Der Meißner Dom [Reprint 2021 ed.]
 9783112484784, 9783112484777

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EDGAR LEHMANN u n d ERNST

Der Meißner Dom

SCHUBERT

D E U T S C H E A K A D E M I E D E R W I S S E N S C H A F T E N ZU B E R L I N Arbeitsstelle für Kunstgeschichte

S C H R I F T E N ZUR K U N S T G E S C H I C H T E

Begründet von Richard Hamann Weitergeführt von Edgar Lehmann

Heft 14

A K A D E M I E - V E R L A G 1968



BERLIN

S C H R I F T E N ZUR K U N S T G E S C H I C H T E

Der Meißner Dom Beiträge zur Baugeschichte und Baugestalt bis zum Ende des 13. Jahrhunderts

Von E D G A R L E H M A N N und E R N S T S C H U B E R T

Mit 28 Zeichnungen im Text und 70 Abbildungen auf Tafeln

AKADEMIE-VERLAG 1968



BERLIN

Erschienen im Akademie-Verlag GmbH, 108 Berlin, Leipziger Straße 3—4 Copyright 1968 by Akademie-Verlag GmbH Lizenznummer: 202 • 100/208/68 Gesamtherstellung: V E B Druckhaus „Maxim Gorki", 74 Altenburg Bestellnummer: 2076/14 • ES 12 C 2

INHALT Vorwort

VII

Die Aufgabe

1

Die vorgotischen Dombauten

2

Der Neubau des 13. Jahrhunderts

10

Die Datierung

10

Die Baugeschichte

33

Zur Herkunft der Einzelformen

55

Zusammenfassung

74

Die sieben Standbilder des 13. Jahrhunderts . . . .

82

Literaturverzeichnis

96

Abbildungsnachweis

99

Tafelteil

101

VORWORT Die Neubearbeitung des Dehioschen Handbuchs der deutschen Kunstdenkmäler gab im Jahre 1962 Veranlassung, die Forschungen zur Baugeschichte des Meißner Doms zu überprüfen. Es stellte sich heraus, daß vor allem die Geschichte des Neubaus im 13. Jahrhundert ergänzungs- und korrekturbedürftig ist: zeitliche Festlegung des Baubeginns, Bauabschnitte und ihre Datierung, Herkunft der Raum- und Einzelformen, die Skulpturen. Wir beschlossen, eine Richtigstellung zu versuchen. Die Grundlagen wurden getrennt erarbeitet und dann mehrfach vor dem Bau erörtert. Dabei ergab sich zwanglos eine vollständige Übereinstimmung in den Ergebnissen, so daß verhältnismäßig rasch eine gemeinsame Konzeption für die Niederschrift festgelegt werden konnte. Die Abfassung der einzelnen Abschnitte wurde entsprechend den besonderen Interessen der beiden Autoren verteilt. Es war jedoch weder möglich noch im Sinne der Verfasser, dabei den Forschungsanteil des einen und des andern isoliert deutlich werden zu lassen; denn es handelt sich hier, wie die Autoren mit Genugtuung feststellen, um eine echte Gemeinschaftsarbeit bis hin zur Niederschrift. Die Abschnitte „Die Datierung" und „Die sieben Standbilder des 13. Jahrhunderts" verfaßte Ernst Schubert, alle übrigen Edgar Lehmann. Ursprünglich hatten wir vor, die Baugeschichte des Meißner Doms in der gleichen Weise bis ins 16. Jahrhundert hinein zu verfolgen. Dieser Plan konnte jedoch fallengelassen werden, da die vorliegenden Forschungen für die Zeit nach dem 13. Jahrhundert eine erneute, ins Einzelne gehende Bearbeitung nicht unbedingt zu fordern schienen. Das Manuskript lag bereits 1966 in wesentlichen Teilen abgeschlossen vor. An den Besprechungen am Ort nahmen Herr Dr. Hans-Joachim Krause, Leipzig, und mehrfach Herr Architekt Gerhard Leopold, Halle, teil. Für ihre freundschaftliche Hilfe sei ihnen auch an dieser Stelle herzlich gedankt. Berlin und Halle/S., im Mai 1967 Edgar Lebmann, Ernst Schubert

VII

D I E AUFGABE Der Meißner Dom hat als Bauwerk die Aufmerksamkeit der Forschung im Laufe des vergangenen Jahrhunderts in sehr unterschiedlichem Maße auf sich gezogen. Das hohe Interesse, das ihm anläßlich seiner Restaurierung, die mit dem Ausbau der Westtürme begann, um die Jahrhundertwende entgegengebracht wurde, fand eine krönende Steigerung in dem vorzüglichen Inventarwerk Cornelius Gurlitts. In den darauffolgenden Jahrzehnten wurde die Baugeschichte dagegen nur mehr in Einzelfragen weitergeführt, die vor allem von den Figuren der Naumburger Werkstatt ausgingen.1 Eine großangelegte neue Darstellung fehlt. Sie hätte den Bau als Ganzes und in seinen Einzelformen stilgeschichtlich klar einzuordnen, was bisher nur ungenügend geschehen ist, und darüber hinaus die Arbeit Gurlitts zu überprüfen. Die nachfolgenden Betrachtungen wollen eine Vorarbeit zu einer solchen zusammenfassenden Darstellung leisten. 1

Als wichtigste Literatur zum Meißner Dom und seinen Bildwerken sei hier genannt: Ursinus, 1782; Schwechten, 1826; Ebert, 1835; Puttrich, 1844; Schmarsow, 1894; Schmarsow, 1896; Veröffentlichungen 1—5,1902/13; Gurlitt, 1919; Schubert, 1927; Rauda, 1928; Festschrift, 1929; Gröger, 1929; Rauda, 1929; Küas, 1935; Giesau, 1936; Küas, 1937; Küas, 1939; Beenken, 1939; Hentschel, 1944; Hamann, 1949; Schlesinger, 1952; Lemper, 1955 und 1958; Zander, 1956; Küas, 1957; Mrusek, 1957; Mrusek, 1958; Schlesinger, 1962; Reichel, 1964; Küas, 1966. (Die vollen Literaturzitate finden sich im Literaturverzeichnis.)

1

DIE V O R G O T I S C H E N DOMBAUTEN 968 war es Otto d. Gr. gelungen, die mannigfachen Widerstände gegen die Erhebung Magdeburgs zur Metropole zu überwinden. Dem neuen Erzbistum wurden die gleichzeitig gegründeten Bistümer Meißen, Merseburg und Zeitz unterstellt. Zum Sitz des Bistums, das am weitesten nach Osten in heidnisches Gebiet vorgeschoben lag, wurde ein Burgberg über der Elbe ausgewählt, den schon Heinrich I. befestigt hatte. Er hieß nach einem seitlich vorbeifließenden Bach „Misna", Meißen. Die Lage auf schmaler Bergkuppe neben der königlichen Burg bedeutete für den neuen Bischofssitz Einengung, aber zugleich auch Sicherung. Wie notwendig der militärische Schutz für ihn war, zeigte sich in den ersten Jahrzehnten seines Bestehens nur zu deutlich. Immer von neuem suchten sich Polen und Böhmen in den Besitz Meißens zu setzen. Noch der dritte Bischof von t

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I Haoerreste der Krypfa.

1. Meißen, Dom, Fundamente der vorgotischen Bauten nach den Ausgrabungen 1908 und 1910

2

Meißen, Eiko, wünschte dringend, nicht in Meißen begraben zu werden, da er fürchtete, sein Leichnam werde dort keine Ruhe haben. Dennoch wurde er 1015 in Meißen „coram altari" beigesetzt, wie Thietmar berichtet.1 Aus dieser Nachricht kann, wie wir meinen, geschlossen werden, daß damals eine Domkirche bereits bestand. Wann sie errichtet wurde und wie sie ausgesehen hat, wissen wir leider nicht. Das muß um so mehr betont werden, als man im allgemeinen glaubt, wenigstens einiges über den ottonischen Dom aussagen zu können. Wie liegen die Dinge bei genauer Betrachtung? 1908 hat Dombaumeister Härtung anläßlich der Restaurierung unter dem heutigen Bau westlich 1 des Lettners Fundamente einer älteren Kirche aufgedeckt, die er für romanisch erklärte. 1910 hat er diese Beobachtungen durch eine Grabung im Chor ergänzt und dabei die Fortsetzung des im Langhaus gefundenen Baues nach Osten festgestellt. Unter dem Chor des romanischen Baues aber fand er noch Reste eines älteren, der von ihm als ottonisch angesprochen wurde.2 Er erwog, ob mit diesen Resten der Chor der ältesten Domkirche aufgefunden worden sein könnte, doch schienen ihm „die kleinen Maße des Baues eher für eine Kapelle zu sprechen"3, eine Kapelle, „die für die Gemeinde hölzerne Hallen umgaben".4 Gurlitt hat sich entschieden gegen diese Deutung ausgesprochen.5 Er fand es „näherliegend, in jenem Raum die Krypta des romanischen Domes zu sehen".6 Die kurzen Notizen Hartungs reichen weder aus, um seine noch um die Hypothese Gurlitts eindeutig zu bestätigen oder zu widerlegen. Ja, sieht man näher zu, so ist die Verwirrung in allen Fragen, die jene Grabungen im Meißner Dom betreffen, so groß, daß sich nur wenig wirklich Gesichertes über die vorgotischen Bauten an dieser Stelle aussagen läßt. Der von Härtung gegebene Plan der Fundamente im Chor muß Irrtümer aufweisen.7 Das Abbrechen der Fundamente des „romanischen" Baues vor der Tür des „ottonischen" und die seltsame Ausklinkung der „romanischen" Fundamente auf der Nordseite, beides kann den tatsächlichen Verhältnissen nicht entsprechen. Seltsam ist auch, daß man nichts darüber erfährt, wie sich die Fundamente des „romanischen" Baues mit den Resten des Aufgehenden aus „ottonischer" Zeit auseinandersetzen, obwohl doch anzunehmen wäre, daß sich das sehr deutlich abgezeichnet haben müßte. Härtung schreibt dazu nur: „Die Grundmauern dieses (des „romanischen") Baues . . . durchdringen sich zum Teil mit dem frühromanischen (dem „ottonischen") und dem gotischen Werk." 8 Mit dieser Formulierung bleibt im Grunde alles offen. Von den Fundamenten des „ottonischen" Baues wird nur noch gesagt, daß sie in die Erdschicht hineinreichen, in der Gefäßreste aus der Zeit der deutschen Kolonisation gefunden wurden. Die Beschaffenheit der Grundmauern wird nicht 1 2 3 4 5 6 7 8

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

Thietmar VII, 25 (S. 378/80). Haftung in Veröffentlichungen 3, 1908, S. 11 — 13, sowie in Veröffentlichungen 5, 1913, S. 21 f. Veröffentlichungen 5, 1913, S. 21. Veröffentlichungen 5, 1913, S. 22. Gurlitt, 1919, S. 1 - 3 . Gurlitt, 1919, S. 3. Veröffentlichungen 5, 1913, Farbtafel. Vgl. auch unsere Abb. 1. Veröffentlichungen 5, 1913, S. 22.

3

beschrieben. Von den Fundamenten des „romanischen" Baues im Chor heißt es, sie bestünden, wie die romanischen im Schiff, „aus in gutem Verband gelegten Granitbruchsteinen in Kalkmörtel". 1 Besonders wichtig erscheint uns die Betrachtung der Niveauhöhen. Die Sohle der romanischen Fundamente im Schiff soll 1,6 m unter dem heutigen Langhausfußboden liegen.2 Über die Höhe des romanischen Fußbodens wird leider nichts mitgeteilt. Sie könnte ungefähr in der Mitte zwischen den beiden Maßen bei — 0,8 m gesucht werden. Sind nämlich die romanischen Fundamente auf dem Felsen oder auf einem anderen sehr harten Untergrund errichtet, so würde eine Höhe von rund 0,8 m oder 3 Fuß einem üblichen Durchschnittsmaß entsprechen. Die Höhenlage des für den romanischen Bau im Chor von Härtung in Anspruch genommenen Fußbodens wird von ihm nicht mitgeteilt. Es heißt nur, daß der „romanische" Estrich 1,4 m höher als der „ottonische" gelegen habe.3 Dieser Angabe Hartungs widerspricht aber der Bericht des Prähistorikers Deichmüller, der feststellt, daß an der Chorsüdwand eine Herdgrube geschnitten wurde, die nach oben „bis an den Fußboden des ottonischen Baues" reichte, „der 1,4 m unter dem des jetzigen Chores liegt". 4 Danach müßte der „romanische" Boden Hartungs mit dem jetzigen Chorfußboden identisch sein. Noch komplizierter wird die Sache durch die Angabe Gurlitts, er habe den Küster gefragt, wie tief denn der „romanische" Fußboden unter dem heutigen des Chores gelegen habe. Vom Küster sei ihm gesagt worden, das sei 1,0 bis 1,2 m gewesen.5 Der „ottonische" Fußboden wäre danach 2,4 bis 2,6 m unter dem heutigen Chorniveau zu suchen. Nun hebt sich der Bericht Deichmüllers im ganzen von den Berichten Hartungs wohltuend durch seine Genauigkeit ab. 6 Man möchte annehmen, daß Deichmüller sich nicht geirrt hat. Dann ergäbe sich als naheliegende Erklärung, daß im Chor nur ein älterer Fußboden gefunden wurde, und zwar der „ottonische" in rund 1,4 m Tiefe, ein 20 cm starker Kalkestrich. Der obere, „aus groben Granitblöcken und Kalkmörtel" bestehende, dünnere Estrich Hartungs wäre entweder als Unterlage des gotischen Chorfußbodens anzusehen, oder er stellt nur einen Arbeitshorizont dar, der beim Bau des gotischen Doms entstand. Die von Gurlitt beigebrachte Angabe des Küsters könnte auf einem Mißverständnis beruhen. Da nur ein tiefer liegender Fußboden gefunden wurde, gab der Küster dessen Tiefe mit 1,0 bis 1,2 m an, womit er den tatsächlich gemessenen 1,4 m relativ nahe kam.7 Vergleicht man das Fußbodenniveau im Chor mit dem vermutlichen im Langhaus, so kommt man annähernd auf die gleiche Höhe. Da das heutige Chorniveau zwischen dem Gestühl rund 0,4 m höher liegt als das des Langhauses, liegt das Niveau des älteren Baues, bezogen auf das 1 2 3 4

5 6 7

4

Vgl. Veröffentlichungen 5, 1913, S. 22. Vgl. Veröffentlichungen 3, 1908, S. 12. Vgl. Veröffentlichungen 5, 1913, S. 22. Vgl. Veröffentlichungen 5, 1913, S. 12. Deichmüllers Datierung der Herdgrube nach den darin gefundenen slawischen Scherben auf „um 600 — 950" (S. 13) ist von der vorgefaßten Meinung mitbestimmt, die Grube müßte spätestens 968 aufgegeben worden sein. Vgl. Gurlitt, 1919, S. 2. Vgl. Veröffentlichungen 5, 1913, S. 1 1 - 1 3 . Diese Auslegung vermag auch die Tatsache nicht zu erschüttern, daß in der Nähe des oberen „Estrichs" Tonfliesen gefunden wurden, wie Härtung, Veröffentlichungen 5, 1913, S. 22, schreibt. Die Fliesen wurden offenbar nicht in situ angetroffen, da Härtung bemerkt, daß sie „auf dem Estrich gelegen haben müssen".

heutige Langhausniveau, etwa bei —1,0 m. Im Langhaus vermuteten wir eine Höhe von —0,8 m. Bei der Ungesichertheit des letzteren Maßes könnten die beiden Horizonte auch zusammengehören. Wollte man auf die Gurlittsche Kryptentheorie zurückgreifen, müßte man annehmen, daß diese Krypta nur relativ wenig in den Boden eingetieft war. Das ist denkbar, wäre jedoch in Anbetracht der Wahrscheinlichkeit, daß der Hügel dort schon wieder nach Osten abfiel, mindestens überraschend. Gibt es im Chor tatsächlich nur e i n e n vorgotischen Fußboden, so fragt es sich, ob Härtung mit der Unterscheidung von drei Bauperioden in den Ostteilen im Recht ist. Die oben geschilderten Unklarheiten in seiner Beschreibung lassen diesen Zweifel zu. Das würde bedeuten, daß alle aufgedeckten Fundamente — im wesentlichen — zusammengehören, daß wir also vom ottonischen Dom bisher überhaupt nichts wissen und nur e i n e n Vorgängerbau kennen, den romanischen. Sind jedoch im Chor mit Härtung zwei vorgotische Bauperioden zu unterscheiden, so liegt die Annahme nahe, daß auch die weiter westlich aufgedeckten Fundamente nicht alle uneingeschränkt zusammengehören. Es wäre ja denkbar, daß für den ottonischen und den romanischen Dom zum Teil die gleichen Fundamente benutzt worden wären. In den westlichen Teilen hätte Härtung die Verschiebungen bzw. Ergänzungen der romanischen Zeit nicht erkannt, im Chor hätte er die beiden Perioden zwar gesehen, sie aber in einer Weise voneinander getrennt, die, wie gesagt, in den Einzelheiten nicht stimmen kann.1 Für die zweite der hier erörterten Möglichkeiten könnte sprechen, daß zwischen Ostteilen und Langhaus eine Achsenverschiebung vorliegt und zudem die für das Langhaus ungefähr zu erschließende Maßeinheit in

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in der

Chorsüdseite des vorgotischen Doms

den Ostteilen nicht gilt. Während im Langhaus der quadratische Schematismus beachtet zu sein scheint, findet sich in den Ostteilen eine querrechteckige Vierung, und auch die Kreuzflügel und der Chorarm sind nicht mit Sicherheit als Quadrate zu rekonstruieren. Das für den Nordkreuzarm mögliche quadratische Maß paßt in jedem Fall nicht zu den Maßen des Langhauses. Solche Beobachtungen reichen natürlich nicht aus, um Rekonstruktionsvorschläge für den ottonischen Bau und seine Veränderungen in romanischer Zeit zu machen. Es steht ja weder fest, wo noch ob überhaupt Härtung (bzw. Schäffler) den Ausgrabungsbefund ungenügend beobachtet 1

Der Zweifel an der Vollständigkeit bzw. Richtigkeit der Beobachtungen an den aufgedeckten Fundamenten trifft nicht so sehr Härtung selbst, der die Grabungen offenbar nur wenig beobachtet hat, als vielmehr seinen Bauführer Joseph Schäffler. Das läßt sich aus der Vorbemerkung schließen, die sich auf dem Titelblatt des Hartungschen Berichts in den Veröffentlichungen 3 , 1 9 0 8 , findet: „Der Dombauführer, Herr Architekt Joseph Schäffler, hat die Ausgrabungen im D o m mit Sorgfalt und Umsicht durchgeführt und dem Verfasser dieser Schrift durch Mitteilung seiner Beobachtungen und Untersuchungsergebnisse wertvolle Dienste geleistet."

5

hat. Daß aber Fundamentfugen übersehen worden sein können, lassen solche Stellen vermuten, wie die am südlichen 4. Langhauspfeiler, wo anscheinend das gotische Pfeilerfundament als Verstärkung des romanischen gezeichnet worden ist, oder die im nördlichen Kreuzarm, wo eine ganz unerklärliche riesige Fundamentmasse gezeichnet erscheint. Hier könnten nur sorgfältige archäologische Nachuntersuchungen weiterführen. Der ottonische Dom ist uns also entweder noch völlig unbekannt, oder er erhob sich bereits z. T. 2 auf den aufgedeckten Fundamenten. Im zweiten Falle wäre die von Härtung gezeichnete Tür in der Chorsüdwand wohl als ihm zugehörig zu betrachten. Wenden wir uns dem romanischen, dem voraussichtlich zweiten Dombau zu! Er ist von Härtung, Gurlitt und Rauda zeichnerisch rekonstruiert worden.1 Die Rekonstruktion von Härtung ist recht schematisch, die Vorschläge von Gurlitt und Rauda berücksichtigen gewissenhafter die Achsenverschiebungen sowie eine Reihe von Einzelheiten an den Befunden. Alle drei aber gehen von der Einheitlichkeit der Fundamente aus, die uns, wie gesagt, nicht gesichert erscheint. Doch selbst wenn man einen einheitlichen Dombau im Sinne dieser Rekonstruktion gelten läßt, bleiben daran Unklarheiten genug, was die bisherige Forschung nicht genügend in Rechnung gestellt hat. Nochmals sei auf die seltsamen „Fundamentverstärkungen" und „Fundamentanhäufungen" in den Plänen Hartungs hingewiesen.2 Unklar bleibt auch, was freilich durch keine Ausgrabung geklärt werden könnte, die Gestalt des Westbaus im Aufgehenden. War es eine Doppelturmfront oder ein Querbau? Enthielt der Mittelteil eine Empore? Enthielt er einen Westchor oder einen Eingang? Nur die letzte Frage läßt sich aus Analogiegründen mit einiger Wahrscheinlichkeit entscheiden. Mindestens der ottonische Erstbau wird in Meißen wie in Naumburg und vermutlich auch in Merseburg doppelchörig gewesen sein, was ja auch durch das Meißner Doppelpatrozinium, St. Johannes Evangelista und St. Donatus, nahegelegt wird. 3 Fraglich bleibt jedoch schon, ob im romanischen Um- oder Ersatzbau diese Anordnung beibehalten wurde, oder ob man nicht in romanischer Zeit den westlichen Altar bereits in den östlichen Teil der Kirche transferiert hatte. Da jedoch Gurlitts Deutung des südlichen Anbaus als Portalvorhalle einleuchtend erscheint, muß mit der Möglichkeit der Beibehaltung der ottonischen Doppelchörigkeit auch noch im romanischen Dom gerechnet werden.4 Wann ist dieser romanische Dom — immer seine einheitliche Entstehung vorausgesetzt — errichtet worden? Gurlitt setzt ihn zwischen 1006 und 1073 an.5 Er geht dabei allein von der all1 2

3

4 5

6

Vgl. Veröffentlichungen 3, 1908, S. 1 1 - 1 3 und Taf. 1 - 3 , sowie Gurlitt, 1919, S. 6 - 1 3 , und Rauda, 1928, S. 25. Nur auf eine der damit zusammenhängenden Fragen sei hier aufmerksam gemacht. In der Flucht des Fundamentzuges, der jeweils die Seitenschiffe östlich abschließt, gibt es eine Fortsetzung über das Langhaus hinaus nach Norden, aber nicht nach Süden. Diese seltsame Asymmetrie versucht Gurlitt, 1919, Fig. 7 auf S. 7, damit zu erklären, daß er auf dem Fundamentblock im Winkel zwischen Nordkreuzarm und Nordseitenschiff Treppenanlagen rekonstruiert. Im Text erwähnt er diese wenig wahrscheinliche Deutung nicht. Rauda, 1928, S. 26, schließt sich mit Fragezeichen Gurlitts Erklärung an. Die Doppelchörigkeit des ersten Naumburger Doms wurde durch Grabungen festgestellt, die in den vergangenen Jahren von Ernst Schubert und Gerhard Leopold durchgeführt wurden. Ihre Veröffentlichung wird vorbereitet. — Die Doppelchörigkeit des ottonischen Merseburger Doms wird von Haesler, 1932, vermutet und auf S. 92 bis 114 begründet. Vgl. Gurlitt, 1919, S. 11. Vgl. Gurlitt, 1919, S. 3f.

gemeinen historischen Situation aus. Diese Begründung ist natürlich unsicher. Wir meinen, daß sie sich weder mit gewissen Eigentümlichkeiten des Grundrisses verträgt, noch zu den wenigen formierten Baugliedern paßt, die man seinerzeit fand. Der Grabungsbefund im heutigen Nordostturm läßt kaum eine andere Deutung zu, als daß östlich der romanischen Apsis des nördlichen Kreuzarms ein kleiner Chornebenraum folgte, der diese Apsis, von Osten gesehen, in ihrem südlichen Teil verdeckte. Eigenartigerweise ist das weder von Härtung noch von Gurlitt beachtet worden. Wir kennen eine solche Situation aber gut aus dem benachbarten Wechselburg. Ähnliche Beispiele finden sich mehrfach, in Niedersachsen, in Thüringen, auch in Polen.1 Der Zwickelraum kann nur auf einer Seite eingefügt sein, er kann auch symmetrisch auf beiden Seiten erscheinen. Welche Lösung in Meißen gewählt war, ist nicht beobachtet worden. Jedenfalls gehören alle Beispiele dieser Art ins 12. Jahrhundert, meist sogar erst in die 2. Hälfte dieses Jahrhunderts. 2 Es ist wenig wahrscheinlich, daß der Meißner Dom in dieser Eigentümlichkeit allen anderen Beispielen um nahezu ein Jahrhundert vorausgegangen sein soll. Es darf freilich nicht verschwiegen werden, daß man auch daran denken könnte, jenen Mauerzug als seitliche Begrenzung eines Kryptenzugangs zu deuten. Solche Räume finden sich seit dem frühen 11. Jahrhundert am Oberrhein, von Limburg a. d. H. ausgehend, in Niedersachsen, vom Goslarer Dom ausgehend, und auch am Merseburger Dom. 3 Aber in allen diesen Beispielen greift das Treppenhaus nicht so weit nach Osten aus, wie das in Meißen zu beobachten ist. Es wird sich hier also wohl doch um jenen charakteristischen Chornebenraum handeln. 1

2

3

Es handelt sich um folgende Beispiele: Drübeck, Benediktiner-Nonnenkloster, um 1110 (?); Kruszwica (Kruschwitz), Kollegiatstift, 1120/40; Tum, Kollegiatstift, 1141/61; Klosterlausnitz, Augustiner-Chorfrauenstift, um 1140/80; Wechselburg (Zschillen), Augustiner-Chorherrenstift, um 1160/68; Wunstorf, Doppelstift, um 1160/80; Riechenberg, Augustiner-Chorherrenstift, nach 1150 (?); Mandelsloh, Archidiakonatskirche, 4. Viertel 12. Jahrhundert. Zu Drübeck vgl. Feldtkeller, 1950, sowie die im Druck befindliche Arbeit von Carl-Heinrich Seebach, Kloster Drübeck, in der Jankuhn-Festschrift. Nach Seebach gehört die gesamte Anlage des Ostteils mit den Nebenräumen und den Querschiffapsiden zum Urbau, den er in die Zeit um 1000 datiert. Näher läge u. E. die Annahme, daß der Ostteil in der von Seebach rekonstruierten Gestalt auf einen Umbau aus der Zeit der Reformation des Stiftes zurückgeht, die 1108/10 erfolgte. Da Seebach diese Möglichkeit ausschließen zu können glaubt, muß die Frage einstweilen als offen gelten. Zu Kruszwica und Tum vgl. Milobfdzki, 1963, S. 24— 28, und Öwiechowski, 1963, S. 146/49 und 298—306. Zu Klosterlausnitz vgl. Lehfeldt, H. 4, 1888, S. 223 f. Zu Wechselburg vgl. Krause, 1962, S. 63 — 70. Zu Wunstorf vgl. Oeters, 1955, S. 123 und 410, sowie Krause, 1962, Anm. 415. Zu Riechenberg vgl. Borchers, 1955, und Hölscher, 1961. Beide Darstellungen sind nach unserer Ansicht nicht ohne Kritik hinzunehmen. Doch dürfte hinsichtlich des Nebenraumes Hölscher im Recht sein, der ihn für eine nachträgliche Zutat hält. Läßt man, was wir für richtig halten, die Datierung der Krypta von Borchers, „vor 1150", bestehen, ergibt sich daraus das Datum „nach 1150" für den Nebenraum. Eine genauere Festlegung ist nicht möglich. Der Raum kann noch im 12. oder auch erst im 13. Jahrhundert angebaut worden sein. Zu Mandelsloh vgl. Neumann, 1964. Drübeck wäre hier auszunehmen. Doch halten wir seine entwickelte Chorlösung in der Zeit um 1000 für wenig wahrscheinlich, zumal sie der des nahen Ilsenburg, die auf 1078/87 fest datiert ist, sehr nahe steht. Für Limburg a. d. H. und Goslar, Dom, vgl. Lehmann, 1938, Abb. 170,172 und 180, und die S. 114 und 123 dazu angegebene Literatur. — Für Merseburg vgl. Haesler, 1932, S. 18—23. Haesler nimmt für Merseburg einen ursprünglichen Mitteleingang zur Krypta an. Die hier interessierenden Seiteneingänge seien erst nachträglich, spätestens freilich im 12. Jahrhundert, entstanden.

7

i-—223. Meißen, Einzelstücke des vorgotischen Doms, gefunden bei den Ausgrabungen 1908/10

Ebenso wichtig für die Datierung ins 12. Jahrhundert wären die westlichen Winkeltürme, die Härtung, Gurlitt und Rauda übereinstimmend rekonstruieren. Ihre Existenz kann jedoch nicht als gesichert gelten. Wieso ist ihr westliches Fundament so mächtig ausgebildet und das schwächere östliche nicht einmal als Spannmauer durchgezogen? Ja, es fehlen sogar die inneren Vorlagen für die Öffnungen zwischen Querschiff und Turmuntergeschoß. Diese hätten freilich auf den breiten Längsfundamenten noch eben Platz. Da es nicht leicht ist, jene schweren Fundamente am Westende des ersten Seitenschiffsjochs 10 0 10 20 30 tOcm anders zu erklären, mag die Winkelturmhypothese Uniruil—. i ' ' i immerhin als Möglichkeit erwogen werden. Westliche 4. Meißen, Gesimsstück des vorgotischen Doms, Winkeltürme sind als Planung in Hirsau und Paulingefunden bei den Ausgrabungen 1908/10 zella im späten 11. bzw. im frühen 12. Jahrhundert 1 nachzuweisen. Sie bleiben auch später ein Zeichen reformerischer Gesinnung der Bauherren. Ausgeführte Beispiele kennen wir z. B. in Hamersleben und Halberstadt bei den Augustiner-Chorherren.2 Diese Beispiele liegen nach 1111 bzw. vor 1147. Ins 12. Jahrhundert wären also auch die Meißner Türme zu setzen. 1 2

Vgl. Hoffmann, 1950, S. 19, 46 f. und 8 4 - 8 6 . Vgl. zu Hamersleben: Guth, 1932. 1111 wurde das Stift an die heutige Stelle verlegt. — Vgl. zu Halberstadt: Doering, 1927, S. 14—17.1147 starb Bischof Rudolf, der den heutigen Bau veranlaßte. — Weitere Beispiele solcher

Diesen Ansatz bestätigen schließlich die wenigen Einzelformen, die wir von dem romanischen Meißner Dom kennen. Die steile attische Basis mit schlichter Eckzehe ist nur 22 cm breit. Sie 3 gehört also zu einer kleinen Zwillingsarkade. Verbieten schon die Eckzehen einen früheren Ansatz als das späte 11. Jahrhundert, so ist bei der vermutlichen Verwendung der Basis in einer Klangarkade die archaisierende Bildung auch in späterer Zeit nicht auffallend.1 Die etwas seltsame Ornamentik eines Sattelkämpfers aus Bändern und Palmetten widerspricht ebenfalls einer Ansetzung in die 1. Hälfte des 12. Jahrhunderts nicht. In diese Zeit wird man auch am ehesten das Gesimsbruchstück setzen, dessen Profil frühromanisch zart auslädt, dabei aber die Bogenabschnitte — 4 eine Kehle zwischen zwei Wülsten — durch Plättchen klar voneinander abhebt und so die Karniesform vermeidet. Von der historischen Wahrscheinlichkeit her gesehen, kommt als Bauherr — mindestens für einen tatkräftigen Beginn des neuen Dombaus — am ehesten Bischof Godebold (1119/40) in Frage. Die unruhige, kämpfereiche Zeit des Investiturstreits ging bald nach dem Beginn seiner Herrschaft zu Ende. E r bemühte sich um eine straffere kirchliche Ordnung in seiner Diözese. Zu Erzbischof Norbert von Magdeburg, dem Gründer des Prämonstratenserordens, hatte er enge persönliche Beziehungen.2 Dürfte man Bischof Godebold als den bestimmenden Bauherrn für den Neubau im 12. Jahrhundert ansehen, so würden sich schon deshalb auch zwanglos die Züge am Bau erklären, die reformerische Baugewohnheiten festhalten, die östlichen Chorwinkelräume und — möglicherweise — die westlichen Winkeltürme. Daß solche Züge nicht mit der Konsequenz und dem Bedeutungsgehalt auftreten, wie das um 1100 geschehen konnte, liegt im Zuge der Zeit. Das Wormser Konkordat nahm den Gegensätzen die Schärfe. Daß aber eine Bischofskirche sich dabei mehr an Vorbilder der reformierten Augustiner-Chorherren hält als an solche der Benediktiner, wäre nur natürlich. Winkeltürme finden sich in Riechenberg bei Goslar und in Thalbürgel. Riechenberg wurde 1117 als Benediktinerkloster gegründet, 1131 in ein Augustiner-Chorherrenstift umgewandelt. Vgl. Borchers, 1955, S. 11. Thalbürgel wurde 1133 als Benediktinerkloster gegründet. Vgl. Lehfeldt, H. 1 , 1 8 8 8 , S. 208. Beide Bauten passen sich also der festgestellten Zeitlage, 1. Hälfte bis Mitte 12. Jahrhundert, an. 1 2

2

Rauda, 1928, S. 21, meint, die Basis sei „kaum vor 1120 denkbar". Vgl. Schlesinger, 1962, Bd. 2, S. 43f.

Meißner Dom

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D E R N E U B A U D E S 13. J A H R H U N D E R T S

Die Datierung Der Meißner Dom ist im Vergleich zu anderen Bauten des 13. Jahrhunderts besonders gut erhalten. Seine Berühmtheit verdankt er nicht allein der Geschlossenheit des gesamten Raumeindrucks, sondern in ebenso hohem Maße seinem plastischen Schmuck; hier ist die Verwandtschaft mit den großartigen Werken des Naumburger Meisters unverkennbar. Sie ist offensichtlich im Baudekor, vor allem des Lettners, und in den sieben vollplastischen Standbildern, die man seit Gurlitt als Portalfiguren anzusehen sich gewöhnt hat.1 Da direkte Nachrichten aus der Bauzeit fehlen, lag es nahe, den Bau mit den Mitteln der kunsthistorischen Stilkritik zu datieren. Das Ergebnis war recht verschieden.2 Erst neuerdings hat auch ein Historiker ausführlich Stellung genommen.3 Er kommt zu dem Schluß, daß der Neubau des Doms von Bischof Konrad I. (1240—1259) initiiert wurde, die Standbilder sich sogar noch genauer datieren ließen: sie gehörten zu einem Hauptportal, das nur zwischen 1250 und 1259 geplant und geschaffen worden sein könne. Die Argumentation Schlesingers ist u. E. in beiden Fällen nicht absolut „stichfest". Es muß daher zunächst auf die schwächsten Stellen seiner Beweisführung hingewiesen werden. Schlesinger schreibt:4 „Die erste unmittelbare Baunachricht stammt erst aus dem Jahre 1271. Bischof Otto von Minden war damals in Meißen anwesend und überzeugte sich hier persönlich Vgl. Gurlitt, 1919, S. 59; sowie auch Gurlitt, in Festschrift, 1929. — Zur Bau- und Kunstgeschichte des Doms vgl. außer der genannten, für alle weiteren Forschungen grundlegenden Arbeit von Gurlitt die unter Anm. 1, S. 1, aufgeführte Literatur. 2 Gurlitt, 1919, S. 16: „Fehlt es gleich an sicheren Nachrichten, so weisen doch die Umstände darauf hin, daß bald nach dem Brande von 1207 (richtig: 1209) in Meißen ein Bau geplant und begonnen wurde." Ders., in Festschrift, 1929, S. 87: Baubeginn 1220. Diese Datierung vertreten auch Rauda, 1929, S. 21, und Gröger, 1929, S. 149. Vgl. dagegen Küas, 1937, S. 79: Baubeginn um 1240, ebenso Lemper, 1958, S. 6 und S. 14. 3 Schlesinger in den in Anm. 1, S. 1, zitierten Arbeiten. Er datiert den Baubeginn in die Regierungszeit des Bischofs ' Konrad I. (1240—1259) bzw. nach 1240 (1952, S. 21): „Wenn diese (die kunstgeschichtlichen Beobachtungen) aber mehrdeutig sind, dann wird sich der Historiker für Baubeginn in Meißen nach 1240 entscheiden müssen." — Schlesingers Forschungen sind die Grundlage für das Folgende. Da seine Ansichten inzwischen allgemeine Anerkennung gefunden haben, mit den hier vorgetragenen aber unvereinbar sind, müssen wir uns ausführlicher mit ihnen auseinandersetzen. Zweifel an der Richtigkeit von Schlesingers Ausführungen äußerte ich bereits in meinem Aufsatz „Der Westchor des Naumburger Doms. Ein Beitrag zur Datierung und zum Verständnis der Standbilder" (Schubert 1964, S. 10f.; 2. Aufl., 1965, S. 12f.). — Daß ich auch für diese Arbeit entscheidende Anregungen aus Schlesingers Darlegungen erfahren habe, brauche ich nicht zu betonen. 4 Schlesinger, 1952, S. 14. 1

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von der Kostspieligkeit des begonnenen Neubaus der Domkirche. Er forderte deshalb zu milden Spenden auf und gewährte allen, die diesem Rufe folgten, 40 Tage Ablaß. Die Nachricht besagt nichts für den Baubeginn, sie läßt vielmehr nur erkennen, daß die Baukasse nicht in wünschenswertem Maße gefüllt war, daß also die ursprünglich bereitgestellten Mittel nicht ausreichten. Man muß demnach vermuten, daß schon verhältnismäßig lange gebaut wurde." Der Satz in der Urkunde lautet: „Cum igitur praesentialiter in Misna constituti, fabricam ipsam matricis ecclesiae opere novo tam sumptuoso viderimus inchoatam, quod ad consummationem eius propriae sibi non suppetant facultates . . Das heißt eindeutig: ein aufwendiger Neubau ist begonnen worden. Wenn man der Nachricht aufs Wort glaubt, wie Schlesinger das hinsichtlich der zur Verfügung stehenden Mittel tut, dann darf man ihr auch entnehmen, daß nicht etwa „schon verhältnismäßig lange gebaut wurde"2, sondern erst kurze Zeit. Auch der zweite Schluß Schlesingers, die Baukasse sei nicht in wünschenswertem Maße gefüllt gewesen, die ursprünglich bereitgestellten Mittel hätten nicht ausgereicht, ist u. E. nicht gerechtfertigt. Man müßte berücksichtigen, daß es sich hier um eine „Planung" auf Jahrzehnte hinaus handelt. Der Mindener Bischof spricht vom Abschluß des Baus, von der consummatio operis, der gegenwärtige Kassenstand wird damit gar nicht berührt. Wahrscheinlich liegen die Dinge aber ganz anders. Gerade der von Schlesinger für entscheidend gehaltene Passus „quod ad consummationem eius propriae non suppetant facultates" ist formelhaft. Er kommt in Ablaßurkunden der Zeit immer wieder vor und wird sogar verwendet, schon ehe ein Bau überhaupt begonnen worden ist.3 Es handelt sich also um nichts weiter als um eine willkommene Begründung für eine mögliche Nebeneinnahme, die man sich nicht entgehen lassen wollte. Aus der stereotyp wiederkehrenden Formulierung ist für den Bauablauf gar nichts zu entnehmen. — Ebenso verhält es sich mit „fabricam ecclesie opere novo inchoatam". Hier wird man zwar zugeben, daß vom Baubeginn die Rede ist, wie lange dieser Beginn aber schon zurückliegt, bleibt offen, zumal auch diese Wendung formelhaft ist. Sicher ist nur, daß der Neubau 1271 bereits im Gange war. Ebenso unsicher scheint uns die weitere Argumentation Schlesingers zu sein: „Erwägt man nun, daß unter ausdrücklicher Erwähnung des Neubaus eine Anzahl deutscher Erzbischöfe und Bischöfe, dazu der Erzbischof von Sorrent 1274 der Meißner Domkirche auf dem Konzil von Lyon wiederum Ablaß gewährten, daß andererseits in Meißen die im 13. Jahrhundert allgemein übliche Sitte, den Bau von Kirchen durch Gewährung von Indulgenzen zu unterstützen, bereits 1241 nachzuweisen ist, so wird man ohne Bedenken auch drei päpstliche Indulgenzen für die Meißner Domkirche von 1249 und 1250 mit dem Dombau in Zusammenhang bringen dürfen, obwohl seiner dabei nicht expressis verbis gedacht wird. Baubeginn vor der Mitte des 13. Jahrhunderts ist also auch durch 1 2 3

CdSr II, 1, Nr. 213, S. 172. Schlesinger, 1952, S. 14. Vgl. z.B. CdSr II, 15, Nr. 262, S. 185 f.: „ C u m . . . abbatissaetconventus... in Grimmis claustrum de novo construere proponant nec ad consummationem ipsius proprie sibi suppetant facultates, ómnibus...penitentibus et confessis.. .xx dies et unamkarenammisericorditer relaxamus" (1264). — Vgl. auch die ähnlichen Wendungen in thüringischen Urkunden, z. B. Dobenecker, Bd. III, 1915, Nr. 1609 (1248), 3454 (1266), 3513 (1266) u. a.

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urkundliche Zeugnisse gestützt, während für früheren Baubeginn solche fehlen. Natürlich heißt dies nicht, daß der Bau nicht trotzdem weit früher begonnen haben kann". 1 Man wird sich zunächst fragen, warum denn in den Ablaßurkunden von 1249 und 12502 der Domneubau nicht erwähnt wurde. Er wäre doch die beste und eine willkommene Begründung gewesen! Ganz abgesehen davon läßt sich aber sehr wahrscheinlich machen, daß das genaue Gegenteil der Fall war: man dachte vermutlich noch nicht einmal an den Neubau; denn die Analyse des Wortlauts jener Ablaßurkunden für den Meißner Dom läßt erkennen, daß die Gruppe Indulgenzurkunden der Jahrhundertmitte sich erheblich von der der 70er Jahre unterscheidet. In allen drei Urkunden von 1249 und 1250 wird der Ablaß nämlich für den Kirchenbesuch an bestimmten Festtagen gewährt. In den 17 Urkunden von 1271 und 1274 dagegen ist vom Kirchenbesuch nicht mehr die Rede. Hier werden die kirchlichen Gnadenmittel für die Unterstützung des Kirchenneubaus versprochen. Das heißt aber doch wahrscheinlich: 1249 und 1250 bestand die alte Kathedrale noch, 1271 und 1274 dagegen waren Bauarbeiten im Gange. Um die Jahrhundertmitte konnte man die Kirche noch an Festtagen zu feierlichem Kirchgang aufsuchen, in den 70er Jahren des 13. Jahrhunderts kam man auf eine Baustelle.3 Es gibt keinen Grund, diese Angaben der Urkunden zu bezweifeln. Im Gegenteil: Ablaßurkunden der 80er Jahre bestätigen diese Interpretation. Damals war der Neubau schon wieder teilweise benutzbar, man verlieh daher folgerichtig Indulgenzen an Leute, die b e i m K i r c h e n b e s u c h z u m K i r c h e n n e u b a u beitrügen.4 Es empfiehlt sich also, die Ablaßurkunden von 1249 und 1250 nicht mit dem Dombau in Verbindung zu bringen. Eine vorsichtige Interpretation der von Schlesinger bis dahin angezogenen Urkunden gestattet lediglich die Feststellung, daß der Meißner Domneubau vor 1271 begonnen worden ist. Die Urkunde von diesem Jahre bietet einen sicheren Terminus ante quem. Schlesinger kommt dann nach der Untersuchung der allgemeinen Lage des Hochstifts unter Bischof Bruno II. (1209—1228) und Konrad I. (1240—1259) zu dem Schluß, man könne Konrad die Initiative zum Dombau weit eher zutrauen als Bruno, 5 und fährt fort: „Volle Sicherheit ist natürlich nicht zu gewinnen, und kunstgeschichtliche Beobachtungen müßten den Ausschlag geben. Wenn diese aber mehrdeutig sind, dann wird sich der Historiker für Baubeginn in Meißen nach 1240 entscheiden müssen." 6 Diese Feststellung wäre nur bedeutsam, wenn zugleich ein einigermaßen sicherer Terminus ante quem aus der Zeit um die Jahrhundertmitte vorgebracht werden 1 2 3

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Schlesinger, 1952, S. 14. CdSr II, 1, Nr. 145, S. 127, Nr. 146, S. 128, und Nr. 159, S. 136. Dabei ist zu berücksichtigen, daß für die Einladung der Laien in die Kirche das Langhaus, nicht etwa der der Geistlichkeit vorbehaltene Chor vorhanden sein mußte. — 1270 ff. kann also bereits der neue Chor gestanden haben, ein neues Langhaus jedoch noch nicht. Andererseits muß 1249/50 das Langhaus des romanischen Baus noch nutzbar gewesen sein — der Chor brauchte für eine Einladung an die gläubigen Laien zum Kirchenbesuch nicht unbedingt zu existieren. Indessen sind wir überzeugt, die Urkunden von 1249/50 hätten, wie gesagt, auf den Neubau Bezug genommen, wäre er damals schon (mit dem Chor) begonnen worden. Vgl. CdSr II, 1, Nr.266, S. 207f. (1285); Nr. 275, S. 214 (1287); Nr. 276, S. 215 (1287); Nr. 281, S. 218f. (1287?); Nr. 292, S. 227 (1290). Schlesinger, 1952, S. 20. — Wir verzichten darauf, jeweils die entsprechenden Stellen in Schlesingers Kirchengeschichte Sachsens (Schlesinger, 1962) anzuführen, da sie den hier angemerkten Stellen sinngemäß entsprechen. Schlesinger, 1952, S. 21.

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könnte. Da der aber, wie gezeigt wurde, aussteht, hat die Beweisführung für Konrad als Initiator wenig Gewicht. Es wäre doch durchaus denkbar, daß der Neubau des Meißner Doms erst von einem seiner Nachfolger, Albert II. (1259—1266) oder Withego I. (1266—1293), in die Wege geleitet wurde. — Auch vergleichende Stilkritik kommt nicht zu dem Ergebnis, daß der Neubau des Meißner Doms vor 1260 begonnen worden sein muß. Schließlich zieht Schlesinger noch seine Datierung der Meißner Standbilder aus der Naumburger Werkstatt, der sogenannten Portalfiguren, zur Baudatierung heran. Der Meißner Dom ist bekanntlich dem Evangelisten Johannes und dem Hl. Bischof Donatus geweiht. Diese beiden werden in sämtlichen Urkunden als Patrone des Doms erwähnt, soweit der Patrone überhaupt Erwähnung geschieht.1 Eine Ausnahme macht lediglich eine von Papst Innozenz IV. am 20. Juni 1250 in Lyon ausgestellte Urkunde. 2 In ihr heißt es: „. . . ecclesia vestra, quae in honorem beati Johannis evangelistae ante portam Latinam et sanctae Mariae fundata dinoscitur, . . ." Abgesehen davon, daß Johannes Evangelista hier ausdrücklich mit dem Zusatz „ante portam Latinam" bezeichnet wird, d. h. Festtag am 6. Mai statt wie in den anderen Urkunden am 27. Dezember, ist Donatus als Patron übergangen und an seiner Statt Maria eingesetzt. Schlesinger zieht daraus den Schluß: „Man wird . . . an einen geplanten Patrozinienwechsel denken müssen, wobei am Hauptpatron Johannes festgehalten wurde, wenn auch mit einer gewissen Modifizierung (ante portam Latinam), während an die Stelle des Donatus Maria treten sollte, deren Verehrung seit dem 12. Jahrhundert ja ungeheuer um sich gegriffen hatte. Anlaß des Wechsels kann nur der Neubau des Doms gewesen sein, für dessen Datierung in die Amtszeit Bischof Konrads wir damit einen weiteren Anhaltspunkt gewinnen." 3 Diese Kombination ist bestechend, zumal wenn man sich klarmacht, daß das Portal wie der Patrozinienwechsel nur geplant, nicht aber ausgeführt wurde. Die für das Portal geschaffenen Standbilder wurden ja noch im 13. Jahrhundert auf die Chorwände und die Achteckkapelle verteilt. Der Patrozinienwechsel wäre demnach nur geplant oder nur für kurze Zeit vorgenommen worden — was nach Schlesinger die nächste Urkunde, die die Patrone des Doms nennt, beweist: am 27. Juli 1259 heißt es in einer Urkunde: „. . . in proprietatem ecclesiae beati Johannis apostoli et evangelistae sanctique Donati in Misna . . . gloriosorum patronorum . . ." 4 Ist diese Überlegung richtig, dann sind nicht nur die sogenannten Portalfiguren genau in die Zeit zwischen 1250 und 1259 datiert — sie könnten allenfalls eher, nicht aber später begonnen worden sein —, sondern dann ist auch der Beginn des Domneubaus vor 1250 gesichert.5 Unseres Erachtens ist Schlesingers Beweisführung auch hier durchaus nicht so überzeugend, wie sie auf den ersten Blick zu sein scheint. Das wird schon deutlich, wenn man seine Formulierungen 1 2 3 4

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Überprüft wurde hierauf der gesamte Band I des Urkundenbuchs, also von den Anfängen bis 1356. CdSr II, 1, Nr. 159, S. 136. Schlesinger, 1952, S. 21. CdSr II, 1, Nr. 188, S. 151. — Schlesinger (1952, S. 22) meint, diese Urkunde nenne die alten Patrone „man möchte sagen . . . betont". Wir sehen für diese Deutung im Text der Urkunde keinerlei Veranlassung. Man müßte denn annehmen, man habe die Figuren geschaffen, ohne zugleich an einen Domneubau zu denken — was, falls die Standbilder für ein Portal gehauen wurden, immerhin möglich wäre. Nach Lage der Dinge ist das aber ganz unwahrscheinlich.

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genauer durchdenkt. Er schreibt weiter: „Wirklich durchgeführt ist dieser Patrozinienwechsel in Meißen allerdings nicht."1 Und dann: „Ein Kurswechsel hätte dann (nach dem Regierungsantritt Bischof Alberts, 1259—1266) stattgefunden, der seinen äußeren Ausdruck darin fand, daß der von Konrad beabsichtigte Patrozinienwechsel unterblieb."2 Man wird Schlesinger allenfalls noch folgen können, wenn er meint, die Portalfiguren seien sozusagen vorsorglich schon vor dem Vollzug des Patrozinienwechsels geschaffen worden, der Plan zum Wechsel der Patrone habe bestanden und Bischof Konrad habe, sicher, daß sein Wunsch, Maria zur Patronin zu machen, in Erfüllung gehe, den Meister mit der Herstellung der Figuren beauftragt. Dann wäre nur zu erklären, warum Donatus, dessen Standbild ja auch erhalten ist, obwohl nicht mehr Patron, wie die entscheidende Urkunde verstanden werden muß, doch, auch nach Schlesinger, für das Portal vorgesehen war. Selbst wenn man sich mit der Erklärung hilft, Donatus sei erst nach 1259 in Auftrag gegeben worden — womit sämtliche Portalrekonstruktionen fragwürdig würden — bleibt doch noch die Hauptschwierigkeit: Papst Innozenz IV. müßte dann hinters Licht geführt worden sein; denn in der Urkunde vom 20. Juni 1250 ist nicht von einem g e p l a n t e n Patrozinienwechsel die Rede. In der päpstlichen Urkunde werden vielmehr schon die neuen Patrone genannt. Hier ist u. E. ein unlösbarer Widerspruch in Schlesingers Argumentation. Man wird nun fragen, warum Schlesinger nicht annimmt, der Patrozinienwechsel sei 1250 schon vollzogen worden oder sogar noch früher. Dann wäre der seine Theorie belastende Widerspruch doch sofort aufgehoben! Diese Annahme ist jedoch, wie Schlesinger wohl selbst gefühlt hat,3 gänzlich unwahrscheinlich; denn der Anlaß des Wechsels kann nur der Neubau des Doms gewesen sein,4 bevor der Neubau aber begonnen oder wenn er gerade eben erst in Angriff genommen ist, ist an eine feierliche Neuweihe, an eine Übergabe an neue Patrone natürlich gar nicht zu denken. Unseres Erachtens sind nach diesen Überlegungen alle Hypothesen eines geplanten Patrozinienwechsels der Meißner Domkirche müßig. Hierfür fehlen einfach die Voraussetzungen. Es bleibt die Feststellung, daß in einer päpstlichen Urkunde von 1250 andere als die sonst durchgängig zitierten Patrone für den Meißner Dom genannt werden, und zwar so genannt werden, als sei ihnen diese Kirche von Anfang an geweiht gewesen: „. . . ecclesia vestra, quae in honorem beati Johannis evangelistae ante portam Latinam et sanctae Mariae fundata dinoscitur . . .". Die plausibelste Erklärung hierfür hat schon der Herausgeber der Urkunden, E. G. Gersdorf gegeben: „Wahrscheinlich fand hier eine Verwechselung in der päpstlichen Canzlei statt."5 1 2 3

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Schlesinger, 1952, S. 22. Schlesinger, 1952, S. 22. Vgl. Schlesinger, 1952, S. 2 1 : „Anlaß des (Patrozinien-)Wechsels kann nur der Neubau des Doms gewesen sein, für dessen Datierung in die Amtszeit wir damit einen weiteren Anhaltspunkt gewinnen." — Die dann v o n Schlesinger beigebrachten beiden Beispiele für Patrozinienwechsel entsprechen dem vollkommen: beide Male wurde erst nach dem Neubau, vermutlich anläßlich der Weihe des neuen Kirchengebäudes, die dedicatio an die neuen Patrone vorgenommen. Der Neubau des Doms kann, selbst wenn er schon um 1240 begonnen wurde, kaum schon v o r Mitte 1250 geweiht worden sein. Im übrigen wäre es höchst seltsam, wenn ausgerechnet v o n dieser Neuweihe keinerlei Zeugnis erhalten wäre; denn die „Umtaufe" hatte ja auch juristische Konsequenzen. CdSr II, 1, Nr. 159, S. 136, Anm.

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Zu der schon mehrfach berührten Hypothese, die Meißner Standbilder der Naumburger Werkstatt gehörten zu einem — freilich nicht ausgeführten — Portale, ist hier nicht ausführlich Stellung zu nehmen.1 Die Annahme jedoch, es müsse sich dabei um ein Westportal, das typische Portal der gotischen Kathedrale, gehandelt haben,2 liegt zwar nahe, ist aber letztlich ebensowenig gesichert wie die Überlegung, ein Portal mit Maria im Zentrum, wie es ja für Meißen rekonstruiert wird, setze voraus, daß Maria auch die Patronin der Kirche sei. Das Hauptportal könnte ebensogut an einer der beiden Seitenwände der Kirche geplant gewesen sein, wie man das z. B. bei doppelchörigen Anlagen fordern müßte, und ein Marienportal könnte man auch für eine Kirche erwarten, deren Patrone andere Heilige sind. Ein Beispiel hierfür ist der Meißner Dom selbst. Sein Südportal, das im frühen 14. Jahrhundert entstand,3 zeigt im Zentrum ebenfalls die Gottesmutter. Es folgen je zwei weibliche Heilige, vielleicht Barbara und Agnes, Margarete und Katharina, 4 und erst in der vordersten Station die beiden Patrone Johannes und Donatus. 5 Sicher ist nach alledem bisher nur der durch die Urkunde von 1271 gegebene Terminus ante quem für den Baubeginn am Meißner Dom. Es kann also im folgenden, unbeeinflußt von den bisherigen Forschungsergebnissen, versucht werden, die Baugeschichte weiter zu präzisieren. Ich gehe dabei von der Voraussetzung aus, daß die kunstgeschichtliche Frühdatierung Gurlitts nach 1207 (1209)6 beziehungsweise in die 20er Jahre des 13. Jahrhunderts nach den Kenntnissen moderner Stilkritik nicht zu halten ist. Küas' Datierung des Baubeginns nach 1240 dagegen wäre zwar nach kunstgeschichtlichem Befund möglich, ist aber nicht unumstößlich sicher, da sie ausschließlich mit stilkritischen Argumenten gestützt wird. Das gleiche gilt für die Datierungen Lempers und Mruseks, 7 die beide ebenfalls Baubeginn um 1240 vermuten. Daß stilkritische Datierungen im 13. Jahrhundert allenfalls auf zehn bis zwanzig Jahre genau vorgenommen werden können, ist dem Fachmann geläufig. Eine genauere Datierung kann man ausschließlich von der literarischen zeitgenössischen Überlieferung erwarten. Sie gibt in Meißen wie auch anderswo keine direkten Auskünfte. Alle Zeugnisse zusammengenommen ergeben aber doch ein einigermaßen deutliches Bild. Danach können die bisherigen Datierungen nicht richtig sein. Eine ganze Reihe von Urkunden zeigt, daß der Meißner Dom bis zum Jahre 1256 benutzt wurde; nach ihnen ist es sogar unwahrscheinlich, daß der im Osten begonnene Neubau vor 1256 schon in die Wege geleitet wurde. Am 27. September 1239 beurkundete Bischof Heinrich die Stiftung des Domherrn Eberhard für die Vikarie des Hl. Nikolaus in der Domkirche 8 : „ . . . assignavit dictus Eberhardus canonicus 1 2

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Vgl. dazu unten S. 82ff. Gurlitt, 1919, S. 59: „Möglich ist es, daß es sich dabei um das Tor der Vorhalle vor dem alten Langhaus handelte." — Vgl. Küas, 1937, S. 72ff., besonders S. 81 und S. 83f. (Westportal zwischen Westtürmen). Vgl. Lemper, 1955, S. 33, dagegen Gurlitt, 1919, S. 150: „ u m 1400"; Küas 1937, S. 69: „etwa um 1400". Die Standbilder sind jünger als das Portal; sie wurden vermutlich um 1380 geschaffen. Vgl. Gurlitt, 1919, S. 154: „Die Formen weisen auf die 1. Hälfte des 15. Jahrhunderts." Lemper, 1955, S. 33: Ende 14. Jahrhundert. Johannes der Evangelist, nicht der Täufer, wie Gurlitt, 1919, S. 155, Fig. 236, schreibt. Vgl. Anm. 2, S. 10. 8 CdSr II, 1, Nr. 119, S. 107. Vgl. Anm. 2, S. 10, sowie Mrusek, 1957, S. 131.

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Misnensis quatuor talenta ad vicariam beati Nicolai, ut inde vicarius sustentatus choro Misnensi deserviat in ordine vicis suae. Idem etiam vel quilibet successor ipsius tenetur gerrere vices domini Eberhardi canonici Misnensis in choro temporibus vitae s u a e , . . . " Der Text der Urkunde beweist eindeutig, daß der Hochchor des Meißner Doms damals noch benutzt wurde, sonst wäre es kaum sinnvoll gewesen, wenn ein Domherr sich einen Stellvertreter für seinen Chordienst auf Lebenszeit „engagiert" hätte. Ganz ähnlich sind die Auskünfte der Urkunde vom 15. Februar 12441; Markgraf Heinrich stiftete und dotierte damals eine Vikarie. Hier verlautet: „. . . disposuimus, ut in choro Misnensi vicarius perpetuus habeatur, . . . Volumus tarnen, ut idem ad onus quod subsequitur teneatur. In singulis siquidem septimanis unam missam pro defunctis ad altare sancti Pauli ad salutem animarum praedictarum personarum omni devotione, qua poterit, celebrabit. . . . Choro tarnen tanquam vicarius secundum consuetudinem aliorum idem clericus tenebitur deservire." Auch diese Urkunde läßt vermuten, daß an einen Neubau des Chors noch nicht gedacht wurde. Der hier erwähnte Altar des Hl. Paul muß noch im romanischen Dom gestanden haben, denn selbst wenn, wie man bisher vermutet, der Neubau des Doms schon 1240 begonnen wurde, konnte man doch 1244 kaum schon im Neubau einen neuen Altar geweiht haben. Ein Paulsaltar begegnet in Meißner Urkunden später nicht mehr. Der Name dieses Heiligen wird erst wieder bei der Weihe der oberen Kapelle des Achteckbaus erwähnt, aber nicht allein, sondern in Verbindung mit Johannes dem Täufer und dem Märtyrer Johannes.2 Man darf also annehmen, daß der Paulsaltar nicht in den Neubau übernommen wurde. Auch eine Urkunde vom 24. Juni 12463 läßt nicht darauf schließen, daß man damals an einen kostspieligen Domneubau dachte. Es wird in ihr festgesetzt, daß die canonici der niedern beim Aufrücken in die höhere Präbende die ersten zwei Mark ihrer Einnahme nach Ablauf des Gnadenjahres zur Verbesserung des liturgischen Schmucks abzugeben hätten. Für die folgenden Jahre wären noch einmal die päpstlichen Indulgenzen vom 4. und 23. März 1249 und vom 20. Juni 1250 zu nennen.4 Sie alle setzen voraus, daß im Meißner Dom Gottesdienste gefeiert werden können. Man wird dem entgegenhalten, daß das ja auch möglich war, während der Bau im Gange, vielleicht sogar schon der romanische Chor abgerissen war. Es ist aber, wie gesagt, wenig wahrscheinlich, daß man beim Papst auf das Argument „Neubau des Doms" verzichtet hätte, und außerdem zeigen spätere Ablaßurkunden mit wünschenswerter Deutlichkeit, daß die Formulierungen nach begonnenem Neubau anders gewählt werden: es ist dann nicht mehr vom Kirchenbesuch an Festtagen die Rede, sondern lediglich von Spenden bzw. Hilfeleistungen für den Bau.5 Nachdem der neue Chor und das Querhaus dann fertig waren, der Gesamtbau aber noch 1 2

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CdSr II, 1, Nr. 125, S. 115. CdSr II, 1, Nr. 301, S. 234f. — Es handelt sich in beiden Fällen um den Hl. Märtyrer Paul, nicht um den Apostel. — Ein Altar des Apostels Paulus, in Verbindung mit dem Apostel Petrus, wurde ebenfalls 1291 gestiftet (vgl. CdSr II, 1, Nr. 299, S. 231 ff.). CdSr II, 1, Nr. 138, S. 123. Vgl. Anm. 2, S. 12. CdSr II, 1, Nr. 213, S. 172 (1271), Nr. 2 2 2 - 2 2 5 , S. 180 (1274), Nr. 2 2 6 - 2 3 1 , S. 180 (1274), Nrr. 2 3 3 - 2 3 7 , S. 181 f. (1274), Nr. 237, S. 182f. (1274).

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nicht, verspricht man folgerichtig wieder Ablaß für den Kirchenbesuch, zugleich aber, ebenso konsequent, für Spenden bzw. Hilfeleistungen für die weiteren Bauarbeiten.1 Aus allen diesen Gründen müssen u. E. die genannten drei Urkunden noch vor dem Domneubau liegen. Sogar noch um das Jahr 1256 hat man in Meißen nicht an einen Domneubau gedacht, wie sich aus der folgenden Urkunde eindeutig ergibt: 2 (Stiftung des Domherrn Albert von Döbeln) „ordinavit, quod omni die, quando cantatur in choro nostro: Benedictus qui venit in nomine domini, duo scolares praeparati albis vel cappis cum duobus cereis ardentibus, et alii duo scolares aequaliter praeparati cum duobus turibulis subsequentes astent altari cum omni devotione et reverentia, quoadusque presbyter ibidem celebrans sumat corpus et sanguinem Jhesu Christi, et post haec in inceptione communionis illi duo scolares cum turibulis procedentes turificent utrumque chorum, deinde reversi dicta missa procedent ad armarium cum ministris." Im Jahre 12563 wurde also eine Stiftung für die Feier der Messe im Chor des Doms gemacht. Wäre der Chor damals Baustelle gewesen, dann wäre diese Stiftung gewiß nicht vorgenommen worden. Die genaue Festlegung des „Prozessionsweges" zeigt u. E. klar, daß man zur Zeit der Abfassung dieser Urkunde nicht an durchgreifende bauliche Änderungen bzw. an einen Neubau des Chors gedacht hat. Ist das richtig, dann bestand in diesem Jahre der romanische Dom noch. Wenige Jahre später war die Situation völlig verändert. Im Jahre 1260 — das Tagesdatum ist leider nicht angegeben — wurde Konrad von Boritz' Stiftung einer Vikarie in der Domkirche beurkundet. 4 Dort heißt es: „. . . quod dominus Conradus, plebanus de Boruz, Misnensis diocesis, ob animae suae remedium et parentum suorum, unam perpetuam vicariam in honore sancti Andreae apostoli et sanctae virginis Katherinae fecit in Misnensi ecclesia ad altare, quod sibi procedente tempore assignabimus, vel quod idem plebanus per se poterit ordinäre, reditus et proventus inferius annotatos propriis denariis in proprium emens, et eidem vicariae tradens post vitae suae tempora perpetuo possidendos. . . . Ordinavit praeterea et constituit plebanus praenotatus, ut memoratam vicariam decanus, qui pro tempore fuerit in nostra ecclesia, conferat personae, quam idoneam cognoverit, retento tarnen sibi iure conferendi praedictam vicariam temporibus vitae suae, si forte praefatos redditus ante mortem suam eidem vicariae decreverit dimittendos." Der hier geschilderte Rechtsvorgang ist ungewöhnlich: Pfarrer Konrad von Boritz stiftete eine ständige Vikarie zu Ehren des Hl. Apostels Andreas und der Hl. Katharina im Meißner Dom; alle sonst üblichen Ausführungsbestimmungen unterbleiben jedoch. Es wird vorläufig, und zwar offensichtlich auf Jahre hinaus, kein Vikar ernannt, ja nicht einmal der Altar, den der Vikar bedienen soll, wird bestimmt. Man beschränkt sich auf die Feststellung, daß diese Details später 1

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Vgl. Anm. 4, S. 12. Da es sich hier um den Kirchenbesuch von Laien handelt, kann nicht nur der Chor fertig gewesen sein. Damals dürfte bereits zum mindesten ein Teil des Querhauses benutzbar gewesen sein. Die Urkunde CdSr II, 1, Nr. 266, S. 207f. (1285) ist also ein Terminus ante quem für die Erbauung eines schon nutzbaren Teiles des frühgotischen Querhauses. CdSr II, 1, Nr. 183, S. 148f. Die Urkunde ist nicht datiert. „1256" wurde vom Herausgeber, der dazu nicht Stellung nimmt, vermutlich von den im Text genannten Personen her erschlossen. CdSr II, 1, Nr. 189, S. 152f.

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geregelt werden sollen. Zunächst wird der Stifter die Einkünfte der Stiftung selbst behalten. Vielleicht beschließt er noch vor seinem Tode, diese Einkünfte der Vikarie zu überlassen. Tritt dieser Fall nicht ein, dann wird nach dem Tode des Pfarrers der Domdechant die Angelegenheit in die Hand nehmen. Er wird dann einen Vikar ernennen und die Einkünfte der Stiftung an die Vikarie überweisen. Besonders auffällig ist die Erklärung, daß das Kapitel erst nach einiger Zeit - procedente tempore — der neuen Stiftung einen Altar zuweisen wird bzw. daß der Pleban diesen Altar dann wird bestimmen können. Grund für diese sonderbare Bestimmung kann eigentlich nur sein, daß zur Zeit kein geeigneter Altar vorhanden war. Der Stifter wollte offensichtlich seine neue Stiftung keinem der vorhandenen Altäre im Dom übereignen. Warum? Es gibt dafür u. E. nur eine plausible Erklärung: es stand damals schon fest, daß sämtliche Altäre des Doms einem Domneubau zum Opfer fallen würden. Niemand konnte genau sagen, wann der Neubau — wenigstens in Teilen — fertiggestellt würde und wann neue Altäre in ihm für neue Stiftungen bereitstünden. Auch die Lokalisierung der Altäre im Neubau war sicherlich noch nicht detailliert festgelegt. Konrad von Boritz sicherte sich mit seiner Stiftung also lediglich ein Anrecht auf einen der neuen Altäre im neuen Dom. Daher kam es zu diesen provisorischen Bestimmungen. Deshalb verblieben die Einkünfte der Stiftung vorläufig in der Hand des Stifters selbst. — Für die Baugeschichte sind diese Gegebenheiten außerordentlich wichtig: die Urkunde von 1260 beweist u. E. absolut sicher, daß der Neubau des Meißner Doms zu jener Zeit beschlossene Sache und sehr wahrscheinlich schon begonnen worden war, daß der Abbruch des romanischen-Doms unmittelbar bevorstand oder bereits im Gange war. 12561 regelte man noch den Chordienst im romanischen Domchor, als ob keinerlei eingreifende Baumaßnahme vorgesehen wäre. Damals war also alles noch beim alten. 1260 ist eine ganz neue Situation entstanden. Man rechnet nicht mehr mit dem alten Bau, sondern bereits mit dem neuen. Mit anderen Worten: zwischen 1256 und 1260 muß der Baubeginn des gotischen Meißner Doms angenommen werden. Zum mindesten muß die Planung des Neubaus in diese Zeit fallen. Das wird indirekt bestätigt durch zwei Urkunden des Jahres 1263.2 Man tagte ihnen zufolge damals nicht wie gewöhnlich 3 im Dom, sondern in der Margaretenkapelle, im Kapitelsaal („in capella sanctae Margaretae in capitulo nostro"), 4 vermutlich also noch in der romanischen Klausur, die beim Neubau der Ostteile des Doms ja nur teilweise hatte beseitigt werden müssen.® Noch auffälliger ist, daß im selben Jahre ein Rechtsgeschäft in der benachbarten Afra-Kirche verhandelt 1 2 3

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Vgl. Anm. 2, S. 17. CdSr II, 1, Nr. 193, S. 1 5 5 f „ und Nr. 195, S. 157f. Freilich wird der genaue Ort der Beurkundung nur in einigen Fällen angegeben, bei der Mehrzahl der Urkunden nicht. Feierliche Beurkundungen dürften jedoch immer im Dom vorgenommen worden sein. Da das selbstverständlich war, vermerkte man es nicht jedesmal aufs neue. Ausnähmen v o n dieser Regel wurden dagegen viel eher verzeichnet. — Das Argument allein würde kaum zum Beweis genügen. Treten aber, wie hier, andere Argumente hinzu, dann gewinnen solche Beobachtungen natürlich an Gewicht. — Vgl. auch Gurlitt, 1919, S. 70. Die Margaretenkapelle war also im bzw. der Kapitelsaal. Abgerissen werden mußten die unmittelbar an den romanischen Dom angrenzenden Klausurteile, bevor man an der betreffenden Stelle die Fundamente für den geräumigeren Neubau legte. — Die romanische Klausur lag sehr wahrscheinlich südlich vom Dom.

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wurde. 1 Der Schluß, daß damals auch der Abbruch der Margaretenkapelle in der Klausur bevorstand, nunmehr vielleicht also gar kein repräsentativer Raum im Dombezirk mehr unangetastet war, ist nicht von der Hand zu weisen, zumal schon 1268 eine Margaretenfeier im Dom gestiftet wurde — wahrscheinlich als Ersatz für den Dienst in der beseitigten Margaretenkapelle.2 Schwer verständlich ist eine Urkunde vom 25. April 1264.3 Damals übergab Burggraf Meinher dem Meißner Dom eine „in dextrali parte monasterii Misnensis" gelegene Bartholomäuskapelle als ständige Vikarie mit bestimmten Einkünften. Die Formulierung „in dextrali parte monasterii" läßt keine klare Deutung zu.4 Es muß sogar offenbleiben, ob es sich um eine Kapelle im Meißner Dom oder seiner Klausur oder um eine Kapelle handelt, die nahe beim Dom — auf seiner Südseite? — stand. Wichtig ist jedenfalls, daß der neue vicarius perpetuus im Chor Dienst tun soll: „. . . u t . . . vices suas in choro gerens, in sacerdotio subministret." Man wird dieser Anordnung nicht entnehmen, daß 1264 bereits der neue Hochchor fertig war. Hier wird lediglich die Körperschaft der vicarii perpetui, die natürlich auch während des Chorneubaus weiterbestand, um ein neues Mitglied bereichert. Vielleicht darf man aber immerhin schließen, daß der neue Chor schon Gestalt annahm. Man konnte 1264 schon wieder an die künftigen Messen im Chor denken, ihr Wiederbeginn lag nicht mehr allzufern. Vier Jahre später war der Chor des Doms neu erstanden. Eine Urkunde vom 13. Juli 1268 erweist das u. E. ganz klar. Mit ihr genehmigen Propst und Kapitel die vom Domherrn Siegfried von Pegau beantragte sollenne Feier des Tages der Hl. Margarete durch Singen ihrer Lebensgeschichte in der Domkirche und eine Spende an die dabei gegenwärtigen Domherrn und Vikare sowie die Kirchendiener.5 Die Margaretenfeier sollte im Chor stattfinden. Man muß also erwarten, daß zur Zeit der Stiftung der neue Domchor bereits bestand. Sonst hätte man gewiß die Stiftung auf später verschoben. Wahrscheinlich hat erst die Fertigstellung des Chors den Domherrn Siegfried zu seiner Stiftung veranlaßt, zumal — wie gesagt — die Margaretenkapelle vermutlich in der Zwischenzeit abgerissen worden war. Die ausgesetzten Legate für die Domherren und Vikare werden im Chor je nach Anwesenheit bei der Feier verteilt. Nichts deutet darauf hin, daß man damit nicht noch im gleichen Jahre begonnen hat. Auch das läßt nur den Schluß zu, der Chor habe 1268 schon bestanden. Der letzte Beweis dafür wird aber von der Urkunde selbst erbracht. Sie wurde nämlich im Dom ausgefertigt: „Datum et actum Misnae in ecclesia nostra maiori. . . in die beatae

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CdSr II, 1, Nr. 194, S. 156f. CdSr II, 1, Nr. 205, S. 164. — Die Reihenfolge der Beurkundungsorte ist: Margaretenkapelle, St. Afra, Kapitelsaal. Der Kapitelsaal war also nach der Beurkundung in St. A f r a noch vorhanden. Die Urkunde Nr. 194 ist folglich kein Terminus ante quem für den Abbruch der Margaretenkapelle bzw. des Kapitelsaals. Ganz sicher ist nur, daß man mehrfach hintereinander nicht im Dom selbst tagte, und daß man ausgerechnet einen Vergleich zwischen dem Dompropst und dem Bischof in St. A f r a verhandelte, eine interne Angelegenheit also, die man unter anderen Bedingungen gewiß nicht außerhalb der Domfreiheit ausgetragen hätte. CdSr II, 1, Nr. 196, S. 158f. Die Deutung Gurlitts, 1919, S. 72 und S. 87, ist u. E. wenig überzeugend. Nach ihm wird „links" und „rechts" jeweils vom Eintritt in das Dom-Südportal aus gerechnet. „In dextrali parte monasterii" wäre nach ihm im östlichen Teile des Münsters (ohne den Chor), im Querhaus (?) zu suchen. CdSr II, 1, Nr. 205, S. 164.

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virginis Margaretae." Voraufgehende Urkunden hatten gezeigt,1 daß man im Dom nicht hatte urkunden können. Diese Urkunde ist als erste wieder im Dom selbst vollzogen worden. Der erste Bauteil des Neubaus war — das zeigt der Bau ganz klar — der Chor. Querhaus und Langhaus wurden später erbaut. Die Urkunde regelt eine Feier im Chor. Das alles genügt zu der Feststellung: Die Urkunde vom 13. Juli 1268 ist ein absolut sicherer Terminus ante quem für die Benutzbarkeit des frühgotischen Meißner Domchors. Um diese Zeit kann man auch die 1260 aufgeschobene Realisierung der Stiftung einer Vikarie durch Konrad von Boritz erwarten, denn nun war ja Gelegenheit, den damals im Neubau vorgesehenen Altar zu errichten. Das ist tatsächlich geschehen. Der 1260 in Aussicht genommene Altar des Apostels Andreas und der Hl. Katharina wurde am 1. Februar 1269 mit der Gründung einer Kapelle des Apostels Andreas de facto geschaffen. Die darüber ausgefertigte Urkunde bekräftigt die Schlüsse aus der erwähnten Urkunde von 1260. Nun verlautet 2 : „ . . . quod dominus Cvnradus dictus de Boruz . . . capellam in ambitu nostro propriis facultatibus construxit nomine perpetuae vicariae, quam in honore sancti Andreae apostoli consecratam dotavit . . ." Jetzt ist also die 1260 vorgesehene, 1263 abermals dotierte Stiftung endgültig vollzogen worden. Die Andreaskapelle wird in den Urkunden nicht genau lokalisiert. Die Ortsangabe „in ambitu nostro" in der zitierten Urkunde von 1269 ist sehr allgemein. Man wird die Kapelle danach am ehesten im Kreuzgang suchen. Möglich wäre aber auch, daß mit „in ambitu nostro" ein Raum im Chorumgang, im Erdgeschoß oder im Obergeschoß des Chorumgangs, gemeint ist. In den Urkunden von 1260 und 1263 3 kann man eine genaue Ortsangabe nicht erwarten, da die Kapelle damals noch nicht bestand und lediglich ihre Gründung vorgesehen war. Erwähnt wird die Kapelle weiter in zwei Urkunden vom Jahre 1275 und einer von 1517 4 , jedoch ohne genauere Angabe, wo sie errichtet war. In der Urkunde von 1260 wird neben Andreas die Hl. Katharina als Konpatronin der Kapelle genannt, in allen folgenden Urkunden ist von der Hl. Katharina nicht mehr die Rede.5 Mittelalterliche Zeugnisse von der Andreaskapelle außer den angeführten Urkunden haben wir nicht finden können. Auch die bisherige Forschung hat sich dazu, soweit zu sehen, nicht geäußert. Eine Ausnahme macht Gurlitt. 6 Er lokalisiert die Andreaskapelle in dem ersten Obergeschoß des Südostturms und dem daran östlich anschließenden Räume, der von der Spindeltreppe in der süd1 2 3 1

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Vgl. Anm. 2, S. 18, und 1, S. 19. CdSr II, 1, Nr. 207, S. 165ff. CdSr II, 1, Nr. 189, S. 152f., und Nr. 193, S. 155f. CdSr II, 1, Nr. 238, S. 183; Nr. 239, S. 183f., und II, 3, Nr. 1361, S. 335 (von dieser Urkunde ist nur ein Regest abgedruckt). Später bestand eine Andreaskapelle in der Westturmhalle (vgl. Gurlitt, 1919, S. 115, wo jedoch, u. E. zu Unrecht, schon die Urkunde CdSr II, 1, Nr. 238 vom Jahre 1275 mit dieser Kapelle in Verbindung gebracht wird). — Ein Katharinenaltar war in der Mitte oder im Westteil des Langhauses (vgl. Ursinus, 1782, S. 275, 284, 287, 289, 294, 309, in Verbindung mit Gurlitt, 1919, S.242f.). Dieser Altar hat mit der Andreas-Katharina-Kapelle nichts zu tun. Gurlitt, 1919, S. 24f. — Der Index im CdSr II, 3 ist nicht vollständig. Hier werden unter dem Stichwort „Andreaskapelle" lediglich die Urkunden von 1260 (Nr. 189) und von 1263 (Nr. 193) zitiert. Die dritte dort angegebene Belegstelle muß auf einem Irrtum beruhen.

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liehen Wand des Hochchors aus zugänglich ist. Gurlitt meint, dieser Raum habe „nacheinander als Kapelle des heil. Andreas und der heil. Katharina, als Sakristei und als Archiv" gedient.1 Er führt für diese Identifizierung des Raums und seiner Zweckbestimmung keine weiteren Belege an. Handelt es sich lediglich um eine für Gurlitt an absolute Gewißheit grenzende Hypothese? Sicher ist nur, daß die Kapelle „in ambitu nostro" lag.2 Da nun, wie gesagt, ein Jahr zuvor der neue Hochchor fertig geworden war, der Domkreuzgang aber mit seinem Nordflügel direkt an den Hochchor angelehnt ist — er ist praktisch ein Teil des unteren Chorumgangs — wird man bei der Formulierung „in ambitu nostro" natürlich an eine Stelle in diesem Bereiche, also unmittelbar an der Chorsüdwand, denken. Dieser Bauteil — wie auch die unteren Geschosse der Osttürme — wurde, wie der Bau ausweist, gleichzeitig mit dem neuen Chor gebaut. Als Raum für die Andreaskapelle käme also entweder der von Gurlitt dafür in Anspruch genommene in Frage oder der Raum darunter, also das Erdgeschoß des Südostturms mit oder ohne die angrenzenden zwei Joche des verbreiterten Chorumgangs oder diese beiden Joche allein. Daß in der Stiftungsurkunde der Andreaskapelle vom Jahre 1269 u. a. auch eine Stiftung für den Hochchor verbrieft wurde, das Bestehen des neuen Hochchors also erneut vorausgesetzt wird, braucht hier nur noch erwähnt zu werden.3 1268/69 existierte also der Hochchor wieder. Außer ihm war mindestens der Teil des Kreuzgangs, der an den Chor grenzt, bzw. der Chorumgang fertig. Irgendwo in diesem Bereiche hatte man eine Kapelle zu Ehren des Hl. Andreas errichtet. Auch die unteren Geschosse der Osttürme dürften damals bereits gestanden haben. Etwa zu dieser Zeit und in dieser Situation — der Chor war fertig — wurden die erwähnten Ablaßurkunden für den Dombau in Meißen ausgegeben.4 Ihre Interpretation bereitet jetzt keine Schwierigkeiten mehr. Wenn Bischof Otto von Minden 1271 schrieb: „Cum igitur praesentialiter in Misna constituti, fabricam ipsam matricis ecclesiae opere novo tam sumptuoso viderimus inchoatam, quod ad consummationem eius propriae sibi suppetant facultates . . .", dann entsprach das völlig den tatsächlichen Gegebenheiten. Für die Datierung des Querhauses und der ersten Joche des Langhauses sind keine direkten zeitgenössischen Nachrichten überliefert. Anhaltspunkte geben hier wiederum Altarstiftungen. Auch die ältesten Begräbnisse in diesem Bereiche der Kirche — nach dem Neubau — sind ein sicherer Terminus ante quem. Am 17. August 1288 wurde ein Rechtsakt im Meißner Dom nahe beim Altar der Wohltäter und Apostel Peter und Paul vollzogen: „Actum Misnae in ecclesia maiore iuxta altare benefactorum Petri et Pauli apost olorum . . ."5. Damals hat also dieser Altar bereits bestanden, und zwar inner1 2 3

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Gurlitt, 1919, S. 24. CdSr II, 1, Nr. 207, S. 166. CdSr II, 1, Nr. 207, S. 167: „Volens quoque idem Cunradus festum beati Andreae ex devotione speciali in choro tamquam unum de summis festis peragi . . . donavit . . .". „. . . ut de ipsa vinea duae urnae vini, una dominis et altera soeiis in ipsa festivitate choro suam praesentiam exhibentibus perpetuo annis singulis ministrentur." Vgl. Anm. 5, S. 16. Vgl. CdSr II, 1, Nr. 286, S. 223.

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halb eines nutzungsfähigen Raumes in der Kathedrale. Wann ist er gestiftet worden, und an welcher Stelle der Kirche war er errichtet? Das Stiftungsjahr ist nicht bekannt, da die Stiftungsurkunde nicht erhalten ist.1 Der Zeitpunkt der Stiftung läßt sich aber einigermaßen genau rekonstruieren. Dem Altare 12912 übereignete Liegenschaften wurden schon 1283 gekauft 3 und dem Dom geschenkt. Diese Schenkung sollte offensichtlich zu einer noch zu vollziehenden Stiftung innerhalb des Meißner Doms verwendet werden, obwohl davon in der Urkunde direkt nicht gesprochen wird. Die geplante Stiftung ist jedoch noch Jahre danach nicht realisiert worden, wie eine Urkunde vom 26. August 12874 zeigt. In dieser Urkunde wird verbrieft, daß knapp ein Drittel der 1283 gekauften und der Domkirche geschenkten Liegenschaften vom Erstkäufer an einen Zweitkäufer, an Konrad von Boritz, verkauft worden wären. Konrad von Boritz ging natürlich zugleich die Verpflichtung ein, den von ihm erworbenen Anteil für eine Stiftung in der Meißner Kirche zu verwenden.5 Interessant ist, daß er seinen Anteil nicht etwa auch dem Peter- und Paulsaltar stiftete wie 1291 der Erstkäufer, sondern der Kapelle Johannes des Täufers und der Märtyrer Johannes und Paul6, von der noch die Rede sein wird. Diese Stiftung wurde am 3. September 1291 vollzogen. Für die Datierung des Peter- und Paulsaltars erlauben diese Gegebenheiten den folgenden Schluß: 1283 war der Altar noch nicht vorhanden; 1287 sicherlich auch noch nicht, sonst wären die ihm zugedachten Einkünfte vermutlich nicht noch einmal durch einen Teilverkauf geschmälert worden. 1288 bestand der Altar bereits, 1291 wurde er reich dotiert. Die Wahrscheinlichkeit, daß der Altar zwischen dem 26. August 1287 und dem 17. August 1288 gegründet worden ist, ist also sehr groß. Der Text der Urkunde vom 11. Juli 1291 ist sehr präzise. Er gibt vielleicht noch einen weiteren Hinweis zum Baugeschehen. Im Vergleich mit anderen Meißner Schenkungsurkunden ist die folgende Wendung ungewöhnlich: „. . . legavimus, donavimus, dedimus, tradidimus et praesentibus donamus altari in honore omnipotentis et beatorum apostolorum Petri et Pauli, necnon pro remedio animae nostrae constructo in Misnensi ecclesia supradicta . . . " Die Urkunde erweist eindeutig, daß der Donator, der damalige Mainzer Dechant und Meißner Domherr Gebhard, auch der Stifter des Altars ist: „ . . . altari . . . pro remedio animae nostrae constructo . . ." Darüber hinaus wird in dem zitierten Passus betont, daß die in der Urkunde verbriefte Schenkung schon der Vergangenheit angehört: „legavimus, donavimus, dedimus, tradidimus". Sie wird nur noch einmal urkundlich festgelegt:

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Das Regest in CdSr II, 1, S. 231 zu Nr. 299 ist irreführend: „Gebhard Dechant zu Mainz und Domherr zu Meißen stiftet den Altar der Apostel Petrus und Paulus mit einer Vikarie in der Domkirche, dotiert dieselben mit Einkünften zu Großkagen und Cölln bei Meißen und bestimmt unter anderem die an den Festtagen der genannten Apostel festzuhaltende Liturgie." Dem Text der Urkunde zufolge war der Altar schon vor ihrer Ausstellung errichtet: (S. 232),, . . . legavimus, donavimus, dedimus, tradidimus et praesentibus donamus altari in honore omnipotentis et beatorum apostolorum Petri et Pauli, necnon pro remedio animae nostrae constructo in Misnensi ecclesia supradicta . . . " C d S r l l , 1, Nr. 299, S. 231 ff. CdSr II, 1, Nr. 254, S. 1 9 7 f . CdSr II, 1, Nr. 280, S. 2 1 7 f . CdSr II, 1, Nr. 280, S. 218. CdSr II, 1, Nr. 301, S. 234f.

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„praesentibus donamus". Es wäre also durchaus möglich, daß Dechant Gebhard den von ihm errichteten Peter-Pauls-Altar schon 1287/8 dotierte, seine Schenkung jedoch erst 1291 endgültig verbriefte, da der Altar erst 1291 benutzt werden konnte. Ist diese Interpretation richtig, dann war der Raum, in dem der Peter-Pauls-Altar stand, 1291 „unter Dach und Fach", liturgisch genutzt, 1287/8 jedoch noch nicht vollständig fertiggestellt. Und doch wurde schon 1288 bei diesem Altare ein Rechtsakt verhandelt! Daß der Altar damals schon geweiht war, dürfte kaum zu bezweifeln sein. Wenn aber der diesen Raum betreffende Bauabschnitt am Dom noch nicht ganz bewältigt war, muß ein besonderer Grund vorgelegen haben, diese und keine andere Stelle für die Amtshandlung zu wählen. Warum benutzte man nicht den schon seit 1268 bezogenen neuen Chor? Die Frage ist leicht zu beantworten: die am Rechtsgeschäft Beteiligten durften den Chor nicht betreten, denn sie waren fast alle Laien.1 Diese Feststellung ist höchst wichtig. Wenn 1288 für eine Rechtshandlung von Laien im Dom ein noch nicht ganz fertiggestellter Raum benutzt wurde, dann war in dem gesamten Neubau mit Ausnahme des den Geistlichen vorbehaltenen Chors noch kein dafür geeigneter Raumteil vollendet. Der Raum, in dem der Peter-Pauls-Altar stand, wurde also als erster Raum des neuen Lang- oder Querhauses ausgebaut. Man muß danach, da der Chor zuerst errichtet wurde, erwarten, daß der Peter-PaulsAltar im an den Chor anschließenden Teil des Kirchengebäudes errichtet wurde, vermutlich also im Querhaus. In den Meißner Urkunden wird der Peter-Pauls-Altar nur noch zweimal erwähnt, beide Male ohne genaue Lokalisierung.2 Man erfährt wieder nur, daß der Altar im Dom gestanden hat. Indessen hat sich bereits Ursinus um präzisere Angaben bemüht.3 Ursinus berichtet: „Der alte Domkirchen-Kalender zeigt die Stelle, wo man das Grab (des Propstes Johannes von Strele) zu suchen habe, — nämlich, hinter der Türe, bei welcher ehedessen der Altar der Apostel Petri und Pauli, gestanden hat, dichte an der Mauer, die an die jetzige Seite des hohen Chores rührt, welche vom Dompropste pflegt benennet zu werden; folglich bei der Türe, durch welche man aus dem Kreuzgange herein in die Domkirche zu gehen pflegt. Bei deren letzter Verneuerung, ist dieser Grabstein gänzlich versteckt und überbaut worden. Der darunter begrabene Johann von Strelis, war 1282 und folgende Jahre, im Meißnischen Domkapitel Scholastikus, und gelangte nach Mag. Gebharden, im Jahre 1285 zu der Haynischen Präpositur. Sein Anniversarius fällt auf den 7. Jannuar. Die Buchstaben auf dem Grabsteine sind schwarz, und die Area ist ledig, ohne Bild." Der von Ursinus angezogene Text des Kaiendars lautet: „(Johannis de Strelis) Sepultus est retro ostium circa altare SS. Petri & Pauli ad parietem attingentem chorum Prepositi."4 An Ursinus Lageangabe ist nicht zu zweifeln, zumal er ja, wie sein Text erweist, den Grabstein des J. v. Strele selbst ge1 2

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Vgl. die Zeugen in CdSr II, 1, Nr. 286, S. 223. Die namentlich Genannten sind sämtlich Laien. CdSr II, 2, Nr. 545, S. 55f. (1363): „Acta sunt haec in ecclesia Misnensi ante altare beatorum Petri et Pauli apostolorum . . . " — Nr. 598, S. 107 f. (1369): „. . . altarista altaris beatorum Petri et Pauli apostolorum in ecclesia nostra siti." — Vgl. zum folgenden auch die knappen, teilweise jedoch irrigen Angaben von Gurlitt, 1919, S. 101. Vgl. Ursinus, 1782, S. 166 und S. 175. Vgl. dazu das Meißner Kalendar in Schöttgen und Kreyssig, Script, rer. Germ. II, S. 98, wieder abgedruckt bei Ursinus, 1782, S. 275, s. dort unterm 7. Januar. Ursinus, 1782, S. 275.

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sehen hat. Aber auch Gurlitt 1 hat den Grabstein noch über dem Grab vorgefunden (er zitiert zunächst Ursinus): „ , B e i m Altar Petri et Pauli, dicht an der Mauer bei der Türe nach dem Kreuzgang, jedoch angeblich erst bei der Erneuerung von 1768 überbaut!'.Dies letztere kann nicht zutreffend sein. Ein Teil der Inschrift wird durch einen Pfeiler des über dem Grab errichteten Lettners verdeckt. Der Stein bildete also von jeher die Südstufe des Mittelteiles des Lettners nach dem Südquerschiff zu." Gurlitts Korrektur von Ursinus Angaben dürfte unberechtigt sein. Ursinus spricht von einer „gänzlichen" Überbauung des Grabsteins, meint vermutlich also eine Fußbodenveränderung — was nicht ausschließt, daß die südwestliche Ecke des Grabsteins schon vorher durch den östlichen der beiden Südpfeiler des Lettneranbaus verdeckt worden war. Datiert wird durch diese Feststellungen jedenfalls der südliche Lettneranbau, und zwar in die Zeit nach dem Tode des Johann von Strele, also nach 1296. Einigermaßen genau lokalisiert wird zugleich der Peter-PaulsAltar: er muß in der Nähe der Tür zum Kreuzgang an der Ostwand des südlichen Querhausarms gestanden haben. Wahrscheinlich wurde er mitten vor dieser Wand errichtet. Für den Fortgang der Bauarbeiten am Meißner Dom wäre nach allen diesen Überlegungen mit größter Wahrscheinlichkeit zu resümieren: der südliche Querhausflügel war bereits 1287/8 im Rohbau fertig, 1291 kümmert man sich um seine Ausstattung. — Ist das richtig, dann dürften damals auch schon die Vierung, der nördliche Querhausarm und das ösdiche Joch des Langhauses mindestens als technische Konstruktion — die Pfeiler, Wände und die Gurtbögen — gestanden haben; denn sie bilden das natürliche Widerlager für die angrenzenden Bauteile, vor allem für die Gewölbe. Man hätte freilich den Schub des Gewölbes des südlichen Querhausarms auch anders auffangen können. Die sicherste und ökonomischste Bauweise war aber die Weiterführung der Baukonstruktion bis zum ersten Mittelschiffsjoch hin. — Was erfährt man über den Weiterbau in den zeitgenössischen literarischen Zeugnissen? Zunächst ist noch eine Kapellengründung zu erwähnen, die für die Baugeschichte des Doms von besonderer Bedeutung ist. Am 3. September 1291 2 beurkundete Bischof Withego eine weitere Stiftung des Custos Konrad von Boritz, die der Kapelle des Hl. Johannes baptista und der Märtyrer Johann und Paul. Sie wird in der Urkunde lokalisiert: „super portam introitus nostri monasterii". Schon Ursinus hat erkannt, um welche Kapelle es sich hier handeln muß, 3 um den Raum im oberen Stock der sogenannten Achteckkapelle, die an die Westwand des südlichen Querhausarms angefügt ist und mit diesem wie auch mit dem südlichen Seitenschiff in Verband steht, jedenfalls in ihren unteren Teilen. Der obere Teil der Achteckkapelle hat ursprünglich nach Norden, zum Langhaus hin, freigestanden, wie das jetzt ins südliche Seitenschiff hineinragende Dachgesims deutlich erweist.4 Es war demnach geplant, das südliche Seitenschiff weniger hoch zu errichten, als das Dachgesims des Achteckbaus reicht. Mit anderen Worten: hier sollte das Seitenschiff für ein basili-

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Gurlitt, 1919, S. 248. Vgl. CdSr II, 1, Nr. 301, S. 234f. - Zur Interpretation dieser Urkunde vgl. auch Küas 1957, S. 90. Die dort an den Text der Urkunde geknüpften Vermutungen gehen u. E . freilich viel zu weit. Vgl. Ursinus, 1782, S. 151 mit Anm. o. Vgl. dazu Gurlitt, 1919, S. 75ff. und S. 97f.

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kales Langhaus errichtet werden. Sicher ist dieser Plan im ersten Joch auch realisiert worden. Eine Folge davon ist, daß sich das erste Joch des südlichen Seitenschiffs nunmehr zweistöckig darbietet, weil es auf die Höhe der Halle erhöht werden mußte. Im ursprünglichen Bauplan sollte die Achteckkapelle turmartig über das Seitenschiff hinausragen. Sie bildet u. a. ein willkommenes Widerlager für den Schub des Gewölbes des südlichen Querhausarms. — Es steht außer allem Zweifel, daß der Achteckbau im Jahre 1291 vollendet war; denn in der Urkunde wird die Kapelle im Oberstock, die dem Wortlaut zufolge bereits errichtet und geweiht ist, nur noch dotiert. Vergegenwärtigt man sich nun den Bauprozeß im ganzen, dann wird man hierin eine weitere Bestätigung für die Fertigstellung des Südarms des Querhauses in der unmittelbar voraufgehenden Zeit, also in den späten 80er Jahren des 13. Jahrhunderts sehen: nachdem der Chor vollendet war, entstand der Südflügel des Querhauses, gleichzeitig mit ihm, wenig später (1291) vollendet, wurde der Achteckbau erbaut. Der Bau von Querhaus und Langhaus begann also auf der Südseite. Der Südarm des Querhauses war als erster für Laien zugänglicher Raum des Neubaus nutzungsfähig. Der Aufbau der Südseite ist zügig vorangetrieben worden, vermutlich auch deshalb vordringlich, weil an dieser Seite die Klausur geplant war, die man nächst dem Chore am nötigsten brauchte. 1 In diesem Zusammenhang ist eine Urkunde vom 18. Mai 1296 von Bedeutung. In ihr steht 2 : „ . . . cupimus esse notum, quod cum divina suffragante gratia capella nova iuxta chorum Mysnensis ecclesiae versus meridiem in honore sanctae dei genitricis ac virginis Mariae omniumque sanctorum laudabiliter esset constructa, ipsam dotandam decrevimus . . . " Am oder neben dem Chor der Meißner Kirche nach Süden — wo ist das ? Die Kapelle wird noch mehrfach urkundlich erwähnt. Eine Urkunde von 1342 lokalisiert sie: „basilica omnium sanctorum prope ecclesiam kathedralem Misnensem". 3 Ähnlich ist die Lageangabe in einer Urkunde von 1368: „capellae omnium sanctorum in Castro Misnensi prope ecclesiam Misnensem praedictam (maiorem ecclesiam) sitae". 4 Aus diesen drei Zitaten ergibt sich, daß eine Kapelle Allerheiligen in nächster Nähe der Meißner Domkirche errichtet war. Da die Kapelle nie als innerhalb der Domkirche gelegen bezeichnet wird, sondern stets daneben (prope bzw. iuxta), und da sie nie als in einem bestimmten Gebäude untergebracht lokalisiert wird, muß angenommen werden, es handele sich hier um ein eigenes Kapellengebäude innerhalb des Domgeländes, und zwar, wie die Urkunde von 1296 erweist, südlich vom Dom. Daß diese Interpretation richtig ist, bezeugen indirekt weitere Urkunden. 1369 tagte in der Kapelle Allerheiligen das Domkapitel: „ . . . coram nobis in capitulo ipso die datae praesentium super huiusmodi specialiter indicto... in capella omnium sanctorum, in qua actus capitulares exerceri consueverunt . . ." 5 Fast wörtlich gleichlautende Formulierungen wurden 1389 und 1421 in Meißner Urkunden gebraucht. 6 Die capella omnium sanctorum war also der Kapitelsaal. Sie ist erhalten und 1

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Es ist, wie gesagt, zu vermuten, daß auch die romanische Klausur südlich neben dem Dom lag. — Klausuren wurden nicht verlegt, wenn nicht besondere Gründe dazu zwangen. CdSr II, 1, Nr. 318, S. 247ff. CdSr II, 1, Nr. 440, S. 359f. CdSr II, 2, Nr. 582, S. 90. CdSr II, 2, Nr. 592, S. 101 f. CdSr II, 2, Nr. 710 und 904, S. 239f. und S. 447f. Meißner Dom

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befindet sich tatsächlich in einem für diesen Zweck errichteten eigenen Gebäude am Ostflügel des Kreuzgangs, das ist südlich von der Kirche. Die bisherige Deutung des Kapitelsaals als MarienMagdalenen-Kapelle muß also falsch sein.1 Der Stifter der Allerheiligenkapelle, wieder Kustos Konrad von Boritz2, war vor der Kapelle bestattet: „(K. v. Boritz) sepultus est ante capellam omnium sanctorum directe ante ostium".3 Sein Grabstein war schon im späten 18. Jahrhundert nicht mehr vorhanden. Er dürfte im Kreuzgang gelegen haben. — Die Formen der Kapelle passen zur Datierung ins Ende des 13. Jahrhunderts (1296) recht gut. Nur eine genauere Bauuntersuchung kann ergeben, ob die Kapelle damals einen grundlegenden Umbau erfuhr oder von Anfang an so geplant war, wie sie heute aussieht. Wir neigen eher zu der Annahme, man habe hier eine einheitliche Planung vor sich. Dann wären auch die Konsolfiguren der Naumburger Werkstatt in den letzten beiden Jahrzehnten des 13. Jahrhunderts entstanden, es sei denn, man könnte sich dazu verstehen, sie als schon lange bereitliegende Werkstücke zu interpretieren, wie Küas das für das gesamte Gewölbe vorschlägt.4 Wir halten eine Datierung dieser Skulpturen ins 8./9. Jahrzehnt durchaus für möglich. Gurlitt5 lokalisiert die Allerheiligenkapelle im unteren Raum des Südostturms, also in der Nordwestecke des Kreuzgangs. Er geht dabei von der Voraussetzung aus, daß dort jetzt, und zwar seit 1530, völlig veränderte Baudispositionen vorliegen: „Sollte 1342, als von einer Basilika Aller Heiligen die Rede ist, vielleicht der ganze Raum des heutigen Kreuzhofes überdeckt gewesen sein?"6 Diese Überlegungen werden schon durch eine Analyse der Bausubstanz widerlegt: In der Nordwestecke des heutigen Kreuzgangs gibt es nur Formen des 13. Jahrhunderts, die des 16. setzen erst unmittelbar südlich davon ein, Veränderungen bei der Erneuerung des Kreuzgangs. Im übrigen dürfte Gurlitts Fehldeutung durch die Konfundierung der Allerheiligenkapelle mit einer Kapelle bzw. einem Altar Aller Heiligen, der im Südostturm, im ersten Oberstock gelegen haben dürfte, verursacht sein. Dieser Altar wird unter Bischof Dietrich IV. von Schönberg im Jahre 1470 zum ersten Male erwähnt.7 Freilich heißt es schon 1470 „der in der Sakristei längst errichtete Altar Aller Heiligen", d. h. die Stiftung kann viel früher erfolgt sein. Mit „in der Sakristei" ist gewiß die Kapelle im ersten Obergeschoß des Südostturms gemeint, was auch die Urkunde von 1530 bezeugt: „in veteri sacristia (die neue Sakristei nördlich vom Domchor bestand ja damals schon) sive sacello omnium sanctorum in cristata turri." Die Kapelle bzw. die alte Sakristei hat also eindeutig im Südostturm ihren Platz gehabt, denn nur dieser Turm konnte als cristata turris bezeichnet werden. Der einzige Altar in diesem Turm ist im ersten Oberstock. Der Zugang zu 1

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Vgl. Gurlitt, 1919, S. 367ff., Küas, 1937, S. 185ff., besonders S. 189, wo die Kapelle ins Ende des 13. Jahrhunderts datiert wird. Vgl. CdSr II, 1, Nr. 318, S. 247 ff. Vgl. das Meißner Kalendar bei Ursinus, 1782, S. 288 (27. April); vgl. auch schon Ursinus, 1782, S. 149 mit Anm. G. Küas, 1937, S. 189. Gurlitt, 1919, S. 91 f. Gurlitt, 1919, S. 92. Vgl. Ursinus, 1782, S. 105. Vgl. dazu die Ukk. CdSr II, 3, Nr. 1135, S. 197f. (1470), Nr. 1361, S. 335 (1517), und Nr. 1396, S. 349(1530). Auch Schlesinger, 2 , 1 9 6 2 , S. 108 und 644, scheint alle Urkunden auf nur eine AllerheiligenKapelle zu beziehen, nämlich die Sakristei im Südostturm.

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diesem Raum vom Chore her — was ja für eine Sakristei zu fordern wäre — ist über die südliche Chor-Spindeltreppe ohne weiteres möglich. Ein weiterer Beweis für das Vorhandensein zweier Aller Heiligenkapellen am bzw. im Meißner Dom, im Südostturm und im Ostflügel der Klausur, wäre die Erwähnung beider Kapellen in einer Urkunde. Ein solches Zeugnis gibt es nicht. Wohl aber bezeugt eine Urkunde von 15651 eine Vikarie „omnium sanctorum p r i m a " ; man kann daraus folgern, daß es auch eine vicaria omnium sanctorum secunda gegeben haben muß. Mit andern Worten: diese Urkunde bestätigt möglicherweise das ehemalige Vorhandensein zweier Kapellen omnium sanctorum. Die Vermutung, man habe den Bau des Quer- und Langhauses des Doms auf der Südseite begonnen, um unmittelbar danach die wichtigsten Gebäude der Klausur zu errichten, die auf der Südseite geplant war und vermutlich auch in romanischer Zeit schon auf der Südseite lag, erweist sich danach als richtig: Unmittelbar nach der Fertigstellung von Südquerhausarm und Achteckkapelle wurde der wichtigste Bau der Klausur, der Kapitelsaal, die capella omnium sanctorum, vollendet. Zu erwarten wäre, daß zu gleicher Zeit auch der Bau des nördlichen Querhausarms, der Vierung und des ersten Jochs des Langhauses insgesamt schon hochgezogen wurde. Das ist schon aus statischen Gründen kaum anders denkbar. Was sagen die literarischen Quellen dazu? Am 19. Januar 1298 traf Propst Dietrich von Bautzen genaue Bestimmungen über das Einkommen und die Obliegenheiten des Vikars des von ihm gestifteten Altars der Heiligen Nikolaus und Laurentius in der Domkirche.2 Er übereignete nach dieser Urkunde dem Altar Besitzungen, die er seit 1281 nach und nach zusammengebracht hatte.3 In der Urkunde von 1298 wird der Altar lokalisiert : „ . . . , quod pro salute animae meae institui in ecclesia Misnensi kathedrali perpetuam vicariam et altare situm a sinistris monasterii, a venerabili domino Withigone episcopo bonae memoriae in honore sanctorum Nicolai et Laurentii sollempniter consecratum, . . ."4 Der Altar stand demnach auf der linken Seite im Dom. Was ist damit gemeint? Die Hauptrichtung im Räume ist die von Westen nach Osten, zum Hochaltar hin. Für den im Mittelschiff stehenden Betrachter, der sich nach Osten wendet, ist der linke Teil der Kirche die nördliche Hälfte des Langhauses. Unvoreingenommen wäre also anzunehmen, daß der Altar irgendwo nördlich der Mittelachse der Kirche stand, und zwar wahrscheinlich weit im Osten, denn gegen Ende des 13. Jahrhunderts kann der Bau noch nicht weit über das Querhaus hinaus nach Westen vorangetrieben gewesen sein. Der Altar wird noch mehrfach in Urkunden erwähnt; zum ersten Male 1299 im Testament des Stifters Propst Dietrich: „vicaria per me constructa in honore sancti Laurencii et sancti Nicolai in ecclesia Misnensi in sinistra parte monasterii."5 In einer weiteren Urkunde desselben Jahres wird der Altar ohne genaue Lageangabe genannt.6 Das gleiche trifft auf Urkunden der Jahre 1359 und 1 2 3

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CdSr II, 3, Nr. 1483, S. 407. CdSr I, 1, Nr. 323, S. 253f. Vgl. zum folgenden Gurlitt, 1919, S. 100f., Ursinus, 1782, S. 155. CdSr II, 1, Nr. 251, S. 193f. (1281), Nr. 253, S. 195f. (1282), Nr. 278, S. 216 (1287), Nr. 283, S. 220f. (1288). Nr. 278 wird von Gurlitt, 1919, S. 100f., irreführend beurteilt. Vgl. CdSr II, 1, Nr. 323, S. 253. CdSr II, 1, Nr. 329, S. 257. CdSr II, 1, Nr. 330, S. 260.

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1421 zu.1 Damit sind die urkundlichen Erwähnungen des Nikolaus- und Laurentiusaltars erschöpft; denn die von Gurlitt2 in diesem Zusammenhang erwähnte Urkunde vom Jahre 1471 betrifft gar nicht den Nikolaus-und Laurentiusaltar, sondern einen um die Mitte des 15. Jahrhunderts gegründeten Laurentiusaltar, der nahe am Südportal im Dom gestanden haben muß.3 — Nach den Urkunden ist also nicht genau auszumachen, wo der 1298 von Propst Dietrich von Bautzen reich dotierte Altar der Heiligen Nikolaus und Laurentius gestanden hat. Nähere Aufschlüsse gibt hier das Kalendar des Meißner Doms. Dort erfährt man unterm 28. Januar,4 daß der Stifter des Nikolaus- und Laurentiusaltars vor diesem Altare begraben wurde: „Sepultus ante altare S. Laurentii, non tarnen directe." Ursinus, der den Grabstein Propst Dietrichs noch in situ liegen sah, gibt an: „Dieser und beide folgende Grabsteine (der Reinhards von Guben und der Hermanns von Freiberg) liegen beieinander vor der Kanzeltreppe."8 Die Kanzel ist jetzt am zweiten Nordpfeiler (Zählung von Osten) angebracht, ihre Treppe an der Ostseite dieses Pfeilers. Das Werk stammt aus der Zeit um 1600.6 Es ist kaum anzunehmen, daß der Platz der Kanzel innerhalb des Doms gewechselt hat. Jedenfalls dürfte die jetzt noch erhaltene Kanzel seit ihrer ersten Aufstellung immer am gleichen Platz geblieben sein. Demnach hat sie auch Ursinus ebendort gesehen. Ursprünglich hatte östlich ihrer Treppe einmal der Nikolaus- und Laurentiusaltar seinen Platz. Das Grab des Propstes Dietrich von Bautzen müßte demnach östlich vor dem zweiten Pfeiler der Nordseite gelegen, der Altar wahrscheinlich an der Westseite des ersten Pfeilers gestanden haben. Jetzt befindet sich der Grabstein nicht mehr in situ.7 Da das Grab des 1323 verstorbenen Propstes Reinhard von Guben nach Ursinus nahe dem Grabe des Propstes Dietrich gelegen haben muß, ebenfalls „vor der Kanzeltreppe", wäre seine Lage ein erneuter Beweis für die Richtigkeit dieser Lokalisierung. Gurlitt8 verzeichnet es nordöstlich neben dem zweiten Nordpfeiler des Mittelschiffs, also erwartungsgemäß.9 Herrmann von Freiberg, der nach Ursinus ebenfalls „vor der Kanzeltreppe" gelegen haben soll,

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CdSr II, 2, Nr. 511, S. 19f., Nr. 904, S. 447ff. (Dorsalnotiz). Gurlitt, 1919, S. 101. Er wird urkundlich mehrfach genannt: CdSr II, 3, Nr. 1158, S. 210f. (1471), Nr. 1185, S. 230ff. (1475), Nr. 1217, S. 252 (1479). Es handelt sich um eine Schönbergsche Familienstiftung. Vgl. Ursinus, 1782, S. 277. Ursinus, 1782, S. 155. Vgl. Gurlitt, 1919, S. 230. Gurlitt, 1919, S. 242, zeichnet den Grabstein im unteren Räume des Südostturms südlich neben dem Eingang ins Querhaus ein (Nr. 150). Wann ist er dahin verbracht worden? Er ist nicht erhalten. Vgl. Gurlitt, 1919, S. 248. Gurlitt, 1919, S. 242, Nr. 134. — Hermann von Freiberg, ebendort, Nr. 88. Wie Gurlitts Schema der Begräbnisse (1919, S. 242) entstand, ist nicht ganz klar. S. 240 schreibt er: „Ich ließ 1896 auf Kosten des Königl. Ministeriums des Innern durch zwei meiner damaligen Schüler, den jetzigen Königl. Baurat M. Zürbig und den Architekten Dr.-Ing. K. Rudolf Walter Dietrich, beide jetzt in Leipzig, einen Lageplan (Fig. 323) der Denkmäler, sowie Pausen der Inschriften in Originalgröße aufnehmen, nach denen die Mehrzahl der hier wiedergegebenen Abbildungen hergestellt ist. Leider konnte damals das Gestühl nicht entfernt werden." S. 241: „Der Vorstand des Meißner Dombauvereins überließ mir einen Lageplan der Denkmäler, nach dem die unter den Ständen aufgefundenen Denkmäler in Fig. 323 nachgetragen wurden." Darf man danach annehmen, es seien nur diese — und keine andern Quellen, beispielsweise Ursinus — zu Rate gezogen worden? Manche Widersprüche zu älteren Aufzeichnungen müßte man dann als Veränderungen der Lage der Grabsteine vor der Gurlittschen Zusammenstellung erklären.

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lag nach Gurlitts Bestattungsschema zwar auch im nördlichen Seitenschiff, aber erheblich weiter westlich, im vierten Joch. Es ist nach alledem nicht zu bezweifeln, daß der Altar der Hll. Nikolaus und Laurentius an der Westseite des ersten, also des nordwestlichen Vierungspfeilers, gestanden hat — oder nahe dieser Stelle. Diese Feststellung ist für die Baugeschichte außerordentlich wichtig. — Zunächst muß erörtert werden, wann der Altar errichtet wurde. 1298 wird berichtet1, der Altar sei von Bischof Withego konsekriert worden. Vor 1298 wird der Altar nicht erwähnt.2 Bischof Withego I., der hier nur gemeint sein kann, starb am 6. März 1293.3 Der Altar muß also schon vor oder im Jahre 1293 geweiht worden sein. Aus dem Text der Urkunde von 1298 geht hervor, daß auch Dietrich von Bautzen schon vor 1298 die urkundlich erwähnten Besitzungen auf den Altar übertragen hatte, vermutlich also schon zur Zeit der Weihe durch Bischof Withego. 1298 wird lediglich bestimmt, welche geistlichen und weltlichen Obliegenheiten der Vikar des Altars für seine Pfründe zu erfüllen hat. Daß diese Anordnungen erst fünf oder mehr Jahre nach der Weihe und Stiftung des Altars ergingen, ist mindestens auffällig. Es gäbe dafür mehrere Erklärungen. Die wahrscheinlichste ist u. E., daß der Altar bald nach seiner Errichtung geweiht wurde, der Raum um den Altar herum aber zunächst noch durch den fortschreitenden Bauprozeß in Mitleidenschaft gezogen und der Altar deshalb noch nicht voll nutzungsfähig war. Ist diese Annahme richtig, dann ist der Altar 1293 oder kurz vorher erbaut worden, das erste Joch des Nordseitenschiffs und des Mittelschiffs aber, das ist der zugehörige Raum, wurden erst 1298 fertiggestellt. — Es wäre zu prüfen, ob diese Datierung in die Bauabfolge des Meißner Dombaus paßt oder nicht. Da der Südflügel des Querhauses und das erste Joch des Südseitenschiffs sowie die angrenzende Achteckkapelle die zuerst errichteten Teile des Langhauses waren, Bauabschluß bereits 1291, kann die Frage noch genauer spezifiziert werden: Ist anzunehmen, daß im Jahre 1298 das gesamte Querhaus und das erste Joch des Langhauses vollendet waren? Die Frage ist von den Urkunden her nicht zu beantworten. Aber die schon erwähnten statischen Überlegungen sprechen dafür, daß die für die Konstruktion wichtigen Teile des gesamten Querhauses und des ersten Jochs des Langhauses schon gestanden haben, bevor der südliche Flügel des Querhauses vollständig ausgebaut wurde. Das wird man erst recht erwarten, wenn man berücksichtigt, daß das Meißner Hochstift um die Jahrhundertwende vom 13. zum 14. Jahrhundert durchaus imstande war, großzügig zu bauen. Die einzige Voraussetzung dafür, die Bereitstellung der hohen Baugelder, dürfte keine allzu großen Schwierigkeiten gemacht haben. Erst 1298 setzen Urkunden ein, wonach angeblich finanzielle Schwierigkeiten auftraten.4 Sie haben aber mit dem Dombau gewiß nichts zu tun, sondern sind die Folge gewagter finanz-politischer Maßnahmen.5 Man hat also damit zu rechnen, daß der Dombau zügig vorankam und keinerlei Beschränkungen 1 2 3 4 5

Vgl. Anm. 4, S. 27 Die Dorsalnotiz auf der Urkunde CdSr II, 1, Nr. 278, S. 2 1 6 vom Jahre 1287 ist ein jüngerer Registraturvermerk. Vgl. die Grabstein-Nachzeichnung bei Gurlitt, 1919, S. 247, Fig. 330, und Ursinus, 1782, S. 68. CdSr II, 1, Nr. 326, S. 255f., Nr. 328, S. 256f., Nr. 334, S. 2 6 2 f . (1300). Vgl. dazu Schlesinger, 2, 1962, S. l O l f f . und S. 1 0 6 f .

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erfuhr. Alle diese Überlegungen sprechen dafür, daß die Annahme, im Jahre 1298 seien schon alle Ostteile des Domneubaus einschließlich des ersten Jochs des Langhauses vollendet gewesen, wahrscheinlich richtig ist. Die letzte Bestätigung dafür dürfte die Grabstelle des Mannes sein, der wohl das größte Verdienst am Meißner Domneubau hatte, Bischof Withego I. Der 1293 Verstorbene wurde „ante chorum" 1 , „in der Gegend des Altars vor dem Hohen Chore" 2 , also „vor dem Hl. Kreuz-Altar" 3 begraben. Gurlitt gibt die genaue Grabstelle an 4 : mitten zwischen den beiden westlichen Vierungspfeilern. Es ist also wahrscheinlich, daß 1293 die Vierung schon gewölbt war. Dann wäre zwischen 1293 und 1298 die Wölbung des Nordflügels des Querhauses und des ersten Jochs des Langhauses ausgeführt worden. Auch wenn man berücksichtigt, daß möglicherweise das erste Joch des südlichen Seitenschiffs ebenfalls erst in diesem Zeitraum aufgestockt und dem „Hallenplan" angepaßt wurde, ist die Zeit für diese Arbeiten nicht zu kurz bemessen.5 Der Bau wurde ohne Stockung weitergeführt. 1299 wurden Vorbereitungen für die Gründung eines neuen Altars getroffen. Propst Dietrich von Bautzen stiftete damals eine neue Vikarie. Der zugehörige Altar existierte jedoch noch nicht: „ . . . nunc in honore sanctae crucis et sancti Martini aliam vicariam de novo decrevi construere, construo et construxi, cuius vicarius ad deserviendum choro Misnensi teneatur. . .ad quam vicariam altare construi debet in loco congruo monasterii tempore opportuno . . ." 6 Es ist der in Meißen mehrfach beobachtete Vorgang: Der Bau ist im Gange. Vorsorglich werden schon Stiftungen gemacht für den Fall, daß ein neuer Raumteil fertig wird, in dem man einen Altardienst einrichten kann. Ob der Altar des Hl. Kreuzes und des Hl. Martin dann tatsächlich errichtet worden ist, läßt sich nicht mehr feststellen. Eine Urkunde vom Jahre 13087 wurde zugunsten einer Vikarie „ob honorem et reverentiam sanctae crucis, beati Martini sanctique Donati" ausgestellt und dürfte dieselbe Stiftung betreffen. Später wird das Vikariat, soweit zu sehen, nicht mehr erwähnt.8 Von Bedeutung für die Baugeschichte ist dann der Altar der Hl. Anna und des Hl. Paul, der auch kurz „Annenaltar" genannt wird.9 Das Stiftungsjahr kann nicht genau angegeben werden. Die Vikarie und der Vikar des A l t a r s werden zum ersten Male im Jahre 1313 erwähnt,10 die Stiftung ist aber älter. Die Vikarie wurde schon vom Meißner Dechanten Peter (von Zeitz) eingerichtet,11 der 1305 zum letzten Male nachweislich als Zeuge fungierte und 1307 als olim decanus, also verVgl. das Meißner Kalendar bei Ursinus, 1782, S. 283, unterm 11. März. Ursinus, 1782, S. 68. 3 Ursinus, 1782, S. 71. * Gurlitt, 1919, S. 242, Fig. 323, Nr. 118. 5 Zu ähnlichen Schlüssen über die Bauabfolge kommt Schlesinger, 2,1962, S.99f.Da wir verständlicherweise mehr ins Detail zu gehen hatten, dürfen wir uns ersparen, auf Unterschiede in den Interpretationen im einzelnen hinzuweisen. 6 CdSr II, 1, Nr. 329, S. 257. 7 CdSr II, 1, Nr. 344, S. 274. 8 Ein Altar des Hl. Kreuzes, des Hl. Apostels Paul und der Hl. Anna, der zur Meißner Domkirche gehört und bereits geweiht ist, wird in Uk. CdSr II, 1, Nr. 349, S. 282 f. (1312) bedacht. Auch er begegnet u. W. nicht wieder. 9 Vgl. die Ukk. CdSr II, 1, Nr. 352, S. 284f., Nr. 361, S. 292, Nr. 392, S.322, CdSr II, 2, Nr. 904, S.449, CdSr II, 3, Nr. 1152, S. 208, Nr. 1301, S. 299f., Nr. 1361, S. 335. 10 CdSr II, 1, Nr. 352, S. 284. 1 1 Vgl. Anm. 10. 1

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storben, bezeichnet wird. 1 Spätestens wurde die Annenvikarie also 1307 gegründet. Während für die Einrichtung der Vikarie wenigstens ein Terminus ante quem überliefert ist, geben die Urkunden keinerlei Hinweis, wo der Altar errichtet war. Es wird lediglich berichtet, daß er sich im Dom befunden habe. 2 — Eine Ablaßurkunde vom Jahre 1315, die bußfertigen Besuchern des Annenaltars Sündennachlaß verspricht, und vom Erzbischof von Magdeburg sowie den Bischöfen von Meißen, Brandenburg und Havelberg ausgegeben wurde, setzt voraus, daß der Annenaltar in einem vollendeten Raum stand.3 — Beim Annenaltar waren mehrere Bestattungen: „iuxta altare sanctae Annae" waren Albert Knut (f 1366) und Friedrich von Miltitz (f 1380) begraben; 4 „circa altare sanctae Annae" Ramfold von Polentz (f 1403) und Heinrich von Schleinitz (f 1377).5 Alle vier genannten Bestattungen befanden sich in der südlichen Hälfte des ersten Mittelschiffsjochs. Die beiden mit „iuxta altare" bezeichneten Grabstellen lagen nahe dem zweiten Südpfeiler, 6 die mit „circa altare" bezeichneten nahe dem Südwest-Vierungspfeiler im ersten Mittelschiffsjoch. Irgendwo in dieser Gegend, zwischen diesen beiden Pfeilern muß der Annenaltar gestanden haben. Dazu paßt auch Ursinus' Nachricht zur Grabstelle des Ramfold von Polentz: „gleich neben Bischof Wittigs I. Grabsteine, ohnweit des ehemaligen St. Annen-Altars". 7 Nach Gurlitts Bestattungsschema lag Ramfold von Polentz tatsächlich neben Bischof Withego I. 8 Mehr läßt sich über den Annenaltar im Zusammenhang mit der Baugeschichte von den Quellen her nicht sagen. Vergegenwärtigt man sich aber, was die literarischen zeitgenössischen Quellen zum ersten Joch des Langhauses insgesamt aussagen, dann liegt eine — u. E. erlaubte — Spekulation sehr nahe : Vermutlich am nordwestlichen Vierungspfeiler war der Nikolaus- und Laurentiusaltar errichtet worden. Er war 1298 voll nutzungsfähig. Die Stelle des Annenaltars läßt sich nicht genau bestimmen. Er stand in der Nähe der oder in der Arkade zwischen dem südwestlichen Vierungspfeiler und dem westlich folgenden zweiten Schiffspfeiler. Er wird also an einem dieser beiden Pfeiler gelehnt haben. Falls er an der Ostseite des zweiten Südpfeilers errichtet war, muß man fragen: Wie soll er dort bedient worden sein? Ein Altardienst mit Blickrichtung nach Osten war jedenfalls dann nicht möglich. Man wird deshalb nach andern Aufstellungsmöglichkeiten suchen und, da die Errichtung eines Altars mitten in einer Arkade ungewöhnlich ist, überlegen, ob nicht Vgl. CdSr II, 1, Nr. 337, S. 265 und Nr. 341, S. 270. CdSr 11, 1, Nr. 361, S. 292. 3 Vgl. Anm. 2. 4 Vgl. Ursinus, 1782, S. 128 und 164, und das ebendort publizierte Kalendar, S. 286 (18. April) und S. 276 (12. Januar). Im Kalendar heißt es beide Male: „iuxta altare S. Annae in medio ecclesiae." Vgl. auch Gurlitt, 1919, S. 242, Fig. 323, Nr. 1 1 5 und 109. 6 Vgl. Ursinus, 1782, S. 1 4 2 f . und S. 129, und das ebendort publizierte Kalendar, S. 278 (31. Januar): „circa altare Sanctae Annae in medio ecclesiae" und S. 280 (7. Februar). Vgl. auch Gurlitt, 1919, S. 242, Fig. 323, Nr. 1 1 7 und 116. 6 Als erster Südpfeiler wird der südwestliche Vierungspfeiler gezählt. ' Ursinus, 1782, S. 142. Zu Withego I. Grabstelle vgl. Anm. 1 - 3 , S. 30. 8 Gurlitt, 1919, S. 242, Fig. 323, Nr. 1 1 7 und 118. Gurlitt, 1919, S. 102, hielt den zweiten Südpfeiler für den Platz des Annenaltars und führte die wichtigsten Belege hierfür an. Unbedeutende Irrtümer Gurlitts brauchen hier nicht im einzelnen berichtigt zu werden. Möglicherweise ist ein Retabel des Annenaltars aus dem Anfang des 15. Jahrhunderts erhalten; vgl. dazu Gurlitt, 1919, S. 1 0 2 f f . 1

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auch der Annenaltar, analog dem Nikolaus- und Laurentiusaltar, an der Westseite des Vierungspfeilers gestanden haben könnte, an der Westseite des südwestlichen Vierungspfeilers. Nach den Lageangaben der in der Nähe des Altars lokalisierten vier Bestattungen (iuxta bzw. circa) im Kalendar, der einzigen hierfür in Frage kommenden Quelle, ist das sehr wahrscheinlich. Terminus ante quem für die Errichtung des Altars ist, wie gesagt, das Jahr 1307. Der Stifter, Dechant Peter von Zeitz, begegnet zum ersten Male im Jahre 1298 als Dechant des Meißner Doms, als Domherr schon um 1276.1 Demnach könnte der Annenaltar auch schon 1298 von ihm gestiftet worden sein — oder noch früher. Es wäre durchaus möglich, daß nach der Fertigstellung des ersten Jochs des Langhauses an den beiden westlichen Vierungspfeilern je ein Altar bedient wurde, und daß die Einrichtung des Altardienstes jeweils im Jahre 1298 erfolgte. Zusammengefaßt: kurz vor der Jahrhundertwende bestand sicherlich das gesamte erste Joch des Langhauses. Es besaß zwei Altäre, die vermutlich an die Westseiten der beiden Vierungspfeiler gelehnt waren. Im folgenden muß noch ein Um- bzw. Ausbau des unteren Raums des Nordostturms berichtet werden.2 Ursprünglich war dieser Raum, wie der entsprechende des Südostturms, nach zwei Seiten offen, nach Osten und nach Norden. Er wurde nachträglich geschlossen und auf diese Weise zu einer neuen Kapelle umgestaltet. Eine Urkunde vom Jahre 1313 steht damit direkt im Zusammenhang : „. . . capellam et altare sub sacristía sinistri chori nomine perpetuae vicariae in honorem dei et gloriosae matris suae virginis Mariae ac sanctorum Symonis et Judae apostolorum necnon beatorum doctorum Gregorii papae, Augustini et Ambrosii episcoporum et sancti Jeronimi confessoris de nostra et nostri capituli licentia et consensu instituerunt et. . .dotaverunt. . ."3 1313 wurde also die Kapelle und der Altar SS. Simonis et Judae eingerichtet und dotiert, und zwar unter der Sakristei des linken Chores. Auch hier ist wieder „links" identisch mit „nördlich", also Blickrichtung nach Osten vorausgesetzt. In beiden Osttürmen waren jeweils im ersten Obergeschoß Sakristeiräume, daher war es bei genauer Angabe nötig zu sagen, ob die rechte (südliche) oder die linke (nördliche) Sakristei gemeint sei. Überdies wird die Kapelle genau lokalisiert durch das Grab des einen der beiden Stifter, Nikolaus Kuneko, der 1317 starb.4 Er wurde in der von ihm und seinem Bruder eingerichteten Simon- und Judakapelle, im unteren Raum des Nordostturms bestattet.5 Die am Baubestand leicht ablesbare Umgestaltung des unteren Raums des Nordostturms ist damit eindeutig ins Jahr 1313 datiert, wozu die erhaltenen Formen der eingebauten Teile gut passen. 1 2 3

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CdSr II, 1, Nr. 323, S. 254, und Nr. 243, S. 187. Vgl. zum folgenden Gurlitt, 1919, S. 28, wo die Veränderungen am Bau wenigstens skizziert werden. CdSr II, 1, Nr. 353, S. 285; weitere Erwähnungen: Nr. 385, S. 314f. (1323), Nr. 395, S. 324f. (1328), CdSr II, 2, Nr. 526, S. 35f. (1360), Nr. 895, S. 435f. (1416), CdSr II, 3, Nr. 1032, S. 120 (1455), Nr. 1483, S. 407 (1565). Vgl. dazu Ursinus, 1782, S. 170, Gurlitt, 1919, S. 250 und S. 242, Fig. 323, Nr. 145. Die Auskunft von Ursinus, 1782, S. 170, in der Nordwestecke dieser Kapelle habe N. Kuneko einen Altar zu Ehren der Hl. Maria, des Apostels Johannes und des Bischofs Maternus gestiftet, beruht auf einer falschen Interpretation der Uk. CdSr II, 1, Nr. 379/80, S. 310 (1320). Das Versehen Ursinus' wird wiederholt von Gurlitt, 1919, S. 250.

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Die Baugeschichte Als unsicher galt bisher, wie lange der zweite Meißner Dombau gestanden hat. Nach den im vorangegangenen Kapitel vorgelegten Forschungen von Ernst Schubert kann diese Frage jetzt als geklärt gelten. In den Jahren 1259/60 ist der Plan zur Erneuerung des Doms gefaßt worden, 1268 war der Chor ganz oder teilweise benutzbar, 1287 ebenso das Querschiff. 1298 waren die Ostteile sicher vollendet. Nachdem Bischof Konrad (1240/59) um die Jahrhundertmitte das Bistum auf die Höhe seiner Macht geführt hatte, hat sein Nachfolger Albrecht (1259/66), dem man wegen der Kürze seiner Amtszeit ein solches Werk nicht zuzutrauen geneigt war, begonnen, die neu errungene Machtstellung auch nach außen hin durch einen aufwendigen, „modernen" Dombau sichtbar werden zu lassen. Sein baldiger Tod hinderte ihn daran, das Werk zu vollenden. Daher hat die chronikalische Überlieferung nicht ganz unrecht, wenn sie in dem tatkräftigen Withego I. (1266/93) den eigentlichen Gründer und Erbauer des Domes sieht. Withego fiel die Aufgabe zu, das von seinem Vorgänger begonnene Werk bis zu einem ersten, wichtigen Teilabschnitt zu vollenden. Er hat sie in großartiger Weise gelöst; und da er auch verstand, die Finanzen des Bistums trotz der schweren Belastung durch die „Baufabrik" in Ordnung zu halten, konnten die Arbeiten nach seinem Tode weitergehen. Nur schritten sie wohl nach Vollendung von Chor, Querschiff und erstem Langhausjoch langsamer voran. Können somit, wie gesagt, die Fragen der Datierung für die Ostteile des dritten Meißner Dombaus im ganzen als gelöst gelten, so sollen hier zwei andere Probleme nochmals durchgedacht werden, die von der Forschung schon mehrfach erörtert worden sind, aber nach wie vor große Schwierigkeiten bereiten: die Baugeschichte der Ostteile und die Frage nach der Herkunft der Baugedanken und Einzelformen, die im 13. Jahrhundert am Neubau des Meißner Doms in Erscheinung treten. Seit Gurlitt gilt allgemein die Überzeugung, daß diese Ostteile stockend und unter mehrfachem Planwechsel entstanden sind.1 Vor allem die auffallend gestreckte Chorform aus einem Langchor- 5 joch mit sechsteiligem Gewölbe, einem kurzen Rechteckjoch mit Kreuzgewölbe und dem 5/8Schluß wurde stets als Ergebnis einer Planänderung angesehen.2 Die Annahme, der ursprüngliche Plan habe nur Chorquadrat und Polygonschluß umfaßt, lag um so näher, als die ungewöhnliche Form des Meißner Chors die Vorarbeiten zum Dombau erheblich erschwerte. Denn die beträchtliche Hinausschiebung des Chorschlusses nach Osten erforderte aufwendige Substruktionen am 1

2

Die ältere Forschung war im allgemeinen der Ansicht, daß Withego I. den gotischen Dombau begonnen habe. Eine komplizierte Baugeschichte wurde von Gurlitt, 1919, entwickelt. Sie wurde nur in Einzelfragen von der späteren Forschung korrigiert. Von Küas, 1937, S. 75 — 80, wurde der Baubeginn auf „um 1240" zurückgeschoben — bei Gurlitt „um 1220" —, was danach, zumal in Anbetracht der Ausführungen Schlesingers, 1952, S. 12—23, allgemein übernommen wurde. Besonders anschaulich ist diese Auffassung der Baugeschichte dargelegt bei Mrusek, 1957, durch die Abb. auf S. 49f. (unsere Abb. 6). Diese noch bei Reichel, 1964, Abb. 10, nachgedruckt. Vgl Gurlitt, 1919, S. 17, 34 und 38; Schubert, 1927, S. 7; Rauda, 1928, S. 27; Gröger, 1929, S. 149/51; Rauda, 1929, S. 21; Küas, 1937, S. 7 5 - 7 8 ; Lemper, 1955, S. 16 und 32; Mrusek, 1957, S. 44f.; Mrusek, 1958, S. 131/33; Reichel, 1964, S. 31; Küas, 1966, S. 314f.

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Berghang. Dennoch läßt sich zeigen, daß die Ostteile nach einheitlichem, nur in untergeordneten Einzelheiten verändertem Plan entstanden sind. Die angeführten Daten beweisen darüber hinaus, daß die Bauführung nicht stockend, sondern für die Verhältnisse der Zeit zügig und rasch vor sich gegangen sein muß. Das war auch erforderlich, weil bald nach dem Beschluß zum Neubau der romanische Dom ganz — mindestens jedoch

6. Meißen, Dom, Grundriß der Ostteile (nach Mrusek)

bis auf den westlichen Turmbau — abgebrochen wurde. Die Urkunden lassen erkennen, daß zwischen 1263 und 1268 kein Raum sakral benutzbar war, sei es im alten, sei es im neuen Dom. 1 Das wird bestätigt durch die Überlegung, daß die Errichtung des neuen Chores den Abbruch der Ostteile des alten Doms voraussetzte und die Errichtung der nördlichen Seitenschiffswand bis zum 4. Joch von Osten den Abbruch des alten Langhauses. Die Gründe, weshalb die Ostteile als planeinheitlich angesehen werden müssen, sind von mir an anderer Stelle bereits ausführlich dargelegt worden. 2 Es mag hier genügen, das Wesentliche zu wiederholen. Dabei ist Gelegenheit, einige Irrtümer jener Darstellung richtigzustellen. 1

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Vgl. Schubert in diesem Bande, S. 18 f. — Diese Feststellung steht im übrigen in striktem Gegensatz zur — an sich naheliegenden — bisher von der Forschung allgemein vertretenen Ansicht von dem langsamen, stufenweisen Abbruch des alten Doms. Daher können wir auch die von Räude, 1928, S. 26f., durch Skizzen anschaulich gemachten Vermutungen über den Bauvorgang nicht für zutreffend halten. Wie noch zu zeigen sein wird, liegt der Baubeginn auch nicht, wie Rauda mit Gurlitt annahm, beim Querschiff. Vgl. Lehmann, 1965.

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Besonders einleuchtend erschien das Argument, die ältesten Teile des Neubaus gäben sich dadurch 6 zu erkennen, daß sie keinen Sockel aufweisen. 1 Danach wären zuerst entstanden die Osttürme, das 30, 33 Chorquadrat — d. h. das westliche Joch des Chores —, das Querschiff und Teile der Seitenschiffsmauern. Man schloß daraus, daß zunächst an einen an romanische Gewohnheiten sich anlehnenden Normalplan im quadratischen Schematismus gedacht gewesen sei. Aber das über die Türme nach 49—52 Osten hinausragende Stück des „Chorquadrats" besitzt den gleichen aufwendigen Sockel wie der 33 ganze Ostchor. Andererseits gehören die vier Joche des Nordseitenschiffs, denen der Sockel fehlt, bereits zum Hallenplan, wie noch zu zeigen sein wird. Sie sind daher bestimmt nicht zu Beginn der

7. Meißen, Dom, Schnitt durch das Dorsale

gotischen Bauführung entstanden. Das geradezu frühmittelalterliche Motiv der Sockellosigkeit ist also kein Merkmal, das die frühe Entstehungszeit charakterisiert — dazu ist es für das 13. Jahrhundert auch viel zu fernliegend —, sondern offenbar Eigenart einer bestimmten Gruppe von Bauleuten — um den festgelegten Ausdruck Bauhütte hier zu vermeiden. Mit dieser Feststellung gewinnt die Vermutung an Wahrscheinlichkeit, daß die Bauführung im großen und ganzen, wie üblich, von Ost nach West fortschritt, daß man also nicht mit den Teilen um die Vierung herum, gleichsam in der Mitte des Baues, begann. 1

Vgl. dazu besonders Gurlitt, 1919, S. 17, und Mrusek, 1958, S. 131.

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Als zweites Argument für die Planeinheitlichkeit der Ostteile ist anzuführen, daß die Quaderverblendung dieser Teile im allgemeinen so ungestört und sauber ist, daß sich an der „Haut" des Baues keine Bauphasen oder Planänderungen ablesen lassen. Wo wirklich einmal die Fugen springen, ist deutlich erkennbar, daß die Ursache dafür nicht in einer Plänänderung, sondern nur in dem ungleichmäßigen In-die-Höhe-Führen des Baues zu suchen ist. Vor allem sind die Stellen, wo sich nach der älteren Ansicht Plan I und Plan II berühren — Plan I mit quadratischem Chorj och, Plan II mit dem ausgeführten Langchor —, tadellos intakt. Die Treppenhäuser, die innen so hart die 49, 65 Dienste überschneiden und außen konsolenartig vortreten, greifen innen wie außen mit ihren

8. Meißen, Dom, Grundriß des Obergeschosses der Chornordwand mit „Plattengang"

Quadern auf die benachbarten Dienste, Wandflächen oder Gurtbögen über. An der Außenwand des Aufgehenden ist hier gewiß kein Planwechsel festzustellen. Als drittes Argument kommt hinzu, daß bestimmte Bauelemente, die dem Plan II zugerechnet wurden, mit den angeblich dem Plan I entstammenden Bauteilen so eng verflochten sind, daß eine Entstehung in Etappen technisch gar nicht oder nur mit unverhältnismäßig großem Arbeitsaufwand denkbar wäre. Das „späte" Dorsale greift tief in die unteren Teile der „frühen" Turmwände 7 ein, zu tief, als daß nicht gleichzeitige Entstehung das Wahrscheinliche wäre, wie sogar Gurlitt feststellen mußte.1 Ähnlich steht es mit den Diensten der östlichen Vierungspfeiler, die ja zugleich 63, 64 zwei der Turmecken bilden. Bei der Einheitlichkeit der Chorwölbung müßten die Dienste zu Plan II gehören, während die Turmecken natürlich zum ältesten Bestand gerechnet werden müßten. Auch schwächt der „späte" Achteckbau die Westwand des „frühen" südlichen Kreuzarms und 5 die Südwand des ersten Langhausjochs derart, daß nur gleiche Entstehungszeit diese Kühnheit erklärt.2 Schließlich ist die Frage der Begehbarkeit der Türme nur zu lösen, wenn man die jetzige Anordnung der Treppen als die von Anfang an beabsichtigte ansieht. Für eine andere, ältere fehlen 1

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Vgl. Gurlitt, 1919, S. 60: „Die Flucht der Innenflächen dieser Arkaden ( = des Dorsale) stehen nahezu bündig mit der Mauerflucht der anstoßenden Türme, beide sind daher gleichzeitig aufgeführt worden." Vgl. auch Fig. 90. Vgl. Gurlitt, 1919, S. 74: „Auch weist die auffallende Schwäche der Wand zwischen Achteckbau und Querschiff darauf, daß ersterer schon beim Bau des letzteren geplant war."

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alle Anhaltspunkte. Die Treppen östlich vom Chorgestühl waren die einzigen Zugänge zu den Räumen im ersten Obergeschoß der Türme, die als Sakristeien dienten. Diese Anordnung der Treppen war also sinnvoll. Die Treppen führten zugleich auf den oberen Chorumgang. In die höher 8 gelegenen Turmgeschosse gelangte man im Norden über eine zweite, heute vermauerte Wendeltreppe in der Südostecke des Turmes, die man vom sogenannten „Plattengang" aus betrat. Im 64 Südturm benutzte man eine geradläufige Mauertreppe, deren Tür in der Westwand des Turmes

9. Meißen, Dom, Aufriß der Chorsüdseite (Meßbildaufnahme)

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nur über den Lettner, wohl mit Hilfe einer konsolenartigen Auskragung, zu erreichen war, was wiederum die Zusammengehörigkeit der Türme mit dem Lettner beweist.1 Ist somit die Planeinheitlichkeit der gesamten Ostteile nicht zu bezweifeln, so ist andererseits gewiß, daß an den Ostteilen nicht alles aus einem Guß ist. Doch sind sämtliche erkennbaren Planschwankungen nur von untergeordneter Bedeutung. Auch die Unregelmäßigkeiten, die man an dem Chor Strebepfeiler erkennt, der das Chorj och mit dem sechsteiligen Gewölbe im Südosten abstützt, sind für die Planungsgeschichte nicht so wesentlich, wie der Autor selbst noch in seiner ersten Studie über den Meißner Dom annahm.2 Es handelt sich hier um folgende Befunde: Der Sockel des Strebepfeilers umläuft diesen auf drei Seiten und nimmt damit auf die Wand des Kreuzgang- 9, 43, 44 stücks mit der darüberliegenden Kapelle keine Rücksicht, so daß die Wand über den Sockel hinweggreifen muß. Strebepfeiler und Kapellenwand stehen auch erst ab der vierten Quaderlage, von unten her gerechnet, miteinander in Verband. Ebenso ist erst dem vierten Quader von unten am Strebepfeiler die Schräge angearbeitet, die zu den Arkaden des Chorumgangs überleitet. Das Profil dieser Arkade konnte daher an dieser Stelle nicht so tief herabgezogen werden, wie sonst überall. Auch die schräge Abknickung der Arkaden ist als Lösung ungewöhnlich. Besonders auffällig ist schließlich, daß der Strebepfeiler sich nicht durch ein Hervortreten vor die Kapellenwand 36 als eigenes struktives Gebilde absetzt, sondern dadurch, daß er zurücktritt. Es liegt nahe, aus diesen Befunden zu erschließen, daß die Sakristeikapelle mit dem Kreuzgangstück darunter erst nachträglich in den Bauplan aufgenommen wurde.3 Diese Annahme stößt sich aber an der Tatsache, daß die Kapellenwand mit dem Südostturm in bestem Verband steht und beide gleichzeitig errichtet worden sein müssen. Wäre also der Turm älter als der Chor, könnte diese Erklärung für den umlaufenden Strebepfeilersockel nicht zutreffen. Sie ist nur möglich, wenn der Turm erst begonnen wurde, nachdem der Chor, und mit ihm jener Strebepfeiler, in seinen Anfängen schon stand, d. h., wenn der Bau im Osten in Angriff genommen wurde. Wir sind überzeugt, daß das zutrifft. Zwar könnte auch nur die Begegnung von Kreuzgangarkade und Strebepfeiler ursprünglich anders gedacht gewesen sein und der Kapellenplan also schon von Anfang an vorgelegen haben. Auch ist zuzugeben, daß jene betrachtete Stelle trotz aller Seltsamkeiten und scheinbaren Willkürlichkeiten das allmähliche Sichzurückstaffeln des Chorgrundrisses — Turm, Kreuzgang, Chorumgang — ausgezeichnet zum Ausdruck bringt. Dennoch werden die genannten Unregelmäßigkeiten durch die Annahme einer nachträglichen Einfügung der Sakristeikapelle in den Plan am besten erklärt. Diese Planänderung muß sehr früh eingetreten sein. Wie freilich die ursprünglich beabsichtigte Lösung zwischen Strebepfeiler und Turm zu denken ist, bleibt offen. Sie bleibt auch deshalb offen, weil wir nicht ganz sicher wissen, wie die ent1

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Heute ist die Tür zur Turmtreppe ohne weiteres von der Lettnerbühne aus erreichbar. Das ist aber erst seit der ersten Erweiterung des Lettners um 1357 der Fall. Ursprünglich lag die Tür seitlich neben dem Lettner. Da sie so dicht wie möglich an ihn herangeschoben wurde, dürfte die Annahme eines konsolenartigen Übergangs vom Lettner zur Turmtreppe wahrscheinlicher sein als die Annahme, man habe die Tür ursprünglich nur mit einer Leiter erreicht. 3 So schon Mrusek, 1958, S. 133. Vgl. Lehmann, 1965, S. 278/83 und besonders Anm. 13.

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8, 42 sprechende Stelle auf der Nordseite gelöst werden sollte. Heute überbrückt der sogenannte Plattengang jene Strecke. Gehört dieser zur ursprünglichen Planung, so wäre denkbar, daß man im Süden anfänglich eine ähnliche Verbindung auf Konsolen erwogen hatte. 44 Dagegen wird man die auffällige Schräge, mit der der Chorumgang unten auf den erwähnten südlichen Strebepfeiler zuläuft, sicher als von vornherein beabsichtigt ansehen dürfen. Die Breite der Arkaden des Chorumgangs ist nämlich so bemessen, daß sich zwischen die Strebepfeiler je fünf Arkaden einfügen lassen, wobei jeweils ein schmaler Wandstreifen neben den Pfeilern erhalten bleibt. So sehen wir es noch heute auf der Nordost- und Ostseite des Chorumgangs durchgeführt. Die gleiche Lösung hätte auch beim Rechteckjoch des Chors, also östlich neben dem betrachteten Strebepfeiler, gewählt werden können, da seine Breite — was nicht selbstverständlich, aber tatsächlich gegeben ist — mit der Breite der Polygonseite des Umgangs übereinstimmt. Man wich von dieser Lösung ab, um die breitere Öffnung unseres Pfeilers mit dem schmaleren Chorumgang einigermaßen günstig verbinden zu können. Man wählte sechs statt fünf Arkaden. Den fehlenden Raum gewann man teils durch die Schrägstellung der vermittelnden Arkade, teils dadurch, daß man die beiden äußeren Arkaden ohne Randstreifen sich direkt auf die Strebepfeiler aufstützen ließ. Die Kreuzgangarkaden unter der Kapellenwand bieten für die Bauanalyse noch eine weitere Schwierigkeit. Auf ihrer 10. Meißen, Domkreuzgang, Schnitt Innenseite verraten abgearbeitete Quader in Kämpferhöhe, durch den Mittelpfeiler der Arkaden daß die Kapitellzone ursprünglich die Pfeiler bis zur heutigen Maßwerkrahmung umgriff oder umgreifen sollte. Weiter macht das Maßwerk selbst einen so entwickelten Eindruck, daß man es gern in den Beginn des 14. Jahrhunderts datieren würde. Waren also die Arkaden in ihren Öffnungen ursprünglich anders gestaltet, und wurde das heutige Maß10 werk erst nachträglich eingesetzt und erst dabei die außen umlaufende flache Kehle eingearbeitet? Die Frage ist um so weniger eindeutig zu entscheiden, als das Maßwerk fast vollständig erneuert worden ist. Immerhin gibt es Maßwerk von sehr verwandter Zeichnung und Profilierung in der 38 Ostwand der sogenannten Kreuzkapelle im Zisterzienser-Nonnenkloster zu Marienstern. Nun ist dieser Raum nicht sicher datiert. Doch kommt das gleiche Maßwerkmuster am Triforium der Abteikirche von Saint Denis nach 1231 und — was wichtiger sein dürfte — am Chor der Zisterzienserklosterkirche zu Pforte zwischen 1251 und 1268 vor. 1 In beiden Fällen werden freilich noch Pfostensäulchen und Rundprofile im Maßwerk verwendet. Doch läßt sich andernorts auch das reine Kehlprofil des Maßwerks bei den Zisterziensern um 1265/70 nachweisen. Wir nennen das 1

Zu Saint-Denis vgl. Crosby, 1953, Abb. 58 und S. 57—59. — Zur Datierung von Pforte vgl. demnächst Ernst Schubert in seinen Darlegungen über die Baugeschichte der Abteikirche. Der Baubeginn des gotischen Neu- und Umbaus ist in Pforte durch eine Inschrift auf 1251 eindeutig festgelegt. Die feierliche Schlußweihe von 1268 ist urkundlich überliefert. Nach Schubert bezieht sich die Weihe nicht nur auf den Chor, sondern auch auf einen großen Teil des Langhauses.

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Rundfenster in der Trinitatis-Kapelle zu Pforte, vor 1268, sowie die Hochfenster im Langhaus zu Haina, um 1270. 1 So wird man keine Bedenken tragen, das Maßwerk der Kreuzkapelle in Marienstern wie auch das eng verwandte im Kreuzgang zu Meißen um 1270 für möglich zu halten. Für die Baugeschichte des 1249 gegründeten Klosters Marienstern, die leider bisher durch Urkunden wenig gestützt werden kann, würde dieses.Datum jedenfalls passen.2 Daraus ergibt sich, daß jene Abarbeitungen an den Kämpfern im Meißner Domkreuzgang nur eine untergeordnete Planänderung bezeichnen dürften und daß die Kreuzgangarkaden im übrigen — von der Erneuerung des Maßwerks abgesehen — seit ihrer Errichtung unverändert sein werden. 1

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Zu Pforte vgl. unsere Abb. 78. Die Trinitatiskapelle ist der Raum über den nördlichen Querschiffskapellen. — Zu Haina vgl. Wilhelm-Kästner, 1924, Abb. 104 und S. 133. Zur Baugeschichte voii Marienstern vgl. Gurlitt, 1912, S. 142, und Magirius, Festschrift. Danach ist das Kloster 1248/49 von dem Geschlecht derer von Kamenz gegründet worden. Bereits 1259 sollen die Nonnen das Kloster bezogen haben, auch erhielten sie damals schon das Recht, Fremde in ihrer Kirche zu bestatten. 1264 wird ein Visitator des Zisterzienserordens für das Kloster bestellt, und es werden seine Besitzungen bestätigt. Bei diesem Anlaß heißt es von Bernhard von Kamenz: „cenobium construxit". 1264 wird demnach mindestens ein Teil des Klosters und ein benutzbarer kirchlicher Raum bestanden haben. Zur Frage der Datierung der Kirche vgl. Anm. 2, S. 72. Was das Kloster angeht, so wird man den Bau wie üblich mit dem Ostflügel begonnen haben. Demnach könnte dieser einschließlich der Kreuzkapelle, um die es hier geht, 1264 bereits fertiggestellt gewesen sein. Aus der Größe der Klosteranlage geht ja deutlich hervor, daß Geldmittel reichlich zur Verfügung standen. Für die Vermutung Gurlitts, S. 165, die Kreuzkapelle habe ursprünglich polygonal schließen sollen, während ihr heutiger platter Schluß mit dem Maßwerkfenster wohl erst der Zeit um 1300 entstamme, gibt es am Bau keine Anhaltspunkte, es sei denn, man nehme die geschrägte Nische, in der das Ostfenster sitzt, dafür in Anspruch. Da aber die Fenster des Kapitelsaals in ähnlichen Nischen sitzen, liegt es näher, auch in der Kreuzkapelle die Situation für original zu halten. Ein ursprünglicher — geplanter oder ausgeführter — polygonaler Schluß der Kreuzkapelle ist im übrigen schon deshalb unwahrscheinlich, weil diese Kapelle offenbar ursprünglich als Sakristei des Klosters gedacht war. Ihre Lage weist sie als solche aus. Sie lag ursprünglich am Nordende des Ostflügels, wie der schrägstehende Strebepfeiler an ihrer Nordostecke beweist. Die heutige Sakristei ist eindeutig nachträglich, gewiß erst 1677, angebaut worden. Auch die von Gurlitt, S. 153, in die Mitte des 13. Jahrhunderts datierten Fenster mit Kleeblattbogenschluß im Obergeschoß der Sakristei (Fig. 170 auf S. 153) können nicht mittelalterlich sein, obwohl sie in tiefen Spitzbogennischen sitzen. Ihre Gewändesteine zeigen barocke Scharrierung. Bei der Kleinheit der Öffnungen ist eine nachträgliche Überarbeitung der Oberfläche wenig wahrscheinlich. Obwohl das Auftreten einer gotisierenden Wand dieser Art im 17. Jahrhundert seltsam ist, scheint uns ihre Datierung ins 13. Jahrhundert ausgeschlossen. Gurlitt hat die Vermutung über den ursprünglich polygonalen Schluß der Kreuzkapelle wohl nur geäußert, weil ihm das Maßwerk des Ostfensters der Kapelle in die Zeit um 1300 zu gehören schien. Er stand vor der gleichen Schwierigkeit, wie wir mit den Kreuzgangarkaden in Meißen. Vom Baubefund her ist in beiden Fällen die Ursprünglichkeit der Situation das Naheliegende. Nun gibt es ein scheinbar gewichtiges Argument dagegen, daß der Ostflügel in Marienstern bereits vor Beginn der Bauarbeiten in Meißen entstanden sein könnte. Die Stilstufe, die sich an den vier Schlußsteinen in der Kreuzkapelle und im Kapitelsaal beobachten läßt, ist in Meißen durch den Schlußstein im Südflügel des Querschiffs oder durch den im Ostjoch des nördlichen Seitenschiffs vertreten. Diese Stilstufe ist damit eindeutig auf die Zeit um 1290 festgelegt, wie später zu zeigen sein wird. Ist also der Ostflügel des Klosters in Marienstern erst nach 1280 entstanden? Wir meinen, das aus zwei Gründen verneinen zu dürfen. 1. Die vier genannten Schlußsteine in Marienstern sind — soweit zu sehen — getrennt gearbeitete Zierscheiben, die der glatten Fläche des eigentlichen Schlußsteins untergeheftet wurden. Sie können also auch jünger sein als die Gewölbe. 2. Im Ost- und im Südflügel des Kreuzgangs sowie im Kapitelsaal treffen die Gewölberippen ohne Konsolen auf die ungewöhnlich schweren Gurt- und Schildbögen auf. Waren hier ursprünglich Gratgewölbe geplant? Doch selbst, wenn man diesen Schluß nicht zu ziehen bereit ist, bleibt unbestreitbar, daß im Unterschied zu dieser eigenartigen Bildung die Gewölbe im West- und Nordflügel des Kreuzgangs normal auf Konsolen ruhen, womit eine jüngere Planung erkennbar wird. Da der Nordflügel ein Teil der bestehenden Kirche ist, müßte er bald nach 1270 entstanden sein, wie in Anm. 2, S. 72, näher Meißner Dom

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Weitere Überlegungen zu den mit der Sakristeikapelle zusammenhängenden Fragen seien hier mehr anmerkungsweise mitgeteilt. Die Tatsache allein, daß die Tür, die von der südlichen Wendeltreppe in die Sakristeikapelle führt, die richtige Höhenlage für die Kapelle hat, die heute vermauerte Tür zum Chorumgang an der gleichen Treppe aber zu hoch liegt, so daß Stufen wieder nach unten nötig wurden, kann die erörterte Planänderung nicht begründen. An der Spindel ein und derselben Wendeltreppe lassen sich zwei Türen mit verschiedener Austrittsrichtung niemals in der gleichen Höhenlage anbringen, wie es hier eigentlich erforderlich gewesen wäre. — Beide Chorwendeltreppen haben innen die gleiche stufenförmige Abdeckung. Sie wurde sicher aus Bequemlichkeitsgründen gewählt. Auf den Plan einer Weiterführung der Treppen nach oben braucht man deshalb nicht zu 51 schließen. 1 — Das Gewölbe im Untergeschoß des Südostturms sollte ursprünglich weniger hoch aufsteigende Schildbögen erhalten. Ihre Ansätze sind, stark überschmiert, noch vorhanden. Rippen waren immer vorgesehen. Ob die andere Schildbogenform eine geringere Scheitelhöhe des Gewölbes nach sich gezogen hätte, bleibt unbestimmt. — Der Fußboden in der Turm- und Sakristeikapelle ist erneuert. Im Ostteil lag er, wie sich erkennen läßt, ursprünglich etwa 20 cm höher. 11. Meißen, Dom, Längsschnitt durch die ObergeschoßDie Eingangstür zeigte also keine Stolperkapelle südlich neben dem Chor schwelle, und das Altarpodest war nur etwa 11 halb so hoch wie heute. Gegenüber dem Turmraum ergab sich dann ein Niveauunterschied von rund 20 cm. Er konnte durch eine hohe oder zwei flache Stufen ausgeglichen werden. War das Fußbegründet wird. Ost- und Südflügel sind demnach älter, ihre Entstehung um 1250/60 also durchaus denkbar. Die Einwölbung dieser Teile könnte etwas später nachgeholt worden sein, doch könnte man auch nur die „Schluß-

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stein-Scheiben" um 1290 untergeheftet haben. Es seien hier schließlich noch einige Beobachtungen am Ostflügel mitgeteilt, die freilich zur Datierungsfrage nichts Entscheidendes beitragen. Sie bedürften zudem einer Überprüfung durch Beobachtungen ohne Behinderung durch Verputz. Sicher erkennbar ist, daß der Teil des Ostflügels südlich des Kapitelsaals ursprünglich ungewölbt war und zwei Geschosse enthielt, die zusammen die jetzige Höhe des Kreuzgangs besitzen. Die heutigen Gewölbe in diesen Räumen und die zugehörigen Strebepfeiler gehören ins 17. Jahrhundert. Sie sind vermutlich unter Äbtissin Katharina Benada in den 70er Jahren dieses Jahrhunderts eingezogen worden, also zusammen mit der Sakristei entstanden. Sie überschneiden die ursprünglichen Schlitzfenster des Obergeschosses, die auf der Ostseite relativ zahlreich, dicht gereiht, angeordnet waren, während auf der Südseite nur drei in der Mitte der Schildbögen der östlichen Gewölbefelder des Kreuzgangs vorhanden sind. Diese letztgenannte Tatsache läßt vermuten, daß mindestens schon bei Errichtung dieser Wand Höhe und Wölbung des Kreuzgangs feststanden. War das Obergeschoß mit den Schlitzfenstern das ursprüngliche Dormitorium, so hätte diese Anordnung die Unbequemlichkeit mit sich gebracht, daß die Nonnen, um auf ihren Betchor zu gelangen, ausgerechnet auf der Ostseite ihres Dormitoriums über eine anzunehmende, durch den Bau des 18. Jahrhunderts heute zerstörte Treppenanlage erst zum Obergeschoß des Kreuzgangs heraufsteigen mußten. Oder war dem heutigen — sicher sehr späten — zweiten Obergeschoß ein leicht gebautes des 13. Jahrhunderts vorausgegangen, das dann bereits als Dormitorium diente? Hing die Erhöhung der Proportionen demnach doch mit einer Planänderung zusammen, die mit der Planänderung beim Kirchenbau — vgl. Anm. 2, S. 72 — zusammenfallen könnte? Anders, in seiner eigentlichen Meinung nicht ganz klar, Gurlitt, 1919, S. 43.

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bodenniveau im Turmraum, etwa im Zusammenhang mit dem flacher aufsteigenden Gewölbe darunter, ursprünglich niedriger gedacht, so hätte der Unterschied auch ganz verschwinden können. Möglicherweise hat man einen geringen Unterschied dann doch in Kauf genommen, weil beide Raumteile vermutlich unterschiedlichen Zwecken dienten, der östliche vor allem als Kapelle, der westliche als Schatzkammer, Archiv, Vestiarium oder dergleichen. — Die Gewölbe beider Raumteile sind aus Bruchstein, nicht östlich aus Ziegeln, westlich im Turm aus Haustein, wie Gurlitt irrtümlich angibt. 1 Sie werden also insgesamt dem 13. Jahrhundert angehören. — Als weitere Argumente für die gleichzeitige Errichtung von Turm und anstoßender Obergeschoßkapelle wurden schon von mir genannt: 1. der innen über die Grenze von Turm und Anbau gleichmäßig 11 hinweggreifende Quaderverband, 2. die originale, aus dem Turm auf den Dachboden des Anbaus führende Tür. 2 — Die Tür zwischen Chor und Kreuzgang zeigt auf der Kreuzgangseite eine auffällige Verschiedenheit am Profil der sie rahmenden Sockelstücke. Das westliche Profil ist wie üblich aus der rechtwinkligen Umknickung des Sockels entwickelt, während das östliche das Sockelprofil des Strebepfeilers fortführt. Diese Verschiedenheit ist ursprünglich weniger in die Augen gefallen, weil wahrscheinlich auf der Höhe des östlichen Portalgewändes eine Stufe das Kreuzgangstück vom Chorumgang trennte. Daß der Boden im Kreuzgangstück jetzt zu hoch liegt, ergibt sich deutlich aus dem Chorsockel. Östlich der voraussetzlichen Stufe ruht das Sockelprofil auf einer hohen Bank, westlich davon scheint die Bank zu fehlen, sie wird aber nur durch den aufgehöhten Boden verdeckt. Wenn trotzdem der obere Teil des Profils beiderseits in gleicher Höhe liegt, so erklärt sich das daraus, daß der Sockel am Westjoch des Chors um eine Schräge unten bereichert ist, die am Rechteckjoch und am Polygon fehlt. Kehren wir zu der Feststellung zurück, daß die Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit der Sakristeikapelle im Süden am besten durch eine — wenn auch frühe — Planänderung erklärt werden, und betrachten wir die entsprechende Stelle auf der Nordseite.3 Auch hier ist die Deutung der Befunde schwierig. Sicher dürfte sein, daß man hier von vornherein an eine etwas andere Lösung als auf der Südseite gedacht hat. Der Chorstrebepfeiler an der Nordostecke des Jochs mit dem sechsteiligen Gewölbe hat nämlich nicht die Breite seines südlichen Partners, sondern nur die Breite der anderen Chor streben. Daher hat auch der Durchgang durch diese Strebe nur die normale Breite.4 Um zur bedeutend breiteren Öffnung im Nordostturm zu vermitteln, hätte es besonderer 4 2 , 4 5 , 4 7 Vorkehrungen bedurft. Nun lassen aber weder die Westseite des Strebepfeilers noch die Ostwand des Turmes die geringsten Spuren erkennen, die von Ansätzen für eine seitliche Begrenzung des unteren Chorumgangs herrühren könnten. Man muß also von Anfang an auf die Fortführung der Umgangsarkaden an dieser Stelle verzichtet haben. Eine Erklärung für diese seltsame Tatsache vermag ich nicht zu geben. Da aber sowohl die Tür zur nördlichen Sakristei wie auch die — heute 1 3 4

2 Vgl. Lehmann, 1965, S. 278. Vgl. Gurlitt, 1919, S. 25. Vgl. Gurlitt, 1919, Fig. 3 8 - 4 3 auf S. 2 9 - 3 1 sowie unsere Abb. 8. Diese Feststellung ist nicht nur auf der Westseite dieses Strebefeilers in dem kleinen Höfchen zwischen Dom und Albrechtsburg zu treffen (vgl. Abb. 42), sondern auch auf seiner Ostseite in der heutigen Sakristei, w o die unteren Teile der Strebepfeileröffnung noch als Kaminwangen verwendet worden sind. — Die Verbreiterung des Pfeilers im 19. Jahrhundert ist auf den Grundrissen nicht gesondert gekennzeichnet.

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vermauerte — Tür zur Spindeltreppe für die oberen Geschosse des Nordturms nur erreicht werden konnten, wenn in Höhe des oberen Chorumgangs eine Verbindung zwischen diesen Türen und dem oberen Austritt aus der nördlichen Chorspindeltreppe bestand, muß man hier wohl von vornherein mit einer Konstruktion auf Konsolen gerechnet haben.1 Daher dürfte es die nächstliegende — bisher im übrigen nie in Zweifel gezogene — Annahme sein, daß der „Plattengang" die — möglicherweise zögernd gewählte — Lösung der Erbauungszeit darstellt, obwohl daran eine Reihe von Seltsamkeiten auffallen.2 Warum man eine so eigen1

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Die Notwendigkeit einer Verbindung zwischen den drei Türen würde hinfällig, wenn die Tür, die heute von Westen her in die nördliche Sakristei führt, zum Ursprungsbau gehört (Abb. 48). Dann hätten Sakristei und Turmtreppe durch eine Auskragung in Verbindung stehen können und ebenso die nördliche Chorspindeltreppe mit dem oberen Chorumgang. Gegen die Ursprünglichkeit der heutigen Tür von der Lettnerempore zur Bälgekammer, d. h. der alten nördlichen Sakristei, erheben sich jedoch gewichtige Bedenken. Die Tür sitzt nicht symmetrisch zur südlichen, auf die Turmtreppe führenden Tür, sondern weiter von der Mittelachse des Baues entfernt, so daß eine erheblich breitere Konsole den Ubergang vom ursprünglichen Lettner zu dieser Tür hätte vermitteln müssen. Sie ist breiter als die südliche Tür und ohne deren Schrägprofil, sie ist auch erheblich höher. Da zudem der Boden der nördlichen Sakristei niedriger liegt als die Lettnerbühne — im Gegensatz zum Antritt der Turmtreppe im Süden —, ergibt sich eine mißgestaltete, ungewöhnlich steile Türöffnung auf der Seite des Innenraums. Die verputzten Gewände der Tür lassen erkennen, daß sie nicht ursprünglich sind. Schon das könnte genügen, den nachträglichen Einbruch der Tür zu beweisen. Nähme man an, um diesen einfachsten Fall noch immer zunächst auszuschließen, die Tür hätte ursprünglich nur die Breite der entsprechenden südlichen gehabt und sei später einmal erweitert worden — was die abgearbeiteten Gewände ja auch erklären würde —, so würde die ursprüngliche Form der Tür noch unerfreulicher. Man müßte dann annehmen, man habe die Öffnung auch nach oben erweitert. Freilich überdeckt, wenigstens auf der Innenseite, ein in der Achse sitzender Quader die Öffnung der Tür. Da dieser aber nicht als Sturz hervorgehoben erscheint, worauf man bei der entsprechenden südlichen Tür nicht verzichtet hat, liegt doch wohl die Annahme näher, daß man wegen dieses Quaders die Türöffnung an eben diese Stelle gerückt hat. Wenn man einmal davon absieht, daß der Plattengang eine beim Holzbau übliche Konstruktion in Stein nachbildet, so bleibt auffallend, daß er die untere Strebepfeileröffnung überschneidet, obwohl seine Lauffläche etwa 40 cm höher liegt als die des übrigen oberen Chorumgangs. Weiter fällt auf, daß die äußeren Steinstreben unnötigerweise seitlich unmittelbar neben den Strebepfeiler bzw. die Turmlisene gerückt sind (Abb. 8,42). Oberhalb des Ganges häufen sich Unregelmäßigkeiten im Verlauf der Lagerfugen, und oberhalb der Konsolen für die Bedachung des Ganges, die nach Gurlitt mit den Konsolen dem 19. Jahrhundert angehört, ist die Wandstärke des Chors spürbar verringert. Vor allem aber sind seitlich neben den Platten, die den Laufboden bilden, im Strebepfeiler und in der Turmwand Backsteinausflickungen erkennbar (Abb. 42,45,47). Auf der Turmseite greifen diese Ausflickungen zusammen mit einem Teil der Platte selbst erheblich den Scheitel des Mauerbogens der östlichen Turmöffnung an. Andererseits sind die Platten schmaler als der übrige obere Chorumgang, so daß die Sakristeitür und die obere Öffnung im Strebepfeiler zum Teil ins Leere gehen. Nun machen aber die mächtigen Konsolen mit ihren Streben durchaus den Eindruck, daß sie im originalen Quaderverband stehen und nur beim Aufbau der Wand an ihren Platz gekommen sein können. Es fragt sich deshalb, ob sich für die genannten Seltsamkeiten nicht Erklärungen finden lassen, so daß die Ursprünglichkeit des Plattenganges nicht in Frage gestellt zu werden braucht. Überschneidungen der Öffnungen finden sich ganz ähnlich auch auf der Südseite des Chors. Die höhere Lage des Plattengangs gegenüber den anderen Teilen des oberen Chorumgangs könnte sich aus der Rücksichtnahme auf die Sakristeitür erklären, für die dennoch zwei vermittelnde Stufen notwendig blieben. Die Vielzahl der Konsolen, die ihr Heranrücken an die seitlichen Begrenzungen zur Folge hatte, ist wie ihre Größe offenbar als eine Art Ausdrucksmittel gewollt: Demonstration der Solidität. Die springenden Lagerfugen oberhalb des Ganges ergaben sich daraus, daß beiderseits von den Türöffnungen her gebaut und das Zwischenstück danach geschlossen wurde. Daß die Wand des Chors in ihrem oberen Teil etwas erleichtert wird, ist an einer so wenig sichtbaren Stelle nichts Besonderes. Mehr Schwierigkeiten macht die Schmalheit des Plattengangs im Verhältnis zu den Öffnungen, die auf ihn führen. Die größere Breite der Sakristeitür freilich war dadurch überbrückt, daß die untere der beiden Stufen, die zur Tür führen, in Art einer Konsole weit nach Norden vorsprang. Sie ist heute fast zu zwei Dritteln weggeschlagen, doch

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artige und wie eine Notlösung anmutende, in ihrer Art jedoch auch wieder so aufwendige Gestaltung wählte, bleibt wiederum ungeklärt. Von einer wesentlichen Planänderung kann jedenfalls auch an dieser Stelle nicht gesprochen werden. Wenden wir uns nun zur Betrachtung des Querschiffs! Gurlitt hat das Querschiff nicht nur wegen des fehlenden Wandsockels, sondern auch deshalb für früh gehalten, weil er meinte, es sei ursprünglich nicht für Wölbung gedacht gewesen. Um diese ausführen zu können, sei es zuvor um etwa 2 m aufgestockt worden. 1 Gurlitts Argumente für diese Annahmen lassen sich alle widerlegen. Die Strebepfeiler am Quer schiff und die ihnen entsprechenden Runddienste innen sind ursprüng-

31,63

lieh und beweisen, daß die Wölbung von Anfang an vorgesehen war. Die Strebepfeiler sind zwar auffallend schwach und schlicht. Daß die Gewölbe aber bis heute ohne Schäden gestanden haben, beweist ja, daß stärkere Streben unnötig waren. Auch von einer nachträglichen Aufstockung kann keine Rede sein. Wenn aus der Flucht der Ostwand des südlichen Kreuzarms in der Ecke zwischen Querschiff und Südostturm Bindersteine herausragen, die offenbar mit dem Südostturm zusammen aufgemauert wurden, in den obersten zwei Metern dieser Wand die Flucht jedoch einheitlich durchgeführt erscheint, so dürfte sich das daraus erklären, daß aus statischen Gründen zunächst der Turm aufgesetzt, die Querschiffwand jedoch erst später an ihn herangeführt wurde. Dabei hat man die vorgesehene Flucht ein wenig verfehlt. In dem oberen Teil konnte dieser Fehler vermieden werden, weil er zusammen mit dem entsprechenden Teil der Südwand des Turmes in einem Zuge nachgeholt wurde. Auch der Befund an der Nordwestecke des Querschiffs läßt nicht auf eine Aufstockung schließen. Auf ihn wird im Zusammenhang mit dem Hallenplan noch einzugehen sein. Das letzte Argument Gurlitts, die Fenster im Querschiff lägen alle auffällig tief, sticht ebenfalls nicht. Das große Fenster auf der Stirnseite des Südkreuzarms reicht bis dicht unter das Gewölbe

1

ist ihre ursprüngliche Größe noch erkennbar. Sie lag genau über dem Scheitel des Keilsteinrahmens der Öffnung in der Ostwand der Turmhalle darunter. Die Backsteinausflickung seitlich neben der darunterliegenden Laufplatte führt auf die Frage, ob der Plattengang nicht ursprünglich breiter war, ob er nicht einmal die Breite der Strebepfeileröffnung besaß. Alle Platten sind nämlich angestückt. Es wäre deshalb durchaus denkbar, daß die nicht in die Chorwand eingebundenen Teile der Platten einmal erneuert und dabei verkürzt worden sind. Mit dieser letzteren Annahme wäre die Situation auf der Strebepfeilerseite klar. Dort müssen ja ursprünglich zwei Stufen hinab-, nicht mehrere hinaufgeführt haben. Auf der Turmseite ist ein komplizierterer Prozeß denkbar. Der nördliche Teil der Platte neben dem Turm sieht neuer aus als alle anderen Laufgangplatten, er setzt sich auch ein wenig in der Höhe ab. Hier könnte eine zweimalige Erneuerung vorliegen. Die letzte hätte nach der teilweisen Beseitigung der darüber liegenden Treppenstufe dem Plattenstück die Breite der übrigen Platten gegeben. Die vorhergehende Erneuerung hätte dieser Platte zur Unterstützung jener Stufe die ursprüngliche Breite belassen, hätte sie aber im Gegensatz zur ursprünglichen Anordnung aus Sicherheitsgründen auch ein Stück in die Turmwand eingeschoben. Auf diese Weise wäre die ungewöhnliche Verletzung des Mauerbogens über der östlichen Turmöffnung erklärbar. Der südliche Teil dieser Platte dagegen konnte von Anfang an sowohl in die Chor- wie in die Turmwand eingeschoben werden, er brauchte den Mauerbogen darum nicht anzugreifen. Freilich: dieser komplizierte Prozeß ist nicht mehr als eine Hypothese, die zwar alle Seltsamkeiten an dieser Stelle erklären würde, die aber im einzelnen unbeweisbar bleibt. Die Wahrscheinlichkeit aber, daß der Plattengang — in etwas größerer Breite — der ursprünglichen Planung entspricht, scheint uns trotzdem sehr groß zu sein. Vgl. Gurlitt, 1919, S. 1 8 - 2 2 . So noch Gröger, 1929, S. 150, und Rauda, 1929, S. 21; seit Küas, 1937, ist die These des nachträglichen Wölbplans fallengelassen worden, obwohl Küas, S. 80, eine nachträgliche Erhöhung des Querschiffs noch für gegeben hält.

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herauf. Gurlitt hält es für nachträglich vergrößert. Der Fugenschnitt legt innen wie außen das Gegenteil nahe. Das Maßwerk des Fensters ist zwar seltsam und ungewöhnlich. Aber es ist mit seinen runden Pfosten im späten 13. Jahrhundert immer noch am besten unterzubringen. Auch das Maßwerk der seitlichen Hochchorfenster steht ja völlig isoliert. Die Notwendigkeit des großen Südfensters für die Beleuchtung im Querschiff ergibt sich im übrigen daraus, daß ja nur an dieser Stelle dem gesamten Querschiffraum Licht zugeführt werden konnte. Die nördliche Stirnseite mußte man wegen der nahen Burg geschlossen lassen. Ost- und Westseite des Südkreuzflügels waren verbaut, die Ostseite durch Stiftsgebäude — sie waren dort sicher mindestens vorgesehen—, 70 die Westseite durch den Achteckbau. Die dortige Öffnung war nie als Fenster, sondern immer als Blickverbindung zur oberen Achteckkapelle gedacht. 1 Die Ost- und Westseite des Nordkreuzflügels erhielten immerhin schmale Fenster. Sie mußten jedoch wegen des Seitenschiffs bzw. wegen des Turms weit nach außen gerückt werden und konnten daher mit Rücksicht auf die Schildbögen des Gewölbes nicht höher hinaufgreifen, als sie das jetzt tun. Ihre Größe und Lage ist also vom Gewölbeplan bestimmt. Die im Verhältnis zum Gewölbescheitel außerordentlich tiefsitzende Öffnung in der Nordwand des Querschiffs schließlich, die zur Zeit innen von der Orgel verdeckt ist, wurde schon von Härtung mit Recht für eine Tür gehalten, die auf eine Herrschaftsloge im Querschiff führte. 2 Sie ist möglicherweise erst mit der Albrechtsburg zusammen entstanden, da sie in der Achse des Galerieganges der Burg liegt und das Südportal in diesem Gange ihr in gleicher Größe vorgestellt erscheint. Lassen sich also am Aufbau der Querschiffwände keine Planänderungen feststellen, so liegt es 85 anders bei den Gewölben, wenn man die Ostteile insgesamt betrachtet. Nur die Gewölbe im Chor sind ganz einheitlich gebildet. Gewölbestützen und Gewölbebögen sind hier auch logisch aufeinander bezogen, insofern jeder Bogen auf einem Dienst aufruht. Schon an der Grenze zwischen Chor und Querschiff aber stimmt die Zahl der Stützen mit der Zahl der Gewölbebögen nicht mehr überein. Das trifft auch für die Gewölbe in den Kreuzflügeln zu, wo noch weitere Anomalien sich dar63 aus ergeben, daß in den äußeren Ecken statt der Dienstbündel einfache Runddienste stehen, auf denen sich die drei Gewölbebögen aufbauen müssen. Darüber hinaus stimmen im Querschiff die Profile der Gewölbebögen z. T. so wenig mit den Diensten darunter zusammen, daß manche Dienste statt unter einem Wulst gerade unter einer Kehle oder unter einem Karnies stehen und so ins Leere weisen. Dennoch darf man diese Unstimmigkeiten nicht überbewerten. 3 Schon das sicher planeinheitliche Chorgewölbe besitzt Gurtbögen, die fast die Breite von drei Diensten haben. Die Diagonalrippen überschneiden daher die kehligen Seitenteile der Gurtbögen in der Nähe der Gewölbeanfänger. Noch tiefer unten werden die Diagonalrippen ihrerseits vom Unterzug des Gurtbogens angegriffen. Das Spiel der sich überschneidenden Teile der Gewölbebögen 88 scheint fast als Reiz empfunden worden zu sein. In der sogenannten Magdalenenkapelle wird da1 2 3

Entgegen Gurlitt, 1919, S. 21 f. Vgl. Veröffentlichungen 3, 1908, S. 17. Das muß im Gegensatz zu den Feststellungen des Autors selbst (Lehmann, 1965, S. 283/85) gesagt werden. Die dort für die Abfolge der Planungen und des Bauverlaufs aus den Unstimmigkeiten in den Gewölben gezogenen Folgerungen sind z. T. unsicher, z. T. unzutreffend.

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durch, daß auf den Schmalseiten die Schildbögen die Unterlagen der Diagonalrippen überschneiden, auf den Langseiten aber die Diagonalrippen die Schild- und die Gurtbögen angreifen, dieses Prinzip geradezu, zu einer Ausdruckssprache erhoben. Hier werden also schon Tendenzen der Spätgotik im Ansatz vorausgenommen. Auch das „Fehlen" von Diensten an den Vierungspfeilern — wenn man von der Gliederung der Gewölbebögen ausgeht — mag daher noch nicht das Recht geben, von einer Planänderung zu sprechen, da dieses „Fehlen" im Gewölbeanfänger durch ähnliche, nur natürlich stärker in die Augen fallende Überschneidungen

12,31,64

ausgeglichen

wurde.1 Vielleicht darf man vielmehr annehmen, daß das für den Chor gewählte Stützensystem, das dort planmäßig aufging, unverändert auf das Querschiff übertragen wurde, ohne zu berücksichtigen, daß dort wegen der dreiteiligen Vierungsbögen Veränderungen am Stützen-

87

apparat nötig gewesen wären. Nur in der Vierung ging das System wieder auf, weil dort keine Schildbögen erforderlich waren, womit die entsprechenden Dienste zur Aufnahme des jeweiligen Teils des VierungsbogenUnterzugs zur Verfügung standen. Anders liegt es in den äußeren Ecken der Querschiff-

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flügel mit ihren einfachen Runddiensten. Hier wird sicher eine andere Planung erkennbar. Vielleicht ist auch die Profilierung der Vierungsbögen

gegenüber

älteren Absichten etwas verändert und daher die genaue Entsprechung von Pfeiler- und Bogengliederung ge-

12. Meißen, D o m , Gewölbeansätze über dem nordöstlichen Vierungspfeiler

stört worden. Doch muß auch beachtet werden, daß die fehlende Konkordanz zum Teil nur durch die wenig sorgfältige Führung der Bogenläufe hervorgerufen wird. Auf eine Stelle am östlichen Schildbogen des südlichen Kreuzarms ist noch besonders hinzuweisen: Ein wenig südlich des südöstlichen Vierungspfeilers verspringt der Schildbogen plötzlich und setzt sich, dichter an die Wand herangeschoben, bis zur Ecke des Kreuzflügels fort. Auch hier handelt es sich nicht um eine Planänderung, sondern um das Zeugnis abschnittsweisen Bauens. Nördlich vom Versprung war der Schildbogen mit dem Chor bzw. mit der Turmecke zusammen fertiggestellt worden, sozusagen als Gewölbeanfänger. Der Rest wurde von Süden her angesetzt, wobei man wegen des einfachen Runddienstes in der Querschiffecke dem Schildbogen keine so große Tiefe mehr zugestehen konnte. Im nördlichen Kreuzarm ist diese Unstimmigkeit bereits vermieden. 1

Die östlichen Vierungspfeiler haben beispielsweise neun Dienste. Erforderlich wären elf (Chorschildbogen, ChorDiagonalbogen, dreiteiliger östlicher Vierungsbögen, Vierungs-Diagonalbogen, dreiteiliger nördlicher bzw. südlicher Vierungsbögen, Querschiff-Diagonalbogen, Querschiff-Schildbogen). Die fehlenden Dienste wurden dadurch „eingespart", daß die Unterzüge zum Teil von den Kreuzrippen überschnitten wurden. Vgl. Abb. 12. Auch die Annahme eines Plans mit einfachen Vierungsbögen würde nicht weiterhelfen, denn dann wären nur sieben Stützen erforderlich. E s wären dann also zwei Dienste zuviel angeordnet worden.

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61,76

Deutlich ist der Planwechsel auf Grund anderer Formvorstellungen des leitenden Architekten am Lettner erkennbar. Die Dorsalwände im Chor und die nach Norden und Süden blickenden, kurzen Seitenwände außen gehören zusammen. Beide gehen im Entwurf auf das Naumburger Vorbild 77 zurück. Die westlichen Arkaden des Lettners dagegen sind feingliedriger, in ihrer Ordnung kom13,14 plizierter, sie häufen die Motive und bilden die Profile aus besonders tiefen Kehlen und scharf abgesetzten Birnstäben. 1 Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß die Gliederung der westlichen Schauwand des Lettners nach einer Unterbrechung der Arbeit an dieser Stelle nach einem gegen-

13. Meißen, Dom, Grundriß der Kämpferzone an der Südwestecke des Lettners

14. Meißen, Dom, Schnitt durch ein Dienstbündel an der Westfront des Lettners

61 über dem ersten Entwurf veränderten Plan geschaffen wurde. 2 Überraschend bleibt dabei, daß die nach Osten blickende Seite des Lettners Motive der älteren Formengruppe zeigt, vor allem die zwei 80 Nischen, die in ihren Profilen denen des Dorsale entsprechen. Ob der Laubfries am Treppenblock des Lettners zur älteren Formengruppe gehört, mag offen bleiben. Es ist also möglich, daß nur die westliche Arkadengliederung nach einem abgewandelten Plan nachgeholt wurde, während der Mauerkern mit den Türen und dem Schmuck der Ostseite bereits dem ersten Plan angehört. 69,70 Anlaß zu Überlegungen gibt schließlich auch das stilistische Verhältnis von Unter- und Obergeschoß des Achteckbaus zueinander. Zwar darf man sicher annehmen, daß beide Räume schon im ursprünglichen Plan vorgesehen waren. Während aber die Vorhalle unten in ihrer Wandgliederung zu den geistreichsten und schönsten Räumen des Meißner Doms gehört, ist die Johanniskapelle darüber in ihrer Durchbildung wesentlich schlichter und auch in den Proportionen etwas weniger steil. Das Gerüst der Gewölbeträger ist oben vor glatte Wände gestellt. Es fehlt der Schmuck der Blendarkaden und Blendnischen, wie auch die zweifache Bezeichnung der Kämpferpunkte in den Schildbögen. Da aber die Profile oben und unten kaum differieren 3 und auch die Einzelheiten oben nur einfacher, nicht wirklich entwickelter sind, da zudem angenommen werden 1 2 3

Vgl. Gurlitt, 1919, Fig. 9 5 - 1 1 2 auf S. 6 4 - 6 9 . Rauda, 1928, S. 29, kehrt das zeitliche Verhältnis der Lettnerteile um. Vgl. Gurlitt, 1919, Fig. 116/20 auf S. 73 und Fig. 158/63 auf S. 96f.

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muß, daß das Obergeschoß des Achteckbaus ebenso im Zusammenhang mit den anstoßenden Teilen von Querschiff und Seitenschiff errichtet worden ist wie das Untergeschoß, muß man doch wohl schließen, daß beide Geschosse des Baues verhältnismäßig kurz nacheinander und im ganzen auch planeinheitlich errichtet worden sind. Die Vereinfachungen des Systems oben erklären sich offenbar daraus, daß man in der Vorhalle unten festliche, repräsentative Pracht entfalten wollte, während der Torkapelle oben trotz ihres sakralen Charakters eine bescheidenere Rolle zufiel und ihre Dekoration daher zurückhaltender gestaltet wurde. Eine wirkliche Planänderung begegnet uns schließlich an der Grenze zwischen den Ostteilen und dem Langhaus. Sie betrifft zwar die Ostteile nur relativ wenig, ist aber für die Baugestalt des Domes als Ganzem von so entscheidender Bedeutung, daß auf sie näher eingegangen werden muß: der Übergang von der Basilika zur Halle im Langhaus. Daß die Ostteile des Domes mit der Absicht entworfen wurden, ihnen ein basilikales Langhaus anzuschließen, kann nicht zweifelhaft sein. Schon die Tatsache, daß man ein normales, vortretendes

30, 54

Querschiff anlegte, macht das wahrscheinlich.1 Das ausgeführte basilikale Seitenschiffsjoch auf der Südseite macht es offensichtlich. Weiter zeigt das umlaufende Hauptgesims an der Johanniskapelle, daß diese turmartig südlich neben dem basilikalen Seitenschiff frei in die Höhe ragen sollte; und ebenso beweist das bis zur Südwestecke der Vierung durchlaufende Kranzgesims an der Westwand des Querschiffs, an dem sogar noch das Eckstück erhalten ist, das als Anfänger für das Kranzgesims der ehemaligen Obergadenwand zu dienen hatte, daß diese Querschiffswand in ihren oberen Teilen bis zum Mittelschiff hin auf Sicht berechnet war. Das alles ist bekannt.2 Es ist jedoch zu bemerken, daß alle diese Merkmale für den Basilika-Plan am Südflügel des Querschiffs in Erscheinung treten, und zwar natürlich auf dessen Westseite. An der entsprechenden Stelle am Nordflügel dagegen fehlen, wie wir meinen, Anhaltspunkte dafür, daß man auch dort noch an eine Basilika gedacht hätte. Für ein basilikales Langhaus wäre das schlanke, schmale Fenster in der Querschiffswestwand 31 überaus seltsam und ungewöhnlich. Nur bei einem Seitenschiff in der heute gegebenen Höhe ist seine Form sinnvoll. Das Fenster nützt — was wegen der öffnungslosen Nordwand des Querschiffs wichtig ist — den zur Verfügung stehenden Raum voll aus. Es berücksichtigt unten die Sockelhöhe des Langhauses und oben den Schildbogen des Quer schiffgewölbes. Allerdings zeigt das Fenster außen im oberen Teil seines nördlichen Gewändes Spuren einer Erneuerung, und ganz seltsam sieht die Bildung des Spitzbogens aus. Das südliche Gewände ist dagegen ungestört. Auch die Innenseiten der Gewände bestätigen nicht den Verdacht, man habe das Fenster später einmal nach oben verlängert. Man beobachtet dort nur, daß nördlich die Ge1

Man kann nicht sagen, die Anlage eines Querschiffs sei ein s i c h e r e s Kriterium für die Absicht, das Langhaus als Basilika zu errichten, mindestens nicht im 13. Jahrhundert. Die frühen Hallenkirchen halten oft noch am Querschiff fest, und zwar nicht nur wie in Meißen und Marburg, weil man ursprünglich an eine Basilika dachte. Als Beispiel sei die Severikirche in Erfurt genannt, die trotz der Hallenform ihre beiden Querschiffe beibehält. Rudolph, 1930, S. 156, prägte mit Recht — in bezug auf die Marienkirche in Mühlhausen — den Begriff des „entwerteten Querhauses".

2

Vgl. Gurlitt, 1919, S. 75.

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wändesteine der unteren Fensterhälfte seitlich wenig einbinden, während der obere Teil und wieder das ganze südliche Gewände einheitlich erscheinen. Diese zum Teil sich scheinbar widersprechenden Beobachtungen liefern jedenfalls insgesamt keine sicheren Hinweise für eine spätere Veränderung der Fenstergröße, sie dürften sie sogar ausschließen. Sicher dürfte auch sein, daß die Aus-

Sockelstreifen mit Strebepfeilern an den vier Ostjochen der Nordseite als zugehörig vorausgesetzt (zur Demonstration der Unmöglichkeit des Vorschlags)

flickungen, die man außen über dem Fenster erkennt — Nord- und Westwand des Kreuzarms haben dort, mindestens in ihrer Quaderverblendung, keinen Verband mit den Sicherungsarbeiten zusammenhängen, die zu Beginn unseres Jahrhunderts an den Querschiffgewölben notwendig wurden.1 Gehört aber das betrachtete Fenster zum Hallenplan, so gilt das für die ganze Westwand des nördlichen Kreuzflügels. Denn südlich folgt auf dieses schmalhohe Fenster die hohe Öffnung, die das ausgeführte nördliche Hallenschiff einleitet und die beiderseits auf Pfeilern ruht, die absatzlos in die Höhe geführt sind. Hier erinnert nichts mehr an den Basilikaplan. 1

Falsche Dachkonstruktion hatte die Querschiffgewölbe über Gebühr belastet und in den Querschiffwänden Risse verursacht. Vgl. Veröffentlichungen 5, 1913, S. 24. Ebendort wird auf S. 6 davon gesprochen, daß die Südwand des Querschiffs 14 cm aus dem Lot gewichen sei. Vermutlich ist das ein Druckfehler für Nordseite. Die nördliche Querschiffwand ist mit Eisenankern gesichert worden, an der südlichen ist das nicht zu beobachten.

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Das gleiche meinen wir auch für die Langhausnordwand sagen zu können. Die vier ersten Joche 33 von Osten gehören hier zusammen. Dann folgt eine deutliche Baufuge. Mindestens bis zu zwei Steinlagen unterhalb des Kaffgesimses ist diese Wand, zusammen mit ihren Strebepfeilern, sichtbar in einem Zuge entstanden, sie kann freilich auch im ganzen einheitlich sein. Aber schon der

vorausgesetzt (zur Demonstration der Unmöglichkeit des Vorschlags)

gewiß einheitliche untere Teil schließt die Zugehörigkeit zu einer basilikalen Planung aus. Die kräftigen Strebepfeiler lassen die Annahme eines spätromanisch gedachten Entwurfs nicht zu. Für frühgotische Fenster ist aber über einem so hohen, ungegliederten Wandteil, der etwa die Hälfte der gesamten zur Verfügung stehenden Höhe des Schiffes einnimmt, schwerlich Platz.1 Obwohl an 15,16 diesen vier Langhausjochen wie am Querschiff selbst ein Wandsockel fehlt, können die Joche auch in ihren unteren Teilen erst entstanden sein, als der Hallenplan schon feststand. Ergänzend ist zu sagen, daß bei der Begegnung von Querschiff und Nordseitenschiff die Lagerfugen in gleicher Höhe durchlaufen, oberhalb des Kaffgesimses sogar besonders exakt. Beide Wände 1

Die Rekonstruktionszeichnungen beider Möglichkeiten (Abb. 15 und 16) zeigen deutlich deren Unerfreulich-

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dürften daher miteinander oder doch kurz nacheinander errichtet worden sein. Darüber hinaus hätte die Aufgabe, die verschiedenen Aufrißsysteme der beiden Wände — die glatte Querschiffswand und die stark plastisch durchgegliederte Seitenschiffswand mit dem Laufgang — in allmählicher Angleichung aufeinander zuzuführen, nicht besser gelöst werden können. Einfach aus dieser Absicht heraus ist wohl auch der strebepfeilerartige Ansatz der Seitenschiffswand gewählt worden, der das erste Langhausfenster fast zur Hälfte aufzehrt, aber dadurch sozusagen ein stufenweises Aufhören des Laufgangs ergibt. Die Nordflucht des „Strebepfeilers" liegt genau da, wo sie nach dem System der folgenden Jochwände liegen muß, nämlich bündig zur Südflucht der Strebepfeilerdurchlässe. An dieser Stelle beginnt das Profil der Fensteröffnungen. Zusammengefaßt zeigt sich also, daß man beim Aufbau des südlichen Kreuzarms mit einem basilikalen Langhaus rechnete, beim Aufbau des nördlichen — mindestens bei der Errichtung seiner Westseite — mit einer Halle. Wann ist demnach der Übergang zum Hallenplan erfolgt? Dieser Zeitpunkt läßt sich mit Hilfe der Urkunden verhältnismäßig genau festlegen. 1287 war der südliche Kreuzarm für die Laien zugänglich und also unter Dach. Doch war er wohl noch nicht gewölbt, denn erst 1291 wird er, wie auch die Johanniskapelle, in volle liturgische Nutzung genommen. Ende des Jahres 1292 oder Anfang des folgenden Jahres weiht Bischof Withego I. den Nikolaus- und Laurentius-Altar, der vor dem nordwestlichen Vierungspfeiler gestanden haben muß. Dennoch wird der Altar erst seit 1298 wirklich genutzt. Schon im März 1293, bald nach der genannten Altarweihe, stirbt Bischof Withego und wird zwischen den beiden westlichen Vierungspfeilern beigesetzt. 1 Aus diesen Nachrichten läßt sich ungefähr der folgende Bauvorgang rekonstruieren: 1287 muß der südliche Kreuzflügel mit den beiden Geschossen des Achteckbaus und dem ersten südlichen Langhausjoch gestanden haben. 2 Bis 1291 hatte man diese Teile auch gewölbt. 3 Bis Ende 1292 dürfte auch die Vierung und der nördliche Kreuzarm gewölbt gewesen sein, sonst hätte man wohl nicht daran gedacht, bereits Altarstiftungen in der ersten Travée des Langhauses zu vollziehen und unter dem westlichen Triumphbogen zu bestatten. 4 Die rasche Wölbung des gesamten Querschiffs in den Jahren 1291/92 läßt vermuten, daß bereits zwischen 1287 und 1291 die Seitenwände des nördlichen Kreuzarms errichtet wurden. Wegen der Altarstiftung und -weihung müssen 1292 auch die Stützen der ganzen ersten Langhaustravée und vielleicht die vier östlichen Joche der Langhausnordwand gestanden haben. Wenn trotzdem diese Travée erst 1298 fertig gewölbt ist — obwohl ihr südliches Joch bereits 1291 eingedeckt war —, so ist diese Pause dadurch erklärt, daß in der 1 2

3

4

Zu diesen Angaben vgl. Schubert in diesem Bande, S. 27 —30. Dieser aus dem Zusammenhang der Johanniskapelle mit dem Querschiff sich eindeutig ergebende Schluß beweist, daß die Kapelle nicht erst unmittelbar vor ihrer Dotierung im Jahre 1291 errichtet worden sein kann, wie das „de novo constructam" der Urkunde nahelegen könnte. Denkbar ist natürlich, daß die Wölbung der Kapelle erst zusammen mit der Wölbung des Querschiffs 1291 erfolgt ist. Notwendig ist diese Annahme aber keineswegs. Für den Südkreuzarm und die Johanniskapelle ist das wegen der Altarstiftungen sicher. Für das Seitenschiffsjoch ist es nicht beweisbar, aber naheliegend. Die Grabstelle Withegos I. liegt nach Gurlitt, 1919, Fig. 323 auf S. 242, etwas nach Südwesten aus der Mitte zwischen den beiden westlichen Vierungspfeilern verschoben. Ein Grund für diese etwas seltsame Platzwahl ist nicht ohne weiteres zu erkennen.

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Zwischenzeit die Klausur mit der prächtigen Kapitelskapelle „Allerheiligen", der sogenannten MariaMagdalenenkapelle, entstand.1 Die Gelegenheit des Bischofswechsels war wohl von den Domherren dazu benutzt worden, die Errichtung dieser für sie wichtigen Gebäude voranzutreiben. 1296 war die Allerheiligenkapelle vollendet. Erst danach, also etwa 1297, wird man die Arbeiten im ersten Langhausjoch wieder aufgenommen haben. 1298 war mit dem Abschluß dieser Arbeiten der erste große Bauabschnitt am neuen Meißner Dom vollendet. Aus diesen Überlegungen ergibt sich für unsere Frage: 1287 setzte man noch das umlaufende Kranzgesims auf das Obergeschoß des Achteckbaus und ebenso das Kranzgesims bis zum Anstoß des Mittelschiffs auf die Westwand des südlichen Kreuzflügels. 1287 rechnete man noch mit der Basilika. 1291 wölbte man diesen Kreuzflügel. Das setzt voraus, daß der südwestliche Vierungspfeiler statisch gesichert war. Der Diagonalschub des Gewölbes mußte durch eine Abstützung im Westen und Norden abgefangen werden. Westlich konnte über der ersten Seitenschiffsarkade ein entsprechendes Stück der Hochwand die Verstrebung besorgen, nördlich aber mußte der Vierungsbogen bereits errichtet sein, was wiederum das Vorhandensein des nordwestlichen Vierungspfeilers voraussetzt. Dieser ist aber bereits im Sinne des Hallenplans gestaltet. Das heißt: zwischen 1287 und 1291 hat sich der Planwechsel vollzogen. Das ist, gemessen an den bisherigen Vorstellungen, überraschend spät.2 Bevor wir unsere Betrachtungen zur Bau- und Planungsgeschichte abschließen, seien noch kurz einige Einzelheiten erörtert, die mit dem Übergang von der Basilika zur Halle zusammenhängen. Von der Wendeltreppe, die zur Johanniskapelle hinaufführt und die daher sicher noch zum Basilikaplan gehört, 3 zweigen in Richtung auf das Seitenschiff zwei Nebentreppen ab, deren Austrittsöffnungen zum Seitenschiff heute vermauert sind. Die untere führte nach Schäfer auf eine in das Seitenschiff vorragende Kanzel, nach Härtung ist diese Erläuterung nur als Vermutung anzusehen.4- 68 Die Austrittsöffnung dieser Treppe kann nicht beurteilt werden, da sie von einem RenaissanceEpitaph und dazugehöriger Wandmalerei verdeckt ist. Auch Härtung und Schäfer können sie nicht gesehen haben. Nun erscheint eine im Seitenschiff befindliche Kanzel zunächst sehr ungewöhnlich. Lieber würde man an den Zugang zu einem inneren Laufgang denken, der in Anlehnung an das 1

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4

Zur Gleichsetzung der sogenannten Maria-Magdalenenkapelle mit der Allerheiligenkapelle, die als Kapitelsaal diente, vgl. Lehmann, 1965, Anm. 41, S. 298f., und ausführlicher Schubert in diesem Bande S. 25—27. Gurlitt, 1919, S. 83, hatte nur eine allgemeine Festlegung „nach 1260" gewagt. Küas, 1937, S. 91, führte als erster als wahrscheinlichen „terminus post" das Hauptweihedatum der Marburger Elisabethkirche ein, 1283. Er kam damit der Wahrheit nahe, auch wenn er an eine Planänderung noch im gleichen Jahr oder doch sehr bald danach dachte. Lemper, 1955, S. 30f., veränderte diesen Ansatz auf „vor 1283". Mrusek ging wieder noch weiter zurück. 1957, S. 47, setzte er „noch vor 1266" an, 1958, S. 133, vorsichtiger, kurz vor oder nach 1266. Reichel, 1964, S. 42, griff auf die Meinung Lempers zurück, „vielleicht schon . . . v o r " 1283. Ein kleines Stück westlich der Treppenspindel deuten auf der südlichen Außenseite des D o m s springende Fugen eine Bauunterbrechung an dieser Stelle an. Die Grenze wird oben durch das Fenster der Halle abgeschnitten. Sie könnte die Stelle bezeichnen, bis zu der im Süden nach dem Basilikaplan gebaut wurde. Vgl. Schäfer in Veröffentlichungen 1, 1902, S. 18 — 26: „ V o n ihr aus betrat man auch eine im Seitenschiff schwebende steinerne Kanzel. Die Reste von ihr werden zur Zeit durch ein vor der Seitenschiffswand angebrachtes steinernes Kenotaphium verdeckt", sowie Härtung in Veröffentlichungen 3,1908, S. 22: „Auf halbem Wege" zur Johanniskapelle „findet sich eine jetzt vermauerte Tür, deren Spuren innen in der Umfassung des zweiten Joches noch zu sehen ist. Vermutlich führte sie auf eine kleine vorgekragte Kanzel."

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Vorbild des Laufgangs im Naumburger Westchor auf dem unteren Teil der Seitenschiffswand hätte innen entlang führen sollen. Eine solche Wandgliederung im Seitenschiff ist gerade in den Architekturbezirken nicht selten, aus denen der Baumeister des Naumburger Westchors seine Vorbilder schöpfte. 1 Da aber die Stärke der Seitenschiffswand nur knapp einen Meter beträgt, dürfte sich eine solche Rekonstruktion verbieten. 2 Es bleibt daher zu überlegen, ob nicht doch Schäfers Vermutung das Richtige trifft. Es müßte sich dann um eine Kanzel gehandelt haben, die für bischöfliche Verlautbarungen bestimmt war, also die Funktion des „pulpitum publicum" für den Bischof übernahm, während das Kapitel den Lettner für diese Zwecke benutzt haben dürfte. Auch an anderen Kathedralen ist feststellbar, daß gewisse rechtliche oder liturgische Handlungen nur an bestimmten Stellen an oder auf dem Lettner ausgeübt werden konnten und daß diese Stelle wechselte, je nachdem der Bischof oder das Kapitel der Ausübende war. 3 Daß der Ort dieser „Kanzel" in Meißen auf die Südseite gelegt war, könnte insofern sinnvoll erscheinen, als die Südseite gleichsam als bischöfliche Seite galt. Führte doch der Weg des Bischofs bei feierlichen Anlässen aus seinem Palast an der Südostecke des Dombergs durch die Prachtpforte des Achteckbaus und die südliche Lettnertür, den „introitus episcopi", zu seinem Platz im Chor. 4 Aber natürlich kann eine solche Erklärung nur mit allem Vorbehalt erwogen werden. Anders liegt es bei der oberen Nebentreppe. Sie zweigt fünf Stufen oberhalb des Eintritts in die 68 Johanniskapelle ab. Ihre Austrittsöffnung markiert sich noch deutlich in der Seitenschiffswand. Sie liegt ein wenig unterhalb eines schwachen Mauerabsatzes, der sich horizontal, langsam verlaufend, vom ersten Fenster des heutigen Hallenseitenschiffs bis zur Querschiffswand hinzieht. Dieser Absatz muß, entsprechend seiner Höhenlage im Verhältnis zum Anschlag des basilikalen Seitenschiffsdaches an der Querschiffwand, die Mauerkrone der Seitenschiffswand der geplanten Basilika bezeichnen. 5 Die Nebentreppe hat also in den Dachraum des südlichen Seitenschiffs der Basilika führen sollen. Die Öffnung besaß ohne Zweifel ursprünglich keinen oberen Abschluß. Sie sollte nur einen Durchschlupf unter der Dachkonstruktion des Seitenschiffs bieten. Durch den Übergang zum Hallenplan wurde der Nebentreppe dieser Sinn genommen. Sie bot sich aber nun 1

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Es seien hier als Beispiele nur die Kathedralen von Reims, Siez (Orne), Auxerre, Toul, Metz und Straßburg genannt, sowie das Münster zu Freiburg i. Br. Auch die Trierer Liebfrauenkirche zeigt das Motiv. Seine Verbreitung reicht also von der Normandie über die Champagne und Burgund bis nach Lothringen und ins Elsaß. Alle genannten Beispiele gehören ins 13. Jahrhundert, die frühesten, Reims und Auxerre, noch in die 1. Hälfte des Jahrhunderts. - Vgl. Dehio-Bezold, 1884-1901, Taf. 384,388,394,396,458, 461,462, und Zimmermann, 1956, S. 274. Am Naumburger Westchor beträgt die reine Wandstärke unten z. B. 1,30 m. Diesen Hinweis verdanke ich Frau Dr. E. Doberer, Wien, der dafür auch an dieser Stelle herzlich gedankt sei. Als Beispiele solcher Teilung der Machtsphären können genannt werden: Die Kathedrale von Amiens, wo der linke Teil des Lettners mit den Stufen davor nur für die Rechtsprechung des Bischofs, der rechte nur für die von Dekan und Kapitel, die Mitte aber für die beider Teile gemeinsam bestimmt war. So festgelegt in einem Vergleich zwischen Dekan und Kapitel vom 16. 4. 1395. Vgl. Durand, 1903, S. 4. Im Markusdom zu Venedig zeigte sich der neugewählte Doge auf dem südlichen Ambo dem Volk. Vom gleichen Ambo aus erfolgten auch die feierlichen Heiltums-Vorweisungen, während der doppelgeschossige nördliche Ambo den üblichen liturgischen Lesungen diente. Vgl. Lorenzetti, 1952, S. 34 und 40. Vgl. Gurlitt, 1919, S. 63. Das Kranzgesims der Wand ist natürlich bei den Veränderungen anläßlich der Einführung des Hallenplans abgenommen worden.

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für einen neuen Zweck an. Um das hallenmäßig hohe Seitenschiff einheitlich bis zum Querschiff durchführen zu können, mußte man den Raum über dem „basilikalen" Joch zu einer Art Empore ausbauen. Um dahin zu gelangen, ließ man die obere Nebentreppe auf einen balkonartigen hölzernen Austritt münden, von dem aus eine Holztreppe, an die Seitenschiffswand angelehnt, auf jene Empore hinaufgeführt haben muß. Die Balkenlöcher jenes „Balkons" sind noch in der Wand erkennbar. Auch der nun notwendige Sturz über der etwas erhöhten Öffnung zeichnet sich noch ab. Heute betritt man jenen Emporenraum bequemer direkt von der Johanniskapelle aus mit Hilfe einer Holztreppe durch eine Öffnung in der Nordwand der Kapelle. Die Öffnung ist zwar teilweise alt, sie ist aber sichtlich aus der nachträglichen Vergrößerung einer rechteckigen Luke entstanden. Sie hatte vor allem als Gliederungsmotiv ihren Wert. 1 Die Vergrößerung der Öffnung und ihre Zugänglichmachung durch ein Holzgerüst können erst aus nachreformatorischer Zeit stammen, als die Johanniskapelle ihren sakralen Charakter verloren hatte. Im Mittelalter muß der Weg zu der Empore oberhalb des „basilikalen" Joches stets über die besprochene obere Nebentreppe geführt haben. Die Einrichtung jenes Emporenraums wird im übrigen bald nach dem Übergang zum Hallenplan, also um 1300, erfolgt sein, wie auch seine Einzelformen — man vergleiche etwa den Schlußstein — klar ausweisen. Dieser gleichsam zufällig notwendig gewordene Raum war möglicherweise 94 durchaus willkommen. In spätgotischer Zeit hat man gern Emporen über den Haupteingängen der Kirchen als Musikoratorien oder bevorzugte Logen geschaffen. Wir können damit unsere Betrachtungen zur Planungsgeschichte der Ostteile des Meißner Doms abschließen. Die hier vertretene Ansicht von der Planeinheitlichkeit dieser Teile — Änderungen in Einzelheiten und den Übergang zum Hallenplan im Langhaus nicht gerechnet — mag zunächst überraschen. Die bisher geltende Ansicht, man müsse mit mehreren Bauphasen und Planänderungen rechnen, wurde vor allem mit dem scheinbar ungewöhnlichen Chorgrundriß und der Vielfalt der Einzelformen, die an den Ostteilen auftreten, begründet. Die folgenden Erörterungen wollen versuchen, diese Erscheinungen verständlich zu machen.

Zur Herkunft der Ein^elformen Wir fragen: Woher stammen die Baugedanken und die Einzelformen, die am Meißner Dombau des 13. Jahrhunderts zu beobachten sind? Am einleuchtendsten ist diese Frage für den Hochchor zu beantworten. Er ist vom Naumburger 55,56 Westchor im ganzen wie im einzelnen abgeleitet. Überraschend ist, daß diese naheliegende Tat- 5,17 1

Drei Schildwände der Kapelle waren von den eigentlichen Fenstern durchbrochen. Auf den folgenden drei Seiten rahmten glatte Wände die Öffnung über dem Altar zum Querschiff. V o n den beiden restlichen Wänden war eine von der Tür und die andere von der erwähnten Öffnung durchbrochen. Seltsam ist allerdings, daß die Öffnung keine Spuren eines Verschlusses erkennen läßt. Wie vermied man, daß das Regenwasser vom Pultdach des Seitenschiffs durch die Öffnung in die Kapelle strömte? Verband ein Querdach die Öffnung mit dem Dachraum des Seitenschiffs? Oder hat der Fensterrahmen nur keine Spuren hinterlassen?

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für einen neuen Zweck an. Um das hallenmäßig hohe Seitenschiff einheitlich bis zum Querschiff durchführen zu können, mußte man den Raum über dem „basilikalen" Joch zu einer Art Empore ausbauen. Um dahin zu gelangen, ließ man die obere Nebentreppe auf einen balkonartigen hölzernen Austritt münden, von dem aus eine Holztreppe, an die Seitenschiffswand angelehnt, auf jene Empore hinaufgeführt haben muß. Die Balkenlöcher jenes „Balkons" sind noch in der Wand erkennbar. Auch der nun notwendige Sturz über der etwas erhöhten Öffnung zeichnet sich noch ab. Heute betritt man jenen Emporenraum bequemer direkt von der Johanniskapelle aus mit Hilfe einer Holztreppe durch eine Öffnung in der Nordwand der Kapelle. Die Öffnung ist zwar teilweise alt, sie ist aber sichtlich aus der nachträglichen Vergrößerung einer rechteckigen Luke entstanden. Sie hatte vor allem als Gliederungsmotiv ihren Wert. 1 Die Vergrößerung der Öffnung und ihre Zugänglichmachung durch ein Holzgerüst können erst aus nachreformatorischer Zeit stammen, als die Johanniskapelle ihren sakralen Charakter verloren hatte. Im Mittelalter muß der Weg zu der Empore oberhalb des „basilikalen" Joches stets über die besprochene obere Nebentreppe geführt haben. Die Einrichtung jenes Emporenraums wird im übrigen bald nach dem Übergang zum Hallenplan, also um 1300, erfolgt sein, wie auch seine Einzelformen — man vergleiche etwa den Schlußstein — klar ausweisen. Dieser gleichsam zufällig notwendig gewordene Raum war möglicherweise 94 durchaus willkommen. In spätgotischer Zeit hat man gern Emporen über den Haupteingängen der Kirchen als Musikoratorien oder bevorzugte Logen geschaffen. Wir können damit unsere Betrachtungen zur Planungsgeschichte der Ostteile des Meißner Doms abschließen. Die hier vertretene Ansicht von der Planeinheitlichkeit dieser Teile — Änderungen in Einzelheiten und den Übergang zum Hallenplan im Langhaus nicht gerechnet — mag zunächst überraschen. Die bisher geltende Ansicht, man müsse mit mehreren Bauphasen und Planänderungen rechnen, wurde vor allem mit dem scheinbar ungewöhnlichen Chorgrundriß und der Vielfalt der Einzelformen, die an den Ostteilen auftreten, begründet. Die folgenden Erörterungen wollen versuchen, diese Erscheinungen verständlich zu machen.

Zur Herkunft der Ein^elformen Wir fragen: Woher stammen die Baugedanken und die Einzelformen, die am Meißner Dombau des 13. Jahrhunderts zu beobachten sind? Am einleuchtendsten ist diese Frage für den Hochchor zu beantworten. Er ist vom Naumburger 55,56 Westchor im ganzen wie im einzelnen abgeleitet. Überraschend ist, daß diese naheliegende Tat- 5,17 1

Drei Schildwände der Kapelle waren von den eigentlichen Fenstern durchbrochen. Auf den folgenden drei Seiten rahmten glatte Wände die Öffnung über dem Altar zum Querschiff. V o n den beiden restlichen Wänden war eine von der Tür und die andere von der erwähnten Öffnung durchbrochen. Seltsam ist allerdings, daß die Öffnung keine Spuren eines Verschlusses erkennen läßt. Wie vermied man, daß das Regenwasser vom Pultdach des Seitenschiffs durch die Öffnung in die Kapelle strömte? Verband ein Querdach die Öffnung mit dem Dachraum des Seitenschiffs? Oder hat der Fensterrahmen nur keine Spuren hinterlassen?

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sache in der Forschung bisher kaum berücksichtigt worden ist. 1 Allerdings sind entsprechend den besonderen praktischen Erfordernissen in Meißen einige Änderungen an der Naumburger Gesamtdisposition getroffen w o r d e n ; auch ergab die spätere Zeitlage gewisse Wandlungen in den Einzelheiten. Die Gesamtdisposition ist durch die Einfügung des quer rechteckigen Jochs verändert. Es schiebt sich in Meißen zwischen die beiden Naumburger Elemente, das Langchorjoch mit einem sechsteiligen Ge-

17. Naumburg, Dom, Grundriß des Westchors wölbe und den 5/8-Chorschluß mit dem sechsrippigen Gewölbestern. Hinzu kommt die Verlegung des Laufgangs v o m Chorinneren auf die Außenseite. Selbstverständlich fehlen auch die schmalen Seiten1

Nur Schmarsow, 1894, S. 116/19, wies schon auf Naumburg hin. Gurlitt, 1919, S. 32, dachte an Einflüsse aus Lyon wegen der päpstlichen Indulgenzen von 1249 und 1250 für Meißen, die in Lyon erteilt wurden, und wegen des Besuchs eines päpstlichen Legaten 1252 in Meißen. Gröger, 1929, S. 150f., wiederholte diese These. Rauda, 1929, S. 24f., erörtert die Herkunftsfrage nicht, lehnt aber Gurlitts Hinweis auf Lyon ab. Am eingehendsten hat sich dann Küas, 1937, S. 75 — 79 und 85 — 89, mit der Herkunftsfrage beschäftigt und ist in mancher Hinsicht der hier vertretenen Meinung schon nahegekommen. Freilich war er andererseits noch stark an die älteren Vorstellungen gebunden. Nach ihm ist ein erster Neubauplan hinsichtlich der Anordnung der Türme und der Gestaltung des Chores (aber ohne das Rechteckjoch!) stark von Naumburg beeinflußt, doch ist hinsichtlich des Chores vor allem an einen hypothetischen spätromanischen Naumburger Westchorplan als Vorbild gedacht. Am tatsächlich erfolgten Ausbau erkennt Küas das Naumburger Vorbild besonders im Joch mit dem sechsteiligen Gewölbe, hält aber die zisterziensische Komponente am Polygon und am Rechteckjoch für besonders wichtig. Lemper, 1955, S. 16 und 22f., folgt Küas hinsichtlich des Naumburger Vorbilds für den angenommenen ersten Meißner Plan, während er bei der Ausführung die französische Schulung der Hütte betont. Mrusek erörtert die Herkunftsfrage nicht.

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räume nördlich und südlich zwischen Chor und Türmen, die in Naumburg ja unbeabsichtigt waren und sich nur aus der seltsamen Baugeschichte ergeben hatten, vom Westchormeister freilich genial für das wohlige Sichweiten des Raumes ausgenutzt wurden.1 Im übrigen aber ist der Meißner Ostchor in Grundriß, Aufriß und Gewölbebildung eine Wiederholung des Naumburger Westchors. Warum erfolgten die genannten Veränderungen am Gesamtorganismus des Chors? Eines ist sofort deutlich: Die Verlegung des Laufgangs nach außen, sein Fehlen also im Inneren des Meißner Hochchors, verwandelt dessen Erscheinungsbild gegenüber dem Naumburger Westchor

entscheidend, und zwar im Sinne eines stilistischen

Fortschritts.

Doch

haben

praktische Gesichtspunkte die Verlegung des Ganges zweifellos unterstützt, wenn nicht veranlaßt. Der untere Chorumgang hat den Hochchor ursprünglich vollständig umzogen oder umziehen sollen.2 Vielleicht war er als Prozessionsweg gedacht. Als Sinn des ungewöhnlich breiten oberen Umgangs kann dann nicht allein die leichte Erreichbarkeit der Hochchorfenster zu Reparaturzwecken gelten. Der obere Umgang stand in direkter Verbindung mit dem Obergeschoß des Kreuzgangostflügels. Wir wissen zwar nicht, ob dieses Obergeschoß je ausgeführt wurde, aber die Konsolen an der sogenannten Magdalenenkapelle beweisen, daß seine Errichtung geplant war. 32 Es ist nun anzunehmen, daß jenes Kreuzgangobergeschoß die Wohn- und Schlafräume für diejenigen Mitglieder der Domgeistlichkeit enthalten oder doch zugänglich machen sollte, die nicht in eigenen Kurien leben durften. Von diesen Räumen aus war durch den oberen Chorumgang ein bequemer Weg sowohl zu den beiden Sakristeien in den Türmen als auch zum Chorgestühl geschaffen. Vermutlich war die Existenz dieses Weges ein wesentlicher Grund für die Anordnung der Sakristeien in den Turmobergeschossen und der Treppen östlich vom Gestühl. 3 Weshalb aber schob man das querrechteckige Chorj och in Meißen ein und schuf damit diesen seltsamen Langchor, der die Forschung solange irregeführt hat? Die Erklärung liegt nahe. Die räumlichen Verhältnisse waren im Naumburger Westchor, obwohl er ursprünglich für ein relativ kleines Stift bestimmt war, recht beengt. Der Zweckbestimmung nach war der Naumburger Ostchor der dem Meißner Hochchor entsprechende Raum. Jener aber war durch die Einbeziehung des Vierungsraumes bereits um 1240 länger, als man ihn nach 1260 in Meißen errichtete. Das gleiche 1

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Die weit auseinanderstehenden Westtürme des Naumburger Doms umgriffen die dazwischenliegende ältere Marienstiftskirche. Da der Westchor nur ungefähr die Mittelschiffsbreite des spätromanischen Doms erhielt, blieben seitliche Resträume übrig. Vgl. Schubert, 1964, bes. S. 33—35, sowie Leopold/Schubert 1967, S. 100. Ob das Stück unterhalb des „Plattengangs" je als Teil dieses Weges fertig geworden ist, muß offenbleiben. Doch liegt kein Grund vor, daran zu zweifeln, daß es auch als Stück eines geschlossenen Umgangs gedacht war. Der Zweifel daran, daß der untere Umgang jemals fertig wurde, kann dadurch bestärkt werden, daß er sicher bereits 1313 wieder blockiert worden sein muß, da damals im Nordostturm-Untergeschoß eine Kapelle eingerichtet wurde. Sie hat den Weg auf dieser Seite endgültig abgeschnitten. Zur Stiftung der Kapelle vgl. S. 32. Daß im ersten Obergeschoß des Nordostturms eine Sakristei eingerichtet war, wird noch durch die große Piscina in der Sohlbank des Ostfensters bewiesen (vgl. Gurlitt, 1919, S. 29 und Fig. 32f.). Außerdem heißt es bei der Umwandlung der Erdgeschoßhalle des Nordostturms in eine Kapelle, sie liege „sub sacristía sinistri chori" (vgl. CdSr, II, 1, Nr. 353, S. 285/87). Wenn es eine „Sakristei des linken Chores" gegeben hat, ist anzunehmen, daß auch eine solche des rechten Chores vorhanden war. Wir suchen sie im Obergeschoß des Südostturms mit der anschließenden Kapelle, wo die kleinen vergitterten Fenster eine Bestimmung des Raumes als Schatzkammer, Archiv oder dergleichen nahelegen. Meißner Dom

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Mittel der Chorverlängerung, die Einbeziehung der Vierung in den Chor, konnte oder wollte man in Meißen offenbar nicht wählen. Vielleicht sollte das den Laien zugängliche Querschiff nicht zerteilt werden. Vielleicht rechnete man sogar noch mit einem Westchor und fürchtete daher, daß

18. Meißen, Dom, Schnitt durch ein fünfteiliges Dienstbündel im Chor

19. Naumburg, Dom, Schnitt durch ein fünfteiliges Dienstbündel im Westchor

20. Meißen, Dom, Grundriß des nordwestlichen Vierungspfeilers

der Raum f ü r die Laien zu beengt werden könnte — ein solcher Plan würde den eigenartigen Achteckbau am besten erklären. 1 A l l e solche Überlegungen müssen Vermutungen bleiben. Tatsache ist, daß man die Vierung großenteils f ü r die Laien freihielt und daß der Meißner Hochchor f ü r eine

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Das Erwägen eines Westchorplans noch im 13. Jh. setzt voraus: 1. Die Ablehnung der Meinung, daß die heutigen Westtürme schon im 13. Jahrhundert begonnen worden wären. Vgl. unten S. 80f. 2. Die Ablehnung der Meinung, daß die Figuren der Naumburger Werkstatt für ein großes Westportal auf dem Grunde einer Vorhalle bestimmt waren. Dazu vgl. E. Schubert in diesem Bande, S. 82—95. In diesem Zusammenhang ist bemerkenswert, daß auch das verhältnismäßig gestreckte Langhaus der Ausführung für den Gemeinde- und Predigtgottesdienst nur wenig Raum bot. Die beiden Ostjoche des Mittelschiffs wurden an Sonntagen vom Kapitel beansprucht. Hier fanden die wichtigsten Stationsgottesdienste statt. Das geht aus den Eintragungen im Kalendar des Domes hervor. Am 3. Pfeiler der Südseite hatte in solchen Fällen der Propst seinen festen Platz, ihm gegenüber auf der Nordseite der Dekan, östlich davon bis zur Vierung werden wir uns die Sitze der übrigen Mitglieder des Kapitels zu denken haben, so daß jene Joche eine Art „Vorchor" für Festgottesdienste gebildet haben müssen. Das nächste Joch des Mittelschiffs war wohl für die Querverbindung durch die Kirche von der Südtür zur Nordtür, vom Stifts- zum Burgbezirk, von festen Einbauten frei, während das 4. Joch des Mittelschiffs wieder von der Bennotumba besetzt war, an die sich westlich noch der Altar Mariae Assumptionis anschloß. Für den Predigtgottesdienst blieben also nur knapp die drei Westjoche übrig. Gurlitts An-

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Kathedrale jener Zeit nicht besonders geräumig angelegt wurde, sondern erst durch das zusätzliche Rechteckjoch das damals übliche Maß erreichte. Wenden wir uns nun den Einzelformen zu! Zunächst sei auf die wichtigsten Übereinstimmungen hingewiesen. Die fünfteiligen Dienstbündel an den Langseiten des Chors bestehen in Naumburg 18,19 wie in Meißen aus Runddiensten zwischen Kehlen. Die beiden Bogenformen sind aber deutlich voneinander abgesetzt, da die Runddienste auf ebenen, schräggestellten Rücklagen sitzen. Die Rücklagen liegen jeweils in ein und derselben Ebene, die um 45° zur Wand geneigt ist. Dieses Aufbauprinzip zeigt sich noch deutlicher an den Vierungspfeilern und an den östlichen Langhaus- 2 0 pfeilern in Meißen. Es ist sehr charakteristisch und keineswegs häufig. In den französischen Kathedralen des 12./13. Jahrhunderts bleibt im allgemeinen der runde Kern der Stützen sichtbar. Das gilt gleichermaßen für den Kölner Dom und die von der Kölner Bauhütte errichteten Bauten wie auch für die Elisabethkirche zu Marburg und deren Ableitungen. 1 Die Stiftskirche zu Mönchen-Gladbach, deren Chor zwischen 1256 und 1277. vom Kölner Dombaumeister Gerhard errichtet wurde, zeigt freilich schon eine Weiterentwicklung dieses Formprinzips.

dreiteiliges Dienstbündel im Chor

dreiteiliges Dienstbündel im Westchor

Die runden Dienste sind hier durch eine flache segmentförmige Kehle, nicht mehr durch eine konvexe Form, voneinander geschieden.2 So entsteht bei der Begegnung der Rundungen zwar auch eine scharfe Kante wie in Meißen, aber nie wird von einer ebenen Rücklage zur Trennung der Teile des Pfeilers Gebrauch gemacht. Die eben beschriebene Kölnische Form aus Mönchen-Glad-

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nahme, die Kanzel habe im Mittelalter am 4. Pfeiler der Nordseite gestanden (1919, S. 225), ist daher vielleicht zu korrigieren. Der 5. Pfeiler wäre der gegebene Platz. Das bei Ursinus, 1782, S. 274—311, veröffentlichte Kalendar enthält folgende Eintragungen in bezug auf das eben beschriebene zweite Gestühl: Propst Konrad von Strele (f 1343) liegt: „circa altare Sancti Erasmi, sub scamno, in quo Domini solent stare in statione" (S. 302). Propst Johann von Strele (f 1362) liegt: „circa finem scamni, ubi Dominus Decanus dominicis diebus in processione et statione stare solet" (S. 277). Domherr Walter von Köckeritz (f 1437) liegt: „in fine scamni in loco, quo praepositus Misnensis in statione dominicali solet stare" (S. 275). Die etwas komplizierte Lokalisierung der Grabstätten, die hier nicht im einzelnen durchgeführt werden soll, sichert die oben gegebene Ortsbestimmung für das Stationsgestühl. Schon Gurlitt, 1919, S. 215f., wies auf diese Stellen im Kalendar hin, deutete sie aber unrichtig und verwechselte auch zwei Träger des Namens Johann von Strele. Es handelt sich also um den sogenannten „kantonierten Rundpfeiler". Vgl. z. B. den Pfeilergrundriß der Kathedrale von Reims bei Lasteyrie 1, 1926, Abb. 285, und die Pfeilergrundrisse bei Dehio-Bezold, 1884—1901, Taf. 560,1: Chartres; 560,2: Metz; 563,1: Köln (davon abhängig z. B. Xanten); 560,7: Marburg; 560,6: Minden. Die Marburger Schule am leichtesten übersehbar bei Wilhelm Kästner, 1924. Vgl. Borger, 1958, S. 200, Abb. 337.

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bach wird übrigens auch in Essen, in Halberstadt und im Chor von Pforte verwendet.1 Sie entsprach also wohl einer allgemeinen Entwicklungstendenz. Im Straßburger Münster dagegen schiebt sich zwischen die runden Dienste jeweils eine rechtwinklige Kante ein. Sie deutet als Ausgangsform den mehrstufigen Kreuzpfeiler an.2 Der Lösung von Naumburg und Meißen dagegen liegt eigentlich eine rhombische Form zugrunde, ein übereck gestellter Quadratpfeiler. Er ist durch Wülste und Kehlen gleichmäßig gegliedert. Da es diese Ausgangsform tatsächlich nicht gegeben hat, ist dieser Pfeilerform eine gewisse ornamentale Abstraktheit nicht abzusprechen. Sie nimmt Prinzipien der Spätgotik in der Anlage voraus. In ihrer reinen hochgotischen Form ist mir eine solche Stützengliederung nur aus Naumburg und Meißen bekannt.3 Die dreiteiligen Dienstbündel sind in Naumburg und Meißen ohne Rücklagen gebildet. In Naumburg trennt die drei Wülste jeweils nur eine kurze Gerade unter Verzicht auf eine deutliche Ausprägung der Kehle, während in Meißen die Kehle erhalten bleibt, aber absatzlos in die konvexe Form des Wulstes übergeht, so daß im Schnitt eine Wellenlinie entsteht.4 Man möchte sagen, daß der Meißner Architekt eine etwas eigenwillige Vereinfachung des Naumburger Vorbilds gewissermaßen schulmäßig berichtigt hat. Zugleich entspricht das Naumburger Prinzip der steten Bevorzugung der vollen konvexen Form, während in Meißen eine spätere, schon mehr auf Ausgleich bedachte Haltung sich ausspricht.5 Wie sich mit Ausnahme dieser unbedeutenden Abweichung die Dienstbündel in Naumburg und Meißen gleichen, so tun das auch die von ihnen getragenen Gewölbe. Sogar die Überschneidung der Gurt23. Meißen, Dom, Schnitt bogenrücklage durch die Diagonalrippen findet sich in Naumburg vordurch ein Fenstergewände gebildet. Daß das sechsteilige Gewölbe in Meißen auf das Naumburger im Chor Vorbild zurückgehen wird und daher die Heranziehung anderer Quel1

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Zu Essen vgl. Zimmermann, 1956, S. 168, Abb. 159; zu Halberstadt vgl. Dehio-Bezold, 1 8 8 4 - 1 9 0 1 , Taf. 561, 8; zu Pforte vgl. Corssen, 1868, S. 249. Alle Beispiele gehören in die 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts. Vgl. Dehio-Bezold, 1884—1901, Taf. 562, 6. Im Bereich der französischen Kathedralgotik ist dieser Typus im Langhaus von Saint-Denis vertreten. Vgl. ebenda Taf. 562, 5. Er kommt auch in Burgund vor. Vgl. ebenda 562, 2 : Dijon, Notre Dame. In altertümlicher Form zeigt ihn die Kathedrale von Poitiers, woher er vom Paderborner Dom übernommen wurde. Vgl. ebenda, Taf. 314, 7 und 314, 8 a. Auch im Kölner Dom sind die Runddienste teilweise auf Rücklagen gesetzt, doch ist dieses Mittel weder durchgängig verwendet, noch liegen die Flächen der Rücklagen jeweils auf einer Ebene. Vgl. Dehio-Bezold, 1884 bis 1901, Taf. 563, 1. Wie wenig selbstverständlich die Lösung von Naumburg und Meißen ist, kann auch das Arkadenprofil der Kathedrale von Limoges zeigen, wo die Flächen der Rücklagen entsprechend der gedachten Rundung der Arkadenleibung leicht gegeneinander verschwenkt angeordnet sind. Vgl. Lasteyrie 2, 1927, S. 63, Fig. 650. Das von Gurlitt, 1919, Fig. 50 auf S. 39, wiedergegebene Profil ist falsch. Das auf S. 34 abgebildete gilt im ganzen Chor gleichmäßig. Der Naumburger Form nähert sich rein formal das Profil der Chordienstbündel in Pforte. Doch ist dort alles breit auseinandergezogen, was in Naumburg prall und straff erscheint. Die Meißner Form findet sich dagegen

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len überflüssig ist, erscheint so naheliegend, daß man überrascht ist, daß die Forschung bisher meist andere Wege gegangen ist.1 Weiterhin stimmt in Naumburg und Meißen überein, daß der Sockelstreifen der Chor- 55,56 wände zwischen den Diensten ungegliedert bleibt. Das Normale ist — mindestens in den unmittelbar vorhergehenden Jahrzehnten — die Gliederung der Wände durch Blendarkaden in einer unteren Zone. Der Fortfall dieses Motivs fällt freilich in Meißen stärker auf, weil dort auch das Laufganggesims fehlen muß. Die Fenster sind dann ohne Sohlbankgesims glatt in die Wand eingeschnitten, und selbst das Profil der Fenstergewände stimmt in beiden Chören überein. Es gibt nur eine Abweichung. In Naumburg steht in der das Profil außen abschließenden großen Kehle noch eine schlanke Säule mit der zugehörigen, das Fenster rahmenden Archivolte. In Meißen dagegen läßt man die glatte Kehle bereits selbst sprechen. Ähnlich ist, was freilich schon immer betont worden ist, die Anwendung eines steinernen, arkadengeschmückten Dorsale. Hierin dürften 24. Naumburg, Dom, Naumburg und Meißen im 13. Jahrhundert sogar völlig allein stehen. Schnitt durch ein FensterVerwandt ist weiter der Abschluß des Chorraums durch einen Mauergewände im Westchor lettner. Die Gliederung der äußeren Seitenwände, die in Meißen nach Norden und Süden ins Querschiff blicken, ist mit der Gliederung des Naumburger Westlettners identisch, nur fehlen die charakteristischen „hängenden" Dreiecke von Naumburg, die dem Aufbau dort eine noch größere Tiefe verleihen. Ganz anders als in Naumburg sieht dann freilich, wie gesagt, die westliche Schauseite des Meißner Lettners aus. Daß schließlich auch in vielen Kleinformen, den Profilen, Basen, Kapitellen, Baldachinen — letztere im deutschen Bereich in ihrer Form eine Eigentümlichkeit vor allem dieser beiden Dome — größte Ähnlichkeiten festzustellen sind, sei hier nur eben erwähnt. Nur auf die Verwandtschaft der Schlußsteine soll noch hingewiesen werden. Der Schlußstein 81 —84, 87 im Naumburger Polygon zeigt Weinlaub und Trauben. Er wird vom Schlußstein im Meißner Zwischenjoch ziemlich getreu wiederholt, nur stilistisch entsprechend umgebildet.2 Der Meißner Schlußstein im Polygon ist eine Variante des gleichen Themas unter Verzicht auf die Beigabe der Trauben. Das sechsteilige Gewölbe besitzt in Naumburg einen Schlußring mit Laubkranz, ein Motiv, das in Meißen in der Vierung auftaucht, dort freilich mit wesentlich anders gearteten Blattformen.

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auch in Mönchen-Gladbach, aber nur da, wo die Dienste sehr dicht aneinandergereiht werden mußten und die Ausarbeitung der Segmentbogenkante, wie sie sonst an diesem Bau üblich ist, Schwierigkeiten gemacht hätte. Vgl. dazu Borger, 1958, S. 200, Abb. 337. Im Freiburger Münster ist der Pfeilergrundriß im ganzen in dieser Richtung weiterentwickelt. Vgl. Dehio-Bezold, 1 8 8 4 - 1 9 0 1 , Taf. 564, 2. Vgl. Härtung in Veröffentlichungen 3, 1902, S. 16; Gurlitt, 1919, S. 32—47, nennt vor allem französische und zisterziensische Beispiele, fast zuletzt auch Naumburg; Gröger, 1929, S. 150, unterdrückt dann auch noch diesen flüchtigen Hinweis. Küas, 1937, S. 88, weist auf das Naumburger Vorbild für das westliche Chorjoch in Meißen hin, wird also das sechsteilige Gewölbe mitgemeint haben. Rauda, 1929, Lemper, 1955, und Mrusek, 1957 und 1958, gehen auf diese Frage nicht ein. Der Vergleich bei Jahn, 1944, S. 121 u. Anm. 57, schon eingehend durchgeführt und stilistisch gedeutet.

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Kann nach allen diesen Beobachtungen nicht zweifelhaft sein, daß der Naumburger Westchor auch in den Einzelformen das Vorbild für den Meißner Hochchor bot, so ist andererseits zu sagen, daß sich in diesen Einzelformen die spätere Zeitlage deutlich in Verhärtungen und Vereinfachungen spüren läßt.1 Die überraschende Lebendigkeit und Naturnähe des Laubschmucks der Naumburger Kapitelle fehlt in Meißen bereits. Das Laub ist starrer, trockener, schematischer geworden. Ein 8 2 , 8 3 Vergleich der beiden eben erwähnten, zweifellos voneinander abhängigen Schlußsteinen mit Weinlaub und Trauben macht das sehr deutlich. Ebenso könnte man den Laubfries am Naumburger 79,80 Lettner mit der so viel teigigeren und dennoch starreren Nachbildung am Meißner Lettner-Treppenblock vergleichen. Geradezu handgreiflich wird die Verhärtung bei der Nebeneinanderstellung der 5 5 , 5 6 Abdeckung des Dorsale. In Naumburg greifen die Dorsalarkaden, wie es sinnentsprechend ist, unmittelbar in die Baldachinzone ein. In Meißen trennt beide ein hart geradlinig durchgezogenes Gesims. Zugleich wird in den Proportionen des Ganzen die spätere Zeit spürbar. Der Meißner Chor ist steiler, schmalbrüstiger als der Naumburger. Die Fenster sind in Meißen relativ größer und lassen weniger Wandfläche in Erscheinung treten. Überall ist in Meißen das klassische Mittelmaß der Naumburger Stufe schon verlassen. Neben den Veränderungen in der Gesamtdisposition und der stilistischen Weiterbildung des Ganzen wie der Einzelheiten gibt es freilich noch eine dritte Ursache dafür, daß der Meißner Domchor sich von seinem Vorbild, dem Naumburger Westchor, unterscheidet, das sind einige Details, 3 2 , 3 5 die auf zisterziensische Herkunft hinweisen. Sehr einleuchtend ist das für die Meißner Strebepfeiler. Während in Naumburg die turmgekrönten Streben verwendet werden, die letzten Endes auf das Reimser Vorbild zurückgehen, finden sich in Meißen ganz schlichte, kantige Pfeiler mit einfachen geschrägten Rücksprüngen und Abschlüssen, die das Kranzgesims des Chors nicht überschneiden. Die gleiche Form läßt sich häufig bei den Zisterziensern nachweisen. Meißen räumlich 3 4 , 4 0 am nächsten liegen die Beispiele vom Chor der Klosterkirche zu Pforte sowie von der Klosterkirche zu Marienstern.2 Als Vorbild wird man eher den Pförtner Chor in Betracht ziehen, da Pfortes Bedeutung für Meißen sich noch mehrfach erweisen läßt. Auf eine Einzelheit sei hier schon hingewiesen. In der 97 Südwand des Meißner Chorpolygons findet sich eine Abstellnische, die von einem Kleeblattbogen gerahmt ist. Dieser erlangt seine gespannte „federnde" Erscheinung dadurch, daß die seitlichen Bögen so weit geführt sind, daß ihre Spitzen leicht nach unten weisen, und daß der obere Bogenteil sehr schlank gebildet ist. In dieser Form ist der Kleeblattbogen in Naumburg nicht nachzuweisen. 1 2

Eine schöne Analyse dieses Sachverhalts bei Küas, 1937, S. 86—89. Vgl. Bergner, 1905, Fig. 52, und Gurlitt, 1912, S. 147, Fig. 157. — Die Meißner Form hat ihre nächsten Verwandten eigenartigerweise bei französischen Zisterzienserbauten des späten 12. oder des frühen 13. Jahrhunderts. Wir werden Ähnliches bei den Einzelformen der Turmuntergeschosse finden. Die Streben von Pforte sind v o n den Meißnern unterschieden, insofern sie das Dachgesims teils aufnehmen, teils überschneiden. Sie stehen mit dieser Eigenheit der Naumburger Lösung näher. Die Streben der Kirche zu Marienstern haben auch die schlichte Gesamtform, sie besaßen aber ursprünglich quergestellte Satteldächer v o r der abschließenden, oberen Schräge, die in Meißen fehlen. Noch anders ist die Lösung bei der burgundischen Maulbronner Richtung, w o die quergestellten Satteldächer der Streben gegen die Wand anlaufen. Mit dieser Richtung besteht in Meißen keine Ähnlichkeit.

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Dagegen wird er in Pforte nur in dieser Form verwendet. Er tritt dort auch an einer ganz ähnlichen Stelle wie in Meißen auf, nämlich im Chorhaupt als Rahmen der dortigen Nischen und Schränke. Ohne Beziehung zum Naumburger Vorbild ist weiter das Meißner Maßwerk. Gegenüber den einfachen Spitzbogen, Kreisen und rundbogigen Vielpässen in Naumburg in ihrer die Mitte betonenden Anordnung wirkt das Maßwerk in den drei Ostfenstern zu Meißen mit seiner Häufung von lilienartigen, aus Dreipässen entwickelten Formen zunächst entschieden „gotischer". Doch ist es in seiner Reihung auch unklassischer. Das seltene Meißner Muster tritt nun auch im Kapitelsaal zu Marienstern auf. Wie wir schon bei Betrachtung des Maßwerks im Kreuzgang erörterten, könnte der Osttrakt des Klosters in Marienstern um ein weniges älter als der Meißner Domchor sein. Auf jeden Fall ist damit ein Hinweis auf die zisterziensische Herkunft des Motivs gegeben, wenn es auch an sich nicht eigentlich als zisterziensisch anzusprechen ist. In den Seitenfenstern des Meißner Chors finden wir dann aber ganz seltsame Formen, sich durchdringende, gerade Stäbe, die ein Rautenmuster bilden. Mir ist es an keiner anderen Stelle in der etwa gleichzeitigen deutschen Architektur bekannt. Es kann gewiß nur aus dem Geiste zisterziensischer Schlichtheit verstanden werden. Sein Auftreten an einer Kathedrale bleibt überraschend. Es soll hier gleich noch auf das Maßwerk des großen Meißner Querschiffensters eingegangen werden. Die seltsam eigenwillige Aufteilung des Fensters in Bahnen ungleicher Breite ist mir nirgends wieder begegnet. Darin liegt ein gewisser manieristischer Zug. Das Maßwerk selbst ist mit dem großen krönenden Achtpaß klassischer, französischer als die Muster im Chor. Aber auch hier fallen zwei Eigenheiten auf, die spätgotische Tendenzen vorausnehmen: Das Fehlen der Kapitellchen an den Fensterstäben, die im Chor noch beibehalten waren, und das hyperbelförmige Ineinandergleiten von Bogensegmenten. Diese im 15. Jahrhundert so beliebte Form ist mir aus etwa der gleichen Zeit nur noch aus Heiligenkreuz bekannt, wo im Chor und an den dekorativen Maß Werkverkleidungen des Sockels in der Brunnenkapelle vor bzw. um 1295 ähnliche Schweifformen in Erscheinung treten.1 Es ist bemerkenswert, daß wir auch damit wieder auf den Bereich der Zisterzienser-Architektur verwiesen werden. Eine Bemerkung zum Maßwerk der Meißner Ostteile drängt sich auf. Die beiden Maßwerkbildungen des Chors haben das Bildungsprinzip netzartiger Verflechtung gemeinsam. Dazu gehört auch, daß dieses Maschennetz sich seinem Wesen nach gleichmäßig nach allen Seiten ausbreiten könnte und die Begrenzung des Musters durch den Spitzbogen des Fensters den Charakter des Zufälligen trägt. Alle diese Wesensbestimmungen sind nun geradezu typisch für das englische Maßwerk, so weit es nicht unter starkem französischem Einfluß steht.2 Mit dieser Eigenart hat England auch auf die Normandie eingewirkt.3 Der frühe „decorated style" des beginnenden 14. Jahrhunderts wird in England durch ähnliche Netzmuster, wie wir eines in den östlichen Chorfenstern in Mei1

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Vgl. Frey, 1926, S. 1 1 - 8 5 , sowie Abb. 22 (S. 404) und Abb. 76 und 78 (S. 140f.). Der Chor ist 1295 geweiht worden. Sein Fenstermaßwerk muß also vor diesem Datum entstanden sein. Die Brunnenkapelle ist nicht genau datiert. Sie gehört aber zu den Bauvorhaben im Kloster, die stilistisch mit dem Chor zusammenhängen. Vgl. Behling, 1944, S. 11 und 20. Vgl. Lasteyrie 1, 1926, S. 332f.

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ßen finden, geradezu charakterisiert.1 Zur gleichen Zeit werden dort die hyperbelförmigen Schweifmuster beliebt und tritt auch das Rautenmuster der seitlichen Domchorfenster von Meißen häufig auf, allerdings mit dem Unterschied, daß die Fensterstäbe in England nicht gerade wie in Meißen, sondern kurvig, parallel zu den Abschlußbögen der Fenster, geführt werden.2 Es kann hier nicht entschieden werden, ob die Priorität für die Anwendung dieser Formen im Vergleich mit den englischen Beispielen der Meißner Dombauhütte gebührt oder ob sie umgekehrt von dort beeinflußt sind. Beachtenswert scheint uns in jedem Fall der Hinweis darauf, daß gewisse Formprinzipien und Einzelformen, die im 13. Jahrhundert in Deutschland, wohl von den Zisterziensern inspiriert, gelegentlich auftreten, in der englischen Architektur eine breite Entfaltung finden. Ist die Gestalt des Meißner Hochchors selbst wesentlich von dem Naumburger Vorbild bestimmt und weisen nur Strebepfeiler und Maßwerk in eine andere Richtung, so tritt das Naumburger Formengut an den Nebenräumen des Chors, also am Chorumgang, an den Osttürmen und auch am 44 Kreuzgang, bereits nur noch wenig in Erscheinung. Die Arkaden des Chorumgangs haben zwar mit ihrem breitlappigem Kleeblattbogenschluß vielfache Vorbilder in Naumburg, ihre kantigen Stützen jedoch keine. Auch Pforte bietet dafür keine Parallele. Die Verwandlung der Rundformen in kantige liegt freilich im Zuge der allgemeinen Entwicklung. Doch scheint die den Magdeburger Hochchor krönende „Zwerggalerie" den Meißner Chorumgangsarkaden im ganzen recht nahe zu stehen. Sie ist nur in ihrer Profilierung etwas einfacher. Ein genaueres Entstehungsdatum ist für die Magdeburger Chorgalerie freilich nicht bekannt. Nur daß es zwischen 1240 und 1274 liegt, wird allgemein angenommen.3 Immerhin wird damit nahegelegt, daß in diesem Falle Meißen etwas von der Metropole übernommen hat.4 Das erscheint um so glaubhafter, als der Einfluß des Magdeburger Doms auf Meißen an den Querschiffgiebeln ganz unverkennbar in Erscheinung tritt. Die Meiß1

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Vgl. allein die Fenster der Lady Chapel der Kathedrale von Wells, vor 1326 (Behling, 1944, Abb. 41). Das Muster der Meißner Ostfenster selbst wird im Langhaus und an der Westfassade der Kirche Notre-Dame-de-l'fipine (Marne) vielfältig angewendet. Vgl. Dehio-Bezold, 1884—1901, Taf. 401, 1 (System) und 423, 1 (Fassade), sowie Lasteyrie 1, 1926, S. 211, Fig. 197 (Grundriß mit Legende) und S. 500, Fig. 500 (Fassade). Es gehört dort freilich bereits ins 15. Jahrhundert. Eine angelsächsisch-normannische Einwirkung könnte vielleicht auch hier vorliegen. Ähnliche Bildungen sind in England jedenfalls häufig. Frühe Beispiele der Schweifformen in England: Orford (Suffolk) oder Exeter, Kathedrale, Langhaus. Zu Orford vgl. Behling, 1944, Abb. 52. Stilistisch um 1300 zu datieren, ein genaues Datum ist nicht bekannt. Zu Exeter vgl. Meyer, 1948, Taf. 77 und S. 27. Um 1317/80. Der Erfindung nach sicher an den Anfang dieses Zeitraums gehörig. — Das Rautenmuster ist anzutreffen in Durham, Kathedrale, Querschiff (Behling, 1944, Abb. 36), Broughton (Behling, 1944, Abb. 4), Tintern Abbey (Behling, 1944, Abb. 37), Hanslope (Lasteyrie 1,1926, S. 332 und Fig. 354), Audrieu (Calvados. Lasteyrie 1,1926, Fig. 353), Bampton (Hutton, 1953, Taf. 89 und S. 180), Exeter, Kathedrale (Meyer, 1948, Taf. 77). Davon besitzen eingelegte Nasen Broughton, Tintern und Exeter. Die meisten dieser Beispiele werden in die 1. Hälfte des 14. Jahrhunderts gehören. Das Beispiel Durham ist nach Meyer, 1948, S. 42, bereits zwischen 1235 und 1289 anzusetzen. Vgl. Greischel, 1939, Taf. 5. — Zur Datierung vgl. Giesau,1936, S.23und26f.; Greischel, 1939, S. 50f.; Möbius, 1961, S. 22 und 24, und Mrusek, 1965, S. 42. Die nächsten formalen Parallelen zur Magdeburger Hochchorgalerie und zum Meißner Chorumgang finden sich anscheinend in der Normandie. Vgl. die Triforien der Kathedralen zu Bayeux und Siez und die Laufgangbrüstung der Kirche von Tour (Calvados). Vgl. Lasteyrie 2,1927, S. 349, Fig. 963; ebenda 1,1926, S. 140, Fig. 106; ebenda 2, 1927, S. 349, Fig. 963. In Bayeux ist die Form nach 1226, in Siez nach 1270 anzusetzen; sie wird auch in Tour ins späte 13. Jahrhundert gehören. — In diesem Zusammenhang ist es interessant, daß Branner kürzlich am Chor von Magdeburg nordwestfranzösischen Einfluß hat erkennen wollen. Vgl. Branner, 1965, S. 77—80.

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ner Querschiffgiebel sind vermutlich relativ spät, wohl erst in den 90er Jahren aufgesetzt worden. Mit ihren begleitenden Ecktürmchen, der Doppelschaligkeit und den steigenden Kleeblattöffnungen sind sie eine vereinfachte Nachbildung der Magdeburger. Dieses offensichtliche Abhängigkeitsverhältnis ist seit langem bekannt.1 Unklar ist jedoch, ob die mächtigen Magdeburger Querschifffenster das große Meißner Südfenster anregten. In ihrem Maßwerk sind die Magdeburger Fenster jünger als das Meißner. Nicht klar ist, ob sie in Magdeburg im ganzen erst später in der heutigen Größe entstanden.2 Eine Bemerkung zum Meißner Chorumgang sei hier eingeschoben. Es wurde von der Forschung gelegentlich die Meinung geäußert, er sei wohl vom Magdeburger Chorumgang angeregt worden, ja, man habe erst nachträglich auf die geplanten Öffnungen zwischen Chor und Umgang verzichtet.3 Nach dem oben Gesagten braucht kaum besonders betont zu werden, daß der schmale Meißner Umgang, der einen geschlossenen Chorraum umzieht, nichts mit dem Umgang eines französischen Kathedralchors gemein hat, also auch nicht von dem Magdeburger Umgang abgeleitet werden kann, sondern daß den beiden Meißner Umgängen ganz bestimmte, nur hier vorliegende Aufgaben zugedacht waren. Kehren wir zu den Meißner Chornebenräumen zurück! Auch die Einzelheiten der Meißner Osttürme sind im Formenkreis des Naumburger Westchors entschieden fremd. Ihre betont kantigen, glatten und schmucklosen Einzelformen, die ungegliederten Bogenöffnungen, die Gratgewölbe auf konsolenhaft abgerundeten Anfängern, alles kann zwar entfernt auch an spätromanische Formen in Naumburg und Magdeburg erinnern, aber stärker noch nähert sich diese Formensprache zisterziensischen Bildungen, besonders auf dem Gebiete des klösterlichen Profanbaues.4 Die betonte Schlichtheit sollte hier offenbar die geringere liturgische Bedeutung der Türme gegenüber dem Chor in Erscheinung treten lassen. Wiederum neue Formen begegnen uns im Kreuzgang. Im Vergleich zum Hochchor fallen hier die Konsolen, die Rippenprofile und das Maßwerk auf.5 Die Konsolen sehen aus, als seien eigentlich nur ihre Deckplatten ausgeführt und die Konsolen selbst weggelassen worden. Als flaches 1

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Die Magdeburger Querschiffgiebel abgebildet bei Greischel, 1939, Taf. 6 und 7. — Über die Abhängigkeit der Meißner Giebel von Magdeburg vgl. z. B. Rauda, 1928, S. 2 9 ; Rauda, 1929, S. 2 6 ; Küas, 1937, S. 8 0 ; Hentschel, 1944, S. 4 ; Lemper, 1955, S. 2 2 ; Mrusek, 1957, S. 47. Greischel, 1939, S. 51, und Mrusek, 1965, S. 42, sind von der Ursprünglichkeit der Fenster überzeugt. Das Maßwerk datiert Greischel ins 14. Jahrhundert (S. 73), was sicher richtig ist. Die Frage bedarf noch einer genaueren Untersuchung. So Gurlitt, 1919, S. 38. Er hat diese These als erster geäußert. Ihm folgte Rauda, 1928, S. 27, und 1929, S. 24, das zweite Mal in etwas vorsichtigerer Formulierung, sowie Hentschel, 1944, S. 4, und Mrusek, 1957, S. 47. Dagegen hatte schon Küas, 1937, S. 75f., vorsichtig Zweifel an dem Einfluß Magdeburgs auf die Gestaltung des Chorumgangs in Meißen geäußert. Genauere Vorbilder anzugeben ist kaum möglich. Verwandt ist allgemein die burgundische Zisterzienserarchitektur des späten 12. Jahrhunderts. Vgl. dazu die Abbildungen bei Aubert, 1947; vgl. auch das in Anm. 1, S. 62, zu den Strebepfeilern Gesagte. Auch die pfälzische Zisterzienserarchitektur der Zeit um 1200, der Kreis um Otterberg, erscheint in ihrer Schwere und Kantigkeit verwandt. Die Verwandtschaft beruht aber wohl nur auf dem gleichen Ausgangspunkt: der burgundischen Zisterzienserarchitektur mit ihrer Freude am guten Quaderwerk, an der glatten, steinschweren Wand überhaupt, die letzten Endes die „mittelmeerische" Komponente an der Zisterzienserarchitektur bedeutet. Vgl. Gurlitt, 1919, S. 9 2 - 9 5 , Fig. 146/57.

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46,48,51

50,52

mehrgliedriges Profilstück ragen sie aus der Wand. Auch die Form ihres Grundrisses mit einem mittleren trapezförmigen Vorsprung ist ungewöhnlich. Die Rippen sind große geschärfte Wulste mit kleinen begleitenden Kehlen, den Trenngurt bildet eigentlich ein mächtiger Rundstab, der aber durch seitliche Kehlen auch in eine dreigliedrige Form aufgerissen erscheint, doch bleibt die mittlere Rundung dadurch ungewöhnlich stumpf. Genau entsprechende Profile von solcher Schwere kommen im Dom sonst nicht vor. Über das auffallend entwickelte Maßwerk haben wir schon gesprochen. Sein Muster wies uns auf zisterziensische Vorbilder hin, besonders auf Pforte und Marienstern. Zisterziensisch ist auch das klare Nebeneinanderstellen der drei Gewölbebögen auf den Konsolen 1 und die relativ schwere Bildung der Gurte und Rippen. Die seltsamen Konsolen freilich sind einzigartig. Sie machen den Eindruck, als sollten sie die glatten Turmwände möglichst wenig beeinträchtigen. Sehr flache Laubkonsolen besitzt zwar auch der Raum über den südlichen 98 Nebenchören in Pforte, aber es sind hier doch noch richtige Konsolen. Die Deckplatten dieser Konsolen haben eine vortretende Spitze zum Auffangen des Gurts. Das erinnert an den trapezförmigen Vorsprung an den Deckplatten im Meißner Kreuzgang. Doch haben auch die Deckplatten im Meißner Domchor bereits jene Spitzen, während noch im Naumburger Westchor nur rechteckige, gestaffelt vortretende Deckplatten verwendet wurden. Im ganzen wird man wohl sagen dürfen, daß die Einzelformen des Kreuzgangs durch Bauleute mit zisterziensischer Schulung geschaffen wurden. Neben Marienstern ist vor allem an Pforte als Formenquelle zu denken, zumal der Neu- und Umbau der dortigen Klosterkirche seit 1251 mehr und mehr in hochgotischen, nordfranzösischen Formen sich vollzog und die zisterziensische Eigenart gleichsam nur noch unterschwellig erkennbar blieb. Auch am Meißner Querschiff verweisen Einzelzüge auf Pforte. Die absatzlos aufsteigenden Strebepfeiler mit einfacher Schrägendigung finden sich ähnlich am Pförtner Südseitenschiff.2 Übrigens wird auch die Meißner Sakristeikapelle neben dem Südostturm von einem solchen Pfeiler gestützt. Diese „primitive", vorgotisch erscheinende Form gehört in die gleiche Formenschicht, aus der die Meißner Osttürme ihre Gestaltung empfingen. Bezeichnender noch als die Form der 63,66

Strebepfeiler ist die Tatsache, daß in Meißen wie in Pforte in den Querschiffecken einfache Runddienste die Gewölbe zu tragen haben.3 Bei der Gliederung der Vierungspfeiler blieb man in Meißen dagegen bei den Naumburger Formen. Das gilt im wesentlichen auch für die Wölbung. Man wollte oder konnte hier von den Festlegungen des ersten Baumeisters nicht abgehen. 1

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Vgl. Magirius, 1962, S. 119: „Die Eigenart, die Gewölberippen nebeneinander aufsetzen zu lassen, ist typisch zisterziensisch." Vgl. Corssen, 1868, Bl. I X . Das erscheint bei dem niedrigen Pförtner Seitenschiff freilich wenig verwunderlich. Tatsächlich wurden aber auch bei geringer Höhe der zu stützenden Wand die Strebepfeiler im allgemeinen gestuft gebildet. Man vergleiche etwa die Strebepfeiler an den Seitenschiffen der Arnstädter Liebfrauenkirche. Vgl. Möbius, 1959, Abb. 11. Wenn in Pforte in der Nordwest- wie in der Südwestecke des Querschiffs neben diesen Runddiensten ein schwerer rechteckiger Schildbogen auftritt, in Meißen aber nur der Runddienst da ist, so erklärt sich dieser Unterschied aus der komplizierten Pförtner Baugeschichte. Die rechteckigen Schildbögen — wie die Runddienste auf Konsolen abgefangen — gehören in Pforte einer älteren Umbauphase an als die Runddienste, auf denen die Gewölbebögen ruhen.

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Nicht leicht ist die Ableitung der Formen an der westlichen Lettnerschauwand. Natürlich bilden noch immer die Naumburger Formen die Grundlage. Aber die Rhythmisierung der Arkaden, die Vermehrung der Säulen sowie die Schärfung und Vervielfältigung der Profile sind neue Elemente. Für sie gibt es auch in Pforte nichts Vergleichbares. Der Naumburger Ausgangspunkt ist deutlich an der Gestalt der Säulen, vielleicht darf er auch in der Verwendung von Rücklagen für die Runddienste noch erkannt werden. Die Rücklagen sind nun aber leicht konvex gebogen, nicht eben, und sie sind z. T. auch nur auf einer Seite verwendet. Beides charakterisiert die leicht „manieristische" Stilstufe der Entwicklung. An Pforte dagegen erinnern die etwas willkürlich gestalteten Füllungen in den seitlichen Arkadenbögen. Die Verbindung von Dreipaß und Spitzgiebel darüber, die „federnde" Dreipaßform und die schweren, die Giebel krönenden Knöpfe siAd an den Nischen- und Schrankbekrönungen des Pförtner Chors vorgebildet. Vielleicht darf man auch die Konsolen unter den Giebelchen in Meißen als zisterziensische Form ansprechen. Im ganzen freilich wird man dem Gestalter der Meißner Lettnerschauwand eine bedeutende Selbständigkeit der Erfindung zugestehen, wenn er im wesentlichen auf den Naumburger und Pförtner Voraussetzungen aufgebaut haben sollte.

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Ähnliche Probleme wie die Lettnerschauwand bietet der Achteckbau, besonders in seinem Un- 69 tergeschoß. Naumburger und Pförtner Formen scheinen sich in ihm zu durchdringen. 1 Doch wird so souverän mit ihnen geschaltet, daß aus beiden Elementen etwas Neues und Eigenes entsteht. Stilistisch hat die schon im Meißner Chor beobachtete Verhärtung der Naumburger Einzelformen im Achteckbau noch zugenommen. Von den Dorsalarkaden, also von Naumburg, leitet sich das

25. Meißen, Dom, Schnitt durch die Arkaden am Sockel des Achteckbaus

unterhalb der Baldachinzone

Arkadenmotiv an den drei mit Figuren besetzten Diagonalwänden her. Doch ist die Profilierung zum Teil anders. Beispielsweise findet sich weder in Naumburg noch in Pforte die konvexe Bil- 25,26 dung am Profil der inneren Kleeblattzacken, die durch eine Hohlkehle wirkungsvoll schattend von der Rückwand abgesetzt sind. Doch ist eine Entwicklung dieses Profils aus dem der Naumburger Lettnerarkaden, das im übrigen in Meißen an den Seitenwänden des Lettners ziemlich getreu über- 13 nommen wurde, leichter vorstellbar als aus dem Profil der Kleeblattarkaden zu Pforte. Naumburgisch inspiriert sind auch die Laubfriese über den Türen, obwohl sie das Motiv in äußerster, me1

Ähnlich urteilt Küas, 1937, S. 88, ohne das allerdings im einzelnen zu erläutern.

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56 tallischer Verhärtung bieten. Von Naumburg könnte man auch das Prinzip des inneren „Laufgangs", d. h. hier das Zurücksetzen der Oberwand gegenüber dem breiteren Sockel, herleiten,

^20cnv „ .„

das im Achteckbau freilich nur wieder an den drei Figurenwänden in Erscheinung treten kann. Zwar bietet der Pförtner Chor das gleiche Motiv, doch stimmt das harte Heranlaufen des Laufganggesimses an die Gewölbedienste besser mit Naumburg als mit Pforte überein. In Pforte ist die Begegnung der Waagerechten und der Senkrechten an dieser Stelle durch Schaftringe gemildert. „

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27. Meißen, D o m , Schnitt durch ein Dienst-

bündel im Achteckbau

Dagegen gibt es das Motiv doppelter Kämpferbil.

.

.

dung, wie es die Schildbögendienste im Achteckbau

zeigen, in gleicher Form in Naumburg nicht. In Pforte aber setzt im Chor auf Konsolen ein zweiter, innerer Schildbogen höher an, der, wie im Achteckbau, mit seinen Konsolen den eigentlichen Kämpferpunkt des Schildbogens bezeichnet, während die Gruppe der Dienste ihre Kapitelle am Kämpferpunkt der Diagonalbögen besitzt. Hier könnte also eine Pförtner Erinnerung vorliegen. Auf Pforte verweisen weiter die Kleeblattnischen in ihrer straffen, „federnden" Form. Aber bei alledem bietet der Achteckbau eine ganz ähnliche Umbildung der Profile, wie sie schon an der Lettnerschauwand zu beobachten war. Besonders charak27 teristisch ist das Rippenprofil mit der konvexen „Rücklage". Sie nimmt hier geradezu Schwalbenschwanz-Form an, zumal sie am Diagonaldienst mit einem schlanken, geschärften Birnstab statt mit einer Wulstform zusammentritt. 69 Eine besondere Erwähnung verdienen die halbrunden Sockel für die Diagonaldienste in den Polygonecken. Sie kommen im 13. Jahrhundert in Meißen nicht wieder vor. Auch in Naumburg verwendet man überall rechtwinldig gebildete Sockel. Selbst in Pforte kennt man sie nicht, sondern man wählt quadratische oder später polygonale Sockel. Rundsockel sind charakteristisch für die Ostteile der Marburger Elisabethkirche und vielfach auch für die von diesem Bau abhängigen Denkmäler. 1 Man hat daher die Meißner Rundsockel im Achteckbau auch von Marburg ableiten wollen.2 Dennoch will es uns wenig wahrscheinlich vorkommen, daß ein untergeordnetes Formelement aus der hessischen Schule so vereinzelt in den Meißner Achteckbau übertragen worden sein sollte. Man darf daher wohl daran erinnern, daß auch an der Kathedrale von Reims, von der die wichtigsten Anregungen nicht nur für Marburg, sondern auch für den Naumburger Westchor ausgingen, an etwas ungewöhnlichen Stellen Rundsockel auftreten. Das ist der Fall im Gewände des Westportals, wo der Sockel sich mit einer Schräge auseinanderzusetzen hat, und im Langhaus auf den Deckplatten der Arkadenfreipfeiler für die dort beginnenden Gewölbedienste. An beiden Stellen dürfte diese Form noch vor der Mitte des 13. Jahrhunderts entstanden sein.3 Im übrigen 1 2 3

Vgl. Wilhelm-Kästner, 1924. Vgl. Bachmann, 1940, S. 48 und 64. Vgl. Reinhardt, 1963, Taf. 24 und 25 sowie Taf. 3 und 15, dazu Text S. 9 7 - 1 3 1 .

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nehmen die Rundsockel im Achteckbau vielleicht auch auf die beengten Raumverhältnisse in der Vorhalle Rücksicht. Rundsockel für die Dienstbündel treten dann auch im Obergeschoß des Achteckbaus auf. 70 Dieses ist im übrigen, wie gesagt, schlichter als die Eingangshalle. Die plastische Durchgliederung der Wände fehlt fast ganz. Es fehlt auch die Differenzierung der Kämpferhöhen. Doch entspricht die Formenvereinfachung der Veränderung des Raumbildes im Sinne einer reiner „gotischen" Erscheinung. Wir kommen zu der Frage, woher die Anregung stammen könnte, das Langhaus als Halle statt 53 als Basilika zu errichten. Die Frage ist um so interessanter, als unter den deutschen Bischofskirchen des 13. Jahrhunderts außer Meißen nur Paderborn, Minden und Lübeck der Hallenform den Vorzug gegeben haben.1 Daß zu diesen drei Bauten keinerlei Beziehungen vorliegen, ist offensichtlich. Westfälische Anregungen sind weder in der Raumgestalt noch in den Einzelformen zu erkennen. Lübeck untersteht schon als Backsteinbau eigenen Gesetzen. Gurlitt hat angenommen, daß der Baumeister, der den Hallenplan entwarf, aus Marburg kam. Seitdem ist es allgemeine Überzeugung, daß die Anregung zur Hallenform in Meißen von der Marburger Elisabethkirche ausging. 2 Historisch ließe sich dafür nur anführen, daß Bischof Withego, der als Bauherr den Meißner Hallenplan gutgeheißen haben muß, das Augustiner-Chorherrenstift zu Wechselburg im Jahre 1278 dem Deutschen Orden übergab. 3 Der 1283 geweihte Bau der Elisabethkirche könnte auf diesem Wege in Meißen bekannt geworden sein. Formal gibt es Beziehungen zu Marburg nur in der Proportionierung von Grundriß und Aufriß. Quadratische Seitenschiffsjoche rahmen stark querrechteckige Mittelschiffsjoche. Die Mittelschiffshöhe beträgt rund das Doppelte der Mittelschiffsbreite. Für die Seitenschiffe ergeben sich daraus sehr steile Verhältnisse, denn die Scheitelhöhe der drei Schiffe ist gleich. Damit sind jedoch die Ähnlichkeiten schon erschöpft. Wesentlich erscheint uns die Einsicht, daß sich diese Ähnlichkeiten auch als Folge der gleichen Situation erklären lassen.4 Beide Male wird an einen Ostteil, der mit einem basilikalen Langhaus rechnete, eine Halle angebaut. Der Grundriß des Langhauses hält dabei in beiden Fällen offensichtlich noch an dem für die Basilika gedachten gebundenen System fest. An die quadratische Vierung sollten sich quadratische Mittelschiffsjoche anschließen. Nur teilte man nun die Mittelschiffsquadrate in zwei quergelegte Rechtecke auf und ging damit zur gotischen Travée über. Die Höhenproportion des Mittelschiffs ergab sich aus den Proportionen des Querschiffs. Das Verhältnis von 1

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3 4

Daß die Hallenform im Langhaus des Paderborner Doms, das um 1230 begonnen wurde, von der Kathedrale zu Poitiers abzuleiten ist, ist allgemein bekannt und anerkannt. Die Halle des Mindener Doms (1267/90) nimmt zusätzlich nordfranzösische Anregungen auf. A m D o m zu Lübeck ist nur — sehr spät — der um 1265 begonnene Hallenumgangschor fertiggestellt worden. Man möchte meinen, daß für ihn sogar die Marienpfarrkirche jener Stadt vorbildlich war, obwohl die Bürgerschaft beim Chorneubau von St. Marien etwa gleichzeitig vom Hallenplan schon wieder Abstand nahm. Vgl. zu Lübeck Ellger, 1951, S. 35. Gurlitt, 1919, S. 83; Rauda, 1928, S. 29; Rudolph, 1930, S. 15; Küas, 1937, S. 91; Hentschel, 1944, S. 8; Lemper, 1955, S. 30f. ; Mrusek, 1957, S. 47 ; Reichel, 1964, S. 42. Vgl. Schlesinger, 1962, Bd. 2, S. 343 f. So auch Rudolph, 1930, S. 164. Trotzdem hält er an dem „hessischen" Einfluß in Meißen ohne weitere Begründung fest.

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Breite zur Höhe wie 1:2 ist in jener Zeit eine Art Normalproportion. Sie ist in Meißen im übrigen etwas unterschritten.1 Auch die annähernd gleiche Scheitelhöhe der drei Schiffe ist bei den Hallen des 13. Jahrhunderts trotz der Verschiedenheit der zahlreichen Hallensysteme der Zeit allgemein üblich, wenn man von der deutlich sich abhebenden Gruppe der westfälischen „Stufenhallen" absieht.2 Ist also aus der Verwandtschaft der Proportionen in Marburg und Meißen die Abhängigkeit des einen Baues vom anderen nicht mit Bestimmtheit zu begründen, so kommt die Verschiedenheit der Einzelformen hinzu, um diese Ableitung zu erschweren.3 Am augenfälligsten ist der Unterschied in der Form der Stützen: französische Rundpfeiler mit vier Diensten in Marburg, in Meißen Bündelpfeiler, an denen die Schiffsarkaden mit einer Rechteckform leicht hervorgehoben sind. In Marburg finden wir umlaufende Kapitellkränze, die zu hoher Stelzung in den Gewölbebögen, besonders in den Seitenschiffen, zwingen; in Meißen zeigen nur die drei Mittelschiffsdienste gleiche Kämpferhöhe, an den Unterzügen in den Arkaden sowie an den Diensten in den Seitenschiffen sitzen die Kapitelle rund zwei Meter höher, so daß die Stelzung sich erübrigt.4 In Marburg zweigeschossige, in Meißen eingeschossige Fensteranordnung. Marburg hat gerundete, zweiteilige Maßwerkformen, Meißen kantige, vierteilige, die aber zur Dreiteiligkeit umgedeutet werden.5 Die Sockel der Dienste sind in Marburg rund, später polygonal, in Meißen quadratisch. Die Fenster haben in Marburg innen ein kräftiges Sohlbankgesims, in Meißen ist es nur eben angedeutet. Schließlich haben die Durchlässe an den Strebepfeilern in Marburg eine andere Form als in Meißen, auch sind die Marburger Strebepfeiler mit Aufsätzen versehen, die das Kranzgesims überschneiden, während solche in Meißen fehlen. Andererseits sind die Proportionen gerade bei einer Halle für die Raumwirkung besonders wichtig. Daher drängt sich in Meißen der Vergleich mit Marburg immer wieder auf. Es ist deshalb vielleicht nicht angängig, eine Marburger Anregung gänzlich auszuschließen. Möglicherweise ist sie aber nur mittelbar erfolgt. Denn seit 1260/70 entsteht in den weiter westlich gelegenen Teilen Mitteldeutschlands, in Thüringen und im Harzgebiet, eine Reihe von Hallenräumen, die zwar fast alle von Marburg angeregt sind und am französischen Rundpfeiler mit Diensten festhalten, aber alle doch auch gewisse Änderungen am Marburger System vornehmen.® Für unsere Betrachtung ist wichtig, daß die Zweigeschossigkeit des Aufrisses von allen diesen Denkmälern nicht wiederholt wird, so daß sich in der äußeren Gestalt gewisse Ähnlichkeiten zu Meißen ergeben. Auch stimmt 28 die Dachlösung mit Meißen überein: Querdächer über den Seitenschiffsjochen, die vorn mit einer 1 2

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Vgl. den Querschnitt bei Gurlitt, 1919, Taf. III. Zu den westfälischen Stufenhallen vgl. Mühlen, 1950; zu den westfälischen Hallengruppen allgemein Henze, 1957, S. 170/72. Vgl. hierzu die Abbildungen bei Wilhelm-Kästner, 1924. Im ersten Langhausjoch von Osten haben die Gurtbögen in Marburg noch zwei Kapitelle, das reicher gebildete sogar am natürlichen Kämpferpunkt. Vgl. Wilhelm-Kästner, 1924, Abb. S. 10. Aber schon im zweiten Joch ist der einheitliche Kapitellkranz klar durchgeführt. Der Vergleich bezieht sich' natürlich immer nur auf die ältesten Teile der Meißner Halle, 1. Travée von Osten und 1. bis 4. Joch der Nordwand. Vgl. dazu Rudolph, 1930.

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Reihe von Quergiebeln schließen, während das hessische System zurückhaltender die Seitenschiffsquerdächer mit einem Walm versieht.1 Zu den Denkmälern dieser Gruppe, soweit sie kurz vor dem Meißner Dom zum Hallensystem übergehen, gehören die Blasiuskirche zu Mühlhausen, der Chor der Liebfrauenkirche zu Arnstadt, die Stiftskirche zu Nienburg und — mit sehr eigenwilliger Bildung der Stützen — die Severi-

28. Meißen, Dom, Rekonstruktion der ursprünglichen Bedachung des Hallenlanghauses, Aufriß und Schnitt (nach Härtung)

kirche zu Erfurt. Nur in Mühlhausen und Arnstadt ist freilich die beschriebene, in Meißen zu rekonstruierende Dachlösung noch erhalten. Sie wurde jedoch auch in der jüngeren Mühlhausener Marienkirche wieder verwendet. Daß diese Gruppe eine Mittlerrolle zwischen Marburg 1

Die ursprüngliche Dachlösung der Meißner Halle schon von Härtung in Veröffentlichungen 3, 1908, Taf. V, rekonstruiert. Vgl. auch Gurlitt, 1919, S. 126f. Rauda, 1928, S. 31, weist darauf hin, daß die Meißner Frauenkirche noch heute diese Dachlösung zeigt. — Die hessischen Walmdächer — außer in Marburg — noch erhalten in Frankenberg und (bis 1945) in St. Stephan zu Mainz.

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und Meißen gespielt hat, liegt wegen der genannten Verwandtschaft in der Gestalt des Äußeren nahe. Einige andere Hallensysteme der Zeit können als Anreger für Meißen ausgeschlossen werden, so die westfälischen Hallen, zu denen, wie gesagt, weder in der Raumgestalt noch in den Einzelformen Beziehungen bestehen. Auch die vielfach von Westfalen abzuleitenden Hallen des Backsteingebiets, die stark romanisch wirkenden Hallen im Braunschweiger Typus und schließlich die strengen Hallen der Bettelorden bieten zur Erklärung des Meißner Entschlusses keine Anknüpfungspunkte. 1 Dagegen scheint uns in Anbetracht der zisterziensischen Formelemente, die wir am Meißner Ostteil mehrfach feststellen konnten, der Hinweis auf die Hallentradition dieses Ordens von Bedeutung. Von Walderbach ausgehend, wo altbayerische und italienische Gedanken zu neuer Einheit zusammentraten, führt die Linie über die Prämonstratenserklosterkirche Tepl zu den Hallenchören der Zisterzienser in Lilienfeld und Heiligenkreuz und, was hier wichtig ist, zur Kirche des Zisterzienser-Nonnenklosters Marienstern.2 40 Allerdings, die Einzelheiten der Halle zu Marienstern erscheinen gegenüber denen des Meißner Doms ebenso unterschiedlich wie die dei Marburger Halle. Sie sind von strengster Schlichtheit und Kantigkeit, so daß sie geradezu zeitlos wirken. Nur die eingeschossige Fensteranordnung, die Dreiteiligkeit des Maßwerks und die Form der Strebepfeiler stimmen mit Meißen so ziemlich überein. Dagegen sind in den Proportionen und in der Lösung der Gewölbefrage wichtige Unterschiede zu verzeichnen. Marienstern hat im Sinne seines von vornherein auf den Hallenquerschnitt angelegten Grundrisses querrechteckige Joche im Mittelschiff und längsrechteckige in den Seitenschiffen.3 Dieser Unterschied könnte noch mit dem in Meißen bereits vorliegenden Zwang erklärt werden. Marienstern hat aber auch an den schlicht achteckigen Pfeilern einen in gleicher Höhe umlaufenden Kranz von Konsolen für die Gewölbeanfänger. Die Kämpferhöhe ist in einer mittleren Lage so gewählt, daß im Mittelschiff gedrückte, in den Seitenschiffen gestelzte Gewölbebögen auftreten. Übereinstimmend mit Meißen — und mit Marburg — ist nur wieder die in allen drei Schiffen gleiche Höhenlage der Gewölbescheitel. Mehrfach konnten wir Anregungen aus Marienstern feststellen. Wir sahen auch, daß die Teile des Meißner Doms, die vor dem Übergang zum Hallensystem entstanden, von zisterziensisch geschulten Bauleuten aufgeführt wurden. Neben dem Umbau zu Pforte, der 1268 in seinen wichtigsten Teilen abgeschlossen vor Augen stand, mußte der bedeutende Neubau in Marienstern, dessen 1

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Zur Frage der Hallenkirche im 13. Jahrhundert ist an wichtiger zusammenfassender Literatur zu vergleichen: Westfälische Hallen: Rosemann, 1932; Henze, 1957, S. 1 6 5 - 2 1 4 . - Backsteinhallen': Franke, 1939; Ellger, 1951, S. 12—43, besonders S. 34— 43; Lehmann, 1963, S. 85 — 90. — Braunschweiger Hallen: Meier und Steinacker, 1926; Thümmler, 1959 (in bezug auf die Ausstrahlung auf Soest). — Bettelorderishallen: Krautheimer, 1925; Groß, 1933, S. 323/25. Vgl. Gurlitt, 1912, S. 142/67; Bachmann, 1940. — Eine Weiterwirkung des Hallengedankens ist interessanterweise auch in der schlesischen Zisterzienserabtei Kamenz feststellbar. 1307 war die Kamenzer Kirche sicher im Bau, 1315 der Hochaltar bereits in Funktion, der Ostteil also vollendet. Die Kirche ist ein Backsteinbau mit Achteckpfeilern im Langhaus ähnlich Märienstern. Vgl. Grüger, 1967. Daß in Marienstern das südliche Seitenschiff in seinem unteren Teil den Kreuzgang in sich aufnimmt, ist für die Lösung als Ganzes ohne Belang.

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Kirche in ihrer heutigen Erscheinung sicher um 1280 im Entstehen begriffen war, die Aufmerksamkeit der Ordensbauleute auf sich ziehen.1 Hinzu kommt, daß einer der Stifter des Klosters Marienstern, Bernhard von Kamenz, während der Zeit des Planwechsels in Meißen Propst des Domkapitels und dort offenbar so angesehen war, daß man ihn nach dem Tode Bischof Withegos 1293 zu dessen Nachfolger wählte. In Anbetracht aller dieser Umstände wäre es verständlich, wenn das Beispiel der Zisterziensernonnenkirche Marienstern den Übergang zum Hallenplan beim Dombau in Meißen mitbestimmt hätte. Zieht man aus allen diesen Betrachtungen die Summe, so ergibt sich, daß eine eindeutige Ableitung der Meißner Hallenidee nicht möglich ist. Um so eindringlicher tritt die hohe Selbständigkeit des Meißner Baumeisters zutage. Die Halle muß als Baugedanke für die Zeit eine erstaunlich starke Anziehungskraft besessen haben. In einer Vielzahl von Systemen wurde versucht, den Hallenraum zu gestalten. Aus dieser Zeitströmung heraus ist wohl in erster Linie der Übergang von der Basilika zur Halle in Meißen zu verstehen.2 Daß auch ein Bischof oder ein Domkapitel den Entschluß faßt, die von dem französischen Vorbild her als Königs- und Bischofskirche sanktionierte Form der Basilika zugunsten der lichteren Halle aufzugeben, bleibt dennoch bemerkenswert. Das Vorbild der Marburger Elisabethkirche, vermittelt vor allem durch die geographisch näherliegenden Umbildungen desselben in Thüringen und im Harzgebiet, und die Hallentradition der Zisterzienser, vermittelt durch die Kirche zu Marienstern, mögen zusammen zu dem Entschluß beigetragen haben, das Langhaus als Halle weiterzuführen. Diese Weiterführung erfolgte aber ganz selbständig und eigenwillig. Der Baumeister behielt das im Ostteil angelegte System mit seinen Bündelpfeilern bei und trennte die Mittelschiffsgewölbe von denen der Seitenschiffe durch 1

Wie in Anm. 2, S. 41, dargelegt wurde, weisen die urkundlichen Nachrichten darauf hin, daß um 1259/64bereits ein kirchlicher Raum für den klösterlichen Gottesdienst zur Verfügung stand. Leider besagt das für den heute stehenden Bau nicht allzu viel, wie die 1965 begonnenen Restaurierungsarbeiten an der Klosterkirche gezeigt haben. Nach Magirius, Festschrift, sind an der heutigen Kirche drei Bauperioden zu unterscheiden. Von der ersten sind nur geringe Spuren einer Nonnenempore erhalten. Dabei könnte es sich also um den 1259 bereits bestehenden Erstbau handeln. Die heutige Kirche wurde wohl erst etwas später als Bruchsteinbau begonnen. Doch war sie von Anfang an als Hallenkirche gedacht. Erst in einer zweiten Phase wurde sie als Backsteinbau mit Haustein-Formteilen fortgeführt. Feste Anhaltspunkte zur Datierung dieser beiden Bauphasen des bestehenden Baues fehlen. Doch zeigen die Schlußsteine z. T. eine enge Verwandtschaft mit denen, die im Ostflügel der Klausur auftreten. Sie sind auch stilistisch am ehesten in die letzten zwei Jahrzehnte des 13. Jahrhunderts zu setzen. Man wird also Magirius zustimmen können, wenn er die in Bruchstein ausgeführten Anfänge des heutigen Baues vorschlagsweise in die 60er Jahre des 13. Jahrhunderts setzt und für die Weiterführung des Baues in der endgültigen Form etwa die letzten drei Jahrzehnte dieses Jahrhunderts vermutet. Das bedeutet, daß der Hallengedanke in Marienstern sicher wesentlich früher als in Meißen aufgegriffen worden ist.

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Seit Gurlitt, 1919, S. 77, wird angenommen, daß das basilikale System zugunsten der Halle aufgegeben wurde, weil man die ungünstigen Querschnittverhältnisse nicht zu bewältigen wußte. So auch Küas, 1937, S. 91, wo darüber hinaus technische Schwierigkeiten vermutet werden. Vgl. noch Hentschel, 1944, S. 8, und Lemper, 1955, S. 30. Wir meinen annehmen zu dürfen, daß der Baumeister, der das basilikale Langhaus entwarf, weitblickend genug war, um sich das Ergebnis seiner Planung vorzustellen. Höhere technische Schwierigkeiten als beim Bau der Ostteile waren auch im Langhaus nicht zu erwarten. Die Änderung des Langhaus-Systems darf daher wohl allein auf künstlerische Gründe zurückgeführt werden bzw. auf die den künstlerischen Gründen zugrunde liegenden Sinnschichten. — Der Vergleich des Basilika-Plans mit dem Straßburger Münster, wie er an den vorgenannten Stellen vorgenommen wird, erscheint uns mindestens gewagt. Wir wissen zu wenig von der geplanten Meißner Basilika, um diesen Plan mit solcher Bestimmtheit an das Straßburger Vorbild heranzurücken.

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Meißner Dom

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verschiedene Kämpferhöhen. Beide Eigenarten kehren bemerkenswerterweise bei keinem anderen Hallensystem der Zeit wieder.1 88 Ein letztes Wort ist zur Herkunft der Formen an der Allerheiligenkapelle, der sogenannten MariaMagdalenenkapelle, zu sagen, des jüngsten Baues im Zusammenhang der Meißner Ostteile. Die Abfangung des Gewölbes auf Konsolen gibt dem Raum etwas Zisterziensisches. Freilich ist zu bedenken, daß sich bei der eigentlichen Bestimmung der Kapelle zum Kapitelsaal das Abfangen der Gewölbe aus praktischen Gründen empfahl. Das Gestühl war so an den Wänden leichter aufzustellen. Das Gewölbe selbst und besonders seine skulptierten Teile gehören deutlich in die Naumburger Tradition.2 Am Portal begegnet dagegen der Dreipaß in der Pförtner Form.3 Die großen Fenster mit ihren zart profilierten Gewänden und ihrem entwickelten hochgotischen Maßwerk sowie die Profile des Baues überhaupt bilden das bisher an den Ostteilen aufgetretene Formengut im Sinne des späten 13. Jahrhunderts weiter um. Die Seitenwände der Kapelle sind dabei den ältesten Seiten33 wänden des Langhauses, den vier östlichen Jochen im Norden, in ihrem Aufbau nah verwandt.4 Ob trotzdem in dieser Phase des Meißner Dombaues schon neue Formquellen anzunehmen sind, ist allein auf Grund der an der Magdalenenkapelle auftretenden Formen schwer zu entscheiden. Möglich wäre eine im wesentlichen interne Meißner Entwicklung bis gegen das Ende des Jahrhunderts durchaus. Zusammenfassung In den Jahren 1259/60 beschließt Bischof Albert den Neubau des Domes. Er beruft dazu einen Baumeister, der den Westchor von Naumburg sehr genau kennt. Dieser entwirft einen Gesamtplan des Baues. Nach ihm wird mit unbedeutenden Abweichungen bis zur Einführung des Hallenplans, vor 1291, gebaut. Der Gesamtplan ist insofern von uns nicht klar zu beurteilen, als wir über den beabsichtigten Westabschluß und die geplante Zahl der Joche im Langhaus nichts wissen. Trotz recht phantasievoller Einzelzüge im Aufbau der Ostteile ist deren Grundriß — Querschiff, östliche Winkeltürme und Polygonalchor — im ganzen nicht auffällig, für die Zeit um 1260 vielleicht sogar etwas altertümlich. Zumal das Querschiff aus drei Quadraten mit Kreuzgewölben mutet fast romanisierend 1

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Die Severikirche zu Erfurt bildet insofern eine interessante und im wesentlichen in die gleiche Zeit gehörige Parallele zum Meißner Dom, als auch hier ein Stützensystem gewählt wird, das mit Marburg nichts zu tun hat. Es hat aber auch mit den Meißner Bündelpfeilern nichts gemein. Wie in Meißen gibt es weder echte Vorbilder noch wirkliche Nachfolgebauten. Vgl. dazu besonders Küas, 1937, S. 185/93. Küas sieht, daß der Bau in das Ende des 13. Jahrhunderts gehört. Da er aber meint, die Skulptur und auch die Gewölberippen dürften nicht so spät datiert werden, nimmt er an (S. 189), daß diese auf Vorrat gemeißelt wurden und verspätet zum Versatz gekommen sind. Diese Annahme begegnet freilich großen Bedenken. Tatsächlich liegt aber eine stilistische Diskrepanz vor. Es bleibt wohl nur übrig, damit zu rechnen, daß der „Naumburger Stil" bis in die 90er Jahre, mindestens in Meißen, nachgewirkt hat. Er wurde zwar bei der Restaurierung erneuert (vgl. Gurlitt, 1919, S. 373), doch dürfte das wohl im alten Sinne geschehen sein. So auch Rauda, 1928, S. 33.

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verschiedene Kämpferhöhen. Beide Eigenarten kehren bemerkenswerterweise bei keinem anderen Hallensystem der Zeit wieder.1 88 Ein letztes Wort ist zur Herkunft der Formen an der Allerheiligenkapelle, der sogenannten MariaMagdalenenkapelle, zu sagen, des jüngsten Baues im Zusammenhang der Meißner Ostteile. Die Abfangung des Gewölbes auf Konsolen gibt dem Raum etwas Zisterziensisches. Freilich ist zu bedenken, daß sich bei der eigentlichen Bestimmung der Kapelle zum Kapitelsaal das Abfangen der Gewölbe aus praktischen Gründen empfahl. Das Gestühl war so an den Wänden leichter aufzustellen. Das Gewölbe selbst und besonders seine skulptierten Teile gehören deutlich in die Naumburger Tradition.2 Am Portal begegnet dagegen der Dreipaß in der Pförtner Form.3 Die großen Fenster mit ihren zart profilierten Gewänden und ihrem entwickelten hochgotischen Maßwerk sowie die Profile des Baues überhaupt bilden das bisher an den Ostteilen aufgetretene Formengut im Sinne des späten 13. Jahrhunderts weiter um. Die Seitenwände der Kapelle sind dabei den ältesten Seiten33 wänden des Langhauses, den vier östlichen Jochen im Norden, in ihrem Aufbau nah verwandt.4 Ob trotzdem in dieser Phase des Meißner Dombaues schon neue Formquellen anzunehmen sind, ist allein auf Grund der an der Magdalenenkapelle auftretenden Formen schwer zu entscheiden. Möglich wäre eine im wesentlichen interne Meißner Entwicklung bis gegen das Ende des Jahrhunderts durchaus. Zusammenfassung In den Jahren 1259/60 beschließt Bischof Albert den Neubau des Domes. Er beruft dazu einen Baumeister, der den Westchor von Naumburg sehr genau kennt. Dieser entwirft einen Gesamtplan des Baues. Nach ihm wird mit unbedeutenden Abweichungen bis zur Einführung des Hallenplans, vor 1291, gebaut. Der Gesamtplan ist insofern von uns nicht klar zu beurteilen, als wir über den beabsichtigten Westabschluß und die geplante Zahl der Joche im Langhaus nichts wissen. Trotz recht phantasievoller Einzelzüge im Aufbau der Ostteile ist deren Grundriß — Querschiff, östliche Winkeltürme und Polygonalchor — im ganzen nicht auffällig, für die Zeit um 1260 vielleicht sogar etwas altertümlich. Zumal das Querschiff aus drei Quadraten mit Kreuzgewölben mutet fast romanisierend 1

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Die Severikirche zu Erfurt bildet insofern eine interessante und im wesentlichen in die gleiche Zeit gehörige Parallele zum Meißner Dom, als auch hier ein Stützensystem gewählt wird, das mit Marburg nichts zu tun hat. Es hat aber auch mit den Meißner Bündelpfeilern nichts gemein. Wie in Meißen gibt es weder echte Vorbilder noch wirkliche Nachfolgebauten. Vgl. dazu besonders Küas, 1937, S. 185/93. Küas sieht, daß der Bau in das Ende des 13. Jahrhunderts gehört. Da er aber meint, die Skulptur und auch die Gewölberippen dürften nicht so spät datiert werden, nimmt er an (S. 189), daß diese auf Vorrat gemeißelt wurden und verspätet zum Versatz gekommen sind. Diese Annahme begegnet freilich großen Bedenken. Tatsächlich liegt aber eine stilistische Diskrepanz vor. Es bleibt wohl nur übrig, damit zu rechnen, daß der „Naumburger Stil" bis in die 90er Jahre, mindestens in Meißen, nachgewirkt hat. Er wurde zwar bei der Restaurierung erneuert (vgl. Gurlitt, 1919, S. 373), doch dürfte das wohl im alten Sinne geschehen sein. So auch Rauda, 1928, S. 33.

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an. Entgegen der sächsischen Gewohnheit fehlen ihm auffallenderweise Nebenchöre oder Nebenapsiden. Ungewöhnlich ist auch die lange Chorform, sie ist für die liturgischen Zwecke eines Domkapitels aber notwendig. Die äußeren Chorumgänge sind ohne jeden Vergleich. Strebepfeiler, die man für ein leichteres Umschreiten des Baues durchbrochen hat, finden sich zwar auch sonst, z. B. am Regensburger Dom oder in Kurim in Böhmen,1 aber die Verkleidung dieses Weges durch Arkaden und seine Überbauung mit einem oberen Laufgang begegnet unseres Wissens nicht wieder. Ganz allein steht auch die an Holzbauweise gemahnende Bildung des „Plattengangs" auf der Chornordseite sowie die Verwendung der Untergeschosse der Chorwinkeltürme als Durchgangshallen. Osttürme an sich, auch in der gleichen Stellung wie in Meißen, gibt es in der deutschen Architektur häufig, so daß sich Beispiele erübrigen. Dem Meißner Baumeister werden vor allem die Vorbilder in Naumburg — vielleicht auch die in Magdeburg und Bamberg — vor Augen gestanden haben. In der Stellung sind den Meißner Türmen die Naumburger Osttürme am ähnlichsten, in der reinen Blockform der äußeren Erscheinung die — freilich spätromanischen — Untergeschosse der Naumburger Westtürme. Der zuerst, bis 1268, ausgeführte Hochchor geht vom Vorbild des Naumburger Westchors aus. Er erweitert den Grundriß durch Einfügung des querrechteckigen Jochs zwischen Chorquadrat und Chorpolygon, und er verändert Äußeres und Inneres grundlegend durch das Weglassen des Laufgangs innen und die Hinzufügung eines zweigeschossigen Umgangs außen. Aus dem frühgotischen Naumburger Raum von klassischer Ausgewogenheit wird durch diese Abwandlungen ein hochgotisch gestraffter, stärker in die Tiefe wie steiler in die Höhe sich erstreckender Raum. Das weiche Sich-Dehnen des Naumburger Chors durch die östlichen schmalen Seitenräume und den Laufgang im Polygon geht in Meißen verloren, damit zugleich das die Statik betonende Zusammengehaltensein des Raumes durch die kräftigen, zwischen den Fenstern nach innen vortretenden Gewölbeträger. Das fehlende Laufganggesims und die nur noch als dünne Bänder in Erscheinung tretenden Dienstbündel ergeben in Meißen ein härter umgrenztes Raumbild und ein bestimmendes Übergewicht der Vertikalen. Aber die Leistung des Meißner Baumeisters liegt nicht bloß in einer „Gotisierung" des Naumburger Vorwurfs, sie liegt auch in einer Reihe eigener Gedanken. Die Dorsalarkaden schmücken die mächtigen, kahlen Turmwände und schaffen zugleich einen Raum mit stärkerer Betonung der Horizontalen. In einem klaren Kontrast hierzu steht das Chorpolygon mit seinen reinen Vertikalen. Zwischen beiden vermittelt das rechteckige Chorjoch. Das gilt auch hinsichdich der Beleuchtung des Raumes. Vom fensterlosen Chorquadrat über das Rechteckjoch mit halbhohen Fenstern steigert sich die Durchsichtigkeit des Raumes zum ganz in Fenster aufgelösten Polygon. Die Ausnutzung des Zwischenjochs mit den höher ansetzenden Fenstern für die Unterbringung der Spindeltreppen und für die Aufstellung der Statuen der Patrone und Gründer des Domes ist ein singulärer Gedanke. Er zeigt, wie glänzend der Meister die Situation beherrscht. Die Treppen zu den Sakristeien und zu den Obergeschoßräumen der Klausur finden auf diese Weise ihren sinn1

Zu Regensburg vgl. etwa Gall, 1954, S. 70; zu Kurim vgl. Bachmann, 1940, S. 15.

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vollen Platz. Vor allem aber wird in dem Zwischenjoch ähnlich wie im Naumburger Westchor als Ganzem durch die mächtigen Statuen ein Raum des Gedächtnisses geschaffen, der sich hier zwischen den Raum für das Stundengebet und den für das Hochamt vermittelnd einschiebt. Die Ordnung und Gestaltung der näheren Umgebung des Chores ist als ein Ganzes zu betrachten. Wir können den vollen Sinn dieser Ordnung nicht mehr erfassen, weil wir weder den Stiftsbezirk im Süden noch den Burgbezirk im Norden in seiner Erstreckung und in seinen Ver51 bindungswegen zum Dom näher kennen. Wir betonten bereits die Besonderheit der Lösung, die Untergeschosse der Türme zu monumentalen Durchgangshallen auszugestalten. Sie leiteten sicher zum Stiftsbezirk, vielleicht auch zum Burgbezirk über und waren untereinander durch den unteren Chorumgang verbunden. Er mochte als Prozessionsweg gedacht gewesen sein. Die Obergeschosse 46 der Türme waren als die eigentlichen Chornebenräume ausgenützt, als Sakristei, Archiv oder Schatzkammer und Kapelle. Für sie waren die Chorspindeltreppen da, die zusammen mit dem oberen Chorumgang ein bequemes Wegenetz zwischen dem Obergeschoß des Stiftsbezirks und dem 42 Chorbezirk schufen. Der eigentümliche „Plattengang" hatte als freitragende Konstruktion den oberen Chorumgang in seinem nordwestlichen Teil zu vervollständigen. Aus einem nicht geklärten Grunde war hier auf die Arkaden des unteren Umgangs verzichtet worden. Eigenartig ist, daß sich in den naumburgischen Formenkreis des Chores Formen anderen Charak32 ters einschieben, zisterziensische Formen. Wir meinen die Strebepfeiler und das Maßwerk. Wir können nicht wissen, ob der gleiche naumburgisch geschulte Baumeister, der den Gesamtplan schuf und die Anfänge des Chores leitete, selbst diese andere Welt mit hereinnahm, oder ob hier bereits ein Wechsel in der Leitung vorliegt. Sicher ist, daß das zisterziensische Element mit der Weiterführung des Baues an Bedeutung gewinnt. Wir spüren es in der mauerhaften, kantigen Bildung 50 der Osttürme, in der Schwere der Formen im Kreuzgangteil südlich vom Chor und in mancher Einzelheit des Querschiffs. Freilich ist es eine Zisterzienserbaukunst, die ihr burgundisches Gepräge und ihre betont monastisch schlichte Eigenart schon aufgegeben und die nordfranzösische Gotik in einer gewissen Verwandlung in sich aufgenommen hat. Wir meinten, als Hauptquelle dieser neuen Richtung die Bauhütte von Pforte erkennen zu dürfen. Das würde sich auch historisch gut einfügen. 1268 war der erste Abschnitt in Meißen erreicht. Im gleichen Jahr fand eine feierliche Weihe des Umbaus der Klosterkirche zu Pforte statt. Ein Teil der dort tätigen Kräfte wird damit frei geworden sein. Daneben hatten offenbar auch die Kirche und der Osttrakt des Zisterzienser-Nonnenklosters zu Marienstern beim Neubau des Meißner Doms eine Rolle gespielt. Charakteristische Einzelformen sind von dorther übernommen worden, und sogar das Hallensystem der dortigen Kirche scheint für den Dombau eine gewisse Vorbildlichkeit gewonnen zu haben. Das Überraschende, das man darin sehen könnte, daß eine Nonnenkirche auf den Bau einer Kathedrale Einfluß gewinnt, erklärt sich wohl daraus, daß die klösterliche Stiftung dem Propst und späteren Bischof der Kathedrale ihr Dasein verdankt und daß — wie wir aus unseren Beobachtungen schließen müssen — der gleiche Orden der Zisterzienser, der die Klöster Pforte und Marienstern erbaute, spätestens seit 1268 auch Bauleute zur Errichtung der Kathedrale nach Meißen entsandte. Der enge Zusammen76

halt der Zisterzienserklöster untereinander, der auch in Baufragen gilt, ist bekannt. Die Frauenklöster stehen zwar oft außerhalb dieses Zusammenhangs, doch trifft das gerade für Marienstern offensichtlich nicht zu. Das Querschiff ist mit seinen weitgehend geschlossenen Wänden, mit den schlichten Eckstreben

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außen und den einfachen Runddiensten innen sowie mit seiner Eindeckung durch drei quadratische Kreuzgewölbe auffallend zurückhaltend durchgebildet. Sieht man von dem Naumburgischen Formengut ab, das aus dem Chor gleichsam ins Querschiff, besonders in die Vierung, vordringt, so ist der Zusammenhang mit dem Zisterziensischen am Querschiff relativ gut erkennbar. Etwas Besonderes bedeutet hier das große Südfenster. Ungewöhnlich weit reißt es die Wand auf, und un- 41 gewöhnlich ist auch sein Maßwerk mit der Mischung früh- und hochgotischer Züge. Immerhin konnten wir auch hinsichtlich der Schweif-Formen an diesem Maßwerk auf etwa gleichzeitige verwandte Bildungen in Heiligenkreuz hinweisen. Möglicherweise stammt beides, das mächtige Fenster wie das eigenwillige Maßwerk, aus dem Umkreis zisterziensischen Bauens. Nicht aus diesem Vorbildbereich ableiten lassen sich die schmalen Arkaden des unteren Chorumgangs und die Gestalt der Querschiffgiebel. Beide führen auf das Vorbild der Metropolitankirche, auf das Vorbild des Magdeburger Doms zurück. So entsteht aus Naumburger, Magdeburger und zisterziensischen Formen — aus zisterziensischen Formen verschiedener Prägung — das bunte Bild der vielgestaltigen Einzelformen an den Ostteilen des Meißner Doms. Eine bedeutende, neue Künstlerpersönlichkeit glauben wir in der Einzelgestaltung des Achteckbaus am Werke zu sehen. Etwa gleichzeitig, vielleicht ein wenig früher, wird auch die westliche Lettnerschauwand entstanden sein. Ihre Profile sind zum Teil mit denen im Achteckbau verwandt. Auch einige „manieristische" Eigenheiten finden sich hier wie dort. Aber die Auffassung des Ganzen ist am Lettner anders als am Achteckbau. Sie ist in beiden Fällen jedoch sehr eigenwillig und selbständig. Aufschlußreich ist die stilistische Analyse beider Werke. Für die Lettnerwand bieten sich die „naumburgischen" Seitenteile zum Vergleich. Die Formen sind dort relativ kräftig, die plastische Gliederung in Schichten ist deutlich ablesbar. Auf die am weitesten zurückliegende Schicht der glatten Wand folgt die mittlere, die Schicht der Kleeblattbögen, die auf den rückwärtigen Säulen ruht. Ganz vorn liegt die Schicht der Spitzbögen auf den vorderen Säulen. Zweiergruppen von Blenden werden parataktisch aneinandergereiht. Nichts von dieser „klassischen" Klarheit wurde an der Westwand beibehalten. Breite geschlossene Bögen und schmale, in denen die Türen sitzen, wechseln miteinander ab. Die zierlichen, nun fünfteiligen Säulenbündel tragen nur die ebenso zierlich gegliederten Archivolten, deren vordere Ebene zugleich die zweite und letzte plastische Schicht bildet. Ganz unorganisch fügen sich die Füllungen in die seitlichen Bogenfelder ein. Die Spitzgiebel haben überhaupt kein Auflager, die Kleeblattbögen bedürfen der Konsolen. Im ganzen findet sich gegenüber der Naumburger Stilstufe ein Mehr an Bewegtheit und eine stärkere Verfeinerung. Das wird erkauft durch einen Verlust an Plastizität und Klarheit. In den positiven Eigenschaften wie auch in der Minderung der plastischen Fülle entspricht die Schauwand der stilistischen Entwicklung jener Jahrzehnte. 77

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Ein besonders köstliches Werk stellt der Achteckbau dar. Wir neigen dazu, die Idee zu dieser Lösung noch dem ersten Meißner Baumeister zuzuschreiben. Sie paßt in ihrem Geschick, eine ungewöhnliche bauliche Situation mit ungewöhnlichen baulichen Maßnahmen zu lösen, gut zu dem, was sich schon am Chor beobachten ließ. Der ausführende Meister nahm aber offenbar nur den Grundriß als gegeben hin. Der Aufbau und die Einzeldurchbildung gehören ganz ihm, einem begabten, vermutlich auch jüngeren Künstler. Wie in allen Zentralbauten ist die Orientierung zunächst erschwert. Sie wird bestimmend erleichtert durch die Marienfigur, die als Gottesmutter und Himmelskönigin die Blicke des Eintretenden auf sich zieht. Auf sie als Zentrum sind sowohl die beiden Türen neben ihr als auch die beiden seitlichen Figuren bezogen. Diese, Johannes der Täufer und der himmlische Diakon, geben ihrem Hingewendetsein zur Gottheit in ihren Gesten deutlichen Ausdruck. Auf die Marienfigur führt schließlich auch der mittlere der drei Eingänge zu, während die praktische Seite dadurch zu ihrem Recht kommt, daß die beiden seitlichen Öffnungen unmittelbar auf die Domtüren zuleiten. Ein Rest der Desorientierung bleibt immerhin dadurch erhalten, daß entsprechend dieser Analyse die Hauptachse des Achteckbaues um 45° gegenüber der Domachse gedreht ist. Im Inneren der Vorhalle tragen zarte, dreiteilige Dienstbündel das achtrippige Gewölbe. Ihr straffes Aufsteigen wird mehrfach gehemmt. Auf den „Figurenseiten" des Achtecks schiebt sich zwischen sie das stark plastische Arkadenmotiv, das sogar die seitlichen Dienste verdrängt, so daß diese erst vom Deckgesims der Arkaden aus aufsteigen können. Das kräftige Gesims schiebt sich noch so weit über den Hauptdienst, daß es ihn zu zerschneiden droht. Ein Kapitellkranz in Kämpferhöhe des Gewölbes schließt den Aufstieg der Dienste zunächst ab. Doch nochmals bedrohen hier harte Horizontalen die Vertikalen der Dienste. Diesmal sind es die waagerechten Türstürze, die unmittelbar oberhalb der Dienstkapitelle liegen und durch ihre Laubleisten stark betont werden. Während dann die Hauptdienste sich bereits leicht dem Gewölbemittelpunkt zuneigen, steigen die seitlichen, nun allein, ganz dünn, noch ein Stück höher hinauf bis zu einem zweiten Kapitell, das die Kämpferhöhe der Schildbögen bezeichnet. In gleicher Höhe setzt auf den „Figurenseiten" der elegante Dreipaß an, der den Figuren ihren eigentlichen, straffen und zugleich zarten Rahmen gibt. Das geistreiche Spiel ständig gehemmter und doch siegreich sich durchsetzender Aufwärtsbewegung, die ebenso geistreiche Differenzierung der Oktogonseiten hinsichtlich ihrer Plastizität und ihrer Ausdruckswerte, beides fehlt dann im Obergeschoß des Achteckbaues. Die Johanniskapelle gibt sich als unerwartet schlichter, klarer Baldachinraum, dessen Proportionen zudem etwas weniger steil sind als die der Vorhalle. Die Öffnung zum Querschiff unterstreicht hier die ursprünglich auch im Altar gegebene Ausrichtung des Raumes nach Osten. Wir haben bei der Analyse der Einzelheiten festgestellt, daß im Achteckbau Naumburger und Pförtner Formen sich durchdringen, wobei die Naumburger ein wenig zu überwiegen scheinen. Diese Feststellungen dürfen hier vielleicht durch den Hinweis ergänzt werden, daß die innere Nähe zu Naumburger Gestaltungen im Achteckbau trotz der Andersheit der meisten Einzelformen ganz besonders groß ist. Man wird das verständlicher finden, wenn man sich klarmacht, daß die 78

Tür-Vorräume am Naumburger Lettner ja auch Oktogonteile darstellen. Besonders der westliche ist in seiner Gliederung dem Achteckbau nicht unähnlich.1 Auf die drei Figuren in beiden Räumen sei nur eben hingewiesen. Um so mehr wird man annehmen dürfen, daß der Grundgedanke zum Achteckbau aus der Naumburger Formenschicht stammt. Seine Ausführung erfolgte zwar abgewandelt, in einer jüngeren Formensprache, aber doch kongenial. Die Eingangshalle muß zusammen mit dem südlichen Querhausarm gegen 1280 entstanden sein, die Johanniskapelle folgte erst in den späteren 80er Jahren. Unmittelbar danach ist der im Norden begonnene, neue Langhausplan anzusetzen, der aus einer etwas archaischen Basilika eine „moderne" Halle machte. Das Archaische lag vor allem in dem ungünstigen Querschnitt des Basilikaplans, der den Hochfenstern wenig Platz zu ihrer Entfaltung ließ, da sich das Hochschiff nur wenig über die Seitenschiffsdächer erhob, daneben in den großen ungegliederten Wandflächen, die in den Seitenschiffen entstanden wären.2 Ob im Mittelschiff zwischen Arkadenöffnung und Obergadenfenster eine Gliederung durch Blenden oder gar durch ein Triforium beabsichtigt war, wissen wir zwar nicht, es ist aber bei der ganzen Haltung des Entwurfs wenig wahrscheinlich. Der Hallenplan änderte das alles gründlich ab. Die mächtigen Seitenschiffsfenster ließen den ungegliederten Sockelstreifen niedrig erscheinen. Die vornehmen Bündelpfeiler mit der Fülle ihrer vertikalen Glieder beherrschten nun den Eindruck des Inneren. Wenn überhaupt dem Hallenraum ein kathedralenhafter Charakter im Sinne des 13. Jahrhunderts gegeben werden konnte, so durch das Beibehalten der für die Basilika gedachten reichen Bündelpfeiler. Die etwas altertümliche Hervorhebung der Arkaden durch ihr Rechteckprofil — gemildert nur durch einen Unterzug über einem Runddienst und einen Eckkarnies auf der Mittelschiffsseite — paßt für das Meißner Langhaus ausgezeichnet, da die Mittelschiffsgewölbe tiefer ansetzen als die in den Seitenschiffen. Die Schiffe bleiben dadurch trotz der Hallenform des Langhauses Räume von einer gewissen Eigenständigkeit. Es bleibt die hierarchische Abstufung, wie sie sich für einen Dombau jener Zeit schickt. Die Meißner „Kathedralenhalle" ist eine sehr selbständige, wenn auch gewiß mancherlei Anregungen verarbeitende architektonische Leistung von hohem Rang. Als mögliche Anregungen für die Anwendung des Hallensystems nannten wir die thüringischen Umbildungen der Elisabethkirche zu Marburg und die Hallenbauten der Zisterzienser. Wieweit auch die Marburger Elisabethkirche selbst als Vorbild wirkte, bleibt fraglich. Man kann es ein Verdienst der Meißner Baumeister des 14. Jahrhunderts nennen, daß sie sich der Konzeption des ersten Hallenmeisters in allen wesentlichen Punkten unterordneten. So konnte das heutige Raumbild in seiner großartigen Einheitlichkeit entstehen, obwohl sich in Einzelheiten die fortschreitende Zeit deutlich ablesen läßt. Vor 1291 wurde der Hallenplan gefaßt. 1298 war die erste Travée westlich des Quer schiff s vollendet. Zwischendurch war auch der Stiftsbezirk mit der Kapitelkapelle Allerheiligen, der sogenann1 2

Vgl. Giesau, 1936, S. 19f. Schon die von Härtung in Veröffentlichungen 3 , 1 9 0 8 , Taf. IV, gegebene Rekonstruktion läßt die zu kleinen Hochschiffcnster erkennen, obwohl nachGurlitt, 1919, S. 77, die Neigung der Seitenschiffsdächer dort noch zu flach angenommen ist. Die von Härtung gezeichneten Luken, die auf die Seitenschiffsdächer gehen würden, sind nicht belegt.

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28, 3 3 , 5 3

ten Maria-Magdalenen-Kapelle, errichtet worden. Das liturgische Leben der Meißner Stiftskleriker hatte wieder seine allseitig geordnete Heimstätte. Eine bedeutsame Frage ist bisher unerwähnt geblieben. Die Frage des „Naumburger Meisters". Sie wurde ausgespart, weil etwas feststehend Neues dazu nicht gesagt werden kann.1 Die Erörterung dieser Frage hat daher mehr Bekenntnis- als Beweischarakter. Wir halten es auf Grund der mittelalterlichen Hüttengewohnheiten für möglich, daß der „Naumburger Meister" in Naumburg leitender Architekt und Bildhauer zugleich war. Sicher aber ist er nicht der Architekt des Meißner Domchors. Der „Naumburger Meister" zeigt sich im ganzen um eine einfache und klare, eine „gültige" Lösung bemüht. Nur wo es unumgänglich ist, greift er zu einer unkonventionellen, eigenwilligen Lösung. So beim Anschluß des Westchors an den bestehenden Dombau, der mit seinen weit auseinanderstehenden Westtürmen eine ganz eigenartige Situation bot. Der Erbauer des Meißner Domchors dagegen gibt sich betont geistvoll und einfallsreich. Er nutzte offenbar mit einer gewissen Freude die gegebene Situation zu ungewöhnlichen Lösungen aus. Die komplizierten architektonischen Begegnungen, die die Meißner Ostteile bieten, hat der „Naumburger Meister" sicher nicht entworfen, abgesehen davon, daß die verhärtete Formensprache der Einzelheiten teilweise bereits mehr auf Pforte als auf Naumburg als Vorbild hinweist. Wie steht es aber dann mit den sieben Figuren, die nach bisheriger Ansicht für ein großes Portal bestimmt waren, nach unserer Meinung freilich die für sie von jeher gedachten Plätze erhielten?2 Ihr Zusammenhang mit der Naumburger Hütte ist ja noch offensichtlicher, als das bei der Archi59,60 tektur des Domchors der Fall ist. Die späte Bemalung der Bildwerke im Inneren des Chores und 73—75 der — besonders in den Gesichtern schon stark einsetzende — Zerfall der Statuen im Achteckbau verändert ihre Wirkung auf den Betrachter freilich erheblich. Hält man sich nur an die plastischen Qualitäten, ist ihre Lösung vom Werk des „Naumburger Meisters" im Grunde nicht möglich, zumal wenn man zunächst einmal das gesamte bildhauerische Werk im Naumburger Westchor als Werk des „Naumburger Meisters" gelten läßt. Ähnlich aber, wie man in Naumburg Qualitäts- und Gestaltungsunterschiede feststellen kann, liegt es auch in Meißen. Je nach dem Blickwinkel des Beurteilers werden bestimmte Figuren als besonders qualitätvoll und daher als dem Meister selbst zugehörig erkannt werden, während andere als schwächer zurücktreten. Daß in Meißen Figuren begegnen, die künstlerisch die Höhe der Naumburger halten, kann nach unserer Überzeugung keinem Zweifel unterliegen, obwohl in Meißen die Formensprache im allgemeinen ins Wuchtige und Mächtige gesteigert erscheint. Letzteres wird zum Teil seinen Grund in der gesteigerten absoluten Größe haben.3 Die entwerfende und zum Teil auch die ausführende Hand des „Naumburger Meisters" ist daher, wie wir meinen, bei den Meißner Figuren einzurechnen.4 Entgegen 1 2 3

4

Abgesehen von dem, was von E. Schubert in diesem Bande über das Portalprojekt gesagt wird. Vgl. dazu die Beweisführung von E. Schubert im folgenden Kapitel. Die Meißner Figuren sind zwischen 185 und 211 cm groß, die Naumburger zwischen 160 und 182,5 cm. Diese Angaben nach den Messungen von E. Schubert. Das Verhältnis der Meißner zu den Naumburger Figuren ist sehr unterschiedlich — und z. T. mit sehr temperamentvollen Begründungen — beurteilt worden. Wir verzichten darauf, diese Frage hier näher zu erörtern.

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unseren Vorstellungen von den Verhältnissen in Naumburg wäre also in Meißen Architekt und Bildhauer zu trennen. Welche Gründe das hat, wissen wir nicht. Leicht ließen sich Vermutungen darüber aufstellen. Wir begnügen uns hier mit der Feststellung, daß es sich bei einer unbefangenen Beurteilung der Dinge nicht anders ergibt. Noch eines aber ist mit diesen Problemen verknüpft, das uns wichtig erscheint. Die sieben Figuren lassen sich stilistisch nicht in solche, die um 1267, und solche, die um 1280 entstanden wären, trennen. Sie sind also wohl ungefähr gleichzeitig gearbeitet worden. Die Annahme liegt nahe — wenn sie auch nicht zwingend ist —, daß auch der Standort für alle sieben gleichzeitig beschlossen wurde. Da nun der 1267 vollendete Chor den Platz für vier Statuen schon berücksichtigt, dürfte der beim Baubeginn um 1260 aufgestellte Gesamtplan auch schon den Platz der anderen drei Statuen festgelegt haben. Das bedeutet, daß in diesem Plan auch der Achteckbau schon vorgesehen gewesen sein müßte. Wir beschließen hier unsere Bemerkungen über die Ostteile des Meißner Domes. Zeitstellung, Herkunft der Formen, Entstehung und Bedeutung dieses wichtigen, unkonventionellen Baues sind, so hoffen wir, nun klarer und eindeutiger als bisher bestimmt. Auch die weitere Baugeschichte des Domes ließe sich in ähnlicher Weise genauer festlegen. Doch dürften sich hier weniger bedeutende Korrekturen gegenüber dem bisher von der Forschung gezeichnetem Bild ergeben. Es wird daher hier auf die Durchführung dieser Aufgabe verzichtet. Nur auf einen wesentlichen, seit Gurlitt unwidersprochen gebliebenen Irrtum sei nochmals hingewiesen.1 Die Westtürme gehören auch in ihrem Untergeschoß nicht mehr dem 13. Jahrhundert an.2 Die Profile der rahmenden Lisenen an diesem Geschoß sind schärfer als alle, die uns sonst aus dem 13. Jahrhundert in Meißen entgegentreten. Da zudem die Fenster in diesem Geschoß, die auch von Gurlitt ins 14. Jahrhundert gesetzt werden,3 unverkennbar mit den Wänden zusammen entstanden sind, datieren sie den Bau in diese spätere Zeit. Die Chroniken, die den Beginn des Turmbaues ins Jahr 1315 unter Bischof Withego II. setzen, könnten also durchaus das Richtige überliefern. Für das Ganze der Baugeschichte bedeutet das, daß die Westbaulösung erst in dem Augenblick in Angriff genommen und vielleicht auch erst damals endgültig hinsichtlich Ort und Gestalt festgelegt wurde, als der erste größere Abschnitt des Langhauses, der bis zum 4. Joch von Osten reichte, langsam seiner Vollendung entgegenging. Um 1340 war dieser Langhausteil offenbar fertig. 4 Als Withego II. 1342 starb, fehlten demnach nur noch drei Joche zwischen Turmbau und 1 2

3 4

Vgl. schon Lehmann, 1965, Anm. 41. So nach Gurlitt, 1919, S. 8 3 - 8 9 ; Gröger, 1929, S. 1 5 5 ; Rauda, 1929, S. 3 0 ; Küas, 1937, S. 9 0 ; Hentschel, 1944, S. 1 2 ; Lemper, 1955, S. 3 3 f . ; Mrusek, 1957, S. 47; Mrusek, 1958, S. 134. - Nur Rauda hält, 1928, S. 30, an dem Anfangsdatum „um 1315" noch fest. Vgl. Gurlitt, 1919, S. 90. Die Profile der Turmlisenen bei Gurlitt, 1919, S. 89, Fig. 1 4 4 f . 1340 ist die erste — gesicherte — Bestattung im zweiten Mittelschiffsjoch festzustellen; 1342 wird der Altar St. Cosmas und Damian gestiftet, der im vierten Langhausjoch gestanden haben muß. — Die Begräbnisstätte des Propstes Albert von Leisnig, f 1340, wird von Ursinus, 1782, S. 124, und Gurlitt, 1919, S. 2 5 2 f . (Nr. 158 in Fig. 323 auf S. 242) übereinstimmend lokalisiert. Ihre Lage im Nordteil des zweiten Mittelschiffjoches darf daher als gesichert gelten. Für das Grab der 1342 verstorbenen Burggräfin Adelheid von Dohna gilt das gleiche. (Vgl. Ursinus, 1782, S. 203, und Gurlitt, 1919, S. 253, Nr. 68 in Fig. 323 auf S. 242.) Es liegt unmittelbar östlich des 5.

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Schiff. Aber die Zeit der großen, energisch betriebenen Bauvorhaben war nun für den Meißner Dom vorüber. Erst in der Frühzeit des folgenden Jahrhunderts konnte die Lücke geschlossen werden. Der eigentliche Bauherr, der Bischof, war an dem Vorhaben kaum mehr interessiert; der neue, der Kurfürst, begann erst allmählich Interesse an ihm zu gewinnen. südlichen Pfeilers, also unmittelbar östlich der dort damals anzunehmenden Notwand. — Der Cosmas- und Damian-Altar wird 1342 gestiftet. Bei der Bestätigung 1343 wird er als „altare inferius in ecclesia a sinistra parte" bezeichnet. Vgl. Gurlitt, 1919, S. 128. Nach dem bei Ursinus veröffentlichten Kalendar lagen Christoph Eckel und Johann Herolt „ad latus (bzw. ad pedes) Sancti Bennonis circa (bzw. iuxta) altare Cosmae et Damiani" (S. 298 u. 290). Der Altar muß also in der Nähe der Bennotumba gestanden haben, die nach dem Ausgrabungsplan Hartungs, Veröffentlichungen 3, Taf. 1, und der Deutung Gurlitts, 1919, S. 7 f., an der Westgrenze des 4. Mittelschiffsjoches sich erhob. 1342 ist der Dom also bereits bis zum 4. Langhausjoch in gottesdienstlicher Verwendung gewesen.

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D I E S I E B E N S T A N D B I L D E R D E S 13. J A H R H U N D E R T S

Die sieben Standbilder im Chor und im sog. Achteckbau des Meißner Doms sind den Stifterstandbildern im Naumburger Westchor und den Skulpturen des Westlettners stilistisch so verwandt, daß sie zu den Werken des Naumburger Meisters oder zum mindesten seiner Werkstatt 59, 60, gezählt werden dürfen. Auch der bauplastische Dekor im Gewölbe des Meißner Kapitelsaals 75 läßt diese Herkunft deutlich erkennen. Verwandtschaft mit den Naumburger Skulpturen konstatierte man auch bei der Bauornamentik von Teilen des Meißner Lettners und des unteren Raums des sog. Achteckbaus. Forschungen der kunsthistorischen Stilkritik versuchten diese Zusammenhänge im einzelnen zu klären. Es ist nie bezweifelt worden, daß die Naumburger Stifterfiguren zugleich mit der Erbauung des Westchors und für den Westchor geschaffen wurden. In Meißen dagegen wurde schon bei der grundlegenden ersten kunstgeschichtlichen Bearbeitung vermutet, daß die vier Standbilder des Chors nachträglich an den Chorwänden Aufstellung fanden und ursprünglich mit den dreien der Achteckkapelle in einem Portal hätten vereint sein sollen.1 Diese Hypothese leuchtete der nachfolgenden Forschung insgesamt so ein, daß sie nunmehr über jeden Zweifel erhaben zu sein scheint.2 Strittig ist lediglich, wie die Standbilder in dem erschlossenen Portal, das ein Westportal gewesen sein müßte,3 gruppiert waren. Die Anordnung innerhalb des Portalgewändes wurde daher zu einem interessanten und ausführlich diskutierten ikonographischen und kunsthistorischen Problem, dessen endgültige Lösung noch immer aussteht: sieben Figuren lassen sich in einem Portal zwar vorzüglich unterbringen, die Verteilung im einzelnen macht aber in diesem Falle kaum überwindbare Schwierigkeiten.4 Woran liegt das?. 1

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3

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Vgl. Gurlitt, 1919, S. 54ff. — Den Zusammenhang der Meißner mit den Naumburger Standbildern erkannte zuerst A. Schmarsow, 1894, S. 119. Ausgenommen Pinder, 1939, S. 43. — Daß die sieben Meißner Figuren zu einem Portal gehört haben, wurde u. a. ausführlich begründet von Giesau, 1936, Küas, 1937, Beenken, 1939, S. 148 ff., Metz, 1940, S. 145, vgl. auch ders. 1939, S. 180, Hamann-Mac Lean, 1949, S. 57ff. — Gelegentliche zustimmende Erwähnungen brauchen hier nicht einzeln angemerkt zu werden. Vgl. vor allem Küas, 1937, S. 81 ff., besonders S. 83. Gurlitt, 1919, S. 59, hält es auch für möglich, „daß es sich dabei um das Tor der Vorhalle vor dem alten Langhaus handelte". — Der romanische D o m hatte nach Gurlitts Rekonstruktion ein Südportal mit vorgelegter Eingangshalle; vgl. Gurlitt, 1919, S. 7, Fig. 7. Hier steht noch immer Meinung gegen Meinung. Vgl. vor allem die in Anm. 2 zitierte Literatur. Die wesentlichen Gruppierungsvorschläge sind zusammengefaßt bei Schlesinger, 1952, S. 13, vgl. auch ebenda S. 98f.

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Es ist zweckmäßig, zunächst einmal sämtliche Kriterien zusammenzustellen, die für die Portaltheorie, also gegen die Annahme, die Standbilder stünden jetzt noch dort, wo sie von Anfang an stehen sollten, angeführt wurden. C. Gurlitt schrieb wörtlich: „Im zweiten Joch des Chores, oberhalb der spätest-gotischen Türe zur neuen Sakristei und dieser gegenüber sind je zwei schwerfällige Konsolen, wie sich aus dem Fugenschnitt des Mauerwerks ergibt, nachträglich eingefügt, auf denen je eine Statue steht. Die viereckigen Basen unter diesen sind für die Konsolen etwas zu groß, was auf eine flüchtige Behandlung der Aufstellung hinweist." 1 Nach einer kurzen Beschreibung der vier Standbilder fährt er fort: „Oberhalb jeder dieser vier Statuen ist, wieder nachträglich in die Mauer versetzt, ein frühgotischer Baldachin angebracht."2 Es folgt die Beschreibung der drei Standbilder in der Achteckkapelle, nachdem ausdrücklich festgestellt wurde, daß sie „in Technik, künstlerischer Auffassung und Größe" denen des Chors „entsprechen". „Es fragt sich", so schließt Gurlitt dann, „ob jene sieben Meißner Figuren gemeinsam einem Tore angehören. Dies wird wahrscheinlich durch ihre Übereinstimmung in Größe und Stil: Sie sind unverkennbar eines Meisters Arbeit. Dagegen spricht die verschiedene Gestaltung der Sockelplatten, die jedoch bei St. Donat dieselbe ist wie bei den Gestalten in der Achteckkapelle, so daß eine Überarbeitung vorgenommen worden sein kann."3 Gurlitts Argumentation ist auf den ersten Blick bestechend, hält aber eindringender Prüfung nicht stand. Seine Überlegungen bleiben letztlich außerordentlich hypothetisch. Vermutlich deshalb hat er selbst auch darauf verzichtet, die Portal-Theorie mit allem Nachdruck vorzutragen — wie die jüngere Forschung. — „Die Übereinstimmung in Größe und Stil" kann zwar beweisen, daß die Standbilder etwa zur gleichen Zeit und in der gleichen Werkstatt geschaffen wurden, zwingt aber nicht zu dem Schluß, daß sie nebeneinander — in einem Portal — hätten stehen sollen. Anders gesagt: wären die Figuren für den Chor und die Achteckkapelle gehauen worden, wie sie jetzt verteilt sind, dann müßte man nicht etwa erwarten oder fordern, sie unterschieden sich nach Stil und Größe. Ein ausgezeichnetes Parallelbeispiel hierfür sind die Naumburger Skulpturen. Die Stifterfiguren, die entsprechend den Meißner Chorfiguren hoch angebracht wurden, sind etwa genau so groß wie die Figurengruppe im Lettnerportal, die man mit denen im Meißner Achteckbau vergleichen könnte. Wohl niemand käme auf den Gedanken, analog Meißen aus den Stifterstandbildern und denen des Lettnerportals einen einheitlichen Zyklus zu machen oder gar Versetzungen zu konstruieren, weil alle Naumburger Figuren ungefähr gleich groß sind. Die Figurengröße ist hier vielmehr u. a. auch ein Ausdrucksmittel: der Lebensgröße in Naumburg entspricht die Gemessenheit des Gesamtausdrucks, der Verzicht auf Übersteigerung, die Absicht, möglichst lebensnah zu modellieren, der Überlebensgröße in Meißen das insgesamt stärkere Pathos des Vortrags, der Versuch der Übersteigerung, die Absicht, „Übermenschlichkeit" zu bilden. Die Standbilder in Naumburg, so könnte man überspitzt formulieren, erweisen ihre Zugehörigkeit zur „klassischen" Periode des großen Meisters durch ihre „klassischen" Maße, die Meißner durch 1 2 3

Gurlitt, 1919, S. 5 6 f . Gurlitt, 1919, S. 58. Gurlitt, 1919, S. 59.

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ihre „barocken" Maße ihre Zugehörigkeit zur „barocken", sicherlich letzten Phase seines Schaffens. — Falls die Meißner Figuren alle nahezu gleich groß sind, ist das nicht als Kriterium für die Hypothese zu werten, sie hätten nebeneinander in einem Portal Platz finden sollen. Die rechteckigen Plinthen unter den Standbildern sind aus demselben Block gehauen wie die Figuren, von diesen also nicht zu trennen. Ihre Maße, Höhe, Breite und Tiefe, differieren nur um Zentimeter.1 Demnach könnten alle sieben Statuen ohne weiteres in einem Portal angeordnet werden. Die einigermaßen gleichförmigen Plinthen würden dann eine „saubere" Reihung im Gewände ermöglichen. Kann man aber eine sehr unterschiedliche Gestaltung der Plinthen überhaupt erwarten? Die Figuren wurden auf dem Werkplatz gehauen und erst danach versetzt. Sollten sich notwendige Änderungen der Plinthenhöhe ergeben, dann konnte man sie bequem noch nachträglich reduzieren oder anstücken, wie es bei den Chorfiguren tatsächlich geschehen ist.2 Die Anstückung wurde dort vermutlich wünschenswert, weil die aus statischen Gründen erforderlichen wuchtigen Konsolen bei schmalen Plinthen noch klobiger gewirkt hätten. Genügt aber diese Angleichung der Plinthen zum Beweis für eine ursprünglich anders geplante Aufstellung der Standbilder? Entscheidend könnte Gurlitts Feststellung sein, daß die Konsolen, auf denen die Standbilder vor den Chorwänden stehen, nachträglich in die Wand eingefügt wurden. Wenn diese Beobachtung richtig ist, dann bestand ursprünglich vielleicht wirklich nicht die Absicht, die vier Figuren an den Wänden des Chors aufzustellen. Dann dürfte man vermuten, sie hätten an anderer Stelle, möglicherweise in einem Portalgewände, ihren Platz finden sollen. Das Mauerwerk der Chorwände um die Standbilder herum ist nur auf der Südseite noch intakt. Auf der Nordseite wurde wahrscheinlich im Jahre 1504 3 für die neue Sakristei eine spätgotische Portalanlage eingebracht, die bis unmittelbar unter die Konsolen für die Standbilder des kaiserlichen Ehepaares heraufreicht. Hier müssen also im frühen 16. Jahrhundert Veränderungen auch in der Konsolenzone erforderlich geworden sein. Indessen genügt zum Nachweis natürlich die Südseite; denn wenn dort der Verband der Konsolen und der umliegenden Wand in Ordnung ist, dann ist so gut wie erwiesen, daß Chor und Figuren einer einheitlichen Planung angehören. Nur wenn der Verband dort auch gestört ist, bleibt die Möglichkeit, mit Planänderungen zu rechnen. 1

Die Plinthengröße beträgt (Höhe: Breite: Tiefe): bei Maria 8,5 X 51,5 X 39 cm, bei Johannes bapt. 8 X 52 X 39 cm, bei dem sog. Diakon 7,5 X 52,5 X 40 cm, bei Donatus 8,5 X 52,5 X 41 cm, bei Johannes ev. 8,2 X 47,5 X 41,4 cm, beim Kaiser 6,7 X 51,5 X 41,5 cm, bei der Kaiserin 7,9 X 47 X 41 cm. — Gurlitts Feststellung (1919, S. 59), die Sockelplatten hätten eine „verschiedene Gestaltung", trifft nicht zu. — Eine Auswertung der Maße der Plinthen für oder gegen die Portaltheorie dürfte bei dem oben angegebenen Befund kaum möglich sein. Immerhin fällt auf, daß die optisch entscheidenden Maße der Plinthenbreite und -tiefe die Scheidung zweier Gruppen möglich macht: die der Chorstatuen und die des Achteckbaus. Allerdings sind die Unterschiede nur gering.

2

Sämtliche Plinthen der Chorfiguren wurden nachträglich erhöht; teilweise so geschickt, daß man die Fuge kaum erkennen kann. Das ist der Grund für Gurlitts irrtümliche Feststellung: „Dagegen (gegen die Portaltheorie) spricht die verschiedene Gestaltung der Sockelplatten, die jedoch bei St. Donat dieselbe ist wie bei den Gestalten der Achteckkapelle, so daß eine Überarbeitung vorgenommen worden sein kann" (1919, S. 59). Der Eisenbeschlag der Türe ist bezeichnet mit „1504. ihs. maria" — was zum Stil der gesamten Portalanlage gut paßt. Vgl. dazu Gurlitt, 1919, S. 224.

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Wie hat ein intakter Verband unter den gegebenen Umständen auszusehen? Wie kann man beweisen, daß die Konsolen nachträglich eingesetzt wurden? Die Konsolen müssen in beiden Fällen vor dem Versatz hergestellt worden sein, denn eine Bearbeitung in situ wäre unsinnig. Die Größe der Steine für die Konsolen wird wesentlich bestimmt durch das Gewicht der Auflast, und die war hier verhältnismäßig groß. Es empfahl sich demnach, für die Konsolen entsprechend große Steine zu benutzen und diese Steine sehr tief in die Chorwand einzubinden. Die Lagerfuge, auf der die Konsolsteine ruhen, wird zumeist glatt durchlaufen: bei gleichzeitigem Versatz werden die Konsolsteine direkt auf die Lagerfuge geschoben; bei nachträglicher Einfügung kann man die Wand ohne Schwierigkeiten so aufbrechen, daß die Lagerfuge, auf die die Konsolsteine gesetzt werden, unverletzt bleibt. Man spellt dann den oder die herauszubrechenden Steine an einer Seite und oben ab und hebelt den Rest heraus. An der unteren Lagerfuge ist also der Beweis weder für noch gegen gleichzeitigen Versatz zu erbringen. Das ist an den Seiten und an der oberen Lagerfuge anders. Hier muß man bei gleichzeitigem Versatz in gutem Quadermauerwerk bzw. Werksteinmauerwerk den folgenden Befund erwarten: die obere Lagerfuge läuft entweder wie die untere durch oder sie springt an den Konsolsteinen nach oben, weil diese aus statischen Gründen massiver (höher) vorgesehen wurden als die umgebende Mauerschicht. Nachträgliche Einfügung der Konsolsteine wäre also nur zu erweisen, wenn die obere Lagerfuge und vor allem die begrenzenden Stoßfugen mit auffällig kleinen Steinen verkeilt und dann verstrichen wurden. 60 An der südlichen Chorwand in Meißen ist der Verband tadellos: Große Steine laufen auf beiden Seiten an die Konsolen heran, zwischen den beiden Konsolen ist nur ein einziger großer Stein, die Stoßfugen sind ebenso eng wie auch sonst an der Wand, Flicksteine sind nirgends nachweisbar. Die untere Lagerfuge läuft unversehrt durch. Die Konsolsteine sind höher als die umliegende Steinschicht, wie man das zu erwarten hat; infolgedessen springt die obere Lagerfuge des Konsolsteins noch in die nächsthöhere Steinschicht ein. Aber auch diese höhere Lagerfuge ist sauber, wie man es eigentlich nur bei gleichzeitigem Versatz erreichen konnte. Der ganze Befund spricht eindeutig für die Einbringung während der Errichtung der Wand. Auch die Baldachine über den Standbildern sind, soweit man das von etwa zwei Metern Entfernung aus beurteilen kann, gleichzeitig versetzt worden. Auch hier scheint nichts für nachträgliche Einbindung zu sprechen. Freilich war es in Ermangelung einer genügend langen Leiter nicht möglich, wie bei den Konsolen Fuge für Fuge nachzutasten. Darauf darf jedoch u. E. verzichtet werden; denn wenn die Konsolen für die Figuren nachweislich schon bei der Errichtung der Wand eingebunden wurden, müßte das in gleicher Weise auch für die Baldachine zutreffen — es sei denn, ursprünglich seien keine Baldachine vorgesehen gewesen. Das würde die hier zur Debatte stehenden Fragen aber nicht mehr berühren. Schließlich bemerkt Gurlitt noch, daß die Plinthen der Figuren für die Konsolen unter ihnen „etwas zu groß" seien, was seiner Meinung nach „auf eine flüchtige Behandlung der Aufstellung hinweist". Man könnte dem noch hinzufügen, daß die Konsolen auf den ersten Blick plump wirken. Beides dürfte aber nichts mit Flüchtigkeit zu tun haben. Der Versatz in der Wand war, wenn er nachträglich erfolgte, schwierig genug, um jede flüchtige Arbeit auszuschließen. Auch bei 86

nachträglichem Versatz hatte man freie Hand, die Größenverhältnisse von Plinthe und Konsole so zu wählen, wie man es für passend hielt. Zu fragen wäre hier vielmehr, ob die Konsolen und die Figuren stilistisch zeitgleich sein können oder nicht. Die Antwort kann keinem Zweifel unterliegen: Konsolen und Figuren dürften gleichzeitig entstanden sein. Damit sind Gurlitts Beobachtungen und Schlüsse für die Hypothese, alle sieben Meißner Standbilder aus der Naumburger Werkstatt könnten zu einem Portal gehört haben, sämtlich überprüft. Sie sind u. E. so wenig überzeugend, daß man sich fragen muß, wie diese Theorie allgemeine Zustimmung hat finden können. Hat sich da die allgemeine Situation der kunsthistorischen Forschung zum Problem der Freifigur ausgewirkt, oder waren hier andere Feststellungen, die Gurlitts Hypothese zu untermauern scheinen, entscheidend? H. Küas kam von anderen Überlegungen her, unabhängig von Gurlitt,1 zu demselben Ergebnis wie dieser. Er hält es für ausgeschlossen, daß die Standbilder im Chor für die Chorwände, die im Achteckbau für den Achteckbau geschaffen wurden. Zu den Statuen im Chor sagt er: „Ohne Beziehung zur strengen Gliederung der Architektur führen die Gestalten vor den steilen Quadermauern ein seltsam entferntes Dasein, das sich dem Betrachter nur schwer erschließt."2 Die Figuren im Achteckbau stehen nach Küas auf den Mauervorsprüngen „wie auf schmalen Riffen. Gleich den Chorfiguren werden sie von flach verspannten Hintergründen hart bedrängt, ihre plastischen Kräfte stoßen ins Leere. Statt herber Flächen und konzentrierten Stabwerks jedoch bedurften die Gestalten plastischer Bauformen in ihrer Nähe. Ihr Lebensraum konnte wie sie selbst auf die Daseinsrechte atmend bewegter Körper nicht verzichten".3 Stehen demnach die Standbilder jetzt vor einem ihnen fremden Hintergrund, so zeigt — nach Küas — die eindringliche Analyse jeder einzelnen Skulptur, daß sie alle zusammen einmal ein siebenfiguriges Portal gebildet haben: „Durch die umfassende Beobachtung dessen, was die Statuen in ihrem Aufbau kundtaten, vollzog sich die Rekonstruktion ihres ursprünglichen Zusammenhangs gleichsam von selbst. In diesem Zyklus nunmehr die Figuren eines Portals mit zwei Eingangspforten zu vermuten, die links und rechts von der Marienstatue in den Dom führen sollten, ist die notwendige Folgerung der voraussetzungslos begonnenen Untersuchung. Die Achtung vor der künstlerischen Leistung beginnt zu steigen, denn von welcher Höhe ist eine Kunst, in der jedes Bildwerk seine Selbständigkeit wahrt und doch unvertauschbar die Spuren eines Ganzen trägt, dem es Leben gibt, wie es in ihm geborgen ist"4. Auch die Feststellung, daß es sich um ein Westportal gehandelt haben muß, basiert auf Erkenntnissen der Formanalyse.8 Abgesehen vom Ergründen des „Aufbaus der Statuen" scheint Küas auf eine Beobachtung hinsichtlich der technischen Herstellung besonderen Wert zu legen: „Vorangehen muß eine Feststellung von entscheidender Bedeutung. Sämtliche Statuen sind als Freifiguren gearbeitet. Die rechtwinklige, 8 cm hohe Plinthe, auf der sie stehen, gehört noch zum 1 2 3 4 5

Küas, Küas, Küas, Küas, Küas,

1937, 1937, 1937, 1937, 1937,

S. S. S. S. S.

67. 1. 1. 41. 81 ff., besonders S. 83.

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59,60

Steinblock selbst. Diejenige Seite der Figur, die sich gegen die Mauer wendet, besaß früher, auch wenn sie wenig wichtig war, eine durchgeformte Oberfläche, die erst später mit dem Spitzeisen angegriffen wurde, um die Masse aus statischen Gründen näher an die Mauer des ursprünglich nicht vorgesehenen Standortes heranzuholen. Das heißt also, daß die Figuren frei von der direkten Verbindung mit Werkstücken der Architektur geschaffen waren. Weder Wandplatten noch Dienste hemmten den Bildhauer, die Gesteinsmasse von allen Seiten anzugreifen, um einzig die Figuren aus ihr herauszuschlagen."1 Die Rückenflächen der Figuren sind aber, soweit man das bei ihrer derzeitigen Aufstellung vor der Wand genau überprüfen kann, glatt und verraten nirgends nachträgliche „Abspitzung"; und selbst wenn man an allen Figuren eine weniger durchgeformte, rohere Rückenfläche eindeutig nachweisen könnte, könnte doch niemand sagen, ob das nicht bloßer Verzicht des Meisters auf „den letzten Schliff" an Stellen ist, die man nicht sehen konnte. Es erübrigt sich, dafür Parallelbeispiele anzuführen. Sowenig man den Nachweis erbringen kann, daß die Figuren „erst später mit dem Spitzeisen angegriffen wurden", so unzutreffend ist die Vorstellung, man habe abgespitzt, um die Figuren aus statischen Gründen näher an die Wand heranzubringen. Der statische Gewinn war auch bei erheblicher Reduzierung der Rückenpartie viel zu gering, um einen solchen Eingriff zu rechtfertigen. Auf die Argumente, die Küas vom Aufbau der Statuen herleitet, können wir nicht im einzelnen eingehen, weil sie naturgemäß wesentlich von subjektivem Erfassen bestimmt sind, das objektiver Beurteilung weitgehend entzogen ist und bleiben sollte. Immerhin fällt auf, daß die Richtigkeit der Küasschen Rekonstruktion gerade von Kunsthistorikern heftig bestritten wurde.2 Unverständlich ist für uns Küas' Feststellung, die Statuen im Achteckbau stünden auf den Mauervorsprüngen 73—75 „wie auf schmalen Riffen". Gerade sie sind doch so ausgezeichnet in die Architektur eingepaßt, daß man annehmen muß, der Raum sei in demselben Maße für die Statuen geschaffen worden wie die Statuen für den Raum. Hier gibt es übrigens ein vergleichbares Parallelbeispiel: die Statuen der Maria und des Johannes im Naumburger Lettnerdurchgang. Sie treten mindestens ebenso weit vor die Wandflucht wie die Standbilder im Achteckbau. Die gesamte Disposition ist unbestreitbar sehr ähnlich, aber niemand würde dort wohl auf den Gedanken kommen, diese Naumburger Figuren stünden „wie auf schmalen Riffen". Ist es nicht vielmehr offensichtlich, daß in beiden Fällen, am Naumburger Westlettner und in dem unteren Raum des Meißner Achteckbaus, eine überzeugende Einheit von Skulpturen und rahmender Architektur geschaffen wurde? Man braucht sich nur Figuren und Architektur voneinander isoliert vorzustellen, um zu erkennen, daß sie füreinander geschaffen wurden und einander zu vollendeter Harmonie bedürfen und ergänzen. Trifft diese Feststellving auch auf die Statuen im Chor zu? Die Standbilder der Patrone und Stifter akzentuieren zwar die Chorwände, an denen sie stehen, und zwar entscheidend, sie bleiben aber Zutat, als wären sie unabhängig vom Chorbau geschaffen. Sie sind auswechselbar. Darf man 1 2

Küas, 1937, S. 3. Vgl. z. B. Giesau, 1936, S. 16: „Nun, so ist es doch wohl ganz unmöglich". — Giesau nimmt hier Bezug auf Küas' Tafel mit der Rekonstruktion der Figurenfolge im Portal. Küas' Buch (1937) war noch nicht erschienen.

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daraus den Schluß ziehen, sie seien für eine andere Stelle, für einen anderen Rahmen geschaffen worden? Wieder ist ein Vergleich mit Naumburg, diesmal mit dem Westchor, aufschlußreich. Dort sind Architektur und Plastik so weitgehend miteinander verschmolzen, daß schon das Fehlen einer Figur den Anblick empfindlich störte, ja, selbst daß eines der Standbilder ein Torso war, schien unerträglich.1 Mit anderen Worten: der Naumburger Westchor kann nur für diese und mit diesen Figuren geplant worden sein. Hier haben Bildhauer und Architekt so eng zusammengearbeitet, daß man annimmt, der Bildhauer sei zugleich auch der Architekt gewesen.2 Diese Annahme könnte eine weitere Bestätigung finden in der Qualität und wohlüberlegten Differenzierung der Bauornamentik. Sie muß zum großen Teile in derselben Bildhauerwerkstatt geschaffen worden sein wie die Standbilder. Es entstand gewissermaßen das kostbare Innere eines „Schreins"3, ein unübertroffenes Meisterwerk. Die fast gleichzeitige, abgewandelte Wiederholung im Pförtner Chor und die zwei Generationen jüngere im Naumburger Ostchor, wo nur das Polygon modifiziert wiederholt wurde, dürfen als Versuche gelten, die großartige Leistung des Naumburger Westchors dem eigenen Bedürfnis und den eigenen Möglichkeiten angepaßt zu übertragen. In Pforta konnten nur zwei Patrone und zwei Stifter vor dem Laufgang aufgestellt werden. Die im Vergleich zu Naumburg also fehlende durchgehende Horizontale der Figuren wird dort durch die starken Schaftringe an den Diensten zu erreichen versucht. Die Figuren für das Polygon des Naumburger Ostchors sind nicht erhalten und vielleicht niemals fertiggestellt worden. Daß sie vorgesehen waren, zeigen Konsolen und Baldachine. In Meißen war gewiß sowohl das Konzept des Naumburger Westchors als auch das des Pförtner Chors bekannt, ehe der Chorneubau begann. Der Naumburger Westchor könnte damals sogar schon weitgehend gestanden haben, der Pförtner Chor war ebenfalls schon seit rund einem Jahrzehnt im Bau. Und doch hat das Naumburger Vorbild den Meißner Architekten und seinen Plan nur mittelbar, nicht unmittelbar beeinflußt.4 Er hat seine Planung ganz nach den Meißner Erfordernissen eingerichtet. Es entstand ein übermäßig langer Chor 5 , der 1

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Das Standbild des Konrad wurde erst bei der Restaurierung in den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts wieder aufgestellt. Der fehlende Kopf mußte ersetzt werden. 1936 wurde ein zweiter Versuch unternommen, den Kopf der Figur „nachzuschaffen". Auch er kann nicht befriedigen. — Hier darf auch an eine heute fast kurios anmutende denkmalpflegerische Maßnahme des 19. Jahrhunderts erinnert werden: Aus Gründen der Einheitlichkeit hat man damals die Laufgangarkatur nach Osten verlängert, und zwar über die bekannten schmalen Nischen zwischen dem Westchor und den Westtürmen hinweg. An den östlichen Bündelpfeilern des Chors, also in den östlichen Chorecken, wurde in derselben Absicht je eine Figur aufgestellt. Man wäre auf diese Idee gewiß nicht gekommen, wäre der Chor in seiner usprünglich geplanten Raumgestalt erhalten: das Dorsale wurde schon im 13. Jahrhundert n a c h t r ä g l i c h eingefügt. Ursprünglich sollten die seitlichen Nischen zwischen Chor und Westtürmen zum Chorraum hin offenbleiben. Dann hätten die Standbilder von Gerburg und Dietrich sozusagen Raumecken betont, denn östlich von ihnen hätte sich der Chorraum nach den Seiten hin geweitet. (Vgl. dazu G. Leopold und E. Schubert, 1967, S. 100.) Die Restaurierung des vergangenen Jahrhunderts hat hier also den durch eine — damals nicht bekannte — Planänderung des 13. Jahrhunderts bedingten Zustand, der unbefriedigend erschien, verbessern wollen. Diese Ansicht wurde immer wieder vertreten. Vgl. z. B. Pinder, 1954, S. 47, zuletzt Jantzen, 1959, S. 4. — Vgl. dagegen Küas, 1937, S. 161: „Denn trotz aller Einwände glaube ich nicht, daß Bildhauer und Baumeister in einer Person vereint gewesen sind." Diesen Terminus verwendet Wallrath, 1949. Vgl. Lehmann, in diesem Bande S. 55f. Vgl. Lehmann, in diesem Bande S. 57f. Meißner Dom

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Laufgang wurde nach außen verlegt.1 Kein Wunder, daß man bisher kaum daran gedacht hat, den Meißner Chor mit dem Naumburger Westchor zu vergleichen. In Meißen ist ein neues, anderes Raumbild entstanden. Die Verwandtschaft ist nicht ohne weiteres zu erkennen, obwohl sie analytischer Betrachtung sofort deutlich wird.2 In Meißen gestaltete ein anderer Architekt als in Naumburg. — Eine andere Frage ist es, ob auch im Meißner Plan von Anfang an vorgesehen war, Patrone und Stifter durch Skulpturen im Chor zu ehren — und es spricht nichts dagegen, daß die Stifterstandbilder und Statuen der Patrone schon zum ersten Konzept gehörten. Der Auftrag ging hier aber gewiß von Anfang an an zwei Meister, einen Architekten und einen Bildhauer. Daß die Aufstellung der Standbilder im Meißner Chor nicht erst nachträglich erfolgte, sondern wahrscheinlich schon bei der Planung des Chors beabsichtigt war, ergibt sich u. E. aus einer genauen Betrachtung des Chors von selbst. Die Statuen sind an den Wänden des querrechteckigen Chorjochs zwischen Polygon und dem sechsteilig gewölbten Joch des Chorquadrums etwa in Höhe des oberen Chorumgangs auf Konsolen aufgestellt, was nur möglich wurde, weil man in diesem Joch die Fenster nicht so weit herabzog wie im Polygon und ähnlich im Querhaus und Langhaus. Vielmehr ließ man die Fensteröffnungen hier schon etwa in halber Höhe der Mauer enden. Dadurch gewann man die erforderliche Wandfläche für die Statuen. Die Fensteranordnung ist freilich auch bedingt durch die beiden in den Westecken dieses Jochs angelegten Wendeltreppen zu den Sakristeiräumen, die eine Herabführung der Fenster in voller Breite und Länge an dieser Stelle unmöglich machten. Die Wendeltreppen hätten aber natürlich ebenso gut auf der Westseite der Dienstbündel eingefügt werden können, falls man Wert darauf legte, die Fenster in gleicher Sohlbankhöhe enden zu lassen wie die Fenster des Polygons; das hätte lediglich die Opferung einiger Chorsitze zur Folge gehabt. Wie dem auch sei: wollte man die Statuen an den Wänden des Zwischenjochs aufstellen, wie es tatsächlich geschehen ist, dann mußte man mit der Sohlbankhöhe der Fenster erheblich hinaufrücken. Weiter wäre darauf hinzuweisen, daß die durch die Statuen gegliederten unteren Wandteile des Zwischenjochs plastischen Schmuck geradezu zu fordern scheinen. Ohne die Figuren entstünden dort gewissermaßen Fehlstellen im Architekturzusammen57,58 hang, leere Felder.3 Es ist übrigens gewiß nicht zufällig, daß die Oberkante der Konsolen, auf denen die Standbilder stehen, mit den Unterkanten der Sohlbänke der Fenster im Polygon fluchten. Hier wird also bewußt eine entscheidende Horizontale des Chorpolygons wieder aufgenommen. Das alles spricht ganz und gar nicht für „flüchtige" Aufstellung der Figuren, sondern für geplante Eingliederung in die Chordisposition. Um diese Überlegungen abzuschließen, sei noch einmal darauf aufmerksam gemacht, daß das Zwischenjoch im Meißner Domchor, eine bekanntlich ungewöhnliche Chorverlängerung,4 einem bestimmten Zweck gedient haben muß. Das Domherrengestühl hat hier nicht gestanden. Es war

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Vgl. Lehmann, in diesem Bande S. 56. Vgl. Lehmann, in diesem Bande S. 55—61. Das Portal zur neuen Sakristei in der Chor-Nordwand wurde erst im frühen 16. Jahrhundert angelegt. (Vgl. Anm. 3, S. 84.) Ursprünglich sah diese Wand genauso aus wie die gegenüberliegende. Vgl. Lehmann, in diesem Bande S. 57f.

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an den Längswänden des Chorquadrums untergebracht, wie das steinerne Dorsale deutlich zeigt. Die Niveauhöhen im Chor erweisen, daß das Zwischenjoch direkt zum Sanktuarium gehört. Das Quadrum mit dem Domherrengestühl liegt demgegenüber um zwei Stufen tiefer. Es ist weiterhin nicht zu übersehen, daß das Zwischen] och auch vom Raumcharakter her eine Verlängerung des Polygons darstellt, nicht etwa eine Verlängerung des Chorquadrums. In anderen Chören war ein solches Zwischenjoch nicht notwendig. In Meißen hingegen wurde es errichtet — hier dürfte also ein besonderes liturgisches Bedürfnis dafür bestanden haben. Im Zusammenhang damit müssen, da sie diesen Raum beherrschen, die Standbilder der Stifter und Patrone verstanden werden. Die ikonographische Situation ist eindeutig. An der rechten, der südlichen Wand, stehen die beiden Patrone Johannes ev. und Donatus, an der nördlichen, der linken Wand die beiden Stifter, Otto I. und seine Gemahlin. Den bevorzugten Platz nahe dem Altar nehmen der Evangelist und der Kaiser ein. Die Auswahl und Anordnung bedarf eigentlich keiner weiteren Begründung oder Erklärung. Alle vier Dargestellten wurden in besonderen Feiern geehrt: Das geschah vermutlich am Hauptaltar. Der Wunsch, die Gefeierten in unmittelbarer Nähe in effigie gegenwärtig zu haben, ist für das hohe Mittelalter nicht ungewöhnlich. Bei dem Kaiserpaar mag auch die Absicht der Repräsentation — mit hochbedeutenden Stiftern — eine wichtige Rolle gespielt haben. Sicher ist: wenn überhaupt Monumentalfiguren im Chor aufgestellt werden sollten, wenn Standbilder für bestimmte besonders feierliche Offizien im Chor wünschenswert erschienen, dann natürlich diese vier. Darf man wirklich argumentieren, hier läge eine nachträgliche Notlösung vor, denn die Standbilder seien eigentlich für einen anderen Platz geschaffen worden und gehörten in einen anderen Zusammenhang? Es ist übrigens dasselbe Prinzip der Auswahl wie in der kurz zuvor begonnenen Klosterkirche Schulpforta, mit der der Meißner Domneubau manches gemein hat.1 In Pforta wurden Graf Bruno und Bischof Udo I. von Naumburg als Stifter verehrt, Bruno als Stifter in Schmölln, Udo als Zweitstifter, der die Verlegung nach Pforta durchführte, und Maria und Johannes bapt. als Patrone. Die Steinfiguren aus der Mitte des 15. Jahrhunderts dürften Vorgänger gehabt haben, denn die Architektur des 13. Jahrhunderts sieht schon Statuen vor. Es war also damals schon an vier Standbilder gedacht worden. Die ursprünglich geplante und vielleicht durchgeführte Anordnung der Figuren im Chor könnte ikonologisch der Meißner entsprochen haben: an der Südseite Maria und Johannes, an der Nordseite Udo I. und Bruno. Im folgenden muß noch auf einige Zahlen hingewiesen werden, die sich bei Messungen am Ort ergaben.2 Sie machen deutlich, wie anfechtbar die Portaltheorie auch von daher ist. Eine kurze Vorbemerkung erscheint zweckmäßig: Die Forschung geht allgemein von der Voraussetzung aus, daß die Standbilder etwa gleichgroß sind. Damit wird sogar ihre Zusammengehörigkeit in einem Portal begründet.3 Falls in dem erschlossenen Portal überhaupt verschieden große Statuen gestan1 2

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Vgl. Lehmann, in diesem Bande S. 62, 65—67. Bei den Messungen hat mich Dr. H.-J. Krause, Leipzig, freundschaftlich unterstützt. Ich habe ihm auch für ausführliche Gespräche im Zusammenhang mit dieser Arbeit zu danken. Schon Gurlitt, 1919, S. 57 u. 59 argumentierte so.

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den haben, dann müßte die Abstufung der Figurengrößen der Dignität der Dargestellten entsprechen. Nach mittelalterlicher Gewohnheit müßte dann doch wohl die Zentralfigur, die Madonna, am größten sein. Alle übrigen Figuren könnten kleiner sein, und zwar allenfalls in der Reihenfolge: die beiden Johannes, Diakon und Donatus, Kaiser und Kaiserin. Eine umgekehrte Größenreihenfolge wäre für das Mittelalter kaum denkbar. Die Größe der Standbilder hätte bei der Rekonstruktion des Portals besondere Aufmerksamkeit verdient, denn sie hätte möglicherweise exakte Anhaltspunkte für die ursprüngliche Anordnung im Portal ergeben. Merkwürdigerweise hat man sich damit, von einer Ausnahme abgesehen, nicht eindringlich beschäftigt.1 — Die Plinthenhöhe differiert nur wenig, zwischen 7 und 9 cm. Aber die Figuren sind unterschiedlich groß, und hier schwanken die Maße erheblich.2 Die Madonna ist größer als ihre beiden Begleitfiguren im Achteckbau: sie ist 2,01 m groß, der sog. Diakon 1,93 und Johannes bapt. 1,85. Diese Größenverhältnisse dürften dem entsprechen, was man erwarten müßte, wenn die Anordnung dieser drei Figuren im Achteckbau original ist: Die Zentralfigur des Raums, die Gottesmutter, wird durch ihre Größe ein wenig hervorgehoben. Nimmt man nun die Chorfiguren hinzu, dann verschiebt sich das Bild beträchtlich. Zwar ist Johannes ev. etwa ebenso groß wie die Madonna, aber schon der Kaiser ist um 6 cm größer, Donatus um 9 cm und die Kaiserin sogar um 10 cm: Johannes ev. 2,01 m, Kaiser Otto 2,07, Donatus 2,10, Kaiserin Adelheid 2,11. Stellt man die Standbilder in einem Portal zusammen, dann ergeben sich also schon von den Größenverhältnissen her Schwierigkeiten; für den modernen Betrachter aus formalen Gründen, bis zu 26 cm unterschiedliche Körpergröße ist einfach nicht zu übersehen, für den mittelalterlichen Menschen zusätzlich aus inneren Gründen. Für ihn mußte es unverständlich sein, daß eine Stifterin, wenn auch eine Kaiserin, (um 26 cm) größer dargestellt wird als ein Heiliger vom Rang des Johannes bapt. Für das Verständnis der Meißner Chorstatuen sind vielleicht zwei Überlegungen wichtig, will man die als befremdlich empfundene Form der Einbindung in die Architektur des Chors als beabsichtigt hinnehmen. Hier haben Bildhauer und Architekt nicht wie in Naumburg mit- und füreinander gearbeitet, sondern waren Persönlichkeiten, für die nur ein Nebeneinander möglich war. Für den Bildhauer, war er nun der Naumburger Meister selber oder nicht, stellte sich in Meißen ein Problem, das ihn seit Naumburg beschäftigt haben muß: die Schaffung der Freifigur losgelöst aus dem bergenden Verband der Architektur, der Verzicht auf unmittelbare Rahmung. Seine 1

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Küas, 1937, S. 49. Die von Küas angegebenen Maße sind jedoch nicht exakt. Lediglich die für den Diakon angegebene Größe stimmte mit unserer Messung überein. Bei allen anderen Standbildern ergaben sich Differenzen um einige Zentimeter, bei Maria sogar um 10,5 cm. — Küas' Ausführungen auf S. 49, w o der Versuch gemacht wird, die verschiedene Figurengröße mit ästhetischen Überlegungen zu erklären, wären nach unseren Messungen teilweise hinfällig. Die folgenden Maßangaben beziehen sich jeweils auf die gesamte Statue, und zwar ohne die Plinthe. — Auch Küas gibt die Maße so an. Das ermöglicht einen besseren Vergleich mit den Naumburger Standbildern, da die Naumburger Plinthen verschieden hoch sind. Der Größenvergleich bei Küas, Tafel 116, ist irreführend. Dort wurde die zweitkleinste Naumburger Figur, einer der größten Figuren in Meißen, Kaiser Otto, gegenübergestellt. Wie irreführend dieser Vergleich ist, demonstriert die Feststellung, daß die größte Figur in Naumburg, Eckehard (1,82 5 ), fast genauso groß ist wie die kleinste in Meißen, Johannes bapt. (1,85). Der Größenunterschied zwischen den von Küas ausgewählten Figuren (Johannes vom Naumburger Westlettner und Kaiser Otto) beträgt 46 cm, der errechnete Durchschnitt für alle Naumburger gegenüber allen Meißner Figuren beträgt knapp 29 cm.

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ersten Arbeiten waren Reliefs.1 Es folgten die fest in die Architektur gestellten, gleichsam Säulen vertretenden Statuen des Naumburger Westchors. Am Westlettner in Naumburg stehen die Standbilder der Pforte schon frei vor der Wand, aber noch geborgen in Nischen. Erst in Meißen war die Notwendigkeit oder die Möglichkeit gegeben, die frei im Raum vor einer kahlen Wand stehende Figur zu schaffen. Hier ist der Raum nicht Begrenzung und Rahmen für die Statuen, sondern die Statuen beherrschen den Raum und geben ihm seine Bedeutung. Entfernt man die Standbilder des Chors, dann ist das Zwischenjoch leer, und zwar nicht nur formal. Eine weitere Überlegung darf nicht unerwähnt bleiben. Stein des Antoßes für die Verfechter der Portaltheorie ist nicht etwa das durch die Standbilder gegebene ikonographische Programm im Meißner Hochchor, Skulpturen der Patrone und Stifter passen nach allgemeiner Ansicht ausgezeichnet an diese Stelle, sondern die Isolierung der Figuren vor den Chorwänden, d. h. aber die formale Gestaltung. Diese Anordnung der Standbilder ist jedoch auch nach Meinung aller Anhänger der Portaltheorie noch eine des 13. Jahrhunderts. Anlaß und Voraussetzung für die Portaltheorie ist also die Feststellung der Forschung des 20. Jahrhunderts, daß formal unbefriedigend bleibt, was man im 13. Jahrhundert für zweckmäßig und formal mindestens befriedigend hielt. Ganz unglaubwürdig wird u. E. die Portaltheorie, wenn man sich einmal die zeitlichen Verhältnisse mit allen sich daraus ergebenden Konsequenzen klarmacht. Der Naumburger Meister dürfte seit der Jahrhundertmitte in Naumburg gearbeitet haben.2 Er wird damals schon ein reifer Mann gewesen sein. Das zeigt nicht allein die Vollendung der Naumburger Werke, es ergibt sich auch aus dem Umkreis der zahlreichen Schöpfungen, die schon vor seiner Naumburger Zeit entstanden,3 selbst wenn man das eine oder andere Werk als nicht „von seiner Hand" ausscheidet. Wie lange er in Naumburg tätig war, bleibt unsicher. Im allgemeinen nimmt man wohl an, er sei bis in die 60er oder 70er Jahre in Naumburg geblieben.4 Eine exaktere Beantwortung dieser Frage hätte u. a. zur 1

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Es kann hier nicht unsere Absicht sein, zur Problematik der künstlerischen Entwicklung des Naumburger Meisters Stellung zu nehmen. Hier wird lediglich ein Ergebnis kunstwissenschaftlicher Forschung sehr oder vielleicht sogar zu sehr vereinfacht wiedergegeben, soweit es für die vorliegende Betrachtung von Belang sein könnte. Kurz und präzise nimmt Giesau zu diesem Problem Stellung (1936, S. 56): „Läßt sich der Schritt, den der Meister über Naumburg hinaus zu den Meißner Gestalten tat, an der Hand der uns erhaltenen Schöpfungen deuten? Man wird die Frage bejahen, wenn man sich vor Augen hält, daß die Lettnerreliefs und die Kreuzgruppe später entstanden sind als die Westchorstatuen. Wie er sich an den Reliefs in Amiens, Metz und Mainz für die monumentalen Naumburger Statuen schulte, die wiederum zur Monumentalisierung seines Reliefstils in Naumburg führte, so konnte erst auf der Grundlage des freiräumigen Stiles der Naumburger Passionsreliefs und ihrem reichen Arsenal von Ausdrucks- und Bewegungsmotiven die allrunde, vielansichtige und im Bewegungsausdruck ungehemmte Meißner Statue erwachsen. In ihr erst hat das Schaffen des Meisters, soweit wir das bis jetzt erkennen können, seine letzte Vollendung gefunden. Erst von Meißen aus überblicken wir mit voller Klarheit den fast mathematisch exakten, oder auch dem Wachsen einer Pflanze vergleichbaren Gang seiner künstlerischen Entwicklung. Nur von der Spitze aus ist das möglich, und Naumburg war nur ein Übergang." Vgl. Schubert, 1964, S. 7 ff. Vor allem in Amiens, Noyon, Metz, Straßburg, Mainz und Bassenheim. Die Zuweisungen sind nur teilweise noch umstritten. Eine Zusammenfassung der Forschung mit den entsprechenden Literaturnachweisen bei Jahn, 1964, S. 13 ff. Die Frage, wann etwa der Abschluß der Arbeiten des Meisters in Naumburg anzunehmen ist, läßt man, soviel wir sehen, meist offen. Sie ist auch nicht zu beantworten, es sei denn, man datiere den Abschluß der Arbeiten in Naumburg mit dem Beginn des Wirkens von Meister oder Werkstatt in Meißen. Voraussetzung dafür wäre vor allem, daß der Meister und seine Werkstatt tatsächlich noch in Meißen tätig waren, nicht nur ein Teil der Werkstatt.

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Voraussetzung, daß man genauer festlegen kann, welche Skulpturen vom Meister selbst gehauen, bzw. welche nach seinem Entwurf von Angehörigen der Werkstatt hergestellt wurden. Auch dazu liegen bereits subtile Erörterungen der Forschung vor. Ein einheitliches Ergebnis wurde nicht erzielt.1 Es bleibt auffällig, wie sicher man die Individualität des Meisters an den verschiedensten Werken und Orten erkennen zu können glaubt und wie fragwürdig doch in Naumburg die Zuweisung seiner persönlichen Leistung, abgesehen vom Entwurf, noch immer ist. Trotz dieser Unwägbarkeiten wird man der Feststellung zustimmen dürfen, daß das Gesamtwerk in Naumburg wohl kaum in wenigen Jahren abgeschlossen werden konnte, erst recht nicht, wenn man, wie häufig geschehen, in dem Bildhauer auch den Architekten sieht. Angenommen, die allgemeine Ansicht, die Arbeiten in Naumburg hätten mindestens zehn Jahre in Anspruch genommen, wäre richtig, dann paßt das zur Datierung des Meißner Domneubaus ausgezeichnet. Dann hätten der Meister bzw. die Werkstatt in Naumburg etwa von 1250 bis 1260 gearbeitet und wären danach in Meißen beschäftigt gewesen. In Meißen begann der Neubau um 1260. Die Bildhauer wären dort schon zu Beginn der Arbeiten am Neubau oder wenige Jahre später mit ihrer Aufgabe betraut worden. Ein früheres Datum für ihre Tätigkeit in Meißen ist unwahrscheinlich, denn die Meißner Standbilder müßten doch für irgendeine Stelle des Neubaus vorgesehen worden sein. Für den romanischen Bau waren sie, vor allem als Figuren eines Westportals, nicht verwendbar, denn dieser Bau hatte, wie man annimmt, kein Westportal;2 den Grabungsergebnissen zufolge führte sein Haupteingang durch ein Paradies auf der Südseite. Außerdem hätte man wohl kaum ein aufwendiges Portal in Auftrag gegeben, da man sich gerade anschickte, den zugehörigen Bau durch einen neuen zu ersetzen. Wie dem auch sein mag: die Daten passen u. E. zu gut zusammen, als daß man den Schluß von der Hand weisen könnte, mit dem Neubaubeginn oder allenfalls kurz danach seien der oder die Bildhauer nach Meißen berufen worden. Welchen Auftrag haben sie erhalten? Vor der Beantwortung dieser Frage ist es unerläßlich, sich den Bauablauf in Meißen in großen Zügen zu vergegenwärtigen. Der Bau von Chor und Querhaus einschließlich des östlichen Jochs des Langhauses dauerte von ca. 1260 bis ungefähr 1300. Dann erst folgten die weiteren Langhausjoche. Die Standbilder dürften in der Zeit zwischen 1260 und 1280 geschaffen worden sein, die Skulpturen im Kapitelsaal noch später. Darf man wirklich annehmen, man habe damals schon die Gestaltung des neuen Westportals in allen Einzelheiten bestimmt und sogar die Standbilder dafür 1

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Vgl. dazu Jahn, 1964, S. 17: „Zwei Hauptprobleme sind es, um die die Naumburg-Forschung immer wieder kreiste, seitdem sie einmal ernstlich in Gang gekommen war. Das erste ist die im 19. Jahrhundert kaum gestellte Frage nach der künstlerischen Einheitlichkeit der bildhauerischen Leistung. Immer deutlicher wurde erkannt, daß man es in Naumburg mit der Kollektivleistung einer Bildhauerwerkstatt zu tun hatte, und man bemühte sich festzustellen, was von der Hand des Hauptmeisters, des „Naumburger Meisters" war und was von der seiner Mitarbeiter." S. 18: „Im Naumburger Westchor handelte es sich um einen verhältnismäßig kleinen Komplex von 12 Statuen . . . Eine immer feiner werdende Analyse ihrer Formen ließ Stilverschiedenheiten erkennen, die man früher nicht gesehen hatte, und die nun zum Anlaß genommen wurden, ,die Hände zu scheiden' . . . Wenn die Stilanalyse auch nicht zu eindeutigen Ergebnissen hat führen können, so hat sie sich doch hier als heuristisches Prinzip bestens bewährt und unsere Einsichten in das Wesen des Naumburger Zyklus außerordentlich verfeinert." Vgl. dazu Gurlitt, 1919, S. 9f., vgl. auch Lehmann, in diesem Bande S. 6, wo zu den bisherigen Forschungen über die Vorgängerbauten des Meißner Doms kritisch Stellung genommen wird.

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schaffen lassen, obwohl man genau wissen mußte, daß den Versatz der Figuren vermutlich die nächsten Generationen noch nicht einmal erleben würden? Lag es nicht näher, erst einmal die Aufgaben der Gegenwart und nächsten Zukunft anzupacken? Ist es nicht selbstverständlich, daß man den Meister für Aufgaben im Bereich der Ostteile, vor allem des Chors gewann? Man sollte sich die zeitlichen Dimensionen klarmachen und dabei die Portalhypothese nicht aus den Augen verlieren: es wäre genauso, wenn heute jemand den Dekor für einen Bau entwirft und herstellt, der vermutlich erst Jahrzehnte nach dem Jahre 2000 entstehen wird. Denn daß man den Neubau nicht in wenigen Jahrzehnten würde bewältigen können, dürfte den Beteiligten nicht verborgen gewesen sein, und die Geschichte des Dombaus beweist es. Wäre es nicht denkbar, daß der Auftrag an den Bildhauer lautete: Schaffung von vier Standbildern der Stifter und Patrone für den Hochchor des Doms und von drei Standbildern für einen Eingangsraum im Winkel zwischen dem Südarm des Querhauses und dem Südseitenschiff? Fraglich bleibt, wie das Programm für die Portalvorhalle im einzelnen formuliert war. Geschaffen wurden eine Madonna, ein Standbild Johannes des Täufers und eine weitere Skulptur, deren Deutung bisher nicht gelungen ist, ein Mann mit einem Weihrauchfaß, Zacharias oder Diakon benannt.1 Maria mit dem Kinde steht im Zentrum zwischen den beiden Türen, die ins Querhaus und ins Seitenschiff führen. Zwischen ihr und Johannes dem Täufer ist die Tür ins Querhaus, zwischen ihr und dem „Diakon" die Tür ins Seitenschiff. Ein Hinweis zur Deutung des Diakon bzw. Zacharias mag erlaubt sein. Dargestellt ist hier gewiß nicht ein Diakon, ein Geistlicher, sondern ein Heiliger.2 Die nächstliegende Deutung wäre die schon in Erwägung gezogene als Engel. Die Verbindung von Architektur und Skulpturen ist im Meißner Eingangsraum wie im Westchor des Naumburger Doms so eng, daß beide Male ein Gesamtkunstwerk aus einem Guß entstanden ist. Der plastische Dekor im unteren Raum des Achteckbaus ist dem Naumburger frühgotischen Dekor nahe verwandt, obwohl eindeutig eine jüngere Entwicklungsstufe vorliegt. Man darf vermuten, daß der Achteckbau im ganzen der Naumburger Werkstatt bzw. ihrer direkten Nachfolge verdankt wird. 8 1

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Zur Namensgebung vgl. Gurlitt, 1919, S. 58: „Ein das Weihrauchbecken schwingender Heiliger, der als St. Zacharias und als St. Petrus Martyr angesprochen wird, anscheinend ein Diakon, . . . " In der nachfolgenden Forschung ist vom Diakon (z. B. Küas) oder Zacharias (z. B. Giesau) die Rede. Die Figur ist nämlich, wie alle Heiligenstandbilder des 13. Jahrhunderts im Naumburger und im Meißner Dom, unbeschuht. Im Gegensatz dazu haben alle Standbilder der Naumburger Werkstatt, die kirchliche Würdenträger oder Laien verbildlichen, Schuhe an: der Bischof im Ostchor des Naumburger Doms, der Naumburger Diakon, alle Stifterstandbilder im Westchor, Bischof Donatus, Kaiser Otto I. und selbstverständlich auch seine Gemahlin. Vgl. dazu Giesau, 1936, S. 19f., der freilich noch viel weiter geht: „Ein Zweifel daran, daß die Torhalle, so werden wir den kleinen Achteckbau seiner sachlichen Bedeutung entsprechend von jetzt an nennen, wirklich dem Naumburger Meister angehört, kann nicht bestehen, wenn wir sie mit dem Mittelportikus des Westlettners in Naumburg vergleichen. Die architektonischen Bestandteile, ihre Gliederung und ihr Aufbau decken sich völlig, soweit das bei der Verschiedenheit der Anlage überhaupt möglich ist. Aber gerade in den Abweichungen wird die innere Ähnlichkeit deutlich. Auch in Naumburg handelt es sich um ein überdecktes Tor, dessen Inneres polygonal gestaltet ist." Giesau fährt dann fort (noch S. 20): „Die Art der Aufstellung der beiden seitlichen Gestalten stimmt in Naumburg und in Meißen bis auf alle Einzelheiten genau überein, nur daß die Behandlung der gegliederten Sockelwand mit den Dreipaßblenden in Meißen reicher ist. Aber sonst ist alles das gleiche; sogar das Gesimsprofil stimmt genau

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Im unteren Raum des Achteckbaus sind Architektur, Bauplastik und Standbilder zu einer selbstverständlichen und überzeugenden Harmonie aufeinander abgestimmt, so daß der Gedanke, die Standbilder seien nicht für diesen Raum, sondern für ein Monumentalportal geschaffen, u. E. einfach abwegig ist — solange er nicht von objektiven, überprüfbaren und unwiderlegbaren Feststellungen gefordert wird. — Das ikonographische Programm im Zwischenjoch des Meißner Domchors, wo Skulpturenschmuck gewiß von Anfang an vorgesehen war, entspricht exakt dem, was man zu erwarten hat. Es ist dies eine noch aus dem 13. Jahrhundert überlieferte Anordnung, und die Standbilder müssen sogar etwa gleichzeitig mit dem Chor geschaffen worden sein. Liegt der Schluß nicht sehr nahe, auch sie seien von Anfang an für den Platz vorgesehen gewesen, an dem sie stehen? Wer sie mit den drei Standbildern des Achteckbaus in der ursprünglichen Planung für ein Portal bestimmt wissen will, das es nachweislich nie gegeben hat, müßte dafür zwingende Beweise liefern. überein. An sich würde es schwer sein zu entscheiden, ob der Meißner oder der Naumburger Baugedanke der in der Erfindung ursprüngliche ist, wenn hier nicht das stilistisch ältere Laubwerk der Kapitellchen in Naumburg für dieses spräche."

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LITERATURVERZEICHNIS

Die Reihenfolge ist alphabetisch entsprechend den gewählten Abkürzungen. Die Zitierung in den Anmerkungen erfolgt normalerweise mit Autornamen und Erscheinungsjahr. Bei Sammelwerken und Ähnlichem ist die gewählte Abkürzung jeweils am Schluß des Zitats vermerkt. Aubert, Marcel: L'architecture cistercienne en France. 2 Bde. Paris 1947 (2. Aufl.). Bachmann, Erich: Eine spätstaufische Baugruppe im mitteldeutschen Raum. Brünn und Leipzig 1940 (Beiträge zur Geschichte der Kunst im Sudetenund Karpathenraum 3). Beenken, Hermann: Der Meister von Naumburg. Berlin 1939. Behling, Lottlisa: Gestalt und Geschichte des Maßwerks. Halle 1944 (Die Gestalt 16). Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz Sachsen. Heft 26: Kreis Naumburg (Land). Bearb. v. Heinrich Bergner. Halle 1905. ( = Bergner, 1905). Borchers, Günther: Die Kirche des ehemaligen Augustiner-Chorherrenstifts Riechenberg bei Goslar. Grabungen und Untersuchungen 1951 — 52. Goslar 1955 (Beiträge zur Geschichte der Stadt Goslar 15). Borger, Hugo: Das Münster S. Vitus zu MönchenGladbach. Essen 1958 (Die Kunstdenkmäler des Rheinlands, Beiheft 6). Branner, Robert: The transept of Cambrai cathedral. I n : Gedenkschrift Ernst Gall. München-Berlin 1965. S. 6 9 - 8 6 . Codex diplomaticus Saxoniae regiae II, 1—3. Urkundenbuch des Hochstifts Meißen. Hrsg. von E . G. Gersdorf. Leipzig 1864/67. ( = CdSr). Corssen, W . : Alterthümer und Kunstdenkmale des Cisterzienserklosters St. Marien und der Landesschule zur Pforte. Halle 1868. Crosby, Sumner M c K . : L'abbaye royale de Saint-Denis. Paris 1953. Dehio, Georg, und Gustav v. Bezold: Die kirchliche Baukunst des Abendlandes. 2 Textbände und 5 Mappen Abb. Stuttgart 1 8 8 4 - 1 9 0 1 . ( = DehioBezold, 1 8 8 4 - 1 9 0 1 ) . 8

Meißner Dom

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99

Hamann, Richard, und Kurt Wilhelm-Kästner: Die Elisabethkirche zu Marburg und ihre künstlerische Nachfolge. Bd. 1: Kurt Wilhelm-Kästner: Die Architektur. Marburg 1924. ( = WilhelmKästner 1924).

Zander, Ilse: Sinn und Entstehung des Statuenzyklus im Meißner Dom. In: Forschungen und Fortschritte 30, 1956, S. 122/27. Zimmermann, Walther: Das Münster zu Essen. Essen 1956 (Die Kunstdenkmäler des Rheinlands, Beiheft 3).

ABBILDUNGSNACHWEIS

Textabbildungen

Tafelabbildungen

Nach Nach Nach Nach Nach Nach Nach

Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin, Arbeitsstelle für Kunstgeschichte, Aufn. Scharf: 29, 3 1 - 3 3 , 3 7 - 4 9 , 5 1 - 5 4 , 5 7 - 6 0 , 6 3 - 6 5 , 67, 68, 7 0 - 7 7 , 80, 81, 83, 85, 8 7 - 9 4 , 97 Deutsche Fotothek, Dresden: 30, 36, 50, 55, 61, 69 Institut für Denkmalpflege, Arbeitsstelle Halle: 82, 84 Fritz Hege, Naumburg: 56, 79, 86 G. Leopold/E. Schubert: 34, 35, 62, 66, 78, 95, 96, 98

100

Gurlitt, 1919: 1 , 3 , 5 , 7 - 1 4 , 1 8 , 2 0 , 2 1 , 2 3 , 2 5 , 2 7 Härtung, Veröffentlichungen 5, 1913: 2 Härtung, Veröffentlichungen 3, 1908: 4, 28 Mrusek, 1958, 6 E. Wipprecht/E. Lehmann: 15, 16 G. Leopold: 17 G. Leopold/E. Schubert: 19, 22, 24, 26

Hamann, Richard, und Kurt Wilhelm-Kästner: Die Elisabethkirche zu Marburg und ihre künstlerische Nachfolge. Bd. 1: Kurt Wilhelm-Kästner: Die Architektur. Marburg 1924. ( = WilhelmKästner 1924).

Zander, Ilse: Sinn und Entstehung des Statuenzyklus im Meißner Dom. In: Forschungen und Fortschritte 30, 1956, S. 122/27. Zimmermann, Walther: Das Münster zu Essen. Essen 1956 (Die Kunstdenkmäler des Rheinlands, Beiheft 3).

ABBILDUNGSNACHWEIS

Textabbildungen

Tafelabbildungen

Nach Nach Nach Nach Nach Nach Nach

Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin, Arbeitsstelle für Kunstgeschichte, Aufn. Scharf: 29, 3 1 - 3 3 , 3 7 - 4 9 , 5 1 - 5 4 , 5 7 - 6 0 , 6 3 - 6 5 , 67, 68, 7 0 - 7 7 , 80, 81, 83, 85, 8 7 - 9 4 , 97 Deutsche Fotothek, Dresden: 30, 36, 50, 55, 61, 69 Institut für Denkmalpflege, Arbeitsstelle Halle: 82, 84 Fritz Hege, Naumburg: 56, 79, 86 G. Leopold/E. Schubert: 34, 35, 62, 66, 78, 95, 96, 98

100

Gurlitt, 1919: 1 , 3 , 5 , 7 - 1 4 , 1 8 , 2 0 , 2 1 , 2 3 , 2 5 , 2 7 Härtung, Veröffentlichungen 5, 1913: 2 Härtung, Veröffentlichungen 3, 1908: 4, 28 Mrusek, 1958, 6 E. Wipprecht/E. Lehmann: 15, 16 G. Leopold: 17 G. Leopold/E. Schubert: 19, 22, 24, 26

TAFEL I

29. Meißen, Burgberg, von SO

T A F E L II

30. Meißen, Dom, Südseite mit Achteckbau und Querschiff, von S W

T A F E L III

31

Meißen, Dom, Nordseite mit Querschiff, von N W

T A F E L IV

32. Meißen, Dom, Chor, von SW

TAFEL V

33. Meißen, D o m , östlicher Teil der Langhausnordwand, von N W

T A F E L VI

34. Pforte, Zisterzienserklosterkirche, Chor, von SO

T A F E L VII

35. N a u m b u r g , D o m , Westchor, von SW

T A F E L VIII

36. Meißen, Dom, Kreuzganghof mit dem Südostturm und dem Westteil des Chors, von SO

T A F E L IX

37. Meißen, Allerheiligenkapelle, von SO

TAFEL X

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T A F E L XI

T A F E L XII

42. Meißen, Dom, „Plattengang", von W

41. Meißen, Dom, M a ß w e r k im Südfenster des Querschiffs ^Sääl •

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^ ^ ^ H H fett* S.SwiU* 43. Meißen, Dom, südöstlicher Pfeiler am Chorquadrat, von S

-' 44. Meißen, Dom, südöstlicher Pfeiler am Chorquadrat mit Ansatz der Chorumgangsarkaden, von O

T A F E L XIII

45. Meißen, Dom, Tür vom Nordostturm zum „Plattengang", von O

46. Meißen, Dom, Obergeschoßkapelle südlich neben dem Chor, nach O

47. Meißen, Dom, ehemaliger Durchgang vom Nordostturm zum unteren Chorumgang, von NO

48. Meißen, Dom, Türöffnung zwischen Obergeschoßraum im Nordostturm und Lettnerempore, Blick nach W

T A F E L XIV

T A F E L XV

TAFEL

XVI

53. Meißen, D o m , Langhaus, nach SO

TAFEL

54. Meißen, Dom, „basilikales J o c h " , Blick aus dem nördlichen Kreuzflügel, nach S W

XVII

T A F E L XVIII

55. Meißen, Dom, Chor, nach O

TAFEL

56. N a u m b u r g , D o m , Westchor, nach W

XIX

T A F E L XX

57. Meißen, Dom, Chor, nach N O

T A F E L XXI

58. Meißen, Dom, Chor, nach SO

T A F E L XXII

59. Meißen, D o m , Standbilder der Stifter O t t o und Adelheid

T A F E L XXIII

60. Meißen, D o m , Standbilder der Heiligen Johannes Evangelista und Donatus

TAFEL

XXIV

61. Meißen, D o m , Chor .mit Blick ins Langhaus, nach N W

TAFEL

62. Pforte, Zisterzienserklosterkirche, Chor, nach O

XXV

T A F E L XXVI

63. Meißen, Dom, Qucrschiff, nach SO

TAFEL

Ii

XXVII

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64. Meißen, D o m , Querschiff mit Ansatz des Chors, nach N O

T A F E L XXVIII

65. Meißen, D o m , südliche Chorspindeltreppe, von N

T A F E L XXIX

66. Pforte, Zisterzienserklosterkirche, Querschiff, nach N W

TAFEL

XXX

67. Meißen, Allerheiligenkapelle, nach O

TAFEL

68. Meißen, Dom, Wandfeld neben dem „basilikalen J o c h " , Blick nach SO

XXXI

TA F R 1. X X X I I

69. Meißen, Dom, Untergeschoß des Achteckbaus, nach NO

TAFEL

70. Meißen, D o m , Obergeschoß des Achteckbaus, nach SO

XXXIII

TAFEL

XXXIV

71. Meißen, D o m , Schlußstein im Obergeschoß des Achteckbaus

72. Meißen, D o m , Schlußstein im Untergeschoß des Achteckbaus

T A F E L XXXV

73. Meißen, Dom, Standbild der Maria

TAFEL

XXXVI

74. Meißen, D o m , Standbild des „Diakons"

T A F E L XXXVII

75. Meißen, Dom, Standbild des Johannes Baptista

TAFEL

XXXVIII

76. Meißen, D o m , nördliche Seitenwand des Lettners, von N

TAFEL

77. Meißen, D o m , Teil der westlichen Schauwand des Lettners, von W

XXXIX

TAFEL

XL

78. Pforte, Zisterzienserklosterkirche, Rundfenster in der Trinitatiskapelle

79. N a u m b u r g , D o m , Laubfries am Westlettner

80. Meißen, D o m , Laubfries am Treppenblock des Lettners

T A F E L XLI

81. Meißen, Dom, Schlußstein im Chorpolygon

82. Naumburg, Dom, Schlußstein im Polygon des Westchors

83. Meißen, Dom, Schlußstein im Rechteckjoch des Chors

84. Naumburg, Dom, Schlußring im Quadrum des Westchors

T A F E L XLII

85. Meißen, D o m , Chorgewölbe

T A F E L XLIII

86. N a u m b u r g , D o m , Gewölbe im Westchor

TAFEL

XLIV

87. Meißen, D o m , Vierungsgewölbe

TAFEL

88. Meißen, Allerheiligenkapelle, Gewölbe

XLV

TAFEL

LXVI

89. Marienstern, Zisterzienserinnenkloster, Schlußstein im Kapitelsaal

90. Meißen, Dom, Schlußstein im nördlichen Seitenschiff, 1. Joch von O

91. Meißen, D o m , Schlußstein i m südlichen Kreuzflügel

92. Meißen, Dom, Schlußstein im Erdgeschoß des Südostturms

T A F E L XL VI

95. Pforte, Zisterzienserklosterkirche, Schlußstein im Chor

96. Pforte, Zisterzienserklosterkirche, Schlußstein im Chor

T A F E L XLVIII

97. Meißen, D o m , Nische in der Südwand des Chorpolygons

98. Pforte, Zisterzienserklosterkirche, Konsole im Raum über den südlichen Querschiffkapellen