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German Pages 456 Year 2020
Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1431
Indienstnahme und Verfassungstreue Eine bereichsübergreifende Untersuchung der Anforderungen an private Akteure bei der Wahrnehmung staatlicher Aufgaben
Von
Tobias Hansen
Duncker & Humblot · Berlin
TOBIAS HANSEN
Indienstnahme und Verfassungstreue
Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1431
Indienstnahme und Verfassungstreue Eine bereichsübergreifende Untersuchung der Anforderungen an private Akteure bei der Wahrnehmung staatlicher Aufgaben
Von
Tobias Hansen
Duncker & Humblot · Berlin
Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster hat diese Arbeit im Jahr 2019 als Dissertation angenommen.
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Meinen Schwestern
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2018/2019 von der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster als Dissertation angenommen. Die mündliche Prüfung mit dem Thema „Das ,Protestcamp‘ als Form der Versammlung im Sinne des Art. 8 Abs. 1 GG“ fand am 15. Oktober 2019 statt. Der Stand von Rechtsprechung und Literatur konnte bis Dezember 2019 berücksichtigt werden. Mein größter Dank gilt meinem Doktorvater, Prof. Dr. Fabian Wittreck, nicht nur dafür, dass er den thematischen Anstoß zu der Untersuchung gab, sondern auch für die hervorragende Betreuung der Arbeit. Neben zahlreichen fruchtbaren Gesprächen ließ er mir alle wissenschaftlichen Freiheiten für die Abfassung der Untersuchung. Prof. Dr. Janbernd Oebbecke danke ich herzlich für die sehr zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Ein besonderer Dank gebührt außerdem Prof. Dr. Wolfram Höfling, M.A., an dessen Institut für Staatsrecht der Universität zu Köln ich einen großen Teil meiner Promotionszeit als wissenschaftliche Hilfskraft verbracht habe und der mir die Möglichkeit gegeben hat, diese Arbeit erfolgreich fortzuschreiben und abzuschließen. Weiterhin danke ich den Kolleginnen und Kollegen dieses Instituts für ihre Unterstützung während dieser Zeit. Hervorzuheben sind dabei insbesondere Prof. Dr. Simon Kempny, LL.M., Ines Horn, Malte Reifegerste sowie Tom Tenostendarp, die jederzeit ein offenes Ohr hatten. Weiter danke ich dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat für die großzügige Gewährung eines Druckkostenzuschusses. Abschließend möchte ich meinen Eltern danken, die mich während dieser Zeit fortwährend unterstützt haben und durch ihren beständigen Zuspruch maßgeblich zum erfolgreichen Abschluss dieser Arbeit beigetragen haben. Köln, im April 2020
Tobias Hansen
Inhaltsübersicht § 1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Problemaufriss und thematische Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Gegenstand, Erkenntnisinteresse und Methodik der Untersuchung . . . . . . . . C. Gliederung und Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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§ 2 Staatsaufgaben, Privatisierung, Verfassungstreue: Eine Einführung in die untersuchungsrelevanten Begriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Der Begriff der Staatsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Zur „Aufgabe“ im Allgemeinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Zu den Staatsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Abgrenzung zur öffentlichen Aufgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Arten von Staatsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Zum Begriff der Privatisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Versuch einer Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Motivation staatlicher Aufgabenübertragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Formen der Privatisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Grenzen der Privatisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Untersuchungsergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Die Verfassungstreue . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Begriff und (verfassungs-)rechtliche Grundlagen der Verfassungstreue . . II. Inhalt der Verfassungstreuepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Bedeutung für den Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Zusammenfassende Folgerungen für die weitere Untersuchung . . . . . . . . . . . I. Staatsaufgabenlehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Privatisierungsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Das Merkmal der Verfassungstreue . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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§ 3 Indienstnahme privater Akteure – Eine Bestandsaufnahme . . . . . . . . . . . . . . 89 A. Die Legislative als Ursprung der Rechtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 I. Bestehen eines staatlichen Rechtsetzungsmonopols? . . . . . . . . . . . . . . . . 90 II. Private Mitwirkung im Rahmen der Gesetzgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 III. Die Einbindung privater Akteure im Bereich der Gesetzgebung im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 B. Private Akteure als Teil der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 I. Abgrenzung des Privatisierungsgegenstandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108
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Inhaltsübersicht II. Verfassungsrechtlicher Rahmen privater Rechtsprechung: Art. 92 GG als Rechtsprechungsmonopol und Privatisierungsgrenze? . . . . . . . . . . . . . III. Private Akteure in der Rechtsprechung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Die Exekutive als Kernbereich der Indienstnahme privater Akteure . . . . . . . I. Private Akteure im Bildungswesen am Beispiel des konfessionellen Religionsunterrichts und der Kinder- und Jugendhilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Umweltschutz als Staatsaufgabe und privater Sachverstand . . . . . . . . . . . III. Privatisierung der Staatsaufgabe der (inneren) Sicherheit . . . . . . . . . . . . . D. Ergebnis der Bestandsaufnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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§ 4 Der Berufsbeamte als „Goldstandard“ staatlicher Aufgabenwahrnehmung A. Voraussetzungen des Beamtenverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Staatsangehörigkeit (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 BBG/BeamtStG) . . . . . . . . . . . . . . . II. Treuepflicht der Berufsbeamten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Fachliche Befähigung für die Beamtentätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Der Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes zwischen Berufsbeamten und privaten Akteuren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Vergleichsgruppen für die weitere Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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§ 5 Kriterien für die Untersuchung privatisierungsrelevanter Bereiche . . . . . . . A. Das Bild der „Umlaufbahnen“ nach Kämmerer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Die Kriterien im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Grad der demokratischen Legitimation der privaten Aufgabenwahrnehmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. (Verbleibende) Staatliche Verantwortung im Rahmen privater Aufgabenwahrnehmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Grundrechte im Spannungsfeld staatlicher Aufgabenübertragung . . IV. Die Motivation privater Akteure bei der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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§ 6 Untersuchung ausgewählter Bereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Der Religionsunterricht als gemeinsame Angelegenheit von Staat und Kirche I. Systematische Einordnung der Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Anwendung des Kriterienkataloges auf den Bereich des Religionsunterrichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ergebnis: Der Religionsunterricht als Sonderfall privater Aufgabenwahrnehmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Die freien Träger der Kinder- und Jugendhilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Einordnung der an die freien Träger gestellten Voraussetzungen . . . . . . . II. Die Kinder- und Jugendhilfe im Spannungsverhältnis von öffentlicher und privater Aufgabenwahrnehmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Private Akteure der Kinder- und Jugendhilfe als Vergleichsmaßstab . . .
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Inhaltsübersicht
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C. Die Umweltverbände im Dienste des Staates und des Umweltschutzes . . . . I. Einordnung der gefundenen Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Umweltvereinigungen als „Anwälte der Natur“ . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Überindividueller Rechtsschutz als legitime Beteiligungsform im Umweltschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Der Luftfahrzeugführer als „Bordpolizei“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Einordnung der gefundenen Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Der „verantwortliche Luftfahrzeugführer“ als tauglicher Vergleichsgegenstand? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ergebnis und Vergleichbarkeit der Indienstnahme privater Luftfahrzeugführer? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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§ 7 Vergleichende Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Die Beteiligung Privater bei Aufgaben der drei Staatsgewalten im Allgemeinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Private Akteure in der Exekutive im Besonderen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Schlussfolgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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§ 8 Abschließende Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 405 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 453
Inhaltsverzeichnis § 1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Problemaufriss und thematische Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Gegenstand, Erkenntnisinteresse und Methodik der Untersuchung . . . . . . . . C. Gliederung und Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 2 Staatsaufgaben, Privatisierung, Verfassungstreue: Eine Einführung in die untersuchungsrelevanten Begriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Der Begriff der Staatsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Zur „Aufgabe“ im Allgemeinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Zu den Staatsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Materieller Staatsaufgabenbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Formeller Staatsaufgabenbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Abgrenzung zur öffentlichen Aufgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Arten von Staatsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ausschließliche und konkurrierende Staatsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . 2. Obligatorische und fakultative Staatsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vertretbare und unvertretbare Staatsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zusammenfassung: Formeller Staatsaufgabenbegriff als Grundlage für die vorliegende Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Zum Begriff der Privatisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Versuch einer Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Motivation staatlicher Aufgabenübertragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Formen der Privatisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Formelle Privatisierung („Organisationsprivatisierung“) . . . . . . . . . . . 2. Materielle Privatisierung („Aufgabenprivatisierung“) . . . . . . . . . . . . . 3. Funktionale Privatisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Vermögensprivatisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Finanzierungsprivatisierung (Public Private Partnership) . . . . . . . . . . 6. Verfahrensprivatisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Grenzen der Privatisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einordnung als notwendige bzw. obligatorische Staatsaufgabe . . . . . 2. Das Gewaltmonopol des Staates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Herleitung des staatlichen Gewaltmonopols . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Inhalt des Gewaltmonopols . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis c) Folgen für die Privatisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Der Funktionsvorbehalt des Art. 33 Abs. 4 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Regelungsgehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) „Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse“ . . . . . . . . . . . . . . . . bb) „ständige Aufgabe“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Schrankenwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Materielle Privatisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Formelle Privatisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Funktionale Privatisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Demokratieprinzip (Art. 20 Abs. 2 GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1, 28 Abs. 1 S. 1 GG) . . . . . . . . . . . . V. Untersuchungsergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Die Verfassungstreue . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Begriff und (verfassungs-)rechtliche Grundlagen der Verfassungstreue . II. Inhalt der Verfassungstreuepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Bedeutung für den Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Zusammenfassende Folgerungen für die weitere Untersuchung . . . . . . . . . . . I. Staatsaufgabenlehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Privatisierungsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Das Merkmal der Verfassungstreue . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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§ 3 Indienstnahme privater Akteure – Eine Bestandsaufnahme . . . . . . . . . . . . . . A. Die Legislative als Ursprung der Rechtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Bestehen eines staatlichen Rechtsetzungsmonopols? . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Private Mitwirkung im Rahmen der Gesetzgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Beleihung mit Rechtsetzungskompetenzen am Beispiel des § 16 Abs. 1 TPG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verfassungsrechtliche Zulässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Richtlinienbefugnis der Bundesärztekammer gemäß § 16 Abs. 1 TPG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Verweisung auf private Regelwerke als kooperative Gesetzeskonkretisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verfassungsrechtliche Bedenken hinsichtlich der Verweistechnik b) Das Deutsche Institut für Normung e. V. (DIN) als Beispiel . . . . . 3. „Gesetzgebungsoutsourcing“ – Die (Groß-)Kanzleien als (Ersatz-) Gesetzgeber? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verfassungsrechtliche Bedenken gegen eine Auslagerung von Gesetzentwürfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Art. 76 Abs. 1 GG als verfassungsrechtlicher Rahmen . . . . . .
89 89 90 92 92 93 95 97 97 99 101 103 103
Inhaltsverzeichnis bb) Mögliche andere verfassungsrechtliche Grenzen des „Gesetzgebungsoutsourcing“? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Fazit: Kein verfassungsrechtliches Verbot des Outsourcing von Gesetzesentwürfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anforderungen an die (Groß-)Kanzleien? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Einbindung privater Akteure im Bereich der Gesetzgebung im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Private Akteure als Teil der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Abgrenzung des Privatisierungsgegenstandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verfassungsrechtlicher Rahmen privater Rechtsprechung: Art. 92 GG als Rechtsprechungsmonopol und Privatisierungsgrenze? . . . . . . . . . . . . III. Private Akteure in der Rechtsprechung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ehrenamtliche Richter als bekannteste Form privater Teilhabe . . . . . a) Die Stellung des ehrenamtlichen Richters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Private Schiedsgerichtsbarkeit und Mediation als „echte“ Aufgabenprivatisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Die Exekutive als Kernbereich der Indienstnahme privater Akteure . . . . . . . I. Private Akteure im Bildungswesen am Beispiel des konfessionellen Religionsunterrichts und der Kinder- und Jugendhilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der konfessionelle Religionsunterricht an öffentlichen Schulen . . . . a) Rechtsgrundlagen des Religionsunterrichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Verfassungsrechtliche Grundlagen des Religionsunterrichts auf Bundesebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Verfassungsrechtliche und einfachgesetzliche Regelungen auf Landesebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Der rechtliche Rahmen des Religionsunterrichts im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Inhalt der staatlichen Aufgabe Religionsunterricht . . . . . . . . . . . . aa) Der Verantwortungsbereich des Staates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Verantwortungsbereich der Religionsgemeinschaften . . . . . . . cc) Zusammenschau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Anforderungen an die Religionsgemeinschaften als inhaltliche Träger der Aufgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Der Begriff der Religionsgemeinschaften in Art. 7 Abs. 3 GG bb) Anforderungen an die Religionsgemeinschaften im Sinne des Art. 7 Abs. 3 S. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Anforderungen an die Organisation der Religionsgemeinschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Relevanz der Religionsgemeinschaften . . . . . . . . . . . . . . .
15
104 106 107 107 108 108 110 112 112 113 113 115 115 117 118 118 119 120 120 123 125 126 126 128 129 130 130 132 132 135
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Inhaltsverzeichnis (3) Natürliche Personen als Mitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Religiösität des Aufgabenfeldes und „allseitige“ Aufgabenwahrnehmung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Fähigkeit zur Festlegung verbindlicher Unterrichtsinhalte (6) Staatsfreiheit als Ausdruck staatlicher Neutralität . . . . . . . (7) Loyalität gegenüber dem Staat und der Verfassung als ungeschriebene Voraussetzung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Art der Kooperation von Staat und Kirche im Rahmen des Religionsunterrichtes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Kinder- und Jugendhilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Begriffe und Grundlagen der Kinder und Jugendhilfe . . . . . . . . . . aa) Der Begriff des freien Trägers der Jugendhilfe . . . . . . . . . . . . . bb) Zum Verhältnis freier und öffentlicher Jugendhilfe . . . . . . . . . cc) Bedeutung und Wandel der freien Träger in der Jugendhilfe . b) Rechtsgrundlagen und Voraussetzungen für die Einbindung freier Träger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Der Betrieb einer freien Kindertageseinrichtung . . . . . . . . . . . (1) Der Trägerbegriff des § 45 Abs. 1 SGB VIII . . . . . . . . . . . (2) Voraussetzungen einer Betriebserlaubnis gemäß § 45 SGB VIII . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Räumliche, fachliche, wirtschaftliche und personelle Voraussetzungen (Nr. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Integration und gesundheitsförderliches Lebensumfeld (Nr. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Sicherung der Rechte der Kinder und Jugendlichen (Nr. 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Überblick und Konsequenzen für die vorliegende Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Förderung und Anerkennung der freien Jugendhilfe gem. §§ 74, 75 SGB VIII . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Die Förderung der freien Jugendhilfe gem. § 74 SGB VIII (a) Begriff und Bedeutung der Förderung freier Träger . . (b) Die Voraussetzungen einer Förderung . . . . . . . . . . . . . (aa) Fachliche Voraussetzungen (Nr. 1) . . . . . . . . . . . . (bb) Verwendung der Mittel (Nr. 2) . . . . . . . . . . . . . . . (cc) Gemeinnützige Ziele (Nr. 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . (dd) Angemessene Eigenleistung (Nr. 4) . . . . . . . . . . . (ee) Den Zielen des Grundgesetzes förderliche Arbeit (Nr. 5) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Träger im Sinne des § 74 Abs. 1 SGB VIII . . . . . . . . . (d) Folgen bei Vorliegen der Voraussetzungen . . . . . . . . . .
136 138 141 142 142 146 147 148 149 150 151 153 154 155 156 157 158 159 160 161 162 162 163 164 165 166 167 168 169 171 171
Inhaltsverzeichnis (e) Zusammenfassung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Die Anerkennung als Träger der freien Jugendhilfe im Sinne des § 75 SGB VIII . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Bedeutung der Anerkennung als freier Träger . . . . . . (b) Der Trägerbegriff im Rahmen des § 75 SGB VIII . . . (c) Voraussetzungen für die Anerkennung als freier Träger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Auf dem Gebiet der Jugendhilfe i. S. d. § 1 tätig (Nr. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Verfolgung gemeinnütziger Ziele (Nr. 2) . . . . . . (cc) Erwartung eines nicht unwesentlichen Beitrages (Nr. 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (dd) Förderung der Ziele des Grundgesetzes (Nr. 4) (d) Die Voraussetzungen im Vergleich zu § 74 SGB VIII cc) Die Art der Einbindung der freien Träger im Überblick . . . . c) Ergebnisse für die weitere Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Umweltschutz als Staatsaufgabe und privater Sachverstand . . . . . . . . . . . 1. Allgemeine Grundlagen der umweltrechtlichen Verbandsklage im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtliche Grundlagen der Anerkennung privater Vereinigungen . . . 3. Die Voraussetzungen der Anerkennung im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . a) Inländische oder ausländische Vereinigungen (Abs. 1 S. 1) . . . . . . b) Ziele des Umweltschutzes (Abs. 1 S. 2 Nr. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Beständigkeit (Abs. 1 S. 2 Nr. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Sachgerechte Aufgabenerfüllung (Abs. 1 S. 2 Nr. 3) . . . . . . . . . . . e) Gemeinnützige Zwecke (Abs. 1 S. 2 Nr. 4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Offene Mitgliedschaft (Abs. 1 S. 2 Nr. 5) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Zusammenfassung: Weiter Zugang zu den Gerichten als Ziel und Maßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Art der Kooperation mit umwelt- bzw. naturschutzrechtlichen Vereinigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Privatisierung der Staatsaufgabe der (inneren) Sicherheit . . . . . . . . . . . . 1. Zu Begriff und Umfang der inneren Sicherheit als Staatsaufgabe . . . 2. Private Akteure als Teil der Sicherheitsarchitektur des Staates . . . . . a) Das private Sicherheitsgewerbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Beleihung Privater mit Befugnissen der hoheitlichen Gefahrenabwehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Der Luftfahrzeugführer als (Ersatz-)Polizei? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundlagen der besonderen Stellung des Luftfahrzeugführers . . . aa) Der „verantwortliche Luftfahrzeugführer“ im Sinne des § 12 LuftSiG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Beleihung als Form der Aufgabenübertragung . . . . . . . . .
17 173 174 175 176 177 177 178 178 180 180 181 182 183 184 186 187 188 190 192 192 194 195 196 197 198 198 200 201 202 204 205 206 206
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Inhaltsverzeichnis cc) Die Schutzgüter des § 12 Abs. 1 LuftSiG . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Die übertragenen Befugnisse des „verantwortlichen Luftfahrzeugführers“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Der Gefahrbegriff des Luftsicherheitsgesetzes . . . . . . . . . . (2) Die Befugnisse im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Die Adressaten der „Bordgewalt“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Die Grenzen der „Bordgewalt“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Luftaufsichtsrechtliche Anordnungen als Begrenzung der „Bordgewalt“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Voraussetzungen an den Luftfahrzeugführer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Allgemeine Voraussetzungen für die Erteilung einer Erlaubnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Vorgeschriebenes Mindestalter (Nr. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Nachweis der Tauglichkeit (Nr. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Zuverlässigkeit (Nr. 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Bestandene Prüfung (Nr. 4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Keine vorhandene Erlaubnis (Nr. 5) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Besondere Voraussetzungen für „verantwortliche Luftfahrzeugführer“? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Ergebnis der Bestandsaufnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
207 208 208 209 210 212 213 214 215 215 217 217 217 219 219 220 220 221
§ 4 Der Berufsbeamte als „Goldstandard“ staatlicher Aufgabenwahrnehmung A. Voraussetzungen des Beamtenverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Staatsangehörigkeit (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 BBG/BeamtStG) . . . . . . . . . . . . . . . II. Treuepflicht der Berufsbeamten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Fachliche Befähigung für die Beamtentätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Beamten des Bundes (§ 7 Abs. 1 Nr. 3 BBG) . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Beamten der Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände (§ 7 Abs. 1 Nr. 3 BeamtStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Der Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes zwischen Berufsbeamten und privaten Akteuren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Vergleichsgruppen für die weitere Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
223 224 225 226 230 230
§ 5 Kriterien für die Untersuchung privatisierungsrelevanter Bereiche . . . . . . . A. Das Bild der „Umlaufbahnen“ nach Kämmerer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Die Kriterien im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Grad der demokratischen Legitimation der privaten Aufgabenwahrnehmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriff und Herleitung der demokratischen Legitimation . . . . . . . . . . 2. Formen demokratischer Legitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Institutionelle und funktionelle Legitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . .
237 237 238
231 233 235
238 238 239 239
Inhaltsverzeichnis b) Organisatorisch-personelle Legitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Sachlich-inhaltliche Legitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verhältnis der verschiedenen Formen demokratischer Legitimation zueinander . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Bedeutung und Grad der verschiedenen Legitimationsformen . . . . . . 5. Bedeutung im Rahmen der Übertragung staatlicher Aufgaben auf Private . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Auswirkungen für die nachfolgende Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . II. (Verbleibende) Staatliche Verantwortung im Rahmen privater Aufgabenwahrnehmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Begriff der Verantwortung in der Rechtswissenschaft . . . . . . . . . 2. Stufen staatlicher Verantwortlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die „Erfüllungsverantwortung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die „Gewährleistungsverantwortung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die „Auffangverantwortung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Abgrenzung der Verantwortungsstufen und Zuordnung der Privatisierungstypen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Regulierung als Instrument zur Wahrnehmung staatlicher Verantwortung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zum Begriff der Regulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verschiedene Ausprägungen staatlicher Regulierung . . . . . . . . . . . aa) Staatliche imperative Regulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Staatliche Regulierung unter Einbau selbstregulativer Elemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Staatlich regulierte Selbstregulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Private Selbstregulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. (Gewährleistungs-)Aufsicht als Instrument und Schlüsselbegriff . . . a) Dualistisches Aufsichtsmodell als Folge der Trennung von Staat und Gesellschaft? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Staatsaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Wirtschaftsaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Kritik an einem dualistischen Aufsichtsmodell . . . . . . . . . . . . b) Differenzierte Aufsichtstypologie nach Schuppert . . . . . . . . . . . . . aa) Steuerungsaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Gewährleistungsaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zur Reichweite der staatlichen Aufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Bedeutung für den weiteren Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . III. Die Grundrechte im Spannungsfeld staatlicher Aufgabenübertragung . . 1. Grundrechte privater Leistungsempfänger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die unmittelbare Drittwirkung der Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . b) Die mittelbare Drittwirkung der Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . .
19 241 242 243 245 247 248 249 249 254 256 257 258 260 262 262 265 265 266 266 268 270 271 271 272 272 273 274 275 276 277 277 279 280 282
20
Inhaltsverzeichnis c) Die Schutzpflichtfunktion der Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Grundrechte privater Leistungserbringer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Fazit: Die Schaffung eines Ausgleichs als Auftrag an den Staat . . . . . IV. Die Motivation privater Akteure bei der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Wirtschaftlicher Erfolg als extrinsisches Motiv . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gemeinwohl als intrinsisches Interesse? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Private Motivation als geeignetes Kriterium? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
283 285 287
§ 6 Untersuchung ausgewählter Bereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Der Religionsunterricht als gemeinsame Angelegenheit von Staat und Kirche I. Systematische Einordnung der Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Übertragbarkeit des Staatsangehörigkeitskriteriums? . . . . . . . . . . . . . . 2. Verfassungstreue als Kernelement des Berufsbeamtentums . . . . . . . . . 3. Die Befähigung der Religionsgemeinschaften, Unterricht anzubieten II. Anwendung des Kriterienkataloges auf den Bereich des Religionsunterrichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die demokratische Legitimation der Religionsgemeinschaften . . . . . a) Sachlich-inhaltliche Legitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Personell-organisatorische Legitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Grad des Legitimationsniveaus insgesamt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Verantwortung des Staates als „Unternehmer“ des Religionsunterrichtes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Einrichtung des Religionsunterrichtes als Grundaufgabe des Staates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Schulaufsicht als Mittel staatlicher Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . aa) Zum Begriff der staatlichen Schulaufsicht im Allgemeinen . . bb) Die staatliche Aufsicht im Bereich des Religionsunterrichts . c) Staatliche Teilverantwortung als unabdingbare Voraussetzung des Religionsunterrichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Religionsgemeinschaften, Eltern, Schüler und Lehrer? – Die maßgeblichen Grundrechtsträger im Bereich des Religionsunterrichts . . . a) Die Religionsgemeinschaften als Grundrechtsträger . . . . . . . . . . . . b) Die Grundrechte der Eltern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Grundrechte der betroffenen Schüler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Einfluss der grundrechtlichen Interessen der Lehrer? . . . . . . . . . . . e) Ausgleich der verschiedenen grundrechtlichen Interessen? . . . . . . 4. Die Intention der Religionsgemeinschaften bei der Einrichtung von Religionsunterricht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Zusammenfassung der gefundenen Untersuchungsergebnisse . . . . . . .
293 293 293 294 295 295
288 289 289 291 292
296 296 296 298 299 299 300 302 302 304 308 308 309 310 313 315 316 317 318
Inhaltsverzeichnis III. Ergebnis: Der Religionsunterricht als Sonderfall privater Aufgabenwahrnehmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Die freien Träger der Kinder- und Jugendhilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Einordnung der an die freien Träger gestellten Voraussetzungen . . . . . . 1. Organisationsform und Staatsangehörigkeit des freien Trägers . . . . . 2. Anforderungen an die Loyalität zum Staat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die fachliche Befähigung der freien Träger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Kinder- und Jugendhilfe im Spannungsverhältnis von öffentlicher und privater Aufgabenwahrnehmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Demokratische Legitimation des Tätigwerdens freier Träger . . . . . . . a) Leistungen der Jugendhilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Andere Aufgaben der Jugendhilfe und die Anerkennung freier Träger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Organisatorisch-personelle Legitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Sachlich-inhaltliche Legitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Legitimationsniveau der Aufgabenwahrnehmung durch freie Träger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verantwortung des Staates in der Kinder- und Jugendhilfe . . . . . . . . . a) § 79 Abs. 1 SGB VIII als Zentralnorm staatlicher Verantwortlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die öffentliche Jugendhilfe als Adressat . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Der Inhalt staatlicher Verantwortung in der Kinder- und Jugendhilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Die Gesamtverantwortung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Die Planungsverantwortung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Die Finanzierungsverantwortung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Gewährleistungspflicht als Teil staatlicher Verantwortung (Abs. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Ausstattung der Jugendämter (Abs. 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Die Form staatlicher Verantwortung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Wahrnehmung der Verantwortung im Einzelfall . . . . . . . . . . . . . . . f) Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Grundrechtsrelevanz der Kinder- und Jugendhilfe . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Grundrechte der freien Träger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Art. 2 Abs. 1 GG als Grundlage des Tätigwerdens freier Träger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Vereinigungsfreiheit gem. Art. 9 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . cc) Die freien Träger und die Berufsfreiheit im Sinne des Art. 12 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Der Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . (2) Die Anwendbarkeit des Art. 12 Abs. 1 GG auf die freien Träger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
21
320 321 323 323 325 325 326 326 327 327 328 329 331 332 332 332 333 333 335 336 337 338 339 340 342 342 343 344 345 347 347 348
22
Inhaltsverzeichnis dd) Weitere die freien Träger betreffende Grundrechte . . . . . . . . . ee) Überblick über die einschlägigen Grundrechte . . . . . . . . . . . . . b) Der grundrechtliche Schutz der Leistungsberechtigten . . . . . . . . . . aa) Art. 6 Abs. 2 GG: Elterngrundrecht, Kindergrundrecht und staatliches „Wächteramt“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Das Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG . . . . . . . . . . . . . (2) Das Kindergrundrecht aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG . . . . . . . (3) Das staatliche „Wächteramt“ aus Art. 6 Abs. 2 S. 2 GG . . (4) Zusammenwirken der unterschiedlichen Rechte und Pflichten aus Art. 6 Abs. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Andere Grundrechte der Kinder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Auswirkungen der grundrechtlichen Interessen auf die Voraussetzungen im SGB VIII . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Verschiedenheit im Hinblick auf die Motivation freier Träger . . . III. Private Akteure der Kinder- und Jugendhilfe als Vergleichsmaßstab . . . C. Die Umweltverbände im Dienste des Staates und des Umweltschutzes . . . . . I. Einordnung der gefundenen Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anforderungen an Organisation und Sitz der Vereinigung . . . . . . . . . . 2. Keine staatliche Loyalität als Voraussetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Materielle Kriterien der Anerkennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Umweltvereinigungen als „Anwälte der Natur“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Demokratische Legitimation von klagebefugten Verbänden . . . . . . . . 2. Der Umweltschutz in der Alleinverantwortung des Staates? . . . . . . . . a) Die Adressaten des Art. 20a GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Art der staatlichen Verantwortung und deren Übertragbarkeit 3. Die grundrechtlichen Interessen im Rahmen des Umweltschutzes . . . 4. Die Motivation umweltschützender Verbände als Voraussetzung der Anerkennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Überindividueller Rechtsschutz als legitime Beteiligungsform im Umweltschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Der Luftfahrzeugführer als „Bordpolizei“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Einordnung der gefundenen Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Persönliche Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anforderungen im Hinblick auf die Loyalität zum Staat? . . . . . . . . . . 3. Die Qualifikation des Luftfahrzeugführers als maßgebliches Kriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Der „verantwortliche Luftfahrzeugführer“ als tauglicher Vergleichsgegenstand? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zur demokratischen Legitimation des „verantwortlichen Luftfahrzeugführers“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Demokratische Legitimation im Rahmen der Beleihung . . . . . . . .
350 352 352 352 353 354 356 358 359 360 362 363 364 365 365 365 366 366 367 370 370 371 373 376 377 379 379 379 380 380 381 381 381
Inhaltsverzeichnis b) Die organisatorisch-personelle Legitimation als Problem . . . . . . . c) Ausgleich durch hinreichende sachlich-inhaltliche Legitimation als Lösung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Insgesamt ausreichendes Legitimationsniveau? . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die staatliche Verantwortung für die Luftsicherheit . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Gewährleistungsverantwortung des Staates als Folge der Beleihung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Grundzüge der staatlichen Luftaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Zweispurigkeit der Luftaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die für den Luftfahrzeugführer zuständige Aufsichtsbehörde cc) Aufsichts- und Einflussnahmemöglichkeiten im Hinblick auf den „verantwortlichen Luftfahrzeugführer“ . . . . . . . . . . . . . . . c) Ergebnis: Staatliche Gewährleistungsverantwortung als teilweise Legitimationsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Der Luftfahrzeugführer im Spannungsfeld der Grundrechte . . . . . . . a) Die grundrechtliche „Doppelstellung“ des beliehenen Luftfahrzeugführers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Passagiere als primär Betroffene und die Allgemeinheit . . . . c) Die Grundrechtsrelevanz der luftrechtlichen Gefahrenabwehr . . . 4. Die (berufliche) Motivation des Luftfahrzeugführers . . . . . . . . . . . . . III. Ergebnis und Vergleichbarkeit der Indienstnahme privater Luftfahrzeugführer? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 7 Vergleichende Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Die Beteiligung Privater bei Aufgaben der drei Staatsgewalten im Allgemeinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Private Akteure in der Exekutive im Besonderen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Schlussfolgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
23 382 383 384 384 385 385 386 387 387 389 390 390 392 393 393 394 395 395 396 398
§ 8 Abschließende Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 405 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 453
Abkürzungsverzeichnis a. A. a. a. O. a. D. a. E. a. F. Abb. ABl. Abs. AcP AEUV AfP AG AK-GG AktG Anm. AO AöR ArchivPT Art. Aufl. Az. BayVbl. BayVerfGHE BB BBG Bd. Bde. BdW BeamtStG Begr. BGB BGBl. BitGespr.
andere Ansicht am angegebenen Ort außer Dienst am Ende alte Fassung Abbildung Amtsblatt Absatz Archiv für die civilistische Praxis Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union Zeitschrift für Medien- und Kommunikationsrecht (ehemals: Archiv für Presserecht) Ausführungsgesetz Alternativkommentar zum Grundgesetz Aktiengesetz Anmerkung Abgabenordnung Archiv öffentlichen Rechts Archiv für Post und Telekommunikation Artikel Auflage Aktenzeichen Bayrische Verwaltungsblätter Entscheidungen des Bayrischen Verfassungsgerichtshofs Brandenburg Bundesbeamtengesetz Band Bände Blätter der Wohlfahrtspflege Gesetz zur Regelung des Statusrechts der Beamtinnen und Beamten in den Ländern Begründung/Begründer Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bitburger Gespräche, herausgegeben von der Stiftung Gesellschaft für Rechtspolitik, Trier und dem Institut für Rechtspolitik an der Universität Trier
Abkürzungsverzeichnis BK BLV BNatSchG BPolG BRD BremStGH BRRG BSHG bspw. BT-Drs. BT-V Buchst. BVerfG BVerfGE BVerfSchG BVerwG BVerwGE BVwVfG BW BY bzw. ders. dies. Dig. DIN DNeuG DÖD DÖV DRiG DV DVBl. e. V. ebda. Einl. Erl. EssGespr. ET EuGRZ EZAR NF f./ff.
25
Bonner Kommentar zum Grundgesetz Verordnung über die Laufbahnen der Bundesbeamtinnen und Bundesbeamten (Bundeslaufbahnverordnung) Bundesnaturschutzgesetz Bundespolizeigesetz Bundesrepublik Deutschland Staatsgerichtshof der Freien Hansestadt Bremen Rahmengesetz zur Vereinheitlichung des Beamtenrechts (Beamtenrechtsrahmengesetz) Bundessozialhilfegesetz beispielsweise Bundestagsdrucksache Besonderer Teil Verwaltung (des TVöD) Buchstabe Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bundesverfassungsschutzgesetz Bundesverwaltungsgericht Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts Verwaltungsverfahrensgesetz (Bund) Baden-Württemberg Bayern beziehungsweise derselbe dieselbe(n) Digesten Deutsches Institut für Normung e. V. Dienstrechtsneuordnungsgesetz Der öffentliche Dienst Die Öffentliche Verwaltung Deutsches Richtergesetz Die Verwaltung Deutsches Verwaltungsblatt eingetragener Verein ebenda Einleitung Erläuterung(en) Essener Gespräche zum Thema Staat und Kirche Energiewirtschaftliche Tagesfragen (Zeitschrift) Europäische Grundrechte Zeitschrift Entscheidungssammlung zum Zuwanderungs-, Asyl- und Freizügigkeitsrecht folgende
26 FamFG Fn. FPR GenG GewArch. GG GGO GmbHG GVG GVwR2
Halbbd. HB HdbStKirchR2
HdbVerfR2 HE Herv. HGR
Hrsg. Hs. HStR
HStR3
i. O. i. S. d. i. S. v. i.V. m. ICAO
Abkürzungsverzeichnis Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (Familienverfahrensgesetz) Fußnote Familie, Partnerschaft, Recht Gesetz betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften Gewerbearchiv Grundgesetz Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung Gerichtsverfassungsgesetz Grundlagen des Verwaltungsrechts, herausgegeben von Wolfgang Hoffmann-Riem, Eberhard Schmidt-Aßmann und Andreas Voßkuhle, 3 Bde., 2. Aufl. (Bd. I: 2012; Bd. II: 2012; Bd. III: 2013) Halbband Bremen Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland, herausgegeben von Joseph Listl und Dietrich Pirson, 2 Bde., 2. Aufl. (Bd. I: 1994; Bd. II: 1995) Ernst Benda/Werner Maihofer/Hans-Jochen Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts, 2. Aufl. 1994 Hessen Hervorhebung Handbuch der Grundrechte in Deutschland und Europa, herausgegeben von Detlef Merten und Hans-Jürgen Papier, 12 (Teil-)Bde. (Bd. I: 2004; Bd. II: 2006; Bd. III: 2009; Bd. IV: 2011; Bd. V: 2013; Bd. VI/1: 2010; Bd. VI/2: 2009; Bd. VII/1: 2009; Bd. VII/2: 2007; Bd. VIII: 2017; Bd. IX: 2016; Bd. X: 2018) Herausgeber Halbsatz Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, herausgegeben von Josef Isensee und Paul Kirchhof, 10 Bde., 1./2.Aufl. (Bd. I: 2. Aufl. 1995; Bd. II: 2. Aufl. 1998; Bd. III: 2. Aufl. 1996; Bd. IV: 2. Aufl. 1999; Bd. V: 2. Aufl. 2000; Bd. VI: 1989; Bd. VII: 1992; Bd. VIII 1995; Bd. IX: 1997; Bd. X: 2000) Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, herausgegeben von Josef Isensee und Paul Kirchhof, 13 Bde., 3. Aufl. (Bd. I: 2003; Bd. II: 2004; Bd. III: 2005; Bd. IV: 2006; Bd. V: 2007; Bd. VI: 2008; Bd. VII: 2009; Bd. VIII: 2010; Bd. IX: 2011; Bd. X: 2012; Bd. XI: 2013; Bd. XII: 2014; Bd. XIII: 2015) im Original im Sinne des im Sinne von in Verbindung mit Chicagoer Abkommen über die internationale Zivilluftfahrt (engl.: Convention on International Civil Aviation)
Abkürzungsverzeichnis insb. JAmt JAR-OPS Jb. JHilfe JöR n. F. JURA JuS JWG JZ Kap. KErzG KHEntgG KHG KJBericht KJHG KommJur krit. lit. LKV LuftBO LuftPersV LuftSiG LuftVG LuftVO LuftVZO m. m.w. N. MediationsG medstra MV NdsVBl. NDV NJ NJW NordÖR Nr. Nrn. NStZ-RR NuR
27
insbesondere Das Jugendamt – Zeitschrift für Jugendhilfe und Familienrecht Joint Aviation Requirement for the operation of commercial air transport (aeroplanes) Jahrbuch Jugendhilfe Jahrbuch des öffentlichen Rechts neue Folge Juristische Ausbildung Juristische Schulung Jugendwohlfahrtsgesetz Juristenzeitung Kapitel Gesetz über die religiöse Kindererziehung Krankenhausentgeltgesetz Gesetz zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und zur Regelung der Krankenhauspflegesätze (Krankenhausfinanzierungsgesetz) Kinder- und Jugendbericht Kinder- und Jugendhilfegesetz Kommunaljurist kritisch(er) littera (lat. Buchstabe) Landes- und Kommunalverwaltung Betriebsordnung für Luftfahrtgerät Verordnung über Luftfahrtpersonal Luftsicherheitsgesetz Luftverkehrsgesetz Luftverkehrs-Ordnung Luftverkehrs-Zulassungs-Ordnung mit mit weiteren Nachweisen Mediationsgesetz Zeitschrift für Medizinstrafrecht Mecklenburg-Vorpommern Niedersächsische Verwaltungsblätter Nachrichtendienst des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge e. V. Neue Justiz Neue Juristische Wochenschrift Zeitschrift für öffentliches Recht in Norddeutschland Nummer Nummern Neue Zeitschrift für Strafrecht – Rechtsprechungs-Report Natur und Recht
28 NVwZ N(R)W NZV OVG PartGG PolG RdJB RegBegr. RGBl. Rn. S. SchfG SchiedsVZ SchulG SeemG SGB SL SN sog. Sp. SRa ST StWStP TA
TH TPG TRE TÜV TV-L TVöD u. a. UmwRG UPR USchadG UVP UVPG v. v. a. VereinsG Verf. VerwArch.
Abkürzungsverzeichnis Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Nordrhein-Westfalen Neue Zeitschrift für Verkehrsrecht Oberverwaltungsgericht Gesetz über Partnerschaftsgesellschaften Angehöriger Freier Berufe Polizeigesetz Recht der Jugend und des Bildungswesens Regierungsbegründung Reichsgesetzblatt Randnummer Seite, Satz Schornsteinfegergesetz Zeitschrift für Schiedsverfahren Schulgesetz Seemannsgesetz Sozialgesetzbuch Saarland Sachsen so genannte(r) Spalte Sozialrecht aktuell Sachsen-Anhalt Staatswissenschaft und Staatspraxis Tokioter Abkommen (Abkommen über strafbare und bestimmte andere an Bord von Luftfahrzeugen begangene Handlungen vom 14. September 1963) (BGBl. 1969 II S. 121) Thüringen Transplantationsgesetz Theologische Realenzyklopädie Technischer Überwachungsverein Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst unter anderem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz Umwelt- und Planungsrecht Umweltschadensgesetz Umweltverträglichkeitsprüfung Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung von/vom vor allem Gesetz zur Regelung des öffentlichen Vereinsrechts (Vereinsgesetz) Verfassung Verwaltungsarchiv
Abkürzungsverzeichnis VG VGH vgl. VM Vorb(em). VSSR VVDStRL VwGO VwVfG WiSt WRV ZAR ZBR ZevKR ZfJ ZfPäd ZFSH/SGB ZG ZHR ZKJ ZLW ZPO ZRP ZUR ZVglRWiss
29
Verwaltungsgericht Verwaltungsgerichtshof vergleiche Verwaltung und Management Vorbemerkung Vierteljahresschrift für Sozialrecht Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Verwaltungsgerichtsordnung Verwaltungsverfahrensgesetz Wirtschaftswissenschaftliches Studium Weimarer Reichsverfassung Zeitschrift für Ausländerrecht und Ausländerpolitik Zeitschrift für Beamtenrecht Zeitschrift für evangelisches Kirchenrecht Zentralblatt für Jugendrecht Zeitschrift für Pädagogik Zeitschrift für die sozialrechtliche Praxis Zeitschrift für Gesetzgebung Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Kindschaftsrecht und Jugendhilfe Zeitschrift für Luft- und Weltraumrecht Zivilprozessordnung Zeitschrift für Rechtspolitik Zeitschrift für Umweltrecht Zeitschrift für Vergleichende Rechtswissenschaft
§ 1 Einleitung „Dieser Staat muß sich auf jene Aufgaben beschränken, die unverwechselbar nur er erfüllen kann. Nur dann wird er seine volle demokratische Handlungsfähigkeit bewahren und sich entschlossen – wenn es nottut – auch gegen Widerstände durchsetzen.“ Helmut Kohl 1
A. Problemaufriss und thematische Einordnung Unsere Verfassung2 sieht in Art. 33 Abs. 4 GG vor, dass die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse – zumindest als ständige Aufgabe – regelmäßig Angehörigen des öffentlichen Dienstes, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen, sprich Beamten3, zu übertragen ist4. Die Übertragung auf Beamte wird durch die Verfassung dementsprechend als Idealtypus staatlicher Aufgabenwahrnehmung propagiert. Die Realität hingegen zeichnet schon seit geraumer Zeit ein deutlich verzerrtes Bild dieses verfassungsrechtlichen Befundes. Längst nicht alle Aufgaben, für deren Erfüllung der Staat die Verantwortung trägt, werden durch diesen selbst bzw. seine Beamten erfüllt. Schon der öffentliche Dienst bedient sich eines zweispurigen Systems, bei dem an die Seite der Beamten die Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes treten. Darüber hinaus wird eine Vielzahl eigentlich staatlicher Aufgaben heute von gesellschaftlichen Akteuren wahrgenommen. Voßkuhle stellt zutreffend fest, dass „die Beteiligung Privater an der Erfüllung öffentlicher Aufgaben [. . .] in freiheitlichen Ordnungen eine Alltäglichkeit dar[stellt].“ 5 1
Am 24. Mai 1976 auf dem Bundesparteitag der CDU in Hannover. Die Begriffe Staat und Verfassung sollen im Folgenden Verwendung finden, ohne dass damit eine Wertung im Sinne eines konservativen oder liberalen Verständnisses verbunden ist. 3 „Verbum hoc ,si quis‘ tam masculos quam feminas complectitur.“ (Corpus Iuris Civilis Dig. L, 16,1). In diesem Sinne sind im Folgenden, wenn aus Gründen der Übersichtlichkeit oder bei Wiedergabe des Gesetzeswortlautes lediglich die männliche Form verwendet wird, Personen aller Geschlechter gemeint. 4 Das ergibt sich bereits aus dem Hinweis auf das öffentlich-rechtliche Dienst- und Treueverhältnis, so u. a. BVerwGE 57, 55 (59); U. Battis, in: M. Sachs (Hrsg.), GG, 8. Aufl. 2018, Art. 33 Rn. 45; S. U. Pieper, in: B. Schmidt-Bleibtreu/H. Hofmann/H.-G. Henneke (Hrsg.), GG, 14. Aufl. 2018, Art. 33 Rn. 116 mit Hinweis auf den Zusammenhang zu Art. 33 Abs. 5 GG; B. Pieroth, in: H. D. Jarass/ders., GG, 15. Aufl. 2018, Art. 33 Rn. 40. 2
32
§ 1 Einleitung
Auch wenn die Einbindung gesellschaftlicher Kräfte sich stetig weiterentwickelt, ist die Privatisierungsdiskussion keineswegs neu. Sie wird bereits seit Ende des vergangenen Jahrhunderts ausführlich geführt und hat zahlreich und umfassend den Weg in die rechtswissenschaftliche Literatur gefunden6. Grund für den Wandel hin zu einer Einbindung gesellschaftlicher Kräfte bei der Wahrnehmung staatlicher Aufgaben war und ist die zunehmende Überforderung des Staates7. Auf Grundlage dieser Überforderung wurden die Rufe nach einer Verschlankung des Staates laut8. Diese erfolgt vor allem durch eine Entledigung staatlicher Aufgaben, um auf diese Weise den Staat handlungsfähig zu erhalten. Dabei handelt es sich – auch aufgrund des stetigen Wandels und Anstieges staatlicher Aufgaben – um einen fortdauernden Prozess. Die Privatisierungsdiskussion bleibt daher eine aktuelle9. Ein Großteil der Untersuchungen, die das Thema der Privatisierung zum Gegenstand haben, setzt sich mit der Struktur und Typologie der Privatisierung im Gesamten auseinander und versucht auf diese Weise, dem Ganzen einen greifba5 A. Voßkuhle, Beteiligung Privater an der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben und staatliche Verantwortung, in: VVDStRL 62 (2003), S. 266 (268). 6 Ausführliche Beiträge zur Privatisierung von Staatsaufgaben bspw. von W. Däubler, Privatisierung als Rechtsproblem, 1980; A. v. Hagemeister, Die Privatisierung öffentlicher Aufgaben, 1992; H. H. v. Arnim, Rechtsfragen der Privatisierung. Grenzen staatlicher Wirtschaftstätigkeit und Privatisierungsgebote, 1995; C. Gusy (Hrsg.), Privatisierung von Staatsaufgaben: Kriterien – Grenzen – Folgen, 1998; M. Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, 1999; C. Gramm, Privatisierung und notwendige Staatsaufgaben, 2001; J. A. Kämmerer, Privatisierung: Typologie – Determinanten – Rechtspraxis – Folgen, 2001; W. Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, 2001. So war die Privatisierung von Verwaltungsaufgaben 1994 Beratungsgegenstand der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer mit den Referaten von J. Hengstschläger, L. Osterloh, H. Bauer und T. Jaag, vgl. VVDStRL 54 (1995), S. 165 ff. 7 So auch Kämmerer, Privatisierung (Fn. 6), S. 1: „Der Leviathan, der mächtige, sei, heißt es, alt, schwach und fett geworden und mit seinen Aufgaben überfordert“. Das Bild des Staates als Leviathan nach Thomas Hobbes greift auch H. Siedentopf, Privatisierung öffentlicher Aufgaben – Begriff und Formen, in: G. R. Baum u. a. (Hrsg.), Privatisierung – Gewinn für wen?, 1980, S. 59 (60 f.) auf, um darauf aufbauend auf die Debatte von Privatisierung und Entstaatlichung, sowie Bedingungen und Formen der Privatisierung einzugehen. 8 Kämmerer, Privatisierung (Fn. 6), S. 2. Zum „schlanken Staat“ siehe bspw. V. Busse, Verfahrenswege zu einem „schlankeren Staat“, in: DÖV 1996, S. 389 (391); J. A. Kämmerer, Verfassungsstaat auf Diät? Typologie, Determinanten und Folgen der Privatisierung aus verfassungs- und gemeinschaftsrechtlicher Sicht, in: JZ 1996, S. 1042 (1042 f.); H. Ossenkamp, Verschlankung des Staates heißt vor allem: Reduzierung der Staatsaufgaben. Eine Zwischenbilanz der Arbeit im Sachverständigenrat „Schlanker Staat“, in: ZG 11 (1996), S. 160 ff.; K. König/N. Füchtner, „Schlanker Staat“ zwischen Bonn und Berlin, in: VerwArch. 90 (1999), S. 1 (insb. 10 ff.) mit einer Zwischenbilanz bis 1998; dies., „Schlanker Staat“ – eine Agenda der Verwaltungsmodernisierung im Bund, 2000. Aus anderer Perspektive D. Bösenberg/R. Hauser, Der schlanke Staat. Lean-Management statt Staatsbürokratie, 1994, insb. S. 14 ff., 230 ff. 9 Voßkuhle, Beteiligung (Fn. 5), S. 268: „Zeitlosigkeit und Zeitbedingtheit des Themas“.
A. Problemaufriss und thematische Einordnung
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ren Rahmen zu verleihen. Grund dafür ist, dass im Hinblick auf die Beteiligung Privater an der Wahrnehmung staatlicher Aufgaben bisher kein wirkliches System erkennbar ist10. So haben sich im Rahmen der Privatisierungsdiskussion verschiedene Formen der Privatisierung herausgebildet, die über die Dichotomie von formeller und materieller Privatisierung hinausgehen, ohne dass sich dabei bisher ein wirklich einheitliches Konzept ergeben hätte11. Auf diese unterschiedlichen Formen der Privatisierung wird in der Folge zwar zur Schaffung eines Grundverständnisses einzugehen sein12, die vorliegende Untersuchung soll aber keinen eigenständigen Beitrag zu den Grundfragen der Privatisierung oder der Staatsaufgabenlehre darstellen. Sie sollen lediglich den begrifflichen wie thematischen Rahmen für die vorliegende Untersuchung bilden. Die Einbeziehung privaten Sachverstandes bei der Wahrnehmung staatlicher Aufgaben mag aus Gründen der Effektivität und der Verschlankung des Staates unausweichlich sein und zahlreiche Vorteile mit sich bringen, sie birgt aber auch Gefahren. Durch Übertragung staatlicher Aufgaben auf Private – sei es gänzlich in Form einer (materiellen) Aufgabenprivatisierung, funktional als Beliehene oder in einer irgendwie gearteten Kooperation – kommt ein neuer Akteur zu den Beamten und den sonstigen Angehörigen des öffentlichen Dienstes hinzu, der nicht vergleichbar in die Staatsorganisation eingebunden ist und vor allem nicht per se die gleichen Voraussetzungen mitbringt. Dementsprechend drängt sich die Frage auf, welche Anforderungen der Staat in organisatorischer wie fachlicher Hinsicht an gesellschaftliche Akteure im Rahmen der Übertragung staatlicher Aufgaben stellt bzw. überhaupt stellen darf 13. Einen Ansatz in diese Richtung bot eine Tagung des Halleschen Forums für Verwaltungsrecht 2009 in Magdeburg mit dem Thema „Verfassungstreue jenseits des Beamtentums“ 14. Dort wurde das Problem eines möglichen Loyalitätsverlustes bei der Privatisierung staatlicher Aufgaben diskutiert. Während Beamte und auch sonstige Angehörige
10 Zutreffend M. Heintzen, Beteiligung Privater an der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben und staatliche Verantwortung, in: VVDStRL 62 (2003), S. 220 (226). 11 G. F. Schuppert, Die Privatisierungsdiskussion in der deutschen Staatsrechtslehre, in: StWStP 5 (1994), S. 541 (543), weist auch darauf hin, dass es keinen einheitlichen Privatisierungsbegriff gibt, sich im Ergebnis aber vier Grundmodelle durchgesetzt hätten – formelle, materielle und funktionelle Privatisierung, sowie Vermögensprivatisierung; Kämmerer, Privatisierung (Fn. 6), S. 23 f., der in diesem Zusammenhang auch auf die „Vielzahl individueller Konzeptionen“ hinweist; G. Blersch, Deregulierung und Wettbewerbsstrategie. Eine Empirische Analyse, 2007, S. 24. 12 Vgl. dazu sogleich unter § 2 B. III. (S. 56 ff.). 13 Diese Frage wirft F. Wittreck in seinem (unveröffentlichten) Gutachten zum Status islamischer Verbände in Nordrhein-Westfalen als „Religionsgemeinschaften“ i. S. v. Art. 7 Abs. 3 S. 2 GG, erstattet im Auftrag der Staatskanzlei des Landes NordrheinWestfalen, Januar 2015, S. 25 ff. auf. 14 Die Vorträge von W. Kluth, J. A. Kämmerer, U. Widmaier und V. Epping sind abgedruckt in: W. Kluth (Hrsg.), Verfassungstreue jenseits des Beamtentums, 2011.
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§ 1 Einleitung
des öffentlichen Dienstes erhöhte Loyalitätsmaßstäbe zu erfüllen haben15, ist dies bei Privaten grundsätzlich erst einmal nicht der Fall16. Auch hier geht es also um die Frage, inwieweit ein Kriterium, welches Beamte und Angehörige des öffentlichen Dienstes zu erfüllen haben, auf Private im Rahmen einer Privatisierung zu übertragen ist. Kämmerer bedient sich in diesem Zusammenhang eines Modells der „Umlaufbahnen“ 17. Er beschreibt dabei den Staat als Mittelpunkt, um welchen man gedanklich konzentrische Kreise legen könne, auf denen sich private Rechtsträger positionieren ließen. Auf diese Weise beschreibt er den abnehmenden „funktionalen Staatsbezug“ der Aufgabenwahrnehmung, der auch Auswirkungen auf die Anforderungen an die Verfassungstreue hat. Beschränkt war die Debatte allerdings auf die Loyalität bzw. Verfassungstreue als Kernkriterium des öffentlichen Dienstes. Dies reicht aber nicht aus, um ganz grundsätzlich aufzuzeigen, welches Problem sich ergibt, wenn der Staat sich Privater bedient: Welche Voraussetzungen kann und darf er stellen?
B. Gegenstand, Erkenntnisinteresse und Methodik der Untersuchung Genau diese Frage soll daher Gegenstand der vorliegenden Untersuchung sein, allerdings ohne sie auf das Merkmal der Verfassungstreue zu beschränken. Ziel ist es, in ausgewählten Bereichen herauszuarbeiten, welche Voraussetzungen der Staat an private Akteure stellt. Die Begrenzung einer Untersuchung auf ausgewählte Bereiche birgt zwar die Gefahr, dem Vorwurf der Beliebigkeit ausgesetzt zu sein, ist aber aufgrund der Fülle privater Aufgabenwahrnehmung unumgänglich; eine umfassende Untersuchung jeglicher privaten Aufgabenwahrnehmung würde jeden Rahmen sprengen. Die Auswahl muss andererseits gewisse Voraussetzungen erfüllen, um Aussagekraft zu entwickeln. Sie muss die Möglichkeit bieten, einen breiten Bereich verschiedener Privatisierungsmodelle abzudecken und zudem die Vergleichbarkeit der verschiedenen Bereiche eröffnen. Ausgangspunkt der Überlegungen ist die Frage, welche Voraussetzungen eine Religionsgemeinschaft erfüllen muss, damit diese – in Kooperation mit dem Staat – Religionsunterricht im Sinne des Art. 7 Abs. 3 S. 2 GG anbieten darf 18. Diese Frage stand in der jüngeren Vergangenheit und steht auch heute noch mit Blick auf den islamischen Religionsunterricht in der öffentlichen Diskussion. Sie
15
Dazu unter § 4 A. II. (S. 226 ff.) bzw. § 4 B. (S. 233 ff.). W. Kluth, Verfassungstreue jenseits des Beamtentums – Überlegungen zur Einführung in die Thematik, in: ders., Verfassungstreue (Fn. 14), S. 9 (10). 17 Zum Folgenden J. A. Kämmerer, Die Konzeption der Verfassungstreue im Verfassungs- und Gemeinschaftsrecht, in: Kluth, Verfassungstreue (Fn. 14), S. 13 (15). 18 Dazu Wittreck, Gutachten (Fn. 13), S. 25 ff., 33 ff. 16
C. Gliederung und Gang der Untersuchung
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war nicht nur Inhalt höchstrichterlicher Rechtsprechung19, sondern wurde auch in der Literatur zahlreich besprochen20. Von diesem Bereich ausgehend wurde die Auswahl der anderen untersuchten Bereiche getroffen. Dabei drängte sich eine Untersuchung der Kinder- und Jugendhilfe als Vergleich auf. Diese bewegt sich in weiten Teilen im unmittelbaren Umfeld zur Schule und dementsprechend auch zum Religionsunterricht. Dies legt intuitiv die Vorstellung nahe, dass an beide Bereiche ähnliche Voraussetzungen zu stellen sein müssten, da eine vergleichbare Einflussnahme auf Dritte besteht. Die weitergehend untersuchten Bereiche des Klagerechts umweltrechtlicher Vereinigungen und der „Bordgewalt“ des verantwortlichen Luftfahrzeugführers“ wurden unter dem Gesichtspunkt der „Fallhöhe“ bzw. Intensität der übertragenen Aufgaben bzw. Befugnisse gewählt. Diese Auswahl ergibt sich ebenfalls aus der Vorgabe, ein möglichst breites Spektrum privater Aktivität bei der Wahrnehmung staatlicher Aufgaben zu untersuchen. Während die Befugnisse, die § 12 LuftSiG dem „verantwortlichen Luftfahrzeugführer“ einräumt, auf den ersten Blick eine besonders hohe Intensität aufweisen, ist dies beim (Verbands-)Klagerecht von Umwelt- bzw. Naturschutzvereinigung nach § 3 UmwRG gerade nicht der Fall. Die Ausgangsprämisse der vorliegenden Untersuchung lautet: Je bedeutender die „Fallhöhe“ bzw. Intensität einer übertragenen Aufgabe ist, desto höher müssen auch die Anforderungen sein, die an den privaten Akteur, der diese Aufgabe wahrnimmt oder bei der Wahrnehmung mitwirkt, gestellt werden. Aus methodischer Sicht soll dazu ein Kriterienkatalog entwickelt werden, der es ermöglicht, die unterschiedlichen Bereiche auf die Ausgangsprämisse hin zu untersuchen und zu strukturieren. Dieser Katalog soll als eine Art „Blaupause“ dienen, nicht nur für die in dieser Untersuchung berücksichtigten Bereiche, sondern als generelles Raster für die Einordnung einer staatlichen Aufgabe bei der Frage nach den zu stellenden Voraussetzungen. Ziel soll es dabei sein, aufzuzeigen, ob diese, von staatlicher Seite gestellten, Voraussetzungen kohärent sind, oder, ob sich Widersprüche ergeben, die gegebenenfalls sogar in verfassungsrechtlichen Bedenken münden.
C. Gliederung und Gang der Untersuchung Die vorliegende Untersuchung gliedert sich in die Einleitung (§ 1) und sieben weitere Kapitel (§§ 2–8). Zunächst soll im zweiten Kapitel eine Annäherung an die für die Untersuchung maßgeblichen Begriffe – Staatsaufgaben, Privatisierung und Verfassungstreue – stattfinden (§ 2). Auf diese Weise soll der begriffliche wie thematische Rahmen der Arbeit abgesteckt werden. Dies gilt vor allem im Hinblick auf die Staatsaufgabenlehre. Der Staatsaufgabenbegriff, die Abgren19 BVerwGE 123, 49. Auch hierbei stand maßgeblich die Verfassungstreue der Religionsgemeinschaften im Mittelpunkt der Entscheidung. 20 Eine Übersicht über die zu diesem Thema erschienene Literatur unter § 3 C. I. 1. (S. 119 in Fn. 159).
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§ 1 Einleitung
zung zwischen öffentlichen Aufgaben und Staatsaufgaben und daran anschließend die Darstellung der verschiedenen Arten von Staatsaufgaben sind grundlegend für das Verständnis der vorliegenden Untersuchung. Nur wenn der Begriff der Staatsaufgabe bestimmt ist, kann untersucht werden, unter welchen Umständen eine solche auf einen privaten Akteur übertragen werden kann. Nach der Bestimmung des für die Arbeit zugrunde zu legenden Staatsaufgabenbegriffes wird der Versuch unternommen, den Begriff der Privatisierung näher zu definieren. Dazu werden die verschiedenen Privatisierungsformen abgegrenzt und die verfassungsrechtlichen Grenzen der Privatisierung – insbesondere der Funktionsvorbehalt des Art. 33 Abs. 4 GG – untersucht. Das erste Kapitel abschließend werden das titelgebende Merkmal der Verfassungstreue, ihre verfassungsrechtliche Grundlage und ihr Inhalt näher beschrieben. Damit sind die begrifflichen Grundlagen für die anschließende Untersuchung gelegt. Der Kernbereich der vorliegenden Arbeit lässt sich in drei Abschnitte unterteilen: die Bestandsaufnahme privatisierungsrelevanter Bereiche zu Beginn (§ 3), die Darstellung des Vergleichsmaßstabes und die Ausarbeitung des Kriterienkataloges für die Analyse im Anschluss (§§ 4 und 5) sowie abschließend die Untersuchung der ausgewählten Bereiche anhand des entwickelten Kriterienkataloges (§ 6). Ausgangspunkt der Untersuchung ist also zunächst eine Bestandsaufnahme vorhandener Privatisierungsbereiche. Dabei ist es nicht das Ziel, eine umfassende Darstellung aller Bereiche, in denen der Staat sich Privater bedient, zu erarbeiten, sondern vielmehr einen Überblick zu verschaffen. So soll aufgezeigt werden, wo Schwerpunkte staatlicher Privatisierungstätigkeit liegen. Die Bestandsaufnahme ist dabei auf zwei Ebenen aufgefächert. Die erste differenziert auf Grundlage der drei Staatsgewalten – Legislative, Judikative und Exekutive. Die zweite gliedert den Bereich der Exekutive weitergehend anhand unterschiedlicher Staatsaufgaben. Untersucht werden dabei die Bereiche des Bildungswesens, des Umweltschutzes und der inneren Sicherheit. Dabei werden im Ergebnis vier Fälle staatlicher Aufgabenübertragungen herausgegriffen: Der konfessionelle Religionsunterricht, die Kinder- und Jugendhilfe, das Klagerecht umweltschutzrechtlicher Vereinigungen und abschließend der verantwortliche Luftfahrzeugführer. Diese werden daraufhin untersucht, welche Voraussetzungen der Staat an den Privaten stellt, damit dieser die Aufgaben wahrnehmen darf. In diesem ersten Schritt der Untersuchung werden die Voraussetzungen zunächst wertungsfrei herausgearbeitet. Außerdem wird jeweils die Form der Übertragung anhand der im zweiten Kapitel gefunden Privatisierungsformen bestimmt. Dies ist erforderlich, um gegebenenfalls im Rahmen der späteren Untersuchung Rückschlüsse aufgrund der gewählten Privatisierungsform ziehen zu können. Das vierte Kapitel widmet sich in der gebotenen Kürze dem anzulegenden Vergleichsmaßstab. Dabei ist offensichtlich, dass dies sinnigerweise nur der Berufsbeamte bzw. die an ihn gestellten Voraussetzungen sein können. Dies ergibt sich bereits aus der Regelung des Art. 33 Abs. 4 GG, die vorsieht, dass die Aus-
C. Gliederung und Gang der Untersuchung
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übung hoheitsrechtlicher Befugnisse grundsätzlich Aufgabe ebendieser Berufsbeamten ist. Die Voraussetzungen, die ein Beamter zu erfüllen hat, werden dabei in drei Gruppen unterteilt: Die Staatsangehörigkeit, die Treuepflicht als maßgebliches Kriterium und abschließend die Befähigung. Daneben finden auch die Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes als zweite Gruppe von Berufsträgern im zweispurigen System des öffentlichen Dienstes Berücksichtigung. Herzstück der Untersuchung ist das fünfte Kapitel, welches der Entwicklung des Kriterienkataloges dient. Als Ausgangspunkt dient dabei das „Modell der Umlaufbahnen“, welches Kämmerer mit Blick auf das Merkmal der Verfassungstreue aufgeworfen hat. Darauf aufbauend werden vier Kriterien herausgearbeitet, die es ermöglichen, dieses Modell nicht nur auf das Merkmal der Verfassungstreue, sondern auf den Prozess einer staatlichen Aufgabenübertragung im Gesamten anzuwenden. Sie füllen also das von Kämmerer entwickelte Modell mit Inhalt. Die Kriterien werden dabei maßgeblich aus verfassungsrechtlichen Prinzipien hergeleitet. Entledigt sich der Staat einer Aufgabe und überträgt diese auf einen gesellschaftlichen Akteur, drängen sich primär zwei Fragen auf. Zum einen, inwieweit der Private bei der Aufgabenwahrnehmung demokratischer Legitimation bedarf und ob diese in ausreichendem Maße vorhanden ist und zum anderen, welche Verantwortung dem Staat nach Übertragung der Aufgabe noch zukommt. Legitimation und Verantwortung sollen daher die ersten beiden Kriterien der Untersuchung sein21. Weitergehend wird die grundrechtliche Relevanz des jeweiligen Bereiches als Kriterium eingeführt. Auf diese Weise soll die unterschiedliche „Fallhöhe“ der Bereiche offengelegt werden. Den Kanon der Untersuchungskriterien vervollständigen soll die Frage nach der Motivation des Privaten, eine staatliche Aufgabe zu übernehmen. Im sechsten Kapitel wird der entwickelte Kriterienkatalog auf die vier im dritten Kapitel ausführlich untersuchten Bereiche angewendet. Dies geschieht mit Blick auf die Frage, inwieweit die jeweils vorgefundenen Voraussetzungen, die an den Privaten im Rahmen der Aufgabenübertragung gestellt werden, in einem angemessenen Verhältnis zu der ihm tatsächlich eingeräumten Stellung stehen. Dabei werden zu Beginn der Untersuchung eines jeweiligen Bereiches die gefundenen Voraussetzungen den drei Gruppen an Voraussetzungen zugeordnet, die sich mit Blick auf den Berufsbeamten herausgebildet haben. Diese Zuordnung hat einen heuristischen Wert für die Untersuchung. Im Anschluss wird der jeweilige Bereich auf Grundlage der vier Kriterien untersucht. Den Abschluss der Arbeit bilden eine Schlussbetrachtung im Hinblick auf die im sechsten Kapitel vorgenommene Untersuchung (§ 7) und eine Zusammenfassung der Ergebnisse in Form von Thesen (§ 8). 21 Zutreffend insoweit W. Hoffmann-Riem, Tendenzen in der Verwaltungsentwicklung, in: DÖV 1997, S. 433 (438 ff., insb. 440 ff.), der Verantwortung und Legitimation als „Schlüsselbegriffe zum Verständnis komplexer Verwaltungsvorgänge“ ansieht.
§ 2 Staatsaufgaben, Privatisierung, Verfassungstreue: Eine Einführung in die untersuchungsrelevanten Begriffe Da es sich beim titelgebenden Begriff der Indienstnahme lediglich um einen Oberbegriff für verschiedene Formen der Übertragung staatlicher Aufgaben auf Akteure der Zivilgesellschaft und somit der Privatisierung handelt, sind zunächst die Begriffe der Staatsaufgabe und der Privatisierung näher zu untersuchen. Ein Grundverständnis dieser Begriffe ist für den Untersuchungsinhalt dieser Arbeit unerlässlich. Neben der Einführung in diese beiden Bereiche sollen aber auch der Begriff und der Inhalt der Verfassungstreue aufgearbeitet werden, deren Voraussetzungen einen zentralen Prüfungsgegenstand dieser Arbeit darstellen.
A. Der Begriff der Staatsaufgaben Bevor man den Begriff und die Möglichkeiten einer Privatisierung staatlicher Aufgaben untersuchen kann, ist es erforderlich, sich zumindest im Überblick mit der Staatsaufgabenlehre auseinanderzusetzen1. Erst wenn festgelegt ist, welche Aufgaben dem Staat selbst zustehen, kann untersucht werden, auf welche Weise eine Übertragung dieser Aufgaben möglich erscheint und ob gegebenenfalls Übertragungsgrenzen bestehen. Insoweit dient der Begriff der Staatsaufgabe als Einstieg in den Bereich der Privatisierung2. Da der Staatsaufgabenbegriff allerdings, wie Gramm zu Recht anmerkt, eine gewisse Unschärfe aufweist, bedarf es zunächst eines näheren Definitionsversuchs3. Dabei ist es von Vorteil, sich dem Staatsaufgabenbegriff vom allgemeinen Verständnis der „Aufgabe“ her zu nähern und daher zunächst die Bedeutung des Begriffs der „Aufgabe“ im Allgemeinen festzulegen.
I. Zur „Aufgabe“ im Allgemeinen Zunächst soll auf den Begriff der „Aufgabe“ im Allgemeinen eingegangen werden und auf die Frage, welches Verständnis diesem Begriff entgegengebracht 1 So bereits H. Dreier, Hierarchische Verwaltung im demokratischen Staat, 1991, S. 252 f., Fn. 178. C. Gramm, Privatisierung und notwendige Staatsaufgaben, 2001, S. 20 f. bezeichnet die Privatisierungsdiskussion als „eine Art Kehrseite der Staatsaufgabendiskussion“. Auch W. Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, 2002, S. 53, stellt unter Hinweis auf Dreier zutreffend fest, dass ohne eine fundierte Staatsaufgabenlehre die Erörterungen zum Bereich der Privatisierung in gewisser Weise in der Luft hingen. 2 L. Osterloh, Privatisierung von Verwaltungsaufgaben, in: VVDStRL 54 (1995), S. 204 (207). 3 Gramm, Privatisierung (Fn. 1), S. 31.
A. Der Begriff der Staatsaufgaben
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wird. Krautzberger arbeitet in seiner Untersuchung heraus, dass sich dem Grunde nach zwei verschiedene Gruppen von Bedeutungen in Bezug auf die „Aufgabe“ unterscheiden lassen, denen für eine juristische Untersuchung Relevanz zukomme4. Zum einen könne man „Aufgabe“ synonym mit Begriffen wie „Anordnung“ oder „Auftrag“ verwenden. Dies würde der „Aufgabe“ einen imperativen, pflichtbegründenden Sinngehalt verleihen5. Zum anderen könne „Aufgabe“ aber auch im Sinne von „Anvertrauen“ oder „Überlassen“ verstanden werden. Bei einem solchen Verständnis würde der pflichtbegründende Charakter in den Hintergrund rücken und an dessen Stelle eher eine Bedeutung vergleichbar mit einer „Befugnis“ treten6. Diese beiden möglichen Bedeutungen des Begriffs der „Aufgabe“ haben also einen grundlegend unterschiedlichen Charakter. Entscheidend für das Begriffsverständnis könnte sein, wer als Träger der Aufgabe angesehen werden kann. Bei Aufgaben des Staates kann von einem pflichtbegründenden Charakter ausgegangen werden7. Anderes muss gelten, wenn es sich um Aufgaben handelt, die der Gesellschaft zukommen. In diesem Falle kann eine Pflicht zur Wahrnehmung grundsätzlich nicht angenommen werden8. Es müsste also zwischen solchen Aufgaben unterschieden werden, die dem Staat zugeordnet sind, und solchen, die in die Sphäre der Gesellschaft fallen. Das würde aber dazu führen, dass ein gespaltenes Verständnis des Aufgabenbegriffs gelten würde. Die Aufspaltung der Begriffsbedeutung der Aufgabe unter Bezugnahme auf den jeweiligen Träger ist aber nicht weiterführend, da mit ihr Abgrenzungsschwierigkeiten verbunden wären. Sinnvoller erscheint es, unter „Aufgaben“ Zuständigkeitsbereiche zu verstehen9. Ein solches Verständnis ist für den Begriff in seiner Allgemeingültigkeit zutreffender, da es zu einer Unabhängigkeit vom Träger der Aufgabe führt. Dies widerspricht auch nicht der Annahme, dass eine 4
M. Krautzberger, Die Erfüllung öffentlicher Aufgaben durch Private, 1971, S. 42. Krautzberger, Erfüllung (Fn. 4), S. 42; P. Kirmer, Der Begriff der öffentlichen Aufgaben in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, 1995, S. 46; R. Hermes, Die grundgesetzliche Zuordnung öffentlicher Angelegenheiten zu ihren originären Trägern in der verfassungsrechtlichen Ordnung von Staat und Gesellschaft, 1996, S. 51 f.; Weiß, Privatisierung (Fn. 1), S. 26. 6 Krautzberger, Erfüllung (Fn. 4), S. 42. 7 Vgl. dazu auch Kirmer, Begriff (Fn. 5), S. 46; Weiß, Privatisierung (Fn. 1), S. 26, der eine solche Bedeutung in Bezug auf Staatsaufgaben auch für richtig und angebracht hält. 8 Weiß, Privatisierung (Fn. 1), S. 27, wobei die Möglichkeit von Verpflichtungen Privater in Form von Freiheitseingriffen laut Weiß dennoch besteht. 9 Krautzberger, Erfüllung (Fn. 4), S. 42. Anders aber Weiß, Privatisierung (Fn. 1), S. 27, der sich dafür trotz dieses Problems dafür ausspricht, weiterhin von einem pflichtbegründenden Verständnis des Aufgabenbegriffs auszugehen, obwohl auch Private umfasst sind, denen keine Pflicht auferlegt ist. Diesen stünde grundsätzlich zwar lediglich die Möglichkeit offen, Aufgaben wahrzunehmen, es könnten sich aber auch Verpflichtungen in Form von Freiheitseingriffen ergeben. 5
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§ 2 Staatsaufgaben, Privatisierung, Verfassungstreue
„Aufgabe“ die Ausrichtung auf ein Ziel erkennen lässt10. Dafür ist nicht zwingend erforderlich, dass eine Pflicht zur Erfüllung der Aufgabe besteht. Vielmehr kann auch ein ganzer Tätigkeitsbereich in seiner Gesamtheit auf ein bestimmtes Ziel hin ausgerichtet sein. Innerhalb eines solchen Bereichs sind verpflichtende und nicht verpflichtende Aufgaben denkbar. Insoweit ist auch eine strikte Unterscheidung der Begriffe „Aufgabe“ und „Kompetenz“ nicht zwingend11. Vielmehr meint der Begriff der „Aufgabe“ laut Krautzberger als Rechtsbegriff oftmals „Kompetenzzuweisung“ 12. Es ist vorzugswürdig, von einem solchen Verständnis des Aufgabenbegriffs auszugehen, da nur dieser die Verwendung des Aufgabenbegriffs sowohl in der staatlichen als auch in der gesellschaftlichen Sphäre möglich macht. Setzte man den imperativen Charakter einer „Aufgabe“ zwingend voraus, wäre eine uneingeschränkte Verwendung des Begriffs im gesellschaftlichen Bereich nicht angezeigt. Für die vorliegende Arbeit soll der Begriff der „Aufgabe“ daher als „Kompetenzzuweisung“ verstanden werden.
II. Zu den Staatsaufgaben Es ist in der Folge herauszuarbeiten, welche Aufgaben dem Staat zugeordnet werden und damit unter den Staatsaufgabenbegriff fallen. Diese Einordnung ist entscheidend für die Frage, welche Aufgaben auf Akteure der Zivilgesellschaft übertragen werden können. Dabei werden überwiegend zwei konträre Ansätze verfolgt. Zu unterscheiden sind einerseits ein materiell bestimmter Staatsaufgabenbegriff und andererseits ein formelles Verständnis. 1. Materieller Staatsaufgabenbegriff Auf der einen Seite wird versucht, den Begriff der Staatsaufgaben materiell zu bestimmen. Danach wären Staatsaufgaben nur solche Aufgaben, die sich aus der Verfassung selbst oder aber aus den Staatszwecken entnehmen lassen13. So erge10 So auch Krautzberger, Erfüllung (Fn. 4), S. 43. Anders Kirmer, Begriff (Fn. 5), S. 45, die genau aus diesem Grund für ein pflichtbegründendes Verständnis des Aufgabenbegriffs plädiert. 11 Dafür spricht sich aber Weiß, Privatisierung (Fn. 1), S. 26, aus, der davon ausgeht, dass Kompetenzen Zuständigkeiten beschreiben und Aufgaben Verpflichtungen und damit bereits erkennen lässt, dass er sich im Ergebnis für ein pflichtbegründendes Aufgabenverständnis ausspricht. 12 Unter Hinweis auf die Verwendung in Landesverfassungen Krautzberger, Erfüllung (Fn. 4), S. 42. Daneben ist es denkbar, von einem „Folgeverhältnis“ von „Aufgabe“ und „Kompetenz“ auszugehen. Vgl. zu dem Vorschlag, von einem „Folgeverhältnis“ auszugehen, die Ausführungen bei Krautzberger, Erfüllung (Fn. 4), S. 44. 13 Für einen solchen materiellen Staatsaufgabenbegriff: P. Häberle, Verfassungsrechtliche Staatsaufgabenlehre, in: AöR 111 (1986), S. 595 (600 f.); H. Schulze-Fielitz, Staatsaufgabenentwicklung und Verfassung, in: D. Grimm (Hrsg.), Wachsende Staats-
A. Der Begriff der Staatsaufgaben
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ben sich Staatsaufgaben laut Häberle immer aus dem durch die Verfassung konstituierten politischen Gemeinwesen14. Demnach wäre es dem Staat nicht möglich, andere als die in der Verfassung verankerten Aufgaben wahrzunehmen. So merkt auch Schulze-Fielitz an, dass Staatsaufgaben nichts anderes als Verfassungsaufgaben seien, und folgt damit ebenfalls einem materiellen Verständnis der Staatsaufgaben15. Die Verfassung stelle umfassend und konstitutiv den Rechtsgrund für jegliches staatliche Handeln dar16. Daneben könnten lediglich die Staatszwecke eine Grundlage für staatliches Handeln darstellen17. Unter den Staatszwecken versteht man die Zwecke, an denen der Staat sein Handeln auszurichten hat18. Diesen Zwecken ist der Staat als solcher gewidmet und existiert ihretwegen überhaupt erst19. Diese Auffassung setzt dem staatlichen Handeln also vergleichsweise enge Grenzen und die Befugnisse wären durch den Rahmen der Verfassung stark begrenzt. 2. Formeller Staatsaufgabenbegriff Demgegenüber wird überwiegend von einem formellen Staatsaufgabenbegriff ausgegangen. Demnach seien Staatsaufgaben solche Aufgaben, die der Staat für sich in Anspruch nehme und die er aufgrund einer ihm zustehenden Kompetenz auch in Anspruch nehmen dürfe20. Dies meint allerdings nicht, dass sich diese aufgaben – sinkende Steuerungsfähigkeit des Rechts, 1990, S. 11 (15 f.); A. Nünke, Verwaltungshilfe und Inpflichtnahme des Sicherheitsgewerbes, 2005, S. 33 f. 14 Häberle, Staatsaufgabenlehre (Fn. 13), S. 600 f. 15 Schulze-Fielitz, Staatsaufgabenentwicklung (Fn. 13), S. 15. 16 D. Grimm, Deutsche Verfassungsgeschichte 1776–1866, 1988, S. 12; Schulze-Fielitz, Staatsaufgabenentwicklung (Fn. 13), S. 15. 17 Vgl. Weiß, Privatisierung (Fn. 1), S. 91, der einen Zusammenhang der Aufgabe mit den Staatszwecken als verbindlich ansieht. Dies allerdings nur als zusätzliche Voraussetzung, da der formelle Staatsaufgabenbegriff ansonsten zu konturlos erschiene. Im Ergebnis folgt Weiß damit dennoch im Grundsatz einem erweiterten formellen Staatsaufgabenbegriff. Für eine zwingende Verknüpfung mit dem Staatszweck plädiert auch W. Herschel, Staatsentlastende Tätigkeit im Arbeitsschutz, in: R. Dietz/H. Hübner (Hrsg.), Festschrift für Hans Carl Nipperdey zum 70. Geburtstag, Bd. II, 1965, S. 221 (232). Kritisch dazu aber beispielsweise A. Mackeben, Grenzen der Privatisierung der Staatsaufgabe Sicherheit, 2004, S. 75, Fn. 350, der den Begriff der Staatszwecke für zweifelhaft hält und darin keinen über den Begriff der Staatsaufgaben hinausgehenden Zweck erblickt. So sei jeder Existenzzweck des Staates notwendigerweise auch dessen Aufgabe. 18 S. Habermann, Gebühren für Gefahrenabwehr, 2011, S. 103. 19 J. Isensee, Staatsaufgaben, in: HStR3 IV, § 73 Rn. 7 in Abgrenzung zu den Staatszielen, denen sich der aufgrund der Staatszwecke entstandene Staat in der Folge widme. 20 Überwiegende Ansicht, vgl. dazu H. Peters, Öffentliche und staatliche Aufgaben, in: R. Dietz/H. Hübner (Hrsg.), Festschrift für Hans Carl Nipperdey zum 70. Geburtstag, Bd. II, 1965, S. 877 (880); W. Martens, Öffentlich als Rechtsbegriff, 1969, S. 119; H. P. Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, 2. Aufl. 1977, S. 50; Osterloh, Privatisierung (Fn. 2), S. 207; M. Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, 1999, S. 48 f., 61; Mackeben, Grenzen (Fn. 17), S. 50; Isensee (Fn. 19), § 73 Rn. 13; Habermann, Gebühren (Fn. 18), S. 44 f.
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§ 2 Staatsaufgaben, Privatisierung, Verfassungstreue
Aufgaben zwingend aus der Verfassung ergeben müssen. Vielmehr seien alle Aufgaben gemeint, mit denen sich der Staat im Rahmen des geltenden Rechts befasse21. Dabei handele es sich um solche Aufgaben, die im öffentlichen Interesse stehen22, denn nur dort könne der Staat überhaupt tätig werden23. Das Bundesverfassungsgericht hatte den Begriff der Staatsaufgabe zunächst so definiert, dass eine Aufgabe dann eine staatliche sei, wenn sich der Staat mit dieser Aufgabe befasse, und sich damit auf die Seite eines sehr weiten formellen Staatsaufgabenbegriffs gestellt24. Dieses Verständnis des Bundesverfassungsgerichts hätte aber auch solche Aufgaben umfasst, die der Staat mangels Kompetenzen nicht wahrnehmen darf 25. Der ursprüngliche Ansatz des Bundesverfassungsgerichts ging also zu weit und bedurfte der Einschränkung, dass dem Staat für die Aufgabenwahrnehmung auch die nötige Kompetenz zugewiesen sei26. Mittlerweile hat sich das Bundesverfassungsgericht der Auffassung angeschlossen, dass die Zulässigkeit der Aufgabenwahrnehmung erforderlich ist27. Die Rechtsprechung geht also jetzt mit dem überwiegenden Teil der Literatur davon aus, dass Staatsaufgaben solche sind, die der Staat zulässigerweise für sich in Anspruch nimmt. Insofern wurde der ursprünglich vom Bundesverfassungsgericht vertretene formelle Staatsaufgabenbegriff um eine Voraussetzung erweitert. 3. Stellungnahme Die Stimmen, die einen materiellen Staatsaufgabenbegriff befürworten, können nicht überzeugen. Legt man mit dieser Ansicht fest, dass lediglich die Verfassung und die Staatszwecke als Grundlage für Staatsaufgaben in Betracht kommen, ist die Handlungsfähigkeit des Staates insgesamt zu stark eingeschränkt. Manche Vertreter dieser Ansicht machen zwar geltend, der Staat könne, wenn 21 So Burgi, Privatisierung (Fn. 20), S. 61; Mackeben, Grenzen (Fn. 17), S. 50; Habermann, Gebühren (Fn. 18), S. 44 f. 22 Vgl. Habermann, Gebühren (Fn. 18), S. 49, zum öffentlichen Interesse als Merkmal. 23 BVerfGE 15, 235 (241). Aus der Literatur Martens, Rechtsbegriff (Fn. 20), S. 117 ff.; Burgi, Privatisierung (Fn. 20), S. 43. 24 BVerfGE 12, 205 (243). Dies hätte laut Burgi, Privatisierung (Fn. 20), S. 49, allerdings den Vorteil, dass man Staatsaufgaben sehr einfach bestimmbar machen würde. 25 Insofern ist die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu Recht auf Kritik gestoßen, vgl. zur Kritik Peters, Aufgaben (Fn. 20), S. 877 f. u. S. 890 f. Anders aber Isensee (Fn. 19), §73 Rn. 13, der den Satz des Bundesverfassungsgerichts für missverstanden hält, aber grundsätzlich daran festhalten will. Allerdings gibt auch er einschränkend zu bedenken, dass dies nur dann der Fall sein könne, wenn der Zugriff auf die Aufgabe verfassungsrechtlich zulässig sei. 26 Für diese einschränkende Auffassung: Martens, Rechtsbegriff (Fn. 20), S. 131; Osterloh, Privatisierung (Fn. 2), S. 207; Weiß, Privatisierung (Fn. 1), S. 91; Mackeben, Grenzen (Fn. 17), S. 40; Isensee (Fn. 19), § 73 Rn. 13; Habermann, Gebühren (Fn. 18); S. 42. 27 Vgl. BVerfGE 41, 205 (218); 53, 366 (401).
A. Der Begriff der Staatsaufgaben
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man von einem materiell bestimmten Staatsaufgabenbegriff ausgehe, gerade schneller reagieren28. Diese Annahme geht jedoch fehl. So bedürfte es jedes Mal einer Änderung der Verfassung, wenn der Staat sich einer neuen Aufgabe annehmen wollte. Eine solche Änderung kann aber, je nach den gerade vorherrschenden politischen Verhältnissen, eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen. Dies würde zu einer nicht hinzunehmenden Verzögerung der Aufgabenwahrnehmung durch den Staat führen29. Eine solche ist bei einem formellen Verständnis der Staatsaufgaben nicht zu erwarten. Dem Staat steht es frei, im Rahmen des geltenden Rechts neue Aufgaben an sich zu ziehen, ohne vorher die Verfassung ändern zu müssen. Deshalb ist festzustellen, dass ein formeller Staatsaufgabenbegriff zu mehr Flexibilität und Handlungsschnelligkeit führt und dementsprechend vorzuziehen ist30. Darüber hinaus macht Habermann zu Recht geltend, dass für manche Aufgaben möglicherweise nur der Staat den nötigen Sachverstand und die nötigen finanziellen Mittel aufweise31. Demnach blieben manche Aufgaben, die aufgrund der Mittel nur durch den Staat erfüllt werden könnten, unerfüllt, wenn sie sich nicht unmittelbar aus dem Grundgesetz oder den Staatszwecken ergäben. Dies könnte in der Folge zu nicht hinnehmbaren gesellschaftlichen Missständen führen. Diese Aufgaben können jedenfalls dann nicht der Verantwortung der Gesellschaft überlassen bleiben, wenn und soweit diese bei Erfüllung solcher Aufgaben an ihre Grenzen stieße. Nur mit einem formellen Verständnis ist es möglich, dass der Staat solche Aufgaben unter dem Gesichtspunkt der Erforderlichkeit an sich ziehen kann32. Dieses Verständnis schafft ein wesentlich weiter gefasstes Feld möglicher Aufgabenbereiche für den Staat. Weiß kritisiert, dass ein rein formaler Aufgabenbegriff 28 Vgl. dazu beispielsweise Nünke, Verwaltungshilfe (Fn. 13), S. 34, die als Beispiel für eine Reaktion des Staats Art. 20a GG sieht, mit dem der Staat auf die Staatsaufgabe Tierschutz reagiert hat. 29 Vgl. Habermann, Gebühren (Fn. 18), S. 44, der das Beispiel von Nünke, Verwaltungshilfe (Fn. 13) widerlegt und dabei auf die Entstehungsgeschichte von Art. 20a GG verweist. Die Entstehung der Norm zog sich über mehrere Legislaturperioden hin, sodass nicht von einer schnellen Reaktion des Staates in Bezug auf aktuelle Entwicklungen gesprochen werden kann. 30 So auch Burgi, Privatisierung (Fn. 20), S. 51 f., der aufgrund dessen einen materiellen Staatsaufgabenbegriff für nicht denkbar hält. 31 Habermann, Gebühren (Fn. 18), S. 45. 32 Dabei muss sich der Staat allerdings, wie Habermann, Gebühren (Fn. 18), S. 45, zu Recht anmerkt, an das Subsidiaritätsprinzip halten, welches zunächst die Gesellschaft für zuständig erachtet. Dies merkt auch Herschel, Tätigkeit (Fn. 17), S. 232, mit Hinweis auf die Rechtsprechung an. Aus der Rechtsprechung BVerfGE 10, 59 (83). Zum Subsidiaritätsprinzip siehe auch: Isensee (Fn. 19), § 73 Rn. 65 ff. Anderer Ansicht ist W. Reuss, Öffentliche Wirtschaftsverwaltung mit privatrechtlichen Gestaltungsmitteln, in: H. Külz/R. Naumann (Hrsg.), Staatsbürger und Staatsgewalt, Bd. II, 1963, S. 255 (276), der das Subsidiaritätsprinzip als geltenden Rechtsgrundsatz insgesamt ablehnt.
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§ 2 Staatsaufgaben, Privatisierung, Verfassungstreue
keine inhaltlichen Vorgaben zu den Staatsaufgaben mache33. Dieser Einwand überzeugt ebenfalls nicht. Auch der formelle Aufgabenbegriff geht davon aus, dass sich der Staat bei der Aufgabenwahrnehmung im Rahmen der Verfassung bewegt. Insoweit ergeben sich auch bei einem formalen Verständnis inhaltliche Aspekte aus dem Grundgesetz, beispielsweise aus den Gewährleistungspflichten der Grundrechte34. So merkt Habermann sehr treffend an, dass auch der überwiegend formelle Staatsaufgabenbegriff zum Teil materiell ausgestaltet sei35. Im Ergebnis ist somit von einem formellen Staatsaufgabenbegriff auszugehen. Unter Staatsaufgaben versteht man demnach solche im öffentlichen Interesse liegenden Aufgaben, die der Staat für sich in Anspruch nimmt und die er aufgrund einer ihm zustehenden Kompetenz auch in Anspruch nehmen darf. Nur ein solches Verständnis von Staatsaufgaben verschafft dem Staat die Möglichkeit, ein breites Feld von Aufgaben wahrzunehmen und sich im Bedarfsfall neue Aufgabenfelder zu schaffen. Dabei sind die möglichen Aufgabenfelder des Staats vor allem nicht von vornherein festgelegt und können dies aus den dargelegten Gründen der erforderlichen Flexibilität auch nicht sein. Vielmehr ist grundsätzlich von einer Allzuständigkeit des Staates auszugehen36. Dieser besitzt die „Kompetenz-Kompetenz“, um sich jederzeit selbst neue Aufgaben bzw. Kompetenzen zu schaffen37. Auf diese „Kompetenz-Kompetenz“ als Ursprung jeder staatlichen Zuständigkeit stellen auch die Vertreter eines materiellen Staatsaufgabenbegriffs ab38, allerdings ausgehend von einer Bindung in Form einer zwingend erforderlichen Verfassungsprägung39. Dies ist aber, wie bereits dargelegt wurde, der falsche Ansatz. Zwar muss eine Begrenzung der Allzuständigkeit stattfinden, da auch für den Staat Verfassungsbindungen bestehen, diese dürfen die Handlungsfähigkeit des Staates allerdings auch nicht zu stark einschränken. Darüber hinaus darf es dem Staat aber auch nicht zustehen, die Gesellschaft grundsätzlich von allen Aufgaben auszuschließen, sodass „die Allzuständigkeit des Staates nicht die Alleinzu33 Weiß, Privatisierung (Fn. 1), S. 91. In diese Richtung auch Gramm, Privatisierung (Fn. 1), S. 192; Mackeben, Grenzen (Fn. 17), S. 47. 34 Vgl. Habermann, Gebühren (Fn. 18), S. 46, der in Fn. 64 beispielhaft einige grundrechtliche Gewährleistungspflichten nennt. 35 Siehe für diese treffende Beschreibung Habermann, Gebühren (Fn. 18), S. 46. 36 Grundlegend dazu H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, 2. Aufl. 1966, S. 27, 827 ff., der herausarbeitet, dass es sich bei der Ermächtigung des Staates nur um eine „Blankovollmacht“ handeln könne, die dem Staat erlaube, „alles das tun und verlangen zu dürfen, was die Meisterung der Lage erfordern könnte.“ Dem schließt sich an Burgi, Privatisierung (Fn. 20), S. 49. 37 Vgl. zum Begriff der „Kompetenz-Kompetenz“ Krautzberger, Erfüllung (Fn. 4), S. 45 ff. Dazu auch J. Isensee, Staat und Verfassung, in: HStR3 II, § 15 Rn. 115 ff.; ders. (Fn. 19), § 73 Rn. 55. 38 Vgl. Burgi, Privatisierung (Fn. 20), S. 50 unter Hinweis auf Bull, Staatsaufgaben (Fn. 20), S. 91 und Schulze-Fielitz, Staatsaufgabenentwicklung (Fn. 13), S. 30. 39 So Burgi, Privatisierung (Fn. 20), S. 51.
A. Der Begriff der Staatsaufgaben
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ständigkeit“ ist40. Sie bedeutet somit keine „Omnipräsenz“ des Staates41. Dies gebietet schon das Subsidiaritätsprinzip42. Dennoch muss der Staat in der Lage sein, im Bedarfsfall einen Aufgabenbereich an sich zu ziehen und diesen in der Folge zu steuern. Der Aufgabenkreis des Staates stellt sich somit als dynamisch dar43. Diese Arbeit wendet für die sich anschließende Untersuchung aus den genannten Gründen einen formellen Staatsaufgabenbegriff an.
III. Abgrenzung zur öffentlichen Aufgabe Nachdem der Begriff der Staatsaufgaben näher bestimmt wurde, ist zu klären, in welchem Verhältnis die Staatsaufgaben zu den öffentlichen Aufgaben stehen44. Das Bundesverfassungsgericht hat in früheren Entscheidungen die beiden Begriffe zunächst synonym verwandt45, diese Gleichstellung aber in der Folge aufgegeben46. Die Differenzierung dieser Begriffe ist nach Peters aufgrund der Unterscheidung von Staat und Gesellschaft auch zwingend erforderlich47. Insoweit ist es richtig und notwendig, zwischen den Begriffen der öffentlichen Aufgabe und der Staatsaufgabe zu unterscheiden48. 40 So sehr zutreffend P. Kirchhof, Mittel staatlichen Handelns, in: HStR3 V, § 99 Rn. 10. 41 Isensee (Fn. 19), § 73 Rn. 57. 42 Vgl. zu diesem Gedanken auch Burgi, Privatisierung (Fn. 20), S. 57. Grundlegend zum Subsidiaritätsprinzip als Regulativ des Verhältnisses von Staat und Gesellschaft J. Isensee, Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht, 1968. Dazu auch H. H. Rupp, Die Unterscheidung von Staat und Gesellschaft, in: HStR3 II, § 31 Rn. 51 ff. 43 Burgi, Privatisierung (Fn. 20), S. 51. 44 So auch I. Ewald, Privatisierung staatlicher Aufgaben, 2004, S. 23; Mackeben, Grenzen (Fn. 17), S. 37. Grundlegend zum Begriff der Staatsaufgaben Bull, Staatsaufgaben (Fn. 20). 45 Vgl. BVerfGE 20, 56 (113); 21, 362 (369). Vgl. dazu aber beispielsweise auch aus der Literatur J. Grabbe, Verfassungsrechtliche Grenzen der Privatisierung kommunaler Aufgaben, 1979, S. 35, der eine Trennung der beiden Begriffe mit dem Argument ablehnt, dass auch die Trennung zwischen Staat und Gesellschaft infolge der staatlichen Intervention in die Gesellschaft in dieser Form nicht mehr existiere, oder H. Schumacher, Die Übertragung öffentlicher Aufgaben der Gemeinde auf Dritte, in: LKV 1995, S. 135 ff., der zwischen den Begriffen ebenfalls nicht unterscheidet. 46 BVerfGE 12, 205 (243). Hier stellt das Bundesverfassungsgericht fest, dass öffentliche Aufgaben erst dann zu Staatsaufgaben werden, wenn sich der Staat dieser annimmt. Zur Kritik an dieser Entscheidung siehe insbesondere Peters, Aufgaben (Fn. 20), S. 877 ff. 47 Peters, Aufgaben (Fn. 20), S. 879. Anders argumentiert H. H. v. Arnim, Staatslehre der Bundesrepublik Deutschland, 1984, S. 173 f., der auf der ersten Stufe zwischen Staatsaufgaben und öffentlichen Aufgaben und erst daran anschließend zwischen Staat und Gesellschaft unterscheidet. Aufgrund der Bedeutung der Unterscheidung zwischen Staat und Gesellschaft ist dieser Schluss allerdings nicht nachvollziehbar. Siehe dazu auch Burgi, Privatisierung (Fn. 20), S. 43 in Fn. 11. 48 Stellvertretend F. Ossenbühl, Grundfragen zum Rechtsstatus der Freien Sparkassen, 1979, S. 34 mit zahlreichen weiteren Nachweisen in Fn. 51. Zur a. A. vgl. Grabbe, Grenzen (Fn. 45), S. 35.
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§ 2 Staatsaufgaben, Privatisierung, Verfassungstreue
Unter öffentlichen Aufgaben versteht man solche Aufgaben, die im öffentlichen Interesse stehen und dem Gemeinwohl dienen49. Dabei kann das Gemeinwohl aber als Summe aller öffentlichen Interessen angesehen werden50. Wie bereits festgestellt, stehen auch die Staatsaufgaben immer im öffentlichen Interesse. Gemeinsamkeit zwischen den Staatsaufgaben und den öffentlichen Aufgaben ist also, dass beide Aufgaben im öffentlichen Interesse stehen, da der Staat nur in diesem Bereich überhaupt tätig werden kann51. Das Merkmal des öffentlichen Interesses kann somit nicht für die Abgrenzung zwischen Staatsaufgaben und öffentlichen Aufgaben herangezogen werden. Vielmehr ist für die Abgrenzung zwischen öffentlichen Aufgaben und Staatsaufgaben, anders als im Rahmen der allgemeinen Bestimmung des Aufgabenbegriffes, auf die Träger der jeweiligen Aufgabe abzustellen52. Anders als Staatsaufgaben, die, wie bereits festgestellt, vom Staat zu erledigen sind, ist bei den öffentlichen Aufgaben die Aufgabenträgerschaft zu differenzieren. Versteht man die öffentlichen Aufgaben wie hier als solche, die im öffentlichen Interesse stehen und somit dem Gemeinwohl dienen, trifft dies zunächst keine Aussage über die Trägerschaft der Aufgabe53. Der Staat hat diese Aufgaben nicht alleine zu erfüllen und das Gemeinwohl nicht alleine zu gewährleisten, sodass gerade kein Gemeinwohlmonopol des Staates besteht54. Dementsprechend kommen als Träger von gemeinwohlorientierten Aufgaben sowohl der Staat als auch Privatpersonen oder Gesellschaften des Privatrechts in Betracht55. So werden beispielsweise Religionsgemeinschaften in vielen Bereichen gemeinwohlorientiert tätig, ohne, dass diese dabei dem Staat zugeordnet werden könnten. Infolgedessen kann der Begriff der öffentlichen Aufgabe auch nicht zur Abgrenzung der Sphären von Staat und Gesellschaft herangezogen werden56. Anders verhält es sich bei den Staats49 BVerfGE 15, 235 (241); 53, 366 (401); Peters, Aufgaben (Fn. 20), S. 877 ff.; Martens, Rechtsbegriff (Fn. 20), S. 117; Krautzberger, Erfüllung (Fn. 4), S. 106; Weiß, Privatisierung (Fn. 1), S. 22. 50 Burgi, Privatisierung (Fn. 20), S. 43. 51 Peters, Aufgaben (Fn. 20), S. 878; Martens, Rechtsbegriff (Fn. 20), S. 117; Burgi, Privatisierung (Fn. 20), S. 43. 52 So auch Habermann, Gebühren (Fn. 18), S. 56 ff. 53 M. Burgi, Privatisierung, in: HStR3 IV, § 75 Rn. 2. 54 Habermann, Gebühren (Fn. 18), S. 51. In diese Richtung argumentieren auch: Kirmer, Begriff (Fn. 5), S. 47; Gramm, Privatisierung (Fn. 1), S. 57; Weiß, Privatisierung (Fn. 1), S. 22; P. Häberle, Öffentliches Interesse als juristisches Problem, 2. Aufl. 2006, S. 52. Vgl. auch J. Isensee, Gemeinwohl im Verfassungsstaat, in: HStR3 IV, § 71 Rn. 110 ff. 55 Weiß, Privatisierung (Fn. 1), S. 23, nennt als Beispiel für eine Aufgabe, die dem Gemeinwohl dient und von Privaten übernommen wird, die Schaffung von Arbeitsplätzen. Isensee (Fn. 19), § 73 Rn. 12, weist darauf hin, dass öffentliche Aufgaben teilweise sogar von Gesetzes wegen von Privaten zu erfüllen sind. 56 U. Di Fabio, Privatisierung und Staatsvorbehalt, in: JZ 1999, S. 585 (586); Weiß, Privatisierung (Fn. 1), S. 25f.
A. Der Begriff der Staatsaufgaben
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aufgaben, bei denen eine Wahrnehmung durch Private gänzlich ohne Beteiligung des Staates ausgeschlossen ist57. Somit können Staatsaufgaben unmittelbar der staatlichen Sphäre zugeordnet werden. Aufgrund dieses Befundes ist festzuhalten, dass die beiden Begriffe nicht synonym verwendet werden können, sondern zu unterscheiden sind. Staatsaufgaben stellen eine Teilmenge der öffentlichen Aufgaben dar. Der Begriff der öffentlichen Aufgaben stellt den Oberbegriff für alle im öffentlichen Interesse stehenden, also dem Gemeinwohl dienenden Aufgaben dar, wohingegen die Staatsaufgaben nur solche sind, die der Staat wahrnimmt und wahrnehmen darf 58. Staatsaufgaben stellen immer auch öffentliche Aufgaben dar, andersherum gilt das nicht59. Insofern ist auch nur der Begriff der Staatsaufgaben für die Abgrenzung von Staat und Gesellschaft geeignet60. Dies ist für das Verständnis von Privatisierungsvorgängen grundlegend.
IV. Arten von Staatsaufgaben Innerhalb des Bereichs der Staatsaufgaben wird zwischen verschiedenen Arten der Staatsaufgaben unterschieden61. Diese Differenzierungen können später für die Frage eine Rolle spielen, welche Aufgaben beim Staat liegen und inwieweit diese Aufgaben auf Akteure der Zivilgesellschaft übertragen werden können. Die Zuordnung einer Staatsaufgabe zu einer bestimmten Gruppe kann also Folgen für die Privatisierungsfähigkeit dieser Aufgabe haben. 1. Ausschließliche und konkurrierende Staatsaufgaben Zunächst wird zwischen ausschließlichen und konkurrierenden Staatsaufgaben unterteilt62. Ausschließliche Staatsaufgaben sind dabei solche, die nur durch den 57 Di Fabio, Privatisierung (Fn. 56), S. 586, der eine selbstständige Wahrnehmung durch Private ohne zumindest eine Staatsaufsicht ausschließt. 58 So auch: Peters, Aufgaben (Fn. 20), S. 879; Burgi, Privatisierung (Fn. 20), S. 44; Weiß, Privatisierung (Fn. 1), S. 25; Isensee (Fn. 19), § 73 Rn. 13. Vereinzelt werden andere Ansätze vertreten, wie bspw. die Gleichsetzung der beiden Begriffe, vgl. für eine Übersicht über die anderen vertretenen Ansätze Isensee (Fn. 19), § 73 Rn. 13 in Fn. 33 m.w. N. 59 Vgl. dazu auch: Peters, Aufgaben (Fn. 20), S. 877 (894); Gramm, Privatisierung (Fn. 1), S. 56; Weiß, Privatisierung (Fn. 1), S. 25. 60 Anderer Ansicht ist Grabbe, Grenzen (Fn. 45), S. 35. Vergleiche zur Kritik von Grabbe an der Differenzierung von Staat und Gesellschaft bereits Fn. 45. 61 Einen Überblick über die verschiedenen Möglichkeiten der Differenzierung innerhalb der Staatsaufgaben verschafft Isensee (Fn. 19), § 73 Rn. 27 ff. 62 Isensee (Fn. 19), § 73 Rn. 27 f.; vgl. grundlegend zu der Unterscheidung zwischen ausschließlichen und konkurrierenden Staatsaufgaben die Ausführungen von G. Jellinek, Allgemeine Staatsrechtslehre, 3. Aufl. 1914, 7. Neudruck 1960, S. 255.
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§ 2 Staatsaufgaben, Privatisierung, Verfassungstreue
Staat wahrgenommen werden können63. In diesen Bereichen ist ein Nebeneinander von staatlichem und privatem Tätigwerden ausgeschlossen64. Im Gegensatz dazu sollen konkurrierende Staatsaufgaben solche sein, die sowohl vom Staat als auch von der Gesellschaft wahrgenommen werden können. Wobei allerdings nicht von einer Gleichartigkeit der Tätigkeiten auszugehen ist, vielmehr soll ausgedrückt werden, dass Staat und Gesellschaft in gleichen Lebensbereichen nebeneinander tätig sein können65. Insofern ist der Begriff der konkurrierenden Staatsaufgaben an dieser Stelle zwar etwas unpräzise, dennoch ist diese Unterscheidung dem Grunde nach sinnvoll. Bei der Differenzierung zwischen ausschließlichen und konkurrierenden Staatsaufgaben handelt es sich somit um eine kompetenzbedingte Unterscheidung66. Es geht um die Frage, wem das Recht zukommt, eine Aufgabe wahrzunehmen. Keine Aussage trifft diese Unterscheidung darüber, inwieweit eine Privatisierung der Aufgaben möglich ist. Sie ist vielmehr für die Frage erforderlich, ob überhaupt eine Privatisierung erforderlich ist oder ob die Gesellschaft bereits selbst, zumindest teilweise, zuständig ist und damit tätig werden darf. 2. Obligatorische und fakultative Staatsaufgaben Darüberhinausgehend wird teilweise zwischen obligatorischen und fakultativen Staatsaufgaben unterschieden67. Unter fakultativen Aufgaben verstehe man solche, die der Staat nicht zwangsläufig zu erfüllen brauche, sie aber doch wahrnehmen könne, wenn er es für erforderlich halte68. Demgegenüber ständen die obligatorischen Staatsaufgaben, die der Staat erfüllen müsse69. Die Unterscheidung habe dementsprechend Folgen für die Privatisierungsfähigkeit von bestimmten Staatsaufgaben70. Weiß hält die Unterscheidung zwischen obligatorischen und fa63 Vgl. Isensee (Fn. 19), § 73 Rn. 27. Gramm, Privatisierung (Fn. 1), S. 35, spricht im Hinblick auf ausschließliche Staatsaufgaben von einem staatlichen Monopol in Bezug auf diese bestimmte Aufgabe. Vgl. auch Burgi, Privatisierung (Fn. 20), S. 58 f. 64 Gramm, Privatisierung (Fn. 1), S. 35, der in diesem Zusammenhang von einem „rechtlich gesicherten staatlichen Monopol“ spricht, durch welches „zumindest das konkurrierende Engagement Privater auf diesem Feld kategorisch ausgeschlossen“ wird. 65 So Isensee (Fn. 19), § 73 Rn. 27. Diesen Ansatz kritisiert allerdings Weiß, Privatisierung (Fn. 1), S. 27. Dieser macht geltend, dass ein Konkurrieren nur bei gleichartigen Tätigkeiten gegeben sein könne und der Begriff der „konkurrierenden Staatsaufgaben“ insoweit irreführend sei, als er genau diese Verschiedenheit der Aufgaben verdecke. Weiß lehnt diese Unterscheidung in der Folge seiner Begründung entsprechend ab. 66 Burgi, Privatisierung (Fn. 20), S. 59. 67 Zu diesen Begriffen Isensee (Fn. 19), § 73 Rn. 29. 68 Weiß, Privatisierung (Fn. 1), S. 27; Isensee (Fn. 19), § 73 Rn. 29. 69 Isensee (Fn. 19), § 73 Rn. 29. 70 Vgl. für die Auswirkungen von Privatisierungen auf den Anteil an obligatorischen Staatsaufgaben Burgi (Fn. 53), § 75 Rn. 16. Dieser merkt an, dass mit jeder weiteren Privatisierung die obligatorischen Aufgaben in dem betreffenden Aufgabenfeld zunehmen.
A. Der Begriff der Staatsaufgaben
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kultativen Staatsaufgaben für überflüssig71. Der Staat könne gar nicht selbst darüber entscheiden, ob er Aufgaben wahrnehmen möchte oder nicht. Vielmehr hätte der Staat die Aufgaben, die ihm zuteilwerden, zwingend zu erledigen. Die von Isensee beschriebenen fakultativen Aufgaben seien gerade keine Aufgaben des Staates, sodass diese weiterhin der Gesellschaft obliegen würden72. Weiß knüpft mit seiner Kritik also an die Frage an, ob eine Aufgabe überhaupt dem Staat zugeordnet ist. Sei dies nicht der Fall, obläge es dem Staat gar nicht, diese Aufgabe wahrzunehmen. Diese Kritik von Weiß übersieht allerdings, dass die Einteilung in obligatorische und fakultative Staatsaufgaben vor einem anderen Hintergrund getroffen wird. Mit den obligatorischen, also verpflichtenden Staatsaufgaben meint Isensee nichts anderes als notwendige Staatsaufgaben73. Unter notwendigen Staatsaufgaben versteht man solche Aufgaben, die für den Staat unverzichtbar sind74. Diese können nicht im Gesamten privatisiert werden75. So stellen beispielsweise auch die ausschließlichen Staatsaufgaben einen Unterfall der notwendigen Staatsaufgaben dar, ohne mit diesen deckungsgleich zu sein76. Das folgt allein schon aus der Tatsache, dass jede obligatorische, also notwendige Aufgabe zumindest auch
71 Weiß, Privatisierung (Fn. 1), S. 27, der aus dem gleichen Grund auch schon die Unterscheidung zwischen ausschließlichen und konkurrierenden Staatsaufgaben für falsch hält. 72 Weiß, Privatisierung (Fn. 1), S. 27. Der Staat habe laut Weiß lediglich die Möglichkeit, die Tätigkeiten der Gesellschaft anzustoßen und zu fördern. 73 Dafür spricht schon der Verweis von Isensee (Fn. 19), § 73 Rn. 29, auf Kirchhof in Fn. 81. P. Kirchhof, Der Begriff der hoheitsrechtlichen Befugnisse in Artikel 33 Absatz IV des Grundgesetzes, 1968, S. 112, verwendet für solche Aufgaben den Begriff der „Staatsnotwendigkeit“. Zum Begriff der notwendigen Staatsaufgaben vergleiche auch Gramm, Privatisierung (Fn. 1), S. 40 ff. 74 Mackeben, Grenzen (Fn. 17), S. 51, der anmerkt, dass sich solche Aufgaben in der „obligatorischen Trägerschaft“ des Staates befinden und insoweit die Begriffe von Isensee verwendet. Ähnlich auch M. Ronellenfitsch, Staat und Markt: Rechtliche Grenzen einer Privatisierung kommunaler Aufgaben, in: DÖV 1999, S. 705 (708), der in diesem Zusammenhang von „unverzichtbaren Aufgaben“ spricht, die den „modernen Staat“ definieren. Das Bundesverfassungsgericht verwendet für solche Aufgaben den Begriff der „originären Staatsaufgaben“. Diese müssen „hoheitlich ausgestaltet“ sein und verschließen sich demnach einer Privatisierung, BVerfGE 73, 280 (294). 75 Gramm, Privatisierung (Fn. 1), S. 34, mit Verweis auf B. Becker, Öffentliche Verwaltung, 1989, S. 258, der in diesem Fall von einer „totalen Privatisierung“ spricht und G. Püttner, Die Privatfinanzierung öffentlicher Vorhaben – Weg oder Irrweg?, in: R. Wendt u. a. (Hrsg.), Staat, Wirtschaft, Steuern – Festschrift für Karl Heinrich Friauf zum 65. Geburtstag, 1996, S. 729 (730 f.), der davor warnt, dass eine totale Privatisierung auf eine Abschaffung der entsprechenden Aufgabe hinauslaufen könne. 76 So Gramm, Privatisierung (Fn. 1), S. 35, der klarstellt, dass notwendige und ausschließliche Staatsaufgaben nicht identisch sind, sondern auch konkurrierende Staatsaufgaben notwendige sein können. Siehe zu den ausschließlichen Staatsaufgaben unter § 2 A. IV. 1. (S. 47) und zur Kritik an diesen Unterscheidungen Weiß, Privatisierung (Fn. 1), S. 27.
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§ 2 Staatsaufgaben, Privatisierung, Verfassungstreue
dem Staat zugeordnet sein muss. Aber auch konkurrierende Staatsaufgaben können notwendige sein77. Es geht also um die Frage, ob eine Aufgabe, die zumindest auch dem Staat zugehörig ist, von diesem selbst erfüllt werden muss oder ob die Möglichkeit einer gegebenenfalls auch vollständigen Privatisierung der Aufgabe in Betracht kommt78. Nicht im Mittelpunkt steht die Frage, ob es sich überhaupt um eine staatliche Aufgabe handelt79. Dies muss bereits vorher festgestellt worden sein, sodass die Kritik von Weiß an dieser Unterscheidung unzutreffend ist. Bei der Frage, ob eine notwendige bzw. obligatorische Staatsaufgabe vorliegt, steht das Problem im Mittelpunkt, ob eine Privatisierung des gesamten Aufgabenbereiches möglich ist. Die Einordnung einer Aufgabe als notwendige Staatsaufgabe kann somit eine Schranke für eine mögliche Privatisierung dieser Aufgabe darstellen. 3. Vertretbare und unvertretbare Staatsaufgaben Eine weitere Unterscheidung innerhalb der Staatsaufgaben, die für die weitergehende Frage der Privatisierung eine besondere Relevanz aufweist, ist die Unterscheidung zwischen vertretbaren und unvertretbaren Aufgaben80. Diese schließt unmittelbar an die vorangegangene Unterscheidung zwischen obligatorischen und fakultativen Staatsaufgaben an. So kann innerhalb der obligatorischen Staatsaufgaben, die im Gesamten nicht privatisierbar sind, weitergehend unterschieden werden, ob möglicherweise Teilaufgaben auf die Zivilgesellschaft übertragen werden können. Der Staat ist nicht verpflichtet, alle obligatorischen Staatsaufgaben selbst wahrzunehmen81. Vielmehr ist es ihm möglich, in Teilbereichen bestimmte Aufgaben privaten Akteuren zu überlassen und sich lediglich auf eine Garantenstellung zu beschränken82. Dabei handelt es sich dann um vertretbare Staatsaufgaben83. Als Beispiel bietet sich hier die Schiedsgerichtsbarkeit an. Während die Judikative im Kern staatlich bleiben muss und daher im Gesamten nicht übertragbar ist, ist eine partielle Auslagerung von Aufgaben der Recht-
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Gramm, Privatisierung (Fn. 1), S. 35. So Gramm, Privatisierung (Fn. 1), S. 34, der anmerkt, dass dies der einzig normative Gehalt der Einordnung als notwendige Staatsaufgabe sei. 79 Davon geht aber augenscheinlich Weiß bei seiner Kritik an der Unterscheidung von Isensee aus, Privatisierung (Fn. 1), S. 27. 80 Vgl. zu dieser Differenzierung Burgi, Privatisierung (Fn. 20), S. 59; Isensee (Fn. 19), § 73 Rn. 31. 81 Isensee (Fn. 19), § 73 Rn. 31. 82 Den Begriff der Garantenstellung verwendet Isensee (Fn. 19), § 73 Rn. 31. So stehen dem Staat beispielsweise im Bereich der Sicherheit, der eine notwendige Staatsaufgabe darstellt, Möglichkeiten der Privatisierung zur Verfügung. Vgl. dazu M. Möstl, Die staatliche Garantie für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, 2002, S. 292. 83 Isensee (Fn. 19), § 73 Rn. 31. 78
A. Der Begriff der Staatsaufgaben
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sprechung möglich und zulässig84. Demgegenüber stehen die unvertretbaren Aufgaben. Diese sind nicht, auch nicht teilweise auf private Akteure übertragbar85. Bei dieser Unterscheidung zwischen vertretbaren und unvertretbaren Staatsaufgaben handelt es sich um eine aufgabenbedingte Unterscheidung86. Begründet werden kann die Unvertretbarkeit einer Aufgabe beispielsweise dadurch, dass das Interesse an dieser Staatsaufgabe im Besonderen beim Staat liegt und seine Authentizität als Träger der Aufgabe beansprucht87. Als solche Aufgaben kommen beispielsweise die Selbstdarstellung des Staates oder die Öffentlichkeitsarbeit der Regierung in Betracht88, selbstredend aber auch – zumindest im Kern – die grundlegenden Staatsfunktionen der Gesetzgebung, Regierung und Rechtsprechung89. Ein Großteil dieser Aufgaben kann zu den „instrumentalen Staatsaufgaben“ gezählt werden90. Das sind solche, die zwar unentbehrlich sind, aber mittelbar dem Gemeinwohl dienen und sich auf den Staat im engeren Sinne beziehen91. Durch ihren unmittelbaren Bezug auf den Aufgabenträger Staat sind sie von vornherein als unvertretbar anzusehen92. Sie bilden den privatisierungsunfähigen Kern der Staatsaufgaben. Die Einordnung bestimmter Staatsaufgaben als unvertretbar wird auch bei der weiteren Untersuchung im Rahmen der Möglichkeiten einer Privatisierung insofern zu beachten sein, als sich daraus Grenzen für eine mögliche Privatisierung ergeben können.
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Siehe dazu später noch unter § 3 B. (S. 108 ff.). Burgi, Privatisierung (Fn. 20), S. 59. 86 Vgl. Burgi, Privatisierung (Fn. 20), S. 59, der im Gegensatz dazu die Unterscheidung zwischen ausschließlichen und konkurrierenden Staatsaufgaben als kompetenzbedingt beschreibt. 87 Den Begriff der Authentizität verwendet Isensee (Fn. 19), § 73 Rn. 31. Vgl. darüber hinaus Burgi, Privatisierung (Fn. 20), S. 59. 88 Isensee (Fn. 19), § 73 Rn. 31. Vgl. auch Burgi, Privatisierung (Fn. 20), S. 59 f., der allerdings anmerkt, dass solche Aufgaben oftmals dem Bereich der ausschließlichen Staatsaufgaben zugerechnet werden und dabei Aufgabe und Aufgabenkompetenz verwechselt werden. Zur Aufgabe der Öffentlichkeitsarbeit der Regierung vgl. beispielsweise W. Leisner, Öffentlichkeitsarbeit der Regierung im Rechtsstaat, 1966 oder F. Schürmann, Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung, 1992. Zum Nutzen der Öffentlichkeitsarbeit der Regierung und deren Grenzen vgl. C. Engel, Öffentlichkeitsarbeit, in: HStR3 IV, § 80 Rn. 11. 89 Isensee (Fn. 19), § 73 Rn. 31. Zur Möglichkeit der Privatisierung von Teilen der Gesetzgebung vgl. allerdings unter § 3 A. (S. 89 ff.). 90 Burgi, Privatisierung (Fn. 20), S. 60. Vgl. zum Begriff der instrumentalen Staatsaufgaben und zum gegenläufigen Begriff der Staatsaufgaben Isensee (Fn. 19), § 73 Fn. 32 f. 91 Isensee (Fn. 19), § 73 Rn. 32. Demgegenüber sind finale Aufgaben solche, die unmittelbar im öffentlichen Interesse stehen. Dazu zählen beispielsweise die Gefahrenabwehr, der Schulunterricht, soziale Dienste und die Rechtspflege. 92 Burgi, Privatisierung (Fn. 20), S. 60. 85
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4. Zusammenfassung: Formeller Staatsaufgabenbegriff als Grundlage für die vorliegende Untersuchung Auf Grundlage der gefundenen Ergebnisse wird für den weiteren Verlauf der Untersuchung ein formeller Staatsaufgabenbegriff zugrunde gelegt. Demnach sind unter Staatsaufgaben solche im öffentlichen Interesse stehenden Aufgaben zu verstehen, die der Staat für sich in Anspruch nimmt und die er aufgrund einer ihm zustehenden Kompetenz auch in Anspruch nehmen darf. Nur ein solches Verständnis von Staatsaufgaben führt zu der für einen handlungsfähigen Staat erforderlichen Flexibilität. Nur so ist es dem Staat möglich, sich auf aktuelle Entwicklungen einzustellen und möglicherweise neue Aufgabenfelder an sich zu ziehen. Das muss der Staat gerade im Rahmen der stetig steigendenden gesellschaftlichen Anforderungen an ihn leisten können. Ansonsten könnte ihm im Hinblick auf gemeinwohlorientierte Aufgaben möglicherweise der Stillstand drohen. Wichtig ist dabei die Abgrenzung zwischen Staatsaufgaben und öffentlichen Aufgaben, die nicht aufgrund des öffentlichen Interesses stattfinden kann, sondern anhand der Aufgabenträgerschaft zu erfolgen hat. Diese Unterscheidung ist von Bedeutung, da sich mit dem Begriff der öffentlichen Aufgabe die Bereiche von Staat und Gesellschaft wie gesehen nicht unterscheiden lassen. Dies ist nur aufgrund der Aufgabenträgerschaft und mit dem Begriff der Staatsaufgaben möglich. Aufgrund der Tatsache, dass der Begriff der Aufgabe sowohl im Hinblick auf die Gesellschaft als auch auf den Staat verwendet wird, ist ein Verständnis dieses Begriffs als verpflichtender Auftrag nicht annehmbar. Die Begriffe dienen lediglich der Abgrenzung der Tätigkeitsfelder von Staat und Gesellschaft. Wichtig ist darüber hinaus die Einordnung von Staatsaufgaben als notwendige und die Unterscheidung zwischen vertretbaren und unvertretbaren Staatsaufgaben. Diese Unterscheidung hat Einfluss auf die grundsätzliche Möglichkeit der Privatisierung einer Staatsaufgabe und deren Form und ist daher für den weiteren Gang der Untersuchung von besonderer Relevanz.
B. Zum Begriff der Privatisierung Nachdem der Begriff der Staatsaufgaben für die nachfolgende Untersuchung festgelegt worden ist, sollen daran anschließend der Begriff und die unterschiedlichen Arten der Privatisierung dargestellt werden. Berücksichtigung finden dabei auch die staatlichen Motivationen, eine Aufgabe auf die Gesellschaft zu übertragen, und die Grenzen, die der Staat dabei zu beachten hat. Dies soll Grundlage für die anschließende Untersuchung und Einordnung von Teilbereichen staatlicher Privatisierungsvorhaben sein.
B. Zum Begriff der Privatisierung
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I. Versuch einer Definition Auch dem Begriff der Privatisierung wird, wie schon dem Begriff der Staatsaufgaben, eine gewisse Unschärfe nachgesagt93. Insoweit hat der Begriff auch nur eine begrenzte normative Aussagekraft und ist demnach in der Gesetzgebung als normativer Begriff selten zu finden94. Dennoch ist es erforderlich, dem Begriff einen juristisch fassbaren Rahmen zu verleihen. Um dies zu erreichen, ist es förderlich, sich vom allgemeinen Sprachgebrauch her dem Begriff der Privatisierung anzunähern. Im allgemeinen Sprachgebrauch wurde der Begriff zunächst vor allem als Beschreibung für das Leben eines Privatiers genutzt95. Gemeint war eine Person, die ohne Ausübung eines Berufs als Privatmann lediglich aus Zuwendungen und Vermögen ihren Lebensunterhalt bestreitet. Mit der Zeit hat sich das Verständnis des Begriffs gewandelt. So versteht man unter „Privatisieren“ heute den Übergang bzw. die Übertragung von vorher staatlichen Angelegenheiten auf Private96. Diese zweite Bedeutung des Begriffs kommt zwar dem juristischen Sprachgebrauch sehr nahe, eignet sich aufgrund ihrer Konturlosigkeit aber noch nicht uneingeschränkt für die juristische Handhabe. Daher ist es erforderlich, zu versuchen, dem Begriff einen Rahmen zu geben und sich so einer Definition anzunähern. Ein solcher Definitionsversuch findet sich bei Rupp, der die Entstaatlichung durch Privatisierung als „Abgabe, Verlust oder Herausgleiten von Aufgaben aus dem herkömmlicherweise vom Staat wahrgenommenen Fundus öffentlicher Aufgaben“ beschreibt97. Diese Definition ist dabei offengehalten und trifft keine Aussage über die genauen Modalitäten der Aufgabenübertragung. Eine solch präzise Definition des Begriffs, die auch die Form der Übertragung beinhaltete, wäre aber aufgrund der Vielseitigkeit der Aufgabenübertragungen gar nicht möglich und ist auch nicht erforderlich. Entscheidender ist vielmehr, einen Begriff zu finden, der „einen terminologischen Rahmen und eine ordnende Leitlinie“ für 93 Vgl. Weiß, Staatsaufgaben (Fn. 1), S. 28. Gramm, Privatisierung (Fn. 1), S. 27, sieht den Begriff der Privatisierung als „modische und unscharfe Sammelbezeichnung“. F.-J. Peine, Grenzen der Privatisierung – verwaltungsrechtliche Aspekte, in: DÖV 1997, S. 353 (354), meint, dass der Begriff der Privatisierung „zum Schlagwort degeneriert“ ist, dem „alles und damit letztlich nichts zugeordnet werden kann“. 94 J. A. Kämmerer, Privatisierung: Typologie – Determinanten – Rechtspraxis – Folgen, 2001, S. 8, mit weiteren Nachweisen auf Stellen, an denen der Begriff verwendet wird, allerdings auch mit der Anmerkung, dass auf eine Legaldefinition des Begriffs Privatisierung verzichtet wurde. 95 Vgl. zur Entwicklung des Begriffs der Privatisierung im allgemeinen Sprachgebraucht Kämmerer, Privatisierung (Fn. 94), S. 7. 96 Vgl. Kämmerer, Privatisierung (Fn. 94), S. 7. Aus dieser Wortbedeutung hat sich die substantivierte Form der „Privatisierung“ herausgebildet. 97 Rupp, Unterscheidung (Fn. 42), § 31 vor Rn. 56.
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alle Formen der staatlichen Aufgabenübertragung auf Private bietet98. Wichtig ist es dabei vor allem, die Privatisierung als Prozess und nicht als einmalige Übertragungshandlung seitens des Staates zu verstehen99. Es ist dabei zwischen den Phasen der Entscheidungsfindung, der Privatisierungsentscheidung an sich und der Phase der Privatisierungsumsetzung zu unterscheiden100. Ein einheitlicher Privatisierungsbegriff könnte die vielfältigen Möglichkeiten der Privatisierung in einem solchen Prozess nicht gänzlich erfassen und würde diese daher zu stark begrenzen101. Insoweit ist es von Vorteil, den Begriff der Privatisierung dem Grunde nach offen zu gestalten und ihm insoweit einen Rahmen zu geben, indem man die verschiedenen Arten der Privatisierung untersucht und Gemeinsamkeiten herausarbeitet.
II. Die Motivation staatlicher Aufgabenübertragung Bevor die verschiedenen Formen der Privatisierung näher dargestellt werden, soll kurz auf die Motivation des Staates, Aufgaben auf die Gesellschaft zu übertragen, eingegangen werden. Ausgangspunkt für die Privatisierung staatlicher Aufgaben ist, dass der Staat aufgrund eines steigenden Aufgabenspektrums und steigender Komplexität an der Grenze zur Überforderung agiert102. Dieser drohenden Überforderung versucht der Staat durch Einbeziehung der Gesellschaft entgegenzutreten. Dabei lassen sich die Erwartungen, die an die Übertragung staatlicher Aufgaben gestellt werden, in drei Bereiche aufteilen. Man spricht von aufgabenbezogenen, finanzbezogenen und ordnungspolitischen Aspekten103. In 98 Dieses treffend formulierte Ziel erkennt Kämmerer, Privatisierung (Fn. 94), S. 11. In diese Richtung auch J. Zado, Privatisierung der Justiz, 2013, S. 32. Auch F. Schoch, Rechtliche Steuerung der Privatisierung staatlicher Aufgaben, in: Jura 2008, S. 672 (676), spricht sich für einen solchen Privatisierungsbegriff aus, der einen geeigneten Rahmen darstellt und eine „gewisse Unschärfe im Randbereich“ in Kauf nimmt. 99 So H. Bauer, Privatisierung von Verwaltungsaufgaben, in: VVDStRL 54 (1995), S. 243 (254). Vgl. auch Kämmerer, Privatisierung (Fn. 94), S. 18. 100 Bauer, Privatisierung (Fn. 99), S. 254. Einen Überblick über die Entscheidungskriterien gibt F. Schoch, Privatisierung von Verwaltungsaufgaben, in: DVBl. 1994, S. 962 (968). 101 So auch Schoch, Steuerung (Fn. 98), S. 675. A. Rinken, Alternativen zur Privatisierung, 2008, S. 42, bezeichnet den Begriff der Privatisierung daher zu Recht als „Sammelbegriff für vielgestaltige und unterschiedlich intensive Verlagerungen vom staatlich-kommunalen in den gesellschaftlichen Bereich.“ Anderer Ansicht ist beispielsweise G. Kirchhof, Rechtsfolgen der Privatisierung, in: AöR 132 (2007), S. 215 (219), der einen einheitlichen Begriff gefordert hat. 102 A. Voßkuhle, Beteiligung Privater an öffentlichen Aufgaben und staatliche Verantwortung, in: VVDStRL 62 (2003), S. 266 (268). Zur Überforderung des Staates vgl. T. Ellwein/J. J. Hesse, Der überforderte Staat, 1994, insb. S. 199 ff. zur Modernisierung des Staates im Hinblick auf den Vollzug durch die Verwaltung. 103 M. Burgi, Privatisierung öffentlicher Aufgaben – Gestaltungsmöglichkeiten, Grenzen, Regelungsbedarf. Gutachten für den 67. Deutschen Juristentag 2008, S. 22. Ähnlich unterteilt auch Osterloh, Privatisierung (Fn. 2), S. 209 ff., welche die Privatisierung als Instrument staatlicher Ordnungspolitik, staatlicher Finanzpolitik oder Instru-
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aufgabenbezogener Hinsicht ist der Hauptanreiz, den die Privatisierung von staatlichen Aufgaben schafft, die Einbeziehung privater Fachkompetenz in bestimmten Bereichen104. Der Zuwachs an Knowhow durch die Einbeziehung Privater soll es ermöglichen, die komplexer werdenden Aufgaben des Staates zu bewältigen105. Auf diese Weise wird auch ein Teil der Verantwortung auf die Gesellschaft übertragen106. Daneben spielen bei der Frage, ob Aufgaben vom Staat auf die Gesellschaft übertragen werden, vor allem auch finanzielle Gesichtspunkte eine Rolle. Durch den stetigen Anstieg an Aufgaben, die dem Staat zugeordnet werden, wird auch der Haushalt des Staates stärker belastet. Durch die Übertragung von Aufgaben auf private Akteure können die Kosten des Staatsapparates effektiv gesenkt und ihr Aufwand verteilt werden107. Neben dem Aspekt der Kostensenkung kann die Einbeziehung von Privaten auch dazu führen, dass zusätzliches Kapital für Vorhaben, insbesondere im infrastrukturellen Bereich, beschafft wird108. Über diese aufgabenbezogenen und fiskalischen Interessen an der Privatisierung hinaus verspricht sich der Staat ordnungspolitisch, dass durch die Übertragung von Aufgaben in den gesellschaftlichen Bereich der Wettbewerb auf dem Markt gestärkt wird109. Die Stärkung eines Dienstleistungsmarktes fördert nicht nur die Effektivität der Aufgabenwahrnehmung110, sondern auch die ment effektiver Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben, mithin aufgabenbezogen, wahrnimmt. Vgl. zusammenfassend zu den Motiven von Privatisierungsvorhaben auch die Liste bei J. Pietzcker, Verfahrensprivatisierung und staatliche Verfahrensverantwortung, in: W. Hoffmann-Riem/J.-P. Schneider (Hrsg.), Verfahrensprivatisierung im Umweltrecht, 1996, S. 284 (302); Gramm, Privatisierung (Fn. 1), S. 18. 104 E.-H. Ritter, Organisationswandel durch Expertifizierung und Privatisierung im Ordnungs- und Planungsrecht, in: E. Schmidt-Aßmann/W. Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungsorganisationsrecht als Steuerungsressource, 1997, S. 207 (208 f.); A. Voßkuhle, Gesetzgeberische Regelungsstrategien der Verantwortungsteilung zwischen öffentlichem und privatem Sektor, in: G. F. Schuppert (Hrsg.), Jenseits von Privatisierung und „schlankem“ Staat, 1999, S. 47 (50); ders., Sachverständige Beratung des Staates, in: HStR3 III, § 43 Rn. 8; Burgi, Gutachten (Fn. 103), S. 23. 105 Burgi, Gutachten (Fn. 103), S. 23, der in diesem Zusammenhang beispielsweise auf naturwissenschaftlich geprägte Aufgaben von hoher Komplexität verweist. Auch Voßkuhle (Fn. 104), § 43 Rn. 8, macht auf die komplexen Entscheidungen im Bereich des Technik- und Umweltrechts aufmerksam. 106 Pietzcker, Verfahrensprivatisierung (Fn. 103), S. 302. 107 Ritter, Organisationswandel (Fn. 104), S. 209; Voßkuhle, Regelungsstrategien (Fn. 104), S. 50; Gramm, Privatisierung (Fn. 1), S. 18. Kritisch zu Privatisierungsdiskussionen unter dem Deckmantel finanzieller Gesichtspunkte G. F. Schuppert, Die Privatisierungsdiskussion in der deutschen Staatsrechtslehre, in: StWStP 5 (1994), S. 541 (548), unter Bezugnahme auf die Ausführungen von Osterloh, Privatisierung (Fn. 2), S. 220 ff. Schuppert plädiert dafür, dass eine Privatisierungsdiskussion primär von den Aufgaben ausgehend geführt werden muss. 108 Burgi, Gutachten (Fn. 103), S. 23. 109 Pietzcker, Verfahrensprivatisierung (Fn. 103), S. 302; Voßkuhle, Regelungsstrategien (Fn. 104), S. 50; Burgi, Gutachten (Fn. 103), S. 23. 110 G. Püttner, Die öffentlichen Unternehmen. Ein Handbuch zu Verfassungs- und Rechtsfragen der öffentlichen Wirtschaft, 2. Aufl. 1985, S. 15 f.
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Schaffung von Arbeitsplätzen in der Privatwirtschaft. Im Ergebnis zielt die Privatisierungsdiskussion, wie Gramm zu Recht feststellt, auf den staatlichen Aufgaben- und Ausgabenabbau unter gleichzeitiger Steigerung der Effektivität der Aufgabenwahrnehmung111.
III. Formen der Privatisierung Es ist also sinnvoll, sich über die verschiedenen Formen der Privatisierung einer genaueren Definition anzunähern und so dem Begriff einen Rahmen zu verleihen112. Eine solche Annäherung ist auch insofern sinnig, als sich für die verschiedenen Formen der Privatisierung verschiedene Grenzen ergeben. Diese können im weiteren Verlauf der Untersuchung von Bedeutung sein. Es wird hauptsächlich zwischen der formellen Privatisierung und der materiellen Privatisierung unterschieden113. Darüber hinaus gibt es vor allem den Bereich der funktionalen Privatisierung, der von besonderer Bedeutung ist114. Daneben finden noch die Vermögensprivatisierung, die Finanzierungsprivatisierung und die Verfahrensprivatisierung Beachtung in der Literatur. Diese Formen der Privatisierung sollen in der Folge im Überblick dargestellt werden. 1. Formelle Privatisierung („Organisationsprivatisierung“) Zunächst soll der Bereich der formellen Privatisierung näher untersucht werden. Darunter wird die Übertragung einer Staatsaufgabe auf eine formal privatrechtliche Organisationseinheit verstanden, deren Eigentümer aber weiterhin der Staat bleibt115. Es ändert sich bei dieser Form der Privatisierung also nur die Organisationsform, nicht aber der Träger der Aufgabe116. Der Staat handelt in der Folge lediglich in privatrechtlicher und nicht mehr in öffentlich-rechtlicher Form117. Die Aufgaben bleiben damit aber dennoch weiterhin staatliche118. Dem111
Gramm, Privatisierung (Fn. 1), S. 18. So auch Zado, Privatisierung (Fn. 98), S. 32. 113 Überwiegende Auffassung, vgl. beispielsweise: W. Graf Vitzthum, Gemeinderechtliche Grenzen der Privatisierung kommunaler Wirtschaftsunternehmen, in: AöR 104 (1979), S. 580 (587); Di Fabio, Privatisierung (Fn. 56), S. 588; Kämmerer, Privatisierung (Fn. 94), S. 20; Rinken, Alternativen (Fn. 101), S. 44; Zado, Privatisierung (Fn. 98), S. 32. 114 Vgl. grundlegend und umfassend zur funktionalen Privatisierung: Burgi, Privatisierung (Fn. 20). 115 Siehe vor allem Kämmerer, Privatisierung (Fn. 94), S. 19 f., mit zahlreichen weiteren Nachweisen. So auch beispielsweise Mackeben, Grenzen (Fn. 17), S. 25; Burgi (Fn. 53), § 75 Rn. 8; Zado, Privatisierung (Fn. 98), S. 33. 116 Burgi (Fn. 53), § 75 Rn. 8. Kritisch zu dieser Ausdehnung des Privatisierungsbegriffs auf die bloße Rechtsformänderung öffentlicher Unternehmen A. von Loesch, Privatisierung öffentlicher Unternehmen, 2. Aufl. 1987, S. 43. 117 Zado, Privatisierung (Fn. 98), S. 33. 112
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entsprechend wird die formelle Privatisierung folgerichtig auch als reine „Organisationsprivatisierung“ bezeichnet119. Dadurch, dass der Staat weiter Träger der Aufgabe bleibt und sich nur in ein anderes Rechtskleid wirft, stellt die formelle Privatisierung keine Übertragung von staatlichen Aufgaben auf private Akteure im eigentlichen Sinne dar. Vielmehr steht vor und nach dem Übertragungsprozess der Staat als Träger der Aufgabe. Sie wird daher teilweise nicht als „echte Privatisierung“ angesehen, da der Staat keinen „echten Privaten“ zur Erledigung der Aufgabe einschalte120. Benz merkt beispielsweise zu Recht an, dass der Staat sich in diesem Fall lediglich gewisser Verpflichtungen entledige, nicht aber der Staatsaufgabe an sich121. Das trifft in Bezug auf den Träger der Aufgabe, welcher weiterhin der Staat ist, zu. Allerdings muss festgehalten werden, dass durch die Organisationsprivatisierung eine neue Rechtspersönlichkeit entsteht, an welcher der Staat allein durch seine Geschäftsanteile beteiligt ist122. Auch wenn diese Beteiligung bei 100 % liegt, erfolgt auf diese Weise zumindest eine schrittweise Entstaatlichung der Aufgabe123. So schafft der Staat durch eine formelle 118 Zado, Privatisierung (Fn. 98), S. 33. Vgl. dazu auch W. Möschel, Privatisierung als ordnungspolitische Aufgabe, in: H. Lange/K. W. Nörr/H. P. Westermann (Hrsg.), Festschrift für Joachim Gernhuber zum 70. Geburtstag, 1993, S. 905 (907), der weitergehend unterscheidet, ob die Privatisierung unter Monopolbedingungen oder unter Wettbewerbsbedingungen stattfindet, was aber für die hier vorliegende Untersuchung keinen Mehrwert ergibt. 119 Vgl. beispielsweise Möschel, Privatisierung (Fn. 118), S. 907; Kämmerer, Privatisierung (Fn. 94), S. 20; Mackeben, Grenzen (Fn. 17), S. 25; Burgi (Fn. 53), § 75 Rn. 8; Zado, Privatisierung (Fn. 98), S. 32. 120 Kämmerer, Privatisierung (Fn. 94), S. 21. Ähnlich S. v. Heimburg, Verwaltungsaufgaben und Private, 1981, S. 21; G. Püttner, Privatisierung, in: LKV 1994, S. 193 (195); R. Scholz/J. Aulehner, „Postreform II“ und Verfassung – Zu Möglichkeiten und Grenzen einer materiellen Privatisierung der Post, in: ArchivPT 1993, S. 221 (239); H.-J. Pabst, Verfassungsrechtliche Grenzen der Privatisierung im Fernstraßenbau, 1997, S. 70 ff. Vgl. auch: Di Fabio, Privatisierung (Fn. 56), S. 586, 588; Gramm, Privatisierung (Fn. 1), S. 110. Besonders kritisch äußert sich J. Isensee in seinem Diskussionsbeitrag, in: VVDStRL 54 (1995), S. 303, der anmerkt, dass „Privatisierung“ im Allgemeinen zum rein politischen Schlagwort degradiert worden sei und es insofern juristischer Unterscheidungen bedürfe. Außerdem bezeichnet er die Organisationsprivatisierung als „Etikettenschwindel“, da eine Übertragung der Aufgabe gar nicht stattfände. In diese Richtung auch T. Mayen, Privatisierung öffentlicher Aufgaben: Rechtliche Grenzen und rechtliche Möglichkeiten, in: DÖV 2001, S. 110 (111), der die formelle Privatisierung als „Scheinprivatisierung“ bezeichnet. W. Däubler, Privatisierung als Rechtsproblem, 1980, S. 28, bezeichnet die formelle Privatisierung als bloßes „Internum der Staatsorganisation“. 121 H. Benz, Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Beleihung einer Aktiengesellschaft mit Dienstherrenbefugnissen, 1995, S. 5. 122 So Osterloh, Privatisierung (Fn. 2), S. 232; Kämmerer, Privatisierung (Fn. 94), S. 21. 123 A. v. Hagemeister, Die Privatisierung öffentlicher Aufgaben, 1991, S. 44 f., spricht von einer „allgemeinen Entstaatlichungstendenz“; W.-W. Lee, Privatisierung als Rechtsproblem, 1997, S. 151; A. Kulas, Privatisierung hoheitlicher Verwaltung, 2. Aufl. 2001, S. 22.
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Privatisierung von Staatsaufgaben oftmals erst die Voraussetzung dafür, die Aufgabe später durch Abgabe von Anteilen auf Private zu übertragen, und geht somit den ersten Schritt124. Insofern sollte auch die Organisationsprivatisierung richtigerweise als Privatisierung bezeichnet werden125. Es ist zwar eine vergleichsweise kleine Veränderung zum vorherigen Zustand, allerdings kann diese in einem stetigen Privatisierungsprozess von Bedeutung sein, als der Stein des Anstoßes. 2. Materielle Privatisierung („Aufgabenprivatisierung“) Demgegenüber steht die materielle Privatisierung. Darunter versteht man die tatsächliche Übertragung einer staatlichen Aufgabe auf einen Privaten, sei es eine natürliche oder juristische Person des Privatrechts126. Diese Form der Privatisierung wird daher auch als „Aufgabenprivatisierung“ bezeichnet127. Sie stellt aufgrund des vollständigen Trägerwechsels die eindeutigste und weiteste Form der Privatisierung dar128. Dabei wandelt sich die übertragene Aufgabe, die vorher aufgrund der staatlichen Wahrnehmung eine Staatsaufgabe war, in eine öffentliche Aufgabe um129. Allerdings kann seitens des privaten Aufgabenübernehmers in der Regel keine rechtliche Pflicht zur Wahrnehmung der Aufgabe bestehen130. Die Pflicht zur Aufgabenwahrnehmung seitens der Gesellschaft
124 So beispielsweise Mackeben, Grenzen (Fn. 17), S. 28, der aufzeigt, dass die formelle Privatisierung oftmals nur ein Übergangsstadium darstellt und letztendlich zu einer materiellen Privatisierung führe. Vgl. dazu auch die Ausführungen von Kämmerer, Privatisierung (Fn. 94), S. 26 f., der sich kritisch mit den Typisierungsversuchen anderer Autoren auseinandersetzt und als Beispiele auf die Privatisierungen von Post/Telekommunikation und Bahn hinweist. Ebenso ders., Verfassungsstaat auf Diät?, in: JZ 1996, S. 1042 (1044) mit Verweis auf Art. 87e Abs. 3 GG und Art. 143b Abs. 2 GG. 125 So auch Zado, Privatisierung (Fn. 98), S. 34. 126 Graf Vitzthum, Grenzen (Fn. 113), S. 593; Kämmerer, Privatisierung (Fn. 94), S. 22; Mackeben, Grenzen (Fn. 17), S. 28; Zado, Privatisierung (Fn. 98), S. 34. Kämmerer, Verfassungsstaat (Fn. 124), S. 1044, spricht in diesem Zusammenhang unter Bezugnahme auf das Privatisierungssubjekt von der „Popularprivatisierung“, da die Rechtsmacht auf einen „quivis ex populo“, also eine natürliche oder juristische Person des Privatrechts, übergeht. Er hält das Gegensatzpaar „formell/materiell“ für fehl am Platz. 127 Graf Vitzthum, Grenzen (Fn. 113), S. 593; Di Fabio, Privatisierung (Fn. 56), S. 588 f., der aber auf die in Teilen missverständlichen Begriffe zwischen der materiellen und der funktionalen Privatisierung hinweist; Burgi (Fn. 53), § 75 Rn. 9. 128 Rinken, Alternativen (Fn. 101), S. 43. Laut Benz, Zulässigkeit (Fn. 121), S. 6, bedeutet dies „ein mehr an Entstaatlichung“. Mayen, Privatisierung (Fn. 120), S. 111, spricht im Zusammenhang mit der materiellen Privatisierung überspitzt von einer „Radikallösung“. 129 Vergleiche zu der Unterscheidung zwischen staatlichen und öffentlichen Aufgaben die Ausführungen zu den Staatsaufgaben unter § 2 A. III. (S. 45 ff.). 130 Zado, Privatisierung (Fn. 98), S. 34. Siehe dazu auch schon die Ausführungen zum Begriff der Aufgabe im Allgemeinen unter § 2 A. I. (S. 38 ff.).
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würde einen Freiheitseingriff darstellen, und ein solcher Eingriff ist nur in einem verhältnismäßigen Rahmen möglich131. Ziehen sich die Verwaltung bzw. der Staat vollständig aus der bisher wahrgenommenen Aufgabe zurück, kann man von einer „echten Aufgabenprivatisierung“ sprechen132. Die Trägerschaft der Aufgabe liegt dann vollständig im gesellschaftlichen Bereich. Allerdings wird sich der Staat häufig nicht ganz aus der bisher wahrgenommenen Aufgabe zurückziehen, sondern sich einen gewissen Einfluss auf die übertragene Aufgabe vorbehalten. Dieser Einfluss kann auf verschiedene Art und Weise, beispielsweise durch Überwachung oder Reglementierung, stattfinden133. Dem Staat kommt dann, trotz Verlust der Trägerschaft, weiterhin eine Gewährleistungsverantwortung und daran anschließend eine Überwachungsverantwortung zu134. Diese Möglichkeiten des Staates, weiterhin Einfluss auf die Aufgabenwahrnehmung auszuüben oder sich beispielsweise das Recht zu bewahren, die Aufgabe an sich zurückzuziehen, ist im Rahmen der Privatisierung zu regeln. In den Fällen eines Teilrückzuges des Staates aus einem Aufgabenbereich spricht man von „unechter Aufgabenprivatisierung“, die allerdings dennoch eine Form der Privatisierung bzw. der Kooperation zwischen Staat und privat darstellt135. Die materielle Privatisierung kann dabei an eine formelle Privatisierung anschließen136. Auf diese Weise wird nach der Privatisierung der Organisationsform nach und nach durch Übertragung der Anteile auch die Aufgabe an sich privatisiert. 3. Funktionale Privatisierung Von diesen beiden Grundformen der formellen und materiellen Privatisierung wird vor allem die funktionale Privatisierung unterschieden137. Bei dieser Form der Privatisierung wird der Vollzug der Aufgabe ganz oder teilweise auf einen Privaten übertragen, sodass insoweit eine materielle (Aufgaben-)Privatisierung
131 Vgl. Weiß, Privatisierung (Fn. 1), S. 27. Der Bereich der aufgedrängten Inpflichtnahme der Zivilgesellschaft seitens des Staates soll in der folgenden Bearbeitung weitestgehend außer Betracht bleiben. 132 Rinken, Alternativen (Fn. 101), S. 43, spricht in diesem Zusammenhang von der „radikalen Variante“ der Aufgabenprivatisierung. 133 Rinken, Alternativen (Fn. 101), S. 43; Burgi, Privatisierung (Fn. 20), S. 86; Zado, Privatisierung (Fn. 98), S. 34. 134 Burgi (Fn. 53), § 75 Rn. 9. Vgl. dazu auch Bauer, Privatisierung (Fn. 99), S. 277 ff.; H. Gersdorf, Privatisierung öffentlicher Aufgaben, in: JZ 2008, S. 831 (831). 135 Rinken, Alternativen (Fn. 101), S. 43; Zado, Privatisierung (Fn. 98), S. 34. 136 So spricht beispielsweise Mackeben, Grenzen (Fn. 17), S. 28, von einem „fließenden Übergang“ von formeller zu materieller Privatisierung. 137 Rinken, Alternativen (Fn. 101), S. 43; Zado, Privatisierung (Fn. 98), S. 35. Mit dieser Form der Privatisierung setzt sich insbesondere Burgi, Privatisierung (Fn. 20), ausführlich auseinander.
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vorliegt138. Allerdings bleibt, anders als bei der Aufgabenprivatisierung, der Staat selbst Träger der Aufgabe und behält somit die Verantwortung für die Erfüllung139. Es findet also keine uneingeschränkte Übertragung statt, sondern die Aufgabe befindet sich weiterhin im Zuständigkeitsbereich des Staates. In diesem Punkt weicht die funktionale Privatisierung von der materiellen Privatisierung ab und geht damit in ihrer Wirkung nicht ganz so weit. Diese Form hat für den Staat den Vorteil, dass er weiterhin Einfluss auf die Erledigung der Aufgabe nehmen kann; ihre rechtliche Einordnung in der Literatur ist sehr uneinheitlich140. Weil sie nicht ganz so weit geht wie die Aufgabenprivatisierung, kann sie dieser nicht zugeordnet werden. Auch eine Zuordnung in den Bereich der formellen Organisationsprivatisierung überzeugt nicht, da die funktionale Privatisierung über die bloße Organisationsänderung hinausgeht. Richtigerweise bildet sie also einen Sonderfall, der sich zwischen der formellen und der materiellen Privatisierung bewegt. Einerseits wird zwar eine Aufgabe übertragen und nicht bloß die Organisationsform geändert, andererseits findet die Übertragung nicht uneingeschränkt statt. Der Staat bedient sich lediglich für den Vollzug der Aufgabe privater Hilfe. Der Private wird im Rahmen einer solchen Aufgabenübertragung als Verwaltungshelfer tätig141. Einen der häufigsten Anwendungsfälle, der richtigerweise dem Bereich der funktionalen Privatisierung zuzuordnen ist, stellt die Beleihung dar142. Bei dieser 138 Burgi (Fn. 53), § 75 Rn. 7; T. Mösinger, Privatisierung des Strafvollzugs, in: BayVBl. 2007, S. 417 (418); Rinken, Alternativen (Fn. 101), S. 44; Zado, Privatisierung (Fn. 98), S. 35. Man spricht in diesem Zusammenhang vom sog. contracting out/outsourcing. Vgl. zu diesen Begriffen F. Schoch, Rechtsfragen der Privatisierung von Abwasserbeseitigung und Abfallentsorgung, in: DVBl. 1994, S. 1 (3); Osterloh, Privatisierung (Fn. 2), S. 223; Weiß, Privatisierung (Fn. 1), S. 36. 139 Weiß, Privatisierung (Fn. 1), S. 36; Burgi (Fn. 53), § 75 Rn. 7; Rinken, Alternativen (Fn. 101), S. 44; Zado, Privatisierung (Fn. 98), S. 35. 140 Für eine Einordnung der funktionellen Privatisierung als Form der materiellen Privatisierung: Bauer, Privatisierung (Fn. 99), S. 252; wohl auch Burgi, Privatisierung (Fn. 20), S. 158 ff. Im Gegensatz dazu für eine Einordnung als Fall der formellen Privatisierung: Graf Vitzthum, Grenzen (Fn. 113), S. 591; Osterloh, Privatisierung (Fn. 2), S. 223; Peine, Grenzen (Fn. 93), S. 355; Weiß, Privatisierung (Fn. 1), S. 38. Für eine Einordnung als eigenständige Form zwischen formeller und materieller Privatisierung beispielsweise Schoch, Rechtsfragen (Fn. 138), S. 3; H. H. v. Arnim, Rechtsfragen der Privatisierung, 1995, S. 17 f.; A. Krölls, Rechtliche Grenzen der Privatisierungspolitik, in: GewArch. 1995, S. 129 (131); Di Fabio, Privatisierung (Fn. 56), S. 588 f.; F. Stollmann, Aufgabenerledigung durch Dritte im öffentlichen Gesundheitsdienst, in: DÖV 1999, S. 183 (186 f.). 141 Weiß, Privatisierung (Fn. 1), S. 36; Rinken, Alternativen (Fn. 101), S. 44. Teilweise ist auch der Begriff des Erfüllungsgehilfen gebräuchlich, vgl. F. Schoch, Privatisierung der Abfallentsorgung, 1992, S. 39 f.; F.-J. Peine, Verfahrensprivatisierung in der Verkehrswegeplanung, in: W. Hoffmann-Riem/J.-P. Schneider (Hrsg.), Verfahrensprivatisierung im Umweltrecht, 1996, S. 95 (98). 142 So auch K. Weisel, Das Verhältnis von Privatisierung und Beleihung, 2002, S. 49; Zado, Privatisierung (Fn. 98), S. 35. Anderer Ansicht ist Burgi (Fn. 53) § 75 Rn. 8, der die Beleihung als Teil der Organisationsprivatisierung ansieht.
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wird ein Privater in einem abgrenzbaren Umfang mit hoheitlicher Verwaltungskompetenz betraut143. Diese Art der Aufgabenübertragung findet sich in vielen verschiedenen Bereichen144. Teilweise wird sie nicht als Privatisierung anerkannt145. Sie weist aber Merkmale der formellen und der materiellen Privatisierung auf, sodass sie tatsächlich dem weit gefassten Bereich der Privatisierung zugeordnet werden muss146. Die genaue Einordnung ist umstritten. So wird die Beleihung teilweise als Sonderform der formellen Privatisierung angesehen147. Es sprechen allerdings die besseren Argumente dafür, die Beleihung der funktionalen Privatisierung zuzuordnen. Zwar ist eine Annäherung an die Organisationsprivatisierung zu erkennen, allerdings stellt Kämmerer zu Recht fest, dass sich der Beliehene gegenüber dem Staat weiterhin auf Grundrechte berufen kann und insoweit Privatrechtssubjekt bleibt148. Dementsprechend liegen sowohl Merkmale der formellen als auch der materiellen Privatisierung vor, sodass eine Einordnung der Beleihung als Form der funktionalen Privatisierung, die sich zwischen diesen beiden Grundformen der Privatisierung bewegt, vorzugswürdig ist. 4. Vermögensprivatisierung Neben diesen geläufigeren Formen der Privatisierung gibt es zudem weitere Arten, die in der Privatisierungsdiskussion eine untergeordnete Rolle spielen. Zum einen ist in diesem Zusammenhang die Vermögensprivatisierung zu erwähnen. Diese meint eine Übertragung staatlichen Eigentums, wozu auch Wirtschaftsunternehmen zählen, auf Private149. Dabei wird das Vermögen seitens des Staates gänzlich freigegeben150. Allerdings findet neben der Übertragung des Eigentums keine Übertragung einer staatlichen Aufgabe statt151. Insoweit ist diese 143
v. Heimburg, Verwaltungsaufgaben (Fn. 120), S. 36. Einen Überblick über die verschiedenen Felder der Beleihung bietet G. Stadler, Die Beleihung in der neueren Bundesgesetzgebung, 2002. 145 Graf Vitzthum, Grenzen (Fn. 113), S. 593; v. Hagemeister, Privatisierung (Fn. 123), S. 55 ff., 70. 146 So auch Kämmerer, Privatisierung (Fn. 94), S. 46. 147 Für eine Einordnung als Form der formellen Privatisierung spricht sich beispielsweise v. Heimburg, Verwaltungsaufgaben (Fn. 120), S. 21, aus. 148 Kämmerer, Privatisierung (Fn. 94), S. 47, der die Beleihung allerdings dann der Organisationsprivatisierung zurechnet, wenn eine juristische Person Subjekt der Beleihung ist. 149 Schoch, Privatisierung (Fn. 100), S. 962; Bauer, Privatisierung (Fn. 99), S. 251; Weiß, Privatisierung (Fn. 1), S. 35; Weisel, Privatisierung (Fn. 142), S. 47; Zado, Privatisierung (Fn. 98), S. 36. Als Beispiele für die Privatisierung staatlicher Wirtschaftsunternehmen können hier die Börsengänge der Deutschen Bahn und der Bundespost genannt werden. Anderer Ansicht ist Benz, Zulässigkeit (Fn. 121), S. 6, der die Übertragung staatlichen Eigentums als Unterfall der materiellen Privatisierung ansieht. 150 Weisel, Privatisierung (Fn. 142), S. 48. 151 Zado, Privatisierung (Fn. 98), S. 36. 144
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Form der Privatisierung für die hier vorliegende Untersuchung nicht von Bedeutung und soll in der Folge außer Betracht bleiben. 5. Finanzierungsprivatisierung (Public Private Partnership) Darüber hinaus spielt die Finanzierungsprivatisierung vermehrt eine Rolle. Um die Staatskosten zu senken, werden staatliche Aufgaben von Privaten finanziert152. Diese Form der Privatisierung taucht vor allem bei kostenintensiven Bauprojekten oder Infrastrukturmaßnahmen des Staates auf 153, die durch private Träger anstelle des Staates finanziert werden. Der Träger des Projektes refinanziert seine eigenen Ausgaben durch die Erhebung von Gebühren für die Nutzung des errichteten Projekts154. Allerdings muss beachtet werden, ob tatsächlich vorher eine Staatsaufgabe vorgelegen hat oder ob es sich um eine andere Form der Kooperation zwischen Staat und Privat handelt155. 6. Verfahrensprivatisierung Anders, als es der Begriff möglicherweise erwarten lässt, meint der Begriff der Verfahrensprivatisierung nicht die Privatisierung eines eigentlich öffentlichen Verwaltungsverfahrens im Gesamten, also die Anwendung von Privatrecht156. Eine einheitliche Terminologie zum Begriff der Verfahrensprivatisierung hat sich bisher noch nicht herausgebildet157. Man versteht unter dem Begriff der Verfahrensprivatisierung richtigerweise die Übertragung verfahrensbezogener Handlungen in einem öffentlich-rechtlichen Verfahren auf Private158. Darunter fallen
152 Schuppert, Privatisierungsdiskussion (Fn. 107), S. 545; Weisel, Privatisierung (Fn. 142), S. 49; Mackeben, Grenzen (Fn. 17), S. 30; Zado, Privatisierung (Fn. 98), S. 36. 153 Mackeben, Grenzen (Fn. 17), S. 30. Vgl. beispielsweise zum Fernstraßenbau R. Wahl, Die Einschaltung privatrechtlich organisierter Verwaltungseinrichtungen in den Straßenbau, in: DVBl. 1993, S. 517 ff. 154 Weisel, Privatisierung (Fn. 142), S. 49. 155 J. P. Ehlers, Aushöhlung der Staatlichkeit durch die Privatisierung von Staatsaufgaben?, 2003, S. 43; Zado, Privatisierung (Fn. 98), S. 37. 156 Peine, Verfahrensprivatisierung (Fn. 141), S. 101. 157 Vgl. dazu beispielsweise die Ansätze von W. Hoffmann-Riem, Verfahrensprivatisierung als Modernisierung, in: ders./Schneider, Verfahrensprivatisierung (Fn. 141), S. 9 (12 ff.); H.-J. Koch, (Verfahrens-)Privatisierung im öffentlichen Baurecht, ebda., S. 170 (171); H.-H. Trute, Die Verwaltung und das Verwaltungsrecht zwischen gesellschaftlicher Selbstregulierung und staatlicher Steuerung, in: DVBl. 1996, S. 950 (960), die für einen weiten Begriff der Verfahrensprivatisierung plädieren. Anders hingegen Peine, Verfahrensprivatisierung (Fn. 141), S. 101, und Pietzcker, Verfahrensprivatisierung (Fn. 103), S. 285 f., die ein bestehendes Verwaltungsverfahren voraussetzen und somit den Begriff der Verwaltungsprivatisierung deutlich enger auslegen. 158 Insoweit wird einem engen Verständnis des Begriffs gefolgt. Vgl. dazu auch Peine, Verfahrensprivatisierung (Fn. 141), S. 101; Weisel, Privatisierung (Fn. 142), S. 49.
B. Zum Begriff der Privatisierung
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beispielsweise Private, die als Sachverständige oder als Projektmanager Aufgaben wahrnehmen159. Auch die Übertragung von Teilaufgaben auf den Antragsteller im Verwaltungsverfahren stellen eine Verfahrensprivatisierung dar160. Insbesondere im Umweltrecht spielt diese Form der Privatisierung eine übergeordnete Rolle161. Die Verfahrensprivatisierung kann als Unterform der funktionalen Privatisierung betrachtet werden162. Allerdings kann sie je nach Ausgestaltung auch Ähnlichkeiten zur materiellen Aufgabenprivatisierung aufweisen, wenn ein staatlicher Umsetzungsakt unterbleibt163. Sie hat somit keinen eigenständigen Charakter, sodass sich in der Folge keine Besonderheiten im Vergleich zur funktionalen Privatisierung ergeben.
IV. Grenzen der Privatisierung Nachdem die verschiedenen Arten der Privatisierung näher beschrieben worden sind, sollen die Grenzen dargestellt werden, die sich für diese ergeben. Damit soll der Rahmen abgesteckt werden, in dem später die an einen Privaten bei der Aufgabenübertragung gestellten Anforderungen untersucht werden sollen. Diese Voraussetzungen werden möglicherweise durch die Grenzen der Privatisierung beeinflusst. Zunächst ist aber festzuhalten, dass sich aus dem Grundgesetz zumindest kein allgemeines Verbot der Privatisierung von Staatsaufgaben ergibt164. Allerdings müssen einige Schranken beachtet werden, die in der Folge erläutert werden sollen.
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G. F. Schuppert, Verwaltungswissenschaft – Verwaltung, Verwaltungsrecht, Verwaltungslehre, 2000, S. 372; Weisel, Privatisierung (Fn. 142), S. 49. 160 Schuppert, Verwaltungswissenschaft (Fn. 159), S. 372, bezeichnet diese als „verfahrensentlastende Eigenbeiträge“. 161 Schuppert, Verwaltungswissenschaft (Fn. 159), S. 372. Vgl. zur Verfahrensprivatisierung insbesondere im Umweltrecht auch die Beiträge in Hoffmann-Riem/Schneider, Verfahrensprivatisierung (Fn. 157). 162 Burgi (Fn. 53), § 75 Rn. 7. Hoffmann-Riem, Verfahrensprivatisierung (Fn. 157), S. 13, bezeichnet die funktionelle Privatisierung als „den systematischen Ort der Privatisierung“. Anderer Ansicht sind einerseits Peine, Verfahrensprivatisierung (Fn. 141), S. 102, der die Verfahrensprivatisierung der formellen Privatisierung zuordnet, andererseits M. Schmidt-Preuß, Verwaltung und Verwaltungsrecht zwischen gesellschaftlicher Selbstregulierung und staatlicher Steuerung, in: VVDStRL 56 (1997), S. 160 (168), der die Verfahrensprivatisierung als eigenständige Kategorie ansieht. 163 So Hoffmann-Riem, Verfahrensprivatisierung (Fn. 157), S. 13. 164 Rinken, Alternativen (Fn. 101), S. 48 f., unter Hinweis auf die ausführlicheren Untersuchungen von Grabbe, Grenzen (Fn. 45), S. 50 ff.; Däubler, Privatisierung (Fn. 120), S. 70 ff.; B. Gromoll, Rechtliche Grenzen der Privatisierung öffentlicher Aufgaben: untersucht am Beispiel kommunaler Dienstleistungen, 1982, S. 152; D. Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, 1984, S. 88 ff.
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1. Einordnung als notwendige bzw. obligatorische Staatsaufgabe Eine erste Einschränkung der Privatisierbarkeit von Staatsaufgaben ergibt sich unmittelbar aus der Staatsaufgabenlehre. So stellt sich die Einordnung von Staatsaufgaben als notwendige (obligatorische) Staatsaufgaben als Beschränkung der Möglichkeit dar, Aufgaben zu privatisieren165. Diese Aufgaben sind in ihrer Gesamtheit nicht privatisierbar, sodass sich der Staat nicht pauschal dem gesamten Aufgabenfeld entziehen und es der Gesellschaft überlassen kann. Möglich ist in diesen Bereichen eine Übertragung von Teilaufgaben auf die Zivilgesellschaft. Allerdings sind darüber hinaus, wie im Rahmen der Untersuchung der verschiedenen Staatsaufgabentypen festgestellt, Teile der notwendigen Staatsaufgaben gänzlich unvertretbar und somit auch einer Privatisierung als Teilaufgabe nicht zugänglich166. Dementsprechend ist es erforderlich, in einem ersten Schritt festzustellen, ob die zu übertragende Aufgabe eine unvertretbare und somit notwendige ist. Eine solche Unvertretbarkeit wird zum einen bei den Aufgaben angenommen, ohne die der Staat möglicherweise seinen Staatscharakter verlieren würde167, aber auch bei solchen Aufgaben, welche die Authentizität des Staates als Träger der Aufgabe benötigen. Die Einordnung einer Staatsaufgabe als notwendig bzw. unvertretbar kann somit unmittelbare Folgen für die Privatisierungsfähigkeit der Aufgabe haben. Die Staatsaufgabenlehre begrenzt die Privatisierung zumindest teilweise, sodass eine sorgfältige Einordnung der verschiedenen staatlichen Aufgaben zwingend erforderlich ist. Diese Erkenntnis hat zur Folge, dass die Staatsaufgabenlehre und das Privatisierungsproblem eng miteinander verbunden sind und sich gegenseitig beeinflussen. 2. Das Gewaltmonopol des Staates Neben den Beschränkungen, die sich unmittelbar aus der Staatsaufgabenlehre ergeben, wird vor allem die Lehre vom Gewaltmonopol des Staates als Begrenzung der staatlichen Privatisierungsbemühungen diskutiert168. Dies insbesondere 165 So auch Ronellenfitsch, Staat (Fn. 74), S. 708; Burgi (Fn. 53), § 75 Rn. 16. Anderer Ansicht ist Rinken, Alternativen (Fn. 101), S. 49, der die Annahme von privatisierungsfesten „originären Staatsaufgaben“ für nicht nachvollziehbar hält. 166 Siehe dazu unter § 2 A. IV. 3. (S. 50 f.). 167 Vgl. v. Heimburg, Verwaltungsaufgaben (Fn. 120), S. 22, welche die hier als notwendige bzw. obligatorische bezeichneten Aufgaben allerdings als „originäre oder genuine Staatsaufgaben“ bezeichnet. 168 Beispielsweise F. Hammer, Private Sicherheitsdienste, staatliches Gewaltmonopol, Rechtsstaatsprinzip und „schlanker Staat“, in: DÖV 2000, S. 613 (614 f.); B. Weiner, Privatisierung von staatlichen Sicherheitsaufgaben, 2001, S. 129 ff.; Burgi (Fn. 53), § 75 Rn. 19 f. Vgl. zum Gewaltmonopol im Allgemeinen Krüger, Staatslehre (Fn. 36), S. 847 ff.; D. Merten, Rechtsstaat und Gewaltmonopol, 1975, S. 35 ff.; V. Götz, Innere Sicherheit, in: HStR3 IV, § 85 Rn. 18 ff.; R. Herzog, Ziele, Vorbehalte und Grenzen der Staatstätigkeit, ebda., § 72 Rn. 39 ff. Zur geschichtlichen Entwicklung vgl. H.-J. Becker, Das Gewaltmonopol des Staates und die Sicherheit des Bürgers, in: NJW 1995, S. 2077 ff.; C. Müller, Das staatliche Gewaltmonopol, 2007, S. 3 ff.
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bei Übertragungen von Staatsaufgaben aus dem ausufernden Feld der öffentlichen Sicherheit auf Akteure des privaten Sicherheitsgewerbes169. Privatisierungsbemühungen sind in diesem Bereich vermehrt zu beobachten, beispielsweise private Sicherheitsdienste an Bahnhöfen und Flughäfen, oder Privatisierungsbestrebungen im Strafvollzug. Aber auch die Privatisierung der Deutschen Flugsicherung und der Verkehrsüberwachung gehören zu dem Bereich der öffentlichen Sicherheit. a) Herleitung des staatlichen Gewaltmonopols Ein Gewaltmonopol des Staates ist zunächst einmal im Grundgesetz nicht ausdrücklich verankert170. Dennoch sind der Rahmen und der Umfang des Gewaltmonopols aus dem Grundgesetz heraus zu bestimmen171. Allerdings wird aufgrund der fehlenden ausdrücklichen Regelung die Frage nach der genauen Begründung eines staatlichen Gewaltmonopols nicht einheitlich beantwortet172. Im Ergebnis wird die Existenz eines staatlichen Gewaltmonopols aber weder von der Rechtsprechung noch in der Literatur bestritten und ist allgemein anerkannt173. Als Grundlage für dieses Grundprinzip wird überwiegend das Rechtsstaatsprinzip in Art. 20 Abs. 3 GG genannt174. Das Verfassungsprinzip des Rechtsstaates 169 Dazu unter anderem C.-D. Bracher, Gefahrenabwehr durch Private, 1987; M. Schulte, Gefahrenabwehr durch private Sicherheitskräfte im Lichte des staatlichen Gewaltmonopols, in: DVBl. 1995, S. 130 ff.; B. Weiner, Privatisierung von staatlichen Sicherheitsaufgaben, 2001; M. Klüver, Zur Beleihung des Sicherheitsgewerbes mit Aufgaben der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, 2007. 170 Hammer, Sicherheitsdienste (Fn. 168), S. 615, der dabei sogar so weit geht, dass es in einem freiheitlichen Staat gar nicht möglich sei, ein Gewaltmonopol des Staates ausdrücklich in der Verfassung zu verankern; Weiner, Privatisierung (Fn. 169), S. 117; Müller, Gewaltmonopol (Fn. 168), S. 112; Zado, Privatisierung (Fn. 98), S. 273. 171 So auch Hammer, Sicherheitsdienste (Fn. 168), S. 617. 172 Zu den verschiedenen Erklärungsansätzen ausführlich Zado, Privatisierung (Fn. 98), S. 274 ff. Vgl. für eine rechtsphilosophische Herleitung des Gewaltmonopols ausgehend von Thomas Hobbes, John Locke und Jean Bodin Weiner, Privatisierung (Fn. 169), S. 118; Zado, ebda., S. 151 ff. 173 BVerfGE 54, 277 (292); 123, 267 (358); BVerfGK 2, 22 (26). Aus der Literatur u. a. Weiner, Privatisierung (Fn. 169), S. 117, der zurecht darauf hinweist, dass sich die Diskussion um die Verortung des Gewaltmonopols nur um das „Wo“ drehe. Anerkennung findet das staatliche Gewaltmonopol beispielsweise bei J. Isensee, Die Friedenspflicht der Bürger und das Gewaltmonopol des Staates, in: G. Müller u. a. (Hrsg.), Staatsorganisation und Staatsfunktionen im Wandel. Festschrift für Kurt Eichenberger, 1982, S. 23 ff.; B. Jeand’Heur, Von der Gefahrenabwehr als staatliche Angelegenheit zum Einsatz privater Sicherheitskräfte, in: AöR 119 (1994), S. 107 (113 f.); A. J. Hummler, Staatliches Gewaltmonopol und Notwehr, 1998, S. 1 ff.; F. Huber, Wahrnehmung von Aufgaben im Bereich der Gefahrenabwehr durch das Sicherheits- und Bewachungsgewerbe, 2000, S. 130; Zado, Privatisierung (Fn. 98), S. 274. 174 So unter anderem Merten, Rechtsstaat (Fn. 168), S. 41 ff.; Isensee, Friedenspflicht (Fn. 173), S. 23 ff.; Jeand’Heur, Gefahrenabwehr (Fn. 173), S. 114 f.; R. Scholz, Verkehrsüberwachung durch Private?, in: NJW 1997, S. 14 (16); F. Schnekenburger, Rechtsstellung und Aufgaben des Privaten Sicherheitsgewerbes, 1999, S. 189 f.; Weiner, Privatisierung (Fn. 169), S. 118 f.
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und damit verbunden die Gewaltenteilung könne ohne ein beim Staat liegendes Gewaltmonopol nicht wirksam umgesetzt werden175. Es sei zwar nicht das unbedingte Ziel des Rechtsstaates, Gewalt zur Durchsetzung des Rechts einzusetzen, es müsse aber jederzeit möglich sein176. Dem wird zwar entgegengesetzt, dass die Normdurchsetzung nicht unbedingt spezifisch für den Rechtsstaat sei177, allerdings ist sie jedenfalls ein Teil des Rechtsstaats, sodass sich das Rechtsstaatsprinzip durchaus zur Herleitung des Gewaltmonopols eignet178. b) Inhalt des Gewaltmonopols Grundaussage des Gewaltmonopols ist, dass allein dem Staat physische Gewalt als Zwangsmittel vorbehalten ist179. Zwischen Privaten ist eine Gewaltanwendung hingegen untersagt, diesen steht als Ausgleich der Weg zu den Gerichten offen180. Diese Ansicht teilt auch das Bundesverfassungsgericht, das darüber hinaus herausstellt, dass sich „aus dem Verbot der Privatgewalt und der Verstaatlichung der Rechtsdurchsetzung“ auf der anderen Seite die Pflicht des Staates ergebe „für die Sicherheit seiner Bürger zu sorgen und die Beachtung ihrer Rechte sicherzustellen“ 181. Auch wenn es in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht unmittelbar um das Gewaltmonopol als solches geht, steckt
175 BVerwGE 59, 242 (248), sieht die Rechtsdurchsetzung in einem geordneten Gemeinwesen den staatlichen Instanzen vorbehalten. So auch Isensee, Friedenspflicht (Fn. 173), S. 25; K. Sobota, Das Prinzip Rechtsstaat, 1997, S. 500 f.; Hummler, Gewaltmonopol (Fn. 173), S. 2; E. Schmidt-Aßmann, Der Rechtsstaat, in: HStR3 II, § 26 Rn. 47, spricht davon, dass die „Gewaltenteilung das notwendige Korrelat des von ihm beanspruchten Gewaltmonopols“ sei; A. Randelzhofer, Staatsgewalt und Souveränität, ebda., § 17 Rn. 40. 176 Merten, Rechtsstaat (Fn. 168), S. 30, 67. In diesem Sinne auch E. Fechner, Freiheit und Zwang im Sozialen Rechtsstaat, 1953, S. 13, zum Zusammenhang von Freiheit und Zwang. Fechner stellt fest, dass die Rechtsordnung erst dann „das notwendige Mindestmaß an gemeinschaftsbezogenem Verhalten“ erzwinge, wenn „es nicht aus freiem Entschluß und Willen geleistet wird.“ 177 So C. Möllers, Staat als Argument, 2. Aufl. 2011, S. 274, der daraus schließt, dass der Staat zwar in der Regel Gewalt ausübe, sie in Ausnahmefällen mit besonderer Rechtfertigung aber auch von Privaten ausgeübt werden dürfe, S. 283. 178 So auch Zado, Privatisierung (Fn. 98), S. 275. 179 Burgi (Fn. 53), § 75 Rn. 19; Herzog (Fn. 168), § 72 Rn. 39. Zum Gewaltmonopol des Staates aus soziologischer Sicht M. Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, Studienausgabe 1964, 2. Halbbd., S. 1042 ff. Nach diesem ist der Staat „diejenige menschliche Gemeinschaft, welche innerhalb eines bestimmten Gebiets [. . .] das Monopol legitimer physischer Gewaltsamkeit für sich beansprucht.“ Man kann nach Weber den Staat zumindest soziologisch nur „aus einem spezifischen Mittel“ definieren: der physischen Gewaltsamkeit. 180 BVerfGE 74, 257 (261 f.). Aus der Literatur R. Herzog, Art. Macht, in: ders. u. a. (Hrsg.), Evangelisches Staatslexikon, 3. Aufl. 1987, Bd. 1, Sp. 2057 (2060 f.); Burgi (Fn. 53), § 75 Rn. 19. 181 BVerfGE 74, 257 (262). So auch Merten, Rechtsstaat (Fn. 168), S. 61 f.
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das Gericht dennoch einen Rahmen für ebendieses ab182. Ziel des Gewaltmonopols ist dabei, dass Selbstjustiz und Gewalt zwischen Privaten verhindert werden und der Staat auf diese Weise für gesellschaftlichen Frieden sorgt183. Dabei stellt sich allerdings die Frage, wodurch festgelegt wird, was der Staat unter dem Begriff der Gewalt, die er dem Bürger gegenüber legitimerweise ausüben darf, zu verstehen hat. Unter dem Begriff der Gewalt könnte, weit gefasst, nicht nur die physische Gewalt, sondern die hoheitliche Gewalt im Allgemeinen verstanden werden184. Dieses Verständnis eines Gewaltmonopols ist aber zu weitgehend und muss daher abgelehnt werden. Vielmehr beschränkt sich das Gewaltmonopol des Staates richtigerweise auf physische Gewalt185. Zwar ist der anderen Ansicht zuzugestehen, dass der Staat nicht ausschließlich körperlich Gewalt ausübt, sondern auf viele verschiedene Arten. Es ist aber festzustellen, dass es Herrschaftsverhältnisse auch unter Privaten gibt, beispielsweise zwischen Eltern und Kindern186. Daraus ergibt sich, dass sich das Gewaltmonopol auf physische Gewalt beschränken muss. Dafür spricht auch das Ziel des Gewaltmonopols, Selbstjustiz und Gewalt zwischen Privaten zu verhindern. c) Folgen für die Privatisierung Aus dem Gewaltmonopol des Staates folgt grundsätzlich konsequenterweise ein Privatisierungsverbot staatlicher Gewalt187. So bleibt auch bei der Einbeziehung Privater in Bereichen, die mit dem Gewaltmonopol des Staates in Berührung kommen, die abschließende Kompetenz beim Staat188. Von diesem Grundsatz muss es allerdings in bestimmten Fällen dennoch Ausnahmen geben. Als bekanntere Ausnahmen vom Gewaltmonopol finden sich gerade im Strafrecht ge182 Auch Zado, Privatisierung (Fn. 98), S. 277, erkennt in der Entscheidung einige Elemente des Gewaltmonopols, wenngleich auch keine „abschließende Konzeption“ eines Gewaltmonopols. 183 Burgi, Privatisierung (Fn. 20), S. 185; Zado, Privatisierung (Fn. 98), S. 155. 184 So beispielsweise S. Rüppel, Privatisierung des Strafvollzuges, 2010, S. 93, der in diesem Zusammenhang auch auf den Begriff des „staatlichen Rechtsmonopols“ verweist. Vgl. zu diesem Begriff auch R. Scholz, Rechtsfrieden im Rechtsstaat, in: NJW 1983, S. 705 (707), der darlegt, dass es sich beim staatlichen Gewaltmonopol um nichts anderes als ein staatliches Rechtsmonopol handele und somit um ein Monopol „zum Schutz von Recht, Frieden und Gleichheit aller Bürger“. 185 So auch Burgi, Privatisierung (Fn. 20), S. 185; E. M. Schimpfhauser, Das Gewaltmonopol des Staates als Grenze der Privatisierung von Staatsaufgaben, 2009, S. 68; D. Heck, Grenzen der Privatisierung militärischer Aufgaben, 2010, S. 94; Zado, Privatisierung (Fn. 98), S. 158. 186 Zado, Privatisierung (Fn. 98), S. 157. Zu den Begriffen der Herrschaft und des körperlichen Zwanges J. Isensee (Fn. 37), § 15 Rn. 87. 187 Weiner, Privatisierung (Fn. 169), S. 124; Zado, Privatisierung (Fn. 98), S. 281, meint, dass der Grundgedanke des staatlichen Gewaltmonopols einer Privatisierung von Gewalt bereits begrifflich entgegenstehe. 188 Weiner, Privatisierung (Fn. 169), S. 124.
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setzlich geregelte Ausnahmetatbestände wie Notwehr und Nothilfe in den §§ 32, 34 StGB oder aber auch das Festnahmerecht in § 127 StPO. Gesetzlich geregelte Ausnahmen finden sich aber auch im BGB in Form der zivilrechtlichen Notstandsregelungen in §§ 228, 904 BGB. Auch über diese Regelungen hinaus stellt sich die Frage, ob unter Umständen Ausnahmen vom Grundsatz der Privatisierungsfeindlichkeit von Gewalt gemacht werden können. Zado stellt fest, dass eine solche Ausnahme nur denkbar ist, wenn durch die Ausnahme das staatliche Ausübungsmonopol nicht betroffen ist189. Er nimmt dabei Bezug auf die ausdifferenzierte Untersuchung von Weiner, der die verschiedenen Ebenen des staatlichen Gewaltmonopols herausgearbeitet hat190. Demnach hat der Staat neben dem Zugriffsmonopol ein Sanktions- und Durchsetzungsmonopol und darüber hinaus auch ein exklusives Definitionsmonopol zur Bestimmung dieser beiden Bereiche. Im Rahmen des Zugriffsmonopols steht es dem Staat allerdings in einem engen Rahmen zu, Ausnahmen zu definieren. Dabei kann er zum einen Private zur Vornahme von Gewalt ermächtigen, aber auch ausnahmsweise Gewalt auf Private übertragen191. In Bereichen staatlicher Aufgabenbereiche, die mit dem Gewaltmonopol des Staates in Berührung kommen, ist es demnach unerlässlich, genau zu überprüfen, ob es zu einer Verletzung ebendieses Monopols kommt oder ob eben eine legitimierte Ausnahme vorliegt. 3. Der Funktionsvorbehalt des Art. 33 Abs. 4 GG Eine weitere Beschränkung der Privatisierung könnte sich aus dem Funktionsvorbehalt des Art. 33 Abs. 4 GG ergeben. Demnach ist die Ausübung von hoheitlichen Befugnissen als ständige Aufgabe in der Regel auf Angehörige des öffentlichen Dienstes zu übertragen. Die Regelung des Art. 33 Abs. 4 GG ist zusammen mit der des Art. 33 Abs. 5 GG die wichtigste und grundlegendste Bestimmung des Berufsbeamtentums192. Sie sichert in Form einer institutionellen Garantie einen „Mindesteinsatzbereich“ für Beamte193. Der Zweck dieser Regelung liegt darin, die Funktionsfähigkeit, Effektivität und Integrität des Staates zu 189
Zado, Privatisierung (Fn. 98), S. 281. Weiner, Privatisierung (Fn. 169), S. 115 ff. (insb. S. 122 ff.), mit dem abschließenden Modell der verschiedenen Ebenen des Gewaltmonopols in Abb. VI. auf S. 128. 191 Weiner, Privatisierung (Fn. 169), S. 128 (Abb. VI). 192 T. Lämmerzahl, Die Beteiligung Privater an der Erledigung öffentlicher Aufgaben, 2007, S. 154. J. Masing, in: H. Dreier (Hrsg.), GG II, 2. Aufl. 2006, Art. 33 Rn. 2, bezeichnet die Absätze als „institutionelles Fundament“, durch das versucht wird, einen „Kernbereich von Aufgaben“ zu sichern; so auch Zado, Privatisierung (Fn. 98), S. 367. 193 Vgl. F. Brosius-Gersdorf, in: H. Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Bd. II, 3. Aufl. 2015, Art. 33 Rn. 149 f. Dieser Funktionsvorbehalt beinhaltet aber keinen entsprechenden Funktionsvorbehalt für Nichtbeamte, sodass Beamte auch außerhalb des durch Art. 33 Abs. 4 GG besonders geschützten Bereiches eingesetzt werden können. Vgl. dazu ebenfalls K. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 1, 2. Aufl. 1984, S. 350; Brosius-Gersdorf, ebd., Art. 33 Rn. 150 m.w. N. 190
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erhalten194. Aus diesem Grund sollen die Aufgaben von Personen wahrgenommen werden, die über ein besonderes Fachwissen und eine besondere Bindung zum Staat verfügen. Bei der Privatisierung von Staatsaufgaben werden diese aber gerade nicht auf mit solchem Fachwissen ausgestattete Angehörige des öffentlichen Dienstes übertragen, sondern auf Akteure der Zivilgesellschaft. Dies kann zu einer Entlastung des Staatsapparates führen und auch eine Steigerung der Effektivität durch eine ausgeglichenere Aufgabenverteilung hervorrufen. Dennoch könnte eine solche Übertragung der Regelung des Art. 33 Abs. 4 GG zuwiderlaufen, was in der Konsequenz bedeuten würde, dass Art. 33 Abs. 4 GG eine absolute Sperre der Privatisierung darstellte. a) Regelungsgehalt Um eine mögliche Beeinflussung der Privatisierung durch Art. 33 Abs. 4 GG festzustellen, sind zunächst aber die Voraussetzungen der Regelung näher zu untersuchen. Dies ist erforderlich, um sich den Regelungsbereich der Vorschrift bewusst zu machen. Dabei sind vor allem die nicht eindeutig bestimmten Begriffe der „hoheitsrechtlichen Befugnisse“ und der „ständigen Aufgabe“ von Bedeutung. Erst, wenn diese Begriffe hinreichend geklärt sind, kann untersucht werden, inwieweit die Privatisierung überhaupt mit der Regelung des Art. 33 Abs. 4 GG in Konflikt kommen kann. aa) „Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse“ Zunächst stellt sich die Frage, was unter der „Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse“ zu verstehen ist. Diese Frage war schon bei der Entstehung der Vorschrift im Parlamentarischen Rat ungeklärt und ist auch heute noch, zumindest teilweise, umstritten195. Überwiegend anerkannt ist mittlerweile, dass zu den hoheitsrechtlichen Befugnissen nur solche der Exekutive und nicht solche der Legislative oder Judikative gezählt werden können196. Und auch im Bereich der Exekutive sind nicht alle Aufgaben umfasst. So fallen rein erwerbswirtschaftliche Tätigkeiten und Hilfsaufgaben nicht unter Art. 33 Abs. 4 GG197. Alle anderen 194 Zado, Privatisierung (Fn. 98), S. 370 ff.; Brosius-Gersdorf (Fn. 193), Art. 33 Rn. 148. 195 Vgl. dazu Lämmerzahl, Beteiligung (Fn. 192), S. 154; Brosius-Gersdorf (Fn. 193), Art. 33 Rn. 151. Zur Diskussion über Art. 33 Abs. 4 GG im Parlamentarischen Rat siehe ebda., Art. 33 Rn. 26 ff. 196 U. Battis/H. D. Schlenga, Die Verbeamtung der Lehrer, in: ZBR 1995, S. 253 (256); F. Klaß, Die Fortentwicklung des deutschen Beamtenrechts durch das europäische Recht, 2014, S. 40; Brosius-Gersdorf (Fn. 193), Art. 33 Rn. 152; S. U. Pieper, in: B. Schmidt-Bleibtreu/H. Hofmann/H.-G. Henneke (Hrsg.), GG, 14. Aufl. 2018, Art. 33 Rn. 109. 197 So Brosius-Gersdorf (Fn. 193), Art. 33 Rn. 152, mit zahlreichen weiteren Nachweisen.
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Aufgaben der Exekutive sind aber grundsätzlich dazu geeignet, in den Regelungsbereich des Art. 33 Abs. 4 GG zu fallen. Umstritten ist aber weiterhin, ob der Funktionsvorbehalt eine bestimmte Handlungs- oder Organisationsform vorsieht. Teilweise wird geltend gemacht, nur Tätigkeiten, die seitens der Exekutive in öffentlich-rechtlicher Form erledigt werden, könnten unter Art. 33 Abs. 4 GG fallen198. Ein Handeln in privatrechtlicher Organisationsform würde somit aus dem Anwendungsbereich des Funktionsvorbehalts ausscheiden199. Dem wird in der Literatur aber überwiegend entgegengehalten, dass die Handlungs- oder Organisationsform der Verwaltung keinen Einfluss darauf hat, ob eine Tätigkeit in den Anwendungsbereich fällt oder nicht200. So stellten auch Tätigkeiten in privatrechtlicher Organisationsform hoheitliche Befugnisse dar201. Differenziert wird dabei allerdings teilweise nach der Art der Verwaltung202. So wird teilweise nur der Bereich der Eingriffsverwaltung dem Regelungsgehalt des Art. 33 Abs. 4 GG zugeordnet203. Eine solche Eingrenzung kann aber nicht überzeugen, da auch Fälle der Leistungsverwaltung eine besondere Grundrechtsrelevanz aufweisen können und somit möglicherweise der besonderen Sorgfalt des Beamtentums bedürfen. Dementsprechend sind auch Fälle der Leistungsverwaltung als Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse im Sinne des Art. 33 Abs. 4 GG zu verstehen204. Im Ergebnis sind unter „hoheitsrechtlichen Befugnissen“ 198 W. Rudolf, Der öffentliche Dienst im Staat der Gegenwart, in: VVDStRL 37 (1979), S. 175 (203); A. Hense, in: V. Epping/C. Hillgruber (Hrsg.), GG, 2. Aufl. 2013, Art. 33 Rn. 28; U. Battis, in: M. Sachs (Hrsg.), GG, 8. Aufl. 2018, Art. 33 Rn. 57; B. Pieroth, in: H. D. Jarass/ders., GG, 15. Aufl. 2018, Art. 33 Rn. 41. 199 Hense (Fn. 198), Art. 33 Rn. 28. 200 Vgl. dazu statt vieler Brosius-Gersdorf (Fn. 193), Art. 33 Rn. 152, 154, mit weiteren Nachweisen. Ganz anders K. J. Grigoleit, in: K. Stern/F. Becker (Hrsg.), Grundrechte-Kommentar, 2. Aufl. 2016, Art. 33 Rn. 53, der darauf abstellen möchte, ob die Aufgabe von „hervorgehobener Bedeutung“ ist. Ein solcher Ansatz ist allerdings aufgrund seiner sich bereits aus dem Begriff selbst ergebender Unklarheit abzulehnen. 201 Vgl. aus der Rechtsprechung: BVerfGE 130, 76 (111); BVerwGE 57, 55 (60). Aus der Literatur bspw.: G. Nitz, Private und öffentliche Sicherheit, 2000, S. 399 ff.; O. Freitag, Das Beleihungsrechtsverhältnis, 2004, S. 59; Klüver, Beleihung (Fn. 169), S. 134. 202 Diese Differenzierung zwischen den verschiedenen Formen der Verwaltung findet sich auch bei den Vertretern in der Literatur, die lediglich das Tätigwerden der Verwaltung in öffentlich-rechtlicher Form in den Regelungsbereich des Art. 33 Abs. 4 GG zählen wollen. 203 J. Jung, Die Zweispurigkeit des öffentlichen Dienstes, 1971, S. 175; P.-J. Peine, Der Funktionsvorbehalt des Berufsbeamtentums, in: DV 17 (1984), S. 415 (424); K. Leitges, Die Entwicklung des Hoheitsbegriffs in Art. 33 Abs. 4 des Grundgesetzes, 1998, S. 261. 204 Vgl. dazu J. Isensee, Öffentlicher Dienst, in: HdbVerfR2, § 32 Rn. 56 ff. In diese Richtung auch T. Strauß, Funktionsvorbehalt und Berufsbeamtentum. Zur Bedeutung des Art. 33 Abs. 4 GG, 2000, S. 64 ff. u. 118 ff.; Zado, Privatisierung (Fn. 98), S. 381; A. Thiele, Art. 33 Abs. 4 GG als Privatisierungsschranke, in: Der Staat 49 (2010),
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also sowohl Maßnahmen der Eingriffsverwaltung als auch der Leistungsverwaltung zu verstehen, unabhängig von der Organisationsform, in der die Verwaltung tätig wird. Allerdings ist Brosius-Gersdorf recht zu geben, wenn Sie dafür plädiert, den Begriff der hoheitsrechtlichen Befugnisse in Art. 33 Abs. 4 GG eng auszulegen205. Es ist richtig, lediglich solche Aufgaben zu umfassen, bei denen ein Tätigwerden des Staates aufgrund der Umstände zwingend erforderlich ist. Ob dies bei einer bestimmten Aufgabe der Fall ist, lässt sich pauschal durch die Unterteilung in Eingriffs- oder Leistungsverwaltung nicht beantworten, sondern muss bei jeder Aufgabe konkret bestimmt werden206. bb) „ständige Aufgabe“ Darüber hinaus muss die Aufgabe als ständig im Sinne von Art. 33 Abs. 4 GG angesehen werden. Von einer ständigen Aufgabe kann nur dann gesprochen werden, wenn die Dauer der Aufgabe nicht von vornherein absehbar ist und sie eine gewisse Kontinuität aufweist207. Die Häufigkeit, in welcher eine solche Aufgabe von der Verwaltung wahrgenommen wird, ist hingegen nicht von Bedeutung208. Lämmerzahl bringt in diesem Zusammenhang treffend als Beispiel die Aufgaben, die sich im Rahmen der deutschen Einigung ergeben haben209. Bei diesen Aufgaben war ersichtlich, dass sie nur über einen gewissen Zeitraum, bis zur Integration der neuen Bundesländer, erforderlich seien. Insoweit war eine Ausweitung des Beamtenstabes für diese Aufgaben nicht angezeigt210. Solch vorübergehende Aufgaben scheiden also aus dem Regelungsbereich des Art. 33 Abs. 4 GG aus. cc) Ergebnis Im Ergebnis umfasst Art. 33 Abs. 4 GG also alle Aufgaben der Exekutive von einer gewissen Kontinuität, bei der die Dauer nicht absehbar ist, unabhängig davon, in welcher Handlungsform sie die Aufgaben wahrnimmt und um welche Art S. 274 (283 ff.); H. Lecheler, in: K. H. Friauf/W. Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 33 (2000), Rn. 49 ff., die allerdings als Kriterium lediglich grundrechtsrelevantes Handeln fordern und im Anschluss nicht zwischen Eingriffs- und Leistungsverwaltung unterscheiden wollen. Auch Stern, Staatsrecht I (Fn. 193), S. 349, und Battis (Fn. 198), Art. 33 Rn. 57, halten die Leistungsverwaltung für umfasst, folgen aber der Auffassung, dass nur das Tätigwerden in öffentlich-rechtlicher Form umfasst ist. 205 Brosius-Gersdorf (Fn. 193), Art. 33 Rn. 154. 206 Für diese „aufgaben- und funktionsbezogene Beurteilung“ spricht sich insbesondere Brosius-Gersdorf (Fn. 193), Art. 33 Rn. 154, aus. 207 Masing (Fn. 192), Art. 33 Rn. 69; Pieroth (Fn. 198), Art. 33 Rn. 41; Pieper (Fn. 196), Art. 33 Rn. 124. Vgl. auch F. Ossenbühl, Eigensicherung und hoheitliche Gefahrenabwehr, 1981, S. 35, der in diesem Zusammenhang von transitorischen Aufgaben spricht. 208 Pieroth (Fn. 198), Art. 33 Rn. 41 mit Hinweis auf BVerfGE 130, 76 (113 f.). 209 Lämmerzahl, Beteiligung (Fn. 192), S. 164 f. 210 Vgl. dazu Lämmerzahl, Beteiligung (Fn. 192), S. 165.
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der Verwaltung es sich handelt. Damit ist allerdings noch nicht geklärt, inwieweit die Regelung für die Aufgaben, die sie umfasst, eine Privatisierungsschranke darstellen könnte. Die Schrankenwirkung des Art. 33 Abs. 4 GG soll daher in der Folge untersucht werden. b) Schrankenwirkung Art. 33 Abs. 4 GG trifft keine grundsätzliche Regelung dazu, welche Aufgaben vom Staat wahrgenommen werden müssen211. Vielmehr ist bereits in einem vorherigen Schritt mit den Ergebnissen der Staatsaufgabenlehre zu klären, welche Aufgaben der Staat für sich in Anspruch nehmen darf 212. Art. 33 Abs. 4 GG hingegen legt ausschließlich fest, in welcher Form die Aufgabenwahrnehmung durch den Staat zu erfolgen hat, wenn ihm eine Aufgabe zugeordnet worden ist213. Dabei sollen nur die Zuständigkeiten von Beamten und anderen Angehörigen des öffentlichen Dienstes zueinander abgrenzt werden, sodass es sich im Ergebnis um eine „Aufgabenverteilungsnorm“ handelt214. Mit den in Art. 33 Abs. 4 GG genannten „Angehörigen des öffentlichen Dienstes“ sind die Beamten gemeint215. Zu klären ist allerdings, ob Art. 33 Abs. 4 GG Auswirkungen auf die Möglichkeit der Privatisierung von Aufgaben hat, die nach der Staatsaufgabenlehre dem Staat zugeordnet werden. Teilweise wird in der Literatur aus der Regelung ein pauschales Verbot der Privatisierung entnommen216. Dies würde unter anderem auch zum Schutz der Bürger bestehen, die darauf vertrauen könnten, dass die Aufgaben durch sachkundiges Personal in einem Dienst- und Treueverhältnis erfüllt werden217. Ein 211 Strauß, Funktionsvorbehalt (Fn. 204), S. 201; Kämmerer, Privatisierung (Fn. 94), S. 215. Anderer Ansicht sind Krölls, Grenzen (Fn. 140), S. 135; V. Haug, Funktionsvorbehalt und Berufsbeamtentum als Privatisierungsschranken, in: NVwZ 1999, S. 816 (816 f.), die unmittelbar aus Art. 33 Abs. 4 GG ableiten wollen, welche Aufgaben dem Staat zugeordnet sind. 212 So auch Strauß, Funktionsvorbehalt (Fn. 204), S. 201; Kämmerer, Privatisierung (Fn. 94), S. 215. 213 Vgl. unter anderem Di Fabio, Privatisierung (Fn. 56), S. 590 f.; Strauß, Funktionsvorbehalt (Fn. 204), S. 201; Kämmerer, Privatisierung (Fn. 94), S. 215. 214 F. Bansch, Die Beleihung als verfassungsrechtliches Problem, 1973, S. 66; Grabbe, Grenzen (Fn. 45), S. 53; A. Voßkuhle, Personal, in: GVwR2 III, § 43 Rn. 71. 215 Das ergibt sich aus dem Hinweis auf das „öffentlich-rechtliche Dienst- und Treueverhältnis“, der auf das Beamtenrecht verweist. Vgl. dazu Voßkuhle, Personal (Fn. 214), § 43 Rn. 71; P. Kunig, in: I. v. Münch/ders. (Hrsg.), GG I, 6. Aufl. 2012, Art. 33 Rn. 39; H. Lecheler, Der öffentliche Dienst, in: HStR3 V, § 110 Rn. 14. 216 Vgl. H. Lecheler, Privatisierung – ein Weg zur Neuordnung der Staatsleistungen?, in: ZBR 1980, S. 69 (70 f.); ders., Grenzen für den Abbau von Staatsleistungen, 1989, S. 65; Krölls, Grenzen (Fn. 140), S. 135 f. 217 So Lecheler, Grenzen (Fn. 216), S. 65. Den Beamten sei dabei insbesondere das Streikrecht verwehrt, was zu einer Verpflichtung der Aufgabenerledigung seitens der Beamten führe.
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solch weitgehender Regelungsgehalt kann der Vorschrift jedenfalls nicht zugestanden werden. Bereits die Formulierung „in der Regel“ lässt erkennen, dass eine Ausnahme möglich sein muss218. Lämmerzahl weist darauf hin, dass dieses Regel-Ausnahme-Prinzip in Art. 33 Abs. 4 GG den „privatisierungslimitierenden Gehalt“ der Regelung weitgehend aufhebe219. Bei der Frage, inwieweit die Regelung des Art. 33 Abs. 4 GG dennoch eine Privatisierung beschränken kann, ist im Hinblick auf die verschiedenen Formen der Privatisierung zu unterscheiden. aa) Materielle Privatisierung Die Frage, inwieweit der Funktionsvorbehalt des Art. 33 Abs. 4 GG eine Sperrwirkung im Rahmen der materiellen Privatisierung entfaltet, wird unterschiedlich beurteilt. Teilweise wird angenommen, dass sich aus Art. 33 Abs. 4 GG die Pflicht ergibt, dass hoheitsrechtliche Befugnisse zwingend vom Staat wahrgenommen werden müssen220. Dies hätte zur Folge, dass eine materielle Privatisierung grundsätzlich von vornherein ausschiede. Brosius-Gersdorf wendet aber zu Recht ein, dass eine solche Sperrwirkung nur dann angenommen werden könne, wenn man Art. 33 Abs. 4 GG in der Hinsicht restriktiv auslege, dass unter „Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse“ nur solche Aufgaben fielen, die aufgrund besonderer Verbundenheit ein Tätigwerden des Staates erforderten221. Dabei ist vor allem an die Kernaufgaben des Staates wie Justiz, Polizei oder Strafvollzug zu denken222. Eine solch enge Auslegung der Vorschrift ist aber nicht angezeigt. So wird eine solche Sperrwirkung im Bereich der materiellen Privatisierung richtigerweise auch überwiegend abgelehnt223. Die Vorschrift regelt nicht, welche Aufgaben der Staat hat – das ist Aufgabe der Staatsaufgabenlehre –, sondern die Verteilung der Aufgaben, die ihm zugewiesen sind. Insoweit sichert der Funktionsvorbehalt
218 So auch Lee, Privatisierung (Fn. 123), S. 88, der darüber hinaus anmerkt, dass eine pauschale Sperre der Privatisierung schon deshalb nicht möglich erscheine, weil nicht ständige Aufgaben und nicht hoheitsrechtliche Befugnisse weiter übertragbar seien. Dieses Argument ist nicht durchgreifend, da diese Aufgaben schon gar nicht unter den Regelungsbereich des Art. 33 Abs. 4 GG fallen. 219 Dazu Lämmerzahl, Beteiligung (Fn. 192), S. 165. 220 A. Krölls, Die Privatisierung der inneren Sicherheit, in: GewArch. 1997, S. 445 (451 f.); W. Leisner, Berufsbeamtentum und Entstaatlichung, in: DVBl. 1978, S. 733 (735 f.); Isensee, Öffentlicher Dienst (Fn. 204), § 32 Rn. 35; M. Jachmann/T. Strauß, Berufsbeamtentum, Funktionsvorbehalt und der „Kaperbrief für den Landeinsatz“, in: ZBR 1999, S. 289 (295 f.). 221 Brosius-Gersdorf (Fn. 193), Art. 33 Rn. 151. 222 Übersichtlich dazu beispielsweise Krölls, Grenzen (Fn. 140), S. 135 f. 223 Bull, Staatsaufgaben (Fn. 20), S. 99 ff.; Strauß, Funktionsvorbehalt (Fn. 204), S. 199 ff.; R. Balzer, Republikprinzip und Berufsbeamtentum, 2009, S. 176 ff.; Thiele, Privatisierungsschranke (Fn. 204), S. 287 ff.; Brosius-Gersdorf (Fn. 193), Art. 33 Rn. 151.
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nicht den Bestand von Staatsaufgaben224. Dementsprechend ist es auch unzutreffend dem Funktionsvorbehalt eine solche Sperrwirkung zuzuordnen, Art. 33 Abs. 4 GG stellt keine pauschale Grenze für die materielle Privatisierung dar. Vielmehr fallen Aufgaben, die der Staat materiell privatisiert hat, derer er sich also vollumfänglich entledigt hat, nicht mehr in den Regelungsbereich des Art. 33 Abs. 4 GG. bb) Formelle Privatisierung Anders könnte dies im Rahmen der formellen Privatisierung aussehen. Hier bleibt der Staat trotz formaler Übertragung der Aufgabe auf eine private Organisationseinheit verantwortlich, weil er weiterhin deren Inhaber ist. Insofern droht hier, viel mehr als bei der materiellen Privatisierung, eine Umgehung der Regelungen, die der Staat bei einer eigenständigen Wahrnehmung der Aufgabe eigentlich einhalten müsste. Die Aufgabe verbleibt anders als bei einer materiellen Privatisierung weiterhin in seiner Sphäre. Es könnte daher insoweit zu einem Konflikt zwischen formeller Organisationsprivatisierung und Art. 33 Abs. 4 GG kommen, als sich aus dem Funktionsvorbehalt möglicherweise eine Verbeamtungspflicht für bestimmte Aufgaben ergibt225. Insbesondere auch deswegen, weil in einem aus einer Privatisierung hervorgehenden Unternehmen in privater Rechtsform ein Tätigwerden von Beamten in der Folge grundsätzlich ausgeschlossen ist226. Dies ist nur dann ausnahmsweise möglich, wenn im Grundgesetz eine Bereichsausnahme für diesen Fall festgesetzt worden ist227. Dann gilt die Regelung des Art. 33 Abs. 4 GG allerdings auch für das privatisierte Unternehmen228. 224 Masing (Fn. 192), Art. 33 Rn. 62; Balzer, Republikprinzip (Fn. 223), S. 176; Brosius-Gersdorf (Fn. 193), Art. 33 Rn. 151. In diese Richtung geht auch C. H. Ule in seinem Diskussionsbeitrag zum Thema: Die Erfüllung von Verwaltungsaufgaben durch Private, in: VVDStRL 29 (1971), S. 269, der ausführt, dass Art. 33 Abs. 4 GG der Verwaltungshilfe Privater gar keine Grenze setze, sondern vielmehr nur die Frage regele, ob Aufgaben „Beamten oder Angestellten und Arbeitern des öffentlichen Rechts“ übertragen werden können. Damit widerspricht er F. Ossenbühl, ebd., S. 205 LS 10, der dem Funktionsvorbehalt des Art. 33 Abs. 4 GG zumindest eine quantitative Grenze zuspricht. 225 Vgl. dazu Voßkuhle, Personal (Fn. 214), § 43 Rn. 47; E. Lindgen, Der Funktionsvorbehalt des Art. 33 Abs. 4 GG und seine Durchbrechungen, in: DÖD 1972, S. 1 (6); Masing (Fn. 192), Art. 33 Rn. 62; Brosius-Gersdorf (Fn. 193), Art. 33 Rn. 151. Anderer Ansicht ist Strauß, Funktionsvorbehalt (Fn. 204), S. 205. 226 D. Sterzel, Überleitung von Beamten in privatisierte Unternehmen, in: T. Blanke/ S. Fedder (Hrsg.), Privatisierung, 2. Aufl. 2010, S. 574 (577 f.); Zado, Privatisierung (Fn. 98), S. 387. 227 D. Sterzel, in: T. Blanke/ders. (Hrsg.), Privatisierungsrecht für Beamte, 1999, S. 57 f.; ders., Überleitung (Fn. 226), S. 578; Zado, Privatisierung (Fn. 98), S. 387. Die Zuweisung eines Beamten zu einem organisationsprivatisierten Unternehmen ist dabei einfachgesetzlich möglich. Vgl. dazu Strauß, Funktionsvorbehalt (Fn. 204), S. 205; Balzer, Republikprinzip (Fn. 223), S. 179. 228 Strauß, Funktionsvorbehalt (Fn. 204), S. 205; Balzer, Republikprinzip (Fn. 223), S. 178; Zado, Privatisierung (Fn. 98), S. 387.
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Das hat dann aber zur Folge, dass sich bei einem Tätigwerden eines Beamten in einem organisationsrechtlich privatisierten Unternehmen aus Art. 33 Abs. 4 GG keine Privatisierungsgrenze ergeben kann229. Dies gilt auch dann, wenn in einem solchen Unternehmen ein sonstiger Privater oder ein Verwaltungshelfer tätig wird. Diese nehmen keine hoheitlichen Aufgaben war und fallen damit schon gar nicht in die Regelung des Art. 33 Abs. 4 GG230. Dementsprechend wird der Funktionsvorbehalt nur dann überhaupt relevant, wenn in einem organisationsrechtlich privatisierten Unternehmen eine Übertragung von Aufgaben mit hoheitsrechtlichem Charakter auf Nichtbeamte stattfindet. Eine solche ist nur unter Wahrung des Regel-Ausnahme-Charakters von Art. 33 Abs. 4 GG zulässig und bedarf daher einer besonderen Begründung231. In diesem Zusammenhang stellt der Funktionsvorbehalt des Art. 33 Abs. 4 GG dann unter Umständen eine Grenze der Privatisierung dar. cc) Funktionale Privatisierung Im Rahmen der funktionalen Privatisierung ist der Konflikt mit dem Funktionsvorbehalt am stärksten und hat somit die größten Auswirkungen auf Privatisierungsvorhaben. In diesen Bereich fällt auch die Beleihung. Bei dieser werden gerade Hoheitsbefugnisse auf Private übertragen232. In diesem Fall muss der Funktionsvorbehalt des Art. 33 Abs. 4 GG im Wege eines „Erst-Recht-Schlusses“ Anwendung finden. Wenn Aufgaben mit hoheitsrechtlichem Charakter schon nicht von Angestellten des öffentlichen Dienstes auf Dauer wahrgenommen werden dürfen, dann erst recht nicht von beliehenen Dritten233. Somit hat der Funktionsvorbehalt im Rahmen der funktionalen Privatisierung beschränkende Wirkung234. Allerdings lässt sich daraus keine pauschale Privatisierungsschranke ableiten, die dazu führen könnte, dass jede Beleihung gleich verfassungswidrig wäre235. Sie unterstützt ja gerade das Anliegen des Staates, zum
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Zado, Privatisierung (Fn. 98), S. 387. So auch v. Arnim, Rechtsfragen (Fn. 140), S. 43; Gramm, Privatisierung (Fn. 1), S. 365; Mackeben, Grenzen (Fn. 17), S. 197. Vgl. zum Verwaltungshelfer Krölls, Privatisierung (Fn. 220), S. 446 f.; A. Peilert, Police Private Partnership – Rechtliche Vorgaben und tatsächliche Möglichkeiten für das Zusammenwirken von Sicherheitsbehörden und Sicherheitsgewerbe, in: DVBl. 1999, S. 282 (284). 231 So auch Zado, Privatisierung (Fn. 98), S. 387. 232 v. Arnim, Rechtsfragen (Fn. 140), S. 43; Krölls, Privatisierung (Fn. 220), S. 446; Mackeben, Grenzen (Fn. 17), S. 196. 233 U. Steiner, Öffentliche Verwaltung durch Private, 1975, S. 260; v. Arnim, Rechtsfragen (Fn. 140), S. 43. 234 Thiele, Privatisierungsschranke (Fn. 204), S. 289. 235 So auch v. Arnim, Rechtsfragen (Fn. 140), S. 43, der darauf hinweist, dass dem Parlamentarischen Rat die Institution der Beleihung bekannt gewesen sei und diese auch nach der Schaffung von Art. 33 Abs. 4 GG weiterhin habe gelten sollen. 230
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§ 2 Staatsaufgaben, Privatisierung, Verfassungstreue
Wohl der Bürger besonders fachkundiges Personal einzusetzen236. Vielmehr muss, um das Regel-Ausnahme-Verhältnis zu wahren, jede Beleihung besonders begründet werden237. Dabei muss die Übertragung im Wege der Beleihung allerdings die Ausnahme bleiben238. Insofern stellt Art. 33 Abs. 4 GG im Rahmen der funktionalen Privatisierung eine Privatisierungsgrenze dar. Diese führt allerdings nicht zu einem pauschalen Verbot, sondern erhöht lediglich die Anforderungen an die Begründung. In diesem Zusammenhang führt Mackeben zu Recht an, dass die Anforderungen auch nicht über die Maße streng anzusetzen seien, da der Gesetzgeber eine Auflockerung der Verbeamtungspraxis im Sinn gehabt habe239. dd) Resümee Im Ergebnis stellt der Funktionsvorbehalt des Art. 33 Abs. 4 GG somit eine Regelung dar, die grundsätzlich Auswirkungen auf ein Privatisierungsvorhaben haben kann. Allerdings ist festzustellen, dass eine Sperrwirkung im Rahmen der materiellen Privatisierung nicht angenommen werden kann, weil Art. 33 Abs. 4 GG keinen Bestand an Staatsaufgaben sichern, sondern die als Staatsaufgaben erkannten Aufgaben verteilen soll. Eine Sperrwirkung in diesem Bereich muss also als zu weitgehend abgelehnt werden. Anders kann das bei der formellen Organisationsprivatisierung und der funktionalen Privatisierung aussehen. Bei der formellen Privatisierung findet Art. 33 Abs. 4 GG uneingeschränkt Anwendung, wenn hoheitliche Befugnisse innerhalb des privatisierten Unternehmens auf private Akteure übertragen werden. Andernfalls würde eine Umgehung des Funktionsvorbehaltes durch den Staat drohen, da dieser ja weiterhin der Inhaber des nur organisationsrechtlich privatisierten Unternehmens bleibt. Die größten Auswirkungen hat Art. 33 Abs. 4 GG auf die funktionale Privatisierung, insbesondere, wenn man dieser, wie diese Untersuchung, die Beleihung zuordnet. Hier muss der Funktionsvorbehalt über einen „Erst-Recht-Schluss“ Anwendung finden, da bei der Beleihung gerade hoheitliche Befugnisse übertragen werden sollen. Ein pauschales Privatisierungsverbot kann aber auch hier nicht angenommen
236 F. Ossenbühl, Die Erfüllung von Verwaltungsaufgaben durch Private, in: VVDStRL 29 (1971), S. 137 (162); v. Arnim, Rechtsfragen (Fn. 140), S. 43. 237 BVerwG, Beschluss v. 29.9.2005, Az. 7 BN 2/05; Ossenbühl, Eigensicherung (Fn. 207), S. 42 f.; Bracher, Gefahrenabwehr (Fn. 169), S. 64; P. Buess, Private Sicherheitsdienste, 1997, S. 183; Krölls, Privatisierung (Fn. 220), S. 452; K. Waechter, Die Organisation der Verkehrsüberwachung, in: NZV 1997, S. 329 (330); Peilert, Police (Fn. 230), S. 285; H. J. Bonk, Rechtliche Rahmenbedingungen einer Privatisierung im Strafvollzug, in: JZ 2000, S. 435 (439); Zado, Privatisierung (Fn. 98), S. 386. 238 BVerfGE 9, 268 (284); BVerwGE 57, 55 (59). Aus der Literatur Jung, Zweispurigkeit (Fn. 203), S. 125 f.; Brosius-Gersdorf (Fn. 193), Art. 33 Rn. 165 f. Dies gilt auch für die Übertragung auf Angehörige des öffentlichen Dienstes, die aber für das in dieser Arbeit untersuchte Thema keine Rolle spielen. 239 So Mackeben, Grenzen (Fn. 17), S. 198.
B. Zum Begriff der Privatisierung
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werden. Vielmehr ist mit einer erhöhten Begründungspflicht dem Regel-Ausnahme-Prinzip Rechnung zu tragen. 4. Demokratieprinzip (Art. 20 Abs. 2 GG) Es könnte anzunehmen sein, dass sich möglicherweise auch aus dem Demokratieprinzip in Art. 20 Abs. 2 GG Beschränkungen für den Bereich der Privatisierung ergeben. Dieses Prinzip stellt sich laut Rinken als „grundlegendes Legitimations- und Kontrollprinzip“ der Exekutive dar240. Um die Schrankenwirkung des Demokratieprinzips im Bereich der Privatisierung zu untersuchen, ist es allerdings zunächst erforderlich, festzustellen, welche Anforderungen das Demokratieprinzip in dem für die Untersuchung wesentlichen Rahmen stellt241. Dabei geht es vor allem um die Frage einer durchgehenden Legitimationskette. Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG bestimmt, dass alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht. Dieser Grundsatz stellt das Fundament der demokratischen Ordnung dar242. Er besagt allerdings nicht, dass alle Staatsgewalt auch durch die Bevölkerung in Person wahrgenommen werden muss243. Eine solche unmittelbare Wahrnehmung sämtlicher Aufgaben durch die Bevölkerung wäre organisatorisch auch nicht vorstellbar. Vielmehr lässt sich aus ihm die Erforderlichkeit einer durchgehenden Legitimationskette ableiten, die immer auf den Willen des Volkes als Souverän zurückzuführen ist.244 Eine solche ist wegen der Bestimmung der Beamten durch die Regierung oder den zuständigen Minister sichergestellt245. Dies führt zu einer personell-organisatorischen Legitimation der Verwaltung246. Eine sachlich-inhaltliche Legitimation der Verwaltung ergibt sich vor allem durch die Bindung der Verwaltung an die Gesetze, die durch das Parlament als Vertreter des Volkes beschlossen wurden247. Darüber hinaus ist eine solche inhaltliche Bindung auch durch Kontrolle der Regierung und das Weisungsrecht der angehörigen Bundesminister abgesichert248. Durch diese beiden Formen der 240
Rinken, Alternativen (Fn. 101), S. 50. Steiner, Verwaltung (Fn. 233), S. 269 ff.; Ehlers, Verwaltung (Fn. 164), S. 124 ff.; Däubler, Privatisierung (Fn. 120), S. 76 ff.; v. Arnim, Rechtfragen (Fn. 140), S. 30. 242 Vgl. dazu statt vieler: H. Dreier, in: ders. (Hrsg.), GG II, 3. Aufl. 2015, Art. 20 (Demokratie), Rn. 82, mit zahlreichen weiteren Nachweisen auf die verschiedenen theoretischen Ansätze. 243 Dreier (Fn. 242), Art. 20 (Demokratie), Rn. 82. 244 BVerfGE 47, 253 (275); 83, 60 (71 f.); 93, 37 (66); 107, 59 (87); 130, 76 (123 f.). Vgl. aus der Literatur v. Arnim, Rechtsfragen (Fn. 140), S. 32; Dreier (Fn. 242), Art. 20 (Demokratie), Rn. 83, mit weiteren Nachweisen. 245 Vgl. v. Arnim, Rechtsfragen (Fn. 140), S. 31 f. 246 v. Arnim, Rechtsfragen (Fn. 140), S. 30 f.; Zado, Privatisierung (Fn. 98), S. 327. 247 v. Arnim, Rechtsfragen (Fn. 140), S. 31; Zado, Privatisierung (Fn. 98), S. 327; Dreier (Fn. 242), Art. 20 (Demokratie), Rn. 112. 248 Stellvertretend v. Arnim, Rechtsfragen (Fn. 140), S. 31; Dreier (Fn. 242), Art. 20 (Demokratie), Rn. 112, mit zahlreichen weiteren Nachweisen. 241
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§ 2 Staatsaufgaben, Privatisierung, Verfassungstreue
Legitimation wird sichergestellt, dass in den Entscheidungen der Verwaltung der Wille des Volkes zum Ausdruck kommt. Im Rahmen der Privatisierung werden Aufgaben, die eigentlich von der Staatsverwaltung wahrgenommen werden sollen, allerdings auf Akteure aus der Zivilgesellschaft übertragen. Diese Übertragung könnte demnach im Konflikt mit dem Demokratieprinzip stehen. Betrachtet man allerdings die materielle Aufgabenprivatisierung, ist festzustellen, dass der Staat sich dabei einer Staatsaufgabe vollumfänglich entledigt249. Somit ist die privatisierte Aufgabe auch nicht mehr vom Demokratieprinzip, welches nur für die Organisation des Staates gilt, umfasst250. Die Frage eines Konfliktes zwischen dem Demokratieprinzip und der materiellen Aufgabenübertragung kann sich also gar nicht mehr stellen251. Anders sieht das in den Bereichen der funktionalen und der formellen Organisationsprivatisierung aus. Im Rahmen dieser Privatisierungsformen entledigt sich der Staat nicht vollends seiner Aufgabe, sondern behält weiterhin entscheidenden Einfluss auf die Ausführung252. In beiden Fällen wird von den Akteuren der Zivilgesellschaft, auf welche die Staatsaufgabe übertragen wurde, unmittelbar Staatsgewalt ausgeübt253. Insofern muss auch das Demokratieprinzip des Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG weiterhin Beachtung finden und hat dementsprechend Einfluss auf die Ausgestaltung der Privatisierung254. Dem muss bei der Übertragung der Aufgabe Rechnung getragen werden. Dies kann durch eine Reihe von verschiedenen Aufsichtsund Einflussmöglichkeiten erreicht werden. In Betracht kommt dabei vor allem im Rahmen der Organisationsprivatisierung die Besetzung der mit der Aufsicht
249
Vgl. zur materiellen Privatisierung unter § 2 B. III. 2. (S. 58 f.). v. Arnim, Rechtsfragen (Fn. 140), S. 35; Weiner, Privatisierung (Fn. 169), S. 303; Schoch, Steuerung (Fn. 99), S. 680. Anderer Ansicht ist S. Barisch, Privatisierung im deutschen Strafvollzug, 2010, S. 140, die von der Existenz zwingend staatlich ausgeführter Aufgaben ausgeht, die für das Wesen eines Staates zwingend selbst wahrgenommen werden müssten. Anderer Ansicht ist hier Zado, Privatisierung (Fn. 98), S. 330, der dabei aber das Demokratieprinzip und das staatliche Gewaltmonopol miteinander vermischt. 251 Dies gilt zumindest in inhaltlicher Hinsicht. Allerdings kann das Demokratieprinzip auch im Rahmen der materiellen Privatisierung insofern verstärkte Anforderungen stellen, als gegebenenfalls ein Parlamentsgesetz erforderlich ist, wenn grundlegende Aufgaben übertragen werden sollen. Vgl. dazu J. Brehme, Privatisierung und Regulierung der öffentlichen Wasserversorgung, 2010, S. 299; Zado, Privatisierung (Fn. 98), S. 329. 252 Vgl. zu den Begriffen der funktionalen Privatisierung die Ausführungen unter § 2 B. III. 3. (S. 59 f.) und zu der formellen Organisationsprivatisierung unter § 2 B. III. 1. (S. 56 f.). 253 v. Arnim, Rechtsfragen (Fn. 140), S. 35. 254 Vgl. zum Einfluss auf die Rechtsformwahl im Rahmen der formellen Organisationsprivatisierung Rinken, Alternativen (Fn. 101), S. 95 ff. Dazu auch v. Arnim, Rechtsfragen (Fn. 140), S. 35, der ebenfalls die Fälle der Beleihung, also der funktionalen Privatisierung, und der Übertragung von Staatsaufgaben auf „juristische Personen in öffentlicher Hand“, also der Organisationsprivatisierung, benennt. 250
B. Zum Begriff der Privatisierung
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betrauten Stellen als Möglichkeit, dem Staat den erforderlichen Einfluss zu bewahren. Das Demokratieprinzip kann somit nicht grundsätzlich als Privatisierungsgrenze angesehen werden. Es lässt die materielle Aufgabenprivatisierung gänzlich unberührt, da sich eine materiell vollständig privatisierte Aufgabe nicht mehr am Maßstab des Demokratieprinzips messen lassen muss. Auch im Bereich der formellen Organisationsprivatisierung und der funktionalen Privatisierung bewirkt es zunächst nur, dass strengere Maßstäbe an eine Aufgabenübertragung zu legen sind. Allerdings können gänzlich fehlende Einflussmöglichkeiten des Staates in diesen Fällen dazu führen, dass eine Aufgabenübertragung insgesamt unzulässig wird255. In diesen Fällen ist das Demokratieprinzip also als Grenze der Privatisierung zu verstehen. 5. Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1, 28 Abs. 1 S. 1 GG) Auch aus dem Sozialstaatsprinzip, welches sich aus Art. 20 Abs. 1 und Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG ergibt, lassen sich begrenzende Vorgaben für eine Privatisierung ableiten. Unter dem Sozialstaat, wie ihn das Grundgesetz sieht, wird in der Literatur ein „freiheitlicher Sozialstaat“ verstanden256. Er soll den Bürgern durch Schaffung der dafür erforderlichen Voraussetzungen ermöglichen, ihre Freiheitsrechte auszuüben257. Darüber hinaus ist das Sozialstaatsprinzip aber nicht weitergehend definiert und dessen grundgesetzlicher Umfang unbestimmt. Es bedarf daher einer besonders ausgeprägten Präzisierung dieses Prinzips, um ihm die erforderlichen Konturen zu schaffen258. Dabei ist das Sozialstaatsprinzip einer genaueren Bestimmung in Form einer allgemeingültigen Definition allerdings nicht zugänglich259. Vielmehr muss man sich dem Inhalt dieser „Grundentscheidung 255 So auch Arnim, Rechtsfragen (Fn. 140), S. 35 f., der in diesem Zusammenhang von einer „Zulässigkeitssperre“ spricht. Der Staat müsse sicherstellen, dass durch den Verlust von Einflussnahmemöglichkeiten keine „ministerialfreie Räume“ entstehen würden. 256 Ausführlich H. M. Heinig, Der Sozialstaat im Dienst der Freiheit, 2008, S. 3 ff. (insb. S. 7 ff.). So auch F. Wittreck, in: H. Dreier (Hrsg.), GG II, 3. Aufl. 2015, Art. 20 (Sozialstaat), Rn. 41; Jarass, in: ders./Pieroth, GG (Fn. 198), Art. 20 Rn. 159. 257 E. Benda, Der Soziale Rechtsstaat, in: HdbVerfR2, § 17 Rn. 158; H. Dreier, Subjektiv-rechtliche und objektiv-rechtliche Grundrechtsgehalte, in: JURA 1994, S. 505 (508); T. Kingreen, Das Sozialstaatsprinzip im europäischen Verfassungsbund, 2003, S. 129; Zado, Privatisierung (Fn. 98), S. 352. 258 BVerfGE 5, 85 (198). Aus der Literatur Wittreck (Fn. 256), Art. 20 (Sozialstaat), Rn. 24, mit weiteren Nachweisen; Jarass (Fn. 256), Art. 20 Rn. 154. 259 Vgl. dazu Wittreck (Fn. 256), Art. 20 (Sozialstaat), Rn. 24, mit dem Hinweis auf die Kritik von G. Roellecke, in: D. C. Umbach/T. Clemens (Hrsg.), GG I, 2002, Art. 20, Rn. 184 ff., der einen grundsätzlichen Konflikt zwischen der Rechtfertigung von Rechtsstaat und Sozialstaat ausmacht und den Rechtsstaat dabei als wichtiger erachtet. Anders versucht Zado, Privatisierung (Fn. 98), S. 352 f., sich über Definitionen dem inhaltlichen Rahmen des Sozialstaatsprinzips anzunähern.
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§ 2 Staatsaufgaben, Privatisierung, Verfassungstreue
des Grundgesetzes“ über seine Fallgruppen annähern260. Dazu zählen vor allem die kurzfristige Fürsorge für hilfsbedürftige Personen und die langfristig gedachte Vorsorge261. Aufgabe für den Gesetzgeber ist es dabei, immer einen sozialen Ausgleich zu schaffen und soziale Gerechtigkeit herzustellen262. Welcher Mittel sich der Staat bei der Schaffung einer sozialen Gerechtigkeit bedient, ist ihm zunächst selbst überlassen263. Er ist lediglich verpflichtet, dass „jeweils Notwendige“ zu tun, um dieses Ziel zu erreichen264. So ist es ihm durchaus möglich, sich dabei der Hilfe Privater zu bedienen. Dies ist gerade im sozialen Bereich oftmals sogar angezeigt, um dem besonderen Umfang dieser Aufgabe mit den nötigen Ressourcen ausreichend gerecht zu werden265. Mit rein staatlichen Ressourcen ist eine vollumfängliche Aufrechterhaltung der sozialen Gerechtigkeit nicht in allen Fällen möglich. Aus diesem Grund kann sich aus dem Sozialstaatsprinzip in Art. 20 Abs. 1 GG kein allgemeines Privatisierungsverbot ergeben266. Eine Grenze, welche die Privatisierungsfähigkeit von Staatsaufgaben im sozialen Bereich einschränkt, ist erst dann erreicht, wenn Pflichten, die den Staat aus dem Sozialstaatsprinzip treffen, durch die Privatisierung nicht mehr erreicht werden können267. Nur in diesem Fall ist es denkbar, dass eine Privatisierung nicht mehr zulässig erscheint. Dies betrifft vor allem die materielle Privatisierung, da sich der Staat dabei gänzlich aus der Verantwortung für die Aufgabe stiehlt. In den Fällen der formellen Organisationsprivatisierung bzw. der funktionalen Privatisierung behalt der Staat entscheidenden Einfluss und kann sicherstellen, dass die Anforderungen des Sozialstaatsprinzips erfüllt werden. Dementsprechend kann das Sozialstaatsprinzip die Anforderungen an eine Privatisierung in sozialen Bereichen zwar beeinflussen, eine solche in der Regel aber nicht untersagen. 260 So nennt es das Bundesverfassungsgericht in seiner Elfes-Entscheidung, BVerfGE 6, 32 (41). Umfassend zu den Teilbereichen des Sozialstaatsprinzips Wittreck (Fn. 256), Art. 20 (Sozialstaat), Rn. 27 ff., wobei dieser anmerkt, dass viel gegen eine „verbindliche Ableitung einer einzelnen Norm oder Rechtsfigur aus dem Prinzip“ spricht. 261 Wittreck (Fn. 256), Art. 20 (Sozialstaat), Rn. 27 ff. 262 BVerfGE 5, 85 (198); 22, 180 (204); 35, 348 (355 f.). So auch Zado, Privatisierung (Fn. 98), S. 353 mit weiteren Nachweisen. 263 BVerfGE 22, 180 (204): „Keineswegs folgt aus dem Sozialstaatsprinzip, daß der Gesetzgeber für die Verwirklichung dieses Ziels nur behördliche Maßnahmen vorsehen darf. Art. 20 Abs. 1 GG bestimmt nur das ,Was‘, das Ziel, die gerechte Sozialordnung; er läßt aber für das ,Wie‘, d.h. für die Erreichung des Ziels, alle Wege offen.“ 264 E. Benda, Industrielle Herrschaft und sozialer Staat, 1966, S. 104. 265 So auch H.-U. Erichsen, Gemeinde und Private im wirtschaftlichen Wettbewerb, 1987, S. 14, und v. Arnim, Rechtsfragen (Fn. 140), S. 29, die sich dafür aussprechen, dass das Sozialstaatsprinzip aufgrund des staatlichen Auftrags in manchen Fällen sogar für eine Privatisierung streiten kann. 266 Vgl. dazu auch W. Rüfner, Daseinsvorsorge und soziale Sicherheit, in: HStR3 IV, § 96 Rn. 37 ff.; M. Ronellenfitsch, Wirtschaftliche Betätigung des Staates, ebda., § 98, Rn. 43 ff.; v. Arnim, Rechtsfragen (Fn. 140), S. 29. 267 Rinken, Alternativen (Fn. 101), S. 50; Zado, Privatisierung (Fn. 98), S. 357 f.
C. Die Verfassungstreue
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V. Untersuchungsergebnisse Der Überblick über die verschiedenen Formen der Privatisierung zeigt, dass es nicht möglich ist, einen einheitlichen Privatisierungsbegriff zu entwerfen, der alle Formen in ihrer Breite abdeckt. Vielmehr ist Rupp recht zu geben, wenn er Privatisierung als „Abgabe, Verlust oder Herausgleiten von Aufgaben aus dem herkömmlicherweise vom Staat wahrgenommenen Fundus öffentlicher Aufgaben“ beschreibt268. Aufgrund der Tatsache, dass die verschiedenen Formen der Privatisierung derart vielfältig sind, ist eine weitere Eingrenzung hinsichtlich der Form in einer einheitlichen Definition nicht möglich. Dadurch würde der Begriff der Privatisierung zum weitestgehend bedeutungslosen politischen Schlagwort für die Beschreibung der Aufgabenübertragung auf Private. Es ist vielmehr angezeigt, sich dem Bereich der Privatisierung über die verschiedenen Formen anzunähern und diese auch bei Betrachtung der Privatisierungsgrenzen im Auge zu behalten. Die genaue Zuordnung zu einer dieser Privatisierungsformen kann die Kriterien, die an die Übertragung dieser Aufgaben zu stellen sind, stark beeinflussen und eine Aufgabenübertragung in Ausnahmefällen sogar verfassungswidrig erscheinen lassen.
C. Die Verfassungstreue Neben den Begriffen der Staatsaufgaben und der Privatisierung wird vor allem auch der titelgebende Begriff der Verfassungstreue für die folgende Untersuchung von Bedeutung sein.
I. Begriff und (verfassungs-)rechtliche Grundlagen der Verfassungstreue Wenn man den Begriff der Verfassungstreue und seine rechtlichen Grundlagen genauer betrachtet, ist zunächst festzustellen, dass dieser Begriff lediglich an einer Stelle im Grundgesetz auftritt. In Art. 5 Abs. 3 S. 2 GG wird konstatiert, dass die Freiheit der Lehre nicht von der „Treue zur Verfassung“ entbindet269. Darüber hinaus wird die Verfassungstreue in keiner weiteren Vorschrift aufgegrif268
Rupp (Fn. 42), § 31 Vor Rn. 56. Umstritten ist, ob die „Treue zur Verfassung“, die in Art. 5 Abs. 3 S. 2 GG von Professoren in Bezug auf ihre Lehre verlangt wird, an die Treuepflicht der Beamten aus Art. 33 Abs. 4 GG angelehnt ist oder nicht. J. A. Kämmerer, Die Konzeption der Verfassungstreue im Verfassungs- und Gemeinschaftsrecht, in: W. Kluth (Hrsg.), Verfassungstreue jenseits des Beamtentums, 2011, S. 13 (18), spricht sich gegen eine Überschneidung der Begriffe aus. Anderer Ansicht ist A. Voigt, Lehrfreiheit und Verfassungstreue, in: O. Bachof u. a. (Hrsg.), Forschungen und Berichte aus dem Öffentlichen Recht. Gedächtnisschrift für Walter Jellinek, 2. Aufl. 1975, S. 259 (263 f.). Dafür spricht, dass das Bundesverfassungsgericht keine Differenzierung vornimmt: BVerfGE 39, 334 (347). 269
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§ 2 Staatsaufgaben, Privatisierung, Verfassungstreue
fen. Kämmerer stellt in Bezug darauf fest, dass die Verfassungstreue kein allgemeines Rechtsprinzip darstellt, sondern ein Sammelbegriff für eine Vielzahl verschiedener Loyalitätsmaßstäbe ist270. Folgt man dieser Betrachtungsweise, ist für diese Untersuchung insbesondere relevant, welche Loyalitätsmaßstäbe an Beamte gestellt werden. Dies ergibt sich aus der Tatsache, dass staatliche Aufgaben gemäß dem Funktionsvorbehalt in Art. 33 Abs. 4 GG in der Regel von Angehörigen des öffentlichen Dienstes ausgeübt werden sollen, die in einem öffentlichrechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen271. Damit sind, wie der Hinweis auf das öffentlich-rechtliche Dienst- und Treueverhältnis klarstellt, Beamte gemeint272. Untersucht man die Voraussetzungen, unter welchen einem Akteur der Zivilgesellschaft eine staatliche Aufgabe übertragen wird, ist dabei als ein denkbarer Maßstab unweigerlich der Berufsbeamte anzusetzen. Aufgrund der Regelung in Art. 33 Abs. 4 GG wäre es der „Goldstandard“, dass bei der Ausführung von Staatsaufgaben lediglich Beamte tätig würden. Also ist zu prüfen, welche Anforderungen Beamte in Bezug auf die Loyalität zum Staat zu erfüllen haben. Ausgangspunkt ist auch an dieser Stelle die Regelung des Art. 33 Abs. 4 GG, die eine Wahrnehmung durch Beamte vorsieht. Diese Regelung ist allerdings im Zusammenhang mit Art. 33 Abs. 5 GG zu sehen273. Diese beiden Vorschriften stellen zusammen das „institutionelle Fundament“ des Berufsbeamtentums dar274. Das in Abs. 4 genannte öffentlich-rechtliche Treueverhältnis ist daher unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums (Abs. 5) zu bestimmen275. Ein grundlegendes Merkmal des Berufsbeamtentums ist dabei eine besondere Treuepflicht des Beamten gegenüber seinem Dienstherrn, welche auch die Pflicht zur Verfassungstreue umfasst276. Diese Treuepflicht, die sich aus Art. 33 Abs. 4 und 5 GG ergibt, ist durch zahlreiche Vorschriften und Entschei-
270
Kämmerer, Konzeption (Fn. 269), S. 14. Vgl. zum Funktionsvorbehalt in Art. 33 Abs. 4 GG bereits die Ausführungen zu den Grenzen der Privatisierung unter § 2 B. IV. 3. (S. 68 ff.). 272 Statt vieler BVerfGE 3, 162 (186); 9, 268 (284 f.); BVerwGE 57, 55 (60); Brosius-Gersdorf (Fn. 193), Art. 33 Rn. 160; M. Jachmann/A.-B. Kaiser, in: H. v. Mangoldt/F. Klein/C. Starck (Hrsg.), GG II, 7. Aufl. 2018, Art. 33 Rn. 30; Pieroth (Fn. 198), Art. 33 Rn. 40. 273 Nach der Ansicht von F.-W. Dollinger/D. C. Umbach, in: D. C. Umbach/T. Clemens (Hrsg.), GG I, 2002, Art. 33 Rn. 76, stellen Art. 33 Abs. 4 und 5 GG eine „Regelungseinheit“ dar. So auch Jachmann/Kaiser (Fn. 272), Art. 33 Rn. 30; Brosius-Gersdorf (Fn. 193), Art. 33 Rn. 161. 274 So zutreffend formuliert von Masing (Fn. 192), Art. 33 Rn. 2. 275 Jachmann/Kaiser (Fn. 272), Rn. 33 Rn. 30; Brosius-Gersdorf (Fn. 193), Art. 33 Rn. 161. Umfassend zum besonderen Treueverhältnis der Beamten H. Zwirner, Politische Treuepflicht des Beamten, 1987, S. 43 ff.; dazu ebenfalls ausführlich H. Günther, Das öffentlich-rechtliche Dienst- und Treueverhältnis i. S. v. Art. 33 Abs. 4 GG, in: DÖV 2012, S. 678 ff. 276 Brosius-Gersdorf (Fn. 193), Art. 33 Rn. 161. 271
C. Die Verfassungstreue
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dungen der Gerichte weitestgehend verrechtlicht worden und somit gut darstellbar277. Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungstreuepflicht von Beamten erstmals 1975 in seinem „Radikalenbeschluss“ aus dem GG abgeleitet und als hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums in Art. 33 Abs. 5 GG bestätigt278. Als Kern der Treuepflicht, die einem jeden Beamten obliege, sieht das Bundesverfassungsgericht dabei die „politische Treuepflicht“ an. Darunter versteht es unter anderem, dass der Beamte die verfassungsrechtliche Ordnung als schützenswertes Gut ansieht und aktiv für diese eintritt279. Diese Rechtsprechung hat der Gesetzgeber beispielsweise in den gleichlautenden Vorschriften der §§ 7 Abs. 1 Nr. 2, 60 Abs. 1 S. 3 Bundesbeamtengesetz (BBG) und § 33 Abs. 1 S. 3 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) zur Treuepflicht der Beamten aufgegriffen und präzisiert280. Demnach müssen „die Beamten sich durch ihr gesamtes Verhalten zu der freiheitlich demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen und für deren Einhaltung eintreten.“ Umstritten ist, ob sich diese Treuepflicht aus dem Prinzip der „wehrhaften Demokratie“ ergibt281. Dagegen spricht, dass die dem Prinzip der wehrhaften Demokratie zugrundeliegenden Vorschriften der Art. 18, 21 Abs. 2, 9 Abs. 2 GG ein aktives und kämpferisches Verhalten voraussetzen282. Ein solches Vorgehen ist im Bereich des Berufsbeamtentums allerdings regelmäßig nicht zu erwarten. Es spricht also mehr dafür, auf die eigentliche Funktion des Berufsbeamtentums bei der Erfüllung von Staatsaufgaben abzustellen283.
II. Inhalt der Verfassungstreuepflicht Den Kern der Pflicht zur Verfassungstreue stellt also – nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts – die Bereitschaft dar, sich mit der Idee des Staates, also mit der freiheitlichen demokratischen, rechts- und sozialstaatlichen Ordnung des Staates, zu identifizieren284. Diese „qualifizierte Verfassungstreue“ umfasst die
277
BVerfGE 39, 334 (LS 4); Battis (Fn. 198), Art. 33 Rn. 52. BVerfGE 39, 334 (346 ff.); T. Siems, Der Umgang mit Extremismus im Öffentlichen Dienst, in: DÖV 2014, S. 338 (339). 279 BVerfGE 39, 334 (347 f.). 280 Weitere Vorschriften, in denen die Treuepflicht aufgegriffen wird, bei Siems, Umgang (Fn. 278), S. 339. 281 So beispielsweise BVerfGE 39, 334 (349); K. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IV/2, 2011, S. 856; Siems, Umgang (Fn. 278), S. 339. Zum Prinzip der streitbaren Demokratie in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und der Staatsrechtslehre J. Lameyer, Streitbare Demokratie. Eine verfassungshermeneutische Untersuchung, 1978. 282 U. Battis, BBG, Kommentar, 5. Aufl. 2017, § 7 Rn. 12. 283 So zutreffend BVerwGE 47, 330 (334); Battis (Fn. 282), § 7 Rn. 12. So auch angedeutet, aber nicht weiter ausgeführt in BVerfGE 39, 334 (347 ff.). 284 BVerfGE 39, 334 (347 f.). 278
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§ 2 Staatsaufgaben, Privatisierung, Verfassungstreue
Anerkennung der freiheitlich demokratischen Grundordnung und das aktive Eintreten für diese285. Was das Bundesverfassungsgericht unter der freiheitlich demokratischen Grundordnung versteht, hat es bereits in der Entscheidung über das Verbot der Sozialistischen Reichspartei (SRP) herausgearbeitet und in späteren Entscheidungen bestätigt286. Gemeint ist nicht das Grundgesetz an sich, sondern die darin enthaltenen zentralen Wertprinzipien und Stützpfeiler der Verfassung287. Diese umfassen nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts die Achtung vor den Menschenrechten, die Volkssouveränität (Art. 20 Abs. 2 GG), die Gewaltenteilung, die Verantwortlichkeit der Regierung, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (Art. 20 Abs. 3 GG), die Unabhängigkeit der Gerichte, das Mehrheitsprinzip bzw. Mehrparteiensystem und die Chancengleichheit für alle politischen Parteien288. Dieser vom Bundesverfassungsgericht entwickelte Kanon an zentralen Werteprinzipien hat in § 4 Abs. 2 BVerfSchG als Legaldefinition eine gesetzliche Verankerung gefunden. Er stellt dar, welche inhaltlichen Aspekte der Begriff der Verfassungstreue umfasst. Dabei ist allerdings noch nicht festgelegt, inwieweit und auf welche Art und Weise der Beamte seine Loyalität und Treue zur Verfassung zum Ausdruck bringen muss. Das kann auf viele verschiedene Arten erfolgen, so beispielsweise in aktivem Handeln oder weniger ausgeprägt durch ein bloßes Bekenntnis289. Die Anforderungen sind dementsprechend weitgehender als die reine Treue und Loyalität gegenüber dem Staat und seiner Verfassung. Es ist nicht ausreichend, dass sich der Beamte durch lediglich passives Verhalten nicht im Widerspruch zur Verfassung verhält. Es wird vielmehr erwartet, dass sich der Beamte in seinem Handeln aktiv für diese einsetzt und sie gegen Angriffe verteidigt.
III. Bedeutung für den Gang der Untersuchung Die Bedeutung der Verfassungstreue für die folgende Untersuchung liegt auf der Hand. Art. 33 Abs. 4 GG stellt als Funktionsvorbehalt fest, dass staatliche Aufgaben in der Regel von Beamten zu vollziehen sind. Dabei ist das Merkmal der Verfassungstreue zentrales Element des öffentlich-rechtlichen Dienst- und 285 Siems, Umgang (Fn. 278), S. 339, unter Bezugnahme auf das Bundesverfassungsgericht. 286 BVerfGE 2, 1 (12 f.); 5, 85 (140); 69, 315 (345 f.); BVerwGE 47, 330 (335); 61, 176 (178). 287 E. Werthebach/B. Droste, in: W. Kahl/C. Waldhoff/C. Walter (Hrsg.), BK, Art. 73 Nr. 10 (1998), Rn. 172. 288 BVerfGE 2, 1. Vgl. ausführlich zu den einzelnen vom Bundesverfassungsgericht herausgearbeiteten Aspekten der freiheitlichen demokratischen Grundordnung G. Lautner, Die freiheitliche demokratische Grundordnung, 1978. 289 Kämmerer, Konzeption (Fn. 269), S. 14.
C. Die Verfassungstreue
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Treueverhältnisses, welches die Beamten in besonderer Weise mit dem Staat verbindet290. Dieses ist folgerichtig gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 2 BBG auch Voraussetzung für die Berufung in ein Beamtenverhältnis. Aufgrund dieser engen Verbindung des Beamten mit dem Staat ist es nachvollziehbar, dass Art. 33 Abs. 4 GG den Beamten bei der Erfüllung staatlicher Aufgaben gewissermaßen als „goldenen Standard“ ansieht. Das ermöglicht dem Staat größtmöglichen Einfluss auf und Aufsicht über die Erfüllung der Aufgaben, die ihm obliegen. Werden diese Aufgaben aus der staatlichen in die gesellschaftliche Sphäre übertragen, oder kommt es zu einer wie auch immer gearteten Kooperation zwischen dem Staat und Akteuren der Zivilgesellschaft, stellt sich insbesondere die Frage, ob auch der beteiligte Private eine besondere Loyalität zum Staat oder gar eine besondere Treue zur Verfassung aufweisen muss. Das Bundesverfassungsgericht hat 1970 in einer Entscheidung mit zweifelhafter Begründung angenommen, dass Deutschland eine Demokratie sei, „deren Verfassung von ihren Bürgern eine Verteidigung der freiheitlich-demokratischen Ordnung erwartet.“ 291 Damit hat es die Pflicht zur Verfassungstreue auch auf Private übertragen. Eine solch weitgehende Pflicht kann aber von Staatsangehörigen nicht verlangt werden292. Dies hat das Bundesverfassungsgericht selbst im „Radikalenbeschluss“ bestätigt und damit seine vorherige Fehleinschätzung korrigiert293. Das Gericht verweist in dieser Entscheidung auf Art. 21 Abs. 2 GG, der es den Bürgern erlaube, die „verfassungsmäßige Ordnung abzulehnen und sie politisch zu bekämpfen, solange er es innerhalb einer Partei, die nicht verboten ist, mit allgemein erlaubten Mitteln tut.“ Damit stellt der Senat klar, dass es für die Gesellschaft keine allgemeine Forderung nach außerordentlicher Treue zur Verfassung gibt. Trotz dieser Ablehnung einer allgemeingültigen Verfassungstreuepflicht für alle Bürger rückt die Frage nach einem Treueverhältnis von Privaten bei der Privatisierung von Staatsaufgaben in den Mittelpunkt der Diskussion, wenn es darum geht, welche Anforderungen an den Privaten zu stellen sind, der staatliche Aufgaben wahrnehmen möchte. Dies zeigt sich nicht zuletzt in der einschlägigen Rechtsprechung im Rahmen von Privatisierungsvorhaben. So wurde beispielsweise, wenn es um die Bestellung von Bezirksschornsteinfegern oder um die Ausrichtung von konfessionellem Religionsunterricht ging, besonderes Augenmerk auf die Verfassungstreue gelegt294. Dies zeigt die Relevanz des Themas „Treue zur Verfassung“ im Bereich der Privatisierung. Das gilt insbesondere 290
Brosius-Gersdorf (Fn. 193), Art. 33 Rn. 161. BVerfGE 28, 36 LS 2. 292 So auch Kämmerer, Konzeption (Fn. 269), S. 26. 293 BVerfGE 39, 334 (359). 294 Zur erforderlichen Verfassungstreue eines Bezirksschornsteinfegers BVerwGE 145, 67. Mit anderer Ansicht die Vorinstanzen OVG Magdeburg, LKV 2009, 183 ff. sowie VG Halle Az. 1 A 99/08. Zur erforderlichen Verfassungstreue bei der Ausrichtung von Religionsunterricht BVerfGE 102, 370 (390 ff.). 291
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§ 2 Staatsaufgaben, Privatisierung, Verfassungstreue
auch deshalb, weil bereits die Treuepflicht von Beamten ein bestimmtes grundrechtliches Konfliktpotential mit sich bringt295. So stehen die Rechte aus Art. 2 Abs. 1, 5 Abs. 1, 12, 21 GG und gegebenenfalls auch aus Art. 4 Abs. 1 u. 2 GG in einem Spannungsverhältnis zu der Pflicht des Beamten zur Verfassungstreue296. Darauf haben die Verfassungsrichter Seuffert und Rupp bereits in ihren abweichenden Sondervoten zum „Radikalenbeschluss“ von 1975 ausdrücklich hingewiesen297. Wenn diese Frage aber bereits im Bereich des Beamtentums unterschiedlich beantwortet wird, bedarf das Verhältnis von Grundrechten und der Pflicht zur Verfassungstreue bei Akteuren der Zivilgesellschaft einer besonders sorgfältigen Prüfung. Dementsprechend wird die Verfassungstreue in der weiteren Untersuchung eine übergeordnete Rolle spielen.
D. Zusammenfassende Folgerungen für die weitere Untersuchung Die voranstehende Einführung in die Staatsaufgabenlehre, in den Begriff der Privatisierung und in den Begriff der Verfassungstreue war erforderlich, um den Rahmen für die folgende Untersuchung der Privatisierungsbereiche abzustecken. Darüber hinaus lassen sich aus diesen Begriffen Schlüsse ableiten, die für das Ergebnis der Untersuchung entscheidend sein können.
I. Staatsaufgabenlehre Die Staatsaufgabenlehre ist entscheidend, um Aufgaben in einem ersten Schritt als solche Aufgaben zu identifizieren, die dem Staat obliegen. Durch diese Zuordnung werden die Sphären von Staat und Gesellschaft und die ihnen jeweils zugeordneten Aufgaben voneinander getrennt. Dabei ist von einem formellen Staatsaufgabenbegriff auszugehen, da ein materielles Verständnis den Staat in seinem Handeln zu stark einschränken würde. Staatsaufgaben sind demnach solche im öffentlichen Interesse liegenden Aufgaben, die der Staat für sich in Anspruch nimmt und die er aufgrund einer ihm zustehenden Kompetenz auch in Anspruch nehmen darf. Erst wenn festgestellt wurde, dass eine Aufgabe zu den staatlichen zählt, kann untersucht werden, ob der Staat diese Aufgabe übertragen 295
So Siems, Umgang (Fn. 278), S. 339. Siems, Umgang (Fn. 278), S. 339. 297 Zum Sondervotum des Richters Seuffert, in BVerfGE 39, 334 (375 ff.), der insbesondere auf Art. 12 Abs. 1 GG eingeht. Siehe auch das Sondervotum des Richters Rupp, in BVerfGE 39, 334 (378 ff.), der einen Verstoß gegen Art. 21 GG darin sieht, dass „die Einstellungsbehörde bei ihrer Entscheidung über die Eignung eines Bewerbers auch seine bloße – inaktive – Mitgliedschaft in einer politischen Partei, die sie für verfassungsfeindlich hält, die aber vom Bundesverfassungsgericht nicht für verfassungswidrig erklärt worden ist – wenn auch nur in Verbindung mit anderen Tatsachen –, zu seinem Nachteil wertet.“ 296
D. Zusammenfassende Folgerungen
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kann und wie die Kooperation zwischen Staat und Gesellschaft im Einzelnen auszusehen hat. Eine Rolle kann dabei die Art der Staatsaufgabe spielen, die möglicherweise einzelne Teilbereiche von der Privatisierung ausschließt oder zumindest die Anforderungen an den Privaten insofern beeinflusst, als ein Einfluss des Staates zwingend erforderlich bleibt.
II. Privatisierungsbegriff Im Rahmen der Diskussion um die Privatisierung sind für die folgende Untersuchung insbesondere die verschiedenen Arten der Privatisierung bzw. der Kooperation von Staat und privat und die verfassungsrechtlichen Grenzen von hervorgehobener Bedeutung. Diese lassen möglicherweise Rückschlüsse auf die Anforderungen, die an Akteure der Zivilgesellschaft bei der Übernahme von Staatsaufgaben zu stellen sind, zu. Dabei wird vor allem in den Blickpunkt rücken, inwieweit der Staat trotz Privatisierung noch Einfluss auf oder Aufsicht über die private Wahrnehmung der Aufgabe hat. Dies besonders im Hinblick auf den Grad der demokratischen Legitimation der Aufgabenwahrnehmung298. Möglicherweise besteht ein direkter Zusammenhang zwischen der Art der von staatlicher Seite gewählten Kooperationsform und den Anforderungen, die an den neuen Träger der Aufgabe zu stellen sind. Aus diesem Grunde ist bei jedem Aufgabenbereich, der untersucht werden soll, zunächst festzustellen, um welche Art der Privatisierung oder Aufgabenübertragung es sich handelt. Von den untersuchten Grenzen der Privatisierung wird für die weitere Prüfung insbesondere der Funktionsvorbehalt des Art. 33 Abs. 4 GG im Fokus stehen. Dieser sieht vor, dass staatliche Aufgaben in der Regel von Beamten wahrgenommen werden sollen. Dies führt zwar nicht zu einer vollumfänglichen Sperre der Privatisierung299, beeinflusst aber möglicherweise deren Anforderungen, da eine besondere Begründung erforderlich ist. Darüber hinaus dient der Berufsbeamte als Maßstab300 bei der Beurteilung der Voraussetzungen der einzelnen Privatisierungsvorhaben und somit als „roter Faden“ für die sich anschließende Untersuchung.
III. Das Merkmal der Verfassungstreue Das Merkmal der Verfassungstreue ist nicht das einzige, welches bei der Übertragung von Staatsaufgaben auf Private von Bedeutung ist, aber es ist von hervorzuhebender Relevanz. Das Gewicht der Frage, ob die Verfassungstreueverpflichtung im Rahmen der Aufgabenübertragung mit auf den Privaten übertragen wer298 Vgl. zum Grad der demokratischen Legitimation als Kriterium unter § 5 B. I. (S. 238 ff.). 299 Zur Schrankenwirkung des Art. 33 Abs. 4 GG siehe § 2 B. IV. 3. b) (S. 72 ff.). 300 Vgl. dazu unter § 4 (S. 223 ff.).
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§ 2 Staatsaufgaben, Privatisierung, Verfassungstreue
den soll, zeigt sich im generellen Konfliktpotential dieser Anforderung301. Daraus ergibt sich, dass mit dieser Anforderung besonders aufmerksam umgegangen werden muss und eine vorschnelle Forderung nach besonderer Treue von Privatpersonen gegenüber dem Staat zu verfassungsrechtlichen Bedenken führen kann. In der anschließenden Untersuchung wird zu zeigen sein, ob und inwieweit sich eine solche Treuepflicht im Rahmen von Privatisierungsvorgängen übertragen lässt oder ob möglichweise sogar ein abgestuftes Modell von Treuepflichten sinnvoll erscheint.
301
Dazu Siems, Umgang (Fn. 278), S. 339.
§ 3 Indienstnahme privater Akteure – Eine Bestandsaufnahme Bevor der Kriterienkatalog für die nachfolgende Untersuchung entwickelt werden soll, ist in einem ersten Schritt eine Bestandsaufnahme der Indienstnahme privater Akteure bei der Wahrnehmung staatlicher Aufgaben unter besonderer Berücksichtigung der an die Privaten gestellten Anforderungen angezeigt. So soll zumindest ein Überblick über die verschiedenen Bereiche der Einbindung privater Akteure verschafft und so die spätere Untersuchung eingeleitet werden. Dementsprechend sollen im Rahmen der Bestandsaufnahme in den Bereichen, die in der späteren Untersuchung Berücksichtigung finden, die Voraussetzungen für die Einbindung gesellschaftlicher Kräfte bereits ausführlich dargestellt werden. Eine umfassende Darstellung der Voraussetzungen einer Indienstnahme von Privaten in allen Bereichen scheidet allerdings aus. Dies folgt bereits aus der der Bedeutung der Beteiligung Privater an öffentlichen Aufgaben, die sich daraus ergibt, dass der Staat ohne deren Unterstützung die Erfüllung öffentlicher Aufgaben nicht gewährleisten könnte1. Aufgrund der daraus resultierenden ausufernden Breite und Vielseitigkeit privatisierungsrelevanter Bereiche würde eine Untersuchung sämtlicher Voraussetzungen, die an Private im Rahmen ihrer Einbindung in staatliche Aufgaben gestellt werden, jeglichen Rahmen sprengen. Dennoch soll im Zuge dieser Bestandsaufnahme zumindest der Versuch unternommen werden, möglichst umfangreich die Einbindung Privater darzustellen. Dabei sollen privatisierungsrechtliche Tendenzen in den Bereichen aller drei Staatsgewalten – also Legislative, Exekutive und Judikative – offengelegt werden, auch wenn der Kernbereich der Beteiligung Privater und der vorliegenden Untersuchung im Bereich der Exekutive zu finden ist.
A. Die Legislative als Ursprung der Rechtsordnung Zunächst soll der Blick auf die Möglichkeiten der Einbindung privater Akteure im Bereich der Legislative gerichtet werden. Im Mittelpunkt steht dabei zuallererst die Frage, inwieweit eine Rechtsetzung durch Private – auch gänzlich ohne staatlichen Einfluss – überhaupt verfassungsrechtlich zulässig ist. Um dies zu untersuchen, muss man sich mit dem verfassungsrechtlichen Rahmen der Legislative auseinandersetzten. In der öffentlichen Wahrnehmung ist die Gesetzgebung 1 So bspw. auch M. Heintzen, Beteiligung Privater an der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben und staatliche Verantwortung, in: VVDStRL 62 (2003), S. 220 (224 ff.).
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§ 3 Indienstnahme privater Akteure
dem Anschein nach ureigene Aufgabe des Staates und diesem damit allein vorbehalten. Ob sich ein solches Rechtsetzungsmonopol aber auch aus der Verfassung ergibt, ist in der Folge zu untersuchen. Erst wenn der verfassungsrechtliche Rahmen der Rechtsetzung abgesteckt ist, kann herausgearbeitet werden, in welcher Form private Akteure innerhalb dieses Rahmens mitwirken können.
I. Bestehen eines staatlichen Rechtsetzungsmonopols? Die Grundfrage, wenn man die Rechtsetzung durch Private untersucht, ist also, ob sich aus der Verfassung ein Gesetzgebungsmonopol des Staates ergibt. Nähme man ein solches Monopol der Rechtsetzung nämlich auf staatlicher Seite an, wäre dies gleichbedeutend mit einer Absage an eine private Rechtsetzung2. Den Rahmen dessen, was im Bereich der Gesetzgebung zulässig ist, bestimmt maßgeblich die Verfassung3. Diese ist dementsprechend auf ein mögliches Rechtsetzungsmonopol hin zu untersuchen. Die Verfassung hat sich in Art. 20 Abs. 3 GG für den Rechtsstaat als Struktur- und Ordnungsprinzip des staatlichen und gesellschaftlichen Zusammenlebens entschieden4. Der ordnende Charakter des Rechts ergibt sich in diesem Zusammenhang aus der Vorhersehbarkeit und Transparenz von Rechtsnormen5. Er sorgt für einen beständigen rechtlichen Rahmen des Zusammenlebens. Dem Recht und damit auch der Rechtsetzung kommt demnach im Verfassungsstaat grundlegende Bedeutung zu. Dies bedeutet aber noch nicht zwingend, dass dem Staat die alleinige Befugnis zur Rechtsetzung zukommt. Ein solches Rechtsetzungsmonopol des Staates könnte man mit Blick auf das Gewaltmonopol des Staates annehmen6. Dieses legt fest, dass eine gewaltsame Durchsetzung von Rechtsnormen alleine dem Staat vorbehalten ist7. Daraus kann man zumindest schließen, dass es sich bei der Rechtsetzung um eine „genuine Aufgabe des Staates“ handelt8. Die Annahme, dass es sich bei der Gesetzgebung um eine genuine Aufgabe des Staates handelt, darf aber nicht unmittelbar gleichgesetzt werden mit der Annahme eines staatlichen Monopols der Gesetzgebung9. 2
F. Kirchhof, Private Rechtsetzung, 1987, S. 107 f. S. Augsberg, Rechtsetzung zwischen Staat und Gesellschaft, 2003, S. 71. 4 Zur Rechtsstaatlichkeit als Strukturprinzip E. Schmidt-Aßmann, Der Rechtsstaat, in: HStR3 II, § 26 Rn. 21. Vgl. zum Recht als Ordnungsfaktor auch die Ausführungen bei K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Aufl. 1995, Rn. 193 ff. 5 Augsberg, Rechtsetzung (Fn. 3), S. 71. 6 Vgl. zu diesem möglichen Ansatz auch Kirchhof, Rechtsetzung (Fn. 2), S. 119 ff.; Augsberg, Rechtsetzung (Fn. 3), S. 26. Zu Herleitung und Inhalt des staatlichen Gewaltmonopols siehe bereits oben unter § 2 B. IV. 2. a) (S. 65 ff.). 7 Kirchhof, Rechtsetzung (Fn. 2), S. 124; Augsberg, Rechtsetzung (Fn. 3), S. 26 f. 8 So Augsberg, Rechtsetzung (Fn. 3), S. 72. 9 Ein solches wurde allerdings teilweise angenommen, s. bspw. R. Herzog, in: T. Maunz/G. Dürig (Hrsg.), GG, Art. 92 (1971), Rn. 154; R. Scholz, Technik und Recht, in: D. Wilke (Hrsg.), Festschrift zum 125jährigen Bestehen der Juristischen Gesellschaft 3
A. Die Legislative als Ursprung der Rechtsordnung
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Dies wäre auch schon mit Blick auf die Rechtswirklichkeit – welche auch Rechtsetzung durch Institutionen, Verbände und Gesellschaften umfasst – ein „realitätsfremdes Postulat“ 10. Vielmehr ist mit Blick auf die Monopolstellung des Staates zu differenzieren. Dem Staat als Inhaber des Gewaltmonopols steht es zu, die Rechtsverbindlichkeit bzw. den Rechtscharakter einer Vorschrift anzuerkennen11. Nur so ist es dem Staat möglich, einen einheitlichen Rechtsrahmen zu schaffen12. Daraus ergibt sich allerdings nicht, dass auch das Monopol zur generellen Rechtsetzung beim Staat liegt. Dies ergibt sich bereits aus der Verfassung, wenn diese an verschiedenen Stellen Verweise auf nichtstaatliches Recht enthält13. So sieht bereits Art. 20 Abs. 3 S. 2 GG eine Bindung der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an Recht und Gesetz vor. Darunter ist nicht nur die Bindung an die Verfassung oder förmliche Gesetze gemeint, sondern auch an Rechtsverordnungen, Satzungen oder sogar Gewohnheitsrecht14. Darüber hinaus sehen auch Art. 9 Abs. 1 u. 3 GG und Art. 21 GG in Form von Tarifverträgen bzw. Vereins- und Parteisatzungen von Privaten gesetztes Recht voraus, sodass ein „gesamthaftes Monopol“ der Rechtsetzung aus der Verfassung nicht angenommen werden kann15. Und auch in anderen, ungeschriebenen verfassungsrechtlichen Grundsätzen ist ein Rechtsetzungsmonopol bzw. Rechtsnormsetzungsmonopol16 des Staates nicht angelegt, sodass im Ergebnis ein solches abzulehnen ist17. Dementsprechend ist neben der staatlichen grundsätzlich auch eine Rechtzu Berlin, 1984, S. 691 (697); vgl. dazu auch Kirchhof, Rechtsetzung (Fn. 2), S. 108 m.w. N. 10 So Kirchhof, Rechtsetzung (Fn. 2), S. 108; F. Ossenbühl, Gesetz und Recht – Die Rechtsquellen im demokratischen Rechtsstaat, in: HStR3 V, § 100 Rn. 38. 11 Augsberg, Rechtsetzung (Fn. 3), S. 28. 12 Siehe Augsberg, Rechtsetzung (Fn. 3), S. 28, welcher der Auffassung ist, „die Letztverbindlichkeit der Regeln forder[e] nicht nur eine fest strukturierte, in Aufgaben und Verfahren festgelegte und die gesamte Rechtsordnung umfassende Organisation, sondern vor allem die Verantwortlichkeit des Trägers der höchsten Gewalt.“ 13 Ossenbühl (Fn. 10), § 100 Rn. 38. Siehe zu diesen Anhaltspunkten in der Verfassung auch Kirchhof, Rechtsetzung (Fn. 2), S. 124 ff. 14 BVerfGE 78, 214 (227); Kirchhof, Rechtsetzung (Fn. 2), S. 125, der darauf hinweist, dass Gewohnheitsrecht in der Regel das Produkt privater Rechtsetzer sei; H. D. Jarass, in: ders./B. Pieroth, GG, 15. Aufl. 2018, Art. 20 Rn. 53; K.-P. Sommermann, in: H. v. Mangoldt/F. Klein/C. Starck (Hrsg.), GG II, 7. Aufl. 2018, Art. 20 Abs. 3 Rn. 265. 15 Kirchhof, Rechtsetzung (Fn. 2), S. 124 ff., der im Folgenden aber auf gegebenenfalls notwendige „sektorale Monopole“ eingeht, S. 126 ff. 16 Zu dieser begrifflichen Unterscheidung siehe Kirchhof, Rechtsetzung (Fn. 2), S. 107 ff. Das Rechtsetzungsmonopol bezieht sich dabei auf jeden Rechtsakt, während sich ein Rechtsnormsetzungsmonopol lediglich auf die Erzeugung genereller Rechtsnormen beschränkt. 17 Ausführlich dazu Kirchhof, Rechtsetzung (Fn. 2), S. 107 ff., der sowohl auf geschriebene als auch ungeschriebene Aspekte, die für ein solches Monopol angeführt werden könnten, eingeht und diese widerlegt; Ossenbühl (Fn. 10), § 100 Rn. 38; W. Kluth, Rechtsetzungsdelegation auf Private und kooperative Rechtsetzung, in: ders./
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§ 3 Indienstnahme privater Akteure
setzung durch Private verfassungsrechtlich zulässig. Diese soll in der Folge weitergehend untersucht werden.
II. Private Mitwirkung im Rahmen der Gesetzgebung Im Themenbereich der Rechtsetzung durch Private sind dabei zwei verschiedene Formen zu unterscheiden18. Zum einen umfasst der Bereich der Rechtsetzung durch Private normersetzende bzw. normprägende Absprachen mit Betroffenen oder die Normsetzung durch private Verbände oder Vereine, allerdings nur, solange diese allein auf Grundlage der Vereinigungsfreiheit und anderer Grundrechte basiert19. Diese Rechtsetzungsakte sind allerdings nicht staatlich indiziert, sondern entstehen auf der Basis eines privaten Entschlusses. Für die vorliegende Untersuchung der Frage, welche Voraussetzungen der Staat an die Einbindung von privaten Akteuren in verschiedenen Bereichen stellt, sind diese Bereiche nicht von Interesse. Der Themenbereich der Rechtsetzung durch Private umfasst daneben allerdings auch Sachverhalte, in denen die Rechtsetzung auf einer „irgendwie staatlich veranlaßten privaten Aufgabenträgerschaft beruhen.“ 20 Nur dieser Teil ist für den Untersuchungsgegenstand der vorliegenden Arbeit relevant, enthält doch nur er Bereiche, in denen der Staat eigentlich im selbst obliegende Gesetzgebungsaufgaben auf Private überträgt bzw. diese in eigene Gesetzgebungsakte einbindet. Hier stellt sich die Frage, welche Anforderungen der Staat in diesen Bereichen an die Mitwirkung privater Akteure stellt. In der Folge sollen daher einige Fälle privater Beteiligung an der staatlichen Rechtsetzung mit Blick auf deren Ausgestaltung untersucht werden. 1. Die Beleihung mit Rechtsetzungskompetenzen am Beispiel des § 16 Abs. 1 TPG Der Fokus soll dabei anfänglich auf die Frage gerichtet werden, inwieweit eine Beleihung privater Organisationen oder Verbände mit eigenen Rechtsetzungsbefugnissen aus demokratischen und sonstigen verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten zulässig erscheint. Bei der Beleihung werden private Akteure in einem abgrenzbaren Bereich mit hoheitlichen Befugnissen zur eigenen Wahrnehmung G. Krings (Hrsg.), Gesetzgebung. Rechtsetzung durch Parlamente und Verwaltungen sowie gerichtliche Kontrolle, 2014, § 33 Rn. 11. Anders aber B. Pieroth, in: Jarass/ ders., GG (Fn. 14), Art. 80 Rn. 1, der von einem Rechtsetzungsmonopol des Bundestages spricht. 18 Vgl. zu der folgenden Unterscheidung die Ausführungen von M. Burgi, Privatisierung, in: HStR3 IV, § 75 Rn. 33. 19 Burgi (Fn. 18), § 75 Rn. 33. 20 So Burgi (Fn. 18), § 75 Rn. 33.
A. Die Legislative als Ursprung der Rechtsordnung
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ausgestattet21. Diese Art der Aufgabenübertragung auf Private ist dementsprechend mit weitreichenden Befugnissen auf Seiten des Privaten verbunden. Fraglich ist daher, inwieweit sich diese gerade in der Verwaltung gängige Form der Aufgabenübertragung auf den besonders grundrechtssensiblen Bereich der Rechtsetzung übertragen lässt. a) Verfassungsrechtliche Zulässigkeit Zunächst einmal ist der verfassungsrechtliche Rahmen einer gegebenenfalls zulässigen Übertragung von Normsetzungsbefugnissen in Form der Beleihung abzustecken. Dabei ist festzustellen, dass es nicht um die Übertragung von Befugnissen zum Erlass formeller (Parlaments-) Gesetze gehen kann. Art. 77 Abs. 1 GG legt fest, dass die (formellen) Bundesgesetze vom Bundestag beschlossen werden. Insofern kommt ausschließlich diesem die Kompetenz zu, formelle Bundesgesetze zu erlassen22. Eine Übertragung dieser ureigenen Aufgabe des Bundestages ließe sich mit dem Demokratieprinzip aus Art. 20 Abs. 1 GG auch nicht vereinbaren. Bei der Frage der Rechtsetzung durch Private geht es dementsprechend nur um die Übertragung untergesetzlicher Rechtsetzungsbefugnisse. Dabei ist der Blick auf Art. 80 Abs. 1 GG zu richten. Dieser regelt die Möglichkeit der Ermächtigung der Bundesregierung, eines Bundesministers oder einer Landesregierung, Rechtsverordnungen zu erlassen. Geregelt ist hier also ausdrücklich die Möglichkeit, untergesetzliche Rechtsetzungsbefugnisse zu delegieren23. Die Regelung zeigt also die grundsätzliche Übertragbarkeit von – wenn auch nur untergesetzlichen – Normsetzungskompetenzen. Fraglich ist allerdings, inwieweit die Vorschrift des Art. 80 Abs. 1 GG auch eine Übertragung von Normsetzungskompetenzen auf Private im Wege der Beleihung zulässt. Dies wird teilweise von vornherein aus verfassungsrechtlichen Gründen für ausgeschlossen erachtet24. Begründet wird dies vor allem mit der Begrenzung der Exekutivdelegatare in Art. 80 Abs. 1 GG und damit, dass der Er-
21 Vgl. zur Beleihung als Form der Privatisierung und deren Einordnung bereits unter § 2 B. III. 3. (S. 59 f.). 22 T. Mann, in: M. Sachs (Hrsg.), GG, 8. Aufl. 2018, Art. 77 Rn. 1. 23 Aus diesem Grund sind auch gesetzesvertretende Rechtsverordnungen, also solche, die (formelle) Gesetzeskraft aufweisen, nicht umfasst, da diese in der Folge Parlamentsgesetzen gleichrangig wären, was mit dem Vorrang des Gesetzes aus Art. 20 Abs. 3 GG nicht vereinbaren ließe, vgl. T. Mann, in: Sachs, GG (Fn. 22), Art. 80 Rn. 10. 24 Bspw. M. Sachs, Die normsetzende Vereinbarung im Verwaltungsrecht, in: VerwArch. 74 (1983), S. 25 (47); Burgi (Fn. 18), § 75 Rn. 33; F. Ossenbühl, Rechtsverordnung, in: HStR3 V, § 103 Rn. 36; M. Brenner, in: H. v. Mangoldt/F. Klein/C. Starck (Hrsg.), GG II, 7. Aufl. 2018, Art. 80 Abs. 1 Rn. 65. Kritisch zu diesem „voreilige[n] Schluss“ F. Becker, Kooperative und konsensuale Strukturen in der Normsetzung, 2005, S. 389.
94
§ 3 Indienstnahme privater Akteure
lass von Rechtsverordnungen – und damit erst recht der von Gesetzen – „unter dem Demokratieprinzip die Urheberschaft eines kollegial organisierten Repräsentativorgans“ verlange25. Diese Argumentation greift allerdings zu kurz. So sieht Art. 80 Abs. 1 S. 4 GG ausdrücklich die Möglichkeit einer Subdelegation vor, ohne dabei den Kreis der Delegatare weitergehend einzuschränken. Dementsprechend umfasst dies richtigerweise auch die Option einer Beleihung von Privatrechtssubjekten mit Rechtsetzungsbefugnissen26. Aus Art. 80 Abs. 1 GG lässt sich dementsprechend ein genereller Ausschluss der Beleihung nicht entnehmen. Höfling argumentiert in diesem Zusammenhang zutreffend, dass die Übertragbarkeit von Normsetzungskompetenzen „keine Frage der Kategorienbildung, sondern lediglich eine der (verfassungs-)rechtlichen Legitimität“ sei27. Diese sei gerade „strikt von der kategoralen terminologischen Frage zu trennen“, denn „die verfassungsrechtliche Zulässigkeit bestimmt nicht die Zuordnung“ 28. Dementsprechend lässt sich aus der Einordnung eines Privaten oder einer privaten Institution als Beliehener nicht unmittelbar schließen, dass die gleichzeitige Übertragung von Normsetzungsbefugnissen unzulässig sei. Insofern ist die Übertragung mit Rechtsetzungsbefugnissen durch ein (formelles) Parlamentsgesetz im Ergebnis durchaus als Beleihung einzuordnen, wenn der Private in der Folge hoheitlich tätig wird und öffentliche Gewalt ausübt, unabhängig von der Frage der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit im Einzelfall29.
25
So die Begründung bei Burgi (Fn. 18), § 75 Rn. 33. Ebenfalls für die Möglichkeit einer Beleihung P. Axer, Normsetzung der Exekutive in der Sozialversicherung, 2000, S. 424 ff., allerdings begrenzt auf den Bereich des Sozialrechts; U. Ramsauer, in: E. Denninger u. a. (Hrsg.), AK-GG, 3. Aufl., Art. 80 (2001), Rn. 46; B. B. Wiegand, Die Beleihung mit Normsetzungskompetenzen. Das Gesundheitswesen als Exempel, 2008, S. 164 ff., 209; B. Remmert, in: T. Maunz/G. Dürig (Hrsg.), GG, Art. 80 (2013), Rn. 84; H. Bauer, in: H. Dreier (Hrsg.), GG II, 3. Aufl. 2015, Art. 80 Rn. 40. Dies wird von der wohl überwiegenden Auffassung mit der Begründung abgelehnt, dass Art. 80 Abs. 1 GG keine Aussage über das Verhältnis von Staat und Gesellschaft treffen wollte und daher aus dem Schweigen des Grundgesetzes über den Kreis der Subdelegatare nicht auf die Zulässigkeit einer Übertragung von Rechtsetzungsmacht auf Private geschlossen werden dürfe, vgl. dazu M. Nierhaus, in: W. Kahl/C. Waldhoff/C. Walter (Hrsg.), BK, Art. 80 Abs. 1 (1998), Rn. 259; Ossenbühl (Fn. 24), § 103 Rn. 36; K. Rennert, Beleihung zur Rechtsetzung?, in: JZ 2009, S. 976 (981), der eine Beleihung Privater über die „Hintertür“ des Art. 80 Abs. 1 S. 4 GG ablehnt; A. Uhle, in: V. Epping/C. Hillgruber (Hrsg.), GG, 2. Aufl. 2013, Art. 80 Rn. 34; ders., Die Rechtsverordnung, in: Kluth/Krings, Gesetzgebung (Fn. 17), § 24 Rn. 44; Brenner (Fn. 24), Art. 80 Abs. 1 Rn. 65. 27 W. Höfling, in: ders. (Hrsg.), TPG, Kommentar, 2. Aufl. 2013, § 16 Rn. 14. 28 Siehe zu dieser Argumentation auch die Ausführungen bei Axer, Normsetzung (Fn. 26), S. 33; Wiegand, Beleihung (Fn. 26), S. 69. 29 Axer, Normsetzung (Fn. 26), S. 33; Höfling (Fn. 27), § 16 Rn. 14. 26
A. Die Legislative als Ursprung der Rechtsordnung
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b) Die Richtlinienbefugnis der Bundesärztekammer gemäß § 16 Abs. 1 TPG Beispiele für die Übertragung von Normsetzungskompetenzen im Wege der Beleihung sind beispielsweise im Bereich des Gesundheitswesens zu finden30. Stellvertretend soll an dieser Stelle § 16 Abs. 1 TPG genannt sein. Dieser legt fest, dass die Bundesärztekammer für die in Nr. 1 bis 7 genannten Fälle den Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft in Richtlinien feststellt31. Durch die Richtlinienbefugnis werden der Bundesärztekammer weitreichende Entscheidungsbefugnisse eingeräumt32. Dies zeigt sich insbesondere in der Vermutungsregel des § 16 Abs. 1 S. 2 TPG, die eine Einhaltung der Standards der medizinischen Wissenschaft dann annimmt, wenn die Richtlinien beachtet worden sind. Gerade die Fragen betreffend die Aufnahme von Patienten auf Wartelisten und der Organvermittlung weisen dabei eine besonders intensive Grundrechtsrelevanz auf 33. Aufgrund der entscheidenden Position, welche der Bundesärztekammer hier im „Prozess des normativen Wertens und Abwägens“ zukommt, ist von der Ausübung öffentlicher Gewalt auszugehen34. Insofern ist § 16 Abs. 1 TPG als ein (atypischer) Fall der Beleihung mit exekutiven Rechtsetzungsbefugnissen aufgrund einer gesetzlichen Ermächtigung zu bewerten35. Der Bundesärztekammer werden durch die Regelungen also (untergesetzliche) Normsetzungsbefugnisse übertragen. Die berechtigten verfassungsrechtlichen Beden30 Vgl. ausführlich dazu Wiegand, Beleihung (Fn. 26), S. 42 ff., 272, die dabei beispielsweise auf die Regelungen in § 112 SGB V, § 75 SGB XI, § 9 Abs. 1 Nr. 1 KHEntgG, § 17b Abs. 1 S. 10 KHG oder § 16 TPG hinweist. Dazu auch Höfling (Fn. 27), § 16 Rn. 10. 31 Vgl. zu weiteren Fällen der legislativen Einbeziehungen der Bundesärztekammer die Ausführungen bei A. Berger, Die Bundesärztekammer, 2005, S. 80 ff. 32 Höfling (Fn. 27), § 16 Rn. 5. 33 Zutreffend T. Gutmann, in: U. Schroth u. a. (Hrsg.), TPG, Kommentar, 2005, § 16 Rn. 5. 34 E. Schmidt-Aßmann, Grundrechtspositionen und Legitimationsfragen im öffentlichen Gesundheitswesen, 2001, S. 102 f.; W. Höfling, Primär- und Sekundärrechtsschutz im Öffentlichen Recht, in: VVDStRL 61 (2002), S. 260 (292); Gutmann (Fn. 33), § 16 Rn. 5; Wiegand, Beleihung (Fn. 26), S. 69; Höfling (Fn. 27), § 16 Rn. 17; E. SchmidtAßmann, in: T. Maunz/G. Dürig (Hrsg.), GG, Art. 19 Abs. 4 (2014) Rn. 56a; anderer Ansicht ist bspw. S. Augsberg, Die Bundesärztekammer im System der Transplantationsmedizin, in: W. Höfling (Hrsg.), Die Regulierung der Transplantationsmedizin in Deutschland, 2008, S. 45 (52). Gegen eine hoheitliche Tätigkeit auch L. C. Nickel/ A. Schmidt-Preisigke/H. Sengler, TPG, Kommentar, 2001, Erl. § 16 Rn. 4, welche eine fehlende rechtsverbindliche Wirkung gerade mit der Vermutungsregel in § 16 Abs. 1 S. 2 TPG begründen. 35 So auch Berger, Bundesärztekammer (Fn. 31), S. 83; Gutmann (Fn. 33), § 16 Rn. 5; Höfling (Fn. 27), § 16 Rn. 8 ff.; Schmidt-Aßmann (Fn. 34), Art. 19 Abs. 4 Rn. 56a; a. A. Nickel/Schmidt-Preisigke/Sengler (Fn. 34), Erl. § 16 Rn. 4; Augsberg, Bundesärztekammer (Fn. 34), S. 50. Auch der BGH, medstra 2017, S. 354 (357), spricht nunmehr von einer Form exekutiver Rechtsetzung ohne dabei aber ausdrücklich auf die Übertragung in Form der Beleihung einzugehen.
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ken, die sich hinsichtlich dieser Übertragung in § 16 Abs. 1 TPG, insbesondere mit Blick auf die erforderliche demokratische Legitimation der Bundesärztekammer im Sinne des Art. 20 Abs. 2 GG, ergeben, sollen an dieser Stelle lediglich erwähnt, ansonsten für die Untersuchung aber außer Betracht bleiben36. Für die vorliegende Untersuchung ist vielmehr von Belang, inwieweit im Rahmen dieser Übertragung einer staatlichen Aufgabe in Form von Rechtsetzungsbefugnissen spezielle Voraussetzungen an den privaten Akteur – hier: die Bundesärztekammer – gestellt werden. Aus § 16 Abs. 1 TPG ergeben sich dabei keine gesonderten Anforderungen an die Bundesärztekammer selbst, festgelegt wird lediglich, in welchen Bereichen Richtlinien für den Stand der Erkenntnisse der Wissenschaft erlassen werden können. Auch aus den Absätzen 2 und 3 ergeben sich darüberhinausgehend nur Voraussetzungen bezüglich des Verfahrens der Aufstellung der Richtlinien bzw. ein Genehmigungsvorbehalt zugunsten des Bundesministeriums für Gesundheit. Gerade letztere Regelung des später eingefügten Absatzes 3 dient primär dazu, das „prinzipielle Legitimationsdefizit [. . .] durch die über den Genehmigungsvorbehalt vermittelte Rückbindung an das demokratische Legitimationssystem teilweise [zu kompensieren].“ 37 Anforderungen an die Struktur der Bundesärztekammer, sie ist als nicht eingetragener Verein und damit nicht rechtsfähiger Verein organisiert38, lassen sich nicht erkennen. Dies ergibt sich im vorliegenden Bereich des § 16 Abs. 1 TPG aber bereits aus der Natur der Sache. Die Aufstellung bestimmter Anforderungen an private Akteure bei der Einbindung im Rahmen von staatlichen Aufgaben ist nur dann sinntragend, wenn der konkrete Akteur selbst noch nicht festgelegt ist, sondern – unter Erfüllung der Voraussetzungen – mehrere Akteure für eine Indienstnahme in Betracht kommen. Im vorliegenden Fall aber wurde mit der Bundesärztekammer die „Schaltstelle der deutschen Ärzteschaft“ aufgrund ihres „gebündelten privaten medizinischen Sachverstand[es]“ mit Normsetzungsbefugnissen bedacht39. Es wird im Falle des § 16 Abs. 1 TPG dementsprechend in einem abgesteckten Rahmen eine bestimmte legislative Aufgabe aufgrund besonderen Sachverstandes übertragen. Wenn hier also ein bestehender Akteur eingebunden wird, würde es wenig Sinn ergeben, innerhalb der Übertragung auch Voraussetzungen an die organisatorische Struktur oder die Qualifikation zu stellen, da diese zum Zeitpunkt der Übertragung bereits hinreichend bekannt sind. Insoweit steht dem Gesetzgeber auch
36 Dazu sei vor allem auf die Ausführungen von Schmidt-Aßmann, Grundrechtspositionen (Fn. 34), S. 99 ff.; Gutmann (Fn. 33), § 16 Rn. 6; Augsberg, Bundesärztekammer (Fn. 34), S. 51 ff.; Höfling (Fn. 27), § 16 Rn. 17 ff. 37 Höfling (Fn. 27), § 16 Rn. 54. 38 Anders als die 17 deutschen Ärztekammern, deren Arbeitsgemeinschaft die Bundesärztekammer ist, die als Körperschaften des öffentlichen Rechts organisiert sind, s. Gutmann (Fn. 33), § 16 Rn. 2. Ausführlich zur organisatorischen Verfasstheit der Bundesärztekammer Berger, Bundesärztekammer (Fn. 31), S. 43 ff. 39 Augsberg, Bundesärztekammer (Fn. 34), S. 48.
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ein weitläufiger Einschätzungsspielraum hinsichtlich der Qualifikation des privaten Akteurs zur Wahrnehmung bestimmter Aufgaben zu. Dieser Fall der Übertragung von legislativen Befugnissen auf die Bundesärztekammer eignet sich dementsprechend nicht für die vorliegende Untersuchung, bei der gerade die an die privaten gestellten Voraussetzungen im Mittelpunkt stehen. Im Rahmen dieser Beleihung stellen sich vielmehr Fragen im Hinblick auf deren verfassungsrechtliche Zulässigkeit unter dem Gesichtspunkt der demokratischen Legitimation. Diese sollen vorliegend allerdings nicht weitergehend ausgeführt werden, sodass dieser Bereich für die spätere Untersuchung außer Betracht bleiben soll. 2. Die Verweisung auf private Regelwerke als kooperative Gesetzeskonkretisierung Aber auch in anderen Bereichen werden private Akteure aufgrund besonderen Sachverstandes in legislative Aufgaben eingebunden, ohne dass – wie in Art. 16 Abs. 1 TPG – unmittelbar eine Beleihung mit Rechtsetzungskompetenzen stattfindet. Dabei ist insbesondere an die Einbeziehung bestimmter Standards von privaten Normungsverbänden durch den Gesetzgeber in Form von legislativen Verweisungen zu denken40. Solche Verweisungen auf technische Standards finden sich vor allem in den Bereichen der Produktsicherheit und des Umweltrechts41. Diese Form der Beteiligung Privater liegt aber, anders als die Übertragung von Normsetzungsbefugnissen im Gesundheitsrecht, nicht im Kernbereich legislativer Aufgaben, sondern im Grenzbereich von Normsetzung und Verwaltung42. Dennoch ergeben sich auch im Hinblick auf Verweisungen im technischen Bereich zumindest teilweise verfassungsrechtliche Bedenken. Diese sollen in der Folge einleitend dargestellt werden, um im Anschluss beispielhaft anhand des Deutschen Instituts für Normung e. V. (DIN) die Einbeziehung privater Normgeber darzustellen. a) Verfassungsrechtliche Bedenken hinsichtlich der Verweistechnik Zunächst soll zumindest in Ansätzen die verfassungsrechtliche Zulässigkeit solcher Verweisungen auf private Normungs- und Regelungswerke in technischen Bereichen dargestellt werden. Dabei ist insbesondere zwischen statischen und dynamischen Verweisungen auf andere Normen zu unterscheiden43, da diese 40 Burgi (Fn. 18), § 75 Rn. 33, spricht in diesem Zusammenhang vom „weitaus wichtigsten Anwendungsfall“ der privaten – gleichfalls staatlich indizierten – Normsetzung. 41 Burgi (Fn. 18), § 75 Rn. 33. 42 H.-U. Karpen, Die Verweisung als Mittel der Gesetzgebungstechnik, 1970, S. 124. 43 Vgl. zu dieser Unterscheidung und zu den Begriffen grundlegend F. Ossenbühl, Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Verweisung als Mittel der Gesetzgebungstechnik, in: DVBl. 1967, S. 401 (401).
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Unterscheidung unmittelbaren Einfluss auf deren verfassungsrechtliche Zulässigkeit hat. Bei einer statischen Verweisung bezieht sich der Gesetzgeber auf eine bereits bestehende Norm eines anderen Normgebers in der zum Zeitpunkt gültigen Fassung. Diese Art der Verweisung wird im Allgemeinen für unproblematisch erachtet, insbesondere wird damit nicht das Gebot der Bestimmtheit verletzt44. In diesem Falle bedient sich der Gesetzgeber lediglich des fremden Sachverstandes und nimmt diesen mit dem Verweis eindeutig erkennbar in seinen Willen mit auf. Auch hat in der Folge eine Änderung der Bezugsnorm keinen Einfluss auf die Regelung des Gesetzgebers45. Anders sieht dies bei so genannten dynamischen Verweisungen aus. Hier bezieht sich der Gesetzgeber nicht auf die konkret geltende Fassung der Norm eines anderen Normgebers, sondern erkennt diese in der jeweils geltenden – also sich aktualisierenden – Fassung an46. In diesem Fall beeinflusst eine Änderung der Bezugsnorm dementsprechend unmittelbar auch die Regelung des Parlamentsgesetzgebers. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht auch diese Form der Verweisung regelmäßig für zulässig erachtet47, sie begegnet allerdings verstärkt verfassungsrechtlichen Bedenken48. Durch die Inbezugnahme sich gegebenenfalls aktualisierender Regelungen bedeutet sie im Ergebnis eine versteckte Verlagerung von Gesetzgebungsbefugnissen auf die privaten Normungsverbände49. So kann insbesondere nicht davon gesprochen werden, dass der Gesetzgeber in Fällen dynamischer Verweisung die sich möglicherweise ergebenden aktualisierten Fassungen bestimmter Normen in seinen Willen aufgenommen hat50. Sie sind im zum Zeitpunkt der Verweisung schlicht nicht bekannt. Dementsprechend sind im Falle einer dynamischen Verweisung gesteigerte Voraussetzungen zu erfüllen. Sie können nur dann als zulässig erachtet werden, wenn sie den Rahmen, den Rechtsstaatlichkeit, Bundesstaatlichkeit und Demokratiegebot ziehen, beachten51. Insbesondere im Hinblick auf das Demokratieprinzip und die Bestimmtheit der Verweisung ist zu verlangen, dass Inhalt und Reichweite der Verweisung bereits in 44 T. Clemens, Die Verweisung von einer Rechtsnorm auf andere Vorschriften – insbesondere ihre Verfassungsmäßigkeit –, in: AöR 111 (1968), S. 63 (100); P. Marburger, Formen, Verfahren und Rechtsprobleme der Bezugnahme gesetzlicher Regelungen auf industrielle Normen und Standards, in: P.-C. Müller-Graff (Hrsg.), Technische Regeln im Binnenmarkt, 1991, S. 27 (38 f.); G. Robbers, in: W. Kahl/C. Waldhoff/C. Walter (Hrsg.), BK, Art. 20 Abs. 1 (2009) Rn. 2071; auf die Bestimmtheit stellt ab Sommermann (Fn. 14), Art. 20 Abs. 3 Rn. 290. 45 Ossenbühl, Zulässigkeit (Fn. 43), S. 401. 46 Robbers (Fn. 44), Art. 20 Abs. 1 Rn. 2072. 47 BVerfGE 26, 338 (365 ff.); 47, 285, (312 ff.); 64, 208 (215 ff.); 78, 32 (35 ff.). 48 So bspw. Robbers (Fn. 44), Art. 20 Abs. 1 Rn. 2081; M. Sachs, in: ders., GG (Fn. 22), Art. 20 Rn. 123a; Sommermann (Fn. 14), Art. 20 Abs. 3 Rn. 290. 49 Robbers (Fn. 44), Art. 20 Abs. 1 Rn. 2081. 50 So auch Sommermann (Fn. 14), Art. 20 Abs. 3 Rn. 290. 51 Ebenso BVerfGE 78, 32 (36); Robbers (Fn. 44), Art. 20 Abs. 1 Rn. 2082.
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der verweisenden Norm hinreichend erkennbar sind52. Der Rahmen, in welchem der private Normungsgeber gestalterisch tätig werden kann, muss in der verweisenden Vorschrift so eingegrenzt sein, dass die jeweilige Fassung dem gesetzgeberischen Willen zugerechnet werden kann53. Wäre dies nicht der Fall, handelt es sich um eine Übertragung von Normsetzungsbefugnissen, die aufgrund mangelnder Bestimmtheit verfassungsrechtlich nicht zulässig ist. Anderseits ist auch die dynamische Verweisung auf von Privaten gesetzte Normen somit im Ergebnis nicht per se unzulässig54, den Gesetzgeber trifft allerdings eine besondere Beobachtungspflicht, um sicherzustellen, dass der von ihm gesetzte Rahmen eingehalten wird55. b) Das Deutsche Institut für Normung e. V. (DIN) als Beispiel Das wohl geläufigste Beispiel für diese Form der Einbeziehung privaten Sachverstandes ist das Deutsche Institut für Normung e. V. (DIN)56. Dieses wurde 1917 unter dem Namen „Normenausschuss der Deutschen Industrie“ gegründet und geht auf die Bemühungen staatlicher Stellen zurück, technische Vereinheit52 Sommermann (Fn. 14), Art. 20 Abs. 3 Rn. 290. Die Voraussetzungen des Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG, dass Inhalt, Zweck und Ausmaß der Ermächtigung hinreichend bestimmt ist, auf Fälle der Verweisung entsprechend übertragen will auch W.-R. Schenke, Die verfassungsrechtliche Problematik dynamischer Verweisungen, in: NJW 1980, S. 743 (745 ff.), der eine dynamische Verweisung auf Normungen Privater dabei aber aus verfassungsrechtlichen Gründen für unzulässig erachtet. 53 Insbesondere darf der Gesetzgeber keine wesentlichen Fragen durch Verweisung auf private Vorschriften regeln, da dies zu einer Verletzung des Parlamentsvorbehalts führen würde, vgl. Sommermann (Fn. 14), Art. 20 Abs. 3 Rn. 290. 54 So auch BVerfGE 78, 32 (36); H. Müller, Handbuch der Gesetzgebungstechnik, 2. Aufl. 1968, S. 174; W. Brugger, Rechtsprobleme der Verweisung im Hinblick auf Publikation, Demokratie und Rechtsstaat, in: VerwArch. 78 (1987), S. 1 (35 ff.); Robbers (Fn. 44), Art. 20 Abs. 1 Rn. 2082; Sommermann (Fn. 14), Art. 20 Abs. 3 Rn. 290; a. A. Ossenbühl, Zulässigkeit (Fn. 43), S. 408; Karpen, Verweisung (Fn. 42), der eine dynamische Verweisung nur bei Identität des Gesetzgebers für zulässig erachtet, also nicht im Falle der Verweisung auf privat gesetzte Regelungen. Differenzierend Marburger, Formen (Fn. 44), S. 54, der normergänzende (dynamische) Verweisungen als verfassungswidrig einstuft, normkonkretisierende (dynamische) Verweisungen aber zulassen will. Clemens, Verweisung (Fn. 44), S. 118, schlägt vor, verfassungswidrige dynamische Verweisungen im Wege der verfassungskonformen Auslegung in statische Verweisungen umzudeuten. 55 T. Klindt, Die Zulässigkeit dynamischer Verweisungen auf EG-Recht aus verfassungs- und europarechtlicher Sicht, in: DVBl. 1998, S. 373 (376); Robbers (Fn. 44), Art. 20 Abs. 1 Rn. 2073; Sommermann (Fn. 14), Art. 20 Abs. 3 Rn. 290. 56 Vgl. ausführlich dazu J. Backherms, Das DIN Deutsches Institut für Normung e. V. als Beliehener, 1978; auch P. Marburger, Die Regeln der Technik im Recht, 1979, S. 205 ff., der darüber hinaus einen Überblick über die Struktur der überbetrieblichen technischen Normung in verschiedenen Bereichen verschafft, S. 208 ff. Einen Überblick zu weiteren Bereichen der Verweisung gerade auf Regeln des technischen Sicherheitsrechts bietet M. Schwierz, Die Privatisierung des Staates am Beispiel der Verweisungen auf Regelwerke privater Regelgeber im Technischen Sicherheitsrecht, 1986, S. 17 ff.
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lichung zu konzentrieren, um dies vor allem für die Rüstungsindustrie zugänglich zu machen57. Die satzungsmäßige Aufgabe des DIN ist gemäß Punkt 1.2 der Satzung, „zum Nutzen der Allgemeinheit unter Wahrung des öffentlichen Interesses in geordneten und transparenten Verfahren die Normung und Standardisierung anzuregen, zu organisieren, zu steuern und zu moderieren.“ Insoweit ist alleiniger Zweck des DIN die Normungsarbeit58. Dabei sieht sich das DIN als „die nationale Normungsorganisation Deutschlands“ und betont damit ihre besondere Bedeutung für die technische Normung in Deutschland59. Diese besondere Stellung wird dem DIN im Vertrag mit der Bundesrepublik Deutschland vom 5. Juni 1975 auch eingeräumt60. Darin verpflichtet sich das DIN sowohl, „bei seinen Normungsarbeiten das öffentliche Interesse zu berücksichtigen“, also auch „dafür Sorge zu tragen, daß die Normen bei der Gesetzgebung, in der öffentlichen Verwaltung und im Rechtsverkehr als Umschreibungen technischer Anforderungen herangezogen werden können.“ 61 Daraus ergibt sich bereits, dass die Normungen der DIN in verschiedenen Bereichen des Staates bei der Ausübung von Staatsfunktionen Berücksichtigung finden, insbesondere im Bereich der Gesetzgebung62. Zu hinterfragen ist allerdings, wie die Rolle des DIN im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens rechtlich einzuordnen ist und welche Anforderungen es dabei zu erfüllen hat. Backherms ordnet das DIN als besonders anerkannten Beliehenen ein63. Einer solche Einordnung ist allerdings unter mehreren Gesichtspunkten zu widersprechen. Zunächst ist – was Backherms in seiner Untersuchung allerdings ebenfalls herausarbeitet – festzustellen, dass es sich bei den Normen der DIN nicht um Rechtsnormen handelt64. Dementsprechend übt das DIN mit dem Erlass der Normen unmittelbar auch keine Staatsgewalt aus. Dies bedeutet gleich57 Zur geschichtlichen Entwicklung des Deutschen Instituts für Normung e. V. (DIN) siehe Backherms, DIN (Fn. 56), S. 48 f.; Marburger, Regeln (Fn. 56), S. 197 ff. 58 A. Voßkuhle, Sachverständige Beratung des Staates, in: HStR3 III, § 43 Rn. 43. Die Grundsätze dieser Normungsarbeit des DIN sind in der DIN-Norm 820 geregelt. 59 Siehe dazu DIN 820-1 Nr. 5.1. 60 § 1 Abs. 1 des Vertrages zwischen der Bundesrepublik und dem DIN v. 5.6.1975: „(1) Die Bundesregierung erkennt das DIN Deutsches Institut für Normung e. V. nach Maßgabe der in DIN 820 Blatt 1 Abschnitt 3, Ausgabe Februar 1974 (Anlage 1), getroffenen Regelung als die zuständige Normenorganisation für das Bundesgebiet und Berlin (West) sowie als die Nationale Normenorganisation in nichtstaatlichen Internationalen Normenorganisationen an.“ 61 § 1 Abs. 2 des Vertrages zwischen der Bundesrepublik und dem DIN v. 5.6.1975. 62 H.-G. Dederer, Korporative Staatsgewalt. Integration privat organisierter Interessen in die Ausübung von Staatsfunktionen, 2004, S. 83. 63 Backherms, DIN (Fn. 56), S. 45 ff., 93 ff. 64 Insoweit zutreffend mit ausführlicher Untersuchung Backherms, DIN (Fn. 56), S. 61 ff., 76; ebenso W. Brohm, Sachverständige Beratung des Staates, in: HStR II, § 36 Rn. 26; M. Schmidt-Preuß, Verwaltung und Verwaltungsrecht zwischen gesellschaftlicher Selbstregulierung und staatlicher Steuerung, in: VVDStRL 56 (1997), S. 160 (203); Dederer, Staatsgewalt (Fn. 62), S. 83; Becker, Strukturen (Fn. 24), S. 554 f.
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zeitig aber nicht, dass die Normen nicht gleichwohl normative Kraft erzeugen können65. Sie entfalten aber eben nicht unmittelbar Geltung, sondern erst durch eine direkte Verweisung des Gesetzgebers auf die entsprechende Norm oder bei der Ausfüllung von Generalklauseln und unbestimmten Rechtsbegriffen66. Eine Übertragung von hoheitlicher Gewalt in Form von Rechtsetzungsbefugnissen findet eben nicht statt. Daneben scheitert eine Beleihung des DIN aber bereits am fehlenden Beleihungsakt in Form eines Gesetzes. Ein solcher ist in dem Vertrag zwischen dem DIN und der Bundesrepublik nicht zu sehen. Auch Backherms sieht keine Übertragung in Form eines formellen Gesetzesaktes, hält diese allerdings auch nicht für erforderlich, sondern will das DIN trotz des Nichtvorliegens einer förmlichen Beleihung als besonders anerkannten Beliehenen qualifizieren67. Eine solche besondere Form der Beleihung ist allerdings konstruiert und dem Grunde nach abzulehnen. Vielmehr ist die Normung des DIN und anderer privater Normierungsverbände als Sonderform der sachverständigen Beratung des Staates einzuordnen68. Insoweit unterliegt die Übertragung der Normierungsaufgabe an das DIN nicht den strengen Voraussetzungen einer Beleihung. Bezüglich der Voraussetzungen, die an das DIN gestellt werden, zeigt sich ein mit der Bundesärztekammer vergleichbares Bild. Auch ist das DIN aufgrund seiner langen Geschichte und seines besonderen Sachverstandes vom Staat ausgewählt und mit der Aufgabe der Normung betraut worden. Konsequenz ist auch hier, dass ein bestimmter Katalog an Kriterien, der für eine Übertragung zu erfüllen wäre, logischerweise nicht existiert. Aus dem Vertrag zwischen der BRD und dem DIN ergeben sich lediglich Anforderungen an das Normungsverfahren des DIN, nicht aber an dessen Organisationsstruktur oder fachliche Qualifizierung. 3. „Gesetzgebungsoutsourcing“ – Die (Groß-)Kanzleien als (Ersatz-)Gesetzgeber? Neben diesen Fällen, in welchen private Akteure Normen setzen, die entweder unmittelbar, wie im Falle der Bundesärztekammer, oder mittelbar im Wege der 65 So auch Dederer, Staatsgewalt (Fn. 62), S. 83. Ein Verständnis der Normen privatrechtlicher Normungsverbände als antizipierte Sachverständigengutachten hingegen muss ausscheiden, da es sich nicht um die bloße Äußerung von Sachverständigen handelt, sondern um eine von Interessen beeinflusste Setzung von Standards, vgl. I. Lamb, Kooperative Gesetzeskonkretisierung. Verfahren zur Erarbeitung von Umwelt- und Technikstandards, 1995, S. 93; a. A. BVerwGE 55, 250 (256). 66 Lamb, Gesetzeskonkretisierung (Fn. 65), S. 93 ff.; Dederer, Staatsgewalt (Fn. 62), S. 83. 67 Backherms, DIN (Fn. 56), S. 93 ff. 68 Brohm (Fn. 64), § 36 Rn. 26; A. Seidel, Privater Sachverstand und staatliche Garantenstellung im Verwaltungsrecht, 2000, 282 ff., der in diesem Zusammenhang auch von einer „besondere[n] Form funktioneller Privatisierung“ spricht; Dederer, Staatsgewalt (Fn. 62), S. 82; Voßkuhle (Fn. 58), § 43 Rn. 42.
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Verweisung, wie im Falle der DIN, Geltung erlangen, werden Private aber auch in anderen Fällen in die Gesetzgebung mit eingebunden. Größere Aufmerksamkeit hat dabei in der jüngeren Vergangenheit vor allem die Einbindung von Großkanzleien in die Erarbeitung von Gesetzesentwürfen erfahren. Ausgangspunkt der juristischen Debatte über diese Form des „Outsourcing“ von legislativen Aufgaben waren die Mandatierung der Kanzleien Freshfields Bruckhaus Deringer LLP durch das Bundesfinanzministerium und Linklaters LLP durch das Bundeswirtschaftsministerium im Rahmen der Finanzmarktstabilisierung 2008/200969. Insbesondere der Gesetzesentwurf von Linklaters LLP fand dabei insofern besondere Beachtung, als dass er durch das Ministerium versehentlich mit dem Logo der Anwaltskanzlei eingereicht wurde70. Diese Fälle der Beauftragung von großen Rechtsanwaltskanzleien bei der Erstellung von Gesetzesentwürfen sind dabei keine Seltenheit71. Dementsprechend hat das Thema in der Folge unter dem Begriff des „Gesetzgebungsoutsourcing“ auch vermehrt Eingang in die juristische Literatur gefunden72. Dabei steht vor allem die verfassungsrechtliche Verortung dieser Form der Einbindung privater Akteure im Mittelpunkt. Diese sollen in der Folge zumindest im Überblick dargestellt werden, bevor – für die vorliegende
69 Dazu M. Kloepfer, Gesetzgebungsoutsourcing – Die Erstellung von Gesetzesentwürfen durch Rechtsanwälte, in: NJW 2011, S. 131 (131 f.); H.-P. Schmieszek, Großkanzleien als Ersatzgesetzgeber?, in: ZRP 2013, S. 175 (175). 70 BT-Drs. 17/9266, S. 2; U. Battis, Outsourcing von Gesetzesentwürfen?, in: ZRP 2009, S. 201 (201). 71 Siehe dazu die kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE, BT-Drs. 16/14133, S. 8 f. 72 Bspw. die Ausführungen von J. Krüper, Lawfirm – legibus solutus?, in: JZ 2010, S. 655 ff.; Kloepfer, Gesetzgebungsoutsourcing (Fn. 69), S. 131 ff.; K. Meßerschmidt, Private Gesetzgebungshelfer – Gesetzgebungsoutsourcing als privatisiertes Regulierungsmanagement in der Kanzleiendemokratie?, in: Der Staat 51 (2012), S. 387 ff.; F. Ossenbühl, Outsourcing von Gesetzesentwürfen – ein Scheinproblem, in: M. Ruffert (Hrsg.), Dynamik und Nachhaltigkeit des Öffentlichen Rechts. Festschrift für M. Schröder, 2012, S. 359 ff.; Schmieszek, Großkanzleien (Fn. 69), S. 175 ff.; S. M. Woiki, Gesetzgebungsoutsourcing unter dem Grundgesetz, 2016. Zu den Anfängen der staatsrechtlichen Diskussion in diesem Bereich Meßerschmidt, ebd., 387 f. Der Begriff des „Outsourcing“ in Bezug auf legislative Aufgaben taucht aber bereits bei M. Herdegen, Informalisierung und Entparlamentisierung politischer Entscheidungen als Gefährdung der Verfassung?, in: VVDStRL62 (2003), S. 7 (22), auf. Kritisch zu diesem Begriff des „Outsourcing“ in diesem Zusammenhang Ossenbühl, ebd., S. 359 f., der diesen „als Virus wirkende[n] Unbegriff“ nur dann für zutreffend hielte, wenn das Produkt „Gesetzesentwurf“ in der „alleinigen Konzeption, Herstellung und Verantwortung des Privaten läge.“ In diese Richtung auch Wimmer, „Gesetzgebungsoutsourcing“ – einige Gedanken (nicht nur) zur Abordnung von Rechtsanwälten zu gesetzesvorbereitenden Stellen, in: M. Kloepfer (Hrsg.), Gesetzgebungsoutsourcing. Gesetzgebung durch Rechtsanwälte?, 2011, S. 131 f., der auf den zunächst für dieses Phänomen verwandten Begriff des „Outsourcing von Gesetzesentwürfen“ hinweist und richtigerweise zu bedenken gibt, dass der Begriff des „Gesetzgebungsoutsourcing“ insoweit eine Zuspitzung enthalte, die nur schwerlich sachlich-deskriptiv zu verstehen sei; Meßerschmidt, Gesetzgebungshelfer (Fn. 72), S. 387 f.
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Untersuchung von Bedeutung – gefragt werden soll, welche Anforderungen eine Großkanzlei erfüllen muss, damit sie einen Gesetzesentwurf für ein Ministerium anfertigen darf. a) Verfassungsrechtliche Bedenken gegen eine Auslagerung von Gesetzentwürfen Unter verschiedenen Gesichtspunkten werden verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Auslagerung von Gesetzentwürfen auf private Großkanzleien erhoben. Diese sollen einleitend dargestellt werden. aa) Art. 76 Abs. 1 GG als verfassungsrechtlicher Rahmen Bei der Frage nach dem verfassungsrechtlichen Rahmen des „Gesetzgebungsoutsourcing“ richtet sich der Blick zunächst auf Art. 76 Abs. 1 GG, der sich als einzige Vorschrift des Grundgesetzes ausdrücklich mit dem Gesetzentwurf beschäftigt73. Aus dieser Vorschrift ergibt sich allerdings lediglich, dass Gesetzesvorlagen durch die Bundesregierung, aus der Mitte des Bundestages oder durch den Bundesrat eingebracht werden. Kein Wort verliert die Regelung hingegen über die Vorbereitung des Gesetzentwurfes. Verankert ist in Art. 76 Abs. 1 GG also nur die formelle Einbringung eines Entwurfs, nicht aber die Erstellung desselben74. Insofern ist Inhalt nur das „äußere Gesetzgebungsverfahren“, also das grundgesetzliche Gesetzgebungsverfahren im eigentlichen Sinne, nicht aber das „innere Gesetzgebungsverfahren“, welches auch als „Gesetzentwurfsverfahren“ 75 bezeichnet werden kann76. Art. 76 Abs. 1 GG stellt die Grenze zwischen dem „inneren“ und dem „äußeren Gesetzgebungsverfahren“ dar77. Bezüglich der Vorbereitung eines Gesetzentwurfes enthält das Grundgesetz keine weiteren Regelungen. Damit trägt es der Tatsache Rechnung, dass „die Gesetzgebung im demo73
Woiki, Gesetzgebungsoutsourcing (Fn. 72), S. 118. J. Kersten, in: T. Maunz/G. Dürig (Hrsg.), GG, Art. 76 (2011), Rn. 27; C. Brüning, in: W. Kahl/C. Waldhoff/C. Walter (Hrsg.), BK, Art. 76 (2016), Rn. 51; J. Masing/ H. Risse, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG II (Fn. 24), Art. 76 Rn. 2. 75 Diesen passenden Begriff verwendet T. Mann, in: Sachs, GG (Fn. 22), Art. 76 Rn. 2. 76 Brüning (Fn. 74), Art. 76 Rn. 51. Ausführlich zu „innerem“ und „äußerem Gesetzgebungsverfahren“ H. Hill, Einführung in die Gesetzgebungslehre, 1982, S. 62 ff., 82 ff. Der Begriff des „inneren Gesetzgebungsverfahrens“ geht zurück auf G. Schwerdtfeger, Optimale Methodik der Gesetzgebung als Verfassungspflicht, in: R. Stödter/ W. Thieme (Hrsg.), Hamburg, Deutschland, Europa: Beiträge zum deutschen und europäischen Verfassungs-, Verwaltungs- und Wirtschaftsrecht. Festschrift für H. P. Ipsen, 1977, S. 173 ff. (173), der dies als Methodik der Entscheidungsfindung bezeichnet. Vgl. zum „inneren Gesetzgebungsverfahren“ aus der neueren Literatur auch S. Hölscheidt/ S. Menzenbach, Das Gesetz ist das Ziel: Zum Zusammenhang zwischen gutem Verfahren und gutem Gesetz, in: DÖV 2008, S. 139 ff. 77 Zutreffend Mann (Fn. 75), Art. 76 Rn. 2. 74
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kratischen Staat auf gesellschaftlichen Kräften beruht“ 78. Die Begrenzung des Initiativrechts in Art. 76 Abs. 1 GG auf die Bundesregierung, den Bundesrat und die Mitte des Bundestages soll vielmehr sicherstellen, dass die demokratische Legitimität der zu schaffenden Regelungen gesichert ist und das grundgesetzliche Gesetzgebungsverfahren ordnungsgemäß abläuft79. Insbesondere bedeutet dies, dass legislative Kommunikationsstränge nicht an den zentralen Verfassungsorganen vorbeilaufen80. Dadurch wird aber nicht ausgeschlossen, dass im Vorfeld bei der Erstellung eines Gesetzesentwurfs private Akteure eingebunden werden, mithin die Erstellung gänzlich in die Hand einer (privaten) Rechtsanwaltskanzlei gelegt wird81. Vielmehr ergibt sich aus dem Initiativrecht, insbesondere im Hinblick auf Gesetzesvorlagen der Bundesregierung, dass sich der jeweilige Initativberechtigte den nicht selbst erarbeiteten Entwurf durch das Einbringen zu eigen macht82. Ein Monopol im Hinblick auf die Vorbereitung von Gesetzentwürfen lässt sich also aus Art. 76 Abs. 1 GG folglich nicht herleiten83. bb) Mögliche andere verfassungsrechtliche Grenzen des „Gesetzgebungsoutsourcing“? Neben Art. 76 Abs. 1 GG, der, wie sich gezeigt hat, kein Verbot des Gesetzgebungsoutsourcing enthält, werden in der Literatur weitere mögliche Schranken der Übertragung der Entwurfserstellung diskutiert. Angeführt werden dabei beispielsweise das Demokratieprinzip aus Art. 20 Abs. 2 GG, der Funktionsvorbe-
78 Masing/Risse (Fn. 74), Art. 76 Rn. 2, die Art. 76 Abs. 1 GG auch als „Schaltstelle für die Transmission gesellschaftlicher Willensbildung in den staatlichen Bereich auf dem Gebiet der Gesetzgebung“ bezeichnen. 79 Masing/Risse (Fn. 74), Art. 76 Rn. 9, sprechen im Hinblick auf das Initiativrecht im Sinne des Art. 76 Abs. 1 GG insoweit von einem „ersten Filter“; Woiki, Gesetzgebungsoutsourcing (Fn. 72), S. 120 f. Vgl. dazu auch BVerfGE 120, 56, 78: „Die Regelungen über das Gesetzgebungsverfahren zielen darauf ab, die demokratische Legitimation der zu treffenden Regelungen sicherzustellen und zugleich die Balance zwischen den am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Organen und wegen der Einbindung des Bundesrates auch zwischen Bund und Ländern zu wahren.“ 80 Kersten (Fn. 74), Art. 76 Rn. 27; Masing/Risse (Fn. 74), Art. 76 Rn. 9. 81 Kersten (Fn. 74), Art. 76 Rn. 27; Mann (Fn. 75), Art. 76 Rn. 2. 82 H. Risse, Verfassungsrechtliche und politische Grenzen des Gesetzgebungsoutsourcing, in: Kloepfer, Gesetzgebungsoutsourcing (Fn. 72), S. 109 (114); Ossenbühl, Outsourcing (Fn. 72), S. 363; Masing/Risse (Fn. 74), Art. 76 Rn. 9. Woiki, Gesetzgebungsoutsourcing (Fn. 72), spricht zu weitgehend von einer „Pflicht der Initiativberechtigten, sich den Gesetzesentwurf rein formal anzueignen.“ Einen besonderen „Akt inhaltlicher Aneignung“ fordert auch Krüper, Lawfirm (Fn. 72), S. 661. Eine solche Pflicht der formalen Aneignung ist in Art. 76 Abs. 1 GG allerdings nicht zu erblicken, vielmehr ist das Einbringen des Gesetzesentwurfes eher ein Zeichen konkludenter Aneignung des Inhalts, vgl. so auch Ossenbühl, a. a. O., S. 363. 83 So auch M. Heintzen, Externe Beratung in der Gesetzgebung, in: Kluth/Krings, Gesetzgebung (Fn. 17), § 9 Rn. 2.
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halt des Art. 33 Abs. 4 GG und die Freiheit des Mandats der Abgeordneten aus Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG84. Mit Blick auf das Demokratieprinzip aus Art. 20 Abs. 2 GG wird vor allem das demokratische Legitimationsniveau der Entwurfsersteller hinterfragt85. Dabei wird auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verwiesen, wonach eine demokratische Legitimation des Handelns bereits dann erforderlich ist, wenn ein Handeln in der öffentlichen Sphäre Entscheidungscharakter besitzt86. Die Frage ist dabei allerdings, ob der bloßen Entwurfserstellung durch einen privaten Akteur bereits Entscheidungscharakter zukommt, inwieweit also eine Vorbindung des späteren Gesetzgebungsprozesses stattfindet. Dies wird teilweise – eher zweifelhaft – begründet mit so genannten Ankereffekten der ersten Entwürfe, sodass das Handeln im Rahmen des Gesetzgebungsoutsourcings demokratischer Legitimation bedürfe.87 Diese Argumentation verkennt allerdings die Tatsache, dass wohl kaum ein Gesetz am Ende mit dem Wortlaut des ersten Entwurfs erlassen wird88. Die demokratische Legitimation eines Gesetzes ergibt sich unweigerlich durch den Ablauf des verfassungsrechtlich geregelten Gesetzgebungsverfahrens. Dies gilt auch dann, wenn man durch die Abfassung des ersten Entwurfes durch eine Großkanzlei zu Beginn ein demokratisches Legitimationsdefizit entdecken will89. Aus dem Demokratieprinzip lässt sich im Ergebnis daher keine Begrenzung des Gesetzgebungsoutsourcing entnehmen. Daneben wird versucht, den Funktionsvorbehalt des Art. 33 Abs. 4 GG als Grenze fruchtbar zu machen. Dieser ist im Bereich der Entwurfserstellung allerdings gar nicht einschlägig, sodass er auch keine Beschränkung darstellen kann90. Die Großkanzleien üben im Rahmen der Erstellung eines Gesetzesent84
Woiki, Gesetzgebungsoutsourcing (Fn. 72), S. 118. Woiki, Gesetzgebungsoutsourcing (Fn. 72), S. 129. Ausführlich zu Begriff, Herleitung und den verschiedenen Typen der demokratischen Legitimation unter § 4 B. I. 1. u. 2. (S. 238 ff.). 86 BVerfGE 93, 37 (68); Woiki, Gesetzgebungsoutsourcing (Fn. 72), S. 129. 87 Dazu Krüper, Lawfirm (Fn. 72), S. 655; Woiki, Gesetzgebungsoutsourcing (Fn. 72), S. 129. 88 Man spricht dabei auch vom „Struckschen Gesetz“, s. dazu auch Battis, Outsourcing (Fn. 70), S. 202. 89 Dies erkennt im Ergebnis auch Woiki, Gesetzgebungsoutsourcing (Fn. 72), S. 160 f., nachdem er zuvor ausführlich versucht hat, einen Anknüpfungspunkt für die Erforderlichkeit einer demokratischen Legitimation auf Seiten der Großkanzleien als Ersteller des Entwurfes zu finden. 90 U. Battis, Verfahrensrechtliche Lösungen beim Gesetzesoutsourcing, in: Kloepfer, Gesetzgebungsoutsourcing (Fn. 72), S. 123 (124); Meßerschmidt, Gesetzgebungshelfer (Fn. 72), S. 406 f.; Ossenbühl, Outsourcing (Fn. 72), S. 368. Für eine Anwendung des Art. 33 Abs. 4 GG im Rahmen des Gesetzgebungsoutsourcings Krüper, Lawfirm (Fn. 72), S. 655 f.; Woiki, Gesetzgebungsoutsourcing (Fn. 72), S. 161 ff., der eine Begrenzung durch Art. 33 Abs. 4 GG nur deshalb im Ergebnis ablehnt, weil bisher die beim Funktionsvorbehalt geforderte Ständigkeit der Aufgabenwahrnehmung nicht gegeben und alternativer Ansatzpunkt nicht zu finden sei. 85
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§ 3 Indienstnahme privater Akteure
wurfes gerade keine hoheitliche Tätigkeit aus. Dies lässt sich auch nicht damit begründen, dass dem ersten Entwurf eine gewisse Vorabbindung anhaftet. Eine Anwendung des Art. 33 Abs. 4 GG auf das Gesetzentwurfsverfahren wäre daher verfehlt. Auch der Versuch, eine Schranke des Gesetzgebungsoutsourcing im freien Mandat des Abgeordneten aus Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG im Sinne eines Informationsrechts des Abgeordneten zu finden, wirkt konstruiert und kann im Ergebnis nicht überzeugen91. Die Tatsache, dass ein Entwurf nicht von einem Ministerium selbst, sondern von einer externen Großkanzlei erstellt worden ist, vermag den Umgang des einzelnen Abgeordneten mit dem Entwurf nicht zu verändern. cc) Fazit: Kein verfassungsrechtliches Verbot des Outsourcing von Gesetzesentwürfen Zusammenfassend ergeben sich aus verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten also keine Anhaltspunkte für ein Verbot des Gesetzgebungsoutsourcing. Insoweit sind auch die Forderungen nach „Kompensationsmechanismen“ im Ergebnis unzutreffend92. In diesem Zusammenhang wird vor allem ein Transparenzgebot bei der Einschaltung privaten Sachverstandes in Form von Rechtsanwaltskanzleien gefordert93. Ein solches vermag zwar zu einer größeren Kontrolle und Akzeptanz des Outsourcing führen, ist aber zumindest verfassungsrechtlich nicht zwingend angezeigt. Eine Verrechtlichung des inneren Gesetzgebungsverfahrens durch besondere Verfahrensanforderungen ist daher nicht unproblematisch94. Die Frage, wann im Rahmen der Entwurfserstellung privater Sachverstand mit eingebunden wird, ist vielmehr dem politischen Ermessen der Bundesregierung und der betroffenen Ministerien zuzuschreiben95. Im Ergebnis ist daher Ossenbühl zuzustimmen, der das Problem des Gesetzgebungsoutsourcing – zumindest mit Blick auf das Verfassungsrecht und die Verfassungswirklichkeit – als „Scheinproblem“ bezeichnet96.
91 Diesen Versuch unternimmt Woiki, Gesetzgebungsoutsourcing (Fn. 72), S. 122 ff., der allerdings selbst feststellt, dass sich ein Verbot des Outsourcing in Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG nicht konstruieren lässt. 92 Vor allem Krüper, Lawfirm (Fn. 72), S. 660 ff., der die „Anwaltliche Gesetzgebung“ – schon die Begriffswahl ist verfehlt – als querstehend zu „grundlegenden verfassungsrechtlichen Konzeptionen des Gesetzgebungsverfahrens“ erachtet. 93 S. bspw. Battis, Outsourcing (Fn. 70), S. 202, der dabei vor allem auf die Vorschriften der GGO verweist; Krüper, Lawfirm (Fn. 72), S. 661; Meßerschmidt, Gesetzgebungshelfer (Fn. 72), S. 409 ff. 94 F. Ossenbühl, Verfahren der Gesetzgebung, in: HStR3 V, § 102 Rn. 6 f.; Brüning (Fn. 74), Art. 76 Rn. 52. 95 So auch Ossenbühl, Outsourcing (Fn. 72), S. 368. 96 Ossenbühl, Outsourcing (Fn. 72), S. 368.
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b) Anforderungen an die (Groß-)Kanzleien? Nachdem die verfassungsrechtliche Zulässigkeit des Gesetzgebungsoutsourcing festgestellt worden ist, zeigt sich mit Blick auf die Anforderungen, welche an die Großkanzleien im Rahmen der Beauftragung gestellt werden, allerdings das gleiche Bild wie mit Blick auf die Bundesärztekammer und das DIN. Die Einbindung einer Großkanzlei bei der Erstellung von Gesetzesentwürfen erfolgt aufgrund der besonderen Expertise im jeweiligen Bereich. Die Übertragung der Aufgabe auf die Großkanzlei erfolgt dabei ohne Ausschreibung97 und liegt im Ermessen des federführenden Ministeriums98. Bestimmte Kriterien an die Kanzlei an sich werden dabei nicht gestellt. Dies ist vor allem mit Blick auf die Neutralität und Gemeinwohlorientierung des privaten Gesetzgebers erstaunlich99. Insofern ist der Kritik am Gesetzgebungsoutsourcing rechtzugeben, dass die Einbindung privater Akteure in diesem Zusammenhang keinerlei Kontrolle unterliegt. Ob aufgrund parlamentarischen Kontrolle durch das förmliche Gesetzgebungsverfahren im Anschluss alle verfassungsrechtlichen Bedenken ausgeräumt werden können, erscheint zumindest zweifelhaft.
III. Die Einbindung privater Akteure im Bereich der Gesetzgebung im Überblick Betrachtet man abschließend die Beispiele für eine Einbindung privater Akteure im Bereich der Legislative im Überblick, so zeigt sich – bei unterschiedlicher verfassungsrechtlicher Bedeutung – ein ähnliches Bild. Die Übertragung der jeweiligen Aufgabe erfolgt in allen drei hier dargestellten Bereichen, ohne dass dabei besondere Anforderungen an den privaten Akteur gestellt werden. Dies erscheint allerdings nur auf den ersten Blick problematisch. So hat sich gezeigt, dass eine Indienstnahme des jeweiligen Akteurs – Bundesärztekammer, DIN, Großkanzleien – aufgrund ihrer besonderen Sachkunde erfolgt ist. Der Private, der die Aufgabe in der Folge wahrgenommen hat, war zum Zeitpunkt der Übertragung bereits bekannt. Es erfolgte also keine Einbeziehung gesellschaftlicher Kräfte in der Form, dass ein vorher unbestimmter Kreis privater Akteure berechtigt sein sollte, die Aufgabe für den Staat wahrzunehmen. Anforderungen im Hinblick auf die Organisation und Befähigung im Sinne eines Kriterienkataloges wären in diesem Zusammenhang dementsprechend nicht zielführend. Erge97
Vgl. dazu bspw. BT-Drs. 16/12547, S. 2. Auf das Problem des § 46 Abs. 5 GGO, der vorsieht, dass kostspielige Vorarbeiten – Gesetzentwürfe von Großkanzleien dürften unproblematisch als solche gelten – bei Meinungsverschiedenheiten der betroffenen Ministerien erst nach Entscheidung des Kabinetts begonnen werden sollen, darf hier nur hingewiesen werden. 99 Kloepfer, Gesetzgebungsoutsoucing (Fn. 69), S. 132 f.; J. Endler, Externe Erarbeitung von Gesetzesvorlagen, in: Kloepfer, Gesetzgebungsoutsourcing (Fn. 72), S. 143 (147 f.). 98
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ben sich – wie im Hinblick auf die Bundesärztekammer – verfassungsrechtliche Bedenken, so hat dies nichts mit der Auswahl des konkreten Akteurs zu tun, sondern vielmehr mit der Übertragung der Aufgabe an sich. Aus dem Fehlen konkreter Voraussetzungen an die Aufgabenübertragung ergibt sich allerdings auch, dass die hier angesprochenen Bereiche der anschließenden Untersuchung nicht zugänglich sind und dementsprechend nicht weitergehend untersucht werden sollen.
B. Private Akteure als Teil der Rechtsprechung Aber nicht nur im Bereich der Legislative, sondern auch im Bereich der Judikative – ebenfalls ein Bereich, der auf dem ersten Blick zwingend dem Staat vorbehalten zu sein scheint – gibt es Tendenzen, privaten Sachverstand in staatliche Aufgaben einzubeziehen. Diese Privatisierungstendenzen im Aufgabenbereich Rechtsprechen sollen in der Folge zumindest im Überblick dargestellt werden. Dabei ist es allerdings zunächst erforderlich, den Privatisierungsgegenstand genau abzustecken und darüber hinaus den verfassungsrechtlichen Rahmen für eine Einbeziehung privater Akteure in diesem Bereich zu beleuchten.
I. Abgrenzung des Privatisierungsgegenstandes Staatliche Gerichte sind heute nicht mehr nur auf das Rechtsprechen im klassischen Sinne beschränkt, sondern werden vermehrt auch in andere staatliche Aufgaben mit eingebunden100. Nicht alle Aufgaben, die von Gerichten erledigt werden, sollen an dieser Stelle aber auch Eingang in die Untersuchung finden. Insofern muss zunächst der Begriff der Rechtsprechung näher bestimmt werden, um auf diese Weise die Aufgaben, die nicht unter diesen Begriff subsumiert werden können, abzugrenzen. Aus der Verfassung selbst ergeben sich hinsichtlich der Begriffsbestimmung wenig Anhaltspunkte. Das Grundgesetz verwendet die Begriffe der Rechtsprechung respektive der rechtsprechenden Gewalt zwar an verschiedenen Stellen101, definiert diese in diesem Zusammenhang allerdings nicht näher102. Vielmehr setzt die Verfassung den Begriff der Rechtsprechung beziehungsweise der rechtsprechenden Gewalt als gegeben voraus103. Er bedarf daher einer näheren Bestimmung. Bezugspunkt ist dabei Art. 92 GG, der als einzige Vorschrift den Be-
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Burgi (Fn. 18), § 75 Rn. 37. So bspw. Art. 1 Abs. 3, 20 Abs. 2 S. 2, 20 Abs. 3, 92 GG. 102 S. Detterbeck, in: Sachs, GG (Fn. 22), Art. 92 Rn. 4. 103 D. Wilke, Die rechtsprechende Gewalt, in: HStR3 V, § 112 Rn. 14; Detterbeck (Fn. 102), Art. 92 Rn. 4; H. Schulze-Fielitz, in: H. Dreier (Hrsg.), GG III, 3. Aufl. 2018, Art. 92 Rn. 25. 101
B. Private Akteure als Teil der Rechtsprechung
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griff der rechtsprechenden Gewalt verwendet und festlegt, dass diese den Richtern anvertraut ist und durch die Gerichte – Bundesverfassungsgericht, Bundesgerichte und Gerichte der Länder – ausgeübt wird. Das Verständnis des an dieser Stelle verwendeten Begriffs der rechtsprechenden Gewalt kann nicht unter Bezugnahme auf den Begriffsgebrauch an anderer Stelle, wo sich dieser auf die Rechtsprechung als Staatsfunktion bezieht, hergeleitet werden104. Ein solches organbezogenes Verständnis, wie es beispielsweise in Art. 1 Abs. 3 GG gegeben ist, scheidet aus, da eine reine Bezugnahme auf die Gerichte als Organe eben auch Akte der Justizverwaltungsakte umfassen würde, die gerade nicht zur rechtsprechenden Gewalt im Sinne des Art. 92 GG gehören105. Auch ein formelles Verständnis, welches lediglich an die vorhandenen Zuständigkeiten der Gerichte anknüpft, scheidet aus, überließe es doch dem Gesetzgeber die Macht darüber, festzulegen, was unter Rechtsprechung zu verstehen sei106. Angezeigt ist dementsprechend vielmehr ein materielles Verständnis des Rechtsprechungsbegriffs im Sinne des Art. 92 GG, ohne dass sich dabei bisher eine konkrete Definition durchgesetzt hätte107. Dabei sind insbesondere die richter- und gerichtsbezogenen Bestimmungen der Verfassung zu berücksichtigen108. Die verschiedenen materiellen Ansätze zur Begriffsbestimmung heben in der Folge allerdings verschiedenen Teilaspekte hervor109. Dabei werden nicht nur in der Rechtsprechung, sondern auch in der Literatur vermehrt funktionale Elemente für eine Definition fruchtbar gemacht110. Im Ergebnis setzt rechtsprechende Gewalt ein besonderes rechtlich geregeltes Entscheidungsverfahren voraus, in welchem einzelfallbezo-
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Schulze-Fielitz (Fn. 103), Art. 92 Rn. 25. Schulze-Fielitz (Fn. 103), Art. 92 Rn. 25. 106 Wilke (Fn. 103), § 112 Rn. 57; W. Meyer, in: I. v. Münch/P. Kunig (Hrsg.), GG II, 6. Aufl. 2012, Art. 92 Rn. 16; Schulze-Fielitz (Fn. 103), Art. 92 Rn. 25. Zum formellen Begriff der rechtsprechenden Gewalt siehe C. Hillgruber, in: T. Maunz/G. Dürig (Hrsg.), GG, Art. 92 (2007) Rn. 32 ff. 107 BVerfGE 22, 49 (73 ff.); 76, 100 (106); 103, 111 (136 ff.), das feststellt, dass der Begriff der rechtsprechenden Gewalt in der Verfassungsrechtsprechung nicht abschließend geklärt sei; R. Wassermann, in: E. Denninger u. a. (Hrsg.), AK-GG, 3. Aufl., Art. 92 (2001) Rn. 28; F. Wittreck, Die Verwaltung der Dritten Gewalt, 2006, S. 5 ff. mit zahlreichen Nachweisen; Wilke (Fn. 103), § 112 Rn. 58; C. Burkiczak, in: K. H. Friauf/W. Höfling (Hrsg.), GG, Art. 92 (2012) Rn. 27 ff.; C. D. Classen, in: H. v. Mangoldt/F. Klein/C. Starck (Hrsg.), GG III, 7. Aufl. 2018, Art. 92 Rn. 7; Detterbeck (Fn. 102), Art. 92 Rn. 9 ff.; Schulze-Fielitz (Fn. 103), Art. 92 Rn. 25 f. 108 Wilke (Fn. 103), § 112 Rn. 58; Burkiczak (Fn. 107), Art. 92 Rn. 28, 35; B. Pieroth, in: H. D. Jarass/ders., GG, 15. Aufl. 2018, Art. 92 Rn. 2; Schulze-Fielitz (Fn. 103), Art. 92 Rn. 26. 109 Schulze-Fielitz (Fn. 103), Art. 92 Rn. 26. Übersicht zu den verschiedenen Ansätzen materieller Begriffsbestimmung in der Literatur bei Wilke (Fn. 103), § 112 Rn. 58 ff. 110 BVerfGE 103, 111 (137 f.); Hillgruber (Fn. 106), Art. 92 Rn. 37 f.; Classen (Fn. 107), Art. 92 Rn. 7; Pieroth (Fn. 108), Art. 92 Rn. 4. Kritisch zu einem funktionellen Ansatz Schulze-Fielitz (Fn. 103), Art. 92 Rn. 29. 105
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§ 3 Indienstnahme privater Akteure
gen ein konkreter Sachverhalt festgestellt wird und dieser anhand ungewissen, weil umstrittenen oder verletzten Rechts letztverbindlich und rechtskräftig allein in Anwendung des geltenden Rechts durch ein unabhängiges, nicht am Ausgangskonflikt beteiligtes Staatsorgan beurteilt wird111. Diese Definition der rechtsprechenden Gewalt ermöglicht zum einen die Abgrenzung zum Begriff der Gesetzgebung, welche die abstrakt-generellen Regelungen als Grundlage der Streitentscheidung durch die Rechtsprechung erst schafft, und zum Begriff der Verwaltung, deren Entscheidungen zumindest nicht letztverbindlich und rechtskräftig sind112. Darüber hinaus ermöglicht sie aber auch eine Differenzierung der verschiedenen Aufgaben der Gerichte danach, ob es sich dabei um Rechtsprechung handelt. Nicht um Rechtsprechung im materiellen Sinne handelt es sich bei Aufgaben, die Teil der Rechtspflege im Sinne von Rechtsfürsorge sind, wie beispielsweise Aufgaben der freiwilligen Gerichtsbarkeit113. Ebenfalls nicht unter den Begriff der rechtsprechenden Gewalt fallen funktionelle Verwaltungsaufgaben im Bereich der Justiz, die Richter agieren insoweit als weisungsabhängige Amtswalter der vollziehenden Gewalt, oder auch Aufgaben, die nur entscheidungsvorbereitenden oder begleitenden Charakter haben114. Diese Bereiche bieten zwar ein „erhebliche Privatisierungspotentiale“ 115, sollen vorliegend aber außer Betracht bleiben. Vielmehr soll in der Folge die Einbindung Privater in Bereichen materieller Rechtsprechung dargestellt werden.
II. Verfassungsrechtlicher Rahmen privater Rechtsprechung: Art. 92 GG als Rechtsprechungsmonopol und Privatisierungsgrenze? Untersucht man die Einbindung privater Akteure im Bereich der materiellen Rechtsprechung, stellt sich zunächst unweigerlich die Frage, inwieweit eine pri111 Zu diesem Begriffsverständnis insb. Burgi (Fn. 18), § 75 Rn. 37; Schulze-Fielitz (Fn. 103), Art. 92 Rn. 26, mit zahlreichen weiteren Nachweisen aus Rechtsprechung und Literatur. 112 Zutreffend Classen (Fn. 107), Art. 92 Rn. 14 f.; Schulze-Fielitz (Fn. 103), Art. 92 Rn. 27. 113 Zu nennen sind in diesem Zusammenhang z. B. die Erbscheinserteilung oder die Registereintragung. Dazu auch Burgi (Fn. 18), § 75 Rn. 37; Detterbeck (Fn. 102), Art. 92 Rn. 13; Schulze-Fielitz (Fn. 103), Art. 92 Rn. 44. 114 Burgi (Fn. 18), § 75 Rn. 37; Detterbeck (Fn. 102), Art. 92 Rn. 14; Schulze-Fielitz (Fn. 103), Art. 92 Rn. 47. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang beispielsweise Aufgaben der Zwangsvollstreckung, des Kostenwesens oder auch im Rahmen des Strafvollzuges. 115 Burgi (Fn. 18), § 75 Rn. 38. Zur Einbindung privater Akteure in diesem Bereich siehe bspw. W. Hoffmann-Riem, Justizdienstleistungen im kooperativen Staat, in: JZ 1999, S. 421 ff.; M. Hippeli, Privatisierung des Gerichtsvollzieherwesens, 2013, S. 59 ff.; N. Wadle, Privatisierung im deutschen Strafvollzug, 2013, S. 147 ff.; J. Zado, Privatisierung der Justiz, 2013, S. 54 ff.
B. Private Akteure als Teil der Rechtsprechung
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vate Rechtsprechung überhaupt denkbar ist und ob dem Staat nicht ein Rechtsprechungsmonopol zukommt116. Zu denken wäre dabei insbesondere an Art. 92 GG. Dieser legt fest, dass die rechtsprechende Gewalt den Richtern anvertraut ist und durch die Gerichte ausgeübt wird. Dementsprechend dürfen allein die Richter Rechtsprechungsaufgaben wahrnehmen117, sodass sich aus Art. 92 GG ein Richter- bzw. Rechtsprechungsmonopol ergibt118. Ausgeübt wird die rechtsprechende Gewalt ausweislich Art. 92 Hs. 2 GG allerdings durch das Bundesverfassungsgericht, die Bundesgerichte und die Gerichte der Länder, sodass neben das Rechtsprechungsmonopol der Richter institutionell ein Gerichtsmonopol tritt119. Die Tatsache, dass sich aus Art. 92 GG ein Rechtsprechungsmonopol ergibt, ist aber noch nicht gleichbedeutend mit einem Verbot der Einbindung privater Akteure in den Bereich der materiellen Rechtsprechung. Um diese Frage beantworten zu können, ist die Reichweite des Monopols herauszuarbeiten. Aus dem Rechtsprechungsmonopol ergibt sich zunächst unweigerlich, dass den Institutionen der Legislative und Exekutive die Möglichkeit, Recht zu sprechen, verwehrt ist und ihnen diese Aufgabe auch nicht übertragen werden kann120. Primär regelt die Vorschrift also nur das Verhältnis der drei Gewalten im Staat untereinander121. Keine Aussage trifft die Regelung des Art. 92 GG hingegen dem Wortlaut nach zu der Frage, inwieweit die Einbindung privater Akteure in die Rechtsprechung oder private Gerichtsbarkeit insgesamt zulässig ist. Dies lässt den Schluss zu, dass Fragen einer privaten Gerichtsbarkeit außerhalb des Regelungsrahmens des Art. 92 GG liegen und durch diesen nicht beantwortet wer-
116 Zur Frage des „Ob“ privater Gerichtsbarkeit eingängig F. Wittreck, Verfassungsrechtliche (und unionsrechtliche) Rahmenbedingungen privater Justiz, in: BitGespr. Jb. 2016, 2017, S. 31 (36 ff.). 117 K. A. Bettermann, Der Schutz der Grundrechte in der ordentlichen Gerichtsbarkeit, in: ders./H. C. Nipperdey/U. Scheuner (Hrsg.), Die Grundrechte, Bd. III/2, 1959, S. 779 (876); K. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. II, 1980, S. 893; Wilke (Fn. 103), § 112 Rn. 24. 118 BVerfGE 27, 18 (28); 101, 397 (405); Wassermann (Fn. 107), Art. 92 Rn. 39; E. Schmidt-Aßmann, Der Rechtsstaat, in: HStR3 II, § 26 Rn. 54; Burgi (Fn. 18), § 75 Rn. 41; Wilke (Fn. 103), § 112 Rn. 24; Meyer (Fn. 106), Art. 92 Rn. 2; Detterbeck (Fn. 102), Art. 92 Rn. 28; Pieroth (Fn. 108), Art. 92 Rn. 11; Schulze-Fielitz (Fn. 103), Art. 92 Rn. 51; a. A. J. Münch, Die Privatisierung der Ziviljustiz – Von der Schiedsgerichtsbarkeit zur Mediation, in: BitGespr. Jb. 2008/I, 2009, S. 179 (198). Kritisch zum Begriff des Rechtsprechungsmonopols auch R. Münzberg, Die Schranken der Parteivereinbarungen in der privaten internationalen Schiedsgerichtsbarkeit, 1970, S. 21 ff. 119 So auch Wilke (Fn. 103), § 112 Rn. 24; H. Mayer, in: O. R. Kissel/ders., GVG, 9. Aufl. 2018, Einl. Rn. 162 ff. Dieser Aspekt wird teilweise gänzlich missachtet, s. bspw. Meyer (Fn. 106), Art. 92 Rn. 2, der von einem „Rechtsprechungsmonopol“ nur der gesetzlichen Richter spricht. 120 BVerfGE 103, 111 (136); BVerwGE 8, 350 (352); K. A. Bettermann, Die rechtsprechende Gewalt, in: HStR III, § 73 Rn. 5; W. Heyde, Rechtsprechung, in: HdbVerfR2, § 33 Rn. 12; Wilke (Fn. 103), § 112 Rn. 24. 121 Burgi (Fn. 18), § 75 Rn. 41.
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§ 3 Indienstnahme privater Akteure
den122. Burgi merkt zwar mit Recht an, dass der bloße Hinweis darauf, dass private Gerichte durch Art. 92 GG „weder erlaubt noch verboten“ seien, insoweit zu kurz greife, als Art. 92 GG auf einer sekundären Ebene auch die Verpflichtung enthalte, dass der Staat überhaupt Rechtsprechungsaufgaben wahrnehme123. Dies ändert aber nichts an der Tatsache, dass sich aus Art. 92 GG zumindest kein definitives Verbot privater Rechtsprechung entnehmen lässt. Zutreffend ist seine Feststellung aber insoweit, als dass die Regelung (nur) als verfassungsrechtliche Privatisierungsgrenze angesehen werden könne124. Der verfassungsrechtliche Rahmen für private Rechtsprechung ergibt sich aber nicht ausschließlich aus Art. 92 GG. Auch der Funktionsvorbehalt des Art. 33 Abs. 4 GG, der auch für Richter gilt, die Richtervorbehalte (vgl. Art. 104 Abs. 2 S. 1 GG) und Rechtsweggarantien (Art. 19 Abs. 4 GG) des Grundgesetzes und der allgemeine Justizgewährleistungsanspruch sind in diesem Zusammenhang von Bedeutung und sorgen dafür, dass eine private Rechtsprechung nur in einem engen Rahmen zulässig ist125. Die grundsätzliche Zulässigkeit privater Beteiligung an der Rechtsprechung ergibt sich schon aus dem Demokratieprinzip des Art. 20 Abs. 2 GG126. Die Privatisierungsgrenzen sind dementsprechend bei Fragen der Einbindung privater Akteure in der Rechtsprechung im Einzelfall zu untersuchen.
III. Private Akteure in der Rechtsprechung? Nachdem der Begriff der Rechtsprechung skizziert und der verfassungsrechtliche Rahmen dargestellt worden sind, soll die Einbindung privater Akteure untersucht werden. Da eine Gesamtkonzeption der Bürgerbeteiligung an der Rechtsprechung „als Bestandteil partizipatorischer Demokratie“ nicht zu erkennen ist127, sollen an dieser Stelle lediglich beispielhaft Fälle privater Beteiligung aufgezeigt werden. Dabei muss nicht unbedingt eine Aufgabenübertragung in Form einer klassischen Privatisierung vorliegen, ausreichend ist, dass Private irgendwie geartet eingebunden werden. 1. Ehrenamtliche Richter als bekannteste Form privater Teilhabe Der wohl wichtigste und bekannteste Fall der Mitwirkung gesellschaftlicher Akteure in der Rechtsprechung ist ihre Verfahrensbeteiligung als ehrenamtliche 122 BGHZ 65, 59 (61); Bettermann (Fn. 120), § 73 Rn. 77; Burkiczak (Fn. 107), Art. 92 Rn. 76; Classen (Fn. 107), Art. 92 Rn. 41; Detterbeck (Fn. 102), Art. 92 Rn. 28; Pieroth (Fn. 108), Art. 92 Rn. 6; Schulze-Fielitz (Fn. 103), Art. 92 Rn. 50. 123 Diese Argumentation bei Burgi (Fn. 18), § 75 Rn. 41. 124 Burgi (Fn. 18), § 75 Rn. 41. 125 Burgi (Fn. 18), § 75 Rn. 41. Zu den Rechtsweggarantien und Richtervorbehalten des Grundgesetzes als Rahmen vgl. Wilke (Fn. 103), § 112 Rn. 81 ff. 126 Wassermann (Fn. 107), Art. 92 Rn. 44. 127 Wassermann (Fn. 107), Art. 92 Rn. 44.
B. Private Akteure als Teil der Rechtsprechung
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Richter128. § 1 DRiG legt fest, dass die rechtsprechende Gewalt durch Berufsrichter und durch ehrenamtliche Richter ausgeübt wird und gestaltet damit Art. 92 GG aus, der sich sowohl auf Berufsrichter als auch auf Laienrichter bezieht129. Demnach sind Berufsrichter und ehrenamtliche Richter gleichberechtigt an der Rechtsprechung beteiligt130. Dies zeigt die besondere Bedeutung der gesellschaftlichen Teilhabe im Rahmen der Rechtsprechung. a) Die Stellung des ehrenamtlichen Richters Diese Gleichbehandlung von ehrenamtlichen Richtern und Berufsrichtern zeigt sich auch in den Befugnissen, die den ehrenamtlichen Richtern im Rahmen ihrer Tätigkeit zustehen. So legt § 30 Abs. 1 GVG fest, dass – soweit keine gesetzlichen Ausnahmen bestimmt sind – den ehrenamtlichen Richtern während einer Hauptverhandlung das Richteramt in vollem Umfang und mit gleichem Stimmrecht wie den Berufsrichtern zusteht. Das bedeutet auch, dass dem ehrenamtlichen Richter die gleiche Unabhängigkeit zukommt (§ 45 DRiG). Die Aufgabe, die dem privaten Akteur hier übertragen wird, ist also von übergeordneter Bedeutung, er übt dabei unmittelbar Staatsgewalt aus. Dem trägt auch § 44 Abs. 1 DRiG Rechnung, der bestimmt, dass ehrenamtliche Richter nur auf Grund eines Gesetzes und unter den gesetzlich bestimmten Voraussetzungen tätig werden dürfen. b) Voraussetzungen Grundvoraussetzung für ein Tätigwerden als ehrenamtlicher Richter ist gemäß § 31 S. 2 GVG, § 20 S. 1 VwGO131 zunächst, dass der betreffende Bürger „Deutscher“ im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG ist. Insoweit wird die Voraussetzung, die sich für Berufsrichter aus § 9 Nr. 1 DRiG ergibt, auf ehrenamtliche Richter übertragen. Eine Erweiterung beispielsweise auf EU-Ausländer, denen auf kommunaler Ebene auch ein Wahlrecht zukommt, scheidet bereits deshalb aus, da der ehrenamtliche Richter deutsche Staatsgewalt ausübt und insoweit Angehöriger des deutschen Volkes als Träger dieser Staatsgewalt sein muss132. Die 128 § 45a DRiG legt die verschiedenen Bezeichnungen ehrenamtlicher Richter fest. So werden diese in Reihen der Strafgerichtsbarkeit als „Schöffen“ bezeichnet, bei den Kammern für Handelssachen als „Handelsrichter“ und in anderen Fällen schlicht als „ehrenamtliche Richter“. In der Folge soll aber der Oberbegriff des ehrenamtlichen Richters weiterverwendet werden. 129 J. Schmidt-Räntsch, DRiG, Kommentar, 6. Aufl. 2009, § 1 Rn. 7. 130 BVerwG NVwZ-RR 2000, S. 646; Schmidt-Räntsch (Fn. 129), § 1 Rn. 2. 131 § 31 GVG gilt für den Schöffen im Strafverfahren am Amtsgericht, § 20 VwGO für den ehrenamtlichen Verwaltungsrichter. Siehe zu den ehrenamtlichen Verwaltungsrichtern auch die umfangreichen Kommentierungen der §§ 19–34 VwGO von F. Wittreck, in: K. F. Gärditz (Hrsg.), VwGO, 2. Aufl. 2018. 132 Wassermann (Fn. 107), Art. 92 Rn. 44; Schmidt-Räntsch (Fn. 129), § 9 Rn. 3 stellt in diesem Zusammenhang auf die Bedeutung des Richteramtes ab.
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§ 3 Indienstnahme privater Akteure
weiteren Voraussetzungen, die an das Tätigwerden ehrenamtlicher Richter gestellt werden, ergeben sich im Umkehrschluss aus den Ausschlussgründen, beispielsweise aus § 44a DRiG, § 32 bis 34 GVG oder § 21 VwGO. Dabei ist ein Tätigwerden zum Beispiel ausgeschlossen, wenn die betroffenen Personen infolge Richterspruchs unfähig sind, öffentliche Ämter zu bekleiden, § 32 Nr. 1 GVG, § 21 Abs. 1 Nr. 1 VwGO, oder wenn aufgrund eines Ermittlungsverfahrens bzw. einer Anklage eine solche Unfähigkeit droht, § 32 Nr. 2 GVG, § 21 Abs. 1 Nr. 2 VwGO. Auch sind Personen von diesem Amt ausgeschlossen, die in Vermögensverfall geraten, § 33 Nr. 6 GVG, § 21 Abs. 2 VwGO. Insofern werden weitgehende Anforderungen an die persönliche Eignung und Zuverlässigkeit der ehrenamtlichen Richter gestellt. Auch die Gewähr der Verfassungstreue, die in § 9 Nr. 2 DRiG für die Berufung von Berufsrichtern ausdrücklich verlangt wird, haben ehrenamtliche Richter zu bieten133. Dies ergibt sich bereits aus dem Eid, den ehrenamtliche Richter gemäß § 45 Abs. 3 bis 6 DRiG zu leisten haben. Eine fehlende Verfassungstreue würde gleichzeitig eine gröbliche Verletzung der Amtspflichten eines ehrenamtlichen Richters bedeuten und dementsprechend gemäß § 51 Abs. 1 GVG zur Amtsenthebung führen134. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn ein „Reichsbürger“, der die Existenz der Bundesrepublik Deutschland und die Legitimität ihrer Organe als solche in Frage stellt und damit die freiheitliche demokratische Grundordnung ablehnt, als ehrenamtlicher Richter tätig ist135. Die Verfassungstreuepflicht entspricht dabei der für Berufsrichter geltenden Treuepflicht, obwohl Art. 33 Abs. 5 GG unmittelbar keine Anwendung findet136. Dieser Gleichlauf der Treuepflicht ist aufgrund der gleichberechtigten Stellung von ehrenamtlichen und Berufsrichtern auch angezeigt. Nicht übertragbar auf ehrenamtliche Richter ist die Voraussetzung des § 9 Nr. 3 DRiG, die Befähigung zum Richteramt. Diese ist, dem Sinn der ehrenamtlichen Richter entsprechend, gerade nicht anwendbar. Vielmehr sind Richter, aber auch Beamte der Staatsanwaltschaft, Notare und Rechtsanwälte gemäß § 34 Abs. 1 Nr. 4 GVG ausgeschlossen. Während die Tätigkeit von Richtern als Schöffen mit den Prinzipien des Instituts des ehrenamtlichen Richters nicht vereinbar ist, scheiden Staatsanwälte wegen der Trennung von Richteramt und Staatsanwaltschaft und Notare bzw. Anwälte wegen der Trennung zwischen Rechtsberatung und Rechtsprechung aus137.
133 134 135 136 137
BVerfG NJW 2008, S. 2568 (2570); Schmidt-Räntsch (Fn. 129), § 44 Rn. 6. Mayer (Fn. 119), § 51 Rn. 3. Dazu OLG Dresden NStZ-RR 2015, S. 121 (122). BT-Drs. 17/3356, S. 16. Vgl. dazu die Ausführungen bei Mayer (Fn. 119), § 34 Rn. 7 ff.
B. Private Akteure als Teil der Rechtsprechung
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c) Zusammenfassung Im Hinblick auf die Einbindung ehrenamtlicher Richter ergeben sich hinsichtlich der Voraussetzungen keine verfassungsrechtlichen Probleme. Zwar findet eine weitreichende materielle Aufgabenübertragung auf einen Privaten statt, welche diesem eine Stellung gleich einem Berufsrichter einräumt, allerdings werden an diesen – logischerweise abgesehen von der beruflichen Qualifikation – auch vergleichbare Anforderungen gestellt. Insbesondere ist konsequenterweise ein Gleichlauf hinsichtlich der Anforderungen an die Verfassungstreue zu erkennen. 2. Private Schiedsgerichtsbarkeit und Mediation als „echte“ Aufgabenprivatisierung Neben der Einbindung Privater als ehrenamtliche Richter gibt es im Bereich des Rechtsprechens mit der Schiedsgerichtsbarkeit im Sinne der §§ 1025 ff. ZPO und der privaten Mediation, geregelt im MediationsG138, daneben zwei Fälle (materieller) Aufgabenprivatisierung, denen eine steigende Bedeutung zuteil wird und die an dieser Stelle zumindest Erwähnung finden sollen139. Gründe für den Bedeutungszuwachs von Schiedsgerichten und der alternativen Streitbeilegung sind vor allem die gestiegene Komplexität rechtlicher Regelungen bzw. Verfahren – gerade auch mit Blick auf technische oder wirtschaftliche Fragen – und daneben veränderte Rechtsschutzbedürfnisse der Parteien, denen eine Lösung außerhalb der ordentlichen Gerichtsbarkeit besser gerecht werden kann140. Darüber hinaus bieten solche Formen der Streitbeilegung auch aus staatlicher Sicht Vorteile, da sie zu einer Entlastung der staatlichen Gerichte führen141. In beiden Fällen zieht sich der Staat also aus der Aufgabenwahrnehmung selbst heraus, schafft aber den rechtlichen Rahmen für deren private Wahrnehmung. Burgi weist zutreffend darauf hin, dass dem Staat in diesem Zusammenhang „hinsichtlich des
138 Mediationsgesetz vom 21. Juli 2012 (BGBl. I S. 1577), das durch Artikel 135 der Verordnung vom 31. August 2015 (BGBl. I S. 1474) geändert worden ist. 139 Dazu auch Burgi (Fn. 18), § 75 Rn. 39. Ausführlich zu diesem Themenkomplex auch Münch, Privatisierung (Fn. 118), S. 179 ff. Zum Bedeutungszuwachs der Schiedsgerichtsbarkeit und der alternativen Streitbeilegung F. Brosius-Gersdorf, Dritte Gewalt im Wandel: Veränderte Anforderungen an Legitimität und Effektivität?, in: VVDStRL 74 (2015), S. 169 (171 ff., 183 ff.), die auch darauf hinweist, dass mit dem Bedeutungszuwachs ein Rückgang der Verfahrenseingänge bei staatlichen Gerichten korrespondiere. 140 So Brosius-Gersdorf, Gewalt (Fn. 139), S. 173 ff., 184 f. Zu den Gründen für die Privatisierung staatlicher Gerichtsbarkeit auch R. A. Schütze, Privatisierung richterlicher Tätigkeit: Ersetzung staatlicher Gerichte durch private Schiedsgerichte?, in: ZVglRWiss 99 (2000), S. 241 (244 ff.). 141 Brosius-Gersdorf, Gewalt (Fn. 139), S. 181. Zum Problem der Überlastung staatlicher Gerichte siehe auch F. Wittreck, Dritte Gewalt im Wandel – Veränderte Anforderungen an Legitimität und Effektivität?, in: VVDStRL 74 (2015), S. 115 (126 f.).
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§ 3 Indienstnahme privater Akteure
Ob und Wie ihrer Erledigung doch mehr als lediglich die allgemeine Überwachungsverantwortung“ zukommt142. Mit Blick auf die staatliche Verantwortlichkeit ist allerdings zu differenzieren. Eine alternative Streitbeilegung in Form der Mediation führt im erfolgreichen Falle dazu, dass die Einschaltung eines staatlichen Gerichtes von vornherein überflüssig wird143; dementsprechend entsteht zu diesem Zeitpunkt keine staatliche Verantwortung. Fragen der Gewährleistungsverantwortung stellen sich – wie Burgi zutreffend anmerkt – erst dort, wo „entsprechende Bemühungen zur obligatorischen oder auch nur fakultativen Voraussetzung für die Inanspruchnahme des staatlichen Rechtsschutzes unternommen werden“ 144. Anders ist dies im Fall der Schiedsgerichtsbarkeit, welche im Bereich der Rechtsprechung die weitgehendste Form der Privatisierung darstellt145. § 1055 ZPO legt fest, dass der Schiedsspruch unter den Parteien die Wirkung eines rechtskräftigen gerichtlichen Urteils hat. Das gerichtliche Verfahren wird durch das schiedsgerichtliche Verfahren also vollumfänglich ersetzt und der Weg zum staatlichen Gericht im Anschluss verwehrt. An dieser Stelle kommt dem Staat als Folge der (materiellen) Aufgabenübertragung eine umfangreiche Gewährleistungsverantwortung zu. Dieser wird er durch die umfassenden Regelungen des Schiedsgerichtsverfahrens in den §§ 1025 ZPO gerecht146. Diese Ausgestaltung genügt verfassungsrechtlichen Ansprüchen, insbesondere im Hinblick auf Privatisierungsgrenzen147. Als Grund 142 Burgi (Fn. 18), § 75 Rn. 39, der in Abgrenzung dazu die Tätigkeit von Verbands-, insbesondere Sportgerichten nennt, welche auf den Grundrechten der beteiligten Verbandsmitglieder beruhe und die Inanspruchnahme staatlicher Gerichte nicht auszuschließen vermöge. Zur Überwachungsverantwortung als (abgeschwächte) Form der Gewährleistungsverantwortung später unter § 5 B. II. 2. b) (S. 257 ff.). 143 Burgi (Fn. 18), § 75 Rn. 39. 144 So Burgi (Fn. 18), § 75 Rn. 39 mit dem Hinweis auf § 278 Abs. 5 S. 2, Abs. 6 ZPO (außergerichtliche Streitschlichtung auf Vorschlag des Gerichts bzw. Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs nach Vorlage eines schriftlichen Vergleichsvorschlags). 145 Zutreffend Burgi (Fn. 18), § 75 Rn. 40. 146 Burgi (Fn. 18), § 75 Rn. 42. 147 R. Geimer, Schiedsgerichtsbarkeit und Verfassung (aus deutscher Sicht), in: P. F. Schlosser (Hrsg.), Integritätsprobleme im Umfeld der Justiz – Die Organisation der Rechtsberatung; Schiedsgerichtsbarkeit und Verfassungsrecht, 1994, S. 113 (148 ff.); Wassermann (Fn. 107), Art. 92 Rn. 52; H. Prütting, Schiedsgerichtsbarkeit und Verfassungsrecht, in: B. Bachmann u. a. (Hrsg.), Grenzüberschreitungen. Beiträge zum Internationalen Verfahrensrecht und zur Schiedsgerichtsbarkeit. Festschrift für Peter Schlosser, 2005, S. 705 (707 ff.); Burgi (Fn. 18), § 75 Rn. 41; U. Steiner, Das Verhältnis von Schiedsgerichtsbarkeit und staatlicher Gerichtsbarkeit, in: SchiedsVZ 2013, S. 15 (16); Classen (Fn. 107), Art. 92 Rn. 43; Schulze-Fielitz (Fn. 103), Art. 92 Rn. 52. Im Ergebnis zustimmend auch Meyer (Fn. 106), Art. 92 Rn. 3, der die verfassungsrechtlichen Grenzen allerdings „allenfalls noch gerade [. . .] nicht überschritten“ sieht. Kritisch Detterbeck (Fn. 102), Art. 92 Rn. 29, der die Regelungen als verfassungsrechtlich bedenklich bewertet. Zur Kritik bereits W. Voit, Privatisierung der Gerichtsbarkeit, in: JZ 1997, S. 120 (124 f.); F. Hesselbarth, Schiedsgerichtsbarkeit und Grundgesetz. (Teil-)Verfassungswidrigkeit des reformierten Schiedsverfahrensrechts, 2004, S. 17 ff., 223 ff.
B. Private Akteure als Teil der Rechtsprechung
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dafür wird vor allem auch die Freiwilligkeit angeführt, auf welcher der Entschluss der Parteien zu einem Schiedsgerichtsverfahren beruht148. Die Bestellung privater Akteure als Schiedsrichter eines Verfahrens im Sinne der §§ 1025 ff. ZPO regelt § 1035 ZPO, ohne dabei besondere Anforderungen an den potentiellen Schiedsrichter zu stellen149. Voraussetzung ist zunächst einmal nur der Abschluss eines Schiedsrichtervertrages150. Weitergehende persönliche oder sachliche Kriterien, insbesondere im Hinblick auf die Qualifikation des Schiedsrichters, muss dieser Vertrag aber nicht enthalten151. Dieser Mangel an Voraussetzungen bei der Einbindung eines Privaten als Schiedsrichter ist, wie das Schiedsgerichtsverfahren selbst, Ausdruck der Privatautonomie der Parteien152. § 1036 ZPO legt aber zumindest fest, dass der Schiedsrichter unparteilich und unabhängig sein muss.
IV. Zusammenfassung Auch im Bereich der Judikative lassen sich also – jenseits der klassischen Form der ehrenamtlichen Richter – Tendenzen erkennen, private Akteure in Wahrnehmung der staatlichen Aufgabe Rechtsprechen einzubinden. Auch wenn eine vollständige Privatisierung ausgeschlossen ist153, gewinnt vor allem die Schiedsgerichtsbarkeit an Bedeutung. Hinsichtlich der Einbindung Privater im Rahmen der Rechtsprechung zeigt sich ein uneinheitliches, aber schlüssiges Bild. Während an den ehrenamtlichen Richter Voraussetzungen gestellt werden, die mit denen vergleichbar sind, die Berufsrichter zu erfüllen haben, werden an Schiedsrichter in einem Schiedsgerichtsverfahren keinerlei Voraussetzungen gestellt. Dies erscheint auf den ersten Blick aber konsequent. Zwar nehmen auch Schiedsgerichte „inhaltlich den staatlichen Gerichten vergleichbare Aufgaben der
148 So Geimer, Schiedsgerichtsbarkeit (Fn. 147), S. 161 ff.; Burgi (Fn. 18), § 75 Rn. 41; Steiner, Verhältnis (Fn. 147), S. 17. 149 Dazu auch R. Wolff, Grundzüge des Schiedsverfahrensrechts, in: JuS 2008, S. 108 (111); H. Prütting, Die rechtliche Stellung des Schiedsrichters, in: SchiedsVZ 2011, S. 233 (234 ff.). 150 Wolff, Grundzüge (Fn. 149), S. 111; Prütting, Stellung (Fn. 149), S. 234 f. Zur rechtlichen Einordnung solcher Verträge v. a. G. Real, Der Schiedsrichtervertrag. Inhalt und rechtliche Regelung im deutschen Recht mit rechtsvergleichenden Ausblicken, 1983, S. 25 ff.; J. Strieder, Rechtliche Einordnung und Behandlung des Schiedsrichtervertrages, 1983, S. 7 ff.; neuer A. Holzberger, Die materiellrechtliche und kollisionsrechtliche Einordnung des Schiedsrichtervertrages, 2015, S. 59 ff. 151 F.-B. Weigand, Der nebenberuflich tätige Schiedsrichter. Auswahlkriterien und Erwartungen der Parteien an ihren privaten Richter, in: B. Bachmann u. a. (Hrsg.), Grenzüberschreitungen (Fn. 147), S. 1081 (1083); Prütting, Stellung (Fn. 149), S. 235. 152 Zur Privat- bzw. Vereinsautonomie als Grundlage bspw. Classen (Fn. 107), Art. 92 Rn. 43. 153 Dazu nur Wilke (Fn. 103), § 112 Rn. 90; Meyer (Fn. 106), Art. 92 Rn. 11; BrosiusGersdorf, Gewalt (Fn. 139), S. 180.
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§ 3 Indienstnahme privater Akteure
Rechtsprechung wahr“ 154, doch tun sie dies auf Grundlage der Privatautonomie. Diesem Umstand wird durch das Fehlen einschränkender Voraussetzungen Rechnung getragen.
C. Die Exekutive als Kernbereich der Indienstnahme privater Akteure Nachdem voranstehend aufgezeigt wurde, inwieweit in den Bereichen der Legislative und Judikative private Akteure bei der Wahrnehmung von staatlichen Aufgaben eingebunden bzw. diese Aufgaben in Gänze übertragen werden, soll im Rahmen der Bestandsaufnahme abschließend der Bereich der Exekutive zumindest ausschnittsweise untersucht werden; ausschnittsweise deshalb, weil die Kooperationen mit gesellschaftlichen Akteuren in diesem Bereich derart vielfältig sind, dass eine umfassende Darstellung nicht zu leisten ist. Aus Gründen der Strukturierung soll dabei nach der Gliederung der Bestandsaufnahme in die drei Staatsgewalten – Legislative, Judikative und Exekutive – eine weitere Unterteilung auf der Grundlage der Staatsaufgabenlehre stattfinden. So sollen in der Folge Aufgabenübertragungen aus den Bereichen des Bildungswesens, des Umweltschutzes und der (inneren) Sicherheit untersucht werden.
I. Private Akteure im Bildungswesen am Beispiel des konfessionellen Religionsunterrichts und der Kinder- und Jugendhilfe Den ersten Ansatzpunkt der Bestandsaufnahme im Bereich der Exekutive soll die Staatsaufgabe des Bildungs- bzw. Schulwesens darstellen155. Diese dient vor allem der Sicherung der menschlichen Entfaltungsmöglichkeiten, sowohl im Sinne eines Selbstverwirklichungsanspruchs, als auch im Sinne einer Vermittlung von wirtschaftlicher Sicherheit156. Grundlage dieser Staatsaufgabe ist vor allem das „Recht auf Bildung“, welches sich aus dem Sozialstaatsprinzip und den Grundrechten (insb. Art. 6 Abs. 2, Art. 7, Art. 12 Abs. 1 GG) herleiten lässt157. Der Bildungs- bzw. Erziehungsauftrag des Staates ist dabei auf den Vorschulbe-
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Brosius-Gersdorf, Gewalt (Fn. 139), S. 180. Siehe zu dieser Staatsaufgabe ausführlich H. P. Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, 2. Aufl. 1977, S. 284 ff. J. Isensee, Staatsaufgaben, in: HStR3 IV, § 73 Rn. 54, leitet die verschiedenen Staatsaufgaben aus dem Haushaltsplan als „Werk angewandter, praktischer Staatsaufgabenlehre“ ab. Dieser umfasst in Abschnitt 1 auch das Bildungswesen. 156 Bull, Staatsaufgaben (Fn. 155), S. 284. 157 K.-D. Heymann/E. Stein, Das Recht auf Bildung. Dargestellt am Beispiel der Schulbildung, in: AöR 97 (1972), S. 185 (192 ff.); Bull, Staatsaufgaben (Fn. 155), S. 285. 155
C. Die Exekutive als Kernbereich der Indienstnahme privater Akteure
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reich auszudehnen158. In der Folge sollen daher die Bereiche des konfessionellen Religionsunterrichts und der Kinder- und Jugendhilfe, die sich in weiten Teilen auch im vorschulischen Bereich befindet, im Hinblick auf die Einbindung privater Akteure untersucht werden. Die Untersuchung dieser beiden Bereiche bietet sich aufgrund der sachlichen wie räumlichen Nähe an, um Rückschlüsse ziehen zu können und mögliche Widersprüche aufzuzeigen. 1. Der konfessionelle Religionsunterricht an öffentlichen Schulen Grundlegend für die vorliegende Untersuchung ist der Bereich des konfessionellen Religionsunterrichtes an öffentlichen Schulen mit der Kooperation zwischen dem Staat und den Religionsgemeinschaften. Die besondere Relevanz dieses Bereichs ist nicht erst durch die Diskussion um die Einführung eines islamischen Religionsunterrichts an deutschen Schulen hervorgetreten159. Sie ist bereits deshalb von Bedeutung, da sich der Religionsunterricht an einer Schnittstelle von Staat und Kirche befindet, die aufgrund der weltanschaulich-religiösen Neutralität des Staates von besonderer verfassungsrechtlicher Bedeutung ist160. Auch aus grundrechtlichen Gesichtspunkten ist diese Aufgabe interessant, da die Grundrechte von wenigstens vier Beteiligten – der Religionsgemeinschaften, der Schüler und deren Eltern, sowie der Lehrer – berührt sind.
158 So mit ausführlicher Herleitung B. Reith, Der Erziehungs-, Bildungs- und Betreuungsauftrag des Staates im Vorschulbereich. Verfassungsrechtliche Grundlagen der frühkindlichen Förderung, 2014, S. 122 ff., 246. Anderer Ansicht wohl W. Hänsle, Streik und Daseinsvorsorge. Verfassungsrechtliche Grenzen des Streikrechts in der Daseinsvorsorge. Zugleich ein Beitrag zur Staatsaufgabenlehre sowie zur Grundrechtsdogmatik des Art. 9 Abs. 3 GG, 2016, S. 273 ff. 159 Siehe aus der ausufernden Literatur beispielsweise M. Heckel, Religionsunterricht für Muslime?, in: JZ 1999, S. 741 ff.; A. Emenet, Verfassungsrechtliche Probleme einer islamischen Religionskunde an öffentlichen Schulen, 2003; S. Spriewald, Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Einführung von islamischem Religionsunterricht als ordentliches Lehrfach an deutschen Schulen, 2003; M. Heckel, Unterricht in Islam an deutschen Schulen, in: RdJB 2004, S. 39 ff.; S. Mückl, Islamischer Religionsunterricht, in: RdJB 2005, S. 513 ff.; H. Kreß, Islamischer Religionsunterricht zwischen Grundsatzproblem und neuen Rechtsunsicherheiten, in: ZRP 2010, S. 14 ff.; J. Oebbecke, Die rechtliche Ordnung des islamischen Religionsunterrichts in Deutschland, in: EssGespr. 49 (2016), S. 153 ff.; A. v. Ungern-Sternberg, Islamischer Religionsunterricht und islamische Theologie, in: RdJB 2016, S. 30 ff. Insbesondere zu dem in Nordrhein-Westfalen gewählten Modells islamischen Religionsunterrichts K. Schweizer, Islamischer Religionsunterricht an öffentlichen Schulen nach dem Beiratsmodell in Nordrhein-Westfalen, 2016. Umfassend zu den rechtlichen Wirkungen des Islams im öffentlichen Schulwesen siehe T. Anger, Islam in der Schule, 2003. 160 Siehe zur Grenzwirkung der weltanschaulich-religiösen Neutralität des Staates in Bezug auf die staatliche Schulaufsicht des Art. 7 Abs. 1 GG F. Brosius-Gersdorf, in: H. Dreier (Hrsg.), GG I, 3. Aufl. 2013, Art. 7 Rn. 79.
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a) Rechtsgrundlagen des Religionsunterrichts Zunächst soll ein Überblick über die rechtlichen Grundlagen des Religionsunterrichts in Deutschland verschafft werden. Dabei finden zum einen die verfassungsrechtlichen Regelungen auf Bundesebene Berücksichtigung und zum anderen beispielhaft die landesrechtlichen Regelungen Nordrhein-Westfalens auf verfassungsrechtlicher wie einfachgesetzlicher Ebene. So soll ein übersichtlicher Rahmen für die sich später anschließende Untersuchung der Voraussetzungen geschaffen werden. aa) Verfassungsrechtliche Grundlagen des Religionsunterrichts auf Bundesebene Die grundlegende verfassungsrechtliche Vorschrift für das gesamte Schulwesen stellt zunächst einmal Art. 7 GG dar. Art. 7 GG (1) Das gesamte Schulwesen steht unter der Aufsicht des Staates. (2) Die Erziehungsberechtigten haben das Recht, über die Teilnahme des Kindes am Religionsunterricht zu bestimmen. (3) Der Religionsunterricht ist in den öffentlichen Schulen mit Ausnahme der bekenntnisfreien Schulen ordentliches Lehrfach. Unbeschadet des staatlichen Aufsichtsrechtes wird der Religionsunterricht in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften erteilt. Kein Lehrer darf gegen seinen Willen verpflichtet werden, Religionsunterricht zu erteilen. (4) Das Recht zur Errichtung von privaten Schulen wird gewährleistet. Private Schulen als Ersatz für öffentliche Schulen bedürfen der Genehmigung des Staates und unterstehen den Landesgesetzen. Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn die privaten Schulen in ihren Lehrzielen und Einrichtungen sowie in der wissenschaftlichen Ausbildung der Lehrkräfte nicht hinter den öffentlichen Schulen zurückstehen und eine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern nicht gefördert wird. Die Genehmigung ist zu versagen, wenn eine wirtschaftliche und rechtliche Stellung der Lehrkräfte nicht genügend gesichert ist. (5) Eine private Volksschule ist nur zuzulassen, wenn die Unterrichtsverwaltung ein besonderes pädagogisches Interesse anerkennt oder, auf Antrag von Erziehungsberechtigten, wenn sie als Gemeinschaftsschule, als Bekenntnis- oder Weltanschauungsschule errichtet werden soll und eine öffentliche Volksschule dieser Art in der Gemeinde nicht besteht. (6) Vorschulen bleiben aufgehoben.
Art. 7 Abs. 1 GG stellt das gesamte Schulwesen unter die Aufsicht des Staates. Dadurch wird dem Staat ein eigenständiger Bildungsauftrag zugeschrieben161. 161 BVerfGE 47, 46 (71); BVerwGE 94, 82 (84 f.); B. Pieroth, Erziehungsauftrag und Erziehungsmaßstab der Schule im freiheitlichen Verfassungsstaat, in: DVBl. 1994,
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Diesem Auftrag unterfällt grundsätzlich auch der Religionsunterricht. Dieser findet seine ausdrückliche Verankerung allerdings in Art. 7 Abs. 3 GG, der diesen als ordentliches Lehrfach in öffentlichen Schulen vorsieht. Absatz 3 ist insofern die für die Untersuchung maßgebliche Vorschrift, da sie die Verantwortlichkeiten in Bezug auf den Religionsunterricht regelt. Ihren Ursprung hat die in Art. 7 GG zu findende Verankerung des Religionsunterrichts in Art. 149 WRV, der ebenfalls Religionsunterricht als ordentliches Lehrfach vorsah und dessen Regelungsgehalt in den Vorschriften der Abs. 2 und 3 des Art. 7 GG Niederschlag gefunden hat162. Durch die Verwendung des Begriffs „ordentliches Lehrfach“ wird dem Staat dabei aufgetragen, einen Religionsunterricht anzubieten, der den gleichen Stellenwert besitzt wie die anderen ordentlichen Lehrfächer163. Es handelt sich bei Art. 7 Abs. 3 S. 1 GG dementsprechend um eine Organisations- und Aufgabennorm, die dem Staat die Aufgabe der Einrichtung eines Religionsunterrichts aufträgt164. Diese ist aber auch dahingehend zu verstehen, dass sie eine institutionelle Garantie des Religionsunterrichts darstellt165. Einschränkend dazu legt Art. 7 Abs. 3 S. 2 GG allerdings fest, dass der Religionsunterricht nur in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften erteilt werden darf. Die inhaltliche Ausgestaltung des Religionsunterrichts wird also durch die Verfassung in die Hände der Religionsgemeinschaften gelegt. Durch diese Zuweisung des Inhalts erhält auch die Kirche im Rahmen des Religionsunterrichts ihren eigenen Verantwortungsbereich166. Der Religionsunterricht gehört damit zu den gemeinsamen Angelegenheiten von Staat und Kirche („res mixtae“), also S. 949 (955 f.); S. Boysen, in: I. v. Münch/P. Kunig (Hrsg.), GG I, 6. Aufl. 2012, Art. 7 Rn. 41; Brosius-Gersdorf (Fn. 160), Art. 7 Rn. 23. 162 Art. 149 Abs. 1 WRV: „Der Religionsunterricht ist ordentliches Lehrfach der Schulen mit Ausnahme der bekenntnisfreien (weltlichen) Schulen. Seine Erteilung wird im Rahmen der Schulgesetzgebung geregelt. Der Religionsunterricht wird in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der betreffenden Religionsgesellschaft unbeschadet des Aufsichtsrechts des Staates erteilt.“ Eine unmittelbare Inkorporation der Vorschrift in das Grundgesetz über Art. 140 GG hat hingegen nicht stattgefunden. Vgl. dazu auch P. Unruh, Religionsverfassungsrecht, 3. Aufl. 2015, § 12 Rn. 413. 163 BVerfGE 74, 244 (251); BVerwGE 42, 346 (349); J. Oebbecke, Reichweite und Voraussetzungen der grundgesetzlichen Garantie des Religionsunterrichts, in: DVBl. 1996, S. 336 (338); Unruh, Religionsverfassungsrecht (Fn. 162), § 12 Rn. 424; S. Korioth, Der Auftrag des Religionsunterrichts nach Art. 7 Abs. 3 GG, in: EssGespr. 49 (2016), S. 7 (16). 164 Brosius-Gersdorf (Fn. 160), Art. 7 Rn. 87; M. Kotzur, in: K. Stern/F. Becker (Hrsg.), Grundrechte-Kommentar, 2. Aufl. 2016, Art. 7 Rn. 67; H. D. Jarass, in: ders./ B. Pieroth, GG (Fn. 108), Art. 7 Rn. 1. 165 Dazu ausführlich U. Hildebrandt, Das Grundrecht auf Religionsunterricht, 2000, S. 135 ff. So auch J. Winter, Zur Anwendung des Art. 7 III GG in den neuen Ländern der Bundesrepublik Deutschland, in: NVwZ 1991, S. 753 (754); Oebbecke, Reichweite (Fn. 163), S. 339; Boysen (Fn. 161), Art. 7 Rn. 74; Brosius-Gersdorf (Fn. 160), Art. 7 Rn. 87. 166 C. Link, Religionsunterricht, in: HdbStKirchR2 II, § 54, S. 439 (489).
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solchen Bereichen, die aufgrund ihrer sich überschneidenden Verantwortungsbereiche von beiden Akteuren nur durch eine Kooperation unter gegenseitiger Rücksichtnahme wahrgenommen werden können167. Dementsprechend kommen sowohl dem Staat als auch der Kirche Teilaufgaben zu168. Da Religionsgemeinschaften teilweise als zivilrechtliche Vereine organisiert sind, wird dabei also – zumindest teilweise – eine staatliche Aufgabe grundgesetzlich auf einen zivilrechtlichen Träger übertragen. Dabei ist zunächst festzustellen, welchen Inhalt die übertragene Aufgabe hat und im Anschluss daran, welche Anforderungen eine Religionsgemeinschaft erfüllen muss, um diese Aufgabe wahrnehmen zu dürfen. Eine andere Regelung, die den Religionsunterricht zumindest mittelbar auch betrifft und im Gegensatz zu Art. 149 WRV unmittelbar Einzug in das Grundgesetz erhalten hat, ist Art. 137 WRV, welcher über Art. 140 GG Bestandteil des Grundgesetzes ist. Art. 137 WRV (1) Es besteht keine Staatskirche. (2) Die Freiheit der Vereinigung zu Religionsgesellschaften wird gewährleistet. Der Zusammenschluß von Religionsgesellschaften innerhalb des Reichsgebiets unterliegt keinen Beschränkungen. (3) Jede Religionsgesellschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbstständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes. Sie verleiht Ämter ohne Mitwirkung des Staates oder der bürgerlichen Gemeinde. (4) Religionsgesellschaften erwerben die Rechtsfähigkeit nach den allgemeinen Vorschriften des bürgerlichen Rechts. (5) Die Religionsgesellschaften bleiben Körperschaften des öffentlichen Rechtes, soweit sie solche bisher waren. Anderen Religionsgesellschaften sind auf ihren Antrag gleiche Rechte zu gewähren, wenn sie durch ihre Verfassung und die Zahl ihrer Mitglieder die Gewähr der Dauer bieten. Schließen sich mehrere derartige öffentlichrechtliche Religionsgesellschaften zu einem Verbande zusammen, so ist auch dieser Verband eine öffentlich-rechtliche Körperschaft. (6) Die Religionsgesellschaften, welche Körperschaften des öffentlichen Rechtes sind, sind berechtigt, auf Grund der bürgerlichen Steuerlisten nach Maßgabe der landesrechtlichen Bestimmungen Steuern zu erheben. (7) Den Religionsgesellschaften werden die Vereinigungen gleichgestellt, die sich die gemeinschaftliche Pflege einer Weltanschauung zur Aufgabe machen. 167 Link, Religionsunterricht (Fn. 166), S. 489. Vgl. zum Begriff der „gemeinsamen Angelegenheiten“ vor allem auch F.-G. v. Busse, Gemeinsame Angelegenheiten von Staat und Kirche, 1978, S. 1 ff. und zum Religionsunterricht als gemeinsame Aufgabe insb. S. 23 ff. sowie D. Ehlers, Die gemeinsamen Angelegenheiten von Staat und Kirche, in: ZevKR 31 (1987), S. 158 (171 ff.). 168 Zur genauen Abgrenzung der staatlichen und kirchlichen Aufgaben in Hinblick auf den Religionsunterricht sogleich unter § 3 C. I. 1. b) (S. 126 ff.).
C. Die Exekutive als Kernbereich der Indienstnahme privater Akteure
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(8) Soweit die Durchführung dieser Bestimmungen eine weitere Regelung erfordert, liegt diese der Landesgesetzgebung ob.
Diese Vorschrift regelt maßgeblich die Rechte der Religionsgesellschaften, wobei im Rahmen der Untersuchung die Frage zu berücksichtigen ist, inwieweit die in Art. 7 Abs. 3 GG genannten Religionsgemeinschaften von den Religionsgesellschaften des Art. 137 WRV zu unterscheiden sind. Werden diese beiden Begriffe allerdings inhaltlich gleichbehandelt, sodass Religionsgesellschaften und Religionsgemeinschaften im Ergebnis das gleiche sind, ist die Vorschrift des Art. 137 WRV für die vorliegende Untersuchung insofern von Bedeutung, als dass sich daraus Rückschlüsse für die Rechte der Religionsgemeinschaften im Sinne des Art. 7 Abs. 3 GG, aber auch für die an die Religionsgemeinschaften zu stellenden Anforderungen ziehen lassen. bb) Verfassungsrechtliche und einfachgesetzliche Regelungen auf Landesebene Neben den bereits dargestellten Vorschriften auf Bundesebene finden sich auch auf Landesebene Vorschriften, die den Religionsunterricht regeln. Der Übersichtlichkeit halber sollen vorliegend lediglich die Regelungen in Nordrhein-Westfalen beispielhaft dargestellt werden169. Verfassungsrechtlich verankert ist der Religionsunterricht in Nordrhein-Westfalen in Art. 14 NWVerf.170. Art. 14 NWVerf. (1) Der Religionsunterricht ist ordentliches Lehrfach an allen Schulen, mit Ausnahme der Weltanschauungsschulen (bekenntnisfreien Schulen). Für die religiöse Unterweisung bedarf der Lehrer der Bevollmächtigung durch die Kirche oder durch die Religionsgemeinschaft. Kein Lehrer darf gezwungen werden, Religionsunterricht zu erteilen. (2) Lehrpläne und Lehrbücher für den Religionsunterricht sind im Einvernehmen mit der Kirche oder Religionsgemeinschaft zu bestimmen. (3) Unbeschadet des staatlichen Aufsichtsrechtes haben die Kirchen oder die Religionsgemeinschaften das Recht, nach einem mit der Unterrichtsverwaltung vereinbarten Verfahren sich durch Einsichtnahme zu vergewissern, daß der Religionsunterricht in Übereinstimmung mit den Lehren und Anforderungen erteilt wird. (4) Die Befreiung vom Religionsunterricht ist abhängig von einer schriftlichen Willenserklärung der Erziehungsberechtigten oder des religionsmündigen Schülers. 169 Zum Verhältnis der Vorschriften des Grundgesetzes zu den Vorschriften der Landesverfassung siehe auch M. Winkelmann, Das Verhältnis der religionsrechtlichen Bestimmungen der nordrhein-westfälischen Landesverfassung zu den Regelungen des Grundgesetzes, in: DVBl. 1991, S. 791 ff. 170 Vergleichbare Regelungen in andern Bundesländern finden sich in: Art. 18 BWVerf., Art. 136 f. BYVerf., Art. 32 HBVerf., Art. 57 HEVerf., Art. 34 f. RPVerf., Art. 29 SLVerf., Art. 105 SNVerf., Art. 27 STVerf., Art. 25 THVerf.
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Die Vorschrift des Art. 14 NWVerf. stimmt in weiten Teilen mit der Vorschrift des Art. 7 Abs. 3 GG überein, geht aber an einigen Stellen über sie hinaus171. Das betrifft vor allem die Schulen, für welche die Vorschrift gilt. Während Art. 7 Abs. 3 GG nur für öffentliche Schulen gilt, bindet Art. 14 NWVerf. alle Schulen172. Die Erweiterungen betreffen allerdings nicht die Voraussetzungen an die Religionsgemeinschaften und sind dementsprechend in der Folge für die vorliegende Untersuchung nicht von Bedeutung. Neben dieser für den Religionsunterricht zentralen Vorschrift des Art. 14 NWVerf. enthält die Landesverfassung in den Art. 19 ff. NWVerf. weitere Regelungen, welche die Kirchen und Religionsgemeinschaften unmittelbar betreffen173. Herauszuheben sind dabei Art. 19 NWVerf.174, welcher die Vereinigungsfreiheit und das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften ähnlich wie Art. 137 WRV regelt, und Art. 22 NWVerf.175 Letzterer verweist auf die Regelung des Art. 140 GG und führt zur Geltung der Art. 136 bis 139, 141 WRV, sodass bereits genannter Art. 137 WRV unmittelbar in die Landesverfassung integriert worden ist. Neben diesen verfassungsrechtlichen Grundlagen des Religionsunterrichtes auf Landesebene ist dieser aber auch einfachgesetzlich ausgestaltet. Die für den Religionsunterricht maßgebliche Norm in Nordrhein-Westfalen stellt § 31 SchulG NW dar176. § 31 SchulG NW (1) Der Religionsunterricht ist ordentliches Lehrfach an allen Schulen mit Ausnahme der Weltanschauungsschulen (bekenntnisfreien Schulen). Er wird nach Bekenntnissen getrennt in Übereinstimmung mit den Lehren und Grundsätzen der betreffenden Kirche oder Religionsgemeinschaft erteilt. Religionsunterricht wird erteilt, wenn er allgemein eingeführt ist und an der einzelnen Schule mindestens zwölf Schülerinnen und Schüler dem entsprechenden Bekenntnis angehören.
171 M. Stuttmann, in: A. Heusch/K. Schönenbroicher (Hrsg.), Landesverfassung Nordrhein-Westfalen Kommentar, 2010, Art. 14 Rn. 1. Dazu und zur Frage der Grundrechtskonformität von Art. 14 NWVerf., insbesondere im Hinblick auf die Abweichungen, J. Ennuschat, in: W. Löwer/P. J. Tettinger (Hrsg.), Kommentar zur Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen, 2002, Art. 14 Rn. 4, 24, 35. 172 Zur Zulässigkeit dieser Erweiterung Ennuschat (Fn. 171), Art. 14 Rn. 24. 173 Die ausdrückliche Nennung der Kirchen in der Landesverfassung im Gegensatz zum Grundgesetz drückt eine besondere Kirchen- bzw. Religionsfreundlichkeit der Landesverfassung aus, so Ennuschat (Fn. 171), Art. 22 Rn. 6. 174 Ähnliche Vorschriften in anderen LVerf.: Art. 4 Abs. 1 BWVerf., Art. 142 Abs. 2, 3 BYVerf., Art. 36 Abs. 2 BBVerf., Art. 59 f. HBVerf., Art. 48 f. HEVerf., Art. 41 RPVerf., Art. 35 Abs. 2 SLVerf., Art. 109 Abs. 2 S. 2 SNVerf., Art. 32 Abs. 2 STVerf. 175 Vergleichbare Vorschriften anderer LVerf.; Art. 5 BWVerf., Art. 142 Abs. 1, 143, 146 BYVerf., Art. 36 BBVerf., Art. 48 HEVerf., Art. 9 Abs. 1 MVVerf., Art. 43 f. RPVerf., Art. 37 f. SLVerf., Art. 109 Abs. 2 SNVerf., Art. 32 STVerf., Art. 40 THVerf. 176 Für die Einführung von muslimischem Religionsunterricht findet sich eine spezielle Regelung in § 132a SchulG NW.
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(2) Das Ministerium erlässt die Unterrichtsvorgaben für den Religionsunterricht im Einvernehmen mit der Kirche oder Religionsgemeinschaft. Die Zahl der Unterrichtsstunden setzt das Ministerium im Benehmen mit der Kirche oder der Religionsgemeinschaft fest. (3) Lehrerinnen und Lehrer bedürfen für die Erteilung des Religionsunterrichtes des staatlichen Unterrichtungsauftrages und einer Bevollmächtigung durch die Kirche oder die Religionsgemeinschaft. Religionsunterricht kann, soweit keine staatlich ausgebildeten Lehrkräfte zur Verfügung stehen, durch Geistliche, kirchliche Lehrkräfte, von der Religionsgemeinschaft beauftragte Lehrkräfte oder von ausgebildeten Katechetinnen und Katecheten erteilt werden. Sie bedürfen dazu des staatlichen Unterrichtungsauftrages und einer Bevollmächtigung durch die Kirche oder Religionsgemeinschaft. (4) Niemand darf gezwungen werden, Religionsunterricht zu erteilen. Lehrerinnen und Lehrern, die die Erteilung des Religionsunterrichtes ablehnen, dürfen hieraus keine dienstrechtlichen Nachteile erwachsen. (5) Der Religionsunterricht unterliegt der staatlichen Schulaufsicht, die sich insbesondere auf die Ordnung und Durchführung des Unterrichts erstreckt. Die Kirche oder die Religionsgemeinschaft hat ein Recht auf Einsichtnahme in den Religionsunterricht; das Recht der obersten Kirchenleitung, den Religionsunterricht zu besuchen, bleibt unberührt. Das Verfahren der Einsichtnahme wird durch Vereinbarung des Ministeriums mit der Kirche oder der Religionsgemeinschaft geregelt. (6) Eine Schülerin oder ein Schüler ist von der Teilnahme am Religionsunterricht auf Grund der Erklärung der Eltern oder – bei Religionsmündigkeit der Schülerin oder des Schülers – auf Grund eigener Erklärung befreit. Die Erklärung ist der Schulleiterin oder dem Schulleiter schriftlich zu übermitteln. Die Eltern sind über die Befreiung zu informieren.
§ 31 SchulG NW greift die Anforderungen, die Art. 7 Abs. 3 GG und Art. 14 NWVerf. an den Religionsunterricht stellen, auf und konkretisiert diese weitergehend177. Unbeachtlich ist dabei, dass Art. 7 Abs. 3 GG von den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften spricht, während Art. 14 NWVerf. von den Lehren und Anforderungen ebendieser spricht und § 31 SchulG NW von Lehren und Grundsätzen178. cc) Der rechtliche Rahmen des Religionsunterrichts im Überblick Den rechtlichen Rahmen für den Religionsunterricht in Nordrhein-Westfalen bilden somit Art. 7 Abs. 3 GG, Art. 14 NWVerf. und auf einfachgesetzlicher Ebene § 31 SchulG NW. Diese sprechen alle davon, dass der Religionsunterricht in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der jeweiligen Religionsgemeinschaft getroffen werden. Dies bedeutet aber, wie bereits festgestellt, nicht, dass die Auf-
177 M. Baldus, in: SchulG NW. Kommentar für die Schulpraxis, Vorb. vor § 31 (2011). 178 M. Baldus, in: SchulG NW (Fn. 177), § 31 (2014), Rn. 1.3.
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gabe Religionsunterricht vollumfänglich auf die Religionsgemeinschaften übertragen worden ist. Vielmehr handelt es sich um eine „res mixta“ von Staat und Religionsgemeinschaften. Es ist also in der Folge zunächst herauszuarbeiten, welche Aufgabe den Religionsgemeinschaften konkret übertragen wurde, bevor weitergehend untersucht werden kann, welche Anforderungen eine Religionsgemeinschaft erfüllen muss, um als Partner des Staates bei der Wahrnehmung der Aufgabe aufzutreten. b) Inhalt der staatlichen Aufgabe Religionsunterricht Um die Aufgabe der Religionsgemeinschaften konkret zu benennen, müssen also die Zuständigkeiten des Staates auf der einen Seite und der Kirche auf der anderen Seite in Bezug auf die Ausrichtung der gemeinsamen Angelegenheit des Religionsunterrichts voneinander abgegrenzt werden. Die Verantwortungsbereiche von Staat und Kirche ergeben sich aus Art. 7 Abs. 1 und Abs. 3 GG. Danach handelt es sich beim konfessionellen Religionsunterricht dem Grunde nach um eine Veranstaltung des Staates179. Das ergibt sich schon aus der Tatsache, dass eine Erteilung des Religionsunterrichts anhand der Grundsätze der Religionsgemeinschaften unabhängig vom staatlichen Aufsichtsrecht, welches sich aus Art. 7 Abs. 1 GG ergibt und durch Art. 7 Abs. 3 S. 2 GG auf den Religionsunterricht an öffentlichen Schulen übertragen wird, stattfindet. Der Staat behält somit die oberste Aufsicht über den Religionsunterricht. Allerdings sind die Religionsgemeinschaften insofern mit eingebunden, als dass sich der Inhalt des Unterrichts aus den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften ergibt. Das Bestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften über den Inhalt des Unterrichts begrenzt insoweit also das Aufsichtsrecht des Staates180. Es besteht also eine Kooperation mit wechselseitiger Kontrolle zwischen Staat und Religionsgemeinschaften. Dies führt dazu, dass abgegrenzt werden muss, welche Aufgaben dem Staat zufallen und welche den Religionsgemeinschaften. aa) Der Verantwortungsbereich des Staates Da es sich um eine Kooperation zwischen Staat und Kirche handelt, verbleiben weiterhin Aufgaben in der Sphäre des Staates, sodass keine vollständige Übertragung auf die Religionsgemeinschaften stattfindet. Wie bereits festgestellt, handelt es sich beim Religionsunterricht weiter um eine Veranstaltung in staatlicher Verantwortung. Der Staat wird in diesem Zusammenhang sehr vereinfacht aber
179 Link, Religionsunterricht (Fn. 166), § 54, S. 460; W. Loschelder, Schulische Grundrechte und Privatschulfreiheit, in: HGR IV, § 110 Rn. 56. 180 U. Hemmrich, in: I. v. Münch/P. Kunig (Hrsg.), GG I, 5. Aufl. 2000, Art. 7 Rn. 30; Loschelder (Fn. 179), § 110 Rn. 56; M. Thiel, in: Sachs, GG (Fn. 22), Art. 7 Rn. 55 ff.
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zutreffend als „Unternehmer“ des Unterrichts bezeichnet181. Dieser ist demnach nicht nur für die Organisation und Aufsicht im Allgemeinen zuständig182, sondern auch für die Aufsicht über die Lehrer, für die er die Kosten trägt183. Er trägt somit die Verantwortung dafür, einen geeigneten Rahmen und die Voraussetzungen für die Ausrichtung des Unterrichts zu schaffen. Problematisch erscheint, dass die Aufsicht des Staates sich nur auf Organisation und Personal beziehen soll. Es ist zwar grundsätzlich richtig, dass der Staat aufgrund seiner religiösen Neutralität zu inhaltlichen Fragen religiöser Natur keine Stellung beziehen darf184, dies darf aber nicht dazu führen, dass er seine Aufsicht nicht im erforderlichen Maß ausüben kann. Es muss dem Staat zumindest möglich sein, insoweit auch inhaltlich auf den Unterricht Einfluss zu nehmen, dass er in der Lage ist, einen angemessenen pädagogischen und wissenschaftlichen Anspruch zu gewährleisten185. Nur wenn eine solche Einflussmöglichkeit des Staates bestehen bleibt, kann dieser seinen sich aus Art. 7 Abs. 1 GG ergebenden Bildungsauftrag erfüllen. Um dieses Ziel zu ermöglichen, ist eine enge Kooperation von Staat und Kirche im Bereich des Religionsunterrichts unerlässlich186. Insoweit stellt die Regelung des Art. 7 Abs. 3 S. 1 GG auch keine Ausnahme oder gar Durchbrechung des Grundsatzes staatlicher Neutralität dar187. Vielmehr
181 Vgl. zu dieser Formulierung R. Schmoeckel, Der Religionsunterricht, 1964, S. 56. So auch Link, Religionsunterricht (Fn. 166), S. 460 u. 472; Hildebrandt, Grundrecht (Fn. 165), S. 56; Loschelder (Fn. 179), § 110 Rn. 57. 182 H. Avenarius/H. Heckel, Schulrechtskunde, 7. Aufl. 2000, S. 71 f.; A. v. Campenhausen/H. de Wall, Staatskirchenrecht, 4. Aufl. 2006, S. 215; Loschelder (Fn. 179), § 110 Rn. 57. 183 A. Hollerbach/C. Gramm, Staatliche Ersatzleistungen für den evangelischen Religionsunterricht, in: ZevKR 36 (1991), S. 17 (23 f.); B. Schlink, Religionsunterricht in den neuen Ländern, in: NJW 1992, S. 1008 (1009); S. Korioth/I. Augsberg, Ethik- oder Religionsunterricht?, in: ZG 24 (2009), S. 222 (224); Loschelder (Fn. 179), § 110 Rn. 57; P. Badura, in: T. Maunz/G. Dürig (Hrsg.), GG, Art. 7 (2015), Rn. 75; G. Robbers, in: H. v. Mangoldt/F. Klein/C. Starck (Hrsg.), GG I, 7. Aufl. 2018, Art. 7 Abs. 3 Rn. 132 ff. 184 Zum Grundsatz der der staatlichen Neutralität u. a. K. Schlaich, Zur weltanschaulichen und konfessionellen Neutralität des Staates, in: EssGespr. 4 (1970), S. 9 ff.; ders., Neutralität als verfassungsrechtliches Prinzip, 1972; B. Jeand’Heur/S. Korioth, Grundzüge des Staatskirchenrechts, 2000, Rn. 167; S. Huster, Die ethische Neutralität des Staates, 2002, insb. S. 5 ff.; v. Campenhausen/de Wall, Staatskirchenrecht (Fn. 182), S. 370 f.; Brosius-Gersdorf (Fn. 160), Art. 7 Rn. 79 ff. 185 Link, Religionsunterricht (Fn. 166), S. 498 f.; Loschelder (Fn. 179), § 110 Rn. 57. 186 So auch Link, Religionsunterricht (Fn. 166), S. 499; Loschelder (Fn. 179), § 110 Rn. 57; Robbers (Fn. 183), Art. 7 Abs. 3 Rn. 148. 187 So aber BVerwGE 42, 346 (347 f.) mit zahlreichen Nachweisen. Aus der Literatur argumentieren in diese Richtung bspw. Oebbecke, Reichweite (Fn. 163), S. 339 ff.; L. Renck, Erwiderung. Bekenntnisunterricht – ein Gebot der Bekenntnisfreiheit?, in: JZ 2000, S. 561 (562); J. G. Bader, in: D. C. Umbach/T. Clemens (Hrsg.), GG I, 2002, Art. 7 Rn. 136; K. Stern, Staatsrecht IV/2, 2011, S. 494; L. Michael/M. Morlok, Grundrechte, 6. Aufl. 2017, § 9 Rn. 261; Thiel (Fn. 180), Art. 7 Rn. 43.
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ist die Regelung gerade im Zusammenspiel mit Art. 7 Abs. 3 S. 2 GG eine besondere Ausprägung des staatlichen Neutralitätsgrundsatzes188. Die Tatsache, dass der Staat gemäß Art. 7 Abs. 3 S. 1 GG verpflichtet ist, Religionsunterricht als ordentliches Lehrfach an öffentlichen Schulen einzurichten, ist nicht gleichbedeutend damit, dass der Staat seine religiöse Neutralität nicht wahren könnte. Er wahrt diese dadurch, dass er sich bei der der Einrichtung des Unterrichts neutral gegenüber den Religionsgemeinschaften verhält189. Die inhaltliche Ausgestaltung des Unterrichts obliegt aufgrund der Regelung des Art. 7 Abs. 3 S. 2 GG ohnehin den Religionsgemeinschaften. Verhält sich der Staat in der Folge also neutral bei der Einrichtung des Unterrichtes und bevorzugt dabei keine Religionsgemeinschaft, so ist von einer Durchbrechung der Neutralität nicht auszugehen. bb) Verantwortungsbereich der Religionsgemeinschaften In Kooperation mit dem Staat wird den Religionsgemeinschaften zu aller erst die inhaltliche Aufsicht über den Religionsunterricht übertragen190. Dies ist zwingende Konsequenz aus der religiösen Neutralität des Staates. Der Staat hat nicht die Kompetenz, religiös geprägte Inhalte zu vermitteln191. Art. 7 Abs. 3 GG wird insoweit, wie bereits festgestellt, zutreffend als besondere Ausprägung des staatlichen Neutralitätsgebots bezeichnet, da er einerseits dem Staat aufträgt, für die Ausrichtung eines Religionsunterrichts einzustehen, ihm andererseits die inhaltliche Zuständigkeit aber entzieht und so sicherstellt, dass der Staat nicht in die Lage versetzt wird, inhaltlich eine Glaubensrichtung zu privilegieren. Neben der inhaltlichen Aufgabe, die den Religionsgemeinschaften zuteil wird, werden diese aber auch personell eingebunden. Die Lehrkräfte, die im Religionsunterricht eingesetzt werden, bedürfen der Erlaubnis seitens der Religionsgemeinschaften192. Beispielhaft dafür sind „missio canonica“ der katholischen Kirche und die „vocatio“ der evangelischen Kirche zu nennen193. Im inhaltlichen
188 So auch Korioth/Augsberg, Religionsunterricht (Fn. 183), S. 225; Brosius-Gersdorf (Fn. 160), Art. 7 Rn. 88; Robbers (Fn. 183), Art. 7 Abs. 3 Rn. 115 ff. Im Ergebnis auch M. Germann, in: V. Epping/C. Hillgruber (Hrsg.), GG, 2. Aufl. 2013, Art. 7 Rn. 43 ff., der die Regelung in Art. 7 Abs. 3 GG als Lösung des Dilemmas sieht, welches durch das Aufeinandertreffen des staatlichen Erziehungsauftrages und der religiösen-weltanschaulichen Neutralität entsteht. Dabei sei das Prinzip der Nichtidentifikation des Staates gewahrt (Rn. 43.4). 189 Brosius-Gersdorf (Fn. 160), Art. 7 Rn. 88. 190 Badura (Fn. 183), Art. 7 Rn. 87; Germann (Fn. 188), Art. 7 Rn. 54; Loschelder (Fn. 179), § 110 Rn. 58. 191 Germann (Fn. 188), Art. 7 Rn. 54. 192 Boysen (Fn. 161), Art. 7 Rn. 82; Brosius-Gersdorf (Fn. 160), Art. 7, Rn. 99; H. Wißmann, in: W. Kahl/C. Waldhoff/C. Walter (Hrsg.), BK, Art. 7 – III (2015), Rn. 154. 193 Vgl. statt vieler Wißmann (Fn. 192), Art. 7 – III Rn. 153.
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Rahmen ist die Dienstaufsicht des Staates über die Lehrer dementsprechend zumindest eingeschränkt194. Umstritten ist hingegen, ob auch den Religionsgemeinschaften darüber hinaus ein Aufsichtsrecht insoweit zukommt, dass diese überprüfen können, ob die von ihnen gemachten inhaltlichen Vorgaben eingehalten werden. Ein solches Aufsichtsrecht der Religionsgemeinschaften wird teilweise ohne die Angabe von Gründen abgelehnt195. Eine grundsätzliche Ablehnung von Aufsichtsrechten zugunsten der Religionsgemeinschaften wird allerdings dem inhaltlichen Bestimmungsrecht ebendieser nicht gerecht. So muss es den Religionsgemeinschaften zumindest möglich sein, zu überprüfen, ob die inhaltlichen Vorgaben eingehalten werden. Insofern sind der Kirche Visitationsrechte zuzugestehen, welche eine Kontrolle des Religionsunterrichts erlauben196. Aus dieser Möglichkeit der Überprüfung des Religionsunterrichts lässt sich allerdings keine religiöse Schulaufsicht ableiten, sodass die Religionsgemeinschaften nicht befugt sind, auf die Schulbehörde als Träger des Religionsunterrichts Einfluss zu nehmen197. Auch hier ist durch die Überschneidung der Verantwortungsbereiche vielmehr ein Einvernehmen zwischen Staat und Religionsgemeinschaften herzustellen und auf das staatliche Schulaufsichtssystem zurückzugreifen198. Den Kirchen verbleibt allerdings das Recht, einem Lehrer die Vollmacht zur Erteilung des Religionsunterrichts zu entziehen199. Dadurch besteht zumindest indirekt die Möglichkeit, auf die Umsetzung der Vorgaben Einfluss zu nehmen. Insbesondere ergibt sich durch den Entzug der Lehrvollmacht und die Rüge der mangelnden inhaltlichen Übereinstimmung des Unterrichts bereits ein Anspruch aus Art. 7 Abs. 3 GG, der den Staat zum Tätigwerden zwingt200. cc) Zusammenschau Betrachtet man die Sphären von Staat und Kirche im Überblick, stellt man fest, dass eine trennscharfe Abgrenzung der divergierenden Bereiche nicht mög194 Oebbecke, Reichweite (Fn. 163), S. 339; Boysen (Fn. 161), Art. 7 Rn. 87; Thiel (Fn. 180), Art. 7 Rn. 58. Zum Aufsichtsrecht des Staats im Bereich des Religionsunterrichts unter § 6 A. II. 2. b) (S. 302 ff.). 195 Bspw. Brosius-Gersdorf (Fn. 160), Art. 7 Rn. 100. 196 H. Avenarius, Einführung in das Schulrecht, 2001, S. 30; Link, Religionsunterricht (Fn. 166), S. 499; M. E. Geis, in: K. H. Friauf/W. Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 7 (2004), Rn. 64; Loschelder (Fn. 179), § 110 Rn. 58. 197 BGHZ 34, 20 (22); Geis (Fn. 196), Art. 7 Rn. 64; Link, Religionsunterricht (Fn. 166), S. 499; Robbers (Fn. 183), Art. 7 Abs. 3 Rn. 157. Unklar hier Thiel (Fn. 180), Art. 7 Rn. 58 ff., der von einer kirchlichen Schulaufsicht spricht, damit aber offensichtlich auch keine geistliche Schulaufsicht im überkommenen Sinne meint. 198 A. v. Campenhausen, Staat, Kirche und Schule, in: ZevKR 14 (1968/69), S. 26 (50 f.); Link, Religionsunterricht (Fn. 166), S. 499. 199 Link, Religionsunterricht (Fn. 166), S. 499; Robbers (Fn. 183), Art. 7 Abs. 3 Rn. 157. 200 So Link, Religionsunterricht (Fn. 166), S. 499.
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lich erscheint. Zwar ist eine grobe Einteilung insofern möglich, als dass man den Staat als „Unternehmer“ des Religionsunterrichts die Verantwortung für die Schaffung des Rahmens überträgt und den Religionsgemeinschaften die inhaltliche Zuständigkeit. Dennoch ergeben sich gerade bei den Aufsichtspflichten im inhaltlichen Bereich Überschneidungen, die einer engen Kooperation von Staat und Kirche bedürfen. Dabei verbleibt das grundsätzliche „Aufsichtsmonopol mit alleiniger Direktions- und Disziplinargewalt“, auch über den Religionsunterricht, beim Staat201. Daran ändert auch die Zuordnung des inhaltlichen Bestimmungsrechts zu den Religionsgemeinschaften nichts. So steht es dem Staat dennoch zu, den wissenschaftlichen und pädagogischen Standard des Unterrichts sicherzustellen, auch wenn dieser untrennbar mit dem Inhalt verbunden ist. Auf der anderen Seite stehen den Religionsgemeinschaften Einsichtsrechte zu, um die inhaltliche Umsetzung ihrer Vorgaben sicherzustellen. Dabei verbleibt allerdings das „letzte Wort“ beim Staat, da eine geistliche Schulaufsicht nicht vorgesehen ist. Dies wird allerdings insoweit relativiert, als dass den Religionsgemeinschaften unter Umständen ein Anspruch auf staatliches Einschreiten aus Art. 7 Abs. 3 GG zusteht. c) Anforderungen an die Religionsgemeinschaften als inhaltliche Träger der Aufgabe Art. 7 Abs. 3 S. 2 GG überträgt also die inhaltliche Verantwortung für den Religionsunterricht auf die „Religionsgemeinschaften“. Dabei müssen Religionsgemeinschaften trotz der Tatsache, dass es sich bei Art. 7 Abs. 3 GG um ein Grundrecht ebendieser handelt202, bestimmte Voraussetzungen erfüllen, um einen Religionsunterricht an öffentlichen Schulen anbieten zu dürfen. Der Begriff der Religionsgemeinschaften und die an diese zu stellenden Anforderungen sind also weitergehend zu untersuchen. aa) Der Begriff der Religionsgemeinschaften in Art. 7 Abs. 3 GG Wenn man sich mit der Frage nach dem Bedeutungsgehalt des Begriffes der Religionsgemeinschaften auseinandersetzt, drängt sich zunächst die Frage auf, ob die Begriffe der Religionsgemeinschaft in Art. 7 Abs. 3 GG und der Religionsgesellschaft in den Art. 136 ff. WRV gleichbedeutend sind. Gerhard Anschütz beschreibt die Religionsgesellschaft als „ein die Angehörigen eines und desselben Glaubensbekenntnisses – oder mehrerer verwandter Glaubensbekenntnisse (unierte evangelische Landeskirchen!) – für ein Gebiet (ein Land, Teile eines
201 So zutreffend: R. v. Drygalski, Die Einwirkungen der Kirchen auf den Religionsunterricht an öffentlichen Schulen, 1967, S. 95; Link, Religionsunterricht (Fn. 166), S. 499. 202 Vgl. dazu statt vieler nur Brosius-Gersdorf (Fn. 160), Art. 7 Rn. 89; Jarass (Fn. 164), Art. 7 Rn. 10.
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Landes, mehrere Länder, das Reichsgebiet) zusammenfassender Verband zu allseitiger Erfüllung der durch das gemeinsame Bekenntnis gestellten Aufgaben.“ 203 Diese Definition von Religionsgesellschaft im Sinne des Art. 137 WRV hat sich durchgesetzt und wird trotz des offensichtlich veränderten Wortlautes auch auf die Religionsgemeinschaften im Sinne des Art. 7 Abs. 3 GG übertragen, sodass beide Begriffe synonym verwendet werden204. Das Bundesverwaltungsgericht führt daher aus, dass unter Religionsgemeinschaften Verbände zu verstehen sind, welche „die Angehörigen ein und desselben Glaubensbekenntnisses – oder mehrerer verwandter Glaubensbekenntnisse – zu allseitiger Erfüllung der durch das gemeinsame Bekenntnis gestellten Aufgaben zuammenfaß[en]“ 205 Diese Definition von Religionsgemeinschaft hat sich auch in der Literatur durchgesetzt206. Robbers merkt in diesem Zusammenhang zutreffend an, dass die Verwendung des Begriffs Religionsgemeinschaft im Gegensatz zum Begriff Religionsgesellschaft das Selbstverständnis von Kirchen und anderen Religionsgemeinschaften insofern positiver aufnimmt, als dass der Terminus der Religionsgesellschaft begrifflich einen Vereinscharakter andeutet207. Diese Bezugnahme auf eine besondere Rechtsform ergibt sich durch die Verwendung des Begriffs Religionsgemeinschaft im Sinne von Art. 7 Abs. 3 S. 2 GG nicht mehr.
203 G. Anschütz, Die Verfassung des deutschen Reiches, 14. Aufl. 1933, Art. 137 Anm. 2 (S. 633), in Abgrenzung zum „religiösen Verein“ im Sinne des Art. 124 Abs. 1 WRV. Zur Geschichte der Religionsgesellschaften siehe J. Mehlhausen, Religionsgesellschaften, in: G. Müller (Hrsg.), TRE 28 (1997), S. 624 (626 ff.). 204 Das Bundesverfassungsgericht bspw. spricht in seiner Entscheidung zum Körperschaftsstatus der Zeugen Jehovas im Rahmen von Art. 137 Abs. 3 WRV sowohl von Religionsgemeinschaften als auch von Religionsgesellschaften und verwendet diese Begriffe synonym: BVerfGE 102, 370 ff. Vgl. dazu auch B. Pieroth/C. Görisch, Was ist eine „Religionsgemeinschaft“?, in: JuS 2002, S. 937 (937 f.), die darlegen, dass die Unterscheidung von Religionsgesellschaften in den inkorporierten Vorschriften der Art. 136 ff. WRV und Religionsgemeinschaften in Art. 7 Abs. 3 S. 2 GG lediglich entstehungsgeschichtlich bedingt sind und damit kein Bedeutungswechsel einhergeht. Dazu ausführlich auch S. Korioth, Islamischer Religionsunterricht und Art. 7 III GG, in: NVwZ 1997, S. 1041 (1046 ff.) mit zahlreichen Nachweisen. Kritisch zur Übertragung von Normgehalten des Art. 137 Abs. 5 WRV auf Art. 7 Abs. 3 S. 2 GG und zur Gleichsetzung von Religionsgesellschaften und Religionsgemeinschaften aber F. Wittreck, Gutachten zum Status islamischer Verbände in Nordrhein-Westfalen als „Religionsgemeinschaften“ i. S. v. Art. 7 Abs. 3 S. 2 GG, erstattet im Auftrag der Staatskanzlei des Landes Nordrhein-Westfalen, Januar 2015, S. 19. 205 BVerwGE 99, 1 (3); 123, 49 (54). 206 So bspw. Boysen (Fn. 161), Art. 7 Rn. 83; Brosius-Gersdorf (Fn. 160), Art. 7 Rn. 91; Badura (Fn. 183), Art. 7 Rn. 88; A. v. Campenhausen/P. Unruh, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG III (Fn. 107), Art. 137 WRV Rn. 20; Jarass (Fn. 164), Art. 7 Rn. 16; Thiel (Fn. 180), Art. 7 Rn. 41. Anders Germann (Fn. 188), Art. 7 Rn. 56, der unter dem Begriff der Religionsgemeinschaft im Sinne des Art. 7 Abs. 3 S. 2 GG jede Vereinigung versteht, welche Trägerin zum einen der korporativen Religionsfreiheit (Art. 4 GG) und zum anderen des religionsgemeinschaftlichen Selbstbestimmungsrechts (Art. 140 GG i.V. m. Art. 137 Abs. 3 WRV) ist. 207 Robbers (Fn. 183), Art. 7 Abs. 3 Rn. 149.
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Festzustellen ist, dass der Begriff nicht ausschließlich die beiden großen christlichen Religionsgemeinschaften umfasst, sondern offen ist für alle Formen und Arten von Glaubensgemeinschaften208. Dagegen spricht auch nicht, dass bei Schaffung des Art. 7 GG primär die katholische und evangelische Kirche als die beiden großen christlichen Gemeinschaften im Blickpunkt standen. Vielmehr verdeutlicht die neutrale Formulierung in Art. 7 Abs. 3 GG, der nur von Religionsgemeinschaften im Allgemeinen spricht, dass es Raum für andere Glaubensrichtungen gibt209. Insoweit umfasst der Begriff der Religionsgemeinschaften zunächst einmal richtigerweise alle denkbaren Glaubensbekenntnisse. Dennoch müssen Religionsgemeinschaften, die in Kooperation mit dem Staat Religionsunterricht im Sinne von Art. 7 Abs. 3 S. 2 GG anbieten wollen, einige Voraussetzungen erfüllen. Diese sollen in der Folge im Überblick dargestellt werden. bb) Anforderungen an die Religionsgemeinschaften im Sinne des Art. 7 Abs. 3 S. 2 GG Die zu untersuchenden Anforderungen ergeben sich nicht unmittelbar aus der Vorschrift des Art. 7 Abs. 3 S. 2 GG. Dieser spricht nur von einer Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften, sodass der Wortlaut in Bezug auf die konkreten Anforderungen an die Religionsgemeinschaften nichts erkennen lässt. Diese ergeben sich vielmehr aus der Verfassung selbst und der von Anschütz maßgeblich beeinflussten Definition von Religionsgemeinschaften. (1) Anforderungen an die Organisation der Religionsgemeinschaften Zunächst stellt sich die Frage, welche Anforderungen an die strukturelle und funktionale Organisation der Religionsgemeinschaft gestellt werden. Anders als der Begriff der Religionsgesellschaft legt der Begriff der Religionsgemeinschaft begrifflich keine Organisationsform nahe. Aus der Vorschrift selbst ergibt sich auch keine konkrete Organisationsform für eine Religionsgemeinschaft, die mit dem Staat kooperieren will. Andererseits spricht die Tatsache, dass im Rahmen des Religionsunterrichtes eine besonders enge Kooperation zwischen Staat und 208 Hildebrandt, Grundrecht (Fn. 165), S. 222, mit dem Hinweis darauf, dass insbesondere M. Heckel in der Literatur für diese Ansicht plädiert hat; Thiel (Fn. 180), Art. 7 Rn. 41. Anderer Ansicht ist W. Haugg, Der Religionsunterricht in den Schulen, 1953, S. 81, der bei keiner anderen Glaubensgemeinschaft die Voraussetzungen zur Erteilung von Religionsunterricht für gegeben ansieht. Er verkennt dabei allerdings, dass dies nicht dazu führen kann, dass der Begriff der Religionsgemeinschaften eingeschränkt wird, sondern vielmehr erst auf zweiter Ebene bei Überprüfung der genauen Voraussetzungen zu einem Ausschluss einer solchen Glaubensgemeinschaft führt. Ablehnend auch D. Deuschle, Kirche und Schule nach dem Grundgesetz – Das Schulkirchenrecht des Bundes, 1968, S. 129, der unter Religionsunterricht nur Unterricht über ein christliches Bekenntnis versteht. 209 Vgl. dazu Schmoeckel, Religionsunterricht (Fn. 181), S. 174 ff.
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Religionsgemeinschaft erforderlich ist, dafür, den Religionsgemeinschaften ein gewisses Maß an Organisation abzunötigen, um dem Staat einen zuverlässigen Partner zur Seite zu stellen. Dabei drängt sich die Frage auf, ob den Religionsgemeinschaften abverlangt werden kann, dass diese in der Form der Körperschaft des öffentlichen Rechts organisiert sind. Dieses sehr enge Verständnis des Begriffes der Religionsgemeinschaften im Sinne des Art. 7 Abs. 3 S. 2 GG wird teilweise in der Literatur gefordert210. Dies wird vor allem damit begründet, dass es im Rahmen des Religionsunterrichts zu einer „sensiblen Verknüpfung“ von Staat und Kirche komme und es daher erforderlich sei, dass beide Partner einen gewissen „status cooperationis“ aufwiesen211. Diese Kooperationsbereitschaft der Religionsgemeinschaften käme eben nur durch die Rechtsstellung der Körperschaft des öffentlichen Rechts zum Ausdruck. Diese Ansicht würde auch der Verbindung zu Art. 136 ff. WRV und der begrifflichen Verwandtschaft zur Religionsgesellschaft Rechnung tragen. Eine solche Verengung des Begriffs der Religionsgemeinschaften in Art. 7 Abs. 3 S. 2 GG wird allerdings zu Recht mehrheitlich abgelehnt212. Ein gewichtiges Argument gegen die Begrenzung auf Körperschaften des öffentlichen Rechts ist, dass es den Religionsgemeinschaften selbst überlassen bleiben muss, ob sie diesen Status beantragt oder nicht213. Andernfalls würde der Staat zu tief in die 210 Dieser einengenden Auffassung folgen Schmoeckel, Religionsunterricht (Fn. 181), S. 176 ff.; Korioth, Religionsunterricht (1997) (Fn. 204), S. 1046; C. Hillgruber, Der deutsche Kulturstaat und der muslimische Kulturimport, in: JZ 1999, S. 538 (546); ders., Staat und Religion, in: DVBl. 1999, S. 1155 (1176); S. Korioth, Islamischer Religionsunterricht und Art. 7 Abs. 3, in: W. Bock (Hrsg.), Islamischer Religionsunterricht?, 2006, S. 33 (47 f.), weist darauf hin, dass das Bundesverwaltungsgericht (NJW 2005, S. 2101 ff.) den Körperschaftsstatus zwar für nicht erforderlich hielte, im Ergebnis aber die Voraussetzungen verlangen würde, die erforderlich seien, um den Körperschaftsstatus zu erlangen. 211 Korioth, Religionsunterricht (1997) (Fn. 204), S. 1047; ders., Religionsunterricht (2006) (Fn. 210), S. 49, der seine Auffassung mit einem historischen Auszug untermauert. 212 BVerfGE 83, 341 (355 f.); 102, 370 (396); BVerwGE 99, 1 (3); 123, 49 (55); U. Häußler, Rahmenbedingungen und Gestaltungsmöglichkeiten für die Einrichtung islamischen Religionsunterrichts, in: ZAR 2000, S. 255 (263); H. M. Heimann, Grenzen islamischen Religionsunterrichts, in: NVwZ 2002, S. 935 (936); Boysen (Fn. 161), Art. 7 Rn. 83; Brosius-Gersdorf (Fn. 160), Art. 7 Abs. 91; Badura (Fn. 183), Art. 7 Rn. 88; Jarass (Fn. 164), Art. 7 Rn. 16; Robbers (Fn. 183), Art. 7 Abs. 3 Rn. 151. Dem schließen sich im Ergebnis zwar auch Link, Religionsunterricht (Fn. 166), S. 500, und Geis (Fn. 196), Art. 7 Rn. 60, an, fordern aber zumindest die Erlangung der bürgerlichrechtlichen Rechtsfähigkeit gem. Art. 140 GG i.V. m. Art. 137 Abs. 4 GG als Grundvoraussetzung für das Recht einer Religionsgemeinschaft, Religionsunterricht anzubieten. 213 So auch Link, Religionsunterricht (Fn. 166), S. 500. Dem treten verschiedene Stimmen in der Literatur entgegen, die zwar ein Vorliegen des Status als Körperschaft des öffentlichen Rechts ablehnen, aber fordern, dass zumindest die Voraussetzungen für die Verleihung dieses Status vorliegen müssen. So beispielsweise W. Loschelder, Der Islam und die religionsrechtliche Ordnung des Grundgesetzes, in: EssGespr. 20 (1986), S. 149 (171); S. Mückl, Staatskirchenrechtliche Regelungen zum Religionsunterricht, in:
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§ 3 Indienstnahme privater Akteure
Autonomie der Religionsgemeinschaften eingreifen, die möglicherweise aufgrund ihres Selbstverständnisses eine Verleihung des Körperschaftsstatus ablehnen. Durch eine Privilegierung der Gemeinschaften, die Körperschaften des öffentlichen Rechts sind, würde der Staat auch in bedenkenswerter Weise entgegen seiner Neutralitätspflicht handeln214. Er würde dabei Gefahr laufen, durch diese Verengung auf Körperschaften des öffentlichen Rechts eine Art „strukturelle Christianisierung“ vorzunehmen und dabei die unterschiedlichen organisatorischen Strukturen verschiedener Religionen außer Acht zu lassen215. Darüber hinaus spricht auch die Übereinstimmung der Begriffe Religionsgemeinschaft in Art. 7 Abs. 3 S. 2 GG und Religionsgesellschaft in Art. 137 WRV dafür, den Status als Körperschaft des öffentlichen Rechts als Voraussetzung abzulehnen. Der Begriff der Religionsgesellschaft in Art. 137 WRV legt nahe, dass damit lediglich ein „Zusammenschluss auf dem Boden der staatlichen Rechtsordnung gemeint ist“ 216. Dabei ist gewährleistet, dass sich die Religionsgemeinschaften in einer „irgendwie gearteten rechtlichen Existenz“ zusammenschließen können217. Aus diesem Grund ist eine Begrenzung der Religionsgemeinschaften in Art. 7 Abs. 3 S. 2 GG auf solche, die über den Status Körperschaft des öffentlichen Rechts verfügen, abzulehnen. Vielmehr ist es ausreichend, dass ein Verband, der Religionsunterricht anbieten will, ein „Minimum an Organisation“ aufweist218. Nur so kann dem Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften und dem grundrechtlichen Charakter von Art. 7 Abs. 3 S. 2 GG ausreichend Rechnung getragen werden. Dabei muss allerdings erstens sichergestellt sein, dass die Religionsgemeinschaft derart organisiert ist, dass sie einen „handlungsund entscheidungsfähigen Ansprechpartner“ für den Staat darstellt219, und zwei-
AöR 122 (1997), S. 513 (552). Eine solche Ansicht verhindert zwar, dass eine autonome Entscheidung der Religionsgemeinschaft untergraben wird, verengt den Begriff der Religionsgemeinschaften in Art. 7 Abs. 3 S. 2 GG aber dennoch auf die gleiche Weise und ist daher ebenfalls abzulehnen. 214 Zutreffend Robbers (Fn. 183), Art. 7 Abs. 3 Rn. 151. 215 Dazu sehr erhellend R. Poscher, Totalität – Homogenität – Zentralität – Konsistenz. Zum verfassungsrechtlichen Begriff der Religionsgemeinschaft, in: Der Staat 39 (2000), S. 49 (51). 216 So BVerfGE 83, 341 (355); BVerwGE 123, 49 (55). 217 BVerfGE 83, 341 (355); BVerwGE 123, 49 (55). 218 BVerwGE 123, 49 (55); J. Jurina, Die Religionsgemeinschaften mit privatrechtlichem Rechtsstatus, in: HdbStKirchR2 I, § 23, S. 689 (690); C. Langenfeld, Integration und kulturelle Identität zugewanderter Minderheiten, 2001, S. 581; v. Campenhausen/ de Wall, Staatskirchenrecht (Fn. 182), S. 116; M. Dietrich, Islamischer Religionsunterricht, 2006, S. 200 f.; J. J. Nolte, Islamische Theologie an deutschen Hochschulen?, in: DÖV 2008, S. 129 (134); W. Hennig, Muslimische Religionsgemeinschaften im Religionsverfassungsrecht, 2010, S. 91; Brosius-Gersdorf (Fn. 160), Art. 7 Rn. 91; Robbers (Fn. 183), Art. 7 Abs. 3 Rn. 150. 219 Wittreck, Gutachten (Fn. 204), S. 33.
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tens zweifelsfrei erkennen lässt, wer Mitglied der Gemeinschaft ist220. Die Beurteilung, welche Religionsgemeinschaft als Partner des Staates im Rahmen des Religionsunterrichtes in Betracht kommt, kann in der Folge nicht ausschließlich anhand der Organisationsform stattfinden, sondern muss anhand weitergehender Kriterien stattfinden. (2) Relevanz der Religionsgemeinschaften Ein Merkmal, welches sich an erster Stelle anbietet, um die Kooperationsfähigkeit einer Religionsgemeinschaft zu beurteilen, ist ihre Bedeutung. Dem Staat ist es nicht möglich, mit allen Religionsgemeinschaften in Kooperation zu treten, um Religionsunterricht anzubieten. Dies würde den Staat und seine Ressourcen überfordern. Dementsprechend muss eine Möglichkeit gefunden werden, die Relevanz einer Religionsgemeinschaft beurteilen zu können. Eine inhaltliche Bewertung der Religionsgemeinschaften scheidet dabei aber aus. Eine solche wäre mit der religiösen Neutralität des Staates nicht vereinbar. Auch die soziale Relevanz einer Gemeinschaft stellt kein taugliches Abgrenzungskriterium dar221. Eine Möglichkeit scheint Art. 137 Abs. 5 S. 2 WRV zu bieten, der die Anerkennung von Religionsgesellschaften als Körperschaft des öffentlichen Rechts regelt. Das Bundesverwaltungsgericht sieht keine Anhaltspunkte dafür, Art. 7 Abs. 3 S. 2 GG anders zu verstehen als Art. 137 Abs. 5 S. 2 WRV222. Dementsprechend könnte man als Kriterium für die Relevanz einer Religionsgemeinschaft die „Gewähr der Dauer“ aus Art. 137 Abs. 5 S. 2 GG übernehmen223. Problematisch erscheint an der Übertragung dieser Voraussetzung allerdings, dass die Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechtes die Bedeutung der Kirchen für die Gesellschaft insgesamt anerkennt und damit ein ganzes Bündel an Vorteilen für die Religionsgemeinschaften einher geht224. Im Rahmen von 220 Heimann, Grenzen (Fn. 212), S. 936, der dies richtigerweise für erforderlich hält, damit der Staat bzw. die Schulverwaltung erkennen kann, welcher Schüler zur Teilnahme am Unterricht verpflichtet ist. 221 v. Campenhausen/Unruh (Fn. 206), Art. 137 WRV Rn. 20. 222 BVerwGE 123, 49 (54), dem stünde auch nicht entgegen, dass Art. 7 Abs. 3 GG von einer Pflicht des Staates und nicht von einem Anspruch der Religionsgemeinschaften ausgeht. 223 Jurina, Religionsgemeinschaften (Fn. 218), S. 690; Hennig, Gemeinschaften (Fn. 218), S. 101 ff.; Jarass (Fn. 164), Art. 7 Rn. 16; Robbers (Fn. 183), Art. 7 Abs. 3 Rn. 151. Kritisch Wittreck, Gutachten (Fn. 204), S. 34. Zum Kriterium der „Gewähr der Dauer“ und zur Kritik daran vgl. auch S. Muckel, Die Verleihung der Körperschaftsrechte an Religionsgemeinschaften in Deutschland unter besonderer Berücksichtigung des Erfordernisses der Gewähr der Dauer durch „die Zahl ihrer Mitglieder“, in: W. Rees/ M. Roca/B. Schanda (Hrsg.), Neuere Entwicklungen im Religionsrecht europäischer Staaten, 2013, S. 435 ff. 224 A. Hollerbach, Die Kirchen als Körperschaften des öffentlichen Rechts, in: EssGespr. 1 (1969), S. 46 (54), spricht davon, dass die Kirchen „maßgebende Faktoren
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Art. 7 Abs. 3 S. 2 GG geht es aber im Gegensatz dazu zunächst einmal nur darum, einen verlässlichen Partner für die inhaltliche Ausrichtung von Religionsunterricht zu finden. Insofern ist vielmehr eine Abstufung im Rahmen der Beurteilung der Relevanz angezeigt. Ausreichend muss im Rahmen von Art. 7 Abs. 3 S. 2 GG sein, dass die Religionsgemeinschaft nachvollziehbar von Dauer sein wird, ohne die Gewähr dafür bieten zu können225. Dies erscheint angemessen, da sich die Kooperation in diesem Fall lediglich auf einen Teilbereich bezieht und nicht dermaßen umfassend ist, wie bei Anerkennung des Körperschaftsstatus. Darüber hinaus wird dem Kriterium einer „Gewähr der Dauer“ ein zeitliches Element beigemessen, welches gerade für jüngere Religionsgemeinschaften nur schwerlich zu erfüllen sein dürfte und diese damit benachteiligt226. Daneben bietet sich im Rahmen des Religionsunterrichts an, eine Relevanzkontrolle anhand von Schwellenwerten in Bezug auf die Mitgliederzahl der jeweiligen Religionsgemeinschaft vorzunehmen227. Eine solche Grenzziehung ist in der Verfassung zwar nicht ausdrücklich angelegt, aufgrund der Realisierbarkeit – abgesehen von vollkommen willkürlichen Grenzen – aber zu rechtfertigen. Dabei bietet es sich an, die im Schulgesetz gezogenen Grenzen als Vergleichswert heranzuziehen. So legen beispielsweise §§ 26 Abs. 7, 31 Abs. 1 SchulG NW fest, dass bei mindestens zwölf Schülerinnen und Schülern ein Religionsunterricht einzurichten ist. § 27 Abs. 1 i.V. m. § 82 SchulG NW legen fest, ab welcher Schwelle Bekenntnisschulen einzurichten sind. Diese Grenzwerte können für die Beurteilung der Relevanz einer Religionsgemeinschaft fruchtbar gemacht werden. (3) Natürliche Personen als Mitglieder Von einer (Religions-)Gemeinschaft kann nur dann gesprochen werden, wenn eine Verbindung mehrerer Personen vorliegt228. In der Rechtsprechung und in der Literatur ist darüber hinaus anerkannt, dass eine Religionsgemeinschaft im Kern oder Potenzen des Öffentlichen“ sind. Ebenso ders., Grundlagen des Staatskirchenrechts, in: HStR VI, § 138 Rn. 129. Im Anschluss daran auch v. Campenhausen/Unruh (Fn. 206), Art. 137 WRV Rn. 200. 225 So auch Wittreck, Gutachten (Fn. 204), S. 34, der davon spricht, dass die Vereinigung „plausiblerweise von Dauer“ sein muss. Korioth, Religionsunterricht (1997) (Fn. 204), S. 1046, spricht von „Beständigkeit und Organisiertheit“ in Bezug auf die Religionsgemeinschaften. 226 Vgl. Ennuschat (Fn. 171), Art. 22 Rn. 27, der davon spricht, dass die „Gewähr der Dauer“ ein die Zukunft betreffendes Kriterium darstelle und aus diesem Grund als „Prognosegrundlage“ ein längerer Zeitraum des Bestehens erforderlich sei. Einen solchen „Zeitraum des Bestehens“ verlangt auch P. Kirchhof, Die Kirchen als Körperschaften des öffentlichen Rechts, in: HdbStKirchR2 I, § 22, S. 651 (685) m.w. N. in Fn. 173. 227 Dazu auch Ennuschat (Fn. 171), Art. 22 Rn. 28; Wittreck, Gutachten (Fn. 204), S. 34. 228 Anger, Islam (Fn. 159), S. 358.
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aus natürlichen Personen bestehen muss229. Eine solche Deutung des Begriffs würde aber dann zu Problemen führen, wenn sich mehrere juristische Personen (Vereine, Verbände) zu einem Dachverband zusammenschließen. Der Dachverband bestünde in diesem Fall nicht in einem Zusammenschluss natürlicher, sondern juristischer Personen. Dies könne einer Anerkennung als Religionsgemeinschaft im Sinne von Art. 7 Abs. 3 S. 2 GG widersprechen230. Dies würde aber bei religiösen Gruppen – namentlich vor allem muslimischen Gruppen231 – die eine Struktur ähnlich der Großkirchen nicht kennen, dazu führen, dass es diesen verwehrt bliebe, Religionsunterricht anzubieten. Dadurch droht die Gefahr, dass den Religionsgemeinschaften eine bestimmte Organisationsform aufgedrängt wird und es dadurch zu einer Kollision mit deren Rechten aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG kommt232. Dementsprechend müssen auch Dachverbände – also Zusammenschlüsse verschiedener juristischer Personen – grundsätzlich als Religionsgemeinschaft im Sinne von Art. 7 Abs. 3 S. 2 GG in Betracht kommen233. Das erforderliche „personale Substrat“ bilden in diesem Fall mittelbar die natürlichen Personen, die Mitglieder der unter dem Dachverband versammelten Vereine oder Verbände sind234. Dabei ist allerdings darauf zu achten, dass der Dachver229 BVerwGE 61, 152 (154); 123, 49 (58 f.); aus der Literatur bspw. A. v. Campenhausen, Neue Religionen im Abendland, in: ZevKR 25 (1980), S. 135 (150); H. Weber, Die Verleihung der Körperschaftsrechte an Religionsgemeinschaften, in: ZevKR 34 (1989), S. 337 (347); K. D. Bayer, Das Grundrecht der Religions- und Gewissensfreiheit, 1997, S. 183 f.; Mehlhausen, Religionsgesellschaften (Fn. 203), S. 625; J. Winter, Scientology und neue Religionsgemeinschaften, in: ZevKR 42 (1997), S. 372 (377); S. Muckel, Islamischer Religionsunterricht und Islamkunde an öffentlichen Schulen in Deutschland, in: JZ 2001, S. 58 (60); Anger, Islam (Fn. 159), S. 358; Hennig, Gemeinschaften (Fn. 218), S. 91; H. de Wall, Der Begriff der Religionsgemeinschaften im Deutschen Religionsverfassungsrecht – aktuelle Probleme, in: Rees/Roca/Schanda, Entwicklungen (Fn. 223), S. 789 (792); D. Ehlers, in: Sachs, GG (Fn. 22), Art. 140 Rn. 6. 230 So bspw. OVG NW NVwZ-RR 2004, 492 (494); S. Muckel, Muslimische Gemeinschaften als Körperschaften des öffentlichen Rechts, in: DÖV 1995, S. 311 (312); Hillgruber, Kulturstaat (Fn. 210), S. 545; R. Tillmanns, Islamischer Religionsunterricht in Berlin, in: RdJB 1999, S. 471 (476); Muckel, Religionsunterricht (Fn. 229), S. 60; T. Günther, Zur Zulässigkeit der Errichtung privater Volksschulen als Bekenntnisschulen religiös-ethnischer Minderheiten, 2006, S. 172 ff. 231 Erhellend U. Steinbach, Der Islam – Religion ohne Kirche, in: H. Abromeit/ G. Wewer (Hrsg.), Die Kirchen und die Politik, 1989, S. 109 ff. Dazu auch V. Wick, Die Trennung von Staat und Kirche, 2007, S. 178. 232 Dazu Wittreck, Gutachten (Fn. 204), S. 35. 233 So auch BVerwGE 123, 49 ff.; Poscher, Totalität (Fn. 215), S. 62; Brosius-Gersdorf (Fn. 160), Art. 7 Rn. 92; de Wall, Begriff (Fn. 229), S. 795; Ehlers (Fn. 229), Art. 140 Rn. 6. Einen Überblick über die Anforderungen, die an einen solchen Dachverband zu stellen sind, verschafft Wittreck, Gutachten (Fn. 204), S. 17. 234 So zurecht BVerwGE 123, 49 (57); S. Muckel, Schutz von Religion und Weltanschauung, in: HGR IV, § 96 Rn. 45; M. Germann, in: V. Epping/C. Hillgruber, GG, 2. Aufl. 2013, Art. 140 GG (137 WRV) Rn. 26.1; Brosius-Gersdorf (Fn. 160), Art. 7 Rn. 92. Ausführlich zum personalen Substrat von Religionsgemeinschaften im Falle einer Dachverbandsstruktur auch H. de Wall, Rechtsgutachten über die Eigenschaft von
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band wesentliche Aufgaben selbst wahrnimmt und nicht bloß als Koordinator der angeschlossenen Vereine auftritt. Erforderlich ist dem Grunde nach vor allem, dass das personale Substrat der Religionsgemeinschaft eine bestimmte Mindestanzahl von Gläubigen aufweist, die das Glaubensbekenntnis und das religiöse Selbstverständnis der Gemeinschaft teilen, vor allem auch im Hinblick auf das bereits festgestellte Kriterium der Relevanz235. Das darf aber nicht bedeuten, dass eine Religionsgemeinschaft alle Angehörigen einer Religion vereinen muss236. Im Hinblick auf das religiöse Bekenntnis der Religionsgemeinschaft muss aber eine Homogenität im Sinne eines religiösen Konsenses zwischen den Mitgliedern bestehen237. Von Bedeutung ist – wie Wittreck zutreffend herausgearbeitet hat – im Hinblick auf die Kooperationsfähigkeit einer Religionsgemeinschaft vor allem, dass ein nachprüfbarer Zusammenhang zwischen den verbindlichen Entscheidungen der Religionsgemeinschaft und den Angehörigen als individuellen Grundrechtsträgern besteht238. Dabei ist aber unerheblich, ob dieser Zusammenhang unmittelbar oder mittelbar über Zwischeninstanzen innerhalb eines Dachverbandes hergestellt werden kann. Entscheidend ist vielmehr, dass der Zusammenhang für den Staat nachvollziehbar ist. (4) Religiösität des Aufgabenfeldes und „allseitige“ Aufgabenwahrnehmung? Zunächst muss der Zweck der Vereinigung, welche Religionsunterricht inhaltlich mitbestimmen möchte, religiös sein und darf nicht ausschließlich in ander„DITIB Landesverband Hamburg e. V.“, „SCHURA – Rat der Islamischen Gemeinschaften in Hamburg e. V.“ und „Verband der Islamischen Kulturzentren“ e. V. Köln als Religionsgemeinschaften und weitere Aspekte ihrer Eignung als Kooperationspartner der Freien und Hansestadt Hamburg in religionsrechtlichen Angelegenheiten, 2011, S. 9 ff. 235 So Wittreck, Gutachten (Fn. 204), S. 35. 236 BVerwGE 123, 49 (56); M. Rohe, Rechtliche Perspektiven eines islamischen Religionsunterrichts in Deutschland, in: ZRP 2000, S. 207 (209); H. M. Heimann, Alternative Organisationsformen islamischen Religionsunterrichts, in: DÖV 2003, S. 238 (243); Heckel, Unterricht (Fn. 159), S. 51. 237 Zu Grund und Reichweite der Homogenität vor allem Poscher, Totalität (Fn. 215), S. 60 ff. Dies geht auch schon aus der vom BVerwG verwendeten Definition hervor, die von „Angehörigen ein und desselben Glaubensbekenntnisses“ spricht. Heckel, Unterricht (Fn. 159), S. 51, fasst zutreffend zusammen: „Aber ihre Organisation muss eine Größe und Stärke der Mitgliedschaft, der regionalen Verbreitung, der inneren Homogenität und dauerhaften Konsistenz besitzen, welche die Zusammenarbeit mit der staatlichen Kultusverwaltung auf lange Zeiträume ermöglicht und den enormen Verwaltungs- und Finanzierungsaufwand rechtfertigt“. Auch hier ist der Zusammenhang mit dem Kriterium der Relevanz deutlich zu erkennen. 238 Wittreck, Gutachten (Fn. 204), S. 35. Poscher, Totalität (Fn. 215), S. 65 f., spricht in diesem Zusammenhang davon, dass zwischen der „religiösen Überzeugung und der Praxis ihrer Träger“ ein nachprüfbarer Zusammenhang bestehen müsse und bezeichnet diesen als „Konsistenz“.
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weitiger Motivation bestehen239. Dabei muss zwar das Selbstverständnis der Religionsgemeinschaften berücksichtigt werden, dies alleine aber „reicht nicht aus; vielmehr muss es sich auch tatsächlich, nach geistigem Gehalt und äußeren Erscheinungsbild, um eine Religionsgemeinschaft handeln.“ 240 Würde man ausschließlich auf das Selbstverständnis der Religionsgemeinschaften abstellen, drohe laut Poscher die „Preisgabe des Staatskirchenrechts an die Beliebigkeit.“ 241 So dürfe es nicht dazu kommen, dass „wirtschaftliche, politische, nationale oder andere Interessengruppen sich durch eine religiöse Selbstdefinition in den Status einer Religionsgemeinschaft erheben könnten“ 242. Die Tatsache, dass eine Vereinigung neben ihrer religiösen Tätigkeit auch noch beispielsweise wirtschaftlich tätig ist, spricht andererseits aber auch nicht zwangsläufig gegen ihre Einordnung als Religionsgemeinschaft im Sinne des Art. 7 Abs. 3 S. 2 GG243. Wittreck merkt dazu zutreffend an, dass bei Religionsgemeinschaften, deren Mitglieder einen Migrationshintergrund aufweisen, oftmals „kulturelle bzw. auf die Pflege der Kontakte mit dem Herkunftskontext zielende Tätigkeiten“ im Mittelpunkt stehen244. In einem solchen Fall ist vielmehr abzuwägen, welche Tätigkeit den Hauptzweck der Vereinigung ausmacht. Dabei könnte man diese Abwägung rein quantitativ vornehmen und den Status als Religionsgemeinschaft dann ablehnen, wenn die nicht religiösen Interessen der Gemeinschaft überwiegen245. Dieses Kriterium ist nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes allerdings nicht geeignet, um eine Abgrenzung vorzuneh-
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BVerfGE 83, 341 (355); BVerwGE 123, 49 (55). So BVerwGE 123, 49 (54). 241 Poscher, Totalität (Fn. 215), S. 51. Zur Gefahr, dass das staatliche Recht in diesem Falle seinen Regelungsanspruch aufgeben würde, auch K.-H. Kästner, Das Grundrecht auf Religions- und Weltanschauungsfreiheit in der neueren höchstrichterlichen Rechtsprechung, in: AöR 123 (1998), S. 408 (409). 242 Poscher, Totalität (Fn. 215), S. 51. Dazu auch A. v. Campenhausen, Religionsfreiheit, in: HStR3 VII, § 157 Rn. 97, mit weiteren Nachweisen. 243 BVerwGE 37, 344 (362); 90, 112 (118); R. B. Abel, Verfassungsrechtliche Aspekte, in: P. A. Engstfeld u. a. (Hrsg.), Juristische Probleme im Zusammenhang mit den sogenannten neuen Jugendreligionen, 1981, S. 34 (39); Poscher, Totalität (Fn. 215), S. 62; S. Korioth, Freiheit der Kirchen und Religionsgemeinschaften, in: HGR IV, § 97 Rn. 17; Wittreck, Gutachten (Fn. 204), S. 34. 244 Wittreck, Gutachten (Fn. 204), S. 34. 245 So beispielsweise J. Müller-Volbehr, Das Geistlichenprivileg im Wehrrecht – BVerwG, NJW 1981, 1460, in: JuS 1981, S. 728 (730); ders., Neue Minderheitenreligionen – aktuelle verfassungsrechtliche Probleme, in: JZ 1981, S. 41 (44); ders., Die sogenannten Jugendreligionen und die Grenzen der Religionsfreiheit, in: EssGespr. 19 (1985), S. 111 (120); N. Janz/S. Rademacher, Islam und Religionsfreiheit, in: NVwZ 1999, S. 706 (708); v. Campenhausen (Fn. 242), § 157 Rn. 97; im Ergebnis auch G. Thüsing, Ist Scientology eine Religionsgemeinschaft?, in: ZevKR 45 (2000), S. 592 (620). Kritisch dazu T. Starosta, Religionsgemeinschaften und wirtschaftliche Betätigung, 1986, S. 45. 240
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men246. Poscher schlägt daher die Unterscheidung „Zentrum – Peripherie“ zur Abgrenzung vor247. Die Erfüllung der religiösen Aufgaben müsse bei einer Religionsgemeinschaft im Zentrum stehen und dürfe daher keine bloße Randerscheinung bleiben248. Eine Abgrenzung nach diesem Begriffspaar ist einer solchen nach dem Kriterium der „überwiegenden Tätigkeit“ vorzuziehen. Würde man lediglich darauf abstellen, welche Tätigkeiten der Verein überwiegend ausübt, könnte es zu dem misslichen Ergebnis kommen, dass eine Vereinigung, die sich zwar im Kern um ihre religiöse Aktivität kümmert, aber rein quantitativ mehr andere Interessen verfolgt, aus diesem Grund nicht als Religionsgemeinschaft im Sinne des Art. 7 Abs. 3 S. 2 GG anerkannt wird. Das Bundesverwaltungsgericht hat aber unmissverständlich zu erkennen gegeben, dass eine solche Abgrenzung zu einer Gegenüberstellung von „echten“ und „unechten“ Religionsgemeinschaften führen würde249. Zentral für eine Religionsgemeinschaft muss daher in Ansehung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes die „allseitige Erfüllung der durch das gemeinsame Bekenntnis gestellten Aufgaben“ sein250. Diese Allseitigkeit der Wahrnehmung religiöser Aufgaben durch Religionsgemeinschaften grenzt diese gleichzeitig von den religiösen Vereinen im Sinne von Art. 124 Abs. 1 WRV ab251. Diese verfolgen in der Regel nur einen einzelnen religiösen Zweck252. Ab wann in diesem Zusammenhang von einer allseitigen Aufgabenwahrnehmung ge246 BVerwGE 90, 112 (116 ff.). Dieser überzeugenden Ansicht ist auch T. Fleischer, Der Religionsbegriff des Grundgesetzes, 1989, S. 148 ff. Siehe zu dieser Argumentation auch Poscher, Totalität (Fn. 215), S. 63. 247 Poscher, Totalität (Fn. 215), S. 63, der sich bei der Unterscheidung von Zentrum und Peripherie auf Niklas Luhmann bezieht. N. Luhmann, Das Recht der Gesellschaft, 6. Aufl. 2013, S. 320 ff., nutzt die Abgrenzung von Zentrum und Peripherie, um damit das Rechtssystem zu beschreiben. Dabei beschreibt er die Peripherie als „Kontaktzone zu anderen Funktionssystemen der Gesellschaft“. Dies lässt sich auf das vorliegende Problem insofern übertragen, als dass die religiöse Betätigung das Zentrum bildet, während die Tätigkeiten der Religionsgemeinschaften in anderen gesellschaftlichen Bereichen der Peripherie angehören. 248 Unter Hinweis auf BVerwGE 61, 152 (156). Poscher, Totalität (Fn. 215), S. 62 ff., spricht dementsprechend in diesem Zusammenhang vom Merkmal der Zentralität und bezeichnet die Religionspflege als „Fluchtpunkt“ der Religionsgemeinschaften. Dem schließt sich Anger, Islam (Fn. 159), S. 363 an. 249 BVerwGE 37, 344 (362 ff.); 90, 112 (117 f.). 250 BVerwGE 123, 49, (54); Poscher, Totalität (Fn. 215), S. 63. Anger, Islam (Fn. 159), S. 362 f., stellt ebenfalls fest, dass Allseitigkeit und Zentralität der religiösen Aufgaben unmittelbar zusammenhängen. 251 BVerwGE 123, 49 (56). Die Unterscheidung von Religionsgemeinschaften (bzw. Religionsgesellschaften) und religiösen Vereinen ergibt sich aus Art. 138 Abs. 2 WRV. 252 BVerfGE 24, 236 (246 f.); BVerwGE 123, 49 (61); Anschütz, Verfassung (Fn. 203), Art. 137 WRV Anm. 2 Fn. 3 (S. 633); S. Muckel, Kirchliche Vereine in der staatlichen Rechtsordnung (§ 29), in: HdbStKirchR2 I, S. 827 (828); Anger, Islam (Fn. 159), S. 362; Germann (Fn. 234), Art. 140 (137 WRV) Rn. 27; D. Ehlers, in: Sachs, GG (Fn. 22), Art. 140 (138 WRV) Rn. 8.
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sprochen werden kann, ist auf den ersten Blick nicht ersichtlich. Sicherlich kann nicht verlangt werden, dass für eine Anerkennung als Religionsgemeinschaft alle religiösen Aufgaben eines Glaubensbekenntnisses wahrgenommen werden müssen. Dies würde kleine Religionsgemeinschaften im Vergleich zu den Großkirchen unangemessen benachteiligen253. Der Kanon an religiösen Aufgaben einer Religionsgemeinschaft muss aber, um dem Kriterium der „Allseitigkeit“ gerecht zu werden, zumindest eine gewisse Mehrdimensionalität aufweisen254. (5) Fähigkeit zur Festlegung verbindlicher Unterrichtsinhalte Der Religionsunterricht wird gemäß Art. 7 Abs. 3 S. 2 GG „in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften erteilt.“ Von grundlegender Bedeutung für die kooperative Ausrichtung von Religionsunterricht durch Staat und Religionsgemeinschaften ist daher, dass die betreffende Religionsgemeinschaft in der Lage ist, die Inhalte bzw. Grundsätze, die im Unterricht vermittelt werden sollen, verbindlich festzulegen255. Kann seine solche Verbindlichkeit der Inhalte nicht gewährleistet werden, kann der Staat den Religionsunterricht nicht einrichten, da er selbst aufgrund seiner Neutralität nicht in der Lage ist, Inhalte festzulegen. Diese Voraussetzung ist dementsprechend eng verbunden mit der Organisation der Religionsgemeinschaft in seiner Gesamtheit. Diese muss so ausgestaltet sein, dass eine Instanz als Ansprechpartner für den Staat vorhanden ist, die zur Festlegung der Grundsätze berechtigt ist256. Diese Möglichkeit zur Festlegung verbindlicher Grundsätze ist sowohl in personeller als auch in inhaltlicher Hinsicht relevant257. In sachlicher Hinsicht muss die Religionsgemeinschaft also den Inhalt ihres Glaubens festlegen und die Frage beantworten können, wie diese Inhalte im Unterricht vermittelt werden sollen. In personeller Hinsicht muss aber auch festgelegt werden, welche Lehrpersonen befähigt werden, die Glaubensinhalte im Unterricht zu vermitteln. Es muss dement253 Ausführlich zur rechtlichen Stellung kleinerer Religionsgemeinschaften auch in Bezug auf Religionsunterricht J. Lehmann, Die kleinen Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts im heutigen Staatskirchenrecht, 1959, S. 1 ff., 119 ff. 254 Zutreffend Wittreck, Gutachten (Fn. 204), S. 34. Auch Anger, Islam (Fn. 159), S. 363 spricht davon, dass die religiösen Bedürfnisse von einer Religionsgemeinschaft „weitgehend umsorgt werden“ müssten. 255 BVerwGE 123, 49 (72); Link, Religionsunterricht (Fn. 166), S. 501; S. Muckel/ R. Tillmanns, Die religionsverfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen für den Islam, in: S. Muckel (Hrsg.), Der Islam im öffentlichen Recht des säkularen Verfassungsstaates, 2008, S. 234 (268); Korioth (Fn. 243), § 97 Rn. 70; Loschelder (Fn. 179), § 110 Rn. 59; Muckel (Fn. 234), §96 Rn. 45; Brosius-Gersdorf (Fn. 160), Art. 7 Rn. 91. Zur Frage, inwieweit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften materielle Grenzen gesetzt sind, Heimann, Grenzen (Fn. 212), S. 937 ff. 256 Link, Religionsunterricht (Fn. 166), S. 496, beispielhaft für kirchliche Instanzen; Korioth (Fn. 243), § 97 Rn. 70; Brosius-Gersdorf (Fn. 160), Art. 7 Rn. 91. 257 Vgl. zum Folgenden Wittreck, Gutachten (Fn. 204), S. 36.
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sprechend ein Verfahren zur Bevollmächtigung bestehen, durch welches die Religionsgemeinschaft diesen Personen die Lehrbefähigung erteilt258. (6) Staatsfreiheit als Ausdruck staatlicher Neutralität Das Erfordernis der Staatsfreiheit als Voraussetzung für die Anerkennung einer Religionsgemeinschaft im Sinne des Art. 7 Abs. 3 S. 2 GG ergibt sich unmittelbar aus dem Grundsatz staatlicher Neutralität. Dies führt dazu, dass nur solche Religionsgemeinschaften als Kooperationspartner in Betracht kommen, die unabhängig von jeglicher Form staatlichen Einflusses handeln259. Dies steht auch nicht im Widerspruch dazu, dass der Staat im Rahmen seines Aufsichtsrechts unter Umständen eingreift260. (7) Loyalität gegenüber dem Staat und der Verfassung als ungeschriebene Voraussetzung? Neben den bisher festgestellten Anforderungen an Religionsgemeinschaften, welche die Organisation und inhaltlich-religiöse Ausrichtung betreffen, stellt sich die Frage, inwieweit eine Religionsgemeinschaft Loyalität gegenüber dem Staat aufweisen muss, um als Kooperationspartner satisfaktionsfähig zu sein. Diese Frage wurde und wird vor allem im Zusammenhang mit den islamischen Religionsgemeinschaften diskutiert, die in Betracht kommen, einen islamischen Religionsunterricht zu initiieren. Wittreck stellt zunächst fest, dass es auf den ersten Blick evident erscheine, dass sich das transzendente Sinnzentrum einer Religionsgemeinschaft vom Sinnzentrum des säkularen Verfassungsstaates unterscheiden müsse, was aber nicht zwangsläufig im Sinne eines Widersprechens zu verstehen sei261. Ein solcher Widerspruch kann also nicht zwingend dazu führen, dass von einer mangelnden staatlichen Loyalität einer Religionsgemeinschaft – sofern eine solche überhaupt 258 Bspw. die „missio canonica“ bei der katholischen Kirche oder die „vocatio“ bei der evangelischen Kirche. Vgl. dazu auch Link, Religionsunterricht (Fn. 166), S. 491 ff. Dazu bereits oben unter § 3 C. I. 1. b) (S. 126 ff.). 259 Dies gilt in erster Linie für eine Einflussnahme durch den deutschen Staat auf inländische Religionsgemeinschaften. Zur problematischen Frage der Einflussnahme ausländischer Staaten auf in Deutschland tätige Religionsgemeinschaften – bspw. die muslimische Vereinigung DITIB, die unter Einfluss des türkischen Staates steht – siehe Wittreck, Gutachten (Fn. 204), S. 37 ff. Zu diesem Problem auch S. Muckel, Handelt es sich bei dem DITIB-Landesverband Niedersachsen-Bremen e. V. und der SCHURA Niedersachsen – Landesverband der Muslime e. V. um Religionsgemeinschaften i. S. des Art. 7 Abs. 3 GG und erfüllen die beiden Verbände die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Voraussetzungen, die an einen Kooperationspartner des Landes für die Erteilung von Religionsunterricht zu stellen sind? Rechtsgutachten, erstattet dem Kultusministerium des Landes Niedersachsen, 2015, S. 41 ff. 260 So auch Wittreck, Gutachten (Fn. 204), S. 37. 261 Wittreck, Gutachten (Fn. 204), S. 30.
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erforderlich ist – ausgegangen werden kann. Primär stellt sich somit die Frage, worauf eine mögliche Anforderung an die Loyalität von Religionsgemeinschaften zu gründen ist und wie weit diese reicht. Aus dem Wortlaut von Art. 7 Abs. 3 S. 2 GG ergibt sich eine Einschränkung im Hinblick auf eine zu fordernde Loyalität nicht. Auch das Bundesverwaltungsgericht stellt zutreffend fest, dass der „verfassungsrechtliche Anspruch einer Religionsgemeinschaft [. . .] in Art. 7 Abs. 3 Sätze 1 und 2 GG schrankenlos gewährleistet“ ist262. Dies spräche dafür, keine besonderen Anforderungen an die Loyalität bzw. Treue von Religionsgemeinschaften zum Staat zu stellen. Dennoch wird in der Literatur – wie auch schon bei der Erlangung des Körperschaftsstatus – teilweise ein Mindestmaß an Loyalität gegenüber dem Staat von Religionsgemeinschaften, die Unterricht anbieten wollen, erwartet263. Dabei wird insbesondere auf die „Zeugen-Jehovas“-Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts Bezug genommen, welche sich mit dem Körperschaftsstatus der Zeugen Jehovas befasst und in welcher das Bundesverwaltungsgericht feststellt, dass für eine Zusammenarbeit ein gewisses Maß an Loyalität unerlässlich ist264. Einem solchen Erfordernisses besonderer Loyalität ist das Bundesverfassungsgericht in seiner anschließenden Entscheidung zum Körperschaftsstatus der Zeugen Jehovas entschieden entgegengetreten265. Zum einen sei eine solche Loyalität nicht erforderlich und mit den verfassungsrechtlichen Grundwerten nicht vereinbar, zum anderen sei der Begriff der „Loyalität“ zu unbestimmt, um die erforderliche Handhabe zu bieten. Loyalität zur Voraussetzung zu machen, ist darüber hinaus mit dem Anspruchscharakter von Art. 140 GG, Art. 137 Abs. 5 S. 2 WRV bzw. Art. 7 Abs. 3 S. 2 GG nicht vereinbar266. Eine besondere Loyalität von Religionsgemeinschaften zu verlangen, die in Kooperation mit dem Staat Religionsunterricht anbieten, ist dementsprechend richtigerweise zu verneinen. Das Bundesverwaltungsgericht greift aber – nachdem es festgestellt hat, dass der Anspruch aus Art. 7 Abs. 3 S. 2 GG schrankenlos gewährleistet ist – in der 262
BVerwGE 123, 49 (72 f.). Loschelder, Islam (Fn. 213), S. 171; Muckel, Religionsunterricht (Fn. 229), S. 62 f. Zur Frage der Loyalität von Religionsgemeinschaften bei der Erlangung des Körperschaftsstatus in verschiedensten Ausprägungen vgl. u. a. BVerwGE 105, 119 (126); R. B. Abel, Zeugen Jehovas keine Körperschaft des öffentlichen Rechts, in: NJW 1997, S. 2370 (2371 f.); G. Thüsing, Kirchenautonomie und Staatsloyalität, in: DÖV 1998, S. 25 (26 f.), der auch fragt, was zum Mindestmaß an Loyalität gegenüber dem Staat gehöre (S. 28); S. Muckel, Auf dem Weg zu einem grundrechtlich geprägten Staatskirchenrecht?, in: Stimmen der Zeit 219 (2001), S. 463 (477). 264 BVerwGE 105, 119 (126). 265 BVerfGE 102, 370 (395). 266 J. Müller-Volbehr, Rechtstreue und Staatsloyalität: Voraussetzungen für die Verleihung des Körperschaftsstatus an Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften, in: NJW 1997, S. 3358 (3359); S. Magen, Körperschaftsstatus und Religionsfreiheit, 2004, S. 147; Hennig, Gemeinschaften (Fn. 218), S. 115. 263
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Folge die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Körperschaftsstatus der Zeugen Jehovas in anderer Weise auf 267. Eine Religionsgemeinschaft, welche Religionsunterricht im Sinne von Art. 7 Abs. 3 S. 2 GG anbieten möchte, müsse die „Gewähr dafür bieten, dass ihr künftiges Verhalten die in Art. 79 Abs. 3 GG umschriebenen fundamentalen Verfassungsprinzipien, die dem staatlichen Schutz anvertrauten Grundrechte Dritter sowie die Grundprinzipien des freiheitlichen Religions- und Staatskirchenrechts des Grundgesetzes nicht gefährdet.“ 268 Das Bundesverwaltungsgericht verlangt also in Ansehung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Körperschaftsstatus von Religionsgemeinschaften Rechts- bzw. Verfassungstreue auch von den Religionsgemeinschaften, die Religionsunterricht anbieten möchten269. Auch in der Literatur hat diese Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts teilweise Anklang gefunden270. Anger merkt an, dass es nicht plausibel zu erklären sei, dass die ungeschriebene Voraussetzung der Verfassungstreue im Bereich des Religionsunterrichts nicht zulässig sein sollte. Er begründet dies damit, dass in diesem Bereich eine deutlich engere Kooperation zwischen Religionsgemeinschaften und Staat stattfinde, als bei der Verleihung des Körperschaftsstatus271. Diese Sichtweise verkennt allerdings, dass die Verleihung des Körperschaftsstatus ein ganzes Bündel an Vorteilen mit sich bringt, der dazu führt, dass die betreffende Religionsgemeinschaft als Körperschaft des öffentlichen Rechts eine größere Staatsnähe aufweist272. Im Bereich des Religionsunterrichts geht es hingegen nur um die punktuelle Kooperation in Bezug auf einen Bereich273. Es 267
BVerfGE 102, 370 (392); BVerwGE 123, 49 (73). BVerwGE 123, 49 (73). 269 Das Bundesverfassungsgericht spricht in seiner Entscheidung lediglich von „Rechtstreue“, BVerfGE 102, 370 (390). Das Bundesverwaltungsgericht spricht hingegen von „Verfassungstreue“, bezieht sich dabei im Folgenden aber auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, sodass die Verfassungstreue als besondere Form der Rechtstreue angesehen werden kann, vgl. BVerwGE 123, 49 (72). 270 H. M. Heimann, Materielle Anforderungen an Religionsgemeinschaften für die Erteilung schulischen Religionsunterrichts, in: A. Haratsch u. a. (Hrsg.), Religion und Weltanschauung im säkularen Staat, 2001, S. 81 ff.; Anger, Islam (Fn. 159), S. 378; R. Gröschner, in: H. Dreier (Hrsg.), GG I, 2. Aufl. 2004, Art. 7 Rn. 93. 271 Anger, Islam (Fn. 159), S. 378. 272 So Wittreck, Gutachten (Fn. 204), S. 24. Ausführlich zu Zweck und Verleihung des Körperschaftsstatus und zu den einzelnen Korporationsrechten v. Campenhausen/ Unruh (Fn. 206), Art. 137 WRV Rn. 197 ff., 218 ff. Übersichtlich zu den einzelnen Rechten die sich aus dem Körperschaftsstatus ergeben auch v. Campenhausen/de Wall, Staatskirchenrecht (Fn. 182), S. 251 ff. 273 Prägnant Wittreck, Gutachten (Fn. 204), S. 32: „Es geht bei der Mitwirkung am Religionsunterricht weder um die Ausübung übertragener Hoheitsrechte noch um das ,Handeln öffentlich-rechtlicher Gebilde‘, sondern lediglich um ein spezifisches inhaltliches Einwirkungsrecht auf hoheitliches Handeln, dass innerhalb einer staatlichen Institution durch staatliche Organwalter und unter staatlicher Aufsicht erfolgt.“ Wittreck spricht in diesem Zusammenhang von einer „Maxime des Mindestabstandes“. 268
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wäre daher verfehlt, die Voraussetzungen, die an die Erlangung des Körperschaftsstatus gestellt werden, unmittelbar auch auf die Ausrichtung von Religionsunterricht zu übertragen. Angezeigt ist vielmehr ein funktionales Verständnis des Begriffs Religionsgemeinschaft bzw. Religionsgesellschaft, welches dazu führt, dass – trotz Verwendung gleichen Wortlautes – ein unterschiedliches Verständnis in Bezug auf verschiedene Bereiche gilt274. Dementsprechend ist das Merkmal der Verfassungstreue auch nicht einfach von der Verleihung des Körperschaftsstatus auf den Bereich des Religionsunterrichts zu übertragen. Das bedeutet aber gleichzeitig nicht, dass eine solche Einschränkung verfassungsrechtlich unmöglich wäre275. Ein solche Voraussetzung ließe sich vielmehr zum Schutze anderer verfassungsrechtlicher Belange durch eine einfachgesetzliche Regelung rechtfertigen276. Im Ergebnis ist also entgegen der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine Übertragung des Kriteriums der Verfassungstreue – als ungeschriebenes Kriterium – auf den Bereich des Religionsunterrichts im Ergebnis abzulehnen. Es ist nicht erforderlich, Verfassungstreue von den Religionsgemeinschaften zu verlangen, die Religionsunterricht anbieten wollen. Ausreichend erscheint vielmehr, dass die Religionsgemeinschaften ein „Minimum allgemeiner bona fides gegenüber dem Staat“ aufweisen277. Viel wichtiger erscheinen Anforderungen an die inhaltliche Gestaltung des Unterrichts, die in Zusammenhang mit der Haltung einer Religionsgemeinschaft gegenüber dem Staat steht. Der Religionsunterricht muss im Ergebnis mit den staatlichen Bildungs- und Erziehungszielen übereinstimmen278.
274 Für ein funktionsbezogenes Verständnis des Begriffs der Religionsgemeinschaft auch S. Muckel, Wann ist eine Gemeinschaft Religionsgemeinschaft?, in: W. Rees (Hrsg.), Recht in Staat und Kirche. Joseph Listl zum 75. Geburtstag, 2004, S. 715 (722 f.); Wittreck, Gutachten (Fn. 204), S. 22 ff. Gegen eine funktionsdifferente Auslegung sprechen sich Pieroth/Görisch, Religionsgemeinschaft (Fn. 204), S. 940, aus. 275 Unabhängig von der Frage, auf welche Weise man das Kriterium der Verfassungstreue herleiten würde. Eine Herleitung könnte gegebenenfalls über die Bestimmungen der sog. Wehrhaften Demokratie (Art. 9 Abs. 2, 18, 21 Abs. 1, 98 Abs. 2 u. 5 GG) erfolgen, vgl. dazu Wittreck, Gutachten (Fn. 204), S. 31. Muckel, Religionsunterricht (Fn. 229), S. 62, leitet das Krierium der Rechtstreue bereits aus dem Rechtsstaatsprinzip ab. 276 Wittreck, Gutachten (Fn. 204), S. 40. Ähnlich zur Verleihung des Körperschaftsstatus M. Morlok/M. Heinig, Parität im Leistungsstaat – Körperschaftsstatus nur bei Staatsloyalität?, in: NVwZ 1999, S. 697 (705 f.). 277 So Boysen (Fn. 161), Art. 7 Rn. 86, die feststellt, dass die Frage der Verfassungstreue ohnehin „nicht sonderlich ergiebig“ ist. So auch Mückl, Regelungen (Fn. 213), S. 553. 278 F. Fechner, Islamischer Religionsunterricht an öffentlichen Schulen, in: NVwZ 1999, S. 735 (737); Muckel, Religionsunterricht (Fn. 229), S. 62; Wittreck, Gutachten (Fn. 204), S. 40. A. A. Boysen (Fn. 161), Art. 7 Rn. 86, die eine Orientierung an den staatlichen Bildungs- und Erziehungszielen für nicht erforderlich hält.
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cc) Zusammenfassung Im Ergebnis muss eine Religionsgemeinschaft also – obwohl ihr ein verfassungsrechtlicher Anspruch zusteht – zahlreiche (ungeschriebene) Voraussetzungen erfüllen, um in Kooperation mit dem Staat Religionsunterricht an öffentlichen Schulen anzubieten. Grundvoraussetzungen sind dabei, wie gesehen, ein „Minimum an Organisation“ und, dass letzten Endes – unabhängig von der Frage, ob es sich um einen Dachverband handelt – natürliche Personen die Basis der Religionsgemeinschaft bilden. Auch erscheint selbstverständlich, dass die Religionsgemeinschaft nicht mit dem deutschen Staat verknüpft ist, sondern staatsfrei agiert279. Dies ergibt sich schon aus der staatlichen Neutralität und der damit verbundenen Trennung von Staat und Kirche. Die Struktur der Religionsgemeinschaft muss vor allem dergestalt sein, dass diese in der Lage ist, verbindlich Inhalte für den Unterricht festzulegen, um so die Aufgabe, die der Staat aufgrund seiner Neutralität nicht erfüllen darf, wahrzunehmen. Daneben ist ein im Kern religiöses Aufgabenfeld entscheidend, in welchem die Religionsgemeinschaft – in Abgrenzung zu den religiösen Vereinen – ihre religiösen Aufgaben weitestgehend umfassend wahrnimmt. Um es dem Staat als „Unternehmer“ des Religionsunterrichts zu ermöglichen, den Anforderungen des Art. 7 Abs. 3 GG gerecht zu werden, muss von den Religionsgemeinschaften ein gewisses Maß an Relevanz verlangt werden. Dabei ist das vom Bundesverwaltungsgericht aus Art. 137 Abs. 5 S. 2 WRV herangezogene Kriterium der „Gewähr der Dauer“ allerdings insoweit zweifelhaft, als es aufgrund seines zeitlichen Charakters kleine Religionsgemeinschaften bzw. neuere Religionsgemeinschaften unangemessen benachteiligen würde. Vorzugswürdiger erscheint es, sich an den Mitgliedszahlen der Religionsgemeinschaft zu orientieren und daraus abzuleiten, dass eine gewisse Bestandsdauer der Gemeinschaft zu erwarten ist. Neben diesen – weitestgehend unstrittigen Voraussetzungen – fordern die Rechtsprechung und sich ihr anschließend Teile des Schrifttums von einer Religionsgemeinschaft, die Religionsunterricht anbieten möchte, dass diese Rechts- bzw. Verfassungstreue aufweist. Ein solches Kriterium ist zwar richtigerweise als ungeschriebene Voraussetzung abzulehnen, soll aber in der weiteren Untersuchung aufgrund der Tatsache, dass die Rechtsprechung es verlangt, berücksichtigt werden. Dies ist auch erforderlich, um möglicherweise bestehende Widersprüche bei der Indienstnahme privater Akteure durch den Staat aufzudecken.
279 Außer Betracht bleibt, wie bereits ausgeführt, in dieser Untersuchung die Frage, inwieweit Religionsgemeinschaften einen Bezug zu ausländischen Staaten aufweisen dürfen. Diese Frage ist für die vorliegende Arbeit zu weitgehend und bedarf einer eigenständigen Untersuchung.
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d) Art der Kooperation von Staat und Kirche im Rahmen des Religionsunterrichtes Abschließend ist herauszuarbeiten, um welche Form der Aufgabenübertragung es sich bei der Kooperation zwischen Staat und Religionsgemeinschafen im Rahmen des Religionsunterrichts handelt. Wie bei der Untersuchung des Inhalts der staatlichen Aufgabe Religionsunterricht bereits festgestellt, findet eine vollumfängliche materielle Aufgabenübertragung nicht statt. Sowohl dem Staat als auch den Religionsgemeinschaften kommen bei der Ausrichtung von Religionsunterricht eigene Aufgaben zu. Dabei bleibt der Staat aufgrund seines allgemeinen staatlichen Bildungsauftrages aber Veranstalter des Religionsunterrichts280. Art. 7 Abs. 3 GG ermöglicht den Religionsgemeinschaften allerdings, einen eigenen Bildungsauftrag in Bezug auf das religiöse Bekenntnis der Gemeinschaft innerhalb der Schule als staatlicher Institution wahrzunehmen281. Den Religionsgemeinschaften wird durch die Bestimmung des Art. 7 Abs. 3 GG also verfassungsrechtlich ein materielles Bestimmungsrecht übertragen. Dies ist aufgrund der staatlichen Neutralität und der daraus resultierenden Trennung von Staat und Kirche auch erforderlich, was dazu führt, dass eine Kooperation von Staat und Religionsgemeinschaften auf diesem Gebiet unumgänglich ist. Die Bezeichnung des Religionsunterrichts als „res mixta“ ist insoweit zutreffend, trägt zur genauen Bestimmung der Kooperationsform allerdings nicht viel bei282. Dadurch wird lediglich zum Ausdruck gebracht, dass es sich um einen Bereich handelt, in welchem Religionsgemeinschaften und Staat unweigerlich zusammenarbeiten müssen. Die (privaten) Gemeinschaften bekommen zwar die Aufgabe der inhaltlichen Gestaltung übertragen, diese ist für sich genommen allerdings nicht besonders gehaltvoll. So steht den Religionsgemeinschaften insbesondere kein vollumfängliches Aufsichtsrecht zu, um die Wahrung ihrer Grundsätze umfassend zu überprüfen. Außerdem sind sie auf die generelle Einrichtung des Religionsunterrichts durch den Staat angewiesen. Dementsprechend ist vorliegend von einer wechselseitigen Kooperation zu sprechen, bei welcher den Religionsgemeinschaften der inhaltliche Teilaspekt übertragen worden ist. Eine eindeutige Zuordnung zu einer der 280 Vgl. auch Link, Religionsunterricht (Fn. 166), S. 459; Hildebrandt, Grundrecht (Fn. 165), S. 78. 281 Hildebrandt, Grundrecht (Fn. 165), S. 78. 282 Kritisch zum Begriff der „res mixtae“ M. Morlok/M. H. Müller, Keine Theologie ohne die Kirche/keine Theologie gegen die Kirche?, in: JZ 1997, S. 549 (552): „Die Kategorie der res mixtae hat keinen dogmatischen Nutzen und erscheint überflüssig, zumal sie weder im Grundgesetz noch in anderen Gesetzen Erwähnung findet. Der Begriff trägt nichts zur Lösung der einschlägigen Fragen bei, er hat rein deskriptive Bedeutung für Angelegenheiten, in denen Staat und Kirche zwingend zusammenwirken müssen, so bei den theologischen Fakultäten oder dem konfessionellen Religionsunterricht (Art. 7 Abs. 3 S. 1 und 2 GG).“ Auch v. Campenhausen/de Wall, Staatskirchenrecht (Fn. 182), S. 196, bezeichnen den Begriff der gemeinsamen Angelegenheiten als „Hilfsbegriff“, aus welchem man keine Konsequenzen ableiten könne. So auch Hildebrandt, Grundrecht (Fn. 165), S. 79.
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einleitend dargestellten Formen der Aufgabenübertragung ist damit nicht gegeben283. 2. Die Kinder- und Jugendhilfe Ein anderer Teilbereich des Bildungswesens, der sich aufgrund seiner sachlichen und räumlichen Nähe als Vergleichsbereich zum Religionsunterricht anbietet, ist die Kinder- und Jugendhilfe. Deren Aufgabe ist es gemäß § 1 Abs. 1 und 3 SGB VIII, das Recht junger Menschen auf Förderung und Entwicklung einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu fördern und zu unterstützen. Diese Aufgabe kann in verschiedensten Einrichtungen wahrgenommen werden, beispielhaft sind dabei vor allem die Kindertageseinrichtungen bzw. die Kindertagespflege, die auch in der Aufmerksamkeit von übergeordneter Bedeutung sind, zu nennen. Dieser Bereich umfasst sowohl die Kindertagesbetreuung im Vorschulalter als auch die Nachmittagsbetreuung in offenen Ganztagsschulen und ist dementsprechend im unmittelbaren Umfeld der Schule – und damit auch dem Religionsunterricht – zu finden. Die Kinder- und Jugendhilfe hat für die Entwicklung von Kindern eine besondere Bedeutung und „ergänzt und unterstützt die Bildung und Erziehung in der Familie.“ 284 Aufgrund der hohen Nachfrage im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe und insbesondere an Plätzen in Kindertageseinrichtungen ist eine Gewährleistung der Aufgabenwahrnehmung alleine durch den Staat nicht mehr denkbar. Daher ist es unumgänglich, auch freie Träger und damit Akteure der Zivilgesellschaft in die Wahrnehmung der Aufgabe einzubinden285. So wäre ohne die Unterstützung durch freie Träger und Kirchen das „flächendeckende, qualitativ hochwertige und vielfältige Angebot zu Betreuung, Erziehung und Bildung von Kindern in Nordrhein-Westfalen nicht denkbar.“ 286 Dementsprechend soll in der Folge untersucht werden, auf welche Weise private Akteure im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe eingebunden und welche Voraussetzungen an diese im Rahmen der Kooperation gestellt werden. Berücksichtigung sollen dabei aufgrund des angesprochenen Zusammenhangs zur Schule vor allem die Kindertagesstätten finden. Aber auch innerhalb der Kinder- und Jugendhilfe sollen verschiedene Arten der 283
Siehe dazu unter § 2 B. III. (S. 56 ff.). So die Begründung des Landtages NRW, Drucks. 14/4410, S. 1. Näher ausführlich T. Rauschenbach/I. Züchner/M. Schilling, Die Bedeutung der Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland, in: J. Münder/R. Wiesner/T. Meysen (Hrsg.), Kinder- und Jugendhilferecht, Handbuch, 2. Aufl. 2011, Kap. 1.2. 285 C. Kern, in: W. Schellhorn u. a. (Hrsg.), SGB VIII, Kommentar, 5. Aufl. 2017, § 3 Rn. 1, spricht von einer „notwendigen Pluralität des Angebots in der Jugendhilfe“. 286 So aus der Begründung des Gesetzesentwurfs der Landesregierung zum Gesetz zur frühen Bildung und Förderung von Kindern (Kinderbildungsgesetz – KiBiz) zu den Zielen des Gesetzes, Landtag NRW Drs. 14/4410, S. 37. Kern (Fn. 285), § 3 Rn. 10, spricht davon, dass ohne die Angebote der freien Träger der Jugendhilfe ebendiese zusammenbrechen würde. 284
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Kooperation mit privaten Trägern beleuchtet und sich gegebenenfalls ergebende Widersprüche aufgedeckt werden. Aus Gründen der Übersichtlichkeit sollen aber auch in diesem Bereich zuerst die relevanten Rechtsgrundlagen für die spätere Untersuchung dargestellt werden. a) Begriffe und Grundlagen der Kinder und Jugendhilfe Die Grundlage für den vorliegenden Themenkomplex bildet zunächst das Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG), welches im SGB VIII verankert ist. Dieses Gesetz ist Umsetzung der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz aus Art. 72, 74 Abs. 1 Nr. 7 und Art. 84 Abs. 1 GG287. Daraus ergibt sich das Recht des Bundesgesetzgebers aufgrund seiner Bedarfskompetenz aus Art. 72 Abs. 2 GG, die Angelegenheiten der öffentlichen Fürsorge selbst zu regeln288. Die Leistungen und anderen Aufgaben der Jugendhilfe ergeben sich aus den Katalogen in § 2 Abs. 2 und 3 SGB VIII. Dabei sind gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 3 SGB VIII auch Angebote zur Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen und in Tagespflege umfasst289. Der Bereich der Kinderbetreuung in Tageseinrichtungen ist also nicht dem Schulwesen zuzuordnen, für den die primäre Zuständigkeit bei den Ländern läge, sondern stellt einen eigenständigen Zuständigkeitsbereich dar290. Dennoch ist auch diese Aufgabe dem Bereich von Erziehung, Bildung und Betreuung und damit dem Bildungswesen im Allgemeinen zuzuordnen291. Bevor die Frage untersucht werden kann, auf welche Weise und unter welchen Voraussetzungen private Akteure im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe konkret tätig werden, sollen aber zunächst der Begriff des freien Trägers bestimmt und das grundsätzliche
287 So BVerfGE 97, 332 (341); H. Georgii, Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz, in: NJW 1996, S. 686 (687); K. Harms, Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes zur Begründung eines Rechtsanspruchs auf einen Kindergartenplatz, in: RdJB 1996, S. 99 (100); M. Jestaedt, Das Kinder- und Jugendhilferecht und das Verfassungsrecht, in: Münder/Wiesner/Meysen, Kinder- und Jugendhilferecht (Fn. 284), Kap. 1.5 Rn. 38 ff.; L. Fischer, in: Schellhorn, SGB VIII (Fn. 285), § 26 Rn. 1. Anderer Ansicht sind BayVGHE 29, 191 (204 ff.) und aus der Literatur J. Isensee, Der Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz, in: DVBl. 1995, S. 1 (5 f., 9), die von einer Kompetenz der Länder in diesem Bereich ausgehen. 288 Zur Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern und insbesondere zum Begriff der Bedarfskompetenz siehe J. Ipsen, Die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern nach der Föderalismusnovelle, in: NJW 2006, S. 2801 (2803). 289 Dabei wird auf die ausgestaltenden Regelungen in den §§ 22 bis 25 SGB VIII verwiesen. 290 E. Moskal/S. Foerster/R. Strätz, Kinderbildungsgesetz – KiBiz Nordrhein-Westfalen, Kommentar, 2011, Vorbem. §§ 1–5, S. 34. Dies hat auch das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass den Schwerpunkt der Betreuung von Kindern im außerschulischen Bereich – am Beispiel des Kindergartens – darin sieht, Entwicklungsschwierigkeiten der Kinder zu begegnen und dementsprechenden Gefährdungen durch Gegensteuern vorzubeugen, vgl. BVerfGE 22, 180 (212 f.); 97, 332 (341 f.). 291 Moskal/Foerster/Strätz (Fn. 290), Vorbem. §§ 1–5 S. 34.
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Verhältnis und die Zusammenarbeit von öffentlichen und freien Trägern in der Jugendhilfe beleuchtet werden. aa) Der Begriff des freien Trägers der Jugendhilfe Der Begriff des freien Trägers ist für die vorliegende Untersuchung von zentraler Bedeutung, bezeichnet er doch private Akteure, die sich in der Kinder- und Jugendhilfe engagieren. Aber auch in der Gesamtkonzeption des KJHG nimmt der Begriff eine zentrale Bedeutung ein. So findet der Begriff bereits in § 3 Abs. 2 S. 1 SGB VIII erstmalig Eingang in das Gesetz. Die Vorschrift bestimmt, dass die Leistungen der Jugendhilfe sowohl von Trägern der freien als auch der öffentlichen Jugendhilfe erbracht werden. Der Begriff des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe und deren Organisation wird in §§ 69, 70 SGB VIII weitergehend erläutert292. Der Begriff des freien Trägers der Jugendhilfe hingegen wird im SGB VIII – und auch in den allgemeinen Bestimmungen des SGB I oder SGB X – nicht näher bestimmt293, sodass es einer genaueren Erläuterung bedarf. Der Begriff des freien Trägers der Jugendhilfe im Sinne des SGB VIII ist richtigerweise weit zu verstehen294. Gemeint ist damit „jeder, der Aufgaben der Jugendhilfe wahrnimmt und nicht Träger der öffentlichen Jugendhilfe ist.“ 295 Dabei sind mit Recht auch privat-gewerbliche Träger oder Einzelpersonen nicht grundsätzlich ausgeschlossen296. Dafür spricht bereits die Vorschrift des § 17 Abs. 3 SGB I, die zwischen gemeinnützigen und freien Einrichtungen unterscheidet und damit unmissverständlich zum Ausdruck bringt, dass die freien Einrichtungen nicht zwangsläufig gemeinnützig sein müssen297. Auch aus verfas292 Zur Struktur der Träger der öffentlichen Jugendhilfe und insbesondere zum Einfluss und zu Änderungen durch die Föderalismusreform I siehe P.-C. Kunkel/J. Kepert, in: P.-C. Kunkel/J. Kepert/A. K. Pattar (Hrsg.), SGB VIII, Kinder- und Jugendhilfe, Kommentar, 7. Aufl. 2018, § 69 Rn. 5 ff. 293 VG Stuttgart, ZfJ 2004, S. 382 (383). Anders war dies noch in der Vorgängervorschrift des § 5 Abs. 4 JWG. Dort waren die Träger der freien Jugendhilfe definiert als „1. freie Vereinigungen der Jugendwohlfahrt, 2. Jugendverbände und sonstige Jugendgemeinschaften, 3. juristische Personen, deren Zweck es ist, die Jugendwohlfahrt zu fördern, 4. die Kirchen und die sonstigen Religionsgemeinschaften öffentlichen Rechts.“ Diese Definition wurde aber durch den Gesetzgeber bewusst aufgegeben. 294 So auch P. Mrozynski, SGB VIII, Kommentar, 5. Aufl. 2009, § 3 Rn. 3. 295 VG Stuttgart, ZfJ 2004, S. 382 (383 f.). 296 So auch R. Wiesner, Zur Tätigkeit privat-gewerblicher Träger in der Jugendhilfe, in: RdJB 1997, S. 279 (279); Mrozynski (Fn. 294), § 3 Rn. 3; J. Münder, in: ders./ T. Meysen/T. Trenczek (Hrsg.), Frankfurter Kommentar zum SGB VIII, Kinder- und Jugendhilfe, 7. Aufl. 2013, § 3 Rn. 7 ff.; R. Wiesner, in: ders. (Hrsg.), SGB VIII, Kinder- und Jugendhilfe, Kommentar, 5. Aufl. 2015, § 3 Rn. 10a. Dem widersprechen P.-C. Kunkel, Leistungserbringer als freie Träger der Jugendhilfe?, in: ZfJ 2004, S. 376 (377); Kern (Fn. 285), § 3 Rn. 9; H. Schindler/E. Elmauer, in: Kunkel/Kepert/Pattar (Fn. 292), § 3 Rn. 18. 297 So argumentiert Münder (Fn. 296), § 3 Rn. 7, zutreffend.
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sungsrechtlicher Sicht ist kein anderes Begriffsverständnis angezeigt. So ist die Betätigung der freien Träger über die Handlungs- und Vereinigungsfreiheit (Art. 2, 4, 5, 9 GG) sowie die Berufsfreiheit (Art. 12 GG) grundgesetzlich geschützt298. Dementsprechend versteht man unter dem Begriff freie Träger der Jugendhilfe denkbar weit alle natürlichen und juristischen Personen, die im verwaltungsrechtlichen Sinne nicht öffentlich-rechtlich sind299. bb) Zum Verhältnis freier und öffentlicher Jugendhilfe Nachdem der Begriff der freien Träger bestimmt worden ist, soll in der Folge auf das Verhältnis von freier und öffentlicher Jugendhilfe eingegangen werden, welches in § 3 Abs. 2 S. 1 SGB VIII angesprochen wird, indem dieser festlegt, dass Leistungen der Jugendhilfe sowohl von Trägern der freien als auch der öffentlichen Jugendhilfe wahrgenommen werden. Das Konzept der Kinder- und Jugendhilfe als ein Miteinander von öffentlichen und freien Trägern wird in den Vorschriften der §§ 3 und 4 SGB VIII genauer ausgestaltet. Diese sollen daher inhaltlich dargestellt werden. § 3 SGB VIII – Freie und öffentliche Jugendhilfe (1) Die Jugendhilfe ist gekennzeichnet durch die Vielfalt von Trägern unterschiedlicher Wertorientierungen und die Vielfalt von Inhalten, Methoden und Arbeitsformen. (2) Leistungen der Jugendhilfe werden von Trägern der freien Jugendhilfe und von Trägern der öffentlichen Jugendhilfe erbracht. Leistungsverpflichtungen, die durch dieses Buch begründet werden, richten sich an die Träger der öffentlichen Jugendhilfe. (3) Andere Aufgaben der Jugendhilfe werden von Trägern der öffentlichen Jugendhilfe wahrgenommen. Soweit dies ausdrücklich bestimmt ist, können Träger der freien Jugendhilfe diese Aufgaben wahrnehmen oder mit ihrer Ausführung betraut werden.
§ 3 Abs. 1 SGB VIII legt fest, dass die Jugendhilfe gekennzeichnet ist durch eine Vielfalt von Trägern unterschiedlicher Wertorientierungen. Dahinter steht die Erkenntnis, dass die Aufgaben der Jugendhilfe nur durch gemeinsame Bemü298 Münder (Fn. 296), § 3 Rn. 9. Für den Schutz durch die Handlungs- und Vereinigungsfreiheit auch Wiesner (Fn. 296), § 3 Rn. 5. Zur Gefahr einer unzulässigen Beschränkung der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG auch VG Stuttgart, ZfJ 2004, S. 382 (384). Keine Kollision mit Art. 12 Abs. 1 GG sehen Kern (Fn. 285), § 3 Rn. 9; Schindler/Elmauer (Fn. 296), § 3 Rn. 20. Zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Voraussetzungen unter § 6 B. II. 3. a) (S. 343 ff.). 299 Münder (Fn. 296), § 3 Rn. 7, der anmerkt, dass der „Bezug auf die verwaltungsrechtliche Begrifflichkeit bedeutet, dass auch die öffentlich-rechtlich verfassten Kirchen in diesem Sinne Träger der freien Jugendhilfe sind, da sie nicht ,staatlich‘ sind.“ Münder weist in Fn. 5 außerdem darauf hin, dass die Einordnung unabhängig von der gewählten Rechtsform gelte. So könne eine Gebietskörperschaft, die als öffentlicher Träger Aufgaben der Jugendhilfe wahrnehme, nicht auch gleichzeitig freier (gemeinnütziger) Träger sein, selbst wenn sie in privatrechtlicher Handlungsform auftrete.
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hungen von staatlicher und privater Seite erfüllt werden können300. Diese Pluralität von Trägern, Werteorientierungen und Arbeitsformen ist das grundlegende Strukturprinzip der Jugendhilfe301. Darauf aufbauend bestimmt Abs. 2 dann konsequenterweise, dass die Leistungen der Jugendhilfe sowohl von Trägern der freien als auch von Trägern der öffentlichen Jugendhilfe erbracht werden, wobei Ansprüche sich nur gegen Träger der öffentlichen Jugendhilfe richten können. Dabei ist zu beachten, dass die Träger der freien Jugendhilfe ihre Aufgaben und die Art, wie sie diese Aufgaben wahrnehmen, frei wählen und nicht durch den Gesetzgeber beauftragt werden302. Sie sind dementsprechend gerade nicht als Erfüllungsgehilfen der öffentlichen Jugendhilfe anzusehen303, sondern sind vielmehr gleichberechtigter Partner. Dieses partnerschaftliche Nebeneinander von freier und öffentlicher Jugendhilfe wird in § 4 SGB VIII weitergehend ausgestaltet304. § 4 SGB VIII – Zusammenarbeit der öffentlichen Jugendhilfe mit der freien Jugendhilfe (1) Die öffentliche Jugendhilfe soll mit der freien Jugendhilfe zum Wohl junger Menschen und ihrer Familien partnerschaftlich zusammenarbeiten. Sie hat dabei die Selbstständigkeit der freien Jugendhilfe in Zielsetzung und Durchführung ihrer Aufgaben sowie in der Gestaltung ihrer Organisationsstruktur zu achten. (2) Soweit geeignete Einrichtungen, Dienste und Veranstaltungen von anerkannten Trägern der freien Jugendhilfe betrieben werden oder rechtzeitig geschaffen werden können, soll die öffentliche Jugendhilfe von eigenen Maßnahmen absehen. (3) Die öffentliche Jugendhilfe soll die freie Jugendhilfe nach Maßgabe dieses Buches fördern und dabei die verschiedenen Formen der Selbsthilfe stärken.
Absatz 1 legt fest, dass öffentliche und freie Jugendhilfe zum Wohl junger Menschen zusammenarbeiten sollen. Dadurch wird nochmals klargestellt, dass die freie Jugendhilfe gleichberechtigt neben der öffentlichen Jugendhilfe steht
300 So zutreffend Kern (Fn. 285), § 3 Rn. 3. Vgl. dazu auch die Entscheidung BVerfGE 22, 180 ff., in welcher das Bundesverfassungsgericht feststellt, dass das Sozialstaatsprinzip zwar grundsätzlich den Staat dazu verpflichtet, für eine gerechte Sozialordnung zu sorgen, diesem dabei aber nicht auferlegt, die Aufgaben vollumfänglich selbst zu besorgen. Vielmehr steht dem Staat frei, sich dabei auch der Hilfe privater Wohlfahrtsorganisationen bzw. Träger zu bedienen (siehe LS 1). 301 Mrozynski (Fn. 294), § 3 Rn. 2; Schindler/Elmauer (Fn. 296), § 3 Rn. 1. 302 So Kern (Fn. 285), § 3 Rn. 11. Dazu auch die RegBegr. in BT-Drs. 11/5984, S. 48, die darauf hinweist, dass sich der Unterschied zwischen öffentlicher und freier Jugendhilfe nicht in der Trägerschaft erschöpft, sondern vor allem auch im Rechtsgrund des Tätigwerdens zu sehen ist. Siehe dazu auch Wiesner (Fn. 296), § 3 Rn. 7. 303 BVerfGE 22, 180 (204); Wiesner (Fn. 296), § 3 Rn. 13. Anders aber Kunkel, Leistungserbringer (Fn. 296), S. 377 f.; ders., Jugendhilferecht, 8. Aufl. 2015, Rn. 275 ff. 304 Diese Vorschrift ist zentral für das Zusammenwirken von öffentlicher und freier Jugendhilfe, welches daran anschließend in den §§ 73–78g SGB VIII weiter ausgeführt wird, vgl. dazu auch R. Wiesner, in: ders., SGB VIII (Fn. 296), § 4 Rn. 5.
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und nicht lediglich als Erfüllungsgehilfe tätig wird305. Die freie Jugendhilfe erfüllt also eine eigenständige Aufgabe neben der öffentlichen Jugendhilfe. Diese Eigenständigkeit ist auch Ausdruck der grundgesetzlichen Freiheitsrechte aus Art. 2 Abs. 1, Art. 4 Abs. 1 u. 2, Art. 5 Abs. 1 und Art. 9 Abs. 1 GG306. Besondere Bedeutung für das Verhältnis von freier und öffentlicher Jugendhilfe hat Absatz 2, der festlegt, dass die öffentliche Jugendhilfe von Maßnahmen absehen soll, soweit anerkannte Träger der freien Jugendhilfe geeignete Einrichtungen betreiben oder Dienste anbieten. Die Vorschrift wirkt also im Sinne einer „Funktionssperre“ im Hinblick auf ein Tätigwerden der öffentlichen Jugendhilfe, der allerdings nur gegenüber den anerkannten Trägern der freien Jugendhilfe greift307. Dies bedeutet nicht, dass den anerkannten Trägern der freien Jugendhilfe ein genereller Vorrang eingeräumt wird308. Die freie Jugendhilfe soll aber nach Maßgabe des Absatzes 3 von der öffentlichen Jugendhilfe gefördert werden. Festzuhalten bleibt aber, dass trotz der Vorrangwirkung des § 4 Abs. 2 SGB VIII die Gesamtverantwortung bei der öffentlichen Jugendhilfe verbleibt309. cc) Bedeutung und Wandel der freien Träger in der Jugendhilfe Aber nicht nur in der Konzeption des KJHG nehmen die freien Träger eine besondere Stellung ein, sondern auch in der tatsächlichen Praxis sind sie von übergeordneter Bedeutung. So sind fast Zweidrittel der Einrichtungen in der Hand von freien Trägern310. Diese Bedeutung ergibt sich nicht zuletzt aus der historischen Entwicklung der Kinder- und Jugendhilfe, die immer geprägt war von der Tätigkeit freier Träger311. Die Relevanz für die vorliegende Untersuchung ergibt sich aber auch aus einem anderen Aspekt. So findet im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe zunehmend ein Wandel hin zu einer Dienstleistungsgesellschaft statt. Die ursprüngliche Prägung durch ein mehrheitlich ehrenamtliches Engagement verwischt immer 305 J. Münder, in: ders./Meysen/Trenczek, SGB VIII (Fn. 296), § 4 Rn. 12; Wiesner (Fn. 304), § 4 Rn. 5; C. Kern, in: Schellhorn, SGB VIII (Fn. 285), § 4 Rn. 7. 306 Wiesner (Fn. 304), § 4 Rn. 12. Bei kirchlichen Trägern ist darüber hinaus an die Rechte aus Art. 140 GG i.V. m. Art. 137 WRV zu denken. 307 G. Happe/H. Saurbier, in: K. E. Degener/U. Törning/H. J. Schimke (Hrsg.), Jans/ Happe/Saurbier/Maas, Kinder- und Jugendhilferecht, Kommentar, 3. Aufl., § 4 (2008), Rn. 14; Wiesner (Fn. 304), § 4 Rn. 15. 308 So ausdrücklich das Bundesverfassungsgericht in BVerfGE 22, 180 (202). In diesem Sinne auch Happe/Saurbier (Fn. 307), § 4 Rn. 14; Münder (Fn. 305), § 4 Rn. 15, und wohl auch Wiesner (Fn. 304), § 4 Rn. 15. Anderer Ansicht ist Kern (Fn. 305), § 4 Rn. 16, der den anerkannten Trägern der freien Jugendhilfe entgegen der Rechtsprechung in einem gewissen Rahmen einen eingeschränkten Vorrang zusprechen will. 309 Wiesner (Fn. 304), § 4 Rn. 16. 310 Siehe dazu den 15. Kinder- und Jugendbericht, BT-Drs. 18/11050, S. 370. 311 Vgl. dazu Wiesner (Fn. 296), § 3 Rn. 3 f.
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mehr312. So sind mittlerweile fast 3,5 % der Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe in der Hand privatgewerblicher Träger313. Doch ein Wandel ist nicht ausschließlich durch den Anstieg an privatgewerblichen Trägern im Bereich der Jugendhilfe zu vernehmen. Auch bei den (eigentlich gemeinnützigen) Wohlfahrtsverbänden ist, wie Wiesner zutreffend herausstellt, ein Trend hin zu Dienstleitungsunternehmen, ausgelöst durch eine zunehmende Zentralisierung, Bürokratisierung und Professionalisierung, erkennbar314. Diese Orientierung an den Gesetzen des Marktes auch gemeinnütziger Träger im Bereich der Jugendhilfe ist nicht vollkommen unproblematisch315. Die Einführung von marktähnlichen Mechanismen darf nicht dazu führen, dass unter dem Konkurrenzdruck auf dem Markt die Leistungen der Träger der Jugendhilfe leiden. Der Staat muss also dafür Sorge tragen, dass die Qualität der Leistungen aufrechterhalten bleibt. In der Folge ist daher zu untersuchen, welche Voraussetzungen der Staat in verschiedenen Bereichen der Kinder- und Jugendhilfe an die freien Träger stellt. b) Rechtsgrundlagen und Voraussetzungen für die Einbindung freier Träger Bei der Frage, welche Voraussetzungen an die freien Träger im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe gestellt werden, sollen verschiedene Aspekte der Teilhabe Berücksichtigung finden. Dabei geht es nicht zwangsläufig – wie im vorangegangen untersuchten Bereich des Religionsunterrichts – um die Übertragung einer konkreten Aufgabe auf einen Träger der freien Jugendhilfe. Vielmehr ist das Ziel, herauszuarbeiten, auf welche Weise die freien Träger grundsätzlich in die Kinder- und Jugendhilfe eingebunden werden. Dabei bieten sich auf den ersten Blick drei Bereiche an. Zunächst soll untersucht werden, unter welchen Voraussetzungen der Betrieb einer Kindertagesstätte möglich ist. Dies bietet sich aufgrund der Nähe zum schulischen Bereich und damit auch zum Religionsunterricht als Untersuchungsgegenstand an. Dabei sollen mögliche Widersprüche zu den Voraussetzungen, die im Bereich des Religionsunterrichts ausgemacht wurden, aufgezeigt werden. Von Bedeutung ist aber auch die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein freier Träger der Jugendhilfe anerkannt werden kann. Die Anerkennung bringt, wie die „Funktionssperre“ aus § 4 Abs. 2 SGB VIII zeigt, einige Vorteile für den freien Träger mit sich. Daneben soll auch auf die Voraussetzungen einer Förderung der freien Jugendhilfe eingegangen werden, welche
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Wiesner (Fn. 296), § 3 Rn. 20. Zu den Zahlen und deren Entwicklungen siehe den 15. KJBericht, BT-Drs. 18/ 11050, S. 370. 314 Wiesner (Fn. 304), § 4 Rn. 20, der als Faktoren dafür unter anderem den Prozess der europäischen Integration sowie den Umbau der öffentlichen Verwaltung mit der Tendenz zu mehr Wettbewerb ausgemacht hat. 315 Mrozynski (Fn. 294), § 4 Rn. 3. 313
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§ 4 Abs. 3 SGB VIII fordert. Auch die bloße Förderung ist Ausprägung des kooperativen Verhältnisses von freien und öffentlichen Trägern der Jugendhilfe und verdeutlicht das Ziel der Einbindung gesellschaftlicher Kräfte in die Kinder- und Jugendhilfe. aa) Der Betrieb einer freien Kindertageseinrichtung Zunächst soll untersucht werden, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit ein freier Träger eine Kindertageseinrichtung unterhalten darf. Der Betrieb solcher Einrichtungen ist gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 3 SGB VIII eine Leistung der Jugendhilfe. Anknüpfend daran gestalten die §§ 22–25 SGB VIII die Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen und Tagespflege weiter aus. Daneben enthält § 26 SGB VIII einen Landesrechtsvorbehalt, der den Ländern zugesteht, Inhalt und Umfang von Aufgaben und Leistungen näher zu bestimmen316. Die Vorschriften enthalten aber keine Regelung, die festlegt, welche Anforderungen an den Betrieb einer solchen Einrichtung zu stellen sind. Sie betreffen viel mehr Fragen der tatsächlichen Förderung in diesen Einrichtungen und sich möglicherweise ergebender Ansprüche auf Förderung. Die Voraussetzungen für den Betrieb einer solchen Einrichtung ergeben sich hingegen aus § 45 SGB VIII. § 45 SGB VIII – Erlaubnis für den Betrieb einer Einrichtung317 (1) Der Träger einer Einrichtung, in der Kinder oder Jugendliche ganztägig oder für einen Teil des Tages betreut werden oder Unterkunft erhalten, bedarf für den Betrieb der Einrichtung der Erlaubnis. Einer Erlaubnis bedarf nicht, wer 1. eine Jugendfreizeiteinrichtung, eine Jugendbildungseinrichtung, eine Jugendherberge oder ein Schullandheim betreibt, 2. ein Schülerheim betreibt, das landesgesetzlich der Schulaufsicht untersteht, 3. eine Einrichtung betreibt, die außerhalb der Jugendhilfe liegende Aufgaben für Kinder oder Jugendliche wahrnimmt, wenn für sie eine entsprechende gesetzliche Aufsicht besteht oder im Rahmen des Hotel- und Gaststättengewerbes der Aufnahme von Kindern oder Jugendlichen dient. (2) Die Erlaubnis ist zu erteilen, wenn das Wohl der Kinder und Jugendlichen in der Einrichtung gewährleistet ist. Dies ist in der Regel anzunehmen, wenn 1. die dem Zweck und der Konzeption der Einrichtung entsprechenden räumlichen, fachlichen, wirtschaftlichen und personellen Voraussetzungen für den Betrieb erfüllt sind,
316 In Nordrhein-Westfalen hat der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur frühen Bildung und Förderung von Kindern (Kinderbildungsgesetz – KiBiz) von dieser Kompetenz Gebrauch gemacht. Einen Überblick über die einzelnen Ausführungsgesetze der Bundesländer zu § 26 SGB VIII bietet Fischer (Fn. 287), § 26 Rn. 3. 317 Abgedruckt sind aus Gründen der Übersichtlichkeit und Erforderlichkeit für die vorliegende Untersuchung nur die Absätze 1 und 2. Auf die Absätze 3 bis 7 wurde verzichtet.
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2. die gesellschaftliche und sprachliche Integration in der Einrichtung unterstützt wird sowie die gesundheitliche Vorsorge und die medizinische Betreuung der Kinder und Jugendlichen nicht erschwert werden sowie 3. zur Sicherung der Rechte von Kindern und Jugendlichen in der Einrichtung geeignete Verfahren der Beteiligung sowie der Möglichkeit der Beschwerde in persönlichen Angelegenheiten Anwendung finden.
§ 45 Abs. 1 SGB VIII legt fest, dass Träger einer Einrichtung, in der Kinder oder Jugendliche zumindest für einen Teil des Tages betreut werden, für deren Betrieb einer Erlaubnis bedürfen. Ausgenommen sind dabei lediglich die in Absatz 1 Satz 2 genannten Einrichtungen318. Die Voraussetzungen für die Erlaubnis ergeben sich im Anschluss daran aus Absatz 2 Satz 2. Bevor auf diese Voraussetzungen einzugehen ist, stellt sich allerdings die Frage, wer unter den Begriff des Trägers in § 45 Abs. 1 fällt. (1) Der Trägerbegriff des § 45 Abs. 1 SGB VIII § 45 Abs. 1 SGB VIII spricht ganz allgemein davon, dass der Träger einer Einrichtung im Sinne der Vorschrift einer Erlaubnis bedarf. Einschränkungen im Hinblick auf die Trägereigenschaften werden dabei allerdings ausweislich des Normwortlautes nicht gemacht. Dieser ist dementsprechend weit zu verstehen. So kann Träger im Sinne des § 45 Abs. 1 SGB VIII sowohl jede juristische Person des öffentlichen oder privaten Rechts, als auch jede Privatperson oder private Personengemeinschaft sein319. Demgemäß bedürfen auch Einrichtungen staatlicher und kommunaler Träger einer Erlaubnis, sodass im Ergebnis im Hinblick auf den Betrieb einer Einrichtung kein Unterschied zwischen öffentlichen und freien Trägern der Jugendhilfe gemacht wird320. Gerade an die freien Träger der Jugendhilfe werden dabei keine besonderen Anforderungen gestellt; insbesondere wird von diesen auch nicht verlangt, dass sie anerkannt sind321. Im Ergebnis kann also zunächst einmal jede natürliche oder juristische Person eine Erlaubnis beantragen.
318 Diese Ausnahmen von der Erlaubnispflicht sind für die vorliegende Untersuchung allerdings nicht weitergehend von Bedeutung und bleiben daher in der Folge außer Betracht. 319 T. Lakies, in: Münder/Meysen/Trenczek, SGB VIII (Fn. 296), § 45 Rn. 4; T. Mörsberger, in: Wiesner, SGB VIII (Fn. 296), § 45 Rn. 13; H. Mann, in: Schellhorn, SGB VIII (Fn. 285), § 45 Rn. 6; S. Nonninger, in: Kunkel/Kepert/Pattar (Fn. 292), § 45 Rn. 7. Einen sehr strukturierten Überblick über die möglichen behördlichen und freien Träger verschafft außerdem K. Abel, Schutz von Kindern und Jugendlichen in Einrichtungen und sonstigen Wohnformen, 1995, S. 17 f. 320 Lakies (Fn. 319), § 45 Rn. 4; Mann (Fn. 319), § 45 Rn. 6. Diese Erlaubnispflicht verstößt auch nicht gegen die kommunale Selbstverwaltung, vgl. VGH BW, NVwZ-RR 1999, S. 317 (319). 321 So auch Lakies (Fn. 319), § 45 Rn. 4; Mann (Fn. 319), § 45 Rn. 6.
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Die sich aus § 45 Abs. 2 SGB VIII ergebenden Voraussetzungen einer Betriebserlaubnis für eine Einrichtung beziehen sich dementsprechend nicht auf den Träger der Einrichtung, sondern auf die Einrichtung selbst, sodass die Erlaubnis einrichtungsbezogen erteilt wird322. Daraus folgt notwendigerweise, dass ein Träger, der mehrere Einrichtungen betreibt, für alle Einrichtungen einer Betriebserlaubnis bedarf323. Trotz der Einrichtungsbezogenheit der Erlaubnis sollen die Voraussetzungen im Anschluss im Überblick dargestellt werden, um auf diese Weise gegebenenfalls Rückschlüsse auf die Konsistenz der Anforderungen privater Tätigkeit in der Kinder- und Jugendhilfe im Allgemeinen ziehen zu können. (2) Voraussetzungen einer Betriebserlaubnis gemäß § 45 SGB VIII Aus § 45 Abs. 2 SGB VIII ergeben sich die Anforderungen, die erfüllt sein müssen, damit der Betrieb einer Einrichtung im Sinne des Abs. 1 erlaubt werden kann. Dabei geht § 45 Abs. 2 SGB VIII bei Vorliegen der Voraussetzungen von einer gebundenen Entscheidung aus, sodass dann ein Rechtsanspruch besteht324. Es handelt sich dementsprechend um ein präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt325. Grund für diesen präventiven Ansatz ist die Gefahr, die bei bloß repressiven Maßnahmen für die Entwicklung der Kinder droht326. Die einzige Voraussetzung, die § 45 Abs. 2 S. 1 SGB VIII an die Erteilung einer Erlaubnis stellt, ist, dass das Wohl der Kinder- und Jugendlichen in der Einrichtung gewährleistet ist. Dieses Kriterium stellt einen unbestimmten Rechtsbegriff dar, der insofern ausfüllungsbedürftig ist327. Eine Konkretisierung des Begriffs „Wohl der Kinder und der Jugendlichen“ nimmt, zumindest für den Bereich der Betriebserlaubnis, § 45 Abs. 2 S. 2 Nr. 1–3 SGB VIII vor328. Die sich aus diesem Katalog ergebenden Anforderungen stellen aber nur Mindestvoraussetzungen dar und sind nicht abschließend329. So führt ein Vorliegen dieser Vor322 Unklar an dieser Stelle Lakies (Fn. 319), § 45 Rn. 25, der zwar die Einrichtungsbezogenheit der Voraussetzungen herausstellt, aber gleichzeitig auch auf die Eignung des Trägers abstellt. 323 Lakies (Fn. 319), § 45 Rn. 5; Mörsberger (Fn. 319), § 45 Rn. 51. 324 Mrozynski (Fn. 294), § 45 Rn. 10; Lakies (Fn. 319), § 45 Rn. 24; Mörsberger (Fn. 319), § 45 Rn. 52. Der Gesetzgeber hat bei der Änderung des Kinderschutzgesetzes die Formulierung des Tatbestandes bewusst in eine positive verändert, um auf diese Weise den Rechtsanspruch zu verdeutlichen, vgl. BT-Drs. 17/6256, S. 23. Darauf weisen auch Mann (Fn. 319), § 45 Rn. 10, und Nonninger (Fn. 319), § 45 Rn. 22, hin. 325 Mörsberger (Fn. 319), § 45 Rn. 52, der anmerkt, dass sich insoweit durch die Änderung des Wortlautes am Charakter der Vorschrift nichts geändert habe. 326 So H. Schmid-Obkirchner, Schutz von Kindern und Jugendlichen in Familien(tages)pflege und in Einrichtungen, §§ 43 bis 49 SGB VIII, in: Münder/Wiesner/Meysen, Kinder- und Jugendhilferecht (Fn. 284), Kap. 3.13 Rn. 25. 327 Mörsberger (Fn. 319), § 45 Rn. 53; Nonninger (Fn. 319), § 45 Rn. 22. 328 Auf die Begrenzung der Konkretisierung für den Bereich der Betriebserlaubnis weist zurecht Nonninger (Fn. 319), § 45 Rn. 22, hin. 329 Lakies (Fn. 319), § 45 Rn. 28; Mann (Fn. 319), § 45 Rn. 14.
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aussetzungen ausweislich des Wortlautes nur in der Regel dazu, dass eine Gewährleistung des Kindeswohls anzunehmen ist. (a) Räumliche, fachliche, wirtschaftliche und personelle Voraussetzungen (Nr. 1) Nach § 45 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 SGB VIII müssen die für Zweck und Konzeption der Einrichtung entsprechenden räumlichen, fachlichen, wirtschaftlichen und personellen Voraussetzungen erfüllt sein. Bezugspunkt dieser Voraussetzungen sind ausweislich des Normwortlautes also ausdrücklich Zweck und Konzeption der jeweiligen Einrichtung. Folgerichtig können sich die Anforderungen mit Blick auf verschiedene Einrichtungen unterscheiden, was dazu führt, dass sich die Mindestanforderungen kaum konkret abbilden lassen330. Bei der Erlaubnis einer Kindertageseinrichtung werden diese Anforderungen aufgrund der „elementaren Rechte des Kindes auf Erziehung, Bildung und Förderung“ dementsprechend vergleichsweise hoch anzusetzen sein331. Die räumlichen Voraussetzungen betreffen dabei zum einen allgemeine technische bzw. bauliche Aspekte, beziehen sich zum anderen aber auch auf die Konzeption, was bedeutet, dass die Räumlichkeiten gerade für die jeweilige Einrichtung und die darin stattfindende Betreuung passend erscheinen müssen332. Auf fachlicher Ebene sind vor allem die konzeptionelle Umsetzung, also die Angebote und deren methodischer Ansatz, und das dazu erforderliche Personal relevant333. Bei der Überprüfung der fachlichen Konzeption ist aber wiederum die Selbstständigkeit der freien Jugendhilfe bei der Durchführung der Aufgaben aus § 4 Abs. 1 S. 2 SGB VIII zu beachten334. Dementsprechend steht den Trägern ein weiter Gestaltungsspielraum zu, solange das Kindeswohl nicht gefährdet wird. Das betrifft auch die religiöse Ausrichtung einer Einrichtung, welche über Art. 4 GG geschützt ist und auf welche der Staat aufgrund seiner weltanschaulich-religiösen Neutralität keinen Einfluss nehmen darf 335. Eine Grenze aufgrund kollidierender Verfassungsgüter ist allerdings dort zu ziehen, wo die vermittelten Lehren eine Gefährdung des Kindeswohls darstellen, beispielsweise im Zusammenhang mit Jugendsekten336. 330 Schmid-Oberkirchner, Schutz (Fn. 326), Kap. 3.13 Rn. 28; Mörsberger (Fn. 319), § 45 Rn. 53a; Nonninger (Fn. 319), § 45 Rn. 23. 331 So zutreffend Nonninger (Fn. 319), § 45 Rn. 23, der als Vergleichsmaßstab eine „Kurzzeitbetreuung am Urlaubsort“ wählt, bei der die Anforderungen deutlich geringer sind. 332 Vgl. ausführlicher zum Merkmal der baulichen Voraussetzungen u. a. Mörsberger (Fn. 319), § 45 Rn. 56; Nonninger (Fn. 319), § 45 Rn. 24. 333 So Nonninger (Fn. 319), § 45 Rn. 25. 334 Darauf weist zurecht Mörsberger (Fn. 319), § 45 Rn. 57, hin. 335 Vgl. dazu ebenfalls die Ausführungen bei Mörsberger (Fn. 319), § 45 Rn. 57. 336 Mörsberger (Fn. 319), § 45 Rn. 57.
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Erforderlich ist darüber hinaus, dass der Träger die wirtschaftlichen Voraussetzungen für den Betrieb einer Einrichtung aufweist. Hierunter ist zu verstehen, dass dieser insoweit wirtschaftlich zuverlässig erscheint, als er in der Lage ist, eine gewisse Kontinuität und Qualität der Einrichtung gewährleisten zu können337. Abschließend verlangt § 45 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 SGB VIII, dass die personellen Voraussetzungen der Einrichtung erfüllt sind. Dieses Kriterium betrifft die in der Einrichtung eingesetzten Personen und meint zum einen deren Anzahl und zum anderen deren fachliche und persönliche Eignung338. In beiden Fällen sind aber die Konzeption und die Größe der Einrichtung zu berücksichtigen, sodass keine pauschalen Aussagen über die Anforderungen getroffen werden können339. Mit Blick auf die fachliche Eignung des Personals verlangt die Vorschrift nicht, dass ausschließlich Fachkräfte eingesetzt werden (Fachkräftegebot)340. Vielmehr ist ausreichend, dass die Personen die erforderlichen Fähigkeiten und Qualifikationen für die Wahrnehmung der jeweiligen Aufgaben aufweisen. Dementsprechend wird auch hier kein allgemeingültiger Maßstab zu finden sein, welcher dem heterogenen Aufgabenfeld gerecht wird. Höhere Anforderungen sind aber beispielsweise an Leitungskräfte zu stellen341. Die erforderliche Eignung des Personals umfasst allerdings nicht ausschließlich die fachliche Eignung im Sinne von Qualifikationen, sondern darüberhinausgehend auch die charakterliche Eignung, also insbesondere die persönliche Zuverlässigkeit des beschäftigten Personals342. (b) Integration und gesundheitsförderliches Lebensumfeld (Nr. 2) Die Voraussetzung in § 45 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 SGB VIII betrifft die Aufgaben der gesellschaftlichen Integration und der gesundheitlichen Vorsorge. Durch die gesellschaftliche und sprachliche Integration soll verhindert werden, dass die Kinder einer betreuten Gruppe systematisch von der Gesellschaft abgekapselt und dadurch möglicherweise manipuliert werden343. Dieser Voraussetzung kommt 337 Lakies (Fn. 319), § 45 Rn. 31; Mörsberger (Fn. 319), § 45 Rn. 58; Nonninger (Fn. 319), § 45 Rn. 26. An dieser Stelle könnte der Einwand von Lakies (Fn. 319), § 45 Rn. 25, zum Tragen kommen, der mit Blick auf die Betriebserlaubnis auch auf die Eignung des Trägers abstellen möchte. 338 So auch Mörsberger (Fn. 319), § 45 Rn. 59 ff.; Nonninger (Fn. 319), § 45 Rn. 27. 339 In der Regel wird die Anzahl des erforderlichen Personals, mit Blick auf die Größe, anhand eines Personalschlüssels berechnet werden, vgl. dazu Lakies (Fn. 319), § 45 Rn. 35; Nonninger (Fn. 319), § 45 Rn. 27. 340 Mörsberger (Fn. 319), § 45 Rn. 59; Mann (Fn. 319), § 45 Rn. 15. 341 Mörsberger (Fn. 319), § 45 Rn. 61; Mann (Fn. 319), § 45 Rn. 15. 342 Mann (Fn. 319), § 45 Rn. 15. Bei der Beurteilung sind als Indiz auch die Tätigkeitsausschlussgründe des § 72a SGB VIII zu berücksichtigen, vgl. dazu auch Nonninger (Fn. 319), § 45 Rn. 30. 343 Dies ergibt sich auch aus dem Entwurf des Bundesrates zur Änderung des SGB VIII, BT-Drs. 15/4158, in dem der Bundesrat zu bedenken gibt, dass gerade im islamischen Milieu versucht wird, über Kindertageseinrichtungen Kinder von der deutschen
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insofern eine besondere Bedeutung zu, als sie in einem Spannungsverhältnis verschiedener grundrechtlicher Interessen steht. Hier stehen sich das verfassungsrechtlich verankerte Elternrecht, die eigenen grundrechtlichen Interessen der Kinder, die religiösen und weltanschaulichen Freiheitsrechte sowie das freie Betätigungsrecht der freien Träger in einem komplexen Zusammenhang gegenüber344. Diese müssen bei der Auslegung der unbestimmten Voraussetzung der „Unterstützung der gesellschaftlichen und sprachlichen Integration“ Berücksichtigung finden, sodass sich eine schematische Lösung unabhängig vom Einzelfall verbietet345. Darüber hinaus soll ein gesundheitsförderliches Umfeld unterstützt werden und die gesundheitliche Vorsorge sowie medizinische Betreuung der Kinder dürfen nicht erschwert werden346. Dabei ist allerdings darauf zu achten, dass darunter nicht der Auftrag an die Träger von Kindertageseinrichtungen zu verstehen ist, die gesundheitliche Vorsorge und medizinische Betreuung sicherzustellen347. Dies würde den Aufgabenbestand von Kindertageseinrichtungen, der in §§ 22, 22a SGB VIII festgelegt ist und die Erziehung, Bildung und Betreuung erfasst, weit überschreiten348. Dementsprechend kann dem Träger einer Kindertageseinrichtung keine Verantwortung dafür übertragen werden. Vielmehr soll die Vorschrift lediglich klarstellen, dass der Träger der Einrichtung den Zugang zu medizinischer Versorgung nicht systematisch erschweren darf, beispielsweise aus religiösen Gründen349. (c) Sicherung der Rechte der Kinder und Jugendlichen (Nr. 3) Abschließend verlangt Nr. 3, dass zur Sicherung der Rechte der Kinder geeignete Verfahren zu deren Beteiligung und die Möglichkeit der Beschwerde eingerichtet werden350. Dadurch soll zum einen die Entwicklung von EinrichtungskonGesellschaft zu isolieren und Parallelstrukturen zu fördern. Diese Voraussetzung hatte bereits Eingang in die Vorgängervorschrift des § 45 Abs. 2 S. 2 HS. 2 SGB VIII a. F. gefunden. Vgl. dazu auch Nonninger (Fn. 319), § 45 Rn. 31. 344 Nonninger (Fn. 319), § 45 Rn. 31. Siehe dazu ausführlich unten unter § 6 B. II. 3. (S. 342 ff.). 345 So weist Nonninger (Fn. 319), § 45 Rn. 32, zurecht darauf hin, dass sich beispielsweise aus der Tatsache, dass eine „geschlechtlich, ethnisch oder sprachlich homogene Gruppe“ in einer Einrichtung nicht zwangsläufig bedeutet, dass die Integration erschwert wird. 346 Vgl. für die Herkunft der Vorschrift und die ungewöhnliche Formulierung die Ausführungen bei Lakies (Fn. 319), § 45 Rn. 38. 347 Diese Verpflichtung war im Regierungsentwurf zum Bundeskinderschutzgesetz 2011 noch vorgesehen, BT-Drs. 17/6256, S. 10. 348 Auf dieses Problem hatte der Bundesrat in seiner Stellungnahme zum Gesetzesentwurf der Bundesregierung hingewiesen, BT-Drs. 17/6256, S. 39. 349 So Nonninger (Fn. 319), § 45 Rn. 33. 350 Diese Regelung wurde zum einen aufgrund der Ergebnisse des „Runden Tisches Heimerziehung“, zum anderen als Umsetzung des Rechts auf Berücksichtigung des
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zeptionen dieser Art gestärkt und zum anderen die Selbstständigkeit und Entwicklung der untergebrachten Kinder gefördert werden351. Die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen an den Entscheidungen der öffentlichen Jugendhilfe, die sie selbst betreffen, ist bereits in § 8 SGB VIII vorgesehen. Insofern ist die Voraussetzung in § 45 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 SGB VIII konsequent. Durch die Beteiligung soll die Möglichkeit von Machtmissbrauch in Kindertageseinrichtungen eingeschränkt werden352. Dies kann beispielsweise durch die Einführung von „Kinderparlamenten“ oder der Einrichtung von Gestaltungsspielräumen für die Kinder erfolgen353. Darüber hinaus muss es das Ziel sein, diese Verfahren methodisch so einzurichten, dass sie für die Kinder auch verständlich sind354. Nur so kann die Forderung aus § 45 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 SGB VIII nach Beteiligung der Kinder wirksam umgesetzt werden. (3) Überblick und Konsequenzen für die vorliegende Untersuchung Es zeigt sich, dass sich die im Rahmen der Erlaubniserteilung gemäß § 45 SGB VIII gestellten Anforderungen primär auf die Einrichtung als solche beziehen und nicht auf den dahinterstehenden Träger. Zwar wird mit Blick auf die entsprechenden wirtschaftlichen Voraussetzungen gemäß § 45 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 SGB VIII auch Rückgriff auf den dahinterstehenden Träger genommen, sodass dieser zumindest mittelbar auch selbst bestimmte Anforderungen erfüllen muss. Dennoch sind die Voraussetzungen insgesamt als einrichtungsbezogen einzuordnen. Sie sind dementsprechend auch von Trägern der öffentlichen Jugendhilfe zu erfüllen, wenn diese solche Einrichtungen unterhalten. Im Grunde stellt § 45 Abs. 2 S. 1 SGB VIII dabei nur eine Anforderung. In der Einrichtung muss das Wohl der Kinder und Jugendlichen gewährleistet werden. Allerdings bestimmen § 45 Abs. 2 S. 2 Nrn. 1–3 SGB VIII weitergehend, wann von einer solchen Gewährleistung in der Regel auszugehen ist. Die in diesem Katalog aufgestellten Kriterien beziehen sich einerseits auf die Anforderungen, welche sich in räumlicher, fachlicher, wirtschaftlicher und personeller Hinsicht aus der Konzeption der Einrichtung ergeben, und andererseits auf die Ziele einer solchen Einrichtung wie die gesellschaftliche und sprachliche Integration.
Kinderwillens (Art. 12 der Kinderrechtskonvention) in die Regelung des § 45 Abs. 2 S. 2 SGB VIII aufgenommen, BT-Drs. 17/6252, S. 23. 351 BT-Drs. 17/6252, S. 23. 352 J. Merchel, Der „Kinderschutz“ und das rechtliche Steuerungskonzept: Anmerkungen anlässlich des Regierungsentwurfs zu einem „Bundeskinderschutzgesetz“, in: RdJB 2011, S. 189 (196). 353 Lakies (Fn. 319), § 45 Rn. 39. 354 R. Hansen, Die Kinderstube der Demokratie – Demokratiebildung in Kindertageseinrichtungen, in: Jugendhilfe 2012, S. 27 (30 f.).
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Die Tatsache, dass die Betriebserlaubnis einer Einrichtung im Sinne der Vorschrift allein vom Kindeswohl und damit überwiegend von Kriterien abhängt, welche sich auf die Einrichtung als solche beziehen, führt allerdings dazu, dass sich dieser Bereich als Vergleichswert bei der Frage, welche Anforderungen an private Akteure selbst bei der Einbindung in Aufgaben des Staates gestellt werden, nicht eignet. Die hier aufgestellten Kriterien ergeben gerade nicht, was der Staat von einem privaten Akteur erwartet, sondern vielmehr, welche Ansprüche der Staat an Einrichtungen stellt, in der Kinder und Jugendliche betreut werden, ohne dabei den Träger näher zu hinterfragen. Dementsprechend muss weitergehend untersucht werden, ob in anderen Bereichen der Kinder- und Jugendhilfe Voraussetzungen an die freien Träger gestellt werden, die sich für das Ziel der vorliegenden Untersuchung anbieten. bb) Förderung und Anerkennung der freien Jugendhilfe gem. §§ 74, 75 SGB VIII Die in den §§ 3 und 4 SGB VIII festgelegte und ausgestaltete institutionelle Zusammenarbeit von Trägern der öffentlichen und der freien Jugendhilfe hat noch an anderen Stellen Eingang in das KJHG (SGB VIII) gefunden. Sie wird insbesondere in den §§ 73 ff. SGB VIII weitergehend ausgeführt. Dabei sind für die vorliegende Untersuchung vor allem die Vorschriften über die Förderung der freien Jugendhilfe (§ 74 SGB VIII) und die Anerkennung als Träger der freien Jugendhilfe (§ 75 SGB VIII) von Bedeutung. Diese bestimmen die Voraussetzungen, unter denen ein freier Träger der Jugendhilfe eine besondere Förderung bzw. Anerkennung erhält und dementsprechend in einem stärkeren Maße in den staatlichen Bereich der Jugendhilfe integriert wird. In der Folge sollen diese Voraussetzungen dargestellt werden, um diese der später folgenden Untersuchung zugänglich zu machen. (1) Die Förderung der freien Jugendhilfe gem. § 74 SGB VIII § 74 Abs. 1 SGB VIII legt zunächst fest, dass die Träger der öffentlichen Jugendhilfe die freiwillige Tätigkeit auf dem Gebiet der Jugendhilfe anregen und sie, wenn die Voraussetzungen der Nrn. 1 bis 5 erfüllt sind, auch fördern sollen. Diese Förderung der freien Jugendhilfe durch die öffentliche Jugendhilfe ist die „wirtschaftliche Kehrseite“ der in § 4 SGB VIII festgelegten partnerschaftlichen Zusammenarbeit von freier und öffentlicher Jugendhilfe355. Die Bedeutung dieser Regelung und die sich aus der Vorschrift ergebenden Voraussetzungen sollen in der Folge anhand der Norm untersucht werden.
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Zutreffend Mrozynski (Fn. 294), § 74 Rn. 1.
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§ 74 SGB VIII – Förderung der freien Jugendhilfe356 (1) Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe sollen die freiwillige Tätigkeit auf dem Gebiet der Jugendhilfe anregen; sie sollen sie fördern, wenn der jeweilige Träger 1. die fachlichen Voraussetzungen für die geplante Maßnahme erfüllt und die Beachtung der Grundsätze und Maßstäbe der Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung nach § 79a gewährleistet, 2. die Gewähr für eine zweckentsprechende und wirtschaftliche Verwendung der Mittel bietet, 3. gemeinnützige Ziele verfolgt, 4. eine angemessene Eigenleistung erbringt und 5. die Gewähr für eine den Zielen des Grundgesetzes förderliche Arbeit bietet. Eine auf Dauer angelegte Förderung setzt in der Regel die Anerkennung als Träger der freien Jugendhilfe nach § 75 voraus. (2) Soweit von der freien Jugendhilfe Einrichtungen, Dienste und Veranstaltungen geschaffen werden, um die Gewährung von Leistungen nach diesem Buch zu ermöglichen, kann die Förderung von der Bereitschaft abhängig gemacht werden, diese Einrichtungen, Dienste und Veranstaltungen nach Maßgabe der Jugendhilfeplanung und unter Beachtung der in § 9 genannten Grundsätze anzubieten. § 4 Absatz 1 bleibt unberührt.
(a) Begriff und Bedeutung der Förderung freier Träger Die Förderung der freien Jugendhilfe gemäß § 74 SGB VIII ergibt sich als unmittelbare Konsequenz aus der Vorschrift des § 4 Abs. 3 SGB VIII, welche der öffentlichen Jugendhilfe ausdrücklich aufträgt, die freie Jugendhilfe zu fördern, und konkretisiert diese Vorschrift weitergehend357. Förderung bedeutet dabei in aller Regel eine Bereitstellung öffentlicher Mittel, wobei aber grundsätzlich auch eine Förderung anderer Art zulässig wäre358. Diese öffentlichen Mittel werden vom öffentlichen Träger ohne Gegenleistung erbracht, um den privaten Träger dadurch in die Lage zu versetzen, Leistungen mit einem öffentlichen Zweck zu erfüllen359. Es handelt sich dabei inhaltlich um Subventionen, sodass sich für diese Art der Förderung über Zuwendungen der Begriff der Subventionsfinanzie356 Auch hier wurden aus Gründen der Übersichtlichkeit nur die Absätze 1 und 2 abgedruckt. Auf einen Abdruck der Absätze 3 bis 6 wurde verzichtet. 357 J. Münder, in: ders./Meysen/Trenczek, SGB VIII (Fn. 296), § 74 Rn. 1; R. Wiesner, in: ders., SGB VIII (Fn. 296), § 74 Rn. 1; C. Kern, in: Schellhorn, SGB VIII (Fn. 285), § 74 Rn. 1; P.-C. Kunkel/J. Kepert, in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII (Fn. 292), § 74 Rn. 1. Zum Zusammenhang von § 74 SGB VIII mit den Vorschriften aus den §§ 3 und 4 SGB VIII auch R. J. Wabnitz, Subventionsfinanzierung nach § 74 SGB VIII (Kinderund Jugendhilfe), in: ZfJ 2003, S. 165 (166). 358 So Wiesner (Fn. 357), § 74 Rn. 9, der allerdings auch feststellt, dass eine Förderung nicht finanzieller Art kaum eine praktische Bedeutung aufweist. 359 Münder (Fn. 357), § 74 Rn. 2; Wiesner (Fn. 357), § 74 Rn. 9.
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rung anbietet360. Unterschieden werden kann dabei zwischen einer Projektförderung auf der einen und einer institutionellen Förderung auf der anderen Seite361. Während sich Erstere lediglich auf solche Zuwendungen beschränkt, die zur Deckung der Ausgaben einer bestimmten Maßnahme erforderlich sind, bezieht sich Letztere auf eine generelle Förderung für die Tätigkeit einer bestimmten Institution und deren Maßnahmen insgesamt362. Beide Formen können durch die öffentliche Jugendhilfe in Form einer Anteilsfinanzierung, einer Fehlbedarfsfinanzierung oder einer Festbetragsfinanzierung erfüllt werden363. Insgesamt ist die Subventionsfinanzierung durch die öffentliche Jugendhilfe in der Praxis nach wie vor die wichtigste Form der Finanzierung der freien Jugendhilfe364. Sie trägt zum größten Teil zur Aufrechterhaltung der Trägervielfalt bei und ist aufgrund dieses Strukturprinzips für die Kinder- und Jugendhilfe unabdingbar. Aufgrund dieser Bedeutung der Förderung für die Träger der freien Jugendhilfe sollen in der Folge die Voraussetzungen untersucht werden, die diese erfüllen müssen, um eine solche Förderung zu erhalten. (b) Die Voraussetzungen einer Förderung Die Voraussetzungen einer Förderung durch die öffentliche Jugendhilfe ergeben sich aus § 74 Abs. 1 S. 1 SGB VIII. Bei diesen in Nrn. 1 bis 5 genannten Voraussetzungen handelt es sich um einen abgeschlossenen Katalog, der darüberhinausgehende Anforderungen grundsätzlich nicht zulässt365. Allerdings wird 360 R. J. Wabnitz, Die Subventionierung/Zuwendung, in: Münder/Wiesner/Meysen, Kinder- und Jugendrecht (Fn. 284), Kap. 5.3 Rn. 1; Münder (Fn. 357), § 74 Rn. 8; Wiesner (Fn. 357), § 74 Rn. 9. A. v. Boetticher/J. Münder, Kinder- und Jugendhilfe und europäischer Binnenmarkt, 2009, S. 44 und Kunkel/Kepert (Fn. 357), § 74 Rn. 5, sprechen in diesem Zusammenhang bedeutungsgleich von Sozialsubventionen. Zur rechtlichen Zulässigkeit einer solchen Förderung nach allgemeinem Zuwendungs- bzw. Subventionsrecht und auch nach Wettbewerbs- bzw. Beihilfenrecht siehe die Ausführungen bei Münder (Fn. 357), § 74 Rn. 34 ff. 361 Mrozynski (Fn. 294), § 74 Rn. 3; Wiesner (Fn. 357), § 74 Rn. 10; Kunkel/Kepert (Fn. 357), § 74 Rn. 5. 362 Wiesner (Fn. 357), § 74 Rn. 10; Kunkel/Kepert (Fn. 357), § 74 Rn. 5, wobei diese in Rn. 1 insofern missverständlich feststellen, dass § 12 SGB VIII die sog. Trägerförderung regelt, während in § 74 SGB VIII die sog. Maßnahmenförderung festgelegt sei. Dies trifft insoweit zu, als dass § 12 SGB VIII eine Spezialnorm für die Förderung von Jugendverbänden darstellt, die eine Förderungspflicht enthält, vgl. dazu P.-C. Kunkel, in: ders./Kepert/Pattar, SGB VIII (Fn. 292), § 12 Rn. 1. Dies bedeutet aber gleichzeitig nicht, dass in § 74 SGB VIII lediglich konkrete Maßnahmen gefördert werden, was durch die Wahl der Begriffe vermutet werden könnte. Vielmehr umfasst § 74 SGB VIII eben auch eine institutionelle Förderung. 363 Ausführlich zu den Arten der Finanzierung Wiesner (Fn. 357), § 74 Rn. 11 ff. Es gibt allerdings keinen numerus clausus an Förderungsarten, sodass in der Praxis auch weitere Arten entwickelt werden können. Siehe dazu BVerwG, ZfJ 2003, S. 115 (116); Mrozynski (Fn. 294), § 74 Rn. 3. 364 Wabnitz, Subventionierung (Fn. 360), Kap. 5.3 Rn. 1. 365 Zutreffend Münder (Fn. 357), § 74 Rn. 9.
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man als ungeschriebene Voraussetzung ausnahmsweise fordern müssen, dass die eine Förderung anstrebenden Träger zumindest eine Tätigkeit auf dem Gebiet der Jugendhilfe ausüben, da der Förderungstatbestand des § 74 SGB VIII ansonsten uferlos wäre366. Die Voraussetzungen in Nrn. 1–5 müssen für eine Förderung kumulativ vorliegen. (aa) Fachliche Voraussetzungen (Nr. 1) Nr.1 legt zunächst fest, dass die fachlichen Voraussetzungen für die geplante Maßnahme erfüllt und die Einhaltung der Grundsätze des § 79a SGB VIII gewährleistet sein müssen. Das Erfordernis der fachlichen Qualifikation bezieht sich auf die Einhaltung allgemein anerkannter Standards im Hinblick auf die Trägerstruktur, das eingesetzte Personal sowie die konzipierten Angebote und Leistungen367. Dabei ist allerdings zu beachten, dass nicht verlangt werden kann, dass es sich beim eingesetzten Personal um hauptamtliche Fachkräfte handelt, § 72 SGB VIII gilt insoweit nur für die öffentliche Jugendhilfe368. Eine Übertragung dieser Voraussetzung auch auf die freien Träger würde sowohl an der Praxis vorbeigehen – so ist gerade im Bereich der freien Jugendhilfe in der Mehrzahl ehren- bzw. nebenamtliches Personal tätig369 – als auch gegen die Grundziele der Kinder- und Jugendförderung sprechen370. Dementsprechend dürfen an die fachliche Qualifikation des eingesetzten Personals keine zu strengen Voraussetzungen gestellt werden. Die daneben in § 74 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VIII verlangte Gewährleistung der Beachtung der Grundsätze und Maßstäbe der Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung nach § 79a SGB VIII ist aufgrund einer Änderung dieser Vorschrift im Grunde belanglos und berührt die Autonomie der freien Träger nicht371. Diese Regelung kann allenfalls noch bedeuten, dass vor allem die 366 Wiesner (Fn. 357), § 74 Rn. 15, der allerdings zutreffend anmerkt, dass dabei aufgrund der Freiwilligkeit des Tätigwerdens der freien Träger ein großzügiger Maßstab anzulegen ist; Kunkel/Kepert (Fn. 357), § 74 Rn. 6. 367 J. Münder, Wer zahlt schafft an? – Zur Finanzierung im Kinder- und Jugendhilferecht, in: JHilfe 2001, S. 247 (252); Wabnitz, Subventionierung (Fn. 360), Kap. 5.3 Rn. 6 (S. 460); J. Münder, in: ders./Meysen/Trenczek, SGB VIII (Fn. 296), § 75 Rn. 10; R. Wiesner, in: ders., SGB VIII (Fn. 296), § 75 Rn. 16; C. Kern, in: Schellhorn, SGB VIII (Fn. 285), § 75 Rn. 6; P.-C. Kunkel/J. Kepert, in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII (Fn. 292), § 75 Rn. 7. 368 Mrozynski (Fn. 294), § 74 Rn. 6; Wiesner (Fn. 357), § 74 Rn. 16; Kunkel/Kepert (Fn. 357), § 74 Rn. 7. 369 Kunkel/Kepert (Fn. 357), § 74 Rn. 7. Dem wird vor allem durch § 73 SGB VIII Rechnung getragen, der festlegt, dass ehrenamtlich tätige Personen bei ihrer Tätigkeit angeleitet, beraten und unterstützt werden sollen. 370 So Wiesner (Fn. 357), §74 Rn. 16, der dabei die §§ 4 Abs. 3, 73 und 74 Abs. 4 SGB VIII anführt. 371 Vgl. dazu weitergehend Münder (Fn. 357), § 74 Rn. 10 f.; Kunkel/Kepert (Fn. 357), § 74 Rn. 10. Ursprünglich war mit § 79a Abs. 2 SGB VIII und dem Verweis in § 74 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VIII vorgesehen, dass zwischen Trägern der öffentlichen und
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Beachtung der Grundsätze partnerschaftlicher Zusammenarbeit gemäß § 4 zu beachten sind372. (bb) Verwendung der Mittel (Nr. 2) Neben den fachlichen Voraussetzungen in Nr. 1 fordert Nr. 2, dass der Träger die Gewähr für eine zweckentsprechende und wirtschaftliche Verwendung der Mittel bietet. Als Bezugspunkte für die Frage, ob diese Voraussetzung beim jeweiligen Träger gegeben ist, sind neben den bisherigen Erfahrungen mit dem Träger die Qualität der Haushalts- und Rechnungsführung sowie die in der Satzung vorgesehenen Kontrollmöglichkeiten zu berücksichtigen373. Als Maßstab für die Bewertung sind neben den allgemeinen haushaltsrechtlichen Vorschriften vor allem die das jeweilige Projekt betreffenden Förderrichtlinien zu beachten374. Problematisch erscheint, dass gerade bei jungen Trägern oftmals keine Erfahrungen bezüglich der Mittelverwendung vorliegen. In diesem Fall weist Wabnitz zutreffend darauf hin, dass die Tätigkeit junger Träger durch § 74 Abs. 1 SGB VIII gerade angeregt und gefördert werden soll und dementsprechend keine zu hohen Anforderungen gestellt werden dürften375. Dies trägt der Grundintention des Gesetzes, freie Träger möglichst umfangreich zu integrieren, Rechnung. Davon, dass der freie Träger die Gewähr für eine zweckentsprechende und wirtschaftliche Verwendung bietet, kann allerdings dann nicht mehr ausgegangen werden, wenn beim Träger durch sein sonstiges Auftreten – aufgrund einzelner Vorfälle oder einer Gesamtwürdigung – begründete Zweifel an seiner Zuverlässigkeit bestehen376. Der öffentliche Träger der Jugendhilfe kann die zweckentsprechende Verwendung trotz der Achtung der Selbstständigkeit freier Träger überprüfen, das ergibt sich bereits aus § 17 Abs. 3 S. 3 SGB I 377. freien Jugendhilfe Vereinbarungen zur Qualitätssicherung geschlossen werden, die zur Voraussetzung einer Förderung gemacht werden sollten, vgl. BT-Drs. 17/6256, S. 11 f. Es sollte also ein Junktim zwischen Förderung und Vertragsabschluss bestehen (Kunkel/ Kepert, a. a. O.). Eine solche Regelung hätte aber zu weitgehend in die Autonomie der freien Träger eingegriffen und wurde daher auf Vorschlag des Vermittlungsausschusses geändert, vgl. BT-Drs. 17/8130, S. 2. § 74 SGB VIII wurde in der Folge allerdings nicht angepasst, sodass die Regelung ins Leere läuft. 372 Münder (Fn. 357), § 74 Rn. 11; Kunkel/Kepert (Fn. 357), § 74 Rn. 10. 373 Vgl. dazu C. Bernzen, in: Jans/Happe/Saurbier/Maas, SGB VIII (Fn. 307), § 74 (2003) Rn. 8; Kern (Fn. 357), § 74 Rn. 7; Kunkel/Kepert (Fn. 357), § 74 Rn. 11. 374 So Wiesner (Fn. 357), § 74 Rn. 17. 375 Wabnitz, Subventionierung (Fn. 360), Kap. 5.3 Rn. 6. 376 OVG NRW, ZFSH/SGB 1987, S. 155 (155); Münder (Fn. 357), § 74 Rn. 12; Wiesner (Fn. 357), § 74 Rn. 17; Kern (Fn. 357), § 74 Rn. 7; Kunkel/Kepert (Fn. 357), § 74 Rn. 11. 377 Zutreffend Kunkel/Kepert (Fn. 357), § 74 Rn. 11. So auch Münder (Fn. 357), § 74 Rn. 12, der aber auch darauf hinweist, dass sich aus der Möglichkeit zur Prüfung der zweckgerichteten Verwendung der Mittel keine unmittelbaren inhaltlichen Kontrollbefugnisse oder Aufsichtsrechte ergäben.
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(cc) Gemeinnützige Ziele (Nr. 3) Darüber hinaus verlangt § 74 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB VIII, dass ein Träger, um eine Förderung zu erhalten, gemeinnützige Ziele verfolgt. Dementsprechend sind privat-gewerbliche Träger, die auf Gewinnerzielung ausgerichtet sind, von einer Förderung ausgeschlossen378. Wann solche gemeinnützigen Ziele angenommen werden können, bestimmt die Vorschrift allerdings nicht weitergehend. Oftmals wird dabei auf den Gemeinnützigkeitsbegriff des Steuerrechts abgestellt, sodass eine gemeinnützige Zielrichtung dann angenommen werden kann, wenn zumindest die Voraussetzungen einer steuerrechtlichen Anerkennung der Gemeinnützigkeit (§§ 51 bis 68 AO) zumindest vorliegen379. Eine Beschränkung auf den Gemeinnützigkeitsbegriff des Steuerrechts greift allerdings zu kurz. Dieser kann zwar als Anhaltspunkt in der Form dienen, als dass bei einer Anerkennung als gemeinnützig im Sinne der §§ 51 ff. AO eine Verfolgung gemeinnütziger Ziele im Sinne der Nr. 3 angenommen werden kann, eine Begrenzung darauf ist allerdings nicht angezeigt. Vielmehr ist es – gerade mit Blick auf junge freie Träger – ausreichend, dass der schlüssige Nachweis gemeinnütziger Ziele auf andere Weise erbracht werden kann380. Bernzen merkt zutreffend an, dass das Gesetz erstens nur das Verfolgen gemeinnütziger Ziele und nicht die Gemeinnützigkeit an sich fordert und es zweitens auch nicht nachvollziehbar wäre, wenn man keine Anerkennung im Sinne des § 75 SGB VIII als Voraussetzung verlangen würde, aber eine Anerkennung als gemeinnützig im Sinne des Steuerrechts381. Im Ergebnis ist also von einem eigenständigen Begriff der Gemeinnützigkeit in § 74 SGB VIII auszugehen, für den keine Anerkennung im Sinne des Steuer378 Münder (Fn. 357), § 74 Rn. 13; Kern (Fn. 357), § 74 Rn. 8; Kunkel/Kepert (Fn. 357), § 74 Rn. 12. Sehr kritisch dazu Wiesner (Fn. 357) § 74 Rn. 20, der anmerkt, dass eine solche Privilegierung frei-gemeinnütziger Träger gegenüber privat-gewerblichen Trägern sowohl mit Blick auf Art. 12 GG als auch unter Berücksichtigung des europäischen Wettbewerbsrechts zunehmend auf Bedenken stieße. Vgl. dazu auch ders., Tätigkeit (Fn. 296), S. 283 ff.; A. v. Boetticher, Die frei-gemeinnützige Wohlfahrtspflege und das europäische Beihilfenrecht, 2003, S. 18 ff., und insbesondere zur Kollision mit Art. 12 GG F. Gerlach/K. Hinrichs, Weitere Entwicklungen der Steuerung der Hilfen zur Erziehung und rechtlichen Implikationen einer Förderfinanzierung von Einzelfallhilfen in der Kinder- und Jugendhilfe, in: ZKJ 2015, S. 134 (136). 379 So wird eine tatsächliche Anerkennung teilweise nicht zwingend gefordert. Dieser Ansicht folgen beispielsweise Mrozynski (Fn. 294), § 74 Rn. 8; Münder (Fn. 357), § 74 Rn. 13; Kern (Fn. 357), § 74 Rn. 8, der zu bedenken gibt, dass ansonsten nahezu jedes Handeln – auch kommerzielles – im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe gemeinnützig wäre und dies dazu führen könne, dass möglicherweise eine Steuerpflicht auf den Förderbetrag entstünde; Kunkel/Kepert (Fn. 357), § 74 Rn. 12. 380 Diese Ansicht vertreten auch Bernzen (Fn. 373), § 74 Rn. 10; Wabnitz, Subventionsfinanzierung (Fn. 357), S. 167; ders., Subventionierung (Fn. 360), Kap. 5.3 Rn. 7 (S. 460); Wiesner (Fn. 357), § 74 Rn. 19. Dafür hat sich auch der zuständige BT-Ausschuss ausgesprochen, vgl. BT-Drs. 11/6748, S. 82 (zur gleichlautenden Voraussetzung in § 75 Abs. 1 Nr. 2 SGB VIII). 381 Zu dieser Argumentation Bernzen (Fn. 373), § 74 Rn. 10.
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rechts erforderlich ist382. Der Adressatenkreis ist mit Blick auf die Gemeinnützigkeit also weiter gefasst. (dd) Angemessene Eigenleistung (Nr. 4) Des Weiteren setzt § 74 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB VIII die Erbringung einer angemessenen Eigenleistung voraus383. Diese Bestimmung bringt zum Ausdruck, dass die öffentliche Förderung grundsätzlich nur eine subsidiäre Funktion hat384. Unter dem Begriff der Eigenleistung sind allerdings nicht ausschließlich finanzielle Leistungen zu verstehen, sondern beispielsweise auch das Einbringen ehrenamtlicher Arbeit oder die vergünstigte Bereitstellung von Sachmitteln (z. B. Räumlichkeiten)385. Dies berücksichtigt, dass kleinere Träger aufgrund ihrer Struktur oftmals nicht in der Lage sein werden, erwähnenswerte Geldmittel, beispielsweise aus Spenden, aufzubringen386. Dem trägt auch § 74 Abs. 3 S. 3 SGB VIII Rechnung, der festlegt, dass bei der Bemessung der Eigenleistung die unterschiedlichen Verhältnisse und insbesondere die unterschiedliche Finanzkraft zu berücksichtigen sind. § 74 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB VIII legt also nur fest, dass der freie Träger eine angemessene Eigenleistung zu erbringen hat, die Höhe dieser Eigenleistung ist in der Vorschrift nicht festgesetzt. Kern hält eine Eigenleistung, die 10 % der Gesamtkosten ausmacht, pauschal für angemessen387. Eine solche Verknüpfung der Eigenleistung mit der Höhe der Förderung würde allerdings auch dazu führen, dass kleinere Träger möglicherweise benachteiligt würden. Dementsprechend kann die Höhe der Eigenleistung richtigerweise nicht pauschal
382 Dagegen spricht auch nicht, dass sich bisher keine eigenständige Definition der Gemeinnützigkeit im Sinne des § 74 Abs. 1 Nr. 3 SGB VIII herausgebildet hat. Dies bemängeln allerdings Münder (Fn. 357), § 74 Rn. 13 und Kern (Fn. 357), § 74 Rn. 8, der anmerkt, dass mangels einer eigenständigen Definition für die Abgrenzung dann doch wieder auf die im Steuerrecht geltende Definition zurückgegriffen werden müsse. Dieses Argument überzeugt allerdings wenig. Selbst, wenn für eine Abgrenzung ausnahmsweise auf diese Definition zurückgegriffen werden müsste, könnte daraus nicht hergeleitet werden, dass diese im Bereich des § 74 SGB VIII auch unmittelbar anzuwenden ist. 383 Ausführlich zu dieser Voraussetzung H.-W. Forkel, Zur angemessenen Eigenleistung der Träger der freien Jugendhilfe i. S. v. § 74 Abs. 1 Nr. 4 SGB VIII, in: ZKJ 2010, S. 308 ff. 384 Wabnitz, Subventionierung (Fn. 360), Kap. 5.3 Rn. 8 (S. 460); Wiesner (Fn. 357), § 74 Rn. 21. Auch das Bundesverfassungsgericht hat das Erfordernis einer Eigenleistung grundsätzlich anerkannt und nicht aufgrund der Autonomie der freien Träger verworfen, vgl. BVerfGE 22, 180 (207 ff.). Der Vorrang von Eigenmitteln gilt auch bei den Kirchen und ist mit dem verfassungsrechtlich verankerten Selbstbestimmungsrecht der Kirchen vereinbar, vgl. dazu BVerwG, NVwZ 1990, S. 66 (67). 385 Forkel, Eigenleistung (Fn. 383), S. 310; Münder (Fn. 357), § 74 Rn. 14; Wiesner (Fn. 357), § 74 Rn. 21; Kern (Fn. 357), § 74 Rn. 9. 386 So mit Recht Kern (Fn. 357), § 74 Rn. 9. 387 Kern (Fn. 357), § 74 Rn. 9.
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als Maßstab für die Höhe der Förderung gesehen werden388. Vielmehr ist die Angemessenheit der Eigenleistung, die ein freier Träger erbringt, anhand der Gesamtsituation – Dauer seiner Existenz bzw. Tätigkeit, wirtschaftliche Situation, Einbindung in Verbandsstrukturen – zu beurteilen389. (ee) Den Zielen des Grundgesetzes förderliche Arbeit (Nr. 5) Abschließend verlangt § 74 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 SGB VIII von den freien Trägern für eine Förderung, dass diese die Gewähr für eine den Zielen des Grundgesetzes förderliche Arbeit bieten390. Fraglich ist, was unter einer den Zielen des Grundgesetzes förderliche Arbeit zu verstehen ist. Damit ist nicht etwa politische oder weltanschauliche Neutralität des Trägers gemeint391. Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts liegt eine den Zielen des Grundgesetzes förderliche Arbeit nur dann vor, wenn der Träger positiv im Sinne der obersten Grundsätze der freiheitlichen Demokratie wirkt392. Dazu zählt insbesondere die freiheitlich-demokratische Grundordnung des Grundgesetzes im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts393. Das versteht darunter eine „Ordnung, die unter Ausschluß jeglicher Gewalt und Willkürherrschaft eine rechtsstaatliche Herrschaftsordnung auf der Grundlage der Selbstbestimmung des Volkes nach dem Willen der jeweiligen Mehrheit und der Freiheit und Gleichheit darstellt.“ 394 Die Frage ist, mit welcher Intensität ein freier Träger diese Ziele des Grundgesetzes zu fördern hat. Teilweise wird diese Anforderung an die freien Träger lediglich als eine „negative Verfassungsgewähr“ verstanden395. Dementsprechend sei die Arbeit eines freien Trägers solange förderlich, wie dieser nicht die sich aus Art. 79 Abs. 3,
388 BVerfGE 22, 180 (208); Wabnitz, Subventionsfinanzierung (Fn. 357), S. 167; Wiesner (Fn. 357), § 74 Rn. 21. 389 Wabnitz, Subventionsfinanzierung (Fn. 357), S. 167; Wiesner (Fn. 357), § 74 Rn. 21. 390 Zur Geschichte dieser Vorschrift vgl. J. Müller-Stackebrandt, Bundesjugendplan – Verteilungsplan oder Instrument zur Qualifizierung von Jugendarbeit, in: L. Böhnisch/ dies./W. Schefold (Hrsg.), Jugendpolitik und Sozialstaat. Befunde und Perspektiven, 1980, S. 43 (67 ff.). 391 Kern (Fn. 357), § 74 Rn. 10; Kunkel/Kepert (Fn. 357), § 74 Rn. 14. 392 BVerwGE 55, 232 (232). So auch aus der Literatur bspw. Wabnitz, Subventionsfinanzierung (Fn. 357), S. 167; Wiesner (Fn. 357), § 74 Rn. 22; Kern (Fn. 357), § 74 Rn. 10; Kunkel/Kepert (Fn. 357), § 74 Rn. 15. 393 Wabnitz, Subventionsfinanzierung (Fn. 357), S. 167; Kunkel/Kepert (Fn. 357), § 74 Rn. 14. Zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes siehe BVerfGE 2, 1 (12 f.). 394 BVerfGE 2, 1 (1, 12). 395 Vgl. zu dieser Ansicht im Überblick Bernzen (Fn. 373), § 74 Rn. 14, der sich diesem Ansatz im Ergebnis allerdings nicht anzuschließen vermag (Rn. 16).
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Art. 1 und Art. 19 GG ergebenden „Unantastbarkeiten“ verletzt396. Diese Auslegung sei vorzugswürdig, da die freiheitlich-demokratische Grundordnung grundsätzlich auch für alternative Verfassungskonzepte offen sei und die Anforderungen an die freien Träger daher – auch aufgrund ihrer Autonomie – nicht überzogen werden dürften397. Der Staat müsse grundsätzlich die Wertvorstellungen einer Vereinigung tolerieren und dürfe eine positive Einstellung zum Grundgesetz nicht verlangen, solange die Vereinigung nicht wegen Art. 9 Abs. 2 GG zu verbieten sei398. Gegen diese Ansicht einer „negativen Verfassungsgewähr“ spricht allerdings bereits der Wortlaut der Vorschrift. Dieser verlangt von den Trägern eine den Zielen des Grundgesetzes förderliche Arbeit. Der Begriff „förderlich“ legt dabei eine positive Einstellung zu den Zielen des Grundgesetzes nahe399. Dementsprechend ist von den freien Trägern ein Mehr zu fordern als die bloße Achtung der Regelungen in Art. 79 Abs. 3, Art. 1 und Art. 19 GG. Im Ergebnis ist von den freien Trägern also nicht nur zu verlangen, dass sie die verfassungsmäßige Ordnung wahren, sondern vor allem auch, dass sie die Kinder und Jugendlichen von den Zielen und Werten des Grundgesetzes zu überzeugen versuchen400. Das bedeutet gleichzeitig aber nicht, dass die Arbeit des Träger bezüglich der Gesamtheit der grundgesetzlichen Ziele förderlich sein muss, sodass es ihm zusteht, in Bezug auf einzelne Punkte kritisch zu sein401. Eine Förderungswürdigkeit ist im Hinblick auf diese Voraussetzung erst dann zu verneinen, wenn der freie Träger begründete Zweifel hinsichtlich des positiven Wirkens aufkommen lässt402. Dabei müssen allerdings grundsätzlich die Unabhängigkeit der freien Träger sowie deren grundrechtlichen Freiheiten berücksichtigt werden403.
396
So Münder (Fn. 357), § 74 Rn. 15. So die Argumentation bei G. Fieseler, in: W. Möller/C. Nix (Hrsg.), Kurzkommentar zum SGB VIII – Kinder- und Jugendhilfe, 2006, § 74 Rn. 6. Diesem Gedankengang folgt auch Münder (Fn. 357), § 74 Rn. 15. 398 M. Zulegg, Jugendverbände und Verfassungsgewähr, in: JZ 1979, S. 294 ff.; Bernzen (Fn. 373), § 74 Rn. 14. 399 So auch Bernzen (Fn. 373), § 74 Rn. 16; Wiesner (Fn. 357), § 74 Rn. 22; Kunkel/ Kepert (Fn. 357), § 74 Rn. 15. 400 Wiesner (Fn. 357), § 74 Rn. 22; Kunkel/Kepert (Fn. 357), § 74 Rn. 16. 401 Zutreffend Bernzen (Fn. 373), § 74 Rn. 16; Kern (Fn. 357), § 74 Rn. 10. 402 BVerwGE 55, 232 (235 f.); OVG NRW, NWVBl. 1993, S. 234 (234); Kunkel/Kepert (Fn. 357), § 74 Rn. 15; Kern (Fn. 357), § 74 Rn. 10. 403 Dabei ist beispielsweise an die Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG zu denken, die erlaubte Kritik an der Verfassungswirklichkeit grundsätzlich schützt. Eine Einschränkung über Art. 5 Abs. 2 GG scheint zwar aufgrund der Bedeutung der Kinderund Jugendhilfe für die Erziehung und Entwicklung der Kinder verfassungsrechtlich unbedenklich, dabei darf es aber nicht dazu kommen, dass die Meinungsäußerungsfreiheit der freien Träger faktisch vollumfänglich aufgehoben wird. Vgl. dazu Kunkel/Kepert (Fn. 357), § 74 Rn. 17, die auch auf die Möglichkeit der uneingeschränkten gerichtlichen Kontrolle im Falle einer Ablehnung der Förderung hinweisen. 397
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(c) Träger im Sinne des § 74 Abs. 1 SGB VIII Es lässt sich festhalten, dass § 74 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 Nr. 1 bis 5 SGB VIII zahlreiche Voraussetzungen im Hinblick auf die Tätigkeit des freien Trägers stellt, ohne dabei organisationsrechtliche Anforderungen an den Adressatenkreis zu stellen. Dieser lässt sich aber aus den gemachten Vorgaben herleiten. So liegt auf der Hand, dass nur Träger der freien Jugendhilfe gefördert werden können, das folgt schon daraus, dass die freiwillige Tätigkeit gefördert wird404. Ausgeschlossen von der Förderung sind dementsprechend Einrichtungen der öffentlichen Hand, auch wenn diese in privatrechtlicher Form agieren405. Aus den Anforderungen der Nrn. 1 bis 5 ergibt sich aber auch, dass nur solche freien Träger förderungswürdig sind, die eine gewisse Organisationsstruktur und Beständigkeit aufweisen können406. Gerade die Voraussetzungen in Nr. 2 und Nr. 3 sprechen dafür, dass zumindest ein rechtsfähiger Träger vorhanden sein muss407. Grund dafür ist vor allem, dass bei unorganisierteren Zusammenschlüssen eine Prüfung der Voraussetzungen und insbesondere der zweckmäßigen Verwendung des Geldes regelmäßig Probleme bereiten würde408. Welche Rechtsform der Träger wählt, ist für eine Förderung gemäß § 74 SGB VIII allerdings nicht entscheidend, insofern ist der Trägerbegriff der Vorschrift also denkbar weit. (d) Folgen bei Vorliegen der Voraussetzungen § 74 Abs. 1 S. 1 SGB VIII sieht vor, dass die öffentliche Jugendhilfe die freien Träger fördern soll, wenn diese die Voraussetzungen erfüllen. Daraus folgt dem Grundsatz nach eine objektiv-rechtliche Verpflichtung zur Förderung409. Umstritten war darüber hinaus lange, ob daneben auch ein subjektiver Rechtsanspruch 404
Münder (Fn. 357), § 74 Rn. 3. OVG TH FEVS 56 (2005), S. 469 (472); OVG TH ZFSH/SGB 2006, S. 665 (671); Münder (Fn. 357), § 74 Rn. 9; Kunkel/Kepert (Fn. 357), § 74 Rn. 4. 406 Kern (Fn. 357), § 74 Rn. 4. 407 W. Gernert, Zur Finanzierung der kommunalen Jugendhilfe, in: ders. (Hrsg.), Freie und öffentliche Jugendhilfe. Einführung in das Kinder- und Jugendhilfegesetz (KHJG), 1990, S. 270 (276); Kern (Fn. 357), § 74 Rn. 4; Kunkel/Kepert (Fn. 357), § 74 Rn. 4. 408 So zutreffend Kern (Fn. 357), § 74 Rn. 4 f.; Kunkel/Kepert (Fn. 357), § 74 Rn. 4. 409 F. Schoch/J. Wieland, Aufgabenzuständigkeit und Finanzierungsverantwortung verbesserter Kinderbetreuung, 2004, S. 137 f.; Wabnitz, Subventionierung (Fn. 360), Kap. 5.3 Rn. 10; Wiesner (Fn. 357), § 74 Rn. 24; Kern (Fn. 357), § 74 Rn. 12; Kunkel/ Kepert (Fn. 357), § 74 Rn. 25. Die Vorschrift ist als „Soll“-Vorschrift formuliert, da der Gesetzgeber mit Blick auf BVerfGE 22, 180 (207) davon ausging, dass das Gericht im Hinblick auf die Selbstverwaltungsgarantie der Gemeinden eine solche Verpflichtung abgelehnt hatte. Eine Verletzung der Selbstverwaltungsgarantie hat das Gericht aber gerade nicht angenommen, sodass die vom Gesetzgeber getroffene Einschränkung der Verpflichtung auf eine „Soll“-Vorschrift nicht nachvollziehbar erscheint. Vgl. dazu auch U. Preis, Rechtsprobleme bei Eingriffen in die Finanzgrundlagen der Jugendhilfe, in: ZfJ 1988, S. 300 (302 ff.); Kunkel/Kepert, a. a. O. 405
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von Trägern der freien Jugendhilfe auf Förderung besteht410. Das Bundesverwaltungsgericht hat allerdings mittlerweile entschieden, dass den freien Trägern ein solch subjektiver Förderanspruch zusteht411. Dieser Anspruch nach Absatz 1 steht diesen allerdings nur dem Grunde nach zu, sodass damit keine Entscheidung über Art und Höhe der Förderung gemeint ist412. Von diesem Anspruch ist also ein zweiter Anspruch auf fehlerfreien Ermessensgebrauch bei der Entscheidung über Art und Höhe der Förderung gemäß Absatz 3 zu unterscheiden413. Münder stellt dementsprechend zutreffend fest, dass die Frage, ob ein Anspruch dem Grunde nach bestehe, daher von untergeordneter Bedeutung sei, da sich aus der Formulierung der „Soll“-Vorschrift in Absatz 1 zumindest ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung ergäbe414. Abzulehnen ist ein subjektiver Anspruch aus Absatz 1 nur in seltenen, atypischen Fällen415. Die Förderung nach § 74 Abs. 1 S. 1 SGB VIII ist grundsätzlich nicht auf Dauer angelegt. Für eine solche Förderung legt § 74 Abs. 1 S. 2 SGB VIII – insoweit abweichend zu Satz 1 – fest, dass der jeweilige Träger über die Voraussetzungen aus Satz 1 – die selbstverständlich auch hier erfüllt sein müssen416 – hinaus als freier Träger gemäß § 75 SGB VIII anerkannt sein muss. Damit wollte der Gesetzgeber sicherstellen, dass eine dauerhafte Förderung nur solchen Trägern 410 Vgl. zu diesem Streit die Ausführungen bei R. J. Wabnitz, Rechtsansprüche gegenüber Trägern der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe nach dem Achten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII), 2005, S. 271 ff.; ders., Subventionierung (Fn. 360), Kap. 5.3 Rn. 10 ff. 411 BVerwGE 134, 206 (213). In diesem Sinne auch VGH BW ZKJ 2007, S. 203 (203); G. Fiesler, Öffentliche und freie Jugendhilfe – Zusammenarbeit und Förderung – Anspruch auf Hilfe zur Erziehung, in: ZfJ 1995, S. 195 (198); Wabnitz, Rechtsansprüche (Fn. 410), S. 273 f.; R. J. Wabnitz, Der Rechtsanspruch von Trägern der freien Jugendhilfe auf Förderung nach § 74 Abs. 1 SGB VIII, in: ZKJ 2007, S. 189 (189 f.); Mrozynski (Fn. 294), § 74 Rn. 10; H.-W. Forkel, Zur Systematik der Förderung freier Träger der Jugendhilfe, in: ZKJ 2010, S. 5 (7); R. J. Wabnitz, Zur neueren Judikatur des Bundesverwaltungsgerichts betreffend die Förderung von Trägern der freien Jugendhilfe nach § 74 SGB VIII, in: ZKJ 2010, S. 99 (100 ff.); ders., Subventionierung (Fn. 360), Kap. 5.3 Rn. 14; Kern (Fn. 357), § 74 Rn. 12. Unklar sind in diesem Zusammenhang die Ausführungen bei Münder (Fn. 357), § 74 Rn. 19 ff., der von einem Förderermessen und einer Regelförderverpflichtung spricht. 412 VG Frankfurt ZFSH/SGB 2005, S. 730 (734); Wabnitz, Subventionsfinanzierung (Fn. 357), S. 169; ders., Judikatur (Fn. 411), S. 100; Kern (Fn. 357), § 74 Rn. 12; Kunkel/ Kepert (Fn. 357), § 74 Rn. 29. 413 Zu dieser Unterscheidung auch BVerwGE 134, 206 (208, 213); Wiesner (Fn. 357), § 74 R. 24; Kern (Fn. 357), § 74 Rn. 12; Kunkel/Kepert (Fn. 357), § 74 Rn. 28. 414 Münder (Fn. 357), § 74 Rn. 19, der anmerkt, dass bei entsprechenden Konstellationen allerdings eine Ermessensreduzierung auf Null vorliegen könne. Auch Wiesner (Fn. 357), § 74 Rn. 24a, stellt fest, dass ein „Rechtsanspruch dem Grunde nach“ keine materiell-rechtlichen Folgen mit sich bringe, sondern lediglich verfahrensrechtliche Folgen in der Form habe, dass dadurch der Rechtsweg zum VG eröffnet sei, um das Vorliegen eines Anspruchs zu klären. 415 Wiesner (Fn. 357), § 74 Rn. 24b; Kern (Fn. 357), § 74 Rn. 12. 416 Siehe dazu OVG NW FEVS 43 (1993), S. 164 (164).
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zugutekommt, die eine gewisse Kontinuität gewährleisten417. Dementsprechend wird vor allem die institutionelle Förderung gemeint sein, da eine Projektförderung in der Regel nicht auf Dauer angelegt sein wird418. Wann eine auf Dauer angelegte Förderung angezeigt ist, erfordert eine Prognoseentscheidung, bei der allerdings regelmäßig die bisherige Tätigkeit des freien Trägers als Indiz zugrunde gelegt werden kann419. Aufgrund der Tatsache, dass § 74 Abs. 1 S. 2 SGB VIII nur „in der Regel“ eine Anerkennung gemäß § 75 SGB VIII für eine dauerhafte Förderung verlangt, können von dieser Voraussetzung allerdings Ausnahmen gemacht werden. (e) Zusammenfassung der Ergebnisse Anders als bei der vorangegangenen Untersuchung des § 45 SGB VIII werden im Rahmen von § 74 Abs. 1 SGB VIII also Anforderungen an den jeweiligen Träger der freien Jugendhilfe selbst gestellt. Dabei ist der Trägerbegriff im Gegensatz zu dem in § 45 SGB VIII allerdings, dem Sinn der Vorschrift entsprechend, auf Träger der freien Jugendhilfe beschränkt. Dies ergibt sich schon als Konsequenz daraus, dass die Förderung gerade von Seiten der Träger der öffentlichen Jugendhilfe aus erfolgt. Darüberhinausgehend ist für den Begriff des Trägers in § 74 Abs. 1, 2. Hs. SGB VIII zu verlangen, dass dieser zumindest rechtsfähig ist und darüber hinaus eine gewisse Struktur und Kontinuität aufweist. Weitere Anforderungen, insbesondere an die Rechtsform des freien Trägers, werden nicht gestellt. Aus der Tatsache, dass nur solche Träger gefördert werden können, die gemeinnützige Ziele verfolgen (Nr. 3), ergibt sich allerdings im Umkehrschluss, dass privat-gewerbliche Träger vom Adressatenkreis ausgeschlossen sind. Inhaltlich stellt der abschließende Katalog in § 74 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 Nrn. 1–5 SGB VIII breit gefächerte Anforderungen an den freien Träger, der eine Förderung anstrebt. Neben der Forderung, dass der freie Träger gemeinnützige Ziele verfolgt, muss der Träger eine zweckentsprechende Verwendung der Mittel gewährleisten (Nr. 2). Eine Förderung eines freien Trägers kommt dabei aber nur dann in Betracht, wenn dieser eine angemessene Eigenleistung erbringt (Nr. 4) und dabei die allgemein geltenden Standards mit Blick auf die Qualifikation des eingesetzten Personals und des gesamten Konzepts (Nr. 1) garantiert. Neben diesen Anforderungen an die Leistung des freien Trägers und die Verwendung der Mittel sticht die Voraussetzung hervor, dass der Träger eine den Zielen des Grundgesetzes förderliche Arbeit gewährleisten muss (Nr. 5). Diese Anforderung an den Träger ist positiv zu verstehen, sodass verlangt wird, dass dieser nicht nur 417 BT-Drs. 11/6748, S. 82. Dazu auch Kern (Fn. 357), § 74 Rn. 11; Kunkel/Kepert (Fn. 357), § 74 Rn. 18. 418 So zutreffend Wiesner (Fn. 357), § 74 Rn. 23. 419 Münder (Fn. 357), § 74 Rn. 16; Kunkel/Kepert (Fn. 357), § 74 Rn. 19.
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die Grundsätze der Verfassung beachtet, sondern vielmehr aktiv für diese eintritt, indem er versucht, diese den Kindern- und Jugendlichen zu vermitteln. Insofern verlangt § 74 SGB VIII, dass der Träger mit Blick auf seine Arbeit die Treue zur Verfassung gewährleistet420. (2) Die Anerkennung als Träger der freien Jugendhilfe im Sinne des § 75 SGB VIII Neben § 74 SGB VIII, der die Förderung der freien Träger regelt, gestaltet auch § 75 SGB VIII die partnerschaftliche Zusammenarbeit von öffentlichen und freien Trägern der Jugendhilfe weiter aus. Dabei ist die Anerkennung nicht nur für eine auf Dauer angelegte Förderung relevant. Sie hat auch deswegen eine besondere Bedeutung, weil den freien Trägern durch diese Anerkennung ein „bevorzugter Status im Rahmen der partnerschaftlichen Zusammenarbeit“ eingeräumt wird421. Der Staat geht mit der Anerkennung also eine engere und verbindlichere Kooperation ein. Dementsprechend soll nachfolgend untersucht werden, welche Voraussetzungen der Staat dabei von den freien Trägern als private Akteure verlangt. § 75 SGB VIII – Anerkennung als Träger der freien Jugendhilfe (1) Als Träger der freien Jugendhilfe können juristische Personen und Personenvereinigungen anerkannt werden, wenn sie 1. auf dem Gebiet der Jugendhilfe im Sinne des § 1 tätig sind, 2. gemeinnützige Ziele verfolgen, 3. auf Grund der fachlichen und personellen Voraussetzungen erwarten lassen, dass sie einen nicht unwesentlichen Beitrag zur Erfüllung der Aufgaben der Jugendhilfe zu leisten imstande sind, und 4. die Gewähr für eine den Zielen des Grundgesetzes förderliche Arbeit bieten. (2) Einen Anspruch auf Anerkennung als Träger der freien Jugendhilfe hat unter den Voraussetzungen des Absatzes 1, wer auf dem Gebiet der Jugendhilfe mindestens drei Jahre tätig gewesen ist. (3) Die Kirchen und Religionsgemeinschaften des öffentlichen Rechts sowie die auf Bundesebene zusammengeschlossenen Verbände der freien Wohlfahrtspflege sind anerkannte Verbände der freien Jugendhilfe. 420 Dies ist insbesondere anzunehmen, wenn man davon ausgeht, dass der Begriff der Verfassungstreue lediglich ein Sammelbegriff für verschiedenste Maßstäbe an Loyalität ist und kein darüberhinausgehendes allgemeines Rechtsprinzip darstellt, vgl. dazu J. A. Kämmerer, Die Konzeption der Verfassungstreue im Verfassungs- und Gemeinschaftsrecht, in: W. Kluth (Hrsg.), Verfassungstreue jenseits des Beamtentums, 2011, S. 13 (14). Zu Begriff und Inhalt der Verfassungstreue bereits oben unter § 2 C. (S. 81 ff.). 421 Wiesner (Fn. 367), § 75 Rn. 1. Dem schließen sich H. Schindler/E. Elmauer, in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII (Fn. 292), § 75 Rn. 1, an, die außerdem die sich aus der Anerkennung ergebenden Rechte im Überblick aufzählen.
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(a) Bedeutung der Anerkennung als freier Träger Fragt man nach der Bedeutung der Anerkennung als Träger der freien Jugendhilfe, ist zunächst festzustellen, dass die Anerkennung grundsätzlich keine erforderliche Voraussetzung für ein Tätigwerden in der freien Jugendhilfe und auch nicht für eine Förderung ist422. Grund dafür ist, dass das autonome Betätigungsrecht der freien Jugendhilfe in Art. 2 Abs. 1 GG als „Grundrecht der freien karitativen Betätigung“ verfassungsrechtlich verankert ist und keine Zulassung voraussetzt423. Dennoch sind die Anerkennung und der daraus resultierende besondere Status der freien Träger für diese von besonderer Bedeutung. Die Privilegierung der anerkannten Träger gegenüber den sonstigen Trägern der freien Jugendhilfe wirkt sich auf drei verschiedene Weisen aus. So ist zwischen der institutionellen, der förderrechtlichen und der statusbezogenen Privilegierung zu unterscheiden424. Institutionell öffnet die Anerkennung den Trägern der freien Jugendhilfe bspw. den Zugang zum Jugendhilfeausschuss (§ 71 Abs. 1 Nr. 1 SGB VIII) bzw. zum Landesjugendhilfeausschuss (§ 71 Abs. 4 SGB VIII), zu Arbeitsgemeinschaften und der Jugendhilfeplanung generell425. Förderrechtlich gesehen führt die Anerkennung im Sinne von § 75 SGB VIII zwar nicht zu einem unmittelbaren Anspruch auf Förderung nach § 74 SGB VIII426, allerdings ist sie Grundlage für eine auf Dauer angelegte Förderung im Sinne von § 74 Abs. 1 S. 2 SGB VIII427. Dementsprechend gewährt sie zumindest mit Blick auf die Dauer der Förderung eine Privilegierung in materieller Hinsicht. Aber auch statusbezogen bietet eine Anerkennung Vorteile. So sind anerkannte Träger der freien Jugendhilfe berechtigt, gemäß § 76 SGB VIII andere Aufgaben der Jugendhilfe wahrzunehmen, die gemäß § 3 Abs. 3 S. 1 SGB VIII grundsätzlich den Trägern der öffentlichen Jugendhilfe vorbehalten sind428. Außerdem gewährt § 4 Abs. 2 SGB VIII den 422 Mrozynski (Fn. 294), § 75 Rn. 1; Wiesner (Fn. 367), § 75 Rn. 1; Kern (Fn. 367), § 75 Rn. 1. Auch J. Münder, Die Leistungserbringung und die Wahrnehmung der anderen Aufgaben, in: ders./Wiesner/Meysen, Kinder- und Jugendhilferecht (Fn. 284), Kap. 5.1 Rn. 7, stellt fest, dass das SGB VIII keine Vorschriften enthält, die mit Blick auf das Erbringen von Leistungen eine Einschränkung aufweisen, welche an den körperschaftsrechtlichen Status des Trägers anknüpft. 423 BVerfGE 20, 150 (159). Vgl. zur grundrechtlichen Verankerung des Tätigwerdens der Träger der freien Jugendhilfe ausführlich unter § 6 B. II. 3. a) (S. 343 ff.). 424 Siehe zu dieser dreigliedrigen Privilegierung Münder (Fn. 367), § 75 Rn. 4. Einen Überblick über die verschiedenen Privilegien geben auch W. Gernert/A. Oehlmann-Austermann, Anerkennung als freier Träger der Jugendhilfe, 2004, S. 27 und Schindler/Elmauer (Fn. 421), § 75 Rn. 1. 425 Münder (Fn. 367), § 75 Rn. 4; Wiesner (Fn. 367), § 75 Rn. 1; Schindler/Elmauer (Fn. 421), § 75 Rn. 1. 426 VG Frankfurt a. M., ZfJ 1995, S. 335 (335); Kern (Fn. 367), § 75 Rn. 2. 427 Münder (Fn. 367), § 75 Rn. 4; Schindler/Elmauer (Fn. 421), § 75 Rn. 1. 428 Münder (Fn. 367), § 75 Rn. 4; Wiesner (Fn. 367), § 75 Rn. 1; Schindler/Elmauer (Fn. 421), § 75 Rn. 1.
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anerkannten Trägern und ihren Einrichtungen einen gewissen Konkurrenzschutz gegenüber den öffentlichen Trägern der Jugendhilfe429. Diese Privilegien der Anerkennung verdeutlichen deren Bedeutung für die partnerschaftliche Zusammenarbeit von freier und öffentlicher Jugendhilfe und rechtfertigen gleichzeitig die Untersuchung der an die freien Träger im Rahmen der Anerkennung gestellten Voraussetzungen. (b) Der Trägerbegriff im Rahmen des § 75 SGB VIII Der Trägerbegriff in § 75 SGB VIII weicht vom allgemeinen Begriff des freien Trägers, wie er bereits im Rahmen von § 3 SGB VIII vorgestellt worden ist, mit Blick auf den Adressatenkreis ab. So grenzt bereits der Wortlaut der Vorschrift den Adressatenkreis auf juristische Personen und Personenvereinigungen ein. Damit schließt die Regelung Einzelpersonen von der Anerkennung aus430. Als juristische Person sind dabei vor allem der e. V. (§§ 21 ff. BGB) und die GmbH (GmbHG) und daneben die Stiftung bürgerlichen Rechts (§§ 80 ff. BGB), die Genossenschaft (GenG) und die AG (AktG) relevant431. Der Begriff Personenvereinigungen umfasst sowohl die voll rechtsfähigen Personenvereinigungen (bspw. die Körperschaften des öffentlichen bzw. privaten Rechts) als auch die teilrechtsfähigen bzw. nicht rechtsfähigen Personenvereinigungen432. Der Begriff der Personenvereinigungen als Ergänzung zum Begriff der juristischen Personen umfasst vor allem die teilrechtsfähigen Vereinigungen wie die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (§§ 705 ff. BGB), die nicht eingetragenen Vereine (§ 54 BGB) und Partnerschaftsgesellschaften (PartGG)433. Von Bedeutung ist dabei insbesondere die Gesellschaft bürgerlichen Rechs. Diese wird vor allem relevant bei Selbsthilfe- und Initiativgruppen, wenn deren Organisations- und Entscheidungsstrukturen hinreichend ausgeprägt sind und ihre Tätigkeit auf Dauer angelegt ist434. Dafür, dass auch diesen Gruppen die Anerkennung ermöglicht wird, 429
Schindler/Elmauer (Fn. 421), § 75 Rn. 1. So die Begründung in BT-Drs. 12/2866, S. 33. Auch Münder (Fn. 367), § 75 Rn. 6; Wiesner (Fn. 367), § 75 Rn. 6; Schindler/Elmauer (Fn. 421), § 75 Rn. 4. Vgl. aber auch Kern (Fn. 367), § 75 Rn. 8, der darauf hinweist, dass etwas anderes gilt, wenn die Einzelperson nicht natürliche Person, sondern bspw. Gesellschafter einer GmbH ist. 431 Münder (Fn. 367), § 75 Rn. 5; Schindler/Elmauer (Fn. 421), § 75 Rn. 5. 432 Münder (Fn. 367), § 75 Rn. 8. Anders aber Schindler/Elmauer (Fn. 421), § 75 Rn. 6, die unter dem Begriff der Personenvereinigungen im Sinne des § 75 SGB VIII nur solche Zusammenschlüsse von Personen verstehen wollen, die nicht rechtsfähig sind. 433 Münder (Fn. 367), § 75 Rn. 8; Schindler/Elmauer (Fn. 421), § 75 Rn. 6. 434 Dazu v. a. Münder (Fn. 367), § 75 Rn. 8. Der Gedanke der Kontinuität ergibt sich dabei auch aus Nr. 1.1 der Grundsätze für die Anerkennung von Trägern der freien Jugendhilfe nach § 75 SGB VIII der Arbeitsgemeinschaft der obersten Landesjugendbehörden vom 7. September 2016. Dies folgt sich bereits aus der Gesetzesbegründung der Bundesregierung zum KJHG, BT-Drs. 11/5948, S. 99: „Künftig soll die Anerkennung nicht mehr als Förderungsvoraussetzung dienen, sondern Bedeutung für die (institutio430
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spricht die im SGB VIII grundsätzlich herausgestellte Förderungswürdigkeit der Selbsthilfe435. Der Begriff des Trägers in § 75 SGB VIII ist also abgesehen vom Ausschluss einzelner Personen weit gefasst. Dadurch soll der in Bezug auf die Struktur sehr unterschiedlichen Trägerlandschaft Rechnung getragen und den Trägern weitestgehend freie Hand bei ihrer eigenen Organisation gelassen werden, ohne ihnen dabei die Möglichkeit einer Anerkennung zu nehmen. (c) Voraussetzungen für die Anerkennung als freier Träger Die Voraussetzungen für die Anerkennung als freier Träger der Jugendhilfe ergeben sich aus § 75 Abs. 1 SGB VIII. Die in den Nrn. 1 bis 4 aufgezählten Kriterien sind dabei abschließend und müssen für eine Anerkennung kumulativ vorliegen436. Die Entscheidung der Anerkennung steht auch bei Vorliegen der Voraussetzungen im Ermessen der Behörde. Allerdings wird die Behörde dann regelmäßig keine Gründe vorbringen können, die für eine Ablehnung sprechen437. (aa) Auf dem Gebiet der Jugendhilfe i. S. d. § 1 tätig (Nr. 1) Zunächst muss der Träger der freien Jugendhilfe für eine Anerkennung gemäß Nr. 1 auf dem Gebiet der Jugendhilfe tätig sein. Das bedeutet allerdings nicht, dass der Träger ausschließlich oder weit überwiegend auf diesem Gebiet Leistungen anbieten muss438. Damit wird vor allem dem Umstand Rechnung getragen, dass die freien Träger im Rahmen ihrer Privatautonomie tätig werden und ihnen daher das Recht eingeräumt werden muss, die Schwerpunkte ihrer Tätigkeiten selbst zu setzen439. Dementsprechend ist es ausreichend, wenn der freie Träger lediglich in einem Teilbereich der Kinder- und Jugendhilfe tätig ist und dieser nur einen Teil seines Aufgabenspektrums darstellt. Beispielhaft dafür zu nennen sind Träger von Frauenhäusern, in denen auch die Betreuung der Kinder der betroffenen Frauen angeboten wird, aber eben nur neben dem Schutz der Frauen als Hauptleistung440. Die Voraussetzung des § 75 Abs. 1 Nr. 1 SGB VIII ist also weit nelle) Zusammenarbeit zwischen öffentlicher und freier Jugendhilfe erhalten. Neben der Verfassungsgewähr spielt daher der Gedanke der Kontinuität eine wesentliche Rolle.“ 435 Das stellen Schindler/Elmauer (Fn. 421), § 75 Rn. 6, zutreffend fest und verweisen dabei auf verschiedene Stellen im Gesetz, welche die Selbsthilfe/Selbstorganisation ausdrücklich als förderungswürdig anerkennen (§ 4 Abs. 3, § 25, § 74 Abs. 4 SGB VIII). 436 Münder (Fn. 367), § 75 Rn. 9; Kern (Fn. 367), § 75 Rn. 6. 437 So zutreffend Schindler/Elmauer (Fn. 421), § 75 Rn. 2. 438 Mrozynski (Fn. 294), § 75 Rn. 2; Münder (Fn. 367), § 75 Rn. 10; Wiesner (Fn. 367), § 75 Rn. 8; Kern (Fn. 367), § 75 Rn. 8, der richtigerweise feststellt, dass Nr. 1 kein quantitatives Element enthält. 439 Wiesner (Fn. 367), § 75 Rn. 8. 440 Vgl. zu diesem Beispiel auch Mrozynski (Fn. 294), § 75 Rn. 2; Kern (Fn. 367), § 75 Rn. 8.
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auszulegen. Im Grunde kommt es nur darauf an, dass der Träger in irgendeiner Weise förderlich auf die Entwicklung und Erziehung junger Menschen zu eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeiten einwirkt (§ 1 Abs. 1 SGB VIII). Ausgeschlossen sind dadurch also lediglich Organisationen oder Vereine, die negativ auf die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen einwirken441, oder solche, deren Ziele außerhalb der Jugendhilfe stehen442. (bb) Verfolgung gemeinnütziger Ziele (Nr. 2) Des Weiteren muss der Träger neben seiner Tätigkeit im Bereich der Jugendhilfe gemäß Nr. 2 gemeinnützige Ziele verfolgen. Diese Voraussetzung ist deckungsgleich mit der aus § 74 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB VIII443. Dementsprechend sind auch im Rahmen der Anerkennung privat-gewerbliche und sonstige nicht gemeinnützige Träger richtigerweise ausgeschlossen. Eine Gemeinnützigkeit im steuerrechtlichen Sinne ist, wie bereits im Rahmen von § 74 SGB VIII festgestellt, nicht zwingend erforderlich. Verfassungsrechtliche Bedenken ergeben sich aus der Abhängigkeit der Anerkennung freier Träger von der Verfolgung gemeinnütziger Ziele nicht444. (cc) Erwartung eines nicht unwesentlichen Beitrages (Nr. 3) Darüber hinaus legt § 75 Abs. 1 Nr. 3 SGB VIII fest, dass eine Anerkennung nur dann in Betracht kommt, wenn die fachlichen und personellen Voraussetzungen erwarten lassen, dass der freie Träger einen nicht unwesentlichen Beitrag zur Erfüllung der Aufgaben der Jugendhilfe zu leisten imstande ist445. Diese Voraussetzung soll qualitativ sicherstellen, dass freie Träger nur dann die Vorzüge einer Anerkennung genießen können, wenn sie einen gewissen fachlichen Standard garantieren446. Dabei enthält diese Regelung einen Vergangenheits- und einen Zukunftsbezug. Zum einen wird die bisherige Tätigkeit des freien Trägers im Hinblick auf die fachlichen bzw. personellen Voraussetzungen beurteilt, und zum anderen wird eine Prognose der zukünftigen Tätigkeiten und deren Beitrag für 441 Als Beispiel sind dabei vor allem die Jugendsekten zu nennen, vgl. dazu auch Wiesner (Fn. 367), § 75 Rn. 9; Schindler/Elmauer (Fn. 421), § 75 Rn. 7. 442 Dies betrifft vor allem die Jugendorganisationen politischer Parteien, deren Tätigkeit in der Regel auf parteipolitische Betätigung beschränkt ist. Dazu OVG Lüneburg, RdJB 1988, S. 469 ff. mit krit. Anm. von J. Münder; Kern (Fn. 367), § 75 Rn. 8; Schindler/Elmauer (Fn. 421), § 75 Rn. 7. 443 Vgl. dazu schon die dortigen Ausführungen auf S. 167. 444 So zutreffend Kern (Fn. 367), § 75 Rn. 9. 445 Diese Voraussetzung hat im Rahmen der Ausschussberatungen zum KJHG ohne besondere Begründung den Weg in die Vorschrift gefunden, vgl. BT-Drs. 11/6748, S. 41, 82. 446 Münder (Fn. 367), § 75 Rn. 13; Wiesner (Fn. 367), § 75 Rn. 11.
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die Jugendhilfe gestellt447. Es ist also festzustellen, welche Anforderungen an die fachlichen und personellen Voraussetzungen und an die Bedeutung des Beitrags gestellt werden. Die in der Regelung enthaltene Bezugnahme auf die fachlichen und personellen Voraussetzungen enthält sowohl ein qualitatives als auch, zumindest mit Blick auf die Zahl der eingesetzten Mitarbeiter, ein quantitatives Element448. Vornehmlich verlangt diese Vorschrift, dass die eingesetzten Mitarbeiter – unabhängig von der Frage, ob diese Voll- bzw. Teilzeitbeschäftigte oder ehrenamtlich tätige Personen sind – hinreichend fachlich qualifiziert sind449. Darüber hinaus ist aber auch erforderlich, dass für die Durchführung der vom freien Träger beabsichtigten Maßnahmen eine ausreichende Anzahl an qualifizierten Mitarbeitern vorhanden ist450. Die fachlichen Voraussetzungen sind dann erfüllt, wenn der Träger für die beabsichtigte Tätigkeit ein konkretes inhaltliches Konzept anbieten kann und dieses Konzept durch ein geeignetes Personal-, Raum- und Finanzkonzept abgesichert ist451. Dabei sind allerdings keine allzu strengen Voraussetzungen anzulegen452. Das Personalkonzept ist allerdings anhand der sich aus § 72 Abs. 1 SGB VIII ergebenden Standards zu bewerten453. Verlangt wird von den freien Trägern außerdem, dass sie einen nicht unwesentlichen Beitrag zur Erfüllung der Aufgaben der Jugendhilfe leisten. Dabei handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der nicht näher definiert ist454. Die Voraussetzung könnte dem Wortlaut nach als quantitatives Element verstanden werden455. Bei einem solchen Verständnis würde allerdings die Gefahr drohen, dass dadurch die traditionellen privat-gemeinnützigen Träger aufgrund ihrer Größe privilegiert, kleinere Selbsthilfegruppen hingegen benachteiligt würden456. Dementsprechend darf der Begriff des nicht unwesentlichen 447
Kern (Fn. 367), § 75 Rn. 10. So wohl auch Schindler/Elmauer (Fn. 421), § 75 Rn. 10. Unklar an dieser Stelle Wiesner (Fn. 367), § 75 Rn. 11, der in der Regelung zwar lediglich ein qualitatives Merkmal sieht, aber in diesem Zusammenhang dennoch auch von einer personellen Kompetenz spricht. 449 Schindler/Elmauer (Fn. 421), § 75 Rn. 10. 450 So zurecht auch Schindler/Elmauer (Fn. 421), § 75 Rn. 10. 451 VG Berlin, ZfJ 2004, S. 464 (466); Wiesner (Fn. 367), § 75 Rn. 11; Kern (Fn. 367), § 75 Rn. 10. 452 C. Bernzen, in: Jans/Happe/Saurbier/Maas, SGB VIII (Fn. 307), § 75 Rn. 14; Kern (Fn. 367), § 75 Rn. 10. 453 VG Berlin, ZfJ 2004, S. 464 (466); Wiesner (Fn. 367), § 75 Rn. 11. 454 J. Merchel, Veränderungen in der kommunalen Jugendhilfepolitik?, in: NDV 1990, S. 377 (379); Wiesner (Fn. 367), § 75 Rn. 12; Kern (Fn. 367), § 75 Rn. 11. 455 So im Ergebnis wohl zumindest auch die Grundsätze für die Anerkennung von freien Trägern der Jugendhilfe nach § 75 SGB VIII der Arbeitsgemeinschaft der Obersten Landesjugendbehörden vom 7. September 2016 unter Punkt 2.3. 456 Münder (Fn. 367), § 75 Rn. 13; Wiesner (Fn. 367), § 75 Rn. 12; Schindler/Elmauer (Fn. 421), § 75 Rn. 13. 448
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Beitrages nicht rein quantitativ verstanden werden, sondern ist vielmehr unter Bezugnahme auf das konkrete Projekt des infrage stehenden Trägers zu beurteilen. So können durchaus auch kleinere Projekte von örtlichen Trägern einen wesentlichen Beitrag zur Jugendhilfe leisten457. Ein solch weites Verständnis steht auch im Einklang mit der Konzeption des Gesetzes, welches auch kleinere Initiativ- und Selbsthilfegruppen für wesentlich erachtet458. Schindler/Elmauer fassen daher zutreffend zusammen, dass von einem wesentlichen Beitrag in der Regel bereits dann auszugehen sei, wenn sich der freie Träger „mit einem bestimmten Angebot auf Dauer an eine beschreibbare Zielgruppe wendet.“ 459 (dd) Förderung der Ziele des Grundgesetzes (Nr. 4) Zuletzt wird von den freien Trägern im Rahmen der Anerkennung wie auch schon mit Blick auf die Förderung verlangt, dass diese die Gewähr für eine den Zielen des Grundgesetzes förderliche Arbeit bieten. Die Voraussetzung ist dabei deckungsgleich mit der in § 74 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 SGB VIII. Es ist also von den freien Trägern nicht nur die bloße Achtung vor den Vorschriften in Art. 79 Abs. 3, Art. 1 und Art. 19 GG zu fordern, sondern darüberhinausgehend, dass diese versuchen, die Kinder und Jugendlichen in positiver Weise von den Zielen und Werten des Grundgesetzes zu überzeugen. Es wird dementsprechend von den freien Trägern erwartet, dass diese sich im Rahmen ihrer Tätigkeit verfassungstreu verhalten. (d) Die Voraussetzungen im Vergleich zu § 74 SGB VIII Betrachtet man die Anforderungen, die § 75 SGB VIII für die Anerkennung an die Träger der freien Jugendhilfe stellt, im Überblick, so fallen die Parallelen zu § 74 SGB VIII ins Auge. Diese beschränken sich aber nicht ausschließlich auf die Voraussetzungen der Verfolgung gemeinnütziger Ziele (Nr. 2) und der Förderung der Ziele des Grundgesetzes (Nr. 4), die deckungsgleich mit den Voraussetzungen in § 74 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 Nr. 3 bzw. Nr. 5 SGB VIII sind. Auch die Anforderung, dass der freie Träger für eine Anerkennung auf dem Gebiet der Jugendhilfe tätig sein muss, ist – auch wenn sich dies nicht ausdrücklich aus dem Wortlaut ergibt – in § 74 SGB VIII ebenfalls zu fordern460. Abweichend zu den Voraussetzungen aus § 74 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB VIII verlangt § 75 Abs. 1 Nr. 3 SGB VIII von den freien Trägern, dass sie auf Grund der 457
Wiesner (Fn. 367), § 75 Rn. 12; Kern (Fn. 367), § 75 Rn. 11. So zutreffend Schindler/Elmauer (Fn. 421), § 75 Rn. 13. In diese Richtung auch Merchel, Veränderungen (Fn. 454), S. 379, der anmerkt, dass ein enges quantitatives Verständnis gegen das Bestreben des Gesetzes spricht, die Trägerlandschaft der Jugendhilfe zu dynamisieren. 459 Schindler/Elmauer (Fn. 421), § 75 Rn. 13. 460 Siehe dazu bereits die Ausführungen auf S. 164. 458
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fachlichen und personellen Voraussetzungen erwarten lassen, dass diese einen nicht unwesentlichen Beitrag zur Erfüllung der Aufgaben der Jugendhilfe leisten. Diese Abweichung lässt sich mit den verschiedenen Zwecken der Vorschriften erklären. § 75 SGB VIII verfolgt den Zweck, dass der öffentlichen Jugendhilfe im Rahmen der kooperativen Zusammenarbeit verlässliche Partner zur Verfügung stehen, die eine gewisse Qualität und Kontinuität mitbringen. Die Erwartung eines nicht unwesentlichen Beitrages in Nr. 3 beinhaltet qualitative und quantitative Elemente, die sicherstellen sollen, dass die Träger der freien Jugendhilfe, die eine tiefer gehende Zusammenarbeit anstreben, ebendiesem Anspruch gerecht werden. Die grundsätzliche Förderung in § 74 Abs. 1 S. 1 SGB VIII erfordert eine solch dauerhafte Verlässlichkeit gerade nicht, da sie nicht auf Dauer angelegt ist. Hier sind die Kriterien der fachlichen Voraussetzungen (Nr. 1), der zweckentsprechenden Verwendung der Mittel (Nr. 2) und der angemessenen Eigenleistung (Nr. 4) geeignet, um die generelle Förderungswürdigkeit eines Trägers im konkreten Einzelfall festzustellen. Dabei ist die Kontinuität aufgrund der Einmaligkeit der Förderung nicht ausschlaggebend. Aus § 74 Abs. 1 S. 2 SGB VIII ergibt sich aber, dass bei einer auf Dauer angelegten Förderung eine Anerkennung im Sinne des § 75 – und damit auch die Voraussetzung des nicht unwesentlichen Beitrages in Nr. 3 – vorliegen muss. Insofern sind die verschiedenen Voraussetzungen in § 74 Abs. 1 SGB VIII und § 75 Abs. 1 SGB VIII konsequent und in sich schlüssig, sodass sich hier keine Widersprüche erkennen lassen. cc) Die Art der Einbindung der freien Träger im Überblick Bei der Art der Einbindung von freien Trägern im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe ist eine differenzierte Betrachtungsweise angezeigt, wobei sich aber insgesamt eine zentrale Rolle privater Akteure in diesem Bereich erkennen lässt. Diese tragende Rolle wird bereits durch die Hervorhebung der Vielfalt von Trägern verschiedener Wertorientierungen in § 3 Abs. 1 SGB VIII und durch das Nebeneinander von öffentlicher und freier Jugendhilfe in § 3 Abs. 2 SGB VIII determiniert. Dabei wird allerdings nur festgestellt, dass die freien Träger auch Leistungen der Jugendhilfe erbringen; welche das sind, wird nicht konkret festgestellt. Was hingegen feststeht, ist, dass die freien Träger nicht als „Erfüllungsgehilfen“ der öffentlichen Jugendhilfe tätig werden, sondern eigene Aufgaben wahrnehmen. Bei der voranstehenden Untersuchung der Voraussetzungen, die an freie Träger im Bereich der Jugendhilfe gestellt werden, hat sich zunächst mit Blick auf Einrichtungen im Sinne des § 45 SGB VIII, also solche, in denen Kinder und Jugendliche ganztägig oder einen Teil des Tages betreut werden, gezeigt, dass für den Betrieb solcher Einrichtungen keine gesonderten Anforderungen an den Träger gestellt werden. Vielmehr ist die Erlaubnis zum Betrieb einrichtungsbezogen
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und richtet dabei das Hauptaugenmerk auf das Wohl der betreuten Kinder und Jugendlichen. Diese Einrichtungsbezogenheit erscheint für sich genommen auch schlüssig, da es bei dem Betrieb einer solchen Einrichtung lediglich um die punktuelle Einbindung eines freien Trägers mit Blick auf eine konkrete Einrichtung handelt. Auch hier nimmt der freie Träger dem Grunde nach zwar eine staatliche Aufgabe wahr, tut dies aber unter dem Schutz von Art. 12 GG461. Der Staat beschränkt sich dementsprechend darauf, das Kinderwohl in der Einrichtung sicherzustellen und dabei die grundrechtlichen Interessen auf beiden Seiten zu wahren462. Mangels konkreter Anforderungen an den Träger selbst ist dieser Teilbereich der Kinder- und Jugendhilfe für die vorliegende Untersuchung, die ja gerade feststellen soll, welche Anforderungen an private Akteure bei der Wahrnehmung staatlicher Aufgaben gestellt werden, allerdings von untergeordneter Bedeutung. Wichtiger für die vorliegende Untersuchung sind die Förderung im Sinne von § 74 SGB VIII und die Anerkennung von freien Trägern der Jugendhilfe im Sinne von § 75 SGB VIII. Diese sind allerdings anders als die Erlaubnis im Sinne von § 45 SGB VIII nicht auf eine konkrete Aufgabe bezogen. Dementsprechend gestaltet sich die Einordnung dieser Indienstnahme privater Akteure schwierig. Sie bedeutet eine generell engere Kooperation mit bestimmten freien Trägern der Jugendhilfe. Diese gesteigerte Zusammenarbeit kommt in Förderung und Anerkennung zum Ausdruck. c) Ergebnisse für die weitere Untersuchung Zusammenfassend zeigt sich also, dass sich der Bereich der Kinder- und Jugendhilfe für eine Untersuchung der Einbindung gesellschaftlicher Kräfte in staatliche Aufgaben sehr gut eignet, da die Zusammenarbeit von öffentlichen und freien Trägern das grundlegende Prinzip der Kinder- und Jugendhilfe ist. Das Tätigwerden privater Akteure ist in diesem Bereich also von besonderer Bedeutung. Dieser Bereich bietet sich aber darüber hinaus auch deswegen an, weil er sich im unmittelbaren Umfeld zum Schulwesen befindet und dementsprechend eine gesteigerte Vergleichbarkeit zum Religionsunterricht aufweist. In der späteren Untersuchung der verschiedenen Bereiche sollen vor allem die Förderung der freien Träger gemäß § 74 SGB VIII und die Anerkennung ebendieser gemäß § 75 SGB VIII Berücksichtigung finden. Hier werden besondere Voraussetzungen an die freien Träger gestellt, die diesen eine vertiefte Zusammenarbeit und hervorgehobene Stellung im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe ermöglichen. 461 Zum Legitimationsbedarf der Voraussetzungen in § 45 SGB VIII mit Blick auf die Betätigungsfreiheit der freien Träger im Rahmen von Art. 12 GG siehe Mörsberger (Fn. 319), § 45 Rn. 33. 462 Zu den – Art. 12 gegenüberstehenden – grundrechtlichen Interessen siehe Mörsberger (Fn. 319), Vor § 43 Rn. 28 ff.
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II. Umweltschutz als Staatsaufgabe und privater Sachverstand Eine weitere grundlegende Staatsaufgabe, bei welcher sich der Staat im Rahmen der Erfüllung aus Gründen der Effizienz privaten Sachverstandes bedient, ist die Staatsaufgabe des Umweltschutzes. Diese Aufgabe des Staates, die „natürlichen (,biologischen‘) Grundlagen menschlichen Lebens“ zu schützen, hat Bull bereits frühzeitig als die grundlegendste Aufgabe überhaupt ausgemacht, für die es keiner weiteren verfassungsrechtlichen Begründung bedürfe als eines Hinweises auf die Grundrechte und das Sozialstaatsprinzip im Allgemeinen463. Dennoch hat der Umweltschutz nach ausgiebiger, jahrzehntelanger Diskussion in Art. 20a GG als Staatsziel seine verfassungsrechtliche Verankerung gefunden464. Dieser verpflichtet den Staat auch in der Verantwortung für zukünftige Generationen, die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen. Art. 20a GG enthält unmittelbar geltendes und verbindliches Verfassungsrecht, was diese Staatsaufgabe von den übrigen Staatsaufgaben insoweit unterscheidet, als sich der demokratische Rechts- und Sozialstaat der übrigen Staatsaufgaben frei annehmen kann465. Bei Art. 20a GG handelt es sich im Gegensatz dazu um eine objektive Verpflichtung des Staates, was bedeutet, dass der Bürger daraus keine subjektiven Ansprüche ableiten kann466. Die Staatszielbestimmung des Art. 20a GG gibt den Staatsorganen ein grundlegendes verfassungsrechtliches Ziel vor, welches diese verpflichtet, ihr Handeln daran auszurichten467. Dabei ist es allerdings wichtig, zu berücksichtigen, dass es sich lediglich um ein „Verbesserungsgebot“ handelt, welches gleichzeitig ein „Verschlechterungsverbot“ enthält468. Das bedeutet, dass der Staat verpflichtet 463
H. P. Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, 2. Aufl. 1977, S. 224 ff. Siehe zur Staatsaufgabe Umweltschutz bereits vor Inkrafttreten des Art. 20a GG u. a. die Ausführungen von D. Rauschning, Staatsaufgabe Umweltschutz, in: VVDStRL 38 (1980), S. 167 ff. und W. Hoppe, Staatsaufgabe Umweltschutz, in: VVDStRL 38 (1980), S. 211 ff. 464 Zu der Entstehungsgeschichte des Art. 20a GG vgl. die Ausführungen bei M. Kloepfer, in: W. Kahl/C. Waldhoff/C. Walter (Hrsg.), BK, Art. 20a (2005), Rn. 1 ff. 465 R. Scholz, in: T. Maunz/G. Dürig (Hrsg.), GG, Art. 20a (2002), Rn. 5; H. SchulzeFielitz, in: H. Dreier (Hrsg.), GG II, 3. Aufl. 2015, Art. 20a Rn. 24. 466 Scholz (Fn. 465), Art. 20a Rn. 32 ff.; Kloepfer (Fn. 464), Art. 20a Rn. 23; Schulze-Fielitz (Fn. 465), Art. 20a Rn. 24; D. Murswiek, in: Sachs, GG (Fn. 22), Art. 20a Rn. 12. Siehe dazu aber auch M. Kloepfer, Verfassungsänderung statt Verfassungsreform, 1995, S. 45, der eine Deutung des Art. 20a GG als Grundrecht mit subjektiv-rechtlichem Gehalt zumindest nicht a priori ausschließen möchte und dies mit der Formulierung der Vorschrift, insbesondere im Vergleich zu Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 14 Abs. 1 GG, begründet. 467 Schulze-Fielitz (Fn. 465), Art. 20a Rn. 25 f.; Murswiek (Fn. 466), Art. 20a Rn. 17. 468 Schulze-Fielitz (Fn. 465), Art. 20a Rn. 44; A. Epiney, in: H. v. Mangoldt/F. Klein/ C. Starck (Hrsg.), GG II, 7. Aufl. 2018, Art. 20a Rn. 65 f.; H. D. Jarass, in: ders./ B. Pieroth, GG (Fn. 108), Art. 20a Rn. 11; Murswiek (Fn. 466), Art. 20a Rn. 43 f.; a. A.
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ist, das im Grundgesetz festgehaltene Ziel möglichst umfangreich zu verwirklichen, ohne dass Art. 20a GG dabei ein bestimmtes verfassungsrechtlich garantiertes Schutzniveau vorgibt469. Auf der anderen Seite hat der Staat Sorge dafür zu tragen, dass sich die Situation bezüglich der Umwelt zumindest gemessen an den Verhältnissen zum Zeitpunkt der Einführung der Vorschrift 1994 nicht verschlechtert470. Mit welchen Mitteln sie dieses Ziel zu erreichen suchen, steht den staatlichen Organen dabei allerdings grundsätzlich frei471. Dementsprechend ist es dem Staat auch möglich, im Rahmen der Erfüllung der Staatsaufgabe Umweltschutz private Akteure einzubinden, insbesondere dann, wenn diese Einbindung die Effektivität der Aufgabenwahrnehmung verbessert. Unter diesem Blickpunkt der Einbeziehung privaten Sachverstandes rückt das Klagerecht anerkannter Vereinigungen in den Fokus der vorliegenden Untersuchung. In der Folge soll daher untersucht werden, auf welche Art und Weise hier private Akteure eingebunden werden und welche Voraussetzungen für ihre Einbindung erforderlich sind. 1. Allgemeine Grundlagen der umweltrechtlichen Verbandsklage im Überblick Die deutsche Verwaltungsgerichtsbarkeit dient, verfassungsrechtlich verankert in Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG und einfachgesetzlich ausgestaltet in §§ 42 Abs. 2, 2. Hs., 113 Abs. 1 S. 1, Abs. 5 S. 1 VwGO, zunächst einmal grundsätzlich dem Schutz von Individualrechten472. Diese verfassungsrechtliche Grundentscheidung, zuvörderst Individualrechtsschutz zu gewähren473, bedeutet aber nicht zwangsläufig, dass andere Rechtsschutzmöglichkeiten von vornherein ausgeschlossen wären. Aus der Entscheidung folgt aber, dass sich aus Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG zumindest kein Gebot entnehmen lässt, überindividuelle Klagebefugbspw. K.-P. Sommermann, in: I. v. Münch/P. Kunig (Hrsg.), GG I, 6. Aufl. 2012, Art. 20a Rn. 40. 469 Zu diesem Problem Murswiek (Fn. 466), Art. 20a Rn. 39 ff. 470 Murswiek (Fn. 466), Art. 20a Rn. 44. 471 Murswiek (Fn. 466), Art. 20a Rn. 17. 472 S. Schlacke, Überindividueller Rechtsschutz, 2008, S. 54; dies., in: K. F. Gärditz (Hrsg.), VwGO, 2013, Vorbem. zu §§ 1–8 UmwRG Rn. 20. Zur geschichtlichen Entwicklung des Individualrechtsschutzsystems in Deutschland siehe dies., Rechtsschutz, a. a. O., S. 30 ff. 473 BVerwG NVwZ 2012, S. 567 (568), spricht von einer „tragenden Systementscheidung“ des deutschen Gesetzgebers. H. D. Jarass, in: ders./B. Pieroth, GG (Fn. 108), Art. 19 Rn. 32, und H. Schulze-Fielitz, in: H. Dreier (Hrsg.), GG I, 3. Aufl. 2013, Art. 19 IV Rn. 8, sprechen in diesem Zusammenhang von einer Strukturentscheidung. Siehe dazu vor allem auch Schlacke, Rechtsschutz (Fn. 472), S. 55, die in diesem Zusammenhang ebenfalls von einer „Struktur- und Systementscheidung“ spricht. Den Begriff der Systementscheidung definiert R. Wahl, in: F. Schoch/J.-P. Schneider/W. Bier (Hrsg.), VWGO, Vorb. § 42 Abs. 2 (2008), Rn. 4, als das Zusammenstellen von Einzellösungen in einen stimmigen Zusammenhang und die damit verbundene Integration in ein einheitliches Konzept.
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nisse zur Durchsetzung der objektiven Rechtsordnung einzuführen474. Es lässt sich auch nicht aus den Grundrechten oder den Staatszielbestimmungen der Verfassung herleiten475. Ein solch überindividuelles Klagerecht ist dennoch möglich, bedarf allerdings der Legitimation durch eine spezifische Klagebefugnis auf Grundlage eines Gesetzes476. Dies ergibt sich auch aus § 42 Abs. 2, 1. Hs. VwGO, der die gesetzliche Ausnahme überindividueller Rechtsschutzmöglichkeiten ausdrücklich vorsieht. Auf diese Weise steht es dem Gesetzgeber zunächst einmal frei, der Verwaltungsgerichtsbarkeit über den Individualrechtsschutz hinausgehende Aufgaben zu übertragen477. Er hat dabei allerdings einige Grenzen zu beachten, von denen Schmidt-Aßmann drei herausgearbeitet hat478. So dürften objektive Rechtsschutz- und Kontrollverfahren erstens die Gerichte nicht quantitativ überlasten479, sodass Verfahren nach Art. 19 Abs. 4 GG im Zweifel ein gewisser Erledigungsvorrang einzuräumen sei. Daneben dürften objektive Verfahren nicht dazu führen, dass die Gerichte qualitativ überfremdet würden. Der Richter dürfe sich nicht als bloßer Kontrolleur misserverstehen, sondern habe Rechtsschutzinstanz zu bleiben. Darüber hinaus könnten objektive Rechtsschutzund Kontrollverfahren den Individualrechtsschutz nicht gänzlich ersetzen, sondern müssten immer ein Zusatz bleiben. Innerhalb dieses verfassungsrechtlichen Rahmens hat sich gerade im Bereich der Staatsaufgabe Umweltrecht ein System verbandsrechtlicher Klagebefugnisse entwickelt. Dabei sind insbesondere die altruistische Verbandsklage im Naturschutzrecht im Sinne des § 64 BNatSchG und die altruistische Verbandsklage in § 2 UmwRG von Bedeutung, daneben aber auch Rechtsbehelfe gemäß §§ 10, 11 Abs. 2 USchadG und die partizipatorische Verbandsklage von anerkannten Ver-
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BVerwGE 101, 73 (83); Schlacke, Rechtsschutz (Fn. 472), S. 65. Zutreffend Schlacke, Rechtsschutz (Fn. 472), S. 65. So aber beispielsweise der Versuch von H. Faber, Die Verbandsklage im Verwaltungsprozeß, 1972, S. 55 f., der unmittelbar aus Art. 9 Abs. 1 GG ein Recht zur Verbandsklage annehmen will. 476 L. Michael, Fordert § 61 Bundesnaturschutzgesetz eine neue Dogmatik der Verbandsklagen?, in: DV 37 (2004), S. 35 (37); Schlacke, Rechtsschutz (Fn. 472), S. 62. 477 M. Sachs, Grundsatzfragen der Effektivität des Rechtsschutzes, in: W. Erbguth (Hrsg.), Effektiver Rechtsschutz im Umweltrecht? – Stand, aktuelle Entwicklungen, Perspektiven, 2005, S. 15 (27 f.); Schlacke, Rechtsschutz (Fn. 472), S. 62. Sehr kritisch zur Einführung überindividueller Klagebefugnisse F. Weyreuther, Verwaltungskontrolle durch Verbände?, 1975, S. 82 ff. 478 Siehe zum Folgenden E. Schmidt-Aßmann, in: T. Maunz/G. Dürig (Hrsg.), GG, Art. 19 Abs. 4 (2014), Rn. 9. 479 Für eine solche quantitative Überlastung ergeben sich allerdings keine Anhaltspunkte, vgl. dazu Schlacke, Rechtsschutz (Fn. 472), S. 225 ff.; dies., Verbandsklagen im Umwelt- und Verwaltungsrecht, in: F. Welti (Hrsg.), Rechtliche Instrumente zur Durchsetzung der Barrierefreiheit, 2013, S. 99 (109 ff.). Eine umfangreiche empirische Analyse zur naturschutzrechtlichen Verbandsklage und ihrem Aufkommen liefert L. Radespiel, Die naturschutzrechtliche Verbandsklage. Theoretische Grundlagen und empirische Analyse, 2007, S. 97 ff. 475
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einigungen480. Diesen verbandsrechtlichen Rechtsschutzmöglichkeiten ist gemein, dass sie eine Anerkennung der jeweils klagenden Vereinigung voraussetzen. Diese Anerkennung von Vereinigungen ist einheitlich für naturschutzrechtliche und Umwelt-Rechtsbehelfe in § 3 UmwRG geregelt. Diese Regelung, die in der Folge weitergehend untersucht werden soll, ist demnach die zentrale Vorschrift für die vorliegende Untersuchung. 2. Rechtliche Grundlagen der Anerkennung privater Vereinigungen Nachdem einleitend die allgemeinen Grundlagen verbandsrechtlicher Rechtsschutzmöglichkeiten dargestellt wurden, sollen im Anschluss die rechtlichen Grundlagen für eine Anerkennung umweltrechtlicher Vereinigungen, die für ein Verbandsklagerecht erforderlich ist, erläutert werden, um die konkreten Anforderungen in der Folge im Einzelnen näher zu untersuchen. Zentrale Vorschrift der Anerkennung natur- und umweltschutzrechtlicher Vereinigungen ist § 3 UmwRG. § 3 UmwRG – Anerkennung von Vereinigungen (1) Auf Antrag wird einer inländischen oder ausländischen Vereinigung die Anerkennung zur Einlegung von Rechtsbehelfen nach diesem Gesetz erteilt. Die Anerkennung ist zu erteilen, wenn die Vereinigung 1. nach ihrer Satzung ideell und nicht nur vorübergehend vorwiegend die Ziele des Umweltschutzes fördert, 2. im Zeitpunkt der Anerkennung mindestens drei Jahre besteht und in diesem Zeitraum im Sinne der Nummer 1 tätig gewesen ist, 3. die Gewähr für eine sachgerechte Aufgabenerfüllung bietet; dabei sind Art und Umfang ihrer bisherigen Tätigkeit, der Mitgliederkreis sowie die Leistungsfähigkeit der Vereinigung zu berücksichtigen, 4. gemeinnützige Zwecke im Sinne von § 52 der Abgabenordnung verfolgt und 5. jeder Person den Eintritt als Mitglied ermöglicht, die die Ziele der Vereinigung unterstützt; Mitglieder sind Personen, die mit dem Eintritt volles Stimmrecht in der Mitgliederversammlung der Vereinigung erhalten; bei Vereinigungen, deren Mitgliederkreis zu mindestens drei Vierteln aus juristischen Personen besteht, kann von der Voraussetzung des Halbsatz 1 abgesehen werden, sofern die Mehrzahl dieser juristischen Personen diese Voraussetzung erfüllt. In der Anerkennung ist der satzungsmäßige Aufgabenbereich, für den die Anerkennung gilt, zu bezeichnen; dabei ist insbesondere anzugeben, ob die Vereinigung im Schwerpunkt die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege fördert. Die Anerkennung kann, auch nachträglich, mit der Auflage verbunden werden, dass Sat480 Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, dass das Mitwirkungsrecht einer anerkannten Naturschutzvereinigung ein absolutes Verfahrensrecht darstellt und dementsprechend auch unabhängig von einer subjektiven Rechtsverletzung zur Klagebefugnis führt: BVerwGE 87, 62 (69 ff.). Dazu und zur Unterscheidung von altruistischer und partizipatorischer Verbandsklage siehe Schlacke (Fn. 472), Vorbem. zu §§ 1–8 UmwRG Rn. 26 ff.
C. Die Exekutive als Kernbereich der Indienstnahme privater Akteure
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zungsänderungen mitzuteilen sind. Sie kann ferner auch öffentlich bekannt gemacht werden. In den Fällen des Absatzes 3 ist bei einer Vereinigung, die im Schwerpunkt Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege fördert, in der Anerkennung darüber hinaus anzugeben, ob sie nach ihrer Satzung landesweit tätig ist. (2) Für eine ausländische Vereinigung sowie für eine Vereinigung mit einem Tätigkeitsbereich, der über das Gebiet eines Landes hinausgeht, wird die Anerkennung durch das Umweltbundesamt ausgesprochen. Bei der Anerkennung einer Vereinigung nach Satz 1, die im Schwerpunkt die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege fördert, ergeht diese Anerkennung im Einvernehmen mit dem Bundesamt für Naturschutz. (3) Für eine inländische Vereinigung mit einem Tätigkeitsbereich, der nicht über das Gebiet eines Landes hinausgeht, wird die Anerkennung durch die zuständige Behörde des Landes ausgesprochen.
Die Voraussetzungen für die Anerkennung einer Vereinigung ergeben sich aus dem Katalog des § 3 Abs. 1 S. 2 UmwRG. Dieser enthält fünf Anforderungen, die kumulativ erfüllt sein müssen481, ist aber gleichzeitig abschließend, sodass weitergehende Kriterien nicht in Betracht kommen482. Liegen diese Voraussetzungen allesamt vor, so ist die Anerkennung zu erteilen. Insofern haben die betreffenden Vereinigungen in diesem Falle einen Anspruch auf Anerkennung, sodass der Behörde insoweit kein Ermessen zusteht483. Erteilt wird die Anerkennung aber erst auf Antrag der Vereinigung, der allerdings keiner bestimmten Form bedarf 484. Bei der Anerkennung handelt es sich um einen Dauerverwaltungsakt im Sinne des § 35 S. 1 VwVfG485, in welchem genau festgelegt wird, für welche Art von Rechtsbehelfen – bspw. auch für Rechtsbehelfe gemäß § 64 BNatSchG oder §§ 10, 11 Abs. 2 USchadG – diese gelten soll486. Das weitere Verfahren der Anerkennung regeln die Sätze 3 bis 6 von Absatz 1, während die für die Anerkennung zuständigen Behörden in den Absätzen 2 und 3 geregelt sind. 3. Die Voraussetzungen der Anerkennung im Einzelnen § 3 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 bis 5 UmwRG regeln abschließend die Anforderungen an die Anerkennung einer Vereinigung. Das Vorliegen der jeweiligen Voraussetzun481
S. Schlacke, in: Gärditz, VwGO (Fn. 472), § 3 UmwRG Rn. 12. So F. Fellenberg/G. Schiller, in: M. Beckmann u. a. (Hrsg.), Landmann/Rohmer, Umweltrecht Bd. 1, § 3 UmwRG (2012), Rn. 6. 483 K. Balleis, Mitwirkungs- und Klagerechte anerkannter Naturschutzverbände, 1996, S. 104; B. Schieferdecker, in: W. Hoppe/M. Beckmann (Hrsg.), UVPG, 4. Aufl. 2012, § 3 UmwRG, Rn. 13; T. Bunge, Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz, 2013, § 3 Rn. 31; Schlacke (Fn. 481), § 3 UmwRG Rn. 5. 484 Bunge (Fn. 483), § 3 Rn. 30; Schlacke (Fn. 481), § 3 UmwRG Rn. 9. 485 BT-Drs. 16/2495, S. 13; Balleis, Klagerechte (Fn. 483), S. 104; Schieferdecker (Fn. 483), § 3 UmwRG Rn. 67. 486 Schlacke (Fn. 481), § 3 UmwRG Rn. 10. 482
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gen hat dabei die Vereinigung als Antragsteller zu beweisen487. Der Inhalt der einzelnen Voraussetzungen soll in der Folge näher dargestellt werden. a) Inländische oder ausländische Vereinigungen (Abs. 1 S. 1) Zunächst muss es sich beim Antragsteller gemäß § 3 Abs. 1 S. 1 UmwRG um eine inländische oder ausländische Vereinigung handeln. Ausschlaggebend für die Einordnung einer Vereinigung als inländisch oder ausländisch ist der Sitz der Vereinigung488. Bei ausländischen Vereinigungen ist nicht erforderlich, dass sich der Sitz in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union befindet489. Dementsprechend ist keine Vereinigung nur aufgrund ihrer nationalen Zugehörigkeit von der Anerkennung ausgeschlossen. Der Begriff der Vereinigung im Sinne des § 3 Abs. 1 S. 1 UmwRG ist maßgeblich von unions- und völkerrechtlichen Vorgaben beeinflusst490. So sind darunter „nichtstaatliche Organisationen“ bzw. „Nichtregierungsorganisationen“, die in den Vorschriften der Art. 2 Nr. 5 der Aarhus-Konvention, Art. 1 Abs. 2 Buchst. e der UVP-Richtlinie und Art. 3 Nr. 17 der Industrieemissions-Richtlinie Erwähnung finden491. Dementsprechend können Vereinigungen im Sinne dieser Vorschrift nur Zusammenschlüsse von Privatpersonen, nicht aber staatliche oder gemeindliche Körperschaften, Stellen oder Verbände sein492. Diese würden zwar aufgrund der Offenheit des Begriffs grundsätzlich auch unter die Definition fallen493, das würde den Zielen der Aarhus-Konvention und der Öffentlichkeitsbeteiligungs-Richtlinie, den Zugang zu Überprüfungsverfahren gerade für die „betroffene Öffentlichkeit“ 494 zu öffnen, jedoch widersprechen495. Unter Vereini487 W. Ewer, Ausgewählte Rechtsanwendungsfragen des Entwurfs für ein UmweltRechtsbehelfsgesetz, in: NVwZ 2007, S. 267 (270); Fellenberg/Schiller (Fn. 482), § 3 UmwRG Rn. 6; Schieferdecker (Fn. 483), § 3 UmwRG Rn. 66. 488 So Schieferdecker (Fn. 483), § 3 UmwRG Rn. 15; Schlacke (Fn. 481), § 3 UmwRG Rn. 6. 489 Schieferdecker (Fn. 483), § 3 UmwRG Rn. 15; Schlacke (Fn. 481), § 3 UmwRG Rn. 6. 490 Schlacke (Fn. 481), § 3 UmwRG Rn. 7. Einen Überblick über die völker- und europarechtlichen Grundlagen bietet K. Sommerfeldt, Die Verbandsklage des UmweltRechtsbehelfsgesetzes. Der Gesetzgeber unter dem Anpassungsdruck des Europarechts, 2016, S. 81 ff. 491 Bunge (Fn. 483), § 3 Rn. 28. Ausführlich zu den völker- und unionsrechtlichen Vorgaben siehe Schlacke (Fn. 472), Vorbem. Zu §§ 1–8 UmwRG Rn. 4 ff. 492 Ewer, Rechtsanwendungsfragen (Fn. 487), S. 270; Bunge (Fn. 483), § 3 Rn. 28; Schlacke (Fn. 481), § 3 UmwRG Rn. 8. 493 So bspw. auch N. v. Schwanenflug/S. Strohmayr, Rechtsschutz von Kommunen gegen UVP-pflichtige Vorhaben, in: NVwZ 2006, S. 395 (398); A. Stapelfeldt/S. Siemko, Umweltrechtsbehelfsgesetz und Öffentlichkeitsbeteiligungsgesetz, in: KommJur 2008, S. 321 (328 f.); Schieferdecker (Fn. 483), § 3 UmwRG Rn. 19. 494 Art. 1 Abs. 2 Buchst. e) UVP-Richtlinie: „betroffene Öffentlichkeit“: die von umweltbezogenen Entscheidungsverfahren gemäß Artikel 2 Absatz 2 betroffene oder wahr-
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gungen ist jeder Zusammenschluss von natürlichen oder juristischen Personen zu verstehen, der die Anerkennungsvoraussetzungen erfüllt496. Dabei werden auch keine besonderen Anforderungen an die Rechtsform der Vereinigung gestellt, insbesondere müssen diese nicht rechtsfähig sein497. Eine Beschränkung auf deutsche Rechtsformen scheidet schon aufgrund des Wortlautes des § 3 UmwRG aus, der ausdrücklich auch ausländischen Vereinigungen die Möglichkeit der Anerkennung einräumt498. Der Begriff der Vereinigung im Sinne des § 3 UmwRG ist im Ergebnis also denkbar weit zu verstehen, sodass auch lose Zusammenschlüsse von einzelnen Bürgern darunterfallen können. Beschränkungen können sich – neben der Tatsache, dass staatliche Stellen ausgeschlossen sind – lediglich aus den Voraussetzungen selbst ergeben, die unter anderem verlangen, dass die Vereinigung eine Satzung hat (Nr. 1) und aus Mitgliedern besteht (Nr. 5)499. Diese sind daher in der Folge weitergehend zu untersuchen. scheinlich betroffene Öffentlichkeit oder die Öffentlichkeit mit einem Interesse daran. Im Sinne dieser Begriffsbestimmung haben Nichtregierungsorganisationen, die sich für den Umweltschutz einsetzen und alle nach innerstaatlichem Recht geltenden Voraussetzungen erfüllen, ein Interesse. 495 Ewer, Rechtsanwendungsfragen (Fn. 487), S. 270; Schieferdecker (Fn. 483), § 3 UmwRG Rn. 19 ff.; Schlacke (Fn. 481), § 3 UmwRG Rn. 8. Dies war auch in der Rechtsprechung zur naturschutzrechtlichen Verbandsklage im Sinne des § 59 BNatSchG a. F. (2002) so anerkannt, vgl. BVerwGE 104, 367 (371), das von einer erweiterten „staatsfreien Bürgerbeteiligung“ spricht; OVG SL NVwZ 1986, S. 320 (320) mit Blick auf eine Anerkennung von Naturschutzverbänden im Sinne des § 29 BNatSchG a. F. (1976). Anderer Ansicht sind Fellenberg/Schiller (Fn. 482), § 3 UmwRG Rn. 9, die eine Beschränkung aufgrund der Offenheit des Wortlautes ablehnen. 496 Schieferdecker (Fn. 483), § 3 UmwRG Rn. 17. 497 Ewer, Rechtsanwendungsfragen (Fn. 487), S. 270; M. Marty, Die Erweiterung des Rechtsschutzes in Umweltangelegenheiten – Anmerkungen zum Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz, in: ZUR 2009, S. 115 (117); M. Karge, Das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz im System des deutschen Verwaltungsprozessrechts, 2010, S. 70; Fellenberg/Schiller (Fn. 482), § 3 UmwRG Rn. 8; Schieferdecker (Fn. 483), § 3 UmwRG Rn. 16; Schlacke (Fn. 481), § 3 UmwRG Rn. 7. Anderer Ansicht ist beispielsweise S. Heselhaus, in: W. Frenz/H.-J. Müggenborg (Hrsg.), BNatSchG, 2. Aufl. 2016, § 63 Rn. 51, der auf den Zusammenhang mit den früheren Bezeichnungen als „Verein“ bzw. „Verband“ im BNatSchG hinweist, die durch den Begriff der Vereinigung ersetzt worden sind und darüberhinausgehend feststellt, dass sowohl die Aarhus-Konvention als auch das Unionsrecht auf die innerstaatlichen Rechtsvorschriften abstellen. Eine Beschränkung lediglich auf rechtsfähige Vereine bei J. Kerkmann, in: ders. (Hrsg.), Naturschutzrecht in der Praxis, 2. Aufl. 2010, § 12 Rn. 19. 498 Diese Erweiterung auch auf ausländische Vereinigungen trägt europäischen Vorgaben Rechnung, so Sommerfeldt, Verbandsklage (Fn. 490), S. 158. 499 So auch Schieferdecker (Fn. 483), § 3 UmwRG Rn. 18, der aber auch darauf hinweist, dass diese Begrifflichkeiten dem deutschen Vereinsrecht entlehnt sind und daher gerade bei ausländischen Vereinigungen sinngemäße Anwendung auf andere Typen von Zusammenschlüssen finden müssen. Aufgrund der vorausgesetzten mitgliedschaftlichen Organisation sind Stiftungen nicht umfasst, vgl. dazu Bunge (Fn. 483), § 3 Rn. 29 m.w. N.
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b) Ziele des Umweltschutzes (Abs. 1 S. 2 Nr. 1) Zunächst muss die Vereinigung gemäß § 3 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UmwRG aufgrund ihrer Satzung ideell und nicht nur vorübergehend vorwiegend die Ziele des Umweltschutzes fördern500. Dabei sind die Ziele des Umweltschutzes aber nicht im UmwRG definiert501. Allerdings lassen es der enge sachliche Zusammenhang und die schematische Verknüpfung von UmwRG und UVPG zu, dass für den Begriff des Umweltschutzes auf das Verständnis des Umweltbegriffs im Sinne des § 2 Abs. 1 S. 2 UVPG zurückgegriffen wird502. Umwelt im Sinne dieser Vorschrift ist ein durch Wechselbeziehungen verbundenes System aus Menschen, Tieren und Pflanzen, Boden, Wasser, Luft, Klima und Landschaft (ökosystemarer Umweltbegriff), welches auch Kultur- und sonstige Sachgüter einschließt503. Dem Ziel, diese Umwelt zu schützen, muss sich die Vereinigung verschrieben haben. Der Begriff „vorwiegend“ weist aber darauf hin, dass der Umweltschutz nicht alleiniges Ziel der Vereinigung sein, sondern lediglich den Hauptzweck ihrer Tätigkeit maßgeblich prägen muss504. Ob dies der Fall ist, muss anhand der Satzung der Vereinigung bestimmt werden505, ohne dass es dabei auf den tatsächlichen Schwerpunkt der Tätigkeit ankommt506. Daneben ergeben sich aus § 3 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UmwRG noch zwei weitere Voraussetzungen, die eine Vereinigung für eine Anerkennung zu berücksichtigen hat. Zum einen darf die Förderung des Naturschutzes nicht nur vorübergehender Zweck der Vereinigung sein, sondern muss, so sollte es sich aus der Satzung
500 Da die Regelung aus den Vorschriften des § 29 Abs. 2 Nr. 2 BNatSchG a. F. (1976) bzw. § 59 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BNatSchG a. F. (2002) hervorgeht, kann die dazu ergangene Rechtsprechung und darauf bezogene Literatur weitestgehend auf die Regelung des § 3 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UmwRG übertragen werden, so auch Schieferdecker (Fn. 483), Art. 3 UmwRG Rn. 25; Schlacke (Fn. 481), § 3 UmwRG Rn. 13. 501 Anders ist dies im Rahmen des BNatSchG, in welchem die Regelung über die Anerkennung über § 63 Abs. 1 BNatSchG auch Anwendung findet. Hier ist selbstredend nicht auf die Ziele des Umweltschutzes, sondern auf die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege abzustellen, die dort wiederrum in § 1 BNatSchG legaldefiniert sind, vgl. dazu Schlacke (Fn. 481), § 3 UmwRG Rn. 13 f. 502 Schlacke (Fn. 481), § 3 UmwRG Rn. 14. 503 W. Appold, in: Hoppe/Beckmann, UVPG (Fn. 483), § 2 Rn. 19. 504 VG Köln NuR 2009, S. 737 (738); BT-Drs. 16/2495, S. 13; J. Schumacher, Umweltrechtsbehelfsgesetz, in: UPR 2008, S. 13 (16); Schieferdecker (Fn. 483), § 3 UmwRG Rn. 27; Bunge (Fn. 483), § 3 Rn. 39; Schlacke (Fn. 481), § 3 UmwRG Rn. 15. 505 Marty, Erweiterung (Fn. 497), S. 119, sieht die Satzung dabei lediglich als Indiz; Schieferdecker (Fn. 483), § 3 UmwRG Rn. 27; Bunge (Fn. 483), § 3 Rn. 39, der festhält, dass sich dieser Zweck nicht expressis verbis aus der Satzung ergeben muss, sondern die Gesamtbetrachtung aller Satzungsbestimmungen zu berücksichtigen ist; Schlacke (Fn. 481), § 3 UmwRG Rn. 15. 506 So Schlacke (Fn. 481), § 3 UmwRG Rn. 16, die dies auch im Zusammenhang mit der Frage fordert, ob diese Ziele nur vorübergehend oder langfristig verfolgt werden.
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ergeben, dauerhaft erfolgen507. Zum anderen muss die Förderung des Umweltschutzes rein ideeller Natur sein. Das ist nur dann gegeben, wenn die Vereinigung das Ziel des Umweltschutzes aus altruistischen Motiven heraus fördert508. Das schließt zumindest solche Vereinigungen aus, die mit ihrer Arbeit kommerzielle oder gewerbliche Zwecke verfolgen und damit insbesondere berufsständische Verbände und solche Vereinigungen, die wirtschaftliche, sportliche oder politische Ziele verfolgen509. Allerdings spricht einiges dafür, bei der Bewertung der Zwecksetzung einer Vereinigung im Hinblick auf die ideelle Natur keine Ausschließlichkeit zu fordern510. Zwar spricht der Wortlaut, wie Schieferdecker zu Recht geltend macht, nur in Bezug auf das Ziel des Umweltschutzes von „vorwiegend“, allerdings ist die Ausschließlichkeit des ideellen Charakters auch nicht ausdrücklich angesprochen511. Vielmehr ergibt sich aus der unionsrechtlichen Forderung nach einem weiten Zugang zu Gerichten, dass auch bei einer untergeordneten, nicht prägenden wirtschaftlichen Tätigkeit der Vereinigung eine Anerkennung nicht versagt werden sollte512. Dafür streitet auch das Ziel, den Umweltschutz möglichst effektiv auszugestalten. Dementsprechend ist es vorzuziehen, in Bezug auf den ideellen Charakter der Vereinigung nichtprägende wirtschaftliche Tätigkeiten unberücksichtigt zu lassen513, um auf diese Weise den weiten Vereinigungsbegriff der Vorschrift nicht unnötig zu verengen.
507 Dieses Merkmal ist vor allem für lose Zusammenschlüsse von einzelnen Bürgern aufgrund bestimmter Vorhaben relevant. Bezieht eine solche Vereinigung nur gegen ein bestimmtes Vorhaben Stellung, so kann nicht von einer dauerhaften Förderung gesprochen werden. 508 So zutreffend Schieferdecker (Fn. 483), § 3 UmwRG Rn. 29. 509 VG Wiesbaden NVwZ 1982, S. 697 (698); E. Gassner, in: ders. u. a. (Hrsg.), BNatSchG, 2. Aufl. 2003, § 59 Rn. 6; Ewer, Rechtsanwendungsfragen (Fn. 487), S. 270; S. Schlacke, Das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz, in: NuR 2007, S. 8 (9); Schieferdecker (Fn. 483), § 3 UmwRG Rn. 29; Bunge (Fn. 483), § 3 Rn. 41; Schlacke (Fn. 481), § 3 UmwRG Rn. 17. 510 So aber Schieferdecker (Fn. 483), § 3 UmwRG Rn. 30; Bunge (Fn. 483), § 3 Rn. 41, mit Hinweis auf den Wortlaut der Vorschrift, bei dem sich das „vorwiegend“ nur auf das Ziel des Umweltschutzes, aber nicht auf den ideellen Charakter bezieht. 511 Schlacke (Fn. 481), § 3 UmwRG Rn. 17. 512 Wie hier für ein weites Begriffsverständnis Schlacke (Fn. 481), § 3 UmwRG Rn. 17 m.w. N. Zur unionsrechtlichen Forderung nach einem weiten Zugang zu den Gerichten EuGH, ZUR 2010, S. 28 (30); besprochen bei T. Bunge, „Weiter Zugang zu den Gerichten“ nach Art. 10a der UVP-Richtlinie – Zum Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 15. Oktober 2009 (Rs. C-263/08), in: ZUR 2010, S. 20 (21 ff.), der die Auswirkungen des Urteils auf das deutsche Recht untersucht. 513 Fellenberg/Schiller (Fn. 482), § 3 UmwRG Rn. 12, nennen als Beispiel den Betrieb eines kleinen Cafés im Büro der Vereinigung. Diese Vereinigungen deshalb von einer möglichen Anerkennung auszuschließen, würde sowohl einem weiten Zugang zu den Gerichten als auch der Effektivität des Umweltschutzes zuwiderlaufen.
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c) Beständigkeit (Abs. 1 S. 2 Nr. 2) Die in Frage stehende Vereinigung muss gemäß § 3 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 UmwRG im Zeitpunkt der Anerkennung seit mindestens drei Jahren bestehen und in diesem Zeitraum auch im Bereich Umweltschutzes im Sinne der Nr. 1 tätig gewesen sein514. Begründet wird dies damit, dass erst ein Zeitraum von drei Jahren ausreichend sei, um verlässlich beurteilen zu können, ob sich eine Vereinigung für die Ziele des Natur- oder Umweltschutzes einsetzt515. Damit will die Vorschrift erreichen, dass Verbände, die sich möglicherweise nur aufgrund eines bestimmten Vorhabens kurzfristig und möglicherweise nur kurzzeitig zusammengeschlossen haben, nicht im Rahmen von § 3 UmwRG anerkannt werden516. Ferner setzt § 3 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 UmwRG voraus, dass die Vereinigung innerhalb des dreijährigen Zeitraums bereits im Sinne des Umweltschutzes tätig war. Dabei reicht hier allerdings ein Verweis auf die satzungsmäßigen Ziele der Vereinigung nicht aus, sodass tatsächliche Tätigkeiten nachgewiesen werden müssen517. Dabei dürfen allerdings keine überzogenen Anforderungen gestellt werden und die Leistungsfähigkeit und die Größe der Vereinigung müssen Berücksichtigung finden518. Auf diese Weise wird gewährleistet, dass der natürliche Wachstumsprozess einer solchen Vereinigung Berücksichtigung findet. Ein Ansetzen zu hoher Kriterien von Beginn der Gründung einer Vereinigung an würde den Zugang zu Gerichten für kleinere Vereinigungen erheblich behindern und dem Sinn der Vorschrift widerstreben. d) Sachgerechte Aufgabenerfüllung (Abs. 1 S. 2 Nr. 3) Um durch die Einräumung einer Verbandsklagebefugnis auch wirklich einen Nutzen für einen effektiveren Umweltschutz zu ziehen, ist es erforderlich, dass die Vereinigung die Gewähr für eine sachgerechte Aufgabenerfüllung bietet. Dabei sind ausdrücklich Art und Umfang der bisherigen Tätigkeit, der Mitgliederkreis sowie die Leistungsfähigkeit der Vereinigung zu berücksichtigen. Diese Voraussetzung steht in unmittelbarem Zusammenhang mit den bereits dargestellten Anforderungen519. Standen bei § 3 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UmwRG noch die sat514 Diese Regelung geht auf § 59 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 BNatSchG a. F. (2002) zurück, in dem erstmals von der dreijährigen Bestehensregel die Rede war. 515 So die Gesetzesbegründung, BT-Drs. 14/6378, S. 59, zur Vorgängervorschrift des § 59 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 BNatSchG a. F. (2002). 516 So die Begründung in BT-Drs. 16/2495, S. 13; Balleis, Klagerechte (Fn. 483), S. 108; Ewer, Rechtsanwendungsfragen (Fn. 487), S. 270; Schumacher, Umweltrechtsbehelfsgesetz (Fn. 504), S. 16; Schieferdecker (Fn. 483), § 3 UmwRG Rn. 31. 517 Schlacke (Fn. 481), § 3 UmwRG Rn. 19. 518 So Schieferdecker (Fn. 483), § 3 UmwRG Rn. 32, der feststellt, dass eine jährliche Mitgliederversammlung nicht ausreichend ist; Bunge (Fn. 483), § 3 Rn. 44; Schlacke (Fn. 481), § 3 UmwRG Rn. 19. 519 Schlacke (Fn. 481), § 3 UmwRG Rn. 21.
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zungsmäßigen Ziele im Mittelpunkt, ist daran anschließend wichtig, dass die Vereinigung auch in der Lage ist, diese Ziele mit ihren Mitteln zu verwirklichen. Demnach stellt die Vorschrift indirekt Anforderungen an die Organisation der Vereinigung insbesondere unter den Gesichtspunkten der Finanzierung, Mitgliederzahl und Qualität der Aufgabenwahrnehmung520. Diese muss so ausgestaltet sein, dass die Vereinigung in der Lage ist, die Aufgaben ordnungsgemäß wahrzunehmen521. Dabei spielen sowohl qualitative als auch quantitative Kriterien eine Rolle. Dabei ist zunächst in qualitativer Hinsicht ein gewisses Maß an Fachkunde erforderlich. Diese ist auch der Grund dafür, warum der Staat den Umweltschutzvereinigungen überhaupt erweiterte Mitwirkungsbefugnisse einräumt522. Nur wenn eine Umwelt- oder Naturschutzorganisation eine solche aufweist, ist damit zu rechnen, dass durch die erweiterten Beteiligungsrechte ein Nutzen für den Staat entsteht523. Dementsprechend ist der Überprüfung der Fachkunde bei der Anerkennung einer Vereinigung besondere Aufmerksamkeit zu schenken. In quantitativer Hinsicht stellt sich die Frage, ob an eine Umweltschutzvereinigung auch hinsichtlich der Mitgliederzahl Mindestanforderungen zu stellen sind. Im Gesetzeswortlaut wird der Mitgliederkreis ausdrücklich erwähnt, ohne dabei eine bestimmte Mitgliederzahl zu nennen. Auch aus der Aarhus-Konvention und der Öffentlichkeitsbeteiligungs-Richtlinie lassen sich im Hinblick auf die Mitgliederzahl keine Schlüsse ziehen. Allerdings darf eine mögliche Mindestzahl von Mitgliedern nicht so hoch sein, dass dadurch die Ziele des Umweltschutzes beeinträchtigt werden und insbesondere der weite Zugang zu den Gerichten erschwert wird524. Es erscheint angemessener, im Einzelfall zu entscheiden, ob der Mitgliederkreis der Vereinigung ausreichend erscheint, um die satzungsmäßigen Aufgaben sachgerecht zu erfüllen, und keine pauschalen Mitgliederzahlen zu fordern525. Dies erlaubt auch die Anerkennung kleinerer Verbände mit einem 520 T. Bunge, Beteiligung in umweltbezogenen Verwaltungs- und vergleichbaren Verfahren in: S. Schlacke/C. Schrader/ders. (Hrsg.), Informationsrechte, Öffentlichkeitsbeteiligung und Rechtsschutz im Umweltrecht, Aarhus-Handbuch, 2010, § 2 Rn. 553; Schieferdecker (Fn. 483), § 3 UmwRG Rn. 34; Bunge (Fn. 483), § 3 Rn. 46; Schlacke (Fn. 481), § 3 UmwRG Rn. 21. 521 So die Begründung in BT-Drs. 16/2495, S. 13. 522 BVerwGE 105, 348 (350), spricht im Hinblick auf dieses Ziel des Staates von einer „Sachverstandspartizipation“, die nach dem Willen des Gesetzgebers Vollzugsdefiziten im Bereich des Naturschutzes entgegenwirken soll; BVerwG NUR 2009, S. 789 (798). 523 Gassner (Fn. 509), § 59 Rn. 10, weist mit Blick auf Naturschutzvereine darauf hin, dass für die Wahrnehmung solcher Aufgaben „kompetente und potente Sachwalter“ erforderlich seien. 524 Dazu EuGH NuR 2009, S. 773 (775), der eine vorgeschriebene Mindestanzahl zwar grundsätzlich für möglich erachtet, eine solche von 2.000 Mitgliedern aufgrund der damit einhergehenden Zugangserschwernis aber für unzulässig hält. 525 So auch Schieferdecker (Fn. 483), § 3 UmwRG Rn. 43.
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beschränkten geographischen Wirkungsbereich, wenn diese eine sachgerechte Aufgabenwahrnehmung schlüssig begründen können526. Im Hinblick auf die geforderte Leistungsfähigkeit kann ebenfalls zwischen einem quantitativen und qualitativen Verständnis unterschieden werden527. Diese umfasst qualitativ die organisatorische und inhaltliche Fachkunde und in quantitativer Hinsicht insbesondere die bereits erwähnte Zahl der Mitglieder und die finanzielle Leistungsfähigkeit528. Auch hier dürfen die Anforderungen nicht zu hoch angesiedelt werden, um die Regelung nicht auszuhöhlen. Insgesamt ist also festzuhalten, dass die Anforderungen, die im Hinblick auf eine sachgerechte Aufgabenerfüllung an die Vereinigungen gestellt werden, anhand eines großzügigen Maßstabes zu betrachten sind. Im Mittelpunkt muss dabei immer die Frage der Sinnhaftigkeit im Einzelfall stehen, ohne dabei pauschale Anforderungen zu stellen. e) Gemeinnützige Zwecke (Abs. 1 S. 2 Nr. 4) § 3 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 UmwRG sieht des Weiteren vor, dass eine Vereinigung, die eine Anerkennung anstrebt, gemeinnützige Zwecke im Sinne von § 52 AO verfolgt529. § 52 Abs. 1 S. 1 AO legt fest, dass eine Körperschaft dann gemeinnützige Zwecke verfolgt, wenn ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern. Aus § 52 Abs. 2 Nr. 8 AO ergibt sich, dass als Förderung der Allgemeinheit grundsätzlich auch der Naturschutz, die Landschaftspflege und der Umweltschutz gelten. Dementsprechend ist bei Naturschutzverbänden in der Regel von einer Gemeinnützigkeit auszugehen. Dies wäre dann nicht der Fall, wenn die Förderung nur einem abgeschlossenen Personenkreis zugutekäme, § 52 Abs. 1 S. 2 AO. In diesem Fall könnte von einer Förderung der Allgemeinheit nicht gesprochen werden. Eine Bestätigung des Finanzamts bezüglich der Gemeinnützigkeit einer Vereinigung ist allerdings aufgrund der Tatsache, dass dies ausländische Vereinigungen benachteiligen würde, nicht erforderlich530. Vielmehr kommt es 526 Bunge (Fn. 483), § 3 Rn. 47. Vgl. dazu auch Schieferdecker (Fn. 483), § 3 UmwRG Rn. 42, der aus diesem Grund eine Mindestzahl an Mitgliedern, wenn überhaupt, in einer Größenordnung von 25 bis 50 Mitgliedern ansiedeln will. Anderer Ansicht bspw. BVerwGE 72, 277 (280), das der Auffassung ist, dass aufgrund des Verwaltungsaufwandes Vereine mit einer kleinen Mitgliederzahl von der Mitwirkung ausgeschlossen seien. 527 Schlacke (Fn. 481), § 3 UmwRG Rn. 27. 528 So Schlacke (Fn. 481), § 3 UmwRG Rn. 27. Nur auf die finanzielle Leistungsfähigkeit der Vereinigung stellt ab Schieferdecker (Fn. 483), § 3 UmwRG Rn. 47 ff. 529 Im Unterschied zu den Voraussetzungen für eine Förderung und Anerkennung in der Kinder- und Jugendhilfe wird hier also ausdrücklich Bezug auf § 52 AO genommen. 530 Schieferdecker (Fn. 483), § 3 UmwRG Rn. 51; Schlacke (Fn. 481), § 3 UmwRG Rn. 29. Aus dem Grund der Benachteiligung von ausländischen Vereinigungen ist die
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auf die Beurteilung der anerkennenden Behörde an531, welche die Gemeinnützigkeit einer Vereinigung auch auf Grundlage anderweitiger Beurteilung feststellen kann. Dies bedeutet gleichzeitig allerdings auch, dass diese nicht an die Beurteilung der Finanzbehörde gebunden ist532. f) Offene Mitgliedschaft (Abs. 1 S. 2 Nr. 5) Die letzte Anforderung, die sich aus § 3 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 UmwRG ergibt, ist, dass allen Personen, welche die Ziele der Vereinigung unterstützen, ermöglicht wird, Mitglied dieser Vereinigung zu werden. Dementsprechend ist die Mitgliedsstruktur einer Vereinigung entscheidend für die Frage, ob eine Vereinigung anerkannt werden kann. Dabei wurde in § 3 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 UmwRG das „Jedermann-Prinzip“ verankert, dass jedem die grundsätzliche Möglichkeit des Eintritts in die Mitgliederversammlung mit vollem Stimmrecht ermöglicht533. Ausreichend ist aber nicht, dass der Bewerber erklärt, dass er sich mit den Zielen des Vereins identifiziert und diese unterstützen will534. Entscheidend ist also nicht die subjektive Motivation, sondern vielmehr, ob der Bewerber die Ziele der Vereinigung durch sein Verhalten tatsächlich objektiv fördert535. Die Vereinigung darf also nicht die Möglichkeit haben, aus subjektivem Empfinden heraus einen Bewerber abzulehnen. In der Literatur ist diese letzte Anforderung an die Umweltschutzvereinigungen nicht unumstritten. So wird teilweise eingewandt, für diese Anforderung der Mitgliederoffenheit gäbe es kein sachliches Interesse, da es für einen effektiven Umweltschutz nicht erforderlich erscheine, dass eine Vereinigung alle Bewerber aufnehme536. Dem ist allerdings zu widersprechen. Die Umweltvereinigungen sollen als „Anwälte der Natur“ die Interessen der Allgemeinheit vertreten und dementsprechend ist es schlüssig, dass die Vereinigungen Regelung des § 59 BNatSchG a. F. (2002), der eine Befreiung von der Körperschaftsteuer gemäß § 59 Abs. 1 Nr. 9 KStG vorsah, nicht übernommen worden. Stattdessen wurde der Weg über die Gemeinnützigkeit im Sinne von § 52 AO gewählt, der auch für ausländische Vereinigungen offen ist. 531 Schlacke (Fn. 481), § 3 UmwRG Rn. 29. 532 Schieferdecker (Fn. 483), § 3 UmwRG Rn. 51; Bunge (Fn. 483), § 3 Rn. 51. 533 Zum „Jedermann-Prinzip“ in Bezug auf § 29 Abs. 1 und Abs. 2 S. 2 Nr. 5 BNatSchG a. F. siehe BVerwGE 72, 277 (280 f.). Dieses Prinzip war vorher bereits in § 59 Abs. 2 S. 1 Nr. 6 BNatSchG a. F. (2002) normiert und wurde durch das UmwRG übernommen. Zu Ursprung und Grund der Vorschrift Radespiel, Verbandsklage (Fn. 479), S. 84 f. 534 BVerwGE 72, 277 (280); Schieferdecker (Fn. 483), § 3 UmwRG Rn. 56. 535 BVerwGE 72, 277 (281); Schlacke (Fn. 481), § 3 UmwRG Rn. 30. Dabei steht vor allem der Schutz vor „Unterwanderung“ durch Personen, die die Ziele der Vereinigung nicht unterstützen, im Mittelpunkt. 536 A. Schmidt/P. Kremer, Das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz und der „weite Zugang zu Gerichten“, in: ZUR 2007, S. 57 (62). Dazu ebenfalls kritisch und mit dem Hinweis auf die Mitgliedsstruktur von Greenpeace, die beispielsweise nicht der Regelung von § 3 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 UmwRG entspricht, Heselhaus (Fn. 497), § 63 Rn. 67.
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grundsätzlich für die Allgemeinheit zugänglich sein müssen537. Dies gilt vor allem auch unter dem Aspekt, dass eine solche Mitgliederoffenheit die demokratische Binnenstruktur stärkt und so zu einer Meinungspluralität und Veränderungsoffenheit der Vereinigung führt538. Eine Ausnahme ist lediglich für Vereinigungen zu machen, die als Dachverbände fungieren und deren Mitglieder zu mindestens drei Vierteln aus juristischen Personen bestehen (Abs. 1 S. 2 Nr. 5 Hs. 3). Diese Dachverbände sind dann anerkennungsfähig, wenn die Mehrzahl der juristischen Personen die Anforderungen von § 3 Abs. 1 S. 2 Nr. 1–5 UmwRG selbstständig erfüllt. Der Gesetzgeber hat diese Vorschrift vorgesehen, um den Dachverband als „typische Form der demokratischen Repräsentation“ nicht von vornherein auszuschließen539. Dies ist schon deshalb erforderlich, weil diese Verbände aufgrund ihrer Bündelungsfunktion in der Regel ein besonderes Gewicht haben und insofern für die Mitwirkung prädestiniert sind540. g) Zusammenfassung: Weiter Zugang zu den Gerichten als Ziel und Maßstab Zusammenfassend zeigt sich, trotz der erheblichen Anzahl an Kriterien, die eine Vereinigung für ihre Anerkennung zu erfüllen hat, die Weite ebendieser Anerkennungsvoraussetzungen, die dafür sorgt, dass nicht von vornherein bereits eine große Anzahl von Vereinigungen ausgeschlossen ist. An keines der Kriterien darf ein derart hoher Maßstab angelegt werden, dass ein Zugang zu den Gerichten für eine Vereinigung maßgeblich erschwert wäre. Damit werden die Voraussetzungen insbesondere unionsrechtlichen Vorgaben gerecht. Diese Vorgaben enthalten zwar richtigerweise keine Vermutung der Anerkennungswürdigkeit von Umweltvereinigungen541, verlangen aber nach der Rechtsprechung des EuGH, dass die Voraussetzungen einen „weiten Zugang zu Gerichten“ sicherstellen542. Diese Weite und Offenheit der Anerkennungsvoraussetzungen kann daneben aber auch verfassungsrechtlich begründet werden. Aus Art. 20a GG können zwar nicht unmittelbar überindividuelle Klagebefugnisse hergeleitet werden; sind solche aber durch den Gesetzgeber geschaffen worden, so ergibt sich aus Art. 20a GG – und dem verfassungsrechtlichen Untermaßverbot543 – zumindest ein Gebot 537
So auch zutreffend Schieferdecker (Fn. 483), § 3 UmwRG Rn. 58. Schieferdecker (Fn. 483), § 3 UmwRG Rn. 58. 539 Siehe BT-Drs. 16/12274, S. 79. 540 So Radespiel, Verbandsklage (Fn. 479), S. 84. 541 Zutreffend Fellenberg/Schiller (Fn. 482), § 3 UmwRG Rn. 7. Für eine solche Vermutung sprechen sich Schmidt/Kremer, Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz (Fn. 536), S. 62 aus. 542 EuGH NJW 2011, S. 2779 (2780); Fellenberg/Schiller (Fn. 482), § 3 UmwRG Rn. 7. 543 Dazu auch Schlacke, Rechtsschutz (Fn. 472), S. 503. 538
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der effektiven Ausgestaltung eines solchen Instruments544. Der Staat kann nur dann seiner Schutzpflicht aus Art. 20a GG wirklich gerecht werden, wenn er die Bestandteile seines Schutzkonzepts auch effektiv einsetzt545. Dies ist aber nur dann der Fall, wenn der Staat die Anforderungen, die er an umwelt- und naturschutzrechtliche Vereine stellt, so wählt, dass er den Vereinigungen tatsächlich einen Zugang zu den Gerichten ermöglicht. Stellt er hingegen so hohe Anforderungen an die betreffenden Vereinigungen, dass diese de facto keine oder nur geringe Möglichkeiten haben, diese zu erfüllen, so greift das gewählte Instrument der verbandsrechtlichen Klagebefugnisse nicht durch. Dies würde nicht nur den unionsrechtlichen Vorgaben widersprechen, sondern auch dem verfassungsrechtlichen Untermaßverbot. Die aufgestellten Kriterien sind aus diesen Gründen insgesamt weit zu verstehen. 4. Art der Kooperation mit umwelt- bzw. naturschutzrechtlichen Vereinigungen Bei den Verbandsklagen im Naturschutz- und Umweltrecht handelt es sich nicht um eine der klassischen Formen der Privatisierung. Der Staat bedient sich lediglich zur Wahrnehmung seiner Schutzpflicht aus Art. 20a GG der besonderen Sachkunde naturschutz- und umweltrechtlicher Verbände. Dabei werden diesen Verbänden aber keine eigenen Entscheidungsbefugnisse eingeräumt546. Ihnen werden lediglich gewisse Mitwirkungsbefugnisse und ein Initiativrecht zur Einleitung von Verfahren zuteil. Das Bundesverwaltungsgericht beschreibt diese Form der Beteiligung von Umweltvereinigungen treffend als „Sachverstandspartizipation“, die Vollzugsdefiziten im Natur- und Umweltschutz entgegenwirken soll547. Den Umweltverbänden kommt dabei nach Ansicht des Gerichtes die Rolle eines „Verwaltungshelfers“ zu, wobei damit nicht die Übertragung von Verwaltungsaufgaben im klassischen Sinne verbunden ist548. Der Begriff des Verwaltungshelfers steht hier vielmehr sinnbildlich für die Funktion der Umweltverbände als eine Art Vermittler zwischen der betroffenen Öffentlichkeit und den Behörden und ist nicht im Sinne seiner eigentlichen Bedeutung zu verstehen549. Trotz dieser abgeschwächten Stellung der Naturschutz- und Umweltverbände als (quasi) Sachverständige ist es erforderlich, dass sie bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Dies vor allem aus dem Grund, dass diese Vereinigungen nicht aus sub544 C. Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat, 2001, S. 513 ff., 533; Schlacke, Rechtsschutz (Fn. 472), S. 69 f. 545 Schlacke, Rechtsschutz (Fn. 472), S. 503. 546 Schlacke, Rechtsschutz (Fn. 472), S. 501. 547 BVerwGE 105, 348 (350). 548 BVerwGE 102, 358 (361); 105, 348 (350). 549 Schlacke, Rechtsschutz (Fn. 472), S. 501. Der Begriff des Verwaltungshelfers ist dementsprechend in diesem Zusammenhang etwas missverständlich und muss daher mit Vorsicht verwendet werden.
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jektivem Eigeninteresse handeln, sondern vielmehr im Namen der Allgemeinheit, für die sie tätig werden.
III. Privatisierung der Staatsaufgabe der (inneren) Sicherheit Die Bestandsaufnahme abschließend sollen Privatisierungstendenzen im Bereich der Staatsaufgabe der (inneren) Sicherheit aufgezeigt werden550. Auch dieser aus grundrechtlicher Sicht besonders relevante Bereich befindet sich in einem Wandel. Schon längst werden nicht mehr alle Sicherheitsaufgaben vom Staat bzw. seinen Beamten selbst wahrgenommen. In vielen Bereichen werden gesellschaftliche Kräfte in die Sicherheitsarchitektur des Staates mit eingebunden551. Zu denken ist dabei beispielsweise an die Gewährleistung von Sicherheit in öffentlichen Bereichen mit hohem Personenaufkommen wie Bahnhöfe oder Flughäfen, an private Sicherheitsdienste, die polizeiähnliche Aufgaben wahrnehmen, oder aber an die Gewährleistung von Sicherheit im technischen Bereich. Der Staat versucht sich durch die Einbindung Privater in diesem Bereich zu „verschlanken“ 552, da er aufgrund steigender staatlicher Aufgaben an die Grenze seiner Leistungsfähigkeit gelangt553. In der Folge sollen daher zunächst der Begriff und damit die Staatsaufgabe der inneren Sicherheit abgegrenzt und ein Überblick über private Akteure in diesem Feld geschaffen werden, um im Anschluss daran anhand eines konkreten Beispiels die Einbeziehung gesellschaftlicher Kräfte zu untersuchen. 1. Zu Begriff und Umfang der inneren Sicherheit als Staatsaufgabe Die innere Sicherheit „zielt auf den Schutz und die Unversehrtheit des jeweils vorhandenen Bestandes individueller und überindividueller Rechte und Güter, den Bestand, die Unversehrtheit und Funktionsfähigkeit der Organe und Einrichtungen des Staats eingeschlossen“ ab554, wobei sie bereits begrifflich auf das Staatsgebiet der Bundesrepublik begrenzt ist555. Sie ist von grundlegender Bedeutung für das Zusammenleben innerhalb der Gesellschaft, nicht zuletzt auf550 Zur Entwicklung der Staatsaufgabe Sicherheit M. Möstl, Die staatliche Garantie für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, 2002, S. 3 ff. 551 Ausführlich zu den Privatisierungstendenzen in diesem Bereich G. Nitz, Private und öffentliche Sicherheit, 2000, S. 57 ff., 98 ff. 552 Zur Zielsetzung des „schlanken Staates“ vgl. Bundesministerium des Inneren (Hrsg.), Sachverständigenrat „Schlanker Staat“, Abschlussbericht, 1997. 553 Möstl, Garantie (Fn. 550), S. 291. 554 Diese überzeugende Begriffsbestimmung bei V. Götz, Innere Sicherheit, in: HStR3 IV, § 85 Rn. 1. 555 Bull, Staatsaufgaben (Fn. 463), S. 348. Verfassungsrechtlich zu unterscheiden ist die innere Sicherheit insofern von der äußeren Sicherheit, obwohl diese in einem engen Verhältnis zueinanderstehen, vgl. Götz (Fn. 554), § 85 Rn. 17, der in diesem Zusammenhang vor allem auf die steigende Bedrohung durch internationalen Terrorismus hinweist.
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grund der Tatsache, dass die innere Sicherheit Grundvoraussetzung für die Ausübung individueller Freiheiten ist556. Isensee beschreibt in diesem Zusammenhang Sicherheit und Freiheit zutreffend als „zwei Seiten einer Medaille, verschiedene staatsrechtliche Aspekte derselben Sache: des Lebens, der Freiheit der Person, des Eigentums wie der sonstigen privaten Rechtsgüter.“ 557 Unter dem Aspekt der Sicherheit habe der Staat Übergriffe anderer (aktiv) zu verhindern, während er unter dem Aspekt der Freiheit eigene Übergriffe (passiv) zu unterlassen habe558. Grundlage für die Staatsaufgabe der (inneren) Sicherheit sind dementsprechend neben dem Gewaltmonopol des Staates559 vor allem die Grundrechte als objektive Werteordnung und die daraus resultierenden Schutzpflichten des Staates560. Sie umfasst dabei sowohl die Sicherheit von Personen und Sachen als auch die Sicherheit von Zuständen561. Vor allem aber dient sie dem Schutz der persönlichen Integrität in Form der bedeutendsten menschlichen Rechtsgüter wie Leben, Gesundheit und Freiheit562. Dementsprechend weist sie aus grundrechtlicher Sicht eine besonders hohe „Fallhöhe“ auf. Darüber hinaus ist sie aber auch Grundlage für die Erreichung anderer sozial-, wirtschafts- oder umweltpolitischer Staatsziele563. Aufgrund ihrer grundlegenden Bedeutung kann die (innere) Sicherheit „durchaus als notwendige Aufgabe des Staates verstanden werden“ 564. Diese Einordnung bedeutet aber nicht gleichzeitig, dass der Staat die Aufgabe der (inneren) Sicherheit vollumfänglich selbst zu erfüllen hätte, sondern nur, dass er diese zu gewährleisten hat und sie dementsprechend nicht im Gesamten der Gesellschaft überlassen sein darf. In der Wahl der Mittel, derer er sich für die Wahrnehmung seiner Verantwortung bedient, ist der Staat grundsätzlich frei. Insoweit ist es dem Staat durchaus möglich, auch bei notwendigen Staatsaufgaben partiell gesellschaftliche Kräfte einzubinden565. 556 Götz (Fn. 554), § 85 Rn. 2. Zu diesem untrennbaren Zusammenhang auch J. Isensee, Das Grundrecht auf Sicherheit. Zu den Schutzpflichten des freiheitlichen Verfassungsstaates, 1983, S. 21; ders., Gemeinwohl im Verfassungsstaat, in: HStR3 IV, § 71 Rn. 76 ff. 557 Isensee, Grundrecht (Fn. 556), S. 21. 558 Isensee, Grundrecht (Fn. 556), S. 21. 559 Ausführlich zum staatlichen Gewaltmonopol als Grundlage einer Staatsaufgabe Sicherheit A. Mackeben, Grenzen der Privatisierung der Staatsaufgabe Sicherheit, 2004, S. 75 ff. 560 Mackeben, Grenzen (Fn. 559), S. 103 ff.; Götz (Fn. 554), § 85 Rn. 24. 561 Bull, Staatsaufgaben (Fn. 463), S. 348. Vgl. zu den verschiedenen Bedeutungen des Begriffs „sicher“ in Bezug auf Personen oder Dinge und Zustände die Übersicht bei F.-X. Kaufmann, Sicherheit als soziologisches und sozialpolitisches Problem, 2. Aufl. 1973, S. 50 f. 562 Bull, Staatsaufgaben (Fn. 463), S. 349. 563 So Götz (Fn. 554), § 85 Rn. 2. 564 Mackeben, Grenzen (Fn. 559), S. 105. 565 So auch Möstl, Garantie (Fn. 550), S. 292; R. Pitschas, Neues Verwaltungsrecht im partnerschaftlichen Rechtsstaat? – Zum Wandel von Handlungsverantwortung und
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Aus inhaltlicher Sicht sind Kernbereiche der Staatsaufgabe Sicherheit die Bekämpfung von Kriminalität und die Reaktion des Staates auf ebendiese, ohne dass sich dieser Bereich darin erschöpft, sodass auch Aufgaben des Verfassungsschutzes oder der Nachrichtendienste sowie des Katastrophenschutzes dazugehören566. Zusammenfassend sind alle Aufgaben dem Bereich der inneren Sicherheit zuzuordnen, die dem Schutz des Staates und seiner Bevölkerung dient, insbesondere in der Form, dass die geltende Rechtsordnung eingehalten wird. So ist beispielsweise auch die technische Überwachung gewerblicher Anlagen als Teil der inneren Sicherheit zu verstehen, dient sie doch auch dem Schutz des Lebens und der körperlichen Integrität der Bevölkerung567. Aus der Tatsache, dass es sich bei der (inneren) Sicherheit um eine notwendige Staatsaufgabe handelt, ergibt sich auch, dass bei jeder Aktivität im Einzelfall untersucht werden muss, ob diese einer Privatisierung zugänglich ist. 2. Private Akteure als Teil der Sicherheitsarchitektur des Staates Private Akteure nehmen mittlerweile zahlreich verschiedenste Aufgaben der (inneren) Sicherheit wahr, sodass sie im Rahmen der Gewährleistung der Sicherheit und Ordnung nicht mehr wegzudenken sind. Sie haben dadurch einen erheblichen Stellenwert bei der Wahrnehmung dieser eigentlich „originär staatlichen Hoheitsaufgabe“ 568. Pitschas hat insofern nicht unrecht, wenn er von einem „Systemwandel“ im Hinblick auf das „System der Gefahrenabwehr und Sicherheitsvorsorge“ spricht569. Gusy sieht in diesem Zusammenhang gar von eine „neue Gewaltenteilung“, gemeint ist damit die „Aufgabenteilung zwischen staatlichen und privaten Sicherheitsorganen“ 570. Die Beispiele für ein Tätigwerden privater Akteure zugunsten der (inneren) Sicherheit sind so verschieden wie zahlreich. Eine umfassende Darstellung würde daher an dieser Stelle den Umfang dieser Untersuchung sprengen und ist für das Ziel dieser auch nicht zwingend erforderlich. Dennoch soll an dieser -formen der öffentlichen Verwaltung am Beispiel der Vorsorge für innere Sicherheit in Deutschland, in: DÖV 2004, S. 231 (233). 566 Götz (Fn. 554), § 85 Rn. 5 f. 567 Zutreffend Bull, Staatsaufgaben (Fn. 463), S. 350; insoweit anderer Auffassung Götz (Fn. 554), § 85 Rn. 1, der die innere Sicherheit von anderen Sicherheitszielen, zu denen er auch die technische Sicherheit bzw. die Verkehrssicherheit zählt, abgrenzt. Er verkennt dabei allerdings, dass auch die technische Sicherheit insofern zum Bereich der inneren Sicherheit zu zählen ist, als dass sie bspw. dem Schutz individueller Rechte dient. 568 Dazu Möstl, Garantie (Fn. 550), S. 293. 569 R. Pitschas, Gefahrenabwehr durch private Sicherheitsdienste? – Zur gesetzlichen Neuregelung der Beziehungen zwischen Polizei und Sicherheitsgewerbe, in: DÖV 1997, S. 393 (395). 570 C. Gusy, Rechtsgüterschutz als Staatsaufgabe – Verfassungsfragen der „Staatsaufgabe Sicherheit“, in: DÖV 1996, S. 573 (581 f.).
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Stelle zumindest ein grober Überblick verschafft werden, um die Reichweite der Einbindung privater Akteure im Rahmen der staatlichen Sicherheitsgewährleistung zu vergegenwärtigen. Der Staat kann sich dabei verschiedenster Formen der Einbindung bedienen. Er kann Private als Verwaltungs- bzw. Polizeihelfer in die Aufgabenwahrnehmung einbinden, kann diesen im Wege einer Indienstnahme beispielsweise Eigensicherungspflichten auferlegen oder aber diese mit hoheitlichen Befugnissen beleihen571. Daneben sind aber auch andere Misch- und Kooperationsformen denkbar572. a) Das private Sicherheitsgewerbe In der öffentlichen Wahrnehmung spielen vor allem private Sicherheitsdienstleister durch ansteigende Präsenz im öffentlichen Raum eine große Rolle; gerade im Rahmen von Großveranstaltungen573. Sie stellen – zumindest aus politischer Sicht – eine wichtige Säule der Sicherheitsarchitektur Deutschlands dar574. Allerdings wird man im Hinblick auf ihr Tätigwerden differenzieren müssen. Nicht überall dort, wo private Sicherheitsdienstleister im öffentlichen Raum auftreten, nehmen sie staatliche Aufgaben wahr. Abzugrenzen ist danach, ob Private Sicherheitsaufgaben aus eigener und damit privater Initiative wahrnehmen oder ob sie auf staatliche Veranlassung hin tätig werden575. Von einer Privatisierung staatlicher Aufgaben im Sinne der vorliegenden Untersuchung kann dabei nur gesprochen werden, wenn das Tätigwerden privater Dienstleister auf einer staatlichen Initiative beruht576. Insofern ist die steigende Präsenz privater Sicherheitsdienste in der öffentlichen Wahrnehmung zunächst einmal kein Indiz für eine vermehrte Beteiligung an staatlichen Aufgaben. Doch hat sich in der Vergangenheit auch in letzterem Sinne vermehrt eine Partnerschaft zwischen dem Staat und privaten Sicherheitsdienstleistern ergeben. Zu denken ist dabei an die Bewachung öffentlicher Gebäude wie beispielsweise Kasernen oder „Sicherheits- und Ordnungspartnerschaften“ im öffentlichen Raum577. 571 Zu den verschiedenen Realisierungsmodi der Privatisierung der öffentlichen Sicherheit B. Weiner, Privatisierung von staatlichen Sicherheitsaufgaben, 2001, S. 72 ff. 572 Dazu ebenfalls Weiner, Privatisierung (Fn. 571), S. 81 ff., der in diesem Zusammenhang bspw. auf die unterschiedlichen Bezeichnungen solcher Kooperationen als „Public-Private-Partnership“, „Sicherheitspartnerschaft“ oder „Community-Policing“ hinweist. 573 Siehe dazu H. Beutel, Staatlich garantierte Sicherheit als Wirtschaftsgut – zu den Möglichkeiten und Grenzen der Privatisierung von Polizeiaufgaben und -kosten anlässlich kommerzieller Großveranstaltungen, 2013. 574 Götz, Sicherheit (Fn. 554), § 85 Rn. 41, unter Hinweis auf ein Grußwort des Bundesinnenministers a. D. Otto Schily, in: Der Sicherheitsdienst, 3/2004, S. 4. 575 Zu dieser Unterscheidung Möstl, Garantie (Fn. 550), S. 294. Ähnlich auch C.-D. Bracher, Gefahrenabwehr durch Private, 1987, S. 40 ff. 576 Pitschas, Gefahrenabwehr (Fn. 569), S. 398; Möstl, Garantie (Fn. 550), S. 295. 577 Götz (Fn. 554), § 85 Rn. 43.
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Hinsichtlich der Voraussetzungen, die private Sicherheitsdienstleister zu erfüllen haben, ist auf die Regelung des § 34a GewO zu verweisen, die eine Erlaubnispflicht für ein Tätigwerden im Bewachungsgewerbe vorsieht. Diese Voraussetzungen gelten allerdings unabhängig davon, ob der private Sicherheitsunternehmer eine staatliche Aufgabe wahrnimmt oder auf Grund privater Initiative tätig wird. Insofern sind die dort gestellten Voraussetzungen für die vorliegende Untersuchung nicht uneingeschränkt geeignet; vor allem auch, weil eine hoheitliche Gefahrenabwehr durch Private, beispielsweise im Wege der Beleihung, nicht unter die Regelung des § 34a GewO fällt578. Die Einbindung privater Sicherheitsunternehmen bei der Wahrnehmung staatlicher Aufgaben ohne die Übertragung hoheitlicher Rechte soll in der Folge daher unberücksichtigt bleiben. b) Die Beleihung Privater mit Befugnissen der hoheitlichen Gefahrenabwehr In verschiedenen Bereichen der (inneren) Sicherheit bedient sich der Staat privater Akteure aber auch im Wege der Beleihung durch die damit verbundene Übertragung hoheitsrechtlicher Befugnisse. Dies gilt vor allem für den Bereich der technischen Sicherheit. Zu denken ist dabei nicht nur an die Beleihung des TÜV, als des wohl bekanntesten technischen Überwachungsvereins, sondern auch an staatliche Prüfingenieure oder Bezirksschornsteinfeger. Gerade Letztere haben in jüngerer Vergangenheit aufgrund einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts579 und den vorangegangenen unterinstanzlichen Entscheidungen580 stärkere Aufmerksamkeit erfahren. Dabei ging es um die Frage, ob sich ein beliehener Bezirksschornsteinfeger verfassungstreu zu verhalten habe, um die nach § 11 Abs. 2 Nr. 1 SchfG 1998 erforderliche Zuverlässigkeit aufzuweisen. Im Mittelpunkt standen demnach die Anforderungen an die Treuepflicht eines Beliehenen im Rahmen der Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben im Bereich der (inneren) Sicherheit. Das Bundesverwaltungsgericht stellte in seiner Entscheidung klar, dass ein Bezirksschornsteinfeger dann nicht persönlich zuverlässig ist, wenn er „nicht die Gewähr bietet, die geltende Rechtsordnung, insbesondere die Grundrechte der Eigentümer und Besitzer von Grundstücken und Räumen in seinem Kehrbereich jederzeit verlässlich zu beachten“ 581. Es stellte weitergehend allerdings auch fest, dass der Bezirksschornsteinfeger „damit nicht einer politischen Treuepflicht gegenüber dem Staat und seiner Verfassung, wie sie nach der Recht578 So W. Höfling, in: K. H. Friauf (Hrsg.), GewO, § 34a (2014), Rn. 57, der in diesem Zusammenhang bspw. auf die Beleihung Privater im Verkehrsrecht oder in Katastrophenfällen hinweist. 579 BVerwGE 145, 67. 580 OVG Magdeburg, Urt. v. 10.11.2011, 1 L 103/10; VG Halle, Urt. v. 29.04.2010, 1 A 99/08. 581 BVerwGE 145, 67 (67).
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sprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums gemäß Art. 33 Abs. 5 GG den Beamten als solchen – (auch) unabhängig von dessen Funktion – trifft“, unterliegt582. Das Gericht begründet dies damit, dass der Bezirksschornsteinfeger – unabhängig von der Tatsache, dass er hoheitliche Gewalt ausübt – nicht als Teil des öffentlichen Dienstes anzusehen ist583. Doch auch wenn das Gericht hier eine unmittelbare Geltung der für Beamte geltenden Pflicht zur Verfassungstreue ablehnt, stellt es hohe Anforderungen an die persönliche Zuverlässigkeit des Beliehenen. Es ist fraglich, ob diese Anforderungen mit Blick auf die Tätigkeit und deren grundrechtliche „Fallhöhe“ angemessen erscheint, vor allem aufgrund der Tatsache, dass die Tätigkeit nicht unmittelbar mit den Grundrechten eines Dritten in Berührung kommt584. Die vom Bundesverwaltungsgericht an die Zuverlässigkeit gestellten Voraussetzungen erscheinen somit auf den ersten Blick sehr streng. Auch an anderer Stelle werden Private in eigentlich staatliche Überwachungsaufgaben eingebunden, vor allem dort, wo der Staat aufgrund von Hindernissen möglicherweise selbst nicht tätig werden kann. Zu denken ist dabei vor allem an die Beleihung von Schiffskapitänen gemäß § 106 Abs. 1, 2 SeemG und Luftfahrzeugführern gemäß § 12 Abs. 1, 2 LuftSiG585. Im Falle des Luftfahrzeugführers ist dem Staat der Zugriff von außen während des Fluges unmöglich, während er mit Blick auf den Schiffskapitän zumindest erschwert und nur unter großer zeitlicher Verzögerung möglich ist. Insofern drängt sich eine Beleihung der an Bord des Flugzeuges bzw. Schiffes zuständigen Person geradezu auf. Dieser rein praktische Aspekt darf aber nicht dazu führen, dass in den Hintergrund gerät, dass weitgehende hoheitsrechtliche Befugnisse dabei übertragen werden, insbesondere, wenn wie im Falle des Luftfahrzeugführers eine Aufgabe mit einer erheblichen grundrechtlichen „Fallhöhe“ übertragen wird. Die Wahrnehmung hoheits-
582 BVerwGE 145, 67 (70). Insofern sogar weitergehend mit Blick auf den staatlichen Prüfingenieur F. Kluth, Der Prüfingenieur für Bauleistungen. Zugleich ein Beitrag zur Beleihung Privater mit hoheitlichen Befugnissen, 2005, S. 74 f. mit Fn. 48, der die Verfassungstreue für „eine essentiale Voraussetzung für die persönliche Zuverlässigkeit“ hält. 583 BVerwGE 145, 67 (70). 584 Dazu sehr kritisch G. Flümann, Streitbare Demokratie in Deutschland und den Vereinigten Staaten. Der staatliche Umgang mit nichtgewaltätigem politischem Extremismus im Vergleich, 2015, S. 257 f.: „Dies wirkt aus demokratischer Perspektive befremdlich. So verabscheuungswürdig ein solches Verhalten auch sein mag, steht es faktisch in keinem Verhältnis zur ausgeübten Tätigkeit und ist in der von ihm vertretenen Art und Weise nicht strafbar. Es ist überdies nicht bekannt, dass er als Schornsteinfeger die Schornsteine z. B. von Personen mit Migrationshintergrund weniger zuverlässig betreut habe als andere oder während des Dienstes mit seinen politischen Überzeugungen hausieren ging.“ 585 Zu letzterem ausführlich im Folgenden. Daneben erlaubt § 16a LuftSiG in weiteren Bereichen der Luftsicherheit die Übertragung der Aufgabenwahrnehmung auf Private im Wege der Beleihung.
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rechtlicher Befugnisse hat beim Luftfahrzeugführer im Unterschied zum Bezirksschornsteinfeger deutlich spürbare Auswirkungen auf die Grundrechte Dritter, in diesem Fall der Passagiere an Bord der Maschine. 3. Der Luftfahrzeugführer als (Ersatz-)Polizei? Der (verantwortliche) Luftfahrzeugführer586 soll daher für die vorliegende Untersuchung als Beispiel für die Indienstnahme eines privaten Akteurs im Bereich der (inneren) Sicherheit dienen. Dieser bietet sich aus verschiedenen Gründen als Beispiel an. Zum einen hat die Luftsicherheit in der näheren Vergangenheit, nicht zuletzt durch die Anschläge in New York am 11. September 2001, eine erhöhte Aufmerksamkeit erfahren. Daneben bietet sich dieser Bereich für die vorliegende Untersuchung aber auch an, weil dem Luftfahrzeugführer eine für die Luftsicherheit besonders wichtige Stellung zukommt. Diese resultiert aus der Tatsache, dass das Flugzeug, nachdem die Türen geschlossen sind, vor einem Zugriff von außen geschützt ist, insbesondere wenn es sich in der Luft befindet587. Insofern ist es dem Staat nicht möglich, an Bord eines Flugzeuges die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu gewährleisten, ohne dass sich bei jedem Flug Polizisten mit an Bord befänden, was in der Praxis aber nicht denkbar ist. Der Staat muss demnach auf die sich an Bord befindenden Personen zurückgreifen; zunächst also auf die Besatzung des Fluges, insbesondere auf den Flugzeugführer588. Vor allem Letzterem kommt also die Aufgabe zu, die Sicherheit und Ordnung auf einem Flug sicherzustellen und somit eine im Kern staatliche Aufgabe zu erfüllen. Da es sich beim Luftfahrzeugführer allerdings um eine Privatperson handelt, die zunächst einmal nur aufgrund eines Arbeitsverhältnisses mit einer Fluggesellschaft tätig wird, ist eine staatliche Aufgabenübertragung erforderlich. Dabei ist insbesondere zu beachten, dass dem Luftfahrzeugführer in diesem Zusammenhang polizeiliche, mithin hoheitliche, Aufgaben übertragen werden sollen, sodass an diese Übertragung bestimmte Voraussetzungen zu stellen sind. In der Folge sollen daher die Grundlagen und die Art der Aufgabenübertragung dargestellt und daran anschließend untersucht werden, inwieweit dabei an den Luftfahrzeugführer besondere Voraussetzungen gestellt werden.
586 Dieser Begriff für einen Piloten wird im deutschen Recht anstelle des international geltenden Begriffes des Luftfahrzeugkommandanten verwendet, vgl. W. Schwenk/ E. Giemulla, Handbuch des Luftverkehrsrechts, 4. Aufl. 2013, Kap. 8 Rn. 154. Die vorliegende Untersuchung verwendet ihn im Folgenden ebenfalls. 587 H. v. Schyndel, in: E. Giemulla/ders., LuftSiG, Kommentar (Frankfurter Kommentar zum Luftverkehrsrecht Bd. 1.3), § 12 (2015), Rn. 1. 588 v. Schyndel (Fn. 587), § 12 Rn. 1.
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a) Grundlagen der besonderen Stellung des Luftfahrzeugführers Die grundlegende Norm für die Einsetzung des Luftfahrzeugführers als Verantwortlichen für die Gewährleistung von Sicherheit und Ordnung an Bord eines Flugzeuges ist § 12 LuftSiG589. § 12 LuftSiG – Aufgaben und Befugnisse des Luftfahrzeugführers590 (1) Der verantwortliche Luftfahrzeugführer hat als Beliehener für die Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung an Bord des im Flug befindlichen Luftfahrzeuges zu sorgen. Er ist nach Maßgabe von Absatz 2 und der sonst geltenden Gesetze befugt, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen. (2) Der verantwortliche Luftfahrzeugführer darf die erforderlichen Maßnahmen treffen, um eine im einzelnen Fall bestehende Gefahr für Personen an Bord des Luftfahrzeuges oder für das Luftfahrzeug selbst abzuwehren. Dabei hat er dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (§ 4) zu wahren. Insbesondere darf der Luftfahrzeugführer 1. die Identität einer Person feststellen, 2. Gegenstände sicherstellen, 3. eine Person oder Sachen durchsuchen, 4. eine Person fesseln, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die Person den Luftfahrzeugführer oder Dritte angreifen oder Sachen beschädigen wird. (3) Zur Durchsetzung der Maßnahmen darf der Luftfahrzeugführer Zwangsmittel anwenden. Die Anwendung körperlicher Gewalt ist nur zulässig, wenn andere Zwangsmittel nicht in Betracht kommen, keinen Erfolg versprechen oder unzweckmäßig sind. Der Gebrauch von Schusswaffen ist Polizeivollzugsbeamten, insbesondere denjenigen der Bundespolizei nach § 4a des Bundespolizeigesetzes vorbehalten. (4) Alle an Bord befindlichen Personen haben den Anordnungen des Luftfahrzeugführers oder seiner Beauftragten nach Absatz 2 Folge zu leisten.
Absatz 1 legt zunächst unmissverständlich fest, dass der „verantwortliche Luftfahrzeugführer“ für die Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung an Bord eines Flugzeuges Sorge zu tragen hat und in dieser Funktion als Beliehener tätig wird. Er ist gemäß § 12 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 LuftSiG befugt, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um eine Gefahr für die Personen an Bord oder das Flugzeug selbst abzuwenden. Um diese Stellung des Luftfahrzeugführers und seine Befugnisse genauer zu untersuchen, ist eine Bestimmung der relevanten Begriffe erforderlich.
589 Diese Regelung hat die Vorschrift des § 29 Abs. 3 LuftVG a. F. abgelöst. Vgl. zur geschichtlichen Entwicklung der Vorschrift v. Schyndel (Fn. 587), § 12 Rn. 3 f. 590 Aus Gründen der Übersichtlichkeit wurden vorliegend nur die Absätze 1 bis 4 abgedruckt, auf Absatz 5 wurde hingegen verzichtet. Dieser regelt Haftungsfragen bei vorsätzlichem oder grob fahrlässigen Fehlverhalten des Flugzeugführers, die für die vorliegende Untersuchung nicht von Belang sind.
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aa) Der „verantwortliche Luftfahrzeugführer“ im Sinne des § 12 LuftSiG Der in § 12 LuftSiG maßgebliche Begriff des „verantwortlichen Luftfahrzeugführers“ wird innerhalb der Vorschrift nicht weitergehend erläutert. Eine nähere Beschreibung der Person des „verantwortlichen Luftfahrzeugführers“ war in § 2 LuftVO a. F. enthalten, ohne dabei allerdings eine exakte Definition des Begriffs vorzunehmen591. Diese Vorschrift wurde durch die Neufassung der LuftVO vom 15. November 2015 allerdings gestrichen, sodass nunmehr gänzlich auf die Definition Art. 2 Nr. 100 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 923/2012 zurückzugreifen ist592. Danach ist „der vom Betreiber oder, in der allgemeinen Luftfahrt, vom Eigentümer für verantwortlich erklärte und mit der sicheren Durchführung eines Flugs beauftragte Pilot“ als „verantwortlicher Pilot“ zu verstehen593. Darauf aufbauend bestimmt van Schyndel den „verantwortlichen Luftfahrzeugführer“ als denjenigen, der „ein Luftfahrzeug mit nautischer Kommando- und gegenüber Personen an Bord (polizeilicher) Befehlsgewalt ausgestattet führt, eine gültige Erlaubnis hierfür besitzt und die notwendige fliegerärztliche Tauglichkeit nachgewiesen hat.“ 594 Für die Frage, wer als „verantwortlicher Luftfahrzeugführer“ anzusehen ist, kommt es dementsprechend allein auf die Bestimmung durch den Betreiber oder den Eigentümer an. Diese wird allerdings nur dann relevant, wenn mehr als ein Luftfahrzeugführer an Bord zugegen ist, ist lediglich einer an Bord, so ist dieser als verantwortlicher Luftfahrzeugführer anzusehen595. Dabei ist die Übertragung der Befugnisse in § 12 Abs. 1 LuftSiG auch nicht auf Luftfahrzeugführer in Luftverkehrsunternehmen, also solche die eine Vielzahl von Menschen transportieren, begrenzt, sondern gilt für alle, die ein Luftfahrzeug führen596. bb) Die Beleihung als Form der Aufgabenübertragung Die Art der Aufgabenübertragung ergibt sich im Falle der „Bordgewalt“ ausdrücklich aus der Vorschrift des § 12 Abs. 1 S. 1 LuftSiG selbst. Diese legt fest, dass der verantwortliche Luftfahrzeugführer als Beliehener tätig wird597. Diese 591
v. Schyndel (Fn. 587), § 12 Rn. 5. So auch die Begründung in BR-Drs. 337/15, S. 89. 593 Die Richtlinie verwendet an dieser Stelle den für Luftfahrzeugführer synonymen Begriff des Piloten. Eine gleichlautende Definition findet sich in Chapter 1. Definitions vom Annex 2 (Rules of the Air) zum Chicagoer Abkommen über die internationale Zivilluftfahrt (ICAO). 594 v. Schyndel (Fn. 587), § 12 Rn. 5. 595 Schwenk/Giemulla, Handbuch (Fn. 586), Kap. 8 Rn. 156. Dies ergab sich aus vor dem Wegfall aus § 2 Abs. 2 bis 4 LuftVO, vgl. v. Schyndel (Fn. 587), § 12 Rn. 6 f. 596 v. Schyndel (Fn. 587), § 12 Rn. 5. 597 Anders war dies noch bei der Vorgängervorschrift des § 29 Abs. 3 LuftVG a. F., der die Beleihung nicht ausdrücklich vorsah. Diese wurde dementsprechend vereinzelt in der Literatur abgelehnt, vgl. zu dem Meinungsstand in Rechtsprechung und Literatur 592
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ausdrückliche Einordnung hat allerdings nur deklaratorischen Charakter. Bereits aus der Tatsache, dass dem Luftfahrzeugführer hoheitsrechtliche (Polizei-)Befugnisse – die gemäß Art. 33 Abs. 4 GG in der Regel von Beamten ausgeübt werden – eingeräumt werden, ergibt sich, dass nur die Beleihung als Übertragungsform in Betracht kommt598. Dies gilt gerade auch vor dem Hintergrund, dass dem Flugzeugführer eine selbstständige Entscheidungskompetenz eingeräumt wird599. Es geht im Rahmen von § 12 LuftSiG gerade nicht um privatrechtliche Weisungsbefugnisse, die dem Luftfahrzeugführer aufgrund des Hausrechts oder des Beförderungsvertrages ebenfalls zustehen, sondern allein um polizeiliche Befugnisse600. § 12 LuftSiG stellt die für die Beleihung erforderliche Ermächtigungsgrundlage dar. Die Beleihung des verantwortlichen Luftfahrzeugführers erfolgt also durch Gesetz. Dies hat zur Folge, dass bei Erfüllung des gesetzlichen Tatbestandes die Beleihung erfolgt601. Dementsprechend erfolgt die Beleihung mit der Erfüllung des Merkmals „im Flug befindlich“ und endet, wenn dieses Merkmal nicht mehr erfüllt ist602. cc) Die Schutzgüter des § 12 Abs. 1 LuftSiG § 12 Abs. 1 LuftSiG legt fest, dass der „verantwortliche Luftfahrzeugführer“ an Bord eines im Flug befindlichen Flugzeuges für die Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung Sorge zu tragen hat. Mit Blick auf die Schutzgüter der Sicherheit und Ordnung kann in diesem Zusammenhang auf das allgemeine, polizei- und ordnungsrechtliche, Verständnis der Begriffe der (öffentlichen) Sicherheit und Ordnung abgestellt werden603. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes umfasst das Schutzgut der öffentlichen Sicherheit den „Schutz zentraler Rechtsgüter wie Leben, Gesundheit, Freiheit, Ehre, Eigentum und Vermögen des Einzelnen sowie die Unversehrtheit der Rechtsordnung und der staatlichen Einrichtungen, wobei in der Regel eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit angenommen wird, wenn eine strafbare Verletzung dieser Schutzgüter
zu § 29 Abs. 3 LuftVG a. F. die Ausführungen bei K. Baumann, Private Luftfahrtverwaltung. Die Delegation hoheitlicher Befugnisse an Private und privatrechtsförmig organisierte Verwaltungsträger im deutschen Luftfahrtrecht, 2002, S. 82 ff. 598 v. Schyndel (Fn. 587), § 12 Rn. 8. 599 v. Schyndel (Fn. 587), § 12 Rn. 9. 600 v. Schyndel (Fn. 587), § 12 Rn. 9. 601 S. v. Heimburg, Verwaltungsaufgaben und Private, 1982, S. 37, die dabei als Beispiel sogar ausdrücklich den Luftfahrzeugführer gem. § 29 Abs. 3 LuftVG a. F. nennt; A.-K. Schröder, Die Rechte und Pflichten des verantwortlichen Luftfahrzeugführers nach dem Luftsicherheitsgesetz. Grenzen und Grundlagen der durch Beleihung übertragenen Hoheitsbefugnisse, 2008, S. 60. 602 Schröder, Rechte (Fn. 601), S. 60. 603 Dazu ausführlicher v. Schyndel (Fn. 587), § 12 Rn. 22 ff.
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droht“ 604. Des Weiteren versteht das Gericht unter öffentlicher Ordnung „die Gesamtheit der ungeschriebenen Regeln [. . .], deren Befolgung nach den jeweils herrschenden sozialen und ethischen Anschauungen als unerläßliche Voraussetzung eines geordneten menschlichen Zusammenlebens innerhalb eines bestimmten Gebiets angesehen wird.“ 605 Während die möglichen Gefahren für das Schutzgut der öffentlichen Sicherheit während eines Fluges, gerade mit Blick auf den internationalen Terrorismus, auf der Hand liegen, kommt auch dem Schutzgut der öffentlichen Ordnung im Luftverkehr eine eigenständige Bedeutung zu, gerade im Hinblick auf die oftmals unterschiedliche Herkunft der Passagiere606. dd) Die übertragenen Befugnisse des „verantwortlichen Luftfahrzeugführers“ Die polizeirechtliche Struktur der Vorschrift zeigt sich nicht nur in den genannten Schutzgütern der (öffentlichen) Sicherheit und Ordnung. § 12 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 LuftSiG ermächtigt den verantwortlichen Luftfahrzeugführer die erforderlichen (präventiven607) Maßnahmen zu treffen, um eine Gefahr für Personen an Bord des Luftfahrzeuges oder für das Luftfahrzeug selbst abzuwehren. (1) Der Gefahrbegriff des Luftsicherheitsgesetzes Auch im Hinblick auf den Begriff der Gefahr ist auf das polizei- und ordnungsrechtliche Begriffsverständnis zurückzugreifen. Eine Gefahr ist nach allgemeiner Auffassung dann anzunehmen, „wenn eine Sachlage oder ein Verhalten bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens mit Wahrscheinlichkeit ein polizeilich geschütztes Rechtsgut schädigen wird“ 608. Im vorliegenden Fall muss bereits eine geringe Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts ausreichen, da die gefährdeten Rechtsgüter in der Regel – meist wird Leben oder Gesundheit der Passagiere betroffen sein – einen besonders hohen Stellenwert
604 BVerfGE 69, 315 (352). Zu den Gehalten der öffentlichen Sicherheit vgl. statt Vieler W. Erbguth/T. Mann/M. Schubert, Besonderes Verwaltungsrecht, 12. Aufl. 2015, Rn. 437 ff. 605 BVerfGE 69, 315 (352). Zu diesem Schutzgut auch Erbguth/Mann/Schubert, Verwaltungsrecht (Fn. 604), Rn. 452 ff. 606 v. Schyndel (Fn. 587), § 12 Rn. 14, der auf die unterschiedlichen Rechts-, Moralund Religionskreise der Passagiere hinweist und feststellt, dass der verantwortliche Luftfahrzeugführer dementsprechend sein Verhalten ständig der jeweiligen Situation anpassen müsse. 607 So auch P. Makiol/A.-K. Schröder, in: S. Hobe/N. v. Ruckteschell (Hrsg.), Kölner Kompendium des Luftrechts, Bd. 2, 2009, Teil I A, Rn. 512; Schwenk/Giemulla, Handbuch (Fn. 586), Kap. 8 Rn. 161. 608 Statt vieler BVerwGE 45, 51 (57); Erbguth/Mann/Schubert, Verwaltungsrecht (Fn. 604), Rn. 463. Für dieses Begriffsverständnis auch im Rahmen des § 12 LuftSiG v. Schyndel (Fn. 587), § 12 Rn. 16 ff.
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haben609. Insofern wird man bei Störungen, die Einfluss auf den sicheren Ablauf des Fluges haben, in den meisten Fällen von einer Gefahr ausgehen müssen. Besondere Anforderungen an die Art der Gefahr werden ausweislich des Normwortlautes nicht gestellt. Solche können sich nur dann ergeben, wenn die getroffene Maßnahme auch bei Wahrnehmung durch Polizei- und Ordnungsbehörden eine erhöhte Gefahr voraussetzte610. (2) Die Befugnisse im Einzelnen Aus dem Katalog des § 12 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 bis 4 LuftSiG ergeben sich die Befugnisse, die der verantwortliche Luftfahrzeugführer insbesondere wahrnehmen darf. Diese Befugnisse werden gemeinhin als „Bordgewalt“ bezeichnet611. So darf der Flugzeugführer die Identität von Personen feststellen (Nr. 1), Gegenstände sicherstellen (Nr. 2), Personen oder Sachen durchsuchen (Nr. 3) und bei der Gefahr eines Angriffs Personen fesseln (Nr. 4). Aus dem Wortlaut („insbesondere“) ergibt sich allerdings, dass diese Aufzählung der Maßnahmen nicht abschließend ist und sich der Luftfahrzeugführer auch anderer Maßnahmen bedienen kann, wenn das Bedürfnis besteht und er diese für erforderlich hält612. Die ausdrücklich in den Nrn. 1 bis 4 genannten Maßnahmen sind typischen Standardmaßnahmen des Polizei- und Ordnungsrechtes nachgebildet613. Eine Verpflichtung zum Einschreiten ergibt sich aus der Regelung des § 12 Abs. 2 LuftSiG für den Luftfahrzeugführer allerdings nicht. Vielmehr räumt ihm die Vorschrift („darf“) ein Ermessen sowohl hinsichtlich des „Ob“, also auch hinsichtlich des „Wie“ ein614. Dies gilt allerdings insofern nur eingeschränkt, als der Luftfahrzeugführer gemäß § 12 Abs. 1 S. 1 LuftSiG verpflichtet ist für die Sicherheit und Ordnung an Bord des Flugzeuges zu sorgen („hat“). Dementsprechend 609
v. Schyndel (Fn. 587), § 12 Rn. 16. So im Hinblick auf die Sicherstellung von Gegenständen gemäß § 12 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 v. Schyndel (Fn. 587), § 12 Rn. 17, 45, der darauf hinweist, dass in diesem Fall eine gegenwärtige Gefahr erforderlich ist. 611 E. Ruhwedel, Die Rechtsstellung des Flugzeugkommandanten im zivilen Luftverkehr, 1964, S. 43; E. Giemulla/R. Schmid, Der Luftfahrzeugführer, 1990, Rn. 139; Schwenk/Giemulla, Handbuch (Fn. 586), Kap. 8 Rn. 160; K. Baumann, Die „Bordgewalt“ bei Abschiebungen auf dem Luftweg als Rechtsproblem, in: ZLW 2000, S. 174 (175); v. Schyndel (Fn. 587), § 12 Rn. 33. 612 Makiol/Schröder (Fn. 607), Teil I A, Rn. 495; v. Schyndel (Fn. 587), § 12 Rn. 35, 55 f. 613 Vgl. bspw. die vergleichbaren Standardmaßahmen im PolG NRW: § 12 (Identitätsfeststellung), § 43 (Sicherstellung), §§ 39, 40 (Durchsuchung von Personen und Sachen) und § 35 (Gewahrsam). Ausführlich zum Inhalt der einzelnen Maßnahmen v. Schyndel (Fn. 587), § 12 Rn. 42 ff. Vgl. zu den einzelnen Maßnahmen des § 12 Abs. 2 S. 3 LuftSiG Makiol/Schröder (Fn. 607), Teil I A, Rn. 498 ff. 614 Anders war dies noch unter der Vorgängervorschrift des § 29 Abs. 3 S. 1 LuftVG a. F., nachdem der Luftfahrzeugführer verpflichtet war („hat [. . .] zu treffen“), geeignete Maßnahmen zu treffen, dazu auch Makiol/Schröder (Fn. 607), Teil I A, Rn. 497. 610
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wird er in den meisten Fällen aufgrund einer Ermessensreduzierung auf Null – zumindest im Hinblick auf das „Ob“ – verpflichtet sein, einzuschreiten615. Übt der Luftfahrzeugführer seine Befugnisse aus, so ist er gemäß § 12 Abs. 2 S. 2 LuftSiG dazu verpflichtet, den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (§ 4 LuftSiG) zu wahren. Dies ist vor allem mit Blick auf Zwangsmittel (§ 12 Abs. 3 S. 1 LuftSiG), insbesondere körperliche Gewalt (§ 12 Abs. 3 S. 2 LuftSiG), zu beachten. Letztere ist nur als ultima ratio erlaubt, wenn keine anderen Mittel erfolgsversprechend sind. Der Gebrauch von Schusswaffen ist den Luftfahrzeugführern gemäß § 12 Abs. 3 S. 2 LuftSiG hingegen gänzlich versagt und der Bundespolizei nach § 4 BPolG vorbehalten. Im Ergebnis zeigt sich also, dass dem Luftfahrzeugführer durch die Übertragung der Befugnisse vorliegend eine der Polizei vergleichbare Stellung während eines Fluges eingeräumt wird. Ihm werden luftpolizeiliche Hoheitsrechte übertragen, sodass unweigerlich auch von der „Polizeigewalt“ des Luftfahrzeugführers gesprochen werden kann616. Adressaten seiner auf Grundlage der eingeräumten Befugnisse getroffenen Anordnungen sind gemäß § 12 Abs. 4 LuftSiG alle an Bord befindlichen Personen617. Diese Feststellung des hoheitlichen Tätigwerdens des Luftfahrzeugführers hat unmittelbar Einfluss auf die Frage nach der Form der Aufgabenübertragung. (3) Die Adressaten der „Bordgewalt“ Die Adressaten der Anordnungen des „verantwortlichen Luftfahrzeugführers“ – oder seiner Beauftragten618 – sind in § 12 Abs. 4 LuftSiG619 ausdrücklich festgelegt; demnach sind alle an Bord befindlichen Personen verpflichtet, den Anordnungen Folge zu leisten. Tun sie dies nicht, begehen sie gemäß § 20 Abs. 1 LuftSiG eine Ordnungswidrigkeit. Diese Regelung betrifft unproblematisch die Passagiere und Besatzungsmitglieder des jeweiligen Fluges620. 615
So auch v. Schyndel (Fn. 587), § 12 Rn. 38. So zutreffend R. Schmid, Hooligans der Lüfte: Unbotmäßiges Verhalten an Bord von Flugzeugen und die Rechtsfolgen, in: M. Benkö/W. Kröll (Hrsg.), Luft- und Weltraumrecht im 21. Jahrhundert. Liber Amicorum Karl-Heinz Böckstiegel, 2001, S. 181 (185). 617 Zur Frage, ob die Verpflichtung des § 12 Abs. 4 LuftSiG auch für sog. Luftsicherheitsbegleiter gilt, die sich an Bord befinden, vgl. v. Schyndel (Fn. 587), § 12 Rn. 67 ff., und die Ausführungen im Folgenden. 618 Der verantwortliche Luftfahrzeugführer ist grundsätzlich dazu berechtigt, die ihm durch § 12 Abs. 1 u. 2 LuftSiG zustehenden Rechte auf andere Personen, insb. auf das Bordpersonal, zu übertragen. Eine vollständige Delegation unter Ablegung jeglicher Verantwortung scheidet aber aus, so auch Makiol/Schröder (Fn. 607), Teil I A, Rn. 504; v. Schyndel (Fn. 587), § 12 Rn. 33. 619 Diese Regelung entspricht der Vorgängervorschrift des § 29 Abs. 3 S. 2 LuftVG a. F. 620 Makiol/Schröder (Fn. 607), Teil I A, Rn. 506; v. Schyndel (Fn. 587), § 12 Rn. 66. 616
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Probleme ergeben sich hingegen, wenn sich Beamte der Luftaufsichts- bzw. Luftsicherheitsbehörden oder der Bundespolizei ebenfalls an Bord des Flugzeuges befinden621. Dabei ist vor allem an den sog. Luftsicherheitsbegleiter („air marshal“) zu denken, dem – fast wortgleich – durch § 4a S. 1 BPolG mit der „Bordgewalt“ vergleichbare Befugnisse eingeräumt werden622. Dadurch kann es bei Anwesenheit eines Luftsicherheitsbegleiters aber zu Kompetenzüberlagerungen mit dem verantwortlichen Luftfahrzeugführer kommen, insbesondere da beide Regelungen den gleichen Zweck, nämlich die Abwehr äußerer Gefahren verfolgen623. Doppelzuständigkeiten sind aber aus rechtsstaatlichen Gesichtspunkten im Sinne einer geschlossenen Kompetenzordnung zu vermeiden624. Insofern müssen die Zuständigkeiten des verantwortlichen Luftfahrzeugführers und der sich an Bord befindlicher Beamter anderer Behörden voneinander abgegrenzt werden. Einen Lösungsansatz könnte die Regelung des § 4 S. 2 BPolG bieten. Diese legt im Hinblick auf die Befugnisse des Luftsicherheitsbegleiters fest, dass dadurch die Vorschrift des § 12 Abs. 1 S. 1 LuftSiG unberührt bleibt. Auf dieser Grundlage wird teilweise vertreten, dass die hoheitlichen Befugnisse der Luftsicherheitsbegleiter gänzlich hinter der „Bordgewalt“ des verantwortlichen Luftfahrzeugführers verschwinden, diese also mit Schließen der Bordtüren enden625. Demnach bedürfte es also für die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse durch Beamte der Bundespolizei immer einer Ermächtigung des verantwortlichen Luftfahrzeugführers. Ein absoluter Vorrang der „Bordgewalt“ des verantwortlichen Luftfahrzeugführers ist allerdings abzulehnen; er trägt schon nicht den Gegebenheiten an Bord eines Flugzeuges Rechnung. So hat der Pilot im Cockpit nicht den Überblick über den Fluggastraum, sodass er seinen Verpflichtungen aus § 12 Abs. 2 u. 3 LuftSiG nicht selbstständig nachkommen kann626. Dementsprechend 621 Dazu auch Makiol/Schröder (Fn. 607), Teil I A, Rn. 506 ff.; v. Schyndel (Fn. 587), § 12 Rn. 67 ff. 622 Makiol/Schröder (Fn. 607), Teil I A, Rn. 507. 623 So Makiol/Schröder (Fn. 607), Teil I A, Rn. 508. 624 OVG Münster NVwZ-RR 1996, S. 185 (186); H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, 2. Aufl. 1966, S. 108 ff.; E. Rasch, Bemerkungen zur Rechtsnatur organisatorischer Maßnahmen, in: DVBl. 1983, S. 617 (617); R. Stettner, Grundfragen einer Kompetenzlehre, 1983, S. 306 f.; mit Blick auf die vorliegende Frage Makiol/Schröder (Fn. 607), Teil I A, Rn. 507. 625 So die Ansicht der Bundesregierung, BT-Drs. 14/1454, S. 3; Baumann, „Bordgewalt“ (Fn. 611), S. 178; E. Giemulla, Zwangsmaßnahmen an Bord von Luftfahrzeugen, in: ZLW 2002, S. 528 (538); M. Schladebach, Sky Marshals im Luftverkehrsrecht, in: NVwZ 2006, S. 430 (431); a. A. A. Borsdorff/C. Deyda, Luftsicherheitsgesetz für die Bundespolizei, 2005, S. 100 ff., welche die „Bordgewalt“ des Luftfahrzeugführers als grundsätzlich subsidiär ansehen, mit der Folge, dass diese gegenüber behördlichen Verwaltungsakten nach § 4a S. 1 BPolG zurücktrete. 626 Darauf weisen Makiol/Schröder (Fn. 607), Teil I A, Rn. 506 zurecht hin und beziehen sich dabei auch auf die Vorschrift 1.1255 JAR-OPS, die vorsieht, dass die Cockpittür für den Zeitraum von der Schließung bis zur Öffnung der Außentüre verriegelt ist.
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sind die Zuständigkeiten vielmehr auch aufgrund praktischer Erwägungen abzugrenzen, ohne dabei einer Zuständigkeit den absoluten Vorrang einzuräumen. So ist der Luftsicherheitsbegleiter zur Abwehr gegenwärtiger Gefahren im Fluggastraum auch ohne vorherige Abstimmung mit dem verantwortlichen Luftfahrzeugführer berechtigt, insbesondere wenn eine schnelle Entscheidung erforderlich ist und auch dann, wenn die Gefahr von begleiteten Personen ausgeht627. Auf der anderen Seite ist der verantwortliche Luftfahrzeugführer für die sichere Durchführung des Fluges und die Abwehr luftspezifischer Gefahren zuständig628. Insofern lassen sich zumindest in Grundzügen die Bereiche der Bundespolizei (security) und des Luftfahrzeugführers (safety) unterscheiden629. In allen anderen Fällen aber, in denen eine Kollision zwischen der „Bordgewalt“ des Luftfahrzeugführers und den hoheitsrechtlichen Befugnissen des Luftsicherheitsbegleiters droht, ist eine Abstimmung zwischen beiden Hoheitsträgern erforderlich630. Dies entspricht auch der Vorschrift des § 4a S. 3 BPolG, der eine solche Abstimmung der verantwortlichen Personen vorsieht. Das Letztentscheidungsrecht steht allerdings aufgrund des besseren Gesamtüberblicks und der nautischen Gewalt dem verantwortlichen Luftfahrzeugführer zu631, sodass im Ergebnis auch andere Hoheitsträger taugliche Adressaten der Anordnungen des Luftfahrzeugführers darstellen. (4) Die Grenzen der „Bordgewalt“ Die dem Luftfahrzeugführer in § 12 Abs. 2 LuftSiG übertragenen Befugnisse gelten indes nicht unbegrenzt. Zunächst ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des Absatzes 1 eine Grenze, indem die Befugnisse auf ein im Flug befindliches Flugzeug beschränkt sind. Dieses Tatbestandsmerkmal markiert Beginn und Ende der Beleihung des Flugzeugführers mit hoheitlichen Rechten. Wann sich ein Flugzeug im Flug befindet, ergibt sich aus Art. 5 Abs. 2 des Tokioter Abkommens632. Demnach befindet sich ein Flugzeug „von dem Augenblick an [im 627 Makiol/Schröder (Fn. 607), Teil I A, Rn. 510. Vor allem auf polizeirechtliche Maßnahmen bezüglich begleiteter Personen hat der Luftfahrzeugführer keinen Einfluss, vgl. dazu K. Hailbronner, Zwangsweise Rückführungen ausreisepflichtiger Ausländer auf dem Luftweg und internationales Luftverkehrsrecht, in: ZLW 2002, S. 199 (211); M. Ronellenfitsch/T. Glemser, Sky Marshal und unruly passenger, in: JuS 2008, S. 888 (892). Insofern bleibt die Hoheitsgewalt der Polizeibeamten neben der „Bordgewalt“ des Luftfahrzeugführers bestehen, so OVG Lüneburg EZAR NF 56 Nr. 4, S. 1 (4); v. Schyndel (Fn. 587), § 12 Rn. 10. 628 Ronellenfitsch/Glemser, Sky Marshal (Fn. 627), S. 892. 629 Zu dieser Unterscheidung auch Giemulla, Zwangsmaßnahmen (Fn. 625), S. 538; Ronellenfitsch/Glemser, Sky Marshal (Fn. 627), S. 892. 630 Makiol/Schröder (Fn. 607), Teil I A, Rn. 510. 631 Zutreffend Makiol/Schröder (Fn. 607), Teil I A, Rn. 510. 632 Abkommen über strafbare und bestimmte andere an Bord von Luftfahrzeugen begangene Handlungen vom 14. September 1963 (BGBl. 1969 II S. 121).
C. Die Exekutive als Kernbereich der Indienstnahme privater Akteure
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Flug], in dem alle Außentüren nach dem Einsteigen geschlossen worden sind, bis zu dem Augenblick, in dem eine dieser Türen zum Aussteigen geöffnet wird“. Nicht entscheidend ist hingegen, ob sich das Flugzeug bereits auf der Start-/Landebahn oder in der Luft befindet. Dieses Verständnis ist insoweit konsequent, als dass ab dem Moment des Türschließens der Zugriff von außen nicht mehr ohne weiteres möglich ist633. Eine weitere Grenze der Befugnisse des Luftfahrzeugführers ergibt sich aus territorialen Gesichtspunkten634. Die Polizeigewalt, die diesem übertragen wird, ist auf das Hoheitsgebiet des Staates beschränkt, der diese Befugnis überträgt635. Der Luftverkehr ist allerdings auf die grenzüberschreitende Durchquerung mehrerer Hoheitsgebiete angelegt. Um Unklarheiten bei der Wahrnehmung der Bordgewalt seitens des Luftfahrzeugführers zu vermeiden, regelt das Tokioter Abkommen genau diese Fälle. Art. 6 TA enthält eine selbstständige Vorschrift zur Bordgewalt, die dem Luftfahrzeugführer („Luftfahrzeugkommandanten“) vergleichbare Befugnisse einräumt. Eine Einschränkung hinsichtlich der Wahl der Mittel erfolgt schließlich in § 12 Abs. 3 S. 3 LuftSiG. Dieser sieht vor, dass dem Luftfahrzeugführer der Schusswaffengebrauch vorenthalten ist und dieser nur Polizeibeamten, insbesondere solchen der Bundespolizei im Sinne des § 4a BPolG, zusteht. (5) Luftaufsichtsrechtliche Anordnungen als Begrenzung der „Bordgewalt“ Neben den bereits aufgezeigten Grenzen der „Bordgewalt“ des verantwortlichen Luftfahrzeugführers könnte sich eine Begrenzung seiner Befugnisse auch durch Anordnungen anderer Behörden ergeben636. Zu untersuchen ist die Stellung des Luftfahrzeugführers also dahingehend, ob er – zumindest in dem Zeitraum, in welchem sich das Flugzeug ohne Zugriffsmöglichkeit von außen im Flug befindet – Anordnungen luftaufsichts- und luftsicherheitsrechtlicher Behörden Folge zu leisten hat. Dieses Problem unterscheidet sich von der Frage, ob auch sich an Bord befindliche Beamte Adressaten von Anordnungen des Luftfahrzeugführers sind, maßgeblich durch die räumliche Distanz. Die Gesetzesbegründung zum Luftsicherheitsgesetz stellt fest, dass sich aus der Aufgabenwahrnehmung als Beliehener schließen lasse, dass „der Luftfahrzeugführer den originären Hoheitsträger nicht bei seiner hoheitlichen Aufgaben-
633 So auch W. Westerburg, Die Polizeigewalt des Luftfahrzeugkommandanten, 1961, S. 171 ff.; Baumann, „Bordgewalt“ (Fn. 611), S. 176. 634 Vgl. zum Folgenden ausführlich v. Schyndel (Fn. 587), § 12 Rn. 22 ff. 635 Schladebach, Sky Marshals (Fn. 625), S. 430. 636 Ausführlich dazu auch Schwenk/Giemulla, Handbuch (Fn. 586), Kap. 8 Rn. 165 ff.
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§ 3 Indienstnahme privater Akteure
wahrnehmung hindern [könne]“ 637. Die Hoheitsbefugnisse auf Seiten des Luftfahrzeugführers stellten vielmehr lediglich eine Ergänzung zu der Gefahrenabwehr der (allgemeinen) Luftfahrtbehörden dar, ohne eine Aufgabenwahrnehmung durch andere Behörden auszuschließen. So hat der Luftfahrzeugführer Anordnungen der Flugsicherungsstellen, beispielsweise auf Grundlage der luftsicherheitsrechtlichen Generalklausel des § 3 LuftSiG, trotz seiner generellen „Bordgewalt“ Folge zu leisten638. Dies lässt sich bereits damit begründen, dass die Polizeigewalt lediglich einen an den Luftfahrzeugführer ausgelagerten Teil der allgemeinen Luftaufsicht im Sinne des § 29 Abs. 1 LuftVG darstellt639. Der Vorrang der Einschätzung der Flugsicherungsstellen kann allerdings nicht unbegrenzt gelten. So steht dem Luftfahrzeugführer, trotz genereller Subsidiarität seiner Befugnisse, in Notfällen auch hier ein Letztentscheidungsrecht zu, schon aufgrund der Tatsache, dass er allein in der Lage ist, die Sicherheitslage von Bord des Fluges aus zu beurteilen und darüber hinaus die nautische Gewalt über das Flugzeug inne hat640. ee) Zusammenfassung Im Ergebnis zeigt sich, auch mit Blick auf die anderen untersuchten Bereiche, dass dem verantwortlichen Luftfahrzeugführer sehr weit reichende und vor allem auch hoheitliche Befugnisse übertragen werden. Ihm wird durch die Beleihung eine mit der Polizei vergleichbare Stellung eingeräumt, die es ihm erlaubt, eigenständig präventive gefahrenabwehrrechtliche Maßnahmen an Bord eines Flugzeuges zu ergreifen. Strukturell sind diese Befugnisse des verantwortlichen Luftfahrzeugführers dabei den polizei- und ordnungsrechtlichen Standardmaßnahmen nachgebildet, sodass zutreffend von der „Polizeigewalt“ des Luftfahrzeugführers gesprochen werden kann. Begrenzt sind die Eingriffsrechte vor allem durch das Merkmal „des im Flug befindlichen Luftfahrzeuges“. Diese Begrenzung ist insofern schlüssig, als dass in diesem Zeitraum, vom Schließen bis zum Öffnen der Bordtür, der staatliche Zugriff von außen verhindert ist. Der Staat ist also faktisch gezwungen, zur Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung auf die an Bord eines Flugzeuges vorhandenen Personen, und dabei insbesondere
637 Zum Folgenden BT-Drs. 15/2361, S. 20, unter Hinweis auf den schriftlichen Bericht des Ausschusses für Verkehr-, Post- und Fernmeldewesen, 23. Ausschuss, Bundestagsdrucksache 3/478 vom 24. Juni 1958, S. 4. 638 Schwenk/Giemulla, Handbuch (Fn. 586), Kap. 8 Rn. 166, die feststellen, dass es sich bei solchen Anordnungen um Verwaltungsakte handelt. Zu den Einschränkungen gerade der nautischen Entscheidungsgewalt des Luftfahrzeugführers durch Flugsicherheitsbehörden Ruhwedel, Rechtsstellung (Fn. 611), S. 78 ff. 639 So Baumann, „Bordgewalt“ (Fn. 611), S. 176, noch mit Blick auf die Regelung des § 29 Abs. 3 LuftVG a. F. Dieses Verständnis als Spezialnorm zu § 29 Abs. 1 LuftVG gilt aber auch für § 12 Abs. 1 LuftSiG, vgl. Schwenk/Giemulla, Handbuch (Fn. 586), Kap. 8 Rn. 169. 640 Zutreffend Schwenk/Giemulla, Handbuch (Fn. 586), Kap. 8 Rn. 166, 169.
C. Die Exekutive als Kernbereich der Indienstnahme privater Akteure
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auf den Luftfahrzeugführer als Inhaber der nautischen Gewalt, zurückzugreifen. Diese besondere Stellung des Luftfahrzeugführers, der als einziger tatsächlich eingreifen kann, findet auch insoweit Berücksichtigung, als er, auch entgegen anderweitiger Anordnungen der Luftaufsicht, eine Letztentscheidungsrecht inne hat. Dementsprechend sind vor allem praktische Erwägungen Grundlage der Beleihung des Luftfahrzeugführers mit hoheitlichen Rechten. Wer dabei konkret als „verantwortlicher Luftfahrzeugführer“ eines Fluges anzusehen ist, bestimmt allerdings nicht das Gesetz selbst, sondern der Betreiber oder Eigentümer der Fluggesellschaft. b) Voraussetzungen an den Luftfahrzeugführer Nachdem voranstehend festgestellt worden ist, dass die Luftfahrzeugführer aufgrund einer Beleihung hoheitliche Rechte ausüben, sollen die Voraussetzungen dargestellt werden, die ein Luftfahrzeugführer erfüllen muss. Insbesondere soll dabei die Frage berücksichtigt werden, ob über die allgemeine Flugerlaubnis hinausgehend besondere Anforderungen an die Verleihung der „Bordgewalt“ gestellt werden. Diese Frage stellt sich insbesondere vor dem Hintergrund, dass dem „verantwortlichen Luftfahrzeugführer“ durch § 12 Abs. 1 LuftSiG zwar die „Bordgewalt“ verliehen wird, die Bestimmung des „verantwortlichen Flugzeugführers“ aber dem Flugunternehmer überlassen bleibt. aa) Allgemeine Voraussetzungen für die Erteilung einer Erlaubnis Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Lizenz für Luftfahrzeugführer ist mittlerweile sehr stark europarechtlich geprägt. Zentral für die Erteilung sind dabei auf europäischer Ebene die Verordnung (EG) Nr. 216/2008 und die hierauf gestützten Durchführungsvorschriften in der Verordnung (EU) Nr. 1178/2011641. Ziel der europarechtlichen Vorgaben ist gemäß Art. 2 der Verordnung (EG) Nr. 216/2008 „die Schaffung und Aufrechterhaltung eines einheitlichen, hohen Niveaus der zivilen Luftfahrt in Europa.“ Dabei ist auf Grundlage der Art. 7 und 11 der Verordnung (EG) Nr. 216/2008 und Art. 3 der Verordnung (EU) Nr. 1178/ 2011 darauf zu schließen, dass es sich bei den europarechtlichen Regelungen um ein „abgeschlossenes und kohärentes System“ handelt642. Die europarechtlichen Vorgaben müssen also bei der Untersuchung der nationalen Vorschriften zu den Voraussetzungen einer Erlaubniserteilung unbedingt Berücksichtigung finden.
641 Vgl. zu den europäischen Rechtsgrundlagen auch E. Giemulla, Die Zuverlässigkeitsüberprüfung von Piloten gem. § 7 LuftSiG – Mögliche Rechtsfolgen und europarechtliche Zulässigkeit, in: NZV 2016, S. 260 (260 f.). Die Vorschriften der Verordnung (EU) Nr. 1178/2011 der Kommission vom 3. November 2011 haben weitestgehend die Regelungen der LuftVZO für Luftfahrzeugführer abgelöst. 642 So Giemulla, Zuverlässigkeitsüberprüfung (Fn. 641), S. 262.
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§ 3 Indienstnahme privater Akteure
Zentrale Vorschrift für die Voraussetzungen einer Erlaubnis für Luftfahrer auf nationaler Ebene ist § 4 Abs. 1 LuftVG. Die hier aufgestellten Anforderungen sollen in der Folge unter Bezugnahme der europarechtlichen Regelungen im Einzelnen dargestellt werden. § 4 LuftVG – Erlaubnis für Luftfahrer643 (1) Wer ein Luftfahrzeug führt oder bedient (Luftfahrer) bedarf der Erlaubnis. Die Erlaubnis wird nur erteilt, wenn 1. der Bewerber das vorgesehene Mindestalter besitzt, 2. der Bewerber seine Tauglichkeit nachgewiesen hat, 3. keine Tatsachen vorliegen, die den Bewerber als unzuverlässig erscheinen lassen, ein Luftfahrzeug zu führen oder zu bedienen, und keine Zweifel an der Zuverlässigkeit des Bewerbers nach § 7 des Luftsicherheitsgesetzes bestehen, 4. der Bewerber eine Prüfung nach der Verordnung über Luftfahrtpersonal oder nach der Verordnung (EU) Nr. 1178/2011 der Kommission vom 3. November 2011 zur Festlegung technischer Vorschriften und von Verwaltungsverfahren in Bezug auf das fliegende Personal in der Zivilluftfahrt gemäß der Verordnung (EG) Nr. 216/ 2008 des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L 311 vom 25.11.2011, S. 1), die durch die Verordnung (EU) Nr. 290/2012 (ABl. L 100 vom 5.4.2012, S. 1) geändert worden ist, bestanden hat und 5. dem Bewerber nicht bereits eine Erlaubnis gleicher Art und gleichen Umfangs nach Maßgabe dieser Vorschrift erteilt worden ist. (3) Die Erlaubnis ist zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen nach Absatz 1 nicht mehr vorliegen.
Gemäß § 4 Abs. 1 S. 1 LuftVG bedarf ein Luftfahrer, also derjenige, der ein Luftfahrzeug644 führt oder bedient, einer Erlaubnis. Die Voraussetzungen für die Erteilung einer solchen Erlaubnis legt § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 bis 5 LuftVG fest. Die sich daraus ergebende Eignung umfasst „alle körperlichen, geistigen und charakterlichen Umstände, die vorhanden sein müssen, um eine Gefährdung für die Allgemeinheit zu vermeiden oder soweit als möglich auszuschließen“ 645. Die Aufzählung ist dabei abschließend zu verstehen, sodass die Erlaubnisbehörde keine weiteren allgemeinen Voraussetzungen aufstellen darf 646. Liegen die Vor643 Aus Gründen der Übersichtlichkeit sind vorliegend nur die Absätze 1 und 3 des § 4 LuftVG, die sich mit der Erlaubniserteilung und dem Widerruf befassen, abgedruckt. Auf Abdruck der Absätze 2, 4 und 5, die sich mit sonstigem Luftfahrtpersonal befassen, wurde verzichtet. 644 Was Luftfahrzeuge sind, legt § 1 Abs. 2 LuftVG fest. 645 R. Schmid, in: E. Giemulla/ders., LuftVG, Kommentar (Frankfurter Kommentar zum Luftverkehrsrecht Bd. 1.1), § 4 (2007) Rn. 21. Der Begriff der Eignung ergibt sich dabei zwar nicht aus dem Wortlaut der Vorschrift, er stellt aber den Oberbegriff für die Begriffe Tauglichkeit und Zuverlässigkeit dar, dazu K. Sennhenn, in: E. Grabherr (Begr.)/O. Reidt/P. Wysk (Hrsg.), LuftVG, Kommentar, § 4 (2011), Rn. 24. 646 Schmid (Fn. 645) § 4 Rn. 21; D. Schäfer, in: Hobe/von Ruckteschell, Kompendium (Fn. 607), Teil I A, Rn. 50; Sennhenn (Fn. 645), § 4 Rn. 24.
C. Die Exekutive als Kernbereich der Indienstnahme privater Akteure
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aussetzungen bei einem Bewerber vor, so besteht ein Rechtsanspruch auf die Erteilung der Erlaubnis647. (1) Vorgeschriebenes Mindestalter (Nr. 1) Zunächst verlangt § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 LuftVG, dass der Bewerber das erforderliche Mindestalter besitzt. Dieses Mindestalter ist nicht mehr im nationalen Recht festgelegt, sondern ergibt sich aus europarechtlichen Vorgaben, konkret aus der Verordnung (EU) Nr. 1178/2011. In den Regelungen der Anlage I zu dieser Verordnung finden sich die Vorgaben zum Mindestalter, die sich nach Art der Fluglizenz unterscheiden. Für die vorliegende Untersuchung ist das Mindestalter von Berufs- und Verkehrsflugzeugführern von Bedeutung. Das Mindestalter ist für Berufsflugzeugführer in Abschnitt D Kapitel 1 des Anhangs I der Verordnung auf 18 Jahre und für Verkehrsflugzeugführer in Abschnitt F Kapitel 1 des Anhangs I auf 21 Jahre festgelegt. (2) Nachweis der Tauglichkeit (Nr. 2) Darüber hinaus muss der Bewerber für die Erteilung einer Erlaubnis seine Tauglichkeit nachweisen. Diese Voraussetzung ist Teil der Eignung und bezieht sich auf den körperlichen und geistigen Zustand eines Bewerbers648. Die Anforderungen an die Tauglichkeit ergeben sich aus Anhang IV der Verordnung (EU) Nr. 1178/2011 der Kommission vom 3. November 2011. Gemäß Abschnitt A Unterabschnitt 2 lit. f) benötigen sowohl Berufs- als auch Verkehrspiloten ein Tauglichkeitszeugnis der Klasse 1. Die genauen Anforderungen für ein solches Zeugnis ergeben sich aus Abschnitt B Unterabschnitt 2. Diese sind nicht nur körperlicher Natur, sondern umfassen auch eine Untersuchung des psychischen Zustandes. Sie dienen dazu, sicherzustellen, dass der Luftfahrzeugführer auch in Notsituationen körperlich und geistig in der Lage ist, die Sicherheit und Ordnung an Bord eines Flugzeuges zu gewährleisten. Da es sich bei der Tauglichkeit um einen unbestimmten Rechtsbegriff handelt, ist er in vollem Umfang gerichtlich überprüfbar649. (3) Zuverlässigkeit (Nr. 3) Neben der voranstehend erläuterten Tauglichkeit erfordert die Eignung, ein Luftfahrzeug zu führen, des Weiteren die Zuverlässigkeit des Bewerbers. Während die (flugmedizinische) Tauglichkeit die körperliche und geistige Konstitution des Flugzeugführers zum Gegenstand hat, setzt sich die Zuverlässigkeit mit 647
Schmid (Fn. 645), § 4 Rn. 22; Sennhenn (Fn. 645), § 4 Rn. 24. Schmid (Fn. 645), § 4 Rn. 24; Sennhenn (Fn. 645), § 4 Rn. 30. 649 So auch Schmid (Fn. 645), § 4 Rn. 29. Dies gilt ebenfalls für die im folgenden dargestellte Zuverlässigkeit, s. ders., ebd., § 4 Rn. 61. 648
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§ 3 Indienstnahme privater Akteure
der charakterlichen Eignung des Bewerbers auseinander650. Die Zuverlässigkeitsüberprüfung im Rahmen von § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 LuftVG verfolgt dabei einen dualen Ansatz, der zwischen den Aspekten der „Security“, also von äußeren Gefahren für den Luftverkehr, und der „Safety“, also immanenten, flugbetrieblichen Gefahren unterscheidet651. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut, der verlangt, dass keine Tatsachen vorliegen dürfen, die gegen eine generelle Zuverlässigkeit eines Bewerbers sprechen und darüberhinausgehend, dass keine Zweifel an einer Zuverlässigkeit im Sinne des § 7 LuftSiG bestehen, wobei sich Letzteres auf Fragen der „Security“ bezieht652. Ziel dieser Dualität der Zuverlässigkeitsprüfung ist es, „bestehende Sicherheitslücken zu schließen“ und „eine umfassendere und effektivere Durchführung der Überprüfungen [zu] ermöglichen“ 653. Auf europarechtlicher Ebene ist eine mit der Zuverlässigkeitsüberprüfung vergleichbare Voraussetzung nicht zu erblicken. Die Frage, ob dies dazu führt, dass die Voraussetzung des § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 LuftVG insofern unanwendbar ist, soll vorliegend nicht beantwortet werden654. Als Anhaltspunkt dafür, welche Aspekte bei der Frage nach der Zuverlässigkeit eines Luftfahrzeugführers Berücksichtigung finden, kann auf die mittlerweile aufgehobene Regelung des § 24 Abs. 2 LuftZVO a. F. zurückgegriffen werden, ohne dass die dort genannten Gründe als abschließend anzusehen wären. Danach war eine Unzuverlässigkeit beispielsweise anzunehmen bei Trunksucht, Entmündigung, erheblicher gerichtlicher Bestrafung oder Verstößen gegen Verkehrsvorschriften655. Entscheidend ist dabei aber immer eine Würdigung der Gesamtpersönlichkeit aufgrund des bisherigen Verhaltens eines Luftfahrzeugführers und damit einhergehend eine Prognose für die Zukunft, die befürchten lässt, dass dieser seinen Pflichten nicht mehr ausreichend nachkommt656. Die Formulierung der Voraussetzung in § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 LuftVG lässt darauf schließen, dass dem Luftfahrer bei der Beurteilung der Zuverlässigkeit ein gewisser Vertrauens-
650 R. Schmid, Rechte und Pflichten des Piloten, 1996, Rn. 21; Sennhenn (Fn. 645), § 4 Rn. 30; Schwenk/Giemulla, Handbuch (Fn. 586), Kap. 8 Rn. 24. 651 Dazu auch Sennhenn (Fn. 645), § 4 Rn. 57; Schwenk/Giemulla, Handbuch (Fn. 586), Kap. 8 Rn. 24. 652 Die Bezugnahme auf Art. 7 LuftSiG wurde erst durch Art. 2 des Gesetzes zur Neuregelung von Luftsicherheitsaufgaben vom 11. Januar 2005 (BGBl. I S. 78) in die Vorschrift aufgenommen. 653 So die Gesetzesbegründung, BT-Drs. 15/2361, S. 16. Kritisch zum Dualismus der Zuverlässigkeitsprüfung A. Meyer, in: Grabherr/Reidt/Wysk, LuftVG (Fn. 645), § 7 LuftSiG (2012) Rn. 21; ders., Wirksamer Schutz des Luftverkehrs durch ein Luftsicherheitsgesetz?, in: ZRP 2004, S. 203 (204 f.). 654 Für eine solche Unanwendbarkeit des § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 LuftVG plädiert bspw. Giemulla, Zuverlässigkeitsüberprüfung (Fn. 641), S. 262. 655 Ausführlich zu diesen Fallgruppen der Unzuverlässigkeit im Sinne des § 24 Abs. 2 LuftZVO a. F. Schmid (Fn. 645), § 4 Rn. 32 ff.; Sennhenn (Fn. 645), § 4 Rn. 63 ff. 656 Schmid (Fn. 645), § 4 Rn. 54 ff.
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vorschuss von Seiten der Behörden zuzusprechen ist, sodass die Zulassungsbehörde bei Zweifeln das Vorliegen der Tatsachen, die eine Unzuverlässigkeit begründen, beweisen muss657. Zumindest aus dem Gesetz lassen sich dabei keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass bei der Beurteilung der Zuverlässigkeit bei Berufs- und Verkehrsluftfahrzeugführern im Gegensatz zu Privatluftfahrzeugführern besonders hohe Anforderungen zu stellen sind658. Der für die vorliegende Untersuchung besonders relevante Gesichtspunkt der Verfassungstreue als Merkmal wäre ebenfalls als Teil der Zuverlässigkeit einzuordnen. Sowohl in der Rechtsprechung als auch in der Literatur sind allerdings bisher keine Ansätze in diese Richtung zu erkennen. (4) Bestandene Prüfung (Nr. 4) § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 LuftVG verlangt vom Bewerber, dass dieser eine Prüfung nach der Verordnung über Luftfahrtpersonal (LuftPersV) oder nach der Verordnung (EU) Nr. 1178/2011 bestanden hat659. Dadurch soll der Bewerber seine Befähigung zum Führen eines Luftfahrzeuges nachweisen660. Dies umfasst neben dem erforderlichen praktischen Können auch die theoretischen Grundlagen661. Diese Voraussetzung dient dementsprechend der Sicherstellung der ausreichenden beruflichen Qualifikation, um den ordnungsgemäßen Ablauf und die Sicherheit des Luftverkehrs zu gewährleisten. (5) Keine vorhandene Erlaubnis (Nr. 5) Abschließend legt § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 LuftVG fest, dass eine Erlaubnis nur dann erteilt wird, wenn der Bewerber nicht bereits eine vergleichbare Erlaubnis gleicher Art und mit gleichem Umfang innehat. Diese auf den ersten Blick selbstverständliche Vorschrift soll ausschließen, dass ein Luftfahrzeugführer im Besitz mehrerer gleicher Erlaubnisse sein kann662. Hintergrund ist, dass nur auf diese Weise verhindert werden kann, dass sich ein Luftfahrer bei Entzug einer Erlaubnis einfach einer anderen bedient und auf diese Weise die mit dem Entzug
657
Schmid (Fn. 645), § 4 Rn. 30. So aber Schmid (Fn. 645), § 4 Rn. 57; Schäfer (Fn. 646) Teil I A, Rn. 111. Kritisch zu einer solchen Differenzierung auch Sennhenn (Fn. 645), § 4 Rn. 62. 659 Die Verordnung (EU) Nr. 1178/2011 hat mit ihrem Erlass allerdings weite Teile der LuftPersV gegenstandslos werden lassen, sodass diese von untergeordneter Bedeutung ist. 660 Sennhenn (Fn. 645), § 4 Rn. 76. 661 Dazu auch Schmid (Fn. 645), § 4 Rn. 63; Sennhenn (Fn. 645), § 4 Rn. 76; Schwenk/Giemulla, Handbuch (Fn. 586), Kap. 8 Rn. 24. 662 BT-Drs. 13/9513, S. 26; Schmid (Fn. 645), § 4 Rn. 65; Schwenk/Giemulla, Handbuch (Fn. 586), Kap. 8 Rn. 32. 658
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verbundene Sanktion umgeht663. Dadurch dient diese Regelung auch der Sicherheit des Flugverkehrs insgesamt, da sichergestellt wird, dass Luftfahrzeugführer, deren mangelnde Eignung ein Flugzeug zu führen, durch die Behörde festgestellt wurde, weiterhin ein solches führt. bb) Besondere Voraussetzungen für „verantwortliche Luftfahrzeugführer“? Wie bereits einführend festgestellt, sind die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 bis 5 LuftVG abschließend zu verstehen, sodass die Behörde keine weiteren Voraussetzungen für die Erteilung einer Erlaubnis aufstellen darf. Von dieser Einschränkung nicht betroffen sind insbesondere fachliche Voraussetzungen, welche die unterschiedlichen Arten von Erlaubnissen betreffen664. Diese sind allein schon für die sachgemäße Bedienung unterschiedlicher Luftfahrzeuge notwendig. Für die vorliegende Untersuchung von Bedeutung ist aber die Frage, ob die Beleihung mit der „Bordgewalt“ allein auf Grundlage der Bestimmung des Betreibers beziehungsweise Eigentümers einer Fluggesellschaft erfolgt, ohne dass dabei weitergehende Voraussetzungen erforderlich wären. Das Gesetz schweigt in diesem Zusammenhang weitestgehend. Lediglich § 42 Abs. 1 S. 1 LuftBO sieht eine Einschränkung des Unternehmers bei der Bestimmung des verantwortlichen Luftfahrzeugführers vor. So darf der Unternehmer „einen Luftfahrzeugführer nur dann als verantwortlichen Luftfahrzeugführer bestimmen, wenn dieser genügende Kenntnisse über die Flugstrecke und die zu benutzenden Flugplätze besitzt.“ Diese Regelung stellt allerdings nur eine zusätzliche Anforderung an den Unternehmer bei der Auswahl des „verantwortlichen Luftfahrzeugführers“ dar, ohne dabei tatsächlich eine Voraussetzung im Sinne einer besonderen gefahrenabwehrrechtlich relevanten Qualifikation des betreffenden Luftfahrzeugführers zu fordern. Sie dient lediglich dem Ziel, dass der „verantwortliche Flugzeugführer“ mit den Gegebenheiten eines bestimmten Fluges vertraut ist. Das Erfordernis einer besonderen, von der allgemeinen abweichende Berechtigung für die Einsetzung als verantwortlicher Luftfahrzeugführer ist im Ergebnis also nicht zu erkennen665. c) Fazit Im Ergebnis lässt sich für die Einbindung des „verantwortlichen Luftfahrzeugführers“ bei der Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, sprich bei der Gefahrenabwehr, festhalten, dass diesem weitgehende Befugnisse übertra663 So die amtliche Begründung, BT-Drs. 13/9513, S. 26; auch Schmid (Fn. 645), § 4 Rn. 65; Sennhenn (Fn. 645), § 4 Rn. 83; Schwenk/Giemulla, Handbuch (Fn. 586), Kap. 8 Rn. 32. 664 Verwiesen sei dazu auf die Ausführungen bei Schwenk/Giemulla, Handbuch (Fn. 586), Kap. 8 Rn. 33 ff. 665 So auch Schmid, Rechte (Fn. 650), Rn. 10.
D. Ergebnis der Bestandsaufnahme
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gen werden, dabei allerdings keine allzu hohen Anforderungen an ihn gestellt werden. Insbesondere was die Verfassungstreue des „verantwortlichen Luftfahrzeugführers“ betrifft, bleibt nur der Weg über die Zuverlässigkeit als Voraussetzung. Diesen Weg hat das Bundesverwaltungsgericht allerdings auch in anderen Bereichen bereits gewählt. Grund für die geringen Anforderungen scheinen vor allem praktische Erwägungen zu sein. Der Zugriff auf den Innenraum eines Flugzeuges ist von außen schlicht nicht möglich, solange die Türen verschlossen sind. Insoweit ist es schlüssig, dass die Befugnisse des „verantwortlichen Luftfahrzeugführers“ auf diesen Zeitraum, in welchem die Türen geschlossen sind, beschränkt ist. Dennoch erscheint es zumindest auf den ersten Blick – auch im Bezug auf die bereits untersuchten Bereiche – auffällig, wie gering die gestellten Voraussetzungen im Verhältnis zu den übertragenen Befugnissen sind. Gerade auch, weil der „verantwortliche Luftfahrzeugführer“ als Beliehener die Befugnisse als eigene wahrnimmt. Hier deutet sich demnach ein Widerspruch zu den anderen Bereichen an, der im weiteren Verlauf der Untersuchung im Blick zu halten ist.
D. Ergebnis der Bestandsaufnahme Zusammenfassend zeigt sich also, dass sich der Staat nicht nur im Bereich der Exekutive, sondern auch in Legislative und Judikative privaten Sachverstandes bedient. Dabei haben sich allerdings auf den ersten Blick Unterschiede bei der Ausgestaltunng hinsichtlich der Einbindung privater Akteure ergeben. Während im Bereich der Legislative Anforderungen an die privaten Akteure – sei es die Bundesärztekammer, die DIN oder eine Großkanzlei – nicht zu finden waren, ist die Einbindung Privater im Bereich der Rechtsprechung umfassend gesetzlich geregelt. Das betrifft sowohl den Fall des ehrenamtlichen Richters, der mit einem Berufsrichter vergleichbare Anforderungen zu erfüllen hat, als auch die Schiedsgerichtsbarkeit bzw. die Mediation als Fälle materieller Aufgabenprivatisierung, die umfassend gesetzlich ausgestaltet sind. Im Hinblick auf Private im Rahmen der Legislative begegnet vor allem die Einbindung von Großkanzleien bei der Erstellung von Gesetzesentwürfen verfassungsrechtlichen Bedenken. Hier werden ohne rechtliche Vorgaben und ohne Einheitlichkeit bzw. Abstimmung zwischen den Beteiligen Aufträge an externe Private vergeben. Der Gesetzgeber nimmt diese Entwürfe zwar in seinen Willen auf und berät diese weitergehend im Gesetzgebungsverfahren. Dennoch ist die Einbindung privater Kanzleien ohne jegliche rechtliche Grundlage und Einheitlichkeit zumindest kritisch zu sehen. Die Fälle der Bundesärztekammer und der DIN sind insofern anders gelagert, als dass dort bereits bestehende Vereinigungen nach dem Ermessen des Staates beliehen worden, sodass die Aufstellung bestimmter Voraussetzungen nicht zwingend erforderlich erscheint. Den Hauptbereich staatlicher Privatisierungstätigkeit stellt aber nach wie vor die Exekutive dar. Hier bedient sich der Staat bei verschiedensten Aufgaben in
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§ 3 Indienstnahme privater Akteure
unterschiedlichsten Formen privater Hilfe. Um den Rahmen der vorliegenden Untersuchung nicht zu sprengen, wurden vier Aufgaben aus dem Bereich der Exekutive ausgewählt – der konfessionelle Religionsunterricht, die Kinder- und Jugendhilfe, der Umweltschutz und die Luftsicherheit in Form der Beleihung des „verantwortlichen Luftfahrzeugführers“. Auch hier sind mit Blick auf die Voraussetzungen, welche an die Privaten gestellt werden, auf den ersten Blick Unterschiede zu erkennen. Augenscheinlich wird dies vor allem im Hinblick auf die Frage der Loyalität des Privaten gegenüber Staat und Verfassung. Während im Rahmen des Religionsunterrichts eine Treuepflicht zwar nicht ausdrücklich geregelt ist, aber – von der Rechtsprechung und überwiegenden Teilen der Literatur – immerhin vorausgesetzt wird, ist ein den Zielen des Grundgesetzes dienendes Handeln der Privaten im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe gesetzlich vorgeschrieben. Bei der Einbindung der Umweltschutzvereinigungen im Sinne des § 3 UmwRG ist eine solche Forderung hingegen nicht zu finden und auch hinsichtlich des „verantwortlichen Luftfahrzeugführers“ ist eine solche nicht ausdrücklich geregelt, sondern lediglich als Teil der geforderten Zuverlässigkeit denkbar. Es zeigt sich also, dass der Staat bei der Einbindung privater Akteure in den verschiedenen Bereichen unterschiedliche Anforderungen an diese stellt. Die gefundenen Bereiche sollen beispielhaft dahingehend untersucht werden, ob die Aufstellung unterschiedlicher Anforderungen aufgrund der unterschiedlichen Bedeutung der Aufgaben angezeigt ist oder ob sie widersprüchlich erscheint. Dazu sollen in der Folge zunächst die Voraussetzungen herausgearbeitet werden, die ein Beamter zu erfüllen hat, und im Anschluss daran soll ein Kriterienkatalog entwickelt werden, auf dessen Grundlage die Untersuchung erfolgen wird.
§ 4 Der Berufsbeamte als „Goldstandard“ staatlicher Aufgabenwahrnehmung Bevor die Kriterien für die nachfolgende Untersuchung der privatisierungsrelevanten Aufgabenbereiche entwickelt werden sollen, ist zu hinterfragen, welcher Vergleichsmaßstab anzusetzen ist. Aufgrund des Untersuchungsziels, die Voraussetzungen der staatlichen Aufgabenübertragungen zu beleuchten, ist es schlüssig, zunächst zu untersuchen, wer ursprünglich für die Wahrnehmung der Staatsaufgaben vorgesehen war. Maßstab für eine Untersuchung von Anforderungen, die Private erfüllen müssen, die eine ursprünglich staatliche Aufgabe übernehmen, können konsequenterweise nur die Anforderungen sein, die an den ursprünglichen Träger der staatlichen Aufgabe gestellt werden1. Die Regelung des Art. 33 Abs. 4 GG sieht vor, dass die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse als ständige Aufgabe in der Regel auf Angehörige des öffentlichen Dienstes zu übertragen ist, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen2. Damit sind, durch die Bezugnahme auf das öffentlich-rechtliche Dienst- und Treueverhältnis, nur Berufsbeamte gemeint, da nur zwischen diesen und dem Staat ein solches von besonderer Treue geprägtes Verhältnis besteht3. Die Voraussetzungen, die ein Beamter erfüllen muss, sind demnach für die folgende Untersuchung von besonderer Bedeutung. Der Berufsbeamte stellt ausweislich der Regelung in Art. 33 Abs. 4 GG den „Goldstandard“ für die Wahrnehmung staatlicher Aufgaben dar4. Dieser Standard wäre dann er1 Dieses Vorgehen wählen, nur im Hinblick auf das Merkmal der Verfassungstreue, auch J. A. Kämmerer, Die Konzeption der Verfassungstreue im Verfassungs- und Gemeinschaftsrecht, in: W. Kluth (Hrsg.), Verfassungstreue jenseits des Beamtentums, 2011, S. 13 (16 ff.) und U. Widmaier, Verfassungstreue im Spiegel der verfassungs- und verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung, ebda., S. 35 ff., die ihre Untersuchungen jeweils vom Berufsbeamtentum ausgehend beginnen. 2 Ausführlich zum Funktionsvorbehalt des Art. 33 Abs. 4 GG unter § 2 B. IV. 3. (S. 68 ff.). 3 H. Lecheler, Der öffentliche Dienst, in: HStR3 V, § 110 Rn. 14. 4 Der Begriff des „Goldstandards“ stammt aus dem Bereich der Medizin. Vgl. dazu W. U. Eckart, Geschichte der Medizin. Fakten, Konzepte, Haltungen, 6. Aufl. 2009, S. 323 f.: „Mit Goldstandard wird ein Verfahren bezeichnet, das bislang unübertroffen ist und deshalb als Zielvorgabe des Handelns oder des angestrebten Ergebnisses einer Behandlung gelten kann.“ Dieser Begriff lässt sich insoweit für das vorliegende Thema fruchtbar machen, als Art. 33 Abs. 4 GG als Zielvorgabe für die Wahrnehmung staatlicher Aufgaben vorsieht, dass diese –zumindest als ständige Aufgabe – in der Regel von Berufsbeamten wahrgenommen werden sollen. Insofern lässt sich das Berufsbeamtentum zweifelsohne als „Goldstandard“ staatlicher Aufgabenwahrnehmung bezeichnen.
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§ 4 Der Berufsbeamte als „Goldstandard‘‘
reicht, wenn alle staatlichen Aufgaben von Berufsbeamten wahrgenommen würden. Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass durch die Institution des Berufsbeamtentums einerseits das fachliche Niveau, die Integrität und Funktionsfähigkeit der Verwaltung gesichert ist5, andererseits die Kontinuität der hoheitlichen Funktionen des Staates gewahrt wird6. Der Bedeutung des Berufsbeamtentums entsprechend muss sich der Staat bei der Übertragung von Aufgaben auf private Träger zumindest an den Anforderungen des Berufsbeamtentums orientieren. Ob es angezeigt ist, diese Voraussetzungen im Ergebnis dann auch auf den Privaten zu übertragen, wird die Untersuchung zeigen. Neben dem Berufsbeamten als Vergleichsperson können aber auch die Anforderungen, die an die sonstigen Angehörigen des öffentlichen Dienstes gestellt werden, Einfluss auf die Übertragung von staatlichen Aufgaben auf Private haben. Diese stehen aufgrund ihres Dienstverhältnisses mit dem Staat diesem grundsätzlich erheblich näher als der Private, der eine staatliche Aufgabe übernehmen soll. Insoweit sind auch die Voraussetzungen, insbesondere im Hinblick auf eine mögliche Treuepflicht der Angestellten des öffentlichen Dienstes, zu untersuchen und darzustellen.
A. Voraussetzungen des Beamtenverhältnisses Die Voraussetzungen des Beamtenverhältnisses ergeben sich für die Beamten des Bundes aus § 7 Bundesbeamtengesetz (BBG) und für die Beamten der Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände aus § 7 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG)7. Diese Regelungen sind allerdings weitgehend deckungsgleich, sodass diese parallel behandelt werden. Die persönlichen Voraussetzungen, die ein Beamtenbewerber erfüllen muss, sind dabei in beiden Fällen in § 7 Abs. 1 Nr. 1–3 BBG/BeamtStG geregelt. Die Absätze 2 und 3 regeln jeweils Ausnahmen von diesen Voraussetzungen.
5 BVerfGE 7, 155 (162); 9, 268 (286). Dem schließen sich in der Literatur u. a. an F. Brosius-Gersdorf, in: H. Dreier (Hrsg.), GG II, 3. Aufl. 2015, Art. 33 Rn. 148; K. J. Grigoleit, in: K. Stern/F. Becker (Hrsg.), Grundrechte-Kommentar, 2. Aufl. 2016, Art. 33 Rn. 47. Zur Frage, ob die Garantie des Berufsbeamtentums noch zeitgemäß ist, W. Höfling/C. Burkiczak, Die Garantie der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums unter Fortentwicklungsvorbehalt, in: DÖV 2007, S. 328 (330). 6 BVerfGE 88, 103 (141 f.); S. U. Pieper, in: B. Schmidt-Bleibtreu/H. Hofmann/H.-G. Henneke (Hrsg.), GG, 14. Aufl. 2018, Art. 33 Rn. 105. 7 Das Beamtenstatusgesetz (BeamtStG), welches zum 1. April 2009 in Kraft getreten ist, hat das bis dahin geltende Beamtenrechtsrahmengesetz (BRRG) abgelöst, welches den Rahmen für landesrechtliche Regelungen bildete, die das Recht der Landes- und Kommunalbeamten regelten. Zur Neuordnung des Beamtenrechts vgl. A. Voßkuhle, Personal, in: GVwR2 III, § 43 Rn. 80 ff.
A. Voraussetzungen des Beamtenverhältnisses
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I. Staatsangehörigkeit (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 BBG/BeamtStG) Die §§ 3 Abs. 1 Nr. 1 BBG bzw. 3 Abs. 1 Nr. 1 BeamtStG regeln zunächst die Frage, welche Staatsangehörigkeit ein Beamtenbewerber aufweisen muss. Dabei sehen die Vorschriften die Eigenschaft als „Deutscher“ im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG als Regelfall vor8. Daneben sehen § 7 BBG und § 7 BeamtStG aber auch Personen anderer Staatsangehörigkeiten gleichberechtigt als mögliche Beamte vor. Demnach können auch Angehörige eines anderen Mitgliedsstaates der EU (Nr. 1 a), eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraumes (Nr. 1 b) und eines Drittstaates, dem Deutschland und die EU vertraglich einen entsprechenden Anspruch auf Anerkennung von Berufsqualifikationen eingeräumt haben (Nr. 1 c), in das Beamtenverhältnis berufen werden. Mit diesen Ausnahmevorschriften zur Grundtendenz, dass lediglich deutsche Staatsbürger in das Beamtenverhältnis berufen werden sollen, werden überwiegend europarechtliche Vorgaben umgesetzt. Mit der Erweiterung auf Bürger anderer Mitgliedsstaaten der europäischen Union wird die vom EuGH zu Art. 45 Abs. 4 AEUV (ex Art. 39 EGV) entwickelte Rechtsprechung zur Freizügigkeit im öffentlichen Dienst berücksichtigt9. Die Erweiterung auf Staatsangehörige der Mitgliedsstaaten des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR) ist zwar nicht unmittelbar unionsrechtlich vorgeschrieben, dient aber dennoch der Verwirklichung des vereinten Europas (Art. 23 Abs. 1 S. 1 GG)10. Die Regelung des § 7 Abs. 1 Nr. 1 lit. c BBG/BeamtStG, die auch Staatsangehörigen von Drittstaaten die Aufnahme in ein Beamtenverhältnis ermöglicht, greift nur unter der Voraussetzung, dass sowohl die Bundesrepublik als auch die EU dem Drittstaat vertraglich einen Anspruch auf Anerkennung eingeräumt haben. Unter diese Vorschrift fällt beispielsweise die Schweiz, die dem EWR nicht beigetreten ist. Als Ausnahme zu § 1 Nr. 1 lit. a–c BBG/BeamtStG legen die jeweiligen Absätze 2 der Vorschriften fest, dass, wenn es die Aufgaben erfordern, nur Deutsche im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG in ein Beamtenverhältnis berufen werden dürfen. Es erfolgt insoweit 8 A. Reich, BeamtStG, 2. Aufl. 2012, § 7 Rn. 3; U. Battis, BBG, Kommentar, 5. Aufl. 2017, § 7 Rn. 3. Dabei ist unerheblich, ob man die Staatsangehörigkeit als hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums im Sinne des Art. 33 Abs. 5 GG versteht, da selbst dann, wenn man dies ablehnt, zumindest aber eine Nähebeziehung zwischen Beamten und Staat besteht, die es angemessen erscheinen lässt, von der deutschen Staatsangehörigkeit als Regelfall auszugehen. Insoweit wird die Staatsangehörigkeit häufig Bestandteil des öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnisses im Sinne von Art. 33 Abs. 4 GG sein, vgl. dazu auch Battis, a. a. O. 9 Battis (Fn. 8), § 7 Rn. 4, mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung des EuGH. Dieser hat festgestellt, dass Art. 45 Abs. 4 AEUV (ex 39 Abs. 4 EGV) in der Gemeinschaft einheitlich auszulegen ist und den Mitgliedsstaaten nicht die Möglichkeit einräumt, über eine Ausweitung des öffentlichen Dienstes weite Teile des Arbeitsmarktes von den Grundfreiheiten des Art. 45 AEUV (ex Art. 39 EGV) auszuschließen, vgl. dazu H. Lecheler, in: K. H. Friauf/W. Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 33 (2000), Rn. 31. 10 Battis (Fn. 8), § 7 Rn. 7.
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§ 4 Der Berufsbeamte als „Goldstandard‘‘
also eine Rückausnahme von der Erweiterung des Bewerberkreises. Durch diese Ausnahmevorschriften werden die Anforderungen des § 7 Abs. 1 BBG/BeamtStG im Sinne einer strengeren Regelung erweitert. Insofern ist es erforderlich, dass es sich um eine Aufgabe mit gesteigerter Bedeutung handelt11. Diese Einengung des Personenkreises ist europarechtlich zulässig und kann als Ausnahmevorschrift im Sinne von Art. 45 Abs. 4 AEUV gesehen werden12. Aufgrund des Ausnahmecharakters ist die Vorschrift allerdings eng auszulegen13. Eine weite Auslegung könnte dazu führen, dass die Erweiterungen auf Bewerber ohne deutsche Staatsangehörigkeit über die Rückausnahmen ausgehöhlt würden und damit leerliefen. Im Ergebnis haben § 7 Abs. 2 BBG/BeamtStG also einen einschränkenden Charakter im Hinblick auf die Öffnung der Abs. 1 der beiden Vorschriften. Neben den Ausnahmen in den Absätzen 2 regeln § 7 Abs. 3 BBG/BeamtStG eine weitere Ausnahme im Sinne einer Erweiterung des Personenkreises. Gemäß § 7 Abs. 3 BBG und § 7 Abs. 3 Nr. 1 BeamtStG können Ausnahmen von den Staatsangehörigkeitsregelungen der §§ 7 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 BBG/BeamtStG gemacht werden, wenn dafür ein dringendes dienstliches Bedürfnis besteht. Im Gegensatz zu den Ausnahmen in § 7 Abs. 2 BBG/BeamtStG haben diese einen öffnenden Charakter14. Sie schaffen die Möglichkeit, bei besonderem Bedürfnis Fachkunde von außerhalb hinzuzuziehen. Bei der Bestimmung, wann ein dringendes dienstliches Bedürfnis besteht, ist der Behörde ein weites Ermessen eingeräumt15. § 7 Abs. 3 Nr. 1 BeamtStG erweitert die Ausnahmevorschrift auf Landesebene insofern, als er bei wichtigen Gründen Ausnahmen bei Hochschullehrern zulässt.
II. Treuepflicht der Berufsbeamten Neben der Staatsangehörigkeit verlangt §§ 7 Abs. 1 Nr. 2 BBG/BeamtStG, dass der Bewerber die Gewähr dafür bietet, jederzeit für die freiheitliche demo11
Reich (Fn. 8), § 7 Rn. 9. A. Meyer, Die europäische Integration und das deutsche Beamtenrecht, in: BayVBl. 1990, S. 97 (97); R. Summer, Die deutsche Staatsangehörigkeit und das Beamtenverhältnis – zugleich Versuch einer Fortschreibung der Rechtsfigur der öffentlichrechtlichen Sonderbindung, in: ZBR 1993, S. 97 (97); Reich (Fn. 8), § 7 Rn. 9. Zum ursprünglichen Streitpunkt, ob die Vorschrift des Art. 45 Abs. 4 AEUV einen Rückverweis auf die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten enthält und diesen damit die Definitionshoheit über den öffentlichen Dienst einräumt, nur Lecheler (Fn. 9), Art. 33 Rn. 31. 13 Reich (Fn. 8), § 7 Rn. 9. Im Ergebnis liegt das Letztentscheidungsrecht beim EuGH, sodass die Bundesrepublik ihrer Definitionsmacht im Hinblick auf den öffentlichen Dienst beraubt ist, so Battis (Fn. 8), § 7 Rn. 5. 14 So auch Reich (Fn. 8), § 7 Rn. 10, der richtigerweise § 7 Abs. 2 BeamtStG eine einschränkende und § 7 Abs. 3 BeamtStG eine öffnende Wirkung unterstellt. 15 So Battis (Fn. 8), § 7 Rn. 9 in Bezug auf ein Ermessen des Bundesministeriums des Inneren im Rahmen von § 7 Abs. 3 BBG. Auch Reich (Fn. 8), § 7 Rn. 10, räumt bei der Entscheidung grundsätzlich ein solches Ermessen ein, geht aber davon aus, dass bei Vorliegen eines dringenden öffentlichen Interesses der Weg des Abs. 3 beschritten werden muss. 12
A. Voraussetzungen des Beamtenverhältnisses
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kratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes einzutreten. Damit ist die Pflicht zur Verfassungstreue (auch politische Treuepflicht) des Beamten gemeint16. Nachdem bereits eingangs der Untersuchung der Begriff der Verfassungstreue und seine Abstufungen untersucht und dargestellt worden sind17, ist vorliegend der Schwerpunkt auf die Treuepflicht der Berufsbeamten zu legen. Es wird dargelegt, welche Anforderungen an die Beamten im Hinblick auf ihre Haltung gegenüber dem Staat gestellt werden. Dies bietet die Möglichkeit, im weiteren Gang der Untersuchung herauszuarbeiten, inwieweit diese Anforderungen auf Private bei der Übernahme von Staatsaufgaben übertragen werden können oder ob diese abhängig von Art der Aufgabe und Form der Übertragung abgestuft werden müssen. Die gesetzlich normierte Treuepflicht der Beamten ist die für diese Untersuchung wichtigste Voraussetzung, welche an die potentiellen Bewerber gestellt wird. Diese Pflicht ist allein schon deshalb Ernennungsvoraussetzung für das Beamtenverhältnis, weil eine Treue zur Verfassung auch im Beamtenverhältnis selbst von den Beamten erwartet wird18. Die sich aus §§ 7 Abs. 1 Nr. 2 BBG/ BeamtStG ergebende Treuepflicht als Voraussetzung des Beamtenverhältnisses „gebietet, den Staat und seine geltende Verfassungsordnung, auch soweit sie im Wege einer Verfassungsänderung veränderbar ist, zu bejahen und dies nicht bloß verbal, sondern insbesondere in der beruflichen Tätigkeit dadurch, dass die Beamten die bestehenden verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Vorschriften beachten und erfüllen und ihr Amt aus dem Geist dieser Vorschriften heraus führen.“ 19 Die Pflicht zur Treue umfasst dementsprechend nicht bloß ein passives Anerkennen der Verfassung und ihrer Werte, sondern ein aktives Handeln nach den Vorgaben der Verfassung. Es wird dementsprechend von den Beamten verlangt, dass sie für die Grundordnung des Grundgesetzes aktiv eintreten20. Ein solches Verhalten wird von den Beamten drüber hinaus „jederzeit“ erwartet, also ohne (arbeitszeitliche) Einschränkungen21. Nicht einheitlich beantwortet wird die Frage, woraus sich die Treuepflicht der Beamten letztendlich ableiten lässt. Es ist zwar anerkannt, dass es sich bei der Treuepflicht um einen hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums aus Art. 33 Abs. 5 GG handelt22, der Ursprung ist allerdings nicht abschließend ge16
Battis (Fn. 8), § 7 Rn. 10. Siehe zu Begriff und Rechtsprechung zur Verfassungstreue unter § 2 C. I. (S. 81 ff.). 18 Reich (Fn. 8), § 7 Rn. 7. Die Pflicht zur Verfassungstreue für Personen im Beamtenverhältnis ergibt sich zum einen aus § 60 Abs. 1 S. 3 BBG und zum anderen aus § 33 Abs. 1 S. 3 BeamtStG. 19 So BVerfGE 39, 334 LS 2. 20 BVerfGE 39, 334 (348); BVerwGE 81, 212 (216). 21 Reich (Fn. 8), § 7 Rn. 7. 22 „Es ist also eine von der Verfassung (Art. 33 Abs. 5 GG) geforderte und durch das einfache Gesetz konkretisierte rechtliche Voraussetzung für den Eintritt in das Beamten17
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§ 4 Der Berufsbeamte als „Goldstandard‘‘
klärt. Das Bundesverfassungsgericht leitet die Treuepflicht im Ergebnis aus der absoluten Monarchie ab und stellt fest, dass die Treuepflicht auch in der Republik fortbestand23. Dieser Ansatz wird allerdings zu Recht kritisiert. Aufgrund der „durch Staats- und Verfassungsumbrüchen gekennzeichneten Geschichte Deutschlands“, ist eine solche Herleitung der Verfassungstreuepflicht nicht möglich24. Auch eine Begründung der Treuepflicht aus der streitbaren und wehrhaften Demokratie ist im Ergebnis nicht überzeugend25. Dies ergibt sich aus der Tatsache, dass die Vorschriften, aus denen das Prinzip der wehrhaften Demokratie abgeleitet wird (Art. 2 Abs. 1, Art. 9 Abs. 2, Art. 10 Abs. 2, Art. 11 Abs. 2, Art. 18, Art. 20 Abs. 4, Art. 21 Abs. 2, Art. 91 Abs. 1 sowie Art. 98 Abs. 2 und 5 GG), an ein aktives, verfassungsfeindliches und kämpferisch aggressives Verhalten anknüpfen und dies in der überwiegenden Zahl von Beamten nicht zu erwarten ist26. Richtigerweise ist die (politische) Treuepflicht der Berufsbeamten aus der Funktion des Berufsbeamtentums heraus zu bestimmen27. Sie ist erforderlich, um den Staat davor zu schützen, dass Verfassungsfeinde in seinen Verwaltungsapparat eindringen können28. Sie dient damit dem Schutz und dem Erhalt des Staates als solchem29. Die erhöhten Anforderungen an die Loyalität des Beamten zu
verhältnis“, so BVerfGE 39, 334 (352) mit Verweis auf einfachgesetzliche Ausgestaltungen der Treuepflicht. So auch BVerwGE 1, 57 (59); 10, 213 (217). Aus der Literatur H. Lecheler, Die Treuepflicht des Beamten – Leerformel oder Zentrum der Beamtenpflicht?, in: ZBR 1972, S. 228 ff.; E. Plümer, Kein Amtssessel für Verfassungsfeinde!, in: H. Hablitzel/M. Wollenschläger (Hrsg.), Recht und Staat. Festschrift für Günther Küchenhoff zum 65. Geburtstag, 2. Halbbd., 1972, S. 639 (641 f.); K. Stern, Zur Verfassungstreue der Beamten, 1974, S. 13; Battis (Fn. 8), § 7 Rn. 10. Kritisch dazu allerdings C.-F. Menger, Parteienprivileg und Zugang Radikaler zum öffentlichen Dienst, in: VerwArch. 67 (1976), S. 105 (106), der es für richtiger erachtet, die Begründung der Treuepflicht „aus dem Inhalt des öffentlichen Dienstes als eines öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnisses (Art. 33 Abs. 4 GG) und insbesondere seiner Funktion als Träger der vollziehenden und rechtsprechenden Gewalt innerhalb der Werteordnung des Grundgesetzes herzuleiten.“ 23 BVerfGE 39, 334 (346). 24 So richtigerweise und mit zahlreichen weiteren Nachweisen Battis (Fn. 8), § 7 Rn. 10 f. 25 Diesen Ansatz wählt allerdings das Bundesverfassungsgericht und erklärt damit das besondere Gewicht der beamtenrechtlichen Treuepflicht unter dem Grundgesetz: BVerfGE 39, 334 (349). Kritisch dazu B. Rudolf, „Verfassungsfeinde“ im öffentlichen Dienst, in: M. Thiel (Hrsg.), Wehrhafte Demokratie, 2003, S. 209 (233). 26 Menger, Parteienprivileg (Fn. 22), S. 107; Battis (Fn. 8), § 7 Rn. 12. 27 BVerwGE 47, 330 (334); G. Arndt, Die Verfassungstreuepflicht im öffentlichen Dienstrecht und das Grundgesetz, in: DÖV 1973, S. 584 (586); Menger, Parteienprivileg (Fn. 22), S. 106; Battis (Fn. 8), § 7 Rn. 12. Dies merkt auch das Bundesverfassungsgericht mehrfach an, ohne aber schlussendlich darauf abzustellen, BVerfGE 39, 334 (347, 358, 370). 28 So BVerfGE 39, 334 (370). 29 Battis (Fn. 8), § 7 Rn. 12.
A. Voraussetzungen des Beamtenverhältnisses
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Staat und Verfassung gründen vor allem auch in der besonderen Stellung, die der Beamte im deutschen Staat innehat. Der Beamte steht als Amtsträger im Staat selbst und diesem nicht gegenüber30. Er stellt damit prinzipiell eine besondere Gefahr für den Staat dar und macht diesen in gewisser Weise anfällig. Um diese Angreifbarkeit des Staates auszugleichen, ist eine besondere Anforderung an die Treue der Beamten unumgänglich. Diese Verfassungstreuepflicht ist, zumindest im Bereich der Amtsführung, für alle Beamten verbindlich, sodass eine Differenzierung aufgrund der Funktion des jeweiligen Amtswalters nicht möglich erscheint31. Das Bundesverfassungsgericht merkt in diesem Zusammenhang an, dass „jeder Beamte, der sich gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes betätigt oder an Bestrebungen teilnimmt, die darauf abzielen, den Bestand oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen, nicht nur eine Gefahr im Hinblick auf die Art der Erledigung der ihm obliegenden Dienstaufgaben anzusehen ist, sondern auch als eine Gefahr im Hinblick auf die naheliegende Möglichkeit der Beeinflussung seiner Umgebung, seiner Mitarbeiter, seiner Dienststelle, seiner Behörde im Sinne seiner verfassungsfeindlichen politischen Überzeugung.“ 32 Mit Hinblick auf diesen Aspekt der möglichen Beeinflussung anderer Personen, insbesondere anderer Beamter, lässt sich eine Differenzierung aufgrund der Funktion zumindest in Bezug auf die Diensttätigkeit nicht mehr halten. Vielmehr ist die Verfassungstreuepflicht unabdingbarer Teil des öffentlichrechtlichen Dienst- und Treueverhältnisses, wie es in Art. 33 Abs. 4 GG gefordert wird. Anders wird teilweise im Hinblick auf die außerdienstlichen Tätigkeiten von Beamtenbewerbern argumentiert. Hier soll eine funktionsbezogene Bestimmung der jeweiligen Treuepflicht möglich sein33. Das soll daraus folgen, dass die Pflicht zur Verfassungstreue eine Grundrechtsbegrenzung darstellt, die „nicht enger gezogen werden [darf], als es den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums entspricht, als es die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes erfordert und als es der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zuläßt.“ 34 Dementsprechend hinge das Ausmaß der Treuepflicht im Einzelfall vom Aufgaben-
30
So zutreffend Stern, Verfassungstreue (Fn. 22), S. 12. BVerfGE 39, 334 (355); BVerwGE 61, 176 (177); 61, 200 (202); 73, 263 (267). Anderer Ansicht ist beispielsweise E. Plümer, Mitgliedschaft von Beamten und Beamtenanwärtern in verfassungsfeindlichen Parteien, in: NJW 1973, S. 4 (9), der vertritt, dass die Treuepflicht in ihrer konkreten Ausgestaltung im Wesentlichen von der übertragenen Aufgabe und den Umständen des Einzelfalls abhingen. 32 BVerfGE 39, 334 (355). So auch Stern, Verfassungstreue (Fn. 22), S. 23. 33 Battis (Fn. 8), § 7 Rn. 12. Dies erkennt das BVerwGE 81, 212 (217) mit Hinweis auf die Maßstäbe des Bundesarbeitsgerichts (BAGE 28, 62; 33, 43; 34, 1; 51, 246) zumindest für das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis des Lehrbeauftragten an. 34 H. J. Wolff/O. Bachof/R. Stober, Verwaltungsrecht II, 5. Aufl. 1987, § 107 Rn. 32. 31
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bereich und von der Dienststellung des Beamten ab. Eine solche Argumentation überzeugt allerdings mit Blick auf das Berufsbeamtentum nicht. Die Argumentation des Bundesverfassungsgerichts im Hinblick auf die Möglichkeit der Beeinflussung muss zwar außerhalb der Diensttätigkeit unberücksichtigt bleiben, dennoch lässt sich eine Abstufung im Ergebnis nicht rechtfertigen. Zum einen ist eine solche Differenzierung im Wortlaut der beamtenrechtlichen Vorschriften nicht angelegt, zum anderen weist jedes Beamtenverhältnis eine Bedeutung für den Staat und seine Grundwerte auf35. Stern weist mit Recht darauf hin, dass eine funktionsbedingte Abstufung dem Rechtsstaat, der auch nur eine unteilbare Gesetzestreue kennt, widerspricht36. Daher ist bei der Prüfung der Verfassungstreue bei allen Beamtenanwärtern und Beamten der gleiche Maßstab anzulegen.
III. Fachliche Befähigung für die Beamtentätigkeit Neben der Verfassungstreue als Merkmal mit herausragender Bedeutung ist auch die berufliche Befähigung der Beamtenbewerber von Bedeutung. In Bezug auf die Befähigung für eine Berufung in ein Beamtenverhältnis unterscheiden sich die Regelungen von § 7 BeamtStG und § 7 BBG. Diese Abweichung gründet in der Zuständigkeitsverteilung zwischen Bund und Ländern und der Differenzierung zwischen Beamten des Bundes und solchen der Länder. Einfluss auf die Neuordnung der Kompetenzen zwischen Bund und Ländern im Hinblick auf das Beamtenrecht hatte vor allem die Föderalismusreform I von 2006. Folglich sind die Anforderungen an die Beamten des Bundes und der Länder also getrennt zu untersuchen. 1. Die Beamten des Bundes (§ 7 Abs. 1 Nr. 3 BBG) Für die Beamten des Bundes gilt § 7 Abs. 1 Nr. 3 BBG. Ausweislich dieser Vorschrift darf in das Beamtenverhältnis berufen werden, wer die für die entsprechende Laufbahn vorgeschriebene Vorbildung besitzt (Nr. 3 lit. a) oder die erforderliche Befähigung durch Lebens- oder Berufserfahrung erworben hat (Nr. 3 lit. b). Diese Regelung ist auf Grundlage der ausschließlichen Kompetenz des Bundes aus Art. 73 Abs. 1 Nr. 8 GG geschaffen worden. Diese differenziert zwischen den so genannten Laufbahnbewerbern (Alt. a) und den anderen Bewerbern (Alt. b). Der Laufbahnbewerber muss für die Aufnahme ins Beamtenverhältnis die für die entsprechende Laufbahn vorgeschriebene Vorbildung besitzen37.
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Zutreffend Stern, Verfassungstreue (Fn. 22), S. 23. Stern, Verfassungstreue (Fn. 22), S. 23. 37 Die ursprüngliche Unterscheidung zwischen Laufbahnbewerbern für Regellaufbahnen und Bewerbern für Laufbahnen mit besonderer Fachrichtung (§ 20 BBG a. F.) ist durch das Dienstrechtsneuordnungsgesetz DNeuG v. 5. Februar 2009, BGBl. I (2009), S. 160 f. aufgegeben worden. 36
A. Voraussetzungen des Beamtenverhältnisses
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§§ 16 ff. BBG gestalten die Regelungen zu den Laufbahnbewerbern weiter aus. Neben diesen Bewerbern, welche die für die entsprechende Laufbahn erforderliche Vorbildung besitzen, können auch solche Bewerber in ein Beamtenverhältnis berufen werden, welche die die erforderliche Befähigung durch Lebens- oder Berufserfahrung erworben haben (Alt. b)38. Durch diese Erweiterung des möglichen Bewerberkreises soll es der Verwaltung ermöglicht werden, Fachkräfte für die Verwaltung zu gewinnen, die zwar nicht die für die Laufbahn erforderliche Vorbildung haben, aber ein vergleichbares Fachwissen aufweisen39. Dadurch wird sowohl die Flexibilität der Verwaltung erhöht als auch dafür gesorgt, dass sich die Verwaltung durch Einbeziehung externen Sachverstandes entwickelt. § 7 Abs. 1 Nr. 3 BBG sieht ausweislich des Wortlauts auch keinen Vorrang der Laufbahnbewerber vor den anderen Bewerbern mehr vor40. Allerdings lässt eine verfassungskonforme Auslegung im Hinblick auf die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums in Art. 33 Abs. 5 GG und die Systematik der §§ 16 ff. BBG darauf schließen, dass auch nach der Neuordnung des Beamtenrechts der Laufbahnbewerber als Regelfall vorgesehen ist41. 2. Die Beamten der Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände (§ 7 Abs. 1 Nr. 3 BeamtStG) Abweichend von § 7 Abs. 1 Nr. 3 BBG regelt § 7 Abs. 1 Nr. 3 BeamtStG die erforderliche Befähigung der Beamten der Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände. Die Frage, welche Befähigung als Voraussetzung für ein Beamtenverhältnis erforderlich ist, wird dabei den Ländern zugeordnet. Diese Zuordnung ist durch die Neuordnung der Kompetenzen im Zuge der Föderalismusreform I42 in
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Näheres wird durch die Vorschriften in § 19 BBG und § 22 BLV geregelt. Battis (Fn. 8), § 7 Rn. 31. Zur Kritik an der Öffnung des Beamtenverhältnisses für andere als Laufbahnbewerber vgl. A. Bochalli, Bundesbeamtengesetz. Kommentar, 2. Aufl. 1958, § 7 Anm. 5, mit zahlreichen weiteren Nachweisen auf kritische Stimmen aus der Literatur. Vgl. dazu auch M. Güntner, Laufbahnbewerber und Außenseiter. Das Laufbahnprinzip als Regulativ von Zugang und Aufstieg im Berufsbeamtentum, 2005, S. 16 f. 40 Dies war in der Vorgängervorschrift in § 4 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 4 BRRG noch anders geregelt. Dort war die Möglichkeit anderer Bewerber in Abs. 4 nur als Ausnahme zu den Laufbahnbewerbern vorgesehen. 41 C. H. Ule, Beamtenrecht, in: M. v. Brauchitsch (Hrsg.), Verwaltungsgesetze des Bundes und der Länder, Bd. X, 1. Halbbd., 1970, § 7 BBG; Battis (Fn. 8), § 7 Rn. 2. 42 Durch das 52. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 28. August 2006 (Föderalismusreformgesetz I), BGBl. I, S. 2034 ff. Mit einem ernüchternden Fazit zu den Auswirkungen der Föderalismusreform auf das Berufsbeamtentum H. Lecheler, Die Auswirkungen der Föderalismusreform auf die Statusrechte der Beamten, in: ZBR 2007, S. 18 ff. Einen umfassenden Bericht zu den Zielen, Ergebnissen und der Umsetzung der Föderalismusreform I bietet H.-P. Schneider, Der neue deutsche Bundesstaat. Bericht über die Umsetzung der Föderalismusreform I, 2013. 39
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§ 4 Der Berufsbeamte als „Goldstandard‘‘
Art. 74 Abs. 1 Nr. 27 GG erforderlich geworden. Darin ist zwar vorgesehen, dass die Statusrechte der Beamten der Länder, Gemeinden und anderen Körperschaften des öffentlichen Rechts, sowie der Richter in den Ländern der konkurrierenden Gesetzgebung unterfallen, davon aber nicht die Laufbahnen, die Besoldung und die Versorgung umfasst sind43. Dieser Aufteilung der Kompetenzen liegen unterschiedliche Erwägungen zugrunde. Durch die Schaffung bundeseinheitlicher Regelungen über die Statusrechte von Beamten der Länder, Gemeinden und Gemeindeverbänden (BeamtStG) wird vor allem die länderübergreifende Mobilität der Beamten sichergestellt44. Durch die Ausklammerung von Laufbahnen, Besoldung und Versorgung wird aber auf der anderen Seite die Personalhoheit der Länder betont und deren Kompetenzen im öffentlichen Dienstrecht gestärkt45. Der Bund kann dementsprechend für Landesbeamte nicht festlegen, welche Befähigung ein Bewerber aufweisen muss. Vielmehr ist es dem Landesgesetzgeber durch den bloßen Verweis auf das Landesrecht freigestellt, ob er Regelungen als Gesetz oder Verordnung erlassen will46. Von dieser neu geschaffenen Kompetenz haben die Länder überwiegend auch Gebrauch gemacht47. Die Regelungen der Länder orientieren sich dabei allerdings an der Gesetzeslage für Bundesbeamte. So unterscheidet beispielsweise § 3 Abs. 1 Landesbeamtengesetz (LBG) NRW ebenfalls zwischen Laufbahnbewerbern und anderen Bewerbern. Dabei kommt allerdings, insoweit anders als im BBG, eine Abstufung zwischen Laufbahnbewerbern und anderen Bewerben stärker zum Ausdruck. Der Wortlaut sieht vor, dass der Laufbahnbewerber ins Beamtenverhältnis berufen werden soll und andere Bewerber berufen werden können. Die §§ 5 ff. LBG NRW gestalten die übrigen Anforderungen der Laufbahnen weiter aus. Anders als das BBG regelt § 3 Abs. 1 LBG NRW a. E. eine Ausnahme für den Fall, dass zwingende Gründe einen Laufbahnbewerber für bestimmte Tätigkeiten vorsehen. Demnach dürfen unter bestimmten Umständen nur Laufbahnbewerber Aufgaben wahrnehmen, wenn dies erforderlich ist.
43 Ausführlich zu den beamtenrechtlichen Neuerungen durch die Föderalismusreform L. Knopp/W. Schröder, Beamtenrechtliche und -politische Auswirkungen der Föderalismusreform, in: NJ 2007, S. 97 ff. 44 Vgl. dazu die Erwägungen zum Gesetzesentwurf zum 52. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes, BT-Drs. 16/813, S. 14. 45 So H.-W. Rengeling, Gesetzgebungszuständigkeiten, in: HStR3 VI, § 135 Rn. 301. Dazu kritisch L. Knopp, Föderalismusreform – zurück zur Kleinstaaterei?, in: NVwZ 2006, S. 1216 (1219 f.). 46 Reich (Fn. 8), § 7 Rn. 8. 47 Eine umfassende Übersicht der gesetzlichen Regelungen, die auf Grundlage dieser Kompetenz von den Landesgesetzgebern erlassen worden sind, findet sich bei P. M. Huber/A. Uhle, Die Sachbereiche der Landesgesetzgebung nach der Föderalismusreform, in: M. Heintzen/A. Uhle (Hrsg.), Neuere Entwicklungen im Kompetenzrecht, 2014, S. 83 (95 f.).
B. Der Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes
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B. Der Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes zwischen Berufsbeamten und privaten Akteuren Neben dem Berufsbeamtentum gibt es mit den Arbeitnehmern des öffentlichen Dienstes eine zweite große Gruppe von Berufsträgern48. Diese Unterscheidung zwischen den Beamten und den sonstigen Beschäftigten des öffentlichen Dienstes ist konstituierend für die zweispurige Systematik des Rechts des öffentlichen Dienstes49. Im Gegensatz zum öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis der Beamten ist das Beschäftigungsverhältnis der Arbeitnehmer zivilrechtlich ausgestaltet. Es unterliegt den durch die juristischen Personen des öffentlichen Rechts als Arbeitgebern und den Gewerkschaften ausgehandelten Verträgen, die Ausdruck der privatrechtlichen Tarifautonomie sind50. Die Voraussetzungen, unter welchen ein solches Dienstverhältnis geschlossen wird, bedürfen einer kurzen Darstellung, da sich aus diesen möglicherweise Schlüsse für die folgende Untersuchung ergeben. Dies vor allem unter dem Gesichtspunkt, dass die Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes im Verhältnis zum Staat „zwischen“ den Berufsbeamten und den Privaten stehen. Die Regelungen über die Dienstverhältnisse der Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst finden sich für die Beschäftigten des Bundes und der Kommunen im Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) und für die Beschäftigten der Länder im – in wesentlichen Punkten gleichlautenden – Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst – Länderbereich (TV-L). Zunächst ist festzustellen, dass, anders als im Berufsbeamtentum, die Tätigkeit als Beschäftigter im Öffentlichen Dienst nicht an die Staatsangehörigkeit geknüpft ist. Es kann also grundsätzlich jede Person unabhängig von der Nationalität ein Dienstverhältnis mit dem Staat eingehen. Die Allgemeinen Arbeitsbedingungen dieser Dienstverhältnisse werden in den §§ 3 TVöD/TV-L eigenständig und ohne Verweis auf beamtenrechtliche Regelungen geregelt51. Dabei legt § 3 Abs. 1 TV-L für die Beschäftigten der Länder fest, dass diese ihre geschuldete Leistung gewissenhaft und ordnungsgemäß zu erfüllen haben (S. 1) und sich darüber hinaus durch ihr gesamtes Verhalten zur freiheitlich demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen müssen (S. 2). Eine vergleich48 Früher wurde zwischen Angestellten und Arbeitern des öffentlichen Dienstes unterschieden. Diese Unterscheidung wurde durch den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) vom 1. Oktober 2005 und den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder(TV-L) vom 1. November 2006 zugunsten der einheitlichen Bezeichnung als Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes aufgegeben. 49 Zutreffend Voßkuhle (Fn. 7), § 43 Rn. 7 ff., der aber darauf hinweist, dass der Begriff des öffentlichen Dienstes nicht eindeutig verwendet wird (in Fn. 38). Zur Dualität des öffentlichen Dienstes auch J. Jung, Die Zweispurigkeit des öffentlichen Dienstes, 1971. 50 Voßkuhle (Fn. 7), § 43 Rn. 8. 51 W. Howald, in: E. Burger (Hrsg.), TVöD/TV-L, 3. Aufl. 2016, § 3 TVöD/TV-L Rn. 1.
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§ 4 Der Berufsbeamte als „Goldstandard‘‘
bare Regelung fehlt in § 3 Abs. 1 TVöD. Diese Verpflichtungen wurden für die tariflich Beschäftigten des Bundes lediglich in § 41 TVöD-BT-V aufgenommen52. Anders als bisher gilt die politische Treuepflicht also nur noch für Beschäftigte der Sparte Verwaltung und ist auf solche Aufgabenbereiche beschränkt, in denen auch hoheitliche Tätigkeiten wahrgenommen werden (§ 41 S. 2 TVöD-BT-V), also den Bund und die Kommunalverwaltung53. Im Länderbereich gilt diese ausweislich des § 3 TV-L hingegen unbegrenzt54. Abgesehen von der unterschiedlichen Reichweite der Vorschriften sind diese aber inhaltsgleich. Die Verpflichtung, die geschuldete Leistung gewissenhaft und ordnungsgemäß zu erfüllen, ist dabei so selbstverständlich wie überflüssig, da sie arbeitsrechtlich auch ohne diesen Hinweis besteht55. Ein besonderes Augenmerk ist vielmehr auf die in § 3 Abs. 1 S. 2 TV-L und § 41 S. 2 TVöD-BT-V vorgesehene politische Treuepflicht zu legen. Im Unterschied zur politischen Treuepflicht von Berufsbeamten wird von den Beschäftigten des öffentlichen Dienstes kein aktives Eintreten für die freiheitlich demokratische Grundordnung verlangt, sondern lediglich ihr Bekenntnis dazu56. Es ist damit unweigerlich eine Abstufung von Beamten zu Beschäftigten des öffentlichen Dienstes im Hinblick auf die politische Treuepflicht zu erkennen57. Eine dem Berufsbeamtenrecht gleichgestellte Treuepflicht der Beschäftigten ist auch nicht erforderlich, da, auch bei einer Differenzierung nach der jeweiligen Aufgabe, der Staat und seine verfassungsmäßige Ordnung hinreichend geschützt sind58. Darüber hinaus ist Art. 33 Abs. 5 GG, aus dem das Bundesverfassungsgericht den Inhalt der politischen Treuepflicht der Beamten ableitet, nicht auf die Rechtsverhältnisse der Angestellten (jetzt: Beschäftigten) des öffentlichen Dienstes anzuwenden59. Vielmehr ergibt sich eine abgestufte politische Treuepflicht im öffentlichen Dienst aus dem jeweiligen Amt60. Es gibt dementsprechend keine fest definierte Treuepflicht für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes. Diese muss vielmehr im Einzelfall in Bezug auf die wahrgenommene Aufgabe festgelegt werden. Daneben regeln §§ 3 TVöD/TV-L weitere Bedingungen, die Beschäftigte des öffentlichen Dienstes erfüllen müssen. Beachtenswert ist dabei die in § 3 Abs. 1 TVöD und in § 3 Abs. 2 TV-L geregelte Verschwiegenheitspflicht der Beschäf52
Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) – Besonderer Teil – Verwaltung. Y. Pielok, in: J. Bredemeier/R. Neffke (Begr.), TVöD/TV-L, Tarifverträge für den öffentlichen Dienst, Kommentar, 5. Aufl. 2017, § 41 BT-V Rn. 3. 54 Howald (Fn. 51), § 3 Rn. 1. 55 Pielok (Fn. 53), § 41 BT-V Rn. 2. 56 Pielok (Fn. 53), § 41 BT-V Rn. 4. 57 Eine solche Abstufung ist in ständiger Rechtsprechung anerkannt, vgl. BAG NJW 1976, S. 1708 (1709). Zustimmend auch BVerfGE 39, 334 (355). 58 So BAG NJW 1976, S. 1708 (1709). 59 BVerfGE 3, 162 (186). 60 BAG NJW 1976, 1708 (1709); Pielok (Fn. 53), § 41 BT-V Rn. 4. 53
C. Vergleichsgruppen für die weitere Untersuchung
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tigten. Diese ist im Vergleich zur Verschwiegenheitspflicht der Beamten aber insofern beschränkt, als sie nicht generell, sondern nur dann gilt, wenn sie gesetzlich vorgeschrieben ist61. Es ist aber festzustellen, dass, anders als im Beamtenrecht, für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes keine allgemeine Laufbahn vorgesehen ist. Vielmehr müssen diese die Anforderungen der jeweiligen Stelle erfüllen. Die §§ 5 TVöD/TV-L regeln darüberhinausgehend die laufende Qualifizierung der Beschäftigten im Rahmen ihres Arbeitsverhältnisses, die sowohl im Interesse der Beschäftigten selbst als auch im Interesse der Arbeitgeber liegt.
C. Vergleichsgruppen für die weitere Untersuchung Betrachtet man die Voraussetzungen eines Beamtenverhältnisses, so lassen sich drei Bereiche herausarbeiten, welche den Rahmen der folgenden Untersuchung vorgeben und einen Vergleich zwischen den Anforderungen an das Berufsbeamtentum und den Anforderungen an Private zulassen. Den ersten Bereich stellt die Staatsangehörigkeit des Beamten dar. Dieser lässt grundsätzlich einen Vergleich mit den Voraussetzungen zu, die ein Privater für die Wahrnehmung staatlicher Aufgaben erfüllen muss. Einer Erweiterung bedarf dieser Bereich, wenn der private Träger einer staatlichen Aufgabe keine natürliche, sondern eine juristische Person ist. Auch hier lässt sich zwar die Herkunft bzw. der Sitz des Unternehmens als Vergleichspunkt heranziehen, erweitert werden muss dieser erste Bereich aber um die Frage, ob bestimmte Voraussetzungen an die Struktur der juristischen Person zu stellen sind. Zu denken ist dabei beispielsweise an bestimmte Rechtsformen. Den Kernbereich der Untersuchung stellt unweigerlich die Frage dar, inwieweit die Voraussetzung der Verfassungstreue auf einen Privaten, der eine staatliche Aufgabe wahrnehmen will, zu übertragen ist. Die vorangestellte Untersuchung der Anforderungen an das Berufsbeamtentum und die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes hat gezeigt, dass bereits hier eine Abstufung in Bezug auf die Loyalität zum Staat vorgenommen wurde. So wird von den Beamten ein Eintreten für, von den Beschäftigten lediglich das Bekenntnis zur Verfassung verlangt. Es wird herauszuarbeiten sein, inwieweit weitere Abstufungen gemacht werden oder erforderlich sind. Den dritten Bereich stellen die Anforderungen an die berufliche Qualifikation dar. Diese wird in der Regel durch die Vorbildung in einer entsprechenden Laufbahn erworben. Doch auch im Beamtentum hat bereits insofern eine Öffnung stattgefunden, als dass der Bewerber die erforderliche Befähigung auch durch
61 Howald (Fn. 51), § 3 TVöD/TV-L Rn. 4. Die Verschwiegenheitspflichten der Beamten sind in § 67 BBG und in § 37 BeamtStG geregelt.
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§ 4 Der Berufsbeamte als „Goldstandard‘‘
Berufs- oder Lebenserfahrung erworben haben kann62. In diesem Bereich wird daher zu untersuchen sein, auf welche Weise die „Befähigung“ des Privaten zur Erfüllung der staatlichen Aufgabe sichergestellt wird.
62 Der Begriff der Befähigung ist zentrales Element des Laufbahnrechts und ist als Auswahlkriterium bei der Ernennung zum Beamten in § 9 BBG/BeamtStG genannt. Vgl. zur „Laufbahnbefähigung als zentrales Qualifikationskriterium“, Güntner, Laufbahnbewerber (Fn. 39), S. 31.
§ 5 Kriterien für die Untersuchung privatisierungsrelevanter Bereiche Nachdem vorstehend die Voraussetzungen eines Beamtenverhältnisses und die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten des Öffentlichen Dienstes dargestellt worden sind, sollen in der Folge Kriterien entwickelt werden, anhand derer man die Anforderungen an Private im Rahmen einer Indienstnahme untersuchen und in ein Verhältnis zu den bei Beamten gefundenen Ergebnissen setzen kann. Dabei soll ein Raster entwickelt werden, mit dem jeder übertragene Aufgabenbereich untersucht wird, um so eine möglichst umfassende Vergleichbarkeit zu ermöglichen.
A. Das Bild der „Umlaufbahnen“ nach Kämmerer Für die Frage ob die Voraussetzungen, welche an die privaten Akteure, die staatliche Aufgaben wahrnehmen, gestellt werden, sinngemäß oder zu streng sind, lässt sich ein Bild verwenden, welches Kämmerer in einem anderen, wenn auch ähnlichen Zusammenhang verwendet. Bei einer Veranstaltung zur Frage der Verfassungstreue jenseits des Beamtentums verwendete er das Bild von Umlaufbahnen, um damit die Anforderungen an die Loyalität zum Staat zu umschreiben1. Dabei beschrieb er den Staat als Mittelpunkt der Umlaufbahnen. „Legt man um den Staat als Rechtsperson in Gedanken konzentrische Kreise, so lassen sich auf diesen „Umlaufbahnen“ Kategorien privater Rechtsträger positionieren, die sich durch einen von innen nach außen fortschreitenden geringeren funktionalen Staatsbezug auszeichnen – wobei die Verfassungstreuebindung unterschiedlicher Art und nicht in allen Fällen hinreichend geklärt ist.“ 2 Inhaltlich bezieht Kämmerer dieses Bild allerdings lediglich auf die Frage, ob die Pflicht zur Verfassungstreue auch außerhalb des Beamtentums möglich ist. Dennoch lässt sich dieses Bild für die vorliegende Untersuchung fruchtbar machen und weiter ausführen. Mit dem Bild der „Umlaufbahnen“ lässt sich darüber hinaus erklären, dass der Berufsbeamte als Vergleichsmaßstab gewählt wurde3. Zum einen war dieser ursprünglich Träger der übertragenen Aufgabe, und zum 1 Abgedruckt sind die Vorträge dieser Tagung des Halleschen Forums für Verwaltungsrecht bei W. Kluth (Hrsg.), Verfassungstreue jenseits des Beamtentums, 2011. Zum Bild der „Umlaufbahnen“ J. A. Kämmerer, Die Konzeption der Verfassungstreue im Verfassungs- und Gemeinschaftsrecht, ebd. S. 13 (15). 2 Kämmerer, Konzeption (Fn. 1), S. 15. 3 Vgl. dazu unter § 4 (S. 223 ff.).
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§ 5 Kriterien für die Untersuchung privatisierungsrelevanter Bereiche
anderen steht er dem Staat am nächsten4. Ausgehend davon soll also dargestellt werden, wie sich die Anforderungen an Private verändern, je geringer der Bezug zum Staat wird. Dabei wird die Verfassungstreue zwar ein zentrales Element darstellen, da sie die strengste und umstrittenste Voraussetzung ist, aber die Untersuchung soll insgesamt breiter aufgefächert werden.
B. Die Kriterien im Einzelnen Nachdem das Bild der Umlaufbahnen von Kämmerer vorgestellt worden ist, sollen Kriterien entwickelt werden, die es ermöglichen, die jeweilige Aufgabe auf den „Umlaufbahnen“ um den Staat zu platzieren, um so herauszuarbeiten, ob die Anforderungen, die an die jeweilige Aufgabenübertragung gestellt werden, angemessen erscheinen.
I. Grad der demokratischen Legitimation der privaten Aufgabenwahrnehmung Ein Aspekt, der bei der Untersuchung der unterschiedlichen Voraussetzungen für eine Aufgabenübertragung auf Private Beachtung finden muss, ist die Frage nach der demokratischen Legitimation der Aufgabenwahrnehmung durch Private. Denn auch im Rahmen von Privatisierungen ist staatliches Handeln, grundsätzlich legitimierungsbedürftig5. Es ist also herauszuarbeiten, inwieweit den Ansprüchen des Art. 20 Abs. 2 GG bei der Übertragung einer Aufgabe genüge getan wird. 1. Begriff und Herleitung der demokratischen Legitimation Die Verfassung hat sich in Art. 20 Abs. 1 GG auf die Demokratie als Staatsform festgelegt. Diese Strukturentscheidung des Art. 20 Abs. 1 GG findet in Abs. 2 eine Konkretisierung6. Art. 20 Abs. 2 GG stellt klar, dass grundsätzlich alle Staatsgewalt vom Volk ausgeht und diese in Form von Wahlen und Abstimmungen (S. 1) oder durch besondere Organe der Gesetzgebung, der ausführenden Gewalt oder der Rechtsprechung (S. 2) ausgeübt wird. Diese Anforderungen an die Ausübung von Staatsgewalt sind das Kernelement des Demokratieprinzips7. Dem kann nur dann Genüge getan werden, wenn sich im Ergebnis alle Ausübung 4
So auch Kämmerer, Konzeption (Fn. 1), S. 15. B. Grzeszick, in: T. Maunz/G. Dürig (Hrsg.), GG, Art. 20 II (2010), Rn. 221. 6 B. Pieroth, in: H. D. Jarass/ders., GG, 15. Aufl. 2018, Art. 20 Rn. 1. J. Schmidt, Die demokratische Legitimationsfunktion der parlamentarischen Kontrolle, 2007, S. 29, spricht von einer normativen Anbindung der Demokratie an die Volkssouveränität. 7 F. E. Schnapp, in: I. v. Münch/P. Kunig (Hrsg.), GG I, 6. Aufl. 2012, Art. 20 Rn. 23; A. v. Münch, Das Spannungsverhältnis zwischen funktionaler Privatisierung und demokratischer Legitimation, 2014, S. 69. 5
B. Die Kriterien im Einzelnen
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staatlicher Gewalt auf den Willen des Volkes zurückführen lässt8. Das bedeutet, eine demokratische Legitimierung seitens des Volkes ist unabdingbare Voraussetzung jeglicher Ausübung staatlicher Gewalt. Die demokratische Legitimation ist somit elementarer Bestandteil des Demokratieprinzips, geht aber gleichsam in diesem auf und hat für sich genommen keinen eigenständigen Gehalt9. Vielmehr ist der Gehalt der demokratischen Legitimation gegenüber dem des Demokratieprinzips verkürzt. Während das Demokratieprinzip auch in der gesellschaftlichen Sphäre Anwendung findet, ist das Prinzip der demokratischen Legitimation auf die Verbindung des Volkes mit der Herrschaftsgewalt beschränkt10. Objekt dieser demokratischen Legitimation ist also die Staatsgewalt in all ihren Facetten11. Diese muss durch das Legitimationssubjekt Volk ausgeübt werden. Darunter ist das Staatsvolk der Bundesrepublik Deutschland zu verstehen12. 2. Formen demokratischer Legitimation In der Literatur und vor allem in der Rechtsprechung haben sich verschiedene Formen demokratischer Legitimation herauskristallisiert. Eine solche Differenzierung in verschiedene Formen wird durch die Offenheit des Art. 20 Abs. 2 GG ermöglicht, der lediglich die Staatsgewalt als Legitimationsobjekt und das Volk als Legitimationssubjekt festlegt13. Inwieweit diese Legitimation der handelnden Personen und Organe allerdings zu erfolgen hat, bleibt ungeregelt, sodass sich eine Vielzahl von Möglichkeiten diesbezüglich ergibt14. a) Institutionelle und funktionelle Legitimation Die institutionelle Legitimation ist so etwas wie die Grundform der demokratischen Legitimation15. Darunter ist die Legitimierung bestimmter Staatsorgane 8 BVerfGE 47, 253 (275); 83, 60 (71 f.); 93, 37 (66); 107, 59 (87); aus der Literatur: P. Badura, Die parlamentarische Demokratie, in: HStR3 II, § 25 Rn. 27; E.-W. Böckenförde, Demokratie als Verfassungsprinzip, ebda., § 24 Rn. 11; Grzeszick (Fn. 5), Art. 20 II Rn. 61; Schnapp (Fn. 7), Art. 20 Rn. 23; v. Münch, Spannungsverhältnis (Fn. 7), S. 69. 9 So E. T. Emde, Die demokratische Legitimation der funktionalen Selbstverwaltung, 1991, S. 41. 10 Zutreffend Emde, Legitimation (Fn. 9), S. 41. 11 H. Dreier, in: ders. (Hrsg.), GG II, 3. Aufl. 2015, Art. 20 (Demokratie), Rn. 86. 12 BVerfGE 83, 60 (74); E 107, 59 (87); Böckenförde (Fn. 8), § 24 Rn. 26; R. Grawert, Staatsvolk und Staatsangehörigkeit, in: HStR3 II, § 16 Rn. 30 ff.; C. D. Classen, Demokratische Legitimation im offenen Rechtsstaat, 2009, S. 34 ff.; Schnapp (Fn. 7), Art. 20 Rn. 24; Dreier (Fn. 11), Art. 20 (Demokratie), Rn. 90. 13 Schnapp (Fn. 7), Art. 20 Rn. 13; v. Münch, Spannungsverhältnis (Fn. 7), S. 70. 14 Grundlegend Böckenförde (Fn. 8), § 24 Rn. 14 ff. 15 So auch J. P. Ehlers, Aushöhlung der Staatlichkeit durch die Privatisierung von Staatsaufgaben?, 2003, S. 126. Diese Formen der demokratischen Legitimation entstammen den Ausführungen von F. Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, 1968, S. 196 ff. Auf dessen Ausführungen verweist auch das Bundesverfassungsgericht
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§ 5 Kriterien für die Untersuchung privatisierungsrelevanter Bereiche
durch die Verfassung gemeint. In Art. 20 Abs. 2 GG legt der Verfassunggeber unmittelbar fest, dass die Staatsgewalt durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt wird. Durch die institutionelle Verankerung der Staatsorgane in der Verfassung wird deren Bestand gewährleistet und gleichzeitig deren demokratische Legitimation für die Erfüllung öffentlicher Aufgaben sichergestellt16. Mit der institutionellen Legitimation geht die funktionelle Legitimation einher. Diese besagt, dass die Staatsorgane in funktioneller Hinsicht zur Erfüllung bestimmter Funktionen geschaffen werden und gerade deswegen demokratisch legitimiert sind17. Dabei muss zumindest der Rahmen dieser näher zu bestimmenden Funktion hinreichend festgelegt sein18. Die institutionelle bzw. funktionelle Legitimation verschafft den Staatsorganen eine Art Freiraum. Wegen dieser verfassungsrechtlich verankerten Legitimation ist es nicht möglich, beispielsweise der Verwaltung auf der Grundlage des Demokratieprinzips einen umfassenden Parlaments- und Gesetzesvorbehalt im Sinne eines „Totalvorbehalts“ aufzubürden19. Vielmehr sieht die Verfassung vor, dass die genannten Staatsorgane Staatsgewalt ausüben, sodass eine solche Einschrän-
in BVerfGE 49, 89 (125). Kritisch zu dieser Form der Legitimation W. Kluth, Funktionale Selbstverwaltung, 1997, S. 357, der die institutionelle bzw. funktionelle Legitimation nicht als Form der demokratischen Legitimation ansieht, sondern vielmehr als „genuin verfassungsrechtliche Legitimation“. Dies begründet er damit, dass als Legitimationssubjekt nicht das Volk als Staatsorgan, sondern das Volk als Verfassunggeber in Bezug genommen wird. Die Verfassung selbst sei also Ausgangspunkt der Vermittlung demokratischer Legitimation. R. Hermes, Der Bereich des Parlamentsgesetzes, 1988, S. 39, merkt an, dass aus diesem Grund die institutionelle Legitimation aus diesem Grund als Differenzierungsmerkmal bzw. analytisches Merkmal gänzlich ungeeignet ist. 16 BVerfGE 49, 89 (125); E. Schmidt-Aßmann, Verwaltungslegitimation als Rechtsbegriff, in: AöR 116 (1991), S. 329 (363); K. Waechter, Geminderte demokratische Legitimation staatlicher Institutionen im parlamentarischen Regierungssystem, 1994, S. 34; Ehlers, Aushöhlung (Fn. 15), S. 126; Böckenförde (Fn. 8), § 24 Rn. 15; v. Münch, Spannungsverhältnis (Fn. 7), S. 70; R. Zippelius/T. Würtenberger, Deutsches Staatsrecht, 33. Aufl. 2018, § 10 Rn. 12. C. D. Classen, Europäische Integration und demokratische Legitimation, in: AöR 119 (1994), S. 238 (244), und V. Epping, Die demokratische Legitimation der Dritten Gewalt der Europäischen Gemeinschaften, in: Der Staat 36 (1997), S. 349 (353 in Fn. 18), sprechen insoweit zusammenfassend von der Konstituierung der Staatsorgane durch das Staatsvolk. 17 Waechter, Legitimation (Fn. 16), S. 34; Ehlers, Aushöhlung (Fn. 15), S. 127; v. Münch, Spannungsverhältnis (Fn. 7), S. 71. H. Gersdorf, Öffentliche Unternehmen im Spannungsfeld zwischen Demokratie- und Wirtschaftlichkeitsprinzip, 2000, S. 29, merkt zurecht an, dass „die Konstituierung von Staatsorganen ohne eigenen Funktionsbereich offensichtlich sinnlos wäre.“ So auch Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften (Fn. 15), S. 198 und M. Papenfuß, Die personellen Grenzen der Autonomie öffentlich-rechtlicher Körperschaften, 1991, S. 145. 18 Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften (Fn. 15), S. 198; Ehlers, Aushöhlung (Fn. 15), S. 127. 19 BVerfGE 49, 89 (125); Böckenförde (Fn. 8), § 24 Rn. 15. Vgl. auch V. Mehde, Neues Steuerungsmodell und Demokratieprinzip, 2000, S. 179.
B. Die Kriterien im Einzelnen
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kung der Verfassung zuwiderlaufen würde. Dabei ist aber zu beachten, dass diese Formen der Legitimation die personelle bzw. sachlich-inhaltliche Legitimation nicht zu ersetzen vermögen20. Die institutionelle bzw. funktionelle Legitimation gilt lediglich für die drei Staatsgewalten und kann daher selbstständig keine ausreichende Legitimation herstellen21. b) Organisatorisch-personelle Legitimation Neben der institutionellen und der funktionellen Legitimation ist daher die organisatorisch-personelle Legitimation von übergeordneter Bedeutung. Diese bezieht sich auf die Legitimation der Aufgabenwahrnehmung durch den einzelnen Amtswalter im konkreten Einzelfall. Das verlangt allerdings nicht, dass jeder Amtswalter unmittelbar durch das Staatsvolk legitimiert ist. Sie erfordert vielmehr eine Legitimationskette, die ohne Unterbrechung, aber durchaus mittelbar zwischen dem Volk als Legitimationssubjekt und dem Amtswalter als handelnder Person besteht22. Unabdingbar ist allerdings der persönliche Bezug zum Amtswalter. Die Legitimation muss sich zum einen konkret und individuell auf den betreffenden Amtswalter beziehen und nicht auf das auszuübende Amt an sich, mit der Folge, dass jeder Amtswalter dieses Amtes mit der Einsetzung legitimiert wäre23. Dies würde dem Anspruch, den das Demokratieprinzip an die Ausübung von Staatsgewalt stellt, und dem Grundsatz der Volkssouveränität nicht gerecht. Zum anderen muss sich die demokratische Legitimation auf einen konkreten Legitimationsbereich beziehen, der dem Amtswalter zugeordnet wird24. Durch diese Eingrenzung auf einen bestimmbaren Bereich werden die organisatorisch-personelle und die sachlich-inhaltliche Legitimation in Zusammenhang gebracht25. Dieses Prinzip einer Legitimationskette zwischen dem Staatsvolk und der Aus20
Ehlers, Aushöhlung (Fn. 15), S. 127; Böckenförde (Fn. 8), § 24 Rn. 15. Gersdorf, Unternehmen (Fn. 17), S. 29 f.; Mehde, Steuerungsmodell (Fn. 19), S. 179; v. Münch, Spannungsverhältnis (Fn. 7), S. 71. 22 BVerfGE 47, 253 (275); 77, 1 (40); 83, 60 (73); E.-W. Böckenförde, Mittelbare/ repräsentative Demokratie als eigentliche Form der Demokratie, in: G. Müller u. a. (Hrsg.), Staatsorganisation und Staatsfunktionen im Wandel. Festschrift für Kurt Eichenberger, 1982, S. 301 (315); Hermes, Bereich (Fn. 15), S. 39; Gersdorf, Unternehmen (Fn. 17), S. 30; T. Mayen, Privatisierung öffentlicher Aufgaben: Rechtliche Grenzen und rechtliche Möglichkeiten, in: DÖV 2001, S. (110) 113; Ehlers, Aushöhlung (Fn. 15), S. 127; Böckenförde (Fn. 8), § 24 Rn. 16; Schmidt, Legitimationsfunktion (Fn. 6), S. 52; v. Münch, Spannungsverhältnis (Fn. 7), S. 72. 23 R. Herzog, Allgemeine Staatsrechtslehre, 1971, S. 210, spricht von einem „Prinzip der individuellen Berufung der Amtswalter durch das Volk oder durch gewählte Organe“. Nur dann könne man laut Herzog von „Volkssouveränität und damit von Demokratie sprechen.“ So auch Böckenförde (Fn. 8), § 24 Rn. 16; v. Münch, Spannungsverhältnis (Fn. 7), S. 72. 24 Mehde, Steuerungsmodell (Fn. 19), S. 180; H. Maurer, Staatsrecht I, 6. Aufl. 2010, § 7 Rn. 28; v. Münch, Spannungsverhältnis (Fn. 7), S. 72. 25 So Maurer, Staatsrecht (Fn. 24), § 7 Rn. 28. 21
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§ 5 Kriterien für die Untersuchung privatisierungsrelevanter Bereiche
übung von Staatsgewalt wird auch durch den in der Verfassung niedergelegten Aufbau der Verwaltung abgebildet26. Das Volk wählt das Parlament und legitimiert dieses dadurch. Das Parlament gibt diese Legitimation durch eine erneute Wahl an den Kanzler weiter, der wiederrum die Bundesminister ernennt und damit die Kette in den Bereich der Ministerialverwaltung überträgt. c) Sachlich-inhaltliche Legitimation Neben der personellen Legitimation ist allerdings eine weitere Form der Legitimation erforderlich, um dem Demokratieprinzip gerecht zu werden. Die organisatorisch-personelle Legitimation bezieht sich nur auf den Staatsgewalt ausübenden Amtswalter, nicht aber auf die Ausübung der Staatsgewalt auf inhaltlicher Ebene. Dementsprechend ist darüber hinaus erforderlich, dass auch die Entscheidungen des jeweiligen Amtswalters, also die Ausübung der Staatsgewalt an sich, auf den Willen des Volkes zurückzuführen sind27. Die sachlich-inhaltliche Legitimation28 verlangt also eine zweite Legitimationskette bezogen auf die inhaltliche Entscheidung bei der Ausübung von Staatsgewalt29. Nur wenn eine zweite inhaltliche Legitimationskette zumindest mittelbar auf das Staatsvolk zurückzuführen ist, kann die Entscheidung letztlich als eine solche des Volkes angesehen werden. Im Unterschied zur organisatorisch-personellen Legitimation ist bei der sachlichinhaltlichen (materiellen) Legitimation allerdings zu beachten, dass die Verfassung eine unmittelbare inhaltliche Legitimation durch das Staatsvolk nicht vorsieht30. Aus diesem Grund gibt es zwei Wege, auf denen die sachlich-inhaltliche Legitimation mittelbar erreicht werden kann. Diese führen beide über das demokratisch legitimierte Parlament als Repräsentant des Staatsvolkes. Einerseits kann 26 Vgl. Mehde, Steuerungsmodell (Fn. 19), S. 180; Zippelius/Würtenberger, Staatsrecht (Fn. 16), § 10 Rn. 15; v. Münch, Spannungsverhältnis (Fn. 7), S. 72. 27 Gersdorf, Unternehmen (Fn. 17), S. 33; Mehde, Steuerungsmodell (Fn. 19), S. 184; Böckenförde (Fn. 8), § 24 Rn. 21; v. Münch, Spannungsverhältnis (Fn. 7), S. 73. 28 M. Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, 1993, S. 270, spricht in Bezug auf diese Form von materieller demokratischer Legitimation, beschreibt aber inhaltlich nichts Verschiedenes. Von einer „materiellen Komponente“ spricht auch Emde, Legitimation (Fn. 9), S. 42. 29 So P. Häberle, Unmittelbare staatliche Parteienfinanzierung unter dem Grundgesetz – BVerfGE 20, 56, in: JuS 1967, S. 64 (67); Emde, Legitimation (Fn. 9), S. 42; Jestaedt, Demokratieprinzip (Fn. 28), S. 270; Schmidt, Legitimationsfunktion (Fn. 6), S. 54. 30 So Jestaedt, Demokratieprinzip (Fn. 28), S. 270 f., mit dem Hinweis auf die Ausnahmen in Art. 29, 118 GG. K. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. I, 2. Aufl. 1984, S. 608, beschreibt das Grundgesetz daher als „prononciert antiplebiszitär“. Ausführlich zu Fragen der direkten Demokratie und deren Verhältnis zur repräsentativen Demokratie H. Dreier/F. Wittreck, Repräsentative und direkte Demokratie im Grundgesetz, in: L. P. Feld u. a. (Hrsg.), Jahrbuch für direkte Demokratie 2009, 2010, S. 11 ff., die dabei auch die voranstehend erwähnte Beschreibung Sterns aufgreifen.
B. Die Kriterien im Einzelnen
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eine sachlich-inhaltliche Legitimation durch das Gesetzgebungsrecht des Bundestages und die Bindung aller Staatsorgane an die Gesetze im Sinne des Art. 20 Abs. 3 GG sichergestellt werden31. In diesem Fall fungiert das Parlamentsgesetz als Steuerungsmittel, welches im Zusammenwirken mit der Gesetzesbindung die parlamentarische Steuerbarkeit sichert32. Daneben ist eine sachlich-inhaltliche Legitimation auch über die sanktionierte Verantwortlichkeit der Exekutive im Sinne einer Weisungsgebundenheit gegenüber der Regierung und über diesen Weg auch gegenüber dem Parlament gesichert33. Eine solche Verantwortlichkeit zieht sich von unten nach oben aufsteigend durch den gesamten Verwaltungsaufbau. Abgesichert ist diese durch verschiedenste Kontroll- und Weisungsrechte34. Die beiden Wege, auf denen eine sachlich-inhaltliche Legitimation möglich ist, stehen nicht einfach neben einander, sondern beeinflussen sich gegenseitig und stehen in einem „korrelativen Zusammenhang“ 35. Ist einer dieser beiden Wege demnach aus irgendeinem Grund schwächer oder ganz versperrt, muss aus Gründen der sachlich-inhaltlichen demokratischen Legitimation der andere Weg im Besonderen ausgeprägt sein36. Insofern stehen die beiden Möglichkeiten, eine sachlich-inhaltliche Legitimation zu erreichen, in einem wechselseitigen Verhältnis nebeneinander. 3. Verhältnis der verschiedenen Formen demokratischer Legitimation zueinander Betrachtet man die Formen demokratischer Legitimation abschließend, stellt sich die Frage, in welchem Verhältnis die verschiedenen Ausprägungen zueinan31 Jestaedt, Demokratieprinzip (Fn. 28), S. 272 f.; Gersdorf, Unternehmen (Fn. 17), S. 30; Mehde, Steuerungsmodell (Fn. 19), S. 184; Ehlers, Aushöhlung (Fn. 15), S. 129; Böckenförde (Fn. 8), § 24 Rn. 21; A. Tschentscher, Demokratische Legitimation der dritten Gewalt, 2006, S. 55; v. Münch, Spannungsverhältnis (Fn. 7), S. 73. 32 Vgl. Mehde, Steuerungsmodell (Fn. 19), S. 185. Jestaedt, Demokratieprinzip (Fn. 28), S. 273, spricht in Bezug auf diesen Weg von einem „allgemeinen Abhängigkeitsverhältnis“ vom „originären“ materiell-demokratischen Legitimationssubjekt. 33 Waechter, Legitimation (Fn. 16), S. 35; Ehlers, Aushöhlung (Fn. 15), S. 129; Böckenförde (Fn. 8), § 24 Rn. 21; v. Münch, Spannungsverhältnis (Fn. 7), S. 73. Jestaedt, Demokratieprinzip (Fn. 28), S. 273, spricht hier im Gegensatz zum allgemeinen von einem „besonderen Abhängigkeitsverhältnis“ des einzelnen Funktionsträgers von seinem „jeweiligen personell-demokratischen Kreationsorgan“. Dieser Weg der sachlich-inhaltlichen Legitimation ist also eng mit der organisatorisch-personellen Legitimation verbunden. 34 Vgl. zu den Kontrollmechanismen Mehde, Steuerungsmodell (Fn. 19), S. 187 ff.; v. Münch, Spannungsverhältnis (Fn. 7), S. 75 ff. 35 Jestaedt, Demokratieprinzip (Fn. 28), S. 273; Ehlers, Aushöhlung (Fn. 15), S. 129; Böckenförde (Fn. 8), § 24 Rn. 22. 36 Als Beispiel für den Fall, dass der eine Weg gänzlich versperrt ist, nennt Böckenförde (Fn. 8), § 24 Rn. 22, den Bereich der Rechtsprechung, bei dem aufgrund der besonderen Funktion die Weisungsabhängigkeit wegfällt und daher die Bindung an die Gesetze umso ausgeprägter sein muss.
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§ 5 Kriterien für die Untersuchung privatisierungsrelevanter Bereiche
der stehen. Dabei ist zunächst festzustellen, dass die institutionelle bzw. funktionelle Legitimation in gewisser Weise eine Sonderstellung einnimmt. Bei dieser ergibt sich die demokratische Legitimation der Staatsorgane und ihrer Funktion unmittelbar aus dem Wortlaut der Verfassung in Art. 20 Abs. 2 GG. Teilweise wird daher die institutionelle bzw. funktionelle demokratische Legitimation als eigene Form mit der Begründung, dass das Legitimationssubjekt in diesem Falle nicht das Staatsorgan Volk, sondern der Verfassunggeber sei, abgelehnt37. Dieser Ansatz ist zwar dem Grunde nach nicht völlig verfehlt, dennoch in seiner Grundsätzlichkeit abzulehnen. Zuzugeben ist der Kritik von Kluth, dass als Legitimationssubjekt das Volk als Verfassunggeber und nicht das Volk als Staatsorgan auftritt. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass sich die Legitimität im Ergebnis auf das Volk zurückführen lässt38. Dies lässt die funktionelle bzw. institutionelle Legitimation richtigerweise als Form der demokratischen Legitimation erscheinen. Allerdings hat diese Form der demokratischen Legitimation für sich genommen keine ausreichende Aussagekraft. Neben ihr ist immer auch die Legitimität des jeweiligen Organwalters und seiner Funktion erforderlich39. Darum weist Hermes zu Recht darauf hin, dass sich die institutionelle Legitimation als Differenzierungskriterium nicht eignet40. Somit kommen der organisatorisch-personellen und der sachlich-inhaltlichen demokratischen Legitimation insoweit größere Stellenwerte zu, als diese in der Analyse eine größere Rolle spielen. Das Verhältnis dieser beiden Legitimationsformen zueinander wird unterschiedlich aufgefasst. Vereinzelt wird darauf hingewiesen, dass „jede Sachentscheidung letztlich auf Akten personell-organisatorischer Legitimation beruhe“ 41. Dies liege daran, dass eine Sachentscheidung ihre Legitimation entweder aus einer verbindlichen Vorentscheidung oder aus der personell-organisatorischen Legitimation des entscheidenden Amtswalters beziehe. Dieser Einwand lässt darauf schließen, dass, so diese Ansicht, die sachlich-inhaltliche Legitimation neben der organisatorisch-personellen Legitimation keine eigenständige Rolle spiele, sondern sich vielmehr aus dieser ableiten lasse42. So stellt Oebbecke fest, dass die organisatorisch-personelle Legitimation die Voraussetzung dafür sei, dass sachlich-inhaltlich legitimiert werden könne43.
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Maßgeblich Kluth, Selbstverwaltung (Fn. 15), S. 357. So Böckenförde (Fn. 8), § 24 Rn. 15, der die Kategorie der institutionellen bzw. funktionellen Legitimation anerkennt und feststellt, dass die Staatsgewalten demokratisch vom Volk, wenn auch in seiner Funktion als Verfassunggeber, gebildet worden sind. 39 Böckenförde (Fn. 8), § 24 Rn. 15. 40 Hermes, Bereich (Fn. 15), S. 39. 41 So J. Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume in der Verwaltung, 1986, S. 84. 42 Vgl. dazu auch Jestaedt, Demokratieprinzip (Fn. 28), S. 271. 43 Oebbecke, Räume (Fn. 41), S. 77. 38
B. Die Kriterien im Einzelnen
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Diesem Schluss, dass der sachlich-inhaltlichen Legitimation keine eigenständige Bedeutung zukomme, kann allerdings nicht gefolgt werden44. Wie bereits festgestellt, kann die bloß organisatorisch-personelle Legitimation eines Amtswalters nicht dazu führen, dass auch dessen sachliche Entscheidung unumstößlich legitimiert ist. Dazu bedarf es vielmehr einer zweiten, gesondert zu betrachtenden Legitimationskette. Diese ist allerdings insofern nicht gänzlich unabhängig von der organisatorisch-personellen Legitimation, als diese auch in der Wahl des Parlamentes ihren Ursprung findet. Sie ist somit Ausgangspunkt beider Formen demokratischer Legitimation. Tschentscher beschreibt dieses Zusammenspiel der Legitimationsformen bildlich zutreffend als „Staffel“ 45. Bei dieser knüpft, organisatorisch-personell legitimiert, ein Streckenposten an den nächsten und überreicht dabei, sachlich-inhaltlich legitimiert, einen „Staffelstab“. Damit zeigt er, dass beide Formen der Legitimation zwar selbstständig nebeneinanderstehen, aber dennoch miteinander verknüpft sind. Diesem Modell der Zweigliedrigkeit der demokratischen Legitimation – neben der gesondert zu betrachtenden institutionellen bzw. funktionellen Legitimation – ist im Ergebnis auch zu folgen46. 4. Bedeutung und Grad der verschiedenen Legitimationsformen Nachdem herausgearbeitet wurde, dass sachlich-inhaltliche und organisatorischpersonelle demokratische Legitimation nebeneinanderstehen und es daneben noch die Form der institutionellen bzw. funktionellen Legitimation gibt, stellt sich die Frage, welche Bedeutung die verschiedenen Formen der demokratischen Legitimation haben und welcher Grad der Legitimation jeweils erreicht werden muss. Im Mittelpunkt stehen dabei, mangels Abgrenzungscharakter der institutionellen bzw. funktionellen Legitimation, die sachlich-inhaltliche und die organisatorisch-personelle Legitimation. Dabei ist zunächst festzustellen, dass die unterschiedlichen Formen der Legitimität zwar abgrenzbar nebeneinanderstehen, aber mit allen Formen demokratischer Legitimation im Ergebnis dieselbe Legitima44 So auch mit sehr überzeugender Argumentation Jestaedt, Demokratieprinzip (Fn. 28), S. 271 f. 45 Tschentscher, Legitimation (Fn. 31), S. 55. Dieser weist dabei auf das Bild der „Stromleitung“ hin, welches Schnapp (Fn. 7), Art. 20 Rn. 26, für die Erklärung des gleichen Sachverhaltes nutzt. Demnach „fließt der Legitimationsstrom vom unmittelbar demokratisch ausgewiesenen Parlament über die ,Stromleitung‘ des förmlichen Gesetzes und u. U. gesetzesabgeleiteter Rechtsquellen in die Einzelfallentscheidung ein.“ 46 Dieser Auffassung, dass zwischen organisatorisch-personeller und sachlich-inhaltlicher Legitimation unterschieden wird, wird auch überwiegend gefolgt. Vgl. dazu beispielsweise Jestaedt, Demokratieprinzip (Fn. 28), S. 267 ff.; Ehlers, Aushöhlung (Fn. 15), S. 126 ff.; Böckenförde (Fn. 8), § 24 Rn. 14 ff.; Schnapp (Fn. 7), Art. 20 Rn. 26; v. Münch, Spannungsverhältnis (Fn. 7), S. 69 ff. Unklar bleibt darüber hinaus die Auffassung von Oebbecke, der im weiteren Verlauf seiner Untersuchung dann dennoch von der Unterscheidung von personell-organisatorischer bzw. materiell-inhaltlicher Legitimation ausgeht, vgl. Oebbecke, Räume (Fn. 41), S. 124.
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§ 5 Kriterien für die Untersuchung privatisierungsrelevanter Bereiche
tion vermittelt wird und der Grundsatz der Volksouveränität gesichert werden soll47. Daneben ist anzumerken, dass der Grad der Legitimation nicht in allen Fällen der gleiche ist, sondern je nach Ausgestaltung abweichen kann48. So kann es auf sachlicher Ebene gerade durch das Gesetz als Steuerungsmittel infolge unterschiedlicher inhaltlicher Ausgestaltungsdichte zu Abstufungen der Legitimation kommen. Auf personeller Seite kann es aus Sicht der Legitimation insoweit Abstufungen geben, als dass die Wahl eines Amtswalters immer mit einer erhöhten Legitimationswirkung verbunden ist als eine Einsetzung. Unzweifelhaft ist eine vollumfängliche sachlich-inhaltliche wie organisatorisch-personelle Legitimation zwar das Idealbild der Demokratie49. Eine solch umfassende Legitimation auf beiden Ebenen wird in der Regel allerdings nicht zu erreichen sein. Durch die Tatsache, dass die unterschiedlichen Formen demokratischer Legitimation im Ergebnis aber dem gleichen Ziel, nämlich der Aufrechterhaltung der Volkssouveränität, dienen, kann es jedoch zu einer kumulativen Wirkung verschiedener Legitimationsformen kommen. Fehlt es auf der einen Seite in gewissem Maße an einer der beiden Legitimationskomponenten, kann dies durch eine Verstärkung der anderen Legitimationskomponente aufgefangen werden50. Die sachlich-inhaltliche und die organisatorisch-personelle Legitimation stehen dementsprechend in einem wechselseitigen Verhältnis, welches ein Auffangen demokratischer Legitimationsengpässe ermöglicht51. Auch das Bundesverfassungsgericht verlangt nur ein bestimmtes „Legitimationsniveau“ staatlichen Handelns und legt damit fest, dass das entscheidende Kriterium nur die Effektivität der Legitimation sein kann52. Nicht entscheidend sei hingegen, in welcher Form die demokratische Legitimation stattfinde. Und auch das Legitimationsniveau könne „bei den verschiedenen Erscheinungsformen von Staatsgewalt 47
So auch Jestaedt, Demokratieprinzip (Fn. 28), S. 282. Vgl. R. Herzog, in: T. Maunz/G. Dürig (Hrsg.), GG, Art. 20 II (1980) Rn. 74. 49 So auch Emde, Legitimation (Fn. 9), S. 328, der in diesem Zusammenhang von einer „vollkommensten Verwirklichung“ spricht. 50 Vgl. Jestaedt, Demokratieprinzip (Fn. 28), S. 283. 51 Jestaedt, Demokratieprinzip (Fn. 28), S. 283, spricht in diesem Zusammenhang zutreffend von einem Komplementaritätsverhältnis. Auch E.-W. Böckenförde, Verfassungsfragen der Richterwahl, 1974, S. 79, spricht von einem „korrelativen Zusammenhang“ von sachlich-inhaltlicher und organisatorisch-personeller Legitimation. Den Zusammenhang zwischen den beiden Formen demokratischer Legitimation sieht auch schon J. Isensee, Grundrechte und Demokratie, in: Der Staat 20 (1981), S. 161 (163), der konstatiert, dass bei steigender Länge der Legitimationskette auch die rechtliche Bindung des Trägers der Staatsgewalt steige. Der Mangel an personeller Legitimation werde also durch eine Bindung auf materieller Ebene ausgeglichen. 52 BVerfGE 83, 60 (72). So grundlegend Emde, Legitimation (Fn. 9), S. 328. Auch Jestaedt, Demokratieprinzip (Fn. 28), S. 285; Böckenförde (Fn. 8), § 24 Rn. 23; v. Münch, Spannungsverhältnis (Fn. 7), S. 81. Zu den verschiedenen Abstufungen des Legitimationsniveaus BVerfGE 93, 37 (70 ff.), und daran anschließend U. Battis/J. Kersten, Demokratieprinzip und Mitbestimmung im öffentlichen Dienst, in: DÖV 1996, S. 584 (587). 48
B. Die Kriterien im Einzelnen
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im Allgemeinen und der vollziehenden Gewalt im Besonderen unterschiedlich ausgestaltet sein“ 53. Die Festlegung einer einheitlichen Legitimationsgrenze würde demnach Unterschieden und Besonderheiten verschiedener Ausformungen der Staatsgewalt widersprechen. Das Verhältnis von sachlich-inhaltlicher und organisatorisch-personeller Legitimation in Bezug auf die demokratische Legitimation als Ganzes kann also nicht immer ausgewogen sein. Dies führt dazu, dass der Ausgestaltung der demokratischen Legitimation im Einzelfall eine gewisse Flexibilität erhalten bleibt54. Allerdings ist die vollständige Substitution einer Legitimationsform durch die andere ausgeschlossen55. Eine vollumfängliche Ersetzung würde dem Demokratieprinzip widersprechen, da in diesem Falle entweder der Organwalter oder die Ausübung von Staatsgewalt nicht legitimiert wären. 5. Bedeutung im Rahmen der Übertragung staatlicher Aufgaben auf Private Die Frage demokratischer Legitimation der Ausübung von Staatsgewalt bzw. der Wahrnehmung von Staatsaufgaben ist in der Regel nur dann von Bedeutung, wenn der Staat die Aufgaben selbst wahrnimmt. Das gründet in der Tatsache, dass die Demokratie ein Staatsprinzip darstellt und eben kein allgemeines Strukturprinzip, welches auch für die Gesellschaft von Bedeutung wäre56. Diese ist grundsätzlich getrennt vom Staat und eine, teilweise geforderte, „Demokratisierung der Gesellschaft“ ist unter Geltung des Grundgesetzes nicht denkbar57. Art. 20 Abs. 1 GG und Art. 28 Abs. 1 GG bilden zwar das Bekenntnis des Grundgesetzes zur Demokratie ab58. Diese Regelungen sind allerdings nur auf den Staat bzw. die kommunalen Gebietskörperschaften (Art. 28 Abs. 1 GG) bezogen. Der gesellschaftliche Bereich ist dementsprechend grundsätzlich frei von Forderungen des Demokratieprinzips, insbesondere von der Frage, ob die Wahrnehmung einer Aufgabe legitimiert ist. Diese Feststellung ist selbstverständlich, da die Staatsgewalt beim Volk liegt und eine Legitimierung nur dort erforderlich ist, wo eine Ableitung dieser Staatsgewalt erfolgt. Dies ist im gesellschaftlichen Bereich grundsätzlich nicht der Fall. Im Bereich der Indienstnahme von Privaten erreicht die Frage nach der demokratischen Legitimation der Aufgabenwahrneh53
BVerfGE 83, 60 (72). E. Schmidt-Aßmann, Verwaltungsorganisationsrecht als Steuerungsressource – Einleitende Problemskizze, in: ders./W. Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungsorganisationsrecht als Steuerungsressource, 1997, S. 58. 55 Schmidt-Aßmann, Verwaltungsorganisationsrecht (Fn. 54), S. 58; E.-W. Böckenförde, Demokratie als Verfassungsprinzip, in: Redaktion Kritische Justiz (Hrsg.), Demokratie und Grundgesetz, 2000, S. 15 f.; v. Münch, Spannungsverhältnis (Fn. 7), S. 81. 56 M. Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, 1999, S. 337 m.w. N. 57 Stern, Staatsrecht I (Fn. 30), S. 631 ff.; Burgi, Privatisierung (Fn. 56), S. 337. Einen Überblick über das Schrifttum, das die „Demokratisierung“ als Konzept für Staat und Gesellschaft auffasst, bei Stern, ebd., S. 629 in Fn. 262. 58 So BVerfGE 11, 310 (321). 54
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§ 5 Kriterien für die Untersuchung privatisierungsrelevanter Bereiche
mung allerdings die Schnittstelle von Staat und Gesellschaft59. Trotz der Übertragung staatlicher Aufgaben auf private Akteure darf die demokratische Legitimation dabei nicht gänzlich unberücksichtigt bleiben. Bei allen Formen der Kooperation von Staat und Privat und auch im Rahmen von Privatisierungen ist immer auch die demokratische Legitimation der Aufgabenwahrnehmung zu überprüfen60. Dabei ist insbesondere festzustellen, inwieweit im Rahmen von Kooperationen zwischen dem Staat und Privaten und bei Privatisierungsvorhaben staatliches Handeln vorliegt. Ist dies der Fall, ist eine demokratische Legitimation des Handelns unumgänglich61. Doch auch darüber hinaus ist zu bestimmen, wie viel Verantwortung nach der Einbeziehung des Privaten beim Staat verbleibt und ob durch das Gebot demokratischer Legitimation die Anforderungen an die Aufgabenübertragung beeinflusst werden62. Die Tatsache, dass ein Privater an der Aufgabenwahrnehmung mitwirkt, führt also nicht unmittelbar dazu, dass eine demokratische Legitimierung der Aufgabenwahrnehmung hinfällig wird. Anderes muss dann gelten, wenn die Wahrnehmung der Aufgabe vollumfänglich dem gesellschaftlichen Bereich überlassen wird, also eine materielle Privatisierung stattfindet. Dann muss weiterhin der Grundsatz Geltung finden, dass eine „Demokratisierung der Gesellschaft“ im Grundgesetz keinen Raum findet und eine demokratische Legitimierung der Aufgabenwahrnehmung nicht erforderlich ist. 6. Auswirkungen für die nachfolgende Untersuchung Im Rahmen der Untersuchung der verschiedenen Bereiche staatlicher Aufgabenübertragung wird also ein Augenmerk auf den Grad der demokratischen Legitimation der Aufgabenwahrnehmung durch einen Privaten zu legen sein. Dabei wird vor allem von Bedeutung sein, um welche Art der Kooperation oder Aufgabenübertragung es sich im konkreten Fall handelt63. Wie festgestellt wurde, ist eine demokratische Legitimation der Aufgabenwahrnehmung grundsätzlich nur im staatlichen Bereich erforderlich. Es gilt also herauszuarbeiten, inwieweit der Staat im Rahmen einer Kooperation mit privaten Akteuren weiterhin in der Verantwortung für die Aufgabenwahrnehmung bleibt und welche Anforderungen sich daraus für die Übertragung der Aufgabe ergeben. 59 Grzeszick (Fn. 5), Art. 20 II Rn. 220, mit weiteren Nachweisen. Vgl. zu diesem Problem auch S. Storr, Verfassungsrechtliche Direktiven des demokratischen Prinzips für die Nutzung privatrechtlicher Organisations- und Kooperationsformen durch die öffentliche Verwaltung, in: H. Bauer/P. M. Huber/K.-P. Sommermann (Hrsg.), Demokratie in Europa, 2005, S. 411 ff., der sich umfassend mit den Auswirkungen des Demokratieprinzips auf privatrechtliches Handeln der Verwaltung auseinandersetzt. 60 Ausführlich zur Frage der demokratischen Legitimation und den verschiedenen Formen der Beteiligung privater Akteure Grzeszick (Fn. 5), Art. 20 II Rn. 220 ff. 61 Grzeszick (Fn. 5), Art. 20 II Rn. 221. 62 Burgi, Privatisierung (Fn. 56), S. 338. 63 In diesem Sinne auch Grzeszick (Fn. 5), Art. 20 II Rn. 222.
B. Die Kriterien im Einzelnen
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II. (Verbleibende) Staatliche Verantwortung im Rahmen privater Aufgabenwahrnehmung Betrachtet man die Übertragung von staatlichen Aufgaben auf Akteure der Zivilgesellschaft und deren Voraussetzungen, stellt sich unweigerlich die Frage, welche Rolle der Staat nach der Aufgabenübertragung einnimmt; dies ist umso mehr der Fall, wenn es um Aufgaben geht, deren Erfüllung im gemeinwohlorientierten Interesse der Allgemeinheit steht64. Dabei stehen die Verantwortung des Staates für die Wahrnehmung bestimmter Aufgaben im Mittelpunkt sowie die Frage, ob sich der Staat mittels einer Übertragung einer Aufgabe dieser Verantwortung vollumfänglich entziehen kann oder ob diesem nur eine veränderte Form der Verantwortung zuteil wird. Die Frage der staatlichen Verantwortung für die Aufgabenwahrnehmung, unabhängig von der Übertragung einer Aufgabe, stellt sich insbesondere, wenn man berücksichtigt, dass ein Privater, der eine staatliche Aufgabe übernimmt, teilweise auch wirtschaftlichen Interessen folgt65. Dementsprechend trifft den Staat gerade in Fällen staatlicher Aufgabenübertragung die Pflicht, sicherzustellen, dass eine gemeinwohlorientierte Wahrnehmung der ehemals staatlichen Aufgaben stattfindet. Um zu untersuchen, welche Aufgabe dem Staat nach einer Privatisierungsentscheidung dabei genau zukommt und welche Verantwortung ihn dementsprechend trifft, ist zunächst kurz festzustellen, was unter dem rechtlichen Begriff der Verantwortung zu verstehen ist und welche Verantwortung dem Staat vor einer Privatisierung zukommt66. Erst im Anschluss daran können Verantwortungskategorien herausgearbeitet werden, in welche das Wirken des Staates nach Abschluss einer Aufgabenübertragung eingeordnet werden kann. 1. Der Begriff der Verantwortung in der Rechtswissenschaft Der Begriff der Verantwortung spielt eine zentrale Rolle bei der Untersuchung von Kooperationen zwischen Staat und Gesellschaft. Dies gründet in der Tatsache, dass der Staat bei der Hinzunahme eines privaten Akteurs zur Erfüllung 64 So auch J. Brehme, Privatisierung und Regulierung der öffentlichen Wasserversorgung, 2010, S. 42. 65 Brehme, Privatisierung (Fn. 64), S. 42. 66 Vgl. zum Begriff der Verantwortung vor allem J. H. Klement, Verantwortung. Funktion und Legitimation eines Begriffs im Öffentlichen Recht, 2006. Zur Verantwortung als umfassendes Staatsprinzip P. Saladin, Verantwortung als Staatsprinzip, 1984. Siehe zu diesem Themenkomplex auch die Beiträge von U. Scheuner, Verantwortung und Kontrolle in der demokratischen Verfassungsordnung, in: T. Ritterspach/W. Geiger (Hrsg.), Festschrift für Gebhard Müller, 1970, S. 378 ff.; R. Pitschas, Verwaltungsverantwortung und Verwaltungsverfahren, 1990, S. 228 ff.; J. Schubert, Das „Prinzip Verantwortung“ als verfassungsrechtliches Rechtsprinzip, 1998; H. Dreier, Verantwortung im demokratischen Verfassungsstaat, in: U. Neumann/L. Schulz (Hrsg.), Verantwortung in Recht und Moral, 2000, S. 9 ff.; D. Ehlers, Verantwortung im öffentlichen Recht, in: DV 46 (2013), S. 467 ff.
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einer öffentlichen Aufgabe zumindest einen Teil seiner Verantwortung für diese Aufgabe abgibt. Es kommt im Rahmen der Kooperation von Staat und Gesellschaft dementsprechend zu einer Teilung der Verantwortung, wobei der Begriff der „Verantwortungsteilung“ als Schlüsselbegriff für die Neuordnung der Verhältnisse zwischen Staat und Gesellschaft angesehen werden kann67. Um diese Teilung und deren Ausgestaltung näher zu untersuchen, ist es allerdings unumgänglich, sich zunächst mit dem Begriff der Verantwortung auseinanderzusetzen68. Der Begriff der Verantwortung hat zwar in der Rechtswissenschaft und auch in der Gesetzessprache seinen Platz gefunden, ist aber dennoch nicht hinreichend bestimmt69. Dies folgt vor allem aus dem inflationären Gebrauch des Begriffs in verschiedensten Zusammenhängen70. Insbesondere lässt die Verwendung in der Gesetzessprache insofern keine konkreten Schlüsse auf die Bedeutung des Begriffs zu, als dass ihm in seiner Verwendung keine einheitliche, sondern eine kontextabhängige Bedeutung zukommt71. Trotz dieser fehlenden Einheitlichkeit der Begriffsverwendung wird dem Begriff ein großes Maß an analytischem Potential und die Fähigkeit, zur Lösung von Problemen beizutragen, zugesprochen72. 67 Umfassend dazu G. F. Schuppert (Hrsg.), Jenseits von Privatisierung und „schlankem“ Staat. Verantwortungsteilung als Schlüsselbegriff eines sich verändern Verhältnisses von öffentlichem und privatem Sektor, 1999; insb. H.-H. Trute, Verantwortungsteilung als Schlüsselbegriff eines sich ändernden Verhältnisses von öffentlichem und privatem Sektor, ebd., S. 13 ff. So auch G. F. Schuppert, Jenseits von Privatisierung und „schlankem“ Staat: Vorüberlegungen zu einem Konzept der Staatsentlastung durch Verantwortungsteilung, in: C. Gusy (Hrsg.), Privatisierung von Staatsaufgaben: Kriterien – Grenzen – Folgen, 1998, S. 72 (102 ff.); W. Hoffmann-Riem, Verantwortungsteilung als Schlüsselbegriff moderner Staatlichkeit, in: P. Kirchhof u. a. (Hrsg.), Staaten und Steuern. Festschrift für Klaus Vogel zum 70. Geburtstag, 2000, S. 47 ff.; W. Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, 2002, S. 297 ff.; A. Voßkuhle, Beteiligung Privater an öffentlichen Aufgaben und staatliche Verantwortung, in: VVDStRL 62 (2003), S. 266 (285). Kritisch sieht den Begriff der Verantwortungsteilung beispielsweise R. Pitschas, Polizeirecht im kooperativen Staat – Innere Sicherheit zwischen Gefahrenabwehr und kriminalpräventiver Risikovorsorge, in: DÖV 2002, S. 221 (226), 68 So auch A. Voßkuhle, Gesetzgeberische Regelungsstrategien der Verantwortungsteilung zwischen öffentlichem und privatem Sektor, in: Schuppert, Jenseits (Fn. 67), S. 47 (52), der feststellt, dass zunächst Klarheit darüber bestehen muss, was geteilt wird, bevor man untersuchen kann, wie dieTeilung im Einzelfall ausgestaltet ist. 69 Voßkuhle, Regelungsstrategien (Fn. 68), S. 52 f., mit zahlreichen Nachweisen auf die Verwendung des Begriffs in der Gesetzessprache und der Literatur in Fn. 28 und 29. 70 Dreier, Verantwortung (Fn. 66), S. 11. 71 Voßkuhle, Beteiligung (Fn. 67), S. 270 Fn. 9; E. Pache, Verantwortung und Effizienz in der Mehrebenenverwaltung, in: VVDStRL 66 (2007), S. 106 (113 f.); Brehme, Privatisierung (Fn. 64), S. 42. So weist auch D. Merten, Bürgerverantwortung im demokratischen Verfassungsstaat, in: VVDStRL 55 (1996), S. 7 (15), darauf hin, dass „der Begriff ,Verantwortung‘ keineswegs prägnant ist, so dass sich sein konkreter Inhalt in der Regel erst aus dem Zusammenhang erschließt.“ 72 Vgl. dazu Pache, Verantwortung (Fn. 71), S. 113. G. F. Schuppert, Verwaltungswissenschaft. Verwaltung, Verwaltungsrecht, Verwaltungslehre, 2000, S. 400, sieht den
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Dieses analytische Potential soll auch in der folgenden Untersuchung fruchtbar gemacht werden. Es ist daher erforderlich, den Begriff der Verantwortung trotz seiner in der Bedeutung uneinheitlichen Verwendung näher zu bestimmen, um ihn für die folgende Untersuchung nutzbar zu machen. Dieses Problem der fehlenden Schärfe und uneinheitlichen Verwendung des Verantwortungsbegriffs erkennt auch Voßkuhle und arbeitet sechs Elemente heraus, welche für die Struktur der Verantwortung kennzeichnend sein sollen73. Zunächst sei immer erforderlich, dass die Verantwortung einem Handlungssubjekt zugewiesen sei, wobei dabei nicht von Bedeutung sei, ob es sich um eine natürliche oder juristische Person handele74. Ohne diese Zuweisung zu einem Handlungssubjekt und der damit einhergehenden Differenzierung von denjenigen, die eben nicht verantwortlich sind, sei eine Auseinandersetzung mit der Verantwortung laut Voßkuhle unergiebig75. Daneben beziehe sich Verantwortung immer auch auf ein bestimmtes Objekt, ein Verhalten des Verantwortungssubjektes, welches in einem Tun oder Unterlassen liegen könne, das auf eine bestimmte Folge oder eine bestimmte Aufgabe gerichtet sei76. Zwischen dem Handlungssubjekt und dem Verantwortungsobjekt müsse dabei außerdem ein Zurechnungszusammenhang bestehen77. Dieser lasse sich allerdings nicht aus dem Verantwortungsbegriff selbst herleiten, sondern die Verantwortung werde dem Handlungssubjekt
Begriff der Verwaltungsverantwortung, vor allem in der Form eines Konzepts verschiedener Verantwortungsstufen, als den „Schlüsselbegriff für die analytische Durchdringung einer im Kooperationsspektrum staatlicher und privater Aufgabenerfüllung handelnden Verwaltung“. Kritik wird allerdings an der willkürlichen Verwendung und der fehlenden Trennschärfe geübt. Vgl. zu dieser Kritik Dreier, Verantwortung (Fn. 66), S. 11. 73 Ausführlich Voßkuhle, Regelungsstrategien (Fn. 68), S. 54 ff.; ders., Beteiligung (Fn. 67), S. 270 Fn. 9. Zustimmend unter Bezugnahme auf Voßkuhle, aber zusammengefasst Brehme, Privatisierung (Fn. 64), S. 42 f. Vgl. zu den Strukturen des Verantwortungsbegriffes auch M. Sachs, Bürgerverantwortung im demokratischen Verfassungsstaat, in: DVBl. 1995, S. 873 (876 ff.). W. Weiß, Beteiligung Privater an der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben und staatliche Verantwortung, in: DVBl. 2002, S. 1167 (1170), spricht hingegen von zwei zentralen Elementen der Verantwortung, verweist allerdings ebenso auf die Ausführungen von Voßkuhle zu den sechs Elementen der Verantwortung. 74 Merten, Bürgerverantwortung (Fn. 71), S. 13; Voßkuhle, Regelungsstrategien (Fn. 68), S. 54. 75 Dabei verweist Voßkuhle sehr passend auf F. A. v. Hayek, Die Verfassung der Freiheit, 1971, S. 102, der den Abgrenzungscharakter von Verantwortung mit einem Vergleich zum Eigentum beschreibt: „So wie jedermanns Eigentum niemandes Eigentum ist, so ist auch jedermanns Verantwortung niemandes Verantwortung.“ Dementsprechend ist es unerlässlich herauszuarbeiten, wessen Verantwortung vorliegt, wer Handlungssubjekt ist. 76 Sachs, Bürgerverantwortung (Fn. 73), S. 876; Voßkuhle, Regelungsstrategien (Fn. 68), S. 54. 77 Diesen Zurechnungszusammenhang sieht Weiß, Beteiligung (Fn. 73), S. 1170, sogar als eins von nur zwei wesentlichen Elementen der Verantwortung an. Daneben verlangt der eine pflichtbegründende Wirkung ebendieser.
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von anderer Stelle zugeschrieben78. Diese Rolle nehme im Rahmen des Rechts der Gesetzgeber ein, der im Rahmen von Wertentscheidungen festlege, wen die Verantwortung in bestimmten Bereichen treffe79. Erst auf Grundlage einer vom Gesetzgeber geschaffenen „normativen Basis“ sei es möglich, aus dem Begriff der Verantwortung rechtliche Konsequenzen zu ziehen und diesen damit für die Rechtswissenschaft brauchbar zu machen80. Daneben ist laut Voßkuhle Voraussetzung für die Zurechenbarkeit, dass ein weisungsunabhängiger Entscheidungsspielraum bestehe81. Ohne einen solchen Spielraum könne keine eigene Verantwortung übernommen werden und es bedürfe insoweit immer einer Konkretisierungsleistung des Handelnden82. Außerdem bedürfe es für Verantwortung immer eines gewissen Maßstabes, in Form eines Systems aus Normen und Werten, an dem sich der Verantwortliche orientieren könne83. Dabei ist in staatsrechtlicher Hinsicht auf normative Maßstäbe, auf rechtliche Regelungen zurückzugreifen84. Darüber hinaus ist abschließend notwendig, dass der Verantwortliche vor einer anderen Instanz für seine Verantwortung einzustehen habe, wobei nicht unbedingt erforderlich sei, dass damit eine rechtliche Sanktion verknüpft ist85.
78 Voßkuhle, Regelungsstrategien (Fn. 68), S. 54. Zur Verantwortung als Zurechnungsbegriff vgl. auch die Ausführungen von H. C. Röhl, Verwaltungsverantwortung als dogmatischer Begriff?, in: W. Berg u. a. (Hrsg.), Die Wissenschaft vom Verwaltungsrecht, 1999, S. 33 (37 ff.). 79 Voßkuhle, Regelungsstrategien (Fn. 68), S. 54. Darüber hinaus setzt dies laut R. Pitschas, Verwaltungsverantwortung und Verwaltungsverfahren, 1990, S. 250 „bestimmte Instanzen voraus, die den Vorhalt unverantwortlichen Verhaltens verbindlich zu klären haben.“ 80 So zutreffend auch R. Schmidt, Die Reform von Verwaltung und Verwaltungsrecht, in: VerwArch. 91 (2000), S. 149 (157), im Anschluss an H. H. Trute, Verzahnung von öffentlichem und privatem Recht – anhand ausgewählter Beispiele, in: W. HoffmannRiem/E. Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Öffentliches Recht und Privatrecht als wechselseitige Auffangordnungen, 1996, S. 167 (198). Auch Röhl, Verwaltungsverantwortung (Fn. 78), S. 35 arbeitet heraus, dass die Verwendung des Verantwortungsbegriffs im juristischen Kontext eine normative ist. In diese Richtung auch W. Krawietz, Theorie der Verantwortung – Neu oder Alt?, in: K. Bayertz (Hrsg.), Verantwortung. Prinzip oder Problem?, 1995, S. 184 (191), der sich kritisch mit den Überlegungen von Hans Jonas zur Verantwortung auseinandersetzt. 81 Voßkuhle, Regelungsstrategien (Fn. 68), S. 55. So auch BVerfGE 9, 268 (281 f.) im Anschluss an BayVerfGHE 4, 30 (47). Dem folgt Merten, Bürgerverantwortung (Fn. 71), S. 14. 82 Zur Konkretisierung ausführlich Pitschas, Verwaltungsverantwortung (Fn. 79), S. 257 ff., der dabei den untrennbaren Zusammenhang von Kompetenz und Verantwortung herausarbeitet. 83 Voßkuhle, Regelungsstrategien (Fn. 68), S. 55. So auch Sachs, Bürgerverantwortung (Fn. 73), S. 877. 84 Auch Sachs, Bürgerverantwortung (Fn. 73), S. 877. 85 Voßkuhle, Regelungsstrategien (Fn. 68), S. 55.
B. Die Kriterien im Einzelnen
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Diese sechs Elemente müssen laut Voßkuhle kumulativ vorliegen, da erst „im Zusammenspiel aller sechs skizierten Elemente Verantwortung entsteht“ 86. Dies habe allerdings nicht zur Folge, dass nicht innerhalb eines großen Verantwortungsobjekts Teile abgespalten und verschiedenen Verantwortungssubjekten zugeschrieben werden können. Verantwortung ist dementsprechend nicht unteilbar, sondern kann auch mehreren Personen gemeinschaftlich zugeteilt sein87. Brehme fasst die Ausführungen von Voßkuhle prägnant zusammen und beschreibt Verantwortung als „das Einstehenmüssen einer Person für etwas vor einer anderen Instanz“ 88. Dies sei aber für den Verantwortlichen nur dann zumutbar, wenn für diesen ein Handlungsspielraum und ein Handlungsmaßstab und darüber hinaus eine Zurechenbarkeit zwischen Verantwortungssubjekt und Verantwortungsobjekt bestehe89. Dieser Definitionsansatz umreißt den Begriff der Verantwortung so genau, dass dadurch die Möglichkeit entsteht, den Begriff für eine rechtswissenschaftliche Untersuchung verwendbar zu machen. Dabei ist allerdings darauf zu achten, dass in einem solchen Rahmen nur die rechtliche Verantwortung eine Rolle spielen kann90. Im Bereich der Übertragung von staatlichen Aufgaben auf Private, also der Schnittstelle von Staat und Gesellschaft, ist in der Regel von Verwaltungsverantwortung als Form der Verantwortung die Rede91. Diese trifft im Grundsatz den Staat, kann aber im Rahmen der Aufgabenübertragung auf den Privaten übertragen werden92.
86 Voßkuhle, Regelungsstrategien (Fn. 68), S. 55. Anderer Ansicht ist D. Wilke, Über Verwaltungsverantwortung, in: DÖV 1975, S. 509 (512), der ein zum Beispiel eine Verknüpfung von Verantwortung und möglicher Sanktion für nicht erforderlich hält. 87 Saladin, Verantwortung (Fn. 66), S. 36, der daraus ableitet, dass eben nicht nur ein einzelner Mensch, sondern auch Personengemeinschaften, z. B. juristische Personen, Verantwortung tragen können. Vgl. zur geteilten Verantwortung und zur Verantwortlichkeit von arbeitsteiligen Organisationen und Verbänden auch F.-X. Kaufmann, Risiko, Verantwortung und gesellschaftliche Komplexität, in: Bayertz, Verantwortung (Fn. 80), S. 72 (92). 88 Brehme, Privatisierung (Fn. 64), S. 42. 89 Brehme, Privatisierung (Fn. 64), S. 42 f. 90 So auch Brehme, Privatisierung (Fn. 64), S. 43. Zur Abgrenzung von rechtlicher und politischer Verantwortung siehe Pitschas, Verwaltungsverantwortung (Fn. 79), S. 250 ff. 91 Vgl. zur Verwaltungsverantwortung v. a. R. Scholz, Verwaltungsverantwortung und Verwaltungsgerichtsbarkeit, in: VVDStRL 34 (1976), S. 145 (149), der diese als „diejenigen Verantwortlichkeiten und Verfahren, Zuständigkeiten und spezifischen Handlungsspielräume“ versteht, die „das System ,öffentliche Verwaltung‘ rechtlich und politisch verfassen.“ Vgl. im Anschluss daran auch Pitschas, Verwaltungsverantwortung (Fn. 79), S. 10. Zum Begriff der Verwaltungsverantwortung auch Schuppert, Verwaltungswissenschaft (Fn. 72), S. 400 ff. 92 Zum Verhältnis von staatlicher Verantwortung und privater Verantwortung vgl. Weiß, Beteiligung (Fn. 73), S. 1170.
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§ 5 Kriterien für die Untersuchung privatisierungsrelevanter Bereiche
2. Stufen staatlicher Verantwortlichkeit Nachdem einführend der Begriff der Verantwortung näher untersucht und für die weitere Verwendung in der vorliegenden Untersuchung inhaltlich umrissen wurde, soll daran anschließend dargestellt werden, in welcher Form den Staat Verantwortung für die Wahrnehmung im öffentlichen Interesse stehender Aufgaben treffen kann. Bei der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben kann das Zusammenspiel von Staat und Gesellschaft allerdings auf verschiedenste Weisen ausgestaltet sein. Dies macht es oftmals kompliziert, die staatliche Verantwortung herauszuarbeiten. Schmidt-Aßmann hat daher zutreffend festgestellt, dass aufgrund „gleitender Übergänge in der Verwaltungsrealität“ und einer „Entwicklungsoffenheit der einschlägigen verfassungsrechtlichen Vorgaben“ eine Ausarbeitung von Stufenmodellen zur Feststellung der staatlichen Verantwortung angezeigt sei93. Von dieser These ausgehend hat Schmidt-Aßmann ein Modell von sechs Stufen staatlicher Verantwortung entwickelt94. Die beiden Pole bildeten dabei die „Erfüllungsverantwortung“, als umfassendste Form der Verantwortung, auf der einen Seite und die „Rahmenverantwortung“ auf der anderen Seite. Dazwischen lägen die Stufen der „Beratungsverantwortung“, der „Überwachungsverantwortung“, der „Organisationsverantwortung“ und der „Einstandsverantwortung“. Er sieht die Aufgabe dieser Verantwortungsstufen allerdings mehr als eine heuristische, die dazu führe, die richtigen Instrumente für die Wahrnehmung der betreffenden Verantwortung zu bestimmen95. Das Grundkonzept einer abgestuften Verantwortungsverwaltung hat in der rechtswissenschaftlichen Literatur Anklang gefunden und sich etabliert96. Bei der genauen Ausgestaltung eines mehrstufigen Konzepts wurde allerdings teilweise 93 Grundlegend zu einem Stufensystem im Rahmen der Verwaltungsverantwortung E. Schmidt-Aßmann, Zur Reform des Allgemeinen Verwaltungsrechts – Reformbedarf und Reformansätze, in: W. Hoffmann-Riem/ders./G. F. Schuppert (Hrsg.), Reform des Allgemeinen Verwaltungsrechts. Grundfragen, 1993, S. 11 (43 f.). 94 Schmidt-Aßmann, Reform (Fn. 93), S. 43 f. 95 Schmidt-Aßmann, Reform (Fn. 93), S. 44. 96 Zu den Verantwortungsstufen u. a. F. Schoch, Privatisierung von Verwaltungsaufgaben, in: DVBl. 1994, S. 962 (974 f.); G. F. Schuppert, Die Erfüllung öffentlicher Aufgaben durch die öffentliche Hand, private Anbieter und Organisationen des Dritten Sektors, in: J. Ipsen (Hrsg.), Privatisierung öffentlicher Aufgaben, 1994, S. 17 (26 ff.); ders., Die Privatisierungsdiskussion in der deutschen Staatsrechtslehre, in: StWStP 5 (1994), S. 541 (560); H. Bauer, Privatisierung von Verwaltungsaufgaben, in: VVDStRL 54 (1995), S. 243 (277 ff.); Trute, Verzahnung (Fn. 80), S. 198 f.; A. Benz/K. König, Privatisierung und staatliche Regulierung – eine Zwischenbilanz, in: dies. (Hrsg.), Privatisierung und staatliche Regulierung, 1997, S. 606 (645); W. Hoffmann-Riem, Tendenzen in der Verwaltungsrechtsentwicklung, in: DÖV 1997, S. 433 (440 ff.); G. F. Schuppert, Vom produzierenden zum gewährleistenden Staat: Privatisierung als Veränderung staatlicher Handlungsformen, in: König/Benz, a. a. O., S. 539 (551); ders., Vorüberlegungen (Fn. 67), S. 102 ff.; ders., Verwaltungswissenschaft (Fn. 72), S. 400 ff.; Weiß, Beteiligung (Fn. 73), S. 1173 ff.; E. Schmidt-Aßmann, Das Allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, 2. Aufl. 2004, S. 170 ff.
B. Die Kriterien im Einzelnen
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unterschiedlich stark differenziert. So hatte Schuppert beispielsweise das sechsstufige System zunächst noch um die Stufen der „Förderungs-, insb. Finanzierungsverantwortung“ und der „sozialen Abfederungsverantwortung“ erweitert97. Wohingegen Trute zwar die beiden Pole der „Erfüllungsverantwortung“ und „Rahmenverantwortung“ übernommen hat, zwischen diesen beiden allerdings grundlegend anders gliedert98. Dieser Ansatz, die staatliche Verantwortung im Bereich der Aufgabenwahrnehmung möglichst feingliedrig abzustufen, orientiert sich an der Intensität des staatlichen Tätigwerdens und hat den Vorteil der Vielschichtigkeit99. Dies ermöglicht es, in einem weiten Feld sehr genau zu differenzieren. Ein anderer Ansatz ist es, nicht nach der Intensität staatlicher Aufgabenwahrnehmung zu differenzieren, sondern nach ihrer Struktur100. Dabei wird im Vergleich zu dem anderen Ansatz nur zwischen der „Erfüllungsverantwortung“, der „Gewährleistungsverantwortung“ und der „Auffangverantwortung“ unterschieden. Dieses vergleichsweise grobe Raster bietet den Vorteil, dass es die Strukturunterschiede der Aufgabenwahrnehmung durch den Staat offenbart und gleichzeitig innerhalb dieses Rasters genügend Spielraum verbleibt, um die Intensität der staatlichen Verantwortung zu berücksichtigen101. Dieser Ansatz einer groben Rasterung auf Grund der strukturellen Unterschiede hat sich in der Literatur durchgesetzt102. 97 Schuppert, Erfüllung (Fn. 96), S. 26 ff.; ders., Privatisierungsdiskussion (Fn. 96), S. 560; ders., Rückzug des Staates? – Zur Rolle des Staates zwischen Legitimationskrise und politischer Neubestimmung, in: DÖV 1995, S. 761 (768). Vgl. dazu auch Brehme, Privatisierung (Fn. 64), S. 46 f. 98 So unterscheidet Trute, Verzahnung (Fn. 80), S. 199 ff., zwischen der „staatlichen Verantwortung für das Kooperationsergebnis“, der „staatlichen Gewährleistungsverantwortung bei privater Leistungserbringung“, der „staatlichen Regulierungs- und Koordinationsverantwortung im Wirtschafts- und Infrastrukturbereich“ und der „Staatlichen Rahmenverantwortung für einen autonomen Interessenausgleich“. 99 Schuppert, Verwaltungswissenschaft (Fn. 72), S. 403. 100 Grundlegend für diese Form der Unterteilung W. Hoffmann-Riem, Organisationsrecht als Steuerungsressource, in: Schmidt-Aßmann/ders., Verwaltungsorganisationsrecht (Fn. 54), S. 355 (364 ff.); ders., Tendenzen (Fn. 96), S. 440 ff. 101 So zutreffend Brehme, Privatisierung (Fn. 64), S. 48. 102 M. Heintzen, Beteiligung Privater an öffentlichen Aufgaben und staatliche Verantwortung, in: VVDStRL 62 (2003), S. 220 (258); Klement, Verantwortung (Fn. 66), S. 60; F. Schoch, Gewährleistungsverwaltung: Stärkung der Privatrechtsgesellschaft?, in: NVwZ 2008, S. 241 (244); Brehme, Privatisierung (Fn. 64), S. 48; H. Schulze-Fielitz, Grundmodi der Aufgabenwahrnehmung, in: GVwR2 I, § 12 Rn. 148 ff. Auch G. F. Schuppert, Die öffentliche Verwaltung im Kooperationsspektrum staatlicher und privater Aufgabenerfüllung: Zum Denken in Verantwortungsstufen, in: DV 31 (1998), S. 415 (422 ff.); ders., Verwaltungswissenschaft (Fn. 72), S. 404 ff.; ders., Der moderne Staat als Gewährleistungsstaat, in: E. Schröter (Hrsg.), Empirische Policy- und Verwaltungsforschung, 2001, S. 399 (401), und Schmidt-Aßmann, Verwaltungsrecht (Fn. 96), S. 170 ff., haben diese grobe Rasterung mittlerweile anerkannt, wobei Schmidt-Aßmann anders als die übrigen Auseinandersetzungen zu diesem Thema die „Erfüllungsverantwortung“ und die „Auffangverantwortung“ als gegenseitige Pole beschreibt. Einen gänzlich anderen Ansatz wählt G. Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, 1998,
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§ 5 Kriterien für die Untersuchung privatisierungsrelevanter Bereiche
Auch für die vorliegende Untersuchung bietet sich dieses Raster, das sich an der Struktur der staatlichen Aufgabenwahrnehmung orientiert, an. Die verschiedenen in der Arbeit dargestellten Bereiche staatlicher Aufgabenübertragung wurden bereits auf die Struktur der Übertragung und Wahrnehmung hin untersucht, sodass eine Einordnung der staatlichen Verantwortung anhand struktureller Gesichtspunkte vorzugswürdig ist. In der Folge sollen daher die Stufen der „Erfüllungsverantwortung“, der „Gewährleistungsverantwortung“ und der „Auffangverantwortung“ dargestellt werden. a) Die „Erfüllungsverantwortung“ Unter der Erfüllungsverantwortung103 versteht man die Fälle, in denen der Staat umfassend selbst die Verantwortung für die Wahrnehmung der Aufgabe trägt und diese vollumfänglich, also von der Vorbereitung bis zur eigentlichen Durchführung, selbst und nicht mit Hilfe von Dritten ausführt104. Der Staat wird also selbstständig tätig, wobei es dabei nicht darauf ankommt, ob der Staat in öffentlich-rechtlicher Organisationsform tätig wird oder ob er privatrechtlich organisiert handelt, solange der Staat in dem privatrechtlich organisierten Unternehmen eine beherrschende Stellung innehat105. Dementsprechend sind auch Fälle der formellen Privatisierung dem Bereich der Erfüllungsverantwortung zuzuordnen. In diesen Fällen wird die Aufgabe zwar auf ein formal privatrechtliches Unternehmen übertragen, dieses wird allerdings weiterhin komplett oder zumindest in weiten Teilen vom Staat getragen. Die Verantwortung für die Aufgabenwahrnehmung liegt in diesen Fällen somit weiterhin beim Staat. In der Regel hat der Staat dort, wo ihn die Erfüllungsverantwortung trifft, ein Wahrnehmungsmonopol bezüglich der betreffenden Aufgabe106. In diesen Bereichen kommt es demnach nicht zu Kooperationen zwischen Staat und Gesellschaft bei der Aufgabenwahrnehmung. S. 337 f., der den Begriff der Gewährleistungsverantwortung als Oberbegriff staatlicher Steuerung begreift und dieser in der Folge sogar die Erfüllungsverantwortung unterordnen will. Diesem Ansatz kann nicht gefolgt werden, da Gewährleistungsverantwortung und Erfüllungsverantwortung konträre Arten staatlicher Aufgabenwahrnehmung beschreiben. R. Ruge, Die Gewährleistungsverantwortung des Staates und der Regulatory State, 2004, S. 181, stellt zu Recht fest, dass der Begriff der Gewährleistungsverantwortung durch diese Ausweitung so aufgeweicht würde, dass er dadurch gänzlich überflüssig würde. 103 Teilweise wird anstatt des Begriffs der „Erfüllungsverantwortung“ auch der Begriff der „Ergebnisverantwortung“ verwendet, vgl. dazu Hoffmann-Riem, Tendenzen (Fn. 96), S. 442. Schuppert, Staat (Fn. 96), S. 551, verwendet in diesem Zusammenhang den Begriff der „Vollzugsverantwortung“ synonym. 104 Schuppert, Verwaltungswissenschaft (Fn. 72), S. 404; Weiß, Beteiligung (Fn. 73), S. 1173; Brehme, Privatisierung (Fn. 64), S. 49. 105 J. Masing, Regulierungsverantwortung und Erfüllungsverantwortung, in: VerwArch 95 (2004), S. 151 (161); Brehme, Privatisierung (Fn. 64), S. 49. 106 Vgl. dazu mit Beispielen Schuppert, Verwaltungswissenschaft (Fn. 72), S. 404 f.
B. Die Kriterien im Einzelnen
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b) Die „Gewährleistungsverantwortung“ Anders als bei der Erfüllungsverantwortung wird der Staat im Rahmen der Gewährleistungsverantwortung nicht selbst tätig. Gewährleistungsverantwortung meint, so etw Hoffmann-Riem, vielmehr, dass der Staat „einen Rahmen bereitstellt, innerhalb dessen die Gesellschaft ihre Angelegenheiten in möglichst gemeinwohlverträglicher Weise selbstverantwortlich erledigt (Bereitstellungsfunktion des Rechts)“ 107. Dieses Vorgehen sei auch der Regelfall staatlichen Handelns108. Der Staat ist gar nicht in der Lage, alle Aufgaben vollumfänglich selbst wahrzunehmen, sodass er darauf angewiesen ist, dass auch die Gesellschaft gemeinwohlförderlich tätig wird. In diesem Zusammenhang liegt es dementsprechend in der Verantwortung des Staates, einen Rahmen zu schaffen, innerhalb dessen es der Gesellschaft möglich ist, bestimmte Aufgaben wahrzunehmen – es kommt also zu einem Zusammenwirken von Staat und Gesellschaft109. SchmidtAßmann bezeichnet dies zutreffend als „Vorgänge gemeinsamer staatlich-gesellschaftlicher Gemeinwohlkonkretisierung“ 110. Das bedeutet im Ergebnis, dass es dem Staat auf die Erfüllung öffentlicher Aufgaben durch private Akteure ankommt und er seine Rolle daher vermehrt in der Initiierung und Anleitung dieser gesellschaftlichen Aufgabenwahrnehmung sieht111. Dieser Steuerung des gesellschaftlichen Tätigwerdens kann der Staat auf unterschiedliche Weise gerecht werden, beispielsweise durch die Bereitstellung von eigenem Sachverstand, durch 107 So Hoffmann-Riem, Tendenzen (Fn. 96), S. 441 unter Hinweis auf die Ausführungen von G. F. Schuppert, Verwaltungsrechtswissenschaft als Steuerungswissenschaft. Zur Steuerung des Verwaltungshandelns durch Verwaltungsrecht, in: Hoffmann-Riem/ Schmidt-Aßmann/ders., Reform (Fn. 93), S. 65 (98 ff.). Den Ausführungen von Hoffmann-Riem zur Gewährleistungsverwaltung schließt sich im Anschluss auch Schuppert, Verwaltungswissenschaft (Fn. 72), S. 404 ff., an. So auch Schmidt-Aßmann, Verwaltungsrecht (Fn. 96), S. 172. 108 Hoffmann-Riem, Organisationsrecht (Fn. 100), S. 364; ders., Tendenzen (Fn. 96), S. 441. 109 So auch H. Reinermann, Die Krise als Chance: Wege innovativer Verwaltungen, 1994, S. 25 ff., nach dem die öffentliche Hand ihre eigentliche Rolle in erster Linie in der Steuerung und nicht in der eigenständigen Erbringung sieht. 110 Schmidt-Aßmann, Verwaltungsrecht (Fn. 96), S. 172, der auf verwandte Begriffe wie „regulierte Selbstregulierung“, „kooperative Verwaltung“ oder „public-private-partnership“ hinweist und darüber hinaus den Zusammenhang zwischen den Begriffen der Gewährleistungsverwaltung und einer Verantwortungsteilung herstellt. In diese Richtung auch Weiß, Beteiligung (Fn. 73), S. 1175, erst durch die Gewährleistungsverantwortung des Staates realisiere sich der kooperative Staat in vollem Umfang. 111 C. Bumke, Publikumsinformation. Erscheinungsformen, Funktionen und verfassungsrechtlicher Rahmen einer Handlungsform des Gewährleistungsstaates, in: DV 37 (2004), S. 3 ff.; Voßkuhle, Beteiligung (Fn. 67), S. 285; R. Martins, Grundrechtsdogmatik im Gewährleistungsstaat: Rationalisierung der Grundrechtsanwendung?, in: DÖV 2007, S. 456 (458); Brehme, Privatisierung (Fn. 64), S. 51. Vgl. dazu aber auch die Ausführungen von H. Rossen, Vollzug und Verhandlung, 1999, S. 280 f., der zu bedenken gibt, dass sich die Dogmatik in diesem Bereich auf ein „einigermaßen unübersichtliches Gelände vorwagen müßte“.
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finanzielle Anreize, aber auch durch die Formulierung von Anforderungen an die Qualifikation der privaten Akteure112. Neben diesen Möglichkeiten der präventiven Steuerung privaten Handelns kann der Staat auch nachträglich durch Beobachtung und Überwachung eingreifend tätig werden113. Diesem weiten Feld der Gewährleistungsverantwortung lassen sich weitere der von Schmidt-Aßmann entwickelten Stufen zuordnen114. Beobachtungs- und Überwachungsverantwortung betreffen das nachträgliche Handeln des Staates in Form der Beobachtung bzw. Überwachung der privaten Aufgabenwahrnehmung, also den zuletzt angesprochenen Punkt. Diese sind daher im Ergebnis Ausgestaltungen einer Gewährleistungsverantwortung. Daneben lässt sich die Stufe der Beratungsverantwortung diesem Bereich zuordnen. Hier stellt der Staat seinen Sachverstand beratend zur Seite. Auch die von Schmidt-Aßmann noch als Gegenpol zur Erfüllungsverantwortung herausgearbeitete Rahmenverantwortung ist nicht als eigene Stufe zu verstehen, sondern als Kategorie der Gewährleistungsverantwortung. Die Rahmensetzung dient – wie voranstehend festgestellt – der Gewährleistung der gemeinwohlorientierten Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben, sodass es sich anbietet, den Begriff der Gewährleistungsverantwortung als Oberbegriff zu verwenden und die Rahmenverantwortung diesem unterzuordnen115. Die Gewährleistungsverantwortung ist im Ergebnis also Folge verschiedenster Kooperationen zwischen Staat und Gesellschaft und der sich daraus ergebenden Verantwortung für den Staat116. c) Die „Auffangverantwortung“ Neben diesen beiden grundlegenden Stufen der Erfüllungs- und der Gewährleistungsverantwortung soll noch die Auffangverantwortung als eigene Verantwortungsstufe Beachtung finden117. Diese beschreibt den Fall, dass der Staat 112 Hoffmann-Riem, Organisationsrecht (Fn. 100), S. 365; Brehme, Privatisierung (Fn. 64), S. 51. 113 So auch Brehme, Privatisierung (Fn. 64), S. 51. 114 Vgl. dazu auch Brehme, Privatisierung (Fn. 64), S. 51 f. 115 Weiß, Beteiligung (Fn. 73), S. 1175, will ebenfalls den Begriff der Gewährleistungsverantwortung dem der Rahmenverantwortung vorziehen. Dieser sei „besser geeignet, die spezifische Intensität der Verantwortlichkeit des Staats terminologisch aufzunehmen“ und diesem darüber hinaus nicht die gleiche Weite zukomme. Für die Verwendung des Begriffs als Oberbegriff spricht sich auch C. Franzius, Gewährleistung im Recht, 2009, S. 123, aus und meint damit, dass der Staat auf einem Gebiet überhaupt tätig werde. 116 Es ist daher sehr treffend formuliert, wenn C. Franzius, Der „Gewährleistungsstaat“ – ein neues Leitbild für den sich wandelnden Staat?, in: Der Staat 42 (2003), S. 493 (505), mit Blick auf die Gewährleistungsverantwortung von einem „Schlüsselbegriff sich verändernder Staatlichkeit“ spricht. 117 Auf diese Weise unterscheiden bspw. Hoffmann-Riem, Tendenzen (Fn. 96), S. 440 ff.; Schmidt-Aßmann, Verwaltungsrecht (Fn. 96), S. 170 ff.; H. Pünder, Zertifizie-
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trotz einer Übertragung der Aufgabe auf private Akteure und einer staatlichen Steuerung eingreifen und selbst für die Erfüllung der Aufgabe einstehen muss, da der Private die Aufgabe nicht oder nicht ausreichend erfüllt118. Der Staat greift also nur dann auffangend ein, wenn der eigentlich wahrnehmende Akteur seiner Aufgabe nicht gerecht wird. Ein solches Vorgehen des Staates ist gerade im Bereich der Daseinsvorsorge erforderlich, da sich der Staat dort nicht vollends aus seiner Verantwortung zurückziehen darf, sondern auch oder gerade, wenn er Teile dieses Bereichs privatisiert, dafür Sorge tragen muss, dass ein Mindeststandard gewährleistet bleibt119. Ein solches Eingreifen wird häufig dann erforderlich sein, wenn der Staat eine Wahrnehmung der Aufgabe lediglich im Rahmen der Gewährleistungsverantwortung initiiert oder angeleitet hat, aber an der Ausführung letztlich nicht beteiligt ist. Er wird dann im Rahmen seiner Überwachungs- oder Beobachtungsfunktion auf die nicht ausreichende Erfüllung der Aufgabe aufmerksam120. Aber auch im Rahmen der Erfüllungsverantwortung des Staates kann unter Umständen eine defizitäre Wahrnehmung der Aufgabe erfolgen oder es können Folgen hervorgerufen werden, die den Staat zum Tätigwerden bewegen121. Dieser Befund macht es unmöglich, die Auffangverantwortung als Teil der Gewährleistungsverantwortung zu erfassen, sondern führt zwingend dazu, die Auffangverantwortung als eigene Stufe staatlicher Verantwortung zu begreifen122.
rung und Akkreditierung – private Qualitätskontrolle unter staatlicher Gewährleistungsverantwortung, in: ZHR 170 (2006), S. 567 (593 f.); Schoch, Gewährsleistungsverwaltung (Fn. 102), S. 244; Brehme, Privatisierung (Fn. 64), S. 48. Auch Martins, Grundrechtsdogmatik (Fn. 111), S. 458, spricht dem Staat eine solche Auffangverantwortung zu. Anderer Ansicht ist beispielsweise B. Wollenschläger, Effektive staatliche Rückholoptionen bei gesellschaftlicher Schlechterfüllung, 2006, S. 147 f., der die Auffangverantwortung der Gewährleistungsverwaltung zuordnet. In diese Richtung geht auch A. C. Thoma, Regulierte Selbstregulierung im Ordnungsverwaltungsrecht, 2008, S. 60. Ebenfalls nur zwischen einer Erfüllungs- und einer Gewährleistungsverantwortung unterscheiden Schuppert, Staat (Fn. 96), S. 551; Weiß, Privatisierung (Fn. 67), S. 299. 118 Pünder, Zertifizierung (Fn. 117), S. 594; Brehme, Privatisierung (Fn. 64), S. 52; Schulze-Fielitz (Fn. 102), § 12 Rn. 166. 119 W. Hoffmann-Riem, Finanzkontrolle als Steuerungsaufsicht im Gewährleistungsstaat, in: DÖV 1999, S. 221 (221); Schmidt, Reform (Fn. 80), S. 166; Schulze-Fielitz (Fn. 102), § 12 Rn. 166. Auch das Bundesverfassungsgericht spricht in diesem Zusammenhang vom staatlichen Eingreifen als eine Art Auffangnetz, vgl. BVerfG, EuGRZ 1998, S. 293 (298). Diese Gewährleistungspflicht des Staates ergibt sich laut K. Stern, Postreform zwischen Privatisierung und Infrastrukturgewährleistung, in: DVBl. 1997, S. 309 (312), aus dem Sozialstaatsprinzip. 120 Zu diesem engen Zusammenhang zur Beobachtungsverantwortung Brehme, Privatisierung (Fn. 64), S. 52. 121 So Hoffmann-Riem, Organisationsrecht (Fn. 100), S. 366; Brehme, Privatisierung (Fn. 64), S. 52. 122 Vgl. dazu mit weiterführender Argumentation auch Brehme, Privatisierung (Fn. 64), S. 52.
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§ 5 Kriterien für die Untersuchung privatisierungsrelevanter Bereiche
Der Staat kann seiner Auffangverantwortung im Einzelfall auf verschiedenste Art und Weise gerecht werden. Er kann bei Vorliegen eines Defizits, welches das Gemeinwohl betrifft, entweder selbst unterstützend helfen, also partiell selbst tätig werden, oder aber korrigierend eingreifen123. Man spricht insoweit von einer Einstandsverantwortung des Staates. Der Staat kann aber auch in Form einer Abfederungsverantwortung eingreifen, wenn durch die private Aufgabenwahrnehmung möglicherweise negative Folgen bei Dritten eintreten124. Sollten diese Möglichkeiten nicht zu den gewollten gemeinwohlorientierten Ergebnissen führen, ist es denkbar, dass der Staat im Wege von „Rückholoptionen“ die Aufgabe wieder an sich zieht und den Privatisierungsprozess rückgängig macht125. Das Rückholen einer privatisierten Aufgabe in die staatliche Sphäre sollte allerdings das letzte Mittel der Ausübung staatlicher Verantwortung sein. d) Abgrenzung der Verantwortungsstufen und Zuordnung der Privatisierungstypen Die voranstehend herausgearbeiteten Stufen staatlicher Verantwortung müssen im Anschluss insbesondere mit Blick auf die verschiedenen Formen staatlicher Aufgabenübertragungen und die staatlich-gesellschaftlichen Kooperationsformen voneinander abgegrenzt werden. Gerade die Abgrenzung zwischen Erfüllungsund Gewährleistungsverantwortung kann im Einzelfall problematisch sein. Unzweifelhaft sind Fälle der formellen Organisationsprivatisierung dem Bereich staatlicher Erfüllungsverantwortung zuzuordnen126. Die Tatsache, dass die Aufgabe nunmehr von einem privatrechtlich organisierten Unternehmen geführt wird, kann bei einem bestimmenden Einfluss des Staates auf das Unternehmen nicht über die verbleibende Verantwortung des Staates hinwegtäuschen. Auf der anderen Seite sind Fälle materieller Aufgabenprivatisierung der Gewährleistungsverantwortung des Staates zuzuordnen127. In diesen Fällen ist die Verantwortung für die Wahrnehmung der Aufgabe vollumfänglich in den gesellschaftlichen Bereich übertragen worden. Dem Staat bleibt nur noch die Möglichkeit, über die Festlegung des Rahmens und über Beobachtung bzw. Überwachung steuernd einzugreifen und die Gemeinwohlorientierung der Aufgabenwahrnehmung sicherzustellen.
123
Brehme, Privatisierung (Fn. 64), S. 52; Schulze-Fielitz (Fn. 102), § 12 Rn. 166. Schulze-Fielitz (Fn. 102), § 12 Rn. 166. 125 Bauer, Privatisierung (Fn. 96), S. 278; Brehme, Privatisierung (Fn. 64), S. 52; Schulze-Fielitz (Fn. 102), § 12 Rn. 166. Ausführlich zu den staatlichen Rückholoptionen Wollenschläger, Rückholoptionen (Fn. 117), S. 140 ff. 126 Masing, Regulierungsverantwortung (Fn. 105), S. 161; Brehme, Privatisierung (Fn. 64), S. 49. 127 So im Ergebnis auch M. Eifert, Grundversorgung mit Telekommunikationsleistungen im Gewährleistungsstaat, 1998, S. 18 ff.; Brehme, Privatisierung (Fn. 64), S. 51. 124
B. Die Kriterien im Einzelnen
261
Nicht eindeutig einer Verantwortungsstufe zuzuordnen sind die Fälle, in denen der Staat nach Übertragung der Aufgabenwahrnehmung auf Private weiterhin als Träger der Aufgabe einzuordnen ist. Diese Konstellation ist in vor allem in Fällen der funktionalen Privatisierung, wie bspw. der Beleihung, gegeben128. Auch im Rahmen der funktionalen Privatisierung wird eine Aufgabe zumindest teilweise materiell privatisiert. Dieser Umstand könnte dafür sprechen, die funktionale Privatisierung der Gewährleistungsverantwortung zuzuordnen, unabhängig davon, inwieweit die Aufgabe auf einen Privaten übertragen wurde, also auch bereits dann, wenn es sich lediglich um einen Verwaltungshelfer handelt129. Bei dieser Einordnung wird dem Umstand, dass der Staat in der Folge weiterhin Träger der Aufgabe bleibt, nicht ausreichend Rechnung getragen. Brehme merkt zu Recht an, dass eine solche Einordnung vor allem dann nicht sachgerecht erscheint, wenn – wie in der vorliegenden Untersuchung – eine dreiteilige Verantwortungsstufung auf Grundlage der unterschiedlichen Struktur der staatlichen Aufgabenwahrnehmung gewählt wurde130. Es ist vorzugswürdig, auch dann noch von einer Erfüllungsverantwortung des Staates auszugehen, wenn die Aufgabe zwar von Privaten, aber von staatlich beherrschten Privaten erbracht wird131. Das Abgrenzungskriterium der Trägerschaft der Aufgabe, welches Brehme in der Folge herausarbeitet, ist für die Abgrenzung von Gewährleistungsverantwortung und Erfüllungsverantwortung das richtige132. Solange der Staat Träger der Aufgabe ist, trifft ihn auch eine Erfüllungsverantwortung; er kann sich erst dann auf eine Gewährleistungsverantwortung zurückziehen, wenn der Träger der Aufgabe aus dem gesellschaftlichen Bereich stammt. Letztlich ist das Verhältnis der Auffangverantwortung zu den Stufen der Erfüllungs- und der Gewährleistungsverantwortung zu klären. Hier ergeben sich allerdings insofern keine Schwierigkeiten, als die Auffangverantwortung als den anderen beiden Stufen nachgeordnet erscheint. Wie sich gezeigt hat, kann die Auffangverantwortung nicht nur als Folge vorheriger Gewährleistungsverantwor128
Vgl. zur funktionalen Privatisierung unter § 2 B. III. 3. (S. 59 f.). G. Britz, „Kommunale Gewährleistungsverantwortung“ – Ein allgemeines Element des Regulierungsrechts in Europa?, in: DV 37 (2004), S. 145 (148 f.); M. Knauff, Der Gewährleistungsstaat: Reform der Daseinsvorsorge, 2004, S. 79 ff., insb. S. 83 f.; H. Lackner, Gewährleistungsverwaltung und Verkehrsverwaltung, 2004, S. 123 f.; Schmidt-Aßmann, Verwaltungsrecht (Fn. 96), S. 172; Wollenschläger, Rückholoptionen (Fn. 117), S. 147 m. Fn. 802; H. Gersdorf, Privatisierung öffentlicher Aufgaben, in: JZ 2008, S. 831 (833 f.); Thoma, Selbstregulierung (Fn. 117), S. 58 ff. 130 Siehe zu dieser Argumentation Brehme, Privatisierung (Fn. 64), S. 50. 131 So auch Hoffmann-Riem, Organisationsrecht (Fn. 100), S. 365 f.; ders., Tendenzen (Fn. 96), S. 442; Burgi, Privatisierung (Fn. 56), S. 158 ff.; M. Eifert, Regulierungsstrategien, in: GVwR2 I, § 19 Rn. 41; Schulze-Fielitz (Fn. 102), § 12 Rn. 151; W. HoffmannRiem, Das Recht des Gewährleistungsstaates, in: G. F. Schuppert (Hrsg.), Der Gewährleistungsstaat – Ein Leitbild auf dem Prüfstand, 2005, S. 89 (95); Brehme, Privatisierung (Fn. 64), S. 50. 132 So Brehme, Privatisierung (Fn. 64), S. 50 mit sehr ausführlicher Argumentation. 129
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§ 5 Kriterien für die Untersuchung privatisierungsrelevanter Bereiche
tung zum Tragen kommen, sondern ist auch in Fällen staatlicher Erfüllungsverantwortung denkbar. 3. Regulierung als Instrument zur Wahrnehmung staatlicher Verantwortung In der Folge ist zu untersuchen, welche Instrumente dem Staat zur Verfügung stehen, um seiner veränderten Aufgabe gerecht zu werden und staatliche Verantwortung wahrzunehmen. Als maßgebliches Instrument zur Erfüllung staatlicher Verantwortung wird dabei überwiegend die Regulierung genannt133. Der Begriff und die Ausprägungen der Regulierung sollen aus diesem Grund einführend dargestellt werden. a) Zum Begriff der Regulierung Dabei stellt sich, wie auch schon im Rahmen des Privatisierungsbegriffs, das Problem, dass der Begriff der Regulierung weitestgehend unscharf ist und keine einheitliche Definition besteht134. Er wird vor allem in unterschiedlichen Wissenschaften mit einem unterschiedlichen Bedeutungsgehalt versehen135. Für die vorliegende Untersuchung ist lediglich von Relevanz, welche Bedeutung dem Begriff der Regulierung in der Rechtswissenschaft beigemessen wird. Fehling 133 F. Schoch, Verantwortungsteilung in einer staatlich zu regelnden Informationsordnung, in: Schuppert, Jenseits (Fn. 67), S. 221 (237 ff.); G. F. Schuppert, Privatisierung und Regulierung – Vorüberlegungen zu einer Theorie der Regulierung im kooperativen Verwaltungsstaat, in: M. Nettesheim/P. Schiera (Hrsg.), Der integrierte Staat, 1999, S. 41 (54 ff.); J. A. Kämmerer, Privatisierung. Typologie – Determinanten – Rechtspraxis – Folgen, 2001, S. 479 ff.; Brehme, Privatisierung (Fn. 64), S. 53. Den Begriff des Regulierungsrechts als zentralen Begriff vor allem des Gewährleistungsrechts verstehend C. Franzius, Gewährleistungsstaat (Fn. 116), S. 511; M. Knauff, Regulierungsverwaltungsrechtlicher Rechtsschutz, in: VerwArch 98 (2007), S. 382 (384). 134 Voßkuhle, Beteiligung (Fn. 67), S. 304 in Fn. 156; H. C. Röhl, Soll das Recht der Regulierungsverwaltung übergreifend geregelt werden?, in: JZ 2006, S. 831 (831); Eifert (Fn. 131), § 19 Rn. 1. Sehr pointiert auch T. v. Danwitz, Was ist eigentlich Regulierung?, in: DÖV 2004, S. 977 (977), der konstatiert, dass mit der inflationären Begriffsverwendung „eine bemerkenswerte Unklarheit über den dogmatischen und konzeptionellen Gehalt, der durch den Rechtsbegriff der ,Regulierung‘ transportiert werden soll“ korrespondiert. J. Masing, Grundstrukturen eines Regulierungsverwaltungsrechts, in: DV 36 (2003), S. 1 (4), spricht von einem Schlüsselbegriff und bezieht sich dabei auf die Ausführungen von A. Voßkuhle, „Schlüsselbegriffe“ der Verwaltungsrechtsreform, in: VerwArch. 92 (2001), S. 184 (196). Dieser sieht in diesen eine „Inspirationsplattform“, die noch unausgegorenen Gedanken halt gebe und verschiedene Perspektiven zusammenführe und daher besonders der Konkretisierung bedürften. Vgl. dazu auch ders., Regulierte Selbstregulierung – Zur Karriere eines Schlüsselbegriffs, in: J. P. Schneider u. a. (Hrsg.), Regulierte Selbstregulierung, 2001, S. 197 ff. 135 Vgl. dazu Kämmerer, Privatisierung (Fn. 133), S. 479 ff.; M. Bullinger, Regulierung als modernes Instrument zur Ordnung liberalisierter Wirtschaftszweige, in: DVBl. 2003, S. 1355 (1357); Ruge, Gewährleistungsverantwortung (Fn. 102), S. 32 ff.; Brehme, Privatisierung (Fn. 64), S. 53 f., mit weitergehenden Ausführungen zu den unterschiedlichen Begriffsverwendungen.
B. Die Kriterien im Einzelnen
263
arbeitet in diesem Kontext zwei Bedeutungsvarianten für den Regulierungsbegriff heraus136. Einerseits könne die Regulierung „als Wirtschafts- und Wettbewerbsaufsicht mit zusätzlichem, über die ordnungsrechtliche Gefahrenabwehr hinausführendem Gestaltungsauftrag“ verstanden werden137. Damit würde ein weitreichender Steuerungsanspruch der Regulierung im Vergleich zur Wirtschaftsverwaltung beschrieben138. Daneben würde Regulierung aber auch schlicht als Privatisierungsfolgenrecht verstanden, also als Folge staatlicher Aufgabenübertragung und der Aufgabe staatlicher Monopole139. Der Begriff der Regulierung steht, folgt man diesem Ansatz, also in einem untrennbaren Zusammenhang mit dem Begriff der Privatisierung. Er beschreibt in diesem Zusammenhang als Oberbegriff die verschiedenen Modi, welcher sich der Staat zur Erfüllung seiner Aufgaben im Anschluss an eine Aufgabenübertragung bedient140. Damit sind vor allem die legislativen und administrativen Maßnahmen gemeint, die der Staat ergreift, um die Verwirklichung des Gemeinwohls auch bei einer fehlenden eigenverantwortlichen Erfüllung sicherzustellen141. Schuppert spricht im Hinblick auf die Regulierung von einer „Form der Substitution unmittelbarer Aufgabenerfüllung“ 142. Im Mittelpunkt steht also das berechtigte Interesse des Staates an einer gemeinwohlorientierten Wahrnehmung ehemals staatlicher Aufgaben durch Private. Darüber hinaus ist es auch das Ziel der Regulierung, dort, wo durch Privatisierung ein Markt entsteht, diesen zu schützen und den Wettbewerb zu erhalten143. In diese Rich-
136 M. Fehling, Regulierung als Staatsaufgabe im Gewährleistungsstaat Deutschland – Zu den Konturen eines Regulierungsverwaltungsrechts, in: H. Hill (Hrsg.), Die Zukunft des öffentlichen Sektors, 2006, S. 91 (93 ff.). 137 Zu diesem Begriffsverständnis vergleiche auch Ruge, Gewährleistungsverantwortung (Fn. 102), S. 33 f. 138 Fehling, Regulierung (Fn. 136), S. 94. 139 Benz/König, Privatisierung (Fn. 96), S. 618 ff.; H.-H. Trute, Regulierung – am Beispiel des Telekommunikationsrechts, in: C.-E. Eberle/M. Ibler/D. Lorenz (Hrsg.), Der Wandel des Staates vor den Herausforderungen der Gegenwart. Festschrift für Winfried Brohm, 2002, S. 169 (171); Weiß, Privatisierung (Fn. 67), S. 303; Bullinger, Regulierung (Fn. 135), S. 1357; Fehling, Regulierung (Fn. 136), S. 95. 140 Brehme, Privatisierung (Fn. 64), S. 54; Eifert (Fn. 131), § 19 Rn. 4. Vgl. zu verschiedenen Grundtypen der Regulierung als unterschiedliche Modi staatlicher Aufgabenerfüllung W. Hoffmann-Riem, Öffentliches Recht und Privatrecht als wechselseitige Auffangordnungen – Systematisierung und Entwicklungsperspektiven, in: ders./ Schmidt-Aßmann, Auffangordnungen (Fn. 80), S. 261 (300 ff.). 141 Schuppert, Staat (Fn. 96), S. 555; Kämmerer, Privatisierung (Fn. 133), S. 487; Weiß, Privatisierung (Fn. 67), S. 301 f.; Britz, Gewährleistungsverantwortung (Fn. 129), S. 145 ff.; Brehme, Privatisierung (Fn. 64), S. 54 m.w. N.; W. Kahl, Wasser, in: M. Fehling/M. Ruffert (Hrsg.), Regulierungsrecht, 2010, § 14 Rn. 25. 142 Schuppert, Rückzug (Fn. 97), S. 767. Im Anschluss daran auch Weiß, Privatisierung (Fn. 67), S. 302. 143 Vgl. dazu Brehme, Privatisierung (Fn. 64), S. 55.
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§ 5 Kriterien für die Untersuchung privatisierungsrelevanter Bereiche
tung ging auch die Legaldefinition des Regulierungsbegriffs in § 3 Nr. 13 TKG, der vorübergehend galt144. Diese Deutung des Begriffs Regulierung lehnt Fehling in der Folge mit der Begründung ab, er sei als zu eng anzusehen145. Er würde wichtige Bereiche ausblenden, in denen eine Regulierung nicht aufgrund von Privatisierung, sondern der Öffnung kartellrechtlicher Bereichsausnahmen erfolgt sei. Außerdem würde die Einordnung von Regulierungsrecht als Privatisierungsfolgenrecht diese zu Unrecht zu einer bloßen Übergangserscheinung abwerten. Dieser Kritik ist insoweit Recht zu geben, als das Bedürfnis zur Regulierung von Märkten nicht ausschließlich im Rahmen von Privatisierungen auftritt, sondern auch, wenn Monopole aufgebrochen werden. Vielmehr sind staatliche Maßnahmen zur Steuerung überall dort angezeigt, wo eine arbeitsteilige Verwirklichung des Gemeinwohls stattfindet146. Diese wird in aller Regel aber als Folge einer Privatisierung staatlicher Aufgaben zu finden sein, was es sachgemäß erscheinen lässt, Regulierung als Privatisierungsfolgenrecht147 zu begreifen148. Auch der Einwand, durch diese Begriffsbestimmung würde eine Übergangserscheinung suggeriert, geht im Ergebnis fehl149. Einer Regulierung seitens des Staates bedarf es bei einer Einbeziehung Privater in die Wahrnehmung staatlicher Aufgaben zu jeder Zeit, andernfalls kann der Staat seiner Verantwortung nicht mehr gerecht werden. Es handelt sich also keineswegs um eine Erscheinung von nur vorübergehender Dauer. Unter Regulierung sollen daher im vorliegenden Zusammenhang alle legislativen und administrativen Maßnahmen des Staates verstanden werden, die dieser zur Steuerung gesellschaftlicher Prozesse einsetzt, um eine gemeinwohlorientierte Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben sicherzustellen150.
144
In der Fassung vom 25. Juli 1996, BGBl. I S. 1120. Fehling, Regulierung (Fn. 136), S. 96 f. 146 Brehme, Privatisierung (Fn. 64), S. 56; M. Burgi, Rechtsregime, in: GVwR2 I, § 18 Rn. 79. 147 So auch C. Franzius, Modalitäten und Wirkungsfaktoren der Steuerung durch Recht, in: GVwR2 I, § 4 Rn. 59. Synonym zum Begriff des Privatisierungsfolgenrechts finden sich in der Literatur auch andere Bezeichnungen. Von Gewährleistungsverwaltungsrecht sprechen bspw. Voßkuhle, Beteiligung (Fn. 67), S. 304 f.; Burgi (Fn. 146), § 18 Rn. 79, und von Verwaltungskooperationsrecht Schuppert, Vorüberlegungen (Fn. 67), S. 109 ff.; H. Bauer, Zur notwendigen Entwicklung eines Verwaltungskooperationsrechts – Statement, in: Schuppert, Jenseits (Fn. 67), S. 251 ff.; Weiß, Beteiligung (Fn. 73), S. 1181. Abzugrenzen von diesem Privatisierungsfolgenrecht ist das Privatorganisationsrecht, vgl. dazu R. Wahl, Privatorganisationsrecht als Steuerungsinstrument bei der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben, in: Schmidt-Aßmann/Hoffmann-Riem, Verwaltungsorganisationsrecht (Fn. 54), S. 302 ff. 148 So auch Knauff, Rechtsschutz (Fn. 133), S. 383. 149 So auch Brehme, Privatisierung (Fn. 64), S. 56. 150 Ein vergleichbarer Ansatz findet sich bei Voßkuhle, Beteiligung (Fn. 67), S. 304 in Fn. 156. 145
B. Die Kriterien im Einzelnen
265
b) Verschiedene Ausprägungen staatlicher Regulierung Im Rahmen der Regulierung gesellschaftlicher Prozesse kann sich der Staat verschiedener Strategien bedienen. Dabei ist der Ansatz, den der Staat im jeweiligen Einzelfall wählt, davon abhängig, welche Rolle ihm im entsprechenden staatlich-gesellschaftlichen Kooperationsbereich zukommt151. Es ist also von entscheidender Bedeutung, in jedem Kooperationsfeld genau herauszuarbeiten, welche Rolle der Staat einnimmt. Hoffmann-Riem hat in der Folge vier Grundtypen von Regulierung herausgearbeitet152. Er unterscheidet zwischen staatlicher imperativer Regulierung, staatlicher Regulierung unter Einbau selbstregulativer Elemente, staatlich regulierter Selbstregulierung und privater Selbstregulierung. Er stellt dabei allerdings auch klar, dass diese vier Grundformen lediglich als „Markierungen auf einer gleitenden Skala“ zu verstehen sind, die nur als Orientierungspunkte gesehen werden können und viele Zwischenformen zulassen153. Zwischen einer imperativen staatlichen Regulierung und einer reinen privaten Selbstregulierung besteht ein großer Bereich, der es dem Staat ermöglicht, auf unterschiedlichste Weise regulierend einzugreifen und einen Ausgleich zwischen diesen beiden äußeren Polen zu finden154. aa) Staatliche imperative Regulierung Die staatliche imperative Regulierung stellt den traditionellen Gestaltungsmodus der Verwaltung dar155. Sie ist geprägt von Verhaltensgeboten und Sanktionen und wird durch Aufsicht des Staates durchgesetzt156. Diese Form der Regulierung ist kennzeichnend für die Eingriffsverwaltung und in der Regel dort zu finden, wo dem Staat eine Erfüllungsverantwortung zukommt157. Damit ist sie auf der einen Seite der äußerste Pol staatlicher Regulierung. 151
So zutreffend Brehme, Privatisierung (Fn. 64), S. 57. Hoffmann-Riem, Auffangordnungen (Fn. 140), S. 261 (300 ff.). Sich dem anschließend G. F. Schuppert, Zur notwendigen Neubestimmung der Staatsaufsicht im verantwortungsteilenden Verwaltungsstaat, in: ders., Jenseits (Fn. 67), S. 299 (315 ff.). Auch Brehme, Privatisierung (Fn. 64), S. 57 ff., schließt sich den Ausführungen von Hoffmann-Riem an, unterscheidet allerdings nur zwischen den drei Grundtypen staatlicher Regulierung. Sie fasst die staatliche imperative Regulierung und die staatliche Regulierung unter Einbau selbstregulativer Elemente unter dem Oberbegriff der hoheitlichen Regulierung zusammen. Ebenfalls sehr ausführlich zu den unterschiedlichen Regulierungskonzepten Eifert (Fn. 131), § 19 Rn. 23 ff. 153 Hoffmann-Riem, Auffangordnungen (Fn. 140), S. 300. 154 Vgl. zu diesem Thema auch die beiden Berichte von M. Schmidt-Preuß und U. Di Fabio, Verwaltung und Verwaltungsrecht zwischen gesellschaftlicher Selbstregulierung und staatlicher Steuerung, in: VVDStRL 56 (1997), S. 160 ff., 235 ff. 155 Schmidt-Preuß, Verwaltung (Fn. 154), S. 162. 156 Brehme, Privatisierung (Fn. 64), S. 57; Eifert (Fn. 131), § 19 Rn. 24. 157 Hoffmann-Riem, Auffangordnungen (Fn. 140), S. 300; Brehme, Privatisierung (Fn. 64), S. 57. Im Rahmen der Leistungsverwaltung ist hingegen eine Eigenerbringung der Leistungen seitens des Staates der Fall. 152
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§ 5 Kriterien für die Untersuchung privatisierungsrelevanter Bereiche
bb) Staatliche Regulierung unter Einbau selbstregulativer Elemente Ähnlich der staatlichen imperativen Regulierung ist die von Hoffmann-Riem herausgearbeitete Form der staatlichen Regulierung mit Einbau selbstregulativer Elemente. Diese wird daher teilweise auch mit dieser zusammengefasst und als hoheitliche Regulierung bezeichnet158. Auch diese Form staatlicher Regulierung bewegt sich im Feld staatlicher Erfüllungsverantwortung, allerdings dort, wo die Aufgabenwahrnehmung auf „dezentrale Einheiten oder individuelle Akteure“ übertragen wird159. Den Akteuren wird dabei innerhalb eines gewissen Rahmens ein eigenverantwortlicher Gestaltungsspielraum überlassen, dessen Ausfüllung sich allerdings im Rahmen der staatlichen Vorgaben halten muss160. Die Möglichkeit der Eigenregulierung wird dabei laut Hoffmann-Riem erst durch die staatliche Regulierung geschaffen. Die wichtigsten Regelungen zur ordnungsgemäßen Erfüllung der Aufgaben stellen dabei das Verwaltungsorganisations- und das Verwaltungsverfahrensrecht dar161. In diesem Bereich sind auch Fälle der formellen und funktionalen Privatisierung beheimatet162. Auch bei diesen bleibt der Staat für die Wahrnehmung der Aufgaben vollumfänglich verantwortlich und überträgt lediglich einzelne Aufgaben auf andere Akteure oder ausgegliederte privatrechtliche Organisationen in staatlicher Hand. Der gesamte Bereich der staatlichen Regulierung unter Einbau selbstregulativer Elemente ist daher der staatlichen Erfüllungsverantwortung zuzuordnen. Dennoch ist die Abgrenzung, die Hoffmann-Riem zur staatlich-imperativen Regulierung vornimmt, insoweit nachvollziehbar, als dass bei dieser Form der Regulierung, anders als im Rahmen der staatlich imperativen Regulierung, andere Akteure beteiligt werden und der Staat Kooperationen eingeht. cc) Staatlich regulierte Selbstregulierung Der auch für diese Untersuchung „spannendste Typ“ der Regulierung ist die staatlich regulierte Selbstregulierung163. Dieser ist das zentrale Instrument des modernen Gewährleistungsstaates164. Die staatlich regulierte Selbstregulierung 158 Brehme, Privatisierung (Fn. 64), S. 57; Eifert (Fn. 131), § 19 Rn. 14, 23 ff. – Hoffmann-Riem, Organisationsrecht (Fn. 100), S. 371, bezeichnet diese Form nunmehr als „selbstregulative Regulierung“, ohne dabei eine inhaltliche Änderung vorzunehmen. 159 So Hoffmann-Riem, Auffangordnungen (Fn. 140), S. 300. 160 Hoffmann-Riem, Auffangordnungen (Fn. 140), S. 301. 161 Brehme, Privatisierung (Fn. 64), S. 57; Eifert (Fn. 131), § 19 Rn. 23. 162 Brehme, Privatisierung (Fn. 64), S. 57. Ausführlich für die funktionale Privatisierung Eifert (Fn. 131), § 19 Rn. 40 ff. 163 So zutreffend charakterisiert von Schuppert, Neubestimmung (Fn. 152), S. 316. 164 G. F. Schuppert, Das Konzept der regulierten Selbstregulierung als Bestandteil einer als Regelungswissenschaft verstandenen Rechtswissenschaft, in: DV Beiheft 4 (2001), S. 201 (222); Knauff, Gewährleistungsstaat (Fn. 129), S. 67; G. F. Schuppert, Der Gewährleistungsstaat – modisches Label oder Leitbild sich wandelnder Staatlich-
B. Die Kriterien im Einzelnen
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ist dann ein wichtiges Instrument, wenn dem Staat keine Erfüllungsverantwortung mehr zukommt, sondern er sich auf seine Gewährleistungsverantwortung zurückgezogen hat165. Diese Form der Regulierung wird also in den Fällen relevant, in denen der Staat Aufgaben, die im Interesse des Allgemeinwohls stehen, im Rahmen von Privatisierung auf private Akteure übertragen hat. Der Staat ist in diesen Fällen nicht mehr in der Pflicht, die Aufgaben selbst zu erfüllen, sondern nur noch sicherzustellen, dass die Gesellschaft die Aufgabe in gemeinwohlorientierter Weise erfüllt. Es treffen dabei also zwei vom Grundgedanken her gegenläufige Interessen aufeinander. Zum einen setzt der Staat auf die selbstregulatorischen Kräfte der Gesellschaft, zum anderen hat er aber die Pflicht, aufgrund seiner verbleibenden Gewährleistungsverantwortung selbst regulierend einzugreifen166. Thoma beschreibt das Verhältnis von Gewährleistungsverantwortung und regulierter Selbstregulierung sehr passend, indem er herausarbeitet, dass die Gewährleistungsverantwortung das „Ob“ und „Warum“ der Erfüllung einer bestimmten Aufgabe beschreibt, die regulierte Selbstregulierung aber das „Wie“ 167. Der Staat nutzt also die Ordnungsleistungen der Gesellschaft und bietet der Selbstregulierung durch seine Maßnahmen einen Rahmen168. Ziel dieses Vorgehens ist es, die „gesellschaftliche Handlungslogik“ zum Zwecke einer gemeinwohlorientierten Aufgabenwahrnehmung zu nutzen und zu lenken169. Um diese Gemeinwohlorientierung der Aufgabenwahrnehmung sicherzustellen, dient die Rahmenbildung durch Regulierung aber auch dem Schutz vor Machtungleichgewichten bei privatautonom handelnden Akteuren170. So sollen öffentliche Interessen auch auf einem Markt, der von Privatinteressen dominiert wird, Berücksichtigung erhalten171.
keit?, in: ders. (Hrsg.), Der Gewährleistungsstaat – ein Leitbild auf dem Prüfstand, 2005, S. 11 (43); Thoma, Selbstregulierung (Fn. 117), S. 61. 165 Hoffmann-Riem, Auffangordnungen (Fn. 140), S. 301; Brehme, Privatisierung (Fn. 64), S. 59; Eifert (Fn. 131), § 19 Rn. 52. 166 Sehr zutreffend beschreibt dies Eifert (Fn. 131), § 19 Rn. 52, als das Aufeinandertreffen von „unterschiedlichen Handlungsrationalitäten“. Brehme, Privatisierung (Fn. 64), S. 58 bezeichnet die hoheitliche Regulierung in diesem Fall als „Kontrapunkt zur Einbeziehung selbstregulatorischer Kräfte“. Von einer Verpflichtung des Staates zur Regulierung spricht auch Thoma, Selbstregulierung (Fn. 117), S. 61. 167 Sehr eingängig Thoma, Selbstregulierung (Fn. 117), S. 61. Zu der Unterscheidung des „Ob“ und des „Wie“ vgl. auch Knauff, Gewährleistungsstaat (Fn. 129), S. 66 m.w. N. 168 Vgl. Eifert (Fn. 131), § 19 Rn. 52. 169 Zutreffend Brehme, Privatisierung (Fn. 64), S. 58. So auch H. Rossen-Stadtfeld, Die Konzeption Regulierter Selbstregulierung im Ordnungsverwaltungsrecht und ihre Ausprägung im Jugendmedienschutz, in: AfP 2004, S. 1 (1 f.), der ein wechselseitiges Befördern von gesellschaftlicher Selbststeuerung und heteronom-staatlicher Fremdsteuerung als Ziel des Konzepts der regulierten Selbstregulierung ausmacht. 170 Hoffmann-Riem, Auffangordnungen (Fn. 140), S. 302, spricht in diesem Zusammenhang auch vom Abbau vorhandener Machtasymmetrien durch staatliche Regulierung. 171 Hoffmann-Riem, Auffangordnungen (Fn. 140), S. 302.
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Im Ergebnis dient die staatlich regulierte Selbstregulierung dem funktionalen Zusammenwirken von staatlichen und gesellschaftlichen Handlungsrationalitäten und ist insoweit ein erforderlicher Grundbaustein für eine Verantwortungsteilung im Rahmen der Erfüllung öffentlicher Aufgaben172. Sie schafft den Ausgleich zwischen der gewollten Selbstregulierung privater Akteure und dem Interesse des Staates an einer gemeinwohlorientierten Aufgabenwahrnehmung. Dabei bedingen sich die beiden gegenseitigen Handlungsrationalitäten von Staat und Gesellschaft. Der Staat schafft einen Rahmen, innerhalb dessen sich gesellschaftliche Kräfte weitestgehend frei entfalten können, um die Vorteile, die eine Aufgabenübertragung mit sich bringt, zu nutzen. Er schafft den Rahmen aber eben auch, um die Gefahren, die eine Übertragung mit sich bringt, zu minimieren und damit seiner Gewährleistungsverantwortung gerecht zu werden. Die staatlich regulierte Selbstregulierung ist dadurch das bestimmende Instrument des Gewährleistungsstaates und gewinnt durch die steigende Zahl an Privatisierungen an Bedeutung. dd) Private Selbstregulierung Die private Selbstregulierung stellt auf der von Hoffmann-Riem entwickelten „gleitenden Skala“ der Regulierungskonzepte den Gegenpol zur staatlichen imperativen Regulierung dar173. Hier ist die Gesellschaft weitestgehend befreit von regulatorischen Eingriffen durch den Staat, muss sich aber selbstverständlich innerhalb der allgemein gültigen Rechtsordnung bewegen174. Es sind begrifflich Maßnahmen nichtstaatlicher Instanzen zur Sicherung von Verhaltensmaßstäben gemeint175. Im Mittelpunkt steht dabei die Herausbildung einer kollektiven Ordnung unter individueller oder kollektiver Verfolgung von Privatinteressen in der Wahrnehmung grundrechtlicher Freiheiten zum legitimen privaten Eigennutz176. Weitergehend wird aber verlangt, dass eine Verständigung privater Akteure zur Erreichung eines bestimmten Ziels stattfindet, die nicht durch den Staat beein-
172
Brehme, Privatisierung (Fn. 64), S. 58. Siehe dazu auch Hoffmann-Riem, Auffangordnungen (Fn. 140), S. 303 f. Zur Wahl des Terminus „Selbstregulierung“ vgl. J. Kühling, Sektorspezifische Regulierung in den Netzwirtschaften, 2004, S. 26 f. 174 Hoffmann-Riem, Auffangordnungen (Fn. 140), S. 303, der allerdings in der Anwendung des geltenden Rechts durch Gerichte eine regulative Intervention des Staates erblickt. 175 Brehme, Privatisierung (Fn. 64), S. 58. Vgl. dazu auch Eifert (Fn. 131), § 19 Rn. 146. 176 Vgl. dazu Schmidt-Preuß, Verwaltung (Fn. 154), S. 162 f.; C. Calliess, Inhalt, Dogmatik und Grenzen der Selbstregulierung im Medienrecht, in: AfP 2002, S. 465 (466); Brehme, Privatisierung (Fn. 64), S. 58; Eifert (Fn. 131), § 19 Rn. 145. Kritisch dazu bspw. Thoma, Selbstregulierung (Fn. 117), S. 32, der dieses Begriffsverständnis für zu weitgehend hält, da quasi jedes menschliche Verhalten unter den Begriff fiele, was diesen für jegliche Abgrenzung untauglich erscheinen ließe. 173
B. Die Kriterien im Einzelnen
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flusst wird177. Diese geforderte Verständigung kann zum einen durch Absprachen in Form von Kodizes bzw. Selbstverpflichtungen, aber auch Angebot und Nachfrage, also die klassischen Marktkräfte, stattfinden178. Durch diese weitergehenden Anforderungen wird versucht, dem Begriff Abgrenzungscharakter zu verleihen und diesen auf wirtschaftliches Handeln zu beschränken. Ansonsten würde unter den Begriff der Selbstregulierung praktische jedes menschliche Verhalten fallen179. Von regulierter Selbstregulierung kann aber nur dann gesprochen werden, wenn dem Verhalten zumindest ein marktsteuerndes Element zukommt, andernfalls würde jedes alltägliche Marktgeschehen unter den Begriff fallen, was dessen Abgrenzungscharakter verwässern würde180. Die Fokussierung auf den privaten Eigennutz bei der Wahrnehmung von Aufgaben durch gesellschaftliche Akteure führt auch nicht zwangsläufig dazu, dass die Wahrnehmung nicht zur Verwirklichung von Gemeinwohlbelangen erfolgen kann181. Die Gemeinwohlverwirklichung steht zwar nicht grundsätzlich im Mittelpunkt gesellschaftlichen Tätigwerdens, kann aber dennoch auch in diesem Rahmen erfolgen. Der Staat greift allerdings nicht wie in den voranstehend besprochenen Bereichen regulierend ein, sondern beschränkt sich darauf, einen allgemeinen Rechtsrahmen zu schaffen, der die freie Entfaltung von anderen Akteuren schützt und auch zu Erreichung von Gemeinwohlzwecken führen kann182. Die Ordnungsmodelle, die sich im Wege der Selbstregulierung durch individuelle Freiheitsausübung typischerweise herausbilden, sind der Markt und die Organisation183. Dabei stellt der Markt eine punktuelle Interaktion dar, die sich durch eine gewisse Flexibilität auszeichnet, während die Organisation eine Kooperation auf Dauer auf einer breiteren Grundlage ist184. Die Aufgabe des Staates in dieser
177 W. Hoffmann-Riem/W. Schulz/T. Held, Konvergenz und Regulierung, 2000, S. 50; W. Schulz, Regulierte Selbstregulierung im Telekommunikationsrecht, in: DV Beiheft 4 (2001), S. 101 (104); A. Schwetzler, Persönlichkeitsschutz durch Presseselbstkontrolle, 2005, S. 146 f. 178 Hoffmann-Riem/Schulz/Held, Konvergenz (Fn. 177), S. 50, sprechen in diesem Zusammenhang auch von Selbstkontrolle. Siehe auch W. Schulz/T. Held, Regulierte Selbstregulierung als Form modernen Regierens, 2002, S. 3 (Modul A); Schwetzler, Persönlichkeitsschutz (Fn. 177), S. 147; Thoma, Selbstregulierung (Fn. 117), S. 32. 179 So kritisch Thoma, Selbstregulierung (Fn. 117), S. 32. 180 So auch Calliess, Inhalt (Fn. 176), S. 466; Kühling, Regulierung (Fn. 173), S. 27; Thoma, Selbstregulierung (Fn. 117), S. 32. 181 Eifert (Fn. 131), § 19 Rn. 146. 182 Vgl. dazu auch Hoffmann-Riem, Recht (Fn. 131), S. 92; Brehme, Privatisierung (Fn. 64), S. 59. Calliess, Inhalt (Fn. 176), S. 466, merkt aber an, dass der Staat oftmals mit dem Einsatz von Hoheitsgewalt drohen wird, um private regulierende Maßnahmen anzuregen. Vgl. dazu auch C. Engel, Selbstregulierung im Bereich der Produktverantwortung, in: StWStP 9 (1998), S. 535 (541 f.). 183 So Eifert (Fn. 131), § 19 Rn. 147. 184 Ebenfalls Eifert (Fn. 131), § 19 Rn. 147.
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§ 5 Kriterien für die Untersuchung privatisierungsrelevanter Bereiche
Ordnung gesellschaftlicher Kräfte ist es, sicherzustellen, dass alle Akteure ihre Freiheiten entfalten können185. Diese Form der Regulierung, sofern man von Regulierung sprechen mag186, ist für die vorliegende Untersuchung aus dem Grund von Bedeutung, als dass auch Fälle materieller Privatisierung untersucht werden sollen, in denen eine staatliche Aufgabe vollumfänglich in die gesellschaftliche Sphäre verlagert und damit dem staatlichen Zugriff entzogen wird. In diesen Fällen ist besonders darauf zu achten, ob und wie der Staat regulierend eingreifen darf und es auch macht. 4. (Gewährleistungs-)Aufsicht als Instrument und Schlüsselbegriff Neben der Regulierung ist die (Gewährleistungs-)Aufsicht187 als Instrument zur Wahrnehmung staatlicher Verantwortung zu nennen. Diese kann zwar Teil von Regulierungskonzepten, beispielsweise der staatlichen imperativen Regulierung, sein, hat aber grundsätzlich eigenständige Bedeutung und ist von der Regulierung abzugrenzen. Aufgabe der Regulierung ist die Rahmensetzung bezüglich eines Sachbereiches durch vor allem abstrakt-generelle Regelungen, aber auch Einzelmaßnahmen unter Festsetzung materieller Standards, um auf diese Weise einen bestmöglichen Schutz und Ausgleich grundrechtlich geschützter Rechtsgüter zu schaffen188. Die Aufsicht hingegen dient der Überwachung der Einhaltung und Beachtung ebendieser materiellen Standards im Interesse der Gefahrenabwehr189. Die staatliche Aufsicht schließt dementsprechend regelmäßig an Regulierungsmaßnahmen an. Dabei werden verschiedene Formen der Aufsicht unterschieden, die in der Folge dargestellt werden sollen.
185
Weiß, Privatisierung (Fn. 67), S. 149 ff.; Hoffmann-Riem, Recht (Fn. 131), S. 92. Vgl. dazu die Ausführungen bei R. Mayntz, Politische Steuerung, in: dies. (Hrsg.), Soziale Dynamik und politische Steuerung, 1997, S. 263 (278), die in diesem Zusammenhang von Selbstregelung spricht und den Begriff der Selbstregulierung für unpassend erachtet. Für eine solche begriffliche Feinheit spricht, dass der Staat dem Grunde nach nicht regulierend tätig wird. Mayntz unterscheidet in der Folge zwischen „gesellschaftlicher Selbstregelung ohne direkte Mitwirkung staatlicher Akteure auf der einen Seite und dem Zusammenwirken staatlicher und gesellschaftlicher Akteure auf der anderen Seite.“ 187 Zu „formal-begrifflichen Diskrepanzen“ im Hinblick auf die Verwendung der Begriffe Kontrolle, Aufsicht, Überwachung und Controlling vgl. M. Edelbluth, Gewährleistungsaufsicht. Zur Verlagerung von Kontrollverantwortung in den gesellschaftlichen Bereich am Beispiel des Abfallrechts, 2008, S. 26 ff. Zur Abgrenzung dieser Begriffe W. Kahl, Begriffe, Funktionen und Konzepte von Kontrolle, in: GVwR2 III, § 47 Rn. 10 ff. 188 So die Begriffsbestimmung bei Weiß, Privatisierung (Fn. 67), S. 307. 189 Weiß, Privatisierung (Fn. 67), S. 307. 186
B. Die Kriterien im Einzelnen
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a) Dualistisches Aufsichtsmodell als Folge der Trennung von Staat und Gesellschaft? Klassischerweise wird zwischen zwei grundlegenden Aufsichtstypen, der Staatsaufsicht und der Wirtschaftsaufsicht, unterschieden190. Diese Dichotomie der Aufsichtstypen wird dabei gar als „eine unabweisbare Konsequenz der Unterscheidung von Staat und Gesellschaft“ angesehen191. aa) Staatsaufsicht Die Staatsaufsicht geht einher mit der Verlagerung bzw. Ausgliederung von Aufgaben auf dezentrale Verwaltungseinheiten aus Gründen der Kooperation, Distanzierung und Praktikabilität192. Diese birgt die Gefahr des „Einheitsverlustes“ der Verwaltung und kann zu einer „Atomisierung der öffentlichen Verwaltung in eine Unzahl spezialisierter Nebeneinheiten“ führen193. Um den Verlust der Einheit aufzufangen, ist eine staatliche Aufsicht erforderlich. Die Staatsaufsicht bezeichnet also die Aufsicht über verselbstständigte Verwaltungseinheiten des Staates, also „alle mit begrenzter, staatlich verliehener Autonomie ausgestattete Trabanten einer dezentralen Verwaltungsorganisation“ 194. Sie ist damit notwendiges Korrelat zur Übertragung von hoheitsrechtlichen Befugnissen zur eigenen Wahrnehmung195. Dabei soll sie die Vorteile der Dezentralisierung der Verwaltung nicht vereiteln, sondern soll vielmehr einen Ausgleich schaffen zwischen der Verselbstständigung der Verwaltungseinheiten einerseits und einer funktionierenden Verwaltungsorganisation andererseits196. Staatsaufsicht bedeutet dabei nicht nur negative, auf die Verhinderung von Verstößen gegen die Rechtsordnung ausgerichtete, sondern auch positive Aufsicht im Sinne
190 J. Salzwedel, Staatsaufsicht in der Verwaltung, in: VVDStRL 22 (1965), S. 206 (208); D. Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, 1984, S. 268 mit Fn. 88; W. Kahl, Die Staatsaufsicht, 2000, S. 366 ff.; P. Kirchhof, Mittel staatlichen Handelns, in: HStR3 V, § 99 Rn. 239 ff.; M. Burgi, Verwaltungsorganisationsrecht, in: D. Ehlers/H. Pünder (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2016, § 8 Rn. 39. 191 So mit ausführlicher Begründung und zahlreichen weiteren Nachweisen Kahl, Staatsaufsicht (Fn. 190), S. 366 ff. (Herv. i. O., T. H.; Zitat S. 366). Zur Kritik an dieser Auffassung siehe unten Fn. 207. 192 H. Dreier, Hierarchische Verwaltung im demokratischen Staat, 1991, S. 283; Edelbluth, Gewährleistungsaufsicht (Fn. 187), S. 29. 193 F. Wagener, Typen der verselbständigten Erfüllung öffentlicher Aufgaben, in: ders. (Hrsg.), Verselbständigung von Verwaltungsträgern, 1976, S. 31 ff. (50); Dreier, Verwaltung (Fn. 192), S. 283 f. 194 Edelbluth, Gewährleistungsaufsicht (Fn. 187), S. 29. 195 H. Dreier, Verwaltung (Fn. 192), S. 288; Edelbluth, Gewährleistungsaufsicht (Fn. 187), S. 28; H. Maurer/C. Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, 19. Aufl. 2017, § 23 Rn. 52. 196 Edelbluth, Gewährleistungsaufsicht (Fn. 187), S. 29.
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§ 5 Kriterien für die Untersuchung privatisierungsrelevanter Bereiche
eines Hinwirkens auf die Erfüllung der den Verwaltungseinheiten obliegenden Aufgaben197. bb) Wirtschaftsaufsicht Von der Staatsaufsicht unterschieden wird in einem dualistischen Aufsichtsmodell die so genannte Wirtschaftsaufsicht. Diese bezieht sich nicht auf Verwaltungseinheiten, sondern auf alle Wirtschaftssubjekte, vor allem Hersteller, Anbieter und Verteiler von Gütern oder Dienstleistungen198. Sie ist dabei primär als Gewerbeaufsicht (im weiteren Sinne) zu verstehen und stellt damit das notwendige Korrektiv zur liberalen Berufs- und Gewerbefreiheit dar199. Bei den Beaufsichtigten wird es sich regelmäßig – aber nicht zwingend – um Privatrechtssubjekte handeln200. Als Grund für eine staatliche Wirtschaftsaufsicht kann genannt werden, dass diese gesellschaftliches wirtschaftliches Handeln überwacht, welches abstrakt oder konkret ein besonders hohes Gefährdungspotential für die (Grund-)Rechte andere aufweist201. Ziel der Aufsicht ist es dementsprechend, das wirtschaftliche Verhalten der Akteure auf Einhaltung der rechtsverbindlichen Vorgaben hin zu beaufsichtigen202. Dabei geht es im Ergebnis lediglich darum, sicherzustellen, dass sich die Teilnehmer des Wirtschaftsverkehrs an die Vorschriften halten, zu deren Einhaltung sie ohnehin gesetzlich verpflichtet sind203. Die Wirtschaftsaufsicht ist insofern eine negative Aufsicht, da sie auf ein Unterlassen bestimmter Handlungen seitens der wirtschaftlichen Akteure gerichtet ist204. cc) Kritik an einem dualistischen Aufsichtsmodell Das dualistische Modell mit der Unterscheidung von Staats- und Wirtschaftsaufsicht orientiert sich im Ergebnis also maßgeblich an der Rechtsform des beaufsichtigten Akteurs. Handelt es sich um eine (dezentrale) Verwaltungseinheit, so greift nach dieser Unterscheidung die Staatsaufsicht, ist hingegen ein Teilnehmer des Wirtschaftsverkehrs Aufsichtsobjekt, so ist dies als Wirtschaftsaufsicht 197 Kahl, Staatsaufsicht (Fn. 190), S. 380. Zu dieser Unterscheidung auch M. Bullinger, Staatsaufsicht in der Wirtschaft, in: VVDStRL 22 (1965), S. 264 (289 mit Fn. 110). 198 Edelbluth, Gewährleistungsaufsicht (Fn. 187), S. 30. 199 Kahl, Staatsaufsicht (Fn. 190), S. 378; Edelbluth, Gewährleistungsaufsicht (Fn. 187), S. 30. 200 So Edelbluth, Gewährleistungsaufsicht (Fn. 187), S. 30 mit Fn. 55, der darauf hinweist, dass es bei öffentlichen Unternehmen zu Überschneidungen zwischen Staatsund Wirtschaftsaufsicht kommen kann. Dazu auch Kahl, Staatsaufsicht (Fn. 190), S. 380, 386 f. 201 Kahl, Staatsaufsicht (Fn. 190), S. 378. 202 Bullinger, Staatsaufsicht (Fn. 197), S. 285 f.; Edelbluth, Gewährleistungsaufsicht (Fn. 187), S. 30. 203 Zutreffend Bullinger, Staatsaufsicht (Fn. 197), S. 286. 204 Kahl, Staatsaufsicht (Fn. 190), S. 379.
B. Die Kriterien im Einzelnen
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einzuordnen. Zu Überschneidungen kommt es dort, wo öffentliche Unternehmen tätig werden. Die Unterscheidung dieser beiden Aufsichtsformen ist nicht unbestritten und kann dementsprechend keine Allgemeingültigkeit für sich beanspruchen205. So wird in der Literatur teilweise stärker auf das Aufsichtssubjekt abgestellt, sodass jede Aufsicht, die vom Staat ausgeht, als Staatsaufsicht eingeordnet wird, unabhängig davon, ob sie wirtschaftlichen Akteuren oder Verwaltungseinheiten gilt206. Insofern ist die eingangs genannte These Kahls, dass die Unterscheidung von Staatsaufsicht und Wirtschaftsaufsicht zwingende Konsequenz aus der Unteerscheidung von Staat und Gesellschaft ist, erstaunlich207. Sie kann zwar als Ausgangs- bzw. Orientierungspunkt für Differenzierung verschiedener Aufsichtsmodi zugrunde gelegt208, darf dabei aber nicht als unumstößlich angesehen werden. Grund dafür ist vor allem, dass die Zweiteilung der Aufsicht im Hinblick auf den Wandel der Verwaltungsorganisation und die immer weiter wachsende Einbeziehung privater Akteure Schwächen offenbart209. Sie bietet keine ausreichenden Möglichkeiten der Differenzierung, um den zahlreichen Modi der Aufgabenwahrnehmung durch Kooperation mit Privaten gerecht zu werden. Es ist daher angezeigt, eine breiter aufgefächerte Typologie der Aufsicht zu verwenden. b) Differenzierte Aufsichtstypologie nach Schuppert Eine ausdifferenziertere Typologie mit vier verschiedenen Grundtypen der Aufsicht hat Schuppert entwickelt210. Neben den – bereits besprochenen – Instrumenten der klassischen Staatsaufsicht und der klassischen Wirtschaftsaufsicht hat dieser weitergehend die Steuerungsaufsicht und die Gewährleistungsaufsicht herausgearbeitet211. Er begründet dies mit einem Wandel der staatlichen Handlungsformen, der öffentlichen Aufgabenwahrnehmung und der staatlichen Steuerungselemente, der auch die Staatsaufsicht nicht unberührt lasse212. Diese Ausdifferen205
Edelbluth, Gewährleistungsaufsicht (Fn. 187), S. 28. Dazu u. a. Bullinger, Staatsaufsicht (Fn. 197), S. 285 f.; H. Mösbauer, Staatsaufsicht über die Wirtschaft, 1990, S. 3 ff.; Edelbluth, Gewährleistungsaufsicht (Fn. 187), S. 28 mit zahlreichen w. N. 207 Dazu bereits in Fn. 191; kritisch dazu auch Edelbluth, Gewährleistungsaufsicht (Fn. 187), S. 28 in Fn. 44. 208 Edelbluth, Gewährleistungsaufsicht (Fn. 187), S. 28. 209 Zu dieser Kritik auch Edelbluth, Gewährleistungsaufsicht (Fn. 187), S. 31 f. 210 Grundlegend G. F. Schuppert, Staatsaufsicht im Wandel, in: DÖV 1998, S. 831 (831 ff.); ders., Neubestimmung (Fn. 152), S. 326 ff. 211 Schuppert, Staatsaufsicht (Fn. 210), S. 831 ff. 212 Schuppert, Staatsaufsicht (Fn. 210), S. 831. Siehe zum Wandel im Verwaltungsverfahren, auch im Hinblick auf die staatliche Aufsicht, J. Ziekow, Auswirkungen der Modernisierung der Verwaltung auf das Verwaltungsverfahrensrecht, in: VM 6 (2000), S. 202 (208 f.), der von „Privatisierungsfolgenaufsicht“ als Folge spricht. 206
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§ 5 Kriterien für die Untersuchung privatisierungsrelevanter Bereiche
zierung der Aufsichtstypen hat in der Literatur – teilweise mit Einschränkungen – auch an anderer Stelle Anklang gefunden213. In der Folge sollen daher die beiden von Schuppert zusätzlich entwickelten Typen der Aufsicht dargestellt werden. aa) Steuerungsaufsicht Unter dem Begriff der Steuerungsaufsicht versteht Schuppert das Korrelat auf Fälle der „Aufgabenverselbstständigung“, zum einen durch Dezentralisierung innerhalb der Verwaltungsorganisation und zum anderen im Wege der (formellen) Organisationsprivatisierung214. Für die vorliegende Untersuchung ist allein der zweite Fall, die Übertragung von Aufgaben auf formal privatrechtliche Organisationseinheiten in staatlicher Hand, von Bedeutung. Dieser Fall wird – worauf Schuppert zutreffenderweise hinweist – an anderer Stelle in der Literatur unter den Begriffen der Ingerenz- bzw. Einwirkungspflicht behandelt215. Durch die Verlagerung von staatlichen Aufgaben auf privatrechtlich organisierte Unternehmen droht, obwohl die Aufgabe faktisch weiter in staatlicher Hand bleibt, eine Aufweichung der staatlichen Aufgabenverantwortung216. Das Instrument der 213 Dazu auch Edelbluth, Gewährleistungsaufsicht (Fn. 187), S. 19. Vergleichbare Ansätze der Ausdifferenzierung sind zu finden bei: R. Pitschas, Struktur- und Funktionswandel der Aufsicht im Neuen Verwaltungsmanagement, in: DÖV 1998, S. 907 (910 ff.), der von einer „präventiven Gewährleistungs- und Regulierungsaufsicht“ spricht; Voßkuhle, Beteiligung (Fn. 67), S. 321, der zumindest eine dritte Kategorie der „Gewährleistungsaufsicht“ für erforderlich hält; E. Schmidt-Aßmann, Verfassungsfragen der Gesundheitsreform, in: NJW 2004, S. 1689 (1695), zur Gewährleistungsaufsicht; nochmals A. Voßkuhle, Sachverständige Beratung des Staates, in: HStR3 III, § 43 Rn. 80; Wollenschläger, Rückholoptionen (Fn. 117), S. 116 ff., spricht ebenfalls von „Gewährleistungsaufsicht“ und vergleicht diese mit der „Regulierungsaufsicht“ und der „Kooperationsaufsicht“. Zunächst kritisch zur Entwicklung einer „übergreifende[n] ,Aufsichtssystematik‘“ E. Schmidt-Aßmann, Verwaltungskontrolle: Einleitende Problemskizze, in: ders./W. Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungskontrolle, 2001, S. 9 (13), der aber gleichzeitig „neue Kontrollformen“ für notwendig hält (S. 30). 214 Schuppert, Staatsaufsicht (Fn. 210), S. 832 ff. Zur Steuerungsaufsicht auch Pitschas, Funktionswandel (Fn. 213), S. 910. 215 Dazu bspw. G. Püttner, Die Einwirkungspflicht – Zur Problematik öffentlicher Einrichtungen in Privatrechtsform, in: DVBl. 1975, S. 353 ff.; Ehlers, Verwaltung (Fn. 190), S. 128 ff., 132 ff.; W. Spannowsky, Die Verantwortung der öffentlichen Hand für die Erfüllung öffentlicher Aufgaben und die Reichweite ihrer Einwirkungspflicht auf Beteiligungsunternehmen, in: DVBl. 1992, S. 1072 ff.; F. Engellandt, Die Einflußnahme der Kommunen auf ihre Kapitalgesellschaften über das Anteilseignerorgan, 1995, S. 20 ff., 23 ff. Den Begriff der „Ingerenzpflicht“ verwenden F. Ossenbühl, Erweiterte Mitbestimmung in kommunalen Eigengesellschaften. Rechtsgutachten für die ÖTV, 1972, S. 55 ff.; T. v. Danwitz, Vom Verwaltungsprivat- zum Verwaltungsgesellschaftsrecht – Zu Begründung und Reichweite öffentlich-rechtlicher Ingerenzen in der mittelbaren Kommunalverwaltung, in: AöR 120 (1995), S. 595 (603 ff.); Voßkuhle, Beteiligung (Fn. 67), S. 321, spricht von „Einwirkungsaufsicht“, will diese aber der „Gewährleistungsaufsicht“ zuordnen. 216 Püttner, Einwirkungspflicht (Fn. 215), S. 354; Spannowsky, Verantwortung (Fn. 215), S. 1078; Schuppert, Staatsaufsicht (Fn. 210), S. 833.
B. Die Kriterien im Einzelnen
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Steuerungsaufsicht bzw. der Einwirkungspflicht soll diesem Verlust an Verantwortung auf staatlicher Seite entgegenwirken. Die öffentliche Hand muss die Einwirkungspflichten erfüllen, und diese müssen hinreichend bestimmbar sein, damit den Aufsichtsbehörden ein konkreter Kontrollmaßstab zur Verfügung steht217. Andernfalls droht durch die „Flucht ins Privatrecht“ ein Verantwortungs- und Kontrollverlust. bb) Gewährleistungsaufsicht Neben der Steuerungsaufsicht arbeitet Schuppert ebenfalls in Abgrenzung zu den klassischen Typen der Staats- und Wirtschaftsaufsicht die Gewährleistungsaufsicht heraus218. Diese ist die aufsichtsrechtliche Antwort auf den Rückzug des Staates aus seiner Erfüllungsverantwortung im Wege der Privatisierung und den Wandel hin zu einer Gewährleistungsverantwortung. Dementsprechend beschreibt Schuppert die Gewährleistungsaufsicht bildlich zutreffend als „Scharnier des Übergangs von der Erfüllungs- zur Gewährleistungsverantwortung“ 219. Sie soll sicherstellen, dass die Aufgaben nach erfolgter Übertragung durch den privaten Leistungserbringer ordnungsgemäß und unter Einhaltung gewisser Standards erfüllt werden220. So wird diese Form der Aufsicht vor allem in Fällen materieller Aufgabenprivatisierung und funktionaler Privatisierung, bei welcher den Privaten ebenfalls eine Aufgabe zur selbstständigen Wahrnehmung übertragen wird, relevant und ist damit die bedeutsamste Form der Aufsicht für die vorliegende Untersuchung. In diesen Fällen der (weitestgehend) selbstständigen Aufgabenwahrnehmung durch private Akteure soll die Gewährleistungsaufsicht eine Rückkoppelung des privaten Handelns an das Gemeinwohl gewährleisten221. Schuppert unterteilt die Gewährleistungsaufsicht weitergehend in die Regulierungsaufsicht und die Überwachungsaufsicht222. Die Überwachungsaufsicht betrifft dabei 217 So die zutreffende Begründung bei Spannowsky, Verantwortung (Fn. 215), S. 1078; im Anschluss daran auch Schuppert, Staatsaufsicht (Fn. 210), S. 833. 218 Ausführlich zur Gewährleistungsaufsicht und den Gründen für eine solche auch B. Schmidt am Busch, Gewährleistungsaufsicht zur Sicherstellung privater Aufgabenerledigung, in: DV 49 (2016), S. 205 (211 ff.), welche die Gewährleistungsaufsicht im Unterschied zur klassischen Staats- und Wirtschaftsaufsicht als „Kooperationsaufsicht“ betrachtet. Den Begriff der „Kooperationsaufsicht“ verwendet auch P. M. Huber, Überwachung, in: GVwR2 III, § 45 Rn. 153. 219 Schuppert, Staatsaufsicht (Fn. 210), S. 834; ders., Neubestimmung (Fn. 152), S. 328 f. 220 Schuppert, Staatsaufsicht (Fn. 210), S. 835. 221 Edelbluth, Gewährleistungsaufsicht (Fn. 187), S. 39. 222 Schuppert, Staatsaufsicht (Fn. 210), S. 835 ff.; so auch Weiß, Privatisierung (Fn. 67), S. 313; ähnlich Edelbluth, Gewährleistungsaufsicht (Fn. 187), S. 40 f., der mit Blick auf die Wahrnehmung der Kontrolle zwischen staatlicher Selbstvornahme der Kontrolle und einer Verlagerung der Kontrolle in den gesellschaftlichen Bereich unterscheidet. Anders Voßkuhle, Beteiligung (Fn. 67), S. 321, der bei der „Gewährleistungsaufsicht“ unterscheidet zwischen der „Einwirkungsaufsicht“, die hier im Anschluss an Schuppert als Steuerungsaufsicht einen eigenständigen Aufsichtstyp darstellt, und der
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§ 5 Kriterien für die Untersuchung privatisierungsrelevanter Bereiche
den Übergang von der Fremd- zur Eigenüberwachung vor allem im Umwelt- und Technikrecht und wird in der Regel durch normative Vorgaben wahrgenommen223. Der wichtigere Fall der Gewährleistungsaufsicht ist allerdings die „Regulierungsaufsicht“. Diese ist Ausprägung des untrennbaren Zusammenhangs von Privatisierung und Regulierung224. Entledigt sich ein Staat einer Aufgabe durch Übertragung auf einen privaten Akteur und reguliert er dessen Tätigwerden, indem er einen rechtlichen Rahmen vorgibt, so bedarf es der Regulierungsaufsicht, damit der Staat seiner verbleibenden Verantwortung gerecht wird225. Die Gewährleistungsaufsicht ist dementsprechend das wohl wichtigste Instrument der Wahrnehmung staatlicher Verantwortung bei der Übertragung staatlicher Aufgaben auf Private. c) Zur Reichweite der staatlichen Aufsicht Die voranstehend dargestellte Aufsichtstypologie trifft unmittelbar keine Aussage über den Umfang des jeweiligen Aufsichtstypus. Dieser kann im Einzelfall unterschiedlich ausgestaltet sein. Im Hinblick auf den Umfang aufsichtsrechtlicher Befugnisse ist vor allem zwischen der Rechts- und der Fachaufsicht im verwaltungsorganisationsrechtlichen Sinne zu unterscheiden226. Dabei ist die Rechtsaufsicht beschränkt auf eine Kontrolle hinsichtlich der Rechtmäßigkeit des Handelns des Aufgabenwahrnehmenden227. Der Staat hat dementsprechend keinen Einfluss auf die konkreten Modalitäten der Aufgabenwahrnehmung. Dazu Regulierungsaufsicht. P. Badura, Wettbewerbsaufsicht und Infrastrukturgewährleistung durch Regulierung im Bereich der Post und der Telekommunikation, in: U. Hübner/W. F. Ebke (Hrsg.), Festschrift für B. Großfeld zum 65. Geburtstag, 1999, S. 35 (40); Kahl, Staatsaufsicht (Fn. 190), S. 382 ff.; sowie ders., Gewährleistung öffentlicher und privater Aufgabenerfüllung durch „Staatsaufsicht“, in: H. Bauer/P. M. Huber/Z. Niewiadomski (Hrsg.), Ius Publicum Europaeum, 2002, S. 188 (204 f.), ordnen die Gewährleistungsaufsicht der klassischen Wirtschaftsaufsicht zu und bleiben dementsprechend bei einem dualen Aufsichtsmodell. So auch L. Gramlich, Entwicklungen der staatlichen Wirtschaftsaufsicht: Das Telekommunikationsrecht als Modell?, in: VerwArch. 88 (1997), S. 598 (605 ff., insb. 624 ff.). 223 Schuppert, Staatsaufsicht (Fn. 210), S. 837. Dazu auch Edelbluth, Gewährleistungsaufsicht (Fn. 187), S. 41, der in diesem Zusammenhang von einer „doppelte[n] Verantwortungsteilung“ spricht, zunächst mit Blick auf die Aufgabenwahrnehmung und daran anschließend mit Blick auf die Erledigung der Kontrollaufgabe. 224 So Schuppert, Staatsaufsicht (Fn. 210), S. 837. 225 Di Fabio, Verwaltung (Fn. 154), S. 262 f.; Edelbluth, Gewährleistungsaufsicht (Fn. 187), S. 40, der in der Sache zwar richtig, aber begrifflich verwirrend von einer „Erfüllungsverantwortung [des Staates] für die Kontrollaufgabe“ spricht (Herv. i. O., T. H.). 226 Die dritte Form der Dienstaufsicht betrifft vor allem interne Angelegenheiten der Behörde und stellt somit ein personalwirtschaftliches Instrument dar, vgl. W. Erbguth/ A. Guckelberger, Allgemeines Verwaltungsrecht, 9. Aufl. 2018, § 6 Rn. 25. H. P. Bull/ V. Mehde, Allgemeines Verwaltungsrecht mit Verwaltungslehre, 9. Aufl. 2015, § 10 Rn. 392, bezeichnet diese daher auch treffend als „allgemeine Behördenaufsicht“. 227 Erbguth/Guckelberger, Verwaltungsrecht (Fn. 226), § 6 Rn. 25.
B. Die Kriterien im Einzelnen
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bedarf es der weitergehenden Fachaufsicht. Diese ist unbeschränkt und umfasst neben der Rechtmäßigkeitskontrolle auch die Überprüfung der Zweckmäßigkeit der Aufgabenwahrnehmung228. Der Staat ist in diesem Rahmen also auch dazu berechtigt, die Art und Weise des privaten Handelns zu beeinflussen229. Die Frage der Reichweite der staatlichen Aufsicht stellt sich mit Blick auf die vorliegende Untersuchung vor allem in Fällen, in welchen der Private weitreichende Befugnisse bei weitgehender Selbstständigkeit besitzt. Zu denken ist dabei beispielsweise an die Beleihung des Luftfahrzeugführers im Rahmen der Luftaufsicht230. Hier kann eine größere Intensität aufsichtsrechtlicher Befugnisse zu einer Stärkung der demokratischen Legitimation privater Aufgabenwahrnehmung führen. 5. Bedeutung für den weiteren Gang der Untersuchung Die Frage, inwieweit den Staat im Rahmen von Privatisierungsvorhaben und der Übertragung staatlicher Aufgaben eine Verantwortung trifft und wie er dieser gerecht wird, ist entscheidend für die folgende Untersuchung. Die Art der Verantwortung, die den Staat trifft, beeinflusst damit unmittelbar die Voraussetzungen, die der Staat im Rahmen von Aufgabenübertragungen an Private zu stellen hat. Dies geht einher mit Fragen der Regulierung. Diese stellt das wichtigste Instrument zur Wahrnehmung staatlicher Verantwortung dar. Es wird daher genau herauszuarbeiten sein, ob den Staat im Fall der Übertragung von Aufgaben auf Private weiterhin eine Erfüllungs- oder Gewährleistungsverantwortung trifft, wie der Staat in diesem Falle seiner Verantwortung gerecht werden kann, insbesondere, welche regulierenden Maßnahmen er daran anschließend ergreift.
III. Die Grundrechte im Spannungsfeld staatlicher Aufgabenübertragung Neben den voranstehend besprochenen Kriterien der demokratischen Legitimation und der staatlichen Verantwortung für die Aufgabenwahrnehmung sollen vor allem die Grundrechte der Betroffenen und die Intensität grundrechtlicher Eingriffe in der Untersuchung Beachtung finden231. Gerade die Grundrechte gebieten es, die staatlich-gesellschaftlichen Kooperationsbereiche aus verschiedenen Blickwinkeln zu untersuchen, da unter verschiedenen Gesichtspunkten Grundrechtsbeeinträchtigungen eine Rolle spielen können. 228 M. Schröder, Grundfragen der Aufsicht in der öffentlichen Verwaltung, in: JuS 1986, S. 371 (373); Bull/Mehde, Verwaltungsrecht (Fn. 226), § 10 Rn. 391; Erbguth/ Guckelberger, Verwaltungsrecht (Fn. 226), § 6 Rn. 25. 229 Erbguth/Guckelberger, Verwaltungsrecht (Fn. 226), § 6 Rn. 25. 230 Siehe dazu ausführlich unter § 3 C. III. 3. a) (S. 205 ff.). 231 Vgl. dazu auch W. Skouris, Die Grundrechte im Rahmen der Privatisierung, in: P. Häberle/M. Morlok/ders., Staat und Verfassung in Europa, 2000, S. 91 ff.
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§ 5 Kriterien für die Untersuchung privatisierungsrelevanter Bereiche
Diese verschiedenen Blickwinkel ergeben sich aus den veränderten Grundrechtsbeziehungen im Rahmen von Privatisierungsvorhaben. Traditionell kennzeichnet diese Grundrechtsbeziehungen eine Bipolarität, die ihren Ursprung im Verhältnis zwischen dem Staat auf der einen und der Gesellschaft auf der anderen Seite hat232. Hufen charakterisiert diese „herkömmliche Grundrechtsdogmatik“ unter steuerungstheoretischen Gesichtspunkten so, dass sich Steuerungsakteur und Adressat strikt gegenüberstehen (Bipolarität), Steuerungsziele und -grenzen am Einzelnen gemessen werden (Individualität), von allen denkbaren Steuerungsinstrumenten der gezielte und punktuelle Eingriff in den Mittelpunkt gerückt wird und das Steuerungsergebnis eine „Momentaufnahme“ darstellt233. Diesem Modell liegt aber die Annahme zugrunde, dass Grundrechtseingriffe und -gefährdungen nur vom Staat ausgehen und auch nur dieser als verschiedene Leistungen zuteilende Kraft in Betracht kommt234. Ist diese Einseitigkeit in Bezug auf den Staat als Akteur nicht mehr gegeben, lassen sich Grundrechtsprobleme nicht mehr rückstandsfrei in dieses Raster einordnen. Durch die stetig ansteigende Zahl an Privatisierungen und Kooperationen zwischen dem Staat und privaten Akteuren wird dieses grundrechtsdogmatische Modell aufgeweicht und verliert damit zunehmend den Bezug zur Realität235. Die Grundrechte Privater werden zunehmend nicht nur durch den Staat, sondern auch durch das Handeln Privater gefährdet236. Auch von diesen gehen, gerade im Rahmen von Kooperationen oder bei der Wahrnehmung von übertragenen Aufgaben, grundrechtsrelevante Steuerungsimpulse aus237. Diese sind dabei aber anders als der Staat nicht zwangsläufig grundrechtsgebunden, sondern – zumindest teilweise – selbst Grundrechtsträger238. Es kann daher nicht mehr von einem bipolaren System zwischen Staat und Gesellschaft ausgegangen werden. Vielmehr hat
232 F. Hufen, Die Grundrechte und der Vorbehalt des Gesetzes, in: D. Grimm (Hrsg.), Wachsende Staatsaufgaben – sinkende Steuerungsfähigkeit des Rechts, 1990, S. 273 (277); Kämmerer, Privatisierung (Fn. 133), S. 449. 233 Hufen, Grundrechte (Fn. 232), S. 277, der außerdem anmerkt, dass dieses Instrumentarium sinnfälligen Ausdruck in den Zulässigkeitsvoraussetzungen der Verfassungsbeschwerde findet. 234 Hufen, Grundrechte (Fn. 232), S. 277; Kämmerer, Privatisierung (Fn. 133), S. 449. 235 So auch Hufen, Grundrechte (Fn. 232), S. 277; Kämmerer, Privatisierung (Fn. 133), S. 449. 236 Di Fabio, Verwaltung (Fn. 154), S. 254 f.; Kämmerer, Privatisierung (Fn. 133), S. 449 f. 237 Hufen, Grundrechte (Fn. 232), S. 277, spricht von „einer Vielzahl voneinander unabhängiger oder kooperierender staatlicher, halbstaatlicher oder privater Akteure und Instanzen.“ 238 Hufen, Grundrechte (Fn. 232), S. 277; Di Fabio, Verwaltung (Fn. 154), S. 256. Siehe dazu auch U. Steiner, Öffentliche Verwaltung durch Private, 1975, S. 59, der für den Beliehenen die teilweise Grundrechtsträgerschaft feststellt und die damit einhergehende dualistische Struktur des Beliehenen beschreibt.
B. Die Kriterien im Einzelnen
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sich ein Modell dreipoliger Grundrechtsbeziehungen herauskristallisiert239. Die Beziehungen bestehen nicht mehr nur zwischen Staat und Gesellschaft, sondern auch innerhalb der Gesellschaft. Dies wird verstärkt durch die Verlagerung von Steuerungsmacht auf gesellschaftliche Akteure und „die zunehmende Diffusion zwischen solchen gesellschaftlichen Kräften und dem Staat“ 240. Kämmerer spricht in diesem Zusammenhang pointiert von einer „kanalisierten Forcierung dieser gesellschaftsgerichteten Entwicklung.“ 241 Diese zunehmende Komplexität der Beziehungen führt zu einer erschwerten Durchsetzung grundrechtlicher Abwehr- oder Leistungsansprüche für den betroffenen Bürger242. Es ist daher genau zu untersuchen, in welcher Form Grundrechte im Rahmen von Privatisierungen oder staatlich-gesellschaftlichen Kooperationen zu berücksichtigen sind und wie der Staat dies im Rahmen der Voraussetzungen, die er an private Akteure stellt, tut. Dabei sind auf der einen Seite die Grundrechte derer zu beachten, denen gegenüber ein Privater in Wahrnehmung einer ihm übertragenen Aufgabe auftritt. Auf der anderen Seite streiten unter Umständen aber auch Grundrechte für die Privaten, die Aufgaben vom Staat übernehmen, die dem Staat bestimmte Voraussetzungen im Rahmen einer Regulierung verbieten. Es bleibt also herauszuarbeiten, in welcher Weise der Staat einen Ausgleich zwischen möglicherweise sich widerstrebender grundrechtlicher Interessen schafft. 1. Grundrechte privater Leistungsempfänger Die Frage, die sich bei der Übertragung staatlicher Aufgaben auf private Akteure zunächst aufdrängt, ist, welchen Einfluss eine solche Übertragung auf die Grundrechte des einzelnen Bürgers, also des Leistungsempfängers, nimmt. Gerade aufgrund der Tatsache, dass an die Stelle des grundrechtsgebundenen Staates ein nicht grundrechtsgebundener Privater tritt, bedürfen die Grundrechte betroffener Dritter besonderer Aufmerksamkeit. Hauptaugenmerk muss dabei auf der Frage liegen, ob dort, wo ein Privater anstelle des Staates Leistungen 239 So Di Fabio, Verwaltung (Fn. 154), S. 255 f., der ein dreipoliges Verhältnis von Staat, dazwischengeschalteter privater Organisation und dem Einzelnen herausarbeitet. Dem stimmt zu W. Brohm, Diskussionsbeitrag, in: VVDStRL 56 (1997), S. 299. Auch Kämmerer, Privatisierung (Fn. 133), S. 449 ff., spricht von einer dreipoligen Grundrechtsbeziehung. J. Isensee, Das Grundrecht als Abwehrrecht und als staatliche Schutzpflicht, in: HStR3 IX, § 191, Rn. 4 ff., arbeitet ebenfalls bilaterale und trilaterale Grundrechtskonstellationen heraus. 240 So sehr bildlich Kämmerer, Privatisierung (Fn. 133), S. 450. 241 Kämmerer, Privatisierung (Fn. 133), S. 450. 242 Angedeutet bereits früh bei U. Scheuner, Die staatliche Intervention im Bereich der Wirtschaft, in: VVDStRL 11 (1954), S. 1 (38), der von einer möglichen Gefährdung der Interessen dritter nichtbeteiligter Kreise, der Rechte eines Individuums und des Gleichgewichts der Allgemeinheit spricht. Ausführlicher zu einem Defizit an Grundrechtseffektivität in diesen Bereichen H.-U. Gallwas, Die Erfüllung von Verwaltungsaufgaben durch Private, in: VVDStRL 29 (1971), S. 211 (216 ff.). So auch Di Fabio, Verwaltung (Fn. 154), S. 256.
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§ 5 Kriterien für die Untersuchung privatisierungsrelevanter Bereiche
erbringt, die Grundrechte des Einzelnen in gleichem Maße Schutz erhalten243. Kämmerer stellt zwar fest, dass die materielle Entlastung des Staates durch Privatisierungen auf den ersten Blick keine Auswirkungen auf die Grundrechte habe244. So bliebe der Staat auch in der Folge von Privatisierungen weiterhin mit der Pflicht zum Schutz „beschwert“. Der Schutz der Grundrechte ist dem Staat unabhängig von solchen Veränderungen zugewiesen245. Aber auch, wenn auf den ersten Blick ein Einfluss von Privatisierung auf die Grundrechte nicht ersichtlich ist, führt eine Übertragung staatlicher Aufgaben auf private Aufgabenträger zu tiefgreifenden Veränderungen, insbesondere im Rahmen von Leistungsbeziehungen. Diese haben im heutigen Leistungsstaat besondere Bedeutung. Durch die Übertragung wird zwischen den Staat und den privaten Leistungsempfänger aber ein privater Leistungserbringer geschaltet. Das Leistungsverhältnis besteht dementsprechend immer häufiger zwischen zwei privaten Akteuren und verhindert so einen unmittelbaren Zugriff des Staates auf Grundrechtspositionen des Leistungsempfängers246. Das führt dazu, dass die Grundrechte dem Bürger zumindest in ihrer abwehrrechtlichen Funktion keinen Schutz mehr gewähren, da die Gefährdung nicht durch den Staat, sondern von privater Seite droht. Mit der Privatisierung von staatlichen Aufgaben geht so auch eine Schmälerung des grundrechtlichen Schutzniveaus einher247. Diesen Abfall des grundrechtlichen Schutzniveaus muss der Staat versuchen, soweit wie möglich aufzufangen. Um festzustellen, auf welche Weise der Staat diesen Verfall des Grundrechtsschutzes verhindern kann, ist zunächst – gerade im Hinblick auf Privatisierungsvorhaben – herauszuarbeiten, welche Wirkung die Grundrechte zwischen Privaten entfalten. a) Die unmittelbare Drittwirkung der Grundrechte Die Lehre der unmittelbaren Drittwirkung der Grundrechte geht davon aus, dass die Grundrechte nicht nur gegenüber dem Staat Rechte begründen, sondern auch an andere Privatpersonen gerichtet sind248. Dementsprechend seien diese 243
So auch Kämmerer, Privatisierung (Fn. 133), S. 451. Kämmerer, Privatisierung (Fn. 133), S. 451. 245 Vgl. dazu H. P. Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, 2. Aufl., 1977, S. 159; Kämmerer, Privatisierung (Fn. 133), S. 449. 246 Kämmerer, Privatisierung (Fn. 133), S. 452 f. 247 J. Grabbe, Verfassungsrechtliche Grenzen der Privatisierung kommunaler Aufgaben, 1979, S. 106 f.; M. Sachs, in: ders. (Hrsg.), GG, 8. Aufl. 2018, Vor Art. 1 Rn. 37, spricht davon, dass in Folge von Privatisierungen die abwehrrechtliche Grundrechtswirkung leerläuft. 248 H.-J. Papier, Drittwirkung der Grundrechte, in: HGR II, § 55 Rn. 11. Grundlegend zur unmittelbaren Drittwirkung von Grundrechten H. C. Nipperdey, Grundrechte und Privatrecht, 1961, S. 20 ff. Weiterentwickelt wurde die Lehre von der unmittelbaren Drittwirkung vor allem durch W. Leisner, Grundrechte und Privatrecht, 1960, S. 378 ff. In diese Richtung auch F. Gamillscheg, Die Grundrechte im Arbeitsrecht, in: AcP 164 (1964), S. 385 (419 ff.). Vgl. zu der Frage einer Grundrechtsbindung von Pri244
B. Die Kriterien im Einzelnen
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bei ihren Handlungen auch an die Grundrechte gebunden und müssten Grundrechtsverletzungen auf Seiten anderer Privater vermeiden. Untersucht man nun, auf welche Weise der Staat dem drohenden Grundrechtsverfall im Rahmen von Privatisierungsentscheidungen gerecht werden kann, drängt sich die Frage auf, ob nicht die Anerkennung einer unmittelbaren Drittwirkung der Grundrechte der einfachste Weg wäre, um auf die geänderten Leistungsbeziehungen angemessen zu reagieren. Eine solche Drittwirkung würde dazu führen, dass der private Aufgabenübernehmer unmittelbar an die Grundrechte gebunden und verpflichtet wäre, Grundrechtsgefährdungen anderer Privater auszuschließen. Dafür spräche, dass der Private unmittelbar in die ursprüngliche Position des grundrechtlich verpflichteten Staates rückt. In diesem Sinne argumentiert Skouris, der den Ausweg aus der Verflachung des grundrechtlichen Schutzniveaus in der unmittelbaren Geltung von Grundrechten zwischen Privaten sieht249. Dabei sei allerdings nicht eine undifferenzierte Bindung im Sinne von Art. 1 Abs. 3 GG angezeigt, sondern vielmehr für jedes Grundrecht sorgfältig zu prüfen, ob es im Einzelfall einschlägig und schutzbedürftig sei250. Dieser Argumentation ist allerdings nicht zu folgen. Eine unmittelbare Drittwirkung der Grundrechte wird heute zu Recht ganz überwiegend abgelehnt251. Art. 1 Abs. 3 GG bindet nur den Gesetzgeber, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung unmittelbar. Eine grundsätzliche Grundrechtsbindung von Privatpersonen hat der Verfassunggeber hingegen nicht vorgesehen252. Unabhängig von der Frage, ob eine unmittelbare Drittwirkung grundsätzlich denkbar ist, hat Kämmerer sich ausführlich mit der Frage auseinandergesetzt, ob ein Rückgriff auf die unmittelbare Drittwirkung an der Minderung des Grundrechtsschutzes überhaupt etwas ändern würde253. Er kommt in seiner Untersuchung zu dem Schluss, dass die Anerkennung einer unmittelbaren Drittwirkung
vaten und den sozialen und rechtsdogmatischen Argumenten für eine unmittelbare Drittwirkung von Grundrechten auch F. Kirchhof, Private Rechtsetzung, 1987, S. 517 ff. 249 Skouris, Grundrechte (Fn. 231), S. 98 f. 250 Vgl. dazu auch bereits die Ausführungen bei Nipperdey, Grundrechte (Fn. 248), S. 20 ff., der ebenfalls festhält, dass nicht alle Grundrechte per se auf Privatpersonen anwendbar seien und dies für jedes Grundrecht sorgfältig geprüft werden müsse. 251 H. Dreier, in: ders. (Hrsg.), GG I, 3. Aufl. 2013, Vorb. Rn. 98, mit zahlreichen Nachweisen. Vgl. zur Kritik an der unmittelbaren Drittwirkung die Ausführungen mit zahlreichen Nachweisen bei A. Guckelberger, Die Drittwirkung der Grundrechte, in: JuS 2003, S. 1151 (1153), und Papier (Fn. 248), § 55 Rn. 16 ff. So auch H. H. Rupp, Vom Wandel der Grundrechte, in: AöR 101 (1976), S. 161 (168). A. A. ist G. Hermes, Das Grundrecht auf Schutz von Leben und Gesundheit, 1987, S. 100, der die Behauptung, die unmittelbare Drittwirkung würde durchweg abgelehnt, für falsch hält. 252 Guckelberger, Drittwirkung (Fn. 251), S. 1153. Anderer Ansicht ist A. Bleckmann, Staatsrecht II – Die Grundrechte, 4. Aufl. 1997, § 10 Rn. 94, der annimmt, dass Art. 1 Abs. 3 GG nicht die unmittelbare Drittwirkung gegen Private ausschließen, sondern vielmehr sicherstellen soll, dass zumindest der Staat gebunden ist. 253 Kämmerer, Privatisierung (Fn. 133), S. 459 ff.
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§ 5 Kriterien für die Untersuchung privatisierungsrelevanter Bereiche
am „privatisierungsbedingten Grundrechtsschwund“ nichts ändern würde; dabei führt er vor allem die Kollision von Art. 3 I GG und Art. 2 I GG an254. Die eine Vorschrift verbietet willkürliche Differenzierungen, während die andere Vorschrift in Gestalt der Privatautonomie willkürliches Verhalten gerade erlaubt. Für den Privaten gibt es keine Möglichkeit, dieser Grundrechtskollision aus dem Weg zu gehen, sodass letztlich nur der Staat als neutrale Instanz in der Lage ist, dieses Aufeinandertreffen von grundrechtlichen Interessen zu lösen255. Eine unmittelbare Drittwirkung könnte also – unabhängig davon, dass diese insgesamt abzulehnen ist – im Rahmen von Privatisierungen keine Abhilfe beim Verfall des grundrechtlichen Schutzes liefern. Der Staat muss dementsprechend auf anderem Wege versuchen, das grundrechtliche Schutzniveau aufrechtzuerhalten. b) Die mittelbare Drittwirkung der Grundrechte Durchgesetzt hat sich die Annahme einer lediglich mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte256. Diese geht davon aus, dass die Grundrechte vor allem über die Generalklauseln – bspw. §§ 138, 242, 826 BGB – ins Privatrecht hineinwirken257. Dementsprechend wird in diesem Zusammenhang zutreffenderweise von einer „Ausstrahlungswirkung“ der Grundrechte in das Privatrecht gespro-
254 Kämmerer, Privatisierung (Fn. 133), S. 463. Vgl. zu dieser Kollision auch Grabbe, Grenzen (Fn. 247), S. 106. Vgl. dazu auch mit dem Versuch einer Klärung dieser Kollision Leisner, Grundrechte (Fn. 248), S. 378 ff. 255 Kämmerer, Privatisierung (Fn. 133), S. 463. Grabbe, Grenzen (Fn. 247), S. 106, stellt fest, dass für die Auflösung solcher Grundrechtskollisionen keine verfassungsrechtlichen Institute zur Verfügung stehen. 256 Grundlegend zur mittelbaren Drittwirkung als Antwort auf die von Nipperdey entwickelte Lehre der unmittelbaren Drittwirkung G. Dürig, Grundrechte und Zivilrechtsprechung, in: T. Maunz (Hrsg.), Vom Bonner Grundgesetz zur gesamtdeutschen Verfassung, 1956, S. 157 ff. Im Anschluss daran auch BVerfGE 7, 198 ff.; 25, 256 ff.; 102, 347 ff. Aus der Literatur W. Rüfner, Grundrechtsadressaten, in: HStR3 IX, § 197 Rn. 88 ff.; Dreier (Fn. 251), Vorb. Rn. 98; K. Stern, in: ders./F. Becker (Hrsg.), Grundrechte-Kommentar, 2. Aufl. 2016, Einl. Rn. 42; H. D. Jarass, in: ders./B. Pieroth (Hrsg.), GG (Fn. 6), Art. 1 Rn. 52 ff. Zur Kritik an der Verwendung des Begriffspaares unmittelbar bzw. mittelbar im Zusammenhang mit der Drittwirkung und dem Begriff der „Drittwirkung“ selbst siehe Rüffner, ebd., Rn. 88, 90. Ebenfalls kritisch sieht den Begriff der Drittwirkung Rupp, Wandel (Fn. 251), S. 168. E.-W. Böckenförde, Grundrechte als Grundsatznormen. Zur gegenwärtigen Lage der Grundrechtsdogmatik, in: Der Staat 29 (1990), S. 1 (10), bezeichnet den Streit um die mittelbare oder unmittelbare Drittwirkung von Grundrechten als „ein Sekundär-, wenn nicht gar Randproblem.“ Der Unterschied der beiden Ansätze relativiere sich „auf der Grundlage der objektiven Grundsatzwirkung der Grundrechte in hohem Maße.“ Gar als Scheinproblem sieht J. Schwabe, Die sogenannte Drittwirkung der Grundrechte, 1971, S. 154 ff.; ders., Probleme der Grundrechtsdogmatik, 2. Aufl. 1977, S. 211 ff., 221 ff., die Frage der Drittwirkung der Grundrechte. 257 BVerfGE 7, 198 (206); J. Hager, Grundrechte im Privatrecht, in: JZ 1994, S. 373 (374); R. Poscher, Grundrechte als Abwehrrechte, 2003, S. 281; Rüfner (Fn. 256), § 197 Rn. 91; Stern (Fn. 256), Einl. Rn. 42.
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chen258. Diese Ausstrahlungswirkung der Grundrechte fällt in den Bereich der „objektiv-rechtlichen“ Grundrechtsgehalte259. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, bei der Schaffung von Rechtsgrundlagen die Grundrechte zu beachten und, vor allem in Fällen konfligierender Grundrechtsinteressen, die Möglichkeit eines Ausgleiches zu schaffen. Dies hat unmittelbar Einfluss auf die Voraussetzungen eines Privatisierungsvorhabens. Der Gesetzgeber muss die Voraussetzungen so gestalten, dass eine Grundrechtsgefährdung durch den Privaten, der die staatliche Aufgabe übernimmt, weitgehend ausgeschlossen ist. Darüber hinaus muss sichergestellt sein, dass die Übertragung der Aufgabe an sich die Grundrechte Dritter nicht beeinträchtigt. Sachs stellt allerdings fest, dass diese Ausstrahlungswirkung der Grundrechte heute überwiegend mit den aus den Grundrechten folgenden Schutzpflichten zu erfassen gesucht wird260. Um die Auswirkungen der Übertragung von staatlichen Aufgaben auf die Grundrechte der Betroffenen zu untersuchen, muss man sich also weitergehend mit den Schutzpflichten auseinandersetzen. c) Die Schutzpflichtfunktion der Grundrechte Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten sieht die Aufgabe des Staates nicht nur darin, eigene Grundrechtsverletzungen zu vermeiden, sondern auch darin, den Bürger vor grundrechtsrelevanten Übergriffen Privater zu schützen261. Verlangt wird durch den Staat also nicht nur ein passives Unterlassen von 258 Dreier (Fn. 251), Vorb. Rn. 96 ff.; Stern (Fn. 256), Einl. Rn. 42, 45; Sachs (Fn. 247), Vor Art. 1 Rn. 32. 259 Sachs (Fn. 247), Vor Art. 1 Rn. 31, der aber zugleich Kritik an der Bezeichnung „objektiv-rechtliche“ Gehalte übt (Rn. 28 f.). 260 Siehe dazu Sachs (Fn. 247), Vor Art. 1 Rn. 32, mit zahlreichen Nachweisen aus Rechtsprechung und Literatur. 261 Dreier (Fn. 251), Vorb. Rn. 101. Vgl. zur Funktion der Grundrechte als Schutzpflichten grundlegend auch BVerfGE 7, 198 (205 ff.); 35, 79 (114). Aus der Literatur dazu J. Isensee, Das Grundrecht auf Sicherheit, 1983, S. 27 ff.. Zu den Schutzpflichten des freiheitlichen Verfassungsstaates, 1983; Kirchhof, Rechtsetzung (Fn. 248), S. 522 ff.; E. Klein, Grundrechtliche Schutzpflichten des Staates, in: NJW 1989, S. 1633 ff.; J. Pietzcker, Drittwirkung – Schutzpflicht – Eingriff, in: H. Maurer (Hrsg.), Das akzeptierte Grundgesetz. Festschrift für G. Dürig, 1990, S. 345 ff. (insb. 356 ff.); J. Dietlein, Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten, 1992; K. Hesse, Die verfassungsgerichtliche Kontrolle der Wahrnehmung grundrechtlicher Schutzpflichten des Gesetzgebers, in: H. Däubler-Gmelin u. a. (Hrsg.), Gegenrede. Aufklärung – Kritik – Öffentlichkeit. Festschrift für E. G. Mahrenholz, 1994, S. 541 ff.; H. H. Klein, Die grundrechtliche Schutzpflicht, in: DVBl. 1994, S. 489 ff.; C. Enders, Die Privatisierung des Öffentlichen durch die grundrechtliche Schutzpflicht und seine Rekonstruktion aus der Lehre von den Staatszwecken, in: Der Staat 35 (1996), S. 351 ff.; P. Unruh, Zur Dogmatik der grundrechtlichen Schutzpflichten, 1996; M. Holoubek, Grundrechtliche Gewährleistungspflichten, 1997, S. 243 ff.; G. Krings, Grund und Grenzen grundrechtlicher Schutzansprüche, 2003; C. Calliess, Schutzpflichten, in: HGR II, 2006, § 44; Isensee (Fn. 239), § 191. Kämmerer, Privatisierung (Fn. 133), S. 452, stellt allerdings fest, dass die Lehre einer unmittelbaren Drittwirkung von Grundrechten einer „Schutzpflichtfacette“ nicht bedürfe.
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Grundrechtseingriffen, sondern vielmehr ein aktives Entgegenwirken im Hinblick auf Eingriffe von Seiten Dritter262. Sie verpflichten den Staat also zum Schutz zwischenbürgerlicher Beziehungen und garantieren damit das „Grundrecht auf Sicherheit“ 263. Konkret betrifft die Verpflichtung den Staat in Form von Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung264. Auch die Schutzpflichtenfunktion der Grundrechte ergibt sich, wie schon die Lehre der mittelbaren Drittwirkung, aus dem objektiv-rechtlichen Gehalt der Grundrechte265. Nicht abschließend geklärt ist die Frage, in welchem Verhältnis die mittelbare Drittwirkung der Grundrechte und die Schutzpflichten zueinander stehen266. Grundsätzlich sollen beide einen Lösungsansatz für das Problem der Gefährdung von Grundrechten durch Dritte bieten und finden ihren Ursprung in der objektivrechtlichen Funktion der Grundrechte. Dementsprechend könnte man davon ausgehen, dass die mittelbare Drittwirkung der Grundrechte und die Schutzpflichtfunktion nebeneinander bestehen267. Teilweise wird allerdings angenommen, dass durch die Schutzpflichtenfunktion der Grundrechte die traditionelle Drittwirkung der Grundrechte ersetzt wurde268. Eine Abkehr der Rechtsprechung von der 262 Dreier (Fn. 251), Vorb. Rn. 101, der darauf hinweist, dass insoweit Parallelen zwischen den staatlichen Leistungspflichten und den Schutzpflichten bestehen. 263 So Isensee (Fn. 239), § 191 Rn. 1, 3. Grundlegend zum „Grundrecht auf Sicherheit“ ders., Grundrecht (Fn. 261), S. 33 ff. Vgl. dazu auch G. Robbers, Sicherheit als Menschenrecht, 1987; M. Möstl, Die staatliche Garantie für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, 2002, S. 84 ff.; M. Burgi, Vom Grundrecht auf Sicherheit zum Grundrecht auf Opferschutz, in: O. Depenheuer u. a. (Hrsg.), Staat im Wort. Festschrift für J. Isensee, 2007, S. 655 ff. Sehr kritisch zu dieser Entwicklung S. Leutheusser-Schnarrenberger, Neue Dimension des Politischen, in: ZRP 1999, S. 313 ff., die anmerkt, dass die grundrechtlichen Schutzpflichten keinem originären demokratischen Rechtsetzungsprozess, sondern höchstgerichtlicher Rechtsentwicklung entsprängen und dass die Ausweitung der Schutzpflichten zu Lasten der Abwehrfunktion der Grundrechte ginge. Kritisch äußert sich auch H. A. Hesse, Der Schutzstaat, 1994, S. 23, der davor warnt, dass vom „Schutzstaat“ in der Tendenz eine Gefahr ausgeht. 264 Isensee (Fn. 239), § 191 Rn. 3. Das Bundesverfassungsgericht hat betont, dass die sich aus den Grundrechten ergebenden Schutzpflichten Richtlinien und Impulse für Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung aussenden: BVerfGE 7, 198 (205); 39, 1 (41); 49, 89 (142). 265 Sachs (Fn. 247), Vor Art. 1 Rn. 31 ff. 266 So auch I. v. Münch, Die Drittwirkung von Grundrechten in Deutschland, in: ders./P. S. Coderch/J. Ferrer i Riba (Hrsg.), Zur Drittwirkung der Grundrechte, 1998, S. 7 (24). 267 So bspw. R. Alexy, Theorie der Grundrechte, 1985, S. 484 ff., der sogar die unmittelbare Drittwirkung daneben anerkennen will und auf dieser Grundlage ein „DreiEbenen-Modell der Drittwirkung“ entwickelt. Vgl. zu diesem Modell auch T. Langner, Die Problematik der Geltung der Grundrechte zwischen Privaten, 1998, S. 80 ff. Auch v. Münch, Drittwirkung (Fn. 266), S. 27 f., geht davon aus, dass „grundrechtliche Schutzpflichten und Drittwirkung nahe beieinanderliegen, aber doch dogmatisch voneinander zu trennen sind.“ Er geht also im Ergebnis auch davon aus, dass beide nebeneinander bestehen. 268 So argumentiert S. Oeter, „Drittwirkung“ der Grundrechte und die Autonomie des Privatrechts, in: AöR 119 (1994), S. 529 (549). Dabei bezieht er sich vor allem auf die
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Drittwirkungslehre lässt sich allerdings nicht erkennen. Vielmehr nimmt die Rechtsprechung Bezug sowohl auf die Drittwirkungslehre als auch auf die Schutzpflichten269. Es ist daher davon auszugehen, dass beide Ansätze zur Erklärung der Wirkung von Grundrechten zwischen Privaten herangezogen werden können und sich gegenseitig beeinflussen. So beschreibt beispielsweise Benda die Schutzpflichten als „Transmissionsriemen“ für die Drittwirkung270. Um den Verpflichtungen, welche die Schutzpflichten dem Staat aufgeben, nachzukommen, wird beispielsweise der Gesetzgeber oftmals dazu angehalten sein, Regelungen zu schaffen, durch welche die Grundrechte mittelbar Wirkung entfalten können. Die Wahrnehmung von Schutzpflichten seitens des Staates, die auf die Verhinderung von Grundrechtsverletzungen durch Private abzielt, wird also regelmäßig zu einer mittelbaren Einwirkung der Grundrechte führen271. Dementsprechend sind die Schutzpflichten eng mit der Ausstrahlungswirkung der Grundrechte und mit der mittelbaren Drittwirkungslehre verbunden272. Im Ergebnis ist es daher nicht wichtig, ob man von der Schutzpflichtenlehre oder der Theorie der mittelbaren Drittwirkung ausgeht273. Beide entspringen der objektiv-rechtlichen Dimension der Grundrechte und führen am Ende zum gleichen Ergebnis. 2. Grundrechte privater Leistungserbringer Auch wenn sich die Frage, inwieweit im Rahmen der Übertragung von Staatsaufgaben die Grundrechte der Bürger in Gefahr sind, aufdrängt, müssen die Grundrechte im Zusammenhang von Privatisierungsentscheidungen aus zwei Blickwinkeln betrachtet werden. Wie bereits festgestellt, ist aus dem bipolaren Staat-Bürger-System durch die Übertragung von Staatsaufgaben ein dreipoliges Verhältnis geworden. So finden sich zwischen dem Staat und den Bürgern private Leistungserbringer, die Aufgaben für den Staat wahrnehmen. Diese sind dem Staat gegenüber aber weiterhin Grundrechtsträger, sodass sich nach der Übertragung der Aufgabe zwei Grundrechtsträger gegenüber stehen274. Dement„Handelsvertreter“-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 81, 242 ff.) und will darin eine Abkehr der Rechtsprechung von den Drittwirkungsformeln erkennen. 269 Vgl. dazu die Ausführungen bei v. Münch, Drittwirkung (Fn. 266), S. 27 f. Auch Oeter, Drittwirkung (Fn. 268), S. 551 merkt an, dass die Drittwirkungslehren in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts anklingen. 270 E. Benda, Technische Risiken und Grundgesetz, in: ET 1981, S. 868 (869). 271 So C.-W. Canaris, Grundrechte und Privatrecht, in: AcP 184 (1984), S. 201 (228). 272 K. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III/1, 1988, S. 1572; C.-W. Canaris, Grundrechte und Privatrecht, 1999, S. 38; M. Ruffert, Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Privatrecht, in: JZ 2009, S. 389 (389); Stern (Fn. 256), Einl. Rn. 47. 273 So auch mit zahlreichen weiteren Nachweisen A. Schramm, Haftung für Tötung, 2010, S. 292. In diese Richtung wohl auch Hermes, Grundrecht (Fn. 251), S. 99 f. 274 Kämmerer, Privatisierung (Fn. 133), S. 449.
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sprechend sind bei der Untersuchung der Voraussetzungen der Aufgabenübertragungen nicht nur die Grundrechte der Bürger, also der Leistungsempfänger, sondern auch die Grundrechte der privaten Leistungserbringer zu berücksichtigen. Anders als im vorangegangen untersuchten Bereich der privaten Leistungsempfänger wirken die Grundrechte in Bezug auf die privaten Leistungserbringer allerdings nicht in ihrer Funktion als Schutzpflichten. Dazu muss man sich die dreipolige Konstellation im Rahmen von Privatisierungen vor Augen führen. Der private Leistungsempfänger tritt mit Übernahme der staatlichen Aufgabe zwischen den Staat auf der einen und den privaten Leistungsempfänger auf der anderen Seite. Dies führt wie eingangs untersucht auf Seiten der Leistungsempfänger dazu, dass keine direkte Interaktion mit dem Staat stattfindet, was im Ergebnis zu einem Verfall des grundrechtlichen Schutzniveaus führt. In diesem Falle muss auf die Schutzpflichtenfunktion bzw. auf die mittelbare Drittwirkung zurückgegriffen werden, um diesen Verfall aufzufangen. Durch das Dazwischentreten entstehen allerdings für den privaten Leistungserbringer gleich in zwei Richtungen direkte Verbindungen. Auf der einen Seite besteht zwischen privatem Leistungserbringer und Leistungsempfänger eine Verbindung, die nach privatrechtlichen Regelungen zu beurteilen ist. Auf der anderen Seite entsteht zwischen dem Staat auf der einen Seite und dem privaten Leistungserbringer auf der anderen Seite eine direkte Verbindung. Greift der Staat gegenüber dem privaten Aufgabenübernehmer – auch im Rahmen der Übertragungsvoraussetzungen – regulierend ein, so kommt dies einem Eingriff in grundrechtlich geschützten Interessen ebendieses Leistungserbringers gleich. In diesem Zusammenhang tritt der Staat also wieder in seiner klassischen Funktion als eingreifender Staat auf 275. In erster Linie kommen dem privaten Leistungserbringer die Freiheitsrechte aus Art. 12 Abs. 1, 14 Abs. 1 und 2 Abs. 1 GG zugute, welche die wirtschaftliche Dispositionsfreiheit und die Vertragsautonomie schützen276. Ihm steht es also frei, sich im grundrechtlich geschützten Rahmen auf dem Markt zu positionieren und zu agieren. Dabei wird sich der private Leistungsempfänger in der Regel von marktwirtschaftlichen Überlegungen leiten lassen. Zwar ist er dabei durch die Sozialbindung des Eigentums nach Art. 14 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 GG nicht völlig frei, aber nicht in der Form gebunden wie der Staat, insbesondere nicht grundrechtlich zur Gleichbehandlung der privaten Leistungsempfänger verpflichtet277. Neben diesen Grundrechten, die bereichsübergreifend auf dem Markt von Bedeu-
275 Siehe dazu vor allem auch die Ausführungen bei Kämmerer, Privatisierung (Fn. 133), S. 451, der darin aber keine Rückbesinnung auf die eigentlichen Aufgaben des Staates erblicken will. Dies begründet er damit, dass der Staat den privaten Leistungsempfänger durch das Dazwischenschalten des privaten Leistungserbringers überhaupt nicht mehr direkt erreicht. 276 So Kämmerer, Privatisierung (Fn. 133), S. 456. 277 Kämmerer, Privatisierung (Fn. 133), S. 456.
B. Die Kriterien im Einzelnen
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tung sind, haben bereichsabhängig weitere Grundrechte Relevanz. Mit Blick auf die Religionsgemeinschaften, die mit der inhaltlichen Wahrnehmung des Religionsunterrichts betraut sind, ist dabei vor allem an Art. 4 Abs. 1 u. 2, 7 Abs. 3 GG zu denken278. Diese Grundrechte hat der Staat also dort, wo er sich entscheidet, regulierend einzugreifen, zu berücksichtigen. 3. Fazit: Die Schaffung eines Ausgleichs als Auftrag an den Staat Der Staat hat demnach im Rahmen von Aufgabenübertragungen gleich in zwei Richtungen grundrechtliche Interessen zu beachten. Vor allem der Schutz der Grundrechte der privaten Leistungsempfänger drängt sich augenscheinlich auf, da der Staat sich durch die Übertragung von Aufgaben von diesen entfernt und so das grundrechtliche Schutzniveau absinkt. Durch die Übertragung von Aufgaben gehen in der Folge vermehrt Gefahren vom Verhalten privater Dritter, also der Leistungserbringer, aus279. Dem muss der Staat aufgrund seiner Schutzpflichten entgegentreten und dies bereits während des Privatisierungsprozesses berücksichtigen280. Dementsprechend ist vor allem der Gesetzgeber gefordert, Regelungen zu schaffen, die diesen Ansprüchen gerecht werden und die Grundrechte der Bürger schützen281. Dabei darf der Gesetzgeber allerdings nicht außer Acht lassen, dass auf der anderen Seite der private Leistungserbringer steht, der sich ebenfalls auf Grundrechte berufen kann. Hier droht ansonsten ein nicht zu rechtfertigender Eingriff seitens des Staates. Die Rolle des Staates im Rahmen von Privatisierung sieht Kämmerer also vollkommen zurecht „darin, für einen fairen Ausgleich der ,kollidierenden‘ Grundrechtspositionen des leistenden und empfangenden Privaten zu sorgen.“ 282 Dieser Aufgabe kann der Staat im Grunde nur durch das Instrument der Regulierung gerecht werden. Er hat also im Rahmen der Aufgabenübertragung sicherzustellen, dass sowohl die Grundrechte des privaten Leistungserbringes als auch, aufgrund grundrechtlicher Schutzpflichten, die Grundrechte des privaten Leistungsempfängers geschützt sind. Bei der genauen Ausgestaltung der Regelungen steht dem Staat allerdings ein weiter Gestaltungs278
Vgl. dazu unter § 6 A. II. 3. a) (S. 309). Sachs (Fn. 247), Vor Art. 1 Rn. 37. 280 Darauf weist auch Kämmerer, Privatisierung (Fn. 133), S. 453, am Rande hin (in Fn. 135). 281 Isensee, Grundrecht (Fn. 261), S. 42 f.; Klein, Schutzpflicht (Fn. 261), S. 494 f.; J. Menzer, Privatisierung der atomaren Endlagerung, in: DVBl. 1998, S. 820 (822). 282 Kämmerer, Privatisierung (Fn. 133), S. 453, der allerdings annimmt, dass die Rolle des Staates dadurch nicht mehr darin besteht, „sich Eingriffen zu enthalten oder Leistungen nach Maßgabe der Grundrechte zu verteilen.“ Dieser Schluss ist im Ergebnis nicht vollkommen zutreffend. Dem Staat kommen diese Aufgaben wie festgestellt in verschiedener Hinsicht weiterhin zu, nur hat dieser, um den sich widersprechenden Interessen gerecht zu werden, einen Ausgleich zu schaffen. Die Aufgabe des Staates wird dementsprechend eher erweitert. 279
288
§ 5 Kriterien für die Untersuchung privatisierungsrelevanter Bereiche
spielraum zu283. Dieser Spielraum ist bei der Untersuchung, auf welche Weise der Staat seinen grundrechtlichen Pflichten im Rahmen von Aufgabenübertragungen gerecht wird, zu berücksichtigen.
IV. Die Motivation privater Akteure bei der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben Neben den drei bereits dargestellten Kriterien soll ein weiteres Kriterium im Hinblick auf die Voraussetzungen, die der Staat an private Leistungserbringer stellt, untersucht werden, welches in der Literatur bisher augenscheinlich keine große Beachtung gefunden hat. Einleitend wurde im Rahmen der Begriffsbestimmungen dargestellt, aus welcher Motivation heraus der Staat Aufgaben auf private Akteure überträgt. Dort war von aufgabenbezogenen, finanzbezogenen und ordnungspolitischen Aspekten die Rede284. Ziel des Staates ist, kurzgesagt, ein Zugewinn an Knowhow unter Senkung der staatlichen Kosten bei gleichzeitiger Stärkung des Marktes. Die Motivationen des Staates sind also in der Literatur hinreichend untersucht worden. Anders sieht das im Hinblick auf die Frage aus, mit welcher Motivation der private Leistungserbringer eine staatliche Aufgabe übernimmt. Diese Frage ist – soweit ersichtlich – bisher nicht näher untersucht worden. Grund dafür dürfte sein, dass sich die Antwort aufzudrängen scheint. Der private Leistungserbringer, der eine Aufgabe vom Staat übernimmt, wird dies in der Regel vor allem aus wirtschaftlichen Interessen heraus tun285. Er wird daher in der Regel versuchen, seinen eigenen Nutzen aus der Wahrnehmung der Aufgabe zu maximieren. Als Grundrechtsträger ist der Private nicht zur Rücksichtnahme verpflichtet, sondern darf aus bloß eigennütziger Motivation heraus handeln286. Diese beschränkte Sicht auf die Motivation privater Akteure greift aber möglicherweise zu kurz. Grundsätzlich ist es richtig, dass Private gerade dann, wenn sie auf dem freien Markt tätig sind, vor allem an ihren eigenen wirtschaftlichen Vorteil denken mögen. Dennoch ist auch bei Privaten an ein gemeinwohlorientiertes Tätigwerden aufgrund nicht ausschließlich eigennützlicher Interessen zu denken, beispielsweise bei der Wahrnehmung von Ehrenämtern. Daher bedarf es einer näheren Untersuchung der Motivation privater Leistungserbringer, um 283 BVerfGE 77, 170 (214 f.); 79, 174 (202); D. Murswiek, Die staatliche Verantwortung für die Risiken der Technik, 1985, S. 283 f.; Klein, Schutzpflicht (Fn. 261), S. 495; Menzer, Privatisierung (Fn. 281), S. 822; Kämmerer, Privatisierung (Fn. 133), S. 454. 284 Dazu § 2 B. II. (S. 54 f.). 285 So Brehme, Privatisierung (Fn. 64), S. 42. Auch I. Ewald, Privatisierung staatlicher Aufgaben, 2004, S. 66, spricht von gewinnorientierten Interessen des privaten Leistungserbringers. 286 Siehe dazu auch J. Isensee, Gemeinwohl im Verfassungsstaat, in: HStR3 IV, § 71 Rn. 116.
B. Die Kriterien im Einzelnen
289
daraus möglicherweise Schlüsse ziehen zu können, wie der Staat mit verschiedenen Motivationen im Rahmen von Privatisierungsentscheidungen umgeht oder umzugehen hat. Man kann dabei zwischen intrinsischen und extrinsischen Motiven bei der Wahrnehmung von Aufgaben unterscheiden287. 1. Wirtschaftlicher Erfolg als extrinsisches Motiv Von extrinsischen Motiven wird gesprochen, wenn eine Handlung aufgrund von äußeren Anreizen vorgenommen wird, also „durch eine Zweck-Mittel-Konsequenz gekennzeichnet“ ist288. Diesem Bereich kann man die rein wirtschaftlichen Motive von Privaten zuordnen. Hier handelt der Private oder ein privates Unternehmen aus Gründen der Wirtschaftlichkeit und der Gewinnoptimierung. Wie bereits knapp angerissen, wird es sich bei dieser Art von Motivation um den Hauptantrieb von privater wirtschaftlicher Tätigkeit handeln289. Das schließt aber nicht aus, dass sich der private Leistungserbringer daneben auch von anderen Motiven, insbesondere von Gemeinwohlinteresse leiten lässt290. Dennoch wird es vielfach der prägende Anreiz sein, wirtschaftlich tätig zu werden bzw. – mit Blick auf die vorliegende Untersuchung – eine staatliche Aufgabe zu übernehmen. Ein wirtschaftliches Interesse als extrinsische Motivation wird allerdings in aller Regel vorliegen, sodass sich dieses Kriterium für eine Abgrenzung im Rahmen der Untersuchung nicht anbietet. Vielmehr ist zu untersuchen, ob der private Leistungserbringer nicht auch durch andere Motive angetrieben ist, eine Aufgabe zu übernehmen. 2. Gemeinwohl als intrinsisches Interesse? Es stellt sich also die Frage, ob private Akteure unter Umständen aus anderen als bloß wirtschaftlichen Interessen eine staatliche Aufgabe übernehmen. Dabei sind vor allem intrinsische Interessen der Privaten interessant für die vorliegende Untersuchung. Von solchen intrinsischen Interessen spricht man, wenn die Motivation zum Tätigwerden durch innere Anreize entsteht und nicht von äußeren Einflüssen bestimmt ist291. Das wäre der Fall, wenn der private Leistungserbrin287 Die Unterscheidung von intrinsischen und extrinsischen Motivationen ist vor allem auch in der Lernpsychologie verbreitet, vgl. dazu bspw. A. Krapp, Intrinsische Lernmotivation und Interesse, In ZfPäd 45 (1999), S. 387 (388 f.). Aber auch in wirtschaftlichen Bereichen wird zwischen intrinsischen und extrinsischen Interessen bzw. Motivationen gesprochen, dazu bspw. C. Hohenberger/M. Spörrle, Motivation und motivationsnahe Phänomene im Kontext wirtschaftlichen Handelns, in: M. Landes/E. Steiner (Hrsg.), Psychologie der Wirtschaft, 2013, S. 103 (109 ff.). 288 Hohenberg/Spörrle, Motivation (Fn. 287), S. 109. 289 C. Felber, Die Gemeinwohl-Ökonomie. Das Wirtschaftsmodell der Zukunft, 2010, S. 79, beschreibt das Einkommen als den häufigsten und einfachsten Beweggrund wirtschaftlichen Tätigwerdens. 290 In diese Richtung argumentiert Franzius, Gewährleistung (Fn. 115), S. 91. 291 Hohenberg/Spörrle, Motivation (Fn. 287), S. 109.
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§ 5 Kriterien für die Untersuchung privatisierungsrelevanter Bereiche
ger nicht – oder nicht ausschließlich – aus wirtschaftlichen, gewinnorientierten Motiven wahrnimmt, sondern aus ideellen, gemeinwohlorientierten Interessen. Auf den ersten Blick scheint die Annahme, private Akteure könnten aus eigenem, gemeinwohlorientierten Antrieb staatliche Aufgaben wahrnehmen, fernliegend. Felber hat sich in seiner Untersuchung zur Gemeinwohl-Ökonomie – einem alternativen Wirtschaftsmodell – mit der Motivation von Menschen auseinandergesetzt und ist zu dem Schluss gekommen, dass eine intrinsische Motivation in unserem Menschenbild in wirtschaftlicher Hinsicht eigentlich nicht vorgesehen ist292. Dennoch gibt es einige Ansatzpunkte, sich mit der Frage intrinsischer Motivation im Hinblick auf die Wahrnehmung staatlicher Aufgaben auseinanderzusetzen. Neben Felbers Entwurf zur Gemeinwohl-Ökonomie als Wirtschaftsmodell der Zukunft, das im Gesamten auf dem Gemeinwohlgedanken aufbaut, gibt es unter dem Begriff des „corporate citizenship“ Untersuchungen, die sich mit der Frage eines gesellschaftlichen Engagements von privaten Unternehmen auseinandersetzen293. Ein solches ist also durchaus gegeben, wird in der Regel aber im Ergebnis dennoch meist aus ökonomischen Gesichtspunkten verwirklicht werden. So führt auch „corporate citizenship“ letztendlich meist zu einer Wertsteigerung und dient der Unterstützung von Unternehmenszielen294. Das bedeutet aber auch, dass ein solch gemeinwohlorientiertes Engagement von Unternehmen – zumindest auch – aufgrund extrinsischer Motivation stattfindet und nicht aus reiner Selbstlosigkeit. Aber es gibt auch Fälle gesellschaftlichen Handelns aus rein intrinsischen Interessen heraus. So beispielsweise Stiftungen wie die Björn-Steiger-Stiftung, die sich im Interesse des Gemeinwohls im Bereich der Notfallhilfe einsetzt295. Diese handeln nicht aus extrinsischen, also wirtschaftlichen, Motiven, sondern rein aus altruistischen Gründen. In diesem Zusammenhang ist auch an die altruistische Verbandsklage im Umweltrecht zu denken296. In diesem Fall hängt die Anerkennung einer Vereinigung davon ab, ob sie die Ziele des Umweltschutzes aus ideel-
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Felber, Gemeinwohl-Ökonomie (Fn. 289), S. 79. Siehe dazu bspw. S. Kaiser/M. Schuster, Corporate Citizenship. Eine betriebswirtschaftliche Betrachtung des gesellschaftlichen Engagements von Unternehmen, in: WiSt 2004, S. 669 ff., die den Begriff „corporate citizenship“ als Oberbegriff für gesellschaftlichen Engagement von Unternehmen auffasst. Auch H. Backhaus-Maul/C. Biedermann/S. Nährlich/J. Polterauer, Corporate Citizenship. Die Renaissance unternehmerischen Engagements, in: BdW 2008, S. 203 ff. 294 Kaiser/Schuster, Citizenship (Fn. 293), S. 671 Abb. 2. 295 Die Björn-Steiger-Stiftung wurde 1969 aufgrund des Todes von Björn Steiger, der in Folge eines Verkehrsunfalls verstarb, gegründet. Die Stiftung setzt sich vor allem zur Verbesserung der Notfallhilfe ein und war maßgeblich bei der Einführung von Notrufsäulen an Fernstraßen beteiligt. 296 Vgl. dazu bereits unter § 3 C. II. (S. 183 ff.). 293
B. Die Kriterien im Einzelnen
291
len Überlegungen heraus fördert (§ 3 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UmwRG). Eine solche Förderung liegt nur vor, wenn sie nicht eine gewerbliche oder kommerzielle Zielsetzung verfolgt297. Ein solches Vorgehen ist regelmäßig bei sog. Non-Profit Organisationen im Dritten Sektor gegeben298. Darüber hinaus gibt in Bereichen der Jugendhilfe und Bildung gemeinnützige Vereine oder die Religionsgemeinschaften, die überwiegend aus intrinsischen Interessen tätig werden. Dementsprechend kann die Abgrenzung von extrinsischen und intrinsischen Motiven im Rahmen der Wahrnehmung staatlicher Aufgaben durch private Akteure zu einem Erkenntnisgewinn führen. Als Anhaltspunkt für die Beurteilung, ob ein privater Leistungserbringer aus intrinsischen Interessen handelt, kann die Gemeinnützigkeit im Sinne von § 52 AO herangezogen werden. Demnach verfolgt eine Körperschaft gemeinnützige Zwecke, wenn ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern (Abs. 1 S. 1). Eine Förderung der Allgemeinheit bedeutet dabei gleichzeitig die Förderung des Allgemeinwohls299. Umfasste Bereiche sind beispielsweise Religion, Jugend- und Altenhilfe oder auch Naturschutz. Dass § 52 AO in diesem Zusammenhang herangezogen werden kann, ergibt sich bereits aus der Tatsache, dass auf diese Vorschrift in manchen Bereichen, in denen eine Übertragung staatlicher Aufgaben stattfindet, Bezug genommen wird300. Dies zeigt, dass der Staat in bestimmten Fällen gemeinwohlorientiertes Handeln aufgrund intrinsischer Motivation berücksichtigt. 3. Private Motivation als geeignetes Kriterium? Gerade die zuletzt festgestellte Tatsache, dass der Staat in bestimmten Bereichen die Gemeinwohlorientiertheit privaten Handelns berücksichtigt, zeigt, dass die Untersuchung der Motivation des privaten Leistungserbringers und die Auswirkung ebendieser auf die Voraussetzungen einer Aufgabenübertragung eine gewisse Relevanz aufweisen. Es wird dabei insbesondere zu untersuchen sein, in welchen Bereichen und aus welchen Gründen der Staat gemeinwohlorientiertes Handeln aus intrinsischen Interessen berücksichtigt und welche Auswirkungen das auf die Aufgabenübertragung hat.
297
S. Schlacke, in: K. F. Gärditz (Hrsg.), VwGO, 2. Aufl. 2018, § 3 UmwRG, Rn. 17. Als „Dritter Sektor“ bezeichnet man den weder dem Staat noch der Privatwirtschaft zugeordneten Bereich der organisierten Verfolgung ideeller Interessen in der Gesellschaft. Vgl. dazu W. R. Walz, Die Selbstlosigkeit gemeinnütziger Non-Profit-Organisationen im Dritten Sektor zwischen Staat und Markt, in: JZ 2002, S. 268 (269). 299 E.-M. Gersch, in: F. Klein (Begr.), AO, 13. Aufl. 2016, § 52 Rn. 2. 300 Beispielsweise im Rahmen der Anerkennung von Vereinigungen im UmwRG, § 3 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 UmwRG, oder im Bereich der Jugendhilfe in § 75 Abs. 1 Nr. 2 SGB VIII. 298
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§ 5 Kriterien für die Untersuchung privatisierungsrelevanter Bereiche
C. Zusammenfassung Im Ergebnis haben sich also vier Kriterien für die sich anschließende Untersuchung herauskristallisiert. Die Anforderungen, die der Staat im Rahmen von Aufgabenübertragungen an Akteure der Zivilgesellschaft stellt, sollen also untersucht werden auf den Grad der demokratischen Legitimation, auf die Frage, wie der Staat seiner aus der Privatisierung folgenden Verantwortung gerecht wird und welche Grundrechte sowohl auf Seiten des privaten Leistungserbringers als auch auf Seiten des privaten Leistungsempfängers zu berücksichtigen sind. Darüber hinaus soll die Motivation, aus welcher der Private heraus eine Aufgabe übernimmt, Berücksichtigung finden. Diese Kriterien bieten einen gewissen Rahmen, welcher der Untersuchung die nötige Breite und Tiefe verleiht, um das von Kämmerer aufgeworfene Modell zu strukturieren und stärker auszudifferenzieren. Das soll die Möglichkeit bieten, eine möglichst große Vergleichbarkeit zwischen den verschiedenen Bereichen staatlicher Aufgabenübertragung herbeizuführen, um auf dieser Grundlage zu untersuchen, wie der Staat im Wege einer Aufgabenübertragung steuert und ob sich dabei ein einheitliches Bild ergibt.
§ 6 Untersuchung ausgewählter Bereiche Im Anschluss an den voranstehend herausgearbeiteten Kriterienkatalog sollen die im Rahmen der Bestandsaufnahme in § 3 ausführlich dargestellten Breiche des konfessionellen Religionsunterrichtes, der Kinder- und Jugendhilfe, des Umweltschutzes und der Luftsicherheit weitergehend anhand der vier Kriterien untersucht werden. Ziel soll dabei sein, Kohärenzen und mögliche Widersprüche im Umgang mit privaten Akteuren in diesen Bereichen aufzuzeigen. Dies soll Rückschlüsse zulassen auf die Stringenz staatlicher Anforderungen bei der Einbindung privater Akteure in die Wahrnehmung von Staatsaufgaben.
A. Der Religionsunterricht als gemeinsame Angelegenheit von Staat und Kirche Ein für die vorliegende Untersuchung entscheidender Bereich ist der des Religionsunterrichts an öffentlichen Schulen. Hier ist eine Zusammenarbeit zwischen Staat und Religionsgemeinschaft aufgrund der Regelung in Art. 7 Abs. 3 GG verfassungsrechtlich zwingend vorgesehen. Diese Kooperation ist Konsequenz aus der Trennung von Staat und Kirche und der damit einhergehenden staatlichen Neutralität. Wie im dritten Kapitel untersucht, muss eine Religionsgemeinschaft, die in Kooperation mit dem Staat konfessionellen Religionsunterricht anbieten möchte, zahlreiche, vor allem ungeschriebene, Voraussetzungen erfüllen1. Diese sollen zunächst unter Zuhilfenahme der drei in Bezug auf das Beamtenverhältnis gefundenen Bereiche strukturiert werden. Daran anschließend werden die in Kapitel fünf gefunden Kriterien auf diesen Bereich angewendet, um auf diese Weise zu untersuchen, weshalb die Religionsgemeinschaften aus staatlicher Sicht die Vielzahl an Voraussetzungen erfüllen muss.
I. Systematische Einordnung der Voraussetzungen Im Rahmen des Beamtenverhältnisses, welches aus dargelegten Gründen für die vorliegende Untersuchung als Vergleichsmaßstab dienen soll, haben sich drei Gruppen von Anforderungen herauskristallisiert. Die Staatsangehörigkeit (a), die Verfassungstreue als Kernelement des Berufsbeamtentums (b) und die weiteren Voraussetzungen, welche die Befähigung des Beamten ausmachen (c)2. In einem 1 2
Vgl. zu den zu erfüllenden Voraussetzungen unter § 3 C. I. 1. c) (S. 130 ff.). Vgl. dazu § 4 C. (S. 235).
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§ 6 Untersuchung ausgewählter Bereiche
ersten Schritt sollen also die in Bezug auf die Religionsgemeinschaften ausgemachten Voraussetzungen diesen drei Bereichen zugeordnet werden. 1. Übertragbarkeit des Staatsangehörigkeitskriteriums? Wie bereits im Rahmen der Untersuchung des Beamtenverhältnisses festgestellt, lässt sich die Voraussetzung der Staatsangehörigkeit nicht zwangsläufig unmittelbar auf private Akteure, welche staatliche Aufgaben wahrnehmen, übertragen. Im Falle der in Art. 7 Abs. 3 S. 2 GG genannten Religionsgemeinschaften handelt es sich nicht um eine einzelne natürliche Person, die eine Aufgabe vom Staat übertragen bekommt, sondern vielmehr um Vereine oder Verbände, die eine Aufgabe übernehmen. Dementsprechend ist hier nicht ausschließlich die Frage der Staatsangehörigkeit entscheidend, sondern vielmehr die Frage, welche Anforderungen an die rechtliche Struktur der juristischen Person gestellt werden. In Bezug auf die Organisation der Religionsgemeinschaften wurde festgestellt, dass daran keine allzu hohen Anforderungen gestellt werden, sondern der Begriff vielmehr soziologisch zu bestimmen ist3. Ausreichend ist ein vielmehr „Minimum an Organisation“, darüber hinaus sind keine besonderen Anforderungen zu stellen. Elementar ist allerdings, dass hinter der Religionsgemeinschaft – bei Dachverbänden unter Umständen auch mittelbar – natürliche Personen stehen, die das personale Substrat der Gemeinschaft bilden. Anders als im Rahmen des Beamtenverhältnisses kann hier die Staatsangehörigkeit allerdings nicht von Bedeutung sein. In der Regel wird die Religionsgemeinschaft in der Rechtsform des Vereins tätig sein. Wenn die Mitglieder eines Vereins überwiegend ausländischer Herkunft sind, ist an die Rechtsform des Ausländervereins i. S. v. § 14 VereinsG zu denken4. Ist darüber hinaus der Sitz des Vereins im Ausland, so greift § 15 VereinsG, der für ausländische Vereine die Regelungen zu den Ausländervereinen für anwendbar erklärt. Art. 7 Abs. 3 S. 2 GG legt weder fest, dass es sich um einen inländischen Verein handeln muss, noch, dass das personale Substrat eine bestimmte Staatsangehörigkeit aufweisen muss5. Dementsprechend ist im Bereich des Religionsunterrichts unter diesem Gesichtspunkt lediglich die Organisationsform der Religionsgemeinschaft von Bedeutung.
3 K. Graulich, Religionsgemeinschaften und Religionsunterricht nach Art. 7 Abs. 3 GG, in: C. Langenfeld/V. Lipp/I. Schneider (Hrsg.), Islamische Religionsgemeinschaften und islamischer Religionsunterricht: Probleme und Perspektiven, 2005, S. 79 (81). 4 Dazu auch Graulich, Religionsgemeinschaften (Fn. 3), S. 81. Dies ist vor allem für die Religionsgemeinschaften des islamischen Glaubens relevant, da dort in aller Regel zahlreiche Angehörige ausländischer Herkunft Teil der Gemeinschaft sein dürften. 5 Schon G. Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs, Kommentar, 14. Aufl. 1933, Art. 137 Anm. 2 (S. 633), ging bei seiner noch heute grundlegenden Definition der Religionsgesellschaften davon aus, dass diese für ein Gebiet zuständig seien, was auch mehrere Länder umfassen konnte.
A. Der Religionsunterricht
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2. Verfassungstreue als Kernelement des Berufsbeamtentums Zentrales Element stellt sowohl bei den Berufsbeamten als auch bei den Beschäftigten des öffentlichen Dienstes die Loyalität zur Verfassung dar. Wobei dabei bereits dort eine Abstufung zwischen Beamten (aktives Eintreten) und Beschäftigten des öffentlichen Dienstes (lediglich Bekenntnis) vorgenommen wurde. Im Rahmen des Religionsunterrichts verlangen insbesondere die Rechtsprechung und im Anschluss daran auch zahlreiche Stimmen in der Literatur, dass Religionsgemeinschaften, die Unterricht anbieten respektive mitgestalten wollen, das Merkmal der Verfassungstreue aufweisen müssen. Auch dieses Merkmal ergibt sich nicht unmittelbar aus Art. 7 Abs. 3 GG, wird von Rechtsprechung und Literatur aber vor allem aus den Bestimmungen der wehrhaften Demokratie (Art. 9 Abs. 2, 18, 21 Abs. 2–4, 98 Abs. 2 u. 5 GG) abgeleitet. Dabei verlangt die Rechtsprechung allerdings nicht von den Religionsgemeinschaften, dass diese ähnlich den Beamten aktiv für die Verfassung eintreten. Sie müssen aber unter dem Gesichtspunkt der Verfassungstreue „die Gewähr dafür bieten, dass ihr künftiges Verhalten die in Art. 79 Abs. 3 GG umschriebenen fundamentalen Verfassungsprinzipien, die dem staatlichen Schutz anvertrauten Grundrechte Dritter sowie die Grundprinzipien des freiheitlichen Religions- und Staatskirchenrechts des Grundgesetzes nicht gefährdet.“ 6 Dieses Kriterium ist im Ergebnis zwar richtigerweise abzulehnen, in der vorliegenden Untersuchung soll es allerdings aufgrund seiner überwiegenden Anerkennung zunächst Berücksichtigung finden7. 3. Die Befähigung der Religionsgemeinschaften, Unterricht anzubieten Den dritten Bereich stellt für die Beamten die berufliche Befähigung für das Beamtenverhältnis dar. Diese kann der Beamtenbewerber regelmäßig durch die Absolvierung einer bestimmten Laufbahn oder aber ausnahmsweise durch Berufs- bzw. Lebenserfahrung erwerben. Die Voraussetzung der Befähigung lässt sich qua Natur der Sache nicht unmittelbar auf den Bereich des Religionsunterrichts und die Religionsgemeinschaften übertragen. Die Befähigung einer Religionsgemeinschaft, in Kooperation mit dem Staat Unterricht an öffentlichen Schulen anzubieten, ergibt sich vielmehr aus einem Bündel an Voraussetzungen, welche die Religionsgemeinschaften – neben den Anforderungen an Organisation und Verfassungstreue – erfüllen muss. Eine Religionsgemeinschaft ist dementsprechend dann befähigt, Religionsunterricht inhaltlich zu gestalten, wenn sie eine gewisse Relevanz hat, ein religiöses Aufgabenportfolio aufweist, in welchem sie allseitig bzw. mehrdimensional tätig ist und in der Lage ist, verbindliche Inhalte festzulegen. Darüber hinaus darf sie 6 7
BVerwGE 123, 49 (72 f.). Siehe zur Kritik am Kriterium der Verfassungstreue bereits auf S. 142 ff.
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§ 6 Untersuchung ausgewählter Bereiche
zumindest nicht unter dem Einfluss des deutschen Staates stehen, da eine solche Verknüpfung der weltanschaulich-religiösen Neutralität des Staates widersprechen würde. Die Voraussetzungen, die in Bezug auf die Befähigung des Religionsunterrichtes gestellt werden, stehen somit mehr in Zusammenhang mit der Struktur der Religionsgemeinschaft, als dass sie Qualifikationen darstellten.
II. Anwendung des Kriterienkataloges auf den Bereich des Religionsunterrichts Im Anschluss an die Einordnung der an die Religionsgemeinschaften gestellten Voraussetzungen, soll der Bereich des Religionsunterrichts auf die im fünften Kapitel entwickelten Kriterien hin untersucht werden. Dabei ist insbesondere auch die Art der Kooperation zwischen Staat und Religionsgemeinschaften zu berücksichtigen, welche den Religionsunterricht zu einer gemeinsamen Angelegenheit macht. Diese wechselseitige Form der Kooperation spielt gerade bei der demokratischen Legitimation der Religionsgemeinschaften und bei der Frage der Verantwortung des Staates nach Übertragung der Aufgabe eine besondere Rolle. 1. Die demokratische Legitimation der Religionsgemeinschaften Aus dem Demokratieprinzip ergibt sich, dass die Wahrnehmung staatlicher Aufgaben und die Ausübung staatlicher Gewalt zwingend auf das Staatsvolk zurückzuführen ist, mithin demokratisch legitimiert sein muss8. Es stellt sich also die Frage, inwieweit sich der Gedanke der demokratischen Legitimation auf den Bereich des Religionsunterrichts als gemeinsame Angelegenheit von Staat und Religionsgemeinschaften übertragen lässt. Zwar wurde festgestellt, dass auch das Handeln von Privaten im Rahmen von Privatisierungsprozessen legitimierungsbedürftig sein kann, zumindest wenn staatliches bzw. hoheitliches Handeln vorliegt9, der Religionsunterricht weist in dieser Hinsicht aber einige Besonderheiten auf. Diese gilt es im Hinblick auf eine mögliche sachlich-inhaltliche und personell-organisatorische Legitimation des Handelns der Religionsgemeinschaften hin zu untersuchen. a) Sachlich-inhaltliche Legitimation Art. 7 Abs. 3 S. 2 GG sieht vor, dass der Religionsunterricht in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften erteilt wird. Diesen wird also die sachlich-inhaltliche Verantwortung für den Religionsunterricht verfassungsrechtlich zugeschrieben. Die Frage, inwieweit sich dabei eine demokra8 BVerfGE 89, 155 (182); S. Magen, Körperschaftsstatus und Religionsfreiheit, 2004, S. 67. 9 Siehe dazu § 5 B. I. 5. (S. 247 f.).
A. Der Religionsunterricht
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tische Legitimationskette bis hin zum Staatsvolk bilden lässt, wäre im Falle des Religionsunterrichts allerdings – zumindest was die unmittelbaren Glaubensinhalte betrifft – verfehlt. Art. 137 Abs. 1 WRV legt fest, dass keine Staatskirche besteht. Daraus ergibt sich, dass eine prinzipielle Trennung von Staat und Kirche in organisatorischer wie inhaltlicher Hinsicht besteht10. Eine durchgehende Legitimationskette auf inhaltlicher Ebene würde zu einer Aufhebung dieser Trennung von Staat und Kirche und damit verbunden einer Verletzung der religiösen Neutralität des Staates führen. Außerdem überträgt Art. 7 Abs. 3 S. 2 GG den Religionsgemeinschaften keine staatliche Aufgabe, sondern die inhaltliche Verantwortung für den Religionsunterricht stellt eine originäre Aufgabe der Religionsgemeinschaften dar. Diese nehmen dabei also keine übertragenen Hoheitsrechte wahr, sondern es handelt sich „um ein spezifisches inhaltliches Einwirkungsrecht auf hoheitliches Handeln“ 11. Die Frage nach der demokratischen Legitimation in sachlich-inhaltlicher Sicht stellt sich im Falle des Religionsunterrichts also – zumindest im Hinblick auf die von vornherein den Religionsgemeinschaften zugeteilten Bereiche – nicht12. Aus dem Gebot demokratischer Legitimation wird im Falle des Religionsunterrichts auf inhaltlicher Ebene vielmehr ein „Verbot“, da eine inhaltliche Verknüpfung von Staat und Religionsgemeinschaften unzulässig ist. Dies gilt allerdings nicht uneingeschränkt. Im Rahmen seiner allgemeinen Schulaufsicht kann der Staat auch Lerninhalte des Religionsunterrichts beanstanden, beispielsweise, wenn im Rahmen des Religionsunterrichts geschichtliche Ereignisse bewusst falsch dargestellt würden13. In Fragen, welche nicht unmittelbar Glaubensbezug haben, ist insoweit ein Einvernehmen mit den Religionsgemeinschaften nicht erforderlich14. Dementsprechend trägt mit Blick auf die Lerninhalte ohne direkten Glaubensbezug die staatliche Schulaufsicht unmittelbar zur sachlich-inhaltlichen Legitimation des Religionsunterrichts bei. 10 Dazu statt Vieler: A. v. Campenhausen/P. Unruh, in: H. v. Mangoldt/F. Klein/ C. Starck (Hrsg.), GG III, 7. Aufl. 2018, Art. 137 WRV Rn. 3; D. Ehlers, in: M. Sachs (Hrsg.), GG, 8. Aufl. 2018, Art. 140 (137 WRV), Rn. 2; M. Morlok, in: H. Dreier (Hrsg.), GG III, 3. Aufl. 2018, Art. 137 WRV Rn. 16 ff. 11 So zutreffend F. Wittreck, Gutachten zum Status islamischer Verbände in Nordrhein-Westfalen als „Religionsgemeinschaften“ i. S. v. Art. 7 Abs. 3 S. 2 GG, erstattet im Auftrag der Staatskanzlei des Landes Nordrhein-Westfalen, Januar 2015, S. 32. Zur Frage, inwieweit die Wahrnehmung von Hoheitsbefugnissen durch die Kirche demokratischer Legitimation bedarf, Magen, Körperschaftsstatus (Fn. 8), S. 67. 12 Anders sieht dies aber bei den Bereichen aus, für die der Staat verantwortlich ist. Diese bedürfen einer durchgängigen demokratischen Legitimation. 13 Zu denken wäre dabei beispielsweise an die Leugnung des Genozids an den Armeniern, die gerade im türkisch-islamischen Kulturkreis verbreitet ist, bewusste Falschdarstellungen des Nahost-Konflikts im Rahmen des islamischen oder jüdischen Religionsunterrichts, aber auch ein historisch inkorrekter Umgang mit den Kreuzzügen im Rahmen eines christlichen Religionsunterrichts. Zur Bedeutung der staatlichen Schulaufsicht im Rahmen des Religionsunterrichts sogleich unter § 6 A. II. 2. b). 14 So H. Wißmann, in: W. Kahl/C. Waldhoff/C. Walter (Hrsg.), BK, Art. 7 – III (2015), Rn. 152.
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§ 6 Untersuchung ausgewählter Bereiche
b) Personell-organisatorische Legitimation Auch mit Hinblick auf eine personell-organisatorische Legitimation – also die Legitimation der Organ- bzw. Amtswalter – der Religionsgemeinschaften ergeben sich einige Besonderheiten aufgrund der wechselseitigen Kooperation zwischen Staat und Religionsgemeinschaften. Diese macht sich im Hinblick auf das Lehrpersonal besonders bemerkbar. Grundsätzlich bedürfen auch hier die Amtswalter einer ununterbrochenen Legitimationskette ausgehend vom Volk15. Im Falle des Religionsunterrichts zeigt sich dabei aber das Spannungsverhältnis zwischen der Aufgabe des Staates als Veranstalter des Unterrichts auf der einen und der inhaltlichen Verantwortlichkeit der Religionsgemeinschaften auf der anderen Seite. Die Lehrkräfte bedürfen für die Erteilung des Religionsunterrichts sowohl einer staatlichen Unterrichtungserlaubnis als auch einer Bevollmächtigung durch die Religionsgemeinschaften16. Die Erteilung einer kirchlichen Bevollmächtigung ist dabei aufgrund der religiösen Neutralität des Staates zwingend17. Dadurch kann die Religionsgemeinschaft sicherstellen, dass nur Personen, die ihren Glauben teilen, die Inhalte ihres Glaubensbekenntnisses angemessen verbreiten. Bezüglich dieser Bevollmächtigung seitens der Religionsgemeinschaften kann es, wie schon auf inhaltlicher Ebene, keine zum gesamten Staatsvolk zurückreichende Legitimationskette geben18. Auf personell-organisatorischer Ebene kommt allerdings hinzu, dass das Lehrpersonal neben der kirchlichen Bevollmächtigung auch über einen staatlichen Lehrauftrag verfügen muss. So wird der Religionsunterricht in der Regel durch Lehrkräfte im öffentlichen Dienst erteilt, die über einen staatlichen Lehrauftrag
15 BVerfGE 47, 253 (275); 52, 95 (130); R. Grawert, Staatsvolk und Staatsangehörigkeit, in: HStR3 II, § 16 Rn. 31; R. Summer, Die deutsche Staatsangehörigkeit und das Beamtenverhältnis – zugleich Versuch einer Fortschreibung der Rechtsfigur der öffentlich-rechtlichen Sonderbindung, in: M. Pechstein (Hrsg.), Rudolf Summer. Beiträge zum Beamtenrecht, 2007, S. 191 (210). 16 Dies sieht bspw. auch § 32 Abs. 3 SchulG NW vor: „(3) Lehrerinnen und Lehrer bedürfen für die Erteilung des Religionsunterrichts des staatlichen Unterrichtungsauftrages und einer Bevollmächtigung durch die Kirche oder die Religionsgemeinschaft. Religionsunterricht kann, soweit keine staatlich ausgebildeten Lehrkräfte zur Verfügung stehen, durch Geistliche, kirchliche Lehrkräfte, von der Religionsgemeinschaft beauftragte Lehrkräfte oder von ausgebildeten Katechetinnen und Katecheten erteilt werden. Sie bedürfen dazu des staatlichen Unterrichtungsauftrages und einer Bevollmächtigung durch die Kirche oder Religionsgemeinschaft.“ 17 So bspw. S. Korioth, Freiheit der Kirchen und Religionsgemeinschaften, in: HGR IV, § 97 Rn. 69; F. Brosius-Gersdorf, in: H. Dreier (Hrsg.), GG I, 3. Aufl. 2013, Art. 7 Rn. 99. Beispielhaft dafür sind die missio canonica der katholischen Kirche und die vocatio der evangelischen Kirche. Siehe dazu bereits unter § 3 C. I. 1. b). 18 Handelt es sich bei der betreffenden Religionsgemeinschaft um eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, ergibt sich dies bereits aus der in Art. 140 GG i.V. m. Art. 137 Abs. 3 S. 2 WRV garantierten Ämterhoheit. Vgl. dazu Magen, Körperschaftsstatus (Fn. 8), S. 67 f.
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verfügen19. Das Erfordernis dieses staatlichen Lehrauftrages ergibt sich aus der Tatsache, dass der Staat als „Unternehmer“ des Religionsunterrichts die Sachund Personalkosten des Unterrichts zu tragen hat20. Es besteht auch dann, wenn aufgrund einer mangelnden Anzahl an Lehrkräften der Religionsunterricht durch kirchliche Amtsträger in einer nebenamtlichen Tätigkeit wahrgenommen wird21. Der Staat hat dementsprechend in jedem Fall Einfluss auf die Auswahl der Lehrpersonen. c) Grad des Legitimationsniveaus insgesamt Aufgrund der verfassungsrechtlich verankerten Trennung von Staat und Kirche und der daraus resultierenden staatlichen Neutralität ist eine demokratische Legitimation im klassischen Sinne des Handelns der Religionsgemeinschaft im Ergebnis daher nicht möglich. Insbesondere auf sachlich-inhaltlicher Ebene zeigt sich, dass die Religionsgemeinschaften seitens der Verfassung eine originäre Aufgabe übertragen bekommen. Diese Tatsache und die staatliche Neutralität lassen eine durchgehende Legitimationskette auf sachlicher Ebene nicht zu. Auf personell-organisatorischer Ebene muss insofern zwischen der staatlichen und der kirchlichen Bevollmächtigung des Lehrpersonals unterschieden werden. Grundsätzlich ist für die Erteilung von Religionsunterricht beides erforderlich, was dazu führt, dass sowohl der Staat als auch die Religionsgemeinschaften Einfluss auf die Auswahl der Lehrkräfte haben, wobei keine Seite in der Lage ist, der anderen Lehrpersonen zu oktroyieren. 2. Die Verantwortung des Staates als „Unternehmer“ des Religionsunterrichtes Das Kriterium der staatlichen Verantwortung sollte dergestalt der vorliegenden Untersuchung dienen, als es feststellt, welche Verantwortung dem Staat nach der Übertragung einer Aufgabe noch zukommt; inwieweit also ein Wandel weg von einer Erfüllungsverantwortung stattgefunden hat. Im Rahmen des Religionsunterrichts muss dieses Kriterium allerdings in etwas abgewandelter Form angewendet werden. Dies resultiert aus der Feststellung, dass es sich beim Religionsunterricht nicht um eine klassische Übertragung einer staatlichen Aufgabe handelt, sondern vielmehr um eine verfassungsrechtlich vorgegebene Kooperation zwischen Religionsgemeinschaften und dem Staat. Die Verantwortungsanteile sind also verfassungsrechtlich determiniert und von vornherein sowohl dem Staat als auch den Religionsgemeinschaften zugeordnet. Es ist daher vielmehr herauszuarbeiten, 19 C. Link, Religionsunterricht (§ 54) in: HdbStKirchR2 II, S. 439 (472); Korioth (Fn. 17), § 97 Rn. 69. 20 Zutreffend Link, Religionsunterricht (Fn. 19), S. 472. 21 Vgl. bspw. § 31 Abs. 3 S. 3 SchulG NW. Dazu auch Link, Religionsunterricht (Fn. 19), S. 473.
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welche Verantwortung in diesem Bereich in die Sphäre des Staates fällt und wie er diese Verantwortung wahrnimmt22. Die verschiedenen Verantwortungsbereiche von Staat und Religionsgemeinschaften mit Blick auf den Religionsunterricht an öffentlichen Schulen ergeben sich aus Art. 7 Abs. 3 GG. Dabei kommt den Religionsgemeinschaften, wie in Kapitel 3 festgestellt, aufgrund staatlicher Neutralität vor allem die inhaltliche Verantwortung zu23. Die Verantwortlichkeit des Staats hingegen lässt sich in zwei Bereiche einteilen. Zum einen ist es eingedenk der Regelung in Art. 7 Abs. 3 S. 1 GG Aufgabe des Staates, Religionsunterricht an öffentlichen Schulen einzurichten und damit den erforderlichen Rahmen zu bieten, zum anderen legt Art. 7 Abs. 3 S. 2 GG aber auch fest, dass das inhaltliche Bestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften lediglich unbeschadet des staatlichen Aufsichtsrechts greift. Im Ergebnis stehen dem Staat im Rahmen des Religionsunterrichts somit die Aufgaben der Rahmensetzung wie auch der Aufsicht zu. Insbesondere die staatliche Aufsicht über den Religionsunterricht bedarf aufgrund der staatlichen Neutralität, die gerade dazu geführt hat, dass die inhaltliche Aufbereitung den Religionsgemeinschaften und eben nicht dem Staat zukommt, besonderer Aufmerksamkeit. Der Religionsunterricht bewegt sich hier in einem Spannungsfeld von genereller Trennung von Staat und Kirche und damit verbundener religiösweltanschaulicher Neutralität bei gleichzeitiger Kooperation von Staat und Kirche. a) Die Einrichtung des Religionsunterrichtes als Grundaufgabe des Staates Art. 7 Abs. 3 S. GG ordnet an, dass der Religionsunterricht an öffentlichen Schulen ordentliches Lehrfach ist. Diese verfassungsrechtliche Einordnung hat zur Folge, dass der Staat unter Übernahme der Kosten für die sachlichen und personellen Voraussetzungen für dessen Einrichtung Sorge zu tragen hat24; er wird dementsprechend vereinfacht aber zutreffend als „Unternehmer“ des Religionsunterrichts bezeichnet25. Der Religionsunterricht wird also nicht oder nur ausnahmsweise durch die Religionsgemeinschaften erteilt, sondern durch den Staat, zu dessen Bildungs- und Erziehungsauftrag aus Art. 7 Abs. 1 GG trotz 22
Zur Sphäre des Staates siehe auf S. 126 ff. Zur Aufgabe der Religionsgemeinschaften im Bereich des Religionsunterrichts auf S. 128 f. 24 Statt vieler Wißmann (Fn. 14), Art. 7 – III Rn. 160; G. Robbers, in: H. v. Mangoldt/ F. Klein/C. Starck (Hrsg.), GG I, 7. Aufl. 2018, Art. 7 Abs. 3 Rn. 130; M. Thiel, in: Sachs, GG (Fn. 10), Art. 7 Rn. 46. Kritisch zu einer alleinigen Kostentragungspflicht des Staates Brosius-Gersdorf (Fn. 17), Art. 7 Rn. 94. 25 Vgl. zu dieser Formulierung insb. R. Schmoeckel, Der Religionsunterricht, 1964, S. 56. So im Anschluss daran auch Link, Religionsunterricht (Fn. 19), S. 460 u. 472; U. Hildebrandt, Das Grundrecht auf Religionsunterricht, 2000, S. 56; W. Loschelder, Schulische Grundrechte und Privatschulfreiheit, in: HGR IV, § 110 Rn. 57. 23
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Neutralität auch der Religionsunterricht gehört26. Der Staat muss also Sorge dafür tragen, dass er den nötigen Rahmen für den Religionsunterricht schafft, damit die Kooperation mit den Religionsgemeinschaften überhaupt möglich ist. Die Religionsgemeinschaften können nur dann über den Inhalt des Religionsunterrichts entscheiden, wenn dieser grundsätzlich vom Staat eingerichtet worden ist. Aus der „Unternehmerschaft“ des Staates folgt also, dass der Staat auch für die personelle Ausstattung des Religionsunterrichts zu sorgen hat. Das bedeutet allem voran, dass der Religionsunterricht in aller Regel durch Lehrkräfte im öffentlichen Dienst erteilt wird, für die der Staat die Kosten trägt27. Um sicherzustellen, dass ausreichend Personal vorhanden ist, muss der Staat folgerichtig auch verpflichtet sein, in ausreichender Zahl Ausbildungsstätten für Lehrpersonal zu schaffen28. Laut Heinig begründet Art. 7 Abs. 3 GG dementsprechend eine staatliche Gewährleistungsverantwortung für eine ausreichende akademische Ausbildung der Lehrkräfte29. Auch wenn dieser damit das Richtige meint, ist der Begriff der Gewährleistungsverantwortung in diesem Zusammenhang unscharf. Einleitend wurde im Rahmen der Begriffsbestimmungen festgestellt, dass die Gewährleistungsverantwortung nach Hoffmann-Riem meint, dass der Staat „einen Rahmen bereitstellt, innerhalb dessen die Gesellschaft ihre Angelegenheiten in möglichst gemeinwohlverträglicher Weise selbstverantwortlich erledigt (Bereitstellungsfunktion des Rechts)“ 30. Vorliegend soll dem Staat aber nicht die Aufgabe zukommen, einen Rahmen bereitzustellen, in welchem die Gesellschaft tätig werden kann. Vielmehr ist ihm unmittelbar aus Art. 7 Abs. 3 GG aufgetragen, 26
Robbers (Fn. 24), Art. 7 Abs. 3 Rn. 130. A. Hollerbach/C. Gramm, Staatliche Ersatzleistungen für den evangelischen Religionsunterricht, ZevKR 36 (1991), S. 17 (23 f.); B. Schlink, Religionsunterricht in den neuen Ländern, in: NJW 1992, S. 1008 (1009); S. Korioth/I. Augsberg, Ethik- oder Religionsunterricht?, in: ZG 24 (2009), S. 222 (224); Loschelder (Fn. 25), § 110 Rn. 57; P. Badura, in: T. Maunz/G. Dürig (Hrsg.), GG, Art. 7 (2015), Rn. 75; Robbers (Fn. 24), Art. 7 Abs. 3 Rn. 132 ff. 28 A. Hollerbach, Die Theologischen Fakultäten und ihr Lehrpersonal im Beziehungsgefüge von Staat und Kirche, in: EssGespr. 16 (1982), S. 69 (73); ders., Theologische Fakultäten und staatliche Pädagogische Hochschulen (§ 56), in: HdbStKirchR2 II, S. 549 (554); Link, Religionsunterricht (Fn. 19), S. 473; G. Czermak, Religions- und Weltanschauungsrecht, 2008, Rn. 398 (S. 214); Wißmann (Fn. 14), Art. 7 – III Rn. 160; Robbers (Fn. 24), Art. 7 Abs. 3 Rn. 135. Anderer Ansicht sind S. Korioth, in: T. Maunz/ G. Dürig (Hrsg.), GG, Art. 140/136 WRV (2003), Rn. 69; C. Bäcker, Staat, Kirche und Wissenschaft, in: Der Staat 48 (2009), S. 327 (342 ff.). Auch das Bundesverfassungsgericht sieht Art. 7 Abs. 3 S. 1 GG zumindest als Beleg für die Zulässigkeit theologischer Fakultäten, ohne dabei so weit zu gehen, eine staatliche Verpflichtung zu erblicken, vgl. BVerfGE 122, 89 (122). 29 H. M. Heinig, Theologie an staatlichen Universitäten: verfassungsrechtliche Vorgaben, verfassungsrechtliche Spielräume (2011), in: ders. (Hrsg.), Die Verfassung der Religion, 2014, S. 279 (284). 30 W. Hoffmann-Riem, Tendenzen in der Verwaltungsentwicklung, in: DÖV 1997, S. 433 (441). Zum Begriff der Gewährleistungsverantwortung bereits ausführlicher unter § 5 B. II. 2. b) (S. 257 ff.). 27
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selbst ausreichend Ausbildungsmöglichkeiten zu schaffen. Er muss dementsprechend zwar die Zahl der Ausbildungsplätze „gewährleisten“, dabei trifft den Staat allerdings – vor allem aufgrund des staatlichen Bildungsauftrages – eine eigene Erfüllungsverantwortung. Auch der Begriff der Rahmenverantwortung, welcher der Gewährleistungsverantwortung unterstellt wurde, passt in diesem Zusammenhang aus genannten Gründen nicht. Die Verantwortung des Staates, den Religionsunterricht allgemein einzurichten und die sachlichen wie personellen Voraussetzungen zu gewährleisten, ist eine Aufgabe, die der Staat zunächst mit eigenen Mitteln erfüllen muss. Ihn trifft in diesem Zusammenhang also eine Erfüllungsverantwortung. b) Die Schulaufsicht als Mittel staatlicher Kontrolle Die Erfüllungsverantwortung des Staats kann, wie bereits festgestellt, im Fall des Religionsunterrichts aber nur die Einrichtungsseite betreffen und nicht die inhaltliche Seite. Hier ist aufgrund seiner Neutralität der Staat nicht in der Lage, die Aufgabe selbst wahrzunehmen. Art. 7 Abs. 3 S. 2 GG überträgt diese Aufgabe originär auf die Religionsgemeinschaften. Einschränkend ist allerdings festgelegt, dass das inhaltliche Bestimmungsrecht unbeschadet des staatlichen Aufsichtsrechts auf die Religionsgemeinschaften übertragen wird31. Das staatliche Aufsichtsrecht, welches sich aus Art. 7 Abs. 1 GG an zentraler Stelle für das gesamte Schulwesen ergibt, bedarf im Bereich des Religionsunterrichts aufgrund der Neutralität besonderer Beachtung. aa) Zum Begriff der staatlichen Schulaufsicht im Allgemeinen Der Begriff der „Aufsicht“ in Art. 7 Abs. 1 GG ist nach ganz überwiegender Auffassung in Abweichung zum allgemeinen und juristischen Sprachgebrauch weit zu verstehen32. Er meint nicht nur die reine Rechts- bzw. Fachaufsicht im Sinne einer Kontrolle, sondern „die Gesamtheit der staatlichen Befugnisse zur
31 Die Einschränkung des inhaltlichen Bestimmungsrechts der Religionsgemeinschaften in Art. 7 Abs. 3 S. 2 GG ist dabei nur deklaratorisch. Das staatliche Aufsichtsrecht ergibt sich auch für den Religionsunterricht unmittelbar aus Art. 7 Abs. 1 GG. Dies wird durch die Stellung in Abs. 1 von Art. 7 GG deutlich. Vgl. dazu Link, Religionsunterricht (Fn. 19), S. 497; Hildebrandt, Grundrecht (Fn. 25), S. 56. 32 Dazu statt vieler A. v. Campenhausen, Erziehungsauftrag und staatliche Schulträgerschaft, 1967, S. 20; Loschelder (Fn. 25), § 110 Rn. 28; S. Boysen, in: I. v. Münch/ P. Kunig (Hrsg.), GG I, 6. Aufl. 2012, Art. 7 Rn. 53; Brosius-Gersdorf (Fn. 17), Art. 7 Rn. 44; Thiel (Fn. 24), Art. 7 Rn. 17. Die weite Auslegung des Aufsichtsbegriffs entspricht dem Verständnis, welches Anschütz bereits im Hinblick auf Art. 144 WRV für richtig erachtete, vgl. dazu Anschütz (Fn. 5), Art. 144 Anm. 1 (S. 672). Kritisch zur weiten Auslegung des Begriffs der staatlichen Schulaufsicht F.-R. Jach, Schulvielfalt als Verfassungsgebot, 1991, S. 18 ff.
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Organisation, Planung, Leitung und Beaufsichtigung des Schulwesens“ 33. Die staatliche Schulaufsicht ist also ein „Vollrecht“ des Staates, welches nicht nur die organisatorische, sondern auch die inhaltliche Gestaltung des Unterrichts umfasst34. Unterschieden wird dabei zwischen den äußeren und inneren Angelegenheiten der Schule35. So umfasst der weite Aufsichtsbegriff zum einen – insoweit in Übereinstimmung mit den Anhängern eines engen Verständnisses des Aufsichtsbegriffs36 – die klassische Rechtsaufsicht bezüglich der äußeren Angelegenheiten der Schule37. Zu diesen äußeren Angelegenheiten der Schule zählen bspw. die umfassende Pflege der Schulgebäude, die Bereitstellung von Sachmitteln sowie die Anschaffung von Lehr- bzw. Lernmitteln38. Darüber hinaus sind aber auch die inneren Angelegenheiten der Schule im Sinne von Planung oder Organisation vom Aufsichtsbegriff gedeckt39. Das meint „nicht nur die organisatorische Gliederung der Schule, sondern auch die inhaltliche Festlegung der Ausbildungsgänge und Unterrichtsziele“ 40. Dem Staat steht es im Ergebnis also zu, „die Voraussetzungen für den Zugang zur Schule, den Übergang von einem Bildungsweg zum anderen und die Versetzung innerhalb des Bildungsweges zu bestimmen“ 41. Dementsprechend hat der Staat in Bezug auf das Schulwesen eine gewisse All_zuständigkeit. Jestaedt gesteht dem Staat aus diesem Grund „die umfassende Gewährleistungsverantwortung für ein funktionierendes und leistungsfähiges, an den freiheitlich-demokratischen Grundwerten ausgerichtetes Schulsystem“ zu und bezeichnet diese als „Schulverantwortung“ 42. Geis weist dabei auch auf den Zusammenhang von Schulaufsicht und Sozialstaatsprinzip hin43. 33 BVerfGE 47, 46 (80); BVerwGE 6, 101 (104); 18, 38 (39); 47, 201 (204). Aus der Literatur Loschelder (Fn. 25), § 110 Rn. 28; Robbers (Fn. 24), Art. 7 Abs. 1 Rn. 61; Thiel (Fn. 24), Art. 7 Rn. 17. 34 Loschelder (Fn. 25), § 110 Rn. 28; Thiel (Fn. 24), Art. 7 Rn. 17. 35 Zur Entwicklung dieser Unterscheidung siehe bereits D. Kurtz, Zur Geschichte der Schulaufsicht im deutschsprachigen Raum, 1982, S. 240 f. Zu dieser Unterscheidung auch M. Jestaedt, Schule und außerschulische Erziehung, in: HStR3 VII, § 156 Rn. 41. 36 Für einen engen Aufsichtsbegriff u. a.: H. Peters, Elternrecht, Erziehung, Bildung und Schule, in: K. A. Bettermann/H. C. Nipperdey/U. Scheuner (Hrsg.), Die Grundrechte, Bd. IV/1, 1960, S. 369 (413); E.-W. Fuß, Verwaltung und Schule, in: VVDStRL 23 (1966), S. 199 (213 ff.); F.-R. Jach, Vom staatlichen Schulsystem zum öffentlichen Schulwesen, 1988, S. 244 f.; C. Rathke, Öffentliches Schulwesen und religiöse Vielfalt, 2005, S. 80 ff., 90. 37 S. Unzeitig, Der staatliche Schutzauftrag an öffentlichen Schulen, 2014, S. 95. 38 Kurtz, Geschichte (Fn. 35), S. 241; Unzeitig, Schutzauftrag (Fn. 37), S. 96. 39 Unzeitig, Schutzauftrag (Fn. 37), S. 95. 40 So BVerfGE 34, 165 (182). 41 BVerfGE 34, 165 (182). 42 Jestaedt (Fn. 35), § 156 Rn. 40; Unzeitig, Schutzauftrag (Fn. 37), S. 95 f. Der Begriff der „Schulverantwortung“ wird dabei in Abgrenzung zum Begriff der „Elternverantwortung“ verwendet, der begrifflich das Elternrecht und die Elternpflicht aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG zusammenfasst (Jestaedt, ebd. in Fn. 111). Dazu auch R. Gröschner,
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Auch in diesem Rahmen ist der Begriff der Gewährleistungsverantwortung allerdings nicht der richtige. Der Staat hat hier die Verantwortung, Sorge dafür zu tragen, dass ein funktionierendes und leistungsfähiges Schulsystem besteht. Würde den Staat dabei aber eine Gewährleistungsverantwortung treffen, bedeutete dies, dass er lediglich einen Rahmen schaffen müsste, in welchem es der Gesellschaft möglich wäre, ihre Angelegenheiten eigenverantwortlich in gemeinwohlverträglicher Weise zu erledigen44. Der Bildungs- und Erziehungsauftrag, der sich aus Art. 7 Abs. 1 GG ergibt, kann aber nur bedeuten, dass der Staat zunächst einmal selbst dafür zuständig ist, ein solches Schulsystem zu gewährleisten. Es ist also naheliegender, dem Staat im Bereich des Schulwesens eine Erfüllungsverantwortung aufzuerlegen45; gerade auch im Hinblick auf die Schulaufsicht. Zu unterscheiden ist dabei allerdings im Hinblick auf die Trägerschaft, also ob es sich um eine staatliche oder eine private Schule handelt. Eine umfassende Schulverantwortung trifft den Staat nur dann, wenn es sich bei der Schule um eine öffentliche in staatlicher Trägerschaft handelt46. Jestaedt weist darauf hin, dass der Staat diese ihm obliegende Verantwortung für das Funktionieren des Schulwesens nur unter Achtung der verfassungsrechtlich eingeräumten Rechte der ebenfalls am Schulwesen Beteiligten – bspw. Eltern, Schüler und Religionsund Weltanschauungsgemeinschaften – wahrnehmen darf 47. In der Folge soll dementsprechend untersucht werden, wie die staatliche Schulaufsicht im Bereich des Religionsunterrichts ausgestaltet ist; daran anschließend wird dargestellt, welche grundrechtlichen Belange von Religionsgemeinschaften, Eltern und Schülern dabei zu beachten sind. bb) Die staatliche Aufsicht im Bereich des Religionsunterrichts Wie voranstehend festgestellt wurde, beinhaltet die Schulaufsicht im Sinne des Art. 7 Abs. 1 GG eine umfassende Schulverantwortung des Staates für innere wie äußere Schulangelegenheiten. Dieses Aufsichtsrecht des Staates gilt ausweislich in: H. Dreier (Hrsg.), GG I, 2. Aufl. 2004, Art. 7 Rn. 23. Zur Elternverantwortung BVerfGE 24, 119 (143). 43 M.-E. Geis, in: K. H. Friauf/W. Höfling (Hrsg.), GG, Art. 7 (2004), Rn. 21 f.; Jestaedt (Fn. 35), § 156 Rn. 40 in Fn. 110. 44 Vgl. zu diesem Verständnis der Gewährleistungsverantwortung unter § 5 B. II. 2. b) (S. 257 ff.). 45 So auch M. Krajewski, Grundstrukturen des Rechts öffentlicher Dienstleistungen, 2011, S. 282 f. Deutlicher wird das beim Blick auf Art. 8 Abs. 3 S. 1 LV NW, der das Land und die Gemeinden verpflichtet, Schulen zu errichten und zu fördern. 46 Jestaedt (Fn. 35), § 156 Rn. 41. 47 Jestaedt (Fn. 35), § 156 Rn. 42. So auch Hildebrandt, Grundrecht (Fn. 25), S. 59. Zu den grundrechtlichen Grenzen der Schulaufsicht im Hinblick auf Eltern und Schüler und zum Sonderfall des Religionsunterrichts mit den Rechten der Religionsgemeinschaften bereits ausführlich Gröschner (Fn. 42), Art. 7 Rn. 57 f. (Religionsunterricht), 59 ff. (Elternverantwortung) und 63 ff. (Schülergrundrechte).
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Art. 7 Abs. 3 S. 2 GG auch im Rahmen des Religionsunterrichts, unabhängig vom inhaltlichen Bestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften, sodass die staatliche Aufsicht zugleich eine Schranke des Bestimmungsrechts darstellt48. Die Tatsache, dass dieses Aufsichtsrecht aber gerade auch die inneren Schulangelegenheiten im Sinne eines inhaltlichen Gestaltungsauftrages betrifft, sorgt für ein Spannungsverhältnis zwischen Staat und Religionsgemeinschaften auf inhaltlicher Ebene. Es ist daher zu untersuchen, wie weit das staatliche Aufsichtsrecht in Bezug auf den Religionsunterricht reicht. Dies gilt gerade auch mit Blick auf das Gebot weltanschaulich-religiöser Neutralität. Es liegt auf der Hand, dass das staatliche Aufsichtsrecht im Bereich des Religionsunterrichts nicht so weit reichen kann, dass dadurch mittelbar faktisch ein inhaltliches (Mit-)Bestimmungsrecht des Staates entstünde, welches das Recht der Religionsgemeinschaften unterlaufen würde. Dadurch würde die verfassungsrechtliche Entscheidung, die Art. 7 Abs. 3 S. 2 GG trifft, eine Kooperation zwischen Staat und Religionsgemeinschaften in diesem Bereich zu etablieren, missachtet und die staatliche Neutralitätspflicht verletzt. Es bietet sich daher an, in Bezug auf die Aufsicht ein Konstrukt gegenseitiger Rücksichtnahme zu konstruieren, welches die Schulaufsicht im Sinne des Art. 7 Abs. 1 GG modifiziert49. So darf insbesondere die Übertragung der inhaltlichen Zuständigkeit auf die Religionsgemeinschaften nicht dazu führen, dass die grundsätzlich über Art. 7 Abs. 1 GG allgemeingültige Schulaufsicht des Staates im Rahmen des Religionsunterrichts in eine alleingültige „geistliche Schulaufsicht“ seitens der Religionsgemeinschaften verkehrt wird50. Vielmehr ist festzuhalten, dass der Religionsunterricht als eine gemeinsame Angelegenheit von Staat und Kirche sowohl einer staatlichen als auch einer kirchlichen Schulaufsicht unterliegt51. Die Konstruktion über ein beiderseitiges Aufsichtsrecht ist mit Blick auf die Kooperation von Staat und Religionsgemeinschaften und dessen Ausgestaltung die beste Lösung. Da sowohl den Religions48
So Thiel (Fn. 24), Art. 7 Rn. 55. Auch BVerfGE 27, 195 (201), geht bereits von einer Modifizierung der Schulaufsicht in Art. 7 Abs. 1 GG durch Art. 7 Abs. 3 S. 2 GG aus. 50 Eine solche „geistliche Schulaufsicht“ ist unter Geltung des Grundgesetzes nicht vorgesehen. Vgl. dazu bereits die Darstellung der Beratung im Parlamentarischen Rat bei K.-B. v. Doemming/R. W. Füsslein/W. Matz, Entstehungsgeschichte der Artikel des Grundgesetzes, in: JöR n. F. Bd. 1 (1951), S. 108. Dazu auch Schmoeckel, Religionsunterricht (Fn. 181), S. 57; R. v. Drygalski, Die Einwirkungen der Kirchen auf den Religionsunterricht an öffentlichen Schulen, 1967, S. 59; F.-G. von Busse, Gemeinsame Angelegenheiten von Staat und Kirche, 1978, S. 40; Hildebrandt, Grundrecht (Fn. 25), S. 57. 51 Link, Religionsunterricht (Fn. 19), S. 497; Thiel (Fn. 24), Art. 7 Rn. 58. A. A. ist bspw. Brosius-Gersdorf (Fn. 17), Art. 7 Rn. 100. Insoweit nicht eindeutig Geis (Fn. 43), Art. 7 Rn. 64, der zwar feststellt, dass Art. 7 Abs. 3 S. 2 GG keine geistliche Schulaufsicht statuiert, aber den Religionsgemeinschaften dennoch das Recht zugesteht, Beauftragte zu Unterrichtsbesuchen zu entsenden. 49
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gemeinschaften als auch dem Staat im Bereich des Religionsunterrichts eigene Verantwortungsbereiche zugeordnet worden sind, ist es folgerichtig, beiden Akteuren Aufsichtsrechte zuzugestehen, um die Einhaltung der von ihnen gemachten Vorgaben zu überprüfen. Diese Aufsichtsrechte betreffen dementsprechend die jeweiligen Verantwortungsbereiche der beiden Akteure. Das Aufsichtsrecht des Staates, dem als „Unternehmer“ des Religionsunterrichts eine Organisations-, Planungs- und Leitungsbefugnis zukommt, betrifft – dementsprechend weitgehend – sowohl die Bereitstellung der Lehrvoraussetzungen als auch die inhaltliche Konzeption des Unterrichts52. Davon umfasst sind – im Sinne eines Kontrollrechts – neben der Fachaufsicht über den Unterricht auch die Dienstaufsicht über die Lehrer, die – wie bereits im Rahmen der Prüfung der demokratischen Legitimation festgestellt – in der Regel in einem öffentlichrechtlichen Dienstverhältnis stehen53. Dabei darf aber nicht außer Betracht gelassen werden, dass das Aufsichtsrecht des Staates durch das inhaltliche Bestimmungsrecht zugunsten der Religionsgemeinschaften in Art. 7 Abs. 3 S. 2 GG zumindest begrenzt wird54. Dies betrifft gerade auch die Dienstaufsicht über die Lehrer, die nicht so weit gehen darf, dass dabei die zu vermittelnden Glaubensinhalte berührt werden55. Dies würde zu einem Konflikt mit der religiösen Neutralität des Staates führen. Dennoch wäre es verfehlt, dem Staat in Hinblick auf Inhalt und Methodik des Unterrichts jede Form der Aufsicht zu entziehen, gerade aufgrund der Tatsache, dass dieser Veranstalter des Unterrichts bleibt. So erkennt auch Thiel zutreffend, dass eine gänzliche Aufspaltung in dem Sinne, dass die staatliche Aufsicht auf organisatorische Fragen beschränkt ist, während die inhaltliche Aufsicht umfassend den Religionsgemeinschaften zusteht, sehr problematisch erscheint56. Dem ist insoweit Rechnung zu tragen, als dass in den Bereichen, die nicht in alleiniger Verantwortung des Staates oder der Religionsgemeinschaften stehen, ein Einvernehmen zwischen den Akteuren herzustellen ist57. Doch auch im rein inhaltlichen Bereich kann der Staat nicht jedweder Auf52
So im Ergebnis zutreffend Brosius-Gersdorf (Fn. 17), Art. 7 Rn. 100. Link, Religionsunterricht (Fn. 19), S. 497; Boysen (Fn. 32), Art. 7 Rn. 82; BrosiusGersdorf (Fn. 17), Art. 7 Rn. 100; M. Germann, in: V. Epping/C. Hillgruber (Hrsg.), GG, 2. Aufl. 2013, Art. 7 Abs. 3 Rn. 62; Robbers (Fn. 24), Art. 7 Abs. 3 Rn. 147. 54 Boysen (Fn. 32), Art. 7 Rn. 82, stellt fest, dass in dieser Regelung zunächst einmal „ein Verzicht des Staates auf eine inhaltliche Einmischung“ gegeben ist. 55 So bspw. auch Geis (Fn. 43), Art. 7 Rn. 64; Robbers (Fn. 24), Art. 7 Abs. 3 Rn. 147; Thiel (Fn. 24), Art. 7 Rn. 58. 56 Thiel (Fn. 24), Art. 7 Rn. 58 f., der aber darauf hinweist, dass in einigen Landesgesetzen eine solche Aufspaltung des Aufsichtsrechts vorgenommen wird und dabei das staatliche Aufsichtsrecht insofern bedenklich auf den rein organisatorischen Bereich beschränkt wird. Vgl. zu dieser Aufspaltung ebenfalls sehr kritisch Link, Religionsunterricht (Fn. 19), S. 498; C. Böllhoff, Die „Partnerschaft“ zwischen Staat und Religionsgemeinschaften im Religionsunterricht, 2008, S. 46. 57 Robbers (Fn. 24), Art. 7 Abs, 3 Rn. 148; Thiel (Fn. 24), Art. 7 Rn. 59. Dazu auch Link, Religionsunterricht (Fn. 19), S. 498, der auf die Regelungen zum Einvernehmen 53
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sichtsmöglichkeit beraubt werden. Das muss schon daraus folgen, dass der Staat sicherstellen können muss, dass sowohl die pädagogischen Standards als auch die staatlichen Lehrziele eingehalten werden, womit im Ergebnis aber in einem gewissen Rahmen auch eine inhaltliche Bewertung verbunden ist58. Auch muss dem Staat die Möglichkeit eingeräumt werden, zu überprüfen, ob im Rahmen des Religionsunterrichts dem Staat an sich, der religiös-weltanschaulichen Neutralität des Staates oder anderen verbindlichen Werten des Grundgesetzes widersprochen wird59. Das gilt beispielsweise wenn im Rahmen des muslimischen Religionsunterrichts der Islam als herrschende Religion über die anderen Religionen als Idealbild propagiert und damit die religiöse Neutralität des Staates angezweifelt wird oder aber andere für unsere Gesellschaft grundlegende Prinzipien, wie die Gleichberechtigung von Mann und Frau, infrage gestellt werden60, wie dies teilweise bei streng orthodoxen jüdischen Glaubensgemeinschaften – beispielsweise mit Hinblick auf ein Scheidungsrecht der Frau – der Fall ist. Der Staat ist aber nicht nur berechtigt einzugreifen, wenn grundlegende Verfassungsprinzipien verletzt werden, sondern bereits dann, wenn die staatlichen festgesetzten Lehrziele nicht eingehalten werden61. Fernab inhaltlicher Vorgaben, gibt der Staat als „Unternehmer“ des Religionsunterrichts den Rahmen und damit auch bestimmte Lehrziele vor, welche die Religionsgemeinschaft mit Glaubensinhalten füllt. Diese Ziele müssen von den Religionsgemeinschaften eingehalten werden. Insoweit greift die staatliche Interventionsmöglichkeit bereits früher ein. Im Ergebnis gilt das staatliche Aufsichtsrecht im Bereich des Religionsunterrichts also nahezu umfassend. Anders als in anderen Bereichen des Schulwesens besteht daneben allerdings noch ein Aufsichtsrecht der Religionsgemeinschaften, welches diesen die Möglichkeit sichert, die Übereinstimmung mit ihren Grundsätzen sicherzustellen. Das kirchliche Aufsichtsrecht gewährt den Religionsgemeinschaften Einsichts- und Beanstandungsbefugnisse62. Bei deren Wahrnehmung sind die Religionsgemeinschaften allerdings an das staatliche Aufsichtsinstrumentarium gebunden63. Das kirchliche Aufsichtsrecht führt somit trotz dessen Bestehen gerade nicht zu einer Wiederherstellung der geistlichen Schul-
in den Kirchenverträgen und den Landesverfassungen hinweist. So regelt in NordrheinWestfalen bspw. Art. 14 Abs. 2 LV NW, dass im Hinblick auf Lehrbücher und Lehrpläne für den Religionsunterricht Einvernehmen herzustellen ist. Vgl. dazu auch die Ausführungen bei M. Stuttmann, in: A. Heusch/K. Schönenbroicher (Hrsg.), LV NW Kommentar, 2010, Art. 14 Rn. 10. 58 Vgl. Link, Religionsunterricht (Fn. 19), S. 498 f. 59 Brosius-Gersdorf (Fn. 17), Art. 7 Rn. 100; Thiel (Fn. 24), Art. 7 Rn. 59. 60 So auch Brosius-Gersdorf (Fn. 17), Art. 7 Rn. 100. 61 Siehe zu den allgemeinen Lehr- bzw. Erziehungszielen Badura (Fn. 27), Art. 7 Rn. 52 ff., der diese als „Richtschnur der Schulaufsicht“ bezeichnet. 62 Link, Religionsunterricht (Fn. 19), S. 499; Geis (Fn. 43), Art. 7 Rn. 64. 63 Link, Religionsunterricht (Fn. 19), S. 499; Thiel (Fn. 24), Art. 7 Rn. 59.
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aufsicht64. Vielmehr soll es den Religionsgemeinschaften ermöglichen, die Wahrnehmung ihrer Rechte aus Art. 7 Abs. 3 S. 2 GG abzusichern. c) Staatliche Teilverantwortung als unabdingbare Voraussetzung des Religionsunterrichts Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die (Teil-)Verantwortung des Staates unabdingbare Voraussetzung für den Religionsunterricht ist. Hier findet keine Übertragung einer staatlichen Aufgabe im klassischen Sinne statt, vielmehr stellt der Religionsunterricht eine verfassungsrechtlich vorgesehene Kooperation von Staat und Religionsgemeinschaften dar und zählt damit zu den gemeinsamen Angelegenheiten („res mixtae“). Dabei trifft den Staat in zweierlei Hinsicht eine Verantwortung. Zum einen ist er für die Einrichtung des Religionsunterrichts verantwortlich. Damit schafft der Staat erst die Voraussetzungen für eine Kooperation mit den Religionsgemeinschaften, die erst dann inhaltliche Aspekte festlegen können, wenn der Religionsunterricht eingerichtet ist. Dabei handelt sich mehr um eine Erfüllungsverantwortung als um eine bloße Gewährleistungsverantwortung des Staates. Er selbst ist dafür verantwortlich, den Rahmen für einen konfessionellen Religionsunterricht an öffentlichen Schulen zu schaffen. Ist der Religionsunterricht dann einmal eingerichtet, trifft den Staat darüber hinaus eine Aufsichtsverantwortung. Diese betrifft nicht nur den organisatorischen, sondern auch den inhaltlichen Bereich. Der Staat ist dabei zwar dazu angehalten, die religiös-weltanschauliche Neutralität zu wahren, besitzt aber dennoch weiterhin das staatliche „Aufsichtsmonopol“ 65. 3. Religionsgemeinschaften, Eltern, Schüler und Lehrer? – Die maßgeblichen Grundrechtsträger im Bereich des Religionsunterrichts Unter grundrechtlichen Gesichtspunkten bietet der Bereich des Religionsunterrichts eine Konstellation mit prinzipiell vier Grundrechtsberechtigten – Religionsgemeinschaften, Eltern und Schülern, sowie Lehrer –, die dem Staat gegenüberstehen. Bei diesen kommen verschiedene Grundrechte in Betracht. Bei allen vier Beteiligten drängt sich die Religionsfreiheit im Sinne des Art. 4 Abs. 1 u. 2 GG als betroffenes Grundrecht auf. Daneben ist bei den Eltern vor allem auch das Erziehungsrecht aus Art. 6 Abs. 2 GG zu berücksichtigen. Daneben rückt im Rahmen des Religionsunterrichts aber vor allem auch Art. 7 GG aus grundrechtlichen Aspekten in den Blickpunkt. Wie bereits festgestellt, 64 So auch Link, Religionsunterricht (Fn. 19), S. 499. Brosius-Gersdorf (Fn. 17), Art. 7 Rn. 100, lehnt dennoch jegliche Form von Aufsichtsrecht – auch Kontroll- bzw. Visitationsrechte – zugunsten der Religionsgemeinschaften entschieden ab. 65 Dies stellt v. Drygalski, Einwirkungen (Fn. 50), S. 95, zutreffend fest.
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hat Art. 7 Abs. 3 GG den Charakter einer institutionellen Garantie des Religionsunterrichts66. Die Einordnung einer Vorschrift als institutionelle Garantie bedeutet aber nicht, dass diese nicht gleichzeitig auch subjektive Rechte vermitteln kann67. Es ist daher zu untersuchen, wem aus Art. 7 Abs. 3 GG möglicherweise ein Grundrecht auf Einrichtung eines Religionsunterrichts seines Glaubensbekenntnisses zusteht68. Darüber hinaus ist im Hinblick auf die Eltern der Schüler noch an einen grundrechtlichen Anspruch aus Art. 7 Abs. 2 GG zu denken. Ziel der Untersuchung soll es sein, festzustellen, welche grundrechtlichen Belange im Bereich des Religionsunterrichts von Bedeutung sind und in welcher Form diese eines Ausgleiches bedürfen. Dabei ist vor allem zu untersuchen, ob die Interessen von Religionsgemeinschaften, Eltern und Schülern im Hinblick auf den Religionsunterricht gegenläufig sind oder die gleiche Schutzrichtung haben. Ist letzteres der Fall, käme den grundrechtlichen Ansprüchen der Religionsgemeinschaften insofern ein größeres Gewicht zu, als der Staat keinen Ausgleich zwischen den betroffenen Parteien sicherstellen müsste. Dies könnte im Ergebnis dazu führen, dass die Anforderungen an die Religionsgemeinschaften als zu streng anzusehen sind. Daneben ist der Vollständigkeit halber auch auf die grundrechtlichen Interessen der Lehrer einzugehen. a) Die Religionsgemeinschaften als Grundrechtsträger Art. 7 Abs. 3 S. 2 GG legt fest, dass der Religionsunterricht in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften erteilt wird und weist damit diesen Gemeinschaften die inhaltliche (Haupt-)Verantwortung für den Unterricht zu. Diese Mitwirkung der Religionsgemeinschaft ist aufgrund staatlicher Neutralität zwingend und für das verfassungsrechtliche Gesamtkonzept des Religionsunterrichts unabdingbar69. Aufgrund dieser ausdrücklichen Nennung in Art. 7 Abs. 3 S. 2 GG suggeriert schon der Wortlaut der Vorschrift, dass den Religionsgemeinschaften möglicherweise ein verfassungsrechtlicher Anspruch auf Einrichtung eines Religionsunterrichts zusteht70. 66
Dazu oben auf S. 120 ff. So bereits C. Schmitt, Verfassungslehre, 4. Aufl. 1965, S. 170 ff. Dazu auch H. de Wall, Die Einrichtungsgarantien des Grundgesetzes als Grundlagen subjektiver Rechte, in: Der Staat 38 (1999), S. 377 (384 ff.); Hildebrandt, Grundrecht (Fn. 25), S. 154 ff.; Germann (Fn. 53), Art. 7 Abs. 3 Rn. 69.4. 68 Der subjektive Charakter von Art. 7 Abs. 3 GG ist nicht unumstritten. Einen Überblick über die Einwände gegen eine subjektive Komponente von Art. 7 Abs. 3 GG bietet M. Germann, Zur rechtlichen Situation des Ethik- und Religionsunterrichts in Sachsen-Anhalt, in: Aufbrüche 2006, Heft 1, S. 12 (15 ff.). 69 So zutreffend Hildebrandt, Grundrecht (Fn. 25), S. 196. 70 Hildebrandt, Grundrecht (Fn. 25), S. 171 m.w. N. So auch S. Korioth, Islamischer Religionsunterricht und Art. 7 III GG, in: NVwZ 1997, S. 1041 (1044), der feststellt, dass der Begriff „Übereinstimmung“ festlegt, dass Staat und Religionsgemeinschaften 67
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Aber es gibt – neben dem relativ eindeutigen Wortlaut – auch ein formales Argument, welches für einen grundrechtlichen Anspruch zugunsten der Religionsgemeinschaften spricht. Das inhaltliche Bestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften würde im Ergebnis leerlaufen, wenn diesem kein grundrechtlicher Anspruch auf eine staatliche Einrichtung des Religionsunterrichts zur Seite stehen würde71. Ein inhaltliches Bestimmungsrecht kann nur dann greifen, wenn überhaupt ein Unterricht eingerichtet wird, dessen Inhalt festgelegt werden kann. Ist dies nicht der Fall, bedürfte es an dieser Stelle keiner Kooperation zwischen Staat und Kirche, sodass trotz der ausdrücklichen Anordnung im Grundgesetz die Religionsgemeinschaften ihrer verfassungsrechtlichen Aufgabe nicht nachkommen könnten. Überwiegend wird den Religionsgemeinschaften aus diesem Grund richtigerweise ein Grundrecht auf Einrichtung des Religionsunterrichts aus Art. 7 Abs. 3 GG zugesprochen72. Dies spricht aber dafür, dass der Staat den Religionsgemeinschaften keine unüberwindbaren Voraussetzungen auferlegen darf, um Religionsunterricht anbieten zu dürfen. Etwas Anderes könnte gelten, wenn der Staat dadurch die Grundrechte der anderen Beteiligten zu schützen versucht. In der Folge sind daher die grundrechtlichen Ansprüche von Eltern und Schülern zu untersuchen. b) Die Grundrechte der Eltern Neben den Grundrechten der Religionsgemeinschaften muss im Bereich des Religionsunterrichts vor allem auch die Stellung der Eltern als Erziehungsberechtigte der betroffenen Schüler untersucht werden. Diesen räumt Art. 6 Abs. 2 GG generell das natürliche Recht zur Erziehung und Pflege der Kinder als eigenes Grundrecht im klassischen Sinne eines Abwehrrechts gegenüber dem Staat ein73. Dieses Elternrecht sichert ihnen den Vorrang vor anderen Erziehungsträmiteinander zu reden haben, was auch dafür spricht, dass den Religionsgemeinschaften in diesem Zusammenhang ein Anspruch auf Einrichtung zukommt. 71 So die formale Argumentation, vgl. dazu S. Mückl, Staatskirchenrechtliche Regelungen zum Religionsunterricht, in: AöR 122 (1997), S. 513 (521); Hildebrandt, Grundrecht (Fn. 25), S. 198 f.; K. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IV/2, 2011, S. 417. 72 BVerwGE 123, 49 (49). Aus der Literatur bspw. T. Maunz, Der Religionsunterricht in verfassungsrechtlicher und vertragskirchenrechtlicher Sicht, 1974, S. 29; W. Rees, Der Religionsunterricht und die katechetische Unterweisung in der kirchlichen und staatlichen Rechtsordnung, 1986, S. 228; Mückl, Religionsunterricht (Fn. 71), S. 521; Hildebrandt, Grundrecht (Fn. 25), S. 196 ff.; Brosius-Gersdorf (Fn. 17), Art. 7 Rn. 89; Germann (Fn. 53), Art. 7 Abs. 3 Rn. 69; Badura (Fn. 27), Art. 7 Rn. 87; Wißmann (Fn. 14), Art. 7 – III Rn. 135; H. D. Jarass, in: ders./B. Pieroth, GG, 15. Aufl. 2018, Art. 7 Rn. 10; Robbers (Fn. 24), Art. 7 Abs. 3 Rn. 123. Nicht überzeugt scheint Thiel (Fn. 24), Art. 7 Rn. 44. A. A. sind Peters, Elternrecht (Fn. 36), S. 413; Schmoeckel, Religionsunterricht (Fn. 50), S. 35 ff.; A. Hollerbach, Freiheit kirchlichen Wirkens, in: HStR VI, § 140 Rn. 34. 73 BVerfE 24, 119 (138): „Das so umgrenzte Elternrecht ist ein Grundrecht im klassischen Sinne, das den Eltern ein Abwehrrecht gegen staatliche Eingriffe gewährt [. . .].“
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gern aber nur vorbehaltlich des Art. 7 GG74. Dementsprechend muss man sich bei der Frage der rechtlichen Stellung der Eltern in Bezug auf den Religionsunterricht auch mit Art. 7 GG und dessen rechtlichem Gehalt auseinandersetzen. Dabei drängt sich zunächst Art. 7 Abs. 2 GG auf. Dieser räumt den Eltern das Recht ein, über die Teilnahme des Kindes am Religionsunterricht zu bestimmen. Dabei handelt es sich um ein Grundrecht im Sinne eines Abwehrrechts zugunsten der Erziehungsberechtigten der Kinder75. Die Vorschrift ist damit lex specialis zum allgemeinen Erziehungsrecht aus Art. 6 Abs. 2 GG76. Sie stellt darüber hinaus eine Ausnahme zur allgemeinen Schulpflicht dar, die es dem Staat grundsätzlich ermöglichen soll, dass dieser „seinen Bildungs- und Erziehungsauftrag – auch unabhängig von den Vorstellungen der betroffenen Eltern – wirksam und umfassend wahrnehmen kann“ 77. Dies soll gerade mit Blick auf die staatliche Neutralität für den Religionsunterricht nicht uneingeschränkt gelten, sodass an dieser Stelle den Erziehungsberechtigten ein Mitspracherecht eingeräumt wird und insofern das elterliche Erziehungsrecht in den Bereich des Religionsunterrichts übertragen wird. Dies ist neben der Tatsache, dass es sich um eine Sonderregelung zu Art. 6 Abs. 2 GG handelt, gleichzeitig Ausprägung der Religionsfreiheit aus Art. 4 Abs. 1, 2 GG78. Gerade der Zusammenhang von Art. 7 Abs. 2 GG und Art. 4 Abs. 1, 2 GG zeigt aber, dass dieser Anspruch der Erziehungsberechtigten nicht uneingeschränkt gelten kann. Aus § 5 KErzG ergibt sich, dass ein Kind ab dem 14. Lebensjahr selbst darüber entscheiden kann, an welches religiöse Bekenntnis es sich halten möchte, und bereits ab dem 12. Lebensjahr nicht mehr gegen seinen Willen in einem anderen Bekenntnis als bisher erzogen werden darf. Die Schüler erreichen also mit dem 14. Lebensjahr die Religionsmündigkeit. Das Erreichen der Religionsmündigkeit muss auch auf den Anspruch der Erziehungsberechtigten aus Art. 6 Abs. 2 GG durchschlagen, da dieser vorsieht, dass die Eltern über die Teilnahme des Kindes am Religionsunterricht, und damit auch über die religiöse Erziehung des Kindes, entscheiden dürfen. Der grundrechtliche Anspruch der Eltern aus Art. 7 Abs. 2 GG ist daher Im Anschluss daran auch BVerfGE 31, 194 (204 f.). Aus der Literatur zum Elternrecht bspw. F. Brosius-Gersdorf, in: Dreier, GG I (Fn. 17), Art. 6 Rn. 141 ff.; C. v. Coelln, in: Sachs, GG (Fn. 10), Art. 6 Rn. 53 ff. 74 BVerfGE 24, 119 (143): „Die Eltern haben das Recht, die Pflege und Erziehung ihrer Kinder nach ihren eigenen Vorstellungen frei zu gestalten und genießen insoweit, vorbehaltlich des Art. 7 GG, Vorrang vor anderen Erziehungsträgern.“ 75 Siehe statt vieler bspw. F. Brosius-Gersdorf (Fn. 17), Art. 7 Rn. 83; A. Uhle, in: Epping/Hillgruber, GG (Fn. 53), Art. 7 Abs. 2 Rn. 35; Wißmann (Fn. 14), Art. 7 – III Rn. 160. 76 Hildebrandt, Grundrecht (Fn. 25), S. 178; Uhle (Fn. 75), Art. 7 Abs. 2 Rn. 35; Thiel (Fn. 24), Art. 7 Rn. 51. 77 BVerwGE 94, 82 (84). Zum Verhältnis der Schulpflicht zum Elternrecht vgl. BVerfGE 34, 165 (186 f.). 78 Zutreffend Uhle (Fn. 75), Art. 7 Abs. 2 Rn. 35.
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richtigerweise durch den Eintritt in die Religionsmündigkeit des Kindes begrenzt79. Der Anspruch auf Abmeldung vom Religionsunterricht steht nach deren Eintritt vielmehr den Schülern selbst zu80. Neben Art. 7 Abs. 2 GG rückt auch bei den Eltern Art. 7 Abs. 3 GG in den Blickpunkt. Wie schon bei den Religionsgemeinschaften stellt sich auch hier die Frage, ob den Eltern ein verfassungsrechtlicher Anspruch auf Einrichtung eines bestimmten Religionsunterrichts zusteht. Dabei muss der Zusammenhang zwischen Art. 7 GG, Art. 6 Abs. 2 GG und Art. 4 GG Berücksichtigung finden. Über das bereits dargestellte Erziehungsrecht der Eltern aus Art. 6 Abs. 2 GG hinaus schützen auch Art. 4 Abs. 1 und 2 GG das Recht der Eltern, den Kindern das von ihnen bevorzugte religiöse Bekenntnis zu vermitteln81. Mit Eintritt in das Schulalter tritt neben das elterliche Erziehungsrecht der staatliche Erziehungsauftrag aus Art. 7 Abs. 1 GG. Aufgrund der staatlichen Neutralität ist es dem Staat dabei aber nicht möglich, im Rahmen seines Erziehungsauftrages eine religiöse Erziehung vorzunehmen. Art. 7 Abs. 2 und 3 GG schaffen insoweit einen Ausgleich zur ansonsten neutralen Schulerziehung durch den Staat82. Neben dem – bereits erwähnten – in Abs. 2 geregelten Recht der Erziehungsberechtigten, über die Teilnahme des Kindes am Religionsunterricht generell zu bestimmen, ist es schlüssig, Abs. 3 auch einen grundrechtlichen Anspruch der Eltern auf Einrichtung von Religionsunterricht zu entnehmen. Dadurch soll nicht nur dem elterlichen Erziehungsrecht aus Art. 6 Abs. 2 GG im Schulwesen Rechnung getragen werden83, sondern auch die Glaubens- und Gewissensfreiheit aus Art. 4 GG konkretisiert werden84. Dieser Ausgleich zwischen dem staatlichen Erziehungsauftrag und dem der Eltern ist auch insofern angezeigt, als dass die beiden Erziehungsrechte im Grundgesetz grundsätzlich gleichgeordnet sind85. So 79 Hildebrandt, Grundrecht (Fn. 25), S. 218; Uhle (Fn. 75), Art. 7 Abs. 2 Rn. 38; Wißmann (Fn. 14), Art. 7 – III Rn. 178; H. Hofmann, in: B. Schmidt-Bleibtreu/ders./H.-G. Henneke (Hrsg.), GG, 14. Aufl. 2018, Art. 7 Rn. 33; Jarass (Fn. 72), Art. 7 Rn. 22; Robbers (Fn. 24), Art. 7 Abs. 2 Rn. 109; Thiel (Fn. 24), Art. 7 Rn. 52. 80 Dazu später im Rahmen der Untersuchung der Grundrechtsträgerschaft der Schüler selbst. 81 BVerfGE 41, 29 (47 f.); 52, 223 (236); 93, 1 (17). 82 Hildebrandt, Grundrecht (Fn. 25), S. 182. Dazu auch H. de Wall, Zum Verfassungsstreit um den Religionsunterricht in Brandenburg, in ZevKR 42 (1997), S. 353 (365), der die Garantie des Religionsunterrichts als eine „Kompensation für den weitgehenden Fortfall eines konfessionellen Schulwesens“ ansieht. 83 W. Geiger, Die Einschulung von Kindern verschiedenen Bekenntnisses in eine öffentliche Bekenntnisschule, 1980, S. 71 f.; Hildebrandt, Grundrecht (Fn. 25), S. 185. 84 So H.-U. Evers, Die Befugnis des Staates zur Festlegung von Erziehungszielen in der pluralistischen Gesellschaft, 1979, S. 73 f. 85 Herrschende Meinung in Rechtsprechung und Schrifttum: BVerfGE 34, 165 (182); 93, 1 (21); 108, 282 (301); statt viele siehe aus der Literatur nur K. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IV/1, 2006, S. 602, mit zahlreichen weiteren Nachweisen.
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stellt auch das Bundesverfassungsgericht fest, dass der Staat „in der Schule die Verantwortung der Eltern für den Gesamtplan der Erziehung ihrer Kinder achten“ muss86. Auch dieser Anspruch der Erziehungsberechtigten muss im Zusammenhang mit der Religionsmündigkeit der Schüler gesehen werden. Anders als das Grundrecht aus Art. 7 Abs. 2 GG endet dieser Anspruch aber nicht mit Eintritt der Religionsmündigkeit des Kindes, sondern bleibt als „Unterstützungs- und Beistandsrecht“ neben dem eigenen Anspruch des religionsmündigen Schülers stehen87. Dies ist erforderlich, damit der Schüler mit Eintritt der Religionsmündigkeit nicht gänzlich auf sich allein gestellt ist. Im Ergebnis spricht also vieles dafür, den Erziehungsberechtigten neben dem Grundrecht aus Art. 7 Abs. 2 GG ebenfalls ein Grundrecht auf Einrichtung konfessionellen Religionsunterrichts einzuräumen88. Ein solches ergibt sich zwar unmittelbar aus Art. 7 Abs. 3 GG, ist aber auch Ausprägung des Erziehungsrechts der Eltern aus Art. 6 Abs. 2 GG und der Religions- und Glaubensfreiheit aus Art. 4 Abs. 1, 2 GG. Bei beiden Grundrechten ist aber die Tatsache zu berücksichtigen, dass ein Schüler gemäß § 5 KErzG mit der Vollendung des 14. Lebensjahres die Religionsmündigkeit erreicht. Während das Grundrecht aus Art. 7 Abs. 2 GG damit erlöschen muss, tritt der grundrechtliche Anspruch aus Art. 7 Abs. 3 GG neben den Anspruch des Schülers, um diesen gegebenenfalls zu unterstützen. c) Die Grundrechte der betroffenen Schüler Neben den Religionsgemeinschaften und den Eltern sind als dritte Gruppe die Schüler, die dem Religionsunterricht beiwohnen, unmittelbar betroffen. Auch bei dieser Gruppe stellt sich die Frage, ob neben dem offensichtlich einschlägigen Art. 4 GG auch ein Grundrecht aus Art. 7 Abs. 3 GG auf Einrichtung eines Religionsunterrichts einschlägig ist. Art. 4 Abs. 1, 2 GG schützen grundsätzlich die Religionsfreiheit der betroffenen Schüler in positiver wie negativer Hinsicht. Umfasst ist dabei das reine Bekenntnis zu einem bestimmen Glauben (Abs. 1) und darüber hinaus auch die Aus86
BVerfGE 34, 165 (183). Zutreffend BVerwGE 15, 134 (138); 68, 16 (18 f.); J. Listl, Das Grundrecht der Religionsfreiheit in der Rechtsprechung der Gerichte der Bundesrepublik Deutschland, 1971, S. 323 f.; D. C. Umbach, Grundrechts- und Religionsmündigkeit im Spannungsfeld zwischen Kindes- und Elternrecht, in: H. J. Faller/P. Kirchhof/E. Träger (Hrsg.), Verantwortlichkeit und Freiheit. Festschrift für Willi Geiger, 1989 S. 359, 372 ff.; M. Jestaedt, Das elterliche Erziehungsrecht im Hinblick auf Religion (§ 52), in: HdbStKirchR2 II, S. 371 (410); Hildebrandt, Grundrecht (Fn. 25), S. 219. 88 Anderer Ansicht sind: Korioth, Religionsunterricht (1997) (Fn. 70), S. 1045 f.; L. Renck, Der Streit um den Bekenntnis- und Ethikunterricht in Brandenburg und Berlin, in: NJ 2000, S. 393 (395 f.); ders., Institutionell garantierter Bekenntnisunterricht?, in: ZRP 2003, S. 137 (138); Czermak, Weltanschauungsrecht (Fn. 28), Rn. 294 (S. 157); Brosius-Gersdorf (Fn. 17), Art. 7 Rn. 90; Jarass (Fn. 72), Art. 7 Rn. 16a. 87
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übung religiöser Handlungen (Abs. 2). In negativer Hinsicht umfasst dies die Freiheit, gerade keine religiöse Überzeugung zu haben oder auszuüben89. Dies gilt vor allem auch im Schulumfeld90. Hier dürfen dem Schüler keine religiösen Überzeugungen aufgezwungen werden, die er nicht teilen möchte. Bei der Frage, inwieweit ein Schüler in der Schule in positiver Weise seinen Glauben auslebt, gelangt man vor allem zum Religionsunterricht und damit neben Art. 4 GG auch zu Art. 7 Abs. 3 GG. Heckel bezeichnet die Vorschrift als „Konkretisierung der positiven und negativen Religionsfreiheit aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG91. Es gilt daher in der Folge festzustellen, welche grundrechtlichen Ansprüche sich für die Schüler aus Art. 4 und 7 GG ergeben. Wie bereits festgestellt, endet das Recht der Erziehungsberechtigten aus Art. 7 Abs. 2 GG, über die Teilnahme des Kindes am Religionsunterricht zu bestimmen, mit der Religionsmündigkeit des Kindes, welche sich aus § 5 KErzG ergibt. Danach muss das Recht dem Schüler selbst zustehen. Dieses Recht kann sich aufgrund des eindeutigen Wortlautes aber nicht aus Art. 7 Abs. 2 GG selbst ergeben. Das Recht des Schülers, sich vom Religionsunterricht eigenständig abzumelden, folgt daher mit Eintritt der Religionsmündigkeit unmittelbar aus Art. 4 GG92. Dabei nimmt der Schüler seine negative Glaubensfreiheit in Anspruch, indem er dem Unterricht fernbleibt. Neben diesem Recht auf Fernbleiben muss sich aber auch für den Schüler als unmittelbar betroffene Person ein Anspruch aus Art. 7 Abs. 3 GG ergeben, wenn dieser neben den Religionsgemeinschaften auch den Eltern zusteht. Dafür spricht vor allem die besondere Bedeutung, die der Religionsunterricht für die Schüler aufweist. Hildebrandt hat zutreffend zwei verschiedene Begründungsansätze für die Bedeutung des Religionsunterrichts herausgearbeitet 93. Der eine ergebe sich aus der generellen Integrationsfunktion der staatlichen Schulerziehung, die be89 BVerfGE 122, 89 (119); 138, 296 (336); C. Starck, in: Mangoldt/Klein/ders., GG I (Fn. 24), Art. 4 Abs. 1, 2 Rn. 23 ff.; M. Germann, in: Epping/Hillgruber, GG (Fn. 53), Art 4 Rn. 20 ff.; M. Morlok, in: Dreier, GG I (Fn. 17), Art. 4 Rn. 69; H. D. Jarass, in: ders./Pieroth, GG (Fn. 72), Art. 4 Rn. 13; J. Kokott, in: Sachs, GG (Fn. 10), Art. 4 Rn. 29. 90 BVerfGE 108, 282 (299); 138, 296 (333). Siehe dazu auch Starck (Fn. 89), Art. 4 Abs. 1, 2 Rn. 26 ff. 91 M. Heckel, Das Kreuz im öffentlichen Raum. Zum „Kruzifix-Beschluß“ des Bundesverfassungsgerichts, in: DVBl. 1996, S. 453 ff. Auch Starck (Fn. 89), Art. 4 Abs. 1, 2 Rn. 148, sieht Art. 7 GG in Bezug auf den Religionsunterricht als lex specialis zu Art. 4 Abs. 1 und 2 GG an, stellt aber fest, dass ansonsten die Gewährleistungen des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG die Vorschriften des Art. 7 GG ergänzen und überlagern. 92 M. Winkelmann, Das Verhältnis der religionsrechtlichen Bestimmungen der nordrhein-westfälischen Landesverfassung zu den Regelungen des Grundgesetzes, in: DVBl. 1991, S. 791 (794); Hildebrandt, Grundrecht (Fn. 25), S. 218; Starck (Fn. 89), Art. 4 Abs. 1, 2 Rn. 149. 93 Ausführlich zu diesen beiden Ansätzen Hildebrandt, Grundrecht (Fn. 25), S. 188 ff.
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sonders im Bereich des Religionsunterrichts zum Tragen komme, und der andere daraus, dass es sich beim Religionsunterricht um den gelebten Glauben in der Schule handle. Insbesondere der zweite Ansatz lässt sich für die Begründung eines eigenen grundrechtlichen Anspruchs der Schüler aus Art. 7 Abs. 3 GG ins Feld führen und zeigt gleichzeitig den Zusammenhang mit Art. 4 Abs. 1 und 2 GG auf. Durch das Angebot von Religionsunterricht seitens des Staates bietet dieser den Schülern die Möglichkeit, in der Schule seinen Glauben auszuleben94. Damit bietet der Staat erst den Raum für eine Ausübung der Religionsfreiheit im Sinne des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG. Aufgrund dieser Bedeutung des Religionsunterrichts für die Religionsfreiheit des einzelnen Schülers und der Bedeutung des Religionsunterrichts für die staatliche Schulerziehung im Gesamten ist es schlüssig, auch den Schülern einen grundrechtlichen Anspruch aus Art. 7 Abs. 3 GG auf Einrichtung des Unterrichts zuzugestehen95. d) Einfluss der grundrechtlichen Interessen der Lehrer? Neben den Religionsgemeinschaften, den betroffenen Schülern und deren Eltern sind auch die Religionslehrer als Grundrechtsträger im Rahmen des Religionsunterrichts unmittelbar betroffen. Dabei ist vor allem die Regelung des Art. 7 Abs. 3 S. 3 GG zu beachten. Diese sieht vor, dass kein Lehrer gegen seinen Willen verpflichtet werden kann, Religionsunterricht zu erteilen. Bei der Re94 Heckel, Kreuz (Fn. 91), S. 462; ders., Religionsunterricht für Muslime?, in: JZ 1999, S. 741 (746); Hildebrandt, Grundrecht (Fn. 25), S. 195. 95 So auch J. Winter, Zur Anwendung des Art. 7 III GG in den neuen Ländern der Bundesrepublik Deutschland, in: NVwZ 1991, S. 753 (754); Link, Religionsunterricht (Fn. 19), S. 441; H. de Wall, Das Grundrecht auf Religionsunterricht: Zur Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerden gegen das Brandenburgische Schulgesetz, in: NVwZ 1997, S. 465 (465); K.-H. Kästner, Religiöse Bildung und Erziehung in der öffentlichen Schule – Grundlagen und Tragweite der Verfassungsgarantie staatlichen Religionsunterrichts, in: EssGespr. 32 (1998), S. 61 (67 f.); H. Maurer, Die verfassungsrechtliche Grundlage des Religionsunterrichts, in: F. Ruland/B. B. v. Maydell/H.-J. Papier (Hrsg.), Verfassung, Theorie und Praxis des Sozialstaats. Festschrift für H. F. Zacher, 1998, S. 577 (584 f.); Hildebrandt, Grundrecht (Fn. 25), S. 196; C. Link, Konfessioneller Religionsunterricht in einer gewandelten sozialen Wirklichkeit?, in: ZevKR 46 (2001), S. 257 (263); I. Richter, in: E. Denninger u. a. (Hrsg.), AK-GG, 3. Aufl. 2001, Art. 7 (2001), Rn. 55; M. Heckel, Neue Formen des Religionsunterrichts?, in: R. Grote u. a. (Hrsg.), Die Ordnung der Freiheit. Festschrift für C. Starck, 2007, S. 1093 (1105); Boysen (Fn. 32); Art. 7 Rn. 74; Germann (Fn. 53), Art. 7 Rn. 69. Bedenken haben J. Oebbecke, Reichweite und Voraussetzungen der grundgesetzlichen Garantie des Religionsunterrichts, in: DVBl. 1996, S. 336 (339), und Thiel (Fn. 24), Art. 7 Rn. 44. Gegen einen solchen Anspruch bspw. L. Renck, Zur grundrechtlichen Bedeutung von Art. 7 III GG, in: NVwZ 1992, S. 1171 (1171 f.); ders., Bekenntnisunterricht (Fn. 88), S. 138; M. Ogorek, Geltung und Fortbestand der Verfassungsgarantie staatlichen Religionsunterrichts in den neuen Bundesländern, 2004, S. 48 ff., insb. 91; Czermak, Weltanschauungsrecht (Fn. 28), Rn. 294; Brosius-Gersdorf (Fn. 17), Art. 7 Rn. 90; Wißmann (Fn. 14), Art. 7 – III Rn. 137; Jarass (Fn. 72), Art. 7 Rn. 16a, der aber auf die Unsicherheit der Rechtslage hinweist.
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gelung handelt es sich um ein Grundrecht im Sinne eines Abwehrrechtes96. Es stellt eine Konkretisierung sowohl der negativen Glaubensfreiheit des Lehrers aus Art. 4 Abs. 1 u. 2 GG als auch seiner grundrechtlichen Gewährleistungen aus Art. 3 Abs. 3 und Art. 33 Abs. 3 GG, die ihn vor einer Benachteiligung aufgrund seines Glaubens schützen, dar97. Aus der – nicht begründungsbedürftigen98 – Weigerung des Lehrers, Religionsunterricht zu geben, dürfen diesem keine Nachteile erwachsen99. Die grundrechtlichen Interessen des Lehrers im Bereich des Religionsunterrichts betreffen demnach nur Fragen seiner persönlichen religiösen Überzeugung und des damit verbundenen Umgangs seitens des Staates im Rahmen des Schuldienstes. Keine Auswirkungen haben seine grundrechtlichen Belange aber auf die Frage der vorliegenden Untersuchung, welche Anforderungen an die Religionsgemeinschaften zu stellen sind. Das Verweigerungsrecht des Lehrers sichert diesen ja gerade für den Fall grundrechtlich ab, dass er ein bestimmtes Glaubensbekenntnis nicht teilt. Welche Religionsgemeinschaft als Anbieter von Religionsunterricht zugelassen wird, betrifft dessen Rechtsstellung daher nicht unmittelbar. Konflikte, die zwischen Religionsgemeinschaften und Lehrkräften – beispielsweise bei Fragen der Erteilung oder Verweigerung der missio – ergeben können, sind losgelöst von der Frage, welche Religionsgemeinschaft für die Ausrichtung konfessionellen Religionsunterrichts in Betracht kommt. Im weiteren Verlauf der Untersuchung, insbesondere mit Blick auf den Ausgleich der gefundenen grundrechtlichen Interessen, sollen die grundrechtlichen Belange des Religionslehrers daher keine Berücksichtigung mehr finden100. e) Ausgleich der verschiedenen grundrechtlichen Interessen? Es zeigt sich also, dass im Bereich des Religionsunterrichts, bzw. bei der Frage „ob“ Religionsunterricht einzurichten ist, vor allem die Grundrechte dreier Grundrechtsträger zu berücksichtigen sind – diejenigen der Religionsgemeinschaften, der Eltern bzw. Erziehungsberechtigten und der Schüler. Bei der Frage, welche Voraussetzungen Religionsgemeinschaften zu erfüllen haben, ist also auf die Grundrechte dieser Beteiligten Rücksicht zu nehmen. Im Rahmen des Religionsunterrichts tritt allerdings die Besonderheit auf, dass hier die Religionsgemeinschaften als Kooperationspartner des Staates im Grunde auf der Seite der anderen Grundrechtsträger, also der Erziehungsberechtigen und der Schüler stehen. Allen drei Grundrechtsträgern steht im Ergebnis ein Anspruch gegen den 96 Statt vieler nur Brosius-Gersdorf (Fn. 17), Art. 7 Rn. 101; Jarass (Fn. 72), Art. 7 Rn. 23. 97 Siehe dazu Robbers (Fn. 24), Art. 7 Abs. 3 Rn. 162. 98 Jarass (Fn. 72), Art. 7 Rn. 23; Robbers (Fn. 24), Art. 7 Abs. 3 Rn. 164. 99 Brosius-Gersdorf (Fn. 17), Art. 7 Rn. 102; Robbers (Fn. 24), Art. 7 Abs. 3 Rn. 162. 100 Zu den Rechten der Lehrer siehe bspw. Link, Religionsunterricht (Fn. 19), S. 470 ff.; Badura (Fn. 27), Art. 7 Rn. 85 f.; Wißmann (Fn. 14), Art. 7 – III Rn. 185 ff.
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Staat auf Einrichtung eines konfessionellen Religionsunterrichts aus Art. 7 Abs. 3 GG zu. Dabei steht dieser Anspruch bei den Religionsgemeinschaften und den Schülern in unmittelbarem Zusammenhang mit Art. 4 Abs. 1, 2 GG und bei den Erziehungsberechtigen mit Art. 4 Abs. 1, 2, Art. 6 Abs. 2 GG. Art. 7 Abs. 3 GG transportiert diesen Anspruch als lex specialis in das Schulrecht. Das Interesse an der Einrichtung von Religionsunterricht liegt bei allen drei Grundrechtsträgern in der religiösen Erziehung der Kinder und der Weitergabe des religiösen Bekenntnisses an ebendiese. Dieser Gleichlauf der Interessen führt dazu, dass sich im Rahmen des Religionsunterrichts das Problem des Ausgleichs verschiedener grundrechtlicher Interessen – zumindest was die bloße Einrichtung, also das „ob“, des Religionsunterrichts betrifft – de facto nicht stellt. Die verfassungsrechtlich angeordnete Einbindung der Religionsgemeinschaften als private Akteure stellt unter diesem Gesichtspunkt keine Gefahr für die Grundrechte der Erziehungsberechtigten bzw. Schüler dar – diese können sich einer als „übergriffig“ empfundenen Gestaltung durch einen nicht weiter zu motivierenden Willensakt entziehen. Vielmehr droht lediglich eine Verletzung der Grundrechte von Religionsgemeinschaften, Erziehungsberechtigten und Schülern gleichermaßen, sollte der Staat seiner Aufgabe der Einrichtung eines konfessionellen Religionsunterrichts nicht nachkommen oder sein Aufsichtsrecht in einer Weise ausüben, die ohne gute Gründe massiv Einfluss auf die Inhalte des Unterrichts nimmt. Inwieweit im Rahmen des Religionsunterrichts Konflikte zwischen den beteiligten Personen entstehen können, beispielsweise wenn Schüler oder Eltern den Unterricht einer Religionsgemeinschaft für inhaltlich falsch halten, ist für die vorliegende Untersuchung nicht relevant und soll daher an dieser Stelle nicht weiter ausgeführt werden. 4. Die Intention der Religionsgemeinschaften bei der Einrichtung von Religionsunterricht Abschließend ist zu fragen, aus welcher Motivation heraus die Religionsgemeinschaften Religionsunterricht in öffentlichen Schulen einrichten. Dabei ist evident, dass sich die Interessen der Gemeinschaften in Bezug auf Religionsunterricht von den Interessen privater, wirtschaftsgesteuerter Akteure, die staatliche Aufgaben übernehmen, unterscheiden. Im Mittelpunkt steht bei den Religionsgemeinschaften bei der Wahrnehmung dieser Aufgabe also keinesfalls ein ausschließlich finanzielles Interesse101. Vielmehr liegt das Interesse der Religionsgemeinschaften am Religionsunterricht in der Weitergabe ihrer eigenen Glaubenssätze und der damit erhofften konfessionellen Bindung der Schüler102.
101 Ein solches wird privaten Akteuren, die staatliche Aufgaben übernehmen, teilweise pauschal nachgesagt, bspw. J. Brehme, Privatisierung und Regulierung der öffentlichen Wasserversorgung, 2010, S. 42. 102 BVerwGE 123, 49 (53).
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§ 6 Untersuchung ausgewählter Bereiche
Die Motivation der Religionsgemeinschaften in Bezug auf den Religionsunterricht ist also eine intrinsische. Die Gemeinschaften bieten den Unterricht aufgrund der Erhaltung und Stärkung ihrer eigenen gesellschaftlichen Position an. An dieser Grundmotivation ändert sich auch nichts dadurch, dass die Stärkung der konfessionellen Bindung der Schüler auf lange Sicht auch finanzielle Vorteile – bspw. durch Mehreinnahmen bei der Kirchensteuer durch eine größere Zahl Angehöriger – mit sich bringt103. So treten Religionsgemeinschaften auch in anderen Bereichen vornehmlich aus Gründen des Gemeinwohls zum allgemeinen Nutzen der Gesellschaft zum Vorschein104. Diese gemeinwohlorientierte Motivation der Religionsgemeinschaften würdigt der Staat unter anderem durch die mögliche Zuerkennung des Status als Körperschaft des öffentlichen Rechts, insbesondere aufgrund der Tatsache, dass die Gemeinschaften keine partiellen Interessen vertreten, sondern „den Menschen als Ganzes in allen Feldern seiner Betätigung und seines Verhaltens anspricht“ 105. 5. Zusammenfassung der gefundenen Untersuchungsergebnisse Betrachtet man zusammenfassend die Untersuchung anhand der vier entwickelten Kriterien, stellt man einige Besonderheiten mit Blick auf die Einbindung der Religionsgemeinschaften fest. Diese ergeben sich vor allem aus der prinzipiellen Trennung von Staat und Kirche und der durch Art. 7 Abs. 3 GG angeordneten Verantwortungsteilung zwischen Staat und Religionsgemeinschaften. Diese verfassungsrechtlich verankerte wechselseitige Kooperation führt dazu, dass mit Blick auf den Religionsunterricht die Verantwortung und der Einfluss des Staates, trotz des – von diesem akzeptierten – inhaltlichen Alleinbestimmungsrechtes der Religionsgemeinschaften106, beachtlich ist. Im Hinblick auf die demokratische Legitimation zeigt sich dieses Ergebnis besonders deutlich. Aufgrund der weltanschaulich-religiösen Neutralität des Staates ist eine sachlich-inhaltliche Legitimation des Handelns der Religionsgemeinschaften dergestalt, dass die Inhalte im Sinne einer Legitimationskette auf den
103 Insbesondere bei Religionsgemeinschaften (-gesellschaften), die Körperschaften des öffentlichen Rechts sind und sich dementsprechend zu großen Teilen aus Kirchensteuern finanzieren. Diese stellen bis zu 90 Prozent der kirchlichen Haushalte dar, vgl. dazu S. Mückl, Kirchliche Organisation, in: HStR3 VII, § 160 Rn. 56. Auch die Kirchensteuer stellt wie der Religionsunterricht eine gemeinsame Angelegenheit von Staat und Kirche dar, vgl. dazu H. Marré, Das kirchliche Besteuerungsrecht (§ 37), in: HdbStKirchR2 I, S. 1101 (1110 f.). 104 S. Muckel, Auf dem Weg zu einem grundrechtlich geprägten Staatskirchenrecht?, in: Stimmen der Zeit 219 (2001), S. 463 (471). 105 BVerfGE 42, 312 (333); BVerwGE 105, 117 (120); auch W. Loschelder, Der Islam und die religionsrechtliche Ordnung des Grundgesetzes, in: EssGespr. 20 (1986), S. 149 (166); Muckel, Weg (Fn. 104), S. 471. 106 B. Jeand’Heur/S. Korioth, Grundzüge des Staatskirchenrechts, 2000, Rn. 309.
A. Der Religionsunterricht
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Staat zurückzuführen sind, ausgeschlossen. Dies würde dazu führen, dass der Staat unmittelbar Glaubensinhalte vorgäbe. Die Grundlage der sachlich-inhaltlichen Legitimation ist im Bereich des Religionsunterrichts vielmehr im staatlichen Aufsichtsrecht und der damit verbundenen Eingriffsmöglichkeit im Falle verfassungsfeindlicher Unterrichtsinhalte zu sehen. Die sachlich-inhaltliche Legitimation ist dementsprechend nur insoweit abgeschwächt, als dass diese erst nachgeschaltet über die Aufsicht erfolgt. Dieses notwendige Defizit wird aber auf personell-organisatorischer Seite insoweit aufgefangen, als dass die betroffenen Lehrkräfte sowohl eines staatlichen als auch eines kirchlichen Lehrauftrages bedürfen. Der Staat hat dementsprechend zumindest auf personeller Ebene die Möglichkeit, Einfluss auf den Religionsunterricht zu nehmen und dadurch in pädagogischer Hinsicht die Qualität des Unterrichts zu sichern. Der Einfluss des Staates zeigt sich auch, wenn man sich dessen Verantwortung im Rahmen des Religionsunterrichts bewusst macht. Aus Art. 7 Abs. 3 GG ergibt sich eine doppelte Verantwortung des Staates. Dieser ist aufgrund der Feststellung in Satz 1, dass der Religionsunterricht ein ordentliches Lehrfach an öffentlichen Schulen sein muss, als „Unternehmer“ des Religionsunterrichts anzusehen und hat dementsprechend für die Einrichtung des Unterrichts unter Übernahme der Kosten für sachliche und personelle Voraussetzungen Sorge zu tragen. Darüber hinaus stellt Art. 7 Abs. 3 S. 2 GG weitergehend klar, dass das staatliche Aufsichtsrecht – entgegen anderslautender Meinungen neben einem kirchlichen Aufsichtsrecht – auch in Bezug auf den Religionsunterricht Anwendung findet. Dieses Aufsichtsrecht geht im Ergebnis auch sehr weit und umfasst nicht nur organisatorische Fragen, sondern zumindest auch teilweise inhaltliche Fragen, da der Staat aufgrund seiner „Unternehmereigenschaft“ sicherstellen muss, dass die grundsätzlich geltenden pädagogischen und didaktischen Ansprüche gewahrt werden. Darüber hinaus muss der Staat ebenfalls sicherstellen, dass die Unterrichtsinhalte nicht den staatlichen Erziehungszielen zuwiederlaufen. Die Kooperation zwischen Staat und Religionsgemeinschaften in Art. 7 Abs. 3 GG und die damit einhergehenden Aufsichtsrechte beider Parteien sollen aber nicht zu einem Gegeneinander führen, sondern es soll ein Einvernehmen zwischen den beteiligten Akteuren hergestellt werden. Unter grundrechtlichen Gesichtspunkten sind im Rahmen des Religionsunterrichts drei Parteien zu berücksichtigen: Die Religionsgemeinschaften, die Eltern der betroffenen Schüler und die Schüler selbst. Von besonderer Bedeutung ist dabei der grundrechtliche Anspruch sowohl der Religionsgemeinschaften als auch der Eltern und Schüler aus Art. 7 Abs. 3 GG auf Einrichtung des Religionsunterrichts. Dieser gibt auch den Grundrechten der Betroffenen aus Art. 4 bzw. 6 GG Raum im schulischen Bereich. Anders als in anderen Bereichen, in denen private Akteure Aufgaben für den Staat oder in Kooperation mit dem Staat wahrnehmen, droht hier primär keine Kollision zwischen den grundrechtlichen Interessen des privaten Akteurs, der die Aufgabe übernimmt, und den Dritten. Die
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§ 6 Untersuchung ausgewählter Bereiche
grundrechtlichen Interessen von Religionsgemeinschaften, Eltern und Schülern sind in diesem Fall gleichlaufend auf die Einrichtung eines konfessionellen Religionsunterrichts ihres Glaubensbekenntnisses und die damit einhergehende Glaubensausübung in der Schule ausgerichtet. Der Bereich des Religionsunterrichts ist dementsprechend zwar ein sehr grundrechtssensibler Bereich, durch die Einbindung der Religionsgemeinschaften ist aber keine gesteigerte Gefahr von Grundrechtsverletzungen anzunehmen. Vielmehr dient die Kooperation mit den Religionsgemeinschaften gerade auch der Sicherung der Grundrechtsausübung der Eltern und der Schüler. Auch mit Blick auf Schüler anderer Glaubensbekenntnisse, bietet zumindest die bloße Einrichtung konfessionellen Religionsunterrichts nur ein geringes Konfliktpotential. Denkbar wäre dies nur dort, wo zugunsten des einen konfessionellen Religionsunterrichts der einer anderen Glaubensgemeinschaft wegfällt. Abschließend hat sich gezeigt, dass die Intention der Religionsgemeinschaften, diese Kooperation mit dem Staat einzugehen und Religionsunterricht anzubieten, keine ökonomische ist. Die Motivation seitens der Religionsgemeinschaften ist vielmehr, die Glaubenssätze des jeweiligen Bekenntnisses zu verbreiten und dadurch die gesellschaftliche Stellung der Religionsgemeinschaften zu stärken. Dieser Antrieb dient also verstärkt dem Allgemeinwohl in der Form, dass er die Ausübung der religiösen Freiheit der Bürger unterstützt.
III. Ergebnis: Der Religionsunterricht als Sonderfall privater Aufgabenwahrnehmung Stellt man nun abschließend die Voraussetzungen, die an die Religionsgemeinschaft bezüglich der Kooperation gestellt werden, und die gefundenen Ergebnisse gegenüber, so zeigt sich, dass trotz der Einflussmöglichkeiten des Staates auf der einen Seite und der grundrechtlichen Verankerung der Beteiligung der Religionsgemeinschaften auf der anderen Seite zahlreiche Anforderungen an die Gemeinschaften gestellt werden, die Teil dieser Kooperation sein wollen. Zwar ist weitestgehend anerkannt, dass es keiner besonderen Organisation, insbesondere nicht des Körperschaftsstatus, bedarf, um als Religionsgemeinschaft im Sinne des Art. 7 Abs. 3 GG Unterricht in Kooperation mit dem Staat anbieten zu dürfen, dennoch werden den Gemeinschaften einige Voraussetzungen aufgenötigt, die aufgrund der Enge der Kooperation und des bestimmenden Einflusses des Staates fragwürdig erscheinen. Dies gilt insbesondere für die Allseitigkeit der Aufgabenwahrnehmung107 und für die Rechts- bzw. Verfassungstreue108. Diese stellen für die Religionsgemeinschaften die wahrscheinlich schwerwiegendsten Anforderungen dar. 107 108
Dazu auf S. 138 ff. Siehe bereits S. 142 ff.
B. Die freien Träger der Kinder- und Jugendhilfe
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Auf den ersten Blick ist nicht ersichtlich, warum an die Religionsgemeinschaften derart hohe Anforderungen gestellt werden. Dies ist unter verschiedensten Aspekten zweifelhaft. Zum einen führt die Trennung zwischen Staat und Kirche dazu, dass die Religionsgemeinschaften per se dem Staat nicht besonders nahestehen. Besinnt man sich also auf das Modell der „Umlaufbahnen“ von Kämmerer zurück, wären die Religionsgemeinschaften nicht den unmittelbar umliegenden Laufbahnen zuzuordnen. Dies gilt insbesondere unter Berücksichtigung der Tatsache, dass Religionsgemeinschaften im Sinne des Art. 7 Abs. 3 GG nicht zwangsläufig Körperschaften des öffentlichen Rechts sein müssen. Bei diesen ließe sich eine größere Nähe zum Staat möglicherweise noch konstruieren. Der Umstand, dass der Religionsunterricht in der Regel von Beamten oder Angestellten des öffentlichen Dienstes erteilt wird, rechtfertigt in diesem Zusammenhang keine anderslautende Beurteilung. Auch die im Hinblick auf den Kriterienkatalog gefundenen Ergebnisse sprechen dafür, dass bezüglich der Religionsgemeinschaften ein besonders strenger Maßstab angelegt worden ist. Die Untersuchung der demokratischen Legitimation und der Verantwortung des Staates hat zwar gezeigt, dass auf inhaltlicher Ebene eine unmittelbare Einflussnahme allein schon wegen der religiös-weltanschaulichen Neutralität ausgeschlossen sein muss, der Staat aber dennoch maßgeblich Verantwortung trägt. So ist er als Veranstalter verantwortlich für die Einrichtung und darüber hinaus auch für die personelle Ausstattung, also die Auswahl der Lehrer. Die Tatsache, dass die Lehrkräfte auch einer kirchlichen Lehrbefugnis bedürfen, mindert den Einfluss des Staates auf die Auswahl nicht maßgeblich. Darüber hinaus steht dem Staat ein umfassendes Aufsichtsrecht zu, welches ihm die Möglichkeit gibt, bei Fehlverhalten umgehend einzugreifen. Darüber hinaus ist der Bereich des Religionsunterrichts zwar ein besonders grundrechtssensibler Bereich, dies verlangt aber nicht nach strengen Auswahlkriterien in Bezug auf die Religionsgemeinschaften. Dafür spricht vor allem, dass die grundrechtlichen Ansprüche von Religionsgemeinschaften, Eltern und Schülern gleichlaufend auf die Einrichtung von Religionsunterricht ausgerichtet sind. Die strengen Voraussetzungen gefährden dadurch eher die Grundrechte der Dritten – Eltern und Schüler – und schützen diese nicht. Auch die Tatsache, dass die Motivation der Religionsgemeinschaften vorliegend keine ökonomische, also extrinsische, ist, findet keine Berücksichtigung. Im Ergebnis ist festzuhalten, dass die Anforderungen an die Religionsgemeinschaften als in Teilen zu streng anzusehen sind.
B. Die freien Träger der Kinder- und Jugendhilfe Bei der Untersuchung der Voraussetzungen, welche im Bereich der Kinderund Jugendhilfe an private Akteure gestellt werden, wenn diese an staatlichen Aufgaben beteiligt werden, hat sich ein differenziertes Bild ergeben109. Ein Blick 109
Siehe zu diesen Voraussetzungen unter § 3 C. I. 2. b) (S. 154 ff.).
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§ 6 Untersuchung ausgewählter Bereiche
auf den ursprünglichen Ansatzpunkt der Kindertagesstätten hat gezeigt, dass § 45 SGB VIII lediglich einrichtungsbezogene Voraussetzungen aufstellt, die sich allenfalls mittelbar auch auf den Träger beziehen, beispielsweise bei Fragen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. In den Mittelpunkt der Betriebserlaubnis für eine bestimmte Einrichtung ist aber vielmehr die Gewährleistung des Kindeswohls als einzige echte Voraussetzung gerückt worden. Wann diese vorliegt, ergibt sich aus einem Katalog an Regelbeispielen, der sich auf die Räumlichkeiten und das dort eingesetzte Personal bezieht. Auch gelten die Voraussetzungen, die bei Einrichtungen im Sinne des § 45 SGB VIII erwartet werden, nicht nur für die freien Träger, sondern auch für die Träger der öffentlichen Jugendhilfe. Es handelt sich dementsprechend gerade nicht um Anforderungen für die konkrete Einbindung freier Träger in staatliche Aufgaben, sondern vielmehr um solche Voraussetzungen, welche die Qualität einer Einrichtung, in der Kinder und Jugendliche betreut werden, sicherstellen soll. Der Mangel an Voraussetzungen, welche die Träger einer Einrichtung selbst zu erfüllen haben, ist auch Ausdruck des Rechtes freier karitativer Betätigung, welches in Art. 2 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich verankert ist. Dieses Recht erlaubt es den freien Trägern grundsätzlich, Leistungen in der Kinder- und Jugendhilfe anzubieten und sich dabei selbst gewählter Formen zu bedienen110. Aus grundrechtlichen Gesichtspunkten erscheint es dementsprechend verhältnismäßig, bei dem Betrieb von Einrichtungen im Sinne des § 45 SGB VIII lediglich einrichtungsbezogene Kriterien aufzustellen, um das Wohl der Kinder und Jugendlichen zu sichern. Dies umso mehr, als die freien Träger in diesem Zusammenhang eigene Aufgaben wahrnehmen und nicht als Erfüllungsgehilfen der öffentlichen Jugendhilfe tätig werden. Dennoch werden dort höhere Anforderungen an die Träger der freien Jugendhilfe gestellt, wo diese eine engere Kooperation mit dem Staat eingehen. Dies ist der Fall bei der Förderung gemäß § 74 SGB VIII und bei der Anerkennung als freier Träger im Sinne des § 75 SGB VIII. Gerade die Anerkennung führt zu einer Privilegierung der freien Träger, die eine Prüfung der in Frage stehenden Träger legitimiert. Sie werden verstärkt in die die Planung der Jugendhilfe mit eingebunden und es wird ihnen ermöglicht, an der Wahrnehmung anderer Aufgaben im Sinne des § 76 Abs. 1 SGB VIII mitzuwirken, die grundsätzlich den öffentlichen Trägern der Jugendhilfe vorbehalten sind111. Anerkannten Trägern kann darüber hinaus eine dauerhafte Förderung im Sinne des § 74 Abs. 1 S. 2 SGB VIII zugutekommen. Aber auch die einfache Förderung 110 So auch J. H. Kaiser, Die Verfassung der öffentlichen Wohlfahrtspflege, in: H. Ehmke u. a. (Hrsg.), Festschrift für Ulrich Scheuner, 1973, S. 241 (254), der davon spricht, dass „in einer offenen, pluralistischen Gesellschaft die dieser Sozialstruktur entsprechenden alternativen Organisationsformen der Wahrnehmung [. . .] caritativer Betätigung in ihrer vollen Variationsbreite und Autonomie zur Verfügung“ stehen müssen. 111 Einen Überblick über die die Folgen der Anerkennung für die Rechtsstellung der freien Träger bietet H. Schindler/E. Elmauer, in: P.-C. Kunkel/J. Kepert/A. K. Pattar (Hrsg.), SGB VIII, Kinder- und Jugendhilfe, Kommentar, 7. Aufl. 2018, § 75 Rn. 1.
B. Die freien Träger der Kinder- und Jugendhilfe
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gemäß § 74 Abs. 1 SGB VIII führt zu einer stärkeren Kooperation zwischen gesellschaftlichen Akteuren und staatlichen Akteuren, insbesondere wenn man bedenkt, dass eine Förderung nicht zwangsläufig finanzieller Natur sein muss112. Die besonderen Voraussetzungen, die in den §§ 74, 75 SGB VIII an die Träger der freien Jugendhilfe gestellt werden, sollen in der Folge mit Blick auf die an Beamte gestellten Voraussetzungen strukturiert werden und im Anschluss daran soll der Bereich der Kinder- und Jugendhilfe anhand des Kriterienkataloges untersucht werden, um die Struktur der Zusammenarbeit von öffentlicher und freier Jugendhilfe weitergehend zu beleuchten. Dabei wird die Untersuchung aufgrund der Tatsache, dass es sich nicht um die Übertragung einer konkreten Aufgabe, sondern vielmehr um eine generelle Privilegierung handelt, allgemeiner auf die Jugendhilfe im Gesamten bezogen sein.
I. Einordnung der an die freien Träger gestellten Voraussetzungen Zunächst aber sollen die Voraussetzungen, die an die Träger der freien Jugendhilfe gestellt werden, strukturiert werden. Berücksichtigung finden dabei sowohl die Voraussetzungen, die im Bereich der Förderung gemäß § 74 SGB VIII relevant werden, als auch die im Rahmen der Anerkennung gemäß § 75 SGB VIII gestellten. Diese überschneiden sich in weiten Teilen, sodass sich eine gemeinsame Darstellung beider Bereiche anbietet. 1. Organisationsform und Staatsangehörigkeit des freien Trägers Wie schon im Bereich des Religionsunterrichts lässt sich das Kriterium der Staatsangehörigkeit nicht uneingeschränkt auf den Bereich der Kinder- und Jugendhilfe übertragen. Dies liegt vor allem daran, dass es sich bei den Trägern der freien Jugendhilfe in den meisten Fällen nicht um natürliche Personen handelt, sondern um Vereine oder Verbände. Dementsprechend soll hier neben der Frage der Staatsangehörigkeit auch die Frage der Organisationsform Berücksichtigung finden. Grundsätzlich werden für ein Tätigwerden gesellschaftlicher Akteure im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe keine besonderen Anforderungen hinsichtlich der Organisationsform gestellt, sodass auch natürliche Personen als freie Träger tätig werden können113. Auch § 74 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB VIII stellt keine aus112 Siehe zum Begriff der Förderung im Sinne des § 74 SGB VIII bereits oben auf S. 163 f. 113 Das zeigt sich nicht nur mit Blick auf die Voraussetzungen des § 45 SGB VIII, sondern ergibt sich bereits aus dem allgemeinen Begriff des freien Trägers im Sinne des § 3 SGB VIII, vgl. dazu bereits auf S. 150 f.
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§ 6 Untersuchung ausgewählter Bereiche
drücklichen Anforderungen an die Organisationsform des Trägers, der eine Förderung begehrt. Im Zusammenhang mit den Anforderungen der Nrn. 1 bis 5 ergibt sich allerdings, dass der Träger eine gewisse Organisationsstruktur und Beständigkeit aufweisen sowie zumindest rechtsfähig sein muss. Darüber hinaus werden keine Anforderungen an die Rechtsform gestellt. Auch § 75 SGB VIII grenzt den Trägerkreis insoweit ein, dass Einzelpersonen für eine Anerkennung nicht in Betracht kommen. Anders als in § 74 SGB VIII ist eine Rechtsfähigkeit hier allerdings nicht zwingend erforderlich. Bezüglich der Staatsangehörigkeit der freien Träger treffen sowohl § 74 SGB VIII als auch § 75 SGB VIII keinerlei Aussage. Dementsprechend ist auf den ersten Blick nicht ersichtlich, wieso nicht auch ausländische Personenvereinigungen Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland anbieten können sollten. Eine Einschränkung auf deutsche Träger wäre insbesondere mit den Anforderungen des europäischen Wirtschafts- und Wettbewerbsrechts auch nicht vereinbar114. An diese muss sich der Staat halten, wenn er sich dazu entschließt, in seinen Sozialleistungssystemen von einer rein staatlichen Leistungserbringung auf eine marktähnliche von privaten Trägern geprägte Leistungserbringung umzustellen115. Dies gilt insbesondere für die Dienstleistungsfreiheit im Sinne des Art. 56 AEUV und die Niederlassungsfreiheit gemäß Art. 49 AEUV. Dienstleistungsfreiheit bedeutet das Recht, von einem Mitgliedsstaat der EU aus vorübergehend einzelne Dienstleistungen in anderen Mitgliedstaaten erbringen zu können, während die Niederlassungsfreiheit eine auf Dauer angelegte Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat schützt116. Auf diese Grundfreiheiten können sich Träger der Jugendhilfe berufen, um ihre Leistungen grenzüberschreitend anzubieten117. Dementsprechend könnten Förderung und Anerkennung im Sinne der §§ 74, 75 SGB VIII nicht pauschal auf deutsche Träger beschränkt werden. Dies gilt zunächst nur für Träger aus Mitgliedsstaaten der europäischen Union. Aber auch bezüglich Trägern aus anderen Staaten ergibt sich aus den §§ 74, 75 SGB VIII ausdrücklich zunächst keine Beschränkung. Allerdings verlangen § 74 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 Nr. 5 und § 75 Abs. 1 Nr. 4 SGB VIII eine den Zielen des 114 Umfangreich zum Einfluss des europäischen Wirtschafts- und Wettbewerbsrechts auf die Kinder- und Jugendhilfe A. v. Boetticher/J. Münder, Kinder- und Jugendhilfe und europäischer Binnenmarkt, 2009, S. 20 ff. 115 EuGH NJW 2001, S. 3391 (3394); A. v. Boetticher, Internationale Bezüge des Kinder- und Jugendhilferechts, insbesondere des Europarechts, in: J. Münder/R. Wiesner/T. Meysen (Hrsg.), Kinder- und Jugendhilferecht, Handbuch, 2. Aufl. 2011, Kap. 1.6 Rn. 15. 116 v. Boetticher/Münder, Binnenmarkt (Fn. 114), S. 20 f.; v. Boetticher, Bezüge (Fn. 115), Kap. 1.6 Rn. 18. Vgl. dazu auch M. Kotzur, in: R. Geiger/D.-E. Khan/ders. (Hrsg.), EUV/AEUV, Kommentar, 6. Aufl. 2017, Art. 56 AEUV Rn. 1, der feststellt, dass Art. 56 AEUV insoweit die Freiheit wirtschaftlicher Betätigung ergänzt um Tätigkeiten, die ohne Niederlassung in einem anderen Mitgliedstaat erbracht werden. 117 v. Boetticher, Bezüge (Fn. 115), Kap. 1.6 Rn. 18.
B. Die freien Träger der Kinder- und Jugendhilfe
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Grundgesetzs förderliche Arbeit und dementsprechend eine erhöhte Loyalität zum Staat. Dementsprechend muss bei ausländischen juristischen Personen zumindest gewährleistet sein, dass diese im Rahmen ihrer Tätigkeit die Kinder- und Jugendlichen verfassungstreu erziehen, was allerdings zumindest fraglich erscheint. 2. Anforderungen an die Loyalität zum Staat Mit Blick auf das Verhältnis der freien Träger gegenüber dem Staat stellen § 74 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 Nr. 5 und § 75 Abs. 1 Nr. 4 SGB VIII klare Anforderungen. So wird in beiden Vorschriften verlangt, dass der freie Träger die Gewähr für eine den Zielen des Grundgesetzes förderliche Arbeit bietet118. Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts ist darunter ein positives Wirken im Sinne der obersten Grundsätze der freiheitlichen Demokratie, also der freiheitlich-demokratischen Grundordnung, zu verstehen. Ein solches Fördern ist auch nicht im Sinne einer „negativen Verfassungsgewähr“ zu verstehen, sondern verlangt von den freien Trägern eben nicht nur die bloße Achtung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung, sondern auch, dass diese versuchen, die betreuten Kinder und Jugendliche von dieser Grundordnung zu überzeugen. Vergleicht man diese Anforderungen, die in den §§ 74, 75 SGB VIII im Hinblick auf die Loyalität zum Staat gestellt werden, mit den Loyalitätsvoraussetzungen im Berufsbeamtentum und bei den Beschäftigten des öffentlichen Dienstes, so zeigt sich bei den freien Trägern der Jugendhilfe ein Bezug zum Berufsbeamtentum. Auch bei den Beamten wird ein aktives Eintreten zugunsten der freiheitlich-demokratischen Grundordnung verlangt, während bei den Beschäftigten des öffentlichen Dienstes ein bloßes Bekenntnis zu ebendieser Grundordnung ausreichend ist. Es wird also bei den freien Trägern der Jugendhilfe diesbezüglich im Ergebnis ein vergleichbarer Maßstab angelegt wie bei Berufsbeamten. 3. Die fachliche Befähigung der freien Träger Der Bereich der fachlichen Befähigung lässt sich nicht unmittelbar auf die Träger der freien Jugendhilfe übertragen. In der Kinder- und Jugendhilfe gibt es keine dem Beamtentum vergleichbare Laufbahn, die erfüllt sein müsste, um eine Förderung oder Anerkennung zu erlangen. Aus den §§ 74 und 75 SGB VIII ergeben sich allerdings weitere Voraussetzungen, bei deren Vorliegen ein freier Träger im Sinne der jeweiligen Vorschrift befähigt ist. Diese Voraussetzungen überschneiden sich in beiden Vorschriften nur teilweise. So verlangen sowohl § 74 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 Nr. 3 als auch § 75 Abs. 1 Nr. 2 SGB VIII, dass der Träger gemeinnützige Ziele verfolgt.
118
Siehe dazu oben auf S. 169 f. und S. 180.
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§ 6 Untersuchung ausgewählter Bereiche
Daneben verlangt § 74 SGB VIII für eine Förderung weitergehend, dass der Träger die Gewähr für eine zweckentsprechende Verwendung der Mittel bietet (Nr. 2) und dass er eine angemessene Eigenleistung erbringt (Nr. 4). § 75 SGB VIII verlangt hingegen neben der Verfolgung gemeinnütziger Ziele, dass aufgrund der fachlichen und personellen Voraussetzungen zu erwarten ist, dass der freie Träger einen nicht unwesentlichen Beitrag zur Erfüllung der Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe zu leisten im Stande ist (Nr. 3). Die unterschiedlichen Voraussetzungen ergeben sich hier dem Grunde nach aus der sich unterscheidenden Zielrichtung dieser Vorschriften. Es zeigt sich aber, dass diese Voraussetzungen nicht alle den Charakter einer Qualifikation haben. Für die Beurteilung der Frage, ob eine Gemeinnützigkeit vorliegt, mag dies noch der Fall sein, und auch mit Blick auf den nicht unwesentlichen Beitrag (§ 75 Abs. 1 Nr. 3 SGB VIII) wird Bezug auf die personellen und fachlichen Voraussetzungen unter anderem im Sinne einer ausreichenden Qualifizierung des Personals genommen. Die anderen Voraussetzungen, die an die freien Träger gestellt werden, beziehen sich aber eher auf die zu erbringenden Leistungen als auf eine vorherige Qualifikation des freien Trägers. Insoweit ergeben sich hier deutliche Unterschiede im Vergleich zum Beamtentum.
II. Die Kinder- und Jugendhilfe im Spannungsverhältnis von öffentlicher und privater Aufgabenwahrnehmung Nachdem einleitend die Voraussetzungen, die in den §§ 74 und 75 SGB VIII an die Träger der freien Jugendhilfe gestellt werden, den Anforderungen an Beamte und Beschäftigte des öffentlichen Dienstes vergleichend gegenübergestellt worden sind, soll der Bereich der Jugendhilfe im Anschluss anhand des entwikkelten Kriterienkataloges untersucht werden. Dabei wird sich die Untersuchung insofern von den anderen Bereichen unterscheiden, als dass es sich hier nicht um die Übertragung einer konkreten Aufgabe der Jugendhilfe handelt. Vielmehr geht es hier um die generelle Einbindung gesellschaftlicher Kräfte durch Förderung und Anerkennung freier Träger. Dementsprechend wird sich die folgende Untersuchung allgemeiner auf den Bereich der Kinder- und Jugendhilfe und die Frage beziehen, wie das Verhältnis von Staat und gesellschaftlichen Kräften in diesem Bereich insgesamt ausgebildet ist und welchen Einfluss dieses Verhältnis auf die Voraussetzungen nimmt. 1. Demokratische Legitimation des Tätigwerdens freier Träger Zunächst soll die Frage untersucht werden, inwieweit freie Träger der Jugendhilfe bei der Wahrnehmung von Aufgaben demokratisch legitimiert sind und ob eine Legitimation ihres Tätigwerdens überhaupt zwingend erforderlich erscheint. Dabei ist es wichtig, zwischen den verschiedenen Aufgaben, welche freie Träger
B. Die freien Träger der Kinder- und Jugendhilfe
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in der Kinder- und Jugendhilfe wahrnehmen, zu unterscheiden119. Eine Orientierung bildet die in § 3 SGB VIII getroffenen Entscheidung zwischen Leistungen und anderen Aufgaben der Jugendhilfe. Die Frage der Legitimation soll dementsprechend für beide Formen der Beteiligung separat untersucht werden. a) Leistungen der Jugendhilfe Mit Blick auf die Leistungen der Jugendhilfe, die sich aus § 2 Abs. 2 SGB VIII ergeben, bestimmt § 3 Abs. 2 SGB VIII, dass diese von Trägern der freien Jugendhilfe und von Trägern der öffentlichen Jugendhilfe nebeneinander erbracht werden sollen. Allerdings deutet die Nennung der Träger der freien Jugendhilfe an erster Stelle bereits darauf hin, dass diesen ein gewisser Vorrang eingeräumt wird120. Aus der Vorschrift ergibt sich ein eigenständiger Verantwortungsbereich der freien Träger121. Sie sind dementsprechend nicht als Erfüllungsgehilfen des Staates in dessen Auftrag tätig, sondern sind in der Bestimmung ihrer Aufgaben frei und suchen sich diese daher selbst122. Dieses eigenverantwortliche Tätigwerden freier Träger gründet verfassungsrechtlich in der Handlungs- und Vereinigungsfreiheit (Art. 2, 4, 5, 9 GG) sowie der Berufsfreiheit (Art. 12 GG)123. Aufgrund dieser Eigenständigkeit der freien Träger im Hinblick auf ihre Leistungserbringung stellt sich hier auch die Frage der demokratischen Legitimierung nicht. Hier übernehmen die freien Träger gerade keine Aufgabe des Staates, sondern nehmen eine eigene wahr. Insofern ist eine Legitimationskette, die auf das Volk als Ursprung zurückführt, nicht erforderlich. b) Andere Aufgaben der Jugendhilfe und die Anerkennung freier Träger Anders sieht das bei den anderen Aufgaben der Jugendhilfe aus. Für diese Aufgaben, die sich aus § 2 Abs. 3 SGB VIII ergeben, bestimmt § 3 Abs. 3 S. 1 SGB VIII, dass diese von den Trägern der öffentlichen Jugendhilfe wahrgenommen werden. Eine Wahrnehmung dieser Aufgaben durch Träger der freien Jugendhilfe oder die Möglichkeit, diese mit solchen Aufgaben zu betrauen, sind ausweislich § 3 Abs. 3 S. 2 SGB VIII nur möglich, soweit dies ausdrücklich bestimmt ist. Eine solche Regelung findet sich beispielsweise in § 76 Abs. 1 SGB 119 Dazu auch, allerdings mit Blick auf die Frage, ob öffentliches oder privates Recht Anwendung findet, H. Schindler/E. Elmauer, in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII (Fn. 111), § 3 Rn. 17. 120 So C. Kern, in: W. Schellhorn u. a. (Hrsg.), SGB VIII, Kinder- und Jugendhilfe, Kommentar, 5. Aufl. 2017, § 3 Rn. 7. 121 Kern (Fn. 120), § 3 Rn. 7, 11. 122 Siehe dazu bereits auf S. 151 ff. 123 J. Münder, in: ders./T. Meysen/T. Trenczek (Hrsg.), Frankfurter Kommentar zum SGB VIII, Kinder- und Jugendhilfe, 7. Aufl. 2013, § 3 Rn. 9; R. Wiesner, in: ders. (Hrsg.), SGB VIII, Kinder- und Jugendhilfe, Kommentar, 5. Aufl. 2015, § 3 Rn. 5.
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VIII, der den Trägern der öffentlichen Jugendhilfe ermöglicht, anerkannte Träger der freien Jugendhilfe an der Durchführung anderer Aufgaben zu beteiligen oder ihnen Aufgaben zur Wahrnehmung zu übertragen124. In diesem Fall kommt also die Anerkennung der freien Träger im Sinne des § 75 SGB VIII zum Tragen und ermöglicht eine weitergehende Einbindung dieser freien Träger. Aufgrund der Tatsache, dass die freien Träger hier keine eigenen Aufgaben wahrnehmen, sondern an solchen der öffentlichen Jugendhilfe – und somit staatlichen Aufgaben – beteiligt werden, ist hier eine Legitimierung des Tätigwerdens erforderlich. Dies ist insbesondere aufgrund der Tatsache angezeigt, dass es sich bei diesen Aufgaben regelmäßig um solche handeln wird, die zumindest einen hoheitlichen Anteil aufweisen125. Wobei zu beachten ist, dass der freie Träger keine konkreten hoheitlichen Befugnisse ausüben darf, sodass dieser nicht als beliehener Unternehmer angesehen werden kann126. Dennoch ist aufgrund der Mitwirkung an Aufgaben, die einen teilweise hoheitlichen Charakter aufweisen, eine demokratische Legitimation der Mitwirkung erforderlich. Es ist dementsprechend zu untersuchen, auf welche Weise die Träger der freien Jugendhilfe bei der Aufgabenwahrnehmung unter sachlich-inhaltlichen und organisatorisch-personellen Gesichtspunkten demokratisch legitimiert sind. aa) Organisatorisch-personelle Legitimation Auf personeller Seite ist dementsprechend zunächst zu fragen, welche freien Träger für eine Mitwirkung bei anderen Aufgaben in Betracht kommen und wie diese legitimiert werden. § 76 Abs. 1 SGB VIII trifft hinsichtlich der mitwirkungsfähigen Träger eine klare Aussage. So dürfen nur anerkannte Träger der 124 Einen Überblick über die beteiligungsfähigen Aufgaben bietet R. Wiesner, in: ders., SGB VIII (Fn. 123), § 76 Rn. 16 ff. 125 C. Kern, in: Schellhorn, SGB VIII (Fn. 120), § 76 Rn. 5; H. Schindler/E. Elmauer, in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII (Fn. 111), § 76 Rn. 1. 126 So Schindler/Elmauer (Fn. 125), § 76 Rn. 15, die darüber hinaus feststellen, dass der freie Träger auch nicht Verwaltungshelfer oder Erfüllungsgehilfe in einem verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnis zwischen Jugendamt und Kind/Jugendlichen ist. Anders insoweit aber Wiesner (Fn. 124), § 76 Rn. 6 und Kern (Fn. 125), § 76 Rn. 5, die zwar auch nicht von einer Beleihung ausgehen, in diesem Fall aber die freien Träger als Erfüllungsgehilfen der öffentlichen Jugendhilfe verstehen. Dies ist im Ergebnis auch schlüssiger, da die freien Träger gerade keine eigenen Aufgaben wahrnehmen, sondern lediglich an solchen der öffentlichen Jugendhilfe partizipieren. Dabei ist aber zu beachten, dass der „sozialrechtliche Erfüllungsgehilfe“ nicht als schuldrechtlicher Erfüllungsgehilfe im Sinne von § 278 BGB zu verstehen ist, da ein solches Verständnis aufgrund der Selbstständigkeit des freien Trägers (§ 4 Abs. 2 SGB VIII) ausgeschlossen ist, vgl. dazu P.-C. Kunkel/J. Kepert, in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII (Fn. 111), § 79 Rn. 15. Kritisch zu diesem Verständnis des freien Trägers als „sozialrechtlicher Erfüllungsgehilfe“ M. Rothe, Der freie Träger – Erfüllungsgehilfe oder verantwortlicher Gestalter?, in: ZfJ 1997, S. 393 (394 f.). Gänzlich anderer Auffassung ist K. Tillmanns, in: F. J. Säcker u. a. (Hrsg.), Münchener Kommentar zum BGB, Bd. 9, 7. Aufl. 2017, § 3 SGB VIII Rn. 7, der die Träger der freien Jugendhilfe in diesem Fall ohne nähere Begründung als öffentlich-rechtliche Beliehene einordnet.
B. Die freien Träger der Kinder- und Jugendhilfe
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freien Jugendhilfe an den genannten Aufgaben mitwirken. Grund dafür ist, dass diese aufgrund ihrer Erfahrung und Zuverlässigkeit in besonderem Maße als geeignet angesehen werden, bei der Erfüllung dieser Aufgaben mitzuwirken127. Die Anerkennung im Sinne des § 75 SGB VIII ist also unabdingbare Voraussetzung für eine Mitwirkung. Wer für diese Anerkennung zuständig ist, ist bundesrechtlich nicht geregelt, vielmehr steht es dem Landesgesetzgeber zu, die Zuständigkeiten für die Anerkennung zu regeln128. Sofern dies nicht geschehen ist, ist allerdings mit Blick auf die Allzuständigkeit der örtlichen Träger im Sinne des § 85 SGB VIII anzunehmen, dass diese für die Anerkennung zuständig sind129. Allerdings sind in den Landesgesetzen mittlerweile weitgehend Regelungen zu den Zuständigkeiten zu finden130. Festzuhalten ist dabei insbesondere, dass sich solche Zuständigkeiten nur für die örtlichen und überörtlichen Träger ergeben können131. Insofern steht die Anerkennung den Trägern der öffentlichen Jugendhilfe zu132. Dementsprechend werden die freien Träger im Wege der Anerkennung durch die Träger der öffentlichen Jugendhilfe in organisatorisch-personeller Hinsicht legitimiert, auch andere Aufgaben als die bloße Leistungserbringung wahrzunehmen. bb) Sachlich-inhaltliche Legitimation Eine sachlich-inhaltliche Legitimation der Mitwirkung der freien Träger kann über § 75 SGB VIII allerdings nicht erfolgen. Die Regelung trifft keinerlei inhaltliche Aussage über die Aufgaben, welche die freien Träger nach der Anerkennung ausüben dürfen. Auch die Regelung des § 76 SGB VIII hilft an dieser Stelle nicht pauschal weiter. Dieser regelt nur die Möglichkeit der Beteiligung freier Träger, die im Ermessen der Träger der öffentlichen Jugendhilfe steht133. Eine Verpflichtung der öffentlichen Jugendhilfe, freie Träger zu berücksichtigen, liegt also nicht vor134. Auch steht den anerkannten Trägern der freien Jugendhilfe we127
Kern (Fn. 125), § 76 Rn. 12; Schindler/Elmauer (Fn. 125), § 76 Rn. 4. J. Münder, in: ders./Meysen/Trenczek, SGB VIII (Fn. 123), § 75 Rn. 20; R. Wiesner, in: ders., SGB VIII (Fn. 123), § 75 Rn. 15; C. Kern, in: Schellhorn, SGB VIII (Fn. 120), § 75 Rn. 7. 129 So zutreffend Kern (Fn. 128), § 75 Rn. 7. 130 Kern (Fn. 128), § 75 Rn. 7. So regelt bspw. § 25 AG KJHG NW die Zuständigkeiten in Nordrhein-Westfalen. 131 Münder (Fn. 128), § 75 Rn. 20. 132 Vgl. H. Schindler/E. Elmauer, in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII (Fn. 111), § 75 Rn. 2. 133 Schindler/Elmauer (Fn. 125), § 76 Rn. 7, stellen zutreffend fest, dass dabei insbesondere auch kein eingeschränkter Konkurrenzschutz zugunsten der anerkannten freien Träger besteht, wie dies im Rahmen der Leistungen gemäß § 4 Abs. 2 SGB VIII der Fall ist. Der Träger der öffentlichen Jugendhilfe ist also nur an die allgemein geltenden Grundsätze von Ermessensentscheidungen gebunden. 134 Eine solche Verpflichtung kann sich nur dann ergeben, wenn die öffentliche Jugendhilfe nicht in der Lage ist, die anderen Aufgaben selbst wahrzunehmen. In diesem 128
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§ 6 Untersuchung ausgewählter Bereiche
der ein Anspruch auf Mitwirkung noch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung zu135. Die sachlich-inhaltliche Legitimation der freien Träger könnte dementsprechend im jeweiligen Akt der Einbindung erfolgen. Es ist also zunächst danach zu fragen, wie diese Einbindung im Einzelfall aussieht. Teilweise wird angenommen, dass es sich bei der Beteiligung an Aufgaben im Sinne des § 76 Abs. 1 SGB VIII um eine Form der Beleihung handele136. Dadurch kämen dem freien Träger aber deutlich weitreichendere Befugnisse, wie beispielsweise das Handeln durch Verwaltungsakt, zu137. Eine so weitreichende Möglichkeit der Übertragung ergibt sich aus der Vorschrift des § 76 Abs. 1 SGB VIII allerdings nicht. So spricht Abs. 1 von einer Beteiligung an der Durchführung der Aufgaben oder einer Übertragung der Aufgaben zur Ausführung. Damit ist aber nicht die Übertragung der Aufgabe selbst im Sinne einer Kompetenz gemeint138. Dafür spricht vor allem auch Abs. 2, der festlegt, dass die Verantwortung für die Erfüllung der Aufgaben bei dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe verbleibt139. Insofern kann § 76 Abs. 1 SGB VIII nicht als Grundlage einer Beleihung des freien Trägers mit einer Aufgabe im Gesamten angesehen werden140. Den Trägern der öffentlichen Jugendhilfe wird damit lediglich ermöglicht, in den genannten Fällen freie Träger auf Grundlage eines öffentlich-rechtlichen Vertrages im Sinne der §§ 53 ff. SGB X, 54 ff. VwVfG zu beteiligen141. Die sachlich-inhaltliche Legitimation des Handelns der freien Träger ergibt sich aus dem Vertrag zwischen den freien und den öffentlichen Trägern der Jugendhilfe. Dementsprechend ergeben sich aus dem Vertrag Inhalt, Umfang und
Fall liegt eine Ermessensreduzierung auf Null vor, die eine Einbeziehung der freien Träger erfordert, vgl. dazu Schindler/Elmauer (Fn. 125), § 76 Rn. 7. 135 R. J. Wabnitz, Rechtsansprüche gegenüber Trägern der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe nach dem Achten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII), 2005, S. 255; Schindler/Elmauer (Fn. 125), § 76 Rn. 7. 136 Bspw. V. Neumann, Freiheitsgefährdung im kooperativen Sozialstaat, 1992, S. 226 ff., 229. 137 Vgl. kritisch dazu Münder (Fn. 128), § 75 Rn. 2. 138 J. Münder, in: ders./Meysen/Trenczek, SGB VIII (Fn. 123), § 76 Rn. 3; Wiesner (Fn. 124), § 76 Rn. 10; Schindler/Elmauer (Fn. 125), § 76 Rn. 13. 139 P. Mrozynski, SGB VIII, Kinder- und Jugendhilfe, Kommentar, 5. Aufl. 2009, § 76 Rn. 3; Münder (Fn. 138), § 76 Rn. 3; Schindler/Elmauer (Fn. 125), § 76 Rn. 13. 140 So die ganz h. M., vgl. dazu u. a. Mrozynski (Fn. 139), § 76 Rn. 3; J. Münder, Die Leistungserbringung und die Wahrnehmung der anderen Aufgaben, in: ders./Wiesner/ Meysen, Kinder- und Jugendhilferecht (Fn. 115), Kap. 5.1 Rn. 10; ders. (Fn. 138), § 76 Rn. 3; Wiesner (Fn. 124), § 76 Rn. 11; Kern (Fn. 125), § 76 Rn. 7; Schindler/Elmauer (Fn. 125), § 76 Rn. 13. 141 Münder (Fn. 138), § 76 Rn. 3; Wiesner (Fn. 124), § 76 Rn. 13; Kern (Fn. 125), § 76 Rn. 6. So auch Schindler/Elmauer (Fn. 125), § 76 Rn. 8, die das auch damit begründen, dass „die Freiwilligkeit der Kooperation ein Über- und Unterordnungsverhältnis, wie dies beim VA der Fall ist, als hoheitliche Maßnahme wohl ausschließt.“
B. Die freien Träger der Kinder- und Jugendhilfe
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die Qualität der Aufgabe, die dem jeweiligen freien Träger übertragen wird142. Diese sachlichen Vorgaben bewirken eine sachlich-inhaltliche Legitimation der Aufgabenwahrnehmung. Darüberhinausgehende Verpflichtungen mit Blick auf die fachliche Ausführung der Aufgabe sind aber mit den Geboten der partnerschaftlichen Zusammenarbeit und der Achtung der Selbstständigkeit der freien Jugendhilfe nach § 4 Abs. 1 SGB VIII nicht zu vereinbaren143. Allerdings trägt auch die Aufsicht der öffentlichen Jugendhilfe über die freien Träger teilweise zur sachlich-inhaltlichen Legitimation bei144. Im Ergebnis werden die freien Träger der Jugendhilfe also durch die vertragliche Vereinbarung mit den Trägern der öffentlichen Jugendhilfe und deren Aufsicht sachlich-inhaltlich legitimiert. cc) Legitimationsniveau der Aufgabenwahrnehmung durch freie Träger Zusammenfassend muss mit Blick auf die Legitimation der freien Träger also differenziert werden. In Bezug auf die Leistungen der Jugendhilfe bedürfen die freien Träger keiner gesonderten Legitimation, da sie an dieser Stelle einen eigenen Verantwortungsbereich haben und insofern in eigener Sache tätig werden. Dementsprechend kann hier eine Legitimation gar nicht erforderlich sein. Etwas Anderes gilt für die anderen Aufgaben der Jugendhilfe. Hier ergibt sich aus § 3 Abs. 3 S. 1 SGB VIII, dass für die anderen Aufgaben grundsätzlich die Träger der öffentlichen Jugendhilfe zuständig sind. Hier bedarf es für ein Tätigwerden der freien Träger somit einer besonderen Legitimation. Auf organisatorisch-personeller Ebene vermittelt die Anerkennung im Sinne des § 75 SGB VIII eine solche Legitimation. Diese erfolgt durch die Träger der öffentlichen Jugendhilfe, die grundsätzlich für die Wahrnehmung der anderen Aufgaben zuständig sind, und ist für die Mitwirkung der freien Träger zwingend vorgeschrieben. Auf sachlich-inhaltlicher Ebene erfolgt die Legitimation der freien Träger durch den öffentlich-rechtlichen Vertrag mit den Trägern der öffentlichen Jugendhilfe. Darin werden Inhalt, Umfang und Qualität der Mitwirkung der freien Träger genau festgelegt, sodass diesen im Endeffekt kein allzu großer Spielraum verbleiben wird. Insofern lässt sich zusammenfassend feststellen, dass das Legitimationsniveau mit Blick auf das Tätigwerden freier Träger im Rahmen der anderen Aufgaben ausreichend erscheint und ein Absinken nicht zu erkennen ist.
142 Siehe zum Inhalt der vertraglichen Vereinbarung zwischen freiem und öffentlichem Träger der Jugendhilfe Schindler/Elmauer (Fn. 125), § 76 Rn. 14, die vorschlagen, sich dabei an den Anforderungen, die § 78b SGB VIII an Entgeltvereinbarungen stellt, zu orientieren. 143 Siehe dazu Schindler/Elmauer (Fn. 125), § 76 Rn. 16. 144 Dazu sogleich unter § 6 B. II. 2. e).
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§ 6 Untersuchung ausgewählter Bereiche
2. Verantwortung des Staates in der Kinder- und Jugendhilfe Auch im Hinblick auf die Frage der staatlichen Verantwortung unterscheidet sich die Untersuchung im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe von der im Bereich des Religionsunterrichts entscheidend. Auch dies hängt maßgeblich damit zusammen, dass es vorliegend nicht um die Übertragung einer ganz konkreten Aufgabe auf die freien Träger geht, sondern darum, deren Einbindung und Mitwirkung in der Kinder- und Jugendhilfe im Allgemeinen zu untersuchen. Dementsprechend soll vorliegend die Verantwortung des Staates in der Jugendhilfe im ganz Allgemeinen und im Besonderen dort, wo die freien Träger Aufgaben wahrnehmen, die im Grundsatz der öffentlichen Jugendhilfe zustehen, untersucht werden. Dabei richtet sich der Blick zunächst unweigerlich auf den vierten Abschnitt des SGB VIII, der die Gesamtverantwortung und die Jugendhilfeplanung regelt145, und insbesondere auf die Vorschrift des § 79 SGB VIII, der dementsprechend in der Folge untersucht werden soll. a) § 79 Abs. 1 SGB VIII als Zentralnorm staatlicher Verantwortlichkeit Die Verantwortlichkeit im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe ergibt sich aus der zentralen Vorschrift des § 79 Abs. 1 SGB VIII. Diese legt fest, dass die Träger der öffentlichen Jugendhilfe die Gesamtverantwortung einschließlich der Planungsverantwortung für die Erfüllung der Aufgaben nach dem SGB VIII haben. Es bleibt daher festzustellen, wer als Adressat dieser Vorschrift angesehen werden kann und welchen Inhalt der Begriff der Gesamtverantwortung hat. aa) Die öffentliche Jugendhilfe als Adressat Zunächst soll kurz untersucht werden, wer Adressat der Vorschrift des § 79 Abs. 1 SGB VIII ist. Die Norm spricht von den Trägern der öffentlichen Jugendhilfe. Wer Träger der öffentlichen Jugendhilfe ist, ergibt sich aus § 69 Abs. 1 SGB VIII, der auf das Landesrecht verweist. Die Vorschrift richtet sich zunächst an die örtlichen Träger (Stadtkreise, Landkreise und kreisangehörige Gemeinden mit eigenem Jugendamt146) und die überörtlichen Träger im Rahmen ihrer Zuständigkeit nach § 85 Abs. 2 SGB VIII (bspw. Landeswohlfahrtsverbände, Landschaftsverbände, Landesämter)147. Die Länder hingegen sind erst dann in die 145 Vgl. zum Inhalt des vierten Abschnitts B. Tammen, in: Münder/Meysen/Trenczek, SGB VIII (Fn. 123), Vorb. zu den §§ 79 bis 81, Rn. 1 ff. 146 Nicht verpflichtet werden hingegen die kreisangehörigen Gemeinden, die Jugendhilfeaufgaben wahrnehmen ohne dabei mit einem eigenen Jugendamt ausgestattet zu sein, vgl. dazu Kunkel/Kepert (Fn. 126), § 79 Rn. 1. 147 Siehe dazu B. Tammen, in: Münder/Meysen/Trenczek, SGB VIII (Fn. 123), § 79 Rn. 4; C. Kern, in: Schellhorn, SGB VIII (Fn. 120), § 79 Rn. 3; Kunkel/Kepert (Fn. 126), § 79 Rn. 1.
B. Die freien Träger der Kinder- und Jugendhilfe
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Verantwortung mit einbezogen, wenn sie in ihrer Funktion als oberste Landesjugendbehörde und damit als Träger des Landesjugendamtes im Rahmen ihrer Aufgaben nach § 82 SGB VIII tätig werden148. Kein Adressat im Sinne der Vorschrift sind die freien Träger der Jugendhilfe, da der Wortlaut ausdrücklich von Trägern der öffentlichen Jugendhilfe spricht. Dementsprechend ergeben sich für diese keine Pflichten aus dem Gesetz selbst, sondern solche können sich nur auf Grundlage von Verträgen mit öffentlichen Trägern ergeben149. Dies kann aber nicht bedeuten, dass die Träger der öffentlichen Jugendhilfe die Gesamtverantwortung durch Vertrag auf freie Träger übertragen können; eine solche Übertragungsvereinbarung wäre unzulässig150. Dementsprechend richtet sich die Gesamtverantwortung im Sinne des § 79 SGB VIII zwingend an staatliche Träger. bb) Der Inhalt staatlicher Verantwortung in der Kinder- und Jugendhilfe Nachdem einführend die Träger der öffentlichen Jugendhilfe als Adressaten der Gesamtverantwortung ausgemacht worden sind, ist daran anschließend herauszuarbeiten, welche Pflichten diese Träger dabei treffen. § 79 Abs. 1 SGB VIII spricht in diesem Zusammenhang lediglich von der Gesamtverantwortung einschließlich der Planungsverantwortung, ohne dabei den konkreten Inhalt festzulegen. Neben der Planungsverantwortung, die ausdrücklich als Teil der Gesamtverantwortung genannt ist, muss noch die Finanzierungsverantwortung der öffentlichen Träger Berücksichtigung finden151. (1) Die Gesamtverantwortung Kernpunkt der Regelung in § 79 Abs. 1 SGB VIII ist die Gesamtverantwortung für die Erfüllung der Aufgaben, die sich aus dem Kinder- und Jugendhilfegesetz, also dem SGB VIII, ergeben. Darunter ist die Verpflichtung des öffentlichen Trägers zu verstehen, im Bereich seiner Zuständigkeit152 sicherzustellen, dass alle in den § 2 SGB VIII genannten Leistungen und anderen Aufgaben auch tatsächlich
148
Tammen (Fn. 147), § 79 Rn. 5; Kern (Fn. 147), § 79 Rn. 3. So auch Tammen (Fn. 147), § 79 Rn. 4; Kunkel/Kepert (Fn. 126), § 79 Rn. 2. 150 VG Berlin, ZfJ 2005, S. 114 (117 f.); Tammen (Fn. 147), § 79 Rn. 14; R. Wiesner, in: ders., SGB VIII (Fn. 123), § 79 Rn. 1, mit Blick auf § 79 SGB VIII und sog. sozialraumbezogene Finanzierungskonzepte. 151 Dazu auch bspw. Tammen (Fn. 147), § 79 Rn. 13 f.; Wiesner (Fn. 150), § 79 Rn. 6; Kern (Fn. 147), § 79 Rn. 6; Kunkel/Kepert (Fn. 126), § 79 Rn. 7. 152 Dabei ergeben sich die sachliche Zuständigkeit aus § 85 SGB VIII und die örtliche Zuständigkeit aus den §§ 86 bis 88a SGB VIII. 149
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§ 6 Untersuchung ausgewählter Bereiche
erfüllt werden153. Der Begriff der Aufgaben in § 79 Abs. 1 SGB VIII knüpft damit vollumfänglich an den Aufgabenbegriff des § 2 SGB VIII an und umfasst die Leistungen (Abs. 2) und die anderen Aufgaben (Abs. 3)154. Die Verpflichtung der Träger der öffentlichen Jugendhilfe gründet in einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, in der das Gericht die Gesamtverantwortung herausgestellt hatte155. Es führte dabei aus, dass die öffentlichen Träger die Gesamtverantwortung dafür tragen, dass „Einrichtungen und Veranstaltungen für die Wohlfahrt der Jugend in einer den jeweiligen örtlichen Gegebenheiten angepaßten Weise und unter wirtschaftlich sinnvollem Einsatz öffentlicher und privater Mittel bereitgestellt werden.“ 156 Die Tatsache, dass sich diese Verantwortung sowohl auf die Leistungen als auch auf die anderen Aufgaben im Sinne des § 2 SGB VIII bezieht, zeigt, dass § 79 SGB VIII Korrespondenznorm „zu allen Aufgabennormen des SGB VIII ist und damit Scharnier zwischen der Aufgabenerfüllung im Einzelfall und der dafür notwendigen Struktur“ 157. Von der objektiv-rechtlichen Verpflichtung für die Erfüllung der Aufgaben muss die Frage der Leistungserbringung bzw. der Wahrnehmung der anderen Aufgaben unterschieden werden. Eine Pflicht, die Leistungen bzw. anderen Aufgaben zwingend selbst zu erbringen, besteht eben nicht158. Dies zeigt sich schon allein daran, dass die Träger der freien Jugendhilfe einen gewichtigen Part bei der Erfüllung der Aufgaben wahrnehmen und das Nebeneinander von öffentlicher und freier Jugendhilfe in den §§ 3 und 4 SGB VIII rechtlich abgesichert ist. So ergibt sich aus § 4 Abs. 2 SGB VIII sogar eine „Funktionssperre“ für die Träger der öffentlichen Jugendhilfe, wenn geeignete Einrichtungen, Dienste oder Veranstaltungen von anerkannten Trägern der freien Jugendhilfe geschaffen werden159. 153 So zutreffend Kunkel/Kepert (Fn. 126), § 79 Rn. 3, die dies – in Abgrenzung zur strafrechtlichen – als „jugendhilferechtliche Garantenstellung“ bezeichnen. Auch Wiesner (Fn. 150), § 79 Rn. 3 verwendet in diesem Zusammenhang den Begriff der „Garantenstellung“ der öffentlichen Jugendhilfe. 154 J. Münder, Gesamtverantwortung, Gewährleistung, Planungsverantwortung, in: ders./Wiesner/Meysen, Kinder- und Jugendhilferecht (Fn. 115), Kap. 4.2 Rn. 5, der auch auf das sprachliche Problem hinweist, dass die öffentlichen Träger dementsprechend aus Gründen der Parallelität als Leistungsverpflichtete und „andere AufgabenVerpflichtete“ bezeichnet werden müssten, was aus Gründen der Praktikabilität allerdings nicht zielführend erscheint. 155 So die RegBegr., BT-Drs. 11/5948, S. 100 und auch Münder, Gesamtverantwortung (Fn. 154), Kap. 4.2 Rn. 4; Wiesner (Fn. 150), § 79 Rn. 2. 156 BVerfGE 22, 180 (201 f.), mit Blick auf die Verpflichtung des Jugendamtes durch § 5 Abs. 1 JWG a. F. 157 Kunkel/Kepert (Fn. 126), § 79 Rn. 3, die § 79 SGB VIII gleichzeitig als Fundamentalnorm ansehen. 158 Münder, Gesamtverantwortung (Fn. 154), Kap. 4.2 Rn. 6; Tammen (Fn. 147), § 79 Rn. 6. 159 Siehe zur „Funktionssperre“ zugunsten der anerkannten Träger bereits auf S. 151 ff.
B. Die freien Träger der Kinder- und Jugendhilfe
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Aber auch in den Fällen, in denen freie Träger der Jugendhilfe bestimmte Leistungen anbieten oder anerkannte Träger andere Aufgaben wahrnehmen, verbleibt die Gesamtverantwortung bei den Trägern der öffentlichen Jugendhilfe. Dies ergibt sich für die Leistungen aus § 3 Abs. 2 S. 2 SGB VIII, der festlegt, dass sich Leistungsverpflichtungen nur gegenüber den öffentlichen Trägern ergeben, und für die anderen Aufgaben ausdrücklich aus § 76 Abs. 2 SGB VIII160. Insofern kommt der öffentlichen Jugendhilfe immer eine „Letztverantwortung“ für die Erfüllung der Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe zu161. Dies führt gleichzeitig allerdings nicht dazu, dass sich daraus ein subjektives Recht der Leistungsempfänger – oder eben solcher, die Begünstigte bei der Erfüllung anderer Aufgaben sind – ergibt, mit welchem diese gerichtlich bewirken könnten, dass die öffentliche Jugendhilfe ihre Verantwortung wahrzunehmen und bestimmte Einrichtungen oder Dienste zu schaffen hätte162. Sollten aufgrund anderer Rechtsgrundlagen subjektive Ansprüche auf bestimmte Leistungen bestehen, so hat der Leistungsberechtigte nur einen Anspruch auf den Erhalt der Leistung an sich und nicht auf die Schaffung bestimmter Einrichtungen oder Dienste163. Insoweit hat die Verpflichtung zur Gesamtverantwortung nur objektiv-rechtliche Konsequenzen. (2) Die Planungsverantwortung Neben der Gesamtverantwortung im Allgemeinen stellt § 79 Abs. 1 SGB VIII die Planungsverantwortung als Teil ebendieser im Besonderen heraus. Diese ist Grundlage für die Feststellung, inwieweit im Zuständigkeitsbereich eines Trägers der öffentlichen Jugendhilfe Einrichtungen, Dienste und Veranstaltungen in hinreichender Zahl vorhanden sind164. Ausdrücklichen Bezug auf die Planungsverantwortung nimmt § 80 Abs. 1 SGB VIII, der die Jugendhilfeplanung „als unbedingte Pflichtaufgabe und objektiv-rechtliche Verpflichtung vorschreibt.“ 165 Diese Jugendhilfeplanung umfasst aber, da sie auf Einrichtungen und Dienste beschränkt ist, nur einen Teil der Planungsverantwortung im Sinne des § 79 Abs. 1 SGB VIII, der in seiner Wirkung darüber hinausgeht und daneben auch die Planung von Veranstaltungen und die Personalplanung umfasst166. Dennoch besteht 160 161 162
So auch Kunkel/Kepert (Fn. 126), § 79 Rn. 3. Tammen (Fn. 147), § 79 Rn. 6; Kunkel/Kepert (Fn. 126), § 79 Rn. 2. Münder, Gesamtverantwortung (Fn. 154), Kap. 4.2 Rn. 7; Tammen (Fn. 147), § 79
Rn. 7. 163 So Münder, Gesamtverantwortung (Fn. 154), Kap. 4.2 Rn. 7. Zu den subjektiven Rechtsansprüchen der Leistungsempfänger vgl. vor allem ders., Die Leistungen und die anderen Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe als Sozialleistungen, in: ders./Wiesner/ Meysen, Kinder- und Jugendhilferecht (Fn. 115), Kap. 3.0 Rn. 9 ff. 164 Kunkel/Kepert (Fn. 126), § 79 Rn. 6. 165 R. J. Wabnitz, in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII (Fn. 111), § 80 Rn. 1. 166 Dazu Tammen (Fn. 147), § 79 Rn. 10; Kern (Fn. 147), § 79 Rn. 5; Kunkel/Kepert (Fn. 126), § 79 Rn. 6.
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§ 6 Untersuchung ausgewählter Bereiche
ein enger Zusammenhang zwischen der Planungsverantwortung und der Jugendhilfeplanung167. So kann der öffentliche Träger durch die Jugendhilfeplanung zumindest seiner strukturellen Gesamtverantwortung gerecht werden168. Die Jugendhilfeplanung ist dementsprechend Vorbedingung für eine sachgerechte Wahrnehmung der Gesamtverantwortung im Sinne des § 79 Abs. 1 SGB VIII169. Sie ist gerade im Zusammenspiel der öffentlichen und freien Jugendhilfe und der Vielfalt verschiedenster Träger von großer Bedeutung, um ein ausgewogenes und ausreichendes Angebot unter angemessener Verwendung der Mittel sicherzustellen. Trotz dieser Bedeutung und der objektiv-rechtlichen Verpflichtung der öffentlichen Träger zur Jugendhilfeplanung besteht aber auch in diesem Fall kein subjektiver Anspruch der freien Träger, eine Planung zu verlangen170. (3) Die Finanzierungsverantwortung Neben der in § 79 Abs. 1 SGB VIII ausdrücklich als Teil der Gesamtverantwortung genannten Planungsverantwortung ergibt sich für die Träger der öffentlichen Jugendhilfe darüber hinaus eine ungeschriebene Finanzierungsverantwortung171. Aufgrund dieser Verantwortung ist der öffentliche Träger dazu verpflichtet für die Kosten, die durch die Erfüllung der Aufgaben im SGB VIII entstehen, aufzukommen172. Diese Verantwortung im finanziellen Sinne ist eng verbunden mit den Zuständigkeitsregelungen; dies in der Form, dass der öffentliche Träger die finanziellen Mittel zur Verfügung stellen muss, die benötigt werden, damit 167 Münder, Gesamtverantwortung (Fn. 154), Kap. 4.2 Rn. 16, bezeichnet die Jugendhilfeplanung als „zentrale Voraussetzung für die Wahrnehmung der Gesamtverantwortung.“ Diesen Zusammenhang sehen auch Tammen (Fn. 147), § 79 Rn. 11, und R. Wiesner, in: ders., SGB VIII (Fn. 123), § 80 Rn. 5. 168 So Kunkel/Kepert (Fn. 126), § 79 Rn. 6, die auch darauf hinweisen, dass die Jugendhilfeplanung bezüglich der individuellen Gesamtverantwortung nicht weiterhelfe und in diesem Fall – wenn auch eingeschränkt – auf die Hilfeplanung nach § 36 SGB VIII zurückgegriffen werden müsse. 169 Wabnitz (Fn. 165), § 80 Rn. 1. 170 S. Becker/J. Münder, Rechtliche Aspekte von Jugendhilfeplanung und Jugendhilfeplänen, in: VSSR 1997, S. 343 (360); A. Smessaert/J. Münder, Rechtliche Vorgaben zur Jugendhilfeplanung im SGB VIII und ihre Auswirkungen auf die Jugendhilfepläne, in: S. Maykus/R. Schone (Hrsg.), Handbuch Jugendhilfeplanung, 3. Aufl. 2010, S. 157 (168 f.); Münder, Gesamtverantwortung (Fn. 154), Kap. 4.2 Rn. 19. 171 Dazu auch Münder, Gesamtverantwortung (Fn. 154), Kap. 4.2 Rn. 8; Tammen (Fn. 147), § 79 Rn. 13 f.; Wiesner (Fn. 150), § 79 Rn. 6; Kern (Fn. 147), § 79 Rn. 6; Kunkel/Kepert (Fn. 126), § 79 Rn. 7. 172 OVG Nds. NVwZ-RR 1999, S. 383 (383); P.-C. Kunkel, Rechtsfragen der Finanzierung freier Träger, in: ZfJ 2000, S. 413 (414), der dabei allerdings § 79 Abs. 2 SGB VIII als Grundlage dieser Verantwortung nennt; Tammen (Fn. 147), § 79 Rn. 13; Wiesner (Fn. 150), § 79 Rn. 6; Kern (Fn. 147), § 79 Rn. 6. Dies ist auch dann der Fall, wenn bereits Mittel durch zweckbestimmte Zuwendungen anderer öffentlicher Träger (bspw. Landesjugendämter) oder im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs zur Verfügung stehen, so Kern (Fn. 147), § 79 Rn. 6.
B. Die freien Träger der Kinder- und Jugendhilfe
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die Jugendämter die Aufgaben in einem bestimmten Einzugsgebiet erfüllen können173. Problematisch ist daher eine Budgetierung der Haushaltsmittel, wenn dadurch kein ausreichender finanzieller Spielraum für die Erfüllung der Aufgaben mehr besteht174. Dementsprechend dürfen sich die Aufgaben und Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe nicht auf Grundlage eines Budgets ergeben, sondern das Budget hat sich nach der Erforderlichkeit aufgrund der Aufgaben zu richten175. Dabei ist insbesondere auch der Aspekt der Erhaltung der Infrastruktur der Aufgaben und Leistungen zu berücksichtigen, der bei einer zu geringen Budgetierung bedroht ist176. Der Finanzierungsverantwortung kommt also eine besondere Bedeutung für den Erhalt der Vielfalt in der Jugendhilfe zu. b) Die Gewährleistungspflicht als Teil staatlicher Verantwortung (Abs. 2) Neben der Gesamtverantwortung erlegt § 79 Abs. 2 SGB VIII den Trägern der öffentlichen Jugendhilfe darüberhinausgehend eine Gewährleistungspflicht auf177. Sie dient der Wahrnehmung der strukturellen und individuellen Gesamtverantwortung und ist damit Bestandteil ebendieser178. Sie verlangt von den Trägern der öffentlichen Jugendhilfe, dass diese gewährleisten, dass die erforderlichen und geeigneten Einrichtungen, Dienste und Veranstaltungen den verschiedenen Grundrichtungen der Erziehung entsprechend rechtzeitig und ausreichend zur Verfügung stehen (S. 1 Nr. 1), dass eine kontinuierliche Qualitätsentwicklung erfolgt (S. 1 Nr. 2) und, dass ein angemessener Teil der bereitgestellten Mittel für die Jugendarbeit verwendet wird (S. 2). Es wird also eine bestimmte Qualität bei der Erfüllung der Aufgaben verlangt, die durch eine Reihe von unbestimmten Rechtsbegriffen (erforderlich, geeignet, rechtzeitig, ausreichend) beschrieben
173
Münder, Gesamtverantwortung (Fn. 154), Kap. 4.2 Rn. 8; Wiesner (Fn. 150), § 79
Rn. 7. 174 Zum Problem der Budgetierung von Mitteln vgl. Tammen (Fn. 147), § 79 Rn. 14; Wiesner (Fn. 150), § 79 Rn. 6. 175 So stellt auch Tammen (Fn. 147), § 79 Rn. 4, fest, dass die Aufgabenerfüllung nicht unter dem Vorbehalt des Haushaltsplans steht, sondern der Haushaltsplan unter dem Vorbehalt des § 79 Abs. 2 SGB VIII. 176 Tammen (Fn. 147), § 79 Rn. 14. Zum Problem der Budgetierung im Zusammenhang mit der Verwaltungsmodernisierung und neuen Steuerungsmodellen auch J. Mamier u. a., Organisatorische Einbettung von Jugendhilfeaufgaben in der Kommunalverwaltung, in: Sachverständigenkommission Elfter Kinder- und Jugendbericht (Hrsg.), Strukturen der Kinder- und Jugendhilfe. Eine Bestandsaufnahme (Materialien zum Elften Kinder- und Jugendhilfebericht, Bd. 1), 2002, S. 265 (304 ff.). Auf dieses Problem weist auch J. Merchel, Trägerstrukturen in der Sozialen Arbeit, 2003, S. 56 ff. hin. 177 Münder, Gesamtverantwortung (Fn. 154), Kap. 4.2 Rn. 12. 178 Kern (Fn. 147), § 79 Rn. 7; Kunkel/Kepert (Fn. 126), § 79 Rn. 9. Zu den Begriffen der strukturellen und individuellen Gesamtverantwortung siehe Kunkel/Kepert, ebd., § 79 Rn. 3.
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§ 6 Untersuchung ausgewählter Bereiche
wird179. Bei der Auslegung dieser unbestimmten Rechtsbegriffe kommt den Trägern der öffentlichen Jugendhilfe kein Beurteilungsspielraum oder Ermessen zu, und ihre Auslegung ist gerichtlich voll überprüfbar180. Insofern ist bei der Auslegung der Begriffe lediglich ein richtiges Ergebnis anzunehmen, welches für den Träger der öffentlichen Jugendhilfe verbindlich ist181. Die Gewährleistungspflicht ist dementsprechend von hervorgehobener Bedeutung, da sie sicherstellt, dass die Kinder- und Jugendhilfe ein bestimmtes Niveau aufweist. Aber auch hier ist dies nicht gleichbedeutend mit einem subjektiven Anspruch auf die Schaffung bestimmter Einrichtungen oder Dienste, ein Anspruch kann sich nur auf die Leistung an sich beziehen182. c) Die Ausstattung der Jugendämter (Abs. 3) Abschließend bestimmt § 79 Abs. 3 SGB VIII, dass die Träger der öffentlichen Jugendhilfe für ausreichende Ausstattung – auch im Hinblick an die Zahl der beschäftigten Fachkräfte – der Jugendämter und Landesjugendämter zu sorgen haben. Diese Forderung dient einer vielfältigen, an den Interessen der Kinder und Jugendlichen orientierten Jugendhilfe mit einem breit differenzierten Angebot an Einrichtungen und Leitungen183. Um dies zu gewährleisten, ist unter dem Begriff der „ausreichenden Ausstattung“ sowohl die personelle, die im zweiten Halbsatz ausdrücklich Erwähnung findet, als auch die finanzielle und sachliche Ausstattung zu verstehen184. Auch die erforderliche Ausstattung der Jugendämter und Landesjugendämter steht in engem Zusammenhang mit der Qualität der Kinderund Jugendhilfe. Durch Sicherstellung einer ausreichenden Zahl personeller und sachlicher Mittel soll ein Verfall dieser Qualität verhindert werden.
179 So haben Kunkel/Kepert (Fn. 126), § 79 Rn. 9, sechs Faktoren für die Bestimmung der Qualität der Einrichtungen, Dienste und Veranstaltungen ausgemacht: (1) Geeignetheit, (2) erforderliche Anzahl, (3) ausreichende Personalausstattung, (4) ausreichende Finanzausstattung, (5) plurale Breite und (6) rechtzeitige Verfügbarkeit. Zu diesen sechs Faktoren auch P.-C. Kunkel, Jugendhilferecht, 8. Aufl. 2015, Rn. 311 f. Ausführlich zur Bedeutung der verschiedenen unbestimmten Rechtsbegriffe vgl. etwa Tammen (Fn. 147), § 79 Rn. 17 ff.; Wiesner (Fn. 150), § 79 Rn. 9 ff.; Kunkel/Kepert (Fn. 126), § 79 Rn. 11. 180 BVerfGE 84, 34 (49 f.); R. Ollmann, Fachkompetenz und Beurteilungsspielraum, in: ZfJ 1995, S. 45 ff.; Tammen (Fn. 147), § 79 Rn. 16; Kunkel/Kepert (Fn. 126), § 79 Rn. 10. 181 Kunkel/Kepert (Fn. 126), § 79 Rn. 10, die in den Rn. 13 ff. auf die Auswirkungen der Gewährleistungspflicht und anderen auch auf die Aufgabenerfüllung durch die freien Träger eingehen. 182 Siehe dazu Münder, Gesamtverantwortung (Fn. 154), Kap. 4.2 Rn. 14 f. Dies gilt ebenfalls für die Verpflichtung, einen angemessenen Anteil der bereitgestellten Mittel für die Jugendarbeit zu verwenden. 183 So Tammen (Fn. 147), § 79 Rn. 26. 184 Tammen (Fn. 147), § 79 Rn. 27; Wiesner (Fn. 150), § 79 Rn. 14.
B. Die freien Träger der Kinder- und Jugendhilfe
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d) Die Form staatlicher Verantwortung Abschließend soll zusammenfassend untersucht werden, welche Form staatlicher Verantwortung sich aus den Regelungen der §§ 79, 80 SGB VIII ergibt185. § 79 Abs. 1 SGB VIII legt unmissverständlich fest, dass die Gesamtverantwortung für die Erfüllung aller Aufgaben nach dem SGB VIII bei den Trägern der öffentlichen Jugendhilfe liegt. Daraus kann aber nicht einfach geschlussfolgert werden, dass den Staat dementsprechend eine alleinige Erfüllungsverantwortung auf dem gesamten Gebiet der Kinder- und Jugendhilfe träfe. Dass eine solche nicht angenommen werden kann, ergibt sich bereits aus § 3 SGB VIII, der gerade von einem Nebeneinander von Trägern der freien und Trägern der öffentlichen Jugendhilfe ausgeht. Demnach geht das KJHG schon im Grundsatz nicht von einer alleinigen Aufgabenerfüllung durch staatliche Akteure, also durch die Träger der öffentlichen Jugendhilfe, aus. Mit Blick auf die Art der staatlichen Verantwortung ist genauer zu differenzieren. Der vorliegende Bereich der Kinder- und Jugendhilfe fällt in die – bereits im Rahmen des Untersuchungskataloges herausgearbeitete – Schnittstelle von Erfüllungs- und Gewährleistungsverantwortung186. Dabei wurde als geeignetes Abgrenzungskriterium die Aufgabenträgerschaft herausgearbeitet187. Fragt man unter diesem Gesichtspunkt nach der staatlichen Verantwortung im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe, ist auch hier zunächst wieder die Unterscheidung zwischen den Leistungen und anderen Aufgaben angezeigt. Im Rahmen der Leistungen im Sinne des § 2 Abs. 2 SGB VIII kann auf Grund des hohen Anteils freier Träger schwerlich von einer Erfüllungsverantwortung des Staates ausgegangen werden. Diese nehmen dabei eigene Aufgaben wahr und werden gerade nicht als Erfüllungsgehilfe der öffentlichen Jugendhilfe tätig. Insofern sind sowohl freie als auch öffentliche Träger der Jugendhilfe als Aufgabenträger anzusehen. Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe trifft hier die Gesamtverantwortung in Form einer Gewährleistungsverantwortung. Es muss also ein Rahmen geschaffen werden, der das Tätigwerden freier Träger und eine partnerschaftliche Zusammenarbeit im Sinne des § 4 SGB VIII ermöglicht. Der Schwerpunkt liegt in diesem Falle also auf der Schaffung und Erhaltung der Grundlagen der Kinder- und Jugendhilfe. Der Staat übernimmt dementsprechend vielmehr die Garantie einer ausreichenden Versorgung im Sinne einer Sicherstellungsverantwortung188. 185 Zu den verschiedenen Formen staatlicher Verantwortung unter § 5 B. II. 2. (S. 254 ff.). 186 Siehe zu diesem Abgrenzungsproblem bereits die Ausführungen unter § 5 B. II. 2. d) (S. 260 ff.). 187 Unter maßgeblicher Bezugnahme auf die argumentativen Ausführungen von J. Brehme, Privatisierung und Regulierung der öffentlichen Wasserversorgung, 2010, S. 50. 188 Treffend herausgearbeitet von Wiesner (Fn. 150), § 79 Rn. 2. Der Begriff der Sicherstellungsverantwortung beschreibt am zuverlässigsten die staatliche Verantwortung
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§ 6 Untersuchung ausgewählter Bereiche
Anders stellt sich die Situation mit Blick auf die anderen Aufgaben im Sinne des § 2 Abs. 3 SGB VIII dar. Diese liegen grundsätzlich im alleinigen Verantwortungsbereich der öffentlichen Träger. Zwar können ausweislich § 76 Abs. 1 SGB VIII auch hier zumindest anerkannte freie Träger in die Erfüllung mit eingebunden werden, § 76 Abs. 2 SGB VIII legt aber fest, dass die Verantwortung für die Erfüllung der Aufgaben beim öffentlichen Träger verbleiben muss. Eine vollständige Übertragung der Aufgaben, inklusive der Verantwortung, auf freie Träger, beispielsweise im Sinne einer Beleihung, scheidet damit aus189. Die Aufgabenträgerschaft verbleibt also auch bei Einbindung freier Träger bei den Trägern der öffentlichen Jugendhilfe. In diesem Fall ist es also schlüssiger, von einer verbleibenden Erfüllungsverantwortung der öffentlichen Jugendhilfe auszugehen190. Die öffentliche Jugendhilfe bindet die freien Träger nur bei Wahrnehmung dieser Verantwortung mit ein. Daraus ergibt sich allerdings das Problem, inwieweit die öffentliche Jugendhilfe ihrer Verantwortung gerecht werden kann, wenn freie Träger eingebunden werden. e) Wahrnehmung der Verantwortung im Einzelfall Nachdem festgestellt wurde, dass die Träger der öffentlichen Jugendhilfe eine Gewährleistungsverantwortung und im Falle der anderen Aufgaben sogar eine Erfüllungsverantwortung treffen, soll in der Folge darauf eingegangen werden, wie diese Verantwortung im Einzelfall wahrgenommen wird. Im Hinblick auf die grundsätzliche Gewährleistungsverantwortung der öffentlichen Jugendhilfe ist dabei vor allem die Jugendhilfeplanung von entscheidender Bedeutung. So hat sich gezeigt, dass die Planungsverantwortung als Teil der Gesamtverantwortung von besonderer Relevanz ist im Hinblick auf die Feststellung des tatsächlich erforderlichen Bedarfs. So ermöglicht die Jugendhilfeplanung eine Wahrnehmung der strukturellen Verantwortung, die sich für den Staat im Bereich der Kinder-
im Bereich der jugendhilferechtlichen Leistungen. Er ist der Stufe der Gewährleistungsverantwortung zuzuordnen. Die sich auf den ersten Blick anbietende Stufe der „Auffangverantwortung“ (dazu bereits auf S. 258 f.) ist für den vorliegenden Fall eher unpassend. Diese ist dann relevant, wenn der Staat bei der Übertragung einer Aufgabe unterstützend eingreift, sollte der Private die Aufgabe nicht ausreichend erfüllen. Hier wird aber gerade keine Aufgabe übertragen, sondern die freien Träger werden selbstständig neben den öffentlichen Trägern tätig. Insofern ist der Schwerpunkt staatlicher Verantwortung in diesem Fall in der Rahmensetzung zu sehen. 189 Missverständlich sind insoweit die Ausführungen bei Münder (Fn. 138), § 76 Rn. 11, der davon spricht, dass sich Konflikte mit den Betroffenen insbesondere in den Fällen ergeben könnten, in denen eine andere Aufgabe vollständig auf einen freien Träger übertragen worden sei. Eine vollständige Übertragung findet aber gerade nicht statt, vielmehr wird die Aufgabe nur zur Ausführung übertragen. 190 Münder (Fn. 138), § 76 Rn. 11, bezeichnet dies als „Letztverantwortung“ der Jugendhilfe.
B. Die freien Träger der Kinder- und Jugendhilfe
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und Jugendhilfe ergibt. Durch eine qualifizierte Planung der Kinder- und Jugendhilfe können dabei Risiken der Unterversorgung mit bestimmten Leistungen minimiert werden191. Darüber hinaus stellt sich aber die Frage, inwieweit der öffentliche Träger die fachgerechte Wahrnehmung einer anderen Aufgabe durch einen freien Träger im Vor- oder Nachhinein sicherstellen oder überprüfen, also seiner individuellen Gewährleistungsverantwortung gerecht werden kann. Dies ist von besonderer Bedeutung, da der freie Träger hier ja gerade nicht eine eigene Aufgabe wahrnimmt, sondern an einer Aufgabe des öffentlichen Trägers mitwirkt. Es muss zunächst grundlegend festgehalten werden, dass sich aus der Gesamtverantwortung im Sinne des § 79 Abs. 1 SGB VIII keine Befugnisse hinsichtlich einer Verantwortungswahrnehmung im Einzelfall ergeben192. Kontrollmöglichkeiten hinsichtlich der Aufgabenwahrnehmung durch freie Träger oder sogar Weisungsrechte der öffentlichen Träger ergeben sich aus der Gesamtverantwortung also nicht193. Die Überwachung der Aufgabenwahrnehmung durch freie Träger muss dementsprechend auf andere Weise sichergestellt werden, wobei im Rahmen der Überwachung die Autonomie der freien Träger und das partnerschaftliche Verhältnis von öffentlichen und freien Trägern zu beachten sind und die Einflussnahme des öffentlichen Trägers möglichst gering ausfallen muss194. Der öffentliche Träger kommt daher seiner Verantwortung nach, indem er beim Abschluss von Leistungs-, Entgelt- und Qualitätsvereinbarungen im Sinne der §§ 78a ff. SGB VIII, bei Leistungs- oder Zuwendungsverträgen nach §§ 74, 77 SGB VIII, bei der Erteilung von Zuwendungsbescheiden nach § 74 SGB VIII oder beim Schutz von Kindern und Jugendlichen in Einrichtungen im Sinne der §§ 45 ff. SGB VIII sicherstellt, dass die rechtlichen und fachlichen Vorgaben erfüllt werden195. Die Ausgestaltung dieser Verträge und Vereinbarungen ist also grundlegend für die Wahrnehmung staatlicher Verantwortung und bedarf daher besonderer Aufmerksamkeit. In der Folge überwacht der öffentliche Träger die Tätigkeit des freien Trägers auf ihre Gesetzeskonformität hin im Sinne einer Rechtsaufsicht196. Nicht zulässig ist hingegen eine inhaltliche Kontrolle im Sinne einer Fachaufsicht, da 191
Siehe dazu Wiesner (Fn. 150), § 79 Rn. 5. Münder, Gesamtverantwortung (Fn. 154), Kap. 4.2 Rn. 9; Tammen (Fn. 147), § 79 Rn. 9. 193 So bspw. Münder, Gesamtverantwortung (Fn. 154), Kap. 4.2 Rn. 9; Tammen (Fn. 147), § 79 Rn. 9; Wiesner (Fn. 150), § 79 Rn. 3a; Kunkel/Kepert (Fn. 126), § 79 Rn. 15. Anders v. a. BAG ZfJ 2000, S. 72 (74), welches ein Weisungsrecht des öffentlichen Trägers gegenüber der Mitarbeiterin eines freien Trägers angenommen hatte. Kritisch zu dieser Entscheidung bereits P.-C. Kunkel, Das Weisungsrecht des öffentlichen Trägers bei Hilfe zur Erziehung, in: ZfJ 2000, S. 60 (61 ff.), der festhält, dass sich ein solches Weisungsrecht zumindest aus dem SGB VIII nicht ergibt. 194 So zutreffend Wiesner (Fn. 150), § 79 Rn. 3a; Kern (Fn. 125), § 76 Rn. 12. 195 Tammen (Fn. 147), § 79 Rn. 9; Kunkel/Kepert (Fn. 126), § 79 Rn. 2. 196 Tammen (Fn. 147), § 79 Rn. 9; Kunkel/Kepert (Fn. 126), § 79 Rn. 15. 192
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§ 6 Untersuchung ausgewählter Bereiche
eine solche die Autonomie des freien Trägers im Sinne des § 4 SGB VIII verletzen würde197. f) Resümee Im Ergebnis zeigt sich also die Verschiedenheit der staatlichen Verantwortung im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe. Diese Verschiedenheit ergibt sich aus der Differenzierung von Leistungen und anderen Aufgaben der Jugendhilfe und aus der Tatsache, dass der Bereich der Kinder- und Jugendhilfe im Gesamten in die Schnittstelle von Erfüllungs- und Gewährleistungsverantwortung fällt. Mit Blick auf die Aufgabenträgerschaft hat sich herausgestellt, dass im Bereich der jugendhilferechtlichen Leistungen bereits durch § 3 Abs. 2 S. 1 SGB VIII eine Dualität der Aufgabenwahrnehmung vorgesehen ist. Hier trifft den Staat insoweit nur eine Gewährleistungsverantwortung, in deren Rahmen er sicherstellt, dass die freien Träger die Voraussetzungen für eine Leistungserbringung vorfinden. Von großer Bedeutung ist dabei vor allem die Jugendhilfeplanung, welche den Bedarf und das Angebot von Leistungen maßgeblich bestimmt. Anderes gilt im Rahmen der anderen Aufgaben der Jugendhilfe. Diese sind grundsätzlich in der alleinigen Verantwortung der Träger der öffentlichen Jugendhilfe. Diese trifft hier dementsprechend eine Erfüllungsverantwortung. An dieser ändert sich auch in dem Fall nichts, indem freie Träger in die Aufgabenwahrnehmung eingebunden werden. Findet eine solche Einbindung statt, wird der Träger der öffentlichen Jugendhilfe allerdings seiner Verantwortung in Form einer Rechtsaufsicht gerecht. 3. Grundrechtsrelevanz der Kinder- und Jugendhilfe Mit Blick auf grundrechtliche Aspekte drängt sich im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe vor allem die Frage nach der verfassungsrechtlichen Stellung der freien Träger auf. Die Grundrechtsträgerschaft der freien Träger der Jugendhilfe ist bereits im Rahmen der Darstellung der Voraussetzungen198 an ebendiese und auch zu Beginn der vorliegenden Untersuchung dieses Bereichs mehrmals angeklungen. Diese Grundrechtsträgerschaft der freien Träger soll in der Folge weitergehend untersucht und dabei herausgearbeitet werden, inwieweit die Voraussetzungen, die an Förderung und Anerkennung gestellt werden, mit den Grundrechten der freien Träger zu vereinbaren sind. Unter grundrechtlichen Gesichtspunkten ist die Kinder- und Jugendhilfe aber auch aus einem anderen Blickwinkel interessant. Den freien Trägern stehen die Kinder und Jugendlichen bzw. unter Umständen auch deren Eltern als Leistungsempfänger gegenüber. Dementsprechend soll darüber hinaus festgestellt werden, inwieweit hier eine Grundrechtsgefährdung durch die freien Träger droht. 197 198
Dazu Kunkel/Kepert (Fn. 126), § 79 Rn. 15. Siehe bspw. S. 150 f.
B. Die freien Träger der Kinder- und Jugendhilfe
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a) Die Grundrechte der freien Träger Die Rechtsstellung der freien Träger und die Grundlage ihres Tätigwerdens fußt nicht nur in den Vorschriften des Sozialgesetzbuches, sondern darüber hinaus vor allem auch in den Regelungen des Grundgesetzes199. Diese verfassungsrechtlichen Grundlagen sollen in der Folge daher näher untersucht werden. Dabei muss berücksichtigt werden, dass es sich bei den Trägern der freien Jugendhilfe in der Regel nicht um natürliche Personen, sondern um juristische Personen des Privatrechts handeln wird200. Dass Träger der Jugendhilfe aber auch in diesen Fällen grundrechtsberechtigt sein können, ergibt sich aus Art. 19 Abs. 3 GG, der die Grundrechte auch zugunsten inländischer juristischer Personen für anwendbar erklärt, sofern sie dem Wesen nach auf diese juristischen Personen anwendbar sind201. Dies gilt zumindest auch dann, wenn es sich um ausländische Träger handelt, die aus dem EU-Ausland stammen202. Die Grundrechtsfähigkeit der Träger der freien Jugendhilfe ist daher dem Grunde nach unproblematisch gegeben. Darauf aufbauend soll im Überblick herausgearbeitet werden, welche Grundrechte Grundlage für das Wirken der Träger der freien Jugendhilfe sind. Dabei sind aufgrund der Konstitution der freien Träger neben 199 Ausführlich zur Rechtsstellung freier sozialer Einrichtungen aus den Grundrechten Neumann, Freiheitsgefährdung (Fn. 136), S. 10 ff., der darüberhinausgehend auch das Staatskirchenrecht als Grundlage erachtet; R. Patjens, Förderrechtsverhältnisse im Kinder- und Jugendhilferecht, 2017, S. 54. 200 Freie Träger, die nicht natürliche Personen sind, treten beispielsweise in den Rechtsformen der Stiftung oder des Vereins, bei gewerblichen Trägern mit Gewinnerzielungsabsicht aber auch als Einzelunternehmen oder Kapitalgesellschaften auf. Vgl. zu den verschiedenen Rechtsformen der Träger der freien Jugendhilfe R. Krüger/ C. Schmitt, Rechtliche Rahmenbedingungen des Verhältnisses von Eltern, Schule und Jugendhilfe, in: W. Stange u. a. (Hrsg.), Erziehungs- und Bildungspartnerschaften, 2012, S. 140 (140). Zum Wandel der freien Wohlfahrtspflege von der individuellen Initiative zur kollektiven Wahrnehmung durch Wohlfahrtsverbände R. Wegener, Staat und Verbände im Sachbereich Wohlfahrtspflege, 1978, S. 147. 201 Weitergehende Untersuchungen bezüglich der Grundrechtsfähigkeit juristischer Personen des Privatrechts durch Art. 19 Abs. 3 GG und der Frage, welche Rechtsformen genau umfasst sind, sollen an dieser Stelle unberücksichtigt bleiben. Insoweit sei bspw. hingewiesen auf die Kommentierungen von H. Dreier, in: ders., GG I (Fn. 17), Art. 19 III Rn. 45 ff.; H. D. Jarass, in: ders./Pieroth, GG (Fn. 72), Art. 19 Rn. 17 ff.; M. Sachs, in: ders., GG (Fn. 10), Art. 19 Rn. 57 ff. 202 Die methodische Herleitung der Anwendung des Art. 19 Abs. 3 GG auf juristische Personen mit Sitz im EU-Ausland wird nicht einheitlich beantwortet. Zu den verschiedenen Auffassungen sei auf die Ausführungen von Dreier (Fn. 201), Art. 19 III Rn. 83 ff. mit zahlreichen Nachweisen verwiesen. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung zu dieser Frage zumindest die Ansicht, dass eine unionskonforme Auslegung des Begriffs „inländisch“ auch juristische Personen mit Sitz im EU-Ausland umfassen würde, als die Wortlautgrenze übersteigend verworfen, vgl. BVerfGE 129, 78 (94 ff.). Das Gericht spricht sich vielmehr für eine – zum gleichen Ergebnis kommende – „Anwendungserweiterung“ aus, die sich aus Art 18 AEUV und den sich aus Grundfreiheiten ergebenden Diskriminierungsverboten sowie dem Anwendungsvorrang des EU-Rechts ergibt.
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§ 6 Untersuchung ausgewählter Bereiche
den individuellen Freiheitsrechten auch die kollektiven Freiheitsrechte der Vereinigungen relevant203. aa) Art. 2 Abs. 1 GG als Grundlage des Tätigwerdens freier Träger Bereits bei der Untersuchung der Voraussetzungen für eine Anerkennung im Rahmen des § 75 Abs. 1 SGB VIII hat sich mit Blick auf die Bedeutung der Anerkennung gezeigt, dass diese für das Tätigwerden eines freien Trägers nicht zwingend erforderlich ist, sondern diese nur weitergehende Rechte und Wirkungsmöglichkeiten mit sich bringt204. Die Grundlage des Handelns freier Träger im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe ergibt sich unmittelbar aus dem Grundgesetz. So hat das Bundesverfassungsgericht als Teilgehalt der Allgemeinen Handlungsfreiheit in Art. 2 Abs. 1 GG ein „Grundrecht der freien karitativen Betätigung“ herausgearbeitet205. Diese Einordnung der karitativen Betätigung als Teil der Allgemeinen Handlungsfreiheit ist unzweifelhaft, da das Bedürfnis des Helfens Bestandteil einer jeden Persönlichkeit ist206. Dieses Recht ermöglicht es dem freien Träger der Jugendhilfe, autonom festzulegen, welche Aufgaben sie wahrnehmen möchten und wie sie dies tun207. Dieses Grundrecht bildet also die verfassungsrechtliche Grundlage für das Tätigwerden der freien Jugendhilfe. Es ist gemäß Art. 19 Abs. 3 GG dem Wesen nach auch auf juristische Personen, wie beispielsweise Wohlfahrtsverbände, anwendbar208.
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Zutreffend Wegener, Staat (Fn. 200), S. 146 f. Vgl. dazu bereits auf S. 175 f. 205 Grundlegend BVerfGE 20, 150 (157, 159). Dazu auch Kaiser, Verfassung (Fn. 110), S. 254; Wegener, Staat (Fn. 200), S. 147 ff.; E. Friesenhahn, Kirchliche Wohlfahrtspflege unter dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, in: L. Adamovich/P. Pernthaler (Hrsg.), Auf dem Weg zur Menschenwürde und Gerechtigkeit. Festschrift für Hans R. Klecatsky, 1. Teilbd., 1980, S. 247 (252); O. Depenheuer, Staatliche Finanzierung und Planung im Krankenhauswesen, 1986, S. 105; Neumann, Freiheitsgefährdung (Fn. 136), S. 10; W. Gernert/A. Oehlmann-Austermann, Anerkennung als freier Träger der Jugendhilfe, 2004, S. 26; Wiesner (Fn. 128), § 75 Rn. 1; Patjens, Förderrechtsverhältnisse (Fn. 199), S. 54. 206 Dies stellt Wegener, Staat (Fn. 200), S. 147 richtigerweise heraus. Zum Begriff der Hilfe in diesem Sinne auch H. Scherpner, Theorie der Fürsorge, 1962, S. 122, der die Hilfe als Urkategorie des menschlichen Handelns überhaupt bezeichnet, welche nicht weiter zurückführbar sei als auf den Begriff des gesellschaftlichen Handelns überhaupt. 207 Dazu Wegener, Staat (Fn. 200), S. 147; Neumann, Freiheitsgefährdung (Fn. 136), S. 10, die in diesem Zusammenhang auf § 10 Abs. 1 BSHG a. F. verweisen, der nunmehr in § 5 Abs. 1 SGB XII angesiedelt ist. Diese Regelung beschreibt die Kirchen, Religionsgesellschaften und Verbände der freien Wohlfahrtspflege als Träger eigener sozialer Aufgaben, deren Tätigkeit zur Erfüllung dieser Aufgaben nicht durch das Gesetz berührt wird. Diese Vorschrift beschreibt treffend die Autonomie der Träger der freien Jugendhilfe gegenüber der öffentlichen Jugendhilfe. 208 H. Dettmer, Verfassungsrechtliche Probleme der Krankenhausfinanzierung und Pflegezusatzregelung, 1979, S. 126 f.; Depenheuer, Finanzierung (Fn. 205), S. 108; Neumann, Freiheitsgefährdung (Fn. 136), S. 10. 204
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Neben dem Grundrecht auf freie karitative Betätigung, welches das Bundesverfassungsgericht aus Art. 2 Abs. 1 GG herleitet, ergeben sich aus der allgemeinen Handlungsfreiheit auch die Unternehmerfreiheit und die Wettbewerbsfreiheit als Teilgehalte der wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit209. Diese steht grundsätzlich auch freien karitativen Einrichtungen bzw. deren Trägern zu210. Sie ist allerdings insofern von geringer Bedeutung, als dass insbesondere Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 14 Abs. 1 GG als leges specialis für diese Schutzgüter angesehen werden211. bb) Die Vereinigungsfreiheit gem. Art. 9 Abs. 1 GG Neben der Allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG rückt durch den Wandel der Wohlfahrtspflege hin zu einer kollektiven Wahrnehmung auch die Vereinigungsfreiheit des Art. 9 Abs. 1 GG in den Blickpunkt. Diese schützt als Grundrecht im Sinne eines Abwehrrechts die Möglichkeit, Vereine und Gesellschaften zu bilden und umfasst dabei gleichzeitig ein „konstituierendes Prinzip der demokratischen und rechtsstaatlichen Ordnung des Grundgesetzes: das Prinzip freier sozialer Gruppenbildung.“ 212 Geschützt sind dabei auf positiver Seite die Freiheit, Vereinigungen zu gründen, bestehenden Vereinigungen beizutreten oder darin zu verbleiben, sowie die Organisations- und interne Betätigungsfreiheit213, aber auch auf negativer Seite die Freiheit, einer Vereinigung nicht beizutreten214. Die Begriffe der Vereine und Gesellschaften, die sich unter dem Oberbegriff der Vereinigungen zusammenfassen lassen, meinen – in Anlehnung an den Vereinsbegriff im Sinne des § 2 Abs. 1 VereinsG – jeden Zusammenschluss, zu dem sich „eine Mehrheit natürlicher und juristischer Personen 209
So H. Dreier, in: ders., GG I (Fn. 17), Art. 2 I Rn. 36. BVerwGE 60, 154 (159); Neumann, Freiheitsgefährdung (Fn. 136), S. 10. 211 D. Lorenz, in: W. Kahl/C. Waldhoff/C. Walter (Hrsg.), BK, Art. 2 Abs. 1 (2008), Rn. 218; M. Cornils, Allgemeine Handlungsfreiheit, in: HStR3 VII, § 168 Rn. 55; Dreier (Fn. 209), Art. 2 I Rn. 36. 212 BVerfGE 50, 290 (353); 80, 244 (252 f.); 100, 214 (223); D. Merten, Vereinsfreiheit, in: HStR3 VII, § 165 Rn. 8; H. Bauer, in: Dreier, GG I (Fn. 17), Art. 9 Rn. 19; W. Höfling, in: Sachs, GG (Fn. 10), Art. 9 Rn. 2; H. D. Jarass, in: ders./Pieroth, GG (Fn. 72), Art. 9 Rn. 1. 213 Statt vieler Bauer (Fn. 212), Art. 9 Rn. 44; Höfling (Fn. 212), Art. 9 Rn. 17; Jarass (Fn. 212), Art. 9 Rn. 6. 214 So die ganz überwiegende Ansicht, siehe bspw. BVerfGE 10, 89 (102); 38, 281 (297 f.); 50, 290 (354); 123, 186 (237); Bauer (Fn. 212), Art. 9 Rn. 46; Höfling (Fn. 212), Art. 9 Rn. 22; Jarass (Fn. 212), Art. 9 Rn. 7. Anderer Ansicht sind bspw. R. Reinhardt, Vereinbarkeit der Pflichtmitgliedschaft in Prüfungsverbänden mit dem Grundgesetz, in: G. Weißer (Hrsg.), Genossenschaften und Genossenschaftsforschung. Festschrift zum 65. Geburtstag von Georg Draheim, 1968, S. 227 (228) und K. H. Friauf, Die negative Vereinigungsfreiheit als Grundrecht, in: K. Pleyer/D. Schultz/ E. Schwinge (Hrsg.), Festschrift für Rudolf Reinhardt zum 70. Geburtstag, 1972, S. 389 ff., die in diesem Fall die Allgemeine Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG für einschlägig hält. 210
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oder Personenvereinigungen für längere Zeit zur Verfolgung eines gemeinsamen Zwecks auf freiwilliger Basis zusammenschließt und einer einheitlichen Willensbildung unterwirft“ 215. Der verfassungsrechtliche Vereinigungsbegriff ist dementsprechend weit und offen zu verstehen, sodass darunter sowohl große Verbände als auch lose verbundene Bürgerinitiativen fallen216. Auf die Organisationsform an sich und den Grad der Organisation kommt es daher nicht an. Die Vereinigungsfreiheit des Art. 9 Abs. 1 lässt sich richtigerweise über Art. 19 Abs. 3 GG dem Wesen nach auch auf die Vereinigungen selbst übertragen, die daraus das Recht auf Entstehen und Bestehen sowie Sicherung ihres Bestandes herleiten217. Die Vereinigungsfreiheit schützt daher im Ergebnis auch die Träger 215 BVerwGE 106, 177 (181); W. Löwer, in: I. v. Münch/P. Kunig (Hrsg.), GG I, 6. Aufl. 2012, Art. 9 Rn. 35; Bauer (Fn. 212), Art. 9 Rn. 38; Höfling (Fn. 212), Art. 9 Rn. 9; Jarass (Fn. 212), Art. 9 Rn. 3. 216 A. Rinken, in: E. Denninger u. a. (Hrsg.), AK-GG, 3. Aufl. 2001, Art. 9 Abs. 1 (2001), Rn. 46; Merten (Fn. 212), § 165 Rn. 9; Höfling (Fn. 212), Art. 9 Rn. 8. 217 Die Frage der kollektiven Wirkung der Vereinigungsfreiheit im Sinne eines Doppelgrundrechts ist stark umstritten. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und Teilen der Literatur gewährleistet Art. 9 Abs. 1 GG neben seiner Funktion als Individualgrundrecht auch den Vereinigungen selbst als Kollektivgrundrecht Schutz in der Hinsicht, dass Entstehen und Bestehen geschützt sind, ohne dass dafür auf die Regelung des Art. 19 Abs. 3 GG zurückgegriffen werden müsse, vgl. zu dieser Ansicht BVerfGE 13, 174 (175); 30, 227 (241); 50, 290 (354); 84, 372 (378); 123, 186 (237); 124, 25 (34); J. Dietlein, in: Stern, Staatsrecht IV/1 (Fn. 85), S. 1978; Merten (Fn. 212), § 165 Rn. 28 ff.; J. Ziekow, Vereinigungsfreiheit, in: HGR IV, § 107 Rn. 11 f.; Löwer (Fn. 215), Art. 9 Rn. 23; Bauer (Fn. 212), Art. 9 Rn. 34; S. Rixen, in: K. Stern/F. Becker (Hrsg.), Grundrechte-Kommentar, 2. Aufl. 2016, Art. 9 Rn. 57; Jarass (Fn. 212), Art. 9 Rn. 11. Dabei wird vor allem der Vergleich zu den Parteien in Art. 21 Abs. 1 GG, den Religionsgesellschaften in Art. 137 Abs. 3 WRV (i.V. m. Art. 140 GG) oder den Koalitionen in Art. 9 Abs. 3 GG, die jeweils ebenso selbst umfasst sind, gezogen. Darüber hinaus wird aber auch darauf hingewiesen, dass der Schutz über Art. 19 Abs. 3 GG insofern nicht umfassend sei, als dass Vereinsbestand und Vereinsbetätigung dann nicht geschützt seien, weil der Schutz über Art. 19 Abs. 3 GG nur so weit reiche wie im Rahmen des Individualgrundrechts, vgl. zu dieser Argumentation v. a. Merten (Fn. 212), § 165 Rn. 28 f.; Löwer (Fn. 215), Art. 9 Rn. 23. Diese Auffassung ist allerdings abzulehnen und der Weg über Art. 19 Abs. 3 GG vorzuziehen. Höfling (Fn. 212), Art. 9 Rn. 27, weist zu Recht darauf hin, dass der direkte Rückgriff auf Art. 9 Abs. 1 GG mit der Konzeption des Grundrechtssystems nicht vereinbar sei. Dieses unterscheide ausdrücklich zwischen Individualgrundrechten und der Erstreckung auf juristische Personen. Eine solche sei nur über die Transformationsvorschrift des Art. 19 Abs. 3 GG möglich, sodass sich auch nur auf diesem Weg differenziert beantworten lasse, welche Außenaktivität des Vereins über bestimmte Grundrechte geschützt sei. Dieser Argumentation ist zuzustimmen. So auch W. Schmidt, Die Vereinigungsfreiheit von Vereinigungen als allgemeine Eingriffsfreiheit, in: O. Triffterer/F. v. Zezschwitz (Hrsg.), Festschrift für Walter Mallmann, 1978, S. 233 ff.; Neumann, Freiheitsgefährdung (Fn. 136), S. 10 f.; R. Scholz, in: T. Maunz/G. Dürig (Hrsg.), GG, Art. 9 (1999), Rn. 25, der anmerkt, die Rechtsstellungsgarantie des Art. 19 Abs. 3 könne gleichsam als Verlängerung der Garantien des Art. 9 gelten; H. Ridder, in: E. Denninger u. a. (Hrsg.), AK-GG, 3. Aufl. 2001, Art. 9 Abs. 2 (2001), Rn. 20; Rinken (Fn. 216), Art. 9 Abs. 1 Rn. 55; M. Sachs, in: Stern, Staatsrecht IV/1 (Fn. 85), S. 1326; J. Isensee, Das Grundrecht als Abwehrrecht und als staatliche Schutzpflicht, in: HStR3 IX, § 199
B. Die freien Träger der Kinder- und Jugendhilfe
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der freien Jugendhilfe unabhängig von der Frage, ob es sich um eine natürliche oder juristische Person handelt. cc) Die freien Träger und die Berufsfreiheit im Sinne des Art. 12 Abs. 1 GG Für die vorliegende Untersuchung der Voraussetzungen einer Einbindung privater Akteure im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe ist insbesondere auch die Berufsfreiheit im Sinne des Art. 12 Abs. 1 GG von Bedeutung. Hier drängt sich die Frage auf, ob bestimmte Voraussetzungen, die an die freien Träger gestellt werden, diese in ihrem Grundrecht auf Berufsfreiheit verletzen könnten bzw. wie der Gesetzgeber das Grundrecht auf Berufsfreiheit im Rahmen der Aufstellung der Kriterien entsprechend berücksichtigt. Um dies festzustellen, muss allerdings zunächst untersucht werden, ob die Berufsfreiheit im Sinne des Art. 12 Abs. 1 GG vorliegend überhaupt einschlägig ist. (1) Der Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG Art. 12 Abs. 1 GG schützt als einheitliches Grundrecht die Berufswahl sowie die Berufsausübung gleichermaßen218. Maßgeblich für die Zuordnung einer Tätigkeit in den Schutzbereich ist der Begriff des Berufs. Dieser Berufsbegriff im Sinne des Art. 12 Abs. 1 GG umfasst dabei jede Tätigkeit, die auf Dauer angelegt ist und der Schaffung sowie der Erhaltung der Lebensgrundlage dient219. Gemeint ist dabei jede auf Erwerb ausgerichtete Beschäftigung220. Damit von der Schaffung einer Lebensgrundlage gesprochen werden kann, wird eine Gewinnerzielungsabsicht verlangt221. Der Begriff ist allerdings aus Gründen der EffektiRn. 103 ff.; M. Kemper, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG I (Fn. 24), Art. 9 Abs. 1 Rn. 62. 218 Nahezu einhellige Auffassung, siehe BVerfGE 7, 377 (402); 9, 338 (344 f.); 17, 269 (276); 95, 193 (214); BVerwGE 35, 146 (148); Dietlein, Staatsrecht (Fn. 217), S. 1770; R. Breuer, Freiheit des Berufs, in: HStR3 VIII, § 170 Rn. 56; J. A. Kämmerer, in: v. Münch/Kunig, GG I (Fn. 215), 6. Aufl. 2012, Art. 12 Rn. 24; R. Scholz, in: T. Maunz/G. Dürig (Hrsg.), GG, Art. 12 (2006), Rn. 22 ff.; M. Nolte, in: Stern/Becker, Grundrechte-Kommentar (Fn. 217), Art. 12 Rn. 5; H. D. Jarass, in: ders./Pieroth, GG (Fn. 72), Art. 12 Rn. 1a; T. Mann, in: Sachs, GG (Fn. 10), Art. 12 Rn. 14. Anderer Ansicht bspw. J. Lücke, Die Berufsfreiheit, 1994, S. 8 ff., der aufgrund des eindeutigen Wortlautes des Art. 12 Abs. 1 GG zwischen der Freiheit der Berufswahl und der Freiheit der Berufsausübung trennen will. 219 Allgemeine Auffassung, vgl. BVerfGE 7, 377 (397 ff.); 54, 301 (313); 68, 272 (281); 97, 228 (252); 105, 252 (265); 110, 304 (321); 115, 276 (300); Dietlein, Staatsrecht (Fn. 217), S. 1789; Kämmerer (Fn. 218), Art. 12 Rn. 15; J. Wieland, in: Dreier, GG I (Fn. 17), Art. 12 Rn. 36; T. Mann (Fn. 218), Art. 12 Rn. 45; Jarass (Fn. 218), Art. 12 Rn. 5. 220 Siehe statt vieler nur BVerfGE 97, 228 (253); Jarass (Fn. 218), Art. 12 Rn. 5. 221 Dietlein, Staatsrecht (Fn. 217), S. 1796, der die Gewinnerzielungsabsicht als wenig umstrittene Essentiale des Berufsbegriffs bezeichnet; M. Ruffert, in: Epping/Hillgru-
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§ 6 Untersuchung ausgewählter Bereiche
vität des Grundrechtsschutzes insgesamt offen und weit zu verstehen und nicht an traditionellen Berufsbildern orientiert, sondern umfasst auch neu geschaffene oder gefundene Berufe222. Dass eine Bewertung in der Form stattfindet, dass hinterfragt wird, ob eine Tätigkeit sinnvoll ist, erscheint unter dem Eindruck des weiten Begriffsverständnisses zweifelhaft223. Im Ergebnis ist der sachliche Schutzbereich der Berufsfreiheit also denkbar weit auszulegen. Geschützt sind auf persönlicher Seite durch Art. 12 Abs. 1 GG ausweislich des Normwortlautes zunächst einmal alle Deutschen im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG. Aufgrund der Regelung in Art. 19 Abs. 3 GG sind aber auch inländische juristische Personen sowie Personenvereinigungen des Privatrechts erfasst, da Art. 12 Abs. 1 GG dem Wesen nach auch auf diese anwendbar ist224. Bei Vereinen – die in der Kinder- und Jugendhilfe oftmals als Träger auftreten werden – gilt dies allerdings nur dann, wenn die Führung eines Geschäftsbetriebes zu den satzungsmäßigen Vereinszwecken gehört225. Dementsprechend sind auch die Träger der freien Jugendhilfe vom Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG erfasst, wenn diese ihrer Satzung entsprechend einen Geschäftsbetrieb führen. (2) Die Anwendbarkeit des Art. 12 Abs. 1 GG auf die freien Träger Es stellt sich aufgrund der Einschränkung auf solche Vereine, zu deren satzungsmäßigen Aufgaben die Führung eines Geschäftsbetriebes gehört, die Frage, inwieweit Träger, die als gemeinnützige Vereine agieren, in den persönlichen Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG fallen. Diese weisen – anders als frei-gewerbliche Träger – aufgrund ihrer Gemeinnützigkeit gerade keine Gewinnerzielungsabsicht auf. Diese Unterscheidung spielt insbesondere auch mit Blick auf die Regelungen zur Förderung und Anerkennung in den §§ 74, 75 SGB VIII eine ber, GG (Fn. 53), Art. 12 Rn. 42. Kritisch zum Merkmal der Gewinnerzielungsabsicht aber Depenheuer, Finanzierung (Fn. 205), S. 112 f.; Neumann, Freiheitsgefährdung (Fn. 136), S. 12. 222 BVerfGE 7, 377 (397); 54, 301 (313); BVerwG, JZ 1995, S. 93 (95); M. Ruffert (Fn. 221), Art. 12 Rn. 41; Jarass (Fn. 218), Art. 12 Rn. 5. Dietlein, Staatsrecht (Fn. 217), S. 1788 spricht in diesem Zusammenhang passend von einem „Berufserfindungsrecht“. 223 So aber BVerfGE 7, 377 (397); 14, 19 (22); G. Manssen, in: v. Mangoldt/Klein/ Starck, GG I (Fn. 24), Art. 12 Abs. 1 Rn. 10; ebenfalls mit Zweifeln an dieser Auffassung M. Gubelt, in: I. v. Münch/P. Kunig (Hrsg.), GG I, 5. Aufl. 2000, Art. 12 Rn. 10; Dietlein, Staatsrecht (Fn. 217), S. 1796; in Gänze gegen dieses Kriterium spricht sich A. Bleckmann, Staatsrecht II – Die Grundrechte, 4. Aufl. 1997, S. 996 ff. aus. 224 BVerfGE 102, 197 (212 f.); 115, 205 (229); 126, 112 (136); BVerwGE 75, 109 (114); 97, 12 (23); P. J. Tettinger, Das Grundrecht der Berufsfreiheit in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, in: AöR 108 (1983), S. 92 (104 f.); P. Badura, Die Unternehmensfreiheit der Handelsgesellschaften, in: DÖV 1990, S. 353 (356); Dietlein, Staatsrecht (Fn. 217), S. 1832; Ruffert (Fn. 221), Art. 12 Rn. 38; Jarass (Fn. 218), Art. 12 Rn. 13; Manssen (Fn. 223), Art. 12 Abs. 1 Rn. 268; a. A. bspw. H. Rittstieg, in: E. Denninger u. a. (Hrsg.), AK-GG, 3. Aufl. 2001, Art. 12 (2001), Rn. 158. 225 Ruffert (Fn. 221), Art. 12 Rn. 38; Jarass (Fn. 218), Art. 12 Rn. 6.
B. Die freien Träger der Kinder- und Jugendhilfe
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Rolle, da dort ein gemeinnütziges Tätigwerden zwingend erforderlich ist. Es stellt sich daher die Frage, inwieweit Art. 12 Abs. 1 GG dem Wesen nach auch auf gemeinnützige Träger anwendbar ist. Teilweise wird die Grundrechtsträgerschaft gemeinnütziger Vereine im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 GG mit dem Hinweis darauf, dass diese schon per definitionem keine berufliche Tätigkeit ausübten, pauschal abgelehnt226. Dies wird damit begründet, dass Art. 12 Abs. 1 GG eine Tätigkeit voraussetzt, die Erwerbszwecken dient, was einem gemeinnützigen Tätigwerden grundlegend widerspreche227. Die Ablehnung der Grundrechtsträgerschaft gemeinnütziger Vereine überzeugt in dieser Pauschalität allerdings nicht. Vielmehr ist bei gemeinnützigen Vereinen eine genaue Differenzierung erforderlich. So hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass bei gemeinnützigen Rechtssubjekten, die nicht mit Gewinnerzielungsabsicht tätig werden dürfen, für die Anwendung des Art. 12 Abs. 1 GG ein „ökonomischer Grundbezug“ ausreichend sei, da die fehlende Gewinnerzielungsabsicht nichts daran ändere, dass die Tätigkeit in der Regel zumindest geschäftsmäßig und kostendeckend ausgerichtet sei228. Auch diese Entscheidung differenziert im Ergebnis allerdings nicht ausreichend. Es muss unterschieden werden zwischen den eigentlichen gemeinnützigen Tätigkeiten eines gemeinnützigen Vereins und solchen, die Erwerbszwecken dienen229. Dabei muss bei der jeweiligen Tätigkeit im Einzelfall festgestellt werden, ob eine einer natürlichen Person vergleichbare grundrechtstypische Gefährdungslage gegeben ist. Bezüglich der eigentlichen satzungsmäßigen Tätigkeiten eines gemeinnützigen Vereins muss eine Anwendung des Art. 12 Abs. 1 GG aufgrund fehlender Gewinnerzielungsabsicht richtigerweise ausscheiden230. Insoweit ist 226 So bspw. BGHZ 142, 304 (313); Dietlein, Staatsrecht (Fn. 217), S. 1798; Wieland (Fn. 219), Art. 12 Rn. 42; Manssen (Fn. 223), Art. 12 Abs. 1 Rn. 41. So bereits früh auch O. Bachof/D. H. Scheuing, Krankenhausfinanzierung und Grundgesetz, 1971, S. 63 f., die eine Einschlägigkeit des Art. 12 Abs. 1 GG für Träger freigemeinnütziger Träger ablehnten, da diese nicht der Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlage dienten. Diese Auffassung gaben sie aber bereits 1979 in Ansehung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wieder auf und erklärten Art. 12 Abs. 1 GG auch in dem Fall gemeinnütziger Trägerschaft für einschlägig; siehe dazu dies., Verfassungsrechtliche Probleme der Novellierung des Krankenhausfinanzierungsgesetzes, 1979, S. 14 ff. 227 Dietlein, Staatsrecht (Fn. 217), S. 1799, der feststellt, dass eine auf Erwerb ausgerichtete Tätigkeit „dem Zweck von gemeinnützigen Vereinen diametral entgegensteht.“ 228 Siehe BVerwG, JZ 1995, S. 93 (95). So auch OVG Lüneburg, NVwZ-RR 2010, S. 850 (850). Kritisch dazu allerdings J. Wieland, Anmerkung zu BVerwG, Urt. v. 22.12.1993 – 11 C 46.92, JZ 1995, S. 96 (97), der einen ökonomischen Grundbezug nicht für ausreichend erachtet, um eine Tätigkeit als Beruf im Sinne des Art. 12 Abs. 1 GG anzusehen. Geschützt sei eben nicht die bloße wirtschaftliche Betätigung, vorausgesetzt sei vielmehr eine Erwerbszwecken dienende Tätigkeit. 229 Zu dieser Unterscheidung v. a. auch Jarass (Fn. 218), Art. 12 Rn. 6. 230 So für diese Fälle auch H. D. Jarass, Grundrechtliche Vorgaben für die Zulassung von Lotterien gemeinnütziger Einrichtungen, in: DÖV 2000, S. 753 (755); ders. (Fn. 218), Art. 12 Rn. 6.
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§ 6 Untersuchung ausgewählter Bereiche
also den Stimmen, die eine Anwendung des Art. 12 Abs. 1 GG in Gänze ablehnen, zuzustimmen. Andererseits sollten erwerbsmäßige Tätigkeiten gemeinnütziger Vereine aber dann in den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG fallen, wenn diese zwar auf Gewinnerzielung angelegt sind, aber die erzielten Gewinne lediglich zu gemeinnützigen Zwecken verwandt werden sollen231. Dabei muss darüber hinaus Berücksichtigung finden, dass sich die gemeinnützigen Träger auf einem Markt mit den freien gewerblichen Trägern befinden232. Dementsprechend befinden sich die gemeinnützigen Träger in diesen Fällen auch in einer den gewerblichen Trägern vergleichbaren Gefährdungslage. Es ist nicht ersichtlich, wieso die gemeinnützigen Träger im Rahmen von solchen Tätigkeiten insofern benachteiligt werden sollten, als dass sie sich nicht auf Art. 12 Abs. 1 GG berufen können sollten. Das Kriterium der Gewinnerzielungsabsicht kann nicht bedeuten, dass bei einer gemeinnützigen Verwendung des Gewinns, der eine Form des wirtschaftlichen Gewinnverzichts darstellt, der Grundrechtsschutz wegfällt233. Die besseren Gründe sprechen daher dafür, mit Blick auf die gemeinnützigen freien Träger zu differenzieren und im Einzelfall festzustellen, ob eine vergleichbare Situation vorliegt. Bei solchen Tätigkeiten, die Erwerbszwecken dienen und bei denen sich die gemeinnützigen Träger in einer den gewerblichen Trägern vergleichbaren Lage befinden, ist diesen das Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG zuzusprechen234. dd) Weitere die freien Träger betreffende Grundrechte Über die bereits dargestellten Grundrechte hinaus sind – je nach Art des freien Trägers – noch weitere Grundrechte zu dessen Gunsten einschlägig, die in der Folge allerdings nur im Überblick dargestellt werden sollen, da ihnen für die vor231 Jarass, Vorgaben (Fn. 230), S. 755; ders. (Fn. 218), Art. 12 Rn. 6. Dazu auch D. Voigt, Kostendeckende Tätigkeiten von Nonprofit-Organisationen unter dem Schutz des Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG?, in: GewArch. 2005, S. 56 (57 ff.), der dies damit begründet, dass bei juristischen Personen eine kostendeckende Tätigkeit gerade den Fortbestand der Existenz sichere und diese gerade keine einer natürlichen Person vergleichbaren persönlichen Lebensunterhaltungskosten im Sinne von Verbrauchskosten habe. So auch die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts, NJW 2002, S. 2091 (2091), die feststellt, dass eine tatsächliche Gewinnerzielung nicht vorausgesetzt werde, sondern lediglich eine erwerbsmäßige Tätigkeit erforderlich sei. 232 OVG Lüneburg NVwZ-RR 2010, S. 850 (850); F. Gerlach/K. Hinrichs, Sozialraumorientierung und Sozialraumbudgetierung – Das „Osnabrücker Modell“, in: ZKJ 2010, S. 344 (348). 233 So zutreffend Depenheuer, Finanzierung (Fn. 205), S. 113; Neumann, Freiheitsgefährdung (Fn. 136), S. 12, der festhält, dass sich kein Maßstab feststellen lasse, ab wann ein Gewinnverzicht dann zu einem Wegfall des Grundrechtsschutzes führen würde. 234 So im Ergebnis auch Neumann, Freiheitsgefährdung (Fn. 136), S. 12; Jarass, Vorgaben (Fn. 230), S. 755; Voigt, Tätigkeiten (Fn. 231), S. 60; Gerlach/Hinrichs, Sozialraumorientierung (Fn. 232), S. 348; Jarass (Fn. 218), Art. 12 Rn. 6. Für eine umfassende Anwendung von Art. 12 Abs. 1 GG auf gemeinnützige Träger – allerdings ohne nähere Begründung – Kern (Fn. 120), § 3 Rn. 9.
B. Die freien Träger der Kinder- und Jugendhilfe
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liegende Untersuchung der gestellten Voraussetzungen nicht die gleiche Bedeutung zuteilwird wie beispielsweise Art. 9 Abs. 1 GG und Art. 12 Abs. 1 GG. Zunächst gilt dies vor allem für die Religionsfreiheit aus Art. 4 Abs. 1, 2 GG235. Diese kann – mit Ausnahme der Gewissensfreiheit236 – dem Wesen nach gemäß Art. 19 Abs. 3 GG auch auf juristische Personen angewandt werden237. In diesem Zusammenhang hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass die nicht nur für Kirchen oder Religionsgemeinschaften gilt, sondern auch für solche Vereinigungen, die sich nicht allseitig, sondern nur partiell der Pflege des religiösen Lebens widmen238, dementsprechend also vor allem für religiöse Vereine239. Dies gilt vor allem auch für solche Vereinigungen, die einen karitativen Zweck haben, sodass Art. 4 Abs. 1, 2 GG für freie Träger mit einem religiösen Bezug Bedeutung erlangen kann240. Neben Art. 4 Abs. 1, 2 GG, der bei den freien Trägern aufgrund des Tätigkeitsfeldes im karitativen Bereich noch von gesteigerter Bedeutung sein wird, können sich die freien Träger auch auf andere Grundrechte berufen, die generell dem Wesen nach auf juristische Personen anwendbar sind, beispielsweise auf die Meinungsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 S. 1 1. Alt. GG241 oder die Eigentumsfrei-
235 Bei Art. 4 GG handelt es sich nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts um ein einheitliches Grundrecht der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit (Abs. 1) und der Religionsausübung (Abs. 2), da letztere bereits in der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit enthalten sei und es sich insofern um eine deklaratorische Nennung in Abs. 2 handle, vgl. dazu BVerfGE 24, 236 (245 f.); 108, 282 (297). In der Literatur ist diese Auffassung des Gerichts nicht unumstritten, vgl. zu diesem Problem nur Kokott (Fn. 89), Art. 4 Rn. 12 ff. m.w. N. 236 Diese ist nach überwiegender Auffassung dem Wesen nach grade nicht auf juristische Personen anwendbar, vgl. statt vieler S. Mückl, in: W. Kahl/C. Waldhoff/C. Walter (Hrsg.), BK, Art. 4 (2008), Rn. 63; Starck (Fn. 89), Art. 4 Rn. 74; Morlok (Fn. 89), Art. 4 Rn. 105; Kokott (Fn. 89), Art. 4 Rn. 10. 237 BVerfGE 46, 73 (83); Neumann, Freiheitsgefährdung (Fn. 136), S. 14; Starck (Fn. 89), Art. 4 Rn. 75; Morlok (Fn. 89), Art. 4 Rn. 104 ff.; Kokott (Fn. 89), Art. 4 Rn. 10. Die Frage, inwieweit auch bei Religionsgemeinschaften eine Anwendung über Art. 19 Abs. 3 GG erforderlich ist oder eine direkte Anwendung von Art. 4 Abs. 1, 2 GG möglich erscheint, soll vorliegend nicht näher erläutert werden. Vgl. dazu die Ausführungen bei Dreier (Fn. 201), Art. 19 III Rn. 89 ff., der es für überzeugender erachtet, bei allen Grundrechten den Weg über Art. 19 Abs. 3 GG zu wählen (Rn. 92). Siehe dazu aber auch den Osho-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts, BVerfGE 105, 279 (293), in dem das Gericht ebenfalls den Weg über Art. 19 Abs. 3 GG wählt. 238 BVerfGE 24, 236 (246 f.). 239 Vgl. zum Unterschied zwischen Religionsgemeinschaften und religiösen Vereinen bereits die Ausführungen im Rahmen des Religionsunterrichts auf S. 138 ff. 240 BVerfGE 70, 138 (161), bezeichnet die Erfüllung karitativer Aufgaben als Grundforderung des religiösen Bekenntnisses; Neumann, Freiheitsgefährdung (Fn. 136), S. 14 f. 241 Auf die Anwendung des Art. 5 Abs. 1 GG weist beispielsweise Münder (Fn. 123), § 3 Rn. 9 hin. Zur Anwendung der Meinungsfreiheit auf juristische Personen vgl. statt vieler nur H. Schulze-Fielitz, in: Dreier , GG I (Fn. 17), Art. 5 I, II Rn. 116.
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§ 6 Untersuchung ausgewählter Bereiche
heit im Sinne des Art. 14 Abs. 1 GG242. Diese weisen allerdings keinen spezifischen Bezug zur vorliegenden Untersuchung auf und sollen daher keine weitergehende Beachtung finden. ee) Überblick über die einschlägigen Grundrechte Zusammenfassend zeigt sich also, dass sich die freien Träger – richtigerweise über Art. 19 Abs. 3 GG – neben der allgemeinen Handlungsfreiheit in der Ausprägung eines Rechts auf karitative Betätigung auf eine Reihe von speziellen Freiheitsrechten berufen können. Dabei fällt vor allem die Berufsfreiheit im Sinne des Art. 12 Abs. 1 GG ins Auge. Diese schützt im Ergebnis nicht nur die frei-gewerblichen Träger, sondern auch die frei-gemeinnützigen, zumindest in den Fällen, in denen diese sich in einer vergleichbaren Gefährdungslage befinden, beispielsweise dann, wenn sie sich auf einem Markt mit den frei-gewerblichen Trägern befinden und sie aufgrund dessen des gleichen Schutzes bedürfen. Die Berufsfreiheit hat dabei auch den größten Einfluss auf die Voraussetzungen, die an die freien Träger gestellt werden, und muss bei der Kollision mit den grundrechtlichen Interessen der Leistungsberechtigten besonders berücksichtigt werden. Daneben sind gegebenenfalls auch die Grundrechte aus Art. 4 Abs. 1, 2, Art. 5 Abs. 1, Art. 9 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG zu berücksichtigen. b) Der grundrechtliche Schutz der Leistungsberechtigten Den freien Trägern stehen die Kinder und Jugendlichen bzw. deren Eltern als Leistungsberechtigte und gleichfalls Grundrechtsberechtigte im Dreiecksverhältnis gegenüber243. Gerade deren grundrechtliche Ansprüche sind für die vorliegende Untersuchung insoweit von besonderer Bedeutung, als dass sie die Voraussetzungen, die an freie Träger gestellt werden, maßgeblich beeinflussen. Im Mittelpunkt steht dabei vor allem Art. 6 Abs. 2 S. 1 und 2 GG, dessen genauer Grundrechtsgehalt und die daraus resultierenden Verpflichtungen der verschiedenen Beteiligten daher in der Folge näher geprüft werden sollen. Daneben ergeben sich auf Seiten der Kinder aber noch weitere Aspekte, die Berücksichtigung finden sollen. aa) Art. 6 Abs. 2 GG: Elterngrundrecht, Kindergrundrecht und staatliches „Wächteramt“ Zunächst sollen der Art. 6 Abs. 2 GG und die darin enthaltenen Rechte und Pflichten der verschiedenen Beteiligten genauer untersucht werden. Art. 6 Abs. 2 GG ist die verfassungsrechtliche Grundnorm der Pflege und Erziehung von Kin242
Siehe dazu die Ausführungen bei Neumann, Freiheitsgefährdung (Fn. 136), S. 13 f. Instruktiv zum jugendhilferechtlichen Dreiecksverhältnis bei der Inanspruchnahme einer Leistung durch einen Träger der freien Jugendhilfe H. Schindler/E. Elmauer, in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII (Fn. 111), § 5 Rn. 18. 243
B. Die freien Träger der Kinder- und Jugendhilfe
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dern und damit des Bereiches der Kinder- und Jugendhilfe. Dabei enthält Art. 6 Abs. 2 GG Teilgehalte, die sich an die Eltern, die Kinder selbst und den Staat richten. Diese sollen in der Folge in der gebotenen Kürze skizziert werden. (1) Das Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG legt ausdrücklich fest, dass Pflege und Erziehung der Kinder das natürliche Recht der Eltern sind und gleichzeitig die zuerst ihnen obliegende Pflicht. Die Vorschrift enthält folglich sowohl ein Grundrecht der Eltern auf Pflege und Erziehung der Kinder, dem korrespondierend aber auch eine gleichlautende Elternpflicht244. Das macht das Elternrecht zu einem verfassungsrechtlich komplexen Konstrukt, da die Verpflichtung zur Pflege und Erziehung keine Beschränkung des Elternrechtes darstellt, sondern als so genannte Elternverantwortung „wesensbestimmender Bestandteil“ dieses Grundrechts ist245. Aus dieser Verantwortung ergibt sich gleichzeitig auch, dass es mit Blick auf das Elterngrundrecht keine negative Freiheit geben kann, da diese der elterlichen Pflicht zuwiderlaufen würde246. Auf positiver Seite umfasst das Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 GG in umfassender Hinsicht die elterliche Verantwortung für die Lebens- und Entwicklungsbedingungen des Kindes247. Dabei schützt das Elternrecht in seiner Funktion als klassisches Freiheitsrecht (im Sinne eines Abwehrrechts gegenüber dem Staat) die Eltern vor staatlichen Einwirkungen auf Fragen der Pflege oder Erziehung248. Es ist aber zu berücksichtigen, dass es sich um ein fremdnütziges und insofern dienendes Grundrecht zugunsten der Persönlichkeitsentwicklung der Kinder handelt249. Den Eltern wird dadurch aber unmissver-
244 M. Jestaedt, in: W. Kahl/C. Waldhoff/C. Walter (Hrsg.), BK, Art. 6 Abs. 2 und 3 (1995), Rn. 29; Brosius-Gersdorf (Fn. 73), Art. 6 Rn. 141. 245 BVerfGE 56, 363 (381 f.); 68, 176 (190); 72, 155 (172); Jestaedt (Fn. 244), Art. 6 Abs. 2 und 3 Rn. 29. 246 BVerfGE 24, 119 (143 f.); F. Ossenbühl, Das elterliche Erziehungsrecht im Sinne des Grundgesetzes, 1981, S. 51, spricht von einer Handlungspflicht; H. Hofmann, Grundpflichten und Grundrechte, in: HStR3 IX, § 195 Rn. 39; Jestaedt (Fn. 244), Art. 6 Abs. 2 und 3 Rn. 29; Stern, Staatsrecht IV/1 (Fn. 85), S. 510; M. Burgi, in: K. H. Friauf/ W. Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 6 (2007), Rn. 121; Brosius-Gersdorf (Fn. 73), Art. 6 Rn. 154, die in diesem Zusammenhang ebenfalls von einer Ausübungspflicht der Eltern spricht; H. D. Jarass, in: ders./Pieroth, GG (Fn. 72), Art. 6 Rn. 43. 247 Jestaedt (Fn. 244), Art. 6 Abs. 2 und 3 Rn. 103; W. Höfling, Elternrecht, in: HStR3 VII, § 155 Rn. 18; Jarass (Fn. 246), Art. 6 Rn. 42. 248 BVerfGE 61, 358 (371); Ossenbühl, Erziehungsrecht (Fn. 246), S. 43 f.; Jestaedt (Fn. 244), Art. 6 Abs. 2 und 3 Rn. 9; J. Isensee, Das Grundrecht als Abwehrrecht und staatliche Schutzpflicht, in: HStR3 IX, § 191 Rn. 39. 249 Brosius-Gersdorf (Fn. 73), Art. 6 Rn. 142. Dementsprechend tritt dieses Recht der Eltern auch zurück, wenn ein Kind die erforderliche eigene Grundrechtsreife und mithin das Ziel des elterlichen Erziehungsrechts erreicht hat, vgl. BVerfGE 59, 360 (387); E.-W. Böckenförde, Elternrecht – Recht des Kindes – Recht des Staates. Zur Theorie des
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§ 6 Untersuchung ausgewählter Bereiche
ständlich ein Vorrang bei der Erziehung ihrer Kinder eingeräumt, nicht nur im Verhältnis zum Staat, sondern auch im Verhältnis zu anderen privaten Miterziehern250 – wie hier im Verhältnis zu den freien Trägern der Jugendhilfe. Geschützt wird dieser Vorrang der Eltern weitergehend durch die objektivrechtliche Ausgestaltung des Elternrechts als wertentscheidende Grundsatznorm251 und Institutsgarantie252. Dementsprechend kommt den Eltern aufgrund ihrer Trägereigenschaft im Hinblick auf das Elterngrundrecht der bestimmende Einfluss auf die Entwicklung des Kindes zu, doch ist dieser insoweit eingeschränkt, als dass sich das Elternrecht maßgeblich am Interesse des Kindes und damit am Kindeswohl ausrichtet ist253. Für den Staat bedeutet das Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG einen verfassungsrechtlichen Ordnungs- und Ausgestaltungsauftrag, der in einer echten Gesetzgebungspflicht mündet und im Wege dessen er den Vorrang des elterlichen Erziehungsrechtes zwingend zu beachten hat254. (2) Das Kindergrundrecht aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG Obwohl das Kindeswohl im Mittelpunkt des Elternrechts steht und das Kind somit Begünstigter des Grundrechtes ist, sind primär die Eltern als Grundrechtsträger anerkannt. Die Frage, ob darüber hinaus auch den Kindern selbst ein Grundrecht aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG zukommt, wird nicht einheitlich beantwortet. Das Bundesverfassungsgericht hat ein solches Grundrecht des Kindes als Korrespondenz zum Elterngrundrecht ausdrücklich herausgestellt255. Begründet hat es diese Entscheidung mit dem maßgeblichen Einfluss der Eltern auf das Kind, welcher den Kern höchstpersönlicher Lebensentfaltung betreffe. Es folgert daraus, dass, wenn das Kind gerade auf diese Unterstützung der Eltern angewiesen ist, diesem auch ein Anspruch darauf zusteht. Aufgrund der beträchtlichen Einflussnahme auf die Persönlichkeitsentfaltung des Kindes sieht das Gericht eiverfassungsrechtlichen Elternrechts und seiner Auswirkung auf Erziehung und Schule, in: EssGespr. 14 (1980), S. 54 (67); Jestaedt (Fn. 244), Art. 6 Abs. 2 und 3 Rn. 138. 250 BVerfGE 24, 119 (143); 31, 194 (204); 47, 46 (70); Jestaedt (Fn. 244), Art. 6 Abs. 2 und 3 Rn. 95 ff. mit weiteren Ausführungen zum Primat der elterlichen Pflege und Erziehung im Verhältnis zum Staat und zu anderen privaten Miterziehern. 251 So BVerfGE 24, 119 (149); 37, 217 (240). Aus der Literatur bspw. Jestaedt (Fn. 244), Art. 6 Abs. 2 und 3 Rn. 10; Stern, Staatsrecht (Fn. 246), S. 512 f. 252 Statt vieler Jestaedt (Fn. 244), Art. 6 Abs. 2 und 3 Rn. 11 mit zahlreichen Nachweisen; Stern, Staatsrecht (Fn. 246), S. 511 f.; Brosius-Gersdorf (Fn. 73), Art. 6 Rn. 169. 253 BVerfGE 72, 122 (137); 103, 89 (107); 121, 68 (92); Jarass (Fn. 246), Art. 6 Rn. 45. Ausführlich zum Kindeswohl als „zentrale[r] Kategorie der Elternrechtsdogmatik“, Jestaedt (Fn. 244), Art. 6 Abs. 2 und 3 Rn. 32 ff. 254 BVerfGE 84, 168 (180); 92, 158 (178 f.); 121, 69 (94); Jestaedt (Fn. 244), Art. 6 Abs. 2 und 3 Rn. 12; Höfling (Fn. 247), § 155 Rn. 23 ff.; Brosius-Gersdorf (Fn. 73), Art. 6 Rn. 166; Jarass (Fn. 246), Art. 6 Rn. 51, der aber festhält, dass die Ausgestaltung dann konsequenterweise keinen Grundrechtseingriff darstellt. 255 BVerfGE 121, 69 (93).
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nen engen Zusammenhang zwischen dem Grundrecht des Kindes aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG und seinem Grundrecht auf Schutz der Persönlichkeit aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG. Dieser Auffassung, dass sich aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG ein eigenes Grundrecht des Kindes ableiten lässt, sind in der Literatur einige Stimmen gefolgt256. Teilweise wird ein eigenes Grundrecht des Kindes aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG allerdings auch abgelehnt257. Begründet wird dies unter anderem damit, dass sich ein Pflege- und Erziehungsanspruch des Kindes aus anderen Grundrechten wie dem Persönlichkeitsrecht in Art. 2 Abs. 1 GG i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG oder dem Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG ergebe und die Tatsache, dass das Kind durch das Elternrecht in Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG begünstigt ist, nicht bedeute, dass diesem daraus auch ein eigenes Grundrecht erwachse258. Teilweise wird ein solcher Anspruch des Kindes aber auch aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V. m. Art. 6 Abs. 2 GG hergeleitet259. Die Frage der dogmatischen Herleitung des Pflege- und Erziehungsanspruchs des Kindes ist vor allem mit Blick auf die Einschränkbarkeit von Bedeutung260. Das Grundrecht aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG unterliegt zumindest keinem klassischen Gesetzesvorbehalt261, wohingegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht und das Recht auf körperliche Unversehrtheit lediglich einem einfachen Gesetzesvorbehalt unterliegen. Die Argumentation des Bundesverfassungsgerichts überzeugt insofern, als dass sie das Zusammenspiel von Eltern und Kindern bei der Wahr-
256 Bspw. N. Adelmann, Bundesverfassungsgericht schafft „Kindergrundrecht“ in: JAmt 2008, S. 289 (292 f.); C. Hohmann-Dennhardt, Kindeswohl und Elternrecht – Rechtsverhältnis von Eltern und Kindern, in: FPR 2008, S. 476 (477); A. Altrogge, Das Urteil des BVerfG zur zwangsweise Durchsetzung der Umgangspflicht und die Ordnungsmittel des FamFG, in: FPR 2009, S. 34 (36); B. Pieroth, in: H. D. Jarass/ders., GG, 11. Aufl. 2011, Art. 6 Rn. 41; H. F. Voet, Zur Verfassungsmäßigkeit einer allgemeinen Kindergartenpflicht im letzten Jahr vor dem Eintritt in die Grundschule, 2011, S. 171 ff.; C. v. Coelln, in: Sachs, GG (Fn. 10), Art. 6 Rn. 68. 257 So bspw. P. Badura, in: T. Maunz/G. Dürig (Hrsg.), GG, Art. 6 (2013), Rn. 94; Brosius-Gersdorf (Fn. 73), Art. 6 Rn. 152; G. Britz, Das Grundrecht des Kindes auf staatliche Gewährleistung elterlicher Pflege und Erziehung – jüngere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, in: JZ 2014, S. 1069 (1070); Jarass (Fn. 246), Art. 6 Rn. 48; G. Robbers, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG I (Fn. 24), Art. 6 Abs. 2 Rn. 182. 258 So zum Beispiel die Argumentation bei Brosius-Gersdorf (Fn. 73), Art. 6 Rn. 152, die darüber hinaus darauf hinweist, dass man auch in anderen Bereichen nicht aus einer Begünstigung durch grundrechtlichen Freiheitsgebrauch auf ein korrespondierendes Grundrecht des Begünstigten schließe. 259 Jarass (Fn. 246), Art. 6 Rn. 48, unter Hinweis auf BVerfGE 133, 59 (74); 135, 48 (84 f.). 260 So auch Brosius-Gersdorf (Fn. 73), Art. 6 Rn. 152. 261 So Stern, Staatsrecht (Fn. 246), S. 586. Zur umstrittenen Frage, ob es sich beim „Wächteramt“ des Staates aus Art. 6 Abs. 2 S. 2 GG um einen qualifizierten Gesetzesvorbehalt handelt, sogleich.
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nehmung ihrer Grundrechte berücksichtigt. Das Elternrecht als Grundrecht gegenüber dem Staat trägt gerade der Tatsache Rechnung, dass das Kind in jungen Jahren noch nicht selbst Verantwortung für sich tragen kann262. So ist es konsequent, dem Kind auch das Recht zuzusprechen, verlangen zu können, dass seine Eltern die Verantwortung übernehmen. Dies entspricht auch dem Komplementärcharakter von Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG, der den Eltern das Recht nur insoweit zugesteht, als das Kind „mangels Einsichts- und Urteilsfähigkeit zur eigenverantwortlichen Lebensgestaltung und Freiheitsausübung noch nicht in der Lage ist“ 263. Es ist nicht nachvollziehbar, das Kind auf den aufgrund der leichteren Einschränkbarkeit schwächeren Schutz durch Art. 2 Abs. 1 GG i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG bzw. Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG zu verweisen. Im Ergebnis ist es schlüssiger, auch dem Kind einen grundrechtlichen Anspruch aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG zuzusprechen. (3) Das staatliche „Wächteramt“ aus Art. 6 Abs. 2 S. 2 GG Nachdem die grundrechtlichen Ansprüche der Eltern und der Kinder aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG herausgearbeitet worden sind, soll auch das „Wächteramt“ des Staates aus Art. 6 Abs. 2 S. 2 GG in der gebotenen Kürze dargestellt werden. Diese Regelung verdeutlicht erneut die dogmatische Komplexität des Elternrechtes in Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG264. Das „Wächteramt“ bestimmt, dass über die Ausübung des Elternrechtes die staatliche Gemeinschaft wacht265. Dadurch wird der Staat berechtigt und gleichzeitig in schweren Fällen auch verpflichtet, zugunsten des schutzbedürftigen Kindes einzuschreiten, wenn das Elternrecht nicht dem Kindeswohl entsprechend ausgeübt wird266. Dies umfasst als logische Konsequenz auch eine vorgelagerte Aufsicht über die Ausübung des Elternrechts267. Nicht unumstritten ist die Frage, wie das „Wächteramt“ des Staates grundrechtsdogmatisch einzuordnen ist, genauer, ob es sich dabei um einen qualifizierten Gesetzesvorbehalt handelt oder ob das Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG vorbehaltlos gewährleistet und nur aufgrund von verfassungsimmanenten Schran-
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BVerfGE 121, 69 (93). Zu dieser Komplementarität des Elternrechtes zur Urteilsfähigkeit des Kindes siehe Jestaedt (Fn. 244), Art. 6 Abs. 2 und 3 Rn. 31. 264 Umfassend zur Dogmatik des Art. 6 Abs. 2 GG und insbesondere zum staatlichen „Wächteramt“ in Art. 6 Abs. 2 S. 2 GG B. Jeand’Heur, Verfassungsrechtliche Schutzgebote zum Wohl des Kindes und staatliche Interventionspflichten aus der Garantienorm des Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG, 1993. 265 Zum Ursprung der eigentümlichen Verwendung des Begriffs „Wachen“ an Stelle des gebräuchlicheren Begriffs der „Aufsicht“ siehe Stern, Staatsrecht (Fn. 246), S. 586. Ossenbühl, Erziehungsrecht (Fn. 246), S. 67, spricht mit Blick auf die Formulierung von einer „verunglückte[n] Fassung“. 266 BVerfGE 24, 119 (144); 60, 79 (88); v. Coelln (Fn. 256), Art. 6 Rn. 76; Jarass (Fn. 246), Art. 6 Rn. 56. 267 v. Coelln (Fn. 256), Art. 6 Rn. 76. 263
B. Die freien Träger der Kinder- und Jugendhilfe
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kenvorbehalten einschränkbar ist268. Die genaue dogmatische Einordnung der Vorschrift ist für die hier vorliegende Untersuchung allerdings von untergeordneter Bedeutung und soll daher nicht näher beleuchtet werden. Relevant ist an dieser Stelle lediglich die Feststellung, dass Art. 6 Abs. 2 S. 2 GG den Staat verpflichtet, über die Erziehung des Kindes zu wachen und dabei das Kindeswohl in den Mittelpunkt stellt269. Aus dieser Verpflichtung erwächst allerdings kein eigenständiger Erziehungsauftrag des Staates270. Vielmehr lässt sich aus dem Wächteramt eine staatliche „Erziehungsreserve“ ableiten, die den Staat nur in dem Maße zum Eingreifen ermächtigt, wie das Erziehungsdefizit der Eltern reicht271. Der Staat soll nur dort eingreifen, wo das Wohl des Kindes durch die Eltern nicht mehr gewährleistet wird. Die strikte Ausrichtung des staatlichen Eingriffs am Kindeswohl rechtfertigt eine Einordnung des „Wächteramtes“ als staatliche Schutzpflicht272. Dieser Schutzpflicht wird der Staat vor allem in Form einer Missbrauchsaufsicht gerecht273, aber auch durch gesetzgeberische Tätigkeiten. So sind die Regelungen des SGB VIII als Ausgestaltung dieser Schutzpflicht anzusehen274. 268 Siehe zur schwierigen Frage der Einordnung des Art. 6 Abs. 2 S. 2 GG die Ausführungen bei Stern, Staatsrecht (Fn. 246), S. 586; Höfling (Fn. 247), § 155 Rn. 53. 269 Sachs, Staatsrecht (Fn. 217), S. 587, der herausstellt, dass das Kindeswohl das „Richtmaß jeder Einwirkung“ sei; Jarass (Fn. 246), Art. 6 Rn. 56; Robbers (Fn. 257), Art. 6 Abs. 2 Rn. 242. 270 So zutreffend v. Coelln (Fn. 256), Art. 6 Rn. 76. In diesem Sinne auch Isensee (Fn. 248), § 191 Rn. 40: „Das staatliche Wächteramt ist kein Medium staatlicher Erziehung, sondern ein Medium der Gefahrenvorsorge, der Gefahrenabwehr, der Schadensbehebung.“ Zu diesen Erscheinungsformen des „Wächteramtes“ auch Jestaedt (Fn. 244), Art. 6 Abs. 2 und 3 Rn. 183 ff. Anders aber Brosius-Gersdorf (Fn. 73), Art. 6 Rn. 175, die ein „subsidiäres Pflege- und Erziehungsmandat“ beim Staat sieht. 271 Ossenbühl, Erziehungsrecht (Fn. 246), S. 68; v. Coelln (Fn. 256), Art. 6 Rn. 76. 272 BVerfGE 24, 119 (144); 55, 171 (179); 60, 79 (88); 72, 122 (134); Ossenbühl, Erziehungsrecht (Fn. 246), S. 68 f.; A. Schmitt-Kammler, Elternrecht und schulisches Erziehungsrecht nach dem Grundgesetz, 1983, S. 25; Jeand’Heur, Schutzgebote (Fn. 264), S. 84 ff.; Jestaedt (Fn. 244), Art. 6 Abs. 2 und 3 Rn. 175; Stern, Staatsrecht (Fn. 246), S. 589; Isensee (Fn. 248), § 191 Rn. 40; Robbers (Fn. 257), Art. 6 Abs. 2 Rn. 241. Zur weitergehenden Frage, inwieweit sich der Staat auch im Rahmen seines Wächteramtes Privater bedienen darf, siehe Jestaedt (Fn. 244), Art. 6 Abs. 2 und 3 Rn. 182. Dazu auch Brosius-Gersdorf (Fn. 73), Art. 6 Rn. 189, die feststellt, dass in einem solchen Fall dem Verzicht auf die Erfüllungsverantwortung eine Gewährleistungsverantwortung korrespondiert. 273 F. Ossenbühl, Schule im Rechtsstaat, in: DÖV 1977, S. 801 (806); T. Maunz, Das Elternrecht als Verfassungsproblem, in: H. Ehmke u. a. (Hrsg.), Festschrift für Ulrich Scheuner, 1973, S. 419 (424 f.); H.-U. Erichsen, Verstaatlichung der Kindeswohlentscheidung? Zur verfassungsrechtlichen Bestimmung des schulischen Erziehungsrechts, 2. Aufl. 1979, S. 13; ders., Elternrecht und staatliche Verantwortung für das Schulwesen, in: N. Achterberg/W. Krawietz/D. Wyduckel (Hrsg.), Recht und Staat im sozialen Wandel. Festschrift für Hans Ulrich Scupin, 1983, S. 721 (726). 274 So auch K. Tillmanns, in: F. J. Säcker u. a. (Hrsg.), Münchener Kommentar zum BGB, Bd. 9, 7. Aufl. 2017, Vor § 1, Rn. 1, die darüber hinaus auch die Schutzpflicht zugunsten der Familie aus Art. 6 Abs. 1 GG als Grundlage des SGB VIII anführt.
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§ 6 Untersuchung ausgewählter Bereiche
(4) Zusammenwirken der unterschiedlichen Rechte und Pflichten aus Art. 6 Abs. 2 GG Insgesamt ergibt sich aus Art. 6 Abs. 2 GG ein komplexes Gebilde unterschiedlicher Rechte und Pflichten für Kinder, Eltern und Staat. Den Eltern wird dabei in Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG grundsätzlich der Vorrang bei der Kindererziehung eingeräumt. Der Staat besitzt daneben aus Art. 6 Abs. 2 GG keinen eigenständigen Erziehungsauftrag, selbst wenn man diesen als subsidiär klassifizieren würde. Das Grundrecht der Eltern auf Pflege und Erziehung ist allerdings ein fremdnütziges Grundrecht zugunsten der Entwicklung der Kinder und korrespondiert darüberhinausgehend auch mit einer gleichlautenden Pflicht der Eltern, den Vorrang bei der Pflege und Erziehung auch wahrzunehmen. Von grundlegender Bedeutung ist vor allem das vom Bundesverfassungsgericht zutreffend herausgearbeitete und anerkannte Kindergrundrecht aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG. Dieser eigene grundrechtliche Anspruch trägt dem Umstand Rechnung, dass die Erziehung einen tiefgreifenden Einfluss auf die Entwicklung hat und das Kind daher in der Lage sein soll, einzufordern, dass diese Einflussnahme nur durch seine Eltern geschieht. Richtigerweise ist es dabei nicht auf die Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG oder Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG zu beschränken, sondern ebenfalls unmittelbar aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG berechtigt. Die Tatsache, dass in Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG mit den Eltern und dem Kind folglich zwei Grundrechtsträger aufeinandertreffen, kann allerdings auch zu grundrechtlichen Kollisionen zwischen den Beteiligten führen, nämlich dann, wenn die Erziehungsvorstellungen der Eltern nicht mit denen des Kindes übereinstimmen275. In diesen Fällen ist eine Antwort auf die Frage, welchen Vorstellungen der Vorrang einzuräumen ist, in der Weise, dass immer den Vorstellungen des Kindes der Vorrang zukommt, unzureichend276. Dies würde die Tatsache ignorieren, dass die Persönlichkeit des Kindes unterschiedlich weit entwickelt sein kann. Daher ist es vorzugswürdig, im Einzelfall zu hinterfragen, inwieweit das Kind in seiner Persönlichkeitsentwicklung bereits fortgeschritten ist, insbesondere unter Berücksichtigung der Tatsache, dass sich auch der Elternwille am Kindeswohl orientiert277. Nur in den Fällen, in denen die Entwicklung der Persönlichkeit be275 Brosius-Gersdorf (Fn. 73), Art. 6 Rn. 143; Jarass (Fn. 246), Art. 6 Rn. 56. Jestaedt (Fn. 244), Art. 6 Abs. 2 und 3 Rn. 134 ff., 139, hält eine Grundrechtskollision nur in den Konstellationen für möglich, in denen das Kind zwar bereits selbst grundrechtsreif, aber gleichzeitig noch erziehungsbedürftig ist. Nur in diesem Falle würden Kindeswille sowie Elternwille grundrechtlichen Schutz genießen. Anderer Ansicht ist Jeand’Heur, Schutzgebote (Fn. 264), S. 106, der eine Kollision mit der Begründung ablehnt, verfassungsdogmatisch sei kein Widerspruch denkbar, da das Elternrecht immer dem Kindeswohl zu dienen habe. 276 So aber BVerfGE 37, 217 (252); 75, 201 (218); 79, 203 (210 f.); 99, 145 (156); Badura (Fn. 257), Art. 6 Abs. 2, 3 Rn. 94, 110; Jarass (Fn. 246), Art. 6 Rn. 56; Robbers (Fn. 257), Art. 6 Abs. 2 Rn. 150. 277 Zu dieser Argumentation siehe Brosius-Gersdorf (Fn. 73), Art. 6 Rn. 143.
B. Die freien Träger der Kinder- und Jugendhilfe
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reits hinreichend ausgeprägt ist und das Kind die notwenige Reife und Selbstbestimmungsfähigkeit besitzt, ist dem Kindeswillen der Vorrang einzuräumen278. Keine Kollision von Grundrechten liegt hingegen vor, wenn die Eltern das Kindeswohl, beispielsweise durch Gefährdung des Lebens oder der körperlichen Unversehrtheit, gefährden, da ein solches Verhalten selbst bei Anerkennung des elterlichen Vorranges und einer gewissen Einschätzungsprägorative nicht mehr unter den Schutzbereich des Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG subsumiert werden kann279. In diesen Fällen greift das „Wächteramt“ des Staates aus Art. 6 Abs. 2 S. 2 GG ein, welches vorgelagert durch eine Aufsicht über die Ausübung der Elternverantwortung ausgeübt wird. In den Fällen, in denen das Kindeswohl gefährdet ist, ist der Staat verpflichtet, einzugreifen und so seiner Schutzpflicht gegenüber den grundrechtlichen Interessen des Kindes gerecht zu werden. Er hat dementsprechend „erziehungstechnisch“ eine Art „Reservefunktion“, die ihn erst bei Vorliegen der Voraussetzungen – der Kindeswohlgefährdung – zum Eingreifen berechtigt. Insofern zeigt sich also insgesamt, dass sich die für Eltern und Staat ergebenden Rechte und Pflichten aus Art. 6 Abs. 2 GG gegenseitig bedingen und am Kindeswohl ausgerichtet sind. Auch wenn den Eltern bei der Erziehung ein Vorrang an Selbstbestimmung zugesprochen wird, steht das Kind im Mittelpunkt. Insofern ist es konsequent und richtig, dem Kind einen eigenen verfassungsrechtlichen Anspruch zuzugestehen. bb) Andere Grundrechte der Kinder Neben Art. 6 Abs. 2 GG, der für den Bereich der Kinder- und Jugendhilfe eine übergeordnete Rolle einnimmt, sollen auch andere Grundrechte angesprochen werden, die in diesem Bereich für die Kinder als Grundrechtsträger zu berücksichtigen sind und die Voraussetzungen an die freien Träger beeinflussen. Dabei ist vor allem an das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG zu denken und – namentlich dann, wenn man ein spezifisches Kindergrundrecht aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG ablehnt – an das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG. Gerade das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit verlangt auch Voraussetzungen an die bauliche Substanz einer Einrichtung, die so beschaffen sein muss, dass keine Gefahren für Leib oder Leben der Kinder drohen. Darüber hinaus ist aber auch die Religions- und Weltanschauungsfreiheit aus Art. 4 Abs. 1, 2 GG relevant, gerade auch mit Blick auf ihre negative Komponente. Dabei ist es das grundlegende Ziel, negative Einflüsse und Gefahren für die körperliche und geistige Entwicklung der Kinder zu verhindern. Da es sich dabei um Einwirkungen durch private Dritte handelt, treffen den Staat vor allem Schutzpflichten. 278
Brosius-Gersdorf (Fn. 73), Art. 6 Rn. 143. So auch BVerfGE 24, 119 (143); Jestaedt (Fn. 244), Art. 6 Abs. 2 und 3 Rn. 136; Brosius-Gersdorf (Fn. 73), Art. 6 Rn. 144. 279
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§ 6 Untersuchung ausgewählter Bereiche
c) Auswirkungen der grundrechtlichen Interessen auf die Voraussetzungen im SGB VIII In der Kinder- und Jugendhilfe und insbesondere auch im Bereich der Kindertagespflege stehen sich also primär die grundrechtlichen Interessen der freien Träger und der Kinder gegenüber. Den Staat trifft dabei die Aufgabe, auch um seiner Gesamtverantwortung im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe gerecht zu werden, einen Ausgleich zwischen diesen Interessen zu schaffen. Einer solcher Ausgleich ist zuallererst in den Regelungen des SGB VIII zu sehen. Mit diesen genügt der Staat vor allem seinen Schutzpflichten gegenüber den betroffenen Kindern und Jugendlichen aus Art. 6 Abs. 2 S. 1, Art. 2 Abs. 1 i.V. m. Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG. Gerade die einrichtungsbezogenen Anforderungen an Kindertagesstätten aus § 45 SGB VIII stehen insoweit in einem direkten Zusammenhang mit den Schutzpflichten zugunsten der Kinder aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG, als dass räumliche Voraussetzungen das körperliche Wohl der Kinder gewährleisten sollen. Aber auch die fachlichen Voraussetzungen wie die konzeptionelle Ausarbeitung schützen die Kinder vor negativen Einflüssen auf inhaltlicher Ebene. Darüber hinaus ist auch die Voraussetzung in § 45 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 SGB VIII betreffend die gesellschaftliche Integration und die gesundheitliche Vorsorge unmittelbar Ausprägung staatlicher Schutzpflichten. Vor allem im Hinblick auf die gesellschaftliche Integration wird dies als unmittelbare Konsequenz aus der Schutzpflicht des Staates zugunsten des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Kinder aus Art. 2 Abs. 1 i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG zu sehen sein. Die Voraussetzungen in § 45 SGB VIII werden also den staatlichen Schutzpflichten gerecht. Zu berücksichtigen ist dabei allerdings insbesondere die Berufsfreiheit der freien Träger aus Art. 12 Abs. 1 GG. Diese darf nicht unverhältnismäßig eingeschränkt werden280. Der Erlaubnisvorbehalt, der sich aus § 45 SGB VIII ergibt, dient allerdings der Gefahrenabwehr und trägt insoweit der besonderen Schutzbedürftigkeit der Kinder und Jugendlichen Rechnung281. Zu berücksichtigen ist auch, dass die voraussetzungsbedingten Einschränkungen einrichtungsund nicht trägerbezogen erfolgen. Eine unverhältnismäßige Beschränkung der Berufsfreiheit ist in der Regelung des § 45 SGB VIII nicht zu erblicken. Problematischer erscheinen mit Blick auf den Ausgleich der grundrechtlichen Interessen von freien Trägern auf der einen und den Kindern bzw. Jugendlichen auf der anderen Seite die Voraussetzungen der §§ 74, 75 SGB VIII, auch hier vor allem mit Blick auf die Berufsfreiheit im Sinne des Art. 12 Abs. 1 GG. Hier wird das karitative Tätigwerden freier Träger nicht aufgrund einrichtungs- oder projektbezogener, sondern aufgrund trägerbezogener Kriterien beschränkt. Diese Be280 So auch T. Lakies, in: Münder/Meysen/Trenczek, SGB VIII (Fn. 123), § 45 Rn. 3. 281 Insoweit die Gesetzesbegründung, BT-Drs. 17/6256, S. 23; Lakies (Fn. 280), § 45 Rn. 3.
B. Die freien Träger der Kinder- und Jugendhilfe
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schränkungen könnten eine Verletzung von Art. 12 Abs. 1 GG bedeuten. Insbesondere die Voraussetzung der Verfolgung gemeinnütziger Ziele durch den freien Träger, die sowohl im Rahmen der Förderung als auch im Rahmen der Anerkennung gefordert wird, wirft verfassungsrechtliche Fragen im Umgang mit frei-gemeinnützigen und frei-gewerblichen Trägern auf. Auf diese soll in der Folge eingegangen werden. Zunächst könnte die Voraussetzung der Verfolgung gemeinnütziger Ziele im Rahmen der Anerkennung gemäß § 75 Abs. 1 Nr. 2 SGB VIII zu einer Verletzung von Art. 12 Abs. 1 GG führen. In Betracht kommt dabei nur eine Verletzung der Berufsausübungsfreiheit282. Eine solche kann grundsätzlich bereits dann vorliegen, wenn die Nichtaufnahme in eine Liste dazu führt, dass der Betroffene bestimmte Aufgaben nicht ausüben darf283. Mit der Anerkennung im Sinne des § 75 SGB VIII wird dem freien Träger allerdings nur formal eine andere Stellung eingeräumt. Nicht verbunden sind damit unmittelbar berufliche Vorteile, diese ergeben sich erst später, wenn eine bestimmte Aufgabe die Anerkennung vorsieht284. Aber selbst wenn man einen Eingriff in die Berufsfreiheit annehmen wollte, so wäre dieser aufgrund hinreichender Interessen des Allgemeinwohls gerechtfertigt, da der Eingriff aufgrund einer breiten Möglichkeit des wirtschaftlichen Tätigwerdens frei-gewerblicher Träger von geringer Intensität ist285. Das Hamburgische Oberverwaltungsgericht führt dazu zutreffend aus, dass es sich bei der institutionellen Zusammenarbeit um einen Kernbereich der öffentlichen Jugendhilfe handelt286. Dementsprechend ist eine Beschränkung der Anerkennung auf solche Träger, die gemeinnützig handeln, nicht zu beanstanden. Das Gleiche gilt für die Frage, ob die Förderung von der Verfolgung gemeinnütziger Ziele abhängig gemacht werden kann. Das Hamburgische Oberverwaltungsgericht führt dazu aus, dass eine solche Beschränkung insoweit zulässig sei, als dass die sparsame und zweckgerichtete Verwendung von Haushaltsmitteln eine vernünftige Gemeinwohlerwägung und es dementsprechend nachvollziehbar sei, dass solche Träger von einer Förderung ausgeschlossen würden, die solche Mittel zur Erzielung privatnütziger Gewinne verwendeten287. Die Voraussetzungen aus den §§ 74, 75 SGB VIII verstoßen daher nicht gegen die Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG. Verfassungsrechtliche Bedenken könnten sich aufgrund einer Ungleichbehandlung gemeinnütziger und gewerblicher Träger der freien Jugendhilfe allerdings 282 So OVG HH, SRa 2008, S. 238 (241), das zurecht darauf hinweist, dass die Berufswahl schon aus dem Grund nicht berührt sei, dass die anerkannten Träger im Gegensatz zu den nicht anerkannten Trägern keinen eigenständigen Beruf ausübten. 283 BVerfGE 86, 28 (37 ff.); BVerwGE 89, 281 (283 f.). 284 OVG HH SRa 2008, S. 238 (241). 285 OVG HH SRa 2008, S. 238 (242). 286 OVG HH SRa 2008, S. 238 (242). 287 Zutreffend OVG HH SRa 2008, S. 238 (242).
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§ 6 Untersuchung ausgewählter Bereiche
auch aus Art. 3 Abs. 1 GG ergeben. Ein nicht zu rechtfertigender Eingriff ist allerdings auch mit Blick auf Art. 3 GG nicht zu erblicken. Er ist aus den gleichen Gründen abzulehnen wie eine Verletzung von Art. 12 GG288. Aus der Anerkennung ergibt sich zunächst einmal nur eine andere formale Stellung, ohne dass sich daraus unmittelbar Vorteile ergeben. Darüber hinaus ist es aus legitimen Gründen gerechtfertigt, dass eine Unterscheidung gerade aufgrund der Gemeinnützigkeit vorgenommen wird, damit eine effektive Verwendung der bereitgestellten Mittel sichergestellt ist. Dabei steht dem Gesetzgeber auch ein weiter Einschätzungsspielraum zu289. Im Ergebnis sind also in der Tatsache, dass der Gesetzgeber Anforderungen an die Anerkennung stellt und dabei insbesondere die Gemeinnützigkeit als Differenzierungskriterium auswählt, keine Grundrechtsverletzungen zu erkennen. Der Gesetzgeber bleibt damit innerhalb seines Einschätzungsspielraums, der es ihm erlaubt, aufgrund deren Bedeutung besondere Anforderungen an die institutionelle Zusammenarbeit zu stellen. 4. Die Verschiedenheit im Hinblick auf die Motivation freier Träger Abschließend soll auch für den Bereich der Kinder- und Jugendhilfe hinterfragt werden, inwieweit der Staat bei der Einbindung privater Akteure als freie Träger die dahinterstehende Motivation berücksichtigt. Dass eine Berücksichtigung der Motivation des privaten Trägers stattfindet, ist mit Blick auf die Regelungen der §§ 74, 75 SGB VIII augenscheinlich der Fall. So verlangen sowohl § 74 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB VIII als auch § 75 Abs. 1 Nr. 2 SGB VIII, dass der Träger gemeinnützige Ziele verfolgt290. Dies verlangt im Ergebnis zwar richtigerweise keine Gemeinnützigkeit im steuerrechtlichen Sinne des § 52 AO, setzt aber zumindest eine bestimmte Motivation beim freien Träger voraus. So muss dieser eine intrinsische Motivation aufweisen, altruistisch zu handeln. Aufgrund des Grundrechts auf karitatives Tätigwerden kann eine solche Motivation nicht generell für freie Träger verlangt werden. Die in den §§ 74, 75 SGB VIII ausgestaltete institutionelle Zusammenarbeit von freien und öffentlichen Trägern erlaubt es aber, diese Anforderungen an die Motivation privaten Tätigwerdens zu stellen. Aufgrund der Bedeutung dieser institutionellen Zusammenarbeit für die Kinderund Jugendhilfe in ihrer Gesamtheit ist es schlüssig, diese auf maßgeblich am Gemeinwohl orientierte Träger zu beschränken. Eine solche Beschränkung auf frei-gemeinnützige Träger ist, wie voranstehend herausgearbeitet, auch aus grundrechtlicher Perspektive nicht zu beanstanden. Daneben ist es aber auch rechtspolitisch nachvollziehbar, lediglich gemeinnützigen Trägern die Möglich288 Siehe zur Frage einer möglichen Kollision mit Art. 3 Abs. 1 GG ebenfalls die Ausführungen von OVG HH SRa 2008, S. 238 (242 f.), das eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG aus den genannten Gründen ablehnt. 289 OVG HH SRa 2008, S. 238 (243). 290 Vgl. dazu bereits die Ausführungen auf S. 167 f. und 178.
B. Die freien Träger der Kinder- und Jugendhilfe
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keit einer Anerkennung und Förderung einzuräumen. Die Anerkennung gibt den privilegierten freien Trägern die Möglichkeit, an der Jugendhilfeplanung gemäß § 80 SGB VIII mitzuwirken. Dabei lediglich solche Träger zu berücksichtigen, die aus einer uneigennützigen Motivation heraus tätig werden, ist durchaus gerechtfertigt, gerade in Anbetracht der Tatsache, dass im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe bereits ein Dienstleistungsmarkt entstanden ist. Um zu gewährleisten, dass bei der Jugendhilfeplanung das Kindeswohl und keine anders gearteten Interessen wirtschaftlicher oder politischer Natur im Mittelpunkt steht, ist diese Differenzierung möglicherweise sogar angezeigt. Im Ergebnis ist es in jedem Fall legitim und nachvollziehbar, dass der Gesetzgeber bei der stärkeren Einbeziehung privater Akteure deren Anliegen an der Einbeziehung entsprechend berücksichtigt.
III. Private Akteure der Kinder- und Jugendhilfe als Vergleichsmaßstab Private Akteure haben als freie Träger eine übergeordnete Stellung in der Kinder- und Jugendhilfe und nehmen dabei zahlreiche Aufgaben wahr. Im Rahmen der Untersuchung der Voraussetzungen hat sich gezeigt, dass an ein bloßes Tätigwerden privater Akteure in diesem Bereich aufgrund verfassungsrechtlicher Gewährleistungen grundsätzlich keine besonderen Anforderungen gestellt werden. Sie werden allerdings dort gestellt, wo die Beziehungen zwischen Trägern der freien und der öffentlichen Jugendhilfe intensiviert werden. Bei der Einbindung freier Träger in die Kinder- und Jugendhilfe ergibt sich insgesamt ein in sich schlüssiges System. So werden an den generellen Betrieb einer Einrichtung durch den freien Träger lediglich betriebsbezogene Anforderungen im Sinne des § 45 SGB VIII gestellt. Dabei wird das Kindeswohl als maßgebliches Kriterium in den Mittelpunkt der betriebsbedingten Erlaubnis gerückt. Damit wird vor allem dem Umstand Rechnung getragen, dass den freien Trägern ein Tätigwerden, als Grundrecht auf freies karitatives Tätigwerden verfassungsrechtlich verankert, zusteht. Hier wären erhöhte Anforderungen nicht zulässig. Ausreichend erscheint, dass das Kindeswohl gewährleistet ist. Anders sieht dies dort aus, wo die institutionelle Zusammenarbeit von öffentlicher und freier Jugendhilfe ausgebaut wird. Das ist vor allem im Rahmen der Förderung gemäß § 74 SGB VIII und im Rahmen der Anerkennung gemäß § 75 SGB VIII der Fall. Dabei sind vor allem die Voraussetzungen, dass die Träger gemeinnützige Ziele verfolgen, §§ 74 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, 75 Abs. 1 Nr. 2 SGB VIII, und dass diese eine den Zielen des Grundgesetzes förderliche Arbeit gewährleisten, §§ 74 Abs. 1 S. 1 Nr. 5, 75 Abs. 1 Nr. 4 SGB VIII, von Bedeutung. Erstere sorgt zunächst für eine Privilegierung frei-gemeinnütziger Träger gegenüber frei-gewerblichen Trägern, während letztere einen dem Beamtentum vergleichbaren Maßstab anlegt.
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§ 6 Untersuchung ausgewählter Bereiche
In der vorangehenden Untersuchung hat sich gezeigt, dass sich im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe unter den Gesichtspunkten der demokratischen Legitimation und der Verantwortung nicht zwangsläufig übermäßig hohe Anforderungen an die freien Träger ergeben müssten. So legt § 79 SGB VIII fest, dass die Gesamtverantwortung der Kinder- und Jugendhilfe beim Staat verbleibt. Lediglich im Bereich der Leistungen kommt sowohl freien als auch öffentlichen Trägern der Jugendhilfe eine gleichzeitige Erfüllungsverantwortung zu. Im Rahmen der anderen Aufgaben ist dies nicht der Fall. Hier verbleibt die Verantwortung beim Staat, der sich lediglich im Rahmen der Ausführung der Hilfe der freien Träger bedient. Auch im Hinblick auf das Erfordernis der demokratischen Legitimation ergibt sich nichts anderes. Eine gewisse Legitimation der freien Träger ergibt sich durch die Anerkennung und die (vertragliche) Übertragung einer bestimmten Aufgabe im Einzelfall. Da aber keine Hoheitsrechte oder Kompetenzen im Rahmen der anderen Aufgaben übertragen werden, dürfen an die Legitimation keine zu hohen Anforderungen gestellt werden. Dies spräche eigentlich dafür, dass die Voraussetzungen der §§ 74, 75 SGB VIII als zu streng anzusehen sind und dementsprechend zu Benachteiligung freigewerblicher Träger führen. Ein Blick auf die in der Kinder- und Jugendhilfe betroffenen grundrechtlichen Interessen hat allerdings die besondere Grundrechtsrelevanz dieses Bereiches gezeigt. Diese rechtfertigt auch, an die vertiefte Kooperation mit freien Trägern besondere Anforderungen zu stellen. Die institutionelle Zusammenarbeit ist der Kernbereich der Kinder- und Jugendhilfe und aus diesem Grund bedarf es verlässlicher Partner für eine Zusammenarbeit. Dabei ist eine Anknüpfung an die Motivation des freien Trägers nachvollziehbar. Im Rahmen der Jugendhilfeplanung sollen lediglich am Kindeswohl orientierte Motive Berücksichtigung finden und keine politischen oder wirtschaftlichen. Die komplexe grundrechtliche Konstellation in der Kinder- und Jugendhilfe und die besondere Bedeutung des Kindeswohls rechtfertigen das Verlangen einer den Zielen des Grundgesetzes förderlichen Arbeit, auch wenn und soweit eine solche Voraussetzung aufgrund der Art der Einbeziehung der freien Träger nicht zwingend erforderlich erscheint. Diese sind gerade keine Beliehenen, die hoheitliche Funktionen wahrnehmen, sodass keine unmittelbare Vergleichbarkeit zum Beamten besteht. Eine solche Voraussetzung erscheint dennoch verfassungsrechtlich unbedenklich. Dem Gesetzgeber steht es zu, die institutionelle Zusammenarbeit mit den freien Trägern so auszugestalten, dass die Rechte der Kinder- und Jugendlichen und das Kindeswohl möglichst umfassend sichergestellt sind.
C. Die Umweltverbände im Dienste des Staates und des Umweltschutzes Im Rahmen der Untersuchung der Voraussetzungen, die an umwelt- und naturschutzrechtliche Vereinigungen im Rahmen ihrer Anerkennung gestellt werden,
C. Die Umweltverbände
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hat sich bereits die besondere Rolle dieser Vereinigungen, auch mit Blick auf den Ansatz der vorliegenden Untersuchung, gezeigt. Hier wird keine vorher staatliche Aufgabe auf die privaten Vereinigungen übertragen. Der Staat bedient sich vielmehr bei der Wahrnehmung seiner sich aus Art. 20a GG ergebenden Schutzpflicht des besonderen Sachverstandes umwelt- und naturschutzrechtlicher Verbände. Diese treten dementsprechend als eine Art Interessenvertreter auf, die zwischen der betroffenen Öffentlichkeit, also den Bürgern, und den Behörden als Teil des Staates eine vermittelnde Rolle einnehmen. Diese besondere Rolle der Vereinigungen wird sich auch in der folgenden Untersuchung wiederspiegeln.
I. Einordnung der gefundenen Voraussetzungen Bevor dieser Bereich des Umweltschutzes durch privatrechtliche Vereinigungen den Untersuchungskriterien unterworfen wird, soll auch hier eine Einordnung der gefundenen Kriterien vorgenommen werden. Auch in diesem Falle findet dies insofern in etwas abgewandelter Form statt, als es sich auch in diesem Bereich um juristische Personen handelt, auf welche die Voraussetzungen für ein Beamtenverhältnis schon aufgrund der Natur der Sache nicht ungefiltert übertragen werden können. 1. Anforderungen an Organisation und Sitz der Vereinigung Dies spiegelt sich vor allem mit Blick auf Organisationsfragen wieder, die sich überhaupt nur bei juristischen Personen stellen. Bei der Untersuchung der Voraussetzungen hat sich mit Blick auf den zentralen Begriff der Vereinigung im Sinne des § 3 Abs. 1 S. 1 UmwRG gezeigt, dass dieser denkbar weit zu verstehen ist. Gemeint ist darunter zunächst einmal jede juristische Person, ohne dass dabei irgendwelche Anforderungen an die Rechtsform gestellt werden. Die Ursachen dieser Offenheit sind vor allem in unions- und völkerrechtlichen Vorgaben zu suchen. Die Offenheit ergibt sich allerdings auch aus dem Zusammenhang mit der Tatsache, dass an die Nationalität der Vereinigungen keine Anforderungen gestellt werden, mithin ausdrücklich inländische und ausländische Vereinigungen anerkannt werden können. Dies schließt eine Beschränkung auf deutsche Rechtsformen schon dem Wortlaut nach aus. Im Ergebnis zeigt sich also, dass aufgrund organisationsrechtlicher Anforderungen und aufgrund der nationalen Zugehörigkeit keine Vereinigung ausscheidet. 2. Keine staatliche Loyalität als Voraussetzung Mit Blick auf das für die vorliegende Untersuchung zentrale Kriterium der Verfassungstreue bzw. der Loyalität des privaten Akteurs gegenüber dem Staat ergeben sich bei der Anerkennung naturschutz- und umweltschutzrechtlicher Vereinigungen keinerlei vergleichbare Voraussetzungen. Für die Mitwirkung pri-
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§ 6 Untersuchung ausgewählter Bereiche
vatrechtlicher Vereinigungen im Rahmen der Staatsaufgabe Umweltschutz wird an dieser Stelle also keinerlei Anspruch an das Verhältnis dieser Vereinigungen zum Staat gestellt. Dies ist unter dem Gesichtspunkt, dass auch ausländische Verbände im Sinne des § 3 Abs. 1 S. 1 UmwRG anerkannt werden können, auch nachvollziehbar. Darüber hinaus gibt es auf den ersten Blick auch keine Anhaltspunkte dafür, besondere Anforderungen an die Treue umwelt- und naturschutzrechtlicher Vereinigungen zum Staat zu stellen. 3. Materielle Kriterien der Anerkennung Trotz der grundsätzlichen Offenheit des Vereinigungsbegriffs muss eine Vereinigung für die Anerkennung bestimmte Voraussetzungen erfüllen, die aber allesamt weit auszulegen sind, um den erforderlichen weiten Zugang zu den Gerichten nicht zu erschweren. Diese Voraussetzungen betreffen dabei auch die Organisation ohne dabei aber eine bestimmte Organisationsform vorzusehen. Verlangt wird vor allem ein Tätigsein im Sinne des Umweltschutzes (Nr. 1), welches über einen gewissen Zeitraum nachgewiesen worden ist (Nr. 2), um dadurch eine Beständigkeit der Mitwirkung zu gewährleisten. Darüber hinaus muss die Vereinigung eine sachgerechte Aufgabenerfüllung und damit vor allem eine ausreichende Qualität bieten können (Nr. 3). Des Weiteren wird verlangt, dass die Vereinigung gemeinnützig tätig ist (Nr. 4) und das „Jedermann-Prinzip“ gilt, die Vereinigung also mitgliederoffen ausgestaltet ist (Nr. 5). Gerade das letzte Kriterium vermag zu überraschen, erscheint es doch auf den ersten Blick kein sachliches Bedürfnis für die Mitgliederoffenheit zu geben291. Diese Voraussetzung steht allerdings in unmittelbarem Zusammenhang mit der Rolle, welche die umweltrechtlichen Vereinigungen bei der Wahrnehmung der Aufgabe einnehmen. Sie sollen als Vermittler und Kontrollinstanz zwischen betroffener Gesellschaft und Staat fungieren. Diese Rolle rechtfertigt es, dass eine Vereinigung für alle Mitglieder der Gesellschaft offen sein muss, die sie bereichsspezifisch vertritt. Dies verleiht den Vereinigungen ein Stück weit die erforderliche Legitimität.
II. Die Umweltvereinigungen als „Anwälte der Natur“ Im Ergebnis hat sich gezeigt, dass die Voraussetzungen an Vereinigungen im Rahmen ihrer Anerkennung – trotz eines umfangreichen Kataloges in § 3 Abs. 1 S. 2 UmwRG – sehr gering sind, um auf diesem Wege die Effektivität der naturschutzrechtlichen bzw. umweltschutzrechtlichen Verbandsklage zu gewährleisten und den Vereinigungen einen einfachen und weiten Zugang zu den Gerichten zu ermöglichen. Dies gerade vor dem Hintergrund ihrer Rolle als Vermittler zwischen Staat und Gesellschaft. Es bleibt daher zu untersuchen, ob sich dieser ver-
291
Vgl. dazu bereits auf S. 195 f.
C. Die Umweltverbände
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einfachte Zugang zu einer Anerkennung und damit zu einer Mitwirkung privater Akteure im Umweltschutz auch auf Grundlage der für die vorliegende Untersuchung maßgeblichen Kriterien sinnvoll begründen lässt. Insbesondere auch mit einem vergleichenden Blick auf die anderen Bereiche der Untersuchung und die dort gefundenen Ergebnisse. 1. Demokratische Legitimation von klagebefugten Verbänden Dabei ist zunächst zu fragen, ob naturschutz- und umweltschutzrechtliche Verbände hinreichend demokratisch legitimiert sind und, wenn dies nicht der Fall ist, inwieweit eine solche demokratische Legitimation für ein Verbandsklagerecht überhaupt erforderlich ist. Auf das Problem einer fehlenden – aber möglicherweise erforderlichen – demokratischen Legitimation von Verbänden und die sich daraus ergebenden verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Einführung von Verbandsklagebefugnissen wurde in der Vergangenheit von Kritikern überindividueller Klagebefugnisse oftmals hingewiesen292. So sei keine – wie aber vom Verfassungsgericht gefordert – durchgehende Legitimationskette vom Volk zu den Verbänden zu erkennen293. Es erscheint allerdings mehr als fraglich, ob eine solche Legitimationskette für die Einräumung eines Verbandsklagerechtes überhaupt erforderlich ist. Sie ist es nämlich nur dann, wenn Staatsgewalt ausgeübt wird, da diese den Ursprung im Staatsvolk haben muss. Dementsprechend müssten die im Sinne des § 3 Abs. 1 S. 1 UmwRG anerkannten Vereinigungen Staatsgewalt ausüben, damit die Forderung einer durchgehenden demokratischen Legitimationskette Geltung beanspruchen kann. Entscheidend für die Frage, inwieweit eine demokratische Legitimation naturund umweltschutzrechtlicher Verbände erforderlich ist, sind also die Rolle und die Befugnisse, die einer Vereinigung im Wege der Anerkennung zugestanden werden. Mit Blick auf die Befugnisse anerkannter naturschutzrechtlicher Verbände zeigt sich allerdings, dass deren Mitwirkungsrechte in § 63 BNatSchG auf die Möglichkeit der Stellungnahme und der Einsicht, also ein qualifiziertes Anhörungsrecht, beschränkt sind294. Ihnen wird keine Entscheidungsbefugnis zuteil, sodass schwerlich davon gesprochen werden kann, dass Naturschutzverbände 292 Dazu vor allem die Ausführungen von F. Weyreuther, Verwaltungskontrolle durch Verbände? Argumente gegen die verwaltungsgerichtliche Verbandsklage im Umweltrecht, 1975, S. 24 ff. Diese Kritik findet sich auch bei F. Knöpfle, Organisierte Einwirkungen auf die Verwaltung, in: DVBl. 1974, S. 707 (714); P. Grus, Redebeitrag, in: Contra und Pro Verbandsklage. Anhörung des Arbeitskreises für Umweltrecht, 1976, S. 40 f.; G. Hammer, Bedenken gegen die Verbandsklage im öffentlichen Recht, in: GewArch. 1978, S. 14 (15). In der neueren Literatur wurden diese Bedenken wiederholt von J. Ipsen, Gefahren für den Rechtsstaat?, in: NdsVBl. 1999, S. 225 (228); R. Scholz, Individualer oder kollektiver Rechtsschutz?, in: ZG 18 (2003), S. 248 (261 f.). 293 Diesen Einwand erhebt bspw. Ipsen, Gefahren (Fn. 292), S. 228. 294 So auch S. Schlacke, Überindividueller Rechtsschutz, 2008, S. 501.
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§ 6 Untersuchung ausgewählter Bereiche
Staatsgewalt ausüben295. Folglich kann der Vorwurf der fehlenden demokratischen Legitimationskette nicht überzeugen. Ein anderes Ergebnis folgt auch nicht aus der hervorgehobenen Stellung296, die Vereinigungen durch ihre Anerkennung zweifelsohne innehaben. Sie treten aufgrund ihres besonderen Sachverstandes als Vermittler zwischen den Bürgern der betroffenen Öffentlichkeit und den Behörden auf. Durch diese vermittelnde Tätigkeit sorgen sie insbesondere für eine größere Akzeptanz von behördlichen Entscheidungen in der Gesellschaft und haben so eine Position ähnlich der eines „Verwaltungshelfers“ inne297. Auch diese hervorgehobene Bedeutung der Verbände für den Umweltschutz ändert allerdings nichts an der Tatsache, dass den Vereinigungen keine unmittelbaren Entscheidungsbefugnisse eingeräumt werden. Eine solche Befugnis ergibt sich auch nicht aus dem Initiativrecht, welches den Vereinigungen durch Einräumung der Klagebefugnis zugestanden wird. Dieses führt lediglich dazu, dass eine behördliche Entscheidung durch die demokratisch legitimierte Rechtsprechung am Maßstab demokratisch legitimierten Rechts überprüft wird298. Dazu ist keine weitergehende Legitimation erforderlich als die gesetzliche Zuweisung der Klagebefugnis299. Die Legitimität einer überindividuellen Klagebefugnis von Verbänden wird auch unter dem Gesichtspunkt der innerverbandlichen demokratischen Willensbildung kritisch gesehen300. Dabei wird vor allem eingewandt, dass die Gefahr 295 L. Michael, Fordert § 61 Bundesnaturschutzgesetz eine neue Dogmatik der Verbandsklagen?, in: DV 37 (2004), S. 35 (39); Schlacke, Rechtsschutz (Fn. 294), S. 501. 296 Ebenso Michael, Dogmatik (Fn. 295), S. 39; Schlacke, Rechtsschutz (Fn. 294), S. 501. 297 BVerwGE 102, 358 (361); 104, 367 (370); 105, 348 (350); Schlacke, Rechtsschutz (Fn. 294), S. 501. So im Ergebnis wohl auch Michael, Dogmatik (Fn. 295), S. 39, der allerdings noch weitergeht und der Auffassung ist, dass die staatliche Anerkennung der Beleihung sehr nahekomme. Dieses Näheverhältnis kann aber deswegen, weil gerade keine hoheitliche Aufgabe übertragen und keine Staatsgewalt von den Vereinigungen ausgeübt wird, nicht angenommen werden. Auch versteht er die Vereinigungen augenscheinlich jedenfalls als „Verwaltungshelfer“. Auch dies lässt sich so nicht nachhaltig begründen, vielmehr sind die Vereinigungen lediglich mit der Position eines Verwaltungshelfers vergleichbar. BVerwGE 104, 367 (371), führt dazu weitergehend aus: „Anders als die Naturschutzbehörden sind die Verbände aber ,außenstehender Anwalt der Natur‘ (BVerwGE 92, 258 [262]) und damit nicht Träger öffentlicher Belange“ und bezeichnet die Tätigkeit der Vereinigungen als „staatsfreie Bürgerbeteiligung“. Diese Einordnung des Gerichts verdeutlicht, dass den Vereinigungen lediglich eine den „Verwaltungshelfern“ vergleichbare Aufgabe zukommt und der Begriff dementsprechend nicht unmittelbar übertragen, sondern nur sinngemäß verwendet werden kann. Siehe kritisch zum Begriff des Verwaltungshelfers auch J. Ziekow/T. Siegel, Anerkannte Naturschutzverbände als „Anwälte der Natur“, 2000, S. 69, die dabei vor allem auf die Selbstständigkeit der Naturschutzverbände hinweisen und richtigerweise auch auf die Tatsache, dass die Verbände im Zweifelsfall auch gegen die Interessen der Behörde handeln, was einer Einordnung als Verwaltungshelfer widerspreche. 298 So zutreffend Michael, Dogmatik (Fn. 295), S. 39. 299 Schlacke, Rechtsschutz (Fn. 294), S. 501. 300 So bspw. Weyreuther, Verwaltungskontrolle (Fn. 292), S. 30 ff.; Hammer, Bedenken (Fn. 292), S. 16.
C. Die Umweltverbände
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bestehe, dass die Verbände unter dem Vorwand der Verfolgung überindividueller Interessen in Wirklichkeit doch individuelle Interessen verfolgten, denen im Wege eines überindividuellen Verbandsklagerechtes eine größere Bedeutung zugemessen werde301. Vermutet wird dementsprechend ein Missbrauch der durch die Anerkennung eingeräumten Position durch die Verbände302. Eine solche Missbrauchsgefahr ist allerdings aus verschiedenen Gründen nicht zu ersehen. Zum einen merkt Schlacke zu Recht an, dass eine solche schon deswegen nicht ersichtlich sei, weil die bloße Anerkennung für die Klageberechtigung nicht ausreichend sei. Vielmehr hättem die Verbände im Rahmen einer erforderlichen „doppelten Interessenberührung“ daneben auch eine Interessenberührung im Einzelfall nachzuweisen303. Die Gefahr, dass sich ein Verband unter dem Deckmantel der für die Anerkennung erforderlichen Interessen eine solche erschleicht, um in der Folge eigene Interessen zu verfolgen, ist daher nicht gegeben. Die innerverbandliche demokratische Willensbildung wird darüber hinaus durch die Voraussetzung des § 3 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 UmwRG unterstützt. Dieser verlangt von den Vereinigungen für eine Anerkennung ein Eintritts- und Stimmrecht für jeden, der die Ziele der Vereinigung verfolgt (sog. Jedermann-Prinzip). Dadurch wird sichergestellt, dass eine Vereinigung für die Öffentlichkeit, deren Interessen vertreten werden, nicht verschlossen bleibt und eine innerverbandliche Partizipation der Gesellschaft stattfindet304. Im Ergebnis ist also festzuhalten, dass der Verbandsklage im Umwelt- und Naturschutzrecht kein Defizit demokratischer Legitimation angelastet werden kann. Eine solche ist schon aufgrund der Tatsache, dass den Verbänden lediglich ein Initiativrecht im Sinne einer Klagebefugnis und ein qualifiziertes Anhörungsrecht als Mitwirkungsbefugnis eingeräumt werden und damit eben keine Entscheidungsbefugnis, nicht erforderlich. Eine durchgehende Legitimationskette wäre nur dann zu fordern, wenn die Umweltverbände unmittelbar Staatsgewalt ausübten. Vielmehr ermöglicht es die Verbandsklage, dass die demokratisch legitimierte Rechtsprechung die Einhaltung des geltenden Rechtes überprüfen kann. So ist Lübbe-Wolff sogar noch weitergehend der Auffassung, Verbandsklagen seien sogar ein „immer notwendigeres Element der demokratischen Legitimationskette“ welches „für die Integrität und Funktionsfähigkeit dieser Legitimationskette anzuerkennen“ sei305. Dies sei erforderlich, da es ansonsten zu einer systematischen Benachteiligung von Allgemeininteressen gegenüber individuel-
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Siehe zu diesem Einwand Weyreuther, Verwaltungskontrolle (Fn. 292), S. 30. Schlacke, Rechtsschutz (Fn. 294), S. 501. 303 Schlacke, Rechtsschutz (Fn. 294), S. 501 f. 304 Dazu auch Michael, Dogmatik (Fn. 295), S. 39 f.; Schlacke, Rechtsschutz (Fn. 294), S. 502. 305 So aufschlussreich G. Lübbe-Wolff, Europäisches und nationales Verfassungsrecht, in: VVDStRL 60 (2001), S. 246 (279). 302
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§ 6 Untersuchung ausgewählter Bereiche
len Sonderinteressen käme306. Auch wenn dies mit Blick auf die Notwendigkeit von Verbandsklagen im Ergebnis etwas zu weitgehend erscheint, ist die Grundaussage zutreffend. Eine Einbindung privater Akteure zur Verringerung von Vollzugsdefiziten einzusetzen, sollte, wie Michael zurecht einwendet, nicht „als Minus demokratischer Legitimation verbucht werden.“ 307 Vielmehr sollten die positiven Aspekte, die sich durch diese Möglichkeit der Kontrolle des behördlichen Handelns ergeben, hervorgehoben werden. Gerade im Bereich des Umweltrechts scheint dies aufgrund des allgemeinen Vollzugsdefizits besonders angezeigt zu sein. 2. Der Umweltschutz in der Alleinverantwortung des Staates? Neben der letztendlich für die Anerkennung der Umweltvereinigungen und das damit verbundene Klagerecht nicht ergiebigen Frage nach der demokratischen Legitimation solcher Verbände stellt sich weitergehend die Frage, inwieweit die Mitwirkung der privaten Umweltschutzverbände Einfluss auf die staatliche Verantwortung hat. a) Die Adressaten des Art. 20a GG Diese grundsätzlich staatliche Verantwortung für den Umweltschutz ergibt sich aus Art. 20a GG, dessen Adressat ausdrücklich der Staat mit allen drei Staatsgewalten ist308. Dabei ergibt sich aus der Staatszielbestimmung des Art. 20a GG keine unmittelbare Handlungspflicht für den Staat, sondern lediglich eine objektive Verpflichtung im Sinne einer Schutzpflicht309. Schon aus der Struktur des Wortlautes ergibt sich eine primäre Verantwortung der Gesetzgebung für diese Schutzpflicht, die sich als Ausgestaltungsauftrag darstellt310. In diesem Rahmen 306 Lübbe-Wolff, Verfassungsrecht (Fn. 305), S. 279, die bemängelt, dass der Bürger „in seiner Rolle als citoyen“, also lediglich als Mitglied des Gemeinwesens, vor Gericht nicht willkommen sei (Herv. i. O., T. H.). Dabei verweist sie insbesondere auf die Ausführungen von H. H. v. Arnim, Gemeinwohl und Gruppeninteressen, 1977, S. 303 ff., welcher der Auffassung ist, dass die Voraussetzung der individuellen Betroffenheit, die grundsätzlich für Rechtsschutz erforderlich ist, dem geltenden Rechtsschutzsystem „eine ,asoziale‘ und ,unsolidarische‘ Note“ verleihe und zu einer „Diskriminierung von allgemeinen Interessen (Sozialinteressen)“ führe. Er spricht in diesem Zusammenhang auch von einer „traditionelle[n] ,Gemeinwohlferne‘ der Rechtsprechung“. 307 Michael, Dogmatik (Fn. 295), S. 39. 308 R. Scholz, in: T. Maunz/G. Dürig (Hrsg.), GG, Art. 20a (2002), Rn. 44, der zutreffend darauf hinweist, dass der Begriff „Staat“ nicht zwischen Bund und Ländern unterscheidet und somit beide gleichermaßen in der Verantwortung seien und aufgrund dessen auch keine Änderung der Homogenitätsklausel des Art. 28 I GG erforderlich gewesen sei. Siehe dazu auch H. Schulze-Fielitz, in: H. Dreier (Hrsg.), GG II, 3. Aufl. 2015, Art. 20a Rn. 63, der darüber hinaus anmerkt, dass auch die Regierung als maßgeblicher Träger der auswärtigen Gewalt beispielsweise auf internationalem Parkett auf einen optimalen Umweltschutz hinzuwirken habe; D. Murswiek, in: Sachs, GG (Fn. 10), Art. 20a Rn. 56a f. 309 Scholz (Fn. 308), Art. 20a Rn. 32; Murswiek (Fn. 308), Art. 20a Rn. 12. 310 So auch Scholz (Fn. 308), Art. 20a Rn. 46.
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treffen den Gesetzgeber objektive Gesetzgebungspflichten311. Erst nachrangig sind auch vollziehende Gewalt und Rechtsprechung dem Wortlaut des Art. 20a GG verpflichtet, dies auch nur „nach Maßgabe von Recht und Gesetz“, welches vom Gesetzgeber geschaffen wurde. Das bedeutet, dass vollziehender Gewalt und Rechtsprechung nur insoweit eine eigenständige Verantwortung für den Umweltschutz zukommt, als sie sich im Rahmen der vom Gesetzgeber gestalteten Regelungen eigenständig entfalten können312. Die maßgebliche Verantwortung trifft demnach auf staatlicher Seite die Legislative. Für Privatpersonen, private Unternehmen oder die Gesellschaft im Gesamten ergibt sich aus Art. 20a GG zumindest unmittelbar keine eigenständige Verantwortung; sie sind nicht Adressaten der Regelung313. Diese Feststellung bedeutet aber nicht, dass sich Art. 20a GG dadurch dem Kooperationsprinzip verschließe, welches besagt, dass Umweltschutz eine gemeinsame Aufgabe von Staat und Gesellschaft ist314. Diese Konzentration auf den Staat gibt vielmehr zu erkennen, dass diesem die entscheidende Letztverantwortung für den Umweltschutz übertragen wird315. Dabei wird in Art. 20a GG allerdings nicht explizit festgelegt, wie der Staat dieser Verantwortung gerecht wird. b) Die Art der staatlichen Verantwortung und deren Übertragbarkeit Daher ist zu prüfen, inwieweit den Staat bei der Wahrnehmung seiner Verantwortung aus Art. 20a GG eine unbedingte Erfüllungsverantwortung trifft, die ihn verpflichtet, alle Aufgaben des Umweltschutzes selbst wahrzunehmen316. Bei der Frage, welche Form der Verantwortung den Staat trifft und wie sich seine Verantwortung durch die Einbeziehung gesellschaftlicher Kräfte möglicherweise verändert, ist der Auftrag, den Art. 20a GG an den Staat formuliert, genau im Auge zu behalten. Dabei ist auch zu fragen, was überhaupt unter einer Erfüllungsverant311 Schulze-Fielitz (Fn. 308), Art. 20a Rn. 69; H. D. Jarass, in: ders./Pieroth, GG (Fn. 72), Art. 20a Rn. 18. 312 Scholz (Fn. 308), Art. 20a Rn. 54; Schulze-Fielitz (Fn. 308), Art. 20a Rn. 74. 313 Scholz (Fn. 308), Art. 20a Rn. 45; M. Kloepfer, in: W. Kahl/C. Waldhoff/C. Walter (Hrsg.), BK, Art. 20a (2005), Rn. 29; Schulze-Fielitz (Fn. 308), Art. 20a Rn. 66; Murswiek (Fn. 308), Art. 20a Rn. 56a. 314 R. Wolf, in: E. Denninger u. a. (Hrsg.), AK-GG, 3. Aufl. 2001, Art. 20a (2001), Rn. 13, der aber gleichzeitig anmerkt, dass für eine unmittelbare verfassungsrechtliche Begründung des Kooperationsprinzips kein Ansatz in Art. 20a GG zu finden sei; Schulze-Fielitz (Fn. 308), Art. 20a Rn. 66. Kritisch dazu M. Kloepfer, Umweltschutz als Verfassungsrecht: Zum neuen Art. 20a GG, in: DVBl. 1996, S. 73 (74); ders. (Fn. 313), Art. 20a Rn. 29, der zwar auch der Meinung ist, dass der Umweltschutz gemeinsame Aufgabe von Staat und Gesellschaft sei, aber gleichzeitig der Auffassung folgt, dass sich Art. 20a GG davor gerade verschließe, indem er allein die Verantwortung des Staates hervorhebe. 315 Schulze-Fielitz (Fn. 308), Art. 20a Rn. 66; Murswiek (Fn. 308), Art. 20a Rn. 56a. 316 Diese Frage wirft auch C. Leifer, Das europäische Umweltmanagementsystem EMAS als Element gesellschaftlicher Selbstregulierung, 2007, S. 81 f., auf.
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wortung in diesem Zusammenhang zu verstehen wäre. Aus Art. 20a GG ergibt sich, wie voranstehend bereits herausgearbeitet, gerade keine unmittelbare Handlungspflicht des Staates, sondern eine objektive Verpflichtung zum Tätigwerden, die sich vornehmlich an den Gesetzgeber richtet. Dementsprechend meint eine Erfüllungsverantwortung in diesem Fall mit Blick auf die Gesetzgebung, dass ein Rahmen geschaffen wird, in welchem dem Umweltschutz genüge getan wird. Insoweit wird der Gestaltungsspielraum, der dem Gesetzgeber im Rahmen von Art. 20a GG eingeräumt wird, hinsichtlich des „Ob“ eines gesetzgeberischen Tätigwerdens eingeschränkt, ohne dabei eine Aussage hinsichtlich des „Wie“ des gesetzlichen Rahmens zu treffen317. Bei der genauen Ausgestaltung bleibt dem Gesetzgeber ein breiter Spielraum erhalten318. Ihm steht daher auch die Möglichkeit zu, gesellschaftliche Kräfte in die Wahrnehmung der Aufgabe Umweltschutz einzubinden und diese so mit in die Verantwortung zu nehmen. Teilweise wird sogar angenommen, dass Art. 20a GG regelrecht gebiete, Umweltschutzverbände zu beteiligen319. Eine solche Pflicht zur Einbindung kann zwar im Ergebnis nicht angenommen werden; der Gesetzgeber ist allerdings befugt, im Rahmen seiner Ausgestaltung das Zusammenwirken von Staat und Gesellschaft zu optimieren320, um auf diese Weise dem Kooperationsprinzip gerecht zu werden. Im Wege dieser Ausgestaltungskompetenz des Gesetzgebers schafft dieser einen Rahmen zu Gunsten des Umweltschutzes, in welchen auch die Gesellschaft und insbesondere die Umweltschutzverbände eingebunden werden. Dies könnte dafür sprechen, dem Staat mit Blick auf Art. 20a GG lediglich eine Gewährleistungsverantwortung zuzusprechen, die dieser mit Schaffung des rechtlichen Rahmens wahrnähme321. Dies würde aber implizieren, dass die Erfüllungsverantwortung in der Folge die Gesellschaft trifft. Ein solcher Verantwortungswechsel kann allerdings, gerade mit Blick auf die anerkannten Vereinigungen, um die es vorliegend geht, aus zwei Gründen nicht angenommen werden. Zum einen trifft die Vereinigungen nach der Anerkennung schon dadurch keine Erfüllungsverantwortung, weil sie nicht verpflichtet sind, von ihrer Klagebefugnis Gebrauch zu machen, sondern lediglich dazu befugt sind. Darüber hinaus wird die Erfüllungsverantwortung, welche die Gesetzgebung trifft, namentlich die Schaffung gesetzlicher
317 A. Schink, Umweltschutz als Staatsziel, in: DÖV 1997, S. 221 (223); Kloepfer (Fn. 313), Art. 20a Rn. 39; Leifer, Umweltmanagementsystem (Fn. 316), S. 81. 318 R. Steinberg, Verfassungsrechtlicher Umweltschutz durch Grundrechte und Staatszielbestimmung, in: NJW 1996, S. 1985 (1991); Kloepfer (Fn. 313), Art. 20a Rn. 38; Leifer, Umweltmanagementsystem (Fn. 316), S. 81; Schulze-Fielitz (Fn. 308), Art. 20a Rn. 71. 319 R. Sparwasser/R. Engel/A. Voßkuhle, Umweltrecht, 5. Aufl. 2003, § 1 Rn. 152; Schulze-Fielitz (Fn. 308), Art. 20a Rn. 84. Anders Leifer, Umweltmanagementsystem (Fn. 316), S. 81, der in Art. 20a GG keine Begründung für den verstärkten Einsatz von Selbstregulierungsmechanismen erblickt. 320 Schulze-Fielitz (Fn. 308), Art. 20a Rn. 66. 321 In diese Richtung Leifer, Umweltmanagementsystem (Fn. 316), S. 81.
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Regelungen, nicht auf Akteure der Gesellschaft übertragen, sondern verbleibt beim Staat322. Die Verleihung einer Rechtsetzungskompetenz ist ganz eindeutig nicht gemeint. Dementsprechend verbleibt die sich aus Art. 20a GG ergebende Erfüllungsverantwortung vollumfänglich beim Staat. Dies muss vor allem in Anbetracht der Tatsache gelten, dass sich aus Art. 20a GG eine sich permanent aktualisierende Nachbesserungspflicht des Gesetzgebers ergibt, das Umweltschutzrecht an neue Entwicklungen in Wissenschaft und Technik anzupassen323. Im Hinblick auf die Verantwortung des Staates ist deshalb genauer zu differenzieren. Erfüllung im Sinne des Art. 20a GG meint eben nicht, dass der Staat alle Aufgaben im Umweltschutz selbst wahrzunehmen hätte. Dies wäre im Hinblick auf die Effektivität des Umweltschutzes auch gar nicht denkbar. Der Ansatz, darin eine Gewährleistungsverantwortung zu sehen, ist gleichwohl nicht gänzlich verfehlt. Die Abgrenzung ist in diesem Falle nicht eindeutig. Den Staat trifft hier letzten Endes sowohl eine Erfüllungs- als auch eine Gewährleistungsverantwortung. Das folgt bereits aus dem sich im Umweltschutz zwangsläufig ergebenden Vollzugsdefizit seitens des Staates. Da eine vollumfassende Verwirklichung des Umweltschutzes durch den Staat nicht ersichtlich und aufgrund der Tragweite wohl auch nicht denkbar ist, kommt der Staat – hier maßgeblich die Exekutive – seiner Erfüllungsverantwortung nicht in einem ausreichenden Maße nach. Aus diesem Missstand resultiert die Gewährleistungsverantwortung des Staates. Er hat in seiner Funktion als Gesetzgeber die Pflicht, einen dem Umweltschutz dienenden Rechtsrahmen zu schaffen. Gleichzeitig trifft ihn aber im Sinne der Effektivität des Umweltschutzes die Pflicht, zu gewährleisten, dass auch die Gesellschaft ihren Teil beiträgt. Dabei hat er die – im Rahmen der Gewährleistungspflicht typische – Pflicht zur Aufsicht und Kontrolle324, um gegebenenfalls lenkend eingreifen zu können. 3. Die grundrechtlichen Interessen im Rahmen des Umweltschutzes Bei der Frage nach der grundrechtlichen Relevanz des Umweltschutzes soll gerade vor dem Hintergrund der vorliegenden Untersuchung neben dem maßgeblichen Art. 20a GG auch geprüft werden, inwieweit andere grundrechtliche Belange durch den Gesetzgeber zu berücksichtigen sind, wenn dieser die Möglichkeit einer Verbandsklage schafft und besondere Anforderungen an die erforderliche Anerkennung stellt. Zu denken ist an die Grundrechte der Bürger, der 322 Vgl. A. Epiney, in: H. v. Mangoldt/F. Klein/C. Starck (Hrsg.), GG II, 7. Aufl. 2018, Art. 20a Rn. 76, die auf Grundlage des Handlungsauftrages aus Art. 20a GG einen Rückzug des Staates unter Delegation der wichtigen Fragen des Schutzniveaus und Schutzausmaßes für unzulässig erachtet. 323 Wolf (Fn. 314), Art. 20a Rn. 45; Kloepfer (Fn. 313), Art. 20a Rn. 51. 324 Leifer, Umweltmanagementsystem (Fn. 316), S. 81.
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anzuerkennenden Vereinigungen, aber möglicherweise auch an die Grundrechte der von Verbandsklagen betroffenen Unternehmen. Entscheidend sind dabei insbesondere der Charakter von Art. 20a GG und das Verhältnis der Regelung zu den Grundrechten der Bürger und Unternehmen. Bei Art. 20a GG handelt es sich, wie voranstehend herausgearbeitet, um eine Staatszielbestimmung, die eine objektiv-rechtliche Schutzpflicht des Staates enthält. Diese spiegelt sich vor allem in einer Gesetzgebungsverpflichtung der Legislative wieder. Im Rahmen dieser Verpflichtung hat der Gesetzgeber die Wechselwirkung zwischen dem Staatsziel Umweltschutz und den Grundrechten zu beachten325. Bei den Grundrechten kann es sich dabei auf der einen Seite um solche von Umweltbelasteten bzw. Umweltschützern handeln, auf der anderen Seite kommen aber auch Grundrechte von Umweltbelastern in Betracht326. Dementsprechend kann Art. 20a GG, je nachdem, aus welchem Blickwinkel man ihn betrachtet, sowohl grundrechtsbeschränkenden als auch grundrechtsverstärkenden Charakter haben327. Mit Blick auf die Umweltbelasteten, also die von negativen Umwelteinflüssen betroffenen Bürger, ist insbesondere zu berücksichtigen, dass Art. 20a GG nicht dazu führen darf, dass die sich bereits aus den Grundrechten ergebenden Umweltschutzpflichten abgeschwächt werden328. Dabei ist zunächst festzustellen, dass unmittelbar in der Verfassung kein Grundrecht auf Umweltschutz enthalten ist329. Eine Schutzpflicht im Sinne eines „Grundrechts auf ein ökologisches Existenzminimum“ ergibt sich aber aus dem Zusammenspiel von Art. 2 Abs. 1 i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG bzw. Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG, welches die natürliche Lebensgrundlage des Menschen sicherstellen soll330. Außerdem steht dem einzelnen 325 Zur Wechselwirkung zwischen Staatszielen und Grundrechten s. Kloepfer (Fn. 313), Art. 20a Rn. 27. 326 Kloepfer (Fn. 313), Art. 20a Rn. 28. 327 Kloepfer (Fn. 313), Art. 20a Rn. 28; Schulze-Fielitz (Fn. 308), Art. 20a Rn. 87; K.-P. Sommermann, in: v. Münch/Kunig, GG I (Fn. 215), Art. 20a Rn. 47 ff. 328 So zutreffend Schulze-Fielitz (Fn. 308), Art. 20a Rn. 89; Murswiek (Fn. 308), Art. 20a Rn. 21. 329 M. Kloepfer, Zum Grundrecht auf Umweltschutz, 1978, S. 11 f., 31 ff.; W. Brohm, Soziale Grundrechte und Staatszielbestimmungen in der Verfassung, in: JZ 1994, S. 213 (216 f.); C. Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat, 2001, S. 298 f.; Sparwasser/ Engel/Voßkuhle, Umweltrecht (Fn. 319), § 1 Rn. 156; A. Voßkuhle, Umweltschutz und Grundgesetz, in: NVwZ 2013, S. 1 (5). 330 Kloepfer, Grundrecht (Fn. 329), S. 22, 27; Calliess, Rechtsstaat (Fn. 329), S. 300; Wolf (Fn. 314), Art. 20a Rn. 35; Scholz (Fn. 308), Art. 20a Rn. 8, der ein solches „ökologisches Existenzminimum“ analog zum „sozialen Existenzminimum“ herleitet. Noch weitergehend L. H. Michel, Staatszwecke, Staatsziele und Grundrechtsinterpretation unter besonderer Berücksichtigung der Positivierung des Umweltschutzes im Grundgesetz, 1986, S. 176, der ein solches Recht unmittelbar aus Art. 1 Abs. 1 GG herleitet. Kritisch Sparwasser/Engel/Voßkuhle, Umweltrecht (Fn. 319), § 1 Rn. 160, die anmerken, dass sich das „ökologische Existenzminimum“ nicht eindeutig bestimmen lasse, da die Verfassung selbst zu wenig Anhaltspunkte biete. So auch Voßkuhle, Umweltschutz
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Bürger auch ein direkter Abwehranspruch gegen gesundheitsgefährdende Belastungen aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG zu331. Daneben setzt auch grundrechtlich geschütztes Eigentum aus Art. 14 Abs. 1 GG voraus, dass „intakte ökologische Grundlagen“ vorhanden sind332. Der Staat ist also bereits unabhängig von seiner Schutzpflicht aus Art. 20a GG sehr weitgehend zum Umweltschutz verpflichtet, sodass Art. 20a GG insoweit grundrechtsverstärkend wirkt. Auf der anderen Seite wirkt Art. 20a GG grundrechtsbeschränkend für Personen oder Unternehmen, die im Rahmen ihrer grundrechtlichen Freiheiten umweltbelastend handeln. Dabei sind vor allem die Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1, 12 Abs. 1, 14 Abs. 1 GG relevant333, ohne dass es dabei etwa ein „Grundrecht auf Umweltverschmutzung“ gäbe334. Art. 20a GG kann Beschränkungen dieser Grundrechte und gleichzeitig auch Ungleichbehandlungen im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG zu Gunsten des Umweltschutzes legitimieren335. Inwieweit die Grundrechte Dritter, namentlich von Personen bzw. Unternehmen mit umweltbelastenden Tätigkeiten, allerdings durch die Anerkennung von Umweltverbänden und die damit verbundenen Verbandsklagebefugnis belastet werden, ist mehr als fraglich. Teilweise wird kritisiert, die Einführung einer Verbandsklage würde zu einer „Schieflage“ zwischen Verbandsklagebefugnissen und Individualrechtsschutz führen336, was im Ergebnis zu einer Missbrauchsgefahr führen könnte, welche (Fn. 329), S. 6. Ablehnend auch P. Kunig, in: v. Münch/ders., GG I (Fn. 215), Art. 2 Rn. 71, der sich dabei allerdings auf Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG bezieht. 331 Calliess, Rechtsstaat (Fn. 329), S. 303 ff. Einen solchen Anspruch erkennt – im Gegensatz zu einem „ökologischen Existenzminimum“ – auch Voßkuhle, Umweltschutz (Fn. 329), S. 6, an. Dieser Anspruch richtet sich allerdings nur gegen den Staat und von ihm verursachte Umweltverschmutzungen. Da oftmals aber vor allem Private für solche gesundheitsgefährdenden Verschmutzungen verantwortlich sind, wird dieser Abwehranspruch in der Regel leerlaufen, vgl. dazu Sparwasser/Engel/Voßkuhle, Umweltrecht (Fn. 319), § 1 Rn. 156. 332 J. Isensee, Die Ambivalenz des Eigentumsgrundrechts. Umweltschutz im grundrechtstheoretischen Koordinatensystem, in: F. Ossenbühl (Hrsg.), Eigentumsgarantie und Umweltschutz, 1990, S. 3 (8); Calliess, Rechtsstaat (Fn. 329), S. 301. 333 Sparwasser/Engel/Voßkuhle, Umweltrecht (Fn. 319), § 1 Rn. 167. 334 Grundlegend die Ausführungen von D. Murswiek, Privater Nutzen und Gemeinwohl im Umweltrecht, in: DVBl. 1994, S. 77 (79 ff., 82), der feststellt, dass die Belastung von Umweltgütern faktisch eine Voraussetzung der Ausübung von Freiheitsrechten sei und dementsprechend in den materiellen Gewährleistungsbereich dieser Grundrechte auch nicht mit einbezogen sei. Die Nutzung dieser Güter sei dementsprechend „Teilhabe und nicht allein abwehrrechtlich zu verstehende Freiheit.“ Siehe dazu auch Sparwasser/Engel/Voßkuhle, Umweltrecht (Fn. 319), § 1 Rn. 165, die zusammenfassend herausarbeiten, dass es sich bei „öffentlichen Gütern um tatsächliche Voraussetzungen der Grundrechtsausübung [handele], die als ,capacité‘ im Gegensatz zur ,liberté‘ von der abwehrrechtlichen Garantie der Freiheitsrechte ebenso wenig wie die Nutzung fremden Eigentums oder die staatliche Erbringung von Leistungen umfasst seien.“ 335 So Schulze-Fielitz (Fn. 308), Art. 20a Rn. 87 f., der zutreffend feststellt, dass davon auch Eingriffe in vorbehaltlos gewährleistete Grundrechte umfasst sind. 336 So bspw. T. Leidinger, Europäisiertes Verbandsklagerecht und deutscher Individualrechtsschutz, in: NVwZ 2011, S. 1345 (1347 ff.).
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die Grundrechte Dritter gefährde337. Dieser Vorwurf geht allerdings fehl. Zum einen ist eine solche Schieflage zwischen überindividuellen Klagebefugnissen und Individualrechtsschutz empirisch nicht erkennbar, zum anderen ist auch die Gefahr eines Missbrauchs des Verbandsklagerechts nicht wirklich gegeben, tragen die Umweltverbände doch das Prozess- bzw. Kostenrisiko338. Darüber hinaus kann das Risiko, aufgrund eines objektiven Rechtsverstoßes von einem Verband verklagt zu werden, auch nicht ernsthaft als Gefährdung der Grundrechte von Umweltbelastern gesehen werden, sondern ist vielmehr dem allgemeinen Lebensrisiko zuzuordnen. Dementsprechend werden die Grundrechte Dritter durch die Einführung eines Verbandsklagerechtes nicht gefährdet. Letzten Endes könnte sich eine Grundrechtsgefährdung durch die Einführung der Verbandsklage im Umweltrecht lediglich für die Grundrechte der Umweltverbände – namentlich Art. 3 Abs. 1 GG – ergeben, die aufgrund der Voraussetzungen in § 3 Abs. 1 S. 2 UmwRG nicht anerkannt werden. Vor allem die Anforderungen der Beständigkeit (Nr. 2) und der Gemeinnützigkeit (Nr. 4) könnten zu einer Benachteiligung von Verbänden führen. Diese Einschränkungen sind aber durch Art. 20a GG legitimiert und zum Schutze der Effektivität des Umweltschutzes auch erforderlich. Sie sind gerade dazu da, sicherzustellen, dass die Vereinigungen tatsächlich nur aus Gründen des Umweltschutzes und nicht missbräuchlich handeln. Im Ergebnis zeigt sich daher, dass der Staat durch die Einführung des Klagerechts für Umweltverbände seiner Verpflichtung aus Art. 20a GG nachgekommen ist, sodass dieser grundrechtsrelevante Bereich durch die Einführung einer Klagebefugnis nicht unzulässig beschränkt ist und diese Befugnis für die Grundrechte der betroffenen Verbände und natürlicher Personen bzw. Unternehmen, welche umweltbelastend tätig werden, keine Gefahr darstellt. 4. Die Motivation umweltschützender Verbände als Voraussetzung der Anerkennung Auch bei der Anerkennung im Umwelt- und Naturschutzrecht findet die Motivation der privatrechtlichen Verbände in den Voraussetzungen ausdrücklich Berücksichtigung. Dies ergibt sich insbesondere an zwei verschiedenen Stellen. Zunächst verlangt § 3 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UmwRG von den Vereinigungen, dass sie ihrer Satzung nach aus ideellen Motiven heraus handeln339. Es hat sich allerdings gezeigt, dass dies richtigerweise nicht absolut zu verstehen, sondern vielmehr der 337 Auf diesen möglichen Vorwurf weist S. Schlacke, Verbandsklagen im Umweltund Verwaltungsrecht, in: F. Welti (Hrsg.), Rechtliche Instrumente zur Durchsetzung der Barrierefreiheit, 2013, S. 99 (111, Fn. 110), hin. 338 Schlacke, Verbandsklagen (Fn. 337), S. 109 f., die darauf aufmerksam macht, dass eine Klageflut der Umweltverbände, die von Gegnern befürchtet wurde, ausgeblieben sei und Verbandsklagen einen Anteil von unter 1 % an verwaltungsgerichtlichen Klagen ausmachten. 339 Siehe dazu bereits die Ausführungen unter § 3 C. II. 3. b) (S. 190 f.).
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Hauptzweck der Tätigkeit einer Vereinigung entscheidend ist. Dieser Hauptzweck muss in altruistischen Motiven bestehen, mithin aus intrinsischen Interessen heraus verfolgt werden. Es dürfen keine wirtschaftlichen, politischen oder anderweitigen Interessen in den Vordergrund gestellt werden. Gerade der fehlende wirtschaftliche Aspekt findet noch an zweiter Stelle des Kriterienkataloges für die Anerkennung Berücksichtigung. So verlangt § 3 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 UmwRG, dass die Vereinigung gemeinnützige Ziele im Sinne von § 52 AO verfolgt. Dies kann gemäß § 52 Abs. 1 S. 1 AO nur angenommen werden, wenn die Tätigkeit der Vereinigung darauf ausgerichtet ist, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern. Eine solche Förderung ist gemäß § 52 Abs. 1 S. 2 AO ausgeschlossen, wenn der Kreis der geförderten Personen fest abgeschlossen ist und gerade nicht die Allgemeinheit von der Tätigkeit profitiert. Die Privilegierung gemeinwohlorientierter intrinsischer Interessen auf Seiten der anzuerkennenden Vereinigungen hat im Bereich des Umweltrechts also Auschließlichkeitscharakter. Die Mitwirkung einer Vereinigung kommt nur dann in Betracht, wenn diese lediglich im Dienst der Umwelt und damit im Dienst der Allgemeinheit tätig wird, ohne dabei aufgrund eigener, möglicherweise wirtschaftlicher oder politischer Interessen zu handeln. Eine Beschränkung auf Vereinigungen, die aus selbstlosen Absichten heraus handeln, ist aufgrund der Effektivität des Umweltschutzes auch angezeigt.
III. Überindividueller Rechtsschutz als legitime Beteiligungsform im Umweltschutz Die Untersuchung der Einbindung privater Akteure in den Umweltschutz anhand der vorliegenden Kriterien ergibt ein insgesamt schlüssiges Konzept. Der Staat bedient sich bei der Wahrnehmung seiner Schutzpflicht aus Art. 20a GG der gesteigerten Kompetenz dieser Verbände. Er stattet sie dabei allerdings nur mit einem qualifizierten Anhörungsrecht und einer verbandsrechtlichen Klagebefugnis aus. Die Untersuchung hat gezeigt, dass die Kritik gegen diese Form überindividuellen Rechtsschutzes im Ergebnis nicht durchzugreifen vermag. Gerade mit Blick auf die demokratische Legitimation umwelt- bzw. naturschutzrechtlicher Verbände ergeben sich keine Probleme. Eine durchgehende Legitimationskette ist aufgrund der eingeschränkten Befugnisse der Verbände nicht erforderlich. Diese erhalten mit dem Initiativrecht lediglich die Möglichkeit, behördliche Entscheidungen verwaltungsgerichtlich auf ihre Rechtmäßigkeit hin überprüfen zu lassen. Dabei kommen den Verbänden aber weder unmittelbare Entscheidungsbefugnisse zu, noch üben sie Staatsgewalt aus. Nur in diesem Fall wäre eine demokratische Legitimation überhaupt erforderlich. Die Einbindung der privaten Akteure geht in diesem Fall aber nicht soweit, insbesondere liegt keine Form der Beleihung vor. Vielmehr erfüllen die Verbände eine Rolle ähnlich derjenigen eines Verwaltungshelfers.
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Dies zeigt sich auch mit Blick auf die staatliche Verantwortung im Bereich des Umweltschutzes. Allein der Staat ist objektiv Verpflichteter der sich aus Art. 20a GG ergebenden Schutzpflicht zugunsten der natürlichen Lebensgrundlagen, mithin der Umwelt. Diese Verantwortung richtet sich primär als eine Erfüllungsverantwortung an den Gesetzgeber. Dieser ist verpflichtet, einen gesetzlichen Rahmen zu schaffen, der dem Umweltschutz zugutekommt. Diese Erfüllungsverantwortung der Legislative bleibt auch nach der Einbeziehung privater Verbände in die Aufgabenwahrnehmung bestehen, da eine Beleihung mit Rechtsetzungsbefugnissen nicht ersichtlich ist. Die Beteiligung der Umweltverbände findet eher im Rahmen einer Gewährleistungsverantwortung statt, welche den Staat und vor allem auch die Verwaltung neben der bestehenden Erfüllungsverantwortung trifft. Damit wird der Staat dem Kooperationsprinzip gerecht, welches den Umweltschutz grundsätzlich der staatlichen und gesellschaftlichen Sphäre zuordnet. Eröffnet wird den Verbänden dabei lediglich die Möglichkeit, verbandsrechtliche Klagebefugnisse wahrzunehmen, ohne ihnen eine eigenständige Erfüllungsverantwortung aufzuerlegen. Auch aus grundrechtlicher Sicht ergeben sich gegen die Verbandsklage im Allgemeinen und die an die Verbände gestellten Voraussetzungen im Besonderen keine Bedenken. Insbesondere kommt es durch die Anerkennung umwelt- und naturschutzrechtlicher Verbände im Sinne des § 3 UmwRG nicht zu einer Beeinträchtigung grundrechtlich geschützter Interessen Dritter. Die gestellten Voraussetzungen sind zwar insgesamt weit auszulegen, sodass eine Anerkennung – abgesehen von der Dauer des Tätigseins – keine allzu große Hürde darstellt; sie bieten aber ausreichend Schutz vor einem Missbrauch. Außerdem ist nicht ersichtlich, inwieweit das bloße Risiko, aufgrund (objektiver) Rechtsverstöße verklagt zu werden, eine Beeinträchtigung grundrechtlicher Interessen darstellen sollte. So ist insbesondere eine „Schieflage“ zwischen Individual- und Verbandsrechtsschutz nicht zu erkennen. Auch ist nicht ersichtlich, dass die Anforderungen an eine Anerkennung nicht anerkannte Verbände unangemessen benachteiligen würden. Sie ist vielmehr Ausdruck des sich aus Art. 20a GG ergebenden Prinzips des effektiven Umweltschutzes. Dies gilt auch für die Privilegierung von Verbänden mit altruistischen Motiven in der Form, dass Verbände mit anderweitiger Motivation gänzlich ausgeschlossen sind. Im Ergebnis zeigt sich also, dass die niedrigen Voraussetzungen, die § 3 UmwRG an die Anerkennung umwelt- bzw. naturschutzrechtlicher Vereinigungen stellt, nicht nur unionsrechtlichen Vorgaben entsprechen, sondern auch verfassungsrechtlich unbedenklich und sogar angezeigt sind. Der Staat bedient sich des besonderen Sachverstandes dieser Verbände, um seiner Schutzpflicht gerecht zu werden. Der Grundsatz der Effektivität verpflichtet ihn daran anschließend, das gewählte Mittel möglichst effektiv zu gestalten. Dementsprechend sind die Anforderungen entsprechend offen zu halten, um den privatrechtlichen Verbän-
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den – auch im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes – einen weiten Zugang zu den Gerichten zu ermöglichen.
D. Der Luftfahrzeugführer als „Bordpolizei“ Die vorliegende Untersuchung abschließend soll die Indienstnahme340 des Luftfahrzeugführers gemäß § 12 Abs. 1 LuftSiG ins Blickfeld genommen und anhand der gefundenen Kriterien weitergehend analysiert werden. Mit Blick auf Umfang und Reichweite der Übertragung der Befugnisse auf den Luftfahrzeugführer hat sich gezeigt, dass diesem eine Stellung eingeräumt wird, die vergleichbar mit der eines (Luft-)Polizisten ist. Es findet eine Beleihung mit weitreichenden hoheitlichen Befugnissen statt, die dem Luftfahrzeugführer eine selbstständige Entscheidungskompetenz einräumt. In der Folge wird daher zu prüfen sein, inwieweit diese besondere Stellung des Luftfahrzeugführers an Bord eines sich im Flug befindlichen Flugzeuges bei den an ihn gestellten Voraussetzungen Berücksichtigung gefunden hat und ob der Staat damit seinen (verfassungsrechtlichen) Vorgaben gerecht wird.
I. Einordnung der gefundenen Voraussetzungen Doch zunächst sollen auch hier die Voraussetzungen strukturiert werden, um den Vergleich mit der Rechtsstellung der Beamten und den anderen Bereichen zu erleichtern. Dabei ist auf die allgemeinen Voraussetzungen für die Erlaubniserteilung gemäß § 4 Abs. 1 LuftVG abzustellen, da sich gezeigt hat, dass an den Akt der Beleihung selbst keine weitergehenden Voraussetzungen gestellt werden. Vielmehr kann jeder, der im Besitz einer entsprechenden Erlaubnis ist, auch als verantwortlicher Luftfahrzeugführer ein Flugzeug führen. Es kommt für die Verantwortlichkeit allein auf die Bestimmung durch den Eigentümer beziehungsweise Unternehmer an. 1. Persönliche Voraussetzungen Im Hinblick auf die persönlichen Voraussetzungen, die § 4 Abs. 1 LuftVG an die Erteilung einer Erlaubnis stellt, ist lediglich das Alter des Bewerbers von Bedeutung. So fordert § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 1LuftVG, dass der Bewerber das vorgeschriebene Mindestalter besitzt. Dieses Mindestalter ergibt sich, europarechtlich vereinheitlicht, aus der Verordnung (EU) Nr. 1178/2011 und ist auf 18 Jahre für Berufsflugzeugführer und 21 Jahre für Verkehrsflugzeugführer festgelegt. Keine Anforderungen stellt § 4 Abs. 1 LuftVG hingegen an die Staatsangehörigkeit des 340 Von einer solchen sprechen mit Blick auf den Luftfahrzeugführer K. Vogel/ W. Martens, Gefahrenabwehrrecht. Allgemeines Polizeirecht (Ordnungsrecht) des Bundes und der Länder, 9. Aufl. 1986, S. 59.
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Bewerbers. So ist die Erlaubnis im Sinne des § 4 Abs. 1 LuftVG nicht auf deutsche Bewerber beschränkt, sondern kann auch von ausländischen Staatsangehörigen beantragt werden. Daneben stellt auch § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 LuftVG auf persönliche Eigenschaften ab, indem er den Nachweis der Tauglichkeit des Bewerbers verlangt. Diese betrifft die körperliche und geistige Eignung – nicht aber die charakterliche – des Bewerbers, ein Luftfahrzeug zu führen. 2. Anforderungen im Hinblick auf die Loyalität zum Staat? Auch bezüglich einer besonderen Treue zu Staat und Verfassung seitens des Luftfahrzeugführers enthält die Regelung des § 4 Abs. 1 LuftVG keinerlei direkte Aussage, die auf ein zwingend erforderliches Vorliegen einer Verfassungstreue schließen lassen würde. In diesem Punkt weicht der Katalog des § 4 Abs. 1 S. 2 LuftVG maßgeblich von den Voraussetzungen, die an Beamte oder Beschäftigte des öffentlichen Dienstes gestellt werden, ab, obwohl eine sehr weit gehende Übertragung hoheitlicher Befugnisse stattfindet. Allein die Voraussetzung der Zuverlässigkeit in § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 LuftVG bietet die Möglichkeit, auf die charakterliche Eignung des Bewerbers und damit unter anderem auch auf seine Einstellung hinsichtlich des Staates und seiner Verfassung einzugehen. So hat es das Bundesverwaltungsgericht mit Blick auf den Bezirksschornsteinfeger getan341. Das Gericht hat zwar eine Pflicht zur Verfassungstreue für den Beliehenen mangels Angehörigkeit zum öffentlichen Dienst abgelehnt, gleichzeitig aber festgestellt, dass eine verfassungsfeindliche Gesinnung zur Ablehnung der persönlichen Zuverlässigkeit führen könne. Diese Voraussetzung bedarf daher eines besonderen Augenmerks. 3. Die Qualifikation des Luftfahrzeugführers als maßgebliches Kriterium Die fachliche Qualifikation des Bewerbers ist im Rahmen der Erlaubniserteilung neben der Tauglichkeit die Grundvoraussetzung. Dies rechtfertig sich schon aus dem Ziel der der Erlaubnispflicht, die Allgemeinheit und die Luftverkehrsteilnehmer zu schützen342. Dementsprechend verlangt § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 LuftVG vom Bewerber, dass er erfolgreich die erforderlichen Prüfungen nach nationalen beziehungsweise europarechtlichen Vorgaben bestanden hat. Abgestellt wird dabei sowohl auf die theoretischen Grundlagen als auch auf die praktischen Fähigkeiten.
341
BVerwGE 145, 67. Siehe dazu oben unter § 3 C. III. 2. b) (S. 202 f.). So R. Schmid, in: E. Giemulla/ders., LuftVG, Kommentar (Frankfurter Kommentar zum Luftverkehrsrecht Bd. 1.1), § 4 (2007), Rn. 1. 342
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II. Der „verantwortliche Luftfahrzeugführer“ als tauglicher Vergleichsgegenstand? Mit Blick auf die Voraussetzungen hat sich gezeigt, dass solche lediglich an die Erteilung einer Erlaubnis im Sinne des § 4 Abs. 1 LuftVG gestellt werden. Dabei steht vor allem die Eignung, also die Tauglichkeit und die Zuverlässigkeit des Luftfahrzeugführers im Mittelpunkt. An die Beleihung, also die für die vorliegende Untersuchung relevante Übertragung hoheitsrechtlicher Befugnisse im Sinne des § 12 Abs. 1 LuftSiG, aber werden keine weitergehenden Voraussetzungen gestellt. In der Folge wird daher zu untersuchen sein, ob die gestellten Anforderungen ausreichend sind; gerade im Hinblick darauf, dass mit der Übertragungsform der Beleihung eine sehr weit reichende Aufgabenübertragung auf den (privaten) Luftfahrzeugführer stattfindet. 1. Zur demokratischen Legitimation des „verantwortlichen Luftfahrzeugführers“ Zu Beginn der Untersuchung soll die demokratische Legitimation des verantwortlichen Luftfahrzeugführers im Mittelpunk stehen. Dabei bedarf es zunächst einer allgemeinen Antwort auf die Frage, welche Anforderungen an die demokratische Legitimation sich bereits aus der Stellung des Luftfahrzeugführers als Beliehener ergeben. Erst im Anschluss daran kann untersucht werden, inwieweit die Indienstnahme des verantwortlichen Luftfahrzeugführers in § 12 Abs. 1 LuftSiG diesen Ansprüchen gerecht wird. a) Demokratische Legitimation im Rahmen der Beleihung § 12 Abs. 1 LuftSiG legt ausdrücklich fest, dass der verantwortliche Luftfahrzeugführer als Beliehener für die Sicherheit und Ordnung an Bord eines Luftfahrzeuges zu sorgen hat, solange sich dieses in der Luft befindet. Diese Stellung des Luftfahrzeugführers als Beliehener ist auch für die Anforderungen, die mit Blick auf die demokratische Legitimation seines Handelns zu stellen sind, von großer Bedeutung. Die Beleihung stellt richtigerweise einen Fall der funktionalen Privatisierung dar und weist somit Merkmale sowohl einer formellen als auch einer materiellen Privatisierung auf 343. Die Nähe zur materiellen Privatisierung wird dadurch deutlich, dass dem Beliehenen im Rahmen der ihm übertragenen (hoheitlichen) Befugnisse eine eigenständige Entscheidungskompetenz zukommt. Er nimmt die Aufgaben nach der Übertragung also als eigene wahr. Dies gilt auch für den Luftfahrzeugführer, dem an Bord eines sich im Flug befindlichen Flug-
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Siehe zur Einordnung der Beleihung bereits unter § 2 B. III. 3. (S. 59 f.).
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zeuges letztendlich die Entscheidungskompetenz hinsichtlich zu treffender Maßnahmen der Gefahrenabwehr zusteht344. Das Demokratieprinzip aus Art. 20 Abs. 2 GG verlangt hinsichtlich aller Ausübung hoheitlicher Gewalt, dass diese demokratisch legitimiert ist. Es muss dementsprechend eine ununterbrochene Legitimationskette von demjenigen, der hoheitliche Gewalt ausübt, auf das Staatsvolk als originärer Träger aller Staatsgewalt zurückführen. Dabei muss das Legitimationsniveau „umso höher sein, je intensiver die in Betracht kommenden Entscheidungen die Grundrechte berühren.“ 345 In diesen Fällen „fällt [. . .] die Frage nach der demokratischen Legitimation der Verwaltung mit einem bestimmten Sachgegenstand mit der nach dem Vorbehalt des Gesetzes zusammen“ 346, sodass ein Parlamentsgesetz als Grundlage der Beleihung erforderlich ist347. Das Handeln des Luftfahrzeugführers als Träger der „Polizeigewalt“ an Bord bedarf also – aufgrund seines hoheitlichen Charakters – der demokratischen Legitimation348. Diese muss aufgrund der hervorgehobenen Stellung und unabhängigen Entscheidungsbefugnis des Luftfahrzeugführers und nicht zuletzt auch aufgrund der grundrechtlichen „Fallhöhe“ gesteigerten Ansprüchen gerecht werden. Legitimationsgrundlage ist hierbei die Vorschrift des § 12 Abs. 1 LuftSiG, sodass der Parlamentsvorbehalt gewahrt ist. Zu untersuchen ist in der Folge, wie im Hinblick auf den Luftfahrzeugführer die demokratische Legitimation auf organisatorisch-personeller und sachlich-inhaltlicher Ebene ausgestaltet ist. b) Die organisatorisch-personelle Legitimation als Problem Vor allem die organisatorisch-personelle Legitimation des Luftfahrzeugführers erscheint auf den ersten Blick problematisch. Diese verlangt zwar nicht, dass der konkrete Amtswalter – hier der beliehene Luftfahrzeugführer – unmittelbar durch das Volk legitimiert ist, fordert aber eine ununterbrochene, auf das Staatsvolk zurückführende Legitimationskette. § 12 Abs. 1 LuftSiG als Grundlage der Beleihung setzt zwar den verantwortlichen Luftfahrzeugführer als Adressaten der Beleihung voraus, bestimmt aber nicht selbst, wer im konkreten Fall an Bord eines Flugzeuges als verantwortlicher Luftfahrzeugführer anzusehen ist; es erfolgt also keine individualisierte Beleihung. Die konkrete Festlegung des verantwortlichen 344 Siehe zu der Stellung des Luftfahrzeugführers als Beliehener und den sich aus § 12 Abs. 1 und 2 LuftSiG ergebenden Befugnissen ausführlich auf S. 205 ff. 345 BVerfGE 130, 76 (124). 346 So C. Ohler, Der institutionelle Vorbehalt des Gesetzes, in: AöR 131 (2006), S. 336 (351). Dazu auch E. Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, 2. Aufl. 2004, S. 90 f. 347 So im Hinblick auf die Beleihung mit Strafvollzugsaufhaben auch M. Lange, Privatisierungspotentiale im Strafvollzug, in: DÖV 2001, S. 898 (903). 348 A.-K. Schröder, Die Rechte und Pflichten des verantwortlichen Luftfahrzeugführers nach dem Luftsicherheitsgesetz, 2008, S. 64.
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Luftfahrzeugführers steht nach Art. 2 Nr. 1 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 923/2012 vielmehr dem Betreiber oder der Eigentümer der Fluggesellschaft, für die der Luftfahrzeugführer tätig und die für den jeweiligen Flug verantwortlich ist, zu. Legitimität wird diesem aber in einem gewissen Umfang dadurch verliehen, dass dieser für die Erteilung der allgemeinen Flugerlaubnis durch die Behörden bestimmte Voraussetzungen erfüllen muss349. So wird eine Vorauswahl der Personen getroffen, die grundsätzlich für die Beleihung in Betracht kommen. Auf die Auswahl des verantwortlichen Luftfahrzeugführers im Einzelfall haben die Behörden allerdings keinen Einfluss, sodass die Legitimationskette an dieser Stelle durch die Entscheidung des Betreibers bzw. Eigentümers der Fluggesellschaft zumindest formal durchbrochen wird. Zwar ist ein Mangel an organisatorisch-personeller Legitimation der Beleihung grundsätzlich eigen, da der Beliehene gerade nicht in die Verwaltung eingegliedert wird350, im vorliegenden Fall kommt aber hinzu, dass ein individueller Beleihungsakt, der die organisatorischpersonelle Legitimation des beliehenen Luftfahrzeugführers sicherstellt351, nicht gegeben ist. Im Ergebnis erweist sich die organisatorisch-personelle Legitimation des Luftfahrzeugführers also als Schwachpunkt. c) Ausgleich durch hinreichende sachlich-inhaltliche Legitimation als Lösung? Organisatorisch-personelle und sachlich-inhaltliche Legitimation stehen aber in einem „wechselbezüglichen Verhältnis“ zueinander, sodass „eine verminderte Legitimation über den einen Strang durch verstärkte Legitimation über den anderen Strang ausgeglichen werden kann“ 352. Dementsprechend kann die schwache organisatorisch-personelle Legitimation des Luftfahrzeugführers möglicherweise über eine starke Legitimation auf sachlich-inhaltlicher Ebene aufgefangen werden. Diese wird vor allem durch die Gesetzesbindung des Beliehenen und die Bindung an Aufträge und Weisungen der Regierung vermittelt353. Die Vorschrift 349 Diese Erteilung der Flugerlaubnis ist aber nicht mit der Konstellation zu verwechseln, dass die Beleihung an sich durch eine von der Behörde ausgehende Bestätigung oder Anerkennung als Voraussetzung abhängt, dazu Schröder, Rechte (Fn. 348), S. 63. Vorliegend erfolgt die Beleihung unmittelbar durch die gesetzliche Regelung in § 12 Abs. 1 LuftSiG. 350 I. Appel/U. Ramsauer, Einschaltung privater Unternehmer bei der Ausgabe neuer Kfz-Kennzeichen. Zugleich ein Beitrag zur Dogmatik der Figur des Verwaltungshelfers, in: NordÖR 2012, S. 375 (381). 351 M. Heintzen, Beteiligung Privater an der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben und staatliche Verantwortung, in: VVDStRL 62 (2003), S. 220 (242). Anders an dieser Stelle Schröder, Rechte (Fn. 348), S. 64, die eine personell-organisatorische Legitimation aus den materiellen Vorgaben des Beleihungsgesetzes herleiten will. Die materiellen Vorgaben können allerdings lediglich auf sachlich-inhaltlicher Ebene Legitimität verleihen, vgl. Heintzen, a. a. O. 352 So BVerfGE 130, 76 (124). 353 BVerfGE 130, 76 (124).
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des § 12 LuftSiG trifft in Absatz 2 Vorgaben hinsichtlich der Befugnisse, die dem Luftfahrzeugführer übertragen werden. Der Maßnahmenkatalog ist zwar nicht abschließend („insbesondere“), zeichnet aber dennoch ein genaues Bild der Stellung und Aufgaben des Luftfahrzeugführers. Dementsprechend kann die schwache organisatorisch-personelle Legitimation zumindest teilweise auf sachlich-inhaltlicher Ebene aufgefangen werden; ein gänzlicher Ausgleich ist allerdings nicht gegeben354. d) Insgesamt ausreichendes Legitimationsniveau? Betrachtet man zusammenfassend das durch § 12 Abs. 1 und 2 LuftSiG vermittelte Legitimationsniveau, so ist zu konstatieren, dass gerade auf organisatorischpersoneller Ebene ein Mangel an demokratischer Legitimation besteht. Dieser kann zwar in einem gewissen Umfang durch eine verstärkte sachlich-inhaltliche Legitimation ausgeglichen werden, insgesamt ist das Legitimationsniveau allerdings – gerade in Anbetracht der Reichweite und der grundrechtlichen Relevanz der auf den Luftfahrzeugführer übertragenen Befugnisse – sehr gering. Dementsprechend muss, um eine Verletzung des Demokratieprinzips (Art. 20 Abs. 2 GG) zu vermeiden, die Legitimierung auf andere Weise unterstützend gewährleistet werden. Im Rahmen einer Beleihung Privater erfolgt diese weitergehende Legitimation des Privaten im Wege der parlamentarischen Kontrolle der vermittelten Aufgabenwahrnehmung355. Das Bundesverfassungsgericht hebt die Bedeutung der parlamentarischen Kontrolle besonders hervor, da die Beleihung „nicht zu einer Flucht aus der staatlichen Verantwortung für die Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben führen [dürfe]“ 356. Die demokratische Legitimation des Beliehenen ist daher eng mit der Frage der Gewährleistungsverantwortung des Staates verbunden357. In der Folge ist daher zu prüfen, mit welchen Mitteln der Staat seiner Gewährleistungsverantwortung im Bereich der Luftsicherheit gerecht wird. 2. Die staatliche Verantwortung für die Luftsicherheit Der staatlichen Verantwortung – gerade nach Übertragung der Aufgabe auf den Luftfahrzeugführer – kommt daher im Fall der Luftsicherheit eine besondere Bedeutung zu. Sie muss so ausgestaltet sein, dass sie in der Lage ist, den Mangel an demokratischer Legitimation hinsichtlich der Beleihung des Luftfahrzeugfüh354 Strenger insoweit Appel/Ramsauer, Einschaltung (Fn. 350), S. 381, die einen Ausgleich über die sachliche Legitimation bei der Beleihung gänzlich für ausgeschlossen halten. 355 BVerfGE 130, 76 (123); BremStGH NVwZ 2003, S. 81 (83 ff.); H. J. Bonk, Rechtliche Rahmenbedingungen einer Privatisierung im Strafvollzug, in: JZ 2000, S. 435 (440); Lange, Privatisierungspotentiale (Fn. 347), S. 903. 356 BVerfGE 130, 76 (123). 357 Diesen Zusammenhang stellt auch BVerfGE 130, 76 (123), her.
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rers auszugleichen. Daher ist zu hinterfragen, welche Form der Verantwortung den Staat an dieser Stelle trifft, auf welche Weise er diese Verantwortung wahrnimmt und ob dies ausreichend ist, um den Anforderungen des Demokratieprinzips an eine Beleihung gerecht zu werden. a) Die Gewährleistungsverantwortung des Staates als Folge der Beleihung Dass den Staat eine Verantwortung auch nach Übertragung der Aufgabe weiterhin trifft, ergibt sich bereits aus der Beleihung als Form der funktionalen Privatisierung358. Diese weist zwar eine Nähe zur materiellen Aufgabenprivatisierung auf, unterscheidet sich von dieser aber gerade durch die Tatsache, dass nur die Wahrnehmung der Aufgabe übertragen wird, die Verantwortung für diese Wahrnehmung aber weiterhin beim Staat verbleibt. Ihn trifft dabei aber keine Erfüllungsverantwortung mehr, da diese gerade auf den Beliehenen übertragen wurde. Beim Staat verbleibt eine Gewährleistungsverantwortung, durch welche die ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung sichergestellt werden soll359. Klassisches Instrument der Gewährleistungsverantwortung ist die staatliche Aufsicht360. Diese Aufsicht ist generell in der Lage, demokratische Legitimation zu vermitteln361. Heintzen führt in diesem Zusammenhang zutreffend aus, dass hinsichtlich der Aufsichtsrechte bei einer Beleihung ein Zielkonflikt bestehe362. So lege der Zweck der Beleihung, die Nutzung privaten Sachverstandes, grundsätzlich eine schwache Aufsicht nahe, während das Anliegen demokratischer Kontrolle eine verstärkte Aufsicht fordere. Im vorliegenden Fall des Luftfahrzeugführers wird aufgrund der schwachen demokratischen Legitimation eine starke Aufsicht zu fordern sein. In der Folge soll daher in Grundzügen die staatliche Luftaufsicht dargestellt werden. b) Grundzüge der staatlichen Luftaufsicht § 12 LuftSiG als rechtliche Grundlage der Beleihung des Luftfahrzeugführers regelt die staatliche Aufsicht über diesen nicht selbst. Insofern ist im Hinblick auf die staatliche Aufsicht auf andere Vorschriften zurückzugreifen. 358 Siehe zur funktionalen Privatisierung mit der Beleihung als Anwendungsfall bereits unter § 2 B. III. 3. (S. 59 f.). 359 BVerfGE 130, 76 (123). Zum Zusammenhang von funktionaler Privatisierung und Gewährleistungsverantwortung auch Schmidt-Aßmann, Ordnungsidee (Fn. 346), S. 172 ff. 360 Dazu bereits unter § 5 B. II. 4. (S. 270 ff.). 361 So bspw. Heintzen, Beteiligung (Fn. 351), S. 242; Schröder, Rechte (Fn. 348), S. 65. Zum Zusammenhang von staatlicher Gewährleistungsaufsicht und demokratischer Legitimation auch B. Schmidt am Busch, Gewährleistungsaufsicht zur Sicherstellung privater Aufgabenerledigung, in: DV 49 (2016), S. 205 (212 ff.). 362 Heintzen, Beteiligung (Fn. 351), S. 242, Fn. 108.
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aa) Zweispurigkeit der Luftaufsicht Mit Blick auf die staatliche Luftaufsicht ist zwischen zwei verschiedenen Bereichen zu differenzieren, die auf unterschiedlichen gesetzlichen Grundlagen beruhen und von unterschiedlichen Behörden wahrgenommen werden. Unterschieden wird dabei zwischen den luftfahrtspezifischen bzw. betriebsbedingten (inneren) Gefahren (safety) und Gefahren, die von außen – bspw. in terroristischer Absicht – auf den Luftverkehr einwirken (security)363. Die zentrale Vorschrift der (allgemeinen) Luftaufsicht bildet § 29 LuftVG im Sinne einer luftaufsichtsrechtlichen Generalklausel364. Diese definiert die Luftaufsicht in Absatz 1 Satz 1 als die „Abwehr von betriebsbedingten Gefahren für die Sicherheit des Luftverkehrs sowie für die öffentliche Sicherheit und Ordnung durch die Luftfahrt“. Die Luftaufsicht wird also ausdrücklich auf betriebsbedingte Gefahren beschränkt365. Verantwortlich für diese Aufgabe sind die Luftfahrtbehörden und die Flugsicherungsorganisation. Um diese Aufgabe zu erfüllen, sind die Luftfahrtbehörden bzw. die Flugsicherungsorganisation gemäß § 29 Abs. 1 S. 2 LuftVG berechtigt, Verfügungen zu erlassen. Nicht umfasst von der (allgemeinen) Luftaufsicht des § 29 Abs. 1 LuftVG sind solche Gefahren, die von außen auf den Luftverkehr einwirken366. Diese sind vielmehr Gegenstand der Regelungen des Luftsicherheitsgesetzes von 2005. Die sich ergebenden Aufgaben nimmt gemäß § 2 LuftSiG die Luftsicherheitsbehörde wahr. Die Generalklausel des § 3 LuftSiG erlaubt es der Luftsicherheitsbehörde, im Einzelfall die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um eine Gefahr abzuwehren367. Daraus ergibt sich im Ergebnis also eine Zweispurigkeit der Luftaufsicht, welche den Luftverkehr umfassend vor Gefahren von innen und außen schützen soll. 363 Zur Unterscheidung von safety und security auch E. Giemulla, Zwangsmaßnahmen an Bord von Luftfahrzeugen, in: ZLW 2002, S. 528 (538); M. Ronellenfitsch/ T. Glemser, Sky Marshal und unruly passenger, in: JuS 2008, S. 888 (892); W. Schwenk/ E. Giemulla, Handbuch des Luftverkehrsrechts, 4. Aufl. 2013, Kap. 2 Rn. 140. Siehe zu dieser Unterscheidung bereits bei der Frage der Adressaten der „Bordgewalt“ auf S. 210 ff. 364 E. Grabherr, in: ders. (Begr.)/O. Reidt/P. Wysk (Hrsg.), LuftVG, Kommentar, Vorb. zu § 29 (2002); Schwenk/Giemulla, Handbuch (Fn. 363), Kap. 2 Rn. 141. 365 Die Eingrenzung auf betriebsbedingte Gefahren wurde durch Art. 2 Nr. 7 des Gesetzes zur Neuregelung von Luftsicherheitsaufgaben vom 11. Januar 2005 (BGBl. I S. 78) parallel zur Einführung des Luftsicherheitsgesetzes in die Vorschrift eingefügt. 366 E. Giemulla, in: ders./R. Schmid, LuftVG, Kommentar (Frankfurter Kommentar zum Luftverkehrsrecht Bd. 1.1), § 29 (2010), Rn. 2. So auch die Begründung zur Änderung des LuftVG in BT-Drs. 15/2361, S. 23: „Während das LuftSiG Security-Aufgaben (Schutz vor äußeren Angriffen) regelt, befasst sich § 29 LuftVG mit betriebsbedingten Gefahren.“ 367 Vgl. zur Ausgestaltung des § 3 LuftSiG als Generalklausel E. Giemulla, in: ders./ H. v. Schyndel, LuftSiG, Kommentar (Frankfurter Kommentar zum Luftverkehrsrecht Bd. 1.3), § 3 (2006), Rn. 1.
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bb) Die für den Luftfahrzeugführer zuständige Aufsichtsbehörde Aufgrund der aufgezeigten Zweispurigkeit der Luftsicherheit mit den Bereichen der security und der safety stellt sich die Frage, welche Behörde konkret für die Überwachung des verantwortlichen Luftfahrzeugführers zuständig ist. § 29 Abs. 1 S. 1 LuftVG erklärt die (allgemeine) Luftaufsicht zu einer Aufgabe der Luftfahrtbehörden und der Flugsicherungsorganisation, die unter dem Oberbegriff der „Luftaufsichtsbehörden“ zusammenzufassen sind368. Die Luftsicherheitsbehörde ist allerdings gemäß § 2 LuftSiG für die Abwehr von Angriffen auf die Sicherheit des Luftverkehrs von außen zuständig. Dementsprechend kämen grundsätzlich sowohl die Luftfahrtbehörden als auch die Luftsicherheitsbehörde als Aufsichtsbehörde für in Betracht. Systematisch spräche zunächst einmal vieles dafür, dass die Luftsicherheitsbehörde die Aufsichtsbefugnis innehat, da die „Bordgewalt“ in § 12 Abs. 1 LuftSiG geregelt ist und so zumindest normativ dem Bereich der security zugeordnet ist369. Die Gesetzesbegründung sieht aber als Aufsichtsbehörde die für das jeweilige Luftfahrtunternehmen, welches den Flugzeugführer beschäftigt, zuständige Genehmigungsbehörde gemäß § 20 Abs. 1 oder 4 i.V. m. § 31 Abs. 2 Nr. 11 LuftVG vor370. Grund dafür ist – im Ergebnis schlüssig – laut Gesetzgeber der enge Sachzusammenhang von Einsatz und Betrieb des Luftfahrtgerätes im Rahmen der unternehmerischen Betätigung371. Aus den Vorschriften ergibt sich, dass das Luftfahrtbundesamt die zuständige Aufsichtsbehörde ist372. cc) Aufsichts- und Einflussnahmemöglichkeiten im Hinblick auf den „verantwortlichen Luftfahrzeugführer“ Abschließend bleibt zu klären, welche Art der Aufsicht der zuständigen Behörde zusteht und welche Möglichkeiten der Einflussnahme daraus resultieren. Hinsichtlich des Umfangs der staatlichen Aufsicht über den verantwortlichen Luftfahrzeugführer treffen weder das Gesetz selbst noch dessen Begründung eine 368 Die Deutschen Flugsicherung GmbH (DFS) ist durch die Beleihung mit Hoheitsbefugnissen zwar als Behörde im Sinne des § 1 Abs. 4 BVwVfG anzusehen, sie ist allerdings organisatorisch keine „Luftfahrtbehörde“, vgl. dazu Schröder, Rechte (Fn. 348), S. 65; Giemulla (Fn. 366), § 29 Rn. 6a f.; Schwenk/Giemulla, Handbuch (Fn. 363), Kap. 2 Rn. 143. 369 Anders war dies vor der Einführung von § 12 Abs. 1 LuftSiG zu beurteilen. § 29 Abs. 3 LuftVG a. F. bezog sich systematisch auf die Regelungen des § 29 Abs. 1 und 2 LuftVG a. F., sodass von einer Aufsicht durch die (allgemeinen) Luftaufsichtsbehörden auszugehen war. Im Rahmen der Änderung wurde aber eben nur § 29 Abs. 3 LuftVG a. F. übertragen und somit die Systematik verändert. Dazu auch Schröder, Rechte (Fn. 348), S. 66. 370 So die Begründung in BT-Drs. 15/2361, S. 22. Kritisch zur Festlegung der zuständigen Behörde innerhalb der Gesetzesbegründung Schröder, Rechte (Fn. 348), S. 69 f. 371 BT-Drs. 15/2361, S. 22. 372 Ausführlich dazu Schröder, Rechte (Fn. 348), S. 69 m.w. N.
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Aussage, sodass auf allgemeine Erwägungen zurückzugreifen ist. Sowohl das Rechtsstaatsprinzip, zur Sicherstellung der Gesetzesbindung, als auch das Demokratieprinzip, zur Herstellung eines ausreichenden Legitimationsniveaus, verlangen zumindest eine staatliche Rechtsaufsicht373. Diese erfordert, dass die Aufsichtsbehörde zumindest die Rechtmäßigkeit der Handlungen des Beliehenen zu überprüfen hat. Welche konkreten Mittel bei der Ausübung der Aufsicht zu wählen sind, hängt maßgeblich von Intensität und Umfang der übertragenen Befugnisse und den berührten Dritt- und Gemeinwohlbelangen ab374. Es ist allerdings fraglich, ob – gerade mit Blick auf die Reichweite der übertragenen Befugnisse und deren grundrechtliche Relevanz – eine Rechtsaufsicht ausreichend erscheint oder ob nicht eine weitergehende Fachaufsicht gegeben sein muss, damit der Staat seiner Gewährleistungsverantwortung gerecht wird375. Im Rahmen einer Beleihung wird mit Blick auf die Wahrnehmung hoheitlicher Befugnisse oftmals generell eine staatliche Fachaufsicht gefordert376. Dies wird vor allem mit dem „Ermessens- und/oder Beurteilungsspielraum“, welcher dem Beliehenen zustehe, begründet377. Auch das Argument, eine Fachaufsicht würde dem Zweck der Beleihung, Sachverstand einzubinden, der auf staatlicher Seite gerade nicht vorhanden ist, zuwiderlaufen378, trifft zumindest im vorliegenden Fall des Luftfahrzeugführers nicht zu. Dieser wird ja gerade nicht ausschließlich aufgrund seines besonderen Sachverstandes ausgewählt, auch wenn dieser den Einfluss von Gefahren an Bord auf die Sicherheit des Fluges auch aufgrund sei-
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O. Freitag, Das Beleihungsrechtsverhältnis, 2004, S. 155. M. Burgi, Der Beliehene – ein Klassiker im modernen Verwaltungsrecht, in: M.-E. Geis/D. Lorenz (Hrsg.), Staat. Kirche. Verwaltung. Festschrift für Hartmut Maurer, 2001, S. 581 (592); Freitag, Beleihungsrechtsverhältnis (Fn. 373), S. 155. 375 Zu diesem Problem im Allgemeinen auch Freitag, Beleihungsrechtsverhältnis (Fn. 373), S. 156 ff. 376 E. R. Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht, Bd. 1, 2. Aufl. 1953, S. 544 f.; F. Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, 1968, S. 428 f.; F. Bansch, Die Beleihung als verfassungsrechtliches Problem, 1973, S. 152; U. Steiner, Öffentliche Verwaltung durch Private, 1975, S. 283; R. Stober, Police-Private-Partnership aus juristischer Sicht, in: DÖV 2000, S. 261 (269); Burgi, Beliehene (Fn. 374), S. 592; Freitag, Beleihungsrechtsverhältnis (Fn. 373), S. 156; Schröder, Rechte (Fn. 348), S. 65. Für eine Rechtsaufsicht bspw. P. Badura, Das Verwaltungsmonopol, 1963, S. 251; M. Bullinger, Staatsaufsicht in der Wirtschaft, in: VVDStRL 22 (1965), S. 264 (317 f. in Fn. 226). Auch S. U. Pieper, Aufsicht. Verfassungs- und verwaltungsrechtliche Strukturanalyse, 2006, S. 398, hält bei der Beleihung grundsätzlich eine Rechtsaufsicht für beabsichtigt und fordert für eine Fachaufsicht eine explizite gesetzliche Normierung. Ein solches Regel-Ausnahme-Verhältnis nehmen Steiner, a. a. O. und Schröder, a. a. O. genau umgekehrt an und fordern für eine bloße Rechtsaufsicht eine gesetzliche Normierung oder das Vorliegen besonderer Gründe. 377 Freitag, Beleihungsrechtsverhältnis (Fn. 373), S. 156. 378 Auf diesen „Zielkonflikt“, den Heintzen, Beteiligung (Fn. 351), S. 242 in Fn. 108, ausfindig gemacht hat, wurde bereits einleitend hingewiesen. Dazu auch Freitag, Beleihungsrechtsverhältnis (Fn. 373), S. 156 f. 374
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ner nautischen Fähigkeiten sehr gut einschätzen kann. Der Staat wählt den Luftfahrzeugführer primär aus, um seinem Dilemma, dass die Maschine im Zeitpunkt des Fluges einem Zugriff von außen entzogen ist, zu entkommen. Hinsichtlich seiner übertragenen Aufgabe, der Sicherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, weist der Luftfahrzeugführer in der Regel nämlich keinen besonderen Sachverstand auf, insbesondere keinen größeren als die allgemeinen Ordnungsbehörden und die Polizei, sondern eher im Gegenteil einen deutlich geringeren. Es ist daher – gerade mit Blick auf den vorliegenden Sachverhalt – schlüssig, bei der Einbeziehung Privater im Wege der Beleihung eine staatliche Kontrolle durch eine Fachaufsicht zu fordern. Dies trägt unter demokratischen Gesichtspunkten auch zur Legitimierung des privaten Handelns bei379. Die Luftaufsichtsbehörde kann dementsprechend auch die Zweckmäßigkeit des Handelns des verantwortlichen Luftfahrzeugführers überprüfen. c) Ergebnis: Staatliche Gewährleistungsverantwortung als teilweise Legitimationsgrundlage Dem Staat steht im Rahmen seiner Gewährleistungsverantwortung also eine Fachaufsicht über den verantwortlichen Luftfahrzeugführer zu, die ihm neben der Sicherstellung der Rechtmäßigkeit seiner Handlungen auch ermöglicht, die Zweckmäßigkeit zu überprüfen. Diese Aufsicht wird durch das Luftfahrtbundesamt ausgeübt, welches im Rahmen seiner Tätigkeit luftaufsichtsrechtliche Anordnungen erlassen kann, an die sich auch der verantwortliche Luftfahrzeugführer generell zu halten hat. Auf diese Weise wird die „Bordgewalt“ des verantwortlichen Luftfahrzeugführers begrenzt380. Dieses weitgehende Aufsichtsrecht führt auch dazu, dass die Beleihung des Luftfahrzeugführers – trotz des Mangels an organisatorisch-personeller Legitimation – im Ergebnis demokratischen Ansprüchen gerecht wird. Es ergibt sich zusammenfassend eine Verantwortungsteilung zwischen den Luftaufsichts- bzw. Luftsicherheitsbehörden und dem verantwortlichen Luftfahrzeugführer, um eine umfassende Luftsicherheit zu gewährleisten. Dies darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass – allein aufgrund der räumlichen Gegebenheiten – die praktische Letztverantwortung beim Luftfahrzeugführer verbleibt.
379 Einen anderen Ansatz wählen C. Möllers, Braucht das öffentliche Recht einen neuen Methoden- und Richtungsstreit?, in: VerwArch. 90 (1999), S. 187 (188 ff.); V. Mehde, Ausübung von Staatsgewalt und Public Private Partnership, in: VerwArch. 91 (2000), S. 540 (561 ff.), die eine effektive Aufgabenwahrnehmung durch Private als weniger legitimierungsbedürftig ansehen, um auf diese Weise neuen Steuerungsmodellen den erforderlichen Freiraum zu geben. Siehe dazu bereits Freitag, Beleihungsrechtsverhältnis (Fn. 373), S. 157. 380 Zur Begrenzung der „Bordgewalt“ durch luftaufsichtsrechtliche Anordnungen bereits auf S. 213.
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3. Der Luftfahrzeugführer im Spannungsfeld der Grundrechte Die Übertragung von Hoheitsrechten in Form der „Bordgewalt“ auf den verantwortlichen Luftfahrzeugführer ist auch unter grundrechtlichen Gesichtspunkten von besonderem Interesse, nicht zuletzt aufgrund der Einbindung des Luftfahrzeugführers in Form der Beleihung. Grundrechtliche Aspekte ergeben sich im vorliegenden Bereich aus zwei Blickwinkeln. Auf den ersten Blick stellt sich bei der Beleihung naturgemäß die Frage der grundrechtlichen Verpflichtung und gleichzeitiger Berechtigung des Beliehenen, also des Luftfahrzeugführers. Dem gegenüber stehen die grundrechtlichen Belange nicht nur der Passagiere eines Luftfahrzeuges als unmittelbar Betroffene, sondern auch der Bevölkerung am Boden, die den allgemeinen Gefahren des Luftverkehrs ausgesetzt ist – zu denken ist dabei vor allem an die Gefahr durch abstürzende Flugzeuge bzw. die Verwendung eines Flugzeuges als Waffe im Rahmen eines terroristischen Anschlages. a) Die grundrechtliche „Doppelstellung“ des beliehenen Luftfahrzeugführers Die grundrechtliche Stellung des Luftfahrzeugführers ist maßgeblich durch seine Einbindung in Form der Beleihung geprägt. Eine solche Stellung ermöglicht es dem Beliehenen, eigenständig hoheitsrechtliche Befugnisse ausüben. Im Falle des Luftfahrzeugführers ermächtigt § 12 LuftSiG, Maßnahmen zu treffen, die erforderlich sind, um die Sicherheit und Ordnung an Bord eines Flugzeuges zu gewährleisten. Der Beliehene übt, im Rahmen der ihm übertragenen Befugnisse, Aufgaben der vollziehenden Gewalt aus381. Dies bedeutet gleichzeitig aber auch, dass der Beliehene gemäß Art. 1 Abs. 3 GG an die Grundrechte gebunden ist382. Grund dafür ist, dass Art. 1 Abs. 3 GG durch die Bezugnahme auf das Dreigewaltenmodell, also auf die einzelnen Staatsfunktionen, und eben nicht auf
381 K. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III/1, 1988, S. 1334 f.; M. Herdegen, in: T. Maunz/G. Dürig (Hrsg.), GG, Art. 1 Abs. 3 (2005), Rn. 101; W. Kluth, Rechtsetzungsdelegation auf Private und kooperative Rechtsetzung in: ders./G. Krings (Hrsg.), Gesetzgebung, 2014, § 33 Rn. 22. 382 R. Michaelis, Der Beliehene, 1969, S. 195 ff.; Stern, Staatsrecht (Fn. 381), S. 1335; F. E. Schnapp/M. Kaltenborn, Grundrechtsbindung nichtstaatlicher Institutionen, in: JuS 2000, S. 937 (938); E. Denninger, in: ders. u. a. (Hrsg.), AK-GG, 3. Aufl. 2001, Art. 1 Abs. 2,3 (2001), Rn. 27; J. A. Kämmerer, Privatisierung. Typologie – Determinanten – Rechtspraxis – Folgen, 2001, S. 47; Freitag, Beleihungsrechtsverhältnis (Fn. 373), S. 24 f.; Herdegen (Fn. 381), Art. 1 Abs. 3 Rn. 101; H. J. Wolff/O. Bachof/ R. Stober/W. Kluth, Verwaltungsrecht II, 7. Aufl. 2010, § 90 Rn. 49; W. Rüfner, Grundrechtsadressaten, in: HStR3 IX, § 197 Rn. 17; P. Kunig, in: v. Münch/ders., GG I (Fn. 215), Art. 1 Rn. 60; W. Kahl, in: ders./C. Waldhoff/C. Walter (Hrsg.), BK, Art. 1 Abs. 3 (2014), Rn. 252; D. Ehlers, Verwaltung und Verwaltungsrecht im demokratischen und sozialen Rechtsstaat, in: ders./H. Pünder (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2016, § 1 Rn. 19; H. D. Jarass, in: ders./Pieroth, GG (Fn. 72), Art. 1 Rn. 41; a. A. H. H. Rupp, Privateigentum an Staatsfunktionen?, 1963, S. 24 ff.
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einzelne Grundrechtsadressaten, eine lückenlose Bindung aller Staatsgewalt gewährleistet383. Dies gilt unabhängig davon, von wem die Staatsgewalt ausgeübt wird384, und damit auch für Beliehene. Andernfalls könnte der Staat durch die Aufgabenübertragung im Wege der Beleihung grundrechtsfreie Räume schaffen, in denen Staatsgewalt ausgeübt wird385. Der Luftfahrzeugführer ist dementsprechend im Rahmen der Ausübung der ihm übertragenen Befugnisse an die Grundrechte gebunden. Von Bedeutung sind dabei vor allem die Grundrechte auf Leben, körperliche Unversehrtheit und Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 S. 1 und 2 GG)386, die durch die Maßnahmen im Sinne des § 12 Abs. 2 LuftSiG berührt werden können; im Hinblick auf die körperliche Unversehrtheit beispielsweise durch die Anordnung einer körperlichen Untersuchung im Sinne des § 12 Abs. 2 S. 3 Nr. 3 LuftSiG oder mit Blick auf die Freiheit der Person durch eine Fesselung gemäß § 12 Abs. 2 S. 3 Nr. 4 LuftSiG387. Abzugrenzen sind hoheitliche Handlungen insofern von Handlungen, die der Luftfahrzeugführer allein auf Grundlage vertraglicher Vereinbarungen mit den Passagieren ausübt388. Die Grundrechtsbindung des Beliehenen spricht auf den ersten Blick dafür, dass sich der Beliehene als grundrechtsverpflichtetes Glied der öffentlichen Verwaltung selbst nicht auf Grundrechte berufen kann, da ansonsten Grundrechtsverpflichtung und Grundrechtsberechtigung in der Person des Beliehenen zusammenfallen (sog. Konfusion). Allerdings handelt es sich beim Beliehenen gerade um eine Privatperson, die lediglich mit der Wahrnehmung einer bestimmten hoheitlichen Aufgabe betraut ist. Eine vollständige Versagung des Grundrechtsschutzes nur aufgrund dieser Übertragung wäre daher verfehlt. Andernfalls könnte der Staat durch die Beleihung mit einzelnen Befugnissen die Grundrechtsberechtigung von Privatpersonen nach Belieben aufheben389. Daher ist „angesichts der Sonderstellung des Beliehenen [. . .] eine differenzierende Betrachtungsweise geboten“ 390. Die Grundrechtsbindung des Beliehenen besteht nur, soweit er öffentlich-rechtlich handelt, ist dies nicht der Fall, bleibt er Privat383 Schnapp/Kaltenborn, Grundrechtsbindung (Fn. 382), S. 938; Herdegen (Fn. 381), Art. 1 Abs. 3 Rn. 92; B. Kempen, Grundrechtsverpflichtete, in: HGR II, § 54 Rn. 24; Rüfner (Fn. 382), § 197 Rn. 1 f.; W. Höfling, in: Sachs, GG (Fn. 10), Art. 1 Rn. 85. 384 Stern, Staatsrecht (Fn. 381), S. 1204. 385 BVerfGE 10, 302 (327); Schnapp/Kaltenborn, Grundrechtsbindung (Fn. 382), S. 938; Kahl (Fn. 382), Art. 1 Abs. 3 Rn. 252. 386 Diese werden neben Art. 10 Abs. 1 GG und Art. 13 Abs. 1 GG in § 21 LuftSiG genannt, welcher der Einhaltung des Zitiergebotes aus Art. 19 Abs. 1 S. 1 GG dient und insofern notwendige Ergänzung vor allem für § 12 LuftSiG darstellt, vgl. H. v. Schyndel, in: Giemulla/ders., LuftSiG (Fn. 367), § 21 (2006) Rn. 1. 387 v. Schyndel (Fn. 386), § 21 Rn. 11 f. 388 Schröder, Rechte (Fn. 348), S. 61. 389 Kritisch auch W. Leisner, Öffentliches Amt und Berufsfreiheit, in: AöR 93 (1968), S. 161 (179 ff.); Freitag, Beleihungsrechtsverhältnis (Fn. 373), S. 26; Manssen (Fn. 223), Art. 12 Abs. 1 Rn. 152. 390 Zutreffend Wolff/Bachof/Stober/Kluth, Verwaltungsrecht II (Fn. 382), § 90 Rn. 50.
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§ 6 Untersuchung ausgewählter Bereiche
person und ist insoweit dem Staat gegenüber grundrechtsberechtigt391. Dies gilt auch im Hinblick auf Weisungen im Rahmen der Fachaufsicht, die in die Rechte des Beliehenen als Privatperson eingreifen392. Unter grundrechtlichen Gesichtspunkten ist vor allem die Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG von Bedeutung393. Dazu trägt vor allem auch der Umstand bei, dass die Beleihung des Luftfahrzeugführers nicht von dessen Einverständnis abhängt, sondern vielmehr eine „Zwangsbeleihung“ stattfindet394. An diese dürfen dementsprechend keine zu hohen Anforderungen gestellt werden. b) Die Passagiere als primär Betroffene und die Allgemeinheit Dem Luftfahrzeugführer gegenüber stehen vor allem die Insassen des Flugzeuges als Adressaten seiner hoheitlichen Handlungen. Übt der beliehene Luftfahrzeugführer ihm übertragene hoheitsrechtliche Befugnisse aus, so tritt er den Passagieren insoweit als Verwaltungsbehörde im Sinne des § 1 Abs. 4 VwVfG entgegen395. Die Maßnahmen können dabei Eingriffe in die Grundrechte der Passagiere darstellen. Dies betrifft insbesondere die Grundrechte auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG) und die Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG)396. Eingriffe in diese Grundrechte eines Passagiers durch hoheitliches Handeln des Luftfahrzeugführers werden dabei oftmals aufgrund entgegenstehender Grundrechte sowohl der anderen Passagiere als auch der Allgemeinheit verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein397. Denn neben den Passagieren des Flugzeuges als primär Betroffene geht mit Luftverkehr insgesamt auch eine Gefährdung der Allgemeinheit einher. Dementsprechend sind auch die grundrechtlichen Interessen der Allgemeinheit aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 u. Art. 14 Abs. 1 GG von Bedeutung398. Dem Staat kommt insofern eine umfassende Schutzpflicht sowohl der Passagiere als auch der Allgemeinheit außerhalb des Flugzeuges zu. 391 So auch Kämmerer, Privatisierung (Fn. 382), S. 47; Wolff/Bachof/Stober/Kluth, Verwaltungsrecht II (Fn. 382), § 90 Rn. 50. 392 Wolff/Bachof/Stober/Kluth, Verwaltungsrecht II (Fn. 382), § 90 Rn. 50. 393 Freitag, Beleihungsrechtsverhältnis (Fn. 373), S. 161 m.w. N. Vgl. ausführlich zu der Frage, inwieweit Art. 12 Abs. 1 GG auch bei „staatlich gebundenen Berufen“, also auch solchen, die eine Beleihung beinhalten, Anwendung findet oder von Art. 33 GG überlagert wird, die Ausführungen von R. Breuer, Freiheit des Berufs, in: HStR3 VIII, § 170 Rn. 70 ff. 394 Michaelis, Beliehene (Fn. 382), S. 167; K. Baumann, Private Luftfahrtverwaltung. Die Delegation hoheitsrechtlicher Befugnisse an Private und privatrechtsförmig organisierte Verwaltungsträger im deutschen Luftverkehrsrecht, 2002, S. 118. 395 Schröder, Rechte (Fn. 348), S. 62. 396 Baumann, Luftfahrtverwaltung (Fn. 394), S. 118; Schröder, Rechte (Fn. 348), S. 62. 397 Baumann, Luftfahrtverwaltung (Fn. 394), S. 118. 398 Baumann, Luftfahrtverwaltung (Fn. 394), S. 118.
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c) Die Grundrechtsrelevanz der luftrechtlichen Gefahrenabwehr Zusammenfassend betrachtet, ergibt sich also eine besondere Grundrechtsrelevanz dieses Bereichs. Dabei ist die Grundrechtsberechtigung des Luftfahrzeugführers bei gleichzeitiger Grundrechtsverpflichtung typisches Charakteristikum der Beleihung. Diese grundrechtliche „Doppelstellung“ hat zur Folge, dass eine unmittelbare Kollision grundrechtlicher Interessen von Luftfahrzeugführer und Passagieren – zumindest in den Fällen, in denen der Luftfahrzeugführer hoheitlich handelt – ausbleibt. Hier handelt der Luftfahrzeugführer als Behörde im Sinne des § 1 Abs. 4 VwVfG und kann sich nicht auf eigene Grundrechte berufen. Abseits hoheitlicher Befugnisse ist der beliehene Luftfahrzeugführer allerdings weiterhin grundrechtsberechtigt und kann sich beispielsweise auf Art. 12 Abs. 1 GG berufen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass es sich um eine „Zwangsbeleihung“ handelt. Den verschiedenen grundrechtlichen Interessen stehen umfassende Schutzpflichten des Staates gegenüber. Die Sensibilität dieses Bereiches zeigt sich dabei auch durch die Bedeutung der betroffenen Grundrechte. Die Passagiere sind den Handlungen des verantwortlichen Luftfahrzeugführers in der Luft weitestgehend schutzlos ausgeliefert. Insofern muss der Staat durch eine geeignete Auswahl sicherstellen, dass die grundrechtlichen Interessen aller Beteiligten gewahrt werden. 4. Die (berufliche) Motivation des Luftfahrzeugführers Die Motivation des Tätigwerdens eines verantwortlichen Luftfahrzeugführers im Rahmen der ihm übertragenen „Polizeigewalt“ unterscheidet sich von der Motivation der privaten Akteure in den anderen untersuchten Bereichen. Während dort – abgesehen von gewerblichen Anbietern der Kinder- und Jugendhilfe – intrinsische Motive, vor allem im Sinne eines Gemeinwohlinteresses, im Mittelpunkt stehen, handelt der Luftfahrzeugführer primär aus beruflichem und dementsprechend monetärem Interesse; mithin aus extrinsischen Motiven heraus. Diese Motivation allerdings bezieht sich zunächst einmal nur auf die generelle berufliche Tätigkeit als Luftfahrzeugführer. An dieser Stelle ist also differenzierend zu fragen, inwieweit sich die berufliche Motivation auch auf die Ausübung hoheitlicher Gewalt erstreckt. Dafür spricht, dass im Falle des Luftfahrzeugführers die Übertragung bzw. Wahrnehmung hoheitsrechtlicher Befugnisse untrennbar mit dem Beruf verbunden ist. Das Kriterium der Motivation der Aufgabenübertragung aus Sicht des Privaten stößt in diesem Bereich aber bereits aus einem anderen Grund an seine Grenzen. Die Einbeziehung des privaten Luftfahrzeugführers erfolgt nicht aus seinem Antrieb heraus. Der Staat bedient sich vielmehr seiner Präsenz und Einflussmöglichkeiten an Bord, um die öffentliche Sicherheit und Ordnung, eine der Kernaufgaben des Staates, zu gewährleisten. Bei einer (verpflichtenden) Indienstnahme eines Privaten für die Wahrnehmung versagt das Kriterium der Motivation augenscheinlich, weil dies für die Übertragung
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§ 6 Untersuchung ausgewählter Bereiche
keine Relevanz aufweist. Dementsprechend hat die Motivation des Luftfahrzeugführers vorliegend keine Aussagekraft.
III. Ergebnis und Vergleichbarkeit der Indienstnahme privater Luftfahrzeugführer? Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die – gerade im Vergleich zu den anderen untersuchten Bereichen – relativ geringen Anforderungen, die an die Beleihung mit hoheitsrechtlichen Befugnissen durch § 12 LuftSiG gestellt werden, nicht unbedenklich erscheinen. Zwar ist die demokratische Legitimation der Aufgabenwahrnehmung im Ergebnis wohl ausreichend, doch sind die übertragenen Befugnisse und die betroffenen grundrechtlichen Interessen erheblich. Zu beachten ist dabei vor allem, dass die erforderliche Legitimation zu weiten Teilen auch durch eine umfassende staatliche Aufsicht gewährleistet wird. Genau darin liegt im vorliegenden Falle aber gleichzeitig das Problem. Durch den fehlenden Zugriff von außen ist eine nachträgliche Kontrolle gegebenenfalls zu spät, um die grundrechtlichen Belange der betroffenen Dritten zu schützen. An dieser Stelle wären strengere Anforderungen bei der Übertragung vorzugswürdiger. Fraglich ist allerdings, inwieweit der „verantwortliche Luftfahrzeugführer“ und die an ihn gestellten Voraussetzungen als Vergleichsmaßstab für die vorliegende Untersuchung überhaupt von wert sind. Der Staat bedient sich der Hilfe privater Akteure in ihrem Fall nicht freiwillig, sondern deren Einbindung erfolgt aufgrund ihrer „Situationsbeherrschung“ 399. Auch aus Sicht des Luftfahrzeugführers erfolgt die Beleihung mit hoheitsrechtlichen Befugnissen nicht auf sein Bestreben hin. Vielmehr erfolgt diese verpflichtend von Seiten des Staates. Dementsprechend würden zu strenge Voraussetzungen gegebenenfalls mit seinen grundrechtlichen Interessen aus Art. 12 Abs. 1 GG kollidieren. Darüber hinaus würden strengere Voraussetzungen, insbesondere hinsichtlich der Loyalität des Luftfahrzeugführers, die Wahrnehmung der Aufgabe erheblich erschweren. Doch trotz dieser Besonderheiten der Einbindung des Luftfahrzeugführers im Rahmen der Gefahrenabwehr, lässt sich im Ergebnis zumindest eine unterschiedliche Handhabe hinsichtlich der an eine Aufgabenübertragung zu stellenden Voraussetzungen erkennen.
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H. Dreier, Hierarchische Verwaltung im demokratischen Staat, 1991, S. 249.
§ 7 Vergleichende Schlussbetrachtung Abschließend sollen die im Rahmen der Bestandsaufnahme und mit Blick auf die vier untersuchten Bereiche gefundenen Ergebnisse vergleichend betrachtet werden. Ausgangspunkt dabei ist die anfänglich aufgeworfene Prämisse, dass die Anforderungen, die an einen privaten Akteur im Rahmen der Übertragung einer eigentlich staatlichen Aufgabe gestellt werden, in Zusammenhang mit der „Fallhöhe“ der jeweiligen Aufgabe stehen. Je bedeutender – vor allem unter grundrechtlichen Gesichtspunkten – die übertragene Aufgabe ist, desto strenger sollten die aufgestellten Voraussetzungen sein. Diese Ausgangsprämisse hat sich in der voranstehenden Untersuchung allerdings nicht umfassend, sondern nur teilweise als zutreffend herausgestellt. Es haben sich auch Widersprüche offenbart.
A. Die Beteiligung Privater bei Aufgaben der drei Staatsgewalten im Allgemeinen Bei der Bewertung verschiedener Staatsaufgaben und den sich daraus ergebenden Voraussetzungen an private Akteure haben sich bereits im ersten Raster der verschiedenen Staatsgewalten im Rahmen der Bestandsaufnahme Unterschiede gezeigt. Auffälligkeiten zeigten sich dabei vor allem bei der Einbindung Privater im Rahmen der Gesetzgebung. Hier bedient sich der Staat an verschiedenen Stellen privaten Sachverstandes, ohne dabei besondere Voraussetzungen an den jeweiligen Privaten zu stellen. Im Hinblick auf die Beleihung bestimmter Verbände – wie beispielsweise der Bundesärztekammer – mit Normsetzungskompetenzen oder der Verweisung auf private Regelwerke mag dies noch schlüssig erscheinen, da diese Verbände bereits vorher bestanden und sich der Staat hier des Sachverstandes eines konkreten Akteurs bedient. Bei dessen Einbindung steht dem Gesetzgeber daher ein Einschätzungsspielraum zu. Dieser ist dem Staat auch bei Auslagerung von Gesetzesentwürfen auf private (Groß-)Kanzleien grundsätzlich zuzugestehen. Sind die federführenden Ministerien der Meinung, dass ihr Sachverstand nicht ausreichend und externe Beratung erforderlich ist, so muss die Möglichkeit bestehen, diese in Anspruch zu nehmen. Bedenklich erscheint allerdings die fehlende Einheitlichkeit und Transparenz der Einbindung. An dieser Stelle sind verbindliche Regeln für die Auslagerung von Gesetzgebungsaufgaben auf Private erforderlich. Anders als im Bereich der Legislative scheint die Beteiligung Privater im Bereich der Judikative weitgehend eindeutig geregelt. Der ehrenamtliche Richter – als wohl geläufigster Fall der Beteiligung Privater im Rahmen judikativer Aufga-
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§ 7 Vergleichende Schlussbetrachtung
ben – hat vergleichbare Voraussetzungen zu erfüllen wie ein Berufsrichter. Die private Schiedsgerichtsbarkeit und die Mediation als Form der alternativen Streitbeilegung sind ebenfalls weitestgehend gesetzlich geregelt. Hier fällt allerdings auf, dass an die Auswahl des Schiedsrichters selbst keine Voraussetzungen gestellt werden. Grund dafür ist, dass das Schiedsgerichtsverfahren und die Auswahl des Schiedsrichters Ausprägungen der Privatautonomie der Parteien sind. Im Bereich der Exekutive ist die Beteiligung privater Akteure am umfangreichsten und deren Ausgestaltung am vielfältigsten, sodass vorliegend vier Bereiche exemplarisch ausgewählt werden mussten. In allen diesen Bereichen werden im Rahmen der Aufgabenübertragung Anforderungen an die Privaten gestellt. Diese Anforderungen unterscheiden sich je nach Bereich extrem, sodass es schwerfällt, eine einheitliche Aussage für den Bereich der Exekutive zu treffen. Zusammenfassend zeigt sich mit Blick auf die drei Staatsgewalten zumindest ein unterschiedliches Niveau der rechtlichen Ausgestaltung von Anforderungen, ohne dass dabei ein klares Schema zu erkennen wäre.
B. Private Akteure in der Exekutive im Besonderen Auch hinsichtlich der untersuchten Aufgaben im Bereich der Exekutive haben sich Widersprüche hinsichtlich des Niveaus der aufgestellten Voraussetzungen ergeben. Im Mittelpunkt stehen dabei vor allem die Bereiche des konfessionellen Religionsunterrichts und der Beteiligung Privater an der Gefahrenabwehr in der Luft in Form des verantwortlichen Luftfahrzeugführers. Als Gradmesser kann dabei vor allem das im Berufsbeamtentum zentrale Merkmal der Verfassungstreue angesehen werden. Eine besondere Loyalität zum Staat wird sowohl für die Religionsgemeinschaften, die Religionsunterricht anbieten wollen, gefordert, als auch für die Anerkennung bzw. Förderung von freien Trägern in der Kinder- und Jugendhilfe. Dort wird eine den Zielen des Grundgesetzes förderliche Arbeit ausdrücklich in §§ 74 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 Nr. 5, 75 Abs. 1 Nr. 4 SGB VIII vorausgesetzt. Auf den ersten Blick scheinen hier demnach zwei Bereiche, die eine ähnliche „Fallhöhe“ aufweisen und sich zeitlich wie räumlich in einem unmittelbaren Zusammenhang befinden, gleich bewertet zu werden. Dieser erste Blick dürfte aber in Anbetracht der Untersuchung der beiden Bereiche trügen. Zum einen ist ein Tätigwerden in der Kinder- und Jugendhilfe grundsätzlich zunächst einmal möglich, ohne besondere Anforderungen zu erfüllen. Diese werden erst – und im Ergebnis dann auch nicht zu kritisieren – erhoben, wenn der Staat durch Anerkennung bzw. (monetäre) Förderung eine engere Kooperation mit den privaten Leistungserbringern eingeht. Wenn aber das generelle Tätigwerden in der Kinder- und Jugendhilfe beispielsweise in Form der Kindertagesbetreuung möglich ist, ohne bestimmte Anforderungen zu erfüllen, so ist fraglich, inwieweit mit Blick auf den Religions-
B. Private Akteure in der Exekutive im Besonderen
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unterricht so hohe Anforderungen, wie sie an die Religionsgemeinschaften gestellt werden, erforderlich bzw. angemessen erscheinen. Es hat sich gezeigt, dass der Einfluss, den Religionsgemeinschaften ausüben, lediglich die inhaltliche Bestimmung betrifft. Dieser Einfluss scheint nur von großer Bedeutung zu sein. Die Untersuchung anhand der aufgestellten Parameter zeigt aber, dass der staatliche Einfluss auf den Religionsunterricht trotz der grundsätzlich staatlichen Neutralität sehr hoch ist. Der Unterricht erfolgt durch verbeamtetes Lehrpersonal oder zumindest durch Personen, die auch über einen staatlichen Lehrauftrag verfügen, und der Staat verfügt darüber hinaus über eine Schulaufsicht, die auch den Bereich des Religionsunterrichtes umfasst. Dabei ist der Staat berechtigt bzw. sogar verpflichtet, einzuschreiten, wenn die Religionsgemeinschaften die staatlichen Lehrziele missachten oder Inhalte gelehrt werden, die den Grundprinzipien unserer gesellschaftlichen Werte widersprechen. Auch unter grundrechtlichen Gesichtspunkten ist die Einbeziehung der Religionsgemeinschaften insoweit unproblematisch, als dass sich die grundrechtlichen Interessen dieser mit denen der Kinder und der Eltern weitestgehend decken. Insoweit ist es widersprüchlich, wenn an die Religionsgemeinschaften tendenziell strengere Anforderungen gestellt werden als an Private in der Kinder- und Jugendhilfe, insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass Art. 7 Abs. 3 S. 2 GG den Religionsgemeinschaften einen grundrechtlichen Anspruch auf Ausrichtung des Religionsunterrichtes einräumt. Dieser Widerspruch hinsichtlich der Voraussetzungen, die der Staat an Private bei der Übertragung von Aufgaben stellt, wird noch offensichtlicher mit Blick auf den „verantwortlichen Luftfahrzeugführer“. An diesen werden im Vergleich mit den Religionsgemeinschaften deutlich geringere Anforderungen gestellt. Hauptgrund dafür ist wohl, dass der Staat sich der Hilfe des Luftfahrzeugführers vor allem aus dem Grund bedient, dass ein Zugriffsdefizit besteht. Dem Staat ist es schlicht nicht möglich, von außen auf ein im Flug befindliches Flugzeug zuzugreifen. Dabei aber dürfen die Reichweite der übertragenen Befugnisse und die grundrechtliche „Fallhöhe“ nicht außer Betracht bleiben. Diese würden deutlich erhöhte Anforderungen erwarten lassen. Gerade im Hinblick auf die Loyalität gegenüber Staat und Verfassung werden ausdrücklich keine Anforderungen gestellt bzw. sind nur unter dem Merkmal der Zuverlässigkeit denkbar. Dies wäre eingedenk der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes1 bezüglich der Verfassungstreue eines beliehenen Bezirksschornsteinfegers ein logischer Schluss, insbesondere in Anbetracht der Tatsache, dass die Aufgabe des Luftfahrzeugführers gerade unter grundrechtlichen Gesichtspunkten eine höhere „Fallhöhe“ aufweist. Allerdings ist auch diese Rechtsprechung nicht unkritisch zu sehen. Die Tatsache, dass ein beliehener Privater hoheitsrechtliche Befugnisse ausübt, muss nicht zwingend dazu führen, dass diesem auch Verfassungstreue 1
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§ 7 Vergleichende Schlussbetrachtung
abzuverlangen ist2. Die zu fordernden Kriterien ergeben sich – auch bei der Übertragung von Hoheitsrechten im Wege der Beleihung – durch eine Untersuchung der Gesamtumstände – der Reichweite der übertragenen Befugnisse, der demokratischen Legitimation des Beliehenen, der Aufsichtsmöglichkeiten des Staates und der grundrechtlichen Bedeutung der Aufgabe. Im Ergebnis kann daher nicht von jedem Privaten, der eine staatliche Aufgabe wahrnimmt, Verfassungstreue verlangt werden, unabhängig davon, ob er hoheitliche Rechte ausübt oder in anderer Weise dem Staat hilft3. Ein gutes Beispiel dafür ist der untersuchte Bereich des Umweltschutzes. Die Übertragung eines Verbandsklagerechts auf umweltschutzrechtliche Vereinigungen erfordert keine Aufstellung strenger Kriterien. Dies wäre für die Effektivität der Aufgabenwahrnehmung sogar kontraproduktiv. Dies würde im Ergebnis aber auch dafür sprechen, dass die Anforderungen an die Religionsgemeinschaften im Vergleich zu den Anforderungen an den „verantwortlichen Luftfahrzeugführer“ aufgrund der Gesamtumstände geringer ausfallen müssten.
C. Schlussfolgerung Die Voraussetzungen, die an einen Privaten gestellt werden, wenn dieser (vormals) staatliche Aufgaben wahrnimmt, sind dementsprechend nicht frei von Widersprüchen. Dies zeigt, dass ein einheitliches Vorgehen des Staates bei der Übertragung von Staatsaufhaben auf gesellschaftliche Akteure oder deren Beteiligung daran nicht gegeben ist. Ein schlüssiges „Privatisierungsfolgenrecht“ – sofern man dieses Schlagwort verwenden möchte – existiert nicht. Die Vereinheitlichung der Voraussetzungen an Private kann aufgrund der Verschiedenheit deren Einbindung allerdings auch nicht das Ziel sein. Es geht vielmehr um die Frage, in welchem Verhältnis die aufgestellten Voraussetzungen in unterschiedlichen Bereichen zueinander zu sehen sind. Die im Rahmen des Untersuchungskataloges aufgestellten Parameter sollen dabei einen Anhaltspunkt dafür bieten, wie unterschiedliche Fälle privater Beteiligung eingeordnet werden können und welche Voraussetzungen sich daraus ableiten lassen und dadurch zu kohärenten Ergebnissen führen.
2 So auch J. A. Kämmerer, Die Konzeption der Verfassungstreue im Verfassungs- und Gemeinschaftsrecht, in: W. Kluth (Hrsg.), Verfassungstreue jenseits des Beamtentums, 2011, S. 13 (25). 3 Ebenso Kämmerer, Konzeption (Fn. 2), S. 29, der darauf hinweist, dass dieses Ergebnis nicht jedem behagen mag.
§ 8 Abschließende Thesen Zu § 2: 1. Der Begriff der Aufgabe kann zum einen synonym mit Begriffen wie „Anordnung“ oder „Auftrag“, also imperativ bzw. pflichtbegründend, verwendet werden, zum anderen aber auch im Sinne von „anvertrauen“ bzw. „überlassen“ und somit vergleichbar einer Befugnis oder Kompetenz, ohne imperativen Charakter. Im Hinblick auf öffentliche Aufgaben und Staatsaufgaben vorzugswürdig erscheint das Begriffsverständnis im Sinn von Kompetenz bzw. Befugnis wegen der dadurch uneingeschränkten Verwendungsmöglichkeit sowohl in der staatlichen als auch in der gesellschaftlichen Sphäre. 2. Unter Staatsaufgaben versteht man – im Sinne eines vorzugswürdigen formellen Verständnisses – solche im öffentlichen Interesse liegenden Aufgaben, die der Staat für sich in Anspruch nimmt und die er aufgrund einer ihm zustehenden Kompetenz auch in Anspruch nehmen darf. 3. Der Staat ist berechtigt, sich im Rahmen seiner Kompetenz-Kompetenz jederzeit neue Aufgaben zu schaffen, sodass im Ergebnis von einer „Allzuständigkeit“ des Staates auszugehen ist. 4. Für die Abgrenzung zwischen öffentlichen Aufgaben und Staatsaufgaben ist auf den Träger der Aufgabe abzustellen. Unter öffentlichen Aufgaben im Sinne eines Oberbegriffs versteht man solche Aufgaben, die im öffentlichen Interesse stehen und dem Gemeinwohl dienen, unabhängig davon, wer Träger der Aufgabe ist. Staatsaufgaben sind demnach der Teil der öffentlichen Aufgaben, deren Wahrnehmung dem Staat zusteht. 5. Eine Unterscheidung hinsichtlich verschiedener Arten von Staatsaufgaben ist unter mehreren Gesichtspunkten denkbar. a) Während ausschließliche Staatsaufgaben nur vom Staat wahrgenommen werden können, ist bei konkurrierenden Staatsaufgaben ein Nebeneinander von staatlichen und gesellschaftlichen Akteuren denkbar. b) Obligatorische Staatsaufgaben hat der Staat zu erfüllen, sodass diese zumindest im Gesamten nicht übertragen wären können, wohingegen ihm die Erfüllung fakultativer Aufgaben freisteht. c) Die Unterscheidung zwischen vertretbaren und unvertretbaren Staatsaufgaben knüpft unmittelbar an die voranstehende Unterscheidung an, indem sie fragt, ob innerhalb der obligatorischen Staatsaufgaben vereinzelt Aufgaben vertretbar sind und dementsprechend sachlich begrenzt übertragen werden dürfen.
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§ 8 Abschließende Thesen
6. Der Begriff der Privatisierung weist eine erhebliche Unschärfe auf und hat eine dementsprechend geringe normative Aussagekraft. Eine konkrete Definition ist aufgrund der Vielfalt der Übertragungsmöglichkeiten nur schwer denkbar und aufgrund ihrer einschränkenden Wirkung auch nicht von Vorteil. 7. Die staatliche Motivation bei der Übertragung von Aufgaben auf Akteure der Zivilgesellschaft lässt sich in drei Aspekte einteilen: aufgabenbezogene, also die Einbeziehung externen Sachverstandes, finanzbezogene im Sinne einer Entlastung des Haushaltes, und ordnungspolitische, die eine Stärkung des Wettbewerbes auf einem bestimmten Markt betreffen. 8. Hinsichtlich der Formen von Privatisierungsvorhaben ist hauptsächlich zu unterscheiden zwischen formeller, materieller und funktionaler Privatisierung. Daneben sind auch Vermögensprivatisierung, Finanzierungsprivatisierung und Verfahrensprivatisierung als Fallgruppen anerkannt. 9. Als mögliche Schranken der Privatisierung sind vor allem das Gewaltmonopol des Staates, der Funktionsvorbehalt des Art. 33 Abs. 4 GG, das Demokratieprinzip aus Art. 20 Abs. 2 GG sowie das Sozialstaatsprinzip aus Art. 20 Abs. 1, 28 Abs. 1 S. 1 GG zu beachten. Ein generelles Verbot der Aufgabenübertragung auf gesellschaftliche Akteure lässt sich daraus allerdings nicht entnehmen. 10. Der Begriff der Verfassungstreue stellt kein allgemeines Rechtsprinzip dar, sondern ist – in Anschluss an Kämmerer – vielmehr als Sammelbergriff für eine Reihe von Loyalitätsmaßstäben zu verstehen. Kern der Verfassungstreuepflicht sind die Anerkennung der freiheitlich demokratischen Grundordnung und das aktive Eintreten für diese. Zu § 3: 11. Ein allgemeines Rechtsetzungsmonopol bzw. Rechtsnormsetzungsmonopol des Staates ist in der Verfassung nicht angelegt. Als Inhaber des Gewaltmonopols steht es dem Staat allerdings zu, die Rechtsverbindlichkeit bzw. den Rechtscharakter einer anderweitig gesetzlichen Norm anzuerkennen. 12. Private werden im Bereich der Legislative auf verschiedenste Arten eingebunden; beispielhaft zu nennen ist die Beleihung mit Normsetzungskompetenzen, die Verweisung auf private Regelwerke sowie die Auslagerung im Wege des Gesetzgebungsoutsourcing. Bei allen drei Bereichen bestehen hinsichtlich der Aufgabenübertragung zumindest verfassungsrechtliche Bedenken. 13. Der Begriff der rechtsprechenden Gewalt setzt ein besonders rechtlich geregeltes Entscheidungsverfahren voraus, in welchem einzelfallbezogen ein konkreter Sachverhalt festgestellt und dieser anhand ungewissen, weil umstrittenen oder verletzten Rechts, letztverbindlich und rechtskräftig allein in Anwendung des geltenden Rechts durch ein unabhängiges, nicht am Ausgangskonflikt beteiligtes Staatsorgan beurteilt wird.
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14. Das Richter- bzw. Rechtsprechungsmonopol des Art. 92 GG bedeutet kein Verbot der Einbindung privater Akteure in diesem Bereich. Bekanntestes Beispiel für die Teilhabe Privater in der Rechtsprechung ist der ehrenamtliche Richter. Das Schiedsgerichtsverfahren und die Mediation stellen gar Fälle der materiellen Aufgabenprivatisierung dar. 15. Der Religionsunterricht gehört zu den gemeinsamen Angelegenheiten von Staat und Kirche („res mixtae“), die aufgrund ihrer sich überschneidenden Verantwortungsbereiche von beiden Akteuren nur durch eine Kooperation unter gegenseitiger Rücksichtnahme wahrgenommen werden können. 16. Religionsgemeinschaften sind Verbände, welche die Angehörigen ein und desselben Glaubensbekenntnisses – oder mehrerer verwandter Glaubensbekenntnisse – zu allseitiger Erfüllung der durch das gemeinsame Bekenntnis gestellten Aufgaben zusammenfassen. 17. Eine Religionsgemeinschaft muss, um in Kooperation mit dem Staat Religionsunterricht anbieten zu dürfen, ein Minimum an Organisation aufweisen und im Kern aus natürlichen Personen bestehen. Darüber hinaus muss sie staatsfrei agieren, die Möglichkeit besitzen, die Inhalte des Unterrichts verbindlich festzulegen, ein religiöses Aufgabenfeld bieten und vor allem eine gewisse Relevanz aufweisen. 18. Das Tätigwerden in der Kinder- und Jugendhilfe und vor allem der Betrieb einer Kindertageseinrichtung sind für einen Träger der freien Jugendhilfe grundsätzlich ohne die Erfüllung bestimmter persönlicher Voraussetzungen möglich. Grund dafür ist das jedem aus Art. 2 Abs. 1 GG zustehende (Grund-)Recht auf karitatives Tätigwerden. 19. Die Anerkennung als freier Träger der Jugendhilfe und deren Förderung verlangt von den Privaten allerdings gemeinnütziges Vorgehen und darüber hinaus eine den Zielen des Grundgesetzes förderliche Arbeit. 20. Die Voraussetzungen für die Anerkennung umweltschutzrechtlicher Vereinigungen im Sinne des § 3 UmwRG und das damit verbundene Verbandsklagerecht sind sehr offen zu verstehen, um auf diese Weise einen „weiten Zugang zu den Gerichten“ zu ermöglichen. 21. Die (innere) Sicherheit ist von grundlegender Bedeutung für das gesellschaftliche Zusammenleben und notwendige originäre Aufgabe des Staates. Freiheit und Sicherheit können als zwei Seiten einer Medaille verstanden werden; unter dem Aspekt der Sicherheit hat der Staat Übergriffe Dritter aktiv zu verhindern und unter dem Aspekt der Freiheit eigene Übergriffe passiv zu unterlassen. 22. Der „verantwortliche Luftfahrzeugführer“ wird gemäß § 12 Abs. 1 u. 2 LuftSiG mit hoheitsrechtlichen Befugnissen der Gefahrenabwehr beliehen. Dabei werden keine über die für die Flugerlaubnis erforderlichen Voraussetzungen herausgehenden Anforderungen an diesen gestellt.
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Zu § 4: 23. Als Maßstab für die Untersuchung der Voraussetzungen, die an Private im Rahmen staatlicher Aufgabenübertragungen gestellt werden, drängt sich der Beamte auf, da dieser gemäß Art. 33 Abs. 4 GG in der Regel staatliche Aufgaben wahrnimmt. 24. Die Voraussetzungen, die an Beamte gestellt werden, lassen sich in drei Vergleichsgruppen einteilen: die Staatsangehörigkeit, die Pflicht zur Verfassungstreue und die berufliche Qualifikation. Zu § 5: 25. Die demokratische Legitimation als Kernelement des Demokratieprinzips setzt voraus, dass sich die Ausübung staatlicher Gewalt durch eine ununterbrochene Legitimationskette auf das Staatsvolk zurückführen lässt. 26. Die Offenheit des Art. 20 Abs. 2 GG ermöglicht es, das Ziel der demokratischen Legitimation auf verschiedenen Wegen zu erreichen. Unterschieden wird vor allem zwischen der institutionellen bzw. funktionellen Legitimation, der organisatorisch-personellen Legitimation sowie der sachlich-inhaltlichen Legitimation. 27. Die entscheidenden Formen der organisatorisch-personellen und der sachlich-inhaltlichen Legitimation stehen zwar selbstständig nebeneinander, sind aber dennoch so miteinander verknüpft, dass die eine Legitimationsform die andere in einem gewissen Rahmen ausgleichen kann. Entscheidend ist, dass die kumulative Wirkung beider Legitimationsformen insgesamt für ein ausreichendes Legitimationsniveau sorgt. 28. Verantwortung ist das Einstehenmüssen einer Person für eine Handlung vor einer anderen Instanz, wobei dies nur dann zumutbar erscheint, wenn für den Verantwortlichen ein Handlungsspielraum und ein Handlungsmaßstab bestehen und darüber hinaus ein Zurechnungszusammenhang zwischen Verantwortungssubjekt und Verantwortungsobjekt besteht. 29. Zu unterscheiden ist zwischen drei verschiedenen (Haupt-)Stufen staatlicher Verantwortlichkeit: (1) der Erfüllungsverantwortung, (2) der Gewährleistungsverantwortung und (3) der Auffangverantwortung. Gerade der Bereich der Gewährleistungsverantwortung lässt sich dabei noch weiter unterteilen, beispielsweise in die Beobachtungs- und Überwachungsverantwortung, die Beratungsverantwortung oder auch die Rahmenverantwortung. 30. Hauptinstrumente zur Wahrnehmung der staatlichen Verantwortung sind die Regulierung und die Aufsicht. a) Unter Regulierung sind alle legislativen und administrativen Maßnahmen des Staates zu verstehen, die zur Steuerung gesellschaftlicher Prozesse eingesetzt werden, um eine gemeinwohlorientierte Wahrnehmung öffentlicher
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Aufgaben zu gewährleisten. Unterschieden werden können dabei vier Grundtypen: (1) die staatlich imperative Regulierung, (2) die staatliche Regulierung unter Einbau selbstregulativer Elemente, (3) die staatlich regulierte Selbstregulierung und (4) die private Selbstregulierung. b) Hinsichtlich der Aufsicht sind über die klassische Dichotomie von Staatsaufsicht und Wirtschaftsaufsicht hinausgehend die Formen der Steuerungsaufsicht und Gewährleistungsaufsicht zu unterscheiden, um so dem Wandel der Verwaltungsorganisation und der steigenden Differenzierung an Modi der Aufgabenwahrnehmung gerecht zu werden. 31. Durch die Übertragung von Staatsaufgaben auf private Akteure wird aus der grundrechtlichen Bipolarität mit Staat und Gesellschaft ein Dreiecksverhältnis mit dem Staat, dem privaten Leistungserbringer und dem privaten Leistungsempfänger als Pole. Aufgabe des Staates ist es, die Interessen der nunmehr zwei Grundrechtsberechtigten in einen schonenden Ausgleich zu bringen. 32. Hinsichtlich der Motivation privater Aufgabenwahrnehmung kann zwischen intrinsischen und extrinsischen, vor allem monetären, Motiven unterschieden werden. Als intrinsisches Interesse kann dabei vor allem der Gedanke des Gemeinwohls gelten. Zu § 6: 33. Das Legitimationsniveau des konfessionellen Religionsunterrichts ist trotz der grundsätzlich geltenden staatlichen Neutralität beachtlich. Personell-organisatorische Legitimation wird dadurch vermittelt, dass die Lehrkräfte eines staatlichen Lehrauftrages bedürfen und sachlich-inhaltliche Legitimation wird durch die staatlichen Lernziele wie die daran oriertierte staatliche Schulaufsicht vermittelt. 34. Die grundrechtlichen Interessen der Religionsgemeinschaften, der betroffenen Schüler und deren Eltern haben die gleiche Schutzrichtung und sind ausgerichtet auf das Ziel, Religionsunterricht einzurichten. Insofern ist eine Kollision der Grundrechte in diesem Fall nicht zu erwarten. 35. Zusammenfassend zeigt sich im Hinblick auf den Religionsunterricht, dass dessen Legitimation ausreichend ist und unter grundrechtlichen Gesichtspunkten keine unmittelbare Kollision mit den Grundrechten Dritter droht. Die aufgestellten Voraussetzungen sind als streng zu bewerten. 36. Mit Blick auf die demokratische Legitimation ist bei den Trägern der freien Jugendhilfe zu unterscheiden. Bezüglich der Leistungen ist eine solche nicht erforderlich, da keine staatliche Aufgabe übertragen wird; im Hinblick auf die übertragenen Aufgaben der Jugendhilfe ist die demokratische Legitimation ausreichend. 37. Unter grundrechtlichen Gesichtspunkten birgt der Bereich der Kinder- und Jugendhilfe insofern mehr Risiko, als dass die Interessen des Kindes und dessen
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§ 8 Abschließende Thesen
Eltern potentiell mit den Interessen des privaten Leistungserbringers kollidieren können. Vor allem Art. 6 Abs. 2 GG stellt ein komplexes Gebilde grundrechtlicher Interessen dar. Die Voraussetzungen, die an die Träger der freien Jugendhilfe gestellt werden, dienen vor allem dem Schutz der grundrechtlichen Interessen der Kinder. 38. Die von den Privaten geforderten Voraussetzungen in diesem Bereich sind also insbesondere aufgrund der grundrechtlichen Relevanz angemessen und führen nicht zu einer Benachteiligung gewerblicher Anbieter. 39. Die niedrigen Voraussetzungen, die an private Akteure bei einer Beteiligung im Bereich des Umweltschutzes gestellt werden, sind insgesamt schlüssig. Den Verbänden wird lediglich ein Klagerecht eingeräumt, welches diese im Interesse der Allgemeinheit ausüben. Erhöhte Anforderungen würden der Effektivität der Einbindung privaten Sachverstandes in diesem Bereich zuwiderlaufen. 40. Hinsichtlich der Einbindung (privater) Luftfahrzeugführer in die Gefahrenabwehr im Wege der Beleihung wirft vor allem die organisatorisch-personelle Legitimation Fragen auf. Diese wird zwar über die staatliche Luftaufsicht teilweise gewährleistet, ist aber aufgrund der fehlenden direkten Eingriffsmöglichkeit und in Anbetracht der grundrechtlichen „Fallhöhe“ als (zu) gering zu bewerten. 41. Auch bei der Indienstnahme Privater aufgrund deren Situationsbeherrschung dürfen praktische Gesichtspunkte nicht überwiegen, und die gestellten Voraussetzungen müssen ein gewisses Niveau wahren. 42. Insgesamt lassen sich bei der Ausgestaltung der staatlichen Indienstnahme Privater und den dafür aufgestellten Voraussetzungen teils deutliche Widersprüche erkennen.
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Sachwortverzeichnis Allzuständigkeit 44, 329 Anerkennung – freier Träger 162, 174 ff., 327 ff. – Körperschaftsstatus 136, 143 ff., 320 – Umweltvereinigungen 186 ff., 366 Arbeitnehmer 233 ff. Aufgaben – allgemeiner Begriff 38 ff. – öffentliche Aufgaben 45 ff. – Staatsaufgaben siehe Staatsaufgaben Aufgabenprivatisierung siehe Privatisierung Aufgabenübertragung 37, 53 ff., 63, 87, 206, 238, 277 Aufsicht 270 ff. – Gewährleistungsaufsicht 275 f. – Staatsaufsicht 271 ff. – Steuerungsaufsicht 274 f. – Wirtschaftsaufsicht 272 f. Aufsichtsbehörde 275, 387 Ausstattung 301, 321, 338 Befähigung 230, 295, 325 Beleihung 60 f., 92, 202, 206 Berufsbeamtentum 68, 82 f., 223 ff., 295, 325 Berufsfreiheit 151, 327, 347 ff., 392 Betriebserlaubnis 157 ff., 322 Bordgewalt 209 ff., 387 ff. Demokratieprinzip 77 ff., 93 f., 104 f., 238 ff., 296 Demokratische Legitimation 238 ff., 296 ff., 326 ff., 367 ff., 381 ff. – funktionelle 239 ff. – institutionelle 239 ff.
– organisatorisch-personelle 241 f., 328 f., 382 f. – sachlich-inhaltliche 242 f., 296 f., 329 ff., 383 f. Doppelstellung 390 ff. Drittwirkung – mittelbare 282 f. – unmittelbare 280 ff. Dualistische Aufsicht 271 ff. Einvernehmen 297, 306, 319 Elternrecht 160, 310 ff., 353 f. Erlaubnis 155, 215 Erledigungsvorrang 185 Erziehungsrecht siehe Elternrecht Exekutive 69 ff., 118 ff., 396 ff. Funktionssperre 154, 334 Funktionsvorbehalt 68 ff., 87, 105 Gefahrbegriff 208 f. Gefahrenabwehr 200, 202 ff., 360 Gemeinnützigkeit 167 f., 178, 194 f., 291, 326, 348, 362 Gemeinwohl 46 f., 260 ff., 289 ff., 362, 393 Gesetzeskonkretisierung 97 ff. Gesetzgebungsoutsourcing 101 ff. Gewährleistungspflichten 44, 337 f., 373 Gewaltmonopol 64 ff., 90 f., 199 Grundrechte 277 ff., 308 ff., 342 ff., 390 ff. Grundrechtsrelevanz siehe Grundrechte Innere Sicherheit 198 ff.
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Sachwortverzeichnis
Judikative 69, 112 ff., 221 Jugendhilfe 148 ff. – freie 150 f., 175 ff., 321 ff. – öffentliche 151 ff. Kindergrundrecht 354 ff. Kindertageseinrichtung 148, 155 ff. Kooperation 33, 59, 62, 87, 147 f., 197 f., 371 Kriterienkatalog 35 ff., 237 ff. Legislative 89 ff., 107, 395 Legitimationskette 77, 241 f. Legitimationsniveau 105, 246 Lehrer 315 f. Leistungen 149 ff., 327 Leistungserbringer 285 ff. Loyalität 142 ff., 228, 325 Luftaufsicht 213 f., 385 ff. Luftfahrzeugführer 204 ff., 379 ff. Mediation 115, 221 Mindestalter 217, 379 Mitgliedschaft 195 f. Motivation – extrinsische 289, 321, 393 – intrinsische 289 ff., 362 Organisationsform 69 ff., 132 ff., 323 ff. Organisationsprivatisierung siehe Privatisierung Privatisierung 32 ff., 52 ff., 87 – Finanzierungsprivatisierung 62 – formelle (Organisations-)Privatisierung 56 ff., 260, 274 – funktionale Privatisierung 59 ff., 75 – materielle (Aufgaben-)Privatisierung 58 f., 73 – Verfahrensprivatisierung 62 f. – Vermögensprivatisierung 61 f. Privatisierungsgrenzen 63 ff.
Qualifikation 165 f., 219, 380 Rechtsetzungskompetenzen 92 ff., 373 Rechtsetzungsmonopol 90 ff. Rechtsprechungsmonopol 110 ff. Regulierung 262 ff., 275 f. Religionsfreiheit 313 ff., 351 Religionsgemeinschaft 119, 128, 130 ff. Religionsmündigkeit 311 ff. Religionsunterricht 119 ff., 293 ff. Richtlinienbefugnis 95 ff. Sachverstand 96 f., 183 f., 221 Schiedsgerichtsbarkeit 50, 115 ff., 396 Schulaufsicht 129, 302 ff., 397 Schutzpflichten 199, 283 ff., 360, 393 Selbstregulierung 266 ff. Sozialstaatsprinzip 79 f., 118, 183 Staatliche Neutralität 127 f., 141 f., 147, 296 ff. Staatliche Verantwortung siehe Verantwortung Staatsangehörigkeit 225 f., 235, 294, 323 Staatsaufgaben 38 ff., 86 f. – ausschließliche 47 f. – fakultative 48 ff. – konkurrierende 47 f. – obligatorische 48 ff. – unvertretbare 50 f. – vertretbare 50 f. Staatsaufgabenbegriff 40 ff. – formeller 41 f. – materieller 40 f. Staatsaufsicht siehe Aufsicht Staatszielbestimmungen 183, 370 Tauglichkeit 206, 217, 380 f. Träger siehe Jugendhilfe Treuepflicht siehe Verfassungstreue Überindividueller Rechtsschutz 184 f., 196, 368, 377 ff. Umlaufbahnen 34, 37, 237 f., 321
Sachwortverzeichnis
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Umweltschutz 183 ff., 364 ff. Umweltverbände 364 ff., 375 f.
Verbandsklage 184 ff., 197, 366 ff.
Verantwortung 126 ff., 249 ff., 299 f., 332 ff., 370 ff., 385 – Auffangverantwortung 258 ff. – Erfüllungsverantwortung 256, 265 f., 299, 339, 371 f. – Finanzierungsverantwortung 333, 336 f. – Gesamtverantwortung 332 ff., 339 ff., 360, 364 – Gewährleistungsverantwortung 257 f., 275, 301, 339 ff., 373, 385, 389 – Planungsverantwortung 333, 335 f., 340 Verantwortungsstufen siehe Verantwortung
Verfassungstreue 81 ff., 87 f., 226 ff., 235, 295
Vereinigungsfreiheit 92, 124, 151, 345 ff.
– Begriff 81 ff. – Inhalt 83 f. Verweisung 97 ff., 395 Volkssouveränität 84, 241, 246 Wächteramt 356 ff. Wirtschaftsaufsicht siehe Aufsicht Zuverlässigkeit 114, 159, 202 f., 217 ff., 380 f.