse der Gemeinde an der Gründung oder Beteiligung i.S.d § 108 Abs.l S.l Nr.2 GO NW besteht. Es könnte bereits dann anzunehmen sein, wenn die gemeindliche Aufgabenerfüllung durch diese Gestaltung der Einrichtung verbessert wird 2 0 7 . Gemäß § 1 Abs. 1 GO N W ist die Gemeinde verpflichtet, das gemeinsame Wohl ihrer Einwohnerschaft zu fordern, ggf. auch durch wirtschaftliche Betätigung. Worin die Gemeinde die Förderung des allgemeinen Wohls erblickt, ist hauptsächlich den Anschauungen und Entschließungen ihrer maßgebenden Organe überlassen und hängt von den örtlichen Verhältnissen, finanziellen Möglichkeiten der Gemeinde, Bedürfnissen der Einwohner und anderen Faktoren ab. Demzufolge handelt es sich beim wichtigen Interesse um einen unbestimmten Rechtsbegriff mit weitem Beurteilungsspielraum. Denn im Grunde geht es um eine Frage sachgerechter Kommunalpolitik, die ebenso wie jedes andere wirtschaftliche Handeln in starkem Maße von Zweckmäßigkeitsüberlegungen bestimmt wird. Feststeht nur, daß die Gemeinde nicht die Gewinnerzielung als ausschließliches Ziel vorgeben darf 2 0 8 . Demgegenüber mißt das nordrhein-westfalische Innenministerium der Gründung einer privatrechtlichen Gesellschaft Ausnahmecharakter zu im Verhältnis zur regelmäßigen Aufgabenwahrnehmung innerhalb der Kommunalverwaltung. Dies folge bereits aus dem Wortlaut des § 89 GO NW a.F. („nur zulässig"). Für die Gründung einer Gesellschaft müßten deshalb konkrete, rational nachvollziehbare Sachgründe vorgetragen werden, die mit hoher Wahrscheinlichkeit erwarten ließen, daß sich die kommunalen Aufgaben ausnahmsweise in privatrechtlicher Form besser verwirklichen ließen. Undifferenzierte Bewertungen und Unterstellungen dahin, daß sich kommunale Aufgaben in der Rechtsform des privaten Rechts dynamischer, flexibler und wirtschaftlicher erfüllen ließen, könnten die Gründung einer Gesellschaft nicht rechtfertigen. Vor dem Zugriff auf Organisationsformen des privaten Rechts werde 204
Graf Vitzthum, S.599. Schink, S.263. 206 Weller, S.29. 207 So OVG Münster, NVwZ 1986, 1045 (1046), zum gleichlautenden §§ 89 Abs.2 S.2 GO NW a.F. 208 BVerwGE 39, 329 (334). 203
7 Brüning
2. Teil: Die Abwasserbeseitigung darüber hinaus zu prüfen sein, ob eventuelle Probleme effektiver und wirtschaftlicher Aufgabenerfüllung nicht besser dadurch gelöst werden könnten, daß im Rahmen der herkömmlichen Kommunalverwaltung für bestimmte Aufgaben ein größeres Maß an Selbständigkeit eingeräumt werde oder lediglich Teilaufgaben auf Dritte übertragen würden. Für das Vorliegen der Voraussetzungen soll zudem die Gemeinde die Darlegungs- und Beweislast tragen 209 . Diese Auslegung des „wichtigen Interesses" bedingt eine Subsidiarität der privatrechtlichen Organisationsformen im Verhältnis zu öffentlich-rechtlichen und damit eine Einschränkung der Wahlfreiheit der Kommunen, die der Landesgesetzgeber schon beim 2. Gesetz zur Änderung der Gemeindeordnung im Jahre 1976 nicht beabsichtigt hat 2 1 0 . Gewollt war statt dessen eine Harmonisierung des staatlichen und des kommunalen Haushaltsrechts: § 65 Abs.l N r . l LHO NW verwendet den Begriff des wichtigen Interesses anders als die §§ 88, 89 GO NW a.F. und erlaubt die Beteiligung an privatrechtlichen Gesellschaften schon dann, wenn die wahrzunehmenden Aufgaben in öffentlich- oder privatrechtlicher Form gleich gute Ergebnisse erwarten lassen. Vor diesem Hintergrund liegt es nahe, darauf abzustellen, daß die Gründung oder Beteiligung für die Gemeinde im Rahmen ihrer Aufgabenerfüllung nützlich ist, ohne eine „bessere" Aufgabenerledigung zu verlangen 211 . Während wirtschaftliche und steuerliche Gründe durchgreifen können, sind Absichten zur Umgehung des öffentlichen Haushalts- oder Vergaberechts irrelevant 212 . Ein wichtiges Umgründungsinteresse wird ebenfalls gegeben sein, wenn der nichtwirtschaftliche Betrieb kooperativ mit der Privatwirtschaft geführt werden soll und die öffentlich-rechtlichen Organisationsformen der Gemeinschaftsarbeit ungeeignet sind 2 1 3 . Auch mit der Neuregelung im Jahre 1994 ist die Wahlfreiheit uneingeschränkt aufrechterhalten worden, und zwar nicht zuletzt deshalb, weil der ursprünglich beabsichtigte Eigenbetriebsvorrang nicht normiert worden ist 2 1 4 . Ergibt mithin die Abwägung mehrerer möglicher Gestaltungsformen, etwa die Aufgabenerledigung durch die Behörde selbst oder durch eine Eigengesellschaft, daß jeweils gleich gute Ergebnisse zu erwarten sind, braucht die Verwaltung nicht auf eine privatrechtliche Lösung zu verzichten. Die ist ihr nur
209
Erlaß des Innenministers NW, dessen wesentlicher Inhalt der Regierungspräsident Köln mit Rundveifügung v. 10.6.1987 (Az. 31.50.00) bekannt gemacht hat, zitiert nach Weller, S.26f; i.d.S. verallgemeinernd DÖV 1986, S.903f. 210 Schink, S.264 m.w.N. 211 So Rauball/Pappermann/Roters, § 89 GO NW a.F., Rn.9; Weller, S.28. 212 Schink, S.265. 213 Haverkämper, S.225. 214
Rehn/Cronauge, § 108 GO NW, Erl.m.2.
Β. Die Organisationsmöglichkeiten
99
versagt, wenn der verfolgte Zweck in anderer Form nicht besser und wirtschaftlicher erzielt werden kann, nicht aber schon bei Gleichwertigkeit der voraussichtlichen Resultate 213 .
(b) Haushaltsrecht Schließlich ist für die Frage der Zulässigkeit einer Privatisierungsmaßnahme das kommunale Haushaltsrecht zu beachten: Als elementare Rechtmäßigkeitsvoraussetzung ist das Prinzip der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit 216 einzuhalten, das in den Gemeindeordnungen der Länder, z.B. in § 75 Abs.2 GO NW, verankert ist. Dieser haushaltsrechtliche Grundsatz bildet ein unüberwindliches Hindernis für Privatisierungsmaßnahmen, bei denen eine vergleichende betriebswirtschaftliche Wirtschaftlichkeitsberechnung keine nennenswerten Einsparungen zeitigt 217 . Insbesondere greifen bei der Veräußerung öffentlichen Vermögens Vorschriften ein, die im Spannungsverhältnis von Haushaltsentlastung und Bewahrung der sachlichen Grundlagen kommunaler Aufgabenerfüllung dazu dienen, eine leichtfertige Verschleuderung des Gemeindevermögens zu verhindern. Bedeutung gewinnen diese Regelungen z.B. bei der Veräußerung des kommunalen Kanalnetzes. So ist eine unentgeltliche Veräußerung entweder generell verboten oder von der Kommunalaufsichtsbehörde zu genehmigen; bei entgeltlichen Veräußerungen bildet regelmäßig die Vereinbarung des Verkehrswertes die Rechtmäßigkeitsvoraussetzung des Geschäfts 218 .
e) Ausgestaltung der Rechtsbeziehungen Die Erscheinungsformen der zivilrechtlich organisierten Verwaltung sind das Spiegelbild der zahlreichen gesellschaftsrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten 219 . Nach § 108 Abs.l Nr.3 GO NW ist die Beteiligung der Gemeinde an einer oHG, an einer K G als Komplementär und an einer BGB-Gesellschaft unzulässig, da die Haftung bei diesen o.ä. Organisationsformen im Außenver-
213 216 217 218 219
7«
Erbguth/Stollmann, S.800; Weiler, S.28. Vgl. dazu allgemein Däubler, S.IOóff. Krölls, S.140. Krölls, S.143. Wolff/Bachof/Stober, Bd.2, § 104a, Rn.9.
100
2. Teil: Die Abwasserbeseitigung
hältnis nicht beschränkbar ist. Gleiches gilt für den nichtrechtsfähigen wirtschaftlichen Verein 220 .
Schon die Gründung der Privatrechtsvereinigung erfolgt durch Rechtsakte des Gesellschaftsrechts; demzufolge richtet sich deren Wirtschaftsführung nach Gesellschaftsvertrag und Handelsrecht. Ihre Rechte nimmt die Gemeinde in den verfassungsmäßigen Organen der Gesellschaft nach den Regeln des Gesellschafts- und Handelsrechts wahr 2 2 1 .
aa) Erscheinungsformen Die Gesellschaftsanteile einer kommunalen Eigengesellschaft befinden sich ausschließlich in der Hand der Gemeinde. Es bleibt bei gemeindeausschließlicher, wenn auch zivilrechtlicher Organisation mit der Besonderheit, daß diese „Einpersonengesellschaft" 222 keine natürliche, sondern ihrerseits eine juristische Person zum Alleininhaber hat, die körperschaftlich strukturiert ist 2 2 3 . Gesellschaften, in denen die Mitgliedschaft der öffentlichen Hand auf Dauer angelegt ist, lassen sich nach dem Grad der Beteiligung in verwaltungseigene und gemischt-öffentliche bzw. -wirtschaftliche trennen, wobei letztere ihrerseits in verwaltungsbeherrschte (Mehrheitsbeteiligung der öffentlichen Hand) und verwaltungskontrollierte (Minderheitsbeteiligung der öffentlichen Hand) zerfallen. Grundsätzlich zu unterscheiden von diesen Beteiligungen sind sonstige verwaltungsbeherrschte Rechtssubjekte, deren sich die öffentliche Hand durch externe Einflußsicherung bedient, ohne sich an ihnen zu beteiligen 224 . Sie lassen sich nicht ohne weiteres der Organisationsprivatisierung subsumieren 223. Zunächst kann Ziel einer Privatisierungsmaßnahme eine kommunale Eigenkapitalgesellschaft (z.B. Stadtwerke GmbH bzw. AG) sein, die auch die Vorstufe für ein späteres gemischt-wirtschaftliches Unternehmen bilden kann, falls sich eine intensivere Kooperation mit Privaten als sachgerecht herausstellen sollte. In Betracht kommt ebenfalls die sofortige Schaffiing einer Beteili220
Gern, Rn.758. Schützenmeister, S.216; Noack, S.379; Püttner, Öffentliche Unternehmen, S. 28 Off. 222 Zur gesellschaftsrechtlichen Zulässigkeit s. §§ 1 GmbHG, 2 AktG. 223 Graf Vitzthum, S.582, insbes. Fßn.6. 224 Wolff/Bachof/Stober, Bd.2, § 104a, Rn.12. 223 Insofern zu weitgehend Beckmann, S.12, der jede Entsorgungsgesellschaft einschließlich der gemeindlichen Eigengesellschaft dem Tatbestand des § 3 Abs.2 S.2 AbfG subsumiert. 221
Β. Die Organisationsmöglichkeiten
101
gungsgesellschaft, an der neben anderen öffentlich-rechtlichen Körperschaften auch ein Privater Anteile halten kann 2 2 6 . Auf dem Gebiet der Abwasserbeseitigung findet zur Zeit eine Neuentdekkung des gemischt-wirtschaftlichen Unternehmens statt. Es dient als gesellschaftsrechtliche Kooperationsform der öffentlichen Hand und privater Wirtschaftssubjekte. Regelmäßig entsteht im „Kooperationsmodell" eine städtische Entsorgungs-GmbH, an der die entsorgungspflichtige Körperschaft eine Mehrheitsbeteiligung von 51 % besitzt 227 . Diese Gesellschaft mit kommunaler Majorität hält das Anlageneigentum und beauftragt den Mitgesellschafter oder einen Dritten mit dem tatsächlichen Bau und Betrieb der Anlagen 228 . Durch ihre Mehrheitsbeteiligung an dem Entsorgungsunternehmen versucht die Gemeinde, den kommunalpolitischen Einfluß auf die Erfüllung der Entsorgungsaufgabe trotz des Engagements eines privaten Investors und Betriebsführers als Minderheitsbeteiligtem sicherzustellen und gleichzeitig privatunternehmerische Dispositionsfreiheit und Beweglichkeit einzubinden 229 . In der kommunalen Praxis zeigt sich zudem eine Verlagerung der eigentlichen Wertschöpfung von der Gemeinde fort: Nicht mehr die von ihr selbst getragene Unternehmung wirtschaftet, sondern erst ein in deren Hand befindliches Tochterunternehmen, so daß die Mutter- oder Dachgesellschaft nur noch ein gemeindemittelbar wirtschaftendes Unternehmen darstellt. Typischerweise ist die „Stadtwerke AG/GmbH" eine solche Holding, in der verschiedenartige Ver- und Entsorgungsaufgaben zusammengefaßt sind 2 3 0 . Dadurch wird es möglich, Gewinne und Verluste der einzelnen Bereiche abzugleichen und nur das Ergebnis der Holding in den Gemeindehaushalt einzustellen 231 . Dagegen
226 Schoch, Abfallentsorgung, S.35; Schink, S.257, sieht in der Errichtung gemischtwirtschaftlicher Unternehmen eine Verknüpfung der Organisations- mit der materiellen Privatisierung. 227 Krölls, S.131f; BMWi, Leitfaden zur Abfallentsorgung, S.22; für die Abfallentsorgung s. Schink, S.252, u zur Public-Private-Partnership als Modell für die kommunale Entsorgung am Beispiel der Stadt Dortmund s. Niermann, in: Tettinger, PublicPrivate-Partnerships, S.19ff. 228 Vgl. DStGB, S.46f, unter Bezugnahme auf das „Schwerter Kooperationsmodell", bei dem eine Entwässerungs-GmbH mit städtischem Anteil in Höhe von 52% und einer Beteiligung zweier Bauunternehmen von insgesamt 48% besteht. 229 BMU, Erfahrungsbericht, S.33; Schoch, DVB1.1994, S.ll; Krölls, S.131f. 230 Schmidt-Jortzig, Rn.728f; Püttner, JA 1980, 218. 231 Erichsen, Kommunalrecht, S.239.
2. Teil: Die Abwasserbeseitigung
10
bestehen aus organisationsrechtlicher Sicht keine Bedenken, weil die Verwendung der privatrechtlichen Gestaltungsformen insoweit nicht beschränkt ist 2 3 2 .
bb) Rechtsverhältnis zwischen Bürger und Privatrechtsorganisation Bei der Wahl einer privatrechtlichen Handlungs- oder Organisationsform schafft der Staat Fakten und erwartet zunächst, daß dieser Sachverhalt unter die Tatbestandsmerkmale einer bestimmten organisationsrechtlichen Norm subsumiert werden kann. Sodann erwartet er, daß diese organisationsrechtliche Norm auch für den Staat als beteiligtes Rechtssubjekt gilt 2 3 3 . Vollzieht die Gemeinde beispielsweise die Gründung einer GmbH, so stellt sie sich vor, daß der tatsächliche Gründungsvorgang unter die einschlägigen Vorschriften des GmbHG fallt und daß sich der personelle Geltungsbereich der gesellschaftsrechtlichen Normen auf die Gemeinde erstreckt. Die Wahl zielt danach auf den Rechtsinhalt und die Rechtsgeltung privatrechtlicher Regelungen 234 . Im Vergleich zur öffentlich-rechtlichen Aufgabenerledigung sind Lockerungen bzgl. der Bindung an öffentliches Recht unumgänglich. Denn sie resultieren aus der privatrechtstypischen, unabhängig vom Gemeinwohl bestehenden allgemeinen Handlungsfreiheit jeder Privatperson, der Befreiung von Vorschriften des öffentlichen Dienstrechts, insbesondere bei der Lohngestaltung, weiterhin aus der kommunalrechtlich vorgeschriebenen Haftungsbegrenzung auf das Gesellschaftsvermögen, sodann im Steuerrecht bei der Körperschaftund der Umsatzsteuer aus Steuererleichterungen und bei der Preisgestaltung
232 Püttner, JA 1980, S.218. Kirchhartz, a.a.O., beschreibt diese Ausgestaltung als den sog. „ M ö n c h e n g l a d b a c h e r Weg": Dort ist die Durchführung der Abwasserbeseitigung seit dem 1.1.1996 unter Veräußerung des wasserwirtschaftlichen Vermögaisgegenstände (Kanalnetz, Sonderbauwerke etc.) auf die Stadtwerke Mönchengladbach GmbH und deren als reine Objektgesellschaft angegliederte 100 %ige Tochtergesellschaft, die Entwässerung Mönchengladbach GmbH (EMG), übertragen worden. Dieses organisatorische Konzept kennzeichnet Kirchhartz das Betriebsaufspaltungsmodell, da die Stadtwerke als 100 %ige Tochter der Stadt nur für den Betrieb zuständig sind und deren Tochtergesellschaft EMG lediglich für Erwerb, Nutzung und Verwaltung des Anlagenvermögens durch Veipachtung an die betriebsfuhrenden Stadtwerke errichtet worden ist. Die EMG wird als reine Objektgesellschaft auch die künftigen Ersatz-, Erweiterungs- und Instandhaltungsinvestitionen tätigen, ohne je selbst operativ tätig zu werden. 233
Ehlers, Privatrechtsform, S.69. Kempen, S.l 10, der allerdings im Ergebnis den Staat als nicht voll privatrechtsfahig ansieht, daher schon die Formenwahlfreiheit leugnet und mithin auch keine Notwendigkeit für die Anwendung des Verwaltungsprivatrechts sieht, vgl.i.e. S.122f u. 127f. 234
Β. Die Organisationsmöglichkeiten
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aus der flexibler handhabbaren Tarifpolitik sowie schließlich aus den gesellschaftsrechtlich bedingten Lockerungen der Weisungs- und Kontrollrechte der kommunalen Gremien 233 . Im Zuge der Aufgabenerfullung begründet die zivilrechtlich verfaßte Entsorgungsgesellschaft also eine unmittelbare Außenrechtsbeziehung zum Abwasserbesitzer, die grundsätzlich zivilrechtlichen Regeln folgt. Auf der Rechtsfolgenseite stellt sich die Frage, welchen Bindungen die einzelnen privatrechtlichen Handlungen des Verwaltungsträgers unterliegen. Dieses Problem ergibt sich bereits dann, wenn nur die Benutzungsverhältnisse privatrechtlich ausgestaltet werden, ohne daß der Verwaltungsträger selbst zivilrechtlich organisiert ist, erst recht aber, wenn das Subjekt der öffentlichen Verwaltung formell privatisiert ist.
(1) Geltung des Verwaltungsprivatrechts Sofern Subjekte öffentlicher Verwaltung sich privatrechtlicher Formen bedienen, liegt fiskalische Verwaltung i.w.S. vor, weil der Staat als Privatrechtssubjekt traditionell„Fiskus" heißt 236 . Dazu zählen vor allem fiskalische Hilfstätigkeiten und erwerbswirtschaftliches Handeln. Dann nimmt der Träger öffentlicher Verwaltung als Fiskus i.e.S. am wettbewerblichen Wirtschafts- und Erwerbsleben teil, um das Finanz- und Verwaltungsvermögen als solches zu erhalten, zu vermehren oder zu veräußern oder dafür benötigte Leistungen zu beschaffen 237. Die Bindung solchen Handelns ist unklar, kann aber vorliegend dahinstehen, denn hier geht ein Träger öffentlicher Verwaltung Privatrechtsverhältnisse ein, um die ihm durch öffentlich-rechtliche Aufgabenbestimmung übertragenen öffentlichen Verwaltungszwecke zu verfolgen. Demgemäß ist das zwar formell, nicht aber inhaltlich fiskalische Tätigkeit 238 . Insofern gilt unverändert der Satz von HaeneP 39 aus dem Jahre 1892: ,JEs ist eine durchaus unrichtige Vorstellung, als ob der Staat in seinen fiskalischen Rechtsverhältnissen nicht als Staat, sondern als Privater stände." Dem liegt die Erkenntnis zugrunde, daß Handeln des Staates in privatrechtlichen Formen und bürgerliche Selbstbestimmung nicht identisch sind. Ersteres findet seine Grundlage eben nicht in der aus dem Prinzip der Selbstbestimmung fließenden Privatautonomie; vielmehr entspringt das privatrechtliche Können
233 236 237 238 239
So zusammenfassend Gern, Rn.762. Wolff/Bachof/Stober, Bd.l, § 23, Rn.17 Wolff/Bachof/Stober, Bd.l, § 23, Rn.19. Grabbe, S.108f; Wolff/Bachof/Stober, Bd.l, § 23, Rn.29. Aa.O.,S.161.
2. Teil: Die Abwasserbeseitigung
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des Staates und seiner Untergliederungen aus seiner Staatsgewalt, die auch sonst rechtserhebliche Tätigkeit ermöglicht. Staat bleibt aber Staat, sogar wenn er sich der Formen des bürgerlichen Rechts bedient, weil ihm diese Gestaltungsmacht immer und ausschließlich aufgrund der Staatsgewalt zusteht. Folgerichtig ist die Tätigkeit verselbständigter Organisationen Ausfluß der Staatsgewalt und als solche im Verhalten an Grundrechte gebunden 240 . Demgegenüber findet das Privatrecht seinen Anwendungs- und Gerechtigkeitsgrund in dem Umstand, daß die am Privatrechtsverkehr Beteiligten rechtlich gleichgeordnet sind, woran es im Verhältnis zwischen Bürger und Staat fehlt. Zwar macht der Staat von seiner rechtlichen Überlegenheit dann keinen Gebrauch, wenn er sich auf die Ebene des Privatrechts begibt. Damit ist die Hoheitsgewalt jedoch nicht endgültig abgelegt oder gar beseitigt, sondern steht ihm unverändert latent zur Verfügung 241 . Es besteht insoweit kein Unterschied, ob die Kommune unmittelbar privatrechtlich oder mittelbar durch privatrechtliche Organisationsformen tätig wird. Die wahrgenommene Aufgabe bleibt eine Funktion der Gemeinde, die durch Übertragung auf eine Eigengesellschaft keine qualitative Veränderung erfährt 242 . Insbesondere der Grundrechtsbindung kann die Gemeinde als öffentlicher Funktionsträger nicht entrinnen 243 . Das gilt erst recht, wenn Privatrechtssubjekte einen durch öffentlich-rechtliche Aufgabenzuweisung festgelegten öffentlichen Zweck wie den der Abwasserbeseitigung verfolgen 244 . Die Ver- und Entsorgungsverwaltung kommt dann nicht in den Vollgenuß echter rechtsgeschäftlicher Privatautonomie 243 . Vielmehr bleibt kommunale Wirtschaftstätigkeit unabhängig von der Rechtsform des Unternehmens Verwaltungstätigkeit im materiellen Sinn 2 4 6 . Nach Art. 1 Abs. 3 GG binden die Grundrechte die vollziehende Gewalt, indem sie an den Staat als handelndes Subjekt und nicht an den Inhalt der jeweiligen Maßnahme anknüpfen. Die Grundrechte sollen wirken, wenn und weil es der Staat ist, der handelt. Dann muß der Begriff der „Staatsgewalt" alle
240
Ehlers, Privatrechtsform, S.86f; ders., in: Erichsen (Hrsg.), § 2, Rn.76; Erichsen, Kommunalrecht, S.246f. 241 Gusy, S.878. 242 Kraft, in: HkWP, Bd.5, S.177. 243 Spannowsky, GewArch 1995, S.267. 244 Graf Vitzthum, S.589. 243 Wolff/Bachof/Stober, Bd.l, § 23, Rn.29. 246 Püttner, Wahl der Privatrechtsform, S.21.
Β. Die Organisationsmöglichkeiten
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Maßnahmen umfassen, die den Staatsorganen zurechenbar sind, und zwar unabhängig von der Rechtsform 247 . Solche grundgesetzlichen materiellen Betätigungsschranken des Staates können nicht durch einfache Gesetze außer Kraft gesetzt oder umgangen werden. Das Privatrecht ist nicht Grundlage, sondern nur Mittel der Verwaltungstätigkeit. Diejenigen Schranken und Bindungen, welche die Staatstätigkeit ihrem Sinn nach materiell begrenzen sollen, kann der Staat nicht durch die Wahl des Privatrechts abstreifen. Insoweit wird die beschriebene Erwartung bzgl. der Rechtsgeltung privatrechtlicher Normen teilweise enttäuscht. Etwas anderes gilt für Bindungen, die speziell auf das öffentlich-rechtliche Handeln zugeschnitten sind 2 4 8 . Ein Ausweichen in privates Organisationsrecht ist also nur so weit zulässig, wie die Anforderungen der Rechtsordnung für die Ausübung kommunaler Verwaltungstätigkeit gewahrt werden. Juristische Personen können nicht mehr Rechte haben als ihre öffentlich-rechtlich gebundenen Träger; die Eigengesellschaft unterliegt folglich weiterhin den kommunalen Kompetenzgrundlagen und verfassungsrechtlichen Prinzipien einschließlich der Grundrechte, welche die Normen des Privatrechts ergänzen, überlagern und modifizieren 249 . Das gilt im besonderen für Art. 3 Abs. 1 GG hinsichtlich des Zugangs zu Entsorgungseinrichtungen. Schließlich bestehen die Bindungen des Verwaltungsverfahrensrechts fort; anderenfalls drohten dem Bürger von dieser Seite Nachteile. Verstöße gegen die Verfahrensgrundsätze können demzufolge Schadensersatzpflichten gemäß den Regeln der culpa in contrahendo oder der positiven Vertragsverletzung auslösen 230 . Das Verwaltungsprivatrecht ist demnach eine Gemengelage von Rechtsvorschriften des Privat- und öffentlichen Rechts 231 . Es räumt dem Zweck des Verwaltungshandelns Vorrang vor der Rechtsform seiner Erledigung ein 2 3 2 . Die Frage der unmittelbaren Grundrechtsbindung von Beteiligungsgesellschaften ist höchst umstritten 233 . In jedem Fall muß aber die Ausübung derje247 BVerwG, DVB1.1990, 712 (713); Gusy, S.878; Kund, S.145; Ehlers, Privatrechtsform, S.216. 248 Püttner, Öffentliche Unternehmen, S.83. 249 Achterberg, § 12, Rn.20; Kraft, in: HkWP, Bd.5, S.177; Wolff/Bachof/Stober, Bd.2, § 104a, Rn.30; Ehlers, DÖV 1986, S.901. 230 Achterberg, § 12, Rn.25; a.A Wolff/Bachof/Stober, Bd.l, § 23, Rn.33: Der sachliche Geltungsbereich des VwVfG sei nach dem klaren gesetzgeberischen Willen auf die öffentlich-rechtliche Tätigkeit beschränkt, so daß mangels planwidriger Lücke eine entsprechende Anwendung ausscheide; vgl.i.e. Ehlers, Privatrechtsform, S.226flf. 231 Schoch, Abfallentsorgung, S.51; Wolff/Bachof/Stober, Bd.l, § 23, Rn.32. 232 Müller, S. 197. 233 S. dazu u 3.Teil. Β. Π. 2. c) sowie 4.Teil. Β. ΠΙ. 1.
2. Teil: Die Abwasserbeseitigung
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nigen Rechte, die mit den in öffentlicher Hand befindlichen Anteilen korrespondieren, die grundrechtliche Bindung beachten, wenn sie sich als Ausübung von Staatsgewalt darstellt. Die Grundrechtsbindung wirkt als interne Steuerungskraft, die je nach Gewicht und Ausmaß der Beteiligung die Entscheidung dieser Organisationen nach außen beeinflußt 234 . Dabei ist das Mindestmaß der staatlichen Garantenstellung durch die Einhaltung der öffentlichrechtlichen Vorschriften und die Sicherung der Rechtsposition der Bürger definiert 233.
(2) Beispiel Entgelterhebung Wo der Staat Leistungen durch öffentliche Einrichtungen mit öffentlichrechtlich gesicherter Monopolstellung erbringt, können die Anforderungen an den „Verwaltungspreis" nicht von der rechtlichen Qualifikation dieser als öffentlich-rechtliche Gebühr oder zivilrechtliches Entgelt erhobenen Gegenleistung abhängig gemacht werden. Das Charakteristische des Verwaltungsprivatrechts besteht gerade darin, daß zivilrechtliche Regelungen von öffentlichrechtlichen Prinzipien verdrängt werden 236 . Grundsätzlich hat die Verwaltung bei der Festlegung der Gegenleistung außer den Grundrechten die grundlegenden Prinzipien öffentlichen Finanzgebarens zu beachten, d.h. i.S.d. § 6 Abs.2 K A G NW vor allem die Grundsätze der Gleichbehandlung, der Äquivalenz und der Kostendeckung 237 . In der Rechtsprechung ist darüber hinaus seit langem anerkannt, daß die Tarife von Unternehmen, die im Rahmen eines privatrechtlich ausgestalteten Benutzungsverhältnisses Leistungen der Daseinsvorsorge anbieten, auf deren Inanspruchnahme der andere Vertragsteil im Bedarfsfall angewiesen ist, grundsätzlich der Billigkeitskontrolle gemäß § 315 Abs. 3 BGB unterworfen sind 2 3 8 . Die Rechtsnatur der Abwasserbeseitigungspflicht als gemeindlicher Pflichtaufgabe im Rahmen der Selbstverwaltung, deren Charakter und Inhalt durch Normen des öffentlichen Rechts bestimmt ist, zwingt nicht dazu, die die Entgeltpflicht der Benutzer regelnde Tarifordnung und die Festsetzung der Entgelte einer gerichtlichen Billigkeitsprüfung nach § 315 Abs. 3 BGB zu entziehen. Entscheidet sich die öffentliche Hand dafür, Leistungsverhältnisse im Rahmen der Daseinsvorsorge privatrechtlich zu regeln, muß sie es hinnehmen, 234
Ehlers, in: Erichsen (Hrsg.), § 2, Rn.82f; Erichsen, Kommunalrecht, S.247. Kloweit, S.137. 236 Ossenbühl, DVB1.1974, S.543. 237 Driehaus/Dahmen, §4 KAG, Rn.237; Schoch, Abfallentsorgung, S.89f; Tettingen NWVB1.1996, S.89; OLG Düsseldorf, R+S 1996, 1 (2). 238 BGH, NJW 1992, 171 (173). 233
Β. Die Organisationsmöglichkeiten
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daß solche Benutzungsverhältnisse der Kontrolle der ordentlichen Gerichte nach den für das bürgerliche Recht maßgebenden Rechtssätzen unterliegen, und zwar unabhängig von der Anwendung des Verwaltungsprivatrechts 239 . Letzteres führt aber dazu, daß der für die Bestimmung des privatrechtlichen Entgeltumfangs bestehende und i.S.d. § 315 Abs.3 BGB nach billigem Ermessen auszufüllende Spielraum auch an einen objektiven Beurteilungsmaßstab gebunden ist, weil die einseitigen Tariffestsetzungen hier an das Kostendekkungsprinzip gebunden sind. Ungeachtet dessen verbleibt dem Unternehmen ein Ermessensspielraum, der Voraussetzung für eine richterliche Billigkeitskontrolle ist 2 6 0 .
f) Sicherstellung der Aufgabenverantwortung Aufgrund der Anwendung des Verwaltungsprivatrechts auf das privatrechtlich verfaßte Entsorgungsunternehmen erleidet der Bürger keinen Rechtsnachteil. Davon unabhängig ist zu prüfen, welche Konsequenzen die fortbestehende Abwasserbeseitigungspflicht der Kommune für die Rechtsstellung der Privatrechtsvereinigung hat.
aa) Einwirkungspflicht der Gemeinde zur Steuerung und Kontrolle Verwaltungsaufgabe, Verwaltungsverantwortung und Einwirkungsbefugnisse stehen in einer abfallenden Linie 2 6 1 . Verwaltungshandeln gewinnt seine Legitimation, wenn es kompetenzgerecht und verantwortungsvoll zur Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe erfolgt. Die Pflicht zur Einwirkung der öffentlichen Hand auf das Privatrechtssubjekt ist Folge dieser rechtsstaatlichen Verantwortung für die pflichtgemäße Aufgabenerfüllung. Verantwortung ist aber ohne entsprechende Handlungsbefugnisse nicht denkbar. Das Demokratieprinzip, das die Rückführbarkeit der Legitimationskette auf das Volk verlangt, das Rechtsstaatsprinzip, das keine kontrollfreien Räume im Bereich der Verwaltung duldet, und die aus den Grundrechten abgeleitete Schutzpflicht verlangen Einwirkungsbefugnisse der öffentlichen Hand. M i t diesen Einwirkungsbefugnissen korrespondieren Einwirkungspflichten 262 .
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Driehaus/Dahmen, § 4 KAG, Rn.235; Tettinger, VB1.1996, S.89; BGH, NJW 1992, 171 (173). 260 BGH, NJW 1992, 171 (173). 261 Grawert, S.171. 262 Spannowsky, DVB1.1992, 1074.
DÖV 1996, S.769; ders. y NW-
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2. Teil: Die Abwasserbeseitigung
Die Verwendung privater Rechtsformen entläßt die Gemeinde nur insoweit aus der Pflicht, als dies für die Erfüllung des öffentlichen Zwecks unerheblich ist und dabei keine staatlichen Schutzfunktionen entfallen. Soweit dies nicht der Fall ist, bleibt der Staat als originärer Träger der Aufgabe zu deren Erfüllung als Rückgrififsschuldner verpflichtet 263 . Der tiefere Sinn der Zuweisung einer Kompetenz an die kommunalen Gebietskörperschaften liegt in deren besonderer Legitimation. So hat auf kommunaler Ebene das Demokratieprinzip seine Ausgestaltung in dem Grundsatz einer verantwortlichen Gemeindeverwaltung (Art. 28 Abs.2 S.l GG) und einer durch Wahlen gewährleisteten bügerschaftlichen Kontrolle (Art. 28 Abs.l S.2 GG) erfahren 264 . Der weiteren Legitimation und Kontrolle dient die Beteiligung der Gemeindevertretung nach §41 Abs.l GO N W 2 6 3 . Aus dieser politisch-demokratischen Funktion der kommunalen Selbstverwaltung resultieren kommunale Ingerenzpflichten zur Wahrung der Einheit der Verwaltung auf der Gemeindeebene und zur Sicherung ihrer bürgerschaftlichen Kontrolle; Selbstverwaltung beinhaltet auch Aufgabenzuweisung, der sich die Gemeinde nicht entziehen darf. Die Gemeindewahlen haben dann keinen Sinn, wenn Verantwortung und Kontrolle nicht verwirklicht werden können, so daß demzufolge zugunsten der gewählten Organe, insbesondere des Gemeinderats, die Möglichkeit zu schaffen ist, auf die kommunalen Wirtschaftsunternehmen einzuwirken 266 . Die derart legitimierten Instanzen dürfen sich ihrer Verantwortung nicht durch Weiterübertragung ihrer Leitungsrechte und -pflichten entziehen 267 . Auch kommunale Unternehmen werden nicht privatautonom, sondern aufgrund von Staatsgewalt tätig. Die in Art. 20 Abs.2 GG bzgl. der Quelle aller Staatsgewalt enthaltene Grundentscheidung für die Demokratie hat Ausschließlichkeitscharakter. Aus dieser Regelung folgt i.V.m. Art. 28 Abs.l S.l GG die Notwendigkeit einer ununterbrochenen demokratischen Legitimation aller mit Ausübung von Staatsgewalt Betrauten. Zwar modifiziert die verfassungsrechtlich gewährleistete Freiheit der Formenwahl das Demokratieprinzip, aber sie vermag nicht dessen Wirkkraft vollständig auszuhebeln268. Daraus begründet sich eine Pflicht der Gemeinde, sich bereits bei der Ausgliederung Einwirkungsmöglichkeiten einräumen zu lassen und nachwirkend in Erfüllung des Prinzips von Legitimation, Verantwortlichkeit und Kontrolle die 263
Müller, S.248f. Graf Vitzthum, S.583. 263 Wolff/Bachof/Stober, Bd.2, § 104a, Rn.20. 266 Püttner, Wahl der Privatrechtsform, S.36; Schoch, Abfallentsorgung, S.53f; Graf Vitzthum, S.626f; Kraft, in: HkWP, Bd.5, S.178; Schink, S.266. 267 Ehlers, Privatrechtsform, S.128. 268 Erichsen, Kommunalrecht, S.260. 264
Β. Die Organisationsmöglichkeiten
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Aktivitäten des Privaten zu beobachten und unter Umständen lenkend einzugreifen. Eine solche mittelbare Legitimation ist ausreichend, weil Art. 28 Abs.l S.2 GG eine unmittelbare Legitimation nur für die kommunale Volksvertretung verlangt. Deren verfassungsrechtliche Bedeutung würde jedoch fehlinterpretiert, wenn dem so legitimierten Organ nicht eine wesentliche Funktion als kommunale Leitungsinstanz vorbehalten bliebe 269 . Schließlich rückt das Rechtsstaatsprinzip in den Blick. Mit der gemeindlichen Entscheidung für eine Rechtsform mit juristischer Selbständigkeit bei der Erledigung öffentlicher Aufgaben verzichtet die Gemeinde bewußt auf eine volle Integration in die Gemeindeverwaltung. Das Minus an rechtsstaatlichen Bindungen hat die Gemeinde aufgrund ihrer Erfüllungsverantwortung durch ein gemeindliches Kontrollsystem zu kompensieren 270 .
bb) Reichweite und Umfang der Einwirkung Da die demokratisch legitimierten Gemeindeorgane sich ihrer Verantwortung für die Pflichtige Selbstverwaltungsaufgabe nicht durch die Übertragung ihrer Zuständigkeiten entziehen dürfen, sind sie verpflichtet, die privaten Rechtssubjekte zu steuern und zu kontrollieren, um die Rückbindung der Unternehmen an die öffentlich-rechtlichen Mutterträger sicherzustellen 271. Stimmen die öffentlich-rechtlich hergeleiteten Ingerenzpflichten nicht mit den Einwirkungsrechten des Verwaltungsträgers auf seine privatrechtliche Organisation überein, müssen sie mit den Mitteln des Privatrechts geschaffen werden 272 . Diese öffentliche Einflußnahme und Kontrolle zur Wahrung der Aufgabenerfüllung ist zu unterscheiden von deijenigen zur Sicherung und Prüfung des wirtschaftlichen Wohlverhaltens, die sich unproblematisch nach den Regeln des Gesellschaftsrecht vollzieht 273 . Fraglich sind Reichweite und Umfang der Ingerenzpflicht. Der Schluß auf eine Einwirkung, die zur uneingeschränkten Geltung des öffentlichen Rechts wie bei öffentlich-rechtlich organisierten Trägern der Staatsgewalt führt, ist nicht zwingend, weil das positive Recht eine umfassende öffentlich-rechtliche
269
Kund, S.132f. Kund, S. 149. 271 So Ehlers, DÖV 1986, S.901; Görgmaier, S.359; Achterberg, § 12, Rn.24; Müller, S.249. 272 Osterloh, WDStRL 54, S.234. 273 Püttner, DÖV 1983, S.703. 270
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2. Teil: Die Abwasserbeseitigung
Erledigung nicht verlangt 274 . Demgemäß sind den Privatrechtsvereinigungen Bewegungsräume eigenständiger Entscheidungen nicht generell verwehrt 273 . Zunächst ist die Einwirkungspflicht sachlich auf den Unternehmensbereich begrenzt, der für die Erfüllung der öffentlichen Aufgabe geschaffen worden ist; anderenfalls bedingte sie eine unzulässige Verkürzung der organisatorischen und unternehmerischen Freiheit des (Beteiligungs-)Unternehmens, die ihren Niederschlag im Gesellschaftsrecht gefunden hat 2 7 6 . Die Reichweite der Kontroll- und Eingriffsrechte ist sodann abhängig vom Grad der Selbständigkeit, den die Gesellschaft erhält. Je umfassender ihre Aufgabenstellung und je umweltrelevanter ihr Unternehmensgegenstand ist, desto mehr Kontrollrechte muß sich die Kommune einräumen lassen und desto höher sind die Anforderungen an die Sachkunde des Privaten 277 . Schon aufgrund allgemeiner kommunalrechtlicher Vorschriften hinsichtlich der Gründung von und Beteiligung an Unternehmen und Einrichtungen des privaten Rechts hat sich die Gemeinde im Rahmen ihrer Beteiligungsquote genügende Einwirkungsbefugnisse zu sichern, die eine Globalsteuerung und ein Letztentscheidungsrecht in grundlegenden Fragen zulassen. Dazu bedarf es der Abstimmung zwischen der Volksvertretung, der hauptamtlichen Verwaltung und der Privatrechtsvereinigung sowie einer wirksamen Aufbau- und Ablauforganisation 278 . § 108 Abs.l S.l Nr.6 u. 7 GO NW verlangen einen angemessenen Einfluß der Gemeinde, speziell in einem Überwachungsorgan, der durch Gesellschaftsvertrag, Satzung oder in sonstiger Weise gesichert wird, sowie mit denselben Mitteln die Ausrichtung der Gesellschaft auf den öffentlichen Zweck. Diese Determinierung beginnt bei der Angabe des Unternehmensgegenstandes im Unternehmensstatut 279 , der mit dem wichtigen Interesse i.S.d. § 108 Abs.l S.l Nr.2 GO NW korrespondieren muß 2 8 0 . Der geeignete Weg zur Einflußsicherung besteht für die Gemeinde sodann darin, daß sie sich unter Beachtung der gesellschaftsrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten ausreichende Einwirkungs-, Beteiligungs-, Mitsprache- und Kontrollrechte durch das Unternehmensstatut auf die Entscheidungsträger des Unternehmens vorbehält 281 . Praktisch geschieht die Einflußsicherung einer-
274
Wolff/Bachof/Stober, Bd.l, § 23, Rn.32. Schmidt-Aßmann, in: Schmidt-Aßmann (Hrsg.), l.Abschn., Rn.125. 276 Spannowsky, DVB1.1992, S.1073f. 277 Beckmann, S.13; Stober, in: Tettinger, Public-Private-Partnerships, S.44. 278 Ehlers, DÖV 1986, S.904. 279 Noack, S.380. 280 Rehn/Cronauge, § 108 GO NW, Erl.IV.6. 281 Gern, Rn.762; Schmidt-Aßmann, in: Schmidt-Aßmann (Hrsg.), l.Abschn., Rn.125. 273
Β. Die Organisationsmöglichkeiten
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seits durch Vorschlag, Bestellung oder Entsendung weisungsabhängiger Vertreter in die Aufsichts- und Leitungsgremien der Gesellschaft 282. Jedoch weichen solche Befugnisse i.S.d. § 113 Abs.4 GO NW von der gesellschaftsrechtlichen Ausgangslage ab. Notwendig ist daher, daß der Kommune ein Wahloder zumindest Vorschlagsrecht für die Besetzung der Gesellschaftsorgane ausdrücklich eingeräumt wird. Derartige Satzungsklauseln, die den an sich zuständigen und insoweit frei von unmittelbarem kommunalen Einfluß agierenden Gesellschaftsorganen Kompetenzen nehmen und auf die Trägergemeinde übertragen, sind sowohl für die Geschäftsführung als auch für den Aufsichtsrat grundsätzlich zulässig 283 . Nach § 113 Abs.3 GO NW ist die Gemeinde sogar verpflichtet, „bei der Ausgestaltung des Gesellschaftsvertrages einer Kapitalgesellschaft darauf hinzuwirken, daß ihr das Recht eingeräumt wird, Mitglieder in den Aufsichtsrat zu entsenden". Ihr Pendant hat die Einwirkungspflicht andererseits in den landesrechtlichen Regelungen wie § 113 Abs.l GO NW über die Weisungsgebundenheit kommunaler Vertreter in Organen von Gesellschaften gefunden 284 . Hierdurch kann die Gemeinde auch dann, wenn ihr keine unmittelbaren Rechte in bezug auf die Bestellung der Gesellschaftsorgane zustehen, indirekt das Entscheidungsgremium binden. Voraussetzung ist allerdings eine entsprechende Mehrheit der gemeindlichen Vertreter 283 . Dabei sind die öffentlichen Einflußmöglichkeiten und -pflichten auf die grundlegenden Entscheidungen, wie etwa Organisationsstruktur, Kapitalaufbau, große Investitionsvorhaben oder Tarifpolitik, zu begrenzen. Bei allen nicht spezifisch kommunalwesentlichen Angelegenheiten wird das privatisierte Unternehmen demgegenüber nicht in seiner Geschäftsbesorgung determiniert. Vor allem dauerhaft festgelegte Einwirkungsbahnen sollen das Auseinanderbrechen einer einheitlichen Gemeindeverwaltung verhindern 286 . Diese Reichweite der Ingerenz folgt hier im besonderen aus der unverändert fortbestehenden Entsorgungspflicht der Körperschaften, die es gebietet, daß die wesentlichen Leitentscheidungen von den Gemeinden getroffen werden 287 .
282 283 284 283 286 287
Knemeyer, S.320. Hassel, S.79. Vgl.i.e. Hassel, S.78. Hassel, S.79. Graf Vitzthum, S.629f. So auch Schink, S.266, für die Abfallentsorgung.
2. Teil: Die Abwasserbeseitigung
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cc) Gesellschaftsrechtliche Voraussetzungen der Einwirkung Bei gemischt-wirtschaftlichen Unternehmen setzt eine Einflußnahme auf der Entscheidungsebene eine ausreichende Kapitalbeteiligung oder entsprechende vertraglich festgeschriebene Mitwirkungsbefugnisse voraus. Je größer die Entscheidungsbefugnisse des privaten Kooperationspartners sind, desto wichtiger ist die Statuierung regulierender Aufsichts- und Kontrollrechte 288 . Anhaltspunkt für eine hinreichende Verwaltungsträgerschaft ist, ob die öffentliche Hand im Besitz einer Beteiligung ist, die es erlaubt, die Verantwortung für das Handeln der Gesellschaft zu übernehmen 289 . Wenn die Verantwortung der Gemeinde für eine pflichtgemäße Aufgabenerledigung nicht durch die Erweiterung der Einwirkungsmöglichkeiten gesichert werden kann, muß notfalls die Beteiligung der öffentlichen Hand an dem Unternehmen aufgegeben und auf Organisationsformen des öffentlichen Rechts zurückgegriffen werden 290 . Darüber hinaus ist schon bei der Formulierung des Gesellschaftsvertrages sicherzustellen, daß der Bestand des Kooperationsunternehmens nicht durch einen Rückzug des Privaten gefährdet wird. Insoweit sind Vertragsklauseln aufzunehmen, die der Körperschaft den Zugriff auf die Geschäftsanteile des Privaten sichern, sofern dieser seinen Betrieb nicht fortführen kann oder w i l l 2 9 1 . Die wasserrechtliche Entsorgungspflicht kann mittelbar auf die Verfassung der privatrechtlichen Gesellschaft einwirken, indem sie die Reichweite der gemeindlichen Einwirkungspflicht vergrößert, weil durch die Entsorgung gesundheitsgefährdender Stoffe lebenswichtige Güter gefährdet werden. Wenn durch die Erfüllung öffentlicher Aufgaben andere grundrechtssichernde Aufgaben des Staates beeinträchtigt und freiheitsgefahrdende Umstände geschaffen werden können, verdichtet sich die Einwirkungspflicht 292 . Um ihr genügen zu können, muß der öffentliche Aufgabenträger nicht die satzungsändernde Mehrheit an der Gesellschaft halten, um seinen gesteigerten Pflichten gerecht werden zu können 293 . Bei der GmbH wäre dazu beispielsweise erforderlich, über eine Dreiviertelmehrheit in der Gesellschafterversammlung zu verfügen. Denn dieses Quorum ermöglicht es nach § 53 GmbHG, den Gesellschaftsvertrag der GmbH zu ändern. Außerdem sind regelmäßig 75 % der abgegebenen Stimmen in der Gesellschafterversammlung notwendig, um
288 289 290 291 292 293
Kloweit, S.137. Stober, NJW 1984, S.450. Spannowsky, DVB1.1992, S.1076; Erichsen, Kommunalrecht, S.241. Ossenbühl, WDStRL 29, S.163. Spannowsky, DVB1.1992, S.1075. So aber Spannowsky, DVB1.1992, S.1075.
Β. Die Organisationsmögichkeiten
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sich gegenüber einem bestehenden Aufsichtsrat durchzusetzen 294. Statt dessen reicht es aus, wenn die Gemeinde die Hälfte der Anteile besitzt 293 .
dd) Gesellschafts- und konzernrechtliche Mittel und Grenzen der Ingerenz Das Instrument für die gemeindliche Einwirkung ist in erster Linie die Bindung der Gesellschaftsorgane; hinzukommen der Abschluß von Verträgen sowie einschlägige Vereinbarungen im Gesellschaftsvertrag 296. Das gesetzlich verankerte Weisungsrecht gegenüber den Mandatsträgern zur Wahrung und Kontrolle der gemeinwirtschaftlichen Zielsetzung des Unternehmens verliert jedoch an Wert, weil es nach § 113 Abs. 1 S.4 GO NW nur so weit und so lange durchsetzbar ist, wie „durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist" 2 9 7 . Die Ingerenzmöglichkeiten richten sich letztlich nach dem als Bundesrecht gemäß Art. 31 GG vorrangigen Gesellschaftsrecht; weitergehende Sonderrechte stehen der Gemeinde nicht zur Verfügung 298 . Im Falle einer kommunalen Eigengesellschaft in der Form der GmbH ermöglicht § 45 GmbHG jederzeit durch entsprechende Ausgestaltung des Gesellschaftsvertrages eine ausreichende Durchsetzung des kommunalen Weisungsrechts auf ihre in die Gesellschafterversammlung entsandten Vertreter. Dem umfangreichen Einwirkungsinstrumentarium des § 113 Abs.l GO NW einschließlich seiner Weisungs- und Abberufungsbefugnisse steht das Gesellschaftsrecht nicht im Wege. Es gibt in der Gesellschafterversammlung insofern kein freies Mandat 2 9 9 . Zudem verpflichten die §§ 37, 45, 46 GmbHG die Geschäftsführer, die Beschlüsse der Gesellschafter sowie den Gesellschaftsvertrag zu beachten, so daß bei entsprechender Ausgestaltung der Satzung die kommunale Steuerung möglich ist 3 0 0 . Besteht die Gesellschaft in der Form der AG, ist die Kontrolle der Aufgabenerfüllung durch die in die Aufsichtsgremien entsandten Vertreter der Ge-
294
Vgl. Hassel, S.77. Ebenso Haverkämper, S.225. 296 Graf Vitzthum, S.627; Püttner, Wahl der Privatrechtsform, S.37f. 297 Haupt, S.222f. 298 Spannowsky, DVB1.1992, S.1074; Hassel, S.79. 299 Nesselmüller, S.54; Hassel, S.80, der sodann die gesellschaftsrechtliche Position des obligatorischen oder fakultativen Aufsichtsrats einer GmbH untersucht. 300 Schink, S.272f; Noack, S.380; vgl.i.e. Müller, S.469ff; zu den Organen der Eigen-GmbH s. Nesselmüller, S.33ff, 48f, 59ff 293
8 Brüning
2. Teil: Die Abwasserbeseitigg
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meinde schwieriger 301 . Denn einerseits leitet der vom Aufsichtsrat bestellte Vorstand die Gesellschaft gemäß § 76 Abs. 1 AktG unter eigener Verantwortung, d.h. weisungsfrei. Andererseits ist der von der Hauptversammlung zu bestellende Aufsichtsrat einschließlich seiner kommunalen Vertreter ebenfalls nicht an Weisungen der Gemeinde gebunden; aus § 111 Abs.3 AktG ergibt sich allein eine Verpflichtung gegenüber dem Wohl der Gesellschaft 302. Schließlich entscheidet die Hauptversammlung als oberstes Gesellschaftsorgan nach §§119, 120 AktG zwar über Fragen der wirtschaftlichen Grundlagen und die Gesellschaftsziele sowie über die Bestellung und Entlastung des Aufsichtsrates. Jedoch ist ein direkter Einfluß auf die Geschäftsführung untersagt, da die Leitungsmacht des Vorstandes und die Überwachungspflicht des Aufsichtsrates nicht berührt werden dürfen 303 . Auch im Geltungsbereich des AktG liegt es nahe, Ingerenzbefugnisse in gesellschaftsvertraglichen Regelungen festzulegen. So ist zunächst der verfolgte öffentlich Zweck, an dem sich sodann alle Gesellschaftsorgane zu orientieren haben, möglichst eindeutig zu formulieren 304 . Wegen der unbeschränkten Vertretungsmacht der Geschäftsleitung sowohl nach § 37 Abs.2 GmbHG als auch nach § 82 Abs. 1 AktG hat die Verankerung des Unternehmensgegenstandes zunächst keine Bedeutung für den Rechtsverkehr der Gesellschaft mit Dritten. Die Aufnahme des öffentlichen Zwecks in die Formulierung des Unternehmensstatuts hat aber die Funktion, die Geschäftsleitung und ihre Kontrolleure im Innenverhältnis zu binden 303 . Im einzelnen wirft die öffentlich-rechtliche Bindung der Gremienmitglieder der Gemeinde schwierige gesellschaftsrechtliche Fragen auf 3 0 6 . Im Vergleich zu öffentlich-rechtlich organisierten Verwaltungsträger ist die Kontrollintensität jedenfalls schwächer, weil an die Stelle unmittelbarer staatlicher Kontrolle die Prüfung von Formalitäten durch Wirtschaftsprüfer etc. und eine mittelbare Kontrolle über die entsprechenden Unternehmensorgane treten 307 . Problematisch wird die Verwirklichung der Ingerenzpflicht speziell bei den gemeindemittelbar wirtschaftenden Unternehmen, weil sie nur über die Muttergesell301
Vgl.i.e. Müller, S.464ff; zu den Organen der Eigen-AG s. Nesselmüller, S.31ff, 35ff, 49ff; zum Konflikt zwischen Kommunal- und Gesellschaftsrecht s. Noack, S.380f. 302 Hofmann, S.129; Haupt, S.224f. 303 R.Schmidt, S.514f; Gern, Rn.764. 304 Haupt, S.231. 303 Noack, S.380, der allerdings an der Praktikabilität einer engen Zweckausrichtung zweifelt, insbes. im Fall der Beteiligung privater Investoren. 306 Vgl. dazu i.e. z.B. Janitschek, S.115ff; Püttner, DVB1.1986, S.748ff; ders., Öffentliche Unternehmen, S.234ff; Ehlers, Privatrechtsform, S.132ff. 307 Müller, S.406.
Β. Die Organisationsmöglichkeiten
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schafl laufen kann. Dementsprechend hat die Gemeinde einerseits über die Dachgesellschaft die Organe der Tochtergesellschaften mit zuverlässigen gemeindlichen Vertretern zu besetzen und andererseits durch die Gestaltung des Gesellschaftsvertrages sowie durch den Abschluß eines Beherrschungsvertrages zwischen Holding und Töchtern effektive Einflußkanäle zu schaffen 308. So kann das Einflußnahmedefizit bei der AG unter Umständen ebenfalls durch einen Rückgriff auf Grundsätze des Konzernrechts kompensiert werden: ,JKonzern" ist nach § 18 Abs.l S.l AktG die Zusammenfassung eines herrschenden und eines oder mehrerer abhängiger Unternehmen unter der einheitlichen Leitung des herrschenden Unternehmens. Zu unterscheiden sind der Vertragskonzern i.S.d. §§ 18 Abs.l S.2, 291flfAktG und der faktische Konzern. Von einem abhängigen Unternehmen wird gemäß § 18 Abs.l S.3 AktG vermutet, daß es mit dem herrschenden Unternehmen einen Konzern bildet, unabhängig davon, worauf der beherrschende Einfluß beruht. Das wichtigste Mittel zur Beherrschung ist die Beteiligung, die im vorliegenden Zusammenhang regelmäßig gegeben ist. § 17 Abs.2 AktG legt dementsprechend als Rechtsfolge für Mehrheitsbeteiligungen fest, daß von einem in Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmen vermutet wird, daß es vom dem an ihm mit Mehrheit beteiligten Unternehmen abhängig ist 3 0 9 . Nur im Falle des Abschlusses eines Beherrschungsvertrags gemäß § 291 Abs.l S.l AktG ist das herrschende Unternehmen jedoch berechtigt, den geschäftsführenden Organen der einzelnen abhängigen Gesellschaften nach § 308 AktG Weisungen zu erteilen. Im faktischen Konzern ist das abhängige Unternehmen nicht weisungsgebunden. Indem entweder die Gemeinde selbst als herrschendes Unternehmen i.S.d. §§17, 291 AktG anzusehen und verpflichtet ist, einen Unternehmensvertrag zur Verankerung des Weisungsrechts abzuschließen, oder aus der öffentlichen Zweckbindung der Kommune die Verpflichtung abgeleitet wird, erst eine HoldingGesellschaft in der Form der GmbH zu gründen und sich sodann mit Hilfe eines Beherrschungsvertrages das volle Einwirkungsrecht der Obergesellschaft auf ihre Töchter zu sichern, wird eine umfassende Einflußnahme der Gemeinde ermöglicht 310 . Fraglich kann im Einzelfall die Unternehmenereigenschaft der juristischen Person des öffentlichen Rechts sein 311 . Sie kommt der Gemeinde im Verhältnis zu ihren Gesellschaften allerdings deswegen zu, weil der insoweit maßgebende Interessenkonflikt zwischen der Beteiligung an der Gesellschaft und einer wirtschaftlichen Interessenverbindung außerhalb der Gesellschaft be308
Schmidt-Jortzig, Rn.730. Nesselmüller, S.99f, lOlf. 310 Hofmann, S.129; Gern, Rn.760, 764. 311 S.i.e. Ehlers, Privatrechtsform, S.137fif, der im Ergebnis die Qualität als herrschendes Unternehmen bejaht; ebenso Nesselmüller, S.105ff. 309
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2. Teil: Die Abwasserbeseitigung
steht 312 . Unabhängig von der Anzahl der Unternehmensbeteiligungen der Gemeinde ist ein potentieller Interessenkonflikt entscheidend, um den Kreis der Normadressaten des Konzernrechts zu ermitteln. Auch nichtwirtschaftliche Zweckbestimmungen wie das Interesse an der ordnungsgemäßen Erfüllung der öffentlichen Aufgabe können typischerweise die primär erwerbswirtschaftliche Zielrichtung einer Gesellschaft gefährden, so daß die Möglichkeit des konzernrechtlich bedeutsamen Interessenwiderstreits besteht 313 . Insgesamt reichen die von Gesetzes wegen bestehenden Einwirkungsmöglichkeiten trotz der aufgezeigten Einschränkungen grundsätzlich für eine wirksame Steuerung und Kontrolle aus, wenn die Zielvorgabe klar ist und die vorhandenen Mittel konsequent genutzt werden 314 . Durch entsprechende personelle Besetzung, satzungsmäßig verankerte Rechte der Kontrollorgane, z.B. Zustimmungsermächtigungen für Aufsichtsrat und/oder Hauptversammlung, und organisations- und schuldrechtliche Zusatzvereinbarungen lassen sich Organe der Kapitalgesellschaften in grundlegenden kommunalpolitischen Fragen mit den politischen Leitungsorganen der Gemeinde verknüpfen 313 .
ee) Konflikt zwischen Organisationshoheit und Ingerenzpflicht? Wenn die öffentlich-rechtlichen Bindungen der Gemeinde auch für das Handeln des Privatrechtssubjekts gelten, so stellt sich die Frage, wieso der Verhaltensspielraum im Privatrecht größer sein soll als bei öffentlich-rechtlichen Organisationsformen. Wie kann eine staatsentlastende Entfaltung von eigenverantwortlicher Privatinitiative entstehen, wenn gleichzeitig die Qualität der Erfüllung der öffentlichen Aufgabe durch weitreichende kommunale Ingerenzen gesichert werden soll 316 ? Die Ziele der Privatisierungsmaßnahme, nämlich Erhöhung der Verantwortlichkeit und Effizienz der betrieblichen Leitung durch größere Selbständigkeit einerseits sowie Wahrung der einheitlichen und einwirkungsmächtigen gemeindlichen Verwaltung andererseits, scheinen diametral auseinanderzulaufen 3 1 7 . Die vermeintlichen Vorteile der Privatrechtsvereinigung relativieren sich weitgehend, wenn die Voraussetzungen der Organisationsprivatisierung
312 Knemeyer, S.321; ebenso für die Bundesrepublik BGHZ 69, 334 (344), mit ausfuhrlicher Begründung, S.335ff. 313 Noack, S.382. 314 Haupt, S.240; Püttner, Wahl der Privatrechtsform, S.38f; Knemeyer, S.320. 313 So Graf Vitzthum, S.614. 316 So ebenfalls Graf Vitzthum, S.587. 317 Graf Vitzthum, S.627f.
Β. Die Organisationsmöglichkeiten
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zu hoch geschraubt werden und öffentlich-rechtliche Bindungen auch das Verwaltungshandeln in Privatrechtsform erfassen 318. Die vorgebliche Flexibilität privatrechtlicher Handlungsformen entpuppt sich dann angesichts der gebotenen öffentlich-rechtlichen Ingerenz der Kommunen als Scheinbegründung 319. Auf der anderen Seite bedingt die Forderung derartiger Einwirkungsintensität eine Schwächung des Gehalts der kommunalen Organisationshoheit, zu der das Recht zählt, privatrechtliche Beteiligungen zu schaffen 320 . Mithin geht es im wesentlichen nicht um das „Ob", sondern das „Wie" der Organisationsprivatisierung. Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen und Grenzen der Organisationsprivatisierung haben also keinen prinzipiell reformfeindlichen Charakter i.S.e. Verhinderung der Ökonomisierung von Staatsaufgaben. Sie binden vielmehr nur die Zweckbestimmung der Privatisierungsmaßnahme als Mittel zur Optimierung der Staatstätigkeit rechtsstaatlich ein 3 2 1 . Die einer juristischen Person des Privatrechts zukommende Selbständigkeit soll und kann nicht verhindert werden.
g) Die Haftung Haftungs- und Ersatzansprüche im Bereich des Verwaltungsprivatrechts richten sich allein nach privatrechtlichen Grundsätzen, und zwar für Verschulden der satzungsmäßigen Organe nach §§31, 89 BGB und für das der sonstigen Bediensteten im Rahmen von Vertragsverhältnissen nach § 278 BGB bzw. bei deliktischem Verhalten nach §§ 823, 831 BGB. Insoweit ist entscheidend, daß ein Träger öffentlicher Verwaltung privatrechtlich vorgeht, und nicht, ob unmittelbar öffentliche Zwecke verfolgt werden 322 . Denn eine Sonderhaftung des Staates kommt nur zum Zuge, wenn er auch von seinem Sonderrecht, d.h. von öffentlich-rechtlichen Handlungsformen Gebrauch macht 323 . Beide Haftungsregime stehen sich trennscharf gegenüber 324. Dies ist die haftungsrechtliche Folge aus der Wahlfreiheit der Kommune bzgl. der Rechtsform ihres Handelns 323 . Die Abwasserbeseitigung ist keine zwingend öffentlich-rechtlich zu verrichtende Aufgabe. Das Amtshaftungs318 319 320 321 322 323 324 323
Ehlers, DÖV 1986, S.901; Püttner, Wahl der Privatrechtsform, S.39. Achterberg, § 12, Rn.12. Graf Vitzthum, S.628. Krölls, S.143. Wolff/Bachof/Stober, Bd.l, § 23, Rn.35. Maurer, % 25, Rn.12. Windthorst, S.792. Hofmann, S.128; Maurer, § 25, Rn.56.
2. Teil: Die Abwasserbeseitigg
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recht erfaßt die privatrechtliche Betätigung der öffentlichen Hand gerade nicht, weil insofern kein Bedürfnis besteht, eine „Flucht in das Privatrecht" zu verhindern 326 . Der Staat haftet - z.B. als Eigengesellschaft - ebenso zivilrechtlich wie der Privatunternehmer, so daß deshalb keine Zurechnung seines Verhaltens erforderlich ist. Denn allein durch die Wahl einer bestimmten Organisationsform entsteht noch kein besonderer Rechtsnachteil, weil der Bürger die rechtlichen Konsequenzen aus dem zulässigen privatrechtlichen Handeln der Verwaltung hinnehmen muß 3 2 7 . Dagegen und für einen Haftungsdualismus soll der Umstand sprechen, daß der Amtsbegrifif des Staatshaftungsrechts funktionell zu verstehen sei. Daraus folge, daß auch das Verwaltungshandeln in Privatrechtsform nach Staatshaftungsgrundsätzen zu beurteilen sei. Ebensowenig wie sich die öffentliche Hand durch die „Flucht ins (Verwaltungs-)Privatrecht" ihrer Grundrechtsbindung aus Art. 1 Abs. 3 GG entziehen könne, sei es ihr möglich, die öffentlich-rechtliche Haftung abzustreifen. Sinn und Zweck der Amtshaftung sei, Schäden abzugleichen, die ein Amtswalter in Erfüllung staatlicher Aufgaben einem Dritten zufügt. Da der Charakter als staatliche Aufgabe aber nicht entfalle, wenn die Verwaltung in privatrechtlicher Form handele, müsse sie auch im Bereich des Verwaltungsprivatrechts nach Staatshaftungsgrundsätzen einstehen 3 2 8 . Dem steht zunächst ein rechtstatsächliches Argument in Gestalt der Rechtssicherheit entgegen, da das Kriterium der öffentlich-rechtlich bzw. privatrechtlichen Handlungsform klarer ist als diejenigen zur Abgrenzung der staatlichen von der öffentlichen Aufgabe 329 . Entscheidender ist, daß es keinen grundrechtlichen Anspruch des Bürgers auf Staatshaftung gibt, so daß Art. 1 Abs. 3 GG im Gegensatz zur Grundrechtsbindung der öffentlichen Hand im Verwaltungsprivatrecht diesbezüglich nicht anwendbar ist. Vielmehr beruht die verfassungsrechtliche Notwendigkeit des Staatshaftungsrechts auf dem Rechtsstaatsgebot. Die Entschädigung eines im Namen des Staates dem Bürger zugefügten Unrechts ist eine auf den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Ausübung öffentlicher Gewalt beruhende Aufgabe des Staates. Wenn aber das Rechtsstaatsprinzip einer formalen Privatisierung der Erfüllung kommunaler Aufgaben nicht entgegensteht, fehlt es an der rechtsstaatlichen Notwendigkeit eines öffentlich-rechtlichen Haftungsrechts. Im Ergebnis sind die Gründe für eine Bindung der öffentlichen Hand an das öffentlich-rechtliche Haftungsrecht nicht ebenso stark wie für ihre Bindungen an die Grundrechte im Bereich des
326 327 328 329
Schoch, JURA 1988, S.587. Erbguth/Stollmann, S.801. So Ossenbühl, Staatshafhmgsrecht, S.26. Maurer, § 25, Rn.56.
Β. Die Organisationsmöglichkeiten
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Verwaltungsprivatrechts, so daß dort kein öffentlich-rechtliches Staatshaftungsregime anwendbar ist 3 3 0 . Nach der Errichtung einer Kapitalgesellschaft haftet von Gesetzes wegen nur das Gesellschaftsvermögen. Die Haftungsbeschränkungen bilden nach §108 Abs.l S.l Nr. 2 GO NW Zulässigkeitsvoraussetzungen für die Errichtung von bzw. Beteiligung an privatrechtlichen Gesellschaften. Zwischen den Gläubigern der Gesellschaft und den Gesellschaftern, d.h. der öffentlichen Hand, bestehen keine unmittelbaren Rechtsbeziehungen. Das Vermögen des Mutterträgers ist grundsätzlich dem Zugriff der Gläubiger der Gesellschaft entzogen 331 . Ausnahmsweise kommt ein mittelbarer Rückgriff auf das Gesellschaftervermögen der öffentlichen Hand in Betracht, und zwar dann, wenn konzernrechtliche Vorschriften eine Verpflichtung der Körperschaft zur Verhinderung des Konkurses begründen 332 . Denn das Konzernrecht zielt darauf ab, den Konkurs abhängiger Unternehmen zu verhindern. So ist bei Vorliegen eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags i.S.d. § 291 Abs.l AktG der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit des abhängigen Unternehmens wegen der Verpflichtung des herrschenden Unternehmens zur Verlustübernahme gemäß § 302 AktG nahezu ausgeschlossen333. Da die öffentliche Hand wegen ihres nicht nur anlegerischen Interesses als Obergesellschaft anzusehen ist, kann sie konzernrechtliche Verträge abschließen, wenngleich sie das in der Praxis selten tut 3 3 4 . Damit ist bereits die Schwachstelle dieser Lösung aufgezeigt, weil in einem faktischen Konzern gemäß §§311, 317 AktG nur eine Ausgleichspflicht für veranlaßte nachteilige Rechtsgeschäfte, nicht für sonstige Fälle der Zahlungsunfähigkeit besteht 333 . Schließlich muß als Entsprechung zur Einwirkungspflicht und als Folge der Letztverantwortlichkeit der Gemeinde ausnahmsweise doch eine öffentlichrechtliche Einstandspflicht bestehen336. Verletzt nämlich das Unternehmen 330
Hofmann, S.128. Wolff/Bachof/Stober, Bd.2, § 104a, Rn.40. 332 Rehn/Cronauge, § 108 GO NW, Erl.IV. 1. 333 Ehlers, Privatrechtsform, S.320. 334 Püttner, Öffentliche Unternehmen, S.236; Nesselmüller, S.116f. 333 Ehlers, S.320, der insgesamt, S.318AF m.w.N., eine öffentlich-rechtliche Einstandspflicht zur Abwendung des Konkurses bejaht und die Frage, ob bei Eintritt des Konkurses ein Zugriff auf das Vermögen des hinter der privatrechtlichen Organisation stehenden kommunalen Trägers im Wege des HafhmgsdurchgrifFs oder aufgrund öffentlich-rechtlicher Aufopferungsgrundsätze erfolgt, verneint. Noack, S.383f, der auch das Haftungsproblem im qualifiziert faktischen Konzern einbezieht. Zum faktischen Konzern s.i.e. Nesselmüller, S.118ff. 336 Wolff/Bachof/Stober, Bd.2, § 104a, Rn.40. 331
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2. Teil: Die Abwasserbeseitigg
seine öffentlich-rechtlichen Obliegenheiten, besteht für den hierdurch betroffenen Kunden ein Anspruch gegenüber der Gemeinde, in Erfüllung ihrer öffentlich-rechtlichen Einwirkungspflicht in dem Unternehmen darauf hinzuwirken, daß solche Pflichtverletzungen nicht erneut eintreten 337 . Voraussetzung ist, daß das Unternehmen durch seine Tätigkeit in subjektiv-öffentliche Rechte eingreift; Konsequenz ist ein im Verwaltungsrechtsweg zu verfolgender öffentlich-rechtlicher Anspruch gegen die Gemeinde selbst 338 . Fraglich ist, welchen Inhalt der Anspruch gegen den einwirkungsverpflichteten Träger der Aufgabenverantwortung im Fall seiner unterlassenen oder unmöglichen Einwirkung auf die privatrechtliche Vereinigung hat. Grundsätzlich ist der Anspruchsteller auf die Amtshaftung gemäß Art. 34 GG i.V.m. § 839 BGB verwiesen. Eine Amtspflicht in Gestalt der Einwirkungspflicht besteht indes nur ausnahmsweise, wenn der Einwirkungspflichtige gerade dem Betroffenen und nicht nur der Allgemeinheit gegenüber zur Einwirkung auf sein Beteiligungsunternehmen verpflichtet ist. Selbst wenn die Drittbezogenheit gegeben ist, sind die weiteren Voraussetzungen selten erfüllt. Sie verlangen, daß die Pflicht allein durch Einflußnahme auf das Beteiligungsunternehmen zu erfüllen war und von den Einwirkungspflichtigen schuldhaft verletzt worden ist. Tatsächlich ist es daher erfolgversprechender, daß schädigende Privatrechtssubjekt selbst in Anspruch zu nehmen 339 . Daneben könnte in weiteren Ausnahmefällen ein Durchgriff auf die Gemeinde nach den allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Regeln zur Durchgriffshaftung bestehen340. Wenn zwischen Bürger und Gemeinde ohnehin ein öffentlich-rechtliches Schuldverhältnis besteht, z.B. aufgrund eines Anschluß- und Benutzungszwangs, bedarf es neben den aus diesem Rechtsverhältnis entspringenden Schadensersatzansprüchen wegen Leistungsstörungen in aller Regel keines weiteren wegen der Verletzung der Einwirkungspflicht 341 .
337
Hofmann, S.129. Gern, Rn.766; vgl. OVG Münster, NVwZ 1986, 1045f, das einen solchen Einwirkungsanspruch in Betracht zieht, die drittschützende Wirkung der kommunalrechtlichen Bestimmungen über die (nicht-)wirtschaftlichen Unternehmen aber dahinstehen läßt, weil sie vorliegend nicht verletzt sind. 339 Spannowsky, DVB1.1992, S.1078. 340 Hofmann, S.129. 341 Spannowsky, DVB1.1992, S.1078. 338
Β. Die Organisationsmöglichkeiten
11
h) Divergenz zwischen Theorie und Praxis Schon die Inanspruchnahme privatrechtlicher Organisationsformen führt zu beträchtlichen Einwirkungs- und Kontrollverlusten der Gemeinde selbst und mindert damit die Kontrollintensität der öffentlichen Hand. So entgleiten Privatrechtsvereinigungen der Steuerung und Überwachung ihres öffentlichrechtlichen Trägers erheblich häufiger, als dies bei öffentlich-rechtlichen Untergliederungen geschieht, weil sie im Gegensatz zu letzteren keiner Staatsaufsicht unterliegen 342 . Zudem werden im kommunalen Alltag die Anforderungen an die gemeindliche Einwirkung durch deren Umsetzung regelmäßig nicht erfüllt. Aufgrund der Verselbständigungstendenz der Unternehmen entstehen unkontrollierbare Freiräume, die mit der Aufgabenverantwortung der öffentlichen Hand und dem Erfordernis demokratischer Kontrolle kaum zu vereinbaren sind 3 4 3 . Im wesentlichen hat der größere Grad an Autonomie drei Gründe: die gegenseitige Abhängigkeit von Aufgabenstellung, Einwirkung und Kontrolle, die ungenügende rechtliche Absicherung der Einwirkungs- und Kontrollpflichten sowie die relative Instrumentalisierungsfeindlichkeit des Gesellschaftsrechts 344. Das Problem stellt sich bei Beteiligungsgesellschaften in verstärktem Maße, insbesondere wenn man berücksichtigt, daß die Kommune einerseits zur Abwasserbeseitigung gesetzlich verpflichtet ist und andererseits im Extremfall nur eine knappe Mehrheit an der Entsorgungsgesellschaft hat. Insofern ist zu bedenken, daß auch das Ausmaß der Verwaltungsbeteiligung oder der Anteil bzw. die Höhe des regelmäßig getragenen Unterhalts keine zuverlässige Aussage über die tatsächlichen Herrschaftsverhältnisse ermöglichen 343 . Gerade bei Projekten, die die Finanzkraft der Entsorgungskörperschaft übersteigen, werden die privaten Investoren über ihre finanzielle Beteiligung versuchen, auch die unternehmerischen Entscheidungen durch Stimmenmehrheit in den entsprechenden Gremien an sich zu ziehen 346 . Erst recht bei einer verschachtelten Organisation der Unternehmen besteht die Gefahr der Verkürzung der Kontrolle, da die Erfüllung der öffentlichen Aufgabe und die Einhaltung öffentlich-rechtlicher Bindungen nur noch mittelbar über die Muttergesellschaft überprüfbar ist 3 4 7 .
342 343
Erbguth/Stollmann, S.801; Schoch, DÖV 1993, S.382. Spannowsky, DVB1.1992, S.1073; Müller, S.411f; Schoch, Abfallentsorgung,
S.93f 344 343 346 347
S.i.e. Ehlers, S.268ff. Wolff/Bachof/Stober, Bd.2, § 104a, Rn.5. Kloweit, S.137. Püttner, JA 1980, S.219; Cronauge, Kommunale Unternehmen, Rn.121.
2. Teil: Die Abwasserbeseitigg
1
Die theoretisch denkbaren Sicherungsmöglichkeiten gewährleisten praktisch kein unmittelbares Entscheidungsrecht und keine echte Kontrolle. Sie sind hauptsächlich informeller Natur und vermögen den Kompetenzverlust nicht abzugleichen 348 . Die Ursache liegt nicht zuletzt auch im Verhalten der Kommune selbst, wo Volksvertretung und Exekutivspitzen kaum Kontrolle walten lassen (wollen) 349 . Selbst von der gesetzlich eingeräumten Möglichkeit der kontinuierlichen Berichterstattung in den Organen der öffentlich-rechtlichen Körperschaft wird regelmäßig nur aus Anlaß der jährlichen Haushaltsberatungen bei der „Absegnung" der Wirtschaftspläne der Eigen- bzw. Beteiligungsgesellschaften Gebrauch gemacht 330 . Letztlich ist das Ergebnis der Minderung des Einflusses der Verwaltung ein (erklärtes) Ziel der Organisationsprivatisierung 331. Eine Zähmung der Gesellschaft liefe nämlich der mit der Inanspruchnahme des Privatrechts verfolgten Zielsetzung zuwider. Demgemäß wird die Gesellschaftsform so eingesetzt, daß die Gesellschaften ein erhebliches Eigenleben führen können. Das ermöglicht es darüber hinaus, unliebsame politische Einflußnahmen auf unternehmerische Entscheidungen zu unterlaufen und umgekehrt politisch unpopuläre Entscheidungen in nichtöffentlichen Sitzungen durch die Gesellschaftsorgane zu treffen 3 3 2 .
i) Restriktionen
bei der Organisationshoheit?
Der mit einer Privatisierungsmaßnahme bezweckte Schutz vor zu weitgehender Steuerung durch die Verwaltung und angeblich unangemessener Einflußnahme aus dem politischen Bereich trifft den Kern der kommunalen Selbstverwaltung in ihrer politisch-demokratischen Funktion 333 . Die Aufgabe der Einheit des Kommunalhaushalts, die Reduzierung der Gesamtverantwortung der kommunalen Vertretungskörperschaften sowie die Einschränkung der Steuerungs- und Kontrollmöglichkeiten der Gemeinde führen zu der Frage, ob eine fortschreitende Organisationsprivatisierung noch mit dem Leitbild der 348
Schoch, DÖV 1993, S.382; Graf Vitzthum, S.631f, zeigt am Beispiel des Freiburger Stadtwerkeverbunds, wie dieser faktisch zu einem eigenständigen Gebilde außerhalb der gemeindeparlamentarischen Einflußsphäre wird, obwohl die geforderten Einwirkungsrechte zugunsten der Stadt bestehen. 349 Stober, NJW 1984, S.454; Püttner, DÖV 1983, S.703; Schink, S.273. 330 Haupt, S.242. 331 Schoch, DÖV 1993, 382; ders. y DVB1.1994, 972. 332 Ehlers, DÖV 1986, S.901; Witte, Der Deutsche Städtetag warnt vor Privatisierungseuphorie, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 29.11.1996, S.47. 333 Knemeyer, S.318.
Β. Die Organisationsmöglichkeiten
1
kommunalen Selbstverwaltung vereinbar ist oder ob das Selbstverwaltungsrecht in letzter Konsequenz auch eine Privatisierungsschranke bilden kann, um einer Auflösung der Einheit der Kommunalverwaltung entgegenzuwirken 3 3 4 . Ein Lösungsansatz liegt darin, die Organisationshoheit der Gemeinden restriktiv zu handhaben und die Inanspruchnahme des privaten Organisationsrechts nur als Ausnahme von der Regel der Verwendung öffentlich-rechtlicher Organisationsformen zuzulassen. Die Begründung soll in „übergeordneten rechtlichen Gesichtspunkten" liegen, denn das Kommunalrecht biete für diese Subsidiarität keinen Anhaltspunkt 333 . Jede Beteiligung Privater sei dann nicht rechtmäßig, wenn die Gemeinde selbst in der Lage wäre, ein entsprechendes Unternehmen zu unterhalten. Die Beteiligungsgesellschaft käme ausnahmsweise zum Zuge, wenn die Gemeinde an Erfahrungen, Know-how, der Investirons» und Finanzkraft des Privaten partizipieren muß, um ihre Aufgaben sachgerecht erfüllen zu können 336 . Dieses faktische Kriterium ist jedoch zweifelhaft, weil die privatrechtliche Organisationsalternative mittelbar aufgewertet wird, da sie gerade dann zulässig ist, wenn sich öffentlich-rechtliche Organisationsformen als ungeeignet herausstellen. Insgesamt ist diese organisationsrechtliche Subsidiaritätsklausel kaum mehr als eine Darlegungs- und Beweislastregel im Verhältnis von Gemeinde und Aufsichtsbehörde 337. Im übrigen bedarf eine Prioritätsregelung der Normierung, woran es jedenfalls in Nordrhein-Westfalen fehlt 3 3 8 . Das folgt einerseits aus Art. 28 Abs.2 S.l GG, der auch die Wahlfreiheit kommunaler Handlungs- und Organisationsformen umfaßt, und andererseits aus dem Umstand, daß der Kommunalgesetzgeber den Gemeinden verschiedene Gestaltungsformen eröffnet und deren Zulässigkeitsvoraussetzungen geregelt hat, ohne eine Rangfolge zu bestimmen 339 . Die Subsidiaritätsklausel des § 88 Abs.l N r . l , 2.Hs. GO NW a.F., die ohnehin nur für wirtschaftliche Unternehmen galt und eine doppelte Schutzfunktion für die Gemeinde und die Privatwirtschaft erfüllte 360 , ist in die neu gefaßte GO NW nicht mehr übernommen worden. Damit fehlt jetzt - erst recht im Hinblick auf nichtwirtschaftliche Un334
So Κrölls, S. 142, der die Versuche einiger Landesgesetzgeber, einen Vorrang öffentlich-rechtlicher Organisationsformen festzuschreiben, als Ausdruck eines wachsenden Problembewußtseins begreift; ebenso Schoch, DVB1.1994, S.9. 333 So Ehlers, DÖV 1986, S.903f. 336 So Schützenmeister, S.216; vgl. im übrigen §§ 53, 54 KommVerf. 337 Graf Vitzthum, S.604. 338 Baden-Württemberg, Saarland und Schleswig-Holstein haben i.S.e. „Eigengesellschaftsfeindlichkeit u eine Priorität des Eigetibetriebs ausdrücklich normiert. 339 Knemeyer, S.319, Fßn.23. 360 Vgl. Weller, S.28.
2. Teil: Die Abwasserbeseitigung
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ternehmen - jeder Ansatzpunkt für eine Interpretation des wichtigen Interesses i.S.e. Subsidiarität privatrechtlicher Organisationsformen. Dem entspricht, daß die Selbstverwaltungsgarantie eine Schranken-Schranke bildet, da einer ihrer Bestandteile ein Kernbereich organisationsrechtlicher Gestaltungsfireiheit inklusive der Rechtsformen des Privatrechts ist. Ein Verbot privatrechtlicher Beteiligungen kommt deshalb nicht in Betracht 361 . Um den Zielkonflikt zu lösen, sind vielmehr bei der Nutzung privatrechtlicher Organisationsformen die die Selbstverwaltung sichernden aufgabenadäquaten Einwirkungspflichten hervorzuheben, zu verankern und zu erfüllen 362 . Für die Steuerung und Kontrolle der selbständigen Eigen- und Beteiligungsgesellschaften, für die notwendige Vorbereitung der in die Gesellschaftsgremien entsandten kommunalen Vertreter und entsprechender Verhaltensempfehlungen sowie für die Rückkopplung an die hauptamtliche Verwaltung ist in den Kommunen eine neuartige Beteiligungsverwaltung aufzubauen und zu organisieren 363 . Nicht zuletzt der „Kampf um die Rückgewinnung der Stadtwerke im Osten" hat in rechtstatsächlicher Hinsicht deutlich gemacht, daß einer Kommune ohne Stadtwerke etwas fehlt und sich ihre Selbstverwaltung nicht richtig entfalten kann, weil kein wirtschaftlicher und technischer Katalysator vorhanden ist. Im dezentralisierten Staat erweisen sich Unternehmen der Gemeinden und Kreise als wichtiges Instrument lokaler und regionaler Selbständigkeit und Wirtschaft 364 . Die mit einer Privatisierungsmaßnahme verbundenen Wirtschaftlichkeitserwartungen und die Diskussion um die Subsidiarität privatrechtlicher Organisationsformen nähren allerdings den Verdacht, daß das öffentliche Organisationsrecht für die effektive und effiziente Führung eines Dienstleistungsunternehmens ungeeignet ist. Bestätigt sich dieser Befund und soll nicht nur an den Symptomen, sondern an der Ursache angesetzt werden, bedarf das öffentliche Recht einer Anpassung an die Erfordernisse effektiver Erfüllung von Verwaltungsaufgaben 365.
361
Graf Vitzthum, S.605. Knemeyer, S.318. 363 So Witte, Der Deutsche Städtetag warnt vor Privatisierungseuphorie, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 29.11.1996, S.47. 364 Püttner, LKV 1994, S. 194; zur Bedeutung kommunaler Unternehmen s. Grabbe, S.137f. 363 So die These von Osterloh, WDStRL 54, S.215. 362
Β. Die Organisationsmöglichkeiten j) Kommunalrechtliche
1
Besonderheiten
Wenn der Betrieb der Abwasserbeseitigung zur öffentlichen Einrichtung gewidmet werden muß, fragt sich, ob sich daraus Konsequenzen für eine formale Privatisierung ergeben.
aa) Organisation öffentlicher Einrichtungen Auch im Bereich der Kommunalverwaltung gilt der Grundsatz, daß der Einrichtungsträger ein Wahlrecht hat, welcher Rechtsform er sich bedienen will. Daher existieren vor allem im kommunalen Bereich der Daseinsvorsorge für gleiche Leistungen verschiedene Organisationsformen, die von organisatorisch und rechtlich unselbständigen Einrichtungen bis zu verselbständigten juristischen Personen des öffentlichen oder privaten Rechts reichen 366 . Wenn das „Ob" zur Pflicht geworden ist, bleibt die Frage des „Wie" nach wie vor im politischen Ermessen des zuständigen Gemeindeorgans. Ausdrücklich hervorgehoben ist dabei die Grenze der Leistungsfähigkeit jeder einzelnen Gemeinde. Auch bei Pflichtaufgaben ist die Gemeinde nicht gehalten, Einrichtungen einer Größenordnung zu schaffen, die sie im Rahmen ihrer finanziellen Leistungskraft nicht erstellen kann 3 6 7 . Das Formenwahlrecht gilt aber nur soweit, wie gesetzlich nicht bestimmte Formen vorgeschrieben sind 3 6 8 . Beruht die Errichtung auf spezialgesetzlicher öffentlich-rechtlicher Verpflichtung, dann liegt stets eine in öffentlich-rechtlichen Organisationsformen zu betreibende öffentliche Einrichtung vor. Als Beispiele werden Schulen, Friedhöfe, Kindergärten oder Sparkassen genannt 369 . Diese Aufzählung ist jedoch anfechtbar, denn hinsichtlich der genannten Einrichtungen bestehen nur mit §§6, 10 Abs.l, 2 SchVGNW für Schulen und § 2 SpkG NW für Sparkassen einschlägige gesetzliche Vorschriften. Im übrigen darf die Aufgabenpflicht nicht mit der Aufgabenerledigung vermischt werden. Demnach gilt für die übrigen Einrichtungen ein Formenwahlrecht. Eine Einrichtung verliert nicht den Charakter als öffentliche Einrichtung der Gemeinde dadurch, daß Trägerschaft und/oder Benutzungsverhältnis pri-
366 Frotscher, in: HkWP, Bd.3, S.142; Hauser, S.5; Scholz/Pitschas, S.20f; Salzwedel, in: Erichsen (Hrsg.), § 41, Rn.l. 367 Rauball u.a., § 18 GO NW a.F., Rn.2. 368 Gern, Rn.532. 369 Kottenberg/Rehn/Cronauge, § 18 GO NW a.F., Erl.1.4.; Rauball u.a., § 18 GO NW a.F., Rn.3.
2. Teil: Die Abwasserbeseitigung
1
vatrechtlich ausgestaltet werden oder daß die Gemeinde nur mittelbarer Träger ist und die Einrichtung nicht in ihrem Eigentum steht, sondern ihr aufgrund einer öffentlich- oder privatrechtlichen Vereinbarung (z.B. Mietvertrag) nur das Nutzungsrecht zusteht 370 . Die Gemeinden sind (bundesrechtlich) nicht gehindert, sich bei Schaffung und Unterhaltung von Einrichtungen, die der Daseinsvorsorge ihrer Einwohner dienen, privatrechtlicher Gestaltungsformen zu bedienen, und zwar auch so, daß sie selbst eine juristische Person des Privatrechts gründen, der sie den Betrieb der Einrichtung übertragen 371 . Dabei ist nicht erforderlich, daß die Kommune alleiniger Anteilseigner der die Einrichtung betreibenden juristischen Person ist, sondern es kommen insofern auch Beteiligungsgesellschaften in Betracht 372 . Um eine öffentliche Einrichtung handelt es sich allerdings nur, wenn die Kommune die Bindung der Einrichtung an den öffentlichen Zweck gegenüber der privatrechtlichen Betriebsgesellschaft durchgesetzt hat und sie tatsächlich zu den von der Gemeinde verfolgten öffentlichen Zwecken zur Verfügung steht 373 .
bb) Ausgestaltung der Rechtsbeziehungen Im Falle der Organisationsprivatisierung einer öffentlichen Einrichtung ist ihr Träger eine privatrechtliche Gesellschaft, welche die Gemeinde gründet und deren Anteile sie behält oder an der sie sich beteiligt, sei es zusammen mit Privaten als gemischt-wirtschaftliches Unternehmen, sei es mit anderen öffentlichen Aufgabenträgern als gemischt-öffentliches Unternehmen 374 . Als kommunaler Träger der öffentlichen Einrichtung kann eine Kapitalgesellschaft aber nur angesehen werden, wenn die Kommune alle oder mindestens die Mehrheit der Gesellschaftsanteile hält 373 .
(1) Privatrechtliches
Benutzungsverhältnis
In diesem Zusammenhang darf die Wahl der Organisationsform nicht mit derjenigen der Nutzungsordnung verwechselt werden 376 . Während das Organi-
370 371 372 373 374 373 376
Gern, Rn.529. BVerwG, NJW 1990,134. OVG Münster, NWVB1.1993, 217 (218); Driehaus/Dahmen, § 4 KAG, Rn.215. BVerwG, NJW 1990, 134 (135). Tettinger, Bes. Verwaltungsrecht, Rn.130. Frotscher, in: HkWP, Bd.3, S.147. Salzwedel, in: Erichsen (Hrsg.), § 41, Rn.3.
Β. Die Organisationsmöglichkeiten
127
sationsrecht die Frage nach der rechtlichen Struktur öffentlicher Einrichtungen als Verwaltungseinheit beantwortet, betrifft die Benutzungsform die Rechtsbeziehungen der öffentlichen Einrichtung nach außen zum Bürger 377 . Die kommunalrechtlichen Regelungen enthalten sich jeder Aussage darüber, wie die Benutzungsverhältnisse öffentlicher Einrichtungen auszugestalten sind. Sie beschränken sich in §§ 8 Abs.2, 9 GO NW darauf, Recht und Pflicht zur Benutzung zu normieren 378 . So besitzt die Gemeinde im Falle öffentlich-rechtlicher Organisation ein Wahlrecht bzgl. des Regelungsregimes der Benutzungsverhältnisse. Es besteht keine Verpflichtung der Kommune, die Rechtsverhältnisse an ihrer öffentlichen Einrichtung durch Ortssatzung zu regeln 379 , sondern es steht der Körperschaft frei, das Benutzungsverhältnis öffentlich-rechtlich auszugestalten und Wassergebühren zu erheben. Die Befugnis zur privatrechtlichen Gestaltung resultiert ebenfalls aus der kommunalen Organisationsgewalt als Bestandteil der kommunalen Selbstverwaltung des Art. 28 Abs.2 S.l GG 3 8 0 . Dadurch wird Art. 19 Abs.4 GG nicht verletzt, denn bei privatrechtlicher Ausgestaltung des Nutzungsverhältnisses wird der Rechtsschutz des Bürgers nicht verkürzt, weil die rechtsstaatlichen Garantien in gerichtlichen Verfahren gleichermaßen für den ordentlichen wie für den Verwaltungsrechtsweg gelten. Im übrigen garantiert die in Art. 19 Abs.4 GG enthaltene Individualrechtsschutzgewährleistung nicht den Verwaltungsrechtsweg, sondern nur den Rechtsschutz irgendeiner Gerichtsbarkeit 381 . Maßgebend für die Frage, in welcher Form der Träger der Einrichtung das Benutzungsverhältnis im einzelnen ausgestaltet hat, ist der objektiv nach außen erkennbare Wille des Organisationsträgers. Die Begründung des Nutzungsverhältnisses durch Abschluß eines Vertrages auf der Grundlage „Allgemeiner Bedingungen über die Entwässerung der Grundstücke" legt nahe, daß der Einrichtungsträger in diesem Bereich privatrechtlich und nicht einseitig hoheitlich tätig werden w i l l 3 8 2 . Andererseits besteht im Falle der Ordnung der Leistungsverhältnisse der öffentlichen Einrichtung zu den Benutzern durch Satzung ein starkes Indiz für ein öffentlich-rechtliches Rechtsregime, dies um so mehr bei Anordnung eines Anschluß- und Benutzungszwanges für Entsorgungsanlagen. Allerdings zwingt das Fehlen einer Satzung im Bereich der Abwasserbeseitigung nicht zu dem Schluß auf eine privatrechtliche Regelung der
377
Fischedick, S.4. Fischedick, S.l. 379 BGH, NJW 1977, 197; BGH, DVB1.1978, 108; BGH, NVwZ 1991, 606 (607); Ehlers, Privatrechtsform, S.13. 380 Fischedick, S.14. 381 OVG Koblenz, NVwZ-RR 1991, 322 (323f); Grabbe, S.26. 382 OVG Koblenz, NVwZ-RR 1991, 322 (323). 378
128
2. Teil: Die Abwasserbeseitigung
Benutzungsverhältnisse. Vielmehr können diese durch verwaltungsrechtlichen Vertrag auch öffentlich-rechtlich ausgestaltet werden 383 . Jedoch kann eine privatrechtlich organisierte öffentliche Einrichtung ihre Rechtsbeziehungen zu den Benutzern lediglich privatrechtlich ausgestalten; einem Vertragsschluß können dann Allgemeine Geschäftsbedingungen zugrunde gelegt werden 384 . Mangels erforderlicher Hoheitsgewalt kommt eine öffentlich-rechtliche Ausgestaltung nicht in Betracht; diese kann auch nicht aus der Widmung hergeleitet werden, da die Widmung keine Beleihung ist 3 8 3 . Bei privatrechtlicher Regelung bedarf es grundsätzlich keiner besonderen Zulassungsentscheidung. Vielmehr besteht eine einheitliche privatrechtliche Nutzungsbeziehung, so daß Zulassung zur Nutzung sowie Begründung und inhaltliche Gestaltung des Nutzungsvertrages durch und nach Maßgabe des privatrechtlichen Vertrages mit der Gesellschaft erfolgen 386 .
(2) Bindungen für öffentliche
Einrichtungen in Privatrechtsform
Mißtrauen gegen die privatrechtliche Nutzungsordnung und die unternehmerische Ausgestaltung des Leistungsverhältnisses ist fehl am Platze, weil die Einrichtung auch bei privatrechtlicher Gestaltung die Rechtsposition des Benutzers nicht bis zur Grenze sittenwidriger Knebelung beugen kann. Demzufolge wird nicht nur die öffentlich-rechtliche Regelung den rechtsstaatlichen Mindestanforderungen an eine geordnete Daseinsvorsorge für die Bürger gerecht 387 . Denn es greifen die allgemeinen Grenzen fiskalischer Ausgestaltung: Zunächst sind die Bindungen aus § 826 BGB vom privaten Träger der öffentlichen Einrichtung zu respektieren, die jeden Inhaber eines rechtlichen oder tatsächlichen Monopols auf existenzwichtige Leistungen treffen. Daraus resultieren ein Kontrahierungszwang, der den Einrichtungsträger zum Abschluß eines Benutzungsvertrages verpflichtet, soweit die sachlichen Voraussetzungen für eine entsprechende Teilhabe an der Daseinsvorsorge bestehen, sowie die Einräumung zumutbarer Vertragsbedingungen infolge der Leistungsabhängigkeit 388 .
383 384 385 386 387
BGH, NJW 1977, 197 (198); BGH, DVB1.1978, 108. Tettinger, Bes. Verwaltungsrecht, Rn.132. Erichsen, JURA 1986, S.198. Frotscher, in: HkWP, Bd.3, S.148; Erichsen, JURA 1986, S.199. Wolff/Bachof/Stober, Bd.2, § 104a, Rn.21; Salzwedel, in: Erichsen (Hrsg.), § 41,
Rn.4. 388
Salzwedel, in: Erichsen (Hrsg.), § 41, Rn.4.
Β. Die Organisationsmöglichkeiten
12
Hinzu kommt das kartellrechtliche Diskriminierungsverbot des § 26 Abs.2 S.2 GWB, wonach marktstarke Unternehmen, von denen andere Unternehmen i.d.S. abhängig sind, daß keine ausreichenden und zumutbaren Möglichkeiten bestehen, auf dritte Unternehmen auszuweichen, die anderen Unternehmen nicht in einem gleichartigen Unternehmen überlicherweise zugänglichen Geschäftsverkehr unmittelbar oder mittelbar unterschiedlich behandeln dürfen 389 . § 98 Abs. 1 GWB legt die Anwendbarkeit des Kartellrechts auf „öffentliche Unternehmen" ausdrücklich fest, so daß die Betätigung der Kommunen in wirtschaftlichen Unternehmen dem GWB unterfällt. In § 110 GO NW findet sich zudem selbst ein Verbot des Mißbrauchs kommunaler wirtschaftlicher Machtstellung 390 . Ist das Nutzungsverhältnis privatrechtlich ausgestaltet, gilt wegen Art. 1 Abs. 3 GG darüber hinaus das Verwaltungsprivatrecht. Denn der Betrieb einer gemeindlichen Einrichtung ist - auch in privatrechtlicher Form - materiell öffentliche Verwaltung 391 . Bei Zulassung zur Benutzung gemeindlicher Anstalten sind öffentlich-rechtliche Bindungen beachtlich 392 . Bei der Wahl privatrechtlicher Benutzungsformen sind für die inhaltliche Ausgestaltung der Benutzungsverhältnisse die Freiheits- und Gleichheitsrechte sowie der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten 393 . Sodann ergeben sich oft aus besonderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften für bestimmte Bereiche der Daseinsvorsorge mittelbare Schranken für die vertragliche Ausgestaltung der Benutzungsbedingungen394. Wenn auch keine Bindung an alle Grundsätze des Verwaltungsrechts besteht, so greifen doch die grundlegenden Prinzipien öffentlicher Finanzgebarung mit der Folge, daß das zivilrechtliche Entgelt nicht losgelöst vom Maßstab des Kommunalabgabenrechts festgesetzt werden kann 3 9 3 .
cc) Der Zulassungsanspruch § 8 Abs.2 GO NW verpflichtet als Sonderrecht ausschließlich Gemeinden, was seine Zuordnung zum öffentlichen Recht begründet. Der Anspruch auf 389
Vgl. zum Monopolveranstalter z.B. Spannowsky, GewArch 1995, S.269f. Cronauge, Kommunale Unternehmen, Rn.494f, bzgl. des inhaltsgleichen § 95 GO NW a.F. 391 BVerwG, NVwZ 1991, 59; Gern, Rn.535. 392 Wolff/Bachof/Stober, Bd.l, § 23, Rn.30. 393 Fischedick, S.44f. 394 Salzwedel, in: Erichsen (Hrsg.), § 41, Rn.4. 393 Cronauge, StuGR 1990, S.348f; OVG Koblenz, NVwZ-RR 1991, 322 (324). 390
9 Brüning
2. Teil: Die Abwasserbeseitigung
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Zulassung zur Benutzung der öffentlichen Einrichtung ist mithin auch öffentlich-rechtlicher Natur, wenn die Organisationsform oder das Benutzungsverhältnis privatrechtlich ausgestaltet sind 3 9 6 . Die Unterscheidung zwischen „Ob" und „Wie" der Benutzung betrifft Einrichtungen der gemeindlichen Daseinsvorsorge jeder Art, einschließlich solcher, welche die Gemeinde nicht selbst betreibt, sondern von einer von ihr gegründeten und/oder beherrschten selbständigen juristischen Person des Privatrechts betreiben läßt. Wegen der Verschiedenheit der Anspruchsgegner ist die Differenzierung in diesen Fällen sogar besonders deutlich 397 .
(1) Anspruch gegen die Gemeinde Dem Anspruch des § 8 Abs.2 GO soll die Gemeinde sich nicht dadurch entziehen können, daß sie die öffentliche Einrichtung in privatrechtlicher Form betreibt. Dieser öffentlich-rechtliche Anspruch gegen die Gemeinde bleibt auch bei Zwischenschaltung eines privaten Zugangsmittlers unberührt 398 . Die Eigengesellschaft ist lediglich Vollzugsorgan ohne eigene öffentlich-rechtliche Subjektträgerschaft 399. Dann ist der Anspruch weiterhin gegen die Gemeinde gerichtet, obwohl nur die privatrechtliche Gesellschaft die begehrte Leistung erbringen kann, und beinhaltet, daß diese dem Einwohner die erstrebte Leistung verschafft. Die Gemeinde trifft also im Innenverhältnis zu der von ihr beherrschten Kapitalgesellschaft eine Einwirkungspflicht 400 . Nach der ZweiStufen-Theorie wird die Entscheidung hinsichtlich der Zulassung zur Nutzung der öffentlichen Einrichtung öffentlich-rechtlich (konkludent) von der Gemeinde getroffen und die Frage des Benutzungsverhältnisses vom Einrichtungsträger privatrechtlich entschieden401. Voraussetzung für die Verwirklichung des öffentlich-rechtlichen Verschaffungsanspruch ist, daß die Kommune sich ihrer Entscheidungsbefugnis zur
396
BGH, NJW 1990, 134 (135); Rauball u.a., § 18 GO NW a.F., Rn.6; Erichsen, JURA 1986, S. 196; Frotscher, in: HkWP, Bd.3, S. 150; Gern, Rn.536; Kottenberg/ Rehn/Cronauge, § 18 GO NW a.F., Erl.ü.1. 397 BVerwG, NJW 1990, 134 (135); BVerwG, NVwZ 1991, 59. 398 Herdegen, S.907. 399 Kraft, in: HkWP, Bd.5, S.171f. 400 Tettinger, Bes. Verwaltungsrecht, Rn.135; Kottenberg/Rehn/Cronauge, § 18 GO NW a.F., Erl.n.l.; Rauball u.a., § 18 GO NW a.F., Rn.4. 401 BVerwG, NVwZ 1991, 59; Hess.VGH, GewArch 1994, 287 (288). Zum Ansatz von Ossenbühl, DVB1.1973, S.29Iff, wonach ein einheitlicher öffentlich-rechtlicher Anspruch gegen den privatrechtlichen Einrichtungsträger bestehen soll, s.u. 3.Teil. B. m. 2. c) bb).
Β. Die Organisationsmöglichkeiten
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Zulassung einzelner Anspruchsteller nicht begeben hat, sondern nach wie vor maßgeblichen Einfluß auf die Trägergesellschaft hat. Er muß so weit reichen, daß ein Benutzungsrecht für alle Einwohner zu angemessenen Bedingungen gesichert ist und die letztliche Entscheidung über die Benutzung durch die von der Gemeinde bestimmten Stellen getroffen wird 4 0 2 . Im Falle einer gesellschaftsrechtlichen Verknüpfung von Gemeinde und privatrechtlich verfaßtem Einrichtungsträger erfordert das regelmäßig eine Mehrheitsbeteiligung der Kommune 403 . Die gegenüber dem gegründeten Privatrechtssubjekt vorbehaltenen Informations-, Ingerenz- und Kontrollrechte des Aufgabenträgers dienen so dem Schutz des Teilhabeanspruchs des Bürgers an den öffentlichen Leistungen der gemeindlichen Einrichtung. Den entsprechenden Aufsichts- und Mitwirkungspflichten muß das Trägergemeinwesen nachkommen 404 . Fraglich ist, was geschieht, wenn die Gemeinde den Leistungsträger nicht so beherrscht, daß sie letztlich die Entscheidung über die Benutzung treffen kann. Denkbar ist, daß es sich dann nicht mehr um eine öffentliche Einrichtung, sondern eine private Einrichtung des jeweiligen privaten Trägers handelt, weil die Widmung nicht vollständig erfüllt ist. Denn die Gemeinde kann die Einrichtung gerade nicht der allgemeinen Benutzung durch die Einwohner zugänglich machen. Wenn die Öffentlichkeit der Einrichtung derart von der kommunalen Ingerenz abhängig gemacht wird, entfällt mit der Einflußmöglichkeit der Gemeinde die Öffentlichkeit der Einrichtung und damit der Tatbestand des kommunalrechtlichen Zulassungs- bzw. Verschaffungsanspruchs des § 8 Abs.2 GO NW. Im Einzelfall könnte sich allerdings ein privatrechtlicher Anspruch aufgrund des Kontrahierungszwangs für Monopolbetriebe ergeben, wenn es sich um ein Unternehmen ohne Wettbewerb gleichartiger Betriebe handelt, etwa bei Wasser- und Elektrizitätsversorgern 403. In diesem Ansatz liegt jedoch eine Umkehrung von Ursache und Wirkung. Denn weil eine Einrichtung öffentlich ist, besteht der Zulassungsanspruch. Die Definition der Widmung kann nicht durch das Kriterium der kommunalen Einwirkung ersetzt werden, so daß eine Einrichtung öffentlich ist, weil ein Zulassungsanspruch besteht und umsetzbar ist 4 0 6 . Demgemäß bleibt die Einrichtung unabhängig von der Realisierbarkeit des Verschaffungsanspruchs eine öf-
402 Rauball u.a., §18 GO NW a.F., Rn.4; Driehaus/Dahmen, §4 KAG, Rn.215; Hess.VGH, GewArch 1994, 287 (288), der allerdings systemwidrig von einem „Verrichtungsgehilfen" spricht, obwohl es sich im entschiedenen Fall um eine Eigengesellschaft handelte. 403 Vgl. Spannowsky, GewArch 1995, S.269. 404 Graf Vitzthum, S.587. 403 Rauball u.a., §18 GO NW a.F., Rn.6; Kottenberg/Rehn/Cronauge, § 18 GO NW a.F., Erl.n.3. 406 So zutreffend Ossenbühl, DVB1.1973, S.293.
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2. Teil: Die Abwasserbeseitigung
fentliche. Kann die Gemeinde einen berechtigten Anspruch eines Einwohners nicht befriedigen, ist das eine Frage der Haftung, die sich nach Amtshaftungsrecht beurteilt. Da die Gemeinde im Bereich der Abwasserbeseitigung zur Schaffung von öffentlichen Einrichtungen verpflichtet ist 4 0 7 , verletzt sie ihre Aufgabenverantwortung, wenn sie Einrichtungen schafft, bei denen sie den kommunalrechtlichen Zulassungsanspruch der Einwohner nicht verwirklichen kann.
(2) Anspruch gegen die Trägergesellschaft Die Tätigkeit juristischer Personen des Privatrechts unterfallt grundsätzlich dem Zivilrecht auch dann, wenn sie in den Dienst der Daseinsvorsorge des Staates für seine Bürger gestellt sind Demgemäß ist eine Betreibergesellschaft nicht neben der Gemeinde oder an ihrer Stelle befugt, kraft öffentlichen Rechts über den Zugang zu der Einrichtung zu entscheiden408. Sie kann nur auf dem Zivilrechtsweg auf Zutritt zur gemeindlichen Einrichtung in Anspruch genommen werden 409 , wenn die Voraussetzungen der §§ 826 BGB oder 26 Abs.2 GWB erfüllt sind. Nicht entschieden ist bisher die interessante Frage, ob es rechtlich überhaupt zulässig ist, daß über die Zulassung zu öffentlichen Einrichtungen allein Privatrechtssubjekte befinden können 410 . Wird eine Einrichtung in der Form des Privatrechts betrieben, bestehen wegen des unterschiedlichen zivil- und öffentlich-rechtlichen Streitgegenstands die Klagemöglichkeiten kumulativ 4 1 1 , so daß die Einwohner mithin ein Wahlrecht haben, ob sie den Anspruch gegen die Gemeinde in der Form eines öffentlich-rechtlichen Verschaffungsanspruchs (Einwirkungsanspruchs) richten oder ob sie den Träger selbst vor dem Zivilgericht in Anspruch nehmen. Letzterenfalls gilt für die Beurteilung des Anspruchs Verwaltungsprivatrecht 412 . Die Zivilgerichte sind dann im Rahmen dieses Rechtsstreits auch für die Klärung der Reichweite der öffentlich-rechtlichen Bindungen der privatrechtlich organisierten und handelnden Betreibergesellschaft zuständig 413 .
407 408 409 410 411 412 413
S.o. 2.Teil. A. m. 1. d). BVerwG, NVwZ 1991, 59. Kottenberg/Rehn/Cronauge y § 18 GO NW a.F., Erl.n.4. Der Hess. VGH, GewArch 1994, 287 (288), läßt diese Frage ausdrücklich offen. Osterloh, S.339. Gern, Rn.537. Osterloh, S.339.
Β. Die Organisationsmöglichkeiten
1
dd) Anschluß- und Benutzungszwang Ein Anschluß- und Benutzungszwang ist im Satzungswege festzulegen. Das Wahlrecht hinsichtlich der Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses besteht zugunsten der Gemeinde unabhängig davon, ob die Leistungsgewährung mit einem öffentlich-rechtlichen Anschluß- und Benutzungszwang verknüpft ist 4 1 4 . Zwar spricht die dem obrigkeitlichen Staatshandeln zugehörende Anordnung eines Anschluß- und Benutzungszwanges durch Satzung an sich für die öffentlich-rechtliche Natur des gesamten Leistungsverhältnisses 413. Das Benutzungsverhältnis einerseits und der Anschluß- und Benutzungszwang andererseits sind aber keine unteilbaren Bestandteile eines einheitlich zu beurteilenden Rechtsverhältnisses. Während die öffentlich-rechtliche Anordnung des Anschluß- und Benutzungszwangs im Interesse der Volksgesundheit erfolgt, hat die Ausführung den Austausch von Leistungen zum Gegenstand. Die Regelungen der für die Leistungen des Einrichtungsträgers zu entrichtenden Entgelte dienen ausschließlich fiskalischen Zwecken. Sie stehen daher in keinem notwendigen tatsächlichen und rechtlichen Zusammenhang mit dem Anschluß- und Benutzungszwang 416 . Dem könnten die Regelungen des kommunalen Satzungsrechts entgegenstehen, wenn ihnen die Funktion innewohnt, der kommunalen Wahlfireiheit Grenzen zu ziehen. Den Ausgangspunkt bildet - ähnlich wie in der Diskussion um ein allgemeines Privatisierungsverbot 417 - die These, sie als äußere Ermessensgrenzen anzusehen, da die Wahlfireiheit lediglich einen Unterfall des allgemeinen Verwaltungsermessens darstelle. Als Ausdruck des Grundsatzes des Gesetzesvorbehalts sei der Satzungsvorbehalt die Grundlage für Eingriffe in die Rechtssphäre des Bürgers. Insbesondere im Falle eines hoheitlich angeordneten Anschluß- und Benutzungszwangs verklammere diese Zwangswirkung „Ob" und „Wie" der Benutzung dergestalt, daß der öffentlich-rechtliche Charakter des gesamten Benutzungsverhältnisses präjudiziell sei. Anderenfalls würde der Grundsatz des Gesetzesvorbehalts unterlaufen 418 . Der behauptete Zusammenhang von Benutzungszwang und gleichzeitiger Unterwerfung unter die von der Gemeinde diktierten Nutzungsbedingungen ist jedoch keineswegs unauflöslich. Insoweit wird die Möglichkeit verkannt, die
414
Gern, Rn.535; BGH, NJW 1992, 171 (172). BGH, NVwZ 1991, 606 (607). 416 OVG Koblenz, NVwZ-RR 1991, 322 (324). 417 Vgl.o. 2.Teil. Β. ΙΠ. 2. d) bb) (1.). 418 So v.Danwitz, S.5; ebenso Ehlers, Privatrechtsform, S.176f; Rauball u.a., § 18 GO NW a.F., Rn.3; Frotscher, in: HkWP, Bd.3, S.156. 413
2. Teil: Die Abwasserbeseitigung
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Rechtsverhältnisse aufzuspalten. Die zweistufige Gestaltung genügt aber den Anforderungen des Gesetzesvorbehalts, wie die Konstruktion des Zulassungsanspruchs belegt 419 . Der öffentlich-rechtlichen Verpflichtung bei kommunalen Zwangsbenutzungsverhältnissen entspricht der öffentlich-rechtliche Anspruch auf Zulassung. Bei Einrichtungen ohne Anschluß- und Benutzungszwang endet er mit der Zulassung. Die Anordnung des hoheitlichen Zwangs bezieht sich ebenfalls ausschließlich auf die Begründung des Benutzungsverhältnisses; sie verlangt weder von Wortbedeutung noch vom Zweck, daß auch die Modalitäten der Benutzung hoheitlich, d.h. durch Satzung, zu regeln sind. Ein Grund für eine andere Behandlung als nach der Zwei-Stufen-Theorie wie bei Einrichtungen ohne Anschluß- und Benutzungszwang ist für kommunale Zwangsbenutzungsverhältnisse nicht ersichtlich 420 . Die zwar vorhandene, aber auf den Fall von Zuwiderhandlungen im Rahmen des Zwangsbenutzungsverhältnisses beschränkte Zwangsandrohung rechtfertigt jedenfalls keine Differenzierung. Auch wenn der Benutzungszwang das gesamte Benutzungsverhältnis begleitet, wird er nur für den Fall virulent, daß die Betroffenen die Einrichtung nicht entsprechend der Anordnung benutzen. Der Anschlußzwang erschöpft sich ohnehin in einer einmaligen Handlung und hat keine weitere Bedeutung 421 . Das grundsätzliche Privatisierungsverbot betrifft nur die Eingriffsverwaltung. Eine eindeutige Zuordnung einer öffentlichen Einrichtung mit Anschluß- und Benutzungszwang zur Eingriffs- oder Leistungsverwaltung ist aber nicht möglich. Die erzwungene Benutzung der öffentlichen Einrichtung stellt für den Bürger zugleich eine Leistung dar. Die Verwaltung wird hier gleichzeitig belastend und gewährend tätig 4 2 2 . Dieser Doppelcharakter erlaubt noch keinen Rückschluß auf eine zwingende öffentlich-rechtliche Ausgestaltung. Mit der Forderung nach einem einheitlichen öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnis würde vorschnell der Grundsatz der Wahlfreiheit der Gemeinden im Bereich der Leistungsverwaltung aufgehoben. Grundrechtsrelevant ist nur die Begründung des Anschluß- und Benutzungszwanges. Damit korrespondiert der Zulassungsanspruch gegen die Gemeinde. Alles andere ist Leistungsverwaltung und damit zivilrechtlich lösbar. Ein zweistufiges Rechtsverhältnis setzt nicht voraus, daß die Abwicklung des Durchführungstatbestandes auf freier Willensbildung der Benutzer beruht 423 .
419 420 421 422 423
Erichsen, Kommunalrecht, S.231f; Püttner, Öffentliche Unternehmen, S.244f. OVG Lüneburg, NJW 1977, 450. Krieger, S.27. Krieger, S.13f. Fischedick., S.21; Krieger, S.24f.
Β. Die Organisationsmöglichkeiten
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Schon § 9 GO NW selbst enthält sich bzgl. der Abwicklung jeder Aussage und bezieht sich nur auf die Anordnung des Zwanges. Damit entspricht der Satzungsvorbehalt dem Geltungsbereich des Gesetzesvorbehalts für Eingriffe in die Freiheit des Bürgers. Hieraus folgt keine Verpflichtung, den Inhalt von Satzungen mit Anschluß- und Benutzungszwang auf die Regelung des Entgelts und die sonstigen Benutzungsbedingungen zu erstrecken 424. Schließlich wird dieses Ergebnis durch die gesetzliche Systematik bestätigt: Art und Umfang der Teilnahme an öffentlichen Einrichtungen sind in der Gemeindeordnung geregelt, die Entgelterhebung hingegen im Kommunalabgabengesetz. Der Grund liegt darin, daß die Ermächtigung zum Anschluß- und Benutzungszwang vor allem gefahrenabwehrende Funktion hat, wohingegen die Entgelterhebung ausschließlich fiskalischen Zwekken dient 4 2 3 . Anschlußund Benutzungszwang sowie die Gebührenerhebung gehören nicht solcherart notwendig zusammen, daß die eine Regelung ohne die andere keinen Sinn ergäbe 426 . Die Gemeindeordnungen sprechen im übrigen nur von öffentlichen, nicht aber von öffentlich-rechtlichen Einrichtungen. Zudem läßt das Kommunalabgabenrecht seinerseits erkennen, daß für die Benutzung öffentlicher Einrichtungen auch die Erhebung eines privatrechtlichen Entgelts möglich ist 4 2 7 . Insoweit entfaltet auch § 4 K A G N W keine Sperrwirkung dergestalt, daß Entgelte nur in Form von Gebühren erhoben werden können. Das bestätigt die Spezialregelung für Benutzungsgebühren in § 6 Abs. 1 u. 2 K A G NW ausdrücklich. In Fortführung dieser Grundsätze für die Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses darf auch für eine öffentliche Einrichtung in Trägerschaft einer Eigengesellschaft der Anschluß- und Benutzungszwang angeordnet werden. In der Praxis geschieht dies durch sog. „Rumpfsatzungen", welche nur den Zwang festsetzen, die inhaltliche Gestaltung der Nutzungsverhältnisse aber dem Träger überlassen 428. So kann es in der gemeindlichen Entwässerungssatzung ebenso wie in der entsprechenden Wasserversorgungssatzung heißen, daß für die Durchführung von Anschlüssen, die zu zahlenden Entgelte u.ä. die sog. „Allgemeinen Bedingungen für den Anschluß an die Abwasseranlagen und deren Benutzung" (AEBAbwasser) anwendbar sind, die als Entsorgungsbedingungen das Verhältnis zwischen dem Einrichtungsträger und den An-
424 423 426
Fischedick, S.22. OVG Lüneburg, NJW 1977, 450. Vgl. Hamberger, S.246f; Driehaus/Dahmen,
§4 KAG, Rn.231f; Fischedick,
S.13. 427 428
Tettinger, Bes. Verwaltungsrecht, Rn.149; Gern, Rn.535. Erichsen, JURA 1986, S.203; ders., Kommunalrecht, S.231.
2. Teil: Die Abwasserbeseitigg
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schlußnehmern auf privatrechtlicher Grundlage regeln. Insoweit ist es allgemein anerkannt, daß kommunale Entsorgungsunternehmen regelmäßig und ausschließlich auf der Grundlage Allgemeiner Geschäftsbedingungen arbeiten können. Zwar greift für die AEBAbwasser nicht die Sonderregelung ein, die in § 28 Abs.3 AGBG für die Wasserversorgungsverträge getroffen worden ist. Aber die AEBAbwasser können für den von den Beteiligten (konkludent) geschlossenen Entsorgungsvertrag gelten, wenn sie gemäß § 2 AGBG wirksam in den Vertrag einbezogen worden sind. Auf das grundsätzlich nach § 2 AGBG erforderliche Einverständnis mit ihrer Geltung für das konkrete Vertragsverhältnis kommt es im Hinblick auf den Anschluß- und Benutzungszwang nicht an 4 2 9 .
ee) Benutzungsentgelte Eine Legaldefinition der Benutzungsgebühr findet sich in § 4 Abs.2 K A G NW. Sie kann als Gegenleistung für die Inanspruchnahme öffentlicher Einrichtungen erhoben werden. Bei der Abwassereinrichtung besteht die Leistung in der Aufnahme der Grundstücksabwässer sowie in der Übernahme der Verantwortung für Weiterleitung und Entsorgung. Danach berührt es die Gebührenpflicht nicht, wenn die Entsorgung nicht ordnungsgemäß erfolgt 430 . Der abstrakte Gebührentatbestand ist nur bei tatsächlich erfolgter Inanspruchnahme erfüllt; die bloße Möglichkeit reicht nicht aus. Aus der Anordnung eines Anschluß- und Benutzungszwanges kann allerdings aufgrund der im Einzelfall widerlegbaren allgemeinen Lebenserfahrung auf eine tatsächliche Benutzung der öffentlichen Einrichtung geschlossen werden 431 . Das für die gemeindliche Benutzungsgebühr charakteristische Verhältnis von Leistung der Gemeinde und Gegenleistung des Bürgers ist nur dann gewahrt, wenn die dem Bürger zur Verfügung gestellte Einrichtung eine solche der Gemeinde ist, zumindest aber maßgeblich unter deren Einfluß steht. Daß die Leistung dem Bürger von der Körperschaft im Rahmen eines Nutzungsverhältnisses zur öffentlichen Einrichtung erbracht wird, beurteilt sich nicht primär nach dem äußeren Geschehensablauf, sondern nach der rechtlichen Zuordnung und Einordnung der Leistungshandlung 432 . Formal privatisierte Einrichtungen der Gemeinde genügen diesen Anforderungen, da der durch Satzung konstituierte Anschluß- und Benutzungszwang einen öffentlich-rechtli-
429 430 431 432
BGH, NVwZ 1991, 606 (607). Driehaus/Dahmen, § 4 KAG, Rn.173. Driehaus/Dahmen, § 4 KAG, Rn.180. Driehaus/Dahmen, § 4 KAG, Rn.205.
Β. Die Organisationsmöglichkeiten
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chen Entsorgungsanspruch begründet, dessen tatsächliche Erfüllung allein privatrechtlich ausgestaltet ist. Das Kostendeckungsprinzip bei der Gebührenerhebung für die Inanspruchnahme öffentlicher Einrichtungen enthält das Verbot, durch die Gebührenerhebung eine Überdeckung zu erzielen, indem in der Gebührenkalkulation Kosten für Leistungen einer gemeindebeherrschten Entsorgungsgesellschaft in unzulässiger Höhe angesetzt werden. Den Maßstab dafür bildet die Ausführung der betreffenden Aufgaben in öffentlich-rechtlicher Eigenregie 433 . Diese Grundsätze beruhen nicht zuletzt auf einer Entscheidung des VG Gelsenkirchen mit folgendem Sachverhalt: Im entschiedenen Fall wurden Straßenreinigung und Abfallbeseitigung durch eine privatrechtliche Gesellschaft ausgeführt. Das Stammkapital dieser GmbH hielten die Stadt zu 51 % unmittelbar und in Höhe von 11,95 % mittelbar über die stadteigene Stadtwerke AG; die restlichen Gesellschaftsanteile trugen Unternehmen der freien Wirtschaft. Die Entsorgungsgesellschaft wurde von der Stadt durch Verträge mit der Durchführung der städtischen Pflichtaufgaben der Straßenreinigung und der Beseitigung der jeweils der kommunalen Entsorgungspflicht unterliegenden Abfälle öffentlich beauftragt. Als Entgelt für ihre Tätigkeit sollte die GmbH nach den Vertragsregelungen im voraus und entsprechend den jeweils geltenden preisrechtlichen Vorschriften kalkulierte feste Beträge erhalten. In den Gebührenbedarfsrechnungen für die Straßenreinigung und die Abfallbeseitigung wurden sodann die Positionen „Kosten für Leistungen der Entsorgungsgesellschaft" aufgeführt. Die Kosten für die von der Gesellschaft der Stadt in Rechnung gestellten Leistungen beinhalteten auch die Rechnungsposition „kalkulatorische Gewinne und Wagniszuschläge'4434. Das Verwaltungsgericht stellt zunächst klar, daß den Gemeinden die Befugnis zur Gründung privatrechtlicher Gesellschaften auch ohne ausdrückliche einfachgesetzliche Regelung zusteht 433 . Sodann kommt das Gericht zum zentralen Merkmal der „Fremdleistung": Wenn die Stadt nämlich wegen ihrer Mehrheitsbeteiligung unmittelbar und darüber hinaus über die Beteiligung ihrer Stadtwerke AG auch mittelbar beherrschenden Einfluß ausübe, stehe ihr die Gesellschaft des privaten Rechts nicht als unabhängige Vertragspartnerin gegenüber, die nach den Gesetzen des Marktes aufgrund eines Wettbewerbs Fremdleistungen erbringe, deren Entgelt in die städtische Gebührenbedarfsrechnung eingehen könne. Statt dessen sei die privatrechtliche Gestalt der Entsorgungsgesellschaft nur formaler Natur, über die die Stadt ihre Aufgaben nach wie vor eigenverantwortlich wahrnehme. Es handele sich um Verwaltung
433 434 433
Driehaus/Dahmen, § 4 KAG, Rn.237. VG Gelsenkirchen, DWW 1993, 266. VG Gelsenkirchen, DWW 1993, 266.
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2. Teil: Die Abwasserbeseitigung
im funktionalen Sinn. Für diese besondere Erscheinungsform öffentlicher Verwaltung gelte - soweit sie sich wie ein Privatrechtssubjekt geriere - das Verwaltungsprivatrecht. Erhebe die Stadt aber weiterhin öffentlich-rechtliche Gebühren, könne eine derartige Konstruktion ihren Finanzierungsrahmen nicht vergrößern. Insbesondere könnten in die Gebührenbedarfsrechnung keine Kosten Eingang finden, die nicht angesetzt werden dürften, wenn die Gemeinde Straßenreinigung und Abfallbeseitigung in öffentlich-rechtlicher Form betriebe 4 3 6 . An diesem Maßstab prüft das Gericht die Rechnungsposition „Unternehmenswagnis/-gewinn" und kommt zu dem Ergebnis, daß diese Kosten bei einer Aufgabenerledigung in städtischer Eigenregie nicht angesetzt werden dürften. Denn ein öffentliches Unternehmen sei einem solchen Unternehmenswagnis nicht wie ein privates Unternehmen ausgesetzt, das sich am Markt behaupten müsse. Die Erwirtschaftung eines Gewinns sei zudem wegen des Kostenüberschreitungsverbots des § 6 Abs.l S . 3 K A G N W in der Gebührenbedarfsrechnung nicht zulässig. Wenn diese in Rechnung gestellten Posten keine nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen i.S.d. § 6 Abs.2 S.l K A G NW ansetzbaren und damit umlagefahigen Kosten seien, scheide auch der Ansatz in der Gebührenkalkulation über den Umweg der Entsorgungsgesellschaft aus 437 .
ff) Haftung für Leistungsstörungen beim Betrieb öffentlicher Einrichtungen Unterliegen die Rechtsbeziehungen zu der öffentlichen Einrichtung zivilrechtlichen Regelungen, ist auf die einschlägigen vertraglichen und deliktischen Haftungsnormen zu verweisen 438 . Als Entstehungsgrund der bürgerlichrechtlichen Beziehung ist nur der Vertrag denkbar. Die Bereitstellung der Einrichtung und die Zulassung zur Benutzung einerseits, die tatsächliche Benutzung durch Einleitung der Abwässer bringt dagegen ohne Vertragsschluß das öffentlich-rechtliche Benutzungsverhältnis hervor 439 . Innerhalb einer Sonderverbindung sind die Haftungsregeln im Ergebnis aber dennoch unabhängig vom Rechtsregime des Benutzungsverhältnisses: Entweder finden bei zivilrechtlicher Ausgestaltung die Regeln über die Leistungsstörungen schon unmittelbar Anwendung oder die darin zum Ausdruck kommenden allgemeinen Grundsätze greifen durch. Im Fall öffentlich-rechtlicher Ausgestaltung steht die Gemeinde zu den an ihr Kanalisationsnetz an-
436 437 438 439
VG Gelsenkirchen, DWW 1993, 266. VG Gelsenkirchen, DWW 1993, 266. Gern, Rn.545; Salzwedel, in: Erichsen (Hrsg.), § 41, Rn.26. Götz, S.350.
Β. Die Organisationsmöglichkeiten
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geschlossenen Hauseigentümern in einem auf Dauer angelegten öffentlichrechtlichen Benutzungs- oder Leistungsverhältnis. Diese Rechtsbeziehung zwischen Bürger und Verwaltung ist insoweit als verwaltungsrechtliches Schuldverhältnis zu beschreiben mit der Folge, daß die bürgerlich-rechtlichen Vorschriften über Schuldverhältnisse, insbesondere §§ 276, 278 BGB, als Ausdruck allgemeiner Rechtsgedanken und wegen der Gleichheit der Interessenlage des Benutzers entsprechende Anwendung finden 440. Die Gemeinde steht zu den Hauseigentümern in einem engen Verhältnis weitgehend so, wie der eine Kanalisationsanlage betreibende Unternehmer des bürgerlichen Rechts zu seinen „Kunden" stünde. Mithin besteht das Bedürfnis, auch im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Verhältnisses zu einer dem vertraglichen Schuldrecht entsprechenden angemessenen Verteilung der Verantwortung zu gelangen 441 . Für mit einem Anschluß- und Benutzungszwang ausgestattete und rechtlich oder tatsächlich eine Monopolstellung einnehmende Einrichtungen kann durch Vertrag die vertragliche oder durch Satzung die vertragsähnliche Haftung für leicht fahrlässiges Handeln abbedungen werden. Die daneben bestehende bundesrechtliche Amtshaftung kann durch Satzung nicht eingeschränkt werden 442 . Der Umfang zulässiger Haftungsbegrenzungen wird nicht durch das BGB, sondern durch die kommunalrechtlichen Normen über die Funktionen öffentlicher Einrichtungen beschränkt. An der Rechtspflicht der Gemeinde zur Gewährleistung der öffentlichen Leistungen sind die Bestimmungen über Haftungsbeschränkungen zu messen443.
3. Die Einschaltung privater Dritter Angesichts der bundesgesetzlichen Entscheidung zugunsten einer Beseitigungskompetenz der öffentlich-rechtlichen Körperschaften fragt sich, ob und ggf. wie Private als Abwasserentsorger in die Aufgabenerledigung einbezogen werden können, ohne daß sie sich an gemischt-wirtschaftlichen Unternehmen beteiligen müssen, welche die Gemeinde zudem beherrschen muß. Der Begriff „Privater" wird insoweit nicht rechtstechnisch-formal, sondern materiellrechtlich verstanden; er erfaßt also nicht generell jedes Privatrechtssubjekt, 440
BGH, NJW 1977, 197; BGH, DVB1.1978, 108 (109); Rauball u.a., § 2 GO NW a.F., Rn.19; Frotscher, in: HkWP, Bd.3, S.158; Salzwedel, in: Erichsen (Hrsg.), § 41, Rn.26. 441 BGH, NJW 1970, 2208 (2209); OVG Mannheim, NVwZ-RR 1991, 325. 442 Tettingen Bes. Verwaltungsrecht, Rn.150; Gern, Rn.546 u 548; vgl.i.e. Fischedick, S.74ff. 443 Götz, S.352.
2. Teil: Die Abwasserbeseitigung
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sondern in Abgrenzung zur Organisationsprivatisierung nur den Privaten als
„nicht-staatliches Subjekt" 444 , das autonom und eigeninteressiert eine Partnerschaft mit dem Verwaltungsträger beabsichtigt 443 .
a) Typik der Zuhilfenahme Privater Die Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben unter Beteiligung Privater hat zahlreiche Erscheinungsformen. Orientiert man sich am Kriterium der staatlichen Einflußnahme, so ergibt sich keine lineare Abfolge, sondern eine gestufte staatliche Verantwortlichkeit, die mit unterschiedlich starker Inpflichtnahme des Privaten korreliert 446 . Das Ausmaß staatlicher Einflußnahme reicht von der faktischen Beeinflussung privaten Verhaltens bis hin zur rechtsgeschäftlich begründeten Pflicht zur gemeinschaftlichen Wahrnehmung staatlicher Aufgaben. Solche staatlich-privaten Kondominien können bis zur weitgehenden Auslagerung des Aufgabenvollzugs aus dem Verwaltungsbereich führen. Als kooperative Form staatlicher Aufgabenwahrnehmung sind sie nur noch erkennbar an der Letztverantwortung des Aufgabenträgers, die durch Aufsichtsund Kontrollbefugnisse gewährleistet wird. Die Grenze bildet eine Kooperationsform, die zur Substitution eigener staatlicher durch private Aufgabenerfüllung führt 4 4 7 . Insgesamt läßt sich also nach dem Grad der staatlichen Initiative das staatsaussparende, das staatsersetzende und das staatsanteilige Privathandeln unterscheiden 448 . Die erste Form der staatserübrigenden privaten Aufgabendurchführung bleibt vorliegend außer Betracht, da es sich bei dem Mittel der auferlegten Bürgerpflichten nicht um eine freiwillige Zusammenarbeit handelt.
aa) Staatsanteiliges Privathandeln Es kommen grundsätzlich zwei Formen der Einschaltung eines Unternehmens, das sich in privater Hand befindet, in den Kompetenzvollzug in Frage: Entweder erledigt der Private den Auftrag im Namen der Gemeinde oder ihm wird die Ausübungsbefugnis konstitutiv übertragen, mit der Folge, daß er im eigenen Namen tätig wird. Die kommunale Rechtszuständigkeit mit all ihren 444 443 446 447 448
Zur Terminologie vgl. Ossenbühl, WDStRL 29, S.144; ebenso Grabbe, S.42. Grawert, S.175. Kloweit, S.95. Wallerath, S.81. So Kloweit, S.95, im Anschluß an Wallerath, S.82.
Β. Die Organisationsmöglichkeiten
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Verantwortlichkeiten bleibt unberührt; von ihr wird auch im zweiten Fall nur die Ausübungsbefugnis abgetrennt und dem Dritten als selbständig Handelndem privativ oder kumulativ überlassen 449. Fraglich ist, welche Merkmale für das Modell des ,JErfüllungsgehilfen/Verwaltungshelfers" konstitutiv sind. Nicht identisch ist es jedenfalls mit der privatrechtlich organisierten Verwaltung 4 3 0 . In der ersten Variante wird der Private gleichsam als Werkzeug in die Erledigung hoheitlicher Aufgaben einbezogen; er steht nicht in unmittelbaren Rechtsbeziehungen zu Dritten und handelt auf vertraglicher Grundlage im Auftrag und nach Weisung der Behörde 431 . Die privatwirtschaftlichen Kapazitäten werden lediglich technisch-instrumental in die eigene staatliche Aufgabenerfüllung einbezogen 432 . Aus der Sicht des Staatsbürgers wird hier in Abgrenzung zur Beleihung der Kompetenzvollzug durch die Gemeinde nur faktisch, nicht rechtlich mediatisiert. Die rechtliche Stellung des Bürgers wird weiterhin allein vom Hoheitsträger bestimmt; auf sie hat die Einschaltung Privater keinen Einfluß 4 3 3 . Denn seine Tätigkeit wird dem Staat als dessen Handeln zugerechnet 434. Bei der zweiten Alternative handelt es sich um eine stärker entscheidungsteilende Organisationsform. Unabhängig von der internen Aufgabenverteilung kommt dem Privaten in diesem staatlich-privaten Kondominium eine gesteigerte Verantwortlichkeit zu bis hin zur Grenze der Delegation originärer staatlicher Befugnisse i.S.e. Beleihung. Denn für die Berechtigung der Verwaltung, staatliche Aufgaben dergestalt zu erledigen, daß Private zur Ausübung hoheitlicher Befugnisse ermächtigt werden, ist eine spezielle gesetzliche Grundlage erforderlich 433 . Zu ungenau ist es, jede im Rahmen der kommunalen Funktionskompetenz erfolgte Ermächtigung eines privaten Unternehmers, eigene Rechtsbeziehungen zu den Gemeindeeinwohnern nach Maßgabe der gemeindlichen Satzung begründen zu dürfen, als Beleihung einzustufen 436 . Die selbständige Ausübung einer Kompetenz ist nicht zwingend mit der Wahrnehmung von Hoheitsbefugnissen verbunden. Maßgeblich für den Bürger ist, daß der beliehene Private
449
Sehm idt-Jortz ig, Rn.739. Wolff/Bachof/Stober, Bd.2, § 104a, Rn.7. 431 Kloweit, S.96. 432 Wallerath, S.82. 433 Steiner, S.l 16. 434 Krölls, S.132. 433 Kloweit, S.97. 436 So aber Steiner, S.109f, der die Beleihung als Rechtsinstitut zur Beschreibung von Staatsfunktionen in privater Hand versteht. 430
12
2. Teil: Die Abwasserbeseitigung
ebenso wie die obrigkeitliche formelle Verwaltung mit öffentlich-rechtlichen Zwangsmitteln in seine Rechte und Freiheiten eingreifen kann. Die Konsequenz aus diesem konstituierenden Tatbestandsmerkmal der Beleihung ist das Erfordernis einer gesetzlichen Grundlage für den Beleihungsakt. Zwar hat auch die Beleihung als Organisationsform den Zweck, die öffentliche Verwaltung zu dezentralisieren, die Personen des öffentlichen Rechts zu entlasten sowie private Initiativen, Verwaltungspotential, Finanzmittel, technische und andere Sachkenntnis nutzbar zu machen. Die Beleihung setzt aber einen Beleihungsakt voraus, mit dem Aufgabe und Befugnisse vollständig übertragen werden, ohne daß bei der Körperschaft ein Rest hoheitlicher Kompetenz verbleibt. Die Aufgabenpflicht des Beliehenen beinhaltet daher auch die Kostentragungspflicht und das wirtschaftliche Risiko, wohingegen der Privatunternehmer kosten- und risikofrei arbeitet 457 . Die hier in Rede stehende Beteiligung Privater bewegt sich mithin unterhalb dieser Schwelle im Rahmen der Leistungsverwaltung. Zwischen der technisch-instrumentalen Einbeziehung und der Beleihung liegt also eine weitere Form der öffentlichen Verwaltung durch Private 438 . Sie läßt sich beschreiben als rechtsgeschäftliche Kooperation, die im Innenverhältnis durch verantwortungs- und entscheidungsteilende Aufgabenerledigung und im Außenverhältnis zum Bürger durch fehlende Hoheitsbefugnisse des Privaten charakterisiert ist 4 3 9 . Dabei muß sichergestellt sein, daß die gesetzlich verbürgte Letztverantwortung für die Aufgabenerfüllung beim Verwaltungsträger verbleibt. Als Mittel kommen einerseits die verbindliche, vom Privaten nur noch auszufüllende Vorgabe von Rahmenbedingungen der Aufgabenerledigung und andererseits die Statuierung entsprechender Aufsichts- und Kontrollbefugnisse in Betracht 460 .
bb) Staatsersetzendes Privathandeln Die Verwaltungssubstitution bezeichnet eine unmittelbare Aufgabenerfüllung durch eigene Organe des Staates, die unter dem Vorbehalt eines vertraglich oder durch Verwaltungsakt abgesicherten, staatsersetzenden privaten Handelns steht 461 . Die Grenze zu den anderen Formen des Rückgriffs auf Pri-
437
Fertig, S.105. Grabbe, S.41. 439 Wallerath, S.82; Kloweit, S.98f, fühlt als Beispiel die Subventionsverwaltung an, die in die Subventionsvergabe Privatbanken einschaltet. 460 Kloweit, S.99f. 461 Wallerath, S.82. 438
. Die Organisationsmöglichkeiten
1
vate ist dabei oftmals fließend, für eine Typisierung aber notwendigerweise zu ziehen 462 . Vom staatsanteiligen Privathandeln unterscheidet sich die Verwaltungssubstitution durch den Grad der Autonomie des Handelns, die sich vor allem darin ausdrückt, daß der Substitut in dem ihm zugewiesenen Bereich selbständig und weitgehend unabhängig von behördlichen Weisungen tätig ist 4 6 3 . Darüber hinaus kommen als Abgrenzungskriterien, vor allem in bezug auf die Beleihung, die Rechtsnatur des Einbeziehungsaktes, die Nähe des Geschehensablaufs zur Staatsorganisation, die Betroffenheit in eigenen Rechtspositionen sowie das Rechtsregime der dem Privaten zustehenden Verwaltungsmittel in Betracht 464 . Anwendung findet das staatsersetzende Privathandeln dort, wo der Staat zunächst seine Kompetenz für die Wahrnehmung einer öffentlichen Aufgabe begründet, bei deren Erfüllung aber ganz oder teilweise auf die ihm zustehende Vollzugszuständigkeit verzichtet und diesen Bereich privater Trägerschaft überläßt. Diesem Verzicht auf die Kompetenzausübung auf staatlicher Seite steht indes kein Kompetenzzuwachs auf Seiten des Privaten gegenüber, weil jener mangels Beleihung nur das jedem Privatrechtssubjekt verfügbare zivilrechtliche Instrumentarium einsetzen kann 4 6 3 . Der Verwaltungssubstitut wird demgemäß nicht nur an der Aufgabenerfüllung beteiligt, sondern ersetzt die staatliche Wahrnehmung auf der Vollzugsebene, soweit der Verwaltungsträger darauf verzichtet hat 4 6 6 .
b) Tatsächlicher Hintergrund Das Motiv zur Beteiligung Privater besteht grundsätzlich darin, Konkurrenzmechanismen des Marktes, insbesondere ein vorhandenes Produktionsund Servicepotential, zu nutzen 467 . Zudem erlangt die Finanzierungsprivatisie-
462
Kloweit, S. 100 iL 117. v. Heimburg y S. 139. 464 Wallerath y S.82f. 463 ν. Heimburg, S.139, die i.il, S.146f, die Verwaltungssubstitution weit faßt und ihr nur die Beleihung als andere Grundform der Beteiligung Privater an öffentlichen Aufgaben gegenüberstellt. Das staatsanteilige Privathandeln ordnet sie wegen der weitgehenden Unselbständigkeit des Privaten unmittelbar der Verwaltung zu 466 Kloweit y S. 102. 467 Graf Vitzthum, S.591. 463
2. Teil: Die Abwasserbeseitigung
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rung öffentlicher Infrastruktur sowohl bei kommunalen Entsorgungseinrichtungen als auch beim Verkehrswegebau zunehmende Bedeutung 468 . Jedoch zeigen die Anpassungsschwierigkeiten vieler privater Unternehmen, daß private Trägerschaft allein noch nicht Effizienz, Erfolg und Krisensicherheit gewährleistet 469 . Insbesondere für den Bereich der Daseinsvorsorge gilt, daß die dortigen Aufgaben mangels Gewinnerzielungsmöglichkeiten und wegen des Bestehens vieler Bindungen und Pflichten für Privatpersonen oft nicht attraktiv sind 4 7 0 . So können sie nicht mit einem freien Unternehmer gleichgestellt werden, weil ihre Tätigkeit primär auf die Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe anstatt auf wirtschaftlichen Erfolg ausgerichtet ist 4 7 1 . Deshalb gilt häufig: Dienstleistungen, die nur subventioniert sinnvoll angeboten werden können, müssen nach der Privatisierung entweder weiter subventioniert werden - und zwar meistens mit höherem Aufwand - oder sind von Einschränkungen oder Streichung bedroht 472 . Das birgt für die Gemeinde die Gefahr, ihrer fortbestehenden Aufgabenverantwortung dadurch gerecht werden zu müssen, daß sie die unrentablen Leistungen wieder selbst erbringt 473 . Letztlich bildet das Leistungsprinzip den Maßstab, so daß die private bzw. privatisierte Wirtschaft ihre Leistungsfähigkeit auch unter sich verändernden Rahmenbedingungen beweisen muß, anderenfalls ist die mit dem Ruf nach Privatisierung behauptete Vorrangposition obsolet 474 . Diese Frage kann jedoch nur im Einzelfall beantwortet werden 473 . In der Abwasserbeseitigung entsteht in der Regel ohnehin kein echter Wettbewerb, was eine Ursache in dem großen Bedarf an Investitionen schon vor Beginn der Tätigkeit hat; eine häufige Folge nach Aufnahme der Arbeit ist dann eine Monopolstellung des privaten Betreibers 476 . Zudem ist aufgrund der Leitungsgebundenheit der Abwasserentsorgung Wettbewerb während der Auf-
468 469 470 471 472 473
Krölls, S.133. Püttner, LKV 1994, S.193. Wolff/Bachof/Stober, Bd.2, § 104a, Rn.15. Fertig, S.100. Püttner, LKV 1994, S.194. Grawert, S.173, nennt das „Privatisierung der Gewinne, Publizierung der Ver-
luste". 474
Püttner, LKV 1994, S.196. Tettinger, DÖV 1996, S.770, stellt eine „Check-Liste" für die Grundsatzentscheidung und die Modellauswahl auf, in welcher die Aspekte der spezifischen Leistungserbringung selbst, ihre Finanzierung, die kommunale Position insgesamt und die sonstigen Rahmenbedingungen Hauptkriterien bilden. 476 Wenzel, StT 1992, S.534; Görgmaier, S.361, zur Abfuhr von Abfall durch Private; Müller, S.l 15; vgl.i.e. zum BetreibermodellBodanowitz, S.149flf. 473
Β. Die Organisationsmöglichkeiten
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gabenerfüllung kaum realisierbar. Sowohl aus technischen als auch aus wirtschaftlichen Gründen ist das Verlegen von Parallelleitungen und Rohren in einer Straße nahezu unmöglich. Denn einerseits reicht der Straßenraum nicht für die Kanalnetze mehrerer Unternehmen und andererseits entstünden dadurch höhere Investitions-, Betriebs- und Unterhaltungskosten, was das Ziel der günstigeren Tarife konterkarierte 477 .
c) Zulässigkeit der Einschaltung privater Dritter Zu prüfen ist, ob die zuständigen Körperschaften im Bereich der Abwasserbeseitigung sowohl auf staatsanteiliges als auch staatsersetzendes privates Handeln zurückgreifen dürfen.
aa) Der Vorbehalt des Gesetzes Sowohl aus der klassischen Ausrichtung des allgemeinen Gesetzesvorbehalts auf die Eingriffsverwaltung als auch aus den grundgesetzlichen Grundrechten resultiert, daß Eingriffe in Freiheit und Eigentum des Bürgers grundsätzlich einer gesetzlichen Ermächtigung bedürfen 478 . Für den Grundrechtsschutz des Grundgesetzes kommt es nicht primär auf die Form, sondern auf die Wirkungen staatlichen Handelns an, so daß auch rein faktisches Handeln der Verwaltung oder mittelbare Einwirkungen vom grundrechtlichen Eingriffsbegriff umfaßt sein können. Ausschlaggebend ist nicht, ob die Wirkung final oder unbeabsichtigt, unmittelbar oder mittelbar, mit oder ohne Befehl und Zwang erfolgt 479 . Maßgebend ist, ob staatliches Handeln ursächlich und zurechenbar dem einzelnen ein grundrechtlich geschütztes Verhalten unmöglich macht 480 . Als Kriterien für die Abgrenzung zur bloßen Belästigung kommen Zielgerichtetheit, Befehlsnähe, Schwere und Wesentlichkeit des freiheitsverkürzenden Effekts sowie eine faktische Lenkungswirkung in Betracht. Wann Einwirkungen Eingriffe darstellen, läßt sich im übrigen nicht generell sagen, sondern hängt vom einschlägigen Grundrecht ab 4 8 1 . Unter welchen Voraussetzungen der Gesetzesvorbehalt auch auf die Leistungsverwaltung anwendbar ist, kann in bezug auf die Abwasserbeseitigung 477 478 479 480 481
Grabbe, S.125. Maurer, §6, Rn.12. Pieroth/Schl ink, Rn.259. BVerfGE 66, 39 (60). Jarass/Pieroth, Vorb. vor Art. 1 GG, Rn.21a m.w.N.
10 Brüning
2. Teil: Die Abwasserbeseitigung
1
in Nordrhein-Westfalen insoweit dahinstehen, als sie unabhängig von der Organisation im einzelnen einem Anschluß- und Benutzungszwang i.S.d § 9 GO NW unterliegt. Eine solche Satzung gebietet die Nutzung der öffentlichen Einrichtung und verbietet zugleich die weitere Nutzung eigener Anlagen; sie hat daher Grundrechtsrelevanz 482. Gleiches gilt für die Bundesländer, die ein Abwasserüberlassungsgebot bereits in den Landeswassergesetzen verankert haben. Die Gewährung einer Begünstigung in Gestalt der Beseitigung des Abwassers ist mit Belastungen in der Rechtssphäre der Bürger verbunden, die nicht nur Modalitäten der Leistung betreffen. Wegen dieser materiellen Belastung (z.B. Möglichkeit der zwangsweisen Durchsetzung der Benutzung, Verfolgung von Zuwiderhandlungen als Ordnungswidrigkeit) ist die Schranke des Gesetzesvorbehalts für die Abwasserbeseitigung schon unter dem Aspekt der Eingriffsverwaltung beachtlich 483 . Denn kommunale Zwangsbenutzungsverhältnisse können nicht ausschließlich der Leistungsverwaltung zugerechnet werden, sondern haben einen Doppelcharakter, weil sie zugleich Elemente der Eingriffsverwaltung beinhalten 484 . Mit der speziellen Satzungsermächtigung in der Gemeindeordnung ist dem Gesetzesvorbehalt insoweit jedoch genügt. Soweit es sich um „wesentliche" Entscheidungen handelt, ist der Gesetzesvorbehalt des Art. 20 Abs. 3 GG über die Eingriffsformel hinaus auf den Gesamtbereich der Verwaltung unter Einschluß der Leistungsverwaltung zu erstrecken 483 . Auch die grundrechtsrelevanten Entscheidungen der Kommunalverwaltung müssen im Parlamentsgesetz selbst vorgezeichnet sein. Art. 28 Abs.2 S. 1 GG enthält keine Freizeichnung von der Grundrechtsbindung dieses Teils der öffentlichen Gewalt 486 . Demzufolge gebietet das Demokratieprinzip eine Mitwirkung der Volksvertretung bei der Entstaatlichung durch Privatisierung, um für die Verwaltung in Privatrechtsform weiterhin eine demokratische Legitimation zu gewährleisten 487 . Der Vorbehalt des Gesetzes greift zudem dann, wenn dem Bürger durch ein kompliziertes Zuständigkeitsgefüge die Rechtsverfolgung erschwert wird 4 8 8 . Da die Aufgabenpflicht vorliegend durch Gesetz den Gemeinden auferlegt worden ist, können sie nur auf der Ebene des tatsächlichen Vollzuges frei disponieren. Zu prüfen ist, ob die Ausgestaltung der Abwasserbeseitigung unter Beteiligung Privater darüber hinausgeht und den Gesetzesvorbehalt auslöst.
482 483 484 483 486 487 488
Erichsen, JURA 1986, S.201. Cronauge, StuGR 1984, S.137; Krieger, S.48. Frotscher, in, HkWP, Bd.3, S.156. R. Schmidt, S.529 m.v/.N.\Jarass/Pieroth, Art. 20 GG, Rn.30f. Bodanowitz, S.56. Achterberg y § 12, Rn.19. Ossenbühly WDStRL 29, S.171.
Β. Die Organisationsmöglichkeiten
147
bb) Die Ermächtigungsgrundlagen Nach § 3 Abs.2 S.2 AbfG können sich die zuständigen Körperschaften des öffentlichen Rechts zur Erfüllung ihrer Abfallentsorgungspflicht „Dritter" bedienen. Damit ist ein Anwendungsfall der körperschaftsbeauftragten Fremdentsorgung umschrieben 489 . Gleiches regeln § 4 Abs.l S.2TierKBG und § 9a Abs.3 S.2 AtG. Dritter kann dabei jede rechtsfähige Person des privaten oder öffentlichen Rechts sein, also neben Trägern öffentlicher Verwaltung auch private Entsorgungsunternehmen 490. Im WHG fehlt (noch) eine dementsprechende Regelung; wohl aber enthalten einige Landeswassergesetze ausdrücklich Rechtsgrundlagen für die Zuhilfenahme von Privatrechtssubjekten 491 ; dann kann der Betrieb von Abwasseranlagen auf private Unternehmen übertragen werden, wobei die Abwasserbeseitigungspflicht beim bisherigen Träger verbleibt 492 . Nordrhein-Westfalen hat keine derartige Regelung getroffen. Daraus folgt kein konkludentes Verbot der Einschaltung Privater zur Durchführung der Abwasserbeseitigungspflicht, weil ein Abweichen von der allgemeinen Praxis einer ausdrücklichen Regelung bedurft hätte 493 . Angesichts der Gefahr der Entziehung der Aufgabe ist es unproblematisch, wenn Private lediglich mit Hilfsverrichtungen (etwa mit Bauleistungen) beteiligt werden, weil darin kein vollständiger Rückzug der Gemeinde liegt. Zulässigkeitsvoraussetzung ist aber, daß der Gemeinde gegenüber dem Privatunternehmer tatsächlich ein Weisungs- und Aufsichtsrecht, konkurrierend mit einer entsprechenden Pflicht, verbleibt. Darüber hinaus soll die starre Pflichtenzuweisung des § 53 L W G NW keinen Freiraum für Kooperationen enthalten 494 . Es entspricht jedoch den gewohnheitsrechtlich anerkannten Grundsätzen des Verwaltungsrechts und gängiger Verwaltungspraxis, daß in die technische
489
Kloweit, S.83f. § 16 Abs. 1 S. 1 KrW-/AbfG greift diese Regelung auf. Kunig/Schwermer/Versteyl, § 3 AbfG, Rn.31f; Hösel/v.Lersner, Kz.1130, Rn.15; BMWi, Leitfaden, S.7; Schoch, Abfallentsorgung, S.16. 491 §§ 45b Abs.2 S.4 BadWttbgWG, 149Abs.6 NdsWG, 133 Abs.7 BremWG, 52 Abs.4 S.2 HessWG, 52 Abs.l S.3 RhPfWG, 50 Abs.l S.2 SrlWG, 35 Abs.l S.2 SchlHWG, 63 Abs.3 S.l SächsWG; § 66 Abs. 1 BbgWG bestimmt, daß die Gemeinden „das auf ihrem Gebiet anfallende Abwasser zu beseitigen und die dazu notwendigen Anlagen (Abwasseranlagen) zu betreiben oder durch Dritte betreiben zu lassenu haben. 492 Gieseke u.a., § 18a WHG, Rn.16. 493 Peine, S.150 (155); Bodanowitz, S.52. 494 Honert/Rüttgers, § 53 LWG NW, Rn. 13. 490
10
18
2. Teil: Die Abwasserbeseitigung
Aufgabendurchführung private Dritte eingeschaltet werden können 493 . Zunächst hat diese Einschaltung eines Privaten als bloßer Organisationsakt keine Grundrechtsrelevanz, da die Grundrechtsverwirklichung der Benutzer unabhängig von den Organisationsformen der Abwasserbeseitigungseinrichtungen ist 4 9 6 . Ungeachtet eines grundrechtsunabhängigen Wesentlichkeitskriteriums verbietet sich die Forderung nach einer gesetzlichen Grundlage, wenn die Verfassung selbst eine Kompetenzordnung enthält 497 . Die Entbehrlichkeit einer ausdrücklichen Regelung bzgl. der Zuhilfenahme Dritter folgt hier - ähnlich der Zulässigkeit der Gründung einer Eigengesellschaft - aus der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie. §§3 Abs.2 S.2 AbfG, 9a Abs.3 AtG, 4 Abs.l S.2 TierKBG haben nur klarstellenden Charakter 498 . Die kommunale Organisationshoheit ist eine Ausprägung des Selbstverwaltungsrechts des Art. 28 Abs.2 S.l GG und umfaßt die Befugnis zur eigenständigen Gestaltung der Verwaltungsorganisation, soweit es sich um freiwillige oder Pflichtige Selbstverwaltungsaufgaben handelt 499 . Die Eigenverantwortlichkeit betrifft grundsätzlich die Entscheidungen des „Ob, Wann und Wie" der kommunalen Aufgabenerledigung, die sich auch in den Formen des privaten Rechts indirekt durch Einschaltung Dritter vollziehen kann 300 . Da gemeindliche Pflichtaufgaben aber als solche von Gesetzes wegen der materiellen Privatisierung entzogen sind, kommt nur die Privatisierung der Aufgabenerledigung in Betracht 301 . Aufgabe, Träger und Verantwortung müssen öffentlich bleiben, nur die Produktion der Leistung wird privat 3 0 2 . Dementsprechend heißt es im Gemeinsamen Runderlaß des NordrheinWestfälischen Umwelt- und Innenministers unter Ziff. 2.4: „Die Abwasserbeseitigung ist gemäß §§ 53ffLWG NW eine Pflichtaufgabe der Gemeinden. Diese Aufgabe kann von der Gemeinde nicht auf eine von ihr gegründete Ge-
495
Schoch, DÖV 1993, S.378; ders. y DVB1.1994, S.8; Gieseke u.a., § 18a WHG, Rn.16; Gem. RdErl. des Innen- u. Umweltministers, MinBl. NW 1989, S.84. 496 Bodanowitz, S.57f. 497 Bodanowitz, S.61. 498 Vgl. Kamphausen u.a., S.216, Fßn.5, 6; Hösel/v.Lersner, Kz.1130, Rn.15; Kloweit, S.133; Schoch, Abfallentsorgung, S.143; Püttner, Wahl der Privatrechtsform, S.60. 499 Bodanowitz, S.64f. 300 Hofmann, S.123; Schoch, Abfallentsorgung, S.147. 301 Schoch, DVB1.1994, S.3; Krölls, S.131. 302 Graf Vitzthum, S.591f, beschreibt den Erfüllungsgehilfen" als Produktionsprivatisierung; Schoch, DVB1.1994, S.963; ders. y Abfallentsorgung, S.40, bezeichnet die Einschaltung eines „Verwaltungshelfers" als funktionale Privatisierung. Schink, S.257, sieht in der Regelung des § 3 Abs.2 S.2 AbfG eine Verknüpfung der Organisations- mit der materiellen Privatisierung.
Β. Die Organisationsmöglichkeiten
1
sellschaft privaten Rechts (§ 89 GO NW) oder auf private Dritte übertragen werden. Daher ist eine Privatisierung der Abwasserbeseitigung in dem Sinne, daß die Gesellschaft oder der private Dritte die volle Aufgabenverantwortung übernimmt, rechtlich nicht möglich. Die Gemeinde kann sich jedoch zur Erfüllung ihrer Abwasserbeseitigungspflicht kommunaler Gesellschaften (z.B. Einschaltung der Stadtwerke GmbH) oder privater Betreiber als Erfüllungsgehilfen bedienen. Die Gemeinde bleibt auch in diesen Fällen abwasserbeseitigungspflichtig 303 Das ist möglich, weil die Aufgabenträgerschaft der Körperschaften und die Trägerschaft der für die Wahrnehmung der Aufgabe erforderlichen Anlagen und deren Betrieb bzw. die technische Durchführung nicht zwingend identisch sind. In der Praxis sind von den Körperschaften selbst betriebene Anlagen sogar eher die Ausnahme 304 . Auch die Tatsache, daß in Nordrhein-Westfalen die Schaffung und Durchsetzung einer Abwasserüberlassungspflicht Teil der Abwasserbeseitigungslast ist, hindert nicht die Einschaltung Dritter. Wenn ein Privater Träger der Abwasserbeseitigungslast ist, muß er nicht als beliehener Unternehmer begriffen werden 303 . Vielmehr kann die Gemeinde nach wie vor den erforderlichen Anschluß- und Benutzungszwang anordnen mit der Folge einer Aufspaltung der Rechtsverhältnisse. Hier bestehen gegenüber der Aufgabenerfüllung durch eine Eigengesellschaft keine Besonderheiten. Vor diesem Hintergrund hat die vom Deutschen Bundestag am 13.6.1996 beschlossene Einfügung eines Satz 3 in § 18a Abs.2 WHG durch Art. 1 des Gesetzes zur Änderung des WHG nur klarstellende Bedeutung, wenn es dort heißt: „Die zur Abwasserreinigung Verpflichteten können sich zu Erfüllung ihrer Pflichten Dritter bedienen306
d) Grenzen der Einschaltung Privater Zu klären ist, in welchem Umfang die Organisationshoheit der Gemeinde die Zuhilfenahme Privater bei der Aufgabenerfüllung deckt. Es entsteht ein besonderes Spannungsverhältnis zwischen Gemeinde, Bürger und Privatunternehmer, das es auszubalancieren gilt.
303
MinBl. NW 1989, S.86. Für den Bereich der Abfallentsorgung normiert § 16 Abs.l S.2 KrW-/AbfG nunmehr die Letztverantwortung des Beseitigungspflichtigen positivrechtlich. 304 Fertig, S. 100, zum parallelen Problem bei der Tierkörperbeseitigung als Spezialmaterie der Abfallbeseitigung. 303 So aber Rüttgers, ZfW 1987, S.6. 306 BR-Drucks.430/96, S.2.
2. Teil: Die Abwasserbeseitigg
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aa) Verfassungsrecht Zunächst kann auf die verfassungsrechtlichen Grenzen einer Organisationsprivatisierung Bezug genommen werden. Abgesehen von dem speziellen Funktionsvorbehalt des Art. 33 Abs.4 GG kommt die Wahrung eines allgemeinen Funktionsvorbehalts zugunsten gemeinwohlgebundener Aufgabenerledigung in Betracht. Dieser Grundsatz hat seine verfassungsrechtlichen Wurzeln im Sozialstaatsprinzip in Verbindung mit den jeweiligen bereichsspezifischen Kompetenznormen. Voraussetzung ist, daß diese einen aufgabenrechtlichen Gehalt in Form einer leistungsstaatlichen Garantie staatlicher Funktionsbereiche aufweisen 307 , was für die Abwasserbeseitigung gegeben ist. Dieses Prinzip bildet zunächst eine allgemeine Ermessensrichtlinie im Rahmen staatlicher Organisationsentscheidungen, bei denen keine rechtliche Bindung an eine besondere Organisationsform der Aufgabenerfüllung besteht, sondern die Wahl einer sachgerechten Verwaltungsform in der Gestaltungsmacht des Aufgabenträgers steht. Nach dieser Ermessensausübungsdirektive sind Träger öffentlicher Verwaltung bei der Betätigung des Auswahlermessens verpflichtet, die Funktionsfahigkeit gemeinwirtschaftlicher Aufgabenerfüllung sicherzustellen 308. Diese generellen Deduktionen greifen allenfalls in Grenzbereichen beschränkend ein; sie sollen sich jedoch im Wege des Umkehrschlusses aus dem gemeinderechtlichen Subsidiaritätsprinzip zu einem kommunalrechtlichen Verschlechterungsverbot verstärken können: Wenn Gemeinden wirtschaftliche Unternehmen aus Gründen des öffentlichen Interesses nur betreiben dürfen, wenn diese Aufgaben nicht besser und wirtschaftlicher von Privaten erfüllt werden können, bedeute das umgekehrt, daß ungeachtet einer möglichen Entlastung des Gemeindehaushaltes eine Auslagerung kommunaler Dienstleistungen an Privatunternehmen im Wege der Privatisierung der Aufgabenerledigung dann nicht statthaft sei, wenn diese absehbar zu einer relevanten Senkung des Qualitätsniveaus und/oder einer beachtlichen Kostenerhöhung zu Lasten der Benutzer führe 309 . Auch wenn der Subsidiaritätsgrundsatz unmittelbar nur für wirtschaftliche Unternehmen gelte, stehe dies der Allgemeinheit der Schlußfolgerung deshalb nicht entgegen, weil der rechtliche Unterschied zwischen wirtschaftlichen und nichtwirtschaftlichen Kommunalunternehmen in der Realität weitgehend fiktiver Natur sei. Von daher liege eine entsprechende Anwendung des Verschlechterungsverbots auch für den Fall der Privatisierung
307
Krölls, S.139; insoweit zu weitgehend bzgl. der Privatisierung kommunaler Dienstleistungen: Grabbe, S.56ff, 145ff. 308 Krölls, S.139. 309 So Krölls, S.139.
Β. Die Organisationsmöglichkeiten
1
kommunaler Dienstleistungen nahe, die wie die Abwasserbeseitigung bislang von nichtwirtschaftlichen gemeindlichen Unternehmen erbracht werden 310 . Diese Verdichtung eines allgemeinen Funktionsvorbehalts zu einem konkreten Verschlechterungsverbots steht indes auf tönernen Füßen, denn in Nordrhein-Westfalen hat das Subsidiaritätsprinzip für wirtschaftliche Unternehmen keinen Niederschlag in den kommunalrechtlichen Organisationsregelungen gefunden und eine allgemeine verfassungsrechtliche Begründung ist kaum zu liefern 311 .
bb) Wasserrecht Auf dem Willen des Bundesgesetzgebers beruht die Pflichtenzuweisung des § 18a Abs.2 S. 1 WHG an insofern für besonders geeignet gehaltene juristische Personen des öffentlichen Rechts. Sie darf weder durch landesgesetzliche noch durch untergesetzliche Rechtskonstruktionen ausgehöhlt werden, welche die beabsichtigte klare Verantwortlichkeit verwischen oder auf solche Träger verlagern, die der (Bundes-)Gesetzgeber gerade nicht mit der Aufgabe der Abwasserbeseitigung betrauen wollte. Es muß vielmehr wegen der großen Bedeutung des Schutzgutes Gewässer eine eigenverantwortliche Wahrnehmung und Erfüllung der Abwasserbeseitigungspflicht gewährleistet sein 312 . Die Grenze der zulässigen Entstaatlichung liegt wegen der Qualifikation als Staatsaufgabe dort, wo die Letztverantwortung für die Aufgabenerfüllung nicht mehr in staatlichen Händen liegt 3 1 3 . Denn für die gesetzesvollziehende Verwaltung ist Verantwortung stets Erfüllungsverantwortung 314 . Die den Gemeinden über Art. 28 Abs.2 S.l GG eingeräumte Organisationshoheit erfaßt nur die Ausübung von verwaltungsinternen Organisationskompetenzen, während die Befugnis, den Zuständigkeitsbereich der Gemeinden funktionell zu verändern, ausschließlich dem Staat vorbehalten ist 3 1 3 .
310 311 312 313 314 313
So Krölls, S.139, Fßn.83. Vgl. insoweit Grabbe, S.96ff. Nisipeanu, S.202. Kloweit, S.130; Cronauge, Kommunale Unternehmen, Rn.518. Osterloh, WDStRL 54, S.236. Krieger, S.50.
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. Teil: Die Abwasserbeseitigung
(1) Abwasserbeseitigungspflicht
und Befreiungstatbestände
Die Regelung des § 3 Abs.2 S.2 AbfG bezieht den rechtlich zulässigen Einsatz von privaten Dritten auf den Gesamtbereich der Entsorgung, wie sie in § 1 Abs.2 AbfG definiert ist 3 1 6 . Entsprechendes gilt für die Privatisierung der Aufgabenerledigung in der Abwasserbeseitigung. Die Beauftragung eines Dritten zur Aufgabenwahrnehmung darf nicht zur Übertragung der Abwasserbeseitigungspflicht führen. Wie die gesetzliche Konstruktion dort zeigt, wo der Gesetzgeber sowohl eine Freistellungsmöglichkeit als auch die Option für die bloße Beteiligung Dritter eröffnet hat, soll die Kommune letzterenfalls beseitigungs- und überwachungspflichtig bleiben. Anders als in den gesetzlich vorgesehenen Tatbeständen, in denen der Entsorgungspflichtige ausgetauscht wird, enthält § 3 Abs.2 S.2 AbfG keine z.B. dem § 3 Abs.6 AbfG vergleichbare Formulierung. Würde die gemeindliche Verantwortung dennoch berührt, wäre die ausdrückliche Normierung von Voraussetzungen für die Freistellung der Gemeinde von der Entsorgungspflicht und deren gleichzeitigen Übergang auf den Anlagenbetreiber überflüssig 317 . Dieselbe Systematik liegt den entsprechenden Regelungen des § 4 Abs.l S.2 TierKBG einerseits und § 4 Abs.2 TierKBG andererseits zugrunde 318 . Sie wird schließlich bestätigt durch die vom Deutschen Bundestag am 13.6.1996 beschlossene Ergänzung des § 18a Abs.2 WHG durch einen Satz 3 und die gleichzeitige Einfügung eines Absatz 2a in § 18a WHG durch Art. 1 des Gesetzes zur Änderung des WHG 3 1 9 : Während § 18a Abs.2 S.3 WHG nunmehr die Zuhilfenahme Dritter bei der Erfüllung der Entsorgungspflichten ausdrücklich für zulässig erklärt, betrifft der neue § 18a Abs. 2a WHG die vollständige oder teilweise Übertragung der Abwasserbeseitigungspflicht der öffentlich-rechtlichen Körperschaft auf einen Dritten. Diese Pflichtendelegation wird einer landesgesetzlichen Regelung unterstellt, allerdings nicht ohne dafür bundesrechtlich konkrete Vorgaben zu machen. Von der Zuhilfenahme Privater ist also die teilweise oder vollständige Freistellung der Gemeinde unter gleichzeitiger Übertragung der Abwasserbeseitigungspflicht in demselben Umfang zu unterscheiden. Letztere kommt nur insoweit in Betracht, als das Wasserrecht entsprechende besondere Tatbestände enthält. In Nordrhein-Westfalen ist eine solche Freistellung gemäß § 53 Abs.5 LWG NW nur zugunsten eines Gewerbebetriebes für Abwässer zulässig, die in dem Gewerbebetrieb anfallen. Eine Pflichtübertragung auf denjenigen, der Ab316
Schoch, Abfallentsorgung, S.147. Ottmann, S.585; Tettinger, Public-Private-Partnerships, S. 15; Stober, in: Tettinger, Public-Private-Partnerships, S.31. 318 BVerwG, DVB1.1995, 1088 (1089). 319 BR-Drucks.430/96, S.2. 317
Β. Die Organisationsmöglichkeiten
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wasser weder produziert noch besitzt, scheidet aus. Lediglich die gemeinsame Behandlung kommunaler und gewerblicher Abwässer durch den selbst Abwasser produzierenden Gewerbebetrieb sieht § 53 Abs.5 S.5 LWG NW (sog. lex Bayer Leverkusen) vor 3 2 0 . Fraglich ist allerdings, ob die Ergänzungen des § 18a WHG, die offenbar die Beteiligung Dritter erleichtern wollen, nicht den Landesgesetzgeber dazu drängen, diese Restriktionen bei den Übertragungstatbeständen aufzugeben und die Möglichkeit zu eröffnen, auch einem nicht selbst Abwasser produzierenden oder besitzenden Privaten die Abwasserbeseitigungspflicht unter den in § 18a Abs.2a WHG umrissenen Voraussetzungen auferlegen zu können. In dem Übertragungsakt liegt ein staatlicher Kompetenzverzicht, so daß der Adressat auf der dadurch frei gewordenen Vollzugsebene originär staatliche Aufgabenerfüllung ersetzt. Die Tatbestände der Übertragung der Abwasserbeseitigungspflicht sind mithin Fälle der Verwaltungssubstitution 321 . Daraus folgt, daß die aufgrund der allgemeinen gemeindlichen Organisationshoheit zulässige Beteiligung Privater dahinter zurückbleiben muß und auf Formen des staatsanteiligen Privathandelns beschränkt ist. Außer in den speziell geregelten Fällen scheidet eine Verwaltungssubstitution aus, weil angesichts der dem Substituten zukommenden Autonomie anderenfalls die Abwasserbeseitigungspflicht der Gemeinde leerliefe.
(2) Erlaubnis fur die Gewässerbenutzung und Abwasserbeseitigungspflicht Die wasserwirtschaftliche Benutzungsordnung und die Regelungen zur Abwasserbeseitigung haben zwar unterschiedliche Zwecke; sie überschneiden sich aber bei der Frage, ob eine Einleitererlaubnis nur dem Abwasserbeseiti-
320
Vgl. z.B. die vom ATV-Fachausschuß 4.2, KA 1995, S.449 (452), vorgeschlagene Konstruktion der Rechtsverhältnisse bei einem Gemeinschaftsklärwerk, an dem zwei Abwasserzweckverbände und ein Privatunternehmen beteiligt sind: Die teilweise Freistellung von der Abwasserbeseitigungspflicht (hier bzgl. Abwasserbehandlung) für den Bereich der öffentlichen Anlagen der Abwasserzweckverbände ist nur zulässig, wenn die gemeinsame Abwasserbehandlung des kommunalen Abwassers und des Abwassers aus einem gewerblichen Betrieb von diesem zweckmäßiger bewerkstelligt werden kann. 321 So Kloweit, S.118f, zu der vergleichbaren Regelung des § 3 Abs. 6 AbfG; entgegen St ob er, in: Tettinger, Public-Private-Partnerships, S.31, liegt darin kein „klassischer Fall der Beleihung". Zwar nimmt eine Privatperson öffentlich-rechtliche Kompetenzen auf dem Gebiet der Abfallentsorgung im eigenen Namen wahr. Auch beschränkt sich die staatliche Verantwortung auf eine Überwachung bzw. Aufsicht. Jedoch darf der Private im Unterschied zum Beliehenen nicht öffentlich-rechtlich handeln.
2. Teil: Die Abwasserbeseitigung
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gungspflichtigen oder auch Dritten erteilt werden darf. Restriktionen ergäben sich, falls die eine öffentlich-rechtliche Entsorgungszuständigkeit begründenden Landeswassergesetze zugleich ein Einleitungsverbot für die Abwasserbesitzer enthielten. Denn dann verstieße deren Benutzung der Gewässer gegen verbindliche öffentlich-rechtliche Vorschriften, was eine Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit i.S.d. § 6 WHG bedeutete und zur zwingenden Ablehnung eines Erlaubnisantrags eines Nichtbeseitigungspflichtigen führten müßte. Da §§ 53ff LWG NW jedoch ausschließlich an die Kommunen gerichtet sind, lassen sie als reine Kompetenzzuweisungsnormen den Rechtskreis der Abwasserbesitzer unberührt 522 . § 52 Abs.l S.l Buchst.c L W G NW erweitert die zwingenden Versagungsgründe dahin, daß das Einleiten von Abwasser zu untersagen ist, wenn und soweit es der ordnungsgemäßen Erfüllung der Abwasserbeseitigungspflicht nicht entspricht. Der Sinn des § 52 Abs.l S.l Buchst.c LWG NW soll darin liegen, den wachsenden Anforderungen an die Reinigung des Abwassers gerecht zu werden. In quantitativer Hinsicht geschieht dies durch die Beschränkung der Anzahl der Einleitungsberechtigten, indem die Erlaubnis dafür an die Abwasserbeseitigungspflicht geknüpft wird. Die Qualität der Abwasserbeseitigung wird dadurch gesteigert, daß zur Abwasserbeseitigungspflicht nur die ausgewählt werden, die am ehesten geeignet erscheinen, zur Wahrung und Wiederherstellung des ökologischen Gleichgewichts der Gewässer beizutragen, mithin grundsätzlich die Körperschaften des öffentlichen Rechts 523 . Hintergrund dieser Argumentation ist die Novelle des LWG NW im Jahre 1979, welche die Abwasserbeseitigungspflicht erstmalig den Gemeinden zuwies. Zuvor war es grundsätzlich dem einzelnen Unternehmer überlassen, das bei ihm anfallende Abwasser in eigener Verantwortung zu beseitigen oder beseitigen zu lassen, wenn nicht die Kommunen die Abwasserbeseitigung mittels Ortsrechts als freiwillige Selbstverwaltungsaufgabe wahrnahmen 524 . Ein privater Betreiber einer gemeindlichen Kläranlage soll demnach nur Adressat der Einleitererlaubnis werden können, wenn er einem landesrechtlich geregelten Ausnahmetatbestand unterfallt. Eine Verwaltungssubstitution außerhalb eines Befreiungstatbestandes scheiterte aus wasserwirtschaftlichen Gründen.
522 523 524
Hemeler, Abwasserrecht, S.233. OVG Münster, StuGR 1981, 355 (356). Nisipeanu, KA 1992, S.929.
Β. Die Organisationsmöglichkeiten
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(3) Unternehmer i.S.d. Wasserrechts Für die Erteilung einer Benutzungserlaubnis ist erforderlich, daß deren Inhaber Unternehmer i.S.d. Wasserrechts ist. Wenn nur die abwasserbeseitigungspflichtige Gemeinde Inhaber der Erlaubnis sein kann, muß sie die Unternehmerqualität aufweisen. Anderenfalls ist die Erlaubnis rechtswidrig und gemäß § 48 VwVfG N W zurückzunehmen. Voraussetzung für die Unternehmereigenschafl sind die tatsächliche Sachherrschaft und die rechtliche Verfügungsmacht, so daß er - abgesehen von Fällen offenen Rechtsbruchs - durch unmittelbar getroffene Maßnahmen aufgrund eigener Willensentscheidung für die Gewässerbenutzung einstehen kann 3 2 3 . Zwar soll es auf die Eigentumsverhältnisse nicht ankommen; erforderlich ist aber, daß der Adressat der Erlaubnis aufgrund eines Pachtvertrages, einer Satzung oder eines dinglichen Rechts in der Lage ist, die Benutzung zu beeinflussen und andere von Einwirkungen auf die Anlage auszuschließen326. Der vom Beseitigungspflichtigen eingeschaltete Dritte ist nur dann nicht selbst Betreiber, wenn er nach den Weisungen des Beseitigungspflichtigen zu handeln hat. Aufschluß darüber gibt u.a. der Inhalt der zwischen den Beteiligten geschlossenen Vereinbarung 327 . So muß die Körperschaft weiterhin Betreiberin der Kläranlage in dem Sinne sein, daß sie notwendige Weisungen erteilen und die Betriebsabläufe und das ordnungsgemäße Funktionieren der Anlage regelmäßig überwachen kann. Erforderlich werdende Nachrüstungen und Erweiterungen der Kläranlage herbeizuführen, ist sie verpflichtet. Auch bei Einschaltung eines Dritten muß die Gemeinde darüber hinaus für die Einhaltung der Überwachungswerte in der wasserrechtlichen Erlaubnis zur Abwassereinleitung verantwortlich bleiben 328 . Ebensowenig kommt eine vollständige Freistellung von der Gefahrdungshaftung des § 22 WHG sowie von der strafrechtlichen Verantwortlichkeit in Betracht 329 . Bei der Einschaltung von Dritten kann problematisch sein, ob die Gemeinde diese Anforderungen an die wasserrechtliche Unternehmer- oder Benutzereigenschaft noch erfüllt.
323 ATV-Fachausschuß 4.2, KA 1995, S.449 (450); vgl. VGH Mannheim, N+R 1988, 245 (246), zur Betreiberqualität bei Abfallbeseitigungsanlagen. 326 Gieseke u.a., § 3 WHG, Rn.10. 327 VGH Mannheim, N+R 1988, 245 (246). 328 Gem. RdErl. des Innen- u Umweltministers, MinBl. NW 1989, S.86; Cronauge, Kommunale Unternehmen, Rn.669. 329 Dedy, S.247.
2. Teil: Die Abwasserbeseitigung
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(4) Die Funktion des Privaten Es ist nun genau zu untersuchen, welche Variante des staatsanteiligen Privathandelns in der Abwasserbeseitigung verwirklicht wird. Im besonderen stellt sich die Frage, ob der Benutzer mit dem privaten Dritten in unmittelbaren Kontakt tritt oder ob es bei der exklusiven Beziehung zwischen Gemeinde und Bürger bleibt. Die als Ergebnis der Organisationsprivatisierung entstehende Eigengesellschaft tritt dem Benutzer - mit Ausnahme der Verwirklichung von Hoheitsbefugnissen - direkt gegenüber. Ausgangspunkt sind Wortlaut und Zielsetzung der vorhandenen gesetzlichen Regelungen wie §§ 3 Abs.2 S.2 AbfG, 4 Abs.l S.2 TierKBG, 9a Abs.3 AtG, die einer Volldelegation der Aufgabe auf private Gesellschaften eine Absage erteilen und Monopole zugunsten öffentlich-rechtlicher Verwaltungsträger schaffen. Mangels gesetzlicher Ermächtigung soll eine Übertragung auf private Dritte zur Wahrnehmung im eigenen Namen ausscheiden: Eigentliche Zuständigkeit, Aufgabenverantwortung und Weisungsbefiignis verblieben bei der Körperschaft 530 . Dies sei das Ergebnis der Zusammenhangs der kommunalen Abwasserbeseitigungspflicht und der gesetzlichen Befreiungstatbestände, der vorgeblichen Verknüpfung der Einleitergestattung mit der Abwasserbeseitigungspflicht sowie der daraus folgenden Notwendigkeit, der Gemeinde die wasserwirtschaftliche Benutzereigenschaft vertraglich zu erhalten. Im Fall der Abwasserbeseitigung wird die Beteiligung des Privaten also auf eine bloße technische Unterstützung der Verwaltungsbehörde reduziert: Der so definierte Verwaltungshelfer bzw. Erfüllungsgehilfe wird nicht selbständig tätig, sondern erfüllt seine Tätigkeit im Auftrag und nach Weisung der Behörde, so daß sein Handeln ohne weiteres der Behörde, für die er wie ein Werkzeug tätig ist, zuzuordnen ist und es keiner unmittelbaren Rechtsbeziehung des außerordentlichen Organwalters i.w.S. zu Dritten bedarf 331 . Von den eingangs geschilderten zwei Modellen des staatsanteiligen Privathandelns findet mithin nur die technisch-instrumentale Einbeziehung Privater statt. Ein weitergehendes staatlich-privates Kondominium, das ebenfalls noch unterhalb der Schwelle der Verwaltungssubstitution bleibt, wird nicht angewendet. Es wird zu prüfen sein, ob es im Bereich der Abwasserbeseitigung auch unzulässig ist.
530
Wolff/Bachof/Stober, Bd.2, § 104a, Rn.26; Fertig, S.103; Stober, WirtschVwR I, Rn.604. 531 Ebenso Maurer, §23, Rn.60; Fertig, S.102; Stober, WirtschVwR I, Rn.603; Schoch, Abfallentsorgung, S.25; Beckmann, S.12; Tettinger, Public-Private-Partnerships, S.16; Stober, in: Tettinger, Public-Private-Partnerships, S.36.
Β. Die Organisationsmöglichkeiten
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e) Ausgestaltung der Rechtsbeziehungen Die Zuhilfenahme eines Erfüllungsgehilfen fährt demnach zu der Konstruktion, daß sich Ansprüche des Bürgers nur gegenüber der Gemeinde ergeben und der Anlagenbetreiber seinerseits auf das Innenverhältnis zur Gemeinde beschränkt bleibt.
aa) Kein Außenrechtsverhältnis zwischen Benutzer und Betreiber I.d.S. muß die Tätigkeit des Unternehmers der Gemeinde zurechenbar sein, mit der Folge, daß der Private nur als verlängerter Arm der Kommune im Verhältnis zu den Benutzern der öffentlichen Einrichtung in Erscheinung tritt. Ein Rückzug der Gemeinde auf eine ordnungsrechtliche Überwachungsfunktion kommt nicht in Betracht 332 . Der Rechtsfigur der Durchgriffshaftung bedarf es nicht, wenn und weil die Rechtsperson des Privatrechts im Namen und Auftrag des Aufgabenträgers handelt 333 . Rechtsbeziehungen bestehen darüber hinaus nur zwischen der Kommune und dem Betreiber, der seine Leistung ausschließlich der Gemeinde schuldet; die Gewährleistungspflicht der Gemeinde gegenüber dem Bürger besteht unberührt fort 3 3 4 . Dementsprechend sind beispielsweise im Abfallrecht die Körperschaften unverändert Anspruchsgegner des Entsorgungsanspruchs des Überlassungspflichtigen. Umgekehrt besteht ihnen gegenüber auch dessen Gebührenpflicht 333 . Es bleibt bei einer uneingeschränkten Grundrechtsverpflichtung der Gemeinde infolge ihrer unverändert fortbestehenden öffentlich-rechtlichen Wahrnehmungszuständigkeit und Aufgabenverantwortung 336. Der Private ist nicht so in die Verwaltung eingebunden, daß er als vollziehende Gewalt i.S.d. Art. 1 Abs.3 GG angesehen werden kann. Er ist folglich auch nicht grundrechtsgebunden 337 . Eine Gemeinde kommt ihrer Abwasserbeseitigungspflicht z.B. nicht ausreichend nach, wenn sie in ihrem Gemeindegebiet einen oder mehrere Unternehmer zur Abfuhr der Fäkalschlämme sowie der Inhalte der geschlossenen Gruben generell zuläßt, jedoch die konkrete Auswahl und Beauftragung des je332
Cronauge, StuGR 1984, S.138. Vgl. Wolff/Bachof/Stober, Bd.2, § 104a, Rn.40. 334 Gem. RdErl. des Innen- u Umweltministers, MinBl. NW 1989, S.86; Cronauge, StuGR 1984, S.138; Steiner, S.113f. 535 Beckmann, S.12. 336 Hofmann, S.124; Schoch, Abfallentsorgung, S.51. 337 Graf Vitzthum, S.593; Grabbe, S . l l l . 333
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2. Teil: Die Abwasserbeseitigung
weiligen Unternehmens der Eigeninitiative des betroffenen Abwassererzeugers überläßt. Die Zuhilfenahme eines Dritten ist nur dann zulässig, wenn die Gemeinde selbst den Unternehmer beauftragt, kontrolliert und entlohnt und so den erforderlichen Einfluß daraufbehält, ob und wie die Abwasserbeseitigung tatsächlich erfolgt 338 .
bb) Erfüllungshilfevertrag zwischen Gemeinde und Betreiber Da die Pflicht nicht übertragen wird, ist es Sache der Körperschaft, sich mit dem Dritten z.B. in einem Erfüllungshilfevertrag darüber zu einigen, in welcher Art und Weise er tätig wird 3 3 9 . Letztlich kommt es für die Frage, ob jemand Erfüllungsgehilfe ist, auf die zwischen ihm und dem Aufgabenträger bestehenden Rechtsbeziehungen nicht an. Das Rechtsverhältnis zwischen Pflichtiger Gemeinde und beauftragtem Dritten kann daher vertraglicher - öffentlich- oder privatrechtlicher - oder rein tatsächlicher Natur sein 340 . Bei der Zuhilfenahme eines privatwirtschaftlichen Dritten im vorliegenden Zusammenhang ist die Vertragsgrundlage allerdings ein konstituierendes Merkmal 3 4 1 . Die Kommunen sind zum Abschluß von Verträgen befähigt, weil sie sowohl die privat- als auch die öffentlich-rechtliche Vollrechtsfahigkeit besitzen 342 . Fraglich ist, ob dann, wenn sich die abwasserbeseitigungspflichtige Körperschaft beispielsweise zur Fortleitung des Abwassers eines privatwirtschaftlichen Netzbetreibers bedient, die Grundlage dafür ein öffentlich-rechtlicher Vertrag zwischen den Beteiligten sein muß 3 4 3 . Dafür könnte streiten, daß der Abschluß eines solchen Vertrages nur durch die entsorgungspflichtige Körperschaft des öffentlichen Rechts erfolgen kann, mithin immer ein Träger hoheitlicher Gewalt beteiligt ist. Zudem bleibt der Betrieb in das öffentlichrechtliche Pflichtennetz eingebunden. So ist die Entsorgung nach denjenigen Grundsätzen durchzuführen, die auch für den Beseitigungspflichtigen selbst gelten 344 .
338
Nisipeanu, S.204. Fertig, S.101. 340 Fertig, S.104. 341 1.d.S. Krieger, S.65. 342 Grawert, S.177. 343 So ATV-Fachausschuß 4.2, KA 1995, S.449 (452); ebenso BVerwG, DVB1. 1995, 1088 (1089), zum kongruenten Vertrag zwischen einer tierkörperbeseitigungspfhchtigen Körperschaft des öffentlichen Rechts und einem Unternehmer über den Betrieb einer Tierkörperbeseitigungsanstalt i.S.d. § 4 Abs.l S.2 TierKBG. 344 BVerwG, DVB1.1995, 1088 (1089). 339
Β. Die Organisationsmöglichkeiten
1
Der zwingenden Qualifizierung als öffentlich-rechtlicher Vertrag ist aber zu widersprechen, weil nicht genau differenziert wird: Die Entscheidung, ob die Entsorgung durch eine private Entsorgungsgesellschaft durchgeführt werden soll, ist öffentlich-rechtlicher Natur. Die Auftragsvergabe selbst ist indes zivilrechtlich abwickelbar. Auf der ersten der beiden Stufen erfolgt die Prüfung, ob die Gemeinden ihr Angebot, Teile der Entsorgungsdurchführung an Private zu vergeben, nach den Vergabebedingungen öffentlich oder zumindest beschränkt öffentlich ausschreiben müssen 343 . Gemäß § 31 Abs.l GemHVO NW muß eine Vergabe auf einer öffentlichen Ausschreibung beruhen, wenn nicht die Natur des Geschäfts oder besondere Umstände eine beschränkte öffentliche Ausschreibung oder eine freihändige Vergabe rechtfertigen. Dieses zweistufige Verfahren ist hier keine Besonderheit, sondern findet sich z.B. ebenfalls bei der Zulassung/Benutzung öffentlicher Einrichtungen oder der Subventionsvergabe. Allein die Beteiligung eines Hoheitsträgers sagt angesichts der ihm zukommenden Wahlfreiheit nichts über die Rechtsnatur eines Vertrages aus. Nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, daß der Erfüllungsgehilfe nicht in Beziehung zum Benutzer tritt, ist für sein Verhältnis zur Gemeinde kein öffentlich-rechtlicher Vertrag erforderlich. Da der Verwaltungshelfer auch als privatwirtschaftlicher Kanalnetzbetreiber nicht die öffentliche Aufgabe der Gemeinde insgesamt übernimmt, sondern diese in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft verbleibt, kann die Zuhilfenahme Dritter im Privatrechtsweg erfolgen. Ein staatlicher Übertragungsakt und damit im Falle vertraglicher Regelung ein öffentlich-rechtlicher Vertrag ist nur notwendig, wenn der Private nicht nur bei der Erfüllung mitwirkt, sondern die Aufgabe selbst wahrnimmt 346 . An der zulässigen Zuordnung zum Zivilrecht ändert sich auch dann nichts, wenn man die Zusammenarbeit mit einem Partner der Verwaltung als Maßnahme der Verwaltungsorganisation einstuft. Denn Gegenstand der Beauftragung ist nicht, wie für § 54 VwVfG N W vorausgesetzt, die Ausgestaltung einer öffentlichrechtlichen Pflicht, sondern lediglich deren Erfüllung 347 . Maßstab für die Qualifikation eines Vertrages ist über die allgemeine Frage hinaus, ob der Vertrag zur Erfüllung einer der Verwaltung obliegenden staatlichen Aufgabe geschlossen wird, das konkrete vertragliche Rechtsverhältnis. Entscheidend ist auf den gerade gegenüber dem an diesem Rechtsverhältnis beteiligten Vertragspartner verfolgten Zweck abzustellen 348 . 343
Beckmann, S.ll; Hösel/v.Lersner, Kz.1130, Rn.15; OVG Hamburg, ZfW 1979, 166(167). 346 OVG Münster, StuGR 1993, 282 (283); Tettinger, Pubüc-Private-Partnerships, S.16. 347 Kloweit, S.109. 348 Bodanowitz, S.46f; GemS-OBG, JZ 1986, 1007 (1008).
2. Teil: Die Abwasserbeseitigung
1
Der Unternehmer wird im vorliegenden Zusammenhang nur eingeschaltet, damit die Gemeinde ihre gesetzliche Abwasserbeseitigungspflicht gegenüber den Benutzern der Abwasseranlagen erfüllen kann. Der private Anlagenbetreiber ist selbst nicht als Abwasserproduzent beteiligt. Daß seine Tätigkeit der Erfüllung einer Verwaltungsaufgabe gegenüber Dritten dient, genügt aber für die öffentlich-rechtliche Einordnung des Erfüllungshilfevertrages nicht, da es auf das konkrete Rechtsverhältnis zwischen Gemeinde und Betreiber ankommt 549 . Die öffentliche Hand benötigt zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben auch Waren und Leistungen, für deren Beschaffung ihr hoheitliche Mittel nicht zur Verfügung stehen. Sie muß sich daher in diesem Bereich nach den für jedermann geltenden Bestimmungen versorgen können 550 . Grundlage ist also regelmäßig ein zivilrechtlicher Vertrag, der die Rechte und Pflichten der Beteiligten festlegt 551 . Dieses Ergebnis deckt sich mit der Rechtsprechung des BGH zu den Voraussetzungen für die Ausübung eines öffentlichen Amtes i.S.d Art. 34 S.l GG im allgemeinen und zu den im Rahmen polizeilicher Vollstreckungsmaßnahmen herangezogenen Abschleppunternehmern im besonderen. Obwohl die Polizei durch sie eine Amtspflicht erfüllt und daher ihre Tätigkeit gegenüber den Kraftfahrzeughaltern regelmäßig hoheitlichen Charakter hat, ändert das nichts daran, daß sie mit dem Abschleppunternehmer zu diesem Zweck jeweils Geschäfte auf privatrechtlicher Grundlage abschließt. Dabei handelt es sich um die kommerzielle Beschaffung sachlicher und persönlicher Mittel (Dienstleistungen), deren Einsatz erst der Erfüllung der öffentlichen Aufgabe dienen soll. Solche Beschaffungsgeschäfte unterstehen aber den Regeln des Privatrechts 552 .
fi Sicherstellung der Aufgabenverantwortung Im Falle der Abwasserbeseitigung ist die Gemeinde als Träger der Aufgabenverantwortung selbst im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Verhältnisses verpflichtet, so daß sich daraus Umfang und Reichweite der den Hoheitsträger treffenden Steuerungs- und Kontrollpflichten definieren 553 . Im Gegensatz zur gesellschaftsrechtlichen Beherrschung einer Eigen- bzw. Beteiligungsgesellschaft durch die Kommune werden die aus der Aufgabenverantwortung der 549 550 551 552
Bodanowitz, S.48. GemS-OBG, JZ 1986, 1007 (1008). Kunig/Schwermer/Versteyl, § 3 AbfG, Rn.32. BGH, NJW 1977, 628 (629); BGH, NJW 1978, 2502 (2503); BGHZ 121, 161
(167). 553
Spannowsky, DVB1.1992, S. 1076.
Β. Die Organisationsmöglichkeiten
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Kommune entspringenden Pflichten als Einwirkungsrechte über den Erfüllungshilfevertrag abgesichert. Die Art der kommunalen Kontrolle ist mithin verschieden 354 .
aa) Einwirkungspflicht der Gemeinde Da Art. 28 Abs.2 S.l GG als organisationsrechtliche institutionelle Garantie den Kommunen eine grundsätzlich eigenverantwortliche Aufgabenwahrnehmung gewährt, folgt daraus auch, daß es ihnen verwehrt ist, diese verfassungsrechtliche Grundentscheidung zu unterlaufen. Mithin besteht eine Selbstverwaltungspflicht, die vor dem Hintergrund der gleichzeitig existierenden Wahlfreiheit der Verwaltung, wonach eine Aufgabenerledigung in privatrechtlichen Formen zulässig ist, zu dem Gebot führt, durch die Auslagerung von Aufgaben Beeinträchtigungen des Selbstverwaltungsrechts zu vermeiden 555 . Der grundlegende, allgemeine Gemeinwohlbezug der Hoheitssubjekte, der demokratische Kontrollanspruch und das rechtsstaatliche Verbot der Verkürzung höherrangig eingeräumter Rechte halten die Gemeinde in einer Garantenstellung. Daraus folgt eine Pflicht zur präventiven Verhinderung von Rechtsnachteilen für den Bürger sowie im Nachhinein zum Einstehen für dennoch vorgekommene Durchführungsmängel, vor allem eine Pflicht zur Sicherstellung des allgemeinen Zugangs zur Leistungseinrichtung und zur Überwachung durchgehender Grundrechtsgewährleistungen 556. Während der Zusammenarbeit muß die Gemeinde durch Maßnahmen im Innenverhältnis zum Ausführenden, insbesondere durch die Vertragsgestaltung, dem Bürger einen Standard gewährleisten, wie sie ihn bei Erledigung in Eigenregie einzuhalten hätte 557 . Schließlich bedeutet das, daß dann, wenn der mit der Aufgabenerledigung betraute verwaltungsgebundene Private diese Pflichtigen Selbstverwaltungsaufgaben nicht mehr oder schlecht ausführt, die Gemeinde in eine Garantenstellung eintritt. Die daraus erwachsende Handlungspflicht der Gemeinde
554
Kummer/Giesberts, S.l 169. Kund, S.98f; Grabbe, S.88f; zu dai Schwierigkeiten, einen Kernbereich gemeindlicher Aufgaben zu bestimmen, vgl. Däubler, S.981F. 556 Schmidt-Jortzig, Rn.741; Kund, S.177ff. 557 Schmidt-Jortzig, Rn.739; Cronauge, StuGR 1984, S.138; Rahmann, S.200. 555
11 Brüning
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2. Teil: Die Abwasserbeseitigung
kann sich zur Pflicht der Rekommunalisierung der Aufgabendurchführung verdichten 338 .
bb) Reichweite der Ingerenz Die in Realisierung der Letztverantwortung der Gemeinde bestehenden nachwirkenden Pflichten entfalten eine präventive Sperrwirkung für Privatisierungsmaßnahmen, bei denen ihre Durchsetzung erschwert oder gar ausgeschlossen ist, weil sie unmittelbar aus Verfassungsprinzipien begründet und somit nicht disponibel sind Die Gemeinde kann sich dann nicht auf ein korrigierendes Eingreifen beschränken, sondern unterliegt dem Verdikt, daß diese Ausgestaltung unzulässig ist 3 3 9 . Wie bei der Schaffung privater Organisationsformen kann sich die Verwaltung durch die Einschaltung Privater nicht ihren öffentlich-rechtlichen Bindungen entziehen 360 . Die auf dem Rechtsstaatsprinzip fußende Bindung der Kommune an den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung im Rahmen ihrer öffentlich-rechtlichen Wahrnehmungszuständigkeit und Aufgabenverantwortung muß bestehen bleiben 361 . Die Steuerungsanforderungen erhöhen sich im Vergleich zu denen bei der Eigengesellschaft noch, wenn ein anderes als ein gemeindlich beherrschtes Rechtssubjekt eingesetzt wird 3 6 2 . Die Grenze der zulässigen Aufgabenerfüllung des Dritten liegt dort, wo der Eigentümer einer Anlage diese nicht nur mit dem erforderlichen Personalbestand der Körperschaft zur Benutzung zur Verfügung stellt, sondern die Entsorgungspflicht einschließlich des Entsorgungsmonopols übernimmt. Das schließt nicht aus, daß der Private Inhaber der Anlage und Helfer der Körperschaft zugleich ist; dann muß aber in allen wesentlichen Fragen in der Vertragsgestaltung zum Ausdruck kommen, daß er nicht in eigener Verantwortung, sondern nur als Gehilfe des Pflichtigen tätig ist 3 6 3 .
338
Kund, S.116, der das für alle Aufgaben annimmt, die zum durch das Selbstverwaltungsrecht geschützten Wesenskern der Gemeinde gehören. 339 Ehlers, Privatrechtsform, S.132; Kund, S.232, der sodann, S.236ff, einen Katalog mit verfassungsrechtlich abgeleiteten Zulässigkeitskriterien aufstellt. 360 Spannowsky, DVB1.1992, S.1073. 361 Hofmann, S.123f; Stob er, in: Tettinger, Pubhc-Private-Partnerships, S.35. 562 Ehlers, DÖV 1986, S.901, Fßn.42; Schoch, DVB1.1994, S.10; Kloweit, S.142; Kund, S.134. 363 Fertig, S.103, zur Unterscheidung zwischen §§ 4 Abs.2 und 4 Abs.l S.2 TierKBG.
Β. Die Organisationsmöglichkeiten
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Zum Teil wird als ein maßgebliches Indiz für die eine oder andere Form die Art der Vergütung angesehen, welche die entsorgungspflichtige Körperschaft dem privaten Dritten zahlt: Maßstab des Entgelts seien der Kapitaleinsatz der Anlage und die personellen Werkleistungen. Für seine Tätigkeit sei der Privatunternehmer so zu stellen, wie er stünde, wenn das von ihm eingesetzte Kapital angemessen verzinst und die Werkleistung adäquat entlohnt würde. Er trage also kein Unternehmerrisiko; dieses liege unverändert beim Aufgabenpflichtigen. Neben einem angemessenen Gewinn sei dem Gehilfen der durch die Verwertung des Materials nicht gedeckte Betriebsaufwand zu erstatten, weil mit der Beseitigungs- auch die Kostentragungspflicht bei der Körperschaft verbleibe 364 . Fehle diese verlustbedingte Zuschußpflicht der Gemeinde oder sei ein Verlustausgleich ausgeschlossen, sei die Grenze vom zulässigen Erfüllungshilfevertrag zur unzulässigen Verwaltungssubstitution überschritten 3 6 3 . Es begegnet Bedenken, aus der gesetzlichen Ordnung die Verpflichtung des Beseitigungspflichtigen herzuleiten, im Falle unwirtschaftlicher Betriebsführung die entstehenden Verluste der Anlage zu übernehmen. Denn dafür fehlt im Gesetz jeder Anhaltspunkt. Statt dessen wird ausdrücklich die Möglichkeit zum Abschluß von Unternehmerverträgen eröffnet. Dadurch werden dem Privaten aber nicht nur Erwerbschancen, sondern auch die typischen Unternehmerrisiken in Aussicht gestellt. Es steht den Beteiligten im Einzelfall frei, Abweichendes zu vereinbaren 366 . Es kann sogar sachgerecht sein, einen Verlustausgleich in den Erfüllungshilfevertrag unter bestimmten Voraussetzungen aufzunehmen, weil die Kommune die Aufgabendurchführung auch bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Erfüllungsgehilfen sicherstellen muß. Sie ist aber nicht auf das Mittel eines Zuschusses beschränkt.
cc) Steuerung und Kontrolle durch Vertrag Schon bei der Auswahl des Privaten sind sowohl fachliche und persönliche Eignung des Privatunternehmers als auch dessen institutionelle Zuverlässigkeit im Hinblick auf seine Betriebsmittel und finanzielle Situation zu überprüfen 367 . Während der Vertragserfüllung hat eine regelmäßige Qualitätskontrolle
364 565 366 367
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So Fertig, S.103. Fertig, S.104. BVerwG, DVB1.1995, 1088 (1090); Haverkämper, S.225. Doubler, S.91f.
2. Teil: Die Abwasserbeseitigung
1
und Überwachung der Zweckmäßigkeit seines Verhaltens bzgl. der vorgegebenen Ziele stattzufinden 368 . Mangels gesellschaftsrechtlicher Beteiligung der Gemeinde an dem Unternehmen kann eine Absicherung der einzelnen Steuerungs- und Kontrollrechte der Gemeinde und damit letztlich der kommunalen Aufgabenverantwortung insgesamt nur über Vorkehrungen im Erfüllungshilfevertrag erfolgen. In der Praxis enthalten solche Vereinbarungen detaillierte Festlegungen über den zeitlichen und örtlichen Umfang der vom Unternehmer zu erbringenden Leistung, die Verpflichtung zur Anpassung der Unternehmerleistung an die allgemeine technische und vor allem auch gemeindliche Entwicklung, die Höhe des Entgelts und die Dauer des Vertrages. Darüber hinaus ermächtigen sie die Gemeinde, die notwendigen Anordnungen gegenüber dem Unternehmer oder dessen Bediensteten zu treffen 369 . Aufgrund der weitreichenden Auslagerung der tatsächlichen Aufgabenerledigung aus dem Tätigkeitsbereich der Kommune muß es deren Ziel sein, alle die Aufgabendurchführung betreffenden (gesetzlichen) Pflichten privatrechtlich auf den Verwaltungshelfer abzuwälzen 370 . Schließlich sind die Fälle der Schlecht- und Nichtleistung, sei es gewillkürt oder infolge Konkurses, zu regeln, und zwar vor allem im Hinblick auf Erhalt und Fortsetzung des Betriebs der Anlagen. So läßt sich aus der kommunalen Garantenstellung für den Fall, daß der Private die übernommene Aufgabe nicht oder mangelhaft erfüllt, eine Verpflichtung zur vertraglichen Verankerung eines Kündigungs- und Rückübernahmerechts der öffentlichen Hand ableiten, um die Anlagen unverzüglich weiter betreiben zu können 371 . Die Bandbreite vertraglicher Vereinbarungen reicht von der Verabredung einer Konventionalstrafe über ein Selbsteintrittsrecht der Kommune oder die Ersatzvornahme bis hin zu fristlosen Kündigungsrechten 372 . Insbesondere für den Fall des Konkurses oder von Liquiditätsschwierigkeiten des Privaten sind Vertragsregelungen aufzunehmen, die es der Gemeinde gestatten, entweder die Geschäftsanteile der konkursreifen Gesellschaft zu übernehmen oder vorkaufsberechtigt die Anlagen zu erwerben. Anderenfalls läuft die Gemeinde Gefahr, ihrer Aufgabenverantwortung nicht gerecht zu werden, was straf-, aufsichtsund haftungsrechtliche Folgen haben kann. Erweist sich die private Durchführung dann tatsächlich als ungenügend, muß sie - ggf. auch mit großem finanziellen Aufwand - rückgängig gemacht
368 369 370 371 372
Ehlers, Privatrechtsform, S.130; Däubler, S.92. So Steiner, S.l 14, für die gemeindliche Müllabfuhr. Osterloh, WDStRL 54, S.237. Krölls, S. 140; Däubler, S.93; Beckmann, S.13f. Krieger, S.67.
Β. Die Organisationsmöglichkeiten
1
werden 373 . Die Gemeinden müssen damit rechnen, daß sie das bisher vom Privaten durchgeführte Leistungsangebot selbst wieder übernehmen müssen. Das ist aber nur dann möglich, wenn die Gemeinde entsprechende Kapazitäten vorhält 374 . Neben finanziellen Rückstellungen betrifft das auch einen quantitativ und qualitativ ausreichenden Personalbestand. Je mehr ursprünglich aus der unmittelbaren Kommunalverwaltung ausgegliedert worden ist, desto schwieriger gestaltet sich die Fortsetzung mit gemeindeeigenen Mitteln. Stets sind die Bindung der Gemeinde an die Monopolstellung des privaten Anlagenbetreibers einerseits und die fortbestehende Gewährleistungspflicht der Gemeinde gegenüber ihren Bürgern andererseits zu beachten 373 .
g) Die Haftung Schließlich könnte die Einschaltung eines Verwaltungshelfers in die Verrichtung der Abwasserbeseitigung haftungsrechtliche Folgen hinsichtlich der Schädigungen Dritter haben. Innerhalb der Sonderrechtsbeziehung zwischen Gemeinde und Benutzer, sei sie privat- oder öffentlich-rechtlich ausgestaltet, ergeben sich keine Besonderheiten.
aa) Abgrenzungsprobleme Im Bereich des (Amts-)Haftungsrechts findet sich häufig der Begriff des Erfüllungsgehilfen wieder. So bezeichnet der BGH im Fall eines Abschleppunternehmers diesen als „Erfüllungsgehilfen des Trägers öffentlicher Gewalt" 376 , um ihn in den funktionsbezogenen haftungsrechtlichen Beamtenbegriff einzuordnen. Fraglich ist, ob er dadurch nicht den zuvor entwickelten Begriff zur Charakterisierung einer Form der Aufgabenerledigung mit Kategorien des Deliktsrechts vermengt. Grundsätzlich ist die Stellung eines selbständigen Unternehmers, der von der Behörde mit der Durchführung von Bauarbeiten oder der Lieferung sächlicher Verwaltungsmittel betraut wird, privatrechtlich zu beurteilen. Solche Unternehmer werden nicht in einer die Haftung der öffentlichen Hand aus § 839 BGB, Art. 34 GG auslösenden Weise tätig 3 7 7 . Problematisch
373 374 373 376 377
Graf Vitzthum, S.593. DStGB, S.41. Gem. RdErl. des Innen- u. Umweltministers, MinBl. NW 1989, S.86. BGH, NJW 1993, 1258 (1259). BGH, NJW 1971, 2220 (2221).
2. Teil: Die Abwasserbeseitigung
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ist die Abgrenzung des selbständigen vom unselbständigen Verwaltungshelfer, der Beamter im haftungsrechtlichen Sinne ist.
bb) Die Werkzeugtheorie der Rechtsprechung Die Rechtsprechung stellt bei der Beurteilung der Rechtsstellung privater Unternehmer, die der Staat zur Erfüllung seiner Aufgaben durch privatrechtlichen Vertrag heranzieht, insoweit darauf ab, ob die öffentliche Hand in so weitgehendem Maße auf die Durchführung der Arbeiten Einfluß genommen hat, daß sie die Tätigkeit des privaten Unternehmers wie eigene gegen sich gelten lassen und es so angesehen werden muß, als wenn der Unternehmer lediglich als Werkzeug der öffentlichen Behörde bei der Durchführung ihrer hoheitlichen Aufgaben tätig geworden wäre. Je stärker der hoheitliche Charakter der Aufgabe in den Vordergrund tritt, je enger die Verbindung zwischen der übertragenen Tätigkeit und der von der Behörde zu erfüllenden hoheitlichen Aufgabe und je begrenzter der Entscheidungsspielraum des Unternehmers ist, desto näher liegt es, ihn als Beamten im haftungsrechtlichen Sinn anzusehen. Danach kann sich die öffentliche Hand im Bereich der Eingrififsverwaltung der Amtshaftung für fehlerhaftes Verhalten ihrer Bediensteten grundsätzlich nicht dadurch entziehen, daß sie die Durchführung einer von ihr angeordneten Maßnahme durch privatrechtlichen Vertrag auf einen privaten Unternehmer überträgt. Dabei ist es unerheblich, in welcher Weise sie sich die Dienste des ausführenden Unternehmers verschafft 378 . Damit tritt an die Stelle der Funktion als Kriterium für die Bestimmung des „öffentlichen Amtes" die Ingerenz der öffentlichen Hand 379 . Hintergrund der Werkzeugtheorie ist es, den Anwendungsbereich der Amtshaftung, insbesondere des Tatbestandsmerkmals „Ausübung eines öffentlichen Amtes", einzugrenzen. Nach der Verfassungsnorm des Art. 34 S.l GG kommt es im Gegensatz zu § 839 Abs.l S.l BGB nicht auf den Rechtsstatus des Handelnden an, sondern ist allein die Funktionsausübung maßgeblich. Aufgrund dieses funktionellen Verständnisses setzt die Amtshaftung voraus, daß dem Bürger gegenüber öffentlich-rechtlich gehandelt wird 3 8 0 . Entscheidendes Kriterium ist also die Rechtsform staatlichen Verhaltens, nicht der Zweck 381 .
378 379 380 381
BGH, NJW 1993, 1258 (1259); BGH, NJW 1971, 2220 (2221). So kritisch Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S.20ff. Schoch, JURA 1988, S.586; Windthorst, S.793. Wolff/Bachof/Stober, Bd.l, § 22, Rn.61; Schoch, JURA 1988, S.587.
Β. Die Organisationsmöglichkeiten
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I.d.S. übt auch ein Privatunternehmer öffentlich-rechtliche Funktionen aus, wenn seine Tätigkeit nach Art und Bedeutung für eine Zuordnung zum öffentlichen Recht spricht. Das ist gegeben, wenn er in das Verwaltungshandeln der Behörde maßgeblich eingeschaltet und zur Mitwirkung bei der hoheitlichen Aufgabe derart berufen ist, daß er mit dieser auf das Engste zusammenhängt und geradezu einen Bestandteil der von der Verwaltungsbehörde ausgeübten hoheitlichen Tätigkeit bildet, ohne selbständig nach außen in Erscheinung zu treten 382 . Im Vordergrund steht also nach wie vor das öffentlich-rechtliche Handeln des Staates, dessen Rechtsform er durch die Einbeziehung selbständiger Privatunternehmer nicht austauschen will und, soweit es um die Eingriffsverwaltung geht, auch gar nicht gegen privatrechtliche Handlungsformen auswechseln darf. Die Delegation obrigkeitlicher Befugnisse ist nur im Wege der Beleihung möglich. Vor allem in bezug auf Eingriffe in die Rechtssphäre des Bürgers sichert die Werkzeugtheorie ab, daß sich der Staat seiner öffentlichrechtlichen (Amts-)Haftung nicht dadurch entzieht, daß er die Durchführung einer von ihm angeordneten Zwangsmaßnahme mittels privatrechtlichen Vertrages auf einen privaten Unternehmer überträgt 383 . Weil die Sammlung und Beseitigung des Abwassers im Gemeindegebiet eine öffentlich-rechtliche Aufgabe ist, soll die Gemeinde bei Fehlern beim Betrieb der Kanalisationsanlage nach den Grundsätzen der Amtshaftung haften 384 . Allerdings wird der geschädigte Eigentümer von den in den Bereich der hoheitlichen Verwaltung fallenden Maßnahmen nur als , f r i t t e r " i.S.d. § 839 BGB betroffen 383 . Zwar ist das Kriterium der Möglichkeit staatlicher Einflußnahme bzw. die Weisungsgebundenheit des Unternehmers beim Verwaltungshelfer regelmäßig erfüllt. Die Amtshaftung greift aber nur, wenn der Erfüllungsgehilfe im Einzelfall funktionell in die Ausübung eines öffentlichen Amtes eingeschaltet worden ist, d.h. bei obrigkeitlich-hoheitlicher Eingriffs- oder schlicht-hoheitlicher Leistungsverwaltung (z.B. im Rahmen eines satzungsrechtlich geregelten Benutzungsverhältnisses). Dagegen wird die Staatshaftung nicht eröffnet, wenn die Abwasserbeseitigung mit privatrechtlichen Mitteln unter Beteiligung eines Erfüllungsgehilfen durchgeführt wird 3 8 6 .
382 383 384 383 386
BGH, NJW 1971, 2220 (2221). BGH, NJW 1993, 1258 (1259). Honert/Rüttgers, § 53 LWG, Rn.l; OLG Köln, ZfW 1991, 259 (261). BGH, NJW 1977, 197 (198). Windthorst, S.794f.
2. Teil: Die Abwasserbeseitigung
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h) Praxismodelle der Einschaltung Privater
in die Abwasserbeseitigung
Es haben sich zwei Grundmodelle herauskristallisiert, wie in der Abwasserbeseitigung Privatunternehmer beteiligt werden 387 : - Betriebsführungs- und - Betreibermodell. Bei vielen Verwaltungsaufgaben können die Phasen „Planen", „Erstellen", „Finanzieren" und „Betreiben" unterschieden werden. Die vollständige öffentliche oder private Wahrnehmung markiert nur den Rahmen, innerhalb dessen zahlreiche Kombinationsmöglichkeiten bestehen. Eine Teilprivatisierung ist deshalb häufig die sachgerechteste Lösung 388 . Den Einstieg bildet die Übertragung der Finanzierung auf Private, sei es in der Planungs- und Investitionsphase in Gestalt einer Projektentwicklungsgesellschaft, sei es langfristig durch eine Objektgesellschaft. Ersterenfalls übernimmt die Gemeinde das Projekt nach Fertigstellung; im zweiten Fall zahlt sie Entgelte für die gesamte Nutzungszeit 389 . Auch beim Betriebsführungs- oder Betreibermodell geht es nicht um die Einbeziehung eines Dritten in bezug auf die gesamte Einrichtung der Abwasserbeseitigung, sondern nur um die Hilfe hinsichtlich einzelner Teile, und zwar hauptsächlich der Abwasserbehandlung durch den Betrieb einer Kläranlage 390 . Da die Abwasserbeseitigung als ganzes in aller Regel defizitär arbeitet, scheitert ein weitergehendes privates Engagement häufig schon mangels Ertragsaussichten 391 . Ein besonderes Problem bildet im Hinblick auf das Sammeln und Fortleiten von Abwasser die Ökonomisierung der kommunalen Leitungsnetze. Deren Verkauf an ein Privatunternehmen brächte den leeren öffentlichen Kassen zwar kurzfristig erhebliche Einnahmen, so daß es nicht verwundert, wenn in den Gemeinden darüber nachgedacht wird. Neben der tatsächlichen Schwierigkeit, einen geeigneten Käufer zu finden, ist die Veräußerung gemeindlicher Abwasserentsorgungsleitungen aber rechtskonstruktiv schwer zu bewältigen. Die beiden Hauptschwierigkeiten werden nachfolgend kurz skizziert. 387
Zu weiteren Varianten und Kombinationen vgl. BMU, Erfahrungsbericht, S.38f; zur funktionalen Privatisierung der Abfallentsorgung s. St ober, in: Tettinger, PublicPrivate-Partnerships, S.36f, und Tettinger, DÖV 1996, S.765f. 388 Schoch, DVB1.1994, S.974; vgl. zu den Möglichkeiten einer Teilausgliederung BMU, Erfahrungsbericht, S.40f. 389 Vgl. BMU, Leitfaden, S.35; s.i.ü. DStGB, S.47ff, u. Grawert, S.179f, zur Finanzierung kommunaler Investitionsprojekte durch kommunale Immobilienfonds, Immobilien-Leasing sowie über Factoring. 390 Dierkes, S.270; s.z.B. Lux/Wambach, Finanzierung der Kläranlage Halle an der Saale, Der Landkreis 1996, S.519ff. 391 So Wais, S.188.
Β. Die Organisationsmöglichkeiten
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Anzumerken ist, daß die genannten Kooperationsformen natürlich auch mit Unternehmen verwirklicht werden können, die der Gemeinde gehören oder an denen sie beteiligt ist. Die unmittelbaren faktischen Einflußnahmemöglichkeiten bestehen dann neben den vertraglich festzuschreibenden 392.
aa) Die Betriebsführung Hierbei handelt es sich um ein förmliches Mandat: Die Gemeinde bleibt als Betriebsinhaberin Eigentümerin der Abwasseranlagen; der Dritte wird nur zur weisungsgebundenen Führung des Betriebs im Namen der Gemeinde und für ihre Rechnung vertraglich gegen Entgelt beauftragt. Im Außenverhältnis tritt der Drittunternehmer als bevollmächtigter Vertreter der Gemeinde auf, so daß sich keine selbständige Rechtsbeziehung zwischen dem Betriebsführer und dem Anschlußnehmer ergibt 393 .
(1) Die A usgestaltung Zur Verwirklichung dieses Kooperationskonzepts wird in der Praxis häufig eine Eigentumsgesellschaft durch die Gemeinde und den privaten Entsorger gegründet, die ihrerseits die Betriebsführung auf den privaten Unternehmer delegiert 394 . Der Sinn der Zwischenschaltung einer Beteiligungsgesellschaft (oder eines Eigenbetriebs) liegt darin, daß die Gemeinde die Kontrolle über ihr Eigentum behält und nur so Transparenz in die Einnahmen- und Ausgabenrechnung kommt 3 9 3 . Im einzelnen sind dann ggf. ein Vorvertrag (Verpflichtungserklärung), der Gesellschaftsvertrag zur Bildung einer Eigentums-/Besitzgesellschaft, der Entsorgungsvertrag zwischen dieser Gesellschaft und der Gemeinde sowie ein Pachtvertrag und Betriebsführungs-/Bewirtschaftungsvertrag zwischen der Beteiligungsgesellschaft und dem Betriebsführer zu schließen 396 . Die unmittelbare Steuerung und Kontrolle eines Privaten durch die
392
Dedy, S.249. Schoch, DVB1.1994, S. 11; Gern, Rn.767; Dedy, S.250; Haverkämper, S.226. 394 So das Kooperationsmodell, das sowohl auf die Betriebsführung als auch auf das weiterreichende Betreibermodell ausgerichtet werden kann, vgl. RdErl. des Ministeriums des Innern, MinBl. für das Land Sachsen-Anhalt 1994, S.1077. 393 Zum Kooperationsmodell s. schon o. 2.Teil. Β. ΙΠ. 2. e) aa). 396 Anlage zu Kommunalnachrichten Sachsen-Anhalt Nr. 166/1993. 393
2. Teil: Die Abwasserbeseitigg
1
diesbezüglich verpflichteten kommunalen Gremien ist im Einzelfall eine Frage der vertraglichen Vereinbarungen 597 .
(2) Haushalts- und Steuerrecht Wenn auch grundsätzlich das Anlagenvermögen bei der Gemeinde bleibt, so hängen die Auswirkungen auf den Gemeindehaushalt sehr stark vom Umfang der Herauslösung des Betriebs der Abwasserbeseitigung aus der Gemeindeverwaltung ab. Die Leistungsbeziehung zwischen Gemeinde und Betriebsführer ergibt Einnahmen und Ausgaben im Verwaltungshaushalt mit der Folge, daß Überdeckungen in den Vermögenshaushalt gelangen und daher dem haushaltsrechtlichen Prinzip der Gesamtdeckung unterliegen 598 . Selbstverständlich unterliegt eine Kapitalgesellschaft der Besteuerung nach Substanz und Ertrag. Ersteres betrifft die Vermögen- und Gewerbekapitalsteuer. Zu beachten ist allerdings, daß dann, wenn das Anlagenvermögen bei der Gemeinde verbleibt, die zu versteuernde Substanz des privaten Betriebsführers klein ist. Körperschaft- und Gewerbeertragsteuer knüpfen an den Gewinn nach Handelsbilanz bzw. das zu versteuernde Einkommen an. Hinzu kommt die Umsatzsteuer auf die Leistungsströme, denn die unternehmerische Betriebsführung für die Gemeinde ist sonstige Leistung, die mit 15 % MwSt. dauerhaft belastet wird 5 9 9 . Diese Steuerbelastung schlägt sich in den von der Gemeinde an den Betriebsführer zu zahlenden Entgelten nieder. Auf der anderen Seite eröffnet die Umsatzsteuerbarkeit der Leistungen für den Betriebsführer gemäß § 15 UStG die Möglichkeit des Vorsteuerabzugs, was sich insbesondere günstig auf die Investitionskosten auswirkt. Darüber hinaus ergibt sich infolge des Gewerbebetriebs eine Mehreinnahme im kommunalen Steuerhaushalt 600.
(3) Das Wasserrecht Da die Abwasserbeseitigungsanlagen im Eigentum der Gemeinde sind bzw. verbleiben und der private Unternehmer nur Dienstleistender ist, kann die Kommune die Sachgewalt ausüben und auf Betriebsführung, Wartung etc. unmittelbar Einfluß nehmen. Obwohl der Erfüllungsgehilfe dann die Anlagen betreibt, erfüllt er die Pflichtaufgabe der Kommune erst in zweiter Linie. Die 597 598 599 600
Dedy, Dedy, Dedy, Dedy,
S.250. S.250. S.250. S.251.
Β. Die Organisationsmöglichkeiten
17
abwasserbeseitigungspflichtige Gemeinde bleibt Unternehmer i.S.d. Wasserrechts, so daß ihr die Einleitererlaubnis erteilt werden kann 6 0 1 .
(4) Wasser- und strafrechtliche
Verantwortung
Das wasserrechtliche Hauptrisiko liegt in Organisationsfehlern. Wegen ihrer Weisungsbefugnisse bleiben die Bediensteten der Kommune aber auch strafrechtlich verantwortlich 602 . Sie haben wegen der besonderen Nähe zu dem in § 324 StGB geschützten Rechtsgut eine Garantenstellung als Beschützergaranten inne 6 0 3 .
bb) Das Betreibermodell Dem Betreibermodell 604 liegt die Idee zugrunde, Planung, Finanzierung, Bau, Ausrüstung und Betrieb unter Einschaltung privaten Kapitals zu optimieren 6 0 3 . Diese Form der Verknüpfung von öffentlicher Hand und Privatwirtschaft hat in Niedersachsen ihren Ursprung und wird dort versuchsweise seit Mitte der achtziger Jahre auf der Grundlage des entsprechend geänderten niedersächsischen Wassergesetzes praktiziert. Zwischen 1984 und 1988 gab es in sieben niedersächsischen Gemeinden zwischen 7.000 und 24.000 Einwohnern ein jeweils auf die Errichtung einer neuen Kläranlage ausgelegtes Betreibermodell, das bei Investitionskosten pro Anlage bis zu 20 Mio. D M Einsparungen von 13,6 bis 30 % auf die Laufzeit der Kläranlagen erbracht haben soll 6 0 6 . Unbestritten entlastet das Betreibermodell die Kommune von etlichen Einzelaufgaben, für die ihr unter Umständen sogar die Sachkunde fehlen kann,
601 ATV-Fachausschuß 4.2, KA 1995, S.449 (451). 602
Dedy, S.251. Kamphausen u.a., S.218. 604 Vgl. hierzu ausführlich Wenzel, Dieter, Entscheidungskriterien zum Bau und Betrieb von Abwasserbeseitigungsanlagen (Kläranlagen, Kanalnetze) durch private Dritte im Betreibermodell, in: Verband kommunaler Unternehmen e.V. (Hrsg.), Beiträge zur kommunalen Versorgungswirtschaft, Heft 78, Köln 1992; Niedersächsisches Ministerium für Wirtschaft, Technologie und Verkehr (Hrsg.), Privatisierung kommunaler Kläranlagen, 3.Aufl. Hannover 1991; DStGB, S.42fif, stellt die Vor- und Nachteile gegenüber. 603 BMU, Erfahrungsbericht, S.28f; BMWi, Leitfaden, S.21, für die Abfallentsorgung. 606 Rahmann, S.202; Kamphausen u.a., S.216. 603
12
2. Teil: Die Abwasserbeseitigung
und verlagert das Investitions-, Finanzierungs- und Betriebsrisiko 607 . Nicht zuletzt deshalb wurde im Rahmen des Förderprojekts ,,Privatwirtschaftliche Abwasserreinigung in den neuen Bundesländern" des Bundesumweltministeriums in jedem der fünf Bundesländer mindestens eine Kommune bzw. ein Abwasserzweckverband ausgewählt und bei der Umsetzung eines Betreiber- oder Kooperationsmodells unterstützt 608 . Im Betreibermodell übernimmt der durch öffentliche Ausschreibung ermittelte private Betreiber Finanzierung, Bau und Betrieb der Abwasseranlagen auf von der Gemeinde zur Verfügung gestellten Grundstücken mit eigenem Personal. Die Kommune bestellt zugunsten des Betreibers an den betroffenen Grundstücken ein Erbbaurecht, wenn der Betreiber nicht selbst das Eigentum erwirbt 609 . Das Kanalisationsnetz ist bisher nicht aus dem gemeindlichen Eigentum entlassen worden 610 . Die Gemeinde erhebt die Abwassergebühren und Anschlußbeiträge, so daß auch hier die unmittelbare Beziehung GemeindeAnschlußnehmer nicht beeinträchtigt wird 6 1 1 . Der private Betreiber kann auch bestehende Anlagen (durch Erbpacht oder Kauf) übernehmen und betreibt diese langfristig, d.h. mindestens 20-30 Jahre. Der Dritte ist der Gemeinde für die Erfüllung der übernommenen Aufgaben gegen ein privatrechtliches Entgelt voll verantwortlich, ohne im Verhältnis zu den Bürgern selbst in Erscheinung zu treten. Das öffentlich-rechtliche Verhältnis zwischen Bürger und Körperschaft, das durch die Abwasserbeseitigungs- und Gebührensatzung gleichermaßen begründet worden ist, bleibt unverändert 612 . Die Betreiberfunktionen müssen nicht von einem Betreiber allein ausgeübt, sondern können auf eine Besitz- und eine Betriebsgesellschaft aufgeteilt werden, an der sich die Gemeinde beteiligen kann 6 1 3 .
607
BMU, Leitfaden, S.12. Vgl. BMU, Erfahrungsbericht, S.65ff. 609 RdErl. des Ministeriums des Innern, MinBl. für das Land Sachsen-Anhalt 1994, S.1074. 610 Zu den Gründen s.u. 2.Teil. Β. ΠΙ. 3. h) cc). 611 Krölls, S.131; Gern, Rn.767; Dedy, S.250. 612 Kamphausen u.a., S.216f; Schoch, DVB1.1994, S.10; Bay. Staatsministerium des Innern, Ziff.4.2 des Hinweises, Bay.A11MB1.1992, S.57; BMU Leitfaden, S.12. 613 Bay. Staatsministerium des Innern, Ziff.4.2 des Hinweises, Bay.A11MB1.1992, S.57; ebenso RdErl. des Ministeriums des Innern, MinBl. für das Land Sachsen-Anhalt 1994, S.1074. 608
Β. Die Organisationsmöglichkeiten
17
(1) Die Zulässigkeit Es gibt Überlegungen, dieses Modell auch in Nordrhein-Westfalen gesetzlich zuzulassen614. Dabei fragt sich, ob es dort überhaupt unzulässig ist. Daß der Freiraum für Kooperationen fehlt, soll aus der im Vergleich zu § 149 NdsWG starren Pflichtenzuweisung des § 53 LWG NW folgen 613 . Allein die Tatsache, daß in § 149 Abs.6 NdsWG eine Regelung enthalten ist, derzufolge sich die Kommunen zur Erfüllung ihrer Pflicht eines privaten Unternehmens bedienen können, trägt diesen Schluß allerdings nicht, da eine solche Gesetzesbestimmung wegen ihres deklaratorischen Charakters entbehrlich ist 6 1 6 . Ein weiteres Argument rekurriert auf die überragende Bedeutung des Umweltschutzes, die eine grundsätzliche Monopolisierung der Abwasserbeseitigung beim Staat und damit eine spezifisch hoheitliche Aufgabenerfüllung verlange. Jede Durchbrechung dieses Monopols zugunsten eines Dritten bedürfe einer gesetzlichen Regelung 617 . Dieser Begründung steht entgegen, daß es sich bei der Einführung des Betreibermodells um eine bloße Organisationsmaßnahme handelt, weil die Gemeinde neben ihrem fortbestehenden Anlageneigentum weiterhin Abwassergebühren und Anschlußbeiträge erhebt sowie die Benutzungsbedingungen festlegt, mithin das Betreibermodell im Außenverhältnis der Kommune zu den Anschlußnehmern keine unmittelbaren Wirkungen zeitigt 618 . Als selbständiger Unternehmer bietet der Betreiber seine Dienstleistungen gegen ein privatrechtliches Entgelt einem Hoheitsträger an, der dafür abwasser- und gebührenrechtlich einzustehen hat; es findet keine Aufgabenübertragung i.S.e. materiellen Privatisierung statt, sondern nur die Einschaltung eines Erfüllungsgehilfen, die auch in Nordrhein-Westfalen keiner besonderen Ermächtigungsgrundlage bedarf 619 .
614
So etwa Kamphausen u.a., S.216. Daß das Betreibermodell in Sachsen zulässig ist, unterstellt Venzmer, S.34, wenn er für die kommunalaufsichtliche Prüfung eine Vergleichbarkeitsberechnung zu anderen Organisationsformen fordert. 613 So Honert/Rüttgers, § 53 LWG NW, Anm. 13; Ottmann, S.585. 616 Kamphausen u.a., S.216; ebenso zu Art.41b BayWG: Bay. Staatsministerium des Innern, Ziff.4.3.1 des Hinweises, Bay.A11MB1.1992, S.58. 617 So Peine, S.150 (155); ansatzweise Breuer, in: Schmidt-Aßmann (Hrsg.), 5.Abschn., Rn.lllff. 618 Dedy, S.250; RdErl. des Ministeriums des Innern, MinBl. für das Land SachsenAnhalt 1994, S.1074. 619 Rahmann, S.202, bezeichnet den Betreiber folgerichtig als „privaten Erfüllungsgehilfen"; ebenso Kamphausen u.a., S.217; Schoch, DVB1.1994, S.10; Cronauge, Kommunale Unternehmen, Rn.669; DStGB, S.42.
2. Teil: Die Abwasserbeseitigung
1
Das Betreibermodell trennt lediglich Verwaltungs- und Unternehmensverantwortung. Die Kommune bleibt Träger der Abwasserbeseitigungspflicht gegenüber Nutzungsberechtigten und Aufsichtsbehörden; sie hat für Ausfalle einzustehen und verzichtet nicht auf die Kompetenz, sondern nur auf den Einsatz eigener personeller und sächlicher Betriebsmittel. Allein diese technische Durchführung der Abwasserbeseitigung wird - vorübergehend - delegiert 620 . Die gemeindliche Pflicht zur Abwasserbeseitigung bedeutet nicht, daß die Aufgabenverrichtung mit eigenen Organisationsmitteln erfolgen muß, soweit die Aufgabenverantwortung gewahrt bleibt und nicht die Ausübung hoheitlicher Befugnisse in Rede steht 621 . Der Grad der rechtlichen Verselbständigung ist bei der Einschaltung privater Betreiber im Vergleich zur formalen Privatisierung geringer, da hier nach wie vor ausschließlich die Gemeinde als Körperschaft des öffentlichen Rechts den Einwohnern gegenübertritt und nicht ein selbständiges Privatrechtssubjekt. Da aber schon eine Organisationsprivatisierung allein aufgrund der gemeindlichen Organisationshoheit zulässig ist, muß das erst recht für das Betreibermodell gelten 622 .
(2) Die Ausgestaltung Die Umsetzung des Betreiberkonzepts erfordert eine Vielzahl von Verträgen zwischen Kommune und Betreiber 623 : Vorvertrag, Betreibervertrag 624 , Vertrag über die Grundstücksüberlassung für Kläranlagen u.ä., Schiedsvertrag, Vertrag über einen Beirat, Gestattungsvertrag über das Einlegen von Leitungen in gemeindeeigene Grundstücke, ggf. Vertrag über Personalgestellung. Der Betreibervertrag ist ein zivilrechtlicher Werk- und/oder Dienstvertrag i.S.d. BGB 6 2 3 . Um tatsächlich die ständig unberührt bestehende öffentlichrechtliche Zuständigkeit der Gemeinde zu wahren, ist diese vor allem für den Fall des Scheiterns des Betriebs eines Dritten so zu stellen, als wenn sie von
620
Grawert, S. 178f; Bodanowitz, S.40. RdErl. des Ministeriums des Innern, MinBl. für das Land Sachsen-Anhalt 1994, S.1075. 622 Bodanowitz, S.66f. 623 S. die Auflistung der wichtigsten Regelungspunkte bei Kummer/Giesberts, S.1171f. 624 Vgl. das sehr detaillierte Muster eines Betreibervertrags, das von einer interministeriellen Arbeitsgruppe in Sachsen-Anhalt erarbeitet worden ist, MinBl. für das Land Sachsen-Anhalt 1994, S.1077ff. 623 Kamphausen u.a., S.216; vgl.i.e. Bodanowitz, S.47f. 621
Β. Die Organisationsmöglichkeiten
17
Anfang an die Abwasserbeseitigung in Eigenregie betrieben hätte. Dem dient die Vereinbarung eines fristlosen Kündigungsrechts zugunsten der Gemeinde für Fälle der Schlecht- oder Nichterfüllung sowie der Zahlungsunfähigkeit bzw. des Konkurses und der Betriebsaufgabe des Betreibers. Zugleich ist für die damit verbundene Vertragsbeendigung ein sog. „Heimfallrecht" zu vereinbaren und dinglich zu sichern, wonach die Anlage gegen Wertersatz in das Eigentum der Kommune gelangt 626 . Dem Erfordernis der Einwirkungspflicht soll die Vereinbarung gemeindlicher Kontroll- und Überwachungsbefugnisse sowie die Sanktionierung für Fälle der Nichtbeachtung vereinbarter Anforderungen dienen. In gleicher Weise soll einer Monopolstellung des Betreibers, die zu einer Übervorteilung der öffentlich-rechtlichen Körperschaft führen könnte, begegnet werden 627 . § 9 des Betreibervertragsmusters 628 sieht die Schaffung eines Beirates „zur Erörterung und Klärung von Fragen und Problemen, die sich aus der Durchführung des Vertrages ergeben," vor, der paritätisch von Vertretern der Kommune und des Betreibers besetzt und durch einen neutralen Sachverständigen ergänzt wird. Schließlich bedarf es im Betreibervertrag einer Regelung bzgl. der Abrechnungsmethode für die Erbringung von Entsorgungsleistungen; darüber hinaus ist die Erteilung einer wasserrechtlichen Einleitererlaubnis für den Betrieb der Abwasseranlage aufzunehmen, weil sie die öffentlich-rechtliche Voraussetzung der Betreibertätigkeit bildet 6 2 9 . Infolge ihrer unveränderten Entsorgungszuständigkeit haftet die Gemeinde dem Bürger für Schäden, die von der Abwasserbeseitigungsanlage ausgehen. Ein Rückgriff auf den Betreiber ist aber regelmäßig nur realisierbar, wenn dieser gegen das eingetretene Risiko versichert ist. Eine Verpflichtung des Betreibers zum Abschluß einer entsprechenden Haftpflichtversicherung ist daher in den Betreibervertrag aufzunehmen 630 .
(3) Haushalts- und Steuerrecht Durch den Wegfall der Eigenfinanzierung wird eine Neuverschuldung der Gemeinde vermieden. Der angesprochene Verkauf einer vorhandenen Altanlage bedingt unter Umständen eine erhebliche Entschuldung der Gemeinde. Allerdings zahlt die Kommune den Verkaufserlös wieder an den Betreiber zu-
626 ATV-Fachausschuß 4.2, KA 1995, S.449 (451); Kamphausen u.a., S.217; s. § 14 des Betreibervertragsmusters, MinBl. für das Land Sachsen-Anhalt 1994, S.1083. 627 Schoch, DVB1.1994, S.10; Kamphausen u.a., S.217. 628 MinBl. für das Land Sachsen-Anhalt 1994, S.1080f. 629 Rahmann, S.202. 630 Rahmann, S.202.
2. Teil: Die Abwasserbeseitigung
1
rück, weil dieser den Kaufpreis in sein Entgelt einbezieht 631 . Der private Betreiber kann die Vorteile der degressiven Abschreibung gemäß § 7d EStG für Investitionen im Umweltbereich nutzen 632 . Der Betreiber unterliegt der Gewerbe- und Vermögensteuer. Sofern er in Gestalt einer Kapitalgesellschaft auftritt, ist er gemäß §§ 1 Abs.l N r . l KStG zudem körperschaftsteuerpflichtig. Handelt es sich um eine Personengesellschaft, werden die Gewinne den Gesellschaftern zugerechnet und bei diesen einkommen- oder körperschaftsteuerlich erfaßt 633 . Als Unternehmer nach § 2 Abs.l UStG ist der Betreiber gemäß § 15 UStG zum Abzug von Vorsteuerbeträgen berechtigt. Wenn die Anlagen im Eigentum des Betreibers (ent-)stehen und er hernach vorsteuerabzugsberechtigt ist, kommt er in der Bauphase mit einer verminderten Kreditaufnahme und später mit entsprechend geringerer Zins- und Tilgungsbelastung aus. Demzufolge verstärkt die Vorsteuerabzugsberechtigung die Liquidität des Betreibers in der Bauzeit, in der noch keine Umsätze erzielt werden, weil ihm das Finanzamt die für die Investitionen angefallene Umsatzsteuer erstattet 634 . Dieser (umsatzsteuerliche) Vorteil geht jedoch in der Betriebsphase regelmäßig wieder verloren. Das von der Gemeinde an den Betreiber zu zahlende Entgelt, in dem Betriebs- und Kapitalkosten sowie ein Gewinnaufschlag enthalten sind, wird mit Umsatzsteuer belastet. Zu den Betriebskosten gehören ebenfalls diejenigen Kosten, die nicht der Umsatzsteuer unterliegen, wie vor allem Personalkosten, Versicherungen und ertragsunabhängige Betriebssteuern. Da die Kommune, welche das Betreiberentgelt bezahlen muß, nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, ergibt sich durch den Umsatzsteueranteil des Entgelts eine Belastung, die den Vorteil des Vorsteuerabzugs des Betreibers übersteigt 633 . Auch staatliche Zuwendungen, welche die Gemeinde an den Betreiber weiterleitet, unterliegen als vorweggenommenes Entgelt der Kommune unabhängig von ihrer Bezeichnung der Umsatzsteuer 636.
631
Bay. Staatsministerium des Innern, Ziff. 4.6.2 des Hinweises, Bay.A11MB1.1992,
S.60. 632
Kamphausen u.a., S.218. Bodanowitz, S.125. 634 Bay. Staatsministerium des Innern, ZifF.4.5.1.1 des Hinweises, Bay.AllMBl. 1992, S.59; Rahmann, S.202. 633 So Bodanowitz, S.122ff; Bay. Staatsministerium des Innern, Ziff.4.5.1.1 des Hinweises, Bay.AllMBl. 1992, 59; stärker auf die Umstände des Einzelfalls rekurrierend RdErl. des Ministeriums des Innern, MinBl. für das Land Sachsen-Anhalt 1994, S.1076. 636 Bay. Staatsministerium des Innern, Ziff.4.5.1.2 des Hinweises, Bay.AllMBl. 1992, S.59. 633
Β. Die Organisationsmöglichkeiten
17
Der eingeschaltete Unternehmer erbringt seine steuerlich relevanten Leistungen an den Hoheitsträger, auch wenn er das Entgelt für seine Tätigkeit (z.B. Abwassergebühren für die Entsorgung der Haushalte) unter Abkürzung des Zahlungswegs unmittelbar von den Bürgern erhält. Der Hoheitsträger führt nach wie vor nicht steuerpflichtige Leistungen an die Bürger aus. Ein Leistungsaustausch zwischen Betreiber und Benutzer findet nicht statt. Vielmehr ist die gewerbliche Tätigkeit des privaten Betreibers klar von der hoheitlichen Betätigung der Gemeinde zu unterscheiden 637.
(4) Das Wasserrecht Das Eigentum an den Anlagen befindet sich in privater Hand, und zwar unabhängig davon, ob und zu welchen Anteilen die öffentliche Hand an den Gesellschaften beteiligt ist. Demgemäß besitzt die Gesellschaft als Eigentümer, Betreiber und Investor die Sachherrschaft über die Abwasserbeseitigungsanlagen mit der Folge, daß sie Unternehmer i.S.d. Wasserrechts ist und damit Inhaber der Erlaubnis zur Gewässerbenutzung werden könnte. Verknüpft man die Einleitererlaubnis mit der Abwasserbeseitigungspflicht, so kommt eine Erlaubniserteilung an die Betreibergesellschaft aber nur in Betracht, wenn die wasserrechtlichen Voraussetzungen für die Übertragung der Abwasserbeseitigungspflicht erfüllt sind 6 3 8 . Liegen entsprechende Ausnahmetatbestände nicht vor, sondern bleibt die Gemeinde abwasserbeseitigungspflichtig, so ist sie Adressat für Genehmigungen und Erlaubnisse der Fach- und Aufsichtsbehörde 639. Folgerichtig bestimmt § 1 Ziff. 1 des Betreibervertragsmusters 640 lapidar: „Die Kommune bleibt Einleger im Sinne des ... der vom Betreiber gereinigten Abwässer." Dann muß sie durch entsprechende vertragliche Gestaltung ihren Einfluß auf den Betreiber sichern, damit sie ebenfalls als wasserrechtliche Unternehmerin anzusehen ist 6 4 1 . In den Verträgen muß der Kommune das Recht eingeräumt sein, Bau und Betrieb der Anlagen in bezug auf Qualität, Dimensionierung und Technik entscheidend beeinflussen und die Einhaltung der wasserrechtlichen Einleitererlaubnis überprüfen zu können 642 . Zu diesen vertragli-
637
Rahmann, S.203. So der ATV-Fachausschuß 4.2, KA 1995, S.449 (451). 639 BMU, Leitfaden, S.17. 640 MinBl. für das Land Sachsen-Anhalt 1994, S.1077. 641 Cronauge, Kommunale Unternehmen, Rn.669; ATV-Fachausschuß 4.2, KA 1995, S.449 (451). 642 Bodanowitz, S.35f; Rahmann, S.202. 638
12 Brüning
18
2. Teil: Die Abwasserbeseitigg
chen Kontroll- und Aufsichtsrechten muß ein Weisungsrecht gegenüber der Besitz- und letztlich auch der Betreibergesellschaft kommen, das auf der Anlage eingesetzte Personal selbst auszuwählen und auf der Kläranlage einzusetzen 643 .
(5) Wasser- und strafrechtliche
Verantwortung
Die Gemeinde ist auch bei Beauftragung eines privaten Betreibers für die Einhaltung der allgemeinen Regeln der Technik bzw. der Abwasserherkunftsverordnung wasserrechtlich verantwortlich 644 . Die Aufsichts- und Kontrollrechte der Kommune dienen dazu, die Vertragstreue des Betreibers während der Betriebsphase zu überprüfen. Sie reichen nicht so weit, daß die Gemeinde selbst den Anlagenbetrieb tatsächlich beherrscht. Inhaber der Anlage ist der Betreiber, so daß er das Risiko der Inanspruchnahme nach § 22 Abs. 1 u. 2 WHG trägt 643 . Durch die Anwendung des Betreibermodells verlieren die Gemeinden bis auf ihre Kontrollrechte die tatsächliche Ausführung. Mit deren Übernahme begründet der private Betreiber seine Tatherrschaft; d.h., wenn der Betreibervertrag abgeschlossen und der Betrieb der Abwasserbeseitigung tatsächlich übernommen worden ist, wird der private Dritte selbst Garant und übernimmt von den Kommunalbediensteten die strafrechtliche Verantwortung in weiten Teilen. Über die Verletzung ihrer Kontrollpflichten können aber auch die Beschäftigten der Kommune weiterhin die Tatbestände der §§ 324, 326, 329 Abs.2, 330a StGB erfüllen 646 . Da indes der größte Teil der Strafverfahren aus einer Verletzung von Einleitererlaubnissen für Kläranlagen resultiert und diesbezüglich der Betreiber eigene Verantwortung übernimmt, erfahren die Kommunen eine deutliche strafrechtliche Entlastung 647 .
cc) Privatisierung kommunaler Leitungsnetze Mit der Beteiligung von Privatunternehmen z.B. an der Abwasserbeseitigung rücken auch die zivilrechtlichen Eigentumsverhältnisse an den (vorhandenen) Entsorgungsleitungen in den Blick. Sie sind regelmäßig in öffentlichen 643 644 643 646 647
Gem. RdErl. des Innen- u Umweltministers, MinBl. NW 1989, S.86. Rahmann, S.202. Gieseke u.a., § 22 WHG, Rn.51; Bodanowitz, S.139; Kummer/Giesberts, Kummer/Giesberts, S.1172; Kamphausen u.a., S.218f. Kamphausen u.a., S.219.
S.1172.
Β. Die Organisationsmöglichkeiten
179
Straßen und Wegen verlegt und stehen im Eigentum der Kommune, bilden dort allerdings einen brachliegenden Vermögenswert, der erst durch einen Verkauf realisiert werden kann. Zwar bedarf die Realisierung eines Betriebsführungs- oder Betreibermodells ebensowenig der Übertragung des Leitungseigentums auf das privatrechtlich verfaßte Unternehmen wie die Aufgabenerfüllung durch eine formal privatisierte städtische Eigengesellschaft. Eine solche Veräußerung von Grundstücksbestandteilen ist aber unter Umständen wirtschaftlich zweckmäßig. Sie ist rechtlich unter dem Gesichtspunkt des zivilrechtlichen Sachenrechts zu beurteilen und stößt sodann auf das im öffentlichen Recht angesiedelte Problem, daß die Kanäle durch Beiträge und Gebühren der Anschlußnehmer finanziert worden sind, so daß diese unter Umständen am Verkaufserlös beteiligt werden müssen. Kommunalrechtlich verstößt die Veräußerung oder Überlassung bestehender Anlagen dann nicht gegen § 90 GO NW, wenn zugleich mit dem Erwerber ein Entsorgungsvertrag geschlossen und die Konditionen für den Rückkauf der Vermögensgegenstände bei Vertragsablauf geregelt werden. Denn während der Laufzeit des Betreiber- und/oder Betriebsführungsvertrags benötigt die Gemeinde die Anlagen nicht zur Erfüllung ihrer Aufgaben.
(1) Zivilrechtliche
Determinanten
Um für den die Investitionen vornehmenden privaten Dienstleister Eigentum an Leitungen begründen oder ihm das Eigentum an vorhandenen Kanälen übertragen zu können, ist es erforderlich, Leitungseigentum und Eigentum der Gemeinden an den örtlichen Straßen, Wegen und Plätzen zu trennen. Dabei kann § 93 BGB Schwierigkeiten aufwerfen, da die dort definierten wesentlichen Bestandteile nicht Gegenstand besonderer Rechte sein können. So wird das Wasserrohrleitungssystem der Gemeinde in eigenen Straßen und Grundstücken seit einer Entscheidung des RG geradezu als Paradebeispiel für einen wesentlichen Bestandteil aufgeführt, der rechtlich immer das Schicksal der Hauptsache teile 6 4 8 . Ein gesondertes Leitungseigentum kann nur unter den Voraussetzungen des die §§ 93, 94 BGB einschränkenden § 95 BGB entstehen, bei dessen Vorliegen die Leitungen weder einfache noch wesentliche Bestandteile, sondern bloße Scheinbestandteile sind. Daneben ist § 97 BGB zu beachten, der die Zubehöreigenschaft betrifft.
648
12*
RGZ, 168, 288 (290).
2. Teil: Die Abwasserbeseitigung
18
(a) Die Sonderrechtsfähigkeit von Leitungen Die Eigentumsverhältnisse an Leitungsrohren beurteilen sich bei Einsenkung in fremde Grundstücke nach § 95 Abs. 1 BGB 6 4 9 . Scheinbestandteile gemäß § 95 BGB wirken äußerlich als wesentlicher Bestandteil; jedoch wird dem Interesse des Bestandteilseigentümers gegenüber dem des Grundeigentümers der Vorzug gegeben. Die rechtliche Selbständigkeit der Scheinbestandteile besteht unabhängig davon, wie fest sie mit Grund und Boden verbunden sind 6 3 0 . Gemäß § 95 Abs.l S.l BGB gehören zu den Bestandteilen eines Grundstücks nicht solche Sachen, „die nur zu einem vorübergehenden Zweck mit dem Grund und Boden verbunden sind". Nach § 95 Abs.l S.2 BGB gilt gleiches von einem „Werke, das in Ausübung eines Rechtes an einem Grundstück von dem Berechtigten mit dem Grundstück verbunden worden ist". Nach der Rechtsprechung des BGH ist die Sonderrechtsfähigkeit von Versorgungs- und Entsorgungsleitungen, die durch oder über fremde Grundstücke geführt werden, im Ergebnis regelmäßig gegeben, weil sie nicht aufgrund fester Verbindung mit dem Boden zum Eigentum des Grundstückseigentümers werden sollen. Sie seien vielmehr als Zubehör des Werkgrundstücks des Wasser· bzw. Klärwerks i.S.d. § 97 Abs.l BGB anzusehen. Daß die Leitungen bewegliche Sachen und mithin sonderrechtsfähig blieben, entspreche der allgemeinen Verkehrsauflfassung und stehe grundsätzlich im Einklang mit den wirtschaftlichen Gegebenheiten631. Wären die Leitungen hingegen wesentliche Bestandteile der verschiedenen fremden Grundstücke, so bestünde an ihnen kein einheitliches Eigentum; sie gehörten dann vielmehr, streckenweise unterteilt, einer Vielzahl von Personen, was den Bedürfnissen des Rechtsverkehrs zuwiderliefe 632 . Die Eigentumsübertragung der in fremden Grundstücke verlegten Abwasserleitungen der Kommune ist also möglich, da sie i.a.R. nicht wesentliche Bestandteile des Grundstücks geworden, sondern sonderrechtsfahig geblieben sind. Ist dagegen keiner der Ausnahmetatbestände des § 95 Abs. 1 BGB erfüllt, wird die Leitung mit der Verbindung wesentlicher Bestandteil des Grundstücks gemäß §§ 946, 93flfBGB. Das soll insbesondere der Fall sein, wenn eine Gemeinde eigenbetriebliche Kanäle in ihren Straßen verlegt, da sie dann weder zu einem vorübergehenden Zweck noch in Ausübung eines Rechts am fremden Grundstück handele 633 . 649
BGH, NJW 1968, 2331. Baur/Stümer, § 3 I. 2. c) cc) (S.12). 631 BGH, NJW 1962, 1817; so wohl auch BGH, NJW 1980, 771. 632 BGH, NJW 1962, 1817. 653 Krüger, in: Obemolte/Danner, Kz.V.A. Versorgungsleitungen und öffentliche Wege, S.15; Dilcher, in: Staudinger, § 94, Rn.8; Michalski, in: Ermann, § 94, Rn.3. 630
Β. Die Organisationsmöglichkeiten
1
Der Schluß, daß Leitungen regelmäßig dann wesentliche Bestandteile des Straßengrundstücks werden, wenn Straßeneigentümer und Anlagenbetreiber identisch sind, während sie in anderen Fällen Scheinbestandteile darstellen, ist indes nicht zwingend. Das Eigentum an Grund und Boden, in dem eine Leitung verlegt wird, ist nämlich von der Frage zu trennen, ob die Rohre mit der Absicht einer späteren Trennung eingesenkt werden. Allein das Grundeigentum ist kein Indiz für diesen Willen 6 3 4 . Vielmehr kann auch der Eigentümer eines Grundstücks Sachen nur zu einem endlichen Zweck mit seinem Grundstück verbinden, so daß sie nicht zu dessen wesentlichen Bestandteilen werden 633 . Auch wenn ein Ent- bzw. Versorgungsunternehmen oder eine Gebietskörperschaft, die ein solches Unternehmen selbst betreibt, zugleich Eigentümer des Straßengrundstücks ist, ist der Wille des Einfügenden von Anfang an darauf gerichtet, eine spätere Trennung wieder vorzunehmen. Jedenfalls ist eine solche Trennung zu erwarten. Denn es sind immer wieder Teile von Leitungen auszubessern und aus dem Netz herauszunehmen. Nach längerer Zeit ist die Erneuerung eines gesamten Rohrleitungssystems erforderlich, so daß das alte Netz aus dem Boden entfernt werden muß. Reparaturen und Neuverlegungen sind unabhängig von den Eigentumsverhältnissen an Grundstücken notwendig 636 . Für die Frage der Sonderrechtsfähigkeit von kommunalen Leitungen in gemeindeeigenen Grundstücken kommt es mithin auf die Umstände des Einzelfalls an. Ergibt sich danach, daß die Kanäle nicht wesentliche Bestandteile des Grundeigentums geworden sind, ist eine gesonderte Eigentumsübertragung möglich.
(b) Änderung der Bestandteilseigenschaft Sind die Leitungen ursprünglich wesentlicher Bestandteil des Grundstücks geworden, muß eine Trennung der dinglichen Schicksale von Grundstück und Leitung erfolgen, um eine separate Veräußerung zu ermöglichen. Denn ein Rechtsgeschäft, welches die Begründung von Sondereigentum an einem ungetrennten wesentlichen Grundstücksbestandteil zum Inhalt hat, ist nichtig 6 3 7 . Durch eine nachträgliche Zweckbestimmung für sich allein, z.B. infolge eines Eigentumswechsels an der Hauptsache, kann die einmal begründete Be-
634
Schröer, S.186f. Dilcher, in: Staudinger, § 95, Rn.4. u. 10; inzident auch Westerann, § 52 Hl.b). 636 Schröer, S.186. 637 Michalski, in: Ermann, § 93, Rn.10; Holch, in: Münchener Kommentar, § 93, Rn.18; Dilcher, in: Staudinger, § 93, Rn.23. 633
2. Teil: Die Abwasserbeseitigung
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standteilseigenschaft nicht aufgehoben werden 638 . Ein weiteres Element i.S.e. Einigung über die (dingliche) Rückveräußerung des Bestandteils und über die Benutzung des Grundstücks muß hinzukommen. Soll das Eigentum am Bestandteil nicht zunächst mit übergehen, bedarf es schon zeitgleich mit der Einigung über die Hauptsacheübertragung zur Begründung eines gesonderten Eigentums an den Leitungen entweder der Schaffung eines Benutzungsrechts an dem - sodann - fremden Grundstück oder es muß ein solches Recht als stillschweigend zustande gekommen unterstellt werden 639 . Im sog. „Bochumer Fall" stellt der BGH auf den Willen des Bundesgesetzgebers ab, der ersichtlich nicht zugleich mit dem Übergang der bisherigen Reichsstraßen nach Art. 90 Abs. 1 GG auch das Eigentum an den im Straßenkörper verlegten Versorgungsleitungen dem Bund habe zufallen lassen wollen. Ein solcher Eigentumswechsel sei vom wirtschaftlichen Standpunkt aus nicht zu rechtfertigen und hätte zu unerwünschten Folgen geführt 660 . Im Ergebnis verlieren die Leitungen so ihre Eigenschaft als wesentlicher Bestandteil i.S.d. § 94 Abs.l S.l BGB. Maßgebend ist der Wille des Bundes i.w.S. als derjenige des Erwerbers der Hauptsache. Genauer hätte der BGH wohl erkennen müssen, daß Art. 90 Abs. 1 GG die ursprünglich einheitliche Sache durch die Kreierung eines Benutzungsrechts geteilt hat, so daß nur der eine Teil (Straßengrundstück) in das Eigentum des Bundes übergehen und der andere Teil (Versorgungsleitungen) im Eigentum der Gemeinde verbleiben konnte. Denn anderenfalls würde die Vorschrift des § 93 BGB außer Kraft gesetzt, nach der wesentliche Bestandteile gerade nicht Gegenstand besonderer Rechte sein können 661 . Um den Sachverhalt dem Tatbestand des § 95 Abs. 1 BGB subsumieren zu können, schließt der BGH aus der Notwendigkeit eines Sachenrechts auf dessen Bestehen662 : Wenn nämlich nunmehr eine Aufspaltung des Eigentums zwischen Straße und Leitungen eintrete, so sei der ursprüngliche Eigentümer doch weiterhin berechtigt, die Straße in der bisherigen Weise durch seine Leitungen zu benutzen. Das Recht darauf, daß sich an dem bestehenden Zustand nichts geändert habe, ergebe sich aus der Natur der Sache. Im übrigen spreche auch die geschichtliche Entwicklung für eine Duldungspflicht des neuen Eigentümers 663 .
638
BGH, NJW 1962, 1817 (1818); Krüger, in: Obernolte/Danner, Kz.V.A. Versorgungsleitungen und öffentliche Wege, S. 14. 639 Kempfer, in: Kodal/Krämer, Kap.27, Rn.73.1. 660 BGH, NJW 1962, 1817 (1818). 661 Schröer, S.187. 662 Schröer, S. 187, hält diesen Weg für unzulässig. Ziegler, S.229, spricht von freier Rechtsfindung. 663 BGH, NJW 1962, 1817 (1818).
Β. Die Organisationsmöglichkeiten
1
Ebenso hat das Brandenburgische OLG einen vergleichbaren, im Übergang vom DDR- zum bundesrepublikanischen Recht wurzelnden Fall ohne eigene Begründung entschieden: Dort habe über einen langen Zeitraum bis zum 2.10.1990 einschließlich das Eigentum an Straße und Leitung in einer Hand („Volkseigentum") gelegen. Später sei - ähnlich wie in der Entscheidung des BGH - das Eigentum an Straße und Leitung mit Wirkung vom 3 .10.1990 auseinandergefallen. Dem Versorgungsunternehmen stehe nunmehr ein Benutzungsrecht eigener Art zu, das zu seiner Entstehung und seinem Fortbestand nicht der Eintragung bedürfe und inhaltlich einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit nahekomme 664 . Ist es damit nach der Rechtsprechung möglich, Straßeneigentum zu übertragen, ohne daß die vormals wesentlichen Bestandteile in Gestalt der Rohrleitungen ebenfalls den Eigentümer wechseln, so gilt gleiches beim Wechsel der Straßenbaulast, der grundsätzlich einen Übergang des Straßeneigentums nach sich zieht (§ 10 Abs.l StrWGNW). Für eine Umstufung nach Landesrecht sind allerdings nicht die für eine Umstufung nach Bundesrecht im „Bochumer Urteil" entwickelten Grundsätze für das Schicksal des Leitungseigentums anzuwenden. Statt dessen haben die Länder gesetzliche Regelungen wie § 10 StrWG NW getroffen, wonach das Eigentum des bisherigen Straßenbaulastträgers an Ver- und Entsorgungsleitungen in seinen eigenen Straßengrundstücken nicht mit dem Straßeneigentum auf den neuen Straßenbaulastträger (§ 10 Abs.2 Nr.2 StrWG NW), sondern die Leitungen der Kommune in den nun fremden Straßengrundstücken vom neuen Eigentümer und Träger der Straßenbaulast zu dulden sind (sog. fortgeführte Eigentümernutzung, § 10 Abs.3 S.l StrWG NW). Durch die Verweisung des § 10 Abs.3 S.2 StrWG NW auf die Vorschriften über die Sondernutzungen (§18 Abs.3, 4 StrWG NW) gehen Folgekosten bei späteren Änderungen zu Lasten der Gemeinde 663 . Die landesrechtlich normierte Folgekostenpflicht unterscheidet sich damit vom bundesrechtlichen Rückgriff auf die beschränkte persönliche Dienstbarkeit 666 . Eigentumsrechtlich sind die bundes- und landesrechtliche Regelung indes kongruent, da aus dem Gesetz jeweils die Aufhebung der Bestandteilseigenschaft und die Entstehung eines öffentlich-rechtlichen, quasi-dinglichen Rechts abgeleitet werden 667 . Jetzt bleibt noch der für die Gemeinden relevantere Fall der alleinigen Veräußerung der Kanäle zu untersuchen, die ursprünglich wesentliche Grundstücksbestandteile geworden sind. Fraglich ist, ob und wie hier die Sonder664
BbgOLG, R+S 1995, 20 (21). Krüger, in: Obemolte/Danner, Kz.V.A Versorgungsleitungen und öffentliche Wege, S.94. 666 BGH, NJW 1974, 990; s.i.e. Ziegler, S.226ff. 667 Fickert, § 10, Rn.9. 663
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2. Teil: Die Abwasserbeseitigung
rechtsfahigkeit der Kanäle begründet werden kann. Im umgekehrten Fall, in dem die eingefügte Sache als Scheinbestandteil sonderrechtsfahig geblieben ist, reicht es nicht aus, wenn der vom Grundeigentümer personenverschiedene Eigentümer des eingefügten Scheinbestandteils nachträglich den Einfügungszweck erkennbar in einen Dauerzweck ändert, um aus dem Schein- einen wesentlichen Bestandteil zu machen. Zusätzlich ist eine dingliche Einigung i.S.d. §§ 929ffBGB mit dem Grundstückseigentümer erforderlich 668 . Im vorliegenden Zusammenhang liegt es nahe, dieselben Voraussetzungen zu verlangen und neben der Zweckänderung auf eine dinglich wirkende Einigung abzustellen 669 . Die dingliche Rechtslage eines zunächst dauerhaft zugeordneten Bestandteils wird also nicht (allein) dadurch verändert, daß später nur noch seine endliche Einfügung gewollt ist 6 7 0 . Die Zweckänderung kann in der Begründung eines dinglichen oder schuldrechtlichen Rechts zugunsten eines Dritten liegen. Im Unterschied zum Wechsel der Straßenbaulast, d.h. des Grundeigentums, fehlt es vorliegend an einer gesetzlichen Regelung, die ein Benutzungsrecht konstituiert. Im Ergebnis hindert das bürgerliche Sachenrecht also nicht die rechtsgeschäftliche Veräußerung kommunaler Leitungsnetze, auch soweit sie ursprünglich in gemeindeeigenen Grundstücken verlegt und Grundstücksbestandteile geworden sind. Die kommunale Praxis läßt die Frage einer wirksamen zivilrechtlichen Eigentumsübertragung dennoch teilweise offen 671 , weil für die Bilanzierung des Vermögens die Begründung „wirtschaftlichen Eigentums" ausreichend ist. Um dieses sicherzustellen, enthält ein beispielhafter Übertragungsvertrag in Kenntnis der Problematik der Sonderrechtsfahigkeit von Leitungen für den Fall, daß die rechtsgeschäftliche Übereignung einzelner oder aller Anlagen unwirksam sein sollte, als alternative Regelung die Fiktion des Eigentumsübergangs und die Einräumung eines ausschließlichen Nutzungsrechts des Erwerbers für die Lebensdauer der Anlagen 672 .
668 Holch, in: Münchener Kommentar, § 95, Rn.9f; Dilcher, in: Staudinger, § 95, Rn.9; Heinrichs, in: Palandt, § 95, Rn.4; BGH, NJW 1987, 774f. 669 Heinrichs, in: Palandt, § 95, Rn.4; Holch, in: Münchener Kommentar, § 95, Rn.10; ebenso das Berufungsgericht im Fall BGH, NJW 1984, 2277; angedeutet, aber offengelassen von BGH, NJW 1962, 1817, da dort Art. 90 GG eingriff. 67 0 Dilcher, in: Staudinger, § 95, Rn.9. 671 Das konstatiert auch Haverkämper, S.226. 672 Entsprechend sind die Übertragungsverträge in Mönchengladbach ausgestaltet worden.
Β. Die Organisationsmöglichkeiten (2) Gebührenrechtliche
1
Voraussetzungen
Der Verkauf vorhandener Leitungsanlagen an einen Privaten ist dann lukrativ, wenn damit eine Entschuldung der Gemeinde einhergeht. Dabei ist zunächst zu beachten, daß die der Kommune zufließenden erheblichen Finanzmittel letztlich wieder an den Erwerber zurückgezahlt werden, weil dieser den Kaufpreis in sein Entgelt einbezieht 673 . Sodann stellt sich die Frage der Refinanzierbarkeit des Betreiberentgelts über die vom Benutzer zu zahlenden Kommunalabgaben. Die Erwartung einer nachhaltigen Entlastung des Gemeindehaushalts ist hinsichtlich des Kapitaldienstes fraglich. Denn der Reduzierung des kommunalen Zinsaufwandes steht eine parallele Erhöhung des Zinsaufwandes für das zu finanzierende Betreiberentgelt gegenüber, so daß der Kapitaldienst statt über den kommunalen Haushalt nunmehr über das Betreiberentgelt zu leisten ist 6 7 4 . Zudem bringt der Erwerber des Kanalnetzes in seine Kostenrechnung die Zinsen für die Aufbringung des Kapitals zur Zahlung des Kaufpreises ein. Diese Zinsen können jedoch nicht zu Lasten des Gebührenzahlers in den Gebührenhaushalt einfließen, da er dann doppelt belastet würde, und zwar durch den einmaligen Beitrag, der bereits der Finanzierung der Herstellung der Leitungen durch die Stadt diente, und durch die Benutzungsgebühr, welche die Zinsen für aufgewandtes Kapital zur Anschaffung der Anlagen durch den Erwerber enthielte. Eine derartige Gebührenkalkulation führte zu einer unzulässigen Überdeckung des Gebührenhaushaltes. In Betracht kommt allerdings ein Gewinn zugunsten der Gemeinde und zu Lasten der gebührenzahlenden Haushalte und Betriebe, wenn durch den Verkauf von Altanlagen zum Restbuchwert oder sogar über den Restbuchwert hinaus stille Reserven aufgedeckt werden könnten. Dann erhielte die Stadt einen Veräußerungserlös, der höher als der ursprünglich in der Gebührenkalkulation ansetzbare Wert wäre. Zwar zahlte sie den Erlös über das Betreiberentgelt teilweise an den Erwerber zurück, da der private Betreiber den Kaufpreis in der Restnutzungsdauer abschriebe und in seine Kostenrechnung einstellte. Jedoch verbliebe der Mehrwert letztlich bei der Kommune, da sie ihrerseits in die Gebührenbedarfsberechnung das Betreiberentgelt einbezöge673. Diese Überdeckung durch Nichtberücksichtigung des Veräußerungsgewinns ist indes ebenfalls unzulässig. Nach der Rechtsprechung des OVG NW müssen Veräußerungsgewinne, die den buchmäßigen Restwert des Vermögens übersteigen, dem Gebührenhaushalt gutgebracht werden, und zwar im Jahr des 673
RdErl. des Ministeriums des Innern, MinBl. für das Land Sachsen-Anhalt 1994, S.1076. 674 DStGB, S.44. 673 DStGB, S.44.
2. Teil: Die Abwasserbeseitigung
18
Entstehens676. Gleiches gelte für den Restnutzungswert bzw. den darauf basierenden Übertragungsgewinn mitverkaufter Anlagengegenstände, die das Ende ihrer buchmäßigen Nutzungsdauer am Bewertungsstichtag nahezu bzw. ganz erreicht oder überschritten hätten, vom Betrieb aber noch voll genutzt würden. Denn sie stellten noch einen realen Wert dar, der beim Fortbestand des bisherigen städtischen Regiebetriebs den Gebührenzahlern zugute gekommen wäre. Diese Gegenstände hätten nämlich der Einrichtung für die restliche tatsächliche Nutzungsdauer zur Verfügung gestanden und die Anschaffung von Ersatzgegenständen für diesen Zeitraum entbehrlich gemacht, ohne daß insoweit Kosten in der Gebührenkalkulation hätten angesetzt werden dürfen. Die entsprechenden Veräußerungsgewinne stünden dem Gebührenhaushalt zu, weil sie den Gegenwert für die entgangenen (kostenlosen) Nutzungsmöglichkeiten der Anlagengüter bildeten 677 . Daß diese Veräußerungsgewinne anstatt dem Gebührenhaushalt dem allgemeinen Haushalt zugute kommen, hält das OVG N W nicht für sachlich gerechtfertigt, weil der Gebührenhaushalt durch Aufbringung der kalkulatorischen Abschreibung und Verzinsung sämtliche Kosten getragen habe, die im Zusammenhang mit den vollständig oder nahezu abgeschriebenen Vermögensgegenständen entstanden waren 678 . Entsprechendes gelte, wenn die Kommune dadurch einen Veräußerungsgewinn erziele, daß bei Anlagengütern die bisher prognostizierte Nutzungsdauer verlängert und dadurch eine Erhöhung des Sachzeitwertes (= Restwert) bewirkt werde 679 . Im Ergebnis scheitert eine nachhaltige Gewinnerzielung durch die Veräußerung des Kanalnetzes an den Regelungen des Kommunalabgabenrechts. Selbst wenn der Kaufpreis, der als Gegenleistung für die Übertragung des Abwasservermögens zu zahlen ist, dem Betrag, der kommunalabgabenrechtlich als zu verzinsendes Kapital in die Gebührenbedarfskalkulation eingestellt werden darf, d.h. dem Restbuchwert auf der Basis der historischen Anschaffungsund Herstellungskosten entspricht 680 , folgt daraus nicht zwingend, daß er gebührenrechtlich umlegungsfahig ist. Unproblematisch ist demgegenüber, die vorhandene Abwasserkanalisation von einem privaten Betriebsführer bewirtschaften zu lassen und Erweiterungen sowie Neuerrichtungen im Betreibermodell zu organisieren.
676
OVG NW, NWVB1.1995, 173ff, 3.Ls. OVG NW, NWVB1.1995, 173 (176). 678 OVG NW, NWVB1.1995, 173 (176). 679 OVG NW, NWVB1.1995, 173 (177). 680 So Kirchhartz, a.a.O., zur Übertragung des Abwasservermögens auf die Entwässerung Mönchengladbach GmbH. 677
Β. Die Organisationsmöglichkeiten i) Der tatsächliche gemeindliche Einfluß Die größere Entfernung zwischen Gemeindeorganen und einem privaten Betreiber im Gegensatz zur Eigengesellschaft soll durch intensivere Steuerungs- und Kontrollpflichten ausgeglichen werden. Im Tatsächlichen besteht aber nach wie vor ein Unterschied im Innenverhältnis der Partner angesichts der unmittelbaren faktischen Einflußnahmemöglichkeiten auf eine Eigengesellschaft, beispielsweise die eigene Stadtwerke A G 6 8 1 . Hinzu kommt, daß die Verwaltung die Möglichkeit verliert, von sich aus, ohne Einverständnis des Erfüllungsgehilfen, Einschätzungen zu korrigieren. Das einmal im Verhältnis zwischen Gemeinwesen und Verwaltungshelfer festgeschriebene Programm läuft unberührbar ab 6 8 2 . Unter den Aspekten der Einheit der Kommunalverwaltung und der bürgerschaftlichen Steuerung und Kontrolle der privatrechtlichen Rechtssubjekte durch die Bürgerschaft zeigt sich in der Praxis, daß der eingeschaltete Erfüllungsgehilfe unabhängig von der Gestaltung im einzelnen gegenüber der gemeindeinternen Organisation langfristig eine eigene Identität gewinnt. Die rechtliche Verselbständigung kann in der Verwaltungsrealität häufig nicht auf das zulässige Maß beschränkt werden, mit der Folge, daß nicht nur ein formaler Unterschied, sondern ein aliud entsteht, das den rechtmäßigen organisationsrechtlichen Rahmen verläßt. Trotz der fortbestehenden Aufgabenverantwortung der Gemeinde verwischt die Grenze zwischen Organisations- und Aufgabenprivatisierung und wird oftmals in Richtung letzterer überschritten 6 8 3 . Diese rechtstatsächlichen Folgen haben ihre Ursache in der Wesensverschiedenheit von Verwaltungsaufgaben und Privatinitiative: Den Grund für die Aufgabenträgerschaft der öffentlichen Verwaltung bildet deren gesetzliche Verpflichtung auf das Gemeinwohl. Diese generelle Gemeinwohlbindung ist aber letztlich weder ein tauglicher Gegenstand eines privatrechtlichen Erfüllungshilfevertrages noch eines gesellschaftsrechtlichen Unternehmensstatuts. Die umfassende Übertragung der Erfüllung öffentlicher Aufgaben auf Private führt deshalb stets zu einer Entfremdung zwischen Verwaltungsaufgabe und Verwaltungsverantwortung 684 .
681
Dedy, S.249. Gallwas, S.220. 683 Graf Vitzthum, S.633. 684 Osterloh, WDStRL 54, S.237f, die deshalb für die Möglichkeit der „befreienden" Pflichtenübertragung i.S.d. §§ 16fFKrW-/AbfG, also eine Verwaltungssubstitution, plädiert, bei der sich die Aufgabe der Verwaltung auf Kontrolle und Aufsicht beschränkt. 682
2. Teil: Die Abwasserbeseitigg j) Kommunalrechtliche
Determinanten
Es ist zu prüfen, ob und inwieweit der Betrieb der Abwasserbeseitigung als öffentliche Einrichtung den in die Aufgabenerfüllung eingeschalteten Privatunternehmer berührt.
aa) Organisation öffentlicher Einrichtungen Freiheit der Rechtsformenwahl bedeutet insbesondere, daß die Gemeinde nicht notwendig selbst Träger öffentlicher Einrichtungen sein muß, sondern dafür ebenso andere Rechtssubjekte in Frage kommen, und die Kommune auch bestehende Einrichtungen eines anderen Trägers zur öffentlichen Einrichtung machen kann 6 8 3 . Die öffentliche Verwaltung muß nicht sämtliche, ihr obliegenden Aufgaben mit eigenen Organisationsmitteln wahrnehmen. Auch der öffentlich-rechtliche Charakter eines Nutzungsverhältnisses schließt nicht von vornherein aus, einen privatrechtlich verfaßten Dritten mit der faktischen Erfüllung einer gemeindlichen Aufgabe zu betrauen 686 . Selbst wenn man berücksichtigt, daß bei Pflichtaufgaben der Selbstverwaltung eine Verpflichtung zu Lasten der Gemeinde besteht, eine entsprechende öffentliche Einrichtung zu unterhalten und damit unter Umständen ein Verschaffungsanspruch des Einwohners korrespondiert, beeinträchtigt das die Einschaltung Privater nicht 6 8 7 . Denn die Eigenschaft einer Sachgesamtheit als öffentliche Einrichtung hängt nicht von der Eigentümerstellung, sondern nur von der Zweckbestimmung ab 6 8 8 . Diese öffentlich-rechtlich Widmung kann tatsächlich erfolgen, indem Anlagen Privater benutzt werden, die aufgrund Satzungsrechts der abwasserbeseitigungspflichtigen Körperschaft (z.B. Entwässerungssatzung) dem dort im einzelnen definierten Begriff der öffentlichen Abwasseranlage unterfallen und damit pauschal gewidmet werden. „Öffentlich" können also auch privat erstellte und betriebene Abwasseranlagen sein, wenn sie nur dazu dienen, das Abwasser einer unbestimmten Zahl nicht näher bezeichneter Einleiter aufzunehmen. Die Zahl der tatsächlich Einleitenden ist daher unerheblich, soweit nur allen,
683
Erichsen, JURA 1986, S.150; Driehaus/Dahmen, § 4 KAG, Rn.215; Kottenberg/ Rehn/Cronauge, § 18 GO NW a.F., Erl.1.4.; OVG Rh:-Pf., DVB1.1985, 176 (177). 686 So Driehaus/Dahmen, § 4 KAG, Rn.215 m.w.N., unter Bezugnahme auf die ständige Rechtsprechung des BGH. 687 So z.B. OVG Rh.-Pf., DVB1.1985, 176 (177). 688 RdErl. des Ministeriums des Innern, MinBl. für das Land Sachsen-Anhalt 1994, S.1079, Erl. zu § 5 Ziff. 1 des Betreibervertragsmusters.
Β. Die Organisationsmöglichkeiten
189
die örtlich in Betracht kommen, ein Anschluß möglich ist 6 8 9 . I.d.S. sieht § 1 der kommunalen Entwässerungsmustersatzung 690 vor: (1) Die Gemeinde betreibt in ihrem Gebiet die Beseitigung des Abwassers als öffentliche Einrichtung. (2) Die öffentliche Abwasseranlage bildet eine rechtliche und wirtschaftliche Einheit. Zu dieser Anlage gehören alle von der Gemeinde selbst oder in ihrem Auftrag betriebenen Anlagen, die dem Sammeln, Fortleiten, Behandeln oder Einleiten des Abwassers sowie dem Entwässern von Klärschlämmen dienen... Damit eine öffentliche Einrichtung (z.B. die Müllabfuhr) diese Qualität nicht dadurch verliert, daß sie durch Dritte, etwa einen privaten Unternehmer, betrieben wird, ist zum einen notwendig, daß sich die Gemeinde vertraglich oder durch Organisationsstatut maßgeblichen Einfluß auf die Zweckbestimmung vorbehält. Zum anderen bedarf die Widmung als öffentliche Einrichtung zu ihrer Wirksamkeit der Zustimmung des Eigentümers, wenn der Gegenstand im Eigentum eines Dritten steht 691 . Daher regelt § 5 Ziff.l. des Betreibervertragsmusters 692 : „Die vom Betreiber nach diesem Vertrag übernommenen sowie in seinem Auftrag künftig neu hergestellten, der Erfüllung der Aufgaben der Abwasserentsorgung dienenden Anlagen, Bauwerke und Gegenstände sind öffentliche Einrichtungen." Daneben bedarf es grundlegender Vereinbarungen zwischen den Parteien darüber, wer Eigentümer der Grundstücke und Anlagen sein und werden soll. Auch wenn die Gemeinde die weitere Ausgestaltung der Benutzungsverhältnisse einer natürlichen Person als Mieter oder Pächter überläßt, die ihren Weisungen untersteht und weitgehenden Mitwirkungsrechten der Gemeinde ausgesetzt ist, ist der Private lediglich Gehilfe der Gemeinde im Betrieb ihrer öffentlichen Einrichtung 693 . Schließlich hindert die Anordnung eines Anschluß- und Benutzungszwangs die Gemeinde ebenfalls nicht, ein vollständig in privater Hand befindliches Unternehmen als Inhaber der Einrichtung einzuschalten 694 .
689
Nisipeanu, S.454. MittNWStuGB 1989, S.180. 691 Gern, Rn.529. 692 MinBl. für das Land Sachsen-Anhalt 1994, S. 1079. 693 Bay.VGH, GewArch 1988, 245 (246), bezeichnet den solcherart eingeschalteten Privaten allerdings ungenau als „Verrichtungsgehilfen". 694 Krieger, S.27. 690
190
2. Teil: Die Abwasserbeseitigung bb) Ausgestaltung der Rechtsbeziehungen
Hier findet sich naturgemäß die dargestellte Rolle des Erfüllungsgehilfen wieder. Die Gemeinde bleibt allein das Zuordnungssubjekt aller Rechtsbeziehungen, die im Hinblick auf die Nutzung der solcherart in ihren organisatorischen Verbund einbezogenen Einrichtung begründet werden.
(1) Benutzungsverhältnis
und Zulassungsanspruch
Da der Bürger vor einer Kompetenzverschiebung mit Außenwirkung geschützt ist, begrenzt insbesondere die Anordnung eines Anschluß- und Benutzungszwangs die Möglichkeiten der Einschaltung eines privaten Einrichtungsträgers. Demgemäß ist die Gemeinde in derartigen Fällen zunächst verpflichtet, durch Vereinbarung mit dem Unternehmer sicherzustellen, daß die Einrichtung den Einwohner so zur Verfügung steht, wie das bei städtischer Eigenregie gegeben wäre. Sodann kann sich die Gemeinde ihrer Aufgabenverantwortung nicht dadurch entledigen, daß sie ihre öffentliche Einrichtung zur Ausübung im eigenen Namen auf Private überträgt und sich selbst auf eine eher ordnungsrechtliche Übwachungsfunktion beschränkt. Geboten ist - jedenfalls im Rahmen eines Anschluß- und Benutzungszwangs -, daß lediglich die Gemeinde unter Beteiligung des Privaten am Vollzug der Aufgabe in rechtliche Beziehung zu den Benutzern tritt 6 9 3 . Weil sich die Kommune Mitwirkungsrechte auf die Vergabeentscheidung vertraglich vorbehalten hat, ist ihr diese zuzurechnen, denn sie behält (mittelbar) die Möglichkeit, kommunale Einwirkung geltend zu machen 696 . Die Gemeinde kann auf den Einsatz eigener Betriebsmittel verzichten, muß aber selbst die Einrichtung i.d.S. betreiben, daß sie rechtlich gesehen die Leistungen für die Benutzer erbringt. Das bedeutet, daß der Private im Namen und Auftrag der Gemeinde tätig wird. Da keine Zuständigkeit aus dem Verantwortungsbereich der Gemeinde ausgelagert wird, ist der Gesetzesvorbehalt nicht ausgelöst697. Deshalb bleibt ihr die Wahlfreiheit für die Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses erhalten 698 . Die Gemeinden können daher ihre Entwässerungssatzungen auf wenige Kernregelungen beschränken (Rumpfsat-
693 696 697 698
Cronauge, StuGR 1984, S.138; Kloweit, S.148. Spannowsky, GewArch 1995, S.269. Krieger, S.53f. Fischedick, S. 14f.
Β. Die Organisationsmögichkeiten
191
zung) und im übrigen privatrechtliche Entsorgungsbedingungen gebrauchen 699 . Bezugspunkt der Rechtsbeziehungen ist aber die kommunale Gebietskörperschaft, weil das Benutzungsverhältnis nur durch die Leistung der Kommune an die Einwohner charakterisiert ist, auch wenn der Erfüllungsgehilfe Zahlstelle der Kommune ist 7 0 0 .
(2) Rechtsverhältnis zwischen Gemeinde und Einrichtungsträger Die zwischen den Privatpersonen und der Gemeinde geschlossenen Verträge sind häufig, wenn auch nicht notwendig privatrechtlicher Natur, d.h. Dienst- und/oder Werkverträge 701 . Das Rechtsverhältnis zwischen der Kommune und dem Einrichtungsträger muß nicht deshalb öffentlich-rechtlich sein, weil die Einrichtung und ihr Betrieb eine öffentliche Aufgabe erfüllen, die Ausdruck allgemeiner gemeindlicher Daseinsvorsorge und damit des Selbstverwaltungsrechts ist. Bei Bestimmung des Rechtsweges darf nicht von der öffentlichen Aufgabe auf den öffentlich-rechtlichen Charakter ihrer Ausführung geschlossen werden. Denn öffentliche sind nicht zugleich staatliche Aufgaben. Erstere, d.h. der Allgemeinheit zugute kommende Aufgaben, können mit und ohne Mitwirkung staatlicher Stellen privat- oder öffentlich-rechtlich durchgeführt werden. Bei staatlichen Aufgaben i.e.S. hingegen kann Aufgabenträger nur der Staat einschließlich Beliehener sein 702 .
(3) Öffentlich-rechtliche
Inpflichtnahme des Verwaltungshelfers
Grundsätzlich werden durch die Widmung die zur öffentlichen Einrichtung gehörenden Rechtsverhältnisse verändert, d.h. alte Rechte eingeschränkt und neue begründet. Vor allem bestimmt sie die Grenzen des an der Einrichtung bestehenden Privateigentums (Art. 14 Abs.l S.2 GG) oder stellt sich sogar als Enteignungsmaßnahme dar (Art. 14 Abs.3 S.2 GG). Deshalb bedarf sie einer gesetzlichen Grundlage 703 . Art. 2 Abs.l GG löst den Grundsatz des Gesetzes-
699 Dierkes, S.278, der in Sachsen wegen der gesetzlichen Überlassungspflicht für anfallendes Abwasser eine Satzung überhaupt für entbehrlich hält. 700 Frotscher, in: HkWP, Bd.3, S. 148; Erichsen, JURA 1986, S.150; Krieger, S.72; Kloweit, S.148 \ Hauser, S.6. 701 Erichsen, Kommunalrecht, S.213. 702 OVG Münster, NJW 1991, 61 (62). 703 Schmidt-Jortzig, NVwZ 1987, S.1028.
192
2. Teil: Die Abwasserbeseitigg
Vorbehaltes bei jeder Art von Einschränkung aus und greift nur dann nicht ein, wenn die Widmung als solche für den Träger der Einrichtung keine Rechtsfolgen begründet 704 . Fraglich ist, ob mit der Einbeziehung des privaten Einrichtungsträgers in die öffentliche Verwaltung durch Widmung eine dingliche oder schuldrechtliche Inpflichtnahme verbunden ist 7 0 3 . Zunächst kommt in Betracht, daß eine bestandskräftige Widmung für die Einrichtung eine dinglich absolute Wirkung entfaltet, die den Gegenständen unmittelbar anhaftet. Die Sachherrschaft bzgl. des in der Widmung deklarierten Gebrauchszwecks ist dann dem bisherigen zivilrechtlichen Inhaber entzogen und unmittelbar dem hoheitlichen Verwaltungsträger zugewiesen. Dieser läßt sie seinerseits den gesetzlich bestimmten oder von ihm zugelassenen Nutzungsberechtigten zugute kommen. Ein solches Nutzungsregime entspricht einer öffentlich-rechtlichen Dienstbarkeit 706 . Aufgrund der öffentlich-rechtlichen Sachherrschaft ist das privatrechtliche Eigentum mit Duldungspflichten des Eigentümers belastet, die einem Kontrahierungszwang des Einrichtungsträgers im Rahmen der öffentlichen Zweckbestimmung entsprechen 707. Unproblematisch ist diese Gestaltung, wenn sich die Einrichtung im Eigentum der Gemeinde befindet. Anderenfalls kann sich der widmungsbereite Hoheitsträger nur gegen den Privateigentümer durchsetzen, wenn ihm „aufgrund eines Gesetzes" (Art. 14 Abs.3 S.l GG) ein Enteignungsrecht zusteht. Scheitert ein solcher Eigentumserwerb, erlauben die Gesetze die Widmung nur noch, wenn der private Eigentümer oder sonst dinglich Nutzungsberechtigte der Widmung ausdrücklich oder konkludent durch Besitzeinräumung zustimmt 708 . Anders als bei Sachen im Gemeingebrauch - insbesondere öffentlichen Straßen und Wegen - fehlt es im Kommunalsachenrecht an einer solchen, i.S.d. Art. 14 Abs.3 S.2 GG qualifizierten gesetzlichen Grundlage für die Ausschaltung der Rechte Dritter. Für Sachen im Gemeingebrauch ist die Widmung ausdrücklich im Gesetz vorgesehen und für den Fall, daß der (privatrechtliche) Berechtigte nicht zustimmt oder seine Rechte nicht auf andere Weise ausgeräumt werden, die Gewährung einer Entschädigung sichergestellt. Nur deshalb hat die Widmung dort dingliche Wirkung. Eine dinglich wirkende Verfügungsbeschränkung zu Lasten des Eigentümers einer öffentlichen Einrichtung, die es ausschließt, daß die Einrichtung von einem Dritten gut-
704 703 706
Erichsen, Kommunalrecht, S.215f. Erichsen, Kommunalrecht, S.215, läßt das offen. Schmidt-Jortzig, NVwZ 1987, S.1028; Salzwedel,
Rn.6. 707 708
Ossenbühl, DVB1.1973, S.294. Schmidt-Jortzig, NVwZ 1987, S.1029.
in: Erichsen (Hrsg.), §42,
Β. Die Organisationsmöglichkeiten
193
gläubig lastenfrei erworben und zu widmungsfeindlichen Zwecken eingesetzt wird, scheidet demgegenüber aus 709 . Wenngleich diese Argumentation vom Ergebnis auf die Voraussetzungen schließt, ist das Resultat zutreffend: Die im Erfüllungshilfevertrag enthaltenen Einwirkungsrechte vermitteln der Gemeinde ebensowenig wie die Zustimmung zur Widmung unmittelbare Zugriffsrechte auf die Einrichtung. Sie gestatten ihr nicht, den Benutzeranspruch eigenhändig zu erfüllen, sondern dienen lediglich dazu, einen berechtigten Anspruch erfüllen zu können, den ein Bürger öffentlich-rechtlich gegen die Kommune erhebt. Die Lösung von Konflikten im Innenverhältnis zwischen Verwaltungsträger und Verwaltungshelfer richtet sich allein nach (Zivil-)Vertragsrecht. Da der private Einrichtungsträger zudem gerade keinem öffentlich-rechtlichen Zulassungszwang ausgesetzt ist, sondern allein die Kommune Adressat des kommunalrechtlichen Benutzungsanspruchs ist, fehlt es auch insofern an einer dinglichen Zwangswirkung der Widmung. Es kommt aber ein schuldrechtlicher, auf dem öffentlich-rechtlichen Benutzungsverhältnis beruhender Sonderstatus in Betracht, wobei unklar ist, ob und wie er sich im einzelnen vom sachenrechtlichen Gegenstück unterscheidet 710. Den Kristallisationspunkt bildet der Kontrahierungszwang im Rahmen des Widmungszwecks zu Lasten des Eigentümers. In jedem Fall ist auch insoweit eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage notwendig. § 8 Abs. 1 GO NW enthält eine Aufgabenzuweisung, die der Gemeinde einen Spielraum bzgl. der Art und Weise der Aufgabenerfüllung gewährt. Das ermächtigt sie jedoch nicht, zur Aufgabenerledigung durch Widmung einer Einrichtung eine öffentliche Sachherrschaft zu begründen, weil § 8 Abs. 1 GO NW eine solche Befugnis zur Regelung der Rechtsverhältnisse an Sachen Dritter nicht enthält 711 . Die allgemeine gesetzliche Satzungsermächtigung in § 7 Abs. 1 GO NW genügt ebenfalls wegen der Folgen für das Eigentum eines Dritten nicht den Anforderungen an eine spezialgesetzliche Ermächtigung. Das zeigt der Umstand, daß schon zur Begründung eines Anschluß- und Benutzungszwangs im § 9 GO NW eine spezielle Satzungsermächtigung besteht, die detaillierte Voraussetzungen nennt 712 . Der Eigentümer kann also eine Widmungsbelastung seines Gegenstandes verhindern. Denn seine zustimmende öffentlich-rechtliche Willenserklärung
709 710 711 712
BVerwG, NJW 1980, 2538 (2540). Vgl. Axer, S.153ffm.w.N. Axer, S. 160. Axer, S. 162.
13 Brüning
194
2. Teil: Die Abwasserbeseitigung
ist unentbehrlich 713 . Eine Überwindung des Willens des Eigentümers durch die Widmungsbehörde ist hinsichtlich einer öffentlichen Einrichtung i.S.d. § 8 GO NW ausgeschlossen, weil die Gemeinde nicht gesetzlich ermächtigt ist, die Eigentümerstellung gegen seinen Willen an sich zu bringen, d.h. ihn zu enteignen. Ebensowenig kann der Verwaltungshilfevertrag durch eine obrigkeitliche Entscheidung ersetzt werden. Stimmt der Eigentümer indes zu, wird der Gesetzesvorbehalt nicht berührt, da er sich sehenden Auges auf die Belastung seiner Einrichtung einläßt. An einem einseitigen, willensbrechenden Hoheitseingriff fehlt es mithin 7 1 4 . Genügt ist dem Prinzip des Gesetzesvorbehaltes daher z.B. bei einer die Zustimmung zur Widmung umfassenden vertraglichen Vereinbarung zwischen Gemeinde und Einrichtungseigentümer gemäß §§ 54ff V w V f G N W 7 1 3 . Das Gemeinderecht der neuen Bundesländer stellte dafür nach § 62 Komm Verf die Gestaltungsform eines Kommunalvertrages bereit, der als verwaltungsrechtlicher Vertrag einzustufen war.
cc) Die Benutzungsgebühren Da die Gemeinde über Zulassung und Benutzung selbst entscheidet, kann sie als Gegenleistung Benutzungsgebühren erheben. Gemäß § 6 Abs.2 S.2 K A G NW kann die Gemeinde in die Gebührenkalkulation Entgelte für am Markt in Anspruch genommene Fremdleistungen eines privatwirtschaftlichen Unternehmers einstellen, wenn der Kostenansatz zu den von dem betreffenden Unternehmen erbrachten Fremdleistungen nicht in jeder Hinsicht außer Verhältnis steht 716 . Ob der Private mit dem Inkasso der Gebühren beauftragt wird oder von der Gemeinde eine bestimmte Summe erhält, ändert nichts daran, daß die Gemeinde der Gebührengläubiger ist 7 1 7 . Eine andere - nicht rechtskräftige - Entscheidung traf das VG Leipzig in dem parallel gelagerten Rechtsgebiet der Abfallentsorgung durch sein Urteil,
713 S. zu Einzelfragen Heiß/Hablitzel, Grundprobleme der Widmungszustimmungserklärung im Straßen- und Wegerecht, DVB1.1976, S.93ff. 714 Schmidt-Jortzig, NVwZ 1987, S.1030. Der Umkehrschluß von Axer, S. 168, die Widmung begründe folglich überhaupt keine öffentliche Sachherrschaft, ist vorschnell; er übersieht, daß die Zustimmung des Eigentümers konstitutiv für die öffentliche Sachherrschaft sein kann. An anderer Stelle (S.181f) setzt Axer dann die privatrechtlich organisierte Einrichtung sogar einem unmittelbaren öffentlich-rechtlichen Nutzungsanspruch der Berechtigten aus, weil sie der Widmung zugestimmt habe, die ihrerseits schon eine Anspruchsgrundlage bilde. 713 Erichsen, in: Erichsen (Hrsg.), § 26, Rn.9ff; ders., Kommunalrecht, S.216. 716 VG Gelsenkirchen, DWW 1993, 266. 717 Krieger, S.63.
Β. Die Organisationsmöglichkeiten
195
dem folgender Sachverhalt zugrunde lag: Die Klägerin, eine Wohnungsgenossenschaft, wurde als Eigentümerin der von ihr vermieteten und verwalteten Hausgrundstücke durch den beklagten Landkreis zur Zahlung von Abfallgebühren herangezogen. Streitige Rechtsgrundlage des Gebührenbescheids waren Satzungen des Beklagten für die Abfallentsorgung und die mit ihr verbundene Gebührenerhebung. Die Durchführung der Abfallbeseitigung erledigte der beklagte Landkreis satzungsgemäß in privatrechtlicher Organisationsform, und zwar durch eine Entsorgungsgesellschaft mbH 7 1 8 . Das VG Leipzig gab der Anfechtungsklage der Wohnungsgenossenschaft statt, da die Erhebung öffentlich-rechtlicher Benutzungsgebühren angesichts der gewählten Organisationsform rechtswidrig sei. Ausgangspunkt der Urteilsbegründung ist die zutreffende Erwägung, daß eine öffentlich-rechtliche Benutzungsgebühr nur dann erhoben werden kann, wenn eine öffentlich-rechtlich zu qualifizierende Leistung gegenüber dem Gebührenschuldner erbracht worden ist. Das der Gebührenerhebung zugrundeliegende Austauschverhältnis muß notwendig einheitlich sein 719 . Sodann führt das Gericht aus, maßgebend für die Qualifizierung der erbrachten Leistung als privat- oder öffentlich-rechtlich sei die für die Durchführung der Abfallentsorgung gewählte Organisationsform, nach der sich die Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses richte. Da im zu entscheidenden Fall die Verwaltungsaufgabe durch eine juristische Person des Privatrechts durchgeführt werde, folge aus dieser Organisationsform zwingend eine privatrechtliche Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses, und zwar unabhängig davon, ob der Verwaltungsträger das Privatunternehmen beherrsche. Im Ergebnis sei daher nur die Erhebung eines privatrechtlichen Entgelts zulässig 720 . Ausdrücklich teilt das Verwaltungsgericht nicht die Ansicht, wonach der Dritte - jede rechtsfähige Person des privaten oder öffentlichen Rechts, die nicht selbst Abfallbesitzerin ist - in einem solchen Fall nicht die Pflicht selbst, sondern nur die technische Durchführung übernehme. Vielmehr lehnt es diese Konstruktion der Einschaltung eines Erfüllungsgehilfen i.S.d. § 3 Abs.2 S.2 AbfG ab. Das habe zur Folge, daß die Gebührenpflicht gegenüber der entsorgungspflichtigen Körperschaft auch dann entfallen und durch ein privatrechtliches Entgelt ersetzt werden müsse, wenn die privatrechtlich verfaßte Entsorgungsgesellschaft nicht selbständig, sondern nur zur Erledigung der Verwaltungsaufgabe der Körperschaft in deren Auftrag und nach deren Weisung tätig werde 721 . 718 719
VG Leipzig, LKV 1995, 407. Driehaus/Dahmen, § 4 KAG, Rn.61; insoweit offenlassend BVerwG, NJW 1986,
2387. 720 721
13*
VG Leipzig, LKV 1995, 407. VG Leipzig, LKV 1995, 407.
196
2. Teil: Die Abwasserbeseitigung
Die Begründung dieser kühnen These ist ebenso kurz wie anfechtbar. Zunächst unterläßt das Gericht jede genaue Prüfung der Voraussetzungen des § 3 Abs.2 S.2 AbfG. Zwischen den Zeilen läßt sich jedoch erkennen, daß es den gesetzlichen Tatbestand der Zuhilfenahme Dritter vorliegend nicht für ausgeschlossen hält, aber den Schluß auf die dann fortbestehende Gebührenhoheit der entsorgungspflichtigen Körperschaft nicht ziehen will. Dieses Vorgehen ist rechtsfehlerhaft, da es sich um zwingende gesetzliche Merkmale handelt. Um zu der gewollten Konsequenz zu gelangen, hätte das VG Leipzig der Entsorgungsgesellschaft mbH explizit die Eigenschaft als Erfüllungsgehilfen absprechen müssen. Sodann erst wären die Fragen entstanden, ob auch ein im eigenen Namen handelndes Privatrechtssubjekt angesichts des § 3 Abs.2 S.2 AbfG rechtlich zulässig ist und wie es dann um eine öffentlich-rechtliche Gebührenerhebung bestellt ist. Das vom Gericht zur Qualifizierung des Leistungsverhältnisses allein herangezogene Kriterium der Organisationsform trägt die Entscheidung nicht 7 2 2 . Insoweit übersieht das VG Leipzig die Konstruktion, die § 3 Abs.2 S.2 AbfG und auch § 63 Abs.3 S.l SächsWG vorsehen. Eine Beschränkung des Landkreises auf die eine oder andere Organisationsform verletzt die verfassungsrechtlich gewährleistete Selbstverwaltungsgarantie, die hinsichtlich des „Wie" der Aufgabenerledigung auch bei Pflichtigen Selbstverwaltungsangelegenheiten wie der Abfall- oder der Abwasserentsorgung greift. Danach ist es der Körperschaft unbenommen, die Beseitigung so einzurichten, daß sie selbst alleiniger Bezugspunkt der öffentlich-rechtlichen Leistungsbeziehungen ist, und zwar unabhängig davon, ob sie sich für Teilleistungen privatrechtlicher Unternehmen bedient. Unter den dargelegten Voraussetzungen, insbesondere der Einflußsicherung, ist es sogar unschädlich, wenn der Fremdunternehmer das durch Gebührensatzung festgelegte Entgelt faktisch einzieht 723 . Allein dadurch, daß jemand in einem Bereich tatsächlich Leistungen erbringt, der zum Pflichtenkreis eines Dritten zählt, wird er noch nicht zu demjenigen, dem rechtlich diese Leistung gegenüber Dritten zugeordnet wird 7 2 4 . Zudem wird das Bestehen der öffentlich-rechtlichen Pflicht zur Erbringung der Leistung ebenso ohne nähere Begründung als unmaßgebend verworfen wie die Anordnung eines Anschluß- und Benutzungszwangs723. Richtigerweise sind diese beiden Umstände aber Anzeichen für eine öffentlich-rechtlich gewährte Leistung im Rahmen eines einheitlichen Austauschverhältnisses, in dem die Gebühr die Gegenleistung für deren Inanspruchnahme darstellt. Denn von Gesetzes wegen bleibt die Körperschaft stets aufgabenpflichtig und tritt 722 723 724 723
So auch Sponer, S.392; Dierkes, S.279. Driehaus/Dahmen, § 4 KAG, Rn.215. Dierkes, S.279. VG Leipzig, LKV 1995, 407.
Β. Die Organisationsmöglichkeiten
197
dem Benutzer durch die obrigkeitliche Anordnung des Anschluß- und Benutzungszwanges sogar selbst gegenüber. Insofern ist die technische Durchführung untergeordnet. Als Pflichtaufgabe des Landkreises verbietet sich bei der Abwasserentsorgung eine Entlassung aus der kommunalen Verantwortung, d.h. eine materielle Privatisierung. Die Regelung des § 3 Abs.2 S.2 AbfG impliziert die Möglichkeit, einerseits die Erfüllung der Aufgabe an den Privaten zu delegieren und andererseits die Aufgabenverantwortung und mit ihr das Recht zur Gebührenerhebung bei der entsorgungspflichtigen Körperschaft zu belassen. Angesichts der Steuerungspflichten des Landkreises kann das Austauschverhältnis und infolgedessen das Nutzungsentgelt nicht ohne weiteres als privatrechtlich qualifiziert werden 726 . Diese Ausgestaltung der Erfüllungshilfe ist keineswegs von vornherein mit dem Fall vergleichbar, daß das zivilrechtlich organisierte Entsorgungsunternehmen im eigenen Namen dem Benutzer selbständig die Leistung gewährt und entsprechend abrechnet. Hier hätte es einer genaueren Subsumtion bedurft.
dd) Haftung für Leistungsstörungen Unabhängig von der Ausgestaltung im einzelnen besteht eine Rechtsbeziehung zum Benutzer, die den Regeln des allgemeinen Schuldrechts folgt. Im Falle des Erfüllungsgehilfen hat die Kommune beispielsweise für die Fehlplanung ihrer Baumaßnahmen durch ein privates Ingenieurbüro einzustehen, und zwar bei privatrechtlicher Ausgestaltung des Leistungsverhältnisses unmittelbar nach §§ 276, 278 BGB und bei öffentlich-rechtlichem Schuldverhältnis nach dem entsprechenden allgemeinen Rechtsgedanken. Sie hat sich nämlich des Ingenieurbüros zur Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten bedient. Damit hat sie gemäß der gesetzlichen Wertung in § 278 BGB für Schäden am Eigentum ihrer Anschlußnehmer einzustehen, die im Zusammenhang mit der Planung und dem Bau ihres Kanalisationssystems durch diesen Erfüllungsgehilfen schuldhaft verursacht worden sind 7 2 7 . Ansprüche aus Amtshaftungsrecht gemäß Art. 34 GG i.V. m. § 839 BGB kommen daneben in Betracht, weil und soweit sich die kommunalen Gebietskörperschaften des privaten Dritten als eines Werkzeugs bedienen 728 .
726
Sponer, S.392. BGH, NJW 1977, 197 (198). 728 Fischedick, S.83f, unter Bezugnahme auf die Rspr. des BGH, vgl. dazu ausführlich o. 2.Teil. Β. ΙΠ. 3. g). 727
Dritter Teil
Die Wasserversorgung A. Der organisationsrechtliche Rahmen I. Tatsächlicher Hintergrand In Nordrhein-Westfalen ist die quantitativ ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit gesundheitlich unbedenklichem Trinkwasser gesichert, weil in den letzten Jahrzehnten eine pluralistische und leistungsfähige Unternehmensstruktur gewachsen ist. So haben ca. 630 Wasserversorgungsunternehmen verschiedener Rechtsform und Größe in Nordrhein-Westfalen 91,1 % der Wohnbevölkerung, d.h. rund 16,5 Millionen Menschen, sowie zahlreiche Gewerbebetriebe an die zentrale öffentliche Wasserversorgung angeschlossen1. Dabei haben fast alle Kommunen mit mehr als 10.000 Einwohnern eigene Wasserversorgungsunternehmen. Diese machen 90 % aller aus und produzieren 80 % der Wasserabgabe, in der Regel zusammen mit der Strom- und Gasversorgung 2. Im Bundesgebiet wirtschaften aber auch etwa 80 Wasserversorgungsunternehmen, die nicht einer oder mehreren Gemeinden, sondern dem Land, Landkreisen sowie anderen juristischen oder natürlichen Personen gehören 3 . Wenn auch die Versorgung gesichert ist, so steigt der Preis dafür kontinuierlich an: 1995 wurde Trinkwasser in den alten Ländern um 3 %, in den neuen Ländern sogar um 7,6 % teurer. Dazu trägt nicht zuletzt der gesunkene Wasserverbrauch bei. Denn die Wasserwerke haben einen Fixkostenanteil von ca. 80 %, der nun auf den geringeren Verbrauch umgelegt werden muß 4 .
1
Cronauge, StuGR 1990, S.344. Vogelsang u.α., Rn. 636. 3 Hess.VGH, RdE 1993, 143 (144), unter Berufung auf die Darstellung von Ludwig/Schauwecker, in: HkWP, Bd.5, S.291. 4 Voss vom BGW in der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung v. 15.5.1996. 2
Α. Der organisationsrechtliche Rahmen
199
Π. Wasserversorgung als kommunale Aufgabe Eine der ureigensten Aufgaben der gemeindlichen Selbstverwaltung bildet die Wasserversorgung. Als Teil der Daseinsvorsorge zählt die Wasserversorgung traditionell zum Kernbereich des eigenen Wirkungskreises der Gemeinden 3 . Das BVerfG hat das ausdrücklich bestätigt: „Die Durchführung der Wasserversorgung gehört zu den typischen die Daseinsvorsorge betreffenden Aufgaben der kommunalen Gebietskörperschaften 6." Die lebenswichtige Bedeutung der Wasserversorgung verpflichtet die Gemeinden, diese Aufgabe entweder selbst durchzuführen oder für die Durchführung zu sorgen 7. Die Schaffung ausreichender und hygienisch unbedenklicher Wasserversorgungsanlagen soll demnach als Pflichtaufgabe der Gemeinde anzusehen sein 8 . Im Gebiet der vormaligen DDR schrieb § 2 Komm Verf die „Versorgung mit Wasser" ausdrücklich als Aufgabe des „eigenen Wirkungskreises" fest. § 60 Komm Verf fügte ergänzend hinzu, die Gemeinde dürfe Versorgungsverträge nur abschließen, „wenn die Erfüllung der Aufgaben der Gemeinde nicht gefährdet wird und die berechtigten wirtschaftlichen Interessen der Gemeinde und ihrer Einwohner gewahrt sind". In Sachsen erlegt § 57 Abs.l SächsWG den Gemeinden im Rahmen ihrer Leistungsfähigkeit die Pflicht auf, ihr Gebiet ausreichend mit Trinkwasser zu versorgen, soweit diese Verpflichtung nicht auf andere Körperschaften des öffentlichen Rechts übertragen wurde. Bei der Wasserversorgung könnte es sich in Nordrhein-Westfalen ebenfalls um eine Pflichtige Selbstverwaltungsangelegenheit handeln. Davon geht in erster Linie die Rechtsprechung aus: Weil die Einwohner einer Gemeinde lebensnotwendig auf die Darbringung der Leistung angewiesen seien, sei die Gemeinde dazu nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet. Die Tätigkeit der Wasserversorgung falle in Übereinstimmung mit dem historisch überkommenen Verständnis in den Bereich öffentlicher (schlicht-hoheitlicher) Verwaltung und sei damit grundsätzlich öffentlich-rechtlichen Natur 9 . Ob der Charakter der Pflichtigen Selbstverwaltungsaufgabe tatsächlich für den gesamten Bereich der Wasserversorgung in Nordrhein-Westfalen zutrifft, erscheint indes fraglich. Zunächst ist bereits gezeigt worden, wie wenig sich dafür aus der Beschreibung als schlicht-hoheitliche Verwaltung ableiten läßt. Sodann ist auch eine Kompetenzbegründung aus dem Begriff der Daseinsvor3
Cronauge, StuGR 1990, S.345. BVerfG, JZ 1990, 335; ebenso BGH, ZMR 1988, 215. 7 Rauball u.a., § 2 GO NW a.F., Rn.15. 8 So Rehn/Cronauge, § 2 GO NW, Erl.1.6. 9 BGH, NJW 1985, 197 (198); BGH, ZMR 1988, 215; Cronauge, StuGR 1990, S.346; Wenzel, StT 1992, S.532; Hauser, S.8. 6
200
3. Teil: Die Wasserversorgung
sorge unhaltbar 10 . Gemäß § 3 Abs. 1 GO NW können den Gemeinden nur durch Gesetz Pflichtaufgaben auferlegt werden. Was die Wasserversorgung angeht, fehlt in Nordrhein-Westfalen im Gegensatz zu Sachsen eine entsprechende Regelung. Schließlich ist zu berücksichtigen, daß es sich bei den genannten Urteilen um solche zur Löschwasserversorgung handelt. Insoweit ist unklar, ob die für diesen speziellen Bereich getroffenen Feststellungen ohne weiteres auf die gesamte Wasserversorgung ausgedehnt werden können. Näherliegend erscheint es, die gemeindlichen Versorgungseinrichtungen für Fernwärme, Wasser, Strom und Gas zu den freiwilligen Aufgaben der Gemeinde zu zählen 11 . Diese Qualifikation ist allerdings allein historisch begründet und vor allem wegen der unterschiedlichen Einordnung von Abwasserbeseitigung als gesetzlicher Pflichtaufgabe und Wasserversorgung als freiwilliger Aufgabe kaum mehr einzusehen12. Ist damit schon die Basis für die vergleichende Betrachtung von Ver- und Entsorgung gelegt, so kann im vorliegenden Zusammenhang ohnehin vollständig auf die angesprochene Rechtsprechung Bezug genommen werden, da es sich bei der den Gemeinden nach § 1 Abs.2 S.l FSHGNW auferlegten Löschwasserversorgung nach § 4 FSHG NW sogar um eine Pflichtaufgabe zur Erfüllung nach Weisung handelt. Kennzeichnend für diese Aufgabenkategorie ist im Unterschied zur Pflichtigen Selbstverwaltungsangelegenheit, daß über die gesetzliche Auferlegung hinaus gemäß § 3 Abs.2 GO NW auch eine Weisungsmöglichkeit staatlicher Instanzen für die Art der Durchführung besteht13. Was also hier organisatorisch zulässig ist, muß für andere Pflichtaufgaben erst recht gelten.
HL Wasserrechtliche Determinanten Das Zutagefördern von Grundwasser in eigenen Brunnen bedarf gemäß §§2 Abs.l, 3 Abs.l Nr.6 i.V.m. 7 WHG einer Benutzungserlaubnis. §33 Abs. 1 Nr. 1 WHG macht die Erlaubnis entbehrlich, soweit die Entnahme nur für den eigenen Haushalt des Entnehmenden, nicht aber zur Bedarfsdeckung mehrerer Haushalte erfolgt 14 . Eine öffentliche Trinkwasserversorgung liegt i.S.d. § 47 LWG NW vor, wenn ein Wasserförderungs-, Aufbereitungs- und Verteilsystem nicht nur der 10 11 12 13 14
Löwer, S. 137f. Hofmann, S.125. Hofmann, S.127. Vgl. Tettinger, Bes. Verwaltungsrecht, Rn.98. OVG Münster, ZfW 1987, 49 (50).
Α. Der organisationsrechtliche Rahmen
201
eigenen privaten oder betrieblichen Versorgung des Unternehmers dient, sondern das Wasser darüber hinaus Dritten zum Zwecke der Versorgung mit Brauch- oder Trinkwasser zur Verfügung gestellt wird. Ist dies der Fall, sind Größe und Bedeutung des Versorgungsgebiets ebenso unerheblich wie die Rechtsform des Versorgungsunternehmens und der Belieferung 13 . Genauso gleichgültig ist, ob die Versorgung aufgrund vertraglicher Verpflichtung oder einer öffentlich-rechtlichen Satzung erfolgt; sie braucht auch nicht von der öffentlichen Hand auszugehen16. § 47 LWG NW trägt seuchen- und gesundheitspolizeilichen Gesichtspunkten Rechnung und ist insofern Ausdruck einer Risikoabwägung, die auf eine Prüfung der Wasserbeschaffenheit nur dort verzichtet, wo sich eine Gefahr aufgrund der Güte des geförderten Wassers nur beim Entnehmenden selbst verwirklichen kann. Dies ist bei öffentlicher Wasserversorgung gerade nicht gegeben, so daß für sie die hygienischen und chemischen Anforderungen des § 47 LWG NW gelten 17 . Demgemäß sind auch Bau und Betrieb der öffentlichen Trinkwasserversorgungsanlagen nach § § 4 8 f f L W G N W anzeigepflichtig. Nach § 11 BSeuchenG und der aufgrund der darin enthaltenen Ermächtigung ergangenen TrinkwVO unterliegen die Beschaffenheit des Wassers und die Einrichtung der Wasserversorgungsanlagen in hygienischer Hinsicht der Aufsicht durch die Gesundheitsämter, die notfalls die zuständigen Behörden über Mißstände zu unterrichten haben.
IV. Kommunalwirtschaftsrechtlicher Rahmen Die kommunale Wasserversorgung stellt eine wirtschaftliche Betätigung i.S.d. § 107 Abs.l S.l N r . l GO NW dar 1 8 , die der Gemeinde nur gestattet ist, wenn „ein dringender öffentlicher Zweck die Betätigung erfordert". Das in § 88 Abs.l N r . l GONWa.F. enthaltene Subsidiaritätsprinzip ist nicht mehr Zulässigkeitsvoraussetzung, sondern mittelbar ein Begriffsmerkmal der wirtschaftlichen Unternehmung. Wenn ein Privater die in Rede stehende Leistung nicht mit der Absicht der Gewinnerzielung erbringen kann, ist § 107 Abs.l S.2 GO NW überhaupt nicht einschlägig 19 . Auch eine Auslegung des dringenden öffentlichen Zwecks i.S.d. Subsidiaritätskriteriums und damit die Wiedereinführung als Zulässigkeitsvoraussetzung für die wirtschaftliche Betätigung 13 OVG Münster, ZfW 1987, 49 (50); Honert/Rüttgers, Gieseke u.a., § 6 WHG, Rn.38. 16 Gieseke u.a., § 6 WHG, Rn.38. 17 OVG Münster, ZfW 1987, 49 (50). 18 Statt vieler Rehn/Cronauge, § 107 GO NW, Erl.H2. 19 Oebbecke, S.389.
§ 47 LWG NW, Rn.l.;
202
3. Teil: Die Wasserversorgung
sind aufgrund des bewußt neu gefaßten Wortlauts des § 107 Abs.l S.l N r . l GO NW abzulehnen 20 . Der ersatzlose Fortfall der Subsidiaritätsklausel ist vielmehr ein Votum für die grundsätzliche Betätigungsfreiheit der Gemeinden21. Der dringende öffentliche Zweck ist gegeben, wenn sich die Leistungen des Unternehmens an den Bedürfnissen der Einwohner in der Gemeinde orientieren und eine im öffentlichen Interesse gebotene Versorgung des Gemeindegebiets zum Ziel haben. Nicht genügend ist die alleinige Absicht der Gewinnerzielung, denn die Rentabilität des Unternehmens ist nur als Nebenzweck vom Gesetzgeber gewollt 22 . Das Tatbestandsmerkmal des öffentlichen Zwecks ist ein unbestimmter Rechtsbegriff mit (weitem) Beurteilungsspielraum für die Gemeinde und die für die Gründung zuständigen Organe. Je mehr sich die Zwecksetzung des Unternehmens dem Bereich der Daseinsvorsorge für die Einwohner annähert, desto mehr spricht eine Vermutung für den öffentlichen Zweck 23 . Der graduelle Unterschied zum Tatbestandsmerkmal des wichtigen Interesses bei nichtwirtschaftlicher Betätigung ist kaum auszumachen. Die hinzutretenden Prüfungskriterien der „Dringlichkeit" des Zwecks, der Erforderlichkeit und der Verhältnismäßigkeit sind allerdings geeignet, die Anforderungen an die Zulässigkeit des wirtschaftlichen Unternehmens zu verschärfen 24. Aufgrund der Zweckbindung muß die Gemeinde bei Beteiligungsgesellschaften ausreichende Einwirkungsmöglichkeiten besitzen, um sicherzustellen, daß die Privatrechtsvereinigung dem vorgestellten öffentlichen Zweck auch tatsächlich dient 23 . Gemäß § 107 Abs.l S.l Nr.2 GO NW muß „die Betätigung nach Art und Umfang in einem angemessenen Verhältnis zur Leistungsfähigkeit" stehen. Wirtschaftliche Betätigungen sind demnach unzulässig, wenn sie ihrem Wesen nach den Rahmen des durch die Gemeinde aus eigener Kraft Leistbaren sprengen 26. In Sachsen enthalten § 97 Abs.l S.l N r . l u. 2 SächsGemO wortgleiche Voraussetzungen. Angesichts der gemeindlichen Wasserversorgungspflicht aus § 57 Abs. 1 SächsWG fragt sich jedoch, ob der Betrieb eines Wasserversorgungsunternehmens hier überhaupt wirtschaftliche Betätigung darstellt. Aufgrund der Definition der nichtwirtschaftlichen Unternehmen in § 97 Abs.2 S.l Nr. 1 SächsGemO als Unternehmen, zu deren Betrieb die Gemeinde gesetzlich
20 21 22 23 24 25 26
Oebbecke, S.389, Fßn.22. Rehn/Cronauge, § 107 GO NW, Erl.1.3. Gern, Rn.727; Rehn/Cronauge, § 107 GO NW, Erl.IV. 1. BVerwGE 39, 329 (332); Gern, Rn.727. Haupt, S.109f; Schoch, DÖV 1993, S.380. Erichsen, Kommunalrecht, S.240. Rehn/Cronauge, § 107 GO NW, Erl.V.l.; Gern, Rn.728.
Β. Die Organisationsformen
203
verpflichtet ist, liegt der Schluß nahe, die Wasserversorgung im Freistaat entsprechend einzuordnen.
B. Die Organisationsformen Ohne Unterschied zur Abwasserbeseitigung greift hier die Organisationshoheit der Gemeinden mit ihren Voraussetzungen und Grenzen. Eine Kommune kann die ihr kraft öffentlichen Rechts obliegende Versorgung ihres Gemeindegebiets mit Wasser nicht nur in eigener Regie und mit den Gestaltungsmitteln des öffentlichen Rechts, sondern ebenso in privatrechtlicher Form und durch einen Rechtsträger des Privatrechts gewährleisten 1. Die Wahlfreiheit bezieht sich sowohl auf die Organisationsform des Betriebs als auch auf die Ausgestaltung des Leistungs- oder Benutzungsverhältnisses 2. Grundsätzlich kommen zwei Organisationstypen in Betracht: Aufgabenwahrnehmung durch ein eigenes gemeindliches Versorgungsunternehmen (sog. Eigenversorgung) oder Übertragung der Aufgabendurchführung auf ein Drittunternehmen mittels Konzessionsvertrages (sog. B- oder Fremdversorgung) 3 .
I. Die Eigenversorgung Insoweit kann die Gemeinde auf die öffentlich-rechtlichen Organisationsformen (Regie-, Eigenbetrieb) genauso zurückgreifen wie auf die privatrechtliche Form der Eigengesellschaft bzw. -genossenschaft. Besondere Bedeutung hat bei der Wasserversorgung die interkommunale Zusammenarbeit sowohl auf öffentlich- als auch zivilrechtlicher Grundlage 4. Neben den im GkG NW vorgesehenen Möglichkeiten kommt die Gründung eines Wasser- und Bodenverbandes in Betracht. Schließlich ist der Gemeinde auch die Zuhilfenahme eines Erfüllungsgehilfen unbenommen. § 57 Abs.4 SächsWG bestimmt insoweit ausdrücklich, daß sich die Träger der öffentlichen Wasserversorgung zur Erfüllung der Aufgaben Dritter bedienen können. Betreibt die Gemeinde die Wasserversorgung als privatrechtliche Gesellschaft, können deren Rechtsbeziehungen zu den Benutzern nur privatrechtlich
1 2 3 4
BGH, NJW 1985,197 (198); BGH, ZMR 1988, 215. Maurer, § 3, Rn.9. Cronauge, StuGR 1990, S.346. Cronauge, StuGR 1990, S.347.
204
3. Teil: Die Wasserversorgung
sein; wenn dagegen die Verwaltung die Wasserversorgung öffentlich-rechtlich betreibt, verbleibt ihr bei der Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses erneut ein Wahlrecht. Unter Umständen verbinden sich dann öffentlich-rechtliche Organisationsform und privatrechtliches Leistungsverhältnis. Jedenfalls stehen der Gemeindeverwaltung nur die privatrechtlichen Rechtsformen, jedoch nicht die Freiheiten und Möglichkeiten der Privatautonomie zu, mit der Folge, daß sie sich nicht den öffentlich-rechtlichen Bindungen entziehen kann, sondern das gemeindliche Wasserversorgungsunternehmen dem Verwaltungsprivatrecht unterliegt. Das meint das öffentlich-rechtlich überlagerte und gebundene Privatrecht, das allein der Verwaltung bei der Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben zur Verfügung steht3. Insbesondere die grundlegenden Prinzipien der öffentlichen Finanzgebarung sollen verhindern, daß die „Flucht ins Privatrecht" zum Mittel der Erschließung von Finanzquellen wird, die bei öffentlich-rechtlicher Ausgestaltung des Rechtsverhältnisses über Abgaben nicht sprudelten 6. Zusätzlich unterliegen die Vertragsentgelte für die Inanspruchnahme des kommunalen Unternehmens der Billigkeitskontrolle des §315 Abs.3 BGB, da der Kunde im Bedarfsfall auf diese Leistungen der Daseinsvorsorge angewiesen ist 7 . Insgesamt gelten für die Eigenversorgung dieselben, vor allem kommunalrechtlichen Regeln wie bei der Privatisierung der Abwasserbeseitigung. Eine Ausnahme gilt für das Steuerrecht: Da es sich bei Betrieben, die der Wasserversorgung dienen, um solche gewerblicher Art i.S.d. §§ 1 Abs.l Nr.6, 4 Abs. 1-3 KStG; 2 Abs.3 UStG handelt, sind sie nach Substanz, Ertrag und Leistung auch steuerpflichtig, wenn sie nicht formal privatisiert sind.
Π. Die Fremdversorgung Die sog. B-Versorgung erfolgt durch Abschluß eines Wasserkonzessionsvertrages mit einem Fremdunternehmen, z.B. einem regionalen Versorger. Darin liegt ein Verzicht auf die eigene unmittelbare Kompetenzausübung, ohne daß die Gemeinde die Wahrnehmung ihrer Aufgabe vollständig preisgegeben hätte 8 .
3 6 7 8
Maurer, § 3, Rn.9; R.Schmidt, S.502; Gern, Rn.730. Driehaus/Dahmen, § 4 KAG, Rn.237; Cronauge, StuGR 1990, S.349. Driehaus/Dahmen, § 4 KAG, Rn.235; Gern, Rn.730. Cronauge, StuGR 1990, S.347.
Β. Die Organisationsmen
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1. Die Zulässigkeit a) Organisationshoheit bei der Vorhaltung von Löschwasser § 4 FSHG NW bestimmt ausdrücklich, daß die Gemeinden die ihnen nach § 1 Abs.2 FSHG NW obliegende Sorge für eine ausreichende Löschwasserversorgung als öffentlich-rechtliche Pflichtaufgabe zur Erfüllung nach Weisung wahrzunehmen haben. Der BGH bestätigt insofern explizit, daß die Freiheit der Formenwahl unabhängig von der Rechtsnatur der Aufgabenzuweisung sei. Diese der Gemeinde im Rahmen der Gefahrenabwehr obliegenden Pflichten könne sie auch durch einen privatrechtlich verfaßten Dritten auf der Grundlage eines entsprechenden Konzessionsvertrages erfüllen lassen9. Zwar bestehe nur im Bereich der Leistungsverwaltung eine grundsätzliche Freiheit der Formenwahl dergestalt, daß Gemeinden sich sowohl öffentlichals auch privatrechtlicher Formen bedienen könnten. Die Verwaltung müsse sich dagegen öffentlich-rechtlicher Formen bedienen, wenn ihr ein Handeln in diesen Formen verbindlich vorgeschrieben sei oder die in Frage stehende Tätigkeit nur im Verhältnis der Über- und Unterordnung ausgeübt werden könne. Deshalb sei es aber nicht notwendig, daß sämtliche Aufgaben aus diesen Bereichen mit eigenen Organisationsmitteln wahrgenommen werden müßten; der öffentlich-rechtliche Charakter eines Rechtsverhältnisses schließe es nicht von vornherein aus, eine privatrechtlich verfaßte Fremdgesellschaft ganz oder teilweise mit der faktischen Erfüllung einer gemeindlichen Aufgabe zu betrauen 10 . Trotz der Zuständigkeit der Gemeinden sind sie mithin berechtigt, ein Wasserversorgungsunternehmen mit der Bereitstellung von Löschwasser, dem Einbau, der Wartung und Unterhaltung von Hydranten, der Anlegung von Löschwasserteichen u.ä. zu beauftragen 11.
b) Die Funktion des Privaten Scheinbar entspricht die B-Versorgung mittels eines Konzessionsnehmers der Erledigung einer Selbstverwaltungsaufgabe durch Einschaltung eines Erfüllungsgehilfen: Der Erfüllungshilfevertrag scheint als Konzessionsvertrag lediglich ebenso eine besondere Bezeichnung zu erhalten wie der Verwaltungshelfer als Konzessionsnehmer. Folgerichtig bezeichnet der BGH auch denjeni-
9 10 11
BGH, ZMR 1988, 215. BGH, NJW 1985, 197 (200). Morell , E § 1 Abs.l, Erl.c) ca).
206
3. Teil: Die Wasserversorgung
gen Konzessionsnehmer als „(kommunalen) Erfüllungsgehilfen" 12 , dessen Unternehmen sich vollständig in privatem Eigentum befindet. Im Gegensatz zum Erfüllungsgehilfen in der Abwasserbeseitigung ändert sich hier aber der Bezugspunkt der Leistungsbeziehungen, indem die Gemeinde hinter das Versorgungsunternehmen zurücktritt. Mit der hier vorgenommenen Definition der Erfüllungshilfe stimmt die Konzessionsvergabe daher nicht überein 13 . Vielmehr handelt es sich beim Konzessionsnehmer um eine Ausprägung der zweiten Form staatsanteiligen Privathandelns, bei der die Unselbständigkeit kein Tatbestandsmerkmal bildet, sondern der Konzessionsnehmer im eigenen Namen und auf eigene Rechnung dem Benutzer gegenübertritt. Demgemäß stellt der Hess. VGH fest, daß nicht die Gemeinde quasi kraft Gesetzes das Wasserversorgungsunternehmen für ihr Gebiet und der private Anlagenbetreiber nur ihr Erfüllungsgehilfe sei, sondern die Wasserwerke GmbH dem Grundstückseigentümer als Wasserversorgungsunternehmen gegenüberstehe und allen für solche Unternehmen geltenden Vorschriften unterliege 14 . Im Unterschied zum organisationsrechtlichen Rahmen bei der Abwasserbeseitigung darf bei der Wasserversorgung also ein privater Dritter eigenständig diese gemeindliche Aufgabe erfüllen. Das überrascht angesichts der Tatsache, daß zum Teil die Wasserversorgung insgesamt als Pflichtige Selbstverwaltungsangelegenheit qualifiziert wird, jedenfalls aber die Löschwasserversorgung keine freiwillige Aufgabe der Gemeinde darstellt, mit der Folge, daß die oben dargestellten engen Voraussetzungen und Grenzen für die Einschaltung eines Dritten gelten müßten. Schließlich steht der Gemeinde auch keine hoheitliche Aufsicht über die Wasserversorgung zu, so daß sie gegenüber dem Wasserversorgungsunternehmen nicht weisungsbefugt bzgl. der Versorgung einzelner Grundstücke ist. Neben der Zuständigkeit der allgemeinen wasserund ordnungsbehördlichen Aufsicht besteht keine Zuständigkeit der Gemeinden für die „Wasserversorgungsaufsicht" 13. Auf der anderen Seite liegt dieses über die Verwaltungshilfe hinausgehende staatlich-private Kondominium ebenfalls unterhalb der Schwelle der ohne ausdrückliche Ermächtigung unzulässigen Verwaltungssubstitution und somit noch im Rahmen der gemeindlichen Organisationshoheit. Die Reduktion des staatsanteiligen Privathandelns auf den Erfüllungsgehilfen begründet sich in der Abwasserbeseitigung bisher vornehmlich aus wasserrechtlichen Zusammenhängen. Danach soll es erforderlich sein, daß die Gemeinde die Anlagen
12 13 14 13
BGH, NJW 1985, 197 (200); ebenso Cronauge, StuGR 1990, S.347. S.o. 2.Teil. Β. ΠΙ. 3. d) bb) (4.). Hess.VGH, RdE 1993, 143 (145). Hess.VGH, RdE 1993, 143 (145).
Β. Die Organisationsformen
207
beherrscht. An solchen Beschränkungen fehlt es im Bereich der Wasserversorgung.
2. Ausgestaltung der Rechtsbeziehungen Im Ergebnis kommt es somit zu einem Dreiecksverhältnis zwischen Versorger, Benutzer und Gemeinde; die Kommune ist nicht alleiniger Bezugspunkt der Leistungsbeziehungen.
a) Rechtsverhältnis zwischen Fremdversorger
und Benutzer
Grundlage der unmittelbaren privatrechtlichen Beziehung des Fremdversorgers zum Bürger sind die aufgrund der Ermächtigung in § 27 AGBG als Rechtsverordnung erlassenen Allgemeinen Versorgungsbedingungen für die Wasserversorgungsunternehmen. In der Wasserversorgung ist es nicht möglich, sämtliche Versorgungsverhältnisse dieser AVBWasserV zu unterwerfen, so daß sie folgerichtig in § 1 AVBWasserV ausdrücklich die Belieferung von weiterverteilenden Unternehmen, Industriebetrieben sowie die Vorhaltung von Löschwasser vom Anwendungsbereich ausnimmt und die Möglichkeit eröffnet, in begrenztem Umfang zu Allgemeinen Versorgungsbedingungen zu versorgen, die von den Bestimmungen der AVBWasserV abweichen. Unberührt von der Vorschrift des § 1 AVBWasserV bleibt die Frage, ob ein Wasserversorgungsunternehmen zum Anschluß und zur Versorgung verpflichtet ist, weil dem Verordnungsgeber nach der Ermächtigungsgrundlage des § 27 AGBG eine entsprechende Regelungskompetenz nicht zusteht. Demzufolge besteht auch für Wasserversorgungsunternehmen eine faktische Anschluß- und Versorgungspflicht nur nach den allgemeinen Grundsätzen aus §§ 138, 826 BGB; 22, 26 GWB. Diese Pflicht endet dort, wo einem B-Versorger Anschluß oder Versorgung wirtschaftlich nicht zumutbar ist 1 6 . Die AVBWasserV differenziert nicht zwischen Anschluß- und Versorgungsvertrag, so daß ihre Bestimmungen für die Rechtsbeziehungen zum Anschlußnehmer sowie zum Kunden gelten. Da beide in der Wasserversorgung regelmäßig personengleich sind, hat die fehlende Unterscheidung kaum praktische Bedeutung 17 . Für das Zustandekommen von Verträgen über die Versorgung mit Wasser gelten keine rechtlichen Besonderheiten, sondern sie werden ebenso wie andere (zivilrechtliche) Verträge durch Angebot und Annahme 16 17
Morell, E § 1 Abs.l, Erl.c). Morell, E § 1 Abs.l, Erl.g).
208
3. Teil: Die Wasserversorgung
i.S.d. §§ 145ffBGB geschlossen. Gegenstand der Versorgungsverträge sind unabhängig davon, welche Vertragsseite das Angebot unterbreitet hat, immer die in §§ 2 - 34 AVBWasserV enthaltenen Geschäftsbedingungen und die vom Wasserversorgungsunternehmen bekanntgemachten Preise 18. Ob schon die rein tatsächliche Entnahme von Wasser zum Zustandekommen eines Vertrages führt, hängt von der Beurteilung eines Vertragsschlusses kraft „sozialtypischen Verhaltens" ab 1 9 ; jedenfalls setzt § 2 Abs.2 AVBWasserV diese Konstruktion voraus, wenn er Rechtsfolgen für den Fall enthält, daß durch die Wasserentnahme ein Wasserversorgungsvertrag zustande gekommen ist.
b) Der Konzessionsvertrag Die Rechtsbeziehungen der Fremdunternehmen zur Gemeinde, deren Einwohner sie versorgen, werden allein durch den Konzessionsvertrag begründet.
aa) Zulässigkeit und Inhalt Die Gemeinden stellen den Versorgungsunternehmen ihr gesamtes öffentliches Wegenetz zur Verlegung von Leitungen durch Gestattungsverträge auf der Grundlage ihres Wegeeigentums in der Form der privatrechtlichen sonstigen Benutzung gemäß § 23 StrWG NW zur Verfügung 20 . Die Unterscheidung von Sondernutzung und sonstiger Benutzung ist von der Beeinträchtigung des Gemeingebrauchs abhängig. Der Gesetzgeber hat durch die Bestimmung in § 23 Abs. 1 StrWG NW, daß eine Beeinträchtigung des Gemeingebrauchs von nur kurzer Dauer zum Zwecke der Versorgung außer Betracht bleibt, die Versorgungsunternehmen privilegiert. Der Grund liegt in dem Umstand, daß mit den bewährten Gestattungsverträgen die schwierigen Fragen der Straßenbenutzung sachgerechter geregelt werden können als mit öffentlich-rechtlichen Erlaubnissen 21. Typischerweise regelt der Gestattungsvertrag die Modalitäten dieses Wegebenutzungsrechts des Versorgungsunternehmens bzgl. der öffentlichen Verkehrsräume der Gemeinde im einzelnen (Benutzungsrecht, Wiederinstandsetzungs- und Nachbesserungspflicht, beschränkte oder unbeschränkte Folgepflicht mit Kostenzuteilung, Haftung) und bestimmt das dafür zu zahlende 18 19 20 21
Morell E § 2 Abs.l, Erl.a). Zustimmend Morell , E § 2 Abs.2, Erl.a). Jestaedt, in: Langen/Bunte, § 103 GWB, Rn.13. Ziegler, S.226.
Β. Die Organisationsformen
209
Entgelt einschließlich des konzessionsabgabenrechtlich zulässigen Nachlasses für den Eigenverbrauch der Gemeinde. Zu den wegerechtlichen Regelungen hinzukommen die Festlegung der Versorgungspflicht des Unternehmers bei gleichzeitigem Verzicht der Gemeinden auf eigene Betätigung in diesen Bereichen (Demarkationsabrede) bzw. ihre Verpflichtung, die Straßen keinem anderen Unternehmen für den gleichen Versorgungszweck zur Verfügung zu stellen, und die Regelungen über das Vertragsende (im einzelnen: Übernahmerecht der Gemeinde in bezug auf die Versorgungsanlagen und Übernahmepreis, Vertragsdauer) 22. Die Bezeichnung des Entgelts für die Gestattung und deren Ausschließlichkeit als Konzessionsabgabe ist insofern irreführend, als das Versorgungsunternehmen von der Gemeinde als Wegeeigentümer gerade keine Konzession, also eine öffentlich-rechtliche Erlaubnis, bekommt 23 . Dennoch gibt die Konzession den umfassenden Verträgen ihren Namen. Da Versorgung ohne Inanspruchnahme der Wege kaum durchzuführen ist, haben die Gemeinden faktisch die Möglichkeit festzulegen, wer in ihrem Gebiet die Versorgung durchführt. Weil die Wegebenutzungsverträge regelmäßig Ausschließlichkeitsklauseln enthalten, ist der Anwendungsbereich der §§ 1 bzw. 18 GWB betroffen 24 . Die Zulässigkeit derartiger Ausschließlichkeitsregelungen richtet sich ebenso wie die von Demarkationsabreden nach § 103 Abs.l, 3 GWB, der die darin liegenden Wettbewerbsbeschränkungen für Versorgungsunternehmen freistellt. Die Verträge sind entsprechend § 9 GWB bei der Kartellbehörde anzuzeigen. § 103 Abs.5, 6 GWB enthält eine Mißbrauchsaufsicht der Kartellbehörde auch zum Schutz der Abnehmer. § 103 Abs.l Nr.2 GWB erfaßt aber nur die Verpflichtung der Kommunen, die Verlegung und den Betrieb von Leitungen auf oder unter öffentlichen Wegen für die näher gekennzeichnete Versorgung Dritten zu verweigern; darüber hinausgehende Verpflichtungen sind nicht freigestellt 23 . In den fünf neuen Ländern lag bzgl. der Konzessionsabgabe eine Einschränkung kommunaler Rechte in der Suspendierung des gemeindlichen Wegerechts zur Nutzung ihrer Straßen, Plätze und Flächen als Grundlage leitungsgebundener Versorgungsrechte bis zum 31.12.1991. Erst danach konnten die Gemeinden darauf beruhende Konzessionsverträge abschließen und Konzessionsabgaben unter Voraussetzungen erheben, wie es dem Grundgesetz entspricht, obwohl schon § 60 Komm Verf dieses Recht der Gemeinden begründet hatte. Diese Festlegung des Einigungsvertrages resultierte daraus, daß es in
22
Vogelsang u.a., Rn.640; Hess.VGH, RdE 1993, 143 (144); Ludwig, I.Teil, Β ΠΙ (S.7); Ziegler, S.226; s.i.e. Tettinger, DVB1.1991, S.787. 23 Ziegler, S.226; Tettinger, DVB1.1991, S.788. 24 Jestaedt, in: Langen/Bunte, § 103 GWB, Rn.13. 23 Jestaedt, in: Langen/Bunte, § 103 GWB, Rn.14. 14 Brüning
210
3. Teil: Die Wasserversorgung
der DDR keine Konzessionsabgaben zu Lasten der Wasser- und Energieversorgungskombinate gab 26 .
bb) Die Rechtsnatur Liegt der tatsächliche Betrieb der öffentlichen Wasserversorgungsleitung in den Händen eines privatrechtlichen Unternehmens, an dem die Gemeinde nicht beteiligt ist und mit dem sie lediglich einen Vertrag über die Versorgung ihres Gebietes mit Wasser geschlossen hat, so ist dieser Vertrag nicht zwangsläufig öffentlich-rechtlicher Natur. Zwar dient er der Erfüllung einer im öffentlichen Recht begründeten Aufgabe der kommunalen Daseinsvorsorge, hier in Gestalt der Versorgung der Gemeindeeinwohner mit Trink- und Brauchwasser. Daß die Gemeinde mit Abschluß des Vertrages einen solchen kommunalen Verwaltungszweck verfolgt, führt aber nicht dazu, daß dieser Vertrag dem öffentlichen Recht angehört 27 . Die Abgrenzung zum privatrechtlichen Vertrag erfolgt gemäß § 54 S.l VwVfG NW nach dem Vertragsgegenstand, der aus dem Inhalt zu ermitteln ist. Es kommt darauf an, ob er sich auf einen öffentlich-rechtlich zu beurteilenden Sachverhalt bezieht, insbesondere ob die vertraglich übernommene Verpflichtung oder die vertraglich vollzogene Verfügung öffentlich-rechtlichen Charakter hat 28 . Als öffentlich-rechtlicher Gegenstand kämen vorliegend die im Kommunalrecht begründeten Rechte und Pflichten der beteiligten Gemeinde in Betracht, insbesondere ihre Satzungsautonomie und ihre Verwaltungsbefugnisse beim Vollzug einer Satzung über den Anschluß- und Benutzungszwang für eine Wasserversorgungsanlage. Da diese betroffenen öffentlich-rechtlichen Pflichten der Gemeinde inhaltlich aber weder geändert werden noch der Wille der Vertragsparteien erkennbar darauf gerichtet ist, eine solche Änderung zu bewirken, begründet allein die vertragliche Verpflichtung zur Ausübung der hoheitlichen Befugnisse nicht den öffentlich-rechtlichen Charakter. Auch wenn die Übernahme der Verpflichtung, das Gemeindegebiet mit Wasser zu versorgen, unter der Gegenleistung erfolgt, daß die Gemeinde eine öffentlichrechtliche Ordnung der Wasserversorgung im Verhältnis zu den Beziehern der Wasserlieferungen schafft, kann und will die Kommune die gesetzlich normierte und ihrer Disposition entzogene Art und Weise der Ausübung öffentlicher Gewalt gegenüber den Gemeindeeinwohnern nicht modifizieren. Vielmehr soll die öffentlich-rechtliche Wirksamkeit der von der vertraglichen Vereinbarung mit dem Versorgungsunternehmen betroffenen Akte der öffentli26 27 28
Schützenmeister,, LKV 1991, S.219. OVG Lüneburg, OVGE 25, 345 (347f). Maurer, § 14, Rn.lOf.
Β. Die Organisationsformen
211
chen Gewalt nicht durch Einhaltung vertraglich begründeter Rechte beeinträchtigt werden. Auch bei Bezugnahme auf einen Anschluß- und Benutzungszwang ist der Inhalt des Vertrages mithin privatrechtlicher Natur 29 . Dieses Ergebnis wird bestätigt durch straßenrechtliche Regelungen wie etwa § 23 Abs. 1 StrWG NW, nach denen sich die Einräumung von Rechten zur Benutzung des Straßeneigentums für Versorgungsleitungen grundsätzlich nach Bürgerlichem Recht beurteilt 30 .
c) Bindungen des Konzessionsnehmers Im Innenverhältnis zur Gemeinde entspricht die Rechtslage des Konzessionsnehmers derjenigen des Erfüllungsgehilfen insoweit, als Grundlage ein Vertrag ist. Im Außenverhältnis zum Bürger ist die Konstruktion derjenigen der Eigengesellschaft vergleichbar, da diese ebenfalls privatrechtliche Rechtsbeziehungen zum Bürger unterhält.
aa) Geltung des Verwaltungsprivatrechts Zwangsläufig fragt sich sodann, ob die öffentlich-rechtlichen Bindungen der Gemeinde ersatzlos entfallen oder auf den B-Versorger übergeleitet werden. Folgerichtig wäre es, dem Fremdunternehmer jedenfalls dann, wenn man auf die Pflichtige Selbstverwaltungsangelegenheit rekurriert, die gleichen Bindungen aufzuerlegen, die das öffentliche Recht der Gemeinde im Fall der Eigenversorgung vorschreibt 31 . In Ausübung der ihm übertragenen Verwaltungsaufgaben wäre der Konzessionsnehmer dann in der gleichen Weise der Verfassung und den Grundrechten verpflichtet wie die handelnde Behörde. Obwohl er nicht in den organschaftlichen Bereich des Staates integriert ist, gehörte er doch zu den Gliedern der Staatsorganisation 32.
29 30 31 32
S.112f. 1*
OVG Lüneburg, OVGE 25, 345 (348f). So Τ ettinger y DVB1.1991, S.787. So dementsprechend auch Cronauge, StuGR 1990, S.347. So einschränkungslos Ossenbühl, WDStRL 29, S.192f; ablehnend Grabbe,
212
3. Teil: Die Wasserversorgung
(1) Beispiel Entgelterhebung Der BGH hat in zwei Fällen eines privatrechtlichen Wasserversorgungsunternehmens in der Rechtsform der AG, an der die Stadt ersterenfalls als Mehrheitsaktionärin 33 und im zweiten Fall nur mit 2,88 % und die öffentliche Hand insgesamt mit rd. 23 % 3 4 beteiligt gewesen ist, abgelehnt, dem derart privat getragenen Unternehmen im Verhältnis zu seinen Anschlußnehmern volle Privatautonomie zuzubilligen. Das Unternehmen versorgte jeweils aufgrund eines Konzessionsvertrages das Stadtgebiet mit Wasser und hielt Löschwasser bereit, um die nach § 1 Abs.2 FSHG NW der Gemeinde obliegende Sorge für eine an der konkreten Gefahrensituation ausgerichtete ausreichende Löschwasserversorgung zu erfüllen. Dafür verlangte das Unternehmen nach Maßgabe seiner Versorgungsbedingungen von einem Anschlußnehmer einen Bereitstellungsbetrag. Im Anschluß daran entschied das OLG Düsseldorf für den Fall der Trinkwasserversorgung durch ein privates Unternehmen in der Rechtsform der AG ebenfalls, daß die „Billigkeitskontrolle (des § 315 Abs.3 BGB) nicht ausschließlich nach privatrechtlichen Grundsätzen vorgenommen werden könne" 33 . Der BGH urteilte, daß das Verlangen eines Bereitstellungsentgelts bei öffentlich-rechtlicher Ausgestaltung des Wasserbenutzungsverhältnisses unzulässig gewesen wäre, weil die streitbefangene Löschwasservorsorge noch dem gemeinen Brandschutz zuzurechnen sei und die Gemeinde die Kosten hierfür zu tragen habe. Das Verlangen werde nicht deshalb wirksam, weil die Stadt die Aufgabe auf privatrechtlicher Grundlage durch die Wasserwerke erfüllen lasse. Vielmehr hinderten die allgemeinen Regeln des Verwaltungsprivatrechts die Erhebung eines Entgelts 36 . Die „Flucht in das Privatrecht" dürfe nicht zum „Mittel der Erschließung illegaler Finanzquellen" werden 37 . Die Bindungen des Verwaltungsprivatrechts seien der Verwaltung auferlegt, wenn sie selbst in privatrechtlichen Formen Aufgaben der öffentlichen Verwaltung erfülle. Damit sei der Anwendungsbereich des Verwaltungsprivatrechts aber nicht erschöpft. Dessen Bindungen seien vielmehr auch dann anwendbar, wenn die Verwaltung nicht selbst oder durch einen Eigenbetrieb in privatrechtlicher Form handele, sondern in Gestalt eines von der Verwaltung beherrschten, privatrechtlich verfaßten Rechtssubjekts dem Bürger gegenübertrete 38 . Schließlich bleibe bei der Erfüllung der der Gemeinde als öffentlich-
33 34 33 36 37 38
BGH, NJW 1985, 197ff. BGH, ZMR 1988, 214ff. OLG Düsseldorf, R+S 1996, 1 (2). BGH, ZMR 1988, 214f. BGH, NJW 1985, 197 (200). BGH, NJW 1985, 197 (200).
Β. Die Organisationsformen
213
rechtliche Pflicht obliegenden Löschwasservorhaltung durch einen privaten Dritten der Betrieb einer öffentlichen Aufgabe gewidmet; der „kommunale Erfüllungsgehilfe" übe unabhängig von seiner Rechtsform Verwaltung im funktionellen Sinn aus. Er übernehme rein tatsächlich einen Teil der kraft öffentlichen Rechts der Gemeinde obliegenden Pflichtaufgabe und trete damit in deren öffentlich-rechtliche Bindungen nach den Grundsâtzén des Verwaltungsprivatrechts ein, so daß ihm keine volle Privatautonomie zukomme. Die Normen des Privatrechts würden vorliegend vornehmlich vom Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG und dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung aus Art. 20 Abs.3 GG i.V.m. den Vorschriften des FSHG NW und K A G NW ergänzt, überlagert und modifiziert. Schließlich dürfe für den Bürger kein Nachteil entstehen, wenn die Gemeinde die Wasserversorgung unter Zuhilfenahme eines privaten Helfers durchführe 39 . Das Verwaltungsprivatrecht gilt demnach auch für Rechtsverhältnisse nicht beliehener Personen des Privatrechts, durch die Träger öffentlicher Verwaltung ihre öffentlichen Aufgaben erfüllen 40 . Soweit der Geltungsumfang durch Bezugnahme auf den Begriff der Daseinsvorsorge beschrieben wird 4 1 , ist das die Abkürzung dafür, daß die staatlichen Leistungserbringungen unter der Bindung eines öffentlichen Zwecks stehen und speziell auf kommunaler Ebene nur kraft gesetzlicher Rechtfertigung zulässig sind. Die Zuordnung des Sachbereichs Wasser zur Daseinsvorsorge macht diese zur Verwaltungsaufgabe und erfüllt so die Rechtfertigungserfordernisse 42. Konsequenterweise geht der BGH über das Problem hinweg, daß das Wasserversorgungsunternehmen nicht aufgrund der Mehrheit der Aktien von der Verwaltung beherrscht wurde: Der Anwendungsbereich des Verwaltungsprivatrechts sei weit zu fassen; auf das Ausmaß der gemeindlichen Beteiligung an dem Wasserversorgungsunternehmen komme es ebensowenig an wie auf die Möglichkeiten der Einflußnahme. Entscheidend sei allein, ob die in Frage stehende Tätigkeit materiell eine öffentliche Aufgabe darstelle, da anderenfalls der Vorrang des öffentlichen Rechts vor dem Privatrecht nicht gewährleistet wäre 43 . Daß es auf den Grad der Beteiligung der Gemeinde an einem Unternehmen letztlich nicht ankommen kann, da auch die theoretisch ununterbrochene Einwirkungskette in der Praxis eine faktische materielle Privatisierung nicht
39
BGH, ZMR 1988, 214; Cronauge, StuGR 1990, S.346 u. 349; Däubler, S.126f. Wolff/Bachof/Stober, Bd.l, § 23, Rn.31. 41 „Jedenfalls im Bereich der Daseinsvorsorge gelten die Grundrechte", so BGHZ 52, 325 (328f); 65, 285 (287); ebenso OLG Düsseldorf, R+S 1996, 1 (2). 42 Löwer, S.136. 43 BGH, ZMR 1988, 216. 40
214
3. Teil: Die Wasserversorgung
aufhält, ist bereits gezeigt worden 44 . Der Eintritt einer vollständig in privater Hand befindlichen Einrichtung in öffentlich-rechtliche Bindungen ist die Folge einer an praktischen Bedürfnissen ausgerichteten und daher ergebnisorientierten Rechtsanwendung. Bislang stellte die Rechtsprechung darauf ab, ob das privatrechtlich verfaßte Rechtssubjekt aufgrund der Beteiligungsquote der öffentlichen Hand von der Verwaltung beherrscht wird 4 3 . Wenn danach auch eine sichere Abgrenzung der Verwaltungsträgerschaft ebensowenig möglich ist wie nach dem Kriterium der externen Einflußsicherung, so bieten beide doch Anhaltspunkte dafür, ob die öffentliche Hand in der Lage ist, zielstrebig das Handeln solcher Privatrechtsvereinigungen zu bestimmen, und ob sie die Verantwortung für dieses Handeln übernehmen kann 46 . Im Ergebnis greifen bei der B-Versorgung im Verhältnis von Privatunternehmen und Benutzer die wesentlichen Schranken des Gebührenrechts, also insbesondere die Grundsätze der Kostendeckung und der Äquivalenz, und zwar auch, wenn das Entgelt nicht als Beitrag oder Gebühr aufgrund des K A G NW, sondern als privatrechtlicher Baukostenzuschuß, Wasserpreis oder Bereitstellungsentgelt für die Vorhaltung von Löschwasser beim Verbraucher erhoben wird 4 7 . Grundlage dafür soll der Konzessionsvertrag sein, durch den das Privatunternehmen die teilweise Erfüllung der gemeindlichen Pflicht übernommen hat und folgerichtig auch den Bindungen unterliegt, die das öffentliche Recht für diese Art der öffentlichen Verwaltung dem jeweiligen Träger auferlegt 48 .
(2) Beispiel Allgemeine Versorgungsbedingungen In derselben Art und Weise hat der BGH die einem privatrechtlich ausgestalteten Wasserversorgungsverhältnis zugrundeliegenden Allgemeinen Versorgungsbedingungen eines privatwirtschaftlichen Wasserwerks nicht ausschließlich an den Normen des Privatrechts, sondern auch an den - im konkreten Fall nicht betroffenen - Grundrechten und den Prinzipien öffentlichen Finanzgebarens, speziell dem Äquivalenzprinzip, gemessen49.
44
S.o. 2.Teil. Β. ΠΙ. 2. h). So z.B. VG Gelsenkirchen, DWW 1993, 266; im Anschluß daran: Driehaus/ Dahmen, § 4 KAG, Rn.238. 46 Wolff/Bachof/Stober, Bd.2, § 104a, Rn.5. 47 OLG Düsseldorf, R+S 1996, 1 (2); Cronauge, StuGR 1990, S.347; ders. f Kommunale Unternehmen, Rn.357. 48 BGH, ZMR 1988, 215 (216f). 49 BGH, NJW 1985, 3013 (3014). 43
Β. Die Organisationsformen
215
Der Fall lag außerhalb des Geltungsbereichs der AVBWasserV. Als Ausgangspunkt für die Inhaltskontrolle der vorliegenden Versorgungsbedingungen wählt der BGH den Maßstab der §§9-11 AGBG. § 8 AGBG beschränkt diese Inhaltskontrolle allerdings auf Klauseln, die von Rechtsvorschriften abweichen oder diese ergänzen. Als solche kämen jedoch nicht nur Gesetzesvorschriften im materiellen Sinn in Betracht, weil bei einem so eingeschränkten Verständnis des § 8 AGBG diejenigen Verträge von vornherein aus dem Schutzbereich der §§ 9-11 AGBG herausfielen, die nicht besonders gesetzlich geregelt seien. Dies sei mit dem Zweck der Inhaltskontrolle nicht zu vereinbaren. Vielmehr sei daher vor allem beim Fehlen dispositiver Normen eine Inhaltskontrolle auch solcher AGB-Klauseln geboten, die vertragswesentliche Rechte und Pflichten zum Nachteil des Vertragspartners einschränkten oder sonst gegen allgemein anerkannte Rechtsgrundsätze verstießen. Da hier mit der Wasserversorgung eine Aufgabe der Daseinsvorsorge erfüllt werde, „die an sich von der öffentlichen Verwaltung zu erfüllen wäre", würden die allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätze der Vertragsgerechtigkeit von Bestimmungen des öffentlichen Rechts ergänzt, überlagert und modifiziert 50 .
bb) Grundrechtsfahigkeit gemischt-wirtschaftlicher Unternehmen Die konsequente Fortführung dieser Grundsätze scheint zu sein, privatrechtlich organisierten Verwaltungsträgern im gesamten Anwendungsbereich des Verwaltungsprivatrechts, in dem der Bürger j a vollen Grundrechtsschutz genießt, die Grundrechtsfähigkeit zu versagen 31. Dementsprechend sprach das BVerfG unter ausdrücklicher Bezugnahme auf seine bisherige ständige Rechtsprechung zu Art. 19 Abs.3 GG 32 in der Verfassungsbeschwerde der Hamburger Elektrizitätswerke gegen das Urteil des Hanseatischen OLG bzgl. der Verwirkung des Rechts zur Stromsperre gegenüber säumigen Stromabnehmern wegen des Komplexes Hafenstraße dem gemischt-wirtschaftlichen Unternehmen (ca. 3 0 % privates Aktienkapital) die Verfassungsbeschwerdebefugnis ab 33 : Juristische Personen als Grundrechtsinhaber anzusehen und über Art. 19 Abs.3 GG in den Schutzbereich bestimmter materieller Grundrechte einzubeziehen, sei nur dann gerechtfertigt, wenn deren Bildung und Betätigung Ausdruck der freien Entfaltung der privaten natürlichen Personen sei, insbesondere wenn der Durchgriff auf die hinter ihnen stehenden Menschen es als sinnvoll und erforderlich erscheinen lasse. Dementsprechend hänge die Befugnis
30 31 32 33
BGH, NJW 1985, 3013 (3014). Wolff/Bachof/Stober, Bd.2, § 104a, Rn.23; Stober, NJW 1984, S.453. Vgl.z.B. BVerfGE 21, 362 (369); 61, 82 (101); 68, 193 (205f); 75, 192 (195f). BVerfG, NJW 1990, 1783.
216
3. Teil: Die Wasserversorgung
einer juristischen Person des Privatrechts zur Erhebung einer Verfassungsbeschwerde maßgeblich von der Funktion ab, in der sie von dem beanstandeten Akt öffentlicher Gewalt betroffen sei. Wenn diese Funktion in der Wahrnehmung gesetzlich zugewiesener und geregelter öffentlicher Aufgaben der Daseinsvorsorge bestehe, sei die juristische Person nicht grundrechtsfähig. Das BVerfG subsumiert die Energie- ebenso wie die Wasserversorgung den typischen, die Daseinsvorsorge betreffenden Aufgaben der kommunalen Gebietskörperschaften. Auf die Tatsache, daß sich die beschwerdeführenden Elektrizitätswerke nicht vollständig, sondern nur zu ca. 72 % in öffentlicher Hand befanden, soll es nicht ankommen. Denn auch bei diesem Beteiligungsverhältnis sei davon auszugehen, daß die Stadt die Möglichkeit habe, auf die Geschäftsführung entscheidenden Einfluß zu nehmen 34 . Diese Entscheidung ist im Ergebnis und in der Begründung zu kritisieren. Gemischt-wirtschaftliche Unternehmen, die auf der Grundlage einer Verfassungsgarantie privatautonom zu beliebigen Zwecken gebildet werden können, sind in den Schutzbereich der Grundrechte einzubeziehen, auch wenn dadurch das staatliche Anteilseigentum und die Aufgabenstruktur des Unternehmens vernachlässigt werden 33 . Die vom BVerfG unterstellten Einflußmöglichkeiten aufgrund der städtischen Kapitalmehrheit tragen die Entscheidung nicht. Eine Verdrängung des Unternehmensinteresses durch (politische) Interessen des kommunalen Mehrheitsaktionärs scheitert schon an den gesellschaftsrechtlichen Schranken 36. Im übrigen ist nicht klar, welche Kriterien anzuwenden sind, um die Einflußnahme(möglichkeiten) der Gebietskörperschaft auf die Geschäftsführung als entscheidend zu qualifizieren, insbesondere ob es allein auf den Beteiligungsgrad ankommt 37 . Bisher hat das BVerfG die Grundrechtsfähigkeit juristischer Personen des privaten Rechts nur eingeschränkt, wenn deren alleiniger Aktionär eine für den betreffenden Tätigkeitsbereich ihrerseits nicht grundrechtsfähige Körperschaft des öffentlichen Rechts ist und sie ausschließlich der öffentlichen Aufgabe der gemeindlichen Daseinsvorsorge gewidmet ist. Es kann nämlich dann nicht auf die Rechtsform ankommen, wenn allein ein Rechtsträger dahintersteht, der sich bei anderer Organisationsform nicht auf Grundrechte berufen könnte. Ansonsten wäre die Antwort auf die Frage nach der Grundrechtsfähigkeit der öffentlichen Hand von der gewählten jeweiligen Rechtsform abhängig
34
BVerfG, NJW 1990, 1783. Vgl. Pieroth/Schlink, Rn.l53ff; Koppensteiner, S.3106; Püttner, Öffentliche Unternehmen, S.120f; Ehlers, Privatrechtsform, S.85. 36 Kühne, S.336. 37 Kühne, S.336. 33
Β. Die Organisationsformen
217
und damit beliebig 38 . Fraglich ist insofern allerdings, ob solche kommunalen Privatrechtsorganisationen in den Schutzbereich des Art. 28 Abs.2 S.l GG einbezogen werden können, da sie anderenfalls rechtsschutzlos wären. Bisher wurde der Begriff der Gemeinden in Art. 28 Abs.2 S.l GG jedoch eng i.S.d. öffentlich-rechtlichen Gebietskörperschaften verstanden. Hinsichtlich der gemischt-wirtschaftlichen Unternehmen findet sich in der bisherigen Rechtsprechung des BVerfG keine Entscheidung, die einer durch Eintragung ins Handelsregister entstandenen Vereinigung des Handelsrechts die Grundrechtsfähigkeit abspricht, wenn sich auch nur ein kleiner Teil der Gesellschaftsanteile in privater Hand befunden hat, weil das Privatrechtssubjekt dann keinen verlängerten Arm des Staates oder eines anderen (selbst nicht grundrechtsfähigen) Hoheitsträgers darstellt 39 . Im Gegenteil können sogar privatrechtlich organisierten Verwaltungsträgern im gleichen Umfang Grundrechte zustehen wie ausnahmsweise ihren öffentlich-rechtlichen Mutterträgern 60 . Schließlich hat das BVerfG die Rechte der privaten Anteilseigner nicht berücksichtigt, sondern entrechtet sie in bezug auf die Grundrechte 61. Dieses Ergebnis kann nicht mit den Einflußnahmemöglichkeiten der Gemeinde gerechtfertigt werden, weil der Grund der Ausnahme von der zugunsten juristischer Personen regelmäßig eingreifenden Garantie des Art. 19 Abs.3 GG nicht die Einflußmöglichkeit, sondern die Interessenidentität ist. Eine Gesellschaft privaten Rechts, deren Anteile sich vollständig in öffentlicher Hand befinden, repräsentiert keine Interessen, die von denen des Kapitaleigners unterschieden werden können, und ist daher grundsätzlich grundrechtsunfähig. Anders ist das bei Beteiligung Privater, weil der Gesetzeszweck dann nicht mehr ohne weiteres mit dem Aufgabenerfüllungsinteresse des öffentlich-rechtlich verfaßten Mehrheitseigentümers gleichgesetzt werden darf 2 . Der Umstand, daß eine Gesellschaft des Privatrechts bestimmten gesetzlichen Bindungen, z.B. einem Kontrahierungszwang und zwingenden inhaltlichen Vorgaben, unterliegt, kann nicht bedeuten, daß ihr bzgl. davon unberührter Handlungsbereiche der Grundrechtsschutz versagt wird, weil anderenfalls ein Schutz der privaten Anteilseigner i.S.d. Grundgesetzes nicht zu gewährleisten ist 6 3 . Wenn die Unternehmen durch die Rechtsordnung darauf in An38
BVerfGE 45, 63 (79f); zustimmend Koppensteiner, S.3108; Pieroth/Schlink, Rn. 170; Krebs, in: v.Münch/Kunig, Art. 19 GG, Rn.42. 39 So das Ergebnis der Untersuchung der Rspr. des BVerfG durch Koppensteiner, S.3108. 60 Stober, NJW 1984, S.453. 61 Kühne, S.336. 62 Koppensteiner, S.3109. 63 Koppensteiner, S.3109.
218
3. Teil: Die Wasserversorgung
spruch genommen werden, ihre Wirtschaftstätigkeit gemeinwohlnützig und dem Versorgungsauftrag verpflichtet auszuführen, wird nicht zugleich das unternehmerische Verhalten in staatliche Kompetenzwahrnehmung überführt 64 . Nicht das Ausmaß staatlicher Kontroll- und Eingriffsbefugnisse bestimmt die Zuweisung privater Aktivität in den Raum staatlicher Kompetenz, sondern eine gesetzliche Regelung, auch wenn ein staatliches Interesse an einer bestimmten Betätigung privater Personen besteht. Darin liegt gerade der Unterschied zur Beleihung mit hoheitlicher Gewalt. Anders als bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts streitet bei einer solchen des privaten Rechts vielmehr eine Vermutung für privates Handeln auch dann, wenn sie öffentliche Aufgaben wahrnehmen und dabei vom Staat überwacht werden 65 . Zuletzt wirkt auch die grundgesetzliche Prägung von Kernelementen des Gesellschaftsrechts auf die Anwendung und Auslegung des Art. 19 Abs.3 GG zurück. Denn das Gesellschaftsrecht allein ist nicht geeignet, Eingriffe des Staates abzuwehren oder zu neutralisieren. Vielmehr räumt es der Gesellschaft im Interesse ihrer Gesellschafter Rechte ein, die auch die Überprüfung eingreifender Gesetze am Maßstab des Grundgesetzes bedingen und zur prozessualen Umsetzung die Verfassungsbeschwerdebefugnis der Gesellschaft erfordern. Denn der verfassungsrechtliche Status des Anteilsrechts an einer Gesellschaft, die der Energieversorgung oder einer anderen Aufgabe der Daseinsvorsorge dient, unterscheidet sich nicht von Beteiligungen an anderen Gesellschaften, so daß Beeinträchtigungen des privaten Kapitalanteils nicht kompensationslos geduldet werden müssen, weil die Beteiligungsgesellschaft Aufgaben der Daseinsvorsorge erfüllt. Der Unternehmensgegenstand ist bei Beteiligung natürlicher Personen stets das Ergebnis privatautonomer Entscheidung. Bei der Zusammenfügung von Vermögen in einer Kapitalgesellschaft handelt es sich um kollektive Freiheitsnutzung. Deren Ergebnis ist der Wert der Beteiligung, der einen Bestandteil des Vermögens des Anteilseigners bildet. Das tatsächliche Substrat dagegen befindet sich im Eigentum der Gesellschaft, weshalb deren Grundrechtsfähigkeit geeignet und erforderlich ist, um den grundgesetzlich garantierten Entfaltungsspielraum natürlicher Personen zu erhalten 66 . Im Ergebnis kann mithin (gemischt-)wirtschaftlichen Unternehmen die Grundrechtsfähigkeit nicht abgesprochen werden.
64
Löwer, S. 140, bzgl. der gleichen Problematik bei der Energieversorgung. BVerwGE 61, 222 (225). 66 So im Ergebnis auch Koppensteiner, S.3113, der zuvor (S.3109ff) vor dem Hintergrund des Art. 19 Abs.3 GG die Mehrheits-Minderheits-Konflikte, die Organstruktur der Gesellschaft und die Behandlung der öffentlichen Hand im Konzernrecht untersucht. 65
Β. Die Organisationsformen
219
3. Sicherstellung der Aufgabenverantwortung Nur die Gemeinde selbst ist Adressat der aus den Brand- bzw. Feuerschutzgesetzen folgenden Pflichten, nicht jedoch die Fremdgesellschafit. Solche Unternehmen besitzen eine eigene Rechtspersönlichkeit und sind aufgrund ihrer Rechtsform eindeutig von der Gemeinde zu unterscheiden. Weil sie Feuerschutzaufgaben daher nur wahrnehmen müssen, wenn zwischen ihnen und den versorgten Gemeinden entsprechende vertragliche Vereinbarungen getroffen worden sind, besteht die Notwendigkeit einer ausdrücklichen vertraglichen Aufgabenzuweisung. Dabei ist es für eine Einbeziehung in die Aufgabe der Löschwasservorhaltung nicht ausreichend, wenn einer Gesellschaft im Konzessionsvertrag nur die allgemeine Versorgung der Bevölkerung mit Wasser auferlegt wird, weil darin in aller Regel nur eine Versorgung auf Grundlage der AVBWasserV zu sehen ist. Fehlt es an einer derartigen Spezifizierung und enthält der Vertrag auch im übrigen keine Regelungen, die Rückschlüsse auf die Übertragung bestimmter Brandschutzaufgaben ermöglichen, so ist die Aufgabenwahrnehmung weiterhin ausschließlich eine Angelegenheit der Kommune 67 . Zur Eröffnung von Einflußnahmemöglichkeiten auf die Geschäftsführung des Versorgungsunternehmens kann sich die Gemeinde im Konzessionsvertrag weitgehende Kontrollbefugnisse bis hin zu Genehmigungsvorbehalten (z.B. bei Tarifen) einräumen lassen68. Über die Leistungsbeschreibung bei der Auftragsvergabe und die Konzessionsverträge kann die Gemeinde das Leistungsverhältnis zwischen privaten Produzenten und privaten Verbrauchern inhaltlich so bestimmen, daß das notwendige Mindestmaß an Leistung gesichert ist 6 9 . Im einzelnen kann hier auf die Einwirkungsbahnen in Erfüllungshilfeverträgen Bezug genommen werden 70 . Fehl geht es deshalb, den Fall der Beauftragung eines Privaten per Konzessionsvertrag unter dem Vorbehalt bestimmter Bindungen nebst Einfluß- und Aufsichtsrechten als vollständige Entlassung einer Aktivität aus der öffentlichen Einflußnahme zu beschreiben und der echten Privatisierung in Abgrenzung zur Organisationsprivatisierung zu subsumieren 71.
67 68 69 70 71
Morell, E § 1 Abs.l, Erl.c) ca). Schmidt-Jortzig, Kommimalrecht, Rn.727; Wolff/Bachof/Stober, Graf Vitzthum, S.592; DStGB, S.67. Vgl. 2.Teü. Β. DI. 3. f). So aber Püttner, L K V 1994, S. 195.
§ 104a, Rn.32.
220
3. Teil: Die Wasserversorgung
Ι Π . Kommunalrechtliche Ausgestaltung 1. Die Eigenversorgung a) Organisation und Benutzung öffentlicher
Einrichtungen
Betreibt eine Gemeinde die Wasserversorgungsanlage als öffentliche Einrichtung, liegen Organisations- und Handlungsform des Betriebs im pflichtgemäßen Ermessen des Trägers. Folglich darf das Rechtsverhältnis bzgl. der Benutzung auch öffentlich-rechtlich ausgestaltet werden, und zwar insbesondere dann, wenn ein Anschluß- und Benutzungszwang angeordnet ist 7 2 . Demgemäß geht die AVBWasserV von der Möglichkeit aus, daß Versorgungsverhältnis öffentlich-rechtlich zu regeln. Nach § 35 AVBWasserV sind nämlich Rechtsvorschriften, die das Versorgungsverhältnis öffentlich-rechtlich regeln, den Bestimmungen der Allgemeinen Versorgungsbedingungen entsprechend zu gestalten bzw. anzupassen. Schaltet die Gemeinde einen nicht beliehenen, privatrechtlich verfaßten Einrichtungsträger ein, so kann sich dessen Leistungserbringung nur in den Formen des Privatrechts vollziehen, weil die Wahl der Organisationsform insoweit die möglichen Handlungsformen festlegt. Privatrechtliche Trägerschaft der kommunalen Einrichtung bedingt, daß das Benutzungsverhältnis dem bürgerlichen Recht angehört 73 , es sei denn, der Private wird nur als Verwaltungshelfer tätig. Insgesamt ergeben sich hier keine Besonderheiten gegenüber der im Rahmen der Privatisierung der Abwasserbeseitigung dargestellten Ausgestaltung der Benutzungsverhältnisse sowie der Um- und Durchsetzung des kommunalrechtlichen Zulassungsanspruchs 74. Der Charakter der Wasserversorgung als öffentliche Einrichtung hindert nicht, ihren Betrieb als wirtschaftliche Betätigung einzustufen, denn wirtschaftliches Unternehmen und öffentliche Einrichtung sind keine gegensätzlichen Begriffe. Öffentliche Einrichtungen können zugleich wirtschaftliche Unternehmen sein, weil diese Einordnung nicht auf eine bestimmte Rechtsform, sondern auf eine bestimmte Form des Wirtschaftens hinweist 73 .
72 73 74 73
Hess.VGH, DÖV 1993, 206. Herdegen, S.906. Vgl. 2.Teil. Β. ΙΠ. 2 . j ) u 3 . j ) . Hess. VGH, DÖV 1993, 206, zu den entsprechenden Regelungen der HessGO.
Β. Die Organisationsformen
221
b) Anschluß- und Benutzungszwang In § 19 GO NW ist die Wasserleitung als Gegenstand eines Anschluß- und Benutzungszwanges ausdrücklich genannt. Ob eine kommunale Kanalisation vorhanden ist, ist für die Befugnis der Gemeinde, eine öffentliche Wasserversorgung mit Anschluß- und Benutzungszwang einzurichten, unerheblich, da es sich bei Wasserleitung und Kanalisation um rechtlich voneinander unabhängige Anlagen handelt 76 . Auch die bundesrechtlichen Bestimmungen über die Benutzung von öffentlichen Einrichtungen wie die AVBWasserV stehen der Einführung eines Anschluß- und Benutzungszwanges durch Satzung aufgrund landesgesetzlicher Ermächtigung nicht entgegen77. Denn die in den Gemeindeordnungen enthaltenen Vorschriften über den Anschluß- und Benutzungszwang gehören zu dem der ausschließlichen Regelungskompetenz der Länder unterliegenden Kommunalrecht, wohingegen die bundesrechtlichen Bestimmungen über die Benutzung von Einrichtungen der Daseinsvorsorge auf der Kompetenz des Bundes zur Regelung des Rechts der Wirtschaft aus Art. 74 Nr. 11 GG beruhen, wozu auch das Recht des Verbraucherschutzes zählt. Da dem Bund ein unzulässiger Eingriff in den Zuständigkeitsbereich der Länder nicht unterstellt werden darf, dürfen die dem Verbraucherschutz dienenden bundesrechtlichen Bestimmungen der AVBWasserV - auch bei entsprechender Anwendung über § 35 AVBWasserV - nicht so ausgelegt werden, daß ein nach Kommunalrecht zulässiger Anschluß- und Benutzungszwang ausgehöhlt wird oder praktisch leerläuft 78 . Wohl aber entsteht aufgrund der durch § 35 Abs.l AVBWasserV vorgeschriebenen entsprechenden Gestaltung öffentlich-rechtlich geregelter Versorgungsverhältnisse die Notwendigkeit einer inhaltlichen Anpassung des Benutzungszwanges i.S.d. § 3 Abs. 1 AVBWasserV, wohingegen der Anschlußzwang durch die Anpassungspflicht nicht berührt wird 7 9 .
c) Die Benutzungsgebühren Voraussetzung für die Erhebung öffentlich-rechtlicher Benutzungsgebühren ist die gemeindliche Leistungserbringung in einer öffentlichen Einrichtung. Es ist aber nicht notwendig, daß die Benutzer ausschließlich in Rechtsbeziehungen zur Kommune stehen. Eine öffentliche Einrichtung liegt allerdings nur 76
OVG Lüneburg, OVGE 25, 345 (350). Gern, Rn.598. 78 BVerwG, NVwZ-RR 1992, 37 (38f). 79 Morell , E § 35 Abs.l, Erl.c); zur Befreiung vom satzungsrechtlichen Benutzungszwang entsprechend § 3 Abs.l AVBWasserV s. OVG Rh.-Pf., DÖV 1996, 125ff. 77
3. Teil: Die Wasserversorgung
222
dann vor, wenn die Gemeinde die Inanspruchnahme der Einrichtung selbst gewähren kann und sich der Bürger dazu nicht an einen Dritten wenden muß, der die Einrichtung unabhängig von der Gemeinde betreibt 80 . Der private Einrichtungsträger selbst kann auf keinen Fall Gläubiger der Kommunalabgaben werden, wenngleich er mit Teilaufgaben der Abgabenerhebung betraut werden kann 81 .
2. Die Fremdversorgung Die kommunalsachenrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten lassen es ohne weiteres zu, daß der Benutzer der öffentlichen Einrichtung nicht nur zur Gemeinde, sondern auch zu einem fremden Träger in Rechtsbeziehung stehen kann.
a) Organisation der öffentlichen
Einrichtung
Zulässig ist es, daß der Träger der öffentlichen Einrichtung eine eigene Rechtspersönlichkeit hat, insbesondere daß es sich dabei um ein Unternehmen handelt, das die Gemeinde nicht als Aktionärin oder Gesellschafterin beherrscht 82 . Denn irrelevant für die „Öffentlichkeit" einer kommunalen Einrichtung sind deren Rechtsform und Trägerschaft 83. Weil die Gemeinde ihre öffentlichen Aufgaben nicht ausschließlich mit eigenen Organisationsmitteln zu erfüllen braucht, kann sie natürliche oder juristische Privatpersonen und die ihnen gehörenden personellen und sächlichen Mittel in die Erfüllung von Verwaltungsaufgaben einbinden 84 . Bezugspunkt des Betriebs einer öffentlichen Einrichtung ist die Widmung, die neben der Zweckbestimmung den rechtlichen Rahmen vorgibt, in dem die allgemeine Nutzung der öffentlichen Einrichtung gewährt wird. Mit der Widmung nimmt der öffentliche Sachherr die einseitige Inhaltsgestaltung künftiger Nutzungsverhältnisse vor. Er regelt damit den inhaltlichen Rahmen für die
80
Driehaus/Dahmen,
§ 4 KAG, Rn.211; vgl. OVG Lüneburg, OVGE 25, 345
(354f). 81 82 83 84
Dedy, S.246. Hess.VGH, VerwRspr. Bd.27, 64 (65). Ossenbühl, DVB1.1973, S.289. Erichsen, JURA 1986, S.150; Frotscher, in: HkWP, Bd.3, S.147.
Β. Die Organisationsformen
223
später vorzunehmenden speziellen Rechtsgeschäfte mit den Benutzern 83 . Diese Wirkungen treten mit der Widmung automatisch und unabdingbar ein 8 6 .
b) Ausgestaltung der Rechtsverhältnisse Durch die Einschaltung eines fremden Rechtsträgers darf der durch Widmung begründete Einrichtungszweck nicht beeinträchtigt werden. Generell bedingt eine unmittelbare Rechtsbeziehung zwischen privatem Rechtsträger und Einrichtungsbenutzern aber noch keine schlechtere Erfüllung des öffentlichen Zwecks, denn die Gemeinde kann sich durch Vereinbarungen mit dem Unternehmen, das seine Anlagen der Widmung als öffentlicher Einrichtung unterwirft, den notwendigen Einfluß auf die Rechtsbeziehung zwischen Betreiber und Benutzer verschaffen. Vor allem kommt die Festlegung eines Kontrahierungszwangs zu Lasten des privatrechtlichen Betreibers in Betracht. Eine Beschränkung des fremden Betreibers auf die Rolle eines kommunalen Erfüllungsgehilfen, d.h. ohne eigene Rechtsbeziehungen zu den Benutzern der öffentlichen Einrichtung, ist demzufolge nicht erforderlich 87 .
aa) Zivilrechtliches Rechtsverhältnis zwischen privatem Träger und Benutzer Da der B-Versorger vorliegend eine juristische Person des privaten Rechts ist, könnte ihr Handeln und Unterlassen im Verhältnis zwischen ihr und privaten Dritten nur dann öffentlich-rechtlicher Natur sein, wenn sie mit dem Betrieb der Entsorgungsanlage hoheitliche Kompetenzen wahrnähme. Das setzt die Beleihung mit öffentlich-rechtlichen Befugnissen durch oder aufgrund eines Gesetzes voraus, an der es fehlt. Bei einer natürlichen oder juristischen Person des Privatrechts streitet deshalb eine Vermutung für privates Handeln unabhängig davon, ob sie öffentliche Aufgaben wahrnehmen und dabei vom Staat überwacht werden 88 . Einem vertraglich einbezogenen Einrichtungsträger stehen die Mittel zu öffentlich-rechtlicher Organisation der Benutzungsverhältnisse keinesfalls zur Verfügung 89 .
83
Axer y S. 180. Ossenbühly DVB1.1973, S.290, der allerdings von einem einheitlichen Regime des öffentlichen Rechts ausgeht. 87 Hess.VGH, VerwRspr. Bd.27, 64 (66). 88 So VGH Mannheim, NVwZ 1985, 437, zum privaten Betreiber einer Sonderabfalldeponie. 89 Erichs en y Kommunalrecht, S.213. 86
224
3. Teil: Die Wasserversorgung
Schon die Gemeinde selbst ist berechtigt, als Gegenleistung für die Inanspruchnahme ihrer öffentlichen Einrichtungen anstelle öffentlich-rechtlicher Gebühren ein privates Entgelt im Rahmen eines privatrechtlichen Rechtsverhältnisses zu fordern, und zwar auch dann, wenn ein Anschluß- und Benutzungszwang besteht. Die Benutzungsentgelte können nur auf dem Privatrechtsweg eingeklagt werden. Wenn die Kommune also auf ihr hoheitliches Handeln für die Abrechnung der Gebühren verzichtet, kann auch der Einrichtungsträger direkt mit den Benutzern abrechnen 90. Dem steht kein aus dem Grundsatz des Gesetzesvorbehalts resultierendes Satzungserfordernis entgegen. Denn dadurch soll sichergestellt werden, daß Eingriffe in Freiheit und Eigentum nur auf gesetzlicher Grundlage geschehen. Ein Eingriff liegt indes lediglich bei einseitiger hoheitlicher Regelung vor, in diesem Zusammenhang also bei der Abgabenerhebung durch Bescheid. Demgegenüber stellt die Abrechnung privatrechtlicher Entgelte auf vertraglicher Basis keinen Grundrechtseingriff dar 91 . Zwar birgt eine solche Gestaltung Unwägbarkeiten bzgl. der Durchsetzung von Forderungen; jedoch gibt es in dieser Hinsicht im Bereich der Versorgung keine nennenswerten Schwierigkeiten 92 . Weil dem privaten Einrichtungsträger keine öffentlich-rechtliche Kompetenz zur Wahrnehmung im eigenen Namen übertragen wird, sperrt der rechtsstaatliche Gesetzesvorbehalt nicht diese Ausgestaltung 93. So ist der Konzessionsnehmer nicht ermächtigt, den Anschluß- und Benutzungszwang anzuordnen, denn dafür wäre eine Beleihung erforderlich. Eine Außenrechtsbeziehung zum Benutzer setzt aber nicht voraus, daß der Anschluß- und Benutzungszwang ebenfalls von dem privaten Versorger angeordnet worden ist. Hier greift die schon von der verwaltungsbeherrschten Trägergesellschaft bekannte Zweistufigkeit des Benutzungsverhältnisses Platz.
bb) Konzessionsvertrag zwischen Gemeinde und Einrichtungsträger Grundlage der privaten Wasserversorgung ist ein zwischen der Gemeinde und dem Zuordnungssubjekt der Personen- und/oder Sachgesamtheit abgeschlossener Vertrag, der die Zustimmung des Trägers der Einrichtung zur Widmung enthält. Damit begründet er dessen Verpflichtung, den Einwohnern die Nutzung zu eröffnen, also letztlich einen Kontrahierungszwang, und legt
90 91 92
93
So ausdrücklich Ottmann, S.587, in bezug auf die Entsorgung. OVG Lüneburg, NJW 1977, 450 (451). Ottmann, S.587. So aber Krieger, S.54.
Β. Die Organisationsformen
225
das für die Nutzung von den Einwohnern oder auch von der Gemeinde zu zahlende Entgelt fest. Träger der Einrichtung im Verhältnis zu den Einwohnern ist mithin nicht die Gemeinde, sondern der Externe wird Zuordnungssubjekt der bzgl. ihrer Nutzung in Betracht kommenden Rechtsbeziehungen94. Bei dem zwischen privatem Träger und Gemeinde abgeschlossenen Vertrag kann es sich sowohl um eine zivil- als auch öffentlich-rechtliche Vereinbarung handeln, da die Freiheit der Formenwahl sich hierauf erstreckt 93.
cc) Anwendung des Verwaltungsprivatrechts Wenn der Träger der öffentlichen Einrichtung dem Benutzer selbständig gegenübertritt, unterliegt er den gleichen Bindungen wie die Gemeinde, denn der Bürger darf durch die Freiheit der Formenwahl der Gemeinde nicht benachteiligt werden 96 . Aufgrund der externen Einflußnahme besitzt die verwaltungsgesteuerte juristische Person nicht dieselbe Rechtsstellung wie andere privatrechtliche Organisationen, weil sie unbeschadet ihrer Eigenständigkeit Glied der staatlichen Organisation bleibt und in diese rechtlich eingebunden ist. Demzufolge werden die Normen des Privatrechts durch Bestimmungen des öffentlichen Rechts ergänzt, überlagert und modifiziert 97 .
c) Der Zulassungsanspruch Besteht eine öffentliche Einrichtung, hat die Gemeinde den öffentlichrechtlichen Anspruch auf Zulassung zu angemessenen Bedingungen zu gewährleisten, auch wenn die Einrichtung von einem Unternehmen der Privatwirtschaft als Konzessionsnehmer getragen wird 9 8 . Die Gemeinde muß sich hierfür vertraglich (z.B. durch Auferlegung eines Kontrahierungszwangs zu Lasten des Einrichtungsträgers) oder auf sonstige Weise Einfluß verschaffen 99, so daß sie diesen Anspruch durch Aufsichts-, Überwachungs- und Weisungsrechte realisieren kann, deren Umfang sich im einzelnen durch das konkre-
94
Erichsen, Kommunalrecht, S.212f. Erichsen, Kommunalrecht, S.213. 96 Cronauge, StuGR 1990, S.349. 97 Wolff/Bachof/Stober, Bd.2, § 104a, Rn.30. 98 Erichsen, JURA 1986, S.196; Tettinger, Bes. Verwaltungsrecht, Rn.135; Ludwig, m. Teil, AVBWasserV, Erl.2 (S.278a). 99 Hess.VGH, VerwRspr. Bd.27, 64 (65); OVGRh.-Pf., DVB1.1985, 176 (177); Herdegen, S.908; Grabbe, S.l 18. 93
1 Brüning
226
3. Teil: Die Wasserversorgung
te Schuldverhältnis bestimmt 100 . Diese gemeindlichen Ingerenzen treten somit neben die bereits vorhandenen Aufsichtsinstrumentarien des allgemeinen Wasserrechts, ohne diese andersartigen Kompetenzen der Wasserbehörden zu beeinträchtigen oder gar zu ersetzen. Die gemeindlichen Einwirkungsbefugnisse sind vielmehr auf die ordnungsgemäße Durchführung der Aufgabe der Wasserversorgung in kommunalsachenrechtlicher Hinsicht bezogen und zugleich beschränkt 101 .
aa) Privatrechtlicher Anspruch gegen den Konzessionsnehmer In Frage kommt alternativ ein privat- oder öffentlich-rechtlicher Anspruch des Benutzers gegen die gemeindefremde Trägergesellschaft selbst 102 . Eine Klage auf Zulassung zu einer gemeindlichen Einrichtung, die gegen eine mit dem Betrieb der Einrichtung beauftragte juristische Person des Privatrechts gerichtet ist, ist privatrechtlicher Natur, es sei denn, diese ist aufgrund Gesetzes zu öffentlich-rechtlichem Handeln ermächtigt 103 . Ein Anspruch des Bürgers gegen den privaten Träger einer kommunalen öffentlichen Einrichtung kann schon aus dem zwischen ihm und der Kommune geschlossenen öffentlich-rechtlichen Vertrag resultieren, wenn er drittbegünstigend ist. Diese Wirkung kann auch ein privatrechtlicher Vertrag entfalten. Ansonsten können aus sondergesetzlichen Regelungen sowie aus §§ 138, 826 BGB Benutzungsansprüche unmittelbar gegen den Träger erwachsen 104. Der Kontrakt zwischen Gemeinde und Gesellschaft regelt den Umfang der durch die Einrichtung zu erbringenden Leistungen und legt Nutzungsmodalitäten fest. Der Betreiber der Einrichtung erklärt darin sein Einverständnis mit dem Nutzungszweck und den damit verbundenen Regelungen der Zweckbestimmung. Indem der private Einrichtungsträger sich gegenüber der Gemeinde verpflichtet, die Einrichtung für die widmungsgemäße Nutzung durch die Berechtigten offen zu halten, hat der einzelne analog § 328 BGB i.V.m. der im
100 101 102 103 104
Spannowsky, DVB1.1992, S.1076; Erichsen, JURA 1986, S.150. Cronauge, StuGR 1990, S.349. Wolff/Bachof/Stober, Bd.2, § 104a, Rn.40. Gern, Rn.536. Erichsen, JURA 1986, S.197; ders. y Kommunalrecht, S.219.
Β. Die Organisationsformen
227
Vertrag enthaltenen Widmung einen Nutzungsanpruch unmittelbar gegen den privaten Einrichtungsträger erworben 103 .
bb) Umlenkung des kommunalrechtlichen Zulassungsanspruchs? Wenn man die privatrechtliche Gesellschaft voll in die Grundrechtsverpflichtung einbezieht, liegt es nahe, die Rechtsbeziehungen zwischen dem privaten Einrichtungsträger als solchem und dem Drittbetroffenen prinzipiell dem öffentlichen Recht zuzuordnen und den Verwaltungsrechtsweg zu eröffnen 106 . Die Überleitung öffentlich-rechtlicher Anspruchspositionen von Einwohnern oder sonstigen Zulassungsbewerbern auf die Rechtsbeziehung zu dem privaten Einrichtungsträger hätte den Vorteil, daß eine materielle Privatisierung von Verwaltungsfunktionen, die Zweispurigkeit des Rechtsweges und die mit dem zivilrechtlichen Verfahren einhergehenden Rechtsschutzeinbußen verhindert würden 107 . Ein Begründungsansatz könnte für den Fall des Bestehens einer vertraglichen Grundlage darin liegen, daß die Widmung der Einrichtung eines anderen Trägers drittbegünstigende Wirkung hat, mit der Folge eines unmittelbaren öffentlich-rechtlichen Anspruchs der Einwohner gegen den Einrichtungsträger, dem ein im öffentlichen Recht wurzelnder Zulassungszwang zu dessen Lasten gegenübersteht 108. Auch im Verhältnis zum Bürger würde die Zulassungsentscheidung einheitlich öffentlich-rechtlich getroffen und konkurrierende privatrechtliche Ansprüche ausgeschlossen109. Das OVG Rh.-Pf. nimmt dann einen unmittelbar gegen die (Eigen-)Gesellschaft gerichteten öffentlich-rechtlichen Anspruch an, wenn sich dieser aus Bestimmungen des öffentlichen Rechts ergibt, wozu auch die jeweiligen § 8 Abs.2 GO NW entsprechenden landesgesetzlichen Regelungen zählen sollen. Voraussetzung für den gegen den rechtlich verselbständigten Träger der öffentlichen Einrichtung gerichteten öffentlich-rechtlichen Zulassungsanspruch sei, daß die Gemeinde diesen tatsächlich kontrolliere und seine Entscheidun-
105
Axer, S. 182, der diesem Benutzungsanspruch allerdings stets öffentlich-rechtliche Qualität beimißt, weil er ihn unmittelbar aus der in dem Vertrag verfügten „Widmung zugunsten Dritter" herleitet, die er als Anspruchsgrundlage unabhängig von § 8 Abs.2 GO NW einordnet. 106 So Ossenbühl, WDStRL 29; S. 193ff, der allerdings Schwierigkeiten mit Einzelfragen des Verwaltungsprozeßrechts einräumt. 107 Herdegen, S.908. 108 So Axer, S. 182; Ossenbühl DVB1.1973, S.294. 109 Vgl. Erichsen, JURA 1986, S.197. 15*
228
3. Teil: Die Wasserversorgung
gen bestimme 110 . Das sei die Konsequenz aus der Grundrechtsbindung der juristischen Person des Privatrechts im Bereich des Verwaltungsprivatrechts. Folglich entfalle insofern ein Durchgriff auf den hinter der Gesellschaft stehenden Mutterträger. Der Umlenkung bedürfe es nicht, wenn die juristische Person des Privatrechts im Namen und Auftrag des Mutterträgers handele - wie beim Erfüllungsgehilfen -, denn dann hafte der Vertretene ohnehin 111 . Die dargestellte Entscheidung bildet einen Einzelfall. Die Rechtsprechung im übrigen hält an dem bisherigen Schema fest. Danach verbleibt es dann, wenn die Gemeinde eine externe Gesellschaft zum Träger der öffentlichen Einrichtung macht, bei dem gegen die Kommune selbst gerichteten öffentlichrechtlichen Zulassungsanspruch. Das OVGRh.-Pf. begründet nicht, warum das hier anders sein soll und zwei öffentlich-rechtliche Ansprüche seitens des Benutzers erhoben werden können. Dahinter steht jedenfalls nicht das Ziel der Reduzierung der Rechtsverhältnisse auf eines zwischen Einrichtungsträger und Benutzer, da der Anspruch gegen die Gemeinde subsidiär weiterbestehen und sie als öffentlich-rechtlicher Gewährsträger einem unberechtigt abgewiesenen Bewerber auf Schadensersatz haften soll 1 1 2 . Der Verweis auf das Verwaltungsprivatrecht hilft nicht weiter; dadurch wird der gegen die Privatrechtsgesellschaft gerichtete privatrechtliche Benutzungsanspruch berührt, nicht aber ein öffentlich-rechtlicher Zulassungsanspruch begründet. Im übrigen ist Adressat des gesetzlichen Benutzungsanspruchs nach Wortlaut und Stellung des § 8 Abs.2 GO NW stets die Gemeinde. Auch wenn sich die Rechtsfolge i.dS. ändert, daß dem Einwohner statt eines Benutzungsanspruchs ein aliud in Gestalt des Verschaffungsanspruchs zugestanden wird, verpflichtet die Vorschrift der Gemeindeordnung nicht einen Privaten gegenüber einem Einwohner zur Erfüllung gemeindlicher Aufgaben 113 . Da es auch an der für eine Beleihung notwendigen gesetzlichen Regelung in der Gemeindeordnung fehlt und in der Widmung der Einrichtung ebenfalls keine Beleihung liegt, scheitert es, den Anspruch aus § 8 Abs.2 GO NW unmittelbar gegen den privaten Träger der Einrichtung zu richten 114 . Die Widmung ermöglicht es dem privaten Einrichtungsträger nicht, sich nach außen als Hoheitsträger zu gerieren. Sie vermittelt beispielsweise nicht die Befugnis zur Anordnung eines Anschluß- und Benutzungszwangs113. Auch die Zustimmung des Privaten zur Widmung bietet keine Basis für eine öffent-
110 111 112 113 114 113
OVGRh.-Pf., DÖV 1986, 153. Wolff/Bachof/Stober, Bd.2, § 104a, Rn.40. Vgl. Ossenbühl, DVB1.1973, S.294. Axer, S. 174f; Frotscher, in: HkWP, Bd.3, S. 150. Erichsen, Kommunalrecht, S.222. Axer , S. 174.
Β. Die Organisationsformen
229
lich-rechtliche Gebundenheit einer privatrechtlich verfaßten juristischen Person. Die durch die Widmung begründete öffentlich-rechtliche Sachherrschaft liegt vielmehr bei der Gemeinde; für die damit zusammenhängende Zulassungspflicht muß gleiches gelten 116 . Der private Einrichtungsträger wird nicht öffentlich-rechtlich in die Pflicht genommen und einem im öffentlichen Recht wurzelnden Zulassungszwang ausgesetzt, sondern unterliegt allenfalls allgemeinen zivilrechtlichen Benutzungsansprüchen 117. Eine vollständige Reduktion der Ansprüche des Bürgers auf diejenigen zur Kapitalgesellschaft scheidet danach für die öffentliche Einrichtung aus. Weder ein Untergang des Anspruchs noch ein Austausch des Anspruchsgegners kommen in Betracht 118 . Für einen zusätzlichen öffentlich-rechtlichen Anspruch gegen den Einrichtungsträger besteht kein Bedürfnis.
cc) Verschaffungsanspruch gegen die Gemeinde Die Regelung des § 8 Abs.2 GO NW macht eine öffentlich-rechtliche Ausfallbürgschaft der Gemeinde notwendig, die neben die Beziehung BenutzerBetreiber tritt. Auch im Fall der Unternehmensübertragung bleibt die Gemeinde letztlich verpflichtet, dem Einwohner die Möglichkeit der Benutzung weiterhin zu verschaffen, und die Einwohner sind fernerhin berechtigt, sich von der Gemeinde Zugang zum Unternehmen verschaffen zu lassen 119 . Grundrechtlich relevant im Rahmen öffentlicher Einrichtungen mit Anschluß- und Benutzungszwang ist nur letzterer. Auch bei der Ausgestaltung der Rechtsverhältnisse über einen Konzessionsnehmer als Einrichtungsträger greift der Gesetzesvorbehalt nicht ein, weil die Gemeinde nach wie vor durch Satzung das Zwangsbenutzungsverhältnis begründet. Die Kehrseite der Medaille ist der ebenfalls weiterhin gegen die Gemeinde gerichtete Zulassungsanspruch. Demgemäß muß ein beim B-Versorger gestellter Antrag auf Zulassung als bei der Stadt oder Gemeinde eingegangen betrachtet werden. In der stillschweigend in Kauf genommenen Entscheidung des Privaten liegt dann die konkludente Bescheidung des Zulassungsantrags 120. Alle anderen Probleme in bezug auf die Benutzung der öffentlichen Einrichtung sind zivilrechtlich zwischen Einrichtungsträger und Benutzer zu
116
Herdegen, S.908. Anders Ossenbühl, DVB1.1973, S.294, der von einem „beliehenen Unternehmer" spricht. 118 Frotscher, in: HkWP, Bd.3, S.150. 119 Salzwedel, in: Erichsen (Hrsg.), § 45, Rn.2. 120 So Bay. VGH, GewArch 88, 245 (246). 117
230
3. Teil: Die Wasserversorgung
lösen. Eine faktische Schlechterstellung des Benutzers hat die Gemeinde durch einen Anspruch auf Schadloshaltung gegen sich selbst für die Fälle des pflichtwidrigen Verhaltens des Trägers der Einrichtung zu kompensieren. Hinzu kommt unter Umständen ein Gewährleistungsanspruch aufgrund des Widmungsaktes 121 . Ebenso entsteht ein Anspruch auf Ausgleich finanzieller Mehrbelastung, wenn die Gemeinde aus Rechtsgründen an der ausreichenden Aufgabenerfüllung gehindert ist, insbesondere aufgrund der mit dem Dritten eingegangenen vertraglichen Bindungen 122 .
d) Anschluß- und Benutzungszwang sowie Benutzungsentgelt Voraussetzung für die Anordnung eines Anschluß- und Benutzungszwangs ist, daß die davon betroffene Leistungsdarbietung zu einer kommunalen Verwaltungsaufgabe gemacht wird. Die vom Kommunalrecht vorgesehene Form für die Leistungsverwaltung ist die öffentliche Einrichtung mit der Folge, daß ein Anschluß- und Benutzungszwang nur für eine öffentliche Einrichtung der Gemeinde angeordnet werden kann 1 2 3 . Die öffentliche Einrichtung unterscheidet sich von anderen Veranstaltungen der Gemeinde in materieller Hinsicht durch die Verwirklichung des Verwaltungszwecks der kommunalen Daseinsvorsorge und in formeller Hinsicht durch die Widmung. Der durch Widmung begründete Anspruch der Gemeindeeinwohner, die öffentliche Einrichtung im Rahmen der bestehenden Vorschriften zu benutzen, ist notwendig gegen die Gemeinde gerichtet und gehört stets dem öffentlichen Recht an. Folglich hängt die Zulässigkeit der Anordnung eines Anschluß- und Benutzungszwangs davon ab, ob die Gemeinde die vom Versorgungsunternehmen betriebene Wasserleitung rechtlich als öffentliche Einrichtung ausgestaltet und hinreichende Vorkehrungen getroffen hat, um den kommunalrechtlichen Benutzungsanspruch der durch den Anschluß- und Benutzungszwang verpflichteten Grundstückseigentümer zu erfüllen 124 . Ein Anschluß- und Benutzungszwang kann durch die Ortssatzung auch dann bestimmt werden, wenn die Wasserversorgung aufgrund eines von der Gemeinde geschlossenen Vertrages privatrechtlicher Art durch ein auswärtiges Wasserwerk erfolgt, das Eigentümer der im Gemeindegebiet verlegten Rohrleitungen ist und das Wassergeld einzieht 123 . Überholt ist dabei die For121
Hess.VGH, VerwRspr. Bd.27, 64 (66). Kottenberg/Rehn/Cronauge, §18 GO NW a.F., Erl.II.l.; OVG Rh.-Pf., DVB1. 1985, 176 (177); Arn-, S.183. 123 OVG Lüneburg, OVGE 25, 345 (353). 124 OVG Lüneburg, OVGE 25, 345 (354). 123 Rauball u.a., § 2 GO NW, Rn.15; Driehaus/Dahmen, § 4 KAG, Rn.232. 122
Β. Die Organisationsformen
231
derung, daß die Einrichtung rechtlich eine solche der Gemeinde sein muß, so daß die Bezieher ihrer Leistungen allein zu der Gemeinde in rechtliche Beziehungen treten, der fremde Unternehmer also nur Erfüllungsgehilfe der Gemeinde ist 1 2 6 . Das Gesetz spricht nur davon, daß die Gemeinde für die Grundstücke ihres Gebietes den Anschluß an die Wasserleitung anordnen kann, ohne zu fordern, daß die Einrichtung von ihr selbst betrieben wird. Insoweit ist es ausreichend, wenn sich die Gemeinde auf in fremdem Eigentum stehende und von einem fremden Rechtsträger betriebene Einrichtungen durch Vertrag oder sonstwie soweit Einfluß verschafft, daß ein allgemeines Benutzungsrecht der Einwohner zu angemessenen Bedingungen gewährleistet ist 1 2 7 . Die Gemeinde kann sich demzufolge auf den Erlaß einer Rumpfsatzung einschließlich des Anschluß- und Benutzungszwangs beschränken und hinsichtlich der Details auf eine privatrechtliche Tarifordnung oder Allgemeine Versorgungsbedingungen verweisen 128 . Die Aufspaltung in ein hoheitliches Grundverhältnis aufgrund der Satzung über den Anschluß- und Benutzungszwang und ein dieses ausfüllendes privatrechtliches Leistungsverhältnis ist dann zwingend, wenn bei bestehendem Anschluß- und Benutzungszwang ein privatrechtlich organisiertes Unternehmen die Aufgabe durchführen soll. Dadurch wird eine unmittelbare Rechtsbeziehung zwischen dem Unternehmer und den Benutzern hergestellt 129 . So ist es ausreichend, wenn die Gemeinde sich auf den Erlaß einer öffentlich-rechtlichen Rumpfsatzung beschränkt und die Ausfüllung des satzungsrechtlichen Gestaltungsrahmens in wesentlichen Teilen den privaten Unternehmen überläßt, die dann ein gesondertes privatrechtliches Leistungsverhältnis im eigenen Namen zu dem jeweiligen Auftraggeber eingehen 130 . Eine kommunale Satzung kann ein Benutzungsverhältnis im Einzelfall ausdrücklich dem Geltungsbereich des Privatrechts unterstellen, indem sie auf die Anwendung des Privatrechts verweist und sich selbst einer privatrechtlichen Detailregelung enthält. Die satzungskonkretisierenden Regelungen werden dann in Form von Allgemeinen Geschäftsbedingungen getroffen 131 . Eine solche Kombination von öffentlich-rechtlicher (Rumpf-)Satzung und privatrechtlichen Geschäftsbedingungen erfordert allerdings eine klare Trennung der Regelungsbereiche. Diese ist gegeben, wenn sich die Satzung auf die Regelung
126
OVG Lüneburg, OVGE 25, 345 (353). Gern, Rn. 605; OVG Lüneburg, OVGE 25, 345 (352). 128 Fischedick, S.22; Ludwig/Schauwecker, in: HkWP, Bd.5, S.286. 129 So ausdrücklich Püttner, Öffentliche Unternehmen, S.244f. 130 Cronauge, StuGR 1984, S.138, zu Privatisierungsmodellen in der Klärschlammbeseitigung. 131 Schmidt-Aßmann, in: HkWP, Bd.3, S.199. 127
232
3. Teil: Die Wasserversorgung
der inneren und äußeren Organisation der Einrichtung oder auf die Konkretisierung des Zulassungsanspruchs beschränkt 132 . Im Rahmen dieser Ausgestaltung wird dem im öffentlichen Recht wurzelnden Anschluß- und Benutzungszwang privatrechtlicher Charakter beigemessen und er inhaltlich als auf den Abschluß eines privatrechtlichen Benutzungsvertrages gerichtet verstanden. Auch dann sollen die Interessen der Bürger durch Vereinbarungen im Innenverhältnis zwischen dem gemeindefremden Einrichtungsträger und der Gemeinde gewahrt werden 133 . Zwar muß die Satzung den Inhalt des Leistungsverhältnisses vollständig umschreiben, weil man es nicht auf die freiwillige Mitwirkung des Benutzers ankommen lassen kann; ob der Anschluß- und Benutzungszwang aber durch einseitigen Verwaltungsakt realisiert wird oder durch Klage auf Abgabe einer privatrechtlichen Willenserklärung gemäß § 894 ZPO, die dem satzungsmäßigen Kontrahierungszwang entspricht, ist gleichgültig 134 . In jedem Fall vollzieht sich die durch Satzung begründete Verpflichtung nicht automatisch, sondern wird im Einzelfall durchgesetzt 133. Fraglich ist, ob die derart ausgestalteten Leistungsbeziehungen noch ein öffentlich-rechtliches Austauschverhältnis darstellen, wie es eine öffentlichrechtliche Gebührenerhebung verlangt. Wenn eine öffentliche Einrichtung besteht, erfordert das, daß die Gemeinde maßgeblichen Einfluß auf die Zulassung zur Benutzung hat, und zwar auch beim Betrieb durch ein Privatunternehmen. Ob aber allein der bestehende Verschaffungsanspruch gegen die Gemeinde ausreicht, um das Recht zur Erhebung öffentlich-rechtlicher Benutzungsgebühren bei der Gemeinde zu belassen, begegnet Bedenken. Zwar liegt darin ein Hinweis auf ein öffentlich-rechtliches Austauschverhältnis, erst recht wenn ein Anschluß- und Benutzungszwang angeordnet ist; jedoch ist das Ziel der Privatisierungsmaßnahme im vorliegenden Zusammenhang die Rückführung öffentlich-rechtlicher Elemente auf das gesetzlich erforderliche Mindestmaß. Die öffentlich-rechtlichen Bindungen werden mediatisiert und nur das nackte „Ob" der Benutzung verbleibt auf der Ebene des öffentlichen Rechts. Das Leistungsverhältnis ist im übrigen vollständig zivilrechtlich formatiert. Wenn sich die Körperschaft aller disponiblen Pflichten des öffentlichen Rechts begeben will, ist es naheliegend, ihr auch das Privileg der öffentlich-rechtlichen Gebührenerhebung zu nehmen und sie auf die, unter Umständen schwieriger zu vollstreckenden zivilrechtlichen Entgelte zu verweisen. Die Frage der Zulässigkeit der Erhebung von Benutzungsgebühren beurteilt sich aber letztlich nach der Ausgestaltung im Einzelfall. 132 133 134 133
Fischedick, S.19. Hess.VGH, VerwRspr. Bd.27, 64 (67). Salzwedel, in: Erichsen (Hrsg.), § 41, Rn.2. Salzwedel, in: Erichsen (Hrsg.), § 41, Rn.10.
Β. Die Organisationsformen
233
3. Pflicht zur und Anspruch auf Schaffung öffentlicher Einrichtungen? Zunächst ist die Pflicht der Gemeinde zur Schaffung öffentlicher Einrichtungen von einem Anspruch des Einwohners auf Schaffung derselben zu unterscheiden. Wird die Pflicht grundsätzlich bejaht, so soll daraus jedoch nicht ohne weiteres ein entsprechender Anspruch des Einwohners folgen. Erst bei einer vorhandenen öffentlichen Einrichtung stellt sich sodann die Frage des Zulassungsanspruchs aus der Gemeindeordnung 136.
a) Die Wasserversorgung Wenn die Wasserversorgung durch ein Fremdunternehmen erfolgt, soll die Gemeinde keine aus § 18 GO NW bzw. § 19 HessGO folgende Pflicht treffen, ebenfalls eine öffentliche Wasserversorgungseinrichtung zu schaffen. Nach Auffassung des Hess.VGH sei die Kommune dann nicht kraft Gesetzes das Versorgungsunternehmen für ihr Gebiet, das sich nur des Drittunternehmens als „Erfüllungsgehilfen" bediene; statt dessen trete das Fremdunternehmen dem Abnehmer gegenüber. Dabei unterliege es den für solche Unternehmen geltenden Vorschriften 137 . Die Regeln der Gemeindeordnung bzgl. der öffentlichen Einrichtung begründeten keine Zuständigkeit der Gemeinden für eine Wasserversorgungsaufsicht neben den allgemeinen Regelungen, sondern enthielten lediglich den Auftrag, selbst Wasserversorgungsanlagen zu schaffen, soweit das nötig sei 138 . Der einzelne Gemeindebürger könne daraus keinen Anspruch auf Schaffung solcher Einrichtungen, also kein subjektiv-öffentliches Recht, herleiten; seine Rechtsstellung habe nur reflexartigen Charakter 139 . Dem scheint das OVG Münster beizutreten, wenn es ausführt, allein Zweckmäßigkeitserwägungen hinsichtlich der Bedarfsdeckung genügten nicht. Wie § 19 S.l GO NW zeige, bestehe kein genereller Vorrang der gemeindlichen Wasserversorgung; ein solcher folge auch nicht aus § 47 LWG NW. Ebensowenig greife angesichts des Instrumentariums des § 48 LWG NW der Hinweis durch, der Bezug von Trinkwasser aus dem öffentlichen Trinkwassernetz sei sicherer 140. Eine andere Auffassung als der Hess.VGH vertrat das Instanzgericht, das der Klage eines Grundstückseigentümers gegen die Gemeinde stattgab und sie 136 137 138 139 140
OVG Rh.-Pf., DVB1.1985, 176 (177). Hess.VGH, RdE 1993, 143 (145). Hess.VGH, RdE 1993, 143 (145). Ludwig, m.Teil, AVBWasserV, Erl.2 (S.278a); Grabbe, S.119f. OVG Münster, ZfW 1987, 49 (50); Honert/Rüttgers, § 47 LWG NW, Rij.3.
234
3. Teil: Die Wasserversorgung
verpflichtete, durch geeignete Maßnahmen eine ausreichende Wasserversorgung des klägerischen Anwesens sicherzustellen. Der unmittelbare Anspruch des Klägers gegen die beklagte Gemeinde ergebe sich aus §§ 19, 20 HessGO, wonach ihm ein unmittelbarer öffentlich-rechtlicher Benutzungsanspruch zustehe, der auf Zulassung zur Benutzung öffentlicher Einrichtungen gerichtet sei und sich im Hinblick auf die Wasserversorgung zu einer Versorgungspflicht der Beklagten verdichte. Das entspreche jeder üblichen und erforderlichen Wasserversorgungssatzung, die einen Anschluß- und Benutzungszwang anordne, mit dem in jedem Falle auch ein Anschluß- und Benutzungsrecht korrespondiere. Daß die Gemeinde ihrer öffentlich-rechtlichen Verpflichtung der Einwohner dadurch nachkomme, daß sie sich seit ca. 70 Jahren eines Dritten in Gestalt der Kreiswerke GmbH bediene, sei für den rechtlichen Anspruch des Klägers gegen die Gemeinde bedeutungslos. Auf Rechtsbeziehungen zu dem Wasserversorgungsunternehmen könne sich die Beklagte nicht erfolgreich berufen; vielmehr sei die Gemeinde das nach § 4 Abs.3 AVBWasserV verpflichtete Wasserversorgungsunternehmen 141. Das Verwaltungsgericht begründet dieses Urteil also nach bekannter Art: Selbst wenn grundsätzlich kein Anspruch auf Schaffung einer öffentlichen Einrichtung besteht, folgt aus dem Anschluß- und Benutzungszwang ein kommunalrechtlicher Anspruch auf Zulassung zu einer öffentlichen Einrichtung, der sich zur Pflicht der Gemeinde auf Schaffung der öffentlichen Einrichtung verdichtet. Die Umlenkung oder gar Aufhebung dieses Anspruchs scheidet bei Einschaltung eines Privaten in den Betrieb der Wasserversorgung aus 142 . Angesichts der gleichen Ausgangslage wie bei der Abwasserbeseitigung erscheint diese Argumentation folgerichtig. Der Hess. VGH durchbricht diese Begründungskette, indem er ein weiteres Tatbestandsmerkmal für einen Anspruch aus §§19, 20 HessGO aufstellt. Selbstverständlich sei eine Wasserversorgungsanlage für die Einwohner aller (hessischen) Gemeinden erforderlich. Aber eine Wasserversorgung als öffentliche Einrichtung einer Gemeinde sei nur dann notwendig, wenn der Bedarf der Einwohner nicht bereits auf andere Weise befriedigt werde, insbesondere durch Wasserlieferung seitens bereits bestehender fremder, d.h. nicht von der Gemeinde eingerichteter Wasserversorgungsunternehmen. Begründet wird das lediglich damit, daß die Sachlage hier nicht anders sei als auf dem Gebiet der Elektrizitätsversorgung, wo die Versorgung der Einwohner der meisten Gemeinden durch selbständige Unternehmen erfolge 143 .
141 142 143
Hess.VGH, RdE 1993, 143 (144). Vgl. auch OVGRh.-Pf., DVB1.1985, 176 (177). Hess.VGH, RdE 1993, 143 (144).
Β. Die Organisationsformen
235
Dadurch, daß als Voraussetzung der Pflicht zur Schaffung einer öffentlichen Einrichtung deren „Erforderlichkeit" verlangt wird, kommt das Gericht gar nicht mehr zur weiteren Prüfung eines Anspruchs, weil es mangels Erforderlichkeit schon an der Einrichtungspflicht fehlt. Enthält das Ortsrecht keinen Anschluß- und Benutzungszwang, so besteht demnach nur das zivilrechtliche Leistungsangebot des Wasserversorgers an den Einwohner, ohne daß die Gemeinde irgendwie an der Aufgabenerledigung beteiligt ist. Befindet sich das Wasserversorgungsunternehmen jedoch in der Hand von Städten, Gemeinden und Gemeindeverbänden, muß es prinzipiell als öffentliche Einrichtung angesehen werden, nicht zuletzt weil der Begriff der öffentlichen Einrichtung weit auszulegen ist 1 4 4 . Im Bereich der freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben erscheint diese Einschränkung der Hess.VGH sachgerecht. Sie korrespondiert damit, daß die Kommune sich der Aufgabe nicht annehmen muß. Sie greift aber auch hier dann nicht, wenn ein Anschluß- und Benutzungszwang angeordnet worden ist, da dieser nur für eine öffentliche Einrichtung angeordnet werden kann und seinerseits mit einem Benutzungsanspruch korrespondiert.
b) Die Löschwasserversorgung Das Ergebnis des hessischen Instanzgerichts wird vom OVG Rh.-Pf. bestätigt für den Fall einer Pflichtaufgabe der Selbstverwaltung in Gestalt des Brandschutzes, die durch einen Konzessionsnehmer privatrechtlich gegenüber den Kunden erledigt wird: Ihrer mit der Bestimmung des betreffenden Gegenstandes zur gemeindlichen Aufgabe übernommenen Verantwortung könne sich die Gemeinde nicht dadurch entziehen, daß sie die Erfüllung der Angelegenheit insgesamt einem Dritten übertrage. Dem einzelnen Einwohner verbleibe aufgrund der der Gemeinde auferlegten Handlungspflicht zunächst ein Anspruch auf Schaffung der entsprechenden öffentlichen Einrichtung und sodann anstelle des sonst gegebenen Benutzungsanspruchs ein Verschaffungsanspruch, der darauf gerichtet sei, daß die Gemeinde seinen Anspruch auf Benutzung der Einrichtung durch Einwirkung auf den privaten Dritten sicherstelle 143 . Hier leitet das OVG Rh.-Pf. den Anspruch sogar unmittelbar aus der korrespondierenden Pflicht der Gemeinde her, ohne den Umweg über einen Anschluß- und Benutzungszwang zu gehen. Wenn diese Argumentation auch an-
144 143
Ludwig, I.Teil, Α Π. OVG Rh.-Pf., DVB1.1985,176 (177).
236
3. Teil: Die Wasserversorgung
fechtbar ist 1 4 6 , so deckt sich das Ergebnis doch mit dem im Bereich der Abwasserbeseitigungspflicht. Die Aufgabe verbleibt bei der Gemeinde, so daß sie wegen der Anordnung des Anschluß- und Benutzungszwangs gegenüber dem Drittunternehmen sicherzustellen hat, daß die Einrichtung den Einwohnern wie eine unmittelbare gemeindliche öffentliche Einrichtung zur Verfügung steht und der Dritte dem öffentlichen Auftrag im Einzelfall gerecht wird 1 4 7 .
146 147
Vgl.o. 2.Teil. A. ffl. 1. e). So Cronauge, StuGR 1990, S.349, für die Wasserversorgung.
Vierter
Teil
Neue Ansätze für die Organisation der Erledigung Pflichtiger Selbstverwaltungsaufgaben A. Spannungsverhältnis zwischen Autonomie und Kontrolle Auch nach der Untersuchung der Organisationsmodelle Eigen- bzw. Beteiligungsgesellschaft, Erfüllungsgehilfe und Konzessionsnehmer stellt sich die Frage, wie einerseits das Potential eines Privatunternehmers genutzt, andererseits der Kontrollverlust des Aufgabenträgers aufgehalten werden kann.
I. Der Befiind Für die Erfüllung der gemeindlichen Pflicht zur Abwasserbeseitigung kann und darf es jedenfalls keinen Unterschied machen, ob die Gemeinde Aufgaben einem Unternehmen anträgt, an dem sie selbst beteiligt ist oder nicht 1 . Aufgrund der tatsächlichen Verselbständigung aller Privatrechtsvereinigungen unabhängig von der Organisationsform im einzelnen2 besteht dieser Unterschied in der Realität auch kaum. Natürlich ist es möglich, den Befund einer faktischen materiellen Privatisierung unberücksichtigt zu lassen und allein darauf abzustellen, daß theoretisch die gemeindliche Verantwortung und Einwirkung rechtlich abgesichert, aktualisiert und durchgesetzt werden kann. Die tatsächliche Umsetzung ist dann die zweitrangige Frage nach dem Durchsetzungswillen und -vermögen einzelner beteiligter Menschen3. Diese Sicht der Dinge bringt die Problemlösung indes nicht voran. Für eine Bevorzugung der privatrechtlichen Organisation spricht die Wechselbeziehung zwischen Kontrolle und Verantwortung: Kontrolle ist das kritisch prüfende und bewertende Überwachen der Resultate des Tuns eines vom 1
Dedy, S.249. Vgl.o. 2.Teil. B. ffl. 2. h) und 3. i). 3 So Graf Vitzthum, S.634; Schoch, Abfallentsorgung, S. 109f; Püttner, DÖV 1983, S.703; Knemeyer, S.322. 2
238
4. Teil: Neue Ansätze für die Organisation
Kontrollsubjekt unterschiedenen Kontrollobjekts. Kontrolle setzt Verantwortung für selbständiges Entscheiden voraus, so daß die Kommunen Verantwortung nur geltend machen können, wenn sie von der zu verantwortenden Handlung Abstand behalten haben, was bei öffentlich-rechtlichen Organisationsformen regelmäßig gerade nicht der Fall ist. Vielmehr kann sich dort der Kontrollierte (z.B. Eigenbetrieb) auf die Befolgung von Weisungen des Kontrollierenden (Gemeinderates) berufen, so daß sich letzterer selbst gebunden hat. Die naturgemäße Unabhängigkeit aller privatrechtlichen Organisationsformen verhindert demgegenüber eine frühzeitige Mitwirkung und eröffnet so nachträgliche Kritik- und Kontrollmöglichkeiten 4 . Wird der Aufgabenbereich des Unternehmens von dem des gewährleistenden Verwaltungsträgers getrennt, erhält ersteres die Möglichkeit, sich von divergierenden Zielsetzungen loszusagen und sich allein auf die (meßbare) Erhöhung der Wirtschaftlichkeit zu konzentrieren. Diese sichtbare Trennung zwischen unterschiedlichen Entscheidungszielen und -Zuständigkeiten kann in ökonomischer und rechtsstaatlicher Hinsicht der Vorteil der Organisationsprivatisierung sein 3 .
Π . Lösungsmöglichkeiten Diese Analyse muß als Grundlage für neue Wege zur Verhinderung einer schleichenden materiellen Privatisierung betrachtet werden. Wenn der Problemdruck in allen Organisationsmodellen steigt, fragt sich, ob nicht Elemente der einen Form bei der anderen und umgekehrt zur Lösung beitragen können.
1« Trennung von Sacheigentum und Betriebsführung Unter dem Aspekt der gemeindlichen Entsorgungsverantwortung ist danach zu fragen, ob und wie eine stärkere Trennung zwischen dem Eigentum an der Sachsubstanz und der unternehmerischen Betriebsführung weiterführt. So kommt in Betracht, daß die Gemeinde sich zur Wahrnehmung ihrer Aufgabenpflicht und Garantiefunktion das Eigentum an der Sachsubstanz vorbehält, den Betrieb der Entsorgungseinrichtung selbst aber über Verpachtung, Konzession oder ähnliche Verträge Privaten überläßt. Schafft die Gemeinde zudem Konkurrenz mit einem eigenen Betriebsunternehmen, bietet sich die Chance,
4 3
Graf Vitzthum, S.616. Osterloh, WDStRL 54, S.216, bzgl. der Privatisierung der Bundesbahn.
Α. Spannungsverhältnis zwischen Autonomie und Kontrolle
239
private Initiative und unternehmerisches Verhalten mit öffentlicher Gewährleistung zu kombinieren 6 . Dabei kann diese Differenzierung zwischen Sacheigentum und Betriebsführung, wie sie beim Erfüllungsgehilfen teilweise praktiziert wird, für die Eigenbzw. Beteiligungsgesellschaft weiterhelfen. Mit dem vorbehaltenen Eigentum an Anlagen und Leitungsnetzen hätte die Gemeinde ein starkes Pfand in der Hand, um den ansonsten schwer umzusetzenden Druck auf ihr Privatrechtssubjekt auszuüben.
2. Vertragliche Grundlage für die Aufgabendurchführung Maßgebliche Bedeutung hat der zwischen Gemeinde und Drittunternehmer geschlossene Vertrag. Alle Probleme lassen sich auf die ggf. mangelhafte Ausgestaltung des Erfüllungshilfevertrages zurückführen. Über einen sachgerechten Grundlagenvertrag zwischen Mutterträger und Gesellschaft kann die Aufgabenverantwortung der Gemeinde durch Einwirkungsrechte abgesichert werden, ohne daß es auf gesellschaftsrechtliche und personelle Verknüpfungen ankommt 7 . In der Praxis zeigt sich, daß die Städte und Gemeinden dennoch auf diese vagen Eingriffsmechanismen vertrauen und den Abschluß von Verträgen mit den eigenen Gesellschaften - insbesondere den Stadtwerken - unterlassen. Bei der Organisationsprivatisierung ist daher das Augenmerk auf zusätzliche vertragliche Bindungen zu legen.
3. Institutionelle Verknüpfung, insbesondere Einwirkungsverträge Die wechselseitige vertragliche Bindung von Privatunternehmer und Gemeinde ergibt eine Vielzahl von Einzelrechtsbeziehungen, in denen hauptsächlich das wirtschaftliche Interesse des Privaten und das gemeindliche Ziel einer ordnungsgemäßen Aufgabenerfüllung ausgeglichen werden. Unter Umständen basiert der gefundene Komprorniß nicht auf einem tragfähigen Fundament, so daß ein Auseinanderbrechen der Zusammenarbeit droht. Um das von vornherein zu erschweren, kommt eine tiefere, institutionelle Verknüpfung der Partner in Betracht. Denn eine solche Dauerorganisation geht über die Addition vertraglicher Einzelabreden hinaus. 6
Püttner, LKV 1994, S. 195; Wenzel, StT 1992, S.534. I.d.S. auch Wolff/Bachof/Stober, Bd.2, § 104a, Rn.32; Görgmaier, S.362; Tettingen DÖV 1996, S.767. 7
240
4. Teil: Neue Ansätze für die Organisation
Sie kann zunächst in Form personeller Verbindungen hergestellt werden, indem die Funktionsträger der Kommune zugleich Organe der Gesellschaft werden und damit dieser gegenüber prinzipiell weisungsgebunden sind. Insoweit ergibt sich dieselbe Situation wie bei einer Eigen- oder Beteiligungsgesellschaft, also das Problem, daß ein Wahl- oder zumindest Vorschlagsrecht für die Besetzung der Gesellschaftsorgane durch kommunale Vertreter i.S.d. §113 Abs.4 GO N W der expliziten Verankerung im Gesellschaftsvertrag bedarf und daß die Bindung der Gesellschaftsorgane unter dem Vorbehalt ihrer gesellschaftsrechtlichen Zulässigkeit steht8. Darüber hinaus besteht die praktische Schwierigkeit der Kommunen darin, in bestehenden privatwirtschaftlichen Unternehmen ohne kommunale Beteiligung neue, zudem gemeinwohlorientierte und politisch abhängige Personen als Gesellschaftsorgane zu etablieren. Scheidet diese Möglichkeit für die Zusammenarbeit mit am Markt operierenden Unternehmen daher nahezu aus, wird sie interessant für den Fall, daß anläßlich einer neuen Kooperation eine Gesellschaft privaten Rechts gegründet wird. Dann ist es Verhandlungssache der Partner, ob Voraussetzung für die Besetzung von Positionen eine gesellschaftsrechtliche Beteiligung der Kommune ist oder andere Kompensationen (z.B. Subventionierung des Unternehmens) gefunden werden. Im Regelfall wird ein gemischt-wirtschaftliches Unternehmen entstehen, weil nur so dauerhaft der Einfluß auf Vorschlag, Bestellung und Entsendung von Vertretern in die Aufsichts- und Leitungsgremien sichergestellt werden kann. Auch wenn die Verankerung eines Weisungsstrangs gesellschaftsrechtlich unzulässig ist, können die Gesellschaftsorgane dadurch gebunden werden, daß die erwartete Erfüllung öffentlicher Aufgaben satzungsgemäß zum Gegenstand des Wohls des Unternehmens gemacht wird. Ohne daß kommunale Vertreter in die Gesellschaft gesandt werden, wird jedes Organ unabhängig von seiner Herkunft so auf den öffentlichen Zweck verpflichtet 9 . Im Falle einer kapitalmäßigen Beteiligung der öffentlichen Hand ist diese Programmierung der Privatrechtsvereinigung ohnehin kommunalrechtlich vorgeschrieben. Als Mittel einer beständigen Verknüpfung von Privatrechtsgesellschaft und öffentlich-rechtlicher Körperschaft und zur Lösung des Kernproblems der Ausgestaltung der Organisations- und Produktionsprivatisierung finden die Mittel des Vertragsrechts 10, speziell der Abschluß eines konzernrechtlichen Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags gemäß § 219 Abs.l AktG in der Praxis zu wenig Anwendung. Dabei erfordert im besonderen die AG eine
8 9 10
Vgl.o. 2.Teil. Β. m. 2. f) bb) u dd). Püttner, Öffentliche Unternehmen, S. 23 5f. So Knemeyer, S.322.
Α. Spannungsverhältnis zwischen Autonomie und Kontrolle
241
solche Kompensation des Defizits an gemeindlichen Einwirkungsmöglichkeiten. Voraussetzung ist - neben der Bereitschaft des beteiligten Privaten, entweder selbst einen solchen Unternehmensvertrag mit der juristischen Person des öffentlichen Rechts zu schließen oder eine gemeinsame Gesellschaft zu errichten, die ihrerseits einen derartigen Vertragskonzern begründet -, daß die Gemeinde als Unternehmen i.S.d. Konzernrechts anzusehen ist 1 1 . Der gesetzlich in § 108 Abs.l Nr.6 GO N W geforderte „angemessene Einfluß" wird so „ i n anderer Weise", nämlich konzernrechtlich, gesichert. Mittels eines solchen Vertrages kann entgegen den aktienrechtlichen Grundsätzen die Gemeinde berechtigt werden, dem Vorstand hinsichtlich der Leitung der Gesellschaft Weisungen zu erteilen, und zwar auch, wenn diese nachteilig sind, aber im kommunalen Konzerninteresse liegen 12 . Diese Möglichkeit zur nachhaltigen Sicherung der gemeindlichen Aufgabenverantwortung ist nicht durch die Einfügung des § 108 Abs. 1 Nr. 5 GO NW obsolet geworden, der die Verpflichtung der Gemeinde zur Übernahme von Verlusten in unbestimmter Höhe untersagt. Zwar ist eine zwingende gesetzliche Rechtsfolge eines Beherrschungsvertrages die Pflicht zur Verlustübernahme gemäß § 302 Abs. 1 AktG. Jedoch wird diese nicht ausdrücklich vereinbart, sondern tritt im Unterschied z.B. zur rechtsgeschäftlichen Abrede einer Nachschußpflicht nach § 26 GmbHG erst mittelbar und nur unter den aktiengesetzlich genannten Voraussetzungen ein. Vor allem im Hinblick auf den systematischen Zusammenhang mit § 108 Abs.l Nr.6 GO NW, der ein wichtiges Ziel bei der Erledigung kommunaler Aufgaben durch Privatrechtsvereinigungen verfolgt, ist § 108 Abs.l Nr.5 GO NW eng auszulegen. Die Einflußwahrung darf nicht durch eine Überbewertung der haftungsrechtlichen Folgen geschmälert werden 13 . Dafür spricht auch, daß die Einschaltung einer kommunalen HoldingGmbH, die sodann ihrerseits Beherrschungsverträge mit ihren Tochterunternehmen schließt, als zulässiger Ausweg erachtet wird, weil Schuldner der Verlustausgleichspflicht dann die Holding und nicht mehr die Gemeinde selbst sei. Dem stehe § 108 Abs.3 S.l GO NW nicht entgegen, obwohl danach für gestufte Beteiligungen erforderlich ist, daß „für die Gemeinde selbst die Beteiligungsvoraussetzungen vorliegen". Damit ist ersichtlich Bezug auf die Regelungen des § 108 Abs. 1 GO NW genommen. An einer Lücke, die per Umkehrschluß zu schließen sei, fehlt es mithin 1 4 , so daß der Ansatz, § 108 Abs.l Nr.5 GO NW selbst restriktiv auszulegen, einzig möglich erscheint. 11
S.o. 2.Teil. Β. ΠΙ. 2. f) dd). Noack, S.382. 13 I.d.S. Oebbecke, S.392; ebenso Rehn/Cronauge, a.A. Noack, S.382. 14 So aber Noack, S.383. 12
16 Brüning
§ 108 GO NW, Erl.IV.l. u. 4.;
242
4. Teil: Neue Ansätze für die Organisation
B. Der Verwaltungsmittler Sind vorstehend die Möglichkeiten zur Lösung des Zielkonflikts zwischen der wirtschaftlichen Notwendigkeit weitgehender Selbständigkeit eines Unternehmens und den kommunalrechtlich gebotenen Einfluß- und Kontrollrechten der Gemeinde erörtert worden, so ist nunmehr zu untersuchen, ob nicht auch die äußeren Leistungsbeziehungen einer Neuordnung zugänglich sind. Für die Organisation der Abwasserbeseitigung wird neben einer Organisationsprivatisierung nur der Verwaltungshelfer als zulässig erachtet. Es ist aber fraglich, ob nicht letztlich doch der Rückzug der Kommune auf eine Überwachung der Erledigung durch einen selbständigen Privaten und eine Ausfallhaftung für den Fall der Schlecht- oder Nichterfüllung hinreichend ist. Im Bereich der Wasserversorgung findet sich diese Ausgestaltung in Form des Konzessionsnehmers. Demgemäß ist der Blick auf diese zweite Variante des staatsanteiligen Privathandelns zu richten.
I. Gegenüberstellung der Organisationsmodelle Bei einer Eigen- bzw. Beteiligungsgesellschaft besteht eine unmittelbare Außenrechtsbeziehung zum Benutzer auf privatrechtlicher Grundlage. Die Konsequenz daraus ist die Geltung des Verwaltungsprivatrechts für die Privatrechtsvereinigung. Im Gegensatz dazu kommt dem Erfüllungsgehilfen in der Abwasserbeseitigung volle Privatautonomie und Grundrechtsfähigkeit zu, weil er mangels Außenrechtsbeziehung nicht den Bindungen des öffentlichen Rechts unterworfen werden muß. Etwas anderes gilt im Bereich der Wasserversorgung, wo ein Versorgungsunternehmen mit kommunaler Minderheitsbeteiligung bzw. ein externer Konzessionsnehmer in den Geltungsbereich des Verwaltungsprivatrechts einbezogen werden.
1. Vergleich von Eigengesellschaft und Erfüllungsgehilfe Wie fragwürdig diese unterschiedliche Ausgestaltung schon für die Organisation der Abwasserbeseitigung ist, zeigt folgende Gegenüberstellung 1: Sowohl bei der Organisations- als auch der Produktionsprivatisierung obliegt der aufgabenpflichtigen Gemeinde eine Einwirkungspflicht in bezug auf die pri-
1 Schoch, Abfallentsorgung, S.40, läßt die systematische Zuordnung der Produktionsprivatisierung zur formalen Privatisierung offen. Osterloh, WDStRL 54, S.223, dort Fßn.70, vermag keinen qualitativen Unterschied zu erkennen.
Β. Der Verwaltungsmittler
243
vatrechtliche Vereinigung. Bei der Zwischenschaltung einer Eigengesellschaft sichert diese Ingerenzpflicht im Innenverhältnis Gemeinde-Eigengesellschaft den unmittelbar gegen dieses Privatrechtssubjekt bestehenden Anspruch des Bürgers nach außen ab. Da der Erfüllungsgehilfe dem Bürger nicht direkt gegenübersteht, dient die Einwirkungspflicht dort der Gewährleistung einer ordnungsgemäßen Aufgabenerledigung im Hinblick auf die Kontrolle der Pflichtigen Gemeinde durch die Aufsichtsbehörden. In beiden Fällen bestehen gleichermaßen die Probleme, welche die praktische Durchsetzbarkeit der rechtlich geforderten kommunalen Einwirkung auf das Privatrechtssubjekt betreffen 2. Die Vergleichbarkeit resultiert nicht zuletzt daraus, daß die Eigengesellschaft als Vorstufe für ein gemischt-wirtschaftliches Unternehmen gedacht sein kann, falls sich später eine enge, institutionalisierte Kooperation mit Privaten als nützlich oder gar notwendig erweisen sollte 3 . Der Erfüllungsgehilfe ist seinerseits nur die Weiterentwicklung des gemischt-wirtschaftlichen Unternehmens, weil die gesellschaftsrechtliche Beteiligung mit einer vertraglichen Verbindung ausgetauscht wird. Demgemäß wird zum Teil einem gemischt-wirtschaftlichen Unternehmen mit kommunaler Minderheitsbeteiligung die Position des Erfüllungsgehilfen zugewiesen, weil wegen des fehlenden gesellschaftsrechtlichen Beherrschungsverhältnisses auf diesem Wege die Erfüllung des öffentlichen Einrichtungszwecks nicht mehr garantiert sei4.1.d.S. werden Betreiber- und Kooperationsmodell in der Beurteilung häufig zusammengefaßt 3. So heißt es beispielsweise, der Staat bediene sich bei der Privatisierung der Aufgabenerledigung oder funktionalen Privatisierung entweder eines Privatrechtssubjekts als Erfüllungsgehilfen oder versichere sich der Sachkunde privater Unternehmen durch Beteiligung an einer gemischt-wirtschaftlichen Gesellschaft 6. Wie eng Organisations- und Produktionsprivatisierung zusammenhängen, zeigt sich vor allem bei einer Kombination von Betreiber- und Kooperationsmodell: Bei der Gründung einer Beteiligungsgesellschaft als Eigentumsgesellschaft, die sodann ihrerseits mit einem privaten Dritten die Betriebsführung organisiert, besteht nur theoretisch eine ununterbrochene Kette von Einwirkungsrechten der Gemeindeorgane bis hin zum Betriebsführer. Sofern der Betreiber mit dem Mitgesellschafter der Kommune personengleich ist, entsteht
2 3 4 3 6
16*
Graf Vitzthum, S.591; Osterloh, WDStRL 54, S.234. Schoch, Abfallentsorgung, S.35. Frotscher y in: HkWP, Bd.3, S. 147. ATV-Fachausschuß 4.2, KA 1995, S.449 (451). So die Terminologie von Krölls, S. 131.
244
4. Teil: Neue Ansätze für die Organisation
zudem die ungünstige Konstellation, daß der Betreiber sich praktisch selbst kontrolliert 7 . Für die Vergleichbarkeit der Fälle spricht zudem, daß die Aufgabenverantwortung jeweils beim Hoheitsträger verbleibt, während nur die Erbringung der Leistung privatisiert wird. Gleichermaßen ist Adressat des kommunalrechtlichen Zulassungsanspruchs jeweils die Gemeinde, wenn sie eine öffentliche Einrichtung betreiben läßt. Für den Fall einer Eigengesellschaft spricht der Hess. VGH infolgedessen von einer „Verrichtungsgehilfin", deren sich die Gemeinde im Rahmen der Wahrnehmung eigener Selbstverwaltungsaufgaben bediene8 . Zwar ist der Begriff des „Verrichtungsgehilfen" in diesem Zusammenhang ungebräuchlich; jedoch deutet er die Gemeinsamkeiten der verschiedenen Organisationsformen ebenfalls an, weil er vom Gericht für einen Fall der Organisationsprivatisierung benutzt worden ist. Aus diesen organisatorischen Übereinstimmungen läßt sich die Option ableiten, für den privaten Entsorger ebenfalls eine Außenrechtsbeziehung anzuerkennen.
2. Parallelität von Abwasserbeseitigung und Wasserversorgung Für die Möglichkeit eines Dreiecksverhältnisses spricht der Umstand, daß Abwasserbeseitigung und (Lösch-)Wasserversorgung im Ausgangspunkt, nämlich der kommunalen Aufgabenverantwortung, übereinstimmen. So kann ein Konzessionsnehmer die Pflichtige Selbstverwaltungsaufgabe der Löschwasserversorgung auf der Grundlage des Konzessionsvertrages erfüllen, dessen Inhalt teilweise von der gemeindlichen Aufgabenverantwortung bestimmt wird. I.d.S. wird für den Entsorgungsbereich die Konzessionsvergabe in den Blick genommen9. Als Ausprägung eines staatlich-privaten Kondominiums entsteht dann in der Abwasserbeseitigung ebenfalls eine Organisationsform, deren Eigenart eine Außenrechtsbeziehung zum Benutzer ist 1 0 , ohne deshalb weniger in die Verwaltung eingebunden zu sein als eine Eigen- bzw. verwaltungsbeherrschte Beteiligungsgesellschaft. Im Unterschied dazu wird diese Bindung jedoch nicht über gesellschaftsrechtliche Beteiligung, sondern durch vertragliche Vereinbarung entsprechend dem Erfüllungsgehilfen gewährleistet. Es handelt sich folglich um die Synthese aus Organisations- und Produk-
7
Bodanowitz, S.160ff. Hess. VGH, GewArch 1994, 287 (288). 9 Grabbe, S.43f. 10 Tettinger, DÖV 1996, S.765, deutet das in der Darstellung des Betriebsüberlassungsmodells an. 8
Β. Der Verwaltungsmittler
245
tionsprivatisierung: Von ersterer stammt die Außenrechtsbeziehung, von zweiterer die Sicherstellungsform der Aufgabenträgerschaft. Ahnliche Gesichtspunkte für die Organisation der Abwasserbeseitigung ergeben sich aus der Übergangsregelung für die neuen Länder. Bis zu ihrer endgültigen Entflechtung haben die VEB WAB-Nachfolgegesellschaften die Abwasserbeseitigung und Wasserversorgung so fortgeführt, wie zuvor die VEB WAB diese Aufgaben erfüllt haben. Daran ist interessant, daß Ver- und Entsorgung von einer Stelle erledigt worden sind. Auch in den Regelungen, die die Rückführung der Anlagen und Immobilien in gemeindliches Eigentum betreffen, werden Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung stets parallel behandelt. Zudem können für eine Übergangszeit bis zum 31.12.1996 gemäß § 37 Abs.l Nr.3 SächsKAG private Gesellschaften in der Rechtsnachfolge der VEB WAB von den Benutzern weiter im eigenen Namen und auf eigene Rechnung angemessene Vergütungen für ihre Leistungen verlangen. Voraussetzung ist, daß die Privatrechtsvereinigungen dazu von den Gemeinden ermächtigt worden sind und von einer oder mehreren beherrscht werden. Dadurch wird die Frist des § 137 SächsWG nicht außer Kraft gesetzt und die prinzipielle Abwasserbeseitigungspflicht der Gemeinden nicht berührt. Auch liegt in §37 Abs.l Nr.3 SächsKAG kein Beleihungstatbestand, wie schon der Gesetzeswortlaut belegt. Vielmehr handelt es sich um eine funktionale Privatisierung durch Delegation der Aufgabendurchführung auf die VEB WAB-Nachfolgegesellschaften, allerdings in der Ausgestaltung, daß die Entgelterhebung nicht mehr durch oder für die Gemeinden erfolgt 11 . Die Organisation von Versorgung und Beseitigung in der Hand eines Querverbundunternehmens findet sich wieder in den vom Bundesumweltministerium erstellten Musterverträgen zur privatwirtschaftlichen Realisierung der Abwasserbeseitigung und Wasserversorgung. Sowohl der Betreiber- als auch der Kooperationsvertrag beinhalten gleichzeitig beide Aufgaben 12 . Beim sog. „Mönchengladbacher Weg" ist durch die Neuorganisation der Abwasserbeseitigung über die Stadtwerke GmbH, die neben ihrer bisherigen Versorgungsfunktion seit dem 1.1.1996 auch die Entsorgung erledigt, eine organisatorische Zusammenfassung von Trink- und Abwasser in einer Hand erreicht worden. Diese vollständige Integration des Abwasserbetriebs in die vorhandene objektund nicht aufgabenbezogene Unternehmensorganisation soll zur Nutzung der Synergieeffekte und einer Minimierung der Reibungsverluste führen 13 . Angestrebt wird darüber hinaus eine parallele privatrechtliche Ausgestaltung des
11
Dierkes, S.272, der damit den Grenzbereich zur materiellen Privatisierung erreicht sieht. 12 BMU, Musterverträge, S.8ff. 13 So Kirchhartz, a.a.O.
246
4. Teil: Neue Ansätze für die Organisation
Benutzungsverhältnisses zwischen den Stadtwerken und den Abwasser- und Wasserkunden einschließlich der direkten Erhebung von Entgelten 14 .
Π . Das Abwasserrecht Die Restriktionen der gemeindlichen Organisationshoheit bei der Abwasserbeseitigung basieren vorrangig auf wasserrechtlichen Zusammenhängen. Im besonderen die Verknüpfung der Abwasserbeseitigungspflicht mit der Einleitererlaubnis begrenzt die Organisationsfreiheit der Gemeinde und führt dazu, daß die Funktion des Privaten auch hinsichtlich der Anschlußnehmer auf den unselbständigen Verwaltungshelfer reduziert wird. Fraglich ist, ob das zwingend ist.
1. Bedeutung der Erlaubnis zur Gewässerbenutzung für die Entsorgungspflicht § 18a WHG bezweckt keine Disziplinierung des Verhaltens von Direkteinleitern, sondern will ihre Zahl verringern. Durch die Konzentration der Abwasserbeseitigung auf öffentlich-rechtliche Körperschaften sollten möglichst viele private Direkteinleiter zu Benutzern öffentlicher Kanalisationen, also wasserwirtschaftlich irrelevanten Indirekteinleitern, gemacht werden 13 . Das OVG Münster hat sich in einem grundlegenden Urteil in demselben Sinn geäußert: Gesetzesabsicht sei, die Abwasserbeseitigung grundsätzlich in eine, und zwar die öffentliche Hand zu legen, so daß der Abwasserbeseitigungspflichtige die Aufgabe in eigener Verantwortung, d.h. selbst oder durch von ihm beauftragte Dritte, erfüllen müsse. Die Erteilung der Einleitererlaubnis an einen Dritten schließe demgegenüber den eigentlich Abwasserbeseitigungspflichtigen von der Durchführung seiner Aufgabe aus, was eine Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit besorgen ließe. Diese Beeinträchtigung bilde einen absoluten Versagungsgrund für die Genehmigung 16 .
14
Kirchhartz, a.a.O.; dementsprechend enthält der zwischen der Stadt Mönchengladbach und der betriebsführenden Stadtwerke GmbH geschlossene Entsorgungsvertrag eine „Fortentwicklungs-/ Anpassungsklausel", in der die avisierte privatrechtliche Ausgestaltung der Verträge zwischen den Stadtwerken und den Abwasserkunden und die Entgelterhebung durch die Stadtwerke geregelt sind. 13 Hemeler, DVB1.1981, S.668; ders. y Abwasserrecht, S.226. 16 OVG Münster, StuGR 1981, 355 (357).
Β. Der Verwaltungsmittler
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Damit wird die Funktion des § 52 Abs.l S.l Buchst.c LWG NW allerdings mißverstanden, die darin liegt, Einleitungen zu verhindern, die ein Beseitigungspflichtiger nicht ordnungsgemäß durchführt. Die Erlaubnisfahigkeit von Einleitungen Nichtbeseitigungspflichtiger zu regeln, zählt demgegenüber nicht zur Funktion des § 52 Abs.l S.l Buchst.c LWG NW als Bindeglied zwischen wasserwirtschaftlicher Benutzungsordnung und der Organisation der Abwasserbeseitigung. Allein aus der Entsorgungskompetenz der Gemeinden folgen noch keine Beschränkungen des Rechtskreises der Abwasserbesitzer, die eine Einleitererlaubnis für Abwasser beantragen, das Dritte landesgesetzlich zu beseitigen verpflichtet sind 17 . Da in Nordrhein-Westfalen zudem die Abwasserüberlassungspflicht nicht schon durch das L W G NW, sondern erst durch den Anschluß- und Benutzungszwang konstituiert wird, fehlt es auch insoweit an einem Versagungsgrund bzgl. der Einleitererlaubnis, solange die zuständige Gemeinde den Abwasserbesitzer noch nicht einem solchen satzungsrechtlichen Abwasserüberlassungsgebot unterworfen hat. Denn erst im Falle der an den Abwasserbesitzer adressierten Verpflichtung, angefallenes Abwasser einem Dritten zu überlassen, ist ihm die Fähigkeit genommen, durch die Einleitung seinen eigenen Rechtspflichten nachzukommen. Das bedingt, daß die Einleitung gegen materiell-rechtliche Vorschriften und deswegen gegen § 6 WHG verstößt, so daß eine weitere Genehmigung ausscheidet. Umgekehrt setzt die Erteilung einer Einleitererlaubnis voraus, daß der Abwasserproduzent von der Pflicht entbunden wird, angefallenes Abwasser dem Beseitigungspflichtigen zu überlassen. Allein die Übertragung der Abwasserbeseitigungspflicht hebt einen bestehenden Anschluß- und Benutzungszwang noch nicht auf 18 . Nur solange die Kommune in Erfüllung ihrer aus § 53 Abs.l LWG NW folgenden Verschaffüngspflicht den Abwasserproduzenten noch keinem Anschluß- und Benutzungszwang unterworfen hat, ist er in der Verfügung über das auf seinem Grundstück anfallende Abwasser frei. Ihm muß dann nicht erst das Recht zur Abwasserbeseitigung verliehen werden 19 . Hier ist zu bedenken, daß der private Dienstleister nicht selbst Abwasserproduzent sein muß, so daß er von vornherein nicht von einem bestehenden
17
Hemeler, BauR 1982, S.2; ders. y Abwasserrecht, S.234. Hemeler, Abwasserrecht, S.235. 19 Hemeler, BauR 1982, S.5f, mit ausführlicher Begründung dafür, daß das Verständnis des OVG Münster von Beseitigungspflicht und -recht bzgl. § 52 Abs. 1 S. 1 Buchst.c LWG NW mit § 30 BauGB in der Ausdeutung des BVerwG kollidiert. Die gerichtliche Handhabung des niederrangigen Landesrechts hätte zur Folge, daß die bundesrechtlichen Grundsätze zur Verdichtung der gemeindlichen Entschließungslast bzw. zur Erschließungsbefugnis Dritter nicht mehr anwendbar wären, soweit die Grundstücksentwässerung in Rede steht. 18
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4. Teil: Neue Ansätze für die Organisation
Anschluß- und Benutzungszwang betroffen wird. Im übrigen kommen Ausnahmeregelungen in Betracht.
2. Unterscheidung von Pflicht und Erfüllung Zu der gleichen Beurteilung kann man gelangen, wenn man bei der Anwendung des § 52 Abs.l S.l Buchst.c LWG NW nicht vorrangig auf die Abwasserbeseitigungspflicht abstellt, sondern auf deren ordnungsgemäße Erfüllung. Der Gesetzestext nennt beide Merkmale in unmittelbarem Zusammenhang. Versteht man die Gesetzesformulierung mit dem OVG Münster dahingehend, jede nicht der Erfüllung der Beseitigungspflicht dienende Einleitung sei zu untersagen, wird das Wort „ordnungsgemäß" überflüssig. Seine Funktion liegt demgegenüber darin, eine bestimmte Art der Erfüllung der Abwasserbeseitigungspflicht zu kennzeichnen, welcher die konkrete Einleitung zu genügen hat, um erlaubnisfähig zu sein. Es sollen mithin Einleitungen eines Entsorgungspflichtigen untersagt werden können, durch die zwar die Pflicht übernommen, aber nicht in der gesetzlichen Weise erfüllt wird. § 52 Abs. 1 S. 1 Buchst.c LWG NW bildet insbesondere die Nahtstelle zwischen Abwasserbeseitigungsplan und Erlaubnisverfahren und sichert so die in einem Plan geregelte Art der Erfüllung bestehender Beseitigungspflichten 20. Demnach kann die Entsorgungspflicht von ihrer Erledigung unterschieden werden mit der Folge, daß dem Nichtbeseitigungspflichtigen gestattet werden kann, was dem Träger der Abwasserbeseitigung als Aufgabe auferlegt ist. Die Möglichkeit, die Abwasserbeseitigungspflicht in die rechtliche Verantwortung (der Gemeinde) für ihre Befolgung und die tatsächliche Verantwortung für ihre ordnungsgemäße Erfüllung durch private Dritte (z.B. die Betreiberfirma) zu teilen, könnte aufgrund der Gesamtschau der einschlägigen Vorschriften aber ausscheiden21. Maßgebend für die Erhaltung der Gesamtverantwortung des Abwasserbeseitigungspflichtigen für die ihm obliegende Aufgabe wäre dann, daß er sie selbst oder durch von ihm beauftragte und von ihm kontrollierte Dritte erfüllte 22 . Das OVG Münster folgert das zunächst aus der Zielsetzung der § 53 Abs.6 S.l u. 2 LWG NW, die zeigten, daß sich Entsorgungspflichtige zwar zur gemeinsamen Durchführung der Abwasserbeseitigung zusammenschließen könnten bzw. es müßten, wenn sie anders nicht ordnungsgemäß oder nur un-
20 21 22
Hemeler, BauR 1982, S.2. ATV-Fachausschuß 4.2, KA 1995, S.449 (450), unter Berufung auf die Rspr. So Nisipeanu, S.202.
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zweckmäßig erledigt werden kann, sich der Last aber nicht entledigen dürften 23 . Sodann würde bei einer Unterscheidung von Verpflichtung und Pflichterfüllung die ordnungsrechtliche Verantwortung des Rechtsträgers gegenüber der Aufsichtsbehörde verwischen. Denn wenn der Abwasserproduzent und -besitzer selbst die Beseitigung betreibe, ohne dazu verpflichtet zu sein, könnte die Aufsichtsbehörde die Gemeinde bei Bedarf nicht mehr zur Erfüllung ihrer Pflicht anhalten, weil insbesondere der kreisangehörigen Gemeinde mangels wasserrechtlicher Ordnungsgewalt die Einwirkungsmöglichkeit auf den Abwassereinleiter fehle 24 . Schließlich gelte gleiches für die ordnungswidrigkeitenrechtliche Verantwortung: Nach dem Tatbestand des § 161 Abs.l Nr. 12 LWG NW handele nur derjenige ordnungswidrig, der seiner aus §§ 53 Abs.2, 4, 5; 53a LWG NW folgenden Verpflichtung zur Abwasserbeseitigung nicht, unvollständig oder nicht rechtzeitig nachkomme. Indem dieser Tatbestand auf eine höchstpersönliche Aufgabenzuweisung schließen lasse, spreche er zugleich gegen eine zulässige eigenverantwortliche Aufgabendelegation auf Dritte 23 . Dem kann entgegengehalten werden, daß § 52 Abs.l S.l Buchst.c LWG NW nicht grundsätzlich die Abwassereinleitung durch Nichtbeseitigungspflichtige verbietet, sondern die Erteilung der beantragten Erlaubnis nur dann ausgeschlossen ist, wenn die begehrte Abwassereinleitung der „ordnungsgemäßen Erfüllung der Abwasserbeseitigungspflicht" nicht entspricht. Das beinhaltet, daß die Abwassereinleitung durch einen Dritten nicht im Widerspruch zu einem ordnungsgemäßen Verhalten des Entsorgungspflichtigen bei Erfüllung seiner Pflichten stehen darf. Das ist jedenfalls dann nicht der Fall, wenn die Voraussetzungen einer Befreiung von der Pflicht nach § 53 Abs.3, 4, 5 LWG NW vorliegen und die Gemeinde in der Zeit bis zur Entscheidung über den Antrag die Abwasserbeseitigung nicht durchführt. Aber auch als kein gesetzlicher Befreiungstatbestand erfüllt war, verlangte das Gesetz nicht, daß die entsorgungspflichtigen Körperschaften die Beseitigung am Tage des Inkrafttretens des LWG NW sofort und überall übernahmen. Das zeigt neben technischen und wirtschaftlichen Gründen schon der Umstand, daß ursprünglich jede Übergangsregelung fehlte 26 . § 53a LWG NW wurde erst nachträglich eingeführt und manifestiert für die Übergangszeit die Unabhängigkeit von Einleitererlaubnis und Abwasserbeseitigungspflicht. Von hieraus liegt der Schluß nahe, diese Differenzierung für 23 24 23 26
OVG Münster, StuGR 1981, 355 (357); Nisipeanu, S.202. OVG Münster, StuGR 1981, 355 (357). Im Anschluß an OVG Münster Nisipeanu, S.203. VG Köln, MittNWStuGB 1980, S.249.
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4. Teil: Neue Ansätze für die Organisation
Situationen neu zu entdecken, die zwar außerhalb der Übergangszeit liegen, ihr inhaltlich aber entsprechen. Denn die Gestattung bildet keinen integrativen Bestandteil der Entsorgungspflicht. Die Entscheidung im Erlaubnisverfahren ist vielmehr ohne Einfluß auf die Abwasserbeseitigungspflicht, weil sie einen Dritten nur zur Gewässerbenutzung ermächtigt, ohne ihm eine entsprechende Pflicht aufzuerlegen. Nimmt er diese Befugnis war, erfüllt er die einem anderen obliegende Verpflichtung tatsächlich. Indem er dem Beseitigungspflichtigen eine Last abnimmt, begünstigt er ihn nur, so daß seine Interessen einer Erlaubniserteilung nicht im Wege stehen27. Im übrigen bezieht sich die Kommunalaufsicht nur auf die gemeindliche Pflicht, sich die Abwässer durch Erfüllung der notwendigen tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen, insbesondere die Anordnung eines Anschlußund Benutzungszwangs, zu verschaffen. Die Gemeinde kann gezwungen werden, durch Ausnutzung ihrer satzungsrechtlichen Möglichkeiten jedem Abfallbesitzer zu gebieten, ihr das Abwasser zum Zwecke der Beseitigung zu überlassen28 . Nichts gesagt ist damit für die Frage, ob die Einleitererlaubnis auch versagt werden darf, wenn die Gemeinde den Privaten nicht zur Überlassung der Abwässer verpflichtet.
3. Konzentrationswirkung der Verknüpfung Im Fall des OVG Münster stellte sich die Frage, ob der Eigentümer eines nicht an die öffentliche Kanalisation angeschlossenen Grundstücks Inhaber einer Einleitererlaubnis werden konnte. Sie wurde aus dargestellten Gründen verneint. Anderenfalls hätten viele Grundstückseigentümer im Außenbereich beanspruchen können, durch erlaubte eigene Abwassereinleitungen die Erschließung ihrer Grundstücke zu sichern, mit der Folge, daß die neu eingeführte monopolisierte Abwasserbeseitigungspflicht der Gemeinden ausgehebelt worden wäre. I.d.S. verwirklicht das Urteil die gesetzgeberische Absicht. Es schließt sich aber die Frage an, ob die für das Verhältnis Grundstückseigentümer-Gemeinde aufgestellten Grundsätze auch im Verhältnis Gemeinde-Verwaltungshelfer gelten. Die für den Regelfall durch §§ 18a Abs.2 S.l WHG, 53 LWG NW geschaffene staatliche Eigenregie trägt nicht den Schluß, eine separate Beseitigung mit Hilfe privater Abwasseranlagen sei nach der Intention des Gesetzes so weit wie möglich zu verhindern. Dagegen spricht schon die Möglichkeit, durch Abwasserbeseitigungspläne gemäß §§ 18a Abs.2 S.2 WHG, 55 LWG NW Entsor-
27 28
Hemeler, BauR 1982, S.3. Hemeler, BauR 1982, S.4.
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gungspflichten ohne Einschränkung Privaten zuweisen zu können. Zudem wird durch die weiten Befreiungstatbestände der § 53 Abs.3, 4, 5 LWG NW die Zahl der Direkteinleiter erhöht und eine Dekonzentration der Abwasserbeseitigung gefordert 29 . Diese Konsequenz setzt voraus, daß die drohende Aufweichung der gemeindlichen Entsorgungspflicht ebenfalls zu besorgen ist, wenn ein von der Gemeinde beauftragter Privatunternehmer eine Kläranlage betreibt. In quantitativer Hinsicht ergeben sich aber keine Veränderungen, wenn dem Kläranlagenbetreiber die Einleitererlaubnis erteilt wird, da sich dadurch die Zahl der Einleitungsberechtigten nicht erhöht. Im Gegensatz zum Fall vieler Grundstückseigentümer tritt hier nur eine Person an die Stelle der abwasserbeseitigungspflichtigen Gemeinde. Auch in qualitativer Hinsicht fehlt es an der Vergleichbarkeit, da nicht etliche unkundige Grundstückseigentümer zu Inhabern der Einleitererlaubnisse werden, sondern ein Kläranlagenbetreiber, der gerade wegen seines technischen Know-how, seiner Finanzmittel und Zuverlässigkeit ausgewählt worden ist und dies im Wettbewerb permanent beweisen muß. Mithin fehlt es an den Gefahren für den Wasserhaushalt. Der Sinn des § 52 Abs. 1 S.l Buchst.c LWG NW wird gerade nicht konterkariert, da die Gemeinde durch die Einschaltung des Privatunternehmers die ordnungsgemäße Erfüllung ihrer Abwasserbeseitigungspflicht verbessern will. Die materielle Begründung liegt nach Meinung des OVG Münster darin, daß die Gemeinde in aller Regel eher als der tatsächliche Abwassererzeuger in der Lage sei, Mißstände zu erkennen und abzustellen. Darüber hinaus seien die Einwirkungsmöglichkeiten auf den technischen Abwasserentsorger erheblich größer, wenn die Gemeinde selbst sich die Vertragspartner aussuchen und im Fall der Schlechterfüllung auch wieder kündigen könne, und dies sogar für ihr gesamtes Stadtgebiet30. Dieser Ansatz wird durch einen privaten Entsorger nicht beeinträchtigt, da die Einwirkungsmöglichkeiten der Wasserbehörden steigen, wenn ein Privater Inhaber der Erlaubnis wird, weil sie durch nachträgliche Anordnungen gemäß § 5 Abs. 1 WHG verschärft werden kann. Darüber hinaus hat auch die Gemeinde eine Handhabe, da der privatwirtschaftliche Kläranlagenbetreiber auf der Grundlage eines Vertrages handelt, in dem Informations-, Kontroll- und Weisungsrechte zugunsten der Gemeinde enthalten sind. Schließlich bleibt die Aufgabenverantwortung der Gemeinde durch die Erteilung der Einleitererlaubnis an einen Dritten unberührt, da dieser nur die technische Durchführung übernimmt 31 . Im übrigen gilt die Vermutung, daß Körperschaften des öffentli29
Nisipeanu, KA 1992, S.929; Henseler, BauR 1982, S.3. Vgl. Nisipeanu, S.202, Fßn.29. 31 Daß die Gemeinde die Aufgabe „selbst oder durch von ihr beauftragte Dritte" erfüllen kann, konstatiert auch das OVG Münster, StuGR 1981, 355 (357). 30
252
4. Teil: Neue Ansätze f r die Organisation
chen Rechts den Schutz der „Reinheit der Gewässer" und der „Funktionsfahigkeit der öffentlichen Abwasseranlagen" durch eine von ihnen betriebene Abwasserbeseitigung tatsächlich besser als die Abwasserproduzenten selbst oder sonstige Dritte gewährleisten können, nur für den Regelfall. Dies sahen Bundes· und Landesgesetzgeber gleichermaßen, weshalb sie Tatbestände normierten, in denen schon aus ihrer abstrakt-generellen Sicht eine kommunale Abwasserbeseitigungspflicht wasserwirtschaftlich ungeeignet ist 3 2 . Die beispielhafte Gestaltung der Rechtsverhältnisse bei einem Gemeinschaftsklärwerk, an dessen Errichter- und Betreibergesellschaft zwei Abwasserzweckverbände und ein Chemieunternehmen beteiligt sind, zeigt, daß die Verbindung von Einleitererlaubnis und Abwasserbeseitigungspflicht nicht aufrechtzuerhalten ist. Denn es besteht kein Kriterium dafür, in welchem Umfang die Gesellschaft entsorgungspflichtig sein muß, um die Einleitererlaubnis erhalten zu können. Der dem OVG Münster folgende ATV-Fachausschuß 4.2 sieht es als ausreichend an, wenn die Zweckverbände von der Abwasserbeseitigungspflicht für die Industrie- und Gewerbebetriebe und von der Entsorgungspflicht für den Bereich der öffentlichen Anlagen jeweils teilweise (für die Abwasserbehandlung) freigestellt werden, um die Betreibergesellschaft des Klärwerks zum Gewässerbenutzer und Adressaten der wasserrechtlichen Erlaubnis zu machen 33 . Warum der Abwasserbehandlung als Teil der Beseitigungspflicht und nicht dem Sammeln und Fortleiten des Abwassers die entscheidende Bedeutung beigemessen wird, wird nicht erklärt und ist es wohl auch nicht zu erklären. Schließlich bedingt die Verknüpfung von Abwasserbeseitigungspflicht und Einleitererlaubnis angesichts der Regelungen des § 53 Abs.5 S.l u. 2 LWG NW folgendes Paradoxon: Wenn ein Gewerbebetrieb Abwasser produziert, das von der Gemeinde nicht beseitigt werden kann, ist es möglich, die prinzipiell der Kommune auferlegte Pflicht zur Beseitigung des Abwassers insoweit dem Gewerbebetrieb zu übertragen, um sich sodann mit ihm „zur gemeinsamen Durchführung der Abwasserbeseitigung zusammenzuschließen" (§ 53 Abs.6 S.l LWG NW), oder dem Gewerbebetrieb die gemeinsame Behandlung des kommunalen und seines gewerblichen Abwassers zu übertragen (§ 53 Abs.5 S.5 LWG NW). Der Gewerbebetrieb müßte also zusätzliches Abwasser produzieren, um beseitigungspflichtig und Adressat der Einleitererlaubnis werden zu können. Durch diese Mehrproduktion von Abwasser würde zwar der Geset-
32 33
Nisipeanu, KA 1992, S.930. ATV-Fachausschuß 4.2, KA 1995, S.449 (452).
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zeswortlaut erfüllt, aber der ökologische Sinngehalt der gesetzlichen Aufgaben- und Pflichtenzuweisung konterkariert 34 .
4. Die Rechtslage in Sachsen Es ist zu bedenken, daß z.B. in Sachsen eine dem § 52 Abs.l S.l Buchst.c LWG NW entsprechende Regelung fehlt, so daß sich hier die Frage der Begründbarkeit des Zusammenhangs zwischen Einleitergestattung und Abwasserbeseitigungspflicht stellt. Das Problem wird noch evidenter, wenn man die Vorschrift des § 63 Abs.5 S.l Ziff.5 SächsWG hinzuzieht, wonach auf Antrag des Beseitigungs- oder Überlassungspflichtigen die Abwasserbeseitigungspflicht entfallt „für Abwasser, dessen Einleitung in ein Gewässer wasserrechtlich erlaubt ist, für die Dauer der Erlaubnis". Dadurch wird mit der Erlaubnis kraft Gesetzes die Kommune freigestellt und der Erlaubnisinhaber zur Beseitigung verpflichtet. Nach § 65 Abs.5 S.3 SächsWG trifft die Abwasserbeseitigungspflicht nunmehr denjenigen, „bei dem das Abwasser anfällt", womit vor allem der Abwasseranfall an der Kläranlage selbst gemeint ist 3 3 . Die Prüfung der Einleitererlaubnis erfolgt dabei zwangsläufig unabhängig von der Frage nach der Abwasserbeseitigungspflicht, denn letztere folgt hier der Erlaubnis nach. Dabei scheint auch die Beantragung einer neuen Erlaubnis durch einen Gewerbebetrieb, der zunächst seinerseits überlassungspflichtig ist, nach Inkrafttreten des SächsWG nicht ausgeschlossen. Er behandelt dann nicht nur die eigenen betrieblichen Abwässer, sondern auch die anderer Abwasserproduzenten und entzieht sie bei Erhalt der Erlaubnis der gemeindlichen Abwasserbeseitigungspflicht. Nach § 63 Abs.5 S.l Nr.5 SächsWG kommt das sogar in Betracht, wenn der private Kläranlagenbauer und -betreiber gar kein eigenes Abwasser klären und einleiten w i l l 3 6 . Im Ergebnis erfordert die Einleitererlaubnis keine Unteilbarkeit von rechtlicher und tatsächlicher Verantwortung für die Abwasserbeseitigung, so daß einem privatwirtschaftlichen Engagement insofern keine Grenzen gesetzt sind. Wenn mit der Erteilung einer Einleitererlaubnis sogar die Abwasserbeseitigungspflicht auf einen Gewerbebetrieb insgesamt übergehen kann, so muß es erst recht zulässig sein, diesem bei fortbestehender Aufgabenpflicht der Körperschaft nur die Erlaubnis zur Abwassereinleitung zu erteilen. § 52 Abs.l S.l 34
So Nisipeanu, KA 1992, S.930f, zum parallelen Problem der Beseitigung gewerblicher Abwässer eines beseitigungspflichtigen Gewerbebetriebs durch einen nicht selbst Abwasser produzierenden Dritten. 33 S.i.e. Dierkes, S.273. 36 So Dierkes, S.273f, der zur weiteren Begründung die gleichlautenden §§40 Abs.2 Nr.5 LWG M-V, 58a Abs.3 Nr.5 ThürWGheranzieht.
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4. Teil: Neue Ansätze für die Organisation
Buchst.c LWG NW steht der Erteilung einer wasserrechtlichen Erlaubnis an Nichtbeseitigungspflichtige nicht entgegen37. Daß es sich insoweit um verschiedene Sachverhalte handelt, beweist schließlich der Umstand, daß für den Übergang der Abwasserbeseitigungspflicht nebst der Pflicht zur Überlassung des Abwassers zusätzlich zur Erlaubniserteilung an den privaten Kläranlagenbetreiber gemäß § 63 Abs.5 S.l SächsWG ein weiterer Verwaltungsakt ergehen muß. Letzteren erläßt die obere Wasserbehörde, die nicht immer mit derjenigen Behörde, die die Einleitererlaubnis erteilt, identisch ist 3 8 .
5. Die Funktion des Privaten Diese Untersuchung anhand der Aspekte der Funktion des § 52 Abs.l S.l Buchst.c LWG N W und der beabsichtigten Konzentrationswirkung sowie der Möglichkeit der Trennung von Beseitigungspflicht und ihrer Erfüllung hat den vorgeblichen Zusammenhang von Abwasserbeseitigungspflicht und Einleitererlaubnis aufgehoben. Um die kommunale Abwasserentsorgung durch einen nicht selbst Abwasser produzierenden Privaten ausführen lassen zu können, muß diesem nicht im Wege der Analogie zu § 53 Abs.5, 6 S.l LWG NW (teilweise) die Abwasserbeseitigungspflicht übertragen werden 39 . Vielmehr reicht es aus, ihm eine Erlaubnis zur Gewässerbenutzung zu erteilen und die Abwasserbeseitigungspflicht der Gemeinde davon unberührt bestehen zu lassen. Dieses Ergebnis ermöglicht eine größere organisatorische Selbständigkeit, die auf die Ausgestaltung der Rechtsverhältnisse zum Anschlußnehmer ausstrahlen muß.
ΙΠ. Ausgestaltung der Rechtsbeziehungen Das oben40 besprochene Urteil des VG Leipzig bestätigt die Zulässigkeit einer Ordnung der Leistungsbeziehungen im Dreieck: Danach sei die Beschrän-
37
So auch Hemeler, BauR 1982, S.7. Dierkes, S.274, unter beispielhafter Bezugnahme auf § 1 Nr.lb ZustVO SächsWG: Bei geringerer Bedeutung der Einleitung aus dèr Kläranlage ist die untere Wasserbehörde sachlich zuständig. 39 So aber Nisipeanu, KA 1992, S.932f, für den parallelen Fall der Beseitigung gewerblicher Abwässer eines beseitigungspflichtigen Gewerbebetriebs durch einen nicht selbst Abwasser produzierenden Dritten. 40 S.o. 2.Teil.B. ΠΙ. 3.j)cc). 38
Β. Der Verwaltungsmittler
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kung des § 3 Abs.2 S.2 AbfG und verwandter Vorschriften auf den Erfüllungsgehilfen überholt, und zwar insbesondere unter vergleichender Berücksichtigung der Einschaltung von Eigen- und Beteiligungsgesellschaften. Das Verwaltungsgericht hält eine vollständig privatrechtliche Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses zwischen Leistungsempfänger und Betreiber trotz bestehenden Anschluß- und Benutzungszwangs und kommunaler Entsorgungszuständigkeit für zulässig 41 . Wenn der private Entsorger in einem Rechtsverhältnis zum Kunden steht, fragt sich aber, wie die vielfachen Bindungen des öffentlichen Rechts gewährleistet werden können.
1. Verwaltungsprivatrecht und Grundrechtsfähigkeit Die Konsequenz der Außenzuständigkeit des Privaten soll seine Einbeziehung in den Geltungsbereich des Verwaltungsprivatrechts sein 42 . Das nimmt die Rechtsprechung in weiten Teilen an, ohne immer entscheidend darauf abzustellen, ob sog. „verwaltungsbeherrschte" Beteiligungsgesellschaften in Rede stehen. Diese Ausgestaltung vermag indes nicht zu überzeugen, soweit es sich nicht um Eigengesellschaften der öffentlichen Hand handelt.
a) Abgrenzungsprobleme Selbst wenn man auf die Einflußmöglichkeiten der Kommune rekurriert, entstehen spätestens dann Ungereimtheiten, wenn die Gemeinde nur Minderheitsgesellschafter ist. Wie schwierig diese Konstruktion zu begründen ist, zeigt das Beispiel der Wasserversorgung. Dort soll die öffentlich-rechtliche Bindung des B-Versorgers über einen privatrechtlichen Konzessionsvertrag geschaffen werden, weil er im Bereich der Daseinsvorsorge tätig ist. Aus der behaupteten Geltung des Verwaltungsprivatrechts ergeben sich kaum lösbare Abgrenzungsschwierigkeiten hinsichtlich der Frage, ob und gegebenenfalls bis zu welchem Staatsanteil abwärts die Grundrechtsverpflichtung bestehen soll 43 . Soweit ein vollständig in privater Hand befindliches Unternehmen dem Verwaltungsprivatrecht unterworfen wird, wird dessen rechtliche Eigenständigkeit
41
VG Leipzig, LKV 1995, 407; ebenso Ottmann, S.587. So Wolff/Bachof/Stober, Bd. 1, § 23, Rn.31, für die Müllabfuhr durch ein privates Unternehmen i.S.d. § 3 Abs.2 AbfG. 43 Püttner, Öffentliche Unternehmen, S.l 19. 42
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4. Teil: Neue Ansätze für die Organisation
damit aufgegeben. Dem widerspricht, daß es zwar in gewisser Weise, aber eben nicht nur verlängerter Arm der Gemeinde ist 4 4 . Insbesondere aber bei der komplementären Frage der Grundrechtsfähigkeit dieser Mischgesellschafien scheitert diese Lösung, da solcherart gestalteten Privatrechtssubjekten die vor dem Hintergrund ihrer Bindung an das Verwaltungsprivatrecht folgerichtig erscheinende Grundrechtsunfähigkeit nicht attestiert werden kann. Die identische Behandlung von Gesellschaft und Gesellschafter i.S. bestehender Grundrechtsbindung und fehlender Grundrechtsfähigkeit kommt nur bei gemeindlichen Eigengesellschaften in Betracht, die bewußt im Rahmen kommunaler Aufgabenerfüllung eingesetzt werden 43 .
b) Rein privatrechtliche Außenrechtsbeziehung bei gemischt-wirtschaftlichen Unternehmen Bei der Aufgabenerledigung durch gemischt-wirtschaftliche Unternehmen besteht neben dem Gesellschaftsstatut regelmäßig kein weiterer (öffentlichrechtlicher) Vertrag o.ä., woraus eine Grundrechtsverpflichtung des Privatrechtssubjekts resultieren könnte. Auch der im Bereich der Versorgung praktizierte zivilrechtliche Konzessionsvertrag trägt solche Folgen nicht. Wenn die öffentliche Hand mit privaten Kräften eine Zusammenarbeit eingeht, liegt darin kein Unterwerfungsakt unter das öffentliche Recht. Denn eine Einbeziehung der Mischgesellschaften in den öffentlich-rechtlichen Rechtskreis bedarf der förmlichen Beleihung. Diese Rechtssubjekte sind daher im Außenverhältnis wie rein private Organisationen zu behandeln, weil sich auch bei verwaltungsbeherrschten gemischt-wirtschaftlichen Unternehmen nicht nur die Form der Verwaltungsausübung, sondern die Trägerschaft ändert 46 . Folgerichtig wird dann, wenn der Staat nur einer unter mehreren Beteiligten an einem Unternehmen ist, dieses gemeinsam getragene Rechtssubjekt nicht an das öffentliche Recht gebunden, sondern vollständig dem Zivilrecht unterworfen 47 . Erst recht gilt das für rein privatwirtschaftliche Organisationen. Gesellschaften mit Beteiligung der öffentlichen Hand sind nicht an Grundrechte gebunden. Sie besitzen eine eigene Rechtspersönlichkeit und sind nicht 44
Gallwas, S.222. Grabbe, S.109f; vgl.i.e.o. 3.Teü. Β. Π. 2. c) bb). 46 Kund, S.44f; Ehlers, Privatrechtsform, S.249. 47 Ehlers, in Erichsen (Hrsg.), § 2, Rn.82f; Gusy, S.879f, der das Problem der Grundrechtsverpflichtung damit auf das Organisationsrecht verschoben sieht, wo sich die Frage stehe, ob der Staat bzw. die Gemeinde berechtigt war, den Gegenstand des Betriebs derart zu privatisieren. 43
Β. Der Verwaltungsmittler
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nur eine Maske, welche sich die Gemeinde aufsetzt und hinter der sie doch dieselbe Person bleibt wie zuvor. Als juristische Person hat die privatrechtliche Vereinigung ihren eigenen personalen Status und rechtlich ein eigenes Dasein. Beides wird durch die besonderen rechtlichen Verhältnisse ihrer Gesellschafter grundsätzlich nicht beeinflußt 48 . Es gilt, daß die Grundrechte keine unmittelbare Drittwirkung im Privatrechtsbereich entfalten 49 . Bemerkenswert ist, daß so die Übergangsregelungen im Beitrittsgebiet ausgestaltet waren. Danach übernahmen VEB WAB-Nachfolgegesellschaften als juristische Personen des Privatrechts die zivilrechtliche Ausgestaltung aus DDR-Zeiten, wodurch die Aufgaben außerhalb der Sphäre gemeindlicher Verwaltung angesiedelt blieben. Das Gesellschaftsvermögen der neu gebildeten Kapitalgesellschaften war nach der ausdrücklich erklärten Zweckbestimmung des Treuhandgesetzes zur Privatisierung bestimmt, d.h., es sollte auch privaten Unternehmern übertragen werden. Mit dieser Zweckbestimmung hat eine generelle Entwidmung i.S.d. Aufhebung der vormaligen öffentlichen Zwecksetzung stattgefunden. Die Vermögensgegenstände wurden aus der Zugehörigkeit zu einem Rechtssubjekt des öffentlichen Rechts gelöst und einem selbständigen Privatrechtsträger zugeordnet 30. Durch die dargestellten Regelungen wurde die eigenständige zentralisierte Organisation befristet sogar noch verfestigt. Auch die Abtretung der Gesellschaftsanteile von der Treuhandanstalt an die Vereinigungen der kommunalen Anteilseigner e.V. änderte nichts an der Berechtigung und Verpflichtung dieser Nachfolgegesellschaften zur privatrechtlichen Abwasserbeseitigung und Wasserversorgung bis zum 31.12. 1993 31 . Mit diesem Organisationsmodell wird also nicht der Konzessionsnehmer in die Abwasserbeseitigung eingeführt. Denn in Abgrenzung dazu kommt der sog. „Verwaltungsmittler" 32 in den Genuß vollständiger Privatautonomie. So kann er dem Vertragsschluß mit dem Anschlußnehmer beispielsweise Allgemeine Entsorgungsbedingungen zugrunde legen, die nur den Anforderungen des AGBG standhalten müssen. In die kommunale Praxis der Gemeinden in den neuen Ländern, insbesondere in Sachsen, hat der Verwaltungsmittler bereits Eingang gefunden. Im Dresdener Raum beispielsweise haben einige Gemeinden das Rechtsverhältnis zwischen der Entsorgungsgesellschaft und den Anschlußnehmern privatrechtlich auf der Grundlage Allgemeiner Entsorgungsbedingungen ausgestaltet33.
48 49 30 31 32 33
Püttner, Öffentliche Unternehmen, S.l 19; Grabbe, S.l 10. Pieroth/Schlink, Rn. 194; Krieger, S.69. Ossenbühl, DÖV 1991, S.304. OVG Bautzen, ZfW 1995, 41 (43). Der Begriff stammt von Gallwas, S.21 Iff. Auskunft v. 4.7.1996 von Dr. Dittmann, WIBERA AG, Berlin.
17 Brüning
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4. Teil: Neue Ansätze f r die Organisation
Demgegenüber sehen die Kommunen in den alten Ländern die Frage offenbar noch nicht als endgültig geklärt an 3 4 .
2. Gemeindliche Garantenstellung gegenüber dem Bürger Der Verwaltungsmittler tritt als Privater unter Privaten auf; Konflikte werden nach den Konfliktlösungsmodellen des Privatrechts entschieden. Dabei bleibt unberücksichtigt, daß der Private gar nicht nur als solcher, sondern eben auch als Verwaltungsmittler tätig wird 3 3 . Der Spagat zwischen der Nutzung zivilrechtlicher Organisationsformen und öffentlich-rechtlichen Bindungen ist aufzulösen, wenn man einerseits die vollständig zivilrechtliche Außenrechtsbeziehung anerkennt und andererseits die fortbestehende gemeindliche Verantwortung nicht über die unmittelbare Anwendung des Verwaltungsprivatrechts in diesem Rechtsverhältnis absichert, sondern dafür ein anderes Mittel findet 36. Dieser Weg ist für eine Gesellschaft unter Beteiligung der Kommune ebenso gangbar wir für den gesellschaftsrechtlich unabhängigen Verwaltungsmittler.
a) Die Rechtsposition des Bürgers Zwar hat der Bürger grundsätzlich keinen Anspruch darauf, daß die Verwaltung sich bei der Leistungserstellung bestimmter Organisationsformen bedient. Es muß gleichwohl sichergestellt sein, daß die Rechtsstellung der Benutzer durch die Ausgestaltung der Aufgabenerfüllung keinen Nachteil erleidet. Der Maßstab, an dem ein mögliches Defizit zu messen ist, läßt sich in drei Richtungen entfalten: Schutz vor Rechtsverlust, im besonderen vor Einbußen von Grundrechtspositionen; Schutz vor Rechtsverschleierung aufgrund undurchsichtiger Organisationsstrukturen; Erhaltung der Rechtssicherung, also von Staatshaftung und Rechtsschutz37. Eine der Folgen der vollständig privatrechtlichen Außenrechtsbeziehung ist ein Defizit an Grundrechtsschutz, denn an die Stelle unmittelbarer Grundrechtsbindung staatlicher oder gemeindlicher Verwaltungsträger tritt beim Verwaltungsmittler der abgeschwächte Schutz, den die Generalklauseln und 34
Vgl. allgemein Dedy, S.250; Kirchhartz, a.a.O., für den weiteren bacher Weg". 33 Gallwas, S.215f. 36 So auch der Ansatz von Püttner, JA 1980, S.218. 37 Ossenbühl, WDStRL 29, S.164f.
„Mönchenglad-
Β. Der Verwaltungsmittler
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unbestimmten Rechtsbegriffe in ihrer grundrechtlich geprägten Interpretation vermitteln. Verwaltungsprivatrecht findet darüber hinaus ja gerade keine Anwendung38 .
b) Aufspaltung des Rechtsverhältnisses Die Erfüllung der Verwaltungsaufgaben durch Private geschieht nicht in zwei hintereinander geschalteten Rechtsbeziehungen zwischen Staat und Verwaltungsmittler einerseits und Verwaltungsmittler und Bürger andererseits, sondern in einer Dreiecksbeziehung zwischen diesen drei Subjekten39. Die Verdopplung der auf der Seite des Entsorgers Beteiligten ist mithin das charakteristische Erscheinungsbild dieser Form des staatsanteiligen Privathandelns. Das Verfahren ist zweistufig: Die Letztverantwortung für die Abwasserbeseitigung obliegt der Gemeinde. Auf der Vollzugsebene steht dem privaten Entsorger innerhalb eines gemeindlich vorgegebenen Rahmens eine autonome Entscheidungsbefugnis zu 6 0 . Die (vertragliche) Bindung des Verwaltungsmittlers und eine subsidiäre Bereitschaft des Gemeinwesens stellen die Rechtfertigung dieser Organisationsform dar. Wo aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen eine notwendige alsbaldige alternative Aufgabenerfüllung durch die Gemeinde ausscheidet, ist die Grenze der zulässigen Einschaltung eines Privaten erreicht 61 . Nur so kann die Einheit von Aufgabenträgerschaft, Zuständigkeit und Verantwortung gewahrt bleiben, die die vom Grundgesetz geforderte demokratische Legitimation staatlichen Handelns sicherstellt 62 .
c) Fortbestehende Grundrechtsverpflichtung
der Gemeinde
Folgerichtig bleibt überall dort, wo weder eine echte Aufgabenübertragung stattfindet noch die Grundrechtsgebundenheit mediatisiert wird über die Eigengesellschaft, die kommunale Gebietskörperschaft selbst in vollem Umfang
38
Gallwas, S.216f. Gallwas, S.226. 60 Kloweit, S.98f, führt als Beispiel für die Zwei-Stufen-Theorie die Subventionsvergabe unter Beteiligung von Privatbanken an und bezeichnet sie als staatlich-privates Kondominium, das zwischen Verwaltungshilfe und Verwaltungssubstitution steht. 61 Ga//ww,S.231. 62 Vgl. Spannowsky, RdE 1995, S.138. 39
1*
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4. Teil: Neue Ansätze für die Organisation
grundrechtsverpflichtet 63. Die Organe des Gemeinwesens bleiben prinzipiell auch dann für die Einhaltung der öffentlich-rechtlichen Vorschriften verantwortlich, wenn sie Aufgaben von Privaten erfüllen lassen. Mit deren Beauftragung rücken sie gegenüber den einzelnen Bürgern in eine Garantenstellung ein 6 4 . Daraus erwächst der Gemeinde eine Pflicht zur Ingerenz mit dem Ziel, daß die Außenrechtsbeziehung i.S.d. Grundrechte, vor allem des Gleichheitssatzes, gestaltet wird 6 3 .
aa) Der Einwirkungsanspruch Der Bürger ist auf die Erfüllung der Einwirkungspflicht durch die Gemeinde angewiesen, weil er die Bindung an Normen des öffentlichen Rechts mangels Anwendbarkeit des Verwaltungsprivatrechts gegenüber dem Privaten nicht geltend machen kann. Deshalb hat er einen öffentlich-rechtlichen Einwirkungsanspruch gegen die Gemeinde66. Voraussetzung ist, daß das Unternehmen durch seine Tätigkeit in subjektiv-öffentliche Rechte des Bürgers eingreift und die Gemeinde durch Einwirkung auf das Unternehmen diesen Eingriff beseitigen kann 6 7 . Dieses Lösungsmodell spiegelt sich im Kommunalsachenrecht wider. Ein Ausdruck des Einwirkungsanspruchs ist der öffentlichrechtliche Verschaffungsanspruch des § 8 Abs.2 GO N W 6 8 . Da die Kommune zudem zur Errichtung öffentlicher Einrichtungen im Bereich der gesetzlichen Pflichtaufgaben verpflichtet ist, scheidet eine Umgehung ihrer öffentlichrechtlichen Bindungen im Bereich der Abwasserbeseitigung aus. Jedoch ruht der Schwerpunkt der Rechtsbeziehungen im Zivilrecht. Deshalb muß zunächst die Lösung aller Probleme im Zivilrecht und im Verfahren vor der ordentlichen Gerichtsbarkeit angestrebt werden. Der Rückgriff auf die Stufe des öffentlichen Rechts bildet einen subsidiären Rechtsbehelf. Anderenfalls würde aus der notwendigen Zweistufigkeit unnötigerweise eine allgemeine Zweispurigkeit 69 . Demgemäß unterliegt eine privatrechtliche Entgeltregelung
63
Krieger, S.69f; Schoch, S.51; Kund, S.151f. Gallwas, S.228. 63 Grabbe, S.l 10, bzgl. gemischt-wirtschaftlicher Unternehmen, für die mangels Verwaltungsprivatrecht dasselbe gilt. 66 Püttner, JA 1980, S.218; ders., Öffentliche Unternehmen, S.120, zum entsprechenden Problem bei einer Eigengesellschaft. 67 Gern, Rn.766. 68 Püttner, JA 1980, S.218. 69 So Püttner, Öffentliche Unternehmen, S.257f. 64
Β. Der Verwaltungsmittler
261
zwischen Verwaltungsmittler und seinem Kunden allein der Billigkeitskontrolle des § 315 Abs.3 BGB 7 0 .
bb) Geltung des Gesetzesvorbehalts Für die Gemeinden besteht aufgrund von Art. 28 Abs.2 S.l GG, § 7 Abs.l GO NW die Satzungsautonomie. Ob mit der gemeinderechtlichen Ermächtigung zum Erlaß von Satzungen zugleich die Möglichkeit zur Regelung im grundrechtlich geschützten Bereich des Benutzers eröffnet ist, richtet sich nach dem Maßstab des Vorbehalts des Gesetzes. Nach der ständigen Rechtsprechung des BVerfG findet die kommunale Satzungshoheit ihre Grenze dort, wo besonders grundrechtsintensive Eingriffe in die Rechte des Benutzers vorgenommen werden. Dann bedarf es einer spezialgesetzlichen Ermächtigungsgrundlage, die den Grundrechtseingriff hinreichend bestimmt normiert 71 . Derartige besondere Rechtsgrundlagen enthalten §§ 1, 2, 4 K A G NW für den Erlaß von Gebührensatzungen und § 9 GO NW für die Anordnung eines Anschluß- und Benutzungszwangs. Darüber hinaus beinhalten Regelungen der tatsächlichen Benutzung bei Einrichtungen der kommunalen Daseinsvorsorge keine derart intensiven Grundrechtseingriffe, daß sie nicht von der kommunalrechtlichen Satzungsautonomie gedeckt wären 72 . Das bedeutet, daß der - jedenfalls in Nordrhein-Westfalen erforderliche - Anschluß- und Benutzungszwang nach wie vor öffentlich-rechtlich durch die Gebietskörperschaft in Gestalt einer Rumpfsatzung angeordnet werden muß 73 . Entbehrlich ist die (Rumpf-)Satzung in Bundesländern wie Sachsen, die eine gesetzliche Abwasserüberlassungspflicht statuiert haben. Dort können die Benutzungsverhältnisse zu den an die Abwasserbeseitigungsanlage angeschlossenen Bürgern ohne
70 Der BGH geht trotz der Anwendung des Verwaltungsprivatrechts ebenfalls in diese Richtung, vgl. z.B. BGH, NJW 1992, 171ff. 71 BVerfGE 33, 125 (156f). 72 Fischedick, S.26. 73 Diejenigen, vornehmlich sächsischen Gemeinden, welche schon die Aufspaltung der Benutzungsverhältnisse umgesetzt haben, haben eine solche Rumpfsatzung erlassen; so die Auskunft v. 4.7.1996 von Dr. Dittmann, WIBERA AG, Berlin. Die in Mönchengladbach vertraglich vereinbarte Weiterentwicklung des Benutzungsverhältnisses sieht ebenfalls eine Rumpfsatzung vor, die im wesentlichen den Anschluß- und Benutzungszwang der Grundstückseigentümer mit ihren Abwassereinrichtungen an die von der Stadtwerke GmbH betriebene öffentliche Abwasserentsorgungseinrichtung enthält.
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4. Teil: Neue Ansätze für die Organisation
Satzungserlaß nur durch privatrechtliche Entsorgungsbedingungen ausgestaltet werden 74 . Problematisch ist die Verknüpfung eines satzungsrechtlichen Anschlußund Benutzungszwangs, der den Bürger zum Abschluß eines zivilrechtlichen Entsorgungsvertrages mit dem privaten Abwasserbeseitiger verpflichtet, mit den Allgemeinen Entsorgungsbedingungen des Unternehmens. Das Zwangsgebot erstreckt sich über die Zulassung hinaus auf das gesamte Leistungsverhältnis, weil die Benutzer sowohl in der Frage der inhaltlichen Gestaltung des Vertrages als auch in ihrem Entschluß, überhaupt einen Vertrag zu schließen, nicht frei, sondern durch die Satzung einem willensfremden Zwang unterworfen sind 73 . Wenn dieser Vertrag, z.B. aufgrund der Allgemeinen Entsorgungsbedingungen des Verwaltungsmittlers, Zwangsrechte zu dessen Gunsten enthält, fragt sich, wie der Bürger dagegen geschützt werden kann. Über die Einschaltung eines Verwaltungsmittlers drohen die Bedingungen für einen zulässigen Grundrechtseingriff wegen des Zusammenspiels mit dem Anschluß- und Benutzungszwang unterlaufen werden. Denn bei einer öffentlich-rechtlichen Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses griffe der Gesetzesvorbehalt ein, mit der Folge, daß eine spezielle Ermächtigung für die Anordnung satzungsrechtlicher Duldungspflichten notwendig wäre, an der es vorliegend fehlt. Folgerichtig kann eine Entwässerungssatzung, die eine Duldungspflicht zu Lasten des Grundstückseigentümers für Maßnahmen begründet, die für die örtliche Abwasserbeseitigung erforderlich sind, keine ausreichende Rechtsgrundlage für die Verpflichtung des Anschlußnehmers sein, die Verlegung von Abwasserkanälen in seinem Grundstück unentgeltlich zu dulden 76 . Im Gegensatz zur Wasserversorgung ist dem Gesetzesvorbehalt auch nicht dadurch genügt, daß für die privatrechtliche Ausgestaltung der Abwasserbeseitigung eine § 27 AGBG vergleichbare Regelung besteht. Diese Norm, auf deren Grundlage § 8 AVBWasserV Duldungspflichten des Grundeigentümers im Bereich der Wasserversorgung begründet, bezieht die Entsorgung nicht mit ein. Deshalb muß dem Bürger auch insoweit Verwaltungsrechtsschutz gegen die Gemeinde gewährt werden. Was diese nicht über eine Satzung anordnen könnte, kann nicht zulässigerweise Vertragsbestandteil werden. Als prozessuales Mittel zur Aktualisierung der Garantenstellung kommt hauptsächlich die Feststellungsklage in Betracht, wenn eine subjektive Berechtigung in Gestalt
74 73 76
So Dierkes, S.278. Krieger, S.24. Bay.VGH, BayVB1.1993, 53f.
Β. Der Verwaltungsmittler
263
des Feststellungsinteresses besteht. Für irreparable Schäden rücken sodann öffentlich-rechtliche Entschädigung und Amtshaftung in den Mittelpunkt 77 .
3. Verhältnis zwischen Kommune und Verwaltungsmittler Um den gegen sie gerichteten öffentlich-rechtlichen Anspruch im Innenverhältnis zum Verwaltungsmittler umsetzen zu können, hat sich die Körperschaft Mittel der Einflußnahme zu verschaffen. Ist das unmöglich, muß sie die Beteiligung (an) der Gesellschaft aufgeben, und zwar unabhängig von den Konsequenzen für die weitere Aufgabenerfüllung 78. Da die gesellschaftsrechtliche Ingerenz bei einem Externen ausscheidet, im übrigen ohnehin schwer zu verwirklichen ist, ist es erforderlich, andere Einflußrechte zu schaffen und einzusetzen. Zweckmäßig ist daher ein Vertragsschluß, der inhaltlich sowohl den Konzessionsverträgen bei der B-Versorgung als auch den Erfüllunghilfeverträgen, ergänzt durch Tarifordnungen für das Benutzerverhältnis, gleicht 79 . Die Vereinbarung eines ausschließlichen Wegebenutzungsrechts zugunsten des Verwaltungsmittlers scheitert daran, daß § 103 GWB nur die Versorgung von einigen Wettbewerbsbeschränkungen freistellt 80 . Das ist in der Praxis aber nicht relevant, da das Leitungsnetz regelmäßig im gemeindlichen Eigentum verbleibt. Weil der Schutz des Bürgers das entscheidende Kriterium bildet, ist vor allem an den Vertrag zugunsten Dritter zu denken 81 . Gegenstände dieser Vereinbarung müssen Bestimmungen über den gleichen Zugang zu der privatisierten Einrichtung, die dauerhafte Leistungserbringung, die Haftung des Anlageninhabers, vor allem über den Abschluß einer Haftpflichtversicherung und das Verbot von Haftungsbegrenzungen sowie den Ausschluß der Exkulpationsmöglichkeit des § 831 Abs.l S.2 BGB sein 82 .
IV. Sicherstellung der Aufgabenverantwortung Das gesetzliche Verbot der materiellen Privatisierung zwingt nicht zur öffentlichen Eigendurchführung der Aufgabe; vielmehr berechtigt die Organisa77 78 79 80 81 82
Gallwas, S.232. Püttner, Öffentliche Unternehmen, S.120. So auch Püttner, JA 1980, S.218 u 221. Cronauge, StuGR 1995, S.48. Gallwas, S.230. Grabbe, S.121.
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4. Teil: Neue Ansätze für die Organisation
tionshoheit der Verwaltung zum Rückzug in die Garantenstellung und zur Verlagerung der Aufgabenerledigung auf Private 83 . Hintergrund der Einbeziehung Dritter ist, daß die Kommune die Entsorgungsleistung nicht selbst erbringen muß, zugleich aber eine Erledigung gewährleistet ist, die nicht mit einer Qualitätsreduzierung einhergeht 84 . Wenn die Kommune die eigenständige Erledigung öffentlicher Aufgaben durch die teilweise Übertragung auf einen Privaten ersetzt, muß sie in Erfüllung ihrer Verpflichtung garantieren können, daß sie im Falle des Ausfalls oder der Unzuverlässigkeit des Privaten das Interesse der Gemeindebürger an der Aufgabenerledigung durch Rekommunalisierung erfüllen kann. Dieser nachwirkenden Pflicht kann sie sich nicht entziehen. Insbesondere in Anbetracht der drohenden Kosten, die eine Verdichtung der nachwirkenden Ingerenz- zur Rekommunalisierungspflicht zeitigen würde, verlagert sich die Einwirkungspflicht vor 8 3 . Infolgedessen erwachsen dem Verwaltungsträger zunächst besondere Beachtungspflichten hinsichtlich der Vertragsgestaltung sowie der gesellschaftsrechtlichen Organisationsstruktur der privaten Entsorgungsgesellschaft 86 . Hier gilt nichts anderes als bei der Ausgestaltung einer Produktions- bzw. Organisationsprivatisierungsmaßnahme 87: Schon im Vorfeld der Einwirkungspflicht kann der Verwaltungsmittler dergestalt beeinflußt werden, daß er sein Handeln an rechtsstaatlichen Grundsätzen wie ein staatlicher Verwaltungsträger ausrichtet, vor allem den Gleichheitssatz beachtet88. Die rechtzeitige und umfassende „Programmierung" des Privaten ermöglicht eine wirksame Wahrnehmung der nachwirkenden Pflichten und ist Vorsorge zur Schadensbegrenzung 89. Dementsprechend ist der Vertrag auszugestalten und die Kontrolle während der Tätigkeit des Privatunternehmens durch die Gemeinde auszuüben. Unter Umständen ist schließlich durch Selbsteintritt der Gemeinde der Zustand wiederherzustellen, der bei Aufgabenerfüllung durch eigene Verwaltungsorgane von Anfang an bestanden hätte 90 . Die nachwirkende Pflicht bietet auch einen Ansatz für eine Durchgrififshaftung der Kommune, da es sich trotz der Ausgliederung um eine eigene Aufgabe der Gemeinde handelt. Im einzel83 84 83 86 87 88 89 90
Schoch, DVB1.1994, S.974. Stober, in: Tettinger, Public-Private-Partnerships, S.35. Kund, S.199f. Kloweit, SA36. S.o. 2.Teil. Β. ΠΙ. 2. f) u. 3. f). Kund, S.201. So Kund, S.203. Kund, S.214.
Β. Der Verwaltungsmittler
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nen steht es der Gemeinde offen, die effektivste Möglichkeit zur Erfüllung der Garantenpflicht zu nutzen, sei es durch finanzielle Nachschüsse zur Abwendung des Konkurses des Privatrechtssubjekts, durch Haftungsübernahme im Wege des Durchgriffs oder sei es durch völlige Rekommunalisierung unter teilweiser Übernahme der Verbindlichkeiten 91 .
V. Die Haftung Die Zweiteilung der Rechtsverhältnisse schlägt sich im Haftungsrecht nieder: Grundsätzlich haftet nur der private Unternehmer in den Formen des Zivilrechts 92 . Die interne Weisungsabhängigkeit des Verwaltungsmittlers stellt bei bestehender Organisationshoheit keinen Grund dar, die Gemeinde in der Haftung zu halten, anstatt den Benutzer unmittelbar auf den Privatunternehmer treffen zu lassen, und zwar sowohl vertraglich als auch deliktisch 93 . Die privatrechtliche Ausgestaltung auf der Vollzugsebene sperrt die Anwendung des Staatshaftungsrechts. I.S.d. Amtshaftungsrechts ist die Erfüllung der dem privaten Unternehmer übertragenen Maßnahmen nur dem öffentlich-rechtlichen Tätigkeitskreis des Staats zuzurechnen, wenn im Außenverhältnis zum geschädigten Bürger ein Verwaltungsrechtsverhältnis vorliegt. Die Fremdvornahme durch private Dritte stellt Ausübung hoheitlicher Gewalt dar, wenn es sich z.B. um eine besondere Vollzugsform polizeilicher Vollstreckungsmaßnahmen handelt 94 . Auf die Kriterien der Sachnähe zwischen übertragener Tätigkeit und öffentlicher Aufgabe sowie des Grades der unternehmerischen Einbindung in den behördlichen Pflichtenkreis, wie sie für die Werkzeugtheorie typisch sind, läßt sich bei Vorliegen eines solchen Verwaltungsrechtsverhältnisses verzichten 93 . Weil dem selbständigen Privatunternehmer vielfach ein eigener Entscheidungsspielraum zusteht, wird im Haftungsrecht zunehmend auf wertende Zurechnungskriterien abgestellt. Danach ist entscheidend, ob der Private in zulässiger Weise mit Wissen und Wollen des Hoheitsträgers öffentlich-rechtliche Aufgaben gegenüber Dritten wahrnimmt 96 . Genau daran fehlt es hier aber, da der Private selbständig auf privatrechtlicher Grundlage agiert. Diesbezüglich gilt nichts
91 92 93 94 93 96
Kund, S.219 u. 221f. Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S.26. I.d.S. auch Grabbe, S.117. Würtenb erger, S.1004. Würtenberger, S.1004. Windthorst, S.794.
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4. Teil: Neue Ansätze für die Organisation
anderes als bei verwaltungsprivatrechtlicher Ausgestaltung der Aufgabenerfüllung durch eine Eigengesellschaft oder einen Erfüllungsgehilfen. Lediglich dem Einwirkungsanspruch entspricht eine öffentlich-rechtliche Haftung der Gemeinde für Schäden, die nicht durch den Verwaltungsmittler abgedeckt sind 97 . Sie existiert ausnahmsweise schon bei der staatlichen Betätigung in privatrechtlichen Formen als Durchgriffshaftung 98 .
VI. Das Kommunalrecht Infolge des kommunalsachenrechtlichen Anspruchs des Benutzers einer öffentlichen Einrichtung gegen die Gemeinde aus § 8 Abs.2 GO NW stößt die Ausgestaltung der Rechtsverhältnisse im Dreieck, wie sie das Modell des Verwaltungsmittlers verlangt, hier nicht auf Schwierigkeiten. Sie ist vielmehr bis in die Einzelheiten dogmatisch ausgeleuchtet99 und bestätigt so die allgemeinere Konstruktion des Verwaltungsmittlers. Im Ergebnis besteht zwischen Gemeinde und Benutzer nur insoweit ein öffentlich-rechtliches Verhältnis, als es als Ausfluß der Garantenstellung der Gemeinde deren Ausfalleistungen und den durch die Rumpfsatzung begründeten Anschluß- und Benutzungszwang betrifft. Ansonsten besteht zwischen Benutzer und Unternehmer ein privatrechtliches Benutzungsverhältnis auf der Basis Allgemeiner Entsorgungsbedingungen und zwischen Gemeinde und Verwaltungsmittler ein ebenfalls (privat)rechtliches Vertragsverhältnis, in das die öffentlich-rechtlichen Bindungen der Gemeinde hineinwirken. In diesen privatrechtlichen Beziehungen sind Leistungen und Mitwirkungshandlungen zu regeln.
97
Grabbe, S.l 17 Vgl.o. 2.Teil. Β. ΠΙ. 2. g). 99 S.o. 3.Teil. Β. ΙΠ. zur öffentlichen Einrichtung bei der Wasserversorgung; vgl.i.ü. das Schaubild von Schmidt-Jortzig, Rn.742f. 98
Zusammenfassung in Thesen
L 1. Das Problem einer ordnungsgemäßen Abwasserbeseitigung liegt im Spannungsfeld steigender Umweltanforderungen einerseits und überlasteter öffentlicher Haushalte andererseits. Hinzu kommt in den fünf neuen Ländern, daß funktionierende Abwasseranlagen und -kanalisationen nicht nur saniert, sondern teilweise erst aufgebaut werden müssen. Vor diesem Hintergrund erfolgen die Überlegungen, die Privatwirtschaft stärker einzubinden, verfügt sie doch angeblich über das erforderliche Wissen und Kapital. 2. Obwohl die Defizite der praktizierten Organisationsformen offen zutage liegen und das Recht nur die Formen für die Privatisierung definiert, bedingt und begrenzt, verläuft die Diskussion vielfach auf der Ebene von (juristischen) Schlagwörtern, ohne systematisch von der geltenden Rechtslage nach der Wiedervereinigung auszugehen und neue, praktikable Lösungsansätze für die Beteiligung Privater zu entwickeln. Π. 1. Nach den die bundesrechtliche Rahmenvorschrift des § 18a Abs.2 S.l WHG ausfüllenden Landeswassergesetzen Nordrhein-Westfalens und Sachsens sind grundsätzlich die Gemeinden abwasserbeseitigungspflichtig. Bei der Abwasserbeseitigung handelt es sich insofern um eine Pflichtige Selbstverwaltungsaufgabe. 2. In den fünf neuen Ländern mußten die Ver- und Entsorgungsaufgaben vom Staat als ehemals alleinigem Aufgabenträger auf die Gemeinden als nunmehr dezentrale Aufgabenträger überführt werden. Die Kommunalisierung der wasserwirtschaftlichen Vermögensgegenstände erforderte ein förmliches Überleitungsverfahren und verlief von den VEB WAB über WAB-Nachfolgekapitalgesellschaften und kommunale Anteilseignervereine bis zu den entsorgungspflichtigen Gemeinden. 3. Die Abwasserbeseitigungspflicht umfaßt im einzelnen, das auf dem Gemeindegebiet anfallende Abwasser entgegenzunehmen, zu sammeln, fortzulei-
268
Zusammenfassung
ten, zu behandeln und in ein Gewässer einzuleiten oder ausnahmsweise auf sonstige Weise dem Wasserkreislauf wieder zuzuführen. Die Kehrseite der Beseitigungspflicht bildet die Abwasserbeseitigungslast, wonach die Entsorgungspflichtigen die notwendigen Anlagen den jeweils einschlägigen technischen Regeln entsprechend errichten, betreiben, nachrüsten und erweitern müssen. Hinzu kommt in Nordrhein-Westfalen mangels gesetzlicher Regelung - im Gegensatz zu Sachsen - die Schaffung und Durchsetzung einer an den Abwasserbesitzer gerichteten Überlassungspflicht im Wege der Einführung oder Ausdehnung eines kommunalrechtlichen Anschluß- und Benutzungszwangs. 4. Die Pflicht zur Abwasserbeseitigung an sich vermittelt dem Abwasserbesitzer noch keinen Beseitigungsanspruch, sondern besteht nur der Allgemeinheit gegenüber. Etwas anderes gilt im Rahmen eines satzungsrechtlichen Anschluß- und Benutzungszwangs oder bei einem gesetzlich normierten Abwasserüberlassungsgebot. 5. Das Einleiten von Wasser in Gewässer bildet eine erlaubnispflichtige Gewässerbenutzung. Im Unterschied zu Sachsen verknüpft §52 Abs.l S.l Buchst.c LWG NW die Erteilung der Einleitererlaubnis mit der ordnungsgemäßen Erfüllung der Abwasserbeseitigungspflicht. 6. Die Nichterfüllung oder unzureichende Erledigung der Abwasserbeseitigung kann für die entsorgungspflichtige Gemeinde kommunalaufsichts- sowie ordnungsbehördliche und für die zuständigen Amtswalter Ordnungswidrigkeiten· bzw. strafrechtliche Konsequenzen haben. 7. Den notwendigen ortsrechtlichen Gestaltungsrahmen der Wahrnehmung der Abwasserbeseitigungspflicht bildet die öffentliche Einrichtung gemäß § 8 GO NW, deren konstitutives Element die Widmung darstellt. I.S.d. Zwei-Stufen-Theorie ist vom subjektiv-öffentlichen Recht der Einwohner auf Zulassung zur Benutzung die Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses zu unterscheiden. Für die Erfüllung Pflichtiger Selbstverwaltungsaufgaben besteht eine Pflicht zur Errichtung und Beibehaltung entsprechender öffentlicher Einrichtungen, mit der indes kein Anspruch des Einwohners auf Schaffung der öffentlichen Einrichtung korrespondiert. Er resultiert erst aus der Anordnung eines Anschluß- und Benutzungszwangs mittels Satzung. 8. Die Einrichtung der Abwasserbeseitigurig stellt eine nichtwirtschaftliche Betätigung i.S.d. Kommunalwirtschaftsrechts dar. Diese Qualifikation sagt nichts über die Organisationsformen des jeweiligen Betriebs, sondern bestimmt nur deren Zulässigkeitsvoraussetzungen.
Zusammenfassung
m. 1. Die Wahl einer bestimmten Organisationsform beeinflußt die Steuerung und Kontrolle des Betriebs, dessen innere Ordnung und die Qualität der Aufgabenerledigung. Die Unterscheidung zwischen (schlicht-)hoheitlicher und privätrechtlicher Verwaltung läßt weder eine Rückschluß auf die Rechtsnatur der Aufgabe noch auf die zulässigen Mittel ihrer Durchführung zu, sondern beschreibt lediglich Vorhandenes. 2. Öffentlich-rechtliche Organisationsformen bilden der Regie- und der Eigenbetrieb als unselbständige Verwaltungsträger. Daneben kommt die Gründung eines Zweckverbandes als juristischer Person des öffentlichen Rechts durch mehrere Beseitigungspflichtige in Betracht. Neuerdings ist in Berlin und Bayern zudem die rechtsfähige Anstalt als zulässige Organisationsform eingeführt worden. 3. In bezug auf die Erscheinungsformen privatrechtsförmiger Verwaltung ist stets zwischen deren Aufgabenbereichen, Organisations- sowie Handlungsformen zu unterscheiden. Auf der ersten Stufe setzt die Aufgaben- oder materielle Privatisierung an. Diese weitreichendste Form der Privatisierung beinhaltet eine vollständige Verlagerung einer Aufgabe in den privaten Sektor durch den Verwaltungsträger und führt damit zu einem Abbau des kommunalen Aufgabenbestands. Aufgrund der gesetzlichen Normierung der Abwasserbeseitigung als Pflichtiger Selbstverwaltungsaufgabe ist eine Aufgabenprivatisierung unzulässig. 4. Die Organisations- oder formale Privatisierung umfaßt keine Entledigung der Aufgabenverantwortung seitens der Gemeinde, sondern nur einen Austausch der Rechtsform bei der Erfüllung der Aufgabe. Die Wahl einer Organisationsform des Privatrechts bedingt, daß als Handlungsform allein die Mittel des Zivilrechts zur Verfügung stehen. Mangels Übertragung hoheitlicher Befugnisse zur Wahrnehmung im eigenen Namen durch die Privatrechtsvereinigung liegt in der Organisationsprivatisierung grundsätzlich keine Beleihung. 5. Aufgrund der verfassungsrechtlich gewährleisteten Selbstverwaltungsgarantie, die in Gestalt der Rechtsinstitutionsgarantie neben der kommunalen Allzuständigkeit auch die Eigenverantwortlichkeit der Aufgabenerfüllung beinhaltet, kommt den Gemeinden grundsätzlich die Wahlfreiheit hinsichtlich der Organisations- und Handlungsformen zu. Dieses Formenwahlrecht steht unter dem Vorbehalt einschränkender Gesetze und ist eine Ermessensentscheidung der Exekutive, die mithin den Anforderungen an eine pflichtgemäße Ermessensausübung genügen muß.
270
Zusammenfassung
6. Das Verfassungsrecht zieht der prinzipiellen Zulässigkeit der öffentlichen Verwaltung durch privatrechtlich organisierte Einrichtungen nur sehr weite Grenzen, soweit es nicht um Bereiche der Eingrififsverwaltung geht. Aus der wasserrechtlichen Aufgabenzuweisung resultieren keine Einschränkungen der kommunalen Organisationshoheit. Auch das kommunalwirtschaftsrechtlich vorausgesetzte „wichtige Interesse" für die Gründung von oder die Beteiligung an Privatrechtsvereinigungen kann nicht i.S.e. Subsidiarität der zivilrechtlichen gegenüber den öffentlich-rechtlichen Organisationsformen ausgelegt werden. 7. Die Gründung eines Privatrechtssubjekts erfolgt ausschließlich durch Rechtsakte des Gesellschaftsrechts; die Wirtschaftsführung richtet sich nach Gesellschaftsvertrag und Handelsrecht. Ihre Rechte nimmt die Gemeinde in den Organen der Privatrechtsvereinigung ebenfalls nach den Regeln des Gesellschafts- und Handelsrechts wahr. 8. Erscheinungsformen der Organisationsprivatisierung sind die Eigenund die Beteiligungsgesellschaft. Die Gesellschaftsanteile einer Eigengesellschaft befinden sich im Gegensatz zu denen eines gemischt-wirtschaftlichen Unternehmens vollständig in kommunaler Hand. Im Kooperationsmodell besteht eine kommunale Entsorgungsgesellschaft, an der die entsorgungspflichtige Körperschaft eine Mehrheitsbeteiligung von mindestens 51 % hält. Diese Gesellschaft mit kommunaler Majorität verfügt regelmäßig über das Anlagevermögen und beauftragt einen (privaten) Mitgesellschafter oder Dritten mit dem tatsächlichen Bau und Betrieb der Anlagen. 9. Im Zuge der Aufgabenerfüllung begründet die zivilrechtlich verfaßte Entsorgungsgesellschaft eine unmittelbare Außenrechtsbeziehung zum Anschlußnehmer. Wie bei der Nutzung privatrechtlicher Handlungsformen durch die Kommune selbst wird jedoch auch bei Zwischenschaltung einer privatrechtlichen Organisation deren Rechtsverhältnis zum Abwasserbesitzer vom Verwaltungsprivatrecht bestimmt. Das gilt insbesondere für die Erhebung privatrechtlicher Entgelte. 10. Zur Sicherstellung der gesetzlichen Aufgabenverantwortung sowie zur Wahrung des Demokratie- und Rechtsstaatsprinzips und in Erfüllung der aus den Grundrechten erwachsenden Schutzpflichten obliegt der Gemeinde eine Einwirkungspflicht zur Steuerung und Kontrolle der Privatrechtsvereinigung. Diese Ingerenzpflicht ist sachlich auf den Untèrnehmensbereich, der für die Erfüllung der Abwasserbeseitigungspflicht geschaffen worden ist, und gegenständlich auf die grundlegenden Entscheidungen beschränkt. Das Mittel der Einflußnahme stellt das Unternehmensstatut dar, in welchem neben dem konkreten Unternehmenszweck ausreichende Einwirkungs-, Beteiligungs-, Mit-
Zusammenfassung Sprache-, Vorschlags- und Kontrollrechte zugunsten der Gemeinde festzulegen sind. Daneben kann bei gemischt-wirtschaftlichen Unternehmen eine Einflußnahme auf der Entscheidungsebene auch über eine ausreichende Kapitalbeteiligung gewährleistet werden. 11. Die kommunalrechtlich gebotenen Einwirkungsbefugnisse stoßen im als Bundesrecht vorrangigen Gesellschaftsrecht an ihre Grenzen. Dies gilt insbesondere bei der Rechtsform der AG. Dieses Einflußnahmedefizit bei der AG kann durch einen Rückgriff auf Grundsätze des Konzernrechts kompensiert werden: Da der Gemeinde die konzernrechtliche Unternehmenseigenschaft zukommen kann, vermag sie durch den Abschluß entsprechender Unternehmensverträge eine hinreichende Globalsteuerung und Letztentscheidung zu erzielen. 12. Die haftungsrechtliche Folge der Wahlfreiheit der Kommune bzgl. der Rechtsform ihres Handelns bildet bei der Organisationsprivatisierung das zivilrechtliche Haftungsregime. Ein Rückgriff auf das Gesellschaftervermögen der öffentlichen Hand kommt nur unter konzernrechtlichen Gesichtspunkten in Betracht. Lediglich ausnahmsweise besteht eine öffentlich-rechtliche Amtsliaftung der Gemeinde als haftungsrechtliche Entsprechung der Einwirkungspflicht. Begründet ein Anschluß- und Benutzungszwang ohnehin ein öffentlich-rechtliches Schuldverhältnis zwischen Bürger und Gemeinde, bedarf es daneben regelmäßig keines weiteren wegen einer Verletzung der Einwirkungspflicht. 13. In der Praxis bedingt die Inanspruchnahme privatrechtlicher Organisationsformen trotz der theoretisch bestehenden Sicherungsmöglichkeiten einen tatsächlichen Einwirkungs- und Kontrollverlust. 14. Der Umstand, daß der Betrieb der Abwasserbeseitigung zur öffentlichen Einrichtung gewidmet werden muß, beeinträchtigt das Formenwahlrecht der Gemeinde grundsätzlich nicht. Auch wenn als Einrichtungsträger eine privatrechtlich organisierte Gesellschaft fungiert und das Benutzungsverhältnis folgerichtig (verwaltungs-)privatrechtlich ausgestaltet ist, bleibt die Gemeinde allerdings Adressat des öffentlich-rechtlichen Zulassungsanspruchs des Einwohners. Dieser wandelt sich bei Zwischenschaltung einer Privatrechtsvereinigung als Einrichtungsträger in einen Verschaffungsanspruch um. Voraussetzung für die Erfüllung dieses Anspruchs ist, daß sich die Gemeinde Befugnisse vorbehält, so daß das Benutzungsrecht für alle Einwohner zu angemessenen Bedingungen gesichert ist und die Letztentscheidung über die Benutzung von der Gemeinde getroffen werden kann. Die formale Privatisierung des Einrichtungsträgers hindert nicht die Anordnung eines Anschluß- und Benutzungs-
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Zusammenfassung
zwanges sowie die Erhebung öffentlich-rechtlicher Benutzungsgebühren durch die Gebietskörperschaft. 15. In Abgrenzung zur Organisationsprivatisierung reicht die Beteiligung Privater i.S. nicht-staatlicher Subjekte an der Aufgabenerledigung vom staatsanteiligen über das staatsersetzende bis zum staatsaussparenden Privathandeln. Gekennzeichnet sind die einzelnen Formen der Zuhilfenahme Privater durch eine gestufte staatliche Verantwortlichkeit, die mit unterschiedlich starker Inpflichtnahme des Privaten korreliert. Mangels Delegation hoheitlicher Befugnisse zur Ausübung im eigenen Namen ist der Private in keinem der Fälle Beliehener. 16. Da die Aufgabenpflicht der Abwasserbeseitigung durch Gesetz den Gemeinden auferlegt ist, können sie nur auf der Ebene des Vollzugs frei disponieren. Auch ohne ausdrückliche spezialgesetzliche Regelung ist eine Produktionsprivatisierung, d.h. eine Privatisierung der Aufgabenerledigung durch die Einschaltung privater Dritter, von der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie gedeckt. Verfassungsrechtliche Schranken der funktionalen Einschaltung Privater ergeben sich - ähnlich der Organisationsprivatisierung - nur in Grenzbereichen. 17. Aus dem Zusammenhang der grundsätzlichen Abwasserbeseitigungspflicht der Kommunen und den wasserrechtlich vorgesehenen Befreiungstatbeständen folgt, daß die zulässige Beteiligung Privater aufgrund der allgemeinen Organisationshoheit hinter der Verwaltungssubstitution, also der Übertragung der Abwasserbeseitigungspflicht, zurückbleiben muß. Verknüpft man die Erlaubnis für die Benutzung der Gewässer zudem mit der Abwasserbeseitigungspflicht, scheitert auch deshalb das staatsersetzende Verwaltungshandeln außerhalb eines landesrechtlich geregelten Ausnahmetatbestandes. Da der Adressat der Einleitererlaubnis die Eigenschaft als Unternehmer i.S.d. Wasserrechts aufweisen muß, hat sich die entsorgungspflichtige Gemeinde bei Einschaltung eines Privaten die tatsächliche und rechtliche Verfügungsgewalt über die Anlagen zu erhalten. 18. Die möglichen Ausgestaltungen des staatsanteiligen Privathandelns werden im Fall der Abwasserbeseitigung auf die Variante der bloß technischen Unterstützung der Verwaltung reduziert. Der so definierte Erfüllungsgehilfe oder Verwaltungshelfer wird nicht selbständig, sondern im Auftrag und nach Weisung der Kommune tätig, so daß sein Handeln ohne weiteres der Gemeinde zuzurechnen ist und es keiner weiteren unmittelbaren Außenrechtsbeziehung zum Benutzer bedarf. 19. Zwischen Erfüllungsgehilfe und Gemeinde wird ein Erfüllungshilfevertrag geschlossen, der nicht öffentlich-rechtlicher Natur sein muß. Der Erfül-
Zusammenfassimg
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lungsgehilfe schuldet seine Leistung ausschließlich der Gemeinde, die ihrerseits alleiniger Bezugspunkt der Leistungsbeziehung zum Abwasserbesitzer ist. 20. Im Gegensatz zur gesellschaftsrechtlichen Beherrschung einer Eigenoder Beteiligungsgesellschaft wird die Erfüllung der aus der Aufgabenverantwortung entspringenden Steuerungs- und Kontrollpflichten durch Einwirkungsrechte abgesichert, die im Erfüllungshilfevertrag festzulegen sind. Die Steuerungsanforderungen erhöhen sich im Vergleich zu denen bei der Organisationsprivatisierung noch, weil ein anderes als ein gemeindlich beherrschtes Rechtssubjekt eingesetzt wird. Insbesondere sind Fälle der Schlecht- und Nichterfüllung, sei es gewillkürt oder infolge Konkurses, zu regeln, und zwar angesichts der ununterbrochen bestehenden Aufgabenpflicht der Kommune vor allem im Hinblick auf Übertragung der Anlagen und Fortsetzung des Betriebs. 21. Bei der Beurteilung der Rechtsstellung privater Unternehmer rekurriert die Rechtsprechung im Haftungsrecht auf die Werkzeugtheorie, soweit die Aufgabenerfüllung von der Gemeinde überhaupt öffentlich-rechtlich ausgestaltet ist. Im übrigen greift das privatrechtliche Haftungsregime. 22. In der Praxis werden private Erfüllungsgehilfen als Betriebsführer oder Betreiber der Anlagen beteiligt. Daneben gibt es vielfältige Möglichkeiten der Privatisierung einzelner Teilfünktionen, vor allem bzgl. Finanzierung, Planung und Bau von Anlagen. Auch die Privatisierung von Leitungsnetzen durch Veräußerung wird erwogen. Insoweit stehen zwar keine privateigentumsrechtlichen Erwägungen entgegen, wohl aber verhindert das Kommunalabgabenrecht die Erzielung nachhaltiger Veräußerungsgewinne durch die Gemeinden, so daß für die Bewirtschaftung der Kanalisationsnetze ebenfalls Betriebsführungs- und Betreibermodelle im Vordergrund stehen. 23. In der Rechtswirklichkeit gewinnt der eingeschaltete Verwaltungshelfer unabhängig von der konkreten Verankerung der gemeindlichen Steuerung und Kontrolle eine eigene Identität. 24. Freiheit der Rechtsformenwahl bedeutet, daß die Gemeinde nicht notwendig selbst Träger öffentlicher Einrichtungen sein muß, sondern auch private Dritte damit betraut werden können. Erforderlich ist für die Wirksamkeit der Widmung zur öffentlichen Einrichtung die Zustimmung des Dritteigentümers. Mit dessen Einbeziehung in die öffentliche Aufgabenerfüllung mittels Zustimmung zur Widmung ist keine, eine besondere Ermächtigungsgrundlage erfordernde Inpflichtnahme des Verwaltungshelfers verbunden.
18 Brüning
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Zusammenfassg
25. Die Gemeinde bleibt alleiniges Zuordnungssubjekt aller Rechtsbeziehungen, die im Hinblick auf die Nutzung der solcherart in ihren organisatorischen Verbund einbezogenen Einrichtung begründet werden. Um den Zulassungsanspruch des Einwohners befriedigen zu können, muß die Kommune durch Vereinbarung mit dem Unternehmer sicherstellen, daß die öffentliche Einrichtung dem Einwohner so zur Verfügung steht, wie das bei städtischer Eigenregie gegeben wäre. Ungeachtet des öffentlich-rechtlichen Zulassungsanspruchs bleibt ihr die Wahlfreiheit für die Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses erhalten. Die private Trägerschaft der öffentlichen Einrichtung schließt weder die Anordnung eines Anschluß- und Benutzungszwangs noch die Erhebung von Benutzungsgebühren aus.
IV. 1. Im Unterschied zu Sachsen bildet die Wasserversorgung in NordrheinWestfalen keine Pflichtige, sondern eine freiwillige Selbstverwaltungsaufgabe. Wohl aber stellt die den Gemeinden gesetzlich auferlegte Löschwasserversorgung in Nordrhein-Westfalen eine Pflichtige Selbstverwaltungsaufgabe dar. 2. Die Wasserversorgung wird kommunalwirtschaftsrechtlich als wirtschaftliche Betätigung qualifiziert, die der Gemeinde nur gestattet ist, wenn „ein dringender öffentlicher Zweck" die Betätigung erfordert. 3. Zur Verrichtung der Aufgabe kommen zwei Organisationstypen in Betracht: Aufgabenwahrnehmung durch ein eigenes gemeindliches Versorgungsunternehmen (Eigenversorgung) oder Übertragung der Aufgabendurchführung auf ein Drittunternehmen mittels eines Konzessionsvertrags (Fremdversorgung). In bezug auf die erstgenannte Form gilt ohne Einschränkung das gleiche wie für die Organisation der Abwasserbeseitigung. Die Fremdversorgung, die auch für die Bereitstellung von Löschwasser zulässig ist, weicht davon ab: Sie enthält einen Verzicht auf die eigene unmittelbare Kompetenzausübung zugunsten des Konzessionsnehmers, ohne daß die Gemeinde die Wahrnehmung ihrer Aufgabe vollständig preisgibt. 4. Beim Konzessionsnehmer ändert sich der Bezugspunkt der Leistungsbeziehungen, indem die Gemeinde hinter das Versorgungsunternehmen zurücktritt. Im Gegensatz zum Erfüllungsgehilfen handelt der Konzessionsnehmer im eigenen Namen und auf eigene Rechnung gegenüber dem Benutzer. Mithin realisiert sich in ihm die zweite Variante des staatsanteiligen Privathandelns. Dieses über die Verwaltungshilfe hinausgehende staatlich-private Kondominium liegt ebenfalls unterhalb der Schwelle der ohne ausdrückliche Ermächtigung unzulässigen Verwaltungssubstitution.
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5. Bei der Fremdversorgung besteht ein Dreiecksverhältnis zwischen Versorger, Benutzer und Gemeinde. Das privatrechtliche Vertragsverhältnis zwischen Fremdversorger und Anschlußnehmer ist maßgeblich durch die Bestimmungen der AVBWasserV determiniert. Zwischen Versorgungsunternehmen und Kommune wird ein ebenfalls zivilrechtlicher Konzessionsvertrag geschlossen, der dem Konzessionsnehmer das Recht und die Pflicht zur alleinigen Belieferung der Einwohner bei gleichzeitigem Verzicht der Gemeinde auf eigene Betätigung in diesem Bereich und zur Sondernutzung der öffentlichen Wegeflächen gegen Zahlung der Konzessionsabgabe einräumt. 6. Da - vergleichbar der Eigen- bzw. Beteiligungsgesellschaft - ein Außenverhältnis zum Bürger besteht, soll dem Fremdversorger keine volle Privatautonomie zukommen, sondern er insbesondere hinsichtlich der Entgelterhebung und der Ausgestaltung der Allgemeinen Versorgungsbedingungen dem Verwaltungsprivatrecht unterworfen sein, und zwar unabhängig vom Grad der Beteiligung der öffentlichen Hand an der Gesellschaft. Privatrechtsorganisationen, die nicht vollständig von juristischen Personen des öffentlichen Rechts getragen werden, kann unabhängig vom Einfluß der Gemeinde die Grundrechtsfähigkeit nicht aberkannt werden. 7. Die Sicherstellung der Aufgabenverantwortung der Gemeinde, vor allem für die Löschwasserversorgung, geschieht durch die Verankerung entsprechender Kontrollbefugnisse und Genehmigungsvorbehalte zugunsten der aufgabenpflichtigen Kommune in den Konzessionsverträgen. Insofern gilt dasselbe wie beim Erfüllungsgehilfen. 8. Für die kommunalrechtliche Ausgestaltung der Eigenversorgung gelten keine Besonderheiten. Bzgl. der Fremdversorgung lassen es die kommunalsachenrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten ohne weiteres zu, daß der Benutzer der öffentlichen Einrichtung nicht nur zur Gemeinde, sondern auch zu einem fremden Träger in Rechtsbeziehung stehen kann. Denn irrelevant für die Öffentlichkeit einer kommunalen Einrichtung sind deren Rechtsform und Trägerschaft. 9. Es besteht ein Vertragsverhältnis zwischen dem privaten Träger der Einrichtung und deren Benutzern, das insbesondere die Erhebung des privatrechtlichen Entgelts statt öffentlich-rechtlicher Gebühren als Gegenleistung für die Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung umfaßt. Im Konzessionsvertrag ist die Zustimmung des Einrichtungsträgers zur Widmung enthalten. 10. Neben den unverändert öffentlich-rechtlichen Zulassungsanspruch gegen die Gemeinde tritt ein privatrechtlicher Anspruch des Benutzers gegen den Konzessionsnehmer als Kehrseite seiner vertraglich übernommenen Verls*
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sorgungsverpflichtung. Eine Umlenkung des kommunalrechtlichen Zulassungsanspruchs gegen die privatrechtlich verfaßte Trägergesellschaflt scheidet aus; vielmehr wird er - wie bei der Eigengesellschaft - zu einem Verschaffungsanspruch gegen die Kommune. 11. Ein Anschluß- und Benutzungszwang kann durch Satzung auch dann angeordnet werden, wenn die Wasserversorgung aufgrund eines von der Gemeinde geschlossenen privatrechtlichen Vertrags durch ein auswärtiges Versorgungsunternehmen erfolgt, das zugleich das Wassergeld einzieht. Die Erhebung öffentlich-rechtlicher Gebühren durch die Gemeinde kommt unter Umständen ebenfalls in Betracht.
V. 1. Die Organisationsmodelle Eigen- bzw. Beteiligungsgesellschaft, Erfüllungsgehilfe und Konzessionsnehmer stehen im Spannungsverhältnis zwischen Kontrolle der Aufgabenverrichtung einerseits und Autonomie des Vollzugssubjekts andererseits. Für die Erfüllung der gemeindlichen Pflicht zur Abwasserbeseitigung kann und darf es keinen Unterschied machen, ob die Kommune Aufgaben einem Unternehmen anträgt, an dem sie selbst beteiligt ist oder nicht; da unabhängig von der Organisationsform im einzelnen eine faktische Verselbständigung jeder Privatrechtsvereinigung stattfindet, ergibt sich aber eine problematische Kongruenz. 2. Lösungsansätze zur Verhinderung einer schleichenden materiellen Privatisierung bietet die Anwendung von Elementen der einen Organisationsform auf die andere: Die Trennung von Sacheigentum und Betriebsführung sowie die vertragliche Grundlage der Aufgabendurchführung beim Erfüllungsgehilfen können unter Umständen für die formale Privatisierung fruchtbar gemacht werden. Umgekehrt können personelle Verbindungen entsprechend der Eigengesellschaft auch beim Erfüllungsgehilfen oder Konzessionsnehmer hergestellt werden, indem Funktionsträger der Kommune aufgrund gesellschaftsvertraglicher Regelung zugleich Organe der Gesellschaft werden. Schließlich sind als Mittel einer beständigen Verknüpfung von Privatrechtsgesellschaft und öffentlich-rechtlichen Körperschaft die konzernrechtlichen Unternehmensverträge in den Blick zu nehmen. Zu deren Abschluß ist die Gemeinde befugt; durch sie können gemeinderechtlich gebotene, aber gesellschaftsrechtlich teilweise unzulässige Weisungsrechte zugunsten des Aufgabenträgers rechtmäßigerweise vereinbart werden. 3. In bezug auf die äußeren Leistungsbeziehungen zum Abwasserbesitzer ist ebenfalls eine Neuordnung möglich und zulässig. Sowohl ein Vergleich von Eigengesellschaft und Erfüllungsgehilfe als auch die Parallelität von
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(Lösch-)Wasserversorgung und Abwasserentsorgung im Ausgangspunkt der kommunalen Aufgabenverantwortung legen nahe, die Rechtsbeziehungen im Entsorgungsbereich bei Einschaltung eines Privaten ebenfalls als Dreiecksverhältnis auszugestalten. 4. Diesem staatlich-privaten Kondominium als Variante des staatsanteiligen Privathandelns steht das Abwasserrecht nicht entgegen: Die Funktion des § 52 Abs.l S.l Buchst.c LWG NW und die beabsichtigte Konzentrationswirkung hinsichtlich der Anzahl der Einleitungsberechtigten, die Möglichkeit der Trennung von Beseitigungspflicht und ihrer Erfüllung sowie ein beispielhafter Vergleich mit der Rechtslage in Sachsen erlauben es, die Verknüpfung der wasserrechtlichen Einleitererlaubnis mit der Abwasserbeseitigungspflicht aufzuheben, so daß dem eingeschalteten Privaten eine größere organisatorische Selbständigkeit zukommen kann. 5. Die Konsequenz der Außenrechtsbeziehung des Privaten ist nicht seine Unterwerfung unter das Verwaltungsprivatrecht sowie eine (partielle) Grundrechtsunfähigkeit. Vielmehr besteht beim Verwaltungsmittler - im Unterschied zum herkömmlichen Konzessionsnehmer - ein rein privatrechtliches Rechtsverhältnis zum Anschlußnehmer. 6. Der Weg zur Sicherstellung öffentlich-rechtlicher Bindungen ist die fortbestehende gemeindliche Garantenstellung gegenüber dem Bürger, so daß sich eine Aufspaltung der Rechtsverhältnisse ergibt. Die Letztverantwortung für die Abwasserbeseitigung obliegt nach wie vor der Gemeinde. Auf der Vollzugsebene steht dem privaten Entsorger innerhalb eines gemeindlich vorgegebenen Rahmens eine autonome Entscheidungsbefugnis zu. Weil die Gemeinde grundrechtsverpflichtet ist, rückt sie mit der Beauftragung eines Privaten in eine Garantenstellung gegenüber den einzelnen Bürgern, die ihre Pflicht zur Ingerenz mit dem Ziel begründet, daß die privatrechtliche Außenrechtsbeziehung zwischen Verwaltungsmittler und Benutzer i.S.d. (Gleichheits-)Grundrechte gestaltet wird. 7. Da der Bürger die Bindung an Normen des öffentlichen Rechts mangels Anwendbarkeit des Verwaltungsprivatrechts gegenüber dem Privaten nicht geltend machen kann, korrespondiert mit der Einwirkungspflicht der Gemeinde ein öffentlich-rechtlicher Einwirkungsanspruch des Bürgers gegen die Gemeinde, der einen Ausdruck im kommunalrechtlichen Verschaffungsanspruch des § 8 Abs.2 GO N W gefunden hat. Darüber hinaus wird so eine Umgehung des Gesetzesvorbehalts durch das Zusammenspiel von Anschluß- und Benutzungszwang mit privatrechtlichen allgemeinen Entsorgungsbedingungen ausgeschlossen.
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8. Das Rechtsverhältnis zwischen Kommune und Verwaltungsmittler wird durch einen (zivilrechtlichen) Vertrag bestimmt, der inhaltlich Erfüllungshilfe- und Konzessionsverträgen ähnelt. Dieser Vertrag bildet das Mittel zur Sicherstellung der kommunalen Aufgabenverantwortung hinsichtlich rechtsstaatlicher und demokratischer Erfordernisse. 9. Die Zweiteilung der Rechtsbeziehungen spiegelt sich im Haftungsrecht wider. Das Drei-Personen-Verhältnis bzgl. der Benutzung der öffentlichen Einrichtung ist kommunalrechtlich anerkannt.
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